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-The Project Gutenberg EBook of Stein unter Steinen, by Hermann Sudermann
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
-other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of
-the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
-www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have
-to check the laws of the country where you are located before using this ebook.
-
-Title: Stein unter Steinen
-
-Author: Hermann Sudermann
-
-Release Date: May 14, 2020 [EBook #62132]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: ISO-8859-1
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK STEIN UNTER STEINEN ***
-
-
-
-
-Produced by Peter Becker and the Online Distributed
-Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This file was
-produced from images generously made available by The
-Internet Archive)
-
-
-
-
-
- +------------------------------------------------------------------+
- | Anmerkungen zur Transkription |
- | |
- | Gesperrter Text ist als _gesperrt_ dargestellt, Fettschrift als |
- | ·fett·, und Antiquaschrift als ~Antiqua~. |
- | Eine Liste der Änderungen befindet sich am Ende des Buchs. |
- +------------------------------------------------------------------+
-
-
-Stein unter Steinen
-
-
- Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger
- Stuttgart und Berlin
-
-
- Hermann Sudermann:
-
-
- Geheftet
-
- ·Im Zwielicht.· Zwanglose Geschichten. 30. Aufl. M. 2.--
-
- ·Frau Sorge.· Roman. 83. bis 87. Auflage M. 3.50
-
- ·Geschwister.· Zwei Novellen. 27. Auflage M. 3.50
-
- ·Der Katzensteg.· Roman. 61. bis 65. Auflage M. 3.50
-
- ·Jolanthes Hochzeit.· Erzählung. 27. Auflage M. 2.--
-
- ·Es war.· Roman. 38. Auflage M. 5.--
-
- ·Die Ehre.· Schauspiel in 4 Akten. 32. Auflage M. 2.--
-
- ·Sodoms Ende.· Drama in 5 Akten. 23. Auflage M. 2.--
-
- ·Heimat.· Schauspiel in 4 Akten. 34. Auflage M. 3.--
-
- ·Die Schmetterlingsschlacht.· Komödie in 4 Akten
- 9. Auflage M. 2.--
-
- ·Das Glück im Winkel.· Schauspiel in 3 Akten
- 15. und 16. Auflage M. 2.--
-
- ·Morituri:· Teja. Drama in 1 Akt. -- Fritzchen.
- Drama in 1 Akt. -- Das Ewig-Männliche.
- Spiel in 1 Akt. 17. Auflage M. 2.--
-
- ·Johannes.· Tragödie in 5 Akten und 1 Vorspiel.
- 28. Auflage M. 3.--
-
- ·Die drei Reiherfedern.· Dramatisches Gedicht in
- 5 Akten. 14. Auflage M. 3.--
-
- ·Johannisfeuer.· Schauspiel in 4 Akten. 20. Aufl. M. 2.--
-
- ·Es lebe das Leben.· Drama in 5 Akten. 20. Aufl. M. 3.--
-
- ·Der Sturmgeselle Sokrates.· Komödie in 4 Akten.
- 15. Auflage M. 2.--
-
- Die vorstehend verzeichneten Werke sind auch gebunden zu beziehen
-
- Preis für den Einband:
-
- in Leinen 1 Mark, in Halbfranz 1 Mark 50 Pf.
-
-
-
-
- Stein unter Steinen
-
- Schauspiel in vier Akten
-
- von
-
- Hermann Sudermann
-
- Elfte Auflage
-
- [Illustration]
-
- Stuttgart und Berlin 1905
-
- J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger
-
-
-~Copyright, 1905, by Hermann Sudermann~
-
-Alle Rechte vorbehalten
-
-
-Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart
-
-
-
-
-Personen
-
-
- ·Zarncke·, Steinmetzmeister.
-
- ·Marie·, seine Tochter.
-
- ·Frau Homeyer·, Wirtschafterin bei Zarncke.
-
- ·Jenisch·, Buchhalter.
-
- ·Eichholz·, Nachtwächter auf dem Werkplatz.
-
- ·Lore·, seine Tochter.
-
- ·Lenchen·, deren Kind.
-
- ·Willig·, Polier.
-
- ·Göttlingk·, Steinmetz.
-
- ·Jakob Biegler·.
-
- ·Reitmaier·, Kriminalkommissar.
-
- ·Lohmann·, }
- ·Sprengel·, } Arbeiter.
- ·Struve·, }
-
- Bildhauer, Steinmetzen, Arbeiter.
-
- Mehrere Frauen und Kinder.
-
- _Ort der Handlung_: Berlin.
-
- _Zeit der Handlung_: die Gegenwart.
-
- Zwischen dem ersten und dem zweiten Akt liegen drei Wochen,
- zwischen den folgenden Akten liegt je ein Tag.
-
-[Illustration]
-
-
-
-
-Erster Akt
-
- Wohnstube bei Zarncke. In der Mitte des Hintergrundes Tür nach
- dem Hausflur. Auf der linken Seite Tür nach Wirtschaftsräumen.
- Auf der rechten Seite ein breites Fenster nach dem Werkplatz
- führend. Davor, um eine Stufe erhöht, ein Podium mit bequemem
- Lehnstuhl und Tischchen. Links vorne ein Sofa mit Sofatisch
- und Sesseln. Im Hintergrunde links von der Tür ein Tischchen
- mit Wandkonsole darüber, rechts von der Tür ein Bücherschrank.
- Altväterisch-behagliche Ausstattung. Stahlstiche,
- Photographien, gestickte Sinnsprüche an den Wänden.
- Pfeifenständer, Zigarrenschränkchen, Bauer mit Kanarienvogel
- etc. etc.
-
-
-Erste Szene
-
- _Zarncke._ _Marie._ _Jenisch_
-
-
-·Zarncke·
-
- (Sechziger, mittelgroß, stark ergraut. Bartfunzeln auf den
- Backen. Gutmütig-vergnügte Äuglein. Sprechweise -- mit
- Anklängen ans Niederdeutsche -- weich, bisweilen harmlos
- polternd, voll stillen Grüblersinnes)
-
-·Marie·
-
- (Ende der Zwanzig, klein, bucklig. Fahle Krankheitsfarbe. Zwei
- schöne Augen voll wehmütig-lachender Güte. Gequetschte Sprache,
- bisweilen durch schweres Atmen unterbrochen. Bewegungen
- tastend, unsicher)
-
-·Jenisch·
-
- (behaglicher, beschränkter Zahlenmensch)
-
-·Zarncke· (mit Jenisch eintretend)
-
-Na, Miezelchen?
-
-·Marie·
-
- (die im Lehnstuhl sitzt, aufleuchtend)
-
-Vaterchen! (Will aufstehen)
-
-·Zarncke·
-
-Sitzen bleiben! Sitzen bleiben! (Tritt zu ihr hin und küßt sie auf die
-Stirn) Läßte dir die Maisonne in 'n Magen scheinen? Das is recht ...
-Na, Jenisch, was haben Sie da!
-
-·Jenisch·
-
-Die neuen Sandsteinproben aus den Knauerschen Brüchen, Herr Zarncke.
-(Reicht ihm die kleinen Blöcke)
-
-·Zarncke· (kratzt an den Rändern)
-
-Schreiben Sie man den Leuten, mein Kontorbedarf an Streusand sei
-vorläufig noch gedeckt.
-
-·Jenisch· (lacht respektvoll)
-
-·Zarncke·
-
-Zweite Post?
-
-·Jenisch·
-
-Jawohl. (Reicht ihm ein Paket Geschäftsbriefe)
-
-·Zarncke·
-
- (setzt sich an den Tisch und läßt die Kuverts durch die Hand
- gleiten)
-
-Nischt -- nischt -- nischt. (Ein Kuvert öffnend) Machen wir. (Ein
-zweites) Machen wir desgleichen. »Verein zur Besserung entlassener
-Strafgefangener«. Möchten sie mir mal wieder einen andeichseln? ... Na,
-wollen mal sehn ... (Legt das Kuvert beiseite und schiebt Jenisch die
-anderen Briefe hin) Zurück zur Beantwortung! ... Und wenn die Leute von
-der Polizei kommen wegen heute nacht -- das sag' ich besser draußen.
-(Zu Marie) Verzeih mal! (Öffnet das Fenster. Das klingende Geräusch
-der Meißelschläge, das Klirren der Flaschenzugketten, das Quietschen
-der Windewagen wird hörbar) Sie da! Willig! Polier! (Lauter) Polier!
-
-·Stimme des Poliers Willig·
-
-Jawohl, Herr Zarncke!
-
-·Zarncke·
-
-Wenn die Leute vom Kriminal kommen, lassen Sie sie gleich aufs Kontor
-führen. Ich will nicht, daß sie mir den Platz rabiat machen mit ihrem
-dummen Gefrage.
-
-·Stimme Willigs·
-
-Jawohl, Herr Zarncke.
-
-·Zarncke· (nachahmend)
-
-Jawohl, Herr Zarncke. (Schließt das Fenster, das Geräusch hört auf)
-
-·Marie·
-
-_Mußtest_ du's denn anzeigen, Vaterchen?
-
-·Zarncke·
-
-Ja, das frag' ich mich auch. Aber ich kann mir doch nicht zu
-nachtschlafender Zeit in meinen Magazinschlössern rumpulen lassen.
-Womöglich noch »Schön Dank« sagen ... Hören Sie mal, Jenisch, euch
-auf'm Kontor geht's ja eigentlich nischt an, aber wie denken Sie über
-den alten Eichholz?
-
-·Jenisch·
-
-Ja, Herr Zarncke, wir meinen, er wird sich nich mehr lange halten
-lassen. Als Wächter.
-
-·Zarncke·
-
-Na, als was denn sonst?
-
-·Jenisch·
-
-Das weiß ich ja nich.
-
-·Zarncke·
-
-Sinekuren gibt's nich bei mir auf'm Platz. Selbst mein Kanarienfritze
-hat sein Geschäft. Wenn der nich singt, dreh' ich ihm den Hals um.
-
-·Marie· (lächelnd)
-
-Na, na.
-
-·Zarncke·
-
-Was ist hier zu na-na-en! (Zärtlich) Du -- hä?
-
-·Marie· (lacht)
-
-·Zarncke·
-
-Der Alte hat seine dreißig Dienstjahre. Hat 's Geschäft groß werden
-sehen ... Wird mir schwer! (Pause) Abends, wenn er elfe gepfiffen hat,
-setzt er sich friedfertig auf einen Block, und dann sägt er los. (Ahmt
-einen Schnarchton nach) Und derweilen pulen mir die Herren Einbrecher
-in den Schlössern rum. Mir schwant so was, min Döchting, diese
-Instituschon is nich das richtige.
-
-·Marie· (lacht)
-
-·Zarncke·
-
-Also, Jenisch, ziehn Sie sich tapfer zurück.
-
-·Jenisch· (lachend)
-
-Adieu, Fräulein Mariechen.
-
-·Marie·
-
-Adieu, Herr Jenisch.
-
-
-Zweite Szene
-
- _Zarncke. Marie_
-
-·Zarncke·
-
-Dabei weiß ich genau, wer's gewesen is.
-
-·Marie·
-
-Am Ende gar der -- --?
-
-·Zarncke·
-
-Na natürlich.
-
-·Marie· (lachend)
-
-Du weißt ja noch gar nicht, wen ich meine.
-
-·Zarncke·
-
-_Du_ meinst den Struve. Und _ich_ mein' den Struve. Und draußen auf dem
-Platze meinen sie _auch_ den Struve. Aber weil sie mich nich blamieren
-wollen, tun sie, als hätten sie keinen Dunst ... Wozu hab' ich nu
-mal den Besserungspuschel? ... Wenn ich das Luder jetzt nich wieder
-raushaue, kriegt er zehn Jahre.
-
-·Marie·
-
-Um Gottes willen!
-
-·Zarncke·
-
-Fünfmal vorbestraft ... Davon zweimal mit Zuchthaus. Billiger tun
-sie's da nich ... Und so 'ne Seele von Mensch. Als die Steinmetzen
-neulich für den brustkranken Emil sammelten -- wo er doch als Arbeiter
-eigentlich gar nischt mit zu tun hat -- Wochenlohn blank auf den Tisch
-gelegt. Und muß mausen! ... Nämlich die Diamantsplitter in den neuen
-Zahnsägen haben's ihm angetan. Macht er dem Polizeimann dieselbe
-wehmutsvolle Gaunerschnauze, die er mir heute gemacht hat, dann sitzt
-er schon im Kittchen ... Ach, was hat man für'n Kreuz mit diesen Kerls!
-Immer wieder saust man rin.
-
-·Marie·
-
-Na, manchmal auch nicht.
-
-·Zarncke·
-
-Hm! Der Auschwitz war gut. Dem Blankmann hab' ich das Leben gerettet.
-Der Thiele hat sogar Karriere gemacht. Aber -- nee! -- nu Schluß! --
-Ich nehm' nu nich _einen_ mehr, den mir der Verein zuschanzt.
-
-·Marie·
-
-Na, na!
-
-·Zarncke·
-
-Mariechen, ich schwör' es dir. (Das Kuvert aufnehmend) Und wenn dies
-hier -- ein Lämmlein is, mit Zucker bestreut, ich tu's nicht. (Das
-Kuvert aufreißend) Wollen mal gleich sehn!
-
-·Marie·
-
-Weißt du, Vaterchen, dann lies lieber nicht. Nachher ist es ein
-interessanter Fall, und dann --
-
-·Zarncke·
-
-Kann's auch ungelesen zurückschicken. (Unschlüssig) Aber -- -- -- du,
-klingel mal, daß die Homeyer mir das Frühstück bringt.
-
-·Marie· (klingelt)
-
-·Zarncke·
-
- (die Papiere musternd, die in dem Kuvert stecken)
-
-Da is nu ein ganzes Schicksal drin.
-
-·Marie· (bittend)
-
-Vaterchen, mach dir das Herz nicht schwer. Lies lieber nich.
-
-·Zarncke·
-
-Man soll zwar keinen von seiner Türe weisen. Na, wie du meinst. (Legt
-das Kuvert hin)
-
-
-Dritte Szene
-
- _Die Vorigen. Frau Homeyer_
-
- (Frau Homeyer, kraftvolle, hübsche Person, zu Anfang der
- dreißig. Energische Bewegungen. Haare kokett gelockt, mit einem
- Stich ins Gemeine)
-
-·Frau Homeyer·
-
- (die Frühstückstablette mit belegten Brötchen und einer
- Rotweinflasche hereintragend)
-
-Schönen guten Morgen wünsch' ich.
-
-·Zarncke·
-
-Wir haben uns ja heut schon gesehn, Homeyerchen.
-
-·Frau Homeyer·
-
-Wenn auch. Ich sag' noch mal »Guten Morgen«. Das ziemt sich für mich.
-(Auf die Tablette weisend) Is alles gut so?
-
-·Zarncke·
-
-Hm. Fein.
-
-·Frau Homeyer·
-
-Fräulein Mariechen, was möchten Sie?
-
-·Marie·
-
-Danke. Danke.
-
-·Frau Homeyer·
-
-Is Ihnen heute wieder nich ganz frisch?
-
-·Marie·
-
-Doch. Doch.
-
-·Frau Homeyer·
-
-Nu sagen Sie doch. Ich will doch sorgen für Sie. Ich kann mir gar nich
-genug tun für Sie.
-
-·Zarncke·
-
-Ja, ja, Sie sind eine Perle.
-
-·Frau Homeyer·
-
-Herr Zarncke, ich kümmre mich um keinen Menschen sein Lob. Ich bin eine
-ehrbare Witwe. Wer so viel Leid durchgemacht hat im Leben, wie ich --
-ach ja!
-
-·Zarncke·
-
-Ihr vieles Leid is Ihnen aber ganz gut bekommen, hören Sie mal.
-
-·Frau Homeyer·
-
-Ach ja. Ich hab' mir ganz gut konserviert.
-
-·Zarncke·
-
-Und dann so die ehrbare Lebensweise.
-
-·Frau Homeyer· (seufzend)
-
-Ja, ja.
-
-·Zarncke·
-
-Hören Sie mal, Kindchen, noch eine Frage: Haben Sie vielleicht irgend
-was gehört, heute nacht?
-
-·Frau Homeyer·
-
-Ja. Gehört hätt' ich wohl so einiges. -- Schritte und so.
-
-·Zarncke·
-
-Warum haben Sie denn nichts davon gemeldet?
-
-·Frau Homeyer·
-
-Hat mich ja keiner gefragt. Außerdem: ich geb' keinen an. Ich misch'
-mich nich in fremde Sachen.
-
-·Zarncke·
-
-So -- das sind fremde Sachen für Sie?
-
-·Frau Homeyer·
-
-Gott! Wo hab' ich denn gedacht, daß es gleich Einbrecher sind?
-
-·Zarncke·
-
-Na, was denn sonst?
-
-·Frau Homeyer·
-
-Ich hab' gedacht: es is eben Frühling, -- da werden die Mannsleute
-doll --
-
-·Zarncke·
-
-Und die Weibsleute auch.
-
-·Frau Homeyer·
-
-Von mir können Sie so was nich sagen, Herr Zarncke. Von dem Tage an,
-daß mein armer sel'ger Mann --
-
-·Zarncke·
-
-Scht, scht, scht! _Wenn_, dann würd's auch nichts ausmachen. Na -- und?
-
-·Frau Homeyer·
-
-Und der alte Eichholz schläft natürlich. (Mit Betonung) Und die Tochter
-schläft eben auch. Nu ja.
-
-·Zarncke·
-
-Ach so! Das geht gegen die Lore!
-
-·Frau Homeyer·
-
-Ich hab' nichts gesagt. Ich misch' mich in gar nichts. Laß das Fräulein
-Lore tun, was sie will. Es braucht nich jede so'n Wandel zu haben, wie
-ich. Aber schließlich läuft auf dem Werkplatz 'n kleines Mädchen rum.
-Vater unbekannt.
-
-·Zarncke·
-
-Der Vater ist nicht unbekannt.
-
-·Frau Homeyer·
-
-Ach ja, man nennt ja wohl so gewisse Namen. -- Warum heiratet er sie
-denn nich?
-
-·Zarncke·
-
-Das geht mich nichts an. Und Sie auch nicht ... Was hast du, Mariechen?
-
-·Marie·
-
- (die mit geschlossenen Augen in den Sessel zurückgesunken ist)
-
-Nichts, Vaterchen. Du weißt ja. Mir wird manchmal so grasgrün.
-
-·Frau Homeyer·
-
- (die eilig ein Glas Wasser gefüllt hat)
-
-Glas Wasser, Fräulein Mariechen? Glas Wasser?
-
-·Marie· (trinkt -- matt)
-
-Danke schön.
-
-·Frau Homeyer·
-
-Sonst noch Wünsche? ... Nein. (Da niemand antwortet, ab)
-
-
-Vierte Szene
-
- _Zarncke. Marie._ Später _Lenchen_
-
-·Zarncke·
-
-Miezelchen!
-
-·Marie·
-
-Verzeih schon, Vaterchen. Es ist wohl der Frühling. Der macht einem
-Kopf und Glieder so schwer.
-
-·Zarncke·
-
-Ja, ja, es is der Frühling ... Selbst ich alter Knochen spür' ihn.
-Willst nich was essen? Wart, ich bring' dir. Der Doktor hat gesagt, du
-sollst eine sitzende Lebensweise führen, also führe du eine sitzende
-Lebensweise. (Setzt den Teller vor sie hin und nimmt ein Brötchen) Ganz
-lecker! Magst du das Frauenzimmer eigentlich?
-
-·Marie·
-
-Ach Gott!
-
-·Zarncke·
-
-Ich hab' sie so lieb, weil sie mich so hübsch anschwindelt. Bißchen
-Kuddelmuddel muß sein um einen 'rum, sonst weiß man gar nich, daß
-man lebt ... Jetzt läuft sie auch hinter dem Göttlingk her. Darum
-der Haß auf die Lore ... Ja, der Frühling! ... Und mit dem Arbeiten
-gar da geht's bei allen nich ... Sie pfeifen die Sonne an, und wenn
-sie Mittags auf den zwei Richtscheiten liegen, dann sind sie nich
-hochzukriegen. (Seufzend) Junges Volk! ... Übrigens, du! Zu der Amsel
-auf dem Kantinendach hat sich ein Weibchen gefunden.
-
-·Marie· (freudig)
-
-Ach! Gott sei Dank. Dann wird sie sich nich mehr die Seele aus dem
-Leibe schreien ...
-
-·Zarncke·
-
-Andere Leut' schweigen sich die Seele aus dem Leibe.
-
-·Marie· (betroffen)
-
-Wie meinst du das?
-
-·Zarncke·
-
-Na, is doch so ... Schadt nischt! Sein Geheimfach hat jeder. --
-
-·Marie· (hinaushorchend, ruft)
-
-Lenchen! (Sie öffnet das Fenster, der Lärm des Werkplatzes dringt
-herein, wie vorhin) Lenchen!
-
-·Die Stimme Lenchens· (jubelnd)
-
-Tante Mariechen!
-
-·Marie·
-
-Komm ans Fenster! Komm!
-
-·Zarncke·
-
-Tante nennt sie dich?
-
-·Marie·
-
-Soll sie nicht, Vaterchen?
-
-·Zarncke·
-
-Ja, ja. Kommt auf eins 'raus.
-
-·Marie·
-
-Na, kletter hoch!
-
-·Lenchens·
-
- (Kopf erscheint in der Fensteröffnung)
-
-Tag, Tante Mariechen.
-
-·Marie·
-
-Klettre, Katz! Klettre!
-
-·Lenchen·
-
-Mußt helfen.
-
-·Zarncke·
-
- (da Marie eine Bewegung macht, rasch)
-
-Nicht du! Ich, ich! (Zieht das Kind durch das Fenster herein und setzt
-es auf den Boden)
-
-·Lenchen·
-
- (die Arme um Mariens Knie schlingend)
-
-Tante Mariechen! Tante Mariechen!
-
-·Marie· (sie herzend)
-
-Willst 'n Bonbon oder 'ne Butterstulle?
-
-·Lenchen·
-
-Butterstulle.
-
-·Marie·
-
- (gibt ihr ein zusammengeklapptes Butterbrot)
-
-·Lenchen·
-
- (setzt sich ihr zu Füßen auf die Stufe des Podiums und ißt
- unbekümmert)
-
-·Marie·
-
-Und das soll nun 'ne Schande sein -- so ein Engelskind!
-
-·Zarncke·
-
-Hättst wohl gern so 'n Stückchen Schande an dir?
-
-·Marie· (inbrünstig)
-
-Ach so gerne, Vaterchen, so gerne!
-
-·Zarncke·
-
-Tja! Vielleicht gibt sie's dir!
-
-·Marie·
-
-So was zu fordern, hätt' ich nicht das Herz. (Streichelt die Kleine und
-spricht leise zu ihr)
-
-·Zarncke·
-
-Tja! (Geht an den Tisch, trinkt ein Glas Rotwein, sieht verstohlen nach
-Marie, nimmt das Kuvert, reißt die Papiere heraus und beginnt zu lesen)
-
-·Marie·
-
- (sieht es, lächelt und macht sich von neuem mit der Kleinen zu
- schaffen)
-
-·Zarncke· (murmelnd)
-
-Zu mir will der Mensch? Warum will der Mensch gerade zu mir? (Steckt
-die Papiere heimlich ins Kuvert zurück und geht erregt im Zimmer umher)
-Was kann man da machen? Was --
-
-·Marie· (bittend)
-
-Vater!
-
-·Zarncke·
-
-Was denn?
-
-·Marie·
-
-Allen hilfst du! Jeder Verbrecher kann zu deiner Türe kommen. Hilf doch
-auch dem Kinde!
-
-·Zarncke·
-
-Ja, leicht gesagt! ... Wie?
-
-·Marie·
-
-Rede mit Göttlingk wegen Lore.
-
-·Zarncke·
-
-Ich _hab_' mit ihm geredet. Zwingen kann ich ihn nicht.
-
-·Marie·
-
-Erst wollt' er noch auf die Wanderschaft. Fünf Jahre ist er weg
-gewesen. Als Herr ist er wiedergekommen.
-
-·Zarncke·
-
-Herr? ... Künstler! Künstler is er geworden. Dieser wüste Kerl kann
-mehr als ... Seinethalben braucht' ich gar keine Bildhauer mehr. Den
-schwierigsten Auftrag kann ich annehmen, seit er da ist.
-
-·Marie·
-
-Vater, sprich mit ihm. Nun wird sie auch noch den Schmerz erleben mit
-dem Alten. Ich mag das Elend nicht mehr mit ansehn.
-
-·Zarncke·
-
-Er sagt, er kann noch nicht. Er hat noch Höheres vor.
-
-·Marie·
-
-Je Höheres er vorhat, desto schlechter wird sie ihm.
-
-·Zarncke·
-
-Komm' ich ihm grob, dann wirft er mir den Meißel vor die Füße. Na und
-dann? ... Weißt du: Sprich du mit ihm.
-
-·Marie· (erschrocken)
-
-Ich? ... Nein, nein, nein.
-
-·Zarncke·
-
-Warum nicht?
-
-·Marie·
-
-Vaterchen -- das -- kann ich nicht.
-
-·Zarncke·
-
-Siehst du. Man kann manches nicht. (Es klopft) Herein.
-
-
-Fünfte Szene
-
- _Die Vorigen. Eichholz_
-
- (Eichholz: Ende der Sechzig, knickbeinig, würdevoll-finster,
- mit militärischem Anflug, alter Schwadroneur, fast weißes,
- buschiges Haar, Rundbart mit ausrasierter Oberlippe, Bratenrock
- mit Ordensschnalle und eisernem Kreuz)
-
-·Zarncke·
-
-Na Eichholz! Ausgeschlafen?
-
-·Lenchen· (ihm entgegen)
-
-Großvaterchen! Großvaterchen!
-
-·Eichholz· (will sie nicht sehen)
-
-·Marie·
-
-Pscht! Lenchen! Komm her! Großvater hat keine Zeit. (Sie beginnt zu
-sticken. Das Kind spielt)
-
-·Eichholz·
-
-Nja.
-
-·Zarncke·
-
-Und so feierlich! Was is denn los?
-
-·Eichholz·
-
-Herr Zarncke -- ich möchte -- freundlichst -- um meine Entlassung
-gebeten haben.
-
-·Zarncke·
-
- (mit Marie einen erfreuten Blick wechselnd)
-
-Sieh mal an!
-
-·Eichholz·
-
-Denn ich habe nämlich in Erfahrung gebracht -- daß die Steinmetzen
-behaupten -- _wollen_, daß ich gewissermaßen -- meines Amtes nicht mehr
-gewachsen bin.
-
-·Zarncke·
-
-So?
-
-·Eichholz·
-
-Denn im Punkte des Ehrgefühls, da laß ich mir nicht drankommen. Und
-wenn die Steinmetzjungens sich die Schnauze verbrennen, damit, daß sie
-nicht wissen tun, was ein gewissenhafter Mann ist, und was ein sehr
-tauglicher Mann ist --
-
-·Zarncke·
-
-Nu kohlt er wieder.
-
-·Eichholz·
-
-Und was ein königstreuer Mann ist ... Und wo ich mir habe in Ihrem
-Dienste lädiert, daß ich mir habe nämlich die Schulterblattmuskeln
-ausgefallen.
-
-·Zarncke·
-
-Ich weiß, ich weiß, ich weiß.
-
-·Eichholz·
-
-Und wo ich da immer noch ein wollenes Fellchen, wie man so sagt, ein
-Puschemauchen, drum herumtrage, wegen den Reimantismus, wo ich mir auch
-im Dienste geholt habe.
-
-·Zarncke·
-
-Ja -- so Nachts auf dem kalten Stein schl-- (sich rasch verbessernd)
-sitzen -- sitzen, das hält der Kräftigste nicht aus.
-
-·Eichholz·
-
-Ich? Sitzen? ... Sitzen? Ich -- Nachts? Nu sagen Sie bloß noch, Herr
-Zarncke, ich hab' auch die Augen zugemacht, dann kann ich ruhig jehn,
-mir aufhängen.
-
-·Zarncke·
-
-Na, na, na. Sagt ja keiner. (Zu Marie) Was fängste da an?
-
-·Eichholz·
-
-Wo ich doch schon Kummer genug hab' -- mit meine Tochter -- und hier
-mit -- diese -- diese -- Mestize.
-
-·Marie· (hebt erstaunt den Kopf)
-
-·Zarncke·
-
-Wieso Mestize?
-
-·Eichholz·
-
-Nu, was ein ungebührliches Kind is -- 's is ja schlimm, daß man das
-selber sagen muß, -- aber das is doch nich anders, das is doch eine
-Mestize.
-
-·Zarncke·
-
-Ach, Sie haben wohl ein Indianerbuch gelesen?
-
-·Eichholz·
-
-Ja, so Sonntagnachmittag, wenn ich 'n freien Momang habe, dann les' ich
-wohl sehr gerne in de Indianerbiecher.
-
-·Zarncke·
-
-Nu hören Sie mal, lieber Eichholz, alter Kriegskamerad, wie wär's, wenn
-Sie sich mal 'n bißchen mehr Ruhe gönnten?
-
-·Eichholz·
-
-Ja, ich bin aber ausgeschlafen so gegen zehne.
-
-·Zarncke· (leise zu Marie)
-
-Kunststück! ... Nein, nein, ich meine zur Nachtzeit, Eichholz.
-
-·Eichholz·
-
-Ja, wenn man das so ginge, Herr Zarncke. Aber was 'n gewissenhafter
-Wächter is und 'n tauglicher Wächter is, der hat Ohren, sag' ich Ihnen,
-der hört den Maulwurf graben zur nächtlichen Stunde, sag' ich Ihnen.
-
-·Zarncke·
-
-Aber von Einbrechern haben Sie heute nacht nichts gehört -- hä?
-
-·Eichholz·
-
-Hähähähä! Da lach' ick äwwer.
-
-·Zarncke· (ernst)
-
-Heute nacht ist nämlich eingebrochen worden, Eichholz.
-
-·Eichholz· (gekränkt)
-
-Fangen Sie nu auch so an, Herr Zarncke, wie die Steinmetzjungens?
-
-·Zarncke· (ernst)
-
-Ich muß wohl, Eichholz.
-
-·Eichholz· (versteht, fassungslos)
-
-Ach so! (Sein Gesicht verändert sich)
-
-·Zarncke· (bittend)
-
-Nu sehn Se mal, alter Freund. Sie gehn auf die Siebzig. Nu schlafen Sie
-sich doch mal ordentlich aus. Im Bett. Verstehen Sie. Im ordentlichen
-Bett.
-
-·Eichholz· (kläglich)
-
-Ich kann gar nich im Bett schlafen.
-
-·Zarncke·
-
-Dann werd' ich Ihnen einen schönen, harten Granitblock in Ihre
-Schlafkammer schaffen lassen ... damit Sie Ihre Bequemlichkeit haben ...
-
-·Eichholz· (brütend)
-
-Nja.
-
-·Zarncke·
-
-Und Not sollen Sie auch nich leiden. Ich setz' Ihnen 'ne Pension aus
-... Können auch wohnen bleiben ... Bei Tag schustern Sie 'n bißchen
-oder läuten die Pausen ab oder helfen Ihrer Tochter in der Kantine.
-
-·Eichholz·
-
-Und gewöhn' mir das Saufen an.
-
-·Zarncke·
-
-Sie werden doch nich.
-
-·Eichholz·
-
-Herr Zarncke, ich bin ein Mann -- hochgeehrt -- ich hab' anno 70 immer
-mit am Offezierstisch gegessen.
-
-·Zarncke·
-
-Na, na.
-
-·Eichholz·
-
-Ja ... Ich bin nie 'n Fettschmecker gewesen und 'n Saufjee, ich hab'
-noch nich mal 'n Stückschen Käse ins Schnapsglas getunkt.
-
-·Zarncke·
-
-Schmeckt ja auch gar nich.
-
-·Eichholz·
-
-Das is nu Ansichtssache, Herr Zarncke ... Aber wenn man in eine so
-lausige Beschaffenheit versetzt wird, daß das Ehrgefühl im Menschen so
-sehr gekränkt wird, wo man doch von seinem redlichen Schustergewerbe
-nichts mehr übrig hat wie 'n paar Lederabfälle und zehn steifgewordene
-Finger ... und ehe man so'ne Schandpanksjohn annimmt ...
-
-·Zarncke·
-
-Sie sind ja ein ganz beißiges altes Vieh, hören Sie mal ...
-
-·Eichholz·
-
-Ich ... ich ... hab'... ich ... (Würgt)
-
-·Zarncke·
-
-Na, na, Eichholzchen ... Nu si doch man wedder good, min Sähn.
-
-·Eichholz· (befehlshaberisch)
-
-Lenchen!
-
-·Marie· (ängstlich)
-
-Nein, nein, das Kind bleibt hier.
-
-·Eichholz·
-
-Ich und Lenchen -- wir gehn jetzt aus'm Haus.
-
-·Zarncke·
-
-Wenn Sie aus dem Hause gehen wollen, Eichholz, dann kann ich nichts
-dagegen haben -- das heißt, Sie werden sich ja noch anders besinnen --
-
-·Eichholz·
-
-Na, glauben Sie, geehrter Herr, ich werd's mit ansehn, daß irgend
-so ein hergelaufener Sch -- Schlump jetzt sagen kann, ich bin dem
-weggejagten Alten da -- sein Nachfolger. Das -- nee -- nee -- nee!
-Ich hab' noch 'ne kleine Nachrechnung, Herr Zarncke. Wegen ein paar
-reparierte Absätze, die schenk' ich Ihnen, Herr Zarncke. Ich arbeit'
-nich mehr für Sie ... Guten Morgen, Herr Zarncke. (Ab)
-
-
-Sechste Szene
-
- _Zarncke. Marie. Lenchen. Später Lore_
-
-·Zarncke· (verzweifelt)
-
-Na -- nu is er rabiat. Nu geht er sausen. --
-
-·Marie·
-
-Du warst milde genug, Vaterchen.
-
-·Zarncke·
-
-Ja, wenn's Maschinen wären. Aber jeder is 'n Mensch. Jeder hat sein
-Schicksal.
-
-·Marie·
-
-In sich, Vater.
-
-·Zarncke·
-
-Wenn das wahr wäre, dann wär' ich nicht schon so vielen ihr Schicksal
-gewesen ... In sich! ... Spreu sind wir im Winde. Es kommt nur drauf
-an, von wo er bläst ... Na -- vielleicht kann man's an einem andern
-wieder gutmachen. (Nimmt die Papiere) Da wird heute einer kommen. So
-einen hatten wir noch nicht.
-
-·Marie·
-
-Was hat er denn pekziert?
-
-·Zarncke·
-
-Frag nicht. Nachher drückt's dich.
-
-·Lores Stimme· (draußen rufend)
-
-Lenchen! Lenchen!
-
-·Lenchen· (aufhorchend)
-
-Das is Mama. Ich will zu Mama.
-
-·Marie·
-
- (das Fenster öffnend, durch das diesmal kein Geräusch
- hereindringt)
-
-Das Kind is bei mir drin, Lore.
-
-·Zarncke· (nach der Uhr sehend)
-
-Alles still? Is schon Frühstückspause?
-
-·Lores·
-
- (Kopf erscheint in der Fensteröffnung)
-
-Dank' schön, Fräulein Mariechen. (Zu Lenchen, die die Arme ausstreckt,
-sich vorbeugend) Na, hopp!
-
-·Zarncke·
-
-Du kannst mal 'reinkommen, Lore.
-
-·Lore·
-
-Wenn ich darf, Herr Zarncke. (Verschwindet)
-
-·Marie·
-
- (schließt das Fenster und beruhigt Lenchen, die weinen will)
-
-·Zarncke·
-
-Und findet sich der Mann hier 'rein -- der Mann von diesem Brief --
-Biegler heißt er -- dann schick ihn nicht ins Komptor, dann laß mich
-lieber rufen. (Es klopft) Herein!
-
-·Lore· (erscheint in der Tür)
-
-·Zarncke·
-
-Du, Lore, ich muß dir was sagen: Vater is von heute ab --
-
-·Lore·
-
- (Mitte der Zwanzig. Hübsch, vollkräftig mit Spuren
- seelischen Leidens. Sprechweise bald ohne Grund erregt,
- bald scheinbar teilnahmslos. Bewegungen müde, schwerfällig,
- jäh in Leidenschaftlichkeit umschlagend. Helle, schlichte
- Sommerkleidung des Mädchens aus dem Volke, ein wenig über dem
- Habitus der Dienerin stehend)
-
-Ich weiß schon, Herr Zarncke. Es ging ja schon lang' nich mehr.
-
-·Zarncke·
-
-Na, Gott sei Dank, daß ich mich bei dir nicht zu entschuldigen brauch'.
-
-·Lore·
-
-Ach, Sie! (Beugt sich rasch nieder, um ihm die Hand zu küssen)
-
-·Zarncke·
-
-Na, na, na! Und wegen Unterhalt, da -- (Beruhigt sie mit einer
-Handbewegung) Aber stell ihm die Kümmelflasche höher. Das rat' ich dir,
-Kind! (Klopft sie auf die Schulter. Ab)
-
-·Lenchen· (die Arme hochhebend)
-
-Mama! Mama!
-
-·Lore·
-
- (ihr mit dem Schürzenzipfel den Mund putzend)
-
-Ich hab' immer Angst, daß ihr ein Steinsplitter ins Aug' fliegt.
-
-·Marie·
-
-Ach, sie passen schon auf. Sie haben sie ja alle lieb.
-
-·Lore·
-
-Ja ... Die andern ja. -- Bloß der der nächste dazu is --
-
-·Marie·
-
-Er wird's nicht zeigen wollen.
-
-·Lore·
-
-Gestern hat ihr einer 'ne Wippe zurechtgemacht. Und wie er vorbeikommt,
-da ruft sie ihn an, er soll sie schaukeln. Da hat er sie weggeschoben
--- na wie? 'n jungen Hund schiebt man nich so.
-
-·Marie·
-
-Das hängt anders zusammen, Lore. So schlecht ist kein Mensch. Und er
-sicherlich nicht. Sicherlich nicht.
-
-·Lore·
-
-Wenn Sie alles wüßten, Fräulein Mariechen. --
-
-·Marie·
-
-Kannst ruhig »du« sagen. Es hört uns keiner.
-
-·Lore·
-
-Ach, ich verdien's ja nich ... Warum rührst du mich an? Warum gibst du
-dich ab mit mir? (Verbirgt den Kopf an ihrer Stuhllehne)
-
-·Marie· (sie streichelnd)
-
-Na, na, Lore. Als du so groß warst wie die, da hab' ich dich schon
-gestreichelt. Dabei lassen wir's auch. (Da Lenchen weinerlich
-dazukommt) Du, Lenchen, der weiße Bär ist ein Eisbär. Und den bind
-mal nu an die Leine. (Reicht dem Kinde eine Porzellanfigur und ein
-Garnknäuel)
-
-·Lore·
-
-Ja, Lenchen, tu das.
-
-·Lenchen·
-
- (fängt beruhigt von neuem zu spielen an)
-
-·Marie·
-
-Und laß uns mal vernünftig reden. Was versteckst du dich? Warum sagst
-du nicht ganz offen, daß er der Vater ist?
-
-·Lore· (verängstigt)
-
-Gott, wie kann ich denn? Er hat's doch verboten.
-
-·Marie·
-
-Warum läßt es dir verbieten?
-
-·Lore·
-
-Als er im Herbst von der Wanderschaft kam, da sagt' er zu mir: »Willst
-du, daß ich wieder eintrete auf dem Platz?« Ich glaub', ich hab' ihm
-noch die Hände geküßt in meinem Glück ... Aber eine Bedingung hatte er
-dabei. »Mund halten,« sagt' er, »daß keiner was erfährt.« ... Die's von
-früher wußten, waren inzwischen weg. Bloß der Polier ... Und das ist
-sein Freund. Vater hat er auch in der Tasche ... Und nun beiß' ich mir
-rein die Zunge ab Tag für Tag und denk': Endlich muß das Schweigen doch
-ein Ende nehmen. Aber es geschieht nichts ... Er kommt in die Kantine.
-Ganz vergnügt. Bloß nicht allein. Da hütet er sich.
-
-·Marie·
-
-Was soll er zu dem allem aber für 'n Grund haben?
-
-·Lore· (achselzuckend)
-
-Ich denk' mir, er hat eine andere im Sinn.
-
-·Marie· (erschreckt, beklommen)
-
-Wen denn?
-
-·Lore·
-
-Vielleicht hat er sich eine aus Mailand mitgebracht, vielleicht -- ach,
-wer kann wissen?
-
-·Marie· (auf Lenchen weisend)
-
-Und du meinst, daß auf'm Platz keiner was ahnt?
-
-·Lore·
-
-Die denken sich schon ihr Teil. Aber er tut ja doch mit allen, was er
-will ... Er ist mehr Herr auf dem Platz als der Polier. Da wagt keiner
-zu mucksen ... Und wenn er ihnen gar was vorsingt, was er da unten von
-den Weibern gelernt hat ... Darauf sind sie _rein_ doll ...
-
-·Marie· (träumerisch)
-
-Ja, schön singt er! ... Ach, Lore, was bist du dumm! (aufschluchzend)
-Da spielt dein Kind! Dein Kind spielt da. Und du jammerst.
-
-·Lore· (erschrocken)
-
-Mariechen!
-
-·Marie· (sich zusammenraffend)
-
-Ach, es ist der Frühling ... Es ist der ... Der macht einen ganz ...
-Und du jammerst.
-
-·Lore· (mit wehem Lächeln)
-
-Ich jammer' ja auch nich.
-
-·Marie·
-
-Aber du schleichst 'rum und quälst dich mit deiner Schande. -- Schande!
-Was ist Schande? ... Unser Leib ist ein Tempel ... Und Gebären ist
-Gottesdienst ... Nur wenn der Tempel im Bau verpfuscht wurde, dann ist
-es schlimm ... dann kommt der Frühling, und das Amselweibchen baut, und
-man selbst ist schon Ruine.
-
-·Lore·
-
-Du kannst auch noch glücklich werden, Mariechen.
-
-·Marie·
-
-Ich möcht' schon ... Aber wer wird vorliebnehmen mit mir? ... Und ich
-bin so mutig da drinnen! ... Ich möcht' was verpflanzen von mir in
-dich. Daß du den Kopf wieder hebst. -- Nicht mehr wie 'n Stein bist in
-deinem Gram.
-
-·Lore· (lacht bitter)
-
-·Marie· (mit sich kämpfend)
-
-Du -- soll ich -- reden mit ihm?
-
-·Lore·
-
-Du -- mit ihm?
-
-·Marie· (nickt)
-
-·Lore· (ohne Hoffnung)
-
-Ja, wenn du das willst. Aber noch nicht ... Wart lieber noch ...
-Vielleicht, daß er _doch_ --
-
-·Marie· (stockend)
-
-Es wird mir -- ja nicht -- leicht fallen ... Ich kenn' ihn ja auch kaum
-mehr -- den großen Herrn ... Aber wenn man was _sehr gerne_ will, dann
-wird man's doch auch -- können. -- Na, freut's dich gar nicht?
-
-·Lore·
-
- (die Hand mutlos vor die Stirne legend)
-
-Ach! ... (Es klopft)
-
-·Marie·
-
-Herein!
-
-
-Siebente Szene
-
- _Die Vorigen. Jakob Biegler_
-
- (Jakob Biegler: Mitte der Dreißig, sehr dürftig, doch nicht
- schmutzig gekleidet, Hose von grauem Bauernvelvet, vielfach
- geflickt und zu kurz. Altes, blankgewordenes Jakett,
- gleichfalls geflickt, darunter braune Strickweste. Defektes
- Schuhwerk. Wäsche nirgends zu sehn. -- Gelbes, zermürbtes
- Gesicht mit scheuen Augen und kurzem, wildwachsendem Blondbart.
- Auftreten gedrückt, verhetzt, bisweilen in verzweifelte Rauheit
- umschlagend)
-
-·Biegler·
-
-Guten Morgen.
-
-·Marie·
-
-Sie wünschen meinen Vater zu sprechen?
-
-·Biegler·
-
-Herrn Zarncke -- möcht' ich sprechen.
-
-·Marie·
-
-Heißen Sie Biegler?
-
-·Biegler· (betroffen)
-
-Ach so! -- Sie wissen schon. Na -- dann -- (Macht eine halbe Wendung
-zur Tür)
-
-·Lenchen·
-
- (ist zu ihm gegangen und streckt die Hand empor)
-
-Guten Tag!
-
-·Marie·
-
- (seinen Seelenzustand erkennend)
-
-Mein Vater hat gesagt, wenn jemand mit Namen Biegler kommt, dann möcht'
-ich ihn rufen.
-
-·Biegler· (erleichtert)
-
-Ja, der bin ich.
-
-·Lenchen·
-
-Nu sag doch: Guten Tag.
-
-·Biegler·
-
- (sieht das Kind, ein leeres Lächeln geht über sein Gesicht. Er
- weiß nicht, was tun)
-
-·Lore· (sie leise zurückrufend)
-
-Lenchen!
-
-·Marie·
-
-Nehmen Sie's als gute Vorbedeutung, daß dies Kindchen Sie willkommen
-heißt.
-
-·Biegler·
-
- (sieht sie groß an, versteht nicht)
-
-Erst -- muß -- ich -- Herrn Zarncke -- sprechen.
-
-·Marie· (aufstehend)
-
-Lore, klopf, bitte, im Vorbeigehn bei Vater an (leiser) und bring dem
-was zu essen. Er hat's nötig.
-
-·Lore· (nickt)
-
-Komm, Lenchen. (Mit dem Kinde ab)
-
-·Marie·
-
-Nehmen Sie so lange Platz, bitte.
-
-·Biegler·
-
-Ich kann auch stehen.
-
-·Marie· (ab)
-
-
-Achte Szene
-
- _Biegler._ Dann _Zarncke_
-
-·Biegler·
-
- (alleingeblieben, wagt sich nicht zu rühren, nur seine Augen
- wandern umher)
-
-·Zarncke·
-
- (mit Bieglers Papieren in der Hand)
-
-Guten Tag.
-
-·Biegler·
-
- (in straffer Haltung, wie er's im Zuchthause gewohnt war)
-
-Melde Jakob Biegler.
-
-·Zarncke·
-
-Is gut, is gut. Sie sind hier nicht im Gefängnis. Der Verein zur
-Besserung entlassener Strafgefangener hat Sie mir zugeschickt. Stehen
-Sie unter seiner Fürsorge?
-
-·Biegler·
-
-Jawohl.
-
-·Zarncke·
-
-Wie lange sind Sie 'raus?
-
-·Biegler·
-
-Vier Monate zehn Tage.
-
-·Zarncke·
-
-Fünf Jahre haben Sie abgemacht?
-
-·Biegler·
-
-Jawohl.
-
-·Zarncke·
-
-Wegen was?
-
-·Biegler· (schweigt)
-
-·Zarncke·
-
-Na -- wegen was?
-
-·Biegler· (auf die Papiere weisend)
-
-Steht ja da drin.
-
-·Zarncke·
-
- (fixiert ihn, um sein Schamgefühl zu prüfen)
-
-Da steht nur der Paragraph. Den kenn' ich nicht auswendig.
-
-·Biegler· (verbissen)
-
-Na, ich sprech's nich aus.
-
-·Zarncke·
-
-Dann werd' ich im Strafgesetzbuch nachsehn.
-
-·Biegler·
-
-Wenn Sie wollen.
-
-·Zarncke·
-
- (geht zum Bücherschrank, schlägt ein Buch auf und liest)
-
-Hm. Schlimm. Schlimm.
-
-·Biegler·
-
-Schlimm. (Pause)
-
-·Zarncke·
-
-Na, wie is es denn gekommen?
-
-·Biegler·
-
-Wie das so kommt, wenn ein Weib dabei ist.
-
-·Zarncke·
-
-Aha ... Haben Sie's gut gehabt in Sonnenburg?
-
-·Biegler·
-
-Man war ja mit mir zufrieden.
-
-·Zarncke·
-
-Ersparnisse gemacht?
-
-·Biegler·
-
-Jawohl. Fünfundsechzig Mark fünfzig Pfennig.
-
-·Zarncke·
-
-Noch was da?
-
-·Biegler·
-
-Dann säh' ich nich so aus, Herr -- Zarncke.
-
-·Zarncke·
-
-Hat der Verein Ihnen keine Arbeit besorgt?
-
-·Biegler·
-
-Zweimal haben sie mich aufs Land geschickt. Einmal als Hofgänger, das
-zweite Mal als Kuhfutterer.
-
-·Zarncke·
-
-Na -- und?
-
-·Biegler· (schweigt)
-
-·Zarncke·
-
-Ausgerissen?
-
-·Biegler· (in erregter Verteidigung)
-
-Ich hielt nicht aus. Ich -- ich -- ich --
-
-·Zarncke·
-
-Dann werden Sie auch bei mir nich aushalten.
-
-·Biegler·
-
-Ach, Herr Zarncke.
-
-·Zarncke·
-
-Hier steht: auf Ihre besondere Bitte schickt man Sie zu mir. Was wollen
-Sie gerade bei mir?
-
-·Biegler· (schweigt)
-
-·Zarncke·
-
-Ja, wenn Sie nicht antworten ... Was sind Sie?
-
-·Biegler·
-
- (zaudernd, nach innerem Kampfe)
-
-Steinmetz.
-
-·Zarncke·
-
-Ach so! -- _Darum_! Hier steht doch -- Arbeiter. (Sieht nach)
-
-·Biegler·
-
-Weil ich als Arbeiter gegangen bin.
-
-·Zarncke·
-
-Warum denn?
-
-·Biegler·
-
-Wer wird mich nehmen -- als Steinmetz?
-
-·Zarncke·
-
-Sie hätten doch probieren können!
-
-·Biegler·
-
-Probiert hab' ich genug.
-
-·Zarncke·
-
-Und überall abgewiesen?
-
-·Biegler·
-
-Einmal wurd' ich eingestellt ... Zwei Tag' später kam's 'raus. Da lag
-ich schon auf der Straße.
-
-·Zarncke·
-
-Warum sind Sie denn nicht schon früher zu mir gekommen?
-
-·Biegler· (schweigt)
-
-·Zarncke·
-
-Wußten Sie, daß ich Strafentlassene nehme?
-
-·Biegler·
-
-Ja, die Herren haben's mir gesagt.
-
-·Zarncke·
-
-Wollten Sie nich?
-
-·Biegler· (zögernd)
-
-Nein.
-
-·Zarncke·
-
-Warum nicht?
-
-·Biegler· (erregt)
-
-Nachher wird's doch nichts -- -- --
-
-·Zarncke·
-
-Und jetzt wollen Sie?
-
-·Biegler·
-
-Als Steinmetz will ich auch nicht. Nich als Steinmetz. -- Wenn ich bloß
-'ne Arbeitsstelle hätte, als Schleifer oder beim Flaschenzug, wo keiner
-was fragt.
-
-·Zarncke·
-
-Ich werd' mit dem Polier sprechen. Wenn ich drauf besteh' -- Sie können
-auch als Steinmetz eintreten.
-
-·Biegler· (verängstigt)
-
-Nein, nein, nein ... dann kommt's 'raus ... dann is wieder alles
-... Bloß auf den Werkplatz will ich ... Bloß w--wenn ich den --
-Klippelschlag hören kann. Bloß von weitem.
-
-·Zarncke·
-
-Sie waren wohl ein _guter_ Steinmetz?
-
-·Biegler·
-
-Ach! (Zuckt die Achseln)
-
-·Zarncke· (voll wärmerer Anteilnahme)
-
-Hm. (Es klopft) Herein.
-
-
-Neunte Szene
-
- _Die Vorigen._ _Lore_ (mit einem Teller, worauf Butterbrot)
-
-·Lore·
-
-Verzeihung, Herr Zarncke, Fräulein Mariechen hat befohlen.
-
-·Zarncke·
-
-Essen Sie.
-
-·Biegler·
-
- (gierig nach dem Teller sehend)
-
-Danke! Ich hab' -- keinen -- Hunger.
-
-·Lore· (leise, mitleidig)
-
-Essen Sie nur.
-
-·Biegler·
-
- (blickt sich scheu um, will ein Butterbrot nehmen, sieht
- Zarncke fragend an)
-
-·Zarncke·
-
-Ja, ja, Sie dürfen.
-
-·Biegler·
-
- (dreht sich der Wand zu und schlingt das Butterbrot herunter)
-
-·Zarncke·
-
-Du, Lore, hol mal das Wasserglas.
-
-·Lore·
-
- (holt das Wasserglas vom Nähtisch)
-
-·Zarncke· (Rotwein eingießend)
-
-Bring ihm das. -- Übrigens: wie trägt's denn der Vater?
-
-·Lore·
-
-Gott, Herr Zarncke, er schimpft ... Ja, was ich fragen wollte: darf er
-den Dienst noch tun, bis ein Nachfolger da ist?
-
-·Zarncke·
-
- (mit einem Blick nach Biegler hin)
-
-Nachfolger hab' ich schon.
-
-·Lore· (dem Blick folgend)
-
-Ach so.
-
-·Zarncke·
-
-Gefällt er dir?
-
-·Lore·
-
-Ach, is 'n armer Mensch!
-
-·Zarncke·
-
-Sag's nicht, wie du ihn hier gefunden hast.
-
-·Lore·
-
-Nein, nein. (Stellt das Glas neben Biegler, ab)
-
-
-Zehnte Szene
-
- _Biegler._ _Zarncke_
-
-·Biegler·
-
- (würgt eiligst den letzten Bissen hinunter und stellt sich in
- Positur)
-
-·Zarncke·
-
-Sie dürfen auch 'n Schluck von dem Wein trinken.
-
-·Biegler·
-
-Ja. (Äugt zweifelnd nach dem Glase)
-
-·Zarncke·
-
-Haben Sie keinen Durst?
-
-·Biegler·
-
-Erst geben Sie mir -- Wein zu trinken, und dann nehmen Sie mich _doch_
-nich. Hä.
-
-·Zarncke·
-
-Erst trinken Sie mal.
-
-·Biegler·
-
- (dreht sich der Wand zu und trinkt zögernd, verstohlen)
-
-·Zarncke·
-
-Auf den Steinmetzplatz _wollen_ Sie. Aber gewissermaßen im verborgenen.
-So daß keiner was erfährt, daß Sie keinem Rede zu stehen brauchen -- hä?
-
-·Biegler·
-
-So was Schönes gibt's ja nich.
-
-·Zarncke·
-
-Vielleicht _doch_. Wollen Sie Wächter werden bei mir auf'm Platz?
-
-·Biegler·
-
- (in staunendem Nicht-glauben-wollen)
-
-Herr Zarncke!
-
-·Zarncke·
-
-Na?
-
-·Biegler·
-
-Das is doch 'n Vertrauensposten.
-
-·Zarncke·
-
-Ja, das is es.
-
-·Biegler·
-
-Da müssen manche sogar Kaution stellen.
-
-·Zarncke· (bejahend)
-
-Hm ... Und wenn Sie Mittags ausgeschlafen haben, können Sie unter den
-Arbeitern mithelfen ... da fragt Sie keiner ... Na?
-
-·Biegler·
-
-Wird ja nicht lange dauern --
-
-·Zarncke·
-
-Das wird ganz von Ihnen abhängen.
-
-·Biegler·
-
-Dann kommen die Schutzleute -- und recherchieren ... Und dann is aus.
-
-·Zarncke·
-
-Sie wissen doch, daß solange der Verein die Fürsorge für Sie übernimmt,
-die Polizei sich mit Ihnen nichts zu schaffen macht.
-
-·Biegler· (fatalistisch)
-
-Die Schutzleute -- kommen doch.
-
-·Zarncke·
-
-Zu mir nicht ...
-
-·Biegler·
-
-Die Schutzleute kommen doch.
-
-·Zarncke·
-
-So hören Sie doch. Hierher kommt kein Schutzmann recherchieren. Das
-hab' ich mir ein für allemal verbeten. Und daß die Herren vom Verein,
-wenn _die_ kommen, Sie nicht verraten werden, das können Sie sich doch
-denken. ... Na?
-
-·Biegler·
-
-Das wär' ja ein solches Glück, wie man sich gar nich -- (Es klopft)
-
-·Zarncke·
-
- (geht zur Tür und öffnet sie)
-
-
-Elfte Szene
-
- _Die Vorigen._ _Jenisch_
-
-·Zarncke· (ihm den Eintritt versperrend)
-
-Was gibt's?
-
-·Jenisch· (vom Hausflur her)
-
-Verzeihung, Herr Zarncke -- die Polizei is da -- wegen --
-
-·Biegler·
-
- (zuckt heftig in die Höhe und macht eine unwillkürliche
- Bewegung, als wolle er sich verstecken)
-
-·Zarncke·
-
-Is gut. Soll 'n Augenblick warten. Komme gleich. (Schlägt die Türe zu)
-
-
-Zwölfte Szene
-
- _Biegler._ _Zarncke_
-
-·Zarncke·
-
-Na ruhig, ruhig, ruhig!
-
-·Biegler· (sich wild umschauend)
-
-Die Schutzleute kommen überall -- die --
-
-·Zarncke·
-
-Unsinn! Diese Nacht is eingebrochen worden bei mir. Deshalb kommen sie.
-Und eben deshalb sollen Sie auch Nachtwächter werden. Verstanden?
-
-·Biegler· (würgend)
-
-Herr Zarncke -- ich muß -- ich -- dank' Ihnen auch schön fürs Glas Wein
-... ich ... kann nich in Dienst ... ich muß -- wieder weg.
-
-·Zarncke· (schüttelt den Kopf)
-
-Ja, zwingen kann ich Sie nich ... (Nach einem Schweigen) Haben Sie denn
-andere Arbeit in Aussicht?
-
-·Biegler· (verneint)
-
-·Zarncke·
-
-Wer nicht Arbeit hat von euch, wird abgeschoben von der Polizei ...
-Unbarmherzig ... Wissen Sie das?
-
-·Biegler· (bejaht)
-
-·Zarncke·
-
-Na und dann?
-
-·Biegler· (zuckt die Achseln)
-
-·Zarncke·
-
-Schließlich zieht der Verein auch noch seine Hand von Ihnen -- und was
-dann?
-
-·Biegler· (zuckt die Achseln)
-
-·Zarncke·
-
- (plötzlich seinen Ton ändernd)
-
-Nu komm mal her, min Sähn. Komm, komm, komm, komm. (Zieht ihn nach
-vorne) Bienchen hast du doch keine?
-
-·Biegler· (schüttelt den Kopf)
-
-·Zarncke·
-
-Na dann setz dir mal. (Zieht ihn in einen Stuhl) Du bist nu man büschen
-verbiestert, min Sähn ... Wat dir da im Kopp spukt, das will ich gar
-nich wissen ... Is auch ganz egal. Nu laß man schon büschen sorgen für
-dich. (Strenge) Und jetzt geschieht folgendes: Du kriegst mal zuerst 'n
-Anzug von mir ...
-
-·Biegler·
-
- (an sich niedersehend, freudig)
-
-Ja, ja, ja, ja.
-
-·Zarncke·
-
-Du, du hast ja gar nich mal 'n Hemde an!
-
-·Biegler· (eifrig, voll Ehrgefühl)
-
-Jawohl -- hab' ich. (Reißt, um das Hemde zu zeigen, die Strickweste
-auf) Da! (Beschämt) Bloß -- Kragen hab' ich nich.
-
-·Zarncke·
-
-Also das kriegste alles auch. Und 'n warmen Mantel. Denn Nachts is
-noch kalt ... Und dann kriegst du 'ne Pfeife und 'ne Schnarre. Und die
-Kontrolluhren, die bis zum Abend ankommen, die erklär' ich dir. Wohnen
-tust du drüben im Sägewerk. Und essen tust du in der Kantine bei der
-Lore, die dir das Butterbrot gebracht hat. Verstehste?
-
-·Biegler· (wie vorhin)
-
-Ja, ja, ja, ja.
-
-·Zarncke·
-
-Und nun kümmerst du dich um Dodt und Deiwel nich mehr. Und so wollen
-wir langsam wieder 'n Menschen aus dir machen. Hä?
-
-·Biegler· (nickt willenlos)
-
-·Zarncke·
-
-Na also.
-
- (_Der Vorhang fällt_)
-
-
-
-
-Zweiter Akt
-
- Der Werkplatz. Links das _Wohnhaus_ mit vorspringender
- _Veranda_ und einem Balkon darüber, zu dem aus dem oberen
- Stockwerk eine Glastür führt. Zu ebener Erde ein Fenster.
- Rechts die _Kantine_ mit einer Tür in der Seitenwand und
- einem nach der Rampe zu gerichteten Fenster, vor dem eine
- Bank steht. Hinter der Kantine, ein wenig vorspringend, das
- _Magazin_, mit einer Tür und einer daneben angebrachten Glocke.
- -- Im Hintergrunde rechtwinklig zum Magazin ein offener,
- von Holzpfeilern getragener _Schuppen_, der sich mit seiner
- Hinterwand an die senkrechte Erhöhung lehnt, welche den
- hinteren Teil des Werkplatzes bildet und zu der in der Mitte
- des Hintergrundes eine schmale Treppe emporführt. Links von
- der Treppe mehrere hochaufgestapelte Steinblöcke, welche die
- Höhe des hinteren Teiles übersteigen. Über einem der Stapel ein
- _Kran_. Eine schmale _Feldbahn_ zum Transport der Blöcke führt
- an den Stapeln, der Treppe und dem Schuppen vorüber quer über
- die Bühne. Blöcke liegen überall verstreut. An den Wänden des
- Schuppens und der Häuser stehen und hängen, wo nur ein Platz
- sich findet, Gipsmodelle: Figuren, Reliefs, Ornamentstücke. Die
- Veranda ist mit Schlingpflanzen bewachsen, ein Baum neigt sich
- über ihr Dach. Das Kantinenfenster schmücken Blumentöpfe. Den
- _Prospekt_ bildet eine großstädtische Häuserreihe, die jenseits
- der am Werkplatz entlangführenden Straße gedacht ist. Ein
- Kirchturm ragt aus der Ferne herüber
-
-
-Erste Szene
-
- (Beim Aufgehen des Vorhangs zeigt der Platz ein überaus reiches
- Arbeitsleben. Vor den Blöcken arbeiten _Steinmetzen_ oder
- _Bildhauer_, die ersteren mit blauer Schürze, die letzteren mit
- langem, weißgrauem Kittel und Papier- oder sog. Raffaelmütze
- bekleidet. Der Kran ist im Gange. Niedrige Wagen transportieren
- Blöcke vorüber. Hilfeleistende _Arbeiter_ in beliebigem
- Werktagsanzug. Mittagsstimmung)
-
- Vorne rechts _Göttlingk_ in Steinmetzentracht vor einem Blocke
- -- ein Gipsmodell daneben. Der Polier _Willig_ an einem anderen
- Blocke, messend. Unter den Arbeitern, die sich hinten zu
- schaffen machen, _Lohmann_, _Sprengel_, _Struve_
-
-·Göttlingk·
-
- (stämmig, mittelgroß, Stiernacken, blonder, schön geringelter
- Schnauzbart, Haar in geschniegeltem Bogen in die Stirn
- heruntergestrichen. Spielt den Kraftmenschen, großsprecherisch,
- übermütig, brutaler Charmeur. Er arbeitet mit Meißel und
- Klippel und singt dazu)
-
-Na -- nun kommt auch noch die Sonne angekrochen. He, ihr
-Zitronenschleifer da hinten, hab' ich euch nich gesagt, ihr sollt mir
-den Block in den Schuppen schaffen? -- Lohmann, Sprengel, ihr andern,
-immer 'ran!
-
-·Willig·
-
-Du, Göttlingk, schnauz hier nicht so viel. Sag's lieber mir.
-
-·Göttlingk·
-
-Du hast mir gar nischt zu befehlen, mein Sohn.
-
-·Willig·
-
-Und du hast denen nischt zu befehlen.
-
-·Göttlingk·
-
-Wenn sie so dumm sind und gehorchen. (Lohmann, Sprengel und ein dritter
-Arbeiter sind nach vorn gekommen) Da, wie sie anhampeln! Hab du sie man
-so an der Strippe wie ich. (Befehlshaberisch) Also nu los!
-
-·Lohmann·
-
-Warten Sie man bißchen, hochgeborner Herr. Zehn Finger hat jeder zu
-verlieren. (Stemmt ein Brecheisen ein)
-
-·Göttlingk·
-
-Brecheisen weg! Ihr werd't mir die Kanten abstoßen.
-
-·Sprengel·
-
-Ohne Brecheisen geht's nich.
-
-·Göttlingk·
-
-So? Hä! Wenn ihr man stramme Kerls wärt, ihr Volk ... (Faßt mit an)
-~Uno~ -- ~due~ -- ~tre~! (Der Block rückt weiter) Na, geht's oder nich?
-
-·Lohmann·
-
-Ja, wenn Sie so scheen ausländsch kommandieren! Sagst du zum Hund
-»kusch«, dann kuscht er. Bloß weil er's Franzesch so gern hat.
-
-·Göttlingk·
-
-Noch mal: ~uno~ -- ~due~ -- ~tre~! (Der Block rückt wieder) Ja,
-ja, Kerlchens. Grips im Kopp und Marks in de Knochen. Das ist die
-Hauptsache.
-
-·Lohmann·
-
-Und 's Messer im Sack nich zu vergessen.
-
-·Göttlingk·
-
-Lassen Sie man mein Messer in Ruh, mein alter Sohn. (Zieht ein
-Dolchmesser aus einer Lederhülse, die er am Leibgurt unter dem Kittel
-befestigt hat) Das is dreikantig geschliffen. Das schlupft (schnalzt,
-das Messer vorstoßend, mit den Lippen) wie 'n Küßchen ... Tut gar nich
-weh. Will einer probieren?
-
-·Willig·
-
- (der mißbilligend zugehört hat)
-
-Du -- Göttlingk!
-
-·Göttlingk· (zu ihm herübertretend)
-
-Hä?
-
-·Lohmann· (hinter ihm her, ingrimmig)
-
-So 'n Paradehengst! (Die andern lachen)
-
-·Willig·
-
-Mach dich nich immer mit den Kerls gemein. Laß sie ihre Arbeit
-verrichten. Und damit gut!
-
-·Göttlingk· (großspurig)
-
-Pöh! Ich bin nu mal so 'ne leutselige Natur.
-
-·Willig·
-
-Mußte immer Bewunderer haben?
-
-·Göttlingk·
-
- (wendet sich lachend zum Stein zurück und kommandiert weiter)
-
-
-Zweite Szene
-
- _Die Vorigen._ _Zarncke_ (ist aus der Veranda getreten)
-
-·Zarncke·
-
-Polier!
-
-·Willig· (respektvoll)
-
-Herr Zarncke.
-
-·Zarncke·
-
-Is was zu melden?
-
-·Willig·
-
-Nein, Herr Zarncke.
-
-·Zarncke·
-
-Was tut der Kran da?
-
-·Willig·
-
-Er holt die Quadern fürs Sägewerk.
-
-·Zarncke·
-
-Bis morgen abend muß auch der Oberkirchner Block dort an der Treppe
-'runtergeschafft werden, damit er Montag in Arbeit genommen werden kann.
-
-·Willig·
-
-Sehr wohl, Herr Zarncke.
-
-·Zarncke·
-
-Wie is die Verteilung heute?
-
-·Willig·
-
-Elf Steinmetzen auf'm Platz, fünfzehn draußen auf'm Bau, vier Bildhauer
-auf'm Platz, sechs auf'm Bau.
-
-·Zarncke·
-
-Wo is der Göttlingk heute?
-
-·Willig·
-
-Da is er ja.
-
-·Göttlingk·
-
- (den Stein betrachtend, dessen senkrechte mit Ornamenten
- bedeckte Seite jetzt oben liegt)
-
-Donnerschock! ~Per Bacco!~ Den ganzen Dreckplatz soll der Deiwel holen!
-Du, Polier, komm mal her.
-
-·Zarncke·
-
-Was schimpfen Sie denn heute so wild um sich, Göttlingk?
-
-·Göttlingk·
-
- (lüftet einigermaßen verlegen die Mütze)
-
-Verzeihung, Herr Zarncke, aber das soll wirklich der Deibel holen. Wie
-ich den Block drehen lass', da seh' ich, daß von gestern auf heute eine
-fremde Hand daran 'rumgemurkst hat.
-
-·Zarncke·
-
- (stutzt, ein Verdacht steigt in ihm auf)
-
-Ach, Sie werden sich täuschen. (Tritt hinzu)
-
-·Göttlingk·
-
-Weil mir das schon einmal passiert war, hab' ich mir zu Feierabend
-immer 'n Zeichen gemacht ... Da, bitte!
-
-·Zarncke· (den Stein betrachtend)
-
-Von dem Blaustrich an?
-
-·Göttlingk·
-
-Jawohl.
-
-·Zarncke· (nachdenklich, lächelnd)
-
-Hm. So! -- Das is aber nich schlecht gemacht. Da ist Schwung drin. Wenn
-sich die Heinzelmännchen extra für Sie bemühen, Göttlingk!
-
-·Göttlingk·
-
-Wenn ich das Heinzelmännchen treff', dann gibt's eins zwischen
-de Rippen ... Was is das für'n Nachtwächter, der Kerl, der jetzt
-Nachmittags hier 'rumschleicht, wenn er so was zulassen kann? ... Das
-ist schlimmer wie Einbruch.
-
-·Zarncke· (der abzulenken sucht)
-
-Was hat denn der Nachtwächter damit zu tun? Wenn's finster is, kann man
-nich arbeiten.
-
-·Willig·
-
-Verzeihung, Herr Zarncke. Um fünfe, da is es schon lang hell.
-
-·Zarncke· (beruhigend)
-
-Ich werd' den Mann hernach mal fragen.
-
-·Göttlingk· (murmelnd)
-
-Das besorg' ich schon selber.
-
-·Zarncke·
-
- (mit Willig nach vorne kommend)
-
-Sagen Sie mal, Polier, wie macht sich der Nachtwächter im übrigen auf'm
-Platz?
-
-·Willig·
-
-Der Mann ist fügsam und ordentlich und kann sich an Fleiß nicht genug
-tun. Aber -- schwach, Herr Zarncke.
-
-·Zarncke·
-
-Tja!
-
-·Willig·
-
-Und dann -- 'n bißchen sonderbar.
-
-·Zarncke·
-
-Inwiefern? (Ringsum ertönen Mittagssignale)
-
-·Willig·
-
-Er hält sich immer abseits. Gibt kaum Antwort. Manche fangen ihn schon
-zu verulken an.
-
-·Zarncke·
-
-Dulden Sie das nich, Willig!
-
-·Willig·
-
-Ja, da kann ich nich viel machen, Herr Zarncke.
-
-·Zarncke·
-
-Warum läutet denn der Eichholz nich Mittag? Eichholz!
-
-·Willig· (zur Kantinentür laufend)
-
-Eichholz!
-
-
-Dritte Szene
-
- _Die Vorigen_. _Eichholz_
-
-·Eichholz· (angeheitert)
-
-Haben bloß zu befehlen, Herr Zarncke! Wie der Blitz bin ich da -- ja!
-(Läutet die Glocke, die am Magazin hängt)
-
-·Zarncke· (sieht kopfschüttelnd zu)
-
-·Willig·
-
-Er is jetzt immer im halben Dusel.
-
-·Eichholz· (sich umschauend)
-
-Na -- schläft der -- faule Hund -- noch?
-
-·Zarncke·
-
-Möchten Sie nu mal den Frauen das Tor aufschließen?
-
-·Eichholz· (brummend nach links)
-
-·Willig·
-
-Nu geht er noch in die Destille!
-
-·Zarncke·
-
-Is das ein Elend!
-
-
-Vierte Szene
-
- _Die Vorigen._ _Mehrere Frauen._ Später _Lore_
-
- (Sämtliche Arbeiter haben ihre Werkzeuge niedergelegt, einzelne
- gehen zu den Wasserleitungshähnen, die im Schuppen angebracht
- sind und waschen sich. Andere holen dicke Butterstullen und
- Blechkannen hervor und beginnen zu essen. Frauen kommen von
- links mit Eßkörben und begrüßen ihre Männer. Einzelne haben
- auch ihre Kinder mitgebracht, die sich mit den Eltern um den
- Eßkorb gruppieren)
-
-·Zarncke·
-
- (begrüßt eines und das andere, teilt Bonbons aus, wünscht den
- Frauen »Guten Tag« und spricht einige Worte zu den Männern)
-
-·Lore·
-
- (erscheint in der Tür der Kantine und geht zu verschiedenen der
- Bildhauer und Steinmetzen)
-
-Bitte zu Mittag. -- Bitte zu Tisch. -- Zu Tisch möcht' ich bitten.
-(Lauter) Wem kann ich Bier 'rausschicken?
-
-·Einzelne Stimmen·
-
-Hier. Ich. -- Mir eins.
-
-·Lore· (zählt die Stimmen)
-
-·Göttlingk·
-
- (betrachtet murrend seinen Block)
-
-·Lore·
-
- (an ihn herantretend, leise zaghaft)
-
-Kommst nich auch, Eduard?
-
-·Göttlingk· (sich umschauend, unwirsch) Hab' ich dir nicht gesagt, du
-sollst mich nich »du« nennen auf'm Platz?
-
-·Lore· Verzeih! Ich hab' vergessen. (Zur Kantine ab)
-
- (Verschiedene Bildhauer und Steinmetzen gehn zur Kantine,
- darunter Göttlingk)
-
-·Zarncke·
-
-Gehn Sie auch zu Tisch, Willig. Übrigens hören Sie mal: Mit dem Struve
-steht's schlecht. Den wird uns das Kriminal bald abholen.
-
-·Willig· (achselzuckend)
-
-Ja.
-
-·Zarncke·
-
-Ach, schicken Sie ihn mir mal, -- ja?
-
-·Willig· (rufend)
-
-Struve!
-
- (Struve steht von einem hinteren Steine auf, wo er unbemerkt
- gesessen hat. Willig spricht im Vorbeigehn zu ihm und weist
- nach vorne, dann geht er in die Kantine ab)
-
-
-Fünfte Szene
-
- _Die Vorigen_ ohne _Willig_. _Struve_ (nach vorne
- kommend)
-
-·Struve·
-
- (Mann in den Vierzigern. Ergrauendes Haar, blank und gelockt.
- Bartstoppeln. Verschmitzte Äuglein. Ein Zug drolliger Heuchelei
- um die Mundwinkel. Arbeitskleidung mit wollenem Halstuch
- und Holzpantinen. Trägt einen Deckelnapf in der einen, eine
- faustdicke Butterstulle mit Taschenmesser in der andern Hand.
- Bei dem Versuch, die Mütze abzunehmen, fällt ihm das Butterbrot
- auf die Erde)
-
-·Zarncke·
-
-Sachte, sachte! Nu is die janze Pastete in den Sand gefallen.
-
-·Struve·
-
- (das Butterbrot an den Hosen abwischend)
-
-Das macht nichts, Herr Zarncke. »Mit ne Ladung Sand -- schmeckt selbst
-'n alter Strohsack pikant,« sagten wir immer uf de hohe Schule.
-
-·Zarncke·
-
-Na, nu werden Sie ja bald wieder drinsitzen in Ihre hohe Schule.
-
-·Struve·
-
-Ja, Herr Zarncke, was kann man machen?
-
-·Zarncke·
-
-Mensch, wenn's mir nich so leid täte um Sie --
-
-·Struve·
-
-Nu haben Se man guten Mut, Herr Zarncke ... Mir hat's auch mal leid
-getan. Aber nu is schon egal.
-
-·Zarncke· (leise)
-
-Na, sind Sie's nu gewesen oder nich?
-
-·Struve·
-
-Herr Zarncke, wenn ich gleich hier meinen Totenschein in die Hand
-nehm' --
-
-·Zarncke· (lachend)
-
-So 'n Halunke wie Sie! ... Sie wissen doch, die Untersuchung geht
-weiter?
-
-·Struve·
-
-Ja, die Polente schnüffelt ja alle Tage hier 'rum.
-
-·Zarncke·
-
-Sagen Sie mal, können Sie nu wirklich keinen Zeugen dafür beibringen,
-wo Sie in den Stunden des Einbruchs gewesen sind?
-
-·Struve·
-
-Was man so nennt: einen Aal-ibi, Herr Zarncke?
-
-·Zarncke·
-
-Jawohl.
-
-·Struve·
-
-Ja, sehn Sie mal, was 'n wirklich reeller Aal-ibi is -- der kost't nich
-unter fünfzig Mark. Wo soll ich fünfzig Mark hernehmen, Herr Zarncke?
-
-·Zarncke· (lachend)
-
-So?
-
-·Struve·
-
-So 'ne Brieder, die schon wegen Meineid verschütt jejangen sind, die
-tun's auch billiger ... Meechens auch. Aber die kriegen's vor Gerichte
-hernach mit die Heulerei ... Nee, das sind alles keine reelle Sachen.
-
-·Zarncke·
-
-Na, und wenn sie Sie nu gleich mitnehmen?
-
-·Struve·
-
-»Der Gerechte muß viel leiden,« so steht in de Psalmen geschrieben.
-
-·Zarncke·
-
-Hören Se auf mit Ihre dämliche Muckerei. Glaubt Ihnen ja doch keiner
-... Mensch, Mensch, wie hau' ich Sie nu 'raus?
-
-·Struve·
-
-Hätten gar nicht anzeigen müssen. Sehn Se, nu sitzen Se drin, Herr
-Zarncke.
-
-·Zarncke· (lacht)
-
-·Marie· (das Fenster öffnend)
-
-Vaterchen, kommst nich zu Tisch?
-
-·Zarncke·
-
-Gleich, Miezelchen ... Also ich werd' mal nachdenken. Vielleicht fällt
-mir noch was ein.
-
-·Struve·
-
-Ganz wie Sie meinen, Herr Zarncke.
-
-·Zarncke·
-
-Ulkiges Huhn! ... Hier haben Sie 'ne Zigarre. (Ab)
-
-·Struve·
-
-Danke, Herr Zarncke. (Die Zigarre einsteckend) Ja, ja. Sie rüsten sich
-wider die Seele des Gerechten und -- (sieht, daß Zarncke inzwischen
-weggegangen ist) Ach so! (Setzt sich auf den vordersten Block, kratzt
-an seinem Butterbrot und fängt an zu essen)
-
-
-Sechste Szene
-
- _Struve. Lohmann._ _Sprengel_, _ein dritter Arbeiter_,
- die essend auf dem Block hinter ihm sitzen
-
-·Lohmann·
-
-Na, wie lange werden sie dich deinen Knast Brot noch 'runterfuttern
-lassen, Struve, ehe sie dich inlochen?
-
-·Struve· (achselzuckend)
-
-Ja.
-
-·Lohmann·
-
-Nachher gibt's zu Mittag wieder »Rumfutsch« und »blauen Heinerich«. Ei
-weh.
-
-·Struve·
-
-Kindersch, babbelt nich von so hohe Sachen. Das versteht ihr nich.
-
-·Sprengel·
-
-Der tut sich noch dicke auf sein Zuchthaus.
-
-·Struve·
-
-Nu ob. Da kommt ihr noch lange nich rin. Da sind bloß _feine_ Leute
-drin. Ja.
-
-·Die Anderen· (lachen)
-
-·Lohmann·
-
-Drum heißt es auch die hohe Schule.
-
-·Struve·
-
-Jawoll. Da lernt man was. Hast du überhaupt 'ne Kleiderbürschte? Die
-hat mir der Staat immer franko geliefert. Aus lauter persönlicher
-Hochachtung ... Oder gar 'ne Zahnbürschte? Aber ich -- siehste! ...
-Kiek dir mal an, wie der Dreck an dir 'rumklebt ... Aber _wir_ machen
-dort zu Mittag immer Toi--lette. Und Handtuch tragen wir immer auf'n
-Arm, da laufen wir den janzen Tag mit 'rum. Vor lauter Feinheit. Ja.
-
-·Die Anderen· (lachen)
-
-·Struve·
-
-Überhaupt, was bist du hier? Und was bin ich hier? Und was sind
-wir alle hier? ... Dreck sind wir. Hoch über dir kommen erst die
-Steinmetzen ... und da hoch drüber die Bildhauer. Und denn _noch_ höher
-der Polier ... Und _denn_ gar erst ... ach! Dort hab' ich immer in
-de erschte Klasse gearbeit't ... Weiße Binde hab' ich tragen dürfen.
-Tischältster bin ich gewesen. Das is mehr wie der Polier. Das is wie 'n
-Jeneral ... Das kannste alles werden, wenn de ins Zuchthaus kommst ...
-Karri--ere kannste machen. Ja.
-
-·Lohmann· (singt spottend)
-
- Liebes Kind, nu weine nich,
- Mittags jibt's den blauen Heinerich;
- Stehst du mit dem Schien auf du und du,
- Kriegste auch 'n halben Hering zu.
-
-·Struve·
-
-Nu ja. Verdient euch mal erst 'n halben Schwimmling. Ihr geht hier zur
-Lore und schnauzt: Hering -- aber 'n milchernen -- mit Zwiebel -- viel
-Zwiebel ... janzen Berg Zwiebel, und dann schmeckt er noch nich mal ...
-Ich sag' euch: ... wollt ihr 'n wirklichen duften, leckern Schwimmling,
-da müßt ihr in de Anstaltsküche kommen. Die verstehn det Jeheimnis ...
-Da kitzelt euch die Schnauze von -- noch Abends beis Einschlafen. So
-viel scheener ist da alles. Ja.
-
-·Lohmann·
-
-Wenn da alles so viel scheener is, wat machste denn nich wieder hin?
-
-·Sprengel·
-
-Da hast _du_ doch freien Angtree.
-
-·Struve·
-
-Kindersch, ick werd' euch mal was erzählen: Dicht an de große
-Außenmauer in Waldheim -- da steht nämlich 'ne alte Linde ... Und
-von de Fisintation aus, was nämlich der Arbeitssaal is, da siehste
-'n janzes kleines Stückschen von ... Und von'n Spazierhof aus, wo
-du immer sechs Schritt hintern Vordermann herzoddelst, (stolz) bloß
-nicht wir von de erste Klasse, wir jingen natierlich immer zu zweie
--- wenn du da -- und du huppst in die Höh', dann siehst wieder 'n
-andern Stückschen -- so sechzig bis achtzig Blätter, wodran du immer
-jenau wissen kannst, was für Jahreszeit is ... Und nun hat uns immer
-und ewig der Deibel geplagt, daß wir auch mal den _janzen_ Lindenbaum
-sehen wollten, denn der soll nämlich der scheenste Lindenbaum sein,
-wo's auf de Welt überhaupt jibt. Das soll schon in de Geschichtsbicher
-stehn ... Na, und wo nu endlich der Tag da is von de Entlassung, und wo
-einem das Herz bis in'n Kopp 'raufbummert -- und wo nu das innere Tor
-aufjeschlossen wird -- na, da is er nu -- und da is er 'n janz jemeiner
-oller, ekliger Lindenbaum. Na -- und so war denn hernach alles -- janze
-Freiheit.
-
-·Lohmann·
-
-Nu -- wenn du das nu schon weißt? --
-
-·Struve·
-
-Was hilft da viel -- wissen. Der Mensch is 'n dämliches Vieh. Wie ich
-'s zweite Mal drinsaß, da war der olle, dämliche Lindenbaum noch viel
-scheener geworden.
-
-·Die Anderen· (lachen)
-
-·Sprengel·
-
-Ja, wenn's so is.
-
-·Struve·
-
-Überhaupt -- ihr Schafsköppe mit eure sogenannte Freiheit! --
-Geschunden! hin und her geschmissen! Liegste im Sonnenschein uf
-ne scheene Planke, kriegste den Holzbock in de Waden; haste keene
-Arbeit, kannste jehn den Chausseegraben austapezieren. Willste mal
-geradaus -- jeder Mensch will mal geradaus -- und als dir kommt nu
-'ne verschlossene Tür in de Quere -- und du willst _doch_ geradaus,
-dann stecken sie dir ins Kittchen. Das heißt nu Freiheit. Kindersch,
-ick hust' auf eure Freiheit. Seine Ordnung muß der Mensch haben. Seine
-Ordnung hat der Mensch bloß allein im Zuchthaus.
-
-·Die Anderen· (lachen)
-
-·Struve·
-
-Mir hat überhaupt bloß _eins_ gefehlt. Dann wär' ich auch janz komplett
-jlücklich gewesen.
-
-·Sprengel·
-
-Das war wohl eene Braut?
-
-·Struve·
-
-Ne.
-
-·Lohmann·
-
-_Zwei_ Brauten?
-
-·Struve·
-
-Ne.
-
-·Lohmann·
-
-Na was denn sonst?
-
-·Struve· (träumerisch)
-
-Das war 'n Rasierspiegel ... Wenn ich _den_ noch hätt' gehabt -- --
-
-
-Siebente Szene
-
- _Die Vorigen._ _Biegler_ (von rechts)
-
-·Biegler·
-
- (in anständiger Arbeitskleidung. Sein Bart ist gestutzt,
- sein Aussehen gebessert, aber sein Benehmen noch scheu und
- unumgänglich, voll immer neu aufflackernden Mißtrauens. Er
- setzt sich auf die Bank vor das Kantinenfenster)
-
-·Lohmann·
-
-Kiekt mal den da! ... Was _is_ das eigentlich für 'ne Sorte? Reden
-_tut_ er nich, »guten Tag« _sagt_ er nich.
-
-·Biegler·
-
- (gewahrend, daß man sich mit ihm beschäftigt, unfreundlich,
- dumpf)
-
-Guten Tag.
-
-·Struve·
-
-Na sagt ja.
-
-·Lohmann·
-
-War auch danach. Guten Tag, hochwohlgeborener Herr Nachtrat! ... Kommen
-der Herr Dunkelmann 'n bißchen de Sonne revindieren?
-
-·Sprengel·
-
-Mensch, nu red doch was!
-
-·Biegler·
-
-Was soll ich reden?
-
-·Sprengel·
-
-Mach doch 'n Witz.
-
-·Biegler·
-
-Ich weiß keinen Witz.
-
-·Lohmann·
-
-Der Kerl is trocken wie Galgenholz.
-
-·Struve·
-
-Nu sag bloß, Mensch, wie amesierste dir nu so die lange Nacht über?
-Putzte de Sterne blank? Ziepste dir an de Barthaare? Wirfste de
-Meechens, wo auf de Straße vorbeigehn, Klamotten auf'n Kopp? ... Irgend
-was muß der Mensch doch zu tun haben de lange Nacht über!
-
-·Biegler·
-
-Ach, ich hab' immer zu tun.
-
-·Lohmann·
-
-Tranig is das Luder.
-
-·Sprengel·
-
-Wat huckste da uf de Banke? Warum jehste nich ze Mittag?
-
-·Biegler·
-
-Jetzt essen doch die -- Steinmetzen. Da kann ich doch nich auch essen.
-
-·Lohmann·
-
-Nu dann komm doch mal her so lang ... Na -- los!
-
-·Biegler· (erhebt sich zögernd)
-
-Was soll ich bei euch?
-
-·Sprengel·
-
-Trink mal aus meine Buddel. Prost.
-
-·Biegler·
-
-Danke. Ich trinke keinen Schnaps.
-
-·Lohmann·
-
-Ach, du bist wohl auch so 'n Pinkelinker? So 'n Pumpengenie?
-
-·Biegler·
-
-Sonst habt ihr nichts zu wollen von mir?
-
-·Sprengel·
-
-Nu huck dir doch mal erst dal. (Zieht ihn auf den Block nieder)
-
-·Lohmann· (weiterrückend)
-
-Setzen Sie sich ruhig in die Sonne, verehrte Schattenpflanze.
-
- (Lachen)
-
-·Biegler·
-
-Ich tu' dir doch nichts, warum uzt du mir?
-
-·Lohmann·
-
-Ich uz' dir doch gar nich. Ich schmeichel' mir bloß so an dir ran.
-
-·Struve·
-
-Sag mal, Mensch, was biste vorher gewesen? Eh' du hier Nachtwächter
-wurdst?
-
-·Biegler· (erschreckend)
-
-Ich? -- Ich bin Arbeiter.
-
-·Lohmann·
-
-Kirschenpflücker vor de Wintermonate -- hä?
-
-·Struve·
-
-Du kommst mir nämlich so bekannt vor, weißte.
-
-·Biegler· (angstvoll)
-
-Ich -- dir? Nee -- daß ich nich --
-
-·Struve·
-
-Nich, als ob ich dir kennen tu'. Aber du hast so 'ne Art ... Bei uns in
-Waldheim da hatten wir so 'n paar. Wir nennten se immer »de blamierten
-Förschten«. -- Du, wo liegt denn dein Förschtentum?
-
-·Lohmann·
-
-Markgraf von Brandenburg, Fürstbischof von Moabit, Edler Herr von und
-zu Sonnenburg.
-
-·Biegler· (zuckt zusammen)
-
-·Lohmann·
-
-Du plinkst ja immer so mit 'n rechten Vorderarm.
-
-·Sprengel·
-
-Laß ihm man in Ruh. Das is 'n guter Kerl ... der is bloß verschüchtert.
-
-·Lohmann· (gutmütig)
-
-Ich mach' ja auch bloß 'n Witz.
-
-·Struve·
-
-Da -- willste 'ne Zijarre?
-
-·Biegler· (verblüfft)
-
-Wieso -- gibst -- du mir --?
-
-·Struve·
-
-Kannst nehmen ... die is jut ... die hat mir der Alte vorher geschonken.
-
-·Biegler·
-
- (noch immer verwundert, sein Gesicht erhellt sich)
-
-Na, denn dank' schön ... Ich werd' mir denn auch später --
-revanschieren.
-
-·Lohmann·
-
- (ihn auf die Schulter klopfend)
-
-Na, meinen wir's denn nu so beese?
-
-·Biegler· (mit glücklichem Gesicht)
-
-Nee! Wahrhaftigen Gott nich!
-
-·Lohmann·
-
-Na siehste! (Nach links weisend, wo Eichholz sichtbar wird) Aber vor
-dem Alten nimm dir in acht. Der is dir nich jrien.
-
-
-Achte Szene
-
- _Die Vorigen._ _Eichholz_
-
-·Eichholz· (vollends angetrunken)
-
-Ich bin ein Mann -- hochgeehrt, -- ich brauch' nich -- Kartoffelsuppe
-aus'n Steinguttopp -- fressen! Morjen, die Gesellschaft! Morjen, die
-hochgeehrte Gesellschaft! (Biegler bemerkend) Was? -- Was will der
-Hund? Der schmalbauchige Hund? M -- M -- Mantel hat er ihm geschenkt
--- mit blanke Knöppe -- wie 'n Offezier! Was is der Kerl überhaupt? Wo
-kommt der verhungerte Kerl her?
-
-·Lohmann·
-
-Das geht dir jar nischt an. Wenn er man seine Pflicht tut.
-
-·Eichholz·
-
-Pflicht tut? Hähähä! Der is bloß zum Rausfuttern hier. Der is hier
-auf Eichelmast wie de Nuck-Nuck-Schweinchen. Wann hab' ich mal blanke
-Knöppe gekriegt? Kerl, durch was für Pfiffe und Kniffe bist du auf den
-Posten gekommen? Zieh mal vom Leder, du Hund!
-
-·Biegler·
-
-Lassen Sie mich in Ruh. Ich habe mit Ihnen nichts zu tun.
-
-·Eichholz·
-
-Was krauchste immer bei meine Tochter 'rum? Dir jibt se 'n
-Porzellanteller. Du wirst noch mal -- platzen -- wie 'n Bovist. Und
-dann wird man an dem Gestanke erkennen, wer du bist. Mensch, ich hab'
-'ne Faust wie 'ne Ramme! (Dringt auf ihn ein)
-
-·Biegler· (stößt ihn fort)
-
-·Eichholz· (zurücktaumelnd)
-
-Was -- hauen -- tust du mir alten Mann?
-
-
-Neunte Szene
-
- _Die Vorigen._ _Göttlingk_ und _andere Bildhauer_ und
- _Steinmetzen_
-
-·Göttlingk·
-
-Was is hier los?
-
-·Eichholz· (keuchend)
-
-H--h--hauen -- m--m--ir--!
-
-·Göttlingk·
-
-Wer hat den alten Mann gehauen?
-
-·Struve·
-
-Is ja alles Blech!
-
-·Göttlingk·
-
-Werd' ich nu bald Antwort kriegen?
-
-·Lohmann· (kleinlaut)
-
-Hier hat überhaupt keiner gehauen.
-
-·Eichholz· (mit erhobener Faust)
-
-Der Hund! -- der verhungerte -- (Einige der Umstehenden führen ihn nach
-hinten)
-
-·Göttlingk·
-
-Sieh mal an! ... Kommen Sie mal ran, Sie! ... Na?
-
-·Biegler·
-
-Ich tu' hier, was ich zu tun habe. Sie gehn mich nischt an.
-
-·Göttlingk·
-
-Das werd' ich Ihnen mal gleich beweisen. Eins -- zwei -- (pfeift)
-
-·Struve· (leise)
-
-Da geh man schon. -- Jegen den Großschnauz kommste nich auf.
-
-·Lohmann· (leise)
-
-Der sticht mit's dreikant'ge Messer.
-
-·Göttlingk·
-
-Wenn ich »drei« sag' --
-
-·Biegler· (blaß, schwer atmend)
-
-Sie können -- ja auch zu mir kommen.
-
-·Göttlingk· (pfeifend)
-
-Ich warte.
-
-·Biegler· (in Erregung, zitternd)
-
-Da lassen -- sich man -- die Zeit -- nich lang werden.
-
-·Die Anderen· (lachen)
-
-·Göttlingk· (in Wut)
-
-Wer riskiert hier zu lachen? ... Soll ich meine Pfeife mit euch
-stoppen, Kerls? (Das Lederfutteral nach vorne ziehend) Soll ich euch
-mal die Hühneraugen barbieren? (Da Lohmann, Sprengel, Struve sich vor
-Biegler gestellt haben) Aus dem Weg hier!
-
-·Lohmann· (sich umschauend)
-
-Wo is denn der Polier?
-
-·Göttlingk·
-
-Jetzt bin ich hier der Polier. (Wild) Aus dem Weg hier -- oder --
-
-·Biegler· (vortretend)
-
-Laßt man. Wegen mir soll hier keiner Ungelegenheiten haben. --
-
-·Göttlingk· (befriedigt)
-
-Na, da hätten wir ja das Gewächse. (Setzt sich, raucht) Immer parieren,
-Kinderchen.
-
-·Biegler·
-
-Also ich wär' ja nu da.
-
-·Göttlingk·
-
-Das seh' ich. Was den alten Knackstiebel betrifft, den wollen wir mal
-auf sich beruhen lassen. Aber wir haben noch 'n Hühnchen zu pflücken,
-wir beide. Sie sind doch der neue, krumme Kerl von Nachtwächter?
-
-·Biegler·
-
-Neu bin ich hier ... Krumm bin ich wohl auch.
-
-·Göttlingk· (auflachend)
-
-Und Nachtwächter auch?
-
-·Biegler·
-
-Ja.
-
-·Göttlingk·
-
-Dann kieken sich mal hier diesen Block an. Na -- soll ich Sie bei den
-Ohren nehmen?
-
-·Biegler· (stammelnd)
-
-Was -- is -- denn -- mit dem Block?
-
-·Göttlingk·
-
-Sie sind verantwortlich für das, was hier über Nacht geschieht. Ich
-frag' Sie: Wer hat da an meinem Block rumgemurkst?
-
-·Biegler· (sehr bestürzt)
-
-Das --
-
-·Göttlingk·
-
-Na?
-
-·Biegler·
-
-Das -- weiß ich -- doch -- nich.
-
-·Göttlingk·
-
-Seht euch mal das böse Gewissen an.
-
-·Struve· (leise)
-
-Nu sei doch frech! Schmeiß ihm doch Staub ins Gesichte.
-
-
-Zehnte Szene
-
- _Die Vorigen. Frau Homeyer. Marie_
-
-·Frau Homeyer·
-
- (geht quer über den Platz zu der Gruppe hin)
-
-·Göttlingk·
-
- (sich rasch vom Wüterich in den Schwerenöter verwandelnd)
-
-Oi, da kommt ja hoher Besuch, feiner Besuch, pikefeiner Besuch. Nu,
-mein süßes, strammes Frau Homeyerchen, mein --
-
-·Frau Homeyer· (ihn abwehrend)
-
-Man wird schließlich nich mal mehr unbelästigt auf den Platz kommen
-können.
-
-·Göttlingk·
-
-Aber Kindchen, Puppechen! Sie waren doch sonst nich so. Ich hab' Ihnen
-doch manches liebe Mal in Ihren warmen, sanften Oberarm gekniffen.
-
-·Frau Homeyer·
-
-Und haben immer noch von mir auf die Finger gekriegt.
-
-·Göttlingk·
-
-Aber gelächelt haben Sie dazu -- so sieß! (Schmachtend) Ach, wie so
-sieß!
-
-·Frau Homeyer·
-
-Ach, Sie sollten sich was schämen. Dort vor der Tür steht das Fräulein.
-Das will Sie sprechen.
-
-·Göttlingk·
-
-Das Fräulein -- mich? -- Mich -- das --? So! Na! Sie, Nachtwächter, Sie
-können abrutschen. Aber Sie werden mir noch Rede stehn. Verstanden? --
-
-·Lohmann· (leise)
-
-Hab man keine Bange vor dem!
-
-·Struve· (leise)
-
-Und wenn du für irgend was 'n Zeugen brauchst, ick beschwör' alles ...
-Unbesehn.
-
-·Biegler·
-
-Ich dank' euch schön.
-
-·Göttlingk·
-
- (dreht eitel seinen Schnurrbart)
-
-Na, bin ich nu nobel genug fürs Fräulein? (Geht nach vorne links)
-
-·Frau Homeyer·
-
- (schaut verliebt hinter ihm her, einer der Steinmetzen umfaßt
- sie von hinten, sie schlägt nach ihm, die andern lachen, sie
- geht nach links)
-
-·Biegler· (nach der Kantine ab)
-
-
-Elfte Szene
-
- _Marie. Göttlingk._ Die anderen im Hintergrund
-
-·Marie·
-
- (ist bebend die Stufen heruntergestiegen und streicht sich, wie
- um sich Mut zu machen, mit der Hand übers Gesicht)
-
-·Göttlingk·
-
- (linkisch, mit durchbrechender Frechheit)
-
-Mahlzeit, Fräulein.
-
-·Marie· (tonlos)
-
-Gesegnete Mahlzeit!
-
-·Göttlingk·
-
-Möchte mir die ergebenste Frage erlauben, womit ich dem Fräulein dienen
-kann?
-
-·Marie·
-
-Herr Göttlingk, Sie sind lange weg gewesen.
-
-·Göttlingk·
-
-Jawohl, bißchen de Welt besehen. Aber nu bin ich schon lange wieder da.
-
-·Marie·
-
-Das freut mich, daß Sie wieder da sind, Herr Göttlingk.
-
-·Göttlingk·
-
-Nu, das is ja höchst schmeichelhaft für mich. Danke schön.
-
-·Marie· (rasch, ängstlich)
-
-Nein, nein, der Lore wegen.
-
-·Göttlingk·
-
-Der Lore wegen. Ach so ... Na, das geht so seinen Weg.
-
-·Marie·
-
-Was für 'n Weg, Herr Göttlingk?
-
-·Göttlingk·
-
-Wissen Sie was, Fräulein Mariechen? Beunruhigen Sie sich darüber nicht.
-Da sind Sie viel zu fein zu. -- Das sind solche Geschichten.
-
-·Marie·
-
-Sie wissen wohl gar nicht, Herr Göttlingk, wie lieb Sie die Lore hat?
-
-·Göttlingk·
-
-Mädchen mit 'n Kind hat einen immer lieb. Dafür sorgt schon der liebe
-Gott.
-
-·Marie· (ihn bestürzt anstarrend)
-
-Herr Göttlingk, so schlecht können Sie doch gar nicht sein. Wenn die
-andern auch sagen, Sie seien gewalttätig und -- Ich habe Sie immer für
-einen guten und edeln Menschen gehalten.
-
-·Göttlingk·
-
-Na, macht sich!
-
-·Marie·
-
-Und ich weiß, aus Ihrem Singen spricht ein weiches Herz. Ich habe Ihnen
-immer mit Freuden zugehört.
-
-·Göttlingk·
-
-So? Na, ich hab' auch sozusagen immer extra für Sie gesungen, Fräulein
-Mariechen.
-
-·Marie· (tödlich erschrocken)
-
-Wieso -- für -- mich?
-
-·Göttlingk·
-
-Nu, weil ich schon weiß, daß Sie dann immer 's Fenster aufmachen. Also
-müssen Sie's doch gerne haben. Ich tu' immer, was Sie gerne haben.
-Jawohl. Mach' ich.
-
-·Marie· (außer Fassung)
-
-Es handelt -- sich hier -- aber gar nicht -- um mich.
-
-·Göttlingk·
-
- (in trumpfender Männlichkeit)
-
-Warum eigentlich nich, Fräulein Mariechen? Warum soll es sich nich auch
-'n mal um Sie handeln?
-
-·Marie·
-
- (sprachlos, ratlos, schließt für einen Augenblick die Augen,
- dann -- da sie Zarnckes Stimme in der Veranda hört, eilt sie
- hilfesuchend auf ihn zu)
-
-Vaterchen! Vaterchen!
-
-·Göttlingk· (seinen Schnurrbart drehend)
-
-Sieh mal an! Sieh mal an! (Geht nach hinten)
-
-
-Zwölfte Szene
-
- _Die Vorigen. Zarncke. Kriminalkommissar
- Reitmaier_
-
-·Zarncke·
-
-Na, was denn, Miezelchen? (Ruft) Frau Homeyer! (Sie hängt in seinem
-Arm, er streichelt ihre Wange und übergibt sie dann Frau Homeyer, die
-für einen Augenblick in der Tür erscheint) Sie werden entschuldigen,
-Herr Kommissar! Sie is 'n bißchen kränklich ...
-
-·Reitmaier·
-
- (Mann Mitte der Vierzig, rund, breitschultrig, strohblonder
- Schnauzbart, Pincenez. Gemachte Jovialität, die gelegentlich in
- brutale Schärfe umschlägt. Ein wenig Bierbruder mit Ausblick
- zum Offiziertypus)
-
-Ach, es ist mir ja immer höchst fatal, wenn ich so das Privatleben der
-Herrschaften stören muß. Ich werd' Sie auch nicht lange aufhalten.
-Ich bin nur beauftragt worden, mal 'n bißchen nachzuhören, was mein
-Kollege vom Revier da -- -- Haben Sie man keine Bange. Ich bin 'ne
-menschenfreundliche Natur. Ich mach' das alles gemütlich. Die Herren
-Spitzbuben -- die sind mir so wie 'ne große Familie.
-
-·Zarncke· (erfreut, bewundernd)
-
-Ach -- ne -- wirklich?
-
-·Reitmaier· (bieder)
-
-Ja, darf ich wohl sagen: Wie meine Familie! Na, kann man den Onkel mal
-'n bißchen sehn?
-
-·Zarncke· (rufend)
-
-Struve!
-
-·Struve·
-
- (sich von einer Gruppe im Hintergrunde lösend)
-
-Jawohl, Herr Zarncke. (Leise) Ei weh, Kindersch. Da is der Reitmaier
-vom Präsidium. Das is 'n fauler Junge. (Kommt nach vorn)
-
-·Reitmaier· (die Arme ausbreitend)
-
-Herr Gott, das is ja mein guter, alter Struve.... Na, lieber Freund!
-
-·Struve· (gerührt)
-
-Ach, der Herr Kommissar! Ne, is das 'ne Freude!
-
-·Reitmaier·
-
-Na, Menschenskind, wir haben uns ja so lange nich gesehn.
-
-·Struve·
-
-Ja, Herr Kommissar. Es hat mir auch immer was gefehlt.
-
-·Reitmaier·
-
-Nu sagen Sie mal, alter Sohn, was _haben_ Se denn nu wieder
-ausgefressen?
-
-·Struve·
-
-Herr Kommissar, es tut mir ja leid. Aber ich bin eben scharf in de
-Besserung. Diesmal kann ich wirklich nich -- nich -- dienen.
-
-·Reitmaier· (überzeugt)
-
-Ja, ja, ja. Also, Sie sind's nich gewesen?
-
-·Struve·
-
-Herr Kommissar, und wenn ich hier gleich meinen Totenschein in die Hand
-nehm' --
-
-·Reitmaier·
-
-Nich schon Totenschein! Pfui! -- Mann wie Sie muß leben!
-
-·Struve·
-
-Aber wenn sich's machen läßt, Herr Kommissar, im Zuchthaus. Ja.
-
-·Reitmaier· (zu Zarncke)
-
-Er is bitter gestimmt. (Beruhigend) Na, na, na, es is da bloß noch 'ne
-kleine Formensache. Nichts von Bedeutung! Ne! (Zieht sein Notizbuch)
-Sagen Sie mal, wo waren Sie denn nu in der Nacht?
-
-·Struve·
-
-Ja, Gott, Herr Kommissar. Wo man so is. Uf 'ne Banke. Oder so.
-
-·Reitmaier· (bedauernd)
-
-Warum _waren_ Se nu nich in Ihre Schlafstelle?
-
-·Struve·
-
-Ja, warum _war_ ich nich in meine Schlafstelle? Hätt' ich gewußt, daß
-schlechte Menschen hier bei Herrn Zarncke einbrechen würden, hätt' ich
-mir gleich um halb zehne in de Klappe gelegt. Wegen den Aal--ibi.
-
-·Reitmaier·
-
-Natürlich! (Leise) Das is 'n abgefeimtes Luder! -- Da Sie das aber
-selbstredend nicht wissen konnten, so gingen Sie zu -- in den bekannten
-Lehmannschen Keller, wo wir ja auch schon zusammen gesessen haben. Is
-da 's Bier immer noch so gut?
-
-·Struve·
-
-Danke. Ja. Es jeht.
-
-·Reitmaier·
-
-Da waren Sie bis -- zehn Minuten nach zwölfe. Und dann waren Sie mit
-Ihrem Freund Kuntze -- ja, wo waren Sie da?
-
-·Struve·
-
-Ja, wo war ich da? Ich bin -- spazieren jewesen.
-
-·Reitmaier· (klagend)
-
-Nämlich, denken sich mal, Ihr armer Freund Kuntze sitzt schon wieder
-feste!
-
-·Struve·
-
-Das is dem Kerl recht. Der is zu dumm.
-
-·Reitmaier·
-
-Aber es is doch schade. Na -- und als Sie sich dann getrennt hatten,
-was taten Sie dann?
-
-·Struve·
-
-Ach, Herr Kommissar, ich bin so 'n weiches Jemiete. Ick hab' mir so,
-wie ick schon sagte, in'n Humboldthain bisken uf die Banke jesetzt.
-
-·Reitmaier·
-
-Und gesprochen haben Sie mit niemandem?
-
-·Struve·
-
-I wo wer' ick doch. Dabei kann man so leicht in schlechte Jesellschaft
-kommen. Ne.
-
-·Zarncke· (triumphierend, leise)
-
-Den kriegen Sie nich!
-
-·Reitmaier·
-
-Und dann sind Sie nach Hause gegangen.
-
-·Struve·
-
-Ja, ick wollte eijentlich noch 'n bisken die Vögelchens singen hören.
-Aber ~pee à pee~ bin ick denn zu Hause jejangen.
-
-·Reitmaier· (leise)
-
-Der Kerl hat ein Schwein. Weder die Stunde des Einbruchs noch die Zeit
-seines Heimkommens sind festzustellen. Aber -- -- (laut) Struve!
-
-·Struve·
-
-Herr Kommissar!
-
-·Reitmaier·
-
-Ja, noch eins. (Wieder leise) In dem Magazin -- haben Sie da Sachen von
-Wert?
-
-·Zarncke·
-
-O ja. Da bewahr' ich unter anderm die Zahnsägen auf.
-
-·Reitmaier·
-
-Und die sind wertvoll?
-
-·Zarncke·
-
-Einige davon sind mit Diamantsplittern besetzt.
-
-·Reitmaier·
-
-Ah! Wußte der Struve davon?
-
-·Zarncke· (mit reserviertem Lächeln)
-
-Ja, das weiß ich nicht, Herr Kommissar.
-
-·Reitmaier·
-
-Struve, wo ist hier das Magazin?
-
-·Struve·
-
-Das Magazin? (Nach rechts weisend) Na da is es ja.
-
-·Reitmaier·
-
-Was is denn da so drin?
-
-·Struve·
-
-Was wird denn da so drin sein? Vielleicht überführen Sie sich mal, Herr
-Kommissar.
-
-·Reitmaier· (schärfer)
-
-Wissen Sie, was Zahnsägen sind?
-
-·Struve·
-
-Zahnsägen? Ja. Das sind Zahnsägen.
-
-·Reitmaier·
-
-Wo werden die über Nacht aufbewahrt?
-
-·Struve· (rufend)
-
-Du, Lohmann, wo werden doch die Zahnsägen aufbewahrt?
-
-·Reitmaier· (ärgerlich)
-
-Sie haben hier zu antworten und keine Fragen zu stellen.
-
-·Zarncke·
-
- (auf die Umstehenden weisend, von denen sich einige allgemach
- näher herangedrängt haben)
-
-Stören Sie die Leute, Herr Kommissar?
-
-·Reitmaier·
-
-Durchaus nicht. Durchaus nicht. (Leiser) Sie sehn übrigens -- (zu
-Struve streng) treten Sie mal zurück! -- (leiser) daß an das Subjekt
-nicht 'ranzukommen ist.
-
-·Zarncke· (zaghaft, bittend)
-
-Ach, dann lassen Sie ihn doch laufen.
-
-·Reitmaier·
-
-Nu ja, _Sie_ sind ja bekannt dafür, daß es Ihnen Vergnügen macht,
-dergleichen Volk bei sich unterkriechen zu lassen.
-
-·Zarncke·
-
-Vergnügen? Es is wohl mehr eine Abbitte an den lieben Gott.
-
-·Reitmaier· (immer noch leise)
-
-Weitere Verdachtsmomente als seine Bescholtenheit liegen nicht vor. Ich
-könnte jetzt noch die Leute hier vernehmen. Vorher aber möcht' ich mal
-an _Sie_ die Frage richten, ob Sie nach Ihren Beobachtungen den Kerl
-für verdächtig halten oder nicht?
-
-·Zarncke· (verlegen)
-
-Ja, da is schwer --
-
-·Reitmaier·
-
-Trotzdem möcht' ich sehr bitten, der Wahrheit gemäß --
-
-·Zarncke· (in die Enge getrieben)
-
-Ja, ja, ja. Einen Augenblick. Polier! Geben Sie doch mal -- (spricht
-leise weiter)
-
-·Willig·
-
- (der sich inzwischen unter den Umstehenden eingefunden hat,
- holt eine Anzahl Schlüssel aus der Hosentasche und reicht ihm
- einen davon)
-
-·Zarncke·
-
-Struve! ... Sehen Sie mal hier diesen Schlüssel. Kennen Sie den?
-
-·Struve·
-
-Ne.
-
-·Zarncke·
-
-Das ist der Magazinschlüssel. Den übergeb' ich Ihnen hiermit. Verstehn
-Sie?
-
-·Struve·
-
-Ne.
-
-·Zarncke·
-
-Falls der Herr Kommissar Sie hier läßt, werden _Sie_ mir von jetzt ab
-für die Sicherheit der Sachen -- einstehn. Verstanden?
-
-·Struve·
-
-Ne.
-
-·Reitmaier·
-
-Erlauben Sie mal, Herr Zarncke! Was bedeutet denn das?
-
-·Zarncke·
-
-Das ist meine Antwort, Herr Kommissar. Entnehmen Sie daraus, was Sie
-wollen.
-
-·Reitmaier·
-
-Sie -- vertrauen -- _dem_ den --? Hähähä! Erlauben Sie mal. -- Hähähä.
-Pardon, das ist zu spaßhaft. (Immer lachend) Na dann will ich auch
-nicht weiter stören. Das kann dann mein Kollege vom Revier zu Ende
-führen! ... Aber wenn Ihnen man die Passion für solche schweren Jungens
-nich noch mal sauer aufstoßen wird ... denn außerdem haben Sie ja auch
-noch 'n Mörder bei sich. Und weiß Gott, was --
-
-·Zarncke· (sehr erschrocken)
-
-_Mörder?_ (Große Bewegung unter den Zuhörern, die sich während der
-Folgezeit über den ganzen Platz fortpflanzt)
-
-·Reitmaier·
-
-Nu ja -- den --
-
-·Zarncke· (rasch, mit Nachdruck)
-
-Das ist ein Irrtum, Herr Kommissar.
-
-·Reitmaier·
-
-Erlauben Sie mal --
-
-·Zarncke·
-
- (ihn bei Seite nehmend, erregt)
-
-Erstens ist der Mann nicht wegen Mordes, sondern wegen Totschlags
-verurteilt worden --
-
-·Reitmaier·
-
-Menschenblut is Menschenblut.
-
-·Zarncke·
-
-Menschenblut hat auch so einer in den Adern. Und das braucht ihm nicht
-unnütz vergiftet zu werden. Wissen Sie, daß Sie dem Manne, der sich zu
-mir gerettet hat, wie 'n Stück Vieh von der Schlachtbank, daß Sie _dem_
-das Weiterexistieren auf dem Platze wahrscheinlich unmöglich gemacht
-haben?
-
-·Reitmaier·
-
-Ich? Wieso? Bitte!
-
-·Zarncke·
-
- (auf die erregten Gruppen weisend)
-
-Da sehn Sie! Die werden's bald 'raushaben, wer der »Mörder« ist.
-Anstatt hier rücksichtsvoll --
-
-·Reitmaier· (brutal)
-
-Ach was! Da müßt' ich viel Zeit haben, auf solchen -- Auswurf --
-Rücksicht zu nehmen.
-
-·Zarncke·
-
-Na, sehr verwandtschaftlich reden Sie nu gerade _nicht_ von Ihrer
-werten Familie.
-
-·Reitmaier·
-
-Was für Familie? ... Ach so! (Scharf) Ich empfehle mich Ihnen, Herr
-Zarncke. (Ab nach links)
-
-
-Dreizehnte Szene
-
- _Die Vorigen_ ohne _Reitmaier_
-
-·Zarncke·
-
- (der einen Augenblick kopfschüttelnd dagestanden hat, laut)
-
-Hört mal, Kinder! Das -- mit dem -- Mörder -- das muß 'ne Verwechslung
-sein. Das -- ja --!
-
-·Willig· (vor sich hin)
-
-Na na!
-
-·Andere·
-
- (geben ebenfalls durch Mienen und Gebärden ihrem Zweifel
- Ausdruck)
-
-·Zarncke·
-
-Struve!
-
-·Struve·
-
- (der seinen Schlüssel kopfschüttelnd besehen hat)
-
-Herr Zarncke.
-
-·Zarncke·
-
-Diesmal hab' ich Sie noch 'rausgehauen. Nu benehmen Sie sich auch
-darnach.
-
-·Struve·
-
-Ja w-- w-- w--
-
-·Zarncke·
-
-Na was denn?
-
-·Struve·
-
-Wenn nu gesetzten Falls -- und es is _doch_ nu ein anderer gewesen --
-
-·Zarncke·
-
-Sie, bilden Sie sich keine Schwachheiten ein .... Und?
-
-·Struve·
-
-Und -- nu ja -- und der andere der kommt nu mal wieder -- --
-
-·Zarncke·
-
-Dann werden _Sie_ eingesteckt. Verlassen sich drauf. (Ab)
-
-·Lohmann· (nach der Kantine weisend)
-
-Nu selbstverständlich is er's. Wer denn sonst?
-
-·Sprengel· (nach Struve hin)
-
-An _den_ hat man sich schließlich gewöhnt, -- aber _Mörder_! Ne.
-
-·Lohmann·
-
-Du, Struve, komm mal her. (Struve geht zu ihnen)
-
-·Sprengel·
-
-Scht. Da is er.
-
-
-Vierzehnte Szene
-
- _Die Vorigen._ _Biegler._ Gleich darauf _Lore_
-
-·Biegler·
-
- (hat drei Zigarren in der Hand, die er besieht)
-
-·Lore·
-
- (mit einem kleinen Teller, worauf noch eine Zigarre)
-
-Herr Biegler.
-
-·Biegler· (sich umwendend)
-
-Ja?
-
-·Lore·
-
-Sie haben doch _vier_ Zigarren bezahlt und bloß dreie genommen.
-
-·Biegler·
-
-Ach so. Ja. Danke. (Nimmt die Zigarre) Es war ja auch noch 'n vierter
-dabei. (Mit glücklichem Lächeln) Ich hab' nämlich -- jetzt -- auch --
-_Freunde_ hier.
-
-·Lore· (erfreut)
-
-Ach, sehn Sie!
-
-·Biegler·
-
-Ja. Freunde -- hab' ich. Drei Stück. Ja ... Und da will ich mich doch
-mit Zigarren revanschieren. Ja.
-
-·Lore·
-
-Na sehn Sie. Hab' ich Ihnen nich immer gesagt: Es is nich so schlimm,
--- sie tun Ihnen nichts?
-
-·Biegler·
-
-Ja, ja, Fräulein! Wenn Sie mir nicht hätten immer Mut gemacht.
-
-·Göttlingk· (herüberrufend)
-
-Sie, Lore, was machen Sie sich da mit dem Kerl zu schaffen? Das ist
-kein Umgang für Sie. -- Lassen Sie den mal hübsch laufen.
-
-·Lore· (zusammenschreckend)
-
-Ja ... ja, ja. (Steht unschlüssig)
-
-·Biegler· (die Zähne zusammenbeißend)
-
-Der kann mich nich leiden. Gehn Sie man schon ... Ich hab' ja auch noch
--- _Freunde_. (Lore ab) (Er breitet seine Zigarren fächerförmig in
-der Linken aus und tritt zu Lohmann, der zuerst mit Struve gesprochen
-und dessen Gruppe sich dann aufgelöst hat) Du -- willste nich -- eine
-Zigarre von mir -- rauchen?
-
-·Lohmann· (verächtlich)
-
-Nee. (Tritt von ihm fort)
-
-·Biegler·
-
- (steht einen Augenblick wie erstarrt, dann geht er zu Sprengel,
- sehr zaghaft)
-
-Ach -- bitte -- ich hätt' -- ne Zigarre -- für --
-
-·Sprengel·
-
-Du kannst deine Zigarren für dich behalten. (Tritt gleichfalls von ihm
-fort)
-
-·Biegler·
-
- (reibt sich fassungslos die Stirn; eine verzweifelte Wildheit
- kommt über ihn; er geht zu Struve -- voll Angst und Ingrimm)
-
-Du hast mir vorhin ne Zigarre gegeben --
-
-·Struve· (gutherzig abwehrend)
-
-Laß man! Laß man! ... Es is nich, weil ich stolz bin, weil ich nu
-den -- Magazinschlüssel hab' ... aber -- ich kann mir nich --
-ausschließen, -- ich muß machen wie die andern.
-
-·Biegler·
-
-Wa -- was hab' ich -- euch denn -- ...?
-
-·Struve·
-
-Sag mal, wie alt bist du?
-
-·Biegler·
-
-Vierunddreißig.
-
-·Struve·
-
-Und da haben sie dich schon 'rausgelassen? So früh lassen sie einen wie
-du -- sonst doch nich los ...
-
-·Biegler·
-
- (sieht ihn entsetzt an, wirft einen wilden, verängstigten Blick
- auf die ihn rings Beobachtenden und versteht)
-
-Ach so ... Ach so.
-
-·Struve· (ist zu Lohmann zurückgetreten)
-
-Ich sag' euch bloß: det stimmt _nich_.
-
-·Lohmann·
-
-Wer soll's denn sonsten sein?
-
-·Biegler·
-
- (auf die Bank der Kantine sinkend)
-
-Ach so!
-
- (_Der Vorhang fällt_)
-
-
-
-
-Dritter Akt
-
- Die Kantine. Deren Wände sind aus Fachwerk gebildet. Die Decke
- ist niedrig und verräuchert. Auf der rechten Seite die Tür zum
- Werkplatz. Im Hintergrunde rechts das Fenster, im Hintergrunde
- links das Büfett mit einem Schanktisch davor. -- Auf der
- linken Seite eine Tür zu Schlafräumen. -- In der Mitte unter
- der Hängelampe ein Tisch mit Stühlen, links vorne ein Sofa mit
- Tisch und Stühlen, rechts vorne Tisch mit Stühlen. Vor dem
- Fenster Schustergerät. In der Ecke rechts hinten ein eiserner
- Ofen.
-
- Das Ganze trotz des ärmlichen oder vielmehr provisorischen
- Charakters sauber und beinahe freundlich. Blumentöpfe auf
- den Tischen und vor dem Fenster. Blitzblankes Gerät auf dem
- Schanktisch, darunter ein verzinkter Wasserwärmer. Plakate und
- Bilder ohne Rahmen sind als zufälliger Schmuck an die Wände
- geheftet. Die »Platzordnung« unter Glas und Rahmen hängt neben
- der Eingangstür. Über dem Büfett eine Uhr; neben ihm eine
- Mandoline
-
-
-Erste Szene
-
- _Lore_ hinter dem Schanktisch mit einer Handarbeit beschäftigt.
- Der alte _Eichholz_ auf dem Sofa schlafend. _Lenchen_ an dem
- Schusterschemel
-
-·Eichholz· (schnarcht)
-
-·Lore·
-
-Was machst du da, Lenchen?
-
-·Lenchen·
-
-Ich spiel' mit Großvatern seine Schuhmacherspielsachen.
-
-·Lore·
-
-Zerbrich ihm man nich seine Glasglocke.
-
-·Lenchen·
-
-Nein, nein.
-
-·Lore·
-
- (sieht nach der Uhr und geht dann zum Sofa)
-
-Vater -- Vater!
-
-·Eichholz·
-
- (brummt aus dem Schlafe, ohne sich zu rühren)
-
-·Lore·
-
-Vater, du mußt aufstehn.
-
-·Eichholz· (im Halbschlaf)
-
-Wieso denn?
-
-·Lore·
-
-Es is Sonnabend heute. Nach der Lohnzahlung -- du weißt ja -- dann
-wird's noch einmal voll hier.
-
-·Eichholz·
-
-Ja, ja ... Na ja ... (Richtet sich auf und reckt die Glieder) Ich muß
-ja auch noch gehn, mir neues Verschmierpech besorgen.
-
-·Lore·
-
-Laß doch, Vater, das eilt ja nicht.
-
-·Eichholz·
-
-Nu ja. Ich arbeit' ja _doch_ nich. Ich bin 'n altes Faultier, sagt
-meine Tochter. (Rülpst) Dein Kümmel is das reine Rattengift. -- Meine
-Leber kriegt schon harte Stellen von. Ich muß mal baldigst gehn, mich
-an einen Mäßigkeitsvereine zu beteiligen.
-
-·Lore·
-
-Ach ja, das wär' ganz gut, Vater.
-
-·Eichholz·
-
-Wär' ganz gut. Wär' ganz gut. Was weißt du, was mir gut is? Ich freß
-nich mehr aus'n Steinguttopp. Das laß dir gesagt sein.
-
-·Lore·
-
-Ach, das is ja alles Einbildung, Vater.
-
-·Eichholz·
-
-Denn was bin ich? ... Stück Vieh auf'm Schindanger bin ich ... Wenn sie
-mich schon wegjagen tun um -- um -- um 'n Mörder.
-
-·Lore· (abwehrend)
-
-Ach!
-
-·Eichholz·
-
-Auf meinem Platz sitzt 'n Mörder. Das halt' ich nich aus. Da jeh' ich
-ins Wasser. Da nehm' ich eine Jiftpille zu mir. Und dann verkauf' ich
-mir an die Annetomie ... Damit du nichts zu erben kriegst, du Biest.
-Nich mal meinen Leichnam.
-
-·Lore· (lächelnd)
-
-Ich will ja auch nichts, Vaterchen.
-
-·Eichholz·
-
-Wenn du hättest Ehre in deinem Herzen, dann schmißt du den Kerl 'raus
-und scheuerst mit Karbol die Stelle, wo er gestanden hat. Statt dessen
-frißt er sich hier rund an deine Karbonade.
-
-·Lore·
-
-Gönn ihm doch sein bißchen Essen, Vater. Und ob er wirklich _der_ is,
-von dem der Kommissär gestern gesprochen hat, das weiß ja keiner.
-
-·Eichholz·
-
-Ich hab's immer gesagt: der Kerl hat Mörderaugen im Kopp. Heute is nu
-jeder so klug.
-
-·Lore·
-
-Was sind denn Mörderaugen, Vater?
-
-·Eichholz·
-
-Die sind wie beim Fisch. Da sitzt ein Stein drin. Und das is der Tod.
-Und wegen so einen -- haben sie -- mir -- (Weint)
-
-·Lore· (mitleidig)
-
-Vaterchen!
-
-·Eichholz· (weinend)
-
-Das halt' ich nich aus. Da werde ich verrückt von. Einer muß hin. Er
-oder ich. Tot oder lebendig. Der muß verrecken, der Hund, der Bluthund,
-der -- der -- (Kläglich) Ich hab' so 'n Leberstechen.
-
-·Lore·
-
-Geh, leg dich aufs Bett, Vater.
-
-·Eichholz·
-
-Das hat er mir schon mit seinen bösen Blick anjetan, daß ich nicht
-werde jenesen meines Leidens ... Ich hab' so 'n Leberstechen. (Ab)
-
-·Lore· (sieht ihm seufzend nach)
-
-Lenchen, du bist ein kluges Kind. Geh mit Großvater. Und wenn er weint,
-dann ruf.
-
-·Lenchen·
-
-Ja, Mamachen. (Von Lore zur Tür geleitet, ab. Es klopft)
-
-·Lore·
-
-Herein!
-
-
-Zweite Szene
-
- _Lore._ _Marie_
-
-·Marie·
-
-'n Tag, Lore. Du hast wohl schon sehr auf mich gewartet?
-
-·Lore· (gedrückt)
-
-Ach! Jetzt hatt' ich schon aufgehört.
-
-·Marie·
-
-Wußtest du's, daß ich gestern mit ihm gesprochen hatte?
-
-·Lore·
-
-Die anderen erzählten sich's.
-
-·Marie·
-
-Und du fragst gar nicht? Dachtst dir wohl schon, daß ich keine guten
-Nachrichten bringe?
-
-·Lore· (mutlos)
-
-Gott, als Sie gestern abend nicht kamen. Und heute vormittag nicht.
-Wollen sich nich setzen, Mariechen?
-
-·Marie·
-
-Danke. (Setzt sich) Hast du gehört, wie schön die Amsel singt auf
-deinem Dach? Mitten in all dem Lärm. Täusch' ich mich, oder pfeift sie
-fröhlicher, seit sie ihr Nest hat? Es is wirklich so, als ob das Glück
-pfeift ... Auf deinem Dach, Lore.
-
-·Lore·
-
-Für mich pfeift kein Glück.
-
-·Marie·
-
-Wer weiß? ... (Zögernd) Lore, ich will dir was gestehn: Ich hab' Vater
-gebeten, daß er ihm am nächsten Termin kündigt.
-
-·Lore·
-
-Warum haben Sie das getan? Wenn er gehen will, dann soll er gehn. Aber
-nicht fortjagen. Nicht um meinetwillen.
-
-·Marie·
-
-Lore. Ich hab' auch Vater gebeten, daß er ihm dann sagt, daß er dir 'ne
-Aussteuer geben wird.
-
-·Lore·
-
-Ich will keine Aussteuer. Die heilt nichts und macht nichts gut. Ich
-will nichts.
-
-·Marie·
-
-Denn sieh mal: Er ist ehrgeizig. Er will eine Frau, die wohlhabend ist.
-Darauf geht er aus.
-
-·Lore·
-
-Woher wissen Sie das?
-
-·Marie·
-
- (stockend, mit abgewandtem Gesicht)
-
-Nun, das -- merkt -- man doch.
-
-·Lore·
-
-Zuzutrauen ist es ihm schon. Aber so himmlisch gut Herr Zarncke is,
-wohlhabend, wie _er_ meint, kann ich ja doch nie werden.
-
-·Marie·
-
- (mit geheimnisvollem Lächeln)
-
-Nun -- wer weiß?
-
-·Lore·
-
-Denn erspart hab' ich nichts. Ich verdien' hier gerade das tägliche
-Brot.
-
-·Marie· (mit unterdrückter Erregung)
-
-Sieh mal, Lore, was ich dir schon immer mal hab' sagen wollen: Lange
-leben werd' ich nicht, (langsam, mit Betonung) und -- dein Lenchen --
-hab' ich _sehr lieb_.
-
-·Lore· (nach langem Schweigen)
-
-Mein Kind hast du -- so lieb?
-
-·Marie· (nickt)
-
-·Lore·
-
-Mein Lenchen hast du so lieb?
-
-·Marie· (tonlos)
-
-Ja.
-
-·Lore· (aufschreiend)
-
-Dann geb' ich's dir. Dann nimm's als dein eigen. Wozu soll sie sich
-durchschleppen mit mir durch all den Jammer, wenn sie _das_ haben kann?
-(schluchzt)
-
-·Marie·
-
-Lore, hör mal! ... Vor zwei Tagen -- da hätt' ich noch ja und »Schön
-dank« gesagt. Aber jetzt -- seh' ich die Dinge -- anders an. Denn, sieh
-mal! So ein -- Kindchen -- muß doch zuerst mal -- seinen Vater haben
-... Nicht wahr?
-
-·Lore· (in neuem Erstaunen)
-
-Marie, Marie! Wenn ich das recht versteh'! ... Das glaub' ich nicht!
-Das ist zu viel! Das ist zu viel! Und das kann auch nicht zum Guten
-sein. Nie im Leben. Nie.
-
-·Marie·
-
-Warum nicht?
-
-·Lore·
-
-Weil -- weil ... Der -- der _will_ mich nicht mehr. Dem bin ich _doch_
-bloß 'ne Kette am Bein. Weiter nichts.
-
-·Marie·
-
-Auch wenn er weiß, was Lenchen mal zu erwarten hat? Und wovon er doch
-der Verwalter sein wird?
-
-·Lore·
-
-Mein Gott, mein Gott, mein Gott!
-
-·Marie·
-
-Nur wie das wird, wenn ich früher sterbe als Vater, das weiß ich nicht.
-Denn wollen _wird_ er ja nicht.
-
-·Lore·
-
-Nein, nein, nein! Es wird nichts. Es kann auch nicht. Und es schadet
-auch gar nichts, wenn's -- nichts -- wird. -- Man is ja längst schon
-viel zu mürbe. Und vielleicht ist einem ganz, ganz was anders bestimmt,
-wo _nicht_ so viel Tränen drauf liegen. Aber 'ne Viertelstunde lang mal
-froh gewesen sein und ein Mensch, nicht bloß ein Stein, den man hin
-und her stößt, ach, das tut so gut, so gut, so gut! (Sinkt lachend und
-weinend vor ihr nieder und küßt ihr die Hände)
-
-·Marie·
-
-Laß doch! Steh auf! Mir scheint, es kommt wer. (Lore steht auf)
-
-
-Dritte Szene
-
- _Die Vorigen. Biegler_
-
-·Biegler· (dumpf, scheu)
-
-Guten Tag.
-
-·Marie.·
-
-Guten Tag, Herr Biegler. Ist denn schon Feierabend?
-
-·Biegler·
-
-Ja.
-
-·Marie·
-
-Geht's Ihnen gut?
-
-·Biegler·
-
-Danke.
-
-·Marie·
-
-Adieu, Herr Biegler. Adieu, Lore! (ab)
-
-
-Vierte Szene
-
- _Lore. Biegler_
-
-·Biegler· (setzt sich an den Mitteltisch)
-
-·Lore·
-
- (geht zum Büfett, schenkt aus dem Wärmekessel einen Topf mit
- Kaffee ein, bricht eine Fünfpfennigsemmel ab und bringt sie
- nach dem Tisch links)
-
-Setzen sich lieber hierher, Herr Biegler. Das da is ja der
-Steinmetzentisch, und die Bildhauer kommen nich nach der Auszahlung.
-Die sind zu große Herren.
-
-·Biegler·
-
-Ich geh' so wie so gleich fort. (Setzt sich links)
-
-·Lore·
-
-Warum sind Sie eigentlich nich bei der Wochenauszahlung?
-
-·Biegler·
-
-Ich -- krieg' -- monatlich. (Schweigen)
-
-·Lore·
-
- (immer in freudiger Erregung)
-
-Ich weiß nicht; Sie kommen mir heut so anders vor, Herr Biegler. Sie
-reden gar nich.
-
-·Biegler·
-
-Ich red' ja -- auch sonst nich -- viel.
-
-·Lore·
-
-Wissen Sie, mir is nämlich heute ganz was -- ganz was -- Besonderes --
-passiert.
-
-·Biegler·
-
-Was Gut's?
-
-·Lore· (nickt)
-
-·Biegler·
-
-Da gratulier' ich.
-
-·Lore·
-
-Ach, es is nichts zu gratulieren. Es wird sich nichts ändern. Aber es
-is doch wie 'n heller Schein. -- Und da möcht' ich, daß es auch andern
-so geht. Ihnen auch.
-
-·Biegler· (schwer atmend)
-
-Danke!
-
-·Lore·
-
-Herr Biegler -- ach, Herr Biegler, wozu sollen wir erst viel Versteck
-spielen. Ich weiß ja, was Sie quält -- seit gestern.
-
-·Biegler·
-
- (sich in Erstaunen jäh umwendend)
-
-Und da reden Sie noch mit mir?
-
-·Lore·
-
-Ja -- is es denn wahr?
-
-·Biegler· (nach einer Pause, schwer)
-
-Die Herren Geschworenen haben die Frage -- ob's Notwehr gewesen is oder
-nich -- verneint ... Und nu lassen Sie mich meinen Kaffee austrinken.
-(Schweigen)
-
-·Lore· (nach innerem Kampfe)
-
-Herr Biegler! ... Sündig sind wir alle ... Ich auch.
-
-·Biegler· (bitter lachend)
-
-Sie?
-
-·Lore· (zaghaft)
-
-Sie wissen doch!
-
-·Biegler·
-
-Ja, Ohren hab' ich auch ... (in Wut auffahrend) Und wenn ich erst
-wieder Fleisch hätt' auf den Armen, dann würd' ich den Kerl -- --
-
-·Lore·
-
-Ruhig, Herr Biegler, ruhig, ruhig! Sie wollen doch nich, daß ich Angst
-hab' vor Ihnen?
-
-·Biegler· (hastig seinen Kaffee trinkend)
-
-Ich geh' schon. Ich geh' schon.
-
-·Lore·
-
-Herr Biegler, wollen Sie nich mal Ihr Herz erleichtern?
-
-·Biegler·
-
- (unschlüssig, mit dankbarem Aufblick)
-
-Ach! ... (hart) Ne.
-
-·Lore·
-
-Gott, Herr Biegler, gut tät's Ihnen schon! Man wird ja so wie so wie'n
-Stein! Die Steinmetzen erzählen nämlich: Der Stein wird durch Druck.
-Wissen Sie?
-
-·Biegler·
-
-Das sollt' ich wohl wissen.
-
-·Lore·
-
-Ja, Hunderttausende und Millionen Jahre müssen die drüberliegenden
-Schichten drücken, dann wird die lebendige Erde zu Stein ... Beim
-Menschen dauert's nich so lang. Das hab' ich ausprobiert. 'n paar
-Jährchen Druck -- immer derselbe Druck. Das genügt.
-
-·Biegler· (bitter)
-
-Ob's genügt.
-
-·Lore·
-
-Man lacht und man weint und man schläft und man arbeitet -- ach, lustig
-sein kann man sogar -- man is überhaupt ein Mensch wie andere und is
-doch lang keiner mehr ... Drin im Innersten lebt man gar nich mehr ...
-Man is willenlos wie 'n Stein ... Man läßt sich mit dem Fuß stoßen wie
-'n Stein. Man wird gegen alles gleichgültig wie 'n Stein.
-
-·Biegler· (eifrig)
-
-Ja, ja, ja, -- so is es, -- ja, ja.
-
-·Lore·
-
-Aber heut is wieder Leben in mich gekommen. So sehr hat mich was
-gefreut ... Gestern war ich wie Sie. Aber heut kann ich Ihnen was
-helfen. Bloß Vertrauen müssen Sie haben, daß ich's auch wirklich will.
-
-·Biegler·
-
-Das hätt' ich schon -- aber -- (vor sich hinbrütend) ich muß ja wohl
-wieder weg.
-
-·Lore·
-
-Ich denk', Sie waren zufrieden.
-
-·Biegler·
-
-Wenn sie mich in Ruh' gelassen hätten -- _alle_ -- im Himmel wär' ich
-gewesen. Morgens -- so gegen zweie -- da is mir leicht geworden ...
-dann kann keiner kommen und was von mir wollen. -- _Doch!_ -- Einer
-_kann_ kommen ... Die kann _immer_ kommen. Sie _is_ noch nich -- aber
-sie kann.
-
-·Lore· (mit beruhigendem Lächeln)
-
-Na wer denn, wer denn?
-
-·Biegler·
-
-Ach so -- ich soll ja mein Herz erleichtern.
-
-·Lore·
-
-Nicht -- wenn Sie nich wollen.
-
-·Biegler·
-
-Wissen Sie, wie's nu werden wird? ... Vors erste schieben sie sich so
-langsam von einem weg ... Man will _mit_ anfassen, und dann is man
-allein. Und dann geht's Gerede los um einen rum. Da heißt es: »Na,
-habt ihr auch schon euer Leben versichert?« Und da heißt es: »Wenn
-sich gewisse Brieder nich bald dinne machen, dann werden wir den Platz
-schwarz stellen.« Und dann fliegt 'n Stück Holz. Und dann fliegt 'n
-Stein. Und dann kommen _Sie_ eines Tags und sagen: »Es tut mir leid,
-Herr Biegler, aber Sie müssen wo anders essen, es is wegen der Leute.«
-
-·Lore· (schüttelt heftig den Kopf)
-
-·Biegler·
-
-Na warten Sie man. Und schließlich kommt der Prinzipal und sagt: »Hier
-is Ihr Buch. Sie können gehen.« Und man weiß, daß man nu wieder ins
-Hungerland zieht, wo kein warmes Mittag is und kein Bett, und man sagt
-noch: »Gott sei Dank.«
-
-·Lore·
-
-Ach, es is schrecklich.
-
-·Biegler·
-
-Unser Pastor in der Anstalt hat immer gesagt: »Seid froh, daß ihr
-sühnen könnt« ... »Sühnen« heißt das schöne Wort ... Das haben die
-Herren extra für uns erfunden ... Ja, was soll ich nu alles sühnen?
-... Daß der Weg mich in _die_ Schlafstelle geführt hat -- und gerade
-in _die_? ... Daß die Frau jung war -- mit Flunkeraugen -- und daß sie
-immer _so_ machte (haucht mit spitzem Munde), wenn sie hinten an mir
-vorbeiging. Und wenn ich gesagt hab': »Was machen Sie da?« dann hat sie
-mich mit den blanken Zähnen angelacht und gesagt: »Ich kann's in den
-Tod nich leiden, wenn auf dem Rockkragen 'ne Feder sitzt« ... Und der
-Mann hat noch mitgelacht, wenn's mir schon heiß und kalt das Genick
-'runterlief ... Ja, so kommt so was ... Er war Schuster. Wie Ihr Vater
-... Mit den Schustern hab' ich kein Glück ... Nu, da wissen Sie ja
-auch, was 'n Klopfstein is ... (Zum Gerätschemel gehend) Da liegt er
-ja! (Bringt den Stein.) Sehn Sie sich den an! Bißchen kleiner war er
--- aber groß genug. Dann wie der Mann mich eines Tages abgefaßt hat --
-mit ihr -- -- und auf mich zugekommen is, Messer in der Hand, da hab'
-ich gedacht: was machen? Was hab' ich gemacht? _So!_ (Hebt den Stein
-hoch) ... Und mit eins hat er langgelegen. Das Ganze hat gedauert,
-wie wenn einer bis drei zählt ... Weil der nu da lang lag, darum war
-mein Leben verdorben. Nu sagt der Pastor: »sühnen!« Ja, nun sühne mal,
-wenn der Wahnsinn schon hinter dir sitzt ... Was kann ein zu Schanden
-geprügelter Hund viel sühnen? Seine Wunden kann er sich lecken ... Mehr
-kann er nich.
-
-·Lore· (mitleidig)
-
-Mein lieber Gott.
-
-·Biegler·
-
-_Ihr_ lieber Gott is nich _mein_ lieber Gott. Sonst ließ' er _das_ nich
-zu ... Ja, nu werd' ich gehn ... die ersten müssen gleich kommen.
-
-·Lore· (fest)
-
-Sie sollen _nicht_ gehn, Herr Biegler.
-
-·Biegler· (in flackernder Angst)
-
-Ich hab' mein Vesper getrunken. Ich hab' hier nichts mehr zu tun.
-
-·Lore·
-
-Sie sollen dableiben. Was auch geschehen mag, Sie sollen dableiben. Ich
-setz' Ihnen ein Glas Bier hin wie den andern. Das trinken Sie aus und
-kümmern sich um nichts.
-
-·Biegler·
-
-Um Gottes willen. Hier? Hier? Wieso denn?
-
-·Lore·
-
-Sehn Sie denn das nicht? Je mehr Sie sich verkriechen, desto mehr sind
-_die_ von Ihrer Schuld überzeugt. Und das darf nicht sein.
-
-·Biegler·
-
-Wenn's nu aber doch wahr is?
-
-·Lore·
-
-Das geht keinen was an. Außer Herrn Zarncke und mir weiß keiner was.
-Und wir halten reinen Mund. Wenn _die_ sehn, daß Sie keinem aus dem
-Wege gehn, dann wird das Getratsche langsam wieder einschlafen ... Aber
-nichts gestehn! Sich nich verschnappen! Sonst ist alles aus ... Wissen
-Sie noch, wie Sie waren, als ich Ihnen das erste Butterbrot brachte?
-
-·Biegler· (nickt voll Grauen)
-
-·Lore·
-
-So sehn Sie in vier Wochen wieder aus, wenn Sie sich jetzt wegjagen
-lassen. Es geht um Ihr Leben, Herr Biegler. (Hinaushorchend) Ich
-glaube, Sie kommen schon. Da setzen Sie sich hin. Und wer Sie anlappt,
-dem zeigen Sie die Zähne.
-
-·Biegler· (stammelnd)
-
-Ach ich -- m -- mir bl -- eibt ja jedes Wort in der Kehle.
-
-·Lore·
-
-Soll nicht. Darf nicht. Sie müssen. Müssen, Herr Biegler, müssen!
-
-·Biegler·
-
-Und 's kann sein, wer's will? Ja?
-
-·Lore· (stutzend, dann stark)
-
-Ja.
-
-·Biegler· (dumpf, zagend)
-
-Na, is gut. (Setzt sich auf seinen Platz zurück)
-
-
-Fünfte Szene
-
- _Die Vorigen._ _Lohmann._ _Sprengel._ _Struve._
- _Drei andere Arbeiter_
-
- (Die Eintretenden begrüßen Lore, die rasch hinter den
- Schanktisch getreten ist, mit einem brummigen »Guten Tag« und
- setzen sich an den Tisch rechts)
-
-·Lohmann·
-
-Glas Bier!
-
-·Sprengel·
-
-Mir auch.
-
-·Struve·
-
-Jedem eins.
-
-·Sprengel·
-
-Kiekt mal, wer da huckt!
-
-·Lohmann·
-
-Mir wundert, daß er sich nich aufs Ehrensofa geschmissen hat. Das ist
-doch extra für ihm hingebaut.
-
-·Struve·
-
-Der Mensch sitzt, wo er kann. -- Laß ihm sitzen.
-
-·Lore· (Bier bringend)
-
-Wohl bekomm's!
-
-·Lohmann·
-
-Danke. (Nach Biegler hinüber) Jemütlich is anders. Prost! (Sie stoßen
-an)
-
-·Lore·
-
- (bringt auch Biegler ein Glas Bier)
-
-·Sprengel·
-
-Wird der hier nu auch den Stammgast spielen?
-
-·Lohmann·
-
-Struve, du verstehst dir ja auf so 'ne Brieder. Graul ihm mal 'raus.
-
-·Struve·
-
-Kindersch, laßt mir in Ruh. Ick bin jetzt so beschäftigt mit meine
-eigenen Sorgen.
-
-·Lohmann·
-
-Wat vor Sorgen?
-
-·Struve·
-
-Wat vor Sorgen? Des fragste noch? Glaubste, es macht Verjniegen, mit
-so 'ne Verantwortung in de Welt rumzuloofen? Wenn du jehst bloß Steine
-schleppen, denn haste jar keene Verantwortung, dafür biste aber auch
-'n Lump. Wenn du aber wirst jeehrt sein durch das Vertrauen deiner
-Mitbürger, wenn du wirst 'n Magazinschlüssel an dir tragen, oder so --
-dann wirst mal sehen, wie so 'n Mann zu Mute ist.
-
-·Sprengel·
-
-Dir is des wohl zu Koppe gestiegen? Was?
-
-·Struve·
-
-Denn wer eine jewisse Erfahrung hat von's menschliche Leben, der muß
-sich doch sagen: det is 'n janz jewehnliches Schnappschloß. -- Da
-brauchste bloß 'n paar gesunde Zähne zu, um 'n vierzölligen Drahtnagel
-krumm zu biegen, und denn biste schon drinne. Immer so mitten mang de
-Diamanten. Kindersch, um Gottes willen, regt eich das jar nich uf?
-
-·Lohmann· (lachend)
-
-Ne.
-
-·Struve·
-
-Und jesetztenfalls und du hast se nu ausgebrochen --
-
-·Lohmann·
-
-Was?
-
-·Struve·
-
-Na -- de Diamanten, denn kannste se jehn ruhig verschärfen bei jeden
-freindlichen Mann, wo mit blanke Knöppe handelt. Da kann dir kein
-Teckel an de Beene ... Des is 'ne aufjelegte Sache. Des reinste
-Beersenjeschäft ... Kindersch und da soll ick die Verantwortung vor
-haben? -- Ne, des halt' ich nich aus. Da zieh' ick über Land.
-
-·Sprengel·
-
-Jlickliche Reise. Prost.
-
-·Struve·
-
-Und was der Nachtwächter da is, der schlappohrige Kerl, ick wette 'n
-Hering jegen 'n Löffel Jritze, dessentwegen könnte man 'rin und 'raus
--- wie de Schwalben.
-
-·Lohmann·
-
-Der blieht da nu so 'rum. Wie so 'n Maibliemchen.
-
-·Sprengel·
-
-Abjebrieht is er wohl. Sonst säß' er nich hier.
-
-·Struve·
-
-Kindersch, ick sag' eich immerzu. Wenn er und er wär's, dann wär' er
-noch nich 'raus.
-
-·Lohmann·
-
-Jedenfalls wollen wir da mal ein jelinde blasenziehendes Mittel
-anwenden. (Sehr laut) Fräulein! Wissen Sie vielleicht die Adresse von
-'ne leistungsfähige Lebensversicherungsgesellschaft?
-
-·Biegler·
-
- (der solange scheinbar teilnahmslos, doch in gespannter
- Erwartung dagesessen hat, wendet sich jäh um)
-
-·Lore· (abweisend)
-
-Was soll ich mit 'ne Lebensversicherung?
-
-·Lohmann·
-
-Nu, 's is doch jetzt nich janz jeheier auf'n Platz. Da kann mal leicht
-so 'n kleiner Kuhhandel kommen, wo man plötzlich mit Tode abjeht, man
-weiß nich, wie?
-
-·Lore· (abweisend)
-
-Ich versteh' gar nich, was Sie meinen.
-
-·Lohmann·
-
-Diejenigen, wo's anjeht, die werden mir schon verstehn.
-
-·Biegler·
-
- (steht auf, will reden, bringt aber nur ein unartikuliertes
- Stammeln hervor und setzt sich wieder)
-
-·Lohmann·
-
-Hat jesessen.
-
-·Sprengel·
-
-Wo bleiben übrigens heite die Steinmetzen?
-
-·Struve·
-
-Nu -- die müssen sich doch erst ausputzen. Mit ihre blaue
-Kalikoschirzen trauen die sich nich uf de Straße. Es könnt' se ja einer
-fir Hausknechte halten. (Lachen)
-
-·Lohmann·
-
-Jedenfalls müßt' man sich mit denen zusammentun und was unternehmen
-beim Alten, -- damit er auf'm Platz 'n bißchen ausräuchern läßt. Es
-wird nötig.
-
-·Sprengel·
-
-Fang nich schon wieder an, Mensch ... hab doch Erbarmen mit so 'n
-plundrigen Kerl.
-
-·Lohmann·
-
-Wenn ich in 'n Modder trete, dann wisch' ich mir die Stiebeln ab; -- da
-hab' ich auch kein Erbarmen.
-
-·Biegler·
-
- (zittert und atmet schwer. Er ringt mit sich, unschlüssig, ob
- er sprechen solle, wagt es aber nicht mehr)
-
-·Sprengel·
-
-Kein Mensch weiß, ob er's wirklich is.
-
-·Lohmann·
-
-Warum steht er denn nich auf und --
-
-
-Sechste Szene
-
- _Die Vorigen. Willig. Göttlingk und andere
- Steinmetzen_ (in Feierabendkleidung)
-
-·Göttlingk·
-
- (auf den Tisch der Arbeiter weisend)
-
-Da _sitzt_ se ja, die janze feine Familie ... Ihr kriegt's wohl nich
-eilig genug mit eurem Feierabend -- was?
-
-·Lohmann·
-
-Wieso denn?
-
-·Willig·
-
-Den großen Oberkirchner Block, links von der Treppe, habt ihr auf
-Hochkant stehn lassen. Wißt ihr das nich?
-
-·Sprengel·
-
-Nu, der hängt doch im Flaschenzug.
-
-·Willig·
-
-Aber locker hängt er.
-
-·Lohmann·
-
-Bis wir den 'runterkriegen, dauert's zwanzig Minuten. Wenn der Alte
-Überstunden zahlen will, gehn wir gleich noch mal 'ran.
-
-·Göttlingk·
-
-Husten wird er euch was.
-
-·Willig·
-
-Jedenfalls steift ihn noch ab. Wenn was passiert, seid ihr
-verantwortlich. (Setzt sich zu den Steinmetzen an den Mitteltisch)
-
-·Göttlingk·
-
-Na, Lore, Sie könnten ruhig 'n bißchen fixer sein, wenn die Steinmetzen
-kommen.
-
-·Lore·
-
- (die Bier bringt, eilig, ängstlich)
-
-Hier is, bitte, hier is schon alles.
-
-·Göttlingk·
-
-Aber freilich, wenn man sich mit solchem Volk abgibt, wie der Kerl --
-der -- (Biegler erkennend) Herrgott, wer sitzt denn da?
-
-·Willig· (rasch)
-
-Ach, kümmer dich nicht um den.
-
-·Göttlingk·
-
-Hast recht. So 'n Geschmeiß existiert nich. Prost, die Herren! ~Per
-Bacco~, is mir mollig. Ganz fingrig is mir zu Mute. Wollt ihr was
-hören? Natürlich, ihr wollt immer was hören. Lore, bring mal -- bringen
-Sie mal die Seufzerkiste.
-
-·Lore·
-
-Jawohl. (Holt die Mandoline von der Wand und bringt sie ihm)
-
-·Ein Steinmetz·
-
-Du, der Alte war doch heute so extra süß mit dir. Ahnste weswegen?
-
-·Göttlingk·
-
- (während er die Mandoline stimmt)
-
-Tja, lieber Sohn, wer kann das wissen? Manchmal können sich Ereignisse
-vorbereiten -- die Welt is eben 'n Affenkäfig.
-
-
-Siebente Szene
-
- _Die Vorigen._ _Der alte Eichholz_
-
-·Eichholz·
-
- (angezogen wie im ersten Akt)
-
-Einen guten Feierabend wünsch' ich der hochgeehrten Gesellschaft.
-
-·Göttlingk·
-
-So in Jala, Papa Eichholz?
-
-·Eichholz·
-
-Jawohl. Mein Manschettenhemde hab' ich mir angezogen und habe mir
-angetan im Schmucke sämtlicher Orden und Ehrenzeichen. Nu wollen wir
-mal sehn, ob ein alter Krieger noch was gilt in seinem Vaterlande.
-
-·Lore· (ängstlich)
-
-Was hast du vor, Vater?
-
-·Eichholz·
-
-Zuerst bejeb' ich mir zum Alten und frag' ihn auf Ehr' und Jewissen:
-Wer is der Kerl? Was is der Kerl? ... Und wenn er in meinen unjewissen
-Zustande mir sollte -- (bemerkt Biegler) was -- was -- was -- was is
-denn das? Is das --?
-
-·Lore·
-
-Vater, hier darf jeder sein Bier trinken, der zum Platz gehört. Weißt
-du das nich?
-
-·Göttlingk· (halblaut zu Lore)
-
-Was mischst du dich da eigentlich immer 'rein?
-
-·Eichholz·
-
-Was man so sagt, der Wiedehopf, der läßt in sein eigenes Nest
-'reinschmutzen, aber wenn du willst mein Fleisch und Blut sein -- (in
-ausbrechender Wut) Kerl, dir werd' ich platt schmeißen! Dir bind' ich
-'n Mühlstein um'n Hals, dir, dir ... Blut muß fließen, du Hund, du
-blutiger Hund!
-
-·Biegler· (gequält)
-
-Fräulein, soll ich nu immer noch länger hier bleiben? Ich denk', nu is
-genug.
-
-·Göttlingk· (halblaut zu Lore)
-
-Nanu? Was geht dich dem Kerl sein Hierbleiben an?
-
-·Lore·
-
-Vater, tu, was du willst, aber hier in der Kantine fang keinen Zank an.
-Sonst mußt du 'raus.
-
-·Lohmann· (leise)
-
-Sieh mal, wie sie sich auf dem seine Seite schmeißt.
-
-·Sprengel·
-
-Hat sie ganz recht.
-
-·Eichholz·
-
-Jawohl. Ich geh' schon. -- Ich werde schon in geeignete Erfahrung
-bringen, wer, wer (mit geballter Faust) und wer Blut vergießt, deß --
-Blut -- muß -- -- ich geh' schon, ich geh' schon. Guten Abend, die
-hochgeehrte Gesellschaft. (Ab)
-
-
-Achte Szene
-
- _Die Vorigen_ ohne _Eichholz_
-
-·Göttlingk· (leise zu Lore)
-
-Hast du etwa Durchsteckereien mit dem?
-
-·Lore· (wendet sich ab)
-
-·Göttlingk· (verbissen)
-
-Sieh mal an! (Kehrt auf seinen Platz zurück) Na, lassen wir uns nich
-die Laune verderben. (Ergreift die Mandoline, in neuem Argwohn)
-Freilich, wissen möchte man doch.
-
-·Willig·
-
-Halt bloß Ruhe, Eduard.
-
-·Die Anderen·
-
- (die am Steinmetztische sitzen, stimmen ihm bei)
-
-·Göttlingk· (an der Mandoline zupfend)
-
-Na also, was soll ich euch singen? Ich weiß 'ne Menge schöne Lieder,
-die mir die schönen Weiber dort unten in schönen Stunden beigebracht
-haben ... denn die Weibsleut' da unten! Überhaupt die Weibsleut',
-Kinder! Wenn man da nich feste 'ranjeht! (Beiläufig, herablassend) Ach,
-bringen Sie mir doch noch 'n Glas Bier, Fräulein Lore.
-
-·Lore·
-
- (bebend vor Erregung, holt sein leeres Glas)
-
-·Göttlingk·
-
-Du fragtest vorhin, warum der Alte heute so süß mit mir war. Ja,
-mein geliebter Sohn, Glück bei den Weibsleuten muß der Mensch haben.
-Das is der Ausschlag beim Rosinenhandel ... Danke, mein Fräulein,
-danke, danke, danke! (Singt und spielt) »~Vè quà una giardiniera, si
-chiama Luisella, da sovra all'Arenella~« -- (Abbrechend) Sagt mal,
-Herrschaften, wie wär's, wenn ich zur Abwechslung mal so euer Chef
-würde hier auf diesem Steinmetzplatz?
-
-·Willig·
-
-Was is das wieder für 'n fauler Witz?
-
-·Göttlingk·
-
-Ja, das Leben macht manchmal so 'ne faulen Witze. Wenn ich da Jimm
-drauf hätte. Die Puckligen sind zwar nich gerade mein Jeschmack, aber
-wenn so 'n schönes Jeschäft dran hängt, kann man ja auch mal beide
-Augen zumachen.
-
-·Lore·
-
- (stößt einen unartikulierten Laut des Abscheus und des
- Entsetzens aus)
-
-·Sprengel· (halblaut)
-
-Is 'n Mensch wie 'n Vieh.
-
-·Willig· (leise)
-
-Läßte nu nich mal mehr die Krüppel in Ruh?
-
-·Göttlingk·
-
- (der das allgemeine Murren bemerkt hat, zum Arbeitstisch
- hinüber)
-
-Riskiert da etwa einer zu mucken? Was?
-
-·Lohmann·
-
-Wir sind ja ganz still.
-
-·Göttlingk·
-
-Möcht' ich mir auch ausgebeten haben. (Da Lore, den Kopf in den Händen,
-noch einmal aufstöhnt) Was ist denn hier los? Was? Was? Was?
-
-·Biegler·
-
- (ist in zitternder Erregung langsam aufgestanden, leise,
- zaghaft, als traue er seinen erwachenden Kräften nicht)
-
-Du Schuft! Du Schuft! -- Du Schuft!
-
-·Göttlingk· (fassungslos vor Erstaunen)
-
-Was will das Gewächse da?
-
-·Biegler·
-
-Du ganz erbärmlicher Schuft!
-
-·Göttlingk· (Humor heuchelnd)
-
-Kinder, der is übergeschnappt. Soll ich den zu Mus quetschen? Nehmt mir
-das nicht übel, aber die Handvoll, das lohnt mir nich. Außerdem bin
-ich's als Steinmetz mir und euch schuldig, mich nich mit erst wem --
-Prost!
-
-·Biegler· (heiser)
-
-Was du bist, bin ich noch alle Tage.
-
-·Göttlingk·
-
-Dem Kerl muß man doch 'ne Zwangsjacke anlegen.
-
-·Biegler·
-
-Ich hab' zum Spaß deine Arbeit getan. Wenn's hell is, kann ich's besser.
-
-·Göttlingk· (aufspringend)
-
-Du warst das selber, du verfluchter --?
-
-·Die Anderen· (halten ihn fest)
-
-Ruhig, ruhig, ruhig.
-
-·Biegler·
-
-Aber das is Nebensache. (Auf Lore weisend) Da -- da -- wer steht da?
--- Der sagst du _das_ ins Gesicht? -- Jeder weiß, daß sie 'n Kind von
-dir hat. Zum Dank verhunzen tust du sie -- schuriegeln tust du sie ...
-Wirst sie -- wirst sie ehrlich machen? Wirst sie ehrlich machen? Du
-nichtswürdiger Schuft! Du!
-
-·Göttlingk· (der sich zu befreien sucht)
-
-Nu laßt doch los. -- Is bloß 'n Floh, der ganze Kerl, aber das kost't
-ihm das Leben. (Reißt sich los und zieht den Dolch heraus) Los sag'
-ich, oder --
-
-·Die Anderen· (weichen erschrocken zurück)
-
-·Biegler·
-
-Du meinst, ich hab' Angst vor deiner einzinkigen Gabel, weil alle
-anderen Angst haben? -- Kraft hab' ich keine, Haut und Knochen bin
-ich vom langen Hungern, aber -- (er hat den Klopfstein ergriffen, der
-auf dem Schanktisch liegen geblieben ist, und hebt ihn hoch) -- _mit
-so 'nem Schusterstein hab' ich schon einen erschlagen! Mit so 'nem
-Schusterstein hab' ich schon_ -- -- (große Bewegung) Nu komm mal 'ran,
-wenn du willst. Komm mal 'ran -- komm mal 'ran! (Dringt auf Göttlingk
-ein)
-
-·Göttlingk· (erschrocken zurückweichend)
-
-Na, na, na, na.
-
-·Biegler·
-
-Komm 'ran -- oder 'raus da -- 'raus da. --
-
-·Göttlingk·
-
-(weicht, unverständliche Worte stammelnd, bis zur Tür zurück)
-
-·Biegler· (der ihm gefolgt ist)
-
-'raus da! 'raus da!
-
-·Göttlingk·
-
-Das werd' ich dir -- gedenken. -- (Rettet sich durch die rasch
-geöffnete Tür)
-
-·Biegler·
-
- (sieht sich wirr um und wankt zu seinem Tische zurück. Er
- sieht verständnislos noch einmal um sich, sieht Lore, die
- schluchzend, mit verhülltem Gesicht, abgewandt dasteht, sieht
- die blassen, entsetzten Gesichter und murmelt, wie wenn er
- langsam zu sich käme)
-
-Was is denn? Was war denn? Was --? (Sein Gesicht verändert sich, er
-kämpft mit dem Schluchzen und will auf seinem Stuhl zusammensinken,
-rafft sich aber mit letzter Kraft empor, trinkt sein Bier aus, setzt
-seine Mütze auf und schreitet mit geballten Fäusten zur Tür zurück; --
-sich umwendend wirft er einen fragenden, trotzigen Blick auf die ihn
-regungslos Anstarrenden -- und geht hinaus)
-
- (_Der Vorhang fällt_)
-
-
-
-
-Vierter Akt
-
- Szenerie des zweiten. Spätabendbeleuchtung. Über den Häusern
- des Hintergrundes ein glühender Streif Abendrot, der sich
- allmählich verliert. Vor der Veranda unter dem Fenster der
- Zarnckeschen Wohnung ein gedeckter Tisch nach vollendeter
- Abendmahlzeit. Das Fenster der Kantine ist erleuchtet. Beim
- Aufgehen des Vorhangs ertönt von irgendwoher Biergartenmusik
-
-
-Erste Szene
-
- _Marie._ _Zarncke_
-
-·Zarncke·
-
- (in einem Korbstuhl behaglich ausgestreckt, eine Zigarre
- rauchend)
-
-Siehste, nu is unsre Amsel auch schon schlafen gegangen.
-
-·Marie·
-
-Eben sang sie doch noch.
-
-·Zarncke·
-
-Bald werden sie nu auch im »Gambrinus« Ruhe geben mit ihrem Bumbum.
-
-·Marie·
-
-Ach, ich hör's gerne.
-
-·Zarncke·
-
-Ich auch ... Und weißt du, warum? Weil es so schön weitab is vom
-eigenen Leben ... Da sitzen nu die Menschen in Haufen, stoßen sich,
-ärgern sich, beneiden sich, begehren sich, und fünf aufgequollene
-Trompeter machen Musike zu ... Man is doch wahrhaftig wie der liebe
-Herrgott in seiner Stille ... Sechs Tage hat er an der verfluchten
-Welt 'rumgebastelt, am siebenten hat er aber auch _gar nichts_ von ihr
-wissen wollen. ... Was guckste denn immer nach der Lore ihrem Fenster
-'rüber?
-
-·Marie·
-
-Ja, Vaterchen, merkwürdig is es doch.
-
-·Zarncke·
-
-Was denn? ... Daß der Göttlingk da is?
-
-·Marie·
-
-Den ganzen Winter ist er Sonntags nicht einmal bei ihr gewesen. Seit
-seiner Rückkehr nicht. Und plötzlich kommt er -- Abends um neune -- von
-da oben -- die Treppe 'runter.
-
-·Zarncke·
-
-Der Deibel mag wissen, was er da oben zu suchen gehabt hat. Aber
-so käseweiß brauchst du darum doch auch nich zu werden, wenn er nu
-wirklich mal hinter dir auftaucht.
-
-·Marie· (schweratmend)
-
-Denk doch, was das für die Lore bedeutet.
-
-·Zarncke·
-
-Hör mal, Kindchen, hab die Lore lieb! Aber du mußt dich nich so
-'reinbegeben in das, was rings um uns geschieht. Nich mitmachen wollen.
-Das zehrt dann am eigenen Leben. Es bleibe jeder in seiner Haut -- und
-jeder hüte den Schlüssel zu seinem Geheimfach ...
-
-·Marie·
-
-O, das freilich. Aber -- gestern muß was passiert sein bei der Lore
-drin.
-
-·Zarncke·
-
-So? Was denn?
-
-·Marie·
-
-Zwischen dem Nachtwächter und -- und -- Göttlingk.
-
-·Zarncke·
-
-So? Hm. Das war ja nu leider vorauszusehn.
-
-·Marie· (ängstlich)
-
-Wieso?
-
-·Zarncke·
-
-Sie haben 'rausgekriegt, daß der arme Kerl was pekziert hat. Deshalb
-hab' ich gestern schon den Eichholz 'rausgeschmissen. Das alte Vieh
-war ganz rabiat. Irgendwas bereitet sich vor gegen den Biegler. Und
-schließlich werd' ich noch klein beigeben müssen. Schad um den --
-(Schnalzt)
-
-·Marie·
-
-Nein, nein, es scheint was anderes. Was Schlimmeres. Viel was
-Schlimmeres.
-
-·Zarncke·
-
-'n Menschen ins Verderben zu jagen is schlimm genug ... Von wem weißt
-du's denn? Von der Lore?
-
-·Marie·
-
-Nein. Das ist es eben, was mich ängstigt. Die geht mir heut aus dem
-Wege, wo sie kann ... Und die Homeyer macht immerzu Andeutungen. Aber
-was Rechtes kriegt man auch aus _der_ nich 'raus.
-
-·Zarncke·
-
-Na, wenn das Schwatzweib schon sein Maul hält. Da wollen wir doch mal
-gleich -- (Klingelt)
-
-
-Zweite Szene
-
- _Die Vorigen._ _Frau Homeyer_
-
-·Frau Homeyer·
-
- (eine Windlampe in der Hand)
-
-Gotte, Gotte, ich wart' schon immer mit der Lampe ... Nein, so im
-Dunkeln ...! Wie können Sie bloß?
-
-·Zarncke·
-
-Sie haben wohl noch nie zu zweien im Dunkeln gesessen?
-
-·Frau Homeyer·
-
-Ach nein doch! Mit 'n jungen Mann -- der nimmt sich dann so leicht was
-'raus --
-
-·Zarncke·
-
-Und mit 'n alten Mann -- das lohnt nich.
-
-·Frau Homeyer·
-
-Aber, Herr --
-
-·Zarncke·
-
-Sagen Sie mal, Sie, was is denn gestern bei der Lore gewesen?
-
-·Frau Homeyer·
-
-Bei der Lore? I, daß ich nicht wüßte.
-
-·Zarncke·
-
-Sie haben doch meiner Tochter erzählt --
-
-·Frau Homeyer·
-
-Ich? Ach nein, das muß ein Irrtum sein. Ich, dem Fräulein? Und gerade
-dem Fräulein? I, da müßt' ich -- (Nimmt das Tischzeug zusammen)
-
-·Marie·
-
-Aber Frau Homeyer --
-
-·Zarncke· (gleichzeitig)
-
-Was heißt das: _Gerade_ dem Fräulein?
-
-·Frau Homeyer·
-
-Nu ja. Da müßt' ich doch sozusagen eine Schwätzerin sein. Und ich bin
-im Gegenteil immer höchst zurückhaltend ... Da bin ich bekannt für. Da
-können Sie alle Mannsleute fragen. Da können Sie meine Zeugnisse lesen
-... Und da soll ich mir gerade _hier_ die Zunge bei verbrennen? ... Das
-kann Ihnen wer anders erzählen, Fräulein. Und dann müssen sich auch
-nichts draus machen. ... Die Männer sind immer mit dem Maul vorneweg
-... Ehrbar sein und sein Myrtenbäumchen pflegen, das is immer noch das
-Beste für 'n ältliches Mädchen.
-
-·Marie·
-
-Ja, was hab' _ich_ aber mit dem allen zu tun, Frau Homeyer?
-
-·Frau Homeyer·
-
-Ja, Fräulein Mariechen, der Mensch hat _manchmal_ mit was nich zu tun,
-und kommt _doch_ ins Gerede ... Von dem Herrn Göttlingk hätt' ich
-das freilich nicht gedacht. Der is sonst immer 'n Kavelier gewesen
-(verschämt) immer so zutraulich -- und, wie gesagt, Kavelier. Aber da
-könnte ja jeder kommen und -- ach, bitte das Sahnentöpfchen -- und
-behaupten, er braucht' bloß die Hand auszustrecken, da könnt' er Herr
-sein auf diesem Steinmetzplatz. Ja.
-
-·Zarncke·
-
-Was? Was? Was is das?
-
-·Frau Homeyer·
-
-Und es glaubt ihm auch keiner. Da können Sie ganz unbesorgt sein,
-Fräulein, das --
-
-·Zarncke·
-
-Halt! Stopp! 'raus! Weg!
-
-·Frau Homeyer·
-
-Aber Herr --
-
-·Zarncke·
-
-Weg, weg, weg, weg!
-
-·Frau Homeyer·
-
-Ja, ja, Herrgott!
-
-·Zarncke·
-
-Weg!
-
-·Frau Homeyer·
-
- (mit dem Tablette ins Innere ab)
-
-
-Dritte Szene
-
- _Marie._ _Zarncke_
-
-·Zarncke·
-
-Das haste wahrhaftig um den Lumpen nich verdient, Mariechen. Bittst
-mich noch, ich soll helfen, ihm sein Nest austapezieren ... Und da
-traut sich der Kerl überhaupt noch hierher? -- Da wollen wir mal gleich
--- -- (steht auf)
-
-·Marie·
-
- (die, ins Leere starrend, regungslos dagesessen hat, fährt auf)
-
-Nein, Vater, nein!
-
-·Zarncke·
-
-Was -- nein? Und wie siehste denn aus? -- Ganz überird'sch!
-
-·Marie· (in hilflosem Bekennen)
-
-Vaterchen!
-
-·Zarncke·
-
- (nach einem Schweigen hinter sie tretend)
-
-Miezelchen! (Die Hand auf ihren Scheitel legend, leise) Haben sie dir
-'s Geheimfach aufgebrochen?
-
-·Marie· (aufschluchzend)
-
-Nicht ansehn! Nicht ansehn! (Verbirgt das Gesicht in seinem Rock)
-
-·Zarncke· (sie streichelnd)
-
-Also _das_ war's? Und was du da drinnen verschlossen hieltst, das wird
-dir nu da -- (weist zur Kantine) Ja, wie geht denn das zu?
-
-·Marie· (von Schluchzen geschüttelt)
-
-Weiß nicht! Weiß nicht!
-
-·Zarncke·
-
-Na, nu laß doch mal meinen Rock los!
-
-·Marie·
-
- (verbirgt das Gesicht um so fester)
-
-·Zarncke·
-
-Willst nich? ... Schämst dich so sehr? ... Kannst mich gar nich ansehn?
-Möchtst das Tageslicht nich mehr sehn? Möchtst dir womöglich das Leben
-nehmen noch diese Nacht?
-
-·Marie· (nickt heftig)
-
-·Zarncke· (lacht und streichelt sie)
-
-Und machst doch nur durch, was jeder durchmachen muß, dem 'n Stern vom
-Himmel 'runterfällt. (Zum Himmel weisend) Kiek mal hoch! ... Kannst
-noch nich? Da sind schon 'n paar. Und dahinter noch Milliarden. Sie
-stehn da wie für die Ewigkeit. _Und sie fallen alle._ Aber darum
-werden wir Menschen nich ärmer ... Höchstens die, denen sie als
-Zwanzigmarkstücke in die Tasche fallen ... Die Jugend verliert sich
-zuerst, aber unser Blick wird um so heller ... Die Freunde zerkrümeln
-sich, aber unsere Freundschaft wird alles, was mit uns reden kann,
-jeder Gedanke -- jeder Hund -- jeder Stein ... Na -- und die Liebe? --
-Dem einen fällt sie in den Schmutz -- wie dir, dem anderen zerreibt sie
-der Alltag; -- rasch oder langsam, es is immer dasselbe, -- aber vor
-der Tür lauern schon wieder viele, die wollen sehr liebgehabt sein,
-und die brauchen's den Deiwel wie nötig ... Selbst der Herrgott wird
-uns aus unseren Herzen gerissen, aber unsere Herzen schlagen kräftiger
-... Kindchen, 's wird noch 'n büschen weh tun 'ne Zeit lang ... Scham
-brennt ... Aber seines guten Rechts soll sich der Mensch nicht schämen.
-Und dein Recht war's ... Ja war's ... Wie's mein Recht war und ist,
-dich liebzuhaben und dir zu sagen: Halt still ... Die Stillen sind die
-Klugen ... Und nur wer von der Welt _weit, weit_ ab is, der hat sie
-ganz.
-
-·Marie· (sich aufrichtend)
-
-Vaterchen, hast du das immer gedacht?
-
-·Zarncke·
-
-Ich geb' zu, Kindchen, es is 'ne Weisheit für die Kranken und die
-Alten. Aber die, welche die Jungen und die Gesunden sich zurechtmachen,
-is auch nischt wert ... Na -- nu schmunzelst du ja wieder --.
-
-·Marie· (schluchzt kurz auf)
-
-·Zarncke·
-
-Nich, nich, nich ... Und komm 'rauf ... Mir is, die Tür hat schon 'n
-paarmal geklappt. (Weist nach der Kantine) Da traut sich einer nich an
-die frische Luft, eh' wir nich verduftet sind.
-
-·Marie·
-
-Die arme Lore!
-
-·Zarncke·
-
-Nja. Na, komm. (Beide ins Haus ab)
-
-
-Vierte Szene
-
- _Eichholz._ _Göttlingk._ _Lore_
-
-·Eichholz·
-
-Scht! Du, Göttlingk! -- Sie sind weg!
-
-·Göttlingk· (heraustretend)
-
-Es war auch hohe Zeit! ... Denn wenn mir jetzt -- gewisse Leute in den
-Weg gerannt wären -- -- na! Also übers Aufgebot reden wir noch, Lore!
-
-·Lore·
-
- (die in der Tür geblieben ist, matt, freudlos)
-
-Wie du willst, Eduard.
-
-·Göttlingk·
-
-Dann wollen wir also Schluß machen mit dieser elenden Quetsche. Mein
-Handwerkszeug bringt mir morgen der Vater und -- ja, richtig! Die
-Mandoline gib mir doch noch mit.
-
-·Lore· (verschwindet)
-
- (Die halboffene Glastür über der Veranda hat sich erhellt. Die
- Gestalt Zarnckes wird dahinter sichtbar)
-
-·Göttlingk· (leise)
-
-Is das nich der Alte da oben?
-
-·Eichholz·
-
-Ja, der schläft da.
-
-·Göttlingk·
-
-Scht! Na, endlich macht er die Türe zu. (Das Rouleau wird herabgelassen)
-
-·Lore· (bringt die Mandoline)
-
-·Göttlingk·
-
-So ... Vater begleitet mich noch ein Stückschen.
-
-·Lore· (ängstlich)
-
-Vater, es wäre wohl besser, du -- --
-
-·Eichholz· (scheltend)
-
-Was heißt das? Was hast du --?
-
-·Göttlingk· (gleichzeitig)
-
-Nu laß doch Vater! ... (Reicht ihr die Hand) Gute Nacht! -- (Da sie in
-der Türe stehen bleibt) Nu geh nur! Geh nur!
-
-·Lore· (tonlos)
-
-Gute Nacht. (Ab, die Türe hinter sich schließend)
-
-
-Fünfte Szene
-
- _Eichholz._ _Göttlingk_
-
-·Göttlingk·
-
-Na -- und nu? ... Wir haben drin nich ausreden können, weil uns
-die Lore ewig auf den Hacken saß. Wie denkst du nu über 'ne gute
-Streckschicht für den Kerl?
-
-·Eichholz·
-
-Ich bin immer ein ehrenwerter Mann jewesen, ich bin ein zuverlässiger
-Mann jewesen und ein --
-
-·Göttlingk·
-
-Ja, ja, ja, ja!
-
-·Eichholz·
-
-Aber sie haben mir die Seele aus dem Leibe gezogen, sie haben mir den
-höllischen Geier, welcher heißt Hadramoth, den haben sie mir --
-
-·Göttlingk·
-
-Nu quatsche nich. Komm mal mit 'rüber in die Destillation.
-
-·Eichholz·
-
-Hier steh' ich, hier jeh' ich nich weg. Sobald der Hund kommt, dann
-stürz' ich mir los auf ihm. Brust gegen Brust.
-
-·Göttlingk·
-
-Na und dann?
-
-·Eichholz·
-
-Dann? Ich hab' dem Alten gesagt: Herr Zarncke, hab' ich gesagt, es gibt
--- ein Unglück.
-
-·Göttlingk·
-
-Ja, mit's Maulwerk.
-
-·Eichholz·
-
-So? ... (Zögernd) Du, und was is denn mit dem -- Block?
-
-·Göttlingk· (lauernd)
-
-Was für 'n Block?
-
-·Eichholz·
-
-Wo du vorhin von sprachst.
-
-·Göttlingk·
-
-Ach so ... Siehst du den da oben im Flaschenzug?
-
-·Eichholz·
-
-Ja.
-
-·Göttlingk·
-
-Wenn da einer die Ketten aushängt, dann steht er bloß auf der Kippe.
-Verstehste? Eine Holzsteife -- die kann 'n Kind wegschlagen. -- Und
-geht dann einer die Treppe 'rauf -- _muß_ er die Treppe 'rauf?
-
-·Eichholz·
-
-Nu jewiß. Der Alte hat doch dahinter 'ne Kontrolluhr aufgestellt. --
-
-·Göttlingk·
-
-Daß da man kein Malheur passiert!
-
-·Eichholz·
-
- (argwöhnisch, will nicht verstehn)
-
-Warum soll -- da gleich -- 'n Malheur passieren?
-
-·Göttlingk·
-
-Ach so! ... Scht! Is er das nich? (Man hört rechts das Schließen einer
-Tür)
-
-·Eichholz·
-
-Ja.
-
-·Göttlingk· (leiser)
-
-Nu komm ... Drüben trinken wir noch eins ... Kann man da oben irgendwo
-'raus?
-
-·Eichholz·
-
-Durch die kleine Tür. Immerzu.
-
-·Göttlingk·
-
- (ihn nach dem Hintergrunde ziehend)
-
-Na denn komm!
-
-·Eichholz·
-
-Warum nich hier durchs Tor?
-
-·Göttlingk·
-
-Komm, komm, komm ... Da scheint auch wer zu stehn. -- Komm! (Auf einer
-mittleren Treppenstufe hält er inne) Scht!
-
-·Eichholz·
-
-Er schließt noch das Sägewerk.
-
- (Beide verschwinden links oben. -- Während rechts eine schwere
- Tür zugeschlossen wird, hört man oben das leise Klirren der
- Flaschenzugketten. Dann Stille. Während der folgenden Szene
- geht der Mond auf)
-
-
-Sechste Szene
-
- _Biegler._ Dann _Struve_
-
-·Biegler·
-
- (mit Schlüsselbund und schwerem Stock, eine Schnarre
- umgehängt, erscheint rechts vorne und geht an dem erleuchteten
- Kantinenfenster vorbei, dann revidiert er das Schloß des
- Magazins und will zur Tür des Wohnhauses hinüber)
-
-·Struves Stimme· (vom Haustor her)
-
-He! Scht! Nachtwächter! Biegler!
-
-·Biegler·
-
-Wer is da?
-
-·Struves Stimme·
-
-'n guter Freund!
-
-·Biegler·
-
-Ich hab' keine guten Freunde.
-
-·Struves Stimme·
-
-Struve is da.
-
-·Biegler·
-
-Struve kann bei Tage kommen.
-
-·Struves Stimme·
-
-Mach auf, sonst reiß' ich an de Klingel.
-
-·Biegler·
-
-Was is denn? (Er geht aufmachen. Man hört den Schlüssel sich drehen.
-Dann erscheint er zusammen mit Struve) Na?
-
-·Struve·
-
-Fsch! Drinne wär' mer ja nu.
-
-·Biegler·
-
-Also was willst du?
-
-·Struve·
-
-Sachte, sachte, sachte! ... Ick jeheer' hier zu's Haus. Ick hab' 'n Amt
-hier ... 'n Vertrauensposten! Jawoll! ... Da muß ick mir iberfihren
-können bei Tag und bei Nachte ... Ick kann schon jar nich mehr schlafen
-vor lauter Ehrjefihl. Ja.
-
-·Biegler·
-
-Na, schlaf man. Ich geh' ja hier als Wächter.
-
-·Struve·
-
-Det sagste so in deinen Jemiete. -- Aber wenn du eines Morjens nicht
-mehr dabist --
-
-·Biegler·
-
-Wieso?
-
-·Struve·
-
-Na, Mensch, Kohlege, wir beid' kennen uns doch. Uns haben se doch aus
-denselben Suppentopp jeangelt.
-
-·Biegler· (bitter)
-
-Ach so!
-
-·Struve·
-
-Und diesentwegen biste dir doch klar: Weg mußte hier _nu doch_!
-
-·Biegler·
-
-Ja. Das bin ich mir klar.
-
-·Struve·
-
-Als du jestern 'raus warst, da haben die Steinmetzen noch ne jroße
-Beratung jehabt. Da haben wer nich zuheeren derfen. Bloß, daß se
-morjen früh zum Alten jehn werden, das hab' ich noch --
-
-·Biegler· (in bitterer Erregung)
-
-Und meinen Austritt fordern?
-
-·Struve·
-
-Wer zufällig fünf Finger hat, kann sich das ja dran abzählen.
-
-·Biegler· (verbissen, verzweifelt)
-
-Ich wart's gar nich ab. Ich geh' alleine.
-
-·Struve·
-
-Da wärste ja auch scheen dumm, wenn du dir -- nich vorher schon dinne
-machen wolltst. -- Und darum bin ick eben auch 'n bisken dahinter
-jewesen. Deiwel auch! Wenn man so die Verantwortung hat.
-
-·Biegler·
-
-Wofür? Für mich?
-
-·Struve·
-
-Ne -- aber -- (macht Zeichen nach dem Magazin hin) vor -- -- Ick kenn'
-doch 's menschliche Leben. So 'ne Sachen die loofen doch jewissermaßen
-hinter einen her. Janz von selber. Wie wenn se Beene hätten. Da kann
-man jar nischt vor.
-
-·Biegler·
-
-Was denn? Was denn?
-
-·Struve·
-
-Na, du weißt schon. Aber in so 'ne menschliche Versuchungen da muß man
-eben 'n Freind haben. Mann mit Ehrjefihl. Und so. Wo einem 'n bisken
-ins Jewissen redt ... Denn der Fallstricke des Teufels sind viele, und
--- -- was? Wie sagste?
-
-·Biegler· (mit einem kurzen Lachen)
-
-Ich sag' jar nischt.
-
-·Struve·
-
-Na, nu mal unter uns! -- Wenn du -- und du jehst hier weg, wo wirschte
-denn nu hinmachen?
-
-·Biegler·
-
-Wer kann das wissen?
-
-·Struve·
-
-Nu, setz dir mal bisken hier dal! (Zieht ihn auf den vordersten Block)
-Sieh mal, mir jeht hier ja so weit janz jut. Ick bin Verdrauensperson.
-Und so. -- Aber _zu_ viel Ehre kann der Mensch auch nich verdragen. Des
-drickt aufs Jemiet, weißte ... Und weil ich dir nu mal so liebhabe --
-jewissermaßen, und weil de iberhaupt noch im janzen 'n bisken klietrig
-bist -- weißte! -- -- na? -- Wollen wir zusammen uf de Fahrt steigen?
-
-·Biegler·
-
-Was? Du und ich?
-
-·Struve·
-
-Nu ja. Mit _die_ Ansichten, wo wir beide vons menschliche Leben haben
--- die _haben_ wir nu mal! Die kann uns keiner nehmen. Die einen
-wälzen sich in'n Jolde, wir wälzen uns in'n jrienen Chausseejraben.
-Tagsüber sehn wir mal bisken nach, wo wat los is, Abends saufen wir uns
-'n verjnichten Teng ins Jesichte. Hier mußte ewig 'n krummen Puckel
-machen und dir sauer anhauchen lassen und wirscht doch nie mehr im
-Leben, wat die andern sind!
-
-·Biegler·
-
-Mensch! Da haste recht!
-
-·Struve·
-
-Draußen veracht' dir keiner ... Und da biste bloß _einem_ Jehorsam
-schuldig, -- das is der Meilenzeiger ... Na?
-
-·Biegler·
-
- (schaut abschiednehmend um sich, mit hartem Entschluß)
-
-Gut! Wann willst du -- losjehn?
-
-·Struve·
-
-Losjehn? ... Jleich. Uf'n Momang.
-
-·Biegler· (in Erregung)
-
-Ich muß doch erst -- mit ihm -- reden ... Muß doch kündigen.
-
-·Struve·
-
-Ach! Sei doch kein Milchkalb! Wird er dir viel kündigen? Und noch eins
-sag' ich dir: Der Jöttlingk is 'n tück'sches Luder. Der verjeßt dir die
-Blamasche nich. Da kannste morjen drei Zoll Stahl ins Leib kriegen,
-jleich, noch auf'n nichternen Magen.
-
-·Biegler· (dumpf, entschlossen)
-
-Mir is alles egal.
-
-·Struve·
-
-Ne, ne, ne, ne. Komm jleich. Nimm dir in acht.
-
-·Biegler·
-
-Zeugnisbuch muß ich haben. Dann komm' ich mit.
-
-·Struve·
-
-Zeichnisbuch? Ick weeß 'ne Penne hier in de Jegend, da stempelt dir 'n
-jewesener Oberjeheimrat de piksten Flebben noch heite nacht. Und denn
--- wat willste mit 'n Zeichnisbuch? -- Et steht ja woll jeschrieben:
-»Ehrlich währt am längsten« -- aber 'n tichtiger Spitzbube fährt mit
-vier Hengsten. Und iberhaupt mit die olle Tugend! Die schabt sich ab
-wie 'ne dreck'ge Scheierbürschte. Da droppt dir ewig de Nese von wie
-bei'n kleinen Swienegel ... Bloß natirlich -- 'n jewisses Anlagekapital
--- det missen wir haben.
-
-·Biegler·
-
-Wozu? Woher?
-
-·Struve·
-
-Det brauchste überall. -- Ohne 'n Parchentlappen kannste nich uf de
-Flohjagd. -- Willste lernen Jold machen? Kleinigkeit! Aber natirlich --
-wenn de keinen Dukaten _hast_, kannste auch keinen Dukaten beschneiden.
-Siehste! Das is der Witz ... Na, Jott sei Dank, bei uns is ja nich wie
-bei arme Leit' ... Kleines Vermeegen zum Anfangen -- und so -- is ja
-alles da.
-
-·Biegler·
-
-Ich krieg' noch nich mal 's volle Monatsjehalt.
-
-·Struve·
-
-Aber Mensch! -- Bejreifst de denn noch immer nich?
-
-·Biegler·
-
-Was denn? Na was denn?
-
-·Struve·
-
-Herrgott! Schon doch 'n bisken mein Ehrjefihl und frag nich immer so
-glup'sch. Aber se sind doch nu mal da. Da kann man doch nischt machen.
-
-·Biegler·
-
-Was? Was? Was?
-
-·Struve· (zaudernd, verlegen)
-
-Na -- de -- de -- Diamanten.
-
-·Biegler·
-
-Die willst du am Ende --?
-
-·Struve·
-
-Die brechen wir doch jetzt jleich aus. Det is doch 'n janz reelles
-Jeschäftsprinzip. Anzeigen kann uns der Olle nich mehr. Sonst blamiert
-er sich. Na?
-
-·Biegler·
-
-Ach so einer bist du! Na, dann jeh man wieder zu Hause.
-
-·Struve·
-
-Du bist wohl 'n Schlamassel?
-
-·Biegler·
-
-Ich muß jetzt elfe abpfeifen. (Wild) Jeh, oder ich pack' dir ins Jenick.
-
-·Struve·
-
-Na -- denn mach's gut! ... Ick hab' mir aber sehr in dir entteischt.
-Den Vorwurf kann ick dir nich ersparen! ... Äh! Is nischt mehr los
-mit's menschliche Leben, nich vor und nich hinter de Mauer.
-
- (Ab, von Biegler gefolgt. Man hört das Tor auf- und zuschließen)
-
-
-Siebente Szene
-
- _Lore._ _Biegler_
-
-·Lore·
-
- (tritt aus der Kantinentür und lauscht nach links hin)
-
-Vater, bist du's?
-
-·Biegler·
-
-Ich bin's, Fräulein.
-
-·Lore· (freudig aufschreckend)
-
-Ach Sie sind's ... Haben Sie Vater nich gesehn mit -- mit -- noch einem?
-
-·Biegler·
-
-Nein.
-
-·Lore·
-
-Ach -- 'n paar Augenblicke könnt' ich Sie sprechen -- ja?
-
-·Biegler·
-
-Ich möcht' Sie ja auch noch sprechen, bevor ich ... das heißt wenn Sie
-mir danken wollen etwa --
-
-·Lore·
-
-Danken darf ich Ihnen wohl noch nich mal! Weiß Gott, Herr Biegler, ich
-wollt' Ihnen so gerne helfen. Das war meine einzigste Absicht. Statt
-dessen haben Sie mir geholfen. Nu helfen Sie mir auch weiter. Ich weiß
-nicht aus, nicht ein.
-
-·Biegler·
-
-Was is denn nu?
-
-·Lore·
-
-Er -- war -- eben da.
-
-·Biegler·
-
-Aha ... Na, wann wird Hochzeit sein?
-
-·Lore· (schweigt)
-
-·Biegler·
-
-Oder will er noch immer nich?
-
-·Lore·
-
-Ja, ja, er will ... Er sagt wenigstens, er will ... In Arbeit kommt er
-nich mehr zurück.
-
-·Biegler·
-
-So? Ei, ei!
-
-·Lore·
-
-Aber sobald er was andres gefunden hat, sagt er --
-
-·Biegler·
-
-Das kann ihm ja nich fehlen.
-
-·Lore·
-
-Herr Biegler, sagen Sie mir, is denn das möglich? -- Man hungert, man
-hungert nach seinem Glück, jahrelang -- und wie man's endlich hat --
-_so_, zwischen seinen zwei Händen, da is es mit einem Mal keins mehr,
-da _will_ man gar nich mehr, da is man satt, satt. Satt is man. Satt.
-
-·Biegler·
-
-Wer satt is, soll nich essen.
-
-·Lore·
-
-Ich kann doch nicht »nein« sagen zu ihm ... Das is doch Wahnsinn. Da
-drin schläft doch mein Lenchen.
-
-·Biegler· (erregt, verbissen)
-
-Mancher Mann wär' glücklich, Ihr Lenchen auf dem Schoß zu halten.
-
-·Lore· (erschrocken)
-
-Herr Biegler, so etwas darf ich nich denken. Das is Sünde.
-
-·Biegler·
-
-Sünde is, wenn man sich mit sehenden Augen ins Unglück stürzt.
-
-·Lore·
-
-Das sagen Sie heute, und gestern -- haben Sie Stellung und alles --
-haben Sie hingegeben -- bloß --
-
-·Biegler·
-
-Gott weiß, wie alles kommt.
-
-·Lore·
-
-Ach, wenn ich reden dürfte! Ich glaub' ihm ja nichts mehr. Ich laure
-bloß immer: Was für 'n Hintergedanken hat er nu? Mit Vater hat er im
-Winkel gesessen, weit weg, damit ich nichts hören soll ... Es war da
-die Rede von -- Gott, Sie wissen ja, wie Vater is. Nu hebt mich die
-Angst, daß er ihm irgend was Schlimmes einredet.
-
-·Biegler·
-
-Wem kann der alte Mann denn was tun?
-
-·Lore·
-
-Vielleicht irr' ich mich auch. Ach, sagen Sie mir, was soll ich? Ich
-kann ja nich mehr los von ihm. Ich bin jahrelang wie sein Hund zu ihm
-gewesen. Ich kann ja nich mehr los von ihm.
-
-·Biegler·
-
-Ja, wenn Sie nich _können_.
-
-·Lore·
-
-Ach, lieber Herr Biegler, helfen Sie mir.
-
-·Biegler·
-
-Helfen! Ich weiß mir alleine nich zu helfen!
-
-·Lore·
-
-Ach, Sie sind stark. Das weiß ich seit gestern. Sie können, was Sie
-wollen! Sie --
-
-·Biegler·
-
-Hähähähä! Weil ich 'n Stein gefunden hab' zur richtgen Zeit. Ich will
-_nich_ bald wieder auf 'ner dreckigen Pritsche liegen, Pennbruder
-rechts, Pennbruder links -- wenn nichts Schlimmeres -- und mir die
-Augen aus dem Kopf brennen vor -- -- _und muß doch_.
-
-·Lore·
-
-Sie können doch auch da gehn, wo Sie hingehören. Zu Ihresgleichen.
-
-·Biegler·
-
-Das _is_ meinesgleichen, Fräulein Lore. Irren sich nich. -- Da _gehör'_
-ich hin ... Aus _der_ Welt, wo Sie sind, da bin ich 'raus. Wo ich lebe,
-da is Krätze und Fuselgestank, da spuckt man sich auf die wunden Füße,
-weil man kein Geld zu Salbe hat, da verkauft man seine ewige Seligkeit
-um ein gefälschtes Stück Attest.
-
-·Lore·
-
-Aber noch sind Sie doch hier.
-
-·Biegler·
-
-Schon so gut wie nich mehr. Morgen früh geh' ich weg.
-
-·Lore·
-
-Aber warum denn? Warten Sie doch ab!
-
-·Biegler·
-
-Ich wart' gar nichts mehr ab. Nichts Gutes, nichts Böses. -- Ich geh'
-auf alle Fälle ... Nu sie aus meinem eigenen Munde wissen, was für
-einer ich bin, nich einen Tag mehr ... Dies is bloß wie 'n schöner
-Traum gewesen. Der is nu aus ... Ach, bangen werd' ich mich schon sehr
-... Ja, _die Nächte_, wenn der Mondschein überall auf den Blöcken liegt
-... Da -- sehn Sie, da ... Bei Tag sind sie man grau ... Aber Nachts
-wie Carrara ... Manchmal bin ich so 'rumgegangen und hab' _einen_
-gestreichelt und den _andern_ gestreichelt und hab' gedacht: »Wer wird
-dich mal behauen -- der Glückliche!« ... Und wenn dann erst alles ganz
-still wird -- ringsum auf den Straßen, -- dann sitzt man mitten in der
-Welt wie in einem schönen, warmen Mantel -- ganz ruhig und ganz -- --
-ich sagt's Ihnen schon gestern -- aber das kommt erst viel später gegen
-Mor -- -- (Hält lauschend in ängstlicher Spannung inne)
-
-·Lore·
-
-Was is?
-
-·Biegler·
-
- (Man hört links Gelächter von Frauenstimmen und Singsang --
- scheinbar sich entfernend)
-
-Horchen Sie! Horchen Sie!
-
-·Lore·
-
-Nun ja. Da lachen 'n paar auf der Straße. Was is denn dabei?
-
-·Biegler· (leise)
-
-Das sind die Mädchen, die unter Aufsicht stehn. Die ziehen hier in
-die Runde -- von elfe ab -- immer ums Straßenkarree 'rum -- bis gegen
-Morgen. (In Angst) Solang ich die lachen hör', da --
-
-·Lore·
-
-Was haben Ihnen denn die armen Weiber getan?
-
-·Biegler· (leise, geheimnisvoll)
-
-Sie is drunter. Ja, sie, sie ... die geht jetzt auch so 'rum.
-
-·Lore·
-
-Woher wissen Sie das?
-
-·Biegler·
-
-Ich hab' -- sie -- getroffen.
-
-·Lore· (erschrocken)
-
-Hier draußen?
-
-·Biegler·
-
-Ne ... Bevor ich herkam. Oben im Norden ... Wenn sie mich gesehn hätt'
--- ich hab' mich bloß geschämt, weil ich so abgerissen war, sonst --
-weiß Gott, was ich jetzt schon wär' ... (Er schaudert) Ja, der Hunger
-kann viel ... Na -- werden ja sehn!
-
-·Lore· (erschüttert)
-
-Aber Sie haben doch Ihren guten Willen, Sie --
-
-·Biegler·
-
-Was is guter Wille? Mein guter Wille sind Sie gewesen, Sie und der
-komische alte Mann da drin. Von jetzt ab hält mir keiner mehr die
-Stange hin. Aber gedenken werd' ich's Ihnen -- bis -- ... Fräulein
-Lore, es is mein letzter Dienst heute. Ich hab' die Elf-Uhr-Runde noch
-nich gemacht.
-
-·Lore· (sich ängstlich umschauend)
-
-Ach -- noch -- noch -- Wenn ich bloß wüßte, wo er Vater hingeschleppt
-hat ... Ich kann die Angst nich los werden, daß, daß -- --
-
-·Biegler·
-
-Na, was denn?
-
-·Lore·
-
-Ach, nehmen Sie sich vor dem Block in acht -- dort -- ja?
-
-·Biegler·
-
-Ja, ja, der hängt locker, ich weiß ...
-
-·Lore·
-
-Und bleiben Sie wenigstens im Mondschein. Gehn Sie nich ins Finstre --
-nein?
-
-·Biegler· (kurz auflachend)
-
-Das wär' 'n richtiger Wächter, der sich vorm Finstern grault. Und heut
-bin ich noch einer ... Heut bin ich noch Mensch ... Morgen munter --
-wieder 'runter -- in den Morast ... (Streckt in tiefer Bewegung die
-Hand gegen sie aus) Gut soll's Ihnen gehn, Fräulein Lore ...
-
-·Lore· (ohne die Hand zu nehmen)
-
-Ja, Herr Biegler, wenn's Ihnen hier so gefällt ... Schließlich, wenn's
-Ihnen die andern verzeihen, warum _müssen_ Sie denn durchaus weg?
-
-·Biegler·
-
-Wer wird _mir_ verzeihen? ... Die Steinmetzen haben ja schon beraten,
-daß sie morgen zum Alten gehen werden -- und --
-
-·Lore·
-
-Nu ja.
-
-·Biegler·
-
--- und --
-
-·Lore·
-
-Ach, Sie denken wohl ...? Ach, Sie wissen noch gar nich ...?
-
-·Biegler·
-
-Was is da viel zu wissen?
-
-·Lore·
-
-Herr Biegler, die Steinmetzen _wollen_ morgen zum Alten gehn -- das
-is richtig, aber nicht darum, was _Sie_ glauben, sondern weil sie ihm
-sagen wollen, daß sie gerne mit Ihnen zusammenarbeiten werden.
-
-·Biegler· (verständnislos)
-
-Die Steinmetzen -- wollen -- dem Al--
-
-·Lore·
-
-Ja. Weil Sie ja bewiesen haben, daß Sie vom Fach sind, und weil Ihr
-Auftreten gestern ihnen so gut gefallen hat, darum soll Ihr Privatleben
-keinen mehr was angehn, haben sie gesagt.
-
-·Biegler·
-
-Die Steinmetzen wollen -- die Steinmetzen wollen -- die Steinm-- -- --
-Gott, Gott, Gott! ... Die Steinmetzen wollen -- ja, warum haben Sie mir
-das nich schon früher gesagt?
-
-·Lore·
-
-Sie sagten doch, Sie warten gar nichts mehr ab ... Sie gehen auf alle
-Fälle.
-
-·Biegler·
-
-Wenn die Steinmetzen _wollen_, warum soll _ich_ denn --? Wenn ich
-wieder -- ich soll wieder Krönel und Scharriereisen in die Hand nehmen?
-... Ich soll wieder die blaue Schürze -- umbinden -- dürfen? Ich soll
--- soll -- soll -- wieder die blaue Schürze ... (Heimlich, leise, in
-Angst) Fräulein Lore, ich will Ihnen was anvertrauen. -- Aber -- (Legt
-die Hand auf die Lippen) Ich hab' nämlich manchmal solche Anfälle
-gehabt (wischt sich über die Stirn) in der Anstalt ... Das find't man
-dort sehr oft ... Sind Sie ganz sicher, daß Sie das eben gesagt haben,
-daß die Steinmetzen -- morgen -- dem Alten --?
-
-·Lore·
-
-Aber Herr Biegler, ja, ja!
-
-·Biegler·
-
-Und Sie glauben auch, es kann -- nichts mehr -- dazwischenkommen -- bis
-morgen?
-
-·Lore·
-
-Was sollt' denn das sein?
-
-·Biegler·
-
-Nu, daß die Steinmetzen ihren Sinn ändern -- oder daß der Alte sagt:
-»Nein« -- oder daß mir 'n Stein auf'n Kopf fällt -- oder, was weiß ich?
-
-·Lore·
-
- (sieht sich erschrocken nach der Treppe um, leise)
-
-Stein auf'n --
-
-·Biegler· (lachend)
-
-Ach, wissen Sie, das wär' wirklich schade. Denn ich bin immer 'n
-tüchtiger Arbeiter gewesen ... Ich hab' schon zwei Preise gekriegt ...
-Ich bin mal vor der ganzen Innung -- bin ich öffentlich belobt worden
-... Gespart hab' ich auch mal ... Ich hab' mal schon acht Mark fünfzig
-pro Tag verdient ... Ich versteh' auch gut in Granit zu arbeiten.
-Profile und Alles ... Granit, das wissen Sie ja, das ist das Härteste
-... Dabei scheint es einem manchmal wie Gallert ... weicht einem
-geradezu aus. Man kann da mit dem Spitzeisen gar nich 'ran ... da muß
-man -- da muß man -- (vom Glücke überwältigt) Die Steinmetzen -- wollen
--- mit mir -- -- (sinkt lachend und schluchzend auf die Bank, das
-Gesicht gegen die Mauer gelehnt, leise) arbeiten -- mit mir -- arbeiten
--- --
-
-·Lore·
-
- (macht mitleidig einen Versuch, seinen Rücken zu streicheln)
-
-Ach Gott! (um ihn zu erwecken, ein wenig ängstlich) Herr Biegler! ...
-Herr Biegler!
-
-·Biegler· (zu sich kommend)
-
-Ja, ja, ja, ja! Wo hab' ich meinen Stock -- meine Pfeife? ... Ich bin
-ganz, ganz ... die Kontrolluhren hab' ich auch noch nich gestochen! --
-Heut darf ich nichts versäumen, sonst ... Hahaha -- hahahaha! Adieu,
-Fräulein Lore. Ich komm' bald wieder.
-
-·Lore·
-
-Wo wollen Sie hin, Herr Biegler?
-
-·Biegler·
-
-Runde machen -- nach oben -- die Treppe 'rauf ...
-
-·Lore· (leise)
-
-Gehn Sie nich, Herr Biegler. Nich die Treppe 'rauf!
-
-·Biegler·
-
-Warum denn nich? Haben Sie immer noch Angst vor dem Block?
-
-·Lore· (in wachsender Angst)
-
-Gehn Sie nich, Herr Biegler! Wenn Sie sich freuen auf Ihr künftiges
-Leben -- wenn Sie den Krönel wirklich noch mal führen wollen -- wenn
-Sie -- ... _Mein Kind_ hat Ihnen das erste Willkommen gesagt, das hat
-Ihnen Glück gebracht -- darum ... ach, gehn Sie nich! Gehn Sie wo
-anders, aber da _nicht_!
-
-·Biegler·
-
-Fräulein Lore, Sie werden ja wohl Ihre Gründe haben --
-
-·Lore·
-
-J, ja, ja, ja.
-
-·Biegler·
-
-Aber sein Sie ganz ruhig! Nu kann geschehn, was will! Mir tut keiner
-mehr was. Jetzt nich mehr. Nee.
-
-·Lore· (entschlossen)
-
-Dann komm' ich mit.
-
-·Biegler·
-
-Gut! Kommen Sie mit. Gehn wir alle beide nachtwächtern!
-
-·Lore· (ruft hinauf)
-
-Is da einer oben? (Schweigen)
-
-·Biegler·
-
-Na sehn Sie!
-
-·Lore· (leise)
-
-Herr Biegler, wenn wir die Treppe 'raufgehn, dann fassen Sie mich mal
-um den Leib. Ganz fest.
-
-·Biegler·
-
-Ich soll Sie umfassen? Das is doch nich Ihr Ernst?
-
-·Lore·
-
- (umschlingt ihn rasch, mit erhobener Stimme)
-
-So werden wir jetzt die Treppe 'raufgehn. Und dann wollen wir doch mal
-sehen.
-
-·Eichholzens Stimme· (von oben)
-
-Wirste weg da, du --
-
-·Göttlingks Stimme·
-
-Scht!
-
-·Biegler·
-
-Nanu! Was is denn _das_? (Er reißt sich los und springt blitzschnell
-die Treppenstufen hinan. -- In demselben Augenblicke stürzt dicht
-hinter ihm der Block mit Getöse herunter, prallt gegen die Stufen und
-zerschellt am Boden. Eine Staubwolke wirbelt auf. Man hört oben das
-ängstliche Granzen des alten Eichholz und ein Stöhnen wie von Ringenden)
-
-·Lore·
-
- (ist mit einem Schreckensruf zurückgewichen und schreit,
- sinnlos vor Angst, in das Dunkel hinauf)
-
-Tu ihm nichts, Eduard. Ich zeig' dich an. Ich zeig' dich an. Ich zeig'
-dich an.
-
-·Göttlingks Stimme·
-
-Schrei nich, du Frauenzimmer! (Man sieht seine Gestalt nach links hin
-flüchten und verschwinden)
-
-
-Achte Szene
-
- _Lore._ _Biegler._ _Eichholz._ Später _Zarncke._ _Marie._ _Frau
- Homeyer._ _Zwei Dienstmädchen_
-
-·Stimmen von der Straße her· (durcheinander)
-
-Was ist da los? Was is da geschehn? Da is Mord und Totschlag ... Macht
-doch mal auf! ... Aufmachen! -- (Man rüttelt am Tor)
-
-·Biegler·
-
- (führt unterdessen den Alten die Treppe herab)
-
-Vorsicht! ... Da sind Stufen zerbrochen. -- Vorsicht! --
-
-·Eichholz· (betrunken weinend)
-
-Ich bin unschuldig. Ich hab' nichts getan ...
-
-·Lore· (ihnen entgegen)
-
-Um Gottes willen, Vater!
-
-·Biegler·
-
- (gibt den Alten, der sich nicht aufrecht halten kann, an Lore
- und ruft nach links hinübergehend atemlos)
-
-Was wollen Sie hier? 'n Stein is 'runtergefallen. Weiter nichts ...
-Weiter is nichts. --
-
-·Die Stimmen· (durcheinander)
-
-Nu machen Sie doch mal das Tor auf ... Wollen mal nachsehen..
-Geschwindelt wird nicht ... Aufmachen!
-
-·Biegler·
-
-Hier wird nichts aufgemacht. Gehen Sie Ihrer Wege! (Pfiffe. Gelächter.
-Abgerissene Rufe. Dann allmählich Stille)
-
-·Eichholz·
-
- (der von Lore zu dem vordersten Block geführt wird, wo er sich
- niedersetzt, derweilen weitergranzend)
-
-Ich bin nu auch 'n Mörder. Ich komm' nu aufs Schafott.
-
-·Zarncke·
-
- (hat derweilen Licht gemacht, das Rouleau hochgezogen und die
- Glastür geöffnet, dann tritt er im Schlafrock auf den Balkon
- hinaus)
-
-Was is da unten? Is da ein Unglück geschehn?
-
-·Lore·
-
- (mit flehender Gebärde zu Biegler hin)
-
-Ach bitte, bitte!
-
-·Zarncke·
-
-Bekomm' ich keine Antwort?
-
-·Biegler·
-
- (nach Atem ringend, mit zitternder Stimme)
-
-Der Oberkirchner Sandsteinblock links an der Treppe is vom Stapel
-gefallen, Herr Zarncke.
-
-·Zarncke·
-
-Wie hat denn das passieren können?
-
-·Biegler·
-
-Er stand auf Hochkant im Flaschenzug. Da haben sich wohl die Ketten
-gelockert.
-
-·Zarncke·
-
-Und was klagt der alte Eichholz so? Hat er sich verletzt?
-
-·Lore·
-
- (Angst und Erregung niederzwingend, mit geheuchelter Ruhe)
-
-Er hat sich wohl 'n bißchen weh getan ... Aber schlimm is es nicht,
-Herr Zarncke.
-
-·Zarncke·
-
-Na wenn's weiter nichts is.
-
-·Eichholz· (wird allmählich still)
-
-·Frau Homeyer·
-
- (in Nachtjacke mit einem dunkeln Tuch darüber, ist mit zwei
- Mägden hinter sich auf die Veranda hinausgetreten)
-
-O Gott, o Gott, o Gott, da is gewiß 'n Malheur passiert.
-
-·Zarncke· (herunterrufend)
-
-Nichts is passiert. Geht mal alle ins Haus zurück!
-
-·Marie·
-
- (die während des Vorigen in dem -- gleichfalls erhellten --
- Fenster des Wohnzimmers erschienen ist)
-
-Du, Lore, komm mal her zu mir.
-
-·Lore· (geht zu ihr)
-
-·Frau Homeyer· (derweilen)
-
-Da is sicher wieder 'n fremder Mann bei der Lore gewesen. Da möcht' ich
-jeden heiligen Eid drauf schwören.
-
-·Zarncke·
-
-Na, wird's bald?
-
-·Frau Homeyer· (mit den Mägden ab)
-
-Ja, ja, ja, geh' schon. Herrgott, ja.
-
-·Marie· (leise)
-
-Was schriest du da vorhin? Und zu wem?
-
-·Lore· (bebend)
-
-Ich?
-
-·Marie·
-
-Ich war wach. Mich täuschst du nicht.
-
-·Zarncke·
-
-Mariechen.
-
-·Marie·
-
-Vaterchen?
-
-·Zarncke·
-
-Geh nu man auch zu Bett. Den Schaden können wir uns morgen besehn. Das
-heißt, dem Willig werd' ich aufs Dach steigen. Haben sich wohl tüchtig
-erschreckt, Biegler -- was?
-
-·Biegler·
-
- (noch immer zitternd in Erregung)
-
-Ach -- nich sehr -- Herr Zarncke.
-
-·Zarncke·
-
-Na denn: Gute Nacht, Kinder.
-
-·Lore·
-
-Gute Nacht, Herr Zarncke.
-
-·Marie· (gleichzeitig)
-
-Gute Nacht, Vaterchen.
-
-·Zarncke·
-
- (geht ins Zimmer zurück und schließt die Glastür)
-
-·Lore· (leise)
-
-Morgen erzähl' ich dir alles. Es is viel geschehn seit gestern.
-
-·Marie·
-
-Aber doch nur Gutes?
-
-·Lore· (fest)
-
-Ja. Weiß Gott.
-
-·Marie· (in wehmütiger Güte)
-
-Na, dann freut's mich auch. Gute Nacht.
-
-·Lore·
-
-Gute Nacht, Mariechen.
-
-·Marie· (schließt das Fenster. Ab)
-
-
-Neunte Szene
-
- _Lore._ _Biegler._ _Eichholz_
-
- (Fenster und Glastür verdunkeln sich. Die Stimmen der Straße
- haben sich allmählich verloren. Mitternachtsstille)
-
-·Biegler·
-
- (sinkt, von den Folgen der ausgestandenen Erregung überwältigt,
- auf die Bank und atmet schwer)
-
-·Lore·
-
-Was is Ihnen, Herr Biegler? Sind Sie ganz heil geblieben? Is Ihnen auch
-nichts geschehn?
-
-·Biegler·
-
-Ich muß mich bloß -- 'n bißchen verschnaufen ... ich bin ganz ...
-
-·Lore·
-
-Aber Sie rangen doch mit ihm? Hat er Ihnen da nichts getan?
-
-·Biegler·
-
-Er hat nich mal mehr so viel Courage gehabt, seinen Dreikantigen zu
-ziehn. -- Na, kommen Sie noch immer nich los von ihm?
-
-·Lore·
-
- (mit einer wilden Gebärde des Befreitseins)
-
-Ach!
-
-·Biegler·
-
-Ja. Dem sein Hund sind Sie _gewesen_, scheint mir.
-
-·Lore·
-
-Und meinen alten Vater so zu -- der Schuft! ... Vater! Du mußt zu Bett
-gehn, Vater!
-
-·Eichholz·
-
- (antwortet nicht, atmet tief im Schlafe)
-
-·Lore·
-
-Gott! -- Nu sehn Sie bloß!
-
-·Biegler·
-
-Schläft er am Ende?
-
-·Lore·
-
-_Dem_ werden Sie doch nichts nachtragen?
-
-·Biegler·
-
-Wenn er mir nichts nachträgt. Hahaha.
-
-·Lore·
-
-Herr Biegler!
-
-·Biegler·
-
-Was, Fräulein Lore?
-
-·Lore·
-
-Ich kann nichts sagen -- mir ist das Herz so -- ich kann nicht ...
-
-·Biegler·
-
-Aber die Hand können Sie mir geben. (Streckt ihr die Hand entgegen)
-Wenn die nu wieder rein wird, dann sind Sie schuld.
-
-·Lore·
-
- (weist kopfschüttelnd nach dem Balkon)
-
-Unser Alterchen da oben is schuld.
-
-·Biegler· (seine Hand in der ihren)
-
-Ja, wie's auch wird, dem wollen wir danken ... Scht! ... Schlägt's da
-nich zwölfe? (Man hört die ferne Turmuhr schlagen) Wahrhaftig! Nu muß
-ich aber wirklich mal Runde machen und abpfeifen ... Sonst bin ich ja
-gar nich wert, daß ... (Lacht leise und glücklich) Gute Nacht, Fräulein
-Lore!
-
-·Lore·
-
-Gute Nacht, Herr Biegler.
-
-·Biegler· (am Fuß der Stufen)
-
-Na, nu kann ich ja wohl ruhig die Treppe 'rauf?
-
-·Lore·
-
-_Der_ kommt nie wieder. --
-
-·Biegler· (von den Stufen her)
-
-Gute Nacht!
-
-·Lore·
-
-Gute Nacht.
-
-·Biegler· (verschwindet nach rechts)
-
-·Lore·
-
-Vater! ... Nu mußte aber wirklich schlafen gehn, Vater. (Der Alte rührt
-sich nicht. Man hört Biegler dreimal kurz pfeifen) Vater, hörst du, wie
-er pfeift? (Biegler pfeift -- wieder von weiter her) Vater, das Glück
-pfeift! Das Glück pfeift! (Sie sinkt schluchzend vor dem Alten nieder,
-das Gesicht an seinem Knie verbergend. Der Alte schläft fort. -- Das
-Pfeifen Bieglers tönt leiser, je weiter er sich entfernt)
-
- (_Der Vorhang fällt langsam_)
-
-[Illustration]
-
-
-
-
- +----------------------------------------------------------------+
- | Anmerkungen zur Transkription |
- | |
- | Inkonsistenzen wurden beibehalten, wenn beide Schreibweisen |
- | gebräuchlich waren, wie: |
- | |
- | anderen -- andern |
- | besehen -- besehn |
- | danach -- darnach |
- | Gehen -- Gehn |
- | sehen -- sehn |
- | |
- | Interpunktion wurde ohne Erwähnung korrigiert. |
- | Im Text wurden folgende Änderungen vorgenommen: |
- | |
- | S. 31 »teilnahmlos« in »teilnahmslos« geändert. |
- | S. 66 »austapenzieren« in »austapezieren« geändert. |
- | S. 71 »verschüchert« in »verschüchtert« geändert. |
- | S. 76 »pike-pikefeiner« in »pikefeiner« geändert. |
- | S. 130 »umso« in »um so« geändert. |
- | S. 156 »der Lore von« in »der von Lore« geändert. |
- | |
- +----------------------------------------------------------------+
-
-
-
-
-
-End of Project Gutenberg's Stein unter Steinen, by Hermann Sudermann
-
-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK STEIN UNTER STEINEN ***
-
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-
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-mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its
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-
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+++ /dev/null
Binary files differ
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@@ -1,8175 +0,0 @@
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- The Project Gutenberg eBook of Stein unter Steinen, by Hermann Sudermann.
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-<body>
-
-
-<pre>
-
-The Project Gutenberg EBook of Stein unter Steinen, by Hermann Sudermann
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
-other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of
-the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
-www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have
-to check the laws of the country where you are located before using this ebook.
-
-Title: Stein unter Steinen
-
-Author: Hermann Sudermann
-
-Release Date: May 14, 2020 [EBook #62132]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: ISO-8859-1
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK STEIN UNTER STEINEN ***
-
-
-
-
-Produced by Peter Becker and the Online Distributed
-Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This file was
-produced from images generously made available by The
-Internet Archive)
-
-
-
-
-
-
-</pre>
-
-
-
-<p class="center p6 big200">Stein unter Steinen</p>
-
-
-<p class="pagebreak center">
-Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger<br />
-Stuttgart und Berlin</p>
-
-<p class="center big200">
-<span class="u">Hermann Sudermann:</span></p>
-
-
-<div class="center">
-<table border="0" cellpadding="4" cellspacing="0" summary="Bücher von Hermann Sudermann">
-<tr><td align="left"></td><td align="left">Geheftet</td></tr>
-<tr><td align="left"><b>Im Zwielicht.</b> Zwanglose Geschichten. 30. Aufl.</td><td align="left" valign="bottom">M. 2.&mdash;</td></tr>
-<tr><td align="left"><b>Frau Sorge.</b> Roman. 83. bis 87. Auflage</td><td align="left" valign="bottom">M. 3.50</td></tr>
-<tr><td align="left"><b>Geschwister.</b> Zwei Novellen. 27. Auflage</td><td align="left" valign="bottom">M. 3.50</td></tr>
-<tr><td align="left"><b>Der Katzensteg.</b> Roman. 61. bis 65. Auflage</td><td align="left" valign="bottom">M. 3.50</td></tr>
-<tr><td align="left"><b>Jolanthes Hochzeit.</b> Erzählung. 27. Auflage</td><td align="left" valign="bottom">M. 2.&mdash;</td></tr>
-<tr><td align="left"><b>Es war.</b> Roman. 38. Auflage</td><td align="left" valign="bottom">M. 5.&mdash;</td></tr>
-<tr><td align="left"><b>Die Ehre.</b> Schauspiel in 4 Akten. 32. Auflage</td><td align="left" valign="bottom">M. 2.&mdash;</td></tr>
-<tr><td align="left"><b>Sodoms Ende.</b> Drama in 5 Akten. 23. Auflage</td><td align="left" valign="bottom">M. 2.&mdash;</td></tr>
-<tr><td align="left"><b>Heimat.</b> Schauspiel in 4 Akten. 34. Auflage</td><td align="left" valign="bottom">M. 3.&mdash;</td></tr>
-<tr><td align="left"><b>Die Schmetterlingsschlacht.</b> Komödie in 4 Akten 9. Auflage</td><td align="left" valign="bottom">M. 2.&mdash;</td></tr>
-<tr><td align="left"><b>Das Glück im Winkel.</b> Schauspiel in 3 Akten 15. und 16. Auflage</td><td align="left" valign="bottom">M. 2.&mdash;</td></tr>
-<tr><td align="left"><b>Morituri:</b> Teja. Drama in 1 Akt. &mdash; Fritzchen. Drama in 1 Akt. &mdash; Das Ewig-Männliche. Spiel in 1 Akt. 17. Auflage</td><td align="left" valign="bottom">M. 2.&mdash;</td></tr>
-<tr><td align="left"><b>Johannes.</b> Tragödie in 5 Akten und 1 Vorspiel. 28. Auflage</td><td align="left" valign="bottom">M. 3.&mdash;</td></tr>
-<tr><td align="left"><b>Die drei Reiherfedern.</b> Dramatisches Gedicht in 5 Akten. 14. Auflage</td><td align="left" valign="bottom">M. 3.&mdash;</td></tr>
-<tr><td align="left"><b>Johannisfeuer.</b> Schauspiel in 4 Akten. 20. Aufl.</td><td align="left" valign="bottom">M. 2.&mdash;</td></tr>
-<tr><td align="left"><b>Es lebe das Leben.</b> Drama in 5 Akten. 20. Aufl.</td><td align="left" valign="bottom">M. 3.&mdash;</td></tr>
-<tr><td align="left"><b>Der Sturmgeselle Sokrates.</b> Komödie in 4 Akten. 15. Auflage</td><td align="left" valign="bottom">M. 2.&mdash;</td></tr>
-</table></div>
-<p class="center">
-Die vorstehend verzeichneten Werke sind auch gebunden zu beziehen<br />
-<br />
-Preis für den Einband:<br />
-<br />
-in Leinen 1 Mark, in Halbfranz 1 Mark 50 Pf.<br />
-</p>
-
-
-
-
-<h1 class="pagebreak">Stein unter Steinen</h1>
-
-<p class="center p4">Schauspiel in vier Akten</p>
-
-<p class="center">von</p>
-
-<p class="center p2 big140">Hermann Sudermann</p>
-
-<p class="center p2">Elfte Auflage</p>
-
-<div class="figcenter p4" style="width: 130px;">
-<img src="images/signet.png" width="130" height="125" alt="Signet" />
-</div>
-
-<p class="center p2">Stuttgart und Berlin 1905</p>
-
-<p class="center">J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger
-</p>
-
-
-<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_4" id="Seite_4">[S. 4]</a></span></p>
-
-
-<p class="center p6"><span class="antiqua">Copyright, 1905, by Hermann Sudermann</span></p>
-
-<p class="center">Alle Rechte vorbehalten</p>
-
-
-<p class="center p6">Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_5" id="Seite_5">[S. 5]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h2 class="left">Personen</h2>
-
-
-
-<div class="left">
-<table border="0" cellpadding="4" cellspacing="0" summary="Personen">
-<tr><td align="left" colspan="3"><b>Zarncke</b>, Steinmetzmeister.</td></tr>
-<tr><td align="left" colspan="3"><b>Marie</b>, seine Tochter.</td></tr>
-<tr><td align="left" colspan="3"><b>Frau Homeyer</b>, Wirtschafterin bei Zarncke.</td></tr>
-<tr><td align="left" colspan="3"><b>Jenisch</b>, Buchhalter.</td></tr>
-<tr><td align="left" colspan="3"><b>Eichholz</b>, Nachtwächter auf dem Werkplatz.</td></tr>
-<tr><td align="left" colspan="3"><b>Lore</b>, seine Tochter.</td></tr>
-<tr><td align="left" colspan="3"><b>Lenchen</b>, deren Kind.</td></tr>
-<tr><td align="left" colspan="3"><b>Willig</b>, Polier.</td></tr>
-<tr><td align="left" colspan="3"><b>Göttlingk</b>, Steinmetz.</td></tr>
-<tr><td align="left"><b>Jakob Biegler</b>.</td></tr>
-<tr><td align="left" colspan="3"><b>Reitmaier</b>, Kriminalkommissar.</td></tr>
-<tr><td align="left"><b>Lohmann</b>,</td><td align="left">}</td></tr>
-<tr><td align="left"><b>Sprengel</b>,</td><td align="left">}</td><td align="left">Arbeiter.</td></tr>
-<tr><td align="left"><b>Struve</b>,</td><td align="left">}</td></tr>
-<tr><td align="left" colspan="3">Bildhauer, Steinmetzen, Arbeiter.</td></tr>
-<tr><td align="left" colspan="3">Mehrere Frauen und Kinder.</td></tr>
-<tr><td /></tr>
-<tr><td align="left" colspan="3"><span class="gesperrt">Ort der Handlung</span>: Berlin.</td></tr>
-<tr><td align="left" colspan="3"><span class="gesperrt">Zeit der Handlung</span>: die Gegenwart.</td></tr>
-<tr><td /></tr>
-</table></div>
-
-<div style="clear: both;" />
-
-<p class="center">Zwischen dem ersten und dem zweiten Akt liegen drei Wochen,
-zwischen den folgenden Akten liegt je ein Tag.</p>
-
-<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_6" id="Seite_6">[S. 6]</a></span></p>
-
-<div class="figcenter p6" style="width: 150px;">
-<img src="images/006_deco.png" width="150" height="55" alt="" />
-</div>
-
-
-<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_7" id="Seite_7">[S. 7]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h2>Erster Akt</h2>
-
-<p class="directive1">Wohnstube bei Zarncke. In der Mitte des Hintergrundes Tür
-nach dem Hausflur. Auf der linken Seite Tür nach Wirtschaftsräumen.
-Auf der rechten Seite ein breites Fenster nach
-dem Werkplatz führend. Davor, um eine Stufe erhöht, ein
-Podium mit bequemem Lehnstuhl und Tischchen. Links vorne
-ein Sofa mit Sofatisch und Sesseln. Im Hintergrunde links
-von der Tür ein Tischchen mit Wandkonsole darüber, rechts
-von der Tür ein Bücherschrank. Altväterisch-behagliche Ausstattung.
-Stahlstiche, Photographien, gestickte Sinnsprüche an
-den Wänden. Pfeifenständer, Zigarrenschränkchen, Bauer mit
-Kanarienvogel etc. etc.</p>
-
-
-<h3>Erste Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Zarncke.</span> <span class="gesperrt">Marie.</span> <span class="gesperrt">Jenisch</span><br />
-</p>
-
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p class="directive2">(Sechziger, mittelgroß, stark ergraut. Bartfunzeln auf den Backen. Gutmütig-vergnügte
-Äuglein. Sprechweise &mdash; mit Anklängen ans Niederdeutsche
-&mdash; weich, bisweilen harmlos polternd, voll stillen Grüblersinnes)</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p class="directive2">(Ende der Zwanzig, klein, bucklig. Fahle Krankheitsfarbe. Zwei schöne
-Augen voll wehmütig-lachender Güte. Gequetschte Sprache, bisweilen durch
-schweres Atmen unterbrochen. Bewegungen tastend, unsicher)</p>
-
-<p class="actor"><b>Jenisch</b></p>
-
-<p class="directive2">(behaglicher, beschränkter Zahlenmensch)</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(mit Jenisch eintretend)</i></p>
-
-<p>Na, Miezelchen?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_8" id="Seite_8">[S. 8]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p class="directive2">(die im Lehnstuhl sitzt, aufleuchtend)</p>
-
-<p>Vaterchen! <i>(Will aufstehen)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Sitzen bleiben! Sitzen bleiben! <i>(Tritt zu ihr hin und küßt
-sie auf die Stirn)</i> Läßte dir die Maisonne in 'n Magen
-scheinen? Das is recht ... Na, Jenisch, was haben Sie da!</p>
-
-<p class="actor"><b>Jenisch</b></p>
-
-<p>Die neuen Sandsteinproben aus den Knauerschen
-Brüchen, Herr Zarncke. <i>(Reicht ihm die kleinen Blöcke)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(kratzt an den Rändern)</i></p>
-
-<p>Schreiben Sie man den Leuten, mein Kontorbedarf
-an Streusand sei vorläufig noch gedeckt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Jenisch</b> <i>(lacht respektvoll)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Zweite Post?</p>
-
-<p class="actor"><b>Jenisch</b></p>
-
-<p>Jawohl. <i>(Reicht ihm ein Paket Geschäftsbriefe)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p class="directive2">(setzt sich an den Tisch und läßt die Kuverts durch die Hand gleiten)</p>
-
-<p>Nischt &mdash; nischt &mdash; nischt. <i>(Ein Kuvert öffnend)</i> Machen
-wir. <i>(Ein zweites)</i> Machen wir desgleichen. »Verein zur
-Besserung entlassener Strafgefangener«. Möchten sie mir
-mal wieder einen andeichseln? ... Na, wollen mal sehn ...
-<i>(Legt das Kuvert beiseite und schiebt Jenisch die anderen Briefe hin)</i>
-Zurück zur Beantwortung! ... Und wenn die Leute von
-der Polizei kommen wegen heute nacht &mdash; das sag' ich
-besser draußen. <i>(Zu Marie)</i> Verzeih mal! <i>(Öffnet das Fenster.</i><span class="pagenum"><a name="Seite_9" id="Seite_9">[S. 9]</a></span>
-<i>Das klingende Geräusch der Meißelschläge, das Klirren der Flaschenzugketten,
-das Quietschen der Windewagen wird hörbar)</i> Sie da! Willig!
-Polier! <i>(Lauter)</i> Polier!</p>
-
-<p class="actor"><b>Stimme des Poliers Willig</b></p>
-
-<p>Jawohl, Herr Zarncke!</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Wenn die Leute vom Kriminal kommen, lassen Sie
-sie gleich aufs Kontor führen. Ich will nicht, daß sie mir
-den Platz rabiat machen mit ihrem dummen Gefrage.</p>
-
-<p class="actor"><b>Stimme Willigs</b></p>
-
-<p>Jawohl, Herr Zarncke.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(nachahmend)</i></p>
-
-<p>Jawohl, Herr Zarncke. <i>(Schließt das Fenster, das Geräusch
-hört auf)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p><em>Mußtest</em> du's denn anzeigen, Vaterchen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ja, das frag' ich mich auch. Aber ich kann mir doch
-nicht zu nachtschlafender Zeit in meinen Magazinschlössern
-rumpulen lassen. Womöglich noch »Schön Dank« sagen ...
-Hören Sie mal, Jenisch, euch auf'm Kontor geht's ja
-eigentlich nischt an, aber wie denken Sie über den alten
-Eichholz?</p>
-
-<p class="actor"><b>Jenisch</b></p>
-
-<p>Ja, Herr Zarncke, wir meinen, er wird sich nich mehr
-lange halten lassen. Als Wächter.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na, als was denn sonst?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_10" id="Seite_10">[S. 10]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Jenisch</b></p>
-
-<p>Das weiß ich ja nich.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Sinekuren gibt's nich bei mir auf'm Platz. Selbst
-mein Kanarienfritze hat sein Geschäft. Wenn der nich
-singt, dreh' ich ihm den Hals um.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(lächelnd)</i></p>
-
-<p>Na, na.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Was ist hier zu na-na-en! <i>(Zärtlich)</i> Du &mdash; hä?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(lacht)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Der Alte hat seine dreißig Dienstjahre. Hat 's Geschäft
-groß werden sehen ... Wird mir schwer! <i>(Pause)</i>
-Abends, wenn er elfe gepfiffen hat, setzt er sich friedfertig
-auf einen Block, und dann sägt er los. <i>(Ahmt einen Schnarchton
-nach)</i> Und derweilen pulen mir die Herren Einbrecher
-in den Schlössern rum. Mir schwant so was, min Döchting,
-diese Instituschon is nich das richtige.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(lacht)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Also, Jenisch, ziehn Sie sich tapfer zurück.</p>
-
-<p class="actor"><b>Jenisch</b> <i>(lachend)</i></p>
-
-<p>Adieu, Fräulein Mariechen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Adieu, Herr Jenisch.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_11" id="Seite_11">[S. 11]</a></span></p>
-
-
-<h3>Zweite Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Zarncke. Marie</span>
-</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Dabei weiß ich genau, wer's gewesen is.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Am Ende gar der &mdash; &mdash;?</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na natürlich.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(lachend)</i></p>
-
-<p>Du weißt ja noch gar nicht, wen ich meine.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p><em>Du</em> meinst den Struve. Und <em>ich</em> mein' den Struve.
-Und draußen auf dem Platze meinen sie <em>auch</em> den Struve.
-Aber weil sie mich nich blamieren wollen, tun sie, als
-hätten sie keinen Dunst ... Wozu hab' ich nu mal den
-Besserungspuschel? ... Wenn ich das Luder jetzt nich
-wieder raushaue, kriegt er zehn Jahre.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Um Gottes willen!</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Fünfmal vorbestraft ... Davon zweimal mit Zuchthaus.
-Billiger tun sie's da nich ... Und so 'ne Seele
-von Mensch. Als die Steinmetzen neulich für den brustkranken
-Emil sammelten &mdash; wo er doch als Arbeiter eigentlich
-gar nischt mit zu tun hat &mdash; Wochenlohn blank auf
-den Tisch gelegt. Und muß mausen! ... Nämlich die<span class="pagenum"><a name="Seite_12" id="Seite_12">[S. 12]</a></span>
-Diamantsplitter in den neuen Zahnsägen haben's ihm
-angetan. Macht er dem Polizeimann dieselbe wehmutsvolle
-Gaunerschnauze, die er mir heute gemacht hat, dann
-sitzt er schon im Kittchen ... Ach, was hat man für'n
-Kreuz mit diesen Kerls! Immer wieder saust man rin.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Na, manchmal auch nicht.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Hm! Der Auschwitz war gut. Dem Blankmann hab'
-ich das Leben gerettet. Der Thiele hat sogar Karriere
-gemacht. Aber &mdash; nee! &mdash; nu Schluß! &mdash; Ich nehm' nu
-nich <em>einen</em> mehr, den mir der Verein zuschanzt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Na, na!</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Mariechen, ich schwör' es dir. <i>(Das Kuvert aufnehmend)</i>
-Und wenn dies hier &mdash; ein Lämmlein is, mit Zucker bestreut,
-ich tu's nicht. <i>(Das Kuvert aufreißend)</i> Wollen mal
-gleich sehn!</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Weißt du, Vaterchen, dann lies lieber nicht. Nachher
-ist es ein interessanter Fall, und dann &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Kann's auch ungelesen zurückschicken. <i>(Unschlüssig)</i>
-Aber &mdash; &mdash; &mdash; du, klingel mal, daß die Homeyer mir
-das Frühstück bringt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(klingelt)</i></p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_13" id="Seite_13">[S. 13]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p class="directive2">(die Papiere musternd, die in dem Kuvert stecken)</p>
-
-<p>Da is nu ein ganzes Schicksal drin.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(bittend)</i></p>
-
-<p>Vaterchen, mach dir das Herz nicht schwer. Lies
-lieber nich.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Man soll zwar keinen von seiner Türe weisen. Na,
-wie du meinst. <i>(Legt das Kuvert hin)</i></p>
-
-
-<h3>Dritte Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Die Vorigen. Frau Homeyer</span>
-</p>
-
-<p class="directive2">(Frau Homeyer, kraftvolle, hübsche Person, zu Anfang der dreißig. Energische
-Bewegungen. Haare kokett gelockt, mit einem Stich ins Gemeine)</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p class="directive2">(die Frühstückstablette mit belegten Brötchen und einer Rotweinflasche
-hereintragend)</p>
-
-<p>Schönen guten Morgen wünsch' ich.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Wir haben uns ja heut schon gesehn, Homeyerchen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Wenn auch. Ich sag' noch mal »Guten Morgen«.
-Das ziemt sich für mich. <i>(Auf die Tablette weisend)</i> Is alles
-gut so?</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Hm. Fein.</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Fräulein Mariechen, was möchten Sie?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_14" id="Seite_14">[S. 14]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Danke. Danke.</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Is Ihnen heute wieder nich ganz frisch?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Doch. Doch.</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Nu sagen Sie doch. Ich will doch sorgen für Sie.
-Ich kann mir gar nich genug tun für Sie.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ja, ja, Sie sind eine Perle.</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Herr Zarncke, ich kümmre mich um keinen Menschen
-sein Lob. Ich bin eine ehrbare Witwe. Wer so viel Leid
-durchgemacht hat im Leben, wie ich &mdash; ach ja!</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ihr vieles Leid is Ihnen aber ganz gut bekommen,
-hören Sie mal.</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Ach ja. Ich hab' mir ganz gut konserviert.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Und dann so die ehrbare Lebensweise.</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b> <i>(seufzend)</i></p>
-
-<p>Ja, ja.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_15" id="Seite_15">[S. 15]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Hören Sie mal, Kindchen, noch eine Frage: Haben
-Sie vielleicht irgend was gehört, heute nacht?</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Ja. Gehört hätt' ich wohl so einiges. &mdash; Schritte
-und so.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Warum haben Sie denn nichts davon gemeldet?</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Hat mich ja keiner gefragt. Außerdem: ich geb' keinen
-an. Ich misch' mich nich in fremde Sachen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>So &mdash; das sind fremde Sachen für Sie?</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Gott! Wo hab' ich denn gedacht, daß es gleich Einbrecher
-sind?</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na, was denn sonst?</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Ich hab' gedacht: es is eben Frühling, &mdash; da werden
-die Mannsleute doll &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Und die Weibsleute auch.</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Von mir können Sie so was nich sagen, Herr Zarncke.
-Von dem Tage an, daß mein armer sel'ger Mann &mdash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_16" id="Seite_16">[S. 16]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Scht, scht, scht! <em>Wenn</em>, dann würd's auch nichts ausmachen.
-Na &mdash; und?</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Und der alte Eichholz schläft natürlich. <i>(Mit Betonung)</i>
-Und die Tochter schläft eben auch. Nu ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ach so! Das geht gegen die Lore!</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Ich hab' nichts gesagt. Ich misch' mich in gar nichts.
-Laß das Fräulein Lore tun, was sie will. Es braucht
-nich jede so'n Wandel zu haben, wie ich. Aber schließlich
-läuft auf dem Werkplatz 'n kleines Mädchen rum. Vater
-unbekannt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Der Vater ist nicht unbekannt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Ach ja, man nennt ja wohl so gewisse Namen. &mdash;
-Warum heiratet er sie denn nich?</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Das geht mich nichts an. Und Sie auch nicht ...
-Was hast du, Mariechen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p class="directive2">(die mit geschlossenen Augen in den Sessel zurückgesunken ist)</p>
-
-<p>Nichts, Vaterchen. Du weißt ja. Mir wird manchmal
-so grasgrün.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_17" id="Seite_17">[S. 17]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p class="directive2">(die eilig ein Glas Wasser gefüllt hat)</p>
-
-<p>Glas Wasser, Fräulein Mariechen? Glas Wasser?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(trinkt &mdash; matt)</i></p>
-
-<p>Danke schön.</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Sonst noch Wünsche? ... Nein. <i>(Da niemand antwortet,
-ab)</i></p>
-
-
-<h3>Vierte Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Zarncke. Marie.</span> Später <span class="gesperrt">Lenchen</span><br />
-</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Miezelchen!</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Verzeih schon, Vaterchen. Es ist wohl der Frühling.
-Der macht einem Kopf und Glieder so schwer.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ja, ja, es is der Frühling ... Selbst ich alter Knochen
-spür' ihn. Willst nich was essen? Wart, ich bring' dir. Der
-Doktor hat gesagt, du sollst eine sitzende Lebensweise
-führen, also führe du eine sitzende Lebensweise. <i>(Setzt den
-Teller vor sie hin und nimmt ein Brötchen)</i> Ganz lecker! Magst
-du das Frauenzimmer eigentlich?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Ach Gott!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_18" id="Seite_18">[S. 18]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ich hab' sie so lieb, weil sie mich so hübsch anschwindelt.
-Bißchen Kuddelmuddel muß sein um einen 'rum, sonst
-weiß man gar nich, daß man lebt ... Jetzt läuft sie auch
-hinter dem Göttlingk her. Darum der Haß auf die
-Lore ... Ja, der Frühling! ... Und mit dem Arbeiten
-gar da geht's bei allen nich ... Sie pfeifen die Sonne
-an, und wenn sie Mittags auf den zwei Richtscheiten
-liegen, dann sind sie nich hochzukriegen. <i>(Seufzend)</i> Junges
-Volk! ... Übrigens, du! Zu der Amsel auf dem Kantinendach
-hat sich ein Weibchen gefunden.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(freudig)</i></p>
-
-<p>Ach! Gott sei Dank. Dann wird sie sich nich mehr
-die Seele aus dem Leibe schreien ...</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Andere Leut' schweigen sich die Seele aus dem Leibe.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(betroffen)</i></p>
-
-<p>Wie meinst du das?</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na, is doch so ... Schadt nischt! Sein Geheimfach
-hat jeder. &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(hinaushorchend, ruft)</i></p>
-
-<p>Lenchen! <i>(Sie öffnet das Fenster, der Lärm des Werkplatzes dringt
-herein, wie vorhin)</i> Lenchen!</p>
-
-<p class="actor"><b>Die Stimme Lenchens</b> <i>(jubelnd)</i></p>
-
-<p>Tante Mariechen!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_19" id="Seite_19">[S. 19]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Komm ans Fenster! Komm!</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Tante nennt sie dich?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Soll sie nicht, Vaterchen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ja, ja. Kommt auf eins 'raus.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Na, kletter hoch!</p>
-
-<p class="actor"><b>Lenchens</b></p>
-
-<p class="directive2">(Kopf erscheint in der Fensteröffnung)</p>
-
-<p>Tag, Tante Mariechen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Klettre, Katz! Klettre!</p>
-
-<p class="actor"><b>Lenchen</b></p>
-
-<p>Mußt helfen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p class="directive2">(da Marie eine Bewegung macht, rasch)</p>
-
-<p>Nicht du! Ich, ich! <i>(Zieht das Kind durch das Fenster herein
-und setzt es auf den Boden)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Lenchen</b></p>
-
-<p class="directive2">(die Arme um Mariens Knie schlingend)</p>
-
-<p>Tante Mariechen! Tante Mariechen!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_20" id="Seite_20">[S. 20]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(sie herzend)</i></p>
-
-<p>Willst 'n Bonbon oder 'ne Butterstulle?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lenchen</b></p>
-
-<p>Butterstulle.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p class="directive2">(gibt ihr ein zusammengeklapptes Butterbrot)</p>
-
-<p class="actor"><b>Lenchen</b></p>
-
-<p class="directive2">(setzt sich ihr zu Füßen auf die Stufe des Podiums und ißt unbekümmert)</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Und das soll nun 'ne Schande sein &mdash; so ein Engelskind!</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Hättst wohl gern so 'n Stückchen Schande an dir?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(inbrünstig)</i></p>
-
-<p>Ach so gerne, Vaterchen, so gerne!</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Tja! Vielleicht gibt sie's dir!</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>So was zu fordern, hätt' ich nicht das Herz. <i>(Streichelt
-die Kleine und spricht leise zu ihr)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Tja! <i>(Geht an den Tisch, trinkt ein Glas Rotwein, sieht verstohlen
-nach Marie, nimmt das Kuvert, reißt die Papiere heraus und beginnt zu
-lesen)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p class="directive2">(sieht es, lächelt und macht sich von neuem mit der Kleinen zu schaffen)</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_21" id="Seite_21">[S. 21]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(murmelnd)</i></p>
-
-<p>Zu mir will der Mensch? Warum will der Mensch
-gerade zu mir? <i>(Steckt die Papiere heimlich ins Kuvert zurück und
-geht erregt im Zimmer umher)</i> Was kann man da machen? Was &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(bittend)</i></p>
-
-<p>Vater!</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Was denn?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Allen hilfst du! Jeder Verbrecher kann zu deiner
-Türe kommen. Hilf doch auch dem Kinde!</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ja, leicht gesagt! ... Wie?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Rede mit Göttlingk wegen Lore.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ich <em>hab</em>' mit ihm geredet. Zwingen kann ich ihn
-nicht.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Erst wollt' er noch auf die Wanderschaft. Fünf Jahre
-ist er weg gewesen. Als Herr ist er wiedergekommen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Herr? ... Künstler! Künstler is er geworden. Dieser
-wüste Kerl kann mehr als ... Seinethalben braucht' ich
-gar keine Bildhauer mehr. Den schwierigsten Auftrag kann
-ich annehmen, seit er da ist.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_22" id="Seite_22">[S. 22]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Vater, sprich mit ihm. Nun wird sie auch noch den
-Schmerz erleben mit dem Alten. Ich mag das Elend
-nicht mehr mit ansehn.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Er sagt, er kann noch nicht. Er hat noch Höheres vor.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Je Höheres er vorhat, desto schlechter wird sie ihm.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Komm' ich ihm grob, dann wirft er mir den Meißel
-vor die Füße. Na und dann? ... Weißt du: Sprich du
-mit ihm.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(erschrocken)</i></p>
-
-<p>Ich? ... Nein, nein, nein.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Warum nicht?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Vaterchen &mdash; das &mdash; kann ich nicht.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Siehst du. Man kann manches nicht. <i>(Es klopft)</i>
-Herein.</p>
-
-
-<h3>Fünfte Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Die Vorigen. Eichholz</span><br />
-</p>
-
-<p class="directive2">(Eichholz: Ende der Sechzig, knickbeinig, würdevoll-finster, mit militärischem
-Anflug, alter Schwadroneur, fast weißes, buschiges Haar, Rundbart mit
-ausrasierter Oberlippe, Bratenrock mit Ordensschnalle und eisernem Kreuz)</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na Eichholz! Ausgeschlafen?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_23" id="Seite_23">[S. 23]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Lenchen</b> <i>(ihm entgegen)</i></p>
-
-<p>Großvaterchen! Großvaterchen!</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b> <i>(will sie nicht sehen)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Pscht! Lenchen! Komm her! Großvater hat keine
-Zeit. <i>(Sie beginnt zu sticken. Das Kind spielt)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Nja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Und so feierlich! Was is denn los?</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Herr Zarncke &mdash; ich möchte &mdash; freundlichst &mdash; um
-meine Entlassung gebeten haben.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p class="directive2">(mit Marie einen erfreuten Blick wechselnd)</p>
-
-<p>Sieh mal an!</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Denn ich habe nämlich in Erfahrung gebracht &mdash; daß
-die Steinmetzen behaupten &mdash; <em>wollen</em>, daß ich gewissermaßen
-&mdash; meines Amtes nicht mehr gewachsen bin.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>So?</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Denn im Punkte des Ehrgefühls, da laß ich mir nicht
-drankommen. Und wenn die Steinmetzjungens sich die
-Schnauze verbrennen, damit, daß sie nicht wissen tun,<span class="pagenum"><a name="Seite_24" id="Seite_24">[S. 24]</a></span>
-was ein gewissenhafter Mann ist, und was ein sehr tauglicher
-Mann ist &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Nu kohlt er wieder.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Und was ein königstreuer Mann ist ... Und wo ich
-mir habe in Ihrem Dienste lädiert, daß ich mir habe nämlich
-die Schulterblattmuskeln ausgefallen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ich weiß, ich weiß, ich weiß.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Und wo ich da immer noch ein wollenes Fellchen, wie
-man so sagt, ein Puschemauchen, drum herumtrage, wegen
-den Reimantismus, wo ich mir auch im Dienste geholt habe.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ja &mdash; so Nachts auf dem kalten Stein schl&mdash; <i>(sich rasch
-verbessernd)</i> sitzen &mdash; sitzen, das hält der Kräftigste nicht aus.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Ich? Sitzen? ... Sitzen? Ich &mdash; Nachts? Nu sagen
-Sie bloß noch, Herr Zarncke, ich hab' auch die Augen zugemacht,
-dann kann ich ruhig jehn, mir aufhängen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na, na, na. Sagt ja keiner. <i>(Zu Marie)</i> Was fängste
-da an?</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Wo ich doch schon Kummer genug hab' &mdash; mit meine
-Tochter &mdash; und hier mit &mdash; diese &mdash; diese &mdash; Mestize.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_25" id="Seite_25">[S. 25]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(hebt erstaunt den Kopf)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Wieso Mestize?</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Nu, was ein ungebührliches Kind is &mdash; 's is ja schlimm,
-daß man das selber sagen muß, &mdash; aber das is doch nich
-anders, das is doch eine Mestize.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ach, Sie haben wohl ein Indianerbuch gelesen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Ja, so Sonntagnachmittag, wenn ich 'n freien Momang
-habe, dann les' ich wohl sehr gerne in de Indianerbiecher.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Nu hören Sie mal, lieber Eichholz, alter Kriegskamerad,
-wie wär's, wenn Sie sich mal 'n bißchen mehr
-Ruhe gönnten?</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Ja, ich bin aber ausgeschlafen so gegen zehne.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(leise zu Marie)</i></p>
-
-<p>Kunststück! ... Nein, nein, ich meine zur Nachtzeit,
-Eichholz.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Ja, wenn man das so ginge, Herr Zarncke. Aber
-was 'n gewissenhafter Wächter is und 'n tauglicher Wächter
-is, der hat Ohren, sag' ich Ihnen, der hört den Maulwurf
-graben zur nächtlichen Stunde, sag' ich Ihnen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_26" id="Seite_26">[S. 26]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Aber von Einbrechern haben Sie heute nacht nichts
-gehört &mdash; hä?</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Hähähähä! Da lach' ick äwwer.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(ernst)</i></p>
-
-<p>Heute nacht ist nämlich eingebrochen worden, Eichholz.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b> <i>(gekränkt)</i></p>
-
-<p>Fangen Sie nu auch so an, Herr Zarncke, wie die
-Steinmetzjungens?</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(ernst)</i></p>
-
-<p>Ich muß wohl, Eichholz.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b> <i>(versteht, fassungslos)</i></p>
-
-<p>Ach so! <i>(Sein Gesicht verändert sich)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(bittend)</i></p>
-
-<p>Nu sehn Se mal, alter Freund. Sie gehn auf die
-Siebzig. Nu schlafen Sie sich doch mal ordentlich aus.
-Im Bett. Verstehen Sie. Im ordentlichen Bett.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b> <i>(kläglich)</i></p>
-
-<p>Ich kann gar nich im Bett schlafen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Dann werd' ich Ihnen einen schönen, harten Granitblock
-in Ihre Schlafkammer schaffen lassen ... damit Sie
-Ihre Bequemlichkeit haben ...</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b> <i>(brütend)</i></p>
-
-<p>Nja.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_27" id="Seite_27">[S. 27]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Und Not sollen Sie auch nich leiden. Ich setz' Ihnen
-'ne Pension aus ... Können auch wohnen bleiben ...
-Bei Tag schustern Sie 'n bißchen oder läuten die Pausen
-ab oder helfen Ihrer Tochter in der Kantine.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Und gewöhn' mir das Saufen an.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Sie werden doch nich.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Herr Zarncke, ich bin ein Mann &mdash; hochgeehrt &mdash; ich
-hab' anno 70 immer mit am Offezierstisch gegessen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na, na.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Ja ... Ich bin nie 'n Fettschmecker gewesen und 'n
-Saufjee, ich hab' noch nich mal 'n Stückschen Käse ins
-Schnapsglas getunkt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Schmeckt ja auch gar nich.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Das is nu Ansichtssache, Herr Zarncke ... Aber
-wenn man in eine so lausige Beschaffenheit versetzt wird,
-daß das Ehrgefühl im Menschen so sehr gekränkt wird, wo
-man doch von seinem redlichen Schustergewerbe nichts
-mehr übrig hat wie 'n paar Lederabfälle und zehn steifgewordene
-Finger ... und ehe man so'ne Schandpanksjohn
-annimmt ...</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_28" id="Seite_28">[S. 28]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Sie sind ja ein ganz beißiges altes Vieh, hören
-Sie mal ...</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Ich ... ich ... hab'... ich ... <i>(Würgt)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na, na, Eichholzchen ... Nu si doch man wedder
-good, min Sähn.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b> <i>(befehlshaberisch)</i></p>
-
-<p>Lenchen!</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(ängstlich)</i></p>
-
-<p>Nein, nein, das Kind bleibt hier.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Ich und Lenchen &mdash; wir gehn jetzt aus'm Haus.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Wenn Sie aus dem Hause gehen wollen, Eichholz,
-dann kann ich nichts dagegen haben &mdash; das heißt, Sie
-werden sich ja noch anders besinnen &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Na, glauben Sie, geehrter Herr, ich werd's mit ansehn,
-daß irgend so ein hergelaufener Sch &mdash; Schlump
-jetzt sagen kann, ich bin dem weggejagten Alten da &mdash; sein
-Nachfolger. Das &mdash; nee &mdash; nee &mdash; nee! Ich hab' noch
-'ne kleine Nachrechnung, Herr Zarncke. Wegen ein paar
-reparierte Absätze, die schenk' ich Ihnen, Herr Zarncke. Ich
-arbeit' nich mehr für Sie ... Guten Morgen, Herr
-Zarncke. <i>(Ab)</i></p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_29" id="Seite_29">[S. 29]</a></span></p>
-
-
-<h3>Sechste Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Zarncke. Marie. Lenchen. Später Lore</span><br />
-</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(verzweifelt)</i></p>
-
-<p>Na &mdash; nu is er rabiat. Nu geht er sausen. &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Du warst milde genug, Vaterchen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ja, wenn's Maschinen wären. Aber jeder is 'n
-Mensch. Jeder hat sein Schicksal.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>In sich, Vater.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Wenn das wahr wäre, dann wär' ich nicht schon so
-vielen ihr Schicksal gewesen ... In sich! ... Spreu sind
-wir im Winde. Es kommt nur drauf an, von wo er bläst ...
-Na &mdash; vielleicht kann man's an einem andern wieder gutmachen.
-<i>(Nimmt die Papiere)</i> Da wird heute einer kommen.
-So einen hatten wir noch nicht.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Was hat er denn pekziert?</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Frag nicht. Nachher drückt's dich.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lores Stimme</b> <i>(draußen rufend)</i></p>
-
-<p>Lenchen! Lenchen!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_30" id="Seite_30">[S. 30]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Lenchen</b> <i>(aufhorchend)</i></p>
-
-<p>Das is Mama. Ich will zu Mama.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p class="directive2">(das Fenster öffnend, durch das diesmal kein Geräusch hereindringt)</p>
-
-<p>Das Kind is bei mir drin, Lore.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(nach der Uhr sehend)</i></p>
-
-<p>Alles still? Is schon Frühstückspause?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lores</b></p>
-
-<p class="directive2">(Kopf erscheint in der Fensteröffnung)</p>
-
-<p>Dank' schön, Fräulein Mariechen. <i>(Zu Lenchen, die die
-Arme ausstreckt, sich vorbeugend)</i> Na, hopp!</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Du kannst mal 'reinkommen, Lore.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Wenn ich darf, Herr Zarncke. <i>(Verschwindet)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p class="directive2">(schließt das Fenster und beruhigt Lenchen, die weinen will)</p>
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Und findet sich der Mann hier 'rein &mdash; der Mann
-von diesem Brief &mdash; Biegler heißt er &mdash; dann schick ihn
-nicht ins Komptor, dann laß mich lieber rufen. <i>(Es klopft)</i>
-Herein!</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(erscheint in der Tür)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Du, Lore, ich muß dir was sagen: Vater is von
-heute ab &mdash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_31" id="Seite_31">[S. 31]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(Mitte der Zwanzig. Hübsch, vollkräftig mit Spuren seelischen Leidens.
-Sprechweise bald ohne Grund erregt, bald scheinbar teilnahmslos. Bewegungen
-müde, schwerfällig, jäh in Leidenschaftlichkeit umschlagend. Helle,
-schlichte Sommerkleidung des Mädchens aus dem Volke, ein wenig über
-dem Habitus der Dienerin stehend)</p>
-
-<p>Ich weiß schon, Herr Zarncke. Es ging ja schon lang'
-nich mehr.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na, Gott sei Dank, daß ich mich bei dir nicht zu entschuldigen
-brauch'.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ach, Sie! <i>(Beugt sich rasch nieder, um ihm die Hand zu küssen)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na, na, na! Und wegen Unterhalt, da &mdash; <i>(Beruhigt
-sie mit einer Handbewegung)</i> Aber stell ihm die Kümmelflasche
-höher. Das rat' ich dir, Kind! <i>(Klopft sie auf die Schulter. Ab)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Lenchen</b> <i>(die Arme hochhebend)</i></p>
-
-<p>Mama! Mama!</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(ihr mit dem Schürzenzipfel den Mund putzend)</p>
-
-<p>Ich hab' immer Angst, daß ihr ein Steinsplitter ins
-Aug' fliegt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Ach, sie passen schon auf. Sie haben sie ja alle lieb.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ja ... Die andern ja. &mdash; Bloß der der nächste
-dazu is &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Er wird's nicht zeigen wollen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_32" id="Seite_32">[S. 32]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Gestern hat ihr einer 'ne Wippe zurechtgemacht. Und
-wie er vorbeikommt, da ruft sie ihn an, er soll sie schaukeln.
-Da hat er sie weggeschoben &mdash; na wie? 'n jungen Hund
-schiebt man nich so.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Das hängt anders zusammen, Lore. So schlecht ist
-kein Mensch. Und er sicherlich nicht. Sicherlich nicht.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Wenn Sie alles wüßten, Fräulein Mariechen. &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Kannst ruhig »du« sagen. Es hört uns keiner.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ach, ich verdien's ja nich ... Warum rührst du mich
-an? Warum gibst du dich ab mit mir? <i>(Verbirgt den Kopf an
-ihrer Stuhllehne)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(sie streichelnd)</i></p>
-
-<p>Na, na, Lore. Als du so groß warst wie die, da hab'
-ich dich schon gestreichelt. Dabei lassen wir's auch. <i>(Da
-Lenchen weinerlich dazukommt)</i> Du, Lenchen, der weiße Bär ist
-ein Eisbär. Und den bind mal nu an die Leine. <i>(Reicht
-dem Kinde eine Porzellanfigur und ein Garnknäuel)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ja, Lenchen, tu das.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lenchen</b></p>
-
-<p class="directive2">(fängt beruhigt von neuem zu spielen an)</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_33" id="Seite_33">[S. 33]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Und laß uns mal vernünftig reden. Was versteckst
-du dich? Warum sagst du nicht ganz offen, daß er der
-Vater ist?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(verängstigt)</i></p>
-
-<p>Gott, wie kann ich denn? Er hat's doch verboten.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Warum läßt es dir verbieten?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Als er im Herbst von der Wanderschaft kam, da sagt'
-er zu mir: »Willst du, daß ich wieder eintrete auf dem
-Platz?« Ich glaub', ich hab' ihm noch die Hände geküßt
-in meinem Glück ... Aber eine Bedingung hatte er dabei.
-»Mund halten,« sagt' er, »daß keiner was erfährt.« ...
-Die's von früher wußten, waren inzwischen weg. Bloß
-der Polier ... Und das ist sein Freund. Vater hat er
-auch in der Tasche ... Und nun beiß' ich mir rein die
-Zunge ab Tag für Tag und denk': Endlich muß das
-Schweigen doch ein Ende nehmen. Aber es geschieht
-nichts ... Er kommt in die Kantine. Ganz vergnügt.
-Bloß nicht allein. Da hütet er sich.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Was soll er zu dem allem aber für 'n Grund haben?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(achselzuckend)</i></p>
-
-<p>Ich denk' mir, er hat eine andere im Sinn.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(erschreckt, beklommen)</i></p>
-
-<p>Wen denn?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_34" id="Seite_34">[S. 34]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Vielleicht hat er sich eine aus Mailand mitgebracht,
-vielleicht &mdash; ach, wer kann wissen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(auf Lenchen weisend)</i></p>
-
-<p>Und du meinst, daß auf'm Platz keiner was ahnt?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Die denken sich schon ihr Teil. Aber er tut ja doch
-mit allen, was er will ... Er ist mehr Herr auf dem
-Platz als der Polier. Da wagt keiner zu mucksen ...
-Und wenn er ihnen gar was vorsingt, was er da unten
-von den Weibern gelernt hat ... Darauf sind sie <em>rein</em>
-doll ...</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(träumerisch)</i></p>
-
-<p>Ja, schön singt er! ... Ach, Lore, was bist du dumm!
-<i>(aufschluchzend)</i> Da spielt dein Kind! Dein Kind spielt da.
-Und du jammerst.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(erschrocken)</i></p>
-
-<p>Mariechen!</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(sich zusammenraffend)</i></p>
-
-<p>Ach, es ist der Frühling ... Es ist der ... Der
-macht einen ganz ... Und du jammerst.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(mit wehem Lächeln)</i></p>
-
-<p>Ich jammer' ja auch nich.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Aber du schleichst 'rum und quälst dich mit deiner
-Schande. &mdash; Schande! Was ist Schande? ... Unser Leib
-ist ein Tempel ... Und Gebären ist Gottesdienst ... Nur
-wenn der Tempel im Bau verpfuscht wurde, dann ist es
-schlimm ... dann kommt der Frühling, und das Amselweibchen
-baut, und man selbst ist schon Ruine.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_35" id="Seite_35">[S. 35]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Du kannst auch noch glücklich werden, Mariechen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Ich möcht' schon ... Aber wer wird vorliebnehmen mit
-mir? ... Und ich bin so mutig da drinnen! ... Ich möcht'
-was verpflanzen von mir in dich. Daß du den Kopf wieder
-hebst. &mdash; Nicht mehr wie 'n Stein bist in deinem Gram.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(lacht bitter)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(mit sich kämpfend)</i></p>
-
-<p>Du &mdash; soll ich &mdash; reden mit ihm?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Du &mdash; mit ihm?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(nickt)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(ohne Hoffnung)</i></p>
-
-<p>Ja, wenn du das willst. Aber noch nicht ... Wart
-lieber noch ... Vielleicht, daß er <em>doch</em> &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(stockend)</i></p>
-
-<p>Es wird mir &mdash; ja nicht &mdash; leicht fallen ... Ich kenn'
-ihn ja auch kaum mehr &mdash; den großen Herrn ... Aber
-wenn man was <em>sehr gerne</em> will, dann wird man's doch
-auch &mdash; können. &mdash; Na, freut's dich gar nicht?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(die Hand mutlos vor die Stirne legend)</p>
-
-<p>Ach! ... <i>(Es klopft)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Herein!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_36" id="Seite_36">[S. 36]</a></span></p>
-
-
-<h3>Siebente Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Die Vorigen. Jakob Biegler</span>
-</p>
-
-<p class="directive2">(Jakob Biegler: Mitte der Dreißig, sehr dürftig, doch nicht schmutzig gekleidet,
-Hose von grauem Bauernvelvet, vielfach geflickt und zu kurz. Altes,
-blankgewordenes Jakett, gleichfalls geflickt, darunter braune Strickweste.
-Defektes Schuhwerk. Wäsche nirgends zu sehn. &mdash; Gelbes, zermürbtes
-Gesicht mit scheuen Augen und kurzem, wildwachsendem Blondbart. Auftreten
-gedrückt, verhetzt, bisweilen in verzweifelte Rauheit umschlagend)</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Guten Morgen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Sie wünschen meinen Vater zu sprechen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Herrn Zarncke &mdash; möcht' ich sprechen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Heißen Sie Biegler?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(betroffen)</i></p>
-
-<p>Ach so! &mdash; Sie wissen schon. Na &mdash; dann &mdash; <i>(Macht
-eine halbe Wendung zur Tür)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Lenchen</b></p>
-
-<p class="directive2">(ist zu ihm gegangen und streckt die Hand empor)</p>
-
-<p>Guten Tag!</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p class="directive2">(seinen Seelenzustand erkennend)</p>
-
-<p>Mein Vater hat gesagt, wenn jemand mit Namen
-Biegler kommt, dann möcht' ich ihn rufen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(erleichtert)</i></p>
-
-<p>Ja, der bin ich.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_37" id="Seite_37">[S. 37]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Lenchen</b></p>
-
-<p>Nu sag doch: Guten Tag.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(sieht das Kind, ein leeres Lächeln geht über sein Gesicht. Er weiß nicht,
-was tun)</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(sie leise zurückrufend)</i></p>
-
-<p>Lenchen!</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Nehmen Sie's als gute Vorbedeutung, daß dies Kindchen
-Sie willkommen heißt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(sieht sie groß an, versteht nicht)</p>
-
-<p>Erst &mdash; muß &mdash; ich &mdash; Herrn Zarncke &mdash; sprechen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(aufstehend)</i></p>
-
-<p>Lore, klopf, bitte, im Vorbeigehn bei Vater an <i>(leiser)</i>
-und bring dem was zu essen. Er hat's nötig.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(nickt)</i></p>
-
-<p>Komm, Lenchen. <i>(Mit dem Kinde ab)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Nehmen Sie so lange Platz, bitte.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ich kann auch stehen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(ab)</i></p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_38" id="Seite_38">[S. 38]</a></span></p>
-
-
-<h3>Achte Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Biegler.</span> Dann <span class="gesperrt">Zarncke</span>
-</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(alleingeblieben, wagt sich nicht zu rühren, nur seine Augen wandern umher)</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p class="directive2">(mit Bieglers Papieren in der Hand)</p>
-
-<p>Guten Tag.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(in straffer Haltung, wie er's im Zuchthause gewohnt war)</p>
-
-<p>Melde Jakob Biegler.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Is gut, is gut. Sie sind hier nicht im Gefängnis.
-Der Verein zur Besserung entlassener Strafgefangener hat
-Sie mir zugeschickt. Stehen Sie unter seiner Fürsorge?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Jawohl.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Wie lange sind Sie 'raus?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Vier Monate zehn Tage.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Fünf Jahre haben Sie abgemacht?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Jawohl.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Wegen was?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_39" id="Seite_39">[S. 39]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(schweigt)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na &mdash; wegen was?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(auf die Papiere weisend)</i></p>
-
-<p>Steht ja da drin.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p class="directive2">(fixiert ihn, um sein Schamgefühl zu prüfen)</p>
-
-<p>Da steht nur der Paragraph. Den kenn' ich nicht auswendig.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(verbissen)</i></p>
-
-<p>Na, ich sprech's nich aus.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Dann werd' ich im Strafgesetzbuch nachsehn.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Wenn Sie wollen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p class="directive2">(geht zum Bücherschrank, schlägt ein Buch auf und liest)</p>
-
-<p>Hm. Schlimm. Schlimm.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Schlimm. <i>(Pause)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na, wie is es denn gekommen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Wie das so kommt, wenn ein Weib dabei ist.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Aha ... Haben Sie's gut gehabt in Sonnenburg?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_40" id="Seite_40">[S. 40]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Man war ja mit mir zufrieden.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ersparnisse gemacht?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Jawohl. Fünfundsechzig Mark fünfzig Pfennig.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Noch was da?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Dann säh' ich nich so aus, Herr &mdash; Zarncke.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Hat der Verein Ihnen keine Arbeit besorgt?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Zweimal haben sie mich aufs Land geschickt. Einmal
-als Hofgänger, das zweite Mal als Kuhfutterer.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na &mdash; und?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(schweigt)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ausgerissen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(in erregter Verteidigung)</i></p>
-
-<p>Ich hielt nicht aus. Ich &mdash; ich &mdash; ich &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Dann werden Sie auch bei mir nich aushalten.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_41" id="Seite_41">[S. 41]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ach, Herr Zarncke.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Hier steht: auf Ihre besondere Bitte schickt man Sie
-zu mir. Was wollen Sie gerade bei mir?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(schweigt)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ja, wenn Sie nicht antworten ... Was sind Sie?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(zaudernd, nach innerem Kampfe)</p>
-
-<p>Steinmetz.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ach so! &mdash; <em>Darum</em>! Hier steht doch &mdash; Arbeiter.
-<i>(Sieht nach)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Weil ich als Arbeiter gegangen bin.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Warum denn?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Wer wird mich nehmen &mdash; als Steinmetz?</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Sie hätten doch probieren können!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Probiert hab' ich genug.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Und überall abgewiesen?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_42" id="Seite_42">[S. 42]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Einmal wurd' ich eingestellt ... Zwei Tag' später kam's
-'raus. Da lag ich schon auf der Straße.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Warum sind Sie denn nicht schon früher zu mir gekommen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(schweigt)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Wußten Sie, daß ich Strafentlassene nehme?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ja, die Herren haben's mir gesagt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Wollten Sie nich?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(zögernd)</i></p>
-
-<p>Nein.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Warum nicht?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(erregt)</i></p>
-
-<p>Nachher wird's doch nichts &mdash; &mdash; &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Und jetzt wollen Sie?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Als Steinmetz will ich auch nicht. Nich als Steinmetz.
-&mdash; Wenn ich bloß 'ne Arbeitsstelle hätte, als Schleifer oder
-beim Flaschenzug, wo keiner was fragt.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_43" id="Seite_43">[S. 43]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ich werd' mit dem Polier sprechen. Wenn ich drauf
-besteh' &mdash; Sie können auch als Steinmetz eintreten.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(verängstigt)</i></p>
-
-<p>Nein, nein, nein ... dann kommt's 'raus ... dann is
-wieder alles ... Bloß auf den Werkplatz will ich ... Bloß
-w&mdash;wenn ich den &mdash; Klippelschlag hören kann. Bloß von
-weitem.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Sie waren wohl ein <em>guter</em> Steinmetz?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ach! <i>(Zuckt die Achseln)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(voll wärmerer Anteilnahme)</i></p>
-
-<p>Hm. <i>(Es klopft)</i> Herein.</p>
-
-
-<h3>Neunte Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Die Vorigen.</span> <span class="gesperrt">Lore</span> (mit einem Teller, worauf Butterbrot)<br />
-</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Verzeihung, Herr Zarncke, Fräulein Mariechen hat
-befohlen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Essen Sie.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(gierig nach dem Teller sehend)</p>
-
-<p>Danke! Ich hab' &mdash; keinen &mdash; Hunger.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(leise, mitleidig)</i></p>
-
-<p>Essen Sie nur.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_44" id="Seite_44">[S. 44]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(blickt sich scheu um, will ein Butterbrot nehmen, sieht Zarncke fragend an)</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ja, ja, Sie dürfen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(dreht sich der Wand zu und schlingt das Butterbrot herunter)</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Du, Lore, hol mal das Wasserglas.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(holt das Wasserglas vom Nähtisch)</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(Rotwein eingießend)</i></p>
-
-<p>Bring ihm das. &mdash; Übrigens: wie trägt's denn der
-Vater?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Gott, Herr Zarncke, er schimpft ... Ja, was ich fragen
-wollte: darf er den Dienst noch tun, bis ein Nachfolger
-da ist?</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p class="directive2">(mit einem Blick nach Biegler hin)</p>
-
-<p>Nachfolger hab' ich schon.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(dem Blick folgend)</i></p>
-
-<p>Ach so.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Gefällt er dir?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ach, is 'n armer Mensch!</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Sag's nicht, wie du ihn hier gefunden hast.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Nein, nein. <i>(Stellt das Glas neben Biegler, ab)</i></p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_45" id="Seite_45">[S. 45]</a></span></p>
-
-
-<h3>Zehnte Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Biegler.</span> <span class="gesperrt">Zarncke</span><br />
-</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(würgt eiligst den letzten Bissen hinunter und stellt sich in Positur)</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Sie dürfen auch 'n Schluck von dem Wein trinken.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ja. <i>(Äugt zweifelnd nach dem Glase)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Haben Sie keinen Durst?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Erst geben Sie mir &mdash; Wein zu trinken, und dann
-nehmen Sie mich <em>doch</em> nich. Hä.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Erst trinken Sie mal.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(dreht sich der Wand zu und trinkt zögernd, verstohlen)</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Auf den Steinmetzplatz <em>wollen</em> Sie. Aber gewissermaßen
-im verborgenen. So daß keiner was erfährt, daß
-Sie keinem Rede zu stehen brauchen &mdash; hä?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>So was Schönes gibt's ja nich.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_46" id="Seite_46">[S. 46]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Vielleicht <em>doch</em>. Wollen Sie Wächter werden bei mir
-auf'm Platz?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(in staunendem Nicht-glauben-wollen)</p>
-
-<p>Herr Zarncke!</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Das is doch 'n Vertrauensposten.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ja, das is es.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Da müssen manche sogar Kaution stellen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(bejahend)</i></p>
-
-<p>Hm ... Und wenn Sie Mittags ausgeschlafen haben,
-können Sie unter den Arbeitern mithelfen ... da fragt
-Sie keiner ... Na?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Wird ja nicht lange dauern &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Das wird ganz von Ihnen abhängen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Dann kommen die Schutzleute &mdash; und recherchieren ...
-Und dann is aus.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Sie wissen doch, daß solange der Verein die Fürsorge
-für Sie übernimmt, die Polizei sich mit Ihnen nichts zu
-schaffen macht.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_47" id="Seite_47">[S. 47]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(fatalistisch)</i></p>
-
-<p>Die Schutzleute &mdash; kommen doch.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Zu mir nicht ...</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Die Schutzleute kommen doch.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>So hören Sie doch. Hierher kommt kein Schutzmann
-recherchieren. Das hab' ich mir ein für allemal verbeten.
-Und daß die Herren vom Verein, wenn <em>die</em> kommen, Sie
-nicht verraten werden, das können Sie sich doch denken.
-... Na?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Das wär' ja ein solches Glück, wie man sich gar nich &mdash;
-<i>(Es klopft)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p class="directive2">(geht zur Tür und öffnet sie)</p>
-
-
-<h3>Elfte Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Die Vorigen.</span> <span class="gesperrt">Jenisch</span><br />
-</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(ihm den Eintritt versperrend)</i></p>
-
-<p>Was gibt's?</p>
-
-<p class="actor"><b>Jenisch</b> <i>(vom Hausflur her)</i></p>
-
-<p>Verzeihung, Herr Zarncke &mdash; die Polizei is da &mdash;
-wegen &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(zuckt heftig in die Höhe und macht eine unwillkürliche Bewegung, als
-wolle er sich verstecken)</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_48" id="Seite_48">[S. 48]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Is gut. Soll 'n Augenblick warten. Komme gleich.
-<i>(Schlägt die Türe zu)</i></p>
-
-
-<h3>Zwölfte Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Biegler.</span> <span class="gesperrt">Zarncke</span><br />
-</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na ruhig, ruhig, ruhig!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(sich wild umschauend)</i></p>
-
-<p>Die Schutzleute kommen überall &mdash; die &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Unsinn! Diese Nacht is eingebrochen worden bei mir.
-Deshalb kommen sie. Und eben deshalb sollen Sie auch
-Nachtwächter werden. Verstanden?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(würgend)</i></p>
-
-<p>Herr Zarncke &mdash; ich muß &mdash; ich &mdash; dank' Ihnen auch
-schön fürs Glas Wein ... ich ... kann nich in Dienst ...
-ich muß &mdash; wieder weg.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(schüttelt den Kopf)</i></p>
-
-<p>Ja, zwingen kann ich Sie nich ... <i>(Nach einem Schweigen)</i>
-Haben Sie denn andere Arbeit in Aussicht?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(verneint)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Wer nicht Arbeit hat von euch, wird abgeschoben von
-der Polizei ... Unbarmherzig ... Wissen Sie das?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(bejaht)</i></p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_49" id="Seite_49">[S. 49]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na und dann?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(zuckt die Achseln)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Schließlich zieht der Verein auch noch seine Hand von
-Ihnen &mdash; und was dann?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(zuckt die Achseln)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p class="directive2">(plötzlich seinen Ton ändernd)</p>
-
-<p>Nu komm mal her, min Sähn. Komm, komm, komm,
-komm. <i>(Zieht ihn nach vorne)</i> Bienchen hast du doch keine?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(schüttelt den Kopf)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na dann setz dir mal. <i>(Zieht ihn in einen Stuhl)</i> Du bist
-nu man büschen verbiestert, min Sähn ... Wat dir da im
-Kopp spukt, das will ich gar nich wissen ... Is auch ganz
-egal. Nu laß man schon büschen sorgen für dich. <i>(Strenge)</i>
-Und jetzt geschieht folgendes: Du kriegst mal zuerst 'n Anzug
-von mir ...</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(an sich niedersehend, freudig)</p>
-
-<p>Ja, ja, ja, ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Du, du hast ja gar nich mal 'n Hemde an!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(eifrig, voll Ehrgefühl)</i></p>
-
-<p>Jawohl &mdash; hab' ich. <i>(Reißt, um das Hemde zu zeigen, die
-Strickweste auf)</i> Da! <i>(Beschämt)</i> Bloß &mdash; Kragen hab' ich nich.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_50" id="Seite_50">[S. 50]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Also das kriegste alles auch. Und 'n warmen Mantel.
-Denn Nachts is noch kalt ... Und dann kriegst du 'ne
-Pfeife und 'ne Schnarre. Und die Kontrolluhren, die bis
-zum Abend ankommen, die erklär' ich dir. Wohnen tust du
-drüben im Sägewerk. Und essen tust du in der Kantine
-bei der Lore, die dir das Butterbrot gebracht hat. Verstehste?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(wie vorhin)</i></p>
-
-<p>Ja, ja, ja, ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Und nun kümmerst du dich um Dodt und Deiwel nich
-mehr. Und so wollen wir langsam wieder 'n Menschen
-aus dir machen. Hä?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(nickt willenlos)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na also.</p>
-
-<p class="directive1">
-(<span class="gesperrt">Der Vorhang fällt</span>)<br />
-</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_51" id="Seite_51">[S. 51]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h2>Zweiter Akt</h2>
-
-
-<p class="directive1">Der Werkplatz. Links das <span class="gesperrt">Wohnhaus</span> mit vorspringender
-<span class="gesperrt">Veranda</span> und einem Balkon darüber, zu dem aus dem
-oberen Stockwerk eine Glastür führt. Zu ebener Erde ein
-Fenster. Rechts die <span class="gesperrt">Kantine</span> mit einer Tür in der Seitenwand
-und einem nach der Rampe zu gerichteten Fenster,
-vor dem eine Bank steht. Hinter der Kantine, ein wenig
-vorspringend, das <span class="gesperrt">Magazin</span>, mit einer Tür und einer daneben
-angebrachten Glocke. &mdash; Im Hintergrunde rechtwinklig
-zum Magazin ein offener, von Holzpfeilern getragener
-<span class="gesperrt">Schuppen</span>, der sich mit seiner Hinterwand an die senkrechte
-Erhöhung lehnt, welche den hinteren Teil des Werkplatzes
-bildet und zu der in der Mitte des Hintergrundes
-eine schmale Treppe emporführt. Links von der Treppe
-mehrere hochaufgestapelte Steinblöcke, welche die Höhe des
-hinteren Teiles übersteigen. Über einem der Stapel ein
-<span class="gesperrt">Kran</span>. Eine schmale <span class="gesperrt">Feldbahn</span> zum Transport der Blöcke
-führt an den Stapeln, der Treppe und dem Schuppen
-vorüber quer über die Bühne. Blöcke liegen überall verstreut.
-An den Wänden des Schuppens und der Häuser
-stehen und hängen, wo nur ein Platz sich findet, Gipsmodelle:
-Figuren, Reliefs, Ornamentstücke. Die Veranda ist mit
-Schlingpflanzen bewachsen, ein Baum neigt sich über ihr
-Dach. Das Kantinenfenster schmücken Blumentöpfe. Den
-<span class="gesperrt">Prospekt</span> bildet eine großstädtische Häuserreihe, die jenseits
-der am Werkplatz entlangführenden Straße gedacht ist. Ein
-Kirchturm ragt aus der Ferne herüber</p>
-
-
-<h3>Erste Szene</h3>
-
-
-<p class="directive1">(Beim Aufgehen des Vorhangs zeigt der Platz ein überaus
-reiches Arbeitsleben. Vor den Blöcken arbeiten <span class="gesperrt">Steinmetzen</span><span class="pagenum"><a name="Seite_52" id="Seite_52">[S. 52]</a></span>
-oder <span class="gesperrt">Bildhauer</span>, die ersteren mit blauer Schürze,
-die letzteren mit langem, weißgrauem Kittel und Papier-
-oder sog. Raffaelmütze bekleidet. Der Kran ist im Gange.
-Niedrige Wagen transportieren Blöcke vorüber. Hilfeleistende
-<span class="gesperrt">Arbeiter</span> in beliebigem Werktagsanzug. Mittagsstimmung)</p>
-
-<p class="directive1">Vorne rechts <span class="gesperrt">Göttlingk</span> in Steinmetzentracht vor einem
-Blocke &mdash; ein Gipsmodell daneben. Der Polier <span class="gesperrt">Willig</span> an
-einem anderen Blocke, messend. Unter den Arbeitern, die
-sich hinten zu schaffen machen, <span class="gesperrt">Lohmann</span>, <span class="gesperrt">Sprengel</span>,
-<span class="gesperrt">Struve</span></p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p class="directive2">(stämmig, mittelgroß, Stiernacken, blonder, schön geringelter Schnauzbart,
-Haar in geschniegeltem Bogen in die Stirn heruntergestrichen. Spielt den
-Kraftmenschen, großsprecherisch, übermütig, brutaler Charmeur. Er arbeitet
-mit Meißel und Klippel und singt dazu)</p>
-
-<p>Na &mdash; nun kommt auch noch die Sonne angekrochen.
-He, ihr Zitronenschleifer da hinten, hab' ich euch nich gesagt,
-ihr sollt mir den Block in den Schuppen schaffen? &mdash;
-Lohmann, Sprengel, ihr andern, immer 'ran!</p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b></p>
-
-<p>Du, Göttlingk, schnauz hier nicht so viel. Sag's
-lieber mir.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Du hast mir gar nischt zu befehlen, mein Sohn.</p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b></p>
-
-<p>Und du hast denen nischt zu befehlen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Wenn sie so dumm sind und gehorchen. <i>(Lohmann,
-Sprengel und ein dritter Arbeiter sind nach vorn gekommen)</i> Da, wie
-sie anhampeln! Hab du sie man so an der Strippe wie
-ich. <i>(Befehlshaberisch)</i> Also nu los!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_53" id="Seite_53">[S. 53]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Warten Sie man bißchen, hochgeborner Herr. Zehn
-Finger hat jeder zu verlieren. <i>(Stemmt ein Brecheisen ein)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Brecheisen weg! Ihr werd't mir die Kanten abstoßen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Ohne Brecheisen geht's nich.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>So? Hä! Wenn ihr man stramme Kerls wärt, ihr
-Volk ... <i>(Faßt mit an)</i> <span class="antiqua">Uno</span> &mdash; <span class="antiqua">due</span> &mdash; <span class="antiqua">tre</span>! <i>(Der Block rückt
-weiter)</i> Na, geht's oder nich?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Ja, wenn Sie so scheen ausländsch kommandieren!
-Sagst du zum Hund »kusch«, dann kuscht er. Bloß weil
-er's Franzesch so gern hat.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Noch mal: <span class="antiqua">uno</span> &mdash; <span class="antiqua">due</span> &mdash; <span class="antiqua">tre</span>! <i>(Der Block rückt wieder)</i>
-Ja, ja, Kerlchens. Grips im Kopp und Marks in de
-Knochen. Das ist die Hauptsache.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Und 's Messer im Sack nich zu vergessen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Lassen Sie man mein Messer in Ruh, mein alter
-Sohn. <i>(Zieht ein Dolchmesser aus einer Lederhülse, die er am Leibgurt
-unter dem Kittel befestigt hat)</i> Das is dreikantig geschliffen.<span class="pagenum"><a name="Seite_54" id="Seite_54">[S. 54]</a></span>
-Das schlupft <i>(schnalzt, das Messer vorstoßend, mit den Lippen)</i> wie 'n
-Küßchen ... Tut gar nich weh. Will einer probieren?</p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b></p>
-
-<p class="directive2">(der mißbilligend zugehört hat)</p>
-
-<p>Du &mdash; Göttlingk!</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(zu ihm herübertretend)</i></p>
-
-<p>Hä?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b> <i>(hinter ihm her, ingrimmig)</i></p>
-
-<p>So 'n Paradehengst! <i>(Die andern lachen)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b></p>
-
-<p>Mach dich nich immer mit den Kerls gemein. Laß
-sie ihre Arbeit verrichten. Und damit gut!</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(großspurig)</i></p>
-
-<p>Pöh! Ich bin nu mal so 'ne leutselige Natur.</p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b></p>
-
-<p>Mußte immer Bewunderer haben?</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p class="directive2">(wendet sich lachend zum Stein zurück und kommandiert weiter)</p>
-
-
-<h3>Zweite Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Die Vorigen.</span> <span class="gesperrt">Zarncke</span> (ist aus der Veranda getreten)<br />
-</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Polier!</p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b> <i>(respektvoll)</i></p>
-
-<p>Herr Zarncke.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Is was zu melden?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_55" id="Seite_55">[S. 55]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b></p>
-
-<p>Nein, Herr Zarncke.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Was tut der Kran da?</p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b></p>
-
-<p>Er holt die Quadern fürs Sägewerk.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Bis morgen abend muß auch der Oberkirchner Block
-dort an der Treppe 'runtergeschafft werden, damit er Montag
-in Arbeit genommen werden kann.</p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b></p>
-
-<p>Sehr wohl, Herr Zarncke.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Wie is die Verteilung heute?</p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b></p>
-
-<p>Elf Steinmetzen auf'm Platz, fünfzehn draußen auf'm
-Bau, vier Bildhauer auf'm Platz, sechs auf'm Bau.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Wo is der Göttlingk heute?</p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b></p>
-
-<p>Da is er ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p class="directive2">(den Stein betrachtend, dessen senkrechte mit Ornamenten bedeckte Seite
-jetzt oben liegt)</p>
-
-<p>Donnerschock! <span class="antiqua">Per Bacco!</span> Den ganzen Dreckplatz soll
-der Deiwel holen! Du, Polier, komm mal her.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_56" id="Seite_56">[S. 56]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Was schimpfen Sie denn heute so wild um sich,
-Göttlingk?</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p class="directive2">(lüftet einigermaßen verlegen die Mütze)</p>
-
-<p>Verzeihung, Herr Zarncke, aber das soll wirklich der
-Deibel holen. Wie ich den Block drehen lass', da seh' ich,
-daß von gestern auf heute eine fremde Hand daran 'rumgemurkst
-hat.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p class="directive2">(stutzt, ein Verdacht steigt in ihm auf)</p>
-
-<p>Ach, Sie werden sich täuschen. <i>(Tritt hinzu)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Weil mir das schon einmal passiert war, hab' ich mir
-zu Feierabend immer 'n Zeichen gemacht ... Da, bitte!</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(den Stein betrachtend)</i></p>
-
-<p>Von dem Blaustrich an?</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Jawohl.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(nachdenklich, lächelnd)</i></p>
-
-<p>Hm. So! &mdash; Das is aber nich schlecht gemacht. Da
-ist Schwung drin. Wenn sich die Heinzelmännchen extra
-für Sie bemühen, Göttlingk!</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Wenn ich das Heinzelmännchen treff', dann gibt's eins
-zwischen de Rippen ... Was is das für'n Nachtwächter,
-der Kerl, der jetzt Nachmittags hier 'rumschleicht, wenn er
-so was zulassen kann? ... Das ist schlimmer wie Einbruch.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_57" id="Seite_57">[S. 57]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(der abzulenken sucht)</i></p>
-
-<p>Was hat denn der Nachtwächter damit zu tun? Wenn's
-finster is, kann man nich arbeiten.</p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b></p>
-
-<p>Verzeihung, Herr Zarncke. Um fünfe, da is es schon
-lang hell.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(beruhigend)</i></p>
-
-<p>Ich werd' den Mann hernach mal fragen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(murmelnd)</i></p>
-
-<p>Das besorg' ich schon selber.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p class="directive2">(mit Willig nach vorne kommend)</p>
-
-<p>Sagen Sie mal, Polier, wie macht sich der Nachtwächter
-im übrigen auf'm Platz?</p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b></p>
-
-<p>Der Mann ist fügsam und ordentlich und kann sich
-an Fleiß nicht genug tun. Aber &mdash; schwach, Herr Zarncke.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Tja!</p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b></p>
-
-<p>Und dann &mdash; 'n bißchen sonderbar.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Inwiefern? <i>(Ringsum ertönen Mittagssignale)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b></p>
-
-<p>Er hält sich immer abseits. Gibt kaum Antwort.
-Manche fangen ihn schon zu verulken an.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_58" id="Seite_58">[S. 58]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Dulden Sie das nich, Willig!</p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b></p>
-
-<p>Ja, da kann ich nich viel machen, Herr Zarncke.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Warum läutet denn der Eichholz nich Mittag?
-Eichholz!</p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b> <i>(zur Kantinentür laufend)</i></p>
-
-<p>Eichholz!</p>
-
-
-<h3>Dritte Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Die Vorigen</span>. <span class="gesperrt">Eichholz</span><br />
-</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b> <i>(angeheitert)</i></p>
-
-<p>Haben bloß zu befehlen, Herr Zarncke! Wie der Blitz
-bin ich da &mdash; ja! <i>(Läutet die Glocke, die am Magazin hängt)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(sieht kopfschüttelnd zu)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b></p>
-
-<p>Er is jetzt immer im halben Dusel.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b> <i>(sich umschauend)</i></p>
-
-<p>Na &mdash; schläft der &mdash; faule Hund &mdash; noch?</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Möchten Sie nu mal den Frauen das Tor aufschließen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b> <i>(brummend nach links)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b></p>
-
-<p>Nu geht er noch in die Destille!</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Is das ein Elend!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_59" id="Seite_59">[S. 59]</a></span></p>
-
-
-<h3>Vierte Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Die Vorigen.</span> <span class="gesperrt">Mehrere Frauen.</span> Später <span class="gesperrt">Lore</span><br />
-</p>
-
-
-<p class="directive2">(Sämtliche Arbeiter haben ihre Werkzeuge niedergelegt, einzelne gehen zu
-den Wasserleitungshähnen, die im Schuppen angebracht sind und waschen
-sich. Andere holen dicke Butterstullen und Blechkannen hervor und beginnen
-zu essen. Frauen kommen von links mit Eßkörben und begrüßen
-ihre Männer. Einzelne haben auch ihre Kinder mitgebracht, die sich mit
-den Eltern um den Eßkorb gruppieren)</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p class="directive2">(begrüßt eines und das andere, teilt Bonbons aus, wünscht den Frauen
-»Guten Tag« und spricht einige Worte zu den Männern)</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(erscheint in der Tür der Kantine und geht zu verschiedenen der Bildhauer
-und Steinmetzen)</p>
-
-<p>Bitte zu Mittag. &mdash; Bitte zu Tisch. &mdash; Zu Tisch
-möcht' ich bitten. <i>(Lauter)</i> Wem kann ich Bier 'rausschicken?</p>
-
-<p class="actor"><b>Einzelne Stimmen</b></p>
-
-<p>Hier. Ich. &mdash; Mir eins.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(zählt die Stimmen)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p class="directive2">(betrachtet murrend seinen Block)</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(an ihn herantretend, leise zaghaft)</p>
-
-<p>Kommst nich auch, Eduard?</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(sich umschauend, unwirsch)</i>
-Hab' ich dir nicht gesagt, du sollst mich nich »du«
-nennen auf'm Platz?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b>
-Verzeih! Ich hab' vergessen. <i>(Zur Kantine ab)</i></p>
-
-<p class="directive2">(Verschiedene Bildhauer und Steinmetzen gehn zur Kantine, darunter
-Göttlingk)</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_60" id="Seite_60">[S. 60]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Gehn Sie auch zu Tisch, Willig. Übrigens hören Sie
-mal: Mit dem Struve steht's schlecht. Den wird uns das
-Kriminal bald abholen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b> <i>(achselzuckend)</i></p>
-
-<p>Ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ach, schicken Sie ihn mir mal, &mdash; ja?</p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b> <i>(rufend)</i></p>
-
-<p>Struve!</p>
-
-<p class="directive2">(Struve steht von einem hinteren Steine auf, wo er unbemerkt gesessen
-hat. Willig spricht im Vorbeigehn zu ihm und weist nach vorne, dann geht
-er in die Kantine ab)</p>
-
-
-<h3>Fünfte Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Die Vorigen</span> ohne <span class="gesperrt">Willig</span>. <span class="gesperrt">Struve</span> (nach vorne
-kommend)
-</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p class="directive2">(Mann in den Vierzigern. Ergrauendes Haar, blank und gelockt. Bartstoppeln.
-Verschmitzte Äuglein. Ein Zug drolliger Heuchelei um die
-Mundwinkel. Arbeitskleidung mit wollenem Halstuch und Holzpantinen.
-Trägt einen Deckelnapf in der einen, eine faustdicke Butterstulle mit
-Taschenmesser in der andern Hand. Bei dem Versuch, die Mütze abzunehmen,
-fällt ihm das Butterbrot auf die Erde)</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Sachte, sachte! Nu is die janze Pastete in den Sand
-gefallen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p class="directive2">(das Butterbrot an den Hosen abwischend)</p>
-
-<p>Das macht nichts, Herr Zarncke. »Mit ne Ladung
-Sand &mdash; schmeckt selbst 'n alter Strohsack pikant,« sagten
-wir immer uf de hohe Schule.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_61" id="Seite_61">[S. 61]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na, nu werden Sie ja bald wieder drinsitzen in Ihre
-hohe Schule.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Ja, Herr Zarncke, was kann man machen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Mensch, wenn's mir nich so leid täte um Sie &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Nu haben Se man guten Mut, Herr Zarncke ...
-Mir hat's auch mal leid getan. Aber nu is schon egal.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(leise)</i></p>
-
-<p>Na, sind Sie's nu gewesen oder nich?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Herr Zarncke, wenn ich gleich hier meinen Totenschein
-in die Hand nehm' &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(lachend)</i></p>
-
-<p>So 'n Halunke wie Sie! ... Sie wissen doch, die
-Untersuchung geht weiter?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Ja, die Polente schnüffelt ja alle Tage hier 'rum.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Sagen Sie mal, können Sie nu wirklich keinen Zeugen
-dafür beibringen, wo Sie in den Stunden des Einbruchs
-gewesen sind?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Was man so nennt: einen Aal-ibi, Herr Zarncke?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_62" id="Seite_62">[S. 62]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Jawohl.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Ja, sehn Sie mal, was 'n wirklich reeller Aal-ibi is &mdash;
-der kost't nich unter fünfzig Mark. Wo soll ich fünfzig
-Mark hernehmen, Herr Zarncke?</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(lachend)</i></p>
-
-<p>So?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>So 'ne Brieder, die schon wegen Meineid verschütt
-jejangen sind, die tun's auch billiger ... Meechens auch.
-Aber die kriegen's vor Gerichte hernach mit die Heulerei ...
-Nee, das sind alles keine reelle Sachen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na, und wenn sie Sie nu gleich mitnehmen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>»Der Gerechte muß viel leiden,« so steht in de Psalmen
-geschrieben.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Hören Se auf mit Ihre dämliche Muckerei. Glaubt
-Ihnen ja doch keiner ... Mensch, Mensch, wie hau' ich
-Sie nu 'raus?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Hätten gar nicht anzeigen müssen. Sehn Se, nu
-sitzen Se drin, Herr Zarncke.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(lacht)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(das Fenster öffnend)</i></p>
-
-<p>Vaterchen, kommst nich zu Tisch?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_63" id="Seite_63">[S. 63]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Gleich, Miezelchen ... Also ich werd' mal nachdenken.
-Vielleicht fällt mir noch was ein.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Ganz wie Sie meinen, Herr Zarncke.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ulkiges Huhn! ... Hier haben Sie 'ne Zigarre. <i>(Ab)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Danke, Herr Zarncke. <i>(Die Zigarre einsteckend)</i> Ja, ja.
-Sie rüsten sich wider die Seele des Gerechten und &mdash; <i>(sieht,
-daß Zarncke inzwischen weggegangen ist)</i> Ach so! <i>(Setzt sich auf den
-vordersten Block, kratzt an seinem Butterbrot und fängt an zu essen)</i></p>
-
-
-<h3>Sechste Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Struve. Lohmann.</span> <span class="gesperrt">Sprengel</span>, <span class="gesperrt">ein dritter Arbeiter</span>,
-die essend auf dem Block hinter ihm sitzen
-</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Na, wie lange werden sie dich deinen Knast Brot
-noch 'runterfuttern lassen, Struve, ehe sie dich inlochen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b> <i>(achselzuckend)</i></p>
-
-<p>Ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Nachher gibt's zu Mittag wieder »Rumfutsch« und
-»blauen Heinerich«. Ei weh.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Kindersch, babbelt nich von so hohe Sachen. Das
-versteht ihr nich.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_64" id="Seite_64">[S. 64]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Der tut sich noch dicke auf sein Zuchthaus.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Nu ob. Da kommt ihr noch lange nich rin. Da
-sind bloß <em>feine</em> Leute drin. Ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Die Anderen</b> <i>(lachen)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Drum heißt es auch die hohe Schule.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Jawoll. Da lernt man was. Hast du überhaupt 'ne
-Kleiderbürschte? Die hat mir der Staat immer franko
-geliefert. Aus lauter persönlicher Hochachtung ... Oder
-gar 'ne Zahnbürschte? Aber ich &mdash; siehste! ... Kiek dir
-mal an, wie der Dreck an dir 'rumklebt ... Aber <em>wir</em>
-machen dort zu Mittag immer Toi&mdash;lette. Und Handtuch
-tragen wir immer auf'n Arm, da laufen wir den janzen
-Tag mit 'rum. Vor lauter Feinheit. Ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Die Anderen</b> <i>(lachen)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Überhaupt, was bist du hier? Und was bin ich hier?
-Und was sind wir alle hier? ... Dreck sind wir. Hoch
-über dir kommen erst die Steinmetzen ... und da hoch
-drüber die Bildhauer. Und denn <em>noch</em> höher der Polier ...
-Und <em>denn</em> gar erst ... ach! Dort hab' ich immer in de
-erschte Klasse gearbeit't ... Weiße Binde hab' ich tragen
-dürfen. Tischältster bin ich gewesen. Das is mehr wie
-der Polier. Das is wie 'n Jeneral ... Das kannste alles<span class="pagenum"><a name="Seite_65" id="Seite_65">[S. 65]</a></span>
-werden, wenn de ins Zuchthaus kommst ... Karri&mdash;ere
-kannste machen. Ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b> <i>(singt spottend)</i></p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">Liebes Kind, nu weine nich,<br /></span>
-<span class="i0">Mittags jibt's den blauen Heinerich;<br /></span>
-<span class="i0">Stehst du mit dem Schien auf du und du,<br /></span>
-<span class="i0">Kriegste auch 'n halben Hering zu.<br /></span>
-</div></div>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Nu ja. Verdient euch mal erst 'n halben Schwimmling.
-Ihr geht hier zur Lore und schnauzt: Hering &mdash;
-aber 'n milchernen &mdash; mit Zwiebel &mdash; viel Zwiebel ...
-janzen Berg Zwiebel, und dann schmeckt er noch nich mal
-... Ich sag' euch: ... wollt ihr 'n wirklichen duften,
-leckern Schwimmling, da müßt ihr in de Anstaltsküche
-kommen. Die verstehn det Jeheimnis ... Da kitzelt euch
-die Schnauze von &mdash; noch Abends beis Einschlafen. So
-viel scheener ist da alles. Ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Wenn da alles so viel scheener is, wat machste denn
-nich wieder hin?</p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Da hast <em>du</em> doch freien Angtree.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Kindersch, ick werd' euch mal was erzählen: Dicht
-an de große Außenmauer in Waldheim &mdash; da steht nämlich
-'ne alte Linde ... Und von de Fisintation aus, was
-nämlich der Arbeitssaal is, da siehste 'n janzes kleines
-Stückschen von ... Und von'n Spazierhof aus, wo du
-immer sechs Schritt hintern Vordermann herzoddelst, <i>(stolz)</i>
-bloß nicht wir von de erste Klasse, wir jingen natierlich<span class="pagenum"><a name="Seite_66" id="Seite_66">[S. 66]</a></span>
-immer zu zweie &mdash; wenn du da &mdash; und du huppst in die
-Höh', dann siehst wieder 'n andern Stückschen &mdash; so sechzig
-bis achtzig Blätter, wodran du immer jenau wissen kannst,
-was für Jahreszeit is ... Und nun hat uns immer und
-ewig der Deibel geplagt, daß wir auch mal den <em>janzen</em>
-Lindenbaum sehen wollten, denn der soll nämlich der
-scheenste Lindenbaum sein, wo's auf de Welt überhaupt
-jibt. Das soll schon in de Geschichtsbicher stehn ...
-Na, und wo nu endlich der Tag da is von de Entlassung,
-und wo einem das Herz bis in'n Kopp 'raufbummert &mdash;
-und wo nu das innere Tor aufjeschlossen wird &mdash; na, da
-is er nu &mdash; und da is er 'n janz jemeiner oller, ekliger
-Lindenbaum. Na &mdash; und so war denn hernach alles &mdash;
-janze Freiheit.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Nu &mdash; wenn du das nu schon weißt? &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Was hilft da viel &mdash; wissen. Der Mensch is 'n dämliches
-Vieh. Wie ich 's zweite Mal drinsaß, da war der
-olle, dämliche Lindenbaum noch viel scheener geworden.</p>
-
-<p class="actor"><b>Die Anderen</b> <i>(lachen)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Ja, wenn's so is.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Überhaupt &mdash; ihr Schafsköppe mit eure sogenannte
-Freiheit! &mdash; Geschunden! hin und her geschmissen! Liegste
-im Sonnenschein uf ne scheene Planke, kriegste den Holzbock
-in de Waden; haste keene Arbeit, kannste jehn den
-Chausseegraben austapezieren. Willste mal geradaus &mdash;
-jeder Mensch will mal geradaus &mdash; und als dir kommt<span class="pagenum"><a name="Seite_67" id="Seite_67">[S. 67]</a></span>
-nu 'ne verschlossene Tür in de Quere &mdash; und du willst
-<em>doch</em> geradaus, dann stecken sie dir ins Kittchen. Das
-heißt nu Freiheit. Kindersch, ick hust' auf eure Freiheit.
-Seine Ordnung muß der Mensch haben. Seine Ordnung
-hat der Mensch bloß allein im Zuchthaus.</p>
-
-<p class="actor"><b>Die Anderen</b> <i>(lachen)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Mir hat überhaupt bloß <em>eins</em> gefehlt. Dann wär'
-ich auch janz komplett jlücklich gewesen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Das war wohl eene Braut?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Ne.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p><em>Zwei</em> Brauten?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Ne.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Na was denn sonst?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b> <i>(träumerisch)</i></p>
-
-<p>Das war 'n Rasierspiegel ... Wenn ich <em>den</em> noch
-hätt' gehabt &mdash; &mdash;</p>
-
-
-<h3>Siebente Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Die Vorigen.</span> <span class="gesperrt">Biegler</span> (von rechts)
-</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(in anständiger Arbeitskleidung. Sein Bart ist gestutzt, sein Aussehen gebessert,
-aber sein Benehmen noch scheu und unumgänglich, voll immer
-neu aufflackernden Mißtrauens. Er setzt sich auf die Bank vor das
-Kantinenfenster)</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_68" id="Seite_68">[S. 68]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Kiekt mal den da! ... Was <em>is</em> das eigentlich für
-'ne Sorte? Reden <em>tut</em> er nich, »guten Tag« <em>sagt</em> er nich.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(gewahrend, daß man sich mit ihm beschäftigt, unfreundlich, dumpf)</p>
-
-<p>Guten Tag.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Na sagt ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>War auch danach. Guten Tag, hochwohlgeborener
-Herr Nachtrat! ... Kommen der Herr Dunkelmann 'n
-bißchen de Sonne revindieren?</p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Mensch, nu red doch was!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Was soll ich reden?</p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Mach doch 'n Witz.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ich weiß keinen Witz.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Der Kerl is trocken wie Galgenholz.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Nu sag bloß, Mensch, wie amesierste dir nu so die
-lange Nacht über? Putzte de Sterne blank? Ziepste dir
-an de Barthaare? Wirfste de Meechens, wo auf de Straße
-vorbeigehn, Klamotten auf'n Kopp? ... Irgend was muß
-der Mensch doch zu tun haben de lange Nacht über!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_69" id="Seite_69">[S. 69]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ach, ich hab' immer zu tun.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Tranig is das Luder.</p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Wat huckste da uf de Banke? Warum jehste nich ze
-Mittag?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Jetzt essen doch die &mdash; Steinmetzen. Da kann ich
-doch nich auch essen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Nu dann komm doch mal her so lang ... Na &mdash; los!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(erhebt sich zögernd)</i></p>
-
-<p>Was soll ich bei euch?</p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Trink mal aus meine Buddel. Prost.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Danke. Ich trinke keinen Schnaps.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Ach, du bist wohl auch so 'n Pinkelinker? So 'n
-Pumpengenie?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Sonst habt ihr nichts zu wollen von mir?</p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Nu huck dir doch mal erst dal. <i>(Zieht ihn auf den Block
-nieder)</i></p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_70" id="Seite_70">[S. 70]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b> <i>(weiterrückend)</i></p>
-
-<p>Setzen Sie sich ruhig in die Sonne, verehrte Schattenpflanze.</p>
-
-<p class="directive2">(Lachen)</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ich tu' dir doch nichts, warum uzt du mir?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Ich uz' dir doch gar nich. Ich schmeichel' mir bloß
-so an dir ran.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Sag mal, Mensch, was biste vorher gewesen? Eh'
-du hier Nachtwächter wurdst?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(erschreckend)</i></p>
-
-<p>Ich? &mdash; Ich bin Arbeiter.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Kirschenpflücker vor de Wintermonate &mdash; hä?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Du kommst mir nämlich so bekannt vor, weißte.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(angstvoll)</i></p>
-
-<p>Ich &mdash; dir? Nee &mdash; daß ich nich &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Nich, als ob ich dir kennen tu'. Aber du hast so 'ne
-Art ... Bei uns in Waldheim da hatten wir so 'n paar.
-Wir nennten se immer »de blamierten Förschten«. &mdash; Du,
-wo liegt denn dein Förschtentum?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_71" id="Seite_71">[S. 71]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Markgraf von Brandenburg, Fürstbischof von Moabit,
-Edler Herr von und zu Sonnenburg.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(zuckt zusammen)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Du plinkst ja immer so mit 'n rechten Vorderarm.</p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Laß ihm man in Ruh. Das is 'n guter Kerl ...
-der is bloß verschüchtert.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b> <i>(gutmütig)</i></p>
-
-<p>Ich mach' ja auch bloß 'n Witz.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Da &mdash; willste 'ne Zijarre?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(verblüfft)</i></p>
-
-<p>Wieso &mdash; gibst &mdash; du mir &mdash;?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Kannst nehmen ... die is jut ... die hat mir der
-Alte vorher geschonken.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(noch immer verwundert, sein Gesicht erhellt sich)</p>
-
-<p>Na, denn dank' schön ... Ich werd' mir denn auch
-später &mdash; revanschieren.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p class="directive2">(ihn auf die Schulter klopfend)</p>
-
-<p>Na, meinen wir's denn nu so beese?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(mit glücklichem Gesicht)</i></p>
-
-<p>Nee! Wahrhaftigen Gott nich!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_72" id="Seite_72">[S. 72]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Na siehste! <i>(Nach links weisend, wo Eichholz sichtbar wird)</i> Aber
-vor dem Alten nimm dir in acht. Der is dir nich jrien.</p>
-
-
-<h3>Achte Szene</h3>
-
-
-<p class="directive1"><span class="gesperrt">Die Vorigen.</span> <span class="gesperrt">Eichholz</span></p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b> <i>(vollends angetrunken)</i></p>
-
-<p>Ich bin ein Mann &mdash; hochgeehrt, &mdash; ich brauch' nich &mdash;
-Kartoffelsuppe aus'n Steinguttopp &mdash; fressen! Morjen,
-die Gesellschaft! Morjen, die hochgeehrte Gesellschaft!
-<i>(Biegler bemerkend)</i> Was? &mdash; Was will der Hund? Der
-schmalbauchige Hund? M &mdash; M &mdash; Mantel hat er ihm
-geschenkt &mdash; mit blanke Knöppe &mdash; wie 'n Offezier! Was
-is der Kerl überhaupt? Wo kommt der verhungerte Kerl her?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Das geht dir jar nischt an. Wenn er man seine
-Pflicht tut.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Pflicht tut? Hähähä! Der is bloß zum Rausfuttern
-hier. Der is hier auf Eichelmast wie de Nuck-Nuck-Schweinchen.
-Wann hab' ich mal blanke Knöppe gekriegt? Kerl,
-durch was für Pfiffe und Kniffe bist du auf den Posten
-gekommen? Zieh mal vom Leder, du Hund!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Lassen Sie mich in Ruh. Ich habe mit Ihnen nichts
-zu tun.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Was krauchste immer bei meine Tochter 'rum? Dir
-jibt se 'n Porzellanteller. Du wirst noch mal &mdash; platzen<span class="pagenum"><a name="Seite_73" id="Seite_73">[S. 73]</a></span>
-&mdash; wie 'n Bovist. Und dann wird man an dem Gestanke
-erkennen, wer du bist. Mensch, ich hab' 'ne Faust wie
-'ne Ramme! <i>(Dringt auf ihn ein)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(stößt ihn fort)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b> <i>(zurücktaumelnd)</i></p>
-
-<p>Was &mdash; hauen &mdash; tust du mir alten Mann?</p>
-
-
-<h3>Neunte Szene</h3>
-
-
-<p class="directive1"><span class="gesperrt">Die Vorigen.</span> <span class="gesperrt">Göttlingk</span> und <span class="gesperrt">andere Bildhauer</span> und
-<span class="gesperrt">Steinmetzen</span></p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Was is hier los?</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b> <i>(keuchend)</i></p>
-
-<p>H&mdash;h&mdash;hauen &mdash; m&mdash;m&mdash;ir&mdash;!</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Wer hat den alten Mann gehauen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Is ja alles Blech!</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Werd' ich nu bald Antwort kriegen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b> <i>(kleinlaut)</i></p>
-
-<p>Hier hat überhaupt keiner gehauen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b> <i>(mit erhobener Faust)</i></p>
-
-<p>Der Hund! &mdash; der verhungerte &mdash; <i>(Einige der Umstehenden
-führen ihn nach hinten)</i></p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_74" id="Seite_74">[S. 74]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Sieh mal an! ... Kommen Sie mal ran, Sie!
-... Na?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ich tu' hier, was ich zu tun habe. Sie gehn mich
-nischt an.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Das werd' ich Ihnen mal gleich beweisen. Eins &mdash;
-zwei &mdash; <i>(pfeift)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b> <i>(leise)</i></p>
-
-<p>Da geh man schon. &mdash; Jegen den Großschnauz kommste
-nich auf.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b> <i>(leise)</i></p>
-
-<p>Der sticht mit's dreikant'ge Messer.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Wenn ich »drei« sag' &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(blaß, schwer atmend)</i></p>
-
-<p>Sie können &mdash; ja auch zu mir kommen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(pfeifend)</i></p>
-
-<p>Ich warte.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(in Erregung, zitternd)</i></p>
-
-<p>Da lassen &mdash; sich man &mdash; die Zeit &mdash; nich lang werden.</p>
-
-<p class="actor"><b>Die Anderen</b> <i>(lachen)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(in Wut)</i></p>
-
-<p>Wer riskiert hier zu lachen? ... Soll ich meine
-Pfeife mit euch stoppen, Kerls? <i>(Das Lederfutteral nach vorne
-ziehend)</i> Soll ich euch mal die Hühneraugen barbieren?
-<i>(Da Lohmann, Sprengel, Struve sich vor Biegler gestellt haben)</i> Aus
-dem Weg hier!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_75" id="Seite_75">[S. 75]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b> <i>(sich umschauend)</i></p>
-
-<p>Wo is denn der Polier?</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Jetzt bin ich hier der Polier. <i>(Wild)</i> Aus dem Weg
-hier &mdash; oder &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(vortretend)</i></p>
-
-<p>Laßt man. Wegen mir soll hier keiner Ungelegenheiten
-haben. &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(befriedigt)</i></p>
-
-<p>Na, da hätten wir ja das Gewächse. <i>(Setzt sich, raucht)</i>
-Immer parieren, Kinderchen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Also ich wär' ja nu da.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Das seh' ich. Was den alten Knackstiebel betrifft,
-den wollen wir mal auf sich beruhen lassen. Aber wir
-haben noch 'n Hühnchen zu pflücken, wir beide. Sie
-sind doch der neue, krumme Kerl von Nachtwächter?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Neu bin ich hier ... Krumm bin ich wohl auch.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(auflachend)</i></p>
-
-<p>Und Nachtwächter auch?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Dann kieken sich mal hier diesen Block an. Na &mdash;
-soll ich Sie bei den Ohren nehmen?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_76" id="Seite_76">[S. 76]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(stammelnd)</i></p>
-
-<p>Was &mdash; is &mdash; denn &mdash; mit dem Block?</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Sie sind verantwortlich für das, was hier über Nacht
-geschieht. Ich frag' Sie: Wer hat da an meinem Block
-rumgemurkst?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(sehr bestürzt)</i></p>
-
-<p>Das &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Na?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Das &mdash; weiß ich &mdash; doch &mdash; nich.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Seht euch mal das böse Gewissen an.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b> <i>(leise)</i></p>
-
-<p>Nu sei doch frech! Schmeiß ihm doch Staub ins Gesichte.</p>
-
-
-<h3>Zehnte Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Die Vorigen. Frau Homeyer. Marie</span><br />
-</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p class="directive2">(geht quer über den Platz zu der Gruppe hin)</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p class="directive2">(sich rasch vom Wüterich in den Schwerenöter verwandelnd)</p>
-
-<p>Oi, da kommt ja hoher Besuch, feiner Besuch, pikefeiner
-Besuch. Nu, mein süßes, strammes Frau Homeyerchen,
-mein &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b> <i>(ihn abwehrend)</i></p>
-
-<p>Man wird schließlich nich mal mehr unbelästigt auf
-den Platz kommen können.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_77" id="Seite_77">[S. 77]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Aber Kindchen, Puppechen! Sie waren doch sonst
-nich so. Ich hab' Ihnen doch manches liebe Mal in
-Ihren warmen, sanften Oberarm gekniffen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Und haben immer noch von mir auf die Finger gekriegt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Aber gelächelt haben Sie dazu &mdash; so sieß! <i>(Schmachtend)</i>
-Ach, wie so sieß!</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Ach, Sie sollten sich was schämen. Dort vor der Tür
-steht das Fräulein. Das will Sie sprechen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Das Fräulein &mdash; mich? &mdash; Mich &mdash; das &mdash;? So!
-Na! Sie, Nachtwächter, Sie können abrutschen. Aber
-Sie werden mir noch Rede stehn. Verstanden? &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b> <i>(leise)</i></p>
-
-<p>Hab man keine Bange vor dem!</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b> <i>(leise)</i></p>
-
-<p>Und wenn du für irgend was 'n Zeugen brauchst, ick
-beschwör' alles ... Unbesehn.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ich dank' euch schön.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p class="directive2">(dreht eitel seinen Schnurrbart)</p>
-
-<p>Na, bin ich nu nobel genug fürs Fräulein? <i>(Geht
-nach vorne links)</i></p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_78" id="Seite_78">[S. 78]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p class="directive2">(schaut verliebt hinter ihm her, einer der Steinmetzen umfaßt sie von
-hinten, sie schlägt nach ihm, die andern lachen, sie geht nach links)</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(nach der Kantine ab)</i></p>
-
-
-<h3>Elfte Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Marie. Göttlingk.</span> Die anderen im Hintergrund
-</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p class="directive2">(ist bebend die Stufen heruntergestiegen und streicht sich, wie um sich Mut
-zu machen, mit der Hand übers Gesicht)</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p class="directive2">(linkisch, mit durchbrechender Frechheit)</p>
-
-<p>Mahlzeit, Fräulein.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(tonlos)</i></p>
-
-<p>Gesegnete Mahlzeit!</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Möchte mir die ergebenste Frage erlauben, womit ich
-dem Fräulein dienen kann?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Herr Göttlingk, Sie sind lange weg gewesen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Jawohl, bißchen de Welt besehen. Aber nu bin
-ich schon lange wieder da.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Das freut mich, daß Sie wieder da sind, Herr Göttlingk.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Nu, das is ja höchst schmeichelhaft für mich. Danke
-schön.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_79" id="Seite_79">[S. 79]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(rasch, ängstlich)</i></p>
-
-<p>Nein, nein, der Lore wegen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Der Lore wegen. Ach so ... Na, das geht so seinen
-Weg.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Was für 'n Weg, Herr Göttlingk?</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Wissen Sie was, Fräulein Mariechen? Beunruhigen
-Sie sich darüber nicht. Da sind Sie viel zu fein zu. &mdash;
-Das sind solche Geschichten.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Sie wissen wohl gar nicht, Herr Göttlingk, wie lieb
-Sie die Lore hat?</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Mädchen mit 'n Kind hat einen immer lieb. Dafür
-sorgt schon der liebe Gott.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(ihn bestürzt anstarrend)</i></p>
-
-<p>Herr Göttlingk, so schlecht können Sie doch gar nicht
-sein. Wenn die andern auch sagen, Sie seien gewalttätig
-und &mdash; Ich habe Sie immer für einen guten und edeln
-Menschen gehalten.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Na, macht sich!</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Und ich weiß, aus Ihrem Singen spricht ein weiches
-Herz. Ich habe Ihnen immer mit Freuden zugehört.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>So? Na, ich hab' auch sozusagen immer extra für
-Sie gesungen, Fräulein Mariechen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_80" id="Seite_80">[S. 80]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(tödlich erschrocken)</i></p>
-
-<p>Wieso &mdash; für &mdash; mich?</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Nu, weil ich schon weiß, daß Sie dann immer 's
-Fenster aufmachen. Also müssen Sie's doch gerne haben.
-Ich tu' immer, was Sie gerne haben. Jawohl. Mach' ich.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(außer Fassung)</i></p>
-
-<p>Es handelt &mdash; sich hier &mdash; aber gar nicht &mdash; um mich.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p class="directive2">(in trumpfender Männlichkeit)</p>
-
-<p>Warum eigentlich nich, Fräulein Mariechen? Warum
-soll es sich nich auch 'n mal um Sie handeln?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p class="directive2">(sprachlos, ratlos, schließt für einen Augenblick die Augen, dann &mdash; da sie
-Zarnckes Stimme in der Veranda hört, eilt sie hilfesuchend auf ihn zu)</p>
-
-<p>Vaterchen! Vaterchen!</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(seinen Schnurrbart drehend)</i></p>
-
-<p>Sieh mal an! Sieh mal an! <i>(Geht nach hinten)</i></p>
-
-
-<h3>Zwölfte Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Die Vorigen. Zarncke. Kriminalkommissar
-Reitmaier</span>
-</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na, was denn, Miezelchen? <i>(Ruft)</i> Frau Homeyer!
-<i>(Sie hängt in seinem Arm, er streichelt ihre Wange und übergibt sie dann
-Frau Homeyer, die für einen Augenblick in der Tür erscheint)</i> Sie
-werden entschuldigen, Herr Kommissar! Sie is 'n bißchen
-kränklich ...</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_81" id="Seite_81">[S. 81]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p class="directive2">(Mann Mitte der Vierzig, rund, breitschultrig, strohblonder Schnauzbart,
-Pincenez. Gemachte Jovialität, die gelegentlich in brutale Schärfe umschlägt.
-Ein wenig Bierbruder mit Ausblick zum Offiziertypus)</p>
-
-<p>Ach, es ist mir ja immer höchst fatal, wenn ich so das
-Privatleben der Herrschaften stören muß. Ich werd' Sie
-auch nicht lange aufhalten. Ich bin nur beauftragt worden,
-mal 'n bißchen nachzuhören, was mein Kollege vom
-Revier da &mdash; &mdash; Haben Sie man keine Bange. Ich bin
-'ne menschenfreundliche Natur. Ich mach' das alles gemütlich.
-Die Herren Spitzbuben &mdash; die sind mir so wie 'ne
-große Familie.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(erfreut, bewundernd)</i></p>
-
-<p>Ach &mdash; ne &mdash; wirklich?</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b> <i>(bieder)</i></p>
-
-<p>Ja, darf ich wohl sagen: Wie meine Familie! Na,
-kann man den Onkel mal 'n bißchen sehn?</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(rufend)</i></p>
-
-<p>Struve!</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p class="directive2">(sich von einer Gruppe im Hintergrunde lösend)</p>
-
-<p>Jawohl, Herr Zarncke. <i>(Leise)</i> Ei weh, Kindersch. Da
-is der Reitmaier vom Präsidium. Das is 'n fauler
-Junge. <i>(Kommt nach vorn)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b> <i>(die Arme ausbreitend)</i></p>
-
-<p>Herr Gott, das is ja mein guter, alter Struve....
-Na, lieber Freund!</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b> <i>(gerührt)</i></p>
-
-<p>Ach, der Herr Kommissar! Ne, is das 'ne Freude!</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Na, Menschenskind, wir haben uns ja so lange nich
-gesehn.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_82" id="Seite_82">[S. 82]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Ja, Herr Kommissar. Es hat mir auch immer was
-gefehlt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Nu sagen Sie mal, alter Sohn, was <em>haben</em> Se denn
-nu wieder ausgefressen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Herr Kommissar, es tut mir ja leid. Aber ich bin
-eben scharf in de Besserung. Diesmal kann ich wirklich
-nich &mdash; nich &mdash; dienen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b> <i>(überzeugt)</i></p>
-
-<p>Ja, ja, ja. Also, Sie sind's nich gewesen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Herr Kommissar, und wenn ich hier gleich meinen
-Totenschein in die Hand nehm' &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Nich schon Totenschein! Pfui! &mdash; Mann wie Sie muß
-leben!</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Aber wenn sich's machen läßt, Herr Kommissar, im
-Zuchthaus. Ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b> <i>(zu Zarncke)</i></p>
-
-<p>Er is bitter gestimmt. <i>(Beruhigend)</i> Na, na, na, es
-is da bloß noch 'ne kleine Formensache. Nichts von Bedeutung!
-Ne! <i>(Zieht sein Notizbuch)</i> Sagen Sie mal, wo
-waren Sie denn nu in der Nacht?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Ja, Gott, Herr Kommissar. Wo man so is. Uf 'ne
-Banke. Oder so.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_83" id="Seite_83">[S. 83]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b> <i>(bedauernd)</i></p>
-
-<p>Warum <em>waren</em> Se nu nich in Ihre Schlafstelle?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Ja, warum <em>war</em> ich nich in meine Schlafstelle? Hätt'
-ich gewußt, daß schlechte Menschen hier bei Herrn Zarncke
-einbrechen würden, hätt' ich mir gleich um halb zehne in
-de Klappe gelegt. Wegen den Aal&mdash;ibi.</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Natürlich! <i>(Leise)</i> Das is 'n abgefeimtes Luder! &mdash;
-Da Sie das aber selbstredend nicht wissen konnten, so
-gingen Sie zu &mdash; in den bekannten Lehmannschen Keller,
-wo wir ja auch schon zusammen gesessen haben. Is da
-'s Bier immer noch so gut?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Danke. Ja. Es jeht.</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Da waren Sie bis &mdash; zehn Minuten nach zwölfe.
-Und dann waren Sie mit Ihrem Freund Kuntze &mdash; ja,
-wo waren Sie da?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Ja, wo war ich da? Ich bin &mdash; spazieren jewesen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b> <i>(klagend)</i></p>
-
-<p>Nämlich, denken sich mal, Ihr armer Freund Kuntze
-sitzt schon wieder feste!</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Das is dem Kerl recht. Der is zu dumm.</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Aber es is doch schade. Na &mdash; und als Sie sich dann
-getrennt hatten, was taten Sie dann?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_84" id="Seite_84">[S. 84]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Ach, Herr Kommissar, ich bin so 'n weiches Jemiete.
-Ick hab' mir so, wie ick schon sagte, in'n Humboldthain
-bisken uf die Banke jesetzt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Und gesprochen haben Sie mit niemandem?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>I wo wer' ick doch. Dabei kann man so leicht in
-schlechte Jesellschaft kommen. Ne.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(triumphierend, leise)</i></p>
-
-<p>Den kriegen Sie nich!</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Und dann sind Sie nach Hause gegangen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Ja, ick wollte eijentlich noch 'n bisken die Vögelchens
-singen hören. Aber <span class="antiqua">pee à pee</span> bin ick denn zu Hause
-jejangen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b> <i>(leise)</i></p>
-
-<p>Der Kerl hat ein Schwein. Weder die Stunde des
-Einbruchs noch die Zeit seines Heimkommens sind festzustellen.
-Aber &mdash; &mdash; <i>(laut)</i> Struve!</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Herr Kommissar!</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Ja, noch eins. <i>(Wieder leise)</i> In dem Magazin &mdash; haben
-Sie da Sachen von Wert?</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>O ja. Da bewahr' ich unter anderm die Zahnsägen auf.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_85" id="Seite_85">[S. 85]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Und die sind wertvoll?</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Einige davon sind mit Diamantsplittern besetzt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Ah! Wußte der Struve davon?</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(mit reserviertem Lächeln)</i></p>
-
-<p>Ja, das weiß ich nicht, Herr Kommissar.</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Struve, wo ist hier das Magazin?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Das Magazin? <i>(Nach rechts weisend)</i> Na da is es ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Was is denn da so drin?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Was wird denn da so drin sein? Vielleicht überführen
-Sie sich mal, Herr Kommissar.</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b> <i>(schärfer)</i></p>
-
-<p>Wissen Sie, was Zahnsägen sind?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Zahnsägen? Ja. Das sind Zahnsägen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Wo werden die über Nacht aufbewahrt?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_86" id="Seite_86">[S. 86]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b> <i>(rufend)</i></p>
-
-<p>Du, Lohmann, wo werden doch die Zahnsägen aufbewahrt?</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b> <i>(ärgerlich)</i></p>
-
-<p>Sie haben hier zu antworten und keine Fragen zu
-stellen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p class="directive2">(auf die Umstehenden weisend, von denen sich einige allgemach näher herangedrängt
-haben)</p>
-
-<p>Stören Sie die Leute, Herr Kommissar?</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Durchaus nicht. Durchaus nicht. <i>(Leiser)</i> Sie sehn
-übrigens &mdash; <i>(zu Struve streng)</i> treten Sie mal zurück! &mdash;
-<i>(leiser)</i> daß an das Subjekt nicht 'ranzukommen ist.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(zaghaft, bittend)</i></p>
-
-<p>Ach, dann lassen Sie ihn doch laufen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Nu ja, <em>Sie</em> sind ja bekannt dafür, daß es Ihnen
-Vergnügen macht, dergleichen Volk bei sich unterkriechen
-zu lassen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Vergnügen? Es is wohl mehr eine Abbitte an den
-lieben Gott.</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b> <i>(immer noch leise)</i></p>
-
-<p>Weitere Verdachtsmomente als seine Bescholtenheit
-liegen nicht vor. Ich könnte jetzt noch die Leute hier vernehmen.
-Vorher aber möcht' ich mal an <em>Sie</em> die Frage
-richten, ob Sie nach Ihren Beobachtungen den Kerl für
-verdächtig halten oder nicht?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_87" id="Seite_87">[S. 87]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(verlegen)</i></p>
-
-<p>Ja, da is schwer &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Trotzdem möcht' ich sehr bitten, der Wahrheit gemäß &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(in die Enge getrieben)</i></p>
-
-<p>Ja, ja, ja. Einen Augenblick. Polier! Geben Sie
-doch mal &mdash; <i>(spricht leise weiter)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b></p>
-
-<p class="directive2">(der sich inzwischen unter den Umstehenden eingefunden hat, holt eine Anzahl
-Schlüssel aus der Hosentasche und reicht ihm einen davon)</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Struve! ... Sehen Sie mal hier diesen Schlüssel.
-Kennen Sie den?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Ne.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Das ist der Magazinschlüssel. Den übergeb' ich Ihnen
-hiermit. Verstehn Sie?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Ne.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Falls der Herr Kommissar Sie hier läßt, werden <em>Sie</em>
-mir von jetzt ab für die Sicherheit der Sachen &mdash; einstehn.
-Verstanden?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Ne.</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Erlauben Sie mal, Herr Zarncke! Was bedeutet
-denn das?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_88" id="Seite_88">[S. 88]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Das ist meine Antwort, Herr Kommissar. Entnehmen
-Sie daraus, was Sie wollen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Sie &mdash; vertrauen &mdash; <em>dem</em> den &mdash;? Hähähä! Erlauben
-Sie mal. &mdash; Hähähä. Pardon, das ist zu spaßhaft. <i>(Immer
-lachend)</i> Na dann will ich auch nicht weiter stören. Das
-kann dann mein Kollege vom Revier zu Ende führen! ...
-Aber wenn Ihnen man die Passion für solche schweren
-Jungens nich noch mal sauer aufstoßen wird ... denn
-außerdem haben Sie ja auch noch 'n Mörder bei sich. Und
-weiß Gott, was &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(sehr erschrocken)</i></p>
-
-<p><em>Mörder?</em> <i>(Große Bewegung unter den Zuhörern, die sich während
-der Folgezeit über den ganzen Platz fortpflanzt)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Nu ja &mdash; den &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(rasch, mit Nachdruck)</i></p>
-
-<p>Das ist ein Irrtum, Herr Kommissar.</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Erlauben Sie mal &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p class="directive2">(ihn bei Seite nehmend, erregt)</p>
-
-<p>Erstens ist der Mann nicht wegen Mordes, sondern
-wegen Totschlags verurteilt worden &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Menschenblut is Menschenblut.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_89" id="Seite_89">[S. 89]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Menschenblut hat auch so einer in den Adern. Und
-das braucht ihm nicht unnütz vergiftet zu werden. Wissen
-Sie, daß Sie dem Manne, der sich zu mir gerettet hat,
-wie 'n Stück Vieh von der Schlachtbank, daß Sie <em>dem</em>
-das Weiterexistieren auf dem Platze wahrscheinlich unmöglich
-gemacht haben?</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Ich? Wieso? Bitte!</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p class="directive2">(auf die erregten Gruppen weisend)</p>
-
-<p>Da sehn Sie! Die werden's bald 'raushaben, wer der
-»Mörder« ist. Anstatt hier rücksichtsvoll &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b> <i>(brutal)</i></p>
-
-<p>Ach was! Da müßt' ich viel Zeit haben, auf solchen
-&mdash; Auswurf &mdash; Rücksicht zu nehmen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na, sehr verwandtschaftlich reden Sie nu gerade <em>nicht</em>
-von Ihrer werten Familie.</p>
-
-<p class="actor"><b>Reitmaier</b></p>
-
-<p>Was für Familie? ... Ach so! <i>(Scharf)</i> Ich empfehle
-mich Ihnen, Herr Zarncke. <i>(Ab nach links)</i></p>
-
-
-<h3>Dreizehnte Szene</h3>
-
-
-<p class="directive1"><span class="gesperrt">Die Vorigen</span> ohne <span class="gesperrt">Reitmaier</span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p class="directive2">(der einen Augenblick kopfschüttelnd dagestanden hat, laut)</p>
-
-<p>Hört mal, Kinder! Das &mdash; mit dem &mdash; Mörder &mdash;
-das muß 'ne Verwechslung sein. Das &mdash; ja &mdash;!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_90" id="Seite_90">[S. 90]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b> <i>(vor sich hin)</i></p>
-
-<p>Na na!</p>
-
-<p class="actor"><b>Andere</b></p>
-
-<p class="directive2">(geben ebenfalls durch Mienen und Gebärden ihrem Zweifel Ausdruck)</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Struve!</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p class="directive2">(der seinen Schlüssel kopfschüttelnd besehen hat)</p>
-
-<p>Herr Zarncke.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Diesmal hab' ich Sie noch 'rausgehauen. Nu benehmen
-Sie sich auch darnach.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Ja w&mdash; w&mdash; w&mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na was denn?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Wenn nu gesetzten Falls &mdash; und es is <em>doch</em> nu ein
-anderer gewesen &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Sie, bilden Sie sich keine Schwachheiten ein ....
-Und?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Und &mdash; nu ja &mdash; und der andere der kommt nu mal
-wieder &mdash; &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Dann werden <em>Sie</em> eingesteckt. Verlassen sich drauf. <i>(Ab)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b> <i>(nach der Kantine weisend)</i></p>
-
-<p>Nu selbstverständlich is er's. Wer denn sonst?</p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b> <i>(nach Struve hin)</i></p>
-
-<p>An <em>den</em> hat man sich schließlich gewöhnt, &mdash; aber
-<em>Mörder</em>! Ne.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_91" id="Seite_91">[S. 91]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Du, Struve, komm mal her. <i>(Struve geht zu ihnen)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Scht. Da is er.</p>
-
-
-<h3>Vierzehnte Szene</h3>
-
-
-<p class="directive1"><span class="gesperrt">Die Vorigen.</span> <span class="gesperrt">Biegler.</span> Gleich darauf <span class="gesperrt">Lore</span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(hat drei Zigarren in der Hand, die er besieht)</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(mit einem kleinen Teller, worauf noch eine Zigarre)</p>
-
-<p>Herr Biegler.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(sich umwendend)</i></p>
-
-<p>Ja?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Sie haben doch <em>vier</em> Zigarren bezahlt und bloß dreie
-genommen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ach so. Ja. Danke. <i>(Nimmt die Zigarre)</i> Es war ja
-auch noch 'n vierter dabei. <i>(Mit glücklichem Lächeln)</i> Ich hab'
-nämlich &mdash; jetzt &mdash; auch &mdash; <em>Freunde</em> hier.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(erfreut)</i></p>
-
-<p>Ach, sehn Sie!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ja. Freunde &mdash; hab' ich. Drei Stück. Ja ... Und
-da will ich mich doch mit Zigarren revanschieren. Ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Na sehn Sie. Hab' ich Ihnen nich immer gesagt:
-Es is nich so schlimm, &mdash; sie tun Ihnen nichts?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_92" id="Seite_92">[S. 92]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ja, ja, Fräulein! Wenn Sie mir nicht hätten immer
-Mut gemacht.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(herüberrufend)</i></p>
-
-<p>Sie, Lore, was machen Sie sich da mit dem Kerl zu
-schaffen? Das ist kein Umgang für Sie. &mdash; Lassen Sie
-den mal hübsch laufen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(zusammenschreckend)</i></p>
-
-<p>Ja ... ja, ja. <i>(Steht unschlüssig)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(die Zähne zusammenbeißend)</i></p>
-
-<p>Der kann mich nich leiden. Gehn Sie man schon ...
-Ich hab' ja auch noch &mdash; <em>Freunde</em>. <i>(Lore ab)</i> <i>(Er breitet seine
-Zigarren fächerförmig in der Linken aus und tritt zu Lohmann, der zuerst
-mit Struve gesprochen und dessen Gruppe sich dann aufgelöst hat)</i> Du
-&mdash; willste nich &mdash; eine Zigarre von mir &mdash; rauchen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b> <i>(verächtlich)</i></p>
-
-<p>Nee. <i>(Tritt von ihm fort)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(steht einen Augenblick wie erstarrt, dann geht er zu Sprengel, sehr zaghaft)</p>
-
-<p>Ach &mdash; bitte &mdash; ich hätt' &mdash; ne Zigarre &mdash; für &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Du kannst deine Zigarren für dich behalten. <i>(Tritt
-gleichfalls von ihm fort)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(reibt sich fassungslos die Stirn; eine verzweifelte Wildheit kommt über
-ihn; er geht zu Struve &mdash; voll Angst und Ingrimm)</p>
-
-<p>Du hast mir vorhin ne Zigarre gegeben &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b> <i>(gutherzig abwehrend)</i></p>
-
-<p>Laß man! Laß man! ... Es is nich, weil ich stolz
-bin, weil ich nu den &mdash; Magazinschlüssel hab' ... aber &mdash;<span class="pagenum"><a name="Seite_93" id="Seite_93">[S. 93]</a></span>
-ich kann mir nich &mdash; ausschließen, &mdash; ich muß machen wie
-die andern.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Wa &mdash; was hab' ich &mdash; euch denn &mdash; ...?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Sag mal, wie alt bist du?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Vierunddreißig.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Und da haben sie dich schon 'rausgelassen? So früh
-lassen sie einen wie du &mdash; sonst doch nich los ...</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(sieht ihn entsetzt an, wirft einen wilden, verängstigten Blick auf die ihn
-rings Beobachtenden und versteht)</p>
-
-<p>Ach so ... Ach so.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b> <i>(ist zu Lohmann zurückgetreten)</i></p>
-
-<p>Ich sag' euch bloß: det stimmt <em>nich</em>.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Wer soll's denn sonsten sein?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(auf die Bank der Kantine sinkend)</p>
-
-<p>Ach so!</p>
-
-<p class="directive1">
-(<span class="gesperrt">Der Vorhang fällt</span>)
-</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_94" id="Seite_94">[S. 94]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h2>Dritter Akt</h2>
-
-
-<p class="directive1">Die Kantine. Deren Wände sind aus Fachwerk gebildet.
-Die Decke ist niedrig und verräuchert. Auf der rechten Seite
-die Tür zum Werkplatz. Im Hintergrunde rechts das Fenster,
-im Hintergrunde links das Büfett mit einem Schanktisch davor.
-&mdash; Auf der linken Seite eine Tür zu Schlafräumen. &mdash;
-In der Mitte unter der Hängelampe ein Tisch mit Stühlen,
-links vorne ein Sofa mit Tisch und Stühlen, rechts vorne
-Tisch mit Stühlen. Vor dem Fenster Schustergerät. In der
-Ecke rechts hinten ein eiserner Ofen.</p>
-
-<p class="directive1">Das Ganze trotz des ärmlichen oder vielmehr provisorischen
-Charakters sauber und beinahe freundlich. Blumentöpfe auf
-den Tischen und vor dem Fenster. Blitzblankes Gerät auf
-dem Schanktisch, darunter ein verzinkter Wasserwärmer.
-Plakate und Bilder ohne Rahmen sind als zufälliger Schmuck
-an die Wände geheftet. Die »Platzordnung« unter Glas und
-Rahmen hängt neben der Eingangstür. Über dem Büfett
-eine Uhr; neben ihm eine Mandoline</p>
-
-
-<h3>Erste Szene</h3>
-
-
-<p class="directive1"><span class="gesperrt">Lore</span> hinter dem Schanktisch mit einer Handarbeit beschäftigt.
-Der alte <span class="gesperrt">Eichholz</span> auf dem Sofa schlafend. <span class="gesperrt">Lenchen</span> an
-dem Schusterschemel</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b> <i>(schnarcht)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Was machst du da, Lenchen?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_95" id="Seite_95">[S. 95]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Lenchen</b></p>
-
-<p>Ich spiel' mit Großvatern seine Schuhmacherspielsachen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Zerbrich ihm man nich seine Glasglocke.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lenchen</b></p>
-
-<p>Nein, nein.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(sieht nach der Uhr und geht dann zum Sofa)</p>
-
-<p>Vater &mdash; Vater!</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p class="directive2">(brummt aus dem Schlafe, ohne sich zu rühren)</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Vater, du mußt aufstehn.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b> <i>(im Halbschlaf)</i></p>
-
-<p>Wieso denn?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Es is Sonnabend heute. Nach der Lohnzahlung &mdash;
-du weißt ja &mdash; dann wird's noch einmal voll hier.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Ja, ja ... Na ja ... <i>(Richtet sich auf und reckt die Glieder)</i>
-Ich muß ja auch noch gehn, mir neues Verschmierpech
-besorgen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Laß doch, Vater, das eilt ja nicht.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Nu ja. Ich arbeit' ja <em>doch</em> nich. Ich bin 'n altes
-Faultier, sagt meine Tochter. <i>(Rülpst)</i> Dein Kümmel is<span class="pagenum"><a name="Seite_96" id="Seite_96">[S. 96]</a></span>
-das reine Rattengift. &mdash; Meine Leber kriegt schon harte
-Stellen von. Ich muß mal baldigst gehn, mich an einen
-Mäßigkeitsvereine zu beteiligen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ach ja, das wär' ganz gut, Vater.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Wär' ganz gut. Wär' ganz gut. Was weißt du, was
-mir gut is? Ich freß nich mehr aus'n Steinguttopp.
-Das laß dir gesagt sein.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ach, das is ja alles Einbildung, Vater.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Denn was bin ich? ... Stück Vieh auf'm Schindanger
-bin ich ... Wenn sie mich schon wegjagen tun um &mdash;
-um &mdash; um 'n Mörder.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(abwehrend)</i></p>
-
-<p>Ach!</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Auf meinem Platz sitzt 'n Mörder. Das halt' ich nich
-aus. Da jeh' ich ins Wasser. Da nehm' ich eine Jiftpille
-zu mir. Und dann verkauf' ich mir an die Annetomie ...
-Damit du nichts zu erben kriegst, du Biest. Nich mal
-meinen Leichnam.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(lächelnd)</i></p>
-
-<p>Ich will ja auch nichts, Vaterchen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Wenn du hättest Ehre in deinem Herzen, dann schmißt
-du den Kerl 'raus und scheuerst mit Karbol die Stelle,<span class="pagenum"><a name="Seite_97" id="Seite_97">[S. 97]</a></span>
-wo er gestanden hat. Statt dessen frißt er sich hier rund
-an deine Karbonade.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Gönn ihm doch sein bißchen Essen, Vater. Und ob
-er wirklich <em>der</em> is, von dem der Kommissär gestern gesprochen
-hat, das weiß ja keiner.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Ich hab's immer gesagt: der Kerl hat Mörderaugen
-im Kopp. Heute is nu jeder so klug.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Was sind denn Mörderaugen, Vater?</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Die sind wie beim Fisch. Da sitzt ein Stein drin.
-Und das is der Tod. Und wegen so einen &mdash; haben sie &mdash;
-mir &mdash; <i>(Weint)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(mitleidig)</i></p>
-
-<p>Vaterchen!</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b> <i>(weinend)</i></p>
-
-<p>Das halt' ich nich aus. Da werde ich verrückt von.
-Einer muß hin. Er oder ich. Tot oder lebendig. Der
-muß verrecken, der Hund, der Bluthund, der &mdash; der &mdash;
-<i>(Kläglich)</i> Ich hab' so 'n Leberstechen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Geh, leg dich aufs Bett, Vater.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Das hat er mir schon mit seinen bösen Blick anjetan,
-daß ich nicht werde jenesen meines Leidens ... Ich hab'
-so 'n Leberstechen. <i>(Ab)</i></p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_98" id="Seite_98">[S. 98]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(sieht ihm seufzend nach)</i></p>
-
-<p>Lenchen, du bist ein kluges Kind. Geh mit Großvater.
-Und wenn er weint, dann ruf.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lenchen</b></p>
-
-<p>Ja, Mamachen. <i>(Von Lore zur Tür geleitet, ab. Es klopft)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Herein!</p>
-
-
-<h3>Zweite Szene</h3>
-
-
-<p class="directive1"><span class="gesperrt">Lore.</span> <span class="gesperrt">Marie</span></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>'n Tag, Lore. Du hast wohl schon sehr auf mich gewartet?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(gedrückt)</i></p>
-
-<p>Ach! Jetzt hatt' ich schon aufgehört.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Wußtest du's, daß ich gestern mit ihm gesprochen
-hatte?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Die anderen erzählten sich's.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Und du fragst gar nicht? Dachtst dir wohl schon,
-daß ich keine guten Nachrichten bringe?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(mutlos)</i></p>
-
-<p>Gott, als Sie gestern abend nicht kamen. Und heute
-vormittag nicht. Wollen sich nich setzen, Mariechen?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_99" id="Seite_99">[S. 99]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Danke. <i>(Setzt sich)</i> Hast du gehört, wie schön die Amsel
-singt auf deinem Dach? Mitten in all dem Lärm. Täusch'
-ich mich, oder pfeift sie fröhlicher, seit sie ihr Nest hat?
-Es is wirklich so, als ob das Glück pfeift ... Auf deinem
-Dach, Lore.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Für mich pfeift kein Glück.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Wer weiß? ... <i>(Zögernd)</i> Lore, ich will dir was gestehn:
-Ich hab' Vater gebeten, daß er ihm am nächsten
-Termin kündigt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Warum haben Sie das getan? Wenn er gehen will,
-dann soll er gehn. Aber nicht fortjagen. Nicht um meinetwillen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Lore. Ich hab' auch Vater gebeten, daß er ihm dann
-sagt, daß er dir 'ne Aussteuer geben wird.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ich will keine Aussteuer. Die heilt nichts und macht
-nichts gut. Ich will nichts.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Denn sieh mal: Er ist ehrgeizig. Er will eine Frau,
-die wohlhabend ist. Darauf geht er aus.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Woher wissen Sie das?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_100" id="Seite_100">[S. 100]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p class="directive2">(stockend, mit abgewandtem Gesicht)</p>
-
-<p>Nun, das &mdash; merkt &mdash; man doch.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Zuzutrauen ist es ihm schon. Aber so himmlisch gut
-Herr Zarncke is, wohlhabend, wie <em>er</em> meint, kann ich ja
-doch nie werden.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p class="directive2">(mit geheimnisvollem Lächeln)</p>
-
-<p>Nun &mdash; wer weiß?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Denn erspart hab' ich nichts. Ich verdien' hier gerade
-das tägliche Brot.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(mit unterdrückter Erregung)</i></p>
-
-<p>Sieh mal, Lore, was ich dir schon immer mal hab'
-sagen wollen: Lange leben werd' ich nicht, <i>(langsam, mit Betonung)</i>
-und &mdash; dein Lenchen &mdash; hab' ich <em>sehr lieb</em>.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(nach langem Schweigen)</i></p>
-
-<p>Mein Kind hast du &mdash; so lieb?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(nickt)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Mein Lenchen hast du so lieb?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(tonlos)</i></p>
-
-<p>Ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(aufschreiend)</i></p>
-
-<p>Dann geb' ich's dir. Dann nimm's als dein eigen.
-Wozu soll sie sich durchschleppen mit mir durch all den
-Jammer, wenn sie <em>das</em> haben kann? <i>(schluchzt)</i></p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_101" id="Seite_101">[S. 101]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Lore, hör mal! ... Vor zwei Tagen &mdash; da hätt' ich noch
-ja und »Schön dank« gesagt. Aber jetzt &mdash; seh' ich die Dinge
-&mdash; anders an. Denn, sieh mal! So ein &mdash; Kindchen &mdash;
-muß doch zuerst mal &mdash; seinen Vater haben ... Nicht wahr?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(in neuem Erstaunen)</i></p>
-
-<p>Marie, Marie! Wenn ich das recht versteh'! ... Das
-glaub' ich nicht! Das ist zu viel! Das ist zu viel! Und
-das kann auch nicht zum Guten sein. Nie im Leben. Nie.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Warum nicht?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Weil &mdash; weil ... Der &mdash; der <em>will</em> mich nicht mehr.
-Dem bin ich <em>doch</em> bloß 'ne Kette am Bein. Weiter nichts.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Auch wenn er weiß, was Lenchen mal zu erwarten
-hat? Und wovon er doch der Verwalter sein wird?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Mein Gott, mein Gott, mein Gott!</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Nur wie das wird, wenn ich früher sterbe als Vater,
-das weiß ich nicht. Denn wollen <em>wird</em> er ja nicht.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Nein, nein, nein! Es wird nichts. Es kann auch
-nicht. Und es schadet auch gar nichts, wenn's &mdash; nichts &mdash;
-wird. &mdash; Man is ja längst schon viel zu mürbe. Und
-vielleicht ist einem ganz, ganz was anders bestimmt, wo
-<em>nicht</em> so viel Tränen drauf liegen. Aber 'ne Viertelstunde
-lang mal froh gewesen sein und ein Mensch, nicht bloß<span class="pagenum"><a name="Seite_102" id="Seite_102">[S. 102]</a></span>
-ein Stein, den man hin und her stößt, ach, das tut so gut,
-so gut, so gut! <i>(Sinkt lachend und weinend vor ihr nieder und küßt
-ihr die Hände)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Laß doch! Steh auf! Mir scheint, es kommt wer.
-<i>(Lore steht auf)</i></p>
-
-
-<h3>Dritte Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Die Vorigen. Biegler</span>
-</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(dumpf, scheu)</i></p>
-
-<p>Guten Tag.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie.</b></p>
-
-<p>Guten Tag, Herr Biegler. Ist denn schon Feierabend?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Geht's Ihnen gut?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Danke.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Adieu, Herr Biegler. Adieu, Lore! <i>(ab)</i></p>
-
-
-<h3>Vierte Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Lore. Biegler</span>
-</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(setzt sich an den Mitteltisch)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(geht zum Büfett, schenkt aus dem Wärmekessel einen Topf mit Kaffee ein,
-bricht eine Fünfpfennigsemmel ab und bringt sie nach dem Tisch links)</p>
-
-<p>Setzen sich lieber hierher, Herr Biegler. Das da is
-ja der Steinmetzentisch, und die Bildhauer kommen nich
-nach der Auszahlung. Die sind zu große Herren.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_103" id="Seite_103">[S. 103]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ich geh' so wie so gleich fort. <i>(Setzt sich links)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Warum sind Sie eigentlich nich bei der Wochenauszahlung?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ich &mdash; krieg' &mdash; monatlich. <i>(Schweigen)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(immer in freudiger Erregung)</p>
-
-<p>Ich weiß nicht; Sie kommen mir heut so anders vor,
-Herr Biegler. Sie reden gar nich.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ich red' ja &mdash; auch sonst nich &mdash; viel.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Wissen Sie, mir is nämlich heute ganz was &mdash; ganz
-was &mdash; Besonderes &mdash; passiert.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Was Gut's?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(nickt)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Da gratulier' ich.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ach, es is nichts zu gratulieren. Es wird sich nichts
-ändern. Aber es is doch wie 'n heller Schein. &mdash; Und da
-möcht' ich, daß es auch andern so geht. Ihnen auch.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(schwer atmend)</i></p>
-
-<p>Danke!</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Herr Biegler &mdash; ach, Herr Biegler, wozu sollen wir<span class="pagenum"><a name="Seite_104" id="Seite_104">[S. 104]</a></span>
-erst viel Versteck spielen. Ich weiß ja, was Sie quält &mdash;
-seit gestern.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(sich in Erstaunen jäh umwendend)</p>
-
-<p>Und da reden Sie noch mit mir?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ja &mdash; is es denn wahr?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(nach einer Pause, schwer)</i></p>
-
-<p>Die Herren Geschworenen haben die Frage &mdash; ob's
-Notwehr gewesen is oder nich &mdash; verneint ... Und nu
-lassen Sie mich meinen Kaffee austrinken. <i>(Schweigen)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(nach innerem Kampfe)</i></p>
-
-<p>Herr Biegler! ... Sündig sind wir alle ... Ich auch.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(bitter lachend)</i></p>
-
-<p>Sie?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(zaghaft)</i></p>
-
-<p>Sie wissen doch!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ja, Ohren hab' ich auch ... <i>(in Wut auffahrend)</i> Und
-wenn ich erst wieder Fleisch hätt' auf den Armen, dann
-würd' ich den Kerl &mdash; &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ruhig, Herr Biegler, ruhig, ruhig! Sie wollen doch
-nich, daß ich Angst hab' vor Ihnen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(hastig seinen Kaffee trinkend)</i></p>
-
-<p>Ich geh' schon. Ich geh' schon.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Herr Biegler, wollen Sie nich mal Ihr Herz erleichtern?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_105" id="Seite_105">[S. 105]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(unschlüssig, mit dankbarem Aufblick)</p>
-
-<p>Ach! ... <i>(hart)</i> Ne.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Gott, Herr Biegler, gut tät's Ihnen schon! Man
-wird ja so wie so wie'n Stein! Die Steinmetzen erzählen
-nämlich: Der Stein wird durch Druck. Wissen Sie?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Das sollt' ich wohl wissen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ja, Hunderttausende und Millionen Jahre müssen die
-drüberliegenden Schichten drücken, dann wird die lebendige
-Erde zu Stein ... Beim Menschen dauert's nich so
-lang. Das hab' ich ausprobiert. 'n paar Jährchen Druck
-&mdash; immer derselbe Druck. Das genügt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(bitter)</i></p>
-
-<p>Ob's genügt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Man lacht und man weint und man schläft und man
-arbeitet &mdash; ach, lustig sein kann man sogar &mdash; man is
-überhaupt ein Mensch wie andere und is doch lang keiner
-mehr ... Drin im Innersten lebt man gar nich mehr ...
-Man is willenlos wie 'n Stein ... Man läßt sich mit
-dem Fuß stoßen wie 'n Stein. Man wird gegen alles
-gleichgültig wie 'n Stein.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(eifrig)</i></p>
-
-<p>Ja, ja, ja, &mdash; so is es, &mdash; ja, ja.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_106" id="Seite_106">[S. 106]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Aber heut is wieder Leben in mich gekommen. So
-sehr hat mich was gefreut ... Gestern war ich wie Sie.
-Aber heut kann ich Ihnen was helfen. Bloß Vertrauen
-müssen Sie haben, daß ich's auch wirklich will.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Das hätt' ich schon &mdash; aber &mdash; <i>(vor sich hinbrütend)</i> ich muß
-ja wohl wieder weg.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ich denk', Sie waren zufrieden.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Wenn sie mich in Ruh' gelassen hätten &mdash; <em>alle</em> &mdash;
-im Himmel wär' ich gewesen. Morgens &mdash; so gegen zweie
-&mdash; da is mir leicht geworden ... dann kann keiner kommen
-und was von mir wollen. &mdash; <em>Doch!</em> &mdash; Einer <em>kann</em>
-kommen ... Die kann <em>immer</em> kommen. Sie <em>is</em> noch
-nich &mdash; aber sie kann.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(mit beruhigendem Lächeln)</i></p>
-
-<p>Na wer denn, wer denn?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ach so &mdash; ich soll ja mein Herz erleichtern.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Nicht &mdash; wenn Sie nich wollen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Wissen Sie, wie's nu werden wird? ... Vors erste
-schieben sie sich so langsam von einem weg ... Man will
-<em>mit</em> anfassen, und dann is man allein. Und dann geht's<span class="pagenum"><a name="Seite_107" id="Seite_107">[S. 107]</a></span>
-Gerede los um einen rum. Da heißt es: »Na, habt ihr
-auch schon euer Leben versichert?« Und da heißt es: »Wenn
-sich gewisse Brieder nich bald dinne machen, dann werden
-wir den Platz schwarz stellen.« Und dann fliegt 'n Stück
-Holz. Und dann fliegt 'n Stein. Und dann kommen <em>Sie</em>
-eines Tags und sagen: »Es tut mir leid, Herr Biegler,
-aber Sie müssen wo anders essen, es is wegen der Leute.«</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(schüttelt heftig den Kopf)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Na warten Sie man. Und schließlich kommt der
-Prinzipal und sagt: »Hier is Ihr Buch. Sie können gehen.«
-Und man weiß, daß man nu wieder ins Hungerland zieht,
-wo kein warmes Mittag is und kein Bett, und man sagt
-noch: »Gott sei Dank.«</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ach, es is schrecklich.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Unser Pastor in der Anstalt hat immer gesagt: »Seid
-froh, daß ihr sühnen könnt« ... »Sühnen« heißt das schöne
-Wort ... Das haben die Herren extra für uns erfunden
-... Ja, was soll ich nu alles sühnen? ... Daß der Weg
-mich in <em>die</em> Schlafstelle geführt hat &mdash; und gerade in <em>die</em>?
-... Daß die Frau jung war &mdash; mit Flunkeraugen &mdash; und
-daß sie immer <em>so</em> machte <i>(haucht mit spitzem Munde)</i>, wenn sie
-hinten an mir vorbeiging. Und wenn ich gesagt hab':
-»Was machen Sie da?« dann hat sie mich mit den blanken
-Zähnen angelacht und gesagt: »Ich kann's in den Tod nich
-leiden, wenn auf dem Rockkragen 'ne Feder sitzt« ... Und
-der Mann hat noch mitgelacht, wenn's mir schon heiß und
-kalt das Genick 'runterlief ... Ja, so kommt so was ...
-Er war Schuster. Wie Ihr Vater ... Mit den Schustern<span class="pagenum"><a name="Seite_108" id="Seite_108">[S. 108]</a></span>
-hab' ich kein Glück ... Nu, da wissen Sie ja auch, was
-'n Klopfstein is ... <i>(Zum Gerätschemel gehend)</i> Da liegt er ja!
-<i>(Bringt den Stein.)</i> Sehn Sie sich den an! Bißchen kleiner war
-er &mdash; aber groß genug. Dann wie der Mann mich eines
-Tages abgefaßt hat &mdash; mit ihr &mdash; &mdash; und auf mich zugekommen
-is, Messer in der Hand, da hab' ich gedacht:
-was machen? Was hab' ich gemacht? <em>So!</em> <i>(Hebt den Stein
-hoch)</i> ... Und mit eins hat er langgelegen. Das Ganze
-hat gedauert, wie wenn einer bis drei zählt ... Weil der
-nu da lang lag, darum war mein Leben verdorben. Nu
-sagt der Pastor: »sühnen!« Ja, nun sühne mal, wenn der
-Wahnsinn schon hinter dir sitzt ... Was kann ein zu
-Schanden geprügelter Hund viel sühnen? Seine Wunden
-kann er sich lecken ... Mehr kann er nich.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(mitleidig)</i></p>
-
-<p>Mein lieber Gott.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p><em>Ihr</em> lieber Gott is nich <em>mein</em> lieber Gott. Sonst
-ließ' er <em>das</em> nich zu ... Ja, nu werd' ich gehn ... die
-ersten müssen gleich kommen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(fest)</i></p>
-
-<p>Sie sollen <em>nicht</em> gehn, Herr Biegler.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(in flackernder Angst)</i></p>
-
-<p>Ich hab' mein Vesper getrunken. Ich hab' hier nichts
-mehr zu tun.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Sie sollen dableiben. Was auch geschehen mag, Sie
-sollen dableiben. Ich setz' Ihnen ein Glas Bier hin wie
-den andern. Das trinken Sie aus und kümmern sich um
-nichts.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_109" id="Seite_109">[S. 109]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Um Gottes willen. Hier? Hier? Wieso denn?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Sehn Sie denn das nicht? Je mehr Sie sich verkriechen,
-desto mehr sind <em>die</em> von Ihrer Schuld überzeugt.
-Und das darf nicht sein.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Wenn's nu aber doch wahr is?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Das geht keinen was an. Außer Herrn Zarncke und
-mir weiß keiner was. Und wir halten reinen Mund. Wenn
-<em>die</em> sehn, daß Sie keinem aus dem Wege gehn, dann wird
-das Getratsche langsam wieder einschlafen ... Aber nichts
-gestehn! Sich nich verschnappen! Sonst ist alles aus ...
-Wissen Sie noch, wie Sie waren, als ich Ihnen das erste
-Butterbrot brachte?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(nickt voll Grauen)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>So sehn Sie in vier Wochen wieder aus, wenn Sie
-sich jetzt wegjagen lassen. Es geht um Ihr Leben, Herr
-Biegler. <i>(Hinaushorchend)</i> Ich glaube, Sie kommen schon.
-Da setzen Sie sich hin. Und wer Sie anlappt, dem zeigen
-Sie die Zähne.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(stammelnd)</i></p>
-
-<p>Ach ich &mdash; m &mdash; mir bl &mdash; eibt ja jedes Wort in der
-Kehle.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Soll nicht. Darf nicht. Sie müssen. Müssen, Herr
-Biegler, müssen!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_110" id="Seite_110">[S. 110]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Und 's kann sein, wer's will? Ja?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(stutzend, dann stark)</i></p>
-
-<p>Ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(dumpf, zagend)</i></p>
-
-<p>Na, is gut. <i>(Setzt sich auf seinen Platz zurück)</i></p>
-
-
-<h3>Fünfte Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Die Vorigen.</span> <span class="gesperrt">Lohmann.</span> <span class="gesperrt">Sprengel.</span> <span class="gesperrt">Struve.</span><br />
-<span class="gesperrt">Drei andere Arbeiter</span><br />
-</p>
-
-
-<p class="directive2">(Die Eintretenden begrüßen Lore, die rasch hinter den Schanktisch getreten
-ist, mit einem brummigen »Guten Tag« und setzen sich an den Tisch rechts)</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Glas Bier!</p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Mir auch.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Jedem eins.</p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Kiekt mal, wer da huckt!</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Mir wundert, daß er sich nich aufs Ehrensofa geschmissen
-hat. Das ist doch extra für ihm hingebaut.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Der Mensch sitzt, wo er kann. &mdash; Laß ihm sitzen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(Bier bringend)</i></p>
-
-<p>Wohl bekomm's!</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Danke. <i>(Nach Biegler hinüber)</i> Jemütlich is anders. Prost!
-<i>(Sie stoßen an)</i></p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_111" id="Seite_111">[S. 111]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(bringt auch Biegler ein Glas Bier)</p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Wird der hier nu auch den Stammgast spielen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Struve, du verstehst dir ja auf so 'ne Brieder. Graul
-ihm mal 'raus.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Kindersch, laßt mir in Ruh. Ick bin jetzt so beschäftigt
-mit meine eigenen Sorgen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Wat vor Sorgen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Wat vor Sorgen? Des fragste noch? Glaubste, es
-macht Verjniegen, mit so 'ne Verantwortung in de Welt
-rumzuloofen? Wenn du jehst bloß Steine schleppen, denn
-haste jar keene Verantwortung, dafür biste aber auch 'n
-Lump. Wenn du aber wirst jeehrt sein durch das Vertrauen
-deiner Mitbürger, wenn du wirst 'n Magazinschlüssel
-an dir tragen, oder so &mdash; dann wirst mal sehen,
-wie so 'n Mann zu Mute ist.</p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Dir is des wohl zu Koppe gestiegen? Was?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Denn wer eine jewisse Erfahrung hat von's menschliche
-Leben, der muß sich doch sagen: det is 'n janz jewehnliches
-Schnappschloß. &mdash; Da brauchste bloß 'n paar gesunde
-Zähne zu, um 'n vierzölligen Drahtnagel krumm zu biegen,<span class="pagenum"><a name="Seite_112" id="Seite_112">[S. 112]</a></span>
-und denn biste schon drinne. Immer so mitten mang de
-Diamanten. Kindersch, um Gottes willen, regt eich das
-jar nich uf?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b> <i>(lachend)</i></p>
-
-<p>Ne.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Und jesetztenfalls und du hast se nu ausgebrochen &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Was?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Na &mdash; de Diamanten, denn kannste se jehn ruhig verschärfen
-bei jeden freindlichen Mann, wo mit blanke Knöppe
-handelt. Da kann dir kein Teckel an de Beene ... Des
-is 'ne aufjelegte Sache. Des reinste Beersenjeschäft ...
-Kindersch und da soll ick die Verantwortung vor haben? &mdash;
-Ne, des halt' ich nich aus. Da zieh' ick über Land.</p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Jlickliche Reise. Prost.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Und was der Nachtwächter da is, der schlappohrige
-Kerl, ick wette 'n Hering jegen 'n Löffel Jritze, dessentwegen
-könnte man 'rin und 'raus &mdash; wie de Schwalben.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Der blieht da nu so 'rum. Wie so 'n Maibliemchen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Abjebrieht is er wohl. Sonst säß' er nich hier.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Kindersch, ick sag' eich immerzu. Wenn er und er
-wär's, dann wär' er noch nich 'raus.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_113" id="Seite_113">[S. 113]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Jedenfalls wollen wir da mal ein jelinde blasenziehendes
-Mittel anwenden. <i>(Sehr laut)</i> Fräulein! Wissen
-Sie vielleicht die Adresse von 'ne leistungsfähige Lebensversicherungsgesellschaft?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(der solange scheinbar teilnahmslos, doch in gespannter Erwartung dagesessen
-hat, wendet sich jäh um)</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(abweisend)</i></p>
-
-<p>Was soll ich mit 'ne Lebensversicherung?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Nu, 's is doch jetzt nich janz jeheier auf'n Platz. Da
-kann mal leicht so 'n kleiner Kuhhandel kommen, wo man
-plötzlich mit Tode abjeht, man weiß nich, wie?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(abweisend)</i></p>
-
-<p>Ich versteh' gar nich, was Sie meinen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Diejenigen, wo's anjeht, die werden mir schon verstehn.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(steht auf, will reden, bringt aber nur ein unartikuliertes Stammeln hervor
-und setzt sich wieder)</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Hat jesessen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Wo bleiben übrigens heite die Steinmetzen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Nu &mdash; die müssen sich doch erst ausputzen. Mit ihre
-blaue Kalikoschirzen trauen die sich nich uf de Straße. Es
-könnt' se ja einer fir Hausknechte halten. <i>(Lachen)</i></p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_114" id="Seite_114">[S. 114]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Jedenfalls müßt' man sich mit denen zusammentun
-und was unternehmen beim Alten, &mdash; damit er auf'm
-Platz 'n bißchen ausräuchern läßt. Es wird nötig.</p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Fang nich schon wieder an, Mensch ... hab doch Erbarmen
-mit so 'n plundrigen Kerl.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Wenn ich in 'n Modder trete, dann wisch' ich mir die
-Stiebeln ab; &mdash; da hab' ich auch kein Erbarmen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(zittert und atmet schwer. Er ringt mit sich, unschlüssig, ob er sprechen
-solle, wagt es aber nicht mehr)</p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Kein Mensch weiß, ob er's wirklich is.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Warum steht er denn nich auf und &mdash;</p>
-
-
-<h3>Sechste Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Die Vorigen. Willig. Göttlingk und andere
-Steinmetzen</span> (in Feierabendkleidung)
-</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p class="directive2">(auf den Tisch der Arbeiter weisend)</p>
-
-<p>Da <em>sitzt</em> se ja, die janze feine Familie ... Ihr kriegt's
-wohl nich eilig genug mit eurem Feierabend &mdash; was?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Wieso denn?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_115" id="Seite_115">[S. 115]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b></p>
-
-<p>Den großen Oberkirchner Block, links von der Treppe,
-habt ihr auf Hochkant stehn lassen. Wißt ihr das nich?</p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Nu, der hängt doch im Flaschenzug.</p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b></p>
-
-<p>Aber locker hängt er.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Bis wir den 'runterkriegen, dauert's zwanzig Minuten.
-Wenn der Alte Überstunden zahlen will, gehn wir gleich
-noch mal 'ran.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Husten wird er euch was.</p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b></p>
-
-<p>Jedenfalls steift ihn noch ab. Wenn was passiert, seid
-ihr verantwortlich. <i>(Setzt sich zu den Steinmetzen an den Mitteltisch)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Na, Lore, Sie könnten ruhig 'n bißchen fixer sein,
-wenn die Steinmetzen kommen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(die Bier bringt, eilig, ängstlich)</p>
-
-<p>Hier is, bitte, hier is schon alles.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Aber freilich, wenn man sich mit solchem Volk abgibt,
-wie der Kerl &mdash; der &mdash; <i>(Biegler erkennend)</i> Herrgott, wer sitzt
-denn da?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_116" id="Seite_116">[S. 116]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b> <i>(rasch)</i></p>
-
-<p>Ach, kümmer dich nicht um den.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Hast recht. So 'n Geschmeiß existiert nich. Prost, die
-Herren! <span class="antiqua">Per Bacco</span>, is mir mollig. Ganz fingrig is mir
-zu Mute. Wollt ihr was hören? Natürlich, ihr wollt
-immer was hören. Lore, bring mal &mdash; bringen Sie mal
-die Seufzerkiste.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Jawohl. <i>(Holt die Mandoline von der Wand und bringt sie ihm)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Ein Steinmetz</b></p>
-
-<p>Du, der Alte war doch heute so extra süß mit dir.
-Ahnste weswegen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p class="directive2">(während er die Mandoline stimmt)</p>
-
-<p>Tja, lieber Sohn, wer kann das wissen? Manchmal
-können sich Ereignisse vorbereiten &mdash; die Welt is eben 'n
-Affenkäfig.</p>
-
-
-<h3>Siebente Szene</h3>
-
-
-<p class="directive1"><span class="gesperrt">Die Vorigen.</span> <span class="gesperrt">Der alte Eichholz</span></p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p class="directive2">(angezogen wie im ersten Akt)</p>
-
-<p>Einen guten Feierabend wünsch' ich der hochgeehrten
-Gesellschaft.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>So in Jala, Papa Eichholz?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_117" id="Seite_117">[S. 117]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Jawohl. Mein Manschettenhemde hab' ich mir angezogen
-und habe mir angetan im Schmucke sämtlicher
-Orden und Ehrenzeichen. Nu wollen wir mal sehn, ob
-ein alter Krieger noch was gilt in seinem Vaterlande.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(ängstlich)</i></p>
-
-<p>Was hast du vor, Vater?</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Zuerst bejeb' ich mir zum Alten und frag' ihn auf
-Ehr' und Jewissen: Wer is der Kerl? Was is der
-Kerl? ... Und wenn er in meinen unjewissen Zustande
-mir sollte &mdash; <i>(bemerkt Biegler)</i> was &mdash; was &mdash; was &mdash; was is
-denn das? Is das &mdash;?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Vater, hier darf jeder sein Bier trinken, der zum
-Platz gehört. Weißt du das nich?</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(halblaut zu Lore)</i></p>
-
-<p>Was mischst du dich da eigentlich immer 'rein?</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Was man so sagt, der Wiedehopf, der läßt in sein
-eigenes Nest 'reinschmutzen, aber wenn du willst mein
-Fleisch und Blut sein &mdash; <i>(in ausbrechender Wut)</i> Kerl, dir werd'
-ich platt schmeißen! Dir bind' ich 'n Mühlstein um'n
-Hals, dir, dir ... Blut muß fließen, du Hund, du blutiger
-Hund!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(gequält)</i></p>
-
-<p>Fräulein, soll ich nu immer noch länger hier bleiben?
-Ich denk', nu is genug.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_118" id="Seite_118">[S. 118]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(halblaut zu Lore)</i></p>
-
-<p>Nanu? Was geht dich dem Kerl sein Hierbleiben an?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Vater, tu, was du willst, aber hier in der Kantine
-fang keinen Zank an. Sonst mußt du 'raus.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b> <i>(leise)</i></p>
-
-<p>Sieh mal, wie sie sich auf dem seine Seite schmeißt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b></p>
-
-<p>Hat sie ganz recht.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Jawohl. Ich geh' schon. &mdash; Ich werde schon in geeignete
-Erfahrung bringen, wer, wer <i>(mit geballter Faust)</i> und
-wer Blut vergießt, deß &mdash; Blut &mdash; muß &mdash; &mdash; ich geh'
-schon, ich geh' schon. Guten Abend, die hochgeehrte Gesellschaft.
-<i>(Ab)</i></p>
-
-
-<h3>Achte Szene</h3>
-
-
-<p class="directive1"><span class="gesperrt">Die Vorigen</span> ohne <span class="gesperrt">Eichholz</span></p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(leise zu Lore)</i></p>
-
-<p>Hast du etwa Durchsteckereien mit dem?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(wendet sich ab)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(verbissen)</i></p>
-
-<p>Sieh mal an! <i>(Kehrt auf seinen Platz zurück)</i> Na, lassen wir
-uns nich die Laune verderben. <i>(Ergreift die Mandoline, in
-neuem Argwohn)</i> Freilich, wissen möchte man doch.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_119" id="Seite_119">[S. 119]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b></p>
-
-<p>Halt bloß Ruhe, Eduard.</p>
-
-<p class="actor"><b>Die Anderen</b></p>
-
-<p class="directive2">(die am Steinmetztische sitzen, stimmen ihm bei)</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(an der Mandoline zupfend)</i></p>
-
-<p>Na also, was soll ich euch singen? Ich weiß 'ne
-Menge schöne Lieder, die mir die schönen Weiber dort
-unten in schönen Stunden beigebracht haben ... denn die
-Weibsleut' da unten! Überhaupt die Weibsleut', Kinder!
-Wenn man da nich feste 'ranjeht! <i>(Beiläufig, herablassend)</i>
-Ach, bringen Sie mir doch noch 'n Glas Bier, Fräulein
-Lore.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(bebend vor Erregung, holt sein leeres Glas)</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Du fragtest vorhin, warum der Alte heute so süß
-mit mir war. Ja, mein geliebter Sohn, Glück bei den
-Weibsleuten muß der Mensch haben. Das is der Ausschlag
-beim Rosinenhandel ... Danke, mein Fräulein, danke,
-danke, danke! <i>(Singt und spielt)</i> »<span class="antiqua">Vè quà una giardiniera, si
-chiama Luisella, da sovra all'Arenella</span>« &mdash; <i>(Abbrechend)</i> Sagt
-mal, Herrschaften, wie wär's, wenn ich zur Abwechslung
-mal so euer Chef würde hier auf diesem Steinmetzplatz?</p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b></p>
-
-<p>Was is das wieder für 'n fauler Witz?</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Ja, das Leben macht manchmal so 'ne faulen Witze.
-Wenn ich da Jimm drauf hätte. Die Puckligen sind zwar<span class="pagenum"><a name="Seite_120" id="Seite_120">[S. 120]</a></span>
-nich gerade mein Jeschmack, aber wenn so 'n schönes Jeschäft
-dran hängt, kann man ja auch mal beide Augen zumachen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(stößt einen unartikulierten Laut des Abscheus und des Entsetzens aus)</p>
-
-<p class="actor"><b>Sprengel</b> <i>(halblaut)</i></p>
-
-<p>Is 'n Mensch wie 'n Vieh.</p>
-
-<p class="actor"><b>Willig</b> <i>(leise)</i></p>
-
-<p>Läßte nu nich mal mehr die Krüppel in Ruh?</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p class="directive2">(der das allgemeine Murren bemerkt hat, zum Arbeitstisch hinüber)</p>
-
-<p>Riskiert da etwa einer zu mucken? Was?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lohmann</b></p>
-
-<p>Wir sind ja ganz still.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Möcht' ich mir auch ausgebeten haben. <i>(Da Lore, den
-Kopf in den Händen, noch einmal aufstöhnt)</i> Was ist denn hier los?
-Was? Was? Was?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(ist in zitternder Erregung langsam aufgestanden, leise, zaghaft, als traue
-er seinen erwachenden Kräften nicht)</p>
-
-<p>Du Schuft! Du Schuft! &mdash; Du Schuft!</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(fassungslos vor Erstaunen)</i></p>
-
-<p>Was will das Gewächse da?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Du ganz erbärmlicher Schuft!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_121" id="Seite_121">[S. 121]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(Humor heuchelnd)</i></p>
-
-<p>Kinder, der is übergeschnappt. Soll ich den zu Mus
-quetschen? Nehmt mir das nicht übel, aber die Handvoll,
-das lohnt mir nich. Außerdem bin ich's als Steinmetz
-mir und euch schuldig, mich nich mit erst wem &mdash; Prost!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(heiser)</i></p>
-
-<p>Was du bist, bin ich noch alle Tage.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Dem Kerl muß man doch 'ne Zwangsjacke anlegen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ich hab' zum Spaß deine Arbeit getan. Wenn's hell
-is, kann ich's besser.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(aufspringend)</i></p>
-
-<p>Du warst das selber, du verfluchter &mdash;?</p>
-
-<p class="actor"><b>Die Anderen</b> <i>(halten ihn fest)</i></p>
-
-<p>Ruhig, ruhig, ruhig.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Aber das is Nebensache. <i>(Auf Lore weisend)</i> Da &mdash; da
-&mdash; wer steht da? &mdash; Der sagst du <em>das</em> ins Gesicht? &mdash;
-Jeder weiß, daß sie 'n Kind von dir hat. Zum Dank
-verhunzen tust du sie &mdash; schuriegeln tust du sie ... Wirst
-sie &mdash; wirst sie ehrlich machen? Wirst sie ehrlich machen?
-Du nichtswürdiger Schuft! Du!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_122" id="Seite_122">[S. 122]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(der sich zu befreien sucht)</i></p>
-
-<p>Nu laßt doch los. &mdash; Is bloß 'n Floh, der ganze
-Kerl, aber das kost't ihm das Leben. <i>(Reißt sich los und zieht
-den Dolch heraus)</i> Los sag' ich, oder &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Die Anderen</b> <i>(weichen erschrocken zurück)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Du meinst, ich hab' Angst vor deiner einzinkigen Gabel,
-weil alle anderen Angst haben? &mdash; Kraft hab' ich keine,
-Haut und Knochen bin ich vom langen Hungern, aber &mdash;
-<i>(er hat den Klopfstein ergriffen, der auf dem Schanktisch liegen geblieben
-ist, und hebt ihn hoch)</i> &mdash; <em>mit so 'nem Schusterstein hab' ich
-schon einen erschlagen! Mit so 'nem Schusterstein
-hab' ich schon</em> &mdash; &mdash; <i>(große Bewegung)</i> Nu komm mal 'ran,
-wenn du willst. Komm mal 'ran &mdash; komm mal 'ran! <i>(Dringt
-auf Göttlingk ein)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(erschrocken zurückweichend)</i></p>
-
-<p>Na, na, na, na.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Komm 'ran &mdash; oder 'raus da &mdash; 'raus da. &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p><i>(weicht, unverständliche Worte stammelnd, bis zur Tür zurück)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(der ihm gefolgt ist)</i></p>
-
-<p>'raus da! 'raus da!</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Das werd' ich dir &mdash; gedenken. &mdash; <i>(Rettet sich durch die
-rasch geöffnete Tür)</i></p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_123" id="Seite_123">[S. 123]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(sieht sich wirr um und wankt zu seinem Tische zurück. Er sieht verständnislos
-noch einmal um sich, sieht Lore, die schluchzend, mit verhülltem
-Gesicht, abgewandt dasteht, sieht die blassen, entsetzten Gesichter und
-murmelt, wie wenn er langsam zu sich käme)</p>
-
-<p>Was is denn? Was war denn? Was &mdash;? <i>(Sein Gesicht
-verändert sich, er kämpft mit dem Schluchzen und will auf seinem Stuhl
-zusammensinken, rafft sich aber mit letzter Kraft empor, trinkt sein Bier
-aus, setzt seine Mütze auf und schreitet mit geballten Fäusten zur Tür
-zurück; &mdash; sich umwendend wirft er einen fragenden, trotzigen Blick auf die
-ihn regungslos Anstarrenden &mdash; und geht hinaus)</i></p>
-
-<p class="directive1">
-(<span class="gesperrt">Der Vorhang fällt</span>)<br />
-</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_124" id="Seite_124">[S. 124]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h2>Vierter Akt</h2>
-
-
-<p class="directive1">Szenerie des zweiten. Spätabendbeleuchtung. Über den
-Häusern des Hintergrundes ein glühender Streif Abendrot,
-der sich allmählich verliert. Vor der Veranda unter dem
-Fenster der Zarnckeschen Wohnung ein gedeckter Tisch nach
-vollendeter Abendmahlzeit. Das Fenster der Kantine ist erleuchtet.
-Beim Aufgehen des Vorhangs ertönt von irgendwoher
-Biergartenmusik</p>
-
-
-<h3>Erste Szene</h3>
-
-
-<p class="directive1"><span class="gesperrt">Marie.</span> <span class="gesperrt">Zarncke</span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p class="directive2">(in einem Korbstuhl behaglich ausgestreckt, eine Zigarre rauchend)</p>
-
-<p>Siehste, nu is unsre Amsel auch schon schlafen gegangen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Eben sang sie doch noch.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Bald werden sie nu auch im »Gambrinus« Ruhe geben
-mit ihrem Bumbum.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Ach, ich hör's gerne.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ich auch ... Und weißt du, warum? Weil es so
-schön weitab is vom eigenen Leben ... Da sitzen nu die<span class="pagenum"><a name="Seite_125" id="Seite_125">[S. 125]</a></span>
-Menschen in Haufen, stoßen sich, ärgern sich, beneiden sich,
-begehren sich, und fünf aufgequollene Trompeter machen
-Musike zu ... Man is doch wahrhaftig wie der liebe
-Herrgott in seiner Stille ... Sechs Tage hat er an der
-verfluchten Welt 'rumgebastelt, am siebenten hat er aber
-auch <em>gar nichts</em> von ihr wissen wollen. ... Was guckste
-denn immer nach der Lore ihrem Fenster 'rüber?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Ja, Vaterchen, merkwürdig is es doch.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Was denn? ... Daß der Göttlingk da is?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Den ganzen Winter ist er Sonntags nicht einmal bei
-ihr gewesen. Seit seiner Rückkehr nicht. Und plötzlich
-kommt er &mdash; Abends um neune &mdash; von da oben &mdash; die
-Treppe 'runter.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Der Deibel mag wissen, was er da oben zu suchen
-gehabt hat. Aber so käseweiß brauchst du darum doch
-auch nich zu werden, wenn er nu wirklich mal hinter dir
-auftaucht.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(schweratmend)</i></p>
-
-<p>Denk doch, was das für die Lore bedeutet.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Hör mal, Kindchen, hab die Lore lieb! Aber du mußt
-dich nich so 'reinbegeben in das, was rings um uns geschieht.
-Nich mitmachen wollen. Das zehrt dann am<span class="pagenum"><a name="Seite_126" id="Seite_126">[S. 126]</a></span>
-eigenen Leben. Es bleibe jeder in seiner Haut &mdash; und
-jeder hüte den Schlüssel zu seinem Geheimfach ...</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>O, das freilich. Aber &mdash; gestern muß was passiert
-sein bei der Lore drin.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>So? Was denn?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Zwischen dem Nachtwächter und &mdash; und &mdash; Göttlingk.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>So? Hm. Das war ja nu leider vorauszusehn.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(ängstlich)</i></p>
-
-<p>Wieso?</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Sie haben 'rausgekriegt, daß der arme Kerl was pekziert
-hat. Deshalb hab' ich gestern schon den Eichholz
-'rausgeschmissen. Das alte Vieh war ganz rabiat. Irgendwas
-bereitet sich vor gegen den Biegler. Und schließlich
-werd' ich noch klein beigeben müssen. Schad um den &mdash;
-<i>(Schnalzt)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Nein, nein, es scheint was anderes. Was Schlimmeres.
-Viel was Schlimmeres.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>'n Menschen ins Verderben zu jagen is schlimm
-genug ... Von wem weißt du's denn? Von der Lore?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Nein. Das ist es eben, was mich ängstigt. Die geht
-mir heut aus dem Wege, wo sie kann ... Und die Homeyer<span class="pagenum"><a name="Seite_127" id="Seite_127">[S. 127]</a></span>
-macht immerzu Andeutungen. Aber was Rechtes kriegt
-man auch aus <em>der</em> nich 'raus.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na, wenn das Schwatzweib schon sein Maul hält.
-Da wollen wir doch mal gleich &mdash; <i>(Klingelt)</i></p>
-
-
-<h3>Zweite Szene</h3>
-
-
-<p class="directive1"><span class="gesperrt">Die Vorigen.</span> <span class="gesperrt">Frau Homeyer</span></p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p class="directive2">(eine Windlampe in der Hand)</p>
-
-<p>Gotte, Gotte, ich wart' schon immer mit der Lampe ...
-Nein, so im Dunkeln ...! Wie können Sie bloß?</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Sie haben wohl noch nie zu zweien im Dunkeln
-gesessen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Ach nein doch! Mit 'n jungen Mann &mdash; der nimmt
-sich dann so leicht was 'raus &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Und mit 'n alten Mann &mdash; das lohnt nich.</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Aber, Herr &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Sagen Sie mal, Sie, was is denn gestern bei der
-Lore gewesen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Bei der Lore? I, daß ich nicht wüßte.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_128" id="Seite_128">[S. 128]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Sie haben doch meiner Tochter erzählt &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Ich? Ach nein, das muß ein Irrtum sein. Ich, dem
-Fräulein? Und gerade dem Fräulein? I, da müßt'
-ich &mdash; <i>(Nimmt das Tischzeug zusammen)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Aber Frau Homeyer &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(gleichzeitig)</i></p>
-
-<p>Was heißt das: <em>Gerade</em> dem Fräulein?</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Nu ja. Da müßt' ich doch sozusagen eine Schwätzerin
-sein. Und ich bin im Gegenteil immer höchst zurückhaltend
-... Da bin ich bekannt für. Da können Sie alle
-Mannsleute fragen. Da können Sie meine Zeugnisse
-lesen ... Und da soll ich mir gerade <em>hier</em> die Zunge bei
-verbrennen? ... Das kann Ihnen wer anders erzählen,
-Fräulein. Und dann müssen sich auch nichts draus machen.
-... Die Männer sind immer mit dem Maul vorneweg ...
-Ehrbar sein und sein Myrtenbäumchen pflegen, das is
-immer noch das Beste für 'n ältliches Mädchen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Ja, was hab' <em>ich</em> aber mit dem allen zu tun, Frau
-Homeyer?</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Ja, Fräulein Mariechen, der Mensch hat <em>manchmal</em>
-mit was nich zu tun, und kommt <em>doch</em> ins Gerede ...<span class="pagenum"><a name="Seite_129" id="Seite_129">[S. 129]</a></span>
-Von dem Herrn Göttlingk hätt' ich das freilich nicht gedacht.
-Der is sonst immer 'n Kavelier gewesen <i>(verschämt)</i>
-immer so zutraulich &mdash; und, wie gesagt, Kavelier. Aber
-da könnte ja jeder kommen und &mdash; ach, bitte das Sahnentöpfchen
-&mdash; und behaupten, er braucht' bloß die Hand auszustrecken,
-da könnt' er Herr sein auf diesem Steinmetzplatz.
-Ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Was? Was? Was is das?</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Und es glaubt ihm auch keiner. Da können Sie ganz
-unbesorgt sein, Fräulein, das &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Halt! Stopp! 'raus! Weg!</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Aber Herr &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Weg, weg, weg, weg!</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p>Ja, ja, Herrgott!</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Weg!</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p class="directive2">(mit dem Tablette ins Innere ab)</p>
-
-
-<h3>Dritte Szene</h3>
-
-
-<p class="directive1"><span class="gesperrt">Marie.</span> <span class="gesperrt">Zarncke</span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Das haste wahrhaftig um den Lumpen nich verdient,
-Mariechen. Bittst mich noch, ich soll helfen, ihm sein Nest<span class="pagenum"><a name="Seite_130" id="Seite_130">[S. 130]</a></span>
-austapezieren ... Und da traut sich der Kerl überhaupt
-noch hierher? &mdash; Da wollen wir mal gleich &mdash; &mdash; <i>(steht auf)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p class="directive2">(die, ins Leere starrend, regungslos dagesessen hat, fährt auf)</p>
-
-<p>Nein, Vater, nein!</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Was &mdash; nein? Und wie siehste denn aus? &mdash; Ganz
-überird'sch!</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(in hilflosem Bekennen)</i></p>
-
-<p>Vaterchen!</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p class="directive2">(nach einem Schweigen hinter sie tretend)</p>
-
-<p>Miezelchen! <i>(Die Hand auf ihren Scheitel legend, leise)</i> Haben
-sie dir 's Geheimfach aufgebrochen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(aufschluchzend)</i></p>
-
-<p>Nicht ansehn! Nicht ansehn! <i>(Verbirgt das Gesicht in
-seinem Rock)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(sie streichelnd)</i></p>
-
-<p>Also <em>das</em> war's? Und was du da drinnen verschlossen
-hieltst, das wird dir nu da &mdash; <i>(weist zur Kantine)</i> Ja, wie
-geht denn das zu?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(von Schluchzen geschüttelt)</i></p>
-
-<p>Weiß nicht! Weiß nicht!</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na, nu laß doch mal meinen Rock los!</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p class="directive2">(verbirgt das Gesicht um so fester)</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_131" id="Seite_131">[S. 131]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Willst nich? ... Schämst dich so sehr? ... Kannst
-mich gar nich ansehn? Möchtst das Tageslicht nich mehr
-sehn? Möchtst dir womöglich das Leben nehmen noch
-diese Nacht?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(nickt heftig)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(lacht und streichelt sie)</i></p>
-
-<p>Und machst doch nur durch, was jeder durchmachen
-muß, dem 'n Stern vom Himmel 'runterfällt. <i>(Zum Himmel
-weisend)</i> Kiek mal hoch! ... Kannst noch nich? Da sind
-schon 'n paar. Und dahinter noch Milliarden. Sie stehn
-da wie für die Ewigkeit. <em>Und sie fallen alle.</em> Aber
-darum werden wir Menschen nich ärmer ... Höchstens die,
-denen sie als Zwanzigmarkstücke in die Tasche fallen ...
-Die Jugend verliert sich zuerst, aber unser Blick wird
-um so heller ... Die Freunde zerkrümeln sich, aber unsere
-Freundschaft wird alles, was mit uns reden kann, jeder
-Gedanke &mdash; jeder Hund &mdash; jeder Stein ... Na &mdash; und
-die Liebe? &mdash; Dem einen fällt sie in den Schmutz &mdash; wie
-dir, dem anderen zerreibt sie der Alltag; &mdash; rasch oder
-langsam, es is immer dasselbe, &mdash; aber vor der Tür lauern
-schon wieder viele, die wollen sehr liebgehabt sein, und
-die brauchen's den Deiwel wie nötig ... Selbst der Herrgott
-wird uns aus unseren Herzen gerissen, aber unsere
-Herzen schlagen kräftiger ... Kindchen, 's wird noch 'n
-büschen weh tun 'ne Zeit lang ... Scham brennt ...
-Aber seines guten Rechts soll sich der Mensch nicht schämen.
-Und dein Recht war's ... Ja war's ... Wie's mein
-Recht war und ist, dich liebzuhaben und dir zu sagen:
-Halt still ... Die Stillen sind die Klugen ... Und nur
-wer von der Welt <em>weit, weit</em> ab is, der hat sie ganz.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_132" id="Seite_132">[S. 132]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(sich aufrichtend)</i></p>
-
-<p>Vaterchen, hast du das immer gedacht?</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Ich geb' zu, Kindchen, es is 'ne Weisheit für die
-Kranken und die Alten. Aber die, welche die Jungen und
-die Gesunden sich zurechtmachen, is auch nischt wert ...
-Na &mdash; nu schmunzelst du ja wieder &mdash;.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(schluchzt kurz auf)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Nich, nich, nich ... Und komm 'rauf ... Mir is, die
-Tür hat schon 'n paarmal geklappt. <i>(Weist nach der Kantine)</i>
-Da traut sich einer nich an die frische Luft, eh' wir nich
-verduftet sind.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Die arme Lore!</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Nja. Na, komm. <i>(Beide ins Haus ab)</i></p>
-
-
-<h3>Vierte Szene</h3>
-
-
-<p class="directive1"><span class="gesperrt">Eichholz.</span> <span class="gesperrt">Göttlingk.</span> <span class="gesperrt">Lore</span></p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Scht! Du, Göttlingk! &mdash; Sie sind weg!</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(heraustretend)</i></p>
-
-<p>Es war auch hohe Zeit! ... Denn wenn mir jetzt &mdash;
-gewisse Leute in den Weg gerannt wären &mdash; &mdash; na! Also
-übers Aufgebot reden wir noch, Lore!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_133" id="Seite_133">[S. 133]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(die in der Tür geblieben ist, matt, freudlos)</p>
-
-<p>Wie du willst, Eduard.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Dann wollen wir also Schluß machen mit dieser elenden
-Quetsche. Mein Handwerkszeug bringt mir morgen
-der Vater und &mdash; ja, richtig! Die Mandoline gib mir
-doch noch mit.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(verschwindet)</i></p>
-
-<p class="directive2">(Die halboffene Glastür über der Veranda hat sich erhellt. Die Gestalt
-Zarnckes wird dahinter sichtbar)</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(leise)</i></p>
-
-<p>Is das nich der Alte da oben?</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Ja, der schläft da.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Scht! Na, endlich macht er die Türe zu. <i>(Das Rouleau
-wird herabgelassen)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(bringt die Mandoline)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>So ... Vater begleitet mich noch ein Stückschen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(ängstlich)</i></p>
-
-<p>Vater, es wäre wohl besser, du &mdash; &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b> <i>(scheltend)</i></p>
-
-<p>Was heißt das? Was hast du &mdash;?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_134" id="Seite_134">[S. 134]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(gleichzeitig)</i></p>
-
-<p>Nu laß doch Vater! ... <i>(Reicht ihr die Hand)</i> Gute
-Nacht! &mdash; <i>(Da sie in der Türe stehen bleibt)</i> Nu geh nur!
-Geh nur!</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(tonlos)</i></p>
-
-<p>Gute Nacht. <i>(Ab, die Türe hinter sich schließend)</i></p>
-
-
-<h3>Fünfte Szene</h3>
-
-
-<p class="directive1"><span class="gesperrt">Eichholz.</span> <span class="gesperrt">Göttlingk</span></p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Na &mdash; und nu? ... Wir haben drin nich ausreden
-können, weil uns die Lore ewig auf den Hacken saß. Wie
-denkst du nu über 'ne gute Streckschicht für den Kerl?</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Ich bin immer ein ehrenwerter Mann jewesen, ich
-bin ein zuverlässiger Mann jewesen und ein &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Ja, ja, ja, ja!</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Aber sie haben mir die Seele aus dem Leibe gezogen,
-sie haben mir den höllischen Geier, welcher heißt Hadramoth,
-den haben sie mir &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Nu quatsche nich. Komm mal mit 'rüber in die Destillation.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Hier steh' ich, hier jeh' ich nich weg. Sobald der Hund
-kommt, dann stürz' ich mir los auf ihm. Brust gegen
-Brust.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_135" id="Seite_135">[S. 135]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Na und dann?</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Dann? Ich hab' dem Alten gesagt: Herr Zarncke,
-hab' ich gesagt, es gibt &mdash; ein Unglück.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Ja, mit's Maulwerk.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>So? ... <i>(Zögernd)</i> Du, und was is denn mit dem &mdash;
-Block?</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(lauernd)</i></p>
-
-<p>Was für 'n Block?</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Wo du vorhin von sprachst.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Ach so ... Siehst du den da oben im Flaschenzug?</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Wenn da einer die Ketten aushängt, dann steht er
-bloß auf der Kippe. Verstehste? Eine Holzsteife &mdash; die
-kann 'n Kind wegschlagen. &mdash; Und geht dann einer die
-Treppe 'rauf &mdash; <em>muß</em> er die Treppe 'rauf?</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Nu jewiß. Der Alte hat doch dahinter 'ne Kontrolluhr
-aufgestellt. &mdash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_136" id="Seite_136">[S. 136]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Daß da man kein Malheur passiert!</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p class="directive2">(argwöhnisch, will nicht verstehn)</p>
-
-<p>Warum soll &mdash; da gleich &mdash; 'n Malheur passieren?</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Ach so! ... Scht! Is er das nich? <i>(Man hört rechts das
-Schließen einer Tür)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b> <i>(leiser)</i></p>
-
-<p>Nu komm ... Drüben trinken wir noch eins ...
-Kann man da oben irgendwo 'raus?</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Durch die kleine Tür. Immerzu.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p class="directive2">(ihn nach dem Hintergrunde ziehend)</p>
-
-<p>Na denn komm!</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Warum nich hier durchs Tor?</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingk</b></p>
-
-<p>Komm, komm, komm ... Da scheint auch wer zu
-stehn. &mdash; Komm! <i>(Auf einer mittleren Treppenstufe hält er inne)</i> Scht!</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p>Er schließt noch das Sägewerk.</p>
-
-<p class="directive2">(Beide verschwinden links oben. &mdash; Während rechts eine schwere Tür zugeschlossen
-wird, hört man oben das leise Klirren der Flaschenzugketten.
-Dann Stille. Während der folgenden Szene geht der Mond auf)</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_137" id="Seite_137">[S. 137]</a></span></p>
-
-
-<h3>Sechste Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Biegler.</span> Dann <span class="gesperrt">Struve</span>
-</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(mit Schlüsselbund und schwerem Stock, eine Schnarre umgehängt, erscheint
-rechts vorne und geht an dem erleuchteten Kantinenfenster vorbei,
-dann revidiert er das Schloß des Magazins und will zur Tür des Wohnhauses
-hinüber)</p>
-
-<p class="actor"><b>Struves Stimme</b> <i>(vom Haustor her)</i></p>
-
-<p>He! Scht! Nachtwächter! Biegler!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Wer is da?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struves Stimme</b></p>
-
-<p>'n guter Freund!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ich hab' keine guten Freunde.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struves Stimme</b></p>
-
-<p>Struve is da.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Struve kann bei Tage kommen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struves Stimme</b></p>
-
-<p>Mach auf, sonst reiß' ich an de Klingel.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Was is denn? <i>(Er geht aufmachen. Man hört den Schlüssel sich
-drehen. Dann erscheint er zusammen mit Struve)</i> Na?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Fsch! Drinne wär' mer ja nu.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_138" id="Seite_138">[S. 138]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Also was willst du?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Sachte, sachte, sachte! ... Ick jeheer' hier zu's Haus.
-Ick hab' 'n Amt hier ... 'n Vertrauensposten! Jawoll!
-... Da muß ick mir iberfihren können bei Tag und bei
-Nachte ... Ick kann schon jar nich mehr schlafen vor
-lauter Ehrjefihl. Ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Na, schlaf man. Ich geh' ja hier als Wächter.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Det sagste so in deinen Jemiete. &mdash; Aber wenn du
-eines Morjens nicht mehr dabist &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Wieso?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Na, Mensch, Kohlege, wir beid' kennen uns doch. Uns
-haben se doch aus denselben Suppentopp jeangelt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(bitter)</i></p>
-
-<p>Ach so!</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Und diesentwegen biste dir doch klar: Weg mußte hier
-<em>nu doch</em>!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ja. Das bin ich mir klar.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Als du jestern 'raus warst, da haben die Steinmetzen
-noch ne jroße Beratung jehabt. Da haben wer nich zuheeren<span class="pagenum"><a name="Seite_139" id="Seite_139">[S. 139]</a></span>
-derfen. Bloß, daß se morjen früh zum Alten jehn
-werden, das hab' ich noch &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(in bitterer Erregung)</i></p>
-
-<p>Und meinen Austritt fordern?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Wer zufällig fünf Finger hat, kann sich das ja dran
-abzählen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(verbissen, verzweifelt)</i></p>
-
-<p>Ich wart's gar nich ab. Ich geh' alleine.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Da wärste ja auch scheen dumm, wenn du dir &mdash; nich
-vorher schon dinne machen wolltst. &mdash; Und darum bin ick
-eben auch 'n bisken dahinter jewesen. Deiwel auch! Wenn
-man so die Verantwortung hat.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Wofür? Für mich?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Ne &mdash; aber &mdash; <i>(macht Zeichen nach dem Magazin hin)</i> vor
-&mdash; &mdash; Ick kenn' doch 's menschliche Leben. So 'ne Sachen
-die loofen doch jewissermaßen hinter einen her. Janz von
-selber. Wie wenn se Beene hätten. Da kann man jar
-nischt vor.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Was denn? Was denn?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Na, du weißt schon. Aber in so 'ne menschliche Versuchungen
-da muß man eben 'n Freind haben. Mann mit<span class="pagenum"><a name="Seite_140" id="Seite_140">[S. 140]</a></span>
-Ehrjefihl. Und so. Wo einem 'n bisken ins Jewissen
-redt ... Denn der Fallstricke des Teufels sind viele, und
-&mdash; &mdash; was? Wie sagste?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(mit einem kurzen Lachen)</i></p>
-
-<p>Ich sag' jar nischt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Na, nu mal unter uns! &mdash; Wenn du &mdash; und du jehst
-hier weg, wo wirschte denn nu hinmachen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Wer kann das wissen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Nu, setz dir mal bisken hier dal! <i>(Zieht ihn auf den vordersten
-Block)</i> Sieh mal, mir jeht hier ja so weit janz jut.
-Ick bin Verdrauensperson. Und so. &mdash; Aber <em>zu</em> viel Ehre
-kann der Mensch auch nich verdragen. Des drickt aufs
-Jemiet, weißte ... Und weil ich dir nu mal so liebhabe &mdash;
-jewissermaßen, und weil de iberhaupt noch im janzen 'n
-bisken klietrig bist &mdash; weißte! &mdash; &mdash; na? &mdash; Wollen wir
-zusammen uf de Fahrt steigen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Was? Du und ich?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Nu ja. Mit <em>die</em> Ansichten, wo wir beide vons
-menschliche Leben haben &mdash; die <em>haben</em> wir nu mal! Die
-kann uns keiner nehmen. Die einen wälzen sich in'n Jolde,
-wir wälzen uns in'n jrienen Chausseejraben. Tagsüber
-sehn wir mal bisken nach, wo wat los is, Abends saufen
-wir uns 'n verjnichten Teng ins Jesichte. Hier mußte<span class="pagenum"><a name="Seite_141" id="Seite_141">[S. 141]</a></span>
-ewig 'n krummen Puckel machen und dir sauer anhauchen
-lassen und wirscht doch nie mehr im Leben, wat die
-andern sind!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Mensch! Da haste recht!</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Draußen veracht' dir keiner ... Und da biste bloß
-<em>einem</em> Jehorsam schuldig, &mdash; das is der Meilenzeiger
-... Na?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(schaut abschiednehmend um sich, mit hartem Entschluß)</p>
-
-<p>Gut! Wann willst du &mdash; losjehn?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Losjehn? ... Jleich. Uf'n Momang.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(in Erregung)</i></p>
-
-<p>Ich muß doch erst &mdash; mit ihm &mdash; reden ... Muß
-doch kündigen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Ach! Sei doch kein Milchkalb! Wird er dir viel kündigen?
-Und noch eins sag' ich dir: Der Jöttlingk is 'n
-tück'sches Luder. Der verjeßt dir die Blamasche nich. Da
-kannste morjen drei Zoll Stahl ins Leib kriegen, jleich,
-noch auf'n nichternen Magen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(dumpf, entschlossen)</i></p>
-
-<p>Mir is alles egal.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Ne, ne, ne, ne. Komm jleich. Nimm dir in acht.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Zeugnisbuch muß ich haben. Dann komm' ich mit.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_142" id="Seite_142">[S. 142]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Zeichnisbuch? Ick weeß 'ne Penne hier in de Jegend,
-da stempelt dir 'n jewesener Oberjeheimrat de piksten
-Flebben noch heite nacht. Und denn &mdash; wat willste mit
-'n Zeichnisbuch? &mdash; Et steht ja woll jeschrieben: »Ehrlich
-währt am längsten« &mdash; aber 'n tichtiger Spitzbube fährt
-mit vier Hengsten. Und iberhaupt mit die olle Tugend!
-Die schabt sich ab wie 'ne dreck'ge Scheierbürschte. Da
-droppt dir ewig de Nese von wie bei'n kleinen Swienegel
-... Bloß natirlich &mdash; 'n jewisses Anlagekapital &mdash;
-det missen wir haben.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Wozu? Woher?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Det brauchste überall. &mdash; Ohne 'n Parchentlappen
-kannste nich uf de Flohjagd. &mdash; Willste lernen Jold machen?
-Kleinigkeit! Aber natirlich &mdash; wenn de keinen Dukaten
-<em>hast</em>, kannste auch keinen Dukaten beschneiden. Siehste!
-Das is der Witz ... Na, Jott sei Dank, bei uns is ja
-nich wie bei arme Leit' ... Kleines Vermeegen zum Anfangen
-&mdash; und so &mdash; is ja alles da.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ich krieg' noch nich mal 's volle Monatsjehalt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Aber Mensch! &mdash; Bejreifst de denn noch immer nich?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Was denn? Na was denn?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_143" id="Seite_143">[S. 143]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Herrgott! Schon doch 'n bisken mein Ehrjefihl und
-frag nich immer so glup'sch. Aber se sind doch nu mal da.
-Da kann man doch nischt machen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Was? Was? Was?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b> <i>(zaudernd, verlegen)</i></p>
-
-<p>Na &mdash; de &mdash; de &mdash; Diamanten.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Die willst du am Ende &mdash;?</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Die brechen wir doch jetzt jleich aus. Det is doch 'n
-janz reelles Jeschäftsprinzip. Anzeigen kann uns der Olle
-nich mehr. Sonst blamiert er sich. Na?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ach so einer bist du! Na, dann jeh man wieder zu
-Hause.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Du bist wohl 'n Schlamassel?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ich muß jetzt elfe abpfeifen. <i>(Wild)</i> Jeh, oder ich
-pack' dir ins Jenick.</p>
-
-<p class="actor"><b>Struve</b></p>
-
-<p>Na &mdash; denn mach's gut! ... Ick hab' mir aber sehr
-in dir entteischt. Den Vorwurf kann ick dir nich ersparen!
-... Äh! Is nischt mehr los mit's menschliche
-Leben, nich vor und nich hinter de Mauer.</p>
-
-<p class="directive2">(Ab, von Biegler gefolgt. Man hört das Tor auf- und zuschließen)</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_144" id="Seite_144">[S. 144]</a></span></p>
-
-
-<h3>Siebente Szene</h3>
-
-<p class="directive1">
-<span class="gesperrt">Lore.</span> <span class="gesperrt">Biegler</span>
-</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(tritt aus der Kantinentür und lauscht nach links hin)</p>
-
-<p>Vater, bist du's?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ich bin's, Fräulein.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(freudig aufschreckend)</i></p>
-
-<p>Ach Sie sind's ... Haben Sie Vater nich gesehn
-mit &mdash; mit &mdash; noch einem?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Nein.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ach &mdash; 'n paar Augenblicke könnt' ich Sie sprechen
-&mdash; ja?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ich möcht' Sie ja auch noch sprechen, bevor ich ...
-das heißt wenn Sie mir danken wollen etwa &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Danken darf ich Ihnen wohl noch nich mal! Weiß
-Gott, Herr Biegler, ich wollt' Ihnen so gerne helfen.
-Das war meine einzigste Absicht. Statt dessen haben Sie
-mir geholfen. Nu helfen Sie mir auch weiter. Ich weiß
-nicht aus, nicht ein.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Was is denn nu?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Er &mdash; war &mdash; eben da.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_145" id="Seite_145">[S. 145]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Aha ... Na, wann wird Hochzeit sein?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(schweigt)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Oder will er noch immer nich?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ja, ja, er will ... Er sagt wenigstens, er will ...
-In Arbeit kommt er nich mehr zurück.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>So? Ei, ei!</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Aber sobald er was andres gefunden hat, sagt er &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Das kann ihm ja nich fehlen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Herr Biegler, sagen Sie mir, is denn das möglich? &mdash;
-Man hungert, man hungert nach seinem Glück, jahrelang
-&mdash; und wie man's endlich hat &mdash; <em>so</em>, zwischen seinen
-zwei Händen, da is es mit einem Mal keins mehr, da
-<em>will</em> man gar nich mehr, da is man satt, satt. Satt is
-man. Satt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Wer satt is, soll nich essen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ich kann doch nicht »nein« sagen zu ihm ... Das
-is doch Wahnsinn. Da drin schläft doch mein Lenchen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_146" id="Seite_146">[S. 146]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(erregt, verbissen)</i></p>
-
-<p>Mancher Mann wär' glücklich, Ihr Lenchen auf dem
-Schoß zu halten.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(erschrocken)</i></p>
-
-<p>Herr Biegler, so etwas darf ich nich denken. Das is
-Sünde.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Sünde is, wenn man sich mit sehenden Augen ins
-Unglück stürzt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Das sagen Sie heute, und gestern &mdash; haben Sie
-Stellung und alles &mdash; haben Sie hingegeben &mdash; bloß &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Gott weiß, wie alles kommt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ach, wenn ich reden dürfte! Ich glaub' ihm ja nichts
-mehr. Ich laure bloß immer: Was für 'n Hintergedanken
-hat er nu? Mit Vater hat er im Winkel gesessen, weit
-weg, damit ich nichts hören soll ... Es war da die
-Rede von &mdash; Gott, Sie wissen ja, wie Vater is. Nu
-hebt mich die Angst, daß er ihm irgend was Schlimmes
-einredet.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Wem kann der alte Mann denn was tun?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Vielleicht irr' ich mich auch. Ach, sagen Sie mir,
-was soll ich? Ich kann ja nich mehr los von ihm. Ich
-bin jahrelang wie sein Hund zu ihm gewesen. Ich kann
-ja nich mehr los von ihm.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_147" id="Seite_147">[S. 147]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ja, wenn Sie nich <em>können</em>.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ach, lieber Herr Biegler, helfen Sie mir.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Helfen! Ich weiß mir alleine nich zu helfen!</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ach, Sie sind stark. Das weiß ich seit gestern. Sie
-können, was Sie wollen! Sie &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Hähähähä! Weil ich 'n Stein gefunden hab' zur richtgen
-Zeit. Ich will <em>nich</em> bald wieder auf 'ner dreckigen
-Pritsche liegen, Pennbruder rechts, Pennbruder links &mdash;
-wenn nichts Schlimmeres &mdash; und mir die Augen aus dem
-Kopf brennen vor &mdash; &mdash; <em>und muß doch</em>.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Sie können doch auch da gehn, wo Sie hingehören.
-Zu Ihresgleichen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Das <em>is</em> meinesgleichen, Fräulein Lore. Irren sich
-nich. &mdash; Da <em>gehör'</em> ich hin ... Aus <em>der</em> Welt, wo Sie
-sind, da bin ich 'raus. Wo ich lebe, da is Krätze und
-Fuselgestank, da spuckt man sich auf die wunden Füße,
-weil man kein Geld zu Salbe hat, da verkauft man seine
-ewige Seligkeit um ein gefälschtes Stück Attest.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Aber noch sind Sie doch hier.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_148" id="Seite_148">[S. 148]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Schon so gut wie nich mehr. Morgen früh geh'
-ich weg.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Aber warum denn? Warten Sie doch ab!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ich wart' gar nichts mehr ab. Nichts Gutes, nichts
-Böses. &mdash; Ich geh' auf alle Fälle ... Nu sie aus meinem
-eigenen Munde wissen, was für einer ich bin, nich einen
-Tag mehr ... Dies is bloß wie 'n schöner Traum gewesen.
-Der is nu aus ... Ach, bangen werd' ich mich
-schon sehr ... Ja, <em>die Nächte</em>, wenn der Mondschein
-überall auf den Blöcken liegt ... Da &mdash; sehn Sie,
-da ... Bei Tag sind sie man grau ... Aber Nachts
-wie Carrara ... Manchmal bin ich so 'rumgegangen und
-hab' <em>einen</em> gestreichelt und den <em>andern</em> gestreichelt und
-hab' gedacht: »Wer wird dich mal behauen &mdash; der Glückliche!«
-... Und wenn dann erst alles ganz still wird
-&mdash; ringsum auf den Straßen, &mdash; dann sitzt man mitten
-in der Welt wie in einem schönen, warmen Mantel &mdash;
-ganz ruhig und ganz &mdash; &mdash; ich sagt's Ihnen schon gestern
-&mdash; aber das kommt erst viel später gegen Mor &mdash; &mdash; <i>(Hält
-lauschend in ängstlicher Spannung inne)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Was is?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(Man hört links Gelächter von Frauenstimmen und Singsang &mdash; scheinbar
-sich entfernend)</p>
-
-<p>Horchen Sie! Horchen Sie!</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Nun ja. Da lachen 'n paar auf der Straße. Was
-is denn dabei?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_149" id="Seite_149">[S. 149]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(leise)</i></p>
-
-<p>Das sind die Mädchen, die unter Aufsicht stehn. Die
-ziehen hier in die Runde &mdash; von elfe ab &mdash; immer ums
-Straßenkarree 'rum &mdash; bis gegen Morgen. <i>(In Angst)</i> Solang
-ich die lachen hör', da &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Was haben Ihnen denn die armen Weiber getan?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(leise, geheimnisvoll)</i></p>
-
-<p>Sie is drunter. Ja, sie, sie ... die geht jetzt auch
-so 'rum.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Woher wissen Sie das?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ich hab' &mdash; sie &mdash; getroffen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(erschrocken)</i></p>
-
-<p>Hier draußen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ne ... Bevor ich herkam. Oben im Norden ...
-Wenn sie mich gesehn hätt' &mdash; ich hab' mich bloß geschämt,
-weil ich so abgerissen war, sonst &mdash; weiß Gott, was ich
-jetzt schon wär' ... <i>(Er schaudert)</i> Ja, der Hunger kann viel ...
-Na &mdash; werden ja sehn!</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(erschüttert)</i></p>
-
-<p>Aber Sie haben doch Ihren guten Willen, Sie &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Was is guter Wille? Mein guter Wille sind Sie gewesen,
-Sie und der komische alte Mann da drin. Von jetzt
-ab hält mir keiner mehr die Stange hin. Aber gedenken<span class="pagenum"><a name="Seite_150" id="Seite_150">[S. 150]</a></span>
-werd' ich's Ihnen &mdash; bis &mdash; ... Fräulein Lore, es is mein
-letzter Dienst heute. Ich hab' die Elf-Uhr-Runde noch nich
-gemacht.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(sich ängstlich umschauend)</i></p>
-
-<p>Ach &mdash; noch &mdash; noch &mdash; Wenn ich bloß wüßte, wo er
-Vater hingeschleppt hat ... Ich kann die Angst nich los
-werden, daß, daß &mdash; &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Na, was denn?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ach, nehmen Sie sich vor dem Block in acht &mdash;
-dort &mdash; ja?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ja, ja, der hängt locker, ich weiß ...</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Und bleiben Sie wenigstens im Mondschein. Gehn Sie
-nich ins Finstre &mdash; nein?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(kurz auflachend)</i></p>
-
-<p>Das wär' 'n richtiger Wächter, der sich vorm Finstern
-grault. Und heut bin ich noch einer ... Heut bin ich
-noch Mensch ... Morgen munter &mdash; wieder 'runter &mdash; in
-den Morast ... <i>(Streckt in tiefer Bewegung die Hand gegen sie aus)</i>
-Gut soll's Ihnen gehn, Fräulein Lore ...</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(ohne die Hand zu nehmen)</i></p>
-
-<p>Ja, Herr Biegler, wenn's Ihnen hier so gefällt ...
-Schließlich, wenn's Ihnen die andern verzeihen, warum
-<em>müssen</em> Sie denn durchaus weg?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Wer wird <em>mir</em> verzeihen? ... Die Steinmetzen haben
-ja schon beraten, daß sie morgen zum Alten gehen werden
-&mdash; und &mdash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_151" id="Seite_151">[S. 151]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Nu ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>&mdash; und &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ach, Sie denken wohl ...? Ach, Sie wissen noch
-gar nich ...?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Was is da viel zu wissen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Herr Biegler, die Steinmetzen <em>wollen</em> morgen zum
-Alten gehn &mdash; das is richtig, aber nicht darum, was <em>Sie</em>
-glauben, sondern weil sie ihm sagen wollen, daß sie gerne
-mit Ihnen zusammenarbeiten werden.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(verständnislos)</i></p>
-
-<p>Die Steinmetzen &mdash; wollen &mdash; dem Al&mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ja. Weil Sie ja bewiesen haben, daß Sie vom Fach
-sind, und weil Ihr Auftreten gestern ihnen so gut gefallen
-hat, darum soll Ihr Privatleben keinen mehr was angehn,
-haben sie gesagt.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Die Steinmetzen wollen &mdash; die Steinmetzen wollen
-&mdash; die Steinm&mdash; &mdash; &mdash; Gott, Gott, Gott! ... Die Steinmetzen
-wollen &mdash; ja, warum haben Sie mir das nich schon
-früher gesagt?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Sie sagten doch, Sie warten gar nichts mehr ab ...
-Sie gehen auf alle Fälle.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_152" id="Seite_152">[S. 152]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Wenn die Steinmetzen <em>wollen</em>, warum soll <em>ich</em>
-denn &mdash;? Wenn ich wieder &mdash; ich soll wieder Krönel
-und Scharriereisen in die Hand nehmen? ... Ich soll
-wieder die blaue Schürze &mdash; umbinden &mdash; dürfen? Ich
-soll &mdash; soll &mdash; soll &mdash; wieder die blaue Schürze ... <i>(Heimlich,
-leise, in Angst)</i> Fräulein Lore, ich will Ihnen was anvertrauen.
-&mdash; Aber &mdash; <i>(Legt die Hand auf die Lippen)</i> Ich hab' nämlich manchmal
-solche Anfälle gehabt <i>(wischt sich über die Stirn)</i> in der Anstalt
-... Das find't man dort sehr oft ... Sind Sie ganz
-sicher, daß Sie das eben gesagt haben, daß die Steinmetzen
-&mdash; morgen &mdash; dem Alten &mdash;?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Aber Herr Biegler, ja, ja!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Und Sie glauben auch, es kann &mdash; nichts mehr &mdash;
-dazwischenkommen &mdash; bis morgen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Was sollt' denn das sein?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Nu, daß die Steinmetzen ihren Sinn ändern &mdash; oder
-daß der Alte sagt: »Nein« &mdash; oder daß mir 'n Stein auf'n
-Kopf fällt &mdash; oder, was weiß ich?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(sieht sich erschrocken nach der Treppe um, leise)</p>
-
-<p>Stein auf'n &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(lachend)</i></p>
-
-<p>Ach, wissen Sie, das wär' wirklich schade. Denn ich
-bin immer 'n tüchtiger Arbeiter gewesen ... Ich hab'<span class="pagenum"><a name="Seite_153" id="Seite_153">[S. 153]</a></span>
-schon zwei Preise gekriegt ... Ich bin mal vor der
-ganzen Innung &mdash; bin ich öffentlich belobt worden ...
-Gespart hab' ich auch mal ... Ich hab' mal schon
-acht Mark fünfzig pro Tag verdient ... Ich versteh' auch
-gut in Granit zu arbeiten. Profile und Alles ... Granit,
-das wissen Sie ja, das ist das Härteste ... Dabei scheint
-es einem manchmal wie Gallert ... weicht einem geradezu
-aus. Man kann da mit dem Spitzeisen gar nich 'ran ...
-da muß man &mdash; da muß man &mdash; <i>(vom Glücke überwältigt)</i> Die
-Steinmetzen &mdash; wollen &mdash; mit mir &mdash; &mdash; <i>(sinkt lachend und
-schluchzend auf die Bank, das Gesicht gegen die Mauer gelehnt, leise)</i>
-arbeiten &mdash; mit mir &mdash; arbeiten &mdash; &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(macht mitleidig einen Versuch, seinen Rücken zu streicheln)</p>
-
-<p>Ach Gott! <i>(um ihn zu erwecken, ein wenig ängstlich)</i> Herr
-Biegler! ... Herr Biegler!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(zu sich kommend)</i></p>
-
-<p>Ja, ja, ja, ja! Wo hab' ich meinen Stock &mdash; meine
-Pfeife? ... Ich bin ganz, ganz ... die Kontrolluhren
-hab' ich auch noch nich gestochen! &mdash; Heut darf ich nichts
-versäumen, sonst ... Hahaha &mdash; hahahaha! Adieu, Fräulein
-Lore. Ich komm' bald wieder.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Wo wollen Sie hin, Herr Biegler?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Runde machen &mdash; nach oben &mdash; die Treppe 'rauf ...</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(leise)</i></p>
-
-<p>Gehn Sie nich, Herr Biegler. Nich die Treppe 'rauf!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_154" id="Seite_154">[S. 154]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Warum denn nich? Haben Sie immer noch Angst
-vor dem Block?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(in wachsender Angst)</i></p>
-
-<p>Gehn Sie nich, Herr Biegler! Wenn Sie sich freuen
-auf Ihr künftiges Leben &mdash; wenn Sie den Krönel wirklich
-noch mal führen wollen &mdash; wenn Sie &mdash; ... <em>Mein Kind</em>
-hat Ihnen das erste Willkommen gesagt, das hat Ihnen
-Glück gebracht &mdash; darum ... ach, gehn Sie nich! Gehn Sie
-wo anders, aber da <em>nicht</em>!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Fräulein Lore, Sie werden ja wohl Ihre Gründe
-haben &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>J, ja, ja, ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Aber sein Sie ganz ruhig! Nu kann geschehn, was
-will! Mir tut keiner mehr was. Jetzt nich mehr. Nee.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(entschlossen)</i></p>
-
-<p>Dann komm' ich mit.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Gut! Kommen Sie mit. Gehn wir alle beide nachtwächtern!</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(ruft hinauf)</i></p>
-
-<p>Is da einer oben? <i>(Schweigen)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Na sehn Sie!</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(leise)</i></p>
-
-<p>Herr Biegler, wenn wir die Treppe 'raufgehn, dann
-fassen Sie mich mal um den Leib. Ganz fest.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_155" id="Seite_155">[S. 155]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ich soll Sie umfassen? Das is doch nich Ihr Ernst?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(umschlingt ihn rasch, mit erhobener Stimme)</p>
-
-<p>So werden wir jetzt die Treppe 'raufgehn. Und dann
-wollen wir doch mal sehen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholzens Stimme</b> <i>(von oben)</i></p>
-
-<p>Wirste weg da, du &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingks Stimme</b></p>
-
-<p>Scht!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Nanu! Was is denn <em>das</em>? <i>(Er reißt sich los und springt
-blitzschnell die Treppenstufen hinan. &mdash; In demselben Augenblicke stürzt
-dicht hinter ihm der Block mit Getöse herunter, prallt gegen die Stufen und
-zerschellt am Boden. Eine Staubwolke wirbelt auf. Man hört oben das ängstliche
-Granzen des alten Eichholz und ein Stöhnen wie von Ringenden)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(ist mit einem Schreckensruf zurückgewichen und schreit, sinnlos vor Angst,
-in das Dunkel hinauf)</p>
-
-<p>Tu ihm nichts, Eduard. Ich zeig' dich an. Ich zeig'
-dich an. Ich zeig' dich an.</p>
-
-<p class="actor"><b>Göttlingks Stimme</b></p>
-
-<p>Schrei nich, du Frauenzimmer! <i>(Man sieht seine Gestalt nach
-links hin flüchten und verschwinden)</i></p>
-
-
-<h3>Achte Szene</h3>
-
-
-<p class="directive1"><span class="gesperrt">Lore.</span> <span class="gesperrt">Biegler.</span> <span class="gesperrt">Eichholz.</span> Später <span class="gesperrt">Zarncke.</span> <span class="gesperrt">Marie.</span>
-<span class="gesperrt">Frau Homeyer.</span> <span class="gesperrt">Zwei Dienstmädchen</span></p>
-
-<p class="actor"><b>Stimmen von der Straße her</b> <i>(durcheinander)</i></p>
-
-<p>Was ist da los? Was is da geschehn? Da is Mord
-und Totschlag ... Macht doch mal auf! ... Aufmachen! &mdash;
-<i>(Man rüttelt am Tor)</i></p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_156" id="Seite_156">[S. 156]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(führt unterdessen den Alten die Treppe herab)</p>
-
-<p>Vorsicht! ... Da sind Stufen zerbrochen. &mdash; Vorsicht! &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b> <i>(betrunken weinend)</i></p>
-
-<p>Ich bin unschuldig. Ich hab' nichts getan ...</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(ihnen entgegen)</i></p>
-
-<p>Um Gottes willen, Vater!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(gibt den Alten, der sich nicht aufrecht halten kann, an Lore und ruft nach
-links hinübergehend atemlos)</p>
-
-<p>Was wollen Sie hier? 'n Stein is 'runtergefallen.
-Weiter nichts ... Weiter is nichts. &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Die Stimmen</b> <i>(durcheinander)</i></p>
-
-<p>Nu machen Sie doch mal das Tor auf ... Wollen
-mal nachsehen.. Geschwindelt wird nicht ... Aufmachen!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Hier wird nichts aufgemacht. Gehen Sie Ihrer Wege!
-<i>(Pfiffe. Gelächter. Abgerissene Rufe. Dann allmählich Stille)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p class="directive2">(der von Lore zu dem vordersten Block geführt wird, wo er sich niedersetzt,
-derweilen weitergranzend)</p>
-
-<p>Ich bin nu auch 'n Mörder. Ich komm' nu aufs
-Schafott.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p class="directive2">(hat derweilen Licht gemacht, das Rouleau hochgezogen und die Glastür
-geöffnet, dann tritt er im Schlafrock auf den Balkon hinaus)</p>
-
-<p>Was is da unten? Is da ein Unglück geschehn?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(mit flehender Gebärde zu Biegler hin)</p>
-
-<p>Ach bitte, bitte!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_157" id="Seite_157">[S. 157]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Bekomm' ich keine Antwort?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(nach Atem ringend, mit zitternder Stimme)</p>
-
-<p>Der Oberkirchner Sandsteinblock links an der Treppe
-is vom Stapel gefallen, Herr Zarncke.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Wie hat denn das passieren können?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Er stand auf Hochkant im Flaschenzug. Da haben
-sich wohl die Ketten gelockert.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Und was klagt der alte Eichholz so? Hat er sich
-verletzt?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(Angst und Erregung niederzwingend, mit geheuchelter Ruhe)</p>
-
-<p>Er hat sich wohl 'n bißchen weh getan ... Aber
-schlimm is es nicht, Herr Zarncke.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na wenn's weiter nichts is.</p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b> <i>(wird allmählich still)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b></p>
-
-<p class="directive2">(in Nachtjacke mit einem dunkeln Tuch darüber, ist mit zwei Mägden hinter
-sich auf die Veranda hinausgetreten)</p>
-
-<p>O Gott, o Gott, o Gott, da is gewiß 'n Malheur
-passiert.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b> <i>(herunterrufend)</i></p>
-
-<p>Nichts is passiert. Geht mal alle ins Haus zurück!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_158" id="Seite_158">[S. 158]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p class="directive2">(die während des Vorigen in dem &mdash; gleichfalls erhellten &mdash; Fenster des
-Wohnzimmers erschienen ist)</p>
-
-<p>Du, Lore, komm mal her zu mir.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(geht zu ihr)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b> <i>(derweilen)</i></p>
-
-<p>Da is sicher wieder 'n fremder Mann bei der Lore
-gewesen. Da möcht' ich jeden heiligen Eid drauf schwören.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na, wird's bald?</p>
-
-<p class="actor"><b>Frau Homeyer</b> <i>(mit den Mägden ab)</i></p>
-
-<p>Ja, ja, ja, geh' schon. Herrgott, ja.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(leise)</i></p>
-
-<p>Was schriest du da vorhin? Und zu wem?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(bebend)</i></p>
-
-<p>Ich?</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Ich war wach. Mich täuschst du nicht.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Mariechen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Vaterchen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Geh nu man auch zu Bett. Den Schaden können
-wir uns morgen besehn. Das heißt, dem Willig werd'
-ich aufs Dach steigen. Haben sich wohl tüchtig erschreckt,
-Biegler &mdash; was?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_159" id="Seite_159">[S. 159]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(noch immer zitternd in Erregung)</p>
-
-<p>Ach &mdash; nich sehr &mdash; Herr Zarncke.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p>Na denn: Gute Nacht, Kinder.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Gute Nacht, Herr Zarncke.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(gleichzeitig)</i></p>
-
-<p>Gute Nacht, Vaterchen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Zarncke</b></p>
-
-<p class="directive2">(geht ins Zimmer zurück und schließt die Glastür)</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(leise)</i></p>
-
-<p>Morgen erzähl' ich dir alles. Es is viel geschehn seit
-gestern.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b></p>
-
-<p>Aber doch nur Gutes?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b> <i>(fest)</i></p>
-
-<p>Ja. Weiß Gott.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(in wehmütiger Güte)</i></p>
-
-<p>Na, dann freut's mich auch. Gute Nacht.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Gute Nacht, Mariechen.</p>
-
-<p class="actor"><b>Marie</b> <i>(schließt das Fenster. Ab)</i></p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_160" id="Seite_160">[S. 160]</a></span></p>
-
-
-<h3>Neunte Szene</h3>
-
-
-<p class="directive1"><span class="gesperrt">Lore.</span> <span class="gesperrt">Biegler.</span> <span class="gesperrt">Eichholz</span></p>
-
-<p class="directive2">(Fenster und Glastür verdunkeln sich. Die Stimmen der Straße haben sich
-allmählich verloren. Mitternachtsstille)</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p class="directive2">(sinkt, von den Folgen der ausgestandenen Erregung überwältigt, auf die
-Bank und atmet schwer)</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Was is Ihnen, Herr Biegler? Sind Sie ganz heil
-geblieben? Is Ihnen auch nichts geschehn?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ich muß mich bloß &mdash; 'n bißchen verschnaufen ...
-ich bin ganz ...</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Aber Sie rangen doch mit ihm? Hat er Ihnen da
-nichts getan?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Er hat nich mal mehr so viel Courage gehabt, seinen
-Dreikantigen zu ziehn. &mdash; Na, kommen Sie noch immer
-nich los von ihm?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(mit einer wilden Gebärde des Befreitseins)</p>
-
-<p>Ach!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Ja. Dem sein Hund sind Sie <em>gewesen</em>, scheint mir.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Und meinen alten Vater so zu &mdash; der Schuft! ...
-Vater! Du mußt zu Bett gehn, Vater!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_161" id="Seite_161">[S. 161]</a></span></p>
-
-<p class="actor"><b>Eichholz</b></p>
-
-<p class="directive2">(antwortet nicht, atmet tief im Schlafe)</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Gott! &mdash; Nu sehn Sie bloß!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Schläft er am Ende?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p><em>Dem</em> werden Sie doch nichts nachtragen?</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Wenn er mir nichts nachträgt. Hahaha.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Herr Biegler!</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Was, Fräulein Lore?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Ich kann nichts sagen &mdash; mir ist das Herz so &mdash; ich
-kann nicht ...</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b></p>
-
-<p>Aber die Hand können Sie mir geben. <i>(Streckt ihr die
-Hand entgegen)</i> Wenn die nu wieder rein wird, dann sind
-Sie schuld.</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p class="directive2">(weist kopfschüttelnd nach dem Balkon)</p>
-
-<p>Unser Alterchen da oben is schuld.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(seine Hand in der ihren)</i></p>
-
-<p>Ja, wie's auch wird, dem wollen wir danken ...
-Scht! ... Schlägt's da nich zwölfe? <i>(Man hört die ferne</i><span class="pagenum"><a name="Seite_162" id="Seite_162">[S. 162]</a></span>
-<i>Turmuhr schlagen)</i> Wahrhaftig! Nu muß ich aber wirklich
-mal Runde machen und abpfeifen ... Sonst bin ich ja gar
-nich wert, daß ... <i>(Lacht leise und glücklich)</i> Gute Nacht, Fräulein
-Lore!</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Gute Nacht, Herr Biegler.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(am Fuß der Stufen)</i></p>
-
-<p>Na, nu kann ich ja wohl ruhig die Treppe 'rauf?</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p><em>Der</em> kommt nie wieder. &mdash;</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(von den Stufen her)</i></p>
-
-<p>Gute Nacht!</p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Gute Nacht.</p>
-
-<p class="actor"><b>Biegler</b> <i>(verschwindet nach rechts)</i></p>
-
-<p class="actor"><b>Lore</b></p>
-
-<p>Vater! ... Nu mußte aber wirklich schlafen gehn,
-Vater. <i>(Der Alte rührt sich nicht. Man hört Biegler dreimal kurz pfeifen)</i>
-Vater, hörst du, wie er pfeift? <i>(Biegler pfeift &mdash; wieder von weiter
-her)</i> Vater, das Glück pfeift! Das Glück pfeift! <i>(Sie sinkt
-schluchzend vor dem Alten nieder, das Gesicht an seinem Knie verbergend.
-Der Alte schläft fort. &mdash; Das Pfeifen Bieglers tönt leiser, je weiter er
-sich entfernt)</i></p>
-
-<p class="directive2">(<span class="gesperrt">Der Vorhang fällt langsam</span>)</p>
-
-<div class="figcenter" style="width: 100px;">
-<img src="images/162_deco.png" width="100" height="43" alt="" />
-</div>
-
-
-<div class="transnote pagebreak">
-<h2>Anmerkungen zur Transkription</h2>
-
-Inkonsistenzen wurden beibehalten, wenn beide Schreibweisen
-gebräuchlich waren, wie:
-
-<ul class="index">
-<li>anderen &mdash; andern</li>
-<li>besehen &mdash; besehn</li>
-<li>danach &mdash; darnach</li>
-<li>Gehen &mdash; Gehn</li>
-<li>sehen &mdash; sehn</li>
-</ul>
-
-
-Interpunktion wurde ohne Erwähnung korrigiert.
-Im Text wurden folgende Änderungen vorgenommen:
-
-<ul class="index">
-<li>S. 31 »teilnahmlos« in »teilnahmslos« geändert.</li>
-<li>S. 66 »austapenzieren« in »austapezieren« geändert.</li>
-<li>S. 71 »verschüchert« in »verschüchtert« geändert.</li>
-<li>S. 76 »pike-pikefeiner« in »pikefeiner« geändert.</li>
-<li>S. 130 »umso« in »um so« geändert.</li>
-<li>S. 156 »der Lore von« in »der von Lore« geändert.</li>
-</ul>
-
-</div>
-
-
-
-
-
-
-
-
-<pre>
-
-
-
-
-
-End of Project Gutenberg's Stein unter Steinen, by Hermann Sudermann
-
-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK STEIN UNTER STEINEN ***
-
-***** This file should be named 62132-h.htm or 62132-h.zip *****
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diff --git a/old/62132-h/images/006_deco.png b/old/62132-h/images/006_deco.png
deleted file mode 100644
index 6ffc13f..0000000
--- a/old/62132-h/images/006_deco.png
+++ /dev/null
Binary files differ
diff --git a/old/62132-h/images/162_deco.png b/old/62132-h/images/162_deco.png
deleted file mode 100644
index c1a5790..0000000
--- a/old/62132-h/images/162_deco.png
+++ /dev/null
Binary files differ
diff --git a/old/62132-h/images/cover.jpg b/old/62132-h/images/cover.jpg
deleted file mode 100644
index 2fbce2b..0000000
--- a/old/62132-h/images/cover.jpg
+++ /dev/null
Binary files differ
diff --git a/old/62132-h/images/signet.png b/old/62132-h/images/signet.png
deleted file mode 100644
index 3d7e8f3..0000000
--- a/old/62132-h/images/signet.png
+++ /dev/null
Binary files differ