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diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes new file mode 100644 index 0000000..6833f05 --- /dev/null +++ b/.gitattributes @@ -0,0 +1,3 @@ +* text=auto +*.txt text +*.md text diff --git a/12636-0.txt b/12636-0.txt new file mode 100644 index 0000000..4c0acae --- /dev/null +++ b/12636-0.txt @@ -0,0 +1,12977 @@ +*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 12636 *** + +[Illustration: Katharina von Bora + +nach dem Gemälde von Lucas Cranach im Museum zu Schwerin + +Phot. F. u. O. Breckmann Nachf., Dresden. + +Verlag Georg Reimer, Berlin.] + + + + +Katharina von Bora + + +Geschichtliches Lebensbild + +von D. Albrecht Thoma + + +Berlin + +Druck und Verlag Georg Reimer. + +1900. + + + + +Vorwort. + + +In dem „Leben Luthers“ bietet das Kapitel „Luthers Häuslichkeit“ als +freundliche Idylle ein liebliches Ausruhen von den dramatischen Kämpfen +und dem epischen Gange einer reformatorischen Wirksamkeit. Die Briefe an +eine „liebe Hausfrau“ sind unter den Tausenden seiner Episteln die +schönsten und originellsten. Dafür liegt der Grund doch nicht allein in +dem reichen Gemüt und dem geistvollen Humor des großen Mannes, sondern +auch in der Persönlichkeit seiner lebhaften, temperamentvollen Gattin. +Es muß doch eine bedeutende Frau gewesen sein, die der große Mann als +seine Lebensgefährtin zu sich emporhob und die sich getraute, die Gattin +des gewaltigen Reformators zu werden und der es gelungen ist, ihm zu +genügen; und ein sympathischer Charakter mußte das sein, an dem er seine +frohe Laune so schön entfalten konnte. Sie hat ihrem Doktor das schöne +Heim geschaffen und das vorbildliche evangelische Pfarrhaus. Und so lebt +auch Luthers Käthe als die Genossin von dem Liebling und Stolz unserer +Nation in der Seele des deutschen Volkes in gutem Gedenken. + +Es kann nun auffallen, daß eine eigentliche Lebensgeschichte der Gattin +Luthers bisher noch gar nicht erschienen ist, daß fast mehr +schmähsüchtige Feinde, wie vor hundertfünfzig Jahren ein Engelhard, ihre +wenig lauteren Künste an dieser Aufgabe geübt haben; und besonders ist +zu verwundern, daß in dem letzten halben Jahrhundert, diesem so +hervorragend historischen Zeitalter, — seit den beiden gleichzeitig +erschienenen quellenreichen Skizzen von _Beste_ und _Hofmann_ — keine +Biographie entstand, nicht einmal für dieses Jubiläumsjahr ihres +vierhundertjährigen Geburtstages. + +Der Grund dieser eigentümlichen Erscheinung liegt aber doch klar. Einmal +wird eben in „Luthers Leben“ das Bild Katharinas von Bora stets mit +hineingemalt; sodann ist es schwierig, neben der gewaltigen Gestalt +ihres Gatten sie recht zur Geltung kommen zu lassen; endlich ist eine +mühsame Kleinarbeit erforderlich, um eine lebensvolle Zeichnung zu +entwerfen, und überraschende Entdeckungen sind bei aller Findigkeit hier +nicht zu machen. + +Dennoch verdient Luthers Käthe — so viel das geschehen kann — für sich +besonders betrachtet zu werden, wie ja ihr Bild so oft für sich neben +demjenigen des großen Doktors gemalt ist. Ist Frau Käthe freilich nichts +ohne den D. Martinus, so kann man doch auch fragen: Was wäre Luther ohne +seine Käthe? Dem Lebensbilde des großen Reformators fehlte das +menschlich Anziehende, fehlten die vor allem uns Deutschen ausbrechenden +gemütlichen Beziehungen des Familienlebens. Und das hat Frau Käthe ihm +geschaffen. Ihr ist es zu verdanken, daß die Welt ihn so lange, und so +lange in geistiger Frische und freudigem Arbeitseifer gehabt hat. + +So mag es ein Denkmal sein, und — wie es der schlichten deutschen +Hausfrau geziemt — ein anspruchsloses, was ihr hier zu ihrem +vierhundertjährigen Gedächtnistage gesetzt ist. + + + + +Inhaltsverzeichnis. + + +1. Katharinas Herkunft und Familie. + +Sachsen und Meißen +Bora +Lippendorf +Eltern und Brüder +„Muhme Lene“ und Maria v. Bora +Armut der Familie +Der Eltern Tod + + +2. Im Kloster + +„Ehrsame“ Jungfrauen +Adelige Stifter +Klosterkinder +Nimbschen +Klosterfrauen +Klausur +Würden +Klostergenossinnen +Die Novize +Kloster-Regel +Erziehung +Die Postulantin +Einsegnung +Tagewerk +Reliquien +Ablaß +Kloster-Erlebnisse +Nonnen-Beruf + + +3. Die Flucht aus dem Kloster + +Luthers Schriften über Ablaß, gute Werke, Klostergelübde +Vermittelung der Schriften +Leonhard Koppe +Austrittsgedanken +Die Verwandten +Klagebrief an Luther +Bedenken +Flucht-Plan +Das Entkommen aus dem Kloster +Die Flucht +Offener Brief an Koppe, „daß Jungfrauen Kloster göttlich verlassen mögen“ +Der Abt von Pforta +Neue Entweichungen + + +4. Eingewöhnung ins weltliche Leben + +Versorgung der Klosterjungfrauen +Katharina bei Reichenbach +Hier. Baumgärtner +D. Glatz + + +5. Katharinas Heirat + +Luther drängt zur Ehe +Verehelichung von Priestern und Klosterleuten +Luther denkt zu heiraten +Eine Nonne soll's sein +Luthers Werbung +Trauung und Hochzeit +Gäste +Geschenke +Das Fest + + +6. Das erste Jahr von Katharinas Ehestand. + +Im „Schwarzen Kloster“ +Ausstattung +Angewöhnung +Unterhaltung +Bild +„Die erste Liebe“ +Verstimmung der Freunde +Schmähungen der Feinde +Gefahren +Stimmungen + + +7. Katharina als Mutter ihrer Kinder und Hausgenossen. + +Johannes +Elisabeth +Magdalena +Martin, Paul +Margareta +Elternfreuden +Muhme Lene +Neffen und Nichten +Zuchtmeister +Gesinde, Gäste +Besuche + + +8. Katharinas Haushalt und Wirtschaft. + +Das Regiment in Luthers Haus +Haus und Hof +Bauereien +Geräte +Schenkungs-Urkunde +Teurer Markt +Landwirtschaft +Gärten +„Haus Bruno“, Gut Booß +Zulsdorf +Grundbesitz +Arbeitsseligkeit + + +9. „Wunderliche Rechnung zwischen D. Martin und Käthe.“ + +Armut +Einkünfte +„Geschenke“ +Umsonst +Hausrechnung. „Gieb Geld“ +Luthers Mildthätigkeit +Schulden +insidiatrix Ketha +„Rätlichkeit“ +„Wunderlicher Segen“ +„Lob des tugendsamen Weibes“ + + +10. Häusliche Leiden und Freuden. + +Schwerer Haushalt +Krankheitsanfall Luthers (1527) +Die Pest +Hochzeit und Tod +Flüchtlinge und Hochzeiten +Visitationsreisen +Briefe von der Koburg +Die Großeltern +Besuche und Reisen +Ein Kardinal in Wittenberg +Tischgesellen, Famulus, Käthes Brüder +Kinderzucht +Rosine +Käthes Tagelöhner + + +11. Hochzeiten und Krankheiten, Pest und Tod. + +„Mühmchen Lene“ und Veit Dietrich +Lenchens Verlobung (1538) +„Des Teufels Fastnacht“ (1535) +In den „hessischen Betten“ +Luthers tödliche Krankheit in Schmalkalden (1537) +Muhme Lene † +Pflege der Elisabeth von Brandenburg +Wieder Pest (1539) +Käthes tödliche Krankheit (1539) +Briefe aus Weimar (1540) +Allerlei Sorgen +Hanna Strauß verlobt und Mühmchen Lene verwitwet +Haus in Torgau, Lenchens Krankheit und Tod +Hansens Heimweh + + +12. Tischreden und Tischgenossen. + +Eine akademische Hochzeit +Allerlei Feste +Besuche +_Cordatus_ +_Stiefel_ +_Kummer, Lauterbach_ +_Schlaginhaufen, Weller_ +_Hennik; Barnes; de Bai_ +_Dietrich_ +_Besold_ +_Holstein; Schiefer; Matthesius_ +_Goldschmidt u.a._ +Käthes „Tischburse“ +Die „Tischgespräche“ + + +13. Hausfreunde. + +Humanisten-Freundschaft +Der Freundeskreis des Lutherischen Hauses +Grüße und Geschenke +_Amsdorf; Agrikola_ +_Probst_ +_Brisger, Biscampius, Zwilling; Mykonius; Capito_ +Die Nürnberger: _Link_ und _Friedrich_; _Baumgärtner_ +_Dietrich_; Geschwister _Weller_ +_Hausmann_ +_Schlaginhaufen_ +_Lauterbach_ +_Spalatin_ +Hans von _Taubenheim_ +Amtsgenossen +_Kreuziger_ +_Bugenhagen_ +_Jonas_ +_Melanchthon_ +Sabinus und Lemnius +Brief der Freunde an Käthe +Die Tafelrunde +Freundinnen + + +14. Käthe und Luther. + +Die „Erzköchin“ +Luthers Enthaltsamkeit und Festfreude +Käthe als Krankenpflegerin +Käthes Humor +Verdächtigungen Käthes +Käthes geistige Interessen +Was Luther von Käthe hielt +„Ihr“ und „Du“ +„Herr“ Käthe +„Liebe“ Käthe +Luthers ungünstige Aeußerungen +Lob des Weibes +„Häuslicher Zorn“ +Lob des Ehestandes und Käthes +Käthes „Bildung“ +Ebenbürtigkeit +Käthes Bild + + +15. Luthers Tod. + +Trübe Zeitlage +Hader im eigenen Lager +Die „garstigen“ Juristen +Abscheiden der Freunde +Luthers zunehmende Krankheiten +Arbeit und Humor +Wegzugsgedanken +„Speckstudenten“ und Kleidermoden +Abreise +Schrecken in Wittenberg +Reisen nach Eisleben +Briefe von Halle und Eisleben +Der letzte Brief +Die Todesnachricht +Zurüstung zur Bestattung +Trostbrief des Kurfürsten +Der Leichenzug +Katharinas Stimmung + + +16. Luthers Testament. + +„Die Welt ist undankbar, die Leute sind grob“ +Dr. Brücks Zorn auf Katharina +Fürstliche und freundschaftliche Fürsorge +Das sächsische Erbrecht +Katharinas Leibgeding +Die Erbschaft +Brücks und Katharinas Pläne +Katharinas Bittschrift +Reden der vier Hausfreunde +Brücks Gutachten +Die Entscheidungen des Kurfürsten +Kampf um Wachsdorf und die Kinder +Wolf, Gesinde und Tischburse +Fürsorge für Florian von Bora +Mahnungen an den Dänenkönig + + +17. Krieg und Flucht. + +Beginn des Schmalkaldischen Kriegs, zweierlei Gebete +Anmarsch auf Wittenberg, Flucht +Belagerung Wittenbergs. In Magdeburg +Brief von und an Christian III. +Schreckensgerüchte +Neue Flucht; in Braunschweig +Heimkehr + + +18. Der Witwenstand. + +Wie's daheim aussah +Kriegsschäden und Proceß +Kosttisch; Anlehen +Das Interim. Hans Luther nach Königsberg +Leiden und „gnädige Hilfe“ +Hans in Königsberg +Kriegslasten +„Dringende Not“ + + +19. Katharinas Tod + +Flucht vor der „Pestilenz“ +Der Unfall +Anna von Warbeck +Das Leichenprogramm und die Bestattung +Nachkommen und Reliquien +Denkmäler +Katharinas Gedächtnis + + +Belege und Bemerkungen. + + +Register. + + + + +1. Kapitel + +Katharinas Herkunft und Familie[1]. + + +Zur Zeit der Reformation umfaßte das Land Sachsen etwa das heutige +Königreich, den größten Teil der Provinz Sachsen und die +thüringisch-sächsischen Staaten. Diese sächsischen Lande aber waren seit +dem Erbvertrag von 1485 zwischen den Ernestinern und Albertinern geteilt +in ein Kurfürstentum und ein Herzogtum. Wunderlich genug war diese +Teilung, aber ganz nach damaligen Verhältnissen: zum Albertinischen +Herzogtum, auch „Meißen“ genannt, gehörte der größte Teil vom heutigen +Königreich mit den Städten Meißen, Dresden, Chemnitz; ferner ein +schmaler Streifen von Leipzig bis nach Langensalza. Dazwischen dehnte +sich das Kurfürstentum mit den Hauptstädten Wittenberg, Torgau, Weimar, +Gotha, Eisenach westwärts, und Zwickau und Koburg nach Süden. Die +Kursachsen sahen mit einigem Stolz auf ihre Nachbarn herab, welche bloß +herzoglich waren, gebrauchten auch wohl den alten Spottreim: „Die +Meißner sind Gleisner“. Wenn's auch nicht wahr war, es reimte sich doch +gut[2]. + +Aus dem Herzogtum Meißen stammte nun Katharina von Bora, Luthers +Hausfrau[3], während er selbst ein geborener Mansfelder, dann ein Bürger +der kursächsischen Residenz Wittenberg und Beamter des Kurfürsten war. +Er beklagte sich wohl bei seiner Frau über ihren Landesherrn, Herzog +Georg den Bärtigen, welcher, ein heftiger Gegner der Reformation, mit +Luther in steter Fehde lag, gehässige Schriften gegen ihn losließ und +die Lutheraner im Lande „Meißen“ verfolgte. Daneben neckte Luther seine +Käthe auch, als sie in Leipzig bei seinen Lebzeiten die Märe von seinem +Tode verbreiteten: „Solches erdichten die Naseweisen, deine +Landsleute“[4]. + +Im Meißenschen nun hinter der Freiberger Mulde, eine Stunde ostwärts von +dem „Schloß und Städtchen“ Nossen lagen die beiden Ortschaften Wendisch- +und Deutschenbora[5], eine Viertelstunde von einander zwischen +Tannengehölzen, denn Tanne heißt auf slavisch „Bor“[6]. Hier hatte das +Geschlecht der Bora seinen Stammsitz. Von dort verpflanzte es sich in +verschiedenen Zweigen an viele Orte des Sachsenlandes; so auch in die +Nähe von Bitterfeld und Borna, je fünf Stunden nördlich und südlich von +Leipzig. Sie führten alle im Wappen einen steigenden roten Löwen mit +erhobener rechter Pranke in goldenem Feld und den Pfauenschweif als +Helmzier[7]. + +Aus welchem dieser neun oder zehn Zweige aber Frau Katharina, des +Reformators Ehegattin, stammte, ist nicht mehr gewiß auszumachen. Mehr +als sieben Orte, wie bei dem Vater der griechischen Dichtung, Homer, +streiten sich um die Ehre, ihre Geburtsstätte zu sein: das ist fast +jeder Ort, wo früher oder später Bora gewohnt und gewaltet haben. Aber +man kann eher noch beweisen, daß sie aus acht dieser Orte nicht stammt, +als daß sie am neunten Ort wirklich geboren sei[8]. + +Vielleicht ist Katharinas Geburtsort beim alten Stammsitz des +Geschlechts: zu Hirschfeld, einem sehr fruchtbaren Hofgut in der +dörferreichen Hochebene, wo man nördlich nach dem nahen Deutsch-Bora und +dem etwas ferneren Wendisch-Bora schaut, gen Westen aber, in einer +Entfernung von einer Stunde, die burggekrönte Bergnase von Nossen +erblickt. + +Wahrscheinlicher aber wurde Käthe zu _Lippendorf_ geboren. Westwärts +nämlich von Borna an der Pleiße zieht sich als meißnisches Gebiet ein +weites Blachfeld, dessen Einförmigkeit nur durch dunkle Gehölze +unterbrochen wird. Nur ein paar hundert Schritte von dem Kirchdorf +Medewitzsch erhebt sich das Häuflein Häuser des kleinen Dörfchens +Lippendorf und etwas abseits gelegen ein größeres Gut, mit einem Teiche +dahinter. Das war zwar kein rittermäßiger Hofsitz, aber doch ein +stattliches Lehngut, das heutzutage seinen Besitzer zu einem +wohlhabenden Bauern macht. Um 1482 saß dort ein Hans von Bora mit +seiner Gemahlin Katharina; um 1505 ist's ein Jan von Bora mit seiner +Gattin Margarete, einer geborenen von Ende. Wahrscheinlich ist Hans und +Jan nicht Vater und Sohn, sondern dieselbe Person und Margarete nur +seine zweite Ehefrau. + +Hier wäre nun Katharina an dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, 15-1/4 +Jahre nach Martin Luther, auf die Welt gekommen. In diesem +bauernhofähnlichen Anwesen wäre sie — vielleicht unter einer Stiefmutter +— herangewachsen. An diesem Teich hätte sie als Kind gespielt und +hinübergeschaut nach dem nahen Rittersitz Kieritzsch mit seinem +Schloßpark und kleinen Kirchlein, und weiterhin über die Wiesen und +Gehölze der Mark Nixdorf nach der „Wüstung Zollsdorf“ — wo sie später +als ehrsame Hausfrau und Doktorin vom fernen Wittenberg herkommend +hausen und wirtschaften sollte, wie sie's zu Lippendorf in Hof und +Stall, Küche und Keller von der fleißigen Mutter gelernt.[9] + +Aber sicher ist diese Annahme nicht. Es kann auch ein anderer Ort +Katharinas Geburtsstätte sein. + +Ja, sicher weiß man nicht einmal den Namen von Vater und Mutter. Hans +konnte der Vater wohl geheißen haben, so hieß damals jeder dritte Mann, +auch im Bora'schen Geschlecht. Und nach einer andern, nicht +unglaubwürdigen Nachricht wäre die Mutter eine geborene von Haubitz +gewesen und hätte nach der Tradition den ebenfalls zu jener Zeit sehr +beliebten Namen Anna getragen. Dann wäre freilich Lippendorf nicht +Käthes Heimat gewesen. Unzweifelhaft gewiß ist nur ihr Geburtstag, der +29. Januar 1499; denn dieser Tag ist auf einer Schaumünze eingegraben, +die heute noch vorhanden ist[10]. + +Auch ihre nächsten Verwandten sind bekannt. + +Katharina hatte wenigstens noch drei Brüder. Der eine, dessen Name nicht +genannt ist, verheiratete sich mit einer gewissen Christina und starb +ziemlich frühzeitig, vielleicht schon um 1540. Denn sein Sohn Florian, +der etwa gleichaltrig mit Luthers Aeltestem d.h. damals vierzehn Jahre +alt war, wurde um diese Zeit ins Haus genommen und wollte 1546 die +Rechte studieren; damals war „Christina von Bora Witfraw“[11]. + +Der andere Bruder Katharinas ist _Hans_ von Bora. Er war 1531 in +Diensten des Herzogs Albrecht von Preußen, kehrte aber etwa 1534 von +dort zurück, um für sich und seine Brüder das Gütlein Zulsdorf als +„Erbdächlein“ zu übernehmen. Er bekam in seinen Mannesjahren von seinem +Schwager Luther und von Justus Jonas das Lob eines „aufrichtigen, feinen +und treuen Menschen“. „Treu und brav ist er, das weiß ich, dazu auch +geschickt und fleißig“, bezeugt ihm Luther[12]. + +Weniger Löbliches ist von dem dritten Bruder _Klemens_ bekannt. Er kam +mit Bruder Hans nach Königsberg, geriet aber nach dessen Rückkehr in die +Gesellschaft eines adligen Raufboldes, der in seiner Gegenwart einen +Zimmergesellen im Rausch erstach, was ihm selbst übeln Ruf zuzog und ihn +in Ungnaden bei dem Herzog brachte[13]. + +Außer den Brüdern Katharinas ist auch eine Muhme (Base) Lene bekannt, +welche später in Luthers Haus lebte. Es wird dies niemand anders sein +als die Magdalena von Bora, des Vaters Schwester[14], welche freilich +zur Zeit von Katharinas Geburt schon lange im Kloster Nimbschen lebte. + +Wenn es wahr ist, daß um 1525 eine Maria von Bora auf Zulsdorf sich nach +Wittenberg verheiratete[15], so müssen auf diesem Vorwerk in den +zwanziger Jahren noch nahe Verwandte gelebt haben. Reich konnten diese +aber nicht sein, denn das ganze Gut war nur 600 fl. wert und nährte +seinen Mann nicht, wie später Bruder Hans selbst erfuhr. Ein weiterer +Verwandter Katharinas war Paul von Rachwitz, welcher zu Bitterfeld +wohnte in dessen Nähe auch in Zweig der Bora hauste[16]. + +Die Familie Katharinas muß recht arm gewesen sein: es heißt sogar: sie +war in die äußerste Bedrängnis geraten. Florian, der Sohn des ältesten +Bruders, war jedenfalls nach seines Vaters Tod, obwohl dieser +wahrscheinlich das Erbgut besaß, doch auf Stipendien angewiesen für +seine Studien. Bruder Hans war am preußischen Hof so ärmlich gestellt, +daß Luther für ihn dem Herzog Albrecht „beschwerlich sein“ und schreiben +mußte: „Nachdem meiner Käthen Bruder Hans von Bora nichts hat und am +Hofe Kleid und Futter genug nicht hat, wollten E.F.Gn. verschaffen, daß +ihm jedes Vierteljahr ein paar Gulden würden zugeworfen, damit er auch +Hemd und andere Notdurft bezahlen möchte.[17]“ + +Katharina selbst endlich hat, wie es scheint, nicht einmal ein +Leibgeding mit ins Kloster bekommen, wie es andere, wohlhabendere adlige +Fräulein mit durchschnittlich 3 Schock[18] jährlich erhielten; und auf +ihre Einsegnung konnte sie nur 30 Groschen spenden, während neue Nonnen +wohl 100 oder wenigstens 40 Groschen opferten. Bei ihrer Heirat konnte +sie keine Mitgift in die Ehe bringen[19]. + +So ist also Katharina von Bora — wo es auch sei — in gar engen +Verhältnissen aufgewachsen, und wenn man sich das junge Mädchen etwa als +zartes Ritterfräulein am Burgfenster mit dem Stickrahmen oder als +Jägerin auf stolzem Zelter vorstellen wollte, so gäbe das ein gar +falsches Bild. Wir haben sie uns vielmehr zu denken wie eine junge +Bauerntochter auf dem Hofgut schaltend und waltend, der Mutter an die +Hand gehend in der Wirtschaft, zugleich als die Aelteste, vielleicht als +einziges Töchterlein, auch eine gewisse Selbständigkeit und +Herrschergabe entfaltend, wie sie sich später in der reifen Frau +entwickelt zeigt. + +Freilich ein wirkliches anschauliches Bild ihrer Kindheit zu entwerfen +vermögen wir nicht, dazu fehlen alle Anhaltspunkte, alle Formen und +Farben. Wir mögen dies bestimmte Bild aus der ersten Jugendzeit, in die +wir uns bei einem Menschenleben so gerne versenken, bei Katharina +schmerzlich vermissen, da sich die ganze Umgebung, der Hintergrund der +Landschaft und selbst die notwendige Staffage von Vater und Mutter und +alles, was auf ein junges Menschenkind einwirkt, bis auf die Namen +verwischen und verschwinden, während zum Beispiel bei ihrem Gatten, dem +Doktor Luther, Elternhaus, Vater, Mutter, Geschwister, Gespielen, Heimat +und Schule so deutlich und plastisch sich herausheben, daß sie ein gar +lebendiges und farbenreiches Gemälde geben. Aber man kann sich doch auch +wieder über diesen Mangel leicht trösten. + +Denn wie es scheint, sind die Eltern beide früh gestorben. Sobald +Katharina ins Licht der Geschichte tritt mit ihrer Heirat, ja schon bei +ihrer Entweichung aus dem Kloster, ist jede Spur von ihnen verschwunden: +die Eltern erscheinen nicht bei ihrer Hochzeit, wie die Eltern von +Luther; sie werden um ihre Einwilligung nicht gefragt, worauf doch +Luther sonst so großes Gewicht legt; ja sie kommen schon nicht in +Betracht bei der Flucht aus dem Kloster, als es sich um eine Unterkunft +handelt; und auch während der ganzen Klosterzeit kommt Vater und Mutter +nicht zum Vorschein, wie es doch oftmals bei Klosterjungfrauen der Fall +ist. Vielleicht ist gerade der Eltern früher Tod für Katharina die +Veranlassung gewesen, so bald ins Kloster einzutreten. + +Wie dem aber auch sei, die geistige Entwicklung des jungen Fräuleins +fällt nicht in das Elternhaus. Denn sehr früh kam Katharina von daheim +fort und ihre bewußte Jugendzeit verbrachte sie fern von der Heimat im +Jungfrauen-Stift. + +So fällt Katharinas Eintritt, obwohl sie 15 Jahre jünger war, etwa in +dieselbe Zeit, als der Erfurter Magister Martin Luther die Studien +verließ und in das Kloster der Augustiner ging. + + + + +2. Kapitel + +Im Kloster. + + +Wenn heutzutage ein armes Mädchen aus besseren Ständen versorgt werden +soll, das nicht auf große Mitgift und darum auf Verheiratung rechnen und +somit dem natürlichen weiblichen Beruf, dem Familienleben, +voraussichtlich entsagen muß, so kommt es in eine Anstalt und bildet +sich zur Lehrerin oder dergleichen aus. Im Mittelalter kam so ein armes +Fräulein, dessen Ausstattung die schmalen Erbgüter der Stammhalter und +Schwestern noch mehr geschmälert hätte, zur Versorgung ins Kloster. Die +alten Klöster (der Benediktiner, Cisterzienser, Bernhardiner) wurden so +Versorgungsanstalten[20]. Es waren adelige Stifter, fromme Anstalten der +Vorfahren, worin „ehrsame“ (d.h. adelige) Jungfrauen Gott dienen und für +die Seelen der Lebenden und Verstorbenen beten sollten[21]. Statt des +jetzigen „geistigen“ Berufs zum Wirken in der Welt für lebendige +Menschen diente damals der „geistliche“ Beruf zur Verehrung Gottes und +der Heiligen, zum ewigen Seelenheil der Lebenden, namentlich aber der +toten Anverwandten im Fegefeuer. Statt der heutigen freien und doch +nicht immer freiwilligen Entschließung zu einem selbstgewählten Beruf, +der freilich immer nur bedingungsweise und auf Zeit ergriffen wird, galt +es damals die „ewige“ unwiderrufliche „Vergelübdung“ auf Lebenszeit; +statt der „Emanzipation“, welche einer außer dem Familienleben stehenden +Jungfrau heute mehr oder weniger wartet, harrte ihrer damals die +„Klausur“, die Einschließung in die Klostermauern in einem streng +geschlossenen Verband, dem „Orden“, unter dem straffen Bande der +„Regel“, der Klostersatzungen. + +Nach Begabung und Neigung zu diesem geistlichen Beruf wurde da wenig +gefragt, und es konnte auch keine Rücksicht darauf genommen werden[22]. +Dazu war in diesen Zeiten die elterliche Autorität, namentlich über +Töchter, viel zu groß, und der Familiensinn in solchen adeligen Häusern +war ein zu stark ausgeprägter, als daß sich ein Glied in individueller +Neigung gegen das Herkommen und die Familiensitte wie gegen die +Forderungen der Existenzbedingungen seines Geschlechts aufgelehnt hätte. +Nach den kirchlichen Bestimmungen galt der Grundsatz: „Einen Mönch macht +entweder die elterliche Vergelübdung oder die eigene Einwilligung“[23], +also in erster Linie die Bestimmung der Eltern! Diese hielten es eben +für eine standesgemäße Versorgung und zugleich für einen „guten seligen +Stand“, wie eine Nonne aus dieser Zeit erklärt[24]. + +Zudem wurden die Töchter in einem Alter in das Stift gethan, wo von +einer Willensentscheidung gar keine Rede sein konnte[25]. Die Mädchen +waren noch Kinder. Der Eintritt konnte schon im sechsten Lebensjahr +geschehen; viele kamen auch später hinein, wenn sich die +Familienverhältnisse durch Wachstum der Kinderzahl, Tod der Mutter und +dergleichen anders gestalteten. Aber auch in noch früherem Alter wurden +„Kostkinder“ aufgenommen, welche dann auch oft Klosterjungfrauen wurden. + +„Es ist eine hohe Not und Tyrannei, daß man leider die Kinder, +sonderlich das schwache Weibervolk und junge Mädchen in die Klöster +stößet, reizet und gehen läßt“ — so äußert sich Luther gerade über das +Kloster, worin sich Katharina von Bora befand, und ruft entrüstet aus: +„O die unbarmherzigen Eltern und Freunde (Verwandten), die mit den +Ihren so schrecklich und greulich verfahren!“[26] + +Nicht anders erging es auch der Tochter aus dem verarmten Hause Bora. +Katharina ward ins Kloster geschickt — gefragt wurde das Kind natürlich +nicht; es geschah „ohne ihren Willen“, wie denn Luther im allgemeinen +von ihr und ihren Mitschwestern von Verstoßung ins Kloster redet und von +Zwang. Er fragt bei dieser Gelegenheit seine Zeitgenossen: „Wie viel +meinst du, daß Nonnen in Klöstern sind, die fröhlich und mit Lust +ungezwungen ihren Gottesdienst thun und Orden tragen? Unter tausend kaum +eine. Was ist's, daß du solches Kind läßt also sein Leben und alle seine +Werke verlieren?“[27] + +Katharina kam vielleicht schon mit dem 6. Lebensjahr ins Kloster; denn +in ihrem sechsten Lebensjahr verschreibt Jan von Bora auf Lippendorf +alle seine Güter allda seiner — vielleicht in diesem Jahr geheirateten +zweiten — Ehefrau. Jedenfalls war Katharina im zehnten Lebensjahr (1509) +schon Klosterjungfrau; und zwar nicht mehr die jüngste, sondern die +zweitjüngste von den Aufgenommenen und blieb noch lange Jahre (bis 1516) +die vorletzte in der Reihe der Schwestern[28]. + +Klöster gab es damals genug im Land: es wurden allein im Meißnischen +gegen 30 Nonnenklöster gezählt[29]. In welches Kloster Katharina +eintreten sollte, das stand von vornherein fest: es mußte das adelige +Cisterzienserinnen-Kloster „Marienthron“ oder „Gottesthron“ _Nimbschen_ +bei Borna im Kurfürstentum Sachsen sein[30]. Denn hier war eine Muhme +von Vaterseite, vielleicht Vatersschwester Magdalene von Bora schon +lange Zeit Klosterjungfrau und bekleidete von 1502-8 das Amt einer +Siechenmeisterin, d.h. Krankenwärterin der Nonnen. Außerdem waren, +scheint es, noch zwei Verwandte aus der mütterlichen Familie der Haubitz +da: eine ältere Margarete und eine jüngere Anna. + +Das Kloster Nimbschen hat eine hübsche Lage. Eine Stunde unterhalb, +nachdem die beiden Mulden, die Zwickauer von Süden und die Freiberger +von Osten her zusammengeflossen sind zu der großen Mulde, erweitert sich +das enge Flußthal zu einer viertelstundebreiten ebenen Aue, welche die +Form eines länglichen Blattes hat und eine halbe Stunde lang ist. Am +Ostufer zieht sich eine schroffe Felswand aus Porphyr hin, an welche +das Muldebett sich anschmiegt; im Westen begrenzt eine niedrige, sanfter +ansteigende, waldbewachsene Hügelkette den Werder. Ueber der nördlichen +Blattspitze, die scharf durch die zusammenrückenden Felswände +abschließt, erhob sich eine Burg und jenseits der Thalsperre, ungesehen +von der Aue aus, liegt die Stadt Grimma; an dem obern Ende der Aue, +unmittelbar am Fuße des westlichen Waldhügels, stand das Kloster. Es war +also abgelegen von der Welt, abgeschlossen durch die beiden Hügelreihen, +nur mit dem Blick auf die stille ruhige Aue. Drüben floß die Mulde +ungesehen tief in ihren Ufern, überragt von der Felswand, hüben erhob +sich der hügelige Klosterwald. Nordwärts davon schimmerte ein ziemlich +großer Teich, welcher die leckere Fastenspeise barg. + +Aus dem Hügel unmittelbar neben dem Kloster waren die schmutzig braunen +Porphyrsteine gebrochen, mit welchen die Mauern und Klostergebäude +aufgebaut waren; ein Graben an diesem Hügel hin verhinderte noch mehr +den unbefugten Zutritt. + +Das Klostergebäude war sehr umfangreich, denn so eine alte +Cisterzienser-Abtei bildete eine Welt für sich: nach alter Regel mußte +das Kloster alle seine Bedürfnisse selber durch eigene Wirtschaft +befriedigen[31]. Daher gab es neben dem eigentlichen „Gotteshaus“, wie +ein geistliches Stift genannt wurde, noch allerlei Wirtschaftsgebäude: +Ställe für Pferde, Rinder, Schweine, Geflügel mit den nötigen Knechten +und Mägden, Hirten und Hirtinnen für Füllen, Kühe, Schafe (das Kloster +hatte deren 1800!), Schweine und Gänse; ferner Mäher, Drescher, +Holzhauer, eine „Käsemutter“. Das Kloster selbst zerfiel in zwei +Gebäudekomplexe: „die Propstei“ und die „Klausur“. Die Propstei schloß +sich um den äußeren Klosterhof und umfaßte die Wohnung des Vorstehers +oder Propstes, eines „Halbgeistlichen“, welcher mit „Ehren“ („Ehr“) +angeredet wurde, dann die Behausung des Verwalters oder Vogts (Voit) +samt dem Schreiber; ferner das „Predigerhaus“, in welchem die zwei +„Herren an der Pforte“, d.i. Mönche aus dem Kloster Pforta, als +Beichtväter wohnten, denn Pforta hatte die Oberaufsicht über Nimbschen. +Ein Brauhaus, Backhaus, Schlachthaus, Schmiede, Mühle, Küche und Keller +waren noch da, worin die verschiedenen Klosterhandwerker hausten und +hantierten; auf dem Thorhaus saß der Thorwärter Thalheym. Ein +„Hellenheyszer“ hatte die Oefen zu besorgen. + +Es war eine gar umfangreiche Wirtschaft und ein großes Personal: 40-50 +Leute waren in der Klosterzeit Katharinas von Bora täglich „über den +Hof“ zu speisen; und dazu mußten Löhne gezahlt werden, vom Oberknecht +mit 4 Schock 16 Groschen und Vorsteher mit 4 Schock an bis zur +Gänsehirtin, welche nur 40 Groschen bekam. + +Um alle diese Personen zu besolden und neben den Klosterfrauen zu +speisen, brauchte es natürlich großer Einkünfte an Geld, Getreide, +Hühnern, Eiern u.s.w. von den Klosterdörfern und Höfen, außer den +Klostergütern, die vom Klosterpersonal selbst bewirtschaftet wurden. +Ferner hatten die Bauern noch gar manche Fronden mit Ackern, Düngen, +Dreschen, Mähen und Heuen, Schneiden, Holzmachen, Hopfen pflücken, +Flachs und Hanf raufen, riffeln und rösten, Schafscheren, Jagdfron +(Treiben bei der Jagd) wofür teilweise Essen und Trinken, bei der Jagd +auch Geld gereicht wurde. + +Die Nonnen selbst wohnten in der „Klausur“, einem zweiten +Gebäudekomplex, welcher im Viereck um einen kleinen Hof gebaut war und +aus der Kirche, dem Refektorium (Speisehaus), dem Dormitorium +(Schlafhaus mit den Zellen) und dem Konvent (Versammlungshaus) bestand. +Die Abtei, die Wohnung der Aebtissin, welche nicht zur Klausur gehörte, +war zwischen dieser und dem Propsthofe. + +Hier im Kloster lebten nun einige vierzig Töchter adeliger Häuser aus +verschiedenen Gegenden des kurfürstlichen und herzoglichen Sachsen. Dazu +kamen noch ein halb Dutzend „Konversen“ oder Laienschwestern, die um +Gottes willen, d.h. umsonst dienten. Ferner mehrere bezahlte +„Kochmeide“, darunter eine Köchin, und die „Frauen-Meid“, d.h. die +Dienerin der Aebtissin. Diese hatte außerdem noch zwei Knaben zu ihrer +Verfügung, die natürlich im äußern Klosterhof wohnten und zu Kleidern +und Schuhen zusammen 1 Schock jährlich erhielten[32]. + +Die adeligen Klosterfrauen bildeten die Sammlung, den Konvent und hießen +daher auch Konventualinnen. Das war eine kleine weibliche Adelsrepublik, +die sich in allen Dingen selbst regierte nach der „Regel“, den +Gesetzen, auf die sie eingeschworen waren — bloß unter Oberaufsicht +ihres Visitators, des Abtes von Pforta, der aber auch nur auf Grund der +Regel anordnen und rügen konnte. Die Regel war die des hl. Bernhard, +eine etwas strengere Abart derjenigen der gewöhnlichen alten +Benediktinerinnen[33]. + +Die Nonnen waren außer der Aebtissin in die _Klausur_ eingeschlossen, +aus welcher sie nur in Klosterangelegenheiten mit besonderer Erlaubnis, +und dies selten und in Begleitung einer Seniorin und des Beichtvaters, +heraustreten durften. Ein Verkehr mit der Außenwelt oder auch nur mit +den Klosterleuten auf der Propstei fand nicht statt; auch in der Kirche +waren sie auf einem besonderen dicht vergitterten Nonnenchor den Blicken +der Weltleute entzogen. Verboten war ausdrücklich das Uebersteigen an +der Orgel und das Herauslehnen über die Umzäunung des Chors. Wenn jemand +von draußen (Geistlicher oder Weltlicher) mit einer Klosterjungfrau zu +reden hatte, etwa die Eltern und Geschwister zu Besuch kamen, so durften +sie nur mit besonderer Erlaubnis der Aebtissin, und nur wenn es die Not +erforderte, in der Redstube durch das vergitterte Redfenster und in +Gegenwart der Aebtissin mit ihr sprechen; es war unmöglich gemacht, daß +jemand die Hand oder ein Ding durch das Fenster steckte. Ebenso war der +Beichtstuhl vermacht, und selbst der Beichtvater durfte nur in +Krankheitsfällen in die Klausur eintreten. Festlichkeiten und +Ergötzungen sollten die Beichtväter nicht mit den Klosterjungfrauen +mitmachen. Der Pförtnerin war bei Strafe verboten, Hunde (?), alte +Weiber und dgl. einzulassen[34]. Die Schwestern durften auch nicht mit +den Klosterkindern[35] zusammen schlafen. + +In diesem klösterlichen Verband gab es zur Regierung und Verwaltung der +Gemeinschaft zahlreiche Aemter. Mit ziemlich unumschränkter Gewalt +herrschte die gewählte _Aebtissin_: ihrem Befehl und ihren Strafen war +mit wortlosem, unbedingtem Gehorsam nachzukommen; doch war sie gehalten, +überall den Rat ihrer „Geschworenen und Seniorinnen“ zu hören. Ihr war +nicht nur die äußere Verwaltung der Gemeinschaft übertragen, auch die +„Leitung der Seelen und Gewissen“. Sie sollte sich bestreben, gleich +liebreich gegen alle, Junge und Alte, aufzutreten, für alle, Gesunde +und Kranke, namentlich in ihrer leiblichen Notdurft, besorgt zu sein. + +Mit Ehrfurcht nahten die Schwestern der Aebtissin, sie war die Domina +(Herrin), die ehrwürdige Mutter, und die draußen wenigstens nannten sie +„Meine gnädige Frau.“ Im Jahr 1509, also kurz nachdem Katharina von Bora +in Nimbschen eingetreten war, starb die alte Aebtissin Katharina von +Schönberg, und Katharinas Verwandte, Margarete von Haubitz, wurde zur +Aebtissin gewählt und feierlich vom Abt Balthasar aus Pforta in ihr Amt +eingeführt[36]. + +Nach der Aebtissin kam an Würde die Priorin („Preilin“), einerseits die +Stellvertreterin und Gehülfin derselben, andererseits aber auch die +Vertreterin und Vertrauensperson des Konvents. Auf sie folgte die +„Kellnerin“, die „Bursarin“ (auch „Bursariusin“, Kassiererin) die +Küsterin, die Sangmeisterin („Sängerin“), die Siech- und +Gastmeisterin[37]. + +Die Schwesternschaft, in welche die junge Katharina eintrat, hatte einen +gleichartigen gesellschaftlichen Rang: sie waren alle aus dem kleinen +Adel und vielfach mit einander verwandt oder gar Schwestern: so die zwei +Haubitz, die zwei Schwestern Zeschau und Margarete und Ave von +Schönfeld, wozu noch eine Metze[38] Schönfeld kam, welche 1508 +Siechenmeisterin und später Priorin wurde. Aber die einen waren +wohlhabend mit einem ordentlichen Leibgeding an Geld und Naturalien, die +anderen arm, vielleicht nur bei dem Eintritt und bei der Einsegnung mit +einem kleinen Geschenke von ihren Verwandten abgefunden. Der Wohlstand +scheint nicht ohne Einfluß auf die amtliche Stellung gewesen zu sein; +denn es ist doch wohl nicht Zufall, daß die am reichsten +Verleibgedingte, Margarete von Haubitz, zur Aebtissin gewählt wurde[39]. +Auch das Alter war ein gar verschiedenes: da war die 70 jährige Ursula +Osmund, die an hundert Jahre alt wurde, und die zehnjährige Katharina +von Bora und die beiden jungen Schönfeld, welche in ähnlichem Alter +standen. Lange Zeit wurden gar keine neuen Jungfrauen in das Stift +aufgenommen: von 1510 bis 1517 blieben Katharina und Ave die letzten, +vielleicht weil die Zahl 50 (mit den Konversen) überschritten war und +die Einkünfte des Klosters nicht mehr Personen ertrugen. Daß die +Klosterfrauen auch an Wesen, Charakter und Temperament verschieden +waren, ist natürlich; aber alle geistige Individualität (alle +„Eigenschaft“) wurde durch die Klosterregel und Klosterzucht ebenso +ausgelöscht, wie die leibliche Verschiedenheit durch die gleiche Tracht: +Nonnen tragen auch eine geistige Uniform. Dazu sind Freundschaften +verboten. Von irgend einer Eigenheit einer Schwester erfährt man nichts. +Nur die Aebtissin Margarete von Haubitz ist später charakterisiert als: +„ehrliches (vornehmes), frommes, verständiges Weibsbild“[40]. + +Ob die neue Klosterjungfrau _Katharina von Bora_ an ihr oder den anderen +Verwandten aus dem mütterlichen Geschlechte eine Annehmerin gefunden +habe, ist nicht zu sagen. Doch war nicht von vornherein die +Verwandtschaft mit der Aebtissin ein Grund zu einer freundlichen +Behandlung. Denn eine gleichzeitig mit Katharina in ein andres Kloster +eingetretene junge Nonne beklagt sich, daß ihre Muhme, die Aebtissin, +ganz besonders gewaltthätig und grausam mit ihr verfahren sei. +Vielleicht hat Katharina eine Art mütterliche Freundin an ihrer anderen +Verwandten aus dem väterlichen Geschlecht gefunden, der ehemaligen +Siechenmeisterin Magdalena von Bora, weil diese nachher sich als „Muhme +Lene“ so innig an Katharina und ihre neue Familie anschloß[41]. + +Zunächst wurde das junge Mädchen eingeführt in die Ordensregel und den +Gottesdienst, wurde gewöhnt an klösterliches Benehmen und an geistliches +Denken und Wesen, auch unterrichtet in einigen Kenntnissen und +Fertigkeiten. In Nimbschen wird keine besondere Novizenmeisterin +genannt; es war nur vom Abt bei der Einführung der neuen Aebtissin 1509 +im allgemeinen aufs neue als Ordensregel eingeschärft: „Weil es ein Werk +der Frömmigkeit und Barmherzigkeit ist, die Ungelehrten gelehrter zu +machen, wollen wir, daß diejenigen, welche mehr verstehn unter den +Jungfrauen, die andern zu belehren und unterrichten sich bestreben, in +dem Bewußtsein, daß sie einen großen Lohn für diese Mühe empfangen, und +daß sie durch diese Beschäftigung viel Leichtfertigkeit vermeiden, wozu +die ausgeladene Jugend geneigt ist.“ Natürlich sollten aber alle +Aelteren den Jungen mit gutem Beispiel vorangehen. + +Als „der Schlüssel der Religion“ mußte zunächst überall, wo es die +Ordensregel vorschrieb, unbedingtes _Stillschweigen_ beobachtet werden — +außer dem unbedingten Gehorsam, an den sich die Novizin zu gewöhnen +hatte, der wichtigste und höchste Punkt des klösterlichen Lebens. Denn +es müßte Rechenschaft gegeben werden von jedem unnützen Wort nicht nur +vor Gottes Richterstuhl, sondern auch vor dem Beichtstuhl des Priesters. +Vielmehr sollten die Klosterjungfrauen außerhalb der vorgeschriebenen +Gebetszeiten und der Lektionen in besonderen Gebeten mit dem Bräutigam +Christus reden oder in Beschaulichkeit schweigend hören, was Gott in +ihnen redet. Darum wurde streng darauf gesehen, daß die Kinder und +heranwachsenden Jungfrauen nicht herumliefen und schwatzten, sondern +sich sittsam und schweigsam verhielten. + +Es galt sodann in Kleidung und Haltung, in Gebärde und Rede sich das +rechte nonnenhafte Wesen anzueignen. „Am Ort der Buße“, mußte man „die +größte Einfachheit der Kleidung zeigen, sich weder mit weltlichen +Gewändern schmücken, noch auch mit den Fransen der Pharisäer“, sondern +die Kutten bis an die Schultern herausziehen. Das Angesicht mußten die +Novizen lernen stets zu neigen. „Denn die Scham ist die Hüterin der +Jungfrauschaft, der köstlichen Perle, welche die geistlichen Töchter +bewahren sollen. So sollen sie mit Seufzen und Beklagen der verlorenen +Zeit die Ankunft des himmlischen Bräutigams erwarten welcher seine +Verlobten, — die im Glauben und hl. Profeß stets des Herrn harren, — mit +Frohlocken in sein Brautgemach führt.“ + +„Damit sie sich aber nicht mit dem Laster des Eigentums beflecken, +welches in der Religion das schlimmste und verdammlichste und ein Netz +des Teufels ist, sollen sie bei Strafe der Exkommunikation alle +Geschenke von Freunden und andern draußen nicht als ihr Recht +beanspruchen, sondern der Aebtissin reichen, und demütig von ihr das +Nötige begehren.“ + +Die Vorgesetzten aßen zwar am besonderen Tisch und hatten bessere +Speisen und Getränke: so bekamen sie echtes Bier, dagegen die +Konventualinnen nur „Kofent“ (Konvent- d.h. Dünn-Bier)[646], aber +gleichmäßige Behandlung aller Klosterjungfrauen in Speisen und Getränken +waren der Aebtissin zur Pflicht gemacht, und die Mahlzeiten ließen nach +herkömmlicher Klostersitte nichts zu wünschen übrig[42]. „Festmahlzeiten +und Ergötzlichkeiten“ waren den Schwestern unter sich von der Aebtissin +erlaubt. + +Diese Ordnungen, zu welchen in Nimbschen bei Einführung der neuen +Aebtissin der Abt-Visitator eine Art Hirtenbrief als Erläuterung und +Ergänzung der Ordensregel gegeben hatte, wurden alle Vierteljahre +kapitelweise im Konvent gelesen und durch die Aebtissin oder Priorin +Punkt für Punkt erklärt, damit jede Klosterjungfrau — namentlich aber +die Neulinge — aus sich selbst die klösterliche Lebensweise und +Lebenseinrichtung annähmen. + +In solche strenge Klosterzucht wurde nun das junge Mädchen eingeführt. +Wenn auch die Praxis — wie sich bei jeder Visitation zeigte, namentlich +in der Verordnung von unnützen Reden — von der Theorie abwich, so war +doch zu dieser Zeit ein stramme ernstliche Einhaltung der Ordensregel in +Nimbschen durchgeführt. Man hatte nämlich gerade um 1500 auch hier wie +in anderen Klöstern eine „Reformation“ der zerfallenen Klosterordnung +erstrebt[43]. + +Neben dieser Erziehung zum Klosterleben gab es auch einigen +_Unterricht_, der mit dem Ordensleben zusammen hing. Die Novizen mußten +lesen lernen — was damals bei der krausen Schrift und dem noch krauseren +Stil nicht so ganz leicht war[44]. Sogar ins Lateinische mußten die +Nonnen notdürftig eingeführt werden: denn die Lesungen und Gebete, +besonders aber die Gesänge waren meist in der Kirchensprache geschrieben +— wenn es auch mit dem Verständnis der Fremdsprache nicht gerade weit +her war: singen ja doch auch heute Kirchenchöre in Dorfgemeinden +lateinische Hymnen und Messen. Auch schreiben hat Katharina im Kloster +gelernt, wenn sie auch später — wie alle viel beschäftigten Frauen nicht +gerne und viel schrieb und an Fremde und hochgestellte Personen ihre +Gedanken lieber einem Studenten oder Magister in die Feder sagte. Sonst +konnten nicht alle Klosterfrauen diese Kunst. Eine eigentliche Schule, +worin die Schulmeidlein gelehrt wurden, gab es nicht, doch waren einige +Klosterfrauen fähig, nach ihrem Austritt Mädchenschulmeisterinnen zu +werden, so die Schwester von Staupitz und die Elsa von Kanitz[45]. + +Der _Gesang_ spielte eine große Rolle im Kloster: waren doch alle +religiösen Uebungen größtenteils gemeinschaftlich und mußten so zum +Chorgesang werden. Es war eine Sängerin oder Sangmeisterin +(Kapellenmeisterin) bestellt, welche die Gesänge einzuüben hatte. Und im +Kloster war ein altes „Sangbuch“, welches 1417 für 2 Schock Groschen +gekauft und vom markgräflichen Vogt zu Grimma bezahlt worden war. Es +waren aber im Kloster fremde Gesänge aufgekommen und es wurde gegen die +Regel des seligen Vaters Bernhard zu schnell und ungleich (d.h. +rhythmisch) gesungen, und kam der Unfug auf, daß unvermittelt bald alle, +bald wenige Stimmen sangen; der Abt von Pforta ordnete daher an, daß +rund, eine Silbe wie die andere gesungen werde, einhellig und mit +gleicher Stimme, nicht zu hoch und zu tief[46]. + +Im Jahre 1509, als Katharina von Bora zehn Jahre zählte, war sie kein +Kostkind oder Schulmeidlein mehr, sondern wurde schon unter die +Klosterjungfrauen gezählt. Sie war also einstweilen wenigstens +„Postulantin“, Anwärterin für die Pfründe. Da meist das vierzehnte +Lebensjahr das Entscheidungsjahr für die Klostergelübde war, so hätte +sie mit dem dreizehnten ihr Noviziat antreten und ein Jahr darauf Profeß +thun können. Es ist auffällig, daß sich dies bei Katharina zwei Jahre +hinausschob, und sogar die später eingetretene jüngere Ave Schönfeld +_vor_ ihr mit ihrer älteren Schwester Margarete eingesegnet wurde[47]. + +Mit ihrem 15. Jahre also wurde Katharina von Bora nach dem Herkommen der +Sammlung von der Aebtissin „angegeben“ (vorgeschlagen) und von dem +Konvent angenommen. Unter feierlichen Zeremonien in der Kirche wurden +ihr die Haare abgeschnitten, die mit Weihwedel und Rauchfaß besprengten +und beräucherten heiligen Kleider angethan: die weiße Kutte übergezogen, +der weiße Weiler (das Kopftuch (velum, der sog. Schleier)) ums Haupt +geschlungen; auf diesem wurde der Himmelsbraut der weiße Rosenkranz +aufgesetzt und der Heiland im Kruzifix als Bräutigam in die Arme gelegt, +dann hat sie ihm durch Opferung des Kranzes ewige Reinigkeit verheißen +und geschworen. Darauf fiel die Postulantin der Reihe nach der Aebtissin +und jeder der einzelnen Klosterfrauen demütig zu Füßen, wurde von ihnen +aufgehoben und mit einem Kusse als Schwester in die Gemeinschaft +aufgenommen[48]. + +Jetzt kam Katharina unter die strenge Zucht einer älteren Klosterfrau +und mußte in dieser Probezeit im Ernst all die vielen Dinge üben in +Haltung und Gang, in Gebärde und Rede, welche eine Nonne auf Schritt und +Tritt zu beobachten hat, wenn sie nicht gegen die Regel sündigen und +dafür Buße erleiden will. So erzählt eine Nonne: „Das Probejahr geschahe +nur, daß wir Ordensweise lernten und uns versuchten, ob wir zum Orden +tüchtig“[49]. + +Endlich, im Jahre 1515, „Montags nach Francisci Confessoris“, d.h. am 8. +Oktober, war Katharinas „eynseghnug“. Da mußte sie „Profeß thun“, d.h. +das ewig bindende Klostergelübde ablegen. Es wird ihr gegangen sein wie +jener anderen Nonne, die um diese Zeit auch eingesegnet wurde und von +sich erzählt: „Am Abend vor meiner Profession sagte mir die Aebtissin +vor der ganzen Versammlung im Kapitel: man solle mir die Schwierigkeit +der Regel vorlegen und mich fragen, ob ich das gesinnet wäre zu halten? +wäre aber nicht von nöten, denn ich hätte mich in der Einkleidung +genugsam verpflichtet. Und wenn ich gleichwohl gefragt worden wäre, +hätte ich doch nichts sagen dürfen, hätte mir auch nichts geholfen.“ Die +Einsegnung ging vor sich und zwar war Katharina von „Bhor“ als einzige +auf diesen Tag geweiht. Sie spendete dabei dem Kloster von dem wenigen, +was sie vermochte, 30 Groschen[50]. + +Zwar nicht widerwillig, aber doch wie sie (bezw. Luther) später sagte, +ohne „ihren Willen“ wurde Katharina als Tochter des sel. Vaters Bernhard +verpflichtet. Trotzdem aber hat sie sich in die Klosterregel nicht nur +gefügt, sondern auch „hitzig und emsig und oft gebetet“[51]. + +Das entspricht ihrer gesamten entschiedenen Natur, wie sie sich später +ausgereift zeigt. Sie war ja gelehrt worden, durch „gute Werke“, +insbesondere durch Klosterwerke, erwerbe man sich himmlische Güter und +geldliches Vermögen und einen hohen seligen Sitz im Jenseits; also +strengte sie alle Kraft und allen Fleiß an, solchen Reichtum zu erwerben +und durch geistliche Uebungen sich einen guten Platz im Himmel zu +verdienen. Was sie später als Frau einmal angriff, das erstrebte sie +auch mit der ganzen Gewalt und Zähigkeit ihres Willens, und so wird sie +es auch im Kloster gehalten haben als Nonne. Zudem pflegen junge +Klosterleute, namentlich weibliche, die eifrigsten zu sein in der Uebung +der Pflichten, auch wenn sie nichts von Schwärmerei an sich haben. + +Und was hatte nun die junge Nonne für hohe Werke und heilige Pflichten +zu thun? + +Fast das gesamte Leben im Kloster füllten geistliche Uebungen aus, ihr +ganzes Tagewerk war Beten, Singen, Lesen, Hören erbaulicher Dinge, „da“, +wie es in einer Klosterregel heißt, „alle Klausur und geistliche Leute +erdacht und gemacht sind, daß sie unserm Herrn und Gott dienen und für +Tote und Lebende und alle Gebresthafte Bitten füllen“. Das waren nun +außer dem Messesingen und den privaten Gebeten noch besonders die +gemeinsamen 7 Gebetszeiten, die Horen: Matutin, Terz, Sext, Non am +Morgen, Vesper und Komplet am Abend mit Psalmen, Martyrologien, +Ordensregeln. Auch nächtliche Gottesdienste wurden begangen: Metten und +Vigilien. Und sogar während des Essens, wo Stillschweigen geboten war, +wurde vorgelesen aus einem Erbauungsbuch. Abwechselnd hatte Katharina +auch selbst diese Vorlesung zu halten und mußte dann nachspeisen[52]. + +Welchen Eindruck diese Vorschriften auf ein natürlich fühlendes und +religiöses Gemüt machen mußten, hören wir aus einem späteren Bericht: +„Da D. Martinus der Nonnen Statuten las, die gar kalt geschrieben und +gemacht waren, seufzte er sehr und sprach: „Das hat man müssen +hochhalten und hat dieweil Gottes Wort vermisset! Sehet nur, was für +eine Stockmeisterei und Marter der Gewissen im Papsttum gewest ist, da +man auf die horas canonicas und Menschensatzungen drang, wie Hugo +geschrieben, daß wer nur eine Silbe ausließe und nicht gar ausbetete, +müßte Rechenschaft dafür geben am jüngsten Gericht[53].“ + +Ob Katharina je ein Amt in dem Konvent bekleidet hat, wissen wir nicht; +jedenfalls konnte dies nur ein niederes, etwa das einer +„Siechenmeisterin“ sein. Wahrscheinlich aber war sie noch zu jung, als +daß bei so vielen Vorgängerinnen an sie die Reihe gekommen wäre[54]. + +Eigentliche _Arbeit_ gab es im Kloster nicht: die Nonnen durften ja +nicht aus der Klausur, und die Hausarbeit in Küche und Stube schafften +die Laienschwestern und Klostermägde. Freilich so ganz arbeitslos wie +bei manchen adeligen Mönchsorden, wovon der Volkswitz sagt: + + Kleider aus und Kleider an + Ist alles, was die Deutschherrn than. + +— so träge verfloß das Leben der Nonnen nicht. Konnten sie sich doch mit +weiblichen Handarbeiten abgeben wie Spinnen von dem Ertrag der großen +Schafherden für die wollene Bekleidung, namentlich aber mit Stickereien, +wie Altardecken, Meßgewänder, Teppiche, Fahnen u.s.w., in Nimbschen, +wohl auch in Pforta für die Kirche der dortigen Mönche und vielleicht +auch für den Bischof von Meißen, unter dem das Kloster stand[55]. So hat +jedenfalls auch Schwester Katharina manche kunstvolle Stickerei +verfertigt, wenn auch die mancherlei Handarbeiten, welche heutzutage da +und dort von Luthers Käthe gezeigt werden, wohl alle nicht echt sind. + +Eine gewisse Unterhaltung gewährte noch die Besichtigung und +Instandhaltung der zahllosen Reliquienstücke, welche in der Nimbscher +Kirche aufgespeichert waren, und welche es galt zu schmücken und in +Ordnung zu halten. Es waren da an den 12 Altären in Kreuzen, +Monstranzen, Kapseln, Tafeln wohl vierhundert hl. Partikeln. So von +Christi Tisch, Kreuz und Krippe, Kleid und Blut und Schweißtuch, vom +Stein und Boden, wo Jesus über Jerusalem weinte, im Todesschweiß betete, +gegeißelt saß, gekreuzigt ward, gen Himmel fuhr; vom Haar, Hemd, Rock, +Grab der hl. Jungfrau; von den Aposteln allerlei Knochen, auch Blut +Pauli, vom Haupt und Kleid Johannes' des Täufers; von vielen Heiligen, +bekannten und unbekannten: den 11000 Jungfrauen, der hl. Elisabeth von +Thüringen, der hl. Genoveva, dem hl. Nonnosus, der hl. Libine Zähne, +Hände, Arme, Knochen, Schleier, Teppiche —, ferner Partikeln von der +Säule Christophs, vom Kreuz des Schächers u.a.[56]. + +Aber auch hier hatten die Seniorinnen, u.a. auch Magdalena von Bora, die +Obhut über die hl. Kapseln. + +Vor allen diesen Reliquien wurden bestimmte Antiphonien gesungen, was +eine gewisse Abwechslung in dem täglichen Gottesdienst gab. + +Eine Abwechslung in dem ewigen Einerlei brachten auch die vielen +Festtage, Bittgänge und Prozessionen im Kreuzgang und auf dem +Kirchhof[57]. + +Eine große Sache war die Visitation des Klosters durch den Abt von +Pforta — freilich auch eine kostspielige: der Abt mit seinen Begleitern +mußte abgeholt und wieder heimgebracht und unterwegs und im Kloster +verköstigt, auch herkömmlich mit Erkenntlichkeiten bedacht werden[58]. +Bei der Visitation gab's eine Untersuchung aller Mißstände, ein Verhör +aller einzelnen Schwestern und schließlich einen oft scharfen Bescheid. + +Es kamen auch an den hohen Festtagen und deren Oktaven Wallfahrer ins +Kloster, denn dieses hatte von verschiedenen Kirchenfürsten Ablässe, +wenn auch nur 40tägige, erlangt für Besucher und Wohlthäter des +Klosters, für Anhörung von Predigten und Kniebeugen beim Aveläuten[59]. + +Der Hauptablaß aber war an einem besondern Tag im Jahre, wahrscheinlich +an der Kirchweihe (23. August). Da war Messe und Jahrmarkt zu gunsten +des Klosters unter dem Namen „_Ablaß_“ (wie in Bayern „Dult“ = Indulgenz += Ablaß). Zu diesem Tage kamen von weit und breit die Leute. Wenn so zu +Nimbschen jährlich „Ablaß“ war, mußten fronweise aus jedem Klosterdorf +drei Männer kommen und „zur Verhütung von Händeln, bei Tag und Nacht zu +besorgend, Wache halten“. Von all diesem Leben und Treiben freilich +sahen die Klosterfrauen so gut wie nichts, wenn sie auch von ihrer +Klausur aus den Lärm draußen hören konnten[60]. + +Allerdings nahm die Aebtissin, wenn sie einmal ausreiste, eine und die +andre Schwester mit; aber freilich an die jüngern Klosterfrauen kam das +wohl schwerlich. Da ging es nach Grimma, ins nahe Städchen, oder auch +ins ferne Torgau, die kurfürstliche Residenz an der Elbe, wo gerade das +großartige Schloß Hartenfels gebaut wurde. Dort hatte das Kloster +mancherlei Besitzungen an Aeckern und Wiesen und mußte mit eigenem +Geschirr Getreide holen, während die Stadt verschiedene Gebräude Bier +selbst bringen mußte. Mit diesen Fuhren wurde aber auch manches, was in +Torgau verkauft oder gekauft war, hin und zurück gebracht. Eingekauft +wurde vor allem bei dem Ratsherrn und Schöffer Leonhard Koppe, z.B. +Tonnen Heringe, Kiepen (Rückkörbe) voll Stockfische, Hechte, Fässer +Bier, Aexte. Namentlich geschahen solche Einkäufe zu Martini, wo „Meine +gnädige Frau“, die Aebtissin, mit einer würdigen Jungfrau die Zinsen +einnahm, in der Herberge auch einige Groschen „zu vertrinken“ gab und +bei Koppe einkaufte und die Rechnung persönlich bezahlte[61]. + +Das waren die besondern Ereignisse in dem steten Einerlei des Jahres. In +ihrer ganzen Klosterzeit erlebte Katharina von Bora auch nichts +besonderes Außerordentliches. Einzelne der Klosterfrauen gingen mit Tod +ab. Nachdem lange Katharina von Bora und Ave von Schönfeld die Jüngsten +im Kloster gewesen waren, kamen anno 1516 auf einmal 9 Kostkinder +herein: 3 Schellenberger, 2 Hawbitzen (Verwandte Katharinas von +mütterlicher Seite), 1 Lauschkin, 1 Keritzin (Kieritsch?), 1 Poßin, 1 +Buttichin. Im folgenden Jahre traten drei Neulinge in den +Klosterverband, und ein Jahr darauf kamen wieder einige Kostkinder weg +und andere herein[62]. 1522 war ein Wechsel des Klostervorstehers +(Propstes), indem der alte, Johann Kretschmar, starb. Die Nonnen hielten +sehr zu ihrem Propst, während die Beichtväter verhaßt waren; denn diese, +„die 2 Herren an der Pforte“ betrugen sich anspruchsvoll und anmaßend, +mischten sich — wohl aus Langerweile — in Dinge, die sie nichts +angingen, wollten in die Verwaltung, also in den Geschäftskreis des +Propstes drein reden, hetzten die Nonnen wider einander auf, so daß gar +oft Klagen wider sie ergingen und der Konvent sogar die weltliche Gewalt +wider sie und gegen ihre Schützer, die Aebte von Pforta, anrufen +mußte[63]. Da gab es nun in diesen Jahren eine gar willkommene +Gelegenheit, den Mönchen ein Schnippchen zu schlagen. Zu Martini 1513 +kam der Vorsteher vom Hospital des Heilig-Geist-Ordens aus dem fernen +Pforzheim im Schwabenland, Matthias Heuthlin, und bot den Nonnen ein +Privilegium an. Weil seine Anstalt nämlich nicht genug Einkünfte besaß, +hatte er sich vom Papst Julius II. die Gnade erwirkt, daß allen +Wohlthätern des Spitals die Wahl des Beichtvaters freigegeben wurde. +Also gab die Domina Aebtissin und ganze löbliche Sammlung des Klosters +eine Beisteuer und erhielten dafür einen gedruckten mit dem Namen +„Niimitsch“ ausgefüllten und vom Magister domus Hospitalis de Pfortzheim +ord S. Spirit. unterzeichneten Zettel, wonach das Kloster Nimbschen für +seine milde Gabe in die Bruderschaft des hl. Geistordens ausgenommen und +aller guten Werke und Ablässe derselben teilhaftig und ihm insbesondere +erlaubt wurde, sich von einem beliebigen weltlichen oder mönchischen +Beichtvater Absolution von Sünden, Uebertretungen und Verbrechen, sogar +solchen, welche dem apostolischen Stuhl vorbehalten waren, einmal im +Leben und im Todesfall, so oft es nötig erschien, erteilen zu lassen. +Dieses Privilegs machte sich das Kloster durch wiederholte Gaben in den +folgenden Jahren (1516, 1519, 1520) teilhaftig[64]. So war auch den +Nimbschener Nonnen eine von den zahllosen Hinterthüren geöffnet, durch +welche in der katholischen Kirche die geknechteten Seelen dem +geistlichen Zwang sich entziehen und auf Nebenwegen die Seligkeit +erlangen konnten. + +Katharina erlebte auch im Kloster noch die Vorboten des Bauernkriegs. +Die Klosterdörfer hatten zwölferlei Fronden. Von diesen trotzten die +Bauern sich schon vorher vier ab, waren aber auch damit noch nicht +zufrieden, so daß der neue Propst sich nach Rat und Hilfe umsehen +mußte[65]. + +Das waren die kleinen und kleinlichen Eindrücke und Ereignisse, die in +das Leben der Nimbscher Jungfrauen und der Katharina von Bora +eingreifend, die glatte Oberfläche ihres beschaulichen Daseins leicht +kräuselten. Das waren die einförmigen Beschäftigungen, mit denen sie die +Zeit, die langen Tage, Wochen und Jahre mühsam hinwegtäuschten. Solche +einseitigen Interessen und Anschauungen beherrschten den Gesichtskreis +eines jugendlichen Geistes. Wie das Klosterleben die körperliche Kraft +eines jungen Menschenkindes zurückhielt, so mußte es auch die +aufstrebende Willenskraft erschlaffen. Die Klostermauern beengten nicht +nur das äußere Gesichtsfeld, sie machten auch das geistige Auge +kurzsichtig. Wenn auch die gähnende Langeweile demjenigen nicht zu +Bewußtsein kam, der von nichts anderem wußte, so mußte doch der Geist +nach Eindrücken lechzen, so daß das Sprichwort begreiflich wird, welches +den Klosterbewohnern die Sehnsucht nach Erlebnissen zuschreibt: +„Neugierig wie eine Nonne“. Und die ständige Aufgabe, „das Leben in +sich abzutöten“, konnte bei einer gesunden Natur erst recht die Frage +erwecken, was Leben sei. Wenn bei dem Mann im Kloster der Verstand sich +heißhungrig auf die Wissenschaft werfen konnte, so blieb die +eigentümliche Lebenskraft des Weibes, das Gemüt hier unbefriedigt[66]. + +Gewiß die allermeisten dieser adligen Fräulein hatten es äußerlich +angesehen im Kloster besser, behaglicher, luxuriöser als daheim im +beschränkten Haushalt der Eltern oder eines eigenen Gatten; und das +Ansehen, das eine gottgeweihte Jungfrau in den Augen des Volkes und +besonders der Kirche, und nicht zum wenigsten in dem eigenen Bewußtsein +hatte, war viel größer als dasjenige, das eine arme Edelfrau draußen in +der Welt finden konnte. Aber der ganze Zwang der Unnatur und die +Künstlichkeit all dieser Verhältnisse mußte, wenn auch ohne klares +Bewußtsein, auf einen wahrhaften und gesunden Geist drücken. + +Nur das eine Gefühl konnte die Nonne über alle Zweifel, alle Entsagung, +alle Pein, alle Langeweile des Klosterlebens hin wegheben: das +Bewußtsein, ein gottwohlgefälliges Werk zu thun, sich ein besonderes +Verdienst vor Gott zu erwerben, sich die zeitliche Heiligkeit und die +ewige Seligkeit zu versichern. Aber wie dann, wenn diese Grundbedingung +alles Nonnentums, dieser Grundpfeiler alles Klosterlebens erschüttert +und untergraben wurde, ja sich selbst als morsch und faul erwies? Dann +mußte das ganze Gebäu zusammenstürzen, dann mußte eine gegen sich +aufrichtige und willensstarke Natur die Konsequenzen ziehen und ein +Leben verwerfen und verlassen, das als heiliger und seliger Beruf +erschienen war und bisher den ganzen Menschen erfüllt hatte. + +Und dieser Fall trat bei Katharina ein. Aber freilich ihr verständiger, +nüchterner Sinn wird sie auch davor bewahrt haben, in krankhafter +Schwermut sich unglückselig zu beklagen oder sich hinauszusehnen in eine +verschlossene Welt. + +Es mußte ihr erst die Möglichkeit sich öffnen, den Klostermauern zu +entrinnen, und das pflichtmäßige Recht, es zu dürfen; dann aber erwachte +auch ihre ganze Thatkraft und mit aller Macht des Willens und Verstandes +setzte sie auch durch, was erreichbar und recht war. + + + + +3. Kapitel + +Die Flucht aus dem Kloster + + +Kaum ein Jahr hatte Schwester Katharina das Nonnengelübde abgelegt, da +schlug der Augustinermönch Martin Luther in Wittenberg die 95 Sätze +wider den Ablaß an. Nach einem Jahr stellte er sich dem Gesandten des +Papstes in Augsburg zur Verantwortung. Wieder ein Jahr später war die +große Redeschlacht mit Eck zu Leipzig. Am Ende des folgenden Jahres +verbrannte Luther die Bannbulle und im Frühjahr 1521 stand er vor Kaiser +und Reich in Worms. + +Diese die Kirche und die ganze christliche Welt aufregenden Ereignisse +drangen auch in die Klöster und erregten auch dort die Geister; dies um +so mehr, weil der Urheber all dieser gewaltigen Kämpfe selbst ein +Klosterbruder war, und zwar ein Augustiner, der dem Orden der alten +Benediktiner (Cisterzienser und Bernhardiner) verwandt war und darum als +Vorkämpfer dieses wider die gegnerischen Genossenschaften der +ketzerrichterischen Dominikaner angesehen und schon darum mit einer +gewissen Sympathie betrachtet wurde. + +Aber noch tiefer in das Leben und die Gedankenwelt der Klosterbewohner +schnitten die Schriften ein, welche der Wittenberger Mönch und Doktor in +diesen großen Jahren schrieb. Schon die Disputation von „Kraft und Wert +des Ablasses“ über die 95 Thesen ging die Nonnen in Nimbschen besonders +an; denn auf „Kraft und Wert des Ablasses“ ruhte ja ein sehr großer Teil +ihres geistlichen Vermögens: der Gottesdienst an jedem Festtag, ja das +Kniebeugen beim Aveläuten brachte jedesmal vierzig Tage Ablaß ein. Aber +noch näher sollten ihre Person und ihren besonderen Beruf weitere +Schriften berühren[67]. + +Es erschien 1518 Luthers „Auslegung des Vaterunsers für die +Einfältigen“. Darin mußte einem Klosterinsassen gar mancherlei +auffallen. Das Vaterunser, heißt's da, ist das edelste und beste Gebet — +beim Rosenkranz aber kommt das Ave Maria 5 mal so oft vor! Ferner: „Je +weniger Worte, je besser Gebet; je mehr Worte, je weniger Gebet. Da +klappert einer mit den Paternosterkörnern und manche geistliche Personen +schlappern ihre Horen überhin und sagen ohne Scham: ‚Ei nun bin ich +froh, ich habe unsern Herrn bezahlt‘, meinen, sie haben Gott genug +gethan. Jetzt setzen wir unsere Zuversicht in viel Geplärr, Geschrei und +Gesang, was Christus doch verboten hat, da er sagt: ‚niemand wird erhört +durch viel Worte machen‘. Er spricht nicht: ihr sollt ohne Unterlaß +beten, Blätter umwenden, Rosenkranz-Ringlein ziehn, viele Worte machen. +Das Wesen des Gebets ist nichts anders als Erhebung des Gemütes oder +Herzens zu Gott, sonst ist's kein Gebet. Den Namen Gottes verunehren die +hoffärtigen Heiligen und Teufels-Martyrer, die nicht sind wie andere +Leute, sondern gleich dem Gleisner im Evangelium. Wir beten nicht: Laß +uns kommen zu deinem Reich, als sollten wir darnach laufen; sondern: +Dein Reich komme zu uns; denn Gottes Gnade und sein Reich muß zu uns +kommen, gleich wie Christus zu uns vom Himmel auf die Erde gekommen ist +und nicht wir zu ihm von der Erde gestiegen sind in den Himmel. Das +tägliche Brot ist das Wort Gottes, weil die Seele davon gespeist, +gestärkt, groß und fest wird. Es ist ein schweres Wesen zu unser Zeit, +daß das Fürnehmste im Gottesdienst dahinten bleibt.“[68] + +Dann kam 1520 der „Sermon von den guten Werken“. Gute Werke waren ja +alles Thun im Kloster: Beten, Fasten, Wachen u.s.w. Was aber nennt nun +Luther wahrhaft gute Werke? „Das erste, höchste und alleredelste Werk +ist der Glauben an Christum. Darin müssen alle Werke geschehen und +dadurch erst gut werden. Beten, Fasten, Stiften ist ohne dies nichts. +Fragst du solche, ob sie das auch als gutes Werk betrachten, wenn sie +ihr Handwerk arbeiten und allerlei Werk thun zu des Leibes Nahrung oder +zum gemeinen Nutzen, so sagen sie nein! und spannen die guten Werke so +enge, daß nur Kirchengehen, Beten, Fasten Almosen bleiben. So verkürzen +und verringern sie Gott seine Dienste. Ein Christenmensch vermisset sich +aller Ding, die zu thun sind, und thut's alles fröhlich und frei; nicht +um viele gute Verdienste und Werke zu sammeln, sondern weil es ihm eine +Lust ist, Gott also wohlzugefallen. Eltern können an ihren eigenen +Kindern die Seligkeit erlangen; so sie die zu Gottes Dienst ziehen, +haben sie fürwahr beide Hände voll guter Werke an ihnen zu thun. O welch +ein selige Ehe und Haus wäre das! Fürwahr, es wäre eine rechte Kirche, +ein auserwählet Kloster, ja ein Paradies!“ + +Und ähnliche Gedanken konnten die Klosterleute ausgeführt finden in des +Doktors herrlichem Büchlein „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ +vom selben Jahr 1520. Da heißt es: „Der Mensch lebt nicht für sich +allein, sondern auch für alle Menschen auf Erden; ja vielmehr allein für +andere und nicht für sich. Daher bin ich schmerzlich besorgt, daß +heutzutage wenige oder keine Stifte und Klöster christlich sind. Ich +fürchte nämlich, daß in dem Fasten und Beten allesamt nur das Unsere +gesucht wird, daß damit unsere Sünden gebüßt und unsere Seligkeit +gefunden wird.“ + +Für die Mönche und Nonnen aber eigens geschrieben waren mehrere +Schriften über das Klosterleben. So das Büchlein über „die +Klostergelübde. Aus der Wüstenung (d.h. Wartburg) anno 1521“. Darin +nimmt sich Luther der gefallenen und geängsteten Gewissen an und thut +aus Gottes Wort dar, daß die Gelübde, die ohne und wider Gottes Gebot +geschehen und an sich unmöglich sind, eines getauften Menschen Herz +nicht bestricken und gefangen halten können. Der Glaube und das +Taufgelübde sei das oberste, ohne welches man nichts geloben kann; denn +die Seelen werden durch die Taufe Verschworene und Verlobte Christi. +Falsch Verlobte wie die Klostersleute befreit der Sohn Gottes und nimmt +den aus Gnaden mit Freuden an, der sich zu ihm kehrt und dem ersten +Gelübde anhängt. „Dies Buch machte viele Bande ledig und befreite viel +gefangener Herzen“, sagt eine Zeitgenosse[69]. + +Gleichfalls von der Wartburg aus erschien endlich ein deutsches +Predigtbuch („Postilla“) von Luther und zu Michaelis desselben Jahres +(1522) noch ein Wartburgswerk „Das Neue Testament deutsch“. Da konnte +nun jedermann und vor allem die geistlichen Personen im Kloster, welche +die evangelischen Ratschläge befolgen und ein evangelisches Leben führen +wollten, aus der Quelle erfahren, was wahres Christentum sei, wie es +Christus und die Apostel gelehrt, und wie es Luther ausgelegt hatte. + +Demzufolge wandte sich die Stadt Grimma, in deren unmittelbarer Nähe +das Kloster Nimbschen gelegen war, dem Evangelium zu, und die Mönche in +mehreren umliegenden Klöstern verließen ihre Gotteshäuser. + +Diese Schriften und Nachrichten kamen auch in das Kloster Nimbschen, +denn so ganz verschlossen von der Welt waren auch Nonnenklöster nicht. + +Auf welchem Wege und durch wen wurden sie den Klosterfrauen vermittelt? + +Zweierlei Wege und Personen zeigen sich da. In _Grimma_ war ein Kloster +von Luthers Kongregation: Augustiner-Eremiten. Dort hatte Luther 1516 +schon Visitation gehalten und bei der Rückkehr von der Leipziger +Disputation (1519) blieb er mehrere Tage und predigte wohl auch +daselbst; denn die Mehrzahl der Einwohner Grimmas standen schon längst +auf seiner Seite. Der Prior des Klosters Wolfgang von _Zeschau_ war +Luthers Freund. Er trat 1522 mit der Hälfte der Ordensbrüder aus dem +Kloster und wurde „Hospitalherr“ (Spittelmeister) am St. Georgen-Spital. + +Von diesem Zeschau nun aber waren zwei Verwandte (Muhmen) im Kloster +Nimbschen, zwei leibliche Schwestern: Margarete und Veronika von +Zeschau. Gewiß konnte dieser evangelisch gesinnte frühere Mönch +wenigstens vor seinem Austritt mit seinen Muhmen ohne Verdacht verkehren +und ihnen Luthers Schriften zustecken. Auch der eifrig evangelische +Stadtpfarrer in Grimma, Gareysen, war dazu imstande, welcher zu Ostern +1523 das hl. Abendmahl unter beiderlei Gestalt austeilte. + +Außer dem nahen Städtchen Grimma konnte aber auch das ferner gelegene +_Torgau_ der Ort sein, von welchem aus reformatorische Gedanken und +Schriften ins Kloster Nimbschen drangen. In Torgau war sehr früh und +sehr durchgreifend die Reformation eingeführt worden, besonders seit der +frühere Klostergenosse Luthers, der feurige Magister Gabriel _Zwilling_ +dort wirkte. Dieser, obwohl einäugig und ein kleines Männlein mit +schwacher Stimme, hat doch durch seine begeisterte, ja stürmische +Predigt, welche in Wittenberg sogar einen Melanchthon mit fortgerissen +hatte, die Bürgerschaft zu einer ziemlich radikalen Abstellung aller +römischen Mißstände und zu begeisterter Aufnahme des Evangeliums +bewogen. Ja ein Torgauer Bürgersohn, Seifensieder seines Handwerks, +entführte zu dieser Zeit — ob vor oder nach 1523 ist ungewiß, — zwei +Nonnen aus dem Kloster Riesa an der Elbe und versteckte sie in einen +hohlen Baum. Dann holte er Pferde und geleitete sie heim und heiratete +die eine der beiden Klosterjungfrauen. Und eine Torgauerin trat 1523 aus +dem Kloster Sitzerode[70]. + +Ein besonders entschiedener und thatkräftiger Anhänger war der ehemalige +Schösser, der „fürsichtige und weise Ratsherr“ Leonhard Koppe, in dessen +Kaufladen das Kloster seine Waren einzukaufen pflegte, und der wohl mit +seinem Fuhrwerk selber Lieferungen nach Nimbschen brachte. So war dieser +Laie, wenn auch seine evangelische Gesinnung bekannt sein mußte, +vielleicht ein noch geeigneterer Mittelsmann für evangelische Schriften, +als die doch immerhin verdächtigen übergetretenen Geistlichen von +Grimma, vor denen als gefährlichen Wölfen die „zwei Herren an der +Pforte“ ihren geistlichen Schafstall wohl gehütet haben werden. Mit +seinen Waren konnte Koppe leicht lutherische Schriften einschmuggeln und +auch einen Brief aus dem Kloster nach außen besorgen. Keck und schlau +genug war Koppe dazu[71]. + +Welchen Eindruck das Auftreten und die Schriften Luthers auf die Nonnen +machte, läßt sich ersehen aus einem Bericht, den eine Nonne in gleicher +Lage und Zeit, jene Florentina von Eisleben, durch Luther in Druck gab. +„Als nun die Zeit göttlichen Trostes, in welcher das Evangelium, das so +lange verborgen, an den Tag gekommen, ganzer gemeiner Christenheit +erschienen: sind auch mir als einem verschmachteten hungrigen Schaf, das +lange der Weide gedarbt, die Schriften der rechten Hirten gekommen, +worinnen ich gefunden, daß mein vermeintlich geistlich Leben ein +gestrackter Weg zu der Hölle sei“[72]. + +In Nimbschen ging es einem großen Teil der Klosterjungfrauen ähnlich. +Ja, eine Anzahl derselben verabredete sich zu dem Plan, aus dem Kloster +auszutreten. + +Das war ein schwerer Entschluß, der große Ueberwindung kostete. Eine +ausgesprungene Nonne galt bisher für einen Schandfleck in der Familie. +Der _freie_ Austritt aber war nur durch päpstlichen Dispens mit großen +Kosten und Mühen zu erreichen und eigentlich nur Gliedern fürstlicher +Familien möglich. Freilich waren in dieser neuen, tieferregten Zeit +schon Mönche aus dem Klosterverband ausgetreten und weltlich geworden; +niemand wagte sie jetzt, wenigstens im kurfürstlichen Sachsen, +anzutasten, ja, sie erhielten sogar Aemter und Stellen von Stadt und +Staat. Aber der Austritt von Nonnen war fast noch unerhört, jedenfalls +noch sehr ungewohnt[73]. Und wenn auch das Vorurteil der Welt und der +eigenen Angehörigen überwunden war, so fragte sich doch: was sollten die +ausgetretenen Nonnen draußen in der Welt anfangen, was thun und werden, +womit sich erhalten und durchs Leben bringen?[74] + +Wenn darum also auch die meisten, wo nicht alle Nonnen in Nimbschen das +Klosterleben verwarfen, so haben sich doch nur die mutigsten +entschlossen, den Schritt zu thun, den sie für recht und geboten +erachteten, nämlich nur diejenigen, welche vermöge ihrer Bildung +selbständig sich durchs Leben zu bringen im stande waren, wie die +Staupitz und Kanitz, oder die noch jung genug waren, sich in ein neues +Leben zu schicken, wie die beiden Schönfeld und Katharina von Bora. Es +waren in Nimbschen neun Nonnen zum Austritt bereit: Magdalena von +Staupitz, Elisabeth von Kanitz, Veronika und Margarete von Zeschau, +Loneta von Gohlis, Eva Große, Ave und Margarete von Schönfeld und als +zweitjüngste von ihnen Katharina von Bora[75]. + +Diese Kloster-„Kinder“ (Nonnen) thaten nun das Naturgemäßeste und +Verständigste: „sie ersuchten und baten ihre Eltern und Freundschaft +(d.i. Verwandte) aufs allerdemütigste um Hülfe, herauszukommen“. Sie +zeigten genugsam an, daß ihnen solch Leben der Seelen Seligkeit halber +nicht länger zu dulden sei, erboten sich auch zu thun und zu leiden, was +fromme (brave) Kinder thun und leiden sollen“[76]. + +Aber freilich den Eltern und Verwandten war das Gesuch ihrer Töchter und +Basen eine Verlegenheit. Einmal: der Versorgung wegen waren ja diese +Töchter ins Kloster gethan worden — wie wollte man sie nun in den armen +Familien unterhalten? Ihr Erbe war schon in Wirklichkeit oder in +Gedanken verteilt, wer mochte es an diese weltentrückten, +gesellschaftlich toten Familienmitglieder herausgeben?[77] Ferner waren +solche Klosterfrauen der Welt entfremdet und taugten gar wenig ins +Leben. Wenn endlich auch nicht noch religiöse oder kirchliche Bedenken +abschreckten, so war es doch noch eine andere Furcht: die Lehen der +meisten Anverwandten der Klosterfrauen lagen im Lande Herzogs des +Bärtigen, der ein heftiger Feind der Reformation und des Wittenberger +Doktors im besonderen war. Da konnte es wegen Entführung von +gottgeweihten Klosterfrauen empfindliche Strafen geben oder doch +Zurücksetzung bei Hofämtern. Kurzum das Gesuch der klosterflüchtigen +Nonnen wurde abgeschlagen[78]. + +So standen die Aermsten von jedermann verlassen da, in nicht geringer +Gefahr, daß ihr Vorhaben entdeckt und gehindert, die Beteiligten aber +empfindlich gestraft würden, wie es z.B. der mehrerwähnten Florentina +geschah, als ihr Vorhaben, aus dem Kloster zu treten, entdeckt wurde. +Diese wurde von ihrer eigenen Muhme, der Aebtissin, unbarmherzig vier +Wochen bei großer Kälte härtiglich gefangen gesetzt, dann in Bann und +Buße in ihre Zelle gesperrt, mußte sich beim Kirchgang platt auf die +Erde werfen und die anderen Nonnen über sich hinschreiten lassen, beim +Essen mit einem Strohkränzlein vor der Priorin auf die Erde setzen; dann +wurde sie bei einem neuen Versuch, sich an ihre Verwandten zu wenden, +durchgestäupt und „7 Mittwoch und 7 Freitage von 10 Personen auf einmal +discipliniert“, in Ketten gelegt und für immer in die Zelle gesperrt — +bis sie durch Unachtsamkeit ihrer Schließerin doch entkam. + +Solches oder Aehnliches ist im Kloster Nimbschen mit den lutherisch +Gesinnten nicht geschehen; vielleicht schützte sie ihre große Zahl vor +solchen Gewaltmaßregeln. Es war aber wohl auch die Gesinnung der +verständigen Aebtissin, welche eine solche Bestrafung verhinderte: +Margarete von Haubitz ist ja nachher mit dem ganzen übrig gebliebenen +Konvent zur Reformation übergetreten, obwohl sie mit den älteren Frauen +im Kloster blieb und das Leben darin nach evangelischen Grundsätzen +einrichtete. Keineswegs aber konnte und wollte sie als Aebtissin schon +1523 den Klosterflüchtigen Vorschub leisten in ihrem Vorhaben[79]. + +Da nun die Nonnen an den Ihrigen keinen Anhalt fanden, so hatten sie +gerechte Ursache, anderswo Hülf und Rat zu suchen, wie sie es haben +konnten. Sie fühlten sich ja gedrungen und genötigt, ihre Gewissen und +Seelen zu retten[80]. Wo anders aber sollten sie diese Hülfe suchen, als +bei dem, der sie durch seine evangelischen Schriften und geistkühne +Thaten auf diese Gedanken gebracht hatte? So machten sie's also wohl, +wie nach ihnen noch manche andere, einzelne und ganze Haufen von +Klosterjungfrauen: sie schrieben „an den hochgelehrten Dr. Martinus +Luther zu Wittenberg, einen Klage-Brief und elende Schrift, gaben ihm +ihr Gemüt zu erkennen und begehrten von ihm Trost, Rat und Hülfe“[81]. + +Und der Ueberbringer dieses Briefes wird jedenfalls niemand anderes +gewesen sein als eben Leonhard Koppe von Torgau. Luther erkannte an, daß +„sie beide hier haben helfen und raten können, und darum seien sie auch +schuldig, aus Pflicht christlicher Liebe die Seelen und Gewissen zu +retten“[82]. + +„Denn es ist eine hohe Not“, erklärte er weiter, mit Bezug auf die +Nimbscher Nonnen, „daß man leider die Kinder in die Klöster gehen läßt, +wo doch keine tägliche Uebung des göttlichen Wortes ist, ja selten oder +nimmermehr das Evangelium einmal recht gehört wird. Diese Ursach ist +allein genug, daß die Seelen herausgerissen und geraubt werden, wie man +kann, ob auch tausend Eide und Gelübde geschehen wären. Weil aber Gott +kein Dienst gefällt, es gehe denn willig von Herzen, so folgt, daß auch +keine Gelübde weiter gelten, als sofern Lust und Lieb da ist; sonst sind +im Klosterleben furchtbare Gefahren, Versuchungen und Sünden“[83]. + +„Aber wenn sich nun schwache Seelen an solchem Klosterraub ärgern?“ +konnte man einwenden. + +Luther erklärte: „Aergernis hin, Aergernis her! Not bricht Eisen und hat +kein Aergernis. Ich werde die schwachen Gewissen schonen, sofern es ohne +Gefahr meiner Seele geschehen kann; wo nicht, so werde ich meiner Seele +raten, es ärgere sich dann die ganze oder halbe Welt. Nun liegt hier der +Seele Gefahr in allen Stücken. Darum soll niemand von uns begehren, daß +wir ihn nicht ärgern, sondern wir sollen begehren, daß sie unser Ding +billigen und sich nicht ärgern. Das fordert die Liebe!“[84] + +So dachte Luther und ihm gleichgesinnt war Leonhard Koppe. An ihn +stellte nun Luther das Ansinnen, die Befreiung zu übernehmen. Und Koppe +war trotz seiner sechzig Jahre ein entschlossener Mann, zu einem kecken +Wagnis bereit, und willigte ein; er nahm keine Rücksicht, ob es ihm im +Geschäfte schaden könnte, noch weniger, ob es ihn beim Hof in Ungunst +bringen oder gar ans Leben gehen könnte; denn auf Nonnenraub stand +eigentlich Todesstrafe, und auch Kurfürst Friedrich, der vorsichtige +Schützer Luthers mißbilligte nicht nur jede öffentliche Gewaltthat, +sondern war auch geneigt, sie zu strafen. Aber trotz all dieser Bedenken +war Leonhard Koppe zu der That entschlossen, und wurde darin von dem +Torgauer Pfarrer D. Zwilling bestärkt; denn dieser war auch in die Sache +eingeweiht[85]. + +Zwischen Luther und Koppe wurde so der Plan verabredet. Das Unternehmen +sollte von Torgau ausgehen, welches in der Mitte zwischen Nimbschen und +Wittenberg gelegen war. Die Osterzeit wurde zur Ausführung ersehen. + +Koppe brauchte aber Gehülfen zur Ausführung seines Unternehmens. Er +wählte dazu seines Bruders Sohn, einen verwegenen jungen Mann, und einen +Bürger Wolfgang Tommitsch (oder Dommitsch), dessen Stieftochter, ein +Fräulein von Seidewitz, kurz vorher aus dem Kloster entkommen war und +bald darauf einen ausgetretenen Augustiner-Propst, Mag. Nikolaus Demuth +heiratete, welcher dann Amtsschöffer in Torgau wurde. Mit den neun +Klosterjungfrauen waren jedenfalls Verabredungen getroffen worden und +sie machten sich fluchtbereit[86]. + +In der Karwoche brachen nun die Torgauer auf einem oder mehreren mit +einer Blahe bedeckten Wagen, worin sie wohl weltliche Frauenkleider +verborgen hatten, von ihrer Stadt auf. Wenn die beiden Helfer nicht +eigene Wagen leiteten, so waren sie zu Pferde als Bedeckung dabei. Sie +kamen über Grimma am Karsamstag abends den 4. April vor Nimbschen +an[87]. + +Hier rüsteten sich die Nonnen in gewohnter Weise zu den Ostervigilien, +welche in der Auferstehungsnacht gefeiert wurden. Die außerordentliche +Zeit, wo die Regel und geordneten Beschäftigungen der Klosterfrauen +aufgehoben waren, muß dem Fluchtplan günstig geschienen haben. Während +die beiden Begleiter in dem nahen Gehölz gehalten haben werden, fuhr +Koppe an dem Kloster vor. Er nahm, wie berichtet wird, zum Vorwand, +leere Heringstonnen auf der Heimfahrt nach Torgau mitnehmen zu wollen. +Beim Aufsuchen und Aufladen derselben scheint er den Thorwart Thalheim +beschäftigt und die Aufmerksamkeit der übrigen Bewohner des äußern +Klosterhofs, namentlich der zwei Beichtväter, abgelenkt zu haben. Aus +der Klausur entkamen die neun Verschworenen, indem die Pförtnerin +entweder getäuscht oder gar bei dem Plan beteiligt war (es konnte ganz +gut eine von diesen neun zu dieser Zeit Thürhüterin sein). Ein alter +Berichterstatter erzählt, man hätte eine Lehmwand durchbrochen; ein +anderer, die Jungfrauen hätten sich im Garten versammelt und seien da +über die Mauer gestiegen. Aber auch zur hinteren Thüre konnten sie +entkommen sein; denn an der Bewachung dieser ließ es das Kloster fehlen. +Kurzum, die Neun entflohen, wurden von den beiden Begleitern Koppes +aufgenommen; dieser fuhr wohl mit seinem Wagen Heringstonnen ganz +unschuldig ab und nahm dann draußen die Jungfrauen auf. Die leeren +Tonnen — vorne aufgestellt — konnten ganz gut dazu dienen, den +lebendigen Inhalt des Wagens vor unberufenen Augen zu verbergen[88]. + +Auf diese oder ähnliche Weise, jedenfalls „mit ausnehmender Ueberlegung +und Schlauheit“, aber auch mit „äußerster Keckheit“ — nicht mit Gewalt +wurden die neun Jungfrauen durch Koppe aus Nimbschen befreit. Luther sah +es fast wie ein Wunder an[89]. + +Bei Nacht und Nebel fuhren nun die Retter und Geretteten davon, dem +Ostermorgen entgegen: es war eine eigene Ostervigilie in der Luft der +Freiheit durch die frühlingsjunge Gotteswelt[90]. Die Fahrt ging durch +die kurfürstlichen Lande, war also nicht bedroht durch die +Nachstellungen des lutherfeindlichen Herzogs Georg. Eine Verfolgung von +Nimbschen aus war nicht gerade zu befürchten: es waren dort keine +Männer, welche etwa einen Kampf mit den Entführern gewagt hätten. Auch +hat der kluge Koppe gewiß ihre Spuren möglichst verdeckt und die +Verfolger irre geführt. Die weltliche Kleidung, welche die Jungfrauen +mittlerweile mit ihrer geistlichen vertauscht hatten, machte wohl die +Reise unauffällig, und so kam der Zug auch ungehindert am Ostertag in +Torgau an und wurde vom Magister Zwilling freudig empfangen. In Torgau +wurde übernachtet, die weltliche Kleidung der Klosterjungfrauen in der +Eile noch vervollständigt und am anderen Tag ging es Wittenberg zu, weil +es doch nicht geraten schien, die Entflohenen so nahe bei dem Kloster +und auch so nahe beim kurfürstlichen Hof zu lassen[91]. + +Am Osterdienstag kam der Zug in Wittenberg an; ohne alle Ausstattung, in +ihrer geborgten und eilig zusammengerafften Kleidung, mit den +geschorenen Häuptern ein „arm Völklein“, aber in ihrer großen Armut und +Angst ganz geduldig und fröhlich[92]. + +Luther empfing sie mit wehmütiger Freude. Den kühnen aber rief er zu: +„Ihr habt ein neu Werk gethan, davon Land und Leute singen und sagen +werden, welches viele für großen Schaden ausschreien: aber die es mit +Gott halten, werden's für großen Frommen preisen. Ihr habt die armen +Seelen aus dem Gefängnis menschlicher Tyrannei geführt eben um die +rechte Zeit: auf Ostern, da Christus auch der Seinen Gefängnis gefangen +nahm“[93]. Als dann die Befreier heimfuhren, empfahl er sie Gott und gab +ihnen Grüße mit an Koppes „liebe Audi“ und „alle Freunde in +Christo“[94]. + +Drei Tage darauf schrieb Luther zur Verantwortung für sich, für den +„seligen Räuber“ Koppe und die es mit ihm ausgerichtet, sowie für die +befreiten Jungfrauen zum Unterricht an alle, die diesem Exempel wollten +nachfolgen „dem Fürsichtigen und Weisen Leonhard Koppe, Bürger zu +Torgau, meinem besonderen Freunde“ einen offenen Brief. „Auf daß ich +unser aller Wort rede, für mich, der ich's geraten und geboten, und für +Euch und die Euern, die Ihr's ausgericht, und für die Jungfrauen, die +der Erlösung bedurft haben, will ich hiermit in Kürze vor Gott und aller +Welt Rechenschaft und Antwort geben“. In dieser „Ursache und Antwort, +daß Jungfrauen Klöster göttlich verlassen mögen“ berichtet er offen die +That und ihre Gründe und nennt die Namen der Befreier und Befreiten. Er +sagt ihnen: + +„Seid gewiß, daß es Gott also verordnet hat und nicht Euer eigen Werk +noch Rat ist, und lasset das Geschrei derjenigen, die es für das +allerärgste Werk tadeln. ‚Pfui, pfui!‘ werden sie sagen, ‚der Narr +Leonhard Koppe hat sich durch den verdammten ketzerischen Mönch fangen +lassen, fährt zu und führt neun Nonnen auf einmal aus dem Kloster, und +hilft ihnen, ihr Gelübde und klösterlich Leben zu verleugnen und zu +verlassen‘. Meint ihr, das ist all heimlich gehalten und verborgen? Ja, +verraten und verkauft, daß auf mich gehetzt werde das ganze Kloster zu +Nimptzschen, weil sie nun hören, daß ich der Räuber gewesen bin! Daß ich +aber solches ausrufe und nicht geheim halte, thue ich aus redlichen +Gründen. Es ist durch mich nicht darum angeregt, daß es heimlich bleiben +sollte, denn was wir thun, thun wir in Gott und scheuen uns des nicht am +Licht. Wollte Gott, ich könnte auf diese oder andere Weise alle +gefangenen Gewissen erretten und alle Klöster ledig (leer) machen. Ich +wollt mich's darnach nicht scheuen, zu bekennen samt allen, die dazu +geholfen hätten, (in) der Zuversicht, Christus, der nun sein Evangelium +an Tag gebracht, und des Endechrists (Antichrists) Reich zerstört, würde +hier Schutzherr sein, ob's auch das Leben kosten müßte. Zum anderen thu +ich's, der armen Kinder und ihrer Freundschaft (Verwandtschaft) Ehren zu +erhalten, daß niemand sagen darf, sie seien durch lose Buben unredlich +ausgeführt und ihrer Ehre sich in Gefahr begeben. Zum dritten, zu warnen +die Herrn vom Adel und alle frommen Biederleute, so Kinder in Klöstern +haben, daß sie selbst dazu thun und sie herausnehmen“[95]. + +Diese Aufforderung und die gelungene Flucht der neun Nonnen ermutigte, +wie Luther gedacht, noch andere Klosterjungfrauen und deren Eltern zu +gleichem. Noch in derselben Osterwoche entwichen abermals drei Nonnen +aus Nimbschen und kamen zu ihren Angehörigen, und zu Pfingsten wurden +wieder drei von ihren Verwandten selbst aus dem Kloster geholt[96]. + +Da endlich ermannte sich der Abt von Pforta, der dem offenen Brief +Luthers nicht entgegenzutreten gewagt hatte, — Luther war ein zu +gefürchteter Kämpe. Am 9. Juni schrieb er eine Klage an den — Kurfürsten +über diese Vorgänge, welche zur „Entrottung und Zerstörung des Klosters“ +führten, und beschwerte sich, daß die Nonnen von Sr. Kurf. Gn. +Unterthanen dazu geholfen und gefördert worden seien. Der Kurfürst +Friedrich gab in seiner bekannten diplomatischen Weise die ausweichende +Antwort: „Nachdem Wir nit wissen, wie diese Sache bewandt und wie die +Klosterjungfrauen zu solch ihrem Furnehmen verursacht und Wir uns +bisher dieser und dergleichen Sachen nie angenommen, so lassen Wir's +bei ihrer selbst Verantwortung bleiben“[97]. + +Aber damit war die Klosterflucht in Nimbschen nicht zu Ende. Bis 1526 +waren einige zwanzig — auch Magdalena von Bora — ausgetreten, so daß +jetzt nur noch 19 Klosterjungfrauen da waren; und diese samt ihrer +Aebtissin wurden evangelisch, blieben aber im Kloster, bis sich der +Konvent im Jahre 1545 auflöste[98]. + +Drei Wochen nach der Flucht der neun Nimbscher Nonnen, am 28. April, +wagten sechs Nonnen aus Sornzig die Flucht, trotzdem dies Kloster im +Lande des Reformationsfeindes Herzogs Georg lag, und trotz des +schrecklichen Schicksals, das um diese Zeit den Entführer einer Nonne +betroffen hatte, der zu Dresden geköpft worden war. Und weitere acht +flohen aus Peutwitz[99]. + +Im selben Jahre der Flucht Katharinas traten noch 16 Nonnen in +Widderstetten auf einmal aus. Zwei Jahre darauf wandten sich wieder +andere „elende Kinder“ an Luther aus dem fürstlichen Kloster Freiberg im +Gebiete seines grimmen Feindes, Herzogs Georg. Und wieder wandte sich +Luther an den bewährten Nonnen-Entführer Leonhard Koppe, den er +scherzweise „Würdiger Pater Prior“ anredet. Luther wußte, daß diese +Zumutung fast zu viel und zu hoch sei — es konnte ja diesmal ernstlich +das Leben kosten — und meinte, Koppe wisse vielleicht jemand anderes, +der dazu helfen könnte. Aber der verwegene Mann ließ sich um ein solches +wagehalsiges Stück schwerlich vergebens bitten und — zu Georgs +allerhöchstem Verdruß — glückte das Wagestück, wie die Entführung aus +Nimbschen[100]. + + + + +4. Kapitel + +Eingewöhnung ins weltliche Leben. + + +Nachdem die Befreiung Katharinas und ihrer Mitschwestern so gut gelungen +war, fragte es sich nun, was sollte mit ihnen werden? + +Die Sorge blieb an Luther hängen. Nochmals wandte er sich an die +Angehörigen der Entflohenen und wird ihnen die Gewissen genugsam geweckt +und ihre Pflicht eingeschärft haben, sich ihrer erbarmungswerten +Töchter, Schwestern und Basen anzunehmen; das geht aus dem offenen Brief +an Koppe und einem anderen an Spalatin hervor, worin es heißt: „O, der +Tyrannen und grausamen Eltern in Deutschland!“[101] + +Zugleich aber hatte er den Fall vorgesehen, daß die Verwandten, +wenigstens zum Teil, ablehnten, für die Nonnen zu sorgen. Daher +überdachte er, wie er sie unterbringen könnte. Aber von seinen +„Kapernaiten“ (den Wittenbergern) konnte und wollte er keine +Geldunterstützung oder Anleihe erhalten; dagegen erhielt er von mehreren +Seiten Versprechungen, den Geflüchteten eine Unterkunft zu bieten. +Etliche wollte er auch, wenn er könne, verheiraten. Amsdorf schrieb +scherzend an Spalatin: „Sie sind schön und fein, und alle von Adel, und +keine fünfzigjährige darunter. Die älteste unter ihnen, meines gnädigen +Herrn und Oheims Dr. Staupitz Schwester, hab ich Dir, mein lieber +Bruder, zugerechnet zu einem ehelichen Gemahl, damit Du Dich mögest +eines solchen Schwagers rühmen. Willst Du aber eine jüngere, so sollst +Du die Wahl unter den Schönsten haben“[102]. + +Bis dahin bat Luther und ebenso Amsdorf den Hofkaplan und +Geheimschreiber des Kurfürsten Friedrichs des Weisen, „dieser ehrbaren +Meidlein Vorbitter am Hofe zu sein und ein Werk der Liebe zu thun, und +bei den reichen Hofleuten und vielleicht dem Kurfürsten etwas Geld zu +betteln, auch wohl selbst etwas zu geben, damit die Geflüchteten +einstweilen genährt und auf acht bis vierzehn Tage, auch mit Kleidung +versehen werden könnten, denn sie hatten weder Schuhe noch Kleider.“ +Luther ging es nämlich damals so schlecht, daß er selbst kaum etwas zu +essen hatte und sein Mitbruder, der Prior Brisger, einen Sack Malz +schuldig bleiben mußte: so sehr blieben die Klostereinkünfte aus, auf +die Luther und der letzte mit ihm lebende Mönch angewiesen war. Er +scherzt mit Beziehung auf seinen Bettelorden: „Der Bettelsack hat ein +Loch, das ist groß“. Freilich der Hof des vorsichtigen Kurfürsten wollte +nicht recht, wenigstens nicht offen mit Unterstützungen herausrücken, +weshalb Luther seinen Freund nochmals mahnen mußte: „Vergeßt auch meiner +Kollekte nicht und ermahnt den Fürsten um meinetwillen auch etwas +beizusteuern. O, ich will's fein heimlich halten und niemanden sagen, +daß er etwas für die abtrünnigen Jungfrauen gegeben — die doch wider +Willen geweihet und nun gerettet sind“[103]. + +Luthers Appell an die Verwandten verfing nicht. Er mußte klagen: „Sie +sind arm und elend und von ihrer Freundschaft verlassen.“ Luther mußte +also trotz seiner großen Armut die Nonnen mit großem Aufwand +unterstützen. Sonst erfuhr er, „was sie draußen von ihren Verwandten und +Brüdern leiden müßten“ — wenn etwa eine nach Hause käme. Sie wollten +meist auch nicht zu ihrer „Freundschaft“, weil sie in Herzog Jörgs Land +des göttlichen Wortes Mangel haben müßten[104]. + +Magdalena Staupitz wurde mit der Zeit als „Schulmeisterin“ der Mägdlein +in Grimma gesetzt, und ihr ein Häuslein vom Mönchskloster gegeben. Die +Elsa von Kanitz fand bei einer Verwandten Aufenthalt; Luther wollte sie +1527 als Schulmeisterin der Mägdlein nach Wittenberg berufen. Die Ave +von Schönfeld verheiratete er mit dem Medikus Dr. Basilius Axt[105]. + +Katharinas Verwandte konnten sich ihrer offenbar nicht annehmen. Die +Eltern waren tot, Bruder Hans mußte selber Dienste suchen im fernen +Preußen, dann Verwalterstellen in Sachsen. Der älteste Bruder war arm +verheiratet, hatte wohl keinen Platz für die Schwester; vom jüngsten, +Clemens, war vollends nichts zu erwarten. + +So wurde denn das Fräulein Katharina von Bora nach der Ueberlieferung im +Hause eines Wittenberger Bürgers untergebracht, der in der +Bürgermeistergasse wohnte. Es war der ehrsame gelehrte M. Philipp +Reichenbach, welcher 1525 in Wittenberg Stadtschreiber, 1529 Licentiat +der Rechte, 1530 Bürgermeister und endlich Kurfürstlicher Rat +wurde[106]. + +In dem Wittenberger Bürgerhause wurde die ehemalige Nonne mehr als eine +Art Pflegetochter gehalten und der Hausherr vertrat Vaterstelle an ihr. +Sie muß dort doch eine angesehene Stellung eingenommen haben. Sie war +bekannt und genannt im Kreise der Universitätsgenossen, und der +Dänenkönig Christiern II., der landesflüchtig im Oktober 1523 nach +Wittenberg kam und bei dem Maler Lukas Kranach Wohnung hatte, beschenkte +Katharina mit einem goldenen Ringe. Die jungen Gelehrten in Wittenberg +sprachen mit Achtung von ihr; sie nannten sie in ihren vertrauten +Briefen, wohl wegen ihrer strengen Zurückhaltung, „die Katharina von +Siena“[107]. + +Bei dem Stadtschreiber, oder vielmehr bei seiner Frau, sollte nun +Katharina von Bora sich eingewöhnen in das neue oder vielmehr alte +„weltliche“, das bürgerliche Leben. + +Das war nicht so gar leicht. Mindestens vierzehn Jahre lang, also fast +ihr ganzes bewußtes Leben, hatte Katharina im Kloster zugebracht. Alle +diese Jahre hatte sie die geistliche Tracht getragen, sich an +nonnenhafte Gebärde und Haltung, an geistliche Sitten und Reden gewöhnt; +den Umgang mit weltlichen Menschen hatte sie verlernt oder eigentlich +nie recht gelernt, und ebenso die Arbeit, das Hantieren in Stube und +Küche; in der That, man begreift, daß der praktische Luther beim Anblick +der neun weltunerfahrenen Nonnen ausrufen konnte: „Ein armes Völklein“! +Wie in die weltliche Kleidung mußte Katharina sich nun an weltliche +Sitte und Rede gewöhnen; wie ihr bleiches Gesicht sich an Luft und Sonne +bräunen, ihre zarten Hände im Angreifen von Töpfen und Besen sich +härten, so mußte auch ihr geistiges Wesen an den rauheren, aber +gesünderen Anforderungen und Zumutungen der Welt sich kräftigen. Aber +wie ihre abgeschnittenen Haare zu langen blonden Zöpfen wuchsen, so nahm +auch Sorgen und Denken an die kleinen weltlichen Pflichten und die +großen weltlichen Interessen zu. + +Und das gnädige Fräulein war nicht umsonst bei der Frau Magister. Sie +wurde hier tüchtig vorgeschult für ihren späteren großen +pflichtenreichen Haushalt. Und sie hat sich auch nach dem Zeugnis der +Wittenberger Universität in dem Hause Reichenbach „stille und wohl +verhalten“[108]. + +Aber auch andere Gedanken und Gefühle erwachten in ihr und wurden ihr +von außen nahe gelegt. Und auch hier machte sie Erfahrungen und erfuhr +sie schmerzliche Enttäuschungen, die sie weltkluger und vorsichtiger +machten. + +Katharina war jetzt 24 Jahre alt, eine reife, ja nach den Anschauungen +jener Zeit, welcher das 15. bis 18. Lebensjahr einer Jungfrau für das +richtigste heiratsfähige Alter galt, eine überreife Jungfrau. Daß sie an +Verehelichung dachte, ist begreiflich. Denn sie hatte weder eine +Stellung noch Vermögen. Der Aufenthalt bei ihren Pflegeeltern konnte +doch nur ein vorübergehender und nicht befriedigender sein. Luther, der +die besondere Sorge für diese, wie für andere ausgetretene Klosterleute +übernommen, hatte ohnedies schon von Anfang die ausgesprochene Absicht, +diejenigen, welche in ihren Familien keinen Unterhalt und Aufenthalt +finden konnten, zu verheiraten. Und seine gesamte Anschauung ging dahin +— darin hatte er die echt bäuerliche Ansicht seines Vaters — daß der +Mensch zum Familienleben geboren und gerade das Weib von Gott zur Ehe +bestimmt sei[109]. + +Nun kam damals im Mai oder Juni 1523 in die Universitätsstadt Hieronymus +_Baumgärtner_, ein Patriziersohn aus Nürnberg, „ein junger Gesell mit +Gelehrsamkeit und Gottseligkeit begabt“. Er hatte früher (1518-21) in +Wittenberg studiert und bei Melanchthon seinen Kosttisch gehabt und +wollte jetzt seine alten Lehrer und Freunde in Wittenberg: Luther und +besonders Melanchthon besuchen, mit dem er später in regem Briefwechsel +stand[110]. Dieser junge Mann erschien Luther als der rechte Gatte für +seine Schutzbefohlene: er war 25 Jahre alt, Käthe 24, beide aus +vornehmem Hause; sie ohne Vermögen, um so mehr paßte in Luthers Augen +der wohlhabende Nürnberger für sie. Und er wird wohl dafür gesorgt +haben, daß Baumgärtner an sie heran kam und an ihr Wohlgefallen fand. +Auch Käthe faßte eine raschaufwallende Neigung für den jungen Mann, war +er ja wohl der erste, der sich der gewesenen Nonne näherte. Vielleicht +haben sich die beiden auch zuerst gefunden, und Luther betrieb es nun in +seiner Art eifrig, die zwei zusammenzubringen. Jedenfalls wurde die +gegenseitige Neigung in dem Freundeskreise bekannt, und man hielt da die +Heirat für sicher. + +Aber Baumgärtner zog heim nach Nürnberg und ließ nichts mehr von sich +hören, trotzdem er versprochen hatte, nach ein paar Wochen wieder zu +kommen, um, wie man glaubte, Katharina heimzuführen. Die Freunde, +besonders Blickard Syndringer, erinnerten den Patriziersohn in ihren +Briefen neckend oft genug an die verlassene Geliebte. Sie sei wegen +seines Weggangs in eine Krankheit verfallen und habe sich in Sehnsucht +nach ihm verzehrt. Im Anfang des folgenden Jahres bestellte noch der +Nürnberger Ulrich Pinder von Wittenberg aus an Baumgärtner einen Gruß +von „Katharina von Siena d.i. von Borra“. Endlich schrieb Luther noch +einmal am 12. Oktober 1524 an Baumgärtner: „Wenn Du Deine Käthe von Bora +festhalten willst, so beeile Dich, bevor sie einem andern gegeben wird, +der zur Hand ist. Noch hat sie die Liebe zu Dir nicht verwunden. Und ich +würde mich gar sehr freuen, wenn ihr beide mit einander verbunden +würdet“[111]. + +Aber den Eltern Baumgärtners war offenbar die entlaufene Nonne anstößig, +und daß sie vermögenslos war, konnte sie erst recht nicht empfehlen. +Daher ging Hieronymus auf dieses Ultimatum des Freiwerbers Luther nicht +ein. Als er im Frühjahr 1525 in Nürnberg Ratsherr geworden war, verlobte +er sich mit einem Mädchen von 14 Jahren, Sibylle Dichtel von Tutzing +„mit sehr reicher Mitgift und was ihm noch erwünschter war, von sehr +angesehenen Eltern“ und hielt mit ihr am 23. Januar 1526 in München die +Hochzeit[112]. + +Da aber Baumgärtner Katharina endgiltig aufgegeben hatte, so rückte +Luther nun mit dem andern Heiratskandidaten heraus, den er für Käthe an +der Hand hatte. Das war D. Kaspar Glatz, der am 27. August 1524 von der +Universität Wittenberg, deren Rektor er damals war, sich auf ihre +Patronatspfarrei Orlamünde hatte setzen lassen. Luther ging nun damit +um, seine Schutzbefohlene dem D. Glatz zu freien. Aber Käthe, welche +den Mann während seiner Lehrzeit in dem kleinen Wittenberg kennen +gelernt hatte, wollte ihn nicht haben, und sie hatte ein richtigeres +Gefühl als Luther. Glatz war, wie sich später herausstellte, ein +rechthaberischer, eigensinniger Mensch, der Streitigkeiten mit seiner +Gemeinde bekam und deshalb entsetzt werden mußte. Luther aber setzte +Käthe mit der Heirat zu. Da ging sie zu Luthers Amtsgenossen, dem +Professor Amsdorf und beklagte sich, daß Luther sie wider ihren Willen +an D. Glatz verheiraten wolle; nun wisse sie, daß Amsdorf Luthers +vertrauter Freund sei; darum bitte sie, er wolle bei Luther dies +Vorhaben hintertreiben. + +Hier scheint nun Amsdorf, der diese Ablehnung für adeligen Hochmut +auslegte, bemerkt zu haben: Ob ihr denn ein Doktor, Professor oder +Pfarrherr nicht gut genug sei? denn Katharina wurde zu der Erklärung +gedrängt: Würde Amsdorf oder Luther sie zur Gattin begehren, so wolle +sie sich nicht weigern, D. Glatz aber könne sie nicht haben[113]. + +Diese Aeußerung, welche wohl ohne viel Absicht gesprochen war, hatte +ihre Folgen; zwar nicht für Amsdorf, der immer ehelos blieb, aber für +Luther. Auch er hatte die Bora „für stolz und hoffärtig“ gehalten, +während sie doch nur etwas Zurückhaltendes hatte und ein gewisses +Selbstbewußtsein zeigte; er hatte sie also nicht recht gemocht. Durch +jene Erklärung an Amsdorf wurde er aber auf andere Gedanken +gebracht[114]. + + + + +5. Kapitel. + +Katharinas Heirat. + + +So machte Luther bei Käthe von Bora, aber auch bei anderen Nonnen den +Freiwerber; er that es aber auch in seinen Schriften, worin er den +Ehestand so hoch pries und jedermann dazu einlud. Daher scherzte er in +einer Epistel an Spalatin: „Es ist zu verwundern, daß ich, der ich so +oft von der Ehe schreibe und so oft unter Weiber komme, nicht längst +verweibischt oder beweibt bin.“ Und mehr im Ernst: „Ich dränge andere +mit so viel Gründen zur Ehe, daß ich beinahe selbst dazu bewegt +werde“[115]. + +Wenn Luther so eifrig zur Ehe riet, so hatte er dabei vor allem seine +Amtsgenossen im Auge. Denn bis zur Reformation war es nicht nur Sitte, +sondern sogar Gesetz, daß Universitätslehrer sich nicht verehelichten: +so sehr wurden die Schulen, auch die Hochschulen als kirchliche, ja +geistliche Anstalten angesehen und die „geistigen“ Personen als +„Geistliche“. Nur beschränkte Ausnahmen wurden allmählich mit der +Verehelichung gestattet für Mediziner und Juristen; Rektor konnte lange +Zeit, auch in Wittenberg, nur ein unverehelichter Professor werden. Die +Gelehrten aber betrachteten auch ihrerseits die Ehe als eine +Erniedrigung für ihren hohen Stand. Darum hat Luther nur mit Mühe den +Gelehrten Melanchthon zur Heirat vermocht[116]. + +Daß aber die eigentlichen Geistlichen, die Priester, heirateten, das war +vor Luther, seit Gregor des Siebenten Zeiten, das heißt seit +sechsthalbhundert Jahren etwas Unerhörtes. Gerade aber _darauf_ hat nun +Luther allmählich in seinen vielen Schriften gedrungen, um zu zeigen daß +im Christentum der geistliche Stand nichts Besonderes sei, daß vielmehr +alle, die aus der Taufe gekrochen, Bischöfe und Pfarrer wären, und +umgekehrt die Geistlichen nichts anders als Christenmenschen. So hat er +all seine geglichen Freunde zur Ehe gedrängt und ihnen dazu mit Eifer +verholfen; auch den Hochmeister von Preußen und den Erzbischof von +Mainz. Er wollte sozusagen für seine Anschauung vom allgemeinen +Priestertum und dem hl. Ehestand, wie der falschen Heiligkeit des +Cölibats den Massenbeweis mit Tatsachen führen. So mahnt er Spalatin +(Ostern 1525): „Warum schreitest Du nicht zur Ehe? Es ist möglich, daß +ich selbst dazu komme, wenn die Feinde nicht aufhören diesen Lebensstand +zu verdammen und die Klüglinge ihn täglich belächeln!“[117] + +Der Gedanke, daß auch _Klosterleute_ ehelich werden sollten, war Luther +anfangs befremdend: galt dies doch nach der Anschauung der Zeit so +sakrilegisch, daß die weltlichen Rechte Heiraten von Mönchen und Nonnen +mit dem Tode bestraften[118]. Von der Wartburg schrieb Luther (am 6. +August 1521): „Unsere Wittenberger wollen sogar den Mönchen Weiber +geben? Nun mir sollen sie wenigstens keine Frau aufdringen,“ und mit +Melanchthon scherzt er, ob dieser sich wohl an ihm dafür rächen wolle, +daß er ihm zu einer Frau verholfen habe? er werde sich aber zu hüten +wissen. Doch nach wenigen Monaten hatte er sich überzeugt: „Das ehelose +Leben in Klöstern ist auch der geistlichen Freiheit zuwider. Darum, wo +du nicht frei und mit Lust ehelos bist und mußt es allein um Scham, +Furcht, Nutz oder Ehre willen, da laß nur bald ab und werde ehelich.“ So +versorgte er nun auch Mönche und Nonnen in den Ehestand[119]. + +Aber wie er selber nur spät, — am spätesten unter den Brüdern — dazu +kam, sein Klosterleben aufzugeben, seine Kutte — als die letzte +zerschlissen war — im Oktober 1524 mit dem Priesterrock und +Professorentalar vertauschte, so erging es ihm auch mit dem Heiraten. +1528 sagte er: „Wenn mir jemand auf dem Wormser Reichstag gesagt hätte, +nach 7 Jahren würde ich Ehemann sein, der Frau und Kinder habe, so hätte +ich ihn ausgelacht“. Gerade wenn ihm seine Freunde und Freundinnen wie +Argula von Grumbach zuredeten oder davon sprachen, er werde doch noch +heiraten, erklärte er das für Geschwätz. Noch am 30. November 1524 +meinte er, bei seiner bisherigen und jetzigen Gesinnung werde er keine +Frau nehmen, sein Gemüt passe nicht zum Heiraten, er fühle sich dazu +nicht geschickt. Ja noch Ostern 1525 schreibt er, daß er an keine Ehe +denke[120]. + +Aber bald nach Ostern wurde er anderen Sinnes. + +Es war gerade die böse Zeit der Bauernunruhen, wo radikale Schwärmer die +Sache der Reformation aufs äußerste gefährdeten, die Zeit, wo die Feinde +mit gehässiger Schadenfreude auf ihn wiesen, und die Freunde mit +ängstlicher Sorge nach ihm schauten; es war damals, da er umherzog die +fanatischen Bauernhaufen zu beschwichtigen und dabei zweimal in +Fährlichkeiten des Todes gewesen, als er überhaupt dem Tode entgegen +sah[121]. Da erklärte er: „Münzer und die Bauern haben dem Evangelium +bei uns so sehr geschadet und die Papisten so übermütig gemacht, daß es +fast aussieht, als müsse man das Evangelium wieder ganz von vorn +predigen.“ Deshalb wollte er's nunmehr „nicht mit dem Wort allein, +sondern mit der That bezeugen“. Er wollte mit seinem Beispiel seine +Lehre bekräftigen, weil er so viele kleinmütig finde, und so auch dem +zaghaften Erzbischof von Mainz zum Exempel voran traben. Er war im +Sinne, ehe er aus diesem Leben scheide, sich im gottgeschaffenen +Ehestande finden zu lassen und „nichts von seinem vorigen papistischen +Leben an sich zu behalten“, und sei es auch nur eine verlobte +Josephsehe: auf dem Todbett wollte er sich ein fromm Mägdlein antrauen +lassen und ihr zum Mahlschatz seine zwei silbernen Becher reichen. Als +er gar von Dr. Scharf das Wort hörte: „Wenn dieser Mensch ein Weib +nähme, so würde die ganze Welt und der Teufel selber lachen und er all +seine Sach damit verderben“, da entschloß er sich erst recht: „Kann +ich's schicken, so will ich dem Teufel zum Trotz noch heiraten, und die +Engel sollen sich freuen und der Teufel weinen.“ Endlich drängte ihn +auch sein Vater, mit dem er auf seinen damaligen Reisen zusammentraf, +seinen größten Lieblingswunsch zu erfüllen, und Luther wollte „diesen +letzten Gehorsam seinem geliebenden Vater nicht weigern“[122]. + +Und gerade eine _Nonne_ sollte die Erwählte sein, „dem Teufel mit seinen +Schuppen, den großen Hansen, Fürsten und Bischöfen zum Trotz, welche +schlechterdings unsinnig werden wollen, daß geistliche Personen freien“. +Und nicht nur den großen Hansen, sondern auch dem großen Haufen zum +Trotz, welcher nach seinem Aberglauben den Sohn eines Mönchs und einer +Nonne für den Antichrist hielt. Also wollte er „mit der That das +Evangelium bezeugen, zum Hohn für alle, welche triumphieren und Ju, ju +schreien, und eine Nonne zum Weibe nehmen“[123]. Diese Nonne aber sollte +_Katharina von Bora_ sein. + +Sie war noch immer unversorgt im Reichenbachschen Hause, und er konnte +an ihr ein Werk der Barmherzigkeit thun. Sie hatte erklärt, sie werde +ihn nehmen, wenn er sie wolle. Und er hatte mittlerweile eine bessere +Meinung von ihr gewonnen. + +Daß Käthes außerordentliche Schönheit ihn in Feuer gesetzt habe, sagten +ihm seine Gegner in gehässiger Absicht nach. Luther redet nur einmal und +in ziemlich später Zeit in einem Brief an seine Gattin, in ritterlich +schalkhafter Weise davon, daß er „daheim eine schöne Frau“ habe. +Ausdrücklich aber erklärt er, in den ersten Tagen seiner Ehe, daß er +nicht verliebt sei oder voll leidenschaftlichen Feuers, aber er habe +seine Frau gern. Sie war ja auch gar nicht besonders schön. Von +körperlicher Schönheit zitierte Luther den Reim: + + Ist der Apfel rosenrot, + Ist ein Würmlein drinnen, + Ist das Maidlein säuberlich, + So hat's krause Sinnen. + +Und da ihm ein heiratslustiger Freund einmal sagte, er möchte eine +Schöne, Fromme, (d.h. Brave) und Reiche, so bemerkte Luther: „Ei, ja, +man soll dir eine malen mit vollen Wangen und weißen Beinen; dieselben +sind auch die frömmsten, aber sie kochen nicht wohl und beten +übel“[124]. + +So traf er in der Stille und ohne leidenschaftliche Erregung seine Wahl. +Am 16. April scherzt er gegen Spalatin, daß er ein gar arger Liebhaber +sei: „Drei Frauen habe ich zugleich gehabt und sie so wacker geliebt, +daß ich zwei verloren habe, welche andere Verlobte nahmen, und die +dritte halte ich kaum am linken Arme, die mir vielleicht auch bald +weggenommen wird“[125]. + +Er hatte also doch bestimmte Persönlichkeiten ins Auge gefaßt. + +Schon am 4. Mai, nach einem Besuche bei seinen Verwandten in Eisleben +und Mansfeld, redet er in einem vertrauten Briefe an seinen Schwager +Rühel zu Mansfeld von „meiner Käthe“, die er nehmen wolle, so er's +schicken könne. Und wie seinen Schwager, hat er jedenfalls auch seine +Eltern in seine Pläne eingeweiht, und der Vater redete ihm ernstlich +zu[126]. In Wittenberg selbst aber vertraute er es nur wenigen Leuten +an: dem Maler und Ratsherrn Lukas Kranach und seiner Frau. Gerade seinen +Amtsgenossen und übrigen Freunden, vor allem auch Melanchthon, sagte er +nichts davon. Die Klugen wollten für ihn gerade nicht, was Luther +wollte: eine Nonne, und dachten und redeten über eine Mönchs- und +Nonnenheirat „lieblos“. Und ganz besonders war ihnen Katharina von Bora +nicht recht; alle seine besten Freunde schrieen: „Nicht diese, sondern +eine andere!“ Und wohl um es zu verhindern, brachten „böse Mäuler“ sogar +eine boshafte Nachrede auf. Aber gerade das bewog Luther, der Sache +rasch ein Ende zu machen, bevor er die gegen ihn aufgebrachten Mäuler +zu hören genötigt würde, wie es zu geschehen pflegt, und „weil der Satan +gern viel Hindernis und Gewirrs mache durch böse Zungen“[127]. Er +„betete zu unserm Herrn Gott mit Ernst“, wie er berichtet, und handelte +dann ohne Menschen-Rat und -Bedenken, ja wie Melanchthon klagt, ohne +seinen Freunden etwas davon zu sagen[128]. + +Mit Katharina hatte sich Luther jedenfalls ins Einverständnis gesetzt: +wenn er schon wochenlang schreiben konnte „Meine Käthe“, so mußte sie +doch von seinen Absichten wissen. + +Daß Käthe an Martin Luther auch ein rein menschliches Gefallen fand, +begreift sich. Er war wohl schon 42 Jahre alt und 16 älter wie sie +selbst. Aber ein Zeitgenosse bezeugt: „Ein fein klar und tapfer Gesicht +und Falkenaugen hatte er und war von Gliedmaßen eine schöne Person. Er +hatte auch eine helle feine reine Stimme, beides zu singen und zu reden, +war nicht ein großer Schreier“. Auch einem edeln, feineren Geschmack +mußte der ehemalige Mönch und Bauernsohn zusagen: er hielt etwas auf ein +ansprechendes Aeußere und wegen seiner Sorgfalt in der Kleidung nannten +ihn sogar seine Gegner tadelnd einen „feinen Hofmann“, denn er trug +„Hemden mit Bändelein“, hatte einen Fingerring und gelbe Stiefel[129]. + +Dabei war Luther für alles Schöne in Kunst und Natur eingenommen, ein +guter Sänger und „Lautenist“, heiteren Sinnes und fröhlicher Laune. + +Aber noch mehr mußte Luthers Gemütsart einem weiblichen Wesen zusagen: +er war bei aller Heftigkeit doch gutmütig, bei aller Halsstarrigkeit +lenkbar wie ein Kind, bei aller Derbheit doch sinnig und feinfühlig. +Dabei war er „ein frommer (guter) Mann“, der sein Weib herzlich lieb +haben konnte, und in dessen Besitz, wie er selber sagte, eine Frau sich +als Kaiserin dünken dürfte[130]. + +Freilich auch die äußere Stellung, welche Luthers Gemahlin einnahm, +mußte einen hochstrebenden Sinn reizen. Das Doktorat war in dieser +Humanistenzeit noch höher gewertet als heutzutage die akademische +Professur, es stand mindestens dem Adel gleich. Der einfachste Doktor, +der vom Bauern- und Handwerkerstand sich emporgearbeitet hatte, wurde +von adeligen Jungfrauen als wünschenswerter Ehegenosse begehrt, sodaß +eine große Anzahl Professorenfrauen in Wittenberg von Adel waren. Und +gar Luthers Gattin zu heißen, des gefeiertsten Mannes nicht nur in ganz +Wittenberg, sondern in der ganzen Christenheit, mußte einem Weibe von +Selbstgefühl schmeicheln, wenn es sich auch umgekehrt sagen mußte, daß +mit der Größe des Mannes auch all der Haß und die Beschimpfung mit in +Kauf zu nehmen, welche ihm die Feinde entgegenbrachten. Es war auch ein +gewagtes Unternehmen, einen solchen außerordentlichen Mann zu +befriedigen, des Gewaltigen ebenbürtige Lebensgefährtin zu werden. +Jungfer Käthe hatte den Mut wie das Selbstbewußtsein dazu. + +So weigerte sich Käthe der Annäherung Luthers nicht. + +Die förmliche Bewerbung Luthers ist wahrscheinlich erst Dienstag den 13. +Juni geschehen, natürlich im Reichenbachschen Hause. Ein späterer +Bericht sagt, daß Käthe überrascht war und anfänglich nicht gewußt, ob +es Luthers Ernst sei, dann aber eingewilligt habe. Gleich abends am +selben Tage war die Trauung oder „das Verlöbnis“, entweder ebenfalls +beim Stadtschreiber oder möglicherweise in Luthers Behausung im Kloster. +Auf die Zeit des Nachtmahls lud der Doktor den Stadtpfarrer Bugenhagen +und den Stiftspropst Jonas, den Juristen Apel und den Ratsherrn und +Stadtkämmerer Meister Lukas Kranach und seine Frau — Melanchthon war +nicht dabei — was Jonas ausdrücklich als auffällig hervorhebt: er war so +ängstlich über diesen Schritt seines großen Freundes, daß er nicht zu +diesem Akt paßte. Auch seinen Freund Dr. Hier. Schurf konnte Luther +nicht zu seinem Rechtsbeistand wählen, weil dieser Lehrer des +bürgerlichen und kirchlichen Rechts allerlei juristische Bedenken hatte +gegen die Priesterehe[131]. + +Die Trauung geschah nach den herkömmlichen Bräuchen[132]: der +Rechtsgelehrte vollzog die rechtlichen Formalitäten, den schriftlichen +Ehevertrag, er (oder Bugenhagen) fragte im Beisein der Zeugen den +Bräutigam, ob er die Braut zum Weibe nehmen und die Braut, ob sie den +Mann zum ehelichen Gemahl haben wollte. Dann gab der Pfarrer sie beide +mit Gebet und Segen zusammen. Darauf folgte ein kleines Abendessen und +dann das Beilager: Braut und Bräutigam wurden zum Brautbett geführt, +lagerten sich darauf unter einer Decke und damit war die Ehe +gültig[133]. + +Das war Luthers „Gelöbnis“, wie es in der Wittenberger Redeweise hieß. +Jonas konnte sich beim Anblick der Verlobten auf dem Brautlager nicht +enthalten, Thränen zu vergießen, so sehr war er bewegt. Aber auch die +Gemüter der anderen waren gewiß in großer Bewegung, nicht zum wenigsten +Luther und Käthe[134]. + +Am folgenden Morgen, Mittwoch, gab Luther den Freunden ein kleines +Mittagsmahl, das damals um 10 Uhr stattfand. Da mittlerweile die +Vermählung in dem kleinen Wittenberg rasch bekannt geworden war, so +sandte der Stadtrat einen Ehrentrunk von einem Stübchen (= 4 Maß) +Malvasier, einem Stübchen Rheinwein und anderthalb Stübchen +Frankenwein[135]. + +„Das Gelöbnis“ war aber nach damaliger Sitte nicht die „Beilage“ oder +öffentliche Hochzeit; diese folgte erst später mit öffentlichem +Kirchgang und der „Wirtschaft“ (d.i. Hochzeitsschmaus) und feierlicher +Heimführung der „Jungfer Braut“. Vierzehn Tage nach der Trauung, +Dienstag den 27. Juni, folgte nun bei Luther dieses hochzeitliche Mahl +und „Heimfahrt“, denn das junge Ehepaar und seine Freunde wollten nicht +nur die Sitte ehren, sondern gerade recht auffällig in öffentlicher +Feierlichkeit vor der Welt ihren heiligen Ehestand ehrenvoll bezeugen. +Dazu lud der Doktor seine Eltern und seinen Schwager Dr. Rühel in +Mansfeld nebst noch zwei Mansfeldischen Räten, Johann Dürr und Kaspar +Müller, ferner den Hofkaplan M. Spalatin und den Pfarrer Link in +Altenburg, den kühnen Befreier der Nonnen Leonhard Koppe als „würdigen +Vater Prior“, den Kurfürstlichen Hofmarschall Dr. Johann von Dolzig, vor +allem aber den Superintendenten („Bischof“) Amsdorf in Magdeburg +u.a.[136]. + +Die mit Scherz und Ernst gewürzten Einladungsbriefe an diese Gäste — +außer dem an die Eltern — sind noch vorhanden. Da schreibt Luther an die +drei Mansfeldischen Räte: „Bin willens, eine kleine Freude und Heimfahrt +zu machen. Solches habe ich Euch als guten Herren und Freunden nicht +wollen bergen und bitte, daß Ihr den Segen helft darüber sprechen. Wo +Ihr wolltet und könntet samt meinem lieben Vater und Mutter kommen, mögt +Ihr ermessen, daß mir's eine besondere Freuden wäre“. An Link: „Der Herr +hat mich plötzlich, da ich's nicht dachte, wunderbarer Weise in den +Ehestand versetzt mit der Nonne Käthe von Bora.... Wenn Ihr kommt, will +ich durchaus nicht, daß Ihr einen Becher oder irgend etwas mitbringt“. +An Dolzig: „Es ist ohne Zweifel mein abenteuerlich Geschrei für Euch +kommen, als sollt ich ein Ehemann worden sein. Wiewohl nun dasselbige +fast seltsam ist und ich's selbst kaum glaube, so sind doch die Zeugen +so stark, daß ich's denselben zu Dienst und Ehren glauben muß, und +fürgenommen, auf nächsten Dienstag mit Vater und Mutter samt anderen +guten Freunden in einer Kollation dasselbe zu versiegeln und gewiß zu +machen. Bitte deshalben gar freundlich, wo es nicht beschwerlich ist, +wollet auch treulich beraten mit einem Wildbret und selbst dabei sein +und helfen das Siegel aufdrücken und was dazu gehört“[137]. + +Das Wildbret fehlte nicht; Wittenberg, welches wußte, was die +Universität und Stadt an Luther besaß — er hat die kleine Stadt und +Universität erst groß und berühmt gemacht — spendete reichliche +Geschenke. Der Stadtrat sandte „Doctori Martino zur Wirtschaft +und Beilage ein Faß Eimbeckisch Bier und zwanzig Gulden in +Schreckenbergern“; und die löbliche Universität verehrte als +Brautgeschenk „H.D. Marthin Luthern und seiner Jungfraw Käthe von Bor“ +einen hohen Deckelbecher aus Silber mit schönen vergoldeten +Verzierungen. Johann Pfister, der zu Ostern den Mönch ausgezogen und zu +Pfingsten nach Wittenberg gereist war, um da zu studieren, hat auf D. +Luthers Hochzeit das Amt eines Mundschenken versehen. Vielleicht waren +jetzt auch die Eheringe fertig, welche die Freunde besorgten. Diese +Eheringe soll der Kaiserl. Rat Willibald Pirkheimer in Nürnberg von +Albrecht Dürer haben anfertigen lassen und geschenkt haben; desgleichen +auch eine goldene Denkmünze mit Luthers Bild. Der Trauring Luthers ist +ein zusammenlegbarer Doppelreif mit Diamant und Rubin, den Zeichen von +Liebe und Treue; unter dem hohen Kasten sind die Buchstaben M.L.D. und +C.V.B. und in dem Reif der Spruch: „Was Gott zusammenfüget, soll kein +Mensch scheiden“. Katharinas Ring hat einen Rubin und ist mit Kruzifix +u.a. geziert, mit der Inschrift: „D. Martinus Lutherus, Catharina von +Boren 13. Juni 1525“[138]. + +Daß dabei Katharina in üblichem Brautschmuck erschien, ist +selbstverständlich, wenn dieser auch nicht so reich war, als das +angebliche Bild Katharinas von Bora im Hochzeitsstaat denken läßt[139]. + +So wurde mit den guten Freunden eine fröhliche Hochzeit gefeiert. +Freilich werden der unruhigen Zeitläufte wegen nicht alle Eingeladenen +erschienen sein — Luther setzte das schon in seinen Briefen voraus. Auch +Magister Philipp Melanchthon war nicht dabei, der ängstliche Gelehrte, +welcher gegen Luthers Ehe und besonders mit der Nonne war, wäre ein +übler Hochzeitsgast gewesen. Von Katharinas Verwandten scheint niemand +anwesend gewesen zu sein. Vater und Mutter waren wohl schon längst tot, +zwei Brüder im fernen Preußen, der älteste vielleicht auch ferne; den +anderen Verwandten war Käthe doch durch ihr Klosterleben entfremdet, es +hatte sich ja auch bisher niemand von ihnen ihrer angenommen. So mußte +sie ihre Gefreunde und Verwandte in ihren Pflegeeltern und Luthers +Freunden und Eltern sehen. Und wenn ihr's an ihrem Hochzeitsfest recht +wehmütig ums Herz gewesen sein wird, so mußte sie doch die hohe +Verehrung und Freundschaft trösten, welche ihr Gatte bei seinen +Amtsgenossen und Landsleuten gefunden hatte. + + + + +6. Kapitel + +Das erste Jahr von Katharinas Ehestand. + + +Luther führte nach seiner Vermählung die junge Frau in seine Wohnung im +Augustinerkloster. Denn dies hatte ihm der Kurfürst Johann der +Beständige, der seit Mai seinem Bruder Friedrich dem Weisen gefolgt war, +unter der Bedingung des Vorkaufsrechts zur Verfügung gestellt. + +Das „schwarze Kloster“ lag oben am Elsterthor, unmittelbar am Wall und +Graben, still und abgewandt von der Welt, von der Straße durch einen +großen Hof geschieden. Das dreistöckige Hauptgebäude gegen die Elbe zu +gelegen war die Behausung der Mönche gewesen und jetzt Luthers +Aufenthalt. In der westlichen Ecke nach Mittag gerichtet und mit +Aussicht auf die gelben Fluten des Stromes war Luthers Zelle, woraus er +„den Papst gestürmt hatte“: sie blieb auch jetzt seine Studierstube. +Dagegen richtete das Ehepaar nach dem Hofe zu, wo die Gemächer des +ehemaligen Priorats lagen, die geräumige Wohnstube ein, worin auch +gespeist und die Besucher empfangen und Gäste bewirtet wurden. Davor lag +ein kleineres Empfangszimmer mit Holzbänken. Die Decken der Gemächer und +bis zur halben Höhe auch die Wände des behaglichen Wohnzimmers waren mit +Holzgetäfel versehen, an den Wänden hin zogen sich Bänke, Pflöcke +darüber dienten zum Aufhängen von Geräten und Kleidern. Zwei große +Fenster mit Butzenscheiben schauten in den Klosterhof. Aber um +deutlicher zu sehen, waren kleine Schiebfenster angebracht, welche +klirrend geöffnet wurden, wenn dahinter etwas beobachtet werden sollte, +ein Besuch kam oder ging oder auf die Dienstboten und das Geziefer des +Hauses geachtet werden sollte. Dort in der Fensternische wurde ein +einfacher hölzerner Sitz aufgestellt mit einer Art Pult, der als +Nähtisch dienen mochte. Ein mächtiger Eichentisch auf Kreuzgestellen +stand in der Mitte und die eine Ecke füllte ein mächtiger Kachelofen. +Darum hieß die Wohnstube auch „das gewöhnliche Winterzimmer“. Es war +wohl noch von der Klosterzeit her bemalt. Wahrscheinlich befand sich +auch hier ein Bild der Maria mit dem schlafenden Jesuskind[140]. + +Hinter dieser Wohnstube war das Schlafzimmer und eine weitere Kammer, +von dieser wurde später eine Stiege mit einer Fallthüre in das +Erdgeschoß angelegt, auf der man in die Wirtschaftsräume drunten +gelangen und namentlich die Speisen von der Küche innerhalb des Hauses +heraufbringen konnte. Denn Küche, Dienstbotenzimmer und dgl. waren unten +im ehemaligen Refektorium[141]. + +Schon in diesem Jahre, 1525, schenkte der Stadtrat verschiedene Fuhren +Kalk, womit das Klosterhaus innen und außen, wenigstens teilweise, +getünscht werden konnte. Vielleicht geschah dies bereits in der +Zwischenzeit zwischen der Trauung und Heimführung, dieser zu Ehren, als +das Haus viele festliche Besucher aufnehmen mußte[142]. + +Die erste Ausstattung des Hauses wird dürftig genug gewesen sein, denn +Luther konnte bei seiner bekannten Freigebigkeit und Gastfreiheit mit +seinem Gehalt kaum für sich selbst bestehen, und obwohl der Kurfürst es +bei seiner Verheiratung auf 200 fl. aufbesserte, so waren daraus nicht +viel Anschaffungen zu machen, namentlich für ein so weitläuftiges +Gebäude. Die 100 fl., die der Kurfürst, und die 20 fl., die der Stadtrat +zur Hochzeit schenkte, gingen darauf für das kostspielige Festmahl. Der +Klosterhausrat, so weit er noch übrig und nicht weggeschleift war durch +allerlei unberufene Hände, war Luther von den Visitatoren geschenkt +worden. Aber es war geringfügig: Schüsseln und Bratspieße, einiger +sonstiger Hausrat und Gartengeräte — zusammen kaum 20 fl. wert. So +werden wohl die Freunde durch Hochzeitsgeschenke, die freilich in der +Regel aus silbernen Bechern bestanden, unmittelbar oder mittelbar dazu +beigetragen haben, die öden Räume des Klosters ein bißchen wohnlich zu +gestalten. Verwöhnt durch mannigfaltigen Hausrat war man damals +überhaupt nicht, und die zwei ehemaligen Klosterleute noch weniger. So +schenkte D. Zwilling von Torgau einen Kasten, der war aber bald so +lotter und wurmstichig, daß Frau Käthe kein Leinen mehr darin +aufbewahren konnte vor lauter Wurmmehl. Nach und nach kamen auch sonst +von auswärts allerlei Geschenke, sogar künstliche Uhren. Vom Stadtrat +wurde das junge Ehepaar ein ganzes Jahr lang mit Wein aus dem Ratskeller +freigehalten, brauchte aber nur (trotz vieler Gäste) für 3 Thlr. 4 +Groschen 6 Pfennige. Auch schenkte die Stadt „Frau Katharinen Doktor +Martini ehelichem Weibe zum neuen Jahr (1526) ein Schwebisch“ +(schwäbisches Tuch)[143]. + +Der einzige Mitbewohner und neben Luther letzte Mönch, der Prior Brisger +verheiratete sich gleich nach Luther und zog nach einiger Zeit in sein +neugebautes Häuschen, das neben dem Kloster, aber vorn an der Straße +gelegen war, dann auf die Pfarrei Altenburg. Von den alten +Klosterbewohnern blieb nur Luthers Famulus Wolfgang Sieberger im Hause, +der arm an Geld und Geistesgaben zwar zu studieren angefangen, aber es +nicht hatte fortsetzen und vollenden können, und besser zu einem Diener +taugte als zum Gelehrten, eine treue Seele, die von 1517 bis zu Luthers +Tod im Hause blieb und den Doktor nur um ein Jahr überlebte. Eine Magd +war auch da und andere folgten bald, als der Haushalt sich ausdehnte. + +In diesem Hause nun gewöhnte sich das junge Paar zunächst einigermaßen +in Ruhe in den Ehestand und aneinander, und Luther schrieb da: „Ich bin +an meine Käthe gekettet und der Welt abgestorben“[144]. + +Es war dem 42jährigen Gelehrten, Junggesellen und ehemaligen Mönch im +ersten Jahre des Ehestandes ein seltsames Gefühl, wenn er jetzt +selbander bei Tische saß statt allein, oder wenn er morgens erwachend +zwei Zöpfe neben sich liegen sah. Aber auch der jüngeren Ehefrau, der +früheren Nonne mochte ihr neuer Stand seltsam dünken, hier im ehemaligen +Kloster, namentlich an der Seite des gewaltigen Mannes, der die +Weltordnung umgekehrt hatte und mit Papst, Kaiser, Welt und Teufel im +Kampfe lag[145]. + +Da saß Käthe in dieser ersten Zeit bei Luther hinten in seiner +Studierstube, von wo er mit dem Flammenschwert seiner Feder den Papst +gestürmt, sah ihn von Büchern umgeben, den Tisch mit Briefen und +Schriftbogen bedeckt, spann und horchte ihm zu und that auch Fragen nach +diesem und jenem. Ihre Fragen zeugten nicht immer von Welterfahrung und +theologischer Bildung. So ergötzte es den Gelehrten, als sie einmal +fragte: „Ehr Doktor, ist der Hochmeister in Preußen des Markgrafen +Bruder?“ Es war dieselbe Person. Luther weihte seine junge Frau bald in +theologische Fragen ein. Als ihm Jonas 1527 seine jetzige Ansicht über +Erasmus meldete, las er seiner Frau ein Stück des Briefes vor. Da sprach +sie alsbald: „Ist nicht der teure Mann zur Kröte geworden?“ Und sie +freute sich, daß Jonas nun die gleiche Ansicht mit Luther über Erasmus +hatte. Mit der Zeit erweiterte sich ihr Wissen, sie lernte in ihres +Mannes Haus, wo so viele Fäden der Kirchen- und Weltgeschichte +zusammenliefen und so viele bedeutende Männer, Gelehrte, Staatsmänner +und Fürsten einkehrten, die Weltdinge verstehen und lebte sich in die +theologische Gedankenwelt so ein, daß sie an den Tischreden lebhaften +Anteil nahm und auch Gelehrte durch ihren gesunden Menschenverstand und +ihr natürliches Gefühl mitunter in Verlegenheit brachte[146]. + +Frau Käthe hatte eine ziemliche Beredsamkeit, so daß Luther sie oftmals +damit neckte und sie einmal einem Engländer als Sprachlehrerin empfahl +oder auch davon redete, daß sie das Amen nicht finden könnte bei ihren +Predigten. Er sagt aus der Erfahrung von seiner Gattin: „Weiber reden +vom Haushalten wohl als Meisterinnen mit Holdseligkeit und Lieblichkeit +der Stimm und also, daß sie Cicero, den besten Redner, übertreffen; und +was sie mit Wohlredenheit nicht zu Wege bringen können, das erlangen sie +mit Weinen. Und zu solcher Wohlredenheit sind sie geboren, denn sie sind +viel beredter und geschickter von Natur zu diesen Händeln, denn wir +Männer, die wir's durch lange Erfahrung, Uebung und Studieren erlangen. +Wenn sie aber außer der Haushaltung reden, so taugen sie nichts.“[147] + +Zur Abwechslung arbeiteten die jungen Eheleute auch in dem umzäunten +Klostergarten hinter dem Hause, worin auch ein Brunnen war. Da wurde +gegraben und gepflanzt und allerlei Kräuter, Gemüse und Obstbäume, aber +auch zierliche Sträucher und Blumen gepflegt. So konnte Luther schon im +folgenden Sommer Spalatin einladen: „Ich hab einen Garten gepflanzt, +einen Brunnen gegraben, beides mit gutem Glück. Komm, und Du sollst mit +Lilien und Rosen bekränzt werden.“ Auch zu dem „Lutherbrunnen“ vor dem +Elsterthore wandelten die Ehegatten hinaus, welchen der Doktor 1521 +entdeckt hatte und 1526 fassen und mit einem „Lusthaus“ überbauen ließ, +in dem er manch liebes Mal in Muße mit seiner Frau und seinen Freunden +saß. Sonst ruhten die beiden unter dem Birnbaum im Klosterhofe, der +schon zu Staupitz' Zeiten manches ernste Gespräch vernommen[148]. + +Von dem jungen Ehepaar haben wir ein Bild aus der Werkstatt Kranachs. +Die junge Frau, mehr eine zarte als robuste Erscheinung, hat ein ovales +Gesicht mit feiner Hautfarbe, die Augenöffnung erscheint ein bißchen +„geschlitzt“, die Backenknochen, welche in einem anderen Käthe-Typus +sehr stark hervortreten, sind normal. Charakteristisch ist die volle +Unterlippe. Die Augenbrauen sind schwach und hoch gewölbt, das wenig +üppige feine Haar hat rötliche oder blonde Farbe und die mattblauen +Augen schauen verständig drein. Der Eindruck des ganzen Gesichtes läßt +nüchternen Ernst und eine gewisse zähe Energie erwarten[149]. + +Die Zeit der ersten Liebe schildert der Wittenbergische Doktor obwohl +„nicht von unmäßiger Liebesglut entflammt“, mit den gleichen Worten wie +unser moderner Dichter: „Die höchste Gnade Gottes ist's, wenn im +Ehestande Eheleute einander herzlich stets für und für lieb haben. Die +erste Liebe ist fruchtbar und heftig, damit wir geblendet und wie die +Trunkenen hineingehen; wenn wir die Trunkenheit haben ausgeschlafen, +alsdann so bleibet in Gottesfürchtigen die rechtschaffene Liebe, die +Gottlosen aber haben den Reuwel.“[150] + +Freilich diese Zeit seines jungen Ehestandes ging dem Reformator weder +als müßig tändelnde Flitterwochen, noch als ein ungetrübtes Idyll dahin. +Dafür sorgte der Drang seines gewaltigen Werkes, wie der Haß seiner +Gegner. Und mindestens eben so schwer, wie er, hatte seine junge Gattin +unter den giftigen und schmutzigen Angriffen zu leiden, die sofort die +Heirat des Reformators und ehemaligen Mönchs mit der gewesenen Nonne +beleidigten. + +Luthers Heirat mit Katharina war eine zu ungeheuerliche That in den +Augen seiner Zeitgenossen, als daß sie nicht das gewaltigste Aufsehen +erregen und auch zu den abenteuerlichsten Verdächtigungen Anlaß geben +mußten[151]. + +Schon sofort nach der Trauung hatte Luther um dieses Werkes willen +Schmähungen und Lästerungen zu ertragen. Und nicht nur von den Feinden. +Die Klüglinge „belächelten“ seine Ehe oder verdammten sie auch: „Die +Weltweisen, auch unter den Unserigen, sind heftig darüber erzürnt.“ Das +war nicht nur Dr. Schurf, sondern sogar sein naher Freund Melanchthon; +jener hatte gemeint, die ganze Welt, ja die Teufel würden darüber +lachen, und Luther würde sein ganzes Werk vernichten. Dieser mißbilligte +wohl die That an sich nicht, wohl aber, daß sie nicht opportun sei und +unbedachtsam geschehen, so daß die Feinde darin ihr großes Vergnügen +haben und lästern; er meinte auch, „Luther habe sich durch Nonnenkünste +fangen lassen und sei hereingefallen“[152]. + +So war es für die Eheleute schon ein Schmerz, daß der Hausfreund nicht +bei der Hochzeit war, ja nicht einmal dazu eingeladen werden konnte. Und +auf Luther mochte dies Verhalten der Freunde wenn auch nur zeitweilig +verstimmend und niederschlagend wirken. Da hatte Käthe wohl eine schwere +Aufgabe, ihn aufzurichten und zu ermuntern. Die anderen Freunde, seine +Gevattersleute Kranach vor allem, halfen dabei. Und schließlich mäßigte +auch Melanchthon seinen Verdruß, ja er tröstete Luther und beeiferte +sich, seine Traurigkeit und üble Laune durch Freundlichkeit und +fröhliche Unterhaltungen zu erheitern[153]. So kehrte Luthers Gemüt +wieder zur alten Lebhaftigkeit zurück. Schon drei Tage nach der Trauung +schreibt er an Spalatin mit bezug auf Schurfs Rede im alten Ton frohen +und getrosten Trutzes: „Ich habe mich durch diese Heirat so +geringschätzig und verächtlich gemacht, daß ich hoffe, es sollen die +_Engel lachen_ und die Teufel weinen. Die Welt mit ihren Klüglingen +kennet dies Werk nicht, daß es göttlich und heilig sei: sie nennen's an +meiner Person gottlos und teufelisch. Derohalben ich auch größeren +Gefallen daran habe, daß ihr Urteil durch meinen Ehestand verdammt wird, +so daß sich daran stoßen und ärgern die, so ohne Erkenntnis Gottes +mutwillig zu bleiben fortfahren“[154]. + +Viel ärger als die Freunde trieben's natürlich die Widersacher. Emser +verfertigte Spott- und Schmähgedichte, ja Eck gab ein ganzes Büchlein +von solchen Liedern auf Luthers Hochzeit heraus. Der Herzog Georg von +Sachsen, Luthers besonderer Feind, erließ ein Schreiben an Luther, worin +er ihn aufs heftigste schalt, und in einem Instruktionsschreiben zum +Speierer Reichstag (15. Mai 1526) an Otto von Pack beschimpft er ihn mit +der falschen Anschuldigung: „Es erscheint auch klärlich, indem Martinus +verworfen hat den Mönchsstand und so auch die Mönche aus dem Kloster zu +Wittenberg, daß er desto mehr Raum habe mit seiner Käthchen zu wohnen, +davon sich ein ganzer Konvent hat nähren mögen.“ Der theologische König +Heinrich VIII. von England, damals noch Defensor Fidei (Verteidiger des +römischen Glaubens) nachher Ritter Blaubart, fuhr in einem Briefe den +Reformator an: „Was? Du hast ihr nicht nur beigewohnt, sondern, was noch +unendlich fluchwürdiger ist, hast sie sogar öffentlich als Gattin +heimgeführt!“[155] + +Diese Schriften — außer der Georgs — waren lateinisch und gingen +zunächst in die Gelehrtenwelt. Unter das Volk aber wurden ehrenrührige +Verleumdungen gegen die beiden Ehegatten gestreut. Der Humanistenkönig +Erasmus machte sich lustig, indem er mit schnödem Witze meint: wenn der +Antichrist ein Mönchs- und Nonnenkind wäre, müßte die Welt voll +Antichristen laufen; aber die Lüge von einem frühgeborenen Kinde hat er +mit boshafter Geflissentlichkeit in seinen Briefen an hohe Herren +verbreitet, bis er sie dann widerrufen mußte. Die Heirat Luthers ist dem +hochmütigen Humanisten aber immerhin eine Posse, mit der der gelehrte +Doktor den Philosophenmantel abgelegt und sich zu einem gewöhnlichen +Menschen erniedrigt hätte[156]. + +Aber noch näher trat der jungen Frau bald nach ihrer Heirat die +Schmähung. „Ein Bürgersweib Klara, Eberhard Lorenz Jessners eheliche +Hausfrau hat unnütze Worte gehabt und Herrn Dr. Luther und seine ehrbare +Hausfrau geschmäht und gescholten,“ freilich „auch des Pfarrers Eheweib +übel angefahren“ in Magister Joh. Lubecks Wirtschaft zu Wittenberg[157]. + +Endlich verfaßten zwei Leipziger Magister, Joh. Hasenberg und Joachim +von der Heidten (Miricianus), in Prosa und Poesie lateinische und +deutsche Sendbriefe und ließen sie drucken. Hasenbergs Schmähschrift +richtete sich „an M. Luder und seine uneheliche Gattin Catharina von +Bohra, damit sie entweder mit dem verlorenen Sohn sich bekehren und zur +Buße und Heiligkeit des Klosterlebens zurückkehren oder doch Luther +seine Nonne ihrem Bräutigam Christus und ihrer Mutter Kirche +zurückstelle“ bei Höllenstrafe. Heidten schrieb „Ein Sendbrieff Kethen +von Bhora, Luthers vermeynthem eheweib sampt einem geschenk freundlicher +Weise zuvorfertigt“. Die beiden jungen Menschen hatten die Frechheit, +diese Schriften durch einen eigenen Boten Luther und seiner Frau ins +Haus zu schicken, allerdings in der thörichten Hoffnung, wenigstens +Käthe von ihrem Manne abwendig zu machen und zur Rückkehr ins Kloster zu +bewegen. + +Natürlich hatten diese beiden Schriften den entgegengesetzten Erfolg. +Luthers Diener trieben mit denselben ihren Spott, schickten sie den +„jungen Löffeln illuminiert (illustriert) im Hintergemach“ mit dem Boten +zurück und dazu ein viereckiges Täfelein, darauf waren die 6 Buchstaben +_ASINI_ (Esel) so verteilt, daß man sie von der Mitte aus gesehen, an +vierzig mal lesen konnte. Der ritterliche Luther aber nahm sich seines +Weibes an und ließ „Eine neue Fabel Aesopii vom Esel und Löwen“ mit +behaglichem Witze drucken und sandte sie an seinen Freund Link mit den +Worten: „Die Leipziger Esel haben meine Käthe mit albernen Schmähungen +verunglimpft; denen ist geantwortet worden, davon du hier vor Augen +siehst.“[158] + +Zu den Beschimpfungen gesellten sich Gefahren. In der Nacht vor +Michaelis 1525 hatte Luther es gewagt, im Gebiete seines heftigsten +Widersachers, des Herzogs Georg von Sachsen-Meißen, dreizehn Jungfrauen +aus dem fürstlichen Kloster Freiberg entführen zu lassen. „Ich habe +diese Beute dem wütenden Tyrannen entrissen“, meldet er triumphierend +seinem Freund Stiefel. Darüber war natürlich Georg wütend, aber auch der +Adel zürnte über Luthers Gewaltthat — mußten doch die Angehörigen der +Nonnen durch ihren Austritt Vermögenseinbuße befürchten: sogar adelige +_Freunde_ der Reformation nahmen es Luther übel. Es wurden Drohungen +gegen ihn laut, und sein Leben stand in Gefahr, wenn er irgendwie einem +Haufen Reisiger oder Bauern in die Hände fiele, denn auch die Bauern +waren ihm ja seit dem Aufstand wenig günstig. Nun war Luther auf den 19. +November zu Spalatins Hochzeit nach Altenburg geladen, wo der ehemalige +Geheimschreiber des verstorbenen Kurfürsten jetzt Stadtpfarrer war. +Luther wollte durchaus zu des Freundes Ehrentag. Aber Käthe hielt ihn +zurück und beschwor ihn sogar mit Thränen vor der gefährlichen Reise. +Also daß ihr Gatte heldenmütig seines reformatorischen Befreieramtes +waltete und anderen armen Jungfrauen that, was ihr geschehen, und „dem +Satan diese Beute Christi abjagte“, das hinderte Frau Käthe nicht, aber +das setzte sie durch, daß er sich nicht ohne Not in Gefahr begab. Solche +Lebensgefahr mußte sie ja immer für ihren Gatten fürchten, auf welchen +wie auf einen Fürsten gar mancherlei Attentate geplant und versucht +wurden[159]. + +Dagegen ließ sie es Ende Februar des folgenden Jahres zu, daß Luther sie +nach Segrehna bei Kemberg begleitete. In diesem Dorfe hielt sich damals +der ehemalige Schwärmer, Bilderstürmer und Bauernagitator Karlstadt als +Bauersmann und Landkrämer versteckt. So viel Schmerzen und Sorgen ihm +auch Karlstadt gemacht, Luther hatte sich seines alten Amtsgenossen +angenommen und ihm Begnadigung beim Kurfürsten erwirkt. Und jetzt hatte +Karlstadt Luthers Gemahlin zur Gevatterin gebeten. Auch zu diesem +Liebesdienst war sie bereit, machte nicht nur selbst die beschwerliche +Reise, sondern ließ sogar ihren Gemahl mitfahren[160]. + +Schon in diesem Jahre gemeinsamen Lebens lernte Luther seine Gattin +besser verstehen, tiefer lieben und höher achten. Hatte er sie vor der +Hochzeit für stolz und hoffärtig gehalten, so schreibt er jetzt: „Sie +ist mir gottseidank willfährig, gehorsam und gefällig, mehr als ich +hätte hoffen können, so daß ich meine Armut nicht mit des Crösus +Reichtum vertauschen möchte.“[161] + +Melanchthon hatte die Hoffnung ausgesprochen, Luthers Verheiratung werde +ihn gemessener machen, und sein ungestümes, derbes Wesen sänftigen. Das +dachte wohl auch der Erzbischof Albrecht, der durch seinen Kanzler +Rühel, Luthers Schwager, der Frau zwanzig Goldgulden als +Hochzeitsgeschenk reichen ließ, welche Katharina gern annahm, Luther +aber zurückwies. Erasmus glaubte auch bald die Bemerkung gemacht zu +haben, daß Luther milder geworden sei und nicht mehr so viel mit der +Feder wüte. Denn, setzt er in gewohnter spöttischer Weise hinzu: „nichts +ist so wild, daß ein Weib es nicht zähmt“[162]. + +Das wird ja im allgemeinen nicht abzustreiten sein. Und tatsächlich ließ +sich Luther — aber durch fürstliche Zurede — im versöhnlichen Tone gegen +Herzog Georg und König Heinrich VIII. hören — freilich ohne diese +dadurch versöhnlich zu stimmen: sie beuteten vielmehr seine Schreiben +aus, um ihn verächtlich zu machen. Aber in seinem reformatorischen Beruf +hat Käthe ihren Mann weder hindern können noch wollen[163]. + +Nicht einmal in den ersten Tagen seiner Heirat. Ja, Frau Käthe plante +wohl selbst mit ihm während der Vorbereitung zu ihrer Heimführung die +Befreiung der Freiberger Nonnen: die Einladung an Koppe zur Hochzeit +enthielt zugleich die Aufforderung zu diesem neuen, noch keckeren +Klosterraub[164]! + +Und am Neujahrstag 1526 malte Luther aufs neue in einer Spottschrift +das Papsttum mit seinen Gliedern ab und schrieb dazu: „Es meinen +etliche, man solle nun aufhören, das Papsttum und geistlichen Stand zu +spotten. Mit denen halt ichs nit, sondern muß ihr einschenken, bis +nichts Verächtlicheres auf Erden sei, denn diese blutgierige +Isabel.“[165] + + + + +7. Kapitel. + +Katharina als Mutter ihrer Kinder und Hausgenossen. + + +Ein Jahr nach ihrer Vermählung am 7. Juni 1526, „da der Tag im Kalender +heißt Dat.“ (d.i.: Er giebt) schenkte Käthe ihrem Gatten ein Söhnlein, +das war, wie die Eltern mit Freuden sahen, gesund und ohne Fehl. Um 2 +Uhr nachmittags kam es auf die Welt, schon um 4 Uhr wurde es nach +damaliger Sitte von Diakonus M. Rörer getauft. Taufpaten waren der +Superintendent D. Bugenhagen, der Propst Justus Jonas, Luthers Gevatter +L. Kranach, der Vizekanzler Baier und in Abwesenheit der Kanzler Müller +in Mansfeld. Eine der Patinnen war die Frau des Bürgermeisters Hohndorf. +Nach dem Großvater erhielt das Kind den Namen Johannes[166]. + +Hänschen blieb auch wohlauf, wennschon die Mutter das Stillen nur +langsam fertig brachte und das Kind die Milch schwer vertrug. Der Knabe +wird bald fröhlich und kräftig und ein homo vorax et bibax (starker +Esser und Trinker), lernt auf den Knieen rutschen; zu Neujahr 1527 +bekommt er Zähne, lernt stehen und gehen und fängt an zu lallen und mit +lieblichen Beleidigungen alle zu schelten. Zur Belohnung für all diese +Künste schickt Jonas dem kleinen Hans einen „silbernen Johannes“, ein +Geldstück mit dem Bild des Kurfürsten[167]. + +Bald ist der Zweijährige gar stolz über eine Klapper, die er vom +Pfarrer Hausmann geschenkt erhielt (1528). Dieser Erstgeborene wird +jahrelang in jedem Brief erwähnt und muß immer und überall hin die +Freunde grüßen. Es ist ein herziges Bild, wenn der Vater von seinem +Söhnchen erzählt: „Wenn ich sitze und schreibe oder thue sonst etwas, so +singet er mir ein Liedlein daher, und wenn er's zu laut will machen, so +fahre ich ihn ein wenig an; so singet er gleichwohl fort, aber er +machet's heimlicher und mit etwas Sorgen und Scheu. Also will Gott auch, +daß wir immer fröhlich sein sollen, jedoch mit Furcht und Ehrerbietung +gegen Gott.“ Und wieder saß Hänschen am Tisch und lallete vom Leben im +Himmel, wie eine so große Freude da wäre mit Essen und Tanzen, da wäre +die größte Lust: die Wasser flössen mit eitel Milch und die Semmeln +wüchsen auf den Bäumen. Da freute sich der Doktor über das selige Leben +des Kindes[168]. + +Anderthalb Jahre blieb Hänschen allein, da folgte am 10. Dezember 1527, +während die Pest in Wittenberg und im Hause Luthers wütete, ein +Schwesterlein, Elisabeth. Jonas gratuliert dem Doktor dazu und scherzt +von seinem kleinen Söhnchen: „Mein Sohn begrüßt deine Tochter als seine +zukünftige Braut.“ Aber am 3. August des folgenden Jahres in der +gefährlichen Zeit des Zahnens starb das zarte Töchterlein und wurde in +großer Trauer auf dem Gottesacker vorm Elsterthore bestattet. Da erhielt +es einen (noch vorhandenen) kleinen Grabstein mit der lateinischen +Inschrift: „Hier schläft Elisabeth, M. Luthers Töchterlein.“ Schwer nur +trösteten sich die trauernden Eltern mit dem Gedanken: „Elisabeth ist +von uns geschieden und zu Christo durch den Tod ins Leben gereist.“[169] + +Am 4. Mai des folgenden Jahres wurde ihnen Ersatz für Elisabeth in einem +zweiten Töchterlein: Magdalena. Amsdorf, der Magdeburger Superintendent +(Bischof), und Frau Goritzen, Gattin des Magisters und späteren +Stadtrichters in Leipzig, wurden Paten. Der Gevatterbrief an Amsdorf +lautet: + +„Achtbarer, würdiger Herr! Gott der Vater aller Gnaden hat mir und +meiner lieben Käthe gnädiglich eine junge Tochter beschert: so bitte ich +Ew. Würden um Gottes Willen, wollet ein christlich Amt annehmen und +derselbigen armen Heidin christlicher Vater sein und zu der hl. +Christenheit helfen durch das himmlische hochwürdige Sakrament der +Taufe[170]. + +Der Gevatterinbrief lautet: + +„Gnad' und Fried' in Christo! Ehrbare tugendsame Frau, liebe Freundin! +Ich bitt Euch um Gottes willen: Gott hat mir eine junge Heidin +bescheret, Ihr wollet so wohl thun und derselben armen Heidin zur +Christenheit helfen und ihre geistliche Mutter werden, damit sie durch +Euern Dienst und Hülfe auch komme aus der alten Geburt Adams zur neuen +Geburt Christi durch die hl. Taufe. Das will ich wiederum, womit ich +soll, um euch verdienen. Hiemit Gott befohlen. Amen. Ich hab selbst +nicht dürfen ausgehen in die Luft. Martinus Luther.“[171] + +Als Magdalena heranwuchs, sah das Mädchen dem älteren Bruder Hänschen +„über die Maßen gleich mit Mund, Augen und Nase, in Summa mit dem ganzen +Gesicht“, und war auch gutmütig und brav wie dieser. Diese zwei ältesten +Geschwister hingen auch sehr aneinander. Als Luther im folgenden Jahr +während des Augsburger Reichstags in Verborgenheit auf der Koburg weilte +und sich dort wie auf der Wartburg den Bart wachsen ließ, um sich +unkenntlich zu machen, da ließ Frau Käthe von dem kleinen Lenichen einen +Abriß in schwarzer Kreide oder Tusche machen, welches freilich etwas zu +dunkel geraten scheint, und sandte es ihm als Herzstärkung in seine +„Wüste“, wo der Doktor in Einsamkeit und Thatlosigkeit oft trüben +Gedanken nachhing, auch sich gar viel ärgern mußte über den Gang der +Dinge in Augsburg; auch war gerade sein Vater gestorben, der alte Hans +Luther, was den Sohn tief bewegte, denn er hing mit kindlicher Liebe und +Ehrfurcht an ihm. Da der Vater das Konterfei des Töchterchens zuerst +ansah, konnt' er sie nicht erkennen. „Ei“, sprach er, „die Lene ist ja +schwarz“. Aber bald gefiel sie ihm wohl und dünkte ihm je länger je +mehr, es sei Lenchen. Der Doktor hängte die Kontrefaktur gegen den Tisch +über an die Wand im Fürstenzimmer, wo er aß, und vergaß über die Maßen +viel Gedanken mit dem Bilde.“[172] + +Das Mädchen wurde vom Vater anders behandelt als der Sohn. Dieser wurde +mit Ernst gezogen und Luther wollte, daß man ihm nichts lasse gut sein. +Aber mit seinem Töchterlein scherzte er mehr. Dagegen zog die Mutter +naturgemäß den Sohn vor, namentlich den erstgeborenen und suchte des +Vaters Strenge gegen ihn zu mildern[173]. + +Am Vorabend vor Luthers Geburtstag, den 9. November 1531, traf zu +Wittenberg im schwarzen Kloster wieder ein Sohn ein, der deshalb des +Vaters Namen erhielt. Als jetzt der jüngste wurde nunmehr er der +Liebling des Vaters. Denn, sagt dieser, „die Eltern haben die jüngsten +Kinder stets am allerliebsten. Mein Martinchen ist mein liebster Schatz, +denn solche Kinder bedürfen der Eltern Sorge und Liebe wohl, daß ihrer +fleißig gewartet wird. Hänschen und Lenchen können nun reden, bedürfen +solche Sorge so groß nicht.“[174] + +Am Namenstag des folgenden Jahres meldet Luther dem Paten Martins, dem +gestrengen und ehrenfesten Joh. von Rindesel Kurf. Kämmerer: „Euer Pate +will ein thätiger Mann werden, er greift zu und will sein Sinnchen +haben.“[175] + +Der Knabe war, scheint es, kränklich und ein kleiner Taugenichts, so daß +der Vater fürchtete, er möchte einmal Jurist werden[176]! + +Dagegen war Hänschen ein stiller nachdenklicher Bursche, so daß der +Vater meinte: „Er ist ein (geborener) Theologe.“ Der jüngste Sohn Paul +aber, der am 28. Januar 1533 auf die Welt kam, ein kräftiger mutiger +Junge, schien sich zum Türkenkrieger zu eignen. Daran dachte der Vater +schon bei seiner Geburt und wählte ihm vielleicht deshalb einen Ritter, +Hans von Löser, Erbmarschall und Landrentmeister, zum Paten. Aber auch +der Herzog Joh. Ernst von Sachsen, ferner D. Jonas und die Frau des +Kaspar Lindemann standen bei Paul zu Gevatter[177]. + +In dem Gevatterbrief an Löser, der noch in der Nacht des 28. Januar 1533 +geschrieben wurde, damit der Knabe nicht lange ein Heide bleibe und +schon zur Vesper getauft werde, heißt es: „Ew. Gestrengen wollen sich +demütigen Gott zu Ehren für meinen jungen Sohn förderlich und füglich +erscheinen, damit er aus der alten Art Adams zur neuen Geburt Christi +durch das hl. Sakrament der Taufe kommen und ein Glied der Christenheit +werden möchte, ob vielleicht Gott der Herr einen neuen Feind des Papstes +oder des Türken erziehen wolle.“[178] + +Als Hans Löser zur Taufe kam, hat ihn Luther also empfangen: „Gott sei +Dank! Ich werde nicht ermangeln, Ew. Gestrengen in andern Sachen zu +dienen. Es ist heut ein junger Papst geboren worden; derohalben helfet +doch dem armen Schelm, daß er getauft werde.“ Das Kind wurde im Schlosse +in einem Becken getauft. Hernach hat Luther seinen Gevatter zu Gaste +geladen, da sie denn viel freundliche Diskurse geführt. Luther sagte: +„Ich habe meinen Sohn lassen Paul heißen, denn der hl. Paulus hat uns +viel große Lehren und Sprüche vorgetragen. Gott gebe ihm die Gnaden und +Gaben Pauli. Ich will, so Gott will, alle meine Söhne von mir thun: der +Lust zum Krieg hat, den will ich zu Hans Löser thun; der Lust zu +studieren hat, zu Jonas und Philipp; der Lust zur Arbeit hat, den will +ich zum Bauern thun“[179]. + +Als eine Art Nachkömmling wurde das um Weihnachten 1534 geborene jüngste +Kind angesehen, das nach Luthers (1531) verstorbenen Mutter Margareta +genannt wurde. Wenigstens sah der Vater voraus, daß er nicht so alt +werden würde, um sie zu versorgen. Darum schrieb er auch, als sie erst +vier Jahr alt war, ihrem Paten, dem Pfarrer Probst in Bremen: „Es grüßet +Euch meine Frau Käthe und Euer Patchen, mein Töchterlein Margaretchen, +der Ihr nach meinem Tode für einen feinen frommen Mann sorgen sollt. Ihr +habt sie zum Patchen gewählt, Euch befehle ich sie auch.“ Ein anderer, +sehr hoher Pate war der Fürst Joachim von Anhalt, der Luther das +„christliche Amt geistlicher Vaterschaft“ angetragen hatte und auch +übernahm[180]. + +Frau Käthe mußte die Kinder oft ihrem Vater bringen, auch ins +Studierzimmer, da koste er mit ihnen und machte seine sinnigen +Bemerkungen über Kindesnatur und Kindesleben; das zeige uns, wie's im +Paradies war und wie's im Gottesreich sein sollte. Der Vater schaute +aber auch mit Wohlgefallen zu, wie seine Käthe so freundlich mit ihrem +Martinchen redete und so viel Geduld und Erbarmen mit allen Kindern +hatte. Luther unterhielt sich mit ihnen übers Christkind, sah zu, wie +Martinchen eine Puppe als Braut schmückte und beschützte, freute sich, +wenn die Kinder sich zankten und schnell vertrugen als über ein Sinnbild +der Sündenvergebung der Gotteskinder; er sah, wie die Kinder um den +Tisch saßen und in freudiger Erwartung auf Pfirsiche und Birnen sahen, +die darauf lagen, oder den Ast Kirschen, den ihnen Jonas gebracht, und +sagte: „Wer da sehen will das Bild eines, der sich in Hoffnung freuet, +der hat hier ein rechtes Konterfei. Ach daß wir den jüngsten Tag so +fröhlich in Hoffnung könnten ansehen!“ Sein herziger Märchenbrief an +sein liebes Söhnichen von der Koburg, ist das schönste Zeugnis eines +kinderfreundlichen Gemütes. Von Koburg aus besorgte Luther seinem Haus +ein groß schön Buch von Zucker aus dem schönen (Märchen-)Garten in +Nürnberg. Auch sonst bringt er seinen Kindern von seinen Reisen immer +„Jahrmarkt“ mit. Regelmäßig auch sendet er aus der Ferne Grüße und Küsse +an Hänschen und Lenchen[181]. + +Die Gespielen der Lutherischen Kleinen waren Melanchthons und Jonas' +Kinder („Lippus“ und „Jost“ im Märchenbrief). Der Spielplatz war der +große Klosterhof; da tummelten sie ihre Steckenpferde und schossen mit +Armbrüsten, lärmten mit Pfeifen und Trommeln, tanzten oder „sprangen der +Kleider und des Baretts“; auch ein Hündlein durften die Kinder halten. +Später richtete der Vater Luther für sie und die andern jungen +Hausgenossen auch einen Kegelplan ein und sah zu, wie sie sich vermaßen, +zwölf Kegel zu treffen, wo doch nur neun auf dem „Boßleich“ standen, und +schließlich froh waren, eine nicht zu fehlen. Ja, er selbst maß sich hie +und da als ein Meister des Spiels mit ihnen, „schub einmal die Kegel +umbwärts, das andere Mal seitwärts oder über Eck“[182]. + +Aber Luther betete auch täglich den Katechismus mit seinem Sohn Hansen +und seinem Töchterlein Magdalene und die Kinder selbst mußten „bei Tisch +beten und herlesen“; und auch sonst waren sie von Vater und Mutter +angehalten zum Gebet für die Gönner und Schützer der Reformation, für +das Heil der Kirche und des Vaterlands. Martin und Paul hatten des +Vaters musikalische Anlagen geerbt und mußten nach der Mahlzeit — allein +oder mit andern — die liturgischen Gesänge der jeweiligen Kirchenzeit +vortragen. Auch die kleine Margarete lernte mit fünf Jahren schon mit +schöner Stimme singen: „Kommt her zu mir alle“ und anderes[183]. + +In ihren Kindern sahen die Eltern ihr höchstes Glück und ihren +schönsten Schatz. „Kinder binden, sie sind ein Band der Ehe und Liebe“, +pflegte Luther zu sagen. Er fand in ihnen seinen Trost und seine +Erholung von seinen Welt- und Kirchensorgen. „Ich bin zufrieden; ich +habe drei eheliche Kinder, die kein papistischer Theolog hat, und die +drei Kinder sind drei Königreiche, die habe ich ehrlicher und erblicher +denn Ferdinandus Ungarn, Böhmen und das römische Reich“[184]. + +Freilich, was für den Vater in seinen Mußestunden und bei Tisch eine +Freude und Erholung war, das brachte der Mutter Arbeit, Sorge und +Schmerzen. Es war doch keine Kleinigkeit für die vielbeschäftigte +Hausfrau in acht Jahren sechs kleine Kinder zu haben, zu pflegen und zu +erziehen — denn auf ihr lag doch das Hauptgeschäft der Erziehung. Und +ihr Gatte sah das ein und bemerkte einmal, daß nur unser Herrgott sich +von seinen Menschenkindern mehr gefallen lassen müsse als eine +Mutter[185]. + +Da war es denn ein großer Segen, daß Frau Käthe in ihrem Hause eine +Stütze fand an ihrer Tante, _Magdalene von Bora_. + +Diese war bald nach ihrer Nichte selber aus Nimbschen entwichen und +wohnte jetzt im schwarzen Kloster in einem besonderen Stüblein. Sie war +als „Muhme Lene“ der gute Hausgeist, die echte und rechte Kindertante in +der Lutherischen Familie. Als Siechenmeisterin hat sie sich ja zum +Warten und Pflegen schon im Kloster ausgebildet. Und so wartete und +hütete sie die kleinen Großneffen und Großnichten, spielte und betete +mit ihnen, verwöhnte sie auch wohl und vertuschte ihre bösen Streiche, +pflegte sie in den Kinderkrankheiten und war auch für Frau Käthe in +ihren Kindbetten und Krankheiten die sorgsame Pflegerin und Lehrerin. +Luther will in dem Märchenbrief von der Koburg an sein Söhnchen Hans die +„Muhme Lene“ auch mitbringen lassen in den schönen Wundergarten und läßt +sie grüßen und ihr einen Kuß „von meinetwegen“ geben; und auch sonst +sendet er Muhme Lene seine Grüße[186]. + +Zu den eigenen Kindern im Lutherischen Hause kamen bald andere. Zunächst +Verwandte, Neffen und Nichten, dann aber Kinder von Freunden und +Bekannten, und endlich fremde Kostgänger. + +Der erste war Cyriak Kaufmann, der Sohn einer Schwester Luthers; er kam +als Studiosus nach Wittenberg und wurde am 22. November 1529 +immatrikuliert. Er begleitete 1530 seinen Oheim auf die Koburg und +dieser schickte ihn im August nach Augsburg, daß er sich in der großen +Stadt einmal das Treiben eines Reichstags ansehe; dann mußte er wieder +zu seinen Studien nach Wittenberg; auf der Heimreise brachte er von +Nürnberg den Lebkuchen für seinen kleinen Vetter Hans Luther mit[187]. + +Luthers Schwager und Schwester Kaufmann starben früh und so kamen +allmählich alle fünf Waisen derselben zu ihrem Oheim nach Wittenberg, +außer dem genannten Cyriak noch seine jungen Geschwister, die Brüder +Fabian und Andreas, welche 1533 am 8. Juni frühzeitig mit dem erst +siebenjährigen Hans Luther zu Wittenberg als akademische Bürger +eingeschrieben wurden, und die Schwestern Lene und Else. Es war keine +Kleinigkeit, fünf elternlosen Kindern Vater und besonders Mutter zu +sein, zumal, da sie nicht alle wohlgeraten waren und namentlich Lene +Sorge machte, so daß Luther einmal erklärte, wenn sie nicht gut thun +wolle, werde er sie einem schwarzen Hüttenknecht (Bergmann) geben, statt +einen frommen und gelehrten Mann mit ihr betrügen. — Schließlich kam zu +den zwei Nichten noch eine kleine Großnichte, Anna Strauß, die Enkelin +einer Schwester Luthers[188]. + +Mit Cyriak Kaufmann war ein andrer Schwestersohn, Hans Polner, als +Student ins Haus gekommen, der an Peter Weller anbefohlen wurde. Aber +Frau Katharina war aufgetragen zuzusehen, „daß er sich gehorsamlich +halte“, und auch sonst mußte sie für ihn sorgen. Dieser Polner wartete +als Famulus dem Doktor auf, studierte Theologie und predigte einmal in +der Pfarrkirche; die Doktorin meinte, den hätte sie viel besser +verstehen können, als D. Pommer, welcher sonst von dem Thema weit +abweiche und andre Dinge in seine Predigt mit einführe, oder, wie Jonas +sich ausdrückte, unterwegs manchen Landsknecht anspreche[189]. + +Noch ein Neffe Luthers, seines Lieblings-Bruders Jakob Sohn, Martin, +wurde später zur Erziehung der Doktorsfamilie übergeben und 1539 an der +Universität eingeschrieben; ebenso Florian von Bora, der Sohn von Käthes +ältestem Bruder. Martin und Florian wurden zusammen mit den Kindern +Luthers unterrichtet. Einer der Neffen sollte einmal zu Camerarius auf +die Schule kommen; später kam Florian mit Hans nach Torgau[190]. + +Schließlich wurden dem Lutherischen Hause noch allerlei Schüler und +angehende Studenten anvertraut, welche in dem Kloster wohnten, aßen und +unterrichtet wurden. + +Für die eigenen und fremden Kinder wurden nun, bei der großen +anderweiten Inanspruchnahme Luthers, „allerlei Zuchtmeister und +Präzeptoren“ nötig: ältere Studenten, junge Magister, auch Leute von +gesetztem Alter, welche noch einmal die Universität bezogen, um ihre +Kenntnisse zu erweitern oder die neue evangelische Theologie zu +studieren. Sie waren in Luthers Familie Hausgenossen und Tischgesellen, +unterstützten auch etwa Luther in seinen Arbeiten, ja auch (wie z.B. +Neuheller) Frau Käthe in der Wirtschaft und Aufsicht über das Gesinde. + +So waren nach und neben einander im Hause als „Schulmeister“ und Luthers +Gehülfen die Nürnberger Veit Dietrich (1529-34) und Besold (1537-42), +Cordatus (1528-31), die Freiberger Hieronymus und Peter Kelter (1530), +Joh. Schlaginhaufen (1531-32), Jodocus Neuheller (Neobulus) (1537-38) +aus Lauterburg, Jakobus Lauterbach (1536-39), Schiefer (1539-41), ein +Franziskus und zuletzt Rutfeld (1546). Diese Präzeptoren hatten sogar +oft wieder ihre eigenen Zöglinge, welche mit im schwarzen Kloster +wohnten und aßen oder auch nur dort unterrichtet wurden. Der Unterricht +begann oft in sehr frühen Jahren: der junge Hans Luther mußte schon mit +vier Jahren tüchtig „lernen“, hauptsächlich wohl lateinisch sprechen — +wie es heute mit dem Französischen geschieht. + +Außer den Magistern hatte Luther noch Famuli, nicht nur seinen +lebenslänglichen Diener Wolf, sondern auch andere, wie der „fromme +Gesell“, welcher „etliche Jahre treulich, fleißig und demütig gedienet +hat und altes gethan und gelitten“ und 1532 wegzog. Der Famulus diente +bei Tisch, schenkte ein, besorgte Gartengeschäfte, machte Ausgänge, +schrieb auch für Frau Käthe Briefe[191]. + +Sogar eine Lehrerin wurde nach Wittenberg ins schwarze Kloster berufen: +nämlich im Jahre 1527 hat Luther auch eine Mitschwester Frau Käthe's, +die ehemalige Nonne und Flüchtlingin von Nimbschen, die „ehrbare, +tugendsame Jungfrau Else von Kanitz“ eingeladen auf eine Zeitlang nach +Wittenberg zu kommen. „Denn ich gedacht Euer zu brauchen, junge +Mägdelein zu lehren und durch Euch solch Werk andern zum Exempel +anzufahen. Bei mir sollt Ihr sein zu Hause und zu Tische, daß Ihr keine +Fahr noch Sorge haben sollt. So bitte ich nu, daß Ihr mir solchs nicht +wollt abschlagen.“ Die Kanitz kam aber nicht. Dafür erscheint jetzt ein +Fräulein Margarete von Mochau, wahrscheinlich die Schwester von +Karlstadts Frau, im Klosterhause und wird ihre Stelle vertreten +haben[192]. + +Natürlich fehlte es bei dem großen Haushalt auch an sonstigem Gesinde +nicht und da gab es, wie überall gute und schlechte, dankbare und +undankbare, getreue und ungetreue Dienstboten. Alle aber wurden zur +„Familie“ gerechnet und nahmen an der Hausandacht teil. Und der +abwesende Hausvater verfehlte nicht in seinen Briefen, das „gesamte +Gesinde“ grüßen zu lassen. Aber er ermahnt es auch, daß sie im Haus kein +Aergernis gäben. Oft scherzt er in seinen Briefen über Trägheit und +Bequemlichkeit seiner Dienstleute: so wenn er aus Nürnberg Handwerkszeug +bestellt, welches von selber geht, wenn Wolf schläft oder nachlässig +ist, oder einen Kronleuchter, der sich von selber putzt, damit er nicht +zerbricht oder beschädigt wird von der zornigen oder schläfrigen +Magd[193]. + +Natürlich auch Gäste aller Art verkehrten im Schwarzen Kloster oder +wohnten darin in kürzerem oder längerem Aufenthalt, oft monate-, ja +jahrelang: vertriebene oder stellenlose Prediger, flüchtige Fremde, +entwichene Mönche und Nonnen, Besuche und Festgenossen, „armseliges +Gesindlein“ und fürstliche Damen. + +So beherbergte das Lutherhaus 1525 mehrere adlige Ordensschwestern; 1528 +einige Monate lang sogar die Herzogin Ursula von Münsterberg, Herzog +Georgs eigene Base, die mit zwei getreuen Klosterfrauen dem +Nonnenkloster zu Freiberg entflohen war; und zu Pfingsten 1529 wieder +drei Adelige aus demselben Konvent. Außerdem kamen auch allerlei Mönche, +sogar aus Frankreich, ins Lutherhaus nach Wittenberg, als der +allgemeinen Zufluchtsstätte aller religiös Bedrängten. So hat Herzog +Georg in begreiflichem Zorn, wenn auch mit unwahren Behauptungen, Luther +beschuldigt: „Du hast zu Wittenberg ein Asylum eingerichtet, daß alle +Mönche und Nonnen, so uns unsre Klöster berauben mit Nehmen und +Stehlen, die haben bei Dir Zuflucht und Aufenthalt, als wäre Wittenberg, +höflich zu reden, ein Ganerbenhaus aller Abtrünnigen des Landes“[194]. + +Ja, die Wittenberger Freundinnen des Hauses, Bugenhagens und Dr. A. +Schurfs Frauen, warteten im schwarzen Kloster ihr Wochenbett oder ihre +Krankheit ab[195]. + +Aber auch fürstliche Gäste suchten das gastliche Haus der Luther'schen +Eheleute auf. + +Die Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg hatte sich, besonders durch den +Einfluß ihres evangelisch gesinnten Leibarztes Ratzeberger, der +Reformation zugewandt, während ihr altgläubiger Gemahl Joachim I. streng +darauf sah, daß das Lutherische Gift nicht über die sächsische Grenze +herüberkäme. Da mußte er von seiner 14jährigen Tochter Elisabeth zu +seinem Schrecken erfahren, daß seine eigene Gemahlin im Berliner +Schlosse heimlich das Abendmahl unter beiderlei Gestalt genommen habe. +Er sperrte die Kurfürstin ein; das Gerücht ging, er wolle sie einmauern +lassen. Da entwich sie mit Hilfe ihres königlichen Bruders Christiern, +der damals landflüchtig in Deutschland umherirrte, samt Dr. Ratzeberger +(März 1528) und floh zu ihrem Oheim Kurfürst Johann nach Sachsen. Ihren +Wohnsitz erhielt sie auf Schloß Lichtenberg, hielt sich aber oft in +Wittenberg auf und verkehrte viel im Klosterhause mit Luther und Frau +Käthe; sie stand sogar zu einem der Kinder Gevatter[196]. + +Auch der Fürst Georg von Anhalt wollte im schwarzen Kloster Aufenthalt +nehmen, um Luthers Umgang und Geist recht zu genießen. Aber sein +Vizekanzler mußte ihm davon abraten, da das Haus zu voll sei. + +So wurde „das Haus des Herrn Doktor Luther von einer buntgemischten +Schar studierender Zöglinge, Mädchen, alter Witwen und artiger Kinder +bewohnt. Darum herrschte viel Unruhe darin“[197]. + +Da begreift es sich, daß, als der junge Hans anfangen sollte ernstlich +zu lernen, er der größeren Muße wegen aus dem Hause gethan wurde — +vielleicht nach Torgau. Zu Neujahr 1537 ist der elfjährige Sohn irgendwo +auf der Schule, wo er durch seine „Studien“ und lateinischen Briefe dem +Vater Freude machte. Dieser erlaubt ihm, namentlich auf Bitten von Muhme +Lene, zu den nächsten Fastnachtsferien nach Hause zu kommen zu Mutter +und Muhme, Schwestern und Brüdern[198]. + +Zu allen Haus- und Tischgenossen im Kloster kamen nun noch die täglichen +Besuche und Gäste von Bekannten, Freunden, Verwandten, Amtsgenossen und +Mitbürgern: so aus der Ferne die Geistlichen Amsdorf und Spalatin, +Hausmann und Link, die Hofherren und Ritter Taubenheim und Löser, Bruder +Jakob oder Schwager Rühel von Mansfeld, Käthes Bruder Hans, Abgesandte +aus aller Herren Länder, Staatsmänner und Kirchenbeamte aus England und +Frankreich, aus Skandinavien und Böhmen, Ungarn und Venedig; Stadträte +und Bürger von allen sächsischen und deutschen Städten, wandernde +Magister und fahrende Schüler. Aus Wittenberg selbst verkehrten als +liebe und häufige Gäste vor allem Magister Philipp (Melanchthon) und +Frau; die Gärten der beiden Häuser waren nicht weit von einander und — +wie man wenigstens heute erzählt — ein Thürlein zwischen beiden +vermittelte den Verkehr der zwei Familien. Gerngesehene Hausfreunde +waren auch der Propst Jonas und seine Gattin; ferner noch andere +Gevattersleute, der Superintendent Bugenhagen, M. Kreuziger, M. Rörer, +der Buchdrucker Hans Lufft, der Meister Lukas Kranach mit seiner Frau +und der alte Meister Claus Bildenhauer oder „Bildenhain“, wie Sophiele +Jonas ihn zu nennen pflegte, ein wackerer Künstler, der auch manchmal zu +Tische war; von ihm kaufte Luther später einen Garten. Mit ihm, der auch +schon „zu viele Ostereier gegessen“, gedachte Luther gern der guten +alten Zeiten[199]. + +Da wurde denn droben in der Familienstube um den großen Eichentisch oder +unten im Hof unter dem schattigen Birnbaum oder auch wohl vorm +Elsterthor draußen bei dem murmelnden Lutherbrunnen Gesellschaft und +Mahlzeit gehalten und Frau Käthe mußte die Wirtin machen, ihr +treffliches Hausbräu aufsetzen und auch zu den Kosten der Unterhaltung +ihr Scherflein beitragen. + + + + +8. Kapitel + +Katharinas Haushalt und Wirtschaft[200]. + + +Für eine so zahlreiche Haus- und Tischgenossenschaft galt es eine Menge +Gemächer zu beschaffen und auszustatten; es mußte Küche und Keller in +großem Maßstabe in stand gesetzt werden; es war nötig, Stall und Garten +zu besorgen; es war erforderlich Markt und Einkauf, Rechnung und +Vermögensverwaltung zu verstehen; und endlich zur Regierung eines so +umfangreichen Hauswesens mit seinen vielen und vielerlei Gliedern, +Tischgängern und Hofmeistern, Kindern und Gesinde galt es eine weise +Umsicht, aber auch ein strammes Herrschaftstalent zu entfalten. + +Das alles fiel nun der Hausfrau anheim. Denn es wäre unmöglich gewesen, +daß Luther neben den gewaltigen Arbeiten seines Berufs als Prediger, +Seelsorger, Professor, Ratgeber für einzelne Personen wie ganze Städte +und Länder, als Reformator nicht nur Deutschlands, sondern der halben +Christenheit sich um die Hauswirtschaft kümmern konnte, namentlich eine +so umfangreiche, die allein schon eine ganze Menschenkraft +erforderte[201]. Sodann aber war es des Doktors Anschauung, daß in Haus +und Wirtschaft die Frau zu walten und zu regieren habe: „Das Weib habe +das Regiment im Hause, ohnbeschadet des Mannes Recht und Gerechtigkeit; +dafür ist es geschaffen. Denn das ist wahr, die häuslichen Sachen, was +das Hausregiment betrifft, da sind die Weiber geschickter und beredter +als wir.“ „Ich bin zur Haushaltung sehr ungeschickt und fahrlässig. Ich +kann mich in das Haushalten nicht richten. Ich werde von meinem großen +Hauswesen erdrückt.“ Vor so etwas hatte er sich schon als Junggesell +gefürchtet. 1523 sagte er: „Nimmst Du ein Weib, so ist der erste Stoß: +wie willt Du nun Dich, Dein Weib und Kind ernähren? Und das währet Dein +Lebenlang; beim ersten Kind denken die Eltern daran, ein Haus zu bauen, +Vermögen zu erwerben und die Nachkommenschaft zu versorgen“[202]. +Andererseits aber war auch Frau Käthe so veranlagt und gewillt, daß sie +dies Regiment gerne führte und ihrem Gatten alles das fernhalten wollte, +was ihn in seiner Wirksamkeit hindern und stören konnte. Und Luther ließ +sich das gerne gefallen. „Meine Frau kann mich überreden, wie oft sie +will, denn sie hat die ganze Herrschaft allein in ihrer Hand, und ich +gestehe ihr auch gerne die gesamte Hauswirtschaft zu“[203]. + +So richtete nun Katharina zunächst das Haus her und ein, und der +Kurfürst und die Stadt Wittenberg, die Freunde des Hauses und die Eltern +der Kostgänger stifteten dazu mancherlei Baubedarf und Geräte. + +Das schwarze Kloster war 1502 von Staupitz mit Unterstützung des +Kurfürsten gebaut, aber nur zu einem Drittel vollendet worden. Die +Kirche war nur angefangen, die Wirtschaftsgebäude kaum vorhanden. +Eigentlich war nur das sog. Schlafhaus (dormitorium), die früheren +Wohnräume der Mönche fertig, die für 40 Menschen reichten. Aber die +Zellen — meist im dritten Stock — waren zahlreich, dagegen klein, und +daher mußte wohl manche Wand durchgebrochen und manche auch aufgerichtet +werden. Auf der Gartenseite war ein größerer Saal (jetzt die Aula) und +ein kleinerer, welche beide von Luther zu Vorlesungen und Hausandachten +benutzt wurden. Ein Zimmer daneben hatte oder erhielt eine Thüre in +Luthers Studierstube. Im oberen Stock wurden die Gelasse zu Gastzimmern +für die mancherlei Hausgenossen benutzt. + +Das Erdgeschoß hatte Frau Käthe zu Wirtschaftsräumen eingerichtet und +zum leichteren Verkehr mit dem Oberstock eine Treppe in das Zimmer neben +das Schlafgemach führen lassen. + +Im Jahre 1539 auf 40 erfreute Frau Käthe ihren Gatten mit einem sinnigen +Geschenk: aus Pirna ließ sie — durch den dortigen Pfarrer Lauterbach — +eine schöngearbeitete Pforte aus weißem Sandstein kommen, einen +Spitzbogen mit hübschen Stäben; auf der einen Seite Luthers Brustbild, +auf der anderen sein Wappen, die weiße Rose mit dem roten Herzen und +schwarzen Kreuz darin, vom goldenen Ring der Ewigkeit umfaßt, und die +lateinische Inschrift: „Im Stillesein und Hoffen ruht meine Stärke.“ Auf +beiden Seiten der Thüre waren zwei Sitze angebracht zum Ausruhen am +Feierabend[204]. + +Der Klosterhof war gegen die Straße mit einem Zaun abgeschlossen; +später kamen an das Thor zwei Buden, wohl für die Bewachung des Anwesens +in der unruhigen und gefährlichen Zeit des Festungsbaues, wo die +Stadtmauern am Elsterthor abgerissen und die Stadt allem Gesindel +geöffnet war[205]. + +An der Westseite des Hofes wurden nun allerlei Wirtschaftsgebäude +errichtet. + +Eine Braustube war schon im Kloster vorhanden; denn der Kurfürst hatte +diesem die Braugerechtigkeit für 12 „Gebräude“ verliehen; diese ging auf +den neuen Besitzer über und wurde von Frau Käthe selbst ausgeübt. Das +war ein großer Vorteil für den starken Haushalt; denn das Bier war in +Wittenberg auffällig teuer: die Kanne kostete drei Pfennige. Aber die +Herstellung des Brauhauses und die Geräte kosteten 150 fl. Eine +Badestube mit Wanne und Ständer baute sie nun auch und D. Lauterbach +mußte ihr das Baumaterial dazu besorgen. Auch allerlei Viehställe ließ +sie errichten und hielt Pferde, Kühe und namentlich Schweine, um +Arbeitskräfte, Milch und Fleisch für den Hausbedarf zu haben: Schon 1527 +hatte man einen Stall voll Schweine, mehr als fünf Stück; 1542 waren es +zehn und drei Ferkel, so daß ein eigener Schweinehirt gehalten werden +mußte; ferner hatte Käthe mehrere Pferde, fünf Kühe, neun Kälber und +eine Ziege mit zwei Zicklein. Ein Hühnerhof lieferte die nötigen Eier. +Endlich wurden auch noch einige Keller ausgebessert oder neu angelegt, +so der Weinkeller, der neue Keller und der große Keller. Bei der +Besichtigung des letzteren kam das Ehepaar fast um's Leben, denn das +Gewölbe stürzte hinter ihnen ein, gerade als sie es besichtigt und eben +herausgetreten waren[206]. + +Im Laufe der Zeiten wurden in dem halbfertigen Hause gar mancherlei +Reparaturen nötig und ebenso allerlei Neubauten. So erhielten Johann +Crafft und M. Plato ihre Stübchen, auch der Sohn Hans, als er +herangewachsen war; Muhme Lene hatte ihr Stüblein mit Kammer und +Schornstein — jedes kostete 5 fl. herzurichten. Die obere Stube und +Kammer kam aber auf 100 fl. zu stehen und die untere auf 40 fl. Außer +dem großen Keller, der (mit dem „Schaden“ beim Einsturz) auf 130 fl. +gekommen war, wurde noch der neue Keller für 50 fl. gebaut und ein +Weinkeller für 10 fl. eingerichtet. Endlich wurde noch ein „new Haus“ +gebaut, welches 400 fl. kostete. Die Treppe mußte zweimal hergestellt +werden und das Dach öfters geflickt[207]. + +Dazu brauchte es manches Tausend Dachsteine (Ziegel) und Backsteine, +auch nicht wenige Tonnen und Wagen Kalk, besonders in den Baujahren +1535-39: 280 Wagen Kalk und 12500 Mauersteine und 1300 Dachsteine und +wieder von beiden Arten zusammen 2600. Freilich, das Tausend +„Dachsteine“ kostete nur 40 Groschen, Mauersteine 57 Groschen und der +Wagen Kalk nur 4-5 Groschen. Das lieferte die Stadt, aus der eigenen +Brennerei. Luther machte sie bezahlt durch seine Dienste (unentgeltliche +Predigt und Seelsorge u.a.) und durch Abtretung von Boden an seinem +Klosterhof. Im Jahre 1542 hatte Luther allein 1155 fl. verbaut[208]. + +Später erlebte man im Lutherhause schweren Ärger durch den neuen +Festungsbau. Der Zeugmeister Friedrich von der Grüne war den Lutherschen +offenbar nicht grün. Er verschüttete nicht nur — mit Luthers Bewilligung +— das untere Gemach, sondern auch ohne Not und Zustimmung das mittlere, +verderbte das Brauthor, bedrohte die Gartenmauer und die Erdmauer am +hinteren neuen Haus. Und wie der Herr, so machten's die Knechte: die +Deichknechte warfen Fenster ein und trieben sonst noch allerlei +Mutwillen. Luther fürchtete sogar für seine geliebte Studierstube, darin +er so viele schwere Stunden mit Studieren und Anfechtungen erlebt, +„daraus er den Papst gestürmet“ und seine wunderbaren Schriftwerke und +Episteln in die Welt gesandt. Da mußte der Doktor einen gar zornigen +Brief an den Zeugmeister schicken, der wahrscheinlich seinen Eindruck +nicht verfehlte[209]. + +Im Hof, dem ehemaligen Spitalkirchhof, waren die Fundamente der Kirche +angelegt, aber nur der Erde gleichgebracht. Mitten in diesen Fundamenten +stand eine alte Kapelle „von Holz gebaut und mit Lehm beklebt; diese war +sehr baufällig, war gestützt auf allen Seiten. Es war bei 30 Schuhen +lang und 20 breit, hatte ein klein alt rostig Vorkirchlein, darauf 20 +Menschen kaum mit Not stehen konnten. An der Wand gegen Mittag, war ein +Predigtstuhl von alten Brettern, die ungehobelt, ein Predigtstühlchen +gemacht, etwa 1-1/2 Ellen hoch von der Erde, worauf Luther einst +gepredigt hatte. In Summa, es hatte allenthalben das Ansehen, wie die +Maler den Stall malen zu Bethlehem, darinnen Christus geboren worden.“ +Erst im Jahre 1542 fiel es der Befestigung zum Opfer; Luther „murrte +ärger darüber als Jona über die verdorrte Kürbisstaude“[210]. + +Der Hof war mit einem Bretterverschlag gegen die Straße abgeschlossen +und wie der Kirchhof mit Bäumen bepflanzt. Darin liefen Hühner, Gänse, +Enten, Tauben; Singvögel nisteten im Gebüsch, Spatzen flogen zu und +wurden von einem Hündlein gescheucht[211]. + +Sonst diente er zum Tummelplatz der Kinder, zum Spielplatz und +Kegelschieben. + +Zur Ausstattung des großen Haushaltes mußte gar viel angeschafft und +geschenkt werden. + +Von der Klosterzeit waren noch einige Sachen da: zinnerne Gefäße und +Küchen- und Gartengeräte als Schüsseln, Bratspieße, Schaufeln, freilich +recht verbraucht und schadhaft, keine 20 fl. wert. Das mußte bald +ergänzt und ersetzt werden. So auch der wurmstichige Kasten Dr. +Zwillings in Torgau. Dieser bot einen andern an; Frau Käthe wundert sich +über den hohen Preis, den er kosten solle: 4 Florin, erkundigt sich, ob +er „reinlich“ sei, mit einem „Sedel“ (Sitzkasten) „für leinen Gerät +darin zu legen, da nicht Eisen durchgeschlagen das Leinen eisenmalich +macht“; sonst wollte sie sich einen in Wittenberg machen lassen. Einen +„Schatzkasten“ hatte das Ehepaar bereits, nur war er „wohl tausendmal zu +weit“ für ihren Schatz; 1532 hatten sie nur einen einzigen Becher. Doch +füllte sich der Schrein allmählich mit silbernen Bechern, Ringen, +Denkmünzen und andern Kleinodien. Auch geerbt hatten sie einen fast zu +köstlichen Pokal, den der Augsburger Bürger Hans Honold dem großen +Doktor vermachte. Von Nürnberg schenkte der evangelische Abt Friedrich +eine kunstreiche Uhr, die das Lutherische Ehepaar gebührend bewunderte; +1529 kam eine zweite (von Link) und 1542 eine dritte dazu. 1536 +schickten die Ältesten der Mährischen Brüder ein Dutzend böhmische +Messer[212]. + +Eine ständige Ausgabe machten die Anschaffungen für Leinwand, Betten, +Federn, Leuchter in die Schlafkammern; für zinnerne Kannen, Schüsseln, +Teller, Becken, Kesseln, Pfannen in die Küche; für Schaufeln, +Grabscheite, Gabeln, „Schupen“, Mulden, Radbarn (Schubkarren) in den +Garten; für Fässer, „Gelten“ (niedere Kübel), Eimer in Keller und +Waschküche; für Geschirr und Wagen zum Fuhrwerk[213]. + +Das Klosterhaus war bisher zwar im thatsächlichen Besitze Luthers; aber +eine förmliche Verschreibung hatte er nicht, nur durch mündliche +Abmachung war das Gebäude mit seinen Gerechtigkeiten ihm vom Kurfürsten +überlassen. Diesem hatte es Luther, der letzte Mönch des Wittenberger +Augustinerkonvents, als dem jüngsten Erben zur Verfügung gestellt. +Nunmehr aber betätigte der ihm so wohlgewogene Kurfürst Johann vor +seinem Tode der Lutherschen Familie den Besitz des Anwesens +vorbehaltlich des Vorkaufsrechtes für Staat und Stadt in einer +förmlichen Verschreibung. Die Urkunde besagt[214]: + +„Von Gottes Gnaden Wir Johann Herzog von Sachsen thun kund männiglich: + +Nachdem der ehrwürdig und hochgelahrte unser lieber andächtige Herr M. +Luther D. aus sonderlicher Gnad und Schickung Gottes sich fast vom +Anfang bei unser Universität zu Wittenberg mit Lesen in der heiligen +Schrift, Predigen, Ausbreitung und Verkündung des heiligen Evangelii +u.s.w. bemüht, so haben Wir in Erwägung des alles und aus unser +selbsteigenen Bewegnis unersucht obgen. D.M. Luther, Katharin seinem +ehelichen Weib und ihrer beider Leibeserben die neu Behausung in unserer +Stadt Wittenberg, welche hievor das „Schwarze Kloster“ genannt war, +darinnen D. Martinus seither gewohnt, mit seinem Begriff und Umfang samt +dem Garten und Hof zu einem _rechten freien Erbe_ verschrieben und sie +damit begabt und begnadet als ihr _Eigen_ und _Gut_.... Geben auch +vielgenanntem Doktor und seiner ehelichen Hausfrau aus sonderlichen +Gnaden diese _Freiheiten_, daß sie zu ihrer beider Lebtag aller +bürgerlichen Bürden und Last derselben frei sein, also daß sie keinen +Schoß noch andre Pflicht wie Wachen und dgl. davon sollen thun und mögen +gleichwohl brauen, mälzen, schänken, Vieh halten und andere bürgerliche +Handtirung treiben. + +... Zu Urkund ... + +Torgau, 4. Febr. 1532.“ + +„Es war Wittenberg bis daher eine arme, unansehnliche Stadt mit kleinen +alten häßlichen, niedrigen hölzernen Häuslein, einem alten Dorfe +ähnlicher als einer Stadt. Aber um diese Zeit kamen Leute aus aller +Welt, die da sehen, hören und etliche studieren wollten.“ Da wurde nun +freilich gebaut und gebessert. Aber in dem kleinen Städtchen mit seinen +paar tausend Einwohnern und ebensoviel Studenten waren die alltäglichen +Bedürfnisse nicht gar leicht zu bekommen. Melanchthon schon beklagte +sich bei seiner Uebersiedlung nach Wittenberg, daß da nichts Rechtes zu +bekommen sei und Luther schreibt selbst: „Es ist unser Markt ein Dr. +...“ Dazu war es teuer genug. Und so mußte Frau Luther nicht nur einen +Kasten, einen Pelzrock für die kleine Margarete nach angegebenem Maß von +auswärts bestellen, sondern allerlei Bedürfnisse, Sämereien, Stecklinge, +sogar Borsdorfer Aepfel, ja Butter und Käse mußte sie von weither aus +Pirna durch den dortigen Pfarrer Lauterbach oder von Erfurt und Nürnberg +kommen lassen[215]. + +Als Käthe für Luthers Großnichte die Hochzeit ausrichten sollte (Januar +1542), mußte ihr Gatte an den Hof nach Dessau um Wildbret schreiben. +„Hie ist wenig zu bekommen, denn die Menge (der Einwohner) und viel mehr +die Aemter und Hoflager haben schier alles aufgefressen, daß weder +Hühner, noch ander Fleisch wohl zu bekommen, daß, wo es fehlet (am +Wildbret) ich mit Würsten und Kaldaunen muß nachfüllen.“ Natürlich mußte +sie auch Mehl kaufen, während Landpfarrer solches zu Kauf anboten, und +Frau Käthe konnte es sehr verdrießen, wenn ein solcher ihr, weil sie die +Frau Doktorin war, für den Scheffel neunthalb Groschen forderte, also +mehr als die Bauern. Und ebenso vermerkte sie übel, daß die Wittenberger +drei Pfennig für ein Kandel Bier begehrten[216]. + +Wie alle Stadtbewohner des Mittelalters, auch die Professoren, Jonas, +Melanchthon u.a.[217], so strebte darum auch Frau Katharina nach +liegenden Gründen; als ehemaliges Edelfräulein und Klosterfrau hatte sie +ohnedies eine besondere Neigung zum Grundbesitz, und auch Luther hatte +seine Freude wenigstens an der Natur und der Landwirtschaft. So hielt +man es auch für die sicherste Anlage und eigentliches Erbe für die +Nachkommen, „Feld und Gut zu hinterlassen“, und auch Frau Käthe „hoffte +zu Gott, er werde ihren Kindern, so sie leben und sich frommlich und +ehrlich halten werden, wohl Erbe bescheren“[218]. Freilich ist der Boden +auf dem rechten Elbufer, wo Wittenberg liegt, wie Luther klagt, drei +Meilen herum, sandige und steinige Heide, so daß bei windigem Wetter +nach dem Witzwort 99 Prozent Landgüter in der Luft herumfliegen. Er +fuhrt den plattdeutschen Spruch im Mund: + + Ländicken, Ländicken + Du bist ein Sändicken! + Wenn ik dik arbeite, + So bist du licht (leicht); + Wenn ik dik egge, + So bist du schlicht; + Wenn ik dik meie (mähe), + So find ich nicht (nichts). + +Ueber diese Wittenberger Gemarkung bemerkte er gegenüber der seiner +Heimat: „In dieser unserer Gegend, welche sandig ist, giebt die Erde in +mittleren Jahren für einen Scheffel 7 bis 8, in Thüringen meist 12 und +mehr“[219]. Dennoch erwarben die Luthers bald mehrere Grundstücke, zwei +Hufen und zwei weitere Gärten. + +Schon 1531 kaufte Käthe einen Garten, wie Luther sagte „nicht für mich, +ja gegen mich“. Es ist wohl derselbe, dessen Kauf sie „mit Thränen“ +durchsetzte, so daß er seinem Freund und ehemaligen Mitbruder Brisger +sein Häuschen nicht abkaufen, ihm auch kein Geld leihen konnte. Dieser +Garten, an der Zahnischen Straße gelegen, wurde, scheint es, später +veräußert; dafür wurde (um 1536) von Claus Bildenhauer für 900 fl. ein +größerer „Baum-Garten“ mit allerlei Gebäulichkeiten und einem +angestrichenen Zaun erworben. Einer dieser Gärten lag vor der Stadt an +dem „Saumarkt“; deshalb adressiert Luther Briefe an die „Saumärkterin“, +„auf dem Saumarkt zu finden“[220]. Hier floß die „Rische Bach“ und +speiste wohl die „Fischteichlein“, welche Frau Käthe mit allerlei +Fischen, sogar mit edlen Forellen besetzte. Am Hause wurde ferner im +selben Jahre (1536) ein Garten mit Bäumen angelegt, der 400 fl. kostete. +Für den Famulus Wolf wurde um 20 fl. ein Gärtlein gekauft, wo er +wahrscheinlich seinen Vogelherd anlegte, mit dem ihn Luther +verschiedentlich neckt. Ferner wurden einige Hufen gekauft am +„Eichenpfuhl“[221]. + +Zwei Jahre vor Luthers Tode kam endlich noch zu Frau Käthes Wirtschaft +um 375 fl. ein Hopfengarten hinzu, der „an der Specke“, einem +Eichwäldchen auf der nahen Gemarkung des Dorfes Lopez, gelegen war, wo +die Studenten gerne lustwandelten und auch manchen Unfug trieben. Aus +diesem Garten gewann die Frau Doktorin ihren Hopfenbedarf für ihr +Klosterbräu[222]. + +So schaltete und waltete Frau Käthe im Haus und in ihren Gärten und +Hufen als „Küchenmeisterin“, „Bäuerin und Gärtnerin“, fuhrwerkte, baute +Aecker, kaufte Vieh, weidete Tiere u.s.f. Besonders verlegte sie sich +mit ihrem Gemahl auf die Obstzucht: Kirschen, Pfirsiche, Nüsse, Apfel, +Birnen erntete die Doktorin. Auch mit Rebbau gab sie sich ab, und ihr +Faktotum Pfarrer Lauterbach mußte ihr aus Pirna dazu die Pfähle, allein +10 Schock d.h. 600 Stück, besorgen; freilich wurde aus den Trauben nicht +Wein bereitet, sondern sie dienten zur Nachkost auf der Tafel. Selbst +mit Feigen- und Maulbeerbäumen versuchte sie sich. Und als Gemüse +pflanzte sie nicht nur die einheimischen: Kraut, Erbsen und Bohnen, +sondern auch Gurken, Kürbisse und Melonen, wozu Link aus Nürnberg die +Samenkerne schickte. Mit Erfurter Riesenrettichen wollte Luther seine +Freunde nicht nur in Erstaunen setzen, sondern sie auch selbst gezogen +haben. Frau Käthe war sehr unglücklich, wenn Ungeziefer ihr das Gemüse +schädigten: „denn Raupen im Kohl und Fliegen in der Suppe — ein sehr +nützlich und lieblich Vieh!“ hieß es da. Aber noch ärger war ihr's, wenn +Studenten, Spatzen und Dohlen ihr in die Gärten einfielen, und ihr +Gemahl hätte gern ein strenges Edikt „gegen die unnützen Sperlinge und +Krähen, Raben und Spechte erlassen, welche alles verderben“[223]. + +In einem der Gärten waren Bienenstöcke, vor welchen der grübelnde Doktor +das wunderbare Treiben der fleißigen Tierlein belauschte, die praktische +Hausfrau aber den süßen Ertrag berechnete für Met, Süßwein und +Honigkuchen. Im großen Garten draußen vor der Stadt, hatte Frau Käthe +ihre Fischteichlein, worin sie Hechte und Schmerle, Kaulbarsche und +Karpfen, sogar Forellen zog und von denen sie bei guter Gelegenheit +etliche „gesotten auf den Tisch brachte und mit großer Lust und Freude +und Danksagung davon aß“, und sie hatte „größere Freude über den wenigen +Fischen, denn mancher Edelmann, wenn er etliche große Teiche und Weiher +fischet und etliche hundert Schock Fische fähet“[224]. + +Mit diesen Gärten waren aber die Gütererwerbungen der Lutherischen +Familie noch nicht abgeschlossen. Zunächst kam ein unwillkommener Erwerb +hinzu, den Luther aus Gefälligkeit übernahm. Es war das kleine Haus +„Bruno“, eine „Bude“ ohne Gerechtigkeiten und Zubehör an Garten, +unmittelbar neben dem Kloster, aber vorn an der Kollegiengasse gelegen. +Das hatte Luthers letzter Klosterbruder Brisger für sich bauen lassen, +dann aber bei seinem Wegzug dem Pfarrer Bruno Brauer zur Verwaltung +gegeben und Luther oft angeboten; dieser konnte es aber wegen anderer +Käufe nicht erwerben, auch forderte Brisger, der von seiner katholisch +gebliebenen Mutter enterbt wurde und, scheint es, in Geldbedrängnis war, +einen zu hohen Preis (440 fl.). Endlich kaufte es Luther als Lehen für +seinen Diener Wolf Sieberger bezw. als Leibgedinge für seine Gattin, +mußte aber den Kaufschilling völlig schuldig bleiben. Der Besitz dieses +Hauses war unwillkommen, weil es erst wieder vermietet werden mußte und +mehr Sorgen als Ertrag brachte; es kostete 250 fl. und mußte noch um 70 +fl. „geflickt“ werden[225]. + +Der Sinn von Frau Käthe stand viel mehr auf landwirtschaftliche +Besitztümer, weil diese ihrer nutzbringenden Thätigkeit mehr +entsprachen. So bekam sie nach einem großem Pachtgut Verlangen, um +daraus ihre großen häuslichen Bedürfnisse zu beschaffen; sie wollte +nicht abhängig sein von den teuren Lieferanten und störrischen Bauern, +welche manchmal eine künstliche Teuerung veranlaßten. So hatte sie schon +1536 ihren Gevatter, den Landrentmeister Hans von Taubenheim, um +Ueberlassung eines günstig gelegenen Gutes, Booß, gebeten, hatte es aber +nicht bekommen. Drei Jahre später fing sie aufs neue Verhandlungen mit +Taubenheim an. Ihr Brief lautet in der ursprünglichen Schreibweise so: + +„Gnad vnd fride yn Christo zuuor, gestrenger, ernuester, lieber herr +geuatter. Euch ist wol wissentlich, wie ich E.g. vngeferlich fur dreyen +jaren gebeten, daß myr das gut „_Booß_“ myt seynen zugehorungen vmb +eynen gewonlichen zynß zu meyner teglichen hawßhaltung wie eynem andern +mochte gelassen werden, als denn auch meyn lieber herr bey doctor +Brug[226] diselbige zeyt deshalben hat angeregt; ist aber dasselbig mal +vorblieben, daß ichs mecht bekommen, vylleycht daß doselbst nicht loß +ist gewesen von seynem herrn, der es vmb den zynß hat ynnen gehabt. Ich +byn aber unterrichtet, wie der kruger von Brato, welcher es dysse zeyt +ynnengehabt, soll iezund solch gut loßgeschrieben haben, wo solchs also +were, ist meine freuntliche bytte an Euch also mynen lieben gevattern, +wollt myr zw solchem gut fodderlich seyn vmb denselbigen zynß, ßo eyn +ander gybt, wyll ichs von herczen gerne annehmen vnd die zynße deglich +an zwen orth vberychen. Bitte gancz freuntlich, e.g. wolde myr Ewer +gemueth wyder schreyben vnd das beste rathen yn dyssem fall vnd +anzceygen, wo ich etwas hyrin vnbyllichs begert vnd woldet denen nicht +stadgeben myt yrem argkwone, alß ßolde ich solchs gut fur mich odder +meyne kinder erblich begeren, welche gedanken yn meyn hercz nie kommen +synd. Hoffe zu gott, er werde meynen kindern, ßo sie leben vnd sich +fromlich vnd ehrlich halten wurden, wol erbe beschern, bytte alleyne, +das myrs ein jar odder zwey vmb eynen zymlichen geburlichen zynß mochte +gelassen werden, damyt ich meyne haushaltung vnd vyhe deste bek(w)emer +erhalten mochte, weyl man alles alhier vfs tewerst kewfen muß vnd myr +solcher ort, der nahe gelegen, ßer nuezlich seyn mochte. Ich habe meynen +lieben herrn iczt yn dvßer sachen nicht wollen beschweren, an Euch +zuschreyben, der sunst vyl zu schaffen, ist auch on noth, daß E.g. +solchs meyn antragen ferrer an ymandes odder an m. g'sten herrn wolde +gelangen lassen, ßunder ßo Ir solche myne bytte fur byllich erkennet, +daß Irs myt dem schoßzer zw Seyda bestellen wolt, daß myr solch gut vmb +eynen geburlichen zynß wie eynen andern mochte eyngethan werden. Domyt +seyet gott bepholen. Gegeben zu Wyttembergk, Montag nach Jubilate ym +1539. jhare. + +Catherina Lutherynu“[227]. + +Wiederum wurde aus der Pacht nichts. Dagegen kam Frau Käthe im folgenden +Jahre unverhofft zu einem eigenen Hofgut, das sogar ihr persönlich als +Leibgeding gehörte und ihr um so werter sein mußte, als es der letzte +Rest von dem Erbgut der Bora war, welches sonst der Familie anscheinend +vollständig abhanden gekommen war. + +Es war das Gütchen Zulsdorf, das ihr Bruder Hans vor sieben Jahren +übernommen hatte, aber trotz der Mitgift der Witwe Apollonia von +Seidewitz, die er geheiratet hatte, nicht halten konnte, oder das zu +gering war, um ihn selbst zu ernähren. Es war freilich weitab von +Wittenberg gelegen, wohl zwei Tagereisen; aber es zog sie doch hin nach +dieser ihrer mutmaßlichen einstigen Heimat und ihrem künftigen +Witwensitz. So wurde Frau Käthe die Nachbarin von Amsdorf, dem Bischof +von Naumburg, dem sie jetzt ihren Gruß entbietet als „gnädigem Nachbar +und Gevatter“. Ihr Gemahl that alles, „um die neue Königin würdig in ihr +Reich einzusetzen“ und titulierte sie seitdem als die „Zulsdorferin“, +„die gnädige Frau von Zulsdorf“, oder „Ihro Gnaden Frau von Bora und +Zulsdorf“[228]. + +Hier in ihrem, „neuen Königreich“ und Sondereigentum konnte ihr +unternehmender thatkräftiger Geist so recht nach Behagen schalten und +walten und ein Neues pflügen und schaffen. Denn das Gütchen war +verlottert, das Land eine „wüste Mark“, die Gebäulichkeiten baufällig. +Sie riß nieder, baute, besserte, fuhrwerkte und nahm dabei, wie gewohnt, +auch die Hilfe der Freunde ihres Hauses in Anspruch: der Herr von Ende +mußte ihr Hafer und Saatkorn liefern, der von Einsiedel Wagen stellen, +Spalatin ihre Fuhrleute beherbergen. Sie steckte viel Geld hinein, der +Kurfürst gab ihr Eichenbalken und anderes Holz und 600 fl. +„Begnadigung“, aber auch das reichte zum Schmerze Käthes nicht für +Reparatur und Zustandhaltung des heruntergekommenen Anwesens, so daß +Luther im ersten Jahr schreibt: „Sie verschwendet in diesem Jahr dort, +was erzeugt wurde“[229]. + +Dabei hatte die Doktorin allerlei Aerger und Mißgeschick: die +Eichenstämme, die ihr der Kurfürst aus dem Altenburger Forst angewiesen +und die Luther selbst ausgesucht hatte, ließ sie fällen, um sie in +Bretter schneiden zu lassen für ein Scheunlein. Als sie aber mit ihrem +Fuhrwerk kam, die Bäume abzuholen, waren sie vom Amtmann verkauft oder +unterschlagen. Und es mußte geklagt, von neuem petitioniert und +verhandelt werden, bis wieder Holz angewiesen war und Käthe die Fuhren +besorgen konnte. Weitere Unannehmlichkeiten erlebte die Gutsbesitzerin +mit den Anliegern von Zulsdorf, den Kieritzscher Bauern, welche ihr das +Weiderecht beeinträchtigten. So hatte sie im Jahre 1541 monatelang vorm +Amtmann Heinrich von Einsiedel zu Borna mit denen von Kieritzsch zu +prozessieren. Das Urteil des Kurfürsten fiel günstig für die +Lutherischen aus; sie „hätten in der Güte wohl mehr um Friedens und +guter Nachbarschaft willen eingeräumt“[230]. + +Trotzdem verleidete der Doktorin der Besitz nicht. Wochenlang, +namentlich wenn Luther verreist war, hielt sich Frau Käthe in ihrem +neuen Besitztum auf, so daß ihr der Gemahl manche Epistel dahin +schreiben mußte. So im Herbst (13. September) 1541, wo sie vielleicht +mit einigen Kindern Obsternte dort hielt. Da schreibt er: „Meiner lieben +Hausfrauen Käthe Ludern von Bora zuhanden. + +G.u.F.! Liebe Käthe! Ich lasse hiermit Urban zu Dir laufen, auf daß Du +nicht erschrecken sollst, ob ein Geschrei vom Türken zu Dir kommen +würde. Und mich wundert, daß Du so gar nichts her schreibst oder +entbeutst, so Du wohl weißt, daß wir hie nicht ohne Sorge sind für euch, +weil Mainz, Heinz und viel vom Adel in Meißen uns sehr feind sind. +Verkaufe und bestelle, was Du kannst, und komme heim. Denn als mich's +ansieht, so will's Dreck regnen, und unsre Sünde will Gott heimsuchen +durch seines Zornes Willen. Hiemit Gott befohlen, Amen. + +Sonntags nach Lamperti 1541. + +M. LutheR“[231]. + +Ja noch zu Wittenberg war Käthe mit ihren Gedanken oft abwesend auf +ihrem Lieblingssitz, so daß ihr Gemahl adressiert: „Der reichen Frauen +zu Zulsdorf, Frauen Doktorin Katharin Lutherin, zu Wittenberg leiblich +wohnhaftig und zu Zulsdorf geistlich wandelnd, meinem Liebchen.“ Auch +Luther hielt sich manchmal in dem stillen Oertlein zur Erholung auf und +sendet von hier Briefe und Grüße „von meinem Käthe und Herrn zu +Zulsdorf“[232]. + +Wohl weil Zulsdorf zu weit abgelegen und zu wenig einträglich war, so +wandte in den letzten Jahren Frau Katharina ihre Augen auf das Gut +Wachsdorf bei Wittenberg, eine Stunde davon, jenseits der Elbe auf +fruchtbarem Boden gelegen, mit Hochwald umgeben; freilich etwas sumpfig. +Es gehörte des † Dr. Sebald Münsterers Kindern und war der Erbteilung +wegen käuflich. Aber es wurde nichts daraus; namentlich hintertrieb der +Kanzler Brück die Erwerbung. + +Auch der Doktor war mit dieser großen Ausdehnung der Wirtschaft nicht +mehr recht einverstanden, obwohl er den Hausspruch: „Eigen Wat gut ist +dat“ sehr wohl kannte und anerkannte und sagte, alles Gute im Ehestand +sei eitel Segen Gottes was niemand erkenne, „als der Gott fürchtet und +alles auf dem Markte kaufen muß.“ Er konnte sich in diese Haushaltung +nicht richten; er meinte, daß die Sorge und Geschäftigkeit um den großen +Haushalt sie abziehe, in stiller, gemütlicher, geistiger Weise sich +selbst zu leben und ihm und ihren Kindern. Auch klagte er gelegentlich +über die vielen Dienstboten, welche in dem weitläuftigen Hauswesen nötig +waren; so schon 1527 waren mehrere Mägde da, 1534 ein Kutscher, später +sogar ein Schweinehirt. Er meinte: „Ich habe zu viel Gesinde.“ Mehr +Dienstboten als heutzutage waren ja auch in diesen Zeiten üblich und +möglicherweise ist hierin Frau Käthe etwas weiter gegangen, was wohl mit +der zahlreichen Gesindeschar im Klosterleben zusammenhängen mochte[233]. + +Aber es ist doch begreiflich, daß die Frau Doktorin darauf bedacht +war, ihre Wirtschaft zu erweitern. Es war nicht allein die +unternehmungslustige Thatkraft der energischen Frau, welche Neues +schaffen und ein großes Bereich beherrschen wollte, es war auch die +Sorge um die Bedürfnisse des großen Haushaltes selbst, es war aber ganz +besonders das Streben, die ökonomische Zukunft der nicht kleinen Familie +für das Alter, namentlich aber für die eigene Witwenschaft und das +Waisentum ihrer fünf Kinder, zu sichern, indem sie das in Luthers Händen +gefährdete flüssige Geld in festes Gut umwandelte. + +So bestand am Ende der gesamte Besitz der Lutherischen Familie aus einem +Landgut, dem großen und kleinen Haus, dem Klostergarten, dem +„Baumgarten“ auf dem Saumarkt, dem Hopfengarten an der „Specke“ und zwei +Hufen Landes. Das war ein ziemlich umfangreicher Besitz, der neben der +großen und weitläufigen Haushaltung gar viel Unruhe verursachte und viel +Zeit und Arbeit kostete, so daß man kaum begreift, woher Frau Käthe nur +die Zeit nahm, um das alles zu besorgen und zu übersehen. Und wir +verstehen, daß es ihr manchmal zu viel wurde und sie dem heftigen, +ungeduldigen Mann manchmal nicht rasch genug nachkommen konnte, so daß +er klagt: „Ich bin unter einem unglücklichen Stern geboren, vielleicht +dem Saturn; was man mir thun und machen soll, kann nimmermehr fertig +werden; Schneider, Schuster, Buchbinder, mein Weib ziehen mich aufs +längste hin.“ Aber er muß in derselben Zeit auch die vielgeplagte Frau +noch entschuldigen, wo sie ein Kind an der Brust und eins unter dem +Herzen nährte: „Es ist schwer zwei Gäste zu nähren, einen im Haus und +den andern vor der Thüre.“ Und er erkennt ihre Anstrengungen und Sorgen +auch an: „Mein Wolf hat's besser denn ich und meine Käthe“[234]. + +Die Frau Doktorin war aber auch ein gar fleißiges Weib. Sie hat in ihrem +Bereich ebenso gewaltig und unermüdlich geschafft und geschaffen, wie +der Doktor in dem seinigen. + +Freilich schon morgens um 4 Uhr im Sommer, um 5 Uhr im Winter, oft auch +noch früher, stand sie auf, und darum wohl sagte ihr Gatte und ihre +Mitbürger: „Käthe von Bora ist der Morgenstern von Wittenberg.“ Und so +stand sie an der Arbeit bis abends um 9 Uhr, wo der Doktor unerbittlich +zum Schlafengehen drängte. Freilich hatte sie einen kräftigen, +leistungsfähigen Körper und war, im Gegensatz zu ihrem viel kränklichen +Mann, so gesund, daß fast niemals von einer Erkrankung Meldung +geschieht. Es ist nur einmal die Rede davon, daß sie eines Abends +schwach wurde und ein Fieber bekam, so daß ihr Gatte in Angst geriet und +sagte: „Liebe Käthe, stirb mir ja nicht.“ Ein andermal, da D.M. Luther +mit etlichen über Tische redete, ging sie in die Kammer und fiel in +Ohnmacht. Aber das war alles vorübergehendes Unwohlsein. Nur _eine_ +Krankheit machte sie durch infolge einer Frühgeburt; sonst scheint sie +gesund gewesen zu sein bis ins Alter[235]. + +Doch nicht nur unermüdliche Geschäftigkeit war Käthes Tugend, sondern +sie verstand es auch, das Hausregiment zu führen in Küche und Keller, im +Brauhaus und Backhaus, in Garten und Feld, in der Kinder- und +Gesindestube, als Mutter und Gattin, als Wirtin und Herrin, als +„Predigerin, Bräuerin, Gärtnerin und was sie mehr sein kann“, und mit +Bezug auf sie, die Hausregentin und „Küchenmeisterin“, schrieb Luther an +den Rand seines Hausbuches: + + „Der Frauen Augen kochen wohl + Mehr denn Magd, Knecht und Feuer und Kohl“[236]. + +Freilich Luther selbst war nicht weniger arbeitssam, auch mit +körperlicher Beschäftigung; namentlich in den ersten Jahren: er gärtelte +gern und viel, grub, säete, pfropfte; er drechselte auch auf seiner +eigenen Drehbank. Beides sah gewiß Frau Käthe gern, nicht nur, weil es +manchen Tagelohn und Handwerksmann ersparte, sondern weil es auch +Luthers Gesundheit zuträglich war. Weniger Gefallen hatte sie an seiner +aus der Junggesellenzeit herübergenommenen Neigung, seine Kleider selber +zu flicken. Der Doktor that sich auf diese Kunst viel zu gut und dünkte +darin sich geschickter, wie die deutschen Schneider, welche keine +gutsitzenden Hosen fertig brächten. Da fand Frau Käthe eines Tags zu +ihrem nicht geringen Staunen und Verdruß ein Paar Hosen ihres Buben, aus +denen ein Stück herausgeschnitten war: und als sie nachfragte, hatte der +Herr Gemahl den Flicken zum Ausbessern seiner eigenen Hose +verwendet[237]! — + +Es war ein arbeitsseliges Haus, die ehemalige Stätte der +Beschaulichkeit. Droben in der Studierstube der große Doktor, der mit +emsiger Gewissenhaftigkeit und dem angestammten Fleiß eines Bauernsohnes +seine Zeit auskaufte für die geistliche Haushaltung der Kirche; und +unten die wirtliche Hausfrau, die in echter deutscher Geschäftigkeit und +Treue sich ihrem Hause widmete, dem Gatten und den Kindern, dem Gesinde +und den Freunden, und deren Stolz und Ruhm es war, alles zu können und +alles zu thun. + +So waltete Frau Käthe in ihrer „Wirtschaft“. + + + + +9. Kapitel + +„Wunderliche Rechnung zwischen D. Martin und Käthe.“ + + +Ein Grundbesitz, wie ihn das Lutherische Ehepaar am Ende aufwies, zeugte +von nicht geringer Vermöglichkeit. Woher und wie war nun dieses Vermögen +zusammengekommen? + +Katharina sowohl wie Luther brachten nichts in die Ehe. Sie waren am +Anfang ihres Hausstandes und noch lange fort vollständig vermögenslos; +erst nach seiner Eltern Absterben (1530-31) erbte Luther eine kleine +Barschaft von 250 fl. Im Jahre 1527 war er noch gänzlich ohne Besitz, er +war arm und ein Bettler, konnte weder Haus, Aecker, liegende Gründe, +Geld noch Gut seinem Weib und Kind nach sich lassen, wenn er damals +gestorben wäre. Denn auch das Klosteranwesen war noch nicht sein +ausgesprochenes Eigentum. „Armut ist mein Irrtum und meine Ketzerei“, +sagte er noch 1530; und zwei Jahre darauf hat er nur einen Becher im +Schatzkästlein. Noch 1534 mußte er es ablehnen, für ein paar hundert +Gulden das kleine Haus Bruno zu kaufen: er wollte seine Armut nicht +offenbar werden lassen, weil er's für unmöglich hielt, jemals auch nur +die Hälfte einer solchen Summe zusammenzubringen[238]. + +In Ermangelung eines eingebrachte Heiratsgutes war das Ehepaar also auf +die Besoldung angewiesen, welche der Hausvater hatte, und auf den +Verdienst, welchen die Hausmutter von der Bebauung des Gutes und ihrem +Kosttisch zog. + +Die Beamtenbesoldungen waren zu jener Zeit nicht etwa bloß feste +Gehalte, sondern bestanden auch in allerlei Ehrengeschenken, meist in +Naturalien, welche den Angestellten bei besonderen Gelegenheiten und für +besondere Dienstleistungen, als Reisen, Gutachten, Berichte, Schriften +u.a., von den Fürsten und Stadtobrigkeiten zuflossen. + +Seit seiner Verheiratung war Luthers Besoldung von einhundert auf +zweihundert Gulden erhöht worden. Von 1532 ab, unter Kurfürst Johann +Friedrich, kamen noch jährlich 100 Scheffel Korn, 100 Scheffel Malz für +zwei Gebräude Bier, 60 (später 100) Klafter Holz und zwei Fuder Heu +hinzu. Freilich blieben die Lieferungen „aus Unwillen“ der Beamten +manchmal aus. Der kurfürstliche Keller zu Wittenberg stand den +hervorragenden Professoren immer offen. Außerdem kamen ihm vom Hofe +allerlei Viktualien zu: Wein, Most, Essig, Obst, Fische, Wildbret, +Arzneien, auch Kleider und Tuche. So sendet 1543 der Kurfürst „zwei Faß, +eins mit altem Wein, das andre mit heurigem gewachsenen Most, Suptezer, +so gut Uns der allmächtige Gott dies Jahr bescheret hat; den wollet von +Unseretwegen gutwillig annehmen und in Fröhlichkeit genießen“. Auch der +Dänenkönig Christian III. sandte in den letzten Jahren (1543) zuerst +Butter und Heringe; als man aber unterwegs mit dieser „Küchenspeise +unschicklich umgegangen“, wurde die Sendung in ein Geschenk von 50 fl. +verwandelt. Soviel erhielten auch die andern Wittenberger Theologen +Bugenhagen und Jonas: es war ein Ehrensold, den der Fürst für die +Ausbildung seiner Gottesgelehrten an die sächsische Universität +zahlte[239]. + +Wenn der Kurfürst Johann an Luther bei Aufhebung des Klosters den +Hausrat im Werte von 20 fl. und die Küchengeräte, welche um 50 fl. +verkauft wurden, überließ, so war das eine Entschädigung dafür, daß er +lange Zeit sein Deputat an Viktualien gar nicht oder nur spärlich +erhalten hatte. Für den Hausrat hatte er „der Kirche und Universität mit +Predigen, Lesen, Schreiben u.s.w. die langen Jahre her um Gotteswillen +und umsonst gedient; und für die Küchengeräte hatte er Nonnen und Mönche +(Diebe und Schälke mitunter) gekleidet, gespeiset und versorget mit +solchem Nutzen, daß ich das Meine und 100 fl., so mir m. gn. H. Herzog +Hans zur Haushaltung geschenkt, gar weidlich zugesetzt habe“[240]. + +Aehnlich waren die Geschenke der Stadt Wittenberg auch nur +Gegenleistungen. So hat der Stadtrat aus seinen Brennereien +Baumaterialien, als Ziegelsteine und Kalk, nicht angerechnet, schenkte +auch sonst eine Jahresgabe oder besondere Erkenntlichkeit, so als +Luther in der Osterzeit jeden Tag gepredigt hatte, einen halben Lachs, +anno 1529 der Frau Doktor in Abwesenheit ihres Mannes 10 Thaler, „weil +man ihm dies Jahr sonst keine Verehrung gethan“. Dafür war Luther ohne +Gehalt bei dreißig Jahre der Stadt Prediger gewesen, hatte auch oftmals +noch Bugenhagen auf kürzere oder längere Zeit, einmal sogar, als jener +auswärts reformierte, zwei Jahre lang (1535-37) vertreten. Auch mußte +Luther auf seine Kosten „zu ihrer Kirche Dienst und Nutz“ Diener halten, +ohne daß der „gemeine Kasten“ etwas für sie beitrug. Ferner trat Luther +einen großen Raum vorm Klosterhof umsonst an die Stadt ab, gestattete +auch, daß sein ganzes Anwesen nach seinem Tode und das Nebengebäude auch +bei seinen Lebzeiten unter das Bürgerrecht gestellt wurde, während es +vorher ganz frei gewesen. Ebenso wollte Luther, als der Kurfürst 1542 +eine Türkensteuer ausschrieb, obgleich er grundsteuerfrei war, doch des +Beispiels wegen auch geschatzt sein[241]. + +Trotz solcher Gegendienste, welche mittelbar oder unmittelbar +„Geschenke“ veranlaßten, nahm doch Luther solche nicht ohne Wahl und Maß +an. Er lehnte nicht nur das Hochzeitsgeschenk des Mainzer Erzbischofs +ab, er wies auch eine Gabe des Kurfürsten zurück, weil er wisse, „daß +der hohe Herr des Gebens viel habe und zu viel den Sack zerreiße“. +„Bitte derhalben Ew. Kurfürstliche Gnaden wollten harren, bis ich selber +klage und bitte, auf daß ich durch solch Zuvorkommen Eurer Kurf. Gnaden +nicht scheu werde für andre zu bitten, die viel würdiger sind solcher +Gaben“[242]. + +Und ferner: „Ich will Ew. Kurf. Gn. unterthäniglich bitten, nicht zu +glauben denen, die mich angeben, als habe ich Mangel; ich habe leider +mehr, sonderlich von Ew. K. Gn., denn ich im Gewissen vertragen +kann“[243]. + +Auch seine Freunde schilt er oft, daß sie des Schenkens zu viel +machen[244]. + +Wenn er Sommers von einem Pfarrherrn oder Schultheißen aufs Dorf zu +Gaste geladen wurde, so kam er gern mit einem Tischgesellen und hielt +eine Predigt. Aber er brachte allewege Speise und Trank für sich und +seine Begleiter mit, die ihm daheim Frau Käthe zubereitet und in den +Wagen gepackt hatte[245]. + +Einem wegziehenden Famulus würde er gerne zehn Gulden geben, wenn er +sie hätte; aber unter fünf Gulden soll ihm seine Frau nicht geben und +was sie darüber kann geben, bittet der Doktor sie, das solle sie thun — +also bis auf den letzten Gulden mutet er der Hausfrau zu sich zu +entblößen und doch trägt er der Frau gleichzeitig auf, ein Mitbringsel +für die Kinder zu kaufen, weil er selbst in Torgau nichts Sonderliches +fände[246]. + +Für seine Vorlesungen nahm Luther von den Studenten keine +Kollegiengelder. Ja, auch von seinen Schriften nahm er kein Honorar: 400 +fl., die ihm ein Buchdrucker jährlich für den Verlag seiner Schriften +anbot, schlug er aus, auch die 1000 fl., welche Melanchthon ihm für die +Ausarbeitung des deutschen Aesop versprach. Eine Kure im Silberbergwerk +zu Schneeberg, welche ihm der Kurfürst für seine Bibelübersetzung 1529 +schenken wollte, wies er ab: er wollte von der Welt seine geistige +Arbeit nicht bezahlt haben und wie Paulus mit dem Gotteswort nicht +Handel treiben[247]. + +Bei einer solchen Gesinnung und Handlungsweise ist es begreiflich, daß +die praktische Frau Käthe auch einmal über ihren Doktor mit seiner +Geldverachtung seufzte. Als der gleichfalls wenig haushälterische +Meister Philipp Melanchthon einmal bei Luther speiste und im Gespräch +über den Weltlauf von einem Magister sprach, welcher dem Geiz ergeben, +ein sehr gutes Urteil über gute und schlechte Gulden habe, bemerkte die +Doktorin: „Wenn mein Gemahl solchen Sinn hätte, würde er gar reich +sein.“ Melanchthon meinte darauf: „Das kann nicht sein, denn die +Geister, welche für die Allgemeinheit arbeiten, können sich ihren +Privatangelegenheiten nicht hingeben“[248]. + +Den nicht gerade außerordentlichen Einnahmen Luthers standen nun aber +gewaltige Ausgaben gegenüber. Zunächst einmal für die ausgedehnte +Haushaltung; dann aber auch für andere Zwecke und Anschaffungen. Einen +interessanten Einblick in diese Dinge gewähren die Aufzeichnungen +Luthers in seinem Haushaltungsbuch. Da ist[249] eine + +„Wunderliche Rechnung gehalten zwischen Doc. Martin und Käthe + + 1535 + Anno ---- + 1536 +das waren zwei halbe Jahr. + 90 fl. für Getreide + 90 fl. für die Hufen + 20 fl. für Leinwat (Leinwand) + 30 fl. für Schweine + 28 fl. Muhme Lene gen Borna(u) + 29 fl. für Ochsen + 10 fl. Valt. Mollerstet bezahlt + 10 fl. Geleitsmann " + 8 Thaler M. Philipp " + 40 fl. für Gregor Tischer " + 26 fl. Universität " + ------- +Zus. 389 fl. außer andern Viktualien. " + +Diese „andern Viktualien“ waren Gemüse, Fleisch, Fisch und Geflügel, +Obst und Kolonialwaren, Getreide und Hopfen, Brot und Semmel, Oel und +Talg, Butter und Honig, Wein und Bier. + +Dann hieß es: „Gieb Geld für Hanf und Flachs, Garn und Wachs, Nägel und +Haken, allerlei Geschirr und Geräte in Stube, Küche, Keller, Garten; für +Wagen und Geschirr.“ + +„Gieb Geld“ forderten auch 29erlei Handwerker, ferner Buchführer +(Buchhändler), Arzt, Apotheker und Präzeptor, Knechte, Mägde, Hirten, +Knaben und Jungfern, Bräute und Gevattern, auch Bettler und — +Diebe[250]. + +Ausgaben gab es dann für manche Patengeschenke, Hochzeiten und +Gastungen, Geschenke zu Neujahr, Jahrmarkt und S. Niklas. Endlich kamen +die „grobe Stück: Hochzeit machen für Sohn, Tochter, Freundin; dem +Krämer für Seiden, Sammet und Wurze“[251]. + +Im ganzen waren es 135 Dinge, für welche Frau Käthe stets die Hand +ausstrecken und „Gieb Geld“ sagen mußte. + +Unter diesen Ausgaben machen namentlich die Ehrengeschenke und +Wohlthaten einen großen Posten aus; sie gehörten bei Luther zu den +besonders „groben Stücken“. Außer den Gastungen gehören namentlich die +Patengeschenke und Hochzeiten hierher; Luther und Frau Käthe standen +zahllose Male zu Gevatter, denn in Wittenberg waren bei jedem Kinde +viele Paten üblich, und für jeden kostete es einen Silberbecher oder +eine große Münze. Die Hochzeiten und Hochzeitsgeschenke waren eine große +Last. So klagt Luther (1543) am Ende selber: „Die täglichen Hochzeiten +hier erschöpfen mich“[252]. Luthers Mildtätigkeit kannte keine Grenzen. +Er sprach als Grundsatz aus: „Wer gerne giebt, dem wird gegeben; das +erhält das Haus, darum, liebe Käthe, haben wir nicht mehr Geld, so +müssen die Becher daran.“ Und demgemäß handelt er. Wie viele andere +Theologen und sonstige gutmütige Menschen (auch Melanchthon) gab er +Bedürftigen und Bittenden über Gebühr und Vermögen, und gar oft an +Unwürdige, so daß er erst durch „böse Buben witzig gemacht“ wurde. Er +gestand später (1532) selbst seiner Frau: „Denke, wie oftmals wir haben +bösen Buben und undankbaren Schülern gegeben, da es alles verloren +gewesen ist.“ Wie weit er in seiner Gutherzigkeit ging, mögen von vielen +nur zwei Beispiele zeigen: Einem armen Studenten schenkt der Doktor, +weil kein Geld im Haus ist, einen silbernen Ehrenbecher, und als er +merkte, wie Frau Käthe ihm abwinkt, drückt er ihn schnell zusammen und +schickt den jungen Menschen damit zum Goldschmied; was er dafür löse, +solle er behalten, er brauche keinen silbernen Becher. Ja, als seine +Frau im Wochenbett liegt, gerät er gar über das Patengeschenk seines +jüngsten Kindes, um einen bedrängten Bedürftigen nicht mit leerer Hand +gehen zu lassen, und meinte: „Gott ist reich, er wird anderes +bescheren“[253]. + +Das gesamte, so wenig berechnende Verhalten Luthers erklärt sich +einerseits aus seiner allem Eigennutz abgeneigten Natur und seinem +großartigen Gottvertrauen, andrerseits aber auch aus dem Mangel an +Berechnung, welche dem weltentfremdeten Mönch aus seiner Klosterzeit +noch anhaftete; dies mußte aber bei einem „weltlichen“ Haushalt +naturgemäß dazu führen, daß Einnahme und Ausgabe bald nicht mehr im +richtigen Verhältnis zu einander stand. So hatte das junge Paar im +zweiten Jahre seiner Ehe über hundert Gulden Schulden, so daß Luther +seinem Freunde und ehemaligen Klostergenossen Brisger keine acht Gulden +vorstrecken konnte. „Woher soll ich's nehmen?“ fragt er. „Durch meinen +schweren Haushalt und meine Unvorsichtigkeit ist es so gekommen. Drei +Becher sind für 50 fl. verpfändet. Dazu kommt, daß Lukas (Cranach) und +Christian (Aurifaber, Goldschmied) mich nicht mehr als Bürgen zulassen, +denn sie merken, daß sie so (durch meine Bürgschaft) auch nicht besser +daran sind oder ich ausgebeutelt werde. Ich habe ihnen jetzt auch den +vierten Becher gegeben, welchen sie dem fetten H. geliehen haben.“ Dabei +kommt ihm aber noch nicht in Sinn, wo der Rechnungsfehler stecke. Er +klagt: „Wie kommt's, daß ich allein so ausgesaugt werde? nein, nicht nur +ausgesaugt, sondern sogar in Schulden verstrickt?“ Sogar noch 1543 klagt +er dem allerdings etwas habsüchtigen Jonas gegenüber, der von ihm bei +seiner zweiten Verheiratung wohl ein „fettes Hochzeitsgeschenk“ +erwartete: „Du kennst meine Dürftigkeit und meine Schuldenlast“.[254] + +Einmal fing er auch an zu rechnen — am Kleinen, ans Große dachte er +nicht. Da brachte er heraus, daß er allein jährlich für Semmeln 31 +Groschen 4 Pfennig brauche; dazu noch der Trank mit 4 Pfennig täglich +und das Uebrige — eine Summe, die ihm zu groß war, und er schließt: „Ich +mag nie mehr rechnen, es macht einen gar verdrossen. Ich hätte nicht +gemeint, daß auf einen Menschen so viel gehen sollte“[255]. + +Dennoch stellte er 1536 eine Generalrechnung an für „grobe Stück“ und +brachte da allein 389 fl. Ausgaben heraus in zwei halben Jahren, ohne +die Viktualien u.a. Er schloß diese Zusammenstellung ab mit dem Seufzer: +„Rat, wo kommt dies Geld her? Sollt das nicht stinken und Schuld +machen[256]?“ + +Und als Luther im Jahre 1542, wo er sein „Testament“ machte, seine +Ausgaben zusammenstellte und seine Einnahmen dagegen hielt, schließt er: +„Ich habe eine wunderliche Haushaltung, ich verzehre mehr als ich +einnehme; ich muß jedes Jahr 500 Gulden in der Haushaltung in die Küche +haben, zu geschweigen der Kleider, anderer Zierat und Almosens, da doch +meine jährliche Besoldung sich nur auf 200 Gulden belauft.“ Dazu +schreibt er im Haushaltungsbuch neben anderen ernsten und launigen +Reimen den Stoßseufzer: + + „Ich armer Mann! So halt ich Haus; + Wo ich mein Geld soll geben aus, + Bedürft ich's wohl an sieben Ort + Und fehlt mir allweg hier und dort“[257]. + +Da war es freilich begreiflich, daß manchmal die Fleischer und Fischer +von Wittenberg „grob“ wurden und mit „ungestümen Worten der Frau“ +gegenüber ihre Schuld forderten. „Die Doktorin“ half sich dann wohl +damit, bei „Philipp Melanchthon 20 Thaler zur Haushaltung zu leihen“. +Und dann sprang etwa der Kurfürst ein, wenn er's durch den Kanzler Brück +erfuhr[258]. + +Diese „wunderliche Haushaltung“ Luthers wurde in sehr Natur- und +sachgemäßer Weise geregelt durch die Hausfrau. Die „wunderliche Rechnung +gehalten zwischen Doktor Martin und Käthe“, mit ihrem ständigen Defizit, +wurde in Ordnung gebracht durch diese gute Rechnerin und sparsame und +erwerbsame Haushälterin. Frau Käthe brachte einen Ausgleich zwischen +Soll und Haben: sie verminderte die Ausgaben, vermehrte die Einnahmen, +sie bezahlte die Schulden und erwarb ein Vermögen. + +Eines der ersten Ereignisse in dem neuen Haushalt ist eine lustige +Familienszene, welche die gutmütige Verschwendung des Eheherrn und die +listige Sparsamkeit der Gattin zeigte. Es hatte nämlich das Ehepaar ein +hübsches Glasgeschirr mit Zinnverzierung von Hausmann geschenkt +bekommen; das hätte Frau Käthe selbst gerne behalten, Luther aber an den +D. Agrikola, damals noch sein lieber Freund, der auch darnach Gelüste +hatte, verschenkt. Luther hatte es gemerkt, wie sie darauf gelauert, und +wollte es kurz machen. Er hatte schon den Brief dazu geschrieben; als er +aber das Geschenk dazu packen wollte, war es fort: Frau Käthe hatte es +abhanden kommen lassen und die Hausfreunde D. Bugenhagen und D. Röhrer +hatten sich mit ihr verschworen und ihr dabei geholfen. So mußte sich +Luther in einer Nachschrift entschuldigen, daß er das Glas nicht +mitschicken könne; seiner insidiatrix Ketha (der hinterlistigen Käthe) +gegenüber sei er ohnmächtig; er denke aber das Glas später doch noch +einmal zu erwischen. Käthe aber hielt es fest wie ein bissiger +Kettenhund[259]. Sie brachte etwas strengere Ordnung in die Gesellschaft +der jungen Studenten und in ihre Hausrechnung, so daß M. Veit Dietrich +sich über sie beklagte und sein Landsmann und Nachfolger im Haus und am +Tisch Frau Käthes sie als stramm und knauserig beschrieb, „die alles zu +Rat gehalten und bei den Tischgenossen auf nötige Bezahlung +gedrungen“[260]. Auch Kanzler Brück warf ihr in feindseliger Stimmung +Knauserigkeit in der Haushaltung vor. Von Luther und andern hören wir +dagegen hierüber keine Klagen; und daß der Zudrang zu ihrem Kosttisch +von alt und jung ein großer und nicht zu befriedigender war, ist der +beste Beweis für die Uebertriebenheit jener Vorwürfe. Aber ihre löbliche +Sparsamkeit und haushälterisches Zuratehalten weiß ihr Gemahl wohl +anzuerkennen. Er sagt: „Das Weib kann den Mann wohl reich machen, aber +nicht der Mann das Weib. Denn der ersparte Pfennig ist besser denn der +erworbene. Also ist rätlich sein (zu rate halten) das beste +Einkommen“[261]. Und in sein Haushaltungsbuch schrieb Luther den +Sinnspruch: + + Es gehört gar viel in ein Haus. + Willst Du es aber rechnen aus, + So muß noch viel mehr gehn heraus. + Des nimm ein Exempel, mein Haus[262]. + +So hörte er mit Rechnen auf und überließ das seiner „rätlichen“ und +wirtlichen Hausfrau, und wenn er selbst nicht wußte, woher nehmen, so +schrieb er seiner Käthe: „Sieh, wo Du's kriegst“[263]. + +Und Käthe sah, wo sie's kriegte. Sie war nicht so heikel, wie Luther, +Verehrungen anzunehmen. Während sie Freund Link von einem +Hochzeitsbecher absolviert, hat sie die von Luther zurückgewiesen 20 +Goldgulden des Mainzer Erzbischofs hinter seinem Rücken doch behalten. +Mit besserem Gewissen empfing sie die Fäßlein Käse von der Herzogin +Elisabeth von Braunschweig und ebenso ein Käsegeschenk von Mykonius, dem +Stadtpfarrer in Gotha. In Notfällen wandte sich Frau Käthe auch einmal +an die kurfürstliche Kämmerei, so während Luthers Aufenthalt auf der +Koburg um 12 Scheffel Roggen. Käthe nahm überhaupt das Gehalt ein und +verrechnete es, so daß es nicht mehr hieß wie in Luthers +Junggesellenwirtschaft (1523): „Wir leben von einem Tag zum andern.“ Sie +scheute sich nicht, die säumigen Kostgänger an ihre Schuldigkeit zu +mahnen[264]. Ja es wird erzählt, daß sie in späterer Zeit durch Freunde +und Kostgänger des Hauses Anschaffungen machen ließ, wofür sie die +Bezahlung vergessen habe, weil sie sich wohl für Dienste ihres Mannes +dadurch bezahlt machte. Jedenfalls nahm sie auch die Dienste anderer in +Anspruch für Gefälligkeiten, welche ihr Mann ihnen erwies: hatte Luther +dem Freund Pfarrer Spalatin eine Vorrede zu einem Buche geschrieben, so +muß sich dafür Spalatin in Altenburg ihrer Fuhrleute und Arbeiter +annehmen, die sie nach Zulsdorf schickt; und Lauterbach, der in ihrem +Hause als Kostgänger und Nachschreiber von Luthers Tischreden allerlei +Vorteile und Freundlichkeiten genossen, hat zum Entgelt der Doktorin +allerlei Besorgungen zu machen[265]. + +Aber das Beste that doch Frau Käthe selber: Sie züchtete und mästete +Tiere, melkte und schlachtete, gewann Butter und Honig, Käse und Eier; +sie pflanzte Obst und Früchte, Gemüse und Würzkräuter; sie baute +Getreide, buk Brot und braute das Bier für den großen Haushalt, so daß +das kleine Söhnchen, als Luther es einmal fragte, wie viel Kostgeld es +eigentlich zahlen müßte, sagen konnte: „Ei Vater, Essen und Trinken +kauft Ihr nicht; allein Aepfel und Birnen“, meinte der Kleine, „gestehen +viel Geld“[266]. Für Obst konnte also Frau Käthe damals nicht aufkommen, +weshalb sie dann auch endlich den Ankauf des Baumgartens von Bildenhauer +betrieb. Ebenso trachtete sie nach den Hufen und dem Hopfengarten, so +daß nach den großen Ankäufen von 1536 die schweren Haushaltsausgaben +geringer wurden und die Posten „Gieb Geld“ immer weniger. Hatte Luther +am Anfang seiner Ehe den Stoßseufzer gethan: „Der Herr, der meine +Unvorsichtigkeit straft, wird mich wieder erlösen“ — von den Schulden, +so kann er am Ende derselben in seinem sogenannten „Testament“ (1542) +schreiben: „Ich habe von meinem Einkommen und Geschenken so viel gebaut, +gekauft, große und schwere Haushaltung geführt, daß ich's muß neben +anderm selbst für einen sonderlichen, wunderlichen Segen erkennen, daß +ich's habe können erschwingen.“ Das „andere“ neben dem göttlichen Segen, +war eben das haushälterische Talent seiner Gattin; sie hatte ihn von +seinen Schulden wieder erlöst, ja das Weib hatte nach seinem Spruch den +Mann „reich“ gemacht. Und so bezeugt er ihr mit „seiner Hand“ im +Haushaltungsbuch: „Was sie jetzt hat, das hat sie selbst gezeuget +(errungen) neben mir“[267]. + +Ein Vermögen zu erwerben oder gar reich zu werden, daran dachte Luther +nicht, ja er wollte es nicht. „Mir gebühret nicht als einem Prediger, +Ueberfluß zu haben, begehre es auch nicht“, erklärte er. Ihm dünkte, +„daß das lieblichste Leben sei ein mittelmäßiger Hausstand, Leben mit +einem frommen, willigen, gehorsamen Weibe in Fried und Einigkeit und +sich mit wenigem lassen begnügen“[268]. + +Ja nicht einmal für seine Kinder gedachte er ein Vermögen anzulegen. Er +segnete seiner Kindlein eins, das eine Muhme auf dem Arme trug und +sprach: „Gehe hin und bis fromm. Geld will ich Dir nicht lassen, aber +einen reichen Gott will ich Dir lassen. Der mir Dich nicht versäume. Bis +nur fromm! Da helf Dir Gott zu.“ Und als ihn jemand ermahnte, er möchte +wenigstens zum Besten seiner Familie ein kleines Vermögen sammeln, da +gab er zur Antwort: „Das werde ich nicht thun; denn sonst verlassen sie +sich nicht auf Gott und ihre Hände, sondern auf ihr Geld“[269]. Diesen +doch wohl allzu theologischen, ja mönchischen Standpunkt ergänzte der +praktisch nüchterne Sinn Katharinas, welche gerade darauf aus war, ihren +fünf noch unversorgten Kindern ein Erbe zu erwerben; denn sie erkannte +besser als wie Luther, daß nach dessen Tod die Gebefreudigkeit der +Fürsten und Freunde wohl abnehmen werde mit dem Wegfall der großen +Vorteile, welche der lebendige Reformator seinem Land und seiner Stadt +und seinen Freunden verschaffte. So brachte sie es in der That zuwege, +daß den Kindern doch ein ganz ansehnliches Familiengut übrig blieb[270]. + +„Das Lob eines tugendsamen Weibes“ — nicht nur in der Bibel hat es +Luther übersetzt, sondern auch bei Tisch und sonst oft angeführt und auf +seine Käthe bezogen, so daß es — erweitert mit Zusätzen — unter den +Tischreden steht, wie ein Lob auf seine Hausfrau: „Der Mann verläßt sich +auf sie und vertraut ihr altes. Da wird's an Nahrung nicht mangeln. Sie +arbeitet und schafft gern mit ihren Händen, zeuget ins Haus und ist wie +ein Kaufmannsschiff, das aus fernen Landen viel War' und Gut bringt. +Frühe stehet sie auf, speiset ihr Gesinde und giebt den Mägden ihr +beschieden Teil. Sie denkt einem Acker nach und kauft ihn und lebt von +der Frucht ihrer Hände. Sie verhütet Schaden und siehet, was Frommen +bringt. Ihr Schmuck ist, daß sie reinlich und fleißig ist“[271]. + + + + +10. Kapitel + +Häusliche Leiden und Freuden. + + +Es war ein schwerer Haushalt, den Frau Käthe zu führen hatte, wenn man +auch nur der wirtschaftlichen Sorgen in Haus und Hof, in Küche +und Keller, im Garten und auf dem Felde gedenkt. Aber noch +bewunderungswürdiger wird ihre Leistungsfähigkeit, wenn man alle die +Menschen in Betracht zieht, die als Kinder und Gesinde, als Tisch- und +Hausgenossen täglich und stündlich Anspruch an ihre Fürsorge machen in +Wohnung und Kleidung, in Speise und Trank, in Erziehung und Zucht — ganz +abgesehen von den Gästen und Freunden, die im Schwarzen Kloster ein und +ausgingen. Eine so überaus große Familie verursachte aber nicht nur viel +Mühe und Arbeit, sondern brachte auch einen mannigfaltigen Wechsel von +Freud und Leid ins Haus. So erlebte Frau Käthe in wenigen Jahrzehnten +Krankheiten und Feste, Hochzeiten und Todesfälle nach einander und oft +neben einander. + +Gleich im zweiten Jahre ihres Ehestandes hatte die Doktorin schwere +Zeiten durchzumachen[272]. + +Frau Käthe wurde durch einen heftigen Krankheitsanfall ihres Gemahls +erschreckt, wie sie es in dieser Heftigkeit noch nicht an ihm erlebt +hatte, wiewohl er schon mehrmals Schwindelanfälle erfahren. Eine +entsetzliche Angst und Beklemmung ging dem Anfall voraus. Samstags 6. +August morgens fühlte er am linken Ohr und Backen ein ungestümes Sausen +und Brausen wie Windsbraut und Meeresbrandung, so gräßlich und +unerträglich, daß er es nur einer satanischen Einwirkung zuschreiben +konnte. Es ging gottlob rasch vorüber. Aber er fürchtete, dies sei +vielleicht der Vorbote eines noch schwereren, tödlichen Anfalls, darum +schickte er um 8 Uhr seinen Diener Wolf zu seinem Beichtvater +Bugenhagen, dieser möge eilend kommen. Bugenhagen eilte erschrocken ins +Kloster, fand aber da den Doktor in „gewöhnlicher Gestalt“ bei seiner +Hausfrau stehen. Warum er ihn habe rufen lassen? „Um keiner bösen Sache +willen“, erwiderte Luther, ging mit ihm hierauf abseits, beichtete und +begehrte für den folgenden Tag zum Abendmahl zu gehen. + +Mittlerweile war es schier Zeit geworden zum Mittagsmahl (d.h. um 10 +Uhr). Und weil Luther und Bugenhagen von etlichen Adeligen, Max von +Wallefels, Hans von Löser u.a. zu Gaste geladen war, forderte ihn +Bugenhagen auf, mitzukommen, indem er hoffte, die Zerstreuung sollte ihm +gut thun, wenn er nicht einsam daheim sitze, sondern mit Menschen +verkehre. Luther schlug es ab. Aber Bugenhagen steckte es hinter Frau +Käthe, und diese brachte Luther dazu, hinzugehn in Paul Schultheiß' +Gasthof. Dort aß und trank er, aber sehr wenig, und unterhielt die Gäste +mit angemessener Fröhlichkeit. Um zwölf Uhr stand er auf und ging in D. +Jonas Gärtlein hinter dem Hause und unterhielt sich da zwei Stunden mit +dem Stiftspropst. Beim Weggehen lud er Jonas und seine Frau ein, sie +sollten auf den Abend mit ihm essen. + +Recht angegriffen kehrte Luther zurück ins Kloster und legte sich ins +Bett, um sich zu erholen. Als um 5 Uhr die Jonischen kamen, lag er noch +und die Frau Doktorin bat die Gäste, sich die Weile nicht lang sein zu +lassen, und so sich's ein wenig verzöge, es seiner Schwachheit +zuzurechnen. + +Nach einer Weile kam der Doktor herunter, um die Abendmahlzeit gemeinsam +mit den andern zu halten. Er klagte wieder über großes unangenehmes +Brausen und Klingen des linken Ohrs. Das wurde über Tisch heftiger, er +mußte aufstehen und zog sich, begleitet von Jonas, hinauf in seine +Schlafkammer zurück; die Doktorin folgte, hatte aber noch unten an der +Treppe den Mägden zu befehlen. Da, als Luther gerade über die Schwelle +der Schlafkammer trat, überkam ihn plötzlich eine Ohnmacht: „O Herr +Doktor Jona“, rief der Kranke, „mir wird übel; Wasser her, oder was Ihr +habt, oder ich vergehe.“ Er sank leblos hin. Jonas erwischte erschrocken +und behend einen Topf mit kaltem Wasser und goß es dem Ohnmächtigen über +Kopf und Rücken. Er kam wieder zu sich und fing an zu beten. + +Indem kommt auch die Doktorin hinauf; da sie nun sah, daß er so +hinfällig und schier tot war, entsetzte sie sich sehr und rief laut den +Mägden. Dann schickte sie zum Hausarzt Dr. Augustin Schurf und zu dem +Hausfreund Bugenhagen. Mittlerweile zogen sie dem Kranken die Kleider +aus und legten ihn auf den Rücken. Er war sehr matt und völlig kraftlos. +Frau Käthe und Jonas rieben und kühlten ihn, gaben ihm Labsal und +thaten, was sie konnten, bis der Arzt kam. + +Da der Doktor so eiskalt und leblos war, so verordnete Schurf dem +Kranken warme Tücher, Kleider und Kissen, die man immer über dem +Kohlenfeuer wärmte, aufzulegen auf Brust und Füße, ließ auch seinen Leib +reiben, tröstete ihn auch und hieß ihn hoffen, es würde, ob Gott will, +auf diesmal keine Not haben. Dann kam auch um 6 Uhr Dr. Pommer, und die +Freunde mahnten den Patienten, er solle mit ihnen dafür beten, daß er +möge leben bleiben, ihnen und vielen zum Trost. Da antwortete er: „Zwar +für meine Person wäre Sterben mein Gewinn; aber im Fleische länger +leben, wäre nötig um vieler willen. Lieber Gott, Dein Wille geschehe.“ + +Da aber die Ohnmacht wieder zunahm, betete er wieder um Erbarmen. Dann +sagte er zu seiner Hausfrau: „Meine allerliebste Käthe, ich bitte Dich, +will mich unser lieber Gott auf diesmal zu sich nehmen, daß Du Dich in +seinen gnädigen Willen ergebest. Du bist mein ehrlich Weib, dafür sollst +Du Dich gewiß halten und gar keinen Zweifel daran haben. Laß die blinde, +gottlose Welt darüber sagen, was sie will; richte Du Dich nach Gottes +Wort und halte fest daran, so hast Du einen gewissen beständigen Trost +wider den Teufel und all seine Lästermäuler.“ + +Dann fragte er nach seinem Söhnlein: „Wo ist denn mein allerliebstes +Hänsichen?“ Da das Kind gebracht wurde, lachte es den Vater an. Da +sprach er: „O Du gutes armes Kindlein! Nun ich befehle meine +allerliebste Käthe und Dich armes Waislein meinem lieben, frommen, +treuen Gott. Ihr habt nichts, Gott aber, der ein Vater der Waisen und +Richter der Witwen ist, wird Euch wohl ernähren und versorgen.“ + +Darauf redete er weiter mit seiner Hausfrau von den silbernen Bechern: +„Die ausgenommen weißt Du, daß wir sonst nichts haben.“ Ueber dieser und +andern Reden ihres Herrn war die Doktorin hoch erschrocken und betrübt. +Doch ließ sie sich nicht merken, wie groß Leid ihr geschah, daß sie +ihren lieben Herrn dergestalt so jämmerlich da vor Augen liegen sah, +sondern sie stellte sich getrost und sprach: „Mein liebster Herr Doktor! +Ist's Gottes Wille, so will ich Euch bei unserm lieben Herrn Gott lieber +denn bei mir wissen. Aber es ist nicht allein um mich und mein liebes +Kind zu thun, sondern um viel frommer, christlicher Leute, die Euer noch +bedürfen. Wollet Euch, mein allerliebster Herr, nicht bekümmern; ich +befehle Euch seinem göttlichen Willen, ich hoff und trau zu Gott, er +werde Euch gnädiglich erhalten.“ + +Bald fühlte der Kranke Besserung, die Schwäche ließ nach und der Doktor +meinte, wenn der Patient nur schwitzen könnte, so sollte es durch Gottes +Gnade für diesmal keine Not mehr mit ihm haben. + +Da gingen die drei Männer, um ihm Ruhe zu gönnen, hinab in den Saal zur +Abendmahlzeit und hießen die Frauen stille sein. Der Patient geriet +wirklich in Schweiß. Der Arzt sah später wieder nach dem Kranken und +erklärte die Gefahr vorbei. Dann kamen auch die Freunde, begrüßten den +Genesenden, wünschten ihm „Selige Nacht“ und gingen nach Hause. + +Zwar dauerte das Ohrenbrausen am Sonntag noch fort; am Abend aber konnte +der Doktor aufstehen und mit den Freunden das Abendmahl halten. Das +körperliche Leiden war so bald gehoben; aber die „geistige Anfechtung“, +wie Luther sagt, warf ihn noch eine ganze Woche in „Tod und Hölle“ +umher, so daß er zerschlagen an allen Gliedern bebte. + +Kaum war dieser Schrecken vorbei, so nahte eine neue und viel längere +Heimsuchung: die Pest, die damals ganz Deutschland durchzog, kam auch +nach Wittenberg. Alles was konnte, floh aus der Stadt; die Universität +wurde nach Jena verlegt; Luther aber blieb zurück als Mann, Seelsorger +und Lehrer und seine treue Gattin mit ihm. Er war immer des Glaubens, +die Angst sei die schlimmste Seuche, die Hälfte der Leute stürben an +Furcht davor, nicht an der Pest selbst. Er hielt es für einen „Spuk des +Teufels“, dem er trotzen müsse, während der Böse sich freue, die +Menschen so zu ängstigen und die Universität zu sprengen, die er nicht +umsonst so hasse. Er bleibe gerade wegen der ungeheuren Angst des +Volkes. Er ging ohne Scheu zu den Pestkranken: die Frau des +Bürgermeisters Thilo Dene starb fast in seinen Armen; und andere +Pestverdächtige nahm er in sein Haus. Dagegen war, scheint's aus Furcht +vor der Pest, Elsa von Kanitz, welche in Wittenberg Mädchenlehrerin +werden und bei Luther wohnen sollte, nicht aufgezogen; an ihrer Statt +aber wohnte nun Fräulein Magdalene von Mochau im Klosterhause[273]. + +Die Seuche brach in den Winkeln aus, kam aber bald ans +Elsterthor-Viertel, wo der Pestkirchhof lag[274]; zuerst wurde die +Umgebung angesteckt, so das Haus des nächsten Nachbarn, des D. Schurf +und endlich auch das Schwarze Kloster. Das wurde jetzt gerade ein +Spital, denn Luther nahm die kranke Frau Dr. Schurf, Hanna, herüber. Die +von Mochau bekam die wirkliche Pest. Die Frau des Kaplan (Diakonus) +Röhrer, eines von Luther hochgeschätzen Amtsgenossen, starb (am 2. Nov.) +daran bei ihrer Entbindung samt dem Kinde. Und Bugenhagen flüchtete +deshalb mit seiner Familie aus dem Pfarrhaus in das Schwarze Kloster. +Zwei Pflegetöchter von Käthe erkrankten und auch der kleine Hans war vom +Zahnen so mitgenommen, daß er mehrere Wochen nichts aß und allein mit +Flüssigkeit ernährt wurde, so daß er nur sehr langsam wieder zu Kräften +kam. Dazu war Luther selbst noch immer eine lange Zeit (Juli bis +November) vom Unwohlsein geplagt, besonders mit Blutandrang nach dem +Kopf und infolge dessen von Schwermut, oder wie er sagte, vom Satan +angefochten und sehr entkräftet. Schließlich kam die Krankheit noch in +die Ställe und es fielen fünf Schweine. Die Bauern brachten der Stadt +keine Zufuhr, so daß eine Teurung entstand und der Scheffel Mehl 5 +Groschen galt, eine Gans 2 Groschen[275]. + +Nur Käthe hielt sich aufrecht in alt dieser Not, „tapfer im Glauben und +gesund am Körper“, und doch war sie ihrer Entbindung nahe. Sie pflegte +Mann und Kind, Nichten und Gäste. Den Diakonus Röhrer mit seinem +Knäblein Paul, welches nach der Mutter schrie, nahm Käthe auch noch auf, +und Luther lud noch Jonas dringend zum Besuch ein, als es ein wenig +besser ging. Die von Mochau wurde in dem gewöhnlichem Winterzimmer +(Wohnzimmer) eingeschlossen, Frau Hanna war in Katharinas Kemenate +(heizbarem Zimmer), Hänschen im Studierzimmer, der Doktor und die +Lutherin weilten in der vorderen großen Aula. Schließlich wurde der +„Mochau“ die Beule aufgeschnitten, und nachdem das Gift heraus war, ging +es besser. Endlich, Mitte November, wich die Krankheit. Die Eheleute +waren froh, daß der böse Geist der Pest nur in die Säue gefahren war und +sie mit diesem Opfer sich loskauften. Hänschen war wieder frisch und +munter, Hanna genas und die Mochau entrann mit Mühe dem Tode; auch +Luthers Zustand und Stimmung wurde besser, namentlich als die +Universität allmählich wiederkehrte und er seine gewohnte Lehrtätigkeit +wieder beginnen konnte[276]. + +In dieser Zeit (am 10. Dezember) kam nun Käthe nach schmerzlichen Wochen +mit ihrem Töchterchen Elisabeth nieder, gerade als der Gemahl von einer +Vorlesung heimkehrte. Die vorausgegangenen Strapazen hatten doch ihre +Spuren hinterlassen, und die Mutter war recht angegriffen. Aber schon zu +Weihnachten wurde im Lutherhaus Verlobung gefeiert; die Hanna von Sala +wurde dem Petrus Eisenberg, einem braven Mann aus guter Familie, +Leut-Priester in Halle, anverlobt; schon am Neujahrstag war die +Hochzeit, und die kaum vom Wochenbett erstandene Hausfrau hatte schon +wieder diese fröhliche Unmuße durchzumachen[277]. + +Das neue Jahr (1528) war ein gesundes und im ganzen glückliches, Luther +und Käthe lebten wieder frisch auf. Sie brachten am 15. Mai wieder eine +Verlobung zustande, zwischen dem verwitweten Kaplan D. Georg Röhrer und +ihrer Pflegetochter Magdalene von Mochau. Die Hochzeit sollte fröhlich +am Tag nach Laurenzi (11. August) gefeiert werden. Aber da kam Leid vor +die Freude: am 3. August starb „Elslein“ und von dem lieben Töchterlein, +dessen Ankunft die glücklichen Eltern den Freunden in zahlreichen +Briefen angekündet hatten, mußten sie jetzt, gar wehmütig und weich +gestimmt, wieder ihr Abscheiden in die ewige Heimat melden. „Es war ein +großes Herzeleid; denn es starb ein Stück an des Vaters und ein Teil +von der Mutter Leibe“[278]. + +Die durch Tod und Verheiratung in die Hausgenossenschaft gerissenen +Lücken wurden bald reichlich ausgefüllt. Im Mai des folgenden Jahres +erschien das kleine Lenchen im Schwarzen Kloster. Auf gar wunderbare +Weise entkam die Herzogin Ursula von Münsterberg, die Base des Herzogs +Georg aus dem Kloster Freiburg samt zwei andern bürgerlichen +Klosterjungfrauen, von denen die eine ihr reiches Vermögen im Stiche +ließ, um der Armut Christi zu folgen. Die drei flüchteten nach +Wittenberg in die Freistätte des Lutherhauses: keinen Kreuzer brachten +sie mit, wohl aber den Haß des Herzogs und Verlegenheit für Luthers +Landesherrn[279]. + +Das war im Herbst 1528. Zu Ostern 1529 hatte Frau Käthe wieder eine +Hochzeit auszurichten: dem Pfarrer Bruno Brauer zu Dobin, dessen Braut +natürlich auch schon ein paar Tage vorher sich im Hause aufhielt. +Amsdorf wird dazu eingeladen und wird ersucht, sich nicht mit Eisen und +Schwert, sondern mit Gold und Silber und Ranzen zu umgürten, denn ohne +Geschenk komme er nicht los. Im Sommer verlobten die beiden Ehegatten +den Professor der Medizin Milich mit Susanna von Muschwitz, der +Schwester von Frau D. Schurf[280]. + +Während dieser Zeit war der Hausherr vielfach abwesend auf der +Visitation des Kurkreises, welche Luther mit dem Stadthauptmann Herrn +Metsch, dem Edlen Hans von Taubenheim und dem Rechtsgelehrten Benedikt +Pauli vorzunehmen hatte. Dazu kam die Reise nach Marburg zum +Religionsgespräch mit Zwingli (1529). + +Von Marburg stammt auch der erste Brief des Doktors an seine Ehefrau, +der erhalten geblieben ist. Er lautet[281]: + +„Gnad und Fried in Christo! + +Lieber Herr Käthe! + +Wisset, daß unser freundlich Gespräch zu Marburg ein Ende hat, und seynd +fast in allen Stücken eins worden, ohne daß der Widerteil (Gegenpartei) +wollen eitel Brot und Wein im Abendmal behalten und Christum geistlich +darinnen gegenwärtig bekennen. Heute handelt der Landgraf, ob wir +könnten eins werden, oder doch gleichwohl, so wir uneins blieben, +dennoch (als) Brüder und Christi Glieder unter einander uns halten. Da +arbeit der Landgraf heftig. Aber wir wollen des Brüdern und Gliederns +nicht; friedlich und Guts wollen wir wohl.... + +Sage dem Herrn Pommer, daß die besten Argument seind gewesen des +Zwingli, daß corpus non potest esse sine loco: ergo Christi corpus non +est in pane; des Oecolampadii: dies sacramentum est Signun corporis +Christi. Ich achte, Gott habe sie verblendet, daß sie nichts haben +müssen fürbringen. + +Ich habe viel zu thun und der Bot eilet. Sage allen gute Nacht und +bittet für uns. Wir seind auch alle frisch und gesund und leben wie die +Fürsten. Küßt mir Lensgen und Hänsgen. + +E. williger Diener + +Martin Luther. + +Ins folgende Jahr (1530), zur Zeit des Augsburger Reichstags, fällt der +lange halbjährige Aufenthalt Luthers auf der Koburg (April bis Oktober). +Er reiste mit dem Kurfürsten Johann und Kanzler Brück und den +Wittenberger Theologen, Melanchthon und Jonas ab und nahm seinen Famulus +Veit Dietrich mit. Käthe konnte ihren Gatten nicht ohne Sorge zum +Reichstag scheiden sehen; denn bei seiner Abreise glaubte man, daß auch +Luther nach Augsburg selbst gehe, also mitten in die Reihe seiner +Feinde. Bald erhielt sie die Nachricht, daß ihr Gatte, eben um seine +Gegner, und namentlich den Kaiser, in dessen Acht er war, nicht zu +reizen, in der südlichsten Stadt des Kurfürstentums bleibe, auf der +Feste Koburg, und zwar einigermaßen in Verborgenheit, ähnlich wie auf +der Wartburg. Er wurde morgens vor Tagesanbruch, samt seinem Famulus +Veit Dietrich, dahin gebracht; er ließ sich da den Bart wachsen und dazu +schickte ihm auch noch ein Freund, Abt Friedrich aus Nürnberg, ein +Schwert. Also mußte Frau Käthe in die „Einöde Gruboc“ allerlei Dinge +schicken, Bücher und Papier für allerlei Schriften, und empfahl ihren +Gemahl der Fürsorge der Kastellanin[282]. Freilich war vortrefflich für +den Einsiedler auf seinem Sinai gesorgt, die erste Frühlingszeit mit +Dohlenschwarm, Kuckuck und Nachtigall stimmte fröhlich; Veit Dietrich +wachte sorgfältig darüber, daß Luther keinen Diätfehler begehe und +veranlaßte ihn gar zum Armbrustschießen auf Fledermäuse. Auch an +Besuchen fehlte es nicht, so daß er schließlich klagte: „Die Wallfahrt +will zu groß werden hierher“[283]. Aber Luther litt bei der ungewohnten +Muße doch wieder an seinem alten Leiden: Fluß am Bein, Kopfweh und +Schwindel, und infolgedessen „Anfechtungen“ des Satans, so daß er sich +schon ein Oertlein für ein Grab aussuchte und meinte, unter dem Kreuz in +der Kapelle werde er wohl liegen. Davon meldete zwar der Doktor an seine +besorgte Ehehälfte kein Wörtlein; er schrieb vielmehr sie neckend: „Sie +wollen (in Augsburg) schlechterdings die Mönche und Nonnen wieder im +Kloster haben“[284]. Aber sie ahnte es doch, oder erfuhr es auf Umwegen +von den Freunden, denen er sein Leiden klagte, oder durch die Boten, die +vorbei kamen. Darum schickte sie ihm nicht nur Lenchens Bild, sondern +auch seinen Neffen Cyriak in Person samt seinem Präzeptor. Boten mit +Briefen und Aufträgen gingen fleißig hin und her: so bestellte Frau +Käthe durch Luther Pomeranzen bei Link in Nürnberg, weil es keine in +Wittenberg gebe, und sie erfuhr zeitig und ausführlich, wie es auf +Koburg und in Augsburg ging, wo der Kaiser sich barsch benahm und +Melanchthon gar ängstlich war. Wenn aber zu Wittenberg Sonntags in der +Kirche für glücklichen Ausgang des Augsburger Reichstages und für die +abwesenden Theologen gebetet wurde, da war Frau Luther wohl von allen +Kirchgängerinnen die andächtigste; und zu Mittags bei Tisch mit ihren +Tischgesellen und Kinderlein und abends im Kämmerlein allein hat sie für +den teuren Mann in der Ferne gefleht, wie er's in jedem Briefe +erbittet[285]. + +Einige Briefe Luthers von der Koburg an seine Hausfrau sind erhalten; so +kam um Pfingsten einer[286]: + +„Gnad und Friede in Christo. + +Liebe Käthe! Ich hab, acht ich, Deine Briefe alle empfangen. So ist dies +der vierte Brief, den ich Dir schreibe heut daß Er Johann von hinnen +gegangen ist. Lenchen Konterfeit hab ich mit der Schachtel auch. Ich +kannte das H... zuerst nicht, so schwarz deucht mir's (zu) sein. Ich +halte, wo Du es wilt absetzen von Wöhnen (d.h. entwöhnen), das gut sei +weilinger Weise, also daß Du ihr zuerst eines Tages einmal abbrechest, +darnach des Tages zweimal, bis es also säuberlich abläßt. Also hat mir +Georgen von Grumbachs Mutter, Frau Argula, geraten. Die ist hier bei uns +gewest und hat mit mir gessen. Hans Reinicke von Mansfeld auch und +George Römer, daß wir müssen an einen andern Ort; es will zu gemeiner +Wallfahrt hieher werden. + +Sage Meister Christannus[287], daß ich meins Tage schändlichere Brillen +nicht gesehen habe, denn die mit seinem Briefe (ist) kommen. Ich konnt +nicht ein Stich dadurch sehen. So ist mir auch der Brief an Kunzen Vater +nicht geworden. Auch bin ich nicht zu Koburg, (d.h. ich will nicht da zu +finden sein); kann ich aber sonst dazu thun, will ich's nicht lassen. Du +sollst aber gleichwohl Deine Briefe dem Kastner, (Schloßverwalter) +[646], lassen zustellen; der wird sie mir wohl schaffen. + +Man beginnt zu Nürnberg und Augsburg zu zweifeln, ob etwas aus dem +Reichstag werde. Der Kaiser verzeucht noch immer in Inspruck. Die +Pfaffen haben etwas vor und gehet mit Kräutern zu. Gott gebe, daß sie +der Teufel besch.... Amen. + +Laß den Herrn Doctor Pommer den Brief an D. Wencels lesen. + +Eilend. Der Bote wollt nicht harren. Grüße, küsse, herze und sei +freundlich allen, jeden nach seinem Stande. + +Am Pfingsttag frühe, 1530. + +Martin Luther. + +Meiner herzlieben Hausfrauen Katharin Lutherin zu Wittenberg zu handen.“ + +Zu Wittenberg machte damals der Festungsbau den Einwohnern, namentlich +auch der Familie Jonas, viel Verdruß und Aufregung; das Kloster blieb +einstweilen noch verschont. + +Während Luthers Abwesenheit waren im Klosterhause Hieronymus Weller als +Präzeptor des kleinen Häuschens. Hieronymus war aber ein von Schwermut +geplagter Mann, und es wurde darum dankbar begrüßt, daß auch sein Bruder +Peter ins Haus zog, der Präzeptor von Luthers Neffen, Polner. Auch der +würdige D. Pommer (Bugenhagen) kam ab und zu ins Schwarze Kloster, um +Frau Käthe zu beraten, und Frau Jonas, die allezeit fröhliche, muntere +Gattin des in Augsburg abwesenden Stiftspropstes, welche freilich +damals ihr zweites Söhnlein bald nach der Geburt verlor[288]. Mit hohem +Interesse wurden Luthers Schreiben empfangen und mit vieler Freude im +Kreise der zurückgebliebenen Freunde vorgelesen. Großen Jubel bei den +Tischgesellen erregte ein humorvoller Brief Luthers vom „Reichstag der +Dohlen und Krähen“, dem lustigen Abbild des Augsburger Reichstags. Da +wird gar ergötzlich geschildert das Ab- und Zureiten „der Malztürken“, +ihr Scharwänzen und Turnieren, ihr „Kecken“ und Kriegsrat wider Korn und +Weizen. Und welche Freude erst war's, als goldene Frühäpfel aus Nürnberg +mit dem Boten von Koburg für die Tischgesellschaft ankamen! Wie +leuchteten aber erst die Augen der Kleinen und seiner Gespielen über den +herzigen Märchenbrief Luthers an sein „liebes Söhnichen Johannes“ von +dem schönen Paradiesesgarten. Wie hat sich da die Mutter gefreut und +Muhme Lene und des Jonas Jost und Melanchthons Lips, die auch in den +Garten kommen sollten, und der „Gruß und Putz“ wird der Muhme Lene von +dem kleinen Hans ausgerichtet worden sein. Hänschen war ein braver Bub +und wird von seinem Präzeptor wegen seines Fleißes und Eifers +gelobt[289]. + +Aber auch ernste Briefe kamen von Koburg an, welche Frau Käthe und die +Theologen interessierten und im Lutherhaus gemeinsam gelesen wurden, +oder auch unter den Freunden umliefen. Allerdings seine schwersten +Sorgen und Schmerzen schrieb Luther nicht darin, aber allerlei Anliegen +wegen der Zöglinge und an seine Buchdrucker Schirlenz, Weiß und Rau. So +kamen vom 14. und 15. August mit einem Boten zwei Episteln an seine +„herzliebe Hausfrau“[290]. + +„Gnade und Friede in Christo. + +Meine liebe Käthe! Dieser Bote lief eilend vorüber, daß ich nichts mehr +schreiben konnte, nur daß ich ihn nicht wollte ohne meine Handschrift +gehen lassen. Du magst Herr Johann Pommern und allen sagen, daß ich bald +mehr schreiben will. Wir haben noch nichts von Augsburg, warten aber +alle Stunden auf Botschaft und Schrift. Aus fliegenden Reden haben wir, +daß unsers Widerparts Antwort soll öffentlich gelesen sein; man habe +aber den Unsern keine Abschrift wollen geben, daß sie darauf antworten +möchten. Weiß nicht, ob's wahr ist. Wo sie das Licht so scheuen, werden +die Unsern nicht lange bleiben. Ich bin seit Lorenzentag recht gesund +gewesen und habe kein Sausen im Kopf gefühlt; das hat mich fein lustig +gemacht zu schreiben, denn bisher hat mich das Sausen wohl zerplaget. + +Grüße alle und alles; ein andermal weiter. Gott mit euch. Amen. Und +betet getrost: es ist wohl angelegt, und Gott wird helfen. + +Gegeben am Sonntage nach Lorenzentag, Anno 1530.“ + +Der Brief war kaum geschrieben, so kam weitere Nachricht von Augsburg. +Luther behielt deshalb den Boten bei sich über Nacht und fügte am andern +Tage noch folgendes hinzu: + +„Gnad' und Fried in Christo. + +Meine liebe Käthe! Als ich den Brief hatte zugemacht, kamen mir diese +Briefe von Augsburg: da ließ ich den Boten aufhalten, daß er sie mit +sich nähme. Daraus werdet ihr wohl vernehmen, wie es zu Augsburg mit +unsrer Sache steht, fast wie ich im andern Brief geschrieben habe. Laß +Dir sie Peter Weilern lesen oder Herrn Johann Pommer[291]. Gott helfe +weiter, wie er gnädiglich angefangen hat, Amen. + +Jetzt kann ich nicht mehr schreiben, weil der Bote so wegfertig da sitzt +und harret kaum. Grüße unsern lieben Sack. + +Ich habe Deinen Brief an die Kästnerin (die Kastellanin vom Koburger +Schloß) gelesen, und sie dankt Dir sehr. Hans Polner habe ich Peter +Wellern befohlen: siehe zu, daß er sich gehorsamlich halte. Grüße Hansen +Luthern und seinen Schulmeister; dem will ich bald auch schreiben. Grüße +Muhme Lenen und allesamt. Wir essen hier reife Weintrauben, wiewohl es +diesen Monat hieraußen sehr naß gewesen ist. Gott sei mit euch allen, +Amen. + +Aus der Wüsten, am Tage Maria Himmelfahrt 1530. + +Mart. Luther. + +Wie verdreußt mich's, daß unsere Drucker so schändlich verziehen mit den +Exemplaren[292]. Ich schicke solch Exemplar darum hinein, daß sie bald +sollen fertig werden — da machen sie mir ein Lagerobst draus. Wollt' ich +sie so liegen haben, ich hätte sie wohl hier bei mir auch wissen zu +halten. Ich hab' Dir geschrieben, daß Du den Sermon, wo er nicht +angefangen, von Schirlenz nehmen und Georgen Rau geben solltest. Ich +kann doch wohl denken, daß Schirlenz sein groß Exemplar kaum zu verlegen +hat mit Papier. Ist das nicht geschehen, so schaffe, daß es noch bald +geschehe und der Sermon aufs förderlichste gefertigt werde.“ + +Die Abwesenheit des Doktors zögerte sich gar lange hinaus: es wurde +Sommer und wurde Herbst und der Doktor war noch nicht da. Mit Sehnsucht +wurde er erwartet und voll Sehnsucht schrieb er nach Hause. So um „Maria +Geburt“[293]: + +„Gnade und Friede in Christo. + +Meine liebe Käthe! Dieser Bote lief eilend vorüber, daß ich nicht viel +schreiben konnte. Hoffe aber, wir wollen schier selbst kommen; denn +dieser Bote bringt uns von Augsburg Briefe, daß die Handlung in unsrer +Sache ein Ende habe und man nur wartet, was der Kaiser schließen und +urteilen wird. Man hält's dafür, daß es werde alles aufgehoben auf ein +künftig Konzilium; denn der Bischof zu Mainz und Augsburg halten noch +fest, so wollen der Pfalzgraf, Trier und Cöln nicht zum Unfrieden oder +Krieg willigen. Die andern wollten gern wüten und versehen sich, daß der +Kaiser mit Ernst gebieten werde. Es geschehe, was Gott will: daß nur des +Reichstags ein Ende werde! Wir haben genug gethan und erboten; die +Papisten wollen nicht ein Haarbreit weichen; damit wird einer kommen, +der sie lehren soll weichen und räumen. + +Mich wundert, warum Hans Weiß den Psalm nicht hat genommen. Ich hätt' +nicht gemeint, daß er so ekel wäre, ist's doch ein köstlich Exemplar. +Schicke hier denselbigen vollends ganz mit und gönn' ihn Georgen Rau +wohl. Gefällt das Exemplar Herrn Johann Pommern und Kreuzigern, so laß +immerhin drucken. Es ist doch nichts, daß man den Teufel feiert. + +Wer Dir gesagt hat, daß ich krank sei, wundert mich sehr, und Du siehest +ja die Bücher vor Augen, die ich schreibe. So hab' ich ja die Propheten +alle aus, ohne den Ezechiel, darin ich jetzt bin und im Sermon vom +Sakrament, ohne was sonst des Schreibens mit Briefen und anders mehr +ist. Ich konnte jetzt nicht mehr vor Eilen schreiben. Grüßt alle und +alles. + +Ich hab' ein groß schön Buch von Zucker für Hansen Luther, das hat +Cyriakus von Nürnberg gebracht aus dem schönen Garten. Hiemit Gott +befohlen und betet. + +Mit Polner mach's nach Rat des Pommers und Kellers. + +Aus der Wüsten, am 8. September 1530.“ + +Als aber die Herren endlich wieder heimkehrten, samt Veit Dietrich, +Peter Weller und dem jungen Cyriak, der mit seinem Lehrer das Schauspiel +des Reichstag in Augsburg und die berühmte Stadt Nürnberg hatte besuchen +dürfen, da war ein Erzählen am Eichentisch im Wohnzimmer und unten im +Hof unterm Birnbaum, während der vierjährige Studiosus Hans sich an +seinem Nürnberger Zuckerbuch erlustierte. + +Ruhiger gingen die folgenden Jahre hin. Freilich wiederholten sich die +beängstigenden Schwindelanfälle beim Doktor, so daß er im Herbst 1531 +eine Erholungsreise zu Gevatter Hans Löser nach Schloß Pretzsch machte, +um durch die Bewegung das Sausen loszuwerden. Da ging er viel spazieren, +fuhr auch zur Jagd[294]. + +Von Mansfeld waren auch die Großeltern einigemal nach Wittenberg +herübergekommen, obwohl das keine kleine Reise war; da schickte der +Stadtrat „Doktoris Martini Vater“ einen Ehrentrunk. Dann herrschte große +Freude im Kloster und der Doktor konnte eine Vergleichung anstellen +zwischen seiner harten Jugend und der Zärtlichkeit der alten Leute gegen +die Enkel und merken, daß die Großeltern ihre Kindeskinder lieber haben +als ihre eigenen Kinder. Als im Anfang 1530 Bruder Jakob von Mansfeld +schrieb, der Vater wäre „fährlich krank“, wäre Luther aus der Maßen gern +selbst kommen; aber er durfte es dorthin der Bauern und des Adels wegen +nicht wagen. Aber große Freude sollt es ihm sein, schrieb er, wo es +möglich wäre, daß der Vater samt der Mutter sich ließe herbeiführen nach +Wittenberg, was auch „Käthe mit Thränen begehrte“, in der Hoffnung, sie +aufs beste zu warten. Dazu wurde Cyriak in seine Vaterstadt abgefertigt, +zu sehen, ob das möglich wäre. Aber die alten Leute konnten sich +begreiflicherweise nicht zu diesem Umzug entschließen. Und nicht lange +darauf, als Luther auf der Koburg saß, starb der Vater. Im Sommer des +folgenden Jahres erkrankte die Großmutter. Das erregte großes Leid in +der Familie; Luther schrieb inmitten der Kinderschar einen Trostbrief: +darin schildert er gar anschaulich das echt kindliche Benehmen der +beiden eigenen Kinder und der andern Enkel, welche im Klosterhause +lebten: „Es bitten für Euch alle Eure (Enkel-) Kinder und meine Käthe; +etliche weinen, etliche essen und sagen: Die Großmutter ist sehr krank.“ +Am 30. Juni schied auch sie vom Leben[295]. + +Von den Enkeln hatten freilich die Großeltern höchstens die drei ersten +gesehen: Hans, Elisabeth und Lenchen. Erst nach ihrem Tode kam der +vierte auf die Welt am Vorabend von Luthers Geburtstag und bekam deshalb +den Namen Martin. Es war gerade zur Zeit als die Bauern, wie man ihnen +nachsagte, eine künstliche Teuerung zu stande brachten. Fünfviertel +Jahre später (am 28. Januar 1533) stellte sich Paul ein und endlich am +Ausgang des folgenden Jahres das Jüngste, Margarete. Schon 1533 war der +siebenjährige Erstgeborne — gewiß nur, wie andre Professorensöhne, der +Ehre halber — bei der Universität als akademischer Bürger angenommen +worden, zugleich mit seinen Vettern Fabian und Andreas Kaufmann[296]. + +In diesem Jahre 1533 war Luther wieder einen ganzen Monat krank an +Kopfleiden[297]. + +Im Februar 1534 kam seine Schwester zu Besuch nach Wittenberg. Da +tischte Frau Käthe für die Schwägerin köstlich auf und ließ Hechte +kommen aus den kurfürstlichen Teichen[298]. + +Seitdem Johann Friedrich Kurfürst geworden, war Luther gar oft zu dem +ihm vorher schon sehr befreundeten neuen Landesherrn allein oder mit +andern Theologen nach Torgau geladen, wo er predigte, disputierte und +bei Tisch in ernstem und fröhlichem Gespräch verblieb. Von dort sandte +der Doktor auch einmal an „seinen freundlichen lieben Herrn, Frau +Katharina von Bora, D. Lutherin zu Wittenberg“ einen heiteren +Brief[299]: + +„Gnade und Friede in Christo. + +Lieber Herr Käthe! Ich weiß Dir nichts zu schreiben, weil Magister +Philipps samt den andern selbst kommen. Ich muß länger hier bleiben, um +des frommen Fürsten willen. Du magst denken, wie lange ich hier bleiben +werde, oder wie Du mich los machst. Ich halt', M. Franciscus wird mich +wieder los machen, wie ich ihn losgemacht habe, doch nicht so balde. + +Gestern hatt' ich einen bösen Trunk gefaßt, da mußt' ich singen. Trink' +ich nicht wohl, das ist mir leid und thät's so recht gerne, und hab +gedacht, wie gut Wein und Bier hab' ich daheime, dazu eine schöne Frauen +oder (sollt' ich sagen) Herrn. Und Du thätest wohl, daß Du mir +hinüberschicktest den ganzen Keller voll meines Weines und eine Flaschen +Deines Biers, so oft Du kannst. Sonst komme ich vor dem neuen Bier nicht +wieder. Hiermit Gott befohlen samt unsern Jüngern und altem Gesinde, +Amen. + +Mittwoch nach Jakobi, 1534. + +Dein Liebchen + +Mart. LutheR, D.“ + +Im Jahre 1535 kam der päpstliche Gesandte Kardinal _Vergerius_ durch +Wittenberg; mit glänzendem Gefolge, zwanzig Pferden und einem Esel zog +er ins Schloß und ließ Luther dahin einladen. Der ließ sich schön +schmücken, hängte eine goldene Kette um und fuhr mit Bugenhagen, als der +deutsche Papst mit Kardinal Pomeranus, ins Schloß, wo er dem Legaten +gegenüber, wie er sich vorgenommen hatte, den rechten Luther spielte. Da +erzählte er auch dem Kirchenfürsten, um ihn zu ärgern, von seiner Frau, +der ehrwürdigen Nonne, und seinen fünf Kindern, von denen der +Erstgeborene hoffentlich ein großer evangelischer Theologe werden würde +[300]. + +Während dieser Zeit waren mancherlei Verändernden im Kreise der +Lutherschen Hausgenossen eingetreten. Natürlich wechselte von Jahr zu +Jahr die Tafelrunde der jugendlichen Kostgänger durch Abgang oder Zugang +zur Schule. Aber es starb auch einmal ein Schüler. So aus Nürnberg Hans +Zink Ostern 1531. Er war allen ein gar lieber Bube, sonderlich dem +Hausvater, indem er den Discant bei der abendlichen Hausmusik sang; aber +auch weil er fein still und züchtig (sittsam) und im Studium sonderlich +fleißig war, so daß allen gar wehe geschehen ist durch seinen Abscheid. +Frau Käthe sparte zu seiner Pflege nichts an Fleiß, Sorge und Arzenei, +um das fremde liebe Kind wo nur möglich zu retten und zu erhalten. Aber +die Krankheit wurde übermächtig über die Pflege, und der Knabe ist Gott +noch viel lieber gewesen als den Lutherschen, der hat ihn wollen haben. +Das meldete Luther im Trauer- und Trostbrief den betrübten fernen +Eltern. Auch später kamen solche Sterbefälle noch vor; ja es starben +Ostern 1544, als in Wittenberg die Masern grassierten und auch Luthers +Kinder alle daran darniederlagen, auf einmal zwei Zöglinge, ein +wohlgeschickter Knabe aus Lüneburg und ein Straßburger. Das war keine +kleine Verantwortung, welche Luther und besonders Käthe zu tragen hatte. +Das jüngste, Margaretlein, hatte als Nachwehen 10 Wochen ein schweres +hitziges Fieber und kämpfte noch vor Weihnachten um Gesundheit und Leben +[301]. + +Der Diener Johannes Nischmann, der mehrere Jahre der Familie treulich +und „fleißig gedienet, dem Evangelium gemäß sich demütig gehalten und +alles gethan und gelitten“, zog Lichtmeß 1534 aus dem Schwarzen Kloster +mit 5 fl. Lohn und einem guten Zeugnis. Von einem andern dagegen ging +ein böses Geschrei aus, daß er sich von einem wenig achtbaren Mädchen +hätte verführen lassen[302]. + +Schmerz und Verdruß bereiteten den Lutherischen Eheleuten in dieser Zeit +aber auch ihre Verwandten. + +Zunächst Katharinas Brüder. Da war Hans aus Preußen heimgekehrt, um das +Gut Zulsdorf zu übernehmen, hatte eine Witfrau des von Seidewitz, eine +geborene Marschall, mit einem oder mehrern Kindern geheiratet[303]; er +konnte aber von dem Gütchen nicht recht leben und seinen Dienst am +preußischen Hofe auch nicht mehr erhalten — und seine Ehe soll auch +nicht glücklich gewesen sein. Daher mußte Käthe ihren Gatten um manche +Bittschrift für ihn angehen. Ebenso machte Bruder Clemens Sorge, welcher +gleichfalls in Preußen wegen Beteiligung an einer Schlägerei seine +Stelle bei Hof verlor und, wie es scheint, nicht mehr in „vorigen Stand +kommen“ konnte, trotz der Fürbitte der evangelischen Bischöfe von +Samland und Pomesan an den Herzog, ihn wieder zu Gnaden anzunehmen, +„damit er D. Martino und seiner geliebten Hausfrau nicht eine Betrübnis, +dazu Schimpf und Spott sei und also im Land hin und wieder und endlich +hinaus ziehet“. Der Herzog „wolle ihn doch mit einem Klepper und +Zehrung und gnädiger Fürschrift an den Kurfürsten von Sachsen +abfertigen“[304]. + +Näher noch gingen den beiden Ehegatten allerlei Erlebnisse mit den +Kindern im Hause, den eignen und noch mehr den fremden. + +Mit der Anzahl der Kinder wuchs auch die Erfahrung der jungen Eheleute +in der Zucht und Erziehung. Zu Anfang, als einmal eines der jungen +Kindlein schrie und weinte, daß es niemand stillen konnte, waren Käthe +sowohl wie Luther eine ganze Stunde traurig und bekümmert. Später +erkannten sie und der Vater sprach es aus: „Wenn junge Kinder recht +schreien, so wachsen sie wohl; denn durch Schreien dehnen sich die +Glieder und Adern auseinander, weil sie sonst keine andere Uebung haben, +sich zu bewegen“[305]. + +Als die Kinder größer wurden, gab es natürlich allerlei Unarten und +Vergehungen, und zwar sowohl bei den eignen, wie bei den angenommenen +Waisen. Das „Tauschen“ („Fuggern“ nannte man's später nach dem damals +berühmten Augsburger Handelshause) war natürlich auch bei den +Lutherskindern üblich. Ja, auch das „Stehlen“ („Schießen“ nannte man es +auch nach den „Schützen“ d.h. jungen fahrenden Schülern, den tirones +oder Plänklern in Vergleichung mit der römischen Heeresordnung). Das war +nun beides recht verpönt im Luther-Hause, freilich wurde bei Eßwaren, +namentlich Obst, als Kirschen, Aepfeln, Birnen, Nüssen, die Strafe +gelinder bemessen. Aber wenn einmal etwas anderes genommen wurde, dann +gab es böses Wetter im Hause. Ganz besonders aufgebracht werden konnte +der heftige Hausvater wegen Ungehorsams: Gehorsam hielt er mit andern +Pädagogen für die erste Tugend der Kinder. Darum ließ er seinen +Erstgeborenen einmal drei Tage lang nicht vors Angesicht kommen und Frau +Käthe mußte ihre ganze Ueberredungskraft und die Fürsprache von Freunden +anwenden, um den erzürnten Vater umzustimmen[306]. + +Im Jahre 1536 that Luther seinen Erstgebornen schon aus dem Hause zu +einem tüchtigen Schulmeister. — Die Unruhe war im Kloster gar zu groß. +Später — 1542 — kam er wieder fort zu dem berühmten Präzeptor Crodel in +Torgau[307]. + +Manchen Aerger hatten Luther und Käthe auch mit den fremden Kindern, +namentlich den Neffen. + +Man wird frelich kein großes Aufhebens zu machen haben, wenn Luther +einmal sagt: „Wenn ich meinen Enders (d.i. Andreas Kaufmann) nicht hätte +gestrichen, von seiner Untugend über Tisch gesagt und ihm Zucker und +Mandelkerne gegeben hätte, so hätte ich ihn schlimmer gemacht.“ Aber von +Martin (seines Bruders Sohn) erzählte Luther: „Derselbe hat mich einmal +also erzürnt und getötet, daß ich ganz von meines Leibes Kräften +gekommen bin.“ Als Fabian von Bora mit Hans Luther 1542 nach Torgau kam, +ließ er sich auf der Reise dahin verleiten, dem kleinen Paul Luther ein +Messer zu nehmen und dem Schulmeister Crodel vorzulügen, der Oheim habe +es ihm gegeben, während er vorher dergleichen nie gethan. Darüber +erzürnte Luther mächtig und diktierte dem armen Sünder drei Tage +hintereinander Streiche[308]. + +Begreiflicherweise vertuschte auch die Mutter und Hausfrau gar manches, +was bei den Kindern und dem Gesinde in dem großen Haushalt vorfiel, vor +dem heftigen Mann, so daß er in hellem Zorn aufflammen konnte: „Wenn sie +sündigen und allerlei Büberei treiben, so erfahre ich's nicht; man zeigt +mir's nicht an, sondern hält's heimlich vor mir“[309]. + +Es war aber freilich nicht allein die Furcht vor des Doktors Zorn, +sondern doch auch die Rücksicht auf den vielbeschäftigten und viel +geärgerten Mann, was die Gattin bewegen mußte, ihn mit den häuslichen +Widerwärtigkeiten möglichst zu verschonen. Er sollte vor allem an den +Kindern sich erfreuen. Denn diese Freude an den Kindern war Luther +freilich die größte und schönste und er war einigermaßen eifersüchtig +auf „Muhme Lene“, welche sie ihm „vorwegnahm“, da die Kinder so an ihr +hingen und so viel um sie waren[310]. Luther wollte seine Kinder nicht +so hart erzogen haben, wie es ihm ergangen war. Aber für Bosheit und +Schalkheit und Schaden sollten sie gestraft werden und es ihnen nicht +nachgesehen werden. Das war gewiß auch Frau Käthes Meinung und +jedenfalls war sie mit ihres Mannes Anschauung einverstanden: eines +Geistlichen Kinder müßten ganz besonders wohlgezogen sein, auf daß +andere Leute davon erbaut und ein gut Exempel nähmen; ungezogene +Pfarrkinder gäben andern „ein Aergernis und Privilegium zu sündigen“. +Dasselbe galt auch vom Gesinde. Denn, sagt Luther, „der Teufel hat ein +scharpf Aug auf mich, damit er meine Lehre verdächtig mache oder gar +einen Schandfleck anhänge.“ Daher war es ein aufregendes Ereignis, als +ein Mädchen in Luthers Hause sich übel aufführte[311]. + +Nach Muhme Lene's Abscheiden nämlich (1537) nahm das Luthersche Ehepaar +eine gefährliche Person ins Haus. Sie kam zu Luther, nannte sich Rosine +von Truchses und gab vor, eine arme Nonne aus hohem Geschlecht zu sein. +Da Luther aber scharf in sie drang, so bekannte sie, sie wäre eine +Bürgerstochter aus Minderstadt in Franken; ihr Vater sei im +Bauernaufruhr geköpft worden; sie irre als verwaistes Kind umher und +bitte um Gotteswillen ihr zu verzeihen und sich ihrer zu erbarmen. Der +gutherzige Mann that es. Das Jüngferlein bezeugte sich gar sittsam und +artig, wußte sich in Gunst zu setzen und das Vertrauen aller im Hause zu +erschleichen, besonders sich bei den Kindern wohl anzumachen. Aber es +war ein schlechtes Weibsbild, das sich in das Haus gedrängt hatte. In +Keller, Küche und Kammer kam allerlei weg; niemand wußte, wer der Dieb +war. Weiter lockte sie allerlei junge Leute an sich, die sie mit ihrer +angeblich hohen Abkunft beschwindelte, und trieb Unzucht mit ihnen. +Endlich entdeckte Frau Käthe die Sache und entfernte, während Luther auf +einer Reise war, die Person in aller Stille aus dem Hause. Luther war +froh, daß er nichts von allem gewußt hatte und daß sie jetzt fort sei. +Aber die Schwindlerin zog umher in allen Pfarrhäusern, berühmte sich +ihrer Bekanntschaft mit dem großen Doktor und seinem Hause, log, trog +und stahl weiter. Immer von neuem tauchte sie auf, zuletzt nach mehreren +Jahren noch in Leipzig, so daß Luther dorthin an den Richter Göritz, +seinen Gevatter, schreiben mußte, um ihrem Unfug ein Ende zu machen. +Luther litt unendlich unter dieser Schmach, die seinem Hause +widerfahren, und meinte, die Papisten hätten ihm diese Teufelsperson auf +den Hals geschickt. Aber auch Frau Käthe mußte es schwer tragen und dazu +noch die Vorwürfe ihres Mannes, welcher zürnte, daß man dieses Weibsbild +hatte entkommen lassen und nicht gleich in der Elbe ertränkt habe. Er +meinte durch diese Erfahrung gewitzigt zu sein, und doch bekam er vor +seinem Ende noch eine „andere Rosine“ ins Haus, die ihm den Aufenthalt +in Wittenberg verleiden half[312]. + +Ein anderes Vorkommnis setzte Frau Käthe 1538 hart zu. Ein Tagelöhner +arbeitete oft bei ihr, ein fleißiger und braver Mensch, nüchtern sanfter +wie ein Lamm, aber in der Trunkenheit ein Krakehler. An einem Sonntag +lief er in der ganzen Stadt herum und prahlte, er sei Famulus bei +Luther, und in der Aufregung schlug er jemand tot. Dann ward er +nüchtern, nahm mit Thränen Abschied von Frau Luther und wurde flüchtig. +Ein Weib und drei Kinder, die er im größten Elend zurückließ, fiel +natürlich Frau Käthe zur Last[313]. + + + + +11. Kapitel + +Hochzeiten und Krankheiten, Pest und Tod. + + +Besondere Geduld und Liebe, Vorsicht und Weisheit mußten die Eheleute +brauchen in der Behandlung der ihnen anvertrauten Kinder. + +Die verwaiste Pflegetochter Lenchen Kaufmann, „Mühmchen Lene die +Jüngere“, fing in noch recht jugendlichem Alter eine Liebelei mit +Magister Veit Dietrich an, der mit seinen sechs Scholaren im Schwarzen +Kloster lebte. Nun war Luther zwar der Meinung des Sprichworts: „Früh +aufstehn und jung freien“ und ist öfters für junge ehrbare Leute, die +sich einander gern hatten und zu einander paßten, bei ihren Eltern um +ihre Einwilligung eingetreten und hat sie gegen Eigensinn und +Selbstsucht der Väter und Mütter in Schutz genommen und +zusammengebracht. So hatte er sich auch schon 1523 eines Mädchens aus +Torgau angenommen, welchem der kurfürstliche Barbier die Ehe +versprochen und zum Unterpfand einen Ring gegeben und mit ihr eine Münze +geteilt hatte[314]. + +Aber er wußte auch, daß es zu früh und ungeschickt sein könnte, das +konnte er an Melanchthons Töchterlein merken, welches auch als kaum +vierzehnjähriges Kind sich in einen begabten, aber leichtsinnigen jungen +Poeten verliebt hatte und, da die Eltern unbedacht nachgaben, einen +unglücklichen Ehestand erlebte. Luther meinte, „es wäre nicht ratsam, +daß junge Leute so bald in der ersten Hitze und plötzlich freiten; denn +wenn sie den Fürwitz gebüßt hätten, so gereuete sie's bald hernach und +könnte keine beständige Ehe bleiben; es käme das Hündlein Reuel, das +viele Leute beißt“. Bestärkt wurde Luther in dieser Anschauung durch +seine Ehefrau, welche dem Veit Dietrich überhaupt nicht ganz hold war. +Das Jüngferlein Lene wollte natürlich die Stimme der Vernunft nicht +hören und zeigte sich ungebärdig, so daß Luther sogar einmal meinte, +„man sollte sie mit einem guten Knüttel züchtigen, daß ihr das +Mannnehmen verginge“[315]. + +Der Herr Magister Veit zog nun aus dem Hause und warf seinen Zorn vor +allem auf Frau Käthe, der er Herrschsucht und Habsucht vorwarf (1534). + +Aber als Bäschen Lene zu ihren vollkommenen Jahren gekommen war (1538) +und der Rechte kam, der auch mit Vorwissen der Pflegeeltern um sie +freite, da gaben diese ihre freudige Einwilligung. Es war M. Ambrosius +Berndt aus Jüterbog, ein gesetzter, „recht frommer (braver) Mann, der +Christum lieb hatte“, seit einem halben Jahr, wo ihm seine junge Frau im +ersten Kindbett samt dem Knäblein gestorben war, kinderloser Witwer, +Professor der Philosophie und Schöffer in Wittenberg, ein Amtsgenosse +und guter Bekannter und Gevattersmann der Lutherschen Familie. Von +dieser Verlobung und Hochzeit ist uns in den Tischreden Eingehendes +berichtet[316]. + +Martini 1538 beging Luther seinen Geburtstag. Dazu hatte Frau Käthe, wie +gewöhnlich einen festlichen Schmaus gerichtet und viele Freunde, Jonas, +Kreuziger, Melanchthon, auch die fremden Gäste Camerarius und Bucer, +welche damals in Wittenberg waren, eingeladen. Auch der Freier und +Lenchen Kaufmann waren zugeben. Vor dem Essen — es war ein Nachtmahl — +ließ nun der M. Ambrosius bei Luther „öffentlich werben um des Doktors +Muhme Magdalene, daß er ihm dieselbige wollte zur Ehegattin geben, wie +er ihm zuvor zugesagt“. Da nahm D. Martinus die Jungfrau bei der Hand +und sagte: „Lieber Herr Schöffer und Gevatter! Allhie habe ich die +Jungfrau, wie mir sie Gott gegeben und bescheret hat, die überantworte +ich Ihm. Gott gebe seinen Segen und Benedeiung, daß sie wohl und +christlich mit einander leben!“ + +Die Gäste wünschten Glück; man setzte sich zur Mahlzeit und waren alle +fröhlich und guter Dinge. Luther sprach vom Freien und der Freiheit +eines neuen Bräutigams, vom Kriegsdienst und allen andern Lasten und +Bürden. + +Als die Brautleute so eifrig und heimlich mit einander sprachen und die +Gesellschaft um sich her vergaßen, lächelte der Doktor und sagte: „Es +wundert mich, daß doch ein Bräutigam mit der Braut so viel zu reden hat. +Ob sie auch müde werden können? Aber man darf sie nicht vexieren, denn +sie haben Freibriefe über alle Macht und Gewohnheit.“ + +Die Brautleute bekümmerten sich nun um die Herrichtung der Hochzeit und +das Gästebitten. Da sprach der Doktor: „Seid unbekümmert, solches geht +euch nichts an. Wir wollen bedacht sein auf solch zufällig Ding, das +nicht zum Wesen des Ehestandes gehört.“ + +So schrieb denn Luther an den Fürsten von Anhalt um den Wild-Festbraten: +„Ich bitte ganz demütig, wo Ew. Fürstl. Gnaden so viel Uebrigs hätten, +wollten mir einen Frischling oder Schweinskopf schenken; denn ich soll +bis Mittwoch mein Waislein, meiner Schwester Tochter versorgen.“ Der +Wildbraten blieb natürlich nicht aus und Frau Käthe bereitete ihn zu, +auch der Stadtrat schickte zum Hochzeitsmahl ein „Stübchen“ Frankenwein +und vier Quart Jüterbogischen Wein — also aus des Bräutigams +Heimat[317]. + +So richteten nun die Pflegeeltern ihrer Nichte Hochzeit aus und sorgten +dafür, daß es fröhlich zuging und auch die Verwandten aus Mansfeld und +Eisleben eingeladen wurden. Luthers Lieblingsbruder Jakob kam herüber +und sogar zwei Vatersbrüder. Der Schulmeister mit den Sängern wurde +bestellt, und während Frau Käthe buk, briet und kochte, kostete der +Doktor die Weine im Keller. Er meinte: „Man soll den Gästen einen guten +Trunk geben, daß sie fröhlich werden: denn wie die Schrift sagt, das +Brot stärkt des Menschen Herz, der Wein aber macht ihn fröhlich.“ Es +sollte überhaupt in christlicher Fröhlichkeit bei Hochzeit zugehen, nach +dem Grundsatz: „Bei der Hochzeit soll man die Braut schmücken, soll +essen, trinken, schön tanzen und sich darüber kein Gewissen machen, denn +der Glaube und die Liebe läßt sich nicht austanzen noch aussitzen, so du +züchtig und mäßig darinnen bist.“ Beim Hochzeitsschmaus selbst sorgte +Luther für fröhliche Unterhaltung und allerlei Rätselaufgaben. So fragte +er den „schwarzen Engländer“ (wahrscheinlich Robert Barns, der seit 1533 +in Wittenberg studierte und zur Hochzeit geladen war): „Wie wollt Ihr +Wein in einen Keller legen nicht eingeschroten und nicht eingefüllt?“ +Der Engländer wußte es nicht; Luther aber sagte: „Man bringt Most +hinein, so wird schon Wein daraus; das ist eine natürliche Magie und +Kunststück.“ Weiter fragte er, welches die breiteten Wasser zu Lande +wären? Antwort: „Der Schnee, Regen und Tau“[318]. + +Dem neuen Ehepaare legte aber Luther einen seinen Spruch der Alten ans +Herz; der Braut: „Liebe Tochter, halte Dich also gegen Deinen Mann, daß +er fröhlich wird, wie er auf dem Heimwege die Spitze des Hauses sieht.“ +Und dem Bräutigam: „Es soll der Mann leben mit seinem Weibe, daß sie ihn +nicht gerne siehet wegziehen und fröhlich wird, so er heimkommt“[319]. + +Diesen fröhlichen Tagen sind schwere Jahre vorausgegangen und gefolgt. + +Schon 1535 war die Pest wieder in Wittenberg eingekehrt. Obwohl der +Kurfürst Luther dringend mahnte, der Gefahr aus dem Wege zu gehen, +meinte er doch, es sei nichts Rechtes an der Sache, er glaubte nicht +daran und spottete darüber in seinem Brief an den Kurfürsten: sein +„gewisser Wetterhahn“, der Landvoigt Hans Metzsch, hätte sonst mit +seiner Spürnase schon die Pestilenz gespürt. Luther meinte, die +Studenten hörten das Pestgeschrei gern, sie kriegten die Beule auf dem +Schulsack, die Kolik in den Büchern, den Grind an den Federn, die Gicht +am Papier; vielen sei die Tinte schimmlich geworden, oder sie hätten die +Mutterbriefe gefressen und das Heimweh bekommen: da müßten die Eltern +und die Obrigkeit eine starke Arznei wider solch Landsterben +verschreiben. Der Teufel scheine Fastnacht mit solchem Schrecken zu +halten oder Kirmes in der Hölle zu feiern mit solchen Larven. Die Sache +ging auch bald vorüber[320]. + +Ernster wurde es aber 1537. Zu Lichtmeß dieses Jahres mußte Luther auf +den Schmalkaldener Konvent. Er fuhr in eigenem Wagen mit Käthes Pferden. +Käthe sah ihren Gatten nicht ohne Sorgen abreisen; denn er war nicht +ganz wohl, das Wetter unwirtlich, die Wege schlecht, fremde Betten und +Mahlzeiten und das ungewohnte Leben waren ihm nicht zuträglich, wie sie +schon von früheren Reisen wußte. Er fühlte sich nirgends so wohl wie +daheim, mit seinem gewohnten Essen und Trinken und Arbeiten. Luther +erkältete sich denn auch zu Schmalkalden in seiner unbequemen Herberge +in den feuchten „hessischen Betten“ und verdarb sich an dem schweren, +festen Hofbrot den Magen. Sein Steinleiden stellte sich mit einer +unerhörten Heftigkeit ein; über vierzehn Tage lang dauerte es und +verursachte die rasendsten Schmerzen, so daß er sich den Tod wünschte +und seine Umgebung seinen Tod voraussah. Die Fürstlichen Leibärzte +wußten ihm nicht zu helfen und sie marterten ihn mit Roßkuren. Daher +wollte Luther lieber daheim sterben und sich von seinem Weibe zu tot +oder gesund pflegen lassen und ließ sich am 26. Februar aus Schmalkalden +in kurfürstlichem Gefährt wegfahren gen Wittenberg[321]. + +Hier hatte Jonas zu Anfang mehrere Briefe von Luther aus Schmalkalden +empfangen. Im ersten meldete er, daß er gleich nach seiner Ankunft einen +Stein überstanden habe, sonst schrieb er aber vergnügt, und fünf Tage +darauf, daß der Valentinstag ihn valentulum d.h. zum Rekonvaleszenten +gemacht habe. Vier Briefe aber an Käthe waren nicht an sie gelangt: +wahrscheinlich waren sie von den ängstlichen Freunden vorsorglicherweise +zurückgehalten worden. Aber sie hatte doch Gerüchte gehört und nicht +geruht, bis wenigstens Jonas mit der Nichte Luthers dem kranken Mann +entgegenreiste. Frau Käthe erhielt erst später, als es wieder besser +ging, folgenden Brief ihres Mannes aus Gotha[646]: + +„Gnade und Friede in Christo! + +Du magst dieweil andere Pferde mieten zu Deiner Notdurft, liebe Käthe; +denn mein gnädiger Herr wird Deine Pferde behalten und mit dem Mag. +Philipp heimschicken. Denn ich selber gestern von Schmalkalden +aufgebrochen auf meines gnädigen Herrn eigenem Wagen daher fuhr. Ist die +Ursach, ich bin nicht über drei Tag hier gesund, und ist bis auf diese +Nacht vom ersten Sonntag an kein Tröpflein Wasser von mir gelassen, hab' +nie geruhet noch geschlafen, kein Trinken noch Essen behalten mögen. +Summa, ich bin tot gewesen, und hab' Dich mit den Kindlein Gott befohlen +und meinem guten Herrn, als würde ich euch nimmermehr sehen; hat mich +euer sehr erbarmet, aber ich hatte mich dem Grabe beschieden. Nun hat +man so hart gebeten für mich zu Gott, daß vieler Leute Thränen vermocht +haben, daß mir Gott diese Nacht geholfen hat und mich dünkt, ich sei +wieder von neuem geboren. + +Darum danke Gott, und laß die lieben Kindlein mit Muhme Lenen dem +rechten Vater danken; denn ihr hättet diesen Vater gewißlich verloren. +Der fromme Fürst hat lassen laufen, reiten, holen und mit altem Vermögen +sein Höchstes versucht, ob mir möcht' geholfen werden; aber es hat nicht +wollen sein. Deine Kunst hilft nicht mit dem Mist[322]. Gott hat Wunder +an mir gethan diese Nacht und thut's noch durch frommer Leute Fürbitte. + +Solches schreib' ich Dir darum, denn ich halte, daß mein gnädigster Herr +habe befohlen dem Landvogt, Dich mir entgegen zu schicken, da ich ja +unterwegen stürbe, daß Du zuvor mit mir reden oder mich sehen möchtest; +welches nun nicht not ist und magst wohl daheim bleiben, weil mir Gott +so reichlich geholfen hat, daß ich mich versehe, fröhlich zu Dir zu +kommen. Heute liegen wir zu Gotha. Ich habe sonst viermal geschrieben, +wundert mich, daß nichts zu euch kommen ist. + +Dienstags nach Reminiscere. 1537. + +Martinus Luther.“ + +Wie mag das arme Weib erschrocken sein über diese unglückliche Kunde! +und wie hätte sie erst gebangt, wenn sie gewußt hätte, daß am folgenden +Tag der tödliche Anfall sich wiederholte, bis wieder sechs Steine von +ihm gingen. Käthe fuhr nun ihrem Manne entgegen nach Altenburg, wo +Freund Spalatin als Pfarrer lebte. Bei diesem bereitete sie nun eine +Herberge, bis Jonas und die Muhme Lenchen mit dem Kranken von Weimar her +ankamen. Im gastlichen Altenburger Pfarrhaus pflegte Käthe den +Erschöpften einige Tage und fuhr dann mit ihm Mitte März langsam an +Kloster Nimbschen vorbei, mit einem Aufenthalt in Grimma nach Wittenberg +heim, wo sie am 14. März ankamen[323]. + +Langsam nur erholte sich Luther; an allen Knochen wie zerschlagen, +konnte er sich kaum auf den Beinen halten, so erschöpft war er. Er +lernte wieder essen und trinken: die Ruhe und Käthes sorgliche Pflege +brachte ihn allmählich wieder zu Kräften. Acht Tage darauf konnte er +wieder die feiernde Feder ergreifen und seinen Dankesbrief an Spalatin +schreiben. Frau Käthe, die in der Bestürzung den Töchtern Spalatins +nichts mitgebracht hatte, wollte ein paar Bücher binden lassen und zum +Andenken schicken. Ueber die Osterzeit hat Luther dann wieder fleißig +gepredigt. Aber als er später wieder in die Hessenstadt zum Konvent +gehen sollte, hielt Käthe ihren Gatten zurück und er selbst warnte die +Freunde vor „den hessischen Betten“[324]. + +In diesem Jahre ging auch Muhme Lene heim und mit ihr ein guter +Hausgeist, eine Stütze der Hausfrau, eine geliebte Freundin und Hüterin +der Kinder. Der Ersatz, den Frau Käthe für sie suchte und erhielt in +„Muhme Lene“ der jüngeren, ihrer leichtherzigen Nichte, und gar in +fremden Stützen der Hausfrau, war ein sehr zweifelhafter[325]. + +In diesem Jahre 1537 hatte Frau Käthe noch einen schweren Fall von +Krankenpflege in ihrem Hause: nämlich die Kurfürstin Elisabeth von +Brandenburg. + +Die arme Frau war schon 1534 kränklich, bald besser, bald schwerer. +Damals war sie in Wittenberg. Luther mußte aber auch öfter zu ihr nach +Schloß Lichtenberg reisen. Im Todesjahre ihres Gemahls, 1537, aber, als +sich ihr Zustand zu einer Geistesstörung ausgebildet hatte, war sie zur +Verpflegung in Luthers Haus, wohl auf des Kurfürsten von Sachsen +Veranlassung. Nach langem Fiebertraum erwachte sie im September, war +aber so blöde und kindisch, daß sie wenig verstand. Frau Käthe saß bei +ihr auf dem Bette und schweigete sie[326]. Darauf wollte ihre Tochter, +Fürstin Margarete von Anhalt, mit Gefolge zum Besuch der kranken Mutter +kommen, natürlich womöglich auch in Luthers Behausung. Aber diese konnte +man nicht auch noch aufnehmen; war doch das große Haus genug belegt; +auch in der Stadt, die als Festung so eng gebaut war und jetzt so +besucht von Studenten, war jedes Haus bis in den kleinsten Winkel +vollgepropft. So mußte man den Besuch ablehnen, aber versichern, daß +alles angewendet werde, um die Genesung der Kurfürstin zu +beschleunigen[327]. Die andere Tochter der Kurfürstin, Herzogin +Elisabeth von Braunschweig-Calenberg, welche einst ihre Mutter wegen des +evangelischen Abendmahls an den Vater und eine ungünstige Aeußerung +Luthers über Herzog Georg an diesen verraten hatte, kam öfter zum Besuch +ihrer kranken Mutter in Luthers Haus; und dieser Umgang brachte sie +dazu, daß sie selbst evangelisch wurde und nach dem Tode ihres Gemahls +als Regentin des Landes in Braunschweig die Reformation einführte. Sie +wurde sehr befreundet mit Luther und Käthe, schickte ihr einmal eine +Sendung Käse und bekam dafür Maulbeer- und Feigen-Setzlinge[328]. + +Aber der Zustand der armen „Markgräfin“ war ein trauriger und noch +monatelang mußte sie Käthe pflegen. Dabei trugen sich allerlei +ärgerliche Zwischenfälle zu, namentlich durch die Zudringlichkeit +unberufener Leute: so drängte sich eine schmutzige Böhmin ins Haus, ins +Gemach und an die Seite der Fürstin, suchte für sich Gunst und andern +Ungunst zu erregen. Eine Zeitlang ging es noch gut; als die Kranke aber +Geld ausgezahlt bekam, da fing es wieder an, sie verschwendete maßlos an +jedermann ohne Unterschied; auch den Lutherischen Eheleuten wollte sie +zwei Stürzbecher mit 100 Goldgulden darin schenken. Dazu machte sie +immer Reisepläne und schrieb heimlich überallhin und wollte durchaus +fort aus Wittenberg[329]. + +Luther und Käthe wären die unruhige Patientin, über die sie nicht +völlige Gewalt hatten, mit der vielen Unmuße gerne losgewesen, mußten +aber warten, bis der Hofhalt in Lichtenberg wieder eingerichtet +war[330]. + +Die greise Kurfürstin wurde nachher wieder gesund und überlebte noch +Luther. + +Nachdem das Jahr 1538 ebenfalls ein „fährlich schwer Jahr“ gewesen wegen +der mancherlei Krankheiten, spukte im Spätherbst 1539 die Pest wieder im +Lande. Die Leute hatten eine furchtbare Angst, der Bruder ließ den +Bruder, der Sohn die Eltern im Stich; wenn ein Haus angesteckt war, +wurde es niedergerissen. Kein Bauer wollte Holz, Eier, Butter, Käse, +Korn in die verseuchte Stadt fahren. Da mußten die Wittenberger zwei +Plagen für eine leiden: Pestilenz und Hunger und Frost. Die Bauern luden +endlich ihre Sachen draußen vor den Thoren ab und die Städter mußten sie +auflesen[331]. + +Luther freilich nahm wie gewohnt „das Pestlein“ leicht und hielt es nur +für eine Seuche. Er zürnte und spottete über die Pestfurcht: „Ich halt, +der Teufel hat die Leut besessen mit der _rechten_ Pestilenz, daß sie so +schändlich erschrecken.“ Ja, er trotzte der Krankheit, um Tod und Teufel +zu verachten. Als er einmal einen Pestkranken besuchte, betastete er +ohne Scheu dessen Beulen. Und er war so sorglos, daß er, als er heimkam, +sogar mit ungewaschenen Händen sein Töchterlein Margarete unbedacht um +den Mund streichelte — es schadete freilich nichts. Ja, als die Gattin +des Kosmographen Dr. Sebald Münster an der Seuche starb und dieser +selbst an sieben Beulen litt, nahm Luther zum Entsetzen der Wittenberger +die vier Kinder Sebalds aus dem verpesteten Hause zu sich. Guter Gott! +was entstand in der ganzen Stadt für ein Geschrei gegen Luther! Er +wollte den Erbarmungslosen und Furchtsamen ein Exempel geben[332]. + +Diejenige, welche am wenigsten wider diese starkmütige Tapferkeit +Luthers einzuwenden hatte, war seine Gattin; und sie hatte doch die +größte Mühe und Sorge mit den übernommenen Kindern und war dazu wie vor +zehn Jahren ihrer Entbindung nahe. Und sie mußte es büßen. Sie kam +unglücklich nieder und schwebte lange Zeit zwischen Leben und Tod. Sie +fiel von einer Ohnmacht in die andre. Vergebens wurden alle stärkenden +Mittel angewendet, die Entkräftung zu heben. Sie lag da wie eine atmende +Leiche, das Gesicht entstellt, die Gestalt verfallen. Wohl wurde sie von +besorgten Händen aufs treulichste gepflegt und jeder Atemzug, jede +Bewegung beobachtet[333]. + +Luther wich nicht von der geliebten Frau und sagte darum seine Anwohnung +auf dem Schmalkalder Konvent ab. Er betete Käthe wieder lebendig, wie +einst zu Weimar seinen Freund Melanchthon. Denn wunderbarerweise siegte +Käthes starke Natur. Sie erholte sich, fing mit Appetit an zu essen und +zu trinken, stand wieder auf und kroch umher, indem sie sich mit den +Händen an Tischen und Bänken hielt. Und bald that sie sich etwas zu gut +auf ihre wachsende Gesundheit und im April ist sie völlig wieder +hergestellt[334]. + +Die Freunde sahen in der wie durch ein Wunder genesenden Gattin des +Reformators das Weib der Offenbarung (Kap. 12): ein Sinnbild der durch +ein Gotteswunder genesenden kranken Kirche[335]. + +Im Sommer 1540 reiste Luther mit Melanchthon nach Eisenach, um dem +Reichstag in Hagenau näher zu sein, ähnlich wie vor zehn Jahren in +Koburg dem Augsburger Tag. Melanchthon sollte nach Hagenau ziehen, aber +er wurde unterwegs in Weimar sterbenskrank; doch Luther hat ihn unsrem +Herrgott abgebetet. In Eisenach wohnte Luther im Pfarrhaus des Menius, +welcher mit nach Hagenau reiste. Sein „Fraulein“ pflegte den +Wittenberger Doktor aufs sorgsamste und liebenswürdigste, so daß Frau +Käthe unbesorgt sein konnte. Und der Kinderfreund Luther entschädigte +sich für die Entfernung von seinen Kleinen dadurch, daß er den +Pfarrbuben Timotheus ein Spiel mit Nüssen lehrte. Von hier aus schrieb +Luther fleißig Briefe nach Haus, erhielt freilich von der +vielbeschäftigten Frau Käthe nicht so leicht einen. Dafür mußten die +Kinder und Hausgenossen schreiben, zu denen damals auch ein „Mariischen“ +gehörte[336]. + +Die drei ersten Briefe sind verloren gegangen, der vierte aber +lautet[337]: + +„Meiner herzlieben Käthe, Doktorin Kathrin und Frauen auf dem neuen +Saumarkt zu handen. + +Gnade und Friede, liebe Jungfrau Käthe, gnädige Frau von Zulsdorf und +wie Ew. Gnaden mehr heißt! Ich füge Euch und Ew. Gnaden unterthäniglich +zu wissen, daß mir's hie wohl gehet: „ich fresse wie ein Böhme und saufe +wie ein Deutscher“[338] — das sei Gott gedankt, Amen. Das kommt daher: +Magister Philipps ist wahrlich tot gewesen und recht wie Lazarus vom Tod +auferstanden. Gott der liebe Vater höret unser Gebet, das sehen und +greifen wir, ohne daß wir's dennoch nicht glauben: da sage niemand Amen +zu unserm schändlichen Unglauben. + +Ich hab' dem Doktor Pommer Pfarrherr geschrieben, wie der Graf zu +Schwarzburg (um) einen Pfarrherrn gen Greußen bittet, da magst Du als +eine kluge Frau und Doktorin mit Magister Georg Röhrer und Magister +Ambrosio Berndt helfen raten, welcher unter den dreien sich wollte +bereden lassen, die ich dem Pommer angezeigt: es ist nicht eine +schlechte Pfarre; doch seid ihr klug und macht's besser. + +Ich habe der Kinder Briefe, auch des Bacculaurien (Hans) — der kein Kind +ist, Mariische auch nicht — kriegt, aber von Ew. Gnaden hab' ich nichts +kriegt; werdet jetzt auf die vierte Schrift, ob Gott will, einmal +antworten mit Ew. gnädigen Hand. + +Ich schicke hie mit dem Magister Paul den silbernen Apfel, den mir Ihre +gnädige Hand geschenkt hat, den magst Du, wie ich zuvor geredet habe, +unter die Kinder teilen und fragen, wie viel sie Kirschen und Aepfel +dafür nehmen wollen; die bezahle ihnen bar über und behalt' Du den Stiel +davon. + +Sage untern lieben Kostgängern, sonderlich Doktor Severo oder Schiefer, +mein freundlich Herz und guten Willen, und daß sie helfen zusehen in +allen Sachen der Kirchen, Schulen, Haus und wo es not sein will. Auch M. +Georg Major und M. Ambrosio, daß sie Dir zu Hause tröstlich seien. +Will's Gott, so wollen wir bis Sonntag auf sein, von Weimar gen Eisenach +zu ziehen, und Philipps mit. Hiemit Gott befohlen. Sage Lycaoni nostro +(dem Diener Wolfgang), daß er die Maulbeer nicht versäume, er verschlafe +sie denn, das wird er nicht thun — er versehe es denn — und den Wein +soll er auch zur Zeit abziehen. Seid fröhlich alle und betet. Amen. + +Weimar, am Tage der Heimsuchung Mariä (2. Juli) 1540. + +Martinus Luther, + +Dein Herzliebchen.“ + +Mit dem folgenden Brief an „Frau Katherin Luderin zu Wittenberg, meiner +lieben Hausfrau“ schickt Luther seiner „lieben Jungfer Käthe“ durch den +Fuhrmann Wolf 42 Thaler Sold und 40 fl. Die „magst Du brauchen, bis wir +kommen, und wechseln lassen bei Haus von Taubenheim zu Torgau; denn wir +zu Hofe nicht einen Pfennig Kleinmünze mögen haben. Magister Philipps +kommt wieder zum Leben aus dem Grabe, siehet noch kränklich, aber doch +leberlich aus, scherzt und lacht wieder mit uns, isset und trinket wie +zuvor mit über Tische. Gott sei Lob! Und danket ihr auch dem lieben +Vater im Himmel.... Was aber (zu Hagenau) geschieht, wissen wir nicht, +nur das: man achtet, sie werden uns heißen: Thu das und das, oder wir +wollen euch fressen. Denn sie haben's böse im Sinn. Sage auch Doct. +Schiefer, daß ich nichts mehr von Ferdinando halte; er gehet da hin zu +grunde. Doch hab ich Sorge, wie ich oft geweissagt, der Papst möchte den +Türken über uns führen.... Denn der Papst singet schon bereits: flectere +si nequeo Superos, Acheronta movebo: kann er den Kaiser nicht über uns +treiben, so wird er's mit dem Türken versuchen; er will Christus nicht +nachgeben. So schlage denn Christus drein beides in Türken, Papst und +Teufel und beweise, daß er der rechte Herr sei vom Vater zur Rechten +gesetzt. Amen! — Amsdorf ist auch noch hier bei uns. Hiemit Gott +befohlen. Amen. + +Sonnabends nach Kiliani (10. Juli). + +Mart. Luther.“[339] + +Sechs Tage darauf kam wieder ein Brief[340]. + +„Gnade und Friede. Meine liebe Jungfer und Frau Käthe! Euer Gnaden +sollen wissen, daß wir hier, Gottlob, frisch und gesund sind; „fressen, +wie die Böhmen“ — doch nicht sehr — „saufen wie die Deutschen“ — doch +nicht viel —, sind aber fröhlich. Denn unser gnädiger Herr von +Magdeburg, Bischof Amsdorf, ist unser Tischgenosse. Mehr neue Zeitung +wissen wir nicht, denn daß Doktor Kaspar Mekum und Menius sind von +Hagenau gen Straßburg spazieren gezogen, Hans von Jenen zu Dienst und +Ehren. M. Philipps ist wiederum fein worden, Gottlob. Sage meinem lieben +D. Schiefer, daß sein König Ferdinand ein Geschrei will kriegen, als +wolle er den Türken zu Gevatter bitten über die evangelischen Fürsten: +hoffe nicht, daß es wahr sei, sonst wäre es zu grob. Schreibe mir auch +einmal, ob Du alles kriegt hast, was ich Dir gesandt, als neulich 90 Fl. +bei Wolf Fuhrmann u.s.w. Hiermit Gott befohlen, Amen. Und laß die Kinder +beten. Es ist allhier solche Hitze und Dürre, daß unsäglich und +unerträglich ist bei Tag und Nacht. Komm, lieber jüngster Tag, Amen. + +Freitags nach Margareten, 1540. Der Bischof von Magdeburg läßt Dich +freundlich grüßen. + +Dein Liebchen + +Martin Luther.“ + +Und endlich als es wieder auf die Heimreise ging, kündigt Luther Käthe +die Rückkehr an und bestellt einen Willkommtrunk. + +„Der reichen Frauen zu Zulsdorf, Frauen Doktorin Katherin Lutherin, zu +Wittenberg leiblich wohnhaftig und zu Zulsdorf geistlich wandelnd, +meinem Liebchen zu handen. — Abwesend dem Doktor Pomeran, Pfarrherr, zu +brechen und zu lesen. + +... (Ew. Gnaden) ... wollen schaffen, daß wir einen guten Trunk bei Euch +finden. Denn, ob Gott will, morgen Dienstag wollen wir auf sein gegen +Wittenberg zu. Es ist mit dem Reichstage zu Hagenow ein Dreck, ist Mühe +und Arbeit verloren und Unkost vergeblich. Doch, wo wir nichts mehr aus +gerichtet, so haben wir doch Magister Philippus wieder aus der Hölle +geholet und wieder aus dem Grabe fröhlich heimbringen wollen, ob Gott +will und mit seiner Gnaden, Amen. + +Es ist der Teufel hieraußen selber mit neuen bösen Teufeln besessen, +brennt und thut Schaden, das schrecklich ist. Meinem gnädigsten Herrn +ist im Thüringer Wald mehr denn tausend Acker Holz abgebrannt und +brennet noch. Dazu kommt heute Zeitung, daß der Wald bei Werda auch +angegangen sei und viel Orten mehr; hilft kein Löschen. Das will teuer +Holz machen. Betet und lasset beten wider den leidigen Satan, der uns +sucht nicht allein an Seele und Leib, sondern auch an Gut und Ehre aufs +allerheftigste. Christus, unser Herr, wolle vom Himmel kommen und auch +ein Feuerlein dem Teufel und seinen Gesellen aufblasen, daß er nicht +löschen könnte, Amen. + +Ich bin nicht gewiß gewesen, ob Dich diese Briefe zu Wittenberg oder zu +Zulsdorf würden finden; sonst wollt' ich geschrieben haben von mehr +Dingen. Hiemit Gott befohlen, Amen. Grüße unsere Kinder, Kostgänger und +alle. Montags nach Jacobi (26. Juli) 1540. + +Dein Liebchen + +M. Luther, D.[341] + +Um diese Zeit begann eine neue Sorge für Käthe. Ihrem Bruder Hans wollte +es auf Zulsdorf gar nicht glücken. Daher kaufte sie ihm Zulsdorf ab. +Aber sie mußte auch ihres Mannes vielfache Beziehungen zu fürstlichen +Höfen angehen, um ihm wieder einen Hofdienst zu verschaffen, sei's in +Preußen, sei's in Sachsen. Luther konnte das mit gutem Gewissen, denn +Hans von Bora war keiner von den großmäuligen „Scharhansen“, wie sie in +dieser Zeit massenhaft aufgekommen waren. Aber vielleicht eben wegen +seiner Frommheit hatte er Unglück. Ein Gegner Luthers verdrängte ihn von +seinem Vorsteheramte am Neuen Kloster in Leipzig, bis er endlich einen +Teil des Klostergutes in Crimmitschau überkam[342]. + +Im Herbst dieses Jahres (1540) suchte die Stadt Wittenberg ein Fieber +heim, das zwar selten einen tödlichen Ausgang nahm, aber so ziemlich +alle Bewohner ergriff. Bugenhagen war so krank, daß Luther für ihn sein +Pfarramt versehen mußte. Im eignen Hause waren zehn Todkranke und dazu +fühlte sich der Hausherr selber „alt und schwach“. Da konnte wieder +Käthe ihre Sorge und Pflege anwenden[343]. + +Zu Ostern des folgenden Jahres (1541) wurde die Umgebung Wellenbergs +erschreckt durch Brandstiftungen und allerlei Vergiftungserscheinungen, +indem die Lebensmittel: Wein und Milch mit Gift und Gips gemischt +wurden. Es wurden allerlei Leute verhaftet und gefoltert, auch in +Wittenberg zwei Leute geröstet — ohne die Ursachen und die Urheber zu +entdecken. Luther fühlte sich in diesem Jahr gar nicht wohl, so daß der +Kurfürst ihm sogar einmal zwei Aerzte schickte und er am Dreikönigstag +des folgenden Jahres (1542) sein Testament machte[344]. + +Noch eine Freude erlebten die Eheleute zu dieser Zeit: die Enkelin von +Luthers Schwerer, _Hanna Strauß_, die in der Familie erzogen war, wurde +mit M. Heinrich von Kölleda im Dezember 1541 verlobt, nachdem die +Pflegeeltern die Verlobung des Dr. Jakob Schenck (später als Luthers +Gegner „der Jäckel“) abgewiesen hatten. Zu dem Verlöbnis kam gerade von +den Anhalter Fürstenbrüdern ein Wildschwein, als Luther eben gebeten +hatte, wenn es möglich und thunlich wäre, ihn zur Hochzeit „etwa mit +einem Wildbret zu begaben, denn ich einer Hausjungfrauen, meiner +Freundin (Verwandten) soll zu Ehren helfen in den hl. Stand der Ehe“. Am +30. Januar 1542 wurde Hochzeit gemacht, die letzte in Luthers Haus. +Amsdorf u.a. schickten Hochzeitsgeschenke, und weiteres Wildbret von +Anhalt wird nicht gefehlt haben[345]. + +Aber zu gleicher Zeit (1541) starb auch nach nur vierjähriger Ehe D. +Ambros. Berndt, der Gatte der Magdalene Kaufmann, der Muhme Lene der +Jüngeren. Die junge Witwe machte sich nun zum großen Verdrusse der +Lutherischen Verwandten an einen sehr jugendlichen Mediziner, Ernst +Reichet (Reuchlin), der noch studieren mußte und heiratete ihn auch nach +Luthers Tod, so daß sie eine zeitlang in rechte Bedrängnis geriet, bis +ihr Mann eine ehrenvolle Stellung erwarb[346]. + +Auch Lenes Bruder, Cyriak, bereitete Luther großen Aerger, indem er nach +dem Beispiel von Melanchthons und Dr. Beiers Sohn ein heimliches +Verlöbnis einging, was die Wittenberger Juristen als giltig +anerkannten[347]. + +Am 26. August 1542 war der älteste Sohn, Hans Luther, jetzt 16jährig und +bereits seit drei Jahren Baccalaureus, nach Torgau geschickt worden zu +Markus Crodel, der dort eine treffliche, von Luther hochgeschätzte +Knabenschule hielt, damit er in Sprachlehre und Musik ausgebildet werde, +auch Sitte und Anstand lerne, wozu in der studentenwimmelnden Kleinstadt +und in Luthers überfülltem Hause nicht der rechte Ort war; Luther war +sich auch bewußt, Theologen bilden zu können, aber keine Grammatiker und +Musiker. Daher wollte er Crodel, wenn er am Leben bliebe, noch später +die zwei jüngeren Söhne schicken. Der Gesellschaft und Aneiferung wegen +wurde auch Käthes Brudersohn, Florian von Bora, mitgeschickt. Hans war +ein guter Junge, während Florian schon einer härteren Zucht bedurfte. +Der Mutter that der Abschied weh, noch mehr aber der ältesten Schwester, +Lenchen, die mit besondrer Zärtlichkeit an ihm hing. Aber Hans gefiel es +gut im Pensionat des Präzeptors, er hatte ihn und seine Frau zu rühmen; +er meinte sogar, es erginge ihm hier besser als daheim[646]. + +Kaum aber war der Bruder abgereist, so wurde Lenchen sterbenskrank. + +Es war ein gar liebes frommes Mädchen, das seine Eltern ihr Lebtag nie +erzürnt hatte. Auf ihrem Sterbebette verlangte sie herzlich und +schmerzlich, ihren Bruder Hans nochmals zusehen; sie meinte, sie würde +dann wieder gesund werden. Käthe mußte ihren Wagen anspannen lassen und +der Kutscher Wolf fuhr mit dem Luther'schen Gefährt nach Torgau. Er +brachte einen Brief vom Vater an den Präzeptor, der lautete: + +„Gnade und Friede, mein lieber Markus Krodel. Ich bitt' Euch, sagt +meinem Sohn Hans nicht, was ich Euch schreibe. Mein Töchterlein +Magdalena ist dem Ende nahe und wird bald heimkehren zu ihrem wahren +Vater im Himmel, wenn' s Gott nicht anders gefällig ist. Aber sie sehnt +sich so sehr darnach, den Bruder zu sehen, daß ich den Wagen schicken +mußte: sie lieben eins das andere gar so sehr — vielleicht, daß sein +Kommen ihr neue Kraft geben könnte. Ich thue, was ich kann, damit mich +nicht später mein Gewissen beschwert. So sagt ihm also — doch ohne die +Ursach' — daß er mit diesem Wagen eilends herkomme, um bald wieder +zurückzukehren, wenn Lenchen im Herrn entschlafen oder wieder gesund +worden sein wird. Gott befohlen. Ihr müßt ihm sagen, es warte seiner ein +heimlicher Auftrag. Sonst steht alles wohl. 6. September 1542.“[348] + +Hans kam zurück und auch rechtzeitig daheim an. Denn das arme Mädchen +mußte noch vierzehn Tage leiden und mit dem Tode ringen: offenbar hatte +dies Wiedersehen des Bruders ihre Lebensgeister nochmals aufflammen +lassen. Es waren gar traurige Wochen in dem Lutherhaus. Das fromme +Mägdlein zwar wollte gerne sterben: beim irdischen Vater bleiben oder +zum himmlischen heimkehren. „Ja, herzer Vater“, sagte es, „wie Gott +will!“ Aber den Eltern kam der Abschied ihres Lieblings sehr hart an, +namentlich Luther, der hatte sie sehr lieb, denn die Väter hängen mehr +an den Töchtern, während Frau Käthe zu ihrem Hans größere Zuneigung +fühlte. + +In der Nacht vor Lenchens Tode hatte die Mutter einen wundersamen Traum: +Es deuchte sie, zwei geschmückte, schöne junge Gesellen kämen und +wollten ihr Lenchen zur Hochzeit führen. Am Morgen kam Melanchthon +herüber ins Kloster und fragte, was Lenchen machte. Da erzählte Frau +Käthe ihren Traum. Magister Philipp, der bei andern im Geruch der +Wahrsagung und Traumdeuterei stand und sich selbst viel darauf zu gut +that, machte ein erschrockenes Gesicht. Und als er zu anderen Leuten +kam, deutete er den Traum: „Die jungen Gesellen sind die lieben Engel, +die werden kommen und diese Jungfrau in das Himmelreich zur rechten +Hochzeit heimführen.“ Melanchthon hatte diesmal recht prophezeit. + +Am 26. September um die neunte Stunde ging es zu Ende. Der Vater hielt +das Kind in seinen Armen, die Mutter stand dabei. Der Doktor weinte, +betete und tröstete abwechselnd das Kind, sich selbst und die +Umstehenden: Frau Käthe, Melanchthon und D. Röhrer. Die Mutter war tief +ergriffen; als es zu Ende war, weinte sie ihren Jammer laut hinaus, so +daß Luther sie beruhigen mußte: „Liebe Käthe, bedenke doch, wo sie +hinkommt: sie kommt wohl.“ + +Die traurigen Ereignisse gingen ihren Gang. Der Sarg kam; aber als das +Mägdlein hineingelegt werden sollte, hatte es der Tod gestreckt und ihr +Bettlein war ihr zu klein geworden. Die Leute kamen und bezeugten den +Eltern nach dem gemeinen Brauch ihr Beileid: „es wäre ihnen ihre +Betrübnis leid“. Der Schülerchor sang das Lied: „Herr, gedenk nicht +unsrer vorigen alten Missethat.“ Sie ward hinausgetragen auf den +Friedhof am Elsterthor, und eingescharrt. „Es ist die Auferstehung des +Fleisches“, sagte Luther, der jedes Wort und jeden Akt mit einem +sinnigen Trostspruch begleitete. Dann ging der traurige Zug heim und der +Doktor sagte zu Käthe: „Nun ist unsere Tochter beschickt, an Leib und +Seel versorgt, wie es Eltern sollen thun, sonderlich mit den armen +Mägdlein.“ Darauf dichtete der Doktor seinem Töchterlein eine +lateinische Grabschrift, die lautet in treuherzigem Deutsch: + + Hie schlaf ich Lenchen, D. Luthers Töchterlein, + Ruh mit allen Heiligen in mei'm Bettelein[349]. + +Aber noch monatelang sprach und schrieb Luther von seiner Trauer, zürnte +wider den Tod und milderte seinen Schmerz mit Thränen um die geliebte +Tochter; und Käthe hatte die Augen voll Thränen und schluchzte laut auf +beim Gedanken an das „gute gehorsame Töchterlein“[350]. + +Begreiflich, daß Frau Käthe den erstgebornen Sohn mit schwerem Herzen +wieder in die Ferne entließ. „Wenn dir's übel gehen sollte, so komm nur +heim“, hatte die Mutter in einer Anwandlung von Weh und Schwäche zu Hans +gesagt. Es ging nun zwar Hans nicht schlecht in Crodels Hause, aber das +Heimweh nach Lenchen und die Sehnsucht nach dem Vaterhause wurde +übermächtig in ihm — es war ja gerade um die Weihnachtszeit. Er schrieb +einen kläglichen Brief und berief sich auf die Rede der Mutter, er solle +heimkehren, wenn's ihm übel ginge. Da schrieb Luther am 2. Christtag an +den Präzeptor und den Sohn zwei Episteln, in denen er Hans zur +männlichen Ueberwindung der weibischen Schwäche ermahnt. Der Brief an +den Sohn lautet: + +„Gnade und Friede im Herrn. + +Mein lieber Sohn Hans. Ich und Deine Mutter und das ganze Haus sind +gesund. Gieb Dir Mühe, daß Du Deine Thränen männlich besiegst und Deiner +Mutter Schmerz und Sorge nicht noch mehrst, die so geneigt ist zu Sorge +und Angst. Gehorche Gott, der Dir durch uns befohlen hat dort zu +arbeiten, so wirst Du leicht dieser Schwäche vergessen. Die Mutter kann +nicht schreiben und hat es auch nicht nötig geachtet; aber sie sagt, +alles was sie Dir gesagt habe — nämlich Du solltest heimkehren, wenn es +Dir übel ginge — habe sie von Krankheit gemeint; davon solltest Du, wenn +es geschehe, gleich Kunde geben. Sonst will sie, daß Du diese Trauer +lassest und fröhlich und ruhig studierest. Hiemit gehab Dich wohl im +Herrn. + +Dein Vater Martin Luther.“[351] + +Der letzte Schmerz und Verlust, den Frau Käthe in diesem +schicksalsschweren Jahre noch erlebte, war der Tod ihrer besten +Freundin, der Frau Stiftspropst Katharina Jonas. Sie starb am +Weihnachtstage 1542, eine frohe freundliche Kinderseele; so ging sie +auch am Christfest hinein in den himmlischen Freudensaal zur ewigen +Weihnacht. + +Frau Käthe aber war's, als sei ihr ein Stück von ihrer Seele +gestorben[352]. + + + + +12. Kapitel + +Tischgenossen und Tischreden. + + +„Unsere Herrin Käthe, die _Erzköchin_“, so nennt Luther seine Gattin in +einem scherzhaften Einladungsbrief an Freund Jonas[353]. + +Und das war sie; sie kochte gern und gut und braute auch die +entsprechenden Getränke dazu. Gelegenheit zu den manchfaltigsten +Gastereien hatte aber kein Weib so sehr als Frau Käthe. + +Da gab es vor altem gar mancherlei Hochzeiten von Verwandten und +Freunden, deren Ausrichtung dem Herrn Doktor eine Herzensfreude war, bei +denen aber sein „Herr Käthe“ eine ganz besonders hervorragende und liebe +Rolle spielte. + +Und was so eine Hochzeit in Wittenberg auf sich hatte, kann man sich +kaum recht vorstellen. Da mußte der „Haufe“ geladen werden; bei einer +„akademischen“ Hochzeit „die Universität mit Kind und Kegel“ und dazu +andere, die man Luthers halber „nicht wohl konnte auß(en) lassen; so +bleibt's weder bei 9 noch bei 12 Tischen, 120 Gäste ohne die Diener +u.s.w.“ war das Gewöhnliche für eine akademische Hochzeit. „Bei einem +Doktorschmaus machten die Männer allein schon 7 bis 8 Tische voll; was +wurde es erst, wenn die Frauen, Kinder und noch das Gesinde zu speisen +und zu tränken waren?“ Dazu dauerten die Hochzeiten mehrere Tage. Luther +hatte sich bei seiner Hochzeit auch nur „für die gewöhnlichen Gäste“ mit +einem Tage begnügt. Und das alles bei dem schlechten Markt in +Wittenberg! Da war es für die gute Käthe keine geringe Schwierigkeit, +einen solchen Schwarm in anständiger Weise zu speisen, und sie wollte +doch weder auf den Ruhm ihres Mannes, noch der Gefeierten einen Makel +kommen lassen — natürlich auf ihren Ruhm auch nicht. Luther und Käthe +wollten beide keine Unehre einlegen[354]. + +Aber auch sonst richtete Frau Käthe gern Feste aus: Doktorschmäuse, +Geburtstagsessen und auch sonstige Gesellschaften ohne besondere +Veranlassungen. Da ist Wilhelm Rink, D. Eisleben (Agricola), Alexander +Drachstett und Wolf Heinzen zu Besuch im Schwarzen Kloster; und weil der +Pfarrer Michael Stiefel in Lochau seltener dahin kommt, soll auch er +erscheinen und teilnehmen an den fröhlichen Tagen. Da wird einer der +Freunde oder gar zwei: Röhrer oder Jak. Schenk, Hier. Heller, Nikolaus +Medler, „der Markgräfin Kaplan“ (d.i. der Hofprediger der Kurfürstin +Elisabeth von Brandenburg) zum Doktor promoviert und Herr Käthe brät und +braut für den üblichen Schmaus. Da giebt sie ihrem eignen Doktor am 19. +Oktober ein festliches Abendmahl zum Jahrestage seines Doktorats. Am 10. +Martini wird mit dem Heiligen Martin auch der Geburtstag ihres D. +Martinus und später noch ihres Martinleins festlich begangen[355]. Der +zehnte Jahrestag des Thesenanschlags („der niedergetretenen Ablässe“), +der Allerheiligentag 1527, wird mit einem Fest begangen. Auch um ihn zu +trösten über den Tod des lieben Freundes Hausmann, der Luther ungemein +nahe ging, lud Frau Käthe einen Kreis von Freunden ein: Jonas, +Melanchthon, Camerarius, Cokritz. Die Kindtaufschmäuse für ihre +Neugebornen mußte die Wöchnerin wenigstens einige Zeit vorher +vorbereiten und von ihrem Bette aus überwachen. Doch auch ohne besondere +festliche Veranlassung erschienen zu kleinerem Beisammensein am +geselligen Tisch die guten Freunde und Amtsgenossen: Jonas, Melanchthon, +Bugenhagen, so oft ein Stück Wildbret oder eine Sendung Fische ins Haus +geschickt wird, oder eine Kufe Bier, oder ein Faß Wein — manchmal mit +der ausdrücklichen Bestimmung, „Herr Philipp, D. Pommer und andere gute +Freunde sollten es mit dem Doktor gesund verbrauchen.“ Dann darf Frau +Käthe die Speisen bereiten und auftischen[356]. Manchmal muß sie auch +bei Hof um Wild zum Festbraten bitten lassen, wenn sonst keines zu +bekommen ist; oder sie bestellt bei einem guten Freunde „für einen +Thaler Vögel, Gefieder, Geflügel und was im Reich der Luft fleugt, +ferner was er an Hasen und anderen Leckerbissen kaufen oder umsonst +erjagen kann.“ Oder Frau Käthe mußte ihre eigenen Fischteichlein +ausräumen, wo neben Hechten und Karpfen, Schmerlen und Barsche, ja +sogar Forellen schwammen. Denn nicht immer kamen die Geschenke so +reichlich wie einmal vom Kurfürsten „ein Fuder Supstitzer, ein halb +Fuder Goreberger, vier Eimer Jenischen Weins, dazu ein Schock Karpfen +und ein Zentner Hechte, schöne Fische“ — war auf einmal zu viel, selbst +für eine zahlreiche Gesellschaft[357]. + +Da sind Durchreisende und Besuche vom Fürsten bis zum fahrenden Schüler, +fremde Gesandte und stellenlose Magister, arme Witwen und vertriebene +Pfarrer, Engländer und Franzosen, Böhmen und Ungarn, sogar einmal ein +„Mohr“: sie sitzen zu Gaste einen Tag, auch eine Woche und ein Jahr an +Käthes großem Tisch. Als Hartmut von Cronbergs verwitwete Schwester von +einem Juden entführt nach Wittenberg kam und heimlich sich da aufhielt, +entschuldigt sich Luther mit seinen bösen Erfahrungen an vornehmen und +geistlichen Schwindlerinnen, daß er sich ihrer nicht an-, d.h. sie nicht +ins Haus genommen; bei ihrem Kinde stand er aber nachher Gevatter[358]. + +Da kamen Schwester und Bruder, Schwager und „Freunde“ von Mansfeld. Oder +die Straßburger Theologen speisten im Schwarzen Kloster. So machte der +feine Straßburger Capito, der samt Butzer zur „Concordia“ in Wittenberg +verhandelte, einen gar guten Eindruck auf Frau Käthe, und es war ihr ein +großes Unglück, daß der goldene Ring, den er ihr verehrte und den sie +als Sinnbild der Vereinigung der sächsischen und oberländischen Kirche +betrachtete, ihr durch ein Mißgeschick abhanden kam [359]. + +Sogar dem Kurfürsten mußte Frau Käthe hinter dem Wall eine Collation +auftischen (8.-14. März 1534). Später waren noch allerlei andere Fürsten +wenigstens vorübergehend Tischgenossen Käthes, so der junge sächsische +Johann Ernst und der Herzog Franz von Lüneburg[360]. + +Ständige Tischgesellen waren die im Schwarzen Kloster wohnenden +Präzeptoren, Famuli und Scholaren. + +Einer der ältesten und ersten dieser Tischgenossen im Luther hause ist +Konrad _Cordatus_. + +Er war sieben Jahre vor Luther von husitischen Bauern im +österreichischen Weißenkirchen geboren, studierte Theologie in Wien, +lebte einige Jahre in Rom; erhielt 1510 eine sehr gute Anstellung in +Ofen, schloß sich sofort 1517 der Reformation an, wurde abgesetzt, ging +1524 mittellos nach Wittenberg und studierte unter Luther, der sich +seiner annahm, kehrte heim und predigte das Evangelium, wird 38 Wochen +lang gefangen gehalten im tiefen Turm, in Finsternis bei „Nattern und +Schlangen“, entkommt durch einen mitleidigen Wächter und flüchtet zu +seinem kongenialen Lehrer D. Luther. Dort lebte er einige Zeit in dessen +jungem Haushalt 1526, und wieder stellenlos auf Einladung Luthers von +1528-29, nach zweijährigem Pfarramt in Zwickau 1531-32 wieder fast ein +Jahr, bis er Pfarrer in Niemegk nahe bei Wittenberg wurde. Er ist einer +der besten Prediger der Reformationszeit. Er war eine trotzige Natur, +wie Luther; nur noch viel hitziger, schroffer und wenig verträglich. Er +konnte sich auch in Frau Käthes Art nicht sonderlich schicken und machte +Luther Vorwürfe, daß er sich von seiner Gattin bestimmen lasse. Dafür +macht er in seinen Tischreden einigemale eine bissige Bemerkung über die +Doktorin, als wäre sie herrschsüchtig und hoffärtig und berichtet +überhaupt mit einer gewissen Herbigkeit über sie. Als Luther ihn und +seinen Freund Hausmann nicht so mit Geld unterstützen kann, wie er's +möchte, meint Cordatus, Luther hätte seiner Frau nicht erlauben sollen, +einen Garten anzukaufen. Auch vertrug er schwer, daß sie beständig +Luthers „beste Reden unterbrach“, weil er mit großem Eifer alle Worte +Luthers nachschrieb[361]. + +Am Dreikönigstag 1528 kam desgleichen aus Oesterreich vertrieben Luthers +alter Freund Michael _Stiefel_ an, welcher von 1525 an bei der edeln +Familie Jörger von Tollet Kaplan gewesen, „ein frommer, sittiger und +fleißiger Mensch“. Er kannte Frau Käthe schon vor ihrer Vermählung und +war bei seiner Abreise von Wittenberg am 3. Juni 1525 wahrscheinlich +schon in Luthers Absicht, zu heiraten, eingeweiht. Von Oesterreich aus +hatte er einen gar liebenswürdigen Brief an Frau Katharina geschrieben +und sie erwiderte seine Grüße. Bis zu Michaelis 1528 blieb Stiefel in +Luthers Haus, fühlte sich aber durch diese Inanspruchnahme seiner +Gastfreundschaft bedrückt. Er übernahm darum die Pfarrei und Pfarrwitwe +von Lochau mit zwei Kindern. Das Luthersche Ehepaar besorgte seinen +Umzug. Der Verkehr mit dem Lochauer Pfarrhaus hielt an. Luther schreibt +und erhält viele Briefe und auch Käthe bekommt eine freundliche Epistel +vom Pfarrherrn; die Pfarrerin schickt dem Doktor ein Geschenk. Bald wird +Stiefel eingeladen zu einer guten Gesellschaft im Schwarzen Kloster, +bald sagt sich Luther mit seiner ganzen Knabenschaar zum Kirschenbrechen +in Lochau an. Schließlich verfiel Stiefel zum Verdrusse Luthers aufs +Grübeln nach dem Jüngsten Tag. Die Bevölkerung der ganzen Gegend bis +nach Schlesien hinein strömte dem Propheten zu und erwartete mit ihm am +19. Oktober 1533, 8 Uhr nachmittags, das Ende der Welt. Als dies nicht +eintraf, wurde der falsche Prophet vom Landesherrn verhaftet und so für +den Unrat, den er angerichtet, gestraft, aber auch gegen die aufgeregten +Leute geschützt und nach Wittenberg gebracht, wo er seinen Irrtum +bereute[362]. + +Gleichfalls ein Oesterreicher, _Kummer_ (Kommer), kam 1529 nach +Wittenberg. Auch er hatte, wegen des Evangeliums verfolgt, in +Weiberkleidern fliehen müssen, und nahm natürlich seine Zuflucht zu +Luther. Dessen Haus- und Tischgenosse scheint er ebenfalls gewesen zu +sein. Kummer war ein Freund und Studiengenosse Lauterbachs[363]. + +Im selben Jahre 1529 kam dieser Anton _Lauterbach_, geboren 1500 als +Sohn des Bürgermeisters zu Stolpe, nach Wittenberg, wo er Magister wurde +und mindestens schon 1531 Luthers Hausgenosse und Tischgänger war und +Diakonus der Pfarrgemeinde wurde. Ein hochaufgeschossener Mensch, im +Gegensatz zu seinem Genossen Cordatus ein gutmütiger Geselle. Dienstag, +28. Januar 1533, diente er zu Tisch beim Kindtaufschmaus für den kleinen +Paul. Er verheiratete sich in diesem Jahre mit einer Nonne Auguste, +wobei natürlich Frau Käthe wieder die Hochzeit herzurichten hatte. Dann +wurde er Diakonus in Leisnig, 1537-39 kam er wieder als Diakonus in die +Universitätsstadt. Als darauf das Herzogtum Sachsen reformiert werden +sollte, wurde er als Superintendent nach Pirna berufen, wollte aber „das +heilige Wittenberg“ nicht verlassen. Doch gab er den Mahnungen Luthers +und der andern Väter nach, seinem Vaterlande zu dienen und das +beschwerliche Amt zu übernehmen. Am Mittwoch, 25. Juli 1539 erschienen +in Wittenberg die Pirnaer Ratsherren mit zwei Wagen und holten ihren +ersten evangelischen Pfarrherrn ab. Unter Thränen nahm er Abschied von +Luthers Familie. Am folgenden Freitag, Jacobi, kam er, feierlich mit +Willkommtrunk empfangen, in Pirna an, und es wurde mit der Reformation +„der Anfang deutsch und gut lutherisch zu taufen gemacht an Drillingen“. +Aber aus der weiten Ferne blieb Lauterbach in lebhaftem und freundlichem +Verkehr mit Luther und Frau Käthe, der er gar mancherlei Besorgungen +machte[364]. + +Ohne Amt, aber auf eines wartend, zog im November 1531 der Oberpfälzer +Joh. _Schlaginhaufen_ — der lateinisch Turbicida oder gar griechisch +Ochloplectes genannt wurde — ins Schwarze Kloster nach Wittenberg, wo er +ein Jahrzehnt zuvor studiert hatte. Er war zum Trübsinn geneigt und +quälte sich mit dem Zweifel, ob er auch zur Zahl der Auserwählten +gehöre; und Luther muß den Schwermütigen oft aufheitern, wenn er +trübselig und teilnahmslos unter den Gästen und Tischgenossen dasitzt. +Trotzdem oder gerade deswegen steht er bei Frau Käthe hoch in Gunst, und +als ihr Gatte während der Rektoratswahl am 1. Mai 1532 einen +Ohnmachtsanfall bekommt, schickt sie zuerst nach Schlaginhaufen in die +Festversammlung und dann erst läßt sie Melanchthon und Jonas rufen. +„Meister Hans“ war willig zu jedem Dienst, nahm sich des Gartens und +besonders des Bienenstandes der Frau Käthe an, und wurde später als +Pfarrer im nahen Zahna und dann in Köthen ein tüchtiger +Bienenvater[365]. + +Seit 1527 war im Schwarzen Kloster als Hausgenosse der gesetzte, ernste +30jährige _Hieronymus Weller_ aus Freiberg. Als Luther auf der Koburg +saß, war er der Hauslehrer des jungen Hans. Sein Bruder Peter, ein +junger Magister und juristischer Student, welcher ebenfalls später +unterrichtete, zog 1530 auch in das Kloster; beide als männliche +„Schirmer“ der von Luther und seinem Famulus Veit Dietrich verwaisten +Familie. Die Brüder waren sehr musikalisch; ein dritter, namens +Matthias, sogar in seiner Vaterstadt am Dom Organist und Tonsetzer. +Peter und Hieronymus erfreuten also die Familie durch ihren hübschen +Gesang. Aber es war gut, daß der heitere Bruder Peter noch ins Kloster +kam, denn der hochbegabte Hieronymus war — wie Matthias — zur Schwermut +geneigt. Und die vielbesorgte Hausfrau wird zugeredet haben, daß der +Trübsinnige lieber eine Stelle in Dresden annehmen solle; aber er blieb +bis 1535 und war so acht Jahre in ihrem Haus. Daher kam es, daß auch die +beiden andern Weller gar oft als Gäste im Kloster weilten. So waren am +24. September 1533 die zwei oder gar drei Weller da und sangen mit +Luther. Ebenso 1534. Im folgenden Jahr wurde Hieronymus Doktor der +Theologie und den Doktorschmaus für acht Tische mußte Frau Käthe +ausrichten Mit dem Juristen Peter biß sich Luther weidlich herum[366]. + +Um diese Zeit gehörte auch ein adeliger Böhme, _Hennick_, ein Waldenser, +zu den Tischgenossen, der später mit Peter Weller zum heiligen Lande +zog, wo beide gestorben und begraben sind[367]. + +Als fremdländischer Haus- und Tischgenosse lebte im Lutherhause auch der +„schwarze Engeleser“ Dr. theol. Antonius (Robert _Barns_), dem Luther im +Scherz seine Käthe zum deutschen Sprachmeister geben wollte und der auch +Gast bei den häufigen Hochzeiten im Schwarzen Kloster war. Er war 1529 +seines Glaubens wegen aus der Heimat geflohen, dann von Heinrich VIII. +als Unterhändler seiner neuen Ehe und „Religion“ gebraucht, aber dann +doch bei seiner Rückkehr mit zwei Gefährten „von König Heinz wegen +seines evangelischen Glaubens auf das Schmidfeld hinausgeführt und +verbrannt worden“. Von dem Märtyrertum „unseres guten Tischgesellen und +Hausgenossen“ gab Luther dann eine Schrift heraus[368]. + +Käthes Tischgenosse war ferner der Ungar Matthias v. Vai, ein mutiger +Mann, dem es daheim besser erging als Robert Barns. Denn als er mit +seinen papistischem Amtsgenossen in Streit geriet, verklagte ihn dieser +bei des Woiwoden Bruder, dem Mönch Georg, damals Statthalter in Ofen. +Dieser wollte bald erfahren, wer recht habe, setzte zwei Tonnen Pulver +auf den Markt und sagte: „Wer seine Lehre für göttlich erkennt, setze +sich Drauf — ich zünde es an, wer lebendig bleibt, dess' Lehre ist +recht.“ Da sprang Vai flugs auf die Tonne, der Priester aber folgte +nicht und Georg strafte den Priester mit seinem Anhang um 4000 Gulden, +dem Vai aber erlaubte er, öffentlich zu predigen. Diese rettende, +mutige That erzählte Luther mit Freude seinen Tischgenossen[369]. + +Lange Zeit (1529-1534) lebte auch M. Veit Dietrich im Lutherhause. Er +war ein Nürnberger (geb. 1506), der nach Wittenberg gekommen war, um +Medizin zu studieren, aber wie manche andere von Luther für die +Theologie gewonnen wurde (1527) und ihm bald als vertrauter Famulus an +die Hand ging. Er begleitete Luther auf die Koburg. Dietrich hatte seine +eignen Zöglinge; von der Koburg sandte er ihnen „Argumente“, die sie +auswendig lernen sollten, während Luther dieselben durch seinen Brief +vom Dohlen-Reichstag erfreute. Als Luther vom Reichstag zurückgekehrt +war, schrieb er dem in Nürnberg zurückgebliebenen Dietrich von dem Stand +der Dinge in Wittenberg, auch Grüße von der ganzen Tischgenossenschaft +und Frau Käthe, welche zugleich auszurichten befahl, „Dietrich solle +nicht glauben, daß sie ihm erzürnt sei“. Dietrich kam nämlich nicht +recht mit Frau Käthe aus. Er meinte von sich selbst, daß er zwar keine +krausen Haare habe, aber einen krausen Sinn. Daher riet ihm Luther, ein +Weib zu nehmen, da werde ihm das schon vergehen. Das wollte Dietrich +auch. Aber bis er dazu kam, rieb er sich einstweilen, wie es scheint, an +Frau Käthe. Als sie ihm gar die Liebschaft mit Muhme Lene untersagte, +zog er im Herbst 1534 mit seinen sechs Scholaren aus dem Hause und +verbreitete die Rede, die Doktorin sei gegen seine Zöglinge hochmütig +und berechnet gewesen. Für die Hauswirtin mit ihren eignen fünf kleinen +Kindern und dem schweren Haushalt war dieser Wegzug wahrlich eine +Erleichterung[370]. + +Es gab nun natürlich zwischen Dietrich und dem Lutherischen Hause eine +Spannung. Diese aber ging vorüber. Als Dietrich im folgenden Jahre in +seine Vaterstadt Nürnberg berufen wurde und heiratete, schrieb ihm nicht +nur Luther einen freundlichen Brief, sondern auch Käthe sandte ihm Grüße +und Glückwünsche zum Ehestand und Amt. Der Briefwechsel dauerte fort bis +zu beider Männer Tod und auch Käthes Grüße blieben nicht aus[371]. + +Ein Landsmann von Veit Dietrich, _Hieronymus Besold_, kam einige Jahre +nach dessen Weggang ins Lutherhaus. Er war durch jenen gegen die +Hauswirtin eingenommen, so daß er sich anfangs vor ihr als einer +herrischen und habsüchtigen Frau fürchtete. Aber — er kam doch an ihren +Tisch und blieb da und verlor seine schlechte Meinung von ihr, wenn er +auch von Frau Käthe mit Bestellungen in Nürnberg in Anspruch genommen +wurde und dann einmal nicht wagte, sie an seine Auslagen zu +erinnern[372]. + +Um diese Zeit (1537-1542) war auch M. Johann (Sachse aus) _Holstein_ im +Klosterhaus Tischgenosse, auf dessen rotes Haar der „Schandpoetaster“ +Simon Lemnius (1538) seine wohlfeilen Witze machte. Er war eines +„ehrbaren, frommen Gemüts und stillen Wesens, dazu ein feiner Magister“. +Er hatte 17 Jahre studiert und war über zehn Jahre lang Magister +(Privatdozent) gewesen, gab im Lateinischen, Griechischen und +Hebräischen keinem etwas nach. Trotzdem konnte er nicht als ordentlicher +Professor ankommen, so daß sich Luther bei dem Senior der +„Artistenfakultät“, M. Melanchthon, erkundigen wollte, was für ein Groll +und Neidhart dahinter stecke. Auch Frau Käthe nahm sich seiner an und +legte ein gutes Wort bei Meister Philipp ein, das aber eine böse Statt +fand. So mußte sich Holstein weiter mit Knaben ernähren und wurde +schließlich Jurist[373]. + +1539 lebte bei Luther wieder ein „Oestreicher“ als Kostgänger, Huttens +Freund Wolfgang Angst oder _Schiefer_ (Severus), gebürtig aus dem +österreichischen Elsaß zu Kaisersberg bei Kolmar. Er war zuvor +Hofmeister der Söhne des Königs Ferdinand, später Kaiser Ferdinand I., +Bruder Karls V. gewesen, mußte aber seines Luthertums wegen flüchten und +nahm nach Wittenberg seine Zuflucht. Er war ein sehr feiner Mann, noch +unbeweibt; Luther empfahl ihn dem Kurfürsten zum Hofmeister und hoffte, +er solle ihm „sehr wohl gefallen“. Aber es wurde nichts daraus, und so +lebte Schiefer als ein lieber Freund Luthers ins folgende Jahr im Haus. +Schiefer beteiligt sich gar oft an den Tischgesprächen, ihm soll Frau +Käthe auch von Luther aus Weimar allerlei über „seinen König Ferdinand“ +ausrichten[374]. + +Ein ebenso gesetzter Mann kam um diese Zeit als Gast ins Lutherhaus nach +Wittenberg, _Matthesius_, der 36jährige Schulmeister von Joachimsthal, +der noch Theologie studieren wollte, um daheim das Pfarramt zu +übernehmen. Von 1540-42 war er Genosse an Käthes Kosttisch. Er redet +mit großer Verehrung von ihr[375]. + +Und endlich kam noch _Goldschmidt_ (Aurifaber) ins Haus, ein Mansfelder. +Er studierte von 1537-40 Theologie; wurde dann Hofmeister des jungen +Grafen Mansfeld, und darauf Feldprediger, kam aber 1545 nochmals nach +Wittenberg und war die ganze Zeit bis zu Luthers Tod um ihn. +Gleichzeitig war _Rutfeld_ da als Famulus und Präzeptor für Luthers +Knaben[376]. + +In dieser letzten Lebenszeit Luthers saß wieder ein Oesterreicher an +Käthes Tisch, Ferdinand _a Mangis_, ferner ein M. _Plato_ und andere +Kostgänger[377]. + +Das war Luthers oder vielmehr Frau Käthes „Tischburse“, an welcher +teilzunehmen alle, auch die Aeltesten, Geehrtesten und Gelehrtesten für +ein hohes Glück und große Auszeichnung ansahen. Und wenn es gar einen +Rundtrank gab aus dem Glase der heiligen Elisabeth von Thüringen, das +Luther besaß, so galt das als eine besonders feierliche Stunde[378]. + +Außer diesen erwachsenen und zum Teil sogar in sehr gesetztem Alter +stehenden Kostgängern gehörten zur „Tischburse“ Luthers noch die +zahlreichen fremden Kinder, die als Pensionäre gegen und ohne Entgelt im +Schwarzen Kloster lebten. Käthe setzte eine bestimmte Zahl von solchen +Kostgängern fest, über die sie mit Recht nicht hinausgehen wollte. Als +daher der Kanzler Müller zu Mansfeld im Januar 1536 anfragte wegen +Uebernahme eines gewissen Kegel an Käthes Kosttisch, mußte ihm der +Hausherr schreiben: „Den Kegel hätte ich wohl gerne zum Kostgänger haben +mögen aus allerlei Ursachen, aber weil die Purse (Burse) wiederkummt von +Jena (wohin die Studenten wegen der Pest gezogen), so ist der Tisch voll +und ich kann die alten Compane nicht also verstoßen. Wo aber eine Stätt +los (ein Platz leer) würde (was nach Ostern geschehen mag), so will ich +meinen Willen Euch gern darthun, _wo anders Herr Käthe alsdann mir +gnädig_ sein wird.“[379] + +Also Frau Käthe bestimmte über den Kosttisch. Und das war auch sonst gut +so. Denn der gutmütige Doktor nahm jeden armen Schelm auf, der sonst +nicht unterkam oder sorgte für ihn durch Stipendien, so daß aus aller +Herren Länder und aus allen Städten, sogar aus „Mohrenland“ Schüler und +Studenten nach Wittenberg strömten „und wir allhie gar sehr überladen +sind und mehr denn unsre Armut vermag von vielen verjagten und sonst +guten Leuten, so gern studieren wollen, besucht werden um Hülfe“. So +mußte z.B. 1533 die Frau Doktorin ihren Mann drängen, an die Stadträte +von Rothenburg an der Tauber zu schreiben, daß sie sich eines ihrer +Stadtkinder annähmen, eines Georg Schnell, der „arm war und nichts +hatte“ als einen guten Kopf und ein frommes Gemüt, und täglicher Haus- +und Tischgenoß im Schwarzen Kloster war[380]. Einen andern kleinen +Knaben, der ihnen 1541 vom reichen England durch einen Nürnberger +Geistlichen aufgehalst war, mußte man nach Nürnberg ins Findlingshaus +(Waisenhaus) abschieben. Luther mußte sich auf Käthes Vorstellungen an +den „ehrbaren und fürsichtigen“ Ratsherrn Hieron. Baumgärtner wenden, +ihrer beiden „lieben Herrn und guten Freund“. „Auf gut Vertrauen, so ich +zu Euch habe, schicke ich hie einen Knaben, der mir aus England ist +schalkhaft aufgelogen. Nu ihr aber wisset, was für eine Bettelstadt +unsre Stadt ist, dazu der Bube noch wohl bedarf einer Magd, die sein +warte mit Waschen und Lausen usw., mein Zins (Einkommen) aber nicht +vermöge, ist meine ganz freundliche Bitte, wollet bei den Herren in +Nürnberg guter Fugge sein, daß er ins Fündli-Haus möchte versetzt +werden. Wir sind sonst ohnedas, und ich sonderlich, hier gar hoch genug +beschwert und über Vermögen beladen. Gott behüte mich, daß ich nicht +mehr so betrogen werde.“[381] Aber auch die andern nicht gerade armen +Kostgänger ließen es an pünktlicher Bezahlung fehlen und empfanden es +als Härte von Käthe der Hausfrau, wenn sie „auf richtige Bezahlung +drang“, während sie von Luther her anders gewohnt und verwöhnt +waren[382]. + +Gelegenheit, die jungen Leute nicht nur zu beköstigen, sondern auch in +Krankheit zu pflegen, hatte natürlich Frau Käthe auch genug. Ein junger +Adeliger, Sohn eines der vielen Lutherischen Gevattersleute, war 1534 im +Haus und hielt sich fein. Er machte die Masern durch und wurde von Käthe +„fleißig gewartet“ nach Dr. Augustins (Schurff) Rat, des Hausarztes und +Nachbarn. Er wurde gesund. Aber manche diese Krankheiten führten auch +zum Tode und das mußte den Pflegeeltern, insbesondere der Frau Käthe zu +schwerer Sorge werden[383]. + +Wie Frau Käthe bei den Mahlzeiten die leibliche Kost bereitete, so gab +der gesprächige, unterhaltsame Doktor die geistige Kost, die +„Tischwürze“. + +Luther war von Natur „ein gar fröhlicher Gesell“, ja voll +übersprudelndem Humor, wenn er sich wohl fühlte, aber auch, wenn er +Uebles erfahren hatte: Aerger und Verdruß, dem zum Trotz. In seiner +Beichte vor seinem ersten Krankheitsanfall (1527) sagte er zu +Bugenhagen: „Viele denken, weil ich mich unterweilen in meinem äußern +Wandel fröhlich stelle, ich gehe auf lauter Rosen; aber Gott weiß, wie +es um mich stehet meines Lebens halber. Ich habe mir oft vorgenommen, +ich wollte der Welt zu Dienst mich etwas ernstlicher und heiliger (weiß +nicht, wie ich's nennen soll) stellen; aber Gott hat mir solches zu thun +nicht gegeben.“ Und Bugenhagen bezeugte dabei: „Thut er ihm unterweilen +über Tisch mit Fröhlichsein zu viel, so hat er selbst keinen Gefallen +daran und kann solches keinem gottseligen Menschen übel gefallen, viel +weniger ihn ärgern, denn er ist ein leutseliger Mensch und aller +Gleisnerei und Heuchelei feind.“[384] + +Luther redete gut und gern und viel. Er liebte besonders Sprüche, +sinnreiche Reden und hübsche Reime, Sprichwörter und Anekdoten. Deren +wußte er sehr viel und die brachte er am Tisch wie auf der Kanzel vor. +Ueber und nach Tische wurde zwischen den Reden auch gesungen, und wer +eine gute Stimme hatte, auch Gäste, mußten mitthun; Luther, der ein +guter „Lautenist“ war, begleitete den Gesang[385]. + +So entstanden die berühmten Tischgespräche, die sich um die tiefsten und +höchsten, die größten und kleinsten Dinge, göttliche und menschliche, +himmlische und irdische drehten, bald im erbaulichsten Ernst, bald im +lustigsten Scherz, jetzt sinnig zart, dann in derber Natürlichkeit — +obwohl der erste und Hauptherausgeber der Tischreden, der ehemalige +Feldprediger Aurifaber, später Pfarrer in Erfurt, die derben mit +behaglicher Breite ausmalt, vergröbert und aus dem nicht ganz sauberen +Schatz seiner soldatischen Erinnerungen und Ausdrucksweisen +ergänzt[386]. + +Diese Tischreden wurden nämlich von Luthers Jüngern auf- und +nachgeschrieben, wie Jesu und Sokrates' Aussprüche und Gespräche; zuerst +nach dem Gedächtnis, später nach gleichzeitigen Aufzeichnungen. + +_Cordatus_ war der erste, der es wagte, hinter dem Tisch sitzend oder +davorstehend, die geistvollen Reden des Meisters — auch, wie ihm +Melanchthon warnend bedeutete, manches weniger zur Verewigung geeignete +Wort — in sein Notizbuch einzutragen. Andre Tischgenossen und Gäste wie +_H. Weller_, _Veit Dietrich_, _Lauterbach_, _Besold_, _Schlaginhaufen_, +_Matthesius_, _Ferdinand a Mangis_, _Goldschmidt_ folgten seinem +Beispiel nach. Auch der Diakonus _Röhrer_, der berühmte Schnellschreiber +und Notarius (Protokollführer) der Evangelischen auf den Reichstagen und +Religionsgesprächen, verzeichnete „viel Köstliches“. Und so sind unter +der zahllosen Menge von Lutherreden (3000) auch einzelne authentische +Worte der Doktorin überliefert[387]. + +Wie es bei diesen Tischgesprächen zuging, das erzählt uns Matthesius. +Bescheiden und sittsam saßen die Leute da und sahen auf „Seine Würden, +den Herrn Doktor“. „Wenn er uns nun Rede abgewinnen wollte, fing er an: +„Was hört man Neues?“ Diese erste Vermahnung ließen wir gehen. Wenn er +aber wieder anhob: „Ihr Prälaten, was Neues?“ da fingen die Alten an zu +reden. D. Wolf Severus, so der Römischen Königlichen Majestät Präzeptor +gewesen, saß oben an, der brachte, wo niemand Fremdes vorhanden, als +gewandter Hofmann was auf die Bahn. Wenn so das Gedöber anging, doch mit +gebürlichem Anstand, so schossen die andern auch ihren Teil dazu“[388]. + +Alle möglichen Dinge und Vorkommnisse gaben den Anlaß zu kürzeren oder +längeren Reden, bald die Tagesneuigkeiten, bald ein Gast, jetzt die +Kinder mit ihrem Spiele oder Unarten und dann Peter Wellers Hund, der so +andächtig morgens zum Essen war wie kein Beter. Alles mußte zum +Anknüpfungspunkt oder zum Sinnbild für höhere Wahrheiten dienen. Und +nicht selten gab Frau Käthe durch eine Rede oder durch ihre bloße +Anwesenheit die Veranlassung zu sinnigen Bemerkungen[389]. + +Die Tischreden wurden meist lateinisch gehalten, wie die Briefe Luthers +mit allen „gelehrten“, d.h. akademisch gebildeten, Männern lateinisch +geschrieben wurden. Bei alltäglichen Dingen, wo der deutsche Ausdruck +geläufiger war, ging es vom Latein ins Deutsche bunt durch einander. +Wenn ungelehrte Freunde oder Freundinnen zugegen waren, oder Frau und +Kinder der Unterhaltung folgen sollten, wurde deutsch gesprochen; doch +liefen auch da lateinische Brocken unter. Am treuesten ist dieser +Wechsel vom Latein und Deutsch bewahrt in Lauterbachs Tagebuch. + +So viel verstanden aber auch die weiblichen Hausgenossen, teils vom +Kloster her, teils aus dem steten Hören von Lateinisch, daß sie sich +drein mischen konnten, oft sogar selbst vielleicht mit lateinischen +Phrasen. So Muhme Lene, welche auf die Frage, ob sie wieder ins Kloster +wolle, mit Non, Non! antwortete. Besonders aber die Doctorissa, wie sie +bei den jungen Leuten respektvoll genannt und geschrieben wurde[390]. + +So redete Luther einmal von der elterlichen Liebe: „Lieber Gott, wie +wird sich ein Herzpochen erhoben haben, da Abraham seinen einigen und +allerliebsten Sohn Isaak hat sollen töten! Es wird ihm der Gang auf den +Berg Moria sauer angekommen sein. Er wird der Sarah nichts davon gesagt +haben.“ Da fing seine Hausfrau an und sagte: „Ich kann's in meinen Kopf +nicht bringen, daß Gott so grausam Ding von jemands begehren sollte, +sein Kind selbst zu erwürgen.“ Luther widerlegte diese verständig +natürliche Einwendung mit dem theologischen Hinweis auf Gott selbst, der +ja seinen eigenen Sohn habe kreuzigen lassen. Aber die Doktorin konnte +sich damit nicht ganz überzeugen lassen[391]. + +Frau Käthe wußte auch Sagen. So erzählte sie von einem Wasserweib, das +in der Mulde im Wasser in einem Loche wie in einer schönen Stube +gesessen und hätte ihr das Wasser nichts geschadet; zu der sei eine +Wehemutter von einem „Geist“ geführt worden, um ihr beizustehen[392]. + +Ein andermal wurde bei Tisch erzählt, daß einer in der Stadt die Ehe +gebrochen. Da entsetzte sich Frau Käthe und fragte den Herrn Doktor: +„Lieber Herr, wie können die Leute nur so böse sein und sich mit solchen +Sünden beflecken?!“ Da antwortete er: „Ja, liebe Käthe, die Leute beten +nicht; so ist dann der Teufel bei der Hand.“[393] + +Einmal fing der Doktor mit seiner Käthe eine Disputation an über ihre +Heiligkeit. Sie erwies sich da als eine tüchtige, in lutherischen +Gedankengängen geübte Theologin, wurde natürlich aber von dem +Sieggewaltigen doch widerlegt und überwunden. Er fragte sie, ob sie +glaube, daß sie heilig wäre? Sie dachte lange nach, dann erwiderte sie: +„Wie kann ich heilig sein, da ich eine so große Sünderin bin! So sehr +hat der Papst unser ganzes Wesen verdorben, seine Lehre hat unser +Innerstes so durchsetzt, daß wir auch mit willigem Ohr Christus nicht +als unsern Erlöser, als unsere Gerechtigkeit und Heiligkeit erkennen und +wunderbarer Weise glauben, getauft, ja Christen zu sein und doch nicht +glauben, heilig zu sein. Denn in der Taufe wird unsre Sünde verbannt und +uns Christi Gerechtigkeit geschenkt und wir glauben doch nicht, heilig +geworden zu sein. Soweit wir Menschen, sind wir Sünder, aber weil wir +getauft sind und glauben, so sind wir heilig durch Christum.“ + +Luther entgegnete: „Ja, der ganze Christ ist heilig; denn wenn der +Teufel den Sünder wegführt, wo bleibt der Christ? Daher ist die +Unterscheidung meiner Gattin nicht gültig. Denn wer durch festen Glauben +an seiner Taufe hängt, der ist ganz heilig (wie David sich heilig +nennt). Die Papisten, welche den Artikel von der Sündenvergebung nicht +verstehen, können diese Heiligkeit nicht glauben noch einsehen, ärgern +sich nur, wenn sie solches von uns hören.“[394] + +Die Ritter vom Geiste waren zu jener Zeit ganz besonders kampfesfreudig +und die Fehden des Wortes wollten kein Ende nehmen. Insbesondere aber +waren an Luthers Tische die wissenshungrigen Magister auf diese +interessanten Privatissima erpicht und vor allem suchten die +Tagebuchschreiber, die auf jedes Wort vom Munde des Geistgewaltigen +lauerten, um es gedruckt in die Welt zu senden, diese Gespräche zu +verlängern. Natürlich hatte Frau Käthe viel weniger Freude an diesen +theologischen Turnieren; ihr lebhafter Geist, wie derjenige von Jonas, +mochte langen Erörterungen nicht folgen. Sie unterbrach daher gar oft +die gelehrten Gespräche, indem sie den geistlichen Fechtern ganz +gewöhnliche Knüppel zwischen die Schwerter warf, vor allem ihrem +Gatten, der nicht leicht aufhören konnte, wenn er einmal im Zuge +war[395]. + +Wenn des Redens bei Tisch zu viel wurde und dabei die Speisen kalt und +warm der Trank, da brach Frau Käthe mit einer Strafpredigt los über den +Text: „Was ist denn, daß ihr ohne Unterbrechung redet und nicht eßt?“ +Ueber diese Störung war der Tischredenschreiber Cordatus entrüstet, er +hatte gerade eine gar schöne Auseinandersetzung Luthers über das +Vaterunser, den „Himmelsknecht Gabriel und den Himmelsfuhrmann Raphael“, +die er „aus vollem glühenden Herzen“ that, heimlich aufgeschrieben. Aber +Luther wandte die Sache zum Scherz und sagte: „Wenn nur ihr Frauen, +bevor ihr eine Predigt anfanget, auch beten könntet (d.h. euch sammeln +und besinnen); ein Paternoster solltet ihr zuvor sprechen!“ [396] + +Aber auch Frau Käthe stellte in der Rede ihren Mann. Ueber diese +weibliche Wohlredenheit wurde sie öfter aufgezogen von Luther. Er fragte +sie lachend: ob sie predigen wolle und ihrer Predigt so viel Worte +Betens (als Einleitung) vorausschicke? Oder er neckte sie: die Weiber +dürften nicht predigen, weil sie nicht beteten vor der Predigt; oder: +Gott lasse, durch ihr langes Gebet ermüdet, sie gar nicht zum Predigen +kommen. Einst saß ein gelehrter „Engeleser“ (Engländer) am Tische, der +kein Wort Deutsch konnte; da sagte Luther zu ihm: „Ich will Euch meine +Frau zum Lehrer in der deutschen Sprache vorschlagen, die ist gar +beredt. Sie kann's so fertig, daß sie mich weit überwindet.“[397] +Freilich setzte er hinzu: „Die Beredsamkeit ist nicht zu loben an +Frauen; es ziemt sich eher, daß sie bloß lispeln und stammeln. Das steht +ihnen wohl besser an.“ Und vom Unterschied der weiblichen und männlichen +Beredsamkeit sagt er in einem andern Tischgespräch: „Die Weiber sind von +Natur beredt und können die Rethoricam, die Redekunst wohl, welche doch +die Männer mit großem Fleiß lernen und überkommen müssen. Das aber ist +wahr: in häuslichen Sachen, was das Hausregiment, da sind die Weiber +geschickter und beredter; aber im weltlichen, politischen Regiment und +Händeln taugen sie nichts. Dazu sind die Männer geschaffen und geordnet +von Gott und nicht die Weiber. Denn wiewohl sie Worte genug haben, so +fehlet und mangelt's ihnen an Sachen, als die sie nicht verstehen; drum +reden sie davon auch läppisch, unordentlich und wüste über die Maßen. +Daraus erscheint, daß das Weib geschaffen ist zur Haushaltung, der Mann +aber zur Policei (Politik), weltlichem Regiment, zu Kriegen und +Gerichtshändeln, die zu verwalten und führen.“[398] + +So kam Frau Käthe bei den Gesprächen der Männer wohl weniger zum Wort, +als sie verdient hätte; und noch weniger fand man bemerkenswert, was sie +sagte. Es ist schade, daß die „Tischreden“ so wenig von der Doctorissa +berichten. Aber den Tagebuchschreibern kam es vor allem auf theologische +Erörterungen an — darum ist auch die einzige längere Rede von Käthe, die +sie der Aufzeichnung wert erachtet haben, eine theologische; zum andern +wollten sie des Doktors Reden bringen: die Ergüsse seines übergewaltigen +Geistes schienen ihnen allein der Nachwelt würdig. + + + + +13. Kapitel + +Hausfreunde. + + +Die Humanistenzeit hatte ein ausgeprägtes Freundschaftsbedürfnis, +welches nur ein Seitenstück findet in der freundesseligen Stimmung +unserer klassischen Litteraturperiode im vorigen Jahrhundert. Dieses +rege Freundschaftsgefühl äußert sich einerseits in den zahlreichen +Besuchsreisen der befreundeten Humanisten, welche in jener Zeit der so +beschwerlichen Reisegelegenheiten doppelt auffallen, und dann in dem +heute ganz unbegreiflich reichen Briefwechsel, in welchem diese +Gelehrten damals mit einander standen. Alle möglichen Dinge teilte man +sich brieflich mit, selbst die intimsten persönlichen Erlebnisse und +Stimmungen; und wenn man gar nichts zu schreiben hatte, so schrieb man +sich auch dieses. „Ich schreibe Dir, um Dir zu schreiben, daß ich nichts +zu schreiben habe“, ist kein ungewöhnlicher Briefinhalt dieser Zeit, +sogar bei Luther[399]. + +Den größtmöglichen Freundeskreis zählte aber begreiflicherweise das +Luthersche Ehepaar. Nicht etwa Luther allein, sondern auch Frau Käthe. +Die vielen jungen Leute, die bei ihr Kost und Pflege fanden, die +mancherlei Magister, die als Präzeptoren ihrer und anderer Knaben im +Schwarzen Kloster hausten, die vielen Amtsgenossen und Schüler ihres +Mannes, die zahllosen Gäste, welche freundliche Aufnahme an ihrem Tische +erlebten: sie alte kannten und verehrten neben dem gewaltigen Doktor +auch die weibliche Genossin seiner Freundschaft und Gastlichkeit, Frau +Käthe. Aus den Schülern wurden Amtsgenossen, aus den Tischgenossen +Freunde — ein stets wachsender Haufen. Und Luthers alte Bekannte, welche +Frau Käthe erst durch Briefe oder Besuche kennen lernte, wurden mit der +Zeit auch ihre Freunde, namentlich wenn sie diese Freundschaft durch +Grüße, Glückwünsche und Geschenke warm hielten. + +Diese umfangreiche Freundschaft wurde auch lebhaft gepflegt. Da ist kaum +ein Brief, den Luther empfängt oder schreibt, in dem nicht auch die Frau +Käthe gegrüßt wird oder grüßt, oder Glückwünsche und Beileidsbezeugungen +zu allerlei Familienereignisse und Glückwechsel empfängt und sendet. + +Gar oft begnügt sich aber Frau Käthe nicht mit einem bloßen Wortgruß, +sie fügt auch in ihrer praktischen Weise einen guten Rat bei, eine +Mahnung, oder ein Rezept, eine Arzenei, eine Wurzel gut fürs Steinleiden +u. dgl. + +Noch viel häufiger aber hat Frau Käthe zu danken für allerhand +Geschenke. Und nicht zum wenigsten nützt die wirtliche Hausfrau die +Freundschaften aus zu allerlei hauswirtschaftlichen Aufträgen. Dies ging +bei Lauterbach sogar soweit, daß Luther selber einmal bei einer solchen +Bestellung meint, sie hätte den Freund förmlich in Dienst und Beschlag +genommen[400]. + +Wie begreiflich, waren die Hausfreunde in einem so ausnehmend +theologischen Hause auch fast lauter Theologen. Weltlich waren nur die +Verwandten: Geschwister, Schwäger und Schwägerinnen, einige vornehme +Gevattersleute, wie die Kanzler Müller und Rühel in Mansfeld, die Goritz +in Leipzig, Hans von Riedtesel und Hans von Taubenheim, der +Landrentmeister in Torgau, an welchen Frau Käthe in die Ferne +freundliche und ehrerbietige Grüße, Glückwünsche oder Einladungen +sendet oder gar selbst einmal zu einem Brief — natürlich einem +Geschäftsbrief — sich aufschwingt. Auch der Straßburger Syndikus Gerbel +läßt Frau Käthe tausendmal grüßen. Der Stadtschreiber Roth von Zwickau +läßt ein Exemplar seiner Postille für die Doktorin binden und schenken +und sendet ein Glas, das „fein ganz“ ankommt. Endlich war noch eine +liebenswürdige Adelsfamilie Jörger von Tollet im Oesterreichischen, eine +Mutter mit mehreren Söhnen, welcher Luther einen evangelischen +Hauskaplan besorgt hatte (1525) und allerlei seelsorgerliche Ratschläge +gab, die sich nun dankbar erwies in zahlreichen und teuren Geschenken: +„ungarische Gulden“, „Kütten-Latwerg“ und andere „treue und teure +Gaben“; auch ein Stipendium sandte sie von 500 Goldgulden für arme +Gesellen, die in der heiligen Schrift studieren. Später studierte auch +ein Enkel der Jörgerin in Wittenberg. Mit dieser „ehrenreichen, edlen +Frauen Dorothea Jörgerin, als besonders guten Freundin“, wurden gar +zahlreiche und freundliche Briefe gewechselt, worin auch Luthers +„Hausehre Frau Käthe“ oft zum Gruße kommt[401]. + +Mit dem evangelischen Bischof von Naumburg, Nikolaus _v. Amsdorf_, +wechselte Frau Käthe ehrerbietige Grüße, namentlich seitdem sie durch +den Besitz von Zulsdorf die Nachbarin des gnädigen Herrn Bischofs +geworden (1542); sogar mit einem Besuch „droht“ sie auf „künftigen +Sommer“. Sonst hatte man freilich mit dem ehelosen und hochgestellten +Mann weniger intime Beziehungen. Doch besorgte er auch einmal für 7 fl. +Butter und Stockfisch ins Lutherhaus[402]. + +Mit dem kleinen M. Joh. _Agrikola_, dem Pfarrer von _Eisleben_ und +seiner Else, stand die Luthersche Familie gleich von Anfang an in +lebhaftem Verkehr. „Sie konnte ihn auch sehr wohl leiden.“ Er hatte +schon 1523 zu dem Kreise der jungen Nürnberger gehört, welche über die +Verlobung Baumgartens mit Käthe sich aussprachen und steht auch jetzt +noch in regem Briefwechsel mit Wittenberg[403]. Da giebt's Grüße an Weib +und Kinder, hinüber und herüber; auch ein Pelzrock wird dorther besorgt, +der Frau Käthe nur zu teuer ausfällt, und Elsbeeren oder kleine +Mispelchen werden bestellt, nach denen Frau Käthe eben Gelüste bekommt. +1529 wird Agrikola nach Wittenberg geladen. 1530 sendet er vom +Augsburger Reichstag über Koburg einen scherzhaften Brief zur Besorgung +an Frau Käthe, über den ihm Luther schreibt: „Ich errate leicht, was sie +Dir antworten wird. Wenn sie den Brief gelesen hat, wird sie lachen und +sagen: Ei, wie ist M. Eisleben doch ein Grundschalk!“[404] Luther nahm +sich Agrikolas an, als es dem beweglichen und ehrgeizigen Mann nicht +mehr in Eisleben gefiel. Und als er 1536 seine Stelle kündigte und in +Wittenberg nicht gleich eine bequeme Wohnung fand, so öffnete sich ihm +das Klosterhaus und Agrikola zog ein mit Weib und Kind. Als dann Luther +zu Anfang 1537 nach Schmalkalden zog, vertraute er Agrikola nicht nur +„Lehre, Predigtstuhl und Kirche an“, sondern auch „Weib, Kind, Haus und +Heimlichkeit“[405]. Als aber Agrikola ein „Antinomist“ (Bestreiter der +Giltigkeit des Gesetzes für die Christen) wurde, da entbrannte Luthers +Zorn wider ihn und er entzog ihm die vorher gewährte Erlaubnis, in +Wittenberg Vorlesungen zu halten. Agrikolas Frau, zu welcher Luther ganz +väterlich stand, so daß er sie mit Du anredet, that zwar vor dem Doktor +einen Fußfall und dieser nahm ihren Mann wieder zu Gnaden an (1538); +aber Agrikola entzog sich dem Einfluß Luthers, ging nach Berlin und die +Freundschaft mit dem „Meister Grickel“ hörte natürlich auch für Frau +Käthe auf, ohne wieder angeknüpft zu werden. Als später einmal (1545) +Agrikola mit Weib und Tochter nach Wittenberg kam, durften bloß die +beiden Frauen ins Klosterhaus kommen; aber das Töchterlein fanden die +Lutherischen eitel und vorlaut wie ihren Vater[406]. + +Mit dem Pfarrer Jakob _Probst_ in Bremen, einem früheren Klostergenossen +Luthers, auch einem Gevatter, stand ebenso die Lutherische Familie in +früher Verbindung. Familiennachrichten werden ausgiebig mitgeteilt; +Käthe und auch das kleine Patchen Margaretel senden regelmäßig Grüße an +den fernen Gevatter und danken für Patengulden und andere Geschenke. Ihm +empfehlen die Eltern ihre Jüngste zur Versorgung, da Probst sie sich zum +Patchen auserlesen. Und „Herr Käthe“ befiehlt ihrem Gatten, noch +scherzend anzufragen, ob denn die Nordsee ausgetrocknet sei, seitdem das +Evangelium die Erlaubnis zum Fleischessen gebracht habe? Denn niemals +habe es in Wittenberg weniger Seefische gegeben, so daß man schon durch +die Hungersnot zum Fleischessen gezwungen werde, wo nicht etwa die +Fische und das Meer sich vor des Papstes Zorn ängstigten, nachdem man +ihn zu Lande verachte. Am 14. Juni 1542 kam Probst, jetzt ein alter +Mann, nach Wittenberg, um seinen Vater D. Martinus noch einmal zu sehen. +Das war ein gar unerwarteter lieber Besuch und Frau Käthe wird ihm den +Aufenthalt recht angenehm gemacht und das Margaretlein den Paten +fröhlich begrüßt und ihm mit ihrer hübschen Stimme etwas vorgesungen +haben[407]. + +Weniger im Verkehr war man mit dem früheren Prior des Schwarzen Klosters +Eberhard _Brisger_, Pfarrer in Altenburg; doch tauschte auch mit ihm +Käthe Grüße aus[408]. + +Der ehemalige Klosterbruder (Stiftsherr der „Brüder vom gemeinsamen +Leben“) Gerhard _Viscampius_ zu Herford war auch ein besonders guter +Freund der Familie Luther und Melanchthon und sie nahmen warmen Anteil +an ihm. 1528 sendet er an das Lutherische Ehepaar Tuch und zwei Lampen, +welche die zwei Gatten jede Nacht ständig gebrauchten. Dafür soll er +auch regelmäßig Luthers Schriften erhalten[409]. + +Der alte „Stürmer und Schwärmer“ D. Gabriel _Zwilling_, Luthers +Klostergenosse, der ihm auf der Wartburg mit seiner Bilderstürmerei so +zu schaffen machte, war, nachdem er seinen Radikalismus ausgetobt, ein +ruhiger Pfarrherr zu Torgau geworden. Er hatte zur Befreiung der Nonnen +aus Nimbschen mitgewirkt, und kam verschiedentlich nach Wittenberg, +durfte auch einen etwas schweren Auftrag Käthes wegen Beschaffung eines +Leinenkastens besorgen[410]. + +Der Reformator und Stadtprediger von Gotha, _Mykonius_, der auch zur +Zeit der „Wittenberger Konkordia“ sich im Lutherhause aufhielt, bekam +von Käthe Grüße, Glückwünsche, Danksagung für ein „Käse-Geschenk“, auch +Verhaltungsmaßregeln gegen seine Frau und Teilnahme an seinem +Brustleiden[411]. + +Ein besonderer Verehrer der Frau Doktorin war der feine Straßburger +_Capito_ (Köpflin), welcher im Jahre 1536 mit Butzer in Wittenberg die +„Konkordia“ der sächsischen und oberländischen Kirche zustande brachte +und dabei im Lutherhause verkehrte. Er läßt die „treffliche Frau +Katharina von Bora, seine Wirtin“, grüßen und sendet nach seiner +Heimkehr ihr einen goldenen Ring als Zeichen seiner Gesinnung gegen sie, +„welche mit Recht so hoch geschätzt wird, weil sie mit hausmütterlicher +Sanftmut und Emsigkeit die Versorgung unsres Lehrers übt“. Und auch Frau +Käthe schätzt den Straßburger Gast. Wiederholt läßt er sie grüßen und +verspricht ihr zur Frankfurter Messe 1537 einen Brief. Capito erbat sich +sogar mit den übrigen Straßburger Freunden Gerbel, Butzer u.s.w. den +Sohn Hans erziehen zu helfen[412]. + +In _Nürnberg_ hatte Luther und damit auch seine Käthe, allerlei gute +Freunde, besonders seine beiden Ordensbrüder, Wenceslaus _Link_ und Abt +_Friedrich_ (Becker, Pistorius), die ihm manches schöne Geschenk und +Gerät an Uhren, Drechslerwerkzeug, Holz- und Kupferstichen, feines Obst, +Sämereien aus der reichen Freistadt besorgten. Auch sie läßt Käthe +grüßen[413]. + +In der Reichsstadt lebte aber auch ihre „alte Flamme“, wie Luther +schreibt, der Ratsherr Hieronymus _Baumgärtner_. Die alte Liebe zu ihm +hatte sich zu herzlicher Freundschaft gestaltet, und es ist ein gar +schönes Zeichen eines natürlichen und gesunden Gefühls, daß sowohl +Luther als Frau Käthe in ganz unbefangener offener Weise von dieser +liebenden Verehrung für den ehemaligen Geliebten reden unter sich und +dem gemeinsamen Freund gegenüber: „Es grüßt Euch verehrungsvoll meine +Käthe, Eure alte Flamme, welche Euch ob Eurer Tugenden und Vorzüge mit +neuer Liebe umfaßt und von ganzem Herzen Euch wohl will.“ Von Koburg +schreibt Luther am 1. Oktober 1531 an Baumgärtner: „Ich grüße Dich im +Namen meiner Herrin, Deiner einstigen Flamme; so werde ich ihr erzählen, +wenn ich heim komme. So pflege ich auch sie in Deinem Namen zu necken.“ +Als 1543 Luther durch seinen Tischgänger Besold einen Brief erhielt, +rühmte er des Briefschreibers Sittenreinheit, Frömmigkeit und Tugend. Da +fragte Luthers Gattin „nach ihrer Gewohnheit“, wer denn der Schreiber +des Briefes wäre. Luther antwortete: „tuus ignis Amynthas: Dein alter +Buhle (Liebhaber).“[414] Der Ton, diesem Freunde gegenüber, ist ein gar +herzlicher, namentlich in dem Trostbrief Luthers an Baumgärtner und +seine Frau, als der Nürnberger Kaufherr von dem Ritter Albrecht von +Rosenberg (bei Mergentheim) gefangen genommen und lange in Haft gehalten +wurde, so daß Frau Sibylle mit ihren fünf unerzogenen Kindern länger als +ein Jahr um das Leben ihres Ehewirts in Angst schwebte. Die Wittenberger +Freunde beteten in der Kirche öffentlich um die Freilassung und gingen +den Landgrafen von Hessen darum an[415]. + +Auch Veit _Dietrich_ blieb trotz seines Spanes mit Käthe nicht nur +Luthers Freund nach seinem Wegzug nach Nürnberg, wo er Pfarrer an der +Sebalduskirche wurde, sondern auch mit Frau Käthe stellte sich bald +wieder ein freundliches Verhältnis her. Sie läßt ihn wiederholt +grüßen[416]. + +Mit den Freiberger „Geschwistern _Weller_“, dem jüngsten Peter, dem +Komponisten Matthias und besonders dem Theologen Hieronymus, aber auch +der Schwester Barbara Lischner standen die Lutherischen Eheleute in +freundschaftlichem Verhältnis. Der eine mußte in seiner Schwermut +aufgerichtet werden, der andere versorgt, die Schwester belehrt über den +heimlichen Empfang des heiligen Abendmahls[417]. Dem Komponisten +Matthias läßt Luther mit Frau Käthe danken, für sein „gutwillig Herz, so +er erzeigt hat mit dem Gesang und den Borsdorfern.“ Das Lied sängen die +Männer unter Tisch, so gut sie's könnten. „Machen wir etliche Säue +(Böcke, Fehler) darunter, so ist's freilich Eure Schuld nicht, sondern +unsre Kunst. Wenn's schon alle Komponisten gut machen, so ist unser +Ernst wohl noch weit drüber und können's böse genug singen. Es folgen +uns alle Regiment der ganzen Welt; sie lassen Gott und alte Vernunft +sehr gut Ding komponieren und stellen, aber sie singen auch, daß sie +wert wären einen Markt eitel Würste aus den Säuen oder Klöppel in den +Feldglocken[418]. Darum müßt ihr Komponisten uns auch zugut halten, wenn +wir Säue machen in den Gesängen. Denn wir wollten's lieber treffen denn +fehlen. Solchen Scherz, bittet meine liebe Käthe, wollet ihr für gut +annehmen, und läßt Euch freundlich grüßen. Hiemit Gott befohlen. 1535. +Priska-Tag.“[419] + +Dr. Hieronymus Weller heiratete um diese Zeit ein Freiberger Mädchen, +die Tochter G. am Steige. Natürlich sollte ihm Frau Käthe die Hochzeit +in Wittenberg ausrichten. Aber Frau Käthe war damit nicht einverstanden; +kannte sie doch die große Unmuße und Unkosten, welche ein Doktor in +einer Universitätsstadt aufwenden müsse: und hier wäre sowohl der +Hochzeiter, wie der Hochzeitgeber ein Doktor; daher müßten viele Leute +eingeladen werden; Weller solle sich die Liste, die beigelegt sei, +einmal ansehen und werde dann merken, welche Menge geladen werden müßte +(wenn man auch einige streichen könnte), wofern man des Hochzeiters und +seiner Angehörigen Ehre bedenke, zumal man die angesehenen Freunde doch +ehrenvoll bewirten müsse. Das sei sehr schwer. Auch koste es mehr als +100 fl. Die Eheleute rieten Weller daher, die eigentliche Hochzeit +anderswo zu halten und es einzurichten wie M. Kreuziger und Dr. Brück, +nämlich mit geringer Begleitung nach der Universitätsstadt zu kommen, zu +einem Morgen- oder Abendessen mit zwei oder drei Tischen. Hoffentlich +war der Dr. Hieronymus und seine Braut so verständig und gingen darauf +ein. Während der ledige Doktor bei Luthers gewohnt hatte, zog er mit +seiner jungen Frau in ein eigenes Haus in der Nachbarschaft. Nicht lange +darauf wurde Weller Pfarrer in seiner Vaterstadt Freiberg, wo Herzog +Georgs Bruder Heinrich residierte und dem Evangelium beitrat; er blieb +aber in regem Verkehr mit dem Lutherhaus[420]. + +Nach Freiberg wurde 1538 auch M. Nikolaus _Hausmann_ als Stadtpfarrer +berufen. Er war einer der ältesten und besten Freunde des Lutherischen +Hauses, ein sanfter, liebenswürdiger Mann und Junggeselle. Zuerst in +Zwickau angestellt (bis 1532), wurde er dann Hofprediger bei den drei +Anhalter Fürsten in Dessau (1532-38). Die Bekanntschaft Käthes mit ihm +ging durch ein zierliches und mühsam geflochtenes Körbchen und das +schöne Glasgefäß, welches Hausmann selbst gemalt und als Andenken in den +jungen Haushalt geschickt hatte und das Käthes Wohlgefallen erregte (S. +96)[421]. Von da an sendete Frau Käthe dem Zwickauer Stadtpfarrer stets +angelegentliche Grüße und wird wieder gegrüßt in den zahllosen Briefen, +die fast jede Woche zwischen dem Wittenberger Kloster und dem Zwickauer +Pfarrhaus hin und wieder fliegen. Sie empfiehlt sich in schweren Zeiten +seinem Gebet oder bedankt sich für gesandtes Chemnitzer Leinen, wofür er +eine Last lutherischer Schriften durch den Paketträger erhält[422]. Auch +„lebendige Briefe“ gingen hin und her: allerlei Freunde und Bekannte, +namentlich seitdem auch Cordatus nach Zwickau versetzt war, anfangs +1529.[423] Oefters wird Hausmann eingeladen: seine Stubella (Stüblein) +sei bereitgestellt und alles gerüstet — trotzdem Frau Käthe einen jungen +Erdenbürger erwartet. Einigemale kam auch Hausmann wirklich den weiten +Weg nach Wittenberg[424]. + +Im August 1531 ging Hausmann von dem schwierigen Zwickau weg, hielt sich +auch in Wittenberg auf. Von dem nahen Dessau aus war noch ein viel +regerer Verkehr möglich. Das erste Zeichen war ein Wildschwein, das von +der Residenz kam und zum Martinstag von den Freunden des Lutherhauses +verspeist wurde. Als er krank wird, bekümmert sich „Herr Käthe“ in gar +„stattlichem stetem Gedanken um den Freund“. Ja, da dieser so oft +kränklich ist, will Luther ihn gar zu sich nehmen, damit er der Stille +und Ruhe genieße. 1538 kam aber Nikolaus Hausmann als Superintendent +nach Freiberg, wo sein Bruder Valentin lebte. Hier traf ihn bei seiner +Antrittspredigt am 3. November auf der Kanzel der Schlag. Die Freunde +und die Hausfrau verheimlichten Luther den Tod seines lieben Genossen +und brachten ihm die Nachricht erst allmählich bei — er aber saß einen +ganzen Tag und weinte, und auch Frau Käthe wird dem Getreuen ihre +Thränen nachgeweint haben[425]. + +Der frühere Tischgenosse _Schlaginhaufen_ war im Jahre 1532 nach Zahna, +nur zwei Stunden von Wittenberg, als Pfarrer gesetzt worden, wo er mit +dem Lutherhause in enger Verbindung blieb, und z.B. einmal die von +Luther so geliebten Mispeln schickte. Aber in dem ärmlichen und der +Gesundheit des schwachbrüstigen Mannes wenig zuträglichen Orte hielt er +es nur ein Jahr aus. Er wurde dann Pfarrer in Köthen und reformierte +dies Ländchen. Dahin grüßt auch Frau Käthe. Er reiste mit nach +Schmalkalden, begleitete den erkrankten Luther zurück bis Tambach, lief +dann mit der Kunde von dessen Besserung nach Schmalkalden und rief zu +den Fenstern an der Herberge des Legaten hinauf: Lutherus vivit! +Lutherus vivit! (Luther lebt! Luther lebt!)[426]. + +Mit dem Pfarrhaus von Leisnig standen Luther und seine Käthe in regem +Verkehr. Sie senden in zahlreichen Briefen Grüße an ihre ehemaligen +Tischgenossen M. _Lauterbach_ und seine Hagnes oder Nise (Agnese) und +Elslein („Lamm“ und „Lämmlein“); sie geben ihm allerlei zu besorgen, so +Frau Käthe einen Katechismus an eine arme ehemalige Nonne, Christina v. +Honsberg, jetzt Gattin von Georg Schmid. Der Bischof von Meißen hatte +sich gegen Lauterbach gesträubt, weil er nicht geweiht wäre; da sagte +Lauterbach zu dem bischöflichen Amtmann: „Ich bin genug geweiht durch +mein Weib (denn sie war eine Nonne) und Mann und Weib ist ein +Leib“[427]. Da der andre Pfarrer in Leisnig sich nicht mit Lauterbach +vertrug, so verzog dieser als Diakonus nach Wittenberg, wo er von +1536-39 lebte, um dann als Superintendent nach Pirna ins evangelisch +gewordene Herzogtum Sachsen zu kommen. Zu Wittenberg als Amtsgenosse +Luthers verkehrte er viel im Klosterhaus; auch seine Frau war öfter da +und gab einmal auf eine theologische Frage eine gar feine Antwort. Es +war an sie dieselbe Frage gerichtet, wie an Frau Käthe, ob sie heilig +wäre; da sagte sie, sie wäre heilig, so viel sie glaubte; wäre aber eine +Sünderin, sofern sie ein Mensch wäre. Von Pirna hat Lauterbach die +Steinmetzarbeit an der Hausthür für Frau Käthe besorgt, weiterhin +Rebpfähle, mehrmals Pelzröcke für die Töchter, auch Butter und Aepfel, +Borsdorfer und andere, „rötliche“, von welchen sich dann Frau Käthe auch +Zweige zur Veredlung bestellt[428]. + +Georg _Spalatin_ war bald nach Luthers Vermählung aus dem Hofdienst +getreten, hatte sich verheiratet und war neben M. Eberhard Brisger +Oberpfarrer von Altenburg geworden. Weil diese Stadt ziemlich weit +ablag, so kam der alte Freund Luthers nur bei besonderen Veranlassungen +amtlicher Art nach Wittenberg; auch Luther konnte, so sehr er voll +Sehnsucht nach des Freundes Umgang war, schwer nach Altenburg kommen, +nicht einmal zur Hochzeit Spalatins, weil er eben die Flucht der 13 +Nonnen aus Freiberg veranstaltet hatte. Um so häufiger aber sandten sich +die Freunde Briefe und Boten und teilten sich die häuslichen +Vorkommnisse mit und Frau Käthe drängt dabei ihren Mann zum Schreiben. +„Meine Rippe“ oder „mein Herr Käthe“ senden an Spalatin und „seine +Rippe“ oder „Kette“ (sie hieß auch Katharina), seine „Hindin“ und ihre +Kleinen Grüße und Glückwünsche, wünscht ihm auch ein kleines +„Spalatinlein, das ihn lehre, was sie sich rühmt von ihrem Hänslein +gelernt zu haben, nämlich die Frucht und Freude des Ehestandes, deren +der Papst mit seiner Welt nicht wert ist“[429]. Den in Schmalkalden +schwer erkrankten Luther ließ Frau Käthe ins Altenburger Pfarrhaus +bringen und bleibt dort mehrere Tage. Voller Dankbarkeit und Anerkennung +ist sie für die „freundliche Liebenswürdigkeit und liebenswürdige +Freundlichkeit“, die sie mit ihrem Gatten im Hause des feinen Mannes +erfahren. Sie ist unglücklich, daß sie in der Aufregung den Töchtern +Spalatins nichts mitgebracht und sendet ihnen schön gebundene Büchlein, +ihr gewöhnliches Geschenk[430]. Nochmals nimmt sie die Liebenswürdigkeit +des Altenburger Pfarrherrn in Anspruch, als sie ihre Bauten in Zulsdorf +ausführt. Weil Spalatin gerade um diese Zeit nach Wittenberg kam, so +giebt sie ihm allerlei Aufträge mit, da Zulsdorf von Wittenberg so weit +weg und näher bei Altenburg lag und sie wegen der bestehenden +Winterszeit nicht dahin kommen konnte. Da soll er, der ehemalige +Hofmann, bei dem Schöffer dafür sorgen, daß sie Eichenstämme und dicke +Prügel für Bauten bekomme in ihrem neuen Reich. Da empfiehlt sie ihre +Fuhrleute und Handwerker der Fürsorge Spalatins. Und dieser interessiert +sich für ihre Zulsdorfer Unternehmungen so sehr, daß ihm Luther +ausführlich über all die Mißgeschicke schreiben muß, welche seine Frau +mit den sächsischen „Harpyen“ hat, welche ihr Bauholz wegstibitzen. +Dafür schickt die arzneikundige Doktorin dem Herrn Oberpfarrer auch eine +Wurzel gegen den Stein, die sich bei Luther recht wirksam gezeigt +hatten.[431] + +Ein Freund der Familie Luther war auch ihr Gevatter _Hans von +Taubenheim_. An ihn wendet Käthe sich vertraulich mit wirtschaftlichen +Anliegen. Aber sie nimmt auch Teil an seinem Schicksal, als er 1539, +scheint's, in Ungnade fiel. Luther muß ihm schreiben: „Meine Käthe läßt +Euch herzlich grüßen und weinet bitterlich über Euren Unfall und sagt: +wenn Euch Gott nicht so lieb hätte, oder wäret ein Papist, so würd er +Euch solch Unglück nicht geschehen lassen.“[432] + +Alle diese Freunde des Lutherhauses lebten auswärts und waren nur +besuchsweise oder doch vorübergehend in Wittenberg. Die befreundeten +Familien in der Stadt selbst waren die der Amtsgenossen Luthers: die +Professoren Kreuziger, Jonas und Melanchthon und die Pfarrer Bugenhagen +und Röhrer, weniger bedeutend der andere Schloßprediger D. Georg Major, +der Professor des Hebräischen Matthäus Aurogallus (Goldhahn), +Melanchthons Busenfreund Paul Eber, D. Hier. Schurf, endlich sein +Bruder, der Hausarzt und Nachbar, Professor Augustin Schurf, dessen Weib +Hanna von Frau Käthe in der Pestzeit ins Haus genommen und gepflegt +wurde. Sie alle waren vielfach Gäste in Luthers Haus, namentlich bei der +Bibel-Uebersetzung. In ihrem Kreise ließ sich Luther mehr gehen, als an +der Tafelrunde der Tischgenossen, mit „fröhlicher Laune und witzigem +Scherzwort“[433]. + +_Kreuziger_, Dr. der heiligen Schrift, Luthers treuer Freund und +„Fürbund“, den er (seit 1528) zu seinem „Elisa“, seinem Nachfolger in +der Theologie erlesen hatte, der auch Luthers Testament unterschrieben +hat, war — ausnahmsweise — ein wohlhabender Theologe[434]. Für ihn +besorgte Frau Käthe Aufträge und seine Frau Elisabeth, eine gewesene +Nonne aus Pommern, bringt ihr ein goldenes Meßgeschenk, wofür Luther an +Kreuzigers Frau ein gleiches schickt. Diese, Elisabeth von Meseritz, war +die Dichterin eines Liedes, das Luther in sein Gesangbuch setzen ließ. +Es beginnt: + + Herr Christ, der Einige Gottes + Vaters in Ewigkeit, + Aus seinem Herz entsprossen + Gleichwie geschrieben steit. + Er ist der Morgenstern, + Sein' Glanz streckt er so fern + Vor andern Sternen dar[435]. + +Elisabeth starb früh, so daß Kreuziger zur zweiten Ehe schritt (1530); +mit der Hochzeit wollte er aber Frau Käthe nicht beschweren und hielt +sie auf Schloß Eilenburg ab, das ihm der Kurfürst auf Luthers Bitte +dafür zur Verfügung stellte. Dagegen ist er eingeladen bei Luthers +Geburtstagsschmaus[436]. + +_Bugenhagen_ oder D. Pommer, der stattliche und würdige Propst, +Professor und Stadtpfarrer und geborene General-Superintendent +(1536)[437], war mit seiner pommerschen Gelassenheit ein gar milderndes +Element in dem Lutherischen Hause, dessen Beichtvater er war. So hielt +er auch neben Luther ruhig in der Pestzeit aus. Trotz seines würdevollen +Wesens war er doch „im gemeinen Wandel eines liberalischen, fröhlichen +und fertigen Gemüts“. Er stellte sich von Anfang auf Frau Käthes Seite. +Er half ihr — nebst dem Kapellan Röhrer — das schöne Glas vor Luthers +Geschenkwut retten. Er hielt sich gar viel im Kloster auf; ja er wohnte +sogar in Luthers Anfechtungen dort[438]. Luthers Briefe grüßen gar oft +in einem Atem: Dr. Pommer und meine Käthe oder meine Käthe und Dr. +Pommer. Einmal schreibt er sogar im Hause und Namen Luthers einen Brief +an Spalatin, worin „Dominus mea“ („meine Herr“ Käthe) grüßte. Einen +Brief Luthers an Frau Käthe sollte in ihrer Abwesenheit Pfarrherr D. +Pommer erbrechen und lesen[439]. Umgekehrt hat Frau Käthe auch allerlei +an D. Pommer auszurichten, sogar allerlei Theologisches in lateinischen +Wendungen von den Argumenten Zwinglis in Marburg und Kirchenpolitisches +von Augsburg. „Sage D. Pommer“, heißt es dann in Luthers Briefen an +seine Frau[440]. Der behagliche Pommer ergötzte die Freunde gar sehr mit +seinen Sprüchen, namentlich in breitem Platt; aber er lachte auch, wenn +der „schwäbische“ Pfälzer Melanchthon sich im Plattdeutschen versuchen +wollte. Im Dezember 1527 erwartet der Propst im Lutherhause die +Niederkunft seiner Frau. Sie und Frau Katharina lagen fast zu gleicher +Zeit in den Wochen: Frau Pommer mit einem Knäblein, Frau Käthe mit ihrem +Töchterlein Elsbeth. Bald darauf starben ihr zwei Söhne[441]. 1528 wird +zu Bugenhagens Reise nach Braunschweig von Luthers „Eva“ im Kloster ein +Abschiedsmahl gehalten; er wurde aber auch nach Hamburg „geliehen“, dann +nach Lübeck, Pommern und Dänemark, und erzählte dann daheim, nach der +Landesart gefragt, zum Ergötzen der „Tafelrunde“, dort tränken die Leute +„Oel“ und äßen „Schmeer“ (d.h. Bier und Butter). Bugenhagen war also +viel weg von Wittenberg, zur großen Sorge Luthers, der seine +Arbeitslast als Stadtpfarrer und Professor noch dazu übernehmen mußte. +So hatte auch Frau Käthe gar oft nach dem „Pommerischen Rom“ mit seinen +kleinen Weltbürgern in der Superintendur am Kirchenplatz zu sehen[442]. + +Justus _Jonas_, „der Rechte Licentiat und Erfurter Kanonikus“ nachher +(1521) Professor, D. der Theologie und Propst des Allerheiligenstiftes, +nahm im Lutherhause eine ähnliche Stellung ein, wie Bugenhagen. Nur +hatte er in seinem Wesen nicht die stoische, gesunde Ruhe des D. Pommer. +Er war vielmehr kränklich und etwas erregt, ein lebhafter Sprecher, +„unser Demosthenes“, der lieber redete als schrieb; denn er „drohte“ nur +Briefe zu schreiben, führte es aber nicht aus, wie Luther scherzt. Die +Familie wohnte in der Fischervorstadt, hatte auch Garten und Weinberg. +Während der Pest 1527 und wieder 1535 zog Jonas mit Weib und Kind in +seine Vaterstadt Nordhausen bezw. nach Jena. Er war bei den +Verhandlungen in Augsburg, Marburg, Frankfurt, Schmalkalden u.s.w. viel +abwesend von Wittenberg, so daß Luther viele und häufige Briefe an ihn +zu schreiben hatte, in denen Frau Käthe mit Grüßen, Aufträgen und +Mahnungen und dgl. sich hören läßt. Umgekehrt grüßt auch Jonas die Frau +Doktorin, Muhme Lene, Hänschen, Lenchen — und sendet seinem Paten einen +silbernen Johannes, d.h. einen Joachimsthaler (Gulden) mit dem Bildnis +des Kurfürsten Johann[443]. Jonas hatte sich schon 1522 verheiratet mit +Katharina von Falk. Sie hatte eine große Kinderschar (1530 schon 5 +Söhne), aber viele starben jung; bekannt sind davon Jost, Christoph, +„Sophiela“, „Elisabethula“, auch eine Großmutter lebte im Haus und +erhielt von Luther Grüße[444]. Frau Käthe Jonas war eine muntere, +heitere Frau. Von ihr meldete im Sommer 1529 der Wittenberger +Stadtschreiber Baldunai: „Ich hab' Melanchthon mit der Pröpstin tanzen +sehen! Es ist mir wunderlich gewesen.“ Auch Luther richtet an sie +gelegentlich einen scherzhaften Brief als der „Ehrbaren, Tugendsamen +Frauen Kathrin Dokterschen Jonischen, Propstin zu Wittenberg, meiner +günstigen Freundin und lieben Gevatterin“ und schließt: „meine Käthe und +Herr zu Zulsdorf grüßet Euch alle freundlich.“[445] + +Mit der „Jonischen“ Familie war die Lutherische eng befreundet, +namentlich die beiden Käthen waren aufs innigste mit einander verbunden, +sie waren stets ein Herz und eine Seele: die lebhafte thatkräftige +Lutherin war offenbar recht angezogen von der fröhlichen Natur der +Propstin. Aber auch den redegewandten Propst mochte die Frau Doktorin +gerne leiden. Nach Augsburg schickt sie in einem Brief an ihren Herrn +Martinus ein Billet („Zedula“), worin sie von der Geburt eines Jonischen +fünften Sohnes berichtet[446]. Als die Propstfamilie während der Pest +mit der Universität auch in Jena weilt, bestellt die „Erzköchin“ bei +Jonas für einen Thaler allerhand Geflügel und Wildbret zu einem +Doktorschmaus und will ihn mit einem guten Sud von ihrem gesunden und +heilsamen Bier nach Wittenberg locken. Dagegen warnt sie ihn, sich von +der „Güte des Weins“ bei Spalatin berücken zu lassen, wodurch der Leib +so rauch und scharf von Steinen werde, wie die Weinfässer, wenn sie +ausgetrunken sind. Mit dem Bier wußte Frau Jonas nicht so wohl Bescheid +wie Frau Lutherin; denn dasjenige, das sie Luther einmal schickte, war +verdorben. Angenehmer als dieses Geschenk waren der Wein, die Quitten +und Aepfel u.a., welche Jonas von seinen Reisen oder aus Halle +sandte[447]. Als Frau Käthe zu Anfang des Jahres 1540 schwer erkrankte, +da schrieb Jonas manchen betrübten Brief voll aufrichtiger Teilnahme und +Sorge. „Wenn mein Brief so trübselig ist, so ist die Trauer schuld um +die hochgeschätzte Frau, weil sie so krank darniederliegt.“ Und er freut +sich „dann, als ἡ γυνή des Herrn D.M. Luther durch göttliche Wunderkraft +wieder gesundet.“ Im Frühjahr 1541 zog Jonas nach Halle, um dort trotz +des Bischofs „mit Volk und Rat“ die Reformation durchzuführen[448]. Da +sich dieser Aufenthalt, wie es den Anschein bekam, lange hinausziehen +sollte, so zog im Herbst die Frau Propstin ihrem Manne nach, während der +Sohn Tischgenosse im Lutherhause werden sollte. Sie verabschiedete sich +so eifrig und eilig, daß sie sogar vergaß, Briefe von Luther mitzunehmen +und dieser samt seiner Frau sie neckte mit ihrer Liebessehnsucht. Leider +sollten sie die Freundin nicht mehr sehen. Nicht lange nach ihres lieben +Töchterchens Lenchen Tod verlor Frau Käthe auch ihre beste Freundin. Sie +starb in Halle um Weihnachten 1542, indem sie „mit gar frommen und +heiligen Worten ihren Glauben bezeugte.“ Frau Käthe war ganz weg bei +der Trauerkunde[449]. + +Etwas weniger herzlich scheint das Verhältnis zur Familie Melanchthon +gewesen zu sein. Die beiden waren fast Gartennachbarn und wie die +Männer, so werden auch die Frauen sich an dem Gartenzaun und in ihren +Gärten und Häusern doch vielfach begegnet sein. Die Kinder spielten mit +einander, wie aus dem Märchenbrief Luthers ersichtlich ist, und Luther +schreibt dem ängstlichen Magister während seiner Abwesenheit genau alle +Vorkommnisse unter den Kindern[450]. Aber auffällig ist doch, daß in +all' den vielen (3000) Briefen Luthers die Gattin seines Kollegen +ausdrücklich niemals erwähnt ist. Frau Käthe Melanchthon war der +temperamentvollen Doktorin wie dem Doktor nicht so sympathisch als die +Frau Käthe Jonas. Sie fühlte ihren Gemahl und sich nach den Epigrammen +des Lemnius, aber auch nach den Andeutungen Kreuzigers überall +zurückgesetzt und in den Schatten gestellt durch Luther und die +Doktorin. Die wohlhabende Bürgermeisterstochter und das arme +Edelfräulein standen sich wohl von Anfang an gegenüber, nochmehr aber, +als die fremde Nonne den gewaltigen Doktor, den ersten Mann der Stadt, +ja der Welt zum Gemahl bekam. Zur Erklärung der Stimmung von Frau +Melanchthon muß wohl auch auf die bestehende Kleiderordnung verwiesen +werden, welche derjenigen von 1572 ähnlich gewesen sein wird. Die +Doktorsfrauen durften darnach eine guldene unverfütterte Haube tragen, +und so ein alt Kleid zu kurz wird, es mit Sammet- und Seidegebräm +verlängern — die _Magisters_frauen nicht, und Frau Melanchthon war bloße +Magisterin. Ferner durften Doktoren 8 Tische, Magister bloß 6 Tische bei +Hochzeiten haben; letztern waren auch Röcke, Barett oder Schläpplin aus +Sammet und Seide verboten[451]. + +Es traten sogar einmal Mißstimmungen Luthers gegen Melanchthon ein, +welche sich natürlich auch auf die beiderseitigen Frauen übertrugen. + +Melanchthons Schwiegersohn Sabinus, ein Humanist und Poet, hatte Luthers +alten Gegner, den Kardinal-Erzbischof Albrecht, der sich gern als Mäcen +aufspielte, als seinen Gönner gefeiert, und bei seiner Hochzeit mit +Melanchthons Töchterlein (1536) war der erzbischöfliche Kanzler Türk zu +Gast, ja Sabinus lebte eine zeitlang an Albrechts Hofe. Um diese Zeit +machten auch andere römische Kirchenfürsten den Versuch, Melanchthon auf +ihre Seite zu bringen. Luther zürnte über die „Erasmischen Vermittler“, +wenn er auch nicht glaubte, Melanchthon werde ein zweiter Erasmus +werden. Die Anhänger Luthers, Cordatus und Schenk, gingen aber schärfer +gegen Melanchthon vor und dieser scheute sich in seiner ängstlichen Art +vor einer offenen Aussprache mit Luther. Käthe hätte gerne eine +freundschaftliche Auseinandersetzung der beiden alten Freunde gewünscht; +die „Doktorin“ beklagte die Entfremdung derselben, sprach dies auch +gegen Kreuziger und andere Freunde aus, in der Hoffnung, eine +Auseinandersetzung herbeizuführen. Aber dem widersetzte sich die +„Weibertyrannei“ der Frau Melanchthon[452]. + +Jetzt kam noch etwas anderes hinzu. 1537 geriet ein gewisser M. Simon +Lemchen (Leminus) nach Wittenberg, der war ein Freund und +Gesinnungsgenosse des Sabinus, formgewandt, aber auch charakterlos wie +dieser. Für diesen Schöngeist verwendete sich Melanchthon um ein +Stipendium bei dem Rat von Augsburg, weil er zum Teil in Augsburg +erzogen war und diese löbliche Stadt für sein Vaterland hielt. Er bekam +auch wirklich eine Unterstützung von 20 fl. Damals kam auch Sabinus nach +Wittenberg und verkehrte viel mit seinem Freunde[453]. + +Zu Pfingsten 1538 nun hat Lemnius, der „ehrlose Bube etliche Epigrammata +ausgehen und sogar an den Kirchthüren verkaufen lassen, ein recht +Erzschund-, Schmach- und Lügenbuch, wider viel ehrliche Manns- und +Weibsbilder, dieser Stadt und Kirchen wohl bekannt.“ Natürlich machte +das Büchlein in der kleinen Stadt das peinlichste Aufsehen und erregte +häßliche Geschwätze. Melanchthon hatte als Rektor die Zensur über +litterarische Erscheinungen von Universitätsangehörigen zu üben. Daher +erhob sich gegen ihn der Verdacht, daß er mit Absicht die böse Schrift +habe drucken lassen. Aber Luther überzeugte sich bald, daß es „hinter +Wissen und Willen derer, so es befahlen ist zu urteilen“, ausgegangen +war. Und so beruhigte sich auch die Frau Doktorin bald wieder. Der +„Poetaster und Leuteschänder“ Lemnius flüchtete und wurde relegiert, +rächte sich aber durch ein unflätiges Schmähgedicht auf Luthers und +Käthes Ehe, wie auf andere Professorenfamilien in Wittenberg [454]. Das +gute Einvernehmen der beiden Familien stellte sich bald wieder her. Frau +Käthe läßt nach wie vor dem abwesenden Magister Philipp ehrerbietig +Grüße zusenden und dieser versäumt nicht nach wie vor „Luthers +hochverehrte Gemahlin und süße Kinder zu grüßen“. Ja das Verhältnis zu +ihm zeigt sich nach diesem Vorkommnis noch viel freundlicher [455]. Sie +läßt dem Magister besonders nachdrücklich danken, daß er ihren Doktor +nicht mit nach Schmalkalden — schlimmen Angedenkens — mitgenommen hat. +Sie versichert ihn ihrer ganz besonders warmen Liebe und Zuneigung. Als +Melanchthon wegen der hessischen Ehegeschichte tödlich erschrocken +darniederlag, heißt sie ihn tapfer und „fröhlich“ sein und versichert +ihn mit ihrem Gatten ihrer aufrichtigen Liebe und verspricht, eifrig und +kräftig für ihn zu beten. Nach Worms läßt sie ihm melden, sie siede eben +für ihn Wittenbergisch Bier, um ihn und seine Genossen damit zu +empfangen. Und M. Philipp läßt sich auch sorglich über ihr Wohlergehen +berichten und wäre sehr beunruhigt, wenn er hören müßte, es ginge der +Frau Doktorin übel. An Luthers Todestag noch sendet er in ihrem Auftrag +nach Eisleben Nachrichten und Arzeneien[456]. + +Eine gewiß noch rascher vorübergehende Verstimmung trat 1544 ein infolge +eines Vorwurfs, den Frau Käthe Melanchthon machte und den der +empfindliche Meister Philipp wohl zu schwer nahm; sie sagte nämlich, man +glaube, er bevorzuge seine schwäbischen Landsleute vor den Sachsen. Das +konnte doch weder so ernst gemeint noch genommen werden, wenn er auch in +einem Brief an Freund Jonas die δεσποινα (Herrscherin) darüber +verklagt[457]. + +Den Verkehr dieser Hausfreunde mit Frau Käthe kennzeichnet ein Brief, +den dieselben von Augsburg aus 1530 an die Doktorin geschrieben haben; +es ist der Ton achtungsvoller Freundlichkeit mit einem Anflug von +Lutherschem Humor; zugleich aber ein Beweis, wie geschäftstüchtig Frau +Käthe war, daß Melanchthon sogar ökonomische Aufträge ihr gab, statt +seiner eigenen Gattin, die er wohl auch für weniger schreibfertig halten +mußte, als die Lutherin. Der Brief lautet samt der Adresse so[458]: + +„Der ehrbaren tugendsamen Frau Katharina Lutherin Doktorin, meiner +besonders günstigen Freundin. + +Gottes Gnad' und alles Gute! + +Ehrbare, tugendsame Frau Doktorin! + +Ich füge Euch zu wissen, daß wir nun, Gott gebe Gnad, bis gen Augsburg +kommen sind und haben den Herrn Doctor zu Coburg gelassen, wie er ohn +Zweifel Euch geschrieben hat. Ich hoff aber, in kurz bei ihm zu sein. +Bitt Euch, Ihr wollet mir schreiben, wie es Euch geht und wie sich der +Hauptmann Korns halber erzeiget hat. Womit ich Euch dienen kann, will +ich mit allem Fleiß, wie ich mich schuldig erkenne, solches thun und +ausrichten. + +Beide Kanzler[459] grüßen Euch und wünschen altes Gute. Gott bewahre +Euch! + +Datum Augsburg, Mittwoch nach Walpurgis. Philippus. + +Herzog Georg von Sachsen soll morgen kommen. Der Kaiser ist noch ferne, +kommt aber. + +Liebe Gevatter! Auch ich wünsche Euch, Hänschen Luther und Magdalenchen +und Muhme Lene viel selige Zeit. Pusset mir in meinem Namen meine +liebsten Jungen. + +J. Jonas. + +Ich, Johann Agricola Eißleben, mein es auch gut, meine liebe Frau +Doktorin.“ + +Wie hier im Brief, so maßen sich an Käthes Tisch die Freunde an der +theologischen Tafelrunde im Redewettkampf um den Preis des kürzesten +Tischgebets. Da zeigt sich nun Luthers Sinnigkeit, Bugenhagens +hausbackenes Behagen und Melanchthons zierliche Feinheit in den Sprüchen +Luthers: Dominus Jesus sit potus et esus (der Herr Jesu sei Speis' und +Trank); Pommer: „Dit und dat, träg und natt, gesegen uns Gad“; und +Melanchthons: Benedictus benedicat (der Gesegnete segne)[460]. + +Außer den beiden Frauen der Kollegen Jonas und Melanchthon wird +Katharina wohl vorzüglich mit Frau Barbara Kranach verkehrt haben und +Frau Bürgermeister Reichenbach, ihrer Pflegemutter, beide ältere +Matronen, und ebenso mit der Familie des Buchdruckers Hans Lufft. +Selbstverständlich gehörte die Gemahlin des Doktors zu den vornehmen +Kreisen, ja sie war bei weitem die angesehenste Frau Wittenbergs und es +entspricht ihrer Stellung, wenn Meister Lukas sie auf dem Altarbilde der +Stadtkirche mit ihrem Kinde in der vordersten Reihe malt. Sie trug auch +das feine goldschimmernde Pelzwerk um die Schultern oder in Streifen am +Kleid, das die Patrizierin auszeichnet. Ein gewisses Selbstgefühl läßt +sie auch verschiedentlich durchblicken. So läßt sie einen Freund ihres +Mannes „warnen, beileibe keinen Bauernkloppel zur Ehe zu nehmen; denn +sie sind grob und stolz, können die Männer nicht für gut haben, können +auch weder kochen noch keltern“. Daneben freilich ging sie mit andern +Frauen (in der Weise unserer heutigen Frauenvereine) kranken Weibern und +Wöchnerinnen mit Rat und That an die Hand[461]. + +Aber man versteht es auch, daß eine Frau von der Anlage und dem +Temperament und Bildung Katharinas mehr auf den Umgang mit Männern +hielt, und daß dieser Umgang, zu dem sie so viel Veranlassung und +Gelegenheit hatte, sie wenig geneigt machte, sich viel in weiblicher +Gesellschaft zu bewegen. + +Freunde um sich zu haben, war Luther ein Bedürfnis. Er haßte die +Einsamkeit aus Furcht vor „Anfechtungen“ — mußte er doch in den +Nachtstunden dem Teufel genug Rede stehen. „Ehe gehe ich zu meinem +Schweinehirten Johannes und zun Schweinen, denn daß ich allein bliebe“, +sagt er zum Exempel für einen Angefochtenen. So war er auch stets in +Gesellschaft, wenn er spazieren fuhr[462]. + +Bei der Bibelübersetzung (1525-34) und der Bibelrevision (1539-42) kamen +die Gehilfen Luthers, Melanchthon, Bugenhagen, Jonas, Kreuziger, +Aurogallus und der Schnellschreiber und Korrektor Röhrer zum +evangelischen „Sanhedrin“ zusammen, und nachher blieben sie oft zu +Tische da, disputierten weiter, oder erholten sich auch an heiterem +Gespräch und Gesang. + +So war der Gasttisch in Käthes Haus nimmer leer — dafür sorgte Luther. + +Aber auch ihm persönlich und besonders widmete sie als echte deutsche +Frau ihr Leben. + + + + +14. Kapitel. + +Käthe und Luther. + + +„Das ist ein seliger Mann, der eine gute Ehe hat. Denn es ist kein +lieblicher, freundlicher noch holdseliger Verwandtnis, Gemeinschaft und +Gesellschaft, denn eine gute Ehe, wenn Eheleute mit einander in Frieden +und Einigkeit leben. Die höchste Gnade Gottes ist, ein fromm, +freundlich, gottesfürchtig Gemahl haben, mit der du friedlich lebest, +der du darffst all dein Gut und was du hast, ja dein Leib und Leben +anvertrauen.“ So preist Luther die Ehe, und _seine_ Ehe und seine +Gattin, die ihm das Wesen und das Ideal des Ehestandes vor Augen führte +und verwirklichte. Sie bereitete ihm ein schönes Heim, einen glücklichen +Hausstand, sie wartete und pflegte ihn treulich und diente ihm „wie eine +Ehefrau, ja wie eine Magd“[463]. + +Käthe sorgte vor allem für ihres Herrn Doktors leibliches Wohl in +gesunden und kranken Tagen[464]. + +Die „Erzköchin“ verstand den leiblichen Bedürfnissen ihres Mannes +gerecht zu werden; sie wußte, was seinem Geschmack entsprach und was +seiner Gesundheit zuträglich war. Luther wußte auch, was das heißt, und +daß „das ein gemarterter Mann sei, dess' Weib und Magd nichts wissen in +der Küche: es ist das erste Unglück, woraus viele Uebel folgen.“ Aber +auch das Gesinde thut's nicht, sondern, wie Luther in sein Hausbuch +schreibt: „Der Frauen Augen kochen wohl.“[465] + +Luther liebte, als ein echtes Bauernkind und mit gesundem Appetit +gesegnet, recht derbe Hausmannskost. Ueppige Speise machte ihm +Beschwerden. Er lobte sich eine reine, gute, gemeine Hausspeise: +Brathering und Erbsen war ihm ein Lieblingsgericht[466]. Aber seine +Gattin erkannte bald, daß dem Doktor bei seiner sitzenden Lebensweise, +bei seiner angestrengten geistigen Thätigkeit und namentlich, weil er in +den Tagen seines unnatürlichen Kloster- und Junggesellenlebens seine +Natur sehr verdorben hatte und durch Verdauungsstörungen an schweren +Schwindelanfällen litt, — daß diese derbe Kost ihm wenig zuträglich sei +und sie namentlich mit anderer Pflanzenkost, besonders Obst, nachhelfen +müsse, und überhaupt war sie auf Wechsel in der Speise bedacht[467]. So +hatte sie denn in ihrer Speisekammer, in Keller und Speicher nicht nur +Erbsen und Hirsen, Grütze, Graupen und Reis vorrätig, da gab es auch +Kraut, Kohl, Mohren, Rüben und Obst; die einheimischen Mispeln liebte +Luther mehr denn alle welschen Feigen, und die Pfirsiche schätzte er +besonders hoch und fast den Weintrauben gleich. Da wurden im Kloster +nicht nur Ochsen und Schweine geschlachtet, auch Gänse und Enten, +Hühner, Tauben und Krammetsvögel, frische und dürre Fische und Krebse +kamen als Leckerbissen auf den Tisch. Wildbret war Hochzeitsbraten; +Luther fand es aber mit seinem schwarzen Fleisch zu „melancholisch“. +Zwar hielt Käthe selber Rinder und Hühner, pflanzte allerlei Frucht und +Gemüse, zog Obst, buk das tägliche Brot und sott Bier; aber vieles mußte +noch dazu gekauft werden, oder man erhielt es geschenkt, namentlich +sorgte der Hof für Wildbret und die Freunde für schönes Obst: +Borsdorfer, Gold- und Blutäpfel. Frau Käthe aber würzte die Speisen mit +Salz, Pfeffer, Safran, mit Mohn, „Zippel“ (Cipola, Zwiebel), +Petersilien, Kümmel und Karbey, schmälzte mit Butter und süßte mit Honig +und Zucker. Zum Nachtisch war immer Obst da: Aepfel, Birnen, Pfirsiche +und Nüsse; in der Kirschenzeit hing auch ein Kirschenast über der +Tafel[468]. + +Daher schmeckte dem Doktor nichts besser als seine hausgemachten Speisen +und Getränke und nirgends ist es ihm wohler, als daheim an seinem +wohlbestellten Tisch. Lieber als die gepreßten Käse, welche Lauterbach +fern aus Pirna herschickt, sind ihm „unsre Käse von einfachem Stoff und +einfacher Form“. Das von Jonas geschenkte Bier findet er schlecht, +während er jenem das Bier von seiner Käthe anpreist als ein erprobtes +Heilmittel gegen das Steinleiden; ja er nennt es geradezu die „Königin +aller Biere“. Bei Hof gedenkt er an seinen „freundlichen lieben Herrn“ +Käthe, wie gut Wein und Bier daheim habe; dort müsse er einen bösen +Trunk thun oder von den dicken schweren Brot essen, das ihm so schlecht +bekomme[469]. + +Und wie sehnte sich Luther immer von den Unbequemlichkeiten der Reise +und fremder Herberge nach seinem gemütlichen Heim und dem behaglichen +warmen Bett! + +Käthe befolgte also die alte Regel, welche Luther so gerne jungen +Ehefrauen einschärfte: „Halt dich also gegen deinen Mann, daß er +fröhlich wird, wenn er auf dem Wiederwege des Hauses Spitzen +sieht.“[470] + +Freilich hatte Frau Käthe auch in Beziehung auf die Verköstigung ihres +Gatten mit dessen Eigensinn zu kämpfen, denn der Doktor genoß oft +mehrere Tage lang gar nichts, oder er aß nur einen Bratfisch und ein +Stück Brot; wenn er ganz ungestört studieren wollte, nahm er einen +Bissen Brot und zog sich in sein Studierstüblein, seine alte +Mönchszelle, ein und kam gar nicht zum Essen und — zum Schlafen. So +schloß er sich einmal, um den 22. Psalm zu erklären, mit Brot und Salz +ein und kam drei Tage nicht zum Vorschein. Da wurde Frau Käthe doch +ängstlich zu Mute, sie pochte und rief an der Thür. Keine Antwort. Sie +ließ nun den Schlosser kommen und die Thüre aufbrechen. Da rief er +unwillig: „Was wollt ihr? Meint ihr, es sei was Schlechtes, was ich +vorhabe? Weißt Du nicht, daß ich muß wirken, so lang es Tag ist; denn es +kommt die Nacht, da niemand wirken kann!“ Ein andermal (1541) hatte sie +ihre liebe Not mit dem eigensinnigen Patienten, der bei seiner +„Anfechtung“ vierzehn Tage nicht schlafen konnte und nichts essen und +nichts trinken wollte[471]. + +Freilich zu anderer Zeit war Luther auch aufgelegt zu einem festlichen +Schmaus oder einem kleinen Gelage im Freundeskreise, denn er meinte: +„Darf unser Herrgott große Hechte und Rheinwein schaffen, so darf ich +sie auch essen und trinken; es ist dem lieben Gott recht, wenn du einmal +aus Herzensgrund dich freuest oder lachest.“ Da wußte nun Frau Käthe +ihrem Manne den Geburtstag, den Doktorstag, den Thesentag u.a. festlich +zu schmücken. „Das Königreich“ wurde am 3. Mai mit einem Mahle gefeiert, +„da wurden Psalmen gesungen, Evangelien gesagt, der Katechismus, Gebete, +wie einem jeglichen aufgelegt war; darauf mußte das Hausgesinde +antworten.“ An St. Niklas wurden die Kinder beschenkt; am Neujahr auch +das Gesinde. Besonders aber Weihnachten wurde festlich begangen und die +Kinder freuten sich darauf und die Eltern mit ihnen. Frau Käthe aber +sorgte dafür, daß allerlei Gutes und Schönes ins Zimmer und auf den +Tisch kam[472]. + +Ganz vorzüglich bewährte sich aber Frau Käthe als Krankenpflegerin. Da +zeigte sie alle ihre Erfahrung, Geschicklichkeit und Energie. Und was es +alles für Krankheiten in einer so großen Familie gab, läßt sich denken. +Da waren nicht bloß die Kinder und Schüler, welche allerlei +Kinderkrankheiten, zum Teil tödliche, durchmachten; da schleppte Luther +noch alle kranken Freunde und Freundinnen ins Schwarze Kloster, so daß +es nach seinem eigenen Ausdruck oft genug ein „Spital“ war[473]. + +Der langwierigste und schwierigste Patient war freilich der Doktor +selber[474]. Krank war er eigentlich von Anfang an, und immer neue +Krankheiten kamen zu den alten: Ruhr, Fieber, schmerzliche +Hautausschläge und Geschwüre, Rheuma, Hüftenweh und Brustbeschwerden. Er +hatte insbesondere einen bösen Pfahl im Fleisch: den Stein, der ihn wie +„Faustschläge des Satans“ plagte; sodann verursachten ihm seine +Verdauungsstörungen Beengungen, Blutandrang nach dem Haupt, Kopfweh, +Ohrensausen und Schwindel, Krämpfe und Ohnmachten: Anfälle, vor denen er +als „Anfechtungen des Teufels“ sich heftig fürchtete und die ihn oft mit +tiefer Schwermut erfüllten[475]. Da galt es, eine geduldige und +fröhliche Krankenpflegerin sein. Und Frau Käthe verstand ihren Patienten +zu behandeln, besser als die großen Doktoren, die Herren Aerzte; sie +wußte, wie man den Kranken behandeln mußte mit Nahrung und +Arzneimitteln; sie hielt ihn vom Wein ab und sott ihm leibreinigendes +Bier; sie rieb ihm das Bein mit heilkräftiger Salbe und Aquavitä ein und +erwärmte ihm den Leib mit heißen Tüchern: sie erquickte ihn mit +Kraftküchlein und allerlei Säften; sie kannte eine wirksame Wurzel gegen +den Stein und zahlreiche Hausmittel: sie schabte ihm Bernstein von einem +alten Rosenkranz und löste ihm die weißen Bernsteinstückchen auf, welche +der Herzog von Preußen als Mittel gegen den Stein schickte[476]. Nach +dem Zeugnis ihres Sohnes, des nachherigen berühmten Arztes Paul Luther, +war sie eine halbe Doktorin. Dieser sagte in seiner Antrittsrede zu +seiner Professur in Jena: „Meine Mutter hat nicht allein in +Frauenkrankheiten durch Rat und Heilung vielen geholfen, sondern auch +Männer oft von Seitenschmerzen befreit.“[477] Ihr vertraute sich daher +Luther auch lieber an, als „unsers Herrgotts Flickern“, den Aerzten und +den Apothekern. Als Luther zu Schmalkalden tödlich erkrankte und die +Aerzte ihm Arzneien gaben, „als ob er ein großer Ochs wäre“, und der +schwäbische Carnifex (Schinder, Folterknecht) meinte: „Ei, lieber Herr +Doktor, Ihr habt einen guten, starken Leib, Ihr habt wohl noch +zuzusetzen; Ihr müßt, bei Gott! leiden, wenn man Euch angreift“ — da +dachte er an seine Hausfrau und ihre wohlthuenden Hausmittel und +begehrte, trotz aller Schrecken solcher Fahrt, nichts wie heim[477]. + +Luther hatte den Grundsatz: „Ich esse, was mir schmeckt und leide +darnach, was ich muß. Ich frage auch nach den Aerzten nichts; will mir +mein Leben, so mir von ihnen auf ein Jahr gestellt ist, nicht sauer +machen, sondern in Gottes Namen essen und trinken, was mir schmeckt.“ So +berichtet der Arzt Ratzeberger, Leibarzt der Kurfürstin Elisabeth von +Brandenburg, der mit ihr nach Wittenberg floh, dann des Grafen von +Mansfeld und zuletzt des Kurfürsten von Sachsen Leibarzt — auch zu +Zeiten Luthers eigener Arzt[478]: + +„Da D. Luther zum erstenmal am Calculo (Stein) krank war, so war ihm der +Appetit entgangen und scheute sich auch sonsten vor gemeiner Arzenei aus +der Apotheke. Zudem hatte er große körperliche Schmerzen und gar keine +Ruhe. Als er nun weder essen noch trinken konnte und alles, was ihm +seine Hausfrau aufs beste und fleißigste zugerichtet, von sich schob, +bittet sie ihn aufs fleißigste, er wolle doch selbst eine Speise +erwählen, dazu er möchte Lust haben. „Wohlan“, spricht er, „so richte +mir zu einen Brathering und ein Essen kalter Erbsen mit Senf, weil du ja +willst, daß ich essen soll, und thue solches nur balde, ehe die Lust mir +vergeht; verzeuchst du lang, so mag ich hernacher nicht.“ Die Frau +thuet, wiewohl mit großen Sorgen, was ihr Herr befohlen, und richtet das +Essen zu, so geschwinde sie vermochte, und setzte es ihm vor. Als er nun +mit großer Lust davon isset, besuchen ihn die Aerzte — seine Medici +waren Augustin Schurf und Lic. Melchior Fend — ihrer Gewohnheit nach +und wollen sehen, wie sich die Krankheit anlasse. Da sie ihn nun essen +sahen, entsetzten sie sich vor dieser Kost, welche sie ihm schädlich und +ungesund achteten. „Ach, was thut Ihr doch, Herr Doktor“, sagte Lic. +Fend, „daß Ihr Euch wollet selber noch kränker machen!“ D. Luther +schwieg ganz stille und aß immer fort und hatte ein Mitleiden ob der +Medikorum Traurigkeit, die so hart für ihn sorgten. Bald nachdem sie +Urlaub von ihm genommen und nunmehr gedachten, er würde gar eine +tödliche Krankheit erwecken, kommt ein großer Stein von ihm, dessen sie +vorher nicht an ihm gewohnt waren und war Lutherus wieder gesund. Des +andern Morgens besuchten sie ihn und vermeinten ihn krank im Bette zu +finden; da sahen sie ihn aber in seinem Schreibstüblein über den Büchern +sitzen, dessen sie sich hoch verwundern.“ + +Aber Frau Käthe wußte ihren Mann nicht nur durch Speise und Arznei zu +erquicken, sondern auch aufzurichten und zu trösten. + +Wenn er verstimmt war oder gar seine „Anfechtungen“ hatte, so lud die +kluge, verständige Frau heimlich den Dr. Jonas zu Tische, daß dieser ihn +mit frohen Gesprächen aufheiterte; sie wußte nämlich, daß ihn niemand +durch Gespräch besser aufzumuntern verstand; oder sie ließ Bugenhagen +gar im Kloster wohnen und nahm seine Frau, die ihrer Niederkunft +entgegensah, dazu[479]. + +Nicht nur, um ihre Bauerei und Landwirtschaft zu besorgen, hielt Frau +Käthe ein Fuhrwerk, sie ließ auch oft ihre Pferde anspannen und ihren +Gatten mit seinen Freunden spazieren führen, in ein „Holz“ und auf die +Felder, um sich zu erlustieren, wo er dann fröhlich wurde und sogar +Lieder sang; oder er fuhr über Land in die Dörfer, wobei er die Armen +beschenkte[480]. + +Diesen Beruf der Frau Doktorin, dem großen Reformator Leben und +Gesundheit und Geistesfrische zu erhalten, zum Segen der Kirche, +erkannte besonders der feine Capito an und spricht es aus in den Worten +an Luther: „Ich liebe sie von Herzen als diejenige, welche dazu geboren +ist, Deine Gesundheit aufrecht zu halten, damit Du desto länger der +unter Dir geborenen Kirche, d.h. allen Christgläubigen zum Heile dienen +kannst.“[481] + +Doch nicht bloß als treffliche Köchin und ausgezeichnete +Krankenpflegerin stand Frau Käthe ihrem Gatten bei, wie er es von dem +Eheweib verlangt, „daß sie ihres Mannes Unfall, Krankheit und Unglück +tragen zu helfen, schuldig sei“; sie war ihm auch „ein freundlicher, +holdseliger und kurzweiliger Gesell des Lebens“; in diesem Sinn nennt er +sie „Hausehre“, daß sie des Hauses Ehre, Schmuck und Zierde wäre[482]. + +Ueber den Verkehr mit der Ehegattin spricht sich Luther bei der +Auslegung von 1. Moses 26, 8 aus, wo Isaak und Rebecca scherzen. „Das +ist ein ehrlicher Scherz, so einem frommen Weibe wohl ansteht. Wenn der +Hausherr mit seiner Schwester oder Gesinde dermaßen scherzen wollte, das +würde ihm nicht wohl anstehen. Denn da gehört sich, daß man sie heiße, +was sie thun und lassen sollen, und da soll Ernst dabei sein, auch wenn +man sie tröstet. Aber mit der, die mir Gott zugefüget hat, will ich +scherzen, spielen und freundlich reden, auf daß ich mit Vernunft und +Bescheidenheit bei ihr leben möge.“[483] + +So wußte auch Katharina selbst ihren Gatten zu unterhalten, selber einen +Scherz zu machen und noch mehr Scherz und Neckerei ihres Eheherrn +auszuhalten. Und auch den Freunden und Gästen weiß sie so zu begegnen. +Den Bremer Pfarrer Probst läßt sie fragen, ob die Nordsee ausgetrocknet +sei, daß es keine Fische gebe. Als D. Speratus eine Menge Fische schickt +durch den hochgewachsenen Cario, sagte sie zu Luther: „Ein großer +Bischof hat mir ein großes Faß geschickt.“ „Und zwar durch einen großen +Mann, unsern Charon“, setzte Luther hinzu. „Ja, heut ist alles groß!“ +meinte sie darauf[484]. + +In Luthers eigener sinniger Art, aber mit wirkungsvollem Handeln wußte +sie ihrem Gemahl entgegenzutreten. Da war er einmal in einer Anwandlung +von Schwermut, an Gott und der Welt verzweifelnd, fortgegangen. Als er +heimkehrte, trat ihm Frau Käthe entgegen im schwarzen Trauergewand und +den Schleier tief im Gesicht. Erschrocken rief er: „Um Gotteswillen, +Käthe, was ist geschehen?“ „O, Herr Doktor, ein großes Unglück“, +erwiderte sie; „denket nur, unser lieber Hergott ist gestorben, des bin +ich so traurig.“ Da fiel Luther seinem Weibe um den Hals und rief: „Ja, +liebe Käthe, that ich doch, als wär' kein Gott im Himmel mehr!“ Und so +gewann er neuen Mut, daß er die Traurigkeit überwand[485]. + +Nicht nur Luthers Verstimmungen und Anfechtungen wußte Frau Käthe +aufzuheitern, sondern auch den gewaltigen Willen des bei aller +Gutmütigkeit eigensinnigen und starrköpfigen Mannes zu brechen, +namentlich wenn es galt, ihn zu seinem eigenen Besten zur Ruhe und +Erholung zu bewegen. „Mein Kopf ist eigensinnig, wie ihr sagt“, schreibt +er einmal an Melanchthon, „aber mir ist er eigensinnigissimmum, weil +mich der Satan so wider Willen zu feiern und Zeit zu verderben zwingt.“ +Die kluge Frau aber verstand es, nach seinem eigenen Geständnis, ihn zu +überreden, so oft sie wollte[486]. + +Dagegen verwahrt sich Luther gegen den Verdacht, daß er sich in +theologischen oder kirchlichen Dingen durch seine Frau bestimmen lasse. +Dennoch wurde das geglaubt und ihr namentlich ein schlimmer Einfluß +zugetraut gegen gewisse Personen; so schreibt z.B. Kreuziger an Veit +Dietrich, der Frau Käthe an sich nicht hold war: „Du weißt, daß er +(Luther) zu vielem, was ihn entflammt, eine Fackel im Hause hat.“ +Namentlich bei seinem Streit mit den Juristen glaubten die Wittenberger +die persönliche Abneigung seiner Frau gegen gewisse Persönlichkeiten +dahinter zu wittern[487]. + +In einer so kleinen Stadt und bei den oft so kleinlichen Reibereien der +Gelehrten und ihrer Frauen, ist ein solcher Klatsch auch begreiflich, so +grundlos er auch sein möchte. Wir haben darüber eine sehr lebhafte und +anschauliche Schilderung eines Augenzeugen. Am Sonntag Estomihi (24. +Februar) 1544 war bei Luther ein „Königreich“ mit dem üblichen Schmause. +Außer Bugenhagen, Melanchthon, Röhrer, Major u.a. war auch der +Schulmeister Crodel aus Torgau zu seiner großen Freude und Genugthuung +eingeladen. Dieser, von einigen Wittenbergern dazu veranlaßt, brachte +das Gespräch auf das „verleumderische Gerücht“, daß der Doktor „aus +Eingebung und Antrieb seiner Gattin predige“. Mit großer Ernsthaftigkeit +und Wärme wies Luther diesen Verdacht ab und sagte u.a.: „Solcherlei +Worte, wie ich sie in dieser Sache (dem Streit mit den Juristen) +vorbringe, fallen — ohne daß ich dem heiligen Geist eine Regel +vorgeschrieben haben will — keinem Weiberkopf ein. Ich laß mich von +meinem Weibe etwa leiten in Sachen des Haushaltes und Tisches, aber in +Dingen des Gewissens und der Schrift erkenne ich keinen andern Lehrer +und Doktor an, als den heiligen Geist.“ Ein wenig darauf, nach einer +heftigen Rede, kam sein Weib her und fragte, was denn mit so großer +Heftigkeit verhandelt werde. Er schloß mit den Worten zu Crodel: „Sage +den Rechtsgelehrten, daß ich in dieser Sache nicht von meiner Frau +geleitet werde; ich hebe es auf die Sache selbst und den Kern eines +Gegenstandes ab ohne Rücksicht auf eine Person.“ Crodel war dieses +Gespräch so wichtig, daß er's wörtlich seinem Freunde Ratzeberger +schriftlich mitteilte, und es war auch bezeichnend genug: man mußte +Luther wenig kennen, wenn man solchem Klatsch Glauben schenken +wollte[488]. + +Es kommt auch jetzt noch vor, daß Luther seiner Käthe Briefe vorlas, +auch in ihrer Gegenwart solche schrieb und daß sie ihm Aufträge dabei +gab; auch ermunterte sie ihn, an die Freunde zu schreiben, wenn er +säumig darinnen war. Freilich zu Stunden stiller Erholung, wie in den +ersten Jahren ihrer Ehe, werden die Gatten in der späteren Zeit des +großen Arbeitsdranges seltener mehr gekommen sein. Aber bei aller +häuslichen Sorge und Thätigkeit in Garten und Feld ging Frau Käthe doch +nicht völlig in ihrer wirtschaftlichen Thätigkeit auf. Sie war ihrem +Manne in seinem Amt und Beruf, so viel das möglich und nötig war, doch +die Gehilfin seines Lebens. Nicht nur in dem Sinne, daß sie ihm die +Sorgen abnahm für Familie und Vermögen, sondern sie nimmt teil an seinem +Wirken, an den zeitbewegenden Fragen[489]. + +„Lehrest Du also den Katechismum und den Glauben?“ schreibt der Doktor +von Eisleben an seine „sorgfältige“ Hausfrau. Damit ist doch wohl +ausgesprochen, daß Frau Käthe — mindestens in Abwesenheit des Doktors — +mit Kindern und Gesinde den Katechismus trieb, wie Luther mit diesem +Lehrbüchlein allen christlichen Eltern zumutete[490]. + +Luther giebt aber auch seiner Hausfrau Aufträge wegen des Druckes seiner +Schriften; ja sie hat mit darein zu reden und bestimmt ihn, was er +drucken lassen solle oder nicht. Von Marburg aus schreibt er über das +Religionsgespräch mit Zwingli, über das Abendmahl sogar mit lateinischen +Schlagwörtern[491]. + +Für diese Anteilnahme an ihres Gatten Arbeiten, Sorgen, wie an den +großen Zeitfragen und Weltbegebenheiten, geben die Briefe vor allem +Zeugnis, die er während seiner Abwesenheit bei Gelegenheit von +Reichstagen an sie schrieb. So die von Koburg (S. 109-113). Insbesondere +der letzte vom 24. September, „zuhanden Frauen Kathrin D. Lutherin zu +Wittenberg.“ + +Gnade und Friede in Christo! + +Meine liebe Käthe! Gestern hab ich Dir geschrieben und einen Brief in +gnädigsten Herrn mitgeschickt, daraus Du vernehmen kannst, wie die +Unsern von Augsburg wollen auf sein. Darnach hoff ich, wo Gott Gnade +giebt, wollen wir in vierzehn Tagen bei Euch daheim sein. Wiewohl ich +achte, unsere Sache werde nicht gar unverdammt bleiben. Da liegt auch +nicht Macht an. Doch hat der Rietesel anhero geschrieben, er hoffe, man +werde in Augsburg mit Frieden abscheiden in allen Gassen. Das gebe Gott +und wäre eine große Gnade. So bedürfen wir's alle wohl, weil der Türke +so an uns will. Weiteres wirst Du wohl von Hornungen hören. Hiemit seid +Gott alle befohlen. + +Sonnabends nach Matthäi, 1530. Martinus LutheR.“[492] + +Zehn Jahre nachher, als der Reichstag und Konvent in Hagenau stattfand, +schreibt Luther am 10. Juli 1540 von Eisenach seiner „lieben Hausfrauen, +Frauen Kathrin Luderin zu Wittenberg“ u.a.: „... Bittet mit Fleiß, wie +ihr schuldig seid, für unsern Herrn Christum, d.i. für uns alle, die an +ihn glauben, wider den Schwarm der Teufel, so jetzt zu Hagenau toben +wider den Herrn und seinen Gesalbten (Ps. 2).“ (S.o.S. 130 f.)[493]. + +So redete Luther auch in den letzten Jahren mit seiner Hausfrau über die +politische Lage, namentlich die hinterlistige Politik des Herzogs Moriz. +„Liebe Käthe“, erklärte er da, „deine Landsleute haben mit meines +gnädigsten Herrn Räten eine Hundskette gemacht und werden nicht eher +nachlassen, sie haben ihn denn verraten.“[494] + +Es ist naturgemäß und begreiflich, daß wir von Frau Katharinas Wesen, +Wirken und Bedeutung so wenig direkte Zeugnisse besitzen. Denn sie +selbst hat nicht gerade viel geschrieben und ihre Briefe sind fast alle +verloren gegangen, während sie selbst ihres Doktors Briefe sorgfältig +aufbewahrt hat; ferner interessierten sich die Hausgenossen und +Zeitgenossen selbstverständlich fast nur für den großen Mann, der die +Welt bewegt hatte. Seine Gestalt überstrahlte die Hausfrau völlig. Nur +im Reflex von Luthers Briefen und Tischgesprächen, selten in Bemerkungen +seiner Bewunderer, finden wir Züge, die ihr Charakterbild darstellen. + +Daß aber demnach Frau Katharina neben dem Reformator eine selbständige +Stellung und Geltung behauptete, beweist der Umstand, daß die Freunde +und Luther selbst sie nicht nur respektvoll die „Domina“ und Doktorin, +mit lateinischen und griechischen Worten nannten, sondern auch von der +verheirateten Frau noch den Namen „Katharina von Bora“ gebrauchten. + +Was hielt nun Luther von seiner Frau? + +Da giebt es drei wichtige Zeugnisse, die Luther seiner Gattin ausstellt, +am Anfang, in der Mitte und am Ende seiner Ehe, nicht etwa bloß +gelegentliche Aeußerungen guter oder schlechter Laune, sondern überlegte +und feierliche Anerkennung ihrer Vortrefflichkeit als Hausfrau und +Ehefrau. + +Im zweiten Jahre seines Ehestands (1526) schreibt er an Stiefel: „Sie +ist mir willfährig und in allen Dingen gehorsam und gefällig, viel mehr, +als ich zu hoffen gewagt hatte (Gott sei Dank!), so daß ich meine Armut +nicht mit den Schätzen des Krösus tauschen möchte.“[495] + +Elf Jahre darauf, bei seinem tödlichen Krankheitsanfall auf der Reise +von Schmalkalden, diktierte Luther in Gotha sein Testament, worin es +heißt: „Tröstet meine Käthe, daß sie dies trage dafür, daß sie zwölf +Jahre mit mir froh gelebt hat. Sie selbst hat mir gedient nicht allein +wie eine Gattin, sondern auch wie eine Magd. Gott vergelt es ihr! Ihr +aber sollt für sie sorgen und ihre Kinder, wie sich's geziemt“ Und dann +sagte er: „Ich habe meine Käthe lieb, ja ich hab sie lieber denn mich +selber, das ist gewißlich wahr; ich wollt lieber sterben, denn daß sie +und die Kinderlein sterben sollten.“[496] + +Endlich schreibt Luther in seinem letzten und endgiltigen Testament i.J. +1542. „Ich M.D.L. bekenne mit dieser meiner eigenen Handschrift, daß ich +meiner lieben und treuen Hausfrauen gegeben habe zum Leibgeding Gut, +Haus und Kleinode. Das thue ich darum, daß sie mich als ein fromm +(brav), treu ehelich Gemahl allezeit lieb, wert und schön gehalten +hat.“[497] + +Und was so Luther in feierlichen Stunden bezeugte, das hat er wiederholt +sonst vor seinen Tischgenossen und Freunden bekannt. Sein langjähriger +Hausgenosse Hieronymus Weller schreibt in seinen Erinnerungen: „Ich +erinnere mich, wie der hochw. Mann oft sagte: er preise sich von Herzen +glücklich, daß ihm Gott eine so folgsame, bescheidene und kluge Gemahlin +geschenkt, welche so ausgezeichnet für seine Gesundheit sorge und +eintreten könne und sich so geschickt seinem Wesen anzupassen und seine +Fehler und Unannehmlichkeiten mit so stillem Gemüte zu tragen wisse. +Denn er könne bei seinen vielen Arbeiten, Beschäftigungen und +Anfechtungen nicht immer seinem Wohlbefinden Rechnung tragen.“[498] + +Das Verhältnis zwischen Käthe und Luther war das der achtungsvollen +Verehrung; das entsprach einmal der Anschauung des Mittelalters von der +Herrschaftsstellung des Mannes zum Weibe; anderseits rührte es davon +her, daß die fünfzehn Jahre jüngere Frau zu dem älteren, durch +Gelehrsamkeit und hohes Ansehen ehrwürdigen Mann mit einer gewissen +Pietät hinaufschaute. Daher redet er sie zwar immer mit „Du“ an, _sie_ +aber spricht zu _ihm_ immer mit „Ihr“ und nennt ihn „Herr Doktor“. Das +fand auch Luther selbstverständlich. Als einmal von einem Manne die Rede +war, welcher an eine reiche Frau seine Freiheit verkauft hatte, sagte +er: „Ich hab's auch gern, wenn mir meine Käthe übers Maul fährt — nur +daß ich sie nicht viel dran lasse gewinnen als ein Maulschellium.“[499] +Und ein andermal: „Sie hat allein die ganze Herrschaft in ihrer Hand. +Ich gestehe ihr auch gerne das ganze Hausregiment zu; aber mein Recht +wollte ich mir unversehrt erhalten und Weiberregiment hat nie nichts +Gutes ausgerichtet.“ Luther war seinem ganzen Wesen, aber auch seiner +Anschauung und seinen biblischen Grundsätzen nach nicht der Mann, seine +eheherrlichen Rechte sich verkürzen zu lassen: einen Freund, der ihm die +Tyrannei seines Weibes klagt, verweist er tadelnd darauf, daß man das +Ansehen des Mannes nicht dürfe mit Füßen treten lassen. So führte er +auch auf Hans Luffts Tochter Hochzeit die Braut zum Lager und sprach zum +Bräutigam (dem Arzt M. Andreas Aurifaber): „Er soll's bei dem gemeinen +Lauf bleiben lassen und Herr im Hause sein (wenn die Frau nicht daheim +ist, setzte er scherzend hinzu). Und zum Zeichen zog er ihm einen Schuh +aus und legte ihn aufs Himmelbett, daß er die Herrschaft und das +Regiment behielte[500]. + +Aber freilich Käthes resolutes Wesen, die Herrschaft, die sie im Haus +führte und die der Hausherr ihr auch völlig einräumte, führte ihn dazu, +daß er sie auch scherzend seinen „Herrn“ nannte. So schreibt er ihr vom +Hoflager in Torgau: „Gestern hab ich gedacht, wie ich daheim eine schöne +Frauen habe, oder sollt ich sagen Herren?“[501] + +Und gerade mit dieser resoluten Art ihres Wesens neckt er sie genugsam. +Und wie gerade recht willensstarke wenn auch gutmütige Eheherren, +gefällt er sich seinen Freunden gegenüber in der humoristischen Rolle +des gehorsamen, unterdrückten Ehemanns. So sagte er einmal zu einem +Gast: „Nehmt fürlieb mit einem frommen (braven) Wirt, denn er ist der +Frauen gehorsam.“ Ihr selbst gegenüber spricht Luther in immer neuen +Wendungen von dieser angeblichen Eheherrschaft und charakterisiert jenes +gebieterische Wesen der Frau Käthe. „Meine Herrin“ nennt er sie schon in +der ersten Woche ihrer Ehe. „Mein Käthe“ (Meus Ketha) ist später ihre +regelmäßige Bezeichnung in seinen vertrauten Briefen und in ebenso +drolliger Verbindung „Meine Herr Käthe“, oder sprachlich richtiger „Mein +Herr Kätha“, „Dr. Kethus“, auch einmal „mein Herr und mein Moses“ und +„meine Gebieterin“ oder „Kaiserin“[502]. + +Aber sonst nennt er sie in zärtlichem Wortspiel gar häufig „meine +Kette“, auch meine „Weinrebe“, oder in Briefen an entfernter Stehende +respektvoll „meine Hausfrau“, „meine Hausehre“[503]. + +Auch seiner Frau selber gegenüber schlägt Luther gewöhnlich jenen +neckischen Ton an, woraus einerseits zärtliche Neigung, andererseits +doch auch achtungsvolle Anerkennung blickt. + +Schon in seinem ersten erhaltenen Brief und dann fast regelmäßig redet +er sie an „Lieber Herr Käth“. Dann adressiert er — nach Sitte der +damaligen Zeit — „Meinem lieben Herrn, Frau Kathrin Lutherin zu +Wittenberg zu handen“, oder „Meinem freundlichen lieben Herrn, Frau +Katherin von Bora, D. Lutherin, zu Wittenberg“ oder noch umständlicher +humoristisch pathetisch: „Meinem freundlichen lieben Herren Katherina +Lutherin, Doctorin, Predigerin zu Wittenbergh“. Oder: „Meiner gnädigen +Jungfer Katherin Lutherin von Bora und Zulsdorf gen Wittenberg, meinem +Liebchen“. „Meiner herzlieben Hausfrauen Katherin Lutherin Doctorin +Zulsdorferin, Saumärkterin und was sie mehr sein kann.“ „Meiner +freundlichen lieben Hausfrau Katherinen Luther von Bora, Predigerin, +Brauerin, Gärtnerin und was sie mehr sein kann.“ Dann aber heißt es auch +innig und herzlich auf der Adresse „Meiner lieben“ oder „herzlieben +Hausfrauen“ oder „Meiner freundlichen lieben Käthe Lutherin“ und in der +Anrede: „Liebe Jungfer Käthe“ und zum Schluß „Dein altes Liebchen“ oder +auch „Dein lieber Herr“. Sogar in seinem täglichen Hausgebet bittet er +für „mein liebes Weib“[504]. + +So dient dem Doktor seine Hausfrau manchmal auch zur Exemplifikation +seiner theologischen oder erfahrungsgemäßen Ansicht über die Weiber, oft +in scherzhafter oder wohl auch einmal ernsthafter Uebertreibung. Da +spricht er ihnen Weisheit und Herrschaftstalent ab und macht sich lustig +über ihre Redseligkeit, indem er verschiedentlich bemerkte, die Weiber +im allgemeinen und seine Käthe im besonderen vergäßen das Vaterunser, +wenn sie anfingen, zu predigen[505]. + +So „lachte der Doktor einmal seiner Käthe, als sie klug sein wollte; er +meinte, Gott habe dem Manne eine breite Brust als Sitz der Weisheit +gegeben, dem Weibe aber breite Hüften und starke Schenkel, daß sie +sollen daheim bleiben, im Hause still sitzen, haushalten, Kinder tragen +und ziehen. Weiberregiment im Haus und Staat taugt nichts. Der Mann hat +im Hause das Regiment. Das Gesetz nimmt den Weibern Weisheit und +Regiment.“ Er meinte überhaupt: „Es ist kein Rock noch Kleid, das einer +Frauen oder Jungfrauen übeler ansteht, als wenn sie klug will sein.“ +Luther erklärte sogar einmal in einer Tischrede: „Den Weibern mangelt's +an Stärke, Kräften des Leibes und am Verstand. Den Mangel an +Leibeskräften soll man dulden, denn die Männer sollen sie ernähren. Den +Mangel an Verstand sollen wir ihnen wünschen, doch ihre Sitten und Weise +mit Vernunft tragen, regieren und etwas zu Gute halten.“[506] + +Daneben aber erkennt er die Vorzüge und die Bestimmung des weiblichen +Geschlechts rühmend an: „Ein Weib ist ein freundlicher, holdseliger und +kurzweiliger Gesell des Lebens. Weiber tragen Kinder und ziehen sie auf, +regieren das Haus und teilen ordentlich aus, was ein Mann hineinschaffet +und erwirbt, daß es zu Rate gehalten und nicht unnütze verthan werde, +sondern daß einem jeglichen gegeben werde, was ihm gebührt. Daher sie +vom heiligen Geiste Hausehren genannt werden, daß sie des Hauses +Schmuck, Ehre und Zierde sein sollen. Sie sind geneigt zur +Barmherzigkeit, denn sie sind von Gott auch fürnehmlich dazu geschaffen, +daß sie sollen Kinder haben, der Männer Lust und Freude und barmherzig +seien.“ „Es ist ein arm Ding ein Weib. Die größte Ehre, die es hat, ist, +daß wir allzumal durch die Weiber geboren werden und auf die Welt +kommen. Ein Weib wird in der heiligen Schrift genannt „ein Lust und +Freude deiner Augen“ (Sirach 26, 2). Ein fromm Weib soll darum geehret +und geliebet werden, erstlich, daß sie Gottes Gabe und Geschenk ist; zum +andern, daß Gott einem Weibe herrliche große Tugenden verliehen, welche +andere Mängel und Gebrechen weit übertreffen, sonderlich wo sie Zucht, +Treue und Glauben halten.“ „Wenn die Weiber die Lehre des Evangeliums +annehmen, so sind sie viel stärker und inbrünstiger im Glauben, halten +viel stärker und steifer darüber, als die Männer, wie man siehet an der +lieben Anastasia und andern Märtyrern; auch Magdalena war herzenhaftiger +denn Petrus.“[507] + +Einmal klagt er wohl auch: „Wenn ich noch eine freien sollte, so wollte +ich mir ein gehorsam Weib aus einem Steine hauen; so sehr hab ich +verzweifelt an aller Weiber Gehorsam.“ Aber so gar ernst war's ihm doch +nicht damit. Er wußte wohl: „Es ist keine größere Plage noch Kreuz auf +Erden, denn ein bös, wunderlich, zänkisch Weib.“ Bei ihm war's nicht so, +sonst liefe er davon, sagt er. Dagegen weiß er seines Weibes +Willfährigkeit und Dienstfertigkeit an vielen Orten und in mancherlei +Weise zu rühmen. So zitierte er auch gerne das Wort seiner Wirtin zu +Eisenach: „Es ist kein lieber Ding auf Erden als Frauenlieb, wem sie +kann werden.“ Und aus seiner eignen Erfahrung erklärt er: „Ein fromm +Eheweib ist eine Gesellin des Lebens, des Mannes Trost.“ [508] + +Kleine eheliche Fehden nahm Luther als selbstverständliche Dinge +leichten Herzens in den Kauf. Als er einmal einen kleinen Zwist mit +seiner Frau gehabt hatte, sagte er erklärend zu Veit Dietrich: „Er stehe +auch von ihr einen Zorn aus, er könne ja noch mehr ertragen.“ Er meint +von Eheleuten: „Ob sie gleich zuweilen schnurren und murren, das muß +nicht schaden; es gehet in der Ehe nicht allzeit schnurgleich zu, ist +ein zufällig Ding, des muß man sich ergeben. Adam und Eva werden sich +auch gar weidlich die neunhundert Jahre zerscholten haben und Eva zum +Adam gesagt: „Du hast den Apfel gessen.“ Herwiederum wird Adam +geantwortet haben: „Warum hast Du mir ihn gegeben?“ Das Wesen der Ehe +wird durch solche Plänkeleien nicht geschädigt. „Denn wiewohl die +Weibsen gemeiniglich alle die Kunst kennen, daß sie mit Weinen, Lügen, +Einreden einen Mann gefangen nehmen, können's fein verdrehen und die +besten Worte geben; wenn nur diese drei Stücke im Ehestand bleiben, +nämlich Treu und Glauben, Kinder und Leibesfrüchte und Sakrament, daß +man's nämlich für ein heilig Ding und göttlichen Stand hält, so ist's +gar ein seliger Stand, und das ein seliger Mann, der eine gute Ehefrau +hat.“[509] + +Einmal klagt er wohl: „Ich muß Geduld haben mit dem Papste, ich muß +Patienz haben mit den Schwärmern, ich muß Geduld haben mit den +Scharhaufen, ich muß Patienz haben mit dem Gesinde, ich muß Patienz +haben mit Käthen von Bora, und der Patienz ist so viel, daß mein Leben +nichts sein will als Patienz. Der Prophet Jesaias (30, 15) spricht: „In +Schweigen und Hoffen steht eure Stärke.“ — Wie wenig aber Käthe dies +übel nahm, beweist, daß sie auf die steinerne Hausthüre, welche sie in +Pirna für Luther bestellte, grade diesen Prophetenspruch eingraben ließ. +Luther bekennt aber auch: „Wer ein fromm (brav) Weib bekommt, der +bekommt eine gute Mitgift. Und da gleich ein Weib etwas bitter ist, doch +soll man mit ihr Geduld haben. Denn sie gehört ins Haus und das Gesinde +bedarf's bisweilen auch sehr wohl, daß man ihnen hart sei und weidlich +zuspreche.“ „Der häusliche Zorn als Vater und Mutter, Herrn und Frau im +Hause, thut nicht großen Schaden. Häuslicher Zorn ist, als wenn die +Kinder mit den Puppen spielen.“[510] + +Die Hochschätzung des Familienlebens, das Lob, das Luther in allen +Tonarten dem Ehestand anstimmt, ist doch auch ein Beweis für die +glückliche Ehe, in der Luther mit seiner Käthe lebte. Das Kapitel über +den Ehestand ist in seinen Tischreden das größte. So fing er bei der +Verlobung seiner Nichte (1538) an und konnte gar nicht aufhören, den +Ehestand zu loben, daß er Gottes Ordnung und der allerbeste und +heiligste Stand sei. „Darum sollte man ihn mit den herrlichsten +Zeremonien (Feierlichkeiten) anfangen. Gott hat ein Kreuz (nämlich: des +Segens) über den Ehestand gemacht und hält's auch darüber.“[511] + +In der Ehe soll eitel Liebe und Lust sein, freilich „muß es ein frommer +Mann und ein fromm Weib sein, welche Gemahl und Kinder von ganzem Herzen +lieben. Ein fromm Eheweib ist eine Gesellin des Lebens, des Mannes +Trost, wie geschrieben steht (Sprw. 31, 11): Des Mannes Herz verläßt +sich auf sie. Das Weib hat das Lob der Gefälligkeit und erfreuenden +Anmut.“ Das lieblichste Leben dünkte ihm: „leben mit einem frommen, +willigen, gehorsamen Weibe in Frieden und Einigkeit.“[512] + +Luther selber hatte nun in seiner Hausfrau und seinem Hausstand +gefunden, was er in dem rechten Ehestand suchte und von dem rechten +Eheweib erwartet. Er bezeugt: „Mir ist, gottlob! wohl geraten, denn ich +habe ein fromm (brav), getreu Weib, auf welche sich des Mannes Seele +verlassen darf, wie Salomon sagt (Sprw. 31, 11): Sie verderbet mir's +nicht.“[513] + +„Martinus redete von seiner Hausfrau und sagte: er achtete sie teurer +denn das Königreich Frankreich und der Venediger Herrschaft. Denn ihm +wäre ein fromm (brav) Weib von Gott geschenkt und gegeben. Zum andern, +er höre, daß viel größer Gebrechen und Fehler allenthalben unter +Eheleuten seien, denn an ihr erfunden wäre. Zum dritten: das wäre +überflüssige Ursach genug, sie lieb und wert zu halten, daß sie Glauben +und sich ehrlich hielte, wie es einem frommen, züchtigen Weib gebühret. +Welches alles, da es ein Mann ansehe, so würde er leichtlich überwinden, +was sich möchte zutragen, und triumphieren wider Zank und Uneinigkeit, +so der Satan pflegt unter Eheleuten anzurichten.“ „Die Ehe ist nicht ein +natürlich Ding, sondern Gottes Gabe, das allersüßeste, lieblichste und +keuscheste Leben. Ach, wie herzlich sehnte ich mich nach den Meinen, da +ich zu Schmalkalden todkrank lag! Ich meinte, ich würde Weib und Kinder +hie nicht mehr sehen; wie weh that mir solche Scheidung und Trennung. +Nun glaub ich wohl, daß in sterbenden Menschen solche natürliche Neigung +und Liebe, so ein Ehemann zu seinem Eheweib habe, am größten sei. Weil +ich aber nun gesund bin worden durch Gottes Gnade, so hab ich mein Weib +und Kinderlein desto lieber. Keiner ist so geistlich, der solche +angeborene Neigung und Liebe nicht fühlet. Denn es ist ein groß Ding um +das Bündnis und die Gemeinschaft zwischen Mann und Weib.“[514] + +Luther wußte aber auch, daß er keine zweite Frau in der Welt finden +könnte, die so gut für ihn paßte, als Katharina von Bora. Er warnte den +Pfarrer von Sitten vor einer zweiten Heirat und fügt bei der Umschau auf +seinen Bekanntenkreis hinzu: „Ich, wenn ich jung wäre und die Bosheit +der Welt so kennete, ich würde, wenn mir auch eine Königin angeboten +würde nach meiner Käthe, lieber sterben, als noch einmal heiraten.“ Und +doch schätzte er den Ehestand so hoch, daß er ihn für die schönste +Ordnung nach der Religion, für den fürnehmsten Stand auf Erden +hielt[515]. + +Luther kannte nichts Lieberes als seine Käthe. Er beteuert, er habe sie +lieber als sich selber. Ja er klagte darüber als menschliche Schwäche, +daß er seine Käthe lieber habe als unsern Herrgott. Seine +Lieblingsepistel, den Galaterbrief, nannte er „seine Käthe im neuen +Testament“. „Der Brief an die Galater ist meine liebe Epistel, der ich +mich vertrauet habe: sie ist meine Käthe von Bora.“ Und sein höchster +Trumpf war: „Ich setze meine Käthe zum Pfand!“[516] + +Käthe war nicht eine geistreiche Frau, hoher Schwung der Gedanken, +glänzende Geistesgaben gingen ihr ab: sie ist eine nüchterne und doch +nicht hausbackene, tüchtige deutsche Frau. + +Es ist eine unzeitgemäße Sache, die Frage aufzuwerfen, ob denn Frau +Käthe „gebildet“ war. Eine gelehrte Frau wie Argula von Grumbach war sie +glücklicherweise nicht; von einer solchen war Luther, wie seine +Aeußerungen zeigen, wenig erbaut und jedenfalls wäre dann seine Wahl +nicht auf Katharina gefallen. (S. 185 f.) Eine geistvolle Frau wie die +Kirchenmutter Katharina Schützin in Straßburg, welche Sendschreiben an +die christlichen Frauen ergehen ließ, brauchte sie neben Luther nicht zu +sein. Aber so gebildet wie irgend eine Frau ihres Standes war sie doch. + +Frau Käthe, wird bezeugt, las gerne und eifrig in der Bibel und gewiß +nicht bloß wegen der von Luther versprochenen 50 fl. Einmal ermahnte der +Doktor sein Weib, daß sie fleißig Gottes Wort lesen und hören solle, und +sonderlich den Psalter fleißig lesen. Sie aber sprach, daß sie es genug +thäte und täglich viel lese, und könne auch viel davon reden; wollte +Gott, sie thäte auch darnach. Der Doktor meinte zwar, solch' Rühmen +müsse der Vortrab des künftigen Ueberdrusses sein. Aber freilich, die +vielbeschäftigte Frau konnte doch auch nicht ständig mit geistlichen +Dingen sich beschäftigen, wie ihr theologischer Gemahl. Und ein andermal +fiel ihr selbst auf, daß sie im Evangelium nicht mehr so hitzig und +emsig bete wie im Papsttum. Geistlich gesinnet sein konnte sie aber +deswegen doch. Von seinen Predigten über Joh. 14-16 sagte Luther zu +seiner Gattin: „Das ist das beste unter allen Büchern, die ich je +geschrieben habe; darum liebe Käthe, laß Dir's befohlen sein und halt es +für mein Testament.“[517] + +Und von Eisleben aus schrieb er: „Lies Du, liebe Käthe, den Johannem und +den kleinen Katechismum, davon Du zu dem Male sagtest: „Es ist doch +alles in dem Buch von mir gesagt.“ Sie las also nicht nur in Schrift und +Glaubensbüchlein, sondern wandte es auch auf sich an[518]. + +Es ist doch ein Zeugnis für so eifriges Forschen in der Schrift, wenn +ihr von ihren Kindern auf ihrem Grabstein ein offenes Buch in die Hände +gegeben wird. + +Käthe konnte auch schreiben, und ihre Briefe, soweit sie diktiert und +nicht etwa von andern stilisiert sind, beweisen eine klare, bestimmte +und verständige Denk- und Ausdrucksweise. Und wenn Luther seine Frau +auch einmal damit aufzieht, daß sie „Kattegissimum“ schrieb statt +Katechismum, so kann dies damals viel weniger wie heute als +orthographische Unbildung gelten zu einer Zeit, wo nicht nur Laien, +sondern auch Gelehrte höchstens das Lateinische einigermaßen +orthographisch schrieben, das Deutsche aber in der krausesten Form, wie +es ihnen in die Feder kam mit allen Fehlern der undeutlichen, +verdorbenen mundartlichen Aussprache[519]. + +Ebenso wenig sachgemäß ist die Frage, ob Frau Katharina ihrem Gemahle +ebenbürtig war. An eine Vergleichung mit seinem geistigen Wesen, mit +Luthers Genialität und Charakter, Wirksamkeit und weltgeschichtlicher +Bedeutung ist ja naturgemäß nicht zu denken. Aber daß sie als Gattin, +als Hausfrau und Mutter seiner Kinder ihm das war, was er an ihr +brauchte und wollte, daß sie Luthers rechte und somit ebenbürtige Gattin +war, das hat er immer wieder ausgesprochen und anerkannt. + +Aber auch daran muß erinnert werden, daß Frau Katharina doch ein +lebhaftes Interesse für das Werk ihres Gatten, für die Kirche und die +Reformation bezeugte. Frau Käthe hörte und las viele von den Briefen, +die ab- und eingingen. Sie drängte ihren Gatten zum Schreiben. Sie +sprach ein Wort darein, wenn er eine Schrift ausgehen ließ. Sie durfte +als eine Doktorin auch ihren Rat bei Besetzung von Pfarrstellen geben +und bemühte sich für junge Magister um Anstellung. Sie verstand die +Bedeutung ihres Gatten für die Christenheit, sie wußte seine +Persönlichkeit und sein Werk zu würdigen. Sie betete und sorgte für das +Heil der Christenheit und den Erfolg des Evangeliums noch auf ihrem +Totenbette. Und Luther mutete ihr solches Interesse auch zu. + +Und wenn wir die Rolle in Betracht ziehen, welche Katharina gegenüber +den anderen Professoren- und Reformatorenfrauen in dem mündlichen und +schriftlichen Gedankenaustausch der Zeitgenossen spielte, so z.B. +Melanchthons Frau, wenn wir sehen, wie sie allerseits geehrt, gegrüßt +und beachtet, in ihrer Krankheit um sie gebangt war, nicht bloß um ihres +Gatten willen, dann ist außer Zweifel: seine Käthe ist des großen +Doktors wert und würdig gewesen, und es ist doch bemerkenswert, daß die +Freunde die Gattin Luthers mit dem Weibe der Offenbarung, dem Sinnbild +der christlichen Kirche verglichen[520]. + +Aus den späteren Jahren giebt es von Frau Katharina ein Kranachsches +Bild[521]. Das Gesicht ist etwas gebräunt, die Augen blicken trübe, fast +schmerzlich und müde, wie Luther in dieser Zeit sie schildert, als +„geneigt zu Mißtrauen und Sorgen“[522]; wieder zeigt die starke +Unterlippe das kräftige Selbstbewußtsein, die zusammengelegten Hände +deuten ruhige Gelassenheit an. Aber es ist das Bild einer geistig nicht +unbedeutenden Frau. Der ernste, ja strenge Ausdruck des Gesichts +verkündet ein schweres Geschick, das ihr bevorsteht, oder das sie schon +erlebt hat. + + + + +15. Kapitel. + +Luthers Tod. + + +Die letzten Jahre der Ehe waren gar schwer und trübe. Das lag einerseits +in den Verhältnissen, die sich fast nach allen Seiten recht widerwärtig +gestalteten; andererseits aber in Luthers Zustand, der immer +krankhafter, immer hinfälliger und damit trübseliger und verstimmter +wurde. Was Käthe bei dem zur Schwermut geneigten Temperament und der +zornmütigen Gereiztheit ihres Gatten unter all' diesen Verhältnissen zu +leiden hatte, ist leicht zu denken[523]. + +Die Weltlage, welche der Reformator begreiflicherweise mit aufmerksamem +Auge verfolgte, war eine seltsame und für Luthers Empfinden geradezu +erschreckliche. Das stete Vordringen der Türken, das seinem +christlich-deutschen Herzen schwer weh that, die Verbindung christlicher +Mächte, wie Frankreichs und, wenigstens indirekt, Venedigs und des +Papstes mit dem Erbfeind der Christenheit erschien wie drohende +Vorzeichen des Jüngsten Tages. Dazu das Verhalten des Kaisers und seines +Bruders, des Königs Ferdinand, das deutlich darauf ausging, die +Protestanten hinzuhalten, sie, wie einstens die Husiten, mit einem +Brocken Zugeständnis abzuspeisen, wenn man aber einmal freie Hand hätte, +mit Gewalt, wie Luther fürchtete — verbunden mit Papst und Teufel, Türke +und Hölle, über sie herzufallen. Das alles erfüllte ihn mit bangen +Sorgen. Er weissagte an seinem letzten Geburtstag richtig: „Bei meinem +Leben wird es, ob Gott will, keine Not haben und guter Friede in +Germania bleiben; aber wenn ich nun tot bin, da wird alsdann das Beten +hoch vonnöten sein. Unsere Kinder werden noch müssen den Spieß in die +Hand nehmen; denn es wird übel zugehen in Deutschland. Das Konzil zu +Trient ist sehr zornig und meinet es sehr böse mit uns. Darum betet zu +Gott mit Fleiß.“[524] + +Noch verdrießlicher aber und sorgenerregender waren für Luther mit Recht +die Streitigkeiten in den eigenen Reihen. Darüber sagte er seinen +Freunden beim letzten Geburtstagsfest: „Ich fürchte mich nicht vor den +Papisten, das sind des mehren Teils grobe Esel; aber unsere Brüder +werden dem Evangelium Schaden thun, die von uns ausgegangen sind, aber +nicht von uns sind.“ Da standen sich Kurfürst und Herzog von Sachsen +wegen Landbesitz feindlich gegenüber im sogenannten „Fladenkrieg“ (weil +um Ostern 1542). Herzog Moriz, welchem Luther Verräterei zutraute, +entzog sich dem evangelischen Bunde von Schmalkalden. Wohl waren — bis +auf den „geistlichen Türken“, den Mainzer Erzbischof — die alten Feinde +Luthers: Herzog Georg und Kurfürst Joachim I. gestorben und das +Herzogtum Sachsen und Kurbrandenburg zum Protestantismus übergetreten +und sogar das Erzbistum Köln dazu bereit; aber in Berlin traten der +„Grickel und der Jäckel“ (Agricola und Schenk) auf mit ihren +gesetzesstürmerischen Lehren; in Köln wollte man die Luther so +unsympathische schweizerische „Sakramentiererei“ einführen und der große +Vermittler Butzer und der milde Melanchthon, welche diese Kölner +Reformation übernommen hatten, wurden Luther höchst verdächtig und das +ganze Werk ärgerlich — es scheiterte ohnedies durch die Gewaltthat des +Kaisers. In Luthers Umgebung wuchs, nachdem die alten Mitarbeiter der +Reformation am Abgang waren, ein neues Geschlecht heran, das mit +epigonenhafter Uebertreibung die Gegensätze schärfte oder allerlei +Kleinigkeiten und Aeußerlichkeiten aufbauschte, wie die Zeremonien, +Auslegung der Offenbarung Johannes, Verbot von alten Osterbräuchen und +andere „Geislein“ „herfürgucken“ ließen, die sie führen wollten, um sich +wichtig zu machen; auch der alte Streit mit den Schweizern flammte +wieder auf[525]. + +Ja, auf Melanchthon selbst, seinen alten Freund und Mitarbeiter, wurde +Luther mißtrauisch gemacht wegen allerlei Abweichungen vom „echten“ +Luthertum und es entstand eine gefährliche Spannung zwischen den beiden +Männern und ihren Familien, bis die Mißstimmung endlich durch Luther +selbst beigelegt wurde, so daß der Reformator doch bis ans Ende seines +Lebens mit ihm als dem treuesten Freunde verkehrte[526]. Mit seinen +Kollegen von der juristischen Fakultät, namentlich seinem alten Freunde +Hier. Schurf, bekam Luther einen bösen Span wegen der heimlichen +Verlöbnisse, welche die „garstigen Juristen“ mit einem Rückfall ins +kanonische Recht für giltig erklärten, Luther aber verwarf[527]: er +hatte die Gefährlichkeit der Sache an Melanchthons Sohn er fahren, der +sich — noch unmündig — von einem Mädchen hatte fangen und ohne Wissen +und Willen seiner Eltern ihr ein Eheversprechen gegeben hatte, worüber +M. Philipp und sein Weib „schier verschmachtet“ wären, wenn Luther es +nicht abgewendet hätte. Und er selber mußte es erfahren in seiner +eigenen Familie, indem seiner Schwester Sohn sich ungehorsamerweise ohne +der Freundschaft Rat verlobte. Er hatte infolgedessen zu klagen, daß das +„Meidevolk in Wittenberg gar kühn“ geworden sei und die Eltern ihre +Söhne von der Universität zurückforderten, weil man ihnen da Weiber an +den Hals hänge[528]. + +Die alten Hausgenossen und Freunde waren in alle Welt zerstreut; aber in +ihren Anfechtungen, Verdrießlichkeiten, Bedenken wandten sie sich an +ihren „heiligen Vater Luther“. So hatte er zu schlichten, zu raten und +zu trösten — und das richtete ihn selber auf. Aber er hatte auch manchen +Aerger und manchen Schmerz[529]. Da plagte ihn M. Stiefel mit seinen +Grillen über den Jüngsten Tag, oder der Stadthauptmann Metzsch mit +seinem übeln Wandel und seiner rücksichtslosen Niederlegung von vielen +Wohnhäusern zum Festungsbau, wodurch die kleine, volkreiche Stadt noch +enger wurde und die armen Studenten noch elender wohnen mußten. Einer +nach dem andern von den Zeitgenossen ging aus dem Leben. So schon 1538 +der treue Hausmann. Dann Luthers letzter Klostergenosse Brisger, endlich +auch Spalatin (1545). Schon vorher (1542) war seine und Käthes +liebenswürdige, heitere Freundin, Käthe Jonas, verschieden, deren +Erscheinung ihm immer erfreulich und tröstlich gewesen[530]; vor allem +aber der Sonnenschein des Hauses, das gute Magdalenchen. Der Sohn und +ein Neffe waren eine zeitlang fort in Torgau. In dieser Zeit starb auch +der Gatte seiner Nichte Lene, geb. Kaufmann; und diese machte ihm dann +schweren Verdruß durch ihre zweite Heirat mit dem jugendlichen Mediziner +Ernst Reuchlin (Ende 1545). + +Das Jahr 1544 war wieder ein Krankheitsjahr in Wittenberg und im +Lutherhaus. Um Ostern lagen alle Kinder an den Masern und die kleine +Margarete bekam davon ein schweres Fieber, an dem sie zehn Wochen +lebensgefährlich darniederlag und von dem sie sich bis in den Dezember +hinein gar nicht erholen wollte. Was gab es da für Käthe an Sorgen und +Mühen[531]! + +Aber auch der Hausvater selbst war jetzt immer krank: bald fehlte ihm +dies, bald jenes; alle seine Leiden stellten sich mit Macht ein in dem +abgearbeiteten Körper und der erschöpfte Lebensgeist war nicht mehr +recht widerstandsfähig gegen die mancherlei Angriffe auf die +verschiedenen Organe. Die Hausärzte und die kurfürstlichen Leibärzte +doktorten an ihm herum; der Hof schickte Arzneien; die Gräfin von +Mansfeld wollte ihn in die Kur nehmen. Es war ein alter (noch jetzt +bestehender) Glaube, daß großer Fürsten und Herren Arznei, die sie +selbst gäben und applizierten, kräftig und heilsam seien, sonst nichts +wirkten, wenn's ein Medikus gäbe[532]. Das meiste und beste that +freilich Frau Käthe. + +Im Jahre 1541 war Luther lange Zeit so schwach, daß er nicht eine Stunde +angestrengt lesen und sprechen konnte; er mußte daheim bleiben und da +seine Hausgottesdienste halten. Einmal schrieb er auch an die +arzneikundige verwitwete Gräfin Dorothea von Mansfeld, welche auch gern +dem „lieben togktor“ geholfen hätte. Denn die Schmerzen waren +entsetzlich, so daß er jammerte: „Sterben will ich, aber diese Qualen +sind gräßlich.“[533] Im folgenden Jahre machte er sein Testament, „satt +dieses Lebens, oder daß ich's richtiger sage, dieses herben Todes“. „Ich +habe mich ausgearbeitet und ausgelebt. Der Kopf ist kein nutz mehr. Ich +bin müde erschöpft, bin nichts mehr.“[534] Im April 1543 klagt er: „Wie +oft bin ich in diesem Jahre schon gestorben! Und doch lebe ich noch, +eine unnütze Last der Erde.“ Am 13. und 14. Juli 1543 wurde er +wiederholt so ohnmächtig, daß er zu sterben meinte und seinen Hans von +Torgau holen lassen wollte. Aber Frau Käthe hatte gelernt, ihn zu +ermutigen und redete ihm die Todesgedanken aus. Anfangs 1515 hatte er +einen Krankheitsanfall mit ähnlichen Erscheinungen, wie sie ein Jahr +später seinen Tod herbeiführten, Leichenkälte und die beängstigenden +Beklemmungen auf der Brust. Er konnte lange keine Predigt und keine +Vorlesung halten und mußte selbst in einem Wägelchen sich zur Kirche +fahren lassen, um die Predigt zu hören[535]. „Ich glaube, meine +wirkliche Krankheit ist das Alter, dann meine Arbeiten und heftigen +Gedanken, besonders aber die Schläge Satans.“ „Daß ich am Haupte +untüchtig bin, ist nicht Wunder; das Alter ist da; der Krug geht solange +zu Wasser, bis er einmal zerbricht.“ „Ich bin träg, müde, kalt, das +heißt alt und unnütz; ich habe meinen Lauf vollendet und es bleibt +nichts übrig, als daß der Herr mich zu meinen Vätern versammle.“ Bei +seinen gräßlichen Qualen wünscht er, wenn nicht sanft, so doch tapfer zu +sterben[536]. + +Und bei all' diesen Leiden und Qualen sollte der alte Mann noch für drei +arbeiten, so war er geplagt von Fürsten und Stadträten, von Freunden und +Amtsgenossen und Beichtkindern mit Briefschreiben, Bücherschreiben, +Vorlesungen, Predigten und Beratungen, „Bedenken“, Trostschreiben; so +daß er klagt: „Da sitze ich alter, abgelebter, fauler, müder, frostiger +und noch dazu einäugiger Mann und schreibe. Hoffte ich doch, man sollte +mir Abgestorbenen nun die Ruhe gönnen, die ich mir, denkt mich, verdient +habe. Aber als hätte ich niemals etwas gethan, geschrieben, geredet und +ausgeführt, muß ich so viel reden, thun und ausführen, daß ich mir +keinen Rat weiß. Ich bin so beschäftigt, daß ich gar selten Muße habe, +zu lesen oder für mich zu beten, was mir beschwerlich ist.[537] + +Freilich brach oft der angeborene Humor bei Luther durch, und das frohe +Gottvertrauen blieb wohl die Grundstimmung seines Wesens. Aber bei +seinem zur Schwermut neigenden Temperament und Gesundheitszustand +pflegte der alternde Mann doch vorwiegend die Schattenseiten aller +Erscheinungen zu sehen und nur selten konnte er sich sagen: „Ich lasse +das Antlitz unsrer Gemeinden nicht trauervoll zurück, sondern blühend, +durch reine und heilige Lehre mit vielen vortrefflichen und lauteren +Geistlichen, von Tag zu Tage wachsend.[538] + +So war ihm Zeit und Welt widerwärtig geworden. „Welt ist Welt, war Welt +und wird Welt sein.“ Und er wünschte sich weg daraus. Er hoffte und +wünschte, daß das Weltende nahe sei oder doch sein Lebensende. „Komm', +lieber jüngster Tag!“ seufzt er am Schluß eines Briefes an Käthe, und an +Frau Jörger schließt er (1544) ein Schreiben: „Es sollt ja nunmehr die +Zeit da sein meiner Heimfahrt und Ruhe; bittet für mich um ein seliges +Stündlein.“[539] + +Da er aber nicht aus der Welt gehen und die Feiertagsruhe des Jüngsten +Tages nicht selbst herbeiführen konnte, so wollte er wenigstens aus +_seiner_ Welt scheiden und von seinem Beruf. Denn so ist ja Stimmung und +Wunsch bei alten und kranken Leuten: da sie nicht aus dem Leben gehen +können, so suchen sie ihren Wohnort zu verändern und wünschen sich +daraus weg, mit so viel Beschwerden auch ein Wechsel und eine Reise +verbunden sein mag. So sagte Luther das ganze letzte Jahr zu seiner +Umgebung, „er begehre an einen anderen Ort zu ziehen“. Und die Freunde +fanden es auch merkwürdig, daß er in diesem Jahr vor seinem Tode öfter +ausgezogen, denn in vielen Jahren; und sie sahen es als „Prophezeiung +an, daß er die selige Reise werde thun in ein besser Leben“[540]. + +So ging es nun auch schon 1544, wo er mit einem Wegzug aus Wittenberg +gedroht und von den Freunden und Beamten Wittenbergs davon abgebracht +war. Im folgenden Jahr (1545) nachdem er am Johannistag von seinem +„Peiniger“, dem Stein, fast umgebracht worden und dadurch in eine +gereizte Stimmung versetzt war, führte er diesen Entschluß wirklich +aus[541]. + +Es war gerade kein besonderer Anlaß zu diesem Schritte da. Aber +mancherlei hatte ihm den Aufenthalt in Wittenberg in der letzten Zeit +verleidet. Der Streit mit den Juristen, die ärgerliche Geschichte im +Haus mit „einer andern Rosina und Schwindlerin“, vor allem aber das +Leben und Treiben von Bürgern und Studenten in Wittenberg, hatten ihn +hoch aufgebracht. Der ungeheure Studentenandrang nach Wittenberg brachte +begreiflicherweise nicht lauter gute, fromme und sittige Elemente dahin +und bei den 2000 Studierenden gab es natürlich viel mehr zu rügen und zu +strafen, als bei den früheren 200. Und unter diesen Tausenden waren +Leute aus allerlei Volk; nicht nur alle deutschen Stämme, sondern auch +Ausländer: „Reußen und Preußen, Holländer und Engellender, Dänemarker +und Schweden, Böhmen, Polen, Hungern, Wenden und Winden, Walen und +Franzosen, Spanier und Gräken.“ Die Bürger beuteten die Studierenden +aus. Weibliches Gesindel zog herbei, wie Luther meinte, von den +Widersachern geschickt, und es gab manche „Speckstudenten“, die sich +lieber in dem Lustwäldchen „Specke“ umhertrieben, statt in der Schule +Gottes Wort, Tugend und Zucht zu lernen. Gegen solche Unordentlichkeit +trat nun Luther als alter treuer Prediger mit väterlicher Vermahnung +auf. Er bittet seinen „Bruder Studium, sich still, züchtig und ehrlich +zu halten, des warten, warum sie hergesandt und mit schweren Kosten von +den Ihren erhalten werden, daß sie Kunst und Tugend lernen, weil die +Zeit da ist und solche feine Präzeptoren da sind.“ Er ermahnte den Rat, +die Laster zu strafen, und die Bürger, dem „Geiz“ zu steuern. Aber die +Bürger der kleinen Universitätsstadt hielten zumeist auf ihren Vorteil, +der Rat war lässig und ängstlich, wie Luther oftmals klagt gegenüber der +schönen Ordnung in einer Reichsstadt wie Nürnberg, und die Studenten +wies er vergeblich auf seinen grauen Kopf; sie überhörten seine +schmerzlichen und herzlichen Mahnungen: „Ach, mein Bruder Studium, +schone mein und laß es nicht dahin kommen, daß ich müsse schreien wie +St. Polykarpus: Ach Gott, warum hast Du mich das erleben lassen? Ich +hab's ja nicht verdient, sondern da sind vorhanden meine und euer +Präzeptoren treue Arbeit, die euch zum besten dienen in diesem und jenem +Leben.“[542] + +Neben und mit diesem unordentlichen Wesen nahm die Ueppigkeit in der +Stadt bei Doktorschmäusen und besonders bei Hochzeiten und Kindtaufen so +überhand, daß mancher Mann (z.B. Georg Major durch sein Doktorat und +neun Kindtaufen) in Schulden geriet. Ja, es riß die neue Kleidertracht +ein, „die Jungfrauen zu blößen, hinten und vorn“, und niemand war da, +„der da strafe oder wehre“; es schien, wie Luther fürchtet, sich +anzulassen, „daß Wittenberg mit seinem Regiment nicht den S. Veitstanz +noch S. Johannistanz, sondern den Bettlertanz und Beelzebubtanz kriege“. +Daher meinte Luther: „Nur weg aus dieser Sodoma!“[646] + +Damit schien er nun Ernst zu machen. Im Juli 1545 unternahm er auf Frau +Käthes Fuhrwerk mit seinem ältesten Sohne Hans, D. Kreuziger und einem +Tischgenossen Ferdinand von Maugen eine Erholungsreise nach Leipzig und +Zeitz zu Freund Amsdorf, dem Bischof. Unterwegs hörte er, daß die +Zustände in Wittenberg viel mehr im Munde der Leute wären, als er +dachte. Da wollte er gar nicht mehr in die „unordige“ Stadt zurück. Er +schrieb am 28. Juli von Zeitz aus an seine Frau folgenden Brief[543]: + +„G(nade) und F(riede)! + +Liebe Käthe! Wie unsre Reise ist gangen, wird Dir Hans wohl alles sagen +— wiewohl ich auch nicht gewiß bin, ob er bei mir bleiben solle —, dann +werden's doch D. Kaspar Kreuziger und Ferdinandus wohl sagen. Ernst von +Schönfeld hat uns zu Lobnitz schön gehalten[544]. Noch viel schöner +Heinz Scherle zu Leipzig. + +Ich wollt's gerne so machen, daß ich nicht müßte wieder gen Wittenberg +kommen. Mein Herz ist erkaltet, daß ich nicht gern da bin; wollt auch, +daß Du verkauftest Garten und Hufe, Haus und Hof. So wollt ich (auch) +M(einem) G(nädigen) H(errn) das große Haus[545] wieder schenken. Und +wäre Dein Bestes, daß Du Dich gen Zulsdorf setzest, weil (während) ich +noch lebe. Und (ich) könnte Dir mit dem Solde wohl helfen das Gütlein +bessern, denn ich hoffe, M.G.H. soll mir den Sold (aus)folgen lassen, +zum wenigsten ein Jahr meines letzten Lebens. Nach meinem Tode werden +Dich die vier Elemente[546] zu Wittenberg doch nicht wohl leiden; darum +wäre es besser bei meinem Leben gethan, was dann zu thun sein will. + +Ich habe auf dem Lande mehr gehört, denn ich zu Wittenberg erfahre, +darum ich der Stadt müde bin und nicht wieder kommen will, da mir Gott +zu helfe. + +Uebermorgen werde ich gen Merseburg fahren, denn Fürst George hat mich +sehr darum lassen bitten[547]. + +Will also umherschweifen und eher das Bettelbrot essen, ehe ich meine +arm alte letzte Tage mit dem unordigen Wesen zu Wittenberg martern und +beunruhigen will mit Verlust meiner sauern und teuern Arbeit. Magst +solches, wo Du willst, D. Pommer und M. Philipps wissen lassen, und ob +D. Pommer wollt' hiemit Wittenberg von meinenwegen gesegnen[548]. Denn +ich kann des Zorns und Unlust nicht länger leiden. + +Hiemit Gott befohlen, Amen. + +Martinus Luther.“ + +Frau Käthe zeigte natürlich diesen drohenden Brief den beiden Freunden; +Melanchthon wiederum, welcher auf den Mittag zu Dr. Brück kam und mit +ihm aß, erzählte dem Kanzler Luthers Vorhaben. Das that seine Wirkung. +Denn was war Wittenberg ohne Luther? Auch Melanchthon erklärte, daß er +dann nicht mehr bleiben könnte und sich vor dem Aergernis irgend wohin +verkriechen müsse. + +Da fuhr der Schrecken den Wittenbergern, Universität, Rat und +Bürgerschaft durch die Glieder. Der Senat und der Magistrat kamen +zusammen und berieten über Maßregeln, Luther zu halten. An den +Kurfürsten wurde mit einer Abschrift von Luthers Brief eine Botschaft +geschickt, damit er auch seinerseits auf den erzürnten Mann einwirke, +„daß er sein Gemüt ändere“. Eine Abordnung von Universität und Stadtrat: +Melanchthon, Bugenhagen, Major, der Bürgermeister und der Stadtrichter +Hans Lufft, wurden zu Luther gesandt und auch vom Hof kam ein +beschwichtigender Brief und der liebenswürdige Leibarzt Ratzeberger, den +Luther gar gut leiden mochte, nach Merseburg. Der Doktor ließ sich hart +genug gegen die Wittenberger Abgesandten aus über „die Lockerung der +Zucht“. Stadt und Regierung versprachen nun ernstliches Einschreiten +gegen das „verthunliche“ Wesen bei Hochzeiten und Kindtaufen, gegen +leichtfertiges Treiben bei Tanzvergnügungen, gegen das ungebührliche +Geschrei auf den Straßen u.s.w.[549] + +So ließ sich Luther besänftigen; er kehrte noch bei Hof an, um seinen +Forderungen Nachdruck zu geben; dann fuhr er langsam nach Hause. Die +Ausspannung und der Aufenthalt in freier Luft hatte ihm doch gut gethan, +und die Behaglichkeit in seinem schönen Heim, die Fürsorge seiner treuen +Hausfrau ließen ihn die Gedanken an einen Auszug vergessen, bis die +endgiltige Wanderung in die jenseitige Welt ihn aller Unlust und +Widerwärtigkeiten, aller Leiden und Folterqualen der Krankheit +enthob[550]. + +Er sollte die verwickelten Streithändel seiner Landesherrn, der +Mansfelder Grafen, wegen der Bergwerksrechte beilegen und machte dazu im +folgenden Winter drei Reisen in seine Heimat. Der Kurfürst hätte lieber +gesehen, wenn Luther „als ein alter abgelebter Mann mit diesen Sachen +verschont bliebe“; und das war Frau Käthes Meinung auch, welche es +betrieb, daß Melanchthon, der doch viel jünger und gesunder war, nicht +nach Regensburg mußte. Aber Luther selbst meinte: „Es muß, wiewohl ich +viel zu thun habe, um ein acht Tage nicht not haben, die ich daran wagen +will, damit ich mit Freuden mich in meinen Sarg legen möge, wo ich zuvor +meine lieben Landesherren vertragen und freundliches, einmütiges Herzens +gesehen habe.“ Nebenbei war es ihm eine Genugthuung, zu zeigen, was in +Streithändeln ein guter Christ fertig brächte, gegenüber „den silbernen +und guldenen Juristen, welche die Sache oftmals als Vorteil und Geiz +wider alle Billigkeit erweitern und auf(hinaus)ziehen.“[551] + +Freilich Frau Käthe nahm diese Reisen viel schwerer, namentlich die +letzte in der schlimmsten Jahreszeit. Es war Ende Januar und ein gar +„unartiges“, kaltes Wetter. Sie wußte aus reicher Erfahrung, was eine +Erkältung für den durch und durch kranken Mann bedeute. Sie hatte ja +auch gehört, daß Luther im November (1545) seine Vorlesung über die +Genesis mit den Abschiedsworten geschlossen hatte: „Ich kann nicht mehr; +ich bin schwach; bittet Gott für mich, daß er mir ein gutes, seliges +Ende beschere.“ Endlich hatte ein Vorfall das ganze Haus mit banger +Ahnung erfüllt. Kurz vorher hatten die studentischen Tisch- und +Hausgenossen im Schlafhaus, wo sie wohnten, eine Schlaguhr erneuern +lassen. Da begab sich's einstmals um Mitternacht, daß bei dieser Uhr ein +sehr großer harter Fall gehört wurde, als ob das ganze Gehäuse mit samt +den Gewichten heruntergefallen wäre. Am andern Morgen war alles +unversehrt. Da dies Luther gesagt war, sprach er zu den Tischgenossen: +„Ihr lieben Quiriten, erschreckt nicht davor. Denn dieser Fall bedeutet +mich, daß ich bald sterben werde. Wenn ich von Eisleben komme, will ich +mich in Sarg legen. So bin ich der Welt müde, und scheide gerne wie ein +reifer Gast aus einer gemeinen Herberge.“ Dennoch wollte Frau Katharina +ihren Gatten an dem Friedenswerk in Mansfeld nicht hindern und nachdem +er zweimal die Reise glücklich überwunden, hoffte sie wohl auch auf +einen glücklichen Ausgang einer dritten und letzten. Sie gab ihm aber +nicht nur seinen Famulus Ambrosius Rutfeld mit, sondern auch ihre drei +Söhne und in Halle sollte Herr D. Jonas einsteigen. Im Kloster blieben +als Tischgenossen Besold, Plato u.a. zurück[552]. + +Die Reisenden fuhren am Samstag, den 23. Januar, in Wittenberg ab. Es +trat nach scharfem Frost während der Nacht auf Sonntag Tauwetter ein, +mit Eisgang und Ueberschwemmung, so daß die Reisegesellschaft, als sie +Sonntag vormittag in Halle anlangte, nicht über die Saale kommen und +drei Tage in der Stadt verziehen mußte; Freund Jonas, der seit vier +Jahren in Halle Pfarrer war, hieß aber die Wittenberger Gäste in seinem +Hause willkommen. Von Halle empfing nun Frau Käthe einen launigen Brief +ihres Eheherrn, der dessen gute Stimmung meldete. Er war adressiert +„Meiner freundlichen lieben Käthen Luthrin zu Wittenberg zu +Handen“[553]. + +„Gnad und Friede im Herrn! + +Liebe Käthe! + +Wir sind heute um acht Uhr zu Halle ankommen, aber nach Eisleben nicht +gefahren. Denn es begegnete uns eine große Wiedertäuferin mit +Wasserwogen und großen Eisschollen, die das Land bedeckte; die dräuete +uns mit der Wiedertaufe. So konnten wir auch nicht wieder zurückkommen, +von wegen der Mulda; mußten also zu Halle zwischen den (beiden) Wassern +stille liegen. Nicht daß uns durstete zu trinken, sondern nahmen gut +Torgisch Bier und guten rheinischen Wein; damit labeten und trösteten +wir uns dieweil, ob die Saale wollt wieder auszürnen. Denn weil die +Leute und Fuhrmeister, auch wir selbst zaghaftig waren, haben wir uns +nicht wollen in das Wasser begeben und Gott versuchen; denn der Teufel +wohnet im Wasser und ist uns gram; und ist besser verwahret denn +beklaget; und ist ohne Not, daß wir dem Papst samt seinen Schuppen eine +Narrenfreude machen sollten. Ich hätte nicht gemeint, daß die Saale eine +solche Sod machen könnte, daß sie über Steinwege und alles rumpeln +sollte. + +Jetzo nicht mehr, denn: betet für uns und seid fromm. Ich halte, wärest +Du hier gewesen, so hättest Du uns auch also zu thun geraten; so hätten +wir Deinem Rat auch einmal gefolget. + +Hiemit Gott befohlen! Amen. + +Zu Halle am St. Paulus Bekehrungstage (25. Januar) Anno 1546. + +Martinus Luther D.“ + +Das lautete gar fröhlich und vergnügt, als man im Kloster diesen +lustigen Brief las, und Frau Käthe konnte einstweilen beruhigt sein. +Aber es dauerte acht Tage, bis wieder ein Brief kam. Das mußte die +besorgte Frau schon nicht wenig aufregen und sie sandte Briefe über +Briefe ab, was sonst bei der vielbeschäftigten Frau nicht gerade +Gewohnheit war. Endlich nach Lichtmeß langte ein zweiter Brief Luthers +an. Der war freilich auch in demselben scherzhaften Ton geschrieben, wie +der vorige und die meisten Episteln des Doktors an seine Frau. Aber es +war doch eine Stelle darin, die bedenklich machen konnte. + +„Meiner herzlieben Hausfrauen Katharin Lutherin, Doktorin, Zulsdorferin, +Saumärkterin und was sie sonst noch sein kann. + +Gnade und Friede in Christo und meine alte, arme und, wie ich weiß, +unkräftige Liebe zuvor. + +Liebe Käthe! Ich bin schwach gewesen auf dem Wege hart vor Eisleben, das +war meine Schuld. Aber wenn Du wärest dagewesen, so hättest Du gesagt, +es wäre der Juden oder ihres Gottes Schuld gewesen. Denn wir mußten +durch ein Dorf hart vor Eisleben, da viele Juden inne wohnten; +vielleicht haben sie mich so scharf angeblasen. So sind hier in der +Stadt Eisleben jetzt diese Stunde über fünfzig Juden wohnhaftig (in +einem Hause). Und wahr ist's, da ich bei dem Dorf war, ging mir ein +solch kalter Wind hinten im Wagen ein auf meinen Kopf durchs Barett, als +wollte mir's das Hirn zu Eise machen. Solches mag nun zum Schwindel +etwas haben geholfen; aber jetzt bin ich gottlob! wohl geschickt, +ausgenommen, daß die schönen Frauen mich so hart anfechten. + +Ich trinke Naumburgisch Bier, fast des Geschmacks, den Du von Mansfeld +mir etwa hast gelobet. Es gefällt mir wohl. + +Deine Söhnchen sind nach Mansfeld gefahren ehegestern, weil sie Hans von +Jene[554] so demütiglich gebeten hatte; weiß nicht, was sie da machen. +Wenn's kalt wäre, so möchten sie helfen frieren. Nun es warm ist, +könnten sie wohl was anders thun oder leiden, wie es ihnen gefällt. + +Hiermit Gott befohlen sammt allem Hause, und grüße alle Tischgesellen. +Vigilia Purificationis, 1546. + +M.L., Dein altes Liebchen.“[555] + +Also der Doktor hatte sich richtig erkältet und zwar durch eigene +Schuld; er war eine Zeitlang vom Wagen abgestiegen, hatte sich in +Schweiß gelaufen bei dem auffallend warmen Winterwetter, war dann im +letzten Dorfe Nißdorf, hart vor Eisleben, unvorsichtigerweise wieder auf +den Wagen gesessen und hatte sich in dem scharfen Luftzug des Fuhrwerks +erkältet. Frau Käthe wußte, was das zu bedeuten hatte und war gar +ängstlich trotz des fröhlichen Briefes. Sie hatte, scheint es, die Sache +schon vor Luthers eigener Meldung sonsther gehört, auch daß die sonst +immer offen gehaltene Wunde am Bein, welche, eine Art Fontanelle, den +kranken Säften einen Abfluß gewährte, bedenklicherweise zugeheilt war. +So schrieb sie nun einen Brief um den andern, an einem Tag (Freitag, 5. +Februar) sogar mehrere. Auch sandte sie von Wittenberg ihre gewöhnlichen +Hausmittel: „Stärkküchlein“, allerlei Stärkwasser, Rosenessig und +Aquavitä, und hieß Jonas, den Famulus und ihre Söhne in dem Gemach des +Doktors schlafen[556]. Er zwar schreibt wieder ganz sorglos, nur +bedenklich wegen der heikeln Streitigkeiten, die er zu schlichten hatte, +am 6. Februar[557]: + +„Der tiefgelehrten Frauen Katharin Lutherin, meiner gnädigen Hausfrauen +zu Wittenberg. + +Gnade und Friede. + +Liebe Käthe! Wir sitzen hier und lassen uns martern und wären wohl gern +davon; aber es kann noch nicht sein, als mich dünkt, in acht Tagen. Mag. +Philippus magst Du sagen, daß er seine Postille korrigiere; denn er hat +nicht verstanden, warum der Herr im Evangelio die Reichtümer Dornen +nennt. Hier ist die Schule, da man solches verstehen lernet. Aber mir +grauet, daß allewege in der heiligen Schrift den Dornen das Feuer +gedroht wird; darum ich desto größere Geduld habe, ob ich mit Gottes +Hilfe möchte etwas Gutes ausrichten. Deine Söhnchen sind noch zu +Mansfeld. Sonst haben wir zu essen und trinken genug und hätten gute +Tage, wenn's der verdrießliche Handel thät. Mich dünkt, der Teufel +spotte unser; Gott woll' ihn wieder spotten, Amen. + +Bittet für uns. Der Bote eilte sehr. + +Am Sankt Dorotheentage, 1546.“ + +Trotz dieser Briefe war aber Frau Käthe so voller Sorge um den fernen +Gatten, daß sie nicht schlafen konnte, und schrieb gar ängstliche +Episteln nach Eisleben, so daß ihr der fromme Doktor eine lange Predigt +hielt über Gottvertrauen in zwei aufeinanderfolgenden Briefen, am 7. und +10. Februar[558]: + +„Meiner lieben Hausfrauen Katherin Lutherin, Doktorin, Selbstmartyrin zu +Wittenberg, meiner gnädigen Frauen zu Händen und Füßen. + +Gnade und Friede im Herrn. + +Lies Du, liebe Käthe, den Johannem und den kleinen Katechismus, davon Du +einmal sagtest: es ist doch alles in dem Buch von mir gesagt. Denn Du +willst sorgen für Deinen Gott, gerade als wäre er nicht allmächtig, der +da könnte zehn Doktor Martinus schaffen, wo der einige alte ersöffe in +der Saale oder im Ofenloch oder auf Wolfs Vogelherd. Laß mich in Frieden +mit Deiner Sorge: ich hab' einen bessern Sorger, denn Du und alle Engel +sind. Der liegt in der Krippe und hänget an einer Jungfrauen Brust; aber +sitzet gleichwohl zur rechten Hand Gottes des allmächtigen Vaters. Darum +sei in Frieden, Amen. + +Betet, betet, betet und helft uns, daß wir's gut machen. Denn ich heute +in Willen hatte, den Wagen zu schmieren in meinem Zorn; aber Jammer, so +mir einfiel, meines Vaterlandes hat mich gehalten. Ich bin nun auch ein +Jurist worden. Aber es wird ihnen nicht gedeihen. Es wäre besser, sie +ließen mich einen Theologen bleiben. Komme ich unter sie, so ich leben +soll, ich möcht' ein Poltergeist werden, der ihren Stolz durch Gottes +Gnade hemmen möchte. Sie stellen sich, als wären sie Gott, davon möchten +sie wohl und billig bei Zeit abtreten, ehe denn ihre Gottheit zur +Teufelheit würde, wie Luzifer geschah, der auch im Himmel vor Hoffart +nicht bleiben konnte. Wohlan, Gottes Wille geschehe. + +Du sollst Mag. Philippus diesen Brief lesen lassen: denn ich nicht Zeit +hatte, ihm zu schreiben, damit Du Dich trösten kannst, daß ich Dich gern +lieb hätte, wenn ich könnte, wie Du weißt, und er gegen seine Frauen +vielleicht auch weiß und alles wohl verstehet. + +Wir leben hier wohl, und der Rat schenkt mir zu jeglicher Mahlzeit ein +halb Stübchen Rheinfall, der ist sehr gut. Zuweilen trink ich's mit +meinen Gesellen. So ist der Landwein hier gut, und Naumburgisch Bier +sehr gut, ohne daß mich dünkt, es macht mir die Brust voll phlegmate +(Schleim) mit seinem Pech. Der Teufel hat uns das Bier in aller Welt mit +Pech verdorben und bei euch den Wein mit Schwefel. Aber hier ist der +Wein rein, ohne was des Landes Art giebt. + +Und wisse, daß alle Briefe, die Du geschrieben hast, sind anher kommen +und heute sind die kommen, die Du am nächsten Freitag geschrieben hast +mit Mag. Philippus Briefen, damit Du nicht zürnest. + +Am Sonntag nach Dorotheens Tag (7. Febr.) 1546. + + * * * * * + +Dein lieber Herr M. Luther.“ + +„Der heiligen sorgfältigen Frauen, Katherin Lutherin, Doktor +Zulsdorferin zu Wittenberg, meiner gnädigen, lieben Hausfrauen. + +Gnade und Friede in Christo. + +Allerheiligste Frau Doktorin! Wir bedanken uns gar freundlich für Eure +große Sorge, davor Ihr nicht schlafen könnt; denn seit der Zeit Ihr für +uns gesorget habt, wollt' uns das Feuer verzehret haben in unsrer +Herberg hart vor meiner Stubenthür; und gestern, ohne Zweifel aus Kraft +Eurer Sorge, hat uns schier ein Stein auf den Kopf gefallen und +zerquetscht, wie in einer Mausfallen. Der hatte im Sinn, Eurer heiligen +Sorge zu danken, wo die lieben heiligen Engel nicht gehütet hätten. Ich +sorge, wo Du nicht aufhörst zu sorgen, es möchte uns zuletzt die Erde +verschlingen und alle Elemente verfolgen. Lehrest Du also den +Katechismum und den Glauben? Bete Du und laß Gott sorgen, es heißt: +„Wirf dein Anliegen auf den Herrn, der sorget für dich (1. Petr. 5, 7).“ + +Wir sind, Gott Lob, frisch und gesund, ohne daß uns die Sachen Unlust +machen, und Doktor Jonas wollt' gern einen bösen Schenkel haben, daß er +sich an eine Lade ohngefähr gestoßen: so groß ist der Neid in den +Leuten, daß er mir nicht wollt' gönnen allein einen bösen Schenkel zu +haben. + +Hiemit Gott befohlen. Wir wollten nun fort gerne los sein und +heimfahren, wenn's Gott wollt', Amen, Amen, Amen. + +Euer Heiligen williger Diener Martinus Luther. + +Am Tage Scholasticä (10. Febr.) 1546.“ + +Aber was Frau Käthe zu wenig an Gottvertrauen zeigte, das bewies der +Herr Doktor zu viel. Sie wußte und hörte, daß er, trotzdem er sich jeden +Abend mit warmen Tüchern behandeln lassen mußte, seinen alten +Predigteifer auch in der fremden Stadt in der kalten Kirche bethätigte; +zwei Geistliche ordinierte er und viermal predigte er, zuletzt am +Sonntag den 14. Februar. Abends schrieb er noch einen Brief an seine +Hausfrau, erwähnte aber nichts davon, daß er heute morgen seine Predigt +hatte abbrechen müssen aus Schwachheit; er bat aber seine Frau um +Arzneien[559]. + +Der Brief schlägt wieder fröhliche und hoffnungsvolle Töne an; die +Aussicht auf Rückkehr nach der lieben Heimat vergoldete die trübe +Stimmung[560]: + +„Meiner freundlichen, lieben Hausfrauen, Katherin Lutherin von Bora zu +Wittenberg zu Händen. + +Gnade und Friede im Herrn. + +Liebe Käthe! Wir hoffen diese Woche wieder heim zu kommen, ob Gott will. +Gott hat große Gnade hier erzeigt; denn die Herren durch ihre Räte fast +altes verglichen haben, bis auf zwei Artikel oder drei, unter welchen +ist, daß die zwei Brüder Graf Gebhardt und Graf Albrecht wiederum Brüder +werden, welches ich heute soll vornehmen und will sie zu mir zu Gaste +bitten, daß sie auch mit einander reden; denn sie bis daher stumm +gewesen und mit Schriften sich hart verbittert haben. Sonst sind die +jungen Herren (die Söhne der feindlichen Grafen) fröhlich, fahren +zusammen mit den Narrenglöcklein auf Schlitten und die Fräulein auch und +bringen einander Mummenschanz, und sind guter Dinge, auch Graf Gebhardts +Sohn. Also muß man greifen, daß Gott Gebete erhört. + +Ich schicke Dir Forellen, so mir die Gräfin Albrecht geschenkt hat: die +ist von Herzen froh der Einigkeit. Deine Söhnchen sind noch zu Mansfeld. +Jakob Luther will sie wohl versorgen. Wir haben hier zu essen und zu +trinken als die Herrn, und man wartet unser gar schön, nur allzu schön, +daß wir Euer wohl vergessen möchten zu Wittenberg. So ficht mich der +Stein auch nicht an. Aber Doktor Jonas Bein wäre schier gnad worden, so +hat's Löcher gewonnen auf dem Schienbein; aber Gott wird auch helfen. + +Solches alles magst Du Mag. Philippus anzeigen, Doktor Pommer und Doktor +Kruziger. Hier ist das Gerücht herkommen, daß Doktor Martinus sei +weggeführt, wie man zu Leipzig und Magdeburg redet. Solches erdichten +die Naseweisen, Deine Landsleute. Etliche sagen, der Kaiser sei dreißig +Meilen Wegs von hinnen bei Soest in Westphalen; etliche, daß der +Franzose Knechte annehme, der Landgraf auch. Aber laß sagen und singen: +wir wollen warten, was Gott thun wird. Hiemit Gott befohlen. + +Zu Eisleben am Sonntag Valentini 1546. + +M. Luther, Doktor.“ + +Es war der letzte Brief an seine Ehefrau, der letzte, den Luther +überhaupt schrieb. Die heitere Epistel kam am Donnerstag in Käthes Hände +und erregte bei den Klosterbewohnern großes Vergnügen: in Eisleben aber +lag der Schreiber schon auf dem Totenbette. Der Gewaltige war am selben +Tage früh um 3 Uhr im Kreise seiner Freunde, Dr. Jonas, M. Aurifaber, +des Arztes, des Stadtpfarrers von Eisleben, des Grafen und der Gräfin +Albrecht, sanft und selig entschlafen. In Wittenberg freilich dachte man +nicht daran. Melanchthon, dem Luther mit gleichem Boten geschrieben +hatte (u.a. daß Papst Paul gestorben wäre), verfaßte noch einen Brief an +den Freund und Frau Käthe schickte noch eine Salbe mit, zur +Wiederherstellung der Fontanelle am linken Schenkel. Aber am Freitag +früh 6 Uhr kam aus Torgau ein reitender kurfürstlicher Bote vor des +Kanzlers Brück Haus; dieser ließ sogleich D. Bugenhagen, Kreuziger und +M. Philipp zu sich kommen; sie wußten aber bereits, was das +kurfürstliche Schreiben meldete, ehe er es ihnen zu lesen gab, denn vor +einer Viertelstunde war auch ein Bote mit einem Brief aus Eisleben von +Jonas an sie gelangt. Auf Brücks Bitten verfügten sich die drei Herren +mit des Kurfürsten und Jonas' Brief unsäumig hinauf zu der Doktorin und +berichteten sie mit der besten Vorsicht von ihres Herrn Abgang. „Da ist +das arme Weib, wie leichtlich zu achten, hart erschrocken und in großer +Betrübnis gewesen.“ Aber wiederum nicht an sich dachte sie zumeist, +sondern an ihre Kinder, besonders, wie ihre drei Söhne in der Ferne sich +über des Vaters Tod halten möchten[561]. + +Katharinas bange Ahnung hatte sich also erfüllt; ihre Sorge um den +kränklichen fernen Gatten war nicht ohne Grund gewesen. Das Trauervolle +war geschehen: der teure Mann, der gewaltige Reformator, der geistvolle +Lehrer und Prediger, der liebreiche Vater, der treue Gatte war nicht +mehr! Wenn auch nicht unerwartet, so doch zu früh für die Welt und für +die Familie war er dahin geschieden, wohin er sich so oft gesehnt; von +der Welt, über die er so viel gescholten und die er doch mit so viel +Verständnis und Freude erfaßt; von dem Amte, in dem er sich so müde +gearbeitet, und in dem er doch noch so Großes leistete; von der Familie, +die ihm zwar Sorgen, aber noch viel mehr Glück und Freude gebracht und +die er mit so viel Glauben und Liebe umfaßte; von der Gattin, die er so +oft geneckt und manchmal getadelt, die er aber über alle Frauen +geschätzt und geliebt hatte. + +„Es war eine harte Wunde, die sie durch den Tod ihres Ehegemahls +empfing. Und dazu mußte sie noch klagen, daß derselbe in einem anderen +Orte gestorben war, wo sie nicht bei dem Kranken Treue und die letzten +Liebesdienste hatte erweisen können.“[562] + +Ja, in der Fremde war er gestorben, zum großen Schmerze Katharinas, die +mit ihm zwanzig Jahre „in Friede und Freude“ gelebt, die ihn in gesunden +und kranken Tagen so hingebungsvoll gepflegt und jetzt die letzten +Stunden seines Lebens nicht um ihn sein durfte, ihm in das liebe +Angesicht schauen und die treuen Augen zudrücken durfte. Es war kaum +ein Trost, daß er im Kreise der Freunde verschieden war, daß der Graf +Albrecht ihm selbst Einhorn geschabt und seine Gemahlin ihm den Puls mit +dem Stärkwasser strich, welches die Doktorin geschickt, und daß er in +ihres Sohnes Paul Armen ausgeatmet und ihm sein treuer Aurifaber die +Augen zugedrückt hatte[563]. + +Und jetzt konnte sie nicht einmal den Trost genießen, durch die Fürsorge +für die Bestattung des geliebten Toten ihren Geist abzulenken von dem +Gedanken des schmerzlichen Verlustes. + +Das kurfürstliche Schreiben enthielt nämlich die Bestimmung, daß der +Leib Luthers in der Schloßkirche zu Wittenberg bestattet werden sollte, +bei Fürsten und Fürstinnen, deren zwanzig dort bestattet waren. Aber so +war wenigstens ihr lieber Herr bei ihr in ihrer Stadt und sie konnte mit +den anderen Freunden „ihren Heiligen daselbst nach seinem Tode +besuchen“, wie Bugenhagen sich ausdrückte. Denn die Grafen von Mansfeld +hätten „die Leiche des hochteuern, von Gott mit unaussprechlichen Gaben +begnadeten Mannes gern selbst in der Herrschaft behalten“, folgten sie +aber „aus unterthänigem Gehorsam“ dem Kurfürsten auf dessen Bitte +dienstwillig aus. So rüstete sich nun die Doktorin, ihr Töchterlein und +das ganze Kloster für das Leichenbegängnis nur mit Trauergewändern[564]. + +Aber auch die ganze Stadt und Universität machte sich bereit, ihren +größten Bürger mit feierlichem Leichengepränge zu empfangen. Melanchthon +hatte sofort nach der Ankunft der Todeskunde am Freitag früh die +Studenten in einem Anschlag benachrichtigt, daß der christliche Elias +von seinen Jüngern genommen sei. Der Rektor der Akademie, Dr. Aug. +Schurf, befahl am Sonntag Morgen in einem Programme „allen Studenten am +Nachmittag, sobald das Zeichen mit der kleinen Glocke gegeben werde, +sich auf dem Markte zu versammeln und daselbst den ehrwürdigen +Pfarrherrn (D. Pommer) an der Kirche zu erwarten, ihm sofort zu folgen +und mit ihm die Leiche zu empfangen, welche gewesen ist und sein wird +eine Hütte des heiligen Geistes.“ Von Wittenberg ritten dem Trauerzuge +entgegen, um ihn in Bitterfeld, an der Mansfeldischen Grenze zu +empfangen und ehrenvoll zu geleiten, die „Verordneten des Kurfürsten“: +Erasmus Spiegel, der Hauptmann von Wittenberg, Gangolf von Heilingen zu +Düben und Dietrich von Taubenheim zu Brehne mit Gefolge[565]. + +Aber die Leiche kam am Sonntag noch nicht: in jeder Stadt wollte man sie +einholen, zurückhalten, begleiten; und so verzögerte sich die Ankunft +des Zuges, der zuletzt in Kemberg gerastet hatte. Und Melanchthon mußte +am Schwarzen Brett, auf dem Programm des Rektors verkündigen, daß die +Ankunft der Leiche und ihre Bestattung erst am andern Morgen, etwa um 9 +Uhr, stattfinde[566]. + +Im Laufe des Sonntags kam ein Beileid-Schreiben des Kurfürsten[567]: + +„An Catharina, Doctoris Martini seliger Gedächtnis verlassene Witwe zu +Wittenberg. + +Herzog Johanns Friedrich, Kurfürst. + +Liebe Besondere! + +Wir zweifeln nicht, Ihr werdet nunmehr erfahren haben, daß der +Ehrwürdige und Hochgelehrte, unser Lieber Andächtiger Doctor Martin +Luther seliges Gedächtnis, Euer Hauswirt, sein Leben in diesem +Jammerthal zu Eisleben am nächsten Dornstag frühe zwischen 2 und 3 Uhren +christlich und wohl mit göttlichen der hl. Schrift Sprüchen beschlossen +hat und von hinnen geschieden ist, welches Wir aber mit betrübtem und +bekümmertem Gemüt vernommen. Der allmächtige Gott wolle seiner Seelen, +wie Wir denn gar nicht zweifeln, gnädig und barmherzig sein! Und wiewohl +Wir wohl ermessen mögen, daß Euch solcher Euers Herrn tödlicher Abgang +schmerzlich und bekümmerlich sein wird, so kann doch in dem Gottes +gnädigen Willen, des Allmächtigkeit es also mit ihm gnädiglich und +christlich geschafft hat, nicht widerstrebt werden, sondern es will +solches Gott zu befehlen sein. Darum Ihr auch soviel destoweniger +bekümmern und seines christlichen Abscheidens Euch trösten wollet. Denn +Wir seind gnädiglich geneigt, Euch und Eure Kinder um Eures Herren sel. +willen, dem Wir in sonderen Gnaden und Guten geneigt gewest, in gnädigem +Befehl zu haben und nicht zu verlassen. Das wollen Wir Euch gnädiger +Meinung nicht verhalten. + +Datum Torgau, Sonnabends nach Valentini 1546.“ + +Am Montag früh versammelten sich am Elsterthor Rektor, Magistri und +Doktores und die ganze löbliche Universität, auch ein ehrbarer Rat samt +ganzer Gemeinde und Bürgerschaft, dann die Geistlichen und Schulen. Auch +Frau Käthe machte sich auf mit ihrem Töchterlein Margarete und einigen +Frauen und stellten sich weinend an den Weg, dem toten Gatten entgegen +harrend. + +Endlich um 9 Uhr, langte der Zug mit der teuren Leiche an: geleitet von +den kurfürstlichen Abgeordneten und den beiden jungen Mansfelder Grafen +Hans und Hoyer und einer großen Reiterschar. Auch die Mansfelder +Verwandten kamen mit, Luthers Lieblingsbruder Jakob, und seine +Schwestersöhne Jörg und Cyriak Kaufmann und andere von der +„Freundschaft“. Vor allem aber die drei Söhne Hans, Martin und Paul. Es +war ein schmerzliches Wiedersehen, das hier Frau Katharina erlebte. Die +Söhne freilich konnte sie schluchzend in die Arme schließen, aber das +Antlitz des teuren geliebten Gatten durfte sie nicht mehr sehen; da lag +er eingeschlossen im Sarg von Zinn, aufgebahrt auf dem Wagen, mit +schwarzem samtenem Tuch umhangen[568]. + +Darauf ordnete sich der Zug: voraus die Geistlichkeit und die Schulen +mit den herkömmlichen Gesängen und Zeremonien, darauf die „Berittenen“ +auf ungefähr 65 Pferden. Gleich hinter dem vierspännigen Leichenwagen +fuhr die „Frau Doktorin Katharina Lutherin“ mit den Matronen, nach +herkömmlicher Sitte auf einem niederen Wägelein. Ihr folgten die drei +Söhne, der Bruder, die Neffen und andere Verwandten. Dann in vollem +Ornat „der Rektor Magnificus der löblichen Universität mit etlichen +jungen Fürsten, Grafen und Freiherrn, so in der Universität Wittenberg +Studii halber sich (auf)enthalten.“ Darnach kam als weiteres +Leichengefolge: Kanzler Brück, Melanchthon, Jonas, Bugenhagen, +Kreuziger, Hieronymus Schurf und andere älteste Doktoren; dann die +übrigen Doktoren, Magister, der ehrbare Rat, Bürgermeister Cranach samt +den Ratspersonen, darnach der ganze große Haufen und herrliche Menge der +Studenten; darauf die Bürgerschaft, desgleichen viele Bürgerinnen, +Matronen, Frauen, Jungfrauen, viel „ehrliche“ Kinder, jung und alt; +alles mit Weinen und Wehklagen. „In allen Gassen, auch auf dem Markt ist +das Gedränge so groß und solche Menge des Volkes gewesen, daß sich's +billig in der Eil zu verwunden und viele bekannt haben, daß sie +dergleichen zu Wittenberg nicht gesehen.“ + +So ging es unter Gesang und dem Geläute aller Glocken in unabsehbarem +Zuge vom Elsterthor die ganze Länge der Stadt hin am Kloster vorbei, das +jetzt verwaist von seinem Vater und Herrn dalag, die Kollegienstraße +hinab zur Schloßkirche. Dort wurde der Sarg am Predigtstuhl +niedergesetzt. Trauerlieder erschollen, bis Bugenhagen die Kanzel +bestieg und vor den ungezählten Hörern, die in und vor der Kirche +standen, eine „gar festliche und tröstliche Predigt“ that. Darauf hat +Melanchthon „aus sonderlichem Mitleiden, um die Kirche zu trösten“, eine +lateinische Gedächtnisrede gehalten, die vor dem allgemeinen Weinen und +Schluchzen kaum gehört wurde. Seine Klage: „Wir sind wie arme Waisen, +die einen vortrefflichen Mann zum Vater gehabt und ihn verloren haben“, +die den Grundton aller Rede bildeten, sie waren ganz besonders +denjenigen aus dem Herzen gesprochen, die dem teuren Toten am nächsten +standen, und am nächsten an seinem Sarg klagten: der trauernden Gattin, +den weinenden Kindern[569]. + +„Nach den Leichenreden trugen etliche Magister den Sarg nach der Gruft +und legten so das teure Werkzeug des heiligen Geistes, den Leib des +ehrwürdigen D. Martini zur Ruhe, nicht fern von dem Predigtstuhl, da er +im Leben manche gewaltige Predigt gethan.“ Der Kurfürst aber hatte schon +am Tag vorher verordnet, daß eine Tafel aus Messing aufs Grab +niedergelegt wurde, dergestalt wie noch heutzutage zu sehen ist[570]. + +Wohl konnte das außerordentliche, wahrhaft fürstliche Leichengepränge +zeigen, welch ein Mann, ja, wie der Rektor ankündigte, welch ein „Fürst +Gottes“ der Dahingegangene gewesen, welche Liebe und Verehrung er bei +hoch und nieder genossen und die Teilnahme aller bewies, was die Welt an +ihm verlor und betrauern mußte, und das ist ja für die Hinterbliebenen +immer ein Trost in ihrem Schmerz. Aber diese Leichenfeier zeigte auch, +was die Angehörigen selber an ihm gehabt und beweinen mußten. + +Was Katharinas Stimmung und Gedanken in diesen schmerzlichen Tagen war, +das giebt sie kund in einem Briefe, den sie an ihre Schwägerin +Christina, die verwitwete Gemahlin eines ihrer Brüder und Mutter des +Florian, welcher in Wittenberg ihr Hausgenosse war, richtete[571]. Da +schreibt sie: + +„Der ehrbaren und tugendsamen Frauen Christina von Bora, meiner lieben +Schwester zuhand. + +Gnad und Fried von Gott dem Vater unsers lieben Herrn Jesu Christi! + +Freundliche liebe Schwester! + +Daß Ihr ein herzlich Mitleiden mit mir und meinen armen Kindern tragt, +gläub' ich leichtlich. Denn wer wollt' nicht billig betrübt und +bekümmert sein um einen solchen teuern Mann, als mein lieber Herr +gewesen ist, der nicht allein einer Stadt oder einem einigen Land, +sondern der ganzen Welt viel gedienet hat. Derhalben ich wahrlich so +sehr betrübt bin, daß ich mein großes Herzeleid keinem Menschen sagen +kann, und weiß nicht, wie mir zu Sinn und zu Mut ist. Ich kann weder +essen noch trinken, auch dazu nicht schlafen. Und wenn ich hätt' ein +Fürstentum und Kaisertum gehabt, sollt' mir so leid nimmer geschehen +sein, so ich's verloren hätt', als nun unser lieber Herrgott mir, und +nicht allein mir, sondern der ganzen Welt, diesen lieben und teuern Mann +genommen hat. Wenn ich daran gedenk', so kann ich vor Leid und Weinen — +das Gott wohl weiß — weder reden noch schreiben. + + Katharina, + des Herrn Doctor Martinus Luther + gelassene Witfrau.“ + + + + +16. Kapitel. + +Luthers Testament. + + +„Ich denke noch oft“, erzählt der treue Hieronymus Weller nach Luthers +Tod, „an den Mann Gottes, Doktor Martin Luther, daß er sein Gemahl ließ +den 31. Psalm auswendig lernen, da sie noch jung und frisch und fröhlich +war und sie noch nicht wissen konnte, wie dieser Psalm so lieblich und +tröstlich war. Aber ihr Mann that das nicht ohne Ursache. Denn er wußte +wohl, daß sie nach seinem Tode ein betrübtes, elendes Weib sein und +dieses Trostes, so der 31. Psalm in sich hat, sehr nötig werde +bedürfen.“ Und ähnlich hat sich der Doktor auch in seinem Testament +ausgesprochen, wie in seinem Brief auf seiner Trutz-Fahrt[572]. + +Luther kannte eben die Welt und seine und seiner Familie Lage: er kannte +der Leute Undank[573], der Fürsten Unzuverlässigkeit und ihrer Beamten +Untreue, der Amtsgenossen kleinliche Gesinnung, der Feinde Haß, der sich +schon bei Lebzeiten auch gegen sein Gemahl in unerhörter Beschimpfung +richtete und sich noch ungehemmter zeigen mußte, wenn erst der +gefürchtete Kämpe den Schild nicht mehr über sie deckte. Er wußte, daß +er ein kranker Mann war, daß er sterben werde, ehe seine Kinder erzogen +und versorgt wären; er kannte die traurige Lage einer Witwe zu seiner +Zeit, die ohne Ansprüche auf Witwengehalt, ja nach dem herkömmlichen +Recht ohne Ansprüche auf die Hinterlassenschaft war. Deshalb war er in +Sorge für seine treue Gattin; deshalb hat er aber auch, so viel an ihm +lag, Fürsorge für sie getroffen, um sie vor dem Schwersten zu bewahren. + +Diese Gedanken hat Luther in seinem „zweiten“ und „letzten“ „Testament“ +niedergelegt, welches vier Jahre vor seinem Tode, am 6. Januar 1542 +niedergeschrieben ist. Darin setzt er seiner „lieben und treuen +Hausfrau“ ein Leibgeding aus und will sie schützen gegen „etlich +unnütze, böse und neidische Mäuler“, welche seine „liebe Käthe“ +beschweren oder verunglimpfen möchten oder die Kinder aufhetzen. „Denn +der Teufel, so er mir nicht konnte nahe kommen, sollt er wohl meine +Käthe (auf) allerlei Weise (heim)suchen, (schon) allein (aus) der +Ursache, daß sie des D.M. ehrliche Hausfrau gewesen und Gottlob noch +ist.“[574] + +So mußte Frau Katharina auch bald spüren, welcher Unterschied es sei, +die Gattin des großen Doktors zu sein, der nach dem Anspruch eines +großen Fürsten neben dem Kaiser die Welt regierte, dessen Ansehen und +Ehre auch auf die „Hauswirtin“ überging, und Luthers verlassene Witwe, +in deren Vermögens-und Familienverhältnisse, Hauswirtschaft und +Kindererziehung hineinzureden und hineinzuregieren sich jetzt viele +berufen fühlten, zum Teil aus gutem Willen und Verehrung für den +dahingegangenen Freund und Reformator, während bisher Frau Katharina +selbst, höchstens mit Rat und Zustimmung ihres Eheherrn, in diesen +Dingen vollständig selbstherrlich geschaltet hatte. Daß sie, die +energische Frau, welche sich ihrer Tüchtigkeit in der Leitung eines +großen Hauswesens wohl bewußt war, und welcher Luther so bereitwillig +das Hausregiment überlassen hatte, dies Dreinreden und Dreinbefehlen +schwer empfand, ist begreiflich. Nicht wenig mußte es sie auch schmerzen +und ihr Selbstgefühl verletzen, daß sie bisher die erste Frau der Stadt, +ja der evangelischen Welt, nun bescheiden zurücktreten mußte. Schwer +auch kam sie's gewiß an, daß sie das in so großem Stil geführte +Hauswesen mit seiner unerhörten Gastlichkeit beschränken mußte. + +Zwar das trat nicht ein, was Luther gefürchtet hatte, daß „die vier +Elemente (d.h. doch wohl die vier Fakultäten der Universität) sie nicht +wohl leiden“ würden. Auch davon hört man nichts, was Luther in seinem +Testamente aussprach: „Ich bitt alle meine guten Freunde, sie wollten +meiner lieben Käthe Zeugen sein und sie entschuldigen helfen, wo etliche +unnütze Mäuler sie beschweren und verunglimpfen wollten, als sollte sie +etwa eine Barschaft hinter sich haben, die sie den armen Kindern +entwenden oder unterschlagen würde. Ich bin des Zeuge, daß da keine +Barschaft ist, ohne die Becher und Kleinod droben im Wipgeding erzählt +(aufgezählt), vielmehr 450 fl. Schulden oder mehr.“[575] + +Aber Luther hatte noch ein weiteres vorausgesehen, was seiner Frau +vorgeworfen werden könnte: eine üble Wirtschaft. Es heißt weiter im +Testament: „Es kann solches bei jedermann die Rechnung öffentlich geben, +weil man weiß, wie viel ich Einkommens gehabt von meinen gestrengen +Herrn, ohn was Geschenk ist gewesen, welches droben unter den Kleinoden, +zumteil auch noch in der Schuld steckt und zu finden ist. Und ich doch +von solchem Einkommen und Geschenk so viel gebaut, gekauft und große und +schwere Haushaltung geführt, daß ich's muß neben anderem selbst für +einen sonderlichen, wunderliche Segen erkennen, daß ich's hab können +erschwingen, und nicht Wunder ist, daß keine Barschaft, sondern daß +nicht mehr Schuld da ist.“[576] + +Am meisten unzufrieden mit der gesamten Wirtschaft Katharinas war der +Kanzler Brück, Luthers Gevattersmann. Brück hatte schon 1536, als +Katharina das Gut Booß pachten wollte, ihr das nicht zukommen lassen, +aus Argwohn, sie wolle dies herrschaftliche Gut so unter der Hand +erblich an sich und ihre Kinder bringen, „welche Gedanken doch nie in +ihr Herz gekommen sind“. Deshalb hatte sie auch den Landrentmeister +Taubenheim später (1539), als das Gut wieder pachtfrei war, angegangen, +solchen ihren Antrag an niemand sonst, auch nicht an den Kurfürsten +(welchen dann Brück um Gutachten gefragt hätte) gelangen zu lassen, +sondern ihr's unter der Hand zukommen zu lassen, was dann auch geschah. +Brück äußerte sich auch sehr abschätzig über Käthes Unternehmungen auf +ihrem Lieblingssitz Zulsdorf und hielt diese kostspieligen +Verbesserungen für arge Verschwendungen. Er widersetzte sich endlich dem +Erwerb von Wachsdorf. Daher ist es begreiflich, daß auch Katharina auf +ihn übel zu sprechen war, und überhaupt auf die fürstlichen Amtleute, +welche scheel zu den Begnadigungen sahen, die sie vom Hofe erhielten, +und sogar sie darin verkürzten. Als Luther ein Jahr vor seinem Tode von +Wittenberg wegziehen wollte, und seine Frau beauftragte, seine +Besitzungen in der Stadt zu veräußern, da ließ Melanchthon gegen Brück +merken, daß eigentlich Katharina das „treibe“ und daß es nicht das sei, +was Luther vorwende. Das berichtete der Kanzler dem Kurfürsten und fügte +mit einer gewissen Schadenfreude hinzu: es gebe Gottlob keine Käufer für +so kostbare Häuser und Güter[577]. + +Als dann die kurfürstliche Verordnung wegen „der Hochzeiten und +Kindtaufen“ an Luther geschickt wurde, kamen Melanchthon und Bugenhagen +zu Brück und zeigten an, Luther wolle sie weder sehen noch hören; zu Hof +hätte man nur sein Gespött damit. Daraus schloß Brück, daß der Doktor +durch seine Frau aufgewiegelt werde. + +Es war also ein Zerwürfnis zwischen dem Schwarzen Kloster und dem Hof, +das heißt zwischen Dr. Luther und Kanzler Brück, der den „Hof“ vertrat, +so daß Brück gar nicht mehr persönlich und direkt mit Luther +verhandelte, sondern die beiden Theologen sandte oder auch einen +Dritten[578]. Dieses Zerwürfnis hatte dann noch seine weitere +Geschichte. + +Im Dezember 1545 schickte Brück einen Zwischenhändler ins Schwarze +Kloster „hinauf zu Sr. Ehrwürden“, um Luther zu bewegen, er solle aus +einer vom Hof bestellten Schrift eine politisch bedenkliche Stelle +auslassen. „Da war Frau Käthe auch dabei und hat ihr Wort dazu gelegt +dergestalt: „Ei lieber Herr, sie lesen zu Hof nichts; das macht's, +wissen sie doch Euere Weise wohl u.s.w.“ Und Luther wurde über diese +Zumutung des Kanzlers zornig und wunderlich und sagte, er wolle es +kurzum nicht thun. Diese Rede Käthes wurde natürlich dem Kanzler +hinterbracht und er berichtete sie sofort samt den vorhergehenden +Beobachtungen dem Kurfürsten mit dem Zusatz: „Ich sorg, weil sich Doktor +Martinus in mehr denn einem Weg wider den Hof bewegt vermerken läßt, es +muß nochmals das Gütlein Wachsdorf dahinter stecken, und der gute, +fromme Herr durch die „Rippe“ bewegt wird.“[579] + +Das alles spielte kurz vor Luthers Tode; begreiflich, daß die +Verstimmung bei Brück jetzt noch frisch und kräftig nachwirkte. Auch +Melanchthon und Bugenhagen scheinen gegen die Doktorin eingenommen, wenn +man den Berichten von Brück glauben soll. Es muß aber doch ausfallen, +daß außer den Brückschen Berichten keine Belege für Melanchthons und +Bugenhagens Feindseligkeit gegen Frau Käthe bekannt sind; ja die +Fürsorge beider, namentlich Melanchthons und das Zutrauen Katharinas zu +diesem beweist eher das Gegenteil. Dennoch wäre nach Brücks Eingabe eine +vorübergehende Erregung der beiden alten Freunde gegen sie vorhanden +gewesen. + +Zunächst freilich wirkte die Liebe und Verehrung, die der gewaltige und +gemütreiche Mann genossen, auch noch auf seine Familie, insbesondere die +trauernde Gattin. + +Der Kurfürst hatte einst vor neun Jahren in Schmalkalden an Luthers +vermeintlichem Sterbebett diesem versprochen: „Euer Weib soll mein Weib +sein und Euere Kinder sollen meine Kinder sein“. Dessen gedachte er auch +jetzt nach des Doktors wirklichem Abscheiden und sandte an „die +Doktorin, Luthers liebe Hausfrau“, jenes gnädige Trostschreiben, worin +er sie und ihre Kinder seiner gnädigen Fürsorge versichert[580]. Diesem +Versprechen kam nun auch der Fürst getreulich nach, so lange er in +Freiheit war und es vermochte. + +Der Kanzler Brück hatte in einer Nachschrift zu seinem Briefe an den +Kurfürsten vom 19. bemerkt: „Philippus hat mir gesagt, er habe der +Doktorin bereits vor 14 Tagen 20 Thaler zur Haushaltung leihen müssen. +E. Kf. Gn. wollen 14 Thaler verordnen zur Haushaltung und anderem, das +dieses Falles Notdurft wohl erfordern will. Der Allmächtige wird es E. +Kf. Gn. reichlich vergelten!“ Darauf sandte der Kurfürst sofort am +folgenden Tag hundert Gulden mit einem Schreiben an Melanchthon; darin +heißt es: „Dieweil Wir auch vermerken, als solle gemeldten Doctor +Martini seligen Hausfrau und Witwe am Gelde Mangel haben, wie ihr denn +von Euch vor seinem Tode Fürsehung (Vorschuß) geschehen sein solle: als +schicken Wir Euch bei diesem Boten hundert Gulden. Davon wollet Euch des +Geldes, was Ihr geliehen habt, zuvor bezahlen und der Witwe die Übermaß +(den Überschuß) von Unserntwegen zustellen.“[581] + +Und vielleicht nochmals zwei Tage nach der Beisetzung hat der Kurfürst +die Witwe Luthers seiner besonderen Gnade und Fürsorge versichert. Auch +erbot er sich, ihren ältesten Sohn an den Hof und in die kurfürstliche +Kanzlei zu nehmen[582]. + +Auch die Freunde des Hauses nahmen sich der Witwe noch an. Melanchthon +erwies ihr eine kleine Aufmerksamkeit. Als er am 11. März einen Hasen +und einen Pelz von Jonas erhielt, dachte er an das Mosesgesetz, daß den +Priestern, welche die Bürde der Kirchenregierung auf ihren Schultern +trugen, auch die Haut des Opfertieres gehören sollte, und damit an +Luther, der so lange Jahre auf seinen Schultern eine solche Last +Geschäfte getragen, und er schickte den Pelz und Hasen an Luthers +Witwe[583]. + +Jonas berichtet am 15. April an König Christian III. von Dänemark über +Luthers Tod und fügte die Bitte bei: „Bitt' unterthänigst E.K.Maj. wolle +der Witwe Domini D. Martini seiner drei Söhne Martini, Pauli, Johannis +und eines Töchterlein Margret gnädigster Herr sein.“[584] + +Sogar der Herzog von Preußen schrieb an den Kurfürsten von Sachsen für +D. Martini seligen Witwe eine „Vorbitt“, deren der Kurfürst freundlich +eingedenk zu sein verheißt: „Dieweil Wir dem Doktor bei seinem Leben in +allem Guten geneigt gewesen, so achten Wir Uns auch schuldig, seine +nachgelassenen Kinder, seinen getreuen, fleißigen und christlichen +Dienst genießen zu lassen, wie Wir sie auch samt der Witwe in gutem +Befehl habend.“[585] + +Die Grafen von Mansfeld hatten Luther und seiner Familie für seine +Vermittlung 2000 fl. zugesagt und haben diese dann auch am 8. Mai 1546 +„Doktor Luthers nachgelassener Wittfrau und Kindern“ verschrieben, zu +„Dankbarkeit solch christlichen Liebe und Erzeigung bemeldts D.M. +Luthers, daß er sich gutwillig gen Eisleben gefügt und treumeinende +Handlung vorgenommen und also daselbst mit Friede sein Ende christlich +und seliglich beschlossen.“[586] + +Endlich bestand noch ein Vermächtnis des Kurfürsten Johann Friedrich von +1000 fl., welche Luthers Kindern ausgesetzt waren, und wovon einstweilen +die Renten ausbezahlt wurden, als eine Art Gnadengehalt für die +Waisen[587]. + +Der Witwe war in diesen Verschreibungen nicht gedacht. Dagegen hatte +Luther für seine Gattin schon vier Jahre vor seinem Tode ein Leibgeding +ausgesetzt. + +Luther hatte nun in bekannter Mißachtung der Juristen und des +juristischen Formen-Krams dies Dokument absichtlich selbst aufgesetzt +und nur von seinen theologischen Freunden Melanchthon, Kreuziger und +Bugenhagen unterschreiben lassen, in der Meinung, da ihn so „viele in +der Welt für einen Lehrer der Wahrheit halten“ trotz Papstes Bann und +des Kaisers, Könige, Fürsten, Pfaffen, ja aller Teufel Zorn, so sollte +man ihm und seiner Handschrift auch in diesen geringen Sachen glauben.“ +Er schreibt darin: „Zuletzt bitt' ich jedermann, weil ich in dieser +Begabung oder Wibgeding nicht gebrauche der juristischen Formen und +Wörter (wozu ich Ursachen gehabt), man wolle mich lassen sein die +Person, die ich in Wahrheit bin, nämlich öffentlich im Himmel, auf Erden +und in der Hölle bekannt, der man trauen und glauben mag, mehr denn +keinem Notario.“[588] + +Daraus ergiebt sich eine Mißstimmung gerade gegen Brück, der ja in +diesem Falle besonders hätte gehört werden müssen. Aber die +Rechtsgelehrten konnten dies Testament auch anfechten und scheinen dies +gethan zu haben eben darum, weil Luther in so geflissentlicher Weise die +verhaßten Juristen übergangen hatte. Waren doch die Juristen immer noch +bedenklich über die Rechtsgültigkeit der Priesterehe und gar der Ehe von +Mönchen und Nonnen, also daß Luther fürchten mußte, daß sie seine „Ehre +und Bettelstücke seinen Kindern nicht gedenken zuzusprechen“. Da konnte +nur eine besondere Entscheidung der Staatshoheit der Witwe zu ihrem +Rechte verhelfen, wie auch Luther selbst in dem Testament vorgesehen +hatte: „Und bitt auch hiemit unterthäniglich, S.K.G. wollten solche +Begabung oder Wibgeding schützen und handhaben.“[589] + +Dies sog. „Testament“ Luthers war eigentlich ein Leibgeding für seine +Hausfrau, ein „Weibgedinge“, wie es herkömmlich von Ehemännern früher +oder später ausgestellt zu werden pflegte. Es hatte um so größere +Bedeutung, als es für Beamten-, wie Professorenfrauen kein Witwengehalt +gab und das sächsische Erbrecht für Frauen so ungünstig war. + +Alle evangelischen Pfarrer der Reformationszeit, deren Besoldung sehr +unsicher, oft nur ein Gnadengehalt war, strebten deshalb danach, ihren +Frauen, wie Luther sich ausdrückt, ein „Erbdächlein und Herdlin“, d.h. +Grundbesitz, zu verschaffen; und jeder Ehemann in Sachsen pflegte der +Ehefrau ein Leibgedinge zu verschreiben. „Wie wenige findet man,“ sagt +Luthers langjähriger Hausgenosse Hieronymus Weller, als er Pfarrer in +Freiberg war und Weib und Kind hatte, „wie wenige findet man, die sich +kümmern um Witwen und Waisen von verstorbenen Dienern der Kirche! Darum +folge ich Luthers Beispiele und kaufe ein Haus zur Zuflucht für die +Meinen in der Zukunft.“ So dachte auch Luther. Er äußerte sich sehr +unzufrieden über das sächsische Recht wegen seiner Behandlung der +weiblichen Ansprüche. „Sachsenrecht“, sagte er, „ist allzustreng und +hart, als das da anordnet, daß man einem Weibe nach ihres Mannes Tode +geben soll nur einen Stuhl und Rocken“. Dies legte aber Luther so aus: +„_Stuhl_, das ist Haus und Hof; _Rocken_, das ist Nahrung, dabei sie +sich in ihrem Alter auch könne erhalten; muß man doch Dienstboten +besolden und jährlich ihnen ihren Lohn geben, ja man giebt doch einem +Bettler mehr.“[590] + +Demgemäß handelte nun auch Luther und schrieb — schon am Dreikönigstag +1542 — sein „Testament“, d.h. das „Weibgeding“ für seine Gattin[591]. + +„Ich, M.L.D. bekenne mit dieser meiner eigenen Handschrift, daß ich +meiner lieben u. treuen Hausfrauen Katherin gegeben habe zum Wipgeding +(oder wie man es nennen kann) auf ihr Lebenlang, damit sie ihres +Gefallens u. zu ihrem Besten gebaren muge, und gebe ihr das in Kraft +dieses Briefs, gegenwartiges und heutigen Tages: + +Nämlich das Guttlein Zeilsdorff, wie ichs bis daher gehabt habe. + +Zum andern das Haus Bruno zur Wohnung, so ich unter meines Wolfs Namen +gekauft habe. + +Zum dritten die Becher und Kleinod, als Ringe, Ketten, Schenkgroschen, +gulden und silbern, welche ungefährlich sollten bey 1000 Fl. werth seyn. + +Das thue ich darumb, + +Erstlich, daß sie mich als ein frum, treu ehelich Gemahel allezeit lieb, +werth u. schön gehalten, und mir durch reichen Gottes-Segen fünf +lebendige Kinder (die noch furhanden, Gott geb lange) geboren und +erzogen hat. + +Zum andern, daß sie die Schuld, so ich noch schuldig bin (wo ich sie nit +bey Leben ablege), auf sich nehmen und bezahlen soll, welcher mag seyn +ungefähr, mir bewußt, 450 fl. mugen sich vielleicht wohl mehr finden. + +Zum dritten, und allermeist darumb, daß ich will, sie müsse nicht den +Kindern, sonder die Kinder ihr in die Hände sehen, sie in Ehren halten, +und unterworfen seyn, wie Gott geboten hat. Denn ich wohl gesehen und +erfahren, wie der Teufel wider dieß Gebot die Kinder hetzet und reizet, +wenn sie gleich frum sind, durch böse und neidische Mäuler, sonderlich +wenn die Mütter Witwen sind, und die Söhne Ehefrauen, und die Töchter +Ehemänner kriegen, und wiederumb socrus nurum, nurus socrum. Denn ich +halte, daß die Mutter werde ihrer eigenen Kinder der beste Vormund seyn, +und sölch Guttlein und Wipgeding nicht zu der Kinder Schaden oder +Nachtheil, sondern zu Nutz und Besserung brauchen, als die ihr Fleisch +und Blut sind und sie unter ihrem Herzen getragen hat. + +Und ob sie nach meinem Tode genöthiget oder sonst vorursachet wurde +(denn ich Gott in seinen Werken und Willen kein Ziel setzen kann) sich +zu vorändern: so traue ich doch, und will hiemit sölches Vertrauen +haben, sie werde sich mutterlich gegen unser beyder Kinder halten, und +alles treulich, es sey Wipgeding oder anders, wie recht ist, mit ihnen +theilen. + +Auch bitt ich alle meine gutten Freunde, sie wollten meiner lieben +Käthen Zeugen seyn und sie entschuldigen helfen, wo etzliche unnutze +Mäuler sie beschweren oder verunglimpfen wollten, als sollt sie etwa +eine Barschaft hinter sich haben, die sie den armen Kindern entwenden +oder unterschlagen würde. Ich bin deß Zeuge, daß da keine Barschaft ist, +ohn die Becher und Kleinod, droben im Wipgeding erzählet. + +Und zwar sollts bey iedermann die Rechnung offentlich geben, weil man +weiß, wie viel ich Einkummens gehabt vom M. gestr. Herr, und sonst nicht +ein Heller noch Körnlein von iemand einzukummen gehabt, ohn was Geschenk +ist gewesen, welches droben unter den Kleinoden, zum Theil auch noch in +der Schuld steckt, und zu finden ist. Dieß bitte ich darumb: denn der +Teufel, so er mir nicht kunnt näher kummen, sollt er wohl meine Käthe, +allein der Ursachen, allerley Weise suchen, daß sie des Mannes D.M. +eheliche Hausfrau gewesen, und (Gott Lob) noch ist.“ — + +Außer diesem Witwengut bestand das Lutherische Vermögen aus folgendem: +dem Klosterhaus, hernach zu 3700 fl. verkauft, den beiden Gärten zu 500 +fl., Hausrat und Bibliothek zu 1000 fl. zusammen 5200 fl. Das Leibgeding +der Mutter betrug im Verkaufswert 2300 fl., nämlich das Gut Zulsdorf 956 +fl., das Haus „Bruno“ zu 343 fl., bisher „um einen liederlichen Zins“ +vermietet, dazu noch die 1000 fl. Silbergeschirre; davon gingen +allerdings die genannten 450 fl. Schulden ab, wenn sie bei Luthers Tod +noch standen; diese Schulden machten ihr viel Sorgen; eine „Barschaft“ +war — auch nach D. Brücks Zeugnis „nicht da“. Freilich Luther selber +hatte diesen Besitz viel höher angeschlagen; in der Schätzung 1542 +berechnet er ihn auf 9000 fl. Das Einkommen aber aus allem schätzt er +auf kaum 100 fl. Dazu kamen noch seit einiger Zeit 50 fl. jährliche +Rente, aus dem verschriebenen kurfürstlichen Legate von 1000 fl. und +endlich noch 2000 fl. des Grafen von Mansfeld[592]. + +Das war wohl ein großer, weitläufiger Besitz; aber er war wenig +einträglich; alles in allem warf er 250 fl. ab. Ob davon eine größere +Familie ohne gar zu große Einschränkung leben konnte? Die Kinder waren +noch alle unversorgt und unmündig. Der älteste Sohn Hans war 20 Jahre +alt, das jüngste Töchterlein Margarete erst 11, Martin 14 und Paul 15. +Und die drei Söhne sollten nach Luthers Wunsch alle studieren: Hans nach +der Mutter Meinung die Rechte, Martin wollte Theologe werden, Paul hatte +sich schon mit des Vaters Beifall für die Medizin entschlossen. Zudem +war noch der alte lahme Famulus Wolf da, der als gewohntes Erbstück mit +versorgt werden mußte; er hatte zwar auf Luthers Ansuchen vom Kurfürsten +ein Stipendium von 40 fl. bekommen, dies aber ging in Luthers Haushalt +mit auf[593]. Man konnte Luthers Witwe, die einen so großen und +gastfreien Haushalt gewohnt war, doch nicht zumuten, das alte liebe Haus +zu verlassen und sich in ärmlichster Weise, etwa in die „Bude“ Bruno +oder auf Zulsdorf zurückzuziehen und die Kinder unter fremde Leute zu +geben. Brück war freilich dieser Meinung. Frau Katharina dagegen wollte +alle Kinder bei sich behalten, was ja wohl auch das billigste war; sie +wollte ferner im Klosterhaus bleiben und Kostgänger nehmen in noch +ausgedehnterem Maße wie bisher; sie wollte endlich nicht nur „die Böse“ +(das Gut Booß), die sie etliche Jahre her zur Miete und um einen +„liederlichen Zins“ innegehabt, ferner auch also behalten, sondern noch +ein weiteres landwirtschaftliches Anwesen erwerben, um ihre Einnahmen zu +vermehren[594]. Dies alles aus Fürsorge für sich und ihre Kinder; aber +auch, wie der Kanzler Dr. Brück gewiß richtig versteht, „damit sie zu +thun, zu schaffen und zu gebieten genug hab, und ihr demnach an der +vorigen Reputation nichts abgehe“. Namentlich war ihr das neue Landgut +angelegen: hatte sie ja für die Landwirtschaft besondere Neigung aus +wirtschaftlichem Interesse, aber wohl auch aus ihrem adeligen Bewußtsein +heraus. Schon vor mehreren Jahren nämlich war ihrem Gatten das große Gut +Wachsdorf zum Kaufe angetragen worden, welches eine Stunde von +Wittenberg, jenseits der Elbe, also viel günstiger als das ferne +Zulsdorf gelegen, auch fruchtbarer und einträglicher, freilich auch +teurer war als dies. Das wurde ihr nun aufs neue angeboten[595]. + +Die Witwe fragte nun Melanchthon um Rat. Der sah für gut an, man sollte +den Kauf von Wachsdorf anlangend des Kurfürsten Rat und, wo dieser es +riete, seine gnädige Hilfe erbitten. Sie aber wollte das schlechterdings +nicht haben — gewiß nur deshalb, weil sie von vorn herein wußte, daß der +kurfürstliche Rat — der Rat Dr. Brücks sei, dem die Sache zur +Begutachtung übergeben würde und der dem Vorhaben Katharinas durchaus +entgegen war. Sie entwarf nun eine Eingabe an den Kurfürsten +dahingehend: Weil sie gedenke, das Gut Wachsdorf zu kaufen, so wolle +S.K.Gn. ihr dazu gnädige Hilfe thun, und sie mit Vormündern bedenken, +damit ihre Kinder und sie zu ihrer Unterhaltung bedacht werden möchten, +dieweil kein Geld, Gesinde oder Vorrat vorhanden, denn das Gut wäre +nicht angerichtet (eingerichtet). + +Diese Bittschrift gab Frau Katharina Melanchthon zur Begutachtung. +Dieser brachte sie nun am Dienstag, 9. März, abends in die Sitzung mit, +welche er, Bugenhagen und Kreuziger mit Brück wegen des Regensburger +Religionsgespräches bei dem Kanzler hielten, und gab sie — Brück. Und +der Kanzler las sie nun „öffentlich“ vor. + +Als Bugenhagen den Plan Katharinas wegen Wachsdorf vernahm, rief er: „Da +hört man wohl, wer alleweg nach dem Gut Wachsdorf getrachtet. Vorher hat +man's auf den Doktor geworfen, der wolle es schlechterdings haben; aber +jetzt merkt man wohl, wessen Getrieb es gewest.“ + +Darnach fielen allerlei Reden zwischen den vier Männern und meinten +dieselben „fast insgemein“: „Kriegte sie das Gut, so würde sie ein +solches Bauen darauf anfangen, zu ihrem und der Kinder großem Schaden, +wie sie mit dem Gut Zulsdorf auch gethan, welches sie über 1600(!) +Gulden zu stehen kam und wollt ihr nicht gern 600 Gulden gelten[596]. +Weiter wurde bedacht: Wenn sie draußen (in Wachsdorf) bauen und wohnen +wollte, so würde sie die Söhne zu sich hinaus vom Studium abziehen, daß +sie junkern lernten und Vögel fangen[597]. Ferner überschwemme die Elbe +sofort und bedecke das Gut mehrern Teils mit Wasser; man könne keinen +Keller bauen, es sei überhaupt „ein wüstes Gütlein“. + +Aber Melanchthon, der das Ungehörige seines Schrittes wohl einsah, bat, +man solle nicht über die Bittschrift verhandeln, sondern sie, wie sie +wäre, an den Kurfürsten abgehen lassen; „die Frau ließe sich doch nit +raten, sondern ihr Gutdünken und Meinung müsse alleweg für rücken“. + +Brück sagte: „Will sie um Vormünder bitten, so wird sie ja mit derselben +Rate handeln und vorgehen müssen. Und ich dächte, daß Kreuziger und M. +Melanchthon neben andern die besten Vormünder wären; denn sie wissen ja +um des Herrn sel. Gelegenheit; die Kinder müssen ihnen auch des Studiums +halber vor anderen folgen.“ + +Aber die beiden schlugen die Vormundschaft „alsbald glatt ab“, aus +Ursachen, daß „die Frau nicht folge und sie oft beschwerliche Reden von +ihr würden einnehmen müssen“. + +Ferner ließ sich Melanchthon vernehmen, daß sie der Kinder keins wolle +von sich thun, sondern dieselben sollten bei ihr in Wittenberg +unterhalten werden. Und wiewohl der ältere Sohn Hans nicht ungeneigt +gewesen wäre, auf des Kurfürst gnädiges Erbieten gen Hof und in die +kurf. Kanzlei zu ziehen, so hätte sie ihn doch (ab)wendig gemacht. +Man[598] habe von andern auch dergleichen gehört, daß sie vorgäbe: es +wäre ein alberner Gesell, man würde ihn in der Kanzlei nur äffen und zum +Narren machen. Zum Studium tauge er nach Melanchthons Meinung gar nicht, +denn er wäre zu groß und es fehlten ihm die Grundlagen. Endlich war der +Kanzler der Meinung, man sollte die Behausung des Klosters, diese +weitläufige Wohnung, verkaufen oder verlassen. Aber Melanchthon +erklärte, daß „ihr Gemüt (Sinn) nicht wäre“, das zu thun, sondern sie +gedächt es zu behalten, ingleichen auch das Gut Zulsdorf, selbst wenn +Wachsdorf dazu käme. + +So war — nach Brücks Bericht — die Unterredung der vier Freunde und +Gevattern Luthers über seine Witwe. + +Melanchthon hatte also gegen den Willen der Frau Doktorin ihr Anliegen +dem Kanzler vorgetragen, dessen Dreinreden sie gerade — und mit gutem +Grund — vermeiden wollte; und er hatte auch noch allerlei mündliche +Mitteilungen gemacht, welche nicht dazu dienen konnten, die Stimmung der +Freunde gegen die Doktorin zu verbessern. + +Ohne von dieser Behandlung ihrer vertraulichen Mitteilung etwas zu +wissen, ließ nun Frau Katharina ihre Eingabe durch den Hausfreund +Ratzeberger, den kurfürstlichen Leibarzt, bei Hofe im Torgauer Schloß +einreichen. Es geschah am Mittwoch, und schon Donnerstag, 11. März, +fordert der Kurfürst den Kanzler Brück in Wittenberg um ein Gutachten +über die Bittschrift Katharinas auf, die er seinem Schreiben beilegte. + +Das Gutachten des Kanzlers ist nun ein eigentümlich gehässiges +Schreiben. Brück berichtet darin an den Kurfürsten zuerst die +vertrauliche Beratung der drei Theologen mit allen für Katharina +ungünstigen Bemerkungen derselben, und zwar, wie es scheint, verschärft. +Hätte das Melanchthon gewußt, so hätte er's wohl unterlassen, Brück „von +der Frauen wegen um sein Bedenken“ zu bitten. Ferner erwähnt der Kanzler +in dem Schriftstück allerlei gehässiges und sogar verlogenes Geschwätz +„von andern“. „Viel Leut wollen's dafür halten, es werde endlich +schwerlich unterbleiben, daß sie sich wieder verändern wird“ — so wagt +Brück drei Wochen nach ihres Gatten Tod von einer 47jährigen Frau zu +schreiben! und dies, obwohl er sich bewußt ist und ausdrücklich erklärt, +es sollte vermieden werden, daß „man mit der Frauen disputiere, ob sie +sich verändern wird oder nit“. Ferner berichtet er an den Kurfürsten: +„Man sagt mir, es hab ein jeder Knab einen eigenen Präceptor und +Famulum“ — hinterher stellt sich aber heraus, daß es bloß ein einziger +ist, Rutfeld, und ein gelehrter und treuer Geselle. Ebenso wird es +Uebertreibung sein, wenn er als „öffentlich“ hinstellt, was „des andern +Gesindes vorhanden ist“ — wie sie nämlich „mit vielem Volk“ (Gesinde) +überladen sei. Endlich giebt der Kanzler seiner Abneigung gegen die +Doctorin noch verschiedentlich klaren Ausdruck. Er nennt ihre Bitte +„stumpf und kurz“; er rechnet dem Kurfürsten _wiederholt_ vor, daß er +600 fl. Gnadengeld zur Erbauung des Gutes Zulsdorf gegeben und noch dazu +für 100 fl. Holz; er spricht die Verdächtigung aus, welche doch auch Dr. +Luther träfe: „Der arme lahme Wolf ist auch noch da; wollt sie ihn bei +sich behalten und er bei ihr bleiben, so hätt sie die vierzig Gulden +auch mit einzubrocken, wie denn bisher geschehen, daß der arme Mensch +derselben wenig genossen hat, — besorg ich“, setzt er doch etwas +bedenklich hinzu. Das Gut Wachsdorf macht Brück so schlecht wie möglich +und meint, es „erobere“ keine hundert Gulden Reinertrag, also nicht +einmal die Kapitalzinsen. Er verdächtigt die Doctorin weiter, „es sei +ihren Kindern nichts nutz“ und es sei ihr nur darum zu thun, teil zu +haben an dem Gut. Und sein ganzes Bestreben geht dahin, nur den Kindern +und immer den Kindern alles zugut kommen zu lassen und die Witwe vom +Besitz und Genuß auszuschließen. Und weiterhin ist Brücks Rat und +Absicht, „ihr die stattliche — ein andermal heißts: „große und +verthunliche“ — Haushaltung zu brechen“. Endlich geht er mit aller Macht +darauf aus, der Mutter die Kinder zu entziehen. Während Luther in seinem +Testament zu seiner Gattin das gute Zutrauen hatte, „die Mutter werde +ihren eigenen Kindern der beste Vormund sein“, erklärte Brück, wie es +scheint mit direkter Beziehung auf diese Meinung Luthers: „Nach +sächsischem Recht kann sie nit Vormund sein, dieweil sie bei ihrem +Witwenstand selbst Vormünder bedürftig; so wär es auch sorglich, da +(wenn) sich die Frau anderweit würde verehelichen.“ Am ärgsten wohl +tritt er der Witwe zu nahe, wenn er ausführt, die Knaben würden bei ihr +junkern und spazieren gehen und vom Studio abgezogen, sie müßten daher +„zu gelehrten Leuten gethan werden, vor denen sie Furcht und Scheu +hätten, bei welchen sie auch einen bequemen Tisch hätten“ — als ob die +Kinder bei ihr — der „Erzköchin“ — sogar in ihrer leiblichen Pflege +versäumt würden! Die einzige gegründete Veranlassung zu dem Mißtrauen in +Katharinas Erziehungskunst konnten doch nur die geringen Fortschritte +geben, die der wenig begabte Erstgeborne im Studium bisher gemacht. + +Fast eher wie böses Gewissen sieht es aus, als wie Scheu vor Frau +Katharinas starkem Willen, wenn der Kanzler an den Kurfürsten schreibt: +„Nun wär ich in Unterthänigkeit willig gewest, mit der Frauen selbst +oder dem Philippo von den Sachen auf E. Kurf. Gn. Befehl zu reden; so +hat mich doch dies abgescheuet, daß ich dazumal vom Philippo verstanden, +daß ihr Gemüt nit wäre das Haus allhie zu verkaufen oder zu verlassen, +sondern gedächt es zu behalten, ingleichen Zulsdorf und Wachsdorf; darum +des Verkaufens des Hauses gegen ihr nit zu gedenken sein wollte.“ + +Sachlich macht der Kanzler dem Kurfürsten nun folgende Vorschläge: + +1. Damit die Domina nicht Ursache habe S.K.Gn. zu Unglimpf zu gedenken, +möge der Kurfürst zu den bisherig verschriebenen 1000 fl. noch 1000 fl. +— aber nur für die Kinder — hinzuthun und beides zusammen mit 100 fl. +verzinsen, das auf das Mädchen (Margarete) fallende Viertel aber (500 +fl.) bis zu ihrer Verheiratung verpensionieren. + +2. Der Kurfürst solle der Mutter und den Kindern besondere Vormünder +geben. Diese beiderseitigen Vormünder sollten dann das Eigentum der +Witwe und das der Waisen reinlich scheiden. + +3. „Darnach müssen die Vormünder beiderseits davon reden, wie, wovon und +welcher Gestalt die Kinder sollen unterhalten werden. Da wird sich denn +das Gebeiß zwischen der Frau und den beiderseitigen Vormündern ergeben. +Denn der Kinder Vormünder werden sagen: es sei kein bessers, denn Hansen +den ältern Sohn thue man gen Hof in E.K.G. Kanzlei; so möchte es sich +mit der Zeit also schicken, daß er zu etwas käme, so ihm sonst fehlen +möchte. Denn wenn ihm E.K.G. ein Stipendium verordnet und es wollt mit +dem Studium nicht fort, so wird es schimpflich, es ihm zu kündigen. +Ferner werden sie sagen, daß mit den andern Knaben auch kein besser +wäre, denn daß man sie von einander thät und daß sie nit bei der Mutter +wären.“ Dazu könne ihnen der Kurfürst noch ein weiteres Stipendium +geben. + +4. Das Töchterlein könne man bei der Mutter lassen, und von den 500 fl. +30 fl. Rente geben, und wenn es nicht reiche: 40 fl. Davon könnte es die +Mutter mit einem kleinen Meidlein, das ihm aufwartet, wohl erhalten und +es von dem Mansfeldischen Geld- oder Zinsanteil mit Kleidung versehen. + +5. Auf diesem Weg würde der Frau ihre große und verthunliche Haushaltung +gebrochen werden und dem vorgebeugt, daß aus den Kindern „Junker und +Lappen“ werden. + +6. „Würde die Frau unsern Vormündern dann sagen: „Wovon solle sie denn +erhalten werden?“, so könnten die Vormünder der Kinder erwidern: Sie +brauche mit ihrer Tochter nicht große Haushaltung, nicht viel Gesinde, +hätte die Wohnung umsonst, könne Kostgänger halten, die Anwesen zum Teil +vermieten, brauen, den Genuß vom Garten, Hufen und Zulsdorf haben und +Anteil an den Mansfeldschen Kapitalzinsen. Auch könne der Kurfürst ihr +und der Tochter jährlich 2 Wispel Korn geben und vielleicht etliche +Klafter Holz. + +7. „Wenn sie (die Domina) vermerkte, daß E.K.G. den _Kindern_ bewilligen +wollte, Wachsdorf zu kaufen und dazu die 2000 fl. ausfolgen lassen, so +wird sie des Gutes bald vergessen und sich der Mühe und des Bauens nicht +wollen beladen, so sie nicht zum wenigsten die Hälfte daran +mitberechtigt wird.“ Es gebe auch jährlich kaum 100 fl. Reinertrag, und +habe dazu auch die Last eines halben Lehnspferdes. Darüber aber solle +der Hauptmann zu Wittenberg Asmus Spiegel befinden, ob das Gut mehr +eintrage als das Kapital. + +Der Kurfürst war rücksichtsvoller als sein Kanzler. Er schien dessen +Abneigung zu merken und ordnete in einem Schreiben an Brück und +Melanchthon an, daß Vormünder für die Witwe und für die Waisen bestellt +würden, und verschrieb den Kindern noch 1000 fl.; über den Kauf von +Wachsdorf sollten die Vormünder befinden[599]. + +Zwar erbot sich Brück, „hinauf zu fahren (zur Doktorin) und die +Anzeigung mit zu thun; Philippus aber meinte, es wäre ohne Not, er wollt +es von unser beider wegen wohl ausrichten.“ Also ging Melanchthon am +Freitag früh mit dem kurfürstlichen Schreiben zu der Doktorin[600]. + +Sie bedankte sich bei ihm und dem Kurfürsten für die Begnadigungs-Zulage +zu gunsten ihrer Kinder und erklärte dann folgendes: + +1. Sie wünsche für sich zu Vormündern den jeweiligen Stadthauptmann von +Wittenberg und ihren Bruder Hans von Bora; für die Kinder des Doktors +sel. Bruder Jakob, den jetzigen Bürgermeister Reuter von Wittenberg und +Melanchthon, Dr. G. Major lehnte sie ab; auch Kreuziger scheint sie +abgelehnt zu haben, welcher im vertrauten Briefwechsel mit Veit Dietrich +Käthe eine „Hausfackel“ genannt hatte. Sie erklärte sich aber mit der +Vormundschaft des Kurfürstl. Leibarztes Dr. Ratzeberger einverstanden, +der „seines Weibes halber selber der Freundschaft (= Verwandtschaft) +war.“[601] + +2. Sie war einverstanden, daß die 1500 fl. vom Kurfürsten für ihre +_Söhne_ auf Wachsdorf angelegt würden. Der Kanzler hatte ihr also auch +darin Unrecht gethan, daß er meinte, die Domina wolle Wachsdorf nur oder +hauptsächlich für sich haben und bewirtschaften, statt für ihre Söhne. + +Der Kanzler schlug nun dem Kurfürsten vor, Melanchthon „nicht mit der +Vormundschaft zu beladen, denn er ist fromm und wenig (gutherzig und +schwach), dienet nit dazu, da man der Frau wird sollen Oppositum +(Opposition) halten.“ Man solle die beiden Theologen Melanchthon und +Kreuzinger nur zu Mitvormündern in Bezug auf die Erziehung der Kinder +machen, daß die Söhne zu „Gottesfurcht, Lehre, Zucht und Tugend möchten +gezogen werden“.[602] + +So wurde es dann auch vom Kurfürsten angenommen und die Vormünder +bestellt, für die Kinder auch Kreuziger in Stellvertretung für +Ratzeberger, welcher nur bei den wichtigsten Verhandlungen abkommen +könnte[603]. + +Auch das Testament Luthers wurde, „nachdem Uns Unsre Liebe Besondere +Katharina, des Ehrwürdigen und Hochgelehrten Unsers Lieben Andächtigen +Ehr Martin Luthers, der hl. Schrift Doctors seligen nachgelassene Witwe +ihres Herrn Testament und Verordnung vortragen und bitten lassen“ — zu +Judica vom Kurfürsten „gnädiglich bestätiget und konfirmiret, ob es +gleich an Zierlichkeiten und Solemnitäten, so die Rechte erfordern, +mangelhaft wäre.“[604] + +Nun gab es noch lange mühsame Verhandlungen zwischen dem Kanzler und +Kurfürsten einerseits und zwischen den Vormündern und der Doctorin +anderseits wegen der Erwerbung des Gutes Wachsdorf und der Erziehung der +Kinder[605]. + +Der Kanzler riet energisch von dem Kauf des Gutes ab, aber noch +hartnäckiger „arbeitete“ Frau Katharina darauf, und erbot sich, ihren +Kindern zu gut sich mit dieser Sache zu „beladen“; denn sie verhoffte +daraus große Nutznießung zu ziehen und versprach auch „keine +sonderlichen Gebäude allda vorzunehmen“. Darum haben die Vormünder „es +auch nit härter bestreiten wollen und durch ihr Widerfechten das Ansehen +bei ihr haben, als wollten sie ihre Wohlfahrt hindern und des Herrn +(Luthers) Wohlthaten vergessen“. „Also hat es die tugendsame Frau +Doctorin und die Vormünder neben ihr angenommen.“[606] Das Gut kostete +aber 2200 fl. Weil das Mansfeldische Kapital erst in zwei Jahren flüssig +wurde, so gaben die Vormünder dem Kurfürsten zu bedenken, „daß um des +löblichen Herrn Doctors willen der Witfrauen auch etwas zu willfahren +ist, und daß sie wahrlich zwischen Thür und Angel stecken.“ Darum gab +der Kurfürst die 2000 fl. her, darunter auch die 500 fl. der Margarete, +welche aber bis zu ihrer Verehelichung als Hypothek auf Wachsdorf +gestellt und mit 30 fl. verzinst werden mußten. Von den fehlenden 200 +fl. gab Melanchthon und ein Freund die Hälfte, um die andere ging er den +wohlhabenden Amsdorf an. Am Pfingstmontag (14. Juni 1546) zahlte der +Kanzler Brück die 2000 fl. an die Vormünder Ratzeberger, Reuter und +Jacob Luther aus, und Frau Käthe, die so „fleißig angehalten, daß +gemeldte Gabe in liegende Güter umgewandelt werde“, erbot sich, „daß sie +solche Güter den vier Kindern zu Gute treulich und fleißig warten +wollte“. Zur Verwaltung des Gutes hätte sie freilich gerne noch einen +Teil des Mansfeldschen Kapitals gehabt und begab sich dieserhalb zu dem +Grafen, und wie es scheint, mit teilweisem Erfolg[607]. + +In ähnlicher Weise ging es auch mit der Erziehung der Kinder. Der +Kanzler drang zwar darauf, daß Johann in die kurfürstl. Kanzlei käme und +die beiden andern, Paul und Martin, mit der Mutter Verwilligung weg zu +einem Magister in Wohnung, Kost und Unterricht, also zu fremden Leuten +gethan würden. Und so billigte es auch der Kurfürst[608]. + +Damit mußte auch die Witwe zufrieden sein und „ihr solches gefallen +lassen und sich mit den Vormündern darüber vergleichen.“ So berichtete +wenigstens Brück an den Kurfürsten. Nun ordnete der Kurfürst auf den +Bericht des Kanzlers an, daß die Vormünder den ältesten Sohn vor sich +forderten und an ihm vernähmen, ob er im Studio fortzufahren geneigt und +wenn er jetzo dermaßen geschickt, daß seines Studieren halber Hoffnungen +sei, so solle man es noch ein halb Jahr mit ihm versuchen; sollte er +aber dazu weder geschickt noch geneigt sein, so wolle der Kurfürst ihn +auf seine Kanzlei nehmen. Die zwei jungen Söhne aber sollten „von der +Mutter zu einem tauglichen Magister oder Präceptor gethan werden, bei +denen sie wesentlich sein und ihre um ein gleich (billiges) Geld Kost +haben oder irgendwo mit ihm zu Tisch gehen, bei denen sie auch eine +Scheu und Furcht haben und also in der Lehr und Zucht zum besten +aufgezogen werden und darinnen verharren.“ Mit dieser Entfernung der +Kinder aus dem Hause sollte nun auch zugleich die Haushaltung der Witwe +aufgelöst werden[609]. + +Daß diese Zumutungen bei Katharina einen großen Kampf kosteten, läßt +sich denken. Wenn sie auch wohl zuerst bei dem gemeinsamen Ansturm aller +Freunde und Gönner diesen Plänen nachgegeben hatte, jetzt, als sie zur +wirklichen Ausführung kommen sollten, wehrte sich die Mutter mit aller +Macht dagegen. Vier Wochen dauerte der Kampf und — Katharina blieb +siegreich[610]. + +Die Vormünder Kreuziger, Melanchthon und Reuter nahmen auf des +Kurfürsten Befehl zuerst den ältesten, Johann, vor. Sie stellten ihm +vor, daß S.K.Gn. geneigt wäre, ihn in seine Kanzlei zu nehmen. „Dieweil +er denn in einem solchen Alter wäre, daß er billig bedenken solle, was +er endlich vornehmen wolle: ob er bei dem Studio wollte bleiben oder +nicht, und die Vormünder ihn zur Kanzlei tüchtiger erachteten, so +wollten sie ihm gern dazu raten; zudem daß es an sich ein löblicher und +nützlicher Stand sei, darin er zu Gottes Lob und zu gemeiner Wohlfahrt +dienen und seiner lieben Mutter, Schwester und Brüdern tröstlich sein +könne; er sollte daher dankbar das kurfürstliche Anerbieten annehmen und +diesen Stand nicht ausschlagen.“ + +Darauf folgte eine lange Hin- und Widerrede und eine schriftliche +Antwort von Hans des Inhalts: „Ehrwürdige, liebe Herren! Des Durchl. +Kurf. Befehl meine Person anlangend habe ich in Untertänigkeit und +dankend angehört. Nun versteh ich wohl, daß der Stand in der Kanzlei ein +sehr ehrlicher (ehrenvoller) Dienst ist, ich weiß aber, daß mein lieber +Vater vor dieser Zeit nicht hat willigen wollen, daß ich außer der Schul +ziehen soll. So wollt ich gern länger studieren. Ich will mich auch +durch Gottes Gnade in allem Gehorsam und Unterthänigkeit gegen Gott, S. +Kurf. Gn. und meiner lieben Mutter allezeit halten. Und bitte, S. Kurf. +Gn. wollen mir gnädiglich zulassen, noch ein Jahr in artibus („in den +freien Künsten“) zu studiren, mich in lateinischer Schrift besser zu +üben. Und so ich alsdann zu einer Fakultät tüchtig, wollt ich lieber +procediren (fortfahren) im Studio; so mich aber S.K.Gn. alsdann +gnädiglich gebrauchen wollten, stelle ich dasselbe auch zu S.K.Gn. in +Unterthänigkeit. Johannes Lutherus.“ + +Weiterhin forderten die Vormünder den jetzigen Präzeptor der zwei jungen +Knaben, Ambros Rutfeld, vor und erkundigten sich nach den Knaben. Des +einen, Martin, Schrift sahen sie an und befanden ihn wohl studiert; Paul +war etliche Wochen krank gewesen, erwies sich zur Musik geschickt, der +Grammatik aber nicht so fähig. + +Dann zeigten die Vormünder der Mutter Sr. Kurf. Gn. „gnädiges Gemüt an, +daß sie zum Studio treulich und fleißig angehalten und mit Lehr und +Wohnung bei einem Magister in der Stadt bestellet würden.“ + +Die Mutter gab folgende Antwort: „Sie zweifle nicht, S. Kurf. Gn. meine +dieses gnädiglich, und sie danke unterthänig. Aber sie bitte zu +bedenken, weil der jüngste oft schwach (krank) sei, daß er an andern +Oertern nicht besser sein könne, denn bei der Mutter. Zudem so seien +allhie die Magistri also beladen (übersetzt) in ihren eigenen Wohnungen, +daß die Kinder ohne Fährlichkeit ihrer Gesundheit nicht wohl bei ihnen +zu bestellen seien. Auch möchten sie unter dem fremden ungleichen jungen +Volk eher in böse Gesellschaft geraten, denn bei ihr, dieweil sie doch +aus dem Haus ohne ihre Erlaubnis nicht gehen dürften.“ + +Diese Gründe erkannten die Vormünder an; und weil nun die Söhne nicht +von der Mutter kommen, sondern weiter bei ihr bleiben sollten, so +erheischte auch der Kinder und der Witwe Notdurft nicht mehr, daß die +Haushaltung eingezogen und vergebliche Kosten abgeschnitten wurden. Die +Vormünder brachten darum auch den weiteren kurfürstlichen Auftrag gar +nicht zur Verhandlung, „daß das unnötige Gesinde hinweg gethan wurde und +von dem jährlichen Einkommen die Witwe und Kinder ihre Haushaltung +bequemlich haben, auch darüber nicht in Schulden gedeihen möchten.“ Die +Vormünder erklärten vielmehr dem Kurfürsten, die Knaben seien jetzund +mit einem gelehrten treuen Gesellen bestellet, sie wollten auch selber +ein Aufsehen auf Martini Studio haben, hätten auch bereits das Nötige +angeordnet. Und sie trugen darum auch um so lieber auf den Ankauf des +Gutes Wachsdorf an. Demgemäß entschied nun der Kurfürst mit Ratzebergers +Zustimmung: er wolle es bei dem Entschlusse Hansens bewenden lassen; sei +auch einverstanden, daß er und seine Brüder nun bei der Mutter blieben, +versehe sich aber nun, daß des Doktors sel. Söhne alle drei unter dem +Hauslehrer und der Vormünder Aufsicht zu Zucht, Tugend und Lehre mit +Fleiß angehalten würden, ihnen auch nicht viel versäumliches Spazierens +verstattet werde. „Denn Wir wissen, daß des Doktors Gemüt mit höchster +Begierde dahin gerichtet gewest, daß seine Söhne studieren sollten.“ Von +einer Einschränkung oder Auslösung der Haushaltung war nicht mehr die +Rede. + +So hatte Frau Katharina schließlich doch ihr „Gemüt“ durchgesetzt: das +alte, liebgewordene, durch so viele große Erinnerungen geheiligte +Klosterhaus blieb ihr Besitz und ihr Wohnsitz, die Kinder durfte sie +alle um sich haben und Wachsdorf wurde den Söhnen zu teil als ein +rittermäßiges Mannlehen; und damit hatte sie die Genugthuung, daß ihre +Kinder wieder ein edelmännisches Erbgut besaßen, nachdem der adelige +Besitz ihrer eigenen Familie völlig zerstoben war. + +Die Familie blieb also im Klosterhause beisammen. Hans besuchte die +Kollegien und die beiden Knaben lernten bei ihrem Präzeptor Rutfeld. Das +Töchterlein wurde von der Mutter erzogen. + +In der ersten Trauerzeit hatte die Frau Doktorin unmöglich ihren großen +Haushalt und Kosttisch mit den vielen fremden Tischgenossen weiter +führen können. So waren manche ausgezogen. M. Besold z.B. bat +Melanchthon, ihn aufzunehmen. Frau Katharina kam auch wohl wegen der +ungewissen Zukunft ihrer Lage nicht so bald dazu, den Kosttisch wieder +im alten Umfang anzufangen. + +Der lahme alte Wolf, der Famulus des Doctors, war auch noch da. Die +Vormünder mußten hören, ob er noch länger bei der Frau bleiben, auch ob +sie ihn behalten wollte oder nicht. Wahrscheinlich ist er, der so sehr +mit dem Klosterhause verwachsen war, doch geblieben, obwohl er einmal +auf eine frühere gleiche Anfrage Luthers, ob er bei seiner Frau bleiben +wolle, ausweichend geantwortet hatte, wenn Luther sterbe, möchte er am +liebsten auch selber gleich begraben werden, und Frau Katharina wird ihn +auch behalten haben; abgesehen von den 40 Gulden Pension, die sie, wie +Kanzler Bruck meinte, „mit einbrocken“ konnte, war er doch zu sehr +eingeweiht in alle Verhältnisse des Hauses, und Frau Käthe behielt ihn, +wenn er auch nicht nur lahm, sondern nach Luthers Zeugnis auch +nachlässig, bequem und gedankenlos war und am liebsten am Vogelherd saß. + +Das übrige Gesinde wird wohl beschränkt worden sein, wie der Kanzler und +der Kurfürst verschiedentlich betont hatten. Denn auch die +Gastfreundschaft war in dem Klosterhause nicht mehr in dem alten Umfang +nötig: die Besuche, Feste, Tischgesellschaften der zahlreichen Freunde +und Bekannten, der flüchtigen und Bittsteller, der Gesandtschaften und +Studierenden ließen nach oder hörten ganz auf. Aber freilich neue Mühe +und Arbeit erwuchs der Doktorin in dem neuen Landgut, zumal da jetzt die +Heu- und Fruchternte bevorstand. Doch solche Arbeit war der +thatkräftigen Domina eine Lust und Freude. Neben der Landwirtschaft +betrieb Frau Käthe jetzt ihre „Tischburse“ weiter. Es starb ihr aber +leider gar bald am 30. Mai ein junger Tischgeselle Weidhofer aus +Oesterreich hinweg[611]. + +Die eben Witwe gewordene hatte auch selber zu sorgen für eine andere +Waise, ihren Neffen Florian. Die Mutter desselben hatte sie angegangen, +dem jungen Studenten namentlich mit Büchern nachzuhelfen; sie meinte +wohl — irrigerweise —, das könnte aus der Bibliothek Luthers geschehen +oder durch Bücher von einem abgehenden oder verdorbenen andern +Tischgenossen, wie das ja vorkam. Frau Käthe schreibt da ihrer +Schwägerin: + +„Was Euern Sohn, meinen lieben Ohmen antrifft, will ich gerne thun, so +viel ich kann, wenn es allein sollt an ihm angelegt sein. Wie ich mich +denn gänzlich versehe, er werde dem Studieren mit allem Fleiß folgen und +seine köstliche, edle Jugend nicht unnützlich und vergeblich zubringen. +Wenn er aber in seinem Studieren ein wenig besser zunehmen und nun +andere und mehr Bücher bedarf, sonderlich so er die Rechte studieren +sollte, könnt Ihr, liebe Schwester, selbst gedenken, daß ich ihm solche +Bücher, die er dazu bedarf, nicht werde geben können. Und (er) wird ein +wenig einen größern Nachdruck müssen haben, damit er sich das Ding +alles, was dazu gehört, schicken kann. Wär' derhalben sehr vonnöten, +daß, wie Ihr mir schreibet, Euren Sohn, meinem lieben Ohmen, ein +jährlich Geld zum Stipendio gegeben würde. Also könnte er desto besser +beim Studieren bleiben und seinem Ding leichtlicher nachkommen. — Von +dem allem aber, das ich bei ihm thun kann, will ich Euch bei (durch) +meinem Bruder Hans von Bora, alsbald er hieher zu mir kommen wird, +weiterm Bericht und Bescheid geben.“[612] + +Dies Stipendium erhielt auch Florian mit Hilfe Katharinas[613]. + +Zu Ostern kam also Bruder Hans von Krimmitschau, wo ihm vom Kurfürsten +die Karlhause als Rittergut um mäßigen Kaufpreis überlassen worden war, +zu Besuch bei der verwitweten Schwester. Freilich helfen konnte Hans von +Bora auch nicht eigentlich, am wenigsten mit handgreiflicher +Unterstützung; denn er hatte selbst mit Sorgen der Nahrung und des +Lebens zu kämpfen. + +Dagegen wandten sich die Freunde der Lutherschen Familie, besonders +Bugenhagen, der Reformator des Nordens, wiederholt an den alten Gönner +D. Luthers, den König Christian III. von Dänemark. Nachdem zu Pfingsten +auf Jonas' allgemeines Schreiben noch keine Antwort eingetroffen war, +schrieb der Dr. Pommer am 5. Juni bestimmt und deutlich: „Der Herr +Philippus und ich bitten, E.M. wolle unsern Sold (100 Thlr.) und 50 +Thaler, die noch gehören in diesem Jahr unserm lieben Vater Doctori +Martino (welchen Christus herrlich hat aus diesem Jammerthal zu sich +genommen vor einem Vierteljahr) geben diesem Herrn Christophero, Ritter, +an uns zu bringen. Die fünfzig Thaler wollen wir Doctor Martini Weib und +Kindern verantworten.“[614] + + +Bald darauf kam die königliche Antwort auf D. Jonas' Brief: „Wir wollen +auch Uns des seligen und teuern Mann Gottes nachgelassene Witwe und +Kinder gnädigst befohlen sein lassen.“ Aber der fällige Sold kam nicht, +so daß Bugenhagen im Herbst (am 15. Nov.) nochmals eine deutliche +Mahnung an den König abgehen ließ: „Ich habe Ew. Königl. Majestät +fleißig geschrieben um Pfingsten bei Ehr Christoffer, Ritter aus +Schweden, von unserm Solde, welchen Ehr Christoffer wollt uns hieher +bringen, auch gebeten für D. Martini nachgelassene Witwe daß sie diesmal +noch die fünfzig Thaler möchte kriegen aus Gnaden E.K.M. Aber Ehr +Christoffer ist nicht wieder kommen, hat mir auch gar nicht +geschrieben.“[615] + +So harrte Frau Katharina vergeblich auf diese Beisteuer und sie hätte +sie doch so nötig gehabt. Denn mittlerweile war aufs neue großes Unheil +über Wittenberg und das Klosterhaus hereingebrochen. + + + + +17. Kapitel. + +Krieg und Flucht. + + +Die Witwe konnte sich kaum in ihren neuen Stand einleben, da nahte schon +das Unglück, das Luther vorausgesehen und vorausgesagt: es kam der +Schmalkaldische Krieg und mit ihm Verwüstung, Plünderung, Flucht, Elend +über Frau Katharina. + +Die Ereignisse folgten sich rasch im Frühling und Sommer: die +Protestanten verwerfen das Tridentinische Konzil; der Regensburger +Konvent verläuft ohne Ergebnis; der evangelische Erzbischof Hermann von +Köln kommt in Bann. Herzog Moriz verbündet sich mit dem Kaiser; das +protestantische Oberdeutschland greift zu den Waffen, dann auch +Kursachsen und Hessen; die beiden Fürsten werden geächtet, der Krieg +erklärt und der Papst ordnet Gebete an für Ausrottung der Ketzer. Schon +zehn Tage vorher am dritten Sonntag nach Pfingsten hörte Frau Katharina +in der Kirche zu Wittenberg das evangelische Kriegsgebet und flehte mit +besonderer Inbrunst um Hilfe in dem Gewaltkampf, der gegen ihres seligen +Mannes Werk entbrennen sollte: „Dieweil Du siehst die große Not unserer +Herrschaft, unser aller: Mann, Weib und Kinder, und daß unsre Feinde +fürnehmlich suchen Vertilgung rechter Lehre und Aufrichtung und +Bestätigung ihrer schändlichen Abgötterei: so bitten wir Dich, Du +wollest um Deiner Ehre willen unsre Herrschaft, unsere Kirchen, uns, +unsere Kinder und Häuslein gnädiglich schützen und bewahren, wie Du Dein +Volk Israel im Roten Meer erhalten und geschützet hast, und wollest der +Feinde Macht zerstören und die mörderische fremde Nation ihre Unzucht +und Grausamkeit nicht an unsern Weibern und Kindern üben lassen.“ Und +Melanchthon gab die „Warnung D. Martini Luther an seine lieben +Deutschen“ in Kriegsgefahr aufs neue heraus[616]. + +Sorge und Schrecken verbreitete sich in Wittenberg als der Hauptfestung +Kursachsens und dem geistigen Hauptbollwerk des Protestantismus, und +ganz besonders im Schwarzen Kloster, von dem aus der Sturm gegen das +Papsttum begonnen war. + +Im Sommer kamen unter Hauptmann von Mila viele gute Kriegsknechte in die +Stadt, auch viel Proviant, Büchsen und Pulver. Die einen waren +ordentlich und fromm, andere lebten roh und praßten. Die Bürger zogen +mit den Kriegsknechten auf die Wache, ergriffen Spieße, Hellebarden und +Arkebusen und bezogen die Schanzen, Hans Lufft, der Drucker mit seinen +Gesellen, den großen Berg, wo die „Singerin“, ein großes Geschütz, +aufgestellt war. Eine spätere Nachricht erzählt, daß auch Hans Luther +als Fähnrich in den „kaiserischen Elbkrieg“ gezogen sei[617]. + +Alles war in Aufregung, namentlich als Herzog Moriz von Sachsen, dem +schon Luther Verrat an der evangelischen Sache zugetraut hatte, sich auf +die Seite des Kaisers schlug und in Kursachsen einfiel, von den Welschen +und „Hussern“ des Königs Ferdinand begleitet[618]. + +Die Universität begann sich zu zerstreuen aus Furcht vor Belagerung. Der +Krieg näherte sich. Am 6. November wird Zwickau umzingelt, daher die +Hochschule aufgelöst. Am 9. kommt die Kunde, Zwickau sei an Moriz +übergeben und das feindliche Kriegsvolk ziehe auf Wittenberg heran. +Jetzt flüchtete alles, was konnte, aus der festen Stadt: Greise, Weiber, +Kinder, nach allen Richtungen in zahllosen Wagen, während der fallende +Winterschnee Menschen, Tiere und Gefährte bedeckte. Nur Pfarrer und +Schulmeister blieben zurück von den Beamten[619]. + +Frau Käthe hatte schon vor vierzehn Tagen ihren Wagen einspannen und +außer ihren Kindern das Wertvollste und Notwendigste an Hab und Gut +aufladen lassen. Auch der Neffe Fabian Kaufmann und wohl noch andere +Verwandte und Tischgenossen waren bei dem traurigen Zug; der Famulus +Wolf aber blieb zur Hut des Hauses zurück. Die Flucht ging über Dessau +und Zerbst nach dem festen Magdeburg, wohin sich die meisten Professoren +begaben; nur Melanchthon blieb mit seiner Familie in Zerbst, wo er einen +kleinen Schülerkreis sammelte, kam aber öfters nach Magdeburg herüber. +Fabian wurde später nach Wittenberg zurückgeschickt, wo neben Kreuziger +und Bugenhagen auch Paul Eber verblieben war, der sich des jungen +Menschen annehmen konnte; wahrscheinlich sollte Fabian in der Stadt mit +Wolf Sieberger auf das Schwarze Kloster und den Lutherischen Besitz +achtgeben. + +Bald kam die betrübende Kunde von Wittenberg: „Man hat (am 16. November) +die Vorstädte samt allen Gärten und Lusthäusern weggebrannt, die Aecker +verwüstet und ist den armen Leuten wohl eine Tonne Goldes Schaden +geschehen und ein großer Jammer.“ Dann kam Moriz mit seinen Meißnern und +mit König Ferdinands „Hussern“, und sie streiften bis an die Mauern der +Stadt und schrieen hinein. Herzog Moriz, des „Teufels Ritter und +Soldat“, berannte die Stadt am 18. November. Da hieß es nach dem Liede: + + Zu Wittenberg auf dem hohen Wall + Hört man die Büchsen krachen. + +Der Sturm wurde abgeschlagen, aber die „Hussern“ plünderten und +schändeten in der Umgegend[620]. + +Indessen diesmal ging die Belagerung Wittenbergs rasch vorüber; denn +Moriz wurde um Weihnachten von dem aus Süddeutschland herbeigeeilten +Kurfürsten zurückgetrieben. Jedoch der Krieg in Sachsen dauerte fort und +an eine Heimkehr nach Wittenberg war nicht zu denken; nur Melanchthon +war einmal Mitte Januar 1547 dort[621]. + +Der Aufenthalt in Magdeburg war nichts weniger als behaglich, Unterkunft +war gar schwer zu finden; dem Stadtrat war die Masse der Schüler +unbequem. Die Nachbarschaft, besonders die Halloren, waren gegen sie +aufgebracht und bedrohten sie. Daher suchten die Professoren andere +Stellungen, namentlich Major mit seiner zahlreichen Familie[622]. + +In dieser Zeit der Not kam eine Hülfe, die fast nicht mehr erwartet war. +Die 50 Thaler, um welche Bugenhagen den dänischen König für Luthers +Witwe schon zu Pfingsten und dann nochmals nach der Flucht der Witwe +geschrieben hatte, waren bis jetzt nicht gekommen. Nun aber am 10. +Januar 1547 wurden die gewährten 150 „Joachimer“ durch Vermittelung des +Hamburgers Müller an Professor Veit Winsheimer, welcher bei dem ehrbaren +Herrn Emeran Tucher zu Magdeburg wohnte, geschickt, und Frau Katharina +empfing erfreut ihren Anteil[623]. Und nicht lange darauf kam wieder ein +Bote mit 50 Thalern und einem gnädigen Schreiben an „Doktor Luthers +Witwe“: + +„Unsern gnädigsten Gruß zuvor. + +Ehrbare und viel Tugendsame, Liebe, Besondre! + +Nachdem Wir berichtet, daß Ihr in jetzigen gefährlichen Zeiten neben +anderen aus Wittenberg nach Magdeburg gewichen, haben Wir nicht +unterlassen wollen an Euch zu schreiben, Euch Unsern gnädigsten Willen +und Neigung zu vermelden. Und als Ihr dermaßen Eure Haushaltung und Euch +an fremden Orten unterhalten müßt, worüber wir ein besonders Mitleid +haben, schicken Wir Euch bei gegenwärtigem Boten, dem alten Schlesier, +zu Eurer Haushaltung fünfzig Thaler; die wollet zu Gefallen annehmen und +Unsere gnädigste Neigung daraus vermerken. Wir wollen auch jederzeit +Euer gnädiger Herr sein und Uns gegen Euch zu erzeigen wissen. Wollten +Euch solches gnädigst nicht vorenthalten und sind Euch mit Gnaden und +allem Guten geneigt.“[624] + +Frau Katharina schrieb dafür ihren Dankesbrief: + +„Gnad und Friede von Gott dem Vater durch seinen eingeborenen Sohn +Christum Jesum. + +Durchlauchtigster, großmächtigster König, gnädigster Herr! + +E.K.M. sei mein andächtig Gebet gegen Gott dem Herrn vor (für) E.K.M. +und aller der Ihren Wohlfahrt und glückselig Regiment allzeit mit hohem +Fleiß zuvoran bereitet. Gnädigster Herr! Nachdem ich in diesem Jahre +viel große und schwere Bekümmernis und Herzeleids gehabt, als da +erstlich mein und meiner Kinder Elend mit Absterben (jedoch seliger und +fröhlicher Heimfahrt zu unserm Heiland Christo Jesu) meines lieben +Herrn, welches Jahrzeit jetzt den 18. Februarii sich nahet, angangen; +darnach auch diese fährliche Kriege und die Verwüstung dieser Länder +unsers lieben Vaterlandes gefolget und noch kein Ende dieses Jammers und +Elends zu sehen: ist mir in solchem Bekümmernis ein großer und hoher +Trost gewesen, daß E.K.M. beides, mit gnädigster Schrift und +Uebersendung der funfzig Thaler zu bequemer Unterhaltung meiner und +meiner Kinder, auch ferner E.K.M. gnädigster Erbietung, Ihre gnädigste +Neigung gegen mir armen verlassenen Witfrau und meiner armen Waisen +vermeldet; welches auch vieler andern zuvor gnädigst erzeigten Wohltaten +halber gegen E.K.M. ich mich unterthänigst bedanke; verhoffend, Gott der +Herr, welcher sich einen Vater der Witwen und Waisen nennet, wie ich +denn täglich zu ihm bitte, werde solches E.K.M. reichlich belohnen; in +welches gnädigen Schutz und Schirm E.K.M. und Ihr Gemahl, meine +gnädigste Frau Königin, und die ganze junge Herrschaft samt Ihren Landen +und Leuten hiemit und allezeit fleißig thue befehlen. + +Geben zu Magdeburg, den 9. Februarii A.D. XLVII. + + E.K.M. + + gehorsame + Katharina Lutherin, + seliger Gedächtnis Doctoris + Martini Luthers + verlassne Witfrau.“[625] + +Die so Beglückte dachte aber auch an andere Hilfsbedürftige, an den +Amtsgenossen ihres Gatten, D.G. Major, der mit seiner großen +Kinderschaar in dieser schlimmen Zeit sich vergeblich nach einer +Stellung umsah. Frau Katharina legte in diese Danksagung als Beilage +noch eine Fürbitte ein: + +„Gnädigster Herr! Nachdem ich erfahren, was vor gnädigste und +christliche Neigung E.K.M. gegen den (die) Theologen der Universität zu +Wittenberg tragen und mein lieber Herr seliger Gedächtnis Doctor Georgen +Major stets nun über zwanzig Jahre als seinen Sohn gehalten und lieb +gehabt, welcher zu dieser Zeit allhie bei mir im Elend samt zehen +lebendigen Kindern: will E.K.M. gedachten Doctor ich mich unterthänigst +befohlen haben bittend, E.K.M. wollen ob solchem kein ungnädigst +Gefallen haben. Denn Theologi je mit Weib und Kindern sonderlichen zu +diesen jämmerlichen Zeiten, betteln müssen, wie ich schier selbst +erfahren, da sie nicht von Fürsten und Herren ihre Errettung und +Unterhaltung haben werden.“ + +Zu Ostern erhielt nun auch D. Major „auf der tugendsamen Frauen +Katharina, des seligen und löblichen Gedächtnis Doctoris Martini Luthers +verlassenen Witfrauen Vorschrift und Vorbitte 50 Thaler bei dem +Schlesiger gnädiglich überschickt“[626]. + +Da es mit der Einnahme Wittenbergs durch Moriz nichts geworden, so war +mittlerweile die tapfere Frau Katharina wieder nach Wittenberg +zurückgekehrt, aber ihres Bleibens war nicht lange dort. Denn der Kaiser +Karl und sein Bruder Ferdinand kamen aus Süddeutschland und Böhmen mit +ihren Spaniern und Italienern, Böhmen und Ungarn ihrem Verbündeten Moriz +zu Hilfe und es stand eine neue Belagerung Wittenbergs bevor, die +diesmal ernstlich und gefährlich werden sollte. Und jetzt mußte Frau +Katharina erst recht flüchten, denn überall hin verbreitete sich die +Kunde von den unerhörten Greuelthaten und Grausamkeiten der fremden +Völker, sogar gegen unschuldige Kinder: „sie raubten, mordeten, +plünderten, schändeten Frauen und Jungfrauen und warfen Kinder auf der +Gasse über die Zäune“. Namentlich aber wüteten Spanier und Italiener +gegen die evangelischen Geistlichen und ihre Familien. Dem Pfarrer in +Altenburg entführten sie zwei Töchter, den von Kemberg bei Wittenberg +ermordeten sie[627]. Da hieß es: „Die ungarischen Räuber, gemeiniglich +Hussirer genannt, sind ein räuberisch und unbarmherzig Volk; bei Eger +hieben sie den Kindern die Hände und Füße ab und steckten sie als +Federbüsche auf die Hüte“. So erzählte man, und Melanchthon schrieb: +„Ihr Führer Lodran (Lateranus) sagte, er werde nach Eroberung unserer +Stadt Luthers Leib ausgraben und den Hunden vorwerfen lassen; und redete +namentlich davon, mich in Stücke zu hauen.“ Oder gar: „Man werde Luthers +Gebeine ausgraben und verbrennen, die Stätte, wo er geruht, zerstören +und die Stadt schleifen, Melanchthon erwürgen und D. Pommer zerhacken, +daß man sich mit den Stücken werfen möchte.“ Deshalb setzte Melanchthon, +welcher zu Anfang 1547 wieder in Wittenberg weilte, für die dortigen +Pfarrfrauen eine Bittschrift an den Kaiser auf[628]. + +Frau Katharina hielt in Wittenberg aus, so lange als möglich. Da aber +kam am Ostertag morgens in aller Frühe die schreckliche Kunde, daß am +Karsamstag 24. April der Kurfürst Johann Friedrich von der kaiserlichen +Uebermacht auf der Lochauer Heide geschlagen und gefangen worden sei und +das feindliche Heer sich gegen Wittenberg heranwälze. Hals über Kopf +mußte nun Luthers Witwe aufs neue ins Elend“ ziehen[629]. + +So kam sie plötzlich wieder nach Magdeburg und bat die Freunde, +besonders Melanchthon als Vormund ihrer Kinder unter Thränen, ihnen ein +Nest zu suchen. Am liebsten wäre sie nach Dänemark gegangen, zu dem +einzigen Fürsten, der sich ihrer anzunehmen versprochen hatte, nachdem +von dem unglücklichen Kurfürsten nichts mehr zu erwarten stand. Sie bat +zunächst, sie nach Braunschweig führen zu lassen. Die Theologen +schienen, als sie die Trümmer des geschlagenen kursächsischen Heeres +durch Magdeburg ziehen sahen, sich auch nicht mehr in Magdeburg sicher +zu fühlen, und Melanchthon und Major mit ihren Familien zogen samt der +Lutherischen über Helmstädt nach Braunschweig. In Helmstädt wurden sie +vom Stadtrat freigebig bewirtet. In Braunschweig brachte Melanchthon die +beiden anderen Familien bei dem evangelischen Abt unter, während er für +sich selbst recht lange sich nach einer kleinen Wohnung umthun mußte. Er +wurde als begehrter Professor von den verschiedensten Fürsten +eingeladen; aber um Luthers Witwe kümmerte sich niemand: sie konnte in +dieser Zeit der katholischen Reaktion höchstens eine Verlegenheit sein. +Deshalb drängte sie darauf, nach Dänemark zu kommen. Aber als die +Flüchtlinge kaum einige Meilen von Braunschweig nördlich nach Gifhorn +gekommen waren, zeigten sich alle Wege im Herzogtum Lüneburg voll +Soldaten und Herzog Franz machte Schwierigkeiten; so kehrte man wieder +nach Braunschweig zurück. Dort blieb nun Katharina mit ihren Kindern, +während Melanchthon zu Himmelfahrt nach Nordhausen zog, wohin ihn sein +Freund, der Bürgermeister Meienburg, eingeladen halte; und Major folgte, +willens sich nach seiner Vaterstadt Nürnberg zu begeben[630]. + +Am 23. Mai, Montag vor Pfingsten, wurde Wittenberg vom kaiserlichen Heer +besetzt; am Mittwoch ritt der Kaiser und der König Ferdinand in die +Stadt ein vor die Schloßkirche und ließ sich vom Studiosus Johann Burges +aus Quedlinburg „die Begräbnis“ Luthers zeigen, die zu entweihen er aber +nicht zuließ, so feind die Spanier sonst D. Luthern waren[631]. Am 6. +Juni mußte Wittenberg dem neuen Kurfürsten Moriz huldigen, der den +Kurhut und das Kurland als Preis für seinen Verrat an der evangelischen +Sache erhalten hatte. Zwei Tage darauf lud der Rektor die Universität +zur Rückkehr nach Wittenberg ein. Auch Käthe wurde Ende Juni von D. +Pommer und Bürgermeister Reuter zur Rückkehr aufgefordert: es sei alles +sicher und Haus und Hof unverheert. So kehrte sie, wenn auch erst Ende +Juli, aus Braunschweig heim ins liebe Wittenberg[632]. + + + + +18. Kapitel. + +Der Witwenstand. + + +Es war eine traurige Heimkehr, als Frau Katharina mit ihren Kindern und +dem Rest der geretteten Habe auf ihrem Fuhrwerk durch das Coswiger Thor, +die Schloßstraße und die Kollegiengasse herauf fuhr und vor dem +Klosterhause hielt. Leichter waren Koffer und Kasten geworden — es waren +vergoldete und silberne Kredenzbecher im Werte von 600 fl. versetzt +worden — und das Herz voll schwerer Sorge. Und doch war's ein Gefühl der +Ruhe und Sicherheit, wieder daheim zu sein nach der langen Flucht +draußen im „Elend“. Und tapfer griff Frau Käthe es an, das Leben neu zu +gestalten. + +Das Haus war noch im alten Stande und vom Hausrat nichts versehrt. Die +Stadt hatte zwar eine Belagerung und einen Sturm durch Moriz +ausgehalten, aber friedlich war sie nach der Mühlberger Schlacht an den +neuen Regenten übergeben worden und keine Spanier hatten darin hausen +dürfen; nur deutsche Völker waren zugelassen. Das Klosterhaus war +während der Flucht in der Hut des alten treuen Wolf gestanden. Der aber +war nicht mehr, als die Doctorin mit den Kindern heimkehrte: einige +Wochen zuvor, am 14. Juni, war er dahin gegangen, als man seiner nicht +mehr zu bedürfen schien[633]. + +Wenn aber auch Haus und Hof unangetastet dastand, um so schlimmer stand +es mit den Gütern draußen. Die Vorstädte waren bei Beginn der ersten +Belagerung niedergebrannt worden und so waren auch die Gebäulichkeiten +in den Gärten ein Opfer der Flammen geworden. Dann hatten die „Hussern“ +die Nachbarschaft von Wittenberg geplündert. Auch sonst, bei Grimma, +unweit Nimbschen und Zulsdorf, hatte (schon 1546) der Nachtrab übel +gehaust: Hühner, Gänse und Schafe geraubt, auch ungedroschenes Getreide +zur Streu für die Pferde verwendet. Noch schlimmer hatten im folgenden +Jahr die Spanier mit Morden und Brennen, Plündern und Verjagen +geschaltet; wo nichts zu plündern war, verbrannten sie draußen im Lande +alles Gewächs bis auf die Stoppeln[634]. + +So hatte Luthers Witwe großen Schaden erlitten im Krieg. Wenn Jonas den +seinigen bei den zwei Fluchten auf 400 fl. schätzt, so muß derjenige +Katharinas bei ihrem ausgedehnten Grundbesitz weit mehr betragen haben. +Ihre Gärten und Güter: das Baumstück mit seinen Gebäulichkeiten, das Gut +Wachsdorf und das Vorwerk Zulsdorf waren verwüstet, so daß sie auf Jahre +hinaus sie „schwer zu versorgen“ wußte, wie Bugenhagen in Briefen an den +dänischen König klagt[635]. + +Und wenn man die vielgeplagte Witwe nur in Frieden gelassen hätte, daß +sie ruhig sich ihrer verwüsteten Güter hätte annehmen können. Aber da +wurde sie noch von bösen Nachbarn geplagt und von harten Beamten. Ein +zänkischer Mensch fing Streit mit ihr an wegen eines Servituts +(vielleicht der Nachbar von Zulsdorf auf Kieritzsch). Melanchthon war zu +einem Vergleich bereit, aber der Mann forderte eine maßlose Summe und +auch Bruder Hans riet vom Vergleich ab. So kam es zum Prozeß, wobei Dr. +Stromberg in Leipzig und auch Camerarius, die Freunde Melanchthons, sich +der armen Frau annahmen (1548). Dieser Prozeß dauerte aber jahrelang und +noch 1550 mußte Frau Katharina mit Melanchthon vor dem Stadthauptmann in +Leipzig zur Tagfahrt erscheinen[636]. + +Da galt es nicht verzagen, sondern mit neuem Mut das Werk angreifen, um +sich und ihre Kinder in Ehren durchzubringen. Der Kosttisch wurde wieder +eingerichtet, wenn es auch schwer hielt, in diesen wirren Zeiten, wo die +Universität zersprengt war und nur mit Mühe sich wieder sammelte, zumal +das neue Kursachsen jetzt zwei Hochschulen hatte: Leipzig und +Wittenberg, und die Söhne des gefangenen Kurfürsten sich bestrebten, in +Jena eine eigene zu errichten und dahin die echten Lutheraner unter den +Professoren und Studenten von Wittenberg zu ziehen; erst im August wurde +das Wittenberger Kollegienhaus vom Schmutz der Einquartierung gereinigt +und neu getüncht[637]. Ferner konnte von großem Verdienst keine Rede +sein, wenn bei dem Rektor Crodel in Torgau zwei Schüler in der Woche für +Wohnung und Kost, dazu mittags und abends zwei Kannen Bier, nur 14 +Groschen zahlten, und Matthesius in Wittenberg, ehe er zu Frau Luther +kam, bei Wolf Jan von Rochlitz „einen sehr guten trocknen Tisch um 5 +Silbergroschen“ hatte „neben alten gelehrten, ehrlichen (ehrbaren), +guten Tafelbrüdern“. Als solcher Tischgenosse wird genannt: Johann +Stromer, der fünf Jahre bei der Witwe wohnte und aß. Vielleicht war +damals unter den Tischgenossen Käthes auch der Preuße Georg von Kunheim, +der am 15. August 1550 in Wittenberg Student wurde und so mit der +Lutherischen Familie bekannt und später verwandt wurde[638]. + +Außer den Stuben wurden auch noch die Säle zu Vorlesungen an Docenten +vermietet, und so las im Sommer 1551 in Luthers Aula, wo der große +Doktor sonst über biblische Bücher vorgetragen hatte, Bartholomäus Lasan +über Herodot[639]. + +Trotz alledem mußte Frau Katharina außer der Verpfändung der Becher noch +auf ihr Gütlein Zulsdorf ein Anlehen von 400 fl. aufnehmen bei Dr. Franz +Kram und außerdem mußte sie sich entschließen, selbst an den König von +Dänemark zu schreiben, als den „einzigen König auf Erden, zu dem wir +armen Christen Zuflucht haben mögen und von dem allein erwartet werden +konnte, daß den armen christlichen Prädikanten und ihren armen Witwen +und Waisen Wohlthaten erzeiget würden.“ Zu diesem Brief war sie +gezwungen, nachdem die Schreiben der Freunde Bugenhagen und Melanchthon +ohne Erfolg gewesen. So bittet nun am 6. Oktober 1550 „D.M. Luthers +nachgelassene Witfrau, nachdem sie und ihre Kinder jetzund weniger Hilfe +haben und die Unruhe dieser Zeit viele Beschwerungen bringet“, S.K.M. +wolle ihr solche Hilfe gnädiglich auch hinfüro verordnen. Sie will +treulich und ernstlich bitten, Gott möge Sr.K.M. Wohlthaten, die er den +armen evangelischen Pfarrherren und ihren Familien erzeigt, vergelten +und dafür besondere Gaben und Segen verleihen. „Der allmächtige Gott +wolle E.K.M. und E.K.M. Königin und junge Herrschaft gnädiglich +bewahren.“ + +Auch dies eigene Schreiben der Witwe war, scheint es, ohne Erfolg, +trotzdem sie den König an ihres „lieben Herrn große Last und Arbeit“ +mahnen konnte, die S.K. Maj. ohne Zweifel nicht vergessen habe[640]. + +Die Zeitläufe waren sehr traurig. Kreuziger starb 1548, und seine Frau +wollte fast vergehen; auch Veit Dietrich in Nürnberg schied bald darauf. +Andere Freunde waren verzogen oder auch gestorben. Dazu kam die Not der +Kirche, welche der Witwe Luthers nahe genug ging: „das Interim“ mit dem +„Schalk hinter ihm“ erregte die Evangelischen aufs ärgste. Der neue +Landesherr Moriz, bei dessen Anblick sogar die Spanier und Italiener +„Schelm! Schelm!“ riefen und den die Protestanten als „Judas“ +bezeichneten, hatte kein warmes Herz, weder für die protestantische +Sache, noch für die hauptsächlichsten Vertreter derselben, die +Universität zu Wittenberg und deren Angehörige. Da gab es trübe Tage in +der alten Elbstadt[641]. + +Die vier Kinder Katharinas waren bei ihr; und wohl auch einige junge +Verwandte. Den Neffen Luthers, Fabian Kaufmann, jetzt mit dem +lateinischen Gelehrtennamen Mercator, empfahl Jonas 1548 zu einer +Hofstelle an die Fürsten von Anhalt[642]. + +Johannes studierte in Wittenberg weiter als Rechtsbeflissener. +Möglicherweise hat er, ehe nach den Unruhen des Krieges die Muße und +Gelegenheit zum Studium wieder eintrat, „auf den väterlichen Gütern ein +ländliches Leben geführt“, d.h. der Mutter bei der Landwirtschaft +beigestanden, wie einmal berichtet wird[643]. Nach Ostern 1549 kam nun +Melanchthons Schwiegersohn Sabinus, Rektor der Königsberger Hochschule, +nach Wittenberg. Dieser erzählte viel von des Preußenherzogs Wohlwollen +gegen Luthers Familie. Da riet Melanchthon, den jungen Mann nach +Königsberg zu schicken, damit er dort durch die Gunst des Königs seine +Studien vollende. So schrieb nun Frau Käthe an Herzog Albrecht einen +Brief. + +„Gnade und Frieden in Christo samt meinem armen Gebet zu Gott für +E.F.Gn. zuvoran. + +Durchlauchtigster und hochgeborner Fürst und Herr! + +Da sich E.F.Gn. gegen meinen lieben Herrn gottseligen, Doctorem Martinum +mit sonderlichen Gnaden allezeit erzeigt, so hab ich in keinen Zweifel +gestellt, E.F.Gn. würden auch mir aus sonderlichen Gnaden, so unser +lieber Gott E.F.Gn. zu seinem göttlichen Wort, das zu lieben, zu +schützen und zu handhaben verliehen, auch um meines lieben Herrn seliger +willen als eines wahren Propheten dieser letzten gefährlichen und +unruhigen Zeiten mich und meine lieben Kinder als nachgelassene Witwe +und Waisen in gnädigen Schutz nehmen und Ihnen befohlen sein lassen. + +Als ohne Not, E.F.Gn. zu erinnern, in wie schwere Not meiner Haushaltung +ich nach jetzt ergangener Kriegsführung gediehen, auch wie kümmerlich +ich bisher von meinen armen verwüsteten und verheerten Gütern mich samt +meinen Kindern ernähren und erhalten müssen — hab ich aus Rat des Herrn +Philippi und Anzeigen des Herrn Dr. Sabini, wie geneigt E.F.Gn. meinen +Kindern sei, meinen ältesten Sohn Hans an E.F.Gn. abgefertigt, und +nachdem dann E.F.Gn. ihn noch eine Zeitlang bei den Studien zu erhalten +sich gnädigst erboten, will gegen E.F.Gn. ich mich derselbigen gnädigen +Förderung und Mitsorge für meine nachgelassenen armen Kinder aufs +demütigste bedankt haben. + +Dieweil aber dies meines Sohnes erstes Abreise ist, und ich auch +derhalben ihn zumeist abgefertigt, (damit er) neben seinen Studien gegen +die Leute lerne wissen sich zu (ver)halten, so ist an E.F.Gn. dies meine +demütige Bitte, dieselben wollten diesen meinen Sohn um meines lieben +Herrn gottseliger willen in Gnade und Schutz aufnehmen und da er sich +sonst in der erste in allem gegen E.F.Gn. nicht zu erzeigen wüßte, +solches noch seiner Unwissenheit und ersten Ausfahrt gnädiglich zu gute +halten und Geduld mit ihm tragen. Als zweifel ich nicht, er wird sich +gegen E.F.Gn. zu unterthänigem und seinen Präceptoribus zu schuldigem +Gehorsam wohl zu verhalten wissen, seinen Studiis und demjenigen, so ihm +oblieget, fleißig nachgehen und gegen E.F.Gn. ehrbar und denkbarlich in +aller Untertänigkeit sich zu erzeigen wissen. + +Dies dann E.F.Gn. gnädige Beförderung unser lieber Gott auch reichlich +wiederum belohnen wird und bin für E.F.Gn. gegen Gott um langwährende +Regierung und Wohlfahrt fürzubitten allezeit demütiglich beflissen. + +Datum Wittenberg, den 29. Mai anno 49. + +E.F.G. + + demütige und unterthenige + Catharina, D. Martin Luthers + seligers nachgelassene Witwe.“ + +Melanchthon schrieb einen Empfehlungsbrief an den Herzog für den jungen +Mann, worin er ihn lobt als „tugendhaft im Wesen, unbescholten, +bescheiden, aufrichtig, rein, von guter Anlage und Beredsamkeit; sein +Körper sei gewandt und leistungsfähig und wenn er sich am Hofe übe, so +könne sein Eifer dem Staat zu großem Nutzen gedeihen.“ Auch Jonas +empfahl in einem Schreiben dem Herzog seinen „lieben Freund, den Sohn +des göttlichen Propheten, empfehlenswert schon durch seinen Vater“ und +entbot „Sr. Hoheit das Gebet der hochverehrten Frau und Witwe des hochw. +D. Luther“. Zu mehreren Empfehlung legte Jonas eine Erzählung von dem +Krieg bei und ein handschriftliches Schreiben Luthers, „des Propheten +Deutschlands“, worin er diesen Krieg prophezeit habe[644]. + +So reiste denn Johannes Ende Mai mit Dr. Sabinus ab, der auch sein von +Melanchthon erzogenes Töchterlein zu des Großvaters tiefem Schmerz +mitnahm. Auch Jonas' Sohn, Dr. Christoph und Johann Camerar, der Sohn +von Melanchthons Busenfreund, sind wahrscheinlich mit Hans Luther nach +Königsberg gezogen[645]. + +Es kam nun auch ein Brief von Hans an Melanchthon, worin er einen Teil +der Reise beschrieb. Den andern Teil scheint er schuldig geblieben zu +sein. Auch muß ihm Melanchthon schreiben, Mutter, Schwester und Brüder +warteten mit Sehnsucht auf einen Brief, worin er von all seinen Sachen +berichten möchte; zur Leipziger Weihnachtsmesse gebe es schon genug +Gelegenheit zur Briefbeförderung[646]. + +Lange hörte man nichts mehr von Hans Luther. Daheim aber dauerten die +bösen Zeiten fort; denn die Unruhen und Aufregungen wegen des Interims, +das der Kaiser den Lutheranern aufgezwungen hatte, ließen nicht nach; +die Erbitterungen zwischen dem ehemaligen und jetzigen kurfürstlichen +Hause waren eher im Wachsen, zumal der gefangene Kurfürst noch immer +nicht freigegeben, sondern vom Kaiser in unwürdiger Weise +umhergeschleppt wurde. Die Belagerung Magdeburgs, das wegen Nichtannahme +des Interims geächtet und durch Moriz angegriffen war, brachte allerlei +landschädigende Truppenbewegungen, und die Universität konnte also nicht +so leicht zur Muße und Blüte kommen. Auch die Anfechtungen durch „die +bösen Nachbarn“ dauerten bei Katharina fort. Die Einkünfte in diesen +unruhigen Zeiten wollten nur schwer reichen für den Haushalt und die +Erziehung der Kinder; Frau Katharina „litt an Armut“, so daß die 15 +Rosenobel (50 Thaler) Gnadengehalt von dem dänischen König Christian +III., um welche die Freunde regelmäßig einkamen und Katharina selbst +schrieb, für „die arme Frau, unseres lieben Vaters Doctoris Martini +Witwe mit ihren Kindern“ eine gar erwünschte „gnädige Hilfe“ waren. Die +„Begnadigungen“, welche sonst die Lutherische Familie von ihren +Landesherren gewohnt war, blieben aus, da der alte Kurfürst gefangen saß +und der neue bei seinen großen Plänen und steten Kriegen nichts übrig +hatte für sie. Daher konnte Frau Katharina klagen, „daß wenig Leut sind, +die für die großen Wohlthaten meines lieben Herrn seinen armen Waisen +Hilfe zu thun gedächten“[647]. + +Die vielerlei Schicksalsschläge trafen die arme Witwe so schwer, daß +sie, die stets gesunde, jetzt kränklich wurde und über „Schwachheit“ zu +klagen hatte. + +In dieser schweren Zeit, „da es ihr Vermögen nicht war, ihren und ihres +lieben Herrn Kindern nach Notdurft zu helfen“, war es für Frau Katharina +ein Trost, daß der preußische Herzog „nun selber Vater sein“ solle. In +dieser Zuversicht wandte sie sich zu Georgi (23. April) 1551 an S.F.Gn. +unter Verdankung für die gnädige Aufnahme und Unterhaltung ihres Sohnes +mit der Bitte, ihm ferner zur Vollendung seines angefangenen Studii in +Frankreich oder Italien Unterhaltung zu verordnen, damit er dem Herzog +nützlicher dienen könne. Zuvor aber möge der Herzog ihren Sohn eine +kurze Zeit zu ihr kommen lassen, damit sie in ihrer Schwachheit etliche +nützliche Sachen mit ihm reden könne, daran ihm und seinen Brüdern und +seiner Schwester merklich gelegen; dann möge er wieder nach Königsberg +oder nach Italien und Frankreich gehen, wie S.F.Gn. bestimmen würde. +Wahrscheinlich hatte Hans der Mutter diesen Plan an die Hand gegeben. + +Welchen Schmerz aber mußte die Mutter über ihren Lieblingssohn erleben, +als darauf vom Herzog Albrecht folgende Antwort eintraf: + +„Wir befinden, daß Unser gnädiger Wille bei ihm nicht dermaßen, wie Wir +wohl gehofft, angewendet. Denn wie Wir berichtet (sind), soll er seiner +Studien zur Gebühr nit abwarten. So wissen Wir auch gewiß, daß er sich +etlicher guter Händel, deren er wohl müßig gehen konnte, teilhaftig +macht. Derwegen zu bedenken, daß Uns wahrlich etwas beschwerlich (fällt, +daß) Unsere gnädige Gewogenheit so wenig bei ihm bedacht wird.“ Daher +schlage es der Herzog ab, Hans reisen zu lassen; wolle er aber in +Königsberg vor gut annehmen, so sei der Herzog geneigt, um seines Vaters +willen ihn mit Unterhalt zu versorgen[648]. + +Das war ein Schlag für Katharinas Mutterherz! Also weder fleißig noch +ordentlich war ihr Liebling und beides wäre er doch nicht nur dem +Herzog, sondern auch seinem Vater und seiner Mutter schuldig gewesen. +Und wenn sie sich auch sagen mochte, der Herzog sei strenge gegen seine +Schützlinge: wie einst gegen ihren Bruder Clemens, so jetzt gegen ihren +Sohn Hans und wenn sie auch wohl mit ebenso viel Recht geltend machen +konnte, der junge, sonst gut geartete und willige Mensch sei durch böse +Gesellschaften verführt worden, so blieb doch die Thatsache stehen, daß +sie dem Sohn zu viel und zu Gutes zugetraut, und daß die Vormünder doch +recht gehabt mit der Behauptung, Hans habe nicht das Zeug zum Studium — +war er doch auch jetzt schon 25 Jahre alt! Daran konnte auch das gute +Zeugnis nichts abbrechen, das die Universität Königsberg dem Sohne +Luthers wohl allzu günstig ausstellte[649]. + +Und als nun Hans vollends das Stipendium und Studium in Königsberg +aufgab und auf weitem Weg langsam heimkehrte, so war der Beweis +geliefert, daß er zu nichts Besserem tauge als auf die herzogliche +Kanzlei. Dahin kam er denn auch in Weimar. + +Um so besser gediehen die Söhne Martin und Paul, von denen der eine +Theologie, der andere Medizin studierte; Margarete wuchs zur blühenden +Jungfrau heran. + +Der Schmalkaldische Krieg war wohl sonst zu Ende, nur nicht in Sachsen; +es entstand allerlei Unruhe und Kriegsgerücht, neue Sorge und Angst. +Sachsen wimmelte von Soldaten, Wittenberg hatte starke Einquartierung. +Und obwohl es Freundesvölker waren, so geschahen doch von der rohen +Soldateska allerlei Gewaltthaten. In der festen Stadt waren die Bürger +vor ihren eigenen Quartiergästen nicht sicher, vor die Mauern +hinauszugehen wagte niemand, denn draußen in den Städtlein gab es Mord +und Totschlag; übermütig forderten die Kriegsknechte das +Unmögliche[650]. + +Und wie sah es nun wieder draußen auf den Höfen und in den Gärten aus, +wo eben mit Mühe die Schäden des Schmalkaldischen Krieges wieder +hergestellt waren! Da waren Verwüstungen und Kontribution auf ihren +Höfen vorgekommen. „Es ist am Tage“, klagt Bugenhagen, „daß sie in ihren +Gütern dies Jahr (1551) großen Schaden gelitten.“ „Derwegen mußte sie zu +Recht gehen vor des Kurfürsten Gericht wider Jan Löser.“ Jan Löser — des +alten Hans Löser († 1541), ihres Gevatters Sohn und Luthers Paten — +mußte Frau Katharina verklagen. Das war fürwahr ein bittrer Gang[651]. + +Und ob sie ihr Recht bekommen? + +Der Kurfürst Moriz rüstete sich eben zum Schlage gegen den alten Kaiser. +Da hatte er wohl keine Zeit und Lust, eine klagende Witwe anzuhören. + +So mußte Frau Katharina nochmals den sauren Schritt thun und sich an den +dänischen König wenden, an den sie am 8. Januar 1552 u.a. schreibt: + +„E.K.M. wissen sich gnädiglich zu entsinnen, wie daß E.K.M. meinem +lieben Herrn seligen samt dem Herrn Philippo und D. Pomerano jährlich +ein Gnadengeld geschenkt, welches sie zu Unterhalt ihrer Haushaltung und +Kinderlein haben sollten, welches denn bishero gemeldeten Herrn von +E.K.M. überreichet (worden). Dieweil aber mein seliger lieber Herr +E.K.M. allzeit geliebet und für den christlichsten König gehalten, auch +E.K.M. sich in solchen Gnaden gegen seligen meinen Herrn verhalten: so +werde ich _durch dringende Not bewogen, E.K.M. in meinem Elend_ +unterthäniglich zu ersuchen, des Verhoffens, E.K.M. werden mir armen und +itzt von jedermann verlassenen Witwen solch mein unwürdig Schreiben +gnädiglich zu gut halten und mir aus Gnaden solch Geld folgen lassen. +Denn E.K.M. sonder Zweifel bewußt, wie es nu nach dem Abgang meines sel. +Mannes gestanden, _wie man die Elenden gedrückt_, Witwen und Waisen +gemacht, also daß (es) zu erbarmen; ja (auch) _mir mehr durch Freunde +als durch Feinde Schaden zugefügt_; welches alles E.K.M. zu erzählen zu +lang wäre. Aus diesen und anderen Ursachen werde ich _gedränget_, E.K.M. +unterthänig zu ersuchen, nachdem sich ein jeder so fremd gegen mir +stellt und sich meiner niemand erbarmen will.“ + +Bugenhagen unterstützte in einer Beilage diese Bitte der Witwe „Patris +Lutheri“, welche „fast (sehr) klaget“. Und mit Erfolg: am 22. März kam +das Geld in seine Hand und er schreibt, daß S.M. „sehr wohl gethan“, die +Witwe zu trösten[646]. + +Im Februar 1552, als die Kriegsknechte am rohesten hausten, wurden die +Gemüter in Wittenberg noch erschreckt mitten im Winter durch heftige +Gewitter mit Blitz und Donnerschlägen. Aber bald darauf zogen die +Kriegsvölker ab. + +Es kam nun Kunde, daß Moriz mit seinen Sachsen, den Brandenburgern und +Hessen den Kaiser in die Flucht gejagt und beinahe gefangen hätte (Mai +1552). Die gefangenen Fürsten (Kurfürst Johann Friedrich und Landgraf +Philipp von Hessen) wurden freigegeben, und freigegeben auch die +Religion im „Passauer Vertrag“ (August 1552). + +Mittlerweile war es Frühling geworden und Sommer. Frau Käthe konnte säen +und ernten und sich des Friedens freuen, der endlich nach sechs Jahren +Krieg, Flucht, Verwüstung eingetreten war, auch des Friedens in Sachen +des evangelischen Glaubens, um deswillen ihr „lieber Herr“ ein Feuer +angezündet hatte im deutschen Lande, dessen Flamme auch sie, und sie am +schwersten, fühlen mußte. + +Jetzt hätte die arme Witwe aufatmen können vom langen Leid: da traf sie +der letzte, tödliche Streich. + + + + +19. Kapitel. + +Katharinas Tod. + + +Die Kriegsvölker waren aus Wittenberg abgezogen, aber sie hatten ein +böses Andenken hinterlassen: eine ansteckende Seuche, die „Pestilenz“, +die in der sumpfumgebenen engen Festung wieder rasch um sich griff und +mit der Sommerhitze wuchs. Am 1. Juni wurde über Verlegung der +Universität beraten, am 10. bot Torgau ihr Herberge an. Aber bis 6. Juli +hielt sie noch in Wittenberg aus. Dann zog auch die Hochschule in die +Nachbarstadt und wurde in den engen winkeligen Räumen des +Barfüßerklosters untergebracht, welches seinerzeit Leonhard Koppe zu +Fastnacht gestürmt hatte und das jetzt leer stand. + +Frau Katharina blieb aber in Wittenberg, wohl wegen der Güter, die sie +besorgen mußte; wahrscheinlich hatten die studierenden Söhne und +Tischgesellen dennoch von dem einen und andern Magister, der im +Schwarzen Kloster wohnte, Vorlesungen. In dem großen, gesund gelegenen +Hause war es ja auch einstweilen noch auszuhalten. Aber im Herbst wurde +auch das Klosterhaus von der Seuche angesteckt. Und um ihre Kinder aus +der Gefahr zu reißen, unterzog sich die besorgte Mutter wiederum den +Beschwerlichkeiten der Auswanderung. So ließ sie denn einspannen, lud +das Nötigste auf den Wagen und fuhr mit ihren Kindern, die noch bei ihr +waren: Paul und Margarete, während Martin scheint's schon vorher der +Universität nachgezogen war und Hans in Weimar auf der Kanzlei +arbeitete, das Elsterthor hinaus, Torgau zu[652]. + +Da geschah das Unglück: die Pferde wurden scheu und gingen mit dem Wagen +durch über Stock und Stein. Die erschrockene Frau suchte das Leben ihrer +Kinder zu retten, und um die wilden Pferde aufzuhalten, sprang sie vom +Wagen, fiel aber so unglücklich, daß sie mit dem Leib heftig auf den +Boden anprallte und dann in einen Graben mit kaltem Wasser stürzte. Die +Aufregung, der Fall, die Erkältung und wohl auch eine innere Verletzung +führten eine schwere Krankheit herbei[653]. + +So kam die Familie Luther nach Torgau. Hier wohnte sie vom Kloster aus +in der „nächsten Straße, die nach dem Schloß führt“, in einem Eckhause +bei der Klosterkirche zur Herberge. Hier lag nun Frau Katharina in +großen Schmerzen langsam dahinsiechend, gepflegt von ihrer Wirtin und +ihrer Tochter Margarete, welche jetzt 18 Jahre zählte[646]. + +Noch einen Lichtblick erlebte die Witwe Luthers in diesen Leidenstagen. +Ihr jüngster Sohn Paul, der sich zu einem tüchtigen Mediziner +heranbildete, verlobte sich in dieser Zeit mit Anna von Warbeck, der +Tochter des weiland Herrn Veit von Warbeck, gewesenen Domherrn von +Altenburg und Kurfürstl. Hofrat und Vizekanzler zu Torgau, eines Edeln +aus Schwaben. Ihre Mutter, Anna von Hack — auch eine geborne +Schwäbin — lebte noch und hatte ein eigenes Haus zu Torgau in der +Fischergasse[646]. + +Fräulein Anna war ein resolutes Frauenzimmer. Sie hatte einen Damastrock +mit Samtschleppe getragen und war deshalb vom Stadtrat mit Berufung auf +eine kurfürstliche Kleiderordnung in Strafe gezogen worden. Dagegen +wehrte sie sich und appellierte an den Kurfürsten, so daß ein ehrbarer +Stadtrat einen Boten mit Bericht über Anna Warbeckin Supplicien gen +Dresden schicken mußte für Lohn und Trinkgeld. S. Kurf. Gn. sandte nun +in diesem Betreff an den ehrbaren Rat zu Torgau folgenden Erlaß: + +„Lieben Getreuen! Wir sind von der ehrbaren und lieben besondern +Jungfrau Anne von Warbeck demütiglichen Klag berichtet worden, wie daß +Ihr ihr den damastenen Rock mit samtenem Schweif zu tragen zu enthalten +und noch dazu etliche Gulden zur Strafe entrichten sollt auferlegt +haben. Wiewohl Wir Uns zu erinnern wissen, was Wir der Kleidung halber +in der Polizei-Ordnung haben ausgehen lassen, so vermerken Wir doch, daß +der gedachten Jungfrauen Vater einer von Adel und fürstl. Rat gewesen, +auch die Damasten, davon der Rock gemacht, fürstliches Geschenk und die +Röcke _vor_ obenerwähnt ausgegangener Ordnung gemacht. Derwegen Wir denn +geschehen lassen, daß sie solche Röcke zu Ehren tragen möge. Und +begehren demnach, Ihr wollet ihr solches verstatten und sie mit +geforderter Strafe verschonen, Euch auch sonst gegen sie dermaßen +verhalten und erzeigen, daß sie sich keiner Beschwerung zu beklagen hab. +Daran geschieht Unsere gänzlich zuverlässige Meinung. Datum Dresden, 30. +Jan. Anno LII“[654]. + +Dieses adelige Fräulein wurde also die Schwiegertochter Frau Katharinas +und diese wird an dem entschlossenen Wesen ihrer künftigen Sohnsfrau ihr +Gefallen gehabt haben. Aber die Freude der Hochzeit erlebte Frau +Katharina nicht mehr. + +Drei Monate lang dauerte das Siechtum der Kranken. Mit christlicher +Geduld ertrug sie die Leiden und die Sorge für die Kinder. „In der +ganzen Zeit ihrer Krankheit tröstete sie sich selbst und hielt sich +aufrecht mit Gottes Wort. In heißen Gebeten erflehte sie sich ein +friedliches Hinscheiden aus diesem mühseligen Leben. Oftmals auch befahl +sie Gott die Kirche und ihre Kinder und betete, daß die Reinheit der +Lehre, welche Gott durch ihres Gatten Werk dieser Zeit wiedergebracht, +unverfälscht den Nachkommen überliefert werden könne.“ Sie selbst aber +wollte „an Christus kleben, wie die Klette am Kleid“, ein Wort, das ihr +nachher fromme Sänger im Liede nachsprachen[655]. + +Am 20. Dezember 1552 hauchte sie ihre Seele aus. + +Der Vice-Rektor der Universität, Paul Eber, gab dies den Studenten durch +ein von Melanchthon verfaßtes lateinisches „Leichenprogramm“ kund, worin +ihr Leben und Leiden kurz geschildert war. Namentlich die Erinnerung an +die sechs letzten Leidensjahre schwebten dem treuen Freunde des Hauses +vor Augen und fast scheint es auch, das Unrecht, das sie von Kanzler +Brück u.a. erlitten. „Mit ihren verwaisten Kindern mußte die als Witwe +schon schwer Belastete unter den größten Gefahren umherirren wie eine +Geächtete; großen Undank hat sie von vielen erfahren, und von denen sie +wegen der ungeheuren Verdienste ihres Mannes um die Kirche Wohlthaten +hoffen durfte, ist sie oft schmählich getäuscht worden.“ Statt des +derben deutschen Spruches, mit welchem Luther in seinem Hausbuch seinen +Befürchtungen über die Behandlung seiner Witwe Luft gemacht hatte: „Die +Leute sind grob; die Welt ist undankbar“, wählte der gelehrte Freund für +das Leichenprogramm als Motto einen griechischen Spruch des Euripides +(Orist. 1-3), der allerdings auf die schwere Leidenszeit der Witwe +Luthers paßt: „Es giebt kein Unheil, kein Geschick, kein Leid, das Gott +verhängt und das die Sprache nennt, nichts Schreckliches, das nicht der +Mensch erlebet.“ + +Dieser Erfahrung des heidnischen Dichters gegenüber weist das „Programm“ +auf den Trost und die Hoffnung des Christentums, dessen sich auch die +Selige getröstet habe bei der herben Wunde durch den Tod ihres +Ehegemahls, ihrer Flucht mit den verwaisten Kindern in der Kriegszeit, +den manchfachen Trübsalen des Witwenstandes und dem Undank vieler Leute +gegen die Witwe des ehrwürdigen und heiligen Mannes D. Luther. Die +Universität lade nun alle ihre Hörer zum Leichenbegängnis ein, „um der +verehrten Frau die letzte Pflicht zu erweisen und so zu bezeugen, daß +sie die Frömmigkeit der Witwe, welche so herrlich an ihr leuchtete, ihr +ganzes Leben lang hochhielten; daß sie der Waisen tiefe Trauer zu Herzen +nähmen; und daß sie nicht vergäßen die Verdienste ihres Vaters, die so +groß sind, daß sie keine Rede genug preisen kann; daß sie endlich +zusammen Gott im Gebete anflehen, das Licht des Evangeliums rein zu +halten und seine Lehrer und Verkündiger zu schützen und zu regieren, die +Staaten zu behüten und den Kirchen und Schulen geziemende +Zufluchtsstätten zu gewähren“[656]. + +Am folgenden Tag, nachmittags drei Uhr, war der Leichenzug der „edlen +Gemahlin des heiligen Mannes D. Luther“. Von ihrer Gastwohnung die +Schloßgasse hinab an der neuerbauten großartigen kurfürstlichen Residenz +Hartenfels vorbei bewegte sich der gewaltige Zug von Bürgern, +Professoren und Studenten durch die Wintergrüne nach der Stadtkirche +St. Marien. Hier unter dem Knabenchor mit seiner schönen Inschrift: +„Laudate dominum pueri!“ wurde die müde Pilgerin unter den üblichen +Feierlichkeiten bestattet und die Knaben werden ihr auch von droben ein +Abschiedslied gesungen haben[657]. + +Am Grabe der Mutter trauerten ihre Tochter und drei Söhne. + +_Hans_ war herzoglich sächsischer Kanzleirat; er heiratete im folgenden +Jahre Elisabeth, die Tochter des Professors und Propstes an der +Schloßkirche in Wittenberg D. Kreuziger, den sich sein Vater selbst zum +Nachfolger erkoren hatte, der aber schon bald nach dem großen Doktor +gestorben war. Später kam Hans Luther zu seinem alten Gönner, dem Herzog +Albrecht von Preußen, in Dienst und starb nicht lange nach diesem 1575. + +_Martin_, von dem sein Vater gefürchtet hatte, er werde einmal ein +Jurist, studierte Theologie; er mußte aber anhaltender Kränklichkeit +wegen als Privatgelehrter leben und starb jung im vierunddreißigsten +Jahr, nachdem er mit Bürgermeister Heilingers Tochter in Wittenberg +einige Zeit in kinderloser Ehe gelebt hatte. + +_Paul_, der jüngste, wurde ein angesehener Arzt, Dr. und Professor zu +Jena und herzoglicher Leibarzt, dann Rat und Leibarzt des +brandenburgischen und später des sächsischen Kurfürsten. Er vermählte +sich bald nach der Mutter Tod mit seiner Verlobten Jungfrau Anna von +Warbeck, und Nachkommen von ihm in weiblicher Linie leben noch heute. + +_Margarete_ vermählte sich 1555 „im Beisein vieler Grafen und Herren“ +mit Georg von Kunheim, Erbherrn auf Knauten bei Königsberg, der in +Wittenberg studiert und vielleicht bei Frau Katharina gewohnt und +gespeist hatte. Sie lebte mit ihrem Gemahl, dem herzoglich preußischen +Landrichter zu Tapiau, in glücklichster Ehe und starb als Mutter von +neun Kindern im Jahre 1570[646]. + +Von dem zahlreichen Geschlecht Luthers und der Ahnmutter Katharina sind +heutzutage noch wenige Nachkommen übrig. Vom Kloster Nimbschen, wo +Jungfrau Katharina 15 Jahre lebte, stehen jetzt nur noch drei +altersgraue Mauern, von wilden Reben umrankt. Ueber Zulsdorf geht seit +1801 der Pflug und nur ein Denkmal bezeichnet die Stätte, wo sie so +gern gewaltet hat. Ihre Gärten in Wittenberg, in denen sie arbeitete und +erntete, sind zum Teil mit neuen Häuserreihen überbaut. Nur das +Klosterhaus steht noch, wo sie zwanzig Jahre mit dem großen Doktor +gehaust, wenn auch nur die Wohnstube einigermaßen im alten Zustand ist. + +In der Stadtkirche zu Torgau aber wurde Frau Katharinen — wohl von ihren +Kindern — ein Grabdenkmal errichtet in grauem Sandstein, allerdings kein +sonderliches Kunstwerk, nach dem Modell des Gipsreliefs, das von einem +realistischen Künstler verfertigt in Zulsdorf hing und heute noch in der +Kirche zu Kieritzsch zu sehen ist. Auf ihrem Grabmal ist Frau Katharina +in halberhabener Arbeit ausgehauen als Matrone im langen Mantel und +weißen Kopftuch. Mit heiterem Angesicht schaut sie vor sich hin, wie +eine Mutter am Sonntag auf ein wohl verbrachtes Tagewerk; in den Händen +hält sie ein offenes Buch zum Zeichen ihrer Frömmigkeit und ihres Eifers +im Bibellesen; also als andächtige Maria ist die fleißige Martha +dargestellt. Ihr zu Häupten sind die Wappen von Luther und von Bora. Um +den Rand steht die Inschrift: „Anno 1552 den 20. December Ist in Gott +Selig entscha | ffen alhier in Torgau Herrn | D. Martini Luthers seligen +Hinderlassene wittbe Katharina | von Borau.“[658] + +Ein künstlerisches Idealbild neben den mancherlei realistischen +Konterfeien Katharinas hat Meister Lukas Kranach geschaffen auf dem +Altarblatt in Wittenberg. Da sitzt Frau Katharina als andächtige +Zuhörerin ihres predigenden Gatten mit ihrem Kindlein in vorderster +Reihe vor der Gemeinde — also ebenfalls als sinnige Maria. + +Ein dichterisches Denkmal hat der Hausfrau Luthers beim ersten +Reformations-Jubiläum 1617 der gekrönte Dichter Balthasar Mencius, Poëta +Laureatus, gewidmet, in schlichten, treuherzigen Knittelversen[659]: + + Cathrin von Bora bin ich gnant + geboren in dem Meissner Landt + aus einem alten Edlen Stamm + wie solchs mein Anherrn zeigen an + die Gott und dem Römischen Reich + mit Ehr und Ruhm gedienet gleich. + Als ich erwuchs, zu Jahren kam, + der Tugendt mich thät nehmen an + und jedermann bethöret war + vom Pabst und seiner Münche Lahr, + und hoch erhaben der Nonnen-Stand, + ward ich ins Kloster Nimetzsch gesand; + mein Ehr und Amt hatt ich in acht + rief zu Gott, bethet Tag und Nacht + für die Wohlfarth der Christenheit. + Gott mich erhört und auch erfreut; + Doctor Luther den kühnen Held + mir zu einm Ehmann außerwehlt, + dem ich im keuschen Ehstandt mein + gebahr drei Söhn und Töchterlein. + Im Witwenstand lebt sieben Jahr + nachdem mein Herr gestorben war. + Zu Torgau in der schönen Stadt + man meinen Leib begraben hat; + biß Gottes Posaun thut ergehn + und alle Menschen heißt aufstehn; + alsdann will ich mit meinem Herrn + Gott ewig lobn, rühmen, ehrn + und mit der Außerwählten Schaar + in Freuden leben immerdar. + +Weniger freundliche Denkmäler haben der Gattin Luthers katholische +Schriftsteller gesetzt, welche die Ehe des Mönches und der Nonne als ein +Sakrileg und Skandal auffaßten und in ihrer Weise ausbeuteten, wie +Luther selbst schon vor seinem Tode vorausgesehen und in seinem +Testament vorausgesagt hatte. Von protestantischer Seite sind fast nur +Verteidigungsschriften wider diese Verleumdungen ergangen, oder auch +gelehrte Stoffsammlungen und kleine Volksschriften[646]. + +Und doch lebt Katharina im Andenken des deutschen evangelischen Volkes +in deutlicher und freundlicher Erinnerung als die Gattin des gewaltigen +Doktors und deutsche Pfarrfrau, welche mit ihrem Manne das +gemütansprechende Vorbild eines evangelischen Pfarrhauses geschaffen +hat. + +Und mit Recht. Sie war eine tüchtige und brave Frau, wie man's zu ihrer +Zeit ausdrückte: ein „frommes Weib“, eine echte deutsche Hausfrau. Sie +hatte den Mut, Martinus Luther, „den kühnen Held“, zu ihrem Ehegemahl zu +erwählen, sie hat es gewagt, mit dem Geistesgewaltigen, dem +kaiserbürtigen Regenten der Kirche[646] zu leben, ihm zu genügen, ihn zu +befriedigen. Und sie hat geleistet, was sie unternommen. Der große +Doktor hat sie geachtet, hat sie geliebt und gelobt. „Das aber ist das +wahre Lob, gelobt zu werden von gelobten Männern.“ + +[Illustration: Katharinas Handschrift und Siegel.][660] + + + + +Belege und Bemerkungen + + +Abkürzungen + + +_Anton_, D.M.L. Zeitverkürzungen. L. 1804. + +_W. Beste_, Die Geschichte Katharinas von Bora, nach den Quellen bearb. +Halle 1843. + +_Br. s.u._ + +_G. Buchwald_, Zur Wittenb. Stadt- u. Univers.-Gesch. L. 1893. + +_C.A.H. Burkhardt_, Dr. M.L. Briefwechsel. L. 1866. + +Consilia Theol. Witteb. Fr. 1664. + +_Cordatus_, Tagebuch über Luther. 1553. Von H. Wrampelmeyer, Halle 1883. + +_C.R._ = Corpus Reformatorum. Bretschneider, Halle 1834 ff. + +_Grulich_, Denkwürdigkeiten von Torgau. 2. Aufl. Torgau 1855. + +_A. Hausrath_, Kleine Schriften religionsgesch. Inhalts. Leipz. 1883. S. +237-298. + +_M.Fr.G. Hofmann_, Kath. v. Bora oder Dr. M. Luther als Gatte u. Vater. +Leipz. 1845. + +_Juncker_, Ehrengedächtnis Lutheri. Frankf. 1706. + +_Kaweran_, Briefwechsel v. J. Jonas. 2 Bde. + +_Kolde_, Analecta Lutherana. Gotha 1883. + +_Köstlin_, M. Luther. 2 Bde. 2. Aufl. Elberfeld 1883. + +_M.A. Lauterbachs_ Tagebuch. 1538. Von I.K. Seidemann, Dresden 1862. + +_Lingke_, D.M.L. Reisegeschichte. L. 1769. + +_G. Lösche_, Analecta Lutherana et Melanth. Gotha 1892. + +_L.W._ = _Walch_, Luthers Deutsche Werke, Halle 1739-50. + +_Mayeri_, Vita Catharinae Boriae. Hamburg 1698. Deutsch: Unsterbl. +Ehrengedächtnis Frauen Katharinen Lutherin. Frankf. u. L. 1724. + +_Mathesius_, Predigten über Dr. M.L. Nürnberg 1576. + +_Ratzebergers_ Handschr. Gesch. über L.u.s. Zeit von Chr. G. Neudecker. +1850. + +_Richter_, Geneal. Lutherorum. Berlin u. L. 1723. + +_J. Schlaginhaufen_, Tischreden L. 1531/2. Von W. Preger, L. 1888. + +_Seckendorf_, De Lurtheranismo Comment. Leipz. 1692. + +_Seidemann_, Luthers _Grundbesitz_, in Zeitschr. für histor. Theol. +1866. + +_Seidemann_, _Erläuterungen_ zur Ref.-Gesch. Dr. 1844. + +_Seidemann_, Beiträge zur Ref.-Gesch. Dr. 1846-48. + +_Stier_, Denkwürdigkeiten Wittenbergs. Dessau u. L. + +T.-R. = _Förstemann-Bindseil_, D.M.L. Tischreden. 4 Bde. Berlin 1844-48. + +Urkb. = Urkundenbuch von Grimma und Nimbschen. Herausgegeben von L. +Schmidt in Cod. dipl. Sax. reg. II. 15. Bd. L. 1898. + +W. = _Walch_, Wahrh. Gesch. der sel. Frau Katharina v.B. Halle 1752. + +NB. _Ohne Namen u. Titel_ oder mit _Br._ citiert sind _De Wette_ und +_Seidemann_, Dr. M. Luthers Briefe. 6 Bde. 1825-56. + + * * * * * + + + + +1. Katharinas Herkunft und Familie. + +[1] Die Herkunft und Heimat Katharinas ist noch lange streitig und wird +sich nicht so leicht feststellen lassen, selbst wenn neue Urkunden +aufgefunden werden; hauptsächlich ist die weite Verzweigung der Familie +und die Unsicherheit der Elternnamen Katharinas daran schuld. Der +Stammbaum Katharinas von Bora ist am eingehendsten verfolgt worden von +dem jetzt verstorbenen _Georg von Hirschfeld_: „Beziehungen Luthers und +seiner Gemahlin zur Familie Hirschfeld“ in Beiträge zur Sächs. K.-Gesch. +II, 86-141 (bezw. 309). Dies geschah auf Grund einer älteren Chronik +(vgl. Hofmann 63) von Philipp von Hirschfeld († 1748). Sodann von _Ernst +Wezel_ († 1898) zuerst in der „Wissensch. Beilage der Leipz. Leitung“ +1883 Nr. 71, dann in der Festschrift zur 100jährigen Jubelfeier des K. +Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums in Berlin. „Das Adelsgeschlecht derer von +Bora“, A.W. Hagens Erben 1897, mit Auszügen aus zahlreichen Urkunden +(vgl. Br. VI, 647 f. 705), eine Schrift, welche noch vervollständigt +herausgegeben werden soll. + +Nach G. von Hirschfelds Stammbaum wäre Katharina von Bora eine Tochter +des Hans von (Bora zu) Hirschfeld-A. (vgl. Br. VI, 648, 28) und der Anna +von Haugwitz: Hans veräußerte aber (zwischen 1525-30) Hirschfeld-A. an +Hans von Mergenthal und Reinsberg, zog nach Löben, übergab dies seinem +Erstgebornen und zog dann nach Moderwitz, welches der Familie Hayr +gehörte. — + +Diese Aufstellung ist nicht mehr kontrollierbar, denn das Hirschfeldsche +Archiv ist verschwunden. Und dazu beruht dies Ergebnis noch auf den +Annahmen: 1. daß es zwei Güter Hirschfeld gegeben habe (S. 119); 2. daß +eine Linie Bora sich Mergenthal genannt und ihr Wappen (vom roten Löwen +in eine Lilie) verändert habe (97); 3. daß Phil. v.H. verschiedene +Personen (z.B. zwei Katharinen) verwechselte (116). (Eine lutherisch +gesinnte Katharina von Mergenthal war im Kloster zu Freiberg; sie war +einmal zu Besuch bei ihrem Bruder in Hirschfeld bei Bora. N. Archiv f. +Sächs. Gesch. IV, 298. Sie entwich anfangs Juni 1529 aus dem Kloster und +kam zu Luther. A.a.O. 318. Br. III, 469. Die Verwechslung dieser +Katharina von Mergenthal aus Hirschfeld bei Deutschen-Bora findet sich +schon Sächs. Kirchen-Gal. I, 110. Seidemann, Erl. zur Ref.-Gesch. +Dresden 1844. S. 110, 120, 122, 469); 4. daß Irrtümer in dem sächs. +Teilungsvertrag von 1485 vorkamen; 5. daß die wunderliche und nicht mehr +auffindbare Notiz, wonach Luther „seinem Schwähervater, dem edeln und +festen Herrn Hans von Bora zu Moderwitz ein Büchlein (Joel) oder gar +eine Bibel verehret“ (Br. VI. 684), richtig sei. + +Gegen diese Aufstellung sprechen aber außer den künstlichen Umstellungen +der Umstand, daß Katharinas Eltern bei ihrer Flucht aus dem Kloster und +bei ihrer Verheiratung höchst wahrscheinlich nicht mehr lebten. Ferner +sollte man meinen, daß die Luthersche Familie mit dem Staatsmann +Bernhard von Hirschfeld (1490-1551; Br. II, 55, 245, 448; C.R. IV, 349) +in vertrauterem Verkehr gestanden haben müßte, wenn sie mit ihm so nahe +verwandt gewesen wäre. Das war aber gerade nach 1525 nicht der Fall. + +Für _Lippendorf_ als Geburtsstätte von Katharina spricht folgendes: 1. +Zu Lippendorf verschreibt ums Jahr 1482 Hans von Bore seiner Ehefrau +Katharina als Leibgeding das Dorf Sale; ebenso 1505 Jan von Bore alle +seine Güter zu Lippendorf seiner Hausfrau Margarete (E. Wezel, Wiss. +Beil. der Leipz. Z. 1883, Nr. 71, S. 422 f.). Solche Verschreibungen +wurden nicht etwa (wie G. v. Hirschfeld meint) auf dem Todbette, sondern +gerade am Vermählungstag gemacht (wie auch die in beiden Urkunden +vorkommende Formel beweist: „nach ihres ehelichen Mannes Tode, ob sie +den erlebet, u. nicht eher“). Es wäre nun sehr erklärlich, daß Katharina +wegen und bei der Schließung der zweiten Ehe ihres Vaters ins Kloster +gebracht wurde. 2. Wegen dem eine halbe Stunde davon gelegenen „Gütlein“ +Zulsdorf hat Katharinas Bruder Hans sich aus Preußen hier einfinden und +„lange heraußen aufhalten, auch müssen selbes beziehen u. sich +verehelichen, bis er's an sich bracht“ und hat das „aus Not, (um) sein +u. seiner Brüder Gütlein zu bekräftigen, müssen thun u. für sein +Kindlein das Gütlein u. armes Erbdächlein beschicken“. (Br. V, 106, f.) +3. Als Bruder Hans Zulsdorf nicht mehr halten konnte (1540), so kaufte +es seine Schwester, obwohl es wenig einträglich und zwei Tagereisen weit +von Wittenberg entfernt lag, und hat sich mit Vorliebe hier aufgehalten. +(S.S. 84 f.) + +Allerdings gehörte wenigstens seit 1504 Zulsdorf zu Kieritzsch und nicht +zu Lippendorf und wurde 1515 von Denen zu Kieritzsch an einen Jan von +Lenau verkauft (Br. VI, 705; Lpz. Z. 1883 Nr. 70 S. 413); aber um 1525 +heiratete eine Marie von Bora zu Zulsdorf einen Siegm. Wolf von Niemeck +zu Wittenberg (Schumann, Lexikon von Sachsen XIII, S. 671), und nach +Katharinas Tod (1553) brachte ein Christoph von Niemeck, also wohl ein +Sohn des vorigen, das Gut Zulsdorf wieder an sich. (Lexikon von Sachsen +XIII, S. 671; vgl. Seidemann, Grundbes. S. 529; über die Niemeck vgl. +Wittenb. Urbar V.H., Schmalbecker Hufen). _Also scheint Zulsdorf in der +That ein „Erbdächlein“ Derer von Bora gewesen zu sein._ (Die +Wittenberger Familie Zulsdorfer, die Stifter der „Zulsdorfer Kapelle“, +stammt aus Zulsdorf bei Lochau. Vgl. Wittenb. Urbar III, 296 c. XI; 299 +c. XII.) + +Im Amte Weißenfels, wozu Lippendorf und Zulsdorf gehörten, gab es um +1510 noch Bora; da wurde ein Siegmund von Bora in einer Streitsache vor +Amt geladen (Staatsarchiv zu Dresden), und zwar, wie es scheint, der +Bruder einer verehelichten „Haugwitz“. + +Gegen die Abstammung Katharinas von Hans oder Jan zu Lippendorf kann man +geltend machen: 1. Die erste Gemahlin hieß Katharina und war vielleicht +eine geborne von Miltitz, die zweite, Margarete, eine geborne von Ende, +wenn nämlich der erste in den Urkunden genannte Zeuge oder Vormund, wie +gewöhnlich, der Bruder der Frau ist. Dagegen soll Katharina von Boras +Mutter eine geborene Haubitz gewesen sein. Wenigstens berichten die +(freilich erst 1664 veröffentlichten) Consilia Theolog. Wittenb. IV p. +17 (ebenso Keil histor. Nachr. 15 und Luthers merkw. Lebensweise IV 320) +daß Katharinas Mutter eine von Haubitz gewesen. Haubitz heißt ein +Vorwerk östlich von Grimma, also bei Nimbschen (Urkundenb. 409), ein +anderes liegt eine Stunde von Lippendorf (Wezel 423). _Seckendorf_ (III +92), dessen Schwester 1580 einen Georg von Haubitz heiratete (Engelhard +Lucifer Wittemb. I 13, meint, er sei dadurch ein Verwandter der +Katharina v. B. geworden) und nach ihm _Mayer_ p. 4 nennt sie eine +_Haugwitz_, darum sagt Richter 295 (vgl. 675): „von Haubitz _oder_ +Haugwitz“. (Walch 12, 5 und nach ihm Hofmann 62 irren, wenn sie +berichten, in den Consil. W. stehe Haugwitz.) Uebrigens ist Siegmund von +Bora 1510 Vormund für eine von Haugwitz, welche also seine Schwester +gewesen sein wird (Dresdner Landesarchiv s.o.) Freilich die beiden Namen +werden oft verwechselt bzw. gleichgesetzt, z.B. im Kloster Nimbschen +(Urkundenbuch 322, 326, 328, 331, 332 vgl. 409 unter „Haubitz“). Diese +Verwechslung beruht auf der mundartlichen Aussprache, indem das b in +Haubitz wie w und das g in Haugwitz sehr weich gesprochen wurde, so daß +es verschwand. Die späteren Biographen behalten Haugwitz bei und +behaupten (freilich ohne Quellenangabe), der Vorname von Katharinas +Mutter sei _Anna_ gewesen. Soll das ein Mißverständnis aus Una de +Haugwitz sein? (Wezel 423) oder eine Verwechslung mit Anna von Haubitz +aus Flößberg (bei Grimma), welche gleichzeitig mit Katharina im Kloster +Nimbschen war und kurz nach ihr daraus entfloh? Ob die Mutter +Katharinas aber wirklich eine geborene von Haugwitz war? Dagegen +spricht, daß ein Kanonikus Christoph von Haugwitz 1536 eine Schrift mit +einer Vorrede Bugenhagens veröffentlichte, worin keine Rede ist von der +Verwandtschaft Katharinas mit der Familie Haugwitz. (_Seckendorf_ ad +Indicem I histor. XXXIII, Wezel 423). Gegen _Haubitz_, wenn Katharinas +Mutter aus dem Geschlechte der Nimbscher Nonnen war, spricht der +Umstand, daß der Vater Annas v. H. ein _kursächsischer_ Unterthan war +(Hirschfeld 97 f.), weshalb sie auch zu Pfingsten 1523 aus Nimbschen +austreten und zu ihrer Familie heimkehren konnte. Dagegen die drei +Linien Haugwitz waren herzogliche Vasallen (A. Fr. _Glasey_, Kern der +hohen kur- und fürstl. H. zu Sachsen, 4. Aufl. Nürnberg 1753, S. 795. +Hirschfeld 127). — Doch war unter den kursächsischen Visitatoren von +Thüringen auch ein Erasmus von Haugwitz (Seckendorf II S. 101). Der +Bruder der Nimbscher Abtissin Margarethe von Haubitz, Asmus, war 1526-35 +Vorsteher des evangelisch gewordenen Klosters Nimbschen (Großmann, +Visitationsakten der Diöces Grimma L. 1873, S. 78). Oder sind beide +(Asmus = Erasmus) dieselbe Person? + +2. Ferner spricht gegen Lippendorf, daß Jan von Bora 1505 alle seine +Güter zu Lippendorf seiner Hausfrauen zu einem Leibgeding bekennt. — +Lippendorf als damaliger Sitz dieser Linie wäre doch naturgemäß nicht +als Leibgeding an die Ehefrau, sondern als Erblehen an die Kinder +übergegangen (dieser Grund bestimmt G. v. Hirschfeld S. 110 f., gegen +Lippendorf als Geburtsort Katharinas zu stimmen, und ihm folgt jetzt +1897 aus demselben Grunde auch Wezel, nachdem er 1883 Leipz. 8. Wiss. +Beil. 71 dafür gewesen war). Indes war auch Sale ein „Sitz“ und wurde +dennoch von Hans von Bora zu Lippendorf an seine Ehefrau Katharina +verleibgedingt. Es kann ja ganz gut außer Lippendorf noch ein weiterer +„Sitz“ für den Aeltesten vorhanden gewesen sein. Aeltere Männer pflegen +in zweiter Ehe die Frauen zu Ungunsten der Kinder zu bevorzugen. Dies +ist doppelt begreiflich in diesem Falle, wo aus erster Ehe, wie es +scheint, nur ein Mädchen, Katharina, vorhanden war, höchstens noch ein +Bruder, der mit einem geringen Gütchen abgefunden wurde (s.u. zu S. 4). + +Schon Seidemann meint, L. scheine K.s Geburtsort zu sein (Br. VI, 647) +und neuerdings (1899) hat ein aus Medewitzsch gebürtiger Lehrer Dr. +Krebs in Lippendorf am Hofgut als der Geburtsstätte Katharinas eine +Tafel anbringen lassen. + +Lippendorf gehörte zum Amte Weißenfels und dieses mit seinen +Zugehörungen nach dem Teilungsvertrag 1485 zum Herzogtum Sachsen (A. Fr. +_Glasen_, Kern der Gesch. der hohen kur- u. fürstl. H. zu Sachsen. 4. +Aufl. Nürnberg, 1753, S. 792.) + +[2] Vielleicht wirkte auch die stärkere Mischung mit slavischem Blut bei +den Meißnern auf diese Mißachtung. + +[3] Katharinas Leichenprogramm C.R. VII. 1155. Nata ex nobili familia +equestris ardinis in Misnia. + +[4] Br. V. 792. + +[5] 1733 bei _M.D. Richter_, Geneal Lutherorum, S. 750, „Alt- und +Neu-Boren, Wendisch- und Deutschen-Boren“. Nossen liegt genau in der +Mitte des heutigen K.-R. Sachen. + +[6] _Grimm_, D. Mythologie, Göttingen 1835. S. 478. „Bor“ eigentlich +Föhre, vgl. Fohre. — Der Name Bora wird sehr verschieden geschrieben: +Bhor, Bohra, Bhora, Bor(a)ra, Bor, Bora, Borau, Boren, Born, Borna, +Borna, Pora, lat. Boria, Bornia, Borana, Borenia, Borensis, griech. ἡ +Βορεἰα. So steht sogar in ein und derselben Urkunde (27. Nov. 1534, +Dresden, Copialb 82, Wiss. Beil. zur Leipz. Z. 70, S. 413 u. 414) oben +„Hansen vonn Bora“ und unten „dem von Borau“. Auch auf dem Grabstein +Katharinas in Torgau stand früher unten Borau, aber das Wort war schon +vor 100 Jahren ganz von Salpeter zerfressen und ist jetzt gänzlich +verschwunden. _Keil_, hist. Nachr. v. Geschl. L., S. 6.9. So wechselt +auch durch die mundartliche Aussprache Torga und Torgau, sogar in +derselben Urkunde, drei Zeilen von einander. _Kolde_, An. L. 200. + +[7] _Beste_, 9. — Das Wappen ist auch auf K.'s Grabstein ausgehauen. Die +Farben dazu wurden bei einer Renovation i.J. 1617 aus Eilenburg von +einer an den dortigen Pfarrer Böhm verheirateten Enkelin Luthers geholt. +Torgau. Kämmerei-Rechnung. + +[8] Schon Hofmann 63 f. weist eine Anzahl Bora-Stätten ab. Ebenso G. v. +Kirchfeld. a.a.o. S. 87-110, 113, 116-118. Aus _Dohna_ stammt K. nicht, +denn das dortige Bora-Haus am Markt kam erst 1573 in die Hände des +Großneffen Katharinas: Clemens. Aus _Moderwitz_ (s.o. S. 267) bei +Neustadt an der Orla nicht, denn das dortige Gut war kursächsisch und +gehörte der Familie Hayn, _Motterwitz_ bei Leisnig aber denen von +Bressen und das andere Motterwitz dem Geschlecht Staupitz, aus dem +Luthers geistlicher Vater stammt. (Schmidt, Urkundenbuch S. 312: Günther +von Staupitz auf Motterwitz, 1501.) Aus _Schlesien_ stammt Katharina +auch nicht, woher einmal ein alter Edelmann (Bernhard) von Bora, +wahrscheinlich der Hauptmann von Oels, zu Luther nach Wittenberg kam und +sich bei ihm über den Schwärmer Schwenkfeld Rats erholte. Denn dies +schlesische Geschlecht heißt eigentlich Borau-Kessel und hat ein ganz +anderes Wappen: im silbernen Feld nebeneinander drei rote Rosen und +gelbe Butten. Br. VI, 647. Noch weniger stammt K. aus _Ungarn_, wie auch +einmal behauptet wurde (Hofmann 64). Diese Meinung rührt wohl daher, daß +der ehemalige Wittenberger Bürgermeister Christoph von Niemeck, dessen +Mutter wohl eine Maria von Bora aus Zulsdorf war (s.o. S. 270 f.) in +Ungarn Fundgrüberei trieb und dort (1564?) starb. (Seidemann, Ztschr. f. +hist. Th. 1860, S. 529.) — Aus _Simselwitz_ bei Döbeln kann K. auch +nicht herstammen, weil die dortige Bora-Linie schon 1490, d.h. vor ihrer +Geburt ausstarb (G. v. Hirschfeld a.a.o.). + +Bisher hatte die Ueberlieferung sehr allgemein und zu verächtlich +behauptet. Katharina von Bora sei in Steinlausig an der Mulde (setzt +„Muldenstein“), ein paar Stunden nördlich von Bitterfeld auf die Welt +gekommen, weil 1525 nach dem Tode Friedrichs des Weisen ein dort +begüterter Ritter, Hans von Bora, nach Wittenberg gekommen ist und dem +neuen Kurfürsten Johann Erbhuldigung gethan und dort eine Luther-Linde +steht(!). Ja, es wurde sogar erzählt, daß Katharina in das dortige +Kloster eingetreten sei. Diese Ansicht wurde festgehalten auf Grund der +Nachricht von Mayer (S. 7): „welches wir in der Weimarischen Bibel +(1641!) aufgezeichnet gefunden“, wo es heißt. „Geborene auß dem +Adelichen Geschlechte derer von Bora, so in der Chur oder (!) +Herzogthumb Sachsen zu Stein-Lausig (!) seßhaft gewest, wie auß der +Ritterschaft im Chur-Kreiß Erbhuldung zu Wittenberg (!) 1525 zu +vernehmen.“ Aber um 1500 war Stein-Lausig („Lussigk“, eine wüste Mark), +wie die ganze Gegend _kur_fürstlich, und dieser Hans von Bora +_kur_fürstlicher Vasall (daher er eben dem _Kur_fürsten huldigt) — +während doch Katharina aus Meißen stammte und Unterthanin des Herzogs +Georg war. Dieser Hans v.B. auf Steinlausig starb auch ohne Söhne, so +daß sein Leben an Luthers Gevatter, Hans von Taubenheim, kam. +Steinlausig endlich war ein _Männerkloster_! (Emil Obst, „Muldenstein +und Steinlausig“, Bitterfeld, Selbstverlag, 1895, S. 30-35). Vgl. Wezel, +S. 421. — Bemerkenswert ist, daß um 1520 in Nimbschen eine Katharina von +Lausigk Bursarin war (Urkundenb. 166). Vielleicht suchte man Katharinas +Geburtsort auch darum in Stein-Lausig, weil die Gemahlin von Katharinas +Bruder Hans, Apollonia geb. von Marschall, verwitwete Seidewitz, aus +Jeßnitz stammte. So hießen fünf Orte, darunter der bedeutendste: die +Stadt Jeßnitz, nicht weit nördlich von Steinlausig. Thatsächlich ist +aber das Dorf Jeßnitz bei Döbeln ihre Heimat. Br. VI. 705. + +[9] _Zulsdorf_. (Zülsdorf, Zöllsdorf, Zölldorf, Zeilsdorf u.s.w.) „das +wüste Dorf oder die Wüstung Czollsstorff“ (a. 1105: Zulänestorff), +burggräflich-leisnigsches Lehen, gehörte zur Pfarrei Kieritzsch. +_Nixdorf_: „Holzmark zw. Z. u. Kieritzsch“. Archiv f. Sächs. Gesch. +1864, S. 209. 97. Vgl. Br. VI, 705. Wezel 413. +[Transkriptions-Anmerkung: Die genaue Position des Verweises im Text +nicht markiert.] + +[10] Beste 12. + +[11] Br. VI, 649 f. V, 492. _Walch_, K.v.B. 23. 65. k. + +[12] IV, 291. V, 106. 201. 411. 516. _Burkh._ Br. 303. 401. 423. + +[13] _Seidemann_, Ztschr. f. histor. Th. 1860. S. 265-69. + +[14] Urkundenbuch 318 ff. Sie war 1509 die 14. unter 43 Klosterfrauen, +gehörte also schon unter die Seniorinnen. Muhme bedeutet freilich nicht +bloß Tante, sondern im allgemeinen soviel wie das süddeutsche Base +(sogar = Nichte); ebenso „Ohm“ = „Vetter“ (auch = Neffe). So nennt +Luther seine Nichte (Lene) „Muhme“ (T.R. IV, 54) und Katharina ihren +Neffen (Florian) „Ohm“. S.o.S. 239. + +[15] _Schumanns_ Lexikon von Sachsen. Bd. 13, S. 671. + +[16] Br. V, 64. + +[17] _Richter_. 674, nobilis sed tum fere ad incitas redacta prosapia. +Br. VI, 649 f. IV, 291. + +[18] _Lorenz_, Sachsengrün, 1861, 1, S. 82; Z.B. die 2 Schönfeld 3 Sch. +20 Gr., Ilse Kitschers 40 Gr., die 2 Zeschau je 4 fl. rh., Magd. v. +Staupitz 2 fl. Hirschfeld a.a.O. 127. + +[19] Wiss. Beil. zur Leipz. Z. 1899, S. 35a Erasmus Epist. ed. Cler. +Tom. III pag. 790 indotata (ohne Aussteuer). — Vgl. Luthers Rede und +Gebet bei seiner Krankheit 1527. L.W XIX, S. 160 ff. — Das sog. Bild +Katharinas von Bora, das sie angeblich im reichen Brautstaat mit dicken +silbernen und goldenen Ketten zeigt (bei Fr. G. Hofmann, Katharina v.B., +Leipzig 1845) stellt sie gar nicht vor, wie schon die gestickte Schrift +C A B an der Haube beweist, denn das heißt nicht etwa C. a Bora. +_Seidemann_, Beitr. I, 92. Vgl. übrigens das Siegel 266. + + +2. Im Kloster + +Hierher bes. „Urkundenbuch“. Ferner: „Sachsengrün“ Kulturhist. Ztschr. I +S. 82; Bräß, Wissensch. Beil. der Leipz. Zeitung 1899, Nr. 9. Vgl. A. +_Thoma_, Gesch. des Klosters Frauenalb, Freiburg 1899. + +[20] _Vierordt_, Gesch. der ev. Kirche im Großherz. Baden, Karlsruhe +1847, I. Bd. S. 30 ff. Frauenalb S. 18. Th. Murner, Schelmenzunft +(1512). „Kloster und Stifte sind überall gemeiner Edellüt Spital“. + +[21] Frauenalb S. 31: „Da alle Klausur und geistlichen Leute erdacht und +gemacht sind, daß sie unserm Herrn und Gott dienen und für Tote und +Lebende und alle Gebresthafte Bitten füllen“. + +[22] Vgl. „Wie Gott einer Klosterjungfrau ausgeholfen“, Walch, L.W. XIX +2095 ff. Diese Nonne Florentina von Oberweimar. „Da ich 24 Jahre alt +wurde, begann ich mein Gemüt und meine Geschicklichkeit zu fühlen und +erkennen“. + +[23] Monachum aut paterna devotio aut propria professio facit. Decret II +part. c. 3. C. XX qu. 1. Vgl. Köstlin I 592, Frauenalb 19. + +[24] Florentina a.a.O.: „Von meinen Eltern, welche geistlichen Stand +für gut und selig angesehen, durch Bitt und Anregung meiner Muhme, der +Domina (Aebtissin) zu Eisleben, wurde ich in das Jungfrauenkloster +daselbst gegeben.“ + +[25] Frauenalb 19. — Ave Grossin wurde in Nimbschen als Kind angenommen +— (Sachsengrün 81). Florentina, welche mit dem 6. Jahr ins Kloster kam, +erzählt. „Da ich 11 Jahre, bin ich durch Angeben der Domina (Aebtissin) +ohne alles Befragen (und wenn ich gleich wohl befragt, hätte ich keinen +Verstand gehabt) also unwissend eingesegnet“. + +[26] Br. II, 323. 319. + +[27] Br. II, 331 (lies invito dicatis). 324. + +[28] Urkundenbuch 319 ff. Die Nonnen pflegten nicht nach dem +Lebensalter, sondern nach dem Eintrittsjahr aufgezählt zu werden. +(Frauenalb 42 f.) + +[29] _Seckendorf I_, 274. _Engelhard_, Lucifer Wittenbergensis v.d. +Morgenstern v.W., d.i. vollständ. Lebenslauff der Cath. v.B., des +vermeynten Ehe-Weibs D.M.L. Landsperg, 1747. I, 27. + +[30] _Nimbschen_. Der Name lautet: Nimetzsch, Nimtsch(en), Nympschen, +Nimptschen. Bräß a.a.O. — „Gestiftet zur Ehre und zum Dienste Gottes und +seiner geheiligten jungfräulichen Mutter“. — Das Amt und Kloster fiel +bei der Teilung 1485 an das Kurfürstentum. Sachsengrün, I, 82. + +[31] Zu S. 8 ff. Vgl. Thoma, Frauenalb 77 ff. Zu S. 9-12 s. Urkundenbuch +319 ff. Bräß, 35a. + +[32] Urkundenbuch 337. Zum damaligen Geldwert: l Schock = 60 Groschen. +20 Gr. = 1 fl. 14 gute Schock = 40 fl. — Damals kostete 1 Huhn 1/2 Gr.; +1 Schock (60) Eier 1 Gr.; 1 Scheffel Weizen 7 Gr.; ein Scheffel Hafer 3 +Gr. Urkb. S. 376. + +[33] Amsdorfs Brief an Spalatin vom 11. April 1523. „Ordinis B. +Bernardi“. + +[34] Im Freiberger Kloster gingen durch das Fenster am Chor Sachen (bes. +Schriften) aus und ein. (Seidemann 128). — canes (statt canas?) vetulas. + +[35] cum pueris heißt es. Sollten die Knaben der Aebtissin (S. 11) +gemeint sein? + +[36] Ueber die Feierlichkeiten s. Frauenalb S. 23-25. + +[37] Urkundenbuch S. 166. Frauenalb 22. + +[38] Metze = Magda(lena). + +[39] Margarete hatte (1497) von ihrem Vater Hans v. Haubitz samt ihrer +Tante als Leibgeding 64 Groschen Geld, 9 Hühner, 30 Eier und ein +Hofichen Butter vom Vorwerk Haubitz verschrieben. (Urkb. zu 1497). + +[40] Als das Stift evangelisch geworden war. _Großmann_, Die +Visitations-Akten der Diöces Grimma I.H. Leipzig 1873, S. 181. + +[41] S. _Seidemann_, Kollektaneen auf der Dresdener Hofbibliothek II +unter „Bora“. Zu S. 13-15 Urkundenb. 319 f. + +[42] _Cordatus_ Nr. 954. + +[43] Urkb. 303: 1504 nahm das Kloster „zur Anhebung der hl. Reformation“ +Geld auf. 324: „Obgleich noch viel zur Reformation gehört.“ + +[44] Die ständige Eingangsformel eines Antwortschreibens lautet: Euern +Brief habe ich erhalten und verstanden. + +[45] In der Zeit, da das Kloster evangelisch geworden war, wurde den +Schreibverständigen unter den Klosterfrauen aufgegeben, die jungen +wenigstens, die es noch nicht konnten, schreiben zu lehren. _Dr. +Großmann a.a.O._ S. 80. + +[46] Sachsengrün, 81, Urkb. 319, 323. Altes Gesangbuch 290. + +[47] _Seidemann_, Kollekt. Pars II unter „Bora“. + +[48] Florentina bei Walch XIX 2095 ff. + +[49] Florentina. Walch a.a.O. + +[50] Bräß a.a.O. Anderwärts waren die Spenden bei der Einsegnung +tarifmäßig festgesetzt und sehr beträchtlich; z.B. im Kloster Hausdorf +erhielt der Propst allein 32 Gr. und 1 Fingerlin (Ring), die Priorin und +Kellnerin je einen Schleier, 15 Gr., 4 Stück Fleisch, 1-1/2 Stübchen +Bier und ein St. Wein, und alle Beamte und Bedienstete bis zum +Blasbalgtreter, Läuter und Fensterknecht, sowie jegliche Jungfer, ihren +ganzen oder halben Solidus. _Mitzschke_, N. Archiv für Sächs Gesch. XIX, +347. + +[51] T.-R. II 233. „Wider Willen geweiht“: Br. II 330, lies: invito +dic(a)tis „Hitzig“, T.-R. II, 233, vgl. Urkb. 324: „in Gottesliebe +hitzig“. + +[52] Frauenalb. 31. Urkb. 324. + +[53] T.-R. III 230, II 124. 235 sagt Luther: „Es war eine lautere +Stockmeisterei und Marter der Gewissen im Beten. Da war nur ein +Geplapper und Gewäsch von vielen Worten; kein Gebet, sondern nur ein +Werk des Gehorsams.“ + +[54] Daß Katharina, wie seltsamerweise die katholischen Schriftsteller +bis auf Evers hartnäckig behaupten (vgl. S. 262, Z. 27), Aebtissin +gewesen sei, wird schon durch die Thatsache widerlegt, daß Margarete von +Haubitz von 1509 bis zur Aufhebung des Klosters Vorsteherin war. + +[55] Von den Nonnenklöstern stammen die zahllosen Paramentstücke der +mittelalterlichen Gotteshäuser. So hatte die Wittenberger Stiftskirche +32 Teppiche, 18 Fahnen, 12 Samtdecken, 138 seidene Vorhänge und 221 +Meßgewänder! _G. Stier_, Denkwürdigkeiten Wittenbergs, S. 10. + +[56] Urkb. 316-319. + +[57] Ebenda. — Vgl. _Myconius_, Summarium der Ref.-Geschichte 4: +„Vielfeiern: Tag und Nacht singen, plärren, murmeln“. + +[58] Sachsengrün, I, S. 82. — Der Bischof von Merseburg (Adolf, Fürst +von Anhalt) kam am 28. April 1524 zur Visitation nach Grimma mit 40 +Pferden und sechs Geistlichen. _Förstemann_, Neues Urkundenbuch, Hamburg +1842, S. 97. + +[59] 1. Jan. 1291. 7. Okt. 1296; s. Urkb. 226. + +[60] 23. Aug. 1311. Urkb. S. 221. 337. + +[61] Weimarer Archiv, Rechnungen von 1517, 1519, 1530. _Seidemann_, +Kollekt. II. Vgl. _Grulich_, Denkw., S. 27. Urkb. 315. + +[62] Urkb. 322 ff. + +[63] Urkb. 334. Sachsengrün I, 82. Urkb. 303, 307. 313: Beschwerden über +die Mönche: „Alle Diener (Beamte), die vom Fürsten dahingesetzt, worüber +die Aebtissin und Sammlung hält, werden von den Mönchen verfolgt. Sie +wollen auch die neue Abtissin entsetzen wie die alte, aus Neid.“ + +[64] Urkb. 328. Der Vorsteher hieß Matthias Heuthlin. + +[65] Urkb. 329. 337 f. + +[66] Urkb. 344. „Mutter Kühnen wartet auf die kranken Jungfrauen.“ So +beklagten sich die Nonnen in Freiberg, daß ihnen keine Liebesdienste, +wie Krankenpflege und dgl. verstattet sei. Urkundenb. 325: Die Aebtissin +ermahnt die Nonnen, den Statuten nachzufolgen, „daß ihr also durch +dieselben geistlich lebet, auf daß ihr aufs letzte das Verdienst der +guten Werke („Uebungen“) und Vergeltung eurer Arbeit mit dem ewigen +Leben möget erlangen.“ + + +3. Die Flucht aus dem Kloster. + +[67] L.W. XIX, S. 1797-2155. + +[68] T.-R. II 124, S. oben S. 18, 2. [Transkriptions-Anmerkung: Die +genaue Position des Verweises im Text nicht markiert.] + +[69] _Matthesius_ 31, wonach auch der Inhalt des Büchleins angegeben +ist. Vgl. _Seidemann_, Erläuterungen zur Ref.-Gesch. 113. + +[70] _Grulich_, Denkw. v.T., S. 28. S. unten S. 32. + +[71] S.o.S. 21. _Walch_, Leben der sel. Kath. v. Bora 64 f. + +[72] Florentina a.a.O. + +[73] Vgl. Ztschr. f.d. Gesch. d. Oberrheins, 1899, H. 1. S.o.S. 28 und +S. 32. + +[74] Br. III 321, 322. — 1534, als Luther allerlei Erfahrungen in dieser +Hinsicht gemacht hatte, mußte er die austrittlustigen Nonnen auf diese +Schwierigkeiten aufmerksam machen. Br. II, 322, IV, 580, 583. + +[75] Br. II, 322. 327. + +[76] Br. II, 323. — „Kinder“ = freigeborne Söhne und Töchter (liberi); +vgl. Frauenalb 18. Damit sind Seidemanns (Erläuterungen zur Ref.-Gesch., +Dresden 1844, S. 109) Bedenken über die „Sammlung (Konvent) von Kindern“ +in Freiberg erledigt. + +[77] Br. II, 320. Luthers Auslegung von I. Cor., 7. _Walch_ XII, 287 f. +— So enthielt der Ave Schönfeld ihr Bruder nach ihrem Austritt ihr Erbe +vor, indem er sich auf das päpstliche (kanonische) Recht berief. Br. +III, 289 f. + +[78] _E. Wezel_, Kath. v.B. Geburtsort, Wiss. Beil. z. Leipz. Z., 1883, +Nr. 71, S. 423 f. — Br. II, 323. + +[79] Vergleichen kann man mit den Nimbschener Zuständen diejenigen im +Kloster Freiberg. Hier vermittelte die Herzogin Heinrich (Enkelin des +Böhmenkönigs Georg Podiebrad) die Schriften Luthers. Die Schriften kamen +auch durch den Klosterprediger, den Balbierer Meister Philipp ins +Kloster, wurden abgeschrieben u.s.w. Bei einer Visitation vergrub die +Herzogin Ursula einen ganzen Sack voll lutherischer Büchlein ins Korn. +Beim Salva Regina sangen die Lutherischen andere Wörter. — Viele, +darunter Katharina von Mergenthal, die Herzogin von Münsterberg „waren +rege und wollten springen; die Heerführerin drohte immer mit Auslaufen“ +(Seidemann, 120). Unter den 77 Freiberger Nonnen waren ein gut Drittel +(besonders die jungen) lutherisch, ein anderes Drittel altgläubig, das +dritte Drittel „wie der Wind geht“. Die einen hielten die andern für +„bännisch“. Die Priorin war lutherisch und half zur Flucht. N. Archiv f. +Sächs. Gesch. III, 290-320, _Seidemann_, Erl. zur Ref.-Gesch., Dr. 1844, +S. 109 ff. + +[80] Br. II 323. + +[81] III, 9. + +[82] II, 323. + +[83] II, 323. + +[84] II, 327. + +[85] Br. II, 321, 322 f. — Auch Luther dachte an Todesgefahr: „ob's auch +das Leben kosten müßte“. Um diese Zeit, vor oder nach Ostern 1523 wurde +Heinrich Kelner, welcher eine Nonne aus Kloster Sornzig entführt hatte, +durch Herzog Georg zu Dresden geköpft, gespießt und an den Galgen +gesteckt. S. 36. Und als um Fastnacht (4. März 1524(?)) zu Torgau 16 +Bürger das Barfüßerkloster stürmten, erregte das den größten Unwillen +des Kurfürsten Friedrich, zumal damals gerade kaiserliche Gesandte sich +in Torgau aufhielten, um über die Religions-Angelegenheiten zu +verhandeln. Der Kurfürst wollte den 16 an das Leben, so daß sie Frau +und Kinder in Stich lassen mußten und flüchtig wurden; ein Glück, daß +Kurfürst Friedrich bald starb und sein Bruder Johann milder gegen die +Verjagten gestimmt war. + +[86] _Hofmann_, S. 8 f., Torgauische Denkwürdigkeiten 1749, S. 38; +_Grulich_, Denkwürdigkeiten Torgaus, Torgau 1855, 2. Aufl. S. 24 f. M. +Sam. _Schneider_, Neue Beiträge 1758. „Im Jahre später stürmte Koppe mit +anderm Pöbelvolk das Mönchskloster.“ — Der Klosterstürmer war aber +wahrscheinlich der gleichnamige Neffe des alten Koppe; auf den Neffen +paßt das Herumtreiben mit jungen Edelleuten während der Flucht. Der +junge Koppe konnte auch verwandt mit Kunz von Kaufungen sein. — Der +Klostersturm war auch wahrscheinlich 1525 nicht 1524, sonst würde sich +nicht reimen, daß der Kurfürst bald starb. Auch ist 1525 das Jahr der +Bauernunruhen, wo sich eine solche aufgeregte That eher erklärt. Noch +weniger kann es 1523 sein; denn sonst hätte Koppe, sei's der ältere oder +jüngere, nicht nach Torgau sich wagen dürfen. + +[87] Hofmann, S. 9 f. + +[88] Die verschiedenen Berichte über die Flucht s. bei _Walch_ 64, +_Hofmann_ 11, _Seidemann_, Ztschr. f. histor. Th. 1860, S. 475. +Lutherbr. 14. _Bräß_ 36. Von Heringstonnen berichtet _Arnold_, +Kirchen-und Ketzerhistorie II, 513. Vgl. _Beste_ 17 f. Die oft erwähnte +Florentina entkam ohne weiteres, als ihre Hüterin ihre Zelle zu +schließen versäumte und die andern Nonnen im Schlafhaus waren. Die +Herzogin Ursula von Münsterberg entwich durch die schlecht verwahrte +Hintertür im Garten (N. Archiv für Sächs. Gesch. III, 304, Seidemann 118 +f.); auch in Nimbschen war die hintere Pforte schlecht verwahrt. +(Urkundenbuch 324). Die mündliche Sage in der Umgegend erzählt, es +hätten sich alle neun Nonnen durch das Fenster in der Zelle Katharinas +herabgelassen; auch habe diese bei der Flucht ihren Pantoffel verloren. +Das Fenster wird an den heutigen Ruinen (des Refektoriums?) noch gezeigt +und lange Zeit sangen die Zöglinge der Landesschule zu Grimma, an welche +das Kloster mit seinen Einkünften übergegangen ist, dort bei Ausflügen +lateinische und deutsche Hymnen. Das Fenster aber hat schwerlich zu +einer Zelle gehört. Ebenso wird noch in Nimbschen der Pantoffel +gewiesen, der aber ist ein Machwerk des vorigen Jahrhunderts. + +[89] _Menken_ Annal. a. 1523. Script. rer. Sax. 571: singulari consilio +et calliditate. Facinus plane audacissimum. Asus est ex monasterio clam +abducere. Br. II, 319; satis mirabile evaserunt. + +[90] Br. II, 318; vom 8. April ex captivitate accepi heri ex Nimpschen 9 +moriales. + +[91] _Grulich_. Denkwürdigkeiten S. 29. „Auch Zwilling war bei der Hand +und führte den Zug der Nonnen an“. + +[92] Br. II, 319. vulgus miserabile. Kolde Ann. Luth. 443. + +[93] Anspielung auf 1. Petri 3, 19 und Ephes. 4, 8, wonach Christus am +Karsamstag zu den Geistern ins Gefängnis hinabstieg und die armen Seelen +befreite, wie das auf mittelalterlichen Bildern mit so großer Vorliebe +dargestellt wird. + +[94] Br. II, 321. „Euer Audi“ läßt Luther auch in der Einladung zur +Hochzeit grüßen III, 9. + +[95] Der offene Brief an Koppe Br. II, 321-7. + +[96] _Burkhardt_, 56. 109. _Lorenz_: die Stadt Grimma, 1112 f. +_Lauterbach_ 163 f. + +[97] Dr. _Bräß_ 36. _Lauterbach_ 163 f. _Seckendorf_ I 272: Elcetor +dissimulavit factum. Die Aebtissin schrieb schon vorher an den +Kurfürsten. + +[98] _Seidemann_, Beitr. zur Ref.-Gesch. I, Dresden 1846, S. 60. +_Lorenz_ 1108 f. Urkundenbuch 340. _Großmann_, Visitationsakten der +Diöces Grimma I, L. 1873 S. 78 ff. 181. + +[99] _Hofmann_ 14. _Seidemann_, Beitr. I, 92. + +[100] Br. II, 354. III, 9. 32. 33. + + +4. Eingewöhnung ins weltliche Leben. + +[101] II, 323. 319. + +[102] II, 319 f. _Kolde_, Ann. L. 443. + +[103] Br. II, 334. 433. 473. 584. 330. + +[104] Br. IV, 580. + +[105] Br. III, 170. 229 f. 236. Schönfeld, T.-R. IV, 50. Burkh. 193. + +[106] Reichenbach stammte aus Zwickau und studierte in Wittenberg +1510-11. 1525 nahm er sein Haus in Lehen, 1530 wird er Bürgermeister, +1541 heiratete seine Tochter, 1543 starb er. (_Buchwald_ 74 f. 173). +_Consil. Theol. Witt._ IV, 19. _Hofmann_ 13 f. Reichenbachs Haus ist +übrigens nur in dem hundert Jahre später erschienenen Werk der _Consil. +Theol. Witteb._ als Katharinas Zufluchtsort genannt. Bei allen +gleichzeitigen Quellen kommt es nicht vor; auch in allen Berichten über +die Trauung und Hochzeit wird das Ehepaar nicht erwähnt und von irgend +welcher Beziehung des Lutherschen Hauses mir der Familie Reichenbach +findet sich keine Spur. Er gehörte allerdings in den Freundeskreis +Dietrichs und Baumgartners. Dietrich meldet diesem am 29. Jan. 1535 die +Vermählung von Reichenbachs Schwester mit dem Nürnberger Strauch. +(Ztschr. f. hist. Th. 1874 S. 546 f.) Dagegen weisen andere Anzeichen +darauf hin, daß Käthe vielmehr in dem _Kranach_schen Hause gelebt habe; +der König Christian, welcher im Oktober 1523 dort wohnte, verehrte der +Jungfrau Käthe einen Ring: das kann doch nur für Dienste geschehen sein, +die sie im Kranachschen Hause that. Ferner ist bei der Trauung Luthers +als einzige Frau die Kranachin zugeben. Endlich steht Luther, wie Käthe, +mit den beiden Eheleuten, seinen Gevattern, auch in späteren Jahren noch +in reger Beziehung, während nirgendswo von einem Verkehr mit dem +Reichenbachschen Ehepaar im Leben Katharinas geredet wird. Ich möchte +daher vermuten, daß Käthe nur kurze Zeit im Reichenbachschen Hause +untergebracht wurde, dagegen im übrigen in dem sehr umfangreichen und +wohlhabenden Hause der Kranach als Stütze der Hausfrau Verwendung +gefunden. Bei Kranach konnte auch Ave von Schönfeld untergebracht sein, +weil ihr späterer Gatte Lic. Basilius Axt in Kranachs Apotheke +beschäftigt war. In dem Brief, worin Luther den Medicus Basilius Axt +empfiehlt, wird von diesem gesagt, er sei Apotheker bei Kranach gewesen +und seine Gattin (Ave von Schönfeld) eine Mitschwester von Luthers Frau. +(B. III, 292 vgl. 291). + +[107] _Beste_ 20. _Hofmann_ 13, 26. + +[Transkriptions-Anmerkung: Zur folgenden Bemerkung gibt es keinen +Verweis im Text.] + +_Seidemann_, Ztschr. f. hist. Th. 1874. S. 533 ff. + +[108] Consil Witt. IV, p. 19. + +[109] Br. II, 325. + +[110] Br. II, 553. W.L.W. XXI, 916. Beste 22, 2. + +[111] Ztschr. f. hist. Th. 1874. S. 544-58. Br. II, 553. + +[112] Corp. Ref. I, 1114. Br. III, 532, wo Luther und Melanchthon an Abt +Friedrich für eine Wittenbergerin fürsprechen, welche ein junger +Nürnberger heiraten will. + +[113] _Abr. Scultetus_ Ann. ad. ev. renov. ad a. 1525. p. 80. +_Seckendorf_ II, 17. _Walch_ 92-96. _Beste_ 23 f. + +[114] „Meine Käthe hatte ich damals nicht lieb, denn ich hielt sie +verdächtig, als wäre sie stolz und hoffärtig.“ T.-R. IV, 50. + + +5. Katharinas Heirat. + +[115] Ostern 1525. Br. II, 643. 646. — Vgl. T.-R. IV, 132. + +[116] _Schadow_, Wittenberger Denkwürdigkeiten, W. 1825, S. 61. + +[117] Hochmeister: Br. II, 673 f. 678. Spalatin: II, 643. _Seckendorf_ +II, 274. + +[118] T.-R. IV, 145: „Die kaiserlichen Rechte sagen: Wer eine Nonne +nimmt, der habe das Leben verloren und das Schwert verdient“. + +[119] Br.: II, 35. 40. 49. 102 f. 583. 637. + +[120] _Cordatus_ 1509. Argula. Br. II, 570. 646. W. XXI, 931. + +[121] _Lingke_, D.M.L. Reisegeschichte, L. 1769, S. 157. Luther war vom +16. April bis 6. Mai auf der Reise. Br. II, 643. — Anfangs März bat +Luther Amsdorf, zu ihm zu kommen, um ihm in seinen Anfechtungen ein +Trost zu sein. Br. II, 634. + +[122] W. XX, 1685. X, 861. _Seckendorf_ II, 17, I, 274. _Scultetus_ p. +80. 274. Br. II, 643. 655. 678, III, 1. 3. 13. 21. 32. Consil. Theol. +Witteb. IV, 19. _Lingke_ 151-3. — „Es ist der Welt Gott der Teufel (der +ja selbst ein Hagestolz ist), der Verspötter jeder Gott gefälligen +Gattenliebe und jedes ehrsamen Familienlebens, der den Ehestand so +verleumdet und schmählich gemacht hat“ (W. X, 806). „Wer dem Ehestand +zuwider ist und redet übel davon, der ist gewiß vom Teufel.“ (Matthes. +138.) Erasmus spöttelte, Luther erlaube andern, was er selber nicht +wage. _Schlegel_, Vita Spalatini, 211. 214. — T.-R. IV, 36. + +[123] W. X, 962. Erasmi Opera ed Cler. III, 1 ep. 80. Br. III, 21. So +schreibt L. 1526 bei der Taufe seines Erstgebornen. „Ich scheu des +Prangens, als wollt ich mich mit einem Mönchs- und Nonnen-Kinde +herfürthun“ (III, 113). — Nonne trotz kaiserl. Rechte: T.-R. IV, 145. + +[124] Die Schönheit Katharinas behauptet u.a. Erasmus III, 1 ep. 730. +„Ein Mägdlein von feiner Gestalt“. „Eine schöne Frau“: IV, 553. „Nicht +in Leidenschaft entbrannt“: III, 9. Reim: Seidemann in Schnorrs Archiv +IX, S. 3. Ueber schöne Frauen, T.-R. IV, 40. + +[125] II, 646. Diese 2 Frauen waren wohl 1. die Ave von Schönfeld, von +welcher L. 1536 sagt: „Wenn ich vor 13 Jahren hätte freien wollen, so +hätte ich Eva Schönfeldin genommen, die jetzt der D. Basilius, der +Medicus, in Preußen hat“ (T.-R. IV, 50); und 2. „jene Alemannin, meine +Verlobte“, von welcher im Januar 1526 das Gerücht ging, Amsdorf habe sie +geheiratet. Br. III, 77. Salus (=Ave) Allemanna, vgl. die vier Brüder +Alemann III, 418. Man deutet aber diese Aeußerung L. drei „Frauen“ auch +allegorisch auf die drei Mönchsgelübde (_Beste_ 31) u.a. + +[126] II, 655. Luther war am 19., 28., 29. April in Eisleben. + +[127] Die üble Nachrede (III, 2 infamantibus me cum Catharina Borana) +war vielleicht die Lüge von einem frühzeitigen unerlaubten Umgang der +beiden Brautleute, welche auch Melanchthon in seinem bekannten +vertrauten Brief an Camerarius zurückweist. S. 58. Luther war wegen der +an sich selbst erfahrenen und auch sonst wahrnehmbaren Verleumdung +Verlobter gegen lange Verlobungszeit. T.-R. IV, 41, Br. III, 1-3, 9-12. + +[128] T.-R. IV, 73. Cord. 1511. + +[129] Luthers Augen beschreibt Melanchthon (Ztschr. f. K.-G. IV, 326) +als braun mit einem gelben Ring darum: der Ausdruck habe den +kampflustigen Blick des Löwen. — Ueber Luthers Aeußere vgl. +Küchenmeister, L.'s Krankheitsgeschichte, 42. 116. Bei dem Besuch bei +Kardinal Bergerins (s.o.S. 115) trug, wie dieser bemerkte und +aufschrieb, Luther ein Wams aus dunklem Kamelot, die Aermel mit Atlas +eingefaßt, darüber einen kurzen Rock von Sersche mit Fuchspelz +gefüttert, an den Fingern mehrere Ringe, um den Hals eine schwere +goldene Kette. Luther wollte damals dem Kardinal imponieren und recht +jung aussehen, um ihn zu ärgern; er meinte, so müsse man mit Füchsen und +Schlangen handeln. + +[130] T.-R. IV, 38. + +[131] _Kawerau_, der Briefwechsel des J. Jonas, Halle 1884/5, I, S. 94. + +[132] „Herkömml. Bräuche“: im Briefe Mel. an Camer. (ed. _W. Meyer_, +München, Akadem. Buchdr., 1876, S. 6 f. Vgl. _Köstlin_ I, 768 f., 817 f. +— T.-R. IV, 72: L. führt nach dem Nachtessen die Braut zum Bette. S.u.S. +121 f. + +[133] Die Trauform in Luthers Traubüchlein (1529), welche sich wohl dem +herkömmlichen Gebrauch anlehnt, ist folgende: Vor der Kirche geschieht +die Trauung durch einen Weltlichen oder Geistlichen. Da wird „Hans und +Grete“ gefragt: Willst Du den oder die zum ehelichen Gemahl haben? Auf +das Ja! wechseln sie Trauringe; der Trauende fügt die Hände zusammen und +spricht: „Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.“ +Und: „Weil denn Hans N. und Grete N. einander zur Ehe begehren und +solches hier öffentlich vor Gott und der Welt bekennen, daraufhin sich +die Hände und Trauringe gegeben haben, so spreche ich sie ehelich +zusammen im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes.“ +Darauf folgt in der Kirche Gebet und Segen. Später wurde in Wittenberg +die Trauung in der Kirche üblich. Köstlin II, 642, 63. Vgl. T.-R. IV, +53. „Da verlachet D. Philipp höhnisch, wenn wir Braut und Bräutigam in +der Kirche öffentlich zusammengeben, gleich als dürfte man nicht beten +zu solchen Sachen.“ + +[134] _Kawerau_, Jonas' Briefw. a.a.O. — „Gelöbnis“ Wittenb. +Stadtrechnung. Vgl. V, 196: sponsalia confimare. + +[135] _Hofmann_ 47. + +[136] W. X, 855 f. 967 f. III 2, 567 f. 2565. Bugenhagen an Spalatin. +Luther fordert im „Traubüchlein“, die Ehe als öffentlicher Stand solle +auch öffentlich vor der Gemeinde vollzogen werden, vor oder in der +Kirche, wie es die Brautleute begehren. — Auch _Matthes._ redet von +einem öffentlichen Kirchgang Luthers, desgl. Consil. Theol. Witteb. — +Bezeichnungen für die Hochzeit bei _Schild_, Denkwürdigkeiten +Wittenbergs, W. 1892, S. 25. Luther hielt — gegenüber Melanchthon — sehr +auf die herkömmlichen kirchlichen Bräuche bei der Hochzeit. T.-R. IV. +72. Als Wittenberger Brauch der Heimführung wird (_Buchwald_, Zur +Wittenberger Stadt- und Universitäts-Gesch. 35) erzählt: „Röhrer führte +seine Braut nach der Hochzeit im Hause Dr. Beiers in unser Haus mit +feierlichem Geleite der Frauen.“ Vgl. M.H. Gottl. _Kreußler_, Denkmäler +der Ref., L. 1817, S. 29. „Die kleine Gesellschaft brachte das Brautpaar +heim.“ + +[137] Hochzeitsbriefe III, 1. 3. 9. 11-14. + +[138] Hochzeitsgeschenke, Hofmann, 52 f. + +[139] Siehe bei _Hofmann_ das Titelbild. _Seidemann_, Beitr. zur +Ref.-Gesch. I, 92. + + +6. Das erste Jahr von Katharinas Ehestand. + + +Br. II, 582, III, 32. + +[140] „Schwarzes Kloster“ d.h. Kloster der schwarzgekleideten Augustiner +im Gegensatz zu dem unteren „grauen Kloster“, dem Sitz der grauen +„Minderbrüder“. — Studierstube, Br. II, 543, T.-R. IV, 476. Ausrüstung, +Br. III, 472 f. Winterzimmer, III, 221. Bilder: Der Karlstadtianer +Ickelsamer („Klag etlicher Brüder“) rügt, „Luther wolle bei sich gemalte +götzische Bilder haben.“ T.-R. I, 137: „Gemälde an der Wand. Das +Kindlein Jesus schläft in seiner Mutter Arm“. S. 311. „Da D.M. das +Kindlein Jesus gemalt im Schoße der reinen Jungfrauen ansahe“. — +_Seidemann_, Grundbesitz 496. Die gesamte jetzige Einrichtung des +Lutherzimmers ist nicht echt, namentlich Tisch und Ofen aus späterer +Zeit. Ueber das Lutherhaus s. H. Stein, Geschichte des Lutherhauses, +Wittenberg 1883. Das Lutherstüblein war aber nicht im Turm, sondern ist +das vorhandene. — S. Seite 74 f. und Anmerkung dazu. S. 285. + +[141] In dem Krankheitsbericht des Jonas von 1527 speist die Familie, +scheint es, im untern Stock und Luther geht von da in das Schlafzimmer +hinauf. + +[142] _Seidemann_, Grundbes. 484. S. 8. Kapitel und [239]. + +[143] _Förstemann_, N. Mitteilungen a.d. Gebiete hist.-antiq. +Forschungen III, S. 113: „1 Schwäbisch, Frau katharin Doctoris Martinj +Ehelichen Weyb zeum Newen Jhare geschenckt.“ — Consil. Theol. Witteb., +Frankf. 1664, S. 19: „1 Sch. 8 Gr. 3 Heller vor ein Schwebisch _Haub_ +Frau Katharinen, Doctoris Martini Ehelichem Weibe zum Neuen Jahre +geschenckt.“ Hofmann 52 meint: Ein Stück oder Schock schwäbische +Leinwand. Kasten V, 162. Geräte VI, 325 f. + +[144] III, 18. „Ich bin an Kethen gebunden und gefangen und liege auf +der Bore (Bahre) scilicet mortuus mundo. Salutat tuam Catenam mea +Catena. III, 9: „Ich bin meiner Metzen (Meid = Jungfrau) in die Zöpfe +geflochten“. S. oben [38]. + +[145] T.-R. IV, 41. + +[146] Im Studierstüblein Bücher auf Bänken und Fenstern, 111, 472. — +Hochmeister Cord. 1510. Vielleicht aber meinte Käthe den Markgrafen +Georg von Ansbach. — Brief über Erasmus 111, 212. + +[147] Cord. 38. T.-R. II, 208, IV, 121, vgl. 78: „Die Weiber sind von +Natur beredt und können die Rhetorikam, die Redekunst wohl, welche doch +die Männer mit großem Fleiß lernen und überkommen müssen.“ + +[148] Garten und Brunnen III, 117. _Schild_ a.a.O. Birnbaum, T.-R. II, +369. + +[149] Das als Titelbild diesem Buch vorgesetzte Bild weicht bedeutend +von dem im Text geschilderten ab. + +[150] T.-R. IV, 114. + +[151] Luther nennt es selbst „meine abenteuerlich Geschrei“. + +[152] Br. III, 10. Camerarius. Narratio de Vita Mel., L. 1723, p. 103, +CXXX. + +[153] C.R. I, 754, Melanchthon. Camerarius p. 103 f. Vgl. _Hausrath_, +Kleine Schriften, L. 1883, S. 253 f. + +[154] III, 3. + +[155] Quellensammlung fränk. Gesch., Bamberg 1853, IV p. LXII. Beste +103-6. + +[156] Erasmi Opp. ed. Clerie. III 1. ep. 781. 790. 900. + +[157] _Seidemann_ 555. + +[Transkriptions-Anmerkung: Zur folgenden Bemerkung gibt es keinen +Verweis im Text.] + +Schmähschriften. _Hofmann_ 190 ff. + +[158] W. XIV, 1335 f. Br. III, 299. 365. + +[159] S.o.S. 36. Br. III, 9. 32. 49. _Hofmann_ 77. _Ratzeberger_ 69 ff. + +[160] III, 94 f. + +[161] III, 125: Mihi morigera et in omnibus obsequens est et commoda +plus quam sperarem. + +[162] Mel. griech. Brief an Camerar. Vgl. _Hausrath_ 254. T.-R. IV, 304. + +[163] Br. III, 55. 58. 32. 49. _Seckendorf_ II, 81. + +[164] III, 9. + +[165] L.W. „Das Pabstum mit seinen Gliedern gemalet“. + +7. Katharina als Mutter ihrer Kinder und Hausgenossen. + +[166] Der Gevatterbrief an Kanzler Müller lautet. „Gerne thät ich's, daß +ich m. gn. Herrn (d.i. wohl der Graf von Mansfeld) zu Gevatter bäte: +aber ich scheu des Prangens, das man mir würde zumessen, als der ich +mich mit einem München- und Nonnenkinde wollt herfürthun und große +Herren zu Gevatter bitten. Darum will ich hieneiden bleiben und bitte +Euch, sich des Kindes annehmen und geistlicher Vater mit sein, daß es +zum Christen möchte geboren werden.“ Br. III 113. T.-R. III 144. Br. III +115 f. 125. 128. + +[167] III, 173. 213. 264. Kolde, An. L. 97. Natürlich säugte Katharina +ihre Kinder selber. T.-R. II, 165. + +[168] III, 364. T.-R. I, 44. 199. Cord. 639. + +[169] _Kawerau_, Briefw. des J. Jonas, Halle 1884, I, 116. Beste 74. Br. +III, 246. 364 f. 376. 390. + +[170] III, 448. — Es war am Himmelfahrtsabend. + +[171] III, 447 f. T.-R. II, 274. + +[172] Mayer p. 40. Veit Dietrich 19. Juni an Käthe. + +[173] T.-R. I, 205 f. + +[174] Beste 77 f. Br. IV, 313. 320. 414. T.-R. I, 118. 200. IV, 131. + +[175] Br. IV, 419. + +[176] _Hofmann_ 156 f. Vgl. T.-R. IV, 515. 525. + +[177] Br. IV, 436. Hofmann 156-88. + +[178] IV, 436 f. + +[179] _Mayer_ § 22. _Cord._ 1235. + +[180] IV, 574. 623. V, 129. 163. VI, 153. + +[181] T.-R. I, 118. 178. 181. 198 ff. 211. Br. III, 123. IV, 343. + +[182] T.-R. I, 26. 213. Ratzeberger 60. Rietschel L. und sein Haus. +Halle 1888. S. 45. („Der Kleider und des Baretts springen“ — Sack- oder +Hosenlaufen und Barlauf?) Jost Br. IV, 7. Jost und Lippus; 41. + +[183] T.-R. I, 13. _Matthesius_ 145a. Br. IV, 41 f. 343. V, 163. +_Ratzeberger_ 59. + +[184] T.-R. I, 294. 212. 185. 178. Cord. 732. _Weißlinger_ in seiner +Schmähschrift „Friß Vogel oder stirb“ (Straßburg, 1726, S. 78) hat ein +Familienbild: D. Luther, die Frau Käth und liebe Jugendt; darauf stehen +in einer Gruppe das Ehepaar, an den Vater angeschmiegt „Hänßchen“, dann +dem Alter nach „Lisel“, als erwachsenes Mädchen (obwohl sie mit einem +halben Jahr gestorben ist.), „Lenchen, Martin, Paulus, Gretel“; in der +Thür steht ein älterer Knabe mit der Schrift. „Ich heiß Andräsel“. — +Dies Bild hat mit Weglassung von Elisabeth ein Straßburger Maler etwas +veredelt nachgebildet und diese Nachbildung ist in der „Niederlage +Christlicher Schriften“ in Straßburg als Photographie erschienen und in +G. Buchwalds D.M.L. deutsche Briefe (L. Bernh. Richter 1899) +reproduziert. — Vielleicht ist das Weißlingersche Bild unter +schmähsüchtigem Hinzuthun des „Andräsel“ einem älteren Original +nachgebildet; die Tracht der Kinder weist zum Teil auf die Wende des 16. +Jahrhunderts. Bei Luther, Käthe und Lenchen hatte der Zeichner offenbar +die bekannten Originale vor Augen. + +[185] Muhme Lene. Magdalena von Bora fehlt in dem Nimbschener +Personenverzeichnis von 1525/6. Von 1520-25 fehlt ein solches. IV, 44 f. +Vgl. T.-R. I, 200. + +[186] T.-R. III, 153. Br. IV, 42. 132. 343. + +[187] _Lauterbach_ 2. 141 f. 164 f. Cyriak Br. III, 550. IV, 8. 15. 121. +139. VI, 123. + +[188] Lies. gleichzeitig, statt „frühzeitig“. Von dem Adoptivsohn +_Andreas_ schreiben sich die katholischen Verleumdungen des Lutherschen +Ehepaares her, daß er als „Sohn“ bald nach der Hochzeit geboren sei. +(Vgl. oben S. 58). Ueber diese Verleumdung vgl. Lauterbach V und 141 +Anm. desgl. _Lutherophilus_, „Das 6. Gebot und Luthers Leben.“ Halle, +1893. + +Fabian hatte in der „Specke“ ein Abenteuer mit einigen Schlangen, das er +daheim natürlich gehörig übertrieben erzählte: als er dahin spazierte +und sich darin schlafen legen wollte, trat er auf ein Nest voll +Schlangen, die über einen Haufen lagen; die Tiere zischten ihm entgegen, +der junge Siegfried aber zog sein Schwert, hieb unter sie, der einen den +Kopf, der andern den Schwanz ab, bis das ganze Nest zerstört war. T.-R. +I, 233. + +[189] Hans Polner Br. IV, 131. VI, 123. 151. Cord. 444 N. lies: Hans +statt Andreas Polner. + +[190] V, 492. VI, 649 f. _Kolde_, Anm. Luth. 428. Ztschr. f. +Kirchengesch. 1878, S. 145. Neobulos, eigentlich Neobolos. + +[191] IV, 342 f. T.-R. I, 350. + +[192] III, 217 ff. VI, 683 unter „Mocha“. + +[193] III, 178. V, 189. + +[194] Ganerben = Gesamterben. Wie falsch diese Beschuldigung des +Stehlens war, geht daraus hervor, daß die Herzogin mittellos zu L. kam +und ihre Begleiterin ein großes Vermögen im Stich gelassen hatte. (Br. +III, 290). Katharina von Mergenthal, (IV, 469) Anna und Christina Korb +hatten nichts mitgebracht, als ihr Pelzlein und Ziechen vom Bettgewand. +(N. Archiv f. sächs. Gesch. III, S. 319). + +[195] S. 104. Br. III, 219. — Die Matronen Luther, Melanchthon u.a. +pflegten in der Stadt schwangere Frauen zu besuchen und zu beraten. +_Seidemann_, Beitr. S. 496. Kollekt. unter „Bora“. + +[196] _Köstlin_ II, 115. Nach _Seckendorf_ II, 122 war die Kurfürstin +drei Monate im Lutherhaus. + +[197] _Kolde_, An. Luth. 378. + +[198] V, 46 f. + +[199] „Bildenhauer“ († 1539) T.-R. I, 206. 248. Br. V, 201. VI, 328. + + +8. Katharinas Haushalt und Wirtschaft. + +[200] _Seidemann_, Luthers Grundbesitz. Ztschr. f. histor. Th., 1860, +475-570. _Stein_, die Geschichte des Lutherhauses. Wittenberg, 1883. +Vgl. _J. v. Dorneth_. M. Luther, Berlin 1886. II, c. 12. III, c. 10. 24. + +[201] Luther wußte, was ihm alles auferlegt wurde: „Luther hat einen +dicken Rücken, er wird auch diese Last tragen.“ IV, 294. + +[202] _Cord._ 1057. T.-R. IV, 78. 114. Br. III, 417. C. Ref. IV, 890. +Vgl. _Hofmann_ 93. — Zu I Cor. 7. W. II, 2830. + +[203] Cord. 1079. + +[204] V, 228. CR. VI, 625. VII, 144. + +[205] _H. Stein_, Geschichte des Lutherhauses. Wittenb. 1883. + +[206] T.-R. IV, 272 (Kellereinsturz). Vieh: _Burkh._ 409. 1 Kuh war +damals wert 3 fl.; 1 großes Kalb 2 fl.; 1 Ziege mit 2 Jungen 2 fl.; 1 +Schwein 1 fl.; 1 Ferkel 1/3 fl. — Hühner T.-R. II, 81. IV, 24. +Schweinehirt Johannes T.R. III, 128. + +[207] Reparaturen. VI, 327. V, 424. + +[208] Grundbes. 484 f. Br. VI 324-326. + +[209] 1541. _Burkh._ 403 f. + +[210] _Stein a.a.O._ + +[211] T.-R. I, 102. 123. 183. 213. IV, 291. + +[212] Geräte VI, 325. Kasten V, 162. Becher IV, 342. Vermächtnis: Burkh. +362. Uhren III, 168. 449. Messer: Burkh. 270. + +[213] Br. VI, 331. + +[214] Urkunde: _Burkh._ 202 f. + +[215] Myconii Summarium der Ref.-Gesch. Cyprian IV, 27. (2. Aufl.) W. +XI, 67. Br. V, 11. 127. 493. 668. 629. 319. 602. III, 156. Ueber das +teure Leben in Wittenberg beklagte sich auch ein Student 1532. +_Buchwald_ 103. Sonst 1 Kandel Wein 3 ₰. T.-R. I, 268. + +[Illustration: Grundriß des Lutherhauses (um 1540). + +(Nach H. Stein, Gesch. des Lutherhauses, Wittenberg 1883.) + + a Kollegienstraße. + b Häuser darin. + c „Haus Bruno“. + d „Des Rymers Häuslein an Thor“. + e Eingang. + f Hof. + g früherer Kirchhof. + h altes Kirchlein. + i Ställe. + k Brauhaus. + l Brauthor. + m Thordurchgang (Turm?). + n Garten. + o Thür in der Mauer. + p „Das hindere neue Haus“. + q Lutherhaus (Schwarzes Kloster) 1. Stock. + r Haupteingang. + s Turm mit Wendeltreppe. + t Flur im 1. Stock. + u Vorzimmer + v _Wohnzimmer_. + w Schlafkammer. + x Feuerungsraum. + y Zimmer mit Fallthür und Treppe. + z _Studierstube_. + ab Aula. + A Vorlesungssaal. + B Stadtmauer. + C Stadtmauer. + D Wall. + E Nebeneingang mit Wendeltreppe. + +[216] VI, 297. T.-R. I, 258. 274 f. + +[217] Jonas hatte einen Weinberg, Melanchthon (wohl durch seine Frau, +eine Wittenberger Bürgermeisterstochter) verschiedene Grundstücke. + +[218] _Burkh._ 319. + +[219] T.-R. I, 141. 142. 146. IV, 667. C.R. XXIV, 392. + +[220] Br. VI, 328. Garten: Burkh. 409. — Der Platz „Am Saumarkt“, später +„Viehmarkt“, wo der kurfürstliche Karpfenteich war, („Saumärkterin“ V, +783, „auf dem neuen Saumarkt“, _Burkh._ 356 f.) ist heute die +Lutherstraße. (Wittenberger Urbar VIa. 1625, Lagerplan.) — Richter, +Geneal. 398 ff. Beste 127. Fischteichlein T.-R. I, 179. — In der +Hausrechnung (VI, 2) 1536 ist nur vom Bildenhauerschen Garten geredet, +in dem Steuerschlag 1542 (_Burkh._ 409) vom Garten an der Zahnischen +Straße, im Teil-Receß 1553 (_Beste_ 127) vom „Baumgarten am Sewmargkt“, +der samt dem Hopfengarten an der Specke für 500 fl. angeschlagen wird — +also scheint er an Gelände oder Gebäude (durch den Krieg?) verloren zu +haben. Oder sollte der Garten an der „Zahnischen Straße“ = am Saumarkt +sein? Nach weiteren Erhebungen ist wahrscheinlich, daß die Zahnische +Straße den Anfang der heutigen Dr. Friedrichstraße bildete. Dann wäre +thatsächlich der Saumarkt da, wo die Zahnische Straße und die Faule Bach +sich schneiden. + +Die Lage wäre so. + +[Illustration: a-b Zahnische Straße. c-d Faule Bach. e-f Rische Bach.] + +Der Bildenhauersche Garten (für 900 fl.) lag nach dem Steueranschlag +nicht „unter dem Rat“ wie der an der Zahnischen Straße. (_Burkh._ 409) + +[221] Br. IV, 575. VI, 328 f. Wolfs Vogelherd: 154 f. V 787. Vgl. +_Burkh._ 409. + +[222] _Burkh._ 403. _Hofmann_ 98. — Der „Lutherbrunnen“ gehörte der +Stadt. + +[223] Br. VI, 547. Grundbes. 520. Pfähle Br. V, 637. Hauspostille 1. +September 1532. Rebenstock II, 124b. Stehlen: Grundbes. 530. + +[224] Bienenstock. _Rebenst._ II, 109. Fische T.-R. II, 80. + +[225] a. 1542 schätzt L. Braunen Haus auf 420 fl. IV, 575. Grundbesitz +502. Br. VI, 328: Die 250 fl. scheinen übrigens eine Abschlagszahlung +gewesen zu sein, denn das Haus kam höher zu stehen. Der Kaufbrief (v. +1541) bei _Richter_ Geneal. Luth. lautet: Bruno Brauer Pfarrer zu Dobin +verkauft erblich eine Bude im Elsterviertel zwischen D. Luthers +Behausung und Bruno Brauer an Luther und seine Erben mit allen +Gerechtigkeiten und mit Gehöft und Raum von der vordern Säule bis auf +die erste Ecke des Brunnens und von der hintern Ecke des Brunnens bis +auf die alte Badestube, zusamt derselben Badestube für 430 fl. zu 20 +Groschen jeden. + +[226] „Mein lieber Herr“ ist = mein Gemahl. + +[227] Burkh. 319. Nach dem Bericht von Kanzler Brück an den Kurfürsten +vom 13. März 1546 hat Frau Käthe dennoch „die Böse (das ist doch wohl +das Gut Boos) zur Miet und um einen liederlichen Zins etliche Jahr her +inne gehabt“. _Förstemann_, D.M.L. Testamente. Nordhausen 1846, S. 31. + +[228] S.o.S. 3. T.-R. II, 233. Br. V, 358. 298. 318. 431. 434. 753. VI, +304. _Burkh._ 357. + +[229] V, 312 f. 358. 495. 605. 609. 323. Ueber Käthes Walten in Zulsdorf +vgl. _Anton_ 193 ff. + +[230] VI, 318. V, 313. 427. 448 f. 482. 507. 528. _Burkhardt_, Th. Stud. +und Krit. 1896, S. 161. Der Scheunenbau spielt zwei Jahre lang. C.-R. +VII, 125. + +[231] Zulsdorf wird in 21 Briefen und T.-R. II, 233 erwähnt. (S. Br. VI, +705). V, 300. 318. 323. 394. 400. Den Mainzer Erzbischof und den Herzog +Heinrich von Braunschweig nennt Lauterbach in dieser Zeit „die wahren +Türken“. V, 401. + +[232] V, 299. 659. VI, 304. — An der Decke war einer der bekannten +Tintenflecke und am Balken ein Spruch, angeblich von Luthers (?) Hand. +„Willt du Trost haben, so gehe nach Droßdorf“ (1/4 Stunde davon +gelegen). Daß das Gütlein nicht ganz ohne Schmuck war, zeigen die noch +vorhandenen Reliefbilder von Luther und Käthe, zwei Medaillons, das eine +in Stein, das andre in Gips; beide, besonders das letztere, kraß +realistisch; sie sind später auf das Hofgut Kieritzsch und dann in die +dortige Kirche gekommen. Eine Nachbildung des Reliefbildes von Katharina +ist in der Leipziger Illustr. Zeitung vom 2. Febr. 1899. Vgl. oben S. +263. + +[233] L.W. II, 279. T.-R. IV, 59. L.W. XXI, 169*. Br. IV, 643. T.-R. +III, 128. IV, 62. + +[234] _Cord._ 1471. 1597. 589. _Schlaginhaufen_ 419. T.-R. IV, 199. + +[235] T.-R. IV, 306 (Cord. 980). L. führte diese Bezeichnung Käthes als +„Morgenstern“ als Beispiel für die zahlreichen „Metaphern“ oder +„verblümte Wort“ der deutschen Sprache an, neben Redensarten wie „groß +Geschrei — wenig Wolle“; „er hängt den Mantel nach dem Winde“. — +Bekanntlich hat _Engelhard_ diese Methapher im gehässigen Sinn als +Lucifer Wittenbergensis zum Titel seiner Schmähschrift gemacht: „Lucifer +Wittenbergensis oder der Morgenstern von Wittenb., d.i. Vollständiger +Lebenslauff C. von Bore, des vermerkten Ehe-Weibs D.M. Lutheri, in +welchem alle ihre Scheintugenden, erdichtete Großthaten, falsche +Erscheinungen weitläuffig erzehlet werden v. R.D. Euseb. Engelhard.“ +Landsperg 1747. — Käthes Krankheiten: Cord. 965. T.-R. IV, 24. II, 230. +233. III, 37. 122. 131. IV, 259. Br. IV, 530. V, 271. + +[236] VI, 547. 332. + +[237] _Lauterb._ 111. T.-R. IV, 593. Rietschl 43 f. L.W. XXI, 163*. + + +9. „Wunderliche Rechnung zwischen D. Martin und Käthe.“ + +[238] Br. VI, 151. V, 403. IV, 342. Widerruf vom Fegefeuer. Cord. 105 f. +Br. IV, 575. + +[239] L. Grundbes. 518. (_Burkhardt_) Stud. und Krit. 1896, S. 158 ff. +1894 S. 769. _Burkh._ 432. _Kolde_, An. L. 396. 409. + +[240] VI, 325 f. II, 524, 618. + +[241] Diener III, 342. 449. VI, 324 f. _Kolde_, An. L. 195. _Seidemann_, +Grundbes. 484 f. + +[242] Br. III, 104. T.-R. III, 308. Br. III, 496. + +[243] III, 495. + +[244] V, 189. + +[245] _Ratzeberger_ 59 f. + +[246] IV. 342. + +[247] _Mathes._ 144b. 377. Vgl. Kolde, An. Luth. 254. Hoffmann 99 f. + +[248] _Lauterbach_ S. 5. + +[249] VI, 328 ff. + +[250] Eine Schneiderrechnung: „1 Rock, Hosen und Wams Doktori Martino zu +machen bei Schneider Cunz Krug 18 Gr.“ + +[251] Würze und Zucker durfte allein der Apotheker (Lukas Kranach) +verkaufen. — 1 Loth Seide kostete 1 Gr. 6 ₰; 5 Ellen Barchent 21 Gr. 8 +₰. — „10 Ellen schwarz puritanisch Tuch vor 3 Schock 20 Gr. hat der Rat +(1524) D.M.L. zum Rock geschenkt und Hier. Krapp (Melanchthons Schwager +war ein Gewandschneider) bezahlt.“ _Schild_, Denkw. Wittenb. S. 27. + +[252] Die Paten waren in Wittenberg sehr zahlreich, wie man schon bei +Luthers Kindern sieht. Am 20. Jan. 1536 wurden neun Kinder auf einmal +getauft; da war natürlich auch D. Martinus, ferner D. Pommer, M. Philipp +und viele andere treffliche ehrsame Leute Gevattern. T.-R. IV, 146. +Luther stand zahllose Male zu Gevatter. Er hatte es so oft versprochen, +daß er einmal gar nicht mehr wußte, wem, und es seinem Famulus auftrug, +es auszukundschaften. IV, 559. (Das erinnert an den vergebenen Traum +Nebukadnezars, Daniel 2). Hochzeiten V, 570. + +[253] Br. IV. 342. _Mathes._ 144b: In der Teuerung zur Pestzeit borgte +L. beim Schösser etliche Scheffel Frucht und „wagte sie an die armen +Leute“. T.-R. II, 212. Bezeichnend ist ein Zettel des Doktors (an den +Stadtrat?) vom März 1539: „Lieben Herrn! Es muß dieser arme Gesell auch +Hungers wegen davon. Nu hat er keine Zehrung wie die andern und muß fern +reisen; weil er aber ein fromm gelehrt Mann ist, so muß man ihm helfen. +So wisset Ihr, daß meines Gebens ohn das viel und täglich ist, daß ich's +nicht kann alles erschwingen. Bitt derhalben, wollet ihm 30 Gr. geben; +wo nicht so viel da ist, so gebet 20, so will ich 10 geben; wo nicht, so +gebet die Hälfte. 15, so will ich die andere Hälfte geben. Gott wird's +wohl wiedergeben. Martinus Luther.“ VI, 226. + +[254] III, 157. V, 570. + +[255] _Cord._ 1601. + +[256] VI, 329. + +[257] _Cordatus_ Nr. 1057 hat nur 50 fl. Im Jahre 1537 aber bei der +zahlreichen Familie und den vielen Kostgängern kann das lange nicht +gereicht haben, wenn er auch nur die Barauslagen rechnet. Sonst wäre ja +auch die Haushaltung nicht „wunderlich“. — VI, 331. + +[258] _Fürstemann_, Denkmale D.M.L. errichtet. Nordh. 1846. S. 27. + +[259] III, 111. 115. + +[260] Potentem et avarum. Strobel, Beitr. II, 481. C.R. V, 314. „Die +_richtige_ Bezahlung“. _Förstemann_, Luthers Testamente. Nordhausen +1846, S. 3. + +[261] T.-R. IV, 62. + +[262] VI, 329. + +[263] IV, 342. + +[264] An Link: III, 10. 104 an Rühel. „L. Hr. Dr. und Schwager! Das ihr +meine Käthe hie zu W. geben habt, bin ich lang hernach inne worden; +meinte nicht anders, Ihr hättet's hinweg, wie ich bat.“ — Käse: IV, 556 +und 599 u.a. Kolde, Ann. L. 423. Kolde, M. Luther II, 519. + +[265] Br. V, 605. S.o.S. 155 ff. + +[266] _Cord._ 662. + +[267] III, 157. V, 424. VI, 326. + +[268] T.-R. I, 274. Br. III, 495. + +[269] T.-R. IV, 130. + +[270] Uebrigens war Käthe im Grundsatz mit Luther einigermaßen +einverstanden, vgl. den Brief an Löser S. 83. + +[271] T.-R. IV, 70 f. Spr. Sal. 31, 10-31. + + +10. Häusliche Leiden und Freuden. + +[272] Das Folg. in D.T. Pommerani und I. Jonä Historie von L. geistl. +und leibl. Anfechtungen. a. 1527. L.W. XXI, 158* ff. Br. III, 187-190. + +[273] Br. III, 191. 205. Vgl. 200. 213. 170. — Ueber die Fortschritte +der Pest. Vgl. auch G. _Buchwald_, zur Wittenb. Stadt- und +Universitätsgeschichte, L. 1893, S. 3-17. — Mocha(u): VI, 683. + +[274] _Buchwald_ S. 7. Auf dem Pestkirchhof wurden die Kleider der +Pestkranken verbrannt; daher wohl verbrannte dort Luther auch die +Bannbulle. + +[275] Br. III, 217 f. 221. _Buchwald_ 9. 12. 15. Br. III, 188. 193 ff. +212. 215. 217-19. 221. Teuerung. _Vogt_, Bugenhagens Briefw. Stettin +1888. S. 106. + +[276] III, 218. 221. 225. 240. 241. 243. 247. 253. + +[277] III, 222. 246. 248 f. + +[278] III, 314. 364 f. 376. 390. VI, 96. + +[279] III, 390. 404. 423. + +[280] III, 432. 469. + +[281] III, 512. + +[282] IV, 1 f. 34. 132. 179. V, 186 — „Gruboc“ umgekehrt von Coburg. + +[283] Luth. Ztsch. 1880, 50. C.-R. II, 40 f. Br. IV, 115. 132. 2. 10. +12. 32. V, 186. + +[284] IV, 132. 10. 19. 32. 43. 120. T.-R. IV, 244. „Oertlein“ 270. + +[285] IV, 121. 51. 10 174. + +[286] _F. Eysenhardt_ und _A. v. Dommer_. Mitteil. a.d. Stadtbibl. zu +Hamburg II, 1885, S. 96. — H ... „Hürlein“. Es ist bekannt, daß für +Kinder als Kosenamen oft die häßlichen Wörter gewählt werden z.B. „Du +Spitzbub. Du Schelm!“ So hörte ich einmal eine alte Kindsmagd im +Ueberschwang ihrer Gefühle sagen. „Du liebes Schindluderle“. — Luther +gebrauchte also, wie sonstige Gelehrte, zum _Lesen_ schon früh (1525) +eine Brille. II,624. — Ueber den Goldschmied Christian Döring s. Br. VI, +657. + +[287] IV, 7. + +[288] IV. 39. 41. 7. 9. 16-18 (vgl. III, 219). + +[289] IV, 4. 7 f. 13 f. 51 f. 41 f. 39. + +[290] IV, 131 ff. + +[291] Die Briefe waren lateinisch. + +[292] Exemplar = Manuskript. + +[293] VI, 121 f. + +[294] Br. IV, 230. 322. + +[295] Großeltern. T.-R. I, 201. Brief an den kranken Vater III 550 f., +an die Mutter IV, 256 ff. + +[296] Martin IV, 313. 320. 414. T.-R. 201. Paul IV, 411. 431. 436. +Margarethe IV, 574, vgl. 555. Hans immatrikuliert, _Lauterbach_ 141. + +[297] _Kolde_, An L. 184. Br. VI, 144. + +[298] Burkh., St. und Krit., a.a.O., 158. + +[299] IV, 553. + +[300] _Köstlin_ IV, 380 f. + +[301] IV, 362. V, 560. 643. 703 f., vgl. 524: „Euer Sohn hat jetzt die +Masern gehabt; haben sein mit Fleiß gewartet nach Dr. Augustin (Schurf) +Rat; ist nun wieder gesund.“ + +[302] IV, 342. T.-R. IV, 93, lies: Rischmann. + +[303] Wenigstens wird Jakobs von Seidewitz sel. Sohn, Kammerjunker +Martin von Seidewitz erwähnt. Ztschr. f. hist. Theol., 1860, S. 570. + +[304] V, 106. 201. 411. 516. Ztschr. f. hist. Th., 1860, 565-69. + +[305] T.-R. IV, 451 f. 244. + +[306] T.-R. I. 201 f. 204. 205. + +[307] V, 46 f. 492 f. Daß Luther seinen Sohn Hans schon (1533) im 7. +Jahr ein lateinisches Urteil über Erasmus und im 11. Jahr (1537) einen +lateinischen Brief schreibt (Br. IV, 497, V, 46), ist nicht zu +verwundern; schrieb doch der 11jährige Herzog Wilhelm von Sachsen an +Hans Luther auch eine, wohl mit Hilfe seines Lehrers, verfaßte +lateinische Epistel 1541, _Mayer_ § 17. (D. D. _Richter_, Geneal. +Luther. 379). + +[308] _Lauterbach_ 141. Martin. T.-R. I, 205. _Köstlin_ II, 491. +Florian, Ztschr. f. K.-Gesch. II, 145 f.: L. diktiert dem Buben zum +Willkomm drei Tage hintereinander je des Tages einen guten fetten +Schilling. — Zeile 10 lies: Florian (st. Fabian). + +[309] T.-R. I, 202. + +[310] T.-R. IV, 76. 64. + +[311] T.-R. IV, 129. _Matthes._ 145. + +[312] Muhme Lehnes Tod. T.-R. III, 153. — Rosine, Br. V, 625. 396. 506. +753. + +[313] V, 101. + +11. Hochzeiten und Krankheiten, Pest und Tod. + +[314] T.-R. IV, 41. 84. 104. Br. V, 186 f. 198. II, 317. + +[315] T.-R. IV, 53, 75. 51. + +[316] VI, 189 f. 196. T.-R. III, 147. IV, 54-56. + +[317] Br. VI, 217. + +[318] T.-R. IV, 58. I, 184. — Wein und Brot. T.R. I. 106. Wenn Luther +das Tanzen empfiehlt, so vgl. [445]. + +[319] T.-R. IV, 59. + +[320] IV, 610 f. 618. 625. 627. _Burkh._ 237 f. + +[321] V, 49 ff. 57 f. („hessische Betten“). _Ratzeberger_ 105 f. (nasse +Bettücher), _Seckendorf_ III, § 60. _Burkh._ 276. + +[322] Mist: In Schmalkalden gab man Luther ein Getränk? von Pferdemist +und Knoblauch ein. Man hielt viel auf solche Mistkuren: T.-R. I 120: +„Pferdemist dienet für Pleurosie“. + +[323] V, 59 f. + +[324] V, 59. 270. 58. + +[325] Muhme Lene † T.-R. III, 153. + +[326] IV, 524. V, 188. _Burkh._ 259. _Schmidt_, Ztschr. f. Gesch. II, +256. VI, 187 f. + +[327] VI, 188. + +[328] V, 579. 259 f. VI, 291. _Seckendorf_ III, 182. V, 127. + +[329] VI, 444 ff. schrofa (d.i. scropha) ista Boemica „jene böhmische +Sau“, _Burkh._ 285 f. 289-95. + +[330] Burkh. 365. 467. + +[331] T.-R. I, 225. II, 212. + +[332] T.-R. II, 441 f. IV, 257. Br. V, 218 f. 225. Auch Dr. Sebald und +seine Frau hatte er besucht, angegriffen und betastet. Und da er ihre +Kinder ins Haus genommen, gaben ihm etliche einen Stich, als wollte er +Gott versuchen, T.-R. IV, 251. + +[333] Jonas' Briefw. I, 381 f. Diese Krankheit muß es gewesen sein, von +der Luther T.-R. IV, 259 redet. Als nämlich von den Schrecken des Todes +die Rede war, sagte er. „Da fraget meine Käthe drum, ob sie des etwas +gefühlet hat, denn sie war recht gestorben.“ Sie aber antwortete. „Herr +Doktor, ich habe gar nichts gefühlet.“ + +[334] V, 269-271. 273. 277. 218. _Ratzeberger_, 104. T.-R. II, 230. 233. + +[335] Jonas' Briefw. I, 383. + +[336] V, 300. + +[337] _Burkh._ 356 ff. + +[338] Sprichwörtlich, vgl. S. 131. Seltsamerweise kehrt die alte +Schreibart des Namens wieder, vielleicht bei einem Abschreiber, obwohl +man auch damals wußte, daß L. seinen Namen von Lothar („vom Kaiser +Luther“) habe, wie der Stadtpfarrer M. Cölius zu Eisleben in seiner +Leichenrede erklärt. _Förstemann_, Denkm., Nordh. 1846, S. 55. + +[339] _Burkh._ 131, I. VI, 269 f. + +[340] V, 298. + +[341] V, 299 f. + +[342] V, 107. 201. 411. 516. _Faber_, Briefw. 14. _Burkh._ 401. 423. + +[343] V, 306. + +[344] V, 336. 346. 348-52. + +[345] V, 416, 431. VI, 297. + +[346] V, 744. 763. + +[347] Vgl. S. 196. Cyriak: andere nehmen seinen Bruder Fabian als den +heimlich Verlobten an; er war gleichzeitig mit seinem Bruder Andreas und +seinem Vetter Hans Luther an Trinitatis 1533 immatrikuliert — also +jünger wie Cyriak, welcher schon 1529 Student war. Daher wird auf diesen +die Verlobung eher passen. — T.-R. IV, 96. 84 ff. 491 ff. 500 ff. Beier: +Br. V, 619. 676. Burkh. 453 f. C.R. V, 313, 286 ff. Mel. d. J. +Verlöbnis. Kreuzigers Klagebrief über die Wittenb. Händel. Br. V, 620: +L. hat Melanchthon übermocht, daß er seinem Sohn nicht nachgebe. 616: +Phil. und sein Weib vergehen fast an ihrem Sohn. + +[348] V, 497. — Das folgende steht in T.-R. 258-265. + +[349] Die folgenden Verse, in deutscher Uebersetzung, lauten: + + „Die ich in Sünden war geborn + Hätt ewig müssen sein verlorn, + Aber ich leb nun und hab's gut, + Herr Christe erlöst mit deinen Blut.“ + +Sie sind vielleicht vom Berichterstatter. _Mayer_ § 20. — _M. Richter_, +Geneal. Luther. 352. + +[350] V, 502 f. 506. + +[351] V, 520. + +[352] V, 519. + + +12. Tischgenossen und Tischreden. + +Vgl. _Anton_, Zeitverk. 145 ff. + +[353] IV, 629. + +[354] _Schadow_, Wittberg Denkw. 60 f. Br. III, 14. V, 11. 15. 19. +Verlöbnis 196. + +[355] IV, 476. 629. C.R. XXIV, 397. Burkh. 237 f. Br. IV, 641. 414. + +[356] III, 217. VI, 286. _Lauterb._ 158. V, 767. _Kolde_ 377. + +[357] _Burkh._ 238. Br. IV, 413. 629. T.-R. I, 179. V, 767. + +[358] V, 619. 624 f. 630. + +[359] Besuch von Mansfeld, z.B. 30. November 1538, T.-R. III, 358. — +Capito V, 70. + +[360] _Burkhardt_, Th. St. u. Krit. 1896, S. 192. 161. + +[361] Cordatus, S. 13. 20. 22. T.-R. I, 414. + +[362] II, 153. 46. 677. III, 9. 31. 59. 130. 149 f. 210. 394. 401 f. +476. IV, 272. 370. 388 f. T.-R. IV, 297. _Burkh._ 216 ff. _Kolde_, An. +Luth. 197. + +[363] Lauterb. IX. + +[364] T.-R. IV, 667. _Seidemann_, M.A. Lauterbachs Tagebuch, Dresden +1872, V-VII, _Waltz_, Ztschr. f. K.-Gesch. 1878, S. 629 f., vgl. Beitr. +zur Sächs. K.-G., 1893, S. 74 ff. 79. + +[365] _M. Preger_, Tischreden L.s nach den Aufz. von Schlaginhaufen, L. +1888, S. VI-X. T.-R. III, 118 f. + +[366] _H. Nobbe_. Dr. H. Weller, Ztschr. f. hist. Th. 1870, S. 153 ff. +Br. IV, 38 f. 131. 477. 586. Beide Weller des jungen Musikus Joh. Jöppel +gute Freunde! 535. Ruf nach Dresden 161. Schwermut 556 f. Cord. 601, 6. +783. Br. V, 11. T.-R. 538. Cord. 1774: „Lieber Weller, lügt Euch nicht +zu Tode; Ihr könnt noch wohl ein Jurist werden.“ + +[367] T.-R. II, 46. Mayer, p. 56 f. + +[368] T.-R. II, 210. L.-W. XXI. 186* ff. + +[369] T.-R. I, 57 f. + +[370] _Hirsch_ und _Würfel_, Lebensbeschr. aller Hh. Geistlichen in +Nürnberg. Nürnb., 1756. III, 4-6. — Br. IV, 363. 192. 199. Krause Sinne: +T.-R. III, 184. Cord. 920. _Hausrath_ 278. Vgl. oben S. 121. + +[371] Briefe aus Wittenberg an H. Baumgarten. Ztschr. f. hist. Th., +1874, S. 546 f. — Br. IV, 665. V, 564. + +[372] C. Ref. V, 314^4. S.o.S. 963. Stud. und Krit. 1887, S. 354. +_Köstlin_ II, 496. — Die Klagen Besolds über Frau Käthe werfen nicht +gerade ein schlechtes Licht auf ihren Charakter. Ihre „Habsucht“ belegt +er damit, daß sie „alles zu Rate gehalten und bei den Tischgenossen auf +richtige Bezahlung gedrungen“; ihre „Herrsucht“ damit, daß sie +„diejenigen Theologos nicht leiden können, welche Weiber von schlechten +Stande geheiratet.“ Beides ist nur ein Beweis für ihre gesunde +praktische Lebensansicht. + +[373] Lemnius: „ein Poetaster und Leuteschänder“ Matthes. 126. Br. V, +105. 381 f. 385-7. — T.-R. II, 223. III, 317. IV, 95. 259. 705. M. +Holstein, „der neue Jurist“: T.-R. III, 317. — Th. St. und Krit. 1887, +S. 354. Ztschr. f. hist. Th. 1874, S. 570 ff. + +[374] Br. VI, 234. 270. V, 29. T.-R. III, 293. 381. IV, 285. — Vgl. o.S. +131. + +[375] Matthes. 68. T.-R. IV, 444. + +[376] T.-R. IV, p. XX, s.u. 204. 206. 229. 236. + +[377] T.-R. IV, p. XVIIIf. Br. VI, 328. Matthes. 131. Nach M.D. +_Richter_, Geneal. Luth. 369, war auch der Jurist Joh. Schneidewin 10 +Jahre Käthes Haus- und Tischgenosse und wurde nachher Zeuge für +Margarete L. beim Teilreceß 1554. + +[378] Matth. 68. 209a. 211. + +[379] IV, 667 f. + +[380] V, 115. IV, 435 f. + +[381] V, 402. + +[382] C.-R. V, 314^4. + +[383] IV, 524. S.o.S. 116. + +[384] L.-W. XXI* 166. 165. + +[385] _Matthes._ 141. 143. 209. + +[386] _Waltz_, Ztschr. f. K.-Geschichte, 1878. S. 629. _Hausrath_ 266 +bis 273. + +[387] Cord. 133. _Matthes._ 151. + +[388] _Matthes._ 133. 211. + +[389] T.-R. II, 247. + +[390] _Cord._ 731. _Lauterb._ 5. 38. + +[391] T.-R. IV, 131 f. Vgl. _Schlaginhaufen_ Nr. 147. „Luther: Der Satan +hat Gottes Sohn erwürget. Respondit uxor D.: Ei mein lieber Herr Doktor +von Credo.“ + +[392] T.-R. III, 90 f. + +[393] T.-R. IV, 134. + +[394] Cord. 1205. Der große Zwischensatz sieht allerdings aus, wie eine +Einwendung Luthers; aber der Berichterstatter, der doch sonst Katharina +nicht sonderlich wohl will, schreibt die _ganze_ Rede ihr zu. + +[395] Cord. 120. + +[396] Cord. 110 f. + +[397] _Lauterb._ 156. — Der gelehrte „Engeleser“ war wohl „der schwarze +Engeleser“ Dr. Antonius Robert Barns (Barnes) S. 144. + +[398] T.-R. IV, 78. 121 f. Vgl. o.S. 55. 73. Schlaginhaufen Nr. 187. Als +die Rede auf den Türken kam, sagte die Doktorin: „Ei behüt uns Gott vor +dem Türken!“ Der Doktor: „Ei, er muß einmal den Pelz laufen.“ 216: Die +Doktorin stach was in die Seite; da schreit sie laut auf: „Ave Maria!“ +Sagt der Doktor. „Warum hast Du nicht billig am Ende den angerufen, der +am Anfang? Wäre nicht Jesus Christus auch ein tröstlich Anrufen?“ 228: +Der Doktor neckte einmal seine Frau, es werde noch dahin kommen, daß +ein Mann mehr als ein Weib nehme. Da sagte die Doktorin: „Das glaub der +Teufel!“ Und als Luther auf Gründe der Natur wies, da berief sich Käthe +auf Paulus; als aber der Doktor auch dies widerlegte, sagte sie: „Bevor +ich das zugäbe, würde ich lieber wieder ins Kloster gehen und Euch und +alle Kinder verlassen.“ + +[399] Br. III, 35. + + +13. Hausfreunde + +Vgl. _Anton_ D.M.L. Zeitverkürzungen. L. 1804, S. 94 ff. + +[400] V, 668. Vgl. Matthesius zu 1529: Luthers „Discipel“ fangen an zu +lesen. + +[401] Br. IV, 503. 565. 636. _Burkh._ 319. _Kolde_, An. L. 82. +_Buchwald_ 48. 52. Br. II, 677. III, 150 u.a. IV, 344. VI, 138. 411. +„Kütten-Latwerg“ d.i. Quitten-Latwerge. + +[402] IV, 500. V, 434. 503. III, 77. + +[403] Fr. S. Keil, Dr. M.L. Merkw. Lebensumst., S. 699. Ztschr. f. hist. +Th., 1874, S. 551. — + +[404] III, 35. 128. IV,36. V, 96. 426. VI, 450. T.-R. III. + +[405] _Kawerau_, Ztschr. f. K.-Gesch., IV, 301. T.-R. III, 375. + +[406] „Grickel und Jäckel“. T.-R. III, 358-82. — _Anton_, L.s +Zeitverkürzungen 145. Vgl. das Katechismusglas T.-R. II, 174. Köstlin +II, 465. 469. — Das überlaute Schreien Agrikolas charakterisiert +Creuziger in einem Brief an Veit Dietrich: er lehre in der Schule nach +Gewohnheit grandibus buccis (mit vollen Backen). + +[407] III, 253 u.a. V, 162 f. 450. 703. T.-R. I, 272. 328. + +[408] III, 226. + +[409] III, 199 f. 389 f. + +[410] T.-R. III, 358. 370. 376. Br. IV, 161. S.o.S. 53. S. 77. — L. +kommt zur Taufe nach Torgau. _Lingke_, L. Reisegesch. 159. + +[411] III, 523. IV, 556. V, 67. 74. 326. + +[412] _Kolde_, An. L. 234. 241. 239. 307. Br. V, 70. + +[413] III, 17. IV, 198. + +[414] IV, 176. VI, 129. 367. V, 402. C.-R. V, 214^4. _Seidemann_, +Ztschr. f. hist. Th., 1874. S. 555 ff. + +[415] V, 672. Th. Studien und Krit., 1887. S. 353 ff. Oeffentliche +Gebete in W. für B. — Reden und Jammern bei Tisch. Vgl. Melanchthon an +B. am 25. März 1546: (C.-R. VI, 93): „Von Dir hat Luther immer mit Liebe +und Verehrung gesprochen.“ Ueber die Gefangenschaft Baumgartens vom 31. +Mai 1544 bis anfangs August 1545. _S. Seidemann_, Kollektaneen. Anz. f. +d. K. der d. Vorzeit. R.F. 1854. 1855. + +[416] Vgl. oben S. 1. 4. 5. Br. IV. 665. V, 564. + +[417] IV, 556. 607 f. 247. VI, 736. IV, 611. 596. + +[418] „Feldglocken“ = Galgen, also Galgenschwengel. + +[419] IV, 586. + +[420] V, 11. 15. 19. 22. 274. + +[421] T.-R. I, 414. III, 96. 115. + +[422] III, 219. IV, 31. 499. + +[423] III, 447. 492. IV, 183. 215. III, 434. + +[424] IV, 261. 312. 317. 490. III, 490. IV. 343. + +[425] IV, 414, 476. V, 22. 139. Vgl. _Kolde_, An. Luth. 332 — T.-R. IV, +256 f. + +[426]. IV, 494. VI, 266. V, 57. Matthes. 319 + +[427] V, 38. 271. 285. 401 u.f.f. Vgl. Br. VI, 533-35. 674. IV, 583 f. +T.-R. IV, 47. + +[428] Tischgespräch: II, 265. Besorgungen: Br. V, 228. 493. 668. 602. +628. 637. + +[429] III, 53. 119. 154. 254. 372. V, 330. 148. + +[430] V, 59. S.o.S. 126. + +[431] V, 312 f. VI, 318. V, 507. 605. 609. 627. + +[432] Ztschr. f. K.-G., 1878, S. 304. + +[433] _Anton_, L. Zeitverf. S. 116 f. + +[434] _F.W. Löhe_, Ztschr. f. hist. Th. 1840, S. 175-247. _Piper_, +Zeugen der Wahrheit L. 1874, Bd. IV, S. 375-82. Elisa, Br. IV, 654. +Testament, Br. V, 425. T.-R. II, 397. Kreuziger war der Protokollführer +der Evangelischen und Nachschreiber von Luthers Predigten. Myconii +Historia Reform. 1517-42 v. E.S. Cyprian, L. 1718. S. 47. + +[435] Aufträge IV, 10, Meßgeschenk 422. Frau Elis. Kreuziger: Ztschr. f. +hist. Th., 1874, S. 554. _Lauterb._ 183. + +[436] IV, 684. V, 11. IV, 414. + +[437] _Piper_, Bd. IV, 356-368. + +[438] III, 230. 111. 219. + +[439] IV, 375. III, 304. 245. 252 f. 264. 281. V, 299. u.s.w. + +[440] III, 512. IV, 131. + +[441] III, 244. 253. 314. + +[442] III, 314. 375. _Zitzlaff_, Bugenhagen, Wittenb. 1885, S. 106. +„Pomerisches Rom“, Br. V, 48. Mit „Oel“ = Bier; vgl. das englische ale. + +[443] _Piper_ IV, 368-75. — VI, 304. Jonas' Briefwechsel I, 115. 153. +160. 174. II, 77. + +[444] Br. IV, 10. 16 f. 18 f. V, 414. 557. 109. 114. 201. + +[445] _Buchwald_ 62. V, 7. VI. 303. + +[446] V, 519. IV, 9. + +[447] IV, 629 f. V, 3 f. 100. 394 f. 470. + +[448] Briefw. I, 380-3. (_Kolde_, An. L. 134, Br. IV, 629). ἡ γυνή vgl. +Offenb. Joh. 12, 1. + +[449] Jonas in Halle, V, 346. Neckerei 396. Seine Frau [Symbol: +gestorben] 519. + +[450] Ueber Luthers Verhältnis zu Melanchthon vgl. _Anton_ 31-33. V, +336. 171. 344. 270. + +[451] Zur Charakteristik von Frau Melanchthon, C.R. III. 390. 396. 398. +Kolde, M.L. II, 463. 471. 603. Kleiderordnung, Schadow, Wittenb. Denkw., +S. 60 f. + +[452] C.R. III, 398. T.-R. III, 390. Vgl. Köstlin II, 462. + +[453] Kolde, An. L., 311. 318. Br. V, 105. T.-R III, 275 ff. + +[454] VI, 199. T.-R. III, 275 ff. IV, 126, vgl. Matthes. 126. Kolde, 321 +f. 326 f. Hofmann 193. + +[455] C.R. V, 641. 123 f. IV, 143. 154. 169. 303. V, 113. VI, 20 f. + +[456] V, 273. 277. Fröhlich sein: 294. 323. C.R. VI. 53 f. + +[457] C.-R. V, 410. — Käthe oder Melanchthon meint dabei wohl den +„Schwaben“ Simon Lemnius und den Sachsen (Joh. Sachse aus) Holstein +(s.o.S. 146). Sie stellte übrigens dem Melanchthon dies nicht als _ihre_ +Meinung, sondern als Klage des Holstein dar. + +[458] C.-R., V, 410. + +[459] Die beiden Kanzler sind Brück und Beier. + +[460] _Zitzlaff_, Bugenhagen S. 107. + +[461] _Kreußler_, Denkmäler der Reformation L. 1817. S. 29. Abneigung +gegen Theologen-Weiber aus niederem Stande. Br. VI, 419. C.-R. V, 314^4. +S.o.S. 146^1. _Seidem._, Beitr. z. Ref.-Gesch. 496. Auch mit dem alten +Bildenhauer verkehrte L. viel. Vgl. T.-R. I, 24 ff. — Die +Krankenpflegerinnen des Mittelalters waren die „Beguinen oder +Seelweiber“, _Matthes._ 159b. + +[462] T.-R. III, 127. II, 210. + + +14. Käthe und Luther. + +Vgl. _Anton_ 117 ff. + +[463] T.-R. IV, 124. 38. (77). + +[464] _Küchenmeister_: L. Krankheitsgeschichte. S. 54. + +[465] T.-R. IV, 53. Br. VI, 332. + +[466] _Lauterbach_ 2. _Küchenmeister_ 111. + +[467] _Lauterbach_ 2. _Küchenmeister_ 111. Br. V, 51. + +[468] Br. 330. T.-R. I, 134. 212. 213. IV, 129. + +[469] Käse V, 319. Bier von Jonas V, 100. Königin der Biere V, 470. +Sehnsucht vom Hof nach Haus: IV, 553. Hofbrot V, 51. + +[470] T.-R. IV, 69: „Wenn ich bei mir selbs (daheim?) bin, dank ich +unserm Herrgott für das Erkenntnis der Ehe“ T.-R. IV, 59. S.o.S. 123, 2. + +[471] _Melanchthon_, Vita Lutheri p. 8. _Mayer_ §27. _Hofmann_ 148. Das +Katechismusglas, T.-R. II, 144. III, 170. + +[472] T.-R. IV, 300 f. Vgl. I, 103. Br. VI, 330. + +[473] S.o.S. 71. 104 f. 126-128. + +[474] Dr. Fr. _Küchenmeister_, L.s Krankengeschichte. L. 1881. + +[475] II, 616. III, 254. V. 330. VI, 115. 130. 144. + +[476] T.-R. I, 208. _Walch_ XXI, 275*. _Küchenmeister_ 52 f. + +[477] Die Antrittsrede (_Hofmann_ 110) ist übrigens nach damaliger Sitte +von Melanchthon verfaßt. — Zum folg. vgl. S. 124. + +[478] T.-R. IV, 271. — _Ratzeberger_ S. 61 f. + +[479] Br. III, 219. 244. + +[480] T.-R. II, 210. III, 51. + +[481] _Kolde_, An. Luth. 234. + +[482] _Mayer_ §27. Keil II, 199. T.-R. I, 212. 210. + +[483] _Anton_, L. Zeitverk. S. 117 ff. + +[484] V, 163. IV, 599. + +[485] Diese Anekdote, welche u.a. Albert _Richter_, Deutsche Frauen, L., +Brandstätter 1896, S. 162 erzählt, habe ich aus den Quellen nicht +belegen können. + +[486] T.-R. III, 131. Br. IV, 123. Vgl. T.-R. II, 215. Da sagt L. von +seinen cholerischen Temperament: „Ich habe kein besser Werk denn Zorn +und Eifer; denn wenn ich wohl dichten, schreiben, beten und predigen +will, so muß ich zornig sein: da erfrischt sich mein Geblüte, mein +Verstand wird geschärft und alle unlustigen Gedanken und Anfechtungen +weichen.“ + +[487] _Strobel_, Beitr. II, 481 (C.-R. V, 314). (14. Febr. 1544). Scis +illum habere ad multa quae cum inflammant facem domesticam. Als 1533 der +Stadtschreiber _Roth_ von Zwickau mit seiner Frau und den dortigen +Geistlichen in Hader lebte und infolgedessen auch Luther gegen ihn +aufgebracht war, berichtete ein Student, Peter von Neumark, an Roth von +Dorothea, einer Verwandten von Roth, die an einen „seinen und züchtigen +Schustergesellen“ verheiratet war. „Sie (Dorothea Kersten) hat mir auch +darneben geklagt, wi das die Doktor Martinus Lutherin wiliche doch Hader +und Zank stillen solde ja vil mher hätte angericht.“ _Buchwald_ 37. 104. +— Das ist aber nach den Verhältnissen eine recht unlautere Quelle. + +[488] _Buchwald_ 176. Vgl. Köstlin II, 492. 608 f. + +[489] _Mayer_ §27. Keil II, 199. + +[490] Br. V, 790. + +[491] S.o.S. 112. 106 f. + +[492] IV, 174. Riedtesel: Kurf. Direktor. + +[493] IV, 553. VI, 270. + +[494] _Ratzeberger_ 122. + +[495] III, 125. Vgl. IV, 49. Cord. 22. + +[496] VI, 185. L. Test. S. 6. + +[497] V, 422. + +[498] Hier. _Weller_ Opp. I, 871. Test. 7. + +[499] Cord. 1005. 1079. 55. T.-R. IV, 48. Der Sinn ist in beiden +Redensarten: Maulschellen geben = über den Mund fahren; bildlich: auf +eine scharfe Redensart mit einer scharfen (oder schärferen) erwidern. — +Daß Luther es nicht wörtlich meinte (wie Wrampelmeyer a.a.O. anzunehmen +scheint), geht aus T.-R. IV, 38 hervor, wo Luther von Eheleuten, die +einander „raufen und schlagen“, sagt: „das sind nicht Menschen.“ +Uebrigens steht T.-R. IV. 48 die Rede in einem bestimmten Zusammenhang. +Da ist von einem Magister die Rede, der seine Freiheit an eine reiche +Frau verkauft hatte und dem diese übers Maul fuhr: „Du hättest müssen +ein Bettler sein, wenn ich Dich nicht genommen.“ Da sagt Luther: „Ich +_hätt_ auch gerne, daß“ ...; da konnte man meinen, L. wolle sagen: „Ich +hätte auch gerne, wenn mir meine Frau so übers Maul fahre“ — freilich +u.s.w. + +[500] T.-R. IV, 72. + +[501] IV, 553. Cordatus bemerkt in seiner bissigen Weise dazu: Das ist +sicherlich wahr (Nr. 1837). So ist auch in der Rede, worin Luther von +ihrem „Stolz“ spricht, dessen er sie vor seiner Verheiratung für +verdächtig hielt, die Einschaltung — vom Herausgeber der Reden oder als +neckende Bemerkung von Luther? — gemacht: ut est (wie es auch ist). +Lauterbach 162*. + +[502] III, 10. IV, 649. V, 19. 59. 110. 304. 431. IV, 221. 524. VI, 304. +III, 512. 145. IV, 221. Auch Jonas' Frau nennt L. tuum dictative. III, +213. + +[503] III, 15. IV, 632. V, 10. + +[504] Br. III, 512. IV, 552. 132. 553. VI, 545. V, 296. 783. (786). VI, +269. 547. III, 341. V, 122. 127. 780. 784. 788. T.-R. IV, 119. + +[505] T.-R. IV, 78. Vgl. 126. + +[506] T.-R. IV, 78. I, 209. 208. 211 f. IV, 212. + +[507] T.-R. I, 210. IV, 44. 125. I, 208. Sehr scharf spricht sich L. aus +über Schmähungen von „Frauen und Jungfrauen“. „Ob sie gleich Mangel und +Fehl haben.“ T.-R. IV, 126. + +[508] T.-R. IV, 120. 77. III, 75. IV, 78. Cord. 48. Uebereinstimmend mit +dem Spruch der Frau Cotta schreibt L. in einem Beileidbrief (1536, Br. +IV, 687). „Es ist der höchste Schatz auf Erden eine liebe Hausfrau.“ + +[509] T.-R. IV, 52. _Cord._ 22. T.-R. IV, 50. 53. + +[510] _Cord._ 249. 1780. T.-R. IV, 40. + +[511] T.-R. 43 f. 54 ff. Reden über den Ehestand. IV, 34-156. Vgl. +_Froböse_, D.M.L. ernste kräftige Worte über Ehe und ehel. Verhältnisse. +Hannover, 1823. + +[512] T.-R. IV, 34. 38. 77. 73. 49. Cord. 1379. + +[513] T.-R. IV, 50. 204. + +[514] _Cord._ 22. T.-R. IV, 72. 50 f. + +[515] Br. V, 126. T.-R. 58. 37 f. + +[516] T.-R. I, 116. Com in ep. ad. Gal. — Seckendorf I, § 63. +_Lauterbach_ 2. 37. + +[517] Br. IV, 645. 649. (Das Lesen Br. IV, 649 wird wohl vom Flachslesen +gemeint sein.) T.-R. I, 20. — Vgl. Was Luther von den Juden sagt: „Sie +schreien wohl sehr und beten heftig, mit großem Ernst und Eifer; mich +wundert's, daß Gott sie nicht erhört.“ T.-R. I, 109. — _Köstlin_ II, +437. + +[518] V, 787. — Link in Nürnberg schickt sogar seinen Annotationes in +Genesim an Käthe. V, 713, vgl. _Buchw._ 48. + +[519] Die Schreibkunst hochstehender Frauen veranschaulicht ein Brief +der Gräfin von Mansfeld an Luther (vom 14. Sept. 1545), welcher so +anfängt: „Lieber togktor ich besyntt auß eurem berichtt, das es kein +Floß (Fluß, Rheuma) ist noch wirtt“ u.s.f. _Kolde_, An. L. 391. + +[520] So erkundigt sich die Herzogin Sibylle schriftlich bei Luther nach +seinem lieben Weibe. So entbietet Herzog Albrechts liebe Gemahel Luthers +und Melanchthons Häusern und tugendsamen Frau Dienst und Gruß. _Burkh._ +162. Br. V, 638. _Kolde_, An. L. 189. Vgl. die Besuche von Fürsten und +Fürstinnen. — Käthe heißt auch bei den Freunden respektvoll die Domina, +Doctorissa, δεσποινα διδασχαλη (vgl. S. 171) + +[521] Im Museum zu Leipzig. + +[522] V, 520. + + +15. Luthers Tod. + +Hierzu besonders _Förstemann_, Denkmale dem D.M.L. von s. Zeitgenossen +errichtet. Nordhausen 1846. + +[523] S.o.S. 181, 2. + +[524] V, 522. 544. 628 f. 642. T.-R. II, 261. Bündnis mit den Türken: +T.-R. IV, 661. + +[525] Fladenkrieg. T.-R. IV, 444-47. _Ratzeberger_ 112. Mainz: Br. 522. +602. „Grickel und Jäckel“: V, 383. 629. 734. T.-R. II, 470. Kölner +Reform V, 584. 708. Epigonen: V, 527. 529. 539. 550. 553. 572. 586. 659. +663. V, 537. 571. 708 f. 727. + +[526] V, 616. 708. _Ratzeb._ 123 f. + +[527] Vgl. zu S. 134, 2. T.-R. IV, 98 f. 104. 500 ff. Ueberhaupt über +„die garstigen Juristen“, (495): 478-541. 523: „Es ist ein ewiger Hader +und Kampf zwischen den Juristen und Theologen, wie zwischen Gesetz und +Gnade.“ _Beste_ 77 f. _Hofmann_. 156 f. + +[528] Heimliche Verlöbnisse. V, 616 ff. 627. 715. 747. 744. 763. T.-R. +IV, 99. 491 f. _Köstlin_, II, 580. + +[529] V, 527. 586. 604. 679. 683. 688. 700. 704. 711. 726. + +[530] V, 518. + +[531] V, 643. 703. + +[532] T.-R. III, 15 f. + +[533] V, 359. _Kolde_, An. L. 391. + +[534] V, 529. 743. + +[535] V, 571. 534. Denkmale 31. 26. _Ratzeb._ 137. + +[536] V, 600. 555. 638. 703. 743. + +[537] V, 541. 571. 778. + +[538] T.-R. III, 131. Br. V, 571. + +[539] VI, 590. 628 ff. 570. 600. 642. 299. 674. Nach dem jüngsten Tag +seufzt Luther auch sonst: Als L. einmal ein Paternoster (einen +Rosenkranz) von weißen Agatsteinen in der Hand hatte, sprach er: „O +wollte Gott, daß der Tag nur balde komme! Ich wollte das Paternoster +jetzt essen, daß er morgen käme.“ T.-R. I, 63. + +[540] So Bugenhagen in seiner Leichenrede für Luther. Denkm. 92. + +[541] V, 747. + +[542] V, 753. 561. 710. VI, 302. Lob Nürnbergs: T.-R. IV, 665. _Burkh._ +463. _Kolde_, An. L. 423. Br. V, 753. — „Kleiderordnungen“ von 1562 und +1576; vgl. _Schadow_, Denkw. 60. 92. + +[543] Br. V, 752 f. + +[544] Ernst von Schönfeld ist ein Bruder der Ave aus Nimbschen, welche +den Basilius Axt geheiratet hatte. Ueber ihn hatte sich L. 1540 beklagt, +daß er seiner Schwester ihre tochterliche oder fräuliche Gebühr +vor(ent)hielt. L. nimmt sich der Ave, (für die er sich einst +interessiert hatte, s.S. 46, 2, T.-R. IV, 50), in einem Briefe an den +Kurfürsten an, auch nach dem Tode ihres Mannes und ihrer Kinder (1541). +V, 289. 403. S.o.S. 16. 29. + +[545] Das Schwarze Kloster. + +[546] Die vier Fakultäten? + +[547] Georg von Anhalt, Bischof von Merseburg. + +[548] „gesegnen von meinenwegen“ = in meinem Namen Lebewohl sagen. + +[549] _Burkh._ 475 ff. 483. _Kolde_, An. L. 416. 423. + +[550] _Lingke_, L. Reisegeschichte, 284 f. + +[551] Denkm. 1. 2. Br. V, 779. 771. _Ratzeb._ 134 ff. 129. Denkm. 22. + +[552] „Unartiges“ Wetter, _Ratzeb._ 134. — Reisegenossen, Jonas' Briefw. +II, 182 ff. — Vorbedeutung: _Ratzeb._ 130 f. + +[553] V, 780 f. + +[554] „Hans von Jena hat sie gebeten“ = die Langeweile hat sie geplagt. + +[555] V, 783 f., vgl. Jonas' Briefw. II, 182. + +[556] C.R. VI, 60. Jonas' Briefw. II, 183. C.R. VI, 56. Denkm. 10. 64. + +[557] V, 786. + +[558] V, 787 f. 789 f. + +[559] Hier und zum Folgenden L. Krankheits- und Sterbegeschichte von +Jonas, L.W. XXI, 274-393 und K. Ed. _Förstemann_, Denkmale dem Dr. M.L. +errichtet, Nordhausen 1846. + +[560] V, 791. + +[561] Denkm. 23. C.R. VI, 54. — Man wollte bei dreien Nächten einen +Kometen gesehen haben; sonderlich behauptete das der Bote von Jonas an +Melanchthon, der sich für so etwas ganz besonders interessierte. Denkm. +21. 23. 25 ff. Jonas' Briefw. II, 282 f. + +[562] Aus dem „Leichenprogramm“ beim Tode Katharinas. Hofmann 136. + +[563] Denkm. 10. 11. + +[564] C.R. VI, 274. Denkm. 26. 53. + +[565] Denkm. 78 f. + +[566] Denkm. 81. + +[567] Denkm. 76 f. + +[568] Jonas Briefw. II, 183. Hofmann 112. + +[569] „10 Gr. denen Pulsanten gegeben an Tag Cathedra Petri von allen +Glocken zu läuten, do man den Ehrwürdigen Herr Doctorem Martinum zu +Grabe getragen“. Wittenb., Kämmerei-Rechnung, Dm. 82. 142. + +[570] Das eherne Bild, das mit den Zügen des Doktors in die Wand +eingelassen werden sollte, kam des Krieges wegen erst später zustande +und in die Kirche zu Jena, weil Wittenberg dem Kurhause verloren ging. +Denkm. 78 f. + +[571] Br. VI, 650. Der Brief ist faksimiliert in der Illustr. Zeitung +1899, S. 149 f.; ist aber nicht von Katharinas Hand, sondern diktiert. +S. Seidemann, a.a.O. + + +16. Luthers Testament + +Hierzu vgl. K. Ed. _Förstemann_, D.M.L. Testamente. Nordhausen 1846. +Seidemann, Ztschr. f. histor. Th. 1860. S. 475 bis 564. + +[572] _Rade_ (P. Martin) D.M.L., Neusalza 1887, III, 699. S.o.S. 201. + +[573] „Die Welt ist undankbar“ setzte L. an die Spitze seines +Hausbuches, in welchem er für die Seinigen eine Art testamentarische +Aufzeichnung machte, wegen ihrer Zukunft. VI, 324. + +[574] V, 424. + +[575] S.o.S. 201. V, 424. + +[576] V, 424. VI, 324. 326. + +[577] S.o.S. 83. _Kolde_, An. L. 416. _Burkh._ 482 f. + +[578] T.-R. IV, 522 heißt es zwar: „Nur _ein_ Jurist ist fromm (brav) +und weise. Dr. Gregorius _Brück_.“ Dagegen 525. „Etliche sind fromm wie +Dr. _Sebald_; etliche aber sind eitel Teufel.“ + +[579] _Burkh._ 482. _Kolde_, An. L. 421-23. _Buchwald_ 180: L. zieht weg +propter pessimos mores. + +[580] Grundbes. 531. Br. V, 304. Denkm. 76 f. + +[581] Denkm. 27. 79. L.W. XXI, 299*. — Hierbei hatte Brück von den +„groben Fleischern und Fischern“ geredet: „Man soll (wird) der Frauen +wohl bald mit ungestümen Worten, wenn man schuldig ist, zu Halse laufen“ +(S. 95 f.). Auch Luther hatte in Beziehung auf die Wittenberger Bürger +an die Spitze seines Tagebuchs geschrieben: „Die Leute sind grob“. (VI, +324.) + +[582] _Seckendorf_ III, 647. am 24. Febr., wenn hier keine Verwechslung +mit dem Schreiben vom 20. vorliegt. + +[583] C.R. VI, 81. + +[584] Denkm. 163. + +[585] Denkm. 167 f. + +[586] Denkm. 169. + +[587] Th. St. und Krit. 1896, S. 161. + +[588] V, 25 f. 424. + +[589] T.-R. IV, 521: „L. klagte über die Armut und Elend der Theologen, +wie sie allenthalben gedrückt würden und dazu helfet ihr Juristen +redlich und drückt uns weidlich.“ — IV, 145: „Wir arme Mönche und Nonnen +müssen herhalten. Dr. Pommer sollte nach weltlichem Rechte entsetzt +werden. Weil aber solche Rechte noch nicht exequieret und vollzogen +sind, so ist die Frage, ob seine Kinder auch seiner Güter Erben sein +können.“ + +[590] V, 403, vgl. 307. Grundbes. 511 ff. _Nobbe_ Ztschr. f. hist. Th., +1870, S. 173. + +[591] Br. V, 422 ff. Sachsenrecht. T.-R. IV, 51. + +[592] Sorge: _Rebenstock_ I, 229. — Barschaft Testam. 48, vgl. 28. Br. +VI, 324 f. — Schatzung Br. VI, 304. V, 499. Verschreibung des +Kurfürsten, _Burkh._ 402 f. Der Grafen, Denkm. 169. + +[593] Wolfs „Gnadenbrief“. _Richter_ 379. _Seidemann_, N. Mitt. VIII, +37. 21. 26. Grundbes. 508. + +[594] S.o.S. 82 f. und Anmerkg. — Test. 31. + +[595] S.o.S. 85. Grundbes. 530 f. zu S. 227 ff. Brücks Gutachten, Test. +29-41. + +[596] Ob die 100 fl. Bauholz für ein Scheunlein nicht zu hoch gegriffen +sind? — Wenn das Gütlein Zulsdorf Käthen auf 1600 fl. zu stehen gekommen +wäre, so müßte sie in dasselbe, welches nur 610 fl. kostete, 1000 fl. +verbaut haben. Uebrigens wurde das Gut 1553 trotz der Kriegsverwüstung +um 956 fl. verkauft. + +[597] „Vögel fangen“, wohl auf Wolfs Vogelherd, s. „Klageschrift der +Vögel an Lutherum über seinen Diener Wolfgang Siebergern.“ Br. VI, 164. +Vgl. oben S. 207. + +[598] „Man“: Der Text läßt nicht erkennen, ob Melanchthon oder Brück +darunter gemeint ist. + +[599] Test. 41-44. + +[600] Test. 44 f. + +[601] Br. V, 754 an Ratzeberger: uxori tuae commatri, affini et +Landsmanninae Meae. + +[602] Test. 44-46. + +[603] Test. 46 f. 48. Vormünder: 50-52. + +[604] Test. 52 f. Richter 375. — Am 21. März hatte Melanchthon an M. +Grodel in Torgau geschrieben, er möchte dafür besorgt sein, daß ihre +Eingabe an den Kurfürsten durch Dr. Ratzeberger richtig übergeben werde; +diese Eingabe ist wohl Katharinas Bitte um Bestätigung des +„Testamentes“. Diese Betätigung zögerte sich übrigens 3 Wochen, bis zum +11. April hinaus. + +[605] Test. 47-66. + +[606] Test. 47-50. 59 f. 62-64. + +[607] Test. 64. (C.R. VI, 149). Grundbes. 548. Quittung für 2000 fl. +Test. 65 f. + +[608] Test. 35-37. 46. 49. + +[609] Test. 44. 51. 54-57. + +[610] S. 235-237. Test. 57-62. Grundbes. 530-564. + +[611] Grundbes. 494. + +[612] Br. V, 650. + +[613] Br. V, 649. + +[614] C.R. VI, 81. + +[615] Hofmann 122, 84. + + +17. Krieg und Flucht. + +[616] C.R. VI, An. IX. 185. 190. + +[617] Zitzlaff 119. C.R. VI, 249. Arnold in seiner Kirchen- und +Ketzerhistorie meldet, nicht in freundlicher Absicht, Hans, der +Erstgeborene und Katharinas Lieblingssohn, sei mit dem Kurfürsten in +den Krieg gezogen als Fähnrich. Das entspräche freilich ganz dem Willen +des Vaters, der seine Söhne wenigstens gegen den Türken schicken wollte, +ja selber wider ihn ziehe, wenn er noch hätte können. Br. V, 450 sagt +Luther: „Wo ich nicht zu alt und zu schwach, möchte ich persönlich unter +den Haufen sein“ (gegen die Türken 1542). Vgl. Cord 834. — Robsten, +Beitr. zur Geneal. des Luth. Geschlechtes, Jena 1754, p. 7. + +[618] Vgl. hier und zum Folgenden: Voigt, Ztschr. f. K.-G. 1877, S. 158 +ff. + +[619] C.R. VI, 268. + +[620] C.R. VI, 290. _Liliencron_, Histor. Volkslieder IV, Nr. 546. + +[621] Grundbes. 521. _Zitzlaff_ 121. + +[622] C.R. VI, 296-299. 301. _Waltz_, Ztschr. f. K.-G. 1878, S. 167. + +[623] C.R. 345. 355. 535. + +[624] _Kolde_, An. L. 433 f. + +[625] _Hofmann_ 123 f. + +[626] _Hofmann_ 124. + +[627] Grundbes. 537 f. C.R. VI, 513. 515. 537. + +[628] _Zastrow_, Mohnike I, 260. C.R. VI, 355. 428. 431. 520-31. + +[629] _Zitzlaff_ 122. Bugenhagen: „Mein Weib kommt sehr frühe gelaufen +ans Bett und ruft: „Ach, mein lieber Herr, unser lieber Landesfürst ist +gefangen.“ Ich sagt: „Das ist, will's Gott, nicht wahr.“ — Er habe diese +Stadt und Kirche, welche Luther ihm als Braut anvertraut, mit zerissenem +Haar und Kleid gesehen. + +[630] C.R. VI, 534-38. 621. 625. 640. 541. 549. + +[631] C.R. VI, p. XII. _Ratzeberger_ 170 f. „Er war überredet worden, +daß man über Luthers Begräbnis Nacht und Tag brennende Lampen hänge und +Wachskerzen stehen hätte, und davor betete, als in den papistischen +Kirchen vor der Heiligen Reliquien geschehen.“ _Zastrow_ (Mohnike) II, +22. + +[632] C.R. VI, 563. 586. + + +18. Der Witwenstand. + +[633] Vgl. Teil-Receß. _Beste_ 129. C.R. VI. 585. _Zitzlaff_, +„Bugenhagen“ 122. Daß nur Deutsche in die Stadt durften, hatten sich die +Wittenberger ausbedungen. Als nun aber die Spanier mit dem Kaiser am +Schloßthor eindringen wollten, warfen die Wittenberger sie in den +Graben, „daß sie naß wurden wie die Katzen“. + +[634] Briefw. des Jonas II, 281. _Zitzlaff_ 121 f. Die Hussern waren +nicht so schlimm, wie die Spanier. + +[635] Briefw. Jonas II, 281. Grundbes. 558. + +[636] C.R. VII, 125. 536. + +[637] _Richter_ 390 f. C.R. VI, 669-693. 714. + +[638] _Grulich_, Torgau 112. _Matthes._ 68 (7. Pred.) _Richter_ 390. +396. + +[639] Grundbes. 494. + +[640] _Hofmann_ 129. + +[641] Waltz 181. + +[642] Jonas' Briefw. 259. + +[643] _Robsten_, Beiträge zur Geneal. des Luther. Geschl., Jena 1754. +_Keil_, Leben Hanß L., p. 89: „Joh. L. miles redux vitam egit +domesticam.“ + +[Transkriptions-Anmerkung: Zu den folgenden beiden Bemerkungen gibt es +keine Verweise im Text.] + +C.R. VII, 409 ff. Grundbes. 558. Jonas' Briefw. 280 ff. 295. + +C.R. VII, 408 f. 430. + +[644] C.R. VII, 502. + +[645] _Kolde_, An. L. 433. Grundbes. 558 f. + +[646] [Transkriptions-Anmerkung: Keine Bemerkung zum Verweis vorhanden.] + +[647] Grundbes. 559. C.R. VII, 411. + +[648] _Richter_, 325 f. C.R. VII, 611. 637. + +[649] C.R. VII, 945. + +[Transkriptions-Anmerkung: Zur folgenden Bemerkung gibt es keinen +Verweis im Text.] + +Grundbes. 559. + +[650] _Hofmann_ 141 f. + +[651] [Transkriptions-Anmerkung: Keine Bemerkung zum Verweis vorhanden.] + + +19. Katharinas Tod. + +[Transkriptions-Anmerkung: Zu den folgenden 4 Bemerkungen gibt es keine +Verweise im Text.] + +_Grulich_, Denkw. Torgaus S. 86. + +_Mayer_ 62. 122. _J.T. Lingke_, Hrn. D.M.L. Geschäfte und Andenken zu +Torgau, 1764. S. 69-75. + +Nach _Grulich_ wohnte K. beim Stadtrichter M. Reichenbach im +Grünwaldschen Hause. Das Haus „Auf dem Scharfenberg“ (heute +„Lutherhaus“) in dem „Karniergäßchen“ (heute „Luthergasse“) war nicht +Katharinens hospitium; es hatte nur nach Wittenberg Zins zu zahlen. +_Grulich_ S. 70 f. 86. _Grulich_, Annales th. eccl., 1734. S. 176. +_Lingke_ a.a.O. S. 70. — Sollte M. Reichenbach in Torgau eine +Verwechslung sein mit M. Reichenbach in Wittenberg, bei dem K. 1523 +wohnte (S. 39)? Die Familie Reichenbach, auch der Pflegevater Katharinas +stammt aus Zwickau. _T. Schmidt_, Chronik der Stadt Zwickau, 472. +_Buchwald_ 108. + +_Juncker_ 250. + +[652] _Richter_ 493 f. Vgl. die Kleiderordnung für Wittenberg 1576. S. +169. + +[653] Diese Rede Katharinas wurde von zwei Dichtern in Kirchenliedern +verwendet. In dem Liede eines unbekannten Verfassers (Anna von Stolberg +1600?, nicht Simon Graf, geb. 1609): „Christus, der ist mein Leben,“ +heißt die letzte (7.) Strophe. „_Und laß mich an dir kleben, wie eine +Klett am Kleid_, und ewig bei dir leben in Himmelswonn und Freud.“ +Ebenso heißt es in Chr. Reimanns (1607-1662) Lied: „Meinen Jesus laß ich +nicht, weil er sich für mich gegeben, so erfordert meine Pflicht, +klettenweis an ihm zu kleben.“ _E.E. Koch_, Gesch. der Kirchenlieder IV, +667, behauptet zwar, der Ausdruck schreibe sich von Herzogin Katharina +von Sachsen, geb. von Mecklenburg († 1561) her, welche bei ihrem Ende +gesagt habe, „sie wolle an ihrem Herrn Jesus mit Glauben kleben bleiben, +wie die Klette am Kleid.“ — Jedenfalls hat Katharina die Priorität. + +[654] C.R. VII, 1155 f. + +[655] _Lingke_ 71. _Grulich_ 87. + +[656] Der Leichenstein wurde zum Reformations-Jubelfest 1617 von „Daniel +Fritschen dem Mahler“ für 9 Groschen übermalt. Dazu wurde ein Bote (für +2-1/2 Gr.) nach Eilenburg geschickt, zu Prediger M. Behem, mit welchem +Luthers Enkelin Katharina, die Tochter von Hans Luther, verheiratet war. +_Lingke_ 73. + +[657] _Juncker_, Ehrenged. L. (deutsch.) 243 f. + +[658] Br. V, 424. — Vgl. die ältere Litteratur bei _Hofmann_ 183-203. — +_Böhringer_, K.v.B., Barmen. _Meurer, K.v.B.L._ 1876. _Rietschel_, L. +und sein Haus. Halle 1888. Romanhaft gehalten. _Armin Stein_ (H. +Nietschmann), K.v.B., Luthers Ehegemahl, ein Lebensbild. 4. A. Halle +1897. + +[659] Bugenhagen schreibt an König Christian als „Wort eines großen +Fürsten“: „Wir haben hier zwei Regenten gehabt über weltliches und +geistliches Regiment, den Kaiser und Luther.“ _Zitzlaff_ 106. + +[660] Das Faksimile ist von einem Brief Katharinas an den dänischen +König, original in Kopenhagen. 3/4 n. Gr. Vgl. folg. Brief: + +„Von den drei im hiesigen Archiv aufbewahrten Briefen von Katharina von +Bora an den König Christian III. von Dänemark sind die zwei entschieden +nicht eigenhändig. Der dritte ist auch von einer Schreiberhand +herrührend; von dessen Unterschrift sind aber, wie aus dem beifolgenden +Faksimile hervorgeht, die Buchstaben: „E.K.M. vnterthenige“ von einer +andern Hand als der Brief selbst geschrieben, und die eigentliche +Unterschrift wieder von einer dritten. Die Originalurkunde giebt den +Eindruck, daß Katharina selbst die Unterschrift angefangen, dieselbe +aber aus irgend einer Ursache aufgegeben habe und daß also nur die oben +zitierten Buchstaben von ihr eigenhändig sind.“ + +_Thiset_, Archivar. + +Dieser Einsatz wird um so mehr von Katharina herrühren, als auch eine +Einfügung in dem ersten Brief Katharinas an den Herzog Albrecht („ge“ +S. 252, Z. 19, original in Königsberg) Aehnlichkeit mit dieser +Handschrift im Kopenhagener Brief zeigt. + +Da sämtliche vorhandene Briefe Katharinas Kanzleischrift haben, so sind +diese drei Buchstaben „E.K.M.“ und das Wort „vnterthenige“ wohl das +einzige, was von Katharinas Hand erhalten ist. + +Das _Siegel_ Katharinas ist von den Briefen an Herzog Albrecht, wohl ein +Siegelring; es zeigt den Löwen Derer „v. Bora“. + +_Bilder_ Katharinas sind (unvollständig) verzeichnet bei Hofmann S. 168 +f. Hier sei nur bemerkt, daß das S. 55 beschriebene Bild im Lutherhaus +in Wittenberg hängt; das auf S. 193 erwähnte im Museum zu Leipzig. Das +Nürnberger, früher in der Morizkapelle, jetzt im German. Museum, ist +weder von Kranach, noch stellt es Katharina vor. + + + + +Register. + + +Ablaß +Aebtissin +Agnes (Nisa) Lauterbach +Agricola, Joh. = M. Eisleben +Agricola, Frau Elisabeth +Alemann, Ave +Altenburg +Amsdorf, Nicolaus von +Anhalt, Fürsten +Apel +Audi Koppe +Augsburg +Aurifaber = Goldschmidt +Aurogallus, Matth. +Axt, Lic. Basilius + +Bader, Kastner (Kastellan) auf Koburg und Frau +Barnes, D. Robert +Baumgärtner, Hieron. +Bayer (Baier, Beier), Vizekanzler +Berndt, Ambros +Besold +Bildenhain, Bildenhauer +Booß (Böse) Gut +Bora +Bora, Christina +Bora, Clemens +Bora, Florian, (lies Florian statt Fabian) +Bora, Hans +Bora, Katharina +Bora, Maria +Bora, Magdalene (s. „Muhme Lene“) +Borna +Brandenburg, Herzog Albrecht +Brandenburg, Elisabeth von +Brandenburg, Georg Markgraf +Brandenburg, Joachim Kurfürst I. +Braunschweig +Braunschweig, Herzogin Elisabeth +Briefe Luthers an Käthe: + Von Marburg + von Wittenberg + von Koburg + von Torgau + von Schmalkalden + von Eisenach + von Zeitz + von Halle + von Eisleben + Brief der Hausfreunde an Käthe +Briefe Käthes +Brisger, Eberhard +Brück, Dr. Gregorius +Bruno (Brauer, Haus Bruno) +Bugenhagen, Joh. = D. Pommer +Bugenhagen, Frau +Butzer (Bucer) + +Camerarius, Joachim +Canitz, Elisabetha (Else) von +Capito, Wolfg. +Cario, Joh. +Carlstadt +Coburg +Cordatus +Crafft +Cranach +Crodel, Marcus, Schulmeister in Torgau +Cronberg, Hartmut von + +Dänemark, Christian II. von, 39. 71. +Dänemark, Christian III. +Dene, Thilo +Dessau +Dietrich, Veit +Doctores + Doktorschmaus +Dolzig, Hofmarschall +Domina + = Aebtissin + = Frau D. Luther +Döring, Christian (Aurifaber) +Dürr, Kanzler +Dürer, Albrecht + +Eber, Paul +Eck +Einsiedel, Heinrich von +Eisenach +Eisleben, Stadt +Eisleben, D. +Emser +England, Heinrich VIII., König +Engländer („Engeleser“) s. Barnes +Erasmus +Erfurt + +Ferdinand, König +Feste +Fladenkrieg +Florentina, eine Nonne +Freiberg +Friedrich Becker (Pistorius), Abt in Nürnberg +Fündli-Haus zu Nürnberg + +Gabriel = Zwilling +Gerbel, Lic. +Glatz, D. +Goldschmidt s. Aurifaber. +Goritz +Gotha +Grimma +Groß Ave +Grumbach, Argula von, +Grüne, Friedr. von, Feldzeugmeister + +Hagenau, Reichstag +Halle +Hasenberg +Haubitz, Anna von +Haubitz, Margarete von +Haugwitz +Hausfreunde +Hausmann +Heinrich VIII., von England +Heidten +Hennick +Heuthlin +Hirsfeld (Hirschfeld), Bernhard von +Hohndorf, Bürgermeister +Holstein +Honold, Hans, Bürger von Augsburg +Horen +Humanisten + +Jäckel s. Jakob Schenk +Jena + „Hans von Jena“ +Johannes, der Schweinehirt, +Jonas, Justus +Jonas, Christoph +Jonas, Elisabeth +Jonas, Justus d.J. +Jonas, Katharina +Jonas, Sofia +Jörger, Christoph und Dorothea von Tollet +Juristen + +K siehe C. +Kanitz s. Canitz. +Karl V. +Karlstadt s. Carlstadt +Kaufmann, Andreas +Kaufmann, Cyriac +Kaufmann, Jörg +Kaufmann, Fabian +Kaufmann, Lehne (s. Muhmchen Lene) +Kaufmann, Else +Kegel +Kieritzsch +Klausur +Klosterkinder +Kloster-Regel +Koburg s. Coburg. +Königsberg +Koppe, Leonhard. +Kreuziger (Cruciger) Kasper + (Frauen) +Kummer +Kunheim, von + +Lauterbach +Lauterbach, Frau +Leipzig +Lemle (Leminus) +Lene (von Bora), Muhme, d. Aeltere +Lene, (Kaufmann) Muhme, d. Jüngere +Lichtenberg +Lindemann, Kaspar +Link, Wenzel +Lippendorf +Lischnerin, Barbara +Löser, Hans, zu Pretsch, Erbmarschall +Löser, Hans, der Sohn +Lufft, Hans, Buchdrucker +Lüneburg, Herzog +D.M. Luther + Tischreden + Geselligkeit + Krankheiten +Luthers Eltern +Luthers Kinder + Hans, d.J. + Elisabeth + Magdalene + Martin + Paul + Margareta +Luthers Bruder: Jacob +Luthers Neffe: Martin +Luthers Schwester: Dorothea +Lutherbrunnen + +Magdeburg +Magister +Mainz, Kurfürst Erzbischof Albrecht +Mährische Brüder +Major Georg +Mansfeld, Stadt +Mansfeld, Grafen + Graf Albrecht + Gräfin + Söhne +Marburg +Matthesius, Joh. +Maugen (a Maugis) +Medler +Melanchthon, M. Philipp +Melanchthon, Lippus +Melanchthons Frau, Katharina +Menius +Meißen +Mergenthal, Hans von +Mergenthal, Kath. von +Metsch, Hans +Mohr (Aetiops) +Mochau, Margr. v. +Mönche +Morgenstern v. Wittenberg +Müller, Kaspar Kanzler +Motterwitz +Münster, Dr. Sebald +Münsterberg, Ursula, Herzogin +Myconius (Mekum) Fr. + +Naumburg +Neobolus (Neuheller) +Niemeck +Nimbschen +Nonnen im Kloster + entflohen +Nonnen-Ehe + Nonnen-Kind +Novizen +Nordhausen +Nürnberg + +Pfister +Pforta +Pforzheim +Pirkheimer +Pirna +Plato +Polner, Hans +Pommer = Bugenhagen +Preußen, Albrecht, Herzog von +Probst +Professoren + +Ratzeberger, Dr. Matthias +Reichenbach, M. Phil. +Reliquien +Reuchlin = Reichel +Reuter, Bürgermeister +Riedtesel +Rischmann +Röhrer (Rorer, Rorarius) Gg. +Rosina +Roth +Rothenburg +Rühel +Rutfeld + +Sabinus, Melanchthons Schwiegersohn +Sachsen, Land +Sachsen: Georg, Herzog + Heinrich + Moriz + Kurfürst Friedrich + Johann + Joh. Friedrich + Johann Ernst +Sala, Hanna von +Saumarkt +Schenck, Jakob +Sibylle, Herzogin +Schiefer +Schla(g)inhausen +Schmalkalden +Schnell, Georg +Schönfeld, Ave (Eva) + Ernst +Schurf, Augustin, Arzt + Hieron., Jurist + Hanna, geb. Muschwitz +Severus = Schiefer. +Sieberger, Wolfgang +Spalatin +Specke +Speckstudenten +Speratus +Spiegel, Erasmus, Stadthauptmann von Wittenberg +Staupitz, Joh. von +Staupitz, Magdalena +Stiefel, Michael +Strauß, Anna (Hanna) +Studenten, „Bruder Studium“ + +Taglöhner Käthes +Taubenheim, Hans von +Taubenheim, Dietrich +Tischreden +Tollet s. Jörger +Tommitzsch, Wolf +Torgau + +Ursula s. Münsterberg + +de Vay +Vergerius, Kardinal +Viscamp + +Wachsdorf +Warbeck +Weimar +Weller, Hieron. +Weller, Mathias +Weller, Peter + S. Lischner. +Wittenberg, Stadt und Rat +Wolf(gang) s. Sieberger + +Zeschan +Zell, Katharina (Schützin) +Zink, Hans +Zulsdorf +Zwilling + + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Katharina von Bora, by D. Albrecht Thoma + +*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 12636 *** diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt new file mode 100644 index 0000000..6312041 --- /dev/null +++ b/LICENSE.txt @@ -0,0 +1,11 @@ +This eBook, including all associated images, markup, improvements, +metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be +in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES. + +Procedures for determining public domain status are described in +the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org. + +No investigation has been made concerning possible copyrights in +jurisdictions other than the United States. 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Albrecht Thoma + +Release Date: June 16, 2004 [EBook #12636] + +Language: german + +Character set encoding: UTF-8 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK KATHARINA VON BORA *** + + + + +Produced by Charles Franks and the DP Team + + + + +[Illustration: Katharina von Bora + +nach dem Gemälde von Lucas Cranach im Museum zu Schwerin + +Phot. F. u. O. Breckmann Nachf., Dresden. + +Verlag Georg Reimer, Berlin.] + + + + +Katharina von Bora + + +Geschichtliches Lebensbild + +von D. Albrecht Thoma + + +Berlin + +Druck und Verlag Georg Reimer. + +1900. + + + + +Vorwort. + + +In dem „Leben Luthers“ bietet das Kapitel „Luthers Häuslichkeit“ als +freundliche Idylle ein liebliches Ausruhen von den dramatischen Kämpfen +und dem epischen Gange einer reformatorischen Wirksamkeit. Die Briefe an +eine „liebe Hausfrau“ sind unter den Tausenden seiner Episteln die +schönsten und originellsten. Dafür liegt der Grund doch nicht allein in +dem reichen Gemüt und dem geistvollen Humor des großen Mannes, sondern +auch in der Persönlichkeit seiner lebhaften, temperamentvollen Gattin. +Es muß doch eine bedeutende Frau gewesen sein, die der große Mann als +seine Lebensgefährtin zu sich emporhob und die sich getraute, die Gattin +des gewaltigen Reformators zu werden und der es gelungen ist, ihm zu +genügen; und ein sympathischer Charakter mußte das sein, an dem er seine +frohe Laune so schön entfalten konnte. Sie hat ihrem Doktor das schöne +Heim geschaffen und das vorbildliche evangelische Pfarrhaus. Und so lebt +auch Luthers Käthe als die Genossin von dem Liebling und Stolz unserer +Nation in der Seele des deutschen Volkes in gutem Gedenken. + +Es kann nun auffallen, daß eine eigentliche Lebensgeschichte der Gattin +Luthers bisher noch gar nicht erschienen ist, daß fast mehr +schmähsüchtige Feinde, wie vor hundertfünfzig Jahren ein Engelhard, ihre +wenig lauteren Künste an dieser Aufgabe geübt haben; und besonders ist +zu verwundern, daß in dem letzten halben Jahrhundert, diesem so +hervorragend historischen Zeitalter, — seit den beiden gleichzeitig +erschienenen quellenreichen Skizzen von _Beste_ und _Hofmann_ — keine +Biographie entstand, nicht einmal für dieses Jubiläumsjahr ihres +vierhundertjährigen Geburtstages. + +Der Grund dieser eigentümlichen Erscheinung liegt aber doch klar. Einmal +wird eben in „Luthers Leben“ das Bild Katharinas von Bora stets mit +hineingemalt; sodann ist es schwierig, neben der gewaltigen Gestalt +ihres Gatten sie recht zur Geltung kommen zu lassen; endlich ist eine +mühsame Kleinarbeit erforderlich, um eine lebensvolle Zeichnung zu +entwerfen, und überraschende Entdeckungen sind bei aller Findigkeit hier +nicht zu machen. + +Dennoch verdient Luthers Käthe — so viel das geschehen kann — für sich +besonders betrachtet zu werden, wie ja ihr Bild so oft für sich neben +demjenigen des großen Doktors gemalt ist. Ist Frau Käthe freilich nichts +ohne den D. Martinus, so kann man doch auch fragen: Was wäre Luther ohne +seine Käthe? Dem Lebensbilde des großen Reformators fehlte das +menschlich Anziehende, fehlten die vor allem uns Deutschen ausbrechenden +gemütlichen Beziehungen des Familienlebens. Und das hat Frau Käthe ihm +geschaffen. Ihr ist es zu verdanken, daß die Welt ihn so lange, und so +lange in geistiger Frische und freudigem Arbeitseifer gehabt hat. + +So mag es ein Denkmal sein, und — wie es der schlichten deutschen +Hausfrau geziemt — ein anspruchsloses, was ihr hier zu ihrem +vierhundertjährigen Gedächtnistage gesetzt ist. + + + + +Inhaltsverzeichnis. + + +1. Katharinas Herkunft und Familie. + +Sachsen und Meißen +Bora +Lippendorf +Eltern und Brüder +„Muhme Lene“ und Maria v. Bora +Armut der Familie +Der Eltern Tod + + +2. Im Kloster + +„Ehrsame“ Jungfrauen +Adelige Stifter +Klosterkinder +Nimbschen +Klosterfrauen +Klausur +Würden +Klostergenossinnen +Die Novize +Kloster-Regel +Erziehung +Die Postulantin +Einsegnung +Tagewerk +Reliquien +Ablaß +Kloster-Erlebnisse +Nonnen-Beruf + + +3. Die Flucht aus dem Kloster + +Luthers Schriften über Ablaß, gute Werke, Klostergelübde +Vermittelung der Schriften +Leonhard Koppe +Austrittsgedanken +Die Verwandten +Klagebrief an Luther +Bedenken +Flucht-Plan +Das Entkommen aus dem Kloster +Die Flucht +Offener Brief an Koppe, „daß Jungfrauen Kloster göttlich verlassen mögen“ +Der Abt von Pforta +Neue Entweichungen + + +4. Eingewöhnung ins weltliche Leben + +Versorgung der Klosterjungfrauen +Katharina bei Reichenbach +Hier. Baumgärtner +D. Glatz + + +5. Katharinas Heirat + +Luther drängt zur Ehe +Verehelichung von Priestern und Klosterleuten +Luther denkt zu heiraten +Eine Nonne soll's sein +Luthers Werbung +Trauung und Hochzeit +Gäste +Geschenke +Das Fest + + +6. Das erste Jahr von Katharinas Ehestand. + +Im „Schwarzen Kloster“ +Ausstattung +Angewöhnung +Unterhaltung +Bild +„Die erste Liebe“ +Verstimmung der Freunde +Schmähungen der Feinde +Gefahren +Stimmungen + + +7. Katharina als Mutter ihrer Kinder und Hausgenossen. + +Johannes +Elisabeth +Magdalena +Martin, Paul +Margareta +Elternfreuden +Muhme Lene +Neffen und Nichten +Zuchtmeister +Gesinde, Gäste +Besuche + + +8. Katharinas Haushalt und Wirtschaft. + +Das Regiment in Luthers Haus +Haus und Hof +Bauereien +Geräte +Schenkungs-Urkunde +Teurer Markt +Landwirtschaft +Gärten +„Haus Bruno“, Gut Booß +Zulsdorf +Grundbesitz +Arbeitsseligkeit + + +9. „Wunderliche Rechnung zwischen D. Martin und Käthe.“ + +Armut +Einkünfte +„Geschenke“ +Umsonst +Hausrechnung. „Gieb Geld“ +Luthers Mildthätigkeit +Schulden +insidiatrix Ketha +„Rätlichkeit“ +„Wunderlicher Segen“ +„Lob des tugendsamen Weibes“ + + +10. Häusliche Leiden und Freuden. + +Schwerer Haushalt +Krankheitsanfall Luthers (1527) +Die Pest +Hochzeit und Tod +Flüchtlinge und Hochzeiten +Visitationsreisen +Briefe von der Koburg +Die Großeltern +Besuche und Reisen +Ein Kardinal in Wittenberg +Tischgesellen, Famulus, Käthes Brüder +Kinderzucht +Rosine +Käthes Tagelöhner + + +11. Hochzeiten und Krankheiten, Pest und Tod. + +„Mühmchen Lene“ und Veit Dietrich +Lenchens Verlobung (1538) +„Des Teufels Fastnacht“ (1535) +In den „hessischen Betten“ +Luthers tödliche Krankheit in Schmalkalden (1537) +Muhme Lene † +Pflege der Elisabeth von Brandenburg +Wieder Pest (1539) +Käthes tödliche Krankheit (1539) +Briefe aus Weimar (1540) +Allerlei Sorgen +Hanna Strauß verlobt und Mühmchen Lene verwitwet +Haus in Torgau, Lenchens Krankheit und Tod +Hansens Heimweh + + +12. Tischreden und Tischgenossen. + +Eine akademische Hochzeit +Allerlei Feste +Besuche +_Cordatus_ +_Stiefel_ +_Kummer, Lauterbach_ +_Schlaginhaufen, Weller_ +_Hennik; Barnes; de Bai_ +_Dietrich_ +_Besold_ +_Holstein; Schiefer; Matthesius_ +_Goldschmidt u.a._ +Käthes „Tischburse“ +Die „Tischgespräche“ + + +13. Hausfreunde. + +Humanisten-Freundschaft +Der Freundeskreis des Lutherischen Hauses +Grüße und Geschenke +_Amsdorf; Agrikola_ +_Probst_ +_Brisger, Biscampius, Zwilling; Mykonius; Capito_ +Die Nürnberger: _Link_ und _Friedrich_; _Baumgärtner_ +_Dietrich_; Geschwister _Weller_ +_Hausmann_ +_Schlaginhaufen_ +_Lauterbach_ +_Spalatin_ +Hans von _Taubenheim_ +Amtsgenossen +_Kreuziger_ +_Bugenhagen_ +_Jonas_ +_Melanchthon_ +Sabinus und Lemnius +Brief der Freunde an Käthe +Die Tafelrunde +Freundinnen + + +14. Käthe und Luther. + +Die „Erzköchin“ +Luthers Enthaltsamkeit und Festfreude +Käthe als Krankenpflegerin +Käthes Humor +Verdächtigungen Käthes +Käthes geistige Interessen +Was Luther von Käthe hielt +„Ihr“ und „Du“ +„Herr“ Käthe +„Liebe“ Käthe +Luthers ungünstige Aeußerungen +Lob des Weibes +„Häuslicher Zorn“ +Lob des Ehestandes und Käthes +Käthes „Bildung“ +Ebenbürtigkeit +Käthes Bild + + +15. Luthers Tod. + +Trübe Zeitlage +Hader im eigenen Lager +Die „garstigen“ Juristen +Abscheiden der Freunde +Luthers zunehmende Krankheiten +Arbeit und Humor +Wegzugsgedanken +„Speckstudenten“ und Kleidermoden +Abreise +Schrecken in Wittenberg +Reisen nach Eisleben +Briefe von Halle und Eisleben +Der letzte Brief +Die Todesnachricht +Zurüstung zur Bestattung +Trostbrief des Kurfürsten +Der Leichenzug +Katharinas Stimmung + + +16. Luthers Testament. + +„Die Welt ist undankbar, die Leute sind grob“ +Dr. Brücks Zorn auf Katharina +Fürstliche und freundschaftliche Fürsorge +Das sächsische Erbrecht +Katharinas Leibgeding +Die Erbschaft +Brücks und Katharinas Pläne +Katharinas Bittschrift +Reden der vier Hausfreunde +Brücks Gutachten +Die Entscheidungen des Kurfürsten +Kampf um Wachsdorf und die Kinder +Wolf, Gesinde und Tischburse +Fürsorge für Florian von Bora +Mahnungen an den Dänenkönig + + +17. Krieg und Flucht. + +Beginn des Schmalkaldischen Kriegs, zweierlei Gebete +Anmarsch auf Wittenberg, Flucht +Belagerung Wittenbergs. In Magdeburg +Brief von und an Christian III. +Schreckensgerüchte +Neue Flucht; in Braunschweig +Heimkehr + + +18. Der Witwenstand. + +Wie's daheim aussah +Kriegsschäden und Proceß +Kosttisch; Anlehen +Das Interim. Hans Luther nach Königsberg +Leiden und „gnädige Hilfe“ +Hans in Königsberg +Kriegslasten +„Dringende Not“ + + +19. Katharinas Tod + +Flucht vor der „Pestilenz“ +Der Unfall +Anna von Warbeck +Das Leichenprogramm und die Bestattung +Nachkommen und Reliquien +Denkmäler +Katharinas Gedächtnis + + +Belege und Bemerkungen. + + +Register. + + + + +1. Kapitel + +Katharinas Herkunft und Familie[1]. + + +Zur Zeit der Reformation umfaßte das Land Sachsen etwa das heutige +Königreich, den größten Teil der Provinz Sachsen und die +thüringisch-sächsischen Staaten. Diese sächsischen Lande aber waren seit +dem Erbvertrag von 1485 zwischen den Ernestinern und Albertinern geteilt +in ein Kurfürstentum und ein Herzogtum. Wunderlich genug war diese +Teilung, aber ganz nach damaligen Verhältnissen: zum Albertinischen +Herzogtum, auch „Meißen“ genannt, gehörte der größte Teil vom heutigen +Königreich mit den Städten Meißen, Dresden, Chemnitz; ferner ein +schmaler Streifen von Leipzig bis nach Langensalza. Dazwischen dehnte +sich das Kurfürstentum mit den Hauptstädten Wittenberg, Torgau, Weimar, +Gotha, Eisenach westwärts, und Zwickau und Koburg nach Süden. Die +Kursachsen sahen mit einigem Stolz auf ihre Nachbarn herab, welche bloß +herzoglich waren, gebrauchten auch wohl den alten Spottreim: „Die +Meißner sind Gleisner“. Wenn's auch nicht wahr war, es reimte sich doch +gut[2]. + +Aus dem Herzogtum Meißen stammte nun Katharina von Bora, Luthers +Hausfrau[3], während er selbst ein geborener Mansfelder, dann ein Bürger +der kursächsischen Residenz Wittenberg und Beamter des Kurfürsten war. +Er beklagte sich wohl bei seiner Frau über ihren Landesherrn, Herzog +Georg den Bärtigen, welcher, ein heftiger Gegner der Reformation, mit +Luther in steter Fehde lag, gehässige Schriften gegen ihn losließ und +die Lutheraner im Lande „Meißen“ verfolgte. Daneben neckte Luther seine +Käthe auch, als sie in Leipzig bei seinen Lebzeiten die Märe von seinem +Tode verbreiteten: „Solches erdichten die Naseweisen, deine +Landsleute“[4]. + +Im Meißenschen nun hinter der Freiberger Mulde, eine Stunde ostwärts von +dem „Schloß und Städtchen“ Nossen lagen die beiden Ortschaften Wendisch- +und Deutschenbora[5], eine Viertelstunde von einander zwischen +Tannengehölzen, denn Tanne heißt auf slavisch „Bor“[6]. Hier hatte das +Geschlecht der Bora seinen Stammsitz. Von dort verpflanzte es sich in +verschiedenen Zweigen an viele Orte des Sachsenlandes; so auch in die +Nähe von Bitterfeld und Borna, je fünf Stunden nördlich und südlich von +Leipzig. Sie führten alle im Wappen einen steigenden roten Löwen mit +erhobener rechter Pranke in goldenem Feld und den Pfauenschweif als +Helmzier[7]. + +Aus welchem dieser neun oder zehn Zweige aber Frau Katharina, des +Reformators Ehegattin, stammte, ist nicht mehr gewiß auszumachen. Mehr +als sieben Orte, wie bei dem Vater der griechischen Dichtung, Homer, +streiten sich um die Ehre, ihre Geburtsstätte zu sein: das ist fast +jeder Ort, wo früher oder später Bora gewohnt und gewaltet haben. Aber +man kann eher noch beweisen, daß sie aus acht dieser Orte nicht stammt, +als daß sie am neunten Ort wirklich geboren sei[8]. + +Vielleicht ist Katharinas Geburtsort beim alten Stammsitz des +Geschlechts: zu Hirschfeld, einem sehr fruchtbaren Hofgut in der +dörferreichen Hochebene, wo man nördlich nach dem nahen Deutsch-Bora und +dem etwas ferneren Wendisch-Bora schaut, gen Westen aber, in einer +Entfernung von einer Stunde, die burggekrönte Bergnase von Nossen +erblickt. + +Wahrscheinlicher aber wurde Käthe zu _Lippendorf_ geboren. Westwärts +nämlich von Borna an der Pleiße zieht sich als meißnisches Gebiet ein +weites Blachfeld, dessen Einförmigkeit nur durch dunkle Gehölze +unterbrochen wird. Nur ein paar hundert Schritte von dem Kirchdorf +Medewitzsch erhebt sich das Häuflein Häuser des kleinen Dörfchens +Lippendorf und etwas abseits gelegen ein größeres Gut, mit einem Teiche +dahinter. Das war zwar kein rittermäßiger Hofsitz, aber doch ein +stattliches Lehngut, das heutzutage seinen Besitzer zu einem +wohlhabenden Bauern macht. Um 1482 saß dort ein Hans von Bora mit +seiner Gemahlin Katharina; um 1505 ist's ein Jan von Bora mit seiner +Gattin Margarete, einer geborenen von Ende. Wahrscheinlich ist Hans und +Jan nicht Vater und Sohn, sondern dieselbe Person und Margarete nur +seine zweite Ehefrau. + +Hier wäre nun Katharina an dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, 15-1/4 +Jahre nach Martin Luther, auf die Welt gekommen. In diesem +bauernhofähnlichen Anwesen wäre sie — vielleicht unter einer Stiefmutter +— herangewachsen. An diesem Teich hätte sie als Kind gespielt und +hinübergeschaut nach dem nahen Rittersitz Kieritzsch mit seinem +Schloßpark und kleinen Kirchlein, und weiterhin über die Wiesen und +Gehölze der Mark Nixdorf nach der „Wüstung Zollsdorf“ — wo sie später +als ehrsame Hausfrau und Doktorin vom fernen Wittenberg herkommend +hausen und wirtschaften sollte, wie sie's zu Lippendorf in Hof und +Stall, Küche und Keller von der fleißigen Mutter gelernt.[9] + +Aber sicher ist diese Annahme nicht. Es kann auch ein anderer Ort +Katharinas Geburtsstätte sein. + +Ja, sicher weiß man nicht einmal den Namen von Vater und Mutter. Hans +konnte der Vater wohl geheißen haben, so hieß damals jeder dritte Mann, +auch im Bora'schen Geschlecht. Und nach einer andern, nicht +unglaubwürdigen Nachricht wäre die Mutter eine geborene von Haubitz +gewesen und hätte nach der Tradition den ebenfalls zu jener Zeit sehr +beliebten Namen Anna getragen. Dann wäre freilich Lippendorf nicht +Käthes Heimat gewesen. Unzweifelhaft gewiß ist nur ihr Geburtstag, der +29. Januar 1499; denn dieser Tag ist auf einer Schaumünze eingegraben, +die heute noch vorhanden ist[10]. + +Auch ihre nächsten Verwandten sind bekannt. + +Katharina hatte wenigstens noch drei Brüder. Der eine, dessen Name nicht +genannt ist, verheiratete sich mit einer gewissen Christina und starb +ziemlich frühzeitig, vielleicht schon um 1540. Denn sein Sohn Florian, +der etwa gleichaltrig mit Luthers Aeltestem d.h. damals vierzehn Jahre +alt war, wurde um diese Zeit ins Haus genommen und wollte 1546 die +Rechte studieren; damals war „Christina von Bora Witfraw“[11]. + +Der andere Bruder Katharinas ist _Hans_ von Bora. Er war 1531 in +Diensten des Herzogs Albrecht von Preußen, kehrte aber etwa 1534 von +dort zurück, um für sich und seine Brüder das Gütlein Zulsdorf als +„Erbdächlein“ zu übernehmen. Er bekam in seinen Mannesjahren von seinem +Schwager Luther und von Justus Jonas das Lob eines „aufrichtigen, feinen +und treuen Menschen“. „Treu und brav ist er, das weiß ich, dazu auch +geschickt und fleißig“, bezeugt ihm Luther[12]. + +Weniger Löbliches ist von dem dritten Bruder _Klemens_ bekannt. Er kam +mit Bruder Hans nach Königsberg, geriet aber nach dessen Rückkehr in die +Gesellschaft eines adligen Raufboldes, der in seiner Gegenwart einen +Zimmergesellen im Rausch erstach, was ihm selbst übeln Ruf zuzog und ihn +in Ungnaden bei dem Herzog brachte[13]. + +Außer den Brüdern Katharinas ist auch eine Muhme (Base) Lene bekannt, +welche später in Luthers Haus lebte. Es wird dies niemand anders sein +als die Magdalena von Bora, des Vaters Schwester[14], welche freilich +zur Zeit von Katharinas Geburt schon lange im Kloster Nimbschen lebte. + +Wenn es wahr ist, daß um 1525 eine Maria von Bora auf Zulsdorf sich nach +Wittenberg verheiratete[15], so müssen auf diesem Vorwerk in den +zwanziger Jahren noch nahe Verwandte gelebt haben. Reich konnten diese +aber nicht sein, denn das ganze Gut war nur 600 fl. wert und nährte +seinen Mann nicht, wie später Bruder Hans selbst erfuhr. Ein weiterer +Verwandter Katharinas war Paul von Rachwitz, welcher zu Bitterfeld +wohnte in dessen Nähe auch in Zweig der Bora hauste[16]. + +Die Familie Katharinas muß recht arm gewesen sein: es heißt sogar: sie +war in die äußerste Bedrängnis geraten. Florian, der Sohn des ältesten +Bruders, war jedenfalls nach seines Vaters Tod, obwohl dieser +wahrscheinlich das Erbgut besaß, doch auf Stipendien angewiesen für +seine Studien. Bruder Hans war am preußischen Hof so ärmlich gestellt, +daß Luther für ihn dem Herzog Albrecht „beschwerlich sein“ und schreiben +mußte: „Nachdem meiner Käthen Bruder Hans von Bora nichts hat und am +Hofe Kleid und Futter genug nicht hat, wollten E.F.Gn. verschaffen, daß +ihm jedes Vierteljahr ein paar Gulden würden zugeworfen, damit er auch +Hemd und andere Notdurft bezahlen möchte.[17]“ + +Katharina selbst endlich hat, wie es scheint, nicht einmal ein +Leibgeding mit ins Kloster bekommen, wie es andere, wohlhabendere adlige +Fräulein mit durchschnittlich 3 Schock[18] jährlich erhielten; und auf +ihre Einsegnung konnte sie nur 30 Groschen spenden, während neue Nonnen +wohl 100 oder wenigstens 40 Groschen opferten. Bei ihrer Heirat konnte +sie keine Mitgift in die Ehe bringen[19]. + +So ist also Katharina von Bora — wo es auch sei — in gar engen +Verhältnissen aufgewachsen, und wenn man sich das junge Mädchen etwa als +zartes Ritterfräulein am Burgfenster mit dem Stickrahmen oder als +Jägerin auf stolzem Zelter vorstellen wollte, so gäbe das ein gar +falsches Bild. Wir haben sie uns vielmehr zu denken wie eine junge +Bauerntochter auf dem Hofgut schaltend und waltend, der Mutter an die +Hand gehend in der Wirtschaft, zugleich als die Aelteste, vielleicht als +einziges Töchterlein, auch eine gewisse Selbständigkeit und +Herrschergabe entfaltend, wie sie sich später in der reifen Frau +entwickelt zeigt. + +Freilich ein wirkliches anschauliches Bild ihrer Kindheit zu entwerfen +vermögen wir nicht, dazu fehlen alle Anhaltspunkte, alle Formen und +Farben. Wir mögen dies bestimmte Bild aus der ersten Jugendzeit, in die +wir uns bei einem Menschenleben so gerne versenken, bei Katharina +schmerzlich vermissen, da sich die ganze Umgebung, der Hintergrund der +Landschaft und selbst die notwendige Staffage von Vater und Mutter und +alles, was auf ein junges Menschenkind einwirkt, bis auf die Namen +verwischen und verschwinden, während zum Beispiel bei ihrem Gatten, dem +Doktor Luther, Elternhaus, Vater, Mutter, Geschwister, Gespielen, Heimat +und Schule so deutlich und plastisch sich herausheben, daß sie ein gar +lebendiges und farbenreiches Gemälde geben. Aber man kann sich doch auch +wieder über diesen Mangel leicht trösten. + +Denn wie es scheint, sind die Eltern beide früh gestorben. Sobald +Katharina ins Licht der Geschichte tritt mit ihrer Heirat, ja schon bei +ihrer Entweichung aus dem Kloster, ist jede Spur von ihnen verschwunden: +die Eltern erscheinen nicht bei ihrer Hochzeit, wie die Eltern von +Luther; sie werden um ihre Einwilligung nicht gefragt, worauf doch +Luther sonst so großes Gewicht legt; ja sie kommen schon nicht in +Betracht bei der Flucht aus dem Kloster, als es sich um eine Unterkunft +handelt; und auch während der ganzen Klosterzeit kommt Vater und Mutter +nicht zum Vorschein, wie es doch oftmals bei Klosterjungfrauen der Fall +ist. Vielleicht ist gerade der Eltern früher Tod für Katharina die +Veranlassung gewesen, so bald ins Kloster einzutreten. + +Wie dem aber auch sei, die geistige Entwicklung des jungen Fräuleins +fällt nicht in das Elternhaus. Denn sehr früh kam Katharina von daheim +fort und ihre bewußte Jugendzeit verbrachte sie fern von der Heimat im +Jungfrauen-Stift. + +So fällt Katharinas Eintritt, obwohl sie 15 Jahre jünger war, etwa in +dieselbe Zeit, als der Erfurter Magister Martin Luther die Studien +verließ und in das Kloster der Augustiner ging. + + + + +2. Kapitel + +Im Kloster. + + +Wenn heutzutage ein armes Mädchen aus besseren Ständen versorgt werden +soll, das nicht auf große Mitgift und darum auf Verheiratung rechnen und +somit dem natürlichen weiblichen Beruf, dem Familienleben, +voraussichtlich entsagen muß, so kommt es in eine Anstalt und bildet +sich zur Lehrerin oder dergleichen aus. Im Mittelalter kam so ein armes +Fräulein, dessen Ausstattung die schmalen Erbgüter der Stammhalter und +Schwestern noch mehr geschmälert hätte, zur Versorgung ins Kloster. Die +alten Klöster (der Benediktiner, Cisterzienser, Bernhardiner) wurden so +Versorgungsanstalten[20]. Es waren adelige Stifter, fromme Anstalten der +Vorfahren, worin „ehrsame“ (d.h. adelige) Jungfrauen Gott dienen und für +die Seelen der Lebenden und Verstorbenen beten sollten[21]. Statt des +jetzigen „geistigen“ Berufs zum Wirken in der Welt für lebendige +Menschen diente damals der „geistliche“ Beruf zur Verehrung Gottes und +der Heiligen, zum ewigen Seelenheil der Lebenden, namentlich aber der +toten Anverwandten im Fegefeuer. Statt der heutigen freien und doch +nicht immer freiwilligen Entschließung zu einem selbstgewählten Beruf, +der freilich immer nur bedingungsweise und auf Zeit ergriffen wird, galt +es damals die „ewige“ unwiderrufliche „Vergelübdung“ auf Lebenszeit; +statt der „Emanzipation“, welche einer außer dem Familienleben stehenden +Jungfrau heute mehr oder weniger wartet, harrte ihrer damals die +„Klausur“, die Einschließung in die Klostermauern in einem streng +geschlossenen Verband, dem „Orden“, unter dem straffen Bande der +„Regel“, der Klostersatzungen. + +Nach Begabung und Neigung zu diesem geistlichen Beruf wurde da wenig +gefragt, und es konnte auch keine Rücksicht darauf genommen werden[22]. +Dazu war in diesen Zeiten die elterliche Autorität, namentlich über +Töchter, viel zu groß, und der Familiensinn in solchen adeligen Häusern +war ein zu stark ausgeprägter, als daß sich ein Glied in individueller +Neigung gegen das Herkommen und die Familiensitte wie gegen die +Forderungen der Existenzbedingungen seines Geschlechts aufgelehnt hätte. +Nach den kirchlichen Bestimmungen galt der Grundsatz: „Einen Mönch macht +entweder die elterliche Vergelübdung oder die eigene Einwilligung“[23], +also in erster Linie die Bestimmung der Eltern! Diese hielten es eben +für eine standesgemäße Versorgung und zugleich für einen „guten seligen +Stand“, wie eine Nonne aus dieser Zeit erklärt[24]. + +Zudem wurden die Töchter in einem Alter in das Stift gethan, wo von +einer Willensentscheidung gar keine Rede sein konnte[25]. Die Mädchen +waren noch Kinder. Der Eintritt konnte schon im sechsten Lebensjahr +geschehen; viele kamen auch später hinein, wenn sich die +Familienverhältnisse durch Wachstum der Kinderzahl, Tod der Mutter und +dergleichen anders gestalteten. Aber auch in noch früherem Alter wurden +„Kostkinder“ aufgenommen, welche dann auch oft Klosterjungfrauen wurden. + +„Es ist eine hohe Not und Tyrannei, daß man leider die Kinder, +sonderlich das schwache Weibervolk und junge Mädchen in die Klöster +stößet, reizet und gehen läßt“ — so äußert sich Luther gerade über das +Kloster, worin sich Katharina von Bora befand, und ruft entrüstet aus: +„O die unbarmherzigen Eltern und Freunde (Verwandten), die mit den +Ihren so schrecklich und greulich verfahren!“[26] + +Nicht anders erging es auch der Tochter aus dem verarmten Hause Bora. +Katharina ward ins Kloster geschickt — gefragt wurde das Kind natürlich +nicht; es geschah „ohne ihren Willen“, wie denn Luther im allgemeinen +von ihr und ihren Mitschwestern von Verstoßung ins Kloster redet und von +Zwang. Er fragt bei dieser Gelegenheit seine Zeitgenossen: „Wie viel +meinst du, daß Nonnen in Klöstern sind, die fröhlich und mit Lust +ungezwungen ihren Gottesdienst thun und Orden tragen? Unter tausend kaum +eine. Was ist's, daß du solches Kind läßt also sein Leben und alle seine +Werke verlieren?“[27] + +Katharina kam vielleicht schon mit dem 6. Lebensjahr ins Kloster; denn +in ihrem sechsten Lebensjahr verschreibt Jan von Bora auf Lippendorf +alle seine Güter allda seiner — vielleicht in diesem Jahr geheirateten +zweiten — Ehefrau. Jedenfalls war Katharina im zehnten Lebensjahr (1509) +schon Klosterjungfrau; und zwar nicht mehr die jüngste, sondern die +zweitjüngste von den Aufgenommenen und blieb noch lange Jahre (bis 1516) +die vorletzte in der Reihe der Schwestern[28]. + +Klöster gab es damals genug im Land: es wurden allein im Meißnischen +gegen 30 Nonnenklöster gezählt[29]. In welches Kloster Katharina +eintreten sollte, das stand von vornherein fest: es mußte das adelige +Cisterzienserinnen-Kloster „Marienthron“ oder „Gottesthron“ _Nimbschen_ +bei Borna im Kurfürstentum Sachsen sein[30]. Denn hier war eine Muhme +von Vaterseite, vielleicht Vatersschwester Magdalene von Bora schon +lange Zeit Klosterjungfrau und bekleidete von 1502-8 das Amt einer +Siechenmeisterin, d.h. Krankenwärterin der Nonnen. Außerdem waren, +scheint es, noch zwei Verwandte aus der mütterlichen Familie der Haubitz +da: eine ältere Margarete und eine jüngere Anna. + +Das Kloster Nimbschen hat eine hübsche Lage. Eine Stunde unterhalb, +nachdem die beiden Mulden, die Zwickauer von Süden und die Freiberger +von Osten her zusammengeflossen sind zu der großen Mulde, erweitert sich +das enge Flußthal zu einer viertelstundebreiten ebenen Aue, welche die +Form eines länglichen Blattes hat und eine halbe Stunde lang ist. Am +Ostufer zieht sich eine schroffe Felswand aus Porphyr hin, an welche +das Muldebett sich anschmiegt; im Westen begrenzt eine niedrige, sanfter +ansteigende, waldbewachsene Hügelkette den Werder. Ueber der nördlichen +Blattspitze, die scharf durch die zusammenrückenden Felswände +abschließt, erhob sich eine Burg und jenseits der Thalsperre, ungesehen +von der Aue aus, liegt die Stadt Grimma; an dem obern Ende der Aue, +unmittelbar am Fuße des westlichen Waldhügels, stand das Kloster. Es war +also abgelegen von der Welt, abgeschlossen durch die beiden Hügelreihen, +nur mit dem Blick auf die stille ruhige Aue. Drüben floß die Mulde +ungesehen tief in ihren Ufern, überragt von der Felswand, hüben erhob +sich der hügelige Klosterwald. Nordwärts davon schimmerte ein ziemlich +großer Teich, welcher die leckere Fastenspeise barg. + +Aus dem Hügel unmittelbar neben dem Kloster waren die schmutzig braunen +Porphyrsteine gebrochen, mit welchen die Mauern und Klostergebäude +aufgebaut waren; ein Graben an diesem Hügel hin verhinderte noch mehr +den unbefugten Zutritt. + +Das Klostergebäude war sehr umfangreich, denn so eine alte +Cisterzienser-Abtei bildete eine Welt für sich: nach alter Regel mußte +das Kloster alle seine Bedürfnisse selber durch eigene Wirtschaft +befriedigen[31]. Daher gab es neben dem eigentlichen „Gotteshaus“, wie +ein geistliches Stift genannt wurde, noch allerlei Wirtschaftsgebäude: +Ställe für Pferde, Rinder, Schweine, Geflügel mit den nötigen Knechten +und Mägden, Hirten und Hirtinnen für Füllen, Kühe, Schafe (das Kloster +hatte deren 1800!), Schweine und Gänse; ferner Mäher, Drescher, +Holzhauer, eine „Käsemutter“. Das Kloster selbst zerfiel in zwei +Gebäudekomplexe: „die Propstei“ und die „Klausur“. Die Propstei schloß +sich um den äußeren Klosterhof und umfaßte die Wohnung des Vorstehers +oder Propstes, eines „Halbgeistlichen“, welcher mit „Ehren“ („Ehr“) +angeredet wurde, dann die Behausung des Verwalters oder Vogts (Voit) +samt dem Schreiber; ferner das „Predigerhaus“, in welchem die zwei +„Herren an der Pforte“, d.i. Mönche aus dem Kloster Pforta, als +Beichtväter wohnten, denn Pforta hatte die Oberaufsicht über Nimbschen. +Ein Brauhaus, Backhaus, Schlachthaus, Schmiede, Mühle, Küche und Keller +waren noch da, worin die verschiedenen Klosterhandwerker hausten und +hantierten; auf dem Thorhaus saß der Thorwärter Thalheym. Ein +„Hellenheyszer“ hatte die Oefen zu besorgen. + +Es war eine gar umfangreiche Wirtschaft und ein großes Personal: 40-50 +Leute waren in der Klosterzeit Katharinas von Bora täglich „über den +Hof“ zu speisen; und dazu mußten Löhne gezahlt werden, vom Oberknecht +mit 4 Schock 16 Groschen und Vorsteher mit 4 Schock an bis zur +Gänsehirtin, welche nur 40 Groschen bekam. + +Um alle diese Personen zu besolden und neben den Klosterfrauen zu +speisen, brauchte es natürlich großer Einkünfte an Geld, Getreide, +Hühnern, Eiern u.s.w. von den Klosterdörfern und Höfen, außer den +Klostergütern, die vom Klosterpersonal selbst bewirtschaftet wurden. +Ferner hatten die Bauern noch gar manche Fronden mit Ackern, Düngen, +Dreschen, Mähen und Heuen, Schneiden, Holzmachen, Hopfen pflücken, +Flachs und Hanf raufen, riffeln und rösten, Schafscheren, Jagdfron +(Treiben bei der Jagd) wofür teilweise Essen und Trinken, bei der Jagd +auch Geld gereicht wurde. + +Die Nonnen selbst wohnten in der „Klausur“, einem zweiten +Gebäudekomplex, welcher im Viereck um einen kleinen Hof gebaut war und +aus der Kirche, dem Refektorium (Speisehaus), dem Dormitorium +(Schlafhaus mit den Zellen) und dem Konvent (Versammlungshaus) bestand. +Die Abtei, die Wohnung der Aebtissin, welche nicht zur Klausur gehörte, +war zwischen dieser und dem Propsthofe. + +Hier im Kloster lebten nun einige vierzig Töchter adeliger Häuser aus +verschiedenen Gegenden des kurfürstlichen und herzoglichen Sachsen. Dazu +kamen noch ein halb Dutzend „Konversen“ oder Laienschwestern, die um +Gottes willen, d.h. umsonst dienten. Ferner mehrere bezahlte +„Kochmeide“, darunter eine Köchin, und die „Frauen-Meid“, d.h. die +Dienerin der Aebtissin. Diese hatte außerdem noch zwei Knaben zu ihrer +Verfügung, die natürlich im äußern Klosterhof wohnten und zu Kleidern +und Schuhen zusammen 1 Schock jährlich erhielten[32]. + +Die adeligen Klosterfrauen bildeten die Sammlung, den Konvent und hießen +daher auch Konventualinnen. Das war eine kleine weibliche Adelsrepublik, +die sich in allen Dingen selbst regierte nach der „Regel“, den +Gesetzen, auf die sie eingeschworen waren — bloß unter Oberaufsicht +ihres Visitators, des Abtes von Pforta, der aber auch nur auf Grund der +Regel anordnen und rügen konnte. Die Regel war die des hl. Bernhard, +eine etwas strengere Abart derjenigen der gewöhnlichen alten +Benediktinerinnen[33]. + +Die Nonnen waren außer der Aebtissin in die _Klausur_ eingeschlossen, +aus welcher sie nur in Klosterangelegenheiten mit besonderer Erlaubnis, +und dies selten und in Begleitung einer Seniorin und des Beichtvaters, +heraustreten durften. Ein Verkehr mit der Außenwelt oder auch nur mit +den Klosterleuten auf der Propstei fand nicht statt; auch in der Kirche +waren sie auf einem besonderen dicht vergitterten Nonnenchor den Blicken +der Weltleute entzogen. Verboten war ausdrücklich das Uebersteigen an +der Orgel und das Herauslehnen über die Umzäunung des Chors. Wenn jemand +von draußen (Geistlicher oder Weltlicher) mit einer Klosterjungfrau zu +reden hatte, etwa die Eltern und Geschwister zu Besuch kamen, so durften +sie nur mit besonderer Erlaubnis der Aebtissin, und nur wenn es die Not +erforderte, in der Redstube durch das vergitterte Redfenster und in +Gegenwart der Aebtissin mit ihr sprechen; es war unmöglich gemacht, daß +jemand die Hand oder ein Ding durch das Fenster steckte. Ebenso war der +Beichtstuhl vermacht, und selbst der Beichtvater durfte nur in +Krankheitsfällen in die Klausur eintreten. Festlichkeiten und +Ergötzungen sollten die Beichtväter nicht mit den Klosterjungfrauen +mitmachen. Der Pförtnerin war bei Strafe verboten, Hunde (?), alte +Weiber und dgl. einzulassen[34]. Die Schwestern durften auch nicht mit +den Klosterkindern[35] zusammen schlafen. + +In diesem klösterlichen Verband gab es zur Regierung und Verwaltung der +Gemeinschaft zahlreiche Aemter. Mit ziemlich unumschränkter Gewalt +herrschte die gewählte _Aebtissin_: ihrem Befehl und ihren Strafen war +mit wortlosem, unbedingtem Gehorsam nachzukommen; doch war sie gehalten, +überall den Rat ihrer „Geschworenen und Seniorinnen“ zu hören. Ihr war +nicht nur die äußere Verwaltung der Gemeinschaft übertragen, auch die +„Leitung der Seelen und Gewissen“. Sie sollte sich bestreben, gleich +liebreich gegen alle, Junge und Alte, aufzutreten, für alle, Gesunde +und Kranke, namentlich in ihrer leiblichen Notdurft, besorgt zu sein. + +Mit Ehrfurcht nahten die Schwestern der Aebtissin, sie war die Domina +(Herrin), die ehrwürdige Mutter, und die draußen wenigstens nannten sie +„Meine gnädige Frau.“ Im Jahr 1509, also kurz nachdem Katharina von Bora +in Nimbschen eingetreten war, starb die alte Aebtissin Katharina von +Schönberg, und Katharinas Verwandte, Margarete von Haubitz, wurde zur +Aebtissin gewählt und feierlich vom Abt Balthasar aus Pforta in ihr Amt +eingeführt[36]. + +Nach der Aebtissin kam an Würde die Priorin („Preilin“), einerseits die +Stellvertreterin und Gehülfin derselben, andererseits aber auch die +Vertreterin und Vertrauensperson des Konvents. Auf sie folgte die +„Kellnerin“, die „Bursarin“ (auch „Bursariusin“, Kassiererin) die +Küsterin, die Sangmeisterin („Sängerin“), die Siech- und +Gastmeisterin[37]. + +Die Schwesternschaft, in welche die junge Katharina eintrat, hatte einen +gleichartigen gesellschaftlichen Rang: sie waren alle aus dem kleinen +Adel und vielfach mit einander verwandt oder gar Schwestern: so die zwei +Haubitz, die zwei Schwestern Zeschau und Margarete und Ave von +Schönfeld, wozu noch eine Metze[38] Schönfeld kam, welche 1508 +Siechenmeisterin und später Priorin wurde. Aber die einen waren +wohlhabend mit einem ordentlichen Leibgeding an Geld und Naturalien, die +anderen arm, vielleicht nur bei dem Eintritt und bei der Einsegnung mit +einem kleinen Geschenke von ihren Verwandten abgefunden. Der Wohlstand +scheint nicht ohne Einfluß auf die amtliche Stellung gewesen zu sein; +denn es ist doch wohl nicht Zufall, daß die am reichsten +Verleibgedingte, Margarete von Haubitz, zur Aebtissin gewählt wurde[39]. +Auch das Alter war ein gar verschiedenes: da war die 70 jährige Ursula +Osmund, die an hundert Jahre alt wurde, und die zehnjährige Katharina +von Bora und die beiden jungen Schönfeld, welche in ähnlichem Alter +standen. Lange Zeit wurden gar keine neuen Jungfrauen in das Stift +aufgenommen: von 1510 bis 1517 blieben Katharina und Ave die letzten, +vielleicht weil die Zahl 50 (mit den Konversen) überschritten war und +die Einkünfte des Klosters nicht mehr Personen ertrugen. Daß die +Klosterfrauen auch an Wesen, Charakter und Temperament verschieden +waren, ist natürlich; aber alle geistige Individualität (alle +„Eigenschaft“) wurde durch die Klosterregel und Klosterzucht ebenso +ausgelöscht, wie die leibliche Verschiedenheit durch die gleiche Tracht: +Nonnen tragen auch eine geistige Uniform. Dazu sind Freundschaften +verboten. Von irgend einer Eigenheit einer Schwester erfährt man nichts. +Nur die Aebtissin Margarete von Haubitz ist später charakterisiert als: +„ehrliches (vornehmes), frommes, verständiges Weibsbild“[40]. + +Ob die neue Klosterjungfrau _Katharina von Bora_ an ihr oder den anderen +Verwandten aus dem mütterlichen Geschlechte eine Annehmerin gefunden +habe, ist nicht zu sagen. Doch war nicht von vornherein die +Verwandtschaft mit der Aebtissin ein Grund zu einer freundlichen +Behandlung. Denn eine gleichzeitig mit Katharina in ein andres Kloster +eingetretene junge Nonne beklagt sich, daß ihre Muhme, die Aebtissin, +ganz besonders gewaltthätig und grausam mit ihr verfahren sei. +Vielleicht hat Katharina eine Art mütterliche Freundin an ihrer anderen +Verwandten aus dem väterlichen Geschlecht gefunden, der ehemaligen +Siechenmeisterin Magdalena von Bora, weil diese nachher sich als „Muhme +Lene“ so innig an Katharina und ihre neue Familie anschloß[41]. + +Zunächst wurde das junge Mädchen eingeführt in die Ordensregel und den +Gottesdienst, wurde gewöhnt an klösterliches Benehmen und an geistliches +Denken und Wesen, auch unterrichtet in einigen Kenntnissen und +Fertigkeiten. In Nimbschen wird keine besondere Novizenmeisterin +genannt; es war nur vom Abt bei der Einführung der neuen Aebtissin 1509 +im allgemeinen aufs neue als Ordensregel eingeschärft: „Weil es ein Werk +der Frömmigkeit und Barmherzigkeit ist, die Ungelehrten gelehrter zu +machen, wollen wir, daß diejenigen, welche mehr verstehn unter den +Jungfrauen, die andern zu belehren und unterrichten sich bestreben, in +dem Bewußtsein, daß sie einen großen Lohn für diese Mühe empfangen, und +daß sie durch diese Beschäftigung viel Leichtfertigkeit vermeiden, wozu +die ausgeladene Jugend geneigt ist.“ Natürlich sollten aber alle +Aelteren den Jungen mit gutem Beispiel vorangehen. + +Als „der Schlüssel der Religion“ mußte zunächst überall, wo es die +Ordensregel vorschrieb, unbedingtes _Stillschweigen_ beobachtet werden — +außer dem unbedingten Gehorsam, an den sich die Novizin zu gewöhnen +hatte, der wichtigste und höchste Punkt des klösterlichen Lebens. Denn +es müßte Rechenschaft gegeben werden von jedem unnützen Wort nicht nur +vor Gottes Richterstuhl, sondern auch vor dem Beichtstuhl des Priesters. +Vielmehr sollten die Klosterjungfrauen außerhalb der vorgeschriebenen +Gebetszeiten und der Lektionen in besonderen Gebeten mit dem Bräutigam +Christus reden oder in Beschaulichkeit schweigend hören, was Gott in +ihnen redet. Darum wurde streng darauf gesehen, daß die Kinder und +heranwachsenden Jungfrauen nicht herumliefen und schwatzten, sondern +sich sittsam und schweigsam verhielten. + +Es galt sodann in Kleidung und Haltung, in Gebärde und Rede sich das +rechte nonnenhafte Wesen anzueignen. „Am Ort der Buße“, mußte man „die +größte Einfachheit der Kleidung zeigen, sich weder mit weltlichen +Gewändern schmücken, noch auch mit den Fransen der Pharisäer“, sondern +die Kutten bis an die Schultern herausziehen. Das Angesicht mußten die +Novizen lernen stets zu neigen. „Denn die Scham ist die Hüterin der +Jungfrauschaft, der köstlichen Perle, welche die geistlichen Töchter +bewahren sollen. So sollen sie mit Seufzen und Beklagen der verlorenen +Zeit die Ankunft des himmlischen Bräutigams erwarten welcher seine +Verlobten, — die im Glauben und hl. Profeß stets des Herrn harren, — mit +Frohlocken in sein Brautgemach führt.“ + +„Damit sie sich aber nicht mit dem Laster des Eigentums beflecken, +welches in der Religion das schlimmste und verdammlichste und ein Netz +des Teufels ist, sollen sie bei Strafe der Exkommunikation alle +Geschenke von Freunden und andern draußen nicht als ihr Recht +beanspruchen, sondern der Aebtissin reichen, und demütig von ihr das +Nötige begehren.“ + +Die Vorgesetzten aßen zwar am besonderen Tisch und hatten bessere +Speisen und Getränke: so bekamen sie echtes Bier, dagegen die +Konventualinnen nur „Kofent“ (Konvent- d.h. Dünn-Bier)[646], aber +gleichmäßige Behandlung aller Klosterjungfrauen in Speisen und Getränken +waren der Aebtissin zur Pflicht gemacht, und die Mahlzeiten ließen nach +herkömmlicher Klostersitte nichts zu wünschen übrig[42]. „Festmahlzeiten +und Ergötzlichkeiten“ waren den Schwestern unter sich von der Aebtissin +erlaubt. + +Diese Ordnungen, zu welchen in Nimbschen bei Einführung der neuen +Aebtissin der Abt-Visitator eine Art Hirtenbrief als Erläuterung und +Ergänzung der Ordensregel gegeben hatte, wurden alle Vierteljahre +kapitelweise im Konvent gelesen und durch die Aebtissin oder Priorin +Punkt für Punkt erklärt, damit jede Klosterjungfrau — namentlich aber +die Neulinge — aus sich selbst die klösterliche Lebensweise und +Lebenseinrichtung annähmen. + +In solche strenge Klosterzucht wurde nun das junge Mädchen eingeführt. +Wenn auch die Praxis — wie sich bei jeder Visitation zeigte, namentlich +in der Verordnung von unnützen Reden — von der Theorie abwich, so war +doch zu dieser Zeit ein stramme ernstliche Einhaltung der Ordensregel in +Nimbschen durchgeführt. Man hatte nämlich gerade um 1500 auch hier wie +in anderen Klöstern eine „Reformation“ der zerfallenen Klosterordnung +erstrebt[43]. + +Neben dieser Erziehung zum Klosterleben gab es auch einigen +_Unterricht_, der mit dem Ordensleben zusammen hing. Die Novizen mußten +lesen lernen — was damals bei der krausen Schrift und dem noch krauseren +Stil nicht so ganz leicht war[44]. Sogar ins Lateinische mußten die +Nonnen notdürftig eingeführt werden: denn die Lesungen und Gebete, +besonders aber die Gesänge waren meist in der Kirchensprache geschrieben +— wenn es auch mit dem Verständnis der Fremdsprache nicht gerade weit +her war: singen ja doch auch heute Kirchenchöre in Dorfgemeinden +lateinische Hymnen und Messen. Auch schreiben hat Katharina im Kloster +gelernt, wenn sie auch später — wie alle viel beschäftigten Frauen nicht +gerne und viel schrieb und an Fremde und hochgestellte Personen ihre +Gedanken lieber einem Studenten oder Magister in die Feder sagte. Sonst +konnten nicht alle Klosterfrauen diese Kunst. Eine eigentliche Schule, +worin die Schulmeidlein gelehrt wurden, gab es nicht, doch waren einige +Klosterfrauen fähig, nach ihrem Austritt Mädchenschulmeisterinnen zu +werden, so die Schwester von Staupitz und die Elsa von Kanitz[45]. + +Der _Gesang_ spielte eine große Rolle im Kloster: waren doch alle +religiösen Uebungen größtenteils gemeinschaftlich und mußten so zum +Chorgesang werden. Es war eine Sängerin oder Sangmeisterin +(Kapellenmeisterin) bestellt, welche die Gesänge einzuüben hatte. Und im +Kloster war ein altes „Sangbuch“, welches 1417 für 2 Schock Groschen +gekauft und vom markgräflichen Vogt zu Grimma bezahlt worden war. Es +waren aber im Kloster fremde Gesänge aufgekommen und es wurde gegen die +Regel des seligen Vaters Bernhard zu schnell und ungleich (d.h. +rhythmisch) gesungen, und kam der Unfug auf, daß unvermittelt bald alle, +bald wenige Stimmen sangen; der Abt von Pforta ordnete daher an, daß +rund, eine Silbe wie die andere gesungen werde, einhellig und mit +gleicher Stimme, nicht zu hoch und zu tief[46]. + +Im Jahre 1509, als Katharina von Bora zehn Jahre zählte, war sie kein +Kostkind oder Schulmeidlein mehr, sondern wurde schon unter die +Klosterjungfrauen gezählt. Sie war also einstweilen wenigstens +„Postulantin“, Anwärterin für die Pfründe. Da meist das vierzehnte +Lebensjahr das Entscheidungsjahr für die Klostergelübde war, so hätte +sie mit dem dreizehnten ihr Noviziat antreten und ein Jahr darauf Profeß +thun können. Es ist auffällig, daß sich dies bei Katharina zwei Jahre +hinausschob, und sogar die später eingetretene jüngere Ave Schönfeld +_vor_ ihr mit ihrer älteren Schwester Margarete eingesegnet wurde[47]. + +Mit ihrem 15. Jahre also wurde Katharina von Bora nach dem Herkommen der +Sammlung von der Aebtissin „angegeben“ (vorgeschlagen) und von dem +Konvent angenommen. Unter feierlichen Zeremonien in der Kirche wurden +ihr die Haare abgeschnitten, die mit Weihwedel und Rauchfaß besprengten +und beräucherten heiligen Kleider angethan: die weiße Kutte übergezogen, +der weiße Weiler (das Kopftuch (velum, der sog. Schleier)) ums Haupt +geschlungen; auf diesem wurde der Himmelsbraut der weiße Rosenkranz +aufgesetzt und der Heiland im Kruzifix als Bräutigam in die Arme gelegt, +dann hat sie ihm durch Opferung des Kranzes ewige Reinigkeit verheißen +und geschworen. Darauf fiel die Postulantin der Reihe nach der Aebtissin +und jeder der einzelnen Klosterfrauen demütig zu Füßen, wurde von ihnen +aufgehoben und mit einem Kusse als Schwester in die Gemeinschaft +aufgenommen[48]. + +Jetzt kam Katharina unter die strenge Zucht einer älteren Klosterfrau +und mußte in dieser Probezeit im Ernst all die vielen Dinge üben in +Haltung und Gang, in Gebärde und Rede, welche eine Nonne auf Schritt und +Tritt zu beobachten hat, wenn sie nicht gegen die Regel sündigen und +dafür Buße erleiden will. So erzählt eine Nonne: „Das Probejahr geschahe +nur, daß wir Ordensweise lernten und uns versuchten, ob wir zum Orden +tüchtig“[49]. + +Endlich, im Jahre 1515, „Montags nach Francisci Confessoris“, d.h. am 8. +Oktober, war Katharinas „eynseghnug“. Da mußte sie „Profeß thun“, d.h. +das ewig bindende Klostergelübde ablegen. Es wird ihr gegangen sein wie +jener anderen Nonne, die um diese Zeit auch eingesegnet wurde und von +sich erzählt: „Am Abend vor meiner Profession sagte mir die Aebtissin +vor der ganzen Versammlung im Kapitel: man solle mir die Schwierigkeit +der Regel vorlegen und mich fragen, ob ich das gesinnet wäre zu halten? +wäre aber nicht von nöten, denn ich hätte mich in der Einkleidung +genugsam verpflichtet. Und wenn ich gleichwohl gefragt worden wäre, +hätte ich doch nichts sagen dürfen, hätte mir auch nichts geholfen.“ Die +Einsegnung ging vor sich und zwar war Katharina von „Bhor“ als einzige +auf diesen Tag geweiht. Sie spendete dabei dem Kloster von dem wenigen, +was sie vermochte, 30 Groschen[50]. + +Zwar nicht widerwillig, aber doch wie sie (bezw. Luther) später sagte, +ohne „ihren Willen“ wurde Katharina als Tochter des sel. Vaters Bernhard +verpflichtet. Trotzdem aber hat sie sich in die Klosterregel nicht nur +gefügt, sondern auch „hitzig und emsig und oft gebetet“[51]. + +Das entspricht ihrer gesamten entschiedenen Natur, wie sie sich später +ausgereift zeigt. Sie war ja gelehrt worden, durch „gute Werke“, +insbesondere durch Klosterwerke, erwerbe man sich himmlische Güter und +geldliches Vermögen und einen hohen seligen Sitz im Jenseits; also +strengte sie alle Kraft und allen Fleiß an, solchen Reichtum zu erwerben +und durch geistliche Uebungen sich einen guten Platz im Himmel zu +verdienen. Was sie später als Frau einmal angriff, das erstrebte sie +auch mit der ganzen Gewalt und Zähigkeit ihres Willens, und so wird sie +es auch im Kloster gehalten haben als Nonne. Zudem pflegen junge +Klosterleute, namentlich weibliche, die eifrigsten zu sein in der Uebung +der Pflichten, auch wenn sie nichts von Schwärmerei an sich haben. + +Und was hatte nun die junge Nonne für hohe Werke und heilige Pflichten +zu thun? + +Fast das gesamte Leben im Kloster füllten geistliche Uebungen aus, ihr +ganzes Tagewerk war Beten, Singen, Lesen, Hören erbaulicher Dinge, „da“, +wie es in einer Klosterregel heißt, „alle Klausur und geistliche Leute +erdacht und gemacht sind, daß sie unserm Herrn und Gott dienen und für +Tote und Lebende und alle Gebresthafte Bitten füllen“. Das waren nun +außer dem Messesingen und den privaten Gebeten noch besonders die +gemeinsamen 7 Gebetszeiten, die Horen: Matutin, Terz, Sext, Non am +Morgen, Vesper und Komplet am Abend mit Psalmen, Martyrologien, +Ordensregeln. Auch nächtliche Gottesdienste wurden begangen: Metten und +Vigilien. Und sogar während des Essens, wo Stillschweigen geboten war, +wurde vorgelesen aus einem Erbauungsbuch. Abwechselnd hatte Katharina +auch selbst diese Vorlesung zu halten und mußte dann nachspeisen[52]. + +Welchen Eindruck diese Vorschriften auf ein natürlich fühlendes und +religiöses Gemüt machen mußten, hören wir aus einem späteren Bericht: +„Da D. Martinus der Nonnen Statuten las, die gar kalt geschrieben und +gemacht waren, seufzte er sehr und sprach: „Das hat man müssen +hochhalten und hat dieweil Gottes Wort vermisset! Sehet nur, was für +eine Stockmeisterei und Marter der Gewissen im Papsttum gewest ist, da +man auf die horas canonicas und Menschensatzungen drang, wie Hugo +geschrieben, daß wer nur eine Silbe ausließe und nicht gar ausbetete, +müßte Rechenschaft dafür geben am jüngsten Gericht[53].“ + +Ob Katharina je ein Amt in dem Konvent bekleidet hat, wissen wir nicht; +jedenfalls konnte dies nur ein niederes, etwa das einer +„Siechenmeisterin“ sein. Wahrscheinlich aber war sie noch zu jung, als +daß bei so vielen Vorgängerinnen an sie die Reihe gekommen wäre[54]. + +Eigentliche _Arbeit_ gab es im Kloster nicht: die Nonnen durften ja +nicht aus der Klausur, und die Hausarbeit in Küche und Stube schafften +die Laienschwestern und Klostermägde. Freilich so ganz arbeitslos wie +bei manchen adeligen Mönchsorden, wovon der Volkswitz sagt: + + Kleider aus und Kleider an + Ist alles, was die Deutschherrn than. + +— so träge verfloß das Leben der Nonnen nicht. Konnten sie sich doch mit +weiblichen Handarbeiten abgeben wie Spinnen von dem Ertrag der großen +Schafherden für die wollene Bekleidung, namentlich aber mit Stickereien, +wie Altardecken, Meßgewänder, Teppiche, Fahnen u.s.w., in Nimbschen, +wohl auch in Pforta für die Kirche der dortigen Mönche und vielleicht +auch für den Bischof von Meißen, unter dem das Kloster stand[55]. So hat +jedenfalls auch Schwester Katharina manche kunstvolle Stickerei +verfertigt, wenn auch die mancherlei Handarbeiten, welche heutzutage da +und dort von Luthers Käthe gezeigt werden, wohl alle nicht echt sind. + +Eine gewisse Unterhaltung gewährte noch die Besichtigung und +Instandhaltung der zahllosen Reliquienstücke, welche in der Nimbscher +Kirche aufgespeichert waren, und welche es galt zu schmücken und in +Ordnung zu halten. Es waren da an den 12 Altären in Kreuzen, +Monstranzen, Kapseln, Tafeln wohl vierhundert hl. Partikeln. So von +Christi Tisch, Kreuz und Krippe, Kleid und Blut und Schweißtuch, vom +Stein und Boden, wo Jesus über Jerusalem weinte, im Todesschweiß betete, +gegeißelt saß, gekreuzigt ward, gen Himmel fuhr; vom Haar, Hemd, Rock, +Grab der hl. Jungfrau; von den Aposteln allerlei Knochen, auch Blut +Pauli, vom Haupt und Kleid Johannes' des Täufers; von vielen Heiligen, +bekannten und unbekannten: den 11000 Jungfrauen, der hl. Elisabeth von +Thüringen, der hl. Genoveva, dem hl. Nonnosus, der hl. Libine Zähne, +Hände, Arme, Knochen, Schleier, Teppiche —, ferner Partikeln von der +Säule Christophs, vom Kreuz des Schächers u.a.[56]. + +Aber auch hier hatten die Seniorinnen, u.a. auch Magdalena von Bora, die +Obhut über die hl. Kapseln. + +Vor allen diesen Reliquien wurden bestimmte Antiphonien gesungen, was +eine gewisse Abwechslung in dem täglichen Gottesdienst gab. + +Eine Abwechslung in dem ewigen Einerlei brachten auch die vielen +Festtage, Bittgänge und Prozessionen im Kreuzgang und auf dem +Kirchhof[57]. + +Eine große Sache war die Visitation des Klosters durch den Abt von +Pforta — freilich auch eine kostspielige: der Abt mit seinen Begleitern +mußte abgeholt und wieder heimgebracht und unterwegs und im Kloster +verköstigt, auch herkömmlich mit Erkenntlichkeiten bedacht werden[58]. +Bei der Visitation gab's eine Untersuchung aller Mißstände, ein Verhör +aller einzelnen Schwestern und schließlich einen oft scharfen Bescheid. + +Es kamen auch an den hohen Festtagen und deren Oktaven Wallfahrer ins +Kloster, denn dieses hatte von verschiedenen Kirchenfürsten Ablässe, +wenn auch nur 40tägige, erlangt für Besucher und Wohlthäter des +Klosters, für Anhörung von Predigten und Kniebeugen beim Aveläuten[59]. + +Der Hauptablaß aber war an einem besondern Tag im Jahre, wahrscheinlich +an der Kirchweihe (23. August). Da war Messe und Jahrmarkt zu gunsten +des Klosters unter dem Namen „_Ablaß_“ (wie in Bayern „Dult“ = Indulgenz += Ablaß). Zu diesem Tage kamen von weit und breit die Leute. Wenn so zu +Nimbschen jährlich „Ablaß“ war, mußten fronweise aus jedem Klosterdorf +drei Männer kommen und „zur Verhütung von Händeln, bei Tag und Nacht zu +besorgend, Wache halten“. Von all diesem Leben und Treiben freilich +sahen die Klosterfrauen so gut wie nichts, wenn sie auch von ihrer +Klausur aus den Lärm draußen hören konnten[60]. + +Allerdings nahm die Aebtissin, wenn sie einmal ausreiste, eine und die +andre Schwester mit; aber freilich an die jüngern Klosterfrauen kam das +wohl schwerlich. Da ging es nach Grimma, ins nahe Städchen, oder auch +ins ferne Torgau, die kurfürstliche Residenz an der Elbe, wo gerade das +großartige Schloß Hartenfels gebaut wurde. Dort hatte das Kloster +mancherlei Besitzungen an Aeckern und Wiesen und mußte mit eigenem +Geschirr Getreide holen, während die Stadt verschiedene Gebräude Bier +selbst bringen mußte. Mit diesen Fuhren wurde aber auch manches, was in +Torgau verkauft oder gekauft war, hin und zurück gebracht. Eingekauft +wurde vor allem bei dem Ratsherrn und Schöffer Leonhard Koppe, z.B. +Tonnen Heringe, Kiepen (Rückkörbe) voll Stockfische, Hechte, Fässer +Bier, Aexte. Namentlich geschahen solche Einkäufe zu Martini, wo „Meine +gnädige Frau“, die Aebtissin, mit einer würdigen Jungfrau die Zinsen +einnahm, in der Herberge auch einige Groschen „zu vertrinken“ gab und +bei Koppe einkaufte und die Rechnung persönlich bezahlte[61]. + +Das waren die besondern Ereignisse in dem steten Einerlei des Jahres. In +ihrer ganzen Klosterzeit erlebte Katharina von Bora auch nichts +besonderes Außerordentliches. Einzelne der Klosterfrauen gingen mit Tod +ab. Nachdem lange Katharina von Bora und Ave von Schönfeld die Jüngsten +im Kloster gewesen waren, kamen anno 1516 auf einmal 9 Kostkinder +herein: 3 Schellenberger, 2 Hawbitzen (Verwandte Katharinas von +mütterlicher Seite), 1 Lauschkin, 1 Keritzin (Kieritsch?), 1 Poßin, 1 +Buttichin. Im folgenden Jahre traten drei Neulinge in den +Klosterverband, und ein Jahr darauf kamen wieder einige Kostkinder weg +und andere herein[62]. 1522 war ein Wechsel des Klostervorstehers +(Propstes), indem der alte, Johann Kretschmar, starb. Die Nonnen hielten +sehr zu ihrem Propst, während die Beichtväter verhaßt waren; denn diese, +„die 2 Herren an der Pforte“ betrugen sich anspruchsvoll und anmaßend, +mischten sich — wohl aus Langerweile — in Dinge, die sie nichts +angingen, wollten in die Verwaltung, also in den Geschäftskreis des +Propstes drein reden, hetzten die Nonnen wider einander auf, so daß gar +oft Klagen wider sie ergingen und der Konvent sogar die weltliche Gewalt +wider sie und gegen ihre Schützer, die Aebte von Pforta, anrufen +mußte[63]. Da gab es nun in diesen Jahren eine gar willkommene +Gelegenheit, den Mönchen ein Schnippchen zu schlagen. Zu Martini 1513 +kam der Vorsteher vom Hospital des Heilig-Geist-Ordens aus dem fernen +Pforzheim im Schwabenland, Matthias Heuthlin, und bot den Nonnen ein +Privilegium an. Weil seine Anstalt nämlich nicht genug Einkünfte besaß, +hatte er sich vom Papst Julius II. die Gnade erwirkt, daß allen +Wohlthätern des Spitals die Wahl des Beichtvaters freigegeben wurde. +Also gab die Domina Aebtissin und ganze löbliche Sammlung des Klosters +eine Beisteuer und erhielten dafür einen gedruckten mit dem Namen +„Niimitsch“ ausgefüllten und vom Magister domus Hospitalis de Pfortzheim +ord S. Spirit. unterzeichneten Zettel, wonach das Kloster Nimbschen für +seine milde Gabe in die Bruderschaft des hl. Geistordens ausgenommen und +aller guten Werke und Ablässe derselben teilhaftig und ihm insbesondere +erlaubt wurde, sich von einem beliebigen weltlichen oder mönchischen +Beichtvater Absolution von Sünden, Uebertretungen und Verbrechen, sogar +solchen, welche dem apostolischen Stuhl vorbehalten waren, einmal im +Leben und im Todesfall, so oft es nötig erschien, erteilen zu lassen. +Dieses Privilegs machte sich das Kloster durch wiederholte Gaben in den +folgenden Jahren (1516, 1519, 1520) teilhaftig[64]. So war auch den +Nimbschener Nonnen eine von den zahllosen Hinterthüren geöffnet, durch +welche in der katholischen Kirche die geknechteten Seelen dem +geistlichen Zwang sich entziehen und auf Nebenwegen die Seligkeit +erlangen konnten. + +Katharina erlebte auch im Kloster noch die Vorboten des Bauernkriegs. +Die Klosterdörfer hatten zwölferlei Fronden. Von diesen trotzten die +Bauern sich schon vorher vier ab, waren aber auch damit noch nicht +zufrieden, so daß der neue Propst sich nach Rat und Hilfe umsehen +mußte[65]. + +Das waren die kleinen und kleinlichen Eindrücke und Ereignisse, die in +das Leben der Nimbscher Jungfrauen und der Katharina von Bora +eingreifend, die glatte Oberfläche ihres beschaulichen Daseins leicht +kräuselten. Das waren die einförmigen Beschäftigungen, mit denen sie die +Zeit, die langen Tage, Wochen und Jahre mühsam hinwegtäuschten. Solche +einseitigen Interessen und Anschauungen beherrschten den Gesichtskreis +eines jugendlichen Geistes. Wie das Klosterleben die körperliche Kraft +eines jungen Menschenkindes zurückhielt, so mußte es auch die +aufstrebende Willenskraft erschlaffen. Die Klostermauern beengten nicht +nur das äußere Gesichtsfeld, sie machten auch das geistige Auge +kurzsichtig. Wenn auch die gähnende Langeweile demjenigen nicht zu +Bewußtsein kam, der von nichts anderem wußte, so mußte doch der Geist +nach Eindrücken lechzen, so daß das Sprichwort begreiflich wird, welches +den Klosterbewohnern die Sehnsucht nach Erlebnissen zuschreibt: +„Neugierig wie eine Nonne“. Und die ständige Aufgabe, „das Leben in +sich abzutöten“, konnte bei einer gesunden Natur erst recht die Frage +erwecken, was Leben sei. Wenn bei dem Mann im Kloster der Verstand sich +heißhungrig auf die Wissenschaft werfen konnte, so blieb die +eigentümliche Lebenskraft des Weibes, das Gemüt hier unbefriedigt[66]. + +Gewiß die allermeisten dieser adligen Fräulein hatten es äußerlich +angesehen im Kloster besser, behaglicher, luxuriöser als daheim im +beschränkten Haushalt der Eltern oder eines eigenen Gatten; und das +Ansehen, das eine gottgeweihte Jungfrau in den Augen des Volkes und +besonders der Kirche, und nicht zum wenigsten in dem eigenen Bewußtsein +hatte, war viel größer als dasjenige, das eine arme Edelfrau draußen in +der Welt finden konnte. Aber der ganze Zwang der Unnatur und die +Künstlichkeit all dieser Verhältnisse mußte, wenn auch ohne klares +Bewußtsein, auf einen wahrhaften und gesunden Geist drücken. + +Nur das eine Gefühl konnte die Nonne über alle Zweifel, alle Entsagung, +alle Pein, alle Langeweile des Klosterlebens hin wegheben: das +Bewußtsein, ein gottwohlgefälliges Werk zu thun, sich ein besonderes +Verdienst vor Gott zu erwerben, sich die zeitliche Heiligkeit und die +ewige Seligkeit zu versichern. Aber wie dann, wenn diese Grundbedingung +alles Nonnentums, dieser Grundpfeiler alles Klosterlebens erschüttert +und untergraben wurde, ja sich selbst als morsch und faul erwies? Dann +mußte das ganze Gebäu zusammenstürzen, dann mußte eine gegen sich +aufrichtige und willensstarke Natur die Konsequenzen ziehen und ein +Leben verwerfen und verlassen, das als heiliger und seliger Beruf +erschienen war und bisher den ganzen Menschen erfüllt hatte. + +Und dieser Fall trat bei Katharina ein. Aber freilich ihr verständiger, +nüchterner Sinn wird sie auch davor bewahrt haben, in krankhafter +Schwermut sich unglückselig zu beklagen oder sich hinauszusehnen in eine +verschlossene Welt. + +Es mußte ihr erst die Möglichkeit sich öffnen, den Klostermauern zu +entrinnen, und das pflichtmäßige Recht, es zu dürfen; dann aber erwachte +auch ihre ganze Thatkraft und mit aller Macht des Willens und Verstandes +setzte sie auch durch, was erreichbar und recht war. + + + + +3. Kapitel + +Die Flucht aus dem Kloster + + +Kaum ein Jahr hatte Schwester Katharina das Nonnengelübde abgelegt, da +schlug der Augustinermönch Martin Luther in Wittenberg die 95 Sätze +wider den Ablaß an. Nach einem Jahr stellte er sich dem Gesandten des +Papstes in Augsburg zur Verantwortung. Wieder ein Jahr später war die +große Redeschlacht mit Eck zu Leipzig. Am Ende des folgenden Jahres +verbrannte Luther die Bannbulle und im Frühjahr 1521 stand er vor Kaiser +und Reich in Worms. + +Diese die Kirche und die ganze christliche Welt aufregenden Ereignisse +drangen auch in die Klöster und erregten auch dort die Geister; dies um +so mehr, weil der Urheber all dieser gewaltigen Kämpfe selbst ein +Klosterbruder war, und zwar ein Augustiner, der dem Orden der alten +Benediktiner (Cisterzienser und Bernhardiner) verwandt war und darum als +Vorkämpfer dieses wider die gegnerischen Genossenschaften der +ketzerrichterischen Dominikaner angesehen und schon darum mit einer +gewissen Sympathie betrachtet wurde. + +Aber noch tiefer in das Leben und die Gedankenwelt der Klosterbewohner +schnitten die Schriften ein, welche der Wittenberger Mönch und Doktor in +diesen großen Jahren schrieb. Schon die Disputation von „Kraft und Wert +des Ablasses“ über die 95 Thesen ging die Nonnen in Nimbschen besonders +an; denn auf „Kraft und Wert des Ablasses“ ruhte ja ein sehr großer Teil +ihres geistlichen Vermögens: der Gottesdienst an jedem Festtag, ja das +Kniebeugen beim Aveläuten brachte jedesmal vierzig Tage Ablaß ein. Aber +noch näher sollten ihre Person und ihren besonderen Beruf weitere +Schriften berühren[67]. + +Es erschien 1518 Luthers „Auslegung des Vaterunsers für die +Einfältigen“. Darin mußte einem Klosterinsassen gar mancherlei +auffallen. Das Vaterunser, heißt's da, ist das edelste und beste Gebet — +beim Rosenkranz aber kommt das Ave Maria 5 mal so oft vor! Ferner: „Je +weniger Worte, je besser Gebet; je mehr Worte, je weniger Gebet. Da +klappert einer mit den Paternosterkörnern und manche geistliche Personen +schlappern ihre Horen überhin und sagen ohne Scham: ‚Ei nun bin ich +froh, ich habe unsern Herrn bezahlt‘, meinen, sie haben Gott genug +gethan. Jetzt setzen wir unsere Zuversicht in viel Geplärr, Geschrei und +Gesang, was Christus doch verboten hat, da er sagt: ‚niemand wird erhört +durch viel Worte machen‘. Er spricht nicht: ihr sollt ohne Unterlaß +beten, Blätter umwenden, Rosenkranz-Ringlein ziehn, viele Worte machen. +Das Wesen des Gebets ist nichts anders als Erhebung des Gemütes oder +Herzens zu Gott, sonst ist's kein Gebet. Den Namen Gottes verunehren die +hoffärtigen Heiligen und Teufels-Martyrer, die nicht sind wie andere +Leute, sondern gleich dem Gleisner im Evangelium. Wir beten nicht: Laß +uns kommen zu deinem Reich, als sollten wir darnach laufen; sondern: +Dein Reich komme zu uns; denn Gottes Gnade und sein Reich muß zu uns +kommen, gleich wie Christus zu uns vom Himmel auf die Erde gekommen ist +und nicht wir zu ihm von der Erde gestiegen sind in den Himmel. Das +tägliche Brot ist das Wort Gottes, weil die Seele davon gespeist, +gestärkt, groß und fest wird. Es ist ein schweres Wesen zu unser Zeit, +daß das Fürnehmste im Gottesdienst dahinten bleibt.“[68] + +Dann kam 1520 der „Sermon von den guten Werken“. Gute Werke waren ja +alles Thun im Kloster: Beten, Fasten, Wachen u.s.w. Was aber nennt nun +Luther wahrhaft gute Werke? „Das erste, höchste und alleredelste Werk +ist der Glauben an Christum. Darin müssen alle Werke geschehen und +dadurch erst gut werden. Beten, Fasten, Stiften ist ohne dies nichts. +Fragst du solche, ob sie das auch als gutes Werk betrachten, wenn sie +ihr Handwerk arbeiten und allerlei Werk thun zu des Leibes Nahrung oder +zum gemeinen Nutzen, so sagen sie nein! und spannen die guten Werke so +enge, daß nur Kirchengehen, Beten, Fasten Almosen bleiben. So verkürzen +und verringern sie Gott seine Dienste. Ein Christenmensch vermisset sich +aller Ding, die zu thun sind, und thut's alles fröhlich und frei; nicht +um viele gute Verdienste und Werke zu sammeln, sondern weil es ihm eine +Lust ist, Gott also wohlzugefallen. Eltern können an ihren eigenen +Kindern die Seligkeit erlangen; so sie die zu Gottes Dienst ziehen, +haben sie fürwahr beide Hände voll guter Werke an ihnen zu thun. O welch +ein selige Ehe und Haus wäre das! Fürwahr, es wäre eine rechte Kirche, +ein auserwählet Kloster, ja ein Paradies!“ + +Und ähnliche Gedanken konnten die Klosterleute ausgeführt finden in des +Doktors herrlichem Büchlein „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ +vom selben Jahr 1520. Da heißt es: „Der Mensch lebt nicht für sich +allein, sondern auch für alle Menschen auf Erden; ja vielmehr allein für +andere und nicht für sich. Daher bin ich schmerzlich besorgt, daß +heutzutage wenige oder keine Stifte und Klöster christlich sind. Ich +fürchte nämlich, daß in dem Fasten und Beten allesamt nur das Unsere +gesucht wird, daß damit unsere Sünden gebüßt und unsere Seligkeit +gefunden wird.“ + +Für die Mönche und Nonnen aber eigens geschrieben waren mehrere +Schriften über das Klosterleben. So das Büchlein über „die +Klostergelübde. Aus der Wüstenung (d.h. Wartburg) anno 1521“. Darin +nimmt sich Luther der gefallenen und geängsteten Gewissen an und thut +aus Gottes Wort dar, daß die Gelübde, die ohne und wider Gottes Gebot +geschehen und an sich unmöglich sind, eines getauften Menschen Herz +nicht bestricken und gefangen halten können. Der Glaube und das +Taufgelübde sei das oberste, ohne welches man nichts geloben kann; denn +die Seelen werden durch die Taufe Verschworene und Verlobte Christi. +Falsch Verlobte wie die Klostersleute befreit der Sohn Gottes und nimmt +den aus Gnaden mit Freuden an, der sich zu ihm kehrt und dem ersten +Gelübde anhängt. „Dies Buch machte viele Bande ledig und befreite viel +gefangener Herzen“, sagt eine Zeitgenosse[69]. + +Gleichfalls von der Wartburg aus erschien endlich ein deutsches +Predigtbuch („Postilla“) von Luther und zu Michaelis desselben Jahres +(1522) noch ein Wartburgswerk „Das Neue Testament deutsch“. Da konnte +nun jedermann und vor allem die geistlichen Personen im Kloster, welche +die evangelischen Ratschläge befolgen und ein evangelisches Leben führen +wollten, aus der Quelle erfahren, was wahres Christentum sei, wie es +Christus und die Apostel gelehrt, und wie es Luther ausgelegt hatte. + +Demzufolge wandte sich die Stadt Grimma, in deren unmittelbarer Nähe +das Kloster Nimbschen gelegen war, dem Evangelium zu, und die Mönche in +mehreren umliegenden Klöstern verließen ihre Gotteshäuser. + +Diese Schriften und Nachrichten kamen auch in das Kloster Nimbschen, +denn so ganz verschlossen von der Welt waren auch Nonnenklöster nicht. + +Auf welchem Wege und durch wen wurden sie den Klosterfrauen vermittelt? + +Zweierlei Wege und Personen zeigen sich da. In _Grimma_ war ein Kloster +von Luthers Kongregation: Augustiner-Eremiten. Dort hatte Luther 1516 +schon Visitation gehalten und bei der Rückkehr von der Leipziger +Disputation (1519) blieb er mehrere Tage und predigte wohl auch +daselbst; denn die Mehrzahl der Einwohner Grimmas standen schon längst +auf seiner Seite. Der Prior des Klosters Wolfgang von _Zeschau_ war +Luthers Freund. Er trat 1522 mit der Hälfte der Ordensbrüder aus dem +Kloster und wurde „Hospitalherr“ (Spittelmeister) am St. Georgen-Spital. + +Von diesem Zeschau nun aber waren zwei Verwandte (Muhmen) im Kloster +Nimbschen, zwei leibliche Schwestern: Margarete und Veronika von +Zeschau. Gewiß konnte dieser evangelisch gesinnte frühere Mönch +wenigstens vor seinem Austritt mit seinen Muhmen ohne Verdacht verkehren +und ihnen Luthers Schriften zustecken. Auch der eifrig evangelische +Stadtpfarrer in Grimma, Gareysen, war dazu imstande, welcher zu Ostern +1523 das hl. Abendmahl unter beiderlei Gestalt austeilte. + +Außer dem nahen Städtchen Grimma konnte aber auch das ferner gelegene +_Torgau_ der Ort sein, von welchem aus reformatorische Gedanken und +Schriften ins Kloster Nimbschen drangen. In Torgau war sehr früh und +sehr durchgreifend die Reformation eingeführt worden, besonders seit der +frühere Klostergenosse Luthers, der feurige Magister Gabriel _Zwilling_ +dort wirkte. Dieser, obwohl einäugig und ein kleines Männlein mit +schwacher Stimme, hat doch durch seine begeisterte, ja stürmische +Predigt, welche in Wittenberg sogar einen Melanchthon mit fortgerissen +hatte, die Bürgerschaft zu einer ziemlich radikalen Abstellung aller +römischen Mißstände und zu begeisterter Aufnahme des Evangeliums +bewogen. Ja ein Torgauer Bürgersohn, Seifensieder seines Handwerks, +entführte zu dieser Zeit — ob vor oder nach 1523 ist ungewiß, — zwei +Nonnen aus dem Kloster Riesa an der Elbe und versteckte sie in einen +hohlen Baum. Dann holte er Pferde und geleitete sie heim und heiratete +die eine der beiden Klosterjungfrauen. Und eine Torgauerin trat 1523 aus +dem Kloster Sitzerode[70]. + +Ein besonders entschiedener und thatkräftiger Anhänger war der ehemalige +Schösser, der „fürsichtige und weise Ratsherr“ Leonhard Koppe, in dessen +Kaufladen das Kloster seine Waren einzukaufen pflegte, und der wohl mit +seinem Fuhrwerk selber Lieferungen nach Nimbschen brachte. So war dieser +Laie, wenn auch seine evangelische Gesinnung bekannt sein mußte, +vielleicht ein noch geeigneterer Mittelsmann für evangelische Schriften, +als die doch immerhin verdächtigen übergetretenen Geistlichen von +Grimma, vor denen als gefährlichen Wölfen die „zwei Herren an der +Pforte“ ihren geistlichen Schafstall wohl gehütet haben werden. Mit +seinen Waren konnte Koppe leicht lutherische Schriften einschmuggeln und +auch einen Brief aus dem Kloster nach außen besorgen. Keck und schlau +genug war Koppe dazu[71]. + +Welchen Eindruck das Auftreten und die Schriften Luthers auf die Nonnen +machte, läßt sich ersehen aus einem Bericht, den eine Nonne in gleicher +Lage und Zeit, jene Florentina von Eisleben, durch Luther in Druck gab. +„Als nun die Zeit göttlichen Trostes, in welcher das Evangelium, das so +lange verborgen, an den Tag gekommen, ganzer gemeiner Christenheit +erschienen: sind auch mir als einem verschmachteten hungrigen Schaf, das +lange der Weide gedarbt, die Schriften der rechten Hirten gekommen, +worinnen ich gefunden, daß mein vermeintlich geistlich Leben ein +gestrackter Weg zu der Hölle sei“[72]. + +In Nimbschen ging es einem großen Teil der Klosterjungfrauen ähnlich. +Ja, eine Anzahl derselben verabredete sich zu dem Plan, aus dem Kloster +auszutreten. + +Das war ein schwerer Entschluß, der große Ueberwindung kostete. Eine +ausgesprungene Nonne galt bisher für einen Schandfleck in der Familie. +Der _freie_ Austritt aber war nur durch päpstlichen Dispens mit großen +Kosten und Mühen zu erreichen und eigentlich nur Gliedern fürstlicher +Familien möglich. Freilich waren in dieser neuen, tieferregten Zeit +schon Mönche aus dem Klosterverband ausgetreten und weltlich geworden; +niemand wagte sie jetzt, wenigstens im kurfürstlichen Sachsen, +anzutasten, ja, sie erhielten sogar Aemter und Stellen von Stadt und +Staat. Aber der Austritt von Nonnen war fast noch unerhört, jedenfalls +noch sehr ungewohnt[73]. Und wenn auch das Vorurteil der Welt und der +eigenen Angehörigen überwunden war, so fragte sich doch: was sollten die +ausgetretenen Nonnen draußen in der Welt anfangen, was thun und werden, +womit sich erhalten und durchs Leben bringen?[74] + +Wenn darum also auch die meisten, wo nicht alle Nonnen in Nimbschen das +Klosterleben verwarfen, so haben sich doch nur die mutigsten +entschlossen, den Schritt zu thun, den sie für recht und geboten +erachteten, nämlich nur diejenigen, welche vermöge ihrer Bildung +selbständig sich durchs Leben zu bringen im stande waren, wie die +Staupitz und Kanitz, oder die noch jung genug waren, sich in ein neues +Leben zu schicken, wie die beiden Schönfeld und Katharina von Bora. Es +waren in Nimbschen neun Nonnen zum Austritt bereit: Magdalena von +Staupitz, Elisabeth von Kanitz, Veronika und Margarete von Zeschau, +Loneta von Gohlis, Eva Große, Ave und Margarete von Schönfeld und als +zweitjüngste von ihnen Katharina von Bora[75]. + +Diese Kloster-„Kinder“ (Nonnen) thaten nun das Naturgemäßeste und +Verständigste: „sie ersuchten und baten ihre Eltern und Freundschaft +(d.i. Verwandte) aufs allerdemütigste um Hülfe, herauszukommen“. Sie +zeigten genugsam an, daß ihnen solch Leben der Seelen Seligkeit halber +nicht länger zu dulden sei, erboten sich auch zu thun und zu leiden, was +fromme (brave) Kinder thun und leiden sollen“[76]. + +Aber freilich den Eltern und Verwandten war das Gesuch ihrer Töchter und +Basen eine Verlegenheit. Einmal: der Versorgung wegen waren ja diese +Töchter ins Kloster gethan worden — wie wollte man sie nun in den armen +Familien unterhalten? Ihr Erbe war schon in Wirklichkeit oder in +Gedanken verteilt, wer mochte es an diese weltentrückten, +gesellschaftlich toten Familienmitglieder herausgeben?[77] Ferner waren +solche Klosterfrauen der Welt entfremdet und taugten gar wenig ins +Leben. Wenn endlich auch nicht noch religiöse oder kirchliche Bedenken +abschreckten, so war es doch noch eine andere Furcht: die Lehen der +meisten Anverwandten der Klosterfrauen lagen im Lande Herzogs des +Bärtigen, der ein heftiger Feind der Reformation und des Wittenberger +Doktors im besonderen war. Da konnte es wegen Entführung von +gottgeweihten Klosterfrauen empfindliche Strafen geben oder doch +Zurücksetzung bei Hofämtern. Kurzum das Gesuch der klosterflüchtigen +Nonnen wurde abgeschlagen[78]. + +So standen die Aermsten von jedermann verlassen da, in nicht geringer +Gefahr, daß ihr Vorhaben entdeckt und gehindert, die Beteiligten aber +empfindlich gestraft würden, wie es z.B. der mehrerwähnten Florentina +geschah, als ihr Vorhaben, aus dem Kloster zu treten, entdeckt wurde. +Diese wurde von ihrer eigenen Muhme, der Aebtissin, unbarmherzig vier +Wochen bei großer Kälte härtiglich gefangen gesetzt, dann in Bann und +Buße in ihre Zelle gesperrt, mußte sich beim Kirchgang platt auf die +Erde werfen und die anderen Nonnen über sich hinschreiten lassen, beim +Essen mit einem Strohkränzlein vor der Priorin auf die Erde setzen; dann +wurde sie bei einem neuen Versuch, sich an ihre Verwandten zu wenden, +durchgestäupt und „7 Mittwoch und 7 Freitage von 10 Personen auf einmal +discipliniert“, in Ketten gelegt und für immer in die Zelle gesperrt — +bis sie durch Unachtsamkeit ihrer Schließerin doch entkam. + +Solches oder Aehnliches ist im Kloster Nimbschen mit den lutherisch +Gesinnten nicht geschehen; vielleicht schützte sie ihre große Zahl vor +solchen Gewaltmaßregeln. Es war aber wohl auch die Gesinnung der +verständigen Aebtissin, welche eine solche Bestrafung verhinderte: +Margarete von Haubitz ist ja nachher mit dem ganzen übrig gebliebenen +Konvent zur Reformation übergetreten, obwohl sie mit den älteren Frauen +im Kloster blieb und das Leben darin nach evangelischen Grundsätzen +einrichtete. Keineswegs aber konnte und wollte sie als Aebtissin schon +1523 den Klosterflüchtigen Vorschub leisten in ihrem Vorhaben[79]. + +Da nun die Nonnen an den Ihrigen keinen Anhalt fanden, so hatten sie +gerechte Ursache, anderswo Hülf und Rat zu suchen, wie sie es haben +konnten. Sie fühlten sich ja gedrungen und genötigt, ihre Gewissen und +Seelen zu retten[80]. Wo anders aber sollten sie diese Hülfe suchen, als +bei dem, der sie durch seine evangelischen Schriften und geistkühne +Thaten auf diese Gedanken gebracht hatte? So machten sie's also wohl, +wie nach ihnen noch manche andere, einzelne und ganze Haufen von +Klosterjungfrauen: sie schrieben „an den hochgelehrten Dr. Martinus +Luther zu Wittenberg, einen Klage-Brief und elende Schrift, gaben ihm +ihr Gemüt zu erkennen und begehrten von ihm Trost, Rat und Hülfe“[81]. + +Und der Ueberbringer dieses Briefes wird jedenfalls niemand anderes +gewesen sein als eben Leonhard Koppe von Torgau. Luther erkannte an, daß +„sie beide hier haben helfen und raten können, und darum seien sie auch +schuldig, aus Pflicht christlicher Liebe die Seelen und Gewissen zu +retten“[82]. + +„Denn es ist eine hohe Not“, erklärte er weiter, mit Bezug auf die +Nimbscher Nonnen, „daß man leider die Kinder in die Klöster gehen läßt, +wo doch keine tägliche Uebung des göttlichen Wortes ist, ja selten oder +nimmermehr das Evangelium einmal recht gehört wird. Diese Ursach ist +allein genug, daß die Seelen herausgerissen und geraubt werden, wie man +kann, ob auch tausend Eide und Gelübde geschehen wären. Weil aber Gott +kein Dienst gefällt, es gehe denn willig von Herzen, so folgt, daß auch +keine Gelübde weiter gelten, als sofern Lust und Lieb da ist; sonst sind +im Klosterleben furchtbare Gefahren, Versuchungen und Sünden“[83]. + +„Aber wenn sich nun schwache Seelen an solchem Klosterraub ärgern?“ +konnte man einwenden. + +Luther erklärte: „Aergernis hin, Aergernis her! Not bricht Eisen und hat +kein Aergernis. Ich werde die schwachen Gewissen schonen, sofern es ohne +Gefahr meiner Seele geschehen kann; wo nicht, so werde ich meiner Seele +raten, es ärgere sich dann die ganze oder halbe Welt. Nun liegt hier der +Seele Gefahr in allen Stücken. Darum soll niemand von uns begehren, daß +wir ihn nicht ärgern, sondern wir sollen begehren, daß sie unser Ding +billigen und sich nicht ärgern. Das fordert die Liebe!“[84] + +So dachte Luther und ihm gleichgesinnt war Leonhard Koppe. An ihn +stellte nun Luther das Ansinnen, die Befreiung zu übernehmen. Und Koppe +war trotz seiner sechzig Jahre ein entschlossener Mann, zu einem kecken +Wagnis bereit, und willigte ein; er nahm keine Rücksicht, ob es ihm im +Geschäfte schaden könnte, noch weniger, ob es ihn beim Hof in Ungunst +bringen oder gar ans Leben gehen könnte; denn auf Nonnenraub stand +eigentlich Todesstrafe, und auch Kurfürst Friedrich, der vorsichtige +Schützer Luthers mißbilligte nicht nur jede öffentliche Gewaltthat, +sondern war auch geneigt, sie zu strafen. Aber trotz all dieser Bedenken +war Leonhard Koppe zu der That entschlossen, und wurde darin von dem +Torgauer Pfarrer D. Zwilling bestärkt; denn dieser war auch in die Sache +eingeweiht[85]. + +Zwischen Luther und Koppe wurde so der Plan verabredet. Das Unternehmen +sollte von Torgau ausgehen, welches in der Mitte zwischen Nimbschen und +Wittenberg gelegen war. Die Osterzeit wurde zur Ausführung ersehen. + +Koppe brauchte aber Gehülfen zur Ausführung seines Unternehmens. Er +wählte dazu seines Bruders Sohn, einen verwegenen jungen Mann, und einen +Bürger Wolfgang Tommitsch (oder Dommitsch), dessen Stieftochter, ein +Fräulein von Seidewitz, kurz vorher aus dem Kloster entkommen war und +bald darauf einen ausgetretenen Augustiner-Propst, Mag. Nikolaus Demuth +heiratete, welcher dann Amtsschöffer in Torgau wurde. Mit den neun +Klosterjungfrauen waren jedenfalls Verabredungen getroffen worden und +sie machten sich fluchtbereit[86]. + +In der Karwoche brachen nun die Torgauer auf einem oder mehreren mit +einer Blahe bedeckten Wagen, worin sie wohl weltliche Frauenkleider +verborgen hatten, von ihrer Stadt auf. Wenn die beiden Helfer nicht +eigene Wagen leiteten, so waren sie zu Pferde als Bedeckung dabei. Sie +kamen über Grimma am Karsamstag abends den 4. April vor Nimbschen +an[87]. + +Hier rüsteten sich die Nonnen in gewohnter Weise zu den Ostervigilien, +welche in der Auferstehungsnacht gefeiert wurden. Die außerordentliche +Zeit, wo die Regel und geordneten Beschäftigungen der Klosterfrauen +aufgehoben waren, muß dem Fluchtplan günstig geschienen haben. Während +die beiden Begleiter in dem nahen Gehölz gehalten haben werden, fuhr +Koppe an dem Kloster vor. Er nahm, wie berichtet wird, zum Vorwand, +leere Heringstonnen auf der Heimfahrt nach Torgau mitnehmen zu wollen. +Beim Aufsuchen und Aufladen derselben scheint er den Thorwart Thalheim +beschäftigt und die Aufmerksamkeit der übrigen Bewohner des äußern +Klosterhofs, namentlich der zwei Beichtväter, abgelenkt zu haben. Aus +der Klausur entkamen die neun Verschworenen, indem die Pförtnerin +entweder getäuscht oder gar bei dem Plan beteiligt war (es konnte ganz +gut eine von diesen neun zu dieser Zeit Thürhüterin sein). Ein alter +Berichterstatter erzählt, man hätte eine Lehmwand durchbrochen; ein +anderer, die Jungfrauen hätten sich im Garten versammelt und seien da +über die Mauer gestiegen. Aber auch zur hinteren Thüre konnten sie +entkommen sein; denn an der Bewachung dieser ließ es das Kloster fehlen. +Kurzum, die Neun entflohen, wurden von den beiden Begleitern Koppes +aufgenommen; dieser fuhr wohl mit seinem Wagen Heringstonnen ganz +unschuldig ab und nahm dann draußen die Jungfrauen auf. Die leeren +Tonnen — vorne aufgestellt — konnten ganz gut dazu dienen, den +lebendigen Inhalt des Wagens vor unberufenen Augen zu verbergen[88]. + +Auf diese oder ähnliche Weise, jedenfalls „mit ausnehmender Ueberlegung +und Schlauheit“, aber auch mit „äußerster Keckheit“ — nicht mit Gewalt +wurden die neun Jungfrauen durch Koppe aus Nimbschen befreit. Luther sah +es fast wie ein Wunder an[89]. + +Bei Nacht und Nebel fuhren nun die Retter und Geretteten davon, dem +Ostermorgen entgegen: es war eine eigene Ostervigilie in der Luft der +Freiheit durch die frühlingsjunge Gotteswelt[90]. Die Fahrt ging durch +die kurfürstlichen Lande, war also nicht bedroht durch die +Nachstellungen des lutherfeindlichen Herzogs Georg. Eine Verfolgung von +Nimbschen aus war nicht gerade zu befürchten: es waren dort keine +Männer, welche etwa einen Kampf mit den Entführern gewagt hätten. Auch +hat der kluge Koppe gewiß ihre Spuren möglichst verdeckt und die +Verfolger irre geführt. Die weltliche Kleidung, welche die Jungfrauen +mittlerweile mit ihrer geistlichen vertauscht hatten, machte wohl die +Reise unauffällig, und so kam der Zug auch ungehindert am Ostertag in +Torgau an und wurde vom Magister Zwilling freudig empfangen. In Torgau +wurde übernachtet, die weltliche Kleidung der Klosterjungfrauen in der +Eile noch vervollständigt und am anderen Tag ging es Wittenberg zu, weil +es doch nicht geraten schien, die Entflohenen so nahe bei dem Kloster +und auch so nahe beim kurfürstlichen Hof zu lassen[91]. + +Am Osterdienstag kam der Zug in Wittenberg an; ohne alle Ausstattung, in +ihrer geborgten und eilig zusammengerafften Kleidung, mit den +geschorenen Häuptern ein „arm Völklein“, aber in ihrer großen Armut und +Angst ganz geduldig und fröhlich[92]. + +Luther empfing sie mit wehmütiger Freude. Den kühnen aber rief er zu: +„Ihr habt ein neu Werk gethan, davon Land und Leute singen und sagen +werden, welches viele für großen Schaden ausschreien: aber die es mit +Gott halten, werden's für großen Frommen preisen. Ihr habt die armen +Seelen aus dem Gefängnis menschlicher Tyrannei geführt eben um die +rechte Zeit: auf Ostern, da Christus auch der Seinen Gefängnis gefangen +nahm“[93]. Als dann die Befreier heimfuhren, empfahl er sie Gott und gab +ihnen Grüße mit an Koppes „liebe Audi“ und „alle Freunde in +Christo“[94]. + +Drei Tage darauf schrieb Luther zur Verantwortung für sich, für den +„seligen Räuber“ Koppe und die es mit ihm ausgerichtet, sowie für die +befreiten Jungfrauen zum Unterricht an alle, die diesem Exempel wollten +nachfolgen „dem Fürsichtigen und Weisen Leonhard Koppe, Bürger zu +Torgau, meinem besonderen Freunde“ einen offenen Brief. „Auf daß ich +unser aller Wort rede, für mich, der ich's geraten und geboten, und für +Euch und die Euern, die Ihr's ausgericht, und für die Jungfrauen, die +der Erlösung bedurft haben, will ich hiermit in Kürze vor Gott und aller +Welt Rechenschaft und Antwort geben“. In dieser „Ursache und Antwort, +daß Jungfrauen Klöster göttlich verlassen mögen“ berichtet er offen die +That und ihre Gründe und nennt die Namen der Befreier und Befreiten. Er +sagt ihnen: + +„Seid gewiß, daß es Gott also verordnet hat und nicht Euer eigen Werk +noch Rat ist, und lasset das Geschrei derjenigen, die es für das +allerärgste Werk tadeln. ‚Pfui, pfui!‘ werden sie sagen, ‚der Narr +Leonhard Koppe hat sich durch den verdammten ketzerischen Mönch fangen +lassen, fährt zu und führt neun Nonnen auf einmal aus dem Kloster, und +hilft ihnen, ihr Gelübde und klösterlich Leben zu verleugnen und zu +verlassen‘. Meint ihr, das ist all heimlich gehalten und verborgen? Ja, +verraten und verkauft, daß auf mich gehetzt werde das ganze Kloster zu +Nimptzschen, weil sie nun hören, daß ich der Räuber gewesen bin! Daß ich +aber solches ausrufe und nicht geheim halte, thue ich aus redlichen +Gründen. Es ist durch mich nicht darum angeregt, daß es heimlich bleiben +sollte, denn was wir thun, thun wir in Gott und scheuen uns des nicht am +Licht. Wollte Gott, ich könnte auf diese oder andere Weise alle +gefangenen Gewissen erretten und alle Klöster ledig (leer) machen. Ich +wollt mich's darnach nicht scheuen, zu bekennen samt allen, die dazu +geholfen hätten, (in) der Zuversicht, Christus, der nun sein Evangelium +an Tag gebracht, und des Endechrists (Antichrists) Reich zerstört, würde +hier Schutzherr sein, ob's auch das Leben kosten müßte. Zum anderen thu +ich's, der armen Kinder und ihrer Freundschaft (Verwandtschaft) Ehren zu +erhalten, daß niemand sagen darf, sie seien durch lose Buben unredlich +ausgeführt und ihrer Ehre sich in Gefahr begeben. Zum dritten, zu warnen +die Herrn vom Adel und alle frommen Biederleute, so Kinder in Klöstern +haben, daß sie selbst dazu thun und sie herausnehmen“[95]. + +Diese Aufforderung und die gelungene Flucht der neun Nonnen ermutigte, +wie Luther gedacht, noch andere Klosterjungfrauen und deren Eltern zu +gleichem. Noch in derselben Osterwoche entwichen abermals drei Nonnen +aus Nimbschen und kamen zu ihren Angehörigen, und zu Pfingsten wurden +wieder drei von ihren Verwandten selbst aus dem Kloster geholt[96]. + +Da endlich ermannte sich der Abt von Pforta, der dem offenen Brief +Luthers nicht entgegenzutreten gewagt hatte, — Luther war ein zu +gefürchteter Kämpe. Am 9. Juni schrieb er eine Klage an den — Kurfürsten +über diese Vorgänge, welche zur „Entrottung und Zerstörung des Klosters“ +führten, und beschwerte sich, daß die Nonnen von Sr. Kurf. Gn. +Unterthanen dazu geholfen und gefördert worden seien. Der Kurfürst +Friedrich gab in seiner bekannten diplomatischen Weise die ausweichende +Antwort: „Nachdem Wir nit wissen, wie diese Sache bewandt und wie die +Klosterjungfrauen zu solch ihrem Furnehmen verursacht und Wir uns +bisher dieser und dergleichen Sachen nie angenommen, so lassen Wir's +bei ihrer selbst Verantwortung bleiben“[97]. + +Aber damit war die Klosterflucht in Nimbschen nicht zu Ende. Bis 1526 +waren einige zwanzig — auch Magdalena von Bora — ausgetreten, so daß +jetzt nur noch 19 Klosterjungfrauen da waren; und diese samt ihrer +Aebtissin wurden evangelisch, blieben aber im Kloster, bis sich der +Konvent im Jahre 1545 auflöste[98]. + +Drei Wochen nach der Flucht der neun Nimbscher Nonnen, am 28. April, +wagten sechs Nonnen aus Sornzig die Flucht, trotzdem dies Kloster im +Lande des Reformationsfeindes Herzogs Georg lag, und trotz des +schrecklichen Schicksals, das um diese Zeit den Entführer einer Nonne +betroffen hatte, der zu Dresden geköpft worden war. Und weitere acht +flohen aus Peutwitz[99]. + +Im selben Jahre der Flucht Katharinas traten noch 16 Nonnen in +Widderstetten auf einmal aus. Zwei Jahre darauf wandten sich wieder +andere „elende Kinder“ an Luther aus dem fürstlichen Kloster Freiberg im +Gebiete seines grimmen Feindes, Herzogs Georg. Und wieder wandte sich +Luther an den bewährten Nonnen-Entführer Leonhard Koppe, den er +scherzweise „Würdiger Pater Prior“ anredet. Luther wußte, daß diese +Zumutung fast zu viel und zu hoch sei — es konnte ja diesmal ernstlich +das Leben kosten — und meinte, Koppe wisse vielleicht jemand anderes, +der dazu helfen könnte. Aber der verwegene Mann ließ sich um ein solches +wagehalsiges Stück schwerlich vergebens bitten und — zu Georgs +allerhöchstem Verdruß — glückte das Wagestück, wie die Entführung aus +Nimbschen[100]. + + + + +4. Kapitel + +Eingewöhnung ins weltliche Leben. + + +Nachdem die Befreiung Katharinas und ihrer Mitschwestern so gut gelungen +war, fragte es sich nun, was sollte mit ihnen werden? + +Die Sorge blieb an Luther hängen. Nochmals wandte er sich an die +Angehörigen der Entflohenen und wird ihnen die Gewissen genugsam geweckt +und ihre Pflicht eingeschärft haben, sich ihrer erbarmungswerten +Töchter, Schwestern und Basen anzunehmen; das geht aus dem offenen Brief +an Koppe und einem anderen an Spalatin hervor, worin es heißt: „O, der +Tyrannen und grausamen Eltern in Deutschland!“[101] + +Zugleich aber hatte er den Fall vorgesehen, daß die Verwandten, +wenigstens zum Teil, ablehnten, für die Nonnen zu sorgen. Daher +überdachte er, wie er sie unterbringen könnte. Aber von seinen +„Kapernaiten“ (den Wittenbergern) konnte und wollte er keine +Geldunterstützung oder Anleihe erhalten; dagegen erhielt er von mehreren +Seiten Versprechungen, den Geflüchteten eine Unterkunft zu bieten. +Etliche wollte er auch, wenn er könne, verheiraten. Amsdorf schrieb +scherzend an Spalatin: „Sie sind schön und fein, und alle von Adel, und +keine fünfzigjährige darunter. Die älteste unter ihnen, meines gnädigen +Herrn und Oheims Dr. Staupitz Schwester, hab ich Dir, mein lieber +Bruder, zugerechnet zu einem ehelichen Gemahl, damit Du Dich mögest +eines solchen Schwagers rühmen. Willst Du aber eine jüngere, so sollst +Du die Wahl unter den Schönsten haben“[102]. + +Bis dahin bat Luther und ebenso Amsdorf den Hofkaplan und +Geheimschreiber des Kurfürsten Friedrichs des Weisen, „dieser ehrbaren +Meidlein Vorbitter am Hofe zu sein und ein Werk der Liebe zu thun, und +bei den reichen Hofleuten und vielleicht dem Kurfürsten etwas Geld zu +betteln, auch wohl selbst etwas zu geben, damit die Geflüchteten +einstweilen genährt und auf acht bis vierzehn Tage, auch mit Kleidung +versehen werden könnten, denn sie hatten weder Schuhe noch Kleider.“ +Luther ging es nämlich damals so schlecht, daß er selbst kaum etwas zu +essen hatte und sein Mitbruder, der Prior Brisger, einen Sack Malz +schuldig bleiben mußte: so sehr blieben die Klostereinkünfte aus, auf +die Luther und der letzte mit ihm lebende Mönch angewiesen war. Er +scherzt mit Beziehung auf seinen Bettelorden: „Der Bettelsack hat ein +Loch, das ist groß“. Freilich der Hof des vorsichtigen Kurfürsten wollte +nicht recht, wenigstens nicht offen mit Unterstützungen herausrücken, +weshalb Luther seinen Freund nochmals mahnen mußte: „Vergeßt auch meiner +Kollekte nicht und ermahnt den Fürsten um meinetwillen auch etwas +beizusteuern. O, ich will's fein heimlich halten und niemanden sagen, +daß er etwas für die abtrünnigen Jungfrauen gegeben — die doch wider +Willen geweihet und nun gerettet sind“[103]. + +Luthers Appell an die Verwandten verfing nicht. Er mußte klagen: „Sie +sind arm und elend und von ihrer Freundschaft verlassen.“ Luther mußte +also trotz seiner großen Armut die Nonnen mit großem Aufwand +unterstützen. Sonst erfuhr er, „was sie draußen von ihren Verwandten und +Brüdern leiden müßten“ — wenn etwa eine nach Hause käme. Sie wollten +meist auch nicht zu ihrer „Freundschaft“, weil sie in Herzog Jörgs Land +des göttlichen Wortes Mangel haben müßten[104]. + +Magdalena Staupitz wurde mit der Zeit als „Schulmeisterin“ der Mägdlein +in Grimma gesetzt, und ihr ein Häuslein vom Mönchskloster gegeben. Die +Elsa von Kanitz fand bei einer Verwandten Aufenthalt; Luther wollte sie +1527 als Schulmeisterin der Mägdlein nach Wittenberg berufen. Die Ave +von Schönfeld verheiratete er mit dem Medikus Dr. Basilius Axt[105]. + +Katharinas Verwandte konnten sich ihrer offenbar nicht annehmen. Die +Eltern waren tot, Bruder Hans mußte selber Dienste suchen im fernen +Preußen, dann Verwalterstellen in Sachsen. Der älteste Bruder war arm +verheiratet, hatte wohl keinen Platz für die Schwester; vom jüngsten, +Clemens, war vollends nichts zu erwarten. + +So wurde denn das Fräulein Katharina von Bora nach der Ueberlieferung im +Hause eines Wittenberger Bürgers untergebracht, der in der +Bürgermeistergasse wohnte. Es war der ehrsame gelehrte M. Philipp +Reichenbach, welcher 1525 in Wittenberg Stadtschreiber, 1529 Licentiat +der Rechte, 1530 Bürgermeister und endlich Kurfürstlicher Rat +wurde[106]. + +In dem Wittenberger Bürgerhause wurde die ehemalige Nonne mehr als eine +Art Pflegetochter gehalten und der Hausherr vertrat Vaterstelle an ihr. +Sie muß dort doch eine angesehene Stellung eingenommen haben. Sie war +bekannt und genannt im Kreise der Universitätsgenossen, und der +Dänenkönig Christiern II., der landesflüchtig im Oktober 1523 nach +Wittenberg kam und bei dem Maler Lukas Kranach Wohnung hatte, beschenkte +Katharina mit einem goldenen Ringe. Die jungen Gelehrten in Wittenberg +sprachen mit Achtung von ihr; sie nannten sie in ihren vertrauten +Briefen, wohl wegen ihrer strengen Zurückhaltung, „die Katharina von +Siena“[107]. + +Bei dem Stadtschreiber, oder vielmehr bei seiner Frau, sollte nun +Katharina von Bora sich eingewöhnen in das neue oder vielmehr alte +„weltliche“, das bürgerliche Leben. + +Das war nicht so gar leicht. Mindestens vierzehn Jahre lang, also fast +ihr ganzes bewußtes Leben, hatte Katharina im Kloster zugebracht. Alle +diese Jahre hatte sie die geistliche Tracht getragen, sich an +nonnenhafte Gebärde und Haltung, an geistliche Sitten und Reden gewöhnt; +den Umgang mit weltlichen Menschen hatte sie verlernt oder eigentlich +nie recht gelernt, und ebenso die Arbeit, das Hantieren in Stube und +Küche; in der That, man begreift, daß der praktische Luther beim Anblick +der neun weltunerfahrenen Nonnen ausrufen konnte: „Ein armes Völklein“! +Wie in die weltliche Kleidung mußte Katharina sich nun an weltliche +Sitte und Rede gewöhnen; wie ihr bleiches Gesicht sich an Luft und Sonne +bräunen, ihre zarten Hände im Angreifen von Töpfen und Besen sich +härten, so mußte auch ihr geistiges Wesen an den rauheren, aber +gesünderen Anforderungen und Zumutungen der Welt sich kräftigen. Aber +wie ihre abgeschnittenen Haare zu langen blonden Zöpfen wuchsen, so nahm +auch Sorgen und Denken an die kleinen weltlichen Pflichten und die +großen weltlichen Interessen zu. + +Und das gnädige Fräulein war nicht umsonst bei der Frau Magister. Sie +wurde hier tüchtig vorgeschult für ihren späteren großen +pflichtenreichen Haushalt. Und sie hat sich auch nach dem Zeugnis der +Wittenberger Universität in dem Hause Reichenbach „stille und wohl +verhalten“[108]. + +Aber auch andere Gedanken und Gefühle erwachten in ihr und wurden ihr +von außen nahe gelegt. Und auch hier machte sie Erfahrungen und erfuhr +sie schmerzliche Enttäuschungen, die sie weltkluger und vorsichtiger +machten. + +Katharina war jetzt 24 Jahre alt, eine reife, ja nach den Anschauungen +jener Zeit, welcher das 15. bis 18. Lebensjahr einer Jungfrau für das +richtigste heiratsfähige Alter galt, eine überreife Jungfrau. Daß sie an +Verehelichung dachte, ist begreiflich. Denn sie hatte weder eine +Stellung noch Vermögen. Der Aufenthalt bei ihren Pflegeeltern konnte +doch nur ein vorübergehender und nicht befriedigender sein. Luther, der +die besondere Sorge für diese, wie für andere ausgetretene Klosterleute +übernommen, hatte ohnedies schon von Anfang die ausgesprochene Absicht, +diejenigen, welche in ihren Familien keinen Unterhalt und Aufenthalt +finden konnten, zu verheiraten. Und seine gesamte Anschauung ging dahin +— darin hatte er die echt bäuerliche Ansicht seines Vaters — daß der +Mensch zum Familienleben geboren und gerade das Weib von Gott zur Ehe +bestimmt sei[109]. + +Nun kam damals im Mai oder Juni 1523 in die Universitätsstadt Hieronymus +_Baumgärtner_, ein Patriziersohn aus Nürnberg, „ein junger Gesell mit +Gelehrsamkeit und Gottseligkeit begabt“. Er hatte früher (1518-21) in +Wittenberg studiert und bei Melanchthon seinen Kosttisch gehabt und +wollte jetzt seine alten Lehrer und Freunde in Wittenberg: Luther und +besonders Melanchthon besuchen, mit dem er später in regem Briefwechsel +stand[110]. Dieser junge Mann erschien Luther als der rechte Gatte für +seine Schutzbefohlene: er war 25 Jahre alt, Käthe 24, beide aus +vornehmem Hause; sie ohne Vermögen, um so mehr paßte in Luthers Augen +der wohlhabende Nürnberger für sie. Und er wird wohl dafür gesorgt +haben, daß Baumgärtner an sie heran kam und an ihr Wohlgefallen fand. +Auch Käthe faßte eine raschaufwallende Neigung für den jungen Mann, war +er ja wohl der erste, der sich der gewesenen Nonne näherte. Vielleicht +haben sich die beiden auch zuerst gefunden, und Luther betrieb es nun in +seiner Art eifrig, die zwei zusammenzubringen. Jedenfalls wurde die +gegenseitige Neigung in dem Freundeskreise bekannt, und man hielt da die +Heirat für sicher. + +Aber Baumgärtner zog heim nach Nürnberg und ließ nichts mehr von sich +hören, trotzdem er versprochen hatte, nach ein paar Wochen wieder zu +kommen, um, wie man glaubte, Katharina heimzuführen. Die Freunde, +besonders Blickard Syndringer, erinnerten den Patriziersohn in ihren +Briefen neckend oft genug an die verlassene Geliebte. Sie sei wegen +seines Weggangs in eine Krankheit verfallen und habe sich in Sehnsucht +nach ihm verzehrt. Im Anfang des folgenden Jahres bestellte noch der +Nürnberger Ulrich Pinder von Wittenberg aus an Baumgärtner einen Gruß +von „Katharina von Siena d.i. von Borra“. Endlich schrieb Luther noch +einmal am 12. Oktober 1524 an Baumgärtner: „Wenn Du Deine Käthe von Bora +festhalten willst, so beeile Dich, bevor sie einem andern gegeben wird, +der zur Hand ist. Noch hat sie die Liebe zu Dir nicht verwunden. Und ich +würde mich gar sehr freuen, wenn ihr beide mit einander verbunden +würdet“[111]. + +Aber den Eltern Baumgärtners war offenbar die entlaufene Nonne anstößig, +und daß sie vermögenslos war, konnte sie erst recht nicht empfehlen. +Daher ging Hieronymus auf dieses Ultimatum des Freiwerbers Luther nicht +ein. Als er im Frühjahr 1525 in Nürnberg Ratsherr geworden war, verlobte +er sich mit einem Mädchen von 14 Jahren, Sibylle Dichtel von Tutzing +„mit sehr reicher Mitgift und was ihm noch erwünschter war, von sehr +angesehenen Eltern“ und hielt mit ihr am 23. Januar 1526 in München die +Hochzeit[112]. + +Da aber Baumgärtner Katharina endgiltig aufgegeben hatte, so rückte +Luther nun mit dem andern Heiratskandidaten heraus, den er für Käthe an +der Hand hatte. Das war D. Kaspar Glatz, der am 27. August 1524 von der +Universität Wittenberg, deren Rektor er damals war, sich auf ihre +Patronatspfarrei Orlamünde hatte setzen lassen. Luther ging nun damit +um, seine Schutzbefohlene dem D. Glatz zu freien. Aber Käthe, welche +den Mann während seiner Lehrzeit in dem kleinen Wittenberg kennen +gelernt hatte, wollte ihn nicht haben, und sie hatte ein richtigeres +Gefühl als Luther. Glatz war, wie sich später herausstellte, ein +rechthaberischer, eigensinniger Mensch, der Streitigkeiten mit seiner +Gemeinde bekam und deshalb entsetzt werden mußte. Luther aber setzte +Käthe mit der Heirat zu. Da ging sie zu Luthers Amtsgenossen, dem +Professor Amsdorf und beklagte sich, daß Luther sie wider ihren Willen +an D. Glatz verheiraten wolle; nun wisse sie, daß Amsdorf Luthers +vertrauter Freund sei; darum bitte sie, er wolle bei Luther dies +Vorhaben hintertreiben. + +Hier scheint nun Amsdorf, der diese Ablehnung für adeligen Hochmut +auslegte, bemerkt zu haben: Ob ihr denn ein Doktor, Professor oder +Pfarrherr nicht gut genug sei? denn Katharina wurde zu der Erklärung +gedrängt: Würde Amsdorf oder Luther sie zur Gattin begehren, so wolle +sie sich nicht weigern, D. Glatz aber könne sie nicht haben[113]. + +Diese Aeußerung, welche wohl ohne viel Absicht gesprochen war, hatte +ihre Folgen; zwar nicht für Amsdorf, der immer ehelos blieb, aber für +Luther. Auch er hatte die Bora „für stolz und hoffärtig“ gehalten, +während sie doch nur etwas Zurückhaltendes hatte und ein gewisses +Selbstbewußtsein zeigte; er hatte sie also nicht recht gemocht. Durch +jene Erklärung an Amsdorf wurde er aber auf andere Gedanken +gebracht[114]. + + + + +5. Kapitel. + +Katharinas Heirat. + + +So machte Luther bei Käthe von Bora, aber auch bei anderen Nonnen den +Freiwerber; er that es aber auch in seinen Schriften, worin er den +Ehestand so hoch pries und jedermann dazu einlud. Daher scherzte er in +einer Epistel an Spalatin: „Es ist zu verwundern, daß ich, der ich so +oft von der Ehe schreibe und so oft unter Weiber komme, nicht längst +verweibischt oder beweibt bin.“ Und mehr im Ernst: „Ich dränge andere +mit so viel Gründen zur Ehe, daß ich beinahe selbst dazu bewegt +werde“[115]. + +Wenn Luther so eifrig zur Ehe riet, so hatte er dabei vor allem seine +Amtsgenossen im Auge. Denn bis zur Reformation war es nicht nur Sitte, +sondern sogar Gesetz, daß Universitätslehrer sich nicht verehelichten: +so sehr wurden die Schulen, auch die Hochschulen als kirchliche, ja +geistliche Anstalten angesehen und die „geistigen“ Personen als +„Geistliche“. Nur beschränkte Ausnahmen wurden allmählich mit der +Verehelichung gestattet für Mediziner und Juristen; Rektor konnte lange +Zeit, auch in Wittenberg, nur ein unverehelichter Professor werden. Die +Gelehrten aber betrachteten auch ihrerseits die Ehe als eine +Erniedrigung für ihren hohen Stand. Darum hat Luther nur mit Mühe den +Gelehrten Melanchthon zur Heirat vermocht[116]. + +Daß aber die eigentlichen Geistlichen, die Priester, heirateten, das war +vor Luther, seit Gregor des Siebenten Zeiten, das heißt seit +sechsthalbhundert Jahren etwas Unerhörtes. Gerade aber _darauf_ hat nun +Luther allmählich in seinen vielen Schriften gedrungen, um zu zeigen daß +im Christentum der geistliche Stand nichts Besonderes sei, daß vielmehr +alle, die aus der Taufe gekrochen, Bischöfe und Pfarrer wären, und +umgekehrt die Geistlichen nichts anders als Christenmenschen. So hat er +all seine geglichen Freunde zur Ehe gedrängt und ihnen dazu mit Eifer +verholfen; auch den Hochmeister von Preußen und den Erzbischof von +Mainz. Er wollte sozusagen für seine Anschauung vom allgemeinen +Priestertum und dem hl. Ehestand, wie der falschen Heiligkeit des +Cölibats den Massenbeweis mit Tatsachen führen. So mahnt er Spalatin +(Ostern 1525): „Warum schreitest Du nicht zur Ehe? Es ist möglich, daß +ich selbst dazu komme, wenn die Feinde nicht aufhören diesen Lebensstand +zu verdammen und die Klüglinge ihn täglich belächeln!“[117] + +Der Gedanke, daß auch _Klosterleute_ ehelich werden sollten, war Luther +anfangs befremdend: galt dies doch nach der Anschauung der Zeit so +sakrilegisch, daß die weltlichen Rechte Heiraten von Mönchen und Nonnen +mit dem Tode bestraften[118]. Von der Wartburg schrieb Luther (am 6. +August 1521): „Unsere Wittenberger wollen sogar den Mönchen Weiber +geben? Nun mir sollen sie wenigstens keine Frau aufdringen,“ und mit +Melanchthon scherzt er, ob dieser sich wohl an ihm dafür rächen wolle, +daß er ihm zu einer Frau verholfen habe? er werde sich aber zu hüten +wissen. Doch nach wenigen Monaten hatte er sich überzeugt: „Das ehelose +Leben in Klöstern ist auch der geistlichen Freiheit zuwider. Darum, wo +du nicht frei und mit Lust ehelos bist und mußt es allein um Scham, +Furcht, Nutz oder Ehre willen, da laß nur bald ab und werde ehelich.“ So +versorgte er nun auch Mönche und Nonnen in den Ehestand[119]. + +Aber wie er selber nur spät, — am spätesten unter den Brüdern — dazu +kam, sein Klosterleben aufzugeben, seine Kutte — als die letzte +zerschlissen war — im Oktober 1524 mit dem Priesterrock und +Professorentalar vertauschte, so erging es ihm auch mit dem Heiraten. +1528 sagte er: „Wenn mir jemand auf dem Wormser Reichstag gesagt hätte, +nach 7 Jahren würde ich Ehemann sein, der Frau und Kinder habe, so hätte +ich ihn ausgelacht“. Gerade wenn ihm seine Freunde und Freundinnen wie +Argula von Grumbach zuredeten oder davon sprachen, er werde doch noch +heiraten, erklärte er das für Geschwätz. Noch am 30. November 1524 +meinte er, bei seiner bisherigen und jetzigen Gesinnung werde er keine +Frau nehmen, sein Gemüt passe nicht zum Heiraten, er fühle sich dazu +nicht geschickt. Ja noch Ostern 1525 schreibt er, daß er an keine Ehe +denke[120]. + +Aber bald nach Ostern wurde er anderen Sinnes. + +Es war gerade die böse Zeit der Bauernunruhen, wo radikale Schwärmer die +Sache der Reformation aufs äußerste gefährdeten, die Zeit, wo die Feinde +mit gehässiger Schadenfreude auf ihn wiesen, und die Freunde mit +ängstlicher Sorge nach ihm schauten; es war damals, da er umherzog die +fanatischen Bauernhaufen zu beschwichtigen und dabei zweimal in +Fährlichkeiten des Todes gewesen, als er überhaupt dem Tode entgegen +sah[121]. Da erklärte er: „Münzer und die Bauern haben dem Evangelium +bei uns so sehr geschadet und die Papisten so übermütig gemacht, daß es +fast aussieht, als müsse man das Evangelium wieder ganz von vorn +predigen.“ Deshalb wollte er's nunmehr „nicht mit dem Wort allein, +sondern mit der That bezeugen“. Er wollte mit seinem Beispiel seine +Lehre bekräftigen, weil er so viele kleinmütig finde, und so auch dem +zaghaften Erzbischof von Mainz zum Exempel voran traben. Er war im +Sinne, ehe er aus diesem Leben scheide, sich im gottgeschaffenen +Ehestande finden zu lassen und „nichts von seinem vorigen papistischen +Leben an sich zu behalten“, und sei es auch nur eine verlobte +Josephsehe: auf dem Todbett wollte er sich ein fromm Mägdlein antrauen +lassen und ihr zum Mahlschatz seine zwei silbernen Becher reichen. Als +er gar von Dr. Scharf das Wort hörte: „Wenn dieser Mensch ein Weib +nähme, so würde die ganze Welt und der Teufel selber lachen und er all +seine Sach damit verderben“, da entschloß er sich erst recht: „Kann +ich's schicken, so will ich dem Teufel zum Trotz noch heiraten, und die +Engel sollen sich freuen und der Teufel weinen.“ Endlich drängte ihn +auch sein Vater, mit dem er auf seinen damaligen Reisen zusammentraf, +seinen größten Lieblingswunsch zu erfüllen, und Luther wollte „diesen +letzten Gehorsam seinem geliebenden Vater nicht weigern“[122]. + +Und gerade eine _Nonne_ sollte die Erwählte sein, „dem Teufel mit seinen +Schuppen, den großen Hansen, Fürsten und Bischöfen zum Trotz, welche +schlechterdings unsinnig werden wollen, daß geistliche Personen freien“. +Und nicht nur den großen Hansen, sondern auch dem großen Haufen zum +Trotz, welcher nach seinem Aberglauben den Sohn eines Mönchs und einer +Nonne für den Antichrist hielt. Also wollte er „mit der That das +Evangelium bezeugen, zum Hohn für alle, welche triumphieren und Ju, ju +schreien, und eine Nonne zum Weibe nehmen“[123]. Diese Nonne aber sollte +_Katharina von Bora_ sein. + +Sie war noch immer unversorgt im Reichenbachschen Hause, und er konnte +an ihr ein Werk der Barmherzigkeit thun. Sie hatte erklärt, sie werde +ihn nehmen, wenn er sie wolle. Und er hatte mittlerweile eine bessere +Meinung von ihr gewonnen. + +Daß Käthes außerordentliche Schönheit ihn in Feuer gesetzt habe, sagten +ihm seine Gegner in gehässiger Absicht nach. Luther redet nur einmal und +in ziemlich später Zeit in einem Brief an seine Gattin, in ritterlich +schalkhafter Weise davon, daß er „daheim eine schöne Frau“ habe. +Ausdrücklich aber erklärt er, in den ersten Tagen seiner Ehe, daß er +nicht verliebt sei oder voll leidenschaftlichen Feuers, aber er habe +seine Frau gern. Sie war ja auch gar nicht besonders schön. Von +körperlicher Schönheit zitierte Luther den Reim: + + Ist der Apfel rosenrot, + Ist ein Würmlein drinnen, + Ist das Maidlein säuberlich, + So hat's krause Sinnen. + +Und da ihm ein heiratslustiger Freund einmal sagte, er möchte eine +Schöne, Fromme, (d.h. Brave) und Reiche, so bemerkte Luther: „Ei, ja, +man soll dir eine malen mit vollen Wangen und weißen Beinen; dieselben +sind auch die frömmsten, aber sie kochen nicht wohl und beten +übel“[124]. + +So traf er in der Stille und ohne leidenschaftliche Erregung seine Wahl. +Am 16. April scherzt er gegen Spalatin, daß er ein gar arger Liebhaber +sei: „Drei Frauen habe ich zugleich gehabt und sie so wacker geliebt, +daß ich zwei verloren habe, welche andere Verlobte nahmen, und die +dritte halte ich kaum am linken Arme, die mir vielleicht auch bald +weggenommen wird“[125]. + +Er hatte also doch bestimmte Persönlichkeiten ins Auge gefaßt. + +Schon am 4. Mai, nach einem Besuche bei seinen Verwandten in Eisleben +und Mansfeld, redet er in einem vertrauten Briefe an seinen Schwager +Rühel zu Mansfeld von „meiner Käthe“, die er nehmen wolle, so er's +schicken könne. Und wie seinen Schwager, hat er jedenfalls auch seine +Eltern in seine Pläne eingeweiht, und der Vater redete ihm ernstlich +zu[126]. In Wittenberg selbst aber vertraute er es nur wenigen Leuten +an: dem Maler und Ratsherrn Lukas Kranach und seiner Frau. Gerade seinen +Amtsgenossen und übrigen Freunden, vor allem auch Melanchthon, sagte er +nichts davon. Die Klugen wollten für ihn gerade nicht, was Luther +wollte: eine Nonne, und dachten und redeten über eine Mönchs- und +Nonnenheirat „lieblos“. Und ganz besonders war ihnen Katharina von Bora +nicht recht; alle seine besten Freunde schrieen: „Nicht diese, sondern +eine andere!“ Und wohl um es zu verhindern, brachten „böse Mäuler“ sogar +eine boshafte Nachrede auf. Aber gerade das bewog Luther, der Sache +rasch ein Ende zu machen, bevor er die gegen ihn aufgebrachten Mäuler +zu hören genötigt würde, wie es zu geschehen pflegt, und „weil der Satan +gern viel Hindernis und Gewirrs mache durch böse Zungen“[127]. Er +„betete zu unserm Herrn Gott mit Ernst“, wie er berichtet, und handelte +dann ohne Menschen-Rat und -Bedenken, ja wie Melanchthon klagt, ohne +seinen Freunden etwas davon zu sagen[128]. + +Mit Katharina hatte sich Luther jedenfalls ins Einverständnis gesetzt: +wenn er schon wochenlang schreiben konnte „Meine Käthe“, so mußte sie +doch von seinen Absichten wissen. + +Daß Käthe an Martin Luther auch ein rein menschliches Gefallen fand, +begreift sich. Er war wohl schon 42 Jahre alt und 16 älter wie sie +selbst. Aber ein Zeitgenosse bezeugt: „Ein fein klar und tapfer Gesicht +und Falkenaugen hatte er und war von Gliedmaßen eine schöne Person. Er +hatte auch eine helle feine reine Stimme, beides zu singen und zu reden, +war nicht ein großer Schreier“. Auch einem edeln, feineren Geschmack +mußte der ehemalige Mönch und Bauernsohn zusagen: er hielt etwas auf ein +ansprechendes Aeußere und wegen seiner Sorgfalt in der Kleidung nannten +ihn sogar seine Gegner tadelnd einen „feinen Hofmann“, denn er trug +„Hemden mit Bändelein“, hatte einen Fingerring und gelbe Stiefel[129]. + +Dabei war Luther für alles Schöne in Kunst und Natur eingenommen, ein +guter Sänger und „Lautenist“, heiteren Sinnes und fröhlicher Laune. + +Aber noch mehr mußte Luthers Gemütsart einem weiblichen Wesen zusagen: +er war bei aller Heftigkeit doch gutmütig, bei aller Halsstarrigkeit +lenkbar wie ein Kind, bei aller Derbheit doch sinnig und feinfühlig. +Dabei war er „ein frommer (guter) Mann“, der sein Weib herzlich lieb +haben konnte, und in dessen Besitz, wie er selber sagte, eine Frau sich +als Kaiserin dünken dürfte[130]. + +Freilich auch die äußere Stellung, welche Luthers Gemahlin einnahm, +mußte einen hochstrebenden Sinn reizen. Das Doktorat war in dieser +Humanistenzeit noch höher gewertet als heutzutage die akademische +Professur, es stand mindestens dem Adel gleich. Der einfachste Doktor, +der vom Bauern- und Handwerkerstand sich emporgearbeitet hatte, wurde +von adeligen Jungfrauen als wünschenswerter Ehegenosse begehrt, sodaß +eine große Anzahl Professorenfrauen in Wittenberg von Adel waren. Und +gar Luthers Gattin zu heißen, des gefeiertsten Mannes nicht nur in ganz +Wittenberg, sondern in der ganzen Christenheit, mußte einem Weibe von +Selbstgefühl schmeicheln, wenn es sich auch umgekehrt sagen mußte, daß +mit der Größe des Mannes auch all der Haß und die Beschimpfung mit in +Kauf zu nehmen, welche ihm die Feinde entgegenbrachten. Es war auch ein +gewagtes Unternehmen, einen solchen außerordentlichen Mann zu +befriedigen, des Gewaltigen ebenbürtige Lebensgefährtin zu werden. +Jungfer Käthe hatte den Mut wie das Selbstbewußtsein dazu. + +So weigerte sich Käthe der Annäherung Luthers nicht. + +Die förmliche Bewerbung Luthers ist wahrscheinlich erst Dienstag den 13. +Juni geschehen, natürlich im Reichenbachschen Hause. Ein späterer +Bericht sagt, daß Käthe überrascht war und anfänglich nicht gewußt, ob +es Luthers Ernst sei, dann aber eingewilligt habe. Gleich abends am +selben Tage war die Trauung oder „das Verlöbnis“, entweder ebenfalls +beim Stadtschreiber oder möglicherweise in Luthers Behausung im Kloster. +Auf die Zeit des Nachtmahls lud der Doktor den Stadtpfarrer Bugenhagen +und den Stiftspropst Jonas, den Juristen Apel und den Ratsherrn und +Stadtkämmerer Meister Lukas Kranach und seine Frau — Melanchthon war +nicht dabei — was Jonas ausdrücklich als auffällig hervorhebt: er war so +ängstlich über diesen Schritt seines großen Freundes, daß er nicht zu +diesem Akt paßte. Auch seinen Freund Dr. Hier. Schurf konnte Luther +nicht zu seinem Rechtsbeistand wählen, weil dieser Lehrer des +bürgerlichen und kirchlichen Rechts allerlei juristische Bedenken hatte +gegen die Priesterehe[131]. + +Die Trauung geschah nach den herkömmlichen Bräuchen[132]: der +Rechtsgelehrte vollzog die rechtlichen Formalitäten, den schriftlichen +Ehevertrag, er (oder Bugenhagen) fragte im Beisein der Zeugen den +Bräutigam, ob er die Braut zum Weibe nehmen und die Braut, ob sie den +Mann zum ehelichen Gemahl haben wollte. Dann gab der Pfarrer sie beide +mit Gebet und Segen zusammen. Darauf folgte ein kleines Abendessen und +dann das Beilager: Braut und Bräutigam wurden zum Brautbett geführt, +lagerten sich darauf unter einer Decke und damit war die Ehe +gültig[133]. + +Das war Luthers „Gelöbnis“, wie es in der Wittenberger Redeweise hieß. +Jonas konnte sich beim Anblick der Verlobten auf dem Brautlager nicht +enthalten, Thränen zu vergießen, so sehr war er bewegt. Aber auch die +Gemüter der anderen waren gewiß in großer Bewegung, nicht zum wenigsten +Luther und Käthe[134]. + +Am folgenden Morgen, Mittwoch, gab Luther den Freunden ein kleines +Mittagsmahl, das damals um 10 Uhr stattfand. Da mittlerweile die +Vermählung in dem kleinen Wittenberg rasch bekannt geworden war, so +sandte der Stadtrat einen Ehrentrunk von einem Stübchen (= 4 Maß) +Malvasier, einem Stübchen Rheinwein und anderthalb Stübchen +Frankenwein[135]. + +„Das Gelöbnis“ war aber nach damaliger Sitte nicht die „Beilage“ oder +öffentliche Hochzeit; diese folgte erst später mit öffentlichem +Kirchgang und der „Wirtschaft“ (d.i. Hochzeitsschmaus) und feierlicher +Heimführung der „Jungfer Braut“. Vierzehn Tage nach der Trauung, +Dienstag den 27. Juni, folgte nun bei Luther dieses hochzeitliche Mahl +und „Heimfahrt“, denn das junge Ehepaar und seine Freunde wollten nicht +nur die Sitte ehren, sondern gerade recht auffällig in öffentlicher +Feierlichkeit vor der Welt ihren heiligen Ehestand ehrenvoll bezeugen. +Dazu lud der Doktor seine Eltern und seinen Schwager Dr. Rühel in +Mansfeld nebst noch zwei Mansfeldischen Räten, Johann Dürr und Kaspar +Müller, ferner den Hofkaplan M. Spalatin und den Pfarrer Link in +Altenburg, den kühnen Befreier der Nonnen Leonhard Koppe als „würdigen +Vater Prior“, den Kurfürstlichen Hofmarschall Dr. Johann von Dolzig, vor +allem aber den Superintendenten („Bischof“) Amsdorf in Magdeburg +u.a.[136]. + +Die mit Scherz und Ernst gewürzten Einladungsbriefe an diese Gäste — +außer dem an die Eltern — sind noch vorhanden. Da schreibt Luther an die +drei Mansfeldischen Räte: „Bin willens, eine kleine Freude und Heimfahrt +zu machen. Solches habe ich Euch als guten Herren und Freunden nicht +wollen bergen und bitte, daß Ihr den Segen helft darüber sprechen. Wo +Ihr wolltet und könntet samt meinem lieben Vater und Mutter kommen, mögt +Ihr ermessen, daß mir's eine besondere Freuden wäre“. An Link: „Der Herr +hat mich plötzlich, da ich's nicht dachte, wunderbarer Weise in den +Ehestand versetzt mit der Nonne Käthe von Bora.... Wenn Ihr kommt, will +ich durchaus nicht, daß Ihr einen Becher oder irgend etwas mitbringt“. +An Dolzig: „Es ist ohne Zweifel mein abenteuerlich Geschrei für Euch +kommen, als sollt ich ein Ehemann worden sein. Wiewohl nun dasselbige +fast seltsam ist und ich's selbst kaum glaube, so sind doch die Zeugen +so stark, daß ich's denselben zu Dienst und Ehren glauben muß, und +fürgenommen, auf nächsten Dienstag mit Vater und Mutter samt anderen +guten Freunden in einer Kollation dasselbe zu versiegeln und gewiß zu +machen. Bitte deshalben gar freundlich, wo es nicht beschwerlich ist, +wollet auch treulich beraten mit einem Wildbret und selbst dabei sein +und helfen das Siegel aufdrücken und was dazu gehört“[137]. + +Das Wildbret fehlte nicht; Wittenberg, welches wußte, was die +Universität und Stadt an Luther besaß — er hat die kleine Stadt und +Universität erst groß und berühmt gemacht — spendete reichliche +Geschenke. Der Stadtrat sandte „Doctori Martino zur Wirtschaft +und Beilage ein Faß Eimbeckisch Bier und zwanzig Gulden in +Schreckenbergern“; und die löbliche Universität verehrte als +Brautgeschenk „H.D. Marthin Luthern und seiner Jungfraw Käthe von Bor“ +einen hohen Deckelbecher aus Silber mit schönen vergoldeten +Verzierungen. Johann Pfister, der zu Ostern den Mönch ausgezogen und zu +Pfingsten nach Wittenberg gereist war, um da zu studieren, hat auf D. +Luthers Hochzeit das Amt eines Mundschenken versehen. Vielleicht waren +jetzt auch die Eheringe fertig, welche die Freunde besorgten. Diese +Eheringe soll der Kaiserl. Rat Willibald Pirkheimer in Nürnberg von +Albrecht Dürer haben anfertigen lassen und geschenkt haben; desgleichen +auch eine goldene Denkmünze mit Luthers Bild. Der Trauring Luthers ist +ein zusammenlegbarer Doppelreif mit Diamant und Rubin, den Zeichen von +Liebe und Treue; unter dem hohen Kasten sind die Buchstaben M.L.D. und +C.V.B. und in dem Reif der Spruch: „Was Gott zusammenfüget, soll kein +Mensch scheiden“. Katharinas Ring hat einen Rubin und ist mit Kruzifix +u.a. geziert, mit der Inschrift: „D. Martinus Lutherus, Catharina von +Boren 13. Juni 1525“[138]. + +Daß dabei Katharina in üblichem Brautschmuck erschien, ist +selbstverständlich, wenn dieser auch nicht so reich war, als das +angebliche Bild Katharinas von Bora im Hochzeitsstaat denken läßt[139]. + +So wurde mit den guten Freunden eine fröhliche Hochzeit gefeiert. +Freilich werden der unruhigen Zeitläufte wegen nicht alle Eingeladenen +erschienen sein — Luther setzte das schon in seinen Briefen voraus. Auch +Magister Philipp Melanchthon war nicht dabei, der ängstliche Gelehrte, +welcher gegen Luthers Ehe und besonders mit der Nonne war, wäre ein +übler Hochzeitsgast gewesen. Von Katharinas Verwandten scheint niemand +anwesend gewesen zu sein. Vater und Mutter waren wohl schon längst tot, +zwei Brüder im fernen Preußen, der älteste vielleicht auch ferne; den +anderen Verwandten war Käthe doch durch ihr Klosterleben entfremdet, es +hatte sich ja auch bisher niemand von ihnen ihrer angenommen. So mußte +sie ihre Gefreunde und Verwandte in ihren Pflegeeltern und Luthers +Freunden und Eltern sehen. Und wenn ihr's an ihrem Hochzeitsfest recht +wehmütig ums Herz gewesen sein wird, so mußte sie doch die hohe +Verehrung und Freundschaft trösten, welche ihr Gatte bei seinen +Amtsgenossen und Landsleuten gefunden hatte. + + + + +6. Kapitel + +Das erste Jahr von Katharinas Ehestand. + + +Luther führte nach seiner Vermählung die junge Frau in seine Wohnung im +Augustinerkloster. Denn dies hatte ihm der Kurfürst Johann der +Beständige, der seit Mai seinem Bruder Friedrich dem Weisen gefolgt war, +unter der Bedingung des Vorkaufsrechts zur Verfügung gestellt. + +Das „schwarze Kloster“ lag oben am Elsterthor, unmittelbar am Wall und +Graben, still und abgewandt von der Welt, von der Straße durch einen +großen Hof geschieden. Das dreistöckige Hauptgebäude gegen die Elbe zu +gelegen war die Behausung der Mönche gewesen und jetzt Luthers +Aufenthalt. In der westlichen Ecke nach Mittag gerichtet und mit +Aussicht auf die gelben Fluten des Stromes war Luthers Zelle, woraus er +„den Papst gestürmt hatte“: sie blieb auch jetzt seine Studierstube. +Dagegen richtete das Ehepaar nach dem Hofe zu, wo die Gemächer des +ehemaligen Priorats lagen, die geräumige Wohnstube ein, worin auch +gespeist und die Besucher empfangen und Gäste bewirtet wurden. Davor lag +ein kleineres Empfangszimmer mit Holzbänken. Die Decken der Gemächer und +bis zur halben Höhe auch die Wände des behaglichen Wohnzimmers waren mit +Holzgetäfel versehen, an den Wänden hin zogen sich Bänke, Pflöcke +darüber dienten zum Aufhängen von Geräten und Kleidern. Zwei große +Fenster mit Butzenscheiben schauten in den Klosterhof. Aber um +deutlicher zu sehen, waren kleine Schiebfenster angebracht, welche +klirrend geöffnet wurden, wenn dahinter etwas beobachtet werden sollte, +ein Besuch kam oder ging oder auf die Dienstboten und das Geziefer des +Hauses geachtet werden sollte. Dort in der Fensternische wurde ein +einfacher hölzerner Sitz aufgestellt mit einer Art Pult, der als +Nähtisch dienen mochte. Ein mächtiger Eichentisch auf Kreuzgestellen +stand in der Mitte und die eine Ecke füllte ein mächtiger Kachelofen. +Darum hieß die Wohnstube auch „das gewöhnliche Winterzimmer“. Es war +wohl noch von der Klosterzeit her bemalt. Wahrscheinlich befand sich +auch hier ein Bild der Maria mit dem schlafenden Jesuskind[140]. + +Hinter dieser Wohnstube war das Schlafzimmer und eine weitere Kammer, +von dieser wurde später eine Stiege mit einer Fallthüre in das +Erdgeschoß angelegt, auf der man in die Wirtschaftsräume drunten +gelangen und namentlich die Speisen von der Küche innerhalb des Hauses +heraufbringen konnte. Denn Küche, Dienstbotenzimmer und dgl. waren unten +im ehemaligen Refektorium[141]. + +Schon in diesem Jahre, 1525, schenkte der Stadtrat verschiedene Fuhren +Kalk, womit das Klosterhaus innen und außen, wenigstens teilweise, +getünscht werden konnte. Vielleicht geschah dies bereits in der +Zwischenzeit zwischen der Trauung und Heimführung, dieser zu Ehren, als +das Haus viele festliche Besucher aufnehmen mußte[142]. + +Die erste Ausstattung des Hauses wird dürftig genug gewesen sein, denn +Luther konnte bei seiner bekannten Freigebigkeit und Gastfreiheit mit +seinem Gehalt kaum für sich selbst bestehen, und obwohl der Kurfürst es +bei seiner Verheiratung auf 200 fl. aufbesserte, so waren daraus nicht +viel Anschaffungen zu machen, namentlich für ein so weitläuftiges +Gebäude. Die 100 fl., die der Kurfürst, und die 20 fl., die der Stadtrat +zur Hochzeit schenkte, gingen darauf für das kostspielige Festmahl. Der +Klosterhausrat, so weit er noch übrig und nicht weggeschleift war durch +allerlei unberufene Hände, war Luther von den Visitatoren geschenkt +worden. Aber es war geringfügig: Schüsseln und Bratspieße, einiger +sonstiger Hausrat und Gartengeräte — zusammen kaum 20 fl. wert. So +werden wohl die Freunde durch Hochzeitsgeschenke, die freilich in der +Regel aus silbernen Bechern bestanden, unmittelbar oder mittelbar dazu +beigetragen haben, die öden Räume des Klosters ein bißchen wohnlich zu +gestalten. Verwöhnt durch mannigfaltigen Hausrat war man damals +überhaupt nicht, und die zwei ehemaligen Klosterleute noch weniger. So +schenkte D. Zwilling von Torgau einen Kasten, der war aber bald so +lotter und wurmstichig, daß Frau Käthe kein Leinen mehr darin +aufbewahren konnte vor lauter Wurmmehl. Nach und nach kamen auch sonst +von auswärts allerlei Geschenke, sogar künstliche Uhren. Vom Stadtrat +wurde das junge Ehepaar ein ganzes Jahr lang mit Wein aus dem Ratskeller +freigehalten, brauchte aber nur (trotz vieler Gäste) für 3 Thlr. 4 +Groschen 6 Pfennige. Auch schenkte die Stadt „Frau Katharinen Doktor +Martini ehelichem Weibe zum neuen Jahr (1526) ein Schwebisch“ +(schwäbisches Tuch)[143]. + +Der einzige Mitbewohner und neben Luther letzte Mönch, der Prior Brisger +verheiratete sich gleich nach Luther und zog nach einiger Zeit in sein +neugebautes Häuschen, das neben dem Kloster, aber vorn an der Straße +gelegen war, dann auf die Pfarrei Altenburg. Von den alten +Klosterbewohnern blieb nur Luthers Famulus Wolfgang Sieberger im Hause, +der arm an Geld und Geistesgaben zwar zu studieren angefangen, aber es +nicht hatte fortsetzen und vollenden können, und besser zu einem Diener +taugte als zum Gelehrten, eine treue Seele, die von 1517 bis zu Luthers +Tod im Hause blieb und den Doktor nur um ein Jahr überlebte. Eine Magd +war auch da und andere folgten bald, als der Haushalt sich ausdehnte. + +In diesem Hause nun gewöhnte sich das junge Paar zunächst einigermaßen +in Ruhe in den Ehestand und aneinander, und Luther schrieb da: „Ich bin +an meine Käthe gekettet und der Welt abgestorben“[144]. + +Es war dem 42jährigen Gelehrten, Junggesellen und ehemaligen Mönch im +ersten Jahre des Ehestandes ein seltsames Gefühl, wenn er jetzt +selbander bei Tische saß statt allein, oder wenn er morgens erwachend +zwei Zöpfe neben sich liegen sah. Aber auch der jüngeren Ehefrau, der +früheren Nonne mochte ihr neuer Stand seltsam dünken, hier im ehemaligen +Kloster, namentlich an der Seite des gewaltigen Mannes, der die +Weltordnung umgekehrt hatte und mit Papst, Kaiser, Welt und Teufel im +Kampfe lag[145]. + +Da saß Käthe in dieser ersten Zeit bei Luther hinten in seiner +Studierstube, von wo er mit dem Flammenschwert seiner Feder den Papst +gestürmt, sah ihn von Büchern umgeben, den Tisch mit Briefen und +Schriftbogen bedeckt, spann und horchte ihm zu und that auch Fragen nach +diesem und jenem. Ihre Fragen zeugten nicht immer von Welterfahrung und +theologischer Bildung. So ergötzte es den Gelehrten, als sie einmal +fragte: „Ehr Doktor, ist der Hochmeister in Preußen des Markgrafen +Bruder?“ Es war dieselbe Person. Luther weihte seine junge Frau bald in +theologische Fragen ein. Als ihm Jonas 1527 seine jetzige Ansicht über +Erasmus meldete, las er seiner Frau ein Stück des Briefes vor. Da sprach +sie alsbald: „Ist nicht der teure Mann zur Kröte geworden?“ Und sie +freute sich, daß Jonas nun die gleiche Ansicht mit Luther über Erasmus +hatte. Mit der Zeit erweiterte sich ihr Wissen, sie lernte in ihres +Mannes Haus, wo so viele Fäden der Kirchen- und Weltgeschichte +zusammenliefen und so viele bedeutende Männer, Gelehrte, Staatsmänner +und Fürsten einkehrten, die Weltdinge verstehen und lebte sich in die +theologische Gedankenwelt so ein, daß sie an den Tischreden lebhaften +Anteil nahm und auch Gelehrte durch ihren gesunden Menschenverstand und +ihr natürliches Gefühl mitunter in Verlegenheit brachte[146]. + +Frau Käthe hatte eine ziemliche Beredsamkeit, so daß Luther sie oftmals +damit neckte und sie einmal einem Engländer als Sprachlehrerin empfahl +oder auch davon redete, daß sie das Amen nicht finden könnte bei ihren +Predigten. Er sagt aus der Erfahrung von seiner Gattin: „Weiber reden +vom Haushalten wohl als Meisterinnen mit Holdseligkeit und Lieblichkeit +der Stimm und also, daß sie Cicero, den besten Redner, übertreffen; und +was sie mit Wohlredenheit nicht zu Wege bringen können, das erlangen sie +mit Weinen. Und zu solcher Wohlredenheit sind sie geboren, denn sie sind +viel beredter und geschickter von Natur zu diesen Händeln, denn wir +Männer, die wir's durch lange Erfahrung, Uebung und Studieren erlangen. +Wenn sie aber außer der Haushaltung reden, so taugen sie nichts.“[147] + +Zur Abwechslung arbeiteten die jungen Eheleute auch in dem umzäunten +Klostergarten hinter dem Hause, worin auch ein Brunnen war. Da wurde +gegraben und gepflanzt und allerlei Kräuter, Gemüse und Obstbäume, aber +auch zierliche Sträucher und Blumen gepflegt. So konnte Luther schon im +folgenden Sommer Spalatin einladen: „Ich hab einen Garten gepflanzt, +einen Brunnen gegraben, beides mit gutem Glück. Komm, und Du sollst mit +Lilien und Rosen bekränzt werden.“ Auch zu dem „Lutherbrunnen“ vor dem +Elsterthore wandelten die Ehegatten hinaus, welchen der Doktor 1521 +entdeckt hatte und 1526 fassen und mit einem „Lusthaus“ überbauen ließ, +in dem er manch liebes Mal in Muße mit seiner Frau und seinen Freunden +saß. Sonst ruhten die beiden unter dem Birnbaum im Klosterhofe, der +schon zu Staupitz' Zeiten manches ernste Gespräch vernommen[148]. + +Von dem jungen Ehepaar haben wir ein Bild aus der Werkstatt Kranachs. +Die junge Frau, mehr eine zarte als robuste Erscheinung, hat ein ovales +Gesicht mit feiner Hautfarbe, die Augenöffnung erscheint ein bißchen +„geschlitzt“, die Backenknochen, welche in einem anderen Käthe-Typus +sehr stark hervortreten, sind normal. Charakteristisch ist die volle +Unterlippe. Die Augenbrauen sind schwach und hoch gewölbt, das wenig +üppige feine Haar hat rötliche oder blonde Farbe und die mattblauen +Augen schauen verständig drein. Der Eindruck des ganzen Gesichtes läßt +nüchternen Ernst und eine gewisse zähe Energie erwarten[149]. + +Die Zeit der ersten Liebe schildert der Wittenbergische Doktor obwohl +„nicht von unmäßiger Liebesglut entflammt“, mit den gleichen Worten wie +unser moderner Dichter: „Die höchste Gnade Gottes ist's, wenn im +Ehestande Eheleute einander herzlich stets für und für lieb haben. Die +erste Liebe ist fruchtbar und heftig, damit wir geblendet und wie die +Trunkenen hineingehen; wenn wir die Trunkenheit haben ausgeschlafen, +alsdann so bleibet in Gottesfürchtigen die rechtschaffene Liebe, die +Gottlosen aber haben den Reuwel.“[150] + +Freilich diese Zeit seines jungen Ehestandes ging dem Reformator weder +als müßig tändelnde Flitterwochen, noch als ein ungetrübtes Idyll dahin. +Dafür sorgte der Drang seines gewaltigen Werkes, wie der Haß seiner +Gegner. Und mindestens eben so schwer, wie er, hatte seine junge Gattin +unter den giftigen und schmutzigen Angriffen zu leiden, die sofort die +Heirat des Reformators und ehemaligen Mönchs mit der gewesenen Nonne +beleidigten. + +Luthers Heirat mit Katharina war eine zu ungeheuerliche That in den +Augen seiner Zeitgenossen, als daß sie nicht das gewaltigste Aufsehen +erregen und auch zu den abenteuerlichsten Verdächtigungen Anlaß geben +mußten[151]. + +Schon sofort nach der Trauung hatte Luther um dieses Werkes willen +Schmähungen und Lästerungen zu ertragen. Und nicht nur von den Feinden. +Die Klüglinge „belächelten“ seine Ehe oder verdammten sie auch: „Die +Weltweisen, auch unter den Unserigen, sind heftig darüber erzürnt.“ Das +war nicht nur Dr. Schurf, sondern sogar sein naher Freund Melanchthon; +jener hatte gemeint, die ganze Welt, ja die Teufel würden darüber +lachen, und Luther würde sein ganzes Werk vernichten. Dieser mißbilligte +wohl die That an sich nicht, wohl aber, daß sie nicht opportun sei und +unbedachtsam geschehen, so daß die Feinde darin ihr großes Vergnügen +haben und lästern; er meinte auch, „Luther habe sich durch Nonnenkünste +fangen lassen und sei hereingefallen“[152]. + +So war es für die Eheleute schon ein Schmerz, daß der Hausfreund nicht +bei der Hochzeit war, ja nicht einmal dazu eingeladen werden konnte. Und +auf Luther mochte dies Verhalten der Freunde wenn auch nur zeitweilig +verstimmend und niederschlagend wirken. Da hatte Käthe wohl eine schwere +Aufgabe, ihn aufzurichten und zu ermuntern. Die anderen Freunde, seine +Gevattersleute Kranach vor allem, halfen dabei. Und schließlich mäßigte +auch Melanchthon seinen Verdruß, ja er tröstete Luther und beeiferte +sich, seine Traurigkeit und üble Laune durch Freundlichkeit und +fröhliche Unterhaltungen zu erheitern[153]. So kehrte Luthers Gemüt +wieder zur alten Lebhaftigkeit zurück. Schon drei Tage nach der Trauung +schreibt er an Spalatin mit bezug auf Schurfs Rede im alten Ton frohen +und getrosten Trutzes: „Ich habe mich durch diese Heirat so +geringschätzig und verächtlich gemacht, daß ich hoffe, es sollen die +_Engel lachen_ und die Teufel weinen. Die Welt mit ihren Klüglingen +kennet dies Werk nicht, daß es göttlich und heilig sei: sie nennen's an +meiner Person gottlos und teufelisch. Derohalben ich auch größeren +Gefallen daran habe, daß ihr Urteil durch meinen Ehestand verdammt wird, +so daß sich daran stoßen und ärgern die, so ohne Erkenntnis Gottes +mutwillig zu bleiben fortfahren“[154]. + +Viel ärger als die Freunde trieben's natürlich die Widersacher. Emser +verfertigte Spott- und Schmähgedichte, ja Eck gab ein ganzes Büchlein +von solchen Liedern auf Luthers Hochzeit heraus. Der Herzog Georg von +Sachsen, Luthers besonderer Feind, erließ ein Schreiben an Luther, worin +er ihn aufs heftigste schalt, und in einem Instruktionsschreiben zum +Speierer Reichstag (15. Mai 1526) an Otto von Pack beschimpft er ihn mit +der falschen Anschuldigung: „Es erscheint auch klärlich, indem Martinus +verworfen hat den Mönchsstand und so auch die Mönche aus dem Kloster zu +Wittenberg, daß er desto mehr Raum habe mit seiner Käthchen zu wohnen, +davon sich ein ganzer Konvent hat nähren mögen.“ Der theologische König +Heinrich VIII. von England, damals noch Defensor Fidei (Verteidiger des +römischen Glaubens) nachher Ritter Blaubart, fuhr in einem Briefe den +Reformator an: „Was? Du hast ihr nicht nur beigewohnt, sondern, was noch +unendlich fluchwürdiger ist, hast sie sogar öffentlich als Gattin +heimgeführt!“[155] + +Diese Schriften — außer der Georgs — waren lateinisch und gingen +zunächst in die Gelehrtenwelt. Unter das Volk aber wurden ehrenrührige +Verleumdungen gegen die beiden Ehegatten gestreut. Der Humanistenkönig +Erasmus machte sich lustig, indem er mit schnödem Witze meint: wenn der +Antichrist ein Mönchs- und Nonnenkind wäre, müßte die Welt voll +Antichristen laufen; aber die Lüge von einem frühgeborenen Kinde hat er +mit boshafter Geflissentlichkeit in seinen Briefen an hohe Herren +verbreitet, bis er sie dann widerrufen mußte. Die Heirat Luthers ist dem +hochmütigen Humanisten aber immerhin eine Posse, mit der der gelehrte +Doktor den Philosophenmantel abgelegt und sich zu einem gewöhnlichen +Menschen erniedrigt hätte[156]. + +Aber noch näher trat der jungen Frau bald nach ihrer Heirat die +Schmähung. „Ein Bürgersweib Klara, Eberhard Lorenz Jessners eheliche +Hausfrau hat unnütze Worte gehabt und Herrn Dr. Luther und seine ehrbare +Hausfrau geschmäht und gescholten,“ freilich „auch des Pfarrers Eheweib +übel angefahren“ in Magister Joh. Lubecks Wirtschaft zu Wittenberg[157]. + +Endlich verfaßten zwei Leipziger Magister, Joh. Hasenberg und Joachim +von der Heidten (Miricianus), in Prosa und Poesie lateinische und +deutsche Sendbriefe und ließen sie drucken. Hasenbergs Schmähschrift +richtete sich „an M. Luder und seine uneheliche Gattin Catharina von +Bohra, damit sie entweder mit dem verlorenen Sohn sich bekehren und zur +Buße und Heiligkeit des Klosterlebens zurückkehren oder doch Luther +seine Nonne ihrem Bräutigam Christus und ihrer Mutter Kirche +zurückstelle“ bei Höllenstrafe. Heidten schrieb „Ein Sendbrieff Kethen +von Bhora, Luthers vermeynthem eheweib sampt einem geschenk freundlicher +Weise zuvorfertigt“. Die beiden jungen Menschen hatten die Frechheit, +diese Schriften durch einen eigenen Boten Luther und seiner Frau ins +Haus zu schicken, allerdings in der thörichten Hoffnung, wenigstens +Käthe von ihrem Manne abwendig zu machen und zur Rückkehr ins Kloster zu +bewegen. + +Natürlich hatten diese beiden Schriften den entgegengesetzten Erfolg. +Luthers Diener trieben mit denselben ihren Spott, schickten sie den +„jungen Löffeln illuminiert (illustriert) im Hintergemach“ mit dem Boten +zurück und dazu ein viereckiges Täfelein, darauf waren die 6 Buchstaben +_ASINI_ (Esel) so verteilt, daß man sie von der Mitte aus gesehen, an +vierzig mal lesen konnte. Der ritterliche Luther aber nahm sich seines +Weibes an und ließ „Eine neue Fabel Aesopii vom Esel und Löwen“ mit +behaglichem Witze drucken und sandte sie an seinen Freund Link mit den +Worten: „Die Leipziger Esel haben meine Käthe mit albernen Schmähungen +verunglimpft; denen ist geantwortet worden, davon du hier vor Augen +siehst.“[158] + +Zu den Beschimpfungen gesellten sich Gefahren. In der Nacht vor +Michaelis 1525 hatte Luther es gewagt, im Gebiete seines heftigsten +Widersachers, des Herzogs Georg von Sachsen-Meißen, dreizehn Jungfrauen +aus dem fürstlichen Kloster Freiberg entführen zu lassen. „Ich habe +diese Beute dem wütenden Tyrannen entrissen“, meldet er triumphierend +seinem Freund Stiefel. Darüber war natürlich Georg wütend, aber auch der +Adel zürnte über Luthers Gewaltthat — mußten doch die Angehörigen der +Nonnen durch ihren Austritt Vermögenseinbuße befürchten: sogar adelige +_Freunde_ der Reformation nahmen es Luther übel. Es wurden Drohungen +gegen ihn laut, und sein Leben stand in Gefahr, wenn er irgendwie einem +Haufen Reisiger oder Bauern in die Hände fiele, denn auch die Bauern +waren ihm ja seit dem Aufstand wenig günstig. Nun war Luther auf den 19. +November zu Spalatins Hochzeit nach Altenburg geladen, wo der ehemalige +Geheimschreiber des verstorbenen Kurfürsten jetzt Stadtpfarrer war. +Luther wollte durchaus zu des Freundes Ehrentag. Aber Käthe hielt ihn +zurück und beschwor ihn sogar mit Thränen vor der gefährlichen Reise. +Also daß ihr Gatte heldenmütig seines reformatorischen Befreieramtes +waltete und anderen armen Jungfrauen that, was ihr geschehen, und „dem +Satan diese Beute Christi abjagte“, das hinderte Frau Käthe nicht, aber +das setzte sie durch, daß er sich nicht ohne Not in Gefahr begab. Solche +Lebensgefahr mußte sie ja immer für ihren Gatten fürchten, auf welchen +wie auf einen Fürsten gar mancherlei Attentate geplant und versucht +wurden[159]. + +Dagegen ließ sie es Ende Februar des folgenden Jahres zu, daß Luther sie +nach Segrehna bei Kemberg begleitete. In diesem Dorfe hielt sich damals +der ehemalige Schwärmer, Bilderstürmer und Bauernagitator Karlstadt als +Bauersmann und Landkrämer versteckt. So viel Schmerzen und Sorgen ihm +auch Karlstadt gemacht, Luther hatte sich seines alten Amtsgenossen +angenommen und ihm Begnadigung beim Kurfürsten erwirkt. Und jetzt hatte +Karlstadt Luthers Gemahlin zur Gevatterin gebeten. Auch zu diesem +Liebesdienst war sie bereit, machte nicht nur selbst die beschwerliche +Reise, sondern ließ sogar ihren Gemahl mitfahren[160]. + +Schon in diesem Jahre gemeinsamen Lebens lernte Luther seine Gattin +besser verstehen, tiefer lieben und höher achten. Hatte er sie vor der +Hochzeit für stolz und hoffärtig gehalten, so schreibt er jetzt: „Sie +ist mir gottseidank willfährig, gehorsam und gefällig, mehr als ich +hätte hoffen können, so daß ich meine Armut nicht mit des Crösus +Reichtum vertauschen möchte.“[161] + +Melanchthon hatte die Hoffnung ausgesprochen, Luthers Verheiratung werde +ihn gemessener machen, und sein ungestümes, derbes Wesen sänftigen. Das +dachte wohl auch der Erzbischof Albrecht, der durch seinen Kanzler +Rühel, Luthers Schwager, der Frau zwanzig Goldgulden als +Hochzeitsgeschenk reichen ließ, welche Katharina gern annahm, Luther +aber zurückwies. Erasmus glaubte auch bald die Bemerkung gemacht zu +haben, daß Luther milder geworden sei und nicht mehr so viel mit der +Feder wüte. Denn, setzt er in gewohnter spöttischer Weise hinzu: „nichts +ist so wild, daß ein Weib es nicht zähmt“[162]. + +Das wird ja im allgemeinen nicht abzustreiten sein. Und tatsächlich ließ +sich Luther — aber durch fürstliche Zurede — im versöhnlichen Tone gegen +Herzog Georg und König Heinrich VIII. hören — freilich ohne diese +dadurch versöhnlich zu stimmen: sie beuteten vielmehr seine Schreiben +aus, um ihn verächtlich zu machen. Aber in seinem reformatorischen Beruf +hat Käthe ihren Mann weder hindern können noch wollen[163]. + +Nicht einmal in den ersten Tagen seiner Heirat. Ja, Frau Käthe plante +wohl selbst mit ihm während der Vorbereitung zu ihrer Heimführung die +Befreiung der Freiberger Nonnen: die Einladung an Koppe zur Hochzeit +enthielt zugleich die Aufforderung zu diesem neuen, noch keckeren +Klosterraub[164]! + +Und am Neujahrstag 1526 malte Luther aufs neue in einer Spottschrift +das Papsttum mit seinen Gliedern ab und schrieb dazu: „Es meinen +etliche, man solle nun aufhören, das Papsttum und geistlichen Stand zu +spotten. Mit denen halt ichs nit, sondern muß ihr einschenken, bis +nichts Verächtlicheres auf Erden sei, denn diese blutgierige +Isabel.“[165] + + + + +7. Kapitel. + +Katharina als Mutter ihrer Kinder und Hausgenossen. + + +Ein Jahr nach ihrer Vermählung am 7. Juni 1526, „da der Tag im Kalender +heißt Dat.“ (d.i.: Er giebt) schenkte Käthe ihrem Gatten ein Söhnlein, +das war, wie die Eltern mit Freuden sahen, gesund und ohne Fehl. Um 2 +Uhr nachmittags kam es auf die Welt, schon um 4 Uhr wurde es nach +damaliger Sitte von Diakonus M. Rörer getauft. Taufpaten waren der +Superintendent D. Bugenhagen, der Propst Justus Jonas, Luthers Gevatter +L. Kranach, der Vizekanzler Baier und in Abwesenheit der Kanzler Müller +in Mansfeld. Eine der Patinnen war die Frau des Bürgermeisters Hohndorf. +Nach dem Großvater erhielt das Kind den Namen Johannes[166]. + +Hänschen blieb auch wohlauf, wennschon die Mutter das Stillen nur +langsam fertig brachte und das Kind die Milch schwer vertrug. Der Knabe +wird bald fröhlich und kräftig und ein homo vorax et bibax (starker +Esser und Trinker), lernt auf den Knieen rutschen; zu Neujahr 1527 +bekommt er Zähne, lernt stehen und gehen und fängt an zu lallen und mit +lieblichen Beleidigungen alle zu schelten. Zur Belohnung für all diese +Künste schickt Jonas dem kleinen Hans einen „silbernen Johannes“, ein +Geldstück mit dem Bild des Kurfürsten[167]. + +Bald ist der Zweijährige gar stolz über eine Klapper, die er vom +Pfarrer Hausmann geschenkt erhielt (1528). Dieser Erstgeborene wird +jahrelang in jedem Brief erwähnt und muß immer und überall hin die +Freunde grüßen. Es ist ein herziges Bild, wenn der Vater von seinem +Söhnchen erzählt: „Wenn ich sitze und schreibe oder thue sonst etwas, so +singet er mir ein Liedlein daher, und wenn er's zu laut will machen, so +fahre ich ihn ein wenig an; so singet er gleichwohl fort, aber er +machet's heimlicher und mit etwas Sorgen und Scheu. Also will Gott auch, +daß wir immer fröhlich sein sollen, jedoch mit Furcht und Ehrerbietung +gegen Gott.“ Und wieder saß Hänschen am Tisch und lallete vom Leben im +Himmel, wie eine so große Freude da wäre mit Essen und Tanzen, da wäre +die größte Lust: die Wasser flössen mit eitel Milch und die Semmeln +wüchsen auf den Bäumen. Da freute sich der Doktor über das selige Leben +des Kindes[168]. + +Anderthalb Jahre blieb Hänschen allein, da folgte am 10. Dezember 1527, +während die Pest in Wittenberg und im Hause Luthers wütete, ein +Schwesterlein, Elisabeth. Jonas gratuliert dem Doktor dazu und scherzt +von seinem kleinen Söhnchen: „Mein Sohn begrüßt deine Tochter als seine +zukünftige Braut.“ Aber am 3. August des folgenden Jahres in der +gefährlichen Zeit des Zahnens starb das zarte Töchterlein und wurde in +großer Trauer auf dem Gottesacker vorm Elsterthore bestattet. Da erhielt +es einen (noch vorhandenen) kleinen Grabstein mit der lateinischen +Inschrift: „Hier schläft Elisabeth, M. Luthers Töchterlein.“ Schwer nur +trösteten sich die trauernden Eltern mit dem Gedanken: „Elisabeth ist +von uns geschieden und zu Christo durch den Tod ins Leben gereist.“[169] + +Am 4. Mai des folgenden Jahres wurde ihnen Ersatz für Elisabeth in einem +zweiten Töchterlein: Magdalena. Amsdorf, der Magdeburger Superintendent +(Bischof), und Frau Goritzen, Gattin des Magisters und späteren +Stadtrichters in Leipzig, wurden Paten. Der Gevatterbrief an Amsdorf +lautet: + +„Achtbarer, würdiger Herr! Gott der Vater aller Gnaden hat mir und +meiner lieben Käthe gnädiglich eine junge Tochter beschert: so bitte ich +Ew. Würden um Gottes Willen, wollet ein christlich Amt annehmen und +derselbigen armen Heidin christlicher Vater sein und zu der hl. +Christenheit helfen durch das himmlische hochwürdige Sakrament der +Taufe[170]. + +Der Gevatterinbrief lautet: + +„Gnad' und Fried' in Christo! Ehrbare tugendsame Frau, liebe Freundin! +Ich bitt Euch um Gottes willen: Gott hat mir eine junge Heidin +bescheret, Ihr wollet so wohl thun und derselben armen Heidin zur +Christenheit helfen und ihre geistliche Mutter werden, damit sie durch +Euern Dienst und Hülfe auch komme aus der alten Geburt Adams zur neuen +Geburt Christi durch die hl. Taufe. Das will ich wiederum, womit ich +soll, um euch verdienen. Hiemit Gott befohlen. Amen. Ich hab selbst +nicht dürfen ausgehen in die Luft. Martinus Luther.“[171] + +Als Magdalena heranwuchs, sah das Mädchen dem älteren Bruder Hänschen +„über die Maßen gleich mit Mund, Augen und Nase, in Summa mit dem ganzen +Gesicht“, und war auch gutmütig und brav wie dieser. Diese zwei ältesten +Geschwister hingen auch sehr aneinander. Als Luther im folgenden Jahr +während des Augsburger Reichstags in Verborgenheit auf der Koburg weilte +und sich dort wie auf der Wartburg den Bart wachsen ließ, um sich +unkenntlich zu machen, da ließ Frau Käthe von dem kleinen Lenichen einen +Abriß in schwarzer Kreide oder Tusche machen, welches freilich etwas zu +dunkel geraten scheint, und sandte es ihm als Herzstärkung in seine +„Wüste“, wo der Doktor in Einsamkeit und Thatlosigkeit oft trüben +Gedanken nachhing, auch sich gar viel ärgern mußte über den Gang der +Dinge in Augsburg; auch war gerade sein Vater gestorben, der alte Hans +Luther, was den Sohn tief bewegte, denn er hing mit kindlicher Liebe und +Ehrfurcht an ihm. Da der Vater das Konterfei des Töchterchens zuerst +ansah, konnt' er sie nicht erkennen. „Ei“, sprach er, „die Lene ist ja +schwarz“. Aber bald gefiel sie ihm wohl und dünkte ihm je länger je +mehr, es sei Lenchen. Der Doktor hängte die Kontrefaktur gegen den Tisch +über an die Wand im Fürstenzimmer, wo er aß, und vergaß über die Maßen +viel Gedanken mit dem Bilde.“[172] + +Das Mädchen wurde vom Vater anders behandelt als der Sohn. Dieser wurde +mit Ernst gezogen und Luther wollte, daß man ihm nichts lasse gut sein. +Aber mit seinem Töchterlein scherzte er mehr. Dagegen zog die Mutter +naturgemäß den Sohn vor, namentlich den erstgeborenen und suchte des +Vaters Strenge gegen ihn zu mildern[173]. + +Am Vorabend vor Luthers Geburtstag, den 9. November 1531, traf zu +Wittenberg im schwarzen Kloster wieder ein Sohn ein, der deshalb des +Vaters Namen erhielt. Als jetzt der jüngste wurde nunmehr er der +Liebling des Vaters. Denn, sagt dieser, „die Eltern haben die jüngsten +Kinder stets am allerliebsten. Mein Martinchen ist mein liebster Schatz, +denn solche Kinder bedürfen der Eltern Sorge und Liebe wohl, daß ihrer +fleißig gewartet wird. Hänschen und Lenchen können nun reden, bedürfen +solche Sorge so groß nicht.“[174] + +Am Namenstag des folgenden Jahres meldet Luther dem Paten Martins, dem +gestrengen und ehrenfesten Joh. von Rindesel Kurf. Kämmerer: „Euer Pate +will ein thätiger Mann werden, er greift zu und will sein Sinnchen +haben.“[175] + +Der Knabe war, scheint es, kränklich und ein kleiner Taugenichts, so daß +der Vater fürchtete, er möchte einmal Jurist werden[176]! + +Dagegen war Hänschen ein stiller nachdenklicher Bursche, so daß der +Vater meinte: „Er ist ein (geborener) Theologe.“ Der jüngste Sohn Paul +aber, der am 28. Januar 1533 auf die Welt kam, ein kräftiger mutiger +Junge, schien sich zum Türkenkrieger zu eignen. Daran dachte der Vater +schon bei seiner Geburt und wählte ihm vielleicht deshalb einen Ritter, +Hans von Löser, Erbmarschall und Landrentmeister, zum Paten. Aber auch +der Herzog Joh. Ernst von Sachsen, ferner D. Jonas und die Frau des +Kaspar Lindemann standen bei Paul zu Gevatter[177]. + +In dem Gevatterbrief an Löser, der noch in der Nacht des 28. Januar 1533 +geschrieben wurde, damit der Knabe nicht lange ein Heide bleibe und +schon zur Vesper getauft werde, heißt es: „Ew. Gestrengen wollen sich +demütigen Gott zu Ehren für meinen jungen Sohn förderlich und füglich +erscheinen, damit er aus der alten Art Adams zur neuen Geburt Christi +durch das hl. Sakrament der Taufe kommen und ein Glied der Christenheit +werden möchte, ob vielleicht Gott der Herr einen neuen Feind des Papstes +oder des Türken erziehen wolle.“[178] + +Als Hans Löser zur Taufe kam, hat ihn Luther also empfangen: „Gott sei +Dank! Ich werde nicht ermangeln, Ew. Gestrengen in andern Sachen zu +dienen. Es ist heut ein junger Papst geboren worden; derohalben helfet +doch dem armen Schelm, daß er getauft werde.“ Das Kind wurde im Schlosse +in einem Becken getauft. Hernach hat Luther seinen Gevatter zu Gaste +geladen, da sie denn viel freundliche Diskurse geführt. Luther sagte: +„Ich habe meinen Sohn lassen Paul heißen, denn der hl. Paulus hat uns +viel große Lehren und Sprüche vorgetragen. Gott gebe ihm die Gnaden und +Gaben Pauli. Ich will, so Gott will, alle meine Söhne von mir thun: der +Lust zum Krieg hat, den will ich zu Hans Löser thun; der Lust zu +studieren hat, zu Jonas und Philipp; der Lust zur Arbeit hat, den will +ich zum Bauern thun“[179]. + +Als eine Art Nachkömmling wurde das um Weihnachten 1534 geborene jüngste +Kind angesehen, das nach Luthers (1531) verstorbenen Mutter Margareta +genannt wurde. Wenigstens sah der Vater voraus, daß er nicht so alt +werden würde, um sie zu versorgen. Darum schrieb er auch, als sie erst +vier Jahr alt war, ihrem Paten, dem Pfarrer Probst in Bremen: „Es grüßet +Euch meine Frau Käthe und Euer Patchen, mein Töchterlein Margaretchen, +der Ihr nach meinem Tode für einen feinen frommen Mann sorgen sollt. Ihr +habt sie zum Patchen gewählt, Euch befehle ich sie auch.“ Ein anderer, +sehr hoher Pate war der Fürst Joachim von Anhalt, der Luther das +„christliche Amt geistlicher Vaterschaft“ angetragen hatte und auch +übernahm[180]. + +Frau Käthe mußte die Kinder oft ihrem Vater bringen, auch ins +Studierzimmer, da koste er mit ihnen und machte seine sinnigen +Bemerkungen über Kindesnatur und Kindesleben; das zeige uns, wie's im +Paradies war und wie's im Gottesreich sein sollte. Der Vater schaute +aber auch mit Wohlgefallen zu, wie seine Käthe so freundlich mit ihrem +Martinchen redete und so viel Geduld und Erbarmen mit allen Kindern +hatte. Luther unterhielt sich mit ihnen übers Christkind, sah zu, wie +Martinchen eine Puppe als Braut schmückte und beschützte, freute sich, +wenn die Kinder sich zankten und schnell vertrugen als über ein Sinnbild +der Sündenvergebung der Gotteskinder; er sah, wie die Kinder um den +Tisch saßen und in freudiger Erwartung auf Pfirsiche und Birnen sahen, +die darauf lagen, oder den Ast Kirschen, den ihnen Jonas gebracht, und +sagte: „Wer da sehen will das Bild eines, der sich in Hoffnung freuet, +der hat hier ein rechtes Konterfei. Ach daß wir den jüngsten Tag so +fröhlich in Hoffnung könnten ansehen!“ Sein herziger Märchenbrief an +sein liebes Söhnichen von der Koburg, ist das schönste Zeugnis eines +kinderfreundlichen Gemütes. Von Koburg aus besorgte Luther seinem Haus +ein groß schön Buch von Zucker aus dem schönen (Märchen-)Garten in +Nürnberg. Auch sonst bringt er seinen Kindern von seinen Reisen immer +„Jahrmarkt“ mit. Regelmäßig auch sendet er aus der Ferne Grüße und Küsse +an Hänschen und Lenchen[181]. + +Die Gespielen der Lutherischen Kleinen waren Melanchthons und Jonas' +Kinder („Lippus“ und „Jost“ im Märchenbrief). Der Spielplatz war der +große Klosterhof; da tummelten sie ihre Steckenpferde und schossen mit +Armbrüsten, lärmten mit Pfeifen und Trommeln, tanzten oder „sprangen der +Kleider und des Baretts“; auch ein Hündlein durften die Kinder halten. +Später richtete der Vater Luther für sie und die andern jungen +Hausgenossen auch einen Kegelplan ein und sah zu, wie sie sich vermaßen, +zwölf Kegel zu treffen, wo doch nur neun auf dem „Boßleich“ standen, und +schließlich froh waren, eine nicht zu fehlen. Ja, er selbst maß sich hie +und da als ein Meister des Spiels mit ihnen, „schub einmal die Kegel +umbwärts, das andere Mal seitwärts oder über Eck“[182]. + +Aber Luther betete auch täglich den Katechismus mit seinem Sohn Hansen +und seinem Töchterlein Magdalene und die Kinder selbst mußten „bei Tisch +beten und herlesen“; und auch sonst waren sie von Vater und Mutter +angehalten zum Gebet für die Gönner und Schützer der Reformation, für +das Heil der Kirche und des Vaterlands. Martin und Paul hatten des +Vaters musikalische Anlagen geerbt und mußten nach der Mahlzeit — allein +oder mit andern — die liturgischen Gesänge der jeweiligen Kirchenzeit +vortragen. Auch die kleine Margarete lernte mit fünf Jahren schon mit +schöner Stimme singen: „Kommt her zu mir alle“ und anderes[183]. + +In ihren Kindern sahen die Eltern ihr höchstes Glück und ihren +schönsten Schatz. „Kinder binden, sie sind ein Band der Ehe und Liebe“, +pflegte Luther zu sagen. Er fand in ihnen seinen Trost und seine +Erholung von seinen Welt- und Kirchensorgen. „Ich bin zufrieden; ich +habe drei eheliche Kinder, die kein papistischer Theolog hat, und die +drei Kinder sind drei Königreiche, die habe ich ehrlicher und erblicher +denn Ferdinandus Ungarn, Böhmen und das römische Reich“[184]. + +Freilich, was für den Vater in seinen Mußestunden und bei Tisch eine +Freude und Erholung war, das brachte der Mutter Arbeit, Sorge und +Schmerzen. Es war doch keine Kleinigkeit für die vielbeschäftigte +Hausfrau in acht Jahren sechs kleine Kinder zu haben, zu pflegen und zu +erziehen — denn auf ihr lag doch das Hauptgeschäft der Erziehung. Und +ihr Gatte sah das ein und bemerkte einmal, daß nur unser Herrgott sich +von seinen Menschenkindern mehr gefallen lassen müsse als eine +Mutter[185]. + +Da war es denn ein großer Segen, daß Frau Käthe in ihrem Hause eine +Stütze fand an ihrer Tante, _Magdalene von Bora_. + +Diese war bald nach ihrer Nichte selber aus Nimbschen entwichen und +wohnte jetzt im schwarzen Kloster in einem besonderen Stüblein. Sie war +als „Muhme Lene“ der gute Hausgeist, die echte und rechte Kindertante in +der Lutherischen Familie. Als Siechenmeisterin hat sie sich ja zum +Warten und Pflegen schon im Kloster ausgebildet. Und so wartete und +hütete sie die kleinen Großneffen und Großnichten, spielte und betete +mit ihnen, verwöhnte sie auch wohl und vertuschte ihre bösen Streiche, +pflegte sie in den Kinderkrankheiten und war auch für Frau Käthe in +ihren Kindbetten und Krankheiten die sorgsame Pflegerin und Lehrerin. +Luther will in dem Märchenbrief von der Koburg an sein Söhnchen Hans die +„Muhme Lene“ auch mitbringen lassen in den schönen Wundergarten und läßt +sie grüßen und ihr einen Kuß „von meinetwegen“ geben; und auch sonst +sendet er Muhme Lene seine Grüße[186]. + +Zu den eigenen Kindern im Lutherischen Hause kamen bald andere. Zunächst +Verwandte, Neffen und Nichten, dann aber Kinder von Freunden und +Bekannten, und endlich fremde Kostgänger. + +Der erste war Cyriak Kaufmann, der Sohn einer Schwester Luthers; er kam +als Studiosus nach Wittenberg und wurde am 22. November 1529 +immatrikuliert. Er begleitete 1530 seinen Oheim auf die Koburg und +dieser schickte ihn im August nach Augsburg, daß er sich in der großen +Stadt einmal das Treiben eines Reichstags ansehe; dann mußte er wieder +zu seinen Studien nach Wittenberg; auf der Heimreise brachte er von +Nürnberg den Lebkuchen für seinen kleinen Vetter Hans Luther mit[187]. + +Luthers Schwager und Schwester Kaufmann starben früh und so kamen +allmählich alle fünf Waisen derselben zu ihrem Oheim nach Wittenberg, +außer dem genannten Cyriak noch seine jungen Geschwister, die Brüder +Fabian und Andreas, welche 1533 am 8. Juni frühzeitig mit dem erst +siebenjährigen Hans Luther zu Wittenberg als akademische Bürger +eingeschrieben wurden, und die Schwestern Lene und Else. Es war keine +Kleinigkeit, fünf elternlosen Kindern Vater und besonders Mutter zu +sein, zumal, da sie nicht alle wohlgeraten waren und namentlich Lene +Sorge machte, so daß Luther einmal erklärte, wenn sie nicht gut thun +wolle, werde er sie einem schwarzen Hüttenknecht (Bergmann) geben, statt +einen frommen und gelehrten Mann mit ihr betrügen. — Schließlich kam zu +den zwei Nichten noch eine kleine Großnichte, Anna Strauß, die Enkelin +einer Schwester Luthers[188]. + +Mit Cyriak Kaufmann war ein andrer Schwestersohn, Hans Polner, als +Student ins Haus gekommen, der an Peter Weller anbefohlen wurde. Aber +Frau Katharina war aufgetragen zuzusehen, „daß er sich gehorsamlich +halte“, und auch sonst mußte sie für ihn sorgen. Dieser Polner wartete +als Famulus dem Doktor auf, studierte Theologie und predigte einmal in +der Pfarrkirche; die Doktorin meinte, den hätte sie viel besser +verstehen können, als D. Pommer, welcher sonst von dem Thema weit +abweiche und andre Dinge in seine Predigt mit einführe, oder, wie Jonas +sich ausdrückte, unterwegs manchen Landsknecht anspreche[189]. + +Noch ein Neffe Luthers, seines Lieblings-Bruders Jakob Sohn, Martin, +wurde später zur Erziehung der Doktorsfamilie übergeben und 1539 an der +Universität eingeschrieben; ebenso Florian von Bora, der Sohn von Käthes +ältestem Bruder. Martin und Florian wurden zusammen mit den Kindern +Luthers unterrichtet. Einer der Neffen sollte einmal zu Camerarius auf +die Schule kommen; später kam Florian mit Hans nach Torgau[190]. + +Schließlich wurden dem Lutherischen Hause noch allerlei Schüler und +angehende Studenten anvertraut, welche in dem Kloster wohnten, aßen und +unterrichtet wurden. + +Für die eigenen und fremden Kinder wurden nun, bei der großen +anderweiten Inanspruchnahme Luthers, „allerlei Zuchtmeister und +Präzeptoren“ nötig: ältere Studenten, junge Magister, auch Leute von +gesetztem Alter, welche noch einmal die Universität bezogen, um ihre +Kenntnisse zu erweitern oder die neue evangelische Theologie zu +studieren. Sie waren in Luthers Familie Hausgenossen und Tischgesellen, +unterstützten auch etwa Luther in seinen Arbeiten, ja auch (wie z.B. +Neuheller) Frau Käthe in der Wirtschaft und Aufsicht über das Gesinde. + +So waren nach und neben einander im Hause als „Schulmeister“ und Luthers +Gehülfen die Nürnberger Veit Dietrich (1529-34) und Besold (1537-42), +Cordatus (1528-31), die Freiberger Hieronymus und Peter Kelter (1530), +Joh. Schlaginhaufen (1531-32), Jodocus Neuheller (Neobulus) (1537-38) +aus Lauterburg, Jakobus Lauterbach (1536-39), Schiefer (1539-41), ein +Franziskus und zuletzt Rutfeld (1546). Diese Präzeptoren hatten sogar +oft wieder ihre eigenen Zöglinge, welche mit im schwarzen Kloster +wohnten und aßen oder auch nur dort unterrichtet wurden. Der Unterricht +begann oft in sehr frühen Jahren: der junge Hans Luther mußte schon mit +vier Jahren tüchtig „lernen“, hauptsächlich wohl lateinisch sprechen — +wie es heute mit dem Französischen geschieht. + +Außer den Magistern hatte Luther noch Famuli, nicht nur seinen +lebenslänglichen Diener Wolf, sondern auch andere, wie der „fromme +Gesell“, welcher „etliche Jahre treulich, fleißig und demütig gedienet +hat und altes gethan und gelitten“ und 1532 wegzog. Der Famulus diente +bei Tisch, schenkte ein, besorgte Gartengeschäfte, machte Ausgänge, +schrieb auch für Frau Käthe Briefe[191]. + +Sogar eine Lehrerin wurde nach Wittenberg ins schwarze Kloster berufen: +nämlich im Jahre 1527 hat Luther auch eine Mitschwester Frau Käthe's, +die ehemalige Nonne und Flüchtlingin von Nimbschen, die „ehrbare, +tugendsame Jungfrau Else von Kanitz“ eingeladen auf eine Zeitlang nach +Wittenberg zu kommen. „Denn ich gedacht Euer zu brauchen, junge +Mägdelein zu lehren und durch Euch solch Werk andern zum Exempel +anzufahen. Bei mir sollt Ihr sein zu Hause und zu Tische, daß Ihr keine +Fahr noch Sorge haben sollt. So bitte ich nu, daß Ihr mir solchs nicht +wollt abschlagen.“ Die Kanitz kam aber nicht. Dafür erscheint jetzt ein +Fräulein Margarete von Mochau, wahrscheinlich die Schwester von +Karlstadts Frau, im Klosterhause und wird ihre Stelle vertreten +haben[192]. + +Natürlich fehlte es bei dem großen Haushalt auch an sonstigem Gesinde +nicht und da gab es, wie überall gute und schlechte, dankbare und +undankbare, getreue und ungetreue Dienstboten. Alle aber wurden zur +„Familie“ gerechnet und nahmen an der Hausandacht teil. Und der +abwesende Hausvater verfehlte nicht in seinen Briefen, das „gesamte +Gesinde“ grüßen zu lassen. Aber er ermahnt es auch, daß sie im Haus kein +Aergernis gäben. Oft scherzt er in seinen Briefen über Trägheit und +Bequemlichkeit seiner Dienstleute: so wenn er aus Nürnberg Handwerkszeug +bestellt, welches von selber geht, wenn Wolf schläft oder nachlässig +ist, oder einen Kronleuchter, der sich von selber putzt, damit er nicht +zerbricht oder beschädigt wird von der zornigen oder schläfrigen +Magd[193]. + +Natürlich auch Gäste aller Art verkehrten im Schwarzen Kloster oder +wohnten darin in kürzerem oder längerem Aufenthalt, oft monate-, ja +jahrelang: vertriebene oder stellenlose Prediger, flüchtige Fremde, +entwichene Mönche und Nonnen, Besuche und Festgenossen, „armseliges +Gesindlein“ und fürstliche Damen. + +So beherbergte das Lutherhaus 1525 mehrere adlige Ordensschwestern; 1528 +einige Monate lang sogar die Herzogin Ursula von Münsterberg, Herzog +Georgs eigene Base, die mit zwei getreuen Klosterfrauen dem +Nonnenkloster zu Freiberg entflohen war; und zu Pfingsten 1529 wieder +drei Adelige aus demselben Konvent. Außerdem kamen auch allerlei Mönche, +sogar aus Frankreich, ins Lutherhaus nach Wittenberg, als der +allgemeinen Zufluchtsstätte aller religiös Bedrängten. So hat Herzog +Georg in begreiflichem Zorn, wenn auch mit unwahren Behauptungen, Luther +beschuldigt: „Du hast zu Wittenberg ein Asylum eingerichtet, daß alle +Mönche und Nonnen, so uns unsre Klöster berauben mit Nehmen und +Stehlen, die haben bei Dir Zuflucht und Aufenthalt, als wäre Wittenberg, +höflich zu reden, ein Ganerbenhaus aller Abtrünnigen des Landes“[194]. + +Ja, die Wittenberger Freundinnen des Hauses, Bugenhagens und Dr. A. +Schurfs Frauen, warteten im schwarzen Kloster ihr Wochenbett oder ihre +Krankheit ab[195]. + +Aber auch fürstliche Gäste suchten das gastliche Haus der Luther'schen +Eheleute auf. + +Die Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg hatte sich, besonders durch den +Einfluß ihres evangelisch gesinnten Leibarztes Ratzeberger, der +Reformation zugewandt, während ihr altgläubiger Gemahl Joachim I. streng +darauf sah, daß das Lutherische Gift nicht über die sächsische Grenze +herüberkäme. Da mußte er von seiner 14jährigen Tochter Elisabeth zu +seinem Schrecken erfahren, daß seine eigene Gemahlin im Berliner +Schlosse heimlich das Abendmahl unter beiderlei Gestalt genommen habe. +Er sperrte die Kurfürstin ein; das Gerücht ging, er wolle sie einmauern +lassen. Da entwich sie mit Hilfe ihres königlichen Bruders Christiern, +der damals landflüchtig in Deutschland umherirrte, samt Dr. Ratzeberger +(März 1528) und floh zu ihrem Oheim Kurfürst Johann nach Sachsen. Ihren +Wohnsitz erhielt sie auf Schloß Lichtenberg, hielt sich aber oft in +Wittenberg auf und verkehrte viel im Klosterhause mit Luther und Frau +Käthe; sie stand sogar zu einem der Kinder Gevatter[196]. + +Auch der Fürst Georg von Anhalt wollte im schwarzen Kloster Aufenthalt +nehmen, um Luthers Umgang und Geist recht zu genießen. Aber sein +Vizekanzler mußte ihm davon abraten, da das Haus zu voll sei. + +So wurde „das Haus des Herrn Doktor Luther von einer buntgemischten +Schar studierender Zöglinge, Mädchen, alter Witwen und artiger Kinder +bewohnt. Darum herrschte viel Unruhe darin“[197]. + +Da begreift es sich, daß, als der junge Hans anfangen sollte ernstlich +zu lernen, er der größeren Muße wegen aus dem Hause gethan wurde — +vielleicht nach Torgau. Zu Neujahr 1537 ist der elfjährige Sohn irgendwo +auf der Schule, wo er durch seine „Studien“ und lateinischen Briefe dem +Vater Freude machte. Dieser erlaubt ihm, namentlich auf Bitten von Muhme +Lene, zu den nächsten Fastnachtsferien nach Hause zu kommen zu Mutter +und Muhme, Schwestern und Brüdern[198]. + +Zu allen Haus- und Tischgenossen im Kloster kamen nun noch die täglichen +Besuche und Gäste von Bekannten, Freunden, Verwandten, Amtsgenossen und +Mitbürgern: so aus der Ferne die Geistlichen Amsdorf und Spalatin, +Hausmann und Link, die Hofherren und Ritter Taubenheim und Löser, Bruder +Jakob oder Schwager Rühel von Mansfeld, Käthes Bruder Hans, Abgesandte +aus aller Herren Länder, Staatsmänner und Kirchenbeamte aus England und +Frankreich, aus Skandinavien und Böhmen, Ungarn und Venedig; Stadträte +und Bürger von allen sächsischen und deutschen Städten, wandernde +Magister und fahrende Schüler. Aus Wittenberg selbst verkehrten als +liebe und häufige Gäste vor allem Magister Philipp (Melanchthon) und +Frau; die Gärten der beiden Häuser waren nicht weit von einander und — +wie man wenigstens heute erzählt — ein Thürlein zwischen beiden +vermittelte den Verkehr der zwei Familien. Gerngesehene Hausfreunde +waren auch der Propst Jonas und seine Gattin; ferner noch andere +Gevattersleute, der Superintendent Bugenhagen, M. Kreuziger, M. Rörer, +der Buchdrucker Hans Lufft, der Meister Lukas Kranach mit seiner Frau +und der alte Meister Claus Bildenhauer oder „Bildenhain“, wie Sophiele +Jonas ihn zu nennen pflegte, ein wackerer Künstler, der auch manchmal zu +Tische war; von ihm kaufte Luther später einen Garten. Mit ihm, der auch +schon „zu viele Ostereier gegessen“, gedachte Luther gern der guten +alten Zeiten[199]. + +Da wurde denn droben in der Familienstube um den großen Eichentisch oder +unten im Hof unter dem schattigen Birnbaum oder auch wohl vorm +Elsterthor draußen bei dem murmelnden Lutherbrunnen Gesellschaft und +Mahlzeit gehalten und Frau Käthe mußte die Wirtin machen, ihr +treffliches Hausbräu aufsetzen und auch zu den Kosten der Unterhaltung +ihr Scherflein beitragen. + + + + +8. Kapitel + +Katharinas Haushalt und Wirtschaft[200]. + + +Für eine so zahlreiche Haus- und Tischgenossenschaft galt es eine Menge +Gemächer zu beschaffen und auszustatten; es mußte Küche und Keller in +großem Maßstabe in stand gesetzt werden; es war nötig, Stall und Garten +zu besorgen; es war erforderlich Markt und Einkauf, Rechnung und +Vermögensverwaltung zu verstehen; und endlich zur Regierung eines so +umfangreichen Hauswesens mit seinen vielen und vielerlei Gliedern, +Tischgängern und Hofmeistern, Kindern und Gesinde galt es eine weise +Umsicht, aber auch ein strammes Herrschaftstalent zu entfalten. + +Das alles fiel nun der Hausfrau anheim. Denn es wäre unmöglich gewesen, +daß Luther neben den gewaltigen Arbeiten seines Berufs als Prediger, +Seelsorger, Professor, Ratgeber für einzelne Personen wie ganze Städte +und Länder, als Reformator nicht nur Deutschlands, sondern der halben +Christenheit sich um die Hauswirtschaft kümmern konnte, namentlich eine +so umfangreiche, die allein schon eine ganze Menschenkraft +erforderte[201]. Sodann aber war es des Doktors Anschauung, daß in Haus +und Wirtschaft die Frau zu walten und zu regieren habe: „Das Weib habe +das Regiment im Hause, ohnbeschadet des Mannes Recht und Gerechtigkeit; +dafür ist es geschaffen. Denn das ist wahr, die häuslichen Sachen, was +das Hausregiment betrifft, da sind die Weiber geschickter und beredter +als wir.“ „Ich bin zur Haushaltung sehr ungeschickt und fahrlässig. Ich +kann mich in das Haushalten nicht richten. Ich werde von meinem großen +Hauswesen erdrückt.“ Vor so etwas hatte er sich schon als Junggesell +gefürchtet. 1523 sagte er: „Nimmst Du ein Weib, so ist der erste Stoß: +wie willt Du nun Dich, Dein Weib und Kind ernähren? Und das währet Dein +Lebenlang; beim ersten Kind denken die Eltern daran, ein Haus zu bauen, +Vermögen zu erwerben und die Nachkommenschaft zu versorgen“[202]. +Andererseits aber war auch Frau Käthe so veranlagt und gewillt, daß sie +dies Regiment gerne führte und ihrem Gatten alles das fernhalten wollte, +was ihn in seiner Wirksamkeit hindern und stören konnte. Und Luther ließ +sich das gerne gefallen. „Meine Frau kann mich überreden, wie oft sie +will, denn sie hat die ganze Herrschaft allein in ihrer Hand, und ich +gestehe ihr auch gerne die gesamte Hauswirtschaft zu“[203]. + +So richtete nun Katharina zunächst das Haus her und ein, und der +Kurfürst und die Stadt Wittenberg, die Freunde des Hauses und die Eltern +der Kostgänger stifteten dazu mancherlei Baubedarf und Geräte. + +Das schwarze Kloster war 1502 von Staupitz mit Unterstützung des +Kurfürsten gebaut, aber nur zu einem Drittel vollendet worden. Die +Kirche war nur angefangen, die Wirtschaftsgebäude kaum vorhanden. +Eigentlich war nur das sog. Schlafhaus (dormitorium), die früheren +Wohnräume der Mönche fertig, die für 40 Menschen reichten. Aber die +Zellen — meist im dritten Stock — waren zahlreich, dagegen klein, und +daher mußte wohl manche Wand durchgebrochen und manche auch aufgerichtet +werden. Auf der Gartenseite war ein größerer Saal (jetzt die Aula) und +ein kleinerer, welche beide von Luther zu Vorlesungen und Hausandachten +benutzt wurden. Ein Zimmer daneben hatte oder erhielt eine Thüre in +Luthers Studierstube. Im oberen Stock wurden die Gelasse zu Gastzimmern +für die mancherlei Hausgenossen benutzt. + +Das Erdgeschoß hatte Frau Käthe zu Wirtschaftsräumen eingerichtet und +zum leichteren Verkehr mit dem Oberstock eine Treppe in das Zimmer neben +das Schlafgemach führen lassen. + +Im Jahre 1539 auf 40 erfreute Frau Käthe ihren Gatten mit einem sinnigen +Geschenk: aus Pirna ließ sie — durch den dortigen Pfarrer Lauterbach — +eine schöngearbeitete Pforte aus weißem Sandstein kommen, einen +Spitzbogen mit hübschen Stäben; auf der einen Seite Luthers Brustbild, +auf der anderen sein Wappen, die weiße Rose mit dem roten Herzen und +schwarzen Kreuz darin, vom goldenen Ring der Ewigkeit umfaßt, und die +lateinische Inschrift: „Im Stillesein und Hoffen ruht meine Stärke.“ Auf +beiden Seiten der Thüre waren zwei Sitze angebracht zum Ausruhen am +Feierabend[204]. + +Der Klosterhof war gegen die Straße mit einem Zaun abgeschlossen; +später kamen an das Thor zwei Buden, wohl für die Bewachung des Anwesens +in der unruhigen und gefährlichen Zeit des Festungsbaues, wo die +Stadtmauern am Elsterthor abgerissen und die Stadt allem Gesindel +geöffnet war[205]. + +An der Westseite des Hofes wurden nun allerlei Wirtschaftsgebäude +errichtet. + +Eine Braustube war schon im Kloster vorhanden; denn der Kurfürst hatte +diesem die Braugerechtigkeit für 12 „Gebräude“ verliehen; diese ging auf +den neuen Besitzer über und wurde von Frau Käthe selbst ausgeübt. Das +war ein großer Vorteil für den starken Haushalt; denn das Bier war in +Wittenberg auffällig teuer: die Kanne kostete drei Pfennige. Aber die +Herstellung des Brauhauses und die Geräte kosteten 150 fl. Eine +Badestube mit Wanne und Ständer baute sie nun auch und D. Lauterbach +mußte ihr das Baumaterial dazu besorgen. Auch allerlei Viehställe ließ +sie errichten und hielt Pferde, Kühe und namentlich Schweine, um +Arbeitskräfte, Milch und Fleisch für den Hausbedarf zu haben: Schon 1527 +hatte man einen Stall voll Schweine, mehr als fünf Stück; 1542 waren es +zehn und drei Ferkel, so daß ein eigener Schweinehirt gehalten werden +mußte; ferner hatte Käthe mehrere Pferde, fünf Kühe, neun Kälber und +eine Ziege mit zwei Zicklein. Ein Hühnerhof lieferte die nötigen Eier. +Endlich wurden auch noch einige Keller ausgebessert oder neu angelegt, +so der Weinkeller, der neue Keller und der große Keller. Bei der +Besichtigung des letzteren kam das Ehepaar fast um's Leben, denn das +Gewölbe stürzte hinter ihnen ein, gerade als sie es besichtigt und eben +herausgetreten waren[206]. + +Im Laufe der Zeiten wurden in dem halbfertigen Hause gar mancherlei +Reparaturen nötig und ebenso allerlei Neubauten. So erhielten Johann +Crafft und M. Plato ihre Stübchen, auch der Sohn Hans, als er +herangewachsen war; Muhme Lene hatte ihr Stüblein mit Kammer und +Schornstein — jedes kostete 5 fl. herzurichten. Die obere Stube und +Kammer kam aber auf 100 fl. zu stehen und die untere auf 40 fl. Außer +dem großen Keller, der (mit dem „Schaden“ beim Einsturz) auf 130 fl. +gekommen war, wurde noch der neue Keller für 50 fl. gebaut und ein +Weinkeller für 10 fl. eingerichtet. Endlich wurde noch ein „new Haus“ +gebaut, welches 400 fl. kostete. Die Treppe mußte zweimal hergestellt +werden und das Dach öfters geflickt[207]. + +Dazu brauchte es manches Tausend Dachsteine (Ziegel) und Backsteine, +auch nicht wenige Tonnen und Wagen Kalk, besonders in den Baujahren +1535-39: 280 Wagen Kalk und 12500 Mauersteine und 1300 Dachsteine und +wieder von beiden Arten zusammen 2600. Freilich, das Tausend +„Dachsteine“ kostete nur 40 Groschen, Mauersteine 57 Groschen und der +Wagen Kalk nur 4-5 Groschen. Das lieferte die Stadt, aus der eigenen +Brennerei. Luther machte sie bezahlt durch seine Dienste (unentgeltliche +Predigt und Seelsorge u.a.) und durch Abtretung von Boden an seinem +Klosterhof. Im Jahre 1542 hatte Luther allein 1155 fl. verbaut[208]. + +Später erlebte man im Lutherhause schweren Ärger durch den neuen +Festungsbau. Der Zeugmeister Friedrich von der Grüne war den Lutherschen +offenbar nicht grün. Er verschüttete nicht nur — mit Luthers Bewilligung +— das untere Gemach, sondern auch ohne Not und Zustimmung das mittlere, +verderbte das Brauthor, bedrohte die Gartenmauer und die Erdmauer am +hinteren neuen Haus. Und wie der Herr, so machten's die Knechte: die +Deichknechte warfen Fenster ein und trieben sonst noch allerlei +Mutwillen. Luther fürchtete sogar für seine geliebte Studierstube, darin +er so viele schwere Stunden mit Studieren und Anfechtungen erlebt, +„daraus er den Papst gestürmet“ und seine wunderbaren Schriftwerke und +Episteln in die Welt gesandt. Da mußte der Doktor einen gar zornigen +Brief an den Zeugmeister schicken, der wahrscheinlich seinen Eindruck +nicht verfehlte[209]. + +Im Hof, dem ehemaligen Spitalkirchhof, waren die Fundamente der Kirche +angelegt, aber nur der Erde gleichgebracht. Mitten in diesen Fundamenten +stand eine alte Kapelle „von Holz gebaut und mit Lehm beklebt; diese war +sehr baufällig, war gestützt auf allen Seiten. Es war bei 30 Schuhen +lang und 20 breit, hatte ein klein alt rostig Vorkirchlein, darauf 20 +Menschen kaum mit Not stehen konnten. An der Wand gegen Mittag, war ein +Predigtstuhl von alten Brettern, die ungehobelt, ein Predigtstühlchen +gemacht, etwa 1-1/2 Ellen hoch von der Erde, worauf Luther einst +gepredigt hatte. In Summa, es hatte allenthalben das Ansehen, wie die +Maler den Stall malen zu Bethlehem, darinnen Christus geboren worden.“ +Erst im Jahre 1542 fiel es der Befestigung zum Opfer; Luther „murrte +ärger darüber als Jona über die verdorrte Kürbisstaude“[210]. + +Der Hof war mit einem Bretterverschlag gegen die Straße abgeschlossen +und wie der Kirchhof mit Bäumen bepflanzt. Darin liefen Hühner, Gänse, +Enten, Tauben; Singvögel nisteten im Gebüsch, Spatzen flogen zu und +wurden von einem Hündlein gescheucht[211]. + +Sonst diente er zum Tummelplatz der Kinder, zum Spielplatz und +Kegelschieben. + +Zur Ausstattung des großen Haushaltes mußte gar viel angeschafft und +geschenkt werden. + +Von der Klosterzeit waren noch einige Sachen da: zinnerne Gefäße und +Küchen- und Gartengeräte als Schüsseln, Bratspieße, Schaufeln, freilich +recht verbraucht und schadhaft, keine 20 fl. wert. Das mußte bald +ergänzt und ersetzt werden. So auch der wurmstichige Kasten Dr. +Zwillings in Torgau. Dieser bot einen andern an; Frau Käthe wundert sich +über den hohen Preis, den er kosten solle: 4 Florin, erkundigt sich, ob +er „reinlich“ sei, mit einem „Sedel“ (Sitzkasten) „für leinen Gerät +darin zu legen, da nicht Eisen durchgeschlagen das Leinen eisenmalich +macht“; sonst wollte sie sich einen in Wittenberg machen lassen. Einen +„Schatzkasten“ hatte das Ehepaar bereits, nur war er „wohl tausendmal zu +weit“ für ihren Schatz; 1532 hatten sie nur einen einzigen Becher. Doch +füllte sich der Schrein allmählich mit silbernen Bechern, Ringen, +Denkmünzen und andern Kleinodien. Auch geerbt hatten sie einen fast zu +köstlichen Pokal, den der Augsburger Bürger Hans Honold dem großen +Doktor vermachte. Von Nürnberg schenkte der evangelische Abt Friedrich +eine kunstreiche Uhr, die das Lutherische Ehepaar gebührend bewunderte; +1529 kam eine zweite (von Link) und 1542 eine dritte dazu. 1536 +schickten die Ältesten der Mährischen Brüder ein Dutzend böhmische +Messer[212]. + +Eine ständige Ausgabe machten die Anschaffungen für Leinwand, Betten, +Federn, Leuchter in die Schlafkammern; für zinnerne Kannen, Schüsseln, +Teller, Becken, Kesseln, Pfannen in die Küche; für Schaufeln, +Grabscheite, Gabeln, „Schupen“, Mulden, Radbarn (Schubkarren) in den +Garten; für Fässer, „Gelten“ (niedere Kübel), Eimer in Keller und +Waschküche; für Geschirr und Wagen zum Fuhrwerk[213]. + +Das Klosterhaus war bisher zwar im thatsächlichen Besitze Luthers; aber +eine förmliche Verschreibung hatte er nicht, nur durch mündliche +Abmachung war das Gebäude mit seinen Gerechtigkeiten ihm vom Kurfürsten +überlassen. Diesem hatte es Luther, der letzte Mönch des Wittenberger +Augustinerkonvents, als dem jüngsten Erben zur Verfügung gestellt. +Nunmehr aber betätigte der ihm so wohlgewogene Kurfürst Johann vor +seinem Tode der Lutherschen Familie den Besitz des Anwesens +vorbehaltlich des Vorkaufsrechtes für Staat und Stadt in einer +förmlichen Verschreibung. Die Urkunde besagt[214]: + +„Von Gottes Gnaden Wir Johann Herzog von Sachsen thun kund männiglich: + +Nachdem der ehrwürdig und hochgelahrte unser lieber andächtige Herr M. +Luther D. aus sonderlicher Gnad und Schickung Gottes sich fast vom +Anfang bei unser Universität zu Wittenberg mit Lesen in der heiligen +Schrift, Predigen, Ausbreitung und Verkündung des heiligen Evangelii +u.s.w. bemüht, so haben Wir in Erwägung des alles und aus unser +selbsteigenen Bewegnis unersucht obgen. D.M. Luther, Katharin seinem +ehelichen Weib und ihrer beider Leibeserben die neu Behausung in unserer +Stadt Wittenberg, welche hievor das „Schwarze Kloster“ genannt war, +darinnen D. Martinus seither gewohnt, mit seinem Begriff und Umfang samt +dem Garten und Hof zu einem _rechten freien Erbe_ verschrieben und sie +damit begabt und begnadet als ihr _Eigen_ und _Gut_.... Geben auch +vielgenanntem Doktor und seiner ehelichen Hausfrau aus sonderlichen +Gnaden diese _Freiheiten_, daß sie zu ihrer beider Lebtag aller +bürgerlichen Bürden und Last derselben frei sein, also daß sie keinen +Schoß noch andre Pflicht wie Wachen und dgl. davon sollen thun und mögen +gleichwohl brauen, mälzen, schänken, Vieh halten und andere bürgerliche +Handtirung treiben. + +... Zu Urkund ... + +Torgau, 4. Febr. 1532.“ + +„Es war Wittenberg bis daher eine arme, unansehnliche Stadt mit kleinen +alten häßlichen, niedrigen hölzernen Häuslein, einem alten Dorfe +ähnlicher als einer Stadt. Aber um diese Zeit kamen Leute aus aller +Welt, die da sehen, hören und etliche studieren wollten.“ Da wurde nun +freilich gebaut und gebessert. Aber in dem kleinen Städtchen mit seinen +paar tausend Einwohnern und ebensoviel Studenten waren die alltäglichen +Bedürfnisse nicht gar leicht zu bekommen. Melanchthon schon beklagte +sich bei seiner Uebersiedlung nach Wittenberg, daß da nichts Rechtes zu +bekommen sei und Luther schreibt selbst: „Es ist unser Markt ein Dr. +...“ Dazu war es teuer genug. Und so mußte Frau Luther nicht nur einen +Kasten, einen Pelzrock für die kleine Margarete nach angegebenem Maß von +auswärts bestellen, sondern allerlei Bedürfnisse, Sämereien, Stecklinge, +sogar Borsdorfer Aepfel, ja Butter und Käse mußte sie von weither aus +Pirna durch den dortigen Pfarrer Lauterbach oder von Erfurt und Nürnberg +kommen lassen[215]. + +Als Käthe für Luthers Großnichte die Hochzeit ausrichten sollte (Januar +1542), mußte ihr Gatte an den Hof nach Dessau um Wildbret schreiben. +„Hie ist wenig zu bekommen, denn die Menge (der Einwohner) und viel mehr +die Aemter und Hoflager haben schier alles aufgefressen, daß weder +Hühner, noch ander Fleisch wohl zu bekommen, daß, wo es fehlet (am +Wildbret) ich mit Würsten und Kaldaunen muß nachfüllen.“ Natürlich mußte +sie auch Mehl kaufen, während Landpfarrer solches zu Kauf anboten, und +Frau Käthe konnte es sehr verdrießen, wenn ein solcher ihr, weil sie die +Frau Doktorin war, für den Scheffel neunthalb Groschen forderte, also +mehr als die Bauern. Und ebenso vermerkte sie übel, daß die Wittenberger +drei Pfennig für ein Kandel Bier begehrten[216]. + +Wie alle Stadtbewohner des Mittelalters, auch die Professoren, Jonas, +Melanchthon u.a.[217], so strebte darum auch Frau Katharina nach +liegenden Gründen; als ehemaliges Edelfräulein und Klosterfrau hatte sie +ohnedies eine besondere Neigung zum Grundbesitz, und auch Luther hatte +seine Freude wenigstens an der Natur und der Landwirtschaft. So hielt +man es auch für die sicherste Anlage und eigentliches Erbe für die +Nachkommen, „Feld und Gut zu hinterlassen“, und auch Frau Käthe „hoffte +zu Gott, er werde ihren Kindern, so sie leben und sich frommlich und +ehrlich halten werden, wohl Erbe bescheren“[218]. Freilich ist der Boden +auf dem rechten Elbufer, wo Wittenberg liegt, wie Luther klagt, drei +Meilen herum, sandige und steinige Heide, so daß bei windigem Wetter +nach dem Witzwort 99 Prozent Landgüter in der Luft herumfliegen. Er +fuhrt den plattdeutschen Spruch im Mund: + + Ländicken, Ländicken + Du bist ein Sändicken! + Wenn ik dik arbeite, + So bist du licht (leicht); + Wenn ik dik egge, + So bist du schlicht; + Wenn ik dik meie (mähe), + So find ich nicht (nichts). + +Ueber diese Wittenberger Gemarkung bemerkte er gegenüber der seiner +Heimat: „In dieser unserer Gegend, welche sandig ist, giebt die Erde in +mittleren Jahren für einen Scheffel 7 bis 8, in Thüringen meist 12 und +mehr“[219]. Dennoch erwarben die Luthers bald mehrere Grundstücke, zwei +Hufen und zwei weitere Gärten. + +Schon 1531 kaufte Käthe einen Garten, wie Luther sagte „nicht für mich, +ja gegen mich“. Es ist wohl derselbe, dessen Kauf sie „mit Thränen“ +durchsetzte, so daß er seinem Freund und ehemaligen Mitbruder Brisger +sein Häuschen nicht abkaufen, ihm auch kein Geld leihen konnte. Dieser +Garten, an der Zahnischen Straße gelegen, wurde, scheint es, später +veräußert; dafür wurde (um 1536) von Claus Bildenhauer für 900 fl. ein +größerer „Baum-Garten“ mit allerlei Gebäulichkeiten und einem +angestrichenen Zaun erworben. Einer dieser Gärten lag vor der Stadt an +dem „Saumarkt“; deshalb adressiert Luther Briefe an die „Saumärkterin“, +„auf dem Saumarkt zu finden“[220]. Hier floß die „Rische Bach“ und +speiste wohl die „Fischteichlein“, welche Frau Käthe mit allerlei +Fischen, sogar mit edlen Forellen besetzte. Am Hause wurde ferner im +selben Jahre (1536) ein Garten mit Bäumen angelegt, der 400 fl. kostete. +Für den Famulus Wolf wurde um 20 fl. ein Gärtlein gekauft, wo er +wahrscheinlich seinen Vogelherd anlegte, mit dem ihn Luther +verschiedentlich neckt. Ferner wurden einige Hufen gekauft am +„Eichenpfuhl“[221]. + +Zwei Jahre vor Luthers Tode kam endlich noch zu Frau Käthes Wirtschaft +um 375 fl. ein Hopfengarten hinzu, der „an der Specke“, einem +Eichwäldchen auf der nahen Gemarkung des Dorfes Lopez, gelegen war, wo +die Studenten gerne lustwandelten und auch manchen Unfug trieben. Aus +diesem Garten gewann die Frau Doktorin ihren Hopfenbedarf für ihr +Klosterbräu[222]. + +So schaltete und waltete Frau Käthe im Haus und in ihren Gärten und +Hufen als „Küchenmeisterin“, „Bäuerin und Gärtnerin“, fuhrwerkte, baute +Aecker, kaufte Vieh, weidete Tiere u.s.f. Besonders verlegte sie sich +mit ihrem Gemahl auf die Obstzucht: Kirschen, Pfirsiche, Nüsse, Apfel, +Birnen erntete die Doktorin. Auch mit Rebbau gab sie sich ab, und ihr +Faktotum Pfarrer Lauterbach mußte ihr aus Pirna dazu die Pfähle, allein +10 Schock d.h. 600 Stück, besorgen; freilich wurde aus den Trauben nicht +Wein bereitet, sondern sie dienten zur Nachkost auf der Tafel. Selbst +mit Feigen- und Maulbeerbäumen versuchte sie sich. Und als Gemüse +pflanzte sie nicht nur die einheimischen: Kraut, Erbsen und Bohnen, +sondern auch Gurken, Kürbisse und Melonen, wozu Link aus Nürnberg die +Samenkerne schickte. Mit Erfurter Riesenrettichen wollte Luther seine +Freunde nicht nur in Erstaunen setzen, sondern sie auch selbst gezogen +haben. Frau Käthe war sehr unglücklich, wenn Ungeziefer ihr das Gemüse +schädigten: „denn Raupen im Kohl und Fliegen in der Suppe — ein sehr +nützlich und lieblich Vieh!“ hieß es da. Aber noch ärger war ihr's, wenn +Studenten, Spatzen und Dohlen ihr in die Gärten einfielen, und ihr +Gemahl hätte gern ein strenges Edikt „gegen die unnützen Sperlinge und +Krähen, Raben und Spechte erlassen, welche alles verderben“[223]. + +In einem der Gärten waren Bienenstöcke, vor welchen der grübelnde Doktor +das wunderbare Treiben der fleißigen Tierlein belauschte, die praktische +Hausfrau aber den süßen Ertrag berechnete für Met, Süßwein und +Honigkuchen. Im großen Garten draußen vor der Stadt, hatte Frau Käthe +ihre Fischteichlein, worin sie Hechte und Schmerle, Kaulbarsche und +Karpfen, sogar Forellen zog und von denen sie bei guter Gelegenheit +etliche „gesotten auf den Tisch brachte und mit großer Lust und Freude +und Danksagung davon aß“, und sie hatte „größere Freude über den wenigen +Fischen, denn mancher Edelmann, wenn er etliche große Teiche und Weiher +fischet und etliche hundert Schock Fische fähet“[224]. + +Mit diesen Gärten waren aber die Gütererwerbungen der Lutherischen +Familie noch nicht abgeschlossen. Zunächst kam ein unwillkommener Erwerb +hinzu, den Luther aus Gefälligkeit übernahm. Es war das kleine Haus +„Bruno“, eine „Bude“ ohne Gerechtigkeiten und Zubehör an Garten, +unmittelbar neben dem Kloster, aber vorn an der Kollegiengasse gelegen. +Das hatte Luthers letzter Klosterbruder Brisger für sich bauen lassen, +dann aber bei seinem Wegzug dem Pfarrer Bruno Brauer zur Verwaltung +gegeben und Luther oft angeboten; dieser konnte es aber wegen anderer +Käufe nicht erwerben, auch forderte Brisger, der von seiner katholisch +gebliebenen Mutter enterbt wurde und, scheint es, in Geldbedrängnis war, +einen zu hohen Preis (440 fl.). Endlich kaufte es Luther als Lehen für +seinen Diener Wolf Sieberger bezw. als Leibgedinge für seine Gattin, +mußte aber den Kaufschilling völlig schuldig bleiben. Der Besitz dieses +Hauses war unwillkommen, weil es erst wieder vermietet werden mußte und +mehr Sorgen als Ertrag brachte; es kostete 250 fl. und mußte noch um 70 +fl. „geflickt“ werden[225]. + +Der Sinn von Frau Käthe stand viel mehr auf landwirtschaftliche +Besitztümer, weil diese ihrer nutzbringenden Thätigkeit mehr +entsprachen. So bekam sie nach einem großem Pachtgut Verlangen, um +daraus ihre großen häuslichen Bedürfnisse zu beschaffen; sie wollte +nicht abhängig sein von den teuren Lieferanten und störrischen Bauern, +welche manchmal eine künstliche Teuerung veranlaßten. So hatte sie schon +1536 ihren Gevatter, den Landrentmeister Hans von Taubenheim, um +Ueberlassung eines günstig gelegenen Gutes, Booß, gebeten, hatte es aber +nicht bekommen. Drei Jahre später fing sie aufs neue Verhandlungen mit +Taubenheim an. Ihr Brief lautet in der ursprünglichen Schreibweise so: + +„Gnad vnd fride yn Christo zuuor, gestrenger, ernuester, lieber herr +geuatter. Euch ist wol wissentlich, wie ich E.g. vngeferlich fur dreyen +jaren gebeten, daß myr das gut „_Booß_“ myt seynen zugehorungen vmb +eynen gewonlichen zynß zu meyner teglichen hawßhaltung wie eynem andern +mochte gelassen werden, als denn auch meyn lieber herr bey doctor +Brug[226] diselbige zeyt deshalben hat angeregt; ist aber dasselbig mal +vorblieben, daß ichs mecht bekommen, vylleycht daß doselbst nicht loß +ist gewesen von seynem herrn, der es vmb den zynß hat ynnen gehabt. Ich +byn aber unterrichtet, wie der kruger von Brato, welcher es dysse zeyt +ynnengehabt, soll iezund solch gut loßgeschrieben haben, wo solchs also +were, ist meine freuntliche bytte an Euch also mynen lieben gevattern, +wollt myr zw solchem gut fodderlich seyn vmb denselbigen zynß, ßo eyn +ander gybt, wyll ichs von herczen gerne annehmen vnd die zynße deglich +an zwen orth vberychen. Bitte gancz freuntlich, e.g. wolde myr Ewer +gemueth wyder schreyben vnd das beste rathen yn dyssem fall vnd +anzceygen, wo ich etwas hyrin vnbyllichs begert vnd woldet denen nicht +stadgeben myt yrem argkwone, alß ßolde ich solchs gut fur mich odder +meyne kinder erblich begeren, welche gedanken yn meyn hercz nie kommen +synd. Hoffe zu gott, er werde meynen kindern, ßo sie leben vnd sich +fromlich vnd ehrlich halten wurden, wol erbe beschern, bytte alleyne, +das myrs ein jar odder zwey vmb eynen zymlichen geburlichen zynß mochte +gelassen werden, damyt ich meyne haushaltung vnd vyhe deste bek(w)emer +erhalten mochte, weyl man alles alhier vfs tewerst kewfen muß vnd myr +solcher ort, der nahe gelegen, ßer nuezlich seyn mochte. Ich habe meynen +lieben herrn iczt yn dvßer sachen nicht wollen beschweren, an Euch +zuschreyben, der sunst vyl zu schaffen, ist auch on noth, daß E.g. +solchs meyn antragen ferrer an ymandes odder an m. g'sten herrn wolde +gelangen lassen, ßunder ßo Ir solche myne bytte fur byllich erkennet, +daß Irs myt dem schoßzer zw Seyda bestellen wolt, daß myr solch gut vmb +eynen geburlichen zynß wie eynen andern mochte eyngethan werden. Domyt +seyet gott bepholen. Gegeben zu Wyttembergk, Montag nach Jubilate ym +1539. jhare. + +Catherina Lutherynu“[227]. + +Wiederum wurde aus der Pacht nichts. Dagegen kam Frau Käthe im folgenden +Jahre unverhofft zu einem eigenen Hofgut, das sogar ihr persönlich als +Leibgeding gehörte und ihr um so werter sein mußte, als es der letzte +Rest von dem Erbgut der Bora war, welches sonst der Familie anscheinend +vollständig abhanden gekommen war. + +Es war das Gütchen Zulsdorf, das ihr Bruder Hans vor sieben Jahren +übernommen hatte, aber trotz der Mitgift der Witwe Apollonia von +Seidewitz, die er geheiratet hatte, nicht halten konnte, oder das zu +gering war, um ihn selbst zu ernähren. Es war freilich weitab von +Wittenberg gelegen, wohl zwei Tagereisen; aber es zog sie doch hin nach +dieser ihrer mutmaßlichen einstigen Heimat und ihrem künftigen +Witwensitz. So wurde Frau Käthe die Nachbarin von Amsdorf, dem Bischof +von Naumburg, dem sie jetzt ihren Gruß entbietet als „gnädigem Nachbar +und Gevatter“. Ihr Gemahl that alles, „um die neue Königin würdig in ihr +Reich einzusetzen“ und titulierte sie seitdem als die „Zulsdorferin“, +„die gnädige Frau von Zulsdorf“, oder „Ihro Gnaden Frau von Bora und +Zulsdorf“[228]. + +Hier in ihrem, „neuen Königreich“ und Sondereigentum konnte ihr +unternehmender thatkräftiger Geist so recht nach Behagen schalten und +walten und ein Neues pflügen und schaffen. Denn das Gütchen war +verlottert, das Land eine „wüste Mark“, die Gebäulichkeiten baufällig. +Sie riß nieder, baute, besserte, fuhrwerkte und nahm dabei, wie gewohnt, +auch die Hilfe der Freunde ihres Hauses in Anspruch: der Herr von Ende +mußte ihr Hafer und Saatkorn liefern, der von Einsiedel Wagen stellen, +Spalatin ihre Fuhrleute beherbergen. Sie steckte viel Geld hinein, der +Kurfürst gab ihr Eichenbalken und anderes Holz und 600 fl. +„Begnadigung“, aber auch das reichte zum Schmerze Käthes nicht für +Reparatur und Zustandhaltung des heruntergekommenen Anwesens, so daß +Luther im ersten Jahr schreibt: „Sie verschwendet in diesem Jahr dort, +was erzeugt wurde“[229]. + +Dabei hatte die Doktorin allerlei Aerger und Mißgeschick: die +Eichenstämme, die ihr der Kurfürst aus dem Altenburger Forst angewiesen +und die Luther selbst ausgesucht hatte, ließ sie fällen, um sie in +Bretter schneiden zu lassen für ein Scheunlein. Als sie aber mit ihrem +Fuhrwerk kam, die Bäume abzuholen, waren sie vom Amtmann verkauft oder +unterschlagen. Und es mußte geklagt, von neuem petitioniert und +verhandelt werden, bis wieder Holz angewiesen war und Käthe die Fuhren +besorgen konnte. Weitere Unannehmlichkeiten erlebte die Gutsbesitzerin +mit den Anliegern von Zulsdorf, den Kieritzscher Bauern, welche ihr das +Weiderecht beeinträchtigten. So hatte sie im Jahre 1541 monatelang vorm +Amtmann Heinrich von Einsiedel zu Borna mit denen von Kieritzsch zu +prozessieren. Das Urteil des Kurfürsten fiel günstig für die +Lutherischen aus; sie „hätten in der Güte wohl mehr um Friedens und +guter Nachbarschaft willen eingeräumt“[230]. + +Trotzdem verleidete der Doktorin der Besitz nicht. Wochenlang, +namentlich wenn Luther verreist war, hielt sich Frau Käthe in ihrem +neuen Besitztum auf, so daß ihr der Gemahl manche Epistel dahin +schreiben mußte. So im Herbst (13. September) 1541, wo sie vielleicht +mit einigen Kindern Obsternte dort hielt. Da schreibt er: „Meiner lieben +Hausfrauen Käthe Ludern von Bora zuhanden. + +G.u.F.! Liebe Käthe! Ich lasse hiermit Urban zu Dir laufen, auf daß Du +nicht erschrecken sollst, ob ein Geschrei vom Türken zu Dir kommen +würde. Und mich wundert, daß Du so gar nichts her schreibst oder +entbeutst, so Du wohl weißt, daß wir hie nicht ohne Sorge sind für euch, +weil Mainz, Heinz und viel vom Adel in Meißen uns sehr feind sind. +Verkaufe und bestelle, was Du kannst, und komme heim. Denn als mich's +ansieht, so will's Dreck regnen, und unsre Sünde will Gott heimsuchen +durch seines Zornes Willen. Hiemit Gott befohlen, Amen. + +Sonntags nach Lamperti 1541. + +M. LutheR“[231]. + +Ja noch zu Wittenberg war Käthe mit ihren Gedanken oft abwesend auf +ihrem Lieblingssitz, so daß ihr Gemahl adressiert: „Der reichen Frauen +zu Zulsdorf, Frauen Doktorin Katharin Lutherin, zu Wittenberg leiblich +wohnhaftig und zu Zulsdorf geistlich wandelnd, meinem Liebchen.“ Auch +Luther hielt sich manchmal in dem stillen Oertlein zur Erholung auf und +sendet von hier Briefe und Grüße „von meinem Käthe und Herrn zu +Zulsdorf“[232]. + +Wohl weil Zulsdorf zu weit abgelegen und zu wenig einträglich war, so +wandte in den letzten Jahren Frau Katharina ihre Augen auf das Gut +Wachsdorf bei Wittenberg, eine Stunde davon, jenseits der Elbe auf +fruchtbarem Boden gelegen, mit Hochwald umgeben; freilich etwas sumpfig. +Es gehörte des † Dr. Sebald Münsterers Kindern und war der Erbteilung +wegen käuflich. Aber es wurde nichts daraus; namentlich hintertrieb der +Kanzler Brück die Erwerbung. + +Auch der Doktor war mit dieser großen Ausdehnung der Wirtschaft nicht +mehr recht einverstanden, obwohl er den Hausspruch: „Eigen Wat gut ist +dat“ sehr wohl kannte und anerkannte und sagte, alles Gute im Ehestand +sei eitel Segen Gottes was niemand erkenne, „als der Gott fürchtet und +alles auf dem Markte kaufen muß.“ Er konnte sich in diese Haushaltung +nicht richten; er meinte, daß die Sorge und Geschäftigkeit um den großen +Haushalt sie abziehe, in stiller, gemütlicher, geistiger Weise sich +selbst zu leben und ihm und ihren Kindern. Auch klagte er gelegentlich +über die vielen Dienstboten, welche in dem weitläuftigen Hauswesen nötig +waren; so schon 1527 waren mehrere Mägde da, 1534 ein Kutscher, später +sogar ein Schweinehirt. Er meinte: „Ich habe zu viel Gesinde.“ Mehr +Dienstboten als heutzutage waren ja auch in diesen Zeiten üblich und +möglicherweise ist hierin Frau Käthe etwas weiter gegangen, was wohl mit +der zahlreichen Gesindeschar im Klosterleben zusammenhängen mochte[233]. + +Aber es ist doch begreiflich, daß die Frau Doktorin darauf bedacht +war, ihre Wirtschaft zu erweitern. Es war nicht allein die +unternehmungslustige Thatkraft der energischen Frau, welche Neues +schaffen und ein großes Bereich beherrschen wollte, es war auch die +Sorge um die Bedürfnisse des großen Haushaltes selbst, es war aber ganz +besonders das Streben, die ökonomische Zukunft der nicht kleinen Familie +für das Alter, namentlich aber für die eigene Witwenschaft und das +Waisentum ihrer fünf Kinder, zu sichern, indem sie das in Luthers Händen +gefährdete flüssige Geld in festes Gut umwandelte. + +So bestand am Ende der gesamte Besitz der Lutherischen Familie aus einem +Landgut, dem großen und kleinen Haus, dem Klostergarten, dem +„Baumgarten“ auf dem Saumarkt, dem Hopfengarten an der „Specke“ und zwei +Hufen Landes. Das war ein ziemlich umfangreicher Besitz, der neben der +großen und weitläufigen Haushaltung gar viel Unruhe verursachte und viel +Zeit und Arbeit kostete, so daß man kaum begreift, woher Frau Käthe nur +die Zeit nahm, um das alles zu besorgen und zu übersehen. Und wir +verstehen, daß es ihr manchmal zu viel wurde und sie dem heftigen, +ungeduldigen Mann manchmal nicht rasch genug nachkommen konnte, so daß +er klagt: „Ich bin unter einem unglücklichen Stern geboren, vielleicht +dem Saturn; was man mir thun und machen soll, kann nimmermehr fertig +werden; Schneider, Schuster, Buchbinder, mein Weib ziehen mich aufs +längste hin.“ Aber er muß in derselben Zeit auch die vielgeplagte Frau +noch entschuldigen, wo sie ein Kind an der Brust und eins unter dem +Herzen nährte: „Es ist schwer zwei Gäste zu nähren, einen im Haus und +den andern vor der Thüre.“ Und er erkennt ihre Anstrengungen und Sorgen +auch an: „Mein Wolf hat's besser denn ich und meine Käthe“[234]. + +Die Frau Doktorin war aber auch ein gar fleißiges Weib. Sie hat in ihrem +Bereich ebenso gewaltig und unermüdlich geschafft und geschaffen, wie +der Doktor in dem seinigen. + +Freilich schon morgens um 4 Uhr im Sommer, um 5 Uhr im Winter, oft auch +noch früher, stand sie auf, und darum wohl sagte ihr Gatte und ihre +Mitbürger: „Käthe von Bora ist der Morgenstern von Wittenberg.“ Und so +stand sie an der Arbeit bis abends um 9 Uhr, wo der Doktor unerbittlich +zum Schlafengehen drängte. Freilich hatte sie einen kräftigen, +leistungsfähigen Körper und war, im Gegensatz zu ihrem viel kränklichen +Mann, so gesund, daß fast niemals von einer Erkrankung Meldung +geschieht. Es ist nur einmal die Rede davon, daß sie eines Abends +schwach wurde und ein Fieber bekam, so daß ihr Gatte in Angst geriet und +sagte: „Liebe Käthe, stirb mir ja nicht.“ Ein andermal, da D.M. Luther +mit etlichen über Tische redete, ging sie in die Kammer und fiel in +Ohnmacht. Aber das war alles vorübergehendes Unwohlsein. Nur _eine_ +Krankheit machte sie durch infolge einer Frühgeburt; sonst scheint sie +gesund gewesen zu sein bis ins Alter[235]. + +Doch nicht nur unermüdliche Geschäftigkeit war Käthes Tugend, sondern +sie verstand es auch, das Hausregiment zu führen in Küche und Keller, im +Brauhaus und Backhaus, in Garten und Feld, in der Kinder- und +Gesindestube, als Mutter und Gattin, als Wirtin und Herrin, als +„Predigerin, Bräuerin, Gärtnerin und was sie mehr sein kann“, und mit +Bezug auf sie, die Hausregentin und „Küchenmeisterin“, schrieb Luther an +den Rand seines Hausbuches: + + „Der Frauen Augen kochen wohl + Mehr denn Magd, Knecht und Feuer und Kohl“[236]. + +Freilich Luther selbst war nicht weniger arbeitssam, auch mit +körperlicher Beschäftigung; namentlich in den ersten Jahren: er gärtelte +gern und viel, grub, säete, pfropfte; er drechselte auch auf seiner +eigenen Drehbank. Beides sah gewiß Frau Käthe gern, nicht nur, weil es +manchen Tagelohn und Handwerksmann ersparte, sondern weil es auch +Luthers Gesundheit zuträglich war. Weniger Gefallen hatte sie an seiner +aus der Junggesellenzeit herübergenommenen Neigung, seine Kleider selber +zu flicken. Der Doktor that sich auf diese Kunst viel zu gut und dünkte +darin sich geschickter, wie die deutschen Schneider, welche keine +gutsitzenden Hosen fertig brächten. Da fand Frau Käthe eines Tags zu +ihrem nicht geringen Staunen und Verdruß ein Paar Hosen ihres Buben, aus +denen ein Stück herausgeschnitten war: und als sie nachfragte, hatte der +Herr Gemahl den Flicken zum Ausbessern seiner eigenen Hose +verwendet[237]! — + +Es war ein arbeitsseliges Haus, die ehemalige Stätte der +Beschaulichkeit. Droben in der Studierstube der große Doktor, der mit +emsiger Gewissenhaftigkeit und dem angestammten Fleiß eines Bauernsohnes +seine Zeit auskaufte für die geistliche Haushaltung der Kirche; und +unten die wirtliche Hausfrau, die in echter deutscher Geschäftigkeit und +Treue sich ihrem Hause widmete, dem Gatten und den Kindern, dem Gesinde +und den Freunden, und deren Stolz und Ruhm es war, alles zu können und +alles zu thun. + +So waltete Frau Käthe in ihrer „Wirtschaft“. + + + + +9. Kapitel + +„Wunderliche Rechnung zwischen D. Martin und Käthe.“ + + +Ein Grundbesitz, wie ihn das Lutherische Ehepaar am Ende aufwies, zeugte +von nicht geringer Vermöglichkeit. Woher und wie war nun dieses Vermögen +zusammengekommen? + +Katharina sowohl wie Luther brachten nichts in die Ehe. Sie waren am +Anfang ihres Hausstandes und noch lange fort vollständig vermögenslos; +erst nach seiner Eltern Absterben (1530-31) erbte Luther eine kleine +Barschaft von 250 fl. Im Jahre 1527 war er noch gänzlich ohne Besitz, er +war arm und ein Bettler, konnte weder Haus, Aecker, liegende Gründe, +Geld noch Gut seinem Weib und Kind nach sich lassen, wenn er damals +gestorben wäre. Denn auch das Klosteranwesen war noch nicht sein +ausgesprochenes Eigentum. „Armut ist mein Irrtum und meine Ketzerei“, +sagte er noch 1530; und zwei Jahre darauf hat er nur einen Becher im +Schatzkästlein. Noch 1534 mußte er es ablehnen, für ein paar hundert +Gulden das kleine Haus Bruno zu kaufen: er wollte seine Armut nicht +offenbar werden lassen, weil er's für unmöglich hielt, jemals auch nur +die Hälfte einer solchen Summe zusammenzubringen[238]. + +In Ermangelung eines eingebrachte Heiratsgutes war das Ehepaar also auf +die Besoldung angewiesen, welche der Hausvater hatte, und auf den +Verdienst, welchen die Hausmutter von der Bebauung des Gutes und ihrem +Kosttisch zog. + +Die Beamtenbesoldungen waren zu jener Zeit nicht etwa bloß feste +Gehalte, sondern bestanden auch in allerlei Ehrengeschenken, meist in +Naturalien, welche den Angestellten bei besonderen Gelegenheiten und für +besondere Dienstleistungen, als Reisen, Gutachten, Berichte, Schriften +u.a., von den Fürsten und Stadtobrigkeiten zuflossen. + +Seit seiner Verheiratung war Luthers Besoldung von einhundert auf +zweihundert Gulden erhöht worden. Von 1532 ab, unter Kurfürst Johann +Friedrich, kamen noch jährlich 100 Scheffel Korn, 100 Scheffel Malz für +zwei Gebräude Bier, 60 (später 100) Klafter Holz und zwei Fuder Heu +hinzu. Freilich blieben die Lieferungen „aus Unwillen“ der Beamten +manchmal aus. Der kurfürstliche Keller zu Wittenberg stand den +hervorragenden Professoren immer offen. Außerdem kamen ihm vom Hofe +allerlei Viktualien zu: Wein, Most, Essig, Obst, Fische, Wildbret, +Arzneien, auch Kleider und Tuche. So sendet 1543 der Kurfürst „zwei Faß, +eins mit altem Wein, das andre mit heurigem gewachsenen Most, Suptezer, +so gut Uns der allmächtige Gott dies Jahr bescheret hat; den wollet von +Unseretwegen gutwillig annehmen und in Fröhlichkeit genießen“. Auch der +Dänenkönig Christian III. sandte in den letzten Jahren (1543) zuerst +Butter und Heringe; als man aber unterwegs mit dieser „Küchenspeise +unschicklich umgegangen“, wurde die Sendung in ein Geschenk von 50 fl. +verwandelt. Soviel erhielten auch die andern Wittenberger Theologen +Bugenhagen und Jonas: es war ein Ehrensold, den der Fürst für die +Ausbildung seiner Gottesgelehrten an die sächsische Universität +zahlte[239]. + +Wenn der Kurfürst Johann an Luther bei Aufhebung des Klosters den +Hausrat im Werte von 20 fl. und die Küchengeräte, welche um 50 fl. +verkauft wurden, überließ, so war das eine Entschädigung dafür, daß er +lange Zeit sein Deputat an Viktualien gar nicht oder nur spärlich +erhalten hatte. Für den Hausrat hatte er „der Kirche und Universität mit +Predigen, Lesen, Schreiben u.s.w. die langen Jahre her um Gotteswillen +und umsonst gedient; und für die Küchengeräte hatte er Nonnen und Mönche +(Diebe und Schälke mitunter) gekleidet, gespeiset und versorget mit +solchem Nutzen, daß ich das Meine und 100 fl., so mir m. gn. H. Herzog +Hans zur Haushaltung geschenkt, gar weidlich zugesetzt habe“[240]. + +Aehnlich waren die Geschenke der Stadt Wittenberg auch nur +Gegenleistungen. So hat der Stadtrat aus seinen Brennereien +Baumaterialien, als Ziegelsteine und Kalk, nicht angerechnet, schenkte +auch sonst eine Jahresgabe oder besondere Erkenntlichkeit, so als +Luther in der Osterzeit jeden Tag gepredigt hatte, einen halben Lachs, +anno 1529 der Frau Doktor in Abwesenheit ihres Mannes 10 Thaler, „weil +man ihm dies Jahr sonst keine Verehrung gethan“. Dafür war Luther ohne +Gehalt bei dreißig Jahre der Stadt Prediger gewesen, hatte auch oftmals +noch Bugenhagen auf kürzere oder längere Zeit, einmal sogar, als jener +auswärts reformierte, zwei Jahre lang (1535-37) vertreten. Auch mußte +Luther auf seine Kosten „zu ihrer Kirche Dienst und Nutz“ Diener halten, +ohne daß der „gemeine Kasten“ etwas für sie beitrug. Ferner trat Luther +einen großen Raum vorm Klosterhof umsonst an die Stadt ab, gestattete +auch, daß sein ganzes Anwesen nach seinem Tode und das Nebengebäude auch +bei seinen Lebzeiten unter das Bürgerrecht gestellt wurde, während es +vorher ganz frei gewesen. Ebenso wollte Luther, als der Kurfürst 1542 +eine Türkensteuer ausschrieb, obgleich er grundsteuerfrei war, doch des +Beispiels wegen auch geschatzt sein[241]. + +Trotz solcher Gegendienste, welche mittelbar oder unmittelbar +„Geschenke“ veranlaßten, nahm doch Luther solche nicht ohne Wahl und Maß +an. Er lehnte nicht nur das Hochzeitsgeschenk des Mainzer Erzbischofs +ab, er wies auch eine Gabe des Kurfürsten zurück, weil er wisse, „daß +der hohe Herr des Gebens viel habe und zu viel den Sack zerreiße“. +„Bitte derhalben Ew. Kurfürstliche Gnaden wollten harren, bis ich selber +klage und bitte, auf daß ich durch solch Zuvorkommen Eurer Kurf. Gnaden +nicht scheu werde für andre zu bitten, die viel würdiger sind solcher +Gaben“[242]. + +Und ferner: „Ich will Ew. Kurf. Gn. unterthäniglich bitten, nicht zu +glauben denen, die mich angeben, als habe ich Mangel; ich habe leider +mehr, sonderlich von Ew. K. Gn., denn ich im Gewissen vertragen +kann“[243]. + +Auch seine Freunde schilt er oft, daß sie des Schenkens zu viel +machen[244]. + +Wenn er Sommers von einem Pfarrherrn oder Schultheißen aufs Dorf zu +Gaste geladen wurde, so kam er gern mit einem Tischgesellen und hielt +eine Predigt. Aber er brachte allewege Speise und Trank für sich und +seine Begleiter mit, die ihm daheim Frau Käthe zubereitet und in den +Wagen gepackt hatte[245]. + +Einem wegziehenden Famulus würde er gerne zehn Gulden geben, wenn er +sie hätte; aber unter fünf Gulden soll ihm seine Frau nicht geben und +was sie darüber kann geben, bittet der Doktor sie, das solle sie thun — +also bis auf den letzten Gulden mutet er der Hausfrau zu sich zu +entblößen und doch trägt er der Frau gleichzeitig auf, ein Mitbringsel +für die Kinder zu kaufen, weil er selbst in Torgau nichts Sonderliches +fände[246]. + +Für seine Vorlesungen nahm Luther von den Studenten keine +Kollegiengelder. Ja, auch von seinen Schriften nahm er kein Honorar: 400 +fl., die ihm ein Buchdrucker jährlich für den Verlag seiner Schriften +anbot, schlug er aus, auch die 1000 fl., welche Melanchthon ihm für die +Ausarbeitung des deutschen Aesop versprach. Eine Kure im Silberbergwerk +zu Schneeberg, welche ihm der Kurfürst für seine Bibelübersetzung 1529 +schenken wollte, wies er ab: er wollte von der Welt seine geistige +Arbeit nicht bezahlt haben und wie Paulus mit dem Gotteswort nicht +Handel treiben[247]. + +Bei einer solchen Gesinnung und Handlungsweise ist es begreiflich, daß +die praktische Frau Käthe auch einmal über ihren Doktor mit seiner +Geldverachtung seufzte. Als der gleichfalls wenig haushälterische +Meister Philipp Melanchthon einmal bei Luther speiste und im Gespräch +über den Weltlauf von einem Magister sprach, welcher dem Geiz ergeben, +ein sehr gutes Urteil über gute und schlechte Gulden habe, bemerkte die +Doktorin: „Wenn mein Gemahl solchen Sinn hätte, würde er gar reich +sein.“ Melanchthon meinte darauf: „Das kann nicht sein, denn die +Geister, welche für die Allgemeinheit arbeiten, können sich ihren +Privatangelegenheiten nicht hingeben“[248]. + +Den nicht gerade außerordentlichen Einnahmen Luthers standen nun aber +gewaltige Ausgaben gegenüber. Zunächst einmal für die ausgedehnte +Haushaltung; dann aber auch für andere Zwecke und Anschaffungen. Einen +interessanten Einblick in diese Dinge gewähren die Aufzeichnungen +Luthers in seinem Haushaltungsbuch. Da ist[249] eine + +„Wunderliche Rechnung gehalten zwischen Doc. Martin und Käthe + + 1535 + Anno ---- + 1536 +das waren zwei halbe Jahr. + 90 fl. für Getreide + 90 fl. für die Hufen + 20 fl. für Leinwat (Leinwand) + 30 fl. für Schweine + 28 fl. Muhme Lene gen Borna(u) + 29 fl. für Ochsen + 10 fl. Valt. Mollerstet bezahlt + 10 fl. Geleitsmann " + 8 Thaler M. Philipp " + 40 fl. für Gregor Tischer " + 26 fl. Universität " + ------- +Zus. 389 fl. außer andern Viktualien. " + +Diese „andern Viktualien“ waren Gemüse, Fleisch, Fisch und Geflügel, +Obst und Kolonialwaren, Getreide und Hopfen, Brot und Semmel, Oel und +Talg, Butter und Honig, Wein und Bier. + +Dann hieß es: „Gieb Geld für Hanf und Flachs, Garn und Wachs, Nägel und +Haken, allerlei Geschirr und Geräte in Stube, Küche, Keller, Garten; für +Wagen und Geschirr.“ + +„Gieb Geld“ forderten auch 29erlei Handwerker, ferner Buchführer +(Buchhändler), Arzt, Apotheker und Präzeptor, Knechte, Mägde, Hirten, +Knaben und Jungfern, Bräute und Gevattern, auch Bettler und — +Diebe[250]. + +Ausgaben gab es dann für manche Patengeschenke, Hochzeiten und +Gastungen, Geschenke zu Neujahr, Jahrmarkt und S. Niklas. Endlich kamen +die „grobe Stück: Hochzeit machen für Sohn, Tochter, Freundin; dem +Krämer für Seiden, Sammet und Wurze“[251]. + +Im ganzen waren es 135 Dinge, für welche Frau Käthe stets die Hand +ausstrecken und „Gieb Geld“ sagen mußte. + +Unter diesen Ausgaben machen namentlich die Ehrengeschenke und +Wohlthaten einen großen Posten aus; sie gehörten bei Luther zu den +besonders „groben Stücken“. Außer den Gastungen gehören namentlich die +Patengeschenke und Hochzeiten hierher; Luther und Frau Käthe standen +zahllose Male zu Gevatter, denn in Wittenberg waren bei jedem Kinde +viele Paten üblich, und für jeden kostete es einen Silberbecher oder +eine große Münze. Die Hochzeiten und Hochzeitsgeschenke waren eine große +Last. So klagt Luther (1543) am Ende selber: „Die täglichen Hochzeiten +hier erschöpfen mich“[252]. Luthers Mildtätigkeit kannte keine Grenzen. +Er sprach als Grundsatz aus: „Wer gerne giebt, dem wird gegeben; das +erhält das Haus, darum, liebe Käthe, haben wir nicht mehr Geld, so +müssen die Becher daran.“ Und demgemäß handelt er. Wie viele andere +Theologen und sonstige gutmütige Menschen (auch Melanchthon) gab er +Bedürftigen und Bittenden über Gebühr und Vermögen, und gar oft an +Unwürdige, so daß er erst durch „böse Buben witzig gemacht“ wurde. Er +gestand später (1532) selbst seiner Frau: „Denke, wie oftmals wir haben +bösen Buben und undankbaren Schülern gegeben, da es alles verloren +gewesen ist.“ Wie weit er in seiner Gutherzigkeit ging, mögen von vielen +nur zwei Beispiele zeigen: Einem armen Studenten schenkt der Doktor, +weil kein Geld im Haus ist, einen silbernen Ehrenbecher, und als er +merkte, wie Frau Käthe ihm abwinkt, drückt er ihn schnell zusammen und +schickt den jungen Menschen damit zum Goldschmied; was er dafür löse, +solle er behalten, er brauche keinen silbernen Becher. Ja, als seine +Frau im Wochenbett liegt, gerät er gar über das Patengeschenk seines +jüngsten Kindes, um einen bedrängten Bedürftigen nicht mit leerer Hand +gehen zu lassen, und meinte: „Gott ist reich, er wird anderes +bescheren“[253]. + +Das gesamte, so wenig berechnende Verhalten Luthers erklärt sich +einerseits aus seiner allem Eigennutz abgeneigten Natur und seinem +großartigen Gottvertrauen, andrerseits aber auch aus dem Mangel an +Berechnung, welche dem weltentfremdeten Mönch aus seiner Klosterzeit +noch anhaftete; dies mußte aber bei einem „weltlichen“ Haushalt +naturgemäß dazu führen, daß Einnahme und Ausgabe bald nicht mehr im +richtigen Verhältnis zu einander stand. So hatte das junge Paar im +zweiten Jahre seiner Ehe über hundert Gulden Schulden, so daß Luther +seinem Freunde und ehemaligen Klostergenossen Brisger keine acht Gulden +vorstrecken konnte. „Woher soll ich's nehmen?“ fragt er. „Durch meinen +schweren Haushalt und meine Unvorsichtigkeit ist es so gekommen. Drei +Becher sind für 50 fl. verpfändet. Dazu kommt, daß Lukas (Cranach) und +Christian (Aurifaber, Goldschmied) mich nicht mehr als Bürgen zulassen, +denn sie merken, daß sie so (durch meine Bürgschaft) auch nicht besser +daran sind oder ich ausgebeutelt werde. Ich habe ihnen jetzt auch den +vierten Becher gegeben, welchen sie dem fetten H. geliehen haben.“ Dabei +kommt ihm aber noch nicht in Sinn, wo der Rechnungsfehler stecke. Er +klagt: „Wie kommt's, daß ich allein so ausgesaugt werde? nein, nicht nur +ausgesaugt, sondern sogar in Schulden verstrickt?“ Sogar noch 1543 klagt +er dem allerdings etwas habsüchtigen Jonas gegenüber, der von ihm bei +seiner zweiten Verheiratung wohl ein „fettes Hochzeitsgeschenk“ +erwartete: „Du kennst meine Dürftigkeit und meine Schuldenlast“.[254] + +Einmal fing er auch an zu rechnen — am Kleinen, ans Große dachte er +nicht. Da brachte er heraus, daß er allein jährlich für Semmeln 31 +Groschen 4 Pfennig brauche; dazu noch der Trank mit 4 Pfennig täglich +und das Uebrige — eine Summe, die ihm zu groß war, und er schließt: „Ich +mag nie mehr rechnen, es macht einen gar verdrossen. Ich hätte nicht +gemeint, daß auf einen Menschen so viel gehen sollte“[255]. + +Dennoch stellte er 1536 eine Generalrechnung an für „grobe Stück“ und +brachte da allein 389 fl. Ausgaben heraus in zwei halben Jahren, ohne +die Viktualien u.a. Er schloß diese Zusammenstellung ab mit dem Seufzer: +„Rat, wo kommt dies Geld her? Sollt das nicht stinken und Schuld +machen[256]?“ + +Und als Luther im Jahre 1542, wo er sein „Testament“ machte, seine +Ausgaben zusammenstellte und seine Einnahmen dagegen hielt, schließt er: +„Ich habe eine wunderliche Haushaltung, ich verzehre mehr als ich +einnehme; ich muß jedes Jahr 500 Gulden in der Haushaltung in die Küche +haben, zu geschweigen der Kleider, anderer Zierat und Almosens, da doch +meine jährliche Besoldung sich nur auf 200 Gulden belauft.“ Dazu +schreibt er im Haushaltungsbuch neben anderen ernsten und launigen +Reimen den Stoßseufzer: + + „Ich armer Mann! So halt ich Haus; + Wo ich mein Geld soll geben aus, + Bedürft ich's wohl an sieben Ort + Und fehlt mir allweg hier und dort“[257]. + +Da war es freilich begreiflich, daß manchmal die Fleischer und Fischer +von Wittenberg „grob“ wurden und mit „ungestümen Worten der Frau“ +gegenüber ihre Schuld forderten. „Die Doktorin“ half sich dann wohl +damit, bei „Philipp Melanchthon 20 Thaler zur Haushaltung zu leihen“. +Und dann sprang etwa der Kurfürst ein, wenn er's durch den Kanzler Brück +erfuhr[258]. + +Diese „wunderliche Haushaltung“ Luthers wurde in sehr Natur- und +sachgemäßer Weise geregelt durch die Hausfrau. Die „wunderliche Rechnung +gehalten zwischen Doktor Martin und Käthe“, mit ihrem ständigen Defizit, +wurde in Ordnung gebracht durch diese gute Rechnerin und sparsame und +erwerbsame Haushälterin. Frau Käthe brachte einen Ausgleich zwischen +Soll und Haben: sie verminderte die Ausgaben, vermehrte die Einnahmen, +sie bezahlte die Schulden und erwarb ein Vermögen. + +Eines der ersten Ereignisse in dem neuen Haushalt ist eine lustige +Familienszene, welche die gutmütige Verschwendung des Eheherrn und die +listige Sparsamkeit der Gattin zeigte. Es hatte nämlich das Ehepaar ein +hübsches Glasgeschirr mit Zinnverzierung von Hausmann geschenkt +bekommen; das hätte Frau Käthe selbst gerne behalten, Luther aber an den +D. Agrikola, damals noch sein lieber Freund, der auch darnach Gelüste +hatte, verschenkt. Luther hatte es gemerkt, wie sie darauf gelauert, und +wollte es kurz machen. Er hatte schon den Brief dazu geschrieben; als er +aber das Geschenk dazu packen wollte, war es fort: Frau Käthe hatte es +abhanden kommen lassen und die Hausfreunde D. Bugenhagen und D. Röhrer +hatten sich mit ihr verschworen und ihr dabei geholfen. So mußte sich +Luther in einer Nachschrift entschuldigen, daß er das Glas nicht +mitschicken könne; seiner insidiatrix Ketha (der hinterlistigen Käthe) +gegenüber sei er ohnmächtig; er denke aber das Glas später doch noch +einmal zu erwischen. Käthe aber hielt es fest wie ein bissiger +Kettenhund[259]. Sie brachte etwas strengere Ordnung in die Gesellschaft +der jungen Studenten und in ihre Hausrechnung, so daß M. Veit Dietrich +sich über sie beklagte und sein Landsmann und Nachfolger im Haus und am +Tisch Frau Käthes sie als stramm und knauserig beschrieb, „die alles zu +Rat gehalten und bei den Tischgenossen auf nötige Bezahlung +gedrungen“[260]. Auch Kanzler Brück warf ihr in feindseliger Stimmung +Knauserigkeit in der Haushaltung vor. Von Luther und andern hören wir +dagegen hierüber keine Klagen; und daß der Zudrang zu ihrem Kosttisch +von alt und jung ein großer und nicht zu befriedigender war, ist der +beste Beweis für die Uebertriebenheit jener Vorwürfe. Aber ihre löbliche +Sparsamkeit und haushälterisches Zuratehalten weiß ihr Gemahl wohl +anzuerkennen. Er sagt: „Das Weib kann den Mann wohl reich machen, aber +nicht der Mann das Weib. Denn der ersparte Pfennig ist besser denn der +erworbene. Also ist rätlich sein (zu rate halten) das beste +Einkommen“[261]. Und in sein Haushaltungsbuch schrieb Luther den +Sinnspruch: + + Es gehört gar viel in ein Haus. + Willst Du es aber rechnen aus, + So muß noch viel mehr gehn heraus. + Des nimm ein Exempel, mein Haus[262]. + +So hörte er mit Rechnen auf und überließ das seiner „rätlichen“ und +wirtlichen Hausfrau, und wenn er selbst nicht wußte, woher nehmen, so +schrieb er seiner Käthe: „Sieh, wo Du's kriegst“[263]. + +Und Käthe sah, wo sie's kriegte. Sie war nicht so heikel, wie Luther, +Verehrungen anzunehmen. Während sie Freund Link von einem +Hochzeitsbecher absolviert, hat sie die von Luther zurückgewiesen 20 +Goldgulden des Mainzer Erzbischofs hinter seinem Rücken doch behalten. +Mit besserem Gewissen empfing sie die Fäßlein Käse von der Herzogin +Elisabeth von Braunschweig und ebenso ein Käsegeschenk von Mykonius, dem +Stadtpfarrer in Gotha. In Notfällen wandte sich Frau Käthe auch einmal +an die kurfürstliche Kämmerei, so während Luthers Aufenthalt auf der +Koburg um 12 Scheffel Roggen. Käthe nahm überhaupt das Gehalt ein und +verrechnete es, so daß es nicht mehr hieß wie in Luthers +Junggesellenwirtschaft (1523): „Wir leben von einem Tag zum andern.“ Sie +scheute sich nicht, die säumigen Kostgänger an ihre Schuldigkeit zu +mahnen[264]. Ja es wird erzählt, daß sie in späterer Zeit durch Freunde +und Kostgänger des Hauses Anschaffungen machen ließ, wofür sie die +Bezahlung vergessen habe, weil sie sich wohl für Dienste ihres Mannes +dadurch bezahlt machte. Jedenfalls nahm sie auch die Dienste anderer in +Anspruch für Gefälligkeiten, welche ihr Mann ihnen erwies: hatte Luther +dem Freund Pfarrer Spalatin eine Vorrede zu einem Buche geschrieben, so +muß sich dafür Spalatin in Altenburg ihrer Fuhrleute und Arbeiter +annehmen, die sie nach Zulsdorf schickt; und Lauterbach, der in ihrem +Hause als Kostgänger und Nachschreiber von Luthers Tischreden allerlei +Vorteile und Freundlichkeiten genossen, hat zum Entgelt der Doktorin +allerlei Besorgungen zu machen[265]. + +Aber das Beste that doch Frau Käthe selber: Sie züchtete und mästete +Tiere, melkte und schlachtete, gewann Butter und Honig, Käse und Eier; +sie pflanzte Obst und Früchte, Gemüse und Würzkräuter; sie baute +Getreide, buk Brot und braute das Bier für den großen Haushalt, so daß +das kleine Söhnchen, als Luther es einmal fragte, wie viel Kostgeld es +eigentlich zahlen müßte, sagen konnte: „Ei Vater, Essen und Trinken +kauft Ihr nicht; allein Aepfel und Birnen“, meinte der Kleine, „gestehen +viel Geld“[266]. Für Obst konnte also Frau Käthe damals nicht aufkommen, +weshalb sie dann auch endlich den Ankauf des Baumgartens von Bildenhauer +betrieb. Ebenso trachtete sie nach den Hufen und dem Hopfengarten, so +daß nach den großen Ankäufen von 1536 die schweren Haushaltsausgaben +geringer wurden und die Posten „Gieb Geld“ immer weniger. Hatte Luther +am Anfang seiner Ehe den Stoßseufzer gethan: „Der Herr, der meine +Unvorsichtigkeit straft, wird mich wieder erlösen“ — von den Schulden, +so kann er am Ende derselben in seinem sogenannten „Testament“ (1542) +schreiben: „Ich habe von meinem Einkommen und Geschenken so viel gebaut, +gekauft, große und schwere Haushaltung geführt, daß ich's muß neben +anderm selbst für einen sonderlichen, wunderlichen Segen erkennen, daß +ich's habe können erschwingen.“ Das „andere“ neben dem göttlichen Segen, +war eben das haushälterische Talent seiner Gattin; sie hatte ihn von +seinen Schulden wieder erlöst, ja das Weib hatte nach seinem Spruch den +Mann „reich“ gemacht. Und so bezeugt er ihr mit „seiner Hand“ im +Haushaltungsbuch: „Was sie jetzt hat, das hat sie selbst gezeuget +(errungen) neben mir“[267]. + +Ein Vermögen zu erwerben oder gar reich zu werden, daran dachte Luther +nicht, ja er wollte es nicht. „Mir gebühret nicht als einem Prediger, +Ueberfluß zu haben, begehre es auch nicht“, erklärte er. Ihm dünkte, +„daß das lieblichste Leben sei ein mittelmäßiger Hausstand, Leben mit +einem frommen, willigen, gehorsamen Weibe in Fried und Einigkeit und +sich mit wenigem lassen begnügen“[268]. + +Ja nicht einmal für seine Kinder gedachte er ein Vermögen anzulegen. Er +segnete seiner Kindlein eins, das eine Muhme auf dem Arme trug und +sprach: „Gehe hin und bis fromm. Geld will ich Dir nicht lassen, aber +einen reichen Gott will ich Dir lassen. Der mir Dich nicht versäume. Bis +nur fromm! Da helf Dir Gott zu.“ Und als ihn jemand ermahnte, er möchte +wenigstens zum Besten seiner Familie ein kleines Vermögen sammeln, da +gab er zur Antwort: „Das werde ich nicht thun; denn sonst verlassen sie +sich nicht auf Gott und ihre Hände, sondern auf ihr Geld“[269]. Diesen +doch wohl allzu theologischen, ja mönchischen Standpunkt ergänzte der +praktisch nüchterne Sinn Katharinas, welche gerade darauf aus war, ihren +fünf noch unversorgten Kindern ein Erbe zu erwerben; denn sie erkannte +besser als wie Luther, daß nach dessen Tod die Gebefreudigkeit der +Fürsten und Freunde wohl abnehmen werde mit dem Wegfall der großen +Vorteile, welche der lebendige Reformator seinem Land und seiner Stadt +und seinen Freunden verschaffte. So brachte sie es in der That zuwege, +daß den Kindern doch ein ganz ansehnliches Familiengut übrig blieb[270]. + +„Das Lob eines tugendsamen Weibes“ — nicht nur in der Bibel hat es +Luther übersetzt, sondern auch bei Tisch und sonst oft angeführt und auf +seine Käthe bezogen, so daß es — erweitert mit Zusätzen — unter den +Tischreden steht, wie ein Lob auf seine Hausfrau: „Der Mann verläßt sich +auf sie und vertraut ihr altes. Da wird's an Nahrung nicht mangeln. Sie +arbeitet und schafft gern mit ihren Händen, zeuget ins Haus und ist wie +ein Kaufmannsschiff, das aus fernen Landen viel War' und Gut bringt. +Frühe stehet sie auf, speiset ihr Gesinde und giebt den Mägden ihr +beschieden Teil. Sie denkt einem Acker nach und kauft ihn und lebt von +der Frucht ihrer Hände. Sie verhütet Schaden und siehet, was Frommen +bringt. Ihr Schmuck ist, daß sie reinlich und fleißig ist“[271]. + + + + +10. Kapitel + +Häusliche Leiden und Freuden. + + +Es war ein schwerer Haushalt, den Frau Käthe zu führen hatte, wenn man +auch nur der wirtschaftlichen Sorgen in Haus und Hof, in Küche +und Keller, im Garten und auf dem Felde gedenkt. Aber noch +bewunderungswürdiger wird ihre Leistungsfähigkeit, wenn man alle die +Menschen in Betracht zieht, die als Kinder und Gesinde, als Tisch- und +Hausgenossen täglich und stündlich Anspruch an ihre Fürsorge machen in +Wohnung und Kleidung, in Speise und Trank, in Erziehung und Zucht — ganz +abgesehen von den Gästen und Freunden, die im Schwarzen Kloster ein und +ausgingen. Eine so überaus große Familie verursachte aber nicht nur viel +Mühe und Arbeit, sondern brachte auch einen mannigfaltigen Wechsel von +Freud und Leid ins Haus. So erlebte Frau Käthe in wenigen Jahrzehnten +Krankheiten und Feste, Hochzeiten und Todesfälle nach einander und oft +neben einander. + +Gleich im zweiten Jahre ihres Ehestandes hatte die Doktorin schwere +Zeiten durchzumachen[272]. + +Frau Käthe wurde durch einen heftigen Krankheitsanfall ihres Gemahls +erschreckt, wie sie es in dieser Heftigkeit noch nicht an ihm erlebt +hatte, wiewohl er schon mehrmals Schwindelanfälle erfahren. Eine +entsetzliche Angst und Beklemmung ging dem Anfall voraus. Samstags 6. +August morgens fühlte er am linken Ohr und Backen ein ungestümes Sausen +und Brausen wie Windsbraut und Meeresbrandung, so gräßlich und +unerträglich, daß er es nur einer satanischen Einwirkung zuschreiben +konnte. Es ging gottlob rasch vorüber. Aber er fürchtete, dies sei +vielleicht der Vorbote eines noch schwereren, tödlichen Anfalls, darum +schickte er um 8 Uhr seinen Diener Wolf zu seinem Beichtvater +Bugenhagen, dieser möge eilend kommen. Bugenhagen eilte erschrocken ins +Kloster, fand aber da den Doktor in „gewöhnlicher Gestalt“ bei seiner +Hausfrau stehen. Warum er ihn habe rufen lassen? „Um keiner bösen Sache +willen“, erwiderte Luther, ging mit ihm hierauf abseits, beichtete und +begehrte für den folgenden Tag zum Abendmahl zu gehen. + +Mittlerweile war es schier Zeit geworden zum Mittagsmahl (d.h. um 10 +Uhr). Und weil Luther und Bugenhagen von etlichen Adeligen, Max von +Wallefels, Hans von Löser u.a. zu Gaste geladen war, forderte ihn +Bugenhagen auf, mitzukommen, indem er hoffte, die Zerstreuung sollte ihm +gut thun, wenn er nicht einsam daheim sitze, sondern mit Menschen +verkehre. Luther schlug es ab. Aber Bugenhagen steckte es hinter Frau +Käthe, und diese brachte Luther dazu, hinzugehn in Paul Schultheiß' +Gasthof. Dort aß und trank er, aber sehr wenig, und unterhielt die Gäste +mit angemessener Fröhlichkeit. Um zwölf Uhr stand er auf und ging in D. +Jonas Gärtlein hinter dem Hause und unterhielt sich da zwei Stunden mit +dem Stiftspropst. Beim Weggehen lud er Jonas und seine Frau ein, sie +sollten auf den Abend mit ihm essen. + +Recht angegriffen kehrte Luther zurück ins Kloster und legte sich ins +Bett, um sich zu erholen. Als um 5 Uhr die Jonischen kamen, lag er noch +und die Frau Doktorin bat die Gäste, sich die Weile nicht lang sein zu +lassen, und so sich's ein wenig verzöge, es seiner Schwachheit +zuzurechnen. + +Nach einer Weile kam der Doktor herunter, um die Abendmahlzeit gemeinsam +mit den andern zu halten. Er klagte wieder über großes unangenehmes +Brausen und Klingen des linken Ohrs. Das wurde über Tisch heftiger, er +mußte aufstehen und zog sich, begleitet von Jonas, hinauf in seine +Schlafkammer zurück; die Doktorin folgte, hatte aber noch unten an der +Treppe den Mägden zu befehlen. Da, als Luther gerade über die Schwelle +der Schlafkammer trat, überkam ihn plötzlich eine Ohnmacht: „O Herr +Doktor Jona“, rief der Kranke, „mir wird übel; Wasser her, oder was Ihr +habt, oder ich vergehe.“ Er sank leblos hin. Jonas erwischte erschrocken +und behend einen Topf mit kaltem Wasser und goß es dem Ohnmächtigen über +Kopf und Rücken. Er kam wieder zu sich und fing an zu beten. + +Indem kommt auch die Doktorin hinauf; da sie nun sah, daß er so +hinfällig und schier tot war, entsetzte sie sich sehr und rief laut den +Mägden. Dann schickte sie zum Hausarzt Dr. Augustin Schurf und zu dem +Hausfreund Bugenhagen. Mittlerweile zogen sie dem Kranken die Kleider +aus und legten ihn auf den Rücken. Er war sehr matt und völlig kraftlos. +Frau Käthe und Jonas rieben und kühlten ihn, gaben ihm Labsal und +thaten, was sie konnten, bis der Arzt kam. + +Da der Doktor so eiskalt und leblos war, so verordnete Schurf dem +Kranken warme Tücher, Kleider und Kissen, die man immer über dem +Kohlenfeuer wärmte, aufzulegen auf Brust und Füße, ließ auch seinen Leib +reiben, tröstete ihn auch und hieß ihn hoffen, es würde, ob Gott will, +auf diesmal keine Not haben. Dann kam auch um 6 Uhr Dr. Pommer, und die +Freunde mahnten den Patienten, er solle mit ihnen dafür beten, daß er +möge leben bleiben, ihnen und vielen zum Trost. Da antwortete er: „Zwar +für meine Person wäre Sterben mein Gewinn; aber im Fleische länger +leben, wäre nötig um vieler willen. Lieber Gott, Dein Wille geschehe.“ + +Da aber die Ohnmacht wieder zunahm, betete er wieder um Erbarmen. Dann +sagte er zu seiner Hausfrau: „Meine allerliebste Käthe, ich bitte Dich, +will mich unser lieber Gott auf diesmal zu sich nehmen, daß Du Dich in +seinen gnädigen Willen ergebest. Du bist mein ehrlich Weib, dafür sollst +Du Dich gewiß halten und gar keinen Zweifel daran haben. Laß die blinde, +gottlose Welt darüber sagen, was sie will; richte Du Dich nach Gottes +Wort und halte fest daran, so hast Du einen gewissen beständigen Trost +wider den Teufel und all seine Lästermäuler.“ + +Dann fragte er nach seinem Söhnlein: „Wo ist denn mein allerliebstes +Hänsichen?“ Da das Kind gebracht wurde, lachte es den Vater an. Da +sprach er: „O Du gutes armes Kindlein! Nun ich befehle meine +allerliebste Käthe und Dich armes Waislein meinem lieben, frommen, +treuen Gott. Ihr habt nichts, Gott aber, der ein Vater der Waisen und +Richter der Witwen ist, wird Euch wohl ernähren und versorgen.“ + +Darauf redete er weiter mit seiner Hausfrau von den silbernen Bechern: +„Die ausgenommen weißt Du, daß wir sonst nichts haben.“ Ueber dieser und +andern Reden ihres Herrn war die Doktorin hoch erschrocken und betrübt. +Doch ließ sie sich nicht merken, wie groß Leid ihr geschah, daß sie +ihren lieben Herrn dergestalt so jämmerlich da vor Augen liegen sah, +sondern sie stellte sich getrost und sprach: „Mein liebster Herr Doktor! +Ist's Gottes Wille, so will ich Euch bei unserm lieben Herrn Gott lieber +denn bei mir wissen. Aber es ist nicht allein um mich und mein liebes +Kind zu thun, sondern um viel frommer, christlicher Leute, die Euer noch +bedürfen. Wollet Euch, mein allerliebster Herr, nicht bekümmern; ich +befehle Euch seinem göttlichen Willen, ich hoff und trau zu Gott, er +werde Euch gnädiglich erhalten.“ + +Bald fühlte der Kranke Besserung, die Schwäche ließ nach und der Doktor +meinte, wenn der Patient nur schwitzen könnte, so sollte es durch Gottes +Gnade für diesmal keine Not mehr mit ihm haben. + +Da gingen die drei Männer, um ihm Ruhe zu gönnen, hinab in den Saal zur +Abendmahlzeit und hießen die Frauen stille sein. Der Patient geriet +wirklich in Schweiß. Der Arzt sah später wieder nach dem Kranken und +erklärte die Gefahr vorbei. Dann kamen auch die Freunde, begrüßten den +Genesenden, wünschten ihm „Selige Nacht“ und gingen nach Hause. + +Zwar dauerte das Ohrenbrausen am Sonntag noch fort; am Abend aber konnte +der Doktor aufstehen und mit den Freunden das Abendmahl halten. Das +körperliche Leiden war so bald gehoben; aber die „geistige Anfechtung“, +wie Luther sagt, warf ihn noch eine ganze Woche in „Tod und Hölle“ +umher, so daß er zerschlagen an allen Gliedern bebte. + +Kaum war dieser Schrecken vorbei, so nahte eine neue und viel längere +Heimsuchung: die Pest, die damals ganz Deutschland durchzog, kam auch +nach Wittenberg. Alles was konnte, floh aus der Stadt; die Universität +wurde nach Jena verlegt; Luther aber blieb zurück als Mann, Seelsorger +und Lehrer und seine treue Gattin mit ihm. Er war immer des Glaubens, +die Angst sei die schlimmste Seuche, die Hälfte der Leute stürben an +Furcht davor, nicht an der Pest selbst. Er hielt es für einen „Spuk des +Teufels“, dem er trotzen müsse, während der Böse sich freue, die +Menschen so zu ängstigen und die Universität zu sprengen, die er nicht +umsonst so hasse. Er bleibe gerade wegen der ungeheuren Angst des +Volkes. Er ging ohne Scheu zu den Pestkranken: die Frau des +Bürgermeisters Thilo Dene starb fast in seinen Armen; und andere +Pestverdächtige nahm er in sein Haus. Dagegen war, scheint's aus Furcht +vor der Pest, Elsa von Kanitz, welche in Wittenberg Mädchenlehrerin +werden und bei Luther wohnen sollte, nicht aufgezogen; an ihrer Statt +aber wohnte nun Fräulein Magdalene von Mochau im Klosterhause[273]. + +Die Seuche brach in den Winkeln aus, kam aber bald ans +Elsterthor-Viertel, wo der Pestkirchhof lag[274]; zuerst wurde die +Umgebung angesteckt, so das Haus des nächsten Nachbarn, des D. Schurf +und endlich auch das Schwarze Kloster. Das wurde jetzt gerade ein +Spital, denn Luther nahm die kranke Frau Dr. Schurf, Hanna, herüber. Die +von Mochau bekam die wirkliche Pest. Die Frau des Kaplan (Diakonus) +Röhrer, eines von Luther hochgeschätzen Amtsgenossen, starb (am 2. Nov.) +daran bei ihrer Entbindung samt dem Kinde. Und Bugenhagen flüchtete +deshalb mit seiner Familie aus dem Pfarrhaus in das Schwarze Kloster. +Zwei Pflegetöchter von Käthe erkrankten und auch der kleine Hans war vom +Zahnen so mitgenommen, daß er mehrere Wochen nichts aß und allein mit +Flüssigkeit ernährt wurde, so daß er nur sehr langsam wieder zu Kräften +kam. Dazu war Luther selbst noch immer eine lange Zeit (Juli bis +November) vom Unwohlsein geplagt, besonders mit Blutandrang nach dem +Kopf und infolge dessen von Schwermut, oder wie er sagte, vom Satan +angefochten und sehr entkräftet. Schließlich kam die Krankheit noch in +die Ställe und es fielen fünf Schweine. Die Bauern brachten der Stadt +keine Zufuhr, so daß eine Teurung entstand und der Scheffel Mehl 5 +Groschen galt, eine Gans 2 Groschen[275]. + +Nur Käthe hielt sich aufrecht in alt dieser Not, „tapfer im Glauben und +gesund am Körper“, und doch war sie ihrer Entbindung nahe. Sie pflegte +Mann und Kind, Nichten und Gäste. Den Diakonus Röhrer mit seinem +Knäblein Paul, welches nach der Mutter schrie, nahm Käthe auch noch auf, +und Luther lud noch Jonas dringend zum Besuch ein, als es ein wenig +besser ging. Die von Mochau wurde in dem gewöhnlichem Winterzimmer +(Wohnzimmer) eingeschlossen, Frau Hanna war in Katharinas Kemenate +(heizbarem Zimmer), Hänschen im Studierzimmer, der Doktor und die +Lutherin weilten in der vorderen großen Aula. Schließlich wurde der +„Mochau“ die Beule aufgeschnitten, und nachdem das Gift heraus war, ging +es besser. Endlich, Mitte November, wich die Krankheit. Die Eheleute +waren froh, daß der böse Geist der Pest nur in die Säue gefahren war und +sie mit diesem Opfer sich loskauften. Hänschen war wieder frisch und +munter, Hanna genas und die Mochau entrann mit Mühe dem Tode; auch +Luthers Zustand und Stimmung wurde besser, namentlich als die +Universität allmählich wiederkehrte und er seine gewohnte Lehrtätigkeit +wieder beginnen konnte[276]. + +In dieser Zeit (am 10. Dezember) kam nun Käthe nach schmerzlichen Wochen +mit ihrem Töchterchen Elisabeth nieder, gerade als der Gemahl von einer +Vorlesung heimkehrte. Die vorausgegangenen Strapazen hatten doch ihre +Spuren hinterlassen, und die Mutter war recht angegriffen. Aber schon zu +Weihnachten wurde im Lutherhaus Verlobung gefeiert; die Hanna von Sala +wurde dem Petrus Eisenberg, einem braven Mann aus guter Familie, +Leut-Priester in Halle, anverlobt; schon am Neujahrstag war die +Hochzeit, und die kaum vom Wochenbett erstandene Hausfrau hatte schon +wieder diese fröhliche Unmuße durchzumachen[277]. + +Das neue Jahr (1528) war ein gesundes und im ganzen glückliches, Luther +und Käthe lebten wieder frisch auf. Sie brachten am 15. Mai wieder eine +Verlobung zustande, zwischen dem verwitweten Kaplan D. Georg Röhrer und +ihrer Pflegetochter Magdalene von Mochau. Die Hochzeit sollte fröhlich +am Tag nach Laurenzi (11. August) gefeiert werden. Aber da kam Leid vor +die Freude: am 3. August starb „Elslein“ und von dem lieben Töchterlein, +dessen Ankunft die glücklichen Eltern den Freunden in zahlreichen +Briefen angekündet hatten, mußten sie jetzt, gar wehmütig und weich +gestimmt, wieder ihr Abscheiden in die ewige Heimat melden. „Es war ein +großes Herzeleid; denn es starb ein Stück an des Vaters und ein Teil +von der Mutter Leibe“[278]. + +Die durch Tod und Verheiratung in die Hausgenossenschaft gerissenen +Lücken wurden bald reichlich ausgefüllt. Im Mai des folgenden Jahres +erschien das kleine Lenchen im Schwarzen Kloster. Auf gar wunderbare +Weise entkam die Herzogin Ursula von Münsterberg, die Base des Herzogs +Georg aus dem Kloster Freiburg samt zwei andern bürgerlichen +Klosterjungfrauen, von denen die eine ihr reiches Vermögen im Stiche +ließ, um der Armut Christi zu folgen. Die drei flüchteten nach +Wittenberg in die Freistätte des Lutherhauses: keinen Kreuzer brachten +sie mit, wohl aber den Haß des Herzogs und Verlegenheit für Luthers +Landesherrn[279]. + +Das war im Herbst 1528. Zu Ostern 1529 hatte Frau Käthe wieder eine +Hochzeit auszurichten: dem Pfarrer Bruno Brauer zu Dobin, dessen Braut +natürlich auch schon ein paar Tage vorher sich im Hause aufhielt. +Amsdorf wird dazu eingeladen und wird ersucht, sich nicht mit Eisen und +Schwert, sondern mit Gold und Silber und Ranzen zu umgürten, denn ohne +Geschenk komme er nicht los. Im Sommer verlobten die beiden Ehegatten +den Professor der Medizin Milich mit Susanna von Muschwitz, der +Schwester von Frau D. Schurf[280]. + +Während dieser Zeit war der Hausherr vielfach abwesend auf der +Visitation des Kurkreises, welche Luther mit dem Stadthauptmann Herrn +Metsch, dem Edlen Hans von Taubenheim und dem Rechtsgelehrten Benedikt +Pauli vorzunehmen hatte. Dazu kam die Reise nach Marburg zum +Religionsgespräch mit Zwingli (1529). + +Von Marburg stammt auch der erste Brief des Doktors an seine Ehefrau, +der erhalten geblieben ist. Er lautet[281]: + +„Gnad und Fried in Christo! + +Lieber Herr Käthe! + +Wisset, daß unser freundlich Gespräch zu Marburg ein Ende hat, und seynd +fast in allen Stücken eins worden, ohne daß der Widerteil (Gegenpartei) +wollen eitel Brot und Wein im Abendmal behalten und Christum geistlich +darinnen gegenwärtig bekennen. Heute handelt der Landgraf, ob wir +könnten eins werden, oder doch gleichwohl, so wir uneins blieben, +dennoch (als) Brüder und Christi Glieder unter einander uns halten. Da +arbeit der Landgraf heftig. Aber wir wollen des Brüdern und Gliederns +nicht; friedlich und Guts wollen wir wohl.... + +Sage dem Herrn Pommer, daß die besten Argument seind gewesen des +Zwingli, daß corpus non potest esse sine loco: ergo Christi corpus non +est in pane; des Oecolampadii: dies sacramentum est Signun corporis +Christi. Ich achte, Gott habe sie verblendet, daß sie nichts haben +müssen fürbringen. + +Ich habe viel zu thun und der Bot eilet. Sage allen gute Nacht und +bittet für uns. Wir seind auch alle frisch und gesund und leben wie die +Fürsten. Küßt mir Lensgen und Hänsgen. + +E. williger Diener + +Martin Luther. + +Ins folgende Jahr (1530), zur Zeit des Augsburger Reichstags, fällt der +lange halbjährige Aufenthalt Luthers auf der Koburg (April bis Oktober). +Er reiste mit dem Kurfürsten Johann und Kanzler Brück und den +Wittenberger Theologen, Melanchthon und Jonas ab und nahm seinen Famulus +Veit Dietrich mit. Käthe konnte ihren Gatten nicht ohne Sorge zum +Reichstag scheiden sehen; denn bei seiner Abreise glaubte man, daß auch +Luther nach Augsburg selbst gehe, also mitten in die Reihe seiner +Feinde. Bald erhielt sie die Nachricht, daß ihr Gatte, eben um seine +Gegner, und namentlich den Kaiser, in dessen Acht er war, nicht zu +reizen, in der südlichsten Stadt des Kurfürstentums bleibe, auf der +Feste Koburg, und zwar einigermaßen in Verborgenheit, ähnlich wie auf +der Wartburg. Er wurde morgens vor Tagesanbruch, samt seinem Famulus +Veit Dietrich, dahin gebracht; er ließ sich da den Bart wachsen und dazu +schickte ihm auch noch ein Freund, Abt Friedrich aus Nürnberg, ein +Schwert. Also mußte Frau Käthe in die „Einöde Gruboc“ allerlei Dinge +schicken, Bücher und Papier für allerlei Schriften, und empfahl ihren +Gemahl der Fürsorge der Kastellanin[282]. Freilich war vortrefflich für +den Einsiedler auf seinem Sinai gesorgt, die erste Frühlingszeit mit +Dohlenschwarm, Kuckuck und Nachtigall stimmte fröhlich; Veit Dietrich +wachte sorgfältig darüber, daß Luther keinen Diätfehler begehe und +veranlaßte ihn gar zum Armbrustschießen auf Fledermäuse. Auch an +Besuchen fehlte es nicht, so daß er schließlich klagte: „Die Wallfahrt +will zu groß werden hierher“[283]. Aber Luther litt bei der ungewohnten +Muße doch wieder an seinem alten Leiden: Fluß am Bein, Kopfweh und +Schwindel, und infolgedessen „Anfechtungen“ des Satans, so daß er sich +schon ein Oertlein für ein Grab aussuchte und meinte, unter dem Kreuz in +der Kapelle werde er wohl liegen. Davon meldete zwar der Doktor an seine +besorgte Ehehälfte kein Wörtlein; er schrieb vielmehr sie neckend: „Sie +wollen (in Augsburg) schlechterdings die Mönche und Nonnen wieder im +Kloster haben“[284]. Aber sie ahnte es doch, oder erfuhr es auf Umwegen +von den Freunden, denen er sein Leiden klagte, oder durch die Boten, die +vorbei kamen. Darum schickte sie ihm nicht nur Lenchens Bild, sondern +auch seinen Neffen Cyriak in Person samt seinem Präzeptor. Boten mit +Briefen und Aufträgen gingen fleißig hin und her: so bestellte Frau +Käthe durch Luther Pomeranzen bei Link in Nürnberg, weil es keine in +Wittenberg gebe, und sie erfuhr zeitig und ausführlich, wie es auf +Koburg und in Augsburg ging, wo der Kaiser sich barsch benahm und +Melanchthon gar ängstlich war. Wenn aber zu Wittenberg Sonntags in der +Kirche für glücklichen Ausgang des Augsburger Reichstages und für die +abwesenden Theologen gebetet wurde, da war Frau Luther wohl von allen +Kirchgängerinnen die andächtigste; und zu Mittags bei Tisch mit ihren +Tischgesellen und Kinderlein und abends im Kämmerlein allein hat sie für +den teuren Mann in der Ferne gefleht, wie er's in jedem Briefe +erbittet[285]. + +Einige Briefe Luthers von der Koburg an seine Hausfrau sind erhalten; so +kam um Pfingsten einer[286]: + +„Gnad und Friede in Christo. + +Liebe Käthe! Ich hab, acht ich, Deine Briefe alle empfangen. So ist dies +der vierte Brief, den ich Dir schreibe heut daß Er Johann von hinnen +gegangen ist. Lenchen Konterfeit hab ich mit der Schachtel auch. Ich +kannte das H... zuerst nicht, so schwarz deucht mir's (zu) sein. Ich +halte, wo Du es wilt absetzen von Wöhnen (d.h. entwöhnen), das gut sei +weilinger Weise, also daß Du ihr zuerst eines Tages einmal abbrechest, +darnach des Tages zweimal, bis es also säuberlich abläßt. Also hat mir +Georgen von Grumbachs Mutter, Frau Argula, geraten. Die ist hier bei uns +gewest und hat mit mir gessen. Hans Reinicke von Mansfeld auch und +George Römer, daß wir müssen an einen andern Ort; es will zu gemeiner +Wallfahrt hieher werden. + +Sage Meister Christannus[287], daß ich meins Tage schändlichere Brillen +nicht gesehen habe, denn die mit seinem Briefe (ist) kommen. Ich konnt +nicht ein Stich dadurch sehen. So ist mir auch der Brief an Kunzen Vater +nicht geworden. Auch bin ich nicht zu Koburg, (d.h. ich will nicht da zu +finden sein); kann ich aber sonst dazu thun, will ich's nicht lassen. Du +sollst aber gleichwohl Deine Briefe dem Kastner, (Schloßverwalter) +[646], lassen zustellen; der wird sie mir wohl schaffen. + +Man beginnt zu Nürnberg und Augsburg zu zweifeln, ob etwas aus dem +Reichstag werde. Der Kaiser verzeucht noch immer in Inspruck. Die +Pfaffen haben etwas vor und gehet mit Kräutern zu. Gott gebe, daß sie +der Teufel besch.... Amen. + +Laß den Herrn Doctor Pommer den Brief an D. Wencels lesen. + +Eilend. Der Bote wollt nicht harren. Grüße, küsse, herze und sei +freundlich allen, jeden nach seinem Stande. + +Am Pfingsttag frühe, 1530. + +Martin Luther. + +Meiner herzlieben Hausfrauen Katharin Lutherin zu Wittenberg zu handen.“ + +Zu Wittenberg machte damals der Festungsbau den Einwohnern, namentlich +auch der Familie Jonas, viel Verdruß und Aufregung; das Kloster blieb +einstweilen noch verschont. + +Während Luthers Abwesenheit waren im Klosterhause Hieronymus Weller als +Präzeptor des kleinen Häuschens. Hieronymus war aber ein von Schwermut +geplagter Mann, und es wurde darum dankbar begrüßt, daß auch sein Bruder +Peter ins Haus zog, der Präzeptor von Luthers Neffen, Polner. Auch der +würdige D. Pommer (Bugenhagen) kam ab und zu ins Schwarze Kloster, um +Frau Käthe zu beraten, und Frau Jonas, die allezeit fröhliche, muntere +Gattin des in Augsburg abwesenden Stiftspropstes, welche freilich +damals ihr zweites Söhnlein bald nach der Geburt verlor[288]. Mit hohem +Interesse wurden Luthers Schreiben empfangen und mit vieler Freude im +Kreise der zurückgebliebenen Freunde vorgelesen. Großen Jubel bei den +Tischgesellen erregte ein humorvoller Brief Luthers vom „Reichstag der +Dohlen und Krähen“, dem lustigen Abbild des Augsburger Reichstags. Da +wird gar ergötzlich geschildert das Ab- und Zureiten „der Malztürken“, +ihr Scharwänzen und Turnieren, ihr „Kecken“ und Kriegsrat wider Korn und +Weizen. Und welche Freude erst war's, als goldene Frühäpfel aus Nürnberg +mit dem Boten von Koburg für die Tischgesellschaft ankamen! Wie +leuchteten aber erst die Augen der Kleinen und seiner Gespielen über den +herzigen Märchenbrief Luthers an sein „liebes Söhnichen Johannes“ von +dem schönen Paradiesesgarten. Wie hat sich da die Mutter gefreut und +Muhme Lene und des Jonas Jost und Melanchthons Lips, die auch in den +Garten kommen sollten, und der „Gruß und Putz“ wird der Muhme Lene von +dem kleinen Hans ausgerichtet worden sein. Hänschen war ein braver Bub +und wird von seinem Präzeptor wegen seines Fleißes und Eifers +gelobt[289]. + +Aber auch ernste Briefe kamen von Koburg an, welche Frau Käthe und die +Theologen interessierten und im Lutherhaus gemeinsam gelesen wurden, +oder auch unter den Freunden umliefen. Allerdings seine schwersten +Sorgen und Schmerzen schrieb Luther nicht darin, aber allerlei Anliegen +wegen der Zöglinge und an seine Buchdrucker Schirlenz, Weiß und Rau. So +kamen vom 14. und 15. August mit einem Boten zwei Episteln an seine +„herzliebe Hausfrau“[290]. + +„Gnade und Friede in Christo. + +Meine liebe Käthe! Dieser Bote lief eilend vorüber, daß ich nichts mehr +schreiben konnte, nur daß ich ihn nicht wollte ohne meine Handschrift +gehen lassen. Du magst Herr Johann Pommern und allen sagen, daß ich bald +mehr schreiben will. Wir haben noch nichts von Augsburg, warten aber +alle Stunden auf Botschaft und Schrift. Aus fliegenden Reden haben wir, +daß unsers Widerparts Antwort soll öffentlich gelesen sein; man habe +aber den Unsern keine Abschrift wollen geben, daß sie darauf antworten +möchten. Weiß nicht, ob's wahr ist. Wo sie das Licht so scheuen, werden +die Unsern nicht lange bleiben. Ich bin seit Lorenzentag recht gesund +gewesen und habe kein Sausen im Kopf gefühlt; das hat mich fein lustig +gemacht zu schreiben, denn bisher hat mich das Sausen wohl zerplaget. + +Grüße alle und alles; ein andermal weiter. Gott mit euch. Amen. Und +betet getrost: es ist wohl angelegt, und Gott wird helfen. + +Gegeben am Sonntage nach Lorenzentag, Anno 1530.“ + +Der Brief war kaum geschrieben, so kam weitere Nachricht von Augsburg. +Luther behielt deshalb den Boten bei sich über Nacht und fügte am andern +Tage noch folgendes hinzu: + +„Gnad' und Fried in Christo. + +Meine liebe Käthe! Als ich den Brief hatte zugemacht, kamen mir diese +Briefe von Augsburg: da ließ ich den Boten aufhalten, daß er sie mit +sich nähme. Daraus werdet ihr wohl vernehmen, wie es zu Augsburg mit +unsrer Sache steht, fast wie ich im andern Brief geschrieben habe. Laß +Dir sie Peter Weilern lesen oder Herrn Johann Pommer[291]. Gott helfe +weiter, wie er gnädiglich angefangen hat, Amen. + +Jetzt kann ich nicht mehr schreiben, weil der Bote so wegfertig da sitzt +und harret kaum. Grüße unsern lieben Sack. + +Ich habe Deinen Brief an die Kästnerin (die Kastellanin vom Koburger +Schloß) gelesen, und sie dankt Dir sehr. Hans Polner habe ich Peter +Wellern befohlen: siehe zu, daß er sich gehorsamlich halte. Grüße Hansen +Luthern und seinen Schulmeister; dem will ich bald auch schreiben. Grüße +Muhme Lenen und allesamt. Wir essen hier reife Weintrauben, wiewohl es +diesen Monat hieraußen sehr naß gewesen ist. Gott sei mit euch allen, +Amen. + +Aus der Wüsten, am Tage Maria Himmelfahrt 1530. + +Mart. Luther. + +Wie verdreußt mich's, daß unsere Drucker so schändlich verziehen mit den +Exemplaren[292]. Ich schicke solch Exemplar darum hinein, daß sie bald +sollen fertig werden — da machen sie mir ein Lagerobst draus. Wollt' ich +sie so liegen haben, ich hätte sie wohl hier bei mir auch wissen zu +halten. Ich hab' Dir geschrieben, daß Du den Sermon, wo er nicht +angefangen, von Schirlenz nehmen und Georgen Rau geben solltest. Ich +kann doch wohl denken, daß Schirlenz sein groß Exemplar kaum zu verlegen +hat mit Papier. Ist das nicht geschehen, so schaffe, daß es noch bald +geschehe und der Sermon aufs förderlichste gefertigt werde.“ + +Die Abwesenheit des Doktors zögerte sich gar lange hinaus: es wurde +Sommer und wurde Herbst und der Doktor war noch nicht da. Mit Sehnsucht +wurde er erwartet und voll Sehnsucht schrieb er nach Hause. So um „Maria +Geburt“[293]: + +„Gnade und Friede in Christo. + +Meine liebe Käthe! Dieser Bote lief eilend vorüber, daß ich nicht viel +schreiben konnte. Hoffe aber, wir wollen schier selbst kommen; denn +dieser Bote bringt uns von Augsburg Briefe, daß die Handlung in unsrer +Sache ein Ende habe und man nur wartet, was der Kaiser schließen und +urteilen wird. Man hält's dafür, daß es werde alles aufgehoben auf ein +künftig Konzilium; denn der Bischof zu Mainz und Augsburg halten noch +fest, so wollen der Pfalzgraf, Trier und Cöln nicht zum Unfrieden oder +Krieg willigen. Die andern wollten gern wüten und versehen sich, daß der +Kaiser mit Ernst gebieten werde. Es geschehe, was Gott will: daß nur des +Reichstags ein Ende werde! Wir haben genug gethan und erboten; die +Papisten wollen nicht ein Haarbreit weichen; damit wird einer kommen, +der sie lehren soll weichen und räumen. + +Mich wundert, warum Hans Weiß den Psalm nicht hat genommen. Ich hätt' +nicht gemeint, daß er so ekel wäre, ist's doch ein köstlich Exemplar. +Schicke hier denselbigen vollends ganz mit und gönn' ihn Georgen Rau +wohl. Gefällt das Exemplar Herrn Johann Pommern und Kreuzigern, so laß +immerhin drucken. Es ist doch nichts, daß man den Teufel feiert. + +Wer Dir gesagt hat, daß ich krank sei, wundert mich sehr, und Du siehest +ja die Bücher vor Augen, die ich schreibe. So hab' ich ja die Propheten +alle aus, ohne den Ezechiel, darin ich jetzt bin und im Sermon vom +Sakrament, ohne was sonst des Schreibens mit Briefen und anders mehr +ist. Ich konnte jetzt nicht mehr vor Eilen schreiben. Grüßt alle und +alles. + +Ich hab' ein groß schön Buch von Zucker für Hansen Luther, das hat +Cyriakus von Nürnberg gebracht aus dem schönen Garten. Hiemit Gott +befohlen und betet. + +Mit Polner mach's nach Rat des Pommers und Kellers. + +Aus der Wüsten, am 8. September 1530.“ + +Als aber die Herren endlich wieder heimkehrten, samt Veit Dietrich, +Peter Weller und dem jungen Cyriak, der mit seinem Lehrer das Schauspiel +des Reichstag in Augsburg und die berühmte Stadt Nürnberg hatte besuchen +dürfen, da war ein Erzählen am Eichentisch im Wohnzimmer und unten im +Hof unterm Birnbaum, während der vierjährige Studiosus Hans sich an +seinem Nürnberger Zuckerbuch erlustierte. + +Ruhiger gingen die folgenden Jahre hin. Freilich wiederholten sich die +beängstigenden Schwindelanfälle beim Doktor, so daß er im Herbst 1531 +eine Erholungsreise zu Gevatter Hans Löser nach Schloß Pretzsch machte, +um durch die Bewegung das Sausen loszuwerden. Da ging er viel spazieren, +fuhr auch zur Jagd[294]. + +Von Mansfeld waren auch die Großeltern einigemal nach Wittenberg +herübergekommen, obwohl das keine kleine Reise war; da schickte der +Stadtrat „Doktoris Martini Vater“ einen Ehrentrunk. Dann herrschte große +Freude im Kloster und der Doktor konnte eine Vergleichung anstellen +zwischen seiner harten Jugend und der Zärtlichkeit der alten Leute gegen +die Enkel und merken, daß die Großeltern ihre Kindeskinder lieber haben +als ihre eigenen Kinder. Als im Anfang 1530 Bruder Jakob von Mansfeld +schrieb, der Vater wäre „fährlich krank“, wäre Luther aus der Maßen gern +selbst kommen; aber er durfte es dorthin der Bauern und des Adels wegen +nicht wagen. Aber große Freude sollt es ihm sein, schrieb er, wo es +möglich wäre, daß der Vater samt der Mutter sich ließe herbeiführen nach +Wittenberg, was auch „Käthe mit Thränen begehrte“, in der Hoffnung, sie +aufs beste zu warten. Dazu wurde Cyriak in seine Vaterstadt abgefertigt, +zu sehen, ob das möglich wäre. Aber die alten Leute konnten sich +begreiflicherweise nicht zu diesem Umzug entschließen. Und nicht lange +darauf, als Luther auf der Koburg saß, starb der Vater. Im Sommer des +folgenden Jahres erkrankte die Großmutter. Das erregte großes Leid in +der Familie; Luther schrieb inmitten der Kinderschar einen Trostbrief: +darin schildert er gar anschaulich das echt kindliche Benehmen der +beiden eigenen Kinder und der andern Enkel, welche im Klosterhause +lebten: „Es bitten für Euch alle Eure (Enkel-) Kinder und meine Käthe; +etliche weinen, etliche essen und sagen: Die Großmutter ist sehr krank.“ +Am 30. Juni schied auch sie vom Leben[295]. + +Von den Enkeln hatten freilich die Großeltern höchstens die drei ersten +gesehen: Hans, Elisabeth und Lenchen. Erst nach ihrem Tode kam der +vierte auf die Welt am Vorabend von Luthers Geburtstag und bekam deshalb +den Namen Martin. Es war gerade zur Zeit als die Bauern, wie man ihnen +nachsagte, eine künstliche Teuerung zu stande brachten. Fünfviertel +Jahre später (am 28. Januar 1533) stellte sich Paul ein und endlich am +Ausgang des folgenden Jahres das Jüngste, Margarete. Schon 1533 war der +siebenjährige Erstgeborne — gewiß nur, wie andre Professorensöhne, der +Ehre halber — bei der Universität als akademischer Bürger angenommen +worden, zugleich mit seinen Vettern Fabian und Andreas Kaufmann[296]. + +In diesem Jahre 1533 war Luther wieder einen ganzen Monat krank an +Kopfleiden[297]. + +Im Februar 1534 kam seine Schwester zu Besuch nach Wittenberg. Da +tischte Frau Käthe für die Schwägerin köstlich auf und ließ Hechte +kommen aus den kurfürstlichen Teichen[298]. + +Seitdem Johann Friedrich Kurfürst geworden, war Luther gar oft zu dem +ihm vorher schon sehr befreundeten neuen Landesherrn allein oder mit +andern Theologen nach Torgau geladen, wo er predigte, disputierte und +bei Tisch in ernstem und fröhlichem Gespräch verblieb. Von dort sandte +der Doktor auch einmal an „seinen freundlichen lieben Herrn, Frau +Katharina von Bora, D. Lutherin zu Wittenberg“ einen heiteren +Brief[299]: + +„Gnade und Friede in Christo. + +Lieber Herr Käthe! Ich weiß Dir nichts zu schreiben, weil Magister +Philipps samt den andern selbst kommen. Ich muß länger hier bleiben, um +des frommen Fürsten willen. Du magst denken, wie lange ich hier bleiben +werde, oder wie Du mich los machst. Ich halt', M. Franciscus wird mich +wieder los machen, wie ich ihn losgemacht habe, doch nicht so balde. + +Gestern hatt' ich einen bösen Trunk gefaßt, da mußt' ich singen. Trink' +ich nicht wohl, das ist mir leid und thät's so recht gerne, und hab +gedacht, wie gut Wein und Bier hab' ich daheime, dazu eine schöne Frauen +oder (sollt' ich sagen) Herrn. Und Du thätest wohl, daß Du mir +hinüberschicktest den ganzen Keller voll meines Weines und eine Flaschen +Deines Biers, so oft Du kannst. Sonst komme ich vor dem neuen Bier nicht +wieder. Hiermit Gott befohlen samt unsern Jüngern und altem Gesinde, +Amen. + +Mittwoch nach Jakobi, 1534. + +Dein Liebchen + +Mart. LutheR, D.“ + +Im Jahre 1535 kam der päpstliche Gesandte Kardinal _Vergerius_ durch +Wittenberg; mit glänzendem Gefolge, zwanzig Pferden und einem Esel zog +er ins Schloß und ließ Luther dahin einladen. Der ließ sich schön +schmücken, hängte eine goldene Kette um und fuhr mit Bugenhagen, als der +deutsche Papst mit Kardinal Pomeranus, ins Schloß, wo er dem Legaten +gegenüber, wie er sich vorgenommen hatte, den rechten Luther spielte. Da +erzählte er auch dem Kirchenfürsten, um ihn zu ärgern, von seiner Frau, +der ehrwürdigen Nonne, und seinen fünf Kindern, von denen der +Erstgeborene hoffentlich ein großer evangelischer Theologe werden würde +[300]. + +Während dieser Zeit waren mancherlei Verändernden im Kreise der +Lutherschen Hausgenossen eingetreten. Natürlich wechselte von Jahr zu +Jahr die Tafelrunde der jugendlichen Kostgänger durch Abgang oder Zugang +zur Schule. Aber es starb auch einmal ein Schüler. So aus Nürnberg Hans +Zink Ostern 1531. Er war allen ein gar lieber Bube, sonderlich dem +Hausvater, indem er den Discant bei der abendlichen Hausmusik sang; aber +auch weil er fein still und züchtig (sittsam) und im Studium sonderlich +fleißig war, so daß allen gar wehe geschehen ist durch seinen Abscheid. +Frau Käthe sparte zu seiner Pflege nichts an Fleiß, Sorge und Arzenei, +um das fremde liebe Kind wo nur möglich zu retten und zu erhalten. Aber +die Krankheit wurde übermächtig über die Pflege, und der Knabe ist Gott +noch viel lieber gewesen als den Lutherschen, der hat ihn wollen haben. +Das meldete Luther im Trauer- und Trostbrief den betrübten fernen +Eltern. Auch später kamen solche Sterbefälle noch vor; ja es starben +Ostern 1544, als in Wittenberg die Masern grassierten und auch Luthers +Kinder alle daran darniederlagen, auf einmal zwei Zöglinge, ein +wohlgeschickter Knabe aus Lüneburg und ein Straßburger. Das war keine +kleine Verantwortung, welche Luther und besonders Käthe zu tragen hatte. +Das jüngste, Margaretlein, hatte als Nachwehen 10 Wochen ein schweres +hitziges Fieber und kämpfte noch vor Weihnachten um Gesundheit und Leben +[301]. + +Der Diener Johannes Nischmann, der mehrere Jahre der Familie treulich +und „fleißig gedienet, dem Evangelium gemäß sich demütig gehalten und +alles gethan und gelitten“, zog Lichtmeß 1534 aus dem Schwarzen Kloster +mit 5 fl. Lohn und einem guten Zeugnis. Von einem andern dagegen ging +ein böses Geschrei aus, daß er sich von einem wenig achtbaren Mädchen +hätte verführen lassen[302]. + +Schmerz und Verdruß bereiteten den Lutherischen Eheleuten in dieser Zeit +aber auch ihre Verwandten. + +Zunächst Katharinas Brüder. Da war Hans aus Preußen heimgekehrt, um das +Gut Zulsdorf zu übernehmen, hatte eine Witfrau des von Seidewitz, eine +geborene Marschall, mit einem oder mehrern Kindern geheiratet[303]; er +konnte aber von dem Gütchen nicht recht leben und seinen Dienst am +preußischen Hofe auch nicht mehr erhalten — und seine Ehe soll auch +nicht glücklich gewesen sein. Daher mußte Käthe ihren Gatten um manche +Bittschrift für ihn angehen. Ebenso machte Bruder Clemens Sorge, welcher +gleichfalls in Preußen wegen Beteiligung an einer Schlägerei seine +Stelle bei Hof verlor und, wie es scheint, nicht mehr in „vorigen Stand +kommen“ konnte, trotz der Fürbitte der evangelischen Bischöfe von +Samland und Pomesan an den Herzog, ihn wieder zu Gnaden anzunehmen, +„damit er D. Martino und seiner geliebten Hausfrau nicht eine Betrübnis, +dazu Schimpf und Spott sei und also im Land hin und wieder und endlich +hinaus ziehet“. Der Herzog „wolle ihn doch mit einem Klepper und +Zehrung und gnädiger Fürschrift an den Kurfürsten von Sachsen +abfertigen“[304]. + +Näher noch gingen den beiden Ehegatten allerlei Erlebnisse mit den +Kindern im Hause, den eignen und noch mehr den fremden. + +Mit der Anzahl der Kinder wuchs auch die Erfahrung der jungen Eheleute +in der Zucht und Erziehung. Zu Anfang, als einmal eines der jungen +Kindlein schrie und weinte, daß es niemand stillen konnte, waren Käthe +sowohl wie Luther eine ganze Stunde traurig und bekümmert. Später +erkannten sie und der Vater sprach es aus: „Wenn junge Kinder recht +schreien, so wachsen sie wohl; denn durch Schreien dehnen sich die +Glieder und Adern auseinander, weil sie sonst keine andere Uebung haben, +sich zu bewegen“[305]. + +Als die Kinder größer wurden, gab es natürlich allerlei Unarten und +Vergehungen, und zwar sowohl bei den eignen, wie bei den angenommenen +Waisen. Das „Tauschen“ („Fuggern“ nannte man's später nach dem damals +berühmten Augsburger Handelshause) war natürlich auch bei den +Lutherskindern üblich. Ja, auch das „Stehlen“ („Schießen“ nannte man es +auch nach den „Schützen“ d.h. jungen fahrenden Schülern, den tirones +oder Plänklern in Vergleichung mit der römischen Heeresordnung). Das war +nun beides recht verpönt im Luther-Hause, freilich wurde bei Eßwaren, +namentlich Obst, als Kirschen, Aepfeln, Birnen, Nüssen, die Strafe +gelinder bemessen. Aber wenn einmal etwas anderes genommen wurde, dann +gab es böses Wetter im Hause. Ganz besonders aufgebracht werden konnte +der heftige Hausvater wegen Ungehorsams: Gehorsam hielt er mit andern +Pädagogen für die erste Tugend der Kinder. Darum ließ er seinen +Erstgeborenen einmal drei Tage lang nicht vors Angesicht kommen und Frau +Käthe mußte ihre ganze Ueberredungskraft und die Fürsprache von Freunden +anwenden, um den erzürnten Vater umzustimmen[306]. + +Im Jahre 1536 that Luther seinen Erstgebornen schon aus dem Hause zu +einem tüchtigen Schulmeister. — Die Unruhe war im Kloster gar zu groß. +Später — 1542 — kam er wieder fort zu dem berühmten Präzeptor Crodel in +Torgau[307]. + +Manchen Aerger hatten Luther und Käthe auch mit den fremden Kindern, +namentlich den Neffen. + +Man wird frelich kein großes Aufhebens zu machen haben, wenn Luther +einmal sagt: „Wenn ich meinen Enders (d.i. Andreas Kaufmann) nicht hätte +gestrichen, von seiner Untugend über Tisch gesagt und ihm Zucker und +Mandelkerne gegeben hätte, so hätte ich ihn schlimmer gemacht.“ Aber von +Martin (seines Bruders Sohn) erzählte Luther: „Derselbe hat mich einmal +also erzürnt und getötet, daß ich ganz von meines Leibes Kräften +gekommen bin.“ Als Fabian von Bora mit Hans Luther 1542 nach Torgau kam, +ließ er sich auf der Reise dahin verleiten, dem kleinen Paul Luther ein +Messer zu nehmen und dem Schulmeister Crodel vorzulügen, der Oheim habe +es ihm gegeben, während er vorher dergleichen nie gethan. Darüber +erzürnte Luther mächtig und diktierte dem armen Sünder drei Tage +hintereinander Streiche[308]. + +Begreiflicherweise vertuschte auch die Mutter und Hausfrau gar manches, +was bei den Kindern und dem Gesinde in dem großen Haushalt vorfiel, vor +dem heftigen Mann, so daß er in hellem Zorn aufflammen konnte: „Wenn sie +sündigen und allerlei Büberei treiben, so erfahre ich's nicht; man zeigt +mir's nicht an, sondern hält's heimlich vor mir“[309]. + +Es war aber freilich nicht allein die Furcht vor des Doktors Zorn, +sondern doch auch die Rücksicht auf den vielbeschäftigten und viel +geärgerten Mann, was die Gattin bewegen mußte, ihn mit den häuslichen +Widerwärtigkeiten möglichst zu verschonen. Er sollte vor allem an den +Kindern sich erfreuen. Denn diese Freude an den Kindern war Luther +freilich die größte und schönste und er war einigermaßen eifersüchtig +auf „Muhme Lene“, welche sie ihm „vorwegnahm“, da die Kinder so an ihr +hingen und so viel um sie waren[310]. Luther wollte seine Kinder nicht +so hart erzogen haben, wie es ihm ergangen war. Aber für Bosheit und +Schalkheit und Schaden sollten sie gestraft werden und es ihnen nicht +nachgesehen werden. Das war gewiß auch Frau Käthes Meinung und +jedenfalls war sie mit ihres Mannes Anschauung einverstanden: eines +Geistlichen Kinder müßten ganz besonders wohlgezogen sein, auf daß +andere Leute davon erbaut und ein gut Exempel nähmen; ungezogene +Pfarrkinder gäben andern „ein Aergernis und Privilegium zu sündigen“. +Dasselbe galt auch vom Gesinde. Denn, sagt Luther, „der Teufel hat ein +scharpf Aug auf mich, damit er meine Lehre verdächtig mache oder gar +einen Schandfleck anhänge.“ Daher war es ein aufregendes Ereignis, als +ein Mädchen in Luthers Hause sich übel aufführte[311]. + +Nach Muhme Lene's Abscheiden nämlich (1537) nahm das Luthersche Ehepaar +eine gefährliche Person ins Haus. Sie kam zu Luther, nannte sich Rosine +von Truchses und gab vor, eine arme Nonne aus hohem Geschlecht zu sein. +Da Luther aber scharf in sie drang, so bekannte sie, sie wäre eine +Bürgerstochter aus Minderstadt in Franken; ihr Vater sei im +Bauernaufruhr geköpft worden; sie irre als verwaistes Kind umher und +bitte um Gotteswillen ihr zu verzeihen und sich ihrer zu erbarmen. Der +gutherzige Mann that es. Das Jüngferlein bezeugte sich gar sittsam und +artig, wußte sich in Gunst zu setzen und das Vertrauen aller im Hause zu +erschleichen, besonders sich bei den Kindern wohl anzumachen. Aber es +war ein schlechtes Weibsbild, das sich in das Haus gedrängt hatte. In +Keller, Küche und Kammer kam allerlei weg; niemand wußte, wer der Dieb +war. Weiter lockte sie allerlei junge Leute an sich, die sie mit ihrer +angeblich hohen Abkunft beschwindelte, und trieb Unzucht mit ihnen. +Endlich entdeckte Frau Käthe die Sache und entfernte, während Luther auf +einer Reise war, die Person in aller Stille aus dem Hause. Luther war +froh, daß er nichts von allem gewußt hatte und daß sie jetzt fort sei. +Aber die Schwindlerin zog umher in allen Pfarrhäusern, berühmte sich +ihrer Bekanntschaft mit dem großen Doktor und seinem Hause, log, trog +und stahl weiter. Immer von neuem tauchte sie auf, zuletzt nach mehreren +Jahren noch in Leipzig, so daß Luther dorthin an den Richter Göritz, +seinen Gevatter, schreiben mußte, um ihrem Unfug ein Ende zu machen. +Luther litt unendlich unter dieser Schmach, die seinem Hause +widerfahren, und meinte, die Papisten hätten ihm diese Teufelsperson auf +den Hals geschickt. Aber auch Frau Käthe mußte es schwer tragen und dazu +noch die Vorwürfe ihres Mannes, welcher zürnte, daß man dieses Weibsbild +hatte entkommen lassen und nicht gleich in der Elbe ertränkt habe. Er +meinte durch diese Erfahrung gewitzigt zu sein, und doch bekam er vor +seinem Ende noch eine „andere Rosine“ ins Haus, die ihm den Aufenthalt +in Wittenberg verleiden half[312]. + +Ein anderes Vorkommnis setzte Frau Käthe 1538 hart zu. Ein Tagelöhner +arbeitete oft bei ihr, ein fleißiger und braver Mensch, nüchtern sanfter +wie ein Lamm, aber in der Trunkenheit ein Krakehler. An einem Sonntag +lief er in der ganzen Stadt herum und prahlte, er sei Famulus bei +Luther, und in der Aufregung schlug er jemand tot. Dann ward er +nüchtern, nahm mit Thränen Abschied von Frau Luther und wurde flüchtig. +Ein Weib und drei Kinder, die er im größten Elend zurückließ, fiel +natürlich Frau Käthe zur Last[313]. + + + + +11. Kapitel + +Hochzeiten und Krankheiten, Pest und Tod. + + +Besondere Geduld und Liebe, Vorsicht und Weisheit mußten die Eheleute +brauchen in der Behandlung der ihnen anvertrauten Kinder. + +Die verwaiste Pflegetochter Lenchen Kaufmann, „Mühmchen Lene die +Jüngere“, fing in noch recht jugendlichem Alter eine Liebelei mit +Magister Veit Dietrich an, der mit seinen sechs Scholaren im Schwarzen +Kloster lebte. Nun war Luther zwar der Meinung des Sprichworts: „Früh +aufstehn und jung freien“ und ist öfters für junge ehrbare Leute, die +sich einander gern hatten und zu einander paßten, bei ihren Eltern um +ihre Einwilligung eingetreten und hat sie gegen Eigensinn und +Selbstsucht der Väter und Mütter in Schutz genommen und +zusammengebracht. So hatte er sich auch schon 1523 eines Mädchens aus +Torgau angenommen, welchem der kurfürstliche Barbier die Ehe +versprochen und zum Unterpfand einen Ring gegeben und mit ihr eine Münze +geteilt hatte[314]. + +Aber er wußte auch, daß es zu früh und ungeschickt sein könnte, das +konnte er an Melanchthons Töchterlein merken, welches auch als kaum +vierzehnjähriges Kind sich in einen begabten, aber leichtsinnigen jungen +Poeten verliebt hatte und, da die Eltern unbedacht nachgaben, einen +unglücklichen Ehestand erlebte. Luther meinte, „es wäre nicht ratsam, +daß junge Leute so bald in der ersten Hitze und plötzlich freiten; denn +wenn sie den Fürwitz gebüßt hätten, so gereuete sie's bald hernach und +könnte keine beständige Ehe bleiben; es käme das Hündlein Reuel, das +viele Leute beißt“. Bestärkt wurde Luther in dieser Anschauung durch +seine Ehefrau, welche dem Veit Dietrich überhaupt nicht ganz hold war. +Das Jüngferlein Lene wollte natürlich die Stimme der Vernunft nicht +hören und zeigte sich ungebärdig, so daß Luther sogar einmal meinte, +„man sollte sie mit einem guten Knüttel züchtigen, daß ihr das +Mannnehmen verginge“[315]. + +Der Herr Magister Veit zog nun aus dem Hause und warf seinen Zorn vor +allem auf Frau Käthe, der er Herrschsucht und Habsucht vorwarf (1534). + +Aber als Bäschen Lene zu ihren vollkommenen Jahren gekommen war (1538) +und der Rechte kam, der auch mit Vorwissen der Pflegeeltern um sie +freite, da gaben diese ihre freudige Einwilligung. Es war M. Ambrosius +Berndt aus Jüterbog, ein gesetzter, „recht frommer (braver) Mann, der +Christum lieb hatte“, seit einem halben Jahr, wo ihm seine junge Frau im +ersten Kindbett samt dem Knäblein gestorben war, kinderloser Witwer, +Professor der Philosophie und Schöffer in Wittenberg, ein Amtsgenosse +und guter Bekannter und Gevattersmann der Lutherschen Familie. Von +dieser Verlobung und Hochzeit ist uns in den Tischreden Eingehendes +berichtet[316]. + +Martini 1538 beging Luther seinen Geburtstag. Dazu hatte Frau Käthe, wie +gewöhnlich einen festlichen Schmaus gerichtet und viele Freunde, Jonas, +Kreuziger, Melanchthon, auch die fremden Gäste Camerarius und Bucer, +welche damals in Wittenberg waren, eingeladen. Auch der Freier und +Lenchen Kaufmann waren zugeben. Vor dem Essen — es war ein Nachtmahl — +ließ nun der M. Ambrosius bei Luther „öffentlich werben um des Doktors +Muhme Magdalene, daß er ihm dieselbige wollte zur Ehegattin geben, wie +er ihm zuvor zugesagt“. Da nahm D. Martinus die Jungfrau bei der Hand +und sagte: „Lieber Herr Schöffer und Gevatter! Allhie habe ich die +Jungfrau, wie mir sie Gott gegeben und bescheret hat, die überantworte +ich Ihm. Gott gebe seinen Segen und Benedeiung, daß sie wohl und +christlich mit einander leben!“ + +Die Gäste wünschten Glück; man setzte sich zur Mahlzeit und waren alle +fröhlich und guter Dinge. Luther sprach vom Freien und der Freiheit +eines neuen Bräutigams, vom Kriegsdienst und allen andern Lasten und +Bürden. + +Als die Brautleute so eifrig und heimlich mit einander sprachen und die +Gesellschaft um sich her vergaßen, lächelte der Doktor und sagte: „Es +wundert mich, daß doch ein Bräutigam mit der Braut so viel zu reden hat. +Ob sie auch müde werden können? Aber man darf sie nicht vexieren, denn +sie haben Freibriefe über alle Macht und Gewohnheit.“ + +Die Brautleute bekümmerten sich nun um die Herrichtung der Hochzeit und +das Gästebitten. Da sprach der Doktor: „Seid unbekümmert, solches geht +euch nichts an. Wir wollen bedacht sein auf solch zufällig Ding, das +nicht zum Wesen des Ehestandes gehört.“ + +So schrieb denn Luther an den Fürsten von Anhalt um den Wild-Festbraten: +„Ich bitte ganz demütig, wo Ew. Fürstl. Gnaden so viel Uebrigs hätten, +wollten mir einen Frischling oder Schweinskopf schenken; denn ich soll +bis Mittwoch mein Waislein, meiner Schwester Tochter versorgen.“ Der +Wildbraten blieb natürlich nicht aus und Frau Käthe bereitete ihn zu, +auch der Stadtrat schickte zum Hochzeitsmahl ein „Stübchen“ Frankenwein +und vier Quart Jüterbogischen Wein — also aus des Bräutigams +Heimat[317]. + +So richteten nun die Pflegeeltern ihrer Nichte Hochzeit aus und sorgten +dafür, daß es fröhlich zuging und auch die Verwandten aus Mansfeld und +Eisleben eingeladen wurden. Luthers Lieblingsbruder Jakob kam herüber +und sogar zwei Vatersbrüder. Der Schulmeister mit den Sängern wurde +bestellt, und während Frau Käthe buk, briet und kochte, kostete der +Doktor die Weine im Keller. Er meinte: „Man soll den Gästen einen guten +Trunk geben, daß sie fröhlich werden: denn wie die Schrift sagt, das +Brot stärkt des Menschen Herz, der Wein aber macht ihn fröhlich.“ Es +sollte überhaupt in christlicher Fröhlichkeit bei Hochzeit zugehen, nach +dem Grundsatz: „Bei der Hochzeit soll man die Braut schmücken, soll +essen, trinken, schön tanzen und sich darüber kein Gewissen machen, denn +der Glaube und die Liebe läßt sich nicht austanzen noch aussitzen, so du +züchtig und mäßig darinnen bist.“ Beim Hochzeitsschmaus selbst sorgte +Luther für fröhliche Unterhaltung und allerlei Rätselaufgaben. So fragte +er den „schwarzen Engländer“ (wahrscheinlich Robert Barns, der seit 1533 +in Wittenberg studierte und zur Hochzeit geladen war): „Wie wollt Ihr +Wein in einen Keller legen nicht eingeschroten und nicht eingefüllt?“ +Der Engländer wußte es nicht; Luther aber sagte: „Man bringt Most +hinein, so wird schon Wein daraus; das ist eine natürliche Magie und +Kunststück.“ Weiter fragte er, welches die breiteten Wasser zu Lande +wären? Antwort: „Der Schnee, Regen und Tau“[318]. + +Dem neuen Ehepaare legte aber Luther einen seinen Spruch der Alten ans +Herz; der Braut: „Liebe Tochter, halte Dich also gegen Deinen Mann, daß +er fröhlich wird, wie er auf dem Heimwege die Spitze des Hauses sieht.“ +Und dem Bräutigam: „Es soll der Mann leben mit seinem Weibe, daß sie ihn +nicht gerne siehet wegziehen und fröhlich wird, so er heimkommt“[319]. + +Diesen fröhlichen Tagen sind schwere Jahre vorausgegangen und gefolgt. + +Schon 1535 war die Pest wieder in Wittenberg eingekehrt. Obwohl der +Kurfürst Luther dringend mahnte, der Gefahr aus dem Wege zu gehen, +meinte er doch, es sei nichts Rechtes an der Sache, er glaubte nicht +daran und spottete darüber in seinem Brief an den Kurfürsten: sein +„gewisser Wetterhahn“, der Landvoigt Hans Metzsch, hätte sonst mit +seiner Spürnase schon die Pestilenz gespürt. Luther meinte, die +Studenten hörten das Pestgeschrei gern, sie kriegten die Beule auf dem +Schulsack, die Kolik in den Büchern, den Grind an den Federn, die Gicht +am Papier; vielen sei die Tinte schimmlich geworden, oder sie hätten die +Mutterbriefe gefressen und das Heimweh bekommen: da müßten die Eltern +und die Obrigkeit eine starke Arznei wider solch Landsterben +verschreiben. Der Teufel scheine Fastnacht mit solchem Schrecken zu +halten oder Kirmes in der Hölle zu feiern mit solchen Larven. Die Sache +ging auch bald vorüber[320]. + +Ernster wurde es aber 1537. Zu Lichtmeß dieses Jahres mußte Luther auf +den Schmalkaldener Konvent. Er fuhr in eigenem Wagen mit Käthes Pferden. +Käthe sah ihren Gatten nicht ohne Sorgen abreisen; denn er war nicht +ganz wohl, das Wetter unwirtlich, die Wege schlecht, fremde Betten und +Mahlzeiten und das ungewohnte Leben waren ihm nicht zuträglich, wie sie +schon von früheren Reisen wußte. Er fühlte sich nirgends so wohl wie +daheim, mit seinem gewohnten Essen und Trinken und Arbeiten. Luther +erkältete sich denn auch zu Schmalkalden in seiner unbequemen Herberge +in den feuchten „hessischen Betten“ und verdarb sich an dem schweren, +festen Hofbrot den Magen. Sein Steinleiden stellte sich mit einer +unerhörten Heftigkeit ein; über vierzehn Tage lang dauerte es und +verursachte die rasendsten Schmerzen, so daß er sich den Tod wünschte +und seine Umgebung seinen Tod voraussah. Die Fürstlichen Leibärzte +wußten ihm nicht zu helfen und sie marterten ihn mit Roßkuren. Daher +wollte Luther lieber daheim sterben und sich von seinem Weibe zu tot +oder gesund pflegen lassen und ließ sich am 26. Februar aus Schmalkalden +in kurfürstlichem Gefährt wegfahren gen Wittenberg[321]. + +Hier hatte Jonas zu Anfang mehrere Briefe von Luther aus Schmalkalden +empfangen. Im ersten meldete er, daß er gleich nach seiner Ankunft einen +Stein überstanden habe, sonst schrieb er aber vergnügt, und fünf Tage +darauf, daß der Valentinstag ihn valentulum d.h. zum Rekonvaleszenten +gemacht habe. Vier Briefe aber an Käthe waren nicht an sie gelangt: +wahrscheinlich waren sie von den ängstlichen Freunden vorsorglicherweise +zurückgehalten worden. Aber sie hatte doch Gerüchte gehört und nicht +geruht, bis wenigstens Jonas mit der Nichte Luthers dem kranken Mann +entgegenreiste. Frau Käthe erhielt erst später, als es wieder besser +ging, folgenden Brief ihres Mannes aus Gotha[646]: + +„Gnade und Friede in Christo! + +Du magst dieweil andere Pferde mieten zu Deiner Notdurft, liebe Käthe; +denn mein gnädiger Herr wird Deine Pferde behalten und mit dem Mag. +Philipp heimschicken. Denn ich selber gestern von Schmalkalden +aufgebrochen auf meines gnädigen Herrn eigenem Wagen daher fuhr. Ist die +Ursach, ich bin nicht über drei Tag hier gesund, und ist bis auf diese +Nacht vom ersten Sonntag an kein Tröpflein Wasser von mir gelassen, hab' +nie geruhet noch geschlafen, kein Trinken noch Essen behalten mögen. +Summa, ich bin tot gewesen, und hab' Dich mit den Kindlein Gott befohlen +und meinem guten Herrn, als würde ich euch nimmermehr sehen; hat mich +euer sehr erbarmet, aber ich hatte mich dem Grabe beschieden. Nun hat +man so hart gebeten für mich zu Gott, daß vieler Leute Thränen vermocht +haben, daß mir Gott diese Nacht geholfen hat und mich dünkt, ich sei +wieder von neuem geboren. + +Darum danke Gott, und laß die lieben Kindlein mit Muhme Lenen dem +rechten Vater danken; denn ihr hättet diesen Vater gewißlich verloren. +Der fromme Fürst hat lassen laufen, reiten, holen und mit altem Vermögen +sein Höchstes versucht, ob mir möcht' geholfen werden; aber es hat nicht +wollen sein. Deine Kunst hilft nicht mit dem Mist[322]. Gott hat Wunder +an mir gethan diese Nacht und thut's noch durch frommer Leute Fürbitte. + +Solches schreib' ich Dir darum, denn ich halte, daß mein gnädigster Herr +habe befohlen dem Landvogt, Dich mir entgegen zu schicken, da ich ja +unterwegen stürbe, daß Du zuvor mit mir reden oder mich sehen möchtest; +welches nun nicht not ist und magst wohl daheim bleiben, weil mir Gott +so reichlich geholfen hat, daß ich mich versehe, fröhlich zu Dir zu +kommen. Heute liegen wir zu Gotha. Ich habe sonst viermal geschrieben, +wundert mich, daß nichts zu euch kommen ist. + +Dienstags nach Reminiscere. 1537. + +Martinus Luther.“ + +Wie mag das arme Weib erschrocken sein über diese unglückliche Kunde! +und wie hätte sie erst gebangt, wenn sie gewußt hätte, daß am folgenden +Tag der tödliche Anfall sich wiederholte, bis wieder sechs Steine von +ihm gingen. Käthe fuhr nun ihrem Manne entgegen nach Altenburg, wo +Freund Spalatin als Pfarrer lebte. Bei diesem bereitete sie nun eine +Herberge, bis Jonas und die Muhme Lenchen mit dem Kranken von Weimar her +ankamen. Im gastlichen Altenburger Pfarrhaus pflegte Käthe den +Erschöpften einige Tage und fuhr dann mit ihm Mitte März langsam an +Kloster Nimbschen vorbei, mit einem Aufenthalt in Grimma nach Wittenberg +heim, wo sie am 14. März ankamen[323]. + +Langsam nur erholte sich Luther; an allen Knochen wie zerschlagen, +konnte er sich kaum auf den Beinen halten, so erschöpft war er. Er +lernte wieder essen und trinken: die Ruhe und Käthes sorgliche Pflege +brachte ihn allmählich wieder zu Kräften. Acht Tage darauf konnte er +wieder die feiernde Feder ergreifen und seinen Dankesbrief an Spalatin +schreiben. Frau Käthe, die in der Bestürzung den Töchtern Spalatins +nichts mitgebracht hatte, wollte ein paar Bücher binden lassen und zum +Andenken schicken. Ueber die Osterzeit hat Luther dann wieder fleißig +gepredigt. Aber als er später wieder in die Hessenstadt zum Konvent +gehen sollte, hielt Käthe ihren Gatten zurück und er selbst warnte die +Freunde vor „den hessischen Betten“[324]. + +In diesem Jahre ging auch Muhme Lene heim und mit ihr ein guter +Hausgeist, eine Stütze der Hausfrau, eine geliebte Freundin und Hüterin +der Kinder. Der Ersatz, den Frau Käthe für sie suchte und erhielt in +„Muhme Lene“ der jüngeren, ihrer leichtherzigen Nichte, und gar in +fremden Stützen der Hausfrau, war ein sehr zweifelhafter[325]. + +In diesem Jahre 1537 hatte Frau Käthe noch einen schweren Fall von +Krankenpflege in ihrem Hause: nämlich die Kurfürstin Elisabeth von +Brandenburg. + +Die arme Frau war schon 1534 kränklich, bald besser, bald schwerer. +Damals war sie in Wittenberg. Luther mußte aber auch öfter zu ihr nach +Schloß Lichtenberg reisen. Im Todesjahre ihres Gemahls, 1537, aber, als +sich ihr Zustand zu einer Geistesstörung ausgebildet hatte, war sie zur +Verpflegung in Luthers Haus, wohl auf des Kurfürsten von Sachsen +Veranlassung. Nach langem Fiebertraum erwachte sie im September, war +aber so blöde und kindisch, daß sie wenig verstand. Frau Käthe saß bei +ihr auf dem Bette und schweigete sie[326]. Darauf wollte ihre Tochter, +Fürstin Margarete von Anhalt, mit Gefolge zum Besuch der kranken Mutter +kommen, natürlich womöglich auch in Luthers Behausung. Aber diese konnte +man nicht auch noch aufnehmen; war doch das große Haus genug belegt; +auch in der Stadt, die als Festung so eng gebaut war und jetzt so +besucht von Studenten, war jedes Haus bis in den kleinsten Winkel +vollgepropft. So mußte man den Besuch ablehnen, aber versichern, daß +alles angewendet werde, um die Genesung der Kurfürstin zu +beschleunigen[327]. Die andere Tochter der Kurfürstin, Herzogin +Elisabeth von Braunschweig-Calenberg, welche einst ihre Mutter wegen des +evangelischen Abendmahls an den Vater und eine ungünstige Aeußerung +Luthers über Herzog Georg an diesen verraten hatte, kam öfter zum Besuch +ihrer kranken Mutter in Luthers Haus; und dieser Umgang brachte sie +dazu, daß sie selbst evangelisch wurde und nach dem Tode ihres Gemahls +als Regentin des Landes in Braunschweig die Reformation einführte. Sie +wurde sehr befreundet mit Luther und Käthe, schickte ihr einmal eine +Sendung Käse und bekam dafür Maulbeer- und Feigen-Setzlinge[328]. + +Aber der Zustand der armen „Markgräfin“ war ein trauriger und noch +monatelang mußte sie Käthe pflegen. Dabei trugen sich allerlei +ärgerliche Zwischenfälle zu, namentlich durch die Zudringlichkeit +unberufener Leute: so drängte sich eine schmutzige Böhmin ins Haus, ins +Gemach und an die Seite der Fürstin, suchte für sich Gunst und andern +Ungunst zu erregen. Eine Zeitlang ging es noch gut; als die Kranke aber +Geld ausgezahlt bekam, da fing es wieder an, sie verschwendete maßlos an +jedermann ohne Unterschied; auch den Lutherischen Eheleuten wollte sie +zwei Stürzbecher mit 100 Goldgulden darin schenken. Dazu machte sie +immer Reisepläne und schrieb heimlich überallhin und wollte durchaus +fort aus Wittenberg[329]. + +Luther und Käthe wären die unruhige Patientin, über die sie nicht +völlige Gewalt hatten, mit der vielen Unmuße gerne losgewesen, mußten +aber warten, bis der Hofhalt in Lichtenberg wieder eingerichtet +war[330]. + +Die greise Kurfürstin wurde nachher wieder gesund und überlebte noch +Luther. + +Nachdem das Jahr 1538 ebenfalls ein „fährlich schwer Jahr“ gewesen wegen +der mancherlei Krankheiten, spukte im Spätherbst 1539 die Pest wieder im +Lande. Die Leute hatten eine furchtbare Angst, der Bruder ließ den +Bruder, der Sohn die Eltern im Stich; wenn ein Haus angesteckt war, +wurde es niedergerissen. Kein Bauer wollte Holz, Eier, Butter, Käse, +Korn in die verseuchte Stadt fahren. Da mußten die Wittenberger zwei +Plagen für eine leiden: Pestilenz und Hunger und Frost. Die Bauern luden +endlich ihre Sachen draußen vor den Thoren ab und die Städter mußten sie +auflesen[331]. + +Luther freilich nahm wie gewohnt „das Pestlein“ leicht und hielt es nur +für eine Seuche. Er zürnte und spottete über die Pestfurcht: „Ich halt, +der Teufel hat die Leut besessen mit der _rechten_ Pestilenz, daß sie so +schändlich erschrecken.“ Ja, er trotzte der Krankheit, um Tod und Teufel +zu verachten. Als er einmal einen Pestkranken besuchte, betastete er +ohne Scheu dessen Beulen. Und er war so sorglos, daß er, als er heimkam, +sogar mit ungewaschenen Händen sein Töchterlein Margarete unbedacht um +den Mund streichelte — es schadete freilich nichts. Ja, als die Gattin +des Kosmographen Dr. Sebald Münster an der Seuche starb und dieser +selbst an sieben Beulen litt, nahm Luther zum Entsetzen der Wittenberger +die vier Kinder Sebalds aus dem verpesteten Hause zu sich. Guter Gott! +was entstand in der ganzen Stadt für ein Geschrei gegen Luther! Er +wollte den Erbarmungslosen und Furchtsamen ein Exempel geben[332]. + +Diejenige, welche am wenigsten wider diese starkmütige Tapferkeit +Luthers einzuwenden hatte, war seine Gattin; und sie hatte doch die +größte Mühe und Sorge mit den übernommenen Kindern und war dazu wie vor +zehn Jahren ihrer Entbindung nahe. Und sie mußte es büßen. Sie kam +unglücklich nieder und schwebte lange Zeit zwischen Leben und Tod. Sie +fiel von einer Ohnmacht in die andre. Vergebens wurden alle stärkenden +Mittel angewendet, die Entkräftung zu heben. Sie lag da wie eine atmende +Leiche, das Gesicht entstellt, die Gestalt verfallen. Wohl wurde sie von +besorgten Händen aufs treulichste gepflegt und jeder Atemzug, jede +Bewegung beobachtet[333]. + +Luther wich nicht von der geliebten Frau und sagte darum seine Anwohnung +auf dem Schmalkalder Konvent ab. Er betete Käthe wieder lebendig, wie +einst zu Weimar seinen Freund Melanchthon. Denn wunderbarerweise siegte +Käthes starke Natur. Sie erholte sich, fing mit Appetit an zu essen und +zu trinken, stand wieder auf und kroch umher, indem sie sich mit den +Händen an Tischen und Bänken hielt. Und bald that sie sich etwas zu gut +auf ihre wachsende Gesundheit und im April ist sie völlig wieder +hergestellt[334]. + +Die Freunde sahen in der wie durch ein Wunder genesenden Gattin des +Reformators das Weib der Offenbarung (Kap. 12): ein Sinnbild der durch +ein Gotteswunder genesenden kranken Kirche[335]. + +Im Sommer 1540 reiste Luther mit Melanchthon nach Eisenach, um dem +Reichstag in Hagenau näher zu sein, ähnlich wie vor zehn Jahren in +Koburg dem Augsburger Tag. Melanchthon sollte nach Hagenau ziehen, aber +er wurde unterwegs in Weimar sterbenskrank; doch Luther hat ihn unsrem +Herrgott abgebetet. In Eisenach wohnte Luther im Pfarrhaus des Menius, +welcher mit nach Hagenau reiste. Sein „Fraulein“ pflegte den +Wittenberger Doktor aufs sorgsamste und liebenswürdigste, so daß Frau +Käthe unbesorgt sein konnte. Und der Kinderfreund Luther entschädigte +sich für die Entfernung von seinen Kleinen dadurch, daß er den +Pfarrbuben Timotheus ein Spiel mit Nüssen lehrte. Von hier aus schrieb +Luther fleißig Briefe nach Haus, erhielt freilich von der +vielbeschäftigten Frau Käthe nicht so leicht einen. Dafür mußten die +Kinder und Hausgenossen schreiben, zu denen damals auch ein „Mariischen“ +gehörte[336]. + +Die drei ersten Briefe sind verloren gegangen, der vierte aber +lautet[337]: + +„Meiner herzlieben Käthe, Doktorin Kathrin und Frauen auf dem neuen +Saumarkt zu handen. + +Gnade und Friede, liebe Jungfrau Käthe, gnädige Frau von Zulsdorf und +wie Ew. Gnaden mehr heißt! Ich füge Euch und Ew. Gnaden unterthäniglich +zu wissen, daß mir's hie wohl gehet: „ich fresse wie ein Böhme und saufe +wie ein Deutscher“[338] — das sei Gott gedankt, Amen. Das kommt daher: +Magister Philipps ist wahrlich tot gewesen und recht wie Lazarus vom Tod +auferstanden. Gott der liebe Vater höret unser Gebet, das sehen und +greifen wir, ohne daß wir's dennoch nicht glauben: da sage niemand Amen +zu unserm schändlichen Unglauben. + +Ich hab' dem Doktor Pommer Pfarrherr geschrieben, wie der Graf zu +Schwarzburg (um) einen Pfarrherrn gen Greußen bittet, da magst Du als +eine kluge Frau und Doktorin mit Magister Georg Röhrer und Magister +Ambrosio Berndt helfen raten, welcher unter den dreien sich wollte +bereden lassen, die ich dem Pommer angezeigt: es ist nicht eine +schlechte Pfarre; doch seid ihr klug und macht's besser. + +Ich habe der Kinder Briefe, auch des Bacculaurien (Hans) — der kein Kind +ist, Mariische auch nicht — kriegt, aber von Ew. Gnaden hab' ich nichts +kriegt; werdet jetzt auf die vierte Schrift, ob Gott will, einmal +antworten mit Ew. gnädigen Hand. + +Ich schicke hie mit dem Magister Paul den silbernen Apfel, den mir Ihre +gnädige Hand geschenkt hat, den magst Du, wie ich zuvor geredet habe, +unter die Kinder teilen und fragen, wie viel sie Kirschen und Aepfel +dafür nehmen wollen; die bezahle ihnen bar über und behalt' Du den Stiel +davon. + +Sage untern lieben Kostgängern, sonderlich Doktor Severo oder Schiefer, +mein freundlich Herz und guten Willen, und daß sie helfen zusehen in +allen Sachen der Kirchen, Schulen, Haus und wo es not sein will. Auch M. +Georg Major und M. Ambrosio, daß sie Dir zu Hause tröstlich seien. +Will's Gott, so wollen wir bis Sonntag auf sein, von Weimar gen Eisenach +zu ziehen, und Philipps mit. Hiemit Gott befohlen. Sage Lycaoni nostro +(dem Diener Wolfgang), daß er die Maulbeer nicht versäume, er verschlafe +sie denn, das wird er nicht thun — er versehe es denn — und den Wein +soll er auch zur Zeit abziehen. Seid fröhlich alle und betet. Amen. + +Weimar, am Tage der Heimsuchung Mariä (2. Juli) 1540. + +Martinus Luther, + +Dein Herzliebchen.“ + +Mit dem folgenden Brief an „Frau Katherin Luderin zu Wittenberg, meiner +lieben Hausfrau“ schickt Luther seiner „lieben Jungfer Käthe“ durch den +Fuhrmann Wolf 42 Thaler Sold und 40 fl. Die „magst Du brauchen, bis wir +kommen, und wechseln lassen bei Haus von Taubenheim zu Torgau; denn wir +zu Hofe nicht einen Pfennig Kleinmünze mögen haben. Magister Philipps +kommt wieder zum Leben aus dem Grabe, siehet noch kränklich, aber doch +leberlich aus, scherzt und lacht wieder mit uns, isset und trinket wie +zuvor mit über Tische. Gott sei Lob! Und danket ihr auch dem lieben +Vater im Himmel.... Was aber (zu Hagenau) geschieht, wissen wir nicht, +nur das: man achtet, sie werden uns heißen: Thu das und das, oder wir +wollen euch fressen. Denn sie haben's böse im Sinn. Sage auch Doct. +Schiefer, daß ich nichts mehr von Ferdinando halte; er gehet da hin zu +grunde. Doch hab ich Sorge, wie ich oft geweissagt, der Papst möchte den +Türken über uns führen.... Denn der Papst singet schon bereits: flectere +si nequeo Superos, Acheronta movebo: kann er den Kaiser nicht über uns +treiben, so wird er's mit dem Türken versuchen; er will Christus nicht +nachgeben. So schlage denn Christus drein beides in Türken, Papst und +Teufel und beweise, daß er der rechte Herr sei vom Vater zur Rechten +gesetzt. Amen! — Amsdorf ist auch noch hier bei uns. Hiemit Gott +befohlen. Amen. + +Sonnabends nach Kiliani (10. Juli). + +Mart. Luther.“[339] + +Sechs Tage darauf kam wieder ein Brief[340]. + +„Gnade und Friede. Meine liebe Jungfer und Frau Käthe! Euer Gnaden +sollen wissen, daß wir hier, Gottlob, frisch und gesund sind; „fressen, +wie die Böhmen“ — doch nicht sehr — „saufen wie die Deutschen“ — doch +nicht viel —, sind aber fröhlich. Denn unser gnädiger Herr von +Magdeburg, Bischof Amsdorf, ist unser Tischgenosse. Mehr neue Zeitung +wissen wir nicht, denn daß Doktor Kaspar Mekum und Menius sind von +Hagenau gen Straßburg spazieren gezogen, Hans von Jenen zu Dienst und +Ehren. M. Philipps ist wiederum fein worden, Gottlob. Sage meinem lieben +D. Schiefer, daß sein König Ferdinand ein Geschrei will kriegen, als +wolle er den Türken zu Gevatter bitten über die evangelischen Fürsten: +hoffe nicht, daß es wahr sei, sonst wäre es zu grob. Schreibe mir auch +einmal, ob Du alles kriegt hast, was ich Dir gesandt, als neulich 90 Fl. +bei Wolf Fuhrmann u.s.w. Hiermit Gott befohlen, Amen. Und laß die Kinder +beten. Es ist allhier solche Hitze und Dürre, daß unsäglich und +unerträglich ist bei Tag und Nacht. Komm, lieber jüngster Tag, Amen. + +Freitags nach Margareten, 1540. Der Bischof von Magdeburg läßt Dich +freundlich grüßen. + +Dein Liebchen + +Martin Luther.“ + +Und endlich als es wieder auf die Heimreise ging, kündigt Luther Käthe +die Rückkehr an und bestellt einen Willkommtrunk. + +„Der reichen Frauen zu Zulsdorf, Frauen Doktorin Katherin Lutherin, zu +Wittenberg leiblich wohnhaftig und zu Zulsdorf geistlich wandelnd, +meinem Liebchen zu handen. — Abwesend dem Doktor Pomeran, Pfarrherr, zu +brechen und zu lesen. + +... (Ew. Gnaden) ... wollen schaffen, daß wir einen guten Trunk bei Euch +finden. Denn, ob Gott will, morgen Dienstag wollen wir auf sein gegen +Wittenberg zu. Es ist mit dem Reichstage zu Hagenow ein Dreck, ist Mühe +und Arbeit verloren und Unkost vergeblich. Doch, wo wir nichts mehr aus +gerichtet, so haben wir doch Magister Philippus wieder aus der Hölle +geholet und wieder aus dem Grabe fröhlich heimbringen wollen, ob Gott +will und mit seiner Gnaden, Amen. + +Es ist der Teufel hieraußen selber mit neuen bösen Teufeln besessen, +brennt und thut Schaden, das schrecklich ist. Meinem gnädigsten Herrn +ist im Thüringer Wald mehr denn tausend Acker Holz abgebrannt und +brennet noch. Dazu kommt heute Zeitung, daß der Wald bei Werda auch +angegangen sei und viel Orten mehr; hilft kein Löschen. Das will teuer +Holz machen. Betet und lasset beten wider den leidigen Satan, der uns +sucht nicht allein an Seele und Leib, sondern auch an Gut und Ehre aufs +allerheftigste. Christus, unser Herr, wolle vom Himmel kommen und auch +ein Feuerlein dem Teufel und seinen Gesellen aufblasen, daß er nicht +löschen könnte, Amen. + +Ich bin nicht gewiß gewesen, ob Dich diese Briefe zu Wittenberg oder zu +Zulsdorf würden finden; sonst wollt' ich geschrieben haben von mehr +Dingen. Hiemit Gott befohlen, Amen. Grüße unsere Kinder, Kostgänger und +alle. Montags nach Jacobi (26. Juli) 1540. + +Dein Liebchen + +M. Luther, D.[341] + +Um diese Zeit begann eine neue Sorge für Käthe. Ihrem Bruder Hans wollte +es auf Zulsdorf gar nicht glücken. Daher kaufte sie ihm Zulsdorf ab. +Aber sie mußte auch ihres Mannes vielfache Beziehungen zu fürstlichen +Höfen angehen, um ihm wieder einen Hofdienst zu verschaffen, sei's in +Preußen, sei's in Sachsen. Luther konnte das mit gutem Gewissen, denn +Hans von Bora war keiner von den großmäuligen „Scharhansen“, wie sie in +dieser Zeit massenhaft aufgekommen waren. Aber vielleicht eben wegen +seiner Frommheit hatte er Unglück. Ein Gegner Luthers verdrängte ihn von +seinem Vorsteheramte am Neuen Kloster in Leipzig, bis er endlich einen +Teil des Klostergutes in Crimmitschau überkam[342]. + +Im Herbst dieses Jahres (1540) suchte die Stadt Wittenberg ein Fieber +heim, das zwar selten einen tödlichen Ausgang nahm, aber so ziemlich +alle Bewohner ergriff. Bugenhagen war so krank, daß Luther für ihn sein +Pfarramt versehen mußte. Im eignen Hause waren zehn Todkranke und dazu +fühlte sich der Hausherr selber „alt und schwach“. Da konnte wieder +Käthe ihre Sorge und Pflege anwenden[343]. + +Zu Ostern des folgenden Jahres (1541) wurde die Umgebung Wellenbergs +erschreckt durch Brandstiftungen und allerlei Vergiftungserscheinungen, +indem die Lebensmittel: Wein und Milch mit Gift und Gips gemischt +wurden. Es wurden allerlei Leute verhaftet und gefoltert, auch in +Wittenberg zwei Leute geröstet — ohne die Ursachen und die Urheber zu +entdecken. Luther fühlte sich in diesem Jahr gar nicht wohl, so daß der +Kurfürst ihm sogar einmal zwei Aerzte schickte und er am Dreikönigstag +des folgenden Jahres (1542) sein Testament machte[344]. + +Noch eine Freude erlebten die Eheleute zu dieser Zeit: die Enkelin von +Luthers Schwerer, _Hanna Strauß_, die in der Familie erzogen war, wurde +mit M. Heinrich von Kölleda im Dezember 1541 verlobt, nachdem die +Pflegeeltern die Verlobung des Dr. Jakob Schenck (später als Luthers +Gegner „der Jäckel“) abgewiesen hatten. Zu dem Verlöbnis kam gerade von +den Anhalter Fürstenbrüdern ein Wildschwein, als Luther eben gebeten +hatte, wenn es möglich und thunlich wäre, ihn zur Hochzeit „etwa mit +einem Wildbret zu begaben, denn ich einer Hausjungfrauen, meiner +Freundin (Verwandten) soll zu Ehren helfen in den hl. Stand der Ehe“. Am +30. Januar 1542 wurde Hochzeit gemacht, die letzte in Luthers Haus. +Amsdorf u.a. schickten Hochzeitsgeschenke, und weiteres Wildbret von +Anhalt wird nicht gefehlt haben[345]. + +Aber zu gleicher Zeit (1541) starb auch nach nur vierjähriger Ehe D. +Ambros. Berndt, der Gatte der Magdalene Kaufmann, der Muhme Lene der +Jüngeren. Die junge Witwe machte sich nun zum großen Verdrusse der +Lutherischen Verwandten an einen sehr jugendlichen Mediziner, Ernst +Reichet (Reuchlin), der noch studieren mußte und heiratete ihn auch nach +Luthers Tod, so daß sie eine zeitlang in rechte Bedrängnis geriet, bis +ihr Mann eine ehrenvolle Stellung erwarb[346]. + +Auch Lenes Bruder, Cyriak, bereitete Luther großen Aerger, indem er nach +dem Beispiel von Melanchthons und Dr. Beiers Sohn ein heimliches +Verlöbnis einging, was die Wittenberger Juristen als giltig +anerkannten[347]. + +Am 26. August 1542 war der älteste Sohn, Hans Luther, jetzt 16jährig und +bereits seit drei Jahren Baccalaureus, nach Torgau geschickt worden zu +Markus Crodel, der dort eine treffliche, von Luther hochgeschätzte +Knabenschule hielt, damit er in Sprachlehre und Musik ausgebildet werde, +auch Sitte und Anstand lerne, wozu in der studentenwimmelnden Kleinstadt +und in Luthers überfülltem Hause nicht der rechte Ort war; Luther war +sich auch bewußt, Theologen bilden zu können, aber keine Grammatiker und +Musiker. Daher wollte er Crodel, wenn er am Leben bliebe, noch später +die zwei jüngeren Söhne schicken. Der Gesellschaft und Aneiferung wegen +wurde auch Käthes Brudersohn, Florian von Bora, mitgeschickt. Hans war +ein guter Junge, während Florian schon einer härteren Zucht bedurfte. +Der Mutter that der Abschied weh, noch mehr aber der ältesten Schwester, +Lenchen, die mit besondrer Zärtlichkeit an ihm hing. Aber Hans gefiel es +gut im Pensionat des Präzeptors, er hatte ihn und seine Frau zu rühmen; +er meinte sogar, es erginge ihm hier besser als daheim[646]. + +Kaum aber war der Bruder abgereist, so wurde Lenchen sterbenskrank. + +Es war ein gar liebes frommes Mädchen, das seine Eltern ihr Lebtag nie +erzürnt hatte. Auf ihrem Sterbebette verlangte sie herzlich und +schmerzlich, ihren Bruder Hans nochmals zusehen; sie meinte, sie würde +dann wieder gesund werden. Käthe mußte ihren Wagen anspannen lassen und +der Kutscher Wolf fuhr mit dem Luther'schen Gefährt nach Torgau. Er +brachte einen Brief vom Vater an den Präzeptor, der lautete: + +„Gnade und Friede, mein lieber Markus Krodel. Ich bitt' Euch, sagt +meinem Sohn Hans nicht, was ich Euch schreibe. Mein Töchterlein +Magdalena ist dem Ende nahe und wird bald heimkehren zu ihrem wahren +Vater im Himmel, wenn' s Gott nicht anders gefällig ist. Aber sie sehnt +sich so sehr darnach, den Bruder zu sehen, daß ich den Wagen schicken +mußte: sie lieben eins das andere gar so sehr — vielleicht, daß sein +Kommen ihr neue Kraft geben könnte. Ich thue, was ich kann, damit mich +nicht später mein Gewissen beschwert. So sagt ihm also — doch ohne die +Ursach' — daß er mit diesem Wagen eilends herkomme, um bald wieder +zurückzukehren, wenn Lenchen im Herrn entschlafen oder wieder gesund +worden sein wird. Gott befohlen. Ihr müßt ihm sagen, es warte seiner ein +heimlicher Auftrag. Sonst steht alles wohl. 6. September 1542.“[348] + +Hans kam zurück und auch rechtzeitig daheim an. Denn das arme Mädchen +mußte noch vierzehn Tage leiden und mit dem Tode ringen: offenbar hatte +dies Wiedersehen des Bruders ihre Lebensgeister nochmals aufflammen +lassen. Es waren gar traurige Wochen in dem Lutherhaus. Das fromme +Mägdlein zwar wollte gerne sterben: beim irdischen Vater bleiben oder +zum himmlischen heimkehren. „Ja, herzer Vater“, sagte es, „wie Gott +will!“ Aber den Eltern kam der Abschied ihres Lieblings sehr hart an, +namentlich Luther, der hatte sie sehr lieb, denn die Väter hängen mehr +an den Töchtern, während Frau Käthe zu ihrem Hans größere Zuneigung +fühlte. + +In der Nacht vor Lenchens Tode hatte die Mutter einen wundersamen Traum: +Es deuchte sie, zwei geschmückte, schöne junge Gesellen kämen und +wollten ihr Lenchen zur Hochzeit führen. Am Morgen kam Melanchthon +herüber ins Kloster und fragte, was Lenchen machte. Da erzählte Frau +Käthe ihren Traum. Magister Philipp, der bei andern im Geruch der +Wahrsagung und Traumdeuterei stand und sich selbst viel darauf zu gut +that, machte ein erschrockenes Gesicht. Und als er zu anderen Leuten +kam, deutete er den Traum: „Die jungen Gesellen sind die lieben Engel, +die werden kommen und diese Jungfrau in das Himmelreich zur rechten +Hochzeit heimführen.“ Melanchthon hatte diesmal recht prophezeit. + +Am 26. September um die neunte Stunde ging es zu Ende. Der Vater hielt +das Kind in seinen Armen, die Mutter stand dabei. Der Doktor weinte, +betete und tröstete abwechselnd das Kind, sich selbst und die +Umstehenden: Frau Käthe, Melanchthon und D. Röhrer. Die Mutter war tief +ergriffen; als es zu Ende war, weinte sie ihren Jammer laut hinaus, so +daß Luther sie beruhigen mußte: „Liebe Käthe, bedenke doch, wo sie +hinkommt: sie kommt wohl.“ + +Die traurigen Ereignisse gingen ihren Gang. Der Sarg kam; aber als das +Mägdlein hineingelegt werden sollte, hatte es der Tod gestreckt und ihr +Bettlein war ihr zu klein geworden. Die Leute kamen und bezeugten den +Eltern nach dem gemeinen Brauch ihr Beileid: „es wäre ihnen ihre +Betrübnis leid“. Der Schülerchor sang das Lied: „Herr, gedenk nicht +unsrer vorigen alten Missethat.“ Sie ward hinausgetragen auf den +Friedhof am Elsterthor, und eingescharrt. „Es ist die Auferstehung des +Fleisches“, sagte Luther, der jedes Wort und jeden Akt mit einem +sinnigen Trostspruch begleitete. Dann ging der traurige Zug heim und der +Doktor sagte zu Käthe: „Nun ist unsere Tochter beschickt, an Leib und +Seel versorgt, wie es Eltern sollen thun, sonderlich mit den armen +Mägdlein.“ Darauf dichtete der Doktor seinem Töchterlein eine +lateinische Grabschrift, die lautet in treuherzigem Deutsch: + + Hie schlaf ich Lenchen, D. Luthers Töchterlein, + Ruh mit allen Heiligen in mei'm Bettelein[349]. + +Aber noch monatelang sprach und schrieb Luther von seiner Trauer, zürnte +wider den Tod und milderte seinen Schmerz mit Thränen um die geliebte +Tochter; und Käthe hatte die Augen voll Thränen und schluchzte laut auf +beim Gedanken an das „gute gehorsame Töchterlein“[350]. + +Begreiflich, daß Frau Käthe den erstgebornen Sohn mit schwerem Herzen +wieder in die Ferne entließ. „Wenn dir's übel gehen sollte, so komm nur +heim“, hatte die Mutter in einer Anwandlung von Weh und Schwäche zu Hans +gesagt. Es ging nun zwar Hans nicht schlecht in Crodels Hause, aber das +Heimweh nach Lenchen und die Sehnsucht nach dem Vaterhause wurde +übermächtig in ihm — es war ja gerade um die Weihnachtszeit. Er schrieb +einen kläglichen Brief und berief sich auf die Rede der Mutter, er solle +heimkehren, wenn's ihm übel ginge. Da schrieb Luther am 2. Christtag an +den Präzeptor und den Sohn zwei Episteln, in denen er Hans zur +männlichen Ueberwindung der weibischen Schwäche ermahnt. Der Brief an +den Sohn lautet: + +„Gnade und Friede im Herrn. + +Mein lieber Sohn Hans. Ich und Deine Mutter und das ganze Haus sind +gesund. Gieb Dir Mühe, daß Du Deine Thränen männlich besiegst und Deiner +Mutter Schmerz und Sorge nicht noch mehrst, die so geneigt ist zu Sorge +und Angst. Gehorche Gott, der Dir durch uns befohlen hat dort zu +arbeiten, so wirst Du leicht dieser Schwäche vergessen. Die Mutter kann +nicht schreiben und hat es auch nicht nötig geachtet; aber sie sagt, +alles was sie Dir gesagt habe — nämlich Du solltest heimkehren, wenn es +Dir übel ginge — habe sie von Krankheit gemeint; davon solltest Du, wenn +es geschehe, gleich Kunde geben. Sonst will sie, daß Du diese Trauer +lassest und fröhlich und ruhig studierest. Hiemit gehab Dich wohl im +Herrn. + +Dein Vater Martin Luther.“[351] + +Der letzte Schmerz und Verlust, den Frau Käthe in diesem +schicksalsschweren Jahre noch erlebte, war der Tod ihrer besten +Freundin, der Frau Stiftspropst Katharina Jonas. Sie starb am +Weihnachtstage 1542, eine frohe freundliche Kinderseele; so ging sie +auch am Christfest hinein in den himmlischen Freudensaal zur ewigen +Weihnacht. + +Frau Käthe aber war's, als sei ihr ein Stück von ihrer Seele +gestorben[352]. + + + + +12. Kapitel + +Tischgenossen und Tischreden. + + +„Unsere Herrin Käthe, die _Erzköchin_“, so nennt Luther seine Gattin in +einem scherzhaften Einladungsbrief an Freund Jonas[353]. + +Und das war sie; sie kochte gern und gut und braute auch die +entsprechenden Getränke dazu. Gelegenheit zu den manchfaltigsten +Gastereien hatte aber kein Weib so sehr als Frau Käthe. + +Da gab es vor altem gar mancherlei Hochzeiten von Verwandten und +Freunden, deren Ausrichtung dem Herrn Doktor eine Herzensfreude war, bei +denen aber sein „Herr Käthe“ eine ganz besonders hervorragende und liebe +Rolle spielte. + +Und was so eine Hochzeit in Wittenberg auf sich hatte, kann man sich +kaum recht vorstellen. Da mußte der „Haufe“ geladen werden; bei einer +„akademischen“ Hochzeit „die Universität mit Kind und Kegel“ und dazu +andere, die man Luthers halber „nicht wohl konnte auß(en) lassen; so +bleibt's weder bei 9 noch bei 12 Tischen, 120 Gäste ohne die Diener +u.s.w.“ war das Gewöhnliche für eine akademische Hochzeit. „Bei einem +Doktorschmaus machten die Männer allein schon 7 bis 8 Tische voll; was +wurde es erst, wenn die Frauen, Kinder und noch das Gesinde zu speisen +und zu tränken waren?“ Dazu dauerten die Hochzeiten mehrere Tage. Luther +hatte sich bei seiner Hochzeit auch nur „für die gewöhnlichen Gäste“ mit +einem Tage begnügt. Und das alles bei dem schlechten Markt in +Wittenberg! Da war es für die gute Käthe keine geringe Schwierigkeit, +einen solchen Schwarm in anständiger Weise zu speisen, und sie wollte +doch weder auf den Ruhm ihres Mannes, noch der Gefeierten einen Makel +kommen lassen — natürlich auf ihren Ruhm auch nicht. Luther und Käthe +wollten beide keine Unehre einlegen[354]. + +Aber auch sonst richtete Frau Käthe gern Feste aus: Doktorschmäuse, +Geburtstagsessen und auch sonstige Gesellschaften ohne besondere +Veranlassungen. Da ist Wilhelm Rink, D. Eisleben (Agricola), Alexander +Drachstett und Wolf Heinzen zu Besuch im Schwarzen Kloster; und weil der +Pfarrer Michael Stiefel in Lochau seltener dahin kommt, soll auch er +erscheinen und teilnehmen an den fröhlichen Tagen. Da wird einer der +Freunde oder gar zwei: Röhrer oder Jak. Schenk, Hier. Heller, Nikolaus +Medler, „der Markgräfin Kaplan“ (d.i. der Hofprediger der Kurfürstin +Elisabeth von Brandenburg) zum Doktor promoviert und Herr Käthe brät und +braut für den üblichen Schmaus. Da giebt sie ihrem eignen Doktor am 19. +Oktober ein festliches Abendmahl zum Jahrestage seines Doktorats. Am 10. +Martini wird mit dem Heiligen Martin auch der Geburtstag ihres D. +Martinus und später noch ihres Martinleins festlich begangen[355]. Der +zehnte Jahrestag des Thesenanschlags („der niedergetretenen Ablässe“), +der Allerheiligentag 1527, wird mit einem Fest begangen. Auch um ihn zu +trösten über den Tod des lieben Freundes Hausmann, der Luther ungemein +nahe ging, lud Frau Käthe einen Kreis von Freunden ein: Jonas, +Melanchthon, Camerarius, Cokritz. Die Kindtaufschmäuse für ihre +Neugebornen mußte die Wöchnerin wenigstens einige Zeit vorher +vorbereiten und von ihrem Bette aus überwachen. Doch auch ohne besondere +festliche Veranlassung erschienen zu kleinerem Beisammensein am +geselligen Tisch die guten Freunde und Amtsgenossen: Jonas, Melanchthon, +Bugenhagen, so oft ein Stück Wildbret oder eine Sendung Fische ins Haus +geschickt wird, oder eine Kufe Bier, oder ein Faß Wein — manchmal mit +der ausdrücklichen Bestimmung, „Herr Philipp, D. Pommer und andere gute +Freunde sollten es mit dem Doktor gesund verbrauchen.“ Dann darf Frau +Käthe die Speisen bereiten und auftischen[356]. Manchmal muß sie auch +bei Hof um Wild zum Festbraten bitten lassen, wenn sonst keines zu +bekommen ist; oder sie bestellt bei einem guten Freunde „für einen +Thaler Vögel, Gefieder, Geflügel und was im Reich der Luft fleugt, +ferner was er an Hasen und anderen Leckerbissen kaufen oder umsonst +erjagen kann.“ Oder Frau Käthe mußte ihre eigenen Fischteichlein +ausräumen, wo neben Hechten und Karpfen, Schmerlen und Barsche, ja +sogar Forellen schwammen. Denn nicht immer kamen die Geschenke so +reichlich wie einmal vom Kurfürsten „ein Fuder Supstitzer, ein halb +Fuder Goreberger, vier Eimer Jenischen Weins, dazu ein Schock Karpfen +und ein Zentner Hechte, schöne Fische“ — war auf einmal zu viel, selbst +für eine zahlreiche Gesellschaft[357]. + +Da sind Durchreisende und Besuche vom Fürsten bis zum fahrenden Schüler, +fremde Gesandte und stellenlose Magister, arme Witwen und vertriebene +Pfarrer, Engländer und Franzosen, Böhmen und Ungarn, sogar einmal ein +„Mohr“: sie sitzen zu Gaste einen Tag, auch eine Woche und ein Jahr an +Käthes großem Tisch. Als Hartmut von Cronbergs verwitwete Schwester von +einem Juden entführt nach Wittenberg kam und heimlich sich da aufhielt, +entschuldigt sich Luther mit seinen bösen Erfahrungen an vornehmen und +geistlichen Schwindlerinnen, daß er sich ihrer nicht an-, d.h. sie nicht +ins Haus genommen; bei ihrem Kinde stand er aber nachher Gevatter[358]. + +Da kamen Schwester und Bruder, Schwager und „Freunde“ von Mansfeld. Oder +die Straßburger Theologen speisten im Schwarzen Kloster. So machte der +feine Straßburger Capito, der samt Butzer zur „Concordia“ in Wittenberg +verhandelte, einen gar guten Eindruck auf Frau Käthe, und es war ihr ein +großes Unglück, daß der goldene Ring, den er ihr verehrte und den sie +als Sinnbild der Vereinigung der sächsischen und oberländischen Kirche +betrachtete, ihr durch ein Mißgeschick abhanden kam [359]. + +Sogar dem Kurfürsten mußte Frau Käthe hinter dem Wall eine Collation +auftischen (8.-14. März 1534). Später waren noch allerlei andere Fürsten +wenigstens vorübergehend Tischgenossen Käthes, so der junge sächsische +Johann Ernst und der Herzog Franz von Lüneburg[360]. + +Ständige Tischgesellen waren die im Schwarzen Kloster wohnenden +Präzeptoren, Famuli und Scholaren. + +Einer der ältesten und ersten dieser Tischgenossen im Luther hause ist +Konrad _Cordatus_. + +Er war sieben Jahre vor Luther von husitischen Bauern im +österreichischen Weißenkirchen geboren, studierte Theologie in Wien, +lebte einige Jahre in Rom; erhielt 1510 eine sehr gute Anstellung in +Ofen, schloß sich sofort 1517 der Reformation an, wurde abgesetzt, ging +1524 mittellos nach Wittenberg und studierte unter Luther, der sich +seiner annahm, kehrte heim und predigte das Evangelium, wird 38 Wochen +lang gefangen gehalten im tiefen Turm, in Finsternis bei „Nattern und +Schlangen“, entkommt durch einen mitleidigen Wächter und flüchtet zu +seinem kongenialen Lehrer D. Luther. Dort lebte er einige Zeit in dessen +jungem Haushalt 1526, und wieder stellenlos auf Einladung Luthers von +1528-29, nach zweijährigem Pfarramt in Zwickau 1531-32 wieder fast ein +Jahr, bis er Pfarrer in Niemegk nahe bei Wittenberg wurde. Er ist einer +der besten Prediger der Reformationszeit. Er war eine trotzige Natur, +wie Luther; nur noch viel hitziger, schroffer und wenig verträglich. Er +konnte sich auch in Frau Käthes Art nicht sonderlich schicken und machte +Luther Vorwürfe, daß er sich von seiner Gattin bestimmen lasse. Dafür +macht er in seinen Tischreden einigemale eine bissige Bemerkung über die +Doktorin, als wäre sie herrschsüchtig und hoffärtig und berichtet +überhaupt mit einer gewissen Herbigkeit über sie. Als Luther ihn und +seinen Freund Hausmann nicht so mit Geld unterstützen kann, wie er's +möchte, meint Cordatus, Luther hätte seiner Frau nicht erlauben sollen, +einen Garten anzukaufen. Auch vertrug er schwer, daß sie beständig +Luthers „beste Reden unterbrach“, weil er mit großem Eifer alle Worte +Luthers nachschrieb[361]. + +Am Dreikönigstag 1528 kam desgleichen aus Oesterreich vertrieben Luthers +alter Freund Michael _Stiefel_ an, welcher von 1525 an bei der edeln +Familie Jörger von Tollet Kaplan gewesen, „ein frommer, sittiger und +fleißiger Mensch“. Er kannte Frau Käthe schon vor ihrer Vermählung und +war bei seiner Abreise von Wittenberg am 3. Juni 1525 wahrscheinlich +schon in Luthers Absicht, zu heiraten, eingeweiht. Von Oesterreich aus +hatte er einen gar liebenswürdigen Brief an Frau Katharina geschrieben +und sie erwiderte seine Grüße. Bis zu Michaelis 1528 blieb Stiefel in +Luthers Haus, fühlte sich aber durch diese Inanspruchnahme seiner +Gastfreundschaft bedrückt. Er übernahm darum die Pfarrei und Pfarrwitwe +von Lochau mit zwei Kindern. Das Luthersche Ehepaar besorgte seinen +Umzug. Der Verkehr mit dem Lochauer Pfarrhaus hielt an. Luther schreibt +und erhält viele Briefe und auch Käthe bekommt eine freundliche Epistel +vom Pfarrherrn; die Pfarrerin schickt dem Doktor ein Geschenk. Bald wird +Stiefel eingeladen zu einer guten Gesellschaft im Schwarzen Kloster, +bald sagt sich Luther mit seiner ganzen Knabenschaar zum Kirschenbrechen +in Lochau an. Schließlich verfiel Stiefel zum Verdrusse Luthers aufs +Grübeln nach dem Jüngsten Tag. Die Bevölkerung der ganzen Gegend bis +nach Schlesien hinein strömte dem Propheten zu und erwartete mit ihm am +19. Oktober 1533, 8 Uhr nachmittags, das Ende der Welt. Als dies nicht +eintraf, wurde der falsche Prophet vom Landesherrn verhaftet und so für +den Unrat, den er angerichtet, gestraft, aber auch gegen die aufgeregten +Leute geschützt und nach Wittenberg gebracht, wo er seinen Irrtum +bereute[362]. + +Gleichfalls ein Oesterreicher, _Kummer_ (Kommer), kam 1529 nach +Wittenberg. Auch er hatte, wegen des Evangeliums verfolgt, in +Weiberkleidern fliehen müssen, und nahm natürlich seine Zuflucht zu +Luther. Dessen Haus- und Tischgenosse scheint er ebenfalls gewesen zu +sein. Kummer war ein Freund und Studiengenosse Lauterbachs[363]. + +Im selben Jahre 1529 kam dieser Anton _Lauterbach_, geboren 1500 als +Sohn des Bürgermeisters zu Stolpe, nach Wittenberg, wo er Magister wurde +und mindestens schon 1531 Luthers Hausgenosse und Tischgänger war und +Diakonus der Pfarrgemeinde wurde. Ein hochaufgeschossener Mensch, im +Gegensatz zu seinem Genossen Cordatus ein gutmütiger Geselle. Dienstag, +28. Januar 1533, diente er zu Tisch beim Kindtaufschmaus für den kleinen +Paul. Er verheiratete sich in diesem Jahre mit einer Nonne Auguste, +wobei natürlich Frau Käthe wieder die Hochzeit herzurichten hatte. Dann +wurde er Diakonus in Leisnig, 1537-39 kam er wieder als Diakonus in die +Universitätsstadt. Als darauf das Herzogtum Sachsen reformiert werden +sollte, wurde er als Superintendent nach Pirna berufen, wollte aber „das +heilige Wittenberg“ nicht verlassen. Doch gab er den Mahnungen Luthers +und der andern Väter nach, seinem Vaterlande zu dienen und das +beschwerliche Amt zu übernehmen. Am Mittwoch, 25. Juli 1539 erschienen +in Wittenberg die Pirnaer Ratsherren mit zwei Wagen und holten ihren +ersten evangelischen Pfarrherrn ab. Unter Thränen nahm er Abschied von +Luthers Familie. Am folgenden Freitag, Jacobi, kam er, feierlich mit +Willkommtrunk empfangen, in Pirna an, und es wurde mit der Reformation +„der Anfang deutsch und gut lutherisch zu taufen gemacht an Drillingen“. +Aber aus der weiten Ferne blieb Lauterbach in lebhaftem und freundlichem +Verkehr mit Luther und Frau Käthe, der er gar mancherlei Besorgungen +machte[364]. + +Ohne Amt, aber auf eines wartend, zog im November 1531 der Oberpfälzer +Joh. _Schlaginhaufen_ — der lateinisch Turbicida oder gar griechisch +Ochloplectes genannt wurde — ins Schwarze Kloster nach Wittenberg, wo er +ein Jahrzehnt zuvor studiert hatte. Er war zum Trübsinn geneigt und +quälte sich mit dem Zweifel, ob er auch zur Zahl der Auserwählten +gehöre; und Luther muß den Schwermütigen oft aufheitern, wenn er +trübselig und teilnahmslos unter den Gästen und Tischgenossen dasitzt. +Trotzdem oder gerade deswegen steht er bei Frau Käthe hoch in Gunst, und +als ihr Gatte während der Rektoratswahl am 1. Mai 1532 einen +Ohnmachtsanfall bekommt, schickt sie zuerst nach Schlaginhaufen in die +Festversammlung und dann erst läßt sie Melanchthon und Jonas rufen. +„Meister Hans“ war willig zu jedem Dienst, nahm sich des Gartens und +besonders des Bienenstandes der Frau Käthe an, und wurde später als +Pfarrer im nahen Zahna und dann in Köthen ein tüchtiger +Bienenvater[365]. + +Seit 1527 war im Schwarzen Kloster als Hausgenosse der gesetzte, ernste +30jährige _Hieronymus Weller_ aus Freiberg. Als Luther auf der Koburg +saß, war er der Hauslehrer des jungen Hans. Sein Bruder Peter, ein +junger Magister und juristischer Student, welcher ebenfalls später +unterrichtete, zog 1530 auch in das Kloster; beide als männliche +„Schirmer“ der von Luther und seinem Famulus Veit Dietrich verwaisten +Familie. Die Brüder waren sehr musikalisch; ein dritter, namens +Matthias, sogar in seiner Vaterstadt am Dom Organist und Tonsetzer. +Peter und Hieronymus erfreuten also die Familie durch ihren hübschen +Gesang. Aber es war gut, daß der heitere Bruder Peter noch ins Kloster +kam, denn der hochbegabte Hieronymus war — wie Matthias — zur Schwermut +geneigt. Und die vielbesorgte Hausfrau wird zugeredet haben, daß der +Trübsinnige lieber eine Stelle in Dresden annehmen solle; aber er blieb +bis 1535 und war so acht Jahre in ihrem Haus. Daher kam es, daß auch die +beiden andern Weller gar oft als Gäste im Kloster weilten. So waren am +24. September 1533 die zwei oder gar drei Weller da und sangen mit +Luther. Ebenso 1534. Im folgenden Jahr wurde Hieronymus Doktor der +Theologie und den Doktorschmaus für acht Tische mußte Frau Käthe +ausrichten Mit dem Juristen Peter biß sich Luther weidlich herum[366]. + +Um diese Zeit gehörte auch ein adeliger Böhme, _Hennick_, ein Waldenser, +zu den Tischgenossen, der später mit Peter Weller zum heiligen Lande +zog, wo beide gestorben und begraben sind[367]. + +Als fremdländischer Haus- und Tischgenosse lebte im Lutherhause auch der +„schwarze Engeleser“ Dr. theol. Antonius (Robert _Barns_), dem Luther im +Scherz seine Käthe zum deutschen Sprachmeister geben wollte und der auch +Gast bei den häufigen Hochzeiten im Schwarzen Kloster war. Er war 1529 +seines Glaubens wegen aus der Heimat geflohen, dann von Heinrich VIII. +als Unterhändler seiner neuen Ehe und „Religion“ gebraucht, aber dann +doch bei seiner Rückkehr mit zwei Gefährten „von König Heinz wegen +seines evangelischen Glaubens auf das Schmidfeld hinausgeführt und +verbrannt worden“. Von dem Märtyrertum „unseres guten Tischgesellen und +Hausgenossen“ gab Luther dann eine Schrift heraus[368]. + +Käthes Tischgenosse war ferner der Ungar Matthias v. Vai, ein mutiger +Mann, dem es daheim besser erging als Robert Barns. Denn als er mit +seinen papistischem Amtsgenossen in Streit geriet, verklagte ihn dieser +bei des Woiwoden Bruder, dem Mönch Georg, damals Statthalter in Ofen. +Dieser wollte bald erfahren, wer recht habe, setzte zwei Tonnen Pulver +auf den Markt und sagte: „Wer seine Lehre für göttlich erkennt, setze +sich Drauf — ich zünde es an, wer lebendig bleibt, dess' Lehre ist +recht.“ Da sprang Vai flugs auf die Tonne, der Priester aber folgte +nicht und Georg strafte den Priester mit seinem Anhang um 4000 Gulden, +dem Vai aber erlaubte er, öffentlich zu predigen. Diese rettende, +mutige That erzählte Luther mit Freude seinen Tischgenossen[369]. + +Lange Zeit (1529-1534) lebte auch M. Veit Dietrich im Lutherhause. Er +war ein Nürnberger (geb. 1506), der nach Wittenberg gekommen war, um +Medizin zu studieren, aber wie manche andere von Luther für die +Theologie gewonnen wurde (1527) und ihm bald als vertrauter Famulus an +die Hand ging. Er begleitete Luther auf die Koburg. Dietrich hatte seine +eignen Zöglinge; von der Koburg sandte er ihnen „Argumente“, die sie +auswendig lernen sollten, während Luther dieselben durch seinen Brief +vom Dohlen-Reichstag erfreute. Als Luther vom Reichstag zurückgekehrt +war, schrieb er dem in Nürnberg zurückgebliebenen Dietrich von dem Stand +der Dinge in Wittenberg, auch Grüße von der ganzen Tischgenossenschaft +und Frau Käthe, welche zugleich auszurichten befahl, „Dietrich solle +nicht glauben, daß sie ihm erzürnt sei“. Dietrich kam nämlich nicht +recht mit Frau Käthe aus. Er meinte von sich selbst, daß er zwar keine +krausen Haare habe, aber einen krausen Sinn. Daher riet ihm Luther, ein +Weib zu nehmen, da werde ihm das schon vergehen. Das wollte Dietrich +auch. Aber bis er dazu kam, rieb er sich einstweilen, wie es scheint, an +Frau Käthe. Als sie ihm gar die Liebschaft mit Muhme Lene untersagte, +zog er im Herbst 1534 mit seinen sechs Scholaren aus dem Hause und +verbreitete die Rede, die Doktorin sei gegen seine Zöglinge hochmütig +und berechnet gewesen. Für die Hauswirtin mit ihren eignen fünf kleinen +Kindern und dem schweren Haushalt war dieser Wegzug wahrlich eine +Erleichterung[370]. + +Es gab nun natürlich zwischen Dietrich und dem Lutherischen Hause eine +Spannung. Diese aber ging vorüber. Als Dietrich im folgenden Jahre in +seine Vaterstadt Nürnberg berufen wurde und heiratete, schrieb ihm nicht +nur Luther einen freundlichen Brief, sondern auch Käthe sandte ihm Grüße +und Glückwünsche zum Ehestand und Amt. Der Briefwechsel dauerte fort bis +zu beider Männer Tod und auch Käthes Grüße blieben nicht aus[371]. + +Ein Landsmann von Veit Dietrich, _Hieronymus Besold_, kam einige Jahre +nach dessen Weggang ins Lutherhaus. Er war durch jenen gegen die +Hauswirtin eingenommen, so daß er sich anfangs vor ihr als einer +herrischen und habsüchtigen Frau fürchtete. Aber — er kam doch an ihren +Tisch und blieb da und verlor seine schlechte Meinung von ihr, wenn er +auch von Frau Käthe mit Bestellungen in Nürnberg in Anspruch genommen +wurde und dann einmal nicht wagte, sie an seine Auslagen zu +erinnern[372]. + +Um diese Zeit (1537-1542) war auch M. Johann (Sachse aus) _Holstein_ im +Klosterhaus Tischgenosse, auf dessen rotes Haar der „Schandpoetaster“ +Simon Lemnius (1538) seine wohlfeilen Witze machte. Er war eines +„ehrbaren, frommen Gemüts und stillen Wesens, dazu ein feiner Magister“. +Er hatte 17 Jahre studiert und war über zehn Jahre lang Magister +(Privatdozent) gewesen, gab im Lateinischen, Griechischen und +Hebräischen keinem etwas nach. Trotzdem konnte er nicht als ordentlicher +Professor ankommen, so daß sich Luther bei dem Senior der +„Artistenfakultät“, M. Melanchthon, erkundigen wollte, was für ein Groll +und Neidhart dahinter stecke. Auch Frau Käthe nahm sich seiner an und +legte ein gutes Wort bei Meister Philipp ein, das aber eine böse Statt +fand. So mußte sich Holstein weiter mit Knaben ernähren und wurde +schließlich Jurist[373]. + +1539 lebte bei Luther wieder ein „Oestreicher“ als Kostgänger, Huttens +Freund Wolfgang Angst oder _Schiefer_ (Severus), gebürtig aus dem +österreichischen Elsaß zu Kaisersberg bei Kolmar. Er war zuvor +Hofmeister der Söhne des Königs Ferdinand, später Kaiser Ferdinand I., +Bruder Karls V. gewesen, mußte aber seines Luthertums wegen flüchten und +nahm nach Wittenberg seine Zuflucht. Er war ein sehr feiner Mann, noch +unbeweibt; Luther empfahl ihn dem Kurfürsten zum Hofmeister und hoffte, +er solle ihm „sehr wohl gefallen“. Aber es wurde nichts daraus, und so +lebte Schiefer als ein lieber Freund Luthers ins folgende Jahr im Haus. +Schiefer beteiligt sich gar oft an den Tischgesprächen, ihm soll Frau +Käthe auch von Luther aus Weimar allerlei über „seinen König Ferdinand“ +ausrichten[374]. + +Ein ebenso gesetzter Mann kam um diese Zeit als Gast ins Lutherhaus nach +Wittenberg, _Matthesius_, der 36jährige Schulmeister von Joachimsthal, +der noch Theologie studieren wollte, um daheim das Pfarramt zu +übernehmen. Von 1540-42 war er Genosse an Käthes Kosttisch. Er redet +mit großer Verehrung von ihr[375]. + +Und endlich kam noch _Goldschmidt_ (Aurifaber) ins Haus, ein Mansfelder. +Er studierte von 1537-40 Theologie; wurde dann Hofmeister des jungen +Grafen Mansfeld, und darauf Feldprediger, kam aber 1545 nochmals nach +Wittenberg und war die ganze Zeit bis zu Luthers Tod um ihn. +Gleichzeitig war _Rutfeld_ da als Famulus und Präzeptor für Luthers +Knaben[376]. + +In dieser letzten Lebenszeit Luthers saß wieder ein Oesterreicher an +Käthes Tisch, Ferdinand _a Mangis_, ferner ein M. _Plato_ und andere +Kostgänger[377]. + +Das war Luthers oder vielmehr Frau Käthes „Tischburse“, an welcher +teilzunehmen alle, auch die Aeltesten, Geehrtesten und Gelehrtesten für +ein hohes Glück und große Auszeichnung ansahen. Und wenn es gar einen +Rundtrank gab aus dem Glase der heiligen Elisabeth von Thüringen, das +Luther besaß, so galt das als eine besonders feierliche Stunde[378]. + +Außer diesen erwachsenen und zum Teil sogar in sehr gesetztem Alter +stehenden Kostgängern gehörten zur „Tischburse“ Luthers noch die +zahlreichen fremden Kinder, die als Pensionäre gegen und ohne Entgelt im +Schwarzen Kloster lebten. Käthe setzte eine bestimmte Zahl von solchen +Kostgängern fest, über die sie mit Recht nicht hinausgehen wollte. Als +daher der Kanzler Müller zu Mansfeld im Januar 1536 anfragte wegen +Uebernahme eines gewissen Kegel an Käthes Kosttisch, mußte ihm der +Hausherr schreiben: „Den Kegel hätte ich wohl gerne zum Kostgänger haben +mögen aus allerlei Ursachen, aber weil die Purse (Burse) wiederkummt von +Jena (wohin die Studenten wegen der Pest gezogen), so ist der Tisch voll +und ich kann die alten Compane nicht also verstoßen. Wo aber eine Stätt +los (ein Platz leer) würde (was nach Ostern geschehen mag), so will ich +meinen Willen Euch gern darthun, _wo anders Herr Käthe alsdann mir +gnädig_ sein wird.“[379] + +Also Frau Käthe bestimmte über den Kosttisch. Und das war auch sonst gut +so. Denn der gutmütige Doktor nahm jeden armen Schelm auf, der sonst +nicht unterkam oder sorgte für ihn durch Stipendien, so daß aus aller +Herren Länder und aus allen Städten, sogar aus „Mohrenland“ Schüler und +Studenten nach Wittenberg strömten „und wir allhie gar sehr überladen +sind und mehr denn unsre Armut vermag von vielen verjagten und sonst +guten Leuten, so gern studieren wollen, besucht werden um Hülfe“. So +mußte z.B. 1533 die Frau Doktorin ihren Mann drängen, an die Stadträte +von Rothenburg an der Tauber zu schreiben, daß sie sich eines ihrer +Stadtkinder annähmen, eines Georg Schnell, der „arm war und nichts +hatte“ als einen guten Kopf und ein frommes Gemüt, und täglicher Haus- +und Tischgenoß im Schwarzen Kloster war[380]. Einen andern kleinen +Knaben, der ihnen 1541 vom reichen England durch einen Nürnberger +Geistlichen aufgehalst war, mußte man nach Nürnberg ins Findlingshaus +(Waisenhaus) abschieben. Luther mußte sich auf Käthes Vorstellungen an +den „ehrbaren und fürsichtigen“ Ratsherrn Hieron. Baumgärtner wenden, +ihrer beiden „lieben Herrn und guten Freund“. „Auf gut Vertrauen, so ich +zu Euch habe, schicke ich hie einen Knaben, der mir aus England ist +schalkhaft aufgelogen. Nu ihr aber wisset, was für eine Bettelstadt +unsre Stadt ist, dazu der Bube noch wohl bedarf einer Magd, die sein +warte mit Waschen und Lausen usw., mein Zins (Einkommen) aber nicht +vermöge, ist meine ganz freundliche Bitte, wollet bei den Herren in +Nürnberg guter Fugge sein, daß er ins Fündli-Haus möchte versetzt +werden. Wir sind sonst ohnedas, und ich sonderlich, hier gar hoch genug +beschwert und über Vermögen beladen. Gott behüte mich, daß ich nicht +mehr so betrogen werde.“[381] Aber auch die andern nicht gerade armen +Kostgänger ließen es an pünktlicher Bezahlung fehlen und empfanden es +als Härte von Käthe der Hausfrau, wenn sie „auf richtige Bezahlung +drang“, während sie von Luther her anders gewohnt und verwöhnt +waren[382]. + +Gelegenheit, die jungen Leute nicht nur zu beköstigen, sondern auch in +Krankheit zu pflegen, hatte natürlich Frau Käthe auch genug. Ein junger +Adeliger, Sohn eines der vielen Lutherischen Gevattersleute, war 1534 im +Haus und hielt sich fein. Er machte die Masern durch und wurde von Käthe +„fleißig gewartet“ nach Dr. Augustins (Schurff) Rat, des Hausarztes und +Nachbarn. Er wurde gesund. Aber manche diese Krankheiten führten auch +zum Tode und das mußte den Pflegeeltern, insbesondere der Frau Käthe zu +schwerer Sorge werden[383]. + +Wie Frau Käthe bei den Mahlzeiten die leibliche Kost bereitete, so gab +der gesprächige, unterhaltsame Doktor die geistige Kost, die +„Tischwürze“. + +Luther war von Natur „ein gar fröhlicher Gesell“, ja voll +übersprudelndem Humor, wenn er sich wohl fühlte, aber auch, wenn er +Uebles erfahren hatte: Aerger und Verdruß, dem zum Trotz. In seiner +Beichte vor seinem ersten Krankheitsanfall (1527) sagte er zu +Bugenhagen: „Viele denken, weil ich mich unterweilen in meinem äußern +Wandel fröhlich stelle, ich gehe auf lauter Rosen; aber Gott weiß, wie +es um mich stehet meines Lebens halber. Ich habe mir oft vorgenommen, +ich wollte der Welt zu Dienst mich etwas ernstlicher und heiliger (weiß +nicht, wie ich's nennen soll) stellen; aber Gott hat mir solches zu thun +nicht gegeben.“ Und Bugenhagen bezeugte dabei: „Thut er ihm unterweilen +über Tisch mit Fröhlichsein zu viel, so hat er selbst keinen Gefallen +daran und kann solches keinem gottseligen Menschen übel gefallen, viel +weniger ihn ärgern, denn er ist ein leutseliger Mensch und aller +Gleisnerei und Heuchelei feind.“[384] + +Luther redete gut und gern und viel. Er liebte besonders Sprüche, +sinnreiche Reden und hübsche Reime, Sprichwörter und Anekdoten. Deren +wußte er sehr viel und die brachte er am Tisch wie auf der Kanzel vor. +Ueber und nach Tische wurde zwischen den Reden auch gesungen, und wer +eine gute Stimme hatte, auch Gäste, mußten mitthun; Luther, der ein +guter „Lautenist“ war, begleitete den Gesang[385]. + +So entstanden die berühmten Tischgespräche, die sich um die tiefsten und +höchsten, die größten und kleinsten Dinge, göttliche und menschliche, +himmlische und irdische drehten, bald im erbaulichsten Ernst, bald im +lustigsten Scherz, jetzt sinnig zart, dann in derber Natürlichkeit — +obwohl der erste und Hauptherausgeber der Tischreden, der ehemalige +Feldprediger Aurifaber, später Pfarrer in Erfurt, die derben mit +behaglicher Breite ausmalt, vergröbert und aus dem nicht ganz sauberen +Schatz seiner soldatischen Erinnerungen und Ausdrucksweisen +ergänzt[386]. + +Diese Tischreden wurden nämlich von Luthers Jüngern auf- und +nachgeschrieben, wie Jesu und Sokrates' Aussprüche und Gespräche; zuerst +nach dem Gedächtnis, später nach gleichzeitigen Aufzeichnungen. + +_Cordatus_ war der erste, der es wagte, hinter dem Tisch sitzend oder +davorstehend, die geistvollen Reden des Meisters — auch, wie ihm +Melanchthon warnend bedeutete, manches weniger zur Verewigung geeignete +Wort — in sein Notizbuch einzutragen. Andre Tischgenossen und Gäste wie +_H. Weller_, _Veit Dietrich_, _Lauterbach_, _Besold_, _Schlaginhaufen_, +_Matthesius_, _Ferdinand a Mangis_, _Goldschmidt_ folgten seinem +Beispiel nach. Auch der Diakonus _Röhrer_, der berühmte Schnellschreiber +und Notarius (Protokollführer) der Evangelischen auf den Reichstagen und +Religionsgesprächen, verzeichnete „viel Köstliches“. Und so sind unter +der zahllosen Menge von Lutherreden (3000) auch einzelne authentische +Worte der Doktorin überliefert[387]. + +Wie es bei diesen Tischgesprächen zuging, das erzählt uns Matthesius. +Bescheiden und sittsam saßen die Leute da und sahen auf „Seine Würden, +den Herrn Doktor“. „Wenn er uns nun Rede abgewinnen wollte, fing er an: +„Was hört man Neues?“ Diese erste Vermahnung ließen wir gehen. Wenn er +aber wieder anhob: „Ihr Prälaten, was Neues?“ da fingen die Alten an zu +reden. D. Wolf Severus, so der Römischen Königlichen Majestät Präzeptor +gewesen, saß oben an, der brachte, wo niemand Fremdes vorhanden, als +gewandter Hofmann was auf die Bahn. Wenn so das Gedöber anging, doch mit +gebürlichem Anstand, so schossen die andern auch ihren Teil dazu“[388]. + +Alle möglichen Dinge und Vorkommnisse gaben den Anlaß zu kürzeren oder +längeren Reden, bald die Tagesneuigkeiten, bald ein Gast, jetzt die +Kinder mit ihrem Spiele oder Unarten und dann Peter Wellers Hund, der so +andächtig morgens zum Essen war wie kein Beter. Alles mußte zum +Anknüpfungspunkt oder zum Sinnbild für höhere Wahrheiten dienen. Und +nicht selten gab Frau Käthe durch eine Rede oder durch ihre bloße +Anwesenheit die Veranlassung zu sinnigen Bemerkungen[389]. + +Die Tischreden wurden meist lateinisch gehalten, wie die Briefe Luthers +mit allen „gelehrten“, d.h. akademisch gebildeten, Männern lateinisch +geschrieben wurden. Bei alltäglichen Dingen, wo der deutsche Ausdruck +geläufiger war, ging es vom Latein ins Deutsche bunt durch einander. +Wenn ungelehrte Freunde oder Freundinnen zugegen waren, oder Frau und +Kinder der Unterhaltung folgen sollten, wurde deutsch gesprochen; doch +liefen auch da lateinische Brocken unter. Am treuesten ist dieser +Wechsel vom Latein und Deutsch bewahrt in Lauterbachs Tagebuch. + +So viel verstanden aber auch die weiblichen Hausgenossen, teils vom +Kloster her, teils aus dem steten Hören von Lateinisch, daß sie sich +drein mischen konnten, oft sogar selbst vielleicht mit lateinischen +Phrasen. So Muhme Lene, welche auf die Frage, ob sie wieder ins Kloster +wolle, mit Non, Non! antwortete. Besonders aber die Doctorissa, wie sie +bei den jungen Leuten respektvoll genannt und geschrieben wurde[390]. + +So redete Luther einmal von der elterlichen Liebe: „Lieber Gott, wie +wird sich ein Herzpochen erhoben haben, da Abraham seinen einigen und +allerliebsten Sohn Isaak hat sollen töten! Es wird ihm der Gang auf den +Berg Moria sauer angekommen sein. Er wird der Sarah nichts davon gesagt +haben.“ Da fing seine Hausfrau an und sagte: „Ich kann's in meinen Kopf +nicht bringen, daß Gott so grausam Ding von jemands begehren sollte, +sein Kind selbst zu erwürgen.“ Luther widerlegte diese verständig +natürliche Einwendung mit dem theologischen Hinweis auf Gott selbst, der +ja seinen eigenen Sohn habe kreuzigen lassen. Aber die Doktorin konnte +sich damit nicht ganz überzeugen lassen[391]. + +Frau Käthe wußte auch Sagen. So erzählte sie von einem Wasserweib, das +in der Mulde im Wasser in einem Loche wie in einer schönen Stube +gesessen und hätte ihr das Wasser nichts geschadet; zu der sei eine +Wehemutter von einem „Geist“ geführt worden, um ihr beizustehen[392]. + +Ein andermal wurde bei Tisch erzählt, daß einer in der Stadt die Ehe +gebrochen. Da entsetzte sich Frau Käthe und fragte den Herrn Doktor: +„Lieber Herr, wie können die Leute nur so böse sein und sich mit solchen +Sünden beflecken?!“ Da antwortete er: „Ja, liebe Käthe, die Leute beten +nicht; so ist dann der Teufel bei der Hand.“[393] + +Einmal fing der Doktor mit seiner Käthe eine Disputation an über ihre +Heiligkeit. Sie erwies sich da als eine tüchtige, in lutherischen +Gedankengängen geübte Theologin, wurde natürlich aber von dem +Sieggewaltigen doch widerlegt und überwunden. Er fragte sie, ob sie +glaube, daß sie heilig wäre? Sie dachte lange nach, dann erwiderte sie: +„Wie kann ich heilig sein, da ich eine so große Sünderin bin! So sehr +hat der Papst unser ganzes Wesen verdorben, seine Lehre hat unser +Innerstes so durchsetzt, daß wir auch mit willigem Ohr Christus nicht +als unsern Erlöser, als unsere Gerechtigkeit und Heiligkeit erkennen und +wunderbarer Weise glauben, getauft, ja Christen zu sein und doch nicht +glauben, heilig zu sein. Denn in der Taufe wird unsre Sünde verbannt und +uns Christi Gerechtigkeit geschenkt und wir glauben doch nicht, heilig +geworden zu sein. Soweit wir Menschen, sind wir Sünder, aber weil wir +getauft sind und glauben, so sind wir heilig durch Christum.“ + +Luther entgegnete: „Ja, der ganze Christ ist heilig; denn wenn der +Teufel den Sünder wegführt, wo bleibt der Christ? Daher ist die +Unterscheidung meiner Gattin nicht gültig. Denn wer durch festen Glauben +an seiner Taufe hängt, der ist ganz heilig (wie David sich heilig +nennt). Die Papisten, welche den Artikel von der Sündenvergebung nicht +verstehen, können diese Heiligkeit nicht glauben noch einsehen, ärgern +sich nur, wenn sie solches von uns hören.“[394] + +Die Ritter vom Geiste waren zu jener Zeit ganz besonders kampfesfreudig +und die Fehden des Wortes wollten kein Ende nehmen. Insbesondere aber +waren an Luthers Tische die wissenshungrigen Magister auf diese +interessanten Privatissima erpicht und vor allem suchten die +Tagebuchschreiber, die auf jedes Wort vom Munde des Geistgewaltigen +lauerten, um es gedruckt in die Welt zu senden, diese Gespräche zu +verlängern. Natürlich hatte Frau Käthe viel weniger Freude an diesen +theologischen Turnieren; ihr lebhafter Geist, wie derjenige von Jonas, +mochte langen Erörterungen nicht folgen. Sie unterbrach daher gar oft +die gelehrten Gespräche, indem sie den geistlichen Fechtern ganz +gewöhnliche Knüppel zwischen die Schwerter warf, vor allem ihrem +Gatten, der nicht leicht aufhören konnte, wenn er einmal im Zuge +war[395]. + +Wenn des Redens bei Tisch zu viel wurde und dabei die Speisen kalt und +warm der Trank, da brach Frau Käthe mit einer Strafpredigt los über den +Text: „Was ist denn, daß ihr ohne Unterbrechung redet und nicht eßt?“ +Ueber diese Störung war der Tischredenschreiber Cordatus entrüstet, er +hatte gerade eine gar schöne Auseinandersetzung Luthers über das +Vaterunser, den „Himmelsknecht Gabriel und den Himmelsfuhrmann Raphael“, +die er „aus vollem glühenden Herzen“ that, heimlich aufgeschrieben. Aber +Luther wandte die Sache zum Scherz und sagte: „Wenn nur ihr Frauen, +bevor ihr eine Predigt anfanget, auch beten könntet (d.h. euch sammeln +und besinnen); ein Paternoster solltet ihr zuvor sprechen!“ [396] + +Aber auch Frau Käthe stellte in der Rede ihren Mann. Ueber diese +weibliche Wohlredenheit wurde sie öfter aufgezogen von Luther. Er fragte +sie lachend: ob sie predigen wolle und ihrer Predigt so viel Worte +Betens (als Einleitung) vorausschicke? Oder er neckte sie: die Weiber +dürften nicht predigen, weil sie nicht beteten vor der Predigt; oder: +Gott lasse, durch ihr langes Gebet ermüdet, sie gar nicht zum Predigen +kommen. Einst saß ein gelehrter „Engeleser“ (Engländer) am Tische, der +kein Wort Deutsch konnte; da sagte Luther zu ihm: „Ich will Euch meine +Frau zum Lehrer in der deutschen Sprache vorschlagen, die ist gar +beredt. Sie kann's so fertig, daß sie mich weit überwindet.“[397] +Freilich setzte er hinzu: „Die Beredsamkeit ist nicht zu loben an +Frauen; es ziemt sich eher, daß sie bloß lispeln und stammeln. Das steht +ihnen wohl besser an.“ Und vom Unterschied der weiblichen und männlichen +Beredsamkeit sagt er in einem andern Tischgespräch: „Die Weiber sind von +Natur beredt und können die Rethoricam, die Redekunst wohl, welche doch +die Männer mit großem Fleiß lernen und überkommen müssen. Das aber ist +wahr: in häuslichen Sachen, was das Hausregiment, da sind die Weiber +geschickter und beredter; aber im weltlichen, politischen Regiment und +Händeln taugen sie nichts. Dazu sind die Männer geschaffen und geordnet +von Gott und nicht die Weiber. Denn wiewohl sie Worte genug haben, so +fehlet und mangelt's ihnen an Sachen, als die sie nicht verstehen; drum +reden sie davon auch läppisch, unordentlich und wüste über die Maßen. +Daraus erscheint, daß das Weib geschaffen ist zur Haushaltung, der Mann +aber zur Policei (Politik), weltlichem Regiment, zu Kriegen und +Gerichtshändeln, die zu verwalten und führen.“[398] + +So kam Frau Käthe bei den Gesprächen der Männer wohl weniger zum Wort, +als sie verdient hätte; und noch weniger fand man bemerkenswert, was sie +sagte. Es ist schade, daß die „Tischreden“ so wenig von der Doctorissa +berichten. Aber den Tagebuchschreibern kam es vor allem auf theologische +Erörterungen an — darum ist auch die einzige längere Rede von Käthe, die +sie der Aufzeichnung wert erachtet haben, eine theologische; zum andern +wollten sie des Doktors Reden bringen: die Ergüsse seines übergewaltigen +Geistes schienen ihnen allein der Nachwelt würdig. + + + + +13. Kapitel + +Hausfreunde. + + +Die Humanistenzeit hatte ein ausgeprägtes Freundschaftsbedürfnis, +welches nur ein Seitenstück findet in der freundesseligen Stimmung +unserer klassischen Litteraturperiode im vorigen Jahrhundert. Dieses +rege Freundschaftsgefühl äußert sich einerseits in den zahlreichen +Besuchsreisen der befreundeten Humanisten, welche in jener Zeit der so +beschwerlichen Reisegelegenheiten doppelt auffallen, und dann in dem +heute ganz unbegreiflich reichen Briefwechsel, in welchem diese +Gelehrten damals mit einander standen. Alle möglichen Dinge teilte man +sich brieflich mit, selbst die intimsten persönlichen Erlebnisse und +Stimmungen; und wenn man gar nichts zu schreiben hatte, so schrieb man +sich auch dieses. „Ich schreibe Dir, um Dir zu schreiben, daß ich nichts +zu schreiben habe“, ist kein ungewöhnlicher Briefinhalt dieser Zeit, +sogar bei Luther[399]. + +Den größtmöglichen Freundeskreis zählte aber begreiflicherweise das +Luthersche Ehepaar. Nicht etwa Luther allein, sondern auch Frau Käthe. +Die vielen jungen Leute, die bei ihr Kost und Pflege fanden, die +mancherlei Magister, die als Präzeptoren ihrer und anderer Knaben im +Schwarzen Kloster hausten, die vielen Amtsgenossen und Schüler ihres +Mannes, die zahllosen Gäste, welche freundliche Aufnahme an ihrem Tische +erlebten: sie alte kannten und verehrten neben dem gewaltigen Doktor +auch die weibliche Genossin seiner Freundschaft und Gastlichkeit, Frau +Käthe. Aus den Schülern wurden Amtsgenossen, aus den Tischgenossen +Freunde — ein stets wachsender Haufen. Und Luthers alte Bekannte, welche +Frau Käthe erst durch Briefe oder Besuche kennen lernte, wurden mit der +Zeit auch ihre Freunde, namentlich wenn sie diese Freundschaft durch +Grüße, Glückwünsche und Geschenke warm hielten. + +Diese umfangreiche Freundschaft wurde auch lebhaft gepflegt. Da ist kaum +ein Brief, den Luther empfängt oder schreibt, in dem nicht auch die Frau +Käthe gegrüßt wird oder grüßt, oder Glückwünsche und Beileidsbezeugungen +zu allerlei Familienereignisse und Glückwechsel empfängt und sendet. + +Gar oft begnügt sich aber Frau Käthe nicht mit einem bloßen Wortgruß, +sie fügt auch in ihrer praktischen Weise einen guten Rat bei, eine +Mahnung, oder ein Rezept, eine Arzenei, eine Wurzel gut fürs Steinleiden +u. dgl. + +Noch viel häufiger aber hat Frau Käthe zu danken für allerhand +Geschenke. Und nicht zum wenigsten nützt die wirtliche Hausfrau die +Freundschaften aus zu allerlei hauswirtschaftlichen Aufträgen. Dies ging +bei Lauterbach sogar soweit, daß Luther selber einmal bei einer solchen +Bestellung meint, sie hätte den Freund förmlich in Dienst und Beschlag +genommen[400]. + +Wie begreiflich, waren die Hausfreunde in einem so ausnehmend +theologischen Hause auch fast lauter Theologen. Weltlich waren nur die +Verwandten: Geschwister, Schwäger und Schwägerinnen, einige vornehme +Gevattersleute, wie die Kanzler Müller und Rühel in Mansfeld, die Goritz +in Leipzig, Hans von Riedtesel und Hans von Taubenheim, der +Landrentmeister in Torgau, an welchen Frau Käthe in die Ferne +freundliche und ehrerbietige Grüße, Glückwünsche oder Einladungen +sendet oder gar selbst einmal zu einem Brief — natürlich einem +Geschäftsbrief — sich aufschwingt. Auch der Straßburger Syndikus Gerbel +läßt Frau Käthe tausendmal grüßen. Der Stadtschreiber Roth von Zwickau +läßt ein Exemplar seiner Postille für die Doktorin binden und schenken +und sendet ein Glas, das „fein ganz“ ankommt. Endlich war noch eine +liebenswürdige Adelsfamilie Jörger von Tollet im Oesterreichischen, eine +Mutter mit mehreren Söhnen, welcher Luther einen evangelischen +Hauskaplan besorgt hatte (1525) und allerlei seelsorgerliche Ratschläge +gab, die sich nun dankbar erwies in zahlreichen und teuren Geschenken: +„ungarische Gulden“, „Kütten-Latwerg“ und andere „treue und teure +Gaben“; auch ein Stipendium sandte sie von 500 Goldgulden für arme +Gesellen, die in der heiligen Schrift studieren. Später studierte auch +ein Enkel der Jörgerin in Wittenberg. Mit dieser „ehrenreichen, edlen +Frauen Dorothea Jörgerin, als besonders guten Freundin“, wurden gar +zahlreiche und freundliche Briefe gewechselt, worin auch Luthers +„Hausehre Frau Käthe“ oft zum Gruße kommt[401]. + +Mit dem evangelischen Bischof von Naumburg, Nikolaus _v. Amsdorf_, +wechselte Frau Käthe ehrerbietige Grüße, namentlich seitdem sie durch +den Besitz von Zulsdorf die Nachbarin des gnädigen Herrn Bischofs +geworden (1542); sogar mit einem Besuch „droht“ sie auf „künftigen +Sommer“. Sonst hatte man freilich mit dem ehelosen und hochgestellten +Mann weniger intime Beziehungen. Doch besorgte er auch einmal für 7 fl. +Butter und Stockfisch ins Lutherhaus[402]. + +Mit dem kleinen M. Joh. _Agrikola_, dem Pfarrer von _Eisleben_ und +seiner Else, stand die Luthersche Familie gleich von Anfang an in +lebhaftem Verkehr. „Sie konnte ihn auch sehr wohl leiden.“ Er hatte +schon 1523 zu dem Kreise der jungen Nürnberger gehört, welche über die +Verlobung Baumgartens mit Käthe sich aussprachen und steht auch jetzt +noch in regem Briefwechsel mit Wittenberg[403]. Da giebt's Grüße an Weib +und Kinder, hinüber und herüber; auch ein Pelzrock wird dorther besorgt, +der Frau Käthe nur zu teuer ausfällt, und Elsbeeren oder kleine +Mispelchen werden bestellt, nach denen Frau Käthe eben Gelüste bekommt. +1529 wird Agrikola nach Wittenberg geladen. 1530 sendet er vom +Augsburger Reichstag über Koburg einen scherzhaften Brief zur Besorgung +an Frau Käthe, über den ihm Luther schreibt: „Ich errate leicht, was sie +Dir antworten wird. Wenn sie den Brief gelesen hat, wird sie lachen und +sagen: Ei, wie ist M. Eisleben doch ein Grundschalk!“[404] Luther nahm +sich Agrikolas an, als es dem beweglichen und ehrgeizigen Mann nicht +mehr in Eisleben gefiel. Und als er 1536 seine Stelle kündigte und in +Wittenberg nicht gleich eine bequeme Wohnung fand, so öffnete sich ihm +das Klosterhaus und Agrikola zog ein mit Weib und Kind. Als dann Luther +zu Anfang 1537 nach Schmalkalden zog, vertraute er Agrikola nicht nur +„Lehre, Predigtstuhl und Kirche an“, sondern auch „Weib, Kind, Haus und +Heimlichkeit“[405]. Als aber Agrikola ein „Antinomist“ (Bestreiter der +Giltigkeit des Gesetzes für die Christen) wurde, da entbrannte Luthers +Zorn wider ihn und er entzog ihm die vorher gewährte Erlaubnis, in +Wittenberg Vorlesungen zu halten. Agrikolas Frau, zu welcher Luther ganz +väterlich stand, so daß er sie mit Du anredet, that zwar vor dem Doktor +einen Fußfall und dieser nahm ihren Mann wieder zu Gnaden an (1538); +aber Agrikola entzog sich dem Einfluß Luthers, ging nach Berlin und die +Freundschaft mit dem „Meister Grickel“ hörte natürlich auch für Frau +Käthe auf, ohne wieder angeknüpft zu werden. Als später einmal (1545) +Agrikola mit Weib und Tochter nach Wittenberg kam, durften bloß die +beiden Frauen ins Klosterhaus kommen; aber das Töchterlein fanden die +Lutherischen eitel und vorlaut wie ihren Vater[406]. + +Mit dem Pfarrer Jakob _Probst_ in Bremen, einem früheren Klostergenossen +Luthers, auch einem Gevatter, stand ebenso die Lutherische Familie in +früher Verbindung. Familiennachrichten werden ausgiebig mitgeteilt; +Käthe und auch das kleine Patchen Margaretel senden regelmäßig Grüße an +den fernen Gevatter und danken für Patengulden und andere Geschenke. Ihm +empfehlen die Eltern ihre Jüngste zur Versorgung, da Probst sie sich zum +Patchen auserlesen. Und „Herr Käthe“ befiehlt ihrem Gatten, noch +scherzend anzufragen, ob denn die Nordsee ausgetrocknet sei, seitdem das +Evangelium die Erlaubnis zum Fleischessen gebracht habe? Denn niemals +habe es in Wittenberg weniger Seefische gegeben, so daß man schon durch +die Hungersnot zum Fleischessen gezwungen werde, wo nicht etwa die +Fische und das Meer sich vor des Papstes Zorn ängstigten, nachdem man +ihn zu Lande verachte. Am 14. Juni 1542 kam Probst, jetzt ein alter +Mann, nach Wittenberg, um seinen Vater D. Martinus noch einmal zu sehen. +Das war ein gar unerwarteter lieber Besuch und Frau Käthe wird ihm den +Aufenthalt recht angenehm gemacht und das Margaretlein den Paten +fröhlich begrüßt und ihm mit ihrer hübschen Stimme etwas vorgesungen +haben[407]. + +Weniger im Verkehr war man mit dem früheren Prior des Schwarzen Klosters +Eberhard _Brisger_, Pfarrer in Altenburg; doch tauschte auch mit ihm +Käthe Grüße aus[408]. + +Der ehemalige Klosterbruder (Stiftsherr der „Brüder vom gemeinsamen +Leben“) Gerhard _Viscampius_ zu Herford war auch ein besonders guter +Freund der Familie Luther und Melanchthon und sie nahmen warmen Anteil +an ihm. 1528 sendet er an das Lutherische Ehepaar Tuch und zwei Lampen, +welche die zwei Gatten jede Nacht ständig gebrauchten. Dafür soll er +auch regelmäßig Luthers Schriften erhalten[409]. + +Der alte „Stürmer und Schwärmer“ D. Gabriel _Zwilling_, Luthers +Klostergenosse, der ihm auf der Wartburg mit seiner Bilderstürmerei so +zu schaffen machte, war, nachdem er seinen Radikalismus ausgetobt, ein +ruhiger Pfarrherr zu Torgau geworden. Er hatte zur Befreiung der Nonnen +aus Nimbschen mitgewirkt, und kam verschiedentlich nach Wittenberg, +durfte auch einen etwas schweren Auftrag Käthes wegen Beschaffung eines +Leinenkastens besorgen[410]. + +Der Reformator und Stadtprediger von Gotha, _Mykonius_, der auch zur +Zeit der „Wittenberger Konkordia“ sich im Lutherhause aufhielt, bekam +von Käthe Grüße, Glückwünsche, Danksagung für ein „Käse-Geschenk“, auch +Verhaltungsmaßregeln gegen seine Frau und Teilnahme an seinem +Brustleiden[411]. + +Ein besonderer Verehrer der Frau Doktorin war der feine Straßburger +_Capito_ (Köpflin), welcher im Jahre 1536 mit Butzer in Wittenberg die +„Konkordia“ der sächsischen und oberländischen Kirche zustande brachte +und dabei im Lutherhause verkehrte. Er läßt die „treffliche Frau +Katharina von Bora, seine Wirtin“, grüßen und sendet nach seiner +Heimkehr ihr einen goldenen Ring als Zeichen seiner Gesinnung gegen sie, +„welche mit Recht so hoch geschätzt wird, weil sie mit hausmütterlicher +Sanftmut und Emsigkeit die Versorgung unsres Lehrers übt“. Und auch Frau +Käthe schätzt den Straßburger Gast. Wiederholt läßt er sie grüßen und +verspricht ihr zur Frankfurter Messe 1537 einen Brief. Capito erbat sich +sogar mit den übrigen Straßburger Freunden Gerbel, Butzer u.s.w. den +Sohn Hans erziehen zu helfen[412]. + +In _Nürnberg_ hatte Luther und damit auch seine Käthe, allerlei gute +Freunde, besonders seine beiden Ordensbrüder, Wenceslaus _Link_ und Abt +_Friedrich_ (Becker, Pistorius), die ihm manches schöne Geschenk und +Gerät an Uhren, Drechslerwerkzeug, Holz- und Kupferstichen, feines Obst, +Sämereien aus der reichen Freistadt besorgten. Auch sie läßt Käthe +grüßen[413]. + +In der Reichsstadt lebte aber auch ihre „alte Flamme“, wie Luther +schreibt, der Ratsherr Hieronymus _Baumgärtner_. Die alte Liebe zu ihm +hatte sich zu herzlicher Freundschaft gestaltet, und es ist ein gar +schönes Zeichen eines natürlichen und gesunden Gefühls, daß sowohl +Luther als Frau Käthe in ganz unbefangener offener Weise von dieser +liebenden Verehrung für den ehemaligen Geliebten reden unter sich und +dem gemeinsamen Freund gegenüber: „Es grüßt Euch verehrungsvoll meine +Käthe, Eure alte Flamme, welche Euch ob Eurer Tugenden und Vorzüge mit +neuer Liebe umfaßt und von ganzem Herzen Euch wohl will.“ Von Koburg +schreibt Luther am 1. Oktober 1531 an Baumgärtner: „Ich grüße Dich im +Namen meiner Herrin, Deiner einstigen Flamme; so werde ich ihr erzählen, +wenn ich heim komme. So pflege ich auch sie in Deinem Namen zu necken.“ +Als 1543 Luther durch seinen Tischgänger Besold einen Brief erhielt, +rühmte er des Briefschreibers Sittenreinheit, Frömmigkeit und Tugend. Da +fragte Luthers Gattin „nach ihrer Gewohnheit“, wer denn der Schreiber +des Briefes wäre. Luther antwortete: „tuus ignis Amynthas: Dein alter +Buhle (Liebhaber).“[414] Der Ton, diesem Freunde gegenüber, ist ein gar +herzlicher, namentlich in dem Trostbrief Luthers an Baumgärtner und +seine Frau, als der Nürnberger Kaufherr von dem Ritter Albrecht von +Rosenberg (bei Mergentheim) gefangen genommen und lange in Haft gehalten +wurde, so daß Frau Sibylle mit ihren fünf unerzogenen Kindern länger als +ein Jahr um das Leben ihres Ehewirts in Angst schwebte. Die Wittenberger +Freunde beteten in der Kirche öffentlich um die Freilassung und gingen +den Landgrafen von Hessen darum an[415]. + +Auch Veit _Dietrich_ blieb trotz seines Spanes mit Käthe nicht nur +Luthers Freund nach seinem Wegzug nach Nürnberg, wo er Pfarrer an der +Sebalduskirche wurde, sondern auch mit Frau Käthe stellte sich bald +wieder ein freundliches Verhältnis her. Sie läßt ihn wiederholt +grüßen[416]. + +Mit den Freiberger „Geschwistern _Weller_“, dem jüngsten Peter, dem +Komponisten Matthias und besonders dem Theologen Hieronymus, aber auch +der Schwester Barbara Lischner standen die Lutherischen Eheleute in +freundschaftlichem Verhältnis. Der eine mußte in seiner Schwermut +aufgerichtet werden, der andere versorgt, die Schwester belehrt über den +heimlichen Empfang des heiligen Abendmahls[417]. Dem Komponisten +Matthias läßt Luther mit Frau Käthe danken, für sein „gutwillig Herz, so +er erzeigt hat mit dem Gesang und den Borsdorfern.“ Das Lied sängen die +Männer unter Tisch, so gut sie's könnten. „Machen wir etliche Säue +(Böcke, Fehler) darunter, so ist's freilich Eure Schuld nicht, sondern +unsre Kunst. Wenn's schon alle Komponisten gut machen, so ist unser +Ernst wohl noch weit drüber und können's böse genug singen. Es folgen +uns alle Regiment der ganzen Welt; sie lassen Gott und alte Vernunft +sehr gut Ding komponieren und stellen, aber sie singen auch, daß sie +wert wären einen Markt eitel Würste aus den Säuen oder Klöppel in den +Feldglocken[418]. Darum müßt ihr Komponisten uns auch zugut halten, wenn +wir Säue machen in den Gesängen. Denn wir wollten's lieber treffen denn +fehlen. Solchen Scherz, bittet meine liebe Käthe, wollet ihr für gut +annehmen, und läßt Euch freundlich grüßen. Hiemit Gott befohlen. 1535. +Priska-Tag.“[419] + +Dr. Hieronymus Weller heiratete um diese Zeit ein Freiberger Mädchen, +die Tochter G. am Steige. Natürlich sollte ihm Frau Käthe die Hochzeit +in Wittenberg ausrichten. Aber Frau Käthe war damit nicht einverstanden; +kannte sie doch die große Unmuße und Unkosten, welche ein Doktor in +einer Universitätsstadt aufwenden müsse: und hier wäre sowohl der +Hochzeiter, wie der Hochzeitgeber ein Doktor; daher müßten viele Leute +eingeladen werden; Weller solle sich die Liste, die beigelegt sei, +einmal ansehen und werde dann merken, welche Menge geladen werden müßte +(wenn man auch einige streichen könnte), wofern man des Hochzeiters und +seiner Angehörigen Ehre bedenke, zumal man die angesehenen Freunde doch +ehrenvoll bewirten müsse. Das sei sehr schwer. Auch koste es mehr als +100 fl. Die Eheleute rieten Weller daher, die eigentliche Hochzeit +anderswo zu halten und es einzurichten wie M. Kreuziger und Dr. Brück, +nämlich mit geringer Begleitung nach der Universitätsstadt zu kommen, zu +einem Morgen- oder Abendessen mit zwei oder drei Tischen. Hoffentlich +war der Dr. Hieronymus und seine Braut so verständig und gingen darauf +ein. Während der ledige Doktor bei Luthers gewohnt hatte, zog er mit +seiner jungen Frau in ein eigenes Haus in der Nachbarschaft. Nicht lange +darauf wurde Weller Pfarrer in seiner Vaterstadt Freiberg, wo Herzog +Georgs Bruder Heinrich residierte und dem Evangelium beitrat; er blieb +aber in regem Verkehr mit dem Lutherhaus[420]. + +Nach Freiberg wurde 1538 auch M. Nikolaus _Hausmann_ als Stadtpfarrer +berufen. Er war einer der ältesten und besten Freunde des Lutherischen +Hauses, ein sanfter, liebenswürdiger Mann und Junggeselle. Zuerst in +Zwickau angestellt (bis 1532), wurde er dann Hofprediger bei den drei +Anhalter Fürsten in Dessau (1532-38). Die Bekanntschaft Käthes mit ihm +ging durch ein zierliches und mühsam geflochtenes Körbchen und das +schöne Glasgefäß, welches Hausmann selbst gemalt und als Andenken in den +jungen Haushalt geschickt hatte und das Käthes Wohlgefallen erregte (S. +96)[421]. Von da an sendete Frau Käthe dem Zwickauer Stadtpfarrer stets +angelegentliche Grüße und wird wieder gegrüßt in den zahllosen Briefen, +die fast jede Woche zwischen dem Wittenberger Kloster und dem Zwickauer +Pfarrhaus hin und wieder fliegen. Sie empfiehlt sich in schweren Zeiten +seinem Gebet oder bedankt sich für gesandtes Chemnitzer Leinen, wofür er +eine Last lutherischer Schriften durch den Paketträger erhält[422]. Auch +„lebendige Briefe“ gingen hin und her: allerlei Freunde und Bekannte, +namentlich seitdem auch Cordatus nach Zwickau versetzt war, anfangs +1529.[423] Oefters wird Hausmann eingeladen: seine Stubella (Stüblein) +sei bereitgestellt und alles gerüstet — trotzdem Frau Käthe einen jungen +Erdenbürger erwartet. Einigemale kam auch Hausmann wirklich den weiten +Weg nach Wittenberg[424]. + +Im August 1531 ging Hausmann von dem schwierigen Zwickau weg, hielt sich +auch in Wittenberg auf. Von dem nahen Dessau aus war noch ein viel +regerer Verkehr möglich. Das erste Zeichen war ein Wildschwein, das von +der Residenz kam und zum Martinstag von den Freunden des Lutherhauses +verspeist wurde. Als er krank wird, bekümmert sich „Herr Käthe“ in gar +„stattlichem stetem Gedanken um den Freund“. Ja, da dieser so oft +kränklich ist, will Luther ihn gar zu sich nehmen, damit er der Stille +und Ruhe genieße. 1538 kam aber Nikolaus Hausmann als Superintendent +nach Freiberg, wo sein Bruder Valentin lebte. Hier traf ihn bei seiner +Antrittspredigt am 3. November auf der Kanzel der Schlag. Die Freunde +und die Hausfrau verheimlichten Luther den Tod seines lieben Genossen +und brachten ihm die Nachricht erst allmählich bei — er aber saß einen +ganzen Tag und weinte, und auch Frau Käthe wird dem Getreuen ihre +Thränen nachgeweint haben[425]. + +Der frühere Tischgenosse _Schlaginhaufen_ war im Jahre 1532 nach Zahna, +nur zwei Stunden von Wittenberg, als Pfarrer gesetzt worden, wo er mit +dem Lutherhause in enger Verbindung blieb, und z.B. einmal die von +Luther so geliebten Mispeln schickte. Aber in dem ärmlichen und der +Gesundheit des schwachbrüstigen Mannes wenig zuträglichen Orte hielt er +es nur ein Jahr aus. Er wurde dann Pfarrer in Köthen und reformierte +dies Ländchen. Dahin grüßt auch Frau Käthe. Er reiste mit nach +Schmalkalden, begleitete den erkrankten Luther zurück bis Tambach, lief +dann mit der Kunde von dessen Besserung nach Schmalkalden und rief zu +den Fenstern an der Herberge des Legaten hinauf: Lutherus vivit! +Lutherus vivit! (Luther lebt! Luther lebt!)[426]. + +Mit dem Pfarrhaus von Leisnig standen Luther und seine Käthe in regem +Verkehr. Sie senden in zahlreichen Briefen Grüße an ihre ehemaligen +Tischgenossen M. _Lauterbach_ und seine Hagnes oder Nise (Agnese) und +Elslein („Lamm“ und „Lämmlein“); sie geben ihm allerlei zu besorgen, so +Frau Käthe einen Katechismus an eine arme ehemalige Nonne, Christina v. +Honsberg, jetzt Gattin von Georg Schmid. Der Bischof von Meißen hatte +sich gegen Lauterbach gesträubt, weil er nicht geweiht wäre; da sagte +Lauterbach zu dem bischöflichen Amtmann: „Ich bin genug geweiht durch +mein Weib (denn sie war eine Nonne) und Mann und Weib ist ein +Leib“[427]. Da der andre Pfarrer in Leisnig sich nicht mit Lauterbach +vertrug, so verzog dieser als Diakonus nach Wittenberg, wo er von +1536-39 lebte, um dann als Superintendent nach Pirna ins evangelisch +gewordene Herzogtum Sachsen zu kommen. Zu Wittenberg als Amtsgenosse +Luthers verkehrte er viel im Klosterhaus; auch seine Frau war öfter da +und gab einmal auf eine theologische Frage eine gar feine Antwort. Es +war an sie dieselbe Frage gerichtet, wie an Frau Käthe, ob sie heilig +wäre; da sagte sie, sie wäre heilig, so viel sie glaubte; wäre aber eine +Sünderin, sofern sie ein Mensch wäre. Von Pirna hat Lauterbach die +Steinmetzarbeit an der Hausthür für Frau Käthe besorgt, weiterhin +Rebpfähle, mehrmals Pelzröcke für die Töchter, auch Butter und Aepfel, +Borsdorfer und andere, „rötliche“, von welchen sich dann Frau Käthe auch +Zweige zur Veredlung bestellt[428]. + +Georg _Spalatin_ war bald nach Luthers Vermählung aus dem Hofdienst +getreten, hatte sich verheiratet und war neben M. Eberhard Brisger +Oberpfarrer von Altenburg geworden. Weil diese Stadt ziemlich weit +ablag, so kam der alte Freund Luthers nur bei besonderen Veranlassungen +amtlicher Art nach Wittenberg; auch Luther konnte, so sehr er voll +Sehnsucht nach des Freundes Umgang war, schwer nach Altenburg kommen, +nicht einmal zur Hochzeit Spalatins, weil er eben die Flucht der 13 +Nonnen aus Freiberg veranstaltet hatte. Um so häufiger aber sandten sich +die Freunde Briefe und Boten und teilten sich die häuslichen +Vorkommnisse mit und Frau Käthe drängt dabei ihren Mann zum Schreiben. +„Meine Rippe“ oder „mein Herr Käthe“ senden an Spalatin und „seine +Rippe“ oder „Kette“ (sie hieß auch Katharina), seine „Hindin“ und ihre +Kleinen Grüße und Glückwünsche, wünscht ihm auch ein kleines +„Spalatinlein, das ihn lehre, was sie sich rühmt von ihrem Hänslein +gelernt zu haben, nämlich die Frucht und Freude des Ehestandes, deren +der Papst mit seiner Welt nicht wert ist“[429]. Den in Schmalkalden +schwer erkrankten Luther ließ Frau Käthe ins Altenburger Pfarrhaus +bringen und bleibt dort mehrere Tage. Voller Dankbarkeit und Anerkennung +ist sie für die „freundliche Liebenswürdigkeit und liebenswürdige +Freundlichkeit“, die sie mit ihrem Gatten im Hause des feinen Mannes +erfahren. Sie ist unglücklich, daß sie in der Aufregung den Töchtern +Spalatins nichts mitgebracht und sendet ihnen schön gebundene Büchlein, +ihr gewöhnliches Geschenk[430]. Nochmals nimmt sie die Liebenswürdigkeit +des Altenburger Pfarrherrn in Anspruch, als sie ihre Bauten in Zulsdorf +ausführt. Weil Spalatin gerade um diese Zeit nach Wittenberg kam, so +giebt sie ihm allerlei Aufträge mit, da Zulsdorf von Wittenberg so weit +weg und näher bei Altenburg lag und sie wegen der bestehenden +Winterszeit nicht dahin kommen konnte. Da soll er, der ehemalige +Hofmann, bei dem Schöffer dafür sorgen, daß sie Eichenstämme und dicke +Prügel für Bauten bekomme in ihrem neuen Reich. Da empfiehlt sie ihre +Fuhrleute und Handwerker der Fürsorge Spalatins. Und dieser interessiert +sich für ihre Zulsdorfer Unternehmungen so sehr, daß ihm Luther +ausführlich über all die Mißgeschicke schreiben muß, welche seine Frau +mit den sächsischen „Harpyen“ hat, welche ihr Bauholz wegstibitzen. +Dafür schickt die arzneikundige Doktorin dem Herrn Oberpfarrer auch eine +Wurzel gegen den Stein, die sich bei Luther recht wirksam gezeigt +hatten.[431] + +Ein Freund der Familie Luther war auch ihr Gevatter _Hans von +Taubenheim_. An ihn wendet Käthe sich vertraulich mit wirtschaftlichen +Anliegen. Aber sie nimmt auch Teil an seinem Schicksal, als er 1539, +scheint's, in Ungnade fiel. Luther muß ihm schreiben: „Meine Käthe läßt +Euch herzlich grüßen und weinet bitterlich über Euren Unfall und sagt: +wenn Euch Gott nicht so lieb hätte, oder wäret ein Papist, so würd er +Euch solch Unglück nicht geschehen lassen.“[432] + +Alle diese Freunde des Lutherhauses lebten auswärts und waren nur +besuchsweise oder doch vorübergehend in Wittenberg. Die befreundeten +Familien in der Stadt selbst waren die der Amtsgenossen Luthers: die +Professoren Kreuziger, Jonas und Melanchthon und die Pfarrer Bugenhagen +und Röhrer, weniger bedeutend der andere Schloßprediger D. Georg Major, +der Professor des Hebräischen Matthäus Aurogallus (Goldhahn), +Melanchthons Busenfreund Paul Eber, D. Hier. Schurf, endlich sein +Bruder, der Hausarzt und Nachbar, Professor Augustin Schurf, dessen Weib +Hanna von Frau Käthe in der Pestzeit ins Haus genommen und gepflegt +wurde. Sie alle waren vielfach Gäste in Luthers Haus, namentlich bei der +Bibel-Uebersetzung. In ihrem Kreise ließ sich Luther mehr gehen, als an +der Tafelrunde der Tischgenossen, mit „fröhlicher Laune und witzigem +Scherzwort“[433]. + +_Kreuziger_, Dr. der heiligen Schrift, Luthers treuer Freund und +„Fürbund“, den er (seit 1528) zu seinem „Elisa“, seinem Nachfolger in +der Theologie erlesen hatte, der auch Luthers Testament unterschrieben +hat, war — ausnahmsweise — ein wohlhabender Theologe[434]. Für ihn +besorgte Frau Käthe Aufträge und seine Frau Elisabeth, eine gewesene +Nonne aus Pommern, bringt ihr ein goldenes Meßgeschenk, wofür Luther an +Kreuzigers Frau ein gleiches schickt. Diese, Elisabeth von Meseritz, war +die Dichterin eines Liedes, das Luther in sein Gesangbuch setzen ließ. +Es beginnt: + + Herr Christ, der Einige Gottes + Vaters in Ewigkeit, + Aus seinem Herz entsprossen + Gleichwie geschrieben steit. + Er ist der Morgenstern, + Sein' Glanz streckt er so fern + Vor andern Sternen dar[435]. + +Elisabeth starb früh, so daß Kreuziger zur zweiten Ehe schritt (1530); +mit der Hochzeit wollte er aber Frau Käthe nicht beschweren und hielt +sie auf Schloß Eilenburg ab, das ihm der Kurfürst auf Luthers Bitte +dafür zur Verfügung stellte. Dagegen ist er eingeladen bei Luthers +Geburtstagsschmaus[436]. + +_Bugenhagen_ oder D. Pommer, der stattliche und würdige Propst, +Professor und Stadtpfarrer und geborene General-Superintendent +(1536)[437], war mit seiner pommerschen Gelassenheit ein gar milderndes +Element in dem Lutherischen Hause, dessen Beichtvater er war. So hielt +er auch neben Luther ruhig in der Pestzeit aus. Trotz seines würdevollen +Wesens war er doch „im gemeinen Wandel eines liberalischen, fröhlichen +und fertigen Gemüts“. Er stellte sich von Anfang auf Frau Käthes Seite. +Er half ihr — nebst dem Kapellan Röhrer — das schöne Glas vor Luthers +Geschenkwut retten. Er hielt sich gar viel im Kloster auf; ja er wohnte +sogar in Luthers Anfechtungen dort[438]. Luthers Briefe grüßen gar oft +in einem Atem: Dr. Pommer und meine Käthe oder meine Käthe und Dr. +Pommer. Einmal schreibt er sogar im Hause und Namen Luthers einen Brief +an Spalatin, worin „Dominus mea“ („meine Herr“ Käthe) grüßte. Einen +Brief Luthers an Frau Käthe sollte in ihrer Abwesenheit Pfarrherr D. +Pommer erbrechen und lesen[439]. Umgekehrt hat Frau Käthe auch allerlei +an D. Pommer auszurichten, sogar allerlei Theologisches in lateinischen +Wendungen von den Argumenten Zwinglis in Marburg und Kirchenpolitisches +von Augsburg. „Sage D. Pommer“, heißt es dann in Luthers Briefen an +seine Frau[440]. Der behagliche Pommer ergötzte die Freunde gar sehr mit +seinen Sprüchen, namentlich in breitem Platt; aber er lachte auch, wenn +der „schwäbische“ Pfälzer Melanchthon sich im Plattdeutschen versuchen +wollte. Im Dezember 1527 erwartet der Propst im Lutherhause die +Niederkunft seiner Frau. Sie und Frau Katharina lagen fast zu gleicher +Zeit in den Wochen: Frau Pommer mit einem Knäblein, Frau Käthe mit ihrem +Töchterlein Elsbeth. Bald darauf starben ihr zwei Söhne[441]. 1528 wird +zu Bugenhagens Reise nach Braunschweig von Luthers „Eva“ im Kloster ein +Abschiedsmahl gehalten; er wurde aber auch nach Hamburg „geliehen“, dann +nach Lübeck, Pommern und Dänemark, und erzählte dann daheim, nach der +Landesart gefragt, zum Ergötzen der „Tafelrunde“, dort tränken die Leute +„Oel“ und äßen „Schmeer“ (d.h. Bier und Butter). Bugenhagen war also +viel weg von Wittenberg, zur großen Sorge Luthers, der seine +Arbeitslast als Stadtpfarrer und Professor noch dazu übernehmen mußte. +So hatte auch Frau Käthe gar oft nach dem „Pommerischen Rom“ mit seinen +kleinen Weltbürgern in der Superintendur am Kirchenplatz zu sehen[442]. + +Justus _Jonas_, „der Rechte Licentiat und Erfurter Kanonikus“ nachher +(1521) Professor, D. der Theologie und Propst des Allerheiligenstiftes, +nahm im Lutherhause eine ähnliche Stellung ein, wie Bugenhagen. Nur +hatte er in seinem Wesen nicht die stoische, gesunde Ruhe des D. Pommer. +Er war vielmehr kränklich und etwas erregt, ein lebhafter Sprecher, +„unser Demosthenes“, der lieber redete als schrieb; denn er „drohte“ nur +Briefe zu schreiben, führte es aber nicht aus, wie Luther scherzt. Die +Familie wohnte in der Fischervorstadt, hatte auch Garten und Weinberg. +Während der Pest 1527 und wieder 1535 zog Jonas mit Weib und Kind in +seine Vaterstadt Nordhausen bezw. nach Jena. Er war bei den +Verhandlungen in Augsburg, Marburg, Frankfurt, Schmalkalden u.s.w. viel +abwesend von Wittenberg, so daß Luther viele und häufige Briefe an ihn +zu schreiben hatte, in denen Frau Käthe mit Grüßen, Aufträgen und +Mahnungen und dgl. sich hören läßt. Umgekehrt grüßt auch Jonas die Frau +Doktorin, Muhme Lene, Hänschen, Lenchen — und sendet seinem Paten einen +silbernen Johannes, d.h. einen Joachimsthaler (Gulden) mit dem Bildnis +des Kurfürsten Johann[443]. Jonas hatte sich schon 1522 verheiratet mit +Katharina von Falk. Sie hatte eine große Kinderschar (1530 schon 5 +Söhne), aber viele starben jung; bekannt sind davon Jost, Christoph, +„Sophiela“, „Elisabethula“, auch eine Großmutter lebte im Haus und +erhielt von Luther Grüße[444]. Frau Käthe Jonas war eine muntere, +heitere Frau. Von ihr meldete im Sommer 1529 der Wittenberger +Stadtschreiber Baldunai: „Ich hab' Melanchthon mit der Pröpstin tanzen +sehen! Es ist mir wunderlich gewesen.“ Auch Luther richtet an sie +gelegentlich einen scherzhaften Brief als der „Ehrbaren, Tugendsamen +Frauen Kathrin Dokterschen Jonischen, Propstin zu Wittenberg, meiner +günstigen Freundin und lieben Gevatterin“ und schließt: „meine Käthe und +Herr zu Zulsdorf grüßet Euch alle freundlich.“[445] + +Mit der „Jonischen“ Familie war die Lutherische eng befreundet, +namentlich die beiden Käthen waren aufs innigste mit einander verbunden, +sie waren stets ein Herz und eine Seele: die lebhafte thatkräftige +Lutherin war offenbar recht angezogen von der fröhlichen Natur der +Propstin. Aber auch den redegewandten Propst mochte die Frau Doktorin +gerne leiden. Nach Augsburg schickt sie in einem Brief an ihren Herrn +Martinus ein Billet („Zedula“), worin sie von der Geburt eines Jonischen +fünften Sohnes berichtet[446]. Als die Propstfamilie während der Pest +mit der Universität auch in Jena weilt, bestellt die „Erzköchin“ bei +Jonas für einen Thaler allerhand Geflügel und Wildbret zu einem +Doktorschmaus und will ihn mit einem guten Sud von ihrem gesunden und +heilsamen Bier nach Wittenberg locken. Dagegen warnt sie ihn, sich von +der „Güte des Weins“ bei Spalatin berücken zu lassen, wodurch der Leib +so rauch und scharf von Steinen werde, wie die Weinfässer, wenn sie +ausgetrunken sind. Mit dem Bier wußte Frau Jonas nicht so wohl Bescheid +wie Frau Lutherin; denn dasjenige, das sie Luther einmal schickte, war +verdorben. Angenehmer als dieses Geschenk waren der Wein, die Quitten +und Aepfel u.a., welche Jonas von seinen Reisen oder aus Halle +sandte[447]. Als Frau Käthe zu Anfang des Jahres 1540 schwer erkrankte, +da schrieb Jonas manchen betrübten Brief voll aufrichtiger Teilnahme und +Sorge. „Wenn mein Brief so trübselig ist, so ist die Trauer schuld um +die hochgeschätzte Frau, weil sie so krank darniederliegt.“ Und er freut +sich „dann, als ἡ γυνή des Herrn D.M. Luther durch göttliche Wunderkraft +wieder gesundet.“ Im Frühjahr 1541 zog Jonas nach Halle, um dort trotz +des Bischofs „mit Volk und Rat“ die Reformation durchzuführen[448]. Da +sich dieser Aufenthalt, wie es den Anschein bekam, lange hinausziehen +sollte, so zog im Herbst die Frau Propstin ihrem Manne nach, während der +Sohn Tischgenosse im Lutherhause werden sollte. Sie verabschiedete sich +so eifrig und eilig, daß sie sogar vergaß, Briefe von Luther mitzunehmen +und dieser samt seiner Frau sie neckte mit ihrer Liebessehnsucht. Leider +sollten sie die Freundin nicht mehr sehen. Nicht lange nach ihres lieben +Töchterchens Lenchen Tod verlor Frau Käthe auch ihre beste Freundin. Sie +starb in Halle um Weihnachten 1542, indem sie „mit gar frommen und +heiligen Worten ihren Glauben bezeugte.“ Frau Käthe war ganz weg bei +der Trauerkunde[449]. + +Etwas weniger herzlich scheint das Verhältnis zur Familie Melanchthon +gewesen zu sein. Die beiden waren fast Gartennachbarn und wie die +Männer, so werden auch die Frauen sich an dem Gartenzaun und in ihren +Gärten und Häusern doch vielfach begegnet sein. Die Kinder spielten mit +einander, wie aus dem Märchenbrief Luthers ersichtlich ist, und Luther +schreibt dem ängstlichen Magister während seiner Abwesenheit genau alle +Vorkommnisse unter den Kindern[450]. Aber auffällig ist doch, daß in +all' den vielen (3000) Briefen Luthers die Gattin seines Kollegen +ausdrücklich niemals erwähnt ist. Frau Käthe Melanchthon war der +temperamentvollen Doktorin wie dem Doktor nicht so sympathisch als die +Frau Käthe Jonas. Sie fühlte ihren Gemahl und sich nach den Epigrammen +des Lemnius, aber auch nach den Andeutungen Kreuzigers überall +zurückgesetzt und in den Schatten gestellt durch Luther und die +Doktorin. Die wohlhabende Bürgermeisterstochter und das arme +Edelfräulein standen sich wohl von Anfang an gegenüber, nochmehr aber, +als die fremde Nonne den gewaltigen Doktor, den ersten Mann der Stadt, +ja der Welt zum Gemahl bekam. Zur Erklärung der Stimmung von Frau +Melanchthon muß wohl auch auf die bestehende Kleiderordnung verwiesen +werden, welche derjenigen von 1572 ähnlich gewesen sein wird. Die +Doktorsfrauen durften darnach eine guldene unverfütterte Haube tragen, +und so ein alt Kleid zu kurz wird, es mit Sammet- und Seidegebräm +verlängern — die _Magisters_frauen nicht, und Frau Melanchthon war bloße +Magisterin. Ferner durften Doktoren 8 Tische, Magister bloß 6 Tische bei +Hochzeiten haben; letztern waren auch Röcke, Barett oder Schläpplin aus +Sammet und Seide verboten[451]. + +Es traten sogar einmal Mißstimmungen Luthers gegen Melanchthon ein, +welche sich natürlich auch auf die beiderseitigen Frauen übertrugen. + +Melanchthons Schwiegersohn Sabinus, ein Humanist und Poet, hatte Luthers +alten Gegner, den Kardinal-Erzbischof Albrecht, der sich gern als Mäcen +aufspielte, als seinen Gönner gefeiert, und bei seiner Hochzeit mit +Melanchthons Töchterlein (1536) war der erzbischöfliche Kanzler Türk zu +Gast, ja Sabinus lebte eine zeitlang an Albrechts Hofe. Um diese Zeit +machten auch andere römische Kirchenfürsten den Versuch, Melanchthon auf +ihre Seite zu bringen. Luther zürnte über die „Erasmischen Vermittler“, +wenn er auch nicht glaubte, Melanchthon werde ein zweiter Erasmus +werden. Die Anhänger Luthers, Cordatus und Schenk, gingen aber schärfer +gegen Melanchthon vor und dieser scheute sich in seiner ängstlichen Art +vor einer offenen Aussprache mit Luther. Käthe hätte gerne eine +freundschaftliche Auseinandersetzung der beiden alten Freunde gewünscht; +die „Doktorin“ beklagte die Entfremdung derselben, sprach dies auch +gegen Kreuziger und andere Freunde aus, in der Hoffnung, eine +Auseinandersetzung herbeizuführen. Aber dem widersetzte sich die +„Weibertyrannei“ der Frau Melanchthon[452]. + +Jetzt kam noch etwas anderes hinzu. 1537 geriet ein gewisser M. Simon +Lemchen (Leminus) nach Wittenberg, der war ein Freund und +Gesinnungsgenosse des Sabinus, formgewandt, aber auch charakterlos wie +dieser. Für diesen Schöngeist verwendete sich Melanchthon um ein +Stipendium bei dem Rat von Augsburg, weil er zum Teil in Augsburg +erzogen war und diese löbliche Stadt für sein Vaterland hielt. Er bekam +auch wirklich eine Unterstützung von 20 fl. Damals kam auch Sabinus nach +Wittenberg und verkehrte viel mit seinem Freunde[453]. + +Zu Pfingsten 1538 nun hat Lemnius, der „ehrlose Bube etliche Epigrammata +ausgehen und sogar an den Kirchthüren verkaufen lassen, ein recht +Erzschund-, Schmach- und Lügenbuch, wider viel ehrliche Manns- und +Weibsbilder, dieser Stadt und Kirchen wohl bekannt.“ Natürlich machte +das Büchlein in der kleinen Stadt das peinlichste Aufsehen und erregte +häßliche Geschwätze. Melanchthon hatte als Rektor die Zensur über +litterarische Erscheinungen von Universitätsangehörigen zu üben. Daher +erhob sich gegen ihn der Verdacht, daß er mit Absicht die böse Schrift +habe drucken lassen. Aber Luther überzeugte sich bald, daß es „hinter +Wissen und Willen derer, so es befahlen ist zu urteilen“, ausgegangen +war. Und so beruhigte sich auch die Frau Doktorin bald wieder. Der +„Poetaster und Leuteschänder“ Lemnius flüchtete und wurde relegiert, +rächte sich aber durch ein unflätiges Schmähgedicht auf Luthers und +Käthes Ehe, wie auf andere Professorenfamilien in Wittenberg [454]. Das +gute Einvernehmen der beiden Familien stellte sich bald wieder her. Frau +Käthe läßt nach wie vor dem abwesenden Magister Philipp ehrerbietig +Grüße zusenden und dieser versäumt nicht nach wie vor „Luthers +hochverehrte Gemahlin und süße Kinder zu grüßen“. Ja das Verhältnis zu +ihm zeigt sich nach diesem Vorkommnis noch viel freundlicher [455]. Sie +läßt dem Magister besonders nachdrücklich danken, daß er ihren Doktor +nicht mit nach Schmalkalden — schlimmen Angedenkens — mitgenommen hat. +Sie versichert ihn ihrer ganz besonders warmen Liebe und Zuneigung. Als +Melanchthon wegen der hessischen Ehegeschichte tödlich erschrocken +darniederlag, heißt sie ihn tapfer und „fröhlich“ sein und versichert +ihn mit ihrem Gatten ihrer aufrichtigen Liebe und verspricht, eifrig und +kräftig für ihn zu beten. Nach Worms läßt sie ihm melden, sie siede eben +für ihn Wittenbergisch Bier, um ihn und seine Genossen damit zu +empfangen. Und M. Philipp läßt sich auch sorglich über ihr Wohlergehen +berichten und wäre sehr beunruhigt, wenn er hören müßte, es ginge der +Frau Doktorin übel. An Luthers Todestag noch sendet er in ihrem Auftrag +nach Eisleben Nachrichten und Arzeneien[456]. + +Eine gewiß noch rascher vorübergehende Verstimmung trat 1544 ein infolge +eines Vorwurfs, den Frau Käthe Melanchthon machte und den der +empfindliche Meister Philipp wohl zu schwer nahm; sie sagte nämlich, man +glaube, er bevorzuge seine schwäbischen Landsleute vor den Sachsen. Das +konnte doch weder so ernst gemeint noch genommen werden, wenn er auch in +einem Brief an Freund Jonas die δεσποινα (Herrscherin) darüber +verklagt[457]. + +Den Verkehr dieser Hausfreunde mit Frau Käthe kennzeichnet ein Brief, +den dieselben von Augsburg aus 1530 an die Doktorin geschrieben haben; +es ist der Ton achtungsvoller Freundlichkeit mit einem Anflug von +Lutherschem Humor; zugleich aber ein Beweis, wie geschäftstüchtig Frau +Käthe war, daß Melanchthon sogar ökonomische Aufträge ihr gab, statt +seiner eigenen Gattin, die er wohl auch für weniger schreibfertig halten +mußte, als die Lutherin. Der Brief lautet samt der Adresse so[458]: + +„Der ehrbaren tugendsamen Frau Katharina Lutherin Doktorin, meiner +besonders günstigen Freundin. + +Gottes Gnad' und alles Gute! + +Ehrbare, tugendsame Frau Doktorin! + +Ich füge Euch zu wissen, daß wir nun, Gott gebe Gnad, bis gen Augsburg +kommen sind und haben den Herrn Doctor zu Coburg gelassen, wie er ohn +Zweifel Euch geschrieben hat. Ich hoff aber, in kurz bei ihm zu sein. +Bitt Euch, Ihr wollet mir schreiben, wie es Euch geht und wie sich der +Hauptmann Korns halber erzeiget hat. Womit ich Euch dienen kann, will +ich mit allem Fleiß, wie ich mich schuldig erkenne, solches thun und +ausrichten. + +Beide Kanzler[459] grüßen Euch und wünschen altes Gute. Gott bewahre +Euch! + +Datum Augsburg, Mittwoch nach Walpurgis. Philippus. + +Herzog Georg von Sachsen soll morgen kommen. Der Kaiser ist noch ferne, +kommt aber. + +Liebe Gevatter! Auch ich wünsche Euch, Hänschen Luther und Magdalenchen +und Muhme Lene viel selige Zeit. Pusset mir in meinem Namen meine +liebsten Jungen. + +J. Jonas. + +Ich, Johann Agricola Eißleben, mein es auch gut, meine liebe Frau +Doktorin.“ + +Wie hier im Brief, so maßen sich an Käthes Tisch die Freunde an der +theologischen Tafelrunde im Redewettkampf um den Preis des kürzesten +Tischgebets. Da zeigt sich nun Luthers Sinnigkeit, Bugenhagens +hausbackenes Behagen und Melanchthons zierliche Feinheit in den Sprüchen +Luthers: Dominus Jesus sit potus et esus (der Herr Jesu sei Speis' und +Trank); Pommer: „Dit und dat, träg und natt, gesegen uns Gad“; und +Melanchthons: Benedictus benedicat (der Gesegnete segne)[460]. + +Außer den beiden Frauen der Kollegen Jonas und Melanchthon wird +Katharina wohl vorzüglich mit Frau Barbara Kranach verkehrt haben und +Frau Bürgermeister Reichenbach, ihrer Pflegemutter, beide ältere +Matronen, und ebenso mit der Familie des Buchdruckers Hans Lufft. +Selbstverständlich gehörte die Gemahlin des Doktors zu den vornehmen +Kreisen, ja sie war bei weitem die angesehenste Frau Wittenbergs und es +entspricht ihrer Stellung, wenn Meister Lukas sie auf dem Altarbilde der +Stadtkirche mit ihrem Kinde in der vordersten Reihe malt. Sie trug auch +das feine goldschimmernde Pelzwerk um die Schultern oder in Streifen am +Kleid, das die Patrizierin auszeichnet. Ein gewisses Selbstgefühl läßt +sie auch verschiedentlich durchblicken. So läßt sie einen Freund ihres +Mannes „warnen, beileibe keinen Bauernkloppel zur Ehe zu nehmen; denn +sie sind grob und stolz, können die Männer nicht für gut haben, können +auch weder kochen noch keltern“. Daneben freilich ging sie mit andern +Frauen (in der Weise unserer heutigen Frauenvereine) kranken Weibern und +Wöchnerinnen mit Rat und That an die Hand[461]. + +Aber man versteht es auch, daß eine Frau von der Anlage und dem +Temperament und Bildung Katharinas mehr auf den Umgang mit Männern +hielt, und daß dieser Umgang, zu dem sie so viel Veranlassung und +Gelegenheit hatte, sie wenig geneigt machte, sich viel in weiblicher +Gesellschaft zu bewegen. + +Freunde um sich zu haben, war Luther ein Bedürfnis. Er haßte die +Einsamkeit aus Furcht vor „Anfechtungen“ — mußte er doch in den +Nachtstunden dem Teufel genug Rede stehen. „Ehe gehe ich zu meinem +Schweinehirten Johannes und zun Schweinen, denn daß ich allein bliebe“, +sagt er zum Exempel für einen Angefochtenen. So war er auch stets in +Gesellschaft, wenn er spazieren fuhr[462]. + +Bei der Bibelübersetzung (1525-34) und der Bibelrevision (1539-42) kamen +die Gehilfen Luthers, Melanchthon, Bugenhagen, Jonas, Kreuziger, +Aurogallus und der Schnellschreiber und Korrektor Röhrer zum +evangelischen „Sanhedrin“ zusammen, und nachher blieben sie oft zu +Tische da, disputierten weiter, oder erholten sich auch an heiterem +Gespräch und Gesang. + +So war der Gasttisch in Käthes Haus nimmer leer — dafür sorgte Luther. + +Aber auch ihm persönlich und besonders widmete sie als echte deutsche +Frau ihr Leben. + + + + +14. Kapitel. + +Käthe und Luther. + + +„Das ist ein seliger Mann, der eine gute Ehe hat. Denn es ist kein +lieblicher, freundlicher noch holdseliger Verwandtnis, Gemeinschaft und +Gesellschaft, denn eine gute Ehe, wenn Eheleute mit einander in Frieden +und Einigkeit leben. Die höchste Gnade Gottes ist, ein fromm, +freundlich, gottesfürchtig Gemahl haben, mit der du friedlich lebest, +der du darffst all dein Gut und was du hast, ja dein Leib und Leben +anvertrauen.“ So preist Luther die Ehe, und _seine_ Ehe und seine +Gattin, die ihm das Wesen und das Ideal des Ehestandes vor Augen führte +und verwirklichte. Sie bereitete ihm ein schönes Heim, einen glücklichen +Hausstand, sie wartete und pflegte ihn treulich und diente ihm „wie eine +Ehefrau, ja wie eine Magd“[463]. + +Käthe sorgte vor allem für ihres Herrn Doktors leibliches Wohl in +gesunden und kranken Tagen[464]. + +Die „Erzköchin“ verstand den leiblichen Bedürfnissen ihres Mannes +gerecht zu werden; sie wußte, was seinem Geschmack entsprach und was +seiner Gesundheit zuträglich war. Luther wußte auch, was das heißt, und +daß „das ein gemarterter Mann sei, dess' Weib und Magd nichts wissen in +der Küche: es ist das erste Unglück, woraus viele Uebel folgen.“ Aber +auch das Gesinde thut's nicht, sondern, wie Luther in sein Hausbuch +schreibt: „Der Frauen Augen kochen wohl.“[465] + +Luther liebte, als ein echtes Bauernkind und mit gesundem Appetit +gesegnet, recht derbe Hausmannskost. Ueppige Speise machte ihm +Beschwerden. Er lobte sich eine reine, gute, gemeine Hausspeise: +Brathering und Erbsen war ihm ein Lieblingsgericht[466]. Aber seine +Gattin erkannte bald, daß dem Doktor bei seiner sitzenden Lebensweise, +bei seiner angestrengten geistigen Thätigkeit und namentlich, weil er in +den Tagen seines unnatürlichen Kloster- und Junggesellenlebens seine +Natur sehr verdorben hatte und durch Verdauungsstörungen an schweren +Schwindelanfällen litt, — daß diese derbe Kost ihm wenig zuträglich sei +und sie namentlich mit anderer Pflanzenkost, besonders Obst, nachhelfen +müsse, und überhaupt war sie auf Wechsel in der Speise bedacht[467]. So +hatte sie denn in ihrer Speisekammer, in Keller und Speicher nicht nur +Erbsen und Hirsen, Grütze, Graupen und Reis vorrätig, da gab es auch +Kraut, Kohl, Mohren, Rüben und Obst; die einheimischen Mispeln liebte +Luther mehr denn alle welschen Feigen, und die Pfirsiche schätzte er +besonders hoch und fast den Weintrauben gleich. Da wurden im Kloster +nicht nur Ochsen und Schweine geschlachtet, auch Gänse und Enten, +Hühner, Tauben und Krammetsvögel, frische und dürre Fische und Krebse +kamen als Leckerbissen auf den Tisch. Wildbret war Hochzeitsbraten; +Luther fand es aber mit seinem schwarzen Fleisch zu „melancholisch“. +Zwar hielt Käthe selber Rinder und Hühner, pflanzte allerlei Frucht und +Gemüse, zog Obst, buk das tägliche Brot und sott Bier; aber vieles mußte +noch dazu gekauft werden, oder man erhielt es geschenkt, namentlich +sorgte der Hof für Wildbret und die Freunde für schönes Obst: +Borsdorfer, Gold- und Blutäpfel. Frau Käthe aber würzte die Speisen mit +Salz, Pfeffer, Safran, mit Mohn, „Zippel“ (Cipola, Zwiebel), +Petersilien, Kümmel und Karbey, schmälzte mit Butter und süßte mit Honig +und Zucker. Zum Nachtisch war immer Obst da: Aepfel, Birnen, Pfirsiche +und Nüsse; in der Kirschenzeit hing auch ein Kirschenast über der +Tafel[468]. + +Daher schmeckte dem Doktor nichts besser als seine hausgemachten Speisen +und Getränke und nirgends ist es ihm wohler, als daheim an seinem +wohlbestellten Tisch. Lieber als die gepreßten Käse, welche Lauterbach +fern aus Pirna herschickt, sind ihm „unsre Käse von einfachem Stoff und +einfacher Form“. Das von Jonas geschenkte Bier findet er schlecht, +während er jenem das Bier von seiner Käthe anpreist als ein erprobtes +Heilmittel gegen das Steinleiden; ja er nennt es geradezu die „Königin +aller Biere“. Bei Hof gedenkt er an seinen „freundlichen lieben Herrn“ +Käthe, wie gut Wein und Bier daheim habe; dort müsse er einen bösen +Trunk thun oder von den dicken schweren Brot essen, das ihm so schlecht +bekomme[469]. + +Und wie sehnte sich Luther immer von den Unbequemlichkeiten der Reise +und fremder Herberge nach seinem gemütlichen Heim und dem behaglichen +warmen Bett! + +Käthe befolgte also die alte Regel, welche Luther so gerne jungen +Ehefrauen einschärfte: „Halt dich also gegen deinen Mann, daß er +fröhlich wird, wenn er auf dem Wiederwege des Hauses Spitzen +sieht.“[470] + +Freilich hatte Frau Käthe auch in Beziehung auf die Verköstigung ihres +Gatten mit dessen Eigensinn zu kämpfen, denn der Doktor genoß oft +mehrere Tage lang gar nichts, oder er aß nur einen Bratfisch und ein +Stück Brot; wenn er ganz ungestört studieren wollte, nahm er einen +Bissen Brot und zog sich in sein Studierstüblein, seine alte +Mönchszelle, ein und kam gar nicht zum Essen und — zum Schlafen. So +schloß er sich einmal, um den 22. Psalm zu erklären, mit Brot und Salz +ein und kam drei Tage nicht zum Vorschein. Da wurde Frau Käthe doch +ängstlich zu Mute, sie pochte und rief an der Thür. Keine Antwort. Sie +ließ nun den Schlosser kommen und die Thüre aufbrechen. Da rief er +unwillig: „Was wollt ihr? Meint ihr, es sei was Schlechtes, was ich +vorhabe? Weißt Du nicht, daß ich muß wirken, so lang es Tag ist; denn es +kommt die Nacht, da niemand wirken kann!“ Ein andermal (1541) hatte sie +ihre liebe Not mit dem eigensinnigen Patienten, der bei seiner +„Anfechtung“ vierzehn Tage nicht schlafen konnte und nichts essen und +nichts trinken wollte[471]. + +Freilich zu anderer Zeit war Luther auch aufgelegt zu einem festlichen +Schmaus oder einem kleinen Gelage im Freundeskreise, denn er meinte: +„Darf unser Herrgott große Hechte und Rheinwein schaffen, so darf ich +sie auch essen und trinken; es ist dem lieben Gott recht, wenn du einmal +aus Herzensgrund dich freuest oder lachest.“ Da wußte nun Frau Käthe +ihrem Manne den Geburtstag, den Doktorstag, den Thesentag u.a. festlich +zu schmücken. „Das Königreich“ wurde am 3. Mai mit einem Mahle gefeiert, +„da wurden Psalmen gesungen, Evangelien gesagt, der Katechismus, Gebete, +wie einem jeglichen aufgelegt war; darauf mußte das Hausgesinde +antworten.“ An St. Niklas wurden die Kinder beschenkt; am Neujahr auch +das Gesinde. Besonders aber Weihnachten wurde festlich begangen und die +Kinder freuten sich darauf und die Eltern mit ihnen. Frau Käthe aber +sorgte dafür, daß allerlei Gutes und Schönes ins Zimmer und auf den +Tisch kam[472]. + +Ganz vorzüglich bewährte sich aber Frau Käthe als Krankenpflegerin. Da +zeigte sie alle ihre Erfahrung, Geschicklichkeit und Energie. Und was es +alles für Krankheiten in einer so großen Familie gab, läßt sich denken. +Da waren nicht bloß die Kinder und Schüler, welche allerlei +Kinderkrankheiten, zum Teil tödliche, durchmachten; da schleppte Luther +noch alle kranken Freunde und Freundinnen ins Schwarze Kloster, so daß +es nach seinem eigenen Ausdruck oft genug ein „Spital“ war[473]. + +Der langwierigste und schwierigste Patient war freilich der Doktor +selber[474]. Krank war er eigentlich von Anfang an, und immer neue +Krankheiten kamen zu den alten: Ruhr, Fieber, schmerzliche +Hautausschläge und Geschwüre, Rheuma, Hüftenweh und Brustbeschwerden. Er +hatte insbesondere einen bösen Pfahl im Fleisch: den Stein, der ihn wie +„Faustschläge des Satans“ plagte; sodann verursachten ihm seine +Verdauungsstörungen Beengungen, Blutandrang nach dem Haupt, Kopfweh, +Ohrensausen und Schwindel, Krämpfe und Ohnmachten: Anfälle, vor denen er +als „Anfechtungen des Teufels“ sich heftig fürchtete und die ihn oft mit +tiefer Schwermut erfüllten[475]. Da galt es, eine geduldige und +fröhliche Krankenpflegerin sein. Und Frau Käthe verstand ihren Patienten +zu behandeln, besser als die großen Doktoren, die Herren Aerzte; sie +wußte, wie man den Kranken behandeln mußte mit Nahrung und +Arzneimitteln; sie hielt ihn vom Wein ab und sott ihm leibreinigendes +Bier; sie rieb ihm das Bein mit heilkräftiger Salbe und Aquavitä ein und +erwärmte ihm den Leib mit heißen Tüchern: sie erquickte ihn mit +Kraftküchlein und allerlei Säften; sie kannte eine wirksame Wurzel gegen +den Stein und zahlreiche Hausmittel: sie schabte ihm Bernstein von einem +alten Rosenkranz und löste ihm die weißen Bernsteinstückchen auf, welche +der Herzog von Preußen als Mittel gegen den Stein schickte[476]. Nach +dem Zeugnis ihres Sohnes, des nachherigen berühmten Arztes Paul Luther, +war sie eine halbe Doktorin. Dieser sagte in seiner Antrittsrede zu +seiner Professur in Jena: „Meine Mutter hat nicht allein in +Frauenkrankheiten durch Rat und Heilung vielen geholfen, sondern auch +Männer oft von Seitenschmerzen befreit.“[477] Ihr vertraute sich daher +Luther auch lieber an, als „unsers Herrgotts Flickern“, den Aerzten und +den Apothekern. Als Luther zu Schmalkalden tödlich erkrankte und die +Aerzte ihm Arzneien gaben, „als ob er ein großer Ochs wäre“, und der +schwäbische Carnifex (Schinder, Folterknecht) meinte: „Ei, lieber Herr +Doktor, Ihr habt einen guten, starken Leib, Ihr habt wohl noch +zuzusetzen; Ihr müßt, bei Gott! leiden, wenn man Euch angreift“ — da +dachte er an seine Hausfrau und ihre wohlthuenden Hausmittel und +begehrte, trotz aller Schrecken solcher Fahrt, nichts wie heim[477]. + +Luther hatte den Grundsatz: „Ich esse, was mir schmeckt und leide +darnach, was ich muß. Ich frage auch nach den Aerzten nichts; will mir +mein Leben, so mir von ihnen auf ein Jahr gestellt ist, nicht sauer +machen, sondern in Gottes Namen essen und trinken, was mir schmeckt.“ So +berichtet der Arzt Ratzeberger, Leibarzt der Kurfürstin Elisabeth von +Brandenburg, der mit ihr nach Wittenberg floh, dann des Grafen von +Mansfeld und zuletzt des Kurfürsten von Sachsen Leibarzt — auch zu +Zeiten Luthers eigener Arzt[478]: + +„Da D. Luther zum erstenmal am Calculo (Stein) krank war, so war ihm der +Appetit entgangen und scheute sich auch sonsten vor gemeiner Arzenei aus +der Apotheke. Zudem hatte er große körperliche Schmerzen und gar keine +Ruhe. Als er nun weder essen noch trinken konnte und alles, was ihm +seine Hausfrau aufs beste und fleißigste zugerichtet, von sich schob, +bittet sie ihn aufs fleißigste, er wolle doch selbst eine Speise +erwählen, dazu er möchte Lust haben. „Wohlan“, spricht er, „so richte +mir zu einen Brathering und ein Essen kalter Erbsen mit Senf, weil du ja +willst, daß ich essen soll, und thue solches nur balde, ehe die Lust mir +vergeht; verzeuchst du lang, so mag ich hernacher nicht.“ Die Frau +thuet, wiewohl mit großen Sorgen, was ihr Herr befohlen, und richtet das +Essen zu, so geschwinde sie vermochte, und setzte es ihm vor. Als er nun +mit großer Lust davon isset, besuchen ihn die Aerzte — seine Medici +waren Augustin Schurf und Lic. Melchior Fend — ihrer Gewohnheit nach +und wollen sehen, wie sich die Krankheit anlasse. Da sie ihn nun essen +sahen, entsetzten sie sich vor dieser Kost, welche sie ihm schädlich und +ungesund achteten. „Ach, was thut Ihr doch, Herr Doktor“, sagte Lic. +Fend, „daß Ihr Euch wollet selber noch kränker machen!“ D. Luther +schwieg ganz stille und aß immer fort und hatte ein Mitleiden ob der +Medikorum Traurigkeit, die so hart für ihn sorgten. Bald nachdem sie +Urlaub von ihm genommen und nunmehr gedachten, er würde gar eine +tödliche Krankheit erwecken, kommt ein großer Stein von ihm, dessen sie +vorher nicht an ihm gewohnt waren und war Lutherus wieder gesund. Des +andern Morgens besuchten sie ihn und vermeinten ihn krank im Bette zu +finden; da sahen sie ihn aber in seinem Schreibstüblein über den Büchern +sitzen, dessen sie sich hoch verwundern.“ + +Aber Frau Käthe wußte ihren Mann nicht nur durch Speise und Arznei zu +erquicken, sondern auch aufzurichten und zu trösten. + +Wenn er verstimmt war oder gar seine „Anfechtungen“ hatte, so lud die +kluge, verständige Frau heimlich den Dr. Jonas zu Tische, daß dieser ihn +mit frohen Gesprächen aufheiterte; sie wußte nämlich, daß ihn niemand +durch Gespräch besser aufzumuntern verstand; oder sie ließ Bugenhagen +gar im Kloster wohnen und nahm seine Frau, die ihrer Niederkunft +entgegensah, dazu[479]. + +Nicht nur, um ihre Bauerei und Landwirtschaft zu besorgen, hielt Frau +Käthe ein Fuhrwerk, sie ließ auch oft ihre Pferde anspannen und ihren +Gatten mit seinen Freunden spazieren führen, in ein „Holz“ und auf die +Felder, um sich zu erlustieren, wo er dann fröhlich wurde und sogar +Lieder sang; oder er fuhr über Land in die Dörfer, wobei er die Armen +beschenkte[480]. + +Diesen Beruf der Frau Doktorin, dem großen Reformator Leben und +Gesundheit und Geistesfrische zu erhalten, zum Segen der Kirche, +erkannte besonders der feine Capito an und spricht es aus in den Worten +an Luther: „Ich liebe sie von Herzen als diejenige, welche dazu geboren +ist, Deine Gesundheit aufrecht zu halten, damit Du desto länger der +unter Dir geborenen Kirche, d.h. allen Christgläubigen zum Heile dienen +kannst.“[481] + +Doch nicht bloß als treffliche Köchin und ausgezeichnete +Krankenpflegerin stand Frau Käthe ihrem Gatten bei, wie er es von dem +Eheweib verlangt, „daß sie ihres Mannes Unfall, Krankheit und Unglück +tragen zu helfen, schuldig sei“; sie war ihm auch „ein freundlicher, +holdseliger und kurzweiliger Gesell des Lebens“; in diesem Sinn nennt er +sie „Hausehre“, daß sie des Hauses Ehre, Schmuck und Zierde wäre[482]. + +Ueber den Verkehr mit der Ehegattin spricht sich Luther bei der +Auslegung von 1. Moses 26, 8 aus, wo Isaak und Rebecca scherzen. „Das +ist ein ehrlicher Scherz, so einem frommen Weibe wohl ansteht. Wenn der +Hausherr mit seiner Schwester oder Gesinde dermaßen scherzen wollte, das +würde ihm nicht wohl anstehen. Denn da gehört sich, daß man sie heiße, +was sie thun und lassen sollen, und da soll Ernst dabei sein, auch wenn +man sie tröstet. Aber mit der, die mir Gott zugefüget hat, will ich +scherzen, spielen und freundlich reden, auf daß ich mit Vernunft und +Bescheidenheit bei ihr leben möge.“[483] + +So wußte auch Katharina selbst ihren Gatten zu unterhalten, selber einen +Scherz zu machen und noch mehr Scherz und Neckerei ihres Eheherrn +auszuhalten. Und auch den Freunden und Gästen weiß sie so zu begegnen. +Den Bremer Pfarrer Probst läßt sie fragen, ob die Nordsee ausgetrocknet +sei, daß es keine Fische gebe. Als D. Speratus eine Menge Fische schickt +durch den hochgewachsenen Cario, sagte sie zu Luther: „Ein großer +Bischof hat mir ein großes Faß geschickt.“ „Und zwar durch einen großen +Mann, unsern Charon“, setzte Luther hinzu. „Ja, heut ist alles groß!“ +meinte sie darauf[484]. + +In Luthers eigener sinniger Art, aber mit wirkungsvollem Handeln wußte +sie ihrem Gemahl entgegenzutreten. Da war er einmal in einer Anwandlung +von Schwermut, an Gott und der Welt verzweifelnd, fortgegangen. Als er +heimkehrte, trat ihm Frau Käthe entgegen im schwarzen Trauergewand und +den Schleier tief im Gesicht. Erschrocken rief er: „Um Gotteswillen, +Käthe, was ist geschehen?“ „O, Herr Doktor, ein großes Unglück“, +erwiderte sie; „denket nur, unser lieber Hergott ist gestorben, des bin +ich so traurig.“ Da fiel Luther seinem Weibe um den Hals und rief: „Ja, +liebe Käthe, that ich doch, als wär' kein Gott im Himmel mehr!“ Und so +gewann er neuen Mut, daß er die Traurigkeit überwand[485]. + +Nicht nur Luthers Verstimmungen und Anfechtungen wußte Frau Käthe +aufzuheitern, sondern auch den gewaltigen Willen des bei aller +Gutmütigkeit eigensinnigen und starrköpfigen Mannes zu brechen, +namentlich wenn es galt, ihn zu seinem eigenen Besten zur Ruhe und +Erholung zu bewegen. „Mein Kopf ist eigensinnig, wie ihr sagt“, schreibt +er einmal an Melanchthon, „aber mir ist er eigensinnigissimmum, weil +mich der Satan so wider Willen zu feiern und Zeit zu verderben zwingt.“ +Die kluge Frau aber verstand es, nach seinem eigenen Geständnis, ihn zu +überreden, so oft sie wollte[486]. + +Dagegen verwahrt sich Luther gegen den Verdacht, daß er sich in +theologischen oder kirchlichen Dingen durch seine Frau bestimmen lasse. +Dennoch wurde das geglaubt und ihr namentlich ein schlimmer Einfluß +zugetraut gegen gewisse Personen; so schreibt z.B. Kreuziger an Veit +Dietrich, der Frau Käthe an sich nicht hold war: „Du weißt, daß er +(Luther) zu vielem, was ihn entflammt, eine Fackel im Hause hat.“ +Namentlich bei seinem Streit mit den Juristen glaubten die Wittenberger +die persönliche Abneigung seiner Frau gegen gewisse Persönlichkeiten +dahinter zu wittern[487]. + +In einer so kleinen Stadt und bei den oft so kleinlichen Reibereien der +Gelehrten und ihrer Frauen, ist ein solcher Klatsch auch begreiflich, so +grundlos er auch sein möchte. Wir haben darüber eine sehr lebhafte und +anschauliche Schilderung eines Augenzeugen. Am Sonntag Estomihi (24. +Februar) 1544 war bei Luther ein „Königreich“ mit dem üblichen Schmause. +Außer Bugenhagen, Melanchthon, Röhrer, Major u.a. war auch der +Schulmeister Crodel aus Torgau zu seiner großen Freude und Genugthuung +eingeladen. Dieser, von einigen Wittenbergern dazu veranlaßt, brachte +das Gespräch auf das „verleumderische Gerücht“, daß der Doktor „aus +Eingebung und Antrieb seiner Gattin predige“. Mit großer Ernsthaftigkeit +und Wärme wies Luther diesen Verdacht ab und sagte u.a.: „Solcherlei +Worte, wie ich sie in dieser Sache (dem Streit mit den Juristen) +vorbringe, fallen — ohne daß ich dem heiligen Geist eine Regel +vorgeschrieben haben will — keinem Weiberkopf ein. Ich laß mich von +meinem Weibe etwa leiten in Sachen des Haushaltes und Tisches, aber in +Dingen des Gewissens und der Schrift erkenne ich keinen andern Lehrer +und Doktor an, als den heiligen Geist.“ Ein wenig darauf, nach einer +heftigen Rede, kam sein Weib her und fragte, was denn mit so großer +Heftigkeit verhandelt werde. Er schloß mit den Worten zu Crodel: „Sage +den Rechtsgelehrten, daß ich in dieser Sache nicht von meiner Frau +geleitet werde; ich hebe es auf die Sache selbst und den Kern eines +Gegenstandes ab ohne Rücksicht auf eine Person.“ Crodel war dieses +Gespräch so wichtig, daß er's wörtlich seinem Freunde Ratzeberger +schriftlich mitteilte, und es war auch bezeichnend genug: man mußte +Luther wenig kennen, wenn man solchem Klatsch Glauben schenken +wollte[488]. + +Es kommt auch jetzt noch vor, daß Luther seiner Käthe Briefe vorlas, +auch in ihrer Gegenwart solche schrieb und daß sie ihm Aufträge dabei +gab; auch ermunterte sie ihn, an die Freunde zu schreiben, wenn er +säumig darinnen war. Freilich zu Stunden stiller Erholung, wie in den +ersten Jahren ihrer Ehe, werden die Gatten in der späteren Zeit des +großen Arbeitsdranges seltener mehr gekommen sein. Aber bei aller +häuslichen Sorge und Thätigkeit in Garten und Feld ging Frau Käthe doch +nicht völlig in ihrer wirtschaftlichen Thätigkeit auf. Sie war ihrem +Manne in seinem Amt und Beruf, so viel das möglich und nötig war, doch +die Gehilfin seines Lebens. Nicht nur in dem Sinne, daß sie ihm die +Sorgen abnahm für Familie und Vermögen, sondern sie nimmt teil an seinem +Wirken, an den zeitbewegenden Fragen[489]. + +„Lehrest Du also den Katechismum und den Glauben?“ schreibt der Doktor +von Eisleben an seine „sorgfältige“ Hausfrau. Damit ist doch wohl +ausgesprochen, daß Frau Käthe — mindestens in Abwesenheit des Doktors — +mit Kindern und Gesinde den Katechismus trieb, wie Luther mit diesem +Lehrbüchlein allen christlichen Eltern zumutete[490]. + +Luther giebt aber auch seiner Hausfrau Aufträge wegen des Druckes seiner +Schriften; ja sie hat mit darein zu reden und bestimmt ihn, was er +drucken lassen solle oder nicht. Von Marburg aus schreibt er über das +Religionsgespräch mit Zwingli, über das Abendmahl sogar mit lateinischen +Schlagwörtern[491]. + +Für diese Anteilnahme an ihres Gatten Arbeiten, Sorgen, wie an den +großen Zeitfragen und Weltbegebenheiten, geben die Briefe vor allem +Zeugnis, die er während seiner Abwesenheit bei Gelegenheit von +Reichstagen an sie schrieb. So die von Koburg (S. 109-113). Insbesondere +der letzte vom 24. September, „zuhanden Frauen Kathrin D. Lutherin zu +Wittenberg.“ + +Gnade und Friede in Christo! + +Meine liebe Käthe! Gestern hab ich Dir geschrieben und einen Brief in +gnädigsten Herrn mitgeschickt, daraus Du vernehmen kannst, wie die +Unsern von Augsburg wollen auf sein. Darnach hoff ich, wo Gott Gnade +giebt, wollen wir in vierzehn Tagen bei Euch daheim sein. Wiewohl ich +achte, unsere Sache werde nicht gar unverdammt bleiben. Da liegt auch +nicht Macht an. Doch hat der Rietesel anhero geschrieben, er hoffe, man +werde in Augsburg mit Frieden abscheiden in allen Gassen. Das gebe Gott +und wäre eine große Gnade. So bedürfen wir's alle wohl, weil der Türke +so an uns will. Weiteres wirst Du wohl von Hornungen hören. Hiemit seid +Gott alle befohlen. + +Sonnabends nach Matthäi, 1530. Martinus LutheR.“[492] + +Zehn Jahre nachher, als der Reichstag und Konvent in Hagenau stattfand, +schreibt Luther am 10. Juli 1540 von Eisenach seiner „lieben Hausfrauen, +Frauen Kathrin Luderin zu Wittenberg“ u.a.: „... Bittet mit Fleiß, wie +ihr schuldig seid, für unsern Herrn Christum, d.i. für uns alle, die an +ihn glauben, wider den Schwarm der Teufel, so jetzt zu Hagenau toben +wider den Herrn und seinen Gesalbten (Ps. 2).“ (S.o.S. 130 f.)[493]. + +So redete Luther auch in den letzten Jahren mit seiner Hausfrau über die +politische Lage, namentlich die hinterlistige Politik des Herzogs Moriz. +„Liebe Käthe“, erklärte er da, „deine Landsleute haben mit meines +gnädigsten Herrn Räten eine Hundskette gemacht und werden nicht eher +nachlassen, sie haben ihn denn verraten.“[494] + +Es ist naturgemäß und begreiflich, daß wir von Frau Katharinas Wesen, +Wirken und Bedeutung so wenig direkte Zeugnisse besitzen. Denn sie +selbst hat nicht gerade viel geschrieben und ihre Briefe sind fast alle +verloren gegangen, während sie selbst ihres Doktors Briefe sorgfältig +aufbewahrt hat; ferner interessierten sich die Hausgenossen und +Zeitgenossen selbstverständlich fast nur für den großen Mann, der die +Welt bewegt hatte. Seine Gestalt überstrahlte die Hausfrau völlig. Nur +im Reflex von Luthers Briefen und Tischgesprächen, selten in Bemerkungen +seiner Bewunderer, finden wir Züge, die ihr Charakterbild darstellen. + +Daß aber demnach Frau Katharina neben dem Reformator eine selbständige +Stellung und Geltung behauptete, beweist der Umstand, daß die Freunde +und Luther selbst sie nicht nur respektvoll die „Domina“ und Doktorin, +mit lateinischen und griechischen Worten nannten, sondern auch von der +verheirateten Frau noch den Namen „Katharina von Bora“ gebrauchten. + +Was hielt nun Luther von seiner Frau? + +Da giebt es drei wichtige Zeugnisse, die Luther seiner Gattin ausstellt, +am Anfang, in der Mitte und am Ende seiner Ehe, nicht etwa bloß +gelegentliche Aeußerungen guter oder schlechter Laune, sondern überlegte +und feierliche Anerkennung ihrer Vortrefflichkeit als Hausfrau und +Ehefrau. + +Im zweiten Jahre seines Ehestands (1526) schreibt er an Stiefel: „Sie +ist mir willfährig und in allen Dingen gehorsam und gefällig, viel mehr, +als ich zu hoffen gewagt hatte (Gott sei Dank!), so daß ich meine Armut +nicht mit den Schätzen des Krösus tauschen möchte.“[495] + +Elf Jahre darauf, bei seinem tödlichen Krankheitsanfall auf der Reise +von Schmalkalden, diktierte Luther in Gotha sein Testament, worin es +heißt: „Tröstet meine Käthe, daß sie dies trage dafür, daß sie zwölf +Jahre mit mir froh gelebt hat. Sie selbst hat mir gedient nicht allein +wie eine Gattin, sondern auch wie eine Magd. Gott vergelt es ihr! Ihr +aber sollt für sie sorgen und ihre Kinder, wie sich's geziemt“ Und dann +sagte er: „Ich habe meine Käthe lieb, ja ich hab sie lieber denn mich +selber, das ist gewißlich wahr; ich wollt lieber sterben, denn daß sie +und die Kinderlein sterben sollten.“[496] + +Endlich schreibt Luther in seinem letzten und endgiltigen Testament i.J. +1542. „Ich M.D.L. bekenne mit dieser meiner eigenen Handschrift, daß ich +meiner lieben und treuen Hausfrauen gegeben habe zum Leibgeding Gut, +Haus und Kleinode. Das thue ich darum, daß sie mich als ein fromm +(brav), treu ehelich Gemahl allezeit lieb, wert und schön gehalten +hat.“[497] + +Und was so Luther in feierlichen Stunden bezeugte, das hat er wiederholt +sonst vor seinen Tischgenossen und Freunden bekannt. Sein langjähriger +Hausgenosse Hieronymus Weller schreibt in seinen Erinnerungen: „Ich +erinnere mich, wie der hochw. Mann oft sagte: er preise sich von Herzen +glücklich, daß ihm Gott eine so folgsame, bescheidene und kluge Gemahlin +geschenkt, welche so ausgezeichnet für seine Gesundheit sorge und +eintreten könne und sich so geschickt seinem Wesen anzupassen und seine +Fehler und Unannehmlichkeiten mit so stillem Gemüte zu tragen wisse. +Denn er könne bei seinen vielen Arbeiten, Beschäftigungen und +Anfechtungen nicht immer seinem Wohlbefinden Rechnung tragen.“[498] + +Das Verhältnis zwischen Käthe und Luther war das der achtungsvollen +Verehrung; das entsprach einmal der Anschauung des Mittelalters von der +Herrschaftsstellung des Mannes zum Weibe; anderseits rührte es davon +her, daß die fünfzehn Jahre jüngere Frau zu dem älteren, durch +Gelehrsamkeit und hohes Ansehen ehrwürdigen Mann mit einer gewissen +Pietät hinaufschaute. Daher redet er sie zwar immer mit „Du“ an, _sie_ +aber spricht zu _ihm_ immer mit „Ihr“ und nennt ihn „Herr Doktor“. Das +fand auch Luther selbstverständlich. Als einmal von einem Manne die Rede +war, welcher an eine reiche Frau seine Freiheit verkauft hatte, sagte +er: „Ich hab's auch gern, wenn mir meine Käthe übers Maul fährt — nur +daß ich sie nicht viel dran lasse gewinnen als ein Maulschellium.“[499] +Und ein andermal: „Sie hat allein die ganze Herrschaft in ihrer Hand. +Ich gestehe ihr auch gerne das ganze Hausregiment zu; aber mein Recht +wollte ich mir unversehrt erhalten und Weiberregiment hat nie nichts +Gutes ausgerichtet.“ Luther war seinem ganzen Wesen, aber auch seiner +Anschauung und seinen biblischen Grundsätzen nach nicht der Mann, seine +eheherrlichen Rechte sich verkürzen zu lassen: einen Freund, der ihm die +Tyrannei seines Weibes klagt, verweist er tadelnd darauf, daß man das +Ansehen des Mannes nicht dürfe mit Füßen treten lassen. So führte er +auch auf Hans Luffts Tochter Hochzeit die Braut zum Lager und sprach zum +Bräutigam (dem Arzt M. Andreas Aurifaber): „Er soll's bei dem gemeinen +Lauf bleiben lassen und Herr im Hause sein (wenn die Frau nicht daheim +ist, setzte er scherzend hinzu). Und zum Zeichen zog er ihm einen Schuh +aus und legte ihn aufs Himmelbett, daß er die Herrschaft und das +Regiment behielte[500]. + +Aber freilich Käthes resolutes Wesen, die Herrschaft, die sie im Haus +führte und die der Hausherr ihr auch völlig einräumte, führte ihn dazu, +daß er sie auch scherzend seinen „Herrn“ nannte. So schreibt er ihr vom +Hoflager in Torgau: „Gestern hab ich gedacht, wie ich daheim eine schöne +Frauen habe, oder sollt ich sagen Herren?“[501] + +Und gerade mit dieser resoluten Art ihres Wesens neckt er sie genugsam. +Und wie gerade recht willensstarke wenn auch gutmütige Eheherren, +gefällt er sich seinen Freunden gegenüber in der humoristischen Rolle +des gehorsamen, unterdrückten Ehemanns. So sagte er einmal zu einem +Gast: „Nehmt fürlieb mit einem frommen (braven) Wirt, denn er ist der +Frauen gehorsam.“ Ihr selbst gegenüber spricht Luther in immer neuen +Wendungen von dieser angeblichen Eheherrschaft und charakterisiert jenes +gebieterische Wesen der Frau Käthe. „Meine Herrin“ nennt er sie schon in +der ersten Woche ihrer Ehe. „Mein Käthe“ (Meus Ketha) ist später ihre +regelmäßige Bezeichnung in seinen vertrauten Briefen und in ebenso +drolliger Verbindung „Meine Herr Käthe“, oder sprachlich richtiger „Mein +Herr Kätha“, „Dr. Kethus“, auch einmal „mein Herr und mein Moses“ und +„meine Gebieterin“ oder „Kaiserin“[502]. + +Aber sonst nennt er sie in zärtlichem Wortspiel gar häufig „meine +Kette“, auch meine „Weinrebe“, oder in Briefen an entfernter Stehende +respektvoll „meine Hausfrau“, „meine Hausehre“[503]. + +Auch seiner Frau selber gegenüber schlägt Luther gewöhnlich jenen +neckischen Ton an, woraus einerseits zärtliche Neigung, andererseits +doch auch achtungsvolle Anerkennung blickt. + +Schon in seinem ersten erhaltenen Brief und dann fast regelmäßig redet +er sie an „Lieber Herr Käth“. Dann adressiert er — nach Sitte der +damaligen Zeit — „Meinem lieben Herrn, Frau Kathrin Lutherin zu +Wittenberg zu handen“, oder „Meinem freundlichen lieben Herrn, Frau +Katherin von Bora, D. Lutherin, zu Wittenberg“ oder noch umständlicher +humoristisch pathetisch: „Meinem freundlichen lieben Herren Katherina +Lutherin, Doctorin, Predigerin zu Wittenbergh“. Oder: „Meiner gnädigen +Jungfer Katherin Lutherin von Bora und Zulsdorf gen Wittenberg, meinem +Liebchen“. „Meiner herzlieben Hausfrauen Katherin Lutherin Doctorin +Zulsdorferin, Saumärkterin und was sie mehr sein kann.“ „Meiner +freundlichen lieben Hausfrau Katherinen Luther von Bora, Predigerin, +Brauerin, Gärtnerin und was sie mehr sein kann.“ Dann aber heißt es auch +innig und herzlich auf der Adresse „Meiner lieben“ oder „herzlieben +Hausfrauen“ oder „Meiner freundlichen lieben Käthe Lutherin“ und in der +Anrede: „Liebe Jungfer Käthe“ und zum Schluß „Dein altes Liebchen“ oder +auch „Dein lieber Herr“. Sogar in seinem täglichen Hausgebet bittet er +für „mein liebes Weib“[504]. + +So dient dem Doktor seine Hausfrau manchmal auch zur Exemplifikation +seiner theologischen oder erfahrungsgemäßen Ansicht über die Weiber, oft +in scherzhafter oder wohl auch einmal ernsthafter Uebertreibung. Da +spricht er ihnen Weisheit und Herrschaftstalent ab und macht sich lustig +über ihre Redseligkeit, indem er verschiedentlich bemerkte, die Weiber +im allgemeinen und seine Käthe im besonderen vergäßen das Vaterunser, +wenn sie anfingen, zu predigen[505]. + +So „lachte der Doktor einmal seiner Käthe, als sie klug sein wollte; er +meinte, Gott habe dem Manne eine breite Brust als Sitz der Weisheit +gegeben, dem Weibe aber breite Hüften und starke Schenkel, daß sie +sollen daheim bleiben, im Hause still sitzen, haushalten, Kinder tragen +und ziehen. Weiberregiment im Haus und Staat taugt nichts. Der Mann hat +im Hause das Regiment. Das Gesetz nimmt den Weibern Weisheit und +Regiment.“ Er meinte überhaupt: „Es ist kein Rock noch Kleid, das einer +Frauen oder Jungfrauen übeler ansteht, als wenn sie klug will sein.“ +Luther erklärte sogar einmal in einer Tischrede: „Den Weibern mangelt's +an Stärke, Kräften des Leibes und am Verstand. Den Mangel an +Leibeskräften soll man dulden, denn die Männer sollen sie ernähren. Den +Mangel an Verstand sollen wir ihnen wünschen, doch ihre Sitten und Weise +mit Vernunft tragen, regieren und etwas zu Gute halten.“[506] + +Daneben aber erkennt er die Vorzüge und die Bestimmung des weiblichen +Geschlechts rühmend an: „Ein Weib ist ein freundlicher, holdseliger und +kurzweiliger Gesell des Lebens. Weiber tragen Kinder und ziehen sie auf, +regieren das Haus und teilen ordentlich aus, was ein Mann hineinschaffet +und erwirbt, daß es zu Rate gehalten und nicht unnütze verthan werde, +sondern daß einem jeglichen gegeben werde, was ihm gebührt. Daher sie +vom heiligen Geiste Hausehren genannt werden, daß sie des Hauses +Schmuck, Ehre und Zierde sein sollen. Sie sind geneigt zur +Barmherzigkeit, denn sie sind von Gott auch fürnehmlich dazu geschaffen, +daß sie sollen Kinder haben, der Männer Lust und Freude und barmherzig +seien.“ „Es ist ein arm Ding ein Weib. Die größte Ehre, die es hat, ist, +daß wir allzumal durch die Weiber geboren werden und auf die Welt +kommen. Ein Weib wird in der heiligen Schrift genannt „ein Lust und +Freude deiner Augen“ (Sirach 26, 2). Ein fromm Weib soll darum geehret +und geliebet werden, erstlich, daß sie Gottes Gabe und Geschenk ist; zum +andern, daß Gott einem Weibe herrliche große Tugenden verliehen, welche +andere Mängel und Gebrechen weit übertreffen, sonderlich wo sie Zucht, +Treue und Glauben halten.“ „Wenn die Weiber die Lehre des Evangeliums +annehmen, so sind sie viel stärker und inbrünstiger im Glauben, halten +viel stärker und steifer darüber, als die Männer, wie man siehet an der +lieben Anastasia und andern Märtyrern; auch Magdalena war herzenhaftiger +denn Petrus.“[507] + +Einmal klagt er wohl auch: „Wenn ich noch eine freien sollte, so wollte +ich mir ein gehorsam Weib aus einem Steine hauen; so sehr hab ich +verzweifelt an aller Weiber Gehorsam.“ Aber so gar ernst war's ihm doch +nicht damit. Er wußte wohl: „Es ist keine größere Plage noch Kreuz auf +Erden, denn ein bös, wunderlich, zänkisch Weib.“ Bei ihm war's nicht so, +sonst liefe er davon, sagt er. Dagegen weiß er seines Weibes +Willfährigkeit und Dienstfertigkeit an vielen Orten und in mancherlei +Weise zu rühmen. So zitierte er auch gerne das Wort seiner Wirtin zu +Eisenach: „Es ist kein lieber Ding auf Erden als Frauenlieb, wem sie +kann werden.“ Und aus seiner eignen Erfahrung erklärt er: „Ein fromm +Eheweib ist eine Gesellin des Lebens, des Mannes Trost.“ [508] + +Kleine eheliche Fehden nahm Luther als selbstverständliche Dinge +leichten Herzens in den Kauf. Als er einmal einen kleinen Zwist mit +seiner Frau gehabt hatte, sagte er erklärend zu Veit Dietrich: „Er stehe +auch von ihr einen Zorn aus, er könne ja noch mehr ertragen.“ Er meint +von Eheleuten: „Ob sie gleich zuweilen schnurren und murren, das muß +nicht schaden; es gehet in der Ehe nicht allzeit schnurgleich zu, ist +ein zufällig Ding, des muß man sich ergeben. Adam und Eva werden sich +auch gar weidlich die neunhundert Jahre zerscholten haben und Eva zum +Adam gesagt: „Du hast den Apfel gessen.“ Herwiederum wird Adam +geantwortet haben: „Warum hast Du mir ihn gegeben?“ Das Wesen der Ehe +wird durch solche Plänkeleien nicht geschädigt. „Denn wiewohl die +Weibsen gemeiniglich alle die Kunst kennen, daß sie mit Weinen, Lügen, +Einreden einen Mann gefangen nehmen, können's fein verdrehen und die +besten Worte geben; wenn nur diese drei Stücke im Ehestand bleiben, +nämlich Treu und Glauben, Kinder und Leibesfrüchte und Sakrament, daß +man's nämlich für ein heilig Ding und göttlichen Stand hält, so ist's +gar ein seliger Stand, und das ein seliger Mann, der eine gute Ehefrau +hat.“[509] + +Einmal klagt er wohl: „Ich muß Geduld haben mit dem Papste, ich muß +Patienz haben mit den Schwärmern, ich muß Geduld haben mit den +Scharhaufen, ich muß Patienz haben mit dem Gesinde, ich muß Patienz +haben mit Käthen von Bora, und der Patienz ist so viel, daß mein Leben +nichts sein will als Patienz. Der Prophet Jesaias (30, 15) spricht: „In +Schweigen und Hoffen steht eure Stärke.“ — Wie wenig aber Käthe dies +übel nahm, beweist, daß sie auf die steinerne Hausthüre, welche sie in +Pirna für Luther bestellte, grade diesen Prophetenspruch eingraben ließ. +Luther bekennt aber auch: „Wer ein fromm (brav) Weib bekommt, der +bekommt eine gute Mitgift. Und da gleich ein Weib etwas bitter ist, doch +soll man mit ihr Geduld haben. Denn sie gehört ins Haus und das Gesinde +bedarf's bisweilen auch sehr wohl, daß man ihnen hart sei und weidlich +zuspreche.“ „Der häusliche Zorn als Vater und Mutter, Herrn und Frau im +Hause, thut nicht großen Schaden. Häuslicher Zorn ist, als wenn die +Kinder mit den Puppen spielen.“[510] + +Die Hochschätzung des Familienlebens, das Lob, das Luther in allen +Tonarten dem Ehestand anstimmt, ist doch auch ein Beweis für die +glückliche Ehe, in der Luther mit seiner Käthe lebte. Das Kapitel über +den Ehestand ist in seinen Tischreden das größte. So fing er bei der +Verlobung seiner Nichte (1538) an und konnte gar nicht aufhören, den +Ehestand zu loben, daß er Gottes Ordnung und der allerbeste und +heiligste Stand sei. „Darum sollte man ihn mit den herrlichsten +Zeremonien (Feierlichkeiten) anfangen. Gott hat ein Kreuz (nämlich: des +Segens) über den Ehestand gemacht und hält's auch darüber.“[511] + +In der Ehe soll eitel Liebe und Lust sein, freilich „muß es ein frommer +Mann und ein fromm Weib sein, welche Gemahl und Kinder von ganzem Herzen +lieben. Ein fromm Eheweib ist eine Gesellin des Lebens, des Mannes +Trost, wie geschrieben steht (Sprw. 31, 11): Des Mannes Herz verläßt +sich auf sie. Das Weib hat das Lob der Gefälligkeit und erfreuenden +Anmut.“ Das lieblichste Leben dünkte ihm: „leben mit einem frommen, +willigen, gehorsamen Weibe in Frieden und Einigkeit.“[512] + +Luther selber hatte nun in seiner Hausfrau und seinem Hausstand +gefunden, was er in dem rechten Ehestand suchte und von dem rechten +Eheweib erwartet. Er bezeugt: „Mir ist, gottlob! wohl geraten, denn ich +habe ein fromm (brav), getreu Weib, auf welche sich des Mannes Seele +verlassen darf, wie Salomon sagt (Sprw. 31, 11): Sie verderbet mir's +nicht.“[513] + +„Martinus redete von seiner Hausfrau und sagte: er achtete sie teurer +denn das Königreich Frankreich und der Venediger Herrschaft. Denn ihm +wäre ein fromm (brav) Weib von Gott geschenkt und gegeben. Zum andern, +er höre, daß viel größer Gebrechen und Fehler allenthalben unter +Eheleuten seien, denn an ihr erfunden wäre. Zum dritten: das wäre +überflüssige Ursach genug, sie lieb und wert zu halten, daß sie Glauben +und sich ehrlich hielte, wie es einem frommen, züchtigen Weib gebühret. +Welches alles, da es ein Mann ansehe, so würde er leichtlich überwinden, +was sich möchte zutragen, und triumphieren wider Zank und Uneinigkeit, +so der Satan pflegt unter Eheleuten anzurichten.“ „Die Ehe ist nicht ein +natürlich Ding, sondern Gottes Gabe, das allersüßeste, lieblichste und +keuscheste Leben. Ach, wie herzlich sehnte ich mich nach den Meinen, da +ich zu Schmalkalden todkrank lag! Ich meinte, ich würde Weib und Kinder +hie nicht mehr sehen; wie weh that mir solche Scheidung und Trennung. +Nun glaub ich wohl, daß in sterbenden Menschen solche natürliche Neigung +und Liebe, so ein Ehemann zu seinem Eheweib habe, am größten sei. Weil +ich aber nun gesund bin worden durch Gottes Gnade, so hab ich mein Weib +und Kinderlein desto lieber. Keiner ist so geistlich, der solche +angeborene Neigung und Liebe nicht fühlet. Denn es ist ein groß Ding um +das Bündnis und die Gemeinschaft zwischen Mann und Weib.“[514] + +Luther wußte aber auch, daß er keine zweite Frau in der Welt finden +könnte, die so gut für ihn paßte, als Katharina von Bora. Er warnte den +Pfarrer von Sitten vor einer zweiten Heirat und fügt bei der Umschau auf +seinen Bekanntenkreis hinzu: „Ich, wenn ich jung wäre und die Bosheit +der Welt so kennete, ich würde, wenn mir auch eine Königin angeboten +würde nach meiner Käthe, lieber sterben, als noch einmal heiraten.“ Und +doch schätzte er den Ehestand so hoch, daß er ihn für die schönste +Ordnung nach der Religion, für den fürnehmsten Stand auf Erden +hielt[515]. + +Luther kannte nichts Lieberes als seine Käthe. Er beteuert, er habe sie +lieber als sich selber. Ja er klagte darüber als menschliche Schwäche, +daß er seine Käthe lieber habe als unsern Herrgott. Seine +Lieblingsepistel, den Galaterbrief, nannte er „seine Käthe im neuen +Testament“. „Der Brief an die Galater ist meine liebe Epistel, der ich +mich vertrauet habe: sie ist meine Käthe von Bora.“ Und sein höchster +Trumpf war: „Ich setze meine Käthe zum Pfand!“[516] + +Käthe war nicht eine geistreiche Frau, hoher Schwung der Gedanken, +glänzende Geistesgaben gingen ihr ab: sie ist eine nüchterne und doch +nicht hausbackene, tüchtige deutsche Frau. + +Es ist eine unzeitgemäße Sache, die Frage aufzuwerfen, ob denn Frau +Käthe „gebildet“ war. Eine gelehrte Frau wie Argula von Grumbach war sie +glücklicherweise nicht; von einer solchen war Luther, wie seine +Aeußerungen zeigen, wenig erbaut und jedenfalls wäre dann seine Wahl +nicht auf Katharina gefallen. (S. 185 f.) Eine geistvolle Frau wie die +Kirchenmutter Katharina Schützin in Straßburg, welche Sendschreiben an +die christlichen Frauen ergehen ließ, brauchte sie neben Luther nicht zu +sein. Aber so gebildet wie irgend eine Frau ihres Standes war sie doch. + +Frau Käthe, wird bezeugt, las gerne und eifrig in der Bibel und gewiß +nicht bloß wegen der von Luther versprochenen 50 fl. Einmal ermahnte der +Doktor sein Weib, daß sie fleißig Gottes Wort lesen und hören solle, und +sonderlich den Psalter fleißig lesen. Sie aber sprach, daß sie es genug +thäte und täglich viel lese, und könne auch viel davon reden; wollte +Gott, sie thäte auch darnach. Der Doktor meinte zwar, solch' Rühmen +müsse der Vortrab des künftigen Ueberdrusses sein. Aber freilich, die +vielbeschäftigte Frau konnte doch auch nicht ständig mit geistlichen +Dingen sich beschäftigen, wie ihr theologischer Gemahl. Und ein andermal +fiel ihr selbst auf, daß sie im Evangelium nicht mehr so hitzig und +emsig bete wie im Papsttum. Geistlich gesinnet sein konnte sie aber +deswegen doch. Von seinen Predigten über Joh. 14-16 sagte Luther zu +seiner Gattin: „Das ist das beste unter allen Büchern, die ich je +geschrieben habe; darum liebe Käthe, laß Dir's befohlen sein und halt es +für mein Testament.“[517] + +Und von Eisleben aus schrieb er: „Lies Du, liebe Käthe, den Johannem und +den kleinen Katechismum, davon Du zu dem Male sagtest: „Es ist doch +alles in dem Buch von mir gesagt.“ Sie las also nicht nur in Schrift und +Glaubensbüchlein, sondern wandte es auch auf sich an[518]. + +Es ist doch ein Zeugnis für so eifriges Forschen in der Schrift, wenn +ihr von ihren Kindern auf ihrem Grabstein ein offenes Buch in die Hände +gegeben wird. + +Käthe konnte auch schreiben, und ihre Briefe, soweit sie diktiert und +nicht etwa von andern stilisiert sind, beweisen eine klare, bestimmte +und verständige Denk- und Ausdrucksweise. Und wenn Luther seine Frau +auch einmal damit aufzieht, daß sie „Kattegissimum“ schrieb statt +Katechismum, so kann dies damals viel weniger wie heute als +orthographische Unbildung gelten zu einer Zeit, wo nicht nur Laien, +sondern auch Gelehrte höchstens das Lateinische einigermaßen +orthographisch schrieben, das Deutsche aber in der krausesten Form, wie +es ihnen in die Feder kam mit allen Fehlern der undeutlichen, +verdorbenen mundartlichen Aussprache[519]. + +Ebenso wenig sachgemäß ist die Frage, ob Frau Katharina ihrem Gemahle +ebenbürtig war. An eine Vergleichung mit seinem geistigen Wesen, mit +Luthers Genialität und Charakter, Wirksamkeit und weltgeschichtlicher +Bedeutung ist ja naturgemäß nicht zu denken. Aber daß sie als Gattin, +als Hausfrau und Mutter seiner Kinder ihm das war, was er an ihr +brauchte und wollte, daß sie Luthers rechte und somit ebenbürtige Gattin +war, das hat er immer wieder ausgesprochen und anerkannt. + +Aber auch daran muß erinnert werden, daß Frau Katharina doch ein +lebhaftes Interesse für das Werk ihres Gatten, für die Kirche und die +Reformation bezeugte. Frau Käthe hörte und las viele von den Briefen, +die ab- und eingingen. Sie drängte ihren Gatten zum Schreiben. Sie +sprach ein Wort darein, wenn er eine Schrift ausgehen ließ. Sie durfte +als eine Doktorin auch ihren Rat bei Besetzung von Pfarrstellen geben +und bemühte sich für junge Magister um Anstellung. Sie verstand die +Bedeutung ihres Gatten für die Christenheit, sie wußte seine +Persönlichkeit und sein Werk zu würdigen. Sie betete und sorgte für das +Heil der Christenheit und den Erfolg des Evangeliums noch auf ihrem +Totenbette. Und Luther mutete ihr solches Interesse auch zu. + +Und wenn wir die Rolle in Betracht ziehen, welche Katharina gegenüber +den anderen Professoren- und Reformatorenfrauen in dem mündlichen und +schriftlichen Gedankenaustausch der Zeitgenossen spielte, so z.B. +Melanchthons Frau, wenn wir sehen, wie sie allerseits geehrt, gegrüßt +und beachtet, in ihrer Krankheit um sie gebangt war, nicht bloß um ihres +Gatten willen, dann ist außer Zweifel: seine Käthe ist des großen +Doktors wert und würdig gewesen, und es ist doch bemerkenswert, daß die +Freunde die Gattin Luthers mit dem Weibe der Offenbarung, dem Sinnbild +der christlichen Kirche verglichen[520]. + +Aus den späteren Jahren giebt es von Frau Katharina ein Kranachsches +Bild[521]. Das Gesicht ist etwas gebräunt, die Augen blicken trübe, fast +schmerzlich und müde, wie Luther in dieser Zeit sie schildert, als +„geneigt zu Mißtrauen und Sorgen“[522]; wieder zeigt die starke +Unterlippe das kräftige Selbstbewußtsein, die zusammengelegten Hände +deuten ruhige Gelassenheit an. Aber es ist das Bild einer geistig nicht +unbedeutenden Frau. Der ernste, ja strenge Ausdruck des Gesichts +verkündet ein schweres Geschick, das ihr bevorsteht, oder das sie schon +erlebt hat. + + + + +15. Kapitel. + +Luthers Tod. + + +Die letzten Jahre der Ehe waren gar schwer und trübe. Das lag einerseits +in den Verhältnissen, die sich fast nach allen Seiten recht widerwärtig +gestalteten; andererseits aber in Luthers Zustand, der immer +krankhafter, immer hinfälliger und damit trübseliger und verstimmter +wurde. Was Käthe bei dem zur Schwermut geneigten Temperament und der +zornmütigen Gereiztheit ihres Gatten unter all' diesen Verhältnissen zu +leiden hatte, ist leicht zu denken[523]. + +Die Weltlage, welche der Reformator begreiflicherweise mit aufmerksamem +Auge verfolgte, war eine seltsame und für Luthers Empfinden geradezu +erschreckliche. Das stete Vordringen der Türken, das seinem +christlich-deutschen Herzen schwer weh that, die Verbindung christlicher +Mächte, wie Frankreichs und, wenigstens indirekt, Venedigs und des +Papstes mit dem Erbfeind der Christenheit erschien wie drohende +Vorzeichen des Jüngsten Tages. Dazu das Verhalten des Kaisers und seines +Bruders, des Königs Ferdinand, das deutlich darauf ausging, die +Protestanten hinzuhalten, sie, wie einstens die Husiten, mit einem +Brocken Zugeständnis abzuspeisen, wenn man aber einmal freie Hand hätte, +mit Gewalt, wie Luther fürchtete — verbunden mit Papst und Teufel, Türke +und Hölle, über sie herzufallen. Das alles erfüllte ihn mit bangen +Sorgen. Er weissagte an seinem letzten Geburtstag richtig: „Bei meinem +Leben wird es, ob Gott will, keine Not haben und guter Friede in +Germania bleiben; aber wenn ich nun tot bin, da wird alsdann das Beten +hoch vonnöten sein. Unsere Kinder werden noch müssen den Spieß in die +Hand nehmen; denn es wird übel zugehen in Deutschland. Das Konzil zu +Trient ist sehr zornig und meinet es sehr böse mit uns. Darum betet zu +Gott mit Fleiß.“[524] + +Noch verdrießlicher aber und sorgenerregender waren für Luther mit Recht +die Streitigkeiten in den eigenen Reihen. Darüber sagte er seinen +Freunden beim letzten Geburtstagsfest: „Ich fürchte mich nicht vor den +Papisten, das sind des mehren Teils grobe Esel; aber unsere Brüder +werden dem Evangelium Schaden thun, die von uns ausgegangen sind, aber +nicht von uns sind.“ Da standen sich Kurfürst und Herzog von Sachsen +wegen Landbesitz feindlich gegenüber im sogenannten „Fladenkrieg“ (weil +um Ostern 1542). Herzog Moriz, welchem Luther Verräterei zutraute, +entzog sich dem evangelischen Bunde von Schmalkalden. Wohl waren — bis +auf den „geistlichen Türken“, den Mainzer Erzbischof — die alten Feinde +Luthers: Herzog Georg und Kurfürst Joachim I. gestorben und das +Herzogtum Sachsen und Kurbrandenburg zum Protestantismus übergetreten +und sogar das Erzbistum Köln dazu bereit; aber in Berlin traten der +„Grickel und der Jäckel“ (Agricola und Schenk) auf mit ihren +gesetzesstürmerischen Lehren; in Köln wollte man die Luther so +unsympathische schweizerische „Sakramentiererei“ einführen und der große +Vermittler Butzer und der milde Melanchthon, welche diese Kölner +Reformation übernommen hatten, wurden Luther höchst verdächtig und das +ganze Werk ärgerlich — es scheiterte ohnedies durch die Gewaltthat des +Kaisers. In Luthers Umgebung wuchs, nachdem die alten Mitarbeiter der +Reformation am Abgang waren, ein neues Geschlecht heran, das mit +epigonenhafter Uebertreibung die Gegensätze schärfte oder allerlei +Kleinigkeiten und Aeußerlichkeiten aufbauschte, wie die Zeremonien, +Auslegung der Offenbarung Johannes, Verbot von alten Osterbräuchen und +andere „Geislein“ „herfürgucken“ ließen, die sie führen wollten, um sich +wichtig zu machen; auch der alte Streit mit den Schweizern flammte +wieder auf[525]. + +Ja, auf Melanchthon selbst, seinen alten Freund und Mitarbeiter, wurde +Luther mißtrauisch gemacht wegen allerlei Abweichungen vom „echten“ +Luthertum und es entstand eine gefährliche Spannung zwischen den beiden +Männern und ihren Familien, bis die Mißstimmung endlich durch Luther +selbst beigelegt wurde, so daß der Reformator doch bis ans Ende seines +Lebens mit ihm als dem treuesten Freunde verkehrte[526]. Mit seinen +Kollegen von der juristischen Fakultät, namentlich seinem alten Freunde +Hier. Schurf, bekam Luther einen bösen Span wegen der heimlichen +Verlöbnisse, welche die „garstigen Juristen“ mit einem Rückfall ins +kanonische Recht für giltig erklärten, Luther aber verwarf[527]: er +hatte die Gefährlichkeit der Sache an Melanchthons Sohn er fahren, der +sich — noch unmündig — von einem Mädchen hatte fangen und ohne Wissen +und Willen seiner Eltern ihr ein Eheversprechen gegeben hatte, worüber +M. Philipp und sein Weib „schier verschmachtet“ wären, wenn Luther es +nicht abgewendet hätte. Und er selber mußte es erfahren in seiner +eigenen Familie, indem seiner Schwester Sohn sich ungehorsamerweise ohne +der Freundschaft Rat verlobte. Er hatte infolgedessen zu klagen, daß das +„Meidevolk in Wittenberg gar kühn“ geworden sei und die Eltern ihre +Söhne von der Universität zurückforderten, weil man ihnen da Weiber an +den Hals hänge[528]. + +Die alten Hausgenossen und Freunde waren in alle Welt zerstreut; aber in +ihren Anfechtungen, Verdrießlichkeiten, Bedenken wandten sie sich an +ihren „heiligen Vater Luther“. So hatte er zu schlichten, zu raten und +zu trösten — und das richtete ihn selber auf. Aber er hatte auch manchen +Aerger und manchen Schmerz[529]. Da plagte ihn M. Stiefel mit seinen +Grillen über den Jüngsten Tag, oder der Stadthauptmann Metzsch mit +seinem übeln Wandel und seiner rücksichtslosen Niederlegung von vielen +Wohnhäusern zum Festungsbau, wodurch die kleine, volkreiche Stadt noch +enger wurde und die armen Studenten noch elender wohnen mußten. Einer +nach dem andern von den Zeitgenossen ging aus dem Leben. So schon 1538 +der treue Hausmann. Dann Luthers letzter Klostergenosse Brisger, endlich +auch Spalatin (1545). Schon vorher (1542) war seine und Käthes +liebenswürdige, heitere Freundin, Käthe Jonas, verschieden, deren +Erscheinung ihm immer erfreulich und tröstlich gewesen[530]; vor allem +aber der Sonnenschein des Hauses, das gute Magdalenchen. Der Sohn und +ein Neffe waren eine zeitlang fort in Torgau. In dieser Zeit starb auch +der Gatte seiner Nichte Lene, geb. Kaufmann; und diese machte ihm dann +schweren Verdruß durch ihre zweite Heirat mit dem jugendlichen Mediziner +Ernst Reuchlin (Ende 1545). + +Das Jahr 1544 war wieder ein Krankheitsjahr in Wittenberg und im +Lutherhaus. Um Ostern lagen alle Kinder an den Masern und die kleine +Margarete bekam davon ein schweres Fieber, an dem sie zehn Wochen +lebensgefährlich darniederlag und von dem sie sich bis in den Dezember +hinein gar nicht erholen wollte. Was gab es da für Käthe an Sorgen und +Mühen[531]! + +Aber auch der Hausvater selbst war jetzt immer krank: bald fehlte ihm +dies, bald jenes; alle seine Leiden stellten sich mit Macht ein in dem +abgearbeiteten Körper und der erschöpfte Lebensgeist war nicht mehr +recht widerstandsfähig gegen die mancherlei Angriffe auf die +verschiedenen Organe. Die Hausärzte und die kurfürstlichen Leibärzte +doktorten an ihm herum; der Hof schickte Arzneien; die Gräfin von +Mansfeld wollte ihn in die Kur nehmen. Es war ein alter (noch jetzt +bestehender) Glaube, daß großer Fürsten und Herren Arznei, die sie +selbst gäben und applizierten, kräftig und heilsam seien, sonst nichts +wirkten, wenn's ein Medikus gäbe[532]. Das meiste und beste that +freilich Frau Käthe. + +Im Jahre 1541 war Luther lange Zeit so schwach, daß er nicht eine Stunde +angestrengt lesen und sprechen konnte; er mußte daheim bleiben und da +seine Hausgottesdienste halten. Einmal schrieb er auch an die +arzneikundige verwitwete Gräfin Dorothea von Mansfeld, welche auch gern +dem „lieben togktor“ geholfen hätte. Denn die Schmerzen waren +entsetzlich, so daß er jammerte: „Sterben will ich, aber diese Qualen +sind gräßlich.“[533] Im folgenden Jahre machte er sein Testament, „satt +dieses Lebens, oder daß ich's richtiger sage, dieses herben Todes“. „Ich +habe mich ausgearbeitet und ausgelebt. Der Kopf ist kein nutz mehr. Ich +bin müde erschöpft, bin nichts mehr.“[534] Im April 1543 klagt er: „Wie +oft bin ich in diesem Jahre schon gestorben! Und doch lebe ich noch, +eine unnütze Last der Erde.“ Am 13. und 14. Juli 1543 wurde er +wiederholt so ohnmächtig, daß er zu sterben meinte und seinen Hans von +Torgau holen lassen wollte. Aber Frau Käthe hatte gelernt, ihn zu +ermutigen und redete ihm die Todesgedanken aus. Anfangs 1515 hatte er +einen Krankheitsanfall mit ähnlichen Erscheinungen, wie sie ein Jahr +später seinen Tod herbeiführten, Leichenkälte und die beängstigenden +Beklemmungen auf der Brust. Er konnte lange keine Predigt und keine +Vorlesung halten und mußte selbst in einem Wägelchen sich zur Kirche +fahren lassen, um die Predigt zu hören[535]. „Ich glaube, meine +wirkliche Krankheit ist das Alter, dann meine Arbeiten und heftigen +Gedanken, besonders aber die Schläge Satans.“ „Daß ich am Haupte +untüchtig bin, ist nicht Wunder; das Alter ist da; der Krug geht solange +zu Wasser, bis er einmal zerbricht.“ „Ich bin träg, müde, kalt, das +heißt alt und unnütz; ich habe meinen Lauf vollendet und es bleibt +nichts übrig, als daß der Herr mich zu meinen Vätern versammle.“ Bei +seinen gräßlichen Qualen wünscht er, wenn nicht sanft, so doch tapfer zu +sterben[536]. + +Und bei all' diesen Leiden und Qualen sollte der alte Mann noch für drei +arbeiten, so war er geplagt von Fürsten und Stadträten, von Freunden und +Amtsgenossen und Beichtkindern mit Briefschreiben, Bücherschreiben, +Vorlesungen, Predigten und Beratungen, „Bedenken“, Trostschreiben; so +daß er klagt: „Da sitze ich alter, abgelebter, fauler, müder, frostiger +und noch dazu einäugiger Mann und schreibe. Hoffte ich doch, man sollte +mir Abgestorbenen nun die Ruhe gönnen, die ich mir, denkt mich, verdient +habe. Aber als hätte ich niemals etwas gethan, geschrieben, geredet und +ausgeführt, muß ich so viel reden, thun und ausführen, daß ich mir +keinen Rat weiß. Ich bin so beschäftigt, daß ich gar selten Muße habe, +zu lesen oder für mich zu beten, was mir beschwerlich ist.[537] + +Freilich brach oft der angeborene Humor bei Luther durch, und das frohe +Gottvertrauen blieb wohl die Grundstimmung seines Wesens. Aber bei +seinem zur Schwermut neigenden Temperament und Gesundheitszustand +pflegte der alternde Mann doch vorwiegend die Schattenseiten aller +Erscheinungen zu sehen und nur selten konnte er sich sagen: „Ich lasse +das Antlitz unsrer Gemeinden nicht trauervoll zurück, sondern blühend, +durch reine und heilige Lehre mit vielen vortrefflichen und lauteren +Geistlichen, von Tag zu Tage wachsend.[538] + +So war ihm Zeit und Welt widerwärtig geworden. „Welt ist Welt, war Welt +und wird Welt sein.“ Und er wünschte sich weg daraus. Er hoffte und +wünschte, daß das Weltende nahe sei oder doch sein Lebensende. „Komm', +lieber jüngster Tag!“ seufzt er am Schluß eines Briefes an Käthe, und an +Frau Jörger schließt er (1544) ein Schreiben: „Es sollt ja nunmehr die +Zeit da sein meiner Heimfahrt und Ruhe; bittet für mich um ein seliges +Stündlein.“[539] + +Da er aber nicht aus der Welt gehen und die Feiertagsruhe des Jüngsten +Tages nicht selbst herbeiführen konnte, so wollte er wenigstens aus +_seiner_ Welt scheiden und von seinem Beruf. Denn so ist ja Stimmung und +Wunsch bei alten und kranken Leuten: da sie nicht aus dem Leben gehen +können, so suchen sie ihren Wohnort zu verändern und wünschen sich +daraus weg, mit so viel Beschwerden auch ein Wechsel und eine Reise +verbunden sein mag. So sagte Luther das ganze letzte Jahr zu seiner +Umgebung, „er begehre an einen anderen Ort zu ziehen“. Und die Freunde +fanden es auch merkwürdig, daß er in diesem Jahr vor seinem Tode öfter +ausgezogen, denn in vielen Jahren; und sie sahen es als „Prophezeiung +an, daß er die selige Reise werde thun in ein besser Leben“[540]. + +So ging es nun auch schon 1544, wo er mit einem Wegzug aus Wittenberg +gedroht und von den Freunden und Beamten Wittenbergs davon abgebracht +war. Im folgenden Jahr (1545) nachdem er am Johannistag von seinem +„Peiniger“, dem Stein, fast umgebracht worden und dadurch in eine +gereizte Stimmung versetzt war, führte er diesen Entschluß wirklich +aus[541]. + +Es war gerade kein besonderer Anlaß zu diesem Schritte da. Aber +mancherlei hatte ihm den Aufenthalt in Wittenberg in der letzten Zeit +verleidet. Der Streit mit den Juristen, die ärgerliche Geschichte im +Haus mit „einer andern Rosina und Schwindlerin“, vor allem aber das +Leben und Treiben von Bürgern und Studenten in Wittenberg, hatten ihn +hoch aufgebracht. Der ungeheure Studentenandrang nach Wittenberg brachte +begreiflicherweise nicht lauter gute, fromme und sittige Elemente dahin +und bei den 2000 Studierenden gab es natürlich viel mehr zu rügen und zu +strafen, als bei den früheren 200. Und unter diesen Tausenden waren +Leute aus allerlei Volk; nicht nur alle deutschen Stämme, sondern auch +Ausländer: „Reußen und Preußen, Holländer und Engellender, Dänemarker +und Schweden, Böhmen, Polen, Hungern, Wenden und Winden, Walen und +Franzosen, Spanier und Gräken.“ Die Bürger beuteten die Studierenden +aus. Weibliches Gesindel zog herbei, wie Luther meinte, von den +Widersachern geschickt, und es gab manche „Speckstudenten“, die sich +lieber in dem Lustwäldchen „Specke“ umhertrieben, statt in der Schule +Gottes Wort, Tugend und Zucht zu lernen. Gegen solche Unordentlichkeit +trat nun Luther als alter treuer Prediger mit väterlicher Vermahnung +auf. Er bittet seinen „Bruder Studium, sich still, züchtig und ehrlich +zu halten, des warten, warum sie hergesandt und mit schweren Kosten von +den Ihren erhalten werden, daß sie Kunst und Tugend lernen, weil die +Zeit da ist und solche feine Präzeptoren da sind.“ Er ermahnte den Rat, +die Laster zu strafen, und die Bürger, dem „Geiz“ zu steuern. Aber die +Bürger der kleinen Universitätsstadt hielten zumeist auf ihren Vorteil, +der Rat war lässig und ängstlich, wie Luther oftmals klagt gegenüber der +schönen Ordnung in einer Reichsstadt wie Nürnberg, und die Studenten +wies er vergeblich auf seinen grauen Kopf; sie überhörten seine +schmerzlichen und herzlichen Mahnungen: „Ach, mein Bruder Studium, +schone mein und laß es nicht dahin kommen, daß ich müsse schreien wie +St. Polykarpus: Ach Gott, warum hast Du mich das erleben lassen? Ich +hab's ja nicht verdient, sondern da sind vorhanden meine und euer +Präzeptoren treue Arbeit, die euch zum besten dienen in diesem und jenem +Leben.“[542] + +Neben und mit diesem unordentlichen Wesen nahm die Ueppigkeit in der +Stadt bei Doktorschmäusen und besonders bei Hochzeiten und Kindtaufen so +überhand, daß mancher Mann (z.B. Georg Major durch sein Doktorat und +neun Kindtaufen) in Schulden geriet. Ja, es riß die neue Kleidertracht +ein, „die Jungfrauen zu blößen, hinten und vorn“, und niemand war da, +„der da strafe oder wehre“; es schien, wie Luther fürchtet, sich +anzulassen, „daß Wittenberg mit seinem Regiment nicht den S. Veitstanz +noch S. Johannistanz, sondern den Bettlertanz und Beelzebubtanz kriege“. +Daher meinte Luther: „Nur weg aus dieser Sodoma!“[646] + +Damit schien er nun Ernst zu machen. Im Juli 1545 unternahm er auf Frau +Käthes Fuhrwerk mit seinem ältesten Sohne Hans, D. Kreuziger und einem +Tischgenossen Ferdinand von Maugen eine Erholungsreise nach Leipzig und +Zeitz zu Freund Amsdorf, dem Bischof. Unterwegs hörte er, daß die +Zustände in Wittenberg viel mehr im Munde der Leute wären, als er +dachte. Da wollte er gar nicht mehr in die „unordige“ Stadt zurück. Er +schrieb am 28. Juli von Zeitz aus an seine Frau folgenden Brief[543]: + +„G(nade) und F(riede)! + +Liebe Käthe! Wie unsre Reise ist gangen, wird Dir Hans wohl alles sagen +— wiewohl ich auch nicht gewiß bin, ob er bei mir bleiben solle —, dann +werden's doch D. Kaspar Kreuziger und Ferdinandus wohl sagen. Ernst von +Schönfeld hat uns zu Lobnitz schön gehalten[544]. Noch viel schöner +Heinz Scherle zu Leipzig. + +Ich wollt's gerne so machen, daß ich nicht müßte wieder gen Wittenberg +kommen. Mein Herz ist erkaltet, daß ich nicht gern da bin; wollt auch, +daß Du verkauftest Garten und Hufe, Haus und Hof. So wollt ich (auch) +M(einem) G(nädigen) H(errn) das große Haus[545] wieder schenken. Und +wäre Dein Bestes, daß Du Dich gen Zulsdorf setzest, weil (während) ich +noch lebe. Und (ich) könnte Dir mit dem Solde wohl helfen das Gütlein +bessern, denn ich hoffe, M.G.H. soll mir den Sold (aus)folgen lassen, +zum wenigsten ein Jahr meines letzten Lebens. Nach meinem Tode werden +Dich die vier Elemente[546] zu Wittenberg doch nicht wohl leiden; darum +wäre es besser bei meinem Leben gethan, was dann zu thun sein will. + +Ich habe auf dem Lande mehr gehört, denn ich zu Wittenberg erfahre, +darum ich der Stadt müde bin und nicht wieder kommen will, da mir Gott +zu helfe. + +Uebermorgen werde ich gen Merseburg fahren, denn Fürst George hat mich +sehr darum lassen bitten[547]. + +Will also umherschweifen und eher das Bettelbrot essen, ehe ich meine +arm alte letzte Tage mit dem unordigen Wesen zu Wittenberg martern und +beunruhigen will mit Verlust meiner sauern und teuern Arbeit. Magst +solches, wo Du willst, D. Pommer und M. Philipps wissen lassen, und ob +D. Pommer wollt' hiemit Wittenberg von meinenwegen gesegnen[548]. Denn +ich kann des Zorns und Unlust nicht länger leiden. + +Hiemit Gott befohlen, Amen. + +Martinus Luther.“ + +Frau Käthe zeigte natürlich diesen drohenden Brief den beiden Freunden; +Melanchthon wiederum, welcher auf den Mittag zu Dr. Brück kam und mit +ihm aß, erzählte dem Kanzler Luthers Vorhaben. Das that seine Wirkung. +Denn was war Wittenberg ohne Luther? Auch Melanchthon erklärte, daß er +dann nicht mehr bleiben könnte und sich vor dem Aergernis irgend wohin +verkriechen müsse. + +Da fuhr der Schrecken den Wittenbergern, Universität, Rat und +Bürgerschaft durch die Glieder. Der Senat und der Magistrat kamen +zusammen und berieten über Maßregeln, Luther zu halten. An den +Kurfürsten wurde mit einer Abschrift von Luthers Brief eine Botschaft +geschickt, damit er auch seinerseits auf den erzürnten Mann einwirke, +„daß er sein Gemüt ändere“. Eine Abordnung von Universität und Stadtrat: +Melanchthon, Bugenhagen, Major, der Bürgermeister und der Stadtrichter +Hans Lufft, wurden zu Luther gesandt und auch vom Hof kam ein +beschwichtigender Brief und der liebenswürdige Leibarzt Ratzeberger, den +Luther gar gut leiden mochte, nach Merseburg. Der Doktor ließ sich hart +genug gegen die Wittenberger Abgesandten aus über „die Lockerung der +Zucht“. Stadt und Regierung versprachen nun ernstliches Einschreiten +gegen das „verthunliche“ Wesen bei Hochzeiten und Kindtaufen, gegen +leichtfertiges Treiben bei Tanzvergnügungen, gegen das ungebührliche +Geschrei auf den Straßen u.s.w.[549] + +So ließ sich Luther besänftigen; er kehrte noch bei Hof an, um seinen +Forderungen Nachdruck zu geben; dann fuhr er langsam nach Hause. Die +Ausspannung und der Aufenthalt in freier Luft hatte ihm doch gut gethan, +und die Behaglichkeit in seinem schönen Heim, die Fürsorge seiner treuen +Hausfrau ließen ihn die Gedanken an einen Auszug vergessen, bis die +endgiltige Wanderung in die jenseitige Welt ihn aller Unlust und +Widerwärtigkeiten, aller Leiden und Folterqualen der Krankheit +enthob[550]. + +Er sollte die verwickelten Streithändel seiner Landesherrn, der +Mansfelder Grafen, wegen der Bergwerksrechte beilegen und machte dazu im +folgenden Winter drei Reisen in seine Heimat. Der Kurfürst hätte lieber +gesehen, wenn Luther „als ein alter abgelebter Mann mit diesen Sachen +verschont bliebe“; und das war Frau Käthes Meinung auch, welche es +betrieb, daß Melanchthon, der doch viel jünger und gesunder war, nicht +nach Regensburg mußte. Aber Luther selbst meinte: „Es muß, wiewohl ich +viel zu thun habe, um ein acht Tage nicht not haben, die ich daran wagen +will, damit ich mit Freuden mich in meinen Sarg legen möge, wo ich zuvor +meine lieben Landesherren vertragen und freundliches, einmütiges Herzens +gesehen habe.“ Nebenbei war es ihm eine Genugthuung, zu zeigen, was in +Streithändeln ein guter Christ fertig brächte, gegenüber „den silbernen +und guldenen Juristen, welche die Sache oftmals als Vorteil und Geiz +wider alle Billigkeit erweitern und auf(hinaus)ziehen.“[551] + +Freilich Frau Käthe nahm diese Reisen viel schwerer, namentlich die +letzte in der schlimmsten Jahreszeit. Es war Ende Januar und ein gar +„unartiges“, kaltes Wetter. Sie wußte aus reicher Erfahrung, was eine +Erkältung für den durch und durch kranken Mann bedeute. Sie hatte ja +auch gehört, daß Luther im November (1545) seine Vorlesung über die +Genesis mit den Abschiedsworten geschlossen hatte: „Ich kann nicht mehr; +ich bin schwach; bittet Gott für mich, daß er mir ein gutes, seliges +Ende beschere.“ Endlich hatte ein Vorfall das ganze Haus mit banger +Ahnung erfüllt. Kurz vorher hatten die studentischen Tisch- und +Hausgenossen im Schlafhaus, wo sie wohnten, eine Schlaguhr erneuern +lassen. Da begab sich's einstmals um Mitternacht, daß bei dieser Uhr ein +sehr großer harter Fall gehört wurde, als ob das ganze Gehäuse mit samt +den Gewichten heruntergefallen wäre. Am andern Morgen war alles +unversehrt. Da dies Luther gesagt war, sprach er zu den Tischgenossen: +„Ihr lieben Quiriten, erschreckt nicht davor. Denn dieser Fall bedeutet +mich, daß ich bald sterben werde. Wenn ich von Eisleben komme, will ich +mich in Sarg legen. So bin ich der Welt müde, und scheide gerne wie ein +reifer Gast aus einer gemeinen Herberge.“ Dennoch wollte Frau Katharina +ihren Gatten an dem Friedenswerk in Mansfeld nicht hindern und nachdem +er zweimal die Reise glücklich überwunden, hoffte sie wohl auch auf +einen glücklichen Ausgang einer dritten und letzten. Sie gab ihm aber +nicht nur seinen Famulus Ambrosius Rutfeld mit, sondern auch ihre drei +Söhne und in Halle sollte Herr D. Jonas einsteigen. Im Kloster blieben +als Tischgenossen Besold, Plato u.a. zurück[552]. + +Die Reisenden fuhren am Samstag, den 23. Januar, in Wittenberg ab. Es +trat nach scharfem Frost während der Nacht auf Sonntag Tauwetter ein, +mit Eisgang und Ueberschwemmung, so daß die Reisegesellschaft, als sie +Sonntag vormittag in Halle anlangte, nicht über die Saale kommen und +drei Tage in der Stadt verziehen mußte; Freund Jonas, der seit vier +Jahren in Halle Pfarrer war, hieß aber die Wittenberger Gäste in seinem +Hause willkommen. Von Halle empfing nun Frau Käthe einen launigen Brief +ihres Eheherrn, der dessen gute Stimmung meldete. Er war adressiert +„Meiner freundlichen lieben Käthen Luthrin zu Wittenberg zu +Handen“[553]. + +„Gnad und Friede im Herrn! + +Liebe Käthe! + +Wir sind heute um acht Uhr zu Halle ankommen, aber nach Eisleben nicht +gefahren. Denn es begegnete uns eine große Wiedertäuferin mit +Wasserwogen und großen Eisschollen, die das Land bedeckte; die dräuete +uns mit der Wiedertaufe. So konnten wir auch nicht wieder zurückkommen, +von wegen der Mulda; mußten also zu Halle zwischen den (beiden) Wassern +stille liegen. Nicht daß uns durstete zu trinken, sondern nahmen gut +Torgisch Bier und guten rheinischen Wein; damit labeten und trösteten +wir uns dieweil, ob die Saale wollt wieder auszürnen. Denn weil die +Leute und Fuhrmeister, auch wir selbst zaghaftig waren, haben wir uns +nicht wollen in das Wasser begeben und Gott versuchen; denn der Teufel +wohnet im Wasser und ist uns gram; und ist besser verwahret denn +beklaget; und ist ohne Not, daß wir dem Papst samt seinen Schuppen eine +Narrenfreude machen sollten. Ich hätte nicht gemeint, daß die Saale eine +solche Sod machen könnte, daß sie über Steinwege und alles rumpeln +sollte. + +Jetzo nicht mehr, denn: betet für uns und seid fromm. Ich halte, wärest +Du hier gewesen, so hättest Du uns auch also zu thun geraten; so hätten +wir Deinem Rat auch einmal gefolget. + +Hiemit Gott befohlen! Amen. + +Zu Halle am St. Paulus Bekehrungstage (25. Januar) Anno 1546. + +Martinus Luther D.“ + +Das lautete gar fröhlich und vergnügt, als man im Kloster diesen +lustigen Brief las, und Frau Käthe konnte einstweilen beruhigt sein. +Aber es dauerte acht Tage, bis wieder ein Brief kam. Das mußte die +besorgte Frau schon nicht wenig aufregen und sie sandte Briefe über +Briefe ab, was sonst bei der vielbeschäftigten Frau nicht gerade +Gewohnheit war. Endlich nach Lichtmeß langte ein zweiter Brief Luthers +an. Der war freilich auch in demselben scherzhaften Ton geschrieben, wie +der vorige und die meisten Episteln des Doktors an seine Frau. Aber es +war doch eine Stelle darin, die bedenklich machen konnte. + +„Meiner herzlieben Hausfrauen Katharin Lutherin, Doktorin, Zulsdorferin, +Saumärkterin und was sie sonst noch sein kann. + +Gnade und Friede in Christo und meine alte, arme und, wie ich weiß, +unkräftige Liebe zuvor. + +Liebe Käthe! Ich bin schwach gewesen auf dem Wege hart vor Eisleben, das +war meine Schuld. Aber wenn Du wärest dagewesen, so hättest Du gesagt, +es wäre der Juden oder ihres Gottes Schuld gewesen. Denn wir mußten +durch ein Dorf hart vor Eisleben, da viele Juden inne wohnten; +vielleicht haben sie mich so scharf angeblasen. So sind hier in der +Stadt Eisleben jetzt diese Stunde über fünfzig Juden wohnhaftig (in +einem Hause). Und wahr ist's, da ich bei dem Dorf war, ging mir ein +solch kalter Wind hinten im Wagen ein auf meinen Kopf durchs Barett, als +wollte mir's das Hirn zu Eise machen. Solches mag nun zum Schwindel +etwas haben geholfen; aber jetzt bin ich gottlob! wohl geschickt, +ausgenommen, daß die schönen Frauen mich so hart anfechten. + +Ich trinke Naumburgisch Bier, fast des Geschmacks, den Du von Mansfeld +mir etwa hast gelobet. Es gefällt mir wohl. + +Deine Söhnchen sind nach Mansfeld gefahren ehegestern, weil sie Hans von +Jene[554] so demütiglich gebeten hatte; weiß nicht, was sie da machen. +Wenn's kalt wäre, so möchten sie helfen frieren. Nun es warm ist, +könnten sie wohl was anders thun oder leiden, wie es ihnen gefällt. + +Hiermit Gott befohlen sammt allem Hause, und grüße alle Tischgesellen. +Vigilia Purificationis, 1546. + +M.L., Dein altes Liebchen.“[555] + +Also der Doktor hatte sich richtig erkältet und zwar durch eigene +Schuld; er war eine Zeitlang vom Wagen abgestiegen, hatte sich in +Schweiß gelaufen bei dem auffallend warmen Winterwetter, war dann im +letzten Dorfe Nißdorf, hart vor Eisleben, unvorsichtigerweise wieder auf +den Wagen gesessen und hatte sich in dem scharfen Luftzug des Fuhrwerks +erkältet. Frau Käthe wußte, was das zu bedeuten hatte und war gar +ängstlich trotz des fröhlichen Briefes. Sie hatte, scheint es, die Sache +schon vor Luthers eigener Meldung sonsther gehört, auch daß die sonst +immer offen gehaltene Wunde am Bein, welche, eine Art Fontanelle, den +kranken Säften einen Abfluß gewährte, bedenklicherweise zugeheilt war. +So schrieb sie nun einen Brief um den andern, an einem Tag (Freitag, 5. +Februar) sogar mehrere. Auch sandte sie von Wittenberg ihre gewöhnlichen +Hausmittel: „Stärkküchlein“, allerlei Stärkwasser, Rosenessig und +Aquavitä, und hieß Jonas, den Famulus und ihre Söhne in dem Gemach des +Doktors schlafen[556]. Er zwar schreibt wieder ganz sorglos, nur +bedenklich wegen der heikeln Streitigkeiten, die er zu schlichten hatte, +am 6. Februar[557]: + +„Der tiefgelehrten Frauen Katharin Lutherin, meiner gnädigen Hausfrauen +zu Wittenberg. + +Gnade und Friede. + +Liebe Käthe! Wir sitzen hier und lassen uns martern und wären wohl gern +davon; aber es kann noch nicht sein, als mich dünkt, in acht Tagen. Mag. +Philippus magst Du sagen, daß er seine Postille korrigiere; denn er hat +nicht verstanden, warum der Herr im Evangelio die Reichtümer Dornen +nennt. Hier ist die Schule, da man solches verstehen lernet. Aber mir +grauet, daß allewege in der heiligen Schrift den Dornen das Feuer +gedroht wird; darum ich desto größere Geduld habe, ob ich mit Gottes +Hilfe möchte etwas Gutes ausrichten. Deine Söhnchen sind noch zu +Mansfeld. Sonst haben wir zu essen und trinken genug und hätten gute +Tage, wenn's der verdrießliche Handel thät. Mich dünkt, der Teufel +spotte unser; Gott woll' ihn wieder spotten, Amen. + +Bittet für uns. Der Bote eilte sehr. + +Am Sankt Dorotheentage, 1546.“ + +Trotz dieser Briefe war aber Frau Käthe so voller Sorge um den fernen +Gatten, daß sie nicht schlafen konnte, und schrieb gar ängstliche +Episteln nach Eisleben, so daß ihr der fromme Doktor eine lange Predigt +hielt über Gottvertrauen in zwei aufeinanderfolgenden Briefen, am 7. und +10. Februar[558]: + +„Meiner lieben Hausfrauen Katherin Lutherin, Doktorin, Selbstmartyrin zu +Wittenberg, meiner gnädigen Frauen zu Händen und Füßen. + +Gnade und Friede im Herrn. + +Lies Du, liebe Käthe, den Johannem und den kleinen Katechismus, davon Du +einmal sagtest: es ist doch alles in dem Buch von mir gesagt. Denn Du +willst sorgen für Deinen Gott, gerade als wäre er nicht allmächtig, der +da könnte zehn Doktor Martinus schaffen, wo der einige alte ersöffe in +der Saale oder im Ofenloch oder auf Wolfs Vogelherd. Laß mich in Frieden +mit Deiner Sorge: ich hab' einen bessern Sorger, denn Du und alle Engel +sind. Der liegt in der Krippe und hänget an einer Jungfrauen Brust; aber +sitzet gleichwohl zur rechten Hand Gottes des allmächtigen Vaters. Darum +sei in Frieden, Amen. + +Betet, betet, betet und helft uns, daß wir's gut machen. Denn ich heute +in Willen hatte, den Wagen zu schmieren in meinem Zorn; aber Jammer, so +mir einfiel, meines Vaterlandes hat mich gehalten. Ich bin nun auch ein +Jurist worden. Aber es wird ihnen nicht gedeihen. Es wäre besser, sie +ließen mich einen Theologen bleiben. Komme ich unter sie, so ich leben +soll, ich möcht' ein Poltergeist werden, der ihren Stolz durch Gottes +Gnade hemmen möchte. Sie stellen sich, als wären sie Gott, davon möchten +sie wohl und billig bei Zeit abtreten, ehe denn ihre Gottheit zur +Teufelheit würde, wie Luzifer geschah, der auch im Himmel vor Hoffart +nicht bleiben konnte. Wohlan, Gottes Wille geschehe. + +Du sollst Mag. Philippus diesen Brief lesen lassen: denn ich nicht Zeit +hatte, ihm zu schreiben, damit Du Dich trösten kannst, daß ich Dich gern +lieb hätte, wenn ich könnte, wie Du weißt, und er gegen seine Frauen +vielleicht auch weiß und alles wohl verstehet. + +Wir leben hier wohl, und der Rat schenkt mir zu jeglicher Mahlzeit ein +halb Stübchen Rheinfall, der ist sehr gut. Zuweilen trink ich's mit +meinen Gesellen. So ist der Landwein hier gut, und Naumburgisch Bier +sehr gut, ohne daß mich dünkt, es macht mir die Brust voll phlegmate +(Schleim) mit seinem Pech. Der Teufel hat uns das Bier in aller Welt mit +Pech verdorben und bei euch den Wein mit Schwefel. Aber hier ist der +Wein rein, ohne was des Landes Art giebt. + +Und wisse, daß alle Briefe, die Du geschrieben hast, sind anher kommen +und heute sind die kommen, die Du am nächsten Freitag geschrieben hast +mit Mag. Philippus Briefen, damit Du nicht zürnest. + +Am Sonntag nach Dorotheens Tag (7. Febr.) 1546. + + * * * * * + +Dein lieber Herr M. Luther.“ + +„Der heiligen sorgfältigen Frauen, Katherin Lutherin, Doktor +Zulsdorferin zu Wittenberg, meiner gnädigen, lieben Hausfrauen. + +Gnade und Friede in Christo. + +Allerheiligste Frau Doktorin! Wir bedanken uns gar freundlich für Eure +große Sorge, davor Ihr nicht schlafen könnt; denn seit der Zeit Ihr für +uns gesorget habt, wollt' uns das Feuer verzehret haben in unsrer +Herberg hart vor meiner Stubenthür; und gestern, ohne Zweifel aus Kraft +Eurer Sorge, hat uns schier ein Stein auf den Kopf gefallen und +zerquetscht, wie in einer Mausfallen. Der hatte im Sinn, Eurer heiligen +Sorge zu danken, wo die lieben heiligen Engel nicht gehütet hätten. Ich +sorge, wo Du nicht aufhörst zu sorgen, es möchte uns zuletzt die Erde +verschlingen und alle Elemente verfolgen. Lehrest Du also den +Katechismum und den Glauben? Bete Du und laß Gott sorgen, es heißt: +„Wirf dein Anliegen auf den Herrn, der sorget für dich (1. Petr. 5, 7).“ + +Wir sind, Gott Lob, frisch und gesund, ohne daß uns die Sachen Unlust +machen, und Doktor Jonas wollt' gern einen bösen Schenkel haben, daß er +sich an eine Lade ohngefähr gestoßen: so groß ist der Neid in den +Leuten, daß er mir nicht wollt' gönnen allein einen bösen Schenkel zu +haben. + +Hiemit Gott befohlen. Wir wollten nun fort gerne los sein und +heimfahren, wenn's Gott wollt', Amen, Amen, Amen. + +Euer Heiligen williger Diener Martinus Luther. + +Am Tage Scholasticä (10. Febr.) 1546.“ + +Aber was Frau Käthe zu wenig an Gottvertrauen zeigte, das bewies der +Herr Doktor zu viel. Sie wußte und hörte, daß er, trotzdem er sich jeden +Abend mit warmen Tüchern behandeln lassen mußte, seinen alten +Predigteifer auch in der fremden Stadt in der kalten Kirche bethätigte; +zwei Geistliche ordinierte er und viermal predigte er, zuletzt am +Sonntag den 14. Februar. Abends schrieb er noch einen Brief an seine +Hausfrau, erwähnte aber nichts davon, daß er heute morgen seine Predigt +hatte abbrechen müssen aus Schwachheit; er bat aber seine Frau um +Arzneien[559]. + +Der Brief schlägt wieder fröhliche und hoffnungsvolle Töne an; die +Aussicht auf Rückkehr nach der lieben Heimat vergoldete die trübe +Stimmung[560]: + +„Meiner freundlichen, lieben Hausfrauen, Katherin Lutherin von Bora zu +Wittenberg zu Händen. + +Gnade und Friede im Herrn. + +Liebe Käthe! Wir hoffen diese Woche wieder heim zu kommen, ob Gott will. +Gott hat große Gnade hier erzeigt; denn die Herren durch ihre Räte fast +altes verglichen haben, bis auf zwei Artikel oder drei, unter welchen +ist, daß die zwei Brüder Graf Gebhardt und Graf Albrecht wiederum Brüder +werden, welches ich heute soll vornehmen und will sie zu mir zu Gaste +bitten, daß sie auch mit einander reden; denn sie bis daher stumm +gewesen und mit Schriften sich hart verbittert haben. Sonst sind die +jungen Herren (die Söhne der feindlichen Grafen) fröhlich, fahren +zusammen mit den Narrenglöcklein auf Schlitten und die Fräulein auch und +bringen einander Mummenschanz, und sind guter Dinge, auch Graf Gebhardts +Sohn. Also muß man greifen, daß Gott Gebete erhört. + +Ich schicke Dir Forellen, so mir die Gräfin Albrecht geschenkt hat: die +ist von Herzen froh der Einigkeit. Deine Söhnchen sind noch zu Mansfeld. +Jakob Luther will sie wohl versorgen. Wir haben hier zu essen und zu +trinken als die Herrn, und man wartet unser gar schön, nur allzu schön, +daß wir Euer wohl vergessen möchten zu Wittenberg. So ficht mich der +Stein auch nicht an. Aber Doktor Jonas Bein wäre schier gnad worden, so +hat's Löcher gewonnen auf dem Schienbein; aber Gott wird auch helfen. + +Solches alles magst Du Mag. Philippus anzeigen, Doktor Pommer und Doktor +Kruziger. Hier ist das Gerücht herkommen, daß Doktor Martinus sei +weggeführt, wie man zu Leipzig und Magdeburg redet. Solches erdichten +die Naseweisen, Deine Landsleute. Etliche sagen, der Kaiser sei dreißig +Meilen Wegs von hinnen bei Soest in Westphalen; etliche, daß der +Franzose Knechte annehme, der Landgraf auch. Aber laß sagen und singen: +wir wollen warten, was Gott thun wird. Hiemit Gott befohlen. + +Zu Eisleben am Sonntag Valentini 1546. + +M. Luther, Doktor.“ + +Es war der letzte Brief an seine Ehefrau, der letzte, den Luther +überhaupt schrieb. Die heitere Epistel kam am Donnerstag in Käthes Hände +und erregte bei den Klosterbewohnern großes Vergnügen: in Eisleben aber +lag der Schreiber schon auf dem Totenbette. Der Gewaltige war am selben +Tage früh um 3 Uhr im Kreise seiner Freunde, Dr. Jonas, M. Aurifaber, +des Arztes, des Stadtpfarrers von Eisleben, des Grafen und der Gräfin +Albrecht, sanft und selig entschlafen. In Wittenberg freilich dachte man +nicht daran. Melanchthon, dem Luther mit gleichem Boten geschrieben +hatte (u.a. daß Papst Paul gestorben wäre), verfaßte noch einen Brief an +den Freund und Frau Käthe schickte noch eine Salbe mit, zur +Wiederherstellung der Fontanelle am linken Schenkel. Aber am Freitag +früh 6 Uhr kam aus Torgau ein reitender kurfürstlicher Bote vor des +Kanzlers Brück Haus; dieser ließ sogleich D. Bugenhagen, Kreuziger und +M. Philipp zu sich kommen; sie wußten aber bereits, was das +kurfürstliche Schreiben meldete, ehe er es ihnen zu lesen gab, denn vor +einer Viertelstunde war auch ein Bote mit einem Brief aus Eisleben von +Jonas an sie gelangt. Auf Brücks Bitten verfügten sich die drei Herren +mit des Kurfürsten und Jonas' Brief unsäumig hinauf zu der Doktorin und +berichteten sie mit der besten Vorsicht von ihres Herrn Abgang. „Da ist +das arme Weib, wie leichtlich zu achten, hart erschrocken und in großer +Betrübnis gewesen.“ Aber wiederum nicht an sich dachte sie zumeist, +sondern an ihre Kinder, besonders, wie ihre drei Söhne in der Ferne sich +über des Vaters Tod halten möchten[561]. + +Katharinas bange Ahnung hatte sich also erfüllt; ihre Sorge um den +kränklichen fernen Gatten war nicht ohne Grund gewesen. Das Trauervolle +war geschehen: der teure Mann, der gewaltige Reformator, der geistvolle +Lehrer und Prediger, der liebreiche Vater, der treue Gatte war nicht +mehr! Wenn auch nicht unerwartet, so doch zu früh für die Welt und für +die Familie war er dahin geschieden, wohin er sich so oft gesehnt; von +der Welt, über die er so viel gescholten und die er doch mit so viel +Verständnis und Freude erfaßt; von dem Amte, in dem er sich so müde +gearbeitet, und in dem er doch noch so Großes leistete; von der Familie, +die ihm zwar Sorgen, aber noch viel mehr Glück und Freude gebracht und +die er mit so viel Glauben und Liebe umfaßte; von der Gattin, die er so +oft geneckt und manchmal getadelt, die er aber über alle Frauen +geschätzt und geliebt hatte. + +„Es war eine harte Wunde, die sie durch den Tod ihres Ehegemahls +empfing. Und dazu mußte sie noch klagen, daß derselbe in einem anderen +Orte gestorben war, wo sie nicht bei dem Kranken Treue und die letzten +Liebesdienste hatte erweisen können.“[562] + +Ja, in der Fremde war er gestorben, zum großen Schmerze Katharinas, die +mit ihm zwanzig Jahre „in Friede und Freude“ gelebt, die ihn in gesunden +und kranken Tagen so hingebungsvoll gepflegt und jetzt die letzten +Stunden seines Lebens nicht um ihn sein durfte, ihm in das liebe +Angesicht schauen und die treuen Augen zudrücken durfte. Es war kaum +ein Trost, daß er im Kreise der Freunde verschieden war, daß der Graf +Albrecht ihm selbst Einhorn geschabt und seine Gemahlin ihm den Puls mit +dem Stärkwasser strich, welches die Doktorin geschickt, und daß er in +ihres Sohnes Paul Armen ausgeatmet und ihm sein treuer Aurifaber die +Augen zugedrückt hatte[563]. + +Und jetzt konnte sie nicht einmal den Trost genießen, durch die Fürsorge +für die Bestattung des geliebten Toten ihren Geist abzulenken von dem +Gedanken des schmerzlichen Verlustes. + +Das kurfürstliche Schreiben enthielt nämlich die Bestimmung, daß der +Leib Luthers in der Schloßkirche zu Wittenberg bestattet werden sollte, +bei Fürsten und Fürstinnen, deren zwanzig dort bestattet waren. Aber so +war wenigstens ihr lieber Herr bei ihr in ihrer Stadt und sie konnte mit +den anderen Freunden „ihren Heiligen daselbst nach seinem Tode +besuchen“, wie Bugenhagen sich ausdrückte. Denn die Grafen von Mansfeld +hätten „die Leiche des hochteuern, von Gott mit unaussprechlichen Gaben +begnadeten Mannes gern selbst in der Herrschaft behalten“, folgten sie +aber „aus unterthänigem Gehorsam“ dem Kurfürsten auf dessen Bitte +dienstwillig aus. So rüstete sich nun die Doktorin, ihr Töchterlein und +das ganze Kloster für das Leichenbegängnis nur mit Trauergewändern[564]. + +Aber auch die ganze Stadt und Universität machte sich bereit, ihren +größten Bürger mit feierlichem Leichengepränge zu empfangen. Melanchthon +hatte sofort nach der Ankunft der Todeskunde am Freitag früh die +Studenten in einem Anschlag benachrichtigt, daß der christliche Elias +von seinen Jüngern genommen sei. Der Rektor der Akademie, Dr. Aug. +Schurf, befahl am Sonntag Morgen in einem Programme „allen Studenten am +Nachmittag, sobald das Zeichen mit der kleinen Glocke gegeben werde, +sich auf dem Markte zu versammeln und daselbst den ehrwürdigen +Pfarrherrn (D. Pommer) an der Kirche zu erwarten, ihm sofort zu folgen +und mit ihm die Leiche zu empfangen, welche gewesen ist und sein wird +eine Hütte des heiligen Geistes.“ Von Wittenberg ritten dem Trauerzuge +entgegen, um ihn in Bitterfeld, an der Mansfeldischen Grenze zu +empfangen und ehrenvoll zu geleiten, die „Verordneten des Kurfürsten“: +Erasmus Spiegel, der Hauptmann von Wittenberg, Gangolf von Heilingen zu +Düben und Dietrich von Taubenheim zu Brehne mit Gefolge[565]. + +Aber die Leiche kam am Sonntag noch nicht: in jeder Stadt wollte man sie +einholen, zurückhalten, begleiten; und so verzögerte sich die Ankunft +des Zuges, der zuletzt in Kemberg gerastet hatte. Und Melanchthon mußte +am Schwarzen Brett, auf dem Programm des Rektors verkündigen, daß die +Ankunft der Leiche und ihre Bestattung erst am andern Morgen, etwa um 9 +Uhr, stattfinde[566]. + +Im Laufe des Sonntags kam ein Beileid-Schreiben des Kurfürsten[567]: + +„An Catharina, Doctoris Martini seliger Gedächtnis verlassene Witwe zu +Wittenberg. + +Herzog Johanns Friedrich, Kurfürst. + +Liebe Besondere! + +Wir zweifeln nicht, Ihr werdet nunmehr erfahren haben, daß der +Ehrwürdige und Hochgelehrte, unser Lieber Andächtiger Doctor Martin +Luther seliges Gedächtnis, Euer Hauswirt, sein Leben in diesem +Jammerthal zu Eisleben am nächsten Dornstag frühe zwischen 2 und 3 Uhren +christlich und wohl mit göttlichen der hl. Schrift Sprüchen beschlossen +hat und von hinnen geschieden ist, welches Wir aber mit betrübtem und +bekümmertem Gemüt vernommen. Der allmächtige Gott wolle seiner Seelen, +wie Wir denn gar nicht zweifeln, gnädig und barmherzig sein! Und wiewohl +Wir wohl ermessen mögen, daß Euch solcher Euers Herrn tödlicher Abgang +schmerzlich und bekümmerlich sein wird, so kann doch in dem Gottes +gnädigen Willen, des Allmächtigkeit es also mit ihm gnädiglich und +christlich geschafft hat, nicht widerstrebt werden, sondern es will +solches Gott zu befehlen sein. Darum Ihr auch soviel destoweniger +bekümmern und seines christlichen Abscheidens Euch trösten wollet. Denn +Wir seind gnädiglich geneigt, Euch und Eure Kinder um Eures Herren sel. +willen, dem Wir in sonderen Gnaden und Guten geneigt gewest, in gnädigem +Befehl zu haben und nicht zu verlassen. Das wollen Wir Euch gnädiger +Meinung nicht verhalten. + +Datum Torgau, Sonnabends nach Valentini 1546.“ + +Am Montag früh versammelten sich am Elsterthor Rektor, Magistri und +Doktores und die ganze löbliche Universität, auch ein ehrbarer Rat samt +ganzer Gemeinde und Bürgerschaft, dann die Geistlichen und Schulen. Auch +Frau Käthe machte sich auf mit ihrem Töchterlein Margarete und einigen +Frauen und stellten sich weinend an den Weg, dem toten Gatten entgegen +harrend. + +Endlich um 9 Uhr, langte der Zug mit der teuren Leiche an: geleitet von +den kurfürstlichen Abgeordneten und den beiden jungen Mansfelder Grafen +Hans und Hoyer und einer großen Reiterschar. Auch die Mansfelder +Verwandten kamen mit, Luthers Lieblingsbruder Jakob, und seine +Schwestersöhne Jörg und Cyriak Kaufmann und andere von der +„Freundschaft“. Vor allem aber die drei Söhne Hans, Martin und Paul. Es +war ein schmerzliches Wiedersehen, das hier Frau Katharina erlebte. Die +Söhne freilich konnte sie schluchzend in die Arme schließen, aber das +Antlitz des teuren geliebten Gatten durfte sie nicht mehr sehen; da lag +er eingeschlossen im Sarg von Zinn, aufgebahrt auf dem Wagen, mit +schwarzem samtenem Tuch umhangen[568]. + +Darauf ordnete sich der Zug: voraus die Geistlichkeit und die Schulen +mit den herkömmlichen Gesängen und Zeremonien, darauf die „Berittenen“ +auf ungefähr 65 Pferden. Gleich hinter dem vierspännigen Leichenwagen +fuhr die „Frau Doktorin Katharina Lutherin“ mit den Matronen, nach +herkömmlicher Sitte auf einem niederen Wägelein. Ihr folgten die drei +Söhne, der Bruder, die Neffen und andere Verwandten. Dann in vollem +Ornat „der Rektor Magnificus der löblichen Universität mit etlichen +jungen Fürsten, Grafen und Freiherrn, so in der Universität Wittenberg +Studii halber sich (auf)enthalten.“ Darnach kam als weiteres +Leichengefolge: Kanzler Brück, Melanchthon, Jonas, Bugenhagen, +Kreuziger, Hieronymus Schurf und andere älteste Doktoren; dann die +übrigen Doktoren, Magister, der ehrbare Rat, Bürgermeister Cranach samt +den Ratspersonen, darnach der ganze große Haufen und herrliche Menge der +Studenten; darauf die Bürgerschaft, desgleichen viele Bürgerinnen, +Matronen, Frauen, Jungfrauen, viel „ehrliche“ Kinder, jung und alt; +alles mit Weinen und Wehklagen. „In allen Gassen, auch auf dem Markt ist +das Gedränge so groß und solche Menge des Volkes gewesen, daß sich's +billig in der Eil zu verwunden und viele bekannt haben, daß sie +dergleichen zu Wittenberg nicht gesehen.“ + +So ging es unter Gesang und dem Geläute aller Glocken in unabsehbarem +Zuge vom Elsterthor die ganze Länge der Stadt hin am Kloster vorbei, das +jetzt verwaist von seinem Vater und Herrn dalag, die Kollegienstraße +hinab zur Schloßkirche. Dort wurde der Sarg am Predigtstuhl +niedergesetzt. Trauerlieder erschollen, bis Bugenhagen die Kanzel +bestieg und vor den ungezählten Hörern, die in und vor der Kirche +standen, eine „gar festliche und tröstliche Predigt“ that. Darauf hat +Melanchthon „aus sonderlichem Mitleiden, um die Kirche zu trösten“, eine +lateinische Gedächtnisrede gehalten, die vor dem allgemeinen Weinen und +Schluchzen kaum gehört wurde. Seine Klage: „Wir sind wie arme Waisen, +die einen vortrefflichen Mann zum Vater gehabt und ihn verloren haben“, +die den Grundton aller Rede bildeten, sie waren ganz besonders +denjenigen aus dem Herzen gesprochen, die dem teuren Toten am nächsten +standen, und am nächsten an seinem Sarg klagten: der trauernden Gattin, +den weinenden Kindern[569]. + +„Nach den Leichenreden trugen etliche Magister den Sarg nach der Gruft +und legten so das teure Werkzeug des heiligen Geistes, den Leib des +ehrwürdigen D. Martini zur Ruhe, nicht fern von dem Predigtstuhl, da er +im Leben manche gewaltige Predigt gethan.“ Der Kurfürst aber hatte schon +am Tag vorher verordnet, daß eine Tafel aus Messing aufs Grab +niedergelegt wurde, dergestalt wie noch heutzutage zu sehen ist[570]. + +Wohl konnte das außerordentliche, wahrhaft fürstliche Leichengepränge +zeigen, welch ein Mann, ja, wie der Rektor ankündigte, welch ein „Fürst +Gottes“ der Dahingegangene gewesen, welche Liebe und Verehrung er bei +hoch und nieder genossen und die Teilnahme aller bewies, was die Welt an +ihm verlor und betrauern mußte, und das ist ja für die Hinterbliebenen +immer ein Trost in ihrem Schmerz. Aber diese Leichenfeier zeigte auch, +was die Angehörigen selber an ihm gehabt und beweinen mußten. + +Was Katharinas Stimmung und Gedanken in diesen schmerzlichen Tagen war, +das giebt sie kund in einem Briefe, den sie an ihre Schwägerin +Christina, die verwitwete Gemahlin eines ihrer Brüder und Mutter des +Florian, welcher in Wittenberg ihr Hausgenosse war, richtete[571]. Da +schreibt sie: + +„Der ehrbaren und tugendsamen Frauen Christina von Bora, meiner lieben +Schwester zuhand. + +Gnad und Fried von Gott dem Vater unsers lieben Herrn Jesu Christi! + +Freundliche liebe Schwester! + +Daß Ihr ein herzlich Mitleiden mit mir und meinen armen Kindern tragt, +gläub' ich leichtlich. Denn wer wollt' nicht billig betrübt und +bekümmert sein um einen solchen teuern Mann, als mein lieber Herr +gewesen ist, der nicht allein einer Stadt oder einem einigen Land, +sondern der ganzen Welt viel gedienet hat. Derhalben ich wahrlich so +sehr betrübt bin, daß ich mein großes Herzeleid keinem Menschen sagen +kann, und weiß nicht, wie mir zu Sinn und zu Mut ist. Ich kann weder +essen noch trinken, auch dazu nicht schlafen. Und wenn ich hätt' ein +Fürstentum und Kaisertum gehabt, sollt' mir so leid nimmer geschehen +sein, so ich's verloren hätt', als nun unser lieber Herrgott mir, und +nicht allein mir, sondern der ganzen Welt, diesen lieben und teuern Mann +genommen hat. Wenn ich daran gedenk', so kann ich vor Leid und Weinen — +das Gott wohl weiß — weder reden noch schreiben. + + Katharina, + des Herrn Doctor Martinus Luther + gelassene Witfrau.“ + + + + +16. Kapitel. + +Luthers Testament. + + +„Ich denke noch oft“, erzählt der treue Hieronymus Weller nach Luthers +Tod, „an den Mann Gottes, Doktor Martin Luther, daß er sein Gemahl ließ +den 31. Psalm auswendig lernen, da sie noch jung und frisch und fröhlich +war und sie noch nicht wissen konnte, wie dieser Psalm so lieblich und +tröstlich war. Aber ihr Mann that das nicht ohne Ursache. Denn er wußte +wohl, daß sie nach seinem Tode ein betrübtes, elendes Weib sein und +dieses Trostes, so der 31. Psalm in sich hat, sehr nötig werde +bedürfen.“ Und ähnlich hat sich der Doktor auch in seinem Testament +ausgesprochen, wie in seinem Brief auf seiner Trutz-Fahrt[572]. + +Luther kannte eben die Welt und seine und seiner Familie Lage: er kannte +der Leute Undank[573], der Fürsten Unzuverlässigkeit und ihrer Beamten +Untreue, der Amtsgenossen kleinliche Gesinnung, der Feinde Haß, der sich +schon bei Lebzeiten auch gegen sein Gemahl in unerhörter Beschimpfung +richtete und sich noch ungehemmter zeigen mußte, wenn erst der +gefürchtete Kämpe den Schild nicht mehr über sie deckte. Er wußte, daß +er ein kranker Mann war, daß er sterben werde, ehe seine Kinder erzogen +und versorgt wären; er kannte die traurige Lage einer Witwe zu seiner +Zeit, die ohne Ansprüche auf Witwengehalt, ja nach dem herkömmlichen +Recht ohne Ansprüche auf die Hinterlassenschaft war. Deshalb war er in +Sorge für seine treue Gattin; deshalb hat er aber auch, so viel an ihm +lag, Fürsorge für sie getroffen, um sie vor dem Schwersten zu bewahren. + +Diese Gedanken hat Luther in seinem „zweiten“ und „letzten“ „Testament“ +niedergelegt, welches vier Jahre vor seinem Tode, am 6. Januar 1542 +niedergeschrieben ist. Darin setzt er seiner „lieben und treuen +Hausfrau“ ein Leibgeding aus und will sie schützen gegen „etlich +unnütze, böse und neidische Mäuler“, welche seine „liebe Käthe“ +beschweren oder verunglimpfen möchten oder die Kinder aufhetzen. „Denn +der Teufel, so er mir nicht konnte nahe kommen, sollt er wohl meine +Käthe (auf) allerlei Weise (heim)suchen, (schon) allein (aus) der +Ursache, daß sie des D.M. ehrliche Hausfrau gewesen und Gottlob noch +ist.“[574] + +So mußte Frau Katharina auch bald spüren, welcher Unterschied es sei, +die Gattin des großen Doktors zu sein, der nach dem Anspruch eines +großen Fürsten neben dem Kaiser die Welt regierte, dessen Ansehen und +Ehre auch auf die „Hauswirtin“ überging, und Luthers verlassene Witwe, +in deren Vermögens-und Familienverhältnisse, Hauswirtschaft und +Kindererziehung hineinzureden und hineinzuregieren sich jetzt viele +berufen fühlten, zum Teil aus gutem Willen und Verehrung für den +dahingegangenen Freund und Reformator, während bisher Frau Katharina +selbst, höchstens mit Rat und Zustimmung ihres Eheherrn, in diesen +Dingen vollständig selbstherrlich geschaltet hatte. Daß sie, die +energische Frau, welche sich ihrer Tüchtigkeit in der Leitung eines +großen Hauswesens wohl bewußt war, und welcher Luther so bereitwillig +das Hausregiment überlassen hatte, dies Dreinreden und Dreinbefehlen +schwer empfand, ist begreiflich. Nicht wenig mußte es sie auch schmerzen +und ihr Selbstgefühl verletzen, daß sie bisher die erste Frau der Stadt, +ja der evangelischen Welt, nun bescheiden zurücktreten mußte. Schwer +auch kam sie's gewiß an, daß sie das in so großem Stil geführte +Hauswesen mit seiner unerhörten Gastlichkeit beschränken mußte. + +Zwar das trat nicht ein, was Luther gefürchtet hatte, daß „die vier +Elemente (d.h. doch wohl die vier Fakultäten der Universität) sie nicht +wohl leiden“ würden. Auch davon hört man nichts, was Luther in seinem +Testamente aussprach: „Ich bitt alle meine guten Freunde, sie wollten +meiner lieben Käthe Zeugen sein und sie entschuldigen helfen, wo etliche +unnütze Mäuler sie beschweren und verunglimpfen wollten, als sollte sie +etwa eine Barschaft hinter sich haben, die sie den armen Kindern +entwenden oder unterschlagen würde. Ich bin des Zeuge, daß da keine +Barschaft ist, ohne die Becher und Kleinod droben im Wipgeding erzählt +(aufgezählt), vielmehr 450 fl. Schulden oder mehr.“[575] + +Aber Luther hatte noch ein weiteres vorausgesehen, was seiner Frau +vorgeworfen werden könnte: eine üble Wirtschaft. Es heißt weiter im +Testament: „Es kann solches bei jedermann die Rechnung öffentlich geben, +weil man weiß, wie viel ich Einkommens gehabt von meinen gestrengen +Herrn, ohn was Geschenk ist gewesen, welches droben unter den Kleinoden, +zumteil auch noch in der Schuld steckt und zu finden ist. Und ich doch +von solchem Einkommen und Geschenk so viel gebaut, gekauft und große und +schwere Haushaltung geführt, daß ich's muß neben anderem selbst für +einen sonderlichen, wunderliche Segen erkennen, daß ich's hab können +erschwingen, und nicht Wunder ist, daß keine Barschaft, sondern daß +nicht mehr Schuld da ist.“[576] + +Am meisten unzufrieden mit der gesamten Wirtschaft Katharinas war der +Kanzler Brück, Luthers Gevattersmann. Brück hatte schon 1536, als +Katharina das Gut Booß pachten wollte, ihr das nicht zukommen lassen, +aus Argwohn, sie wolle dies herrschaftliche Gut so unter der Hand +erblich an sich und ihre Kinder bringen, „welche Gedanken doch nie in +ihr Herz gekommen sind“. Deshalb hatte sie auch den Landrentmeister +Taubenheim später (1539), als das Gut wieder pachtfrei war, angegangen, +solchen ihren Antrag an niemand sonst, auch nicht an den Kurfürsten +(welchen dann Brück um Gutachten gefragt hätte) gelangen zu lassen, +sondern ihr's unter der Hand zukommen zu lassen, was dann auch geschah. +Brück äußerte sich auch sehr abschätzig über Käthes Unternehmungen auf +ihrem Lieblingssitz Zulsdorf und hielt diese kostspieligen +Verbesserungen für arge Verschwendungen. Er widersetzte sich endlich dem +Erwerb von Wachsdorf. Daher ist es begreiflich, daß auch Katharina auf +ihn übel zu sprechen war, und überhaupt auf die fürstlichen Amtleute, +welche scheel zu den Begnadigungen sahen, die sie vom Hofe erhielten, +und sogar sie darin verkürzten. Als Luther ein Jahr vor seinem Tode von +Wittenberg wegziehen wollte, und seine Frau beauftragte, seine +Besitzungen in der Stadt zu veräußern, da ließ Melanchthon gegen Brück +merken, daß eigentlich Katharina das „treibe“ und daß es nicht das sei, +was Luther vorwende. Das berichtete der Kanzler dem Kurfürsten und fügte +mit einer gewissen Schadenfreude hinzu: es gebe Gottlob keine Käufer für +so kostbare Häuser und Güter[577]. + +Als dann die kurfürstliche Verordnung wegen „der Hochzeiten und +Kindtaufen“ an Luther geschickt wurde, kamen Melanchthon und Bugenhagen +zu Brück und zeigten an, Luther wolle sie weder sehen noch hören; zu Hof +hätte man nur sein Gespött damit. Daraus schloß Brück, daß der Doktor +durch seine Frau aufgewiegelt werde. + +Es war also ein Zerwürfnis zwischen dem Schwarzen Kloster und dem Hof, +das heißt zwischen Dr. Luther und Kanzler Brück, der den „Hof“ vertrat, +so daß Brück gar nicht mehr persönlich und direkt mit Luther +verhandelte, sondern die beiden Theologen sandte oder auch einen +Dritten[578]. Dieses Zerwürfnis hatte dann noch seine weitere +Geschichte. + +Im Dezember 1545 schickte Brück einen Zwischenhändler ins Schwarze +Kloster „hinauf zu Sr. Ehrwürden“, um Luther zu bewegen, er solle aus +einer vom Hof bestellten Schrift eine politisch bedenkliche Stelle +auslassen. „Da war Frau Käthe auch dabei und hat ihr Wort dazu gelegt +dergestalt: „Ei lieber Herr, sie lesen zu Hof nichts; das macht's, +wissen sie doch Euere Weise wohl u.s.w.“ Und Luther wurde über diese +Zumutung des Kanzlers zornig und wunderlich und sagte, er wolle es +kurzum nicht thun. Diese Rede Käthes wurde natürlich dem Kanzler +hinterbracht und er berichtete sie sofort samt den vorhergehenden +Beobachtungen dem Kurfürsten mit dem Zusatz: „Ich sorg, weil sich Doktor +Martinus in mehr denn einem Weg wider den Hof bewegt vermerken läßt, es +muß nochmals das Gütlein Wachsdorf dahinter stecken, und der gute, +fromme Herr durch die „Rippe“ bewegt wird.“[579] + +Das alles spielte kurz vor Luthers Tode; begreiflich, daß die +Verstimmung bei Brück jetzt noch frisch und kräftig nachwirkte. Auch +Melanchthon und Bugenhagen scheinen gegen die Doktorin eingenommen, wenn +man den Berichten von Brück glauben soll. Es muß aber doch ausfallen, +daß außer den Brückschen Berichten keine Belege für Melanchthons und +Bugenhagens Feindseligkeit gegen Frau Käthe bekannt sind; ja die +Fürsorge beider, namentlich Melanchthons und das Zutrauen Katharinas zu +diesem beweist eher das Gegenteil. Dennoch wäre nach Brücks Eingabe eine +vorübergehende Erregung der beiden alten Freunde gegen sie vorhanden +gewesen. + +Zunächst freilich wirkte die Liebe und Verehrung, die der gewaltige und +gemütreiche Mann genossen, auch noch auf seine Familie, insbesondere die +trauernde Gattin. + +Der Kurfürst hatte einst vor neun Jahren in Schmalkalden an Luthers +vermeintlichem Sterbebett diesem versprochen: „Euer Weib soll mein Weib +sein und Euere Kinder sollen meine Kinder sein“. Dessen gedachte er auch +jetzt nach des Doktors wirklichem Abscheiden und sandte an „die +Doktorin, Luthers liebe Hausfrau“, jenes gnädige Trostschreiben, worin +er sie und ihre Kinder seiner gnädigen Fürsorge versichert[580]. Diesem +Versprechen kam nun auch der Fürst getreulich nach, so lange er in +Freiheit war und es vermochte. + +Der Kanzler Brück hatte in einer Nachschrift zu seinem Briefe an den +Kurfürsten vom 19. bemerkt: „Philippus hat mir gesagt, er habe der +Doktorin bereits vor 14 Tagen 20 Thaler zur Haushaltung leihen müssen. +E. Kf. Gn. wollen 14 Thaler verordnen zur Haushaltung und anderem, das +dieses Falles Notdurft wohl erfordern will. Der Allmächtige wird es E. +Kf. Gn. reichlich vergelten!“ Darauf sandte der Kurfürst sofort am +folgenden Tag hundert Gulden mit einem Schreiben an Melanchthon; darin +heißt es: „Dieweil Wir auch vermerken, als solle gemeldten Doctor +Martini seligen Hausfrau und Witwe am Gelde Mangel haben, wie ihr denn +von Euch vor seinem Tode Fürsehung (Vorschuß) geschehen sein solle: als +schicken Wir Euch bei diesem Boten hundert Gulden. Davon wollet Euch des +Geldes, was Ihr geliehen habt, zuvor bezahlen und der Witwe die Übermaß +(den Überschuß) von Unserntwegen zustellen.“[581] + +Und vielleicht nochmals zwei Tage nach der Beisetzung hat der Kurfürst +die Witwe Luthers seiner besonderen Gnade und Fürsorge versichert. Auch +erbot er sich, ihren ältesten Sohn an den Hof und in die kurfürstliche +Kanzlei zu nehmen[582]. + +Auch die Freunde des Hauses nahmen sich der Witwe noch an. Melanchthon +erwies ihr eine kleine Aufmerksamkeit. Als er am 11. März einen Hasen +und einen Pelz von Jonas erhielt, dachte er an das Mosesgesetz, daß den +Priestern, welche die Bürde der Kirchenregierung auf ihren Schultern +trugen, auch die Haut des Opfertieres gehören sollte, und damit an +Luther, der so lange Jahre auf seinen Schultern eine solche Last +Geschäfte getragen, und er schickte den Pelz und Hasen an Luthers +Witwe[583]. + +Jonas berichtet am 15. April an König Christian III. von Dänemark über +Luthers Tod und fügte die Bitte bei: „Bitt' unterthänigst E.K.Maj. wolle +der Witwe Domini D. Martini seiner drei Söhne Martini, Pauli, Johannis +und eines Töchterlein Margret gnädigster Herr sein.“[584] + +Sogar der Herzog von Preußen schrieb an den Kurfürsten von Sachsen für +D. Martini seligen Witwe eine „Vorbitt“, deren der Kurfürst freundlich +eingedenk zu sein verheißt: „Dieweil Wir dem Doktor bei seinem Leben in +allem Guten geneigt gewesen, so achten Wir Uns auch schuldig, seine +nachgelassenen Kinder, seinen getreuen, fleißigen und christlichen +Dienst genießen zu lassen, wie Wir sie auch samt der Witwe in gutem +Befehl habend.“[585] + +Die Grafen von Mansfeld hatten Luther und seiner Familie für seine +Vermittlung 2000 fl. zugesagt und haben diese dann auch am 8. Mai 1546 +„Doktor Luthers nachgelassener Wittfrau und Kindern“ verschrieben, zu +„Dankbarkeit solch christlichen Liebe und Erzeigung bemeldts D.M. +Luthers, daß er sich gutwillig gen Eisleben gefügt und treumeinende +Handlung vorgenommen und also daselbst mit Friede sein Ende christlich +und seliglich beschlossen.“[586] + +Endlich bestand noch ein Vermächtnis des Kurfürsten Johann Friedrich von +1000 fl., welche Luthers Kindern ausgesetzt waren, und wovon einstweilen +die Renten ausbezahlt wurden, als eine Art Gnadengehalt für die +Waisen[587]. + +Der Witwe war in diesen Verschreibungen nicht gedacht. Dagegen hatte +Luther für seine Gattin schon vier Jahre vor seinem Tode ein Leibgeding +ausgesetzt. + +Luther hatte nun in bekannter Mißachtung der Juristen und des +juristischen Formen-Krams dies Dokument absichtlich selbst aufgesetzt +und nur von seinen theologischen Freunden Melanchthon, Kreuziger und +Bugenhagen unterschreiben lassen, in der Meinung, da ihn so „viele in +der Welt für einen Lehrer der Wahrheit halten“ trotz Papstes Bann und +des Kaisers, Könige, Fürsten, Pfaffen, ja aller Teufel Zorn, so sollte +man ihm und seiner Handschrift auch in diesen geringen Sachen glauben.“ +Er schreibt darin: „Zuletzt bitt' ich jedermann, weil ich in dieser +Begabung oder Wibgeding nicht gebrauche der juristischen Formen und +Wörter (wozu ich Ursachen gehabt), man wolle mich lassen sein die +Person, die ich in Wahrheit bin, nämlich öffentlich im Himmel, auf Erden +und in der Hölle bekannt, der man trauen und glauben mag, mehr denn +keinem Notario.“[588] + +Daraus ergiebt sich eine Mißstimmung gerade gegen Brück, der ja in +diesem Falle besonders hätte gehört werden müssen. Aber die +Rechtsgelehrten konnten dies Testament auch anfechten und scheinen dies +gethan zu haben eben darum, weil Luther in so geflissentlicher Weise die +verhaßten Juristen übergangen hatte. Waren doch die Juristen immer noch +bedenklich über die Rechtsgültigkeit der Priesterehe und gar der Ehe von +Mönchen und Nonnen, also daß Luther fürchten mußte, daß sie seine „Ehre +und Bettelstücke seinen Kindern nicht gedenken zuzusprechen“. Da konnte +nur eine besondere Entscheidung der Staatshoheit der Witwe zu ihrem +Rechte verhelfen, wie auch Luther selbst in dem Testament vorgesehen +hatte: „Und bitt auch hiemit unterthäniglich, S.K.G. wollten solche +Begabung oder Wibgeding schützen und handhaben.“[589] + +Dies sog. „Testament“ Luthers war eigentlich ein Leibgeding für seine +Hausfrau, ein „Weibgedinge“, wie es herkömmlich von Ehemännern früher +oder später ausgestellt zu werden pflegte. Es hatte um so größere +Bedeutung, als es für Beamten-, wie Professorenfrauen kein Witwengehalt +gab und das sächsische Erbrecht für Frauen so ungünstig war. + +Alle evangelischen Pfarrer der Reformationszeit, deren Besoldung sehr +unsicher, oft nur ein Gnadengehalt war, strebten deshalb danach, ihren +Frauen, wie Luther sich ausdrückt, ein „Erbdächlein und Herdlin“, d.h. +Grundbesitz, zu verschaffen; und jeder Ehemann in Sachsen pflegte der +Ehefrau ein Leibgedinge zu verschreiben. „Wie wenige findet man,“ sagt +Luthers langjähriger Hausgenosse Hieronymus Weller, als er Pfarrer in +Freiberg war und Weib und Kind hatte, „wie wenige findet man, die sich +kümmern um Witwen und Waisen von verstorbenen Dienern der Kirche! Darum +folge ich Luthers Beispiele und kaufe ein Haus zur Zuflucht für die +Meinen in der Zukunft.“ So dachte auch Luther. Er äußerte sich sehr +unzufrieden über das sächsische Recht wegen seiner Behandlung der +weiblichen Ansprüche. „Sachsenrecht“, sagte er, „ist allzustreng und +hart, als das da anordnet, daß man einem Weibe nach ihres Mannes Tode +geben soll nur einen Stuhl und Rocken“. Dies legte aber Luther so aus: +„_Stuhl_, das ist Haus und Hof; _Rocken_, das ist Nahrung, dabei sie +sich in ihrem Alter auch könne erhalten; muß man doch Dienstboten +besolden und jährlich ihnen ihren Lohn geben, ja man giebt doch einem +Bettler mehr.“[590] + +Demgemäß handelte nun auch Luther und schrieb — schon am Dreikönigstag +1542 — sein „Testament“, d.h. das „Weibgeding“ für seine Gattin[591]. + +„Ich, M.L.D. bekenne mit dieser meiner eigenen Handschrift, daß ich +meiner lieben u. treuen Hausfrauen Katherin gegeben habe zum Wipgeding +(oder wie man es nennen kann) auf ihr Lebenlang, damit sie ihres +Gefallens u. zu ihrem Besten gebaren muge, und gebe ihr das in Kraft +dieses Briefs, gegenwartiges und heutigen Tages: + +Nämlich das Guttlein Zeilsdorff, wie ichs bis daher gehabt habe. + +Zum andern das Haus Bruno zur Wohnung, so ich unter meines Wolfs Namen +gekauft habe. + +Zum dritten die Becher und Kleinod, als Ringe, Ketten, Schenkgroschen, +gulden und silbern, welche ungefährlich sollten bey 1000 Fl. werth seyn. + +Das thue ich darumb, + +Erstlich, daß sie mich als ein frum, treu ehelich Gemahel allezeit lieb, +werth u. schön gehalten, und mir durch reichen Gottes-Segen fünf +lebendige Kinder (die noch furhanden, Gott geb lange) geboren und +erzogen hat. + +Zum andern, daß sie die Schuld, so ich noch schuldig bin (wo ich sie nit +bey Leben ablege), auf sich nehmen und bezahlen soll, welcher mag seyn +ungefähr, mir bewußt, 450 fl. mugen sich vielleicht wohl mehr finden. + +Zum dritten, und allermeist darumb, daß ich will, sie müsse nicht den +Kindern, sonder die Kinder ihr in die Hände sehen, sie in Ehren halten, +und unterworfen seyn, wie Gott geboten hat. Denn ich wohl gesehen und +erfahren, wie der Teufel wider dieß Gebot die Kinder hetzet und reizet, +wenn sie gleich frum sind, durch böse und neidische Mäuler, sonderlich +wenn die Mütter Witwen sind, und die Söhne Ehefrauen, und die Töchter +Ehemänner kriegen, und wiederumb socrus nurum, nurus socrum. Denn ich +halte, daß die Mutter werde ihrer eigenen Kinder der beste Vormund seyn, +und sölch Guttlein und Wipgeding nicht zu der Kinder Schaden oder +Nachtheil, sondern zu Nutz und Besserung brauchen, als die ihr Fleisch +und Blut sind und sie unter ihrem Herzen getragen hat. + +Und ob sie nach meinem Tode genöthiget oder sonst vorursachet wurde +(denn ich Gott in seinen Werken und Willen kein Ziel setzen kann) sich +zu vorändern: so traue ich doch, und will hiemit sölches Vertrauen +haben, sie werde sich mutterlich gegen unser beyder Kinder halten, und +alles treulich, es sey Wipgeding oder anders, wie recht ist, mit ihnen +theilen. + +Auch bitt ich alle meine gutten Freunde, sie wollten meiner lieben +Käthen Zeugen seyn und sie entschuldigen helfen, wo etzliche unnutze +Mäuler sie beschweren oder verunglimpfen wollten, als sollt sie etwa +eine Barschaft hinter sich haben, die sie den armen Kindern entwenden +oder unterschlagen würde. Ich bin deß Zeuge, daß da keine Barschaft ist, +ohn die Becher und Kleinod, droben im Wipgeding erzählet. + +Und zwar sollts bey iedermann die Rechnung offentlich geben, weil man +weiß, wie viel ich Einkummens gehabt vom M. gestr. Herr, und sonst nicht +ein Heller noch Körnlein von iemand einzukummen gehabt, ohn was Geschenk +ist gewesen, welches droben unter den Kleinoden, zum Theil auch noch in +der Schuld steckt, und zu finden ist. Dieß bitte ich darumb: denn der +Teufel, so er mir nicht kunnt näher kummen, sollt er wohl meine Käthe, +allein der Ursachen, allerley Weise suchen, daß sie des Mannes D.M. +eheliche Hausfrau gewesen, und (Gott Lob) noch ist.“ — + +Außer diesem Witwengut bestand das Lutherische Vermögen aus folgendem: +dem Klosterhaus, hernach zu 3700 fl. verkauft, den beiden Gärten zu 500 +fl., Hausrat und Bibliothek zu 1000 fl. zusammen 5200 fl. Das Leibgeding +der Mutter betrug im Verkaufswert 2300 fl., nämlich das Gut Zulsdorf 956 +fl., das Haus „Bruno“ zu 343 fl., bisher „um einen liederlichen Zins“ +vermietet, dazu noch die 1000 fl. Silbergeschirre; davon gingen +allerdings die genannten 450 fl. Schulden ab, wenn sie bei Luthers Tod +noch standen; diese Schulden machten ihr viel Sorgen; eine „Barschaft“ +war — auch nach D. Brücks Zeugnis „nicht da“. Freilich Luther selber +hatte diesen Besitz viel höher angeschlagen; in der Schätzung 1542 +berechnet er ihn auf 9000 fl. Das Einkommen aber aus allem schätzt er +auf kaum 100 fl. Dazu kamen noch seit einiger Zeit 50 fl. jährliche +Rente, aus dem verschriebenen kurfürstlichen Legate von 1000 fl. und +endlich noch 2000 fl. des Grafen von Mansfeld[592]. + +Das war wohl ein großer, weitläufiger Besitz; aber er war wenig +einträglich; alles in allem warf er 250 fl. ab. Ob davon eine größere +Familie ohne gar zu große Einschränkung leben konnte? Die Kinder waren +noch alle unversorgt und unmündig. Der älteste Sohn Hans war 20 Jahre +alt, das jüngste Töchterlein Margarete erst 11, Martin 14 und Paul 15. +Und die drei Söhne sollten nach Luthers Wunsch alle studieren: Hans nach +der Mutter Meinung die Rechte, Martin wollte Theologe werden, Paul hatte +sich schon mit des Vaters Beifall für die Medizin entschlossen. Zudem +war noch der alte lahme Famulus Wolf da, der als gewohntes Erbstück mit +versorgt werden mußte; er hatte zwar auf Luthers Ansuchen vom Kurfürsten +ein Stipendium von 40 fl. bekommen, dies aber ging in Luthers Haushalt +mit auf[593]. Man konnte Luthers Witwe, die einen so großen und +gastfreien Haushalt gewohnt war, doch nicht zumuten, das alte liebe Haus +zu verlassen und sich in ärmlichster Weise, etwa in die „Bude“ Bruno +oder auf Zulsdorf zurückzuziehen und die Kinder unter fremde Leute zu +geben. Brück war freilich dieser Meinung. Frau Katharina dagegen wollte +alle Kinder bei sich behalten, was ja wohl auch das billigste war; sie +wollte ferner im Klosterhaus bleiben und Kostgänger nehmen in noch +ausgedehnterem Maße wie bisher; sie wollte endlich nicht nur „die Böse“ +(das Gut Booß), die sie etliche Jahre her zur Miete und um einen +„liederlichen Zins“ innegehabt, ferner auch also behalten, sondern noch +ein weiteres landwirtschaftliches Anwesen erwerben, um ihre Einnahmen zu +vermehren[594]. Dies alles aus Fürsorge für sich und ihre Kinder; aber +auch, wie der Kanzler Dr. Brück gewiß richtig versteht, „damit sie zu +thun, zu schaffen und zu gebieten genug hab, und ihr demnach an der +vorigen Reputation nichts abgehe“. Namentlich war ihr das neue Landgut +angelegen: hatte sie ja für die Landwirtschaft besondere Neigung aus +wirtschaftlichem Interesse, aber wohl auch aus ihrem adeligen Bewußtsein +heraus. Schon vor mehreren Jahren nämlich war ihrem Gatten das große Gut +Wachsdorf zum Kaufe angetragen worden, welches eine Stunde von +Wittenberg, jenseits der Elbe, also viel günstiger als das ferne +Zulsdorf gelegen, auch fruchtbarer und einträglicher, freilich auch +teurer war als dies. Das wurde ihr nun aufs neue angeboten[595]. + +Die Witwe fragte nun Melanchthon um Rat. Der sah für gut an, man sollte +den Kauf von Wachsdorf anlangend des Kurfürsten Rat und, wo dieser es +riete, seine gnädige Hilfe erbitten. Sie aber wollte das schlechterdings +nicht haben — gewiß nur deshalb, weil sie von vorn herein wußte, daß der +kurfürstliche Rat — der Rat Dr. Brücks sei, dem die Sache zur +Begutachtung übergeben würde und der dem Vorhaben Katharinas durchaus +entgegen war. Sie entwarf nun eine Eingabe an den Kurfürsten +dahingehend: Weil sie gedenke, das Gut Wachsdorf zu kaufen, so wolle +S.K.Gn. ihr dazu gnädige Hilfe thun, und sie mit Vormündern bedenken, +damit ihre Kinder und sie zu ihrer Unterhaltung bedacht werden möchten, +dieweil kein Geld, Gesinde oder Vorrat vorhanden, denn das Gut wäre +nicht angerichtet (eingerichtet). + +Diese Bittschrift gab Frau Katharina Melanchthon zur Begutachtung. +Dieser brachte sie nun am Dienstag, 9. März, abends in die Sitzung mit, +welche er, Bugenhagen und Kreuziger mit Brück wegen des Regensburger +Religionsgespräches bei dem Kanzler hielten, und gab sie — Brück. Und +der Kanzler las sie nun „öffentlich“ vor. + +Als Bugenhagen den Plan Katharinas wegen Wachsdorf vernahm, rief er: „Da +hört man wohl, wer alleweg nach dem Gut Wachsdorf getrachtet. Vorher hat +man's auf den Doktor geworfen, der wolle es schlechterdings haben; aber +jetzt merkt man wohl, wessen Getrieb es gewest.“ + +Darnach fielen allerlei Reden zwischen den vier Männern und meinten +dieselben „fast insgemein“: „Kriegte sie das Gut, so würde sie ein +solches Bauen darauf anfangen, zu ihrem und der Kinder großem Schaden, +wie sie mit dem Gut Zulsdorf auch gethan, welches sie über 1600(!) +Gulden zu stehen kam und wollt ihr nicht gern 600 Gulden gelten[596]. +Weiter wurde bedacht: Wenn sie draußen (in Wachsdorf) bauen und wohnen +wollte, so würde sie die Söhne zu sich hinaus vom Studium abziehen, daß +sie junkern lernten und Vögel fangen[597]. Ferner überschwemme die Elbe +sofort und bedecke das Gut mehrern Teils mit Wasser; man könne keinen +Keller bauen, es sei überhaupt „ein wüstes Gütlein“. + +Aber Melanchthon, der das Ungehörige seines Schrittes wohl einsah, bat, +man solle nicht über die Bittschrift verhandeln, sondern sie, wie sie +wäre, an den Kurfürsten abgehen lassen; „die Frau ließe sich doch nit +raten, sondern ihr Gutdünken und Meinung müsse alleweg für rücken“. + +Brück sagte: „Will sie um Vormünder bitten, so wird sie ja mit derselben +Rate handeln und vorgehen müssen. Und ich dächte, daß Kreuziger und M. +Melanchthon neben andern die besten Vormünder wären; denn sie wissen ja +um des Herrn sel. Gelegenheit; die Kinder müssen ihnen auch des Studiums +halber vor anderen folgen.“ + +Aber die beiden schlugen die Vormundschaft „alsbald glatt ab“, aus +Ursachen, daß „die Frau nicht folge und sie oft beschwerliche Reden von +ihr würden einnehmen müssen“. + +Ferner ließ sich Melanchthon vernehmen, daß sie der Kinder keins wolle +von sich thun, sondern dieselben sollten bei ihr in Wittenberg +unterhalten werden. Und wiewohl der ältere Sohn Hans nicht ungeneigt +gewesen wäre, auf des Kurfürst gnädiges Erbieten gen Hof und in die +kurf. Kanzlei zu ziehen, so hätte sie ihn doch (ab)wendig gemacht. +Man[598] habe von andern auch dergleichen gehört, daß sie vorgäbe: es +wäre ein alberner Gesell, man würde ihn in der Kanzlei nur äffen und zum +Narren machen. Zum Studium tauge er nach Melanchthons Meinung gar nicht, +denn er wäre zu groß und es fehlten ihm die Grundlagen. Endlich war der +Kanzler der Meinung, man sollte die Behausung des Klosters, diese +weitläufige Wohnung, verkaufen oder verlassen. Aber Melanchthon +erklärte, daß „ihr Gemüt (Sinn) nicht wäre“, das zu thun, sondern sie +gedächt es zu behalten, ingleichen auch das Gut Zulsdorf, selbst wenn +Wachsdorf dazu käme. + +So war — nach Brücks Bericht — die Unterredung der vier Freunde und +Gevattern Luthers über seine Witwe. + +Melanchthon hatte also gegen den Willen der Frau Doktorin ihr Anliegen +dem Kanzler vorgetragen, dessen Dreinreden sie gerade — und mit gutem +Grund — vermeiden wollte; und er hatte auch noch allerlei mündliche +Mitteilungen gemacht, welche nicht dazu dienen konnten, die Stimmung der +Freunde gegen die Doktorin zu verbessern. + +Ohne von dieser Behandlung ihrer vertraulichen Mitteilung etwas zu +wissen, ließ nun Frau Katharina ihre Eingabe durch den Hausfreund +Ratzeberger, den kurfürstlichen Leibarzt, bei Hofe im Torgauer Schloß +einreichen. Es geschah am Mittwoch, und schon Donnerstag, 11. März, +fordert der Kurfürst den Kanzler Brück in Wittenberg um ein Gutachten +über die Bittschrift Katharinas auf, die er seinem Schreiben beilegte. + +Das Gutachten des Kanzlers ist nun ein eigentümlich gehässiges +Schreiben. Brück berichtet darin an den Kurfürsten zuerst die +vertrauliche Beratung der drei Theologen mit allen für Katharina +ungünstigen Bemerkungen derselben, und zwar, wie es scheint, verschärft. +Hätte das Melanchthon gewußt, so hätte er's wohl unterlassen, Brück „von +der Frauen wegen um sein Bedenken“ zu bitten. Ferner erwähnt der Kanzler +in dem Schriftstück allerlei gehässiges und sogar verlogenes Geschwätz +„von andern“. „Viel Leut wollen's dafür halten, es werde endlich +schwerlich unterbleiben, daß sie sich wieder verändern wird“ — so wagt +Brück drei Wochen nach ihres Gatten Tod von einer 47jährigen Frau zu +schreiben! und dies, obwohl er sich bewußt ist und ausdrücklich erklärt, +es sollte vermieden werden, daß „man mit der Frauen disputiere, ob sie +sich verändern wird oder nit“. Ferner berichtet er an den Kurfürsten: +„Man sagt mir, es hab ein jeder Knab einen eigenen Präceptor und +Famulum“ — hinterher stellt sich aber heraus, daß es bloß ein einziger +ist, Rutfeld, und ein gelehrter und treuer Geselle. Ebenso wird es +Uebertreibung sein, wenn er als „öffentlich“ hinstellt, was „des andern +Gesindes vorhanden ist“ — wie sie nämlich „mit vielem Volk“ (Gesinde) +überladen sei. Endlich giebt der Kanzler seiner Abneigung gegen die +Doctorin noch verschiedentlich klaren Ausdruck. Er nennt ihre Bitte +„stumpf und kurz“; er rechnet dem Kurfürsten _wiederholt_ vor, daß er +600 fl. Gnadengeld zur Erbauung des Gutes Zulsdorf gegeben und noch dazu +für 100 fl. Holz; er spricht die Verdächtigung aus, welche doch auch Dr. +Luther träfe: „Der arme lahme Wolf ist auch noch da; wollt sie ihn bei +sich behalten und er bei ihr bleiben, so hätt sie die vierzig Gulden +auch mit einzubrocken, wie denn bisher geschehen, daß der arme Mensch +derselben wenig genossen hat, — besorg ich“, setzt er doch etwas +bedenklich hinzu. Das Gut Wachsdorf macht Brück so schlecht wie möglich +und meint, es „erobere“ keine hundert Gulden Reinertrag, also nicht +einmal die Kapitalzinsen. Er verdächtigt die Doctorin weiter, „es sei +ihren Kindern nichts nutz“ und es sei ihr nur darum zu thun, teil zu +haben an dem Gut. Und sein ganzes Bestreben geht dahin, nur den Kindern +und immer den Kindern alles zugut kommen zu lassen und die Witwe vom +Besitz und Genuß auszuschließen. Und weiterhin ist Brücks Rat und +Absicht, „ihr die stattliche — ein andermal heißts: „große und +verthunliche“ — Haushaltung zu brechen“. Endlich geht er mit aller Macht +darauf aus, der Mutter die Kinder zu entziehen. Während Luther in seinem +Testament zu seiner Gattin das gute Zutrauen hatte, „die Mutter werde +ihren eigenen Kindern der beste Vormund sein“, erklärte Brück, wie es +scheint mit direkter Beziehung auf diese Meinung Luthers: „Nach +sächsischem Recht kann sie nit Vormund sein, dieweil sie bei ihrem +Witwenstand selbst Vormünder bedürftig; so wär es auch sorglich, da +(wenn) sich die Frau anderweit würde verehelichen.“ Am ärgsten wohl +tritt er der Witwe zu nahe, wenn er ausführt, die Knaben würden bei ihr +junkern und spazieren gehen und vom Studio abgezogen, sie müßten daher +„zu gelehrten Leuten gethan werden, vor denen sie Furcht und Scheu +hätten, bei welchen sie auch einen bequemen Tisch hätten“ — als ob die +Kinder bei ihr — der „Erzköchin“ — sogar in ihrer leiblichen Pflege +versäumt würden! Die einzige gegründete Veranlassung zu dem Mißtrauen in +Katharinas Erziehungskunst konnten doch nur die geringen Fortschritte +geben, die der wenig begabte Erstgeborne im Studium bisher gemacht. + +Fast eher wie böses Gewissen sieht es aus, als wie Scheu vor Frau +Katharinas starkem Willen, wenn der Kanzler an den Kurfürsten schreibt: +„Nun wär ich in Unterthänigkeit willig gewest, mit der Frauen selbst +oder dem Philippo von den Sachen auf E. Kurf. Gn. Befehl zu reden; so +hat mich doch dies abgescheuet, daß ich dazumal vom Philippo verstanden, +daß ihr Gemüt nit wäre das Haus allhie zu verkaufen oder zu verlassen, +sondern gedächt es zu behalten, ingleichen Zulsdorf und Wachsdorf; darum +des Verkaufens des Hauses gegen ihr nit zu gedenken sein wollte.“ + +Sachlich macht der Kanzler dem Kurfürsten nun folgende Vorschläge: + +1. Damit die Domina nicht Ursache habe S.K.Gn. zu Unglimpf zu gedenken, +möge der Kurfürst zu den bisherig verschriebenen 1000 fl. noch 1000 fl. +— aber nur für die Kinder — hinzuthun und beides zusammen mit 100 fl. +verzinsen, das auf das Mädchen (Margarete) fallende Viertel aber (500 +fl.) bis zu ihrer Verheiratung verpensionieren. + +2. Der Kurfürst solle der Mutter und den Kindern besondere Vormünder +geben. Diese beiderseitigen Vormünder sollten dann das Eigentum der +Witwe und das der Waisen reinlich scheiden. + +3. „Darnach müssen die Vormünder beiderseits davon reden, wie, wovon und +welcher Gestalt die Kinder sollen unterhalten werden. Da wird sich denn +das Gebeiß zwischen der Frau und den beiderseitigen Vormündern ergeben. +Denn der Kinder Vormünder werden sagen: es sei kein bessers, denn Hansen +den ältern Sohn thue man gen Hof in E.K.G. Kanzlei; so möchte es sich +mit der Zeit also schicken, daß er zu etwas käme, so ihm sonst fehlen +möchte. Denn wenn ihm E.K.G. ein Stipendium verordnet und es wollt mit +dem Studium nicht fort, so wird es schimpflich, es ihm zu kündigen. +Ferner werden sie sagen, daß mit den andern Knaben auch kein besser +wäre, denn daß man sie von einander thät und daß sie nit bei der Mutter +wären.“ Dazu könne ihnen der Kurfürst noch ein weiteres Stipendium +geben. + +4. Das Töchterlein könne man bei der Mutter lassen, und von den 500 fl. +30 fl. Rente geben, und wenn es nicht reiche: 40 fl. Davon könnte es die +Mutter mit einem kleinen Meidlein, das ihm aufwartet, wohl erhalten und +es von dem Mansfeldischen Geld- oder Zinsanteil mit Kleidung versehen. + +5. Auf diesem Weg würde der Frau ihre große und verthunliche Haushaltung +gebrochen werden und dem vorgebeugt, daß aus den Kindern „Junker und +Lappen“ werden. + +6. „Würde die Frau unsern Vormündern dann sagen: „Wovon solle sie denn +erhalten werden?“, so könnten die Vormünder der Kinder erwidern: Sie +brauche mit ihrer Tochter nicht große Haushaltung, nicht viel Gesinde, +hätte die Wohnung umsonst, könne Kostgänger halten, die Anwesen zum Teil +vermieten, brauen, den Genuß vom Garten, Hufen und Zulsdorf haben und +Anteil an den Mansfeldschen Kapitalzinsen. Auch könne der Kurfürst ihr +und der Tochter jährlich 2 Wispel Korn geben und vielleicht etliche +Klafter Holz. + +7. „Wenn sie (die Domina) vermerkte, daß E.K.G. den _Kindern_ bewilligen +wollte, Wachsdorf zu kaufen und dazu die 2000 fl. ausfolgen lassen, so +wird sie des Gutes bald vergessen und sich der Mühe und des Bauens nicht +wollen beladen, so sie nicht zum wenigsten die Hälfte daran +mitberechtigt wird.“ Es gebe auch jährlich kaum 100 fl. Reinertrag, und +habe dazu auch die Last eines halben Lehnspferdes. Darüber aber solle +der Hauptmann zu Wittenberg Asmus Spiegel befinden, ob das Gut mehr +eintrage als das Kapital. + +Der Kurfürst war rücksichtsvoller als sein Kanzler. Er schien dessen +Abneigung zu merken und ordnete in einem Schreiben an Brück und +Melanchthon an, daß Vormünder für die Witwe und für die Waisen bestellt +würden, und verschrieb den Kindern noch 1000 fl.; über den Kauf von +Wachsdorf sollten die Vormünder befinden[599]. + +Zwar erbot sich Brück, „hinauf zu fahren (zur Doktorin) und die +Anzeigung mit zu thun; Philippus aber meinte, es wäre ohne Not, er wollt +es von unser beider wegen wohl ausrichten.“ Also ging Melanchthon am +Freitag früh mit dem kurfürstlichen Schreiben zu der Doktorin[600]. + +Sie bedankte sich bei ihm und dem Kurfürsten für die Begnadigungs-Zulage +zu gunsten ihrer Kinder und erklärte dann folgendes: + +1. Sie wünsche für sich zu Vormündern den jeweiligen Stadthauptmann von +Wittenberg und ihren Bruder Hans von Bora; für die Kinder des Doktors +sel. Bruder Jakob, den jetzigen Bürgermeister Reuter von Wittenberg und +Melanchthon, Dr. G. Major lehnte sie ab; auch Kreuziger scheint sie +abgelehnt zu haben, welcher im vertrauten Briefwechsel mit Veit Dietrich +Käthe eine „Hausfackel“ genannt hatte. Sie erklärte sich aber mit der +Vormundschaft des Kurfürstl. Leibarztes Dr. Ratzeberger einverstanden, +der „seines Weibes halber selber der Freundschaft (= Verwandtschaft) +war.“[601] + +2. Sie war einverstanden, daß die 1500 fl. vom Kurfürsten für ihre +_Söhne_ auf Wachsdorf angelegt würden. Der Kanzler hatte ihr also auch +darin Unrecht gethan, daß er meinte, die Domina wolle Wachsdorf nur oder +hauptsächlich für sich haben und bewirtschaften, statt für ihre Söhne. + +Der Kanzler schlug nun dem Kurfürsten vor, Melanchthon „nicht mit der +Vormundschaft zu beladen, denn er ist fromm und wenig (gutherzig und +schwach), dienet nit dazu, da man der Frau wird sollen Oppositum +(Opposition) halten.“ Man solle die beiden Theologen Melanchthon und +Kreuzinger nur zu Mitvormündern in Bezug auf die Erziehung der Kinder +machen, daß die Söhne zu „Gottesfurcht, Lehre, Zucht und Tugend möchten +gezogen werden“.[602] + +So wurde es dann auch vom Kurfürsten angenommen und die Vormünder +bestellt, für die Kinder auch Kreuziger in Stellvertretung für +Ratzeberger, welcher nur bei den wichtigsten Verhandlungen abkommen +könnte[603]. + +Auch das Testament Luthers wurde, „nachdem Uns Unsre Liebe Besondere +Katharina, des Ehrwürdigen und Hochgelehrten Unsers Lieben Andächtigen +Ehr Martin Luthers, der hl. Schrift Doctors seligen nachgelassene Witwe +ihres Herrn Testament und Verordnung vortragen und bitten lassen“ — zu +Judica vom Kurfürsten „gnädiglich bestätiget und konfirmiret, ob es +gleich an Zierlichkeiten und Solemnitäten, so die Rechte erfordern, +mangelhaft wäre.“[604] + +Nun gab es noch lange mühsame Verhandlungen zwischen dem Kanzler und +Kurfürsten einerseits und zwischen den Vormündern und der Doctorin +anderseits wegen der Erwerbung des Gutes Wachsdorf und der Erziehung der +Kinder[605]. + +Der Kanzler riet energisch von dem Kauf des Gutes ab, aber noch +hartnäckiger „arbeitete“ Frau Katharina darauf, und erbot sich, ihren +Kindern zu gut sich mit dieser Sache zu „beladen“; denn sie verhoffte +daraus große Nutznießung zu ziehen und versprach auch „keine +sonderlichen Gebäude allda vorzunehmen“. Darum haben die Vormünder „es +auch nit härter bestreiten wollen und durch ihr Widerfechten das Ansehen +bei ihr haben, als wollten sie ihre Wohlfahrt hindern und des Herrn +(Luthers) Wohlthaten vergessen“. „Also hat es die tugendsame Frau +Doctorin und die Vormünder neben ihr angenommen.“[606] Das Gut kostete +aber 2200 fl. Weil das Mansfeldische Kapital erst in zwei Jahren flüssig +wurde, so gaben die Vormünder dem Kurfürsten zu bedenken, „daß um des +löblichen Herrn Doctors willen der Witfrauen auch etwas zu willfahren +ist, und daß sie wahrlich zwischen Thür und Angel stecken.“ Darum gab +der Kurfürst die 2000 fl. her, darunter auch die 500 fl. der Margarete, +welche aber bis zu ihrer Verehelichung als Hypothek auf Wachsdorf +gestellt und mit 30 fl. verzinst werden mußten. Von den fehlenden 200 +fl. gab Melanchthon und ein Freund die Hälfte, um die andere ging er den +wohlhabenden Amsdorf an. Am Pfingstmontag (14. Juni 1546) zahlte der +Kanzler Brück die 2000 fl. an die Vormünder Ratzeberger, Reuter und +Jacob Luther aus, und Frau Käthe, die so „fleißig angehalten, daß +gemeldte Gabe in liegende Güter umgewandelt werde“, erbot sich, „daß sie +solche Güter den vier Kindern zu Gute treulich und fleißig warten +wollte“. Zur Verwaltung des Gutes hätte sie freilich gerne noch einen +Teil des Mansfeldschen Kapitals gehabt und begab sich dieserhalb zu dem +Grafen, und wie es scheint, mit teilweisem Erfolg[607]. + +In ähnlicher Weise ging es auch mit der Erziehung der Kinder. Der +Kanzler drang zwar darauf, daß Johann in die kurfürstl. Kanzlei käme und +die beiden andern, Paul und Martin, mit der Mutter Verwilligung weg zu +einem Magister in Wohnung, Kost und Unterricht, also zu fremden Leuten +gethan würden. Und so billigte es auch der Kurfürst[608]. + +Damit mußte auch die Witwe zufrieden sein und „ihr solches gefallen +lassen und sich mit den Vormündern darüber vergleichen.“ So berichtete +wenigstens Brück an den Kurfürsten. Nun ordnete der Kurfürst auf den +Bericht des Kanzlers an, daß die Vormünder den ältesten Sohn vor sich +forderten und an ihm vernähmen, ob er im Studio fortzufahren geneigt und +wenn er jetzo dermaßen geschickt, daß seines Studieren halber Hoffnungen +sei, so solle man es noch ein halb Jahr mit ihm versuchen; sollte er +aber dazu weder geschickt noch geneigt sein, so wolle der Kurfürst ihn +auf seine Kanzlei nehmen. Die zwei jungen Söhne aber sollten „von der +Mutter zu einem tauglichen Magister oder Präceptor gethan werden, bei +denen sie wesentlich sein und ihre um ein gleich (billiges) Geld Kost +haben oder irgendwo mit ihm zu Tisch gehen, bei denen sie auch eine +Scheu und Furcht haben und also in der Lehr und Zucht zum besten +aufgezogen werden und darinnen verharren.“ Mit dieser Entfernung der +Kinder aus dem Hause sollte nun auch zugleich die Haushaltung der Witwe +aufgelöst werden[609]. + +Daß diese Zumutungen bei Katharina einen großen Kampf kosteten, läßt +sich denken. Wenn sie auch wohl zuerst bei dem gemeinsamen Ansturm aller +Freunde und Gönner diesen Plänen nachgegeben hatte, jetzt, als sie zur +wirklichen Ausführung kommen sollten, wehrte sich die Mutter mit aller +Macht dagegen. Vier Wochen dauerte der Kampf und — Katharina blieb +siegreich[610]. + +Die Vormünder Kreuziger, Melanchthon und Reuter nahmen auf des +Kurfürsten Befehl zuerst den ältesten, Johann, vor. Sie stellten ihm +vor, daß S.K.Gn. geneigt wäre, ihn in seine Kanzlei zu nehmen. „Dieweil +er denn in einem solchen Alter wäre, daß er billig bedenken solle, was +er endlich vornehmen wolle: ob er bei dem Studio wollte bleiben oder +nicht, und die Vormünder ihn zur Kanzlei tüchtiger erachteten, so +wollten sie ihm gern dazu raten; zudem daß es an sich ein löblicher und +nützlicher Stand sei, darin er zu Gottes Lob und zu gemeiner Wohlfahrt +dienen und seiner lieben Mutter, Schwester und Brüdern tröstlich sein +könne; er sollte daher dankbar das kurfürstliche Anerbieten annehmen und +diesen Stand nicht ausschlagen.“ + +Darauf folgte eine lange Hin- und Widerrede und eine schriftliche +Antwort von Hans des Inhalts: „Ehrwürdige, liebe Herren! Des Durchl. +Kurf. Befehl meine Person anlangend habe ich in Untertänigkeit und +dankend angehört. Nun versteh ich wohl, daß der Stand in der Kanzlei ein +sehr ehrlicher (ehrenvoller) Dienst ist, ich weiß aber, daß mein lieber +Vater vor dieser Zeit nicht hat willigen wollen, daß ich außer der Schul +ziehen soll. So wollt ich gern länger studieren. Ich will mich auch +durch Gottes Gnade in allem Gehorsam und Unterthänigkeit gegen Gott, S. +Kurf. Gn. und meiner lieben Mutter allezeit halten. Und bitte, S. Kurf. +Gn. wollen mir gnädiglich zulassen, noch ein Jahr in artibus („in den +freien Künsten“) zu studiren, mich in lateinischer Schrift besser zu +üben. Und so ich alsdann zu einer Fakultät tüchtig, wollt ich lieber +procediren (fortfahren) im Studio; so mich aber S.K.Gn. alsdann +gnädiglich gebrauchen wollten, stelle ich dasselbe auch zu S.K.Gn. in +Unterthänigkeit. Johannes Lutherus.“ + +Weiterhin forderten die Vormünder den jetzigen Präzeptor der zwei jungen +Knaben, Ambros Rutfeld, vor und erkundigten sich nach den Knaben. Des +einen, Martin, Schrift sahen sie an und befanden ihn wohl studiert; Paul +war etliche Wochen krank gewesen, erwies sich zur Musik geschickt, der +Grammatik aber nicht so fähig. + +Dann zeigten die Vormünder der Mutter Sr. Kurf. Gn. „gnädiges Gemüt an, +daß sie zum Studio treulich und fleißig angehalten und mit Lehr und +Wohnung bei einem Magister in der Stadt bestellet würden.“ + +Die Mutter gab folgende Antwort: „Sie zweifle nicht, S. Kurf. Gn. meine +dieses gnädiglich, und sie danke unterthänig. Aber sie bitte zu +bedenken, weil der jüngste oft schwach (krank) sei, daß er an andern +Oertern nicht besser sein könne, denn bei der Mutter. Zudem so seien +allhie die Magistri also beladen (übersetzt) in ihren eigenen Wohnungen, +daß die Kinder ohne Fährlichkeit ihrer Gesundheit nicht wohl bei ihnen +zu bestellen seien. Auch möchten sie unter dem fremden ungleichen jungen +Volk eher in böse Gesellschaft geraten, denn bei ihr, dieweil sie doch +aus dem Haus ohne ihre Erlaubnis nicht gehen dürften.“ + +Diese Gründe erkannten die Vormünder an; und weil nun die Söhne nicht +von der Mutter kommen, sondern weiter bei ihr bleiben sollten, so +erheischte auch der Kinder und der Witwe Notdurft nicht mehr, daß die +Haushaltung eingezogen und vergebliche Kosten abgeschnitten wurden. Die +Vormünder brachten darum auch den weiteren kurfürstlichen Auftrag gar +nicht zur Verhandlung, „daß das unnötige Gesinde hinweg gethan wurde und +von dem jährlichen Einkommen die Witwe und Kinder ihre Haushaltung +bequemlich haben, auch darüber nicht in Schulden gedeihen möchten.“ Die +Vormünder erklärten vielmehr dem Kurfürsten, die Knaben seien jetzund +mit einem gelehrten treuen Gesellen bestellet, sie wollten auch selber +ein Aufsehen auf Martini Studio haben, hätten auch bereits das Nötige +angeordnet. Und sie trugen darum auch um so lieber auf den Ankauf des +Gutes Wachsdorf an. Demgemäß entschied nun der Kurfürst mit Ratzebergers +Zustimmung: er wolle es bei dem Entschlusse Hansens bewenden lassen; sei +auch einverstanden, daß er und seine Brüder nun bei der Mutter blieben, +versehe sich aber nun, daß des Doktors sel. Söhne alle drei unter dem +Hauslehrer und der Vormünder Aufsicht zu Zucht, Tugend und Lehre mit +Fleiß angehalten würden, ihnen auch nicht viel versäumliches Spazierens +verstattet werde. „Denn Wir wissen, daß des Doktors Gemüt mit höchster +Begierde dahin gerichtet gewest, daß seine Söhne studieren sollten.“ Von +einer Einschränkung oder Auslösung der Haushaltung war nicht mehr die +Rede. + +So hatte Frau Katharina schließlich doch ihr „Gemüt“ durchgesetzt: das +alte, liebgewordene, durch so viele große Erinnerungen geheiligte +Klosterhaus blieb ihr Besitz und ihr Wohnsitz, die Kinder durfte sie +alle um sich haben und Wachsdorf wurde den Söhnen zu teil als ein +rittermäßiges Mannlehen; und damit hatte sie die Genugthuung, daß ihre +Kinder wieder ein edelmännisches Erbgut besaßen, nachdem der adelige +Besitz ihrer eigenen Familie völlig zerstoben war. + +Die Familie blieb also im Klosterhause beisammen. Hans besuchte die +Kollegien und die beiden Knaben lernten bei ihrem Präzeptor Rutfeld. Das +Töchterlein wurde von der Mutter erzogen. + +In der ersten Trauerzeit hatte die Frau Doktorin unmöglich ihren großen +Haushalt und Kosttisch mit den vielen fremden Tischgenossen weiter +führen können. So waren manche ausgezogen. M. Besold z.B. bat +Melanchthon, ihn aufzunehmen. Frau Katharina kam auch wohl wegen der +ungewissen Zukunft ihrer Lage nicht so bald dazu, den Kosttisch wieder +im alten Umfang anzufangen. + +Der lahme alte Wolf, der Famulus des Doctors, war auch noch da. Die +Vormünder mußten hören, ob er noch länger bei der Frau bleiben, auch ob +sie ihn behalten wollte oder nicht. Wahrscheinlich ist er, der so sehr +mit dem Klosterhause verwachsen war, doch geblieben, obwohl er einmal +auf eine frühere gleiche Anfrage Luthers, ob er bei seiner Frau bleiben +wolle, ausweichend geantwortet hatte, wenn Luther sterbe, möchte er am +liebsten auch selber gleich begraben werden, und Frau Katharina wird ihn +auch behalten haben; abgesehen von den 40 Gulden Pension, die sie, wie +Kanzler Bruck meinte, „mit einbrocken“ konnte, war er doch zu sehr +eingeweiht in alle Verhältnisse des Hauses, und Frau Käthe behielt ihn, +wenn er auch nicht nur lahm, sondern nach Luthers Zeugnis auch +nachlässig, bequem und gedankenlos war und am liebsten am Vogelherd saß. + +Das übrige Gesinde wird wohl beschränkt worden sein, wie der Kanzler und +der Kurfürst verschiedentlich betont hatten. Denn auch die +Gastfreundschaft war in dem Klosterhause nicht mehr in dem alten Umfang +nötig: die Besuche, Feste, Tischgesellschaften der zahlreichen Freunde +und Bekannten, der flüchtigen und Bittsteller, der Gesandtschaften und +Studierenden ließen nach oder hörten ganz auf. Aber freilich neue Mühe +und Arbeit erwuchs der Doktorin in dem neuen Landgut, zumal da jetzt die +Heu- und Fruchternte bevorstand. Doch solche Arbeit war der +thatkräftigen Domina eine Lust und Freude. Neben der Landwirtschaft +betrieb Frau Käthe jetzt ihre „Tischburse“ weiter. Es starb ihr aber +leider gar bald am 30. Mai ein junger Tischgeselle Weidhofer aus +Oesterreich hinweg[611]. + +Die eben Witwe gewordene hatte auch selber zu sorgen für eine andere +Waise, ihren Neffen Florian. Die Mutter desselben hatte sie angegangen, +dem jungen Studenten namentlich mit Büchern nachzuhelfen; sie meinte +wohl — irrigerweise —, das könnte aus der Bibliothek Luthers geschehen +oder durch Bücher von einem abgehenden oder verdorbenen andern +Tischgenossen, wie das ja vorkam. Frau Käthe schreibt da ihrer +Schwägerin: + +„Was Euern Sohn, meinen lieben Ohmen antrifft, will ich gerne thun, so +viel ich kann, wenn es allein sollt an ihm angelegt sein. Wie ich mich +denn gänzlich versehe, er werde dem Studieren mit allem Fleiß folgen und +seine köstliche, edle Jugend nicht unnützlich und vergeblich zubringen. +Wenn er aber in seinem Studieren ein wenig besser zunehmen und nun +andere und mehr Bücher bedarf, sonderlich so er die Rechte studieren +sollte, könnt Ihr, liebe Schwester, selbst gedenken, daß ich ihm solche +Bücher, die er dazu bedarf, nicht werde geben können. Und (er) wird ein +wenig einen größern Nachdruck müssen haben, damit er sich das Ding +alles, was dazu gehört, schicken kann. Wär' derhalben sehr vonnöten, +daß, wie Ihr mir schreibet, Euren Sohn, meinem lieben Ohmen, ein +jährlich Geld zum Stipendio gegeben würde. Also könnte er desto besser +beim Studieren bleiben und seinem Ding leichtlicher nachkommen. — Von +dem allem aber, das ich bei ihm thun kann, will ich Euch bei (durch) +meinem Bruder Hans von Bora, alsbald er hieher zu mir kommen wird, +weiterm Bericht und Bescheid geben.“[612] + +Dies Stipendium erhielt auch Florian mit Hilfe Katharinas[613]. + +Zu Ostern kam also Bruder Hans von Krimmitschau, wo ihm vom Kurfürsten +die Karlhause als Rittergut um mäßigen Kaufpreis überlassen worden war, +zu Besuch bei der verwitweten Schwester. Freilich helfen konnte Hans von +Bora auch nicht eigentlich, am wenigsten mit handgreiflicher +Unterstützung; denn er hatte selbst mit Sorgen der Nahrung und des +Lebens zu kämpfen. + +Dagegen wandten sich die Freunde der Lutherschen Familie, besonders +Bugenhagen, der Reformator des Nordens, wiederholt an den alten Gönner +D. Luthers, den König Christian III. von Dänemark. Nachdem zu Pfingsten +auf Jonas' allgemeines Schreiben noch keine Antwort eingetroffen war, +schrieb der Dr. Pommer am 5. Juni bestimmt und deutlich: „Der Herr +Philippus und ich bitten, E.M. wolle unsern Sold (100 Thlr.) und 50 +Thaler, die noch gehören in diesem Jahr unserm lieben Vater Doctori +Martino (welchen Christus herrlich hat aus diesem Jammerthal zu sich +genommen vor einem Vierteljahr) geben diesem Herrn Christophero, Ritter, +an uns zu bringen. Die fünfzig Thaler wollen wir Doctor Martini Weib und +Kindern verantworten.“[614] + + +Bald darauf kam die königliche Antwort auf D. Jonas' Brief: „Wir wollen +auch Uns des seligen und teuern Mann Gottes nachgelassene Witwe und +Kinder gnädigst befohlen sein lassen.“ Aber der fällige Sold kam nicht, +so daß Bugenhagen im Herbst (am 15. Nov.) nochmals eine deutliche +Mahnung an den König abgehen ließ: „Ich habe Ew. Königl. Majestät +fleißig geschrieben um Pfingsten bei Ehr Christoffer, Ritter aus +Schweden, von unserm Solde, welchen Ehr Christoffer wollt uns hieher +bringen, auch gebeten für D. Martini nachgelassene Witwe daß sie diesmal +noch die fünfzig Thaler möchte kriegen aus Gnaden E.K.M. Aber Ehr +Christoffer ist nicht wieder kommen, hat mir auch gar nicht +geschrieben.“[615] + +So harrte Frau Katharina vergeblich auf diese Beisteuer und sie hätte +sie doch so nötig gehabt. Denn mittlerweile war aufs neue großes Unheil +über Wittenberg und das Klosterhaus hereingebrochen. + + + + +17. Kapitel. + +Krieg und Flucht. + + +Die Witwe konnte sich kaum in ihren neuen Stand einleben, da nahte schon +das Unglück, das Luther vorausgesehen und vorausgesagt: es kam der +Schmalkaldische Krieg und mit ihm Verwüstung, Plünderung, Flucht, Elend +über Frau Katharina. + +Die Ereignisse folgten sich rasch im Frühling und Sommer: die +Protestanten verwerfen das Tridentinische Konzil; der Regensburger +Konvent verläuft ohne Ergebnis; der evangelische Erzbischof Hermann von +Köln kommt in Bann. Herzog Moriz verbündet sich mit dem Kaiser; das +protestantische Oberdeutschland greift zu den Waffen, dann auch +Kursachsen und Hessen; die beiden Fürsten werden geächtet, der Krieg +erklärt und der Papst ordnet Gebete an für Ausrottung der Ketzer. Schon +zehn Tage vorher am dritten Sonntag nach Pfingsten hörte Frau Katharina +in der Kirche zu Wittenberg das evangelische Kriegsgebet und flehte mit +besonderer Inbrunst um Hilfe in dem Gewaltkampf, der gegen ihres seligen +Mannes Werk entbrennen sollte: „Dieweil Du siehst die große Not unserer +Herrschaft, unser aller: Mann, Weib und Kinder, und daß unsre Feinde +fürnehmlich suchen Vertilgung rechter Lehre und Aufrichtung und +Bestätigung ihrer schändlichen Abgötterei: so bitten wir Dich, Du +wollest um Deiner Ehre willen unsre Herrschaft, unsere Kirchen, uns, +unsere Kinder und Häuslein gnädiglich schützen und bewahren, wie Du Dein +Volk Israel im Roten Meer erhalten und geschützet hast, und wollest der +Feinde Macht zerstören und die mörderische fremde Nation ihre Unzucht +und Grausamkeit nicht an unsern Weibern und Kindern üben lassen.“ Und +Melanchthon gab die „Warnung D. Martini Luther an seine lieben +Deutschen“ in Kriegsgefahr aufs neue heraus[616]. + +Sorge und Schrecken verbreitete sich in Wittenberg als der Hauptfestung +Kursachsens und dem geistigen Hauptbollwerk des Protestantismus, und +ganz besonders im Schwarzen Kloster, von dem aus der Sturm gegen das +Papsttum begonnen war. + +Im Sommer kamen unter Hauptmann von Mila viele gute Kriegsknechte in die +Stadt, auch viel Proviant, Büchsen und Pulver. Die einen waren +ordentlich und fromm, andere lebten roh und praßten. Die Bürger zogen +mit den Kriegsknechten auf die Wache, ergriffen Spieße, Hellebarden und +Arkebusen und bezogen die Schanzen, Hans Lufft, der Drucker mit seinen +Gesellen, den großen Berg, wo die „Singerin“, ein großes Geschütz, +aufgestellt war. Eine spätere Nachricht erzählt, daß auch Hans Luther +als Fähnrich in den „kaiserischen Elbkrieg“ gezogen sei[617]. + +Alles war in Aufregung, namentlich als Herzog Moriz von Sachsen, dem +schon Luther Verrat an der evangelischen Sache zugetraut hatte, sich auf +die Seite des Kaisers schlug und in Kursachsen einfiel, von den Welschen +und „Hussern“ des Königs Ferdinand begleitet[618]. + +Die Universität begann sich zu zerstreuen aus Furcht vor Belagerung. Der +Krieg näherte sich. Am 6. November wird Zwickau umzingelt, daher die +Hochschule aufgelöst. Am 9. kommt die Kunde, Zwickau sei an Moriz +übergeben und das feindliche Kriegsvolk ziehe auf Wittenberg heran. +Jetzt flüchtete alles, was konnte, aus der festen Stadt: Greise, Weiber, +Kinder, nach allen Richtungen in zahllosen Wagen, während der fallende +Winterschnee Menschen, Tiere und Gefährte bedeckte. Nur Pfarrer und +Schulmeister blieben zurück von den Beamten[619]. + +Frau Käthe hatte schon vor vierzehn Tagen ihren Wagen einspannen und +außer ihren Kindern das Wertvollste und Notwendigste an Hab und Gut +aufladen lassen. Auch der Neffe Fabian Kaufmann und wohl noch andere +Verwandte und Tischgenossen waren bei dem traurigen Zug; der Famulus +Wolf aber blieb zur Hut des Hauses zurück. Die Flucht ging über Dessau +und Zerbst nach dem festen Magdeburg, wohin sich die meisten Professoren +begaben; nur Melanchthon blieb mit seiner Familie in Zerbst, wo er einen +kleinen Schülerkreis sammelte, kam aber öfters nach Magdeburg herüber. +Fabian wurde später nach Wittenberg zurückgeschickt, wo neben Kreuziger +und Bugenhagen auch Paul Eber verblieben war, der sich des jungen +Menschen annehmen konnte; wahrscheinlich sollte Fabian in der Stadt mit +Wolf Sieberger auf das Schwarze Kloster und den Lutherischen Besitz +achtgeben. + +Bald kam die betrübende Kunde von Wittenberg: „Man hat (am 16. November) +die Vorstädte samt allen Gärten und Lusthäusern weggebrannt, die Aecker +verwüstet und ist den armen Leuten wohl eine Tonne Goldes Schaden +geschehen und ein großer Jammer.“ Dann kam Moriz mit seinen Meißnern und +mit König Ferdinands „Hussern“, und sie streiften bis an die Mauern der +Stadt und schrieen hinein. Herzog Moriz, des „Teufels Ritter und +Soldat“, berannte die Stadt am 18. November. Da hieß es nach dem Liede: + + Zu Wittenberg auf dem hohen Wall + Hört man die Büchsen krachen. + +Der Sturm wurde abgeschlagen, aber die „Hussern“ plünderten und +schändeten in der Umgegend[620]. + +Indessen diesmal ging die Belagerung Wittenbergs rasch vorüber; denn +Moriz wurde um Weihnachten von dem aus Süddeutschland herbeigeeilten +Kurfürsten zurückgetrieben. Jedoch der Krieg in Sachsen dauerte fort und +an eine Heimkehr nach Wittenberg war nicht zu denken; nur Melanchthon +war einmal Mitte Januar 1547 dort[621]. + +Der Aufenthalt in Magdeburg war nichts weniger als behaglich, Unterkunft +war gar schwer zu finden; dem Stadtrat war die Masse der Schüler +unbequem. Die Nachbarschaft, besonders die Halloren, waren gegen sie +aufgebracht und bedrohten sie. Daher suchten die Professoren andere +Stellungen, namentlich Major mit seiner zahlreichen Familie[622]. + +In dieser Zeit der Not kam eine Hülfe, die fast nicht mehr erwartet war. +Die 50 Thaler, um welche Bugenhagen den dänischen König für Luthers +Witwe schon zu Pfingsten und dann nochmals nach der Flucht der Witwe +geschrieben hatte, waren bis jetzt nicht gekommen. Nun aber am 10. +Januar 1547 wurden die gewährten 150 „Joachimer“ durch Vermittelung des +Hamburgers Müller an Professor Veit Winsheimer, welcher bei dem ehrbaren +Herrn Emeran Tucher zu Magdeburg wohnte, geschickt, und Frau Katharina +empfing erfreut ihren Anteil[623]. Und nicht lange darauf kam wieder ein +Bote mit 50 Thalern und einem gnädigen Schreiben an „Doktor Luthers +Witwe“: + +„Unsern gnädigsten Gruß zuvor. + +Ehrbare und viel Tugendsame, Liebe, Besondre! + +Nachdem Wir berichtet, daß Ihr in jetzigen gefährlichen Zeiten neben +anderen aus Wittenberg nach Magdeburg gewichen, haben Wir nicht +unterlassen wollen an Euch zu schreiben, Euch Unsern gnädigsten Willen +und Neigung zu vermelden. Und als Ihr dermaßen Eure Haushaltung und Euch +an fremden Orten unterhalten müßt, worüber wir ein besonders Mitleid +haben, schicken Wir Euch bei gegenwärtigem Boten, dem alten Schlesier, +zu Eurer Haushaltung fünfzig Thaler; die wollet zu Gefallen annehmen und +Unsere gnädigste Neigung daraus vermerken. Wir wollen auch jederzeit +Euer gnädiger Herr sein und Uns gegen Euch zu erzeigen wissen. Wollten +Euch solches gnädigst nicht vorenthalten und sind Euch mit Gnaden und +allem Guten geneigt.“[624] + +Frau Katharina schrieb dafür ihren Dankesbrief: + +„Gnad und Friede von Gott dem Vater durch seinen eingeborenen Sohn +Christum Jesum. + +Durchlauchtigster, großmächtigster König, gnädigster Herr! + +E.K.M. sei mein andächtig Gebet gegen Gott dem Herrn vor (für) E.K.M. +und aller der Ihren Wohlfahrt und glückselig Regiment allzeit mit hohem +Fleiß zuvoran bereitet. Gnädigster Herr! Nachdem ich in diesem Jahre +viel große und schwere Bekümmernis und Herzeleids gehabt, als da +erstlich mein und meiner Kinder Elend mit Absterben (jedoch seliger und +fröhlicher Heimfahrt zu unserm Heiland Christo Jesu) meines lieben +Herrn, welches Jahrzeit jetzt den 18. Februarii sich nahet, angangen; +darnach auch diese fährliche Kriege und die Verwüstung dieser Länder +unsers lieben Vaterlandes gefolget und noch kein Ende dieses Jammers und +Elends zu sehen: ist mir in solchem Bekümmernis ein großer und hoher +Trost gewesen, daß E.K.M. beides, mit gnädigster Schrift und +Uebersendung der funfzig Thaler zu bequemer Unterhaltung meiner und +meiner Kinder, auch ferner E.K.M. gnädigster Erbietung, Ihre gnädigste +Neigung gegen mir armen verlassenen Witfrau und meiner armen Waisen +vermeldet; welches auch vieler andern zuvor gnädigst erzeigten Wohltaten +halber gegen E.K.M. ich mich unterthänigst bedanke; verhoffend, Gott der +Herr, welcher sich einen Vater der Witwen und Waisen nennet, wie ich +denn täglich zu ihm bitte, werde solches E.K.M. reichlich belohnen; in +welches gnädigen Schutz und Schirm E.K.M. und Ihr Gemahl, meine +gnädigste Frau Königin, und die ganze junge Herrschaft samt Ihren Landen +und Leuten hiemit und allezeit fleißig thue befehlen. + +Geben zu Magdeburg, den 9. Februarii A.D. XLVII. + + E.K.M. + + gehorsame + Katharina Lutherin, + seliger Gedächtnis Doctoris + Martini Luthers + verlassne Witfrau.“[625] + +Die so Beglückte dachte aber auch an andere Hilfsbedürftige, an den +Amtsgenossen ihres Gatten, D.G. Major, der mit seiner großen +Kinderschaar in dieser schlimmen Zeit sich vergeblich nach einer +Stellung umsah. Frau Katharina legte in diese Danksagung als Beilage +noch eine Fürbitte ein: + +„Gnädigster Herr! Nachdem ich erfahren, was vor gnädigste und +christliche Neigung E.K.M. gegen den (die) Theologen der Universität zu +Wittenberg tragen und mein lieber Herr seliger Gedächtnis Doctor Georgen +Major stets nun über zwanzig Jahre als seinen Sohn gehalten und lieb +gehabt, welcher zu dieser Zeit allhie bei mir im Elend samt zehen +lebendigen Kindern: will E.K.M. gedachten Doctor ich mich unterthänigst +befohlen haben bittend, E.K.M. wollen ob solchem kein ungnädigst +Gefallen haben. Denn Theologi je mit Weib und Kindern sonderlichen zu +diesen jämmerlichen Zeiten, betteln müssen, wie ich schier selbst +erfahren, da sie nicht von Fürsten und Herren ihre Errettung und +Unterhaltung haben werden.“ + +Zu Ostern erhielt nun auch D. Major „auf der tugendsamen Frauen +Katharina, des seligen und löblichen Gedächtnis Doctoris Martini Luthers +verlassenen Witfrauen Vorschrift und Vorbitte 50 Thaler bei dem +Schlesiger gnädiglich überschickt“[626]. + +Da es mit der Einnahme Wittenbergs durch Moriz nichts geworden, so war +mittlerweile die tapfere Frau Katharina wieder nach Wittenberg +zurückgekehrt, aber ihres Bleibens war nicht lange dort. Denn der Kaiser +Karl und sein Bruder Ferdinand kamen aus Süddeutschland und Böhmen mit +ihren Spaniern und Italienern, Böhmen und Ungarn ihrem Verbündeten Moriz +zu Hilfe und es stand eine neue Belagerung Wittenbergs bevor, die +diesmal ernstlich und gefährlich werden sollte. Und jetzt mußte Frau +Katharina erst recht flüchten, denn überall hin verbreitete sich die +Kunde von den unerhörten Greuelthaten und Grausamkeiten der fremden +Völker, sogar gegen unschuldige Kinder: „sie raubten, mordeten, +plünderten, schändeten Frauen und Jungfrauen und warfen Kinder auf der +Gasse über die Zäune“. Namentlich aber wüteten Spanier und Italiener +gegen die evangelischen Geistlichen und ihre Familien. Dem Pfarrer in +Altenburg entführten sie zwei Töchter, den von Kemberg bei Wittenberg +ermordeten sie[627]. Da hieß es: „Die ungarischen Räuber, gemeiniglich +Hussirer genannt, sind ein räuberisch und unbarmherzig Volk; bei Eger +hieben sie den Kindern die Hände und Füße ab und steckten sie als +Federbüsche auf die Hüte“. So erzählte man, und Melanchthon schrieb: +„Ihr Führer Lodran (Lateranus) sagte, er werde nach Eroberung unserer +Stadt Luthers Leib ausgraben und den Hunden vorwerfen lassen; und redete +namentlich davon, mich in Stücke zu hauen.“ Oder gar: „Man werde Luthers +Gebeine ausgraben und verbrennen, die Stätte, wo er geruht, zerstören +und die Stadt schleifen, Melanchthon erwürgen und D. Pommer zerhacken, +daß man sich mit den Stücken werfen möchte.“ Deshalb setzte Melanchthon, +welcher zu Anfang 1547 wieder in Wittenberg weilte, für die dortigen +Pfarrfrauen eine Bittschrift an den Kaiser auf[628]. + +Frau Katharina hielt in Wittenberg aus, so lange als möglich. Da aber +kam am Ostertag morgens in aller Frühe die schreckliche Kunde, daß am +Karsamstag 24. April der Kurfürst Johann Friedrich von der kaiserlichen +Uebermacht auf der Lochauer Heide geschlagen und gefangen worden sei und +das feindliche Heer sich gegen Wittenberg heranwälze. Hals über Kopf +mußte nun Luthers Witwe aufs neue ins Elend“ ziehen[629]. + +So kam sie plötzlich wieder nach Magdeburg und bat die Freunde, +besonders Melanchthon als Vormund ihrer Kinder unter Thränen, ihnen ein +Nest zu suchen. Am liebsten wäre sie nach Dänemark gegangen, zu dem +einzigen Fürsten, der sich ihrer anzunehmen versprochen hatte, nachdem +von dem unglücklichen Kurfürsten nichts mehr zu erwarten stand. Sie bat +zunächst, sie nach Braunschweig führen zu lassen. Die Theologen +schienen, als sie die Trümmer des geschlagenen kursächsischen Heeres +durch Magdeburg ziehen sahen, sich auch nicht mehr in Magdeburg sicher +zu fühlen, und Melanchthon und Major mit ihren Familien zogen samt der +Lutherischen über Helmstädt nach Braunschweig. In Helmstädt wurden sie +vom Stadtrat freigebig bewirtet. In Braunschweig brachte Melanchthon die +beiden anderen Familien bei dem evangelischen Abt unter, während er für +sich selbst recht lange sich nach einer kleinen Wohnung umthun mußte. Er +wurde als begehrter Professor von den verschiedensten Fürsten +eingeladen; aber um Luthers Witwe kümmerte sich niemand: sie konnte in +dieser Zeit der katholischen Reaktion höchstens eine Verlegenheit sein. +Deshalb drängte sie darauf, nach Dänemark zu kommen. Aber als die +Flüchtlinge kaum einige Meilen von Braunschweig nördlich nach Gifhorn +gekommen waren, zeigten sich alle Wege im Herzogtum Lüneburg voll +Soldaten und Herzog Franz machte Schwierigkeiten; so kehrte man wieder +nach Braunschweig zurück. Dort blieb nun Katharina mit ihren Kindern, +während Melanchthon zu Himmelfahrt nach Nordhausen zog, wohin ihn sein +Freund, der Bürgermeister Meienburg, eingeladen halte; und Major folgte, +willens sich nach seiner Vaterstadt Nürnberg zu begeben[630]. + +Am 23. Mai, Montag vor Pfingsten, wurde Wittenberg vom kaiserlichen Heer +besetzt; am Mittwoch ritt der Kaiser und der König Ferdinand in die +Stadt ein vor die Schloßkirche und ließ sich vom Studiosus Johann Burges +aus Quedlinburg „die Begräbnis“ Luthers zeigen, die zu entweihen er aber +nicht zuließ, so feind die Spanier sonst D. Luthern waren[631]. Am 6. +Juni mußte Wittenberg dem neuen Kurfürsten Moriz huldigen, der den +Kurhut und das Kurland als Preis für seinen Verrat an der evangelischen +Sache erhalten hatte. Zwei Tage darauf lud der Rektor die Universität +zur Rückkehr nach Wittenberg ein. Auch Käthe wurde Ende Juni von D. +Pommer und Bürgermeister Reuter zur Rückkehr aufgefordert: es sei alles +sicher und Haus und Hof unverheert. So kehrte sie, wenn auch erst Ende +Juli, aus Braunschweig heim ins liebe Wittenberg[632]. + + + + +18. Kapitel. + +Der Witwenstand. + + +Es war eine traurige Heimkehr, als Frau Katharina mit ihren Kindern und +dem Rest der geretteten Habe auf ihrem Fuhrwerk durch das Coswiger Thor, +die Schloßstraße und die Kollegiengasse herauf fuhr und vor dem +Klosterhause hielt. Leichter waren Koffer und Kasten geworden — es waren +vergoldete und silberne Kredenzbecher im Werte von 600 fl. versetzt +worden — und das Herz voll schwerer Sorge. Und doch war's ein Gefühl der +Ruhe und Sicherheit, wieder daheim zu sein nach der langen Flucht +draußen im „Elend“. Und tapfer griff Frau Käthe es an, das Leben neu zu +gestalten. + +Das Haus war noch im alten Stande und vom Hausrat nichts versehrt. Die +Stadt hatte zwar eine Belagerung und einen Sturm durch Moriz +ausgehalten, aber friedlich war sie nach der Mühlberger Schlacht an den +neuen Regenten übergeben worden und keine Spanier hatten darin hausen +dürfen; nur deutsche Völker waren zugelassen. Das Klosterhaus war +während der Flucht in der Hut des alten treuen Wolf gestanden. Der aber +war nicht mehr, als die Doctorin mit den Kindern heimkehrte: einige +Wochen zuvor, am 14. Juni, war er dahin gegangen, als man seiner nicht +mehr zu bedürfen schien[633]. + +Wenn aber auch Haus und Hof unangetastet dastand, um so schlimmer stand +es mit den Gütern draußen. Die Vorstädte waren bei Beginn der ersten +Belagerung niedergebrannt worden und so waren auch die Gebäulichkeiten +in den Gärten ein Opfer der Flammen geworden. Dann hatten die „Hussern“ +die Nachbarschaft von Wittenberg geplündert. Auch sonst, bei Grimma, +unweit Nimbschen und Zulsdorf, hatte (schon 1546) der Nachtrab übel +gehaust: Hühner, Gänse und Schafe geraubt, auch ungedroschenes Getreide +zur Streu für die Pferde verwendet. Noch schlimmer hatten im folgenden +Jahr die Spanier mit Morden und Brennen, Plündern und Verjagen +geschaltet; wo nichts zu plündern war, verbrannten sie draußen im Lande +alles Gewächs bis auf die Stoppeln[634]. + +So hatte Luthers Witwe großen Schaden erlitten im Krieg. Wenn Jonas den +seinigen bei den zwei Fluchten auf 400 fl. schätzt, so muß derjenige +Katharinas bei ihrem ausgedehnten Grundbesitz weit mehr betragen haben. +Ihre Gärten und Güter: das Baumstück mit seinen Gebäulichkeiten, das Gut +Wachsdorf und das Vorwerk Zulsdorf waren verwüstet, so daß sie auf Jahre +hinaus sie „schwer zu versorgen“ wußte, wie Bugenhagen in Briefen an den +dänischen König klagt[635]. + +Und wenn man die vielgeplagte Witwe nur in Frieden gelassen hätte, daß +sie ruhig sich ihrer verwüsteten Güter hätte annehmen können. Aber da +wurde sie noch von bösen Nachbarn geplagt und von harten Beamten. Ein +zänkischer Mensch fing Streit mit ihr an wegen eines Servituts +(vielleicht der Nachbar von Zulsdorf auf Kieritzsch). Melanchthon war zu +einem Vergleich bereit, aber der Mann forderte eine maßlose Summe und +auch Bruder Hans riet vom Vergleich ab. So kam es zum Prozeß, wobei Dr. +Stromberg in Leipzig und auch Camerarius, die Freunde Melanchthons, sich +der armen Frau annahmen (1548). Dieser Prozeß dauerte aber jahrelang und +noch 1550 mußte Frau Katharina mit Melanchthon vor dem Stadthauptmann in +Leipzig zur Tagfahrt erscheinen[636]. + +Da galt es nicht verzagen, sondern mit neuem Mut das Werk angreifen, um +sich und ihre Kinder in Ehren durchzubringen. Der Kosttisch wurde wieder +eingerichtet, wenn es auch schwer hielt, in diesen wirren Zeiten, wo die +Universität zersprengt war und nur mit Mühe sich wieder sammelte, zumal +das neue Kursachsen jetzt zwei Hochschulen hatte: Leipzig und +Wittenberg, und die Söhne des gefangenen Kurfürsten sich bestrebten, in +Jena eine eigene zu errichten und dahin die echten Lutheraner unter den +Professoren und Studenten von Wittenberg zu ziehen; erst im August wurde +das Wittenberger Kollegienhaus vom Schmutz der Einquartierung gereinigt +und neu getüncht[637]. Ferner konnte von großem Verdienst keine Rede +sein, wenn bei dem Rektor Crodel in Torgau zwei Schüler in der Woche für +Wohnung und Kost, dazu mittags und abends zwei Kannen Bier, nur 14 +Groschen zahlten, und Matthesius in Wittenberg, ehe er zu Frau Luther +kam, bei Wolf Jan von Rochlitz „einen sehr guten trocknen Tisch um 5 +Silbergroschen“ hatte „neben alten gelehrten, ehrlichen (ehrbaren), +guten Tafelbrüdern“. Als solcher Tischgenosse wird genannt: Johann +Stromer, der fünf Jahre bei der Witwe wohnte und aß. Vielleicht war +damals unter den Tischgenossen Käthes auch der Preuße Georg von Kunheim, +der am 15. August 1550 in Wittenberg Student wurde und so mit der +Lutherischen Familie bekannt und später verwandt wurde[638]. + +Außer den Stuben wurden auch noch die Säle zu Vorlesungen an Docenten +vermietet, und so las im Sommer 1551 in Luthers Aula, wo der große +Doktor sonst über biblische Bücher vorgetragen hatte, Bartholomäus Lasan +über Herodot[639]. + +Trotz alledem mußte Frau Katharina außer der Verpfändung der Becher noch +auf ihr Gütlein Zulsdorf ein Anlehen von 400 fl. aufnehmen bei Dr. Franz +Kram und außerdem mußte sie sich entschließen, selbst an den König von +Dänemark zu schreiben, als den „einzigen König auf Erden, zu dem wir +armen Christen Zuflucht haben mögen und von dem allein erwartet werden +konnte, daß den armen christlichen Prädikanten und ihren armen Witwen +und Waisen Wohlthaten erzeiget würden.“ Zu diesem Brief war sie +gezwungen, nachdem die Schreiben der Freunde Bugenhagen und Melanchthon +ohne Erfolg gewesen. So bittet nun am 6. Oktober 1550 „D.M. Luthers +nachgelassene Witfrau, nachdem sie und ihre Kinder jetzund weniger Hilfe +haben und die Unruhe dieser Zeit viele Beschwerungen bringet“, S.K.M. +wolle ihr solche Hilfe gnädiglich auch hinfüro verordnen. Sie will +treulich und ernstlich bitten, Gott möge Sr.K.M. Wohlthaten, die er den +armen evangelischen Pfarrherren und ihren Familien erzeigt, vergelten +und dafür besondere Gaben und Segen verleihen. „Der allmächtige Gott +wolle E.K.M. und E.K.M. Königin und junge Herrschaft gnädiglich +bewahren.“ + +Auch dies eigene Schreiben der Witwe war, scheint es, ohne Erfolg, +trotzdem sie den König an ihres „lieben Herrn große Last und Arbeit“ +mahnen konnte, die S.K. Maj. ohne Zweifel nicht vergessen habe[640]. + +Die Zeitläufe waren sehr traurig. Kreuziger starb 1548, und seine Frau +wollte fast vergehen; auch Veit Dietrich in Nürnberg schied bald darauf. +Andere Freunde waren verzogen oder auch gestorben. Dazu kam die Not der +Kirche, welche der Witwe Luthers nahe genug ging: „das Interim“ mit dem +„Schalk hinter ihm“ erregte die Evangelischen aufs ärgste. Der neue +Landesherr Moriz, bei dessen Anblick sogar die Spanier und Italiener +„Schelm! Schelm!“ riefen und den die Protestanten als „Judas“ +bezeichneten, hatte kein warmes Herz, weder für die protestantische +Sache, noch für die hauptsächlichsten Vertreter derselben, die +Universität zu Wittenberg und deren Angehörige. Da gab es trübe Tage in +der alten Elbstadt[641]. + +Die vier Kinder Katharinas waren bei ihr; und wohl auch einige junge +Verwandte. Den Neffen Luthers, Fabian Kaufmann, jetzt mit dem +lateinischen Gelehrtennamen Mercator, empfahl Jonas 1548 zu einer +Hofstelle an die Fürsten von Anhalt[642]. + +Johannes studierte in Wittenberg weiter als Rechtsbeflissener. +Möglicherweise hat er, ehe nach den Unruhen des Krieges die Muße und +Gelegenheit zum Studium wieder eintrat, „auf den väterlichen Gütern ein +ländliches Leben geführt“, d.h. der Mutter bei der Landwirtschaft +beigestanden, wie einmal berichtet wird[643]. Nach Ostern 1549 kam nun +Melanchthons Schwiegersohn Sabinus, Rektor der Königsberger Hochschule, +nach Wittenberg. Dieser erzählte viel von des Preußenherzogs Wohlwollen +gegen Luthers Familie. Da riet Melanchthon, den jungen Mann nach +Königsberg zu schicken, damit er dort durch die Gunst des Königs seine +Studien vollende. So schrieb nun Frau Käthe an Herzog Albrecht einen +Brief. + +„Gnade und Frieden in Christo samt meinem armen Gebet zu Gott für +E.F.Gn. zuvoran. + +Durchlauchtigster und hochgeborner Fürst und Herr! + +Da sich E.F.Gn. gegen meinen lieben Herrn gottseligen, Doctorem Martinum +mit sonderlichen Gnaden allezeit erzeigt, so hab ich in keinen Zweifel +gestellt, E.F.Gn. würden auch mir aus sonderlichen Gnaden, so unser +lieber Gott E.F.Gn. zu seinem göttlichen Wort, das zu lieben, zu +schützen und zu handhaben verliehen, auch um meines lieben Herrn seliger +willen als eines wahren Propheten dieser letzten gefährlichen und +unruhigen Zeiten mich und meine lieben Kinder als nachgelassene Witwe +und Waisen in gnädigen Schutz nehmen und Ihnen befohlen sein lassen. + +Als ohne Not, E.F.Gn. zu erinnern, in wie schwere Not meiner Haushaltung +ich nach jetzt ergangener Kriegsführung gediehen, auch wie kümmerlich +ich bisher von meinen armen verwüsteten und verheerten Gütern mich samt +meinen Kindern ernähren und erhalten müssen — hab ich aus Rat des Herrn +Philippi und Anzeigen des Herrn Dr. Sabini, wie geneigt E.F.Gn. meinen +Kindern sei, meinen ältesten Sohn Hans an E.F.Gn. abgefertigt, und +nachdem dann E.F.Gn. ihn noch eine Zeitlang bei den Studien zu erhalten +sich gnädigst erboten, will gegen E.F.Gn. ich mich derselbigen gnädigen +Förderung und Mitsorge für meine nachgelassenen armen Kinder aufs +demütigste bedankt haben. + +Dieweil aber dies meines Sohnes erstes Abreise ist, und ich auch +derhalben ihn zumeist abgefertigt, (damit er) neben seinen Studien gegen +die Leute lerne wissen sich zu (ver)halten, so ist an E.F.Gn. dies meine +demütige Bitte, dieselben wollten diesen meinen Sohn um meines lieben +Herrn gottseliger willen in Gnade und Schutz aufnehmen und da er sich +sonst in der erste in allem gegen E.F.Gn. nicht zu erzeigen wüßte, +solches noch seiner Unwissenheit und ersten Ausfahrt gnädiglich zu gute +halten und Geduld mit ihm tragen. Als zweifel ich nicht, er wird sich +gegen E.F.Gn. zu unterthänigem und seinen Präceptoribus zu schuldigem +Gehorsam wohl zu verhalten wissen, seinen Studiis und demjenigen, so ihm +oblieget, fleißig nachgehen und gegen E.F.Gn. ehrbar und denkbarlich in +aller Untertänigkeit sich zu erzeigen wissen. + +Dies dann E.F.Gn. gnädige Beförderung unser lieber Gott auch reichlich +wiederum belohnen wird und bin für E.F.Gn. gegen Gott um langwährende +Regierung und Wohlfahrt fürzubitten allezeit demütiglich beflissen. + +Datum Wittenberg, den 29. Mai anno 49. + +E.F.G. + + demütige und unterthenige + Catharina, D. Martin Luthers + seligers nachgelassene Witwe.“ + +Melanchthon schrieb einen Empfehlungsbrief an den Herzog für den jungen +Mann, worin er ihn lobt als „tugendhaft im Wesen, unbescholten, +bescheiden, aufrichtig, rein, von guter Anlage und Beredsamkeit; sein +Körper sei gewandt und leistungsfähig und wenn er sich am Hofe übe, so +könne sein Eifer dem Staat zu großem Nutzen gedeihen.“ Auch Jonas +empfahl in einem Schreiben dem Herzog seinen „lieben Freund, den Sohn +des göttlichen Propheten, empfehlenswert schon durch seinen Vater“ und +entbot „Sr. Hoheit das Gebet der hochverehrten Frau und Witwe des hochw. +D. Luther“. Zu mehreren Empfehlung legte Jonas eine Erzählung von dem +Krieg bei und ein handschriftliches Schreiben Luthers, „des Propheten +Deutschlands“, worin er diesen Krieg prophezeit habe[644]. + +So reiste denn Johannes Ende Mai mit Dr. Sabinus ab, der auch sein von +Melanchthon erzogenes Töchterlein zu des Großvaters tiefem Schmerz +mitnahm. Auch Jonas' Sohn, Dr. Christoph und Johann Camerar, der Sohn +von Melanchthons Busenfreund, sind wahrscheinlich mit Hans Luther nach +Königsberg gezogen[645]. + +Es kam nun auch ein Brief von Hans an Melanchthon, worin er einen Teil +der Reise beschrieb. Den andern Teil scheint er schuldig geblieben zu +sein. Auch muß ihm Melanchthon schreiben, Mutter, Schwester und Brüder +warteten mit Sehnsucht auf einen Brief, worin er von all seinen Sachen +berichten möchte; zur Leipziger Weihnachtsmesse gebe es schon genug +Gelegenheit zur Briefbeförderung[646]. + +Lange hörte man nichts mehr von Hans Luther. Daheim aber dauerten die +bösen Zeiten fort; denn die Unruhen und Aufregungen wegen des Interims, +das der Kaiser den Lutheranern aufgezwungen hatte, ließen nicht nach; +die Erbitterungen zwischen dem ehemaligen und jetzigen kurfürstlichen +Hause waren eher im Wachsen, zumal der gefangene Kurfürst noch immer +nicht freigegeben, sondern vom Kaiser in unwürdiger Weise +umhergeschleppt wurde. Die Belagerung Magdeburgs, das wegen Nichtannahme +des Interims geächtet und durch Moriz angegriffen war, brachte allerlei +landschädigende Truppenbewegungen, und die Universität konnte also nicht +so leicht zur Muße und Blüte kommen. Auch die Anfechtungen durch „die +bösen Nachbarn“ dauerten bei Katharina fort. Die Einkünfte in diesen +unruhigen Zeiten wollten nur schwer reichen für den Haushalt und die +Erziehung der Kinder; Frau Katharina „litt an Armut“, so daß die 15 +Rosenobel (50 Thaler) Gnadengehalt von dem dänischen König Christian +III., um welche die Freunde regelmäßig einkamen und Katharina selbst +schrieb, für „die arme Frau, unseres lieben Vaters Doctoris Martini +Witwe mit ihren Kindern“ eine gar erwünschte „gnädige Hilfe“ waren. Die +„Begnadigungen“, welche sonst die Lutherische Familie von ihren +Landesherren gewohnt war, blieben aus, da der alte Kurfürst gefangen saß +und der neue bei seinen großen Plänen und steten Kriegen nichts übrig +hatte für sie. Daher konnte Frau Katharina klagen, „daß wenig Leut sind, +die für die großen Wohlthaten meines lieben Herrn seinen armen Waisen +Hilfe zu thun gedächten“[647]. + +Die vielerlei Schicksalsschläge trafen die arme Witwe so schwer, daß +sie, die stets gesunde, jetzt kränklich wurde und über „Schwachheit“ zu +klagen hatte. + +In dieser schweren Zeit, „da es ihr Vermögen nicht war, ihren und ihres +lieben Herrn Kindern nach Notdurft zu helfen“, war es für Frau Katharina +ein Trost, daß der preußische Herzog „nun selber Vater sein“ solle. In +dieser Zuversicht wandte sie sich zu Georgi (23. April) 1551 an S.F.Gn. +unter Verdankung für die gnädige Aufnahme und Unterhaltung ihres Sohnes +mit der Bitte, ihm ferner zur Vollendung seines angefangenen Studii in +Frankreich oder Italien Unterhaltung zu verordnen, damit er dem Herzog +nützlicher dienen könne. Zuvor aber möge der Herzog ihren Sohn eine +kurze Zeit zu ihr kommen lassen, damit sie in ihrer Schwachheit etliche +nützliche Sachen mit ihm reden könne, daran ihm und seinen Brüdern und +seiner Schwester merklich gelegen; dann möge er wieder nach Königsberg +oder nach Italien und Frankreich gehen, wie S.F.Gn. bestimmen würde. +Wahrscheinlich hatte Hans der Mutter diesen Plan an die Hand gegeben. + +Welchen Schmerz aber mußte die Mutter über ihren Lieblingssohn erleben, +als darauf vom Herzog Albrecht folgende Antwort eintraf: + +„Wir befinden, daß Unser gnädiger Wille bei ihm nicht dermaßen, wie Wir +wohl gehofft, angewendet. Denn wie Wir berichtet (sind), soll er seiner +Studien zur Gebühr nit abwarten. So wissen Wir auch gewiß, daß er sich +etlicher guter Händel, deren er wohl müßig gehen konnte, teilhaftig +macht. Derwegen zu bedenken, daß Uns wahrlich etwas beschwerlich (fällt, +daß) Unsere gnädige Gewogenheit so wenig bei ihm bedacht wird.“ Daher +schlage es der Herzog ab, Hans reisen zu lassen; wolle er aber in +Königsberg vor gut annehmen, so sei der Herzog geneigt, um seines Vaters +willen ihn mit Unterhalt zu versorgen[648]. + +Das war ein Schlag für Katharinas Mutterherz! Also weder fleißig noch +ordentlich war ihr Liebling und beides wäre er doch nicht nur dem +Herzog, sondern auch seinem Vater und seiner Mutter schuldig gewesen. +Und wenn sie sich auch sagen mochte, der Herzog sei strenge gegen seine +Schützlinge: wie einst gegen ihren Bruder Clemens, so jetzt gegen ihren +Sohn Hans und wenn sie auch wohl mit ebenso viel Recht geltend machen +konnte, der junge, sonst gut geartete und willige Mensch sei durch böse +Gesellschaften verführt worden, so blieb doch die Thatsache stehen, daß +sie dem Sohn zu viel und zu Gutes zugetraut, und daß die Vormünder doch +recht gehabt mit der Behauptung, Hans habe nicht das Zeug zum Studium — +war er doch auch jetzt schon 25 Jahre alt! Daran konnte auch das gute +Zeugnis nichts abbrechen, das die Universität Königsberg dem Sohne +Luthers wohl allzu günstig ausstellte[649]. + +Und als nun Hans vollends das Stipendium und Studium in Königsberg +aufgab und auf weitem Weg langsam heimkehrte, so war der Beweis +geliefert, daß er zu nichts Besserem tauge als auf die herzogliche +Kanzlei. Dahin kam er denn auch in Weimar. + +Um so besser gediehen die Söhne Martin und Paul, von denen der eine +Theologie, der andere Medizin studierte; Margarete wuchs zur blühenden +Jungfrau heran. + +Der Schmalkaldische Krieg war wohl sonst zu Ende, nur nicht in Sachsen; +es entstand allerlei Unruhe und Kriegsgerücht, neue Sorge und Angst. +Sachsen wimmelte von Soldaten, Wittenberg hatte starke Einquartierung. +Und obwohl es Freundesvölker waren, so geschahen doch von der rohen +Soldateska allerlei Gewaltthaten. In der festen Stadt waren die Bürger +vor ihren eigenen Quartiergästen nicht sicher, vor die Mauern +hinauszugehen wagte niemand, denn draußen in den Städtlein gab es Mord +und Totschlag; übermütig forderten die Kriegsknechte das +Unmögliche[650]. + +Und wie sah es nun wieder draußen auf den Höfen und in den Gärten aus, +wo eben mit Mühe die Schäden des Schmalkaldischen Krieges wieder +hergestellt waren! Da waren Verwüstungen und Kontribution auf ihren +Höfen vorgekommen. „Es ist am Tage“, klagt Bugenhagen, „daß sie in ihren +Gütern dies Jahr (1551) großen Schaden gelitten.“ „Derwegen mußte sie zu +Recht gehen vor des Kurfürsten Gericht wider Jan Löser.“ Jan Löser — des +alten Hans Löser († 1541), ihres Gevatters Sohn und Luthers Paten — +mußte Frau Katharina verklagen. Das war fürwahr ein bittrer Gang[651]. + +Und ob sie ihr Recht bekommen? + +Der Kurfürst Moriz rüstete sich eben zum Schlage gegen den alten Kaiser. +Da hatte er wohl keine Zeit und Lust, eine klagende Witwe anzuhören. + +So mußte Frau Katharina nochmals den sauren Schritt thun und sich an den +dänischen König wenden, an den sie am 8. Januar 1552 u.a. schreibt: + +„E.K.M. wissen sich gnädiglich zu entsinnen, wie daß E.K.M. meinem +lieben Herrn seligen samt dem Herrn Philippo und D. Pomerano jährlich +ein Gnadengeld geschenkt, welches sie zu Unterhalt ihrer Haushaltung und +Kinderlein haben sollten, welches denn bishero gemeldeten Herrn von +E.K.M. überreichet (worden). Dieweil aber mein seliger lieber Herr +E.K.M. allzeit geliebet und für den christlichsten König gehalten, auch +E.K.M. sich in solchen Gnaden gegen seligen meinen Herrn verhalten: so +werde ich _durch dringende Not bewogen, E.K.M. in meinem Elend_ +unterthäniglich zu ersuchen, des Verhoffens, E.K.M. werden mir armen und +itzt von jedermann verlassenen Witwen solch mein unwürdig Schreiben +gnädiglich zu gut halten und mir aus Gnaden solch Geld folgen lassen. +Denn E.K.M. sonder Zweifel bewußt, wie es nu nach dem Abgang meines sel. +Mannes gestanden, _wie man die Elenden gedrückt_, Witwen und Waisen +gemacht, also daß (es) zu erbarmen; ja (auch) _mir mehr durch Freunde +als durch Feinde Schaden zugefügt_; welches alles E.K.M. zu erzählen zu +lang wäre. Aus diesen und anderen Ursachen werde ich _gedränget_, E.K.M. +unterthänig zu ersuchen, nachdem sich ein jeder so fremd gegen mir +stellt und sich meiner niemand erbarmen will.“ + +Bugenhagen unterstützte in einer Beilage diese Bitte der Witwe „Patris +Lutheri“, welche „fast (sehr) klaget“. Und mit Erfolg: am 22. März kam +das Geld in seine Hand und er schreibt, daß S.M. „sehr wohl gethan“, die +Witwe zu trösten[646]. + +Im Februar 1552, als die Kriegsknechte am rohesten hausten, wurden die +Gemüter in Wittenberg noch erschreckt mitten im Winter durch heftige +Gewitter mit Blitz und Donnerschlägen. Aber bald darauf zogen die +Kriegsvölker ab. + +Es kam nun Kunde, daß Moriz mit seinen Sachsen, den Brandenburgern und +Hessen den Kaiser in die Flucht gejagt und beinahe gefangen hätte (Mai +1552). Die gefangenen Fürsten (Kurfürst Johann Friedrich und Landgraf +Philipp von Hessen) wurden freigegeben, und freigegeben auch die +Religion im „Passauer Vertrag“ (August 1552). + +Mittlerweile war es Frühling geworden und Sommer. Frau Käthe konnte säen +und ernten und sich des Friedens freuen, der endlich nach sechs Jahren +Krieg, Flucht, Verwüstung eingetreten war, auch des Friedens in Sachen +des evangelischen Glaubens, um deswillen ihr „lieber Herr“ ein Feuer +angezündet hatte im deutschen Lande, dessen Flamme auch sie, und sie am +schwersten, fühlen mußte. + +Jetzt hätte die arme Witwe aufatmen können vom langen Leid: da traf sie +der letzte, tödliche Streich. + + + + +19. Kapitel. + +Katharinas Tod. + + +Die Kriegsvölker waren aus Wittenberg abgezogen, aber sie hatten ein +böses Andenken hinterlassen: eine ansteckende Seuche, die „Pestilenz“, +die in der sumpfumgebenen engen Festung wieder rasch um sich griff und +mit der Sommerhitze wuchs. Am 1. Juni wurde über Verlegung der +Universität beraten, am 10. bot Torgau ihr Herberge an. Aber bis 6. Juli +hielt sie noch in Wittenberg aus. Dann zog auch die Hochschule in die +Nachbarstadt und wurde in den engen winkeligen Räumen des +Barfüßerklosters untergebracht, welches seinerzeit Leonhard Koppe zu +Fastnacht gestürmt hatte und das jetzt leer stand. + +Frau Katharina blieb aber in Wittenberg, wohl wegen der Güter, die sie +besorgen mußte; wahrscheinlich hatten die studierenden Söhne und +Tischgesellen dennoch von dem einen und andern Magister, der im +Schwarzen Kloster wohnte, Vorlesungen. In dem großen, gesund gelegenen +Hause war es ja auch einstweilen noch auszuhalten. Aber im Herbst wurde +auch das Klosterhaus von der Seuche angesteckt. Und um ihre Kinder aus +der Gefahr zu reißen, unterzog sich die besorgte Mutter wiederum den +Beschwerlichkeiten der Auswanderung. So ließ sie denn einspannen, lud +das Nötigste auf den Wagen und fuhr mit ihren Kindern, die noch bei ihr +waren: Paul und Margarete, während Martin scheint's schon vorher der +Universität nachgezogen war und Hans in Weimar auf der Kanzlei +arbeitete, das Elsterthor hinaus, Torgau zu[652]. + +Da geschah das Unglück: die Pferde wurden scheu und gingen mit dem Wagen +durch über Stock und Stein. Die erschrockene Frau suchte das Leben ihrer +Kinder zu retten, und um die wilden Pferde aufzuhalten, sprang sie vom +Wagen, fiel aber so unglücklich, daß sie mit dem Leib heftig auf den +Boden anprallte und dann in einen Graben mit kaltem Wasser stürzte. Die +Aufregung, der Fall, die Erkältung und wohl auch eine innere Verletzung +führten eine schwere Krankheit herbei[653]. + +So kam die Familie Luther nach Torgau. Hier wohnte sie vom Kloster aus +in der „nächsten Straße, die nach dem Schloß führt“, in einem Eckhause +bei der Klosterkirche zur Herberge. Hier lag nun Frau Katharina in +großen Schmerzen langsam dahinsiechend, gepflegt von ihrer Wirtin und +ihrer Tochter Margarete, welche jetzt 18 Jahre zählte[646]. + +Noch einen Lichtblick erlebte die Witwe Luthers in diesen Leidenstagen. +Ihr jüngster Sohn Paul, der sich zu einem tüchtigen Mediziner +heranbildete, verlobte sich in dieser Zeit mit Anna von Warbeck, der +Tochter des weiland Herrn Veit von Warbeck, gewesenen Domherrn von +Altenburg und Kurfürstl. Hofrat und Vizekanzler zu Torgau, eines Edeln +aus Schwaben. Ihre Mutter, Anna von Hack — auch eine geborne +Schwäbin — lebte noch und hatte ein eigenes Haus zu Torgau in der +Fischergasse[646]. + +Fräulein Anna war ein resolutes Frauenzimmer. Sie hatte einen Damastrock +mit Samtschleppe getragen und war deshalb vom Stadtrat mit Berufung auf +eine kurfürstliche Kleiderordnung in Strafe gezogen worden. Dagegen +wehrte sie sich und appellierte an den Kurfürsten, so daß ein ehrbarer +Stadtrat einen Boten mit Bericht über Anna Warbeckin Supplicien gen +Dresden schicken mußte für Lohn und Trinkgeld. S. Kurf. Gn. sandte nun +in diesem Betreff an den ehrbaren Rat zu Torgau folgenden Erlaß: + +„Lieben Getreuen! Wir sind von der ehrbaren und lieben besondern +Jungfrau Anne von Warbeck demütiglichen Klag berichtet worden, wie daß +Ihr ihr den damastenen Rock mit samtenem Schweif zu tragen zu enthalten +und noch dazu etliche Gulden zur Strafe entrichten sollt auferlegt +haben. Wiewohl Wir Uns zu erinnern wissen, was Wir der Kleidung halber +in der Polizei-Ordnung haben ausgehen lassen, so vermerken Wir doch, daß +der gedachten Jungfrauen Vater einer von Adel und fürstl. Rat gewesen, +auch die Damasten, davon der Rock gemacht, fürstliches Geschenk und die +Röcke _vor_ obenerwähnt ausgegangener Ordnung gemacht. Derwegen Wir denn +geschehen lassen, daß sie solche Röcke zu Ehren tragen möge. Und +begehren demnach, Ihr wollet ihr solches verstatten und sie mit +geforderter Strafe verschonen, Euch auch sonst gegen sie dermaßen +verhalten und erzeigen, daß sie sich keiner Beschwerung zu beklagen hab. +Daran geschieht Unsere gänzlich zuverlässige Meinung. Datum Dresden, 30. +Jan. Anno LII“[654]. + +Dieses adelige Fräulein wurde also die Schwiegertochter Frau Katharinas +und diese wird an dem entschlossenen Wesen ihrer künftigen Sohnsfrau ihr +Gefallen gehabt haben. Aber die Freude der Hochzeit erlebte Frau +Katharina nicht mehr. + +Drei Monate lang dauerte das Siechtum der Kranken. Mit christlicher +Geduld ertrug sie die Leiden und die Sorge für die Kinder. „In der +ganzen Zeit ihrer Krankheit tröstete sie sich selbst und hielt sich +aufrecht mit Gottes Wort. In heißen Gebeten erflehte sie sich ein +friedliches Hinscheiden aus diesem mühseligen Leben. Oftmals auch befahl +sie Gott die Kirche und ihre Kinder und betete, daß die Reinheit der +Lehre, welche Gott durch ihres Gatten Werk dieser Zeit wiedergebracht, +unverfälscht den Nachkommen überliefert werden könne.“ Sie selbst aber +wollte „an Christus kleben, wie die Klette am Kleid“, ein Wort, das ihr +nachher fromme Sänger im Liede nachsprachen[655]. + +Am 20. Dezember 1552 hauchte sie ihre Seele aus. + +Der Vice-Rektor der Universität, Paul Eber, gab dies den Studenten durch +ein von Melanchthon verfaßtes lateinisches „Leichenprogramm“ kund, worin +ihr Leben und Leiden kurz geschildert war. Namentlich die Erinnerung an +die sechs letzten Leidensjahre schwebten dem treuen Freunde des Hauses +vor Augen und fast scheint es auch, das Unrecht, das sie von Kanzler +Brück u.a. erlitten. „Mit ihren verwaisten Kindern mußte die als Witwe +schon schwer Belastete unter den größten Gefahren umherirren wie eine +Geächtete; großen Undank hat sie von vielen erfahren, und von denen sie +wegen der ungeheuren Verdienste ihres Mannes um die Kirche Wohlthaten +hoffen durfte, ist sie oft schmählich getäuscht worden.“ Statt des +derben deutschen Spruches, mit welchem Luther in seinem Hausbuch seinen +Befürchtungen über die Behandlung seiner Witwe Luft gemacht hatte: „Die +Leute sind grob; die Welt ist undankbar“, wählte der gelehrte Freund für +das Leichenprogramm als Motto einen griechischen Spruch des Euripides +(Orist. 1-3), der allerdings auf die schwere Leidenszeit der Witwe +Luthers paßt: „Es giebt kein Unheil, kein Geschick, kein Leid, das Gott +verhängt und das die Sprache nennt, nichts Schreckliches, das nicht der +Mensch erlebet.“ + +Dieser Erfahrung des heidnischen Dichters gegenüber weist das „Programm“ +auf den Trost und die Hoffnung des Christentums, dessen sich auch die +Selige getröstet habe bei der herben Wunde durch den Tod ihres +Ehegemahls, ihrer Flucht mit den verwaisten Kindern in der Kriegszeit, +den manchfachen Trübsalen des Witwenstandes und dem Undank vieler Leute +gegen die Witwe des ehrwürdigen und heiligen Mannes D. Luther. Die +Universität lade nun alle ihre Hörer zum Leichenbegängnis ein, „um der +verehrten Frau die letzte Pflicht zu erweisen und so zu bezeugen, daß +sie die Frömmigkeit der Witwe, welche so herrlich an ihr leuchtete, ihr +ganzes Leben lang hochhielten; daß sie der Waisen tiefe Trauer zu Herzen +nähmen; und daß sie nicht vergäßen die Verdienste ihres Vaters, die so +groß sind, daß sie keine Rede genug preisen kann; daß sie endlich +zusammen Gott im Gebete anflehen, das Licht des Evangeliums rein zu +halten und seine Lehrer und Verkündiger zu schützen und zu regieren, die +Staaten zu behüten und den Kirchen und Schulen geziemende +Zufluchtsstätten zu gewähren“[656]. + +Am folgenden Tag, nachmittags drei Uhr, war der Leichenzug der „edlen +Gemahlin des heiligen Mannes D. Luther“. Von ihrer Gastwohnung die +Schloßgasse hinab an der neuerbauten großartigen kurfürstlichen Residenz +Hartenfels vorbei bewegte sich der gewaltige Zug von Bürgern, +Professoren und Studenten durch die Wintergrüne nach der Stadtkirche +St. Marien. Hier unter dem Knabenchor mit seiner schönen Inschrift: +„Laudate dominum pueri!“ wurde die müde Pilgerin unter den üblichen +Feierlichkeiten bestattet und die Knaben werden ihr auch von droben ein +Abschiedslied gesungen haben[657]. + +Am Grabe der Mutter trauerten ihre Tochter und drei Söhne. + +_Hans_ war herzoglich sächsischer Kanzleirat; er heiratete im folgenden +Jahre Elisabeth, die Tochter des Professors und Propstes an der +Schloßkirche in Wittenberg D. Kreuziger, den sich sein Vater selbst zum +Nachfolger erkoren hatte, der aber schon bald nach dem großen Doktor +gestorben war. Später kam Hans Luther zu seinem alten Gönner, dem Herzog +Albrecht von Preußen, in Dienst und starb nicht lange nach diesem 1575. + +_Martin_, von dem sein Vater gefürchtet hatte, er werde einmal ein +Jurist, studierte Theologie; er mußte aber anhaltender Kränklichkeit +wegen als Privatgelehrter leben und starb jung im vierunddreißigsten +Jahr, nachdem er mit Bürgermeister Heilingers Tochter in Wittenberg +einige Zeit in kinderloser Ehe gelebt hatte. + +_Paul_, der jüngste, wurde ein angesehener Arzt, Dr. und Professor zu +Jena und herzoglicher Leibarzt, dann Rat und Leibarzt des +brandenburgischen und später des sächsischen Kurfürsten. Er vermählte +sich bald nach der Mutter Tod mit seiner Verlobten Jungfrau Anna von +Warbeck, und Nachkommen von ihm in weiblicher Linie leben noch heute. + +_Margarete_ vermählte sich 1555 „im Beisein vieler Grafen und Herren“ +mit Georg von Kunheim, Erbherrn auf Knauten bei Königsberg, der in +Wittenberg studiert und vielleicht bei Frau Katharina gewohnt und +gespeist hatte. Sie lebte mit ihrem Gemahl, dem herzoglich preußischen +Landrichter zu Tapiau, in glücklichster Ehe und starb als Mutter von +neun Kindern im Jahre 1570[646]. + +Von dem zahlreichen Geschlecht Luthers und der Ahnmutter Katharina sind +heutzutage noch wenige Nachkommen übrig. Vom Kloster Nimbschen, wo +Jungfrau Katharina 15 Jahre lebte, stehen jetzt nur noch drei +altersgraue Mauern, von wilden Reben umrankt. Ueber Zulsdorf geht seit +1801 der Pflug und nur ein Denkmal bezeichnet die Stätte, wo sie so +gern gewaltet hat. Ihre Gärten in Wittenberg, in denen sie arbeitete und +erntete, sind zum Teil mit neuen Häuserreihen überbaut. Nur das +Klosterhaus steht noch, wo sie zwanzig Jahre mit dem großen Doktor +gehaust, wenn auch nur die Wohnstube einigermaßen im alten Zustand ist. + +In der Stadtkirche zu Torgau aber wurde Frau Katharinen — wohl von ihren +Kindern — ein Grabdenkmal errichtet in grauem Sandstein, allerdings kein +sonderliches Kunstwerk, nach dem Modell des Gipsreliefs, das von einem +realistischen Künstler verfertigt in Zulsdorf hing und heute noch in der +Kirche zu Kieritzsch zu sehen ist. Auf ihrem Grabmal ist Frau Katharina +in halberhabener Arbeit ausgehauen als Matrone im langen Mantel und +weißen Kopftuch. Mit heiterem Angesicht schaut sie vor sich hin, wie +eine Mutter am Sonntag auf ein wohl verbrachtes Tagewerk; in den Händen +hält sie ein offenes Buch zum Zeichen ihrer Frömmigkeit und ihres Eifers +im Bibellesen; also als andächtige Maria ist die fleißige Martha +dargestellt. Ihr zu Häupten sind die Wappen von Luther und von Bora. Um +den Rand steht die Inschrift: „Anno 1552 den 20. December Ist in Gott +Selig entscha | ffen alhier in Torgau Herrn | D. Martini Luthers seligen +Hinderlassene wittbe Katharina | von Borau.“[658] + +Ein künstlerisches Idealbild neben den mancherlei realistischen +Konterfeien Katharinas hat Meister Lukas Kranach geschaffen auf dem +Altarblatt in Wittenberg. Da sitzt Frau Katharina als andächtige +Zuhörerin ihres predigenden Gatten mit ihrem Kindlein in vorderster +Reihe vor der Gemeinde — also ebenfalls als sinnige Maria. + +Ein dichterisches Denkmal hat der Hausfrau Luthers beim ersten +Reformations-Jubiläum 1617 der gekrönte Dichter Balthasar Mencius, Poëta +Laureatus, gewidmet, in schlichten, treuherzigen Knittelversen[659]: + + Cathrin von Bora bin ich gnant + geboren in dem Meissner Landt + aus einem alten Edlen Stamm + wie solchs mein Anherrn zeigen an + die Gott und dem Römischen Reich + mit Ehr und Ruhm gedienet gleich. + Als ich erwuchs, zu Jahren kam, + der Tugendt mich thät nehmen an + und jedermann bethöret war + vom Pabst und seiner Münche Lahr, + und hoch erhaben der Nonnen-Stand, + ward ich ins Kloster Nimetzsch gesand; + mein Ehr und Amt hatt ich in acht + rief zu Gott, bethet Tag und Nacht + für die Wohlfarth der Christenheit. + Gott mich erhört und auch erfreut; + Doctor Luther den kühnen Held + mir zu einm Ehmann außerwehlt, + dem ich im keuschen Ehstandt mein + gebahr drei Söhn und Töchterlein. + Im Witwenstand lebt sieben Jahr + nachdem mein Herr gestorben war. + Zu Torgau in der schönen Stadt + man meinen Leib begraben hat; + biß Gottes Posaun thut ergehn + und alle Menschen heißt aufstehn; + alsdann will ich mit meinem Herrn + Gott ewig lobn, rühmen, ehrn + und mit der Außerwählten Schaar + in Freuden leben immerdar. + +Weniger freundliche Denkmäler haben der Gattin Luthers katholische +Schriftsteller gesetzt, welche die Ehe des Mönches und der Nonne als ein +Sakrileg und Skandal auffaßten und in ihrer Weise ausbeuteten, wie +Luther selbst schon vor seinem Tode vorausgesehen und in seinem +Testament vorausgesagt hatte. Von protestantischer Seite sind fast nur +Verteidigungsschriften wider diese Verleumdungen ergangen, oder auch +gelehrte Stoffsammlungen und kleine Volksschriften[646]. + +Und doch lebt Katharina im Andenken des deutschen evangelischen Volkes +in deutlicher und freundlicher Erinnerung als die Gattin des gewaltigen +Doktors und deutsche Pfarrfrau, welche mit ihrem Manne das +gemütansprechende Vorbild eines evangelischen Pfarrhauses geschaffen +hat. + +Und mit Recht. Sie war eine tüchtige und brave Frau, wie man's zu ihrer +Zeit ausdrückte: ein „frommes Weib“, eine echte deutsche Hausfrau. Sie +hatte den Mut, Martinus Luther, „den kühnen Held“, zu ihrem Ehegemahl zu +erwählen, sie hat es gewagt, mit dem Geistesgewaltigen, dem +kaiserbürtigen Regenten der Kirche[646] zu leben, ihm zu genügen, ihn zu +befriedigen. Und sie hat geleistet, was sie unternommen. Der große +Doktor hat sie geachtet, hat sie geliebt und gelobt. „Das aber ist das +wahre Lob, gelobt zu werden von gelobten Männern.“ + +[Illustration: Katharinas Handschrift und Siegel.][660] + + + + +Belege und Bemerkungen + + +Abkürzungen + + +_Anton_, D.M.L. Zeitverkürzungen. L. 1804. + +_W. Beste_, Die Geschichte Katharinas von Bora, nach den Quellen bearb. +Halle 1843. + +_Br. s.u._ + +_G. Buchwald_, Zur Wittenb. Stadt- u. Univers.-Gesch. L. 1893. + +_C.A.H. Burkhardt_, Dr. M.L. Briefwechsel. L. 1866. + +Consilia Theol. Witteb. Fr. 1664. + +_Cordatus_, Tagebuch über Luther. 1553. Von H. Wrampelmeyer, Halle 1883. + +_C.R._ = Corpus Reformatorum. Bretschneider, Halle 1834 ff. + +_Grulich_, Denkwürdigkeiten von Torgau. 2. Aufl. Torgau 1855. + +_A. Hausrath_, Kleine Schriften religionsgesch. Inhalts. Leipz. 1883. S. +237-298. + +_M.Fr.G. Hofmann_, Kath. v. Bora oder Dr. M. Luther als Gatte u. Vater. +Leipz. 1845. + +_Juncker_, Ehrengedächtnis Lutheri. Frankf. 1706. + +_Kaweran_, Briefwechsel v. J. Jonas. 2 Bde. + +_Kolde_, Analecta Lutherana. Gotha 1883. + +_Köstlin_, M. Luther. 2 Bde. 2. Aufl. Elberfeld 1883. + +_M.A. Lauterbachs_ Tagebuch. 1538. Von I.K. Seidemann, Dresden 1862. + +_Lingke_, D.M.L. Reisegeschichte. L. 1769. + +_G. Lösche_, Analecta Lutherana et Melanth. Gotha 1892. + +_L.W._ = _Walch_, Luthers Deutsche Werke, Halle 1739-50. + +_Mayeri_, Vita Catharinae Boriae. Hamburg 1698. Deutsch: Unsterbl. +Ehrengedächtnis Frauen Katharinen Lutherin. Frankf. u. L. 1724. + +_Mathesius_, Predigten über Dr. M.L. Nürnberg 1576. + +_Ratzebergers_ Handschr. Gesch. über L.u.s. Zeit von Chr. G. Neudecker. +1850. + +_Richter_, Geneal. Lutherorum. Berlin u. L. 1723. + +_J. Schlaginhaufen_, Tischreden L. 1531/2. Von W. Preger, L. 1888. + +_Seckendorf_, De Lurtheranismo Comment. Leipz. 1692. + +_Seidemann_, Luthers _Grundbesitz_, in Zeitschr. für histor. Theol. +1866. + +_Seidemann_, _Erläuterungen_ zur Ref.-Gesch. Dr. 1844. + +_Seidemann_, Beiträge zur Ref.-Gesch. Dr. 1846-48. + +_Stier_, Denkwürdigkeiten Wittenbergs. Dessau u. L. + +T.-R. = _Förstemann-Bindseil_, D.M.L. Tischreden. 4 Bde. Berlin 1844-48. + +Urkb. = Urkundenbuch von Grimma und Nimbschen. Herausgegeben von L. +Schmidt in Cod. dipl. Sax. reg. II. 15. Bd. L. 1898. + +W. = _Walch_, Wahrh. Gesch. der sel. Frau Katharina v.B. Halle 1752. + +NB. _Ohne Namen u. Titel_ oder mit _Br._ citiert sind _De Wette_ und +_Seidemann_, Dr. M. Luthers Briefe. 6 Bde. 1825-56. + + * * * * * + + + + +1. Katharinas Herkunft und Familie. + +[1] Die Herkunft und Heimat Katharinas ist noch lange streitig und wird +sich nicht so leicht feststellen lassen, selbst wenn neue Urkunden +aufgefunden werden; hauptsächlich ist die weite Verzweigung der Familie +und die Unsicherheit der Elternnamen Katharinas daran schuld. Der +Stammbaum Katharinas von Bora ist am eingehendsten verfolgt worden von +dem jetzt verstorbenen _Georg von Hirschfeld_: „Beziehungen Luthers und +seiner Gemahlin zur Familie Hirschfeld“ in Beiträge zur Sächs. K.-Gesch. +II, 86-141 (bezw. 309). Dies geschah auf Grund einer älteren Chronik +(vgl. Hofmann 63) von Philipp von Hirschfeld († 1748). Sodann von _Ernst +Wezel_ († 1898) zuerst in der „Wissensch. Beilage der Leipz. Leitung“ +1883 Nr. 71, dann in der Festschrift zur 100jährigen Jubelfeier des K. +Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums in Berlin. „Das Adelsgeschlecht derer von +Bora“, A.W. Hagens Erben 1897, mit Auszügen aus zahlreichen Urkunden +(vgl. Br. VI, 647 f. 705), eine Schrift, welche noch vervollständigt +herausgegeben werden soll. + +Nach G. von Hirschfelds Stammbaum wäre Katharina von Bora eine Tochter +des Hans von (Bora zu) Hirschfeld-A. (vgl. Br. VI, 648, 28) und der Anna +von Haugwitz: Hans veräußerte aber (zwischen 1525-30) Hirschfeld-A. an +Hans von Mergenthal und Reinsberg, zog nach Löben, übergab dies seinem +Erstgebornen und zog dann nach Moderwitz, welches der Familie Hayr +gehörte. — + +Diese Aufstellung ist nicht mehr kontrollierbar, denn das Hirschfeldsche +Archiv ist verschwunden. Und dazu beruht dies Ergebnis noch auf den +Annahmen: 1. daß es zwei Güter Hirschfeld gegeben habe (S. 119); 2. daß +eine Linie Bora sich Mergenthal genannt und ihr Wappen (vom roten Löwen +in eine Lilie) verändert habe (97); 3. daß Phil. v.H. verschiedene +Personen (z.B. zwei Katharinen) verwechselte (116). (Eine lutherisch +gesinnte Katharina von Mergenthal war im Kloster zu Freiberg; sie war +einmal zu Besuch bei ihrem Bruder in Hirschfeld bei Bora. N. Archiv f. +Sächs. Gesch. IV, 298. Sie entwich anfangs Juni 1529 aus dem Kloster und +kam zu Luther. A.a.O. 318. Br. III, 469. Die Verwechslung dieser +Katharina von Mergenthal aus Hirschfeld bei Deutschen-Bora findet sich +schon Sächs. Kirchen-Gal. I, 110. Seidemann, Erl. zur Ref.-Gesch. +Dresden 1844. S. 110, 120, 122, 469); 4. daß Irrtümer in dem sächs. +Teilungsvertrag von 1485 vorkamen; 5. daß die wunderliche und nicht mehr +auffindbare Notiz, wonach Luther „seinem Schwähervater, dem edeln und +festen Herrn Hans von Bora zu Moderwitz ein Büchlein (Joel) oder gar +eine Bibel verehret“ (Br. VI. 684), richtig sei. + +Gegen diese Aufstellung sprechen aber außer den künstlichen Umstellungen +der Umstand, daß Katharinas Eltern bei ihrer Flucht aus dem Kloster und +bei ihrer Verheiratung höchst wahrscheinlich nicht mehr lebten. Ferner +sollte man meinen, daß die Luthersche Familie mit dem Staatsmann +Bernhard von Hirschfeld (1490-1551; Br. II, 55, 245, 448; C.R. IV, 349) +in vertrauterem Verkehr gestanden haben müßte, wenn sie mit ihm so nahe +verwandt gewesen wäre. Das war aber gerade nach 1525 nicht der Fall. + +Für _Lippendorf_ als Geburtsstätte von Katharina spricht folgendes: 1. +Zu Lippendorf verschreibt ums Jahr 1482 Hans von Bore seiner Ehefrau +Katharina als Leibgeding das Dorf Sale; ebenso 1505 Jan von Bore alle +seine Güter zu Lippendorf seiner Hausfrau Margarete (E. Wezel, Wiss. +Beil. der Leipz. Z. 1883, Nr. 71, S. 422 f.). Solche Verschreibungen +wurden nicht etwa (wie G. v. Hirschfeld meint) auf dem Todbette, sondern +gerade am Vermählungstag gemacht (wie auch die in beiden Urkunden +vorkommende Formel beweist: „nach ihres ehelichen Mannes Tode, ob sie +den erlebet, u. nicht eher“). Es wäre nun sehr erklärlich, daß Katharina +wegen und bei der Schließung der zweiten Ehe ihres Vaters ins Kloster +gebracht wurde. 2. Wegen dem eine halbe Stunde davon gelegenen „Gütlein“ +Zulsdorf hat Katharinas Bruder Hans sich aus Preußen hier einfinden und +„lange heraußen aufhalten, auch müssen selbes beziehen u. sich +verehelichen, bis er's an sich bracht“ und hat das „aus Not, (um) sein +u. seiner Brüder Gütlein zu bekräftigen, müssen thun u. für sein +Kindlein das Gütlein u. armes Erbdächlein beschicken“. (Br. V, 106, f.) +3. Als Bruder Hans Zulsdorf nicht mehr halten konnte (1540), so kaufte +es seine Schwester, obwohl es wenig einträglich und zwei Tagereisen weit +von Wittenberg entfernt lag, und hat sich mit Vorliebe hier aufgehalten. +(S.S. 84 f.) + +Allerdings gehörte wenigstens seit 1504 Zulsdorf zu Kieritzsch und nicht +zu Lippendorf und wurde 1515 von Denen zu Kieritzsch an einen Jan von +Lenau verkauft (Br. VI, 705; Lpz. Z. 1883 Nr. 70 S. 413); aber um 1525 +heiratete eine Marie von Bora zu Zulsdorf einen Siegm. Wolf von Niemeck +zu Wittenberg (Schumann, Lexikon von Sachsen XIII, S. 671), und nach +Katharinas Tod (1553) brachte ein Christoph von Niemeck, also wohl ein +Sohn des vorigen, das Gut Zulsdorf wieder an sich. (Lexikon von Sachsen +XIII, S. 671; vgl. Seidemann, Grundbes. S. 529; über die Niemeck vgl. +Wittenb. Urbar V.H., Schmalbecker Hufen). _Also scheint Zulsdorf in der +That ein „Erbdächlein“ Derer von Bora gewesen zu sein._ (Die +Wittenberger Familie Zulsdorfer, die Stifter der „Zulsdorfer Kapelle“, +stammt aus Zulsdorf bei Lochau. Vgl. Wittenb. Urbar III, 296 c. XI; 299 +c. XII.) + +Im Amte Weißenfels, wozu Lippendorf und Zulsdorf gehörten, gab es um +1510 noch Bora; da wurde ein Siegmund von Bora in einer Streitsache vor +Amt geladen (Staatsarchiv zu Dresden), und zwar, wie es scheint, der +Bruder einer verehelichten „Haugwitz“. + +Gegen die Abstammung Katharinas von Hans oder Jan zu Lippendorf kann man +geltend machen: 1. Die erste Gemahlin hieß Katharina und war vielleicht +eine geborne von Miltitz, die zweite, Margarete, eine geborne von Ende, +wenn nämlich der erste in den Urkunden genannte Zeuge oder Vormund, wie +gewöhnlich, der Bruder der Frau ist. Dagegen soll Katharina von Boras +Mutter eine geborene Haubitz gewesen sein. Wenigstens berichten die +(freilich erst 1664 veröffentlichten) Consilia Theolog. Wittenb. IV p. +17 (ebenso Keil histor. Nachr. 15 und Luthers merkw. Lebensweise IV 320) +daß Katharinas Mutter eine von Haubitz gewesen. Haubitz heißt ein +Vorwerk östlich von Grimma, also bei Nimbschen (Urkundenb. 409), ein +anderes liegt eine Stunde von Lippendorf (Wezel 423). _Seckendorf_ (III +92), dessen Schwester 1580 einen Georg von Haubitz heiratete (Engelhard +Lucifer Wittemb. I 13, meint, er sei dadurch ein Verwandter der +Katharina v. B. geworden) und nach ihm _Mayer_ p. 4 nennt sie eine +_Haugwitz_, darum sagt Richter 295 (vgl. 675): „von Haubitz _oder_ +Haugwitz“. (Walch 12, 5 und nach ihm Hofmann 62 irren, wenn sie +berichten, in den Consil. W. stehe Haugwitz.) Uebrigens ist Siegmund von +Bora 1510 Vormund für eine von Haugwitz, welche also seine Schwester +gewesen sein wird (Dresdner Landesarchiv s.o.) Freilich die beiden Namen +werden oft verwechselt bzw. gleichgesetzt, z.B. im Kloster Nimbschen +(Urkundenbuch 322, 326, 328, 331, 332 vgl. 409 unter „Haubitz“). Diese +Verwechslung beruht auf der mundartlichen Aussprache, indem das b in +Haubitz wie w und das g in Haugwitz sehr weich gesprochen wurde, so daß +es verschwand. Die späteren Biographen behalten Haugwitz bei und +behaupten (freilich ohne Quellenangabe), der Vorname von Katharinas +Mutter sei _Anna_ gewesen. Soll das ein Mißverständnis aus Una de +Haugwitz sein? (Wezel 423) oder eine Verwechslung mit Anna von Haubitz +aus Flößberg (bei Grimma), welche gleichzeitig mit Katharina im Kloster +Nimbschen war und kurz nach ihr daraus entfloh? Ob die Mutter +Katharinas aber wirklich eine geborene von Haugwitz war? Dagegen +spricht, daß ein Kanonikus Christoph von Haugwitz 1536 eine Schrift mit +einer Vorrede Bugenhagens veröffentlichte, worin keine Rede ist von der +Verwandtschaft Katharinas mit der Familie Haugwitz. (_Seckendorf_ ad +Indicem I histor. XXXIII, Wezel 423). Gegen _Haubitz_, wenn Katharinas +Mutter aus dem Geschlechte der Nimbscher Nonnen war, spricht der +Umstand, daß der Vater Annas v. H. ein _kursächsischer_ Unterthan war +(Hirschfeld 97 f.), weshalb sie auch zu Pfingsten 1523 aus Nimbschen +austreten und zu ihrer Familie heimkehren konnte. Dagegen die drei +Linien Haugwitz waren herzogliche Vasallen (A. Fr. _Glasey_, Kern der +hohen kur- und fürstl. H. zu Sachsen, 4. Aufl. Nürnberg 1753, S. 795. +Hirschfeld 127). — Doch war unter den kursächsischen Visitatoren von +Thüringen auch ein Erasmus von Haugwitz (Seckendorf II S. 101). Der +Bruder der Nimbscher Abtissin Margarethe von Haubitz, Asmus, war 1526-35 +Vorsteher des evangelisch gewordenen Klosters Nimbschen (Großmann, +Visitationsakten der Diöces Grimma L. 1873, S. 78). Oder sind beide +(Asmus = Erasmus) dieselbe Person? + +2. Ferner spricht gegen Lippendorf, daß Jan von Bora 1505 alle seine +Güter zu Lippendorf seiner Hausfrauen zu einem Leibgeding bekennt. — +Lippendorf als damaliger Sitz dieser Linie wäre doch naturgemäß nicht +als Leibgeding an die Ehefrau, sondern als Erblehen an die Kinder +übergegangen (dieser Grund bestimmt G. v. Hirschfeld S. 110 f., gegen +Lippendorf als Geburtsort Katharinas zu stimmen, und ihm folgt jetzt +1897 aus demselben Grunde auch Wezel, nachdem er 1883 Leipz. 8. Wiss. +Beil. 71 dafür gewesen war). Indes war auch Sale ein „Sitz“ und wurde +dennoch von Hans von Bora zu Lippendorf an seine Ehefrau Katharina +verleibgedingt. Es kann ja ganz gut außer Lippendorf noch ein weiterer +„Sitz“ für den Aeltesten vorhanden gewesen sein. Aeltere Männer pflegen +in zweiter Ehe die Frauen zu Ungunsten der Kinder zu bevorzugen. Dies +ist doppelt begreiflich in diesem Falle, wo aus erster Ehe, wie es +scheint, nur ein Mädchen, Katharina, vorhanden war, höchstens noch ein +Bruder, der mit einem geringen Gütchen abgefunden wurde (s.u. zu S. 4). + +Schon Seidemann meint, L. scheine K.s Geburtsort zu sein (Br. VI, 647) +und neuerdings (1899) hat ein aus Medewitzsch gebürtiger Lehrer Dr. +Krebs in Lippendorf am Hofgut als der Geburtsstätte Katharinas eine +Tafel anbringen lassen. + +Lippendorf gehörte zum Amte Weißenfels und dieses mit seinen +Zugehörungen nach dem Teilungsvertrag 1485 zum Herzogtum Sachsen (A. Fr. +_Glasen_, Kern der Gesch. der hohen kur- u. fürstl. H. zu Sachsen. 4. +Aufl. Nürnberg, 1753, S. 792.) + +[2] Vielleicht wirkte auch die stärkere Mischung mit slavischem Blut bei +den Meißnern auf diese Mißachtung. + +[3] Katharinas Leichenprogramm C.R. VII. 1155. Nata ex nobili familia +equestris ardinis in Misnia. + +[4] Br. V. 792. + +[5] 1733 bei _M.D. Richter_, Geneal Lutherorum, S. 750, „Alt- und +Neu-Boren, Wendisch- und Deutschen-Boren“. Nossen liegt genau in der +Mitte des heutigen K.-R. Sachen. + +[6] _Grimm_, D. Mythologie, Göttingen 1835. S. 478. „Bor“ eigentlich +Föhre, vgl. Fohre. — Der Name Bora wird sehr verschieden geschrieben: +Bhor, Bohra, Bhora, Bor(a)ra, Bor, Bora, Borau, Boren, Born, Borna, +Borna, Pora, lat. Boria, Bornia, Borana, Borenia, Borensis, griech. ἡ +Βορεἰα. So steht sogar in ein und derselben Urkunde (27. Nov. 1534, +Dresden, Copialb 82, Wiss. Beil. zur Leipz. Z. 70, S. 413 u. 414) oben +„Hansen vonn Bora“ und unten „dem von Borau“. Auch auf dem Grabstein +Katharinas in Torgau stand früher unten Borau, aber das Wort war schon +vor 100 Jahren ganz von Salpeter zerfressen und ist jetzt gänzlich +verschwunden. _Keil_, hist. Nachr. v. Geschl. L., S. 6.9. So wechselt +auch durch die mundartliche Aussprache Torga und Torgau, sogar in +derselben Urkunde, drei Zeilen von einander. _Kolde_, An. L. 200. + +[7] _Beste_, 9. — Das Wappen ist auch auf K.'s Grabstein ausgehauen. Die +Farben dazu wurden bei einer Renovation i.J. 1617 aus Eilenburg von +einer an den dortigen Pfarrer Böhm verheirateten Enkelin Luthers geholt. +Torgau. Kämmerei-Rechnung. + +[8] Schon Hofmann 63 f. weist eine Anzahl Bora-Stätten ab. Ebenso G. v. +Kirchfeld. a.a.o. S. 87-110, 113, 116-118. Aus _Dohna_ stammt K. nicht, +denn das dortige Bora-Haus am Markt kam erst 1573 in die Hände des +Großneffen Katharinas: Clemens. Aus _Moderwitz_ (s.o. S. 267) bei +Neustadt an der Orla nicht, denn das dortige Gut war kursächsisch und +gehörte der Familie Hayn, _Motterwitz_ bei Leisnig aber denen von +Bressen und das andere Motterwitz dem Geschlecht Staupitz, aus dem +Luthers geistlicher Vater stammt. (Schmidt, Urkundenbuch S. 312: Günther +von Staupitz auf Motterwitz, 1501.) Aus _Schlesien_ stammt Katharina +auch nicht, woher einmal ein alter Edelmann (Bernhard) von Bora, +wahrscheinlich der Hauptmann von Oels, zu Luther nach Wittenberg kam und +sich bei ihm über den Schwärmer Schwenkfeld Rats erholte. Denn dies +schlesische Geschlecht heißt eigentlich Borau-Kessel und hat ein ganz +anderes Wappen: im silbernen Feld nebeneinander drei rote Rosen und +gelbe Butten. Br. VI, 647. Noch weniger stammt K. aus _Ungarn_, wie auch +einmal behauptet wurde (Hofmann 64). Diese Meinung rührt wohl daher, daß +der ehemalige Wittenberger Bürgermeister Christoph von Niemeck, dessen +Mutter wohl eine Maria von Bora aus Zulsdorf war (s.o. S. 270 f.) in +Ungarn Fundgrüberei trieb und dort (1564?) starb. (Seidemann, Ztschr. f. +hist. Th. 1860, S. 529.) — Aus _Simselwitz_ bei Döbeln kann K. auch +nicht herstammen, weil die dortige Bora-Linie schon 1490, d.h. vor ihrer +Geburt ausstarb (G. v. Hirschfeld a.a.o.). + +Bisher hatte die Ueberlieferung sehr allgemein und zu verächtlich +behauptet. Katharina von Bora sei in Steinlausig an der Mulde (setzt +„Muldenstein“), ein paar Stunden nördlich von Bitterfeld auf die Welt +gekommen, weil 1525 nach dem Tode Friedrichs des Weisen ein dort +begüterter Ritter, Hans von Bora, nach Wittenberg gekommen ist und dem +neuen Kurfürsten Johann Erbhuldigung gethan und dort eine Luther-Linde +steht(!). Ja, es wurde sogar erzählt, daß Katharina in das dortige +Kloster eingetreten sei. Diese Ansicht wurde festgehalten auf Grund der +Nachricht von Mayer (S. 7): „welches wir in der Weimarischen Bibel +(1641!) aufgezeichnet gefunden“, wo es heißt. „Geborene auß dem +Adelichen Geschlechte derer von Bora, so in der Chur oder (!) +Herzogthumb Sachsen zu Stein-Lausig (!) seßhaft gewest, wie auß der +Ritterschaft im Chur-Kreiß Erbhuldung zu Wittenberg (!) 1525 zu +vernehmen.“ Aber um 1500 war Stein-Lausig („Lussigk“, eine wüste Mark), +wie die ganze Gegend _kur_fürstlich, und dieser Hans von Bora +_kur_fürstlicher Vasall (daher er eben dem _Kur_fürsten huldigt) — +während doch Katharina aus Meißen stammte und Unterthanin des Herzogs +Georg war. Dieser Hans v.B. auf Steinlausig starb auch ohne Söhne, so +daß sein Leben an Luthers Gevatter, Hans von Taubenheim, kam. +Steinlausig endlich war ein _Männerkloster_! (Emil Obst, „Muldenstein +und Steinlausig“, Bitterfeld, Selbstverlag, 1895, S. 30-35). Vgl. Wezel, +S. 421. — Bemerkenswert ist, daß um 1520 in Nimbschen eine Katharina von +Lausigk Bursarin war (Urkundenb. 166). Vielleicht suchte man Katharinas +Geburtsort auch darum in Stein-Lausig, weil die Gemahlin von Katharinas +Bruder Hans, Apollonia geb. von Marschall, verwitwete Seidewitz, aus +Jeßnitz stammte. So hießen fünf Orte, darunter der bedeutendste: die +Stadt Jeßnitz, nicht weit nördlich von Steinlausig. Thatsächlich ist +aber das Dorf Jeßnitz bei Döbeln ihre Heimat. Br. VI. 705. + +[9] _Zulsdorf_. (Zülsdorf, Zöllsdorf, Zölldorf, Zeilsdorf u.s.w.) „das +wüste Dorf oder die Wüstung Czollsstorff“ (a. 1105: Zulänestorff), +burggräflich-leisnigsches Lehen, gehörte zur Pfarrei Kieritzsch. +_Nixdorf_: „Holzmark zw. Z. u. Kieritzsch“. Archiv f. Sächs. Gesch. +1864, S. 209. 97. Vgl. Br. VI, 705. Wezel 413. +[Transkriptions-Anmerkung: Die genaue Position des Verweises im Text +nicht markiert.] + +[10] Beste 12. + +[11] Br. VI, 649 f. V, 492. _Walch_, K.v.B. 23. 65. k. + +[12] IV, 291. V, 106. 201. 411. 516. _Burkh._ Br. 303. 401. 423. + +[13] _Seidemann_, Ztschr. f. histor. Th. 1860. S. 265-69. + +[14] Urkundenbuch 318 ff. Sie war 1509 die 14. unter 43 Klosterfrauen, +gehörte also schon unter die Seniorinnen. Muhme bedeutet freilich nicht +bloß Tante, sondern im allgemeinen soviel wie das süddeutsche Base +(sogar = Nichte); ebenso „Ohm“ = „Vetter“ (auch = Neffe). So nennt +Luther seine Nichte (Lene) „Muhme“ (T.R. IV, 54) und Katharina ihren +Neffen (Florian) „Ohm“. S.o.S. 239. + +[15] _Schumanns_ Lexikon von Sachsen. Bd. 13, S. 671. + +[16] Br. V, 64. + +[17] _Richter_. 674, nobilis sed tum fere ad incitas redacta prosapia. +Br. VI, 649 f. IV, 291. + +[18] _Lorenz_, Sachsengrün, 1861, 1, S. 82; Z.B. die 2 Schönfeld 3 Sch. +20 Gr., Ilse Kitschers 40 Gr., die 2 Zeschau je 4 fl. rh., Magd. v. +Staupitz 2 fl. Hirschfeld a.a.O. 127. + +[19] Wiss. Beil. zur Leipz. Z. 1899, S. 35a Erasmus Epist. ed. Cler. +Tom. III pag. 790 indotata (ohne Aussteuer). — Vgl. Luthers Rede und +Gebet bei seiner Krankheit 1527. L.W XIX, S. 160 ff. — Das sog. Bild +Katharinas von Bora, das sie angeblich im reichen Brautstaat mit dicken +silbernen und goldenen Ketten zeigt (bei Fr. G. Hofmann, Katharina v.B., +Leipzig 1845) stellt sie gar nicht vor, wie schon die gestickte Schrift +C A B an der Haube beweist, denn das heißt nicht etwa C. a Bora. +_Seidemann_, Beitr. I, 92. Vgl. übrigens das Siegel 266. + + +2. Im Kloster + +Hierher bes. „Urkundenbuch“. Ferner: „Sachsengrün“ Kulturhist. Ztschr. I +S. 82; Bräß, Wissensch. Beil. der Leipz. Zeitung 1899, Nr. 9. Vgl. A. +_Thoma_, Gesch. des Klosters Frauenalb, Freiburg 1899. + +[20] _Vierordt_, Gesch. der ev. Kirche im Großherz. Baden, Karlsruhe +1847, I. Bd. S. 30 ff. Frauenalb S. 18. Th. Murner, Schelmenzunft +(1512). „Kloster und Stifte sind überall gemeiner Edellüt Spital“. + +[21] Frauenalb S. 31: „Da alle Klausur und geistlichen Leute erdacht und +gemacht sind, daß sie unserm Herrn und Gott dienen und für Tote und +Lebende und alle Gebresthafte Bitten füllen“. + +[22] Vgl. „Wie Gott einer Klosterjungfrau ausgeholfen“, Walch, L.W. XIX +2095 ff. Diese Nonne Florentina von Oberweimar. „Da ich 24 Jahre alt +wurde, begann ich mein Gemüt und meine Geschicklichkeit zu fühlen und +erkennen“. + +[23] Monachum aut paterna devotio aut propria professio facit. Decret II +part. c. 3. C. XX qu. 1. Vgl. Köstlin I 592, Frauenalb 19. + +[24] Florentina a.a.O.: „Von meinen Eltern, welche geistlichen Stand +für gut und selig angesehen, durch Bitt und Anregung meiner Muhme, der +Domina (Aebtissin) zu Eisleben, wurde ich in das Jungfrauenkloster +daselbst gegeben.“ + +[25] Frauenalb 19. — Ave Grossin wurde in Nimbschen als Kind angenommen +— (Sachsengrün 81). Florentina, welche mit dem 6. Jahr ins Kloster kam, +erzählt. „Da ich 11 Jahre, bin ich durch Angeben der Domina (Aebtissin) +ohne alles Befragen (und wenn ich gleich wohl befragt, hätte ich keinen +Verstand gehabt) also unwissend eingesegnet“. + +[26] Br. II, 323. 319. + +[27] Br. II, 331 (lies invito dicatis). 324. + +[28] Urkundenbuch 319 ff. Die Nonnen pflegten nicht nach dem +Lebensalter, sondern nach dem Eintrittsjahr aufgezählt zu werden. +(Frauenalb 42 f.) + +[29] _Seckendorf I_, 274. _Engelhard_, Lucifer Wittenbergensis v.d. +Morgenstern v.W., d.i. vollständ. Lebenslauff der Cath. v.B., des +vermeynten Ehe-Weibs D.M.L. Landsperg, 1747. I, 27. + +[30] _Nimbschen_. Der Name lautet: Nimetzsch, Nimtsch(en), Nympschen, +Nimptschen. Bräß a.a.O. — „Gestiftet zur Ehre und zum Dienste Gottes und +seiner geheiligten jungfräulichen Mutter“. — Das Amt und Kloster fiel +bei der Teilung 1485 an das Kurfürstentum. Sachsengrün, I, 82. + +[31] Zu S. 8 ff. Vgl. Thoma, Frauenalb 77 ff. Zu S. 9-12 s. Urkundenbuch +319 ff. Bräß, 35a. + +[32] Urkundenbuch 337. Zum damaligen Geldwert: l Schock = 60 Groschen. +20 Gr. = 1 fl. 14 gute Schock = 40 fl. — Damals kostete 1 Huhn 1/2 Gr.; +1 Schock (60) Eier 1 Gr.; 1 Scheffel Weizen 7 Gr.; ein Scheffel Hafer 3 +Gr. Urkb. S. 376. + +[33] Amsdorfs Brief an Spalatin vom 11. April 1523. „Ordinis B. +Bernardi“. + +[34] Im Freiberger Kloster gingen durch das Fenster am Chor Sachen (bes. +Schriften) aus und ein. (Seidemann 128). — canes (statt canas?) vetulas. + +[35] cum pueris heißt es. Sollten die Knaben der Aebtissin (S. 11) +gemeint sein? + +[36] Ueber die Feierlichkeiten s. Frauenalb S. 23-25. + +[37] Urkundenbuch S. 166. Frauenalb 22. + +[38] Metze = Magda(lena). + +[39] Margarete hatte (1497) von ihrem Vater Hans v. Haubitz samt ihrer +Tante als Leibgeding 64 Groschen Geld, 9 Hühner, 30 Eier und ein +Hofichen Butter vom Vorwerk Haubitz verschrieben. (Urkb. zu 1497). + +[40] Als das Stift evangelisch geworden war. _Großmann_, Die +Visitations-Akten der Diöces Grimma I.H. Leipzig 1873, S. 181. + +[41] S. _Seidemann_, Kollektaneen auf der Dresdener Hofbibliothek II +unter „Bora“. Zu S. 13-15 Urkundenb. 319 f. + +[42] _Cordatus_ Nr. 954. + +[43] Urkb. 303: 1504 nahm das Kloster „zur Anhebung der hl. Reformation“ +Geld auf. 324: „Obgleich noch viel zur Reformation gehört.“ + +[44] Die ständige Eingangsformel eines Antwortschreibens lautet: Euern +Brief habe ich erhalten und verstanden. + +[45] In der Zeit, da das Kloster evangelisch geworden war, wurde den +Schreibverständigen unter den Klosterfrauen aufgegeben, die jungen +wenigstens, die es noch nicht konnten, schreiben zu lehren. _Dr. +Großmann a.a.O._ S. 80. + +[46] Sachsengrün, 81, Urkb. 319, 323. Altes Gesangbuch 290. + +[47] _Seidemann_, Kollekt. Pars II unter „Bora“. + +[48] Florentina bei Walch XIX 2095 ff. + +[49] Florentina. Walch a.a.O. + +[50] Bräß a.a.O. Anderwärts waren die Spenden bei der Einsegnung +tarifmäßig festgesetzt und sehr beträchtlich; z.B. im Kloster Hausdorf +erhielt der Propst allein 32 Gr. und 1 Fingerlin (Ring), die Priorin und +Kellnerin je einen Schleier, 15 Gr., 4 Stück Fleisch, 1-1/2 Stübchen +Bier und ein St. Wein, und alle Beamte und Bedienstete bis zum +Blasbalgtreter, Läuter und Fensterknecht, sowie jegliche Jungfer, ihren +ganzen oder halben Solidus. _Mitzschke_, N. Archiv für Sächs Gesch. XIX, +347. + +[51] T.-R. II 233. „Wider Willen geweiht“: Br. II 330, lies: invito +dic(a)tis „Hitzig“, T.-R. II, 233, vgl. Urkb. 324: „in Gottesliebe +hitzig“. + +[52] Frauenalb. 31. Urkb. 324. + +[53] T.-R. III 230, II 124. 235 sagt Luther: „Es war eine lautere +Stockmeisterei und Marter der Gewissen im Beten. Da war nur ein +Geplapper und Gewäsch von vielen Worten; kein Gebet, sondern nur ein +Werk des Gehorsams.“ + +[54] Daß Katharina, wie seltsamerweise die katholischen Schriftsteller +bis auf Evers hartnäckig behaupten (vgl. S. 262, Z. 27), Aebtissin +gewesen sei, wird schon durch die Thatsache widerlegt, daß Margarete von +Haubitz von 1509 bis zur Aufhebung des Klosters Vorsteherin war. + +[55] Von den Nonnenklöstern stammen die zahllosen Paramentstücke der +mittelalterlichen Gotteshäuser. So hatte die Wittenberger Stiftskirche +32 Teppiche, 18 Fahnen, 12 Samtdecken, 138 seidene Vorhänge und 221 +Meßgewänder! _G. Stier_, Denkwürdigkeiten Wittenbergs, S. 10. + +[56] Urkb. 316-319. + +[57] Ebenda. — Vgl. _Myconius_, Summarium der Ref.-Geschichte 4: +„Vielfeiern: Tag und Nacht singen, plärren, murmeln“. + +[58] Sachsengrün, I, S. 82. — Der Bischof von Merseburg (Adolf, Fürst +von Anhalt) kam am 28. April 1524 zur Visitation nach Grimma mit 40 +Pferden und sechs Geistlichen. _Förstemann_, Neues Urkundenbuch, Hamburg +1842, S. 97. + +[59] 1. Jan. 1291. 7. Okt. 1296; s. Urkb. 226. + +[60] 23. Aug. 1311. Urkb. S. 221. 337. + +[61] Weimarer Archiv, Rechnungen von 1517, 1519, 1530. _Seidemann_, +Kollekt. II. Vgl. _Grulich_, Denkw., S. 27. Urkb. 315. + +[62] Urkb. 322 ff. + +[63] Urkb. 334. Sachsengrün I, 82. Urkb. 303, 307. 313: Beschwerden über +die Mönche: „Alle Diener (Beamte), die vom Fürsten dahingesetzt, worüber +die Aebtissin und Sammlung hält, werden von den Mönchen verfolgt. Sie +wollen auch die neue Abtissin entsetzen wie die alte, aus Neid.“ + +[64] Urkb. 328. Der Vorsteher hieß Matthias Heuthlin. + +[65] Urkb. 329. 337 f. + +[66] Urkb. 344. „Mutter Kühnen wartet auf die kranken Jungfrauen.“ So +beklagten sich die Nonnen in Freiberg, daß ihnen keine Liebesdienste, +wie Krankenpflege und dgl. verstattet sei. Urkundenb. 325: Die Aebtissin +ermahnt die Nonnen, den Statuten nachzufolgen, „daß ihr also durch +dieselben geistlich lebet, auf daß ihr aufs letzte das Verdienst der +guten Werke („Uebungen“) und Vergeltung eurer Arbeit mit dem ewigen +Leben möget erlangen.“ + + +3. Die Flucht aus dem Kloster. + +[67] L.W. XIX, S. 1797-2155. + +[68] T.-R. II 124, S. oben S. 18, 2. [Transkriptions-Anmerkung: Die +genaue Position des Verweises im Text nicht markiert.] + +[69] _Matthesius_ 31, wonach auch der Inhalt des Büchleins angegeben +ist. Vgl. _Seidemann_, Erläuterungen zur Ref.-Gesch. 113. + +[70] _Grulich_, Denkw. v.T., S. 28. S. unten S. 32. + +[71] S.o.S. 21. _Walch_, Leben der sel. Kath. v. Bora 64 f. + +[72] Florentina a.a.O. + +[73] Vgl. Ztschr. f.d. Gesch. d. Oberrheins, 1899, H. 1. S.o.S. 28 und +S. 32. + +[74] Br. III 321, 322. — 1534, als Luther allerlei Erfahrungen in dieser +Hinsicht gemacht hatte, mußte er die austrittlustigen Nonnen auf diese +Schwierigkeiten aufmerksam machen. Br. II, 322, IV, 580, 583. + +[75] Br. II, 322. 327. + +[76] Br. II, 323. — „Kinder“ = freigeborne Söhne und Töchter (liberi); +vgl. Frauenalb 18. Damit sind Seidemanns (Erläuterungen zur Ref.-Gesch., +Dresden 1844, S. 109) Bedenken über die „Sammlung (Konvent) von Kindern“ +in Freiberg erledigt. + +[77] Br. II, 320. Luthers Auslegung von I. Cor., 7. _Walch_ XII, 287 f. +— So enthielt der Ave Schönfeld ihr Bruder nach ihrem Austritt ihr Erbe +vor, indem er sich auf das päpstliche (kanonische) Recht berief. Br. +III, 289 f. + +[78] _E. Wezel_, Kath. v.B. Geburtsort, Wiss. Beil. z. Leipz. Z., 1883, +Nr. 71, S. 423 f. — Br. II, 323. + +[79] Vergleichen kann man mit den Nimbschener Zuständen diejenigen im +Kloster Freiberg. Hier vermittelte die Herzogin Heinrich (Enkelin des +Böhmenkönigs Georg Podiebrad) die Schriften Luthers. Die Schriften kamen +auch durch den Klosterprediger, den Balbierer Meister Philipp ins +Kloster, wurden abgeschrieben u.s.w. Bei einer Visitation vergrub die +Herzogin Ursula einen ganzen Sack voll lutherischer Büchlein ins Korn. +Beim Salva Regina sangen die Lutherischen andere Wörter. — Viele, +darunter Katharina von Mergenthal, die Herzogin von Münsterberg „waren +rege und wollten springen; die Heerführerin drohte immer mit Auslaufen“ +(Seidemann, 120). Unter den 77 Freiberger Nonnen waren ein gut Drittel +(besonders die jungen) lutherisch, ein anderes Drittel altgläubig, das +dritte Drittel „wie der Wind geht“. Die einen hielten die andern für +„bännisch“. Die Priorin war lutherisch und half zur Flucht. N. Archiv f. +Sächs. Gesch. III, 290-320, _Seidemann_, Erl. zur Ref.-Gesch., Dr. 1844, +S. 109 ff. + +[80] Br. II 323. + +[81] III, 9. + +[82] II, 323. + +[83] II, 323. + +[84] II, 327. + +[85] Br. II, 321, 322 f. — Auch Luther dachte an Todesgefahr: „ob's auch +das Leben kosten müßte“. Um diese Zeit, vor oder nach Ostern 1523 wurde +Heinrich Kelner, welcher eine Nonne aus Kloster Sornzig entführt hatte, +durch Herzog Georg zu Dresden geköpft, gespießt und an den Galgen +gesteckt. S. 36. Und als um Fastnacht (4. März 1524(?)) zu Torgau 16 +Bürger das Barfüßerkloster stürmten, erregte das den größten Unwillen +des Kurfürsten Friedrich, zumal damals gerade kaiserliche Gesandte sich +in Torgau aufhielten, um über die Religions-Angelegenheiten zu +verhandeln. Der Kurfürst wollte den 16 an das Leben, so daß sie Frau +und Kinder in Stich lassen mußten und flüchtig wurden; ein Glück, daß +Kurfürst Friedrich bald starb und sein Bruder Johann milder gegen die +Verjagten gestimmt war. + +[86] _Hofmann_, S. 8 f., Torgauische Denkwürdigkeiten 1749, S. 38; +_Grulich_, Denkwürdigkeiten Torgaus, Torgau 1855, 2. Aufl. S. 24 f. M. +Sam. _Schneider_, Neue Beiträge 1758. „Im Jahre später stürmte Koppe mit +anderm Pöbelvolk das Mönchskloster.“ — Der Klosterstürmer war aber +wahrscheinlich der gleichnamige Neffe des alten Koppe; auf den Neffen +paßt das Herumtreiben mit jungen Edelleuten während der Flucht. Der +junge Koppe konnte auch verwandt mit Kunz von Kaufungen sein. — Der +Klostersturm war auch wahrscheinlich 1525 nicht 1524, sonst würde sich +nicht reimen, daß der Kurfürst bald starb. Auch ist 1525 das Jahr der +Bauernunruhen, wo sich eine solche aufgeregte That eher erklärt. Noch +weniger kann es 1523 sein; denn sonst hätte Koppe, sei's der ältere oder +jüngere, nicht nach Torgau sich wagen dürfen. + +[87] Hofmann, S. 9 f. + +[88] Die verschiedenen Berichte über die Flucht s. bei _Walch_ 64, +_Hofmann_ 11, _Seidemann_, Ztschr. f. histor. Th. 1860, S. 475. +Lutherbr. 14. _Bräß_ 36. Von Heringstonnen berichtet _Arnold_, +Kirchen-und Ketzerhistorie II, 513. Vgl. _Beste_ 17 f. Die oft erwähnte +Florentina entkam ohne weiteres, als ihre Hüterin ihre Zelle zu +schließen versäumte und die andern Nonnen im Schlafhaus waren. Die +Herzogin Ursula von Münsterberg entwich durch die schlecht verwahrte +Hintertür im Garten (N. Archiv für Sächs. Gesch. III, 304, Seidemann 118 +f.); auch in Nimbschen war die hintere Pforte schlecht verwahrt. +(Urkundenbuch 324). Die mündliche Sage in der Umgegend erzählt, es +hätten sich alle neun Nonnen durch das Fenster in der Zelle Katharinas +herabgelassen; auch habe diese bei der Flucht ihren Pantoffel verloren. +Das Fenster wird an den heutigen Ruinen (des Refektoriums?) noch gezeigt +und lange Zeit sangen die Zöglinge der Landesschule zu Grimma, an welche +das Kloster mit seinen Einkünften übergegangen ist, dort bei Ausflügen +lateinische und deutsche Hymnen. Das Fenster aber hat schwerlich zu +einer Zelle gehört. Ebenso wird noch in Nimbschen der Pantoffel +gewiesen, der aber ist ein Machwerk des vorigen Jahrhunderts. + +[89] _Menken_ Annal. a. 1523. Script. rer. Sax. 571: singulari consilio +et calliditate. Facinus plane audacissimum. Asus est ex monasterio clam +abducere. Br. II, 319; satis mirabile evaserunt. + +[90] Br. II, 318; vom 8. April ex captivitate accepi heri ex Nimpschen 9 +moriales. + +[91] _Grulich_. Denkwürdigkeiten S. 29. „Auch Zwilling war bei der Hand +und führte den Zug der Nonnen an“. + +[92] Br. II, 319. vulgus miserabile. Kolde Ann. Luth. 443. + +[93] Anspielung auf 1. Petri 3, 19 und Ephes. 4, 8, wonach Christus am +Karsamstag zu den Geistern ins Gefängnis hinabstieg und die armen Seelen +befreite, wie das auf mittelalterlichen Bildern mit so großer Vorliebe +dargestellt wird. + +[94] Br. II, 321. „Euer Audi“ läßt Luther auch in der Einladung zur +Hochzeit grüßen III, 9. + +[95] Der offene Brief an Koppe Br. II, 321-7. + +[96] _Burkhardt_, 56. 109. _Lorenz_: die Stadt Grimma, 1112 f. +_Lauterbach_ 163 f. + +[97] Dr. _Bräß_ 36. _Lauterbach_ 163 f. _Seckendorf_ I 272: Elcetor +dissimulavit factum. Die Aebtissin schrieb schon vorher an den +Kurfürsten. + +[98] _Seidemann_, Beitr. zur Ref.-Gesch. I, Dresden 1846, S. 60. +_Lorenz_ 1108 f. Urkundenbuch 340. _Großmann_, Visitationsakten der +Diöces Grimma I, L. 1873 S. 78 ff. 181. + +[99] _Hofmann_ 14. _Seidemann_, Beitr. I, 92. + +[100] Br. II, 354. III, 9. 32. 33. + + +4. Eingewöhnung ins weltliche Leben. + +[101] II, 323. 319. + +[102] II, 319 f. _Kolde_, Ann. L. 443. + +[103] Br. II, 334. 433. 473. 584. 330. + +[104] Br. IV, 580. + +[105] Br. III, 170. 229 f. 236. Schönfeld, T.-R. IV, 50. Burkh. 193. + +[106] Reichenbach stammte aus Zwickau und studierte in Wittenberg +1510-11. 1525 nahm er sein Haus in Lehen, 1530 wird er Bürgermeister, +1541 heiratete seine Tochter, 1543 starb er. (_Buchwald_ 74 f. 173). +_Consil. Theol. Witt._ IV, 19. _Hofmann_ 13 f. Reichenbachs Haus ist +übrigens nur in dem hundert Jahre später erschienenen Werk der _Consil. +Theol. Witteb._ als Katharinas Zufluchtsort genannt. Bei allen +gleichzeitigen Quellen kommt es nicht vor; auch in allen Berichten über +die Trauung und Hochzeit wird das Ehepaar nicht erwähnt und von irgend +welcher Beziehung des Lutherschen Hauses mir der Familie Reichenbach +findet sich keine Spur. Er gehörte allerdings in den Freundeskreis +Dietrichs und Baumgartners. Dietrich meldet diesem am 29. Jan. 1535 die +Vermählung von Reichenbachs Schwester mit dem Nürnberger Strauch. +(Ztschr. f. hist. Th. 1874 S. 546 f.) Dagegen weisen andere Anzeichen +darauf hin, daß Käthe vielmehr in dem _Kranach_schen Hause gelebt habe; +der König Christian, welcher im Oktober 1523 dort wohnte, verehrte der +Jungfrau Käthe einen Ring: das kann doch nur für Dienste geschehen sein, +die sie im Kranachschen Hause that. Ferner ist bei der Trauung Luthers +als einzige Frau die Kranachin zugeben. Endlich steht Luther, wie Käthe, +mit den beiden Eheleuten, seinen Gevattern, auch in späteren Jahren noch +in reger Beziehung, während nirgendswo von einem Verkehr mit dem +Reichenbachschen Ehepaar im Leben Katharinas geredet wird. Ich möchte +daher vermuten, daß Käthe nur kurze Zeit im Reichenbachschen Hause +untergebracht wurde, dagegen im übrigen in dem sehr umfangreichen und +wohlhabenden Hause der Kranach als Stütze der Hausfrau Verwendung +gefunden. Bei Kranach konnte auch Ave von Schönfeld untergebracht sein, +weil ihr späterer Gatte Lic. Basilius Axt in Kranachs Apotheke +beschäftigt war. In dem Brief, worin Luther den Medicus Basilius Axt +empfiehlt, wird von diesem gesagt, er sei Apotheker bei Kranach gewesen +und seine Gattin (Ave von Schönfeld) eine Mitschwester von Luthers Frau. +(B. III, 292 vgl. 291). + +[107] _Beste_ 20. _Hofmann_ 13, 26. + +[Transkriptions-Anmerkung: Zur folgenden Bemerkung gibt es keinen +Verweis im Text.] + +_Seidemann_, Ztschr. f. hist. Th. 1874. S. 533 ff. + +[108] Consil Witt. IV, p. 19. + +[109] Br. II, 325. + +[110] Br. II, 553. W.L.W. XXI, 916. Beste 22, 2. + +[111] Ztschr. f. hist. Th. 1874. S. 544-58. Br. II, 553. + +[112] Corp. Ref. I, 1114. Br. III, 532, wo Luther und Melanchthon an Abt +Friedrich für eine Wittenbergerin fürsprechen, welche ein junger +Nürnberger heiraten will. + +[113] _Abr. Scultetus_ Ann. ad. ev. renov. ad a. 1525. p. 80. +_Seckendorf_ II, 17. _Walch_ 92-96. _Beste_ 23 f. + +[114] „Meine Käthe hatte ich damals nicht lieb, denn ich hielt sie +verdächtig, als wäre sie stolz und hoffärtig.“ T.-R. IV, 50. + + +5. Katharinas Heirat. + +[115] Ostern 1525. Br. II, 643. 646. — Vgl. T.-R. IV, 132. + +[116] _Schadow_, Wittenberger Denkwürdigkeiten, W. 1825, S. 61. + +[117] Hochmeister: Br. II, 673 f. 678. Spalatin: II, 643. _Seckendorf_ +II, 274. + +[118] T.-R. IV, 145: „Die kaiserlichen Rechte sagen: Wer eine Nonne +nimmt, der habe das Leben verloren und das Schwert verdient“. + +[119] Br.: II, 35. 40. 49. 102 f. 583. 637. + +[120] _Cordatus_ 1509. Argula. Br. II, 570. 646. W. XXI, 931. + +[121] _Lingke_, D.M.L. Reisegeschichte, L. 1769, S. 157. Luther war vom +16. April bis 6. Mai auf der Reise. Br. II, 643. — Anfangs März bat +Luther Amsdorf, zu ihm zu kommen, um ihm in seinen Anfechtungen ein +Trost zu sein. Br. II, 634. + +[122] W. XX, 1685. X, 861. _Seckendorf_ II, 17, I, 274. _Scultetus_ p. +80. 274. Br. II, 643. 655. 678, III, 1. 3. 13. 21. 32. Consil. Theol. +Witteb. IV, 19. _Lingke_ 151-3. — „Es ist der Welt Gott der Teufel (der +ja selbst ein Hagestolz ist), der Verspötter jeder Gott gefälligen +Gattenliebe und jedes ehrsamen Familienlebens, der den Ehestand so +verleumdet und schmählich gemacht hat“ (W. X, 806). „Wer dem Ehestand +zuwider ist und redet übel davon, der ist gewiß vom Teufel.“ (Matthes. +138.) Erasmus spöttelte, Luther erlaube andern, was er selber nicht +wage. _Schlegel_, Vita Spalatini, 211. 214. — T.-R. IV, 36. + +[123] W. X, 962. Erasmi Opera ed Cler. III, 1 ep. 80. Br. III, 21. So +schreibt L. 1526 bei der Taufe seines Erstgebornen. „Ich scheu des +Prangens, als wollt ich mich mit einem Mönchs- und Nonnen-Kinde +herfürthun“ (III, 113). — Nonne trotz kaiserl. Rechte: T.-R. IV, 145. + +[124] Die Schönheit Katharinas behauptet u.a. Erasmus III, 1 ep. 730. +„Ein Mägdlein von feiner Gestalt“. „Eine schöne Frau“: IV, 553. „Nicht +in Leidenschaft entbrannt“: III, 9. Reim: Seidemann in Schnorrs Archiv +IX, S. 3. Ueber schöne Frauen, T.-R. IV, 40. + +[125] II, 646. Diese 2 Frauen waren wohl 1. die Ave von Schönfeld, von +welcher L. 1536 sagt: „Wenn ich vor 13 Jahren hätte freien wollen, so +hätte ich Eva Schönfeldin genommen, die jetzt der D. Basilius, der +Medicus, in Preußen hat“ (T.-R. IV, 50); und 2. „jene Alemannin, meine +Verlobte“, von welcher im Januar 1526 das Gerücht ging, Amsdorf habe sie +geheiratet. Br. III, 77. Salus (=Ave) Allemanna, vgl. die vier Brüder +Alemann III, 418. Man deutet aber diese Aeußerung L. drei „Frauen“ auch +allegorisch auf die drei Mönchsgelübde (_Beste_ 31) u.a. + +[126] II, 655. Luther war am 19., 28., 29. April in Eisleben. + +[127] Die üble Nachrede (III, 2 infamantibus me cum Catharina Borana) +war vielleicht die Lüge von einem frühzeitigen unerlaubten Umgang der +beiden Brautleute, welche auch Melanchthon in seinem bekannten +vertrauten Brief an Camerarius zurückweist. S. 58. Luther war wegen der +an sich selbst erfahrenen und auch sonst wahrnehmbaren Verleumdung +Verlobter gegen lange Verlobungszeit. T.-R. IV, 41, Br. III, 1-3, 9-12. + +[128] T.-R. IV, 73. Cord. 1511. + +[129] Luthers Augen beschreibt Melanchthon (Ztschr. f. K.-G. IV, 326) +als braun mit einem gelben Ring darum: der Ausdruck habe den +kampflustigen Blick des Löwen. — Ueber Luthers Aeußere vgl. +Küchenmeister, L.'s Krankheitsgeschichte, 42. 116. Bei dem Besuch bei +Kardinal Bergerins (s.o.S. 115) trug, wie dieser bemerkte und +aufschrieb, Luther ein Wams aus dunklem Kamelot, die Aermel mit Atlas +eingefaßt, darüber einen kurzen Rock von Sersche mit Fuchspelz +gefüttert, an den Fingern mehrere Ringe, um den Hals eine schwere +goldene Kette. Luther wollte damals dem Kardinal imponieren und recht +jung aussehen, um ihn zu ärgern; er meinte, so müsse man mit Füchsen und +Schlangen handeln. + +[130] T.-R. IV, 38. + +[131] _Kawerau_, der Briefwechsel des J. Jonas, Halle 1884/5, I, S. 94. + +[132] „Herkömml. Bräuche“: im Briefe Mel. an Camer. (ed. _W. Meyer_, +München, Akadem. Buchdr., 1876, S. 6 f. Vgl. _Köstlin_ I, 768 f., 817 f. +— T.-R. IV, 72: L. führt nach dem Nachtessen die Braut zum Bette. S.u.S. +121 f. + +[133] Die Trauform in Luthers Traubüchlein (1529), welche sich wohl dem +herkömmlichen Gebrauch anlehnt, ist folgende: Vor der Kirche geschieht +die Trauung durch einen Weltlichen oder Geistlichen. Da wird „Hans und +Grete“ gefragt: Willst Du den oder die zum ehelichen Gemahl haben? Auf +das Ja! wechseln sie Trauringe; der Trauende fügt die Hände zusammen und +spricht: „Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.“ +Und: „Weil denn Hans N. und Grete N. einander zur Ehe begehren und +solches hier öffentlich vor Gott und der Welt bekennen, daraufhin sich +die Hände und Trauringe gegeben haben, so spreche ich sie ehelich +zusammen im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes.“ +Darauf folgt in der Kirche Gebet und Segen. Später wurde in Wittenberg +die Trauung in der Kirche üblich. Köstlin II, 642, 63. Vgl. T.-R. IV, +53. „Da verlachet D. Philipp höhnisch, wenn wir Braut und Bräutigam in +der Kirche öffentlich zusammengeben, gleich als dürfte man nicht beten +zu solchen Sachen.“ + +[134] _Kawerau_, Jonas' Briefw. a.a.O. — „Gelöbnis“ Wittenb. +Stadtrechnung. Vgl. V, 196: sponsalia confimare. + +[135] _Hofmann_ 47. + +[136] W. X, 855 f. 967 f. III 2, 567 f. 2565. Bugenhagen an Spalatin. +Luther fordert im „Traubüchlein“, die Ehe als öffentlicher Stand solle +auch öffentlich vor der Gemeinde vollzogen werden, vor oder in der +Kirche, wie es die Brautleute begehren. — Auch _Matthes._ redet von +einem öffentlichen Kirchgang Luthers, desgl. Consil. Theol. Witteb. — +Bezeichnungen für die Hochzeit bei _Schild_, Denkwürdigkeiten +Wittenbergs, W. 1892, S. 25. Luther hielt — gegenüber Melanchthon — sehr +auf die herkömmlichen kirchlichen Bräuche bei der Hochzeit. T.-R. IV. +72. Als Wittenberger Brauch der Heimführung wird (_Buchwald_, Zur +Wittenberger Stadt- und Universitäts-Gesch. 35) erzählt: „Röhrer führte +seine Braut nach der Hochzeit im Hause Dr. Beiers in unser Haus mit +feierlichem Geleite der Frauen.“ Vgl. M.H. Gottl. _Kreußler_, Denkmäler +der Ref., L. 1817, S. 29. „Die kleine Gesellschaft brachte das Brautpaar +heim.“ + +[137] Hochzeitsbriefe III, 1. 3. 9. 11-14. + +[138] Hochzeitsgeschenke, Hofmann, 52 f. + +[139] Siehe bei _Hofmann_ das Titelbild. _Seidemann_, Beitr. zur +Ref.-Gesch. I, 92. + + +6. Das erste Jahr von Katharinas Ehestand. + + +Br. II, 582, III, 32. + +[140] „Schwarzes Kloster“ d.h. Kloster der schwarzgekleideten Augustiner +im Gegensatz zu dem unteren „grauen Kloster“, dem Sitz der grauen +„Minderbrüder“. — Studierstube, Br. II, 543, T.-R. IV, 476. Ausrüstung, +Br. III, 472 f. Winterzimmer, III, 221. Bilder: Der Karlstadtianer +Ickelsamer („Klag etlicher Brüder“) rügt, „Luther wolle bei sich gemalte +götzische Bilder haben.“ T.-R. I, 137: „Gemälde an der Wand. Das +Kindlein Jesus schläft in seiner Mutter Arm“. S. 311. „Da D.M. das +Kindlein Jesus gemalt im Schoße der reinen Jungfrauen ansahe“. — +_Seidemann_, Grundbesitz 496. Die gesamte jetzige Einrichtung des +Lutherzimmers ist nicht echt, namentlich Tisch und Ofen aus späterer +Zeit. Ueber das Lutherhaus s. H. Stein, Geschichte des Lutherhauses, +Wittenberg 1883. Das Lutherstüblein war aber nicht im Turm, sondern ist +das vorhandene. — S. Seite 74 f. und Anmerkung dazu. S. 285. + +[141] In dem Krankheitsbericht des Jonas von 1527 speist die Familie, +scheint es, im untern Stock und Luther geht von da in das Schlafzimmer +hinauf. + +[142] _Seidemann_, Grundbes. 484. S. 8. Kapitel und [239]. + +[143] _Förstemann_, N. Mitteilungen a.d. Gebiete hist.-antiq. +Forschungen III, S. 113: „1 Schwäbisch, Frau katharin Doctoris Martinj +Ehelichen Weyb zeum Newen Jhare geschenckt.“ — Consil. Theol. Witteb., +Frankf. 1664, S. 19: „1 Sch. 8 Gr. 3 Heller vor ein Schwebisch _Haub_ +Frau Katharinen, Doctoris Martini Ehelichem Weibe zum Neuen Jahre +geschenckt.“ Hofmann 52 meint: Ein Stück oder Schock schwäbische +Leinwand. Kasten V, 162. Geräte VI, 325 f. + +[144] III, 18. „Ich bin an Kethen gebunden und gefangen und liege auf +der Bore (Bahre) scilicet mortuus mundo. Salutat tuam Catenam mea +Catena. III, 9: „Ich bin meiner Metzen (Meid = Jungfrau) in die Zöpfe +geflochten“. S. oben [38]. + +[145] T.-R. IV, 41. + +[146] Im Studierstüblein Bücher auf Bänken und Fenstern, 111, 472. — +Hochmeister Cord. 1510. Vielleicht aber meinte Käthe den Markgrafen +Georg von Ansbach. — Brief über Erasmus 111, 212. + +[147] Cord. 38. T.-R. II, 208, IV, 121, vgl. 78: „Die Weiber sind von +Natur beredt und können die Rhetorikam, die Redekunst wohl, welche doch +die Männer mit großem Fleiß lernen und überkommen müssen.“ + +[148] Garten und Brunnen III, 117. _Schild_ a.a.O. Birnbaum, T.-R. II, +369. + +[149] Das als Titelbild diesem Buch vorgesetzte Bild weicht bedeutend +von dem im Text geschilderten ab. + +[150] T.-R. IV, 114. + +[151] Luther nennt es selbst „meine abenteuerlich Geschrei“. + +[152] Br. III, 10. Camerarius. Narratio de Vita Mel., L. 1723, p. 103, +CXXX. + +[153] C.R. I, 754, Melanchthon. Camerarius p. 103 f. Vgl. _Hausrath_, +Kleine Schriften, L. 1883, S. 253 f. + +[154] III, 3. + +[155] Quellensammlung fränk. Gesch., Bamberg 1853, IV p. LXII. Beste +103-6. + +[156] Erasmi Opp. ed. Clerie. III 1. ep. 781. 790. 900. + +[157] _Seidemann_ 555. + +[Transkriptions-Anmerkung: Zur folgenden Bemerkung gibt es keinen +Verweis im Text.] + +Schmähschriften. _Hofmann_ 190 ff. + +[158] W. XIV, 1335 f. Br. III, 299. 365. + +[159] S.o.S. 36. Br. III, 9. 32. 49. _Hofmann_ 77. _Ratzeberger_ 69 ff. + +[160] III, 94 f. + +[161] III, 125: Mihi morigera et in omnibus obsequens est et commoda +plus quam sperarem. + +[162] Mel. griech. Brief an Camerar. Vgl. _Hausrath_ 254. T.-R. IV, 304. + +[163] Br. III, 55. 58. 32. 49. _Seckendorf_ II, 81. + +[164] III, 9. + +[165] L.W. „Das Pabstum mit seinen Gliedern gemalet“. + +7. Katharina als Mutter ihrer Kinder und Hausgenossen. + +[166] Der Gevatterbrief an Kanzler Müller lautet. „Gerne thät ich's, daß +ich m. gn. Herrn (d.i. wohl der Graf von Mansfeld) zu Gevatter bäte: +aber ich scheu des Prangens, das man mir würde zumessen, als der ich +mich mit einem München- und Nonnenkinde wollt herfürthun und große +Herren zu Gevatter bitten. Darum will ich hieneiden bleiben und bitte +Euch, sich des Kindes annehmen und geistlicher Vater mit sein, daß es +zum Christen möchte geboren werden.“ Br. III 113. T.-R. III 144. Br. III +115 f. 125. 128. + +[167] III, 173. 213. 264. Kolde, An. L. 97. Natürlich säugte Katharina +ihre Kinder selber. T.-R. II, 165. + +[168] III, 364. T.-R. I, 44. 199. Cord. 639. + +[169] _Kawerau_, Briefw. des J. Jonas, Halle 1884, I, 116. Beste 74. Br. +III, 246. 364 f. 376. 390. + +[170] III, 448. — Es war am Himmelfahrtsabend. + +[171] III, 447 f. T.-R. II, 274. + +[172] Mayer p. 40. Veit Dietrich 19. Juni an Käthe. + +[173] T.-R. I, 205 f. + +[174] Beste 77 f. Br. IV, 313. 320. 414. T.-R. I, 118. 200. IV, 131. + +[175] Br. IV, 419. + +[176] _Hofmann_ 156 f. Vgl. T.-R. IV, 515. 525. + +[177] Br. IV, 436. Hofmann 156-88. + +[178] IV, 436 f. + +[179] _Mayer_ § 22. _Cord._ 1235. + +[180] IV, 574. 623. V, 129. 163. VI, 153. + +[181] T.-R. I, 118. 178. 181. 198 ff. 211. Br. III, 123. IV, 343. + +[182] T.-R. I, 26. 213. Ratzeberger 60. Rietschel L. und sein Haus. +Halle 1888. S. 45. („Der Kleider und des Baretts springen“ — Sack- oder +Hosenlaufen und Barlauf?) Jost Br. IV, 7. Jost und Lippus; 41. + +[183] T.-R. I, 13. _Matthesius_ 145a. Br. IV, 41 f. 343. V, 163. +_Ratzeberger_ 59. + +[184] T.-R. I, 294. 212. 185. 178. Cord. 732. _Weißlinger_ in seiner +Schmähschrift „Friß Vogel oder stirb“ (Straßburg, 1726, S. 78) hat ein +Familienbild: D. Luther, die Frau Käth und liebe Jugendt; darauf stehen +in einer Gruppe das Ehepaar, an den Vater angeschmiegt „Hänßchen“, dann +dem Alter nach „Lisel“, als erwachsenes Mädchen (obwohl sie mit einem +halben Jahr gestorben ist.), „Lenchen, Martin, Paulus, Gretel“; in der +Thür steht ein älterer Knabe mit der Schrift. „Ich heiß Andräsel“. — +Dies Bild hat mit Weglassung von Elisabeth ein Straßburger Maler etwas +veredelt nachgebildet und diese Nachbildung ist in der „Niederlage +Christlicher Schriften“ in Straßburg als Photographie erschienen und in +G. Buchwalds D.M.L. deutsche Briefe (L. Bernh. Richter 1899) +reproduziert. — Vielleicht ist das Weißlingersche Bild unter +schmähsüchtigem Hinzuthun des „Andräsel“ einem älteren Original +nachgebildet; die Tracht der Kinder weist zum Teil auf die Wende des 16. +Jahrhunderts. Bei Luther, Käthe und Lenchen hatte der Zeichner offenbar +die bekannten Originale vor Augen. + +[185] Muhme Lene. Magdalena von Bora fehlt in dem Nimbschener +Personenverzeichnis von 1525/6. Von 1520-25 fehlt ein solches. IV, 44 f. +Vgl. T.-R. I, 200. + +[186] T.-R. III, 153. Br. IV, 42. 132. 343. + +[187] _Lauterbach_ 2. 141 f. 164 f. Cyriak Br. III, 550. IV, 8. 15. 121. +139. VI, 123. + +[188] Lies. gleichzeitig, statt „frühzeitig“. Von dem Adoptivsohn +_Andreas_ schreiben sich die katholischen Verleumdungen des Lutherschen +Ehepaares her, daß er als „Sohn“ bald nach der Hochzeit geboren sei. +(Vgl. oben S. 58). Ueber diese Verleumdung vgl. Lauterbach V und 141 +Anm. desgl. _Lutherophilus_, „Das 6. Gebot und Luthers Leben.“ Halle, +1893. + +Fabian hatte in der „Specke“ ein Abenteuer mit einigen Schlangen, das er +daheim natürlich gehörig übertrieben erzählte: als er dahin spazierte +und sich darin schlafen legen wollte, trat er auf ein Nest voll +Schlangen, die über einen Haufen lagen; die Tiere zischten ihm entgegen, +der junge Siegfried aber zog sein Schwert, hieb unter sie, der einen den +Kopf, der andern den Schwanz ab, bis das ganze Nest zerstört war. T.-R. +I, 233. + +[189] Hans Polner Br. IV, 131. VI, 123. 151. Cord. 444 N. lies: Hans +statt Andreas Polner. + +[190] V, 492. VI, 649 f. _Kolde_, Anm. Luth. 428. Ztschr. f. +Kirchengesch. 1878, S. 145. Neobulos, eigentlich Neobolos. + +[191] IV, 342 f. T.-R. I, 350. + +[192] III, 217 ff. VI, 683 unter „Mocha“. + +[193] III, 178. V, 189. + +[194] Ganerben = Gesamterben. Wie falsch diese Beschuldigung des +Stehlens war, geht daraus hervor, daß die Herzogin mittellos zu L. kam +und ihre Begleiterin ein großes Vermögen im Stich gelassen hatte. (Br. +III, 290). Katharina von Mergenthal, (IV, 469) Anna und Christina Korb +hatten nichts mitgebracht, als ihr Pelzlein und Ziechen vom Bettgewand. +(N. Archiv f. sächs. Gesch. III, S. 319). + +[195] S. 104. Br. III, 219. — Die Matronen Luther, Melanchthon u.a. +pflegten in der Stadt schwangere Frauen zu besuchen und zu beraten. +_Seidemann_, Beitr. S. 496. Kollekt. unter „Bora“. + +[196] _Köstlin_ II, 115. Nach _Seckendorf_ II, 122 war die Kurfürstin +drei Monate im Lutherhaus. + +[197] _Kolde_, An. Luth. 378. + +[198] V, 46 f. + +[199] „Bildenhauer“ († 1539) T.-R. I, 206. 248. Br. V, 201. VI, 328. + + +8. Katharinas Haushalt und Wirtschaft. + +[200] _Seidemann_, Luthers Grundbesitz. Ztschr. f. histor. Th., 1860, +475-570. _Stein_, die Geschichte des Lutherhauses. Wittenberg, 1883. +Vgl. _J. v. Dorneth_. M. Luther, Berlin 1886. II, c. 12. III, c. 10. 24. + +[201] Luther wußte, was ihm alles auferlegt wurde: „Luther hat einen +dicken Rücken, er wird auch diese Last tragen.“ IV, 294. + +[202] _Cord._ 1057. T.-R. IV, 78. 114. Br. III, 417. C. Ref. IV, 890. +Vgl. _Hofmann_ 93. — Zu I Cor. 7. W. II, 2830. + +[203] Cord. 1079. + +[204] V, 228. CR. VI, 625. VII, 144. + +[205] _H. Stein_, Geschichte des Lutherhauses. Wittenb. 1883. + +[206] T.-R. IV, 272 (Kellereinsturz). Vieh: _Burkh._ 409. 1 Kuh war +damals wert 3 fl.; 1 großes Kalb 2 fl.; 1 Ziege mit 2 Jungen 2 fl.; 1 +Schwein 1 fl.; 1 Ferkel 1/3 fl. — Hühner T.-R. II, 81. IV, 24. +Schweinehirt Johannes T.R. III, 128. + +[207] Reparaturen. VI, 327. V, 424. + +[208] Grundbes. 484 f. Br. VI 324-326. + +[209] 1541. _Burkh._ 403 f. + +[210] _Stein a.a.O._ + +[211] T.-R. I, 102. 123. 183. 213. IV, 291. + +[212] Geräte VI, 325. Kasten V, 162. Becher IV, 342. Vermächtnis: Burkh. +362. Uhren III, 168. 449. Messer: Burkh. 270. + +[213] Br. VI, 331. + +[214] Urkunde: _Burkh._ 202 f. + +[215] Myconii Summarium der Ref.-Gesch. Cyprian IV, 27. (2. Aufl.) W. +XI, 67. Br. V, 11. 127. 493. 668. 629. 319. 602. III, 156. Ueber das +teure Leben in Wittenberg beklagte sich auch ein Student 1532. +_Buchwald_ 103. Sonst 1 Kandel Wein 3 ₰. T.-R. I, 268. + +[Illustration: Grundriß des Lutherhauses (um 1540). + +(Nach H. Stein, Gesch. des Lutherhauses, Wittenberg 1883.) + + a Kollegienstraße. + b Häuser darin. + c „Haus Bruno“. + d „Des Rymers Häuslein an Thor“. + e Eingang. + f Hof. + g früherer Kirchhof. + h altes Kirchlein. + i Ställe. + k Brauhaus. + l Brauthor. + m Thordurchgang (Turm?). + n Garten. + o Thür in der Mauer. + p „Das hindere neue Haus“. + q Lutherhaus (Schwarzes Kloster) 1. Stock. + r Haupteingang. + s Turm mit Wendeltreppe. + t Flur im 1. Stock. + u Vorzimmer + v _Wohnzimmer_. + w Schlafkammer. + x Feuerungsraum. + y Zimmer mit Fallthür und Treppe. + z _Studierstube_. + ab Aula. + A Vorlesungssaal. + B Stadtmauer. + C Stadtmauer. + D Wall. + E Nebeneingang mit Wendeltreppe. + +[216] VI, 297. T.-R. I, 258. 274 f. + +[217] Jonas hatte einen Weinberg, Melanchthon (wohl durch seine Frau, +eine Wittenberger Bürgermeisterstochter) verschiedene Grundstücke. + +[218] _Burkh._ 319. + +[219] T.-R. I, 141. 142. 146. IV, 667. C.R. XXIV, 392. + +[220] Br. VI, 328. Garten: Burkh. 409. — Der Platz „Am Saumarkt“, später +„Viehmarkt“, wo der kurfürstliche Karpfenteich war, („Saumärkterin“ V, +783, „auf dem neuen Saumarkt“, _Burkh._ 356 f.) ist heute die +Lutherstraße. (Wittenberger Urbar VIa. 1625, Lagerplan.) — Richter, +Geneal. 398 ff. Beste 127. Fischteichlein T.-R. I, 179. — In der +Hausrechnung (VI, 2) 1536 ist nur vom Bildenhauerschen Garten geredet, +in dem Steuerschlag 1542 (_Burkh._ 409) vom Garten an der Zahnischen +Straße, im Teil-Receß 1553 (_Beste_ 127) vom „Baumgarten am Sewmargkt“, +der samt dem Hopfengarten an der Specke für 500 fl. angeschlagen wird — +also scheint er an Gelände oder Gebäude (durch den Krieg?) verloren zu +haben. Oder sollte der Garten an der „Zahnischen Straße“ = am Saumarkt +sein? Nach weiteren Erhebungen ist wahrscheinlich, daß die Zahnische +Straße den Anfang der heutigen Dr. Friedrichstraße bildete. Dann wäre +thatsächlich der Saumarkt da, wo die Zahnische Straße und die Faule Bach +sich schneiden. + +Die Lage wäre so. + +[Illustration: a-b Zahnische Straße. c-d Faule Bach. e-f Rische Bach.] + +Der Bildenhauersche Garten (für 900 fl.) lag nach dem Steueranschlag +nicht „unter dem Rat“ wie der an der Zahnischen Straße. (_Burkh._ 409) + +[221] Br. IV, 575. VI, 328 f. Wolfs Vogelherd: 154 f. V 787. Vgl. +_Burkh._ 409. + +[222] _Burkh._ 403. _Hofmann_ 98. — Der „Lutherbrunnen“ gehörte der +Stadt. + +[223] Br. VI, 547. Grundbes. 520. Pfähle Br. V, 637. Hauspostille 1. +September 1532. Rebenstock II, 124b. Stehlen: Grundbes. 530. + +[224] Bienenstock. _Rebenst._ II, 109. Fische T.-R. II, 80. + +[225] a. 1542 schätzt L. Braunen Haus auf 420 fl. IV, 575. Grundbesitz +502. Br. VI, 328: Die 250 fl. scheinen übrigens eine Abschlagszahlung +gewesen zu sein, denn das Haus kam höher zu stehen. Der Kaufbrief (v. +1541) bei _Richter_ Geneal. Luth. lautet: Bruno Brauer Pfarrer zu Dobin +verkauft erblich eine Bude im Elsterviertel zwischen D. Luthers +Behausung und Bruno Brauer an Luther und seine Erben mit allen +Gerechtigkeiten und mit Gehöft und Raum von der vordern Säule bis auf +die erste Ecke des Brunnens und von der hintern Ecke des Brunnens bis +auf die alte Badestube, zusamt derselben Badestube für 430 fl. zu 20 +Groschen jeden. + +[226] „Mein lieber Herr“ ist = mein Gemahl. + +[227] Burkh. 319. Nach dem Bericht von Kanzler Brück an den Kurfürsten +vom 13. März 1546 hat Frau Käthe dennoch „die Böse (das ist doch wohl +das Gut Boos) zur Miet und um einen liederlichen Zins etliche Jahr her +inne gehabt“. _Förstemann_, D.M.L. Testamente. Nordhausen 1846, S. 31. + +[228] S.o.S. 3. T.-R. II, 233. Br. V, 358. 298. 318. 431. 434. 753. VI, +304. _Burkh._ 357. + +[229] V, 312 f. 358. 495. 605. 609. 323. Ueber Käthes Walten in Zulsdorf +vgl. _Anton_ 193 ff. + +[230] VI, 318. V, 313. 427. 448 f. 482. 507. 528. _Burkhardt_, Th. Stud. +und Krit. 1896, S. 161. Der Scheunenbau spielt zwei Jahre lang. C.-R. +VII, 125. + +[231] Zulsdorf wird in 21 Briefen und T.-R. II, 233 erwähnt. (S. Br. VI, +705). V, 300. 318. 323. 394. 400. Den Mainzer Erzbischof und den Herzog +Heinrich von Braunschweig nennt Lauterbach in dieser Zeit „die wahren +Türken“. V, 401. + +[232] V, 299. 659. VI, 304. — An der Decke war einer der bekannten +Tintenflecke und am Balken ein Spruch, angeblich von Luthers (?) Hand. +„Willt du Trost haben, so gehe nach Droßdorf“ (1/4 Stunde davon +gelegen). Daß das Gütlein nicht ganz ohne Schmuck war, zeigen die noch +vorhandenen Reliefbilder von Luther und Käthe, zwei Medaillons, das eine +in Stein, das andre in Gips; beide, besonders das letztere, kraß +realistisch; sie sind später auf das Hofgut Kieritzsch und dann in die +dortige Kirche gekommen. Eine Nachbildung des Reliefbildes von Katharina +ist in der Leipziger Illustr. Zeitung vom 2. Febr. 1899. Vgl. oben S. +263. + +[233] L.W. II, 279. T.-R. IV, 59. L.W. XXI, 169*. Br. IV, 643. T.-R. +III, 128. IV, 62. + +[234] _Cord._ 1471. 1597. 589. _Schlaginhaufen_ 419. T.-R. IV, 199. + +[235] T.-R. IV, 306 (Cord. 980). L. führte diese Bezeichnung Käthes als +„Morgenstern“ als Beispiel für die zahlreichen „Metaphern“ oder +„verblümte Wort“ der deutschen Sprache an, neben Redensarten wie „groß +Geschrei — wenig Wolle“; „er hängt den Mantel nach dem Winde“. — +Bekanntlich hat _Engelhard_ diese Methapher im gehässigen Sinn als +Lucifer Wittenbergensis zum Titel seiner Schmähschrift gemacht: „Lucifer +Wittenbergensis oder der Morgenstern von Wittenb., d.i. Vollständiger +Lebenslauff C. von Bore, des vermerkten Ehe-Weibs D.M. Lutheri, in +welchem alle ihre Scheintugenden, erdichtete Großthaten, falsche +Erscheinungen weitläuffig erzehlet werden v. R.D. Euseb. Engelhard.“ +Landsperg 1747. — Käthes Krankheiten: Cord. 965. T.-R. IV, 24. II, 230. +233. III, 37. 122. 131. IV, 259. Br. IV, 530. V, 271. + +[236] VI, 547. 332. + +[237] _Lauterb._ 111. T.-R. IV, 593. Rietschl 43 f. L.W. XXI, 163*. + + +9. „Wunderliche Rechnung zwischen D. Martin und Käthe.“ + +[238] Br. VI, 151. V, 403. IV, 342. Widerruf vom Fegefeuer. Cord. 105 f. +Br. IV, 575. + +[239] L. Grundbes. 518. (_Burkhardt_) Stud. und Krit. 1896, S. 158 ff. +1894 S. 769. _Burkh._ 432. _Kolde_, An. L. 396. 409. + +[240] VI, 325 f. II, 524, 618. + +[241] Diener III, 342. 449. VI, 324 f. _Kolde_, An. L. 195. _Seidemann_, +Grundbes. 484 f. + +[242] Br. III, 104. T.-R. III, 308. Br. III, 496. + +[243] III, 495. + +[244] V, 189. + +[245] _Ratzeberger_ 59 f. + +[246] IV. 342. + +[247] _Mathes._ 144b. 377. Vgl. Kolde, An. Luth. 254. Hoffmann 99 f. + +[248] _Lauterbach_ S. 5. + +[249] VI, 328 ff. + +[250] Eine Schneiderrechnung: „1 Rock, Hosen und Wams Doktori Martino zu +machen bei Schneider Cunz Krug 18 Gr.“ + +[251] Würze und Zucker durfte allein der Apotheker (Lukas Kranach) +verkaufen. — 1 Loth Seide kostete 1 Gr. 6 ₰; 5 Ellen Barchent 21 Gr. 8 +₰. — „10 Ellen schwarz puritanisch Tuch vor 3 Schock 20 Gr. hat der Rat +(1524) D.M.L. zum Rock geschenkt und Hier. Krapp (Melanchthons Schwager +war ein Gewandschneider) bezahlt.“ _Schild_, Denkw. Wittenb. S. 27. + +[252] Die Paten waren in Wittenberg sehr zahlreich, wie man schon bei +Luthers Kindern sieht. Am 20. Jan. 1536 wurden neun Kinder auf einmal +getauft; da war natürlich auch D. Martinus, ferner D. Pommer, M. Philipp +und viele andere treffliche ehrsame Leute Gevattern. T.-R. IV, 146. +Luther stand zahllose Male zu Gevatter. Er hatte es so oft versprochen, +daß er einmal gar nicht mehr wußte, wem, und es seinem Famulus auftrug, +es auszukundschaften. IV, 559. (Das erinnert an den vergebenen Traum +Nebukadnezars, Daniel 2). Hochzeiten V, 570. + +[253] Br. IV. 342. _Mathes._ 144b: In der Teuerung zur Pestzeit borgte +L. beim Schösser etliche Scheffel Frucht und „wagte sie an die armen +Leute“. T.-R. II, 212. Bezeichnend ist ein Zettel des Doktors (an den +Stadtrat?) vom März 1539: „Lieben Herrn! Es muß dieser arme Gesell auch +Hungers wegen davon. Nu hat er keine Zehrung wie die andern und muß fern +reisen; weil er aber ein fromm gelehrt Mann ist, so muß man ihm helfen. +So wisset Ihr, daß meines Gebens ohn das viel und täglich ist, daß ich's +nicht kann alles erschwingen. Bitt derhalben, wollet ihm 30 Gr. geben; +wo nicht so viel da ist, so gebet 20, so will ich 10 geben; wo nicht, so +gebet die Hälfte. 15, so will ich die andere Hälfte geben. Gott wird's +wohl wiedergeben. Martinus Luther.“ VI, 226. + +[254] III, 157. V, 570. + +[255] _Cord._ 1601. + +[256] VI, 329. + +[257] _Cordatus_ Nr. 1057 hat nur 50 fl. Im Jahre 1537 aber bei der +zahlreichen Familie und den vielen Kostgängern kann das lange nicht +gereicht haben, wenn er auch nur die Barauslagen rechnet. Sonst wäre ja +auch die Haushaltung nicht „wunderlich“. — VI, 331. + +[258] _Fürstemann_, Denkmale D.M.L. errichtet. Nordh. 1846. S. 27. + +[259] III, 111. 115. + +[260] Potentem et avarum. Strobel, Beitr. II, 481. C.R. V, 314. „Die +_richtige_ Bezahlung“. _Förstemann_, Luthers Testamente. Nordhausen +1846, S. 3. + +[261] T.-R. IV, 62. + +[262] VI, 329. + +[263] IV, 342. + +[264] An Link: III, 10. 104 an Rühel. „L. Hr. Dr. und Schwager! Das ihr +meine Käthe hie zu W. geben habt, bin ich lang hernach inne worden; +meinte nicht anders, Ihr hättet's hinweg, wie ich bat.“ — Käse: IV, 556 +und 599 u.a. Kolde, Ann. L. 423. Kolde, M. Luther II, 519. + +[265] Br. V, 605. S.o.S. 155 ff. + +[266] _Cord._ 662. + +[267] III, 157. V, 424. VI, 326. + +[268] T.-R. I, 274. Br. III, 495. + +[269] T.-R. IV, 130. + +[270] Uebrigens war Käthe im Grundsatz mit Luther einigermaßen +einverstanden, vgl. den Brief an Löser S. 83. + +[271] T.-R. IV, 70 f. Spr. Sal. 31, 10-31. + + +10. Häusliche Leiden und Freuden. + +[272] Das Folg. in D.T. Pommerani und I. Jonä Historie von L. geistl. +und leibl. Anfechtungen. a. 1527. L.W. XXI, 158* ff. Br. III, 187-190. + +[273] Br. III, 191. 205. Vgl. 200. 213. 170. — Ueber die Fortschritte +der Pest. Vgl. auch G. _Buchwald_, zur Wittenb. Stadt- und +Universitätsgeschichte, L. 1893, S. 3-17. — Mocha(u): VI, 683. + +[274] _Buchwald_ S. 7. Auf dem Pestkirchhof wurden die Kleider der +Pestkranken verbrannt; daher wohl verbrannte dort Luther auch die +Bannbulle. + +[275] Br. III, 217 f. 221. _Buchwald_ 9. 12. 15. Br. III, 188. 193 ff. +212. 215. 217-19. 221. Teuerung. _Vogt_, Bugenhagens Briefw. Stettin +1888. S. 106. + +[276] III, 218. 221. 225. 240. 241. 243. 247. 253. + +[277] III, 222. 246. 248 f. + +[278] III, 314. 364 f. 376. 390. VI, 96. + +[279] III, 390. 404. 423. + +[280] III, 432. 469. + +[281] III, 512. + +[282] IV, 1 f. 34. 132. 179. V, 186 — „Gruboc“ umgekehrt von Coburg. + +[283] Luth. Ztsch. 1880, 50. C.-R. II, 40 f. Br. IV, 115. 132. 2. 10. +12. 32. V, 186. + +[284] IV, 132. 10. 19. 32. 43. 120. T.-R. IV, 244. „Oertlein“ 270. + +[285] IV, 121. 51. 10 174. + +[286] _F. Eysenhardt_ und _A. v. Dommer_. Mitteil. a.d. Stadtbibl. zu +Hamburg II, 1885, S. 96. — H ... „Hürlein“. Es ist bekannt, daß für +Kinder als Kosenamen oft die häßlichen Wörter gewählt werden z.B. „Du +Spitzbub. Du Schelm!“ So hörte ich einmal eine alte Kindsmagd im +Ueberschwang ihrer Gefühle sagen. „Du liebes Schindluderle“. — Luther +gebrauchte also, wie sonstige Gelehrte, zum _Lesen_ schon früh (1525) +eine Brille. II,624. — Ueber den Goldschmied Christian Döring s. Br. VI, +657. + +[287] IV, 7. + +[288] IV. 39. 41. 7. 9. 16-18 (vgl. III, 219). + +[289] IV, 4. 7 f. 13 f. 51 f. 41 f. 39. + +[290] IV, 131 ff. + +[291] Die Briefe waren lateinisch. + +[292] Exemplar = Manuskript. + +[293] VI, 121 f. + +[294] Br. IV, 230. 322. + +[295] Großeltern. T.-R. I, 201. Brief an den kranken Vater III 550 f., +an die Mutter IV, 256 ff. + +[296] Martin IV, 313. 320. 414. T.-R. 201. Paul IV, 411. 431. 436. +Margarethe IV, 574, vgl. 555. Hans immatrikuliert, _Lauterbach_ 141. + +[297] _Kolde_, An L. 184. Br. VI, 144. + +[298] Burkh., St. und Krit., a.a.O., 158. + +[299] IV, 553. + +[300] _Köstlin_ IV, 380 f. + +[301] IV, 362. V, 560. 643. 703 f., vgl. 524: „Euer Sohn hat jetzt die +Masern gehabt; haben sein mit Fleiß gewartet nach Dr. Augustin (Schurf) +Rat; ist nun wieder gesund.“ + +[302] IV, 342. T.-R. IV, 93, lies: Rischmann. + +[303] Wenigstens wird Jakobs von Seidewitz sel. Sohn, Kammerjunker +Martin von Seidewitz erwähnt. Ztschr. f. hist. Theol., 1860, S. 570. + +[304] V, 106. 201. 411. 516. Ztschr. f. hist. Th., 1860, 565-69. + +[305] T.-R. IV, 451 f. 244. + +[306] T.-R. I. 201 f. 204. 205. + +[307] V, 46 f. 492 f. Daß Luther seinen Sohn Hans schon (1533) im 7. +Jahr ein lateinisches Urteil über Erasmus und im 11. Jahr (1537) einen +lateinischen Brief schreibt (Br. IV, 497, V, 46), ist nicht zu +verwundern; schrieb doch der 11jährige Herzog Wilhelm von Sachsen an +Hans Luther auch eine, wohl mit Hilfe seines Lehrers, verfaßte +lateinische Epistel 1541, _Mayer_ § 17. (D. D. _Richter_, Geneal. +Luther. 379). + +[308] _Lauterbach_ 141. Martin. T.-R. I, 205. _Köstlin_ II, 491. +Florian, Ztschr. f. K.-Gesch. II, 145 f.: L. diktiert dem Buben zum +Willkomm drei Tage hintereinander je des Tages einen guten fetten +Schilling. — Zeile 10 lies: Florian (st. Fabian). + +[309] T.-R. I, 202. + +[310] T.-R. IV, 76. 64. + +[311] T.-R. IV, 129. _Matthes._ 145. + +[312] Muhme Lehnes Tod. T.-R. III, 153. — Rosine, Br. V, 625. 396. 506. +753. + +[313] V, 101. + +11. Hochzeiten und Krankheiten, Pest und Tod. + +[314] T.-R. IV, 41. 84. 104. Br. V, 186 f. 198. II, 317. + +[315] T.-R. IV, 53, 75. 51. + +[316] VI, 189 f. 196. T.-R. III, 147. IV, 54-56. + +[317] Br. VI, 217. + +[318] T.-R. IV, 58. I, 184. — Wein und Brot. T.R. I. 106. Wenn Luther +das Tanzen empfiehlt, so vgl. [445]. + +[319] T.-R. IV, 59. + +[320] IV, 610 f. 618. 625. 627. _Burkh._ 237 f. + +[321] V, 49 ff. 57 f. („hessische Betten“). _Ratzeberger_ 105 f. (nasse +Bettücher), _Seckendorf_ III, § 60. _Burkh._ 276. + +[322] Mist: In Schmalkalden gab man Luther ein Getränk? von Pferdemist +und Knoblauch ein. Man hielt viel auf solche Mistkuren: T.-R. I 120: +„Pferdemist dienet für Pleurosie“. + +[323] V, 59 f. + +[324] V, 59. 270. 58. + +[325] Muhme Lene † T.-R. III, 153. + +[326] IV, 524. V, 188. _Burkh._ 259. _Schmidt_, Ztschr. f. Gesch. II, +256. VI, 187 f. + +[327] VI, 188. + +[328] V, 579. 259 f. VI, 291. _Seckendorf_ III, 182. V, 127. + +[329] VI, 444 ff. schrofa (d.i. scropha) ista Boemica „jene böhmische +Sau“, _Burkh._ 285 f. 289-95. + +[330] Burkh. 365. 467. + +[331] T.-R. I, 225. II, 212. + +[332] T.-R. II, 441 f. IV, 257. Br. V, 218 f. 225. Auch Dr. Sebald und +seine Frau hatte er besucht, angegriffen und betastet. Und da er ihre +Kinder ins Haus genommen, gaben ihm etliche einen Stich, als wollte er +Gott versuchen, T.-R. IV, 251. + +[333] Jonas' Briefw. I, 381 f. Diese Krankheit muß es gewesen sein, von +der Luther T.-R. IV, 259 redet. Als nämlich von den Schrecken des Todes +die Rede war, sagte er. „Da fraget meine Käthe drum, ob sie des etwas +gefühlet hat, denn sie war recht gestorben.“ Sie aber antwortete. „Herr +Doktor, ich habe gar nichts gefühlet.“ + +[334] V, 269-271. 273. 277. 218. _Ratzeberger_, 104. T.-R. II, 230. 233. + +[335] Jonas' Briefw. I, 383. + +[336] V, 300. + +[337] _Burkh._ 356 ff. + +[338] Sprichwörtlich, vgl. S. 131. Seltsamerweise kehrt die alte +Schreibart des Namens wieder, vielleicht bei einem Abschreiber, obwohl +man auch damals wußte, daß L. seinen Namen von Lothar („vom Kaiser +Luther“) habe, wie der Stadtpfarrer M. Cölius zu Eisleben in seiner +Leichenrede erklärt. _Förstemann_, Denkm., Nordh. 1846, S. 55. + +[339] _Burkh._ 131, I. VI, 269 f. + +[340] V, 298. + +[341] V, 299 f. + +[342] V, 107. 201. 411. 516. _Faber_, Briefw. 14. _Burkh._ 401. 423. + +[343] V, 306. + +[344] V, 336. 346. 348-52. + +[345] V, 416, 431. VI, 297. + +[346] V, 744. 763. + +[347] Vgl. S. 196. Cyriak: andere nehmen seinen Bruder Fabian als den +heimlich Verlobten an; er war gleichzeitig mit seinem Bruder Andreas und +seinem Vetter Hans Luther an Trinitatis 1533 immatrikuliert — also +jünger wie Cyriak, welcher schon 1529 Student war. Daher wird auf diesen +die Verlobung eher passen. — T.-R. IV, 96. 84 ff. 491 ff. 500 ff. Beier: +Br. V, 619. 676. Burkh. 453 f. C.R. V, 313, 286 ff. Mel. d. J. +Verlöbnis. Kreuzigers Klagebrief über die Wittenb. Händel. Br. V, 620: +L. hat Melanchthon übermocht, daß er seinem Sohn nicht nachgebe. 616: +Phil. und sein Weib vergehen fast an ihrem Sohn. + +[348] V, 497. — Das folgende steht in T.-R. 258-265. + +[349] Die folgenden Verse, in deutscher Uebersetzung, lauten: + + „Die ich in Sünden war geborn + Hätt ewig müssen sein verlorn, + Aber ich leb nun und hab's gut, + Herr Christe erlöst mit deinen Blut.“ + +Sie sind vielleicht vom Berichterstatter. _Mayer_ § 20. — _M. Richter_, +Geneal. Luther. 352. + +[350] V, 502 f. 506. + +[351] V, 520. + +[352] V, 519. + + +12. Tischgenossen und Tischreden. + +Vgl. _Anton_, Zeitverk. 145 ff. + +[353] IV, 629. + +[354] _Schadow_, Wittberg Denkw. 60 f. Br. III, 14. V, 11. 15. 19. +Verlöbnis 196. + +[355] IV, 476. 629. C.R. XXIV, 397. Burkh. 237 f. Br. IV, 641. 414. + +[356] III, 217. VI, 286. _Lauterb._ 158. V, 767. _Kolde_ 377. + +[357] _Burkh._ 238. Br. IV, 413. 629. T.-R. I, 179. V, 767. + +[358] V, 619. 624 f. 630. + +[359] Besuch von Mansfeld, z.B. 30. November 1538, T.-R. III, 358. — +Capito V, 70. + +[360] _Burkhardt_, Th. St. u. Krit. 1896, S. 192. 161. + +[361] Cordatus, S. 13. 20. 22. T.-R. I, 414. + +[362] II, 153. 46. 677. III, 9. 31. 59. 130. 149 f. 210. 394. 401 f. +476. IV, 272. 370. 388 f. T.-R. IV, 297. _Burkh._ 216 ff. _Kolde_, An. +Luth. 197. + +[363] Lauterb. IX. + +[364] T.-R. IV, 667. _Seidemann_, M.A. Lauterbachs Tagebuch, Dresden +1872, V-VII, _Waltz_, Ztschr. f. K.-Gesch. 1878, S. 629 f., vgl. Beitr. +zur Sächs. K.-G., 1893, S. 74 ff. 79. + +[365] _M. Preger_, Tischreden L.s nach den Aufz. von Schlaginhaufen, L. +1888, S. VI-X. T.-R. III, 118 f. + +[366] _H. Nobbe_. Dr. H. Weller, Ztschr. f. hist. Th. 1870, S. 153 ff. +Br. IV, 38 f. 131. 477. 586. Beide Weller des jungen Musikus Joh. Jöppel +gute Freunde! 535. Ruf nach Dresden 161. Schwermut 556 f. Cord. 601, 6. +783. Br. V, 11. T.-R. 538. Cord. 1774: „Lieber Weller, lügt Euch nicht +zu Tode; Ihr könnt noch wohl ein Jurist werden.“ + +[367] T.-R. II, 46. Mayer, p. 56 f. + +[368] T.-R. II, 210. L.-W. XXI. 186* ff. + +[369] T.-R. I, 57 f. + +[370] _Hirsch_ und _Würfel_, Lebensbeschr. aller Hh. Geistlichen in +Nürnberg. Nürnb., 1756. III, 4-6. — Br. IV, 363. 192. 199. Krause Sinne: +T.-R. III, 184. Cord. 920. _Hausrath_ 278. Vgl. oben S. 121. + +[371] Briefe aus Wittenberg an H. Baumgarten. Ztschr. f. hist. Th., +1874, S. 546 f. — Br. IV, 665. V, 564. + +[372] C. Ref. V, 314^4. S.o.S. 963. Stud. und Krit. 1887, S. 354. +_Köstlin_ II, 496. — Die Klagen Besolds über Frau Käthe werfen nicht +gerade ein schlechtes Licht auf ihren Charakter. Ihre „Habsucht“ belegt +er damit, daß sie „alles zu Rate gehalten und bei den Tischgenossen auf +richtige Bezahlung gedrungen“; ihre „Herrsucht“ damit, daß sie +„diejenigen Theologos nicht leiden können, welche Weiber von schlechten +Stande geheiratet.“ Beides ist nur ein Beweis für ihre gesunde +praktische Lebensansicht. + +[373] Lemnius: „ein Poetaster und Leuteschänder“ Matthes. 126. Br. V, +105. 381 f. 385-7. — T.-R. II, 223. III, 317. IV, 95. 259. 705. M. +Holstein, „der neue Jurist“: T.-R. III, 317. — Th. St. und Krit. 1887, +S. 354. Ztschr. f. hist. Th. 1874, S. 570 ff. + +[374] Br. VI, 234. 270. V, 29. T.-R. III, 293. 381. IV, 285. — Vgl. o.S. +131. + +[375] Matthes. 68. T.-R. IV, 444. + +[376] T.-R. IV, p. XX, s.u. 204. 206. 229. 236. + +[377] T.-R. IV, p. XVIIIf. Br. VI, 328. Matthes. 131. Nach M.D. +_Richter_, Geneal. Luth. 369, war auch der Jurist Joh. Schneidewin 10 +Jahre Käthes Haus- und Tischgenosse und wurde nachher Zeuge für +Margarete L. beim Teilreceß 1554. + +[378] Matth. 68. 209a. 211. + +[379] IV, 667 f. + +[380] V, 115. IV, 435 f. + +[381] V, 402. + +[382] C.-R. V, 314^4. + +[383] IV, 524. S.o.S. 116. + +[384] L.-W. XXI* 166. 165. + +[385] _Matthes._ 141. 143. 209. + +[386] _Waltz_, Ztschr. f. K.-Geschichte, 1878. S. 629. _Hausrath_ 266 +bis 273. + +[387] Cord. 133. _Matthes._ 151. + +[388] _Matthes._ 133. 211. + +[389] T.-R. II, 247. + +[390] _Cord._ 731. _Lauterb._ 5. 38. + +[391] T.-R. IV, 131 f. Vgl. _Schlaginhaufen_ Nr. 147. „Luther: Der Satan +hat Gottes Sohn erwürget. Respondit uxor D.: Ei mein lieber Herr Doktor +von Credo.“ + +[392] T.-R. III, 90 f. + +[393] T.-R. IV, 134. + +[394] Cord. 1205. Der große Zwischensatz sieht allerdings aus, wie eine +Einwendung Luthers; aber der Berichterstatter, der doch sonst Katharina +nicht sonderlich wohl will, schreibt die _ganze_ Rede ihr zu. + +[395] Cord. 120. + +[396] Cord. 110 f. + +[397] _Lauterb._ 156. — Der gelehrte „Engeleser“ war wohl „der schwarze +Engeleser“ Dr. Antonius Robert Barns (Barnes) S. 144. + +[398] T.-R. IV, 78. 121 f. Vgl. o.S. 55. 73. Schlaginhaufen Nr. 187. Als +die Rede auf den Türken kam, sagte die Doktorin: „Ei behüt uns Gott vor +dem Türken!“ Der Doktor: „Ei, er muß einmal den Pelz laufen.“ 216: Die +Doktorin stach was in die Seite; da schreit sie laut auf: „Ave Maria!“ +Sagt der Doktor. „Warum hast Du nicht billig am Ende den angerufen, der +am Anfang? Wäre nicht Jesus Christus auch ein tröstlich Anrufen?“ 228: +Der Doktor neckte einmal seine Frau, es werde noch dahin kommen, daß +ein Mann mehr als ein Weib nehme. Da sagte die Doktorin: „Das glaub der +Teufel!“ Und als Luther auf Gründe der Natur wies, da berief sich Käthe +auf Paulus; als aber der Doktor auch dies widerlegte, sagte sie: „Bevor +ich das zugäbe, würde ich lieber wieder ins Kloster gehen und Euch und +alle Kinder verlassen.“ + +[399] Br. III, 35. + + +13. Hausfreunde + +Vgl. _Anton_ D.M.L. Zeitverkürzungen. L. 1804, S. 94 ff. + +[400] V, 668. Vgl. Matthesius zu 1529: Luthers „Discipel“ fangen an zu +lesen. + +[401] Br. IV, 503. 565. 636. _Burkh._ 319. _Kolde_, An. L. 82. +_Buchwald_ 48. 52. Br. II, 677. III, 150 u.a. IV, 344. VI, 138. 411. +„Kütten-Latwerg“ d.i. Quitten-Latwerge. + +[402] IV, 500. V, 434. 503. III, 77. + +[403] Fr. S. Keil, Dr. M.L. Merkw. Lebensumst., S. 699. Ztschr. f. hist. +Th., 1874, S. 551. — + +[404] III, 35. 128. IV,36. V, 96. 426. VI, 450. T.-R. III. + +[405] _Kawerau_, Ztschr. f. K.-Gesch., IV, 301. T.-R. III, 375. + +[406] „Grickel und Jäckel“. T.-R. III, 358-82. — _Anton_, L.s +Zeitverkürzungen 145. Vgl. das Katechismusglas T.-R. II, 174. Köstlin +II, 465. 469. — Das überlaute Schreien Agrikolas charakterisiert +Creuziger in einem Brief an Veit Dietrich: er lehre in der Schule nach +Gewohnheit grandibus buccis (mit vollen Backen). + +[407] III, 253 u.a. V, 162 f. 450. 703. T.-R. I, 272. 328. + +[408] III, 226. + +[409] III, 199 f. 389 f. + +[410] T.-R. III, 358. 370. 376. Br. IV, 161. S.o.S. 53. S. 77. — L. +kommt zur Taufe nach Torgau. _Lingke_, L. Reisegesch. 159. + +[411] III, 523. IV, 556. V, 67. 74. 326. + +[412] _Kolde_, An. L. 234. 241. 239. 307. Br. V, 70. + +[413] III, 17. IV, 198. + +[414] IV, 176. VI, 129. 367. V, 402. C.-R. V, 214^4. _Seidemann_, +Ztschr. f. hist. Th., 1874. S. 555 ff. + +[415] V, 672. Th. Studien und Krit., 1887. S. 353 ff. Oeffentliche +Gebete in W. für B. — Reden und Jammern bei Tisch. Vgl. Melanchthon an +B. am 25. März 1546: (C.-R. VI, 93): „Von Dir hat Luther immer mit Liebe +und Verehrung gesprochen.“ Ueber die Gefangenschaft Baumgartens vom 31. +Mai 1544 bis anfangs August 1545. _S. Seidemann_, Kollektaneen. Anz. f. +d. K. der d. Vorzeit. R.F. 1854. 1855. + +[416] Vgl. oben S. 1. 4. 5. Br. IV. 665. V, 564. + +[417] IV, 556. 607 f. 247. VI, 736. IV, 611. 596. + +[418] „Feldglocken“ = Galgen, also Galgenschwengel. + +[419] IV, 586. + +[420] V, 11. 15. 19. 22. 274. + +[421] T.-R. I, 414. III, 96. 115. + +[422] III, 219. IV, 31. 499. + +[423] III, 447. 492. IV, 183. 215. III, 434. + +[424] IV, 261. 312. 317. 490. III, 490. IV. 343. + +[425] IV, 414, 476. V, 22. 139. Vgl. _Kolde_, An. Luth. 332 — T.-R. IV, +256 f. + +[426]. IV, 494. VI, 266. V, 57. Matthes. 319 + +[427] V, 38. 271. 285. 401 u.f.f. Vgl. Br. VI, 533-35. 674. IV, 583 f. +T.-R. IV, 47. + +[428] Tischgespräch: II, 265. Besorgungen: Br. V, 228. 493. 668. 602. +628. 637. + +[429] III, 53. 119. 154. 254. 372. V, 330. 148. + +[430] V, 59. S.o.S. 126. + +[431] V, 312 f. VI, 318. V, 507. 605. 609. 627. + +[432] Ztschr. f. K.-G., 1878, S. 304. + +[433] _Anton_, L. Zeitverf. S. 116 f. + +[434] _F.W. Löhe_, Ztschr. f. hist. Th. 1840, S. 175-247. _Piper_, +Zeugen der Wahrheit L. 1874, Bd. IV, S. 375-82. Elisa, Br. IV, 654. +Testament, Br. V, 425. T.-R. II, 397. Kreuziger war der Protokollführer +der Evangelischen und Nachschreiber von Luthers Predigten. Myconii +Historia Reform. 1517-42 v. E.S. Cyprian, L. 1718. S. 47. + +[435] Aufträge IV, 10, Meßgeschenk 422. Frau Elis. Kreuziger: Ztschr. f. +hist. Th., 1874, S. 554. _Lauterb._ 183. + +[436] IV, 684. V, 11. IV, 414. + +[437] _Piper_, Bd. IV, 356-368. + +[438] III, 230. 111. 219. + +[439] IV, 375. III, 304. 245. 252 f. 264. 281. V, 299. u.s.w. + +[440] III, 512. IV, 131. + +[441] III, 244. 253. 314. + +[442] III, 314. 375. _Zitzlaff_, Bugenhagen, Wittenb. 1885, S. 106. +„Pomerisches Rom“, Br. V, 48. Mit „Oel“ = Bier; vgl. das englische ale. + +[443] _Piper_ IV, 368-75. — VI, 304. Jonas' Briefwechsel I, 115. 153. +160. 174. II, 77. + +[444] Br. IV, 10. 16 f. 18 f. V, 414. 557. 109. 114. 201. + +[445] _Buchwald_ 62. V, 7. VI. 303. + +[446] V, 519. IV, 9. + +[447] IV, 629 f. V, 3 f. 100. 394 f. 470. + +[448] Briefw. I, 380-3. (_Kolde_, An. L. 134, Br. IV, 629). ἡ γυνή vgl. +Offenb. Joh. 12, 1. + +[449] Jonas in Halle, V, 346. Neckerei 396. Seine Frau [Symbol: +gestorben] 519. + +[450] Ueber Luthers Verhältnis zu Melanchthon vgl. _Anton_ 31-33. V, +336. 171. 344. 270. + +[451] Zur Charakteristik von Frau Melanchthon, C.R. III. 390. 396. 398. +Kolde, M.L. II, 463. 471. 603. Kleiderordnung, Schadow, Wittenb. Denkw., +S. 60 f. + +[452] C.R. III, 398. T.-R. III, 390. Vgl. Köstlin II, 462. + +[453] Kolde, An. L., 311. 318. Br. V, 105. T.-R III, 275 ff. + +[454] VI, 199. T.-R. III, 275 ff. IV, 126, vgl. Matthes. 126. Kolde, 321 +f. 326 f. Hofmann 193. + +[455] C.R. V, 641. 123 f. IV, 143. 154. 169. 303. V, 113. VI, 20 f. + +[456] V, 273. 277. Fröhlich sein: 294. 323. C.R. VI. 53 f. + +[457] C.-R. V, 410. — Käthe oder Melanchthon meint dabei wohl den +„Schwaben“ Simon Lemnius und den Sachsen (Joh. Sachse aus) Holstein +(s.o.S. 146). Sie stellte übrigens dem Melanchthon dies nicht als _ihre_ +Meinung, sondern als Klage des Holstein dar. + +[458] C.-R., V, 410. + +[459] Die beiden Kanzler sind Brück und Beier. + +[460] _Zitzlaff_, Bugenhagen S. 107. + +[461] _Kreußler_, Denkmäler der Reformation L. 1817. S. 29. Abneigung +gegen Theologen-Weiber aus niederem Stande. Br. VI, 419. C.-R. V, 314^4. +S.o.S. 146^1. _Seidem._, Beitr. z. Ref.-Gesch. 496. Auch mit dem alten +Bildenhauer verkehrte L. viel. Vgl. T.-R. I, 24 ff. — Die +Krankenpflegerinnen des Mittelalters waren die „Beguinen oder +Seelweiber“, _Matthes._ 159b. + +[462] T.-R. III, 127. II, 210. + + +14. Käthe und Luther. + +Vgl. _Anton_ 117 ff. + +[463] T.-R. IV, 124. 38. (77). + +[464] _Küchenmeister_: L. Krankheitsgeschichte. S. 54. + +[465] T.-R. IV, 53. Br. VI, 332. + +[466] _Lauterbach_ 2. _Küchenmeister_ 111. + +[467] _Lauterbach_ 2. _Küchenmeister_ 111. Br. V, 51. + +[468] Br. 330. T.-R. I, 134. 212. 213. IV, 129. + +[469] Käse V, 319. Bier von Jonas V, 100. Königin der Biere V, 470. +Sehnsucht vom Hof nach Haus: IV, 553. Hofbrot V, 51. + +[470] T.-R. IV, 69: „Wenn ich bei mir selbs (daheim?) bin, dank ich +unserm Herrgott für das Erkenntnis der Ehe“ T.-R. IV, 59. S.o.S. 123, 2. + +[471] _Melanchthon_, Vita Lutheri p. 8. _Mayer_ §27. _Hofmann_ 148. Das +Katechismusglas, T.-R. II, 144. III, 170. + +[472] T.-R. IV, 300 f. Vgl. I, 103. Br. VI, 330. + +[473] S.o.S. 71. 104 f. 126-128. + +[474] Dr. Fr. _Küchenmeister_, L.s Krankengeschichte. L. 1881. + +[475] II, 616. III, 254. V. 330. VI, 115. 130. 144. + +[476] T.-R. I, 208. _Walch_ XXI, 275*. _Küchenmeister_ 52 f. + +[477] Die Antrittsrede (_Hofmann_ 110) ist übrigens nach damaliger Sitte +von Melanchthon verfaßt. — Zum folg. vgl. S. 124. + +[478] T.-R. IV, 271. — _Ratzeberger_ S. 61 f. + +[479] Br. III, 219. 244. + +[480] T.-R. II, 210. III, 51. + +[481] _Kolde_, An. Luth. 234. + +[482] _Mayer_ §27. Keil II, 199. T.-R. I, 212. 210. + +[483] _Anton_, L. Zeitverk. S. 117 ff. + +[484] V, 163. IV, 599. + +[485] Diese Anekdote, welche u.a. Albert _Richter_, Deutsche Frauen, L., +Brandstätter 1896, S. 162 erzählt, habe ich aus den Quellen nicht +belegen können. + +[486] T.-R. III, 131. Br. IV, 123. Vgl. T.-R. II, 215. Da sagt L. von +seinen cholerischen Temperament: „Ich habe kein besser Werk denn Zorn +und Eifer; denn wenn ich wohl dichten, schreiben, beten und predigen +will, so muß ich zornig sein: da erfrischt sich mein Geblüte, mein +Verstand wird geschärft und alle unlustigen Gedanken und Anfechtungen +weichen.“ + +[487] _Strobel_, Beitr. II, 481 (C.-R. V, 314). (14. Febr. 1544). Scis +illum habere ad multa quae cum inflammant facem domesticam. Als 1533 der +Stadtschreiber _Roth_ von Zwickau mit seiner Frau und den dortigen +Geistlichen in Hader lebte und infolgedessen auch Luther gegen ihn +aufgebracht war, berichtete ein Student, Peter von Neumark, an Roth von +Dorothea, einer Verwandten von Roth, die an einen „seinen und züchtigen +Schustergesellen“ verheiratet war. „Sie (Dorothea Kersten) hat mir auch +darneben geklagt, wi das die Doktor Martinus Lutherin wiliche doch Hader +und Zank stillen solde ja vil mher hätte angericht.“ _Buchwald_ 37. 104. +— Das ist aber nach den Verhältnissen eine recht unlautere Quelle. + +[488] _Buchwald_ 176. Vgl. Köstlin II, 492. 608 f. + +[489] _Mayer_ §27. Keil II, 199. + +[490] Br. V, 790. + +[491] S.o.S. 112. 106 f. + +[492] IV, 174. Riedtesel: Kurf. Direktor. + +[493] IV, 553. VI, 270. + +[494] _Ratzeberger_ 122. + +[495] III, 125. Vgl. IV, 49. Cord. 22. + +[496] VI, 185. L. Test. S. 6. + +[497] V, 422. + +[498] Hier. _Weller_ Opp. I, 871. Test. 7. + +[499] Cord. 1005. 1079. 55. T.-R. IV, 48. Der Sinn ist in beiden +Redensarten: Maulschellen geben = über den Mund fahren; bildlich: auf +eine scharfe Redensart mit einer scharfen (oder schärferen) erwidern. — +Daß Luther es nicht wörtlich meinte (wie Wrampelmeyer a.a.O. anzunehmen +scheint), geht aus T.-R. IV, 38 hervor, wo Luther von Eheleuten, die +einander „raufen und schlagen“, sagt: „das sind nicht Menschen.“ +Uebrigens steht T.-R. IV. 48 die Rede in einem bestimmten Zusammenhang. +Da ist von einem Magister die Rede, der seine Freiheit an eine reiche +Frau verkauft hatte und dem diese übers Maul fuhr: „Du hättest müssen +ein Bettler sein, wenn ich Dich nicht genommen.“ Da sagt Luther: „Ich +_hätt_ auch gerne, daß“ ...; da konnte man meinen, L. wolle sagen: „Ich +hätte auch gerne, wenn mir meine Frau so übers Maul fahre“ — freilich +u.s.w. + +[500] T.-R. IV, 72. + +[501] IV, 553. Cordatus bemerkt in seiner bissigen Weise dazu: Das ist +sicherlich wahr (Nr. 1837). So ist auch in der Rede, worin Luther von +ihrem „Stolz“ spricht, dessen er sie vor seiner Verheiratung für +verdächtig hielt, die Einschaltung — vom Herausgeber der Reden oder als +neckende Bemerkung von Luther? — gemacht: ut est (wie es auch ist). +Lauterbach 162*. + +[502] III, 10. IV, 649. V, 19. 59. 110. 304. 431. IV, 221. 524. VI, 304. +III, 512. 145. IV, 221. Auch Jonas' Frau nennt L. tuum dictative. III, +213. + +[503] III, 15. IV, 632. V, 10. + +[504] Br. III, 512. IV, 552. 132. 553. VI, 545. V, 296. 783. (786). VI, +269. 547. III, 341. V, 122. 127. 780. 784. 788. T.-R. IV, 119. + +[505] T.-R. IV, 78. Vgl. 126. + +[506] T.-R. IV, 78. I, 209. 208. 211 f. IV, 212. + +[507] T.-R. I, 210. IV, 44. 125. I, 208. Sehr scharf spricht sich L. aus +über Schmähungen von „Frauen und Jungfrauen“. „Ob sie gleich Mangel und +Fehl haben.“ T.-R. IV, 126. + +[508] T.-R. IV, 120. 77. III, 75. IV, 78. Cord. 48. Uebereinstimmend mit +dem Spruch der Frau Cotta schreibt L. in einem Beileidbrief (1536, Br. +IV, 687). „Es ist der höchste Schatz auf Erden eine liebe Hausfrau.“ + +[509] T.-R. IV, 52. _Cord._ 22. T.-R. IV, 50. 53. + +[510] _Cord._ 249. 1780. T.-R. IV, 40. + +[511] T.-R. 43 f. 54 ff. Reden über den Ehestand. IV, 34-156. Vgl. +_Froböse_, D.M.L. ernste kräftige Worte über Ehe und ehel. Verhältnisse. +Hannover, 1823. + +[512] T.-R. IV, 34. 38. 77. 73. 49. Cord. 1379. + +[513] T.-R. IV, 50. 204. + +[514] _Cord._ 22. T.-R. IV, 72. 50 f. + +[515] Br. V, 126. T.-R. 58. 37 f. + +[516] T.-R. I, 116. Com in ep. ad. Gal. — Seckendorf I, § 63. +_Lauterbach_ 2. 37. + +[517] Br. IV, 645. 649. (Das Lesen Br. IV, 649 wird wohl vom Flachslesen +gemeint sein.) T.-R. I, 20. — Vgl. Was Luther von den Juden sagt: „Sie +schreien wohl sehr und beten heftig, mit großem Ernst und Eifer; mich +wundert's, daß Gott sie nicht erhört.“ T.-R. I, 109. — _Köstlin_ II, +437. + +[518] V, 787. — Link in Nürnberg schickt sogar seinen Annotationes in +Genesim an Käthe. V, 713, vgl. _Buchw._ 48. + +[519] Die Schreibkunst hochstehender Frauen veranschaulicht ein Brief +der Gräfin von Mansfeld an Luther (vom 14. Sept. 1545), welcher so +anfängt: „Lieber togktor ich besyntt auß eurem berichtt, das es kein +Floß (Fluß, Rheuma) ist noch wirtt“ u.s.f. _Kolde_, An. L. 391. + +[520] So erkundigt sich die Herzogin Sibylle schriftlich bei Luther nach +seinem lieben Weibe. So entbietet Herzog Albrechts liebe Gemahel Luthers +und Melanchthons Häusern und tugendsamen Frau Dienst und Gruß. _Burkh._ +162. Br. V, 638. _Kolde_, An. L. 189. Vgl. die Besuche von Fürsten und +Fürstinnen. — Käthe heißt auch bei den Freunden respektvoll die Domina, +Doctorissa, δεσποινα διδασχαλη (vgl. S. 171) + +[521] Im Museum zu Leipzig. + +[522] V, 520. + + +15. Luthers Tod. + +Hierzu besonders _Förstemann_, Denkmale dem D.M.L. von s. Zeitgenossen +errichtet. Nordhausen 1846. + +[523] S.o.S. 181, 2. + +[524] V, 522. 544. 628 f. 642. T.-R. II, 261. Bündnis mit den Türken: +T.-R. IV, 661. + +[525] Fladenkrieg. T.-R. IV, 444-47. _Ratzeberger_ 112. Mainz: Br. 522. +602. „Grickel und Jäckel“: V, 383. 629. 734. T.-R. II, 470. Kölner +Reform V, 584. 708. Epigonen: V, 527. 529. 539. 550. 553. 572. 586. 659. +663. V, 537. 571. 708 f. 727. + +[526] V, 616. 708. _Ratzeb._ 123 f. + +[527] Vgl. zu S. 134, 2. T.-R. IV, 98 f. 104. 500 ff. Ueberhaupt über +„die garstigen Juristen“, (495): 478-541. 523: „Es ist ein ewiger Hader +und Kampf zwischen den Juristen und Theologen, wie zwischen Gesetz und +Gnade.“ _Beste_ 77 f. _Hofmann_. 156 f. + +[528] Heimliche Verlöbnisse. V, 616 ff. 627. 715. 747. 744. 763. T.-R. +IV, 99. 491 f. _Köstlin_, II, 580. + +[529] V, 527. 586. 604. 679. 683. 688. 700. 704. 711. 726. + +[530] V, 518. + +[531] V, 643. 703. + +[532] T.-R. III, 15 f. + +[533] V, 359. _Kolde_, An. L. 391. + +[534] V, 529. 743. + +[535] V, 571. 534. Denkmale 31. 26. _Ratzeb._ 137. + +[536] V, 600. 555. 638. 703. 743. + +[537] V, 541. 571. 778. + +[538] T.-R. III, 131. Br. V, 571. + +[539] VI, 590. 628 ff. 570. 600. 642. 299. 674. Nach dem jüngsten Tag +seufzt Luther auch sonst: Als L. einmal ein Paternoster (einen +Rosenkranz) von weißen Agatsteinen in der Hand hatte, sprach er: „O +wollte Gott, daß der Tag nur balde komme! Ich wollte das Paternoster +jetzt essen, daß er morgen käme.“ T.-R. I, 63. + +[540] So Bugenhagen in seiner Leichenrede für Luther. Denkm. 92. + +[541] V, 747. + +[542] V, 753. 561. 710. VI, 302. Lob Nürnbergs: T.-R. IV, 665. _Burkh._ +463. _Kolde_, An. L. 423. Br. V, 753. — „Kleiderordnungen“ von 1562 und +1576; vgl. _Schadow_, Denkw. 60. 92. + +[543] Br. V, 752 f. + +[544] Ernst von Schönfeld ist ein Bruder der Ave aus Nimbschen, welche +den Basilius Axt geheiratet hatte. Ueber ihn hatte sich L. 1540 beklagt, +daß er seiner Schwester ihre tochterliche oder fräuliche Gebühr +vor(ent)hielt. L. nimmt sich der Ave, (für die er sich einst +interessiert hatte, s.S. 46, 2, T.-R. IV, 50), in einem Briefe an den +Kurfürsten an, auch nach dem Tode ihres Mannes und ihrer Kinder (1541). +V, 289. 403. S.o.S. 16. 29. + +[545] Das Schwarze Kloster. + +[546] Die vier Fakultäten? + +[547] Georg von Anhalt, Bischof von Merseburg. + +[548] „gesegnen von meinenwegen“ = in meinem Namen Lebewohl sagen. + +[549] _Burkh._ 475 ff. 483. _Kolde_, An. L. 416. 423. + +[550] _Lingke_, L. Reisegeschichte, 284 f. + +[551] Denkm. 1. 2. Br. V, 779. 771. _Ratzeb._ 134 ff. 129. Denkm. 22. + +[552] „Unartiges“ Wetter, _Ratzeb._ 134. — Reisegenossen, Jonas' Briefw. +II, 182 ff. — Vorbedeutung: _Ratzeb._ 130 f. + +[553] V, 780 f. + +[554] „Hans von Jena hat sie gebeten“ = die Langeweile hat sie geplagt. + +[555] V, 783 f., vgl. Jonas' Briefw. II, 182. + +[556] C.R. VI, 60. Jonas' Briefw. II, 183. C.R. VI, 56. Denkm. 10. 64. + +[557] V, 786. + +[558] V, 787 f. 789 f. + +[559] Hier und zum Folgenden L. Krankheits- und Sterbegeschichte von +Jonas, L.W. XXI, 274-393 und K. Ed. _Förstemann_, Denkmale dem Dr. M.L. +errichtet, Nordhausen 1846. + +[560] V, 791. + +[561] Denkm. 23. C.R. VI, 54. — Man wollte bei dreien Nächten einen +Kometen gesehen haben; sonderlich behauptete das der Bote von Jonas an +Melanchthon, der sich für so etwas ganz besonders interessierte. Denkm. +21. 23. 25 ff. Jonas' Briefw. II, 282 f. + +[562] Aus dem „Leichenprogramm“ beim Tode Katharinas. Hofmann 136. + +[563] Denkm. 10. 11. + +[564] C.R. VI, 274. Denkm. 26. 53. + +[565] Denkm. 78 f. + +[566] Denkm. 81. + +[567] Denkm. 76 f. + +[568] Jonas Briefw. II, 183. Hofmann 112. + +[569] „10 Gr. denen Pulsanten gegeben an Tag Cathedra Petri von allen +Glocken zu läuten, do man den Ehrwürdigen Herr Doctorem Martinum zu +Grabe getragen“. Wittenb., Kämmerei-Rechnung, Dm. 82. 142. + +[570] Das eherne Bild, das mit den Zügen des Doktors in die Wand +eingelassen werden sollte, kam des Krieges wegen erst später zustande +und in die Kirche zu Jena, weil Wittenberg dem Kurhause verloren ging. +Denkm. 78 f. + +[571] Br. VI, 650. Der Brief ist faksimiliert in der Illustr. Zeitung +1899, S. 149 f.; ist aber nicht von Katharinas Hand, sondern diktiert. +S. Seidemann, a.a.O. + + +16. Luthers Testament + +Hierzu vgl. K. Ed. _Förstemann_, D.M.L. Testamente. Nordhausen 1846. +Seidemann, Ztschr. f. histor. Th. 1860. S. 475 bis 564. + +[572] _Rade_ (P. Martin) D.M.L., Neusalza 1887, III, 699. S.o.S. 201. + +[573] „Die Welt ist undankbar“ setzte L. an die Spitze seines +Hausbuches, in welchem er für die Seinigen eine Art testamentarische +Aufzeichnung machte, wegen ihrer Zukunft. VI, 324. + +[574] V, 424. + +[575] S.o.S. 201. V, 424. + +[576] V, 424. VI, 324. 326. + +[577] S.o.S. 83. _Kolde_, An. L. 416. _Burkh._ 482 f. + +[578] T.-R. IV, 522 heißt es zwar: „Nur _ein_ Jurist ist fromm (brav) +und weise. Dr. Gregorius _Brück_.“ Dagegen 525. „Etliche sind fromm wie +Dr. _Sebald_; etliche aber sind eitel Teufel.“ + +[579] _Burkh._ 482. _Kolde_, An. L. 421-23. _Buchwald_ 180: L. zieht weg +propter pessimos mores. + +[580] Grundbes. 531. Br. V, 304. Denkm. 76 f. + +[581] Denkm. 27. 79. L.W. XXI, 299*. — Hierbei hatte Brück von den +„groben Fleischern und Fischern“ geredet: „Man soll (wird) der Frauen +wohl bald mit ungestümen Worten, wenn man schuldig ist, zu Halse laufen“ +(S. 95 f.). Auch Luther hatte in Beziehung auf die Wittenberger Bürger +an die Spitze seines Tagebuchs geschrieben: „Die Leute sind grob“. (VI, +324.) + +[582] _Seckendorf_ III, 647. am 24. Febr., wenn hier keine Verwechslung +mit dem Schreiben vom 20. vorliegt. + +[583] C.R. VI, 81. + +[584] Denkm. 163. + +[585] Denkm. 167 f. + +[586] Denkm. 169. + +[587] Th. St. und Krit. 1896, S. 161. + +[588] V, 25 f. 424. + +[589] T.-R. IV, 521: „L. klagte über die Armut und Elend der Theologen, +wie sie allenthalben gedrückt würden und dazu helfet ihr Juristen +redlich und drückt uns weidlich.“ — IV, 145: „Wir arme Mönche und Nonnen +müssen herhalten. Dr. Pommer sollte nach weltlichem Rechte entsetzt +werden. Weil aber solche Rechte noch nicht exequieret und vollzogen +sind, so ist die Frage, ob seine Kinder auch seiner Güter Erben sein +können.“ + +[590] V, 403, vgl. 307. Grundbes. 511 ff. _Nobbe_ Ztschr. f. hist. Th., +1870, S. 173. + +[591] Br. V, 422 ff. Sachsenrecht. T.-R. IV, 51. + +[592] Sorge: _Rebenstock_ I, 229. — Barschaft Testam. 48, vgl. 28. Br. +VI, 324 f. — Schatzung Br. VI, 304. V, 499. Verschreibung des +Kurfürsten, _Burkh._ 402 f. Der Grafen, Denkm. 169. + +[593] Wolfs „Gnadenbrief“. _Richter_ 379. _Seidemann_, N. Mitt. VIII, +37. 21. 26. Grundbes. 508. + +[594] S.o.S. 82 f. und Anmerkg. — Test. 31. + +[595] S.o.S. 85. Grundbes. 530 f. zu S. 227 ff. Brücks Gutachten, Test. +29-41. + +[596] Ob die 100 fl. Bauholz für ein Scheunlein nicht zu hoch gegriffen +sind? — Wenn das Gütlein Zulsdorf Käthen auf 1600 fl. zu stehen gekommen +wäre, so müßte sie in dasselbe, welches nur 610 fl. kostete, 1000 fl. +verbaut haben. Uebrigens wurde das Gut 1553 trotz der Kriegsverwüstung +um 956 fl. verkauft. + +[597] „Vögel fangen“, wohl auf Wolfs Vogelherd, s. „Klageschrift der +Vögel an Lutherum über seinen Diener Wolfgang Siebergern.“ Br. VI, 164. +Vgl. oben S. 207. + +[598] „Man“: Der Text läßt nicht erkennen, ob Melanchthon oder Brück +darunter gemeint ist. + +[599] Test. 41-44. + +[600] Test. 44 f. + +[601] Br. V, 754 an Ratzeberger: uxori tuae commatri, affini et +Landsmanninae Meae. + +[602] Test. 44-46. + +[603] Test. 46 f. 48. Vormünder: 50-52. + +[604] Test. 52 f. Richter 375. — Am 21. März hatte Melanchthon an M. +Grodel in Torgau geschrieben, er möchte dafür besorgt sein, daß ihre +Eingabe an den Kurfürsten durch Dr. Ratzeberger richtig übergeben werde; +diese Eingabe ist wohl Katharinas Bitte um Bestätigung des +„Testamentes“. Diese Betätigung zögerte sich übrigens 3 Wochen, bis zum +11. April hinaus. + +[605] Test. 47-66. + +[606] Test. 47-50. 59 f. 62-64. + +[607] Test. 64. (C.R. VI, 149). Grundbes. 548. Quittung für 2000 fl. +Test. 65 f. + +[608] Test. 35-37. 46. 49. + +[609] Test. 44. 51. 54-57. + +[610] S. 235-237. Test. 57-62. Grundbes. 530-564. + +[611] Grundbes. 494. + +[612] Br. V, 650. + +[613] Br. V, 649. + +[614] C.R. VI, 81. + +[615] Hofmann 122, 84. + + +17. Krieg und Flucht. + +[616] C.R. VI, An. IX. 185. 190. + +[617] Zitzlaff 119. C.R. VI, 249. Arnold in seiner Kirchen- und +Ketzerhistorie meldet, nicht in freundlicher Absicht, Hans, der +Erstgeborene und Katharinas Lieblingssohn, sei mit dem Kurfürsten in +den Krieg gezogen als Fähnrich. Das entspräche freilich ganz dem Willen +des Vaters, der seine Söhne wenigstens gegen den Türken schicken wollte, +ja selber wider ihn ziehe, wenn er noch hätte können. Br. V, 450 sagt +Luther: „Wo ich nicht zu alt und zu schwach, möchte ich persönlich unter +den Haufen sein“ (gegen die Türken 1542). Vgl. Cord 834. — Robsten, +Beitr. zur Geneal. des Luth. Geschlechtes, Jena 1754, p. 7. + +[618] Vgl. hier und zum Folgenden: Voigt, Ztschr. f. K.-G. 1877, S. 158 +ff. + +[619] C.R. VI, 268. + +[620] C.R. VI, 290. _Liliencron_, Histor. Volkslieder IV, Nr. 546. + +[621] Grundbes. 521. _Zitzlaff_ 121. + +[622] C.R. VI, 296-299. 301. _Waltz_, Ztschr. f. K.-G. 1878, S. 167. + +[623] C.R. 345. 355. 535. + +[624] _Kolde_, An. L. 433 f. + +[625] _Hofmann_ 123 f. + +[626] _Hofmann_ 124. + +[627] Grundbes. 537 f. C.R. VI, 513. 515. 537. + +[628] _Zastrow_, Mohnike I, 260. C.R. VI, 355. 428. 431. 520-31. + +[629] _Zitzlaff_ 122. Bugenhagen: „Mein Weib kommt sehr frühe gelaufen +ans Bett und ruft: „Ach, mein lieber Herr, unser lieber Landesfürst ist +gefangen.“ Ich sagt: „Das ist, will's Gott, nicht wahr.“ — Er habe diese +Stadt und Kirche, welche Luther ihm als Braut anvertraut, mit zerissenem +Haar und Kleid gesehen. + +[630] C.R. VI, 534-38. 621. 625. 640. 541. 549. + +[631] C.R. VI, p. XII. _Ratzeberger_ 170 f. „Er war überredet worden, +daß man über Luthers Begräbnis Nacht und Tag brennende Lampen hänge und +Wachskerzen stehen hätte, und davor betete, als in den papistischen +Kirchen vor der Heiligen Reliquien geschehen.“ _Zastrow_ (Mohnike) II, +22. + +[632] C.R. VI, 563. 586. + + +18. Der Witwenstand. + +[633] Vgl. Teil-Receß. _Beste_ 129. C.R. VI. 585. _Zitzlaff_, +„Bugenhagen“ 122. Daß nur Deutsche in die Stadt durften, hatten sich die +Wittenberger ausbedungen. Als nun aber die Spanier mit dem Kaiser am +Schloßthor eindringen wollten, warfen die Wittenberger sie in den +Graben, „daß sie naß wurden wie die Katzen“. + +[634] Briefw. des Jonas II, 281. _Zitzlaff_ 121 f. Die Hussern waren +nicht so schlimm, wie die Spanier. + +[635] Briefw. Jonas II, 281. Grundbes. 558. + +[636] C.R. VII, 125. 536. + +[637] _Richter_ 390 f. C.R. VI, 669-693. 714. + +[638] _Grulich_, Torgau 112. _Matthes._ 68 (7. Pred.) _Richter_ 390. +396. + +[639] Grundbes. 494. + +[640] _Hofmann_ 129. + +[641] Waltz 181. + +[642] Jonas' Briefw. 259. + +[643] _Robsten_, Beiträge zur Geneal. des Luther. Geschl., Jena 1754. +_Keil_, Leben Hanß L., p. 89: „Joh. L. miles redux vitam egit +domesticam.“ + +[Transkriptions-Anmerkung: Zu den folgenden beiden Bemerkungen gibt es +keine Verweise im Text.] + +C.R. VII, 409 ff. Grundbes. 558. Jonas' Briefw. 280 ff. 295. + +C.R. VII, 408 f. 430. + +[644] C.R. VII, 502. + +[645] _Kolde_, An. L. 433. Grundbes. 558 f. + +[646] [Transkriptions-Anmerkung: Keine Bemerkung zum Verweis vorhanden.] + +[647] Grundbes. 559. C.R. VII, 411. + +[648] _Richter_, 325 f. C.R. VII, 611. 637. + +[649] C.R. VII, 945. + +[Transkriptions-Anmerkung: Zur folgenden Bemerkung gibt es keinen +Verweis im Text.] + +Grundbes. 559. + +[650] _Hofmann_ 141 f. + +[651] [Transkriptions-Anmerkung: Keine Bemerkung zum Verweis vorhanden.] + + +19. Katharinas Tod. + +[Transkriptions-Anmerkung: Zu den folgenden 4 Bemerkungen gibt es keine +Verweise im Text.] + +_Grulich_, Denkw. Torgaus S. 86. + +_Mayer_ 62. 122. _J.T. Lingke_, Hrn. D.M.L. Geschäfte und Andenken zu +Torgau, 1764. S. 69-75. + +Nach _Grulich_ wohnte K. beim Stadtrichter M. Reichenbach im +Grünwaldschen Hause. Das Haus „Auf dem Scharfenberg“ (heute +„Lutherhaus“) in dem „Karniergäßchen“ (heute „Luthergasse“) war nicht +Katharinens hospitium; es hatte nur nach Wittenberg Zins zu zahlen. +_Grulich_ S. 70 f. 86. _Grulich_, Annales th. eccl., 1734. S. 176. +_Lingke_ a.a.O. S. 70. — Sollte M. Reichenbach in Torgau eine +Verwechslung sein mit M. Reichenbach in Wittenberg, bei dem K. 1523 +wohnte (S. 39)? Die Familie Reichenbach, auch der Pflegevater Katharinas +stammt aus Zwickau. _T. Schmidt_, Chronik der Stadt Zwickau, 472. +_Buchwald_ 108. + +_Juncker_ 250. + +[652] _Richter_ 493 f. Vgl. die Kleiderordnung für Wittenberg 1576. S. +169. + +[653] Diese Rede Katharinas wurde von zwei Dichtern in Kirchenliedern +verwendet. In dem Liede eines unbekannten Verfassers (Anna von Stolberg +1600?, nicht Simon Graf, geb. 1609): „Christus, der ist mein Leben,“ +heißt die letzte (7.) Strophe. „_Und laß mich an dir kleben, wie eine +Klett am Kleid_, und ewig bei dir leben in Himmelswonn und Freud.“ +Ebenso heißt es in Chr. Reimanns (1607-1662) Lied: „Meinen Jesus laß ich +nicht, weil er sich für mich gegeben, so erfordert meine Pflicht, +klettenweis an ihm zu kleben.“ _E.E. Koch_, Gesch. der Kirchenlieder IV, +667, behauptet zwar, der Ausdruck schreibe sich von Herzogin Katharina +von Sachsen, geb. von Mecklenburg († 1561) her, welche bei ihrem Ende +gesagt habe, „sie wolle an ihrem Herrn Jesus mit Glauben kleben bleiben, +wie die Klette am Kleid.“ — Jedenfalls hat Katharina die Priorität. + +[654] C.R. VII, 1155 f. + +[655] _Lingke_ 71. _Grulich_ 87. + +[656] Der Leichenstein wurde zum Reformations-Jubelfest 1617 von „Daniel +Fritschen dem Mahler“ für 9 Groschen übermalt. Dazu wurde ein Bote (für +2-1/2 Gr.) nach Eilenburg geschickt, zu Prediger M. Behem, mit welchem +Luthers Enkelin Katharina, die Tochter von Hans Luther, verheiratet war. +_Lingke_ 73. + +[657] _Juncker_, Ehrenged. L. (deutsch.) 243 f. + +[658] Br. V, 424. — Vgl. die ältere Litteratur bei _Hofmann_ 183-203. — +_Böhringer_, K.v.B., Barmen. _Meurer, K.v.B.L._ 1876. _Rietschel_, L. +und sein Haus. Halle 1888. Romanhaft gehalten. _Armin Stein_ (H. +Nietschmann), K.v.B., Luthers Ehegemahl, ein Lebensbild. 4. A. Halle +1897. + +[659] Bugenhagen schreibt an König Christian als „Wort eines großen +Fürsten“: „Wir haben hier zwei Regenten gehabt über weltliches und +geistliches Regiment, den Kaiser und Luther.“ _Zitzlaff_ 106. + +[660] Das Faksimile ist von einem Brief Katharinas an den dänischen +König, original in Kopenhagen. 3/4 n. Gr. Vgl. folg. Brief: + +„Von den drei im hiesigen Archiv aufbewahrten Briefen von Katharina von +Bora an den König Christian III. von Dänemark sind die zwei entschieden +nicht eigenhändig. Der dritte ist auch von einer Schreiberhand +herrührend; von dessen Unterschrift sind aber, wie aus dem beifolgenden +Faksimile hervorgeht, die Buchstaben: „E.K.M. vnterthenige“ von einer +andern Hand als der Brief selbst geschrieben, und die eigentliche +Unterschrift wieder von einer dritten. Die Originalurkunde giebt den +Eindruck, daß Katharina selbst die Unterschrift angefangen, dieselbe +aber aus irgend einer Ursache aufgegeben habe und daß also nur die oben +zitierten Buchstaben von ihr eigenhändig sind.“ + +_Thiset_, Archivar. + +Dieser Einsatz wird um so mehr von Katharina herrühren, als auch eine +Einfügung in dem ersten Brief Katharinas an den Herzog Albrecht („ge“ +S. 252, Z. 19, original in Königsberg) Aehnlichkeit mit dieser +Handschrift im Kopenhagener Brief zeigt. + +Da sämtliche vorhandene Briefe Katharinas Kanzleischrift haben, so sind +diese drei Buchstaben „E.K.M.“ und das Wort „vnterthenige“ wohl das +einzige, was von Katharinas Hand erhalten ist. + +Das _Siegel_ Katharinas ist von den Briefen an Herzog Albrecht, wohl ein +Siegelring; es zeigt den Löwen Derer „v. Bora“. + +_Bilder_ Katharinas sind (unvollständig) verzeichnet bei Hofmann S. 168 +f. Hier sei nur bemerkt, daß das S. 55 beschriebene Bild im Lutherhaus +in Wittenberg hängt; das auf S. 193 erwähnte im Museum zu Leipzig. Das +Nürnberger, früher in der Morizkapelle, jetzt im German. Museum, ist +weder von Kranach, noch stellt es Katharina vor. + + + + +Register. + + +Ablaß +Aebtissin +Agnes (Nisa) Lauterbach +Agricola, Joh. = M. Eisleben +Agricola, Frau Elisabeth +Alemann, Ave +Altenburg +Amsdorf, Nicolaus von +Anhalt, Fürsten +Apel +Audi Koppe +Augsburg +Aurifaber = Goldschmidt +Aurogallus, Matth. +Axt, Lic. Basilius + +Bader, Kastner (Kastellan) auf Koburg und Frau +Barnes, D. Robert +Baumgärtner, Hieron. +Bayer (Baier, Beier), Vizekanzler +Berndt, Ambros +Besold +Bildenhain, Bildenhauer +Booß (Böse) Gut +Bora +Bora, Christina +Bora, Clemens +Bora, Florian, (lies Florian statt Fabian) +Bora, Hans +Bora, Katharina +Bora, Maria +Bora, Magdalene (s. „Muhme Lene“) +Borna +Brandenburg, Herzog Albrecht +Brandenburg, Elisabeth von +Brandenburg, Georg Markgraf +Brandenburg, Joachim Kurfürst I. +Braunschweig +Braunschweig, Herzogin Elisabeth +Briefe Luthers an Käthe: + Von Marburg + von Wittenberg + von Koburg + von Torgau + von Schmalkalden + von Eisenach + von Zeitz + von Halle + von Eisleben + Brief der Hausfreunde an Käthe +Briefe Käthes +Brisger, Eberhard +Brück, Dr. Gregorius +Bruno (Brauer, Haus Bruno) +Bugenhagen, Joh. = D. Pommer +Bugenhagen, Frau +Butzer (Bucer) + +Camerarius, Joachim +Canitz, Elisabetha (Else) von +Capito, Wolfg. +Cario, Joh. +Carlstadt +Coburg +Cordatus +Crafft +Cranach +Crodel, Marcus, Schulmeister in Torgau +Cronberg, Hartmut von + +Dänemark, Christian II. von, 39. 71. +Dänemark, Christian III. +Dene, Thilo +Dessau +Dietrich, Veit +Doctores + Doktorschmaus +Dolzig, Hofmarschall +Domina + = Aebtissin + = Frau D. Luther +Döring, Christian (Aurifaber) +Dürr, Kanzler +Dürer, Albrecht + +Eber, Paul +Eck +Einsiedel, Heinrich von +Eisenach +Eisleben, Stadt +Eisleben, D. +Emser +England, Heinrich VIII., König +Engländer („Engeleser“) s. Barnes +Erasmus +Erfurt + +Ferdinand, König +Feste +Fladenkrieg +Florentina, eine Nonne +Freiberg +Friedrich Becker (Pistorius), Abt in Nürnberg +Fündli-Haus zu Nürnberg + +Gabriel = Zwilling +Gerbel, Lic. +Glatz, D. +Goldschmidt s. Aurifaber. +Goritz +Gotha +Grimma +Groß Ave +Grumbach, Argula von, +Grüne, Friedr. von, Feldzeugmeister + +Hagenau, Reichstag +Halle +Hasenberg +Haubitz, Anna von +Haubitz, Margarete von +Haugwitz +Hausfreunde +Hausmann +Heinrich VIII., von England +Heidten +Hennick +Heuthlin +Hirsfeld (Hirschfeld), Bernhard von +Hohndorf, Bürgermeister +Holstein +Honold, Hans, Bürger von Augsburg +Horen +Humanisten + +Jäckel s. Jakob Schenk +Jena + „Hans von Jena“ +Johannes, der Schweinehirt, +Jonas, Justus +Jonas, Christoph +Jonas, Elisabeth +Jonas, Justus d.J. +Jonas, Katharina +Jonas, Sofia +Jörger, Christoph und Dorothea von Tollet +Juristen + +K siehe C. +Kanitz s. Canitz. +Karl V. +Karlstadt s. Carlstadt +Kaufmann, Andreas +Kaufmann, Cyriac +Kaufmann, Jörg +Kaufmann, Fabian +Kaufmann, Lehne (s. Muhmchen Lene) +Kaufmann, Else +Kegel +Kieritzsch +Klausur +Klosterkinder +Kloster-Regel +Koburg s. Coburg. +Königsberg +Koppe, Leonhard. +Kreuziger (Cruciger) Kasper + (Frauen) +Kummer +Kunheim, von + +Lauterbach +Lauterbach, Frau +Leipzig +Lemle (Leminus) +Lene (von Bora), Muhme, d. Aeltere +Lene, (Kaufmann) Muhme, d. Jüngere +Lichtenberg +Lindemann, Kaspar +Link, Wenzel +Lippendorf +Lischnerin, Barbara +Löser, Hans, zu Pretsch, Erbmarschall +Löser, Hans, der Sohn +Lufft, Hans, Buchdrucker +Lüneburg, Herzog +D.M. Luther + Tischreden + Geselligkeit + Krankheiten +Luthers Eltern +Luthers Kinder + Hans, d.J. + Elisabeth + Magdalene + Martin + Paul + Margareta +Luthers Bruder: Jacob +Luthers Neffe: Martin +Luthers Schwester: Dorothea +Lutherbrunnen + +Magdeburg +Magister +Mainz, Kurfürst Erzbischof Albrecht +Mährische Brüder +Major Georg +Mansfeld, Stadt +Mansfeld, Grafen + Graf Albrecht + Gräfin + Söhne +Marburg +Matthesius, Joh. +Maugen (a Maugis) +Medler +Melanchthon, M. Philipp +Melanchthon, Lippus +Melanchthons Frau, Katharina +Menius +Meißen +Mergenthal, Hans von +Mergenthal, Kath. von +Metsch, Hans +Mohr (Aetiops) +Mochau, Margr. v. +Mönche +Morgenstern v. Wittenberg +Müller, Kaspar Kanzler +Motterwitz +Münster, Dr. Sebald +Münsterberg, Ursula, Herzogin +Myconius (Mekum) Fr. + +Naumburg +Neobolus (Neuheller) +Niemeck +Nimbschen +Nonnen im Kloster + entflohen +Nonnen-Ehe + Nonnen-Kind +Novizen +Nordhausen +Nürnberg + +Pfister +Pforta +Pforzheim +Pirkheimer +Pirna +Plato +Polner, Hans +Pommer = Bugenhagen +Preußen, Albrecht, Herzog von +Probst +Professoren + +Ratzeberger, Dr. Matthias +Reichenbach, M. Phil. +Reliquien +Reuchlin = Reichel +Reuter, Bürgermeister +Riedtesel +Rischmann +Röhrer (Rorer, Rorarius) Gg. +Rosina +Roth +Rothenburg +Rühel +Rutfeld + +Sabinus, Melanchthons Schwiegersohn +Sachsen, Land +Sachsen: Georg, Herzog + Heinrich + Moriz + Kurfürst Friedrich + Johann + Joh. Friedrich + Johann Ernst +Sala, Hanna von +Saumarkt +Schenck, Jakob +Sibylle, Herzogin +Schiefer +Schla(g)inhausen +Schmalkalden +Schnell, Georg +Schönfeld, Ave (Eva) + Ernst +Schurf, Augustin, Arzt + Hieron., Jurist + Hanna, geb. Muschwitz +Severus = Schiefer. +Sieberger, Wolfgang +Spalatin +Specke +Speckstudenten +Speratus +Spiegel, Erasmus, Stadthauptmann von Wittenberg +Staupitz, Joh. von +Staupitz, Magdalena +Stiefel, Michael +Strauß, Anna (Hanna) +Studenten, „Bruder Studium“ + +Taglöhner Käthes +Taubenheim, Hans von +Taubenheim, Dietrich +Tischreden +Tollet s. Jörger +Tommitzsch, Wolf +Torgau + +Ursula s. Münsterberg + +de Vay +Vergerius, Kardinal +Viscamp + +Wachsdorf +Warbeck +Weimar +Weller, Hieron. +Weller, Mathias +Weller, Peter + S. Lischner. +Wittenberg, Stadt und Rat +Wolf(gang) s. Sieberger + +Zeschan +Zell, Katharina (Schützin) +Zink, Hans +Zulsdorf +Zwilling + + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Katharina von Bora, by D. Albrecht Thoma + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK KATHARINA VON BORA *** + +***** This file should be named 12636-0.txt or 12636-0.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + https://www.gutenberg.org/1/2/6/3/12636/ + +Produced by Charles Franks and the DP Team + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. Special rules, +set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to +copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to +protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project +Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you +charge for the eBooks, unless you receive specific permission. 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It exists +because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from +people in all walks of life. + +Volunteers and financial support to provide volunteers with the +assistance they need, is critical to reaching Project Gutenberg-tm's +goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will +remain freely available for generations to come. In 2001, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure +and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. +To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation +and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 +and the Foundation web page at https://www.pglaf.org. + + +Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive +Foundation + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit +501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the +state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal +Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification +number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at +https://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent +permitted by U.S. federal laws and your state's laws. + +The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. +Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered +throughout numerous locations. Its business office is located at +809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email +business@pglaf.org. 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Thus, we do not necessarily +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + + +Most people start at our Web site which has the main PG search facility: + + https://www.gutenberg.org + +This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, +including how to make donations to the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to +subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. diff --git a/old/12636-0.zip b/old/12636-0.zip Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..fdfbadf --- /dev/null +++ b/old/12636-0.zip diff --git a/old/12636-8.txt b/old/12636-8.txt new file mode 100644 index 0000000..b335fb7 --- /dev/null +++ b/old/12636-8.txt @@ -0,0 +1,13361 @@ +The Project Gutenberg EBook of Katharina von Bora, by D. Albrecht Thoma + +This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with +almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Katharina von Bora + Geschichtliches Lebensbild + +Author: D. Albrecht Thoma + +Release Date: June 16, 2004 [EBook #12636] + +Language: german + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK KATHARINA VON BORA *** + + + + +Produced by Charles Franks and the DP Team + + + + +[Illustration: Katharina von Bora + +nach dem Gemlde von Lucas Cranach im Museum zu Schwerin + +Phot. F. u. O. Breckmann Nachf., Dresden. + +Verlag Georg Reimer, Berlin.] + + + + +Katharina von Bora + + +Geschichtliches Lebensbild + +von D. Albrecht Thoma + + +Berlin + +Druck und Verlag Georg Reimer. + +1900. + + + + +Vorwort. + + +In dem "Leben Luthers" bietet das Kapitel "Luthers Huslichkeit" als +freundliche Idylle ein liebliches Ausruhen von den dramatischen Kmpfen +und dem epischen Gange einer reformatorischen Wirksamkeit. Die Briefe an +eine "liebe Hausfrau" sind unter den Tausenden seiner Episteln die +schnsten und originellsten. Dafr liegt der Grund doch nicht allein in +dem reichen Gemt und dem geistvollen Humor des groen Mannes, sondern +auch in der Persnlichkeit seiner lebhaften, temperamentvollen Gattin. +Es mu doch eine bedeutende Frau gewesen sein, die der groe Mann als +seine Lebensgefhrtin zu sich emporhob und die sich getraute, die Gattin +des gewaltigen Reformators zu werden und der es gelungen ist, ihm zu +gengen; und ein sympathischer Charakter mute das sein, an dem er seine +frohe Laune so schn entfalten konnte. Sie hat ihrem Doktor das schne +Heim geschaffen und das vorbildliche evangelische Pfarrhaus. Und so lebt +auch Luthers Kthe als die Genossin von dem Liebling und Stolz unserer +Nation in der Seele des deutschen Volkes in gutem Gedenken. + +Es kann nun auffallen, da eine eigentliche Lebensgeschichte der Gattin +Luthers bisher noch gar nicht erschienen ist, da fast mehr +schmhschtige Feinde, wie vor hundertfnfzig Jahren ein Engelhard, ihre +wenig lauteren Knste an dieser Aufgabe gebt haben; und besonders ist +zu verwundern, da in dem letzten halben Jahrhundert, diesem so +hervorragend historischen Zeitalter,--seit den beiden gleichzeitig +erschienenen quellenreichen Skizzen von _Beste_ und _Hofmann_--keine +Biographie entstand, nicht einmal fr dieses Jubilumsjahr ihres +vierhundertjhrigen Geburtstages. + +Der Grund dieser eigentmlichen Erscheinung liegt aber doch klar. Einmal +wird eben in "Luthers Leben" das Bild Katharinas von Bora stets mit +hineingemalt; sodann ist es schwierig, neben der gewaltigen Gestalt +ihres Gatten sie recht zur Geltung kommen zu lassen; endlich ist eine +mhsame Kleinarbeit erforderlich, um eine lebensvolle Zeichnung zu +entwerfen, und berraschende Entdeckungen sind bei aller Findigkeit hier +nicht zu machen. + +Dennoch verdient Luthers Kthe--so viel das geschehen kann--fr sich +besonders betrachtet zu werden, wie ja ihr Bild so oft fr sich neben +demjenigen des groen Doktors gemalt ist. Ist Frau Kthe freilich nichts +ohne den D. Martinus, so kann man doch auch fragen: Was wre Luther ohne +seine Kthe? Dem Lebensbilde des groen Reformators fehlte das +menschlich Anziehende, fehlten die vor allem uns Deutschen ausbrechenden +gemtlichen Beziehungen des Familienlebens. Und das hat Frau Kthe ihm +geschaffen. Ihr ist es zu verdanken, da die Welt ihn so lange, und so +lange in geistiger Frische und freudigem Arbeitseifer gehabt hat. + +So mag es ein Denkmal sein, und--wie es der schlichten deutschen +Hausfrau geziemt--ein anspruchsloses, was ihr hier zu ihrem +vierhundertjhrigen Gedchtnistage gesetzt ist. + + + + +Inhaltsverzeichnis. + +1. Katharinas Herkunft und Familie. + +Sachsen und Meien +Bora +Lippendorf +Eltern und Brder +"Muhme Lene" und Maria v. Bora +Armut der Familie +Der Eltern Tod + + +2. Im Kloster + +"Ehrsame" Jungfrauen +Adelige Stifter +Klosterkinder +Nimbschen +Klosterfrauen +Klausur +Wrden +Klostergenossinnen +Die Novize +Kloster-Regel +Erziehung +Die Postulantin +Einsegnung +Tagewerk +Reliquien +Abla +Kloster-Erlebnisse +Nonnen-Beruf + + +3. Die Flucht aus dem Kloster + +Luthers Schriften ber Abla, gute Werke, Klostergelbde +Vermittelung der Schriften +Leonhard Koppe +Austrittsgedanken +Die Verwandten +Klagebrief an Luther +Bedenken +Flucht-Plan +Das Entkommen aus dem Kloster +Die Flucht +Offener Brief an Koppe, "da Jungfrauen Kloster gttlich verlassen mgen" +Der Abt von Pforta +Neue Entweichungen + + +4. Eingewhnung ins weltliche Leben + +Versorgung der Klosterjungfrauen +Katharina bei Reichenbach +Hier. Baumgrtner +D. Glatz + + +5. Katharinas Heirat + +Luther drngt zur Ehe +Verehelichung von Priestern und Klosterleuten +Luther denkt zu heiraten +Eine Nonne soll's sein +Luthers Werbung +Trauung und Hochzeit +Gste +Geschenke +Das Fest + +6. Das erste Jahr von Katharinas Ehestand. + +Im "Schwarzen Kloster" +Ausstattung +Angewhnung +Unterhaltung +Bild +"Die erste Liebe" +Verstimmung der Freunde +Schmhungen der Feinde +Gefahren +Stimmungen + + +7. Katharina als Mutter ihrer Kinder und Hausgenossen. + +Johannes +Elisabeth +Magdalena +Martin, Paul +Margareta +Elternfreuden +Muhme Lene +Neffen und Nichten +Zuchtmeister +Gesinde, Gste +Besuche + + +8. Katharinas Haushalt und Wirtschaft. + +Das Regiment in Luthers Haus +Haus und Hof +Bauereien +Gerte +Schenkungs-Urkunde +Teurer Markt +Landwirtschaft +Grten +"Haus Bruno", Gut Boo +Zulsdorf +Grundbesitz +Arbeitsseligkeit + + +9. "Wunderliche Rechnung zwischen D. Martin und Kthe." + +Armut +Einknfte +"Geschenke" +Umsonst +Hausrechnung. "Gieb Geld" +Luthers Mildthtigkeit +Schulden +insidiatrix Ketha +"Rtlichkeit" +"Wunderlicher Segen" +"Lob des tugendsamen Weibes" + + +10. Husliche Leiden und Freuden. + +Schwerer Haushalt +Krankheitsanfall Luthers (1527) +Die Pest +Hochzeit und Tod +Flchtlinge und Hochzeiten +Visitationsreisen +Briefe von der Koburg +Die Groeltern +Besuche und Reisen +Ein Kardinal in Wittenberg +Tischgesellen, Famulus, Kthes Brder +Kinderzucht +Rosine +Kthes Tagelhner + + +11. Hochzeiten und Krankheiten, Pest und Tod. + +"Mhmchen Lene" und Veit Dietrich +Lenchens Verlobung (1538) +"Des Teufels Fastnacht" (1535) +In den "hessischen Betten" +Luthers tdliche Krankheit in Schmalkalden (1537) +Muhme Lene [Symbol: gestorben] +Pflege der Elisabeth von Brandenburg +Wieder Pest (1539) +Kthes tdliche Krankheit (1539) +Briefe aus Weimar (1540) +Allerlei Sorgen +Hanna Strau verlobt und Mhmchen Lene verwitwet +Haus in Torgau, Lenchens Krankheit und Tod +Hansens Heimweh + + +12. Tischreden und Tischgenossen. + +Eine akademische Hochzeit +Allerlei Feste +Besuche +_Cordatus_ +_Stiefel_ +_Kummer, Lauterbach_ +_Schlaginhaufen, Weller_ +_Hennik; Barnes; de Bai_ +_Dietrich_ +_Besold_ +_Holstein; Schiefer; Matthesius_ +_Goldschmidt u.a._ +Kthes "Tischburse" +Die "Tischgesprche" + + +13. Hausfreunde. + +Humanisten-Freundschaft +Der Freundeskreis des Lutherischen Hauses +Gre und Geschenke +_Amsdorf; Agrikola_ +_Probst_ +_Brisger, Biscampius, Zwilling; Mykonius; Capito_ +Die Nrnberger: _Link_ und _Friedrich_; _Baumgrtner_ +_Dietrich_; Geschwister _Weller_ +_Hausmann_ +_Schlaginhaufen_ +_Lauterbach_ +_Spalatin_ +Hans von _Taubenheim_ +Amtsgenossen +_Kreuziger_ +_Bugenhagen_ +_Jonas_ +_Melanchthon_ +Sabinus und Lemnius +Brief der Freunde an Kthe +Die Tafelrunde +Freundinnen + + +14. Kthe und Luther. + +Die "Erzkchin" +Luthers Enthaltsamkeit und Festfreude +Kthe als Krankenpflegerin +Kthes Humor +Verdchtigungen Kthes +Kthes geistige Interessen +Was Luther von Kthe hielt +"Ihr" und "Du" +"Herr" Kthe +"Liebe" Kthe +Luthers ungnstige Aeuerungen +Lob des Weibes +"Huslicher Zorn" +Lob des Ehestandes und Kthes +Kthes "Bildung" +Ebenbrtigkeit +Kthes Bild + + +15. Luthers Tod. + +Trbe Zeitlage +Hader im eigenen Lager +Die "garstigen" Juristen +Abscheiden der Freunde +Luthers zunehmende Krankheiten +Arbeit und Humor +Wegzugsgedanken +"Speckstudenten" und Kleidermoden +Abreise +Schrecken in Wittenberg +Reisen nach Eisleben +Briefe von Halle und Eisleben +Der letzte Brief +Die Todesnachricht +Zurstung zur Bestattung +Trostbrief des Kurfrsten +Der Leichenzug +Katharinas Stimmung + + +16. Luthers Testament. + +"Die Welt ist undankbar, die Leute sind grob" +Dr. Brcks Zorn auf Katharina +Frstliche und freundschaftliche Frsorge +Das schsische Erbrecht +Katharinas Leibgeding +Die Erbschaft +Brcks und Katharinas Plne +Katharinas Bittschrift +Reden der vier Hausfreunde +Brcks Gutachten +Die Entscheidungen des Kurfrsten +Kampf um Wachsdorf und die Kinder +Wolf, Gesinde und Tischburse +Frsorge fr Florian von Bora +Mahnungen an den Dnenknig + + +17. Krieg und Flucht. + +Beginn des Schmalkaldischen Kriegs, zweierlei Gebete +Anmarsch auf Wittenberg, Flucht +Belagerung Wittenbergs. In Magdeburg +Brief von und an Christian III. +Schreckensgerchte +Neue Flucht; in Braunschweig +Heimkehr + + +18. Der Witwenstand. + +Wie's daheim aussah +Kriegsschden und Proce +Kosttisch; Anlehen +Das Interim. Hans Luther nach Knigsberg +Leiden und "gndige Hilfe" +Hans in Knigsberg +Kriegslasten +"Dringende Not" + + +19. Katharinas Tod + +Flucht vor der "Pestilenz" +Der Unfall +Anna von Warbeck +Das Leichenprogramm und die Bestattung +Nachkommen und Reliquien +Denkmler +Katharinas Gedchtnis + + +Belege und Bemerkungen. + + +Register. + + + + +1. Kapitel + +Katharinas Herkunft und Familie[1]. + + +Zur Zeit der Reformation umfate das Land Sachsen etwa das heutige +Knigreich, den grten Teil der Provinz Sachsen und die +thringisch-schsischen Staaten. Diese schsischen Lande aber waren seit +dem Erbvertrag von 1485 zwischen den Ernestinern und Albertinern geteilt +in ein Kurfrstentum und ein Herzogtum. Wunderlich genug war diese +Teilung, aber ganz nach damaligen Verhltnissen: zum Albertinischen +Herzogtum, auch "Meien" genannt, gehrte der grte Teil vom heutigen +Knigreich mit den Stdten Meien, Dresden, Chemnitz; ferner ein +schmaler Streifen von Leipzig bis nach Langensalza. Dazwischen dehnte +sich das Kurfrstentum mit den Hauptstdten Wittenberg, Torgau, Weimar, +Gotha, Eisenach westwrts, und Zwickau und Koburg nach Sden. Die +Kursachsen sahen mit einigem Stolz auf ihre Nachbarn herab, welche blo +herzoglich waren, gebrauchten auch wohl den alten Spottreim: "Die +Meiner sind Gleisner". Wenn's auch nicht wahr war, es reimte sich doch +gut[2]. + +Aus dem Herzogtum Meien stammte nun Katharina von Bora, Luthers +Hausfrau[3], whrend er selbft ein geborener Mansfelder, dann ein Brger +der kurschsischen Residenz Wittenberg und Beamter des Kurfrsten war. +Er beklagte sich wohl bei seiner Frau ber ihren Landesherrn, Herzog +Georg den Brtigen, welcher, ein heftiger Gegner der Reformation, mit +Luther in steter Fehde lag, gehssige Schriften gegen ihn loslie und +die Lutheraner im Lande "Meien" verfolgte. Daneben neckte Luther seine +Kthe auch, als sie in Leipzig bei seinen Lebzeiten die Mre von seinem +Tode verbreiteten: "Solches erdichten die Naseweisen, deine +Landsleute"[4]. + +Im Meienschen nun hinter der Freiberger Mulde, eine Stunde ostwrts von +dem "Schlo und Stdtchen" Nossen lagen die beiden Ortschaften Wendisch- +und Deutschenbora[5], eine Viertelstunde von einander zwischen +Tannengehlzen, denn Tanne heit auf slavisch "Bor"[6]. Hier hatte das +Geschlecht der Bora seinen Stammsitz. Von dort verpflanzte es sich in +verschiedenen Zweigen an viele Orte des Sachsenlandes; so auch in die +Nhe von Bitterfeld und Borna, je fnf Stunden nrdlich und sdlich von +Leipzig. Sie fhrten alle im Wappen einen steigenden roten Lwen mit +erhobener rechter Pranke in goldenem Feld und den Pfauenschweif als +Helmzier[7]. + +Aus welchem dieser neun oder zehn Zweige aber Frau Katharina, des +Reformators Ehegattin, stammte, ist nicht mehr gewi auszumachen. Mehr +als sieben Orte, wie bei dem Vater der griechischen Dichtung, Homer, +streiten sich um die Ehre, ihre Geburtssttte zu sein: das ist fast +jeder Ort, wo frher oder spter Bora gewohnt und gewaltet haben. Aber +man kann eher noch beweisen, da sie aus acht dieser Orte nicht stammt, +als da sie am neunten Ort wirklich geboren sei[8]. + +Vielleicht ist Katharinas Geburtsort beim alten Stammsitz des +Geschlechts: zu Hirschfeld, einem sehr fruchtbaren Hofgut in der +drferreichen Hochebene, wo man nrdlich nach dem nahen Deutsch-Bora und +dem etwas ferneren Wendisch-Bora schaut, gen Westen aber, in einer +Entfernung von einer Stunde, die burggekrnte Bergnase von Nossen +erblickt. + +Wahrscheinlicher aber wurde Kthe zu _Lippendorf_ geboren. Westwrts +nmlich von Borna an der Pleie zieht sich als meinisches Gebiet ein +weites Blachfeld, dessen Einfrmigkeit nur durch dunkle Gehlze +unterbrochen wird. Nur ein paar hundert Schritte von dem Kirchdorf +Medewitzsch erhebt sich das Huflein Huser des kleinen Drfchens +Lippendorf und etwas abseits gelegen ein greres Gut, mit einem Teiche +dahinter. Das war zwar kein rittermiger Hofsitz, aber doch ein +stattliches Lehngut, das heutzutage seinen Besitzer zu einem +wohlhabenden Bauern macht. Um 1482 sa dort ein Hans von Bora mit +seiner Gemahlin Katharina; um 1505 ist's ein Jan von Bora mit seiner +Gattin Margarete, einer geborenen von Ende. Wahrscheinlich ist Hans und +Jan nicht Vater und Sohn, sondern dieselbe Person und Margarete nur +seine zweite Ehefrau. + +Hier wre nun Katharina an dem Ende des fnfzehnten Jahrhunderts, 15-1/4 +Jahre nach Martin Luther, auf die Welt gekommen. In diesem +bauernhofhnlichen Anwesen wre sie--vielleicht unter einer +Stiefmutter--herangewachsen. An diesem Teich htte sie als Kind gespielt +und hinbergeschaut nach dem nahen Rittersitz Kieritzsch mit seinem +Schlopark und kleinen Kirchlein, und weiterhin ber die Wiesen und +Gehlze der Mark Nixdorf nach der "Wstung Zollsdorf"--wo sie spter als +ehrsame Hausfrau und Doktorin vom fernen Wittenberg herkommend hausen +und wirtschaften sollte, wie sie's zu Lippendorf in Hof und Stall, Kche +und Keller von der fleiigen Mutter gelernt.[9] + +Aber sicher ist diese Annahme nicht. Es kann auch ein anderer Ort +Katharinas Geburtssttte sein. + +Ja, sicher wei man nicht einmal den Namen von Vater und Mutter. Hans +konnte der Vater wohl geheien haben, so hie damals jeder dritte Mann, +auch im Bora'schen Geschlecht. Und nach einer andern, nicht +unglaubwrdigen Nachricht wre die Mutter eine geborene von Haubitz +gewesen und htte nach der Tradition den ebenfalls zu jener Zeit sehr +beliebten Namen Anna getragen. Dann wre freilich Lippendorf nicht +Kthes Heimat gewesen. Unzweifelhaft gewi ist nur ihr Geburtstag, der +29. Januar 1499; denn dieser Tag ist auf einer Schaumnze eingegraben, +die heute noch vorhanden ist[10]. + +Auch ihre nchsten Verwandten sind bekannt. + +Katharina hatte wenigstens noch drei Brder. Der eine, dessen Name nicht +genannt ist, verheiratete sich mit einer gewissen Christina und starb +ziemlich frhzeitig, vielleicht schon um 1540. Denn sein Sohn Florian, +der etwa gleichaltrig mit Luthers Aeltestem d.h. damals vierzehn Jahre +alt war, wurde um diese Zeit ins Haus genommen und wollte 1546 die +Rechte studieren; damals war "Christina von Bora Witfraw"[11]. + +Der andere Bruder Katharinas ist _Hans_ von Bora. Er war 1531 in +Diensten des Herzogs Albrecht von Preuen, kehrte aber etwa 1534 von +dort zurck, um fr sich und seine Brder das Gtlein Zulsdorf als +"Erbdchlein" zu bernehmen. Er bekam in seinen Mannesjahren von seinem +Schwager Luther und von Justus Jonas das Lob eines "aufrichtigen, feinen +und treuen Menschen". "Treu und brav ist er, das wei ich, dazu auch +geschickt und fleiig", bezeugt ihm Luther[12]. + +Weniger Lbliches ist von dem dritten Bruder _Klemens_ bekannt. Er kam +mit Bruder Hans nach Knigsberg, geriet aber nach dessen Rckkehr in die +Gesellschaft eines adligen Raufboldes, der in seiner Gegenwart einen +Zimmergesellen im Rausch erstach, was ihm selbst beln Ruf zuzog und ihn +in Ungnaden bei dem Herzog brachte[13]. + +Auer den Brdern Katharinas ist auch eine Muhme (Base) Lene bekannt, +welche spter in Luthers Haus lebte. Es wird dies niemand anders sein +als die Magdalena von Bora, des Vaters Schwester[14], welche freilich +zur Zeit von Katharinas Geburt schon lange im Kloster Nimbschen lebte. + +Wenn es wahr ist, da um 1525 eine Maria von Bora auf Zulsdorf sich nach +Wittenberg verheiratete[15], so mssen auf diesem Vorwerk in den +zwanziger Jahren noch nahe Verwandte gelebt haben. Reich konnten diese +aber nicht sein, denn das ganze Gut war nur 600 fl. wert und nhrte +seinen Mann nicht, wie spter Bruder Hans selbst erfuhr. Ein weiterer +Verwandter Katharinas war Paul von Rachwitz, welcher zu Bitterfeld +wohnte in dessen Nhe auch in Zweig der Bora hauste[16]. + +Die Familie Katharinas mu recht arm gewesen sein: es heit sogar: sie +war in die uerste Bedrngnis geraten. Florian, der Sohn des ltesten +Bruders, war jedenfalls nach seines Vaters Tod, obwohl dieser +wahrscheinlich das Erbgut besa, doch auf Stipendien angewiesen fr +seine Studien. Bruder Hans war am preuischen Hof so rmlich gestellt, +da Luther fr ihn dem Herzog Albrecht "beschwerlich sein" und schreiben +mute: "Nachdem meiner Kthen Bruder Hans von Bora nichts hat und am +Hofe Kleid und Futter genug nicht hat, wollten E.F.Gn. verschaffen, da +ihm jedes Vierteljahr ein paar Gulden wrden zugeworfen, damit er auch +Hemd und andere Notdurft bezahlen mchte.[17]" + +Katharina selbst endlich hat, wie es scheint, nicht einmal ein +Leibgeding mit ins Kloster bekommen, wie es andere, wohlhabendere adlige +Frulein mit durchschnittlich 3 Schock[18] jhrlich erhielten; und auf +ihre Einsegnung konnte sie nur 30 Groschen spenden, whrend neue Nonnen +wohl 100 oder wenigstens 40 Groschen opferten. Bei ihrer Heirat konnte +sie keine Mitgift in die Ehe bringen[19]. + +So ist also Katharina von Bora--wo es auch sei--in gar engen +Verhltnissen aufgewachsen, und wenn man sich das junge Mdchen etwa als +zartes Ritterfrulein am Burgfenster mit dem Stickrahmen oder als +Jgerin auf stolzem Zelter vorstellen wollte, so gbe das ein gar +falsches Bild. Wir haben sie uns vielmehr zu denken wie eine junge +Bauerntochter auf dem Hofgut schaltend und waltend, der Mutter an die +Hand gehend in der Wirtschaft, zugleich als die Aelteste, vielleicht als +einziges Tchterlein, auch eine gewisse Selbstndigkeit und +Herrschergabe entfaltend, wie sie sich spter in der reifen Frau +entwickelt zeigt. + +Freilich ein wirkliches anschauliches Bild ihrer Kindheit zu entwerfen +vermgen wir nicht, dazu fehlen alle Anhaltspunkte, alle Formen und +Farben. Wir mgen dies bestimmte Bild aus der ersten Jugendzeit, in die +wir uns bei einem Menschenleben so gerne versenken, bei Katharina +schmerzlich vermissen, da sich die ganze Umgebung, der Hintergrund der +Landschaft und selbst die notwendige Staffage von Vater und Mutter und +alles, was auf ein junges Menschenkind einwirkt, bis auf die Namen +verwischen und verschwinden, whrend zum Beispiel bei ihrem Gatten, dem +Doktor Luther, Elternhaus, Vater, Mutter, Geschwister, Gespielen, Heimat +und Schule so deutlich und plastisch sich herausheben, da sie ein gar +lebendiges und farbenreiches Gemlde geben. Aber man kann sich doch auch +wieder ber diesen Mangel leicht trsten. + +Denn wie es scheint, sind die Eltern beide frh gestorben. Sobald +Katharina ins Licht der Geschichte tritt mit ihrer Heirat, ja schon bei +ihrer Entweichung aus dem Kloster, ist jede Spur von ihnen verschwunden: +die Eltern erscheinen nicht bei ihrer Hochzeit, wie die Eltern von +Luther; sie werden um ihre Einwilligung nicht gefragt, worauf doch +Luther sonst so groes Gewicht legt; ja sie kommen schon nicht in +Betracht bei der Flucht aus dem Kloster, als es sich um eine Unterkunft +handelt; und auch whrend der ganzen Klosterzeit kommt Vater und Mutter +nicht zum Vorschein, wie es doch oftmals bei Klosterjungfrauen der Fall +ist. Vielleicht ist gerade der Eltern frher Tod fr Katharina die +Veranlassung gewesen, so bald ins Kloster einzutreten. + +Wie dem aber auch sei, die geistige Entwicklung des jungen Fruleins +fllt nicht in das Elternhaus. Denn sehr frh kam Katharina von daheim +fort und ihre bewute Jugendzeit verbrachte sie fern von der Heimat im +Jungfrauen-Stift. + +So fllt Katharinas Eintritt, obwohl sie 15 Jahre jnger war, etwa in +dieselbe Zeit, als der Erfurter Magister Martin Luther die Studien +verlie und in das Kloster der Augustiner ging. + + + + +2. Kapitel + +Im Kloster. + + +Wenn heutzutage ein armes Mdchen aus besseren Stnden versorgt werden +soll, das nicht auf groe Mitgift und darum auf Verheiratung rechnen und +somit dem natrlichen weiblichen Beruf, dem Familienleben, +voraussichtlich entsagen mu, so kommt es in eine Anstalt und bildet +sich zur Lehrerin oder dergleichen aus. Im Mittelalter kam so ein armes +Frulein, dessen Ausstattung die schmalen Erbgter der Stammhalter und +Schwestern noch mehr geschmlert htte, zur Versorgung ins Kloster. Die +alten Klster (der Benediktiner, Cisterzienser, Bernhardiner) wurden so +Versorgungsanstalten[20]. Es waren adelige Stifter, fromme Anstalten der +Vorfahren, worin "ehrsame" (d.h. adelige) Jungfrauen Gott dienen und fr +die Seelen der Lebenden und Verstorbenen beten sollten[21]. Statt des +jetzigen "geistigen" Berufs zum Wirken in der Welt fr lebendige +Menschen diente damals der "geistliche" Beruf zur Verehrung Gottes und +der Heiligen, zum ewigen Seelenheil der Lebenden, namentlich aber der +toten Anverwandten im Fegefeuer. Statt der heutigen freien und doch +nicht immer freiwilligen Entschlieung zu einem selbstgewhlten Beruf, +der freilich immer nur bedingungsweise und auf Zeit ergriffen wird, galt +es damals die "ewige" unwiderrufliche "Vergelbdung" auf Lebenszeit; +statt der "Emanzipation", welche einer auer dem Familienleben stehenden +Jungfrau heute mehr oder weniger wartet, harrte ihrer damals die +"Klausur", die Einschlieung in die Klostermauern in einem streng +geschlossenen Verband, dem "Orden", unter dem straffen Bande der +"Regel", der Klostersatzungen. + +Nach Begabung und Neigung zu diesem geistlichen Beruf wurde da wenig +gefragt, und es konnte auch keine Rcksicht darauf genommen werden[22]. +Dazu war in diesen Zeiten die elterliche Autoritt, namentlich ber +Tchter, viel zu gro, und der Familiensinn in solchen adeligen Husern +war ein zu stark ausgeprgter, als da sich ein Glied in individueller +Neigung gegen das Herkommen und die Familiensitte wie gegen die +Forderungen der Existenzbedingungen seines Geschlechts aufgelehnt htte. +Nach den kirchlichen Bestimmungen galt der Grundsatz: "Einen Mnch macht +entweder die elterliche Vergelbdung oder die eigene Einwilligung"[23], +also in erster Linie die Bestimmung der Eltern! Diese hielten es eben +fr eine standesgeme Versorgung und zugleich fr einen "guten seligen +Stand", wie eine Nonne aus dieser Zeit erklrt[24]. + +Zudem wurden die Tchter in einem Alter in das Stift gethan, wo von +einer Willensentscheidung gar keine Rede sein konnte[25]. Die Mdchen +waren noch Kinder. Der Eintritt konnte schon im sechsten Lebensjahr +geschehen; viele kamen auch spter hinein, wenn sich die +Familienverhltnisse durch Wachstum der Kinderzahl, Tod der Mutter und +dergleichen anders gestalteten. Aber auch in noch frherem Alter wurden +"Kostkinder" aufgenommen, welche dann auch oft Klosterjungfrauen wurden. + +"Es ist eine hohe Not und Tyrannei, da man leider die Kinder, +sonderlich das schwache Weibervolk und junge Mdchen in die Klster +stet, reizet und gehen lt"--so uert sich Luther gerade ber das +Kloster, worin sich Katharina von Bora befand, und ruft entrstet aus: +"O die unbarmherzigen Eltern und Freunde (Verwandten), die mit den +Ihren so schrecklich und greulich verfahren!"[26] + +Nicht anders erging es auch der Tochter aus dem verarmten Hause Bora. +Katharina ward ins Kloster geschickt--gefragt wurde das Kind natrlich +nicht; es geschah "ohne ihren Willen", wie denn Luther im allgemeinen +von ihr und ihren Mitschwestern von Verstoung ins Kloster redet und von +Zwang. Er fragt bei dieser Gelegenheit seine Zeitgenossen: "Wie viel +meinst du, da Nonnen in Klstern sind, die frhlich und mit Lust +ungezwungen ihren Gottesdienst thun und Orden tragen? Unter tausend kaum +eine. Was ist's, da du solches Kind lt also sein Leben und alle seine +Werke verlieren?"[27] + +Katharina kam vielleicht schon mit dem 6. Lebensjahr ins Kloster; denn +in ihrem sechsten Lebensjahr verschreibt Jan von Bora auf Lippendorf +alle seine Gter allda seiner--vielleicht in diesem Jahr geheirateten +zweiten--Ehefrau. Jedenfalls war Katharina im zehnten Lebensjahr (1509) +schon Klosterjungfrau; und zwar nicht mehr die jngste, sondern die +zweitjngste von den Aufgenommenen und blieb noch lange Jahre (bis 1516) +die vorletzte in der Reihe der Schwestern[28]. + +Klster gab es damals genug im Land: es wurden allein im Meinischen +gegen 30 Nonnenklster gezhlt[29]. In welches Kloster Katharina +eintreten sollte, das stand von vornherein fest: es mute das adelige +Cisterzienserinnen-Kloster "Marienthron" oder "Gottesthron" _Nimbschen_ +bei Borna im Kurfrstentum Sachsen sein[30]. Denn hier war eine Muhme +von Vaterseite, vielleicht Vatersschwester Magdalene von Bora schon +lange Zeit Klosterjungfrau und bekleidete von 1502-8 das Amt einer +Siechenmeisterin, d.h. Krankenwrterin der Nonnen. Auerdem waren, +scheint es, noch zwei Verwandte aus der mtterlichen Familie der Haubitz +da: eine ltere Margarete und eine jngere Anna. + +Das Kloster Nimbschen hat eine hbsche Lage. Eine Stunde unterhalb, +nachdem die beiden Mulden, die Zwickauer von Sden und die Freiberger +von Osten her zusammengeflossen sind zu der groen Mulde, erweitert sich +das enge Fluthal zu einer viertelstundebreiten ebenen Aue, welche die +Form eines lnglichen Blattes hat und eine halbe Stunde lang ist. Am +Ostufer zieht sich eine schroffe Felswand aus Porphyr hin, an welche +das Muldebett sich anschmiegt; im Westen begrenzt eine niedrige, sanfter +ansteigende, waldbewachsene Hgelkette den Werder. Ueber der nrdlichen +Blattspitze, die scharf durch die zusammenrckenden Felswnde +abschliet, erhob sich eine Burg und jenseits der Thalsperre, ungesehen +von der Aue aus, liegt die Stadt Grimma; an dem obern Ende der Aue, +unmittelbar am Fue des westlichen Waldhgels, stand das Kloster. Es war +also abgelegen von der Welt, abgeschlossen durch die beiden Hgelreihen, +nur mit dem Blick auf die stille ruhige Aue. Drben flo die Mulde +ungesehen tief in ihren Ufern, berragt von der Felswand, hben erhob +sich der hgelige Klosterwald. Nordwrts davon schimmerte ein ziemlich +groer Teich, welcher die leckere Fastenspeise barg. + +Aus dem Hgel unmittelbar neben dem Kloster waren die schmutzig braunen +Porphyrsteine gebrochen, mit welchen die Mauern und Klostergebude +aufgebaut waren; ein Graben an diesem Hgel hin verhinderte noch mehr +den unbefugten Zutritt. + +Das Klostergebude war sehr umfangreich, denn so eine alte +Cisterzienser-Abtei bildete eine Welt fr sich: nach alter Regel mute +das Kloster alle seine Bedrfnisse selber durch eigene Wirtschaft +befriedigen[31]. Daher gab es neben dem eigentlichen "Gotteshaus", wie +ein geistliches Stift genannt wurde, noch allerlei Wirtschaftsgebude: +Stlle fr Pferde, Rinder, Schweine, Geflgel mit den ntigen Knechten +und Mgden, Hirten und Hirtinnen fr Fllen, Khe, Schafe (das Kloster +hatte deren 1800!), Schweine und Gnse; ferner Mher, Drescher, +Holzhauer, eine "Ksemutter". Das Kloster selbst zerfiel in zwei +Gebudekomplexe: "die Propstei" und die "Klausur". Die Propstei schlo +sich um den ueren Klosterhof und umfate die Wohnung des Vorstehers +oder Propstes, eines "Halbgeistlichen", welcher mit "Ehren" ("Ehr") +angeredet wurde, dann die Behausung des Verwalters oder Vogts (Voit) +samt dem Schreiber; ferner das "Predigerhaus", in welchem die zwei +"Herren an der Pforte", d.i. Mnche aus dem Kloster Pforta, als +Beichtvter wohnten, denn Pforta hatte die Oberaufsicht ber Nimbschen. +Ein Brauhaus, Backhaus, Schlachthaus, Schmiede, Mhle, Kche und Keller +waren noch da, worin die verschiedenen Klosterhandwerker hausten und +hantierten; auf dem Thorhaus sa der Thorwrter Thalheym. Ein +"Hellenheyszer" hatte die Oefen zu besorgen. + +Es war eine gar umfangreiche Wirtschaft und ein groes Personal: 40-50 +Leute waren in der Klosterzeit Katharinas von Bora tglich "ber den +Hof" zu speisen; und dazu muten Lhne gezahlt werden, vom Oberknecht +mit 4 Schock 16 Groschen und Vorsteher mit 4 Schock an bis zur +Gnsehirtin, welche nur 40 Groschen bekam. + +Um alle diese Personen zu besolden und neben den Klosterfrauen zu +speisen, brauchte es natrlich groer Einknfte an Geld, Getreide, +Hhnern, Eiern u.s.w. von den Klosterdrfern und Hfen, auer den +Klostergtern, die vom Klosterpersonal selbst bewirtschaftet wurden. +Ferner hatten die Bauern noch gar manche Fronden mit Ackern, Dngen, +Dreschen, Mhen und Heuen, Schneiden, Holzmachen, Hopfen pflcken, +Flachs und Hanf raufen, riffeln und rsten, Schafscheren, Jagdfron +(Treiben bei der Jagd) wofr teilweise Essen und Trinken, bei der Jagd +auch Geld gereicht wurde. + +Die Nonnen selbst wohnten in der "Klausur", einem zweiten +Gebudekomplex, welcher im Viereck um einen kleinen Hof gebaut war und +aus der Kirche, dem Refektorium (Speisehaus), dem Dormitorium +(Schlafhaus mit den Zellen) und dem Konvent (Versammlungshaus) bestand. +Die Abtei, die Wohnung der Aebtissin, welche nicht zur Klausur gehrte, +war zwischen dieser und dem Propsthofe. + +Hier im Kloster lebten nun einige vierzig Tchter adeliger Huser aus +verschiedenen Gegenden des kurfrstlichen und herzoglichen Sachsen. Dazu +kamen noch ein halb Dutzend "Konversen" oder Laienschwestern, die um +Gottes willen, d.h. umsonst dienten. Ferner mehrere bezahlte +"Kochmeide", darunter eine Kchin, und die "Frauen-Meid", d.h. die +Dienerin der Aebtissin. Diese hatte auerdem noch zwei Knaben zu ihrer +Verfgung, die natrlich im uern Klosterhof wohnten und zu Kleidern +und Schuhen zusammen 1 Schock jhrlich erhielten[32]. + +Die adeligen Klosterfrauen bildeten die Sammlung, den Konvent und hieen +daher auch Konventualinnen. Das war eine kleine weibliche Adelsrepublik, +die sich in allen Dingen selbst regierte nach der "Regel", den +Gesetzen, auf die sie eingeschworen waren--blo unter Oberaufsicht ihres +Visitators, des Abtes von Pforta, der aber auch nur auf Grund der Regel +anordnen und rgen konnte. Die Regel war die des hl. Bernhard, eine +etwas strengere Abart derjenigen der gewhnlichen alten +Benediktinerinnen[33]. + +Die Nonnen waren auer der Aebtissin in die _Klausur_ eingeschlossen, +aus welcher sie nur in Klosterangelegenheiten mit besonderer Erlaubnis, +und dies selten und in Begleitung einer Seniorin und des Beichtvaters, +heraustreten durften. Ein Verkehr mit der Auenwelt oder auch nur mit +den Klosterleuten auf der Propstei fand nicht statt; auch in der Kirche +waren sie auf einem besonderen dicht vergitterten Nonnenchor den Blicken +der Weltleute entzogen. Verboten war ausdrcklich das Uebersteigen an +der Orgel und das Herauslehnen ber die Umzunung des Chors. Wenn jemand +von drauen (Geistlicher oder Weltlicher) mit einer Klosterjungfrau zu +reden hatte, etwa die Eltern und Geschwister zu Besuch kamen, so durften +sie nur mit besonderer Erlaubnis der Aebtissin, und nur wenn es die Not +erforderte, in der Redstube durch das vergitterte Redfenster und in +Gegenwart der Aebtissin mit ihr sprechen; es war unmglich gemacht, da +jemand die Hand oder ein Ding durch das Fenster steckte. Ebenso war der +Beichtstuhl vermacht, und selbst der Beichtvater durfte nur in +Krankheitsfllen in die Klausur eintreten. Festlichkeiten und +Ergtzungen sollten die Beichtvter nicht mit den Klosterjungfrauen +mitmachen. Der Pfrtnerin war bei Strafe verboten, Hunde (?), alte +Weiber und dgl. einzulassen[34]. Die Schwestern durften auch nicht mit +den Klosterkindern[35] zusammen schlafen. + +In diesem klsterlichen Verband gab es zur Regierung und Verwaltung der +Gemeinschaft zahlreiche Aemter. Mit ziemlich unumschrnkter Gewalt +herrschte die gewhlte _Aebtissin_: ihrem Befehl und ihren Strafen war +mit wortlosem, unbedingtem Gehorsam nachzukommen; doch war sie gehalten, +berall den Rat ihrer "Geschworenen und Seniorinnen" zu hren. Ihr war +nicht nur die uere Verwaltung der Gemeinschaft bertragen, auch die +"Leitung der Seelen und Gewissen". Sie sollte sich bestreben, gleich +liebreich gegen alle, Junge und Alte, aufzutreten, fr alle, Gesunde +und Kranke, namentlich in ihrer leiblichen Notdurft, besorgt zu sein. + +Mit Ehrfurcht nahten die Schwestern der Aebtissin, sie war die Domina +(Herrin), die ehrwrdige Mutter, und die drauen wenigstens nannten sie +"Meine gndige Frau." Im Jahr 1509, also kurz nachdem Katharina von Bora +in Nimbschen eingetreten war, starb die alte Aebtissin Katharina von +Schnberg, und Katharinas Verwandte, Margarete von Haubitz, wurde zur +Aebtissin gewhlt und feierlich vom Abt Balthasar aus Pforta in ihr Amt +eingefhrt[36]. + +Nach der Aebtissin kam an Wrde die Priorin ("Preilin"), einerseits die +Stellvertreterin und Gehlfin derselben, andererseits aber auch die +Vertreterin und Vertrauensperson des Konvents. Auf sie folgte die +"Kellnerin", die "Bursarin" (auch "Bursariusin", Kassiererin) die +Ksterin, die Sangmeisterin ("Sngerin"), die Siech- und +Gastmeisterin[37]. + +Die Schwesternschaft, in welche die junge Katharina eintrat, hatte einen +gleichartigen gesellschaftlichen Rang: sie waren alle aus dem kleinen +Adel und vielfach mit einander verwandt oder gar Schwestern: so die zwei +Haubitz, die zwei Schwestern Zeschau und Margarete und Ave von +Schnfeld, wozu noch eine Metze[38] Schnfeld kam, welche 1508 +Siechenmeisterin und spter Priorin wurde. Aber die einen waren +wohlhabend mit einem ordentlichen Leibgeding an Geld und Naturalien, die +anderen arm, vielleicht nur bei dem Eintritt und bei der Einsegnung mit +einem kleinen Geschenke von ihren Verwandten abgefunden. Der Wohlstand +scheint nicht ohne Einflu auf die amtliche Stellung gewesen zu sein; +denn es ist doch wohl nicht Zufall, da die am reichsten +Verleibgedingte, Margarete von Haubitz, zur Aebtissin gewhlt wurde[39]. +Auch das Alter war ein gar verschiedenes: da war die 70 jhrige Ursula +Osmund, die an hundert Jahre alt wurde, und die zehnjhrige Katharina +von Bora und die beiden jungen Schnfeld, welche in hnlichem Alter +standen. Lange Zeit wurden gar keine neuen Jungfrauen in das Stift +aufgenommen: von 1510 bis 1517 blieben Katharina und Ave die letzten, +vielleicht weil die Zahl 50 (mit den Konversen) berschritten war und +die Einknfte des Klosters nicht mehr Personen ertrugen. Da die +Klosterfrauen auch an Wesen, Charakter und Temperament verschieden +waren, ist natrlich; aber alle geistige Individualitt (alle +"Eigenschaft") wurde durch die Klosterregel und Klosterzucht ebenso +ausgelscht, wie die leibliche Verschiedenheit durch die gleiche Tracht: +Nonnen tragen auch eine geistige Uniform. Dazu sind Freundschaften +verboten. Von irgend einer Eigenheit einer Schwester erfhrt man nichts. +Nur die Aebtissin Margarete von Haubitz ist spter charakterisiert als: +"ehrliches (vornehmes), frommes, verstndiges Weibsbild"[40]. + +Ob die neue Klosterjungfrau _Katharina von Bora_ an ihr oder den anderen +Verwandten aus dem mtterlichen Geschlechte eine Annehmerin gefunden +habe, ist nicht zu sagen. Doch war nicht von vornherein die +Verwandtschaft mit der Aebtissin ein Grund zu einer freundlichen +Behandlung. Denn eine gleichzeitig mit Katharina in ein andres Kloster +eingetretene junge Nonne beklagt sich, da ihre Muhme, die Aebtissin, +ganz besonders gewaltthtig und grausam mit ihr verfahren sei. +Vielleicht hat Katharina eine Art mtterliche Freundin an ihrer anderen +Verwandten aus dem vterlichen Geschlecht gefunden, der ehemaligen +Siechenmeisterin Magdalena von Bora, weil diese nachher sich als "Muhme +Lene" so innig an Katharina und ihre neue Familie anschlo[41]. + +Zunchst wurde das junge Mdchen eingefhrt in die Ordensregel und den +Gottesdienst, wurde gewhnt an klsterliches Benehmen und an geistliches +Denken und Wesen, auch unterrichtet in einigen Kenntnissen und +Fertigkeiten. In Nimbschen wird keine besondere Novizenmeisterin +genannt; es war nur vom Abt bei der Einfhrung der neuen Aebtissin 1509 +im allgemeinen aufs neue als Ordensregel eingeschrft: "Weil es ein Werk +der Frmmigkeit und Barmherzigkeit ist, die Ungelehrten gelehrter zu +machen, wollen wir, da diejenigen, welche mehr verstehn unter den +Jungfrauen, die andern zu belehren und unterrichten sich bestreben, in +dem Bewutsein, da sie einen groen Lohn fr diese Mhe empfangen, und +da sie durch diese Beschftigung viel Leichtfertigkeit vermeiden, wozu +die ausgeladene Jugend geneigt ist." Natrlich sollten aber alle +Aelteren den Jungen mit gutem Beispiel vorangehen. + +Als "der Schlssel der Religion" mute zunchst berall, wo es die +Ordensregel vorschrieb, unbedingtes _Stillschweigen_ beobachtet +werden--auer dem unbedingten Gehorsam, an den sich die Novizin zu +gewhnen hatte, der wichtigste und hchste Punkt des klsterlichen +Lebens. Denn es mte Rechenschaft gegeben werden von jedem unntzen +Wort nicht nur vor Gottes Richterstuhl, sondern auch vor dem Beichtstuhl +des Priesters. Vielmehr sollten die Klosterjungfrauen auerhalb der +vorgeschriebenen Gebetszeiten und der Lektionen in besonderen Gebeten +mit dem Brutigam Christus reden oder in Beschaulichkeit schweigend +hren, was Gott in ihnen redet. Darum wurde streng darauf gesehen, da +die Kinder und heranwachsenden Jungfrauen nicht herumliefen und +schwatzten, sondern sich sittsam und schweigsam verhielten. + +Es galt sodann in Kleidung und Haltung, in Gebrde und Rede sich das +rechte nonnenhafte Wesen anzueignen. "Am Ort der Bue", mute man "die +grte Einfachheit der Kleidung zeigen, sich weder mit weltlichen +Gewndern schmcken, noch auch mit den Fransen der Phariser", sondern +die Kutten bis an die Schultern herausziehen. Das Angesicht muten die +Novizen lernen stets zu neigen. "Denn die Scham ist die Hterin der +Jungfrauschaft, der kstlichen Perle, welche die geistlichen Tchter +bewahren sollen. So sollen sie mit Seufzen und Beklagen der verlorenen +Zeit die Ankunft des himmlischen Brutigams erwarten welcher seine +Verlobten,--die im Glauben und hl. Profe stets des Herrn harren,--mit +Frohlocken in sein Brautgemach fhrt." + +"Damit sie sich aber nicht mit dem Laster des Eigentums beflecken, +welches in der Religion das schlimmste und verdammlichste und ein Netz +des Teufels ist, sollen sie bei Strafe der Exkommunikation alle +Geschenke von Freunden und andern drauen nicht als ihr Recht +beanspruchen, sondern der Aebtissin reichen, und demtig von ihr das +Ntige begehren." + +Die Vorgesetzten aen zwar am besonderen Tisch und hatten bessere +Speisen und Getrnke: so bekamen sie echtes Bier, dagegen die +Konventualinnen nur "Kofent" (Konvent- d.h. Dnn-Bier)[646], aber +gleichmige Behandlung aller Klosterjungfrauen in Speisen und Getrnken +waren der Aebtissin zur Pflicht gemacht, und die Mahlzeiten lieen nach +herkmmlicher Klostersitte nichts zu wnschen brig[42]. "Festmahlzeiten +und Ergtzlichkeiten" waren den Schwestern unter sich von der Aebtissin +erlaubt. + +Diese Ordnungen, zu welchen in Nimbschen bei Einfhrung der neuen +Aebtissin der Abt-Visitator eine Art Hirtenbrief als Erluterung und +Ergnzung der Ordensregel gegeben hatte, wurden alle Vierteljahre +kapitelweise im Konvent gelesen und durch die Aebtissin oder Priorin +Punkt fr Punkt erklrt, damit jede Klosterjungfrau--namentlich aber die +Neulinge--aus sich selbst die klsterliche Lebensweise und +Lebenseinrichtung annhmen. + +In solche strenge Klosterzucht wurde nun das junge Mdchen eingefhrt. +Wenn auch die Praxis--wie sich bei jeder Visitation zeigte, namentlich +in der Verordnung von unntzen Reden--von der Theorie abwich, so war +doch zu dieser Zeit ein stramme ernstliche Einhaltung der Ordensregel in +Nimbschen durchgefhrt. Man hatte nmlich gerade um 1500 auch hier wie +in anderen Klstern eine "Reformation" der zerfallenen Klosterordnung +erstrebt[43]. + +Neben dieser Erziehung zum Klosterleben gab es auch einigen +_Unterricht_, der mit dem Ordensleben zusammen hing. Die Novizen muten +lesen lernen--was damals bei der krausen Schrift und dem noch krauseren +Stil nicht so ganz leicht war[44]. Sogar ins Lateinische muten die +Nonnen notdrftig eingefhrt werden: denn die Lesungen und Gebete, +besonders aber die Gesnge waren meist in der Kirchensprache +geschrieben--wenn es auch mit dem Verstndnis der Fremdsprache nicht +gerade weit her war: singen ja doch auch heute Kirchenchre in +Dorfgemeinden lateinische Hymnen und Messen. Auch schreiben hat +Katharina im Kloster gelernt, wenn sie auch spter--wie alle viel +beschftigten Frauen nicht gerne und viel schrieb und an Fremde und +hochgestellte Personen ihre Gedanken lieber einem Studenten oder +Magister in die Feder sagte. Sonst konnten nicht alle Klosterfrauen +diese Kunst. Eine eigentliche Schule, worin die Schulmeidlein gelehrt +wurden, gab es nicht, doch waren einige Klosterfrauen fhig, nach ihrem +Austritt Mdchenschulmeisterinnen zu werden, so die Schwester von +Staupitz und die Elsa von Kanitz[45]. + +Der _Gesang_ spielte eine groe Rolle im Kloster: waren doch alle +religisen Uebungen grtenteils gemeinschaftlich und muten so zum +Chorgesang werden. Es war eine Sngerin oder Sangmeisterin +(Kapellenmeisterin) bestellt, welche die Gesnge einzuben hatte. Und im +Kloster war ein altes "Sangbuch", welches 1417 fr 2 Schock Groschen +gekauft und vom markgrflichen Vogt zu Grimma bezahlt worden war. Es +waren aber im Kloster fremde Gesnge aufgekommen und es wurde gegen die +Regel des seligen Vaters Bernhard zu schnell und ungleich (d.h. +rhythmisch) gesungen, und kam der Unfug auf, da unvermittelt bald alle, +bald wenige Stimmen sangen; der Abt von Pforta ordnete daher an, da +rund, eine Silbe wie die andere gesungen werde, einhellig und mit +gleicher Stimme, nicht zu hoch und zu tief[46]. + +Im Jahre 1509, als Katharina von Bora zehn Jahre zhlte, war sie kein +Kostkind oder Schulmeidlein mehr, sondern wurde schon unter die +Klosterjungfrauen gezhlt. Sie war also einstweilen wenigstens +"Postulantin", Anwrterin fr die Pfrnde. Da meist das vierzehnte +Lebensjahr das Entscheidungsjahr fr die Klostergelbde war, so htte +sie mit dem dreizehnten ihr Noviziat antreten und ein Jahr darauf Profe +thun knnen. Es ist auffllig, da sich dies bei Katharina zwei Jahre +hinausschob, und sogar die spter eingetretene jngere Ave Schnfeld +_vor_ ihr mit ihrer lteren Schwester Margarete eingesegnet wurde[47]. + +Mit ihrem 15. Jahre also wurde Katharina von Bora nach dem Herkommen der +Sammlung von der Aebtissin "angegeben" (vorgeschlagen) und von dem +Konvent angenommen. Unter feierlichen Zeremonien in der Kirche wurden +ihr die Haare abgeschnitten, die mit Weihwedel und Rauchfa besprengten +und berucherten heiligen Kleider angethan: die weie Kutte bergezogen, +der weie Weiler (das Kopftuch (velum, der sog. Schleier)) ums Haupt +geschlungen; auf diesem wurde der Himmelsbraut der weie Rosenkranz +aufgesetzt und der Heiland im Kruzifix als Brutigam in die Arme gelegt, +dann hat sie ihm durch Opferung des Kranzes ewige Reinigkeit verheien +und geschworen. Darauf fiel die Postulantin der Reihe nach der Aebtissin +und jeder der einzelnen Klosterfrauen demtig zu Fen, wurde von ihnen +aufgehoben und mit einem Kusse als Schwester in die Gemeinschaft +aufgenommen[48]. + +Jetzt kam Katharina unter die strenge Zucht einer lteren Klosterfrau +und mute in dieser Probezeit im Ernst all die vielen Dinge ben in +Haltung und Gang, in Gebrde und Rede, welche eine Nonne auf Schritt und +Tritt zu beobachten hat, wenn sie nicht gegen die Regel sndigen und +dafr Bue erleiden will. So erzhlt eine Nonne: "Das Probejahr geschahe +nur, da wir Ordensweise lernten und uns versuchten, ob wir zum Orden +tchtig"[49]. + +Endlich, im Jahre 1515, "Montags nach Francisci Confessoris", d.h. am 8. +Oktober, war Katharinas "eynseghnug". Da mute sie "Profe thun", d.h. +das ewig bindende Klostergelbde ablegen. Es wird ihr gegangen sein wie +jener anderen Nonne, die um diese Zeit auch eingesegnet wurde und von +sich erzhlt: "Am Abend vor meiner Profession sagte mir die Aebtissin +vor der ganzen Versammlung im Kapitel: man solle mir die Schwierigkeit +der Regel vorlegen und mich fragen, ob ich das gesinnet wre zu halten? +wre aber nicht von nten, denn ich htte mich in der Einkleidung +genugsam verpflichtet. Und wenn ich gleichwohl gefragt worden wre, +htte ich doch nichts sagen drfen, htte mir auch nichts geholfen." Die +Einsegnung ging vor sich und zwar war Katharina von "Bhor" als einzige +auf diesen Tag geweiht. Sie spendete dabei dem Kloster von dem wenigen, +was sie vermochte, 30 Groschen[50]. + +Zwar nicht widerwillig, aber doch wie sie (bezw. Luther) spter sagte, +ohne "ihren Willen" wurde Katharina als Tochter des sel. Vaters Bernhard +verpflichtet. Trotzdem aber hat sie sich in die Klosterregel nicht nur +gefgt, sondern auch "hitzig und emsig und oft gebetet"[51]. + +Das entspricht ihrer gesamten entschiedenen Natur, wie sie sich spter +ausgereift zeigt. Sie war ja gelehrt worden, durch "gute Werke", +insbesondere durch Klosterwerke, erwerbe man sich himmlische Gter und +geldliches Vermgen und einen hohen seligen Sitz im Jenseits; also +strengte sie alle Kraft und allen Flei an, solchen Reichtum zu erwerben +und durch geistliche Uebungen sich einen guten Platz im Himmel zu +verdienen. Was sie spter als Frau einmal angriff, das erstrebte sie +auch mit der ganzen Gewalt und Zhigkeit ihres Willens, und so wird sie +es auch im Kloster gehalten haben als Nonne. Zudem pflegen junge +Klosterleute, namentlich weibliche, die eifrigsten zu sein in der Uebung +der Pflichten, auch wenn sie nichts von Schwrmerei an sich haben. + +Und was hatte nun die junge Nonne fr hohe Werke und heilige Pflichten +zu thun? + +Fast das gesamte Leben im Kloster fllten geistliche Uebungen aus, ihr +ganzes Tagewerk war Beten, Singen, Lesen, Hren erbaulicher Dinge, "da", +wie es in einer Klosterregel heit, "alle Klausur und geistliche Leute +erdacht und gemacht sind, da sie unserm Herrn und Gott dienen und fr +Tote und Lebende und alle Gebresthafte Bitten fllen". Das waren nun +auer dem Messesingen und den privaten Gebeten noch besonders die +gemeinsamen 7 Gebetszeiten, die Horen: Matutin, Terz, Sext, Non am +Morgen, Vesper und Komplet am Abend mit Psalmen, Martyrologien, +Ordensregeln. Auch nchtliche Gottesdienste wurden begangen: Metten und +Vigilien. Und sogar whrend des Essens, wo Stillschweigen geboten war, +wurde vorgelesen aus einem Erbauungsbuch. Abwechselnd hatte Katharina +auch selbst diese Vorlesung zu halten und mute dann nachspeisen[52]. + +Welchen Eindruck diese Vorschriften auf ein natrlich fhlendes und +religises Gemt machen muten, hren wir aus einem spteren Bericht: +"Da D. Martinus der Nonnen Statuten las, die gar kalt geschrieben und +gemacht waren, seufzte er sehr und sprach: "Das hat man mssen +hochhalten und hat dieweil Gottes Wort vermisset! Sehet nur, was fr +eine Stockmeisterei und Marter der Gewissen im Papsttum gewest ist, da +man auf die horas canonicas und Menschensatzungen drang, wie Hugo +geschrieben, da wer nur eine Silbe ausliee und nicht gar ausbetete, +mte Rechenschaft dafr geben am jngsten Gericht[53]." + +Ob Katharina je ein Amt in dem Konvent bekleidet hat, wissen wir nicht; +jedenfalls konnte dies nur ein niederes, etwa das einer +"Siechenmeisterin" sein. Wahrscheinlich aber war sie noch zu jung, als +da bei so vielen Vorgngerinnen an sie die Reihe gekommen wre[54]. + +Eigentliche _Arbeit_ gab es im Kloster nicht: die Nonnen durften ja +nicht aus der Klausur, und die Hausarbeit in Kche und Stube schafften +die Laienschwestern und Klostermgde. Freilich so ganz arbeitslos wie +bei manchen adeligen Mnchsorden, wovon der Volkswitz sagt: + + Kleider aus und Kleider an + Ist alles, was die Deutschherrn than. + +--so trge verflo das Leben der Nonnen nicht. Konnten sie sich doch mit +weiblichen Handarbeiten abgeben wie Spinnen von dem Ertrag der groen +Schafherden fr die wollene Bekleidung, namentlich aber mit Stickereien, +wie Altardecken, Megewnder, Teppiche, Fahnen u.s.w., in Nimbschen, +wohl auch in Pforta fr die Kirche der dortigen Mnche und vielleicht +auch fr den Bischof von Meien, unter dem das Kloster stand[55]. So hat +jedenfalls auch Schwester Katharina manche kunstvolle Stickerei +verfertigt, wenn auch die mancherlei Handarbeiten, welche heutzutage da +und dort von Luthers Kthe gezeigt werden, wohl alle nicht echt sind. + +Eine gewisse Unterhaltung gewhrte noch die Besichtigung und +Instandhaltung der zahllosen Reliquienstcke, welche in der Nimbscher +Kirche aufgespeichert waren, und welche es galt zu schmcken und in +Ordnung zu halten. Es waren da an den 12 Altren in Kreuzen, +Monstranzen, Kapseln, Tafeln wohl vierhundert hl. Partikeln. So von +Christi Tisch, Kreuz und Krippe, Kleid und Blut und Schweituch, vom +Stein und Boden, wo Jesus ber Jerusalem weinte, im Todesschwei betete, +gegeielt sa, gekreuzigt ward, gen Himmel fuhr; vom Haar, Hemd, Rock, +Grab der hl. Jungfrau; von den Aposteln allerlei Knochen, auch Blut +Pauli, vom Haupt und Kleid Johannes' des Tufers; von vielen Heiligen, +bekannten und unbekannten: den 11000 Jungfrauen, der hl. Elisabeth von +Thringen, der hl. Genoveva, dem hl. Nonnosus, der hl. Libine Zhne, +Hnde, Arme, Knochen, Schleier, Teppiche--, ferner Partikeln von der +Sule Christophs, vom Kreuz des Schchers u.a.[56]. + +Aber auch hier hatten die Seniorinnen, u.a. auch Magdalena von Bora, die +Obhut ber die hl. Kapseln. + +Vor allen diesen Reliquien wurden bestimmte Antiphonien gesungen, was +eine gewisse Abwechslung in dem tglichen Gottesdienst gab. + +Eine Abwechslung in dem ewigen Einerlei brachten auch die vielen +Festtage, Bittgnge und Prozessionen im Kreuzgang und auf dem +Kirchhof[57]. + +Eine groe Sache war die Visitation des Klosters durch den Abt von +Pforta--freilich auch eine kostspielige: der Abt mit seinen Begleitern +mute abgeholt und wieder heimgebracht und unterwegs und im Kloster +verkstigt, auch herkmmlich mit Erkenntlichkeiten bedacht werden[58]. +Bei der Visitation gab's eine Untersuchung aller Mistnde, ein Verhr +aller einzelnen Schwestern und schlielich einen oft scharfen Bescheid. + +Es kamen auch an den hohen Festtagen und deren Oktaven Wallfahrer ins +Kloster, denn dieses hatte von verschiedenen Kirchenfrsten Ablsse, +wenn auch nur 40tgige, erlangt fr Besucher und Wohlthter des +Klosters, fr Anhrung von Predigten und Kniebeugen beim Aveluten[59]. + +Der Hauptabla aber war an einem besondern Tag im Jahre, wahrscheinlich +an der Kirchweihe (23. August). Da war Messe und Jahrmarkt zu gunsten +des Klosters unter dem Namen "_Abla_" (wie in Bayern "Dult" = Indulgenz += Abla). Zu diesem Tage kamen von weit und breit die Leute. Wenn so zu +Nimbschen jhrlich "Abla" war, muten fronweise aus jedem Klosterdorf +drei Mnner kommen und "zur Verhtung von Hndeln, bei Tag und Nacht zu +besorgend, Wache halten". Von all diesem Leben und Treiben freilich +sahen die Klosterfrauen so gut wie nichts, wenn sie auch von ihrer +Klausur aus den Lrm drauen hren konnten[60]. + +Allerdings nahm die Aebtissin, wenn sie einmal ausreiste, eine und die +andre Schwester mit; aber freilich an die jngern Klosterfrauen kam das +wohl schwerlich. Da ging es nach Grimma, ins nahe Stdchen, oder auch +ins ferne Torgau, die kurfrstliche Residenz an der Elbe, wo gerade das +groartige Schlo Hartenfels gebaut wurde. Dort hatte das Kloster +mancherlei Besitzungen an Aeckern und Wiesen und mute mit eigenem +Geschirr Getreide holen, whrend die Stadt verschiedene Gebrude Bier +selbst bringen mute. Mit diesen Fuhren wurde aber auch manches, was in +Torgau verkauft oder gekauft war, hin und zurck gebracht. Eingekauft +wurde vor allem bei dem Ratsherrn und Schffer Leonhard Koppe, z.B. +Tonnen Heringe, Kiepen (Rckkrbe) voll Stockfische, Hechte, Fsser +Bier, Aexte. Namentlich geschahen solche Einkufe zu Martini, wo "Meine +gndige Frau", die Aebtissin, mit einer wrdigen Jungfrau die Zinsen +einnahm, in der Herberge auch einige Groschen "zu vertrinken" gab und +bei Koppe einkaufte und die Rechnung persnlich bezahlte[61]. + +Das waren die besondern Ereignisse in dem steten Einerlei des Jahres. In +ihrer ganzen Klosterzeit erlebte Katharina von Bora auch nichts +besonderes Auerordentliches. Einzelne der Klosterfrauen gingen mit Tod +ab. Nachdem lange Katharina von Bora und Ave von Schnfeld die Jngsten +im Kloster gewesen waren, kamen anno 1516 auf einmal 9 Kostkinder +herein: 3 Schellenberger, 2 Hawbitzen (Verwandte Katharinas von +mtterlicher Seite), 1 Lauschkin, 1 Keritzin (Kieritsch?), 1 Poin, 1 +Buttichin. Im folgenden Jahre traten drei Neulinge in den +Klosterverband, und ein Jahr darauf kamen wieder einige Kostkinder weg +und andere herein[62]. 1522 war ein Wechsel des Klostervorstehers +(Propstes), indem der alte, Johann Kretschmar, starb. Die Nonnen hielten +sehr zu ihrem Propst, whrend die Beichtvter verhat waren; denn diese, +"die 2 Herren an der Pforte" betrugen sich anspruchsvoll und anmaend, +mischten sich--wohl aus Langerweile--in Dinge, die sie nichts angingen, +wollten in die Verwaltung, also in den Geschftskreis des Propstes drein +reden, hetzten die Nonnen wider einander auf, so da gar oft Klagen +wider sie ergingen und der Konvent sogar die weltliche Gewalt wider sie +und gegen ihre Schtzer, die Aebte von Pforta, anrufen mute[63]. Da gab +es nun in diesen Jahren eine gar willkommene Gelegenheit, den Mnchen +ein Schnippchen zu schlagen. Zu Martini 1513 kam der Vorsteher vom +Hospital des Heilig-Geist-Ordens aus dem fernen Pforzheim im +Schwabenland, Matthias Heuthlin, und bot den Nonnen ein Privilegium an. +Weil seine Anstalt nmlich nicht genug Einknfte besa, hatte er sich +vom Papst Julius II. die Gnade erwirkt, da allen Wohlthtern des +Spitals die Wahl des Beichtvaters freigegeben wurde. Also gab die Domina +Aebtissin und ganze lbliche Sammlung des Klosters eine Beisteuer und +erhielten dafr einen gedruckten mit dem Namen "Niimitsch" ausgefllten +und vom Magister domus Hospitalis de Pfortzheim ord S. Spirit. +unterzeichneten Zettel, wonach das Kloster Nimbschen fr seine milde +Gabe in die Bruderschaft des hl. Geistordens ausgenommen und aller guten +Werke und Ablsse derselben teilhaftig und ihm insbesondere erlaubt +wurde, sich von einem beliebigen weltlichen oder mnchischen Beichtvater +Absolution von Snden, Uebertretungen und Verbrechen, sogar solchen, +welche dem apostolischen Stuhl vorbehalten waren, einmal im Leben und im +Todesfall, so oft es ntig erschien, erteilen zu lassen. Dieses +Privilegs machte sich das Kloster durch wiederholte Gaben in den +folgenden Jahren (1516, 1519, 1520) teilhaftig[64]. So war auch den +Nimbschener Nonnen eine von den zahllosen Hinterthren geffnet, durch +welche in der katholischen Kirche die geknechteten Seelen dem +geistlichen Zwang sich entziehen und auf Nebenwegen die Seligkeit +erlangen konnten. + +Katharina erlebte auch im Kloster noch die Vorboten des Bauernkriegs. +Die Klosterdrfer hatten zwlferlei Fronden. Von diesen trotzten die +Bauern sich schon vorher vier ab, waren aber auch damit noch nicht +zufrieden, so da der neue Propst sich nach Rat und Hilfe umsehen +mute[65]. + +Das waren die kleinen und kleinlichen Eindrcke und Ereignisse, die in +das Leben der Nimbscher Jungfrauen und der Katharina von Bora +eingreifend, die glatte Oberflche ihres beschaulichen Daseins leicht +kruselten. Das waren die einfrmigen Beschftigungen, mit denen sie die +Zeit, die langen Tage, Wochen und Jahre mhsam hinwegtuschten. Solche +einseitigen Interessen und Anschauungen beherrschten den Gesichtskreis +eines jugendlichen Geistes. Wie das Klosterleben die krperliche Kraft +eines jungen Menschenkindes zurckhielt, so mute es auch die +aufstrebende Willenskraft erschlaffen. Die Klostermauern beengten nicht +nur das uere Gesichtsfeld, sie machten auch das geistige Auge +kurzsichtig. Wenn auch die ghnende Langeweile demjenigen nicht zu +Bewutsein kam, der von nichts anderem wute, so mute doch der Geist +nach Eindrcken lechzen, so da das Sprichwort begreiflich wird, welches +den Klosterbewohnern die Sehnsucht nach Erlebnissen zuschreibt: +"Neugierig wie eine Nonne". Und die stndige Aufgabe, "das Leben in +sich abzutten", konnte bei einer gesunden Natur erst recht die Frage +erwecken, was Leben sei. Wenn bei dem Mann im Kloster der Verstand sich +heihungrig auf die Wissenschaft werfen konnte, so blieb die +eigentmliche Lebenskraft des Weibes, das Gemt hier unbefriedigt[66]. + +Gewi die allermeisten dieser adligen Frulein hatten es uerlich +angesehen im Kloster besser, behaglicher, luxuriser als daheim im +beschrnkten Haushalt der Eltern oder eines eigenen Gatten; und das +Ansehen, das eine gottgeweihte Jungfrau in den Augen des Volkes und +besonders der Kirche, und nicht zum wenigsten in dem eigenen Bewutsein +hatte, war viel grer als dasjenige, das eine arme Edelfrau drauen in +der Welt finden konnte. Aber der ganze Zwang der Unnatur und die +Knstlichkeit all dieser Verhltnisse mute, wenn auch ohne klares +Bewutsein, auf einen wahrhaften und gesunden Geist drcken. + +Nur das eine Gefhl konnte die Nonne ber alle Zweifel, alle Entsagung, +alle Pein, alle Langeweile des Klosterlebens hin wegheben: das +Bewutsein, ein gottwohlgeflliges Werk zu thun, sich ein besonderes +Verdienst vor Gott zu erwerben, sich die zeitliche Heiligkeit und die +ewige Seligkeit zu versichern. Aber wie dann, wenn diese Grundbedingung +alles Nonnentums, dieser Grundpfeiler alles Klosterlebens erschttert +und untergraben wurde, ja sich selbst als morsch und faul erwies? Dann +mute das ganze Gebu zusammenstrzen, dann mute eine gegen sich +aufrichtige und willensstarke Natur die Konsequenzen ziehen und ein +Leben verwerfen und verlassen, das als heiliger und seliger Beruf +erschienen war und bisher den ganzen Menschen erfllt hatte. + +Und dieser Fall trat bei Katharina ein. Aber freilich ihr verstndiger, +nchterner Sinn wird sie auch davor bewahrt haben, in krankhafter +Schwermut sich unglckselig zu beklagen oder sich hinauszusehnen in eine +verschlossene Welt. + +Es mute ihr erst die Mglichkeit sich ffnen, den Klostermauern zu +entrinnen, und das pflichtmige Recht, es zu drfen; dann aber erwachte +auch ihre ganze Thatkraft und mit aller Macht des Willens und Verstandes +setzte sie auch durch, was erreichbar und recht war. + + + + +3. Kapitel + +Die Flucht aus dem Kloster + + +Kaum ein Jahr hatte Schwester Katharina das Nonnengelbde abgelegt, da +schlug der Augustinermnch Martin Luther in Wittenberg die 95 Stze +wider den Abla an. Nach einem Jahr stellte er sich dem Gesandten des +Papstes in Augsburg zur Verantwortung. Wieder ein Jahr spter war die +groe Redeschlacht mit Eck zu Leipzig. Am Ende des folgenden Jahres +verbrannte Luther die Bannbulle und im Frhjahr 1521 stand er vor Kaiser +und Reich in Worms. + +Diese die Kirche und die ganze christliche Welt aufregenden Ereignisse +drangen auch in die Klster und erregten auch dort die Geister; dies um +so mehr, weil der Urheber all dieser gewaltigen Kmpfe selbst ein +Klosterbruder war, und zwar ein Augustiner, der dem Orden der alten +Benediktiner (Cisterzienser und Bernhardiner) verwandt war und darum als +Vorkmpfer dieses wider die gegnerischen Genossenschaften der +ketzerrichterischen Dominikaner angesehen und schon darum mit einer +gewissen Sympathie betrachtet wurde. + +Aber noch tiefer in das Leben und die Gedankenwelt der Klosterbewohner +schnitten die Schriften ein, welche der Wittenberger Mnch und Doktor in +diesen groen Jahren schrieb. Schon die Disputation von "Kraft und Wert +des Ablasses" ber die 95 Thesen ging die Nonnen in Nimbschen besonders +an; denn auf "Kraft und Wert des Ablasses" ruhte ja ein sehr groer Teil +ihres geistlichen Vermgens: der Gottesdienst an jedem Festtag, ja das +Kniebeugen beim Aveluten brachte jedesmal vierzig Tage Abla ein. Aber +noch nher sollten ihre Person und ihren besonderen Beruf weitere +Schriften berhren[67]. + +Es erschien 1518 Luthers "Auslegung des Vaterunsers fr die +Einfltigen". Darin mute einem Klosterinsassen gar mancherlei +auffallen. Das Vaterunser, heit's da, ist das edelste und beste +Gebet--beim Rosenkranz aber kommt das Ave Maria 5 mal so oft vor! +Ferner: "Je weniger Worte, je besser Gebet; je mehr Worte, je weniger +Gebet. Da klappert einer mit den Paternosterkrnern und manche +geistliche Personen schlappern ihre Horen berhin und sagen ohne Scham: +'Ei nun bin ich froh, ich habe unsern Herrn bezahlt', meinen, sie haben +Gott genug gethan. Jetzt setzen wir unsere Zuversicht in viel Geplrr, +Geschrei und Gesang, was Christus doch verboten hat, da er sagt: +'niemand wird erhrt durch viel Worte machen'. Er spricht nicht: ihr +sollt ohne Unterla beten, Bltter umwenden, Rosenkranz-Ringlein ziehn, +viele Worte machen. Das Wesen des Gebets ist nichts anders als Erhebung +des Gemtes oder Herzens zu Gott, sonst ist's kein Gebet. Den Namen +Gottes verunehren die hoffrtigen Heiligen und Teufels-Martyrer, die +nicht sind wie andere Leute, sondern gleich dem Gleisner im Evangelium. +Wir beten nicht: La uns kommen zu deinem Reich, als sollten wir darnach +laufen; sondern: Dein Reich komme zu uns; denn Gottes Gnade und sein +Reich mu zu uns kommen, gleich wie Christus zu uns vom Himmel auf die +Erde gekommen ist und nicht wir zu ihm von der Erde gestiegen sind in +den Himmel. Das tgliche Brot ist das Wort Gottes, weil die Seele davon +gespeist, gestrkt, gro und fest wird. Es ist ein schweres Wesen zu +unser Zeit, da das Frnehmste im Gottesdienst dahinten bleibt."[68] + +Dann kam 1520 der "Sermon von den guten Werken". Gute Werke waren ja +alles Thun im Kloster: Beten, Fasten, Wachen u.s.w. Was aber nennt nun +Luther wahrhaft gute Werke? "Das erste, hchste und alleredelste Werk +ist der Glauben an Christum. Darin mssen alle Werke geschehen und +dadurch erst gut werden. Beten, Fasten, Stiften ist ohne dies nichts. +Fragst du solche, ob sie das auch als gutes Werk betrachten, wenn sie +ihr Handwerk arbeiten und allerlei Werk thun zu des Leibes Nahrung oder +zum gemeinen Nutzen, so sagen sie nein! und spannen die guten Werke so +enge, da nur Kirchengehen, Beten, Fasten Almosen bleiben. So verkrzen +und verringern sie Gott seine Dienste. Ein Christenmensch vermisset sich +aller Ding, die zu thun sind, und thut's alles frhlich und frei; nicht +um viele gute Verdienste und Werke zu sammeln, sondern weil es ihm eine +Lust ist, Gott also wohlzugefallen. Eltern knnen an ihren eigenen +Kindern die Seligkeit erlangen; so sie die zu Gottes Dienst ziehen, +haben sie frwahr beide Hnde voll guter Werke an ihnen zu thun. O welch +ein selige Ehe und Haus wre das! Frwahr, es wre eine rechte Kirche, +ein auserwhlet Kloster, ja ein Paradies!" + +Und hnliche Gedanken konnten die Klosterleute ausgefhrt finden in des +Doktors herrlichem Bchlein "Von der Freiheit eines Christenmenschen" +vom selben Jahr 1520. Da heit es: "Der Mensch lebt nicht fr sich +allein, sondern auch fr alle Menschen auf Erden; ja vielmehr allein fr +andere und nicht fr sich. Daher bin ich schmerzlich besorgt, da +heutzutage wenige oder keine Stifte und Klster christlich sind. Ich +frchte nmlich, da in dem Fasten und Beten allesamt nur das Unsere +gesucht wird, da damit unsere Snden gebt und unsere Seligkeit +gefunden wird." + +Fr die Mnche und Nonnen aber eigens geschrieben waren mehrere +Schriften ber das Klosterleben. So das Bchlein ber "die +Klostergelbde. Aus der Wstenung (d.h. Wartburg) anno 1521". Darin +nimmt sich Luther der gefallenen und gengsteten Gewissen an und thut +aus Gottes Wort dar, da die Gelbde, die ohne und wider Gottes Gebot +geschehen und an sich unmglich sind, eines getauften Menschen Herz +nicht bestricken und gefangen halten knnen. Der Glaube und das +Taufgelbde sei das oberste, ohne welches man nichts geloben kann; denn +die Seelen werden durch die Taufe Verschworene und Verlobte Christi. +Falsch Verlobte wie die Klostersleute befreit der Sohn Gottes und nimmt +den aus Gnaden mit Freuden an, der sich zu ihm kehrt und dem ersten +Gelbde anhngt. "Dies Buch machte viele Bande ledig und befreite viel +gefangener Herzen", sagt eine Zeitgenosse[69]. + +Gleichfalls von der Wartburg aus erschien endlich ein deutsches +Predigtbuch ("Postilla") von Luther und zu Michaelis desselben Jahres +(1522) noch ein Wartburgswerk "Das Neue Testament deutsch". Da konnte +nun jedermann und vor allem die geistlichen Personen im Kloster, welche +die evangelischen Ratschlge befolgen und ein evangelisches Leben fhren +wollten, aus der Quelle erfahren, was wahres Christentum sei, wie es +Christus und die Apostel gelehrt, und wie es Luther ausgelegt hatte. + +Demzufolge wandte sich die Stadt Grimma, in deren unmittelbarer Nhe +das Kloster Nimbschen gelegen war, dem Evangelium zu, und die Mnche in +mehreren umliegenden Klstern verlieen ihre Gotteshuser. + +Diese Schriften und Nachrichten kamen auch in das Kloster Nimbschen, +denn so ganz verschlossen von der Welt waren auch Nonnenklster nicht. + +Auf welchem Wege und durch wen wurden sie den Klosterfrauen vermittelt? + +Zweierlei Wege und Personen zeigen sich da. In _Grimma_ war ein Kloster +von Luthers Kongregation: Augustiner-Eremiten. Dort hatte Luther 1516 +schon Visitation gehalten und bei der Rckkehr von der Leipziger +Disputation (1519) blieb er mehrere Tage und predigte wohl auch +daselbst; denn die Mehrzahl der Einwohner Grimmas standen schon lngst +auf seiner Seite. Der Prior des Klosters Wolfgang von _Zeschau_ war +Luthers Freund. Er trat 1522 mit der Hlfte der Ordensbrder aus dem +Kloster und wurde "Hospitalherr" (Spittelmeister) am St. Georgen-Spital. + +Von diesem Zeschau nun aber waren zwei Verwandte (Muhmen) im Kloster +Nimbschen, zwei leibliche Schwestern: Margarete und Veronika von +Zeschau. Gewi konnte dieser evangelisch gesinnte frhere Mnch +wenigstens vor seinem Austritt mit seinen Muhmen ohne Verdacht verkehren +und ihnen Luthers Schriften zustecken. Auch der eifrig evangelische +Stadtpfarrer in Grimma, Gareysen, war dazu imstande, welcher zu Ostern +1523 das hl. Abendmahl unter beiderlei Gestalt austeilte. + +Auer dem nahen Stdtchen Grimma konnte aber auch das ferner gelegene +_Torgau_ der Ort sein, von welchem aus reformatorische Gedanken und +Schriften ins Kloster Nimbschen drangen. In Torgau war sehr frh und +sehr durchgreifend die Reformation eingefhrt worden, besonders seit der +frhere Klostergenosse Luthers, der feurige Magister Gabriel _Zwilling_ +dort wirkte. Dieser, obwohl einugig und ein kleines Mnnlein mit +schwacher Stimme, hat doch durch seine begeisterte, ja strmische +Predigt, welche in Wittenberg sogar einen Melanchthon mit fortgerissen +hatte, die Brgerschaft zu einer ziemlich radikalen Abstellung aller +rmischen Mistnde und zu begeisterter Aufnahme des Evangeliums +bewogen. Ja ein Torgauer Brgersohn, Seifensieder seines Handwerks, +entfhrte zu dieser Zeit--ob vor oder nach 1523 ist ungewi,--zwei +Nonnen aus dem Kloster Riesa an der Elbe und versteckte sie in einen +hohlen Baum. Dann holte er Pferde und geleitete sie heim und heiratete +die eine der beiden Klosterjungfrauen. Und eine Torgauerin trat 1523 aus +dem Kloster Sitzerode[70]. + +Ein besonders entschiedener und thatkrftiger Anhnger war der ehemalige +Schsser, der "frsichtige und weise Ratsherr" Leonhard Koppe, in dessen +Kaufladen das Kloster seine Waren einzukaufen pflegte, und der wohl mit +seinem Fuhrwerk selber Lieferungen nach Nimbschen brachte. So war dieser +Laie, wenn auch seine evangelische Gesinnung bekannt sein mute, +vielleicht ein noch geeigneterer Mittelsmann fr evangelische Schriften, +als die doch immerhin verdchtigen bergetretenen Geistlichen von +Grimma, vor denen als gefhrlichen Wlfen die "zwei Herren an der +Pforte" ihren geistlichen Schafstall wohl gehtet haben werden. Mit +seinen Waren konnte Koppe leicht lutherische Schriften einschmuggeln und +auch einen Brief aus dem Kloster nach auen besorgen. Keck und schlau +genug war Koppe dazu[71]. + +Welchen Eindruck das Auftreten und die Schriften Luthers auf die Nonnen +machte, lt sich ersehen aus einem Bericht, den eine Nonne in gleicher +Lage und Zeit, jene Florentina von Eisleben, durch Luther in Druck gab. +"Als nun die Zeit gttlichen Trostes, in welcher das Evangelium, das so +lange verborgen, an den Tag gekommen, ganzer gemeiner Christenheit +erschienen: sind auch mir als einem verschmachteten hungrigen Schaf, das +lange der Weide gedarbt, die Schriften der rechten Hirten gekommen, +worinnen ich gefunden, da mein vermeintlich geistlich Leben ein +gestrackter Weg zu der Hlle sei"[72]. + +In Nimbschen ging es einem groen Teil der Klosterjungfrauen hnlich. +Ja, eine Anzahl derselben verabredete sich zu dem Plan, aus dem Kloster +auszutreten. + +Das war ein schwerer Entschlu, der groe Ueberwindung kostete. Eine +ausgesprungene Nonne galt bisher fr einen Schandfleck in der Familie. +Der _freie_ Austritt aber war nur durch ppstlichen Dispens mit groen +Kosten und Mhen zu erreichen und eigentlich nur Gliedern frstlicher +Familien mglich. Freilich waren in dieser neuen, tieferregten Zeit +schon Mnche aus dem Klosterverband ausgetreten und weltlich geworden; +niemand wagte sie jetzt, wenigstens im kurfrstlichen Sachsen, +anzutasten, ja, sie erhielten sogar Aemter und Stellen von Stadt und +Staat. Aber der Austritt von Nonnen war fast noch unerhrt, jedenfalls +noch sehr ungewohnt[73]. Und wenn auch das Vorurteil der Welt und der +eigenen Angehrigen berwunden war, so fragte sich doch: was sollten die +ausgetretenen Nonnen drauen in der Welt anfangen, was thun und werden, +womit sich erhalten und durchs Leben bringen?[74] + +Wenn darum also auch die meisten, wo nicht alle Nonnen in Nimbschen das +Klosterleben verwarfen, so haben sich doch nur die mutigsten +entschlossen, den Schritt zu thun, den sie fr recht und geboten +erachteten, nmlich nur diejenigen, welche vermge ihrer Bildung +selbstndig sich durchs Leben zu bringen im stande waren, wie die +Staupitz und Kanitz, oder die noch jung genug waren, sich in ein neues +Leben zu schicken, wie die beiden Schnfeld und Katharina von Bora. Es +waren in Nimbschen neun Nonnen zum Austritt bereit: Magdalena von +Staupitz, Elisabeth von Kanitz, Veronika und Margarete von Zeschau, +Loneta von Gohlis, Eva Groe, Ave und Margarete von Schnfeld und als +zweitjngste von ihnen Katharina von Bora[75]. + +Diese Kloster-"Kinder" (Nonnen) thaten nun das Naturgemeste und +Verstndigste: "sie ersuchten und baten ihre Eltern und Freundschaft +(d.i. Verwandte) aufs allerdemtigste um Hlfe, herauszukommen". Sie +zeigten genugsam an, da ihnen solch Leben der Seelen Seligkeit halber +nicht lnger zu dulden sei, erboten sich auch zu thun und zu leiden, was +fromme (brave) Kinder thun und leiden sollen"[76]. + +Aber freilich den Eltern und Verwandten war das Gesuch ihrer Tchter und +Basen eine Verlegenheit. Einmal: der Versorgung wegen waren ja diese +Tchter ins Kloster gethan worden--wie wollte man sie nun in den armen +Familien unterhalten? Ihr Erbe war schon in Wirklichkeit oder in +Gedanken verteilt, wer mochte es an diese weltentrckten, +gesellschaftlich toten Familienmitglieder herausgeben?[77] Ferner waren +solche Klosterfrauen der Welt entfremdet und taugten gar wenig ins +Leben. Wenn endlich auch nicht noch religise oder kirchliche Bedenken +abschreckten, so war es doch noch eine andere Furcht: die Lehen der +meisten Anverwandten der Klosterfrauen lagen im Lande Herzogs des +Brtigen, der ein heftiger Feind der Reformation und des Wittenberger +Doktors im besonderen war. Da konnte es wegen Entfhrung von +gottgeweihten Klosterfrauen empfindliche Strafen geben oder doch +Zurcksetzung bei Hofmtern. Kurzum das Gesuch der klosterflchtigen +Nonnen wurde abgeschlagen[78]. + +So standen die Aermsten von jedermann verlassen da, in nicht geringer +Gefahr, da ihr Vorhaben entdeckt und gehindert, die Beteiligten aber +empfindlich gestraft wrden, wie es z.B. der mehrerwhnten Florentina +geschah, als ihr Vorhaben, aus dem Kloster zu treten, entdeckt wurde. +Diese wurde von ihrer eigenen Muhme, der Aebtissin, unbarmherzig vier +Wochen bei groer Klte hrtiglich gefangen gesetzt, dann in Bann und +Bue in ihre Zelle gesperrt, mute sich beim Kirchgang platt auf die +Erde werfen und die anderen Nonnen ber sich hinschreiten lassen, beim +Essen mit einem Strohkrnzlein vor der Priorin auf die Erde setzen; dann +wurde sie bei einem neuen Versuch, sich an ihre Verwandten zu wenden, +durchgestupt und "7 Mittwoch und 7 Freitage von 10 Personen auf einmal +discipliniert", in Ketten gelegt und fr immer in die Zelle +gesperrt--bis sie durch Unachtsamkeit ihrer Schlieerin doch entkam. + +Solches oder Aehnliches ist im Kloster Nimbschen mit den lutherisch +Gesinnten nicht geschehen; vielleicht schtzte sie ihre groe Zahl vor +solchen Gewaltmaregeln. Es war aber wohl auch die Gesinnung der +verstndigen Aebtissin, welche eine solche Bestrafung verhinderte: +Margarete von Haubitz ist ja nachher mit dem ganzen brig gebliebenen +Konvent zur Reformation bergetreten, obwohl sie mit den lteren Frauen +im Kloster blieb und das Leben darin nach evangelischen Grundstzen +einrichtete. Keineswegs aber konnte und wollte sie als Aebtissin schon +1523 den Klosterflchtigen Vorschub leisten in ihrem Vorhaben[79]. + +Da nun die Nonnen an den Ihrigen keinen Anhalt fanden, so hatten sie +gerechte Ursache, anderswo Hlf und Rat zu suchen, wie sie es haben +konnten. Sie fhlten sich ja gedrungen und gentigt, ihre Gewissen und +Seelen zu retten[80]. Wo anders aber sollten sie diese Hlfe suchen, als +bei dem, der sie durch seine evangelischen Schriften und geistkhne +Thaten auf diese Gedanken gebracht hatte? So machten sie's also wohl, +wie nach ihnen noch manche andere, einzelne und ganze Haufen von +Klosterjungfrauen: sie schrieben "an den hochgelehrten Dr. Martinus +Luther zu Wittenberg, einen Klage-Brief und elende Schrift, gaben ihm +ihr Gemt zu erkennen und begehrten von ihm Trost, Rat und Hlfe"[81]. + +Und der Ueberbringer dieses Briefes wird jedenfalls niemand anderes +gewesen sein als eben Leonhard Koppe von Torgau. Luther erkannte an, da +"sie beide hier haben helfen und raten knnen, und darum seien sie auch +schuldig, aus Pflicht christlicher Liebe die Seelen und Gewissen zu +retten"[82]. + +"Denn es ist eine hohe Not", erklrte er weiter, mit Bezug auf die +Nimbscher Nonnen, "da man leider die Kinder in die Klster gehen lt, +wo doch keine tgliche Uebung des gttlichen Wortes ist, ja selten oder +nimmermehr das Evangelium einmal recht gehrt wird. Diese Ursach ist +allein genug, da die Seelen herausgerissen und geraubt werden, wie man +kann, ob auch tausend Eide und Gelbde geschehen wren. Weil aber Gott +kein Dienst gefllt, es gehe denn willig von Herzen, so folgt, da auch +keine Gelbde weiter gelten, als sofern Lust und Lieb da ist; sonst sind +im Klosterleben furchtbare Gefahren, Versuchungen und Snden"[83]. + +"Aber wenn sich nun schwache Seelen an solchem Klosterraub rgern?" +konnte man einwenden. + +Luther erklrte: "Aergernis hin, Aergernis her! Not bricht Eisen und hat +kein Aergernis. Ich werde die schwachen Gewissen schonen, sofern es ohne +Gefahr meiner Seele geschehen kann; wo nicht, so werde ich meiner Seele +raten, es rgere sich dann die ganze oder halbe Welt. Nun liegt hier der +Seele Gefahr in allen Stcken. Darum soll niemand von uns begehren, da +wir ihn nicht rgern, sondern wir sollen begehren, da sie unser Ding +billigen und sich nicht rgern. Das fordert die Liebe!"[84] + +So dachte Luther und ihm gleichgesinnt war Leonhard Koppe. An ihn +stellte nun Luther das Ansinnen, die Befreiung zu bernehmen. Und Koppe +war trotz seiner sechzig Jahre ein entschlossener Mann, zu einem kecken +Wagnis bereit, und willigte ein; er nahm keine Rcksicht, ob es ihm im +Geschfte schaden knnte, noch weniger, ob es ihn beim Hof in Ungunst +bringen oder gar ans Leben gehen knnte; denn auf Nonnenraub stand +eigentlich Todesstrafe, und auch Kurfrst Friedrich, der vorsichtige +Schtzer Luthers mibilligte nicht nur jede ffentliche Gewaltthat, +sondern war auch geneigt, sie zu strafen. Aber trotz all dieser Bedenken +war Leonhard Koppe zu der That entschlossen, und wurde darin von dem +Torgauer Pfarrer D. Zwilling bestrkt; denn dieser war auch in die Sache +eingeweiht[85]. + +Zwischen Luther und Koppe wurde so der Plan verabredet. Das Unternehmen +sollte von Torgau ausgehen, welches in der Mitte zwischen Nimbschen und +Wittenberg gelegen war. Die Osterzeit wurde zur Ausfhrung ersehen. + +Koppe brauchte aber Gehlfen zur Ausfhrung seines Unternehmens. Er +whlte dazu seines Bruders Sohn, einen verwegenen jungen Mann, und einen +Brger Wolfgang Tommitsch (oder Dommitsch), dessen Stieftochter, ein +Frulein von Seidewitz, kurz vorher aus dem Kloster entkommen war und +bald darauf einen ausgetretenen Augustiner-Propst, Mag. Nikolaus Demuth +heiratete, welcher dann Amtsschffer in Torgau wurde. Mit den neun +Klosterjungfrauen waren jedenfalls Verabredungen getroffen worden und +sie machten sich fluchtbereit[86]. + +In der Karwoche brachen nun die Torgauer auf einem oder mehreren mit +einer Blahe bedeckten Wagen, worin sie wohl weltliche Frauenkleider +verborgen hatten, von ihrer Stadt auf. Wenn die beiden Helfer nicht +eigene Wagen leiteten, so waren sie zu Pferde als Bedeckung dabei. Sie +kamen ber Grimma am Karsamstag abends den 4. April vor Nimbschen +an[87]. + +Hier rsteten sich die Nonnen in gewohnter Weise zu den Ostervigilien, +welche in der Auferstehungsnacht gefeiert wurden. Die auerordentliche +Zeit, wo die Regel und geordneten Beschftigungen der Klosterfrauen +aufgehoben waren, mu dem Fluchtplan gnstig geschienen haben. Whrend +die beiden Begleiter in dem nahen Gehlz gehalten haben werden, fuhr +Koppe an dem Kloster vor. Er nahm, wie berichtet wird, zum Vorwand, +leere Heringstonnen auf der Heimfahrt nach Torgau mitnehmen zu wollen. +Beim Aufsuchen und Aufladen derselben scheint er den Thorwart Thalheim +beschftigt und die Aufmerksamkeit der brigen Bewohner des uern +Klosterhofs, namentlich der zwei Beichtvter, abgelenkt zu haben. Aus +der Klausur entkamen die neun Verschworenen, indem die Pfrtnerin +entweder getuscht oder gar bei dem Plan beteiligt war (es konnte ganz +gut eine von diesen neun zu dieser Zeit Thrhterin sein). Ein alter +Berichterstatter erzhlt, man htte eine Lehmwand durchbrochen; ein +anderer, die Jungfrauen htten sich im Garten versammelt und seien da +ber die Mauer gestiegen. Aber auch zur hinteren Thre konnten sie +entkommen sein; denn an der Bewachung dieser lie es das Kloster fehlen. +Kurzum, die Neun entflohen, wurden von den beiden Begleitern Koppes +aufgenommen; dieser fuhr wohl mit seinem Wagen Heringstonnen ganz +unschuldig ab und nahm dann drauen die Jungfrauen auf. Die leeren +Tonnen--vorne aufgestellt--konnten ganz gut dazu dienen, den lebendigen +Inhalt des Wagens vor unberufenen Augen zu verbergen[88]. + +Auf diese oder hnliche Weise, jedenfalls "mit ausnehmender Ueberlegung +und Schlauheit", aber auch mit "uerster Keckheit"--nicht mit Gewalt +wurden die neun Jungfrauen durch Koppe aus Nimbschen befreit. Luther sah +es fast wie ein Wunder an[89]. + +Bei Nacht und Nebel fuhren nun die Retter und Geretteten davon, dem +Ostermorgen entgegen: es war eine eigene Ostervigilie in der Luft der +Freiheit durch die frhlingsjunge Gotteswelt[90]. Die Fahrt ging durch +die kurfrstlichen Lande, war also nicht bedroht durch die +Nachstellungen des lutherfeindlichen Herzogs Georg. Eine Verfolgung von +Nimbschen aus war nicht gerade zu befrchten: es waren dort keine +Mnner, welche etwa einen Kampf mit den Entfhrern gewagt htten. Auch +hat der kluge Koppe gewi ihre Spuren mglichst verdeckt und die +Verfolger irre gefhrt. Die weltliche Kleidung, welche die Jungfrauen +mittlerweile mit ihrer geistlichen vertauscht hatten, machte wohl die +Reise unauffllig, und so kam der Zug auch ungehindert am Ostertag in +Torgau an und wurde vom Magister Zwilling freudig empfangen. In Torgau +wurde bernachtet, die weltliche Kleidung der Klosterjungfrauen in der +Eile noch vervollstndigt und am anderen Tag ging es Wittenberg zu, weil +es doch nicht geraten schien, die Entflohenen so nahe bei dem Kloster +und auch so nahe beim kurfrstlichen Hof zu lassen[91]. + +Am Osterdienstag kam der Zug in Wittenberg an; ohne alle Ausstattung, in +ihrer geborgten und eilig zusammengerafften Kleidung, mit den +geschorenen Huptern ein "arm Vlklein", aber in ihrer groen Armut und +Angst ganz geduldig und frhlich[92]. + +Luther empfing sie mit wehmtiger Freude. Den khnen aber rief er zu: +"Ihr habt ein neu Werk gethan, davon Land und Leute singen und sagen +werden, welches viele fr groen Schaden ausschreien: aber die es mit +Gott halten, werden's fr groen Frommen preisen. Ihr habt die armen +Seelen aus dem Gefngnis menschlicher Tyrannei gefhrt eben um die +rechte Zeit: auf Ostern, da Christus auch der Seinen Gefngnis gefangen +nahm"[93]. Als dann die Befreier heimfuhren, empfahl er sie Gott und gab +ihnen Gre mit an Koppes "liebe Audi" und "alle Freunde in +Christo"[94]. + +Drei Tage darauf schrieb Luther zur Verantwortung fr sich, fr den +"seligen Ruber" Koppe und die es mit ihm ausgerichtet, sowie fr die +befreiten Jungfrauen zum Unterricht an alle, die diesem Exempel wollten +nachfolgen "dem Frsichtigen und Weisen Leonhard Koppe, Brger zu +Torgau, meinem besonderen Freunde" einen offenen Brief. "Auf da ich +unser aller Wort rede, fr mich, der ich's geraten und geboten, und fr +Euch und die Euern, die Ihr's ausgericht, und fr die Jungfrauen, die +der Erlsung bedurft haben, will ich hiermit in Krze vor Gott und aller +Welt Rechenschaft und Antwort geben". In dieser "Ursache und Antwort, +da Jungfrauen Klster gttlich verlassen mgen" berichtet er offen die +That und ihre Grnde und nennt die Namen der Befreier und Befreiten. Er +sagt ihnen: + +"Seid gewi, da es Gott also verordnet hat und nicht Euer eigen Werk +noch Rat ist, und lasset das Geschrei derjenigen, die es fr das +allerrgste Werk tadeln. 'Pfui, pfui!' werden sie sagen, 'der Narr +Leonhard Koppe hat sich durch den verdammten ketzerischen Mnch fangen +lassen, fhrt zu und fhrt neun Nonnen auf einmal aus dem Kloster, und +hilft ihnen, ihr Gelbde und klsterlich Leben zu verleugnen und zu +verlassen'. Meint ihr, das ist all heimlich gehalten und verborgen? Ja, +verraten und verkauft, da auf mich gehetzt werde das ganze Kloster zu +Nimptzschen, weil sie nun hren, da ich der Ruber gewesen bin! Da ich +aber solches ausrufe und nicht geheim halte, thue ich aus redlichen +Grnden. Es ist durch mich nicht darum angeregt, da es heimlich bleiben +sollte, denn was wir thun, thun wir in Gott und scheuen uns des nicht am +Licht. Wollte Gott, ich knnte auf diese oder andere Weise alle +gefangenen Gewissen erretten und alle Klster ledig (leer) machen. Ich +wollt mich's darnach nicht scheuen, zu bekennen samt allen, die dazu +geholfen htten, (in) der Zuversicht, Christus, der nun sein Evangelium +an Tag gebracht, und des Endechrists (Antichrists) Reich zerstrt, wrde +hier Schutzherr sein, ob's auch das Leben kosten mte. Zum anderen thu +ich's, der armen Kinder und ihrer Freundschaft (Verwandtschaft) Ehren zu +erhalten, da niemand sagen darf, sie seien durch lose Buben unredlich +ausgefhrt und ihrer Ehre sich in Gefahr begeben. Zum dritten, zu warnen +die Herrn vom Adel und alle frommen Biederleute, so Kinder in Klstern +haben, da sie selbst dazu thun und sie herausnehmen"[95]. + +Diese Aufforderung und die gelungene Flucht der neun Nonnen ermutigte, +wie Luther gedacht, noch andere Klosterjungfrauen und deren Eltern zu +gleichem. Noch in derselben Osterwoche entwichen abermals drei Nonnen +aus Nimbschen und kamen zu ihren Angehrigen, und zu Pfingsten wurden +wieder drei von ihren Verwandten selbst aus dem Kloster geholt[96]. + +Da endlich ermannte sich der Abt von Pforta, der dem offenen Brief +Luthers nicht entgegenzutreten gewagt hatte,--Luther war ein zu +gefrchteter Kmpe. Am 9. Juni schrieb er eine Klage an den--Kurfrsten +ber diese Vorgnge, welche zur "Entrottung und Zerstrung des Klosters" +fhrten, und beschwerte sich, da die Nonnen von Sr. Kurf. Gn. +Unterthanen dazu geholfen und gefrdert worden seien. Der Kurfrst +Friedrich gab in seiner bekannten diplomatischen Weise die ausweichende +Antwort: "Nachdem Wir nit wissen, wie diese Sache bewandt und wie die +Klosterjungfrauen zu solch ihrem Furnehmen verursacht und Wir uns +bisher dieser und dergleichen Sachen nie angenommen, so lassen Wir's +bei ihrer selbst Verantwortung bleiben"[97]. + +Aber damit war die Klosterflucht in Nimbschen nicht zu Ende. Bis 1526 +waren einige zwanzig--auch Magdalena von Bora--ausgetreten, so da jetzt +nur noch 19 Klosterjungfrauen da waren; und diese samt ihrer Aebtissin +wurden evangelisch, blieben aber im Kloster, bis sich der Konvent im +Jahre 1545 auflste[98]. + +Drei Wochen nach der Flucht der neun Nimbscher Nonnen, am 28. April, +wagten sechs Nonnen aus Sornzig die Flucht, trotzdem dies Kloster im +Lande des Reformationsfeindes Herzogs Georg lag, und trotz des +schrecklichen Schicksals, das um diese Zeit den Entfhrer einer Nonne +betroffen hatte, der zu Dresden gekpft worden war. Und weitere acht +flohen aus Peutwitz[99]. + +Im selben Jahre der Flucht Katharinas traten noch 16 Nonnen in +Widderstetten auf einmal aus. Zwei Jahre darauf wandten sich wieder +andere "elende Kinder" an Luther aus dem frstlichen Kloster Freiberg im +Gebiete seines grimmen Feindes, Herzogs Georg. Und wieder wandte sich +Luther an den bewhrten Nonnen-Entfhrer Leonhard Koppe, den er +scherzweise "Wrdiger Pater Prior" anredet. Luther wute, da diese +Zumutung fast zu viel und zu hoch sei--es konnte ja diesmal ernstlich +das Leben kosten--und meinte, Koppe wisse vielleicht jemand anderes, der +dazu helfen knnte. Aber der verwegene Mann lie sich um ein solches +wagehalsiges Stck schwerlich vergebens bitten und--zu Georgs +allerhchstem Verdru--glckte das Wagestck, wie die Entfhrung aus +Nimbschen[100]. + + + + +4. Kapitel + +Eingewhnung ins weltliche Leben. + + +Nachdem die Befreiung Katharinas und ihrer Mitschwestern so gut gelungen +war, fragte es sich nun, was sollte mit ihnen werden? + +Die Sorge blieb an Luther hngen. Nochmals wandte er sich an die +Angehrigen der Entflohenen und wird ihnen die Gewissen genugsam geweckt +und ihre Pflicht eingeschrft haben, sich ihrer erbarmungswerten +Tchter, Schwestern und Basen anzunehmen; das geht aus dem offenen Brief +an Koppe und einem anderen an Spalatin hervor, worin es heit: "O, der +Tyrannen und grausamen Eltern in Deutschland!"[101] + +Zugleich aber hatte er den Fall vorgesehen, da die Verwandten, +wenigstens zum Teil, ablehnten, fr die Nonnen zu sorgen. Daher +berdachte er, wie er sie unterbringen knnte. Aber von seinen +"Kapernaiten" (den Wittenbergern) konnte und wollte er keine +Gelduntersttzung oder Anleihe erhalten; dagegen erhielt er von mehreren +Seiten Versprechungen, den Geflchteten eine Unterkunft zu bieten. +Etliche wollte er auch, wenn er knne, verheiraten. Amsdorf schrieb +scherzend an Spalatin: "Sie sind schn und fein, und alle von Adel, und +keine fnfzigjhrige darunter. Die lteste unter ihnen, meines gndigen +Herrn und Oheims Dr. Staupitz Schwester, hab ich Dir, mein lieber +Bruder, zugerechnet zu einem ehelichen Gemahl, damit Du Dich mgest +eines solchen Schwagers rhmen. Willst Du aber eine jngere, so sollst +Du die Wahl unter den Schnsten haben"[102]. + +Bis dahin bat Luther und ebenso Amsdorf den Hofkaplan und +Geheimschreiber des Kurfrsten Friedrichs des Weisen, "dieser ehrbaren +Meidlein Vorbitter am Hofe zu sein und ein Werk der Liebe zu thun, und +bei den reichen Hofleuten und vielleicht dem Kurfrsten etwas Geld zu +betteln, auch wohl selbst etwas zu geben, damit die Geflchteten +einstweilen genhrt und auf acht bis vierzehn Tage, auch mit Kleidung +versehen werden knnten, denn sie hatten weder Schuhe noch Kleider." +Luther ging es nmlich damals so schlecht, da er selbst kaum etwas zu +essen hatte und sein Mitbruder, der Prior Brisger, einen Sack Malz +schuldig bleiben mute: so sehr blieben die Klostereinknfte aus, auf +die Luther und der letzte mit ihm lebende Mnch angewiesen war. Er +scherzt mit Beziehung auf seinen Bettelorden: "Der Bettelsack hat ein +Loch, das ist gro". Freilich der Hof des vorsichtigen Kurfrsten wollte +nicht recht, wenigstens nicht offen mit Untersttzungen herausrcken, +weshalb Luther seinen Freund nochmals mahnen mute: "Verget auch meiner +Kollekte nicht und ermahnt den Frsten um meinetwillen auch etwas +beizusteuern. O, ich will's fein heimlich halten und niemanden sagen, +da er etwas fr die abtrnnigen Jungfrauen gegeben--die doch wider +Willen geweihet und nun gerettet sind"[103]. + +Luthers Appell an die Verwandten verfing nicht. Er mute klagen: "Sie +sind arm und elend und von ihrer Freundschaft verlassen." Luther mute +also trotz seiner groen Armut die Nonnen mit groem Aufwand +untersttzen. Sonst erfuhr er, "was sie drauen von ihren Verwandten und +Brdern leiden mten"--wenn etwa eine nach Hause kme. Sie wollten +meist auch nicht zu ihrer "Freundschaft", weil sie in Herzog Jrgs Land +des gttlichen Wortes Mangel haben mten[104]. + +Magdalena Staupitz wurde mit der Zeit als "Schulmeisterin" der Mgdlein +in Grimma gesetzt, und ihr ein Huslein vom Mnchskloster gegeben. Die +Elsa von Kanitz fand bei einer Verwandten Aufenthalt; Luther wollte sie +1527 als Schulmeisterin der Mgdlein nach Wittenberg berufen. Die Ave +von Schnfeld verheiratete er mit dem Medikus Dr. Basilius Axt[105]. + +Katharinas Verwandte konnten sich ihrer offenbar nicht annehmen. Die +Eltern waren tot, Bruder Hans mute selber Dienste suchen im fernen +Preuen, dann Verwalterstellen in Sachsen. Der lteste Bruder war arm +verheiratet, hatte wohl keinen Platz fr die Schwester; vom jngsten, +Clemens, war vollends nichts zu erwarten. + +So wurde denn das Frulein Katharina von Bora nach der Ueberlieferung im +Hause eines Wittenberger Brgers untergebracht, der in der +Brgermeistergasse wohnte. Es war der ehrsame gelehrte M. Philipp +Reichenbach, welcher 1525 in Wittenberg Stadtschreiber, 1529 Licentiat +der Rechte, 1530 Brgermeister und endlich Kurfrstlicher Rat +wurde[106]. + +In dem Wittenberger Brgerhause wurde die ehemalige Nonne mehr als eine +Art Pflegetochter gehalten und der Hausherr vertrat Vaterstelle an ihr. +Sie mu dort doch eine angesehene Stellung eingenommen haben. Sie war +bekannt und genannt im Kreise der Universittsgenossen, und der +Dnenknig Christiern II., der landesflchtig im Oktober 1523 nach +Wittenberg kam und bei dem Maler Lukas Kranach Wohnung hatte, beschenkte +Katharina mit einem goldenen Ringe. Die jungen Gelehrten in Wittenberg +sprachen mit Achtung von ihr; sie nannten sie in ihren vertrauten +Briefen, wohl wegen ihrer strengen Zurckhaltung, "die Katharina von +Siena"[107]. + +Bei dem Stadtschreiber, oder vielmehr bei seiner Frau, sollte nun +Katharina von Bora sich eingewhnen in das neue oder vielmehr alte +"weltliche", das brgerliche Leben. + +Das war nicht so gar leicht. Mindestens vierzehn Jahre lang, also fast +ihr ganzes bewutes Leben, hatte Katharina im Kloster zugebracht. Alle +diese Jahre hatte sie die geistliche Tracht getragen, sich an +nonnenhafte Gebrde und Haltung, an geistliche Sitten und Reden gewhnt; +den Umgang mit weltlichen Menschen hatte sie verlernt oder eigentlich +nie recht gelernt, und ebenso die Arbeit, das Hantieren in Stube und +Kche; in der That, man begreift, da der praktische Luther beim Anblick +der neun weltunerfahrenen Nonnen ausrufen konnte: "Ein armes Vlklein"! +Wie in die weltliche Kleidung mute Katharina sich nun an weltliche +Sitte und Rede gewhnen; wie ihr bleiches Gesicht sich an Luft und Sonne +brunen, ihre zarten Hnde im Angreifen von Tpfen und Besen sich +hrten, so mute auch ihr geistiges Wesen an den rauheren, aber +gesnderen Anforderungen und Zumutungen der Welt sich krftigen. Aber +wie ihre abgeschnittenen Haare zu langen blonden Zpfen wuchsen, so nahm +auch Sorgen und Denken an die kleinen weltlichen Pflichten und die +groen weltlichen Interessen zu. + +Und das gndige Frulein war nicht umsonst bei der Frau Magister. Sie +wurde hier tchtig vorgeschult fr ihren spteren groen +pflichtenreichen Haushalt. Und sie hat sich auch nach dem Zeugnis der +Wittenberger Universitt in dem Hause Reichenbach "stille und wohl +verhalten"[108]. + +Aber auch andere Gedanken und Gefhle erwachten in ihr und wurden ihr +von auen nahe gelegt. Und auch hier machte sie Erfahrungen und erfuhr +sie schmerzliche Enttuschungen, die sie weltkluger und vorsichtiger +machten. + +Katharina war jetzt 24 Jahre alt, eine reife, ja nach den Anschauungen +jener Zeit, welcher das 15. bis 18. Lebensjahr einer Jungfrau fr das +richtigste heiratsfhige Alter galt, eine berreife Jungfrau. Da sie an +Verehelichung dachte, ist begreiflich. Denn sie hatte weder eine +Stellung noch Vermgen. Der Aufenthalt bei ihren Pflegeeltern konnte +doch nur ein vorbergehender und nicht befriedigender sein. Luther, der +die besondere Sorge fr diese, wie fr andere ausgetretene Klosterleute +bernommen, hatte ohnedies schon von Anfang die ausgesprochene Absicht, +diejenigen, welche in ihren Familien keinen Unterhalt und Aufenthalt +finden konnten, zu verheiraten. Und seine gesamte Anschauung ging +dahin--darin hatte er die echt buerliche Ansicht seines Vaters--da der +Mensch zum Familienleben geboren und gerade das Weib von Gott zur Ehe +bestimmt sei[109]. + +Nun kam damals im Mai oder Juni 1523 in die Universittsstadt Hieronymus +_Baumgrtner_, ein Patriziersohn aus Nrnberg, "ein junger Gesell mit +Gelehrsamkeit und Gottseligkeit begabt". Er hatte frher (1518-21) in +Wittenberg studiert und bei Melanchthon seinen Kosttisch gehabt und +wollte jetzt seine alten Lehrer und Freunde in Wittenberg: Luther und +besonders Melanchthon besuchen, mit dem er spter in regem Briefwechsel +stand[110]. Dieser junge Mann erschien Luther als der rechte Gatte fr +seine Schutzbefohlene: er war 25 Jahre alt, Kthe 24, beide aus +vornehmem Hause; sie ohne Vermgen, um so mehr pate in Luthers Augen +der wohlhabende Nrnberger fr sie. Und er wird wohl dafr gesorgt +haben, da Baumgrtner an sie heran kam und an ihr Wohlgefallen fand. +Auch Kthe fate eine raschaufwallende Neigung fr den jungen Mann, war +er ja wohl der erste, der sich der gewesenen Nonne nherte. Vielleicht +haben sich die beiden auch zuerst gefunden, und Luther betrieb es nun in +seiner Art eifrig, die zwei zusammenzubringen. Jedenfalls wurde die +gegenseitige Neigung in dem Freundeskreise bekannt, und man hielt da die +Heirat fr sicher. + +Aber Baumgrtner zog heim nach Nrnberg und lie nichts mehr von sich +hren, trotzdem er versprochen hatte, nach ein paar Wochen wieder zu +kommen, um, wie man glaubte, Katharina heimzufhren. Die Freunde, +besonders Blickard Syndringer, erinnerten den Patriziersohn in ihren +Briefen neckend oft genug an die verlassene Geliebte. Sie sei wegen +seines Weggangs in eine Krankheit verfallen und habe sich in Sehnsucht +nach ihm verzehrt. Im Anfang des folgenden Jahres bestellte noch der +Nrnberger Ulrich Pinder von Wittenberg aus an Baumgrtner einen Gru +von "Katharina von Siena d.i. von Borra". Endlich schrieb Luther noch +einmal am 12. Oktober 1524 an Baumgrtner: "Wenn Du Deine Kthe von Bora +festhalten willst, so beeile Dich, bevor sie einem andern gegeben wird, +der zur Hand ist. Noch hat sie die Liebe zu Dir nicht verwunden. Und ich +wrde mich gar sehr freuen, wenn ihr beide mit einander verbunden +wrdet"[111]. + +Aber den Eltern Baumgrtners war offenbar die entlaufene Nonne anstig, +und da sie vermgenslos war, konnte sie erst recht nicht empfehlen. +Daher ging Hieronymus auf dieses Ultimatum des Freiwerbers Luther nicht +ein. Als er im Frhjahr 1525 in Nrnberg Ratsherr geworden war, verlobte +er sich mit einem Mdchen von 14 Jahren, Sibylle Dichtel von Tutzing +"mit sehr reicher Mitgift und was ihm noch erwnschter war, von sehr +angesehenen Eltern" und hielt mit ihr am 23. Januar 1526 in Mnchen die +Hochzeit[112]. + +Da aber Baumgrtner Katharina endgiltig aufgegeben hatte, so rckte +Luther nun mit dem andern Heiratskandidaten heraus, den er fr Kthe an +der Hand hatte. Das war D. Kaspar Glatz, der am 27. August 1524 von der +Universitt Wittenberg, deren Rektor er damals war, sich auf ihre +Patronatspfarrei Orlamnde hatte setzen lassen. Luther ging nun damit +um, seine Schutzbefohlene dem D. Glatz zu freien. Aber Kthe, welche +den Mann whrend seiner Lehrzeit in dem kleinen Wittenberg kennen +gelernt hatte, wollte ihn nicht haben, und sie hatte ein richtigeres +Gefhl als Luther. Glatz war, wie sich spter herausstellte, ein +rechthaberischer, eigensinniger Mensch, der Streitigkeiten mit seiner +Gemeinde bekam und deshalb entsetzt werden mute. Luther aber setzte +Kthe mit der Heirat zu. Da ging sie zu Luthers Amtsgenossen, dem +Professor Amsdorf und beklagte sich, da Luther sie wider ihren Willen +an D. Glatz verheiraten wolle; nun wisse sie, da Amsdorf Luthers +vertrauter Freund sei; darum bitte sie, er wolle bei Luther dies +Vorhaben hintertreiben. + +Hier scheint nun Amsdorf, der diese Ablehnung fr adeligen Hochmut +auslegte, bemerkt zu haben: Ob ihr denn ein Doktor, Professor oder +Pfarrherr nicht gut genug sei? denn Katharina wurde zu der Erklrung +gedrngt: Wrde Amsdorf oder Luther sie zur Gattin begehren, so wolle +sie sich nicht weigern, D. Glatz aber knne sie nicht haben[113]. + +Diese Aeuerung, welche wohl ohne viel Absicht gesprochen war, hatte +ihre Folgen; zwar nicht fr Amsdorf, der immer ehelos blieb, aber fr +Luther. Auch er hatte die Bora "fr stolz und hoffrtig" gehalten, +whrend sie doch nur etwas Zurckhaltendes hatte und ein gewisses +Selbstbewutsein zeigte; er hatte sie also nicht recht gemocht. Durch +jene Erklrung an Amsdorf wurde er aber auf andere Gedanken +gebracht[114]. + + + + +5. Kapitel. + +Katharinas Heirat. + + +So machte Luther bei Kthe von Bora, aber auch bei anderen Nonnen den +Freiwerber; er that es aber auch in seinen Schriften, worin er den +Ehestand so hoch pries und jedermann dazu einlud. Daher scherzte er in +einer Epistel an Spalatin: "Es ist zu verwundern, da ich, der ich so +oft von der Ehe schreibe und so oft unter Weiber komme, nicht lngst +verweibischt oder beweibt bin." Und mehr im Ernst: "Ich drnge andere +mit so viel Grnden zur Ehe, da ich beinahe selbst dazu bewegt +werde"[115]. + +Wenn Luther so eifrig zur Ehe riet, so hatte er dabei vor allem seine +Amtsgenossen im Auge. Denn bis zur Reformation war es nicht nur Sitte, +sondern sogar Gesetz, da Universittslehrer sich nicht verehelichten: +so sehr wurden die Schulen, auch die Hochschulen als kirchliche, ja +geistliche Anstalten angesehen und die "geistigen" Personen als +"Geistliche". Nur beschrnkte Ausnahmen wurden allmhlich mit der +Verehelichung gestattet fr Mediziner und Juristen; Rektor konnte lange +Zeit, auch in Wittenberg, nur ein unverehelichter Professor werden. Die +Gelehrten aber betrachteten auch ihrerseits die Ehe als eine +Erniedrigung fr ihren hohen Stand. Darum hat Luther nur mit Mhe den +Gelehrten Melanchthon zur Heirat vermocht[116]. + +Da aber die eigentlichen Geistlichen, die Priester, heirateten, das war +vor Luther, seit Gregor des Siebenten Zeiten, das heit seit +sechsthalbhundert Jahren etwas Unerhrtes. Gerade aber _darauf_ hat nun +Luther allmhlich in seinen vielen Schriften gedrungen, um zu zeigen da +im Christentum der geistliche Stand nichts Besonderes sei, da vielmehr +alle, die aus der Taufe gekrochen, Bischfe und Pfarrer wren, und +umgekehrt die Geistlichen nichts anders als Christenmenschen. So hat er +all seine geglichen Freunde zur Ehe gedrngt und ihnen dazu mit Eifer +verholfen; auch den Hochmeister von Preuen und den Erzbischof von +Mainz. Er wollte sozusagen fr seine Anschauung vom allgemeinen +Priestertum und dem hl. Ehestand, wie der falschen Heiligkeit des +Clibats den Massenbeweis mit Tatsachen fhren. So mahnt er Spalatin +(Ostern 1525): "Warum schreitest Du nicht zur Ehe? Es ist mglich, da +ich selbst dazu komme, wenn die Feinde nicht aufhren diesen Lebensstand +zu verdammen und die Klglinge ihn tglich belcheln!"[117] + +Der Gedanke, da auch _Klosterleute_ ehelich werden sollten, war Luther +anfangs befremdend: galt dies doch nach der Anschauung der Zeit so +sakrilegisch, da die weltlichen Rechte Heiraten von Mnchen und Nonnen +mit dem Tode bestraften[118]. Von der Wartburg schrieb Luther (am 6. +August 1521): "Unsere Wittenberger wollen sogar den Mnchen Weiber +geben? Nun mir sollen sie wenigstens keine Frau aufdringen," und mit +Melanchthon scherzt er, ob dieser sich wohl an ihm dafr rchen wolle, +da er ihm zu einer Frau verholfen habe? er werde sich aber zu hten +wissen. Doch nach wenigen Monaten hatte er sich berzeugt: "Das ehelose +Leben in Klstern ist auch der geistlichen Freiheit zuwider. Darum, wo +du nicht frei und mit Lust ehelos bist und mut es allein um Scham, +Furcht, Nutz oder Ehre willen, da la nur bald ab und werde ehelich." So +versorgte er nun auch Mnche und Nonnen in den Ehestand[119]. + +Aber wie er selber nur spt,--am sptesten unter den Brdern--dazu kam, +sein Klosterleben aufzugeben, seine Kutte--als die letzte zerschlissen +war--im Oktober 1524 mit dem Priesterrock und Professorentalar +vertauschte, so erging es ihm auch mit dem Heiraten. 1528 sagte er: +"Wenn mir jemand auf dem Wormser Reichstag gesagt htte, nach 7 Jahren +wrde ich Ehemann sein, der Frau und Kinder habe, so htte ich ihn +ausgelacht". Gerade wenn ihm seine Freunde und Freundinnen wie Argula +von Grumbach zuredeten oder davon sprachen, er werde doch noch heiraten, +erklrte er das fr Geschwtz. Noch am 30. November 1524 meinte er, bei +seiner bisherigen und jetzigen Gesinnung werde er keine Frau nehmen, +sein Gemt passe nicht zum Heiraten, er fhle sich dazu nicht geschickt. +Ja noch Ostern 1525 schreibt er, da er an keine Ehe denke[120]. + +Aber bald nach Ostern wurde er anderen Sinnes. + +Es war gerade die bse Zeit der Bauernunruhen, wo radikale Schwrmer die +Sache der Reformation aufs uerste gefhrdeten, die Zeit, wo die Feinde +mit gehssiger Schadenfreude auf ihn wiesen, und die Freunde mit +ngstlicher Sorge nach ihm schauten; es war damals, da er umherzog die +fanatischen Bauernhaufen zu beschwichtigen und dabei zweimal in +Fhrlichkeiten des Todes gewesen, als er berhaupt dem Tode entgegen +sah[121]. Da erklrte er: "Mnzer und die Bauern haben dem Evangelium +bei uns so sehr geschadet und die Papisten so bermtig gemacht, da es +fast aussieht, als msse man das Evangelium wieder ganz von vorn +predigen." Deshalb wollte er's nunmehr "nicht mit dem Wort allein, +sondern mit der That bezeugen". Er wollte mit seinem Beispiel seine +Lehre bekrftigen, weil er so viele kleinmtig finde, und so auch dem +zaghaften Erzbischof von Mainz zum Exempel voran traben. Er war im +Sinne, ehe er aus diesem Leben scheide, sich im gottgeschaffenen +Ehestande finden zu lassen und "nichts von seinem vorigen papistischen +Leben an sich zu behalten", und sei es auch nur eine verlobte +Josephsehe: auf dem Todbett wollte er sich ein fromm Mgdlein antrauen +lassen und ihr zum Mahlschatz seine zwei silbernen Becher reichen. Als +er gar von Dr. Scharf das Wort hrte: "Wenn dieser Mensch ein Weib +nhme, so wrde die ganze Welt und der Teufel selber lachen und er all +seine Sach damit verderben", da entschlo er sich erst recht: "Kann +ich's schicken, so will ich dem Teufel zum Trotz noch heiraten, und die +Engel sollen sich freuen und der Teufel weinen." Endlich drngte ihn +auch sein Vater, mit dem er auf seinen damaligen Reisen zusammentraf, +seinen grten Lieblingswunsch zu erfllen, und Luther wollte "diesen +letzten Gehorsam seinem geliebenden Vater nicht weigern"[122]. + +Und gerade eine _Nonne_ sollte die Erwhlte sein, "dem Teufel mit seinen +Schuppen, den groen Hansen, Frsten und Bischfen zum Trotz, welche +schlechterdings unsinnig werden wollen, da geistliche Personen freien". +Und nicht nur den groen Hansen, sondern auch dem groen Haufen zum +Trotz, welcher nach seinem Aberglauben den Sohn eines Mnchs und einer +Nonne fr den Antichrist hielt. Also wollte er "mit der That das +Evangelium bezeugen, zum Hohn fr alle, welche triumphieren und Ju, ju +schreien, und eine Nonne zum Weibe nehmen"[123]. Diese Nonne aber sollte +_Katharina von Bora_ sein. + +Sie war noch immer unversorgt im Reichenbachschen Hause, und er konnte +an ihr ein Werk der Barmherzigkeit thun. Sie hatte erklrt, sie werde +ihn nehmen, wenn er sie wolle. Und er hatte mittlerweile eine bessere +Meinung von ihr gewonnen. + +Da Kthes auerordentliche Schnheit ihn in Feuer gesetzt habe, sagten +ihm seine Gegner in gehssiger Absicht nach. Luther redet nur einmal und +in ziemlich spter Zeit in einem Brief an seine Gattin, in ritterlich +schalkhafter Weise davon, da er "daheim eine schne Frau" habe. +Ausdrcklich aber erklrt er, in den ersten Tagen seiner Ehe, da er +nicht verliebt sei oder voll leidenschaftlichen Feuers, aber er habe +seine Frau gern. Sie war ja auch gar nicht besonders schn. Von +krperlicher Schnheit zitierte Luther den Reim: + + Ist der Apfel rosenrot, + Ist ein Wrmlein drinnen, + Ist das Maidlein suberlich, + So hat's krause Sinnen. + +Und da ihm ein heiratslustiger Freund einmal sagte, er mchte eine +Schne, Fromme, (d.h. Brave) und Reiche, so bemerkte Luther: "Ei, ja, +man soll dir eine malen mit vollen Wangen und weien Beinen; dieselben +sind auch die frmmsten, aber sie kochen nicht wohl und beten +bel"[124]. + +So traf er in der Stille und ohne leidenschaftliche Erregung seine Wahl. +Am 16. April scherzt er gegen Spalatin, da er ein gar arger Liebhaber +sei: "Drei Frauen habe ich zugleich gehabt und sie so wacker geliebt, +da ich zwei verloren habe, welche andere Verlobte nahmen, und die +dritte halte ich kaum am linken Arme, die mir vielleicht auch bald +weggenommen wird"[125]. + +Er hatte also doch bestimmte Persnlichkeiten ins Auge gefat. + +Schon am 4. Mai, nach einem Besuche bei seinen Verwandten in Eisleben +und Mansfeld, redet er in einem vertrauten Briefe an seinen Schwager +Rhel zu Mansfeld von "meiner Kthe", die er nehmen wolle, so er's +schicken knne. Und wie seinen Schwager, hat er jedenfalls auch seine +Eltern in seine Plne eingeweiht, und der Vater redete ihm ernstlich +zu[126]. In Wittenberg selbst aber vertraute er es nur wenigen Leuten +an: dem Maler und Ratsherrn Lukas Kranach und seiner Frau. Gerade seinen +Amtsgenossen und brigen Freunden, vor allem auch Melanchthon, sagte er +nichts davon. Die Klugen wollten fr ihn gerade nicht, was Luther +wollte: eine Nonne, und dachten und redeten ber eine Mnchs- und +Nonnenheirat "lieblos". Und ganz besonders war ihnen Katharina von Bora +nicht recht; alle seine besten Freunde schrieen: "Nicht diese, sondern +eine andere!" Und wohl um es zu verhindern, brachten "bse Muler" sogar +eine boshafte Nachrede auf. Aber gerade das bewog Luther, der Sache +rasch ein Ende zu machen, bevor er die gegen ihn aufgebrachten Muler +zu hren gentigt wrde, wie es zu geschehen pflegt, und "weil der Satan +gern viel Hindernis und Gewirrs mache durch bse Zungen"[127]. Er +"betete zu unserm Herrn Gott mit Ernst", wie er berichtet, und handelte +dann ohne Menschen-Rat und -Bedenken, ja wie Melanchthon klagt, ohne +seinen Freunden etwas davon zu sagen[128]. + +Mit Katharina hatte sich Luther jedenfalls ins Einverstndnis gesetzt: +wenn er schon wochenlang schreiben konnte "Meine Kthe", so mute sie +doch von seinen Absichten wissen. + +Da Kthe an Martin Luther auch ein rein menschliches Gefallen fand, +begreift sich. Er war wohl schon 42 Jahre alt und 16 lter wie sie +selbst. Aber ein Zeitgenosse bezeugt: "Ein fein klar und tapfer Gesicht +und Falkenaugen hatte er und war von Gliedmaen eine schne Person. Er +hatte auch eine helle feine reine Stimme, beides zu singen und zu reden, +war nicht ein groer Schreier". Auch einem edeln, feineren Geschmack +mute der ehemalige Mnch und Bauernsohn zusagen: er hielt etwas auf ein +ansprechendes Aeuere und wegen seiner Sorgfalt in der Kleidung nannten +ihn sogar seine Gegner tadelnd einen "feinen Hofmann", denn er trug +"Hemden mit Bndelein", hatte einen Fingerring und gelbe Stiefel[129]. + +Dabei war Luther fr alles Schne in Kunst und Natur eingenommen, ein +guter Snger und "Lautenist", heiteren Sinnes und frhlicher Laune. + +Aber noch mehr mute Luthers Gemtsart einem weiblichen Wesen zusagen: +er war bei aller Heftigkeit doch gutmtig, bei aller Halsstarrigkeit +lenkbar wie ein Kind, bei aller Derbheit doch sinnig und feinfhlig. +Dabei war er "ein frommer (guter) Mann", der sein Weib herzlich lieb +haben konnte, und in dessen Besitz, wie er selber sagte, eine Frau sich +als Kaiserin dnken drfte[130]. + +Freilich auch die uere Stellung, welche Luthers Gemahlin einnahm, +mute einen hochstrebenden Sinn reizen. Das Doktorat war in dieser +Humanistenzeit noch hher gewertet als heutzutage die akademische +Professur, es stand mindestens dem Adel gleich. Der einfachste Doktor, +der vom Bauern- und Handwerkerstand sich emporgearbeitet hatte, wurde +von adeligen Jungfrauen als wnschenswerter Ehegenosse begehrt, soda +eine groe Anzahl Professorenfrauen in Wittenberg von Adel waren. Und +gar Luthers Gattin zu heien, des gefeiertsten Mannes nicht nur in ganz +Wittenberg, sondern in der ganzen Christenheit, mute einem Weibe von +Selbstgefhl schmeicheln, wenn es sich auch umgekehrt sagen mute, da +mit der Gre des Mannes auch all der Ha und die Beschimpfung mit in +Kauf zu nehmen, welche ihm die Feinde entgegenbrachten. Es war auch ein +gewagtes Unternehmen, einen solchen auerordentlichen Mann zu +befriedigen, des Gewaltigen ebenbrtige Lebensgefhrtin zu werden. +Jungfer Kthe hatte den Mut wie das Selbstbewutsein dazu. + +So weigerte sich Kthe der Annherung Luthers nicht. + +Die frmliche Bewerbung Luthers ist wahrscheinlich erst Dienstag den 13. +Juni geschehen, natrlich im Reichenbachschen Hause. Ein spterer +Bericht sagt, da Kthe berrascht war und anfnglich nicht gewut, ob +es Luthers Ernst sei, dann aber eingewilligt habe. Gleich abends am +selben Tage war die Trauung oder "das Verlbnis", entweder ebenfalls +beim Stadtschreiber oder mglicherweise in Luthers Behausung im Kloster. +Auf die Zeit des Nachtmahls lud der Doktor den Stadtpfarrer Bugenhagen +und den Stiftspropst Jonas, den Juristen Apel und den Ratsherrn und +Stadtkmmerer Meister Lukas Kranach und seine Frau--Melanchthon war +nicht dabei--was Jonas ausdrcklich als auffllig hervorhebt: er war so +ngstlich ber diesen Schritt seines groen Freundes, da er nicht zu +diesem Akt pate. Auch seinen Freund Dr. Hier. Schurf konnte Luther +nicht zu seinem Rechtsbeistand whlen, weil dieser Lehrer des +brgerlichen und kirchlichen Rechts allerlei juristische Bedenken hatte +gegen die Priesterehe[131]. + +Die Trauung geschah nach den herkmmlichen Bruchen[132]: der +Rechtsgelehrte vollzog die rechtlichen Formalitten, den schriftlichen +Ehevertrag, er (oder Bugenhagen) fragte im Beisein der Zeugen den +Brutigam, ob er die Braut zum Weibe nehmen und die Braut, ob sie den +Mann zum ehelichen Gemahl haben wollte. Dann gab der Pfarrer sie beide +mit Gebet und Segen zusammen. Darauf folgte ein kleines Abendessen und +dann das Beilager: Braut und Brutigam wurden zum Brautbett gefhrt, +lagerten sich darauf unter einer Decke und damit war die Ehe +gltig[133]. + +Das war Luthers "Gelbnis", wie es in der Wittenberger Redeweise hie. +Jonas konnte sich beim Anblick der Verlobten auf dem Brautlager nicht +enthalten, Thrnen zu vergieen, so sehr war er bewegt. Aber auch die +Gemter der anderen waren gewi in groer Bewegung, nicht zum wenigsten +Luther und Kthe[134]. + +Am folgenden Morgen, Mittwoch, gab Luther den Freunden ein kleines +Mittagsmahl, das damals um 10 Uhr stattfand. Da mittlerweile die +Vermhlung in dem kleinen Wittenberg rasch bekannt geworden war, so +sandte der Stadtrat einen Ehrentrunk von einem Stbchen (= 4 Ma) +Malvasier, einem Stbchen Rheinwein und anderthalb Stbchen +Frankenwein[135]. + +"Das Gelbnis" war aber nach damaliger Sitte nicht die "Beilage" oder +ffentliche Hochzeit; diese folgte erst spter mit ffentlichem +Kirchgang und der "Wirtschaft" (d.i. Hochzeitsschmaus) und feierlicher +Heimfhrung der "Jungfer Braut". Vierzehn Tage nach der Trauung, +Dienstag den 27. Juni, folgte nun bei Luther dieses hochzeitliche Mahl +und "Heimfahrt", denn das junge Ehepaar und seine Freunde wollten nicht +nur die Sitte ehren, sondern gerade recht auffllig in ffentlicher +Feierlichkeit vor der Welt ihren heiligen Ehestand ehrenvoll bezeugen. +Dazu lud der Doktor seine Eltern und seinen Schwager Dr. Rhel in +Mansfeld nebst noch zwei Mansfeldischen Rten, Johann Drr und Kaspar +Mller, ferner den Hofkaplan M. Spalatin und den Pfarrer Link in +Altenburg, den khnen Befreier der Nonnen Leonhard Koppe als "wrdigen +Vater Prior", den Kurfrstlichen Hofmarschall Dr. Johann von Dolzig, vor +allem aber den Superintendenten ("Bischof") Amsdorf in Magdeburg +u.a.[136]. + +Die mit Scherz und Ernst gewrzten Einladungsbriefe an diese +Gste--auer dem an die Eltern--sind noch vorhanden. Da schreibt Luther +an die drei Mansfeldischen Rte: "Bin willens, eine kleine Freude und +Heimfahrt zu machen. Solches habe ich Euch als guten Herren und Freunden +nicht wollen bergen und bitte, da Ihr den Segen helft darber sprechen. +Wo Ihr wolltet und knntet samt meinem lieben Vater und Mutter kommen, +mgt Ihr ermessen, da mir's eine besondere Freuden wre". An Link: "Der +Herr hat mich pltzlich, da ich's nicht dachte, wunderbarer Weise in +den Ehestand versetzt mit der Nonne Kthe von Bora.... Wenn Ihr kommt, +will ich durchaus nicht, da Ihr einen Becher oder irgend etwas +mitbringt". An Dolzig: "Es ist ohne Zweifel mein abenteuerlich Geschrei +fr Euch kommen, als sollt ich ein Ehemann worden sein. Wiewohl nun +dasselbige fast seltsam ist und ich's selbst kaum glaube, so sind doch +die Zeugen so stark, da ich's denselben zu Dienst und Ehren glauben +mu, und frgenommen, auf nchsten Dienstag mit Vater und Mutter samt +anderen guten Freunden in einer Kollation dasselbe zu versiegeln und +gewi zu machen. Bitte deshalben gar freundlich, wo es nicht +beschwerlich ist, wollet auch treulich beraten mit einem Wildbret und +selbst dabei sein und helfen das Siegel aufdrcken und was dazu +gehrt"[137]. + +Das Wildbret fehlte nicht; Wittenberg, welches wute, was die +Universitt und Stadt an Luther besa--er hat die kleine Stadt und +Universitt erst gro und berhmt gemacht--spendete reichliche +Geschenke. Der Stadtrat sandte "Doctori Martino zur Wirtschaft +und Beilage ein Fa Eimbeckisch Bier und zwanzig Gulden in +Schreckenbergern"; und die lbliche Universitt verehrte als +Brautgeschenk "H.D. Marthin Luthern und seiner Jungfraw Kthe von Bor" +einen hohen Deckelbecher aus Silber mit schnen vergoldeten +Verzierungen. Johann Pfister, der zu Ostern den Mnch ausgezogen und zu +Pfingsten nach Wittenberg gereist war, um da zu studieren, hat auf D. +Luthers Hochzeit das Amt eines Mundschenken versehen. Vielleicht waren +jetzt auch die Eheringe fertig, welche die Freunde besorgten. Diese +Eheringe soll der Kaiserl. Rat Willibald Pirkheimer in Nrnberg von +Albrecht Drer haben anfertigen lassen und geschenkt haben; desgleichen +auch eine goldene Denkmnze mit Luthers Bild. Der Trauring Luthers ist +ein zusammenlegbarer Doppelreif mit Diamant und Rubin, den Zeichen von +Liebe und Treue; unter dem hohen Kasten sind die Buchstaben M.L.D. und +C.V.B. und in dem Reif der Spruch: "Was Gott zusammenfget, soll kein +Mensch scheiden". Katharinas Ring hat einen Rubin und ist mit Kruzifix +u.a. geziert, mit der Inschrift: "D. Martinus Lutherus, Catharina von +Boren 13. Juni 1525"[138]. + +Da dabei Katharina in blichem Brautschmuck erschien, ist +selbstverstndlich, wenn dieser auch nicht so reich war, als das +angebliche Bild Katharinas von Bora im Hochzeitsstaat denken lt[139]. + +So wurde mit den guten Freunden eine frhliche Hochzeit gefeiert. +Freilich werden der unruhigen Zeitlufte wegen nicht alle Eingeladenen +erschienen sein--Luther setzte das schon in seinen Briefen voraus. Auch +Magister Philipp Melanchthon war nicht dabei, der ngstliche Gelehrte, +welcher gegen Luthers Ehe und besonders mit der Nonne war, wre ein +bler Hochzeitsgast gewesen. Von Katharinas Verwandten scheint niemand +anwesend gewesen zu sein. Vater und Mutter waren wohl schon lngst tot, +zwei Brder im fernen Preuen, der lteste vielleicht auch ferne; den +anderen Verwandten war Kthe doch durch ihr Klosterleben entfremdet, es +hatte sich ja auch bisher niemand von ihnen ihrer angenommen. So mute +sie ihre Gefreunde und Verwandte in ihren Pflegeeltern und Luthers +Freunden und Eltern sehen. Und wenn ihr's an ihrem Hochzeitsfest recht +wehmtig ums Herz gewesen sein wird, so mute sie doch die hohe +Verehrung und Freundschaft trsten, welche ihr Gatte bei seinen +Amtsgenossen und Landsleuten gefunden hatte. + + + + +6. Kapitel + +Das erste Jahr von Katharinas Ehestand. + + +Luther fhrte nach seiner Vermhlung die junge Frau in seine Wohnung im +Augustinerkloster. Denn dies hatte ihm der Kurfrst Johann der +Bestndige, der seit Mai seinem Bruder Friedrich dem Weisen gefolgt war, +unter der Bedingung des Vorkaufsrechts zur Verfgung gestellt. + +Das "schwarze Kloster" lag oben am Elsterthor, unmittelbar am Wall und +Graben, still und abgewandt von der Welt, von der Strae durch einen +groen Hof geschieden. Das dreistckige Hauptgebude gegen die Elbe zu +gelegen war die Behausung der Mnche gewesen und jetzt Luthers +Aufenthalt. In der westlichen Ecke nach Mittag gerichtet und mit +Aussicht auf die gelben Fluten des Stromes war Luthers Zelle, woraus er +"den Papst gestrmt hatte": sie blieb auch jetzt seine Studierstube. +Dagegen richtete das Ehepaar nach dem Hofe zu, wo die Gemcher des +ehemaligen Priorats lagen, die gerumige Wohnstube ein, worin auch +gespeist und die Besucher empfangen und Gste bewirtet wurden. Davor lag +ein kleineres Empfangszimmer mit Holzbnken. Die Decken der Gemcher und +bis zur halben Hhe auch die Wnde des behaglichen Wohnzimmers waren mit +Holzgetfel versehen, an den Wnden hin zogen sich Bnke, Pflcke +darber dienten zum Aufhngen von Gerten und Kleidern. Zwei groe +Fenster mit Butzenscheiben schauten in den Klosterhof. Aber um +deutlicher zu sehen, waren kleine Schiebfenster angebracht, welche +klirrend geffnet wurden, wenn dahinter etwas beobachtet werden sollte, +ein Besuch kam oder ging oder auf die Dienstboten und das Geziefer des +Hauses geachtet werden sollte. Dort in der Fensternische wurde ein +einfacher hlzerner Sitz aufgestellt mit einer Art Pult, der als +Nhtisch dienen mochte. Ein mchtiger Eichentisch auf Kreuzgestellen +stand in der Mitte und die eine Ecke fllte ein mchtiger Kachelofen. +Darum hie die Wohnstube auch "das gewhnliche Winterzimmer". Es war +wohl noch von der Klosterzeit her bemalt. Wahrscheinlich befand sich +auch hier ein Bild der Maria mit dem schlafenden Jesuskind[140]. + +Hinter dieser Wohnstube war das Schlafzimmer und eine weitere Kammer, +von dieser wurde spter eine Stiege mit einer Fallthre in das +Erdgescho angelegt, auf der man in die Wirtschaftsrume drunten +gelangen und namentlich die Speisen von der Kche innerhalb des Hauses +heraufbringen konnte. Denn Kche, Dienstbotenzimmer und dgl. waren unten +im ehemaligen Refektorium[141]. + +Schon in diesem Jahre, 1525, schenkte der Stadtrat verschiedene Fuhren +Kalk, womit das Klosterhaus innen und auen, wenigstens teilweise, +getnscht werden konnte. Vielleicht geschah dies bereits in der +Zwischenzeit zwischen der Trauung und Heimfhrung, dieser zu Ehren, als +das Haus viele festliche Besucher aufnehmen mute[142]. + +Die erste Ausstattung des Hauses wird drftig genug gewesen sein, denn +Luther konnte bei seiner bekannten Freigebigkeit und Gastfreiheit mit +seinem Gehalt kaum fr sich selbst bestehen, und obwohl der Kurfrst es +bei seiner Verheiratung auf 200 fl. aufbesserte, so waren daraus nicht +viel Anschaffungen zu machen, namentlich fr ein so weitluftiges +Gebude. Die 100 fl., die der Kurfrst, und die 20 fl., die der Stadtrat +zur Hochzeit schenkte, gingen darauf fr das kostspielige Festmahl. Der +Klosterhausrat, so weit er noch brig und nicht weggeschleift war durch +allerlei unberufene Hnde, war Luther von den Visitatoren geschenkt +worden. Aber es war geringfgig: Schsseln und Bratspiee, einiger +sonstiger Hausrat und Gartengerte--zusammen kaum 20 fl. wert. So werden +wohl die Freunde durch Hochzeitsgeschenke, die freilich in der Regel aus +silbernen Bechern bestanden, unmittelbar oder mittelbar dazu beigetragen +haben, die den Rume des Klosters ein bichen wohnlich zu gestalten. +Verwhnt durch mannigfaltigen Hausrat war man damals berhaupt nicht, +und die zwei ehemaligen Klosterleute noch weniger. So schenkte D. +Zwilling von Torgau einen Kasten, der war aber bald so lotter und +wurmstichig, da Frau Kthe kein Leinen mehr darin aufbewahren konnte +vor lauter Wurmmehl. Nach und nach kamen auch sonst von auswrts +allerlei Geschenke, sogar knstliche Uhren. Vom Stadtrat wurde das junge +Ehepaar ein ganzes Jahr lang mit Wein aus dem Ratskeller freigehalten, +brauchte aber nur (trotz vieler Gste) fr 3 Thlr. 4 Groschen 6 +Pfennige. Auch schenkte die Stadt "Frau Katharinen Doktor Martini +ehelichem Weibe zum neuen Jahr (1526) ein Schwebisch" (schwbisches +Tuch)[143]. + +Der einzige Mitbewohner und neben Luther letzte Mnch, der Prior Brisger +verheiratete sich gleich nach Luther und zog nach einiger Zeit in sein +neugebautes Huschen, das neben dem Kloster, aber vorn an der Strae +gelegen war, dann auf die Pfarrei Altenburg. Von den alten +Klosterbewohnern blieb nur Luthers Famulus Wolfgang Sieberger im Hause, +der arm an Geld und Geistesgaben zwar zu studieren angefangen, aber es +nicht hatte fortsetzen und vollenden knnen, und besser zu einem Diener +taugte als zum Gelehrten, eine treue Seele, die von 1517 bis zu Luthers +Tod im Hause blieb und den Doktor nur um ein Jahr berlebte. Eine Magd +war auch da und andere folgten bald, als der Haushalt sich ausdehnte. + +In diesem Hause nun gewhnte sich das junge Paar zunchst einigermaen +in Ruhe in den Ehestand und aneinander, und Luther schrieb da: "Ich bin +an meine Kthe gekettet und der Welt abgestorben"[144]. + +Es war dem 42jhrigen Gelehrten, Junggesellen und ehemaligen Mnch im +ersten Jahre des Ehestandes ein seltsames Gefhl, wenn er jetzt +selbander bei Tische sa statt allein, oder wenn er morgens erwachend +zwei Zpfe neben sich liegen sah. Aber auch der jngeren Ehefrau, der +frheren Nonne mochte ihr neuer Stand seltsam dnken, hier im ehemaligen +Kloster, namentlich an der Seite des gewaltigen Mannes, der die +Weltordnung umgekehrt hatte und mit Papst, Kaiser, Welt und Teufel im +Kampfe lag[145]. + +Da sa Kthe in dieser ersten Zeit bei Luther hinten in seiner +Studierstube, von wo er mit dem Flammenschwert seiner Feder den Papst +gestrmt, sah ihn von Bchern umgeben, den Tisch mit Briefen und +Schriftbogen bedeckt, spann und horchte ihm zu und that auch Fragen nach +diesem und jenem. Ihre Fragen zeugten nicht immer von Welterfahrung und +theologischer Bildung. So ergtzte es den Gelehrten, als sie einmal +fragte: "Ehr Doktor, ist der Hochmeister in Preuen des Markgrafen +Bruder?" Es war dieselbe Person. Luther weihte seine junge Frau bald in +theologische Fragen ein. Als ihm Jonas 1527 seine jetzige Ansicht ber +Erasmus meldete, las er seiner Frau ein Stck des Briefes vor. Da sprach +sie alsbald: "Ist nicht der teure Mann zur Krte geworden?" Und sie +freute sich, da Jonas nun die gleiche Ansicht mit Luther ber Erasmus +hatte. Mit der Zeit erweiterte sich ihr Wissen, sie lernte in ihres +Mannes Haus, wo so viele Fden der Kirchen- und Weltgeschichte +zusammenliefen und so viele bedeutende Mnner, Gelehrte, Staatsmnner +und Frsten einkehrten, die Weltdinge verstehen und lebte sich in die +theologische Gedankenwelt so ein, da sie an den Tischreden lebhaften +Anteil nahm und auch Gelehrte durch ihren gesunden Menschenverstand und +ihr natrliches Gefhl mitunter in Verlegenheit brachte[146]. + +Frau Kthe hatte eine ziemliche Beredsamkeit, so da Luther sie oftmals +damit neckte und sie einmal einem Englnder als Sprachlehrerin empfahl +oder auch davon redete, da sie das Amen nicht finden knnte bei ihren +Predigten. Er sagt aus der Erfahrung von seiner Gattin: "Weiber reden +vom Haushalten wohl als Meisterinnen mit Holdseligkeit und Lieblichkeit +der Stimm und also, da sie Cicero, den besten Redner, bertreffen; und +was sie mit Wohlredenheit nicht zu Wege bringen knnen, das erlangen sie +mit Weinen. Und zu solcher Wohlredenheit sind sie geboren, denn sie sind +viel beredter und geschickter von Natur zu diesen Hndeln, denn wir +Mnner, die wir's durch lange Erfahrung, Uebung und Studieren erlangen. +Wenn sie aber auer der Haushaltung reden, so taugen sie nichts."[147] + +Zur Abwechslung arbeiteten die jungen Eheleute auch in dem umzunten +Klostergarten hinter dem Hause, worin auch ein Brunnen war. Da wurde +gegraben und gepflanzt und allerlei Kruter, Gemse und Obstbume, aber +auch zierliche Strucher und Blumen gepflegt. So konnte Luther schon im +folgenden Sommer Spalatin einladen: "Ich hab einen Garten gepflanzt, +einen Brunnen gegraben, beides mit gutem Glck. Komm, und Du sollst mit +Lilien und Rosen bekrnzt werden." Auch zu dem "Lutherbrunnen" vor dem +Elsterthore wandelten die Ehegatten hinaus, welchen der Doktor 1521 +entdeckt hatte und 1526 fassen und mit einem "Lusthaus" berbauen lie, +in dem er manch liebes Mal in Mue mit seiner Frau und seinen Freunden +sa. Sonst ruhten die beiden unter dem Birnbaum im Klosterhofe, der +schon zu Staupitz' Zeiten manches ernste Gesprch vernommen[148]. + +Von dem jungen Ehepaar haben wir ein Bild aus der Werkstatt Kranachs. +Die junge Frau, mehr eine zarte als robuste Erscheinung, hat ein ovales +Gesicht mit feiner Hautfarbe, die Augenffnung erscheint ein bichen +"geschlitzt", die Backenknochen, welche in einem anderen Kthe-Typus +sehr stark hervortreten, sind normal. Charakteristisch ist die volle +Unterlippe. Die Augenbrauen sind schwach und hoch gewlbt, das wenig +ppige feine Haar hat rtliche oder blonde Farbe und die mattblauen +Augen schauen verstndig drein. Der Eindruck des ganzen Gesichtes lt +nchternen Ernst und eine gewisse zhe Energie erwarten[149]. + +Die Zeit der ersten Liebe schildert der Wittenbergische Doktor obwohl +"nicht von unmiger Liebesglut entflammt", mit den gleichen Worten wie +unser moderner Dichter: "Die hchste Gnade Gottes ist's, wenn im +Ehestande Eheleute einander herzlich stets fr und fr lieb haben. Die +erste Liebe ist fruchtbar und heftig, damit wir geblendet und wie die +Trunkenen hineingehen; wenn wir die Trunkenheit haben ausgeschlafen, +alsdann so bleibet in Gottesfrchtigen die rechtschaffene Liebe, die +Gottlosen aber haben den Reuwel."[150] + +Freilich diese Zeit seines jungen Ehestandes ging dem Reformator weder +als mig tndelnde Flitterwochen, noch als ein ungetrbtes Idyll dahin. +Dafr sorgte der Drang seines gewaltigen Werkes, wie der Ha seiner +Gegner. Und mindestens eben so schwer, wie er, hatte seine junge Gattin +unter den giftigen und schmutzigen Angriffen zu leiden, die sofort die +Heirat des Reformators und ehemaligen Mnchs mit der gewesenen Nonne +beleidigten. + +Luthers Heirat mit Katharina war eine zu ungeheuerliche That in den +Augen seiner Zeitgenossen, als da sie nicht das gewaltigste Aufsehen +erregen und auch zu den abenteuerlichsten Verdchtigungen Anla geben +muten[151]. + +Schon sofort nach der Trauung hatte Luther um dieses Werkes willen +Schmhungen und Lsterungen zu ertragen. Und nicht nur von den Feinden. +Die Klglinge "belchelten" seine Ehe oder verdammten sie auch: "Die +Weltweisen, auch unter den Unserigen, sind heftig darber erzrnt." Das +war nicht nur Dr. Schurf, sondern sogar sein naher Freund Melanchthon; +jener hatte gemeint, die ganze Welt, ja die Teufel wrden darber +lachen, und Luther wrde sein ganzes Werk vernichten. Dieser mibilligte +wohl die That an sich nicht, wohl aber, da sie nicht opportun sei und +unbedachtsam geschehen, so da die Feinde darin ihr groes Vergngen +haben und lstern; er meinte auch, "Luther habe sich durch Nonnenknste +fangen lassen und sei hereingefallen"[152]. + +So war es fr die Eheleute schon ein Schmerz, da der Hausfreund nicht +bei der Hochzeit war, ja nicht einmal dazu eingeladen werden konnte. Und +auf Luther mochte dies Verhalten der Freunde wenn auch nur zeitweilig +verstimmend und niederschlagend wirken. Da hatte Kthe wohl eine schwere +Aufgabe, ihn aufzurichten und zu ermuntern. Die anderen Freunde, seine +Gevattersleute Kranach vor allem, halfen dabei. Und schlielich migte +auch Melanchthon seinen Verdru, ja er trstete Luther und beeiferte +sich, seine Traurigkeit und ble Laune durch Freundlichkeit und +frhliche Unterhaltungen zu erheitern[153]. So kehrte Luthers Gemt +wieder zur alten Lebhaftigkeit zurck. Schon drei Tage nach der Trauung +schreibt er an Spalatin mit bezug auf Schurfs Rede im alten Ton frohen +und getrosten Trutzes: "Ich habe mich durch diese Heirat so +geringschtzig und verchtlich gemacht, da ich hoffe, es sollen die +_Engel lachen_ und die Teufel weinen. Die Welt mit ihren Klglingen +kennet dies Werk nicht, da es gttlich und heilig sei: sie nennen's an +meiner Person gottlos und teufelisch. Derohalben ich auch greren +Gefallen daran habe, da ihr Urteil durch meinen Ehestand verdammt wird, +so da sich daran stoen und rgern die, so ohne Erkenntnis Gottes +mutwillig zu bleiben fortfahren"[154]. + +Viel rger als die Freunde trieben's natrlich die Widersacher. Emser +verfertigte Spott- und Schmhgedichte, ja Eck gab ein ganzes Bchlein +von solchen Liedern auf Luthers Hochzeit heraus. Der Herzog Georg von +Sachsen, Luthers besonderer Feind, erlie ein Schreiben an Luther, worin +er ihn aufs heftigste schalt, und in einem Instruktionsschreiben zum +Speierer Reichstag (15. Mai 1526) an Otto von Pack beschimpft er ihn mit +der falschen Anschuldigung: "Es erscheint auch klrlich, indem Martinus +verworfen hat den Mnchsstand und so auch die Mnche aus dem Kloster zu +Wittenberg, da er desto mehr Raum habe mit seiner Kthchen zu wohnen, +davon sich ein ganzer Konvent hat nhren mgen." Der theologische Knig +Heinrich VIII. von England, damals noch Defensor Fidei (Verteidiger des +rmischen Glaubens) nachher Ritter Blaubart, fuhr in einem Briefe den +Reformator an: "Was? Du hast ihr nicht nur beigewohnt, sondern, was noch +unendlich fluchwrdiger ist, hast sie sogar ffentlich als Gattin +heimgefhrt!"[155] + +Diese Schriften--auer der Georgs--waren lateinisch und gingen zunchst +in die Gelehrtenwelt. Unter das Volk aber wurden ehrenrhrige +Verleumdungen gegen die beiden Ehegatten gestreut. Der Humanistenknig +Erasmus machte sich lustig, indem er mit schndem Witze meint: wenn der +Antichrist ein Mnchs- und Nonnenkind wre, mte die Welt voll +Antichristen laufen; aber die Lge von einem frhgeborenen Kinde hat er +mit boshafter Geflissentlichkeit in seinen Briefen an hohe Herren +verbreitet, bis er sie dann widerrufen mute. Die Heirat Luthers ist dem +hochmtigen Humanisten aber immerhin eine Posse, mit der der gelehrte +Doktor den Philosophenmantel abgelegt und sich zu einem gewhnlichen +Menschen erniedrigt htte[156]. + +Aber noch nher trat der jungen Frau bald nach ihrer Heirat die +Schmhung. "Ein Brgersweib Klara, Eberhard Lorenz Jessners eheliche +Hausfrau hat unntze Worte gehabt und Herrn Dr. Luther und seine ehrbare +Hausfrau geschmht und gescholten," freilich "auch des Pfarrers Eheweib +bel angefahren" in Magister Joh. Lubecks Wirtschaft zu Wittenberg[157]. + +Endlich verfaten zwei Leipziger Magister, Joh. Hasenberg und Joachim +von der Heidten (Miricianus), in Prosa und Poesie lateinische und +deutsche Sendbriefe und lieen sie drucken. Hasenbergs Schmhschrift +richtete sich "an M. Luder und seine uneheliche Gattin Catharina von +Bohra, damit sie entweder mit dem verlorenen Sohn sich bekehren und zur +Bue und Heiligkeit des Klosterlebens zurckkehren oder doch Luther +seine Nonne ihrem Brutigam Christus und ihrer Mutter Kirche +zurckstelle" bei Hllenstrafe. Heidten schrieb "Ein Sendbrieff Kethen +von Bhora, Luthers vermeynthem eheweib sampt einem geschenk freundlicher +Weise zuvorfertigt". Die beiden jungen Menschen hatten die Frechheit, +diese Schriften durch einen eigenen Boten Luther und seiner Frau ins +Haus zu schicken, allerdings in der thrichten Hoffnung, wenigstens +Kthe von ihrem Manne abwendig zu machen und zur Rckkehr ins Kloster zu +bewegen. + +Natrlich hatten diese beiden Schriften den entgegengesetzten Erfolg. +Luthers Diener trieben mit denselben ihren Spott, schickten sie den +"jungen Lffeln illuminiert (illustriert) im Hintergemach" mit dem Boten +zurck und dazu ein viereckiges Tfelein, darauf waren die 6 Buchstaben +_ASINI_ (Esel) so verteilt, da man sie von der Mitte aus gesehen, an +vierzig mal lesen konnte. Der ritterliche Luther aber nahm sich seines +Weibes an und lie "Eine neue Fabel Aesopii vom Esel und Lwen" mit +behaglichem Witze drucken und sandte sie an seinen Freund Link mit den +Worten: "Die Leipziger Esel haben meine Kthe mit albernen Schmhungen +verunglimpft; denen ist geantwortet worden, davon du hier vor Augen +siehst."[158] + +Zu den Beschimpfungen gesellten sich Gefahren. In der Nacht vor +Michaelis 1525 hatte Luther es gewagt, im Gebiete seines heftigsten +Widersachers, des Herzogs Georg von Sachsen-Meien, dreizehn Jungfrauen +aus dem frstlichen Kloster Freiberg entfhren zu lassen. "Ich habe +diese Beute dem wtenden Tyrannen entrissen", meldet er triumphierend +seinem Freund Stiefel. Darber war natrlich Georg wtend, aber auch der +Adel zrnte ber Luthers Gewaltthat--muten doch die Angehrigen der +Nonnen durch ihren Austritt Vermgenseinbue befrchten: sogar adelige +_Freunde_ der Reformation nahmen es Luther bel. Es wurden Drohungen +gegen ihn laut, und sein Leben stand in Gefahr, wenn er irgendwie einem +Haufen Reisiger oder Bauern in die Hnde fiele, denn auch die Bauern +waren ihm ja seit dem Aufstand wenig gnstig. Nun war Luther auf den 19. +November zu Spalatins Hochzeit nach Altenburg geladen, wo der ehemalige +Geheimschreiber des verstorbenen Kurfrsten jetzt Stadtpfarrer war. +Luther wollte durchaus zu des Freundes Ehrentag. Aber Kthe hielt ihn +zurck und beschwor ihn sogar mit Thrnen vor der gefhrlichen Reise. +Also da ihr Gatte heldenmtig seines reformatorischen Befreieramtes +waltete und anderen armen Jungfrauen that, was ihr geschehen, und "dem +Satan diese Beute Christi abjagte", das hinderte Frau Kthe nicht, aber +das setzte sie durch, da er sich nicht ohne Not in Gefahr begab. Solche +Lebensgefahr mute sie ja immer fr ihren Gatten frchten, auf welchen +wie auf einen Frsten gar mancherlei Attentate geplant und versucht +wurden[159]. + +Dagegen lie sie es Ende Februar des folgenden Jahres zu, da Luther sie +nach Segrehna bei Kemberg begleitete. In diesem Dorfe hielt sich damals +der ehemalige Schwrmer, Bilderstrmer und Bauernagitator Karlstadt als +Bauersmann und Landkrmer versteckt. So viel Schmerzen und Sorgen ihm +auch Karlstadt gemacht, Luther hatte sich seines alten Amtsgenossen +angenommen und ihm Begnadigung beim Kurfrsten erwirkt. Und jetzt hatte +Karlstadt Luthers Gemahlin zur Gevatterin gebeten. Auch zu diesem +Liebesdienst war sie bereit, machte nicht nur selbst die beschwerliche +Reise, sondern lie sogar ihren Gemahl mitfahren[160]. + +Schon in diesem Jahre gemeinsamen Lebens lernte Luther seine Gattin +besser verstehen, tiefer lieben und hher achten. Hatte er sie vor der +Hochzeit fr stolz und hoffrtig gehalten, so schreibt er jetzt: "Sie +ist mir gottseidank willfhrig, gehorsam und gefllig, mehr als ich +htte hoffen knnen, so da ich meine Armut nicht mit des Crsus +Reichtum vertauschen mchte."[161] + +Melanchthon hatte die Hoffnung ausgesprochen, Luthers Verheiratung werde +ihn gemessener machen, und sein ungestmes, derbes Wesen snftigen. Das +dachte wohl auch der Erzbischof Albrecht, der durch seinen Kanzler +Rhel, Luthers Schwager, der Frau zwanzig Goldgulden als +Hochzeitsgeschenk reichen lie, welche Katharina gern annahm, Luther +aber zurckwies. Erasmus glaubte auch bald die Bemerkung gemacht zu +haben, da Luther milder geworden sei und nicht mehr so viel mit der +Feder wte. Denn, setzt er in gewohnter spttischer Weise hinzu: "nichts +ist so wild, da ein Weib es nicht zhmt"[162]. + +Das wird ja im allgemeinen nicht abzustreiten sein. Und tatschlich lie +sich Luther--aber durch frstliche Zurede--im vershnlichen Tone gegen +Herzog Georg und Knig Heinrich VIII. hren--freilich ohne diese dadurch +vershnlich zu stimmen: sie beuteten vielmehr seine Schreiben aus, um +ihn verchtlich zu machen. Aber in seinem reformatorischen Beruf hat +Kthe ihren Mann weder hindern knnen noch wollen[163]. + +Nicht einmal in den ersten Tagen seiner Heirat. Ja, Frau Kthe plante +wohl selbst mit ihm whrend der Vorbereitung zu ihrer Heimfhrung die +Befreiung der Freiberger Nonnen: die Einladung an Koppe zur Hochzeit +enthielt zugleich die Aufforderung zu diesem neuen, noch keckeren +Klosterraub[164]! + +Und am Neujahrstag 1526 malte Luther aufs neue in einer Spottschrift +das Papsttum mit seinen Gliedern ab und schrieb dazu: "Es meinen +etliche, man solle nun aufhren, das Papsttum und geistlichen Stand zu +spotten. Mit denen halt ichs nit, sondern mu ihr einschenken, bis +nichts Verchtlicheres auf Erden sei, denn diese blutgierige +Isabel."[165] + + + + +7. Kapitel. + +Katharina als Mutter ihrer Kinder und Hausgenossen. + + +Ein Jahr nach ihrer Vermhlung am 7. Juni 1526, "da der Tag im Kalender +heit Dat." (d.i.: Er giebt) schenkte Kthe ihrem Gatten ein Shnlein, +das war, wie die Eltern mit Freuden sahen, gesund und ohne Fehl. Um 2 +Uhr nachmittags kam es auf die Welt, schon um 4 Uhr wurde es nach +damaliger Sitte von Diakonus M. Rrer getauft. Taufpaten waren der +Superintendent D. Bugenhagen, der Propst Justus Jonas, Luthers Gevatter +L. Kranach, der Vizekanzler Baier und in Abwesenheit der Kanzler Mller +in Mansfeld. Eine der Patinnen war die Frau des Brgermeisters Hohndorf. +Nach dem Grovater erhielt das Kind den Namen Johannes[166]. + +Hnschen blieb auch wohlauf, wennschon die Mutter das Stillen nur +langsam fertig brachte und das Kind die Milch schwer vertrug. Der Knabe +wird bald frhlich und krftig und ein homo vorax et bibax (starker +Esser und Trinker), lernt auf den Knieen rutschen; zu Neujahr 1527 +bekommt er Zhne, lernt stehen und gehen und fngt an zu lallen und mit +lieblichen Beleidigungen alle zu schelten. Zur Belohnung fr all diese +Knste schickt Jonas dem kleinen Hans einen "silbernen Johannes", ein +Geldstck mit dem Bild des Kurfrsten[167]. + +Bald ist der Zweijhrige gar stolz ber eine Klapper, die er vom +Pfarrer Hausmann geschenkt erhielt (1528). Dieser Erstgeborene wird +jahrelang in jedem Brief erwhnt und mu immer und berall hin die +Freunde gren. Es ist ein herziges Bild, wenn der Vater von seinem +Shnchen erzhlt: "Wenn ich sitze und schreibe oder thue sonst etwas, so +singet er mir ein Liedlein daher, und wenn er's zu laut will machen, so +fahre ich ihn ein wenig an; so singet er gleichwohl fort, aber er +machet's heimlicher und mit etwas Sorgen und Scheu. Also will Gott auch, +da wir immer frhlich sein sollen, jedoch mit Furcht und Ehrerbietung +gegen Gott." Und wieder sa Hnschen am Tisch und lallete vom Leben im +Himmel, wie eine so groe Freude da wre mit Essen und Tanzen, da wre +die grte Lust: die Wasser flssen mit eitel Milch und die Semmeln +wchsen auf den Bumen. Da freute sich der Doktor ber das selige Leben +des Kindes[168]. + +Anderthalb Jahre blieb Hnschen allein, da folgte am 10. Dezember 1527, +whrend die Pest in Wittenberg und im Hause Luthers wtete, ein +Schwesterlein, Elisabeth. Jonas gratuliert dem Doktor dazu und scherzt +von seinem kleinen Shnchen: "Mein Sohn begrt deine Tochter als seine +zuknftige Braut." Aber am 3. August des folgenden Jahres in der +gefhrlichen Zeit des Zahnens starb das zarte Tchterlein und wurde in +groer Trauer auf dem Gottesacker vorm Elsterthore bestattet. Da erhielt +es einen (noch vorhandenen) kleinen Grabstein mit der lateinischen +Inschrift: "Hier schlft Elisabeth, M. Luthers Tchterlein." Schwer nur +trsteten sich die trauernden Eltern mit dem Gedanken: "Elisabeth ist +von uns geschieden und zu Christo durch den Tod ins Leben gereist."[169] + +Am 4. Mai des folgenden Jahres wurde ihnen Ersatz fr Elisabeth in einem +zweiten Tchterlein: Magdalena. Amsdorf, der Magdeburger Superintendent +(Bischof), und Frau Goritzen, Gattin des Magisters und spteren +Stadtrichters in Leipzig, wurden Paten. Der Gevatterbrief an Amsdorf +lautet: + +"Achtbarer, wrdiger Herr! Gott der Vater aller Gnaden hat mir und +meiner lieben Kthe gndiglich eine junge Tochter beschert: so bitte ich +Ew. Wrden um Gottes Willen, wollet ein christlich Amt annehmen und +derselbigen armen Heidin christlicher Vater sein und zu der hl. +Christenheit helfen durch das himmlische hochwrdige Sakrament der +Taufe[170]. + +Der Gevatterinbrief lautet: + +"Gnad' und Fried' in Christo! Ehrbare tugendsame Frau, liebe Freundin! +Ich bitt Euch um Gottes willen: Gott hat mir eine junge Heidin +bescheret, Ihr wollet so wohl thun und derselben armen Heidin zur +Christenheit helfen und ihre geistliche Mutter werden, damit sie durch +Euern Dienst und Hlfe auch komme aus der alten Geburt Adams zur neuen +Geburt Christi durch die hl. Taufe. Das will ich wiederum, womit ich +soll, um euch verdienen. Hiemit Gott befohlen. Amen. Ich hab selbst +nicht drfen ausgehen in die Luft. Martinus Luther."[171] + +Als Magdalena heranwuchs, sah das Mdchen dem lteren Bruder Hnschen +"ber die Maen gleich mit Mund, Augen und Nase, in Summa mit dem ganzen +Gesicht", und war auch gutmtig und brav wie dieser. Diese zwei ltesten +Geschwister hingen auch sehr aneinander. Als Luther im folgenden Jahr +whrend des Augsburger Reichstags in Verborgenheit auf der Koburg weilte +und sich dort wie auf der Wartburg den Bart wachsen lie, um sich +unkenntlich zu machen, da lie Frau Kthe von dem kleinen Lenichen einen +Abri in schwarzer Kreide oder Tusche machen, welches freilich etwas zu +dunkel geraten scheint, und sandte es ihm als Herzstrkung in seine +"Wste", wo der Doktor in Einsamkeit und Thatlosigkeit oft trben +Gedanken nachhing, auch sich gar viel rgern mute ber den Gang der +Dinge in Augsburg; auch war gerade sein Vater gestorben, der alte Hans +Luther, was den Sohn tief bewegte, denn er hing mit kindlicher Liebe und +Ehrfurcht an ihm. Da der Vater das Konterfei des Tchterchens zuerst +ansah, konnt' er sie nicht erkennen. "Ei", sprach er, "die Lene ist ja +schwarz". Aber bald gefiel sie ihm wohl und dnkte ihm je lnger je +mehr, es sei Lenchen. Der Doktor hngte die Kontrefaktur gegen den Tisch +ber an die Wand im Frstenzimmer, wo er a, und verga ber die Maen +viel Gedanken mit dem Bilde."[172] + +Das Mdchen wurde vom Vater anders behandelt als der Sohn. Dieser wurde +mit Ernst gezogen und Luther wollte, da man ihm nichts lasse gut sein. +Aber mit seinem Tchterlein scherzte er mehr. Dagegen zog die Mutter +naturgem den Sohn vor, namentlich den erstgeborenen und suchte des +Vaters Strenge gegen ihn zu mildern[173]. + +Am Vorabend vor Luthers Geburtstag, den 9. November 1531, traf zu +Wittenberg im schwarzen Kloster wieder ein Sohn ein, der deshalb des +Vaters Namen erhielt. Als jetzt der jngste wurde nunmehr er der +Liebling des Vaters. Denn, sagt dieser, "die Eltern haben die jngsten +Kinder stets am allerliebsten. Mein Martinchen ist mein liebster Schatz, +denn solche Kinder bedrfen der Eltern Sorge und Liebe wohl, da ihrer +fleiig gewartet wird. Hnschen und Lenchen knnen nun reden, bedrfen +solche Sorge so gro nicht."[174] + +Am Namenstag des folgenden Jahres meldet Luther dem Paten Martins, dem +gestrengen und ehrenfesten Joh. von Rindesel Kurf. Kmmerer: "Euer Pate +will ein thtiger Mann werden, er greift zu und will sein Sinnchen +haben."[175] + +Der Knabe war, scheint es, krnklich und ein kleiner Taugenichts, so da +der Vater frchtete, er mchte einmal Jurist werden[176]! + +Dagegen war Hnschen ein stiller nachdenklicher Bursche, so da der +Vater meinte: "Er ist ein (geborener) Theologe." Der jngste Sohn Paul +aber, der am 28. Januar 1533 auf die Welt kam, ein krftiger mutiger +Junge, schien sich zum Trkenkrieger zu eignen. Daran dachte der Vater +schon bei seiner Geburt und whlte ihm vielleicht deshalb einen Ritter, +Hans von Lser, Erbmarschall und Landrentmeister, zum Paten. Aber auch +der Herzog Joh. Ernst von Sachsen, ferner D. Jonas und die Frau des +Kaspar Lindemann standen bei Paul zu Gevatter[177]. + +In dem Gevatterbrief an Lser, der noch in der Nacht des 28. Januar 1533 +geschrieben wurde, damit der Knabe nicht lange ein Heide bleibe und +schon zur Vesper getauft werde, heit es: "Ew. Gestrengen wollen sich +demtigen Gott zu Ehren fr meinen jungen Sohn frderlich und fglich +erscheinen, damit er aus der alten Art Adams zur neuen Geburt Christi +durch das hl. Sakrament der Taufe kommen und ein Glied der Christenheit +werden mchte, ob vielleicht Gott der Herr einen neuen Feind des Papstes +oder des Trken erziehen wolle."[178] + +Als Hans Lser zur Taufe kam, hat ihn Luther also empfangen: "Gott sei +Dank! Ich werde nicht ermangeln, Ew. Gestrengen in andern Sachen zu +dienen. Es ist heut ein junger Papst geboren worden; derohalben helfet +doch dem armen Schelm, da er getauft werde." Das Kind wurde im Schlosse +in einem Becken getauft. Hernach hat Luther seinen Gevatter zu Gaste +geladen, da sie denn viel freundliche Diskurse gefhrt. Luther sagte: +"Ich habe meinen Sohn lassen Paul heien, denn der hl. Paulus hat uns +viel groe Lehren und Sprche vorgetragen. Gott gebe ihm die Gnaden und +Gaben Pauli. Ich will, so Gott will, alle meine Shne von mir thun: der +Lust zum Krieg hat, den will ich zu Hans Lser thun; der Lust zu +studieren hat, zu Jonas und Philipp; der Lust zur Arbeit hat, den will +ich zum Bauern thun"[179]. + +Als eine Art Nachkmmling wurde das um Weihnachten 1534 geborene jngste +Kind angesehen, das nach Luthers (1531) verstorbenen Mutter Margareta +genannt wurde. Wenigstens sah der Vater voraus, da er nicht so alt +werden wrde, um sie zu versorgen. Darum schrieb er auch, als sie erst +vier Jahr alt war, ihrem Paten, dem Pfarrer Probst in Bremen: "Es gret +Euch meine Frau Kthe und Euer Patchen, mein Tchterlein Margaretchen, +der Ihr nach meinem Tode fr einen feinen frommen Mann sorgen sollt. Ihr +habt sie zum Patchen gewhlt, Euch befehle ich sie auch." Ein anderer, +sehr hoher Pate war der Frst Joachim von Anhalt, der Luther das +"christliche Amt geistlicher Vaterschaft" angetragen hatte und auch +bernahm[180]. + +Frau Kthe mute die Kinder oft ihrem Vater bringen, auch ins +Studierzimmer, da koste er mit ihnen und machte seine sinnigen +Bemerkungen ber Kindesnatur und Kindesleben; das zeige uns, wie's im +Paradies war und wie's im Gottesreich sein sollte. Der Vater schaute +aber auch mit Wohlgefallen zu, wie seine Kthe so freundlich mit ihrem +Martinchen redete und so viel Geduld und Erbarmen mit allen Kindern +hatte. Luther unterhielt sich mit ihnen bers Christkind, sah zu, wie +Martinchen eine Puppe als Braut schmckte und beschtzte, freute sich, +wenn die Kinder sich zankten und schnell vertrugen als ber ein Sinnbild +der Sndenvergebung der Gotteskinder; er sah, wie die Kinder um den +Tisch saen und in freudiger Erwartung auf Pfirsiche und Birnen sahen, +die darauf lagen, oder den Ast Kirschen, den ihnen Jonas gebracht, und +sagte: "Wer da sehen will das Bild eines, der sich in Hoffnung freuet, +der hat hier ein rechtes Konterfei. Ach da wir den jngsten Tag so +frhlich in Hoffnung knnten ansehen!" Sein herziger Mrchenbrief an +sein liebes Shnichen von der Koburg, ist das schnste Zeugnis eines +kinderfreundlichen Gemtes. Von Koburg aus besorgte Luther seinem Haus +ein gro schn Buch von Zucker aus dem schnen (Mrchen-)Garten in +Nrnberg. Auch sonst bringt er seinen Kindern von seinen Reisen immer +"Jahrmarkt" mit. Regelmig auch sendet er aus der Ferne Gre und Ksse +an Hnschen und Lenchen[181]. + +Die Gespielen der Lutherischen Kleinen waren Melanchthons und Jonas' +Kinder ("Lippus" und "Jost" im Mrchenbrief). Der Spielplatz war der +groe Klosterhof; da tummelten sie ihre Steckenpferde und schossen mit +Armbrsten, lrmten mit Pfeifen und Trommeln, tanzten oder "sprangen der +Kleider und des Baretts"; auch ein Hndlein durften die Kinder halten. +Spter richtete der Vater Luther fr sie und die andern jungen +Hausgenossen auch einen Kegelplan ein und sah zu, wie sie sich vermaen, +zwlf Kegel zu treffen, wo doch nur neun auf dem "Boleich" standen, und +schlielich froh waren, eine nicht zu fehlen. Ja, er selbst ma sich hie +und da als ein Meister des Spiels mit ihnen, "schub einmal die Kegel +umbwrts, das andere Mal seitwrts oder ber Eck"[182]. + +Aber Luther betete auch tglich den Katechismus mit seinem Sohn Hansen +und seinem Tchterlein Magdalene und die Kinder selbst muten "bei Tisch +beten und herlesen"; und auch sonst waren sie von Vater und Mutter +angehalten zum Gebet fr die Gnner und Schtzer der Reformation, fr +das Heil der Kirche und des Vaterlands. Martin und Paul hatten des +Vaters musikalische Anlagen geerbt und muten nach der Mahlzeit--allein +oder mit andern--die liturgischen Gesnge der jeweiligen Kirchenzeit +vortragen. Auch die kleine Margarete lernte mit fnf Jahren schon mit +schner Stimme singen: "Kommt her zu mir alle" und anderes[183]. + +In ihren Kindern sahen die Eltern ihr hchstes Glck und ihren +schnsten Schatz. "Kinder binden, sie sind ein Band der Ehe und Liebe", +pflegte Luther zu sagen. Er fand in ihnen seinen Trost und seine +Erholung von seinen Welt- und Kirchensorgen. "Ich bin zufrieden; ich +habe drei eheliche Kinder, die kein papistischer Theolog hat, und die +drei Kinder sind drei Knigreiche, die habe ich ehrlicher und erblicher +denn Ferdinandus Ungarn, Bhmen und das rmische Reich"[184]. + +Freilich, was fr den Vater in seinen Muestunden und bei Tisch eine +Freude und Erholung war, das brachte der Mutter Arbeit, Sorge und +Schmerzen. Es war doch keine Kleinigkeit fr die vielbeschftigte +Hausfrau in acht Jahren sechs kleine Kinder zu haben, zu pflegen und zu +erziehen--denn auf ihr lag doch das Hauptgeschft der Erziehung. Und ihr +Gatte sah das ein und bemerkte einmal, da nur unser Herrgott sich von +seinen Menschenkindern mehr gefallen lassen msse als eine Mutter[185]. + +Da war es denn ein groer Segen, da Frau Kthe in ihrem Hause eine +Sttze fand an ihrer Tante, _Magdalene von Bora_. + +Diese war bald nach ihrer Nichte selber aus Nimbschen entwichen und +wohnte jetzt im schwarzen Kloster in einem besonderen Stblein. Sie war +als "Muhme Lene" der gute Hausgeist, die echte und rechte Kindertante in +der Lutherischen Familie. Als Siechenmeisterin hat sie sich ja zum +Warten und Pflegen schon im Kloster ausgebildet. Und so wartete und +htete sie die kleinen Groneffen und Gronichten, spielte und betete +mit ihnen, verwhnte sie auch wohl und vertuschte ihre bsen Streiche, +pflegte sie in den Kinderkrankheiten und war auch fr Frau Kthe in +ihren Kindbetten und Krankheiten die sorgsame Pflegerin und Lehrerin. +Luther will in dem Mrchenbrief von der Koburg an sein Shnchen Hans die +"Muhme Lene" auch mitbringen lassen in den schnen Wundergarten und lt +sie gren und ihr einen Ku "von meinetwegen" geben; und auch sonst +sendet er Muhme Lene seine Gre[186]. + +Zu den eigenen Kindern im Lutherischen Hause kamen bald andere. Zunchst +Verwandte, Neffen und Nichten, dann aber Kinder von Freunden und +Bekannten, und endlich fremde Kostgnger. + +Der erste war Cyriak Kaufmann, der Sohn einer Schwester Luthers; er kam +als Studiosus nach Wittenberg und wurde am 22. November 1529 +immatrikuliert. Er begleitete 1530 seinen Oheim auf die Koburg und +dieser schickte ihn im August nach Augsburg, da er sich in der groen +Stadt einmal das Treiben eines Reichstags ansehe; dann mute er wieder +zu seinen Studien nach Wittenberg; auf der Heimreise brachte er von +Nrnberg den Lebkuchen fr seinen kleinen Vetter Hans Luther mit[187]. + +Luthers Schwager und Schwester Kaufmann starben frh und so kamen +allmhlich alle fnf Waisen derselben zu ihrem Oheim nach Wittenberg, +auer dem genannten Cyriak noch seine jungen Geschwister, die Brder +Fabian und Andreas, welche 1533 am 8. Juni frhzeitig mit dem erst +siebenjhrigen Hans Luther zu Wittenberg als akademische Brger +eingeschrieben wurden, und die Schwestern Lene und Else. Es war keine +Kleinigkeit, fnf elternlosen Kindern Vater und besonders Mutter zu +sein, zumal, da sie nicht alle wohlgeraten waren und namentlich Lene +Sorge machte, so da Luther einmal erklrte, wenn sie nicht gut thun +wolle, werde er sie einem schwarzen Httenknecht (Bergmann) geben, statt +einen frommen und gelehrten Mann mit ihr betrgen.--Schlielich kam zu +den zwei Nichten noch eine kleine Gronichte, Anna Strau, die Enkelin +einer Schwester Luthers[188]. + +Mit Cyriak Kaufmann war ein andrer Schwestersohn, Hans Polner, als +Student ins Haus gekommen, der an Peter Weller anbefohlen wurde. Aber +Frau Katharina war aufgetragen zuzusehen, "da er sich gehorsamlich +halte", und auch sonst mute sie fr ihn sorgen. Dieser Polner wartete +als Famulus dem Doktor auf, studierte Theologie und predigte einmal in +der Pfarrkirche; die Doktorin meinte, den htte sie viel besser +verstehen knnen, als D. Pommer, welcher sonst von dem Thema weit +abweiche und andre Dinge in seine Predigt mit einfhre, oder, wie Jonas +sich ausdrckte, unterwegs manchen Landsknecht anspreche[189]. + +Noch ein Neffe Luthers, seines Lieblings-Bruders Jakob Sohn, Martin, +wurde spter zur Erziehung der Doktorsfamilie bergeben und 1539 an der +Universitt eingeschrieben; ebenso Florian von Bora, der Sohn von Kthes +ltestem Bruder. Martin und Florian wurden zusammen mit den Kindern +Luthers unterrichtet. Einer der Neffen sollte einmal zu Camerarius auf +die Schule kommen; spter kam Florian mit Hans nach Torgau[190]. + +Schlielich wurden dem Lutherischen Hause noch allerlei Schler und +angehende Studenten anvertraut, welche in dem Kloster wohnten, aen und +unterrichtet wurden. + +Fr die eigenen und fremden Kinder wurden nun, bei der groen +anderweiten Inanspruchnahme Luthers, "allerlei Zuchtmeister und +Przeptoren" ntig: ltere Studenten, junge Magister, auch Leute von +gesetztem Alter, welche noch einmal die Universitt bezogen, um ihre +Kenntnisse zu erweitern oder die neue evangelische Theologie zu +studieren. Sie waren in Luthers Familie Hausgenossen und Tischgesellen, +untersttzten auch etwa Luther in seinen Arbeiten, ja auch (wie z.B. +Neuheller) Frau Kthe in der Wirtschaft und Aufsicht ber das Gesinde. + +So waren nach und neben einander im Hause als "Schulmeister" und Luthers +Gehlfen die Nrnberger Veit Dietrich (1529-34) und Besold (1537-42), +Cordatus (1528-31), die Freiberger Hieronymus und Peter Kelter (1530), +Joh. Schlaginhaufen (1531-32), Jodocus Neuheller (Neobulus) (1537-38) +aus Lauterburg, Jakobus Lauterbach (1536-39), Schiefer (1539-41), ein +Franziskus und zuletzt Rutfeld (1546). Diese Przeptoren hatten sogar +oft wieder ihre eigenen Zglinge, welche mit im schwarzen Kloster +wohnten und aen oder auch nur dort unterrichtet wurden. Der Unterricht +begann oft in sehr frhen Jahren: der junge Hans Luther mute schon mit +vier Jahren tchtig "lernen", hauptschlich wohl lateinisch +sprechen--wie es heute mit dem Franzsischen geschieht. + +Auer den Magistern hatte Luther noch Famuli, nicht nur seinen +lebenslnglichen Diener Wolf, sondern auch andere, wie der "fromme +Gesell", welcher "etliche Jahre treulich, fleiig und demtig gedienet +hat und altes gethan und gelitten" und 1532 wegzog. Der Famulus diente +bei Tisch, schenkte ein, besorgte Gartengeschfte, machte Ausgnge, +schrieb auch fr Frau Kthe Briefe[191]. + +Sogar eine Lehrerin wurde nach Wittenberg ins schwarze Kloster berufen: +nmlich im Jahre 1527 hat Luther auch eine Mitschwester Frau Kthe's, +die ehemalige Nonne und Flchtlingin von Nimbschen, die "ehrbare, +tugendsame Jungfrau Else von Kanitz" eingeladen auf eine Zeitlang nach +Wittenberg zu kommen. "Denn ich gedacht Euer zu brauchen, junge +Mgdelein zu lehren und durch Euch solch Werk andern zum Exempel +anzufahen. Bei mir sollt Ihr sein zu Hause und zu Tische, da Ihr keine +Fahr noch Sorge haben sollt. So bitte ich nu, da Ihr mir solchs nicht +wollt abschlagen." Die Kanitz kam aber nicht. Dafr erscheint jetzt ein +Frulein Margarete von Mochau, wahrscheinlich die Schwester von +Karlstadts Frau, im Klosterhause und wird ihre Stelle vertreten +haben[192]. + +Natrlich fehlte es bei dem groen Haushalt auch an sonstigem Gesinde +nicht und da gab es, wie berall gute und schlechte, dankbare und +undankbare, getreue und ungetreue Dienstboten. Alle aber wurden zur +"Familie" gerechnet und nahmen an der Hausandacht teil. Und der +abwesende Hausvater verfehlte nicht in seinen Briefen, das "gesamte +Gesinde" gren zu lassen. Aber er ermahnt es auch, da sie im Haus kein +Aergernis gben. Oft scherzt er in seinen Briefen ber Trgheit und +Bequemlichkeit seiner Dienstleute: so wenn er aus Nrnberg Handwerkszeug +bestellt, welches von selber geht, wenn Wolf schlft oder nachlssig +ist, oder einen Kronleuchter, der sich von selber putzt, damit er nicht +zerbricht oder beschdigt wird von der zornigen oder schlfrigen +Magd[193]. + +Natrlich auch Gste aller Art verkehrten im Schwarzen Kloster oder +wohnten darin in krzerem oder lngerem Aufenthalt, oft monate-, ja +jahrelang: vertriebene oder stellenlose Prediger, flchtige Fremde, +entwichene Mnche und Nonnen, Besuche und Festgenossen, "armseliges +Gesindlein" und frstliche Damen. + +So beherbergte das Lutherhaus 1525 mehrere adlige Ordensschwestern; 1528 +einige Monate lang sogar die Herzogin Ursula von Mnsterberg, Herzog +Georgs eigene Base, die mit zwei getreuen Klosterfrauen dem +Nonnenkloster zu Freiberg entflohen war; und zu Pfingsten 1529 wieder +drei Adelige aus demselben Konvent. Auerdem kamen auch allerlei Mnche, +sogar aus Frankreich, ins Lutherhaus nach Wittenberg, als der +allgemeinen Zufluchtssttte aller religis Bedrngten. So hat Herzog +Georg in begreiflichem Zorn, wenn auch mit unwahren Behauptungen, Luther +beschuldigt: "Du hast zu Wittenberg ein Asylum eingerichtet, da alle +Mnche und Nonnen, so uns unsre Klster berauben mit Nehmen und +Stehlen, die haben bei Dir Zuflucht und Aufenthalt, als wre Wittenberg, +hflich zu reden, ein Ganerbenhaus aller Abtrnnigen des Landes"[194]. + +Ja, die Wittenberger Freundinnen des Hauses, Bugenhagens und Dr. A. +Schurfs Frauen, warteten im schwarzen Kloster ihr Wochenbett oder ihre +Krankheit ab[195]. + +Aber auch frstliche Gste suchten das gastliche Haus der Luther'schen +Eheleute auf. + +Die Kurfrstin Elisabeth von Brandenburg hatte sich, besonders durch den +Einflu ihres evangelisch gesinnten Leibarztes Ratzeberger, der +Reformation zugewandt, whrend ihr altglubiger Gemahl Joachim I. streng +darauf sah, da das Lutherische Gift nicht ber die schsische Grenze +herberkme. Da mute er von seiner 14jhrigen Tochter Elisabeth zu +seinem Schrecken erfahren, da seine eigene Gemahlin im Berliner +Schlosse heimlich das Abendmahl unter beiderlei Gestalt genommen habe. +Er sperrte die Kurfrstin ein; das Gercht ging, er wolle sie einmauern +lassen. Da entwich sie mit Hilfe ihres kniglichen Bruders Christiern, +der damals landflchtig in Deutschland umherirrte, samt Dr. Ratzeberger +(Mrz 1528) und floh zu ihrem Oheim Kurfrst Johann nach Sachsen. Ihren +Wohnsitz erhielt sie auf Schlo Lichtenberg, hielt sich aber oft in +Wittenberg auf und verkehrte viel im Klosterhause mit Luther und Frau +Kthe; sie stand sogar zu einem der Kinder Gevatter[196]. + +Auch der Frst Georg von Anhalt wollte im schwarzen Kloster Aufenthalt +nehmen, um Luthers Umgang und Geist recht zu genieen. Aber sein +Vizekanzler mute ihm davon abraten, da das Haus zu voll sei. + +So wurde "das Haus des Herrn Doktor Luther von einer buntgemischten +Schar studierender Zglinge, Mdchen, alter Witwen und artiger Kinder +bewohnt. Darum herrschte viel Unruhe darin"[197]. + +Da begreift es sich, da, als der junge Hans anfangen sollte ernstlich +zu lernen, er der greren Mue wegen aus dem Hause gethan +wurde--vielleicht nach Torgau. Zu Neujahr 1537 ist der elfjhrige Sohn +irgendwo auf der Schule, wo er durch seine "Studien" und lateinischen +Briefe dem Vater Freude machte. Dieser erlaubt ihm, namentlich auf +Bitten von Muhme Lene, zu den nchsten Fastnachtsferien nach Hause zu +kommen zu Mutter und Muhme, Schwestern und Brdern[198]. + +Zu allen Haus- und Tischgenossen im Kloster kamen nun noch die tglichen +Besuche und Gste von Bekannten, Freunden, Verwandten, Amtsgenossen und +Mitbrgern: so aus der Ferne die Geistlichen Amsdorf und Spalatin, +Hausmann und Link, die Hofherren und Ritter Taubenheim und Lser, Bruder +Jakob oder Schwager Rhel von Mansfeld, Kthes Bruder Hans, Abgesandte +aus aller Herren Lnder, Staatsmnner und Kirchenbeamte aus England und +Frankreich, aus Skandinavien und Bhmen, Ungarn und Venedig; Stadtrte +und Brger von allen schsischen und deutschen Stdten, wandernde +Magister und fahrende Schler. Aus Wittenberg selbst verkehrten als +liebe und hufige Gste vor allem Magister Philipp (Melanchthon) und +Frau; die Grten der beiden Huser waren nicht weit von einander +und--wie man wenigstens heute erzhlt--ein Thrlein zwischen beiden +vermittelte den Verkehr der zwei Familien. Gerngesehene Hausfreunde +waren auch der Propst Jonas und seine Gattin; ferner noch andere +Gevattersleute, der Superintendent Bugenhagen, M. Kreuziger, M. Rrer, +der Buchdrucker Hans Lufft, der Meister Lukas Kranach mit seiner Frau +und der alte Meister Claus Bildenhauer oder "Bildenhain", wie Sophiele +Jonas ihn zu nennen pflegte, ein wackerer Knstler, der auch manchmal zu +Tische war; von ihm kaufte Luther spter einen Garten. Mit ihm, der auch +schon "zu viele Ostereier gegessen", gedachte Luther gern der guten +alten Zeiten[199]. + +Da wurde denn droben in der Familienstube um den groen Eichentisch oder +unten im Hof unter dem schattigen Birnbaum oder auch wohl vorm +Elsterthor drauen bei dem murmelnden Lutherbrunnen Gesellschaft und +Mahlzeit gehalten und Frau Kthe mute die Wirtin machen, ihr +treffliches Hausbru aufsetzen und auch zu den Kosten der Unterhaltung +ihr Scherflein beitragen. + + + + +8. Kapitel + +Katharinas Haushalt und Wirtschaft[200]. + + +Fr eine so zahlreiche Haus- und Tischgenossenschaft galt es eine Menge +Gemcher zu beschaffen und auszustatten; es mute Kche und Keller in +groem Mastabe in stand gesetzt werden; es war ntig, Stall und Garten +zu besorgen; es war erforderlich Markt und Einkauf, Rechnung und +Vermgensverwaltung zu verstehen; und endlich zur Regierung eines so +umfangreichen Hauswesens mit seinen vielen und vielerlei Gliedern, +Tischgngern und Hofmeistern, Kindern und Gesinde galt es eine weise +Umsicht, aber auch ein strammes Herrschaftstalent zu entfalten. + +Das alles fiel nun der Hausfrau anheim. Denn es wre unmglich gewesen, +da Luther neben den gewaltigen Arbeiten seines Berufs als Prediger, +Seelsorger, Professor, Ratgeber fr einzelne Personen wie ganze Stdte +und Lnder, als Reformator nicht nur Deutschlands, sondern der halben +Christenheit sich um die Hauswirtschaft kmmern konnte, namentlich eine +so umfangreiche, die allein schon eine ganze Menschenkraft +erforderte[201]. Sodann aber war es des Doktors Anschauung, da in Haus +und Wirtschaft die Frau zu walten und zu regieren habe: "Das Weib habe +das Regiment im Hause, ohnbeschadet des Mannes Recht und Gerechtigkeit; +dafr ist es geschaffen. Denn das ist wahr, die huslichen Sachen, was +das Hausregiment betrifft, da sind die Weiber geschickter und beredter +als wir." "Ich bin zur Haushaltung sehr ungeschickt und fahrlssig. Ich +kann mich in das Haushalten nicht richten. Ich werde von meinem groen +Hauswesen erdrckt." Vor so etwas hatte er sich schon als Junggesell +gefrchtet. 1523 sagte er: "Nimmst Du ein Weib, so ist der erste Sto: +wie willt Du nun Dich, Dein Weib und Kind ernhren? Und das whret Dein +Lebenlang; beim ersten Kind denken die Eltern daran, ein Haus zu bauen, +Vermgen zu erwerben und die Nachkommenschaft zu versorgen"[202]. +Andererseits aber war auch Frau Kthe so veranlagt und gewillt, da sie +dies Regiment gerne fhrte und ihrem Gatten alles das fernhalten wollte, +was ihn in seiner Wirksamkeit hindern und stren konnte. Und Luther lie +sich das gerne gefallen. "Meine Frau kann mich berreden, wie oft sie +will, denn sie hat die ganze Herrschaft allein in ihrer Hand, und ich +gestehe ihr auch gerne die gesamte Hauswirtschaft zu"[203]. + +So richtete nun Katharina zunchst das Haus her und ein, und der +Kurfrst und die Stadt Wittenberg, die Freunde des Hauses und die Eltern +der Kostgnger stifteten dazu mancherlei Baubedarf und Gerte. + +Das schwarze Kloster war 1502 von Staupitz mit Untersttzung des +Kurfrsten gebaut, aber nur zu einem Drittel vollendet worden. Die +Kirche war nur angefangen, die Wirtschaftsgebude kaum vorhanden. +Eigentlich war nur das sog. Schlafhaus (dormitorium), die frheren +Wohnrume der Mnche fertig, die fr 40 Menschen reichten. Aber die +Zellen--meist im dritten Stock--waren zahlreich, dagegen klein, und +daher mute wohl manche Wand durchgebrochen und manche auch aufgerichtet +werden. Auf der Gartenseite war ein grerer Saal (jetzt die Aula) und +ein kleinerer, welche beide von Luther zu Vorlesungen und Hausandachten +benutzt wurden. Ein Zimmer daneben hatte oder erhielt eine Thre in +Luthers Studierstube. Im oberen Stock wurden die Gelasse zu Gastzimmern +fr die mancherlei Hausgenossen benutzt. + +Das Erdgescho hatte Frau Kthe zu Wirtschaftsrumen eingerichtet und +zum leichteren Verkehr mit dem Oberstock eine Treppe in das Zimmer neben +das Schlafgemach fhren lassen. + +Im Jahre 1539 auf 40 erfreute Frau Kthe ihren Gatten mit einem sinnigen +Geschenk: aus Pirna lie sie--durch den dortigen Pfarrer +Lauterbach--eine schngearbeitete Pforte aus weiem Sandstein kommen, +einen Spitzbogen mit hbschen Stben; auf der einen Seite Luthers +Brustbild, auf der anderen sein Wappen, die weie Rose mit dem roten +Herzen und schwarzen Kreuz darin, vom goldenen Ring der Ewigkeit umfat, +und die lateinische Inschrift: "Im Stillesein und Hoffen ruht meine +Strke." Auf beiden Seiten der Thre waren zwei Sitze angebracht zum +Ausruhen am Feierabend[204]. + +Der Klosterhof war gegen die Strae mit einem Zaun abgeschlossen; +spter kamen an das Thor zwei Buden, wohl fr die Bewachung des Anwesens +in der unruhigen und gefhrlichen Zeit des Festungsbaues, wo die +Stadtmauern am Elsterthor abgerissen und die Stadt allem Gesindel +geffnet war[205]. + +An der Westseite des Hofes wurden nun allerlei Wirtschaftsgebude +errichtet. + +Eine Braustube war schon im Kloster vorhanden; denn der Kurfrst hatte +diesem die Braugerechtigkeit fr 12 "Gebrude" verliehen; diese ging auf +den neuen Besitzer ber und wurde von Frau Kthe selbst ausgebt. Das +war ein groer Vorteil fr den starken Haushalt; denn das Bier war in +Wittenberg auffllig teuer: die Kanne kostete drei Pfennige. Aber die +Herstellung des Brauhauses und die Gerte kosteten 150 fl. Eine +Badestube mit Wanne und Stnder baute sie nun auch und D. Lauterbach +mute ihr das Baumaterial dazu besorgen. Auch allerlei Viehstlle lie +sie errichten und hielt Pferde, Khe und namentlich Schweine, um +Arbeitskrfte, Milch und Fleisch fr den Hausbedarf zu haben: Schon 1527 +hatte man einen Stall voll Schweine, mehr als fnf Stck; 1542 waren es +zehn und drei Ferkel, so da ein eigener Schweinehirt gehalten werden +mute; ferner hatte Kthe mehrere Pferde, fnf Khe, neun Klber und +eine Ziege mit zwei Zicklein. Ein Hhnerhof lieferte die ntigen Eier. +Endlich wurden auch noch einige Keller ausgebessert oder neu angelegt, +so der Weinkeller, der neue Keller und der groe Keller. Bei der +Besichtigung des letzteren kam das Ehepaar fast um's Leben, denn das +Gewlbe strzte hinter ihnen ein, gerade als sie es besichtigt und eben +herausgetreten waren[206]. + +Im Laufe der Zeiten wurden in dem halbfertigen Hause gar mancherlei +Reparaturen ntig und ebenso allerlei Neubauten. So erhielten Johann +Crafft und M. Plato ihre Stbchen, auch der Sohn Hans, als er +herangewachsen war; Muhme Lene hatte ihr Stblein mit Kammer und +Schornstein--jedes kostete 5 fl. herzurichten. Die obere Stube und +Kammer kam aber auf 100 fl. zu stehen und die untere auf 40 fl. Auer +dem groen Keller, der (mit dem "Schaden" beim Einsturz) auf 130 fl. +gekommen war, wurde noch der neue Keller fr 50 fl. gebaut und ein +Weinkeller fr 10 fl. eingerichtet. Endlich wurde noch ein "new Haus" +gebaut, welches 400 fl. kostete. Die Treppe mute zweimal hergestellt +werden und das Dach fters geflickt[207]. + +Dazu brauchte es manches Tausend Dachsteine (Ziegel) und Backsteine, +auch nicht wenige Tonnen und Wagen Kalk, besonders in den Baujahren +1535-39: 280 Wagen Kalk und 12500 Mauersteine und 1300 Dachsteine und +wieder von beiden Arten zusammen 2600. Freilich, das Tausend +"Dachsteine" kostete nur 40 Groschen, Mauersteine 57 Groschen und der +Wagen Kalk nur 4-5 Groschen. Das lieferte die Stadt, aus der eigenen +Brennerei. Luther machte sie bezahlt durch seine Dienste (unentgeltliche +Predigt und Seelsorge u.a.) und durch Abtretung von Boden an seinem +Klosterhof. Im Jahre 1542 hatte Luther allein 1155 fl. verbaut[208]. + +Spter erlebte man im Lutherhause schweren rger durch den neuen +Festungsbau. Der Zeugmeister Friedrich von der Grne war den Lutherschen +offenbar nicht grn. Er verschttete nicht nur--mit Luthers +Bewilligung--das untere Gemach, sondern auch ohne Not und Zustimmung das +mittlere, verderbte das Brauthor, bedrohte die Gartenmauer und die +Erdmauer am hinteren neuen Haus. Und wie der Herr, so machten's die +Knechte: die Deichknechte warfen Fenster ein und trieben sonst noch +allerlei Mutwillen. Luther frchtete sogar fr seine geliebte +Studierstube, darin er so viele schwere Stunden mit Studieren und +Anfechtungen erlebt, "daraus er den Papst gestrmet" und seine +wunderbaren Schriftwerke und Episteln in die Welt gesandt. Da mute der +Doktor einen gar zornigen Brief an den Zeugmeister schicken, der +wahrscheinlich seinen Eindruck nicht verfehlte[209]. + +Im Hof, dem ehemaligen Spitalkirchhof, waren die Fundamente der Kirche +angelegt, aber nur der Erde gleichgebracht. Mitten in diesen Fundamenten +stand eine alte Kapelle "von Holz gebaut und mit Lehm beklebt; diese war +sehr baufllig, war gesttzt auf allen Seiten. Es war bei 30 Schuhen +lang und 20 breit, hatte ein klein alt rostig Vorkirchlein, darauf 20 +Menschen kaum mit Not stehen konnten. An der Wand gegen Mittag, war ein +Predigtstuhl von alten Brettern, die ungehobelt, ein Predigtsthlchen +gemacht, etwa 1-1/2 Ellen hoch von der Erde, worauf Luther einst +gepredigt hatte. In Summa, es hatte allenthalben das Ansehen, wie die +Maler den Stall malen zu Bethlehem, darinnen Christus geboren worden." +Erst im Jahre 1542 fiel es der Befestigung zum Opfer; Luther "murrte +rger darber als Jona ber die verdorrte Krbisstaude"[210]. + +Der Hof war mit einem Bretterverschlag gegen die Strae abgeschlossen +und wie der Kirchhof mit Bumen bepflanzt. Darin liefen Hhner, Gnse, +Enten, Tauben; Singvgel nisteten im Gebsch, Spatzen flogen zu und +wurden von einem Hndlein gescheucht[211]. + +Sonst diente er zum Tummelplatz der Kinder, zum Spielplatz und +Kegelschieben. + +Zur Ausstattung des groen Haushaltes mute gar viel angeschafft und +geschenkt werden. + +Von der Klosterzeit waren noch einige Sachen da: zinnerne Gefe und +Kchen- und Gartengerte als Schsseln, Bratspiee, Schaufeln, freilich +recht verbraucht und schadhaft, keine 20 fl. wert. Das mute bald +ergnzt und ersetzt werden. So auch der wurmstichige Kasten Dr. +Zwillings in Torgau. Dieser bot einen andern an; Frau Kthe wundert sich +ber den hohen Preis, den er kosten solle: 4 Florin, erkundigt sich, ob +er "reinlich" sei, mit einem "Sedel" (Sitzkasten) "fr leinen Gert +darin zu legen, da nicht Eisen durchgeschlagen das Leinen eisenmalich +macht"; sonst wollte sie sich einen in Wittenberg machen lassen. Einen +"Schatzkasten" hatte das Ehepaar bereits, nur war er "wohl tausendmal zu +weit" fr ihren Schatz; 1532 hatten sie nur einen einzigen Becher. Doch +fllte sich der Schrein allmhlich mit silbernen Bechern, Ringen, +Denkmnzen und andern Kleinodien. Auch geerbt hatten sie einen fast zu +kstlichen Pokal, den der Augsburger Brger Hans Honold dem groen +Doktor vermachte. Von Nrnberg schenkte der evangelische Abt Friedrich +eine kunstreiche Uhr, die das Lutherische Ehepaar gebhrend bewunderte; +1529 kam eine zweite (von Link) und 1542 eine dritte dazu. 1536 +schickten die ltesten der Mhrischen Brder ein Dutzend bhmische +Messer[212]. + +Eine stndige Ausgabe machten die Anschaffungen fr Leinwand, Betten, +Federn, Leuchter in die Schlafkammern; fr zinnerne Kannen, Schsseln, +Teller, Becken, Kesseln, Pfannen in die Kche; fr Schaufeln, +Grabscheite, Gabeln, "Schupen", Mulden, Radbarn (Schubkarren) in den +Garten; fr Fsser, "Gelten" (niedere Kbel), Eimer in Keller und +Waschkche; fr Geschirr und Wagen zum Fuhrwerk[213]. + +Das Klosterhaus war bisher zwar im thatschlichen Besitze Luthers; aber +eine frmliche Verschreibung hatte er nicht, nur durch mndliche +Abmachung war das Gebude mit seinen Gerechtigkeiten ihm vom Kurfrsten +berlassen. Diesem hatte es Luther, der letzte Mnch des Wittenberger +Augustinerkonvents, als dem jngsten Erben zur Verfgung gestellt. +Nunmehr aber bettigte der ihm so wohlgewogene Kurfrst Johann vor +seinem Tode der Lutherschen Familie den Besitz des Anwesens +vorbehaltlich des Vorkaufsrechtes fr Staat und Stadt in einer +frmlichen Verschreibung. Die Urkunde besagt[214]: + +"Von Gottes Gnaden Wir Johann Herzog von Sachsen thun kund mnniglich: + +Nachdem der ehrwrdig und hochgelahrte unser lieber andchtige Herr M. +Luther D. aus sonderlicher Gnad und Schickung Gottes sich fast vom +Anfang bei unser Universitt zu Wittenberg mit Lesen in der heiligen +Schrift, Predigen, Ausbreitung und Verkndung des heiligen Evangelii +u.s.w. bemht, so haben Wir in Erwgung des alles und aus unser +selbsteigenen Bewegnis unersucht obgen. D.M. Luther, Katharin seinem +ehelichen Weib und ihrer beider Leibeserben die neu Behausung in unserer +Stadt Wittenberg, welche hievor das "Schwarze Kloster" genannt war, +darinnen D. Martinus seither gewohnt, mit seinem Begriff und Umfang samt +dem Garten und Hof zu einem _rechten freien Erbe_ verschrieben und sie +damit begabt und begnadet als ihr _Eigen_ und _Gut_.... Geben auch +vielgenanntem Doktor und seiner ehelichen Hausfrau aus sonderlichen +Gnaden diese _Freiheiten_, da sie zu ihrer beider Lebtag aller +brgerlichen Brden und Last derselben frei sein, also da sie keinen +Scho noch andre Pflicht wie Wachen und dgl. davon sollen thun und mgen +gleichwohl brauen, mlzen, schnken, Vieh halten und andere brgerliche +Handtirung treiben. + +... Zu Urkund ... + +Torgau, 4. Febr. 1532." + +"Es war Wittenberg bis daher eine arme, unansehnliche Stadt mit kleinen +alten hlichen, niedrigen hlzernen Huslein, einem alten Dorfe +hnlicher als einer Stadt. Aber um diese Zeit kamen Leute aus aller +Welt, die da sehen, hren und etliche studieren wollten." Da wurde nun +freilich gebaut und gebessert. Aber in dem kleinen Stdtchen mit seinen +paar tausend Einwohnern und ebensoviel Studenten waren die alltglichen +Bedrfnisse nicht gar leicht zu bekommen. Melanchthon schon beklagte +sich bei seiner Uebersiedlung nach Wittenberg, da da nichts Rechtes zu +bekommen sei und Luther schreibt selbst: "Es ist unser Markt ein Dr. +----" Dazu war es teuer genug. Und so mute Frau Luther nicht nur einen +Kasten, einen Pelzrock fr die kleine Margarete nach angegebenem Ma von +auswrts bestellen, sondern allerlei Bedrfnisse, Smereien, Stecklinge, +sogar Borsdorfer Aepfel, ja Butter und Kse mute sie von weither aus +Pirna durch den dortigen Pfarrer Lauterbach oder von Erfurt und Nrnberg +kommen lassen[215]. + +Als Kthe fr Luthers Gronichte die Hochzeit ausrichten sollte (Januar +1542), mute ihr Gatte an den Hof nach Dessau um Wildbret schreiben. +"Hie ist wenig zu bekommen, denn die Menge (der Einwohner) und viel mehr +die Aemter und Hoflager haben schier alles aufgefressen, da weder +Hhner, noch ander Fleisch wohl zu bekommen, da, wo es fehlet (am +Wildbret) ich mit Wrsten und Kaldaunen mu nachfllen." Natrlich mute +sie auch Mehl kaufen, whrend Landpfarrer solches zu Kauf anboten, und +Frau Kthe konnte es sehr verdrieen, wenn ein solcher ihr, weil sie die +Frau Doktorin war, fr den Scheffel neunthalb Groschen forderte, also +mehr als die Bauern. Und ebenso vermerkte sie bel, da die Wittenberger +drei Pfennig fr ein Kandel Bier begehrten[216]. + +Wie alle Stadtbewohner des Mittelalters, auch die Professoren, Jonas, +Melanchthon u.a.[217], so strebte darum auch Frau Katharina nach +liegenden Grnden; als ehemaliges Edelfrulein und Klosterfrau hatte sie +ohnedies eine besondere Neigung zum Grundbesitz, und auch Luther hatte +seine Freude wenigstens an der Natur und der Landwirtschaft. So hielt +man es auch fr die sicherste Anlage und eigentliches Erbe fr die +Nachkommen, "Feld und Gut zu hinterlassen", und auch Frau Kthe "hoffte +zu Gott, er werde ihren Kindern, so sie leben und sich frommlich und +ehrlich halten werden, wohl Erbe bescheren"[218]. Freilich ist der Boden +auf dem rechten Elbufer, wo Wittenberg liegt, wie Luther klagt, drei +Meilen herum, sandige und steinige Heide, so da bei windigem Wetter +nach dem Witzwort 99 Prozent Landgter in der Luft herumfliegen. Er +fuhrt den plattdeutschen Spruch im Mund: + + Lndicken, Lndicken + Du bist ein Sndicken! + Wenn ik dik arbeite, + So bist du licht (leicht); + Wenn ik dik egge, + So bist du schlicht; + Wenn ik dik meie (mhe), + So find ich nicht (nichts). + +Ueber diese Wittenberger Gemarkung bemerkte er gegenber der seiner +Heimat: "In dieser unserer Gegend, welche sandig ist, giebt die Erde in +mittleren Jahren fr einen Scheffel 7 bis 8, in Thringen meist 12 und +mehr"[219]. Dennoch erwarben die Luthers bald mehrere Grundstcke, zwei +Hufen und zwei weitere Grten. + +Schon 1531 kaufte Kthe einen Garten, wie Luther sagte "nicht fr mich, +ja gegen mich". Es ist wohl derselbe, dessen Kauf sie "mit Thrnen" +durchsetzte, so da er seinem Freund und ehemaligen Mitbruder Brisger +sein Huschen nicht abkaufen, ihm auch kein Geld leihen konnte. Dieser +Garten, an der Zahnischen Strae gelegen, wurde, scheint es, spter +veruert; dafr wurde (um 1536) von Claus Bildenhauer fr 900 fl. ein +grerer "Baum-Garten" mit allerlei Gebulichkeiten und einem +angestrichenen Zaun erworben. Einer dieser Grten lag vor der Stadt an +dem "Saumarkt"; deshalb adressiert Luther Briefe an die "Saumrkterin", +"auf dem Saumarkt zu finden"[220]. Hier flo die "Rische Bach" und +speiste wohl die "Fischteichlein", welche Frau Kthe mit allerlei +Fischen, sogar mit edlen Forellen besetzte. Am Hause wurde ferner im +selben Jahre (1536) ein Garten mit Bumen angelegt, der 400 fl. kostete. +Fr den Famulus Wolf wurde um 20 fl. ein Grtlein gekauft, wo er +wahrscheinlich seinen Vogelherd anlegte, mit dem ihn Luther +verschiedentlich neckt. Ferner wurden einige Hufen gekauft am +"Eichenpfuhl"[221]. + +Zwei Jahre vor Luthers Tode kam endlich noch zu Frau Kthes Wirtschaft +um 375 fl. ein Hopfengarten hinzu, der "an der Specke", einem +Eichwldchen auf der nahen Gemarkung des Dorfes Lopez, gelegen war, wo +die Studenten gerne lustwandelten und auch manchen Unfug trieben. Aus +diesem Garten gewann die Frau Doktorin ihren Hopfenbedarf fr ihr +Klosterbru[222]. + +So schaltete und waltete Frau Kthe im Haus und in ihren Grten und +Hufen als "Kchenmeisterin", "Buerin und Grtnerin", fuhrwerkte, baute +Aecker, kaufte Vieh, weidete Tiere u.s.f. Besonders verlegte sie sich +mit ihrem Gemahl auf die Obstzucht: Kirschen, Pfirsiche, Nsse, Apfel, +Birnen erntete die Doktorin. Auch mit Rebbau gab sie sich ab, und ihr +Faktotum Pfarrer Lauterbach mute ihr aus Pirna dazu die Pfhle, allein +10 Schock d.h. 600 Stck, besorgen; freilich wurde aus den Trauben nicht +Wein bereitet, sondern sie dienten zur Nachkost auf der Tafel. Selbst +mit Feigen- und Maulbeerbumen versuchte sie sich. Und als Gemse +pflanzte sie nicht nur die einheimischen: Kraut, Erbsen und Bohnen, +sondern auch Gurken, Krbisse und Melonen, wozu Link aus Nrnberg die +Samenkerne schickte. Mit Erfurter Riesenrettichen wollte Luther seine +Freunde nicht nur in Erstaunen setzen, sondern sie auch selbst gezogen +haben. Frau Kthe war sehr unglcklich, wenn Ungeziefer ihr das Gemse +schdigten: "denn Raupen im Kohl und Fliegen in der Suppe--ein sehr +ntzlich und lieblich Vieh!" hie es da. Aber noch rger war ihr's, wenn +Studenten, Spatzen und Dohlen ihr in die Grten einfielen, und ihr +Gemahl htte gern ein strenges Edikt "gegen die unntzen Sperlinge und +Krhen, Raben und Spechte erlassen, welche alles verderben"[223]. + +In einem der Grten waren Bienenstcke, vor welchen der grbelnde Doktor +das wunderbare Treiben der fleiigen Tierlein belauschte, die praktische +Hausfrau aber den sen Ertrag berechnete fr Met, Swein und +Honigkuchen. Im groen Garten drauen vor der Stadt, hatte Frau Kthe +ihre Fischteichlein, worin sie Hechte und Schmerle, Kaulbarsche und +Karpfen, sogar Forellen zog und von denen sie bei guter Gelegenheit +etliche "gesotten auf den Tisch brachte und mit groer Lust und Freude +und Danksagung davon a", und sie hatte "grere Freude ber den wenigen +Fischen, denn mancher Edelmann, wenn er etliche groe Teiche und Weiher +fischet und etliche hundert Schock Fische fhet"[224]. + +Mit diesen Grten waren aber die Gtererwerbungen der Lutherischen +Familie noch nicht abgeschlossen. Zunchst kam ein unwillkommener Erwerb +hinzu, den Luther aus Geflligkeit bernahm. Es war das kleine Haus +"Bruno", eine "Bude" ohne Gerechtigkeiten und Zubehr an Garten, +unmittelbar neben dem Kloster, aber vorn an der Kollegiengasse gelegen. +Das hatte Luthers letzter Klosterbruder Brisger fr sich bauen lassen, +dann aber bei seinem Wegzug dem Pfarrer Bruno Brauer zur Verwaltung +gegeben und Luther oft angeboten; dieser konnte es aber wegen anderer +Kufe nicht erwerben, auch forderte Brisger, der von seiner katholisch +gebliebenen Mutter enterbt wurde und, scheint es, in Geldbedrngnis war, +einen zu hohen Preis (440 fl.). Endlich kaufte es Luther als Lehen fr +seinen Diener Wolf Sieberger bezw. als Leibgedinge fr seine Gattin, +mute aber den Kaufschilling vllig schuldig bleiben. Der Besitz dieses +Hauses war unwillkommen, weil es erst wieder vermietet werden mute und +mehr Sorgen als Ertrag brachte; es kostete 250 fl. und mute noch um 70 +fl. "geflickt" werden[225]. + +Der Sinn von Frau Kthe stand viel mehr auf landwirtschaftliche +Besitztmer, weil diese ihrer nutzbringenden Thtigkeit mehr +entsprachen. So bekam sie nach einem groem Pachtgut Verlangen, um +daraus ihre groen huslichen Bedrfnisse zu beschaffen; sie wollte +nicht abhngig sein von den teuren Lieferanten und strrischen Bauern, +welche manchmal eine knstliche Teuerung veranlaten. So hatte sie schon +1536 ihren Gevatter, den Landrentmeister Hans von Taubenheim, um +Ueberlassung eines gnstig gelegenen Gutes, Boo, gebeten, hatte es aber +nicht bekommen. Drei Jahre spter fing sie aufs neue Verhandlungen mit +Taubenheim an. Ihr Brief lautet in der ursprnglichen Schreibweise so: + +"Gnad vnd fride yn Christo zuuor, gestrenger, ernuester, lieber herr +geuatter. Euch ist wol wissentlich, wie ich E.g. vngeferlich fur dreyen +jaren gebeten, da myr das gut "_Boo_" myt seynen zugehorungen vmb +eynen gewonlichen zyn zu meyner teglichen hawhaltung wie eynem andern +mochte gelassen werden, als denn auch meyn lieber herr bey doctor +Brug[226] diselbige zeyt deshalben hat angeregt; ist aber dasselbig mal +vorblieben, da ichs mecht bekommen, vylleycht da doselbst nicht lo +ist gewesen von seynem herrn, der es vmb den zyn hat ynnen gehabt. Ich +byn aber unterrichtet, wie der kruger von Brato, welcher es dysse zeyt +ynnengehabt, soll iezund solch gut logeschrieben haben, wo solchs also +were, ist meine freuntliche bytte an Euch also mynen lieben gevattern, +wollt myr zw solchem gut fodderlich seyn vmb denselbigen zyn, o eyn +ander gybt, wyll ichs von herczen gerne annehmen vnd die zyne deglich +an zwen orth vberychen. Bitte gancz freuntlich, e.g. wolde myr Ewer +gemueth wyder schreyben vnd das beste rathen yn dyssem fall vnd +anzceygen, wo ich etwas hyrin vnbyllichs begert vnd woldet denen nicht +stadgeben myt yrem argkwone, al olde ich solchs gut fur mich odder +meyne kinder erblich begeren, welche gedanken yn meyn hercz nie kommen +synd. Hoffe zu gott, er werde meynen kindern, o sie leben vnd sich +fromlich vnd ehrlich halten wurden, wol erbe beschern, bytte alleyne, +das myrs ein jar odder zwey vmb eynen zymlichen geburlichen zyn mochte +gelassen werden, damyt ich meyne haushaltung vnd vyhe deste bek(w)emer +erhalten mochte, weyl man alles alhier vfs tewerst kewfen mu vnd myr +solcher ort, der nahe gelegen, er nuezlich seyn mochte. Ich habe meynen +lieben herrn iczt yn dver sachen nicht wollen beschweren, an Euch +zuschreyben, der sunst vyl zu schaffen, ist auch on noth, da E.g. +solchs meyn antragen ferrer an ymandes odder an m. g'sten herrn wolde +gelangen lassen, under o Ir solche myne bytte fur byllich erkennet, +da Irs myt dem schozer zw Seyda bestellen wolt, da myr solch gut vmb +eynen geburlichen zyn wie eynen andern mochte eyngethan werden. Domyt +seyet gott bepholen. Gegeben zu Wyttembergk, Montag nach Jubilate ym +1539. jhare. + +Catherina Lutherynu"[227]. + +Wiederum wurde aus der Pacht nichts. Dagegen kam Frau Kthe im folgenden +Jahre unverhofft zu einem eigenen Hofgut, das sogar ihr persnlich als +Leibgeding gehrte und ihr um so werter sein mute, als es der letzte +Rest von dem Erbgut der Bora war, welches sonst der Familie anscheinend +vollstndig abhanden gekommen war. + +Es war das Gtchen Zulsdorf, das ihr Bruder Hans vor sieben Jahren +bernommen hatte, aber trotz der Mitgift der Witwe Apollonia von +Seidewitz, die er geheiratet hatte, nicht halten konnte, oder das zu +gering war, um ihn selbst zu ernhren. Es war freilich weitab von +Wittenberg gelegen, wohl zwei Tagereisen; aber es zog sie doch hin nach +dieser ihrer mutmalichen einstigen Heimat und ihrem knftigen +Witwensitz. So wurde Frau Kthe die Nachbarin von Amsdorf, dem Bischof +von Naumburg, dem sie jetzt ihren Gru entbietet als "gndigem Nachbar +und Gevatter". Ihr Gemahl that alles, "um die neue Knigin wrdig in ihr +Reich einzusetzen" und titulierte sie seitdem als die "Zulsdorferin", +"die gndige Frau von Zulsdorf", oder "Ihro Gnaden Frau von Bora und +Zulsdorf"[228]. + +Hier in ihrem, "neuen Knigreich" und Sondereigentum konnte ihr +unternehmender thatkrftiger Geist so recht nach Behagen schalten und +walten und ein Neues pflgen und schaffen. Denn das Gtchen war +verlottert, das Land eine "wste Mark", die Gebulichkeiten baufllig. +Sie ri nieder, baute, besserte, fuhrwerkte und nahm dabei, wie gewohnt, +auch die Hilfe der Freunde ihres Hauses in Anspruch: der Herr von Ende +mute ihr Hafer und Saatkorn liefern, der von Einsiedel Wagen stellen, +Spalatin ihre Fuhrleute beherbergen. Sie steckte viel Geld hinein, der +Kurfrst gab ihr Eichenbalken und anderes Holz und 600 fl. +"Begnadigung", aber auch das reichte zum Schmerze Kthes nicht fr +Reparatur und Zustandhaltung des heruntergekommenen Anwesens, so da +Luther im ersten Jahr schreibt: "Sie verschwendet in diesem Jahr dort, +was erzeugt wurde"[229]. + +Dabei hatte die Doktorin allerlei Aerger und Migeschick: die +Eichenstmme, die ihr der Kurfrst aus dem Altenburger Forst angewiesen +und die Luther selbst ausgesucht hatte, lie sie fllen, um sie in +Bretter schneiden zu lassen fr ein Scheunlein. Als sie aber mit ihrem +Fuhrwerk kam, die Bume abzuholen, waren sie vom Amtmann verkauft oder +unterschlagen. Und es mute geklagt, von neuem petitioniert und +verhandelt werden, bis wieder Holz angewiesen war und Kthe die Fuhren +besorgen konnte. Weitere Unannehmlichkeiten erlebte die Gutsbesitzerin +mit den Anliegern von Zulsdorf, den Kieritzscher Bauern, welche ihr das +Weiderecht beeintrchtigten. So hatte sie im Jahre 1541 monatelang vorm +Amtmann Heinrich von Einsiedel zu Borna mit denen von Kieritzsch zu +prozessieren. Das Urteil des Kurfrsten fiel gnstig fr die +Lutherischen aus; sie "htten in der Gte wohl mehr um Friedens und +guter Nachbarschaft willen eingerumt"[230]. + +Trotzdem verleidete der Doktorin der Besitz nicht. Wochenlang, +namentlich wenn Luther verreist war, hielt sich Frau Kthe in ihrem +neuen Besitztum auf, so da ihr der Gemahl manche Epistel dahin +schreiben mute. So im Herbst (13. September) 1541, wo sie vielleicht +mit einigen Kindern Obsternte dort hielt. Da schreibt er: "Meiner lieben +Hausfrauen Kthe Ludern von Bora zuhanden. + +G.u.F.! Liebe Kthe! Ich lasse hiermit Urban zu Dir laufen, auf da Du +nicht erschrecken sollst, ob ein Geschrei vom Trken zu Dir kommen +wrde. Und mich wundert, da Du so gar nichts her schreibst oder +entbeutst, so Du wohl weit, da wir hie nicht ohne Sorge sind fr euch, +weil Mainz, Heinz und viel vom Adel in Meien uns sehr feind sind. +Verkaufe und bestelle, was Du kannst, und komme heim. Denn als mich's +ansieht, so will's Dreck regnen, und unsre Snde will Gott heimsuchen +durch seines Zornes Willen. Hiemit Gott befohlen, Amen. + +Sonntags nach Lamperti 1541. + +M. LutheR"[231]. + +Ja noch zu Wittenberg war Kthe mit ihren Gedanken oft abwesend auf +ihrem Lieblingssitz, so da ihr Gemahl adressiert: "Der reichen Frauen +zu Zulsdorf, Frauen Doktorin Katharin Lutherin, zu Wittenberg leiblich +wohnhaftig und zu Zulsdorf geistlich wandelnd, meinem Liebchen." Auch +Luther hielt sich manchmal in dem stillen Oertlein zur Erholung auf und +sendet von hier Briefe und Gre "von meinem Kthe und Herrn zu +Zulsdorf"[232]. + +Wohl weil Zulsdorf zu weit abgelegen und zu wenig eintrglich war, so +wandte in den letzten Jahren Frau Katharina ihre Augen auf das Gut +Wachsdorf bei Wittenberg, eine Stunde davon, jenseits der Elbe auf +fruchtbarem Boden gelegen, mit Hochwald umgeben; freilich etwas sumpfig. +Es gehrte des [Symbol: gestorben] Dr. Sebald Mnsterers Kindern und war +der Erbteilung wegen kuflich. Aber es wurde nichts daraus; namentlich +hintertrieb der Kanzler Brck die Erwerbung. + +Auch der Doktor war mit dieser groen Ausdehnung der Wirtschaft nicht +mehr recht einverstanden, obwohl er den Hausspruch: "Eigen Wat gut ist +dat" sehr wohl kannte und anerkannte und sagte, alles Gute im Ehestand +sei eitel Segen Gottes was niemand erkenne, "als der Gott frchtet und +alles auf dem Markte kaufen mu." Er konnte sich in diese Haushaltung +nicht richten; er meinte, da die Sorge und Geschftigkeit um den groen +Haushalt sie abziehe, in stiller, gemtlicher, geistiger Weise sich +selbst zu leben und ihm und ihren Kindern. Auch klagte er gelegentlich +ber die vielen Dienstboten, welche in dem weitluftigen Hauswesen ntig +waren; so schon 1527 waren mehrere Mgde da, 1534 ein Kutscher, spter +sogar ein Schweinehirt. Er meinte: "Ich habe zu viel Gesinde." Mehr +Dienstboten als heutzutage waren ja auch in diesen Zeiten blich und +mglicherweise ist hierin Frau Kthe etwas weiter gegangen, was wohl mit +der zahlreichen Gesindeschar im Klosterleben zusammenhngen mochte[233]. + +Aber es ist doch begreiflich, da die Frau Doktorin darauf bedacht +war, ihre Wirtschaft zu erweitern. Es war nicht allein die +unternehmungslustige Thatkraft der energischen Frau, welche Neues +schaffen und ein groes Bereich beherrschen wollte, es war auch die +Sorge um die Bedrfnisse des groen Haushaltes selbst, es war aber ganz +besonders das Streben, die konomische Zukunft der nicht kleinen Familie +fr das Alter, namentlich aber fr die eigene Witwenschaft und das +Waisentum ihrer fnf Kinder, zu sichern, indem sie das in Luthers Hnden +gefhrdete flssige Geld in festes Gut umwandelte. + +So bestand am Ende der gesamte Besitz der Lutherischen Familie aus einem +Landgut, dem groen und kleinen Haus, dem Klostergarten, dem +"Baumgarten" auf dem Saumarkt, dem Hopfengarten an der "Specke" und zwei +Hufen Landes. Das war ein ziemlich umfangreicher Besitz, der neben der +groen und weitlufigen Haushaltung gar viel Unruhe verursachte und viel +Zeit und Arbeit kostete, so da man kaum begreift, woher Frau Kthe nur +die Zeit nahm, um das alles zu besorgen und zu bersehen. Und wir +verstehen, da es ihr manchmal zu viel wurde und sie dem heftigen, +ungeduldigen Mann manchmal nicht rasch genug nachkommen konnte, so da +er klagt: "Ich bin unter einem unglcklichen Stern geboren, vielleicht +dem Saturn; was man mir thun und machen soll, kann nimmermehr fertig +werden; Schneider, Schuster, Buchbinder, mein Weib ziehen mich aufs +lngste hin." Aber er mu in derselben Zeit auch die vielgeplagte Frau +noch entschuldigen, wo sie ein Kind an der Brust und eins unter dem +Herzen nhrte: "Es ist schwer zwei Gste zu nhren, einen im Haus und +den andern vor der Thre." Und er erkennt ihre Anstrengungen und Sorgen +auch an: "Mein Wolf hat's besser denn ich und meine Kthe"[234]. + +Die Frau Doktorin war aber auch ein gar fleiiges Weib. Sie hat in ihrem +Bereich ebenso gewaltig und unermdlich geschafft und geschaffen, wie +der Doktor in dem seinigen. + +Freilich schon morgens um 4 Uhr im Sommer, um 5 Uhr im Winter, oft auch +noch frher, stand sie auf, und darum wohl sagte ihr Gatte und ihre +Mitbrger: "Kthe von Bora ist der Morgenstern von Wittenberg." Und so +stand sie an der Arbeit bis abends um 9 Uhr, wo der Doktor unerbittlich +zum Schlafengehen drngte. Freilich hatte sie einen krftigen, +leistungsfhigen Krper und war, im Gegensatz zu ihrem viel krnklichen +Mann, so gesund, da fast niemals von einer Erkrankung Meldung +geschieht. Es ist nur einmal die Rede davon, da sie eines Abends +schwach wurde und ein Fieber bekam, so da ihr Gatte in Angst geriet und +sagte: "Liebe Kthe, stirb mir ja nicht." Ein andermal, da D.M. Luther +mit etlichen ber Tische redete, ging sie in die Kammer und fiel in +Ohnmacht. Aber das war alles vorbergehendes Unwohlsein. Nur _eine_ +Krankheit machte sie durch infolge einer Frhgeburt; sonst scheint sie +gesund gewesen zu sein bis ins Alter[235]. + +Doch nicht nur unermdliche Geschftigkeit war Kthes Tugend, sondern +sie verstand es auch, das Hausregiment zu fhren in Kche und Keller, im +Brauhaus und Backhaus, in Garten und Feld, in der Kinder- und +Gesindestube, als Mutter und Gattin, als Wirtin und Herrin, als +"Predigerin, Bruerin, Grtnerin und was sie mehr sein kann", und mit +Bezug auf sie, die Hausregentin und "Kchenmeisterin", schrieb Luther an +den Rand seines Hausbuches: + + "Der Frauen Augen kochen wohl + Mehr denn Magd, Knecht und Feuer und Kohl"[236]. + +Freilich Luther selbst war nicht weniger arbeitssam, auch mit +krperlicher Beschftigung; namentlich in den ersten Jahren: er grtelte +gern und viel, grub, sete, pfropfte; er drechselte auch auf seiner +eigenen Drehbank. Beides sah gewi Frau Kthe gern, nicht nur, weil es +manchen Tagelohn und Handwerksmann ersparte, sondern weil es auch +Luthers Gesundheit zutrglich war. Weniger Gefallen hatte sie an seiner +aus der Junggesellenzeit herbergenommenen Neigung, seine Kleider selber +zu flicken. Der Doktor that sich auf diese Kunst viel zu gut und dnkte +darin sich geschickter, wie die deutschen Schneider, welche keine +gutsitzenden Hosen fertig brchten. Da fand Frau Kthe eines Tags zu +ihrem nicht geringen Staunen und Verdru ein Paar Hosen ihres Buben, aus +denen ein Stck herausgeschnitten war: und als sie nachfragte, hatte der +Herr Gemahl den Flicken zum Ausbessern seiner eigenen Hose +verwendet[237]!-- + +Es war ein arbeitsseliges Haus, die ehemalige Sttte der +Beschaulichkeit. Droben in der Studierstube der groe Doktor, der mit +emsiger Gewissenhaftigkeit und dem angestammten Flei eines Bauernsohnes +seine Zeit auskaufte fr die geistliche Haushaltung der Kirche; und +unten die wirtliche Hausfrau, die in echter deutscher Geschftigkeit und +Treue sich ihrem Hause widmete, dem Gatten und den Kindern, dem Gesinde +und den Freunden, und deren Stolz und Ruhm es war, alles zu knnen und +alles zu thun. + +So waltete Frau Kthe in ihrer "Wirtschaft". + + + + +9. Kapitel + +"Wunderliche Rechnung zwischen D. Martin und Kthe." + + +Ein Grundbesitz, wie ihn das Lutherische Ehepaar am Ende aufwies, zeugte +von nicht geringer Vermglichkeit. Woher und wie war nun dieses Vermgen +zusammengekommen? + +Katharina sowohl wie Luther brachten nichts in die Ehe. Sie waren am +Anfang ihres Hausstandes und noch lange fort vollstndig vermgenslos; +erst nach seiner Eltern Absterben (1530-31) erbte Luther eine kleine +Barschaft von 250 fl. Im Jahre 1527 war er noch gnzlich ohne Besitz, er +war arm und ein Bettler, konnte weder Haus, Aecker, liegende Grnde, +Geld noch Gut seinem Weib und Kind nach sich lassen, wenn er damals +gestorben wre. Denn auch das Klosteranwesen war noch nicht sein +ausgesprochenes Eigentum. "Armut ist mein Irrtum und meine Ketzerei", +sagte er noch 1530; und zwei Jahre darauf hat er nur einen Becher im +Schatzkstlein. Noch 1534 mute er es ablehnen, fr ein paar hundert +Gulden das kleine Haus Bruno zu kaufen: er wollte seine Armut nicht +offenbar werden lassen, weil er's fr unmglich hielt, jemals auch nur +die Hlfte einer solchen Summe zusammenzubringen[238]. + +In Ermangelung eines eingebrachte Heiratsgutes war das Ehepaar also auf +die Besoldung angewiesen, welche der Hausvater hatte, und auf den +Verdienst, welchen die Hausmutter von der Bebauung des Gutes und ihrem +Kosttisch zog. + +Die Beamtenbesoldungen waren zu jener Zeit nicht etwa blo feste +Gehalte, sondern bestanden auch in allerlei Ehrengeschenken, meist in +Naturalien, welche den Angestellten bei besonderen Gelegenheiten und fr +besondere Dienstleistungen, als Reisen, Gutachten, Berichte, Schriften +u.a., von den Frsten und Stadtobrigkeiten zuflossen. + +Seit seiner Verheiratung war Luthers Besoldung von einhundert auf +zweihundert Gulden erhht worden. Von 1532 ab, unter Kurfrst Johann +Friedrich, kamen noch jhrlich 100 Scheffel Korn, 100 Scheffel Malz fr +zwei Gebrude Bier, 60 (spter 100) Klafter Holz und zwei Fuder Heu +hinzu. Freilich blieben die Lieferungen "aus Unwillen" der Beamten +manchmal aus. Der kurfrstliche Keller zu Wittenberg stand den +hervorragenden Professoren immer offen. Auerdem kamen ihm vom Hofe +allerlei Viktualien zu: Wein, Most, Essig, Obst, Fische, Wildbret, +Arzneien, auch Kleider und Tuche. So sendet 1543 der Kurfrst "zwei Fa, +eins mit altem Wein, das andre mit heurigem gewachsenen Most, Suptezer, +so gut Uns der allmchtige Gott dies Jahr bescheret hat; den wollet von +Unseretwegen gutwillig annehmen und in Frhlichkeit genieen". Auch der +Dnenknig Christian III. sandte in den letzten Jahren (1543) zuerst +Butter und Heringe; als man aber unterwegs mit dieser "Kchenspeise +unschicklich umgegangen", wurde die Sendung in ein Geschenk von 50 fl. +verwandelt. Soviel erhielten auch die andern Wittenberger Theologen +Bugenhagen und Jonas: es war ein Ehrensold, den der Frst fr die +Ausbildung seiner Gottesgelehrten an die schsische Universitt +zahlte[239]. + +Wenn der Kurfrst Johann an Luther bei Aufhebung des Klosters den +Hausrat im Werte von 20 fl. und die Kchengerte, welche um 50 fl. +verkauft wurden, berlie, so war das eine Entschdigung dafr, da er +lange Zeit sein Deputat an Viktualien gar nicht oder nur sprlich +erhalten hatte. Fr den Hausrat hatte er "der Kirche und Universitt mit +Predigen, Lesen, Schreiben u.s.w. die langen Jahre her um Gotteswillen +und umsonst gedient; und fr die Kchengerte hatte er Nonnen und Mnche +(Diebe und Schlke mitunter) gekleidet, gespeiset und versorget mit +solchem Nutzen, da ich das Meine und 100 fl., so mir m. gn. H. Herzog +Hans zur Haushaltung geschenkt, gar weidlich zugesetzt habe"[240]. + +Aehnlich waren die Geschenke der Stadt Wittenberg auch nur +Gegenleistungen. So hat der Stadtrat aus seinen Brennereien +Baumaterialien, als Ziegelsteine und Kalk, nicht angerechnet, schenkte +auch sonst eine Jahresgabe oder besondere Erkenntlichkeit, so als +Luther in der Osterzeit jeden Tag gepredigt hatte, einen halben Lachs, +anno 1529 der Frau Doktor in Abwesenheit ihres Mannes 10 Thaler, "weil +man ihm dies Jahr sonst keine Verehrung gethan". Dafr war Luther ohne +Gehalt bei dreiig Jahre der Stadt Prediger gewesen, hatte auch oftmals +noch Bugenhagen auf krzere oder lngere Zeit, einmal sogar, als jener +auswrts reformierte, zwei Jahre lang (1535-37) vertreten. Auch mute +Luther auf seine Kosten "zu ihrer Kirche Dienst und Nutz" Diener halten, +ohne da der "gemeine Kasten" etwas fr sie beitrug. Ferner trat Luther +einen groen Raum vorm Klosterhof umsonst an die Stadt ab, gestattete +auch, da sein ganzes Anwesen nach seinem Tode und das Nebengebude auch +bei seinen Lebzeiten unter das Brgerrecht gestellt wurde, whrend es +vorher ganz frei gewesen. Ebenso wollte Luther, als der Kurfrst 1542 +eine Trkensteuer ausschrieb, obgleich er grundsteuerfrei war, doch des +Beispiels wegen auch geschatzt sein[241]. + +Trotz solcher Gegendienste, welche mittelbar oder unmittelbar +"Geschenke" veranlaten, nahm doch Luther solche nicht ohne Wahl und Ma +an. Er lehnte nicht nur das Hochzeitsgeschenk des Mainzer Erzbischofs +ab, er wies auch eine Gabe des Kurfrsten zurck, weil er wisse, "da +der hohe Herr des Gebens viel habe und zu viel den Sack zerreie". +"Bitte derhalben Ew. Kurfrstliche Gnaden wollten harren, bis ich selber +klage und bitte, auf da ich durch solch Zuvorkommen Eurer Kurf. Gnaden +nicht scheu werde fr andre zu bitten, die viel wrdiger sind solcher +Gaben"[242]. + +Und ferner: "Ich will Ew. Kurf. Gn. unterthniglich bitten, nicht zu +glauben denen, die mich angeben, als habe ich Mangel; ich habe leider +mehr, sonderlich von Ew. K. Gn., denn ich im Gewissen vertragen +kann"[243]. + +Auch seine Freunde schilt er oft, da sie des Schenkens zu viel +machen[244]. + +Wenn er Sommers von einem Pfarrherrn oder Schultheien aufs Dorf zu +Gaste geladen wurde, so kam er gern mit einem Tischgesellen und hielt +eine Predigt. Aber er brachte allewege Speise und Trank fr sich und +seine Begleiter mit, die ihm daheim Frau Kthe zubereitet und in den +Wagen gepackt hatte[245]. + +Einem wegziehenden Famulus wrde er gerne zehn Gulden geben, wenn er +sie htte; aber unter fnf Gulden soll ihm seine Frau nicht geben und +was sie darber kann geben, bittet der Doktor sie, das solle sie +thun--also bis auf den letzten Gulden mutet er der Hausfrau zu sich zu +entblen und doch trgt er der Frau gleichzeitig auf, ein Mitbringsel +fr die Kinder zu kaufen, weil er selbst in Torgau nichts Sonderliches +fnde[246]. + +Fr seine Vorlesungen nahm Luther von den Studenten keine +Kollegiengelder. Ja, auch von seinen Schriften nahm er kein Honorar: 400 +fl., die ihm ein Buchdrucker jhrlich fr den Verlag seiner Schriften +anbot, schlug er aus, auch die 1000 fl., welche Melanchthon ihm fr die +Ausarbeitung des deutschen Aesop versprach. Eine Kure im Silberbergwerk +zu Schneeberg, welche ihm der Kurfrst fr seine Bibelbersetzung 1529 +schenken wollte, wies er ab: er wollte von der Welt seine geistige +Arbeit nicht bezahlt haben und wie Paulus mit dem Gotteswort nicht +Handel treiben[247]. + +Bei einer solchen Gesinnung und Handlungsweise ist es begreiflich, da +die praktische Frau Kthe auch einmal ber ihren Doktor mit seiner +Geldverachtung seufzte. Als der gleichfalls wenig haushlterische +Meister Philipp Melanchthon einmal bei Luther speiste und im Gesprch +ber den Weltlauf von einem Magister sprach, welcher dem Geiz ergeben, +ein sehr gutes Urteil ber gute und schlechte Gulden habe, bemerkte die +Doktorin: "Wenn mein Gemahl solchen Sinn htte, wrde er gar reich +sein." Melanchthon meinte darauf: "Das kann nicht sein, denn die +Geister, welche fr die Allgemeinheit arbeiten, knnen sich ihren +Privatangelegenheiten nicht hingeben"[248]. + +Den nicht gerade auerordentlichen Einnahmen Luthers standen nun aber +gewaltige Ausgaben gegenber. Zunchst einmal fr die ausgedehnte +Haushaltung; dann aber auch fr andere Zwecke und Anschaffungen. Einen +interessanten Einblick in diese Dinge gewhren die Aufzeichnungen +Luthers in seinem Haushaltungsbuch. Da ist[249] eine + +"Wunderliche Rechnung gehalten zwischen Doc. Martin und Kthe + + 1535 + Anno ---- + 1536 +das waren zwei halbe Jahr. + 90 fl. fr Getreide + 90 fl. fr die Hufen + 20 fl. fr Leinwat (Leinwand) + 30 fl. fr Schweine + 28 fl. Muhme Lene gen Borna(u) + 29 fl. fr Ochsen + 10 fl. Valt. Mollerstet bezahlt + 10 fl. Geleitsmann " + 8 Thaler M. Philipp " + 40 fl. fr Gregor Tischer " + 26 fl. Universitt " + ------- +Zus. 389 fl. auer andern Viktualien. " + +Diese "andern Viktualien" waren Gemse, Fleisch, Fisch und Geflgel, +Obst und Kolonialwaren, Getreide und Hopfen, Brot und Semmel, Oel und +Talg, Butter und Honig, Wein und Bier. + +Dann hie es: "Gieb Geld fr Hanf und Flachs, Garn und Wachs, Ngel und +Haken, allerlei Geschirr und Gerte in Stube, Kche, Keller, Garten; fr +Wagen und Geschirr." + +"Gieb Geld" forderten auch 29erlei Handwerker, ferner Buchfhrer +(Buchhndler), Arzt, Apotheker und Przeptor, Knechte, Mgde, Hirten, +Knaben und Jungfern, Brute und Gevattern, auch Bettler und--Diebe[250]. + +Ausgaben gab es dann fr manche Patengeschenke, Hochzeiten und +Gastungen, Geschenke zu Neujahr, Jahrmarkt und S. Niklas. Endlich kamen +die "grobe Stck: Hochzeit machen fr Sohn, Tochter, Freundin; dem +Krmer fr Seiden, Sammet und Wurze"[251]. + +Im ganzen waren es 135 Dinge, fr welche Frau Kthe stets die Hand +ausstrecken und "Gieb Geld" sagen mute. + +Unter diesen Ausgaben machen namentlich die Ehrengeschenke und +Wohlthaten einen groen Posten aus; sie gehrten bei Luther zu den +besonders "groben Stcken". Auer den Gastungen gehren namentlich die +Patengeschenke und Hochzeiten hierher; Luther und Frau Kthe standen +zahllose Male zu Gevatter, denn in Wittenberg waren bei jedem Kinde +viele Paten blich, und fr jeden kostete es einen Silberbecher oder +eine groe Mnze. Die Hochzeiten und Hochzeitsgeschenke waren eine groe +Last. So klagt Luther (1543) am Ende selber: "Die tglichen Hochzeiten +hier erschpfen mich"[252]. Luthers Mildttigkeit kannte keine Grenzen. +Er sprach als Grundsatz aus: "Wer gerne giebt, dem wird gegeben; das +erhlt das Haus, darum, liebe Kthe, haben wir nicht mehr Geld, so +mssen die Becher daran." Und demgem handelt er. Wie viele andere +Theologen und sonstige gutmtige Menschen (auch Melanchthon) gab er +Bedrftigen und Bittenden ber Gebhr und Vermgen, und gar oft an +Unwrdige, so da er erst durch "bse Buben witzig gemacht" wurde. Er +gestand spter (1532) selbst seiner Frau: "Denke, wie oftmals wir haben +bsen Buben und undankbaren Schlern gegeben, da es alles verloren +gewesen ist." Wie weit er in seiner Gutherzigkeit ging, mgen von vielen +nur zwei Beispiele zeigen: Einem armen Studenten schenkt der Doktor, +weil kein Geld im Haus ist, einen silbernen Ehrenbecher, und als er +merkte, wie Frau Kthe ihm abwinkt, drckt er ihn schnell zusammen und +schickt den jungen Menschen damit zum Goldschmied; was er dafr lse, +solle er behalten, er brauche keinen silbernen Becher. Ja, als seine +Frau im Wochenbett liegt, gert er gar ber das Patengeschenk seines +jngsten Kindes, um einen bedrngten Bedrftigen nicht mit leerer Hand +gehen zu lassen, und meinte: "Gott ist reich, er wird anderes +bescheren"[253]. + +Das gesamte, so wenig berechnende Verhalten Luthers erklrt sich +einerseits aus seiner allem Eigennutz abgeneigten Natur und seinem +groartigen Gottvertrauen, andrerseits aber auch aus dem Mangel an +Berechnung, welche dem weltentfremdeten Mnch aus seiner Klosterzeit +noch anhaftete; dies mute aber bei einem "weltlichen" Haushalt +naturgem dazu fhren, da Einnahme und Ausgabe bald nicht mehr im +richtigen Verhltnis zu einander stand. So hatte das junge Paar im +zweiten Jahre seiner Ehe ber hundert Gulden Schulden, so da Luther +seinem Freunde und ehemaligen Klostergenossen Brisger keine acht Gulden +vorstrecken konnte. "Woher soll ich's nehmen?" fragt er. "Durch meinen +schweren Haushalt und meine Unvorsichtigkeit ist es so gekommen. Drei +Becher sind fr 50 fl. verpfndet. Dazu kommt, da Lukas (Cranach) und +Christian (Aurifaber, Goldschmied) mich nicht mehr als Brgen zulassen, +denn sie merken, da sie so (durch meine Brgschaft) auch nicht besser +daran sind oder ich ausgebeutelt werde. Ich habe ihnen jetzt auch den +vierten Becher gegeben, welchen sie dem fetten H. geliehen haben." Dabei +kommt ihm aber noch nicht in Sinn, wo der Rechnungsfehler stecke. Er +klagt: "Wie kommt's, da ich allein so ausgesaugt werde? nein, nicht nur +ausgesaugt, sondern sogar in Schulden verstrickt?" Sogar noch 1543 klagt +er dem allerdings etwas habschtigen Jonas gegenber, der von ihm bei +seiner zweiten Verheiratung wohl ein "fettes Hochzeitsgeschenk" +erwartete: "Du kennst meine Drftigkeit und meine Schuldenlast".[254] + +Einmal fing er auch an zu rechnen--am Kleinen, ans Groe dachte er +nicht. Da brachte er heraus, da er allein jhrlich fr Semmeln 31 +Groschen 4 Pfennig brauche; dazu noch der Trank mit 4 Pfennig tglich +und das Uebrige--eine Summe, die ihm zu gro war, und er schliet: "Ich +mag nie mehr rechnen, es macht einen gar verdrossen. Ich htte nicht +gemeint, da auf einen Menschen so viel gehen sollte"[255]. + +Dennoch stellte er 1536 eine Generalrechnung an fr "grobe Stck" und +brachte da allein 389 fl. Ausgaben heraus in zwei halben Jahren, ohne +die Viktualien u.a. Er schlo diese Zusammenstellung ab mit dem Seufzer: +"Rat, wo kommt dies Geld her? Sollt das nicht stinken und Schuld +machen[256]?" + +Und als Luther im Jahre 1542, wo er sein "Testament" machte, seine +Ausgaben zusammenstellte und seine Einnahmen dagegen hielt, schliet er: +"Ich habe eine wunderliche Haushaltung, ich verzehre mehr als ich +einnehme; ich mu jedes Jahr 500 Gulden in der Haushaltung in die Kche +haben, zu geschweigen der Kleider, anderer Zierat und Almosens, da doch +meine jhrliche Besoldung sich nur auf 200 Gulden belauft." Dazu +schreibt er im Haushaltungsbuch neben anderen ernsten und launigen +Reimen den Stoseufzer: + + "Ich armer Mann! So halt ich Haus; + Wo ich mein Geld soll geben aus, + Bedrft ich's wohl an sieben Ort + Und fehlt mir allweg hier und dort"[257]. + +Da war es freilich begreiflich, da manchmal die Fleischer und Fischer +von Wittenberg "grob" wurden und mit "ungestmen Worten der Frau" +gegenber ihre Schuld forderten. "Die Doktorin" half sich dann wohl +damit, bei "Philipp Melanchthon 20 Thaler zur Haushaltung zu leihen". +Und dann sprang etwa der Kurfrst ein, wenn er's durch den Kanzler Brck +erfuhr[258]. + +Diese "wunderliche Haushaltung" Luthers wurde in sehr Natur- und +sachgemer Weise geregelt durch die Hausfrau. Die "wunderliche Rechnung +gehalten zwischen Doktor Martin und Kthe", mit ihrem stndigen Defizit, +wurde in Ordnung gebracht durch diese gute Rechnerin und sparsame und +erwerbsame Haushlterin. Frau Kthe brachte einen Ausgleich zwischen +Soll und Haben: sie verminderte die Ausgaben, vermehrte die Einnahmen, +sie bezahlte die Schulden und erwarb ein Vermgen. + +Eines der ersten Ereignisse in dem neuen Haushalt ist eine lustige +Familienszene, welche die gutmtige Verschwendung des Eheherrn und die +listige Sparsamkeit der Gattin zeigte. Es hatte nmlich das Ehepaar ein +hbsches Glasgeschirr mit Zinnverzierung von Hausmann geschenkt +bekommen; das htte Frau Kthe selbst gerne behalten, Luther aber an den +D. Agrikola, damals noch sein lieber Freund, der auch darnach Gelste +hatte, verschenkt. Luther hatte es gemerkt, wie sie darauf gelauert, und +wollte es kurz machen. Er hatte schon den Brief dazu geschrieben; als er +aber das Geschenk dazu packen wollte, war es fort: Frau Kthe hatte es +abhanden kommen lassen und die Hausfreunde D. Bugenhagen und D. Rhrer +hatten sich mit ihr verschworen und ihr dabei geholfen. So mute sich +Luther in einer Nachschrift entschuldigen, da er das Glas nicht +mitschicken knne; seiner insidiatrix Ketha (der hinterlistigen Kthe) +gegenber sei er ohnmchtig; er denke aber das Glas spter doch noch +einmal zu erwischen. Kthe aber hielt es fest wie ein bissiger +Kettenhund[259]. Sie brachte etwas strengere Ordnung in die Gesellschaft +der jungen Studenten und in ihre Hausrechnung, so da M. Veit Dietrich +sich ber sie beklagte und sein Landsmann und Nachfolger im Haus und am +Tisch Frau Kthes sie als stramm und knauserig beschrieb, "die alles zu +Rat gehalten und bei den Tischgenossen auf ntige Bezahlung +gedrungen"[260]. Auch Kanzler Brck warf ihr in feindseliger Stimmung +Knauserigkeit in der Haushaltung vor. Von Luther und andern hren wir +dagegen hierber keine Klagen; und da der Zudrang zu ihrem Kosttisch +von alt und jung ein groer und nicht zu befriedigender war, ist der +beste Beweis fr die Uebertriebenheit jener Vorwrfe. Aber ihre lbliche +Sparsamkeit und haushlterisches Zuratehalten wei ihr Gemahl wohl +anzuerkennen. Er sagt: "Das Weib kann den Mann wohl reich machen, aber +nicht der Mann das Weib. Denn der ersparte Pfennig ist besser denn der +erworbene. Also ist rtlich sein (zu rate halten) das beste +Einkommen"[261]. Und in sein Haushaltungsbuch schrieb Luther den +Sinnspruch: + + Es gehrt gar viel in ein Haus. + Willst Du es aber rechnen aus, + So mu noch viel mehr gehn heraus. + Des nimm ein Exempel, mein Haus[262]. + +So hrte er mit Rechnen auf und berlie das seiner "rtlichen" und +wirtlichen Hausfrau, und wenn er selbst nicht wute, woher nehmen, so +schrieb er seiner Kthe: "Sieh, wo Du's kriegst"[263]. + +Und Kthe sah, wo sie's kriegte. Sie war nicht so heikel, wie Luther, +Verehrungen anzunehmen. Whrend sie Freund Link von einem +Hochzeitsbecher absolviert, hat sie die von Luther zurckgewiesen 20 +Goldgulden des Mainzer Erzbischofs hinter seinem Rcken doch behalten. +Mit besserem Gewissen empfing sie die Flein Kse von der Herzogin +Elisabeth von Braunschweig und ebenso ein Ksegeschenk von Mykonius, dem +Stadtpfarrer in Gotha. In Notfllen wandte sich Frau Kthe auch einmal +an die kurfrstliche Kmmerei, so whrend Luthers Aufenthalt auf der +Koburg um 12 Scheffel Roggen. Kthe nahm berhaupt das Gehalt ein und +verrechnete es, so da es nicht mehr hie wie in Luthers +Junggesellenwirtschaft (1523): "Wir leben von einem Tag zum andern." Sie +scheute sich nicht, die sumigen Kostgnger an ihre Schuldigkeit zu +mahnen[264]. Ja es wird erzhlt, da sie in spterer Zeit durch Freunde +und Kostgnger des Hauses Anschaffungen machen lie, wofr sie die +Bezahlung vergessen habe, weil sie sich wohl fr Dienste ihres Mannes +dadurch bezahlt machte. Jedenfalls nahm sie auch die Dienste anderer in +Anspruch fr Geflligkeiten, welche ihr Mann ihnen erwies: hatte Luther +dem Freund Pfarrer Spalatin eine Vorrede zu einem Buche geschrieben, so +mu sich dafr Spalatin in Altenburg ihrer Fuhrleute und Arbeiter +annehmen, die sie nach Zulsdorf schickt; und Lauterbach, der in ihrem +Hause als Kostgnger und Nachschreiber von Luthers Tischreden allerlei +Vorteile und Freundlichkeiten genossen, hat zum Entgelt der Doktorin +allerlei Besorgungen zu machen[265]. + +Aber das Beste that doch Frau Kthe selber: Sie zchtete und mstete +Tiere, melkte und schlachtete, gewann Butter und Honig, Kse und Eier; +sie pflanzte Obst und Frchte, Gemse und Wrzkruter; sie baute +Getreide, buk Brot und braute das Bier fr den groen Haushalt, so da +das kleine Shnchen, als Luther es einmal fragte, wie viel Kostgeld es +eigentlich zahlen mte, sagen konnte: "Ei Vater, Essen und Trinken +kauft Ihr nicht; allein Aepfel und Birnen", meinte der Kleine, "gestehen +viel Geld"[266]. Fr Obst konnte also Frau Kthe damals nicht aufkommen, +weshalb sie dann auch endlich den Ankauf des Baumgartens von Bildenhauer +betrieb. Ebenso trachtete sie nach den Hufen und dem Hopfengarten, so +da nach den groen Ankufen von 1536 die schweren Haushaltsausgaben +geringer wurden und die Posten "Gieb Geld" immer weniger. Hatte Luther +am Anfang seiner Ehe den Stoseufzer gethan: "Der Herr, der meine +Unvorsichtigkeit straft, wird mich wieder erlsen"--von den Schulden, so +kann er am Ende derselben in seinem sogenannten "Testament" (1542) +schreiben: "Ich habe von meinem Einkommen und Geschenken so viel gebaut, +gekauft, groe und schwere Haushaltung gefhrt, da ich's mu neben +anderm selbst fr einen sonderlichen, wunderlichen Segen erkennen, da +ich's habe knnen erschwingen." Das "andere" neben dem gttlichen Segen, +war eben das haushlterische Talent seiner Gattin; sie hatte ihn von +seinen Schulden wieder erlst, ja das Weib hatte nach seinem Spruch den +Mann "reich" gemacht. Und so bezeugt er ihr mit "seiner Hand" im +Haushaltungsbuch: "Was sie jetzt hat, das hat sie selbst gezeuget +(errungen) neben mir"[267]. + +Ein Vermgen zu erwerben oder gar reich zu werden, daran dachte Luther +nicht, ja er wollte es nicht. "Mir gebhret nicht als einem Prediger, +Ueberflu zu haben, begehre es auch nicht", erklrte er. Ihm dnkte, +"da das lieblichste Leben sei ein mittelmiger Hausstand, Leben mit +einem frommen, willigen, gehorsamen Weibe in Fried und Einigkeit und +sich mit wenigem lassen begngen"[268]. + +Ja nicht einmal fr seine Kinder gedachte er ein Vermgen anzulegen. Er +segnete seiner Kindlein eins, das eine Muhme auf dem Arme trug und +sprach: "Gehe hin und bis fromm. Geld will ich Dir nicht lassen, aber +einen reichen Gott will ich Dir lassen. Der mir Dich nicht versume. Bis +nur fromm! Da helf Dir Gott zu." Und als ihn jemand ermahnte, er mchte +wenigstens zum Besten seiner Familie ein kleines Vermgen sammeln, da +gab er zur Antwort: "Das werde ich nicht thun; denn sonst verlassen sie +sich nicht auf Gott und ihre Hnde, sondern auf ihr Geld"[269]. Diesen +doch wohl allzu theologischen, ja mnchischen Standpunkt ergnzte der +praktisch nchterne Sinn Katharinas, welche gerade darauf aus war, ihren +fnf noch unversorgten Kindern ein Erbe zu erwerben; denn sie erkannte +besser als wie Luther, da nach dessen Tod die Gebefreudigkeit der +Frsten und Freunde wohl abnehmen werde mit dem Wegfall der groen +Vorteile, welche der lebendige Reformator seinem Land und seiner Stadt +und seinen Freunden verschaffte. So brachte sie es in der That zuwege, +da den Kindern doch ein ganz ansehnliches Familiengut brig blieb[270]. + +"Das Lob eines tugendsamen Weibes"--nicht nur in der Bibel hat es Luther +bersetzt, sondern auch bei Tisch und sonst oft angefhrt und auf seine +Kthe bezogen, so da es--erweitert mit Zustzen--unter den Tischreden +steht, wie ein Lob auf seine Hausfrau: "Der Mann verlt sich auf sie +und vertraut ihr altes. Da wird's an Nahrung nicht mangeln. Sie arbeitet +und schafft gern mit ihren Hnden, zeuget ins Haus und ist wie ein +Kaufmannsschiff, das aus fernen Landen viel War' und Gut bringt. Frhe +stehet sie auf, speiset ihr Gesinde und giebt den Mgden ihr beschieden +Teil. Sie denkt einem Acker nach und kauft ihn und lebt von der Frucht +ihrer Hnde. Sie verhtet Schaden und siehet, was Frommen bringt. Ihr +Schmuck ist, da sie reinlich und fleiig ist"[271]. + + + + +10. Kapitel + +Husliche Leiden und Freuden. + + +Es war ein schwerer Haushalt, den Frau Kthe zu fhren hatte, wenn man +auch nur der wirtschaftlichen Sorgen in Haus und Hof, in Kche +und Keller, im Garten und auf dem Felde gedenkt. Aber noch +bewunderungswrdiger wird ihre Leistungsfhigkeit, wenn man alle die +Menschen in Betracht zieht, die als Kinder und Gesinde, als Tisch- und +Hausgenossen tglich und stndlich Anspruch an ihre Frsorge machen in +Wohnung und Kleidung, in Speise und Trank, in Erziehung und Zucht--ganz +abgesehen von den Gsten und Freunden, die im Schwarzen Kloster ein und +ausgingen. Eine so beraus groe Familie verursachte aber nicht nur viel +Mhe und Arbeit, sondern brachte auch einen mannigfaltigen Wechsel von +Freud und Leid ins Haus. So erlebte Frau Kthe in wenigen Jahrzehnten +Krankheiten und Feste, Hochzeiten und Todesflle nach einander und oft +neben einander. + +Gleich im zweiten Jahre ihres Ehestandes hatte die Doktorin schwere +Zeiten durchzumachen[272]. + +Frau Kthe wurde durch einen heftigen Krankheitsanfall ihres Gemahls +erschreckt, wie sie es in dieser Heftigkeit noch nicht an ihm erlebt +hatte, wiewohl er schon mehrmals Schwindelanflle erfahren. Eine +entsetzliche Angst und Beklemmung ging dem Anfall voraus. Samstags 6. +August morgens fhlte er am linken Ohr und Backen ein ungestmes Sausen +und Brausen wie Windsbraut und Meeresbrandung, so grlich und +unertrglich, da er es nur einer satanischen Einwirkung zuschreiben +konnte. Es ging gottlob rasch vorber. Aber er frchtete, dies sei +vielleicht der Vorbote eines noch schwereren, tdlichen Anfalls, darum +schickte er um 8 Uhr seinen Diener Wolf zu seinem Beichtvater +Bugenhagen, dieser mge eilend kommen. Bugenhagen eilte erschrocken ins +Kloster, fand aber da den Doktor in "gewhnlicher Gestalt" bei seiner +Hausfrau stehen. Warum er ihn habe rufen lassen? "Um keiner bsen Sache +willen", erwiderte Luther, ging mit ihm hierauf abseits, beichtete und +begehrte fr den folgenden Tag zum Abendmahl zu gehen. + +Mittlerweile war es schier Zeit geworden zum Mittagsmahl (d.h. um 10 +Uhr). Und weil Luther und Bugenhagen von etlichen Adeligen, Max von +Wallefels, Hans von Lser u.a. zu Gaste geladen war, forderte ihn +Bugenhagen auf, mitzukommen, indem er hoffte, die Zerstreuung sollte ihm +gut thun, wenn er nicht einsam daheim sitze, sondern mit Menschen +verkehre. Luther schlug es ab. Aber Bugenhagen steckte es hinter Frau +Kthe, und diese brachte Luther dazu, hinzugehn in Paul Schulthei' +Gasthof. Dort a und trank er, aber sehr wenig, und unterhielt die Gste +mit angemessener Frhlichkeit. Um zwlf Uhr stand er auf und ging in D. +Jonas Grtlein hinter dem Hause und unterhielt sich da zwei Stunden mit +dem Stiftspropst. Beim Weggehen lud er Jonas und seine Frau ein, sie +sollten auf den Abend mit ihm essen. + +Recht angegriffen kehrte Luther zurck ins Kloster und legte sich ins +Bett, um sich zu erholen. Als um 5 Uhr die Jonischen kamen, lag er noch +und die Frau Doktorin bat die Gste, sich die Weile nicht lang sein zu +lassen, und so sich's ein wenig verzge, es seiner Schwachheit +zuzurechnen. + +Nach einer Weile kam der Doktor herunter, um die Abendmahlzeit gemeinsam +mit den andern zu halten. Er klagte wieder ber groes unangenehmes +Brausen und Klingen des linken Ohrs. Das wurde ber Tisch heftiger, er +mute aufstehen und zog sich, begleitet von Jonas, hinauf in seine +Schlafkammer zurck; die Doktorin folgte, hatte aber noch unten an der +Treppe den Mgden zu befehlen. Da, als Luther gerade ber die Schwelle +der Schlafkammer trat, berkam ihn pltzlich eine Ohnmacht: "O Herr +Doktor Jona", rief der Kranke, "mir wird bel; Wasser her, oder was Ihr +habt, oder ich vergehe." Er sank leblos hin. Jonas erwischte erschrocken +und behend einen Topf mit kaltem Wasser und go es dem Ohnmchtigen ber +Kopf und Rcken. Er kam wieder zu sich und fing an zu beten. + +Indem kommt auch die Doktorin hinauf; da sie nun sah, da er so +hinfllig und schier tot war, entsetzte sie sich sehr und rief laut den +Mgden. Dann schickte sie zum Hausarzt Dr. Augustin Schurf und zu dem +Hausfreund Bugenhagen. Mittlerweile zogen sie dem Kranken die Kleider +aus und legten ihn auf den Rcken. Er war sehr matt und vllig kraftlos. +Frau Kthe und Jonas rieben und khlten ihn, gaben ihm Labsal und +thaten, was sie konnten, bis der Arzt kam. + +Da der Doktor so eiskalt und leblos war, so verordnete Schurf dem +Kranken warme Tcher, Kleider und Kissen, die man immer ber dem +Kohlenfeuer wrmte, aufzulegen auf Brust und Fe, lie auch seinen Leib +reiben, trstete ihn auch und hie ihn hoffen, es wrde, ob Gott will, +auf diesmal keine Not haben. Dann kam auch um 6 Uhr Dr. Pommer, und die +Freunde mahnten den Patienten, er solle mit ihnen dafr beten, da er +mge leben bleiben, ihnen und vielen zum Trost. Da antwortete er: "Zwar +fr meine Person wre Sterben mein Gewinn; aber im Fleische lnger +leben, wre ntig um vieler willen. Lieber Gott, Dein Wille geschehe." + +Da aber die Ohnmacht wieder zunahm, betete er wieder um Erbarmen. Dann +sagte er zu seiner Hausfrau: "Meine allerliebste Kthe, ich bitte Dich, +will mich unser lieber Gott auf diesmal zu sich nehmen, da Du Dich in +seinen gndigen Willen ergebest. Du bist mein ehrlich Weib, dafr sollst +Du Dich gewi halten und gar keinen Zweifel daran haben. La die blinde, +gottlose Welt darber sagen, was sie will; richte Du Dich nach Gottes +Wort und halte fest daran, so hast Du einen gewissen bestndigen Trost +wider den Teufel und all seine Lstermuler." + +Dann fragte er nach seinem Shnlein: "Wo ist denn mein allerliebstes +Hnsichen?" Da das Kind gebracht wurde, lachte es den Vater an. Da +sprach er: "O Du gutes armes Kindlein! Nun ich befehle meine +allerliebste Kthe und Dich armes Waislein meinem lieben, frommen, +treuen Gott. Ihr habt nichts, Gott aber, der ein Vater der Waisen und +Richter der Witwen ist, wird Euch wohl ernhren und versorgen." + +Darauf redete er weiter mit seiner Hausfrau von den silbernen Bechern: +"Die ausgenommen weit Du, da wir sonst nichts haben." Ueber dieser und +andern Reden ihres Herrn war die Doktorin hoch erschrocken und betrbt. +Doch lie sie sich nicht merken, wie gro Leid ihr geschah, da sie +ihren lieben Herrn dergestalt so jmmerlich da vor Augen liegen sah, +sondern sie stellte sich getrost und sprach: "Mein liebster Herr Doktor! +Ist's Gottes Wille, so will ich Euch bei unserm lieben Herrn Gott lieber +denn bei mir wissen. Aber es ist nicht allein um mich und mein liebes +Kind zu thun, sondern um viel frommer, christlicher Leute, die Euer noch +bedrfen. Wollet Euch, mein allerliebster Herr, nicht bekmmern; ich +befehle Euch seinem gttlichen Willen, ich hoff und trau zu Gott, er +werde Euch gndiglich erhalten." + +Bald fhlte der Kranke Besserung, die Schwche lie nach und der Doktor +meinte, wenn der Patient nur schwitzen knnte, so sollte es durch Gottes +Gnade fr diesmal keine Not mehr mit ihm haben. + +Da gingen die drei Mnner, um ihm Ruhe zu gnnen, hinab in den Saal zur +Abendmahlzeit und hieen die Frauen stille sein. Der Patient geriet +wirklich in Schwei. Der Arzt sah spter wieder nach dem Kranken und +erklrte die Gefahr vorbei. Dann kamen auch die Freunde, begrten den +Genesenden, wnschten ihm "Selige Nacht" und gingen nach Hause. + +Zwar dauerte das Ohrenbrausen am Sonntag noch fort; am Abend aber konnte +der Doktor aufstehen und mit den Freunden das Abendmahl halten. Das +krperliche Leiden war so bald gehoben; aber die "geistige Anfechtung", +wie Luther sagt, warf ihn noch eine ganze Woche in "Tod und Hlle" +umher, so da er zerschlagen an allen Gliedern bebte. + +Kaum war dieser Schrecken vorbei, so nahte eine neue und viel lngere +Heimsuchung: die Pest, die damals ganz Deutschland durchzog, kam auch +nach Wittenberg. Alles was konnte, floh aus der Stadt; die Universitt +wurde nach Jena verlegt; Luther aber blieb zurck als Mann, Seelsorger +und Lehrer und seine treue Gattin mit ihm. Er war immer des Glaubens, +die Angst sei die schlimmste Seuche, die Hlfte der Leute strben an +Furcht davor, nicht an der Pest selbst. Er hielt es fr einen "Spuk des +Teufels", dem er trotzen msse, whrend der Bse sich freue, die +Menschen so zu ngstigen und die Universitt zu sprengen, die er nicht +umsonst so hasse. Er bleibe gerade wegen der ungeheuren Angst des +Volkes. Er ging ohne Scheu zu den Pestkranken: die Frau des +Brgermeisters Thilo Dene starb fast in seinen Armen; und andere +Pestverdchtige nahm er in sein Haus. Dagegen war, scheint's aus Furcht +vor der Pest, Elsa von Kanitz, welche in Wittenberg Mdchenlehrerin +werden und bei Luther wohnen sollte, nicht aufgezogen; an ihrer Statt +aber wohnte nun Frulein Magdalene von Mochau im Klosterhause[273]. + +Die Seuche brach in den Winkeln aus, kam aber bald ans +Elsterthor-Viertel, wo der Pestkirchhof lag[274]; zuerst wurde die +Umgebung angesteckt, so das Haus des nchsten Nachbarn, des D. Schurf +und endlich auch das Schwarze Kloster. Das wurde jetzt gerade ein +Spital, denn Luther nahm die kranke Frau Dr. Schurf, Hanna, herber. Die +von Mochau bekam die wirkliche Pest. Die Frau des Kaplan (Diakonus) +Rhrer, eines von Luther hochgeschtzen Amtsgenossen, starb (am 2. Nov.) +daran bei ihrer Entbindung samt dem Kinde. Und Bugenhagen flchtete +deshalb mit seiner Familie aus dem Pfarrhaus in das Schwarze Kloster. +Zwei Pflegetchter von Kthe erkrankten und auch der kleine Hans war vom +Zahnen so mitgenommen, da er mehrere Wochen nichts a und allein mit +Flssigkeit ernhrt wurde, so da er nur sehr langsam wieder zu Krften +kam. Dazu war Luther selbst noch immer eine lange Zeit (Juli bis +November) vom Unwohlsein geplagt, besonders mit Blutandrang nach dem +Kopf und infolge dessen von Schwermut, oder wie er sagte, vom Satan +angefochten und sehr entkrftet. Schlielich kam die Krankheit noch in +die Stlle und es fielen fnf Schweine. Die Bauern brachten der Stadt +keine Zufuhr, so da eine Teurung entstand und der Scheffel Mehl 5 +Groschen galt, eine Gans 2 Groschen[275]. + +Nur Kthe hielt sich aufrecht in alt dieser Not, "tapfer im Glauben und +gesund am Krper", und doch war sie ihrer Entbindung nahe. Sie pflegte +Mann und Kind, Nichten und Gste. Den Diakonus Rhrer mit seinem +Knblein Paul, welches nach der Mutter schrie, nahm Kthe auch noch auf, +und Luther lud noch Jonas dringend zum Besuch ein, als es ein wenig +besser ging. Die von Mochau wurde in dem gewhnlichem Winterzimmer +(Wohnzimmer) eingeschlossen, Frau Hanna war in Katharinas Kemenate +(heizbarem Zimmer), Hnschen im Studierzimmer, der Doktor und die +Lutherin weilten in der vorderen groen Aula. Schlielich wurde der +"Mochau" die Beule aufgeschnitten, und nachdem das Gift heraus war, ging +es besser. Endlich, Mitte November, wich die Krankheit. Die Eheleute +waren froh, da der bse Geist der Pest nur in die Sue gefahren war und +sie mit diesem Opfer sich loskauften. Hnschen war wieder frisch und +munter, Hanna genas und die Mochau entrann mit Mhe dem Tode; auch +Luthers Zustand und Stimmung wurde besser, namentlich als die +Universitt allmhlich wiederkehrte und er seine gewohnte Lehrttigkeit +wieder beginnen konnte[276]. + +In dieser Zeit (am 10. Dezember) kam nun Kthe nach schmerzlichen Wochen +mit ihrem Tchterchen Elisabeth nieder, gerade als der Gemahl von einer +Vorlesung heimkehrte. Die vorausgegangenen Strapazen hatten doch ihre +Spuren hinterlassen, und die Mutter war recht angegriffen. Aber schon zu +Weihnachten wurde im Lutherhaus Verlobung gefeiert; die Hanna von Sala +wurde dem Petrus Eisenberg, einem braven Mann aus guter Familie, +Leut-Priester in Halle, anverlobt; schon am Neujahrstag war die +Hochzeit, und die kaum vom Wochenbett erstandene Hausfrau hatte schon +wieder diese frhliche Unmue durchzumachen[277]. + +Das neue Jahr (1528) war ein gesundes und im ganzen glckliches, Luther +und Kthe lebten wieder frisch auf. Sie brachten am 15. Mai wieder eine +Verlobung zustande, zwischen dem verwitweten Kaplan D. Georg Rhrer und +ihrer Pflegetochter Magdalene von Mochau. Die Hochzeit sollte frhlich +am Tag nach Laurenzi (11. August) gefeiert werden. Aber da kam Leid vor +die Freude: am 3. August starb "Elslein" und von dem lieben Tchterlein, +dessen Ankunft die glcklichen Eltern den Freunden in zahlreichen +Briefen angekndet hatten, muten sie jetzt, gar wehmtig und weich +gestimmt, wieder ihr Abscheiden in die ewige Heimat melden. "Es war ein +groes Herzeleid; denn es starb ein Stck an des Vaters und ein Teil +von der Mutter Leibe"[278]. + +Die durch Tod und Verheiratung in die Hausgenossenschaft gerissenen +Lcken wurden bald reichlich ausgefllt. Im Mai des folgenden Jahres +erschien das kleine Lenchen im Schwarzen Kloster. Auf gar wunderbare +Weise entkam die Herzogin Ursula von Mnsterberg, die Base des Herzogs +Georg aus dem Kloster Freiburg samt zwei andern brgerlichen +Klosterjungfrauen, von denen die eine ihr reiches Vermgen im Stiche +lie, um der Armut Christi zu folgen. Die drei flchteten nach +Wittenberg in die Freisttte des Lutherhauses: keinen Kreuzer brachten +sie mit, wohl aber den Ha des Herzogs und Verlegenheit fr Luthers +Landesherrn[279]. + +Das war im Herbst 1528. Zu Ostern 1529 hatte Frau Kthe wieder eine +Hochzeit auszurichten: dem Pfarrer Bruno Brauer zu Dobin, dessen Braut +natrlich auch schon ein paar Tage vorher sich im Hause aufhielt. +Amsdorf wird dazu eingeladen und wird ersucht, sich nicht mit Eisen und +Schwert, sondern mit Gold und Silber und Ranzen zu umgrten, denn ohne +Geschenk komme er nicht los. Im Sommer verlobten die beiden Ehegatten +den Professor der Medizin Milich mit Susanna von Muschwitz, der +Schwester von Frau D. Schurf[280]. + +Whrend dieser Zeit war der Hausherr vielfach abwesend auf der +Visitation des Kurkreises, welche Luther mit dem Stadthauptmann Herrn +Metsch, dem Edlen Hans von Taubenheim und dem Rechtsgelehrten Benedikt +Pauli vorzunehmen hatte. Dazu kam die Reise nach Marburg zum +Religionsgesprch mit Zwingli (1529). + +Von Marburg stammt auch der erste Brief des Doktors an seine Ehefrau, +der erhalten geblieben ist. Er lautet[281]: + +"Gnad und Fried in Christo! + +Lieber Herr Kthe! + +Wisset, da unser freundlich Gesprch zu Marburg ein Ende hat, und seynd +fast in allen Stcken eins worden, ohne da der Widerteil (Gegenpartei) +wollen eitel Brot und Wein im Abendmal behalten und Christum geistlich +darinnen gegenwrtig bekennen. Heute handelt der Landgraf, ob wir +knnten eins werden, oder doch gleichwohl, so wir uneins blieben, +dennoch (als) Brder und Christi Glieder unter einander uns halten. Da +arbeit der Landgraf heftig. Aber wir wollen des Brdern und Gliederns +nicht; friedlich und Guts wollen wir wohl.... + +Sage dem Herrn Pommer, da die besten Argument seind gewesen des +Zwingli, da corpus non potest esse sine loco: ergo Christi corpus non +est in pane; des Oecolampadii: dies sacramentum est Signun corporis +Christi. Ich achte, Gott habe sie verblendet, da sie nichts haben +mssen frbringen. + +Ich habe viel zu thun und der Bot eilet. Sage allen gute Nacht und +bittet fr uns. Wir seind auch alle frisch und gesund und leben wie die +Frsten. Kt mir Lensgen und Hnsgen. + +E. williger Diener + +Martin Luther. + +Ins folgende Jahr (1530), zur Zeit des Augsburger Reichstags, fllt der +lange halbjhrige Aufenthalt Luthers auf der Koburg (April bis Oktober). +Er reiste mit dem Kurfrsten Johann und Kanzler Brck und den +Wittenberger Theologen, Melanchthon und Jonas ab und nahm seinen Famulus +Veit Dietrich mit. Kthe konnte ihren Gatten nicht ohne Sorge zum +Reichstag scheiden sehen; denn bei seiner Abreise glaubte man, da auch +Luther nach Augsburg selbst gehe, also mitten in die Reihe seiner +Feinde. Bald erhielt sie die Nachricht, da ihr Gatte, eben um seine +Gegner, und namentlich den Kaiser, in dessen Acht er war, nicht zu +reizen, in der sdlichsten Stadt des Kurfrstentums bleibe, auf der +Feste Koburg, und zwar einigermaen in Verborgenheit, hnlich wie auf +der Wartburg. Er wurde morgens vor Tagesanbruch, samt seinem Famulus +Veit Dietrich, dahin gebracht; er lie sich da den Bart wachsen und dazu +schickte ihm auch noch ein Freund, Abt Friedrich aus Nrnberg, ein +Schwert. Also mute Frau Kthe in die "Einde Gruboc" allerlei Dinge +schicken, Bcher und Papier fr allerlei Schriften, und empfahl ihren +Gemahl der Frsorge der Kastellanin[282]. Freilich war vortrefflich fr +den Einsiedler auf seinem Sinai gesorgt, die erste Frhlingszeit mit +Dohlenschwarm, Kuckuck und Nachtigall stimmte frhlich; Veit Dietrich +wachte sorgfltig darber, da Luther keinen Ditfehler begehe und +veranlate ihn gar zum Armbrustschieen auf Fledermuse. Auch an +Besuchen fehlte es nicht, so da er schlielich klagte: "Die Wallfahrt +will zu gro werden hierher"[283]. Aber Luther litt bei der ungewohnten +Mue doch wieder an seinem alten Leiden: Flu am Bein, Kopfweh und +Schwindel, und infolgedessen "Anfechtungen" des Satans, so da er sich +schon ein Oertlein fr ein Grab aussuchte und meinte, unter dem Kreuz in +der Kapelle werde er wohl liegen. Davon meldete zwar der Doktor an seine +besorgte Ehehlfte kein Wrtlein; er schrieb vielmehr sie neckend: "Sie +wollen (in Augsburg) schlechterdings die Mnche und Nonnen wieder im +Kloster haben"[284]. Aber sie ahnte es doch, oder erfuhr es auf Umwegen +von den Freunden, denen er sein Leiden klagte, oder durch die Boten, die +vorbei kamen. Darum schickte sie ihm nicht nur Lenchens Bild, sondern +auch seinen Neffen Cyriak in Person samt seinem Przeptor. Boten mit +Briefen und Auftrgen gingen fleiig hin und her: so bestellte Frau +Kthe durch Luther Pomeranzen bei Link in Nrnberg, weil es keine in +Wittenberg gebe, und sie erfuhr zeitig und ausfhrlich, wie es auf +Koburg und in Augsburg ging, wo der Kaiser sich barsch benahm und +Melanchthon gar ngstlich war. Wenn aber zu Wittenberg Sonntags in der +Kirche fr glcklichen Ausgang des Augsburger Reichstages und fr die +abwesenden Theologen gebetet wurde, da war Frau Luther wohl von allen +Kirchgngerinnen die andchtigste; und zu Mittags bei Tisch mit ihren +Tischgesellen und Kinderlein und abends im Kmmerlein allein hat sie fr +den teuren Mann in der Ferne gefleht, wie er's in jedem Briefe +erbittet[285]. + +Einige Briefe Luthers von der Koburg an seine Hausfrau sind erhalten; so +kam um Pfingsten einer[286]: + +"Gnad und Friede in Christo. + +Liebe Kthe! Ich hab, acht ich, Deine Briefe alle empfangen. So ist dies +der vierte Brief, den ich Dir schreibe heut da Er Johann von hinnen +gegangen ist. Lenchen Konterfeit hab ich mit der Schachtel auch. Ich +kannte das H---- zuerst nicht, so schwarz deucht mir's (zu) sein. Ich +halte, wo Du es wilt absetzen von Whnen (d.h. entwhnen), das gut sei +weilinger Weise, also da Du ihr zuerst eines Tages einmal abbrechest, +darnach des Tages zweimal, bis es also suberlich ablt. Also hat mir +Georgen von Grumbachs Mutter, Frau Argula, geraten. Die ist hier bei uns +gewest und hat mit mir gessen. Hans Reinicke von Mansfeld auch und +George Rmer, da wir mssen an einen andern Ort; es will zu gemeiner +Wallfahrt hieher werden. + +Sage Meister Christannus[287], da ich meins Tage schndlichere Brillen +nicht gesehen habe, denn die mit seinem Briefe (ist) kommen. Ich konnt +nicht ein Stich dadurch sehen. So ist mir auch der Brief an Kunzen Vater +nicht geworden. Auch bin ich nicht zu Koburg, (d.h. ich will nicht da zu +finden sein); kann ich aber sonst dazu thun, will ich's nicht lassen. Du +sollst aber gleichwohl Deine Briefe dem Kastner, (Schloverwalter) +[646], lassen zustellen; der wird sie mir wohl schaffen. + +Man beginnt zu Nrnberg und Augsburg zu zweifeln, ob etwas aus dem +Reichstag werde. Der Kaiser verzeucht noch immer in Inspruck. Die +Pfaffen haben etwas vor und gehet mit Krutern zu. Gott gebe, da sie +der Teufel besch---- Amen. + +La den Herrn Doctor Pommer den Brief an D. Wencels lesen. + +Eilend. Der Bote wollt nicht harren. Gre, ksse, herze und sei +freundlich allen, jeden nach seinem Stande. + +Am Pfingsttag frhe, 1530. + +Martin Luther. + +Meiner herzlieben Hausfrauen Katharin Lutherin zu Wittenberg zu handen." + +Zu Wittenberg machte damals der Festungsbau den Einwohnern, namentlich +auch der Familie Jonas, viel Verdru und Aufregung; das Kloster blieb +einstweilen noch verschont. + +Whrend Luthers Abwesenheit waren im Klosterhause Hieronymus Weller als +Przeptor des kleinen Huschens. Hieronymus war aber ein von Schwermut +geplagter Mann, und es wurde darum dankbar begrt, da auch sein Bruder +Peter ins Haus zog, der Przeptor von Luthers Neffen, Polner. Auch der +wrdige D. Pommer (Bugenhagen) kam ab und zu ins Schwarze Kloster, um +Frau Kthe zu beraten, und Frau Jonas, die allezeit frhliche, muntere +Gattin des in Augsburg abwesenden Stiftspropstes, welche freilich +damals ihr zweites Shnlein bald nach der Geburt verlor[288]. Mit hohem +Interesse wurden Luthers Schreiben empfangen und mit vieler Freude im +Kreise der zurckgebliebenen Freunde vorgelesen. Groen Jubel bei den +Tischgesellen erregte ein humorvoller Brief Luthers vom "Reichstag der +Dohlen und Krhen", dem lustigen Abbild des Augsburger Reichstags. Da +wird gar ergtzlich geschildert das Ab- und Zureiten "der Malztrken", +ihr Scharwnzen und Turnieren, ihr "Kecken" und Kriegsrat wider Korn und +Weizen. Und welche Freude erst war's, als goldene Frhpfel aus Nrnberg +mit dem Boten von Koburg fr die Tischgesellschaft ankamen! Wie +leuchteten aber erst die Augen der Kleinen und seiner Gespielen ber den +herzigen Mrchenbrief Luthers an sein "liebes Shnichen Johannes" von +dem schnen Paradiesesgarten. Wie hat sich da die Mutter gefreut und +Muhme Lene und des Jonas Jost und Melanchthons Lips, die auch in den +Garten kommen sollten, und der "Gru und Putz" wird der Muhme Lene von +dem kleinen Hans ausgerichtet worden sein. Hnschen war ein braver Bub +und wird von seinem Przeptor wegen seines Fleies und Eifers +gelobt[289]. + +Aber auch ernste Briefe kamen von Koburg an, welche Frau Kthe und die +Theologen interessierten und im Lutherhaus gemeinsam gelesen wurden, +oder auch unter den Freunden umliefen. Allerdings seine schwersten +Sorgen und Schmerzen schrieb Luther nicht darin, aber allerlei Anliegen +wegen der Zglinge und an seine Buchdrucker Schirlenz, Wei und Rau. So +kamen vom 14. und 15. August mit einem Boten zwei Episteln an seine +"herzliebe Hausfrau"[290]. + +"Gnade und Friede in Christo. + +Meine liebe Kthe! Dieser Bote lief eilend vorber, da ich nichts mehr +schreiben konnte, nur da ich ihn nicht wollte ohne meine Handschrift +gehen lassen. Du magst Herr Johann Pommern und allen sagen, da ich bald +mehr schreiben will. Wir haben noch nichts von Augsburg, warten aber +alle Stunden auf Botschaft und Schrift. Aus fliegenden Reden haben wir, +da unsers Widerparts Antwort soll ffentlich gelesen sein; man habe +aber den Unsern keine Abschrift wollen geben, da sie darauf antworten +mchten. Wei nicht, ob's wahr ist. Wo sie das Licht so scheuen, werden +die Unsern nicht lange bleiben. Ich bin seit Lorenzentag recht gesund +gewesen und habe kein Sausen im Kopf gefhlt; das hat mich fein lustig +gemacht zu schreiben, denn bisher hat mich das Sausen wohl zerplaget. + +Gre alle und alles; ein andermal weiter. Gott mit euch. Amen. Und +betet getrost: es ist wohl angelegt, und Gott wird helfen. + +Gegeben am Sonntage nach Lorenzentag, Anno 1530." + +Der Brief war kaum geschrieben, so kam weitere Nachricht von Augsburg. +Luther behielt deshalb den Boten bei sich ber Nacht und fgte am andern +Tage noch folgendes hinzu: + +"Gnad' und Fried in Christo. + +Meine liebe Kthe! Als ich den Brief hatte zugemacht, kamen mir diese +Briefe von Augsburg: da lie ich den Boten aufhalten, da er sie mit +sich nhme. Daraus werdet ihr wohl vernehmen, wie es zu Augsburg mit +unsrer Sache steht, fast wie ich im andern Brief geschrieben habe. La +Dir sie Peter Weilern lesen oder Herrn Johann Pommer[291]. Gott helfe +weiter, wie er gndiglich angefangen hat, Amen. + +Jetzt kann ich nicht mehr schreiben, weil der Bote so wegfertig da sitzt +und harret kaum. Gre unsern lieben Sack. + +Ich habe Deinen Brief an die Kstnerin (die Kastellanin vom Koburger +Schlo) gelesen, und sie dankt Dir sehr. Hans Polner habe ich Peter +Wellern befohlen: siehe zu, da er sich gehorsamlich halte. Gre Hansen +Luthern und seinen Schulmeister; dem will ich bald auch schreiben. Gre +Muhme Lenen und allesamt. Wir essen hier reife Weintrauben, wiewohl es +diesen Monat hierauen sehr na gewesen ist. Gott sei mit euch allen, +Amen. + +Aus der Wsten, am Tage Maria Himmelfahrt 1530. + +Mart. Luther. + +Wie verdreut mich's, da unsere Drucker so schndlich verziehen mit den +Exemplaren[292]. Ich schicke solch Exemplar darum hinein, da sie bald +sollen fertig werden--da machen sie mir ein Lagerobst draus. Wollt' ich +sie so liegen haben, ich htte sie wohl hier bei mir auch wissen zu +halten. Ich hab' Dir geschrieben, da Du den Sermon, wo er nicht +angefangen, von Schirlenz nehmen und Georgen Rau geben solltest. Ich +kann doch wohl denken, da Schirlenz sein gro Exemplar kaum zu verlegen +hat mit Papier. Ist das nicht geschehen, so schaffe, da es noch bald +geschehe und der Sermon aufs frderlichste gefertigt werde." + +Die Abwesenheit des Doktors zgerte sich gar lange hinaus: es wurde +Sommer und wurde Herbst und der Doktor war noch nicht da. Mit Sehnsucht +wurde er erwartet und voll Sehnsucht schrieb er nach Hause. So um "Maria +Geburt"[293]: + +"Gnade und Friede in Christo. + +Meine liebe Kthe! Dieser Bote lief eilend vorber, da ich nicht viel +schreiben konnte. Hoffe aber, wir wollen schier selbst kommen; denn +dieser Bote bringt uns von Augsburg Briefe, da die Handlung in unsrer +Sache ein Ende habe und man nur wartet, was der Kaiser schlieen und +urteilen wird. Man hlt's dafr, da es werde alles aufgehoben auf ein +knftig Konzilium; denn der Bischof zu Mainz und Augsburg halten noch +fest, so wollen der Pfalzgraf, Trier und Cln nicht zum Unfrieden oder +Krieg willigen. Die andern wollten gern wten und versehen sich, da der +Kaiser mit Ernst gebieten werde. Es geschehe, was Gott will: da nur des +Reichstags ein Ende werde! Wir haben genug gethan und erboten; die +Papisten wollen nicht ein Haarbreit weichen; damit wird einer kommen, +der sie lehren soll weichen und rumen. + +Mich wundert, warum Hans Wei den Psalm nicht hat genommen. Ich htt' +nicht gemeint, da er so ekel wre, ist's doch ein kstlich Exemplar. +Schicke hier denselbigen vollends ganz mit und gnn' ihn Georgen Rau +wohl. Gefllt das Exemplar Herrn Johann Pommern und Kreuzigern, so la +immerhin drucken. Es ist doch nichts, da man den Teufel feiert. + +Wer Dir gesagt hat, da ich krank sei, wundert mich sehr, und Du siehest +ja die Bcher vor Augen, die ich schreibe. So hab' ich ja die Propheten +alle aus, ohne den Ezechiel, darin ich jetzt bin und im Sermon vom +Sakrament, ohne was sonst des Schreibens mit Briefen und anders mehr +ist. Ich konnte jetzt nicht mehr vor Eilen schreiben. Grt alle und +alles. + +Ich hab' ein gro schn Buch von Zucker fr Hansen Luther, das hat +Cyriakus von Nrnberg gebracht aus dem schnen Garten. Hiemit Gott +befohlen und betet. + +Mit Polner mach's nach Rat des Pommers und Kellers. + +Aus der Wsten, am 8. September 1530." + +Als aber die Herren endlich wieder heimkehrten, samt Veit Dietrich, +Peter Weller und dem jungen Cyriak, der mit seinem Lehrer das Schauspiel +des Reichstag in Augsburg und die berhmte Stadt Nrnberg hatte besuchen +drfen, da war ein Erzhlen am Eichentisch im Wohnzimmer und unten im +Hof unterm Birnbaum, whrend der vierjhrige Studiosus Hans sich an +seinem Nrnberger Zuckerbuch erlustierte. + +Ruhiger gingen die folgenden Jahre hin. Freilich wiederholten sich die +bengstigenden Schwindelanflle beim Doktor, so da er im Herbst 1531 +eine Erholungsreise zu Gevatter Hans Lser nach Schlo Pretzsch machte, +um durch die Bewegung das Sausen loszuwerden. Da ging er viel spazieren, +fuhr auch zur Jagd[294]. + +Von Mansfeld waren auch die Groeltern einigemal nach Wittenberg +herbergekommen, obwohl das keine kleine Reise war; da schickte der +Stadtrat "Doktoris Martini Vater" einen Ehrentrunk. Dann herrschte groe +Freude im Kloster und der Doktor konnte eine Vergleichung anstellen +zwischen seiner harten Jugend und der Zrtlichkeit der alten Leute gegen +die Enkel und merken, da die Groeltern ihre Kindeskinder lieber haben +als ihre eigenen Kinder. Als im Anfang 1530 Bruder Jakob von Mansfeld +schrieb, der Vater wre "fhrlich krank", wre Luther aus der Maen gern +selbst kommen; aber er durfte es dorthin der Bauern und des Adels wegen +nicht wagen. Aber groe Freude sollt es ihm sein, schrieb er, wo es +mglich wre, da der Vater samt der Mutter sich liee herbeifhren nach +Wittenberg, was auch "Kthe mit Thrnen begehrte", in der Hoffnung, sie +aufs beste zu warten. Dazu wurde Cyriak in seine Vaterstadt abgefertigt, +zu sehen, ob das mglich wre. Aber die alten Leute konnten sich +begreiflicherweise nicht zu diesem Umzug entschlieen. Und nicht lange +darauf, als Luther auf der Koburg sa, starb der Vater. Im Sommer des +folgenden Jahres erkrankte die Gromutter. Das erregte groes Leid in +der Familie; Luther schrieb inmitten der Kinderschar einen Trostbrief: +darin schildert er gar anschaulich das echt kindliche Benehmen der +beiden eigenen Kinder und der andern Enkel, welche im Klosterhause +lebten: "Es bitten fr Euch alle Eure (Enkel-) Kinder und meine Kthe; +etliche weinen, etliche essen und sagen: Die Gromutter ist sehr krank." +Am 30. Juni schied auch sie vom Leben[295]. + +Von den Enkeln hatten freilich die Groeltern hchstens die drei ersten +gesehen: Hans, Elisabeth und Lenchen. Erst nach ihrem Tode kam der +vierte auf die Welt am Vorabend von Luthers Geburtstag und bekam deshalb +den Namen Martin. Es war gerade zur Zeit als die Bauern, wie man ihnen +nachsagte, eine knstliche Teuerung zu stande brachten. Fnfviertel +Jahre spter (am 28. Januar 1533) stellte sich Paul ein und endlich am +Ausgang des folgenden Jahres das Jngste, Margarete. Schon 1533 war der +siebenjhrige Erstgeborne--gewi nur, wie andre Professorenshne, der +Ehre halber--bei der Universitt als akademischer Brger angenommen +worden, zugleich mit seinen Vettern Fabian und Andreas Kaufmann[296]. + +In diesem Jahre 1533 war Luther wieder einen ganzen Monat krank an +Kopfleiden[297]. + +Im Februar 1534 kam seine Schwester zu Besuch nach Wittenberg. Da +tischte Frau Kthe fr die Schwgerin kstlich auf und lie Hechte +kommen aus den kurfrstlichen Teichen[298]. + +Seitdem Johann Friedrich Kurfrst geworden, war Luther gar oft zu dem +ihm vorher schon sehr befreundeten neuen Landesherrn allein oder mit +andern Theologen nach Torgau geladen, wo er predigte, disputierte und +bei Tisch in ernstem und frhlichem Gesprch verblieb. Von dort sandte +der Doktor auch einmal an "seinen freundlichen lieben Herrn, Frau +Katharina von Bora, D. Lutherin zu Wittenberg" einen heiteren +Brief[299]: + +"Gnade und Friede in Christo. + +Lieber Herr Kthe! Ich wei Dir nichts zu schreiben, weil Magister +Philipps samt den andern selbst kommen. Ich mu lnger hier bleiben, um +des frommen Frsten willen. Du magst denken, wie lange ich hier bleiben +werde, oder wie Du mich los machst. Ich halt', M. Franciscus wird mich +wieder los machen, wie ich ihn losgemacht habe, doch nicht so balde. + +Gestern hatt' ich einen bsen Trunk gefat, da mut' ich singen. Trink' +ich nicht wohl, das ist mir leid und tht's so recht gerne, und hab +gedacht, wie gut Wein und Bier hab' ich daheime, dazu eine schne Frauen +oder (sollt' ich sagen) Herrn. Und Du thtest wohl, da Du mir +hinberschicktest den ganzen Keller voll meines Weines und eine Flaschen +Deines Biers, so oft Du kannst. Sonst komme ich vor dem neuen Bier nicht +wieder. Hiermit Gott befohlen samt unsern Jngern und altem Gesinde, +Amen. + +Mittwoch nach Jakobi, 1534. + +Dein Liebchen + +Mart. LutheR, D." + +Im Jahre 1535 kam der ppstliche Gesandte Kardinal _Vergerius_ durch +Wittenberg; mit glnzendem Gefolge, zwanzig Pferden und einem Esel zog +er ins Schlo und lie Luther dahin einladen. Der lie sich schn +schmcken, hngte eine goldene Kette um und fuhr mit Bugenhagen, als der +deutsche Papst mit Kardinal Pomeranus, ins Schlo, wo er dem Legaten +gegenber, wie er sich vorgenommen hatte, den rechten Luther spielte. Da +erzhlte er auch dem Kirchenfrsten, um ihn zu rgern, von seiner Frau, +der ehrwrdigen Nonne, und seinen fnf Kindern, von denen der +Erstgeborene hoffentlich ein groer evangelischer Theologe werden wrde +[300]. + +Whrend dieser Zeit waren mancherlei Verndernden im Kreise der +Lutherschen Hausgenossen eingetreten. Natrlich wechselte von Jahr zu +Jahr die Tafelrunde der jugendlichen Kostgnger durch Abgang oder Zugang +zur Schule. Aber es starb auch einmal ein Schler. So aus Nrnberg Hans +Zink Ostern 1531. Er war allen ein gar lieber Bube, sonderlich dem +Hausvater, indem er den Discant bei der abendlichen Hausmusik sang; aber +auch weil er fein still und zchtig (sittsam) und im Studium sonderlich +fleiig war, so da allen gar wehe geschehen ist durch seinen Abscheid. +Frau Kthe sparte zu seiner Pflege nichts an Flei, Sorge und Arzenei, +um das fremde liebe Kind wo nur mglich zu retten und zu erhalten. Aber +die Krankheit wurde bermchtig ber die Pflege, und der Knabe ist Gott +noch viel lieber gewesen als den Lutherschen, der hat ihn wollen haben. +Das meldete Luther im Trauer- und Trostbrief den betrbten fernen +Eltern. Auch spter kamen solche Sterbeflle noch vor; ja es starben +Ostern 1544, als in Wittenberg die Masern grassierten und auch Luthers +Kinder alle daran darniederlagen, auf einmal zwei Zglinge, ein +wohlgeschickter Knabe aus Lneburg und ein Straburger. Das war keine +kleine Verantwortung, welche Luther und besonders Kthe zu tragen hatte. +Das jngste, Margaretlein, hatte als Nachwehen 10 Wochen ein schweres +hitziges Fieber und kmpfte noch vor Weihnachten um Gesundheit und Leben +[301]. + +Der Diener Johannes Nischmann, der mehrere Jahre der Familie treulich +und "fleiig gedienet, dem Evangelium gem sich demtig gehalten und +alles gethan und gelitten", zog Lichtme 1534 aus dem Schwarzen Kloster +mit 5 fl. Lohn und einem guten Zeugnis. Von einem andern dagegen ging +ein bses Geschrei aus, da er sich von einem wenig achtbaren Mdchen +htte verfhren lassen[302]. + +Schmerz und Verdru bereiteten den Lutherischen Eheleuten in dieser Zeit +aber auch ihre Verwandten. + +Zunchst Katharinas Brder. Da war Hans aus Preuen heimgekehrt, um das +Gut Zulsdorf zu bernehmen, hatte eine Witfrau des von Seidewitz, eine +geborene Marschall, mit einem oder mehrern Kindern geheiratet[303]; er +konnte aber von dem Gtchen nicht recht leben und seinen Dienst am +preuischen Hofe auch nicht mehr erhalten--und seine Ehe soll auch nicht +glcklich gewesen sein. Daher mute Kthe ihren Gatten um manche +Bittschrift fr ihn angehen. Ebenso machte Bruder Clemens Sorge, welcher +gleichfalls in Preuen wegen Beteiligung an einer Schlgerei seine +Stelle bei Hof verlor und, wie es scheint, nicht mehr in "vorigen Stand +kommen" konnte, trotz der Frbitte der evangelischen Bischfe von +Samland und Pomesan an den Herzog, ihn wieder zu Gnaden anzunehmen, +"damit er D. Martino und seiner geliebten Hausfrau nicht eine Betrbnis, +dazu Schimpf und Spott sei und also im Land hin und wieder und endlich +hinaus ziehet". Der Herzog "wolle ihn doch mit einem Klepper und +Zehrung und gndiger Frschrift an den Kurfrsten von Sachsen +abfertigen"[304]. + +Nher noch gingen den beiden Ehegatten allerlei Erlebnisse mit den +Kindern im Hause, den eignen und noch mehr den fremden. + +Mit der Anzahl der Kinder wuchs auch die Erfahrung der jungen Eheleute +in der Zucht und Erziehung. Zu Anfang, als einmal eines der jungen +Kindlein schrie und weinte, da es niemand stillen konnte, waren Kthe +sowohl wie Luther eine ganze Stunde traurig und bekmmert. Spter +erkannten sie und der Vater sprach es aus: "Wenn junge Kinder recht +schreien, so wachsen sie wohl; denn durch Schreien dehnen sich die +Glieder und Adern auseinander, weil sie sonst keine andere Uebung haben, +sich zu bewegen"[305]. + +Als die Kinder grer wurden, gab es natrlich allerlei Unarten und +Vergehungen, und zwar sowohl bei den eignen, wie bei den angenommenen +Waisen. Das "Tauschen" ("Fuggern" nannte man's spter nach dem damals +berhmten Augsburger Handelshause) war natrlich auch bei den +Lutherskindern blich. Ja, auch das "Stehlen" ("Schieen" nannte man es +auch nach den "Schtzen" d.h. jungen fahrenden Schlern, den tirones +oder Plnklern in Vergleichung mit der rmischen Heeresordnung). Das war +nun beides recht verpnt im Luther-Hause, freilich wurde bei Ewaren, +namentlich Obst, als Kirschen, Aepfeln, Birnen, Nssen, die Strafe +gelinder bemessen. Aber wenn einmal etwas anderes genommen wurde, dann +gab es bses Wetter im Hause. Ganz besonders aufgebracht werden konnte +der heftige Hausvater wegen Ungehorsams: Gehorsam hielt er mit andern +Pdagogen fr die erste Tugend der Kinder. Darum lie er seinen +Erstgeborenen einmal drei Tage lang nicht vors Angesicht kommen und Frau +Kthe mute ihre ganze Ueberredungskraft und die Frsprache von Freunden +anwenden, um den erzrnten Vater umzustimmen[306]. + +Im Jahre 1536 that Luther seinen Erstgebornen schon aus dem Hause zu +einem tchtigen Schulmeister.--Die Unruhe war im Kloster gar zu gro. +Spter--1542--kam er wieder fort zu dem berhmten Przeptor Crodel in +Torgau[307]. + +Manchen Aerger hatten Luther und Kthe auch mit den fremden Kindern, +namentlich den Neffen. + +Man wird frelich kein groes Aufhebens zu machen haben, wenn Luther +einmal sagt: "Wenn ich meinen Enders (d.i. Andreas Kaufmann) nicht htte +gestrichen, von seiner Untugend ber Tisch gesagt und ihm Zucker und +Mandelkerne gegeben htte, so htte ich ihn schlimmer gemacht." Aber von +Martin (seines Bruders Sohn) erzhlte Luther: "Derselbe hat mich einmal +also erzrnt und gettet, da ich ganz von meines Leibes Krften +gekommen bin." Als Fabian von Bora mit Hans Luther 1542 nach Torgau kam, +lie er sich auf der Reise dahin verleiten, dem kleinen Paul Luther ein +Messer zu nehmen und dem Schulmeister Crodel vorzulgen, der Oheim habe +es ihm gegeben, whrend er vorher dergleichen nie gethan. Darber +erzrnte Luther mchtig und diktierte dem armen Snder drei Tage +hintereinander Streiche[308]. + +Begreiflicherweise vertuschte auch die Mutter und Hausfrau gar manches, +was bei den Kindern und dem Gesinde in dem groen Haushalt vorfiel, vor +dem heftigen Mann, so da er in hellem Zorn aufflammen konnte: "Wenn sie +sndigen und allerlei Bberei treiben, so erfahre ich's nicht; man zeigt +mir's nicht an, sondern hlt's heimlich vor mir"[309]. + +Es war aber freilich nicht allein die Furcht vor des Doktors Zorn, +sondern doch auch die Rcksicht auf den vielbeschftigten und viel +gergerten Mann, was die Gattin bewegen mute, ihn mit den huslichen +Widerwrtigkeiten mglichst zu verschonen. Er sollte vor allem an den +Kindern sich erfreuen. Denn diese Freude an den Kindern war Luther +freilich die grte und schnste und er war einigermaen eiferschtig +auf "Muhme Lene", welche sie ihm "vorwegnahm", da die Kinder so an ihr +hingen und so viel um sie waren[310]. Luther wollte seine Kinder nicht +so hart erzogen haben, wie es ihm ergangen war. Aber fr Bosheit und +Schalkheit und Schaden sollten sie gestraft werden und es ihnen nicht +nachgesehen werden. Das war gewi auch Frau Kthes Meinung und +jedenfalls war sie mit ihres Mannes Anschauung einverstanden: eines +Geistlichen Kinder mten ganz besonders wohlgezogen sein, auf da +andere Leute davon erbaut und ein gut Exempel nhmen; ungezogene +Pfarrkinder gben andern "ein Aergernis und Privilegium zu sndigen". +Dasselbe galt auch vom Gesinde. Denn, sagt Luther, "der Teufel hat ein +scharpf Aug auf mich, damit er meine Lehre verdchtig mache oder gar +einen Schandfleck anhnge." Daher war es ein aufregendes Ereignis, als +ein Mdchen in Luthers Hause sich bel auffhrte[311]. + +Nach Muhme Lene's Abscheiden nmlich (1537) nahm das Luthersche Ehepaar +eine gefhrliche Person ins Haus. Sie kam zu Luther, nannte sich Rosine +von Truchses und gab vor, eine arme Nonne aus hohem Geschlecht zu sein. +Da Luther aber scharf in sie drang, so bekannte sie, sie wre eine +Brgerstochter aus Minderstadt in Franken; ihr Vater sei im +Bauernaufruhr gekpft worden; sie irre als verwaistes Kind umher und +bitte um Gotteswillen ihr zu verzeihen und sich ihrer zu erbarmen. Der +gutherzige Mann that es. Das Jngferlein bezeugte sich gar sittsam und +artig, wute sich in Gunst zu setzen und das Vertrauen aller im Hause zu +erschleichen, besonders sich bei den Kindern wohl anzumachen. Aber es +war ein schlechtes Weibsbild, das sich in das Haus gedrngt hatte. In +Keller, Kche und Kammer kam allerlei weg; niemand wute, wer der Dieb +war. Weiter lockte sie allerlei junge Leute an sich, die sie mit ihrer +angeblich hohen Abkunft beschwindelte, und trieb Unzucht mit ihnen. +Endlich entdeckte Frau Kthe die Sache und entfernte, whrend Luther auf +einer Reise war, die Person in aller Stille aus dem Hause. Luther war +froh, da er nichts von allem gewut hatte und da sie jetzt fort sei. +Aber die Schwindlerin zog umher in allen Pfarrhusern, berhmte sich +ihrer Bekanntschaft mit dem groen Doktor und seinem Hause, log, trog +und stahl weiter. Immer von neuem tauchte sie auf, zuletzt nach mehreren +Jahren noch in Leipzig, so da Luther dorthin an den Richter Gritz, +seinen Gevatter, schreiben mute, um ihrem Unfug ein Ende zu machen. +Luther litt unendlich unter dieser Schmach, die seinem Hause +widerfahren, und meinte, die Papisten htten ihm diese Teufelsperson auf +den Hals geschickt. Aber auch Frau Kthe mute es schwer tragen und dazu +noch die Vorwrfe ihres Mannes, welcher zrnte, da man dieses Weibsbild +hatte entkommen lassen und nicht gleich in der Elbe ertrnkt habe. Er +meinte durch diese Erfahrung gewitzigt zu sein, und doch bekam er vor +seinem Ende noch eine "andere Rosine" ins Haus, die ihm den Aufenthalt +in Wittenberg verleiden half[312]. + +Ein anderes Vorkommnis setzte Frau Kthe 1538 hart zu. Ein Tagelhner +arbeitete oft bei ihr, ein fleiiger und braver Mensch, nchtern sanfter +wie ein Lamm, aber in der Trunkenheit ein Krakehler. An einem Sonntag +lief er in der ganzen Stadt herum und prahlte, er sei Famulus bei +Luther, und in der Aufregung schlug er jemand tot. Dann ward er +nchtern, nahm mit Thrnen Abschied von Frau Luther und wurde flchtig. +Ein Weib und drei Kinder, die er im grten Elend zurcklie, fiel +natrlich Frau Kthe zur Last[313]. + + + + +11. Kapitel + +Hochzeiten und Krankheiten, Pest und Tod. + + +Besondere Geduld und Liebe, Vorsicht und Weisheit muten die Eheleute +brauchen in der Behandlung der ihnen anvertrauten Kinder. + +Die verwaiste Pflegetochter Lenchen Kaufmann, "Mhmchen Lene die +Jngere", fing in noch recht jugendlichem Alter eine Liebelei mit +Magister Veit Dietrich an, der mit seinen sechs Scholaren im Schwarzen +Kloster lebte. Nun war Luther zwar der Meinung des Sprichworts: "Frh +aufstehn und jung freien" und ist fters fr junge ehrbare Leute, die +sich einander gern hatten und zu einander paten, bei ihren Eltern um +ihre Einwilligung eingetreten und hat sie gegen Eigensinn und +Selbstsucht der Vter und Mtter in Schutz genommen und +zusammengebracht. So hatte er sich auch schon 1523 eines Mdchens aus +Torgau angenommen, welchem der kurfrstliche Barbier die Ehe +versprochen und zum Unterpfand einen Ring gegeben und mit ihr eine Mnze +geteilt hatte[314]. + +Aber er wute auch, da es zu frh und ungeschickt sein knnte, das +konnte er an Melanchthons Tchterlein merken, welches auch als kaum +vierzehnjhriges Kind sich in einen begabten, aber leichtsinnigen jungen +Poeten verliebt hatte und, da die Eltern unbedacht nachgaben, einen +unglcklichen Ehestand erlebte. Luther meinte, "es wre nicht ratsam, +da junge Leute so bald in der ersten Hitze und pltzlich freiten; denn +wenn sie den Frwitz gebt htten, so gereuete sie's bald hernach und +knnte keine bestndige Ehe bleiben; es kme das Hndlein Reuel, das +viele Leute beit". Bestrkt wurde Luther in dieser Anschauung durch +seine Ehefrau, welche dem Veit Dietrich berhaupt nicht ganz hold war. +Das Jngferlein Lene wollte natrlich die Stimme der Vernunft nicht +hren und zeigte sich ungebrdig, so da Luther sogar einmal meinte, +"man sollte sie mit einem guten Knttel zchtigen, da ihr das +Mannnehmen verginge"[315]. + +Der Herr Magister Veit zog nun aus dem Hause und warf seinen Zorn vor +allem auf Frau Kthe, der er Herrschsucht und Habsucht vorwarf (1534). + +Aber als Bschen Lene zu ihren vollkommenen Jahren gekommen war (1538) +und der Rechte kam, der auch mit Vorwissen der Pflegeeltern um sie +freite, da gaben diese ihre freudige Einwilligung. Es war M. Ambrosius +Berndt aus Jterbog, ein gesetzter, "recht frommer (braver) Mann, der +Christum lieb hatte", seit einem halben Jahr, wo ihm seine junge Frau im +ersten Kindbett samt dem Knblein gestorben war, kinderloser Witwer, +Professor der Philosophie und Schffer in Wittenberg, ein Amtsgenosse +und guter Bekannter und Gevattersmann der Lutherschen Familie. Von +dieser Verlobung und Hochzeit ist uns in den Tischreden Eingehendes +berichtet[316]. + +Martini 1538 beging Luther seinen Geburtstag. Dazu hatte Frau Kthe, wie +gewhnlich einen festlichen Schmaus gerichtet und viele Freunde, Jonas, +Kreuziger, Melanchthon, auch die fremden Gste Camerarius und Bucer, +welche damals in Wittenberg waren, eingeladen. Auch der Freier und +Lenchen Kaufmann waren zugeben. Vor dem Essen--es war ein +Nachtmahl--lie nun der M. Ambrosius bei Luther "ffentlich werben um +des Doktors Muhme Magdalene, da er ihm dieselbige wollte zur Ehegattin +geben, wie er ihm zuvor zugesagt". Da nahm D. Martinus die Jungfrau bei +der Hand und sagte: "Lieber Herr Schffer und Gevatter! Allhie habe ich +die Jungfrau, wie mir sie Gott gegeben und bescheret hat, die +berantworte ich Ihm. Gott gebe seinen Segen und Benedeiung, da sie +wohl und christlich mit einander leben!" + +Die Gste wnschten Glck; man setzte sich zur Mahlzeit und waren alle +frhlich und guter Dinge. Luther sprach vom Freien und der Freiheit +eines neuen Brutigams, vom Kriegsdienst und allen andern Lasten und +Brden. + +Als die Brautleute so eifrig und heimlich mit einander sprachen und die +Gesellschaft um sich her vergaen, lchelte der Doktor und sagte: "Es +wundert mich, da doch ein Brutigam mit der Braut so viel zu reden hat. +Ob sie auch mde werden knnen? Aber man darf sie nicht vexieren, denn +sie haben Freibriefe ber alle Macht und Gewohnheit." + +Die Brautleute bekmmerten sich nun um die Herrichtung der Hochzeit und +das Gstebitten. Da sprach der Doktor: "Seid unbekmmert, solches geht +euch nichts an. Wir wollen bedacht sein auf solch zufllig Ding, das +nicht zum Wesen des Ehestandes gehrt." + +So schrieb denn Luther an den Frsten von Anhalt um den Wild-Festbraten: +"Ich bitte ganz demtig, wo Ew. Frstl. Gnaden so viel Uebrigs htten, +wollten mir einen Frischling oder Schweinskopf schenken; denn ich soll +bis Mittwoch mein Waislein, meiner Schwester Tochter versorgen." Der +Wildbraten blieb natrlich nicht aus und Frau Kthe bereitete ihn zu, +auch der Stadtrat schickte zum Hochzeitsmahl ein "Stbchen" Frankenwein +und vier Quart Jterbogischen Wein--also aus des Brutigams Heimat[317]. + +So richteten nun die Pflegeeltern ihrer Nichte Hochzeit aus und sorgten +dafr, da es frhlich zuging und auch die Verwandten aus Mansfeld und +Eisleben eingeladen wurden. Luthers Lieblingsbruder Jakob kam herber +und sogar zwei Vatersbrder. Der Schulmeister mit den Sngern wurde +bestellt, und whrend Frau Kthe buk, briet und kochte, kostete der +Doktor die Weine im Keller. Er meinte: "Man soll den Gsten einen guten +Trunk geben, da sie frhlich werden: denn wie die Schrift sagt, das +Brot strkt des Menschen Herz, der Wein aber macht ihn frhlich." Es +sollte berhaupt in christlicher Frhlichkeit bei Hochzeit zugehen, nach +dem Grundsatz: "Bei der Hochzeit soll man die Braut schmcken, soll +essen, trinken, schn tanzen und sich darber kein Gewissen machen, denn +der Glaube und die Liebe lt sich nicht austanzen noch aussitzen, so du +zchtig und mig darinnen bist." Beim Hochzeitsschmaus selbst sorgte +Luther fr frhliche Unterhaltung und allerlei Rtselaufgaben. So fragte +er den "schwarzen Englnder" (wahrscheinlich Robert Barns, der seit 1533 +in Wittenberg studierte und zur Hochzeit geladen war): "Wie wollt Ihr +Wein in einen Keller legen nicht eingeschroten und nicht eingefllt?" +Der Englnder wute es nicht; Luther aber sagte: "Man bringt Most +hinein, so wird schon Wein daraus; das ist eine natrliche Magie und +Kunststck." Weiter fragte er, welches die breiteten Wasser zu Lande +wren? Antwort: "Der Schnee, Regen und Tau"[318]. + +Dem neuen Ehepaare legte aber Luther einen seinen Spruch der Alten ans +Herz; der Braut: "Liebe Tochter, halte Dich also gegen Deinen Mann, da +er frhlich wird, wie er auf dem Heimwege die Spitze des Hauses sieht." +Und dem Brutigam: "Es soll der Mann leben mit seinem Weibe, da sie ihn +nicht gerne siehet wegziehen und frhlich wird, so er heimkommt"[319]. + +Diesen frhlichen Tagen sind schwere Jahre vorausgegangen und gefolgt. + +Schon 1535 war die Pest wieder in Wittenberg eingekehrt. Obwohl der +Kurfrst Luther dringend mahnte, der Gefahr aus dem Wege zu gehen, +meinte er doch, es sei nichts Rechtes an der Sache, er glaubte nicht +daran und spottete darber in seinem Brief an den Kurfrsten: sein +"gewisser Wetterhahn", der Landvoigt Hans Metzsch, htte sonst mit +seiner Sprnase schon die Pestilenz gesprt. Luther meinte, die +Studenten hrten das Pestgeschrei gern, sie kriegten die Beule auf dem +Schulsack, die Kolik in den Bchern, den Grind an den Federn, die Gicht +am Papier; vielen sei die Tinte schimmlich geworden, oder sie htten die +Mutterbriefe gefressen und das Heimweh bekommen: da mten die Eltern +und die Obrigkeit eine starke Arznei wider solch Landsterben +verschreiben. Der Teufel scheine Fastnacht mit solchem Schrecken zu +halten oder Kirmes in der Hlle zu feiern mit solchen Larven. Die Sache +ging auch bald vorber[320]. + +Ernster wurde es aber 1537. Zu Lichtme dieses Jahres mute Luther auf +den Schmalkaldener Konvent. Er fuhr in eigenem Wagen mit Kthes Pferden. +Kthe sah ihren Gatten nicht ohne Sorgen abreisen; denn er war nicht +ganz wohl, das Wetter unwirtlich, die Wege schlecht, fremde Betten und +Mahlzeiten und das ungewohnte Leben waren ihm nicht zutrglich, wie sie +schon von frheren Reisen wute. Er fhlte sich nirgends so wohl wie +daheim, mit seinem gewohnten Essen und Trinken und Arbeiten. Luther +erkltete sich denn auch zu Schmalkalden in seiner unbequemen Herberge +in den feuchten "hessischen Betten" und verdarb sich an dem schweren, +festen Hofbrot den Magen. Sein Steinleiden stellte sich mit einer +unerhrten Heftigkeit ein; ber vierzehn Tage lang dauerte es und +verursachte die rasendsten Schmerzen, so da er sich den Tod wnschte +und seine Umgebung seinen Tod voraussah. Die Frstlichen Leibrzte +wuten ihm nicht zu helfen und sie marterten ihn mit Rokuren. Daher +wollte Luther lieber daheim sterben und sich von seinem Weibe zu tot +oder gesund pflegen lassen und lie sich am 26. Februar aus Schmalkalden +in kurfrstlichem Gefhrt wegfahren gen Wittenberg[321]. + +Hier hatte Jonas zu Anfang mehrere Briefe von Luther aus Schmalkalden +empfangen. Im ersten meldete er, da er gleich nach seiner Ankunft einen +Stein berstanden habe, sonst schrieb er aber vergngt, und fnf Tage +darauf, da der Valentinstag ihn valentulum d.h. zum Rekonvaleszenten +gemacht habe. Vier Briefe aber an Kthe waren nicht an sie gelangt: +wahrscheinlich waren sie von den ngstlichen Freunden vorsorglicherweise +zurckgehalten worden. Aber sie hatte doch Gerchte gehrt und nicht +geruht, bis wenigstens Jonas mit der Nichte Luthers dem kranken Mann +entgegenreiste. Frau Kthe erhielt erst spter, als es wieder besser +ging, folgenden Brief ihres Mannes aus Gotha[646]: + +"Gnade und Friede in Christo! + +Du magst dieweil andere Pferde mieten zu Deiner Notdurft, liebe Kthe; +denn mein gndiger Herr wird Deine Pferde behalten und mit dem Mag. +Philipp heimschicken. Denn ich selber gestern von Schmalkalden +aufgebrochen auf meines gndigen Herrn eigenem Wagen daher fuhr. Ist die +Ursach, ich bin nicht ber drei Tag hier gesund, und ist bis auf diese +Nacht vom ersten Sonntag an kein Trpflein Wasser von mir gelassen, hab' +nie geruhet noch geschlafen, kein Trinken noch Essen behalten mgen. +Summa, ich bin tot gewesen, und hab' Dich mit den Kindlein Gott befohlen +und meinem guten Herrn, als wrde ich euch nimmermehr sehen; hat mich +euer sehr erbarmet, aber ich hatte mich dem Grabe beschieden. Nun hat +man so hart gebeten fr mich zu Gott, da vieler Leute Thrnen vermocht +haben, da mir Gott diese Nacht geholfen hat und mich dnkt, ich sei +wieder von neuem geboren. + +Darum danke Gott, und la die lieben Kindlein mit Muhme Lenen dem +rechten Vater danken; denn ihr httet diesen Vater gewilich verloren. +Der fromme Frst hat lassen laufen, reiten, holen und mit altem Vermgen +sein Hchstes versucht, ob mir mcht' geholfen werden; aber es hat nicht +wollen sein. Deine Kunst hilft nicht mit dem Mist[322]. Gott hat Wunder +an mir gethan diese Nacht und thut's noch durch frommer Leute Frbitte. + +Solches schreib' ich Dir darum, denn ich halte, da mein gndigster Herr +habe befohlen dem Landvogt, Dich mir entgegen zu schicken, da ich ja +unterwegen strbe, da Du zuvor mit mir reden oder mich sehen mchtest; +welches nun nicht not ist und magst wohl daheim bleiben, weil mir Gott +so reichlich geholfen hat, da ich mich versehe, frhlich zu Dir zu +kommen. Heute liegen wir zu Gotha. Ich habe sonst viermal geschrieben, +wundert mich, da nichts zu euch kommen ist. + +Dienstags nach Reminiscere. 1537. + +Martinus Luther." + +Wie mag das arme Weib erschrocken sein ber diese unglckliche Kunde! +und wie htte sie erst gebangt, wenn sie gewut htte, da am folgenden +Tag der tdliche Anfall sich wiederholte, bis wieder sechs Steine von +ihm gingen. Kthe fuhr nun ihrem Manne entgegen nach Altenburg, wo +Freund Spalatin als Pfarrer lebte. Bei diesem bereitete sie nun eine +Herberge, bis Jonas und die Muhme Lenchen mit dem Kranken von Weimar her +ankamen. Im gastlichen Altenburger Pfarrhaus pflegte Kthe den +Erschpften einige Tage und fuhr dann mit ihm Mitte Mrz langsam an +Kloster Nimbschen vorbei, mit einem Aufenthalt in Grimma nach Wittenberg +heim, wo sie am 14. Mrz ankamen[323]. + +Langsam nur erholte sich Luther; an allen Knochen wie zerschlagen, +konnte er sich kaum auf den Beinen halten, so erschpft war er. Er +lernte wieder essen und trinken: die Ruhe und Kthes sorgliche Pflege +brachte ihn allmhlich wieder zu Krften. Acht Tage darauf konnte er +wieder die feiernde Feder ergreifen und seinen Dankesbrief an Spalatin +schreiben. Frau Kthe, die in der Bestrzung den Tchtern Spalatins +nichts mitgebracht hatte, wollte ein paar Bcher binden lassen und zum +Andenken schicken. Ueber die Osterzeit hat Luther dann wieder fleiig +gepredigt. Aber als er spter wieder in die Hessenstadt zum Konvent +gehen sollte, hielt Kthe ihren Gatten zurck und er selbst warnte die +Freunde vor "den hessischen Betten"[324]. + +In diesem Jahre ging auch Muhme Lene heim und mit ihr ein guter +Hausgeist, eine Sttze der Hausfrau, eine geliebte Freundin und Hterin +der Kinder. Der Ersatz, den Frau Kthe fr sie suchte und erhielt in +"Muhme Lene" der jngeren, ihrer leichtherzigen Nichte, und gar in +fremden Sttzen der Hausfrau, war ein sehr zweifelhafter[325]. + +In diesem Jahre 1537 hatte Frau Kthe noch einen schweren Fall von +Krankenpflege in ihrem Hause: nmlich die Kurfrstin Elisabeth von +Brandenburg. + +Die arme Frau war schon 1534 krnklich, bald besser, bald schwerer. +Damals war sie in Wittenberg. Luther mute aber auch fter zu ihr nach +Schlo Lichtenberg reisen. Im Todesjahre ihres Gemahls, 1537, aber, als +sich ihr Zustand zu einer Geistesstrung ausgebildet hatte, war sie zur +Verpflegung in Luthers Haus, wohl auf des Kurfrsten von Sachsen +Veranlassung. Nach langem Fiebertraum erwachte sie im September, war +aber so blde und kindisch, da sie wenig verstand. Frau Kthe sa bei +ihr auf dem Bette und schweigete sie[326]. Darauf wollte ihre Tochter, +Frstin Margarete von Anhalt, mit Gefolge zum Besuch der kranken Mutter +kommen, natrlich womglich auch in Luthers Behausung. Aber diese konnte +man nicht auch noch aufnehmen; war doch das groe Haus genug belegt; +auch in der Stadt, die als Festung so eng gebaut war und jetzt so +besucht von Studenten, war jedes Haus bis in den kleinsten Winkel +vollgepropft. So mute man den Besuch ablehnen, aber versichern, da +alles angewendet werde, um die Genesung der Kurfrstin zu +beschleunigen[327]. Die andere Tochter der Kurfrstin, Herzogin +Elisabeth von Braunschweig-Calenberg, welche einst ihre Mutter wegen des +evangelischen Abendmahls an den Vater und eine ungnstige Aeuerung +Luthers ber Herzog Georg an diesen verraten hatte, kam fter zum Besuch +ihrer kranken Mutter in Luthers Haus; und dieser Umgang brachte sie +dazu, da sie selbst evangelisch wurde und nach dem Tode ihres Gemahls +als Regentin des Landes in Braunschweig die Reformation einfhrte. Sie +wurde sehr befreundet mit Luther und Kthe, schickte ihr einmal eine +Sendung Kse und bekam dafr Maulbeer- und Feigen-Setzlinge[328]. + +Aber der Zustand der armen "Markgrfin" war ein trauriger und noch +monatelang mute sie Kthe pflegen. Dabei trugen sich allerlei +rgerliche Zwischenflle zu, namentlich durch die Zudringlichkeit +unberufener Leute: so drngte sich eine schmutzige Bhmin ins Haus, ins +Gemach und an die Seite der Frstin, suchte fr sich Gunst und andern +Ungunst zu erregen. Eine Zeitlang ging es noch gut; als die Kranke aber +Geld ausgezahlt bekam, da fing es wieder an, sie verschwendete malos an +jedermann ohne Unterschied; auch den Lutherischen Eheleuten wollte sie +zwei Strzbecher mit 100 Goldgulden darin schenken. Dazu machte sie +immer Reiseplne und schrieb heimlich berallhin und wollte durchaus +fort aus Wittenberg[329]. + +Luther und Kthe wren die unruhige Patientin, ber die sie nicht +vllige Gewalt hatten, mit der vielen Unmue gerne losgewesen, muten +aber warten, bis der Hofhalt in Lichtenberg wieder eingerichtet +war[330]. + +Die greise Kurfrstin wurde nachher wieder gesund und berlebte noch +Luther. + +Nachdem das Jahr 1538 ebenfalls ein "fhrlich schwer Jahr" gewesen wegen +der mancherlei Krankheiten, spukte im Sptherbst 1539 die Pest wieder im +Lande. Die Leute hatten eine furchtbare Angst, der Bruder lie den +Bruder, der Sohn die Eltern im Stich; wenn ein Haus angesteckt war, +wurde es niedergerissen. Kein Bauer wollte Holz, Eier, Butter, Kse, +Korn in die verseuchte Stadt fahren. Da muten die Wittenberger zwei +Plagen fr eine leiden: Pestilenz und Hunger und Frost. Die Bauern luden +endlich ihre Sachen drauen vor den Thoren ab und die Stdter muten sie +auflesen[331]. + +Luther freilich nahm wie gewohnt "das Pestlein" leicht und hielt es nur +fr eine Seuche. Er zrnte und spottete ber die Pestfurcht: "Ich halt, +der Teufel hat die Leut besessen mit der _rechten_ Pestilenz, da sie so +schndlich erschrecken." Ja, er trotzte der Krankheit, um Tod und Teufel +zu verachten. Als er einmal einen Pestkranken besuchte, betastete er +ohne Scheu dessen Beulen. Und er war so sorglos, da er, als er heimkam, +sogar mit ungewaschenen Hnden sein Tchterlein Margarete unbedacht um +den Mund streichelte--es schadete freilich nichts. Ja, als die Gattin +des Kosmographen Dr. Sebald Mnster an der Seuche starb und dieser +selbst an sieben Beulen litt, nahm Luther zum Entsetzen der Wittenberger +die vier Kinder Sebalds aus dem verpesteten Hause zu sich. Guter Gott! +was entstand in der ganzen Stadt fr ein Geschrei gegen Luther! Er +wollte den Erbarmungslosen und Furchtsamen ein Exempel geben[332]. + +Diejenige, welche am wenigsten wider diese starkmtige Tapferkeit +Luthers einzuwenden hatte, war seine Gattin; und sie hatte doch die +grte Mhe und Sorge mit den bernommenen Kindern und war dazu wie vor +zehn Jahren ihrer Entbindung nahe. Und sie mute es ben. Sie kam +unglcklich nieder und schwebte lange Zeit zwischen Leben und Tod. Sie +fiel von einer Ohnmacht in die andre. Vergebens wurden alle strkenden +Mittel angewendet, die Entkrftung zu heben. Sie lag da wie eine atmende +Leiche, das Gesicht entstellt, die Gestalt verfallen. Wohl wurde sie von +besorgten Hnden aufs treulichste gepflegt und jeder Atemzug, jede +Bewegung beobachtet[333]. + +Luther wich nicht von der geliebten Frau und sagte darum seine Anwohnung +auf dem Schmalkalder Konvent ab. Er betete Kthe wieder lebendig, wie +einst zu Weimar seinen Freund Melanchthon. Denn wunderbarerweise siegte +Kthes starke Natur. Sie erholte sich, fing mit Appetit an zu essen und +zu trinken, stand wieder auf und kroch umher, indem sie sich mit den +Hnden an Tischen und Bnken hielt. Und bald that sie sich etwas zu gut +auf ihre wachsende Gesundheit und im April ist sie vllig wieder +hergestellt[334]. + +Die Freunde sahen in der wie durch ein Wunder genesenden Gattin des +Reformators das Weib der Offenbarung (Kap. 12): ein Sinnbild der durch +ein Gotteswunder genesenden kranken Kirche[335]. + +Im Sommer 1540 reiste Luther mit Melanchthon nach Eisenach, um dem +Reichstag in Hagenau nher zu sein, hnlich wie vor zehn Jahren in +Koburg dem Augsburger Tag. Melanchthon sollte nach Hagenau ziehen, aber +er wurde unterwegs in Weimar sterbenskrank; doch Luther hat ihn unsrem +Herrgott abgebetet. In Eisenach wohnte Luther im Pfarrhaus des Menius, +welcher mit nach Hagenau reiste. Sein "Fraulein" pflegte den +Wittenberger Doktor aufs sorgsamste und liebenswrdigste, so da Frau +Kthe unbesorgt sein konnte. Und der Kinderfreund Luther entschdigte +sich fr die Entfernung von seinen Kleinen dadurch, da er den +Pfarrbuben Timotheus ein Spiel mit Nssen lehrte. Von hier aus schrieb +Luther fleiig Briefe nach Haus, erhielt freilich von der +vielbeschftigten Frau Kthe nicht so leicht einen. Dafr muten die +Kinder und Hausgenossen schreiben, zu denen damals auch ein "Mariischen" +gehrte[336]. + +Die drei ersten Briefe sind verloren gegangen, der vierte aber +lautet[337]: + +"Meiner herzlieben Kthe, Doktorin Kathrin und Frauen auf dem neuen +Saumarkt zu handen. + +Gnade und Friede, liebe Jungfrau Kthe, gndige Frau von Zulsdorf und +wie Ew. Gnaden mehr heit! Ich fge Euch und Ew. Gnaden unterthniglich +zu wissen, da mir's hie wohl gehet: "ich fresse wie ein Bhme und saufe +wie ein Deutscher"[338]--das sei Gott gedankt, Amen. Das kommt daher: +Magister Philipps ist wahrlich tot gewesen und recht wie Lazarus vom Tod +auferstanden. Gott der liebe Vater hret unser Gebet, das sehen und +greifen wir, ohne da wir's dennoch nicht glauben: da sage niemand Amen +zu unserm schndlichen Unglauben. + +Ich hab' dem Doktor Pommer Pfarrherr geschrieben, wie der Graf zu +Schwarzburg (um) einen Pfarrherrn gen Greuen bittet, da magst Du als +eine kluge Frau und Doktorin mit Magister Georg Rhrer und Magister +Ambrosio Berndt helfen raten, welcher unter den dreien sich wollte +bereden lassen, die ich dem Pommer angezeigt: es ist nicht eine +schlechte Pfarre; doch seid ihr klug und macht's besser. + +Ich habe der Kinder Briefe, auch des Bacculaurien (Hans)--der kein Kind +ist, Mariische auch nicht--kriegt, aber von Ew. Gnaden hab' ich nichts +kriegt; werdet jetzt auf die vierte Schrift, ob Gott will, einmal +antworten mit Ew. gndigen Hand. + +Ich schicke hie mit dem Magister Paul den silbernen Apfel, den mir Ihre +gndige Hand geschenkt hat, den magst Du, wie ich zuvor geredet habe, +unter die Kinder teilen und fragen, wie viel sie Kirschen und Aepfel +dafr nehmen wollen; die bezahle ihnen bar ber und behalt' Du den Stiel +davon. + +Sage untern lieben Kostgngern, sonderlich Doktor Severo oder Schiefer, +mein freundlich Herz und guten Willen, und da sie helfen zusehen in +allen Sachen der Kirchen, Schulen, Haus und wo es not sein will. Auch M. +Georg Major und M. Ambrosio, da sie Dir zu Hause trstlich seien. +Will's Gott, so wollen wir bis Sonntag auf sein, von Weimar gen Eisenach +zu ziehen, und Philipps mit. Hiemit Gott befohlen. Sage Lycaoni nostro +(dem Diener Wolfgang), da er die Maulbeer nicht versume, er verschlafe +sie denn, das wird er nicht thun--er versehe es denn--und den Wein soll +er auch zur Zeit abziehen. Seid frhlich alle und betet. Amen. + +Weimar, am Tage der Heimsuchung Mari (2. Juli) 1540. + +Martinus Luther, + +Dein Herzliebchen." + +Mit dem folgenden Brief an "Frau Katherin Luderin zu Wittenberg, meiner +lieben Hausfrau" schickt Luther seiner "lieben Jungfer Kthe" durch den +Fuhrmann Wolf 42 Thaler Sold und 40 fl. Die "magst Du brauchen, bis wir +kommen, und wechseln lassen bei Haus von Taubenheim zu Torgau; denn wir +zu Hofe nicht einen Pfennig Kleinmnze mgen haben. Magister Philipps +kommt wieder zum Leben aus dem Grabe, siehet noch krnklich, aber doch +leberlich aus, scherzt und lacht wieder mit uns, isset und trinket wie +zuvor mit ber Tische. Gott sei Lob! Und danket ihr auch dem lieben +Vater im Himmel.... Was aber (zu Hagenau) geschieht, wissen wir nicht, +nur das: man achtet, sie werden uns heien: Thu das und das, oder wir +wollen euch fressen. Denn sie haben's bse im Sinn. Sage auch Doct. +Schiefer, da ich nichts mehr von Ferdinando halte; er gehet da hin zu +grunde. Doch hab ich Sorge, wie ich oft geweissagt, der Papst mchte den +Trken ber uns fhren.... Denn der Papst singet schon bereits: flectere +si nequeo Superos, Acheronta movebo: kann er den Kaiser nicht ber uns +treiben, so wird er's mit dem Trken versuchen; er will Christus nicht +nachgeben. So schlage denn Christus drein beides in Trken, Papst und +Teufel und beweise, da er der rechte Herr sei vom Vater zur Rechten +gesetzt. Amen!--Amsdorf ist auch noch hier bei uns. Hiemit Gott +befohlen. Amen. + +Sonnabends nach Kiliani (10. Juli). + +Mart. Luther."[339] + +Sechs Tage darauf kam wieder ein Brief[340]. + +"Gnade und Friede. Meine liebe Jungfer und Frau Kthe! Euer Gnaden +sollen wissen, da wir hier, Gottlob, frisch und gesund sind; "fressen, +wie die Bhmen"--doch nicht sehr--"saufen wie die Deutschen"--doch nicht +viel--, sind aber frhlich. Denn unser gndiger Herr von Magdeburg, +Bischof Amsdorf, ist unser Tischgenosse. Mehr neue Zeitung wissen wir +nicht, denn da Doktor Kaspar Mekum und Menius sind von Hagenau gen +Straburg spazieren gezogen, Hans von Jenen zu Dienst und Ehren. M. +Philipps ist wiederum fein worden, Gottlob. Sage meinem lieben D. +Schiefer, da sein Knig Ferdinand ein Geschrei will kriegen, als wolle +er den Trken zu Gevatter bitten ber die evangelischen Frsten: hoffe +nicht, da es wahr sei, sonst wre es zu grob. Schreibe mir auch einmal, +ob Du alles kriegt hast, was ich Dir gesandt, als neulich 90 Fl. bei +Wolf Fuhrmann u.s.w. Hiermit Gott befohlen, Amen. Und la die Kinder +beten. Es ist allhier solche Hitze und Drre, da unsglich und +unertrglich ist bei Tag und Nacht. Komm, lieber jngster Tag, Amen. + +Freitags nach Margareten, 1540. Der Bischof von Magdeburg lt Dich +freundlich gren. + +Dein Liebchen + +Martin Luther." + +Und endlich als es wieder auf die Heimreise ging, kndigt Luther Kthe +die Rckkehr an und bestellt einen Willkommtrunk. + +"Der reichen Frauen zu Zulsdorf, Frauen Doktorin Katherin Lutherin, zu +Wittenberg leiblich wohnhaftig und zu Zulsdorf geistlich wandelnd, +meinem Liebchen zu handen.--Abwesend dem Doktor Pomeran, Pfarrherr, zu +brechen und zu lesen. + +... (Ew. Gnaden) ... wollen schaffen, da wir einen guten Trunk bei Euch +finden. Denn, ob Gott will, morgen Dienstag wollen wir auf sein gegen +Wittenberg zu. Es ist mit dem Reichstage zu Hagenow ein Dreck, ist Mhe +und Arbeit verloren und Unkost vergeblich. Doch, wo wir nichts mehr aus +gerichtet, so haben wir doch Magister Philippus wieder aus der Hlle +geholet und wieder aus dem Grabe frhlich heimbringen wollen, ob Gott +will und mit seiner Gnaden, Amen. + +Es ist der Teufel hierauen selber mit neuen bsen Teufeln besessen, +brennt und thut Schaden, das schrecklich ist. Meinem gndigsten Herrn +ist im Thringer Wald mehr denn tausend Acker Holz abgebrannt und +brennet noch. Dazu kommt heute Zeitung, da der Wald bei Werda auch +angegangen sei und viel Orten mehr; hilft kein Lschen. Das will teuer +Holz machen. Betet und lasset beten wider den leidigen Satan, der uns +sucht nicht allein an Seele und Leib, sondern auch an Gut und Ehre aufs +allerheftigste. Christus, unser Herr, wolle vom Himmel kommen und auch +ein Feuerlein dem Teufel und seinen Gesellen aufblasen, da er nicht +lschen knnte, Amen. + +Ich bin nicht gewi gewesen, ob Dich diese Briefe zu Wittenberg oder zu +Zulsdorf wrden finden; sonst wollt' ich geschrieben haben von mehr +Dingen. Hiemit Gott befohlen, Amen. Gre unsere Kinder, Kostgnger und +alle. Montags nach Jacobi (26. Juli) 1540. + +Dein Liebchen + +M. Luther, D.[341] + +Um diese Zeit begann eine neue Sorge fr Kthe. Ihrem Bruder Hans wollte +es auf Zulsdorf gar nicht glcken. Daher kaufte sie ihm Zulsdorf ab. +Aber sie mute auch ihres Mannes vielfache Beziehungen zu frstlichen +Hfen angehen, um ihm wieder einen Hofdienst zu verschaffen, sei's in +Preuen, sei's in Sachsen. Luther konnte das mit gutem Gewissen, denn +Hans von Bora war keiner von den gromuligen "Scharhansen", wie sie in +dieser Zeit massenhaft aufgekommen waren. Aber vielleicht eben wegen +seiner Frommheit hatte er Unglck. Ein Gegner Luthers verdrngte ihn von +seinem Vorsteheramte am Neuen Kloster in Leipzig, bis er endlich einen +Teil des Klostergutes in Crimmitschau berkam[342]. + +Im Herbst dieses Jahres (1540) suchte die Stadt Wittenberg ein Fieber +heim, das zwar selten einen tdlichen Ausgang nahm, aber so ziemlich +alle Bewohner ergriff. Bugenhagen war so krank, da Luther fr ihn sein +Pfarramt versehen mute. Im eignen Hause waren zehn Todkranke und dazu +fhlte sich der Hausherr selber "alt und schwach". Da konnte wieder +Kthe ihre Sorge und Pflege anwenden[343]. + +Zu Ostern des folgenden Jahres (1541) wurde die Umgebung Wellenbergs +erschreckt durch Brandstiftungen und allerlei Vergiftungserscheinungen, +indem die Lebensmittel: Wein und Milch mit Gift und Gips gemischt +wurden. Es wurden allerlei Leute verhaftet und gefoltert, auch in +Wittenberg zwei Leute gerstet--ohne die Ursachen und die Urheber zu +entdecken. Luther fhlte sich in diesem Jahr gar nicht wohl, so da der +Kurfrst ihm sogar einmal zwei Aerzte schickte und er am Dreiknigstag +des folgenden Jahres (1542) sein Testament machte[344]. + +Noch eine Freude erlebten die Eheleute zu dieser Zeit: die Enkelin von +Luthers Schwerer, _Hanna Strau_, die in der Familie erzogen war, wurde +mit M. Heinrich von Klleda im Dezember 1541 verlobt, nachdem die +Pflegeeltern die Verlobung des Dr. Jakob Schenck (spter als Luthers +Gegner "der Jckel") abgewiesen hatten. Zu dem Verlbnis kam gerade von +den Anhalter Frstenbrdern ein Wildschwein, als Luther eben gebeten +hatte, wenn es mglich und thunlich wre, ihn zur Hochzeit "etwa mit +einem Wildbret zu begaben, denn ich einer Hausjungfrauen, meiner +Freundin (Verwandten) soll zu Ehren helfen in den hl. Stand der Ehe". Am +30. Januar 1542 wurde Hochzeit gemacht, die letzte in Luthers Haus. +Amsdorf u.a. schickten Hochzeitsgeschenke, und weiteres Wildbret von +Anhalt wird nicht gefehlt haben[345]. + +Aber zu gleicher Zeit (1541) starb auch nach nur vierjhriger Ehe D. +Ambros. Berndt, der Gatte der Magdalene Kaufmann, der Muhme Lene der +Jngeren. Die junge Witwe machte sich nun zum groen Verdrusse der +Lutherischen Verwandten an einen sehr jugendlichen Mediziner, Ernst +Reichet (Reuchlin), der noch studieren mute und heiratete ihn auch nach +Luthers Tod, so da sie eine zeitlang in rechte Bedrngnis geriet, bis +ihr Mann eine ehrenvolle Stellung erwarb[346]. + +Auch Lenes Bruder, Cyriak, bereitete Luther groen Aerger, indem er nach +dem Beispiel von Melanchthons und Dr. Beiers Sohn ein heimliches +Verlbnis einging, was die Wittenberger Juristen als giltig +anerkannten[347]. + +Am 26. August 1542 war der lteste Sohn, Hans Luther, jetzt 16jhrig und +bereits seit drei Jahren Baccalaureus, nach Torgau geschickt worden zu +Markus Crodel, der dort eine treffliche, von Luther hochgeschtzte +Knabenschule hielt, damit er in Sprachlehre und Musik ausgebildet werde, +auch Sitte und Anstand lerne, wozu in der studentenwimmelnden Kleinstadt +und in Luthers berflltem Hause nicht der rechte Ort war; Luther war +sich auch bewut, Theologen bilden zu knnen, aber keine Grammatiker und +Musiker. Daher wollte er Crodel, wenn er am Leben bliebe, noch spter +die zwei jngeren Shne schicken. Der Gesellschaft und Aneiferung wegen +wurde auch Kthes Brudersohn, Florian von Bora, mitgeschickt. Hans war +ein guter Junge, whrend Florian schon einer hrteren Zucht bedurfte. +Der Mutter that der Abschied weh, noch mehr aber der ltesten Schwester, +Lenchen, die mit besondrer Zrtlichkeit an ihm hing. Aber Hans gefiel es +gut im Pensionat des Przeptors, er hatte ihn und seine Frau zu rhmen; +er meinte sogar, es erginge ihm hier besser als daheim[646]. + +Kaum aber war der Bruder abgereist, so wurde Lenchen sterbenskrank. + +Es war ein gar liebes frommes Mdchen, das seine Eltern ihr Lebtag nie +erzrnt hatte. Auf ihrem Sterbebette verlangte sie herzlich und +schmerzlich, ihren Bruder Hans nochmals zusehen; sie meinte, sie wrde +dann wieder gesund werden. Kthe mute ihren Wagen anspannen lassen und +der Kutscher Wolf fuhr mit dem Luther'schen Gefhrt nach Torgau. Er +brachte einen Brief vom Vater an den Przeptor, der lautete: + +"Gnade und Friede, mein lieber Markus Krodel. Ich bitt' Euch, sagt +meinem Sohn Hans nicht, was ich Euch schreibe. Mein Tchterlein +Magdalena ist dem Ende nahe und wird bald heimkehren zu ihrem wahren +Vater im Himmel, wenn' s Gott nicht anders gefllig ist. Aber sie sehnt +sich so sehr darnach, den Bruder zu sehen, da ich den Wagen schicken +mute: sie lieben eins das andere gar so sehr--vielleicht, da sein +Kommen ihr neue Kraft geben knnte. Ich thue, was ich kann, damit mich +nicht spter mein Gewissen beschwert. So sagt ihm also--doch ohne die +Ursach'--da er mit diesem Wagen eilends herkomme, um bald wieder +zurckzukehren, wenn Lenchen im Herrn entschlafen oder wieder gesund +worden sein wird. Gott befohlen. Ihr mt ihm sagen, es warte seiner ein +heimlicher Auftrag. Sonst steht alles wohl. 6. September 1542."[348] + +Hans kam zurck und auch rechtzeitig daheim an. Denn das arme Mdchen +mute noch vierzehn Tage leiden und mit dem Tode ringen: offenbar hatte +dies Wiedersehen des Bruders ihre Lebensgeister nochmals aufflammen +lassen. Es waren gar traurige Wochen in dem Lutherhaus. Das fromme +Mgdlein zwar wollte gerne sterben: beim irdischen Vater bleiben oder +zum himmlischen heimkehren. "Ja, herzer Vater", sagte es, "wie Gott +will!" Aber den Eltern kam der Abschied ihres Lieblings sehr hart an, +namentlich Luther, der hatte sie sehr lieb, denn die Vter hngen mehr +an den Tchtern, whrend Frau Kthe zu ihrem Hans grere Zuneigung +fhlte. + +In der Nacht vor Lenchens Tode hatte die Mutter einen wundersamen Traum: +Es deuchte sie, zwei geschmckte, schne junge Gesellen kmen und +wollten ihr Lenchen zur Hochzeit fhren. Am Morgen kam Melanchthon +herber ins Kloster und fragte, was Lenchen machte. Da erzhlte Frau +Kthe ihren Traum. Magister Philipp, der bei andern im Geruch der +Wahrsagung und Traumdeuterei stand und sich selbst viel darauf zu gut +that, machte ein erschrockenes Gesicht. Und als er zu anderen Leuten +kam, deutete er den Traum: "Die jungen Gesellen sind die lieben Engel, +die werden kommen und diese Jungfrau in das Himmelreich zur rechten +Hochzeit heimfhren." Melanchthon hatte diesmal recht prophezeit. + +Am 26. September um die neunte Stunde ging es zu Ende. Der Vater hielt +das Kind in seinen Armen, die Mutter stand dabei. Der Doktor weinte, +betete und trstete abwechselnd das Kind, sich selbst und die +Umstehenden: Frau Kthe, Melanchthon und D. Rhrer. Die Mutter war tief +ergriffen; als es zu Ende war, weinte sie ihren Jammer laut hinaus, so +da Luther sie beruhigen mute: "Liebe Kthe, bedenke doch, wo sie +hinkommt: sie kommt wohl." + +Die traurigen Ereignisse gingen ihren Gang. Der Sarg kam; aber als das +Mgdlein hineingelegt werden sollte, hatte es der Tod gestreckt und ihr +Bettlein war ihr zu klein geworden. Die Leute kamen und bezeugten den +Eltern nach dem gemeinen Brauch ihr Beileid: "es wre ihnen ihre +Betrbnis leid". Der Schlerchor sang das Lied: "Herr, gedenk nicht +unsrer vorigen alten Missethat." Sie ward hinausgetragen auf den +Friedhof am Elsterthor, und eingescharrt. "Es ist die Auferstehung des +Fleisches", sagte Luther, der jedes Wort und jeden Akt mit einem +sinnigen Trostspruch begleitete. Dann ging der traurige Zug heim und der +Doktor sagte zu Kthe: "Nun ist unsere Tochter beschickt, an Leib und +Seel versorgt, wie es Eltern sollen thun, sonderlich mit den armen +Mgdlein." Darauf dichtete der Doktor seinem Tchterlein eine +lateinische Grabschrift, die lautet in treuherzigem Deutsch: + + Hie schlaf ich Lenchen, D. Luthers Tchterlein, + Ruh mit allen Heiligen in mei'm Bettelein[349]. + +Aber noch monatelang sprach und schrieb Luther von seiner Trauer, zrnte +wider den Tod und milderte seinen Schmerz mit Thrnen um die geliebte +Tochter; und Kthe hatte die Augen voll Thrnen und schluchzte laut auf +beim Gedanken an das "gute gehorsame Tchterlein"[350]. + +Begreiflich, da Frau Kthe den erstgebornen Sohn mit schwerem Herzen +wieder in die Ferne entlie. "Wenn dir's bel gehen sollte, so komm nur +heim", hatte die Mutter in einer Anwandlung von Weh und Schwche zu Hans +gesagt. Es ging nun zwar Hans nicht schlecht in Crodels Hause, aber das +Heimweh nach Lenchen und die Sehnsucht nach dem Vaterhause wurde +bermchtig in ihm--es war ja gerade um die Weihnachtszeit. Er schrieb +einen klglichen Brief und berief sich auf die Rede der Mutter, er solle +heimkehren, wenn's ihm bel ginge. Da schrieb Luther am 2. Christtag an +den Przeptor und den Sohn zwei Episteln, in denen er Hans zur +mnnlichen Ueberwindung der weibischen Schwche ermahnt. Der Brief an +den Sohn lautet: + +"Gnade und Friede im Herrn. + +Mein lieber Sohn Hans. Ich und Deine Mutter und das ganze Haus sind +gesund. Gieb Dir Mhe, da Du Deine Thrnen mnnlich besiegst und Deiner +Mutter Schmerz und Sorge nicht noch mehrst, die so geneigt ist zu Sorge +und Angst. Gehorche Gott, der Dir durch uns befohlen hat dort zu +arbeiten, so wirst Du leicht dieser Schwche vergessen. Die Mutter kann +nicht schreiben und hat es auch nicht ntig geachtet; aber sie sagt, +alles was sie Dir gesagt habe--nmlich Du solltest heimkehren, wenn es +Dir bel ginge--habe sie von Krankheit gemeint; davon solltest Du, wenn +es geschehe, gleich Kunde geben. Sonst will sie, da Du diese Trauer +lassest und frhlich und ruhig studierest. Hiemit gehab Dich wohl im +Herrn. + +Dein Vater Martin Luther."[351] + +Der letzte Schmerz und Verlust, den Frau Kthe in diesem +schicksalsschweren Jahre noch erlebte, war der Tod ihrer besten +Freundin, der Frau Stiftspropst Katharina Jonas. Sie starb am +Weihnachtstage 1542, eine frohe freundliche Kinderseele; so ging sie +auch am Christfest hinein in den himmlischen Freudensaal zur ewigen +Weihnacht. + +Frau Kthe aber war's, als sei ihr ein Stck von ihrer Seele +gestorben[352]. + + + + +12. Kapitel + +Tischgenossen und Tischreden. + + +"Unsere Herrin Kthe, die _Erzkchin_", so nennt Luther seine Gattin in +einem scherzhaften Einladungsbrief an Freund Jonas[353]. + +Und das war sie; sie kochte gern und gut und braute auch die +entsprechenden Getrnke dazu. Gelegenheit zu den manchfaltigsten +Gastereien hatte aber kein Weib so sehr als Frau Kthe. + +Da gab es vor altem gar mancherlei Hochzeiten von Verwandten und +Freunden, deren Ausrichtung dem Herrn Doktor eine Herzensfreude war, bei +denen aber sein "Herr Kthe" eine ganz besonders hervorragende und liebe +Rolle spielte. + +Und was so eine Hochzeit in Wittenberg auf sich hatte, kann man sich +kaum recht vorstellen. Da mute der "Haufe" geladen werden; bei einer +"akademischen" Hochzeit "die Universitt mit Kind und Kegel" und dazu +andere, die man Luthers halber "nicht wohl konnte au(en) lassen; so +bleibt's weder bei 9 noch bei 12 Tischen, 120 Gste ohne die Diener +u.s.w." war das Gewhnliche fr eine akademische Hochzeit. "Bei einem +Doktorschmaus machten die Mnner allein schon 7 bis 8 Tische voll; was +wurde es erst, wenn die Frauen, Kinder und noch das Gesinde zu speisen +und zu trnken waren?" Dazu dauerten die Hochzeiten mehrere Tage. Luther +hatte sich bei seiner Hochzeit auch nur "fr die gewhnlichen Gste" mit +einem Tage begngt. Und das alles bei dem schlechten Markt in +Wittenberg! Da war es fr die gute Kthe keine geringe Schwierigkeit, +einen solchen Schwarm in anstndiger Weise zu speisen, und sie wollte +doch weder auf den Ruhm ihres Mannes, noch der Gefeierten einen Makel +kommen lassen--natrlich auf ihren Ruhm auch nicht. Luther und Kthe +wollten beide keine Unehre einlegen[354]. + +Aber auch sonst richtete Frau Kthe gern Feste aus: Doktorschmuse, +Geburtstagsessen und auch sonstige Gesellschaften ohne besondere +Veranlassungen. Da ist Wilhelm Rink, D. Eisleben (Agricola), Alexander +Drachstett und Wolf Heinzen zu Besuch im Schwarzen Kloster; und weil der +Pfarrer Michael Stiefel in Lochau seltener dahin kommt, soll auch er +erscheinen und teilnehmen an den frhlichen Tagen. Da wird einer der +Freunde oder gar zwei: Rhrer oder Jak. Schenk, Hier. Heller, Nikolaus +Medler, "der Markgrfin Kaplan" (d.i. der Hofprediger der Kurfrstin +Elisabeth von Brandenburg) zum Doktor promoviert und Herr Kthe brt und +braut fr den blichen Schmaus. Da giebt sie ihrem eignen Doktor am 19. +Oktober ein festliches Abendmahl zum Jahrestage seines Doktorats. Am 10. +Martini wird mit dem Heiligen Martin auch der Geburtstag ihres D. +Martinus und spter noch ihres Martinleins festlich begangen[355]. Der +zehnte Jahrestag des Thesenanschlags ("der niedergetretenen Ablsse"), +der Allerheiligentag 1527, wird mit einem Fest begangen. Auch um ihn zu +trsten ber den Tod des lieben Freundes Hausmann, der Luther ungemein +nahe ging, lud Frau Kthe einen Kreis von Freunden ein: Jonas, +Melanchthon, Camerarius, Cokritz. Die Kindtaufschmuse fr ihre +Neugebornen mute die Wchnerin wenigstens einige Zeit vorher +vorbereiten und von ihrem Bette aus berwachen. Doch auch ohne besondere +festliche Veranlassung erschienen zu kleinerem Beisammensein am +geselligen Tisch die guten Freunde und Amtsgenossen: Jonas, Melanchthon, +Bugenhagen, so oft ein Stck Wildbret oder eine Sendung Fische ins Haus +geschickt wird, oder eine Kufe Bier, oder ein Fa Wein--manchmal mit der +ausdrcklichen Bestimmung, "Herr Philipp, D. Pommer und andere gute +Freunde sollten es mit dem Doktor gesund verbrauchen." Dann darf Frau +Kthe die Speisen bereiten und auftischen[356]. Manchmal mu sie auch +bei Hof um Wild zum Festbraten bitten lassen, wenn sonst keines zu +bekommen ist; oder sie bestellt bei einem guten Freunde "fr einen +Thaler Vgel, Gefieder, Geflgel und was im Reich der Luft fleugt, +ferner was er an Hasen und anderen Leckerbissen kaufen oder umsonst +erjagen kann." Oder Frau Kthe mute ihre eigenen Fischteichlein +ausrumen, wo neben Hechten und Karpfen, Schmerlen und Barsche, ja +sogar Forellen schwammen. Denn nicht immer kamen die Geschenke so +reichlich wie einmal vom Kurfrsten "ein Fuder Supstitzer, ein halb +Fuder Goreberger, vier Eimer Jenischen Weins, dazu ein Schock Karpfen +und ein Zentner Hechte, schne Fische"--war auf einmal zu viel, selbst +fr eine zahlreiche Gesellschaft[357]. + +Da sind Durchreisende und Besuche vom Frsten bis zum fahrenden Schler, +fremde Gesandte und stellenlose Magister, arme Witwen und vertriebene +Pfarrer, Englnder und Franzosen, Bhmen und Ungarn, sogar einmal ein +"Mohr": sie sitzen zu Gaste einen Tag, auch eine Woche und ein Jahr an +Kthes groem Tisch. Als Hartmut von Cronbergs verwitwete Schwester von +einem Juden entfhrt nach Wittenberg kam und heimlich sich da aufhielt, +entschuldigt sich Luther mit seinen bsen Erfahrungen an vornehmen und +geistlichen Schwindlerinnen, da er sich ihrer nicht an-, d.h. sie nicht +ins Haus genommen; bei ihrem Kinde stand er aber nachher Gevatter[358]. + +Da kamen Schwester und Bruder, Schwager und "Freunde" von Mansfeld. Oder +die Straburger Theologen speisten im Schwarzen Kloster. So machte der +feine Straburger Capito, der samt Butzer zur "Concordia" in Wittenberg +verhandelte, einen gar guten Eindruck auf Frau Kthe, und es war ihr ein +groes Unglck, da der goldene Ring, den er ihr verehrte und den sie +als Sinnbild der Vereinigung der schsischen und oberlndischen Kirche +betrachtete, ihr durch ein Migeschick abhanden kam [359]. + +Sogar dem Kurfrsten mute Frau Kthe hinter dem Wall eine Collation +auftischen (8.-14. Mrz 1534). Spter waren noch allerlei andere Frsten +wenigstens vorbergehend Tischgenossen Kthes, so der junge schsische +Johann Ernst und der Herzog Franz von Lneburg[360]. + +Stndige Tischgesellen waren die im Schwarzen Kloster wohnenden +Przeptoren, Famuli und Scholaren. + +Einer der ltesten und ersten dieser Tischgenossen im Luther hause ist +Konrad _Cordatus_. + +Er war sieben Jahre vor Luther von husitischen Bauern im +sterreichischen Weienkirchen geboren, studierte Theologie in Wien, +lebte einige Jahre in Rom; erhielt 1510 eine sehr gute Anstellung in +Ofen, schlo sich sofort 1517 der Reformation an, wurde abgesetzt, ging +1524 mittellos nach Wittenberg und studierte unter Luther, der sich +seiner annahm, kehrte heim und predigte das Evangelium, wird 38 Wochen +lang gefangen gehalten im tiefen Turm, in Finsternis bei "Nattern und +Schlangen", entkommt durch einen mitleidigen Wchter und flchtet zu +seinem kongenialen Lehrer D. Luther. Dort lebte er einige Zeit in dessen +jungem Haushalt 1526, und wieder stellenlos auf Einladung Luthers von +1528-29, nach zweijhrigem Pfarramt in Zwickau 1531-32 wieder fast ein +Jahr, bis er Pfarrer in Niemegk nahe bei Wittenberg wurde. Er ist einer +der besten Prediger der Reformationszeit. Er war eine trotzige Natur, +wie Luther; nur noch viel hitziger, schroffer und wenig vertrglich. Er +konnte sich auch in Frau Kthes Art nicht sonderlich schicken und machte +Luther Vorwrfe, da er sich von seiner Gattin bestimmen lasse. Dafr +macht er in seinen Tischreden einigemale eine bissige Bemerkung ber die +Doktorin, als wre sie herrschschtig und hoffrtig und berichtet +berhaupt mit einer gewissen Herbigkeit ber sie. Als Luther ihn und +seinen Freund Hausmann nicht so mit Geld untersttzen kann, wie er's +mchte, meint Cordatus, Luther htte seiner Frau nicht erlauben sollen, +einen Garten anzukaufen. Auch vertrug er schwer, da sie bestndig +Luthers "beste Reden unterbrach", weil er mit groem Eifer alle Worte +Luthers nachschrieb[361]. + +Am Dreiknigstag 1528 kam desgleichen aus Oesterreich vertrieben Luthers +alter Freund Michael _Stiefel_ an, welcher von 1525 an bei der edeln +Familie Jrger von Tollet Kaplan gewesen, "ein frommer, sittiger und +fleiiger Mensch". Er kannte Frau Kthe schon vor ihrer Vermhlung und +war bei seiner Abreise von Wittenberg am 3. Juni 1525 wahrscheinlich +schon in Luthers Absicht, zu heiraten, eingeweiht. Von Oesterreich aus +hatte er einen gar liebenswrdigen Brief an Frau Katharina geschrieben +und sie erwiderte seine Gre. Bis zu Michaelis 1528 blieb Stiefel in +Luthers Haus, fhlte sich aber durch diese Inanspruchnahme seiner +Gastfreundschaft bedrckt. Er bernahm darum die Pfarrei und Pfarrwitwe +von Lochau mit zwei Kindern. Das Luthersche Ehepaar besorgte seinen +Umzug. Der Verkehr mit dem Lochauer Pfarrhaus hielt an. Luther schreibt +und erhlt viele Briefe und auch Kthe bekommt eine freundliche Epistel +vom Pfarrherrn; die Pfarrerin schickt dem Doktor ein Geschenk. Bald wird +Stiefel eingeladen zu einer guten Gesellschaft im Schwarzen Kloster, +bald sagt sich Luther mit seiner ganzen Knabenschaar zum Kirschenbrechen +in Lochau an. Schlielich verfiel Stiefel zum Verdrusse Luthers aufs +Grbeln nach dem Jngsten Tag. Die Bevlkerung der ganzen Gegend bis +nach Schlesien hinein strmte dem Propheten zu und erwartete mit ihm am +19. Oktober 1533, 8 Uhr nachmittags, das Ende der Welt. Als dies nicht +eintraf, wurde der falsche Prophet vom Landesherrn verhaftet und so fr +den Unrat, den er angerichtet, gestraft, aber auch gegen die aufgeregten +Leute geschtzt und nach Wittenberg gebracht, wo er seinen Irrtum +bereute[362]. + +Gleichfalls ein Oesterreicher, _Kummer_ (Kommer), kam 1529 nach +Wittenberg. Auch er hatte, wegen des Evangeliums verfolgt, in +Weiberkleidern fliehen mssen, und nahm natrlich seine Zuflucht zu +Luther. Dessen Haus- und Tischgenosse scheint er ebenfalls gewesen zu +sein. Kummer war ein Freund und Studiengenosse Lauterbachs[363]. + +Im selben Jahre 1529 kam dieser Anton _Lauterbach_, geboren 1500 als +Sohn des Brgermeisters zu Stolpe, nach Wittenberg, wo er Magister wurde +und mindestens schon 1531 Luthers Hausgenosse und Tischgnger war und +Diakonus der Pfarrgemeinde wurde. Ein hochaufgeschossener Mensch, im +Gegensatz zu seinem Genossen Cordatus ein gutmtiger Geselle. Dienstag, +28. Januar 1533, diente er zu Tisch beim Kindtaufschmaus fr den kleinen +Paul. Er verheiratete sich in diesem Jahre mit einer Nonne Auguste, +wobei natrlich Frau Kthe wieder die Hochzeit herzurichten hatte. Dann +wurde er Diakonus in Leisnig, 1537-39 kam er wieder als Diakonus in die +Universittsstadt. Als darauf das Herzogtum Sachsen reformiert werden +sollte, wurde er als Superintendent nach Pirna berufen, wollte aber "das +heilige Wittenberg" nicht verlassen. Doch gab er den Mahnungen Luthers +und der andern Vter nach, seinem Vaterlande zu dienen und das +beschwerliche Amt zu bernehmen. Am Mittwoch, 25. Juli 1539 erschienen +in Wittenberg die Pirnaer Ratsherren mit zwei Wagen und holten ihren +ersten evangelischen Pfarrherrn ab. Unter Thrnen nahm er Abschied von +Luthers Familie. Am folgenden Freitag, Jacobi, kam er, feierlich mit +Willkommtrunk empfangen, in Pirna an, und es wurde mit der Reformation +"der Anfang deutsch und gut lutherisch zu taufen gemacht an Drillingen". +Aber aus der weiten Ferne blieb Lauterbach in lebhaftem und freundlichem +Verkehr mit Luther und Frau Kthe, der er gar mancherlei Besorgungen +machte[364]. + +Ohne Amt, aber auf eines wartend, zog im November 1531 der Oberpflzer +Joh. _Schlaginhaufen_--der lateinisch Turbicida oder gar griechisch +Ochloplectes genannt wurde--ins Schwarze Kloster nach Wittenberg, wo er +ein Jahrzehnt zuvor studiert hatte. Er war zum Trbsinn geneigt und +qulte sich mit dem Zweifel, ob er auch zur Zahl der Auserwhlten +gehre; und Luther mu den Schwermtigen oft aufheitern, wenn er +trbselig und teilnahmslos unter den Gsten und Tischgenossen dasitzt. +Trotzdem oder gerade deswegen steht er bei Frau Kthe hoch in Gunst, und +als ihr Gatte whrend der Rektoratswahl am 1. Mai 1532 einen +Ohnmachtsanfall bekommt, schickt sie zuerst nach Schlaginhaufen in die +Festversammlung und dann erst lt sie Melanchthon und Jonas rufen. +"Meister Hans" war willig zu jedem Dienst, nahm sich des Gartens und +besonders des Bienenstandes der Frau Kthe an, und wurde spter als +Pfarrer im nahen Zahna und dann in Kthen ein tchtiger +Bienenvater[365]. + +Seit 1527 war im Schwarzen Kloster als Hausgenosse der gesetzte, ernste +30jhrige _Hieronymus Weller_ aus Freiberg. Als Luther auf der Koburg +sa, war er der Hauslehrer des jungen Hans. Sein Bruder Peter, ein +junger Magister und juristischer Student, welcher ebenfalls spter +unterrichtete, zog 1530 auch in das Kloster; beide als mnnliche +"Schirmer" der von Luther und seinem Famulus Veit Dietrich verwaisten +Familie. Die Brder waren sehr musikalisch; ein dritter, namens +Matthias, sogar in seiner Vaterstadt am Dom Organist und Tonsetzer. +Peter und Hieronymus erfreuten also die Familie durch ihren hbschen +Gesang. Aber es war gut, da der heitere Bruder Peter noch ins Kloster +kam, denn der hochbegabte Hieronymus war--wie Matthias--zur Schwermut +geneigt. Und die vielbesorgte Hausfrau wird zugeredet haben, da der +Trbsinnige lieber eine Stelle in Dresden annehmen solle; aber er blieb +bis 1535 und war so acht Jahre in ihrem Haus. Daher kam es, da auch die +beiden andern Weller gar oft als Gste im Kloster weilten. So waren am +24. September 1533 die zwei oder gar drei Weller da und sangen mit +Luther. Ebenso 1534. Im folgenden Jahr wurde Hieronymus Doktor der +Theologie und den Doktorschmaus fr acht Tische mute Frau Kthe +ausrichten Mit dem Juristen Peter bi sich Luther weidlich herum[366]. + +Um diese Zeit gehrte auch ein adeliger Bhme, _Hennick_, ein Waldenser, +zu den Tischgenossen, der spter mit Peter Weller zum heiligen Lande +zog, wo beide gestorben und begraben sind[367]. + +Als fremdlndischer Haus- und Tischgenosse lebte im Lutherhause auch der +"schwarze Engeleser" Dr. theol. Antonius (Robert _Barns_), dem Luther im +Scherz seine Kthe zum deutschen Sprachmeister geben wollte und der auch +Gast bei den hufigen Hochzeiten im Schwarzen Kloster war. Er war 1529 +seines Glaubens wegen aus der Heimat geflohen, dann von Heinrich VIII. +als Unterhndler seiner neuen Ehe und "Religion" gebraucht, aber dann +doch bei seiner Rckkehr mit zwei Gefhrten "von Knig Heinz wegen +seines evangelischen Glaubens auf das Schmidfeld hinausgefhrt und +verbrannt worden". Von dem Mrtyrertum "unseres guten Tischgesellen und +Hausgenossen" gab Luther dann eine Schrift heraus[368]. + +Kthes Tischgenosse war ferner der Ungar Matthias v. Vai, ein mutiger +Mann, dem es daheim besser erging als Robert Barns. Denn als er mit +seinen papistischem Amtsgenossen in Streit geriet, verklagte ihn dieser +bei des Woiwoden Bruder, dem Mnch Georg, damals Statthalter in Ofen. +Dieser wollte bald erfahren, wer recht habe, setzte zwei Tonnen Pulver +auf den Markt und sagte: "Wer seine Lehre fr gttlich erkennt, setze +sich Drauf--ich znde es an, wer lebendig bleibt, dess' Lehre ist +recht." Da sprang Vai flugs auf die Tonne, der Priester aber folgte +nicht und Georg strafte den Priester mit seinem Anhang um 4000 Gulden, +dem Vai aber erlaubte er, ffentlich zu predigen. Diese rettende, +mutige That erzhlte Luther mit Freude seinen Tischgenossen[369]. + +Lange Zeit (1529-1534) lebte auch M. Veit Dietrich im Lutherhause. Er +war ein Nrnberger (geb. 1506), der nach Wittenberg gekommen war, um +Medizin zu studieren, aber wie manche andere von Luther fr die +Theologie gewonnen wurde (1527) und ihm bald als vertrauter Famulus an +die Hand ging. Er begleitete Luther auf die Koburg. Dietrich hatte seine +eignen Zglinge; von der Koburg sandte er ihnen "Argumente", die sie +auswendig lernen sollten, whrend Luther dieselben durch seinen Brief +vom Dohlen-Reichstag erfreute. Als Luther vom Reichstag zurckgekehrt +war, schrieb er dem in Nrnberg zurckgebliebenen Dietrich von dem Stand +der Dinge in Wittenberg, auch Gre von der ganzen Tischgenossenschaft +und Frau Kthe, welche zugleich auszurichten befahl, "Dietrich solle +nicht glauben, da sie ihm erzrnt sei". Dietrich kam nmlich nicht +recht mit Frau Kthe aus. Er meinte von sich selbst, da er zwar keine +krausen Haare habe, aber einen krausen Sinn. Daher riet ihm Luther, ein +Weib zu nehmen, da werde ihm das schon vergehen. Das wollte Dietrich +auch. Aber bis er dazu kam, rieb er sich einstweilen, wie es scheint, an +Frau Kthe. Als sie ihm gar die Liebschaft mit Muhme Lene untersagte, +zog er im Herbst 1534 mit seinen sechs Scholaren aus dem Hause und +verbreitete die Rede, die Doktorin sei gegen seine Zglinge hochmtig +und berechnet gewesen. Fr die Hauswirtin mit ihren eignen fnf kleinen +Kindern und dem schweren Haushalt war dieser Wegzug wahrlich eine +Erleichterung[370]. + +Es gab nun natrlich zwischen Dietrich und dem Lutherischen Hause eine +Spannung. Diese aber ging vorber. Als Dietrich im folgenden Jahre in +seine Vaterstadt Nrnberg berufen wurde und heiratete, schrieb ihm nicht +nur Luther einen freundlichen Brief, sondern auch Kthe sandte ihm Gre +und Glckwnsche zum Ehestand und Amt. Der Briefwechsel dauerte fort bis +zu beider Mnner Tod und auch Kthes Gre blieben nicht aus[371]. + +Ein Landsmann von Veit Dietrich, _Hieronymus Besold_, kam einige Jahre +nach dessen Weggang ins Lutherhaus. Er war durch jenen gegen die +Hauswirtin eingenommen, so da er sich anfangs vor ihr als einer +herrischen und habschtigen Frau frchtete. Aber--er kam doch an ihren +Tisch und blieb da und verlor seine schlechte Meinung von ihr, wenn er +auch von Frau Kthe mit Bestellungen in Nrnberg in Anspruch genommen +wurde und dann einmal nicht wagte, sie an seine Auslagen zu +erinnern[372]. + +Um diese Zeit (1537-1542) war auch M. Johann (Sachse aus) _Holstein_ im +Klosterhaus Tischgenosse, auf dessen rotes Haar der "Schandpoetaster" +Simon Lemnius (1538) seine wohlfeilen Witze machte. Er war eines +"ehrbaren, frommen Gemts und stillen Wesens, dazu ein feiner Magister". +Er hatte 17 Jahre studiert und war ber zehn Jahre lang Magister +(Privatdozent) gewesen, gab im Lateinischen, Griechischen und +Hebrischen keinem etwas nach. Trotzdem konnte er nicht als ordentlicher +Professor ankommen, so da sich Luther bei dem Senior der +"Artistenfakultt", M. Melanchthon, erkundigen wollte, was fr ein Groll +und Neidhart dahinter stecke. Auch Frau Kthe nahm sich seiner an und +legte ein gutes Wort bei Meister Philipp ein, das aber eine bse Statt +fand. So mute sich Holstein weiter mit Knaben ernhren und wurde +schlielich Jurist[373]. + +1539 lebte bei Luther wieder ein "Oestreicher" als Kostgnger, Huttens +Freund Wolfgang Angst oder _Schiefer_ (Severus), gebrtig aus dem +sterreichischen Elsa zu Kaisersberg bei Kolmar. Er war zuvor +Hofmeister der Shne des Knigs Ferdinand, spter Kaiser Ferdinand I., +Bruder Karls V. gewesen, mute aber seines Luthertums wegen flchten und +nahm nach Wittenberg seine Zuflucht. Er war ein sehr feiner Mann, noch +unbeweibt; Luther empfahl ihn dem Kurfrsten zum Hofmeister und hoffte, +er solle ihm "sehr wohl gefallen". Aber es wurde nichts daraus, und so +lebte Schiefer als ein lieber Freund Luthers ins folgende Jahr im Haus. +Schiefer beteiligt sich gar oft an den Tischgesprchen, ihm soll Frau +Kthe auch von Luther aus Weimar allerlei ber "seinen Knig Ferdinand" +ausrichten[374]. + +Ein ebenso gesetzter Mann kam um diese Zeit als Gast ins Lutherhaus nach +Wittenberg, _Matthesius_, der 36jhrige Schulmeister von Joachimsthal, +der noch Theologie studieren wollte, um daheim das Pfarramt zu +bernehmen. Von 1540-42 war er Genosse an Kthes Kosttisch. Er redet +mit groer Verehrung von ihr[375]. + +Und endlich kam noch _Goldschmidt_ (Aurifaber) ins Haus, ein Mansfelder. +Er studierte von 1537-40 Theologie; wurde dann Hofmeister des jungen +Grafen Mansfeld, und darauf Feldprediger, kam aber 1545 nochmals nach +Wittenberg und war die ganze Zeit bis zu Luthers Tod um ihn. +Gleichzeitig war _Rutfeld_ da als Famulus und Przeptor fr Luthers +Knaben[376]. + +In dieser letzten Lebenszeit Luthers sa wieder ein Oesterreicher an +Kthes Tisch, Ferdinand _a Mangis_, ferner ein M. _Plato_ und andere +Kostgnger[377]. + +Das war Luthers oder vielmehr Frau Kthes "Tischburse", an welcher +teilzunehmen alle, auch die Aeltesten, Geehrtesten und Gelehrtesten fr +ein hohes Glck und groe Auszeichnung ansahen. Und wenn es gar einen +Rundtrank gab aus dem Glase der heiligen Elisabeth von Thringen, das +Luther besa, so galt das als eine besonders feierliche Stunde[378]. + +Auer diesen erwachsenen und zum Teil sogar in sehr gesetztem Alter +stehenden Kostgngern gehrten zur "Tischburse" Luthers noch die +zahlreichen fremden Kinder, die als Pensionre gegen und ohne Entgelt im +Schwarzen Kloster lebten. Kthe setzte eine bestimmte Zahl von solchen +Kostgngern fest, ber die sie mit Recht nicht hinausgehen wollte. Als +daher der Kanzler Mller zu Mansfeld im Januar 1536 anfragte wegen +Uebernahme eines gewissen Kegel an Kthes Kosttisch, mute ihm der +Hausherr schreiben: "Den Kegel htte ich wohl gerne zum Kostgnger haben +mgen aus allerlei Ursachen, aber weil die Purse (Burse) wiederkummt von +Jena (wohin die Studenten wegen der Pest gezogen), so ist der Tisch voll +und ich kann die alten Compane nicht also verstoen. Wo aber eine Sttt +los (ein Platz leer) wrde (was nach Ostern geschehen mag), so will ich +meinen Willen Euch gern darthun, _wo anders Herr Kthe alsdann mir +gndig_ sein wird."[379] + +Also Frau Kthe bestimmte ber den Kosttisch. Und das war auch sonst gut +so. Denn der gutmtige Doktor nahm jeden armen Schelm auf, der sonst +nicht unterkam oder sorgte fr ihn durch Stipendien, so da aus aller +Herren Lnder und aus allen Stdten, sogar aus "Mohrenland" Schler und +Studenten nach Wittenberg strmten "und wir allhie gar sehr berladen +sind und mehr denn unsre Armut vermag von vielen verjagten und sonst +guten Leuten, so gern studieren wollen, besucht werden um Hlfe". So +mute z.B. 1533 die Frau Doktorin ihren Mann drngen, an die Stadtrte +von Rothenburg an der Tauber zu schreiben, da sie sich eines ihrer +Stadtkinder annhmen, eines Georg Schnell, der "arm war und nichts +hatte" als einen guten Kopf und ein frommes Gemt, und tglicher Haus- +und Tischgeno im Schwarzen Kloster war[380]. Einen andern kleinen +Knaben, der ihnen 1541 vom reichen England durch einen Nrnberger +Geistlichen aufgehalst war, mute man nach Nrnberg ins Findlingshaus +(Waisenhaus) abschieben. Luther mute sich auf Kthes Vorstellungen an +den "ehrbaren und frsichtigen" Ratsherrn Hieron. Baumgrtner wenden, +ihrer beiden "lieben Herrn und guten Freund". "Auf gut Vertrauen, so ich +zu Euch habe, schicke ich hie einen Knaben, der mir aus England ist +schalkhaft aufgelogen. Nu ihr aber wisset, was fr eine Bettelstadt +unsre Stadt ist, dazu der Bube noch wohl bedarf einer Magd, die sein +warte mit Waschen und Lausen usw., mein Zins (Einkommen) aber nicht +vermge, ist meine ganz freundliche Bitte, wollet bei den Herren in +Nrnberg guter Fugge sein, da er ins Fndli-Haus mchte versetzt +werden. Wir sind sonst ohnedas, und ich sonderlich, hier gar hoch genug +beschwert und ber Vermgen beladen. Gott behte mich, da ich nicht +mehr so betrogen werde."[381] Aber auch die andern nicht gerade armen +Kostgnger lieen es an pnktlicher Bezahlung fehlen und empfanden es +als Hrte von Kthe der Hausfrau, wenn sie "auf richtige Bezahlung +drang", whrend sie von Luther her anders gewohnt und verwhnt +waren[382]. + +Gelegenheit, die jungen Leute nicht nur zu bekstigen, sondern auch in +Krankheit zu pflegen, hatte natrlich Frau Kthe auch genug. Ein junger +Adeliger, Sohn eines der vielen Lutherischen Gevattersleute, war 1534 im +Haus und hielt sich fein. Er machte die Masern durch und wurde von Kthe +"fleiig gewartet" nach Dr. Augustins (Schurff) Rat, des Hausarztes und +Nachbarn. Er wurde gesund. Aber manche diese Krankheiten fhrten auch +zum Tode und das mute den Pflegeeltern, insbesondere der Frau Kthe zu +schwerer Sorge werden[383]. + +Wie Frau Kthe bei den Mahlzeiten die leibliche Kost bereitete, so gab +der gesprchige, unterhaltsame Doktor die geistige Kost, die +"Tischwrze". + +Luther war von Natur "ein gar frhlicher Gesell", ja voll +bersprudelndem Humor, wenn er sich wohl fhlte, aber auch, wenn er +Uebles erfahren hatte: Aerger und Verdru, dem zum Trotz. In seiner +Beichte vor seinem ersten Krankheitsanfall (1527) sagte er zu +Bugenhagen: "Viele denken, weil ich mich unterweilen in meinem uern +Wandel frhlich stelle, ich gehe auf lauter Rosen; aber Gott wei, wie +es um mich stehet meines Lebens halber. Ich habe mir oft vorgenommen, +ich wollte der Welt zu Dienst mich etwas ernstlicher und heiliger (wei +nicht, wie ich's nennen soll) stellen; aber Gott hat mir solches zu thun +nicht gegeben." Und Bugenhagen bezeugte dabei: "Thut er ihm unterweilen +ber Tisch mit Frhlichsein zu viel, so hat er selbst keinen Gefallen +daran und kann solches keinem gottseligen Menschen bel gefallen, viel +weniger ihn rgern, denn er ist ein leutseliger Mensch und aller +Gleisnerei und Heuchelei feind."[384] + +Luther redete gut und gern und viel. Er liebte besonders Sprche, +sinnreiche Reden und hbsche Reime, Sprichwrter und Anekdoten. Deren +wute er sehr viel und die brachte er am Tisch wie auf der Kanzel vor. +Ueber und nach Tische wurde zwischen den Reden auch gesungen, und wer +eine gute Stimme hatte, auch Gste, muten mitthun; Luther, der ein +guter "Lautenist" war, begleitete den Gesang[385]. + +So entstanden die berhmten Tischgesprche, die sich um die tiefsten und +hchsten, die grten und kleinsten Dinge, gttliche und menschliche, +himmlische und irdische drehten, bald im erbaulichsten Ernst, +bald im lustigsten Scherz, jetzt sinnig zart, dann in derber +Natrlichkeit--obwohl der erste und Hauptherausgeber der Tischreden, der +ehemalige Feldprediger Aurifaber, spter Pfarrer in Erfurt, die derben +mit behaglicher Breite ausmalt, vergrbert und aus dem nicht ganz +sauberen Schatz seiner soldatischen Erinnerungen und Ausdrucksweisen +ergnzt[386]. + +Diese Tischreden wurden nmlich von Luthers Jngern auf- und +nachgeschrieben, wie Jesu und Sokrates' Aussprche und Gesprche; zuerst +nach dem Gedchtnis, spter nach gleichzeitigen Aufzeichnungen. + +_Cordatus_ war der erste, der es wagte, hinter dem Tisch sitzend oder +davorstehend, die geistvollen Reden des Meisters--auch, wie ihm +Melanchthon warnend bedeutete, manches weniger zur Verewigung geeignete +Wort--in sein Notizbuch einzutragen. Andre Tischgenossen und Gste wie +_H. Weller_, _Veit Dietrich_, _Lauterbach_, _Besold_, _Schlaginhaufen_, +_Matthesius_, _Ferdinand a Mangis_, _Goldschmidt_ folgten seinem +Beispiel nach. Auch der Diakonus _Rhrer_, der berhmte Schnellschreiber +und Notarius (Protokollfhrer) der Evangelischen auf den Reichstagen und +Religionsgesprchen, verzeichnete "viel Kstliches". Und so sind unter +der zahllosen Menge von Lutherreden (3000) auch einzelne authentische +Worte der Doktorin berliefert[387]. + +Wie es bei diesen Tischgesprchen zuging, das erzhlt uns Matthesius. +Bescheiden und sittsam saen die Leute da und sahen auf "Seine Wrden, +den Herrn Doktor". "Wenn er uns nun Rede abgewinnen wollte, fing er an: +"Was hrt man Neues?" Diese erste Vermahnung lieen wir gehen. Wenn er +aber wieder anhob: "Ihr Prlaten, was Neues?" da fingen die Alten an zu +reden. D. Wolf Severus, so der Rmischen Kniglichen Majestt Przeptor +gewesen, sa oben an, der brachte, wo niemand Fremdes vorhanden, als +gewandter Hofmann was auf die Bahn. Wenn so das Gedber anging, doch mit +gebrlichem Anstand, so schossen die andern auch ihren Teil dazu"[388]. + +Alle mglichen Dinge und Vorkommnisse gaben den Anla zu krzeren oder +lngeren Reden, bald die Tagesneuigkeiten, bald ein Gast, jetzt die +Kinder mit ihrem Spiele oder Unarten und dann Peter Wellers Hund, der so +andchtig morgens zum Essen war wie kein Beter. Alles mute zum +Anknpfungspunkt oder zum Sinnbild fr hhere Wahrheiten dienen. Und +nicht selten gab Frau Kthe durch eine Rede oder durch ihre bloe +Anwesenheit die Veranlassung zu sinnigen Bemerkungen[389]. + +Die Tischreden wurden meist lateinisch gehalten, wie die Briefe Luthers +mit allen "gelehrten", d.h. akademisch gebildeten, Mnnern lateinisch +geschrieben wurden. Bei alltglichen Dingen, wo der deutsche Ausdruck +gelufiger war, ging es vom Latein ins Deutsche bunt durch einander. +Wenn ungelehrte Freunde oder Freundinnen zugegen waren, oder Frau und +Kinder der Unterhaltung folgen sollten, wurde deutsch gesprochen; doch +liefen auch da lateinische Brocken unter. Am treuesten ist dieser +Wechsel vom Latein und Deutsch bewahrt in Lauterbachs Tagebuch. + +So viel verstanden aber auch die weiblichen Hausgenossen, teils vom +Kloster her, teils aus dem steten Hren von Lateinisch, da sie sich +drein mischen konnten, oft sogar selbst vielleicht mit lateinischen +Phrasen. So Muhme Lene, welche auf die Frage, ob sie wieder ins Kloster +wolle, mit Non, Non! antwortete. Besonders aber die Doctorissa, wie sie +bei den jungen Leuten respektvoll genannt und geschrieben wurde[390]. + +So redete Luther einmal von der elterlichen Liebe: "Lieber Gott, wie +wird sich ein Herzpochen erhoben haben, da Abraham seinen einigen und +allerliebsten Sohn Isaak hat sollen tten! Es wird ihm der Gang auf den +Berg Moria sauer angekommen sein. Er wird der Sarah nichts davon gesagt +haben." Da fing seine Hausfrau an und sagte: "Ich kann's in meinen Kopf +nicht bringen, da Gott so grausam Ding von jemands begehren sollte, +sein Kind selbst zu erwrgen." Luther widerlegte diese verstndig +natrliche Einwendung mit dem theologischen Hinweis auf Gott selbst, der +ja seinen eigenen Sohn habe kreuzigen lassen. Aber die Doktorin konnte +sich damit nicht ganz berzeugen lassen[391]. + +Frau Kthe wute auch Sagen. So erzhlte sie von einem Wasserweib, das +in der Mulde im Wasser in einem Loche wie in einer schnen Stube +gesessen und htte ihr das Wasser nichts geschadet; zu der sei eine +Wehemutter von einem "Geist" gefhrt worden, um ihr beizustehen[392]. + +Ein andermal wurde bei Tisch erzhlt, da einer in der Stadt die Ehe +gebrochen. Da entsetzte sich Frau Kthe und fragte den Herrn Doktor: +"Lieber Herr, wie knnen die Leute nur so bse sein und sich mit solchen +Snden beflecken?!" Da antwortete er: "Ja, liebe Kthe, die Leute beten +nicht; so ist dann der Teufel bei der Hand."[393] + +Einmal fing der Doktor mit seiner Kthe eine Disputation an ber ihre +Heiligkeit. Sie erwies sich da als eine tchtige, in lutherischen +Gedankengngen gebte Theologin, wurde natrlich aber von dem +Sieggewaltigen doch widerlegt und berwunden. Er fragte sie, ob sie +glaube, da sie heilig wre? Sie dachte lange nach, dann erwiderte sie: +"Wie kann ich heilig sein, da ich eine so groe Snderin bin! So sehr +hat der Papst unser ganzes Wesen verdorben, seine Lehre hat unser +Innerstes so durchsetzt, da wir auch mit willigem Ohr Christus nicht +als unsern Erlser, als unsere Gerechtigkeit und Heiligkeit erkennen und +wunderbarer Weise glauben, getauft, ja Christen zu sein und doch nicht +glauben, heilig zu sein. Denn in der Taufe wird unsre Snde verbannt und +uns Christi Gerechtigkeit geschenkt und wir glauben doch nicht, heilig +geworden zu sein. Soweit wir Menschen, sind wir Snder, aber weil wir +getauft sind und glauben, so sind wir heilig durch Christum." + +Luther entgegnete: "Ja, der ganze Christ ist heilig; denn wenn der +Teufel den Snder wegfhrt, wo bleibt der Christ? Daher ist die +Unterscheidung meiner Gattin nicht gltig. Denn wer durch festen Glauben +an seiner Taufe hngt, der ist ganz heilig (wie David sich heilig +nennt). Die Papisten, welche den Artikel von der Sndenvergebung nicht +verstehen, knnen diese Heiligkeit nicht glauben noch einsehen, rgern +sich nur, wenn sie solches von uns hren."[394] + +Die Ritter vom Geiste waren zu jener Zeit ganz besonders kampfesfreudig +und die Fehden des Wortes wollten kein Ende nehmen. Insbesondere aber +waren an Luthers Tische die wissenshungrigen Magister auf diese +interessanten Privatissima erpicht und vor allem suchten die +Tagebuchschreiber, die auf jedes Wort vom Munde des Geistgewaltigen +lauerten, um es gedruckt in die Welt zu senden, diese Gesprche zu +verlngern. Natrlich hatte Frau Kthe viel weniger Freude an diesen +theologischen Turnieren; ihr lebhafter Geist, wie derjenige von Jonas, +mochte langen Errterungen nicht folgen. Sie unterbrach daher gar oft +die gelehrten Gesprche, indem sie den geistlichen Fechtern ganz +gewhnliche Knppel zwischen die Schwerter warf, vor allem ihrem +Gatten, der nicht leicht aufhren konnte, wenn er einmal im Zuge +war[395]. + +Wenn des Redens bei Tisch zu viel wurde und dabei die Speisen kalt und +warm der Trank, da brach Frau Kthe mit einer Strafpredigt los ber den +Text: "Was ist denn, da ihr ohne Unterbrechung redet und nicht et?" +Ueber diese Strung war der Tischredenschreiber Cordatus entrstet, er +hatte gerade eine gar schne Auseinandersetzung Luthers ber das +Vaterunser, den "Himmelsknecht Gabriel und den Himmelsfuhrmann Raphael", +die er "aus vollem glhenden Herzen" that, heimlich aufgeschrieben. Aber +Luther wandte die Sache zum Scherz und sagte: "Wenn nur ihr Frauen, +bevor ihr eine Predigt anfanget, auch beten knntet (d.h. euch sammeln +und besinnen); ein Paternoster solltet ihr zuvor sprechen!" [396] + +Aber auch Frau Kthe stellte in der Rede ihren Mann. Ueber diese +weibliche Wohlredenheit wurde sie fter aufgezogen von Luther. Er fragte +sie lachend: ob sie predigen wolle und ihrer Predigt so viel Worte +Betens (als Einleitung) vorausschicke? Oder er neckte sie: die Weiber +drften nicht predigen, weil sie nicht beteten vor der Predigt; oder: +Gott lasse, durch ihr langes Gebet ermdet, sie gar nicht zum Predigen +kommen. Einst sa ein gelehrter "Engeleser" (Englnder) am Tische, der +kein Wort Deutsch konnte; da sagte Luther zu ihm: "Ich will Euch meine +Frau zum Lehrer in der deutschen Sprache vorschlagen, die ist gar +beredt. Sie kann's so fertig, da sie mich weit berwindet."[397] +Freilich setzte er hinzu: "Die Beredsamkeit ist nicht zu loben an +Frauen; es ziemt sich eher, da sie blo lispeln und stammeln. Das steht +ihnen wohl besser an." Und vom Unterschied der weiblichen und mnnlichen +Beredsamkeit sagt er in einem andern Tischgesprch: "Die Weiber sind von +Natur beredt und knnen die Rethoricam, die Redekunst wohl, welche doch +die Mnner mit groem Flei lernen und berkommen mssen. Das aber ist +wahr: in huslichen Sachen, was das Hausregiment, da sind die Weiber +geschickter und beredter; aber im weltlichen, politischen Regiment und +Hndeln taugen sie nichts. Dazu sind die Mnner geschaffen und geordnet +von Gott und nicht die Weiber. Denn wiewohl sie Worte genug haben, so +fehlet und mangelt's ihnen an Sachen, als die sie nicht verstehen; drum +reden sie davon auch lppisch, unordentlich und wste ber die Maen. +Daraus erscheint, da das Weib geschaffen ist zur Haushaltung, der Mann +aber zur Policei (Politik), weltlichem Regiment, zu Kriegen und +Gerichtshndeln, die zu verwalten und fhren."[398] + +So kam Frau Kthe bei den Gesprchen der Mnner wohl weniger zum Wort, +als sie verdient htte; und noch weniger fand man bemerkenswert, was sie +sagte. Es ist schade, da die "Tischreden" so wenig von der Doctorissa +berichten. Aber den Tagebuchschreibern kam es vor allem auf theologische +Errterungen an--darum ist auch die einzige lngere Rede von Kthe, die +sie der Aufzeichnung wert erachtet haben, eine theologische; zum andern +wollten sie des Doktors Reden bringen: die Ergsse seines bergewaltigen +Geistes schienen ihnen allein der Nachwelt wrdig. + + + + +13. Kapitel + +Hausfreunde. + + +Die Humanistenzeit hatte ein ausgeprgtes Freundschaftsbedrfnis, +welches nur ein Seitenstck findet in der freundesseligen Stimmung +unserer klassischen Litteraturperiode im vorigen Jahrhundert. Dieses +rege Freundschaftsgefhl uert sich einerseits in den zahlreichen +Besuchsreisen der befreundeten Humanisten, welche in jener Zeit der so +beschwerlichen Reisegelegenheiten doppelt auffallen, und dann in dem +heute ganz unbegreiflich reichen Briefwechsel, in welchem diese +Gelehrten damals mit einander standen. Alle mglichen Dinge teilte man +sich brieflich mit, selbst die intimsten persnlichen Erlebnisse und +Stimmungen; und wenn man gar nichts zu schreiben hatte, so schrieb man +sich auch dieses. "Ich schreibe Dir, um Dir zu schreiben, da ich nichts +zu schreiben habe", ist kein ungewhnlicher Briefinhalt dieser Zeit, +sogar bei Luther[399]. + +Den grtmglichen Freundeskreis zhlte aber begreiflicherweise das +Luthersche Ehepaar. Nicht etwa Luther allein, sondern auch Frau Kthe. +Die vielen jungen Leute, die bei ihr Kost und Pflege fanden, die +mancherlei Magister, die als Przeptoren ihrer und anderer Knaben im +Schwarzen Kloster hausten, die vielen Amtsgenossen und Schler ihres +Mannes, die zahllosen Gste, welche freundliche Aufnahme an ihrem Tische +erlebten: sie alte kannten und verehrten neben dem gewaltigen Doktor +auch die weibliche Genossin seiner Freundschaft und Gastlichkeit, Frau +Kthe. Aus den Schlern wurden Amtsgenossen, aus den Tischgenossen +Freunde--ein stets wachsender Haufen. Und Luthers alte Bekannte, welche +Frau Kthe erst durch Briefe oder Besuche kennen lernte, wurden mit der +Zeit auch ihre Freunde, namentlich wenn sie diese Freundschaft durch +Gre, Glckwnsche und Geschenke warm hielten. + +Diese umfangreiche Freundschaft wurde auch lebhaft gepflegt. Da ist kaum +ein Brief, den Luther empfngt oder schreibt, in dem nicht auch die Frau +Kthe gegrt wird oder grt, oder Glckwnsche und Beileidsbezeugungen +zu allerlei Familienereignisse und Glckwechsel empfngt und sendet. + +Gar oft begngt sich aber Frau Kthe nicht mit einem bloen Wortgru, +sie fgt auch in ihrer praktischen Weise einen guten Rat bei, eine +Mahnung, oder ein Rezept, eine Arzenei, eine Wurzel gut frs Steinleiden +u. dgl. + +Noch viel hufiger aber hat Frau Kthe zu danken fr allerhand +Geschenke. Und nicht zum wenigsten ntzt die wirtliche Hausfrau die +Freundschaften aus zu allerlei hauswirtschaftlichen Auftrgen. Dies ging +bei Lauterbach sogar soweit, da Luther selber einmal bei einer solchen +Bestellung meint, sie htte den Freund frmlich in Dienst und Beschlag +genommen[400]. + +Wie begreiflich, waren die Hausfreunde in einem so ausnehmend +theologischen Hause auch fast lauter Theologen. Weltlich waren nur die +Verwandten: Geschwister, Schwger und Schwgerinnen, einige vornehme +Gevattersleute, wie die Kanzler Mller und Rhel in Mansfeld, die Goritz +in Leipzig, Hans von Riedtesel und Hans von Taubenheim, der +Landrentmeister in Torgau, an welchen Frau Kthe in die Ferne +freundliche und ehrerbietige Gre, Glckwnsche oder Einladungen +sendet oder gar selbst einmal zu einem Brief--natrlich einem +Geschftsbrief--sich aufschwingt. Auch der Straburger Syndikus Gerbel +lt Frau Kthe tausendmal gren. Der Stadtschreiber Roth von Zwickau +lt ein Exemplar seiner Postille fr die Doktorin binden und schenken +und sendet ein Glas, das "fein ganz" ankommt. Endlich war noch eine +liebenswrdige Adelsfamilie Jrger von Tollet im Oesterreichischen, eine +Mutter mit mehreren Shnen, welcher Luther einen evangelischen +Hauskaplan besorgt hatte (1525) und allerlei seelsorgerliche Ratschlge +gab, die sich nun dankbar erwies in zahlreichen und teuren Geschenken: +"ungarische Gulden", "Ktten-Latwerg" und andere "treue und teure +Gaben"; auch ein Stipendium sandte sie von 500 Goldgulden fr arme +Gesellen, die in der heiligen Schrift studieren. Spter studierte auch +ein Enkel der Jrgerin in Wittenberg. Mit dieser "ehrenreichen, edlen +Frauen Dorothea Jrgerin, als besonders guten Freundin", wurden gar +zahlreiche und freundliche Briefe gewechselt, worin auch Luthers +"Hausehre Frau Kthe" oft zum Grue kommt[401]. + +Mit dem evangelischen Bischof von Naumburg, Nikolaus _v. Amsdorf_, +wechselte Frau Kthe ehrerbietige Gre, namentlich seitdem sie durch +den Besitz von Zulsdorf die Nachbarin des gndigen Herrn Bischofs +geworden (1542); sogar mit einem Besuch "droht" sie auf "knftigen +Sommer". Sonst hatte man freilich mit dem ehelosen und hochgestellten +Mann weniger intime Beziehungen. Doch besorgte er auch einmal fr 7 fl. +Butter und Stockfisch ins Lutherhaus[402]. + +Mit dem kleinen M. Joh. _Agrikola_, dem Pfarrer von _Eisleben_ und +seiner Else, stand die Luthersche Familie gleich von Anfang an in +lebhaftem Verkehr. "Sie konnte ihn auch sehr wohl leiden." Er hatte +schon 1523 zu dem Kreise der jungen Nrnberger gehrt, welche ber die +Verlobung Baumgartens mit Kthe sich aussprachen und steht auch jetzt +noch in regem Briefwechsel mit Wittenberg[403]. Da giebt's Gre an Weib +und Kinder, hinber und herber; auch ein Pelzrock wird dorther besorgt, +der Frau Kthe nur zu teuer ausfllt, und Elsbeeren oder kleine +Mispelchen werden bestellt, nach denen Frau Kthe eben Gelste bekommt. +1529 wird Agrikola nach Wittenberg geladen. 1530 sendet er vom +Augsburger Reichstag ber Koburg einen scherzhaften Brief zur Besorgung +an Frau Kthe, ber den ihm Luther schreibt: "Ich errate leicht, was sie +Dir antworten wird. Wenn sie den Brief gelesen hat, wird sie lachen und +sagen: Ei, wie ist M. Eisleben doch ein Grundschalk!"[404] Luther nahm +sich Agrikolas an, als es dem beweglichen und ehrgeizigen Mann nicht +mehr in Eisleben gefiel. Und als er 1536 seine Stelle kndigte und in +Wittenberg nicht gleich eine bequeme Wohnung fand, so ffnete sich ihm +das Klosterhaus und Agrikola zog ein mit Weib und Kind. Als dann Luther +zu Anfang 1537 nach Schmalkalden zog, vertraute er Agrikola nicht nur +"Lehre, Predigtstuhl und Kirche an", sondern auch "Weib, Kind, Haus und +Heimlichkeit"[405]. Als aber Agrikola ein "Antinomist" (Bestreiter der +Giltigkeit des Gesetzes fr die Christen) wurde, da entbrannte Luthers +Zorn wider ihn und er entzog ihm die vorher gewhrte Erlaubnis, in +Wittenberg Vorlesungen zu halten. Agrikolas Frau, zu welcher Luther ganz +vterlich stand, so da er sie mit Du anredet, that zwar vor dem Doktor +einen Fufall und dieser nahm ihren Mann wieder zu Gnaden an (1538); +aber Agrikola entzog sich dem Einflu Luthers, ging nach Berlin und die +Freundschaft mit dem "Meister Grickel" hrte natrlich auch fr Frau +Kthe auf, ohne wieder angeknpft zu werden. Als spter einmal (1545) +Agrikola mit Weib und Tochter nach Wittenberg kam, durften blo die +beiden Frauen ins Klosterhaus kommen; aber das Tchterlein fanden die +Lutherischen eitel und vorlaut wie ihren Vater[406]. + +Mit dem Pfarrer Jakob _Probst_ in Bremen, einem frheren Klostergenossen +Luthers, auch einem Gevatter, stand ebenso die Lutherische Familie in +frher Verbindung. Familiennachrichten werden ausgiebig mitgeteilt; +Kthe und auch das kleine Patchen Margaretel senden regelmig Gre an +den fernen Gevatter und danken fr Patengulden und andere Geschenke. Ihm +empfehlen die Eltern ihre Jngste zur Versorgung, da Probst sie sich zum +Patchen auserlesen. Und "Herr Kthe" befiehlt ihrem Gatten, noch +scherzend anzufragen, ob denn die Nordsee ausgetrocknet sei, seitdem das +Evangelium die Erlaubnis zum Fleischessen gebracht habe? Denn niemals +habe es in Wittenberg weniger Seefische gegeben, so da man schon durch +die Hungersnot zum Fleischessen gezwungen werde, wo nicht etwa die +Fische und das Meer sich vor des Papstes Zorn ngstigten, nachdem man +ihn zu Lande verachte. Am 14. Juni 1542 kam Probst, jetzt ein alter +Mann, nach Wittenberg, um seinen Vater D. Martinus noch einmal zu sehen. +Das war ein gar unerwarteter lieber Besuch und Frau Kthe wird ihm den +Aufenthalt recht angenehm gemacht und das Margaretlein den Paten +frhlich begrt und ihm mit ihrer hbschen Stimme etwas vorgesungen +haben[407]. + +Weniger im Verkehr war man mit dem frheren Prior des Schwarzen Klosters +Eberhard _Brisger_, Pfarrer in Altenburg; doch tauschte auch mit ihm +Kthe Gre aus[408]. + +Der ehemalige Klosterbruder (Stiftsherr der "Brder vom gemeinsamen +Leben") Gerhard _Viscampius_ zu Herford war auch ein besonders guter +Freund der Familie Luther und Melanchthon und sie nahmen warmen Anteil +an ihm. 1528 sendet er an das Lutherische Ehepaar Tuch und zwei Lampen, +welche die zwei Gatten jede Nacht stndig gebrauchten. Dafr soll er +auch regelmig Luthers Schriften erhalten[409]. + +Der alte "Strmer und Schwrmer" D. Gabriel _Zwilling_, Luthers +Klostergenosse, der ihm auf der Wartburg mit seiner Bilderstrmerei so +zu schaffen machte, war, nachdem er seinen Radikalismus ausgetobt, ein +ruhiger Pfarrherr zu Torgau geworden. Er hatte zur Befreiung der Nonnen +aus Nimbschen mitgewirkt, und kam verschiedentlich nach Wittenberg, +durfte auch einen etwas schweren Auftrag Kthes wegen Beschaffung eines +Leinenkastens besorgen[410]. + +Der Reformator und Stadtprediger von Gotha, _Mykonius_, der auch zur +Zeit der "Wittenberger Konkordia" sich im Lutherhause aufhielt, bekam +von Kthe Gre, Glckwnsche, Danksagung fr ein "Kse-Geschenk", auch +Verhaltungsmaregeln gegen seine Frau und Teilnahme an seinem +Brustleiden[411]. + +Ein besonderer Verehrer der Frau Doktorin war der feine Straburger +_Capito_ (Kpflin), welcher im Jahre 1536 mit Butzer in Wittenberg die +"Konkordia" der schsischen und oberlndischen Kirche zustande brachte +und dabei im Lutherhause verkehrte. Er lt die "treffliche Frau +Katharina von Bora, seine Wirtin", gren und sendet nach seiner +Heimkehr ihr einen goldenen Ring als Zeichen seiner Gesinnung gegen sie, +"welche mit Recht so hoch geschtzt wird, weil sie mit hausmtterlicher +Sanftmut und Emsigkeit die Versorgung unsres Lehrers bt". Und auch Frau +Kthe schtzt den Straburger Gast. Wiederholt lt er sie gren und +verspricht ihr zur Frankfurter Messe 1537 einen Brief. Capito erbat sich +sogar mit den brigen Straburger Freunden Gerbel, Butzer u.s.w. den +Sohn Hans erziehen zu helfen[412]. + +In _Nrnberg_ hatte Luther und damit auch seine Kthe, allerlei gute +Freunde, besonders seine beiden Ordensbrder, Wenceslaus _Link_ und Abt +_Friedrich_ (Becker, Pistorius), die ihm manches schne Geschenk und +Gert an Uhren, Drechslerwerkzeug, Holz- und Kupferstichen, feines Obst, +Smereien aus der reichen Freistadt besorgten. Auch sie lt Kthe +gren[413]. + +In der Reichsstadt lebte aber auch ihre "alte Flamme", wie Luther +schreibt, der Ratsherr Hieronymus _Baumgrtner_. Die alte Liebe zu ihm +hatte sich zu herzlicher Freundschaft gestaltet, und es ist ein gar +schnes Zeichen eines natrlichen und gesunden Gefhls, da sowohl +Luther als Frau Kthe in ganz unbefangener offener Weise von dieser +liebenden Verehrung fr den ehemaligen Geliebten reden unter sich und +dem gemeinsamen Freund gegenber: "Es grt Euch verehrungsvoll meine +Kthe, Eure alte Flamme, welche Euch ob Eurer Tugenden und Vorzge mit +neuer Liebe umfat und von ganzem Herzen Euch wohl will." Von Koburg +schreibt Luther am 1. Oktober 1531 an Baumgrtner: "Ich gre Dich im +Namen meiner Herrin, Deiner einstigen Flamme; so werde ich ihr erzhlen, +wenn ich heim komme. So pflege ich auch sie in Deinem Namen zu necken." +Als 1543 Luther durch seinen Tischgnger Besold einen Brief erhielt, +rhmte er des Briefschreibers Sittenreinheit, Frmmigkeit und Tugend. Da +fragte Luthers Gattin "nach ihrer Gewohnheit", wer denn der Schreiber +des Briefes wre. Luther antwortete: "tuus ignis Amynthas: Dein alter +Buhle (Liebhaber)."[414] Der Ton, diesem Freunde gegenber, ist ein gar +herzlicher, namentlich in dem Trostbrief Luthers an Baumgrtner und +seine Frau, als der Nrnberger Kaufherr von dem Ritter Albrecht von +Rosenberg (bei Mergentheim) gefangen genommen und lange in Haft gehalten +wurde, so da Frau Sibylle mit ihren fnf unerzogenen Kindern lnger als +ein Jahr um das Leben ihres Ehewirts in Angst schwebte. Die Wittenberger +Freunde beteten in der Kirche ffentlich um die Freilassung und gingen +den Landgrafen von Hessen darum an[415]. + +Auch Veit _Dietrich_ blieb trotz seines Spanes mit Kthe nicht nur +Luthers Freund nach seinem Wegzug nach Nrnberg, wo er Pfarrer an der +Sebalduskirche wurde, sondern auch mit Frau Kthe stellte sich bald +wieder ein freundliches Verhltnis her. Sie lt ihn wiederholt +gren[416]. + +Mit den Freiberger "Geschwistern _Weller_", dem jngsten Peter, dem +Komponisten Matthias und besonders dem Theologen Hieronymus, aber auch +der Schwester Barbara Lischner standen die Lutherischen Eheleute in +freundschaftlichem Verhltnis. Der eine mute in seiner Schwermut +aufgerichtet werden, der andere versorgt, die Schwester belehrt ber den +heimlichen Empfang des heiligen Abendmahls[417]. Dem Komponisten +Matthias lt Luther mit Frau Kthe danken, fr sein "gutwillig Herz, so +er erzeigt hat mit dem Gesang und den Borsdorfern." Das Lied sngen die +Mnner unter Tisch, so gut sie's knnten. "Machen wir etliche Sue +(Bcke, Fehler) darunter, so ist's freilich Eure Schuld nicht, sondern +unsre Kunst. Wenn's schon alle Komponisten gut machen, so ist unser +Ernst wohl noch weit drber und knnen's bse genug singen. Es folgen +uns alle Regiment der ganzen Welt; sie lassen Gott und alte Vernunft +sehr gut Ding komponieren und stellen, aber sie singen auch, da sie +wert wren einen Markt eitel Wrste aus den Suen oder Klppel in den +Feldglocken[418]. Darum mt ihr Komponisten uns auch zugut halten, wenn +wir Sue machen in den Gesngen. Denn wir wollten's lieber treffen denn +fehlen. Solchen Scherz, bittet meine liebe Kthe, wollet ihr fr gut +annehmen, und lt Euch freundlich gren. Hiemit Gott befohlen. 1535. +Priska-Tag."[419] + +Dr. Hieronymus Weller heiratete um diese Zeit ein Freiberger Mdchen, +die Tochter G. am Steige. Natrlich sollte ihm Frau Kthe die Hochzeit +in Wittenberg ausrichten. Aber Frau Kthe war damit nicht einverstanden; +kannte sie doch die groe Unmue und Unkosten, welche ein Doktor in +einer Universittsstadt aufwenden msse: und hier wre sowohl der +Hochzeiter, wie der Hochzeitgeber ein Doktor; daher mten viele Leute +eingeladen werden; Weller solle sich die Liste, die beigelegt sei, +einmal ansehen und werde dann merken, welche Menge geladen werden mte +(wenn man auch einige streichen knnte), wofern man des Hochzeiters und +seiner Angehrigen Ehre bedenke, zumal man die angesehenen Freunde doch +ehrenvoll bewirten msse. Das sei sehr schwer. Auch koste es mehr als +100 fl. Die Eheleute rieten Weller daher, die eigentliche Hochzeit +anderswo zu halten und es einzurichten wie M. Kreuziger und Dr. Brck, +nmlich mit geringer Begleitung nach der Universittsstadt zu kommen, zu +einem Morgen- oder Abendessen mit zwei oder drei Tischen. Hoffentlich +war der Dr. Hieronymus und seine Braut so verstndig und gingen darauf +ein. Whrend der ledige Doktor bei Luthers gewohnt hatte, zog er mit +seiner jungen Frau in ein eigenes Haus in der Nachbarschaft. Nicht lange +darauf wurde Weller Pfarrer in seiner Vaterstadt Freiberg, wo Herzog +Georgs Bruder Heinrich residierte und dem Evangelium beitrat; er blieb +aber in regem Verkehr mit dem Lutherhaus[420]. + +Nach Freiberg wurde 1538 auch M. Nikolaus _Hausmann_ als Stadtpfarrer +berufen. Er war einer der ltesten und besten Freunde des Lutherischen +Hauses, ein sanfter, liebenswrdiger Mann und Junggeselle. Zuerst in +Zwickau angestellt (bis 1532), wurde er dann Hofprediger bei den drei +Anhalter Frsten in Dessau (1532-38). Die Bekanntschaft Kthes mit ihm +ging durch ein zierliches und mhsam geflochtenes Krbchen und das +schne Glasgef, welches Hausmann selbst gemalt und als Andenken in den +jungen Haushalt geschickt hatte und das Kthes Wohlgefallen erregte (S. +96)[421]. Von da an sendete Frau Kthe dem Zwickauer Stadtpfarrer stets +angelegentliche Gre und wird wieder gegrt in den zahllosen Briefen, +die fast jede Woche zwischen dem Wittenberger Kloster und dem Zwickauer +Pfarrhaus hin und wieder fliegen. Sie empfiehlt sich in schweren Zeiten +seinem Gebet oder bedankt sich fr gesandtes Chemnitzer Leinen, wofr er +eine Last lutherischer Schriften durch den Pakettrger erhlt[422]. Auch +"lebendige Briefe" gingen hin und her: allerlei Freunde und Bekannte, +namentlich seitdem auch Cordatus nach Zwickau versetzt war, anfangs +1529.[423] Oefters wird Hausmann eingeladen: seine Stubella (Stblein) +sei bereitgestellt und alles gerstet--trotzdem Frau Kthe einen jungen +Erdenbrger erwartet. Einigemale kam auch Hausmann wirklich den weiten +Weg nach Wittenberg[424]. + +Im August 1531 ging Hausmann von dem schwierigen Zwickau weg, hielt sich +auch in Wittenberg auf. Von dem nahen Dessau aus war noch ein viel +regerer Verkehr mglich. Das erste Zeichen war ein Wildschwein, das von +der Residenz kam und zum Martinstag von den Freunden des Lutherhauses +verspeist wurde. Als er krank wird, bekmmert sich "Herr Kthe" in gar +"stattlichem stetem Gedanken um den Freund". Ja, da dieser so oft +krnklich ist, will Luther ihn gar zu sich nehmen, damit er der Stille +und Ruhe geniee. 1538 kam aber Nikolaus Hausmann als Superintendent +nach Freiberg, wo sein Bruder Valentin lebte. Hier traf ihn bei seiner +Antrittspredigt am 3. November auf der Kanzel der Schlag. Die Freunde +und die Hausfrau verheimlichten Luther den Tod seines lieben Genossen +und brachten ihm die Nachricht erst allmhlich bei--er aber sa einen +ganzen Tag und weinte, und auch Frau Kthe wird dem Getreuen ihre +Thrnen nachgeweint haben[425]. + +Der frhere Tischgenosse _Schlaginhaufen_ war im Jahre 1532 nach Zahna, +nur zwei Stunden von Wittenberg, als Pfarrer gesetzt worden, wo er mit +dem Lutherhause in enger Verbindung blieb, und z.B. einmal die von +Luther so geliebten Mispeln schickte. Aber in dem rmlichen und der +Gesundheit des schwachbrstigen Mannes wenig zutrglichen Orte hielt er +es nur ein Jahr aus. Er wurde dann Pfarrer in Kthen und reformierte +dies Lndchen. Dahin grt auch Frau Kthe. Er reiste mit nach +Schmalkalden, begleitete den erkrankten Luther zurck bis Tambach, lief +dann mit der Kunde von dessen Besserung nach Schmalkalden und rief zu +den Fenstern an der Herberge des Legaten hinauf: Lutherus vivit! +Lutherus vivit! (Luther lebt! Luther lebt!)[426]. + +Mit dem Pfarrhaus von Leisnig standen Luther und seine Kthe in regem +Verkehr. Sie senden in zahlreichen Briefen Gre an ihre ehemaligen +Tischgenossen M. _Lauterbach_ und seine Hagnes oder Nise (Agnese) und +Elslein ("Lamm" und "Lmmlein"); sie geben ihm allerlei zu besorgen, so +Frau Kthe einen Katechismus an eine arme ehemalige Nonne, Christina v. +Honsberg, jetzt Gattin von Georg Schmid. Der Bischof von Meien hatte +sich gegen Lauterbach gestrubt, weil er nicht geweiht wre; da sagte +Lauterbach zu dem bischflichen Amtmann: "Ich bin genug geweiht durch +mein Weib (denn sie war eine Nonne) und Mann und Weib ist ein +Leib"[427]. Da der andre Pfarrer in Leisnig sich nicht mit Lauterbach +vertrug, so verzog dieser als Diakonus nach Wittenberg, wo er von +1536-39 lebte, um dann als Superintendent nach Pirna ins evangelisch +gewordene Herzogtum Sachsen zu kommen. Zu Wittenberg als Amtsgenosse +Luthers verkehrte er viel im Klosterhaus; auch seine Frau war fter da +und gab einmal auf eine theologische Frage eine gar feine Antwort. Es +war an sie dieselbe Frage gerichtet, wie an Frau Kthe, ob sie heilig +wre; da sagte sie, sie wre heilig, so viel sie glaubte; wre aber eine +Snderin, sofern sie ein Mensch wre. Von Pirna hat Lauterbach die +Steinmetzarbeit an der Hausthr fr Frau Kthe besorgt, weiterhin +Rebpfhle, mehrmals Pelzrcke fr die Tchter, auch Butter und Aepfel, +Borsdorfer und andere, "rtliche", von welchen sich dann Frau Kthe auch +Zweige zur Veredlung bestellt[428]. + +Georg _Spalatin_ war bald nach Luthers Vermhlung aus dem Hofdienst +getreten, hatte sich verheiratet und war neben M. Eberhard Brisger +Oberpfarrer von Altenburg geworden. Weil diese Stadt ziemlich weit +ablag, so kam der alte Freund Luthers nur bei besonderen Veranlassungen +amtlicher Art nach Wittenberg; auch Luther konnte, so sehr er voll +Sehnsucht nach des Freundes Umgang war, schwer nach Altenburg kommen, +nicht einmal zur Hochzeit Spalatins, weil er eben die Flucht der 13 +Nonnen aus Freiberg veranstaltet hatte. Um so hufiger aber sandten sich +die Freunde Briefe und Boten und teilten sich die huslichen +Vorkommnisse mit und Frau Kthe drngt dabei ihren Mann zum Schreiben. +"Meine Rippe" oder "mein Herr Kthe" senden an Spalatin und "seine +Rippe" oder "Kette" (sie hie auch Katharina), seine "Hindin" und ihre +Kleinen Gre und Glckwnsche, wnscht ihm auch ein kleines +"Spalatinlein, das ihn lehre, was sie sich rhmt von ihrem Hnslein +gelernt zu haben, nmlich die Frucht und Freude des Ehestandes, deren +der Papst mit seiner Welt nicht wert ist"[429]. Den in Schmalkalden +schwer erkrankten Luther lie Frau Kthe ins Altenburger Pfarrhaus +bringen und bleibt dort mehrere Tage. Voller Dankbarkeit und Anerkennung +ist sie fr die "freundliche Liebenswrdigkeit und liebenswrdige +Freundlichkeit", die sie mit ihrem Gatten im Hause des feinen Mannes +erfahren. Sie ist unglcklich, da sie in der Aufregung den Tchtern +Spalatins nichts mitgebracht und sendet ihnen schn gebundene Bchlein, +ihr gewhnliches Geschenk[430]. Nochmals nimmt sie die Liebenswrdigkeit +des Altenburger Pfarrherrn in Anspruch, als sie ihre Bauten in Zulsdorf +ausfhrt. Weil Spalatin gerade um diese Zeit nach Wittenberg kam, so +giebt sie ihm allerlei Auftrge mit, da Zulsdorf von Wittenberg so weit +weg und nher bei Altenburg lag und sie wegen der bestehenden +Winterszeit nicht dahin kommen konnte. Da soll er, der ehemalige +Hofmann, bei dem Schffer dafr sorgen, da sie Eichenstmme und dicke +Prgel fr Bauten bekomme in ihrem neuen Reich. Da empfiehlt sie ihre +Fuhrleute und Handwerker der Frsorge Spalatins. Und dieser interessiert +sich fr ihre Zulsdorfer Unternehmungen so sehr, da ihm Luther +ausfhrlich ber all die Migeschicke schreiben mu, welche seine Frau +mit den schsischen "Harpyen" hat, welche ihr Bauholz wegstibitzen. +Dafr schickt die arzneikundige Doktorin dem Herrn Oberpfarrer auch eine +Wurzel gegen den Stein, die sich bei Luther recht wirksam gezeigt +hatten.[431] + +Ein Freund der Familie Luther war auch ihr Gevatter _Hans von +Taubenheim_. An ihn wendet Kthe sich vertraulich mit wirtschaftlichen +Anliegen. Aber sie nimmt auch Teil an seinem Schicksal, als er 1539, +scheint's, in Ungnade fiel. Luther mu ihm schreiben: "Meine Kthe lt +Euch herzlich gren und weinet bitterlich ber Euren Unfall und sagt: +wenn Euch Gott nicht so lieb htte, oder wret ein Papist, so wrd er +Euch solch Unglck nicht geschehen lassen."[432] + +Alle diese Freunde des Lutherhauses lebten auswrts und waren nur +besuchsweise oder doch vorbergehend in Wittenberg. Die befreundeten +Familien in der Stadt selbst waren die der Amtsgenossen Luthers: die +Professoren Kreuziger, Jonas und Melanchthon und die Pfarrer Bugenhagen +und Rhrer, weniger bedeutend der andere Schloprediger D. Georg Major, +der Professor des Hebrischen Matthus Aurogallus (Goldhahn), +Melanchthons Busenfreund Paul Eber, D. Hier. Schurf, endlich sein +Bruder, der Hausarzt und Nachbar, Professor Augustin Schurf, dessen Weib +Hanna von Frau Kthe in der Pestzeit ins Haus genommen und gepflegt +wurde. Sie alle waren vielfach Gste in Luthers Haus, namentlich bei der +Bibel-Uebersetzung. In ihrem Kreise lie sich Luther mehr gehen, als an +der Tafelrunde der Tischgenossen, mit "frhlicher Laune und witzigem +Scherzwort"[433]. + +_Kreuziger_, Dr. der heiligen Schrift, Luthers treuer Freund und +"Frbund", den er (seit 1528) zu seinem "Elisa", seinem Nachfolger in +der Theologie erlesen hatte, der auch Luthers Testament unterschrieben +hat, war--ausnahmsweise--ein wohlhabender Theologe[434]. Fr ihn +besorgte Frau Kthe Auftrge und seine Frau Elisabeth, eine gewesene +Nonne aus Pommern, bringt ihr ein goldenes Megeschenk, wofr Luther an +Kreuzigers Frau ein gleiches schickt. Diese, Elisabeth von Meseritz, war +die Dichterin eines Liedes, das Luther in sein Gesangbuch setzen lie. +Es beginnt: + + Herr Christ, der Einige Gottes + Vaters in Ewigkeit, + Aus seinem Herz entsprossen + Gleichwie geschrieben steit. + Er ist der Morgenstern, + Sein' Glanz streckt er so fern + Vor andern Sternen dar[435]. + +Elisabeth starb frh, so da Kreuziger zur zweiten Ehe schritt (1530); +mit der Hochzeit wollte er aber Frau Kthe nicht beschweren und hielt +sie auf Schlo Eilenburg ab, das ihm der Kurfrst auf Luthers Bitte +dafr zur Verfgung stellte. Dagegen ist er eingeladen bei Luthers +Geburtstagsschmaus[436]. + +_Bugenhagen_ oder D. Pommer, der stattliche und wrdige Propst, +Professor und Stadtpfarrer und geborene General-Superintendent +(1536)[437], war mit seiner pommerschen Gelassenheit ein gar milderndes +Element in dem Lutherischen Hause, dessen Beichtvater er war. So hielt +er auch neben Luther ruhig in der Pestzeit aus. Trotz seines wrdevollen +Wesens war er doch "im gemeinen Wandel eines liberalischen, frhlichen +und fertigen Gemts". Er stellte sich von Anfang auf Frau Kthes Seite. +Er half ihr--nebst dem Kapellan Rhrer--das schne Glas vor Luthers +Geschenkwut retten. Er hielt sich gar viel im Kloster auf; ja er wohnte +sogar in Luthers Anfechtungen dort[438]. Luthers Briefe gren gar oft +in einem Atem: Dr. Pommer und meine Kthe oder meine Kthe und Dr. +Pommer. Einmal schreibt er sogar im Hause und Namen Luthers einen Brief +an Spalatin, worin "Dominus mea" ("meine Herr" Kthe) grte. Einen +Brief Luthers an Frau Kthe sollte in ihrer Abwesenheit Pfarrherr D. +Pommer erbrechen und lesen[439]. Umgekehrt hat Frau Kthe auch allerlei +an D. Pommer auszurichten, sogar allerlei Theologisches in lateinischen +Wendungen von den Argumenten Zwinglis in Marburg und Kirchenpolitisches +von Augsburg. "Sage D. Pommer", heit es dann in Luthers Briefen an +seine Frau[440]. Der behagliche Pommer ergtzte die Freunde gar sehr mit +seinen Sprchen, namentlich in breitem Platt; aber er lachte auch, wenn +der "schwbische" Pflzer Melanchthon sich im Plattdeutschen versuchen +wollte. Im Dezember 1527 erwartet der Propst im Lutherhause die +Niederkunft seiner Frau. Sie und Frau Katharina lagen fast zu gleicher +Zeit in den Wochen: Frau Pommer mit einem Knblein, Frau Kthe mit ihrem +Tchterlein Elsbeth. Bald darauf starben ihr zwei Shne[441]. 1528 wird +zu Bugenhagens Reise nach Braunschweig von Luthers "Eva" im Kloster ein +Abschiedsmahl gehalten; er wurde aber auch nach Hamburg "geliehen", dann +nach Lbeck, Pommern und Dnemark, und erzhlte dann daheim, nach der +Landesart gefragt, zum Ergtzen der "Tafelrunde", dort trnken die Leute +"Oel" und en "Schmeer" (d.h. Bier und Butter). Bugenhagen war also +viel weg von Wittenberg, zur groen Sorge Luthers, der seine +Arbeitslast als Stadtpfarrer und Professor noch dazu bernehmen mute. +So hatte auch Frau Kthe gar oft nach dem "Pommerischen Rom" mit seinen +kleinen Weltbrgern in der Superintendur am Kirchenplatz zu sehen[442]. + +Justus _Jonas_, "der Rechte Licentiat und Erfurter Kanonikus" nachher +(1521) Professor, D. der Theologie und Propst des Allerheiligenstiftes, +nahm im Lutherhause eine hnliche Stellung ein, wie Bugenhagen. Nur +hatte er in seinem Wesen nicht die stoische, gesunde Ruhe des D. Pommer. +Er war vielmehr krnklich und etwas erregt, ein lebhafter Sprecher, +"unser Demosthenes", der lieber redete als schrieb; denn er "drohte" nur +Briefe zu schreiben, fhrte es aber nicht aus, wie Luther scherzt. Die +Familie wohnte in der Fischervorstadt, hatte auch Garten und Weinberg. +Whrend der Pest 1527 und wieder 1535 zog Jonas mit Weib und Kind in +seine Vaterstadt Nordhausen bezw. nach Jena. Er war bei den +Verhandlungen in Augsburg, Marburg, Frankfurt, Schmalkalden u.s.w. viel +abwesend von Wittenberg, so da Luther viele und hufige Briefe an ihn +zu schreiben hatte, in denen Frau Kthe mit Gren, Auftrgen und +Mahnungen und dgl. sich hren lt. Umgekehrt grt auch Jonas die Frau +Doktorin, Muhme Lene, Hnschen, Lenchen--und sendet seinem Paten einen +silbernen Johannes, d.h. einen Joachimsthaler (Gulden) mit dem Bildnis +des Kurfrsten Johann[443]. Jonas hatte sich schon 1522 verheiratet mit +Katharina von Falk. Sie hatte eine groe Kinderschar (1530 schon 5 +Shne), aber viele starben jung; bekannt sind davon Jost, Christoph, +"Sophiela", "Elisabethula", auch eine Gromutter lebte im Haus und +erhielt von Luther Gre[444]. Frau Kthe Jonas war eine muntere, +heitere Frau. Von ihr meldete im Sommer 1529 der Wittenberger +Stadtschreiber Baldunai: "Ich hab' Melanchthon mit der Prpstin tanzen +sehen! Es ist mir wunderlich gewesen." Auch Luther richtet an sie +gelegentlich einen scherzhaften Brief als der "Ehrbaren, Tugendsamen +Frauen Kathrin Dokterschen Jonischen, Propstin zu Wittenberg, meiner +gnstigen Freundin und lieben Gevatterin" und schliet: "meine Kthe und +Herr zu Zulsdorf gret Euch alle freundlich."[445] + +Mit der "Jonischen" Familie war die Lutherische eng befreundet, +namentlich die beiden Kthen waren aufs innigste mit einander verbunden, +sie waren stets ein Herz und eine Seele: die lebhafte thatkrftige +Lutherin war offenbar recht angezogen von der frhlichen Natur der +Propstin. Aber auch den redegewandten Propst mochte die Frau Doktorin +gerne leiden. Nach Augsburg schickt sie in einem Brief an ihren Herrn +Martinus ein Billet ("Zedula"), worin sie von der Geburt eines Jonischen +fnften Sohnes berichtet[446]. Als die Propstfamilie whrend der Pest +mit der Universitt auch in Jena weilt, bestellt die "Erzkchin" bei +Jonas fr einen Thaler allerhand Geflgel und Wildbret zu einem +Doktorschmaus und will ihn mit einem guten Sud von ihrem gesunden und +heilsamen Bier nach Wittenberg locken. Dagegen warnt sie ihn, sich von +der "Gte des Weins" bei Spalatin bercken zu lassen, wodurch der Leib +so rauch und scharf von Steinen werde, wie die Weinfsser, wenn sie +ausgetrunken sind. Mit dem Bier wute Frau Jonas nicht so wohl Bescheid +wie Frau Lutherin; denn dasjenige, das sie Luther einmal schickte, war +verdorben. Angenehmer als dieses Geschenk waren der Wein, die Quitten +und Aepfel u.a., welche Jonas von seinen Reisen oder aus Halle +sandte[447]. Als Frau Kthe zu Anfang des Jahres 1540 schwer erkrankte, +da schrieb Jonas manchen betrbten Brief voll aufrichtiger Teilnahme und +Sorge. "Wenn mein Brief so trbselig ist, so ist die Trauer schuld um +die hochgeschtzte Frau, weil sie so krank darniederliegt." Und er freut +sich "dann, als [Griechisch: hae gynae] des Herrn D.M. Luther durch +gttliche Wunderkraft wieder gesundet." Im Frhjahr 1541 zog Jonas nach +Halle, um dort trotz des Bischofs "mit Volk und Rat" die Reformation +durchzufhren[448]. Da sich dieser Aufenthalt, wie es den Anschein +bekam, lange hinausziehen sollte, so zog im Herbst die Frau Propstin +ihrem Manne nach, whrend der Sohn Tischgenosse im Lutherhause werden +sollte. Sie verabschiedete sich so eifrig und eilig, da sie sogar +verga, Briefe von Luther mitzunehmen und dieser samt seiner Frau sie +neckte mit ihrer Liebessehnsucht. Leider sollten sie die Freundin nicht +mehr sehen. Nicht lange nach ihres lieben Tchterchens Lenchen Tod +verlor Frau Kthe auch ihre beste Freundin. Sie starb in Halle um +Weihnachten 1542, indem sie "mit gar frommen und heiligen Worten ihren +Glauben bezeugte." Frau Kthe war ganz weg bei der Trauerkunde[449]. + +Etwas weniger herzlich scheint das Verhltnis zur Familie Melanchthon +gewesen zu sein. Die beiden waren fast Gartennachbarn und wie die +Mnner, so werden auch die Frauen sich an dem Gartenzaun und in ihren +Grten und Husern doch vielfach begegnet sein. Die Kinder spielten mit +einander, wie aus dem Mrchenbrief Luthers ersichtlich ist, und Luther +schreibt dem ngstlichen Magister whrend seiner Abwesenheit genau alle +Vorkommnisse unter den Kindern[450]. Aber auffllig ist doch, da in +all' den vielen (3000) Briefen Luthers die Gattin seines Kollegen +ausdrcklich niemals erwhnt ist. Frau Kthe Melanchthon war der +temperamentvollen Doktorin wie dem Doktor nicht so sympathisch als die +Frau Kthe Jonas. Sie fhlte ihren Gemahl und sich nach den Epigrammen +des Lemnius, aber auch nach den Andeutungen Kreuzigers berall +zurckgesetzt und in den Schatten gestellt durch Luther und die +Doktorin. Die wohlhabende Brgermeisterstochter und das arme +Edelfrulein standen sich wohl von Anfang an gegenber, nochmehr aber, +als die fremde Nonne den gewaltigen Doktor, den ersten Mann der Stadt, +ja der Welt zum Gemahl bekam. Zur Erklrung der Stimmung von Frau +Melanchthon mu wohl auch auf die bestehende Kleiderordnung verwiesen +werden, welche derjenigen von 1572 hnlich gewesen sein wird. Die +Doktorsfrauen durften darnach eine guldene unverftterte Haube tragen, +und so ein alt Kleid zu kurz wird, es mit Sammet- und Seidegebrm +verlngern--die _Magisters_frauen nicht, und Frau Melanchthon war bloe +Magisterin. Ferner durften Doktoren 8 Tische, Magister blo 6 Tische bei +Hochzeiten haben; letztern waren auch Rcke, Barett oder Schlpplin aus +Sammet und Seide verboten[451]. + +Es traten sogar einmal Mistimmungen Luthers gegen Melanchthon ein, +welche sich natrlich auch auf die beiderseitigen Frauen bertrugen. + +Melanchthons Schwiegersohn Sabinus, ein Humanist und Poet, hatte Luthers +alten Gegner, den Kardinal-Erzbischof Albrecht, der sich gern als Mcen +aufspielte, als seinen Gnner gefeiert, und bei seiner Hochzeit mit +Melanchthons Tchterlein (1536) war der erzbischfliche Kanzler Trk zu +Gast, ja Sabinus lebte eine zeitlang an Albrechts Hofe. Um diese Zeit +machten auch andere rmische Kirchenfrsten den Versuch, Melanchthon auf +ihre Seite zu bringen. Luther zrnte ber die "Erasmischen Vermittler", +wenn er auch nicht glaubte, Melanchthon werde ein zweiter Erasmus +werden. Die Anhnger Luthers, Cordatus und Schenk, gingen aber schrfer +gegen Melanchthon vor und dieser scheute sich in seiner ngstlichen Art +vor einer offenen Aussprache mit Luther. Kthe htte gerne eine +freundschaftliche Auseinandersetzung der beiden alten Freunde gewnscht; +die "Doktorin" beklagte die Entfremdung derselben, sprach dies auch +gegen Kreuziger und andere Freunde aus, in der Hoffnung, eine +Auseinandersetzung herbeizufhren. Aber dem widersetzte sich die +"Weibertyrannei" der Frau Melanchthon[452]. + +Jetzt kam noch etwas anderes hinzu. 1537 geriet ein gewisser M. Simon +Lemchen (Leminus) nach Wittenberg, der war ein Freund und +Gesinnungsgenosse des Sabinus, formgewandt, aber auch charakterlos wie +dieser. Fr diesen Schngeist verwendete sich Melanchthon um ein +Stipendium bei dem Rat von Augsburg, weil er zum Teil in Augsburg +erzogen war und diese lbliche Stadt fr sein Vaterland hielt. Er bekam +auch wirklich eine Untersttzung von 20 fl. Damals kam auch Sabinus nach +Wittenberg und verkehrte viel mit seinem Freunde[453]. + +Zu Pfingsten 1538 nun hat Lemnius, der "ehrlose Bube etliche Epigrammata +ausgehen und sogar an den Kirchthren verkaufen lassen, ein recht +Erzschund-, Schmach- und Lgenbuch, wider viel ehrliche Manns- und +Weibsbilder, dieser Stadt und Kirchen wohl bekannt." Natrlich machte +das Bchlein in der kleinen Stadt das peinlichste Aufsehen und erregte +hliche Geschwtze. Melanchthon hatte als Rektor die Zensur ber +litterarische Erscheinungen von Universittsangehrigen zu ben. Daher +erhob sich gegen ihn der Verdacht, da er mit Absicht die bse Schrift +habe drucken lassen. Aber Luther berzeugte sich bald, da es "hinter +Wissen und Willen derer, so es befahlen ist zu urteilen", ausgegangen +war. Und so beruhigte sich auch die Frau Doktorin bald wieder. Der +"Poetaster und Leuteschnder" Lemnius flchtete und wurde relegiert, +rchte sich aber durch ein unfltiges Schmhgedicht auf Luthers und +Kthes Ehe, wie auf andere Professorenfamilien in Wittenberg [454]. Das +gute Einvernehmen der beiden Familien stellte sich bald wieder her. Frau +Kthe lt nach wie vor dem abwesenden Magister Philipp ehrerbietig +Gre zusenden und dieser versumt nicht nach wie vor "Luthers +hochverehrte Gemahlin und se Kinder zu gren". Ja das Verhltnis zu +ihm zeigt sich nach diesem Vorkommnis noch viel freundlicher [455]. Sie +lt dem Magister besonders nachdrcklich danken, da er ihren Doktor +nicht mit nach Schmalkalden--schlimmen Angedenkens--mitgenommen hat. Sie +versichert ihn ihrer ganz besonders warmen Liebe und Zuneigung. Als +Melanchthon wegen der hessischen Ehegeschichte tdlich erschrocken +darniederlag, heit sie ihn tapfer und "frhlich" sein und versichert +ihn mit ihrem Gatten ihrer aufrichtigen Liebe und verspricht, eifrig und +krftig fr ihn zu beten. Nach Worms lt sie ihm melden, sie siede eben +fr ihn Wittenbergisch Bier, um ihn und seine Genossen damit zu +empfangen. Und M. Philipp lt sich auch sorglich ber ihr Wohlergehen +berichten und wre sehr beunruhigt, wenn er hren mte, es ginge der +Frau Doktorin bel. An Luthers Todestag noch sendet er in ihrem Auftrag +nach Eisleben Nachrichten und Arzeneien[456]. + +Eine gewi noch rascher vorbergehende Verstimmung trat 1544 ein infolge +eines Vorwurfs, den Frau Kthe Melanchthon machte und den der +empfindliche Meister Philipp wohl zu schwer nahm; sie sagte nmlich, man +glaube, er bevorzuge seine schwbischen Landsleute vor den Sachsen. Das +konnte doch weder so ernst gemeint noch genommen werden, wenn er auch in +einem Brief an Freund Jonas die [Griechisch: despoina] (Herrscherin) +darber verklagt[457]. + +Den Verkehr dieser Hausfreunde mit Frau Kthe kennzeichnet ein Brief, +den dieselben von Augsburg aus 1530 an die Doktorin geschrieben haben; +es ist der Ton achtungsvoller Freundlichkeit mit einem Anflug von +Lutherschem Humor; zugleich aber ein Beweis, wie geschftstchtig Frau +Kthe war, da Melanchthon sogar konomische Auftrge ihr gab, statt +seiner eigenen Gattin, die er wohl auch fr weniger schreibfertig halten +mute, als die Lutherin. Der Brief lautet samt der Adresse so[458]: + +"Der ehrbaren tugendsamen Frau Katharina Lutherin Doktorin, meiner +besonders gnstigen Freundin. + +Gottes Gnad' und alles Gute! + +Ehrbare, tugendsame Frau Doktorin! + +Ich fge Euch zu wissen, da wir nun, Gott gebe Gnad, bis gen Augsburg +kommen sind und haben den Herrn Doctor zu Coburg gelassen, wie er ohn +Zweifel Euch geschrieben hat. Ich hoff aber, in kurz bei ihm zu sein. +Bitt Euch, Ihr wollet mir schreiben, wie es Euch geht und wie sich der +Hauptmann Korns halber erzeiget hat. Womit ich Euch dienen kann, will +ich mit allem Flei, wie ich mich schuldig erkenne, solches thun und +ausrichten. + +Beide Kanzler[459] gren Euch und wnschen altes Gute. Gott bewahre +Euch! + +Datum Augsburg, Mittwoch nach Walpurgis. Philippus. + +Herzog Georg von Sachsen soll morgen kommen. Der Kaiser ist noch ferne, +kommt aber. + +Liebe Gevatter! Auch ich wnsche Euch, Hnschen Luther und Magdalenchen +und Muhme Lene viel selige Zeit. Pusset mir in meinem Namen meine +liebsten Jungen. + +J. Jonas. + +Ich, Johann Agricola Eileben, mein es auch gut, meine liebe Frau +Doktorin." + +Wie hier im Brief, so maen sich an Kthes Tisch die Freunde an der +theologischen Tafelrunde im Redewettkampf um den Preis des krzesten +Tischgebets. Da zeigt sich nun Luthers Sinnigkeit, Bugenhagens +hausbackenes Behagen und Melanchthons zierliche Feinheit in den Sprchen +Luthers: Dominus Jesus sit potus et esus (der Herr Jesu sei Speis' und +Trank); Pommer: "Dit und dat, trg und natt, gesegen uns Gad"; und +Melanchthons: Benedictus benedicat (der Gesegnete segne)[460]. + +Auer den beiden Frauen der Kollegen Jonas und Melanchthon wird +Katharina wohl vorzglich mit Frau Barbara Kranach verkehrt haben und +Frau Brgermeister Reichenbach, ihrer Pflegemutter, beide ltere +Matronen, und ebenso mit der Familie des Buchdruckers Hans Lufft. +Selbstverstndlich gehrte die Gemahlin des Doktors zu den vornehmen +Kreisen, ja sie war bei weitem die angesehenste Frau Wittenbergs und es +entspricht ihrer Stellung, wenn Meister Lukas sie auf dem Altarbilde der +Stadtkirche mit ihrem Kinde in der vordersten Reihe malt. Sie trug auch +das feine goldschimmernde Pelzwerk um die Schultern oder in Streifen am +Kleid, das die Patrizierin auszeichnet. Ein gewisses Selbstgefhl lt +sie auch verschiedentlich durchblicken. So lt sie einen Freund ihres +Mannes "warnen, beileibe keinen Bauernkloppel zur Ehe zu nehmen; denn +sie sind grob und stolz, knnen die Mnner nicht fr gut haben, knnen +auch weder kochen noch keltern". Daneben freilich ging sie mit andern +Frauen (in der Weise unserer heutigen Frauenvereine) kranken Weibern und +Wchnerinnen mit Rat und That an die Hand[461]. + +Aber man versteht es auch, da eine Frau von der Anlage und dem +Temperament und Bildung Katharinas mehr auf den Umgang mit Mnnern +hielt, und da dieser Umgang, zu dem sie so viel Veranlassung und +Gelegenheit hatte, sie wenig geneigt machte, sich viel in weiblicher +Gesellschaft zu bewegen. + +Freunde um sich zu haben, war Luther ein Bedrfnis. Er hate die +Einsamkeit aus Furcht vor "Anfechtungen"--mute er doch in den +Nachtstunden dem Teufel genug Rede stehen. "Ehe gehe ich zu meinem +Schweinehirten Johannes und zun Schweinen, denn da ich allein bliebe", +sagt er zum Exempel fr einen Angefochtenen. So war er auch stets in +Gesellschaft, wenn er spazieren fuhr[462]. + +Bei der Bibelbersetzung (1525-34) und der Bibelrevision (1539-42) kamen +die Gehilfen Luthers, Melanchthon, Bugenhagen, Jonas, Kreuziger, +Aurogallus und der Schnellschreiber und Korrektor Rhrer zum +evangelischen "Sanhedrin" zusammen, und nachher blieben sie oft zu +Tische da, disputierten weiter, oder erholten sich auch an heiterem +Gesprch und Gesang. + +So war der Gasttisch in Kthes Haus nimmer leer--dafr sorgte Luther. + +Aber auch ihm persnlich und besonders widmete sie als echte deutsche +Frau ihr Leben. + + + + +14. Kapitel. + +Kthe und Luther. + + +"Das ist ein seliger Mann, der eine gute Ehe hat. Denn es ist kein +lieblicher, freundlicher noch holdseliger Verwandtnis, Gemeinschaft und +Gesellschaft, denn eine gute Ehe, wenn Eheleute mit einander in Frieden +und Einigkeit leben. Die hchste Gnade Gottes ist, ein fromm, +freundlich, gottesfrchtig Gemahl haben, mit der du friedlich lebest, +der du darffst all dein Gut und was du hast, ja dein Leib und Leben +anvertrauen." So preist Luther die Ehe, und _seine_ Ehe und seine +Gattin, die ihm das Wesen und das Ideal des Ehestandes vor Augen fhrte +und verwirklichte. Sie bereitete ihm ein schnes Heim, einen glcklichen +Hausstand, sie wartete und pflegte ihn treulich und diente ihm "wie eine +Ehefrau, ja wie eine Magd"[463]. + +Kthe sorgte vor allem fr ihres Herrn Doktors leibliches Wohl in +gesunden und kranken Tagen[464]. + +Die "Erzkchin" verstand den leiblichen Bedrfnissen ihres Mannes +gerecht zu werden; sie wute, was seinem Geschmack entsprach und was +seiner Gesundheit zutrglich war. Luther wute auch, was das heit, und +da "das ein gemarterter Mann sei, dess' Weib und Magd nichts wissen in +der Kche: es ist das erste Unglck, woraus viele Uebel folgen." Aber +auch das Gesinde thut's nicht, sondern, wie Luther in sein Hausbuch +schreibt: "Der Frauen Augen kochen wohl."[465] + +Luther liebte, als ein echtes Bauernkind und mit gesundem Appetit +gesegnet, recht derbe Hausmannskost. Ueppige Speise machte ihm +Beschwerden. Er lobte sich eine reine, gute, gemeine Hausspeise: +Brathering und Erbsen war ihm ein Lieblingsgericht[466]. Aber seine +Gattin erkannte bald, da dem Doktor bei seiner sitzenden Lebensweise, +bei seiner angestrengten geistigen Thtigkeit und namentlich, weil er in +den Tagen seines unnatrlichen Kloster- und Junggesellenlebens seine +Natur sehr verdorben hatte und durch Verdauungsstrungen an schweren +Schwindelanfllen litt,--da diese derbe Kost ihm wenig zutrglich sei +und sie namentlich mit anderer Pflanzenkost, besonders Obst, nachhelfen +msse, und berhaupt war sie auf Wechsel in der Speise bedacht[467]. So +hatte sie denn in ihrer Speisekammer, in Keller und Speicher nicht nur +Erbsen und Hirsen, Grtze, Graupen und Reis vorrtig, da gab es auch +Kraut, Kohl, Mohren, Rben und Obst; die einheimischen Mispeln liebte +Luther mehr denn alle welschen Feigen, und die Pfirsiche schtzte er +besonders hoch und fast den Weintrauben gleich. Da wurden im Kloster +nicht nur Ochsen und Schweine geschlachtet, auch Gnse und Enten, +Hhner, Tauben und Krammetsvgel, frische und drre Fische und Krebse +kamen als Leckerbissen auf den Tisch. Wildbret war Hochzeitsbraten; +Luther fand es aber mit seinem schwarzen Fleisch zu "melancholisch". +Zwar hielt Kthe selber Rinder und Hhner, pflanzte allerlei Frucht und +Gemse, zog Obst, buk das tgliche Brot und sott Bier; aber vieles mute +noch dazu gekauft werden, oder man erhielt es geschenkt, namentlich +sorgte der Hof fr Wildbret und die Freunde fr schnes Obst: +Borsdorfer, Gold- und Blutpfel. Frau Kthe aber wrzte die Speisen mit +Salz, Pfeffer, Safran, mit Mohn, "Zippel" (Cipola, Zwiebel), +Petersilien, Kmmel und Karbey, schmlzte mit Butter und ste mit Honig +und Zucker. Zum Nachtisch war immer Obst da: Aepfel, Birnen, Pfirsiche +und Nsse; in der Kirschenzeit hing auch ein Kirschenast ber der +Tafel[468]. + +Daher schmeckte dem Doktor nichts besser als seine hausgemachten Speisen +und Getrnke und nirgends ist es ihm wohler, als daheim an seinem +wohlbestellten Tisch. Lieber als die gepreten Kse, welche Lauterbach +fern aus Pirna herschickt, sind ihm "unsre Kse von einfachem Stoff und +einfacher Form". Das von Jonas geschenkte Bier findet er schlecht, +whrend er jenem das Bier von seiner Kthe anpreist als ein erprobtes +Heilmittel gegen das Steinleiden; ja er nennt es geradezu die "Knigin +aller Biere". Bei Hof gedenkt er an seinen "freundlichen lieben Herrn" +Kthe, wie gut Wein und Bier daheim habe; dort msse er einen bsen +Trunk thun oder von den dicken schweren Brot essen, das ihm so schlecht +bekomme[469]. + +Und wie sehnte sich Luther immer von den Unbequemlichkeiten der Reise +und fremder Herberge nach seinem gemtlichen Heim und dem behaglichen +warmen Bett! + +Kthe befolgte also die alte Regel, welche Luther so gerne jungen +Ehefrauen einschrfte: "Halt dich also gegen deinen Mann, da er +frhlich wird, wenn er auf dem Wiederwege des Hauses Spitzen +sieht."[470] + +Freilich hatte Frau Kthe auch in Beziehung auf die Verkstigung ihres +Gatten mit dessen Eigensinn zu kmpfen, denn der Doktor geno oft +mehrere Tage lang gar nichts, oder er a nur einen Bratfisch und ein +Stck Brot; wenn er ganz ungestrt studieren wollte, nahm er einen +Bissen Brot und zog sich in sein Studierstblein, seine alte +Mnchszelle, ein und kam gar nicht zum Essen und--zum Schlafen. So +schlo er sich einmal, um den 22. Psalm zu erklren, mit Brot und Salz +ein und kam drei Tage nicht zum Vorschein. Da wurde Frau Kthe doch +ngstlich zu Mute, sie pochte und rief an der Thr. Keine Antwort. Sie +lie nun den Schlosser kommen und die Thre aufbrechen. Da rief er +unwillig: "Was wollt ihr? Meint ihr, es sei was Schlechtes, was ich +vorhabe? Weit Du nicht, da ich mu wirken, so lang es Tag ist; denn es +kommt die Nacht, da niemand wirken kann!" Ein andermal (1541) hatte sie +ihre liebe Not mit dem eigensinnigen Patienten, der bei seiner +"Anfechtung" vierzehn Tage nicht schlafen konnte und nichts essen und +nichts trinken wollte[471]. + +Freilich zu anderer Zeit war Luther auch aufgelegt zu einem festlichen +Schmaus oder einem kleinen Gelage im Freundeskreise, denn er meinte: +"Darf unser Herrgott groe Hechte und Rheinwein schaffen, so darf ich +sie auch essen und trinken; es ist dem lieben Gott recht, wenn du einmal +aus Herzensgrund dich freuest oder lachest." Da wute nun Frau Kthe +ihrem Manne den Geburtstag, den Doktorstag, den Thesentag u.a. festlich +zu schmcken. "Das Knigreich" wurde am 3. Mai mit einem Mahle gefeiert, +"da wurden Psalmen gesungen, Evangelien gesagt, der Katechismus, Gebete, +wie einem jeglichen aufgelegt war; darauf mute das Hausgesinde +antworten." An St. Niklas wurden die Kinder beschenkt; am Neujahr auch +das Gesinde. Besonders aber Weihnachten wurde festlich begangen und die +Kinder freuten sich darauf und die Eltern mit ihnen. Frau Kthe aber +sorgte dafr, da allerlei Gutes und Schnes ins Zimmer und auf den +Tisch kam[472]. + +Ganz vorzglich bewhrte sich aber Frau Kthe als Krankenpflegerin. Da +zeigte sie alle ihre Erfahrung, Geschicklichkeit und Energie. Und was es +alles fr Krankheiten in einer so groen Familie gab, lt sich denken. +Da waren nicht blo die Kinder und Schler, welche allerlei +Kinderkrankheiten, zum Teil tdliche, durchmachten; da schleppte Luther +noch alle kranken Freunde und Freundinnen ins Schwarze Kloster, so da +es nach seinem eigenen Ausdruck oft genug ein "Spital" war[473]. + +Der langwierigste und schwierigste Patient war freilich der Doktor +selber[474]. Krank war er eigentlich von Anfang an, und immer neue +Krankheiten kamen zu den alten: Ruhr, Fieber, schmerzliche +Hautausschlge und Geschwre, Rheuma, Hftenweh und Brustbeschwerden. Er +hatte insbesondere einen bsen Pfahl im Fleisch: den Stein, der ihn wie +"Faustschlge des Satans" plagte; sodann verursachten ihm seine +Verdauungsstrungen Beengungen, Blutandrang nach dem Haupt, Kopfweh, +Ohrensausen und Schwindel, Krmpfe und Ohnmachten: Anflle, vor denen er +als "Anfechtungen des Teufels" sich heftig frchtete und die ihn oft mit +tiefer Schwermut erfllten[475]. Da galt es, eine geduldige und +frhliche Krankenpflegerin sein. Und Frau Kthe verstand ihren Patienten +zu behandeln, besser als die groen Doktoren, die Herren Aerzte; sie +wute, wie man den Kranken behandeln mute mit Nahrung und +Arzneimitteln; sie hielt ihn vom Wein ab und sott ihm leibreinigendes +Bier; sie rieb ihm das Bein mit heilkrftiger Salbe und Aquavit ein und +erwrmte ihm den Leib mit heien Tchern: sie erquickte ihn mit +Kraftkchlein und allerlei Sften; sie kannte eine wirksame Wurzel gegen +den Stein und zahlreiche Hausmittel: sie schabte ihm Bernstein von einem +alten Rosenkranz und lste ihm die weien Bernsteinstckchen auf, welche +der Herzog von Preuen als Mittel gegen den Stein schickte[476]. Nach +dem Zeugnis ihres Sohnes, des nachherigen berhmten Arztes Paul Luther, +war sie eine halbe Doktorin. Dieser sagte in seiner Antrittsrede zu +seiner Professur in Jena: "Meine Mutter hat nicht allein in +Frauenkrankheiten durch Rat und Heilung vielen geholfen, sondern auch +Mnner oft von Seitenschmerzen befreit."[477] Ihr vertraute sich daher +Luther auch lieber an, als "unsers Herrgotts Flickern", den Aerzten und +den Apothekern. Als Luther zu Schmalkalden tdlich erkrankte und die +Aerzte ihm Arzneien gaben, "als ob er ein groer Ochs wre", und der +schwbische Carnifex (Schinder, Folterknecht) meinte: "Ei, lieber Herr +Doktor, Ihr habt einen guten, starken Leib, Ihr habt wohl noch +zuzusetzen; Ihr mt, bei Gott! leiden, wenn man Euch angreift"--da +dachte er an seine Hausfrau und ihre wohlthuenden Hausmittel und +begehrte, trotz aller Schrecken solcher Fahrt, nichts wie heim[477]. + +Luther hatte den Grundsatz: "Ich esse, was mir schmeckt und leide +darnach, was ich mu. Ich frage auch nach den Aerzten nichts; will mir +mein Leben, so mir von ihnen auf ein Jahr gestellt ist, nicht sauer +machen, sondern in Gottes Namen essen und trinken, was mir schmeckt." So +berichtet der Arzt Ratzeberger, Leibarzt der Kurfrstin Elisabeth von +Brandenburg, der mit ihr nach Wittenberg floh, dann des Grafen von +Mansfeld und zuletzt des Kurfrsten von Sachsen Leibarzt--auch zu Zeiten +Luthers eigener Arzt[478]: + +"Da D. Luther zum erstenmal am Calculo (Stein) krank war, so war ihm der +Appetit entgangen und scheute sich auch sonsten vor gemeiner Arzenei aus +der Apotheke. Zudem hatte er groe krperliche Schmerzen und gar keine +Ruhe. Als er nun weder essen noch trinken konnte und alles, was ihm +seine Hausfrau aufs beste und fleiigste zugerichtet, von sich schob, +bittet sie ihn aufs fleiigste, er wolle doch selbst eine Speise +erwhlen, dazu er mchte Lust haben. "Wohlan", spricht er, "so richte +mir zu einen Brathering und ein Essen kalter Erbsen mit Senf, weil du ja +willst, da ich essen soll, und thue solches nur balde, ehe die Lust mir +vergeht; verzeuchst du lang, so mag ich hernacher nicht." Die Frau +thuet, wiewohl mit groen Sorgen, was ihr Herr befohlen, und richtet das +Essen zu, so geschwinde sie vermochte, und setzte es ihm vor. Als er nun +mit groer Lust davon isset, besuchen ihn die Aerzte--seine Medici +waren Augustin Schurf und Lic. Melchior Fend--ihrer Gewohnheit nach und +wollen sehen, wie sich die Krankheit anlasse. Da sie ihn nun essen +sahen, entsetzten sie sich vor dieser Kost, welche sie ihm schdlich und +ungesund achteten. "Ach, was thut Ihr doch, Herr Doktor", sagte Lic. +Fend, "da Ihr Euch wollet selber noch krnker machen!" D. Luther +schwieg ganz stille und a immer fort und hatte ein Mitleiden ob der +Medikorum Traurigkeit, die so hart fr ihn sorgten. Bald nachdem sie +Urlaub von ihm genommen und nunmehr gedachten, er wrde gar eine +tdliche Krankheit erwecken, kommt ein groer Stein von ihm, dessen sie +vorher nicht an ihm gewohnt waren und war Lutherus wieder gesund. Des +andern Morgens besuchten sie ihn und vermeinten ihn krank im Bette zu +finden; da sahen sie ihn aber in seinem Schreibstblein ber den Bchern +sitzen, dessen sie sich hoch verwundern." + +Aber Frau Kthe wute ihren Mann nicht nur durch Speise und Arznei zu +erquicken, sondern auch aufzurichten und zu trsten. + +Wenn er verstimmt war oder gar seine "Anfechtungen" hatte, so lud die +kluge, verstndige Frau heimlich den Dr. Jonas zu Tische, da dieser ihn +mit frohen Gesprchen aufheiterte; sie wute nmlich, da ihn niemand +durch Gesprch besser aufzumuntern verstand; oder sie lie Bugenhagen +gar im Kloster wohnen und nahm seine Frau, die ihrer Niederkunft +entgegensah, dazu[479]. + +Nicht nur, um ihre Bauerei und Landwirtschaft zu besorgen, hielt Frau +Kthe ein Fuhrwerk, sie lie auch oft ihre Pferde anspannen und ihren +Gatten mit seinen Freunden spazieren fhren, in ein "Holz" und auf die +Felder, um sich zu erlustieren, wo er dann frhlich wurde und sogar +Lieder sang; oder er fuhr ber Land in die Drfer, wobei er die Armen +beschenkte[480]. + +Diesen Beruf der Frau Doktorin, dem groen Reformator Leben und +Gesundheit und Geistesfrische zu erhalten, zum Segen der Kirche, +erkannte besonders der feine Capito an und spricht es aus in den Worten +an Luther: "Ich liebe sie von Herzen als diejenige, welche dazu geboren +ist, Deine Gesundheit aufrecht zu halten, damit Du desto lnger der +unter Dir geborenen Kirche, d.h. allen Christglubigen zum Heile dienen +kannst."[481] + +Doch nicht blo als treffliche Kchin und ausgezeichnete +Krankenpflegerin stand Frau Kthe ihrem Gatten bei, wie er es von dem +Eheweib verlangt, "da sie ihres Mannes Unfall, Krankheit und Unglck +tragen zu helfen, schuldig sei"; sie war ihm auch "ein freundlicher, +holdseliger und kurzweiliger Gesell des Lebens"; in diesem Sinn nennt er +sie "Hausehre", da sie des Hauses Ehre, Schmuck und Zierde wre[482]. + +Ueber den Verkehr mit der Ehegattin spricht sich Luther bei der +Auslegung von 1. Moses 26, 8 aus, wo Isaak und Rebecca scherzen. "Das +ist ein ehrlicher Scherz, so einem frommen Weibe wohl ansteht. Wenn der +Hausherr mit seiner Schwester oder Gesinde dermaen scherzen wollte, das +wrde ihm nicht wohl anstehen. Denn da gehrt sich, da man sie heie, +was sie thun und lassen sollen, und da soll Ernst dabei sein, auch wenn +man sie trstet. Aber mit der, die mir Gott zugefget hat, will ich +scherzen, spielen und freundlich reden, auf da ich mit Vernunft und +Bescheidenheit bei ihr leben mge."[483] + +So wute auch Katharina selbst ihren Gatten zu unterhalten, selber einen +Scherz zu machen und noch mehr Scherz und Neckerei ihres Eheherrn +auszuhalten. Und auch den Freunden und Gsten wei sie so zu begegnen. +Den Bremer Pfarrer Probst lt sie fragen, ob die Nordsee ausgetrocknet +sei, da es keine Fische gebe. Als D. Speratus eine Menge Fische schickt +durch den hochgewachsenen Cario, sagte sie zu Luther: "Ein groer +Bischof hat mir ein groes Fa geschickt." "Und zwar durch einen groen +Mann, unsern Charon", setzte Luther hinzu. "Ja, heut ist alles gro!" +meinte sie darauf[484]. + +In Luthers eigener sinniger Art, aber mit wirkungsvollem Handeln wute +sie ihrem Gemahl entgegenzutreten. Da war er einmal in einer Anwandlung +von Schwermut, an Gott und der Welt verzweifelnd, fortgegangen. Als er +heimkehrte, trat ihm Frau Kthe entgegen im schwarzen Trauergewand und +den Schleier tief im Gesicht. Erschrocken rief er: "Um Gotteswillen, +Kthe, was ist geschehen?" "O, Herr Doktor, ein groes Unglck", +erwiderte sie; "denket nur, unser lieber Hergott ist gestorben, des bin +ich so traurig." Da fiel Luther seinem Weibe um den Hals und rief: "Ja, +liebe Kthe, that ich doch, als wr' kein Gott im Himmel mehr!" Und so +gewann er neuen Mut, da er die Traurigkeit berwand[485]. + +Nicht nur Luthers Verstimmungen und Anfechtungen wute Frau Kthe +aufzuheitern, sondern auch den gewaltigen Willen des bei aller +Gutmtigkeit eigensinnigen und starrkpfigen Mannes zu brechen, +namentlich wenn es galt, ihn zu seinem eigenen Besten zur Ruhe und +Erholung zu bewegen. "Mein Kopf ist eigensinnig, wie ihr sagt", schreibt +er einmal an Melanchthon, "aber mir ist er eigensinnigissimmum, weil +mich der Satan so wider Willen zu feiern und Zeit zu verderben zwingt." +Die kluge Frau aber verstand es, nach seinem eigenen Gestndnis, ihn zu +berreden, so oft sie wollte[486]. + +Dagegen verwahrt sich Luther gegen den Verdacht, da er sich in +theologischen oder kirchlichen Dingen durch seine Frau bestimmen lasse. +Dennoch wurde das geglaubt und ihr namentlich ein schlimmer Einflu +zugetraut gegen gewisse Personen; so schreibt z.B. Kreuziger an Veit +Dietrich, der Frau Kthe an sich nicht hold war: "Du weit, da er +(Luther) zu vielem, was ihn entflammt, eine Fackel im Hause hat." +Namentlich bei seinem Streit mit den Juristen glaubten die Wittenberger +die persnliche Abneigung seiner Frau gegen gewisse Persnlichkeiten +dahinter zu wittern[487]. + +In einer so kleinen Stadt und bei den oft so kleinlichen Reibereien der +Gelehrten und ihrer Frauen, ist ein solcher Klatsch auch begreiflich, so +grundlos er auch sein mchte. Wir haben darber eine sehr lebhafte und +anschauliche Schilderung eines Augenzeugen. Am Sonntag Estomihi (24. +Februar) 1544 war bei Luther ein "Knigreich" mit dem blichen Schmause. +Auer Bugenhagen, Melanchthon, Rhrer, Major u.a. war auch der +Schulmeister Crodel aus Torgau zu seiner groen Freude und Genugthuung +eingeladen. Dieser, von einigen Wittenbergern dazu veranlat, brachte +das Gesprch auf das "verleumderische Gercht", da der Doktor "aus +Eingebung und Antrieb seiner Gattin predige". Mit groer Ernsthaftigkeit +und Wrme wies Luther diesen Verdacht ab und sagte u.a.: "Solcherlei +Worte, wie ich sie in dieser Sache (dem Streit mit den Juristen) +vorbringe, fallen--ohne da ich dem heiligen Geist eine Regel +vorgeschrieben haben will--keinem Weiberkopf ein. Ich la mich von +meinem Weibe etwa leiten in Sachen des Haushaltes und Tisches, aber in +Dingen des Gewissens und der Schrift erkenne ich keinen andern Lehrer +und Doktor an, als den heiligen Geist." Ein wenig darauf, nach einer +heftigen Rede, kam sein Weib her und fragte, was denn mit so groer +Heftigkeit verhandelt werde. Er schlo mit den Worten zu Crodel: "Sage +den Rechtsgelehrten, da ich in dieser Sache nicht von meiner Frau +geleitet werde; ich hebe es auf die Sache selbst und den Kern eines +Gegenstandes ab ohne Rcksicht auf eine Person." Crodel war dieses +Gesprch so wichtig, da er's wrtlich seinem Freunde Ratzeberger +schriftlich mitteilte, und es war auch bezeichnend genug: man mute +Luther wenig kennen, wenn man solchem Klatsch Glauben schenken +wollte[488]. + +Es kommt auch jetzt noch vor, da Luther seiner Kthe Briefe vorlas, +auch in ihrer Gegenwart solche schrieb und da sie ihm Auftrge dabei +gab; auch ermunterte sie ihn, an die Freunde zu schreiben, wenn er +sumig darinnen war. Freilich zu Stunden stiller Erholung, wie in den +ersten Jahren ihrer Ehe, werden die Gatten in der spteren Zeit des +groen Arbeitsdranges seltener mehr gekommen sein. Aber bei aller +huslichen Sorge und Thtigkeit in Garten und Feld ging Frau Kthe doch +nicht vllig in ihrer wirtschaftlichen Thtigkeit auf. Sie war ihrem +Manne in seinem Amt und Beruf, so viel das mglich und ntig war, doch +die Gehilfin seines Lebens. Nicht nur in dem Sinne, da sie ihm die +Sorgen abnahm fr Familie und Vermgen, sondern sie nimmt teil an seinem +Wirken, an den zeitbewegenden Fragen[489]. + +"Lehrest Du also den Katechismum und den Glauben?" schreibt der Doktor +von Eisleben an seine "sorgfltige" Hausfrau. Damit ist doch wohl +ausgesprochen, da Frau Kthe--mindestens in Abwesenheit des +Doktors--mit Kindern und Gesinde den Katechismus trieb, wie Luther mit +diesem Lehrbchlein allen christlichen Eltern zumutete[490]. + +Luther giebt aber auch seiner Hausfrau Auftrge wegen des Druckes seiner +Schriften; ja sie hat mit darein zu reden und bestimmt ihn, was er +drucken lassen solle oder nicht. Von Marburg aus schreibt er ber das +Religionsgesprch mit Zwingli, ber das Abendmahl sogar mit lateinischen +Schlagwrtern[491]. + +Fr diese Anteilnahme an ihres Gatten Arbeiten, Sorgen, wie an den +groen Zeitfragen und Weltbegebenheiten, geben die Briefe vor allem +Zeugnis, die er whrend seiner Abwesenheit bei Gelegenheit von +Reichstagen an sie schrieb. So die von Koburg (S. 109-113). Insbesondere +der letzte vom 24. September, "zuhanden Frauen Kathrin D. Lutherin zu +Wittenberg." + +Gnade und Friede in Christo! + +Meine liebe Kthe! Gestern hab ich Dir geschrieben und einen Brief in +gndigsten Herrn mitgeschickt, daraus Du vernehmen kannst, wie die +Unsern von Augsburg wollen auf sein. Darnach hoff ich, wo Gott Gnade +giebt, wollen wir in vierzehn Tagen bei Euch daheim sein. Wiewohl ich +achte, unsere Sache werde nicht gar unverdammt bleiben. Da liegt auch +nicht Macht an. Doch hat der Rietesel anhero geschrieben, er hoffe, man +werde in Augsburg mit Frieden abscheiden in allen Gassen. Das gebe Gott +und wre eine groe Gnade. So bedrfen wir's alle wohl, weil der Trke +so an uns will. Weiteres wirst Du wohl von Hornungen hren. Hiemit seid +Gott alle befohlen. + +Sonnabends nach Matthi, 1530. Martinus LutheR."[492] + +Zehn Jahre nachher, als der Reichstag und Konvent in Hagenau stattfand, +schreibt Luther am 10. Juli 1540 von Eisenach seiner "lieben Hausfrauen, +Frauen Kathrin Luderin zu Wittenberg" u.a.: "... Bittet mit Flei, wie +ihr schuldig seid, fr unsern Herrn Christum, d.i. fr uns alle, die an +ihn glauben, wider den Schwarm der Teufel, so jetzt zu Hagenau toben +wider den Herrn und seinen Gesalbten (Ps. 2)." (S.o.S. 130 f.)[493]. + +So redete Luther auch in den letzten Jahren mit seiner Hausfrau ber die +politische Lage, namentlich die hinterlistige Politik des Herzogs Moriz. +"Liebe Kthe", erklrte er da, "deine Landsleute haben mit meines +gndigsten Herrn Rten eine Hundskette gemacht und werden nicht eher +nachlassen, sie haben ihn denn verraten."[494] + +Es ist naturgem und begreiflich, da wir von Frau Katharinas Wesen, +Wirken und Bedeutung so wenig direkte Zeugnisse besitzen. Denn sie +selbst hat nicht gerade viel geschrieben und ihre Briefe sind fast alle +verloren gegangen, whrend sie selbst ihres Doktors Briefe sorgfltig +aufbewahrt hat; ferner interessierten sich die Hausgenossen und +Zeitgenossen selbstverstndlich fast nur fr den groen Mann, der die +Welt bewegt hatte. Seine Gestalt berstrahlte die Hausfrau vllig. Nur +im Reflex von Luthers Briefen und Tischgesprchen, selten in Bemerkungen +seiner Bewunderer, finden wir Zge, die ihr Charakterbild darstellen. + +Da aber demnach Frau Katharina neben dem Reformator eine selbstndige +Stellung und Geltung behauptete, beweist der Umstand, da die Freunde +und Luther selbst sie nicht nur respektvoll die "Domina" und Doktorin, +mit lateinischen und griechischen Worten nannten, sondern auch von der +verheirateten Frau noch den Namen "Katharina von Bora" gebrauchten. + +Was hielt nun Luther von seiner Frau? + +Da giebt es drei wichtige Zeugnisse, die Luther seiner Gattin ausstellt, +am Anfang, in der Mitte und am Ende seiner Ehe, nicht etwa blo +gelegentliche Aeuerungen guter oder schlechter Laune, sondern berlegte +und feierliche Anerkennung ihrer Vortrefflichkeit als Hausfrau und +Ehefrau. + +Im zweiten Jahre seines Ehestands (1526) schreibt er an Stiefel: "Sie +ist mir willfhrig und in allen Dingen gehorsam und gefllig, viel mehr, +als ich zu hoffen gewagt hatte (Gott sei Dank!), so da ich meine Armut +nicht mit den Schtzen des Krsus tauschen mchte."[495] + +Elf Jahre darauf, bei seinem tdlichen Krankheitsanfall auf der Reise +von Schmalkalden, diktierte Luther in Gotha sein Testament, worin es +heit: "Trstet meine Kthe, da sie dies trage dafr, da sie zwlf +Jahre mit mir froh gelebt hat. Sie selbst hat mir gedient nicht allein +wie eine Gattin, sondern auch wie eine Magd. Gott vergelt es ihr! Ihr +aber sollt fr sie sorgen und ihre Kinder, wie sich's geziemt" Und dann +sagte er: "Ich habe meine Kthe lieb, ja ich hab sie lieber denn mich +selber, das ist gewilich wahr; ich wollt lieber sterben, denn da sie +und die Kinderlein sterben sollten."[496] + +Endlich schreibt Luther in seinem letzten und endgiltigen Testament i.J. +1542. "Ich M.D.L. bekenne mit dieser meiner eigenen Handschrift, da ich +meiner lieben und treuen Hausfrauen gegeben habe zum Leibgeding Gut, +Haus und Kleinode. Das thue ich darum, da sie mich als ein fromm +(brav), treu ehelich Gemahl allezeit lieb, wert und schn gehalten +hat."[497] + +Und was so Luther in feierlichen Stunden bezeugte, das hat er wiederholt +sonst vor seinen Tischgenossen und Freunden bekannt. Sein langjhriger +Hausgenosse Hieronymus Weller schreibt in seinen Erinnerungen: "Ich +erinnere mich, wie der hochw. Mann oft sagte: er preise sich von Herzen +glcklich, da ihm Gott eine so folgsame, bescheidene und kluge Gemahlin +geschenkt, welche so ausgezeichnet fr seine Gesundheit sorge und +eintreten knne und sich so geschickt seinem Wesen anzupassen und seine +Fehler und Unannehmlichkeiten mit so stillem Gemte zu tragen wisse. +Denn er knne bei seinen vielen Arbeiten, Beschftigungen und +Anfechtungen nicht immer seinem Wohlbefinden Rechnung tragen."[498] + +Das Verhltnis zwischen Kthe und Luther war das der achtungsvollen +Verehrung; das entsprach einmal der Anschauung des Mittelalters von der +Herrschaftsstellung des Mannes zum Weibe; anderseits rhrte es davon +her, da die fnfzehn Jahre jngere Frau zu dem lteren, durch +Gelehrsamkeit und hohes Ansehen ehrwrdigen Mann mit einer gewissen +Piett hinaufschaute. Daher redet er sie zwar immer mit "Du" an, _sie_ +aber spricht zu _ihm_ immer mit "Ihr" und nennt ihn "Herr Doktor". Das +fand auch Luther selbstverstndlich. Als einmal von einem Manne die Rede +war, welcher an eine reiche Frau seine Freiheit verkauft hatte, sagte +er: "Ich hab's auch gern, wenn mir meine Kthe bers Maul fhrt--nur da +ich sie nicht viel dran lasse gewinnen als ein Maulschellium."[499] Und +ein andermal: "Sie hat allein die ganze Herrschaft in ihrer Hand. Ich +gestehe ihr auch gerne das ganze Hausregiment zu; aber mein Recht wollte +ich mir unversehrt erhalten und Weiberregiment hat nie nichts Gutes +ausgerichtet." Luther war seinem ganzen Wesen, aber auch seiner +Anschauung und seinen biblischen Grundstzen nach nicht der Mann, seine +eheherrlichen Rechte sich verkrzen zu lassen: einen Freund, der ihm die +Tyrannei seines Weibes klagt, verweist er tadelnd darauf, da man das +Ansehen des Mannes nicht drfe mit Fen treten lassen. So fhrte er +auch auf Hans Luffts Tochter Hochzeit die Braut zum Lager und sprach zum +Brutigam (dem Arzt M. Andreas Aurifaber): "Er soll's bei dem gemeinen +Lauf bleiben lassen und Herr im Hause sein (wenn die Frau nicht daheim +ist, setzte er scherzend hinzu). Und zum Zeichen zog er ihm einen Schuh +aus und legte ihn aufs Himmelbett, da er die Herrschaft und das +Regiment behielte[500]. + +Aber freilich Kthes resolutes Wesen, die Herrschaft, die sie im Haus +fhrte und die der Hausherr ihr auch vllig einrumte, fhrte ihn dazu, +da er sie auch scherzend seinen "Herrn" nannte. So schreibt er ihr vom +Hoflager in Torgau: "Gestern hab ich gedacht, wie ich daheim eine schne +Frauen habe, oder sollt ich sagen Herren?"[501] + +Und gerade mit dieser resoluten Art ihres Wesens neckt er sie genugsam. +Und wie gerade recht willensstarke wenn auch gutmtige Eheherren, +gefllt er sich seinen Freunden gegenber in der humoristischen Rolle +des gehorsamen, unterdrckten Ehemanns. So sagte er einmal zu einem +Gast: "Nehmt frlieb mit einem frommen (braven) Wirt, denn er ist der +Frauen gehorsam." Ihr selbst gegenber spricht Luther in immer neuen +Wendungen von dieser angeblichen Eheherrschaft und charakterisiert jenes +gebieterische Wesen der Frau Kthe. "Meine Herrin" nennt er sie schon in +der ersten Woche ihrer Ehe. "Mein Kthe" (Meus Ketha) ist spter ihre +regelmige Bezeichnung in seinen vertrauten Briefen und in ebenso +drolliger Verbindung "Meine Herr Kthe", oder sprachlich richtiger "Mein +Herr Ktha", "Dr. Kethus", auch einmal "mein Herr und mein Moses" und +"meine Gebieterin" oder "Kaiserin"[502]. + +Aber sonst nennt er sie in zrtlichem Wortspiel gar hufig "meine +Kette", auch meine "Weinrebe", oder in Briefen an entfernter Stehende +respektvoll "meine Hausfrau", "meine Hausehre"[503]. + +Auch seiner Frau selber gegenber schlgt Luther gewhnlich jenen +neckischen Ton an, woraus einerseits zrtliche Neigung, andererseits +doch auch achtungsvolle Anerkennung blickt. + +Schon in seinem ersten erhaltenen Brief und dann fast regelmig redet +er sie an "Lieber Herr Kth". Dann adressiert er--nach Sitte der +damaligen Zeit--"Meinem lieben Herrn, Frau Kathrin Lutherin zu +Wittenberg zu handen", oder "Meinem freundlichen lieben Herrn, Frau +Katherin von Bora, D. Lutherin, zu Wittenberg" oder noch umstndlicher +humoristisch pathetisch: "Meinem freundlichen lieben Herren Katherina +Lutherin, Doctorin, Predigerin zu Wittenbergh". Oder: "Meiner gndigen +Jungfer Katherin Lutherin von Bora und Zulsdorf gen Wittenberg, meinem +Liebchen". "Meiner herzlieben Hausfrauen Katherin Lutherin Doctorin +Zulsdorferin, Saumrkterin und was sie mehr sein kann." "Meiner +freundlichen lieben Hausfrau Katherinen Luther von Bora, Predigerin, +Brauerin, Grtnerin und was sie mehr sein kann." Dann aber heit es auch +innig und herzlich auf der Adresse "Meiner lieben" oder "herzlieben +Hausfrauen" oder "Meiner freundlichen lieben Kthe Lutherin" und in der +Anrede: "Liebe Jungfer Kthe" und zum Schlu "Dein altes Liebchen" oder +auch "Dein lieber Herr". Sogar in seinem tglichen Hausgebet bittet er +fr "mein liebes Weib"[504]. + +So dient dem Doktor seine Hausfrau manchmal auch zur Exemplifikation +seiner theologischen oder erfahrungsgemen Ansicht ber die Weiber, oft +in scherzhafter oder wohl auch einmal ernsthafter Uebertreibung. Da +spricht er ihnen Weisheit und Herrschaftstalent ab und macht sich lustig +ber ihre Redseligkeit, indem er verschiedentlich bemerkte, die Weiber +im allgemeinen und seine Kthe im besonderen vergen das Vaterunser, +wenn sie anfingen, zu predigen[505]. + +So "lachte der Doktor einmal seiner Kthe, als sie klug sein wollte; er +meinte, Gott habe dem Manne eine breite Brust als Sitz der Weisheit +gegeben, dem Weibe aber breite Hften und starke Schenkel, da sie +sollen daheim bleiben, im Hause still sitzen, haushalten, Kinder tragen +und ziehen. Weiberregiment im Haus und Staat taugt nichts. Der Mann hat +im Hause das Regiment. Das Gesetz nimmt den Weibern Weisheit und +Regiment." Er meinte berhaupt: "Es ist kein Rock noch Kleid, das einer +Frauen oder Jungfrauen beler ansteht, als wenn sie klug will sein." +Luther erklrte sogar einmal in einer Tischrede: "Den Weibern mangelt's +an Strke, Krften des Leibes und am Verstand. Den Mangel an +Leibeskrften soll man dulden, denn die Mnner sollen sie ernhren. Den +Mangel an Verstand sollen wir ihnen wnschen, doch ihre Sitten und Weise +mit Vernunft tragen, regieren und etwas zu Gute halten."[506] + +Daneben aber erkennt er die Vorzge und die Bestimmung des weiblichen +Geschlechts rhmend an: "Ein Weib ist ein freundlicher, holdseliger und +kurzweiliger Gesell des Lebens. Weiber tragen Kinder und ziehen sie auf, +regieren das Haus und teilen ordentlich aus, was ein Mann hineinschaffet +und erwirbt, da es zu Rate gehalten und nicht unntze verthan werde, +sondern da einem jeglichen gegeben werde, was ihm gebhrt. Daher sie +vom heiligen Geiste Hausehren genannt werden, da sie des Hauses +Schmuck, Ehre und Zierde sein sollen. Sie sind geneigt zur +Barmherzigkeit, denn sie sind von Gott auch frnehmlich dazu geschaffen, +da sie sollen Kinder haben, der Mnner Lust und Freude und barmherzig +seien." "Es ist ein arm Ding ein Weib. Die grte Ehre, die es hat, ist, +da wir allzumal durch die Weiber geboren werden und auf die Welt +kommen. Ein Weib wird in der heiligen Schrift genannt "ein Lust und +Freude deiner Augen" (Sirach 26, 2). Ein fromm Weib soll darum geehret +und geliebet werden, erstlich, da sie Gottes Gabe und Geschenk ist; zum +andern, da Gott einem Weibe herrliche groe Tugenden verliehen, welche +andere Mngel und Gebrechen weit bertreffen, sonderlich wo sie Zucht, +Treue und Glauben halten." "Wenn die Weiber die Lehre des Evangeliums +annehmen, so sind sie viel strker und inbrnstiger im Glauben, halten +viel strker und steifer darber, als die Mnner, wie man siehet an der +lieben Anastasia und andern Mrtyrern; auch Magdalena war herzenhaftiger +denn Petrus."[507] + +Einmal klagt er wohl auch: "Wenn ich noch eine freien sollte, so wollte +ich mir ein gehorsam Weib aus einem Steine hauen; so sehr hab ich +verzweifelt an aller Weiber Gehorsam." Aber so gar ernst war's ihm doch +nicht damit. Er wute wohl: "Es ist keine grere Plage noch Kreuz auf +Erden, denn ein bs, wunderlich, znkisch Weib." Bei ihm war's nicht so, +sonst liefe er davon, sagt er. Dagegen wei er seines Weibes +Willfhrigkeit und Dienstfertigkeit an vielen Orten und in mancherlei +Weise zu rhmen. So zitierte er auch gerne das Wort seiner Wirtin zu +Eisenach: "Es ist kein lieber Ding auf Erden als Frauenlieb, wem sie +kann werden." Und aus seiner eignen Erfahrung erklrt er: "Ein fromm +Eheweib ist eine Gesellin des Lebens, des Mannes Trost." [508] + +Kleine eheliche Fehden nahm Luther als selbstverstndliche Dinge +leichten Herzens in den Kauf. Als er einmal einen kleinen Zwist mit +seiner Frau gehabt hatte, sagte er erklrend zu Veit Dietrich: "Er stehe +auch von ihr einen Zorn aus, er knne ja noch mehr ertragen." Er meint +von Eheleuten: "Ob sie gleich zuweilen schnurren und murren, das mu +nicht schaden; es gehet in der Ehe nicht allzeit schnurgleich zu, ist +ein zufllig Ding, des mu man sich ergeben. Adam und Eva werden sich +auch gar weidlich die neunhundert Jahre zerscholten haben und Eva zum +Adam gesagt: "Du hast den Apfel gessen." Herwiederum wird Adam +geantwortet haben: "Warum hast Du mir ihn gegeben?" Das Wesen der Ehe +wird durch solche Plnkeleien nicht geschdigt. "Denn wiewohl die +Weibsen gemeiniglich alle die Kunst kennen, da sie mit Weinen, Lgen, +Einreden einen Mann gefangen nehmen, knnen's fein verdrehen und die +besten Worte geben; wenn nur diese drei Stcke im Ehestand bleiben, +nmlich Treu und Glauben, Kinder und Leibesfrchte und Sakrament, da +man's nmlich fr ein heilig Ding und gttlichen Stand hlt, so ist's +gar ein seliger Stand, und das ein seliger Mann, der eine gute Ehefrau +hat."[509] + +Einmal klagt er wohl: "Ich mu Geduld haben mit dem Papste, ich mu +Patienz haben mit den Schwrmern, ich mu Geduld haben mit den +Scharhaufen, ich mu Patienz haben mit dem Gesinde, ich mu Patienz +haben mit Kthen von Bora, und der Patienz ist so viel, da mein Leben +nichts sein will als Patienz. Der Prophet Jesaias (30, 15) spricht: "In +Schweigen und Hoffen steht eure Strke."--Wie wenig aber Kthe dies bel +nahm, beweist, da sie auf die steinerne Hausthre, welche sie in Pirna +fr Luther bestellte, grade diesen Prophetenspruch eingraben lie. +Luther bekennt aber auch: "Wer ein fromm (brav) Weib bekommt, der +bekommt eine gute Mitgift. Und da gleich ein Weib etwas bitter ist, doch +soll man mit ihr Geduld haben. Denn sie gehrt ins Haus und das Gesinde +bedarf's bisweilen auch sehr wohl, da man ihnen hart sei und weidlich +zuspreche." "Der husliche Zorn als Vater und Mutter, Herrn und Frau im +Hause, thut nicht groen Schaden. Huslicher Zorn ist, als wenn die +Kinder mit den Puppen spielen."[510] + +Die Hochschtzung des Familienlebens, das Lob, das Luther in allen +Tonarten dem Ehestand anstimmt, ist doch auch ein Beweis fr die +glckliche Ehe, in der Luther mit seiner Kthe lebte. Das Kapitel ber +den Ehestand ist in seinen Tischreden das grte. So fing er bei der +Verlobung seiner Nichte (1538) an und konnte gar nicht aufhren, den +Ehestand zu loben, da er Gottes Ordnung und der allerbeste und +heiligste Stand sei. "Darum sollte man ihn mit den herrlichsten +Zeremonien (Feierlichkeiten) anfangen. Gott hat ein Kreuz (nmlich: des +Segens) ber den Ehestand gemacht und hlt's auch darber."[511] + +In der Ehe soll eitel Liebe und Lust sein, freilich "mu es ein frommer +Mann und ein fromm Weib sein, welche Gemahl und Kinder von ganzem Herzen +lieben. Ein fromm Eheweib ist eine Gesellin des Lebens, des Mannes +Trost, wie geschrieben steht (Sprw. 31, 11): Des Mannes Herz verlt +sich auf sie. Das Weib hat das Lob der Geflligkeit und erfreuenden +Anmut." Das lieblichste Leben dnkte ihm: "leben mit einem frommen, +willigen, gehorsamen Weibe in Frieden und Einigkeit."[512] + +Luther selber hatte nun in seiner Hausfrau und seinem Hausstand +gefunden, was er in dem rechten Ehestand suchte und von dem rechten +Eheweib erwartet. Er bezeugt: "Mir ist, gottlob! wohl geraten, denn ich +habe ein fromm (brav), getreu Weib, auf welche sich des Mannes Seele +verlassen darf, wie Salomon sagt (Sprw. 31, 11): Sie verderbet mir's +nicht."[513] + +"Martinus redete von seiner Hausfrau und sagte: er achtete sie teurer +denn das Knigreich Frankreich und der Venediger Herrschaft. Denn ihm +wre ein fromm (brav) Weib von Gott geschenkt und gegeben. Zum andern, +er hre, da viel grer Gebrechen und Fehler allenthalben unter +Eheleuten seien, denn an ihr erfunden wre. Zum dritten: das wre +berflssige Ursach genug, sie lieb und wert zu halten, da sie Glauben +und sich ehrlich hielte, wie es einem frommen, zchtigen Weib gebhret. +Welches alles, da es ein Mann ansehe, so wrde er leichtlich berwinden, +was sich mchte zutragen, und triumphieren wider Zank und Uneinigkeit, +so der Satan pflegt unter Eheleuten anzurichten." "Die Ehe ist nicht ein +natrlich Ding, sondern Gottes Gabe, das allerseste, lieblichste und +keuscheste Leben. Ach, wie herzlich sehnte ich mich nach den Meinen, da +ich zu Schmalkalden todkrank lag! Ich meinte, ich wrde Weib und Kinder +hie nicht mehr sehen; wie weh that mir solche Scheidung und Trennung. +Nun glaub ich wohl, da in sterbenden Menschen solche natrliche Neigung +und Liebe, so ein Ehemann zu seinem Eheweib habe, am grten sei. Weil +ich aber nun gesund bin worden durch Gottes Gnade, so hab ich mein Weib +und Kinderlein desto lieber. Keiner ist so geistlich, der solche +angeborene Neigung und Liebe nicht fhlet. Denn es ist ein gro Ding um +das Bndnis und die Gemeinschaft zwischen Mann und Weib."[514] + +Luther wute aber auch, da er keine zweite Frau in der Welt finden +knnte, die so gut fr ihn pate, als Katharina von Bora. Er warnte den +Pfarrer von Sitten vor einer zweiten Heirat und fgt bei der Umschau auf +seinen Bekanntenkreis hinzu: "Ich, wenn ich jung wre und die Bosheit +der Welt so kennete, ich wrde, wenn mir auch eine Knigin angeboten +wrde nach meiner Kthe, lieber sterben, als noch einmal heiraten." Und +doch schtzte er den Ehestand so hoch, da er ihn fr die schnste +Ordnung nach der Religion, fr den frnehmsten Stand auf Erden +hielt[515]. + +Luther kannte nichts Lieberes als seine Kthe. Er beteuert, er habe sie +lieber als sich selber. Ja er klagte darber als menschliche Schwche, +da er seine Kthe lieber habe als unsern Herrgott. Seine +Lieblingsepistel, den Galaterbrief, nannte er "seine Kthe im neuen +Testament". "Der Brief an die Galater ist meine liebe Epistel, der ich +mich vertrauet habe: sie ist meine Kthe von Bora." Und sein hchster +Trumpf war: "Ich setze meine Kthe zum Pfand!"[516] + +Kthe war nicht eine geistreiche Frau, hoher Schwung der Gedanken, +glnzende Geistesgaben gingen ihr ab: sie ist eine nchterne und doch +nicht hausbackene, tchtige deutsche Frau. + +Es ist eine unzeitgeme Sache, die Frage aufzuwerfen, ob denn Frau +Kthe "gebildet" war. Eine gelehrte Frau wie Argula von Grumbach war sie +glcklicherweise nicht; von einer solchen war Luther, wie seine +Aeuerungen zeigen, wenig erbaut und jedenfalls wre dann seine Wahl +nicht auf Katharina gefallen. (S. 185 f.) Eine geistvolle Frau wie die +Kirchenmutter Katharina Schtzin in Straburg, welche Sendschreiben an +die christlichen Frauen ergehen lie, brauchte sie neben Luther nicht zu +sein. Aber so gebildet wie irgend eine Frau ihres Standes war sie doch. + +Frau Kthe, wird bezeugt, las gerne und eifrig in der Bibel und gewi +nicht blo wegen der von Luther versprochenen 50 fl. Einmal ermahnte der +Doktor sein Weib, da sie fleiig Gottes Wort lesen und hren solle, und +sonderlich den Psalter fleiig lesen. Sie aber sprach, da sie es genug +thte und tglich viel lese, und knne auch viel davon reden; wollte +Gott, sie thte auch darnach. Der Doktor meinte zwar, solch' Rhmen +msse der Vortrab des knftigen Ueberdrusses sein. Aber freilich, die +vielbeschftigte Frau konnte doch auch nicht stndig mit geistlichen +Dingen sich beschftigen, wie ihr theologischer Gemahl. Und ein andermal +fiel ihr selbst auf, da sie im Evangelium nicht mehr so hitzig und +emsig bete wie im Papsttum. Geistlich gesinnet sein konnte sie aber +deswegen doch. Von seinen Predigten ber Joh. 14-16 sagte Luther zu +seiner Gattin: "Das ist das beste unter allen Bchern, die ich je +geschrieben habe; darum liebe Kthe, la Dir's befohlen sein und halt es +fr mein Testament."[517] + +Und von Eisleben aus schrieb er: "Lies Du, liebe Kthe, den Johannem und +den kleinen Katechismum, davon Du zu dem Male sagtest: "Es ist doch +alles in dem Buch von mir gesagt." Sie las also nicht nur in Schrift und +Glaubensbchlein, sondern wandte es auch auf sich an[518]. + +Es ist doch ein Zeugnis fr so eifriges Forschen in der Schrift, wenn +ihr von ihren Kindern auf ihrem Grabstein ein offenes Buch in die Hnde +gegeben wird. + +Kthe konnte auch schreiben, und ihre Briefe, soweit sie diktiert und +nicht etwa von andern stilisiert sind, beweisen eine klare, bestimmte +und verstndige Denk- und Ausdrucksweise. Und wenn Luther seine Frau +auch einmal damit aufzieht, da sie "Kattegissimum" schrieb statt +Katechismum, so kann dies damals viel weniger wie heute als +orthographische Unbildung gelten zu einer Zeit, wo nicht nur Laien, +sondern auch Gelehrte hchstens das Lateinische einigermaen +orthographisch schrieben, das Deutsche aber in der krausesten Form, wie +es ihnen in die Feder kam mit allen Fehlern der undeutlichen, +verdorbenen mundartlichen Aussprache[519]. + +Ebenso wenig sachgem ist die Frage, ob Frau Katharina ihrem Gemahle +ebenbrtig war. An eine Vergleichung mit seinem geistigen Wesen, mit +Luthers Genialitt und Charakter, Wirksamkeit und weltgeschichtlicher +Bedeutung ist ja naturgem nicht zu denken. Aber da sie als Gattin, +als Hausfrau und Mutter seiner Kinder ihm das war, was er an ihr +brauchte und wollte, da sie Luthers rechte und somit ebenbrtige Gattin +war, das hat er immer wieder ausgesprochen und anerkannt. + +Aber auch daran mu erinnert werden, da Frau Katharina doch ein +lebhaftes Interesse fr das Werk ihres Gatten, fr die Kirche und die +Reformation bezeugte. Frau Kthe hrte und las viele von den Briefen, +die ab- und eingingen. Sie drngte ihren Gatten zum Schreiben. Sie +sprach ein Wort darein, wenn er eine Schrift ausgehen lie. Sie durfte +als eine Doktorin auch ihren Rat bei Besetzung von Pfarrstellen geben +und bemhte sich fr junge Magister um Anstellung. Sie verstand die +Bedeutung ihres Gatten fr die Christenheit, sie wute seine +Persnlichkeit und sein Werk zu wrdigen. Sie betete und sorgte fr das +Heil der Christenheit und den Erfolg des Evangeliums noch auf ihrem +Totenbette. Und Luther mutete ihr solches Interesse auch zu. + +Und wenn wir die Rolle in Betracht ziehen, welche Katharina gegenber +den anderen Professoren- und Reformatorenfrauen in dem mndlichen und +schriftlichen Gedankenaustausch der Zeitgenossen spielte, so z.B. +Melanchthons Frau, wenn wir sehen, wie sie allerseits geehrt, gegrt +und beachtet, in ihrer Krankheit um sie gebangt war, nicht blo um ihres +Gatten willen, dann ist auer Zweifel: seine Kthe ist des groen +Doktors wert und wrdig gewesen, und es ist doch bemerkenswert, da die +Freunde die Gattin Luthers mit dem Weibe der Offenbarung, dem Sinnbild +der christlichen Kirche verglichen[520]. + +Aus den spteren Jahren giebt es von Frau Katharina ein Kranachsches +Bild[521]. Das Gesicht ist etwas gebrunt, die Augen blicken trbe, fast +schmerzlich und mde, wie Luther in dieser Zeit sie schildert, als +"geneigt zu Mitrauen und Sorgen"[522]; wieder zeigt die starke +Unterlippe das krftige Selbstbewutsein, die zusammengelegten Hnde +deuten ruhige Gelassenheit an. Aber es ist das Bild einer geistig nicht +unbedeutenden Frau. Der ernste, ja strenge Ausdruck des Gesichts +verkndet ein schweres Geschick, das ihr bevorsteht, oder das sie schon +erlebt hat. + + + + +15. Kapitel. + +Luthers Tod. + + +Die letzten Jahre der Ehe waren gar schwer und trbe. Das lag einerseits +in den Verhltnissen, die sich fast nach allen Seiten recht widerwrtig +gestalteten; andererseits aber in Luthers Zustand, der immer +krankhafter, immer hinflliger und damit trbseliger und verstimmter +wurde. Was Kthe bei dem zur Schwermut geneigten Temperament und der +zornmtigen Gereiztheit ihres Gatten unter all' diesen Verhltnissen zu +leiden hatte, ist leicht zu denken[523]. + +Die Weltlage, welche der Reformator begreiflicherweise mit aufmerksamem +Auge verfolgte, war eine seltsame und fr Luthers Empfinden geradezu +erschreckliche. Das stete Vordringen der Trken, das seinem +christlich-deutschen Herzen schwer weh that, die Verbindung christlicher +Mchte, wie Frankreichs und, wenigstens indirekt, Venedigs und des +Papstes mit dem Erbfeind der Christenheit erschien wie drohende +Vorzeichen des Jngsten Tages. Dazu das Verhalten des Kaisers und seines +Bruders, des Knigs Ferdinand, das deutlich darauf ausging, die +Protestanten hinzuhalten, sie, wie einstens die Husiten, mit einem +Brocken Zugestndnis abzuspeisen, wenn man aber einmal freie Hand htte, +mit Gewalt, wie Luther frchtete--verbunden mit Papst und Teufel, Trke +und Hlle, ber sie herzufallen. Das alles erfllte ihn mit bangen +Sorgen. Er weissagte an seinem letzten Geburtstag richtig: "Bei meinem +Leben wird es, ob Gott will, keine Not haben und guter Friede in +Germania bleiben; aber wenn ich nun tot bin, da wird alsdann das Beten +hoch vonnten sein. Unsere Kinder werden noch mssen den Spie in die +Hand nehmen; denn es wird bel zugehen in Deutschland. Das Konzil zu +Trient ist sehr zornig und meinet es sehr bse mit uns. Darum betet zu +Gott mit Flei."[524] + +Noch verdrielicher aber und sorgenerregender waren fr Luther mit Recht +die Streitigkeiten in den eigenen Reihen. Darber sagte er seinen +Freunden beim letzten Geburtstagsfest: "Ich frchte mich nicht vor den +Papisten, das sind des mehren Teils grobe Esel; aber unsere Brder +werden dem Evangelium Schaden thun, die von uns ausgegangen sind, aber +nicht von uns sind." Da standen sich Kurfrst und Herzog von Sachsen +wegen Landbesitz feindlich gegenber im sogenannten "Fladenkrieg" (weil +um Ostern 1542). Herzog Moriz, welchem Luther Verrterei zutraute, +entzog sich dem evangelischen Bunde von Schmalkalden. Wohl waren--bis +auf den "geistlichen Trken", den Mainzer Erzbischof--die alten Feinde +Luthers: Herzog Georg und Kurfrst Joachim I. gestorben und das +Herzogtum Sachsen und Kurbrandenburg zum Protestantismus bergetreten +und sogar das Erzbistum Kln dazu bereit; aber in Berlin traten der +"Grickel und der Jckel" (Agricola und Schenk) auf mit ihren +gesetzesstrmerischen Lehren; in Kln wollte man die Luther so +unsympathische schweizerische "Sakramentiererei" einfhren und der groe +Vermittler Butzer und der milde Melanchthon, welche diese Klner +Reformation bernommen hatten, wurden Luther hchst verdchtig und das +ganze Werk rgerlich--es scheiterte ohnedies durch die Gewaltthat des +Kaisers. In Luthers Umgebung wuchs, nachdem die alten Mitarbeiter der +Reformation am Abgang waren, ein neues Geschlecht heran, das mit +epigonenhafter Uebertreibung die Gegenstze schrfte oder allerlei +Kleinigkeiten und Aeuerlichkeiten aufbauschte, wie die Zeremonien, +Auslegung der Offenbarung Johannes, Verbot von alten Osterbruchen und +andere "Geislein" "herfrgucken" lieen, die sie fhren wollten, um sich +wichtig zu machen; auch der alte Streit mit den Schweizern flammte +wieder auf[525]. + +Ja, auf Melanchthon selbst, seinen alten Freund und Mitarbeiter, wurde +Luther mitrauisch gemacht wegen allerlei Abweichungen vom "echten" +Luthertum und es entstand eine gefhrliche Spannung zwischen den beiden +Mnnern und ihren Familien, bis die Mistimmung endlich durch Luther +selbst beigelegt wurde, so da der Reformator doch bis ans Ende seines +Lebens mit ihm als dem treuesten Freunde verkehrte[526]. Mit seinen +Kollegen von der juristischen Fakultt, namentlich seinem alten Freunde +Hier. Schurf, bekam Luther einen bsen Span wegen der heimlichen +Verlbnisse, welche die "garstigen Juristen" mit einem Rckfall ins +kanonische Recht fr giltig erklrten, Luther aber verwarf[527]: er +hatte die Gefhrlichkeit der Sache an Melanchthons Sohn er fahren, der +sich--noch unmndig--von einem Mdchen hatte fangen und ohne Wissen und +Willen seiner Eltern ihr ein Eheversprechen gegeben hatte, worber M. +Philipp und sein Weib "schier verschmachtet" wren, wenn Luther es nicht +abgewendet htte. Und er selber mute es erfahren in seiner eigenen +Familie, indem seiner Schwester Sohn sich ungehorsamerweise ohne der +Freundschaft Rat verlobte. Er hatte infolgedessen zu klagen, da das +"Meidevolk in Wittenberg gar khn" geworden sei und die Eltern ihre +Shne von der Universitt zurckforderten, weil man ihnen da Weiber an +den Hals hnge[528]. + +Die alten Hausgenossen und Freunde waren in alle Welt zerstreut; aber in +ihren Anfechtungen, Verdrielichkeiten, Bedenken wandten sie sich an +ihren "heiligen Vater Luther". So hatte er zu schlichten, zu raten und +zu trsten--und das richtete ihn selber auf. Aber er hatte auch manchen +Aerger und manchen Schmerz[529]. Da plagte ihn M. Stiefel mit seinen +Grillen ber den Jngsten Tag, oder der Stadthauptmann Metzsch mit +seinem beln Wandel und seiner rcksichtslosen Niederlegung von vielen +Wohnhusern zum Festungsbau, wodurch die kleine, volkreiche Stadt noch +enger wurde und die armen Studenten noch elender wohnen muten. Einer +nach dem andern von den Zeitgenossen ging aus dem Leben. So schon 1538 +der treue Hausmann. Dann Luthers letzter Klostergenosse Brisger, endlich +auch Spalatin (1545). Schon vorher (1542) war seine und Kthes +liebenswrdige, heitere Freundin, Kthe Jonas, verschieden, deren +Erscheinung ihm immer erfreulich und trstlich gewesen[530]; vor allem +aber der Sonnenschein des Hauses, das gute Magdalenchen. Der Sohn und +ein Neffe waren eine zeitlang fort in Torgau. In dieser Zeit starb auch +der Gatte seiner Nichte Lene, geb. Kaufmann; und diese machte ihm dann +schweren Verdru durch ihre zweite Heirat mit dem jugendlichen Mediziner +Ernst Reuchlin (Ende 1545). + +Das Jahr 1544 war wieder ein Krankheitsjahr in Wittenberg und im +Lutherhaus. Um Ostern lagen alle Kinder an den Masern und die kleine +Margarete bekam davon ein schweres Fieber, an dem sie zehn Wochen +lebensgefhrlich darniederlag und von dem sie sich bis in den Dezember +hinein gar nicht erholen wollte. Was gab es da fr Kthe an Sorgen und +Mhen[531]! + +Aber auch der Hausvater selbst war jetzt immer krank: bald fehlte ihm +dies, bald jenes; alle seine Leiden stellten sich mit Macht ein in dem +abgearbeiteten Krper und der erschpfte Lebensgeist war nicht mehr +recht widerstandsfhig gegen die mancherlei Angriffe auf die +verschiedenen Organe. Die Hausrzte und die kurfrstlichen Leibrzte +doktorten an ihm herum; der Hof schickte Arzneien; die Grfin von +Mansfeld wollte ihn in die Kur nehmen. Es war ein alter (noch jetzt +bestehender) Glaube, da groer Frsten und Herren Arznei, die sie +selbst gben und applizierten, krftig und heilsam seien, sonst nichts +wirkten, wenn's ein Medikus gbe[532]. Das meiste und beste that +freilich Frau Kthe. + +Im Jahre 1541 war Luther lange Zeit so schwach, da er nicht eine Stunde +angestrengt lesen und sprechen konnte; er mute daheim bleiben und da +seine Hausgottesdienste halten. Einmal schrieb er auch an die +arzneikundige verwitwete Grfin Dorothea von Mansfeld, welche auch gern +dem "lieben togktor" geholfen htte. Denn die Schmerzen waren +entsetzlich, so da er jammerte: "Sterben will ich, aber diese Qualen +sind grlich."[533] Im folgenden Jahre machte er sein Testament, "satt +dieses Lebens, oder da ich's richtiger sage, dieses herben Todes". "Ich +habe mich ausgearbeitet und ausgelebt. Der Kopf ist kein nutz mehr. Ich +bin mde erschpft, bin nichts mehr."[534] Im April 1543 klagt er: "Wie +oft bin ich in diesem Jahre schon gestorben! Und doch lebe ich noch, +eine unntze Last der Erde." Am 13. und 14. Juli 1543 wurde er +wiederholt so ohnmchtig, da er zu sterben meinte und seinen Hans von +Torgau holen lassen wollte. Aber Frau Kthe hatte gelernt, ihn zu +ermutigen und redete ihm die Todesgedanken aus. Anfangs 1515 hatte er +einen Krankheitsanfall mit hnlichen Erscheinungen, wie sie ein Jahr +spter seinen Tod herbeifhrten, Leichenklte und die bengstigenden +Beklemmungen auf der Brust. Er konnte lange keine Predigt und keine +Vorlesung halten und mute selbst in einem Wgelchen sich zur Kirche +fahren lassen, um die Predigt zu hren[535]. "Ich glaube, meine +wirkliche Krankheit ist das Alter, dann meine Arbeiten und heftigen +Gedanken, besonders aber die Schlge Satans." "Da ich am Haupte +untchtig bin, ist nicht Wunder; das Alter ist da; der Krug geht solange +zu Wasser, bis er einmal zerbricht." "Ich bin trg, mde, kalt, das +heit alt und unntz; ich habe meinen Lauf vollendet und es bleibt +nichts brig, als da der Herr mich zu meinen Vtern versammle." Bei +seinen grlichen Qualen wnscht er, wenn nicht sanft, so doch tapfer zu +sterben[536]. + +Und bei all' diesen Leiden und Qualen sollte der alte Mann noch fr drei +arbeiten, so war er geplagt von Frsten und Stadtrten, von Freunden und +Amtsgenossen und Beichtkindern mit Briefschreiben, Bcherschreiben, +Vorlesungen, Predigten und Beratungen, "Bedenken", Trostschreiben; so +da er klagt: "Da sitze ich alter, abgelebter, fauler, mder, frostiger +und noch dazu einugiger Mann und schreibe. Hoffte ich doch, man sollte +mir Abgestorbenen nun die Ruhe gnnen, die ich mir, denkt mich, verdient +habe. Aber als htte ich niemals etwas gethan, geschrieben, geredet und +ausgefhrt, mu ich so viel reden, thun und ausfhren, da ich mir +keinen Rat wei. Ich bin so beschftigt, da ich gar selten Mue habe, +zu lesen oder fr mich zu beten, was mir beschwerlich ist.[537] + +Freilich brach oft der angeborene Humor bei Luther durch, und das frohe +Gottvertrauen blieb wohl die Grundstimmung seines Wesens. Aber bei +seinem zur Schwermut neigenden Temperament und Gesundheitszustand +pflegte der alternde Mann doch vorwiegend die Schattenseiten aller +Erscheinungen zu sehen und nur selten konnte er sich sagen: "Ich lasse +das Antlitz unsrer Gemeinden nicht trauervoll zurck, sondern blhend, +durch reine und heilige Lehre mit vielen vortrefflichen und lauteren +Geistlichen, von Tag zu Tage wachsend.[538] + +So war ihm Zeit und Welt widerwrtig geworden. "Welt ist Welt, war Welt +und wird Welt sein." Und er wnschte sich weg daraus. Er hoffte und +wnschte, da das Weltende nahe sei oder doch sein Lebensende. "Komm', +lieber jngster Tag!" seufzt er am Schlu eines Briefes an Kthe, und an +Frau Jrger schliet er (1544) ein Schreiben: "Es sollt ja nunmehr die +Zeit da sein meiner Heimfahrt und Ruhe; bittet fr mich um ein seliges +Stndlein."[539] + +Da er aber nicht aus der Welt gehen und die Feiertagsruhe des Jngsten +Tages nicht selbst herbeifhren konnte, so wollte er wenigstens aus +_seiner_ Welt scheiden und von seinem Beruf. Denn so ist ja Stimmung und +Wunsch bei alten und kranken Leuten: da sie nicht aus dem Leben gehen +knnen, so suchen sie ihren Wohnort zu verndern und wnschen sich +daraus weg, mit so viel Beschwerden auch ein Wechsel und eine Reise +verbunden sein mag. So sagte Luther das ganze letzte Jahr zu seiner +Umgebung, "er begehre an einen anderen Ort zu ziehen". Und die Freunde +fanden es auch merkwrdig, da er in diesem Jahr vor seinem Tode fter +ausgezogen, denn in vielen Jahren; und sie sahen es als "Prophezeiung +an, da er die selige Reise werde thun in ein besser Leben"[540]. + +So ging es nun auch schon 1544, wo er mit einem Wegzug aus Wittenberg +gedroht und von den Freunden und Beamten Wittenbergs davon abgebracht +war. Im folgenden Jahr (1545) nachdem er am Johannistag von seinem +"Peiniger", dem Stein, fast umgebracht worden und dadurch in eine +gereizte Stimmung versetzt war, fhrte er diesen Entschlu wirklich +aus[541]. + +Es war gerade kein besonderer Anla zu diesem Schritte da. Aber +mancherlei hatte ihm den Aufenthalt in Wittenberg in der letzten Zeit +verleidet. Der Streit mit den Juristen, die rgerliche Geschichte im +Haus mit "einer andern Rosina und Schwindlerin", vor allem aber das +Leben und Treiben von Brgern und Studenten in Wittenberg, hatten ihn +hoch aufgebracht. Der ungeheure Studentenandrang nach Wittenberg brachte +begreiflicherweise nicht lauter gute, fromme und sittige Elemente dahin +und bei den 2000 Studierenden gab es natrlich viel mehr zu rgen und zu +strafen, als bei den frheren 200. Und unter diesen Tausenden waren +Leute aus allerlei Volk; nicht nur alle deutschen Stmme, sondern auch +Auslnder: "Reuen und Preuen, Hollnder und Engellender, Dnemarker +und Schweden, Bhmen, Polen, Hungern, Wenden und Winden, Walen und +Franzosen, Spanier und Grken." Die Brger beuteten die Studierenden +aus. Weibliches Gesindel zog herbei, wie Luther meinte, von den +Widersachern geschickt, und es gab manche "Speckstudenten", die sich +lieber in dem Lustwldchen "Specke" umhertrieben, statt in der Schule +Gottes Wort, Tugend und Zucht zu lernen. Gegen solche Unordentlichkeit +trat nun Luther als alter treuer Prediger mit vterlicher Vermahnung +auf. Er bittet seinen "Bruder Studium, sich still, zchtig und ehrlich +zu halten, des warten, warum sie hergesandt und mit schweren Kosten von +den Ihren erhalten werden, da sie Kunst und Tugend lernen, weil die +Zeit da ist und solche feine Przeptoren da sind." Er ermahnte den Rat, +die Laster zu strafen, und die Brger, dem "Geiz" zu steuern. Aber die +Brger der kleinen Universittsstadt hielten zumeist auf ihren Vorteil, +der Rat war lssig und ngstlich, wie Luther oftmals klagt gegenber der +schnen Ordnung in einer Reichsstadt wie Nrnberg, und die Studenten +wies er vergeblich auf seinen grauen Kopf; sie berhrten seine +schmerzlichen und herzlichen Mahnungen: "Ach, mein Bruder Studium, +schone mein und la es nicht dahin kommen, da ich msse schreien wie +St. Polykarpus: Ach Gott, warum hast Du mich das erleben lassen? Ich +hab's ja nicht verdient, sondern da sind vorhanden meine und euer +Przeptoren treue Arbeit, die euch zum besten dienen in diesem und jenem +Leben."[542] + +Neben und mit diesem unordentlichen Wesen nahm die Ueppigkeit in der +Stadt bei Doktorschmusen und besonders bei Hochzeiten und Kindtaufen so +berhand, da mancher Mann (z.B. Georg Major durch sein Doktorat und +neun Kindtaufen) in Schulden geriet. Ja, es ri die neue Kleidertracht +ein, "die Jungfrauen zu blen, hinten und vorn", und niemand war da, +"der da strafe oder wehre"; es schien, wie Luther frchtet, sich +anzulassen, "da Wittenberg mit seinem Regiment nicht den S. Veitstanz +noch S. Johannistanz, sondern den Bettlertanz und Beelzebubtanz kriege". +Daher meinte Luther: "Nur weg aus dieser Sodoma!"[646] + +Damit schien er nun Ernst zu machen. Im Juli 1545 unternahm er auf Frau +Kthes Fuhrwerk mit seinem ltesten Sohne Hans, D. Kreuziger und einem +Tischgenossen Ferdinand von Maugen eine Erholungsreise nach Leipzig und +Zeitz zu Freund Amsdorf, dem Bischof. Unterwegs hrte er, da die +Zustnde in Wittenberg viel mehr im Munde der Leute wren, als er +dachte. Da wollte er gar nicht mehr in die "unordige" Stadt zurck. Er +schrieb am 28. Juli von Zeitz aus an seine Frau folgenden Brief[543]: + +"G(nade) und F(riede)! + +Liebe Kthe! Wie unsre Reise ist gangen, wird Dir Hans wohl alles +sagen--wiewohl ich auch nicht gewi bin, ob er bei mir bleiben solle--, +dann werden's doch D. Kaspar Kreuziger und Ferdinandus wohl sagen. Ernst +von Schnfeld hat uns zu Lobnitz schn gehalten[544]. Noch viel schner +Heinz Scherle zu Leipzig. + +Ich wollt's gerne so machen, da ich nicht mte wieder gen Wittenberg +kommen. Mein Herz ist erkaltet, da ich nicht gern da bin; wollt auch, +da Du verkauftest Garten und Hufe, Haus und Hof. So wollt ich (auch) +M(einem) G(ndigen) H(errn) das groe Haus[545] wieder schenken. Und +wre Dein Bestes, da Du Dich gen Zulsdorf setzest, weil (whrend) ich +noch lebe. Und (ich) knnte Dir mit dem Solde wohl helfen das Gtlein +bessern, denn ich hoffe, M.G.H. soll mir den Sold (aus)folgen lassen, +zum wenigsten ein Jahr meines letzten Lebens. Nach meinem Tode werden +Dich die vier Elemente[546] zu Wittenberg doch nicht wohl leiden; darum +wre es besser bei meinem Leben gethan, was dann zu thun sein will. + +Ich habe auf dem Lande mehr gehrt, denn ich zu Wittenberg erfahre, +darum ich der Stadt mde bin und nicht wieder kommen will, da mir Gott +zu helfe. + +Uebermorgen werde ich gen Merseburg fahren, denn Frst George hat mich +sehr darum lassen bitten[547]. + +Will also umherschweifen und eher das Bettelbrot essen, ehe ich meine +arm alte letzte Tage mit dem unordigen Wesen zu Wittenberg martern und +beunruhigen will mit Verlust meiner sauern und teuern Arbeit. Magst +solches, wo Du willst, D. Pommer und M. Philipps wissen lassen, und ob +D. Pommer wollt' hiemit Wittenberg von meinenwegen gesegnen[548]. Denn +ich kann des Zorns und Unlust nicht lnger leiden. + +Hiemit Gott befohlen, Amen. + +Martinus Luther." + +Frau Kthe zeigte natrlich diesen drohenden Brief den beiden Freunden; +Melanchthon wiederum, welcher auf den Mittag zu Dr. Brck kam und mit +ihm a, erzhlte dem Kanzler Luthers Vorhaben. Das that seine Wirkung. +Denn was war Wittenberg ohne Luther? Auch Melanchthon erklrte, da er +dann nicht mehr bleiben knnte und sich vor dem Aergernis irgend wohin +verkriechen msse. + +Da fuhr der Schrecken den Wittenbergern, Universitt, Rat und +Brgerschaft durch die Glieder. Der Senat und der Magistrat kamen +zusammen und berieten ber Maregeln, Luther zu halten. An den +Kurfrsten wurde mit einer Abschrift von Luthers Brief eine Botschaft +geschickt, damit er auch seinerseits auf den erzrnten Mann einwirke, +"da er sein Gemt ndere". Eine Abordnung von Universitt und Stadtrat: +Melanchthon, Bugenhagen, Major, der Brgermeister und der Stadtrichter +Hans Lufft, wurden zu Luther gesandt und auch vom Hof kam ein +beschwichtigender Brief und der liebenswrdige Leibarzt Ratzeberger, den +Luther gar gut leiden mochte, nach Merseburg. Der Doktor lie sich hart +genug gegen die Wittenberger Abgesandten aus ber "die Lockerung der +Zucht". Stadt und Regierung versprachen nun ernstliches Einschreiten +gegen das "verthunliche" Wesen bei Hochzeiten und Kindtaufen, gegen +leichtfertiges Treiben bei Tanzvergngungen, gegen das ungebhrliche +Geschrei auf den Straen u.s.w.[549] + +So lie sich Luther besnftigen; er kehrte noch bei Hof an, um seinen +Forderungen Nachdruck zu geben; dann fuhr er langsam nach Hause. Die +Ausspannung und der Aufenthalt in freier Luft hatte ihm doch gut gethan, +und die Behaglichkeit in seinem schnen Heim, die Frsorge seiner treuen +Hausfrau lieen ihn die Gedanken an einen Auszug vergessen, bis die +endgiltige Wanderung in die jenseitige Welt ihn aller Unlust und +Widerwrtigkeiten, aller Leiden und Folterqualen der Krankheit +enthob[550]. + +Er sollte die verwickelten Streithndel seiner Landesherrn, der +Mansfelder Grafen, wegen der Bergwerksrechte beilegen und machte dazu im +folgenden Winter drei Reisen in seine Heimat. Der Kurfrst htte lieber +gesehen, wenn Luther "als ein alter abgelebter Mann mit diesen Sachen +verschont bliebe"; und das war Frau Kthes Meinung auch, welche es +betrieb, da Melanchthon, der doch viel jnger und gesunder war, nicht +nach Regensburg mute. Aber Luther selbst meinte: "Es mu, wiewohl ich +viel zu thun habe, um ein acht Tage nicht not haben, die ich daran wagen +will, damit ich mit Freuden mich in meinen Sarg legen mge, wo ich zuvor +meine lieben Landesherren vertragen und freundliches, einmtiges Herzens +gesehen habe." Nebenbei war es ihm eine Genugthuung, zu zeigen, was in +Streithndeln ein guter Christ fertig brchte, gegenber "den silbernen +und guldenen Juristen, welche die Sache oftmals als Vorteil und Geiz +wider alle Billigkeit erweitern und auf(hinaus)ziehen."[551] + +Freilich Frau Kthe nahm diese Reisen viel schwerer, namentlich die +letzte in der schlimmsten Jahreszeit. Es war Ende Januar und ein gar +"unartiges", kaltes Wetter. Sie wute aus reicher Erfahrung, was eine +Erkltung fr den durch und durch kranken Mann bedeute. Sie hatte ja +auch gehrt, da Luther im November (1545) seine Vorlesung ber die +Genesis mit den Abschiedsworten geschlossen hatte: "Ich kann nicht mehr; +ich bin schwach; bittet Gott fr mich, da er mir ein gutes, seliges +Ende beschere." Endlich hatte ein Vorfall das ganze Haus mit banger +Ahnung erfllt. Kurz vorher hatten die studentischen Tisch- und +Hausgenossen im Schlafhaus, wo sie wohnten, eine Schlaguhr erneuern +lassen. Da begab sich's einstmals um Mitternacht, da bei dieser Uhr ein +sehr groer harter Fall gehrt wurde, als ob das ganze Gehuse mit samt +den Gewichten heruntergefallen wre. Am andern Morgen war alles +unversehrt. Da dies Luther gesagt war, sprach er zu den Tischgenossen: +"Ihr lieben Quiriten, erschreckt nicht davor. Denn dieser Fall bedeutet +mich, da ich bald sterben werde. Wenn ich von Eisleben komme, will ich +mich in Sarg legen. So bin ich der Welt mde, und scheide gerne wie ein +reifer Gast aus einer gemeinen Herberge." Dennoch wollte Frau Katharina +ihren Gatten an dem Friedenswerk in Mansfeld nicht hindern und nachdem +er zweimal die Reise glcklich berwunden, hoffte sie wohl auch auf +einen glcklichen Ausgang einer dritten und letzten. Sie gab ihm aber +nicht nur seinen Famulus Ambrosius Rutfeld mit, sondern auch ihre drei +Shne und in Halle sollte Herr D. Jonas einsteigen. Im Kloster blieben +als Tischgenossen Besold, Plato u.a. zurck[552]. + +Die Reisenden fuhren am Samstag, den 23. Januar, in Wittenberg ab. Es +trat nach scharfem Frost whrend der Nacht auf Sonntag Tauwetter ein, +mit Eisgang und Ueberschwemmung, so da die Reisegesellschaft, als sie +Sonntag vormittag in Halle anlangte, nicht ber die Saale kommen und +drei Tage in der Stadt verziehen mute; Freund Jonas, der seit vier +Jahren in Halle Pfarrer war, hie aber die Wittenberger Gste in seinem +Hause willkommen. Von Halle empfing nun Frau Kthe einen launigen Brief +ihres Eheherrn, der dessen gute Stimmung meldete. Er war adressiert +"Meiner freundlichen lieben Kthen Luthrin zu Wittenberg zu +Handen"[553]. + +"Gnad und Friede im Herrn! + +Liebe Kthe! + +Wir sind heute um acht Uhr zu Halle ankommen, aber nach Eisleben nicht +gefahren. Denn es begegnete uns eine groe Wiedertuferin mit +Wasserwogen und groen Eisschollen, die das Land bedeckte; die druete +uns mit der Wiedertaufe. So konnten wir auch nicht wieder zurckkommen, +von wegen der Mulda; muten also zu Halle zwischen den (beiden) Wassern +stille liegen. Nicht da uns durstete zu trinken, sondern nahmen gut +Torgisch Bier und guten rheinischen Wein; damit labeten und trsteten +wir uns dieweil, ob die Saale wollt wieder auszrnen. Denn weil die +Leute und Fuhrmeister, auch wir selbst zaghaftig waren, haben wir uns +nicht wollen in das Wasser begeben und Gott versuchen; denn der Teufel +wohnet im Wasser und ist uns gram; und ist besser verwahret denn +beklaget; und ist ohne Not, da wir dem Papst samt seinen Schuppen eine +Narrenfreude machen sollten. Ich htte nicht gemeint, da die Saale eine +solche Sod machen knnte, da sie ber Steinwege und alles rumpeln +sollte. + +Jetzo nicht mehr, denn: betet fr uns und seid fromm. Ich halte, wrest +Du hier gewesen, so httest Du uns auch also zu thun geraten; so htten +wir Deinem Rat auch einmal gefolget. + +Hiemit Gott befohlen! Amen. + +Zu Halle am St. Paulus Bekehrungstage (25. Januar) Anno 1546. + +Martinus Luther D." + +Das lautete gar frhlich und vergngt, als man im Kloster diesen +lustigen Brief las, und Frau Kthe konnte einstweilen beruhigt sein. +Aber es dauerte acht Tage, bis wieder ein Brief kam. Das mute die +besorgte Frau schon nicht wenig aufregen und sie sandte Briefe ber +Briefe ab, was sonst bei der vielbeschftigten Frau nicht gerade +Gewohnheit war. Endlich nach Lichtme langte ein zweiter Brief Luthers +an. Der war freilich auch in demselben scherzhaften Ton geschrieben, wie +der vorige und die meisten Episteln des Doktors an seine Frau. Aber es +war doch eine Stelle darin, die bedenklich machen konnte. + +"Meiner herzlieben Hausfrauen Katharin Lutherin, Doktorin, Zulsdorferin, +Saumrkterin und was sie sonst noch sein kann. + +Gnade und Friede in Christo und meine alte, arme und, wie ich wei, +unkrftige Liebe zuvor. + +Liebe Kthe! Ich bin schwach gewesen auf dem Wege hart vor Eisleben, das +war meine Schuld. Aber wenn Du wrest dagewesen, so httest Du gesagt, +es wre der Juden oder ihres Gottes Schuld gewesen. Denn wir muten +durch ein Dorf hart vor Eisleben, da viele Juden inne wohnten; +vielleicht haben sie mich so scharf angeblasen. So sind hier in der +Stadt Eisleben jetzt diese Stunde ber fnfzig Juden wohnhaftig (in +einem Hause). Und wahr ist's, da ich bei dem Dorf war, ging mir ein +solch kalter Wind hinten im Wagen ein auf meinen Kopf durchs Barett, als +wollte mir's das Hirn zu Eise machen. Solches mag nun zum Schwindel +etwas haben geholfen; aber jetzt bin ich gottlob! wohl geschickt, +ausgenommen, da die schnen Frauen mich so hart anfechten. + +Ich trinke Naumburgisch Bier, fast des Geschmacks, den Du von Mansfeld +mir etwa hast gelobet. Es gefllt mir wohl. + +Deine Shnchen sind nach Mansfeld gefahren ehegestern, weil sie Hans von +Jene[554] so demtiglich gebeten hatte; wei nicht, was sie da machen. +Wenn's kalt wre, so mchten sie helfen frieren. Nun es warm ist, +knnten sie wohl was anders thun oder leiden, wie es ihnen gefllt. + +Hiermit Gott befohlen sammt allem Hause, und gre alle Tischgesellen. +Vigilia Purificationis, 1546. + +M.L., Dein altes Liebchen."[555] + +Also der Doktor hatte sich richtig erkltet und zwar durch eigene +Schuld; er war eine Zeitlang vom Wagen abgestiegen, hatte sich in +Schwei gelaufen bei dem auffallend warmen Winterwetter, war dann im +letzten Dorfe Nidorf, hart vor Eisleben, unvorsichtigerweise wieder auf +den Wagen gesessen und hatte sich in dem scharfen Luftzug des Fuhrwerks +erkltet. Frau Kthe wute, was das zu bedeuten hatte und war gar +ngstlich trotz des frhlichen Briefes. Sie hatte, scheint es, die Sache +schon vor Luthers eigener Meldung sonsther gehrt, auch da die sonst +immer offen gehaltene Wunde am Bein, welche, eine Art Fontanelle, den +kranken Sften einen Abflu gewhrte, bedenklicherweise zugeheilt war. +So schrieb sie nun einen Brief um den andern, an einem Tag (Freitag, 5. +Februar) sogar mehrere. Auch sandte sie von Wittenberg ihre gewhnlichen +Hausmittel: "Strkkchlein", allerlei Strkwasser, Rosenessig und +Aquavit, und hie Jonas, den Famulus und ihre Shne in dem Gemach des +Doktors schlafen[556]. Er zwar schreibt wieder ganz sorglos, nur +bedenklich wegen der heikeln Streitigkeiten, die er zu schlichten hatte, +am 6. Februar[557]: + +"Der tiefgelehrten Frauen Katharin Lutherin, meiner gndigen Hausfrauen +zu Wittenberg. + +Gnade und Friede. + +Liebe Kthe! Wir sitzen hier und lassen uns martern und wren wohl gern +davon; aber es kann noch nicht sein, als mich dnkt, in acht Tagen. Mag. +Philippus magst Du sagen, da er seine Postille korrigiere; denn er hat +nicht verstanden, warum der Herr im Evangelio die Reichtmer Dornen +nennt. Hier ist die Schule, da man solches verstehen lernet. Aber mir +grauet, da allewege in der heiligen Schrift den Dornen das Feuer +gedroht wird; darum ich desto grere Geduld habe, ob ich mit Gottes +Hilfe mchte etwas Gutes ausrichten. Deine Shnchen sind noch zu +Mansfeld. Sonst haben wir zu essen und trinken genug und htten gute +Tage, wenn's der verdrieliche Handel tht. Mich dnkt, der Teufel +spotte unser; Gott woll' ihn wieder spotten, Amen. + +Bittet fr uns. Der Bote eilte sehr. + +Am Sankt Dorotheentage, 1546." + +Trotz dieser Briefe war aber Frau Kthe so voller Sorge um den fernen +Gatten, da sie nicht schlafen konnte, und schrieb gar ngstliche +Episteln nach Eisleben, so da ihr der fromme Doktor eine lange Predigt +hielt ber Gottvertrauen in zwei aufeinanderfolgenden Briefen, am 7. und +10. Februar[558]: + +"Meiner lieben Hausfrauen Katherin Lutherin, Doktorin, Selbstmartyrin zu +Wittenberg, meiner gndigen Frauen zu Hnden und Fen. + +Gnade und Friede im Herrn. + +Lies Du, liebe Kthe, den Johannem und den kleinen Katechismus, davon Du +einmal sagtest: es ist doch alles in dem Buch von mir gesagt. Denn Du +willst sorgen fr Deinen Gott, gerade als wre er nicht allmchtig, der +da knnte zehn Doktor Martinus schaffen, wo der einige alte ersffe in +der Saale oder im Ofenloch oder auf Wolfs Vogelherd. La mich in Frieden +mit Deiner Sorge: ich hab' einen bessern Sorger, denn Du und alle Engel +sind. Der liegt in der Krippe und hnget an einer Jungfrauen Brust; aber +sitzet gleichwohl zur rechten Hand Gottes des allmchtigen Vaters. Darum +sei in Frieden, Amen. + +Betet, betet, betet und helft uns, da wir's gut machen. Denn ich heute +in Willen hatte, den Wagen zu schmieren in meinem Zorn; aber Jammer, so +mir einfiel, meines Vaterlandes hat mich gehalten. Ich bin nun auch ein +Jurist worden. Aber es wird ihnen nicht gedeihen. Es wre besser, sie +lieen mich einen Theologen bleiben. Komme ich unter sie, so ich leben +soll, ich mcht' ein Poltergeist werden, der ihren Stolz durch Gottes +Gnade hemmen mchte. Sie stellen sich, als wren sie Gott, davon mchten +sie wohl und billig bei Zeit abtreten, ehe denn ihre Gottheit zur +Teufelheit wrde, wie Luzifer geschah, der auch im Himmel vor Hoffart +nicht bleiben konnte. Wohlan, Gottes Wille geschehe. + +Du sollst Mag. Philippus diesen Brief lesen lassen: denn ich nicht Zeit +hatte, ihm zu schreiben, damit Du Dich trsten kannst, da ich Dich gern +lieb htte, wenn ich knnte, wie Du weit, und er gegen seine Frauen +vielleicht auch wei und alles wohl verstehet. + +Wir leben hier wohl, und der Rat schenkt mir zu jeglicher Mahlzeit ein +halb Stbchen Rheinfall, der ist sehr gut. Zuweilen trink ich's mit +meinen Gesellen. So ist der Landwein hier gut, und Naumburgisch Bier +sehr gut, ohne da mich dnkt, es macht mir die Brust voll phlegmate +(Schleim) mit seinem Pech. Der Teufel hat uns das Bier in aller Welt mit +Pech verdorben und bei euch den Wein mit Schwefel. Aber hier ist der +Wein rein, ohne was des Landes Art giebt. + +Und wisse, da alle Briefe, die Du geschrieben hast, sind anher kommen +und heute sind die kommen, die Du am nchsten Freitag geschrieben hast +mit Mag. Philippus Briefen, damit Du nicht zrnest. + +Am Sonntag nach Dorotheens Tag (7. Febr.) 1546. + + * * * * * + +Dein lieber Herr M. Luther." + +"Der heiligen sorgfltigen Frauen, Katherin Lutherin, Doktor +Zulsdorferin zu Wittenberg, meiner gndigen, lieben Hausfrauen. + +Gnade und Friede in Christo. + +Allerheiligste Frau Doktorin! Wir bedanken uns gar freundlich fr Eure +groe Sorge, davor Ihr nicht schlafen knnt; denn seit der Zeit Ihr fr +uns gesorget habt, wollt' uns das Feuer verzehret haben in unsrer +Herberg hart vor meiner Stubenthr; und gestern, ohne Zweifel aus Kraft +Eurer Sorge, hat uns schier ein Stein auf den Kopf gefallen und +zerquetscht, wie in einer Mausfallen. Der hatte im Sinn, Eurer heiligen +Sorge zu danken, wo die lieben heiligen Engel nicht gehtet htten. Ich +sorge, wo Du nicht aufhrst zu sorgen, es mchte uns zuletzt die Erde +verschlingen und alle Elemente verfolgen. Lehrest Du also den +Katechismum und den Glauben? Bete Du und la Gott sorgen, es heit: +"Wirf dein Anliegen auf den Herrn, der sorget fr dich (1. Petr. 5, 7)." + +Wir sind, Gott Lob, frisch und gesund, ohne da uns die Sachen Unlust +machen, und Doktor Jonas wollt' gern einen bsen Schenkel haben, da er +sich an eine Lade ohngefhr gestoen: so gro ist der Neid in den +Leuten, da er mir nicht wollt' gnnen allein einen bsen Schenkel zu +haben. + +Hiemit Gott befohlen. Wir wollten nun fort gerne los sein und +heimfahren, wenn's Gott wollt', Amen, Amen, Amen. + +Euer Heiligen williger Diener Martinus Luther. + +Am Tage Scholastic (10. Febr.) 1546." + +Aber was Frau Kthe zu wenig an Gottvertrauen zeigte, das bewies der +Herr Doktor zu viel. Sie wute und hrte, da er, trotzdem er sich jeden +Abend mit warmen Tchern behandeln lassen mute, seinen alten +Predigteifer auch in der fremden Stadt in der kalten Kirche bethtigte; +zwei Geistliche ordinierte er und viermal predigte er, zuletzt am +Sonntag den 14. Februar. Abends schrieb er noch einen Brief an seine +Hausfrau, erwhnte aber nichts davon, da er heute morgen seine Predigt +hatte abbrechen mssen aus Schwachheit; er bat aber seine Frau um +Arzneien[559]. + +Der Brief schlgt wieder frhliche und hoffnungsvolle Tne an; die +Aussicht auf Rckkehr nach der lieben Heimat vergoldete die trbe +Stimmung[560]: + +"Meiner freundlichen, lieben Hausfrauen, Katherin Lutherin von Bora zu +Wittenberg zu Hnden. + +Gnade und Friede im Herrn. + +Liebe Kthe! Wir hoffen diese Woche wieder heim zu kommen, ob Gott will. +Gott hat groe Gnade hier erzeigt; denn die Herren durch ihre Rte fast +altes verglichen haben, bis auf zwei Artikel oder drei, unter welchen +ist, da die zwei Brder Graf Gebhardt und Graf Albrecht wiederum Brder +werden, welches ich heute soll vornehmen und will sie zu mir zu Gaste +bitten, da sie auch mit einander reden; denn sie bis daher stumm +gewesen und mit Schriften sich hart verbittert haben. Sonst sind die +jungen Herren (die Shne der feindlichen Grafen) frhlich, fahren +zusammen mit den Narrenglcklein auf Schlitten und die Frulein auch und +bringen einander Mummenschanz, und sind guter Dinge, auch Graf Gebhardts +Sohn. Also mu man greifen, da Gott Gebete erhrt. + +Ich schicke Dir Forellen, so mir die Grfin Albrecht geschenkt hat: die +ist von Herzen froh der Einigkeit. Deine Shnchen sind noch zu Mansfeld. +Jakob Luther will sie wohl versorgen. Wir haben hier zu essen und zu +trinken als die Herrn, und man wartet unser gar schn, nur allzu schn, +da wir Euer wohl vergessen mchten zu Wittenberg. So ficht mich der +Stein auch nicht an. Aber Doktor Jonas Bein wre schier gnad worden, so +hat's Lcher gewonnen auf dem Schienbein; aber Gott wird auch helfen. + +Solches alles magst Du Mag. Philippus anzeigen, Doktor Pommer und Doktor +Kruziger. Hier ist das Gercht herkommen, da Doktor Martinus sei +weggefhrt, wie man zu Leipzig und Magdeburg redet. Solches erdichten +die Naseweisen, Deine Landsleute. Etliche sagen, der Kaiser sei dreiig +Meilen Wegs von hinnen bei Soest in Westphalen; etliche, da der +Franzose Knechte annehme, der Landgraf auch. Aber la sagen und singen: +wir wollen warten, was Gott thun wird. Hiemit Gott befohlen. + +Zu Eisleben am Sonntag Valentini 1546. + +M. Luther, Doktor." + +Es war der letzte Brief an seine Ehefrau, der letzte, den Luther +berhaupt schrieb. Die heitere Epistel kam am Donnerstag in Kthes Hnde +und erregte bei den Klosterbewohnern groes Vergngen: in Eisleben aber +lag der Schreiber schon auf dem Totenbette. Der Gewaltige war am selben +Tage frh um 3 Uhr im Kreise seiner Freunde, Dr. Jonas, M. Aurifaber, +des Arztes, des Stadtpfarrers von Eisleben, des Grafen und der Grfin +Albrecht, sanft und selig entschlafen. In Wittenberg freilich dachte man +nicht daran. Melanchthon, dem Luther mit gleichem Boten geschrieben +hatte (u.a. da Papst Paul gestorben wre), verfate noch einen Brief an +den Freund und Frau Kthe schickte noch eine Salbe mit, zur +Wiederherstellung der Fontanelle am linken Schenkel. Aber am Freitag +frh 6 Uhr kam aus Torgau ein reitender kurfrstlicher Bote vor des +Kanzlers Brck Haus; dieser lie sogleich D. Bugenhagen, Kreuziger und +M. Philipp zu sich kommen; sie wuten aber bereits, was das +kurfrstliche Schreiben meldete, ehe er es ihnen zu lesen gab, denn vor +einer Viertelstunde war auch ein Bote mit einem Brief aus Eisleben von +Jonas an sie gelangt. Auf Brcks Bitten verfgten sich die drei Herren +mit des Kurfrsten und Jonas' Brief unsumig hinauf zu der Doktorin und +berichteten sie mit der besten Vorsicht von ihres Herrn Abgang. "Da ist +das arme Weib, wie leichtlich zu achten, hart erschrocken und in groer +Betrbnis gewesen." Aber wiederum nicht an sich dachte sie zumeist, +sondern an ihre Kinder, besonders, wie ihre drei Shne in der Ferne sich +ber des Vaters Tod halten mchten[561]. + +Katharinas bange Ahnung hatte sich also erfllt; ihre Sorge um den +krnklichen fernen Gatten war nicht ohne Grund gewesen. Das Trauervolle +war geschehen: der teure Mann, der gewaltige Reformator, der geistvolle +Lehrer und Prediger, der liebreiche Vater, der treue Gatte war nicht +mehr! Wenn auch nicht unerwartet, so doch zu frh fr die Welt und fr +die Familie war er dahin geschieden, wohin er sich so oft gesehnt; von +der Welt, ber die er so viel gescholten und die er doch mit so viel +Verstndnis und Freude erfat; von dem Amte, in dem er sich so mde +gearbeitet, und in dem er doch noch so Groes leistete; von der Familie, +die ihm zwar Sorgen, aber noch viel mehr Glck und Freude gebracht und +die er mit so viel Glauben und Liebe umfate; von der Gattin, die er so +oft geneckt und manchmal getadelt, die er aber ber alle Frauen +geschtzt und geliebt hatte. + +"Es war eine harte Wunde, die sie durch den Tod ihres Ehegemahls +empfing. Und dazu mute sie noch klagen, da derselbe in einem anderen +Orte gestorben war, wo sie nicht bei dem Kranken Treue und die letzten +Liebesdienste hatte erweisen knnen."[562] + +Ja, in der Fremde war er gestorben, zum groen Schmerze Katharinas, die +mit ihm zwanzig Jahre "in Friede und Freude" gelebt, die ihn in gesunden +und kranken Tagen so hingebungsvoll gepflegt und jetzt die letzten +Stunden seines Lebens nicht um ihn sein durfte, ihm in das liebe +Angesicht schauen und die treuen Augen zudrcken durfte. Es war kaum +ein Trost, da er im Kreise der Freunde verschieden war, da der Graf +Albrecht ihm selbst Einhorn geschabt und seine Gemahlin ihm den Puls mit +dem Strkwasser strich, welches die Doktorin geschickt, und da er in +ihres Sohnes Paul Armen ausgeatmet und ihm sein treuer Aurifaber die +Augen zugedrckt hatte[563]. + +Und jetzt konnte sie nicht einmal den Trost genieen, durch die Frsorge +fr die Bestattung des geliebten Toten ihren Geist abzulenken von dem +Gedanken des schmerzlichen Verlustes. + +Das kurfrstliche Schreiben enthielt nmlich die Bestimmung, da der +Leib Luthers in der Schlokirche zu Wittenberg bestattet werden sollte, +bei Frsten und Frstinnen, deren zwanzig dort bestattet waren. Aber so +war wenigstens ihr lieber Herr bei ihr in ihrer Stadt und sie konnte mit +den anderen Freunden "ihren Heiligen daselbst nach seinem Tode +besuchen", wie Bugenhagen sich ausdrckte. Denn die Grafen von Mansfeld +htten "die Leiche des hochteuern, von Gott mit unaussprechlichen Gaben +begnadeten Mannes gern selbst in der Herrschaft behalten", folgten sie +aber "aus unterthnigem Gehorsam" dem Kurfrsten auf dessen Bitte +dienstwillig aus. So rstete sich nun die Doktorin, ihr Tchterlein und +das ganze Kloster fr das Leichenbegngnis nur mit Trauergewndern[564]. + +Aber auch die ganze Stadt und Universitt machte sich bereit, ihren +grten Brger mit feierlichem Leichengeprnge zu empfangen. Melanchthon +hatte sofort nach der Ankunft der Todeskunde am Freitag frh die +Studenten in einem Anschlag benachrichtigt, da der christliche Elias +von seinen Jngern genommen sei. Der Rektor der Akademie, Dr. Aug. +Schurf, befahl am Sonntag Morgen in einem Programme "allen Studenten am +Nachmittag, sobald das Zeichen mit der kleinen Glocke gegeben werde, +sich auf dem Markte zu versammeln und daselbst den ehrwrdigen +Pfarrherrn (D. Pommer) an der Kirche zu erwarten, ihm sofort zu folgen +und mit ihm die Leiche zu empfangen, welche gewesen ist und sein wird +eine Htte des heiligen Geistes." Von Wittenberg ritten dem Trauerzuge +entgegen, um ihn in Bitterfeld, an der Mansfeldischen Grenze zu +empfangen und ehrenvoll zu geleiten, die "Verordneten des Kurfrsten": +Erasmus Spiegel, der Hauptmann von Wittenberg, Gangolf von Heilingen zu +Dben und Dietrich von Taubenheim zu Brehne mit Gefolge[565]. + +Aber die Leiche kam am Sonntag noch nicht: in jeder Stadt wollte man sie +einholen, zurckhalten, begleiten; und so verzgerte sich die Ankunft +des Zuges, der zuletzt in Kemberg gerastet hatte. Und Melanchthon mute +am Schwarzen Brett, auf dem Programm des Rektors verkndigen, da die +Ankunft der Leiche und ihre Bestattung erst am andern Morgen, etwa um 9 +Uhr, stattfinde[566]. + +Im Laufe des Sonntags kam ein Beileid-Schreiben des Kurfrsten[567]: + +"An Catharina, Doctoris Martini seliger Gedchtnis verlassene Witwe zu +Wittenberg. + +Herzog Johanns Friedrich, Kurfrst. + +Liebe Besondere! + +Wir zweifeln nicht, Ihr werdet nunmehr erfahren haben, da der +Ehrwrdige und Hochgelehrte, unser Lieber Andchtiger Doctor Martin +Luther seliges Gedchtnis, Euer Hauswirt, sein Leben in diesem +Jammerthal zu Eisleben am nchsten Dornstag frhe zwischen 2 und 3 Uhren +christlich und wohl mit gttlichen der hl. Schrift Sprchen beschlossen +hat und von hinnen geschieden ist, welches Wir aber mit betrbtem und +bekmmertem Gemt vernommen. Der allmchtige Gott wolle seiner Seelen, +wie Wir denn gar nicht zweifeln, gndig und barmherzig sein! Und wiewohl +Wir wohl ermessen mgen, da Euch solcher Euers Herrn tdlicher Abgang +schmerzlich und bekmmerlich sein wird, so kann doch in dem Gottes +gndigen Willen, des Allmchtigkeit es also mit ihm gndiglich und +christlich geschafft hat, nicht widerstrebt werden, sondern es will +solches Gott zu befehlen sein. Darum Ihr auch soviel destoweniger +bekmmern und seines christlichen Abscheidens Euch trsten wollet. Denn +Wir seind gndiglich geneigt, Euch und Eure Kinder um Eures Herren sel. +willen, dem Wir in sonderen Gnaden und Guten geneigt gewest, in gndigem +Befehl zu haben und nicht zu verlassen. Das wollen Wir Euch gndiger +Meinung nicht verhalten. + +Datum Torgau, Sonnabends nach Valentini 1546." + +Am Montag frh versammelten sich am Elsterthor Rektor, Magistri und +Doktores und die ganze lbliche Universitt, auch ein ehrbarer Rat samt +ganzer Gemeinde und Brgerschaft, dann die Geistlichen und Schulen. Auch +Frau Kthe machte sich auf mit ihrem Tchterlein Margarete und einigen +Frauen und stellten sich weinend an den Weg, dem toten Gatten entgegen +harrend. + +Endlich um 9 Uhr, langte der Zug mit der teuren Leiche an: geleitet von +den kurfrstlichen Abgeordneten und den beiden jungen Mansfelder Grafen +Hans und Hoyer und einer groen Reiterschar. Auch die Mansfelder +Verwandten kamen mit, Luthers Lieblingsbruder Jakob, und seine +Schwestershne Jrg und Cyriak Kaufmann und andere von der +"Freundschaft". Vor allem aber die drei Shne Hans, Martin und Paul. Es +war ein schmerzliches Wiedersehen, das hier Frau Katharina erlebte. Die +Shne freilich konnte sie schluchzend in die Arme schlieen, aber das +Antlitz des teuren geliebten Gatten durfte sie nicht mehr sehen; da lag +er eingeschlossen im Sarg von Zinn, aufgebahrt auf dem Wagen, mit +schwarzem samtenem Tuch umhangen[568]. + +Darauf ordnete sich der Zug: voraus die Geistlichkeit und die Schulen +mit den herkmmlichen Gesngen und Zeremonien, darauf die "Berittenen" +auf ungefhr 65 Pferden. Gleich hinter dem vierspnnigen Leichenwagen +fuhr die "Frau Doktorin Katharina Lutherin" mit den Matronen, nach +herkmmlicher Sitte auf einem niederen Wgelein. Ihr folgten die drei +Shne, der Bruder, die Neffen und andere Verwandten. Dann in vollem +Ornat "der Rektor Magnificus der lblichen Universitt mit etlichen +jungen Frsten, Grafen und Freiherrn, so in der Universitt Wittenberg +Studii halber sich (auf)enthalten." Darnach kam als weiteres +Leichengefolge: Kanzler Brck, Melanchthon, Jonas, Bugenhagen, +Kreuziger, Hieronymus Schurf und andere lteste Doktoren; dann die +brigen Doktoren, Magister, der ehrbare Rat, Brgermeister Cranach samt +den Ratspersonen, darnach der ganze groe Haufen und herrliche Menge der +Studenten; darauf die Brgerschaft, desgleichen viele Brgerinnen, +Matronen, Frauen, Jungfrauen, viel "ehrliche" Kinder, jung und alt; +alles mit Weinen und Wehklagen. "In allen Gassen, auch auf dem Markt ist +das Gedrnge so gro und solche Menge des Volkes gewesen, da sich's +billig in der Eil zu verwunden und viele bekannt haben, da sie +dergleichen zu Wittenberg nicht gesehen." + +So ging es unter Gesang und dem Gelute aller Glocken in unabsehbarem +Zuge vom Elsterthor die ganze Lnge der Stadt hin am Kloster vorbei, das +jetzt verwaist von seinem Vater und Herrn dalag, die Kollegienstrae +hinab zur Schlokirche. Dort wurde der Sarg am Predigtstuhl +niedergesetzt. Trauerlieder erschollen, bis Bugenhagen die Kanzel +bestieg und vor den ungezhlten Hrern, die in und vor der Kirche +standen, eine "gar festliche und trstliche Predigt" that. Darauf hat +Melanchthon "aus sonderlichem Mitleiden, um die Kirche zu trsten", eine +lateinische Gedchtnisrede gehalten, die vor dem allgemeinen Weinen und +Schluchzen kaum gehrt wurde. Seine Klage: "Wir sind wie arme Waisen, +die einen vortrefflichen Mann zum Vater gehabt und ihn verloren haben", +die den Grundton aller Rede bildeten, sie waren ganz besonders +denjenigen aus dem Herzen gesprochen, die dem teuren Toten am nchsten +standen, und am nchsten an seinem Sarg klagten: der trauernden Gattin, +den weinenden Kindern[569]. + +"Nach den Leichenreden trugen etliche Magister den Sarg nach der Gruft +und legten so das teure Werkzeug des heiligen Geistes, den Leib des +ehrwrdigen D. Martini zur Ruhe, nicht fern von dem Predigtstuhl, da er +im Leben manche gewaltige Predigt gethan." Der Kurfrst aber hatte schon +am Tag vorher verordnet, da eine Tafel aus Messing aufs Grab +niedergelegt wurde, dergestalt wie noch heutzutage zu sehen ist[570]. + +Wohl konnte das auerordentliche, wahrhaft frstliche Leichengeprnge +zeigen, welch ein Mann, ja, wie der Rektor ankndigte, welch ein "Frst +Gottes" der Dahingegangene gewesen, welche Liebe und Verehrung er bei +hoch und nieder genossen und die Teilnahme aller bewies, was die Welt an +ihm verlor und betrauern mute, und das ist ja fr die Hinterbliebenen +immer ein Trost in ihrem Schmerz. Aber diese Leichenfeier zeigte auch, +was die Angehrigen selber an ihm gehabt und beweinen muten. + +Was Katharinas Stimmung und Gedanken in diesen schmerzlichen Tagen war, +das giebt sie kund in einem Briefe, den sie an ihre Schwgerin +Christina, die verwitwete Gemahlin eines ihrer Brder und Mutter des +Florian, welcher in Wittenberg ihr Hausgenosse war, richtete[571]. Da +schreibt sie: + +"Der ehrbaren und tugendsamen Frauen Christina von Bora, meiner lieben +Schwester zuhand. + +Gnad und Fried von Gott dem Vater unsers lieben Herrn Jesu Christi! + +Freundliche liebe Schwester! + +Da Ihr ein herzlich Mitleiden mit mir und meinen armen Kindern tragt, +glub' ich leichtlich. Denn wer wollt' nicht billig betrbt und +bekmmert sein um einen solchen teuern Mann, als mein lieber Herr +gewesen ist, der nicht allein einer Stadt oder einem einigen Land, +sondern der ganzen Welt viel gedienet hat. Derhalben ich wahrlich so +sehr betrbt bin, da ich mein groes Herzeleid keinem Menschen sagen +kann, und wei nicht, wie mir zu Sinn und zu Mut ist. Ich kann weder +essen noch trinken, auch dazu nicht schlafen. Und wenn ich htt' ein +Frstentum und Kaisertum gehabt, sollt' mir so leid nimmer geschehen +sein, so ich's verloren htt', als nun unser lieber Herrgott mir, und +nicht allein mir, sondern der ganzen Welt, diesen lieben und teuern Mann +genommen hat. Wenn ich daran gedenk', so kann ich vor Leid und +Weinen--das Gott wohl wei--weder reden noch schreiben. + + Katharina, + des Herrn Doctor Martinus Luther + gelassene Witfrau." + + + + +16. Kapitel. + +Luthers Testament. + + +"Ich denke noch oft", erzhlt der treue Hieronymus Weller nach Luthers +Tod, "an den Mann Gottes, Doktor Martin Luther, da er sein Gemahl lie +den 31. Psalm auswendig lernen, da sie noch jung und frisch und frhlich +war und sie noch nicht wissen konnte, wie dieser Psalm so lieblich und +trstlich war. Aber ihr Mann that das nicht ohne Ursache. Denn er wute +wohl, da sie nach seinem Tode ein betrbtes, elendes Weib sein und +dieses Trostes, so der 31. Psalm in sich hat, sehr ntig werde +bedrfen." Und hnlich hat sich der Doktor auch in seinem Testament +ausgesprochen, wie in seinem Brief auf seiner Trutz-Fahrt[572]. + +Luther kannte eben die Welt und seine und seiner Familie Lage: er kannte +der Leute Undank[573], der Frsten Unzuverlssigkeit und ihrer Beamten +Untreue, der Amtsgenossen kleinliche Gesinnung, der Feinde Ha, der sich +schon bei Lebzeiten auch gegen sein Gemahl in unerhrter Beschimpfung +richtete und sich noch ungehemmter zeigen mute, wenn erst der +gefrchtete Kmpe den Schild nicht mehr ber sie deckte. Er wute, da +er ein kranker Mann war, da er sterben werde, ehe seine Kinder erzogen +und versorgt wren; er kannte die traurige Lage einer Witwe zu seiner +Zeit, die ohne Ansprche auf Witwengehalt, ja nach dem herkmmlichen +Recht ohne Ansprche auf die Hinterlassenschaft war. Deshalb war er in +Sorge fr seine treue Gattin; deshalb hat er aber auch, so viel an ihm +lag, Frsorge fr sie getroffen, um sie vor dem Schwersten zu bewahren. + +Diese Gedanken hat Luther in seinem "zweiten" und "letzten" "Testament" +niedergelegt, welches vier Jahre vor seinem Tode, am 6. Januar 1542 +niedergeschrieben ist. Darin setzt er seiner "lieben und treuen +Hausfrau" ein Leibgeding aus und will sie schtzen gegen "etlich +unntze, bse und neidische Muler", welche seine "liebe Kthe" +beschweren oder verunglimpfen mchten oder die Kinder aufhetzen. "Denn +der Teufel, so er mir nicht konnte nahe kommen, sollt er wohl meine +Kthe (auf) allerlei Weise (heim)suchen, (schon) allein (aus) der +Ursache, da sie des D.M. ehrliche Hausfrau gewesen und Gottlob noch +ist."[574] + +So mute Frau Katharina auch bald spren, welcher Unterschied es sei, +die Gattin des groen Doktors zu sein, der nach dem Anspruch eines +groen Frsten neben dem Kaiser die Welt regierte, dessen Ansehen und +Ehre auch auf die "Hauswirtin" berging, und Luthers verlassene Witwe, +in deren Vermgens-und Familienverhltnisse, Hauswirtschaft und +Kindererziehung hineinzureden und hineinzuregieren sich jetzt viele +berufen fhlten, zum Teil aus gutem Willen und Verehrung fr den +dahingegangenen Freund und Reformator, whrend bisher Frau Katharina +selbst, hchstens mit Rat und Zustimmung ihres Eheherrn, in diesen +Dingen vollstndig selbstherrlich geschaltet hatte. Da sie, die +energische Frau, welche sich ihrer Tchtigkeit in der Leitung eines +groen Hauswesens wohl bewut war, und welcher Luther so bereitwillig +das Hausregiment berlassen hatte, dies Dreinreden und Dreinbefehlen +schwer empfand, ist begreiflich. Nicht wenig mute es sie auch schmerzen +und ihr Selbstgefhl verletzen, da sie bisher die erste Frau der Stadt, +ja der evangelischen Welt, nun bescheiden zurcktreten mute. Schwer +auch kam sie's gewi an, da sie das in so groem Stil gefhrte +Hauswesen mit seiner unerhrten Gastlichkeit beschrnken mute. + +Zwar das trat nicht ein, was Luther gefrchtet hatte, da "die vier +Elemente (d.h. doch wohl die vier Fakultten der Universitt) sie nicht +wohl leiden" wrden. Auch davon hrt man nichts, was Luther in seinem +Testamente aussprach: "Ich bitt alle meine guten Freunde, sie wollten +meiner lieben Kthe Zeugen sein und sie entschuldigen helfen, wo etliche +unntze Muler sie beschweren und verunglimpfen wollten, als sollte sie +etwa eine Barschaft hinter sich haben, die sie den armen Kindern +entwenden oder unterschlagen wrde. Ich bin des Zeuge, da da keine +Barschaft ist, ohne die Becher und Kleinod droben im Wipgeding erzhlt +(aufgezhlt), vielmehr 450 fl. Schulden oder mehr."[575] + +Aber Luther hatte noch ein weiteres vorausgesehen, was seiner Frau +vorgeworfen werden knnte: eine ble Wirtschaft. Es heit weiter im +Testament: "Es kann solches bei jedermann die Rechnung ffentlich geben, +weil man wei, wie viel ich Einkommens gehabt von meinen gestrengen +Herrn, ohn was Geschenk ist gewesen, welches droben unter den Kleinoden, +zumteil auch noch in der Schuld steckt und zu finden ist. Und ich doch +von solchem Einkommen und Geschenk so viel gebaut, gekauft und groe und +schwere Haushaltung gefhrt, da ich's mu neben anderem selbst fr +einen sonderlichen, wunderliche Segen erkennen, da ich's hab knnen +erschwingen, und nicht Wunder ist, da keine Barschaft, sondern da +nicht mehr Schuld da ist."[576] + +Am meisten unzufrieden mit der gesamten Wirtschaft Katharinas war der +Kanzler Brck, Luthers Gevattersmann. Brck hatte schon 1536, als +Katharina das Gut Boo pachten wollte, ihr das nicht zukommen lassen, +aus Argwohn, sie wolle dies herrschaftliche Gut so unter der Hand +erblich an sich und ihre Kinder bringen, "welche Gedanken doch nie in +ihr Herz gekommen sind". Deshalb hatte sie auch den Landrentmeister +Taubenheim spter (1539), als das Gut wieder pachtfrei war, angegangen, +solchen ihren Antrag an niemand sonst, auch nicht an den Kurfrsten +(welchen dann Brck um Gutachten gefragt htte) gelangen zu lassen, +sondern ihr's unter der Hand zukommen zu lassen, was dann auch geschah. +Brck uerte sich auch sehr abschtzig ber Kthes Unternehmungen auf +ihrem Lieblingssitz Zulsdorf und hielt diese kostspieligen +Verbesserungen fr arge Verschwendungen. Er widersetzte sich endlich dem +Erwerb von Wachsdorf. Daher ist es begreiflich, da auch Katharina auf +ihn bel zu sprechen war, und berhaupt auf die frstlichen Amtleute, +welche scheel zu den Begnadigungen sahen, die sie vom Hofe erhielten, +und sogar sie darin verkrzten. Als Luther ein Jahr vor seinem Tode von +Wittenberg wegziehen wollte, und seine Frau beauftragte, seine +Besitzungen in der Stadt zu veruern, da lie Melanchthon gegen Brck +merken, da eigentlich Katharina das "treibe" und da es nicht das sei, +was Luther vorwende. Das berichtete der Kanzler dem Kurfrsten und fgte +mit einer gewissen Schadenfreude hinzu: es gebe Gottlob keine Kufer fr +so kostbare Huser und Gter[577]. + +Als dann die kurfrstliche Verordnung wegen "der Hochzeiten und +Kindtaufen" an Luther geschickt wurde, kamen Melanchthon und Bugenhagen +zu Brck und zeigten an, Luther wolle sie weder sehen noch hren; zu Hof +htte man nur sein Gesptt damit. Daraus schlo Brck, da der Doktor +durch seine Frau aufgewiegelt werde. + +Es war also ein Zerwrfnis zwischen dem Schwarzen Kloster und dem Hof, +das heit zwischen Dr. Luther und Kanzler Brck, der den "Hof" vertrat, +so da Brck gar nicht mehr persnlich und direkt mit Luther +verhandelte, sondern die beiden Theologen sandte oder auch einen +Dritten[578]. Dieses Zerwrfnis hatte dann noch seine weitere +Geschichte. + +Im Dezember 1545 schickte Brck einen Zwischenhndler ins Schwarze +Kloster "hinauf zu Sr. Ehrwrden", um Luther zu bewegen, er solle aus +einer vom Hof bestellten Schrift eine politisch bedenkliche Stelle +auslassen. "Da war Frau Kthe auch dabei und hat ihr Wort dazu gelegt +dergestalt: "Ei lieber Herr, sie lesen zu Hof nichts; das macht's, +wissen sie doch Euere Weise wohl u.s.w." Und Luther wurde ber diese +Zumutung des Kanzlers zornig und wunderlich und sagte, er wolle es +kurzum nicht thun. Diese Rede Kthes wurde natrlich dem Kanzler +hinterbracht und er berichtete sie sofort samt den vorhergehenden +Beobachtungen dem Kurfrsten mit dem Zusatz: "Ich sorg, weil sich Doktor +Martinus in mehr denn einem Weg wider den Hof bewegt vermerken lt, es +mu nochmals das Gtlein Wachsdorf dahinter stecken, und der gute, +fromme Herr durch die "Rippe" bewegt wird."[579] + +Das alles spielte kurz vor Luthers Tode; begreiflich, da die +Verstimmung bei Brck jetzt noch frisch und krftig nachwirkte. Auch +Melanchthon und Bugenhagen scheinen gegen die Doktorin eingenommen, wenn +man den Berichten von Brck glauben soll. Es mu aber doch ausfallen, +da auer den Brckschen Berichten keine Belege fr Melanchthons und +Bugenhagens Feindseligkeit gegen Frau Kthe bekannt sind; ja die +Frsorge beider, namentlich Melanchthons und das Zutrauen Katharinas zu +diesem beweist eher das Gegenteil. Dennoch wre nach Brcks Eingabe eine +vorbergehende Erregung der beiden alten Freunde gegen sie vorhanden +gewesen. + +Zunchst freilich wirkte die Liebe und Verehrung, die der gewaltige und +gemtreiche Mann genossen, auch noch auf seine Familie, insbesondere die +trauernde Gattin. + +Der Kurfrst hatte einst vor neun Jahren in Schmalkalden an Luthers +vermeintlichem Sterbebett diesem versprochen: "Euer Weib soll mein Weib +sein und Euere Kinder sollen meine Kinder sein". Dessen gedachte er auch +jetzt nach des Doktors wirklichem Abscheiden und sandte an "die +Doktorin, Luthers liebe Hausfrau", jenes gndige Trostschreiben, worin +er sie und ihre Kinder seiner gndigen Frsorge versichert[580]. Diesem +Versprechen kam nun auch der Frst getreulich nach, so lange er in +Freiheit war und es vermochte. + +Der Kanzler Brck hatte in einer Nachschrift zu seinem Briefe an den +Kurfrsten vom 19. bemerkt: "Philippus hat mir gesagt, er habe der +Doktorin bereits vor 14 Tagen 20 Thaler zur Haushaltung leihen mssen. +E. Kf. Gn. wollen 14 Thaler verordnen zur Haushaltung und anderem, das +dieses Falles Notdurft wohl erfordern will. Der Allmchtige wird es E. +Kf. Gn. reichlich vergelten!" Darauf sandte der Kurfrst sofort am +folgenden Tag hundert Gulden mit einem Schreiben an Melanchthon; darin +heit es: "Dieweil Wir auch vermerken, als solle gemeldten Doctor +Martini seligen Hausfrau und Witwe am Gelde Mangel haben, wie ihr denn +von Euch vor seinem Tode Frsehung (Vorschu) geschehen sein solle: als +schicken Wir Euch bei diesem Boten hundert Gulden. Davon wollet Euch des +Geldes, was Ihr geliehen habt, zuvor bezahlen und der Witwe die berma +(den berschu) von Unserntwegen zustellen."[581] + +Und vielleicht nochmals zwei Tage nach der Beisetzung hat der Kurfrst +die Witwe Luthers seiner besonderen Gnade und Frsorge versichert. Auch +erbot er sich, ihren ltesten Sohn an den Hof und in die kurfrstliche +Kanzlei zu nehmen[582]. + +Auch die Freunde des Hauses nahmen sich der Witwe noch an. Melanchthon +erwies ihr eine kleine Aufmerksamkeit. Als er am 11. Mrz einen Hasen +und einen Pelz von Jonas erhielt, dachte er an das Mosesgesetz, da den +Priestern, welche die Brde der Kirchenregierung auf ihren Schultern +trugen, auch die Haut des Opfertieres gehren sollte, und damit an +Luther, der so lange Jahre auf seinen Schultern eine solche Last +Geschfte getragen, und er schickte den Pelz und Hasen an Luthers +Witwe[583]. + +Jonas berichtet am 15. April an Knig Christian III. von Dnemark ber +Luthers Tod und fgte die Bitte bei: "Bitt' unterthnigst E.K.Maj. wolle +der Witwe Domini D. Martini seiner drei Shne Martini, Pauli, Johannis +und eines Tchterlein Margret gndigster Herr sein."[584] + +Sogar der Herzog von Preuen schrieb an den Kurfrsten von Sachsen fr +D. Martini seligen Witwe eine "Vorbitt", deren der Kurfrst freundlich +eingedenk zu sein verheit: "Dieweil Wir dem Doktor bei seinem Leben in +allem Guten geneigt gewesen, so achten Wir Uns auch schuldig, seine +nachgelassenen Kinder, seinen getreuen, fleiigen und christlichen +Dienst genieen zu lassen, wie Wir sie auch samt der Witwe in gutem +Befehl habend."[585] + +Die Grafen von Mansfeld hatten Luther und seiner Familie fr seine +Vermittlung 2000 fl. zugesagt und haben diese dann auch am 8. Mai 1546 +"Doktor Luthers nachgelassener Wittfrau und Kindern" verschrieben, zu +"Dankbarkeit solch christlichen Liebe und Erzeigung bemeldts D.M. +Luthers, da er sich gutwillig gen Eisleben gefgt und treumeinende +Handlung vorgenommen und also daselbst mit Friede sein Ende christlich +und seliglich beschlossen."[586] + +Endlich bestand noch ein Vermchtnis des Kurfrsten Johann Friedrich von +1000 fl., welche Luthers Kindern ausgesetzt waren, und wovon einstweilen +die Renten ausbezahlt wurden, als eine Art Gnadengehalt fr die +Waisen[587]. + +Der Witwe war in diesen Verschreibungen nicht gedacht. Dagegen hatte +Luther fr seine Gattin schon vier Jahre vor seinem Tode ein Leibgeding +ausgesetzt. + +Luther hatte nun in bekannter Miachtung der Juristen und des +juristischen Formen-Krams dies Dokument absichtlich selbst aufgesetzt +und nur von seinen theologischen Freunden Melanchthon, Kreuziger und +Bugenhagen unterschreiben lassen, in der Meinung, da ihn so "viele in +der Welt fr einen Lehrer der Wahrheit halten" trotz Papstes Bann und +des Kaisers, Knige, Frsten, Pfaffen, ja aller Teufel Zorn, so sollte +man ihm und seiner Handschrift auch in diesen geringen Sachen glauben." +Er schreibt darin: "Zuletzt bitt' ich jedermann, weil ich in dieser +Begabung oder Wibgeding nicht gebrauche der juristischen Formen und +Wrter (wozu ich Ursachen gehabt), man wolle mich lassen sein die +Person, die ich in Wahrheit bin, nmlich ffentlich im Himmel, auf Erden +und in der Hlle bekannt, der man trauen und glauben mag, mehr denn +keinem Notario."[588] + +Daraus ergiebt sich eine Mistimmung gerade gegen Brck, der ja in +diesem Falle besonders htte gehrt werden mssen. Aber die +Rechtsgelehrten konnten dies Testament auch anfechten und scheinen dies +gethan zu haben eben darum, weil Luther in so geflissentlicher Weise die +verhaten Juristen bergangen hatte. Waren doch die Juristen immer noch +bedenklich ber die Rechtsgltigkeit der Priesterehe und gar der Ehe von +Mnchen und Nonnen, also da Luther frchten mute, da sie seine "Ehre +und Bettelstcke seinen Kindern nicht gedenken zuzusprechen". Da konnte +nur eine besondere Entscheidung der Staatshoheit der Witwe zu ihrem +Rechte verhelfen, wie auch Luther selbst in dem Testament vorgesehen +hatte: "Und bitt auch hiemit unterthniglich, S.K.G. wollten solche +Begabung oder Wibgeding schtzen und handhaben."[589] + +Dies sog. "Testament" Luthers war eigentlich ein Leibgeding fr seine +Hausfrau, ein "Weibgedinge", wie es herkmmlich von Ehemnnern frher +oder spter ausgestellt zu werden pflegte. Es hatte um so grere +Bedeutung, als es fr Beamten-, wie Professorenfrauen kein Witwengehalt +gab und das schsische Erbrecht fr Frauen so ungnstig war. + +Alle evangelischen Pfarrer der Reformationszeit, deren Besoldung sehr +unsicher, oft nur ein Gnadengehalt war, strebten deshalb danach, ihren +Frauen, wie Luther sich ausdrckt, ein "Erbdchlein und Herdlin", d.h. +Grundbesitz, zu verschaffen; und jeder Ehemann in Sachsen pflegte der +Ehefrau ein Leibgedinge zu verschreiben. "Wie wenige findet man," sagt +Luthers langjhriger Hausgenosse Hieronymus Weller, als er Pfarrer in +Freiberg war und Weib und Kind hatte, "wie wenige findet man, die sich +kmmern um Witwen und Waisen von verstorbenen Dienern der Kirche! Darum +folge ich Luthers Beispiele und kaufe ein Haus zur Zuflucht fr die +Meinen in der Zukunft." So dachte auch Luther. Er uerte sich sehr +unzufrieden ber das schsische Recht wegen seiner Behandlung der +weiblichen Ansprche. "Sachsenrecht", sagte er, "ist allzustreng und +hart, als das da anordnet, da man einem Weibe nach ihres Mannes Tode +geben soll nur einen Stuhl und Rocken". Dies legte aber Luther so aus: +"_Stuhl_, das ist Haus und Hof; _Rocken_, das ist Nahrung, dabei sie +sich in ihrem Alter auch knne erhalten; mu man doch Dienstboten +besolden und jhrlich ihnen ihren Lohn geben, ja man giebt doch einem +Bettler mehr."[590] + +Demgem handelte nun auch Luther und schrieb--schon am Dreiknigstag +1542--sein "Testament", d.h. das "Weibgeding" fr seine Gattin[591]. + +"Ich, M.L.D. bekenne mit dieser meiner eigenen Handschrift, da ich +meiner lieben u. treuen Hausfrauen Katherin gegeben habe zum Wipgeding +(oder wie man es nennen kann) auf ihr Lebenlang, damit sie ihres +Gefallens u. zu ihrem Besten gebaren muge, und gebe ihr das in Kraft +dieses Briefs, gegenwartiges und heutigen Tages: + +Nmlich das Guttlein Zeilsdorff, wie ichs bis daher gehabt habe. + +Zum andern das Haus Bruno zur Wohnung, so ich unter meines Wolfs Namen +gekauft habe. + +Zum dritten die Becher und Kleinod, als Ringe, Ketten, Schenkgroschen, +gulden und silbern, welche ungefhrlich sollten bey 1000 Fl. werth seyn. + +Das thue ich darumb, + +Erstlich, da sie mich als ein frum, treu ehelich Gemahel allezeit lieb, +werth u. schn gehalten, und mir durch reichen Gottes-Segen fnf +lebendige Kinder (die noch furhanden, Gott geb lange) geboren und +erzogen hat. + +Zum andern, da sie die Schuld, so ich noch schuldig bin (wo ich sie nit +bey Leben ablege), auf sich nehmen und bezahlen soll, welcher mag seyn +ungefhr, mir bewut, 450 fl. mugen sich vielleicht wohl mehr finden. + +Zum dritten, und allermeist darumb, da ich will, sie msse nicht den +Kindern, sonder die Kinder ihr in die Hnde sehen, sie in Ehren halten, +und unterworfen seyn, wie Gott geboten hat. Denn ich wohl gesehen und +erfahren, wie der Teufel wider die Gebot die Kinder hetzet und reizet, +wenn sie gleich frum sind, durch bse und neidische Muler, sonderlich +wenn die Mtter Witwen sind, und die Shne Ehefrauen, und die Tchter +Ehemnner kriegen, und wiederumb socrus nurum, nurus socrum. Denn ich +halte, da die Mutter werde ihrer eigenen Kinder der beste Vormund seyn, +und slch Guttlein und Wipgeding nicht zu der Kinder Schaden oder +Nachtheil, sondern zu Nutz und Besserung brauchen, als die ihr Fleisch +und Blut sind und sie unter ihrem Herzen getragen hat. + +Und ob sie nach meinem Tode genthiget oder sonst vorursachet wurde +(denn ich Gott in seinen Werken und Willen kein Ziel setzen kann) sich +zu vorndern: so traue ich doch, und will hiemit slches Vertrauen +haben, sie werde sich mutterlich gegen unser beyder Kinder halten, und +alles treulich, es sey Wipgeding oder anders, wie recht ist, mit ihnen +theilen. + +Auch bitt ich alle meine gutten Freunde, sie wollten meiner lieben +Kthen Zeugen seyn und sie entschuldigen helfen, wo etzliche unnutze +Muler sie beschweren oder verunglimpfen wollten, als sollt sie etwa +eine Barschaft hinter sich haben, die sie den armen Kindern entwenden +oder unterschlagen wrde. Ich bin de Zeuge, da da keine Barschaft ist, +ohn die Becher und Kleinod, droben im Wipgeding erzhlet. + +Und zwar sollts bey iedermann die Rechnung offentlich geben, weil man +wei, wie viel ich Einkummens gehabt vom M. gestr. Herr, und sonst nicht +ein Heller noch Krnlein von iemand einzukummen gehabt, ohn was Geschenk +ist gewesen, welches droben unter den Kleinoden, zum Theil auch noch in +der Schuld steckt, und zu finden ist. Die bitte ich darumb: denn der +Teufel, so er mir nicht kunnt nher kummen, sollt er wohl meine Kthe, +allein der Ursachen, allerley Weise suchen, da sie des Mannes D.M. +eheliche Hausfrau gewesen, und (Gott Lob) noch ist."-- + +Auer diesem Witwengut bestand das Lutherische Vermgen aus folgendem: +dem Klosterhaus, hernach zu 3700 fl. verkauft, den beiden Grten zu 500 +fl., Hausrat und Bibliothek zu 1000 fl. zusammen 5200 fl. Das Leibgeding +der Mutter betrug im Verkaufswert 2300 fl., nmlich das Gut Zulsdorf 956 +fl., das Haus "Bruno" zu 343 fl., bisher "um einen liederlichen Zins" +vermietet, dazu noch die 1000 fl. Silbergeschirre; davon gingen +allerdings die genannten 450 fl. Schulden ab, wenn sie bei Luthers Tod +noch standen; diese Schulden machten ihr viel Sorgen; eine "Barschaft" +war--auch nach D. Brcks Zeugnis "nicht da". Freilich Luther selber +hatte diesen Besitz viel hher angeschlagen; in der Schtzung 1542 +berechnet er ihn auf 9000 fl. Das Einkommen aber aus allem schtzt er +auf kaum 100 fl. Dazu kamen noch seit einiger Zeit 50 fl. jhrliche +Rente, aus dem verschriebenen kurfrstlichen Legate von 1000 fl. und +endlich noch 2000 fl. des Grafen von Mansfeld[592]. + +Das war wohl ein groer, weitlufiger Besitz; aber er war wenig +eintrglich; alles in allem warf er 250 fl. ab. Ob davon eine grere +Familie ohne gar zu groe Einschrnkung leben konnte? Die Kinder waren +noch alle unversorgt und unmndig. Der lteste Sohn Hans war 20 Jahre +alt, das jngste Tchterlein Margarete erst 11, Martin 14 und Paul 15. +Und die drei Shne sollten nach Luthers Wunsch alle studieren: Hans nach +der Mutter Meinung die Rechte, Martin wollte Theologe werden, Paul hatte +sich schon mit des Vaters Beifall fr die Medizin entschlossen. Zudem +war noch der alte lahme Famulus Wolf da, der als gewohntes Erbstck mit +versorgt werden mute; er hatte zwar auf Luthers Ansuchen vom Kurfrsten +ein Stipendium von 40 fl. bekommen, dies aber ging in Luthers Haushalt +mit auf[593]. Man konnte Luthers Witwe, die einen so groen und +gastfreien Haushalt gewohnt war, doch nicht zumuten, das alte liebe Haus +zu verlassen und sich in rmlichster Weise, etwa in die "Bude" Bruno +oder auf Zulsdorf zurckzuziehen und die Kinder unter fremde Leute zu +geben. Brck war freilich dieser Meinung. Frau Katharina dagegen wollte +alle Kinder bei sich behalten, was ja wohl auch das billigste war; sie +wollte ferner im Klosterhaus bleiben und Kostgnger nehmen in noch +ausgedehnterem Mae wie bisher; sie wollte endlich nicht nur "die Bse" +(das Gut Boo), die sie etliche Jahre her zur Miete und um einen +"liederlichen Zins" innegehabt, ferner auch also behalten, sondern noch +ein weiteres landwirtschaftliches Anwesen erwerben, um ihre Einnahmen zu +vermehren[594]. Dies alles aus Frsorge fr sich und ihre Kinder; aber +auch, wie der Kanzler Dr. Brck gewi richtig versteht, "damit sie zu +thun, zu schaffen und zu gebieten genug hab, und ihr demnach an der +vorigen Reputation nichts abgehe". Namentlich war ihr das neue Landgut +angelegen: hatte sie ja fr die Landwirtschaft besondere Neigung aus +wirtschaftlichem Interesse, aber wohl auch aus ihrem adeligen Bewutsein +heraus. Schon vor mehreren Jahren nmlich war ihrem Gatten das groe Gut +Wachsdorf zum Kaufe angetragen worden, welches eine Stunde von +Wittenberg, jenseits der Elbe, also viel gnstiger als das ferne +Zulsdorf gelegen, auch fruchtbarer und eintrglicher, freilich auch +teurer war als dies. Das wurde ihr nun aufs neue angeboten[595]. + +Die Witwe fragte nun Melanchthon um Rat. Der sah fr gut an, man sollte +den Kauf von Wachsdorf anlangend des Kurfrsten Rat und, wo dieser es +riete, seine gndige Hilfe erbitten. Sie aber wollte das schlechterdings +nicht haben--gewi nur deshalb, weil sie von vorn herein wute, da der +kurfrstliche Rat--der Rat Dr. Brcks sei, dem die Sache zur +Begutachtung bergeben wrde und der dem Vorhaben Katharinas durchaus +entgegen war. Sie entwarf nun eine Eingabe an den Kurfrsten +dahingehend: Weil sie gedenke, das Gut Wachsdorf zu kaufen, so wolle +S.K.Gn. ihr dazu gndige Hilfe thun, und sie mit Vormndern bedenken, +damit ihre Kinder und sie zu ihrer Unterhaltung bedacht werden mchten, +dieweil kein Geld, Gesinde oder Vorrat vorhanden, denn das Gut wre +nicht angerichtet (eingerichtet). + +Diese Bittschrift gab Frau Katharina Melanchthon zur Begutachtung. +Dieser brachte sie nun am Dienstag, 9. Mrz, abends in die Sitzung mit, +welche er, Bugenhagen und Kreuziger mit Brck wegen des Regensburger +Religionsgesprches bei dem Kanzler hielten, und gab sie--Brck. Und der +Kanzler las sie nun "ffentlich" vor. + +Als Bugenhagen den Plan Katharinas wegen Wachsdorf vernahm, rief er: "Da +hrt man wohl, wer alleweg nach dem Gut Wachsdorf getrachtet. Vorher hat +man's auf den Doktor geworfen, der wolle es schlechterdings haben; aber +jetzt merkt man wohl, wessen Getrieb es gewest." + +Darnach fielen allerlei Reden zwischen den vier Mnnern und meinten +dieselben "fast insgemein": "Kriegte sie das Gut, so wrde sie ein +solches Bauen darauf anfangen, zu ihrem und der Kinder groem Schaden, +wie sie mit dem Gut Zulsdorf auch gethan, welches sie ber 1600(!) +Gulden zu stehen kam und wollt ihr nicht gern 600 Gulden gelten[596]. +Weiter wurde bedacht: Wenn sie drauen (in Wachsdorf) bauen und wohnen +wollte, so wrde sie die Shne zu sich hinaus vom Studium abziehen, da +sie junkern lernten und Vgel fangen[597]. Ferner berschwemme die Elbe +sofort und bedecke das Gut mehrern Teils mit Wasser; man knne keinen +Keller bauen, es sei berhaupt "ein wstes Gtlein". + +Aber Melanchthon, der das Ungehrige seines Schrittes wohl einsah, bat, +man solle nicht ber die Bittschrift verhandeln, sondern sie, wie sie +wre, an den Kurfrsten abgehen lassen; "die Frau liee sich doch nit +raten, sondern ihr Gutdnken und Meinung msse alleweg fr rcken". + +Brck sagte: "Will sie um Vormnder bitten, so wird sie ja mit derselben +Rate handeln und vorgehen mssen. Und ich dchte, da Kreuziger und M. +Melanchthon neben andern die besten Vormnder wren; denn sie wissen ja +um des Herrn sel. Gelegenheit; die Kinder mssen ihnen auch des Studiums +halber vor anderen folgen." + +Aber die beiden schlugen die Vormundschaft "alsbald glatt ab", aus +Ursachen, da "die Frau nicht folge und sie oft beschwerliche Reden von +ihr wrden einnehmen mssen". + +Ferner lie sich Melanchthon vernehmen, da sie der Kinder keins wolle +von sich thun, sondern dieselben sollten bei ihr in Wittenberg +unterhalten werden. Und wiewohl der ltere Sohn Hans nicht ungeneigt +gewesen wre, auf des Kurfrst gndiges Erbieten gen Hof und in die +kurf. Kanzlei zu ziehen, so htte sie ihn doch (ab)wendig gemacht. +Man[598] habe von andern auch dergleichen gehrt, da sie vorgbe: es +wre ein alberner Gesell, man wrde ihn in der Kanzlei nur ffen und zum +Narren machen. Zum Studium tauge er nach Melanchthons Meinung gar nicht, +denn er wre zu gro und es fehlten ihm die Grundlagen. Endlich war der +Kanzler der Meinung, man sollte die Behausung des Klosters, diese +weitlufige Wohnung, verkaufen oder verlassen. Aber Melanchthon +erklrte, da "ihr Gemt (Sinn) nicht wre", das zu thun, sondern sie +gedcht es zu behalten, ingleichen auch das Gut Zulsdorf, selbst wenn +Wachsdorf dazu kme. + +So war--nach Brcks Bericht--die Unterredung der vier Freunde und +Gevattern Luthers ber seine Witwe. + +Melanchthon hatte also gegen den Willen der Frau Doktorin ihr Anliegen +dem Kanzler vorgetragen, dessen Dreinreden sie gerade--und mit gutem +Grund--vermeiden wollte; und er hatte auch noch allerlei mndliche +Mitteilungen gemacht, welche nicht dazu dienen konnten, die Stimmung der +Freunde gegen die Doktorin zu verbessern. + +Ohne von dieser Behandlung ihrer vertraulichen Mitteilung etwas zu +wissen, lie nun Frau Katharina ihre Eingabe durch den Hausfreund +Ratzeberger, den kurfrstlichen Leibarzt, bei Hofe im Torgauer Schlo +einreichen. Es geschah am Mittwoch, und schon Donnerstag, 11. Mrz, +fordert der Kurfrst den Kanzler Brck in Wittenberg um ein Gutachten +ber die Bittschrift Katharinas auf, die er seinem Schreiben beilegte. + +Das Gutachten des Kanzlers ist nun ein eigentmlich gehssiges +Schreiben. Brck berichtet darin an den Kurfrsten zuerst die +vertrauliche Beratung der drei Theologen mit allen fr Katharina +ungnstigen Bemerkungen derselben, und zwar, wie es scheint, verschrft. +Htte das Melanchthon gewut, so htte er's wohl unterlassen, Brck "von +der Frauen wegen um sein Bedenken" zu bitten. Ferner erwhnt der Kanzler +in dem Schriftstck allerlei gehssiges und sogar verlogenes Geschwtz +"von andern". "Viel Leut wollen's dafr halten, es werde endlich +schwerlich unterbleiben, da sie sich wieder verndern wird"--so wagt +Brck drei Wochen nach ihres Gatten Tod von einer 47jhrigen Frau zu +schreiben! und dies, obwohl er sich bewut ist und ausdrcklich erklrt, +es sollte vermieden werden, da "man mit der Frauen disputiere, ob sie +sich verndern wird oder nit". Ferner berichtet er an den Kurfrsten: +"Man sagt mir, es hab ein jeder Knab einen eigenen Prceptor und +Famulum"--hinterher stellt sich aber heraus, da es blo ein einziger +ist, Rutfeld, und ein gelehrter und treuer Geselle. Ebenso wird es +Uebertreibung sein, wenn er als "ffentlich" hinstellt, was "des andern +Gesindes vorhanden ist"--wie sie nmlich "mit vielem Volk" (Gesinde) +berladen sei. Endlich giebt der Kanzler seiner Abneigung gegen die +Doctorin noch verschiedentlich klaren Ausdruck. Er nennt ihre Bitte +"stumpf und kurz"; er rechnet dem Kurfrsten _wiederholt_ vor, da er +600 fl. Gnadengeld zur Erbauung des Gutes Zulsdorf gegeben und noch dazu +fr 100 fl. Holz; er spricht die Verdchtigung aus, welche doch auch Dr. +Luther trfe: "Der arme lahme Wolf ist auch noch da; wollt sie ihn bei +sich behalten und er bei ihr bleiben, so htt sie die vierzig Gulden +auch mit einzubrocken, wie denn bisher geschehen, da der arme Mensch +derselben wenig genossen hat,--besorg ich", setzt er doch etwas +bedenklich hinzu. Das Gut Wachsdorf macht Brck so schlecht wie mglich +und meint, es "erobere" keine hundert Gulden Reinertrag, also nicht +einmal die Kapitalzinsen. Er verdchtigt die Doctorin weiter, "es sei +ihren Kindern nichts nutz" und es sei ihr nur darum zu thun, teil zu +haben an dem Gut. Und sein ganzes Bestreben geht dahin, nur den Kindern +und immer den Kindern alles zugut kommen zu lassen und die Witwe vom +Besitz und Genu auszuschlieen. Und weiterhin ist Brcks Rat und +Absicht, "ihr die stattliche--ein andermal heits: "groe und +verthunliche"--Haushaltung zu brechen". Endlich geht er mit aller Macht +darauf aus, der Mutter die Kinder zu entziehen. Whrend Luther in seinem +Testament zu seiner Gattin das gute Zutrauen hatte, "die Mutter werde +ihren eigenen Kindern der beste Vormund sein", erklrte Brck, wie es +scheint mit direkter Beziehung auf diese Meinung Luthers: "Nach +schsischem Recht kann sie nit Vormund sein, dieweil sie bei ihrem +Witwenstand selbst Vormnder bedrftig; so wr es auch sorglich, da +(wenn) sich die Frau anderweit wrde verehelichen." Am rgsten wohl +tritt er der Witwe zu nahe, wenn er ausfhrt, die Knaben wrden bei ihr +junkern und spazieren gehen und vom Studio abgezogen, sie mten daher +"zu gelehrten Leuten gethan werden, vor denen sie Furcht und Scheu +htten, bei welchen sie auch einen bequemen Tisch htten"--als ob die +Kinder bei ihr--der "Erzkchin"--sogar in ihrer leiblichen Pflege +versumt wrden! Die einzige gegrndete Veranlassung zu dem Mitrauen in +Katharinas Erziehungskunst konnten doch nur die geringen Fortschritte +geben, die der wenig begabte Erstgeborne im Studium bisher gemacht. + +Fast eher wie bses Gewissen sieht es aus, als wie Scheu vor Frau +Katharinas starkem Willen, wenn der Kanzler an den Kurfrsten schreibt: +"Nun wr ich in Unterthnigkeit willig gewest, mit der Frauen selbst +oder dem Philippo von den Sachen auf E. Kurf. Gn. Befehl zu reden; so +hat mich doch dies abgescheuet, da ich dazumal vom Philippo verstanden, +da ihr Gemt nit wre das Haus allhie zu verkaufen oder zu verlassen, +sondern gedcht es zu behalten, ingleichen Zulsdorf und Wachsdorf; darum +des Verkaufens des Hauses gegen ihr nit zu gedenken sein wollte." + +Sachlich macht der Kanzler dem Kurfrsten nun folgende Vorschlge: + +1. Damit die Domina nicht Ursache habe S.K.Gn. zu Unglimpf zu gedenken, +mge der Kurfrst zu den bisherig verschriebenen 1000 fl. noch 1000 +fl.--aber nur fr die Kinder--hinzuthun und beides zusammen mit 100 fl. +verzinsen, das auf das Mdchen (Margarete) fallende Viertel aber (500 +fl.) bis zu ihrer Verheiratung verpensionieren. + +2. Der Kurfrst solle der Mutter und den Kindern besondere Vormnder +geben. Diese beiderseitigen Vormnder sollten dann das Eigentum der +Witwe und das der Waisen reinlich scheiden. + +3. "Darnach mssen die Vormnder beiderseits davon reden, wie, wovon und +welcher Gestalt die Kinder sollen unterhalten werden. Da wird sich denn +das Gebei zwischen der Frau und den beiderseitigen Vormndern ergeben. +Denn der Kinder Vormnder werden sagen: es sei kein bessers, denn Hansen +den ltern Sohn thue man gen Hof in E.K.G. Kanzlei; so mchte es sich +mit der Zeit also schicken, da er zu etwas kme, so ihm sonst fehlen +mchte. Denn wenn ihm E.K.G. ein Stipendium verordnet und es wollt mit +dem Studium nicht fort, so wird es schimpflich, es ihm zu kndigen. +Ferner werden sie sagen, da mit den andern Knaben auch kein besser +wre, denn da man sie von einander tht und da sie nit bei der Mutter +wren." Dazu knne ihnen der Kurfrst noch ein weiteres Stipendium +geben. + +4. Das Tchterlein knne man bei der Mutter lassen, und von den 500 fl. +30 fl. Rente geben, und wenn es nicht reiche: 40 fl. Davon knnte es die +Mutter mit einem kleinen Meidlein, das ihm aufwartet, wohl erhalten und +es von dem Mansfeldischen Geld- oder Zinsanteil mit Kleidung versehen. + +5. Auf diesem Weg wrde der Frau ihre groe und verthunliche Haushaltung +gebrochen werden und dem vorgebeugt, da aus den Kindern "Junker und +Lappen" werden. + +6. "Wrde die Frau unsern Vormndern dann sagen: "Wovon solle sie denn +erhalten werden?", so knnten die Vormnder der Kinder erwidern: Sie +brauche mit ihrer Tochter nicht groe Haushaltung, nicht viel Gesinde, +htte die Wohnung umsonst, knne Kostgnger halten, die Anwesen zum Teil +vermieten, brauen, den Genu vom Garten, Hufen und Zulsdorf haben und +Anteil an den Mansfeldschen Kapitalzinsen. Auch knne der Kurfrst ihr +und der Tochter jhrlich 2 Wispel Korn geben und vielleicht etliche +Klafter Holz. + +7. "Wenn sie (die Domina) vermerkte, da E.K.G. den _Kindern_ bewilligen +wollte, Wachsdorf zu kaufen und dazu die 2000 fl. ausfolgen lassen, so +wird sie des Gutes bald vergessen und sich der Mhe und des Bauens nicht +wollen beladen, so sie nicht zum wenigsten die Hlfte daran +mitberechtigt wird." Es gebe auch jhrlich kaum 100 fl. Reinertrag, und +habe dazu auch die Last eines halben Lehnspferdes. Darber aber solle +der Hauptmann zu Wittenberg Asmus Spiegel befinden, ob das Gut mehr +eintrage als das Kapital. + +Der Kurfrst war rcksichtsvoller als sein Kanzler. Er schien dessen +Abneigung zu merken und ordnete in einem Schreiben an Brck und +Melanchthon an, da Vormnder fr die Witwe und fr die Waisen bestellt +wrden, und verschrieb den Kindern noch 1000 fl.; ber den Kauf von +Wachsdorf sollten die Vormnder befinden[599]. + +Zwar erbot sich Brck, "hinauf zu fahren (zur Doktorin) und die +Anzeigung mit zu thun; Philippus aber meinte, es wre ohne Not, er wollt +es von unser beider wegen wohl ausrichten." Also ging Melanchthon am +Freitag frh mit dem kurfrstlichen Schreiben zu der Doktorin[600]. + +Sie bedankte sich bei ihm und dem Kurfrsten fr die Begnadigungs-Zulage +zu gunsten ihrer Kinder und erklrte dann folgendes: + +1. Sie wnsche fr sich zu Vormndern den jeweiligen Stadthauptmann von +Wittenberg und ihren Bruder Hans von Bora; fr die Kinder des Doktors +sel. Bruder Jakob, den jetzigen Brgermeister Reuter von Wittenberg und +Melanchthon, Dr. G. Major lehnte sie ab; auch Kreuziger scheint sie +abgelehnt zu haben, welcher im vertrauten Briefwechsel mit Veit Dietrich +Kthe eine "Hausfackel" genannt hatte. Sie erklrte sich aber mit der +Vormundschaft des Kurfrstl. Leibarztes Dr. Ratzeberger einverstanden, +der "seines Weibes halber selber der Freundschaft (= Verwandtschaft) +war."[601] + +2. Sie war einverstanden, da die 1500 fl. vom Kurfrsten fr ihre +_Shne_ auf Wachsdorf angelegt wrden. Der Kanzler hatte ihr also auch +darin Unrecht gethan, da er meinte, die Domina wolle Wachsdorf nur oder +hauptschlich fr sich haben und bewirtschaften, statt fr ihre Shne. + +Der Kanzler schlug nun dem Kurfrsten vor, Melanchthon "nicht mit der +Vormundschaft zu beladen, denn er ist fromm und wenig (gutherzig und +schwach), dienet nit dazu, da man der Frau wird sollen Oppositum +(Opposition) halten." Man solle die beiden Theologen Melanchthon und +Kreuzinger nur zu Mitvormndern in Bezug auf die Erziehung der Kinder +machen, da die Shne zu "Gottesfurcht, Lehre, Zucht und Tugend mchten +gezogen werden".[602] + +So wurde es dann auch vom Kurfrsten angenommen und die Vormnder +bestellt, fr die Kinder auch Kreuziger in Stellvertretung fr +Ratzeberger, welcher nur bei den wichtigsten Verhandlungen abkommen +knnte[603]. + +Auch das Testament Luthers wurde, "nachdem Uns Unsre Liebe Besondere +Katharina, des Ehrwrdigen und Hochgelehrten Unsers Lieben Andchtigen +Ehr Martin Luthers, der hl. Schrift Doctors seligen nachgelassene Witwe +ihres Herrn Testament und Verordnung vortragen und bitten lassen"--zu +Judica vom Kurfrsten "gndiglich besttiget und konfirmiret, ob es +gleich an Zierlichkeiten und Solemnitten, so die Rechte erfordern, +mangelhaft wre."[604] + +Nun gab es noch lange mhsame Verhandlungen zwischen dem Kanzler und +Kurfrsten einerseits und zwischen den Vormndern und der Doctorin +anderseits wegen der Erwerbung des Gutes Wachsdorf und der Erziehung der +Kinder[605]. + +Der Kanzler riet energisch von dem Kauf des Gutes ab, aber noch +hartnckiger "arbeitete" Frau Katharina darauf, und erbot sich, ihren +Kindern zu gut sich mit dieser Sache zu "beladen"; denn sie verhoffte +daraus groe Nutznieung zu ziehen und versprach auch "keine +sonderlichen Gebude allda vorzunehmen". Darum haben die Vormnder "es +auch nit hrter bestreiten wollen und durch ihr Widerfechten das Ansehen +bei ihr haben, als wollten sie ihre Wohlfahrt hindern und des Herrn +(Luthers) Wohlthaten vergessen". "Also hat es die tugendsame Frau +Doctorin und die Vormnder neben ihr angenommen."[606] Das Gut kostete +aber 2200 fl. Weil das Mansfeldische Kapital erst in zwei Jahren flssig +wurde, so gaben die Vormnder dem Kurfrsten zu bedenken, "da um des +lblichen Herrn Doctors willen der Witfrauen auch etwas zu willfahren +ist, und da sie wahrlich zwischen Thr und Angel stecken." Darum gab +der Kurfrst die 2000 fl. her, darunter auch die 500 fl. der Margarete, +welche aber bis zu ihrer Verehelichung als Hypothek auf Wachsdorf +gestellt und mit 30 fl. verzinst werden muten. Von den fehlenden 200 +fl. gab Melanchthon und ein Freund die Hlfte, um die andere ging er den +wohlhabenden Amsdorf an. Am Pfingstmontag (14. Juni 1546) zahlte der +Kanzler Brck die 2000 fl. an die Vormnder Ratzeberger, Reuter und +Jacob Luther aus, und Frau Kthe, die so "fleiig angehalten, da +gemeldte Gabe in liegende Gter umgewandelt werde", erbot sich, "da sie +solche Gter den vier Kindern zu Gute treulich und fleiig warten +wollte". Zur Verwaltung des Gutes htte sie freilich gerne noch einen +Teil des Mansfeldschen Kapitals gehabt und begab sich dieserhalb zu dem +Grafen, und wie es scheint, mit teilweisem Erfolg[607]. + +In hnlicher Weise ging es auch mit der Erziehung der Kinder. Der +Kanzler drang zwar darauf, da Johann in die kurfrstl. Kanzlei kme und +die beiden andern, Paul und Martin, mit der Mutter Verwilligung weg zu +einem Magister in Wohnung, Kost und Unterricht, also zu fremden Leuten +gethan wrden. Und so billigte es auch der Kurfrst[608]. + +Damit mute auch die Witwe zufrieden sein und "ihr solches gefallen +lassen und sich mit den Vormndern darber vergleichen." So berichtete +wenigstens Brck an den Kurfrsten. Nun ordnete der Kurfrst auf den +Bericht des Kanzlers an, da die Vormnder den ltesten Sohn vor sich +forderten und an ihm vernhmen, ob er im Studio fortzufahren geneigt und +wenn er jetzo dermaen geschickt, da seines Studieren halber Hoffnungen +sei, so solle man es noch ein halb Jahr mit ihm versuchen; sollte er +aber dazu weder geschickt noch geneigt sein, so wolle der Kurfrst ihn +auf seine Kanzlei nehmen. Die zwei jungen Shne aber sollten "von der +Mutter zu einem tauglichen Magister oder Prceptor gethan werden, bei +denen sie wesentlich sein und ihre um ein gleich (billiges) Geld Kost +haben oder irgendwo mit ihm zu Tisch gehen, bei denen sie auch eine +Scheu und Furcht haben und also in der Lehr und Zucht zum besten +aufgezogen werden und darinnen verharren." Mit dieser Entfernung der +Kinder aus dem Hause sollte nun auch zugleich die Haushaltung der Witwe +aufgelst werden[609]. + +Da diese Zumutungen bei Katharina einen groen Kampf kosteten, lt +sich denken. Wenn sie auch wohl zuerst bei dem gemeinsamen Ansturm aller +Freunde und Gnner diesen Plnen nachgegeben hatte, jetzt, als sie zur +wirklichen Ausfhrung kommen sollten, wehrte sich die Mutter mit aller +Macht dagegen. Vier Wochen dauerte der Kampf und--Katharina blieb +siegreich[610]. + +Die Vormnder Kreuziger, Melanchthon und Reuter nahmen auf des +Kurfrsten Befehl zuerst den ltesten, Johann, vor. Sie stellten ihm +vor, da S.K.Gn. geneigt wre, ihn in seine Kanzlei zu nehmen. "Dieweil +er denn in einem solchen Alter wre, da er billig bedenken solle, was +er endlich vornehmen wolle: ob er bei dem Studio wollte bleiben oder +nicht, und die Vormnder ihn zur Kanzlei tchtiger erachteten, so +wollten sie ihm gern dazu raten; zudem da es an sich ein lblicher und +ntzlicher Stand sei, darin er zu Gottes Lob und zu gemeiner Wohlfahrt +dienen und seiner lieben Mutter, Schwester und Brdern trstlich sein +knne; er sollte daher dankbar das kurfrstliche Anerbieten annehmen und +diesen Stand nicht ausschlagen." + +Darauf folgte eine lange Hin- und Widerrede und eine schriftliche +Antwort von Hans des Inhalts: "Ehrwrdige, liebe Herren! Des Durchl. +Kurf. Befehl meine Person anlangend habe ich in Untertnigkeit und +dankend angehrt. Nun versteh ich wohl, da der Stand in der Kanzlei ein +sehr ehrlicher (ehrenvoller) Dienst ist, ich wei aber, da mein lieber +Vater vor dieser Zeit nicht hat willigen wollen, da ich auer der Schul +ziehen soll. So wollt ich gern lnger studieren. Ich will mich auch +durch Gottes Gnade in allem Gehorsam und Unterthnigkeit gegen Gott, S. +Kurf. Gn. und meiner lieben Mutter allezeit halten. Und bitte, S. Kurf. +Gn. wollen mir gndiglich zulassen, noch ein Jahr in artibus ("in den +freien Knsten") zu studiren, mich in lateinischer Schrift besser zu +ben. Und so ich alsdann zu einer Fakultt tchtig, wollt ich lieber +procediren (fortfahren) im Studio; so mich aber S.K.Gn. alsdann +gndiglich gebrauchen wollten, stelle ich dasselbe auch zu S.K.Gn. in +Unterthnigkeit. Johannes Lutherus." + +Weiterhin forderten die Vormnder den jetzigen Przeptor der zwei jungen +Knaben, Ambros Rutfeld, vor und erkundigten sich nach den Knaben. Des +einen, Martin, Schrift sahen sie an und befanden ihn wohl studiert; Paul +war etliche Wochen krank gewesen, erwies sich zur Musik geschickt, der +Grammatik aber nicht so fhig. + +Dann zeigten die Vormnder der Mutter Sr. Kurf. Gn. "gndiges Gemt an, +da sie zum Studio treulich und fleiig angehalten und mit Lehr und +Wohnung bei einem Magister in der Stadt bestellet wrden." + +Die Mutter gab folgende Antwort: "Sie zweifle nicht, S. Kurf. Gn. meine +dieses gndiglich, und sie danke unterthnig. Aber sie bitte zu +bedenken, weil der jngste oft schwach (krank) sei, da er an andern +Oertern nicht besser sein knne, denn bei der Mutter. Zudem so seien +allhie die Magistri also beladen (bersetzt) in ihren eigenen Wohnungen, +da die Kinder ohne Fhrlichkeit ihrer Gesundheit nicht wohl bei ihnen +zu bestellen seien. Auch mchten sie unter dem fremden ungleichen jungen +Volk eher in bse Gesellschaft geraten, denn bei ihr, dieweil sie doch +aus dem Haus ohne ihre Erlaubnis nicht gehen drften." + +Diese Grnde erkannten die Vormnder an; und weil nun die Shne nicht +von der Mutter kommen, sondern weiter bei ihr bleiben sollten, so +erheischte auch der Kinder und der Witwe Notdurft nicht mehr, da die +Haushaltung eingezogen und vergebliche Kosten abgeschnitten wurden. Die +Vormnder brachten darum auch den weiteren kurfrstlichen Auftrag gar +nicht zur Verhandlung, "da das unntige Gesinde hinweg gethan wurde und +von dem jhrlichen Einkommen die Witwe und Kinder ihre Haushaltung +bequemlich haben, auch darber nicht in Schulden gedeihen mchten." Die +Vormnder erklrten vielmehr dem Kurfrsten, die Knaben seien jetzund +mit einem gelehrten treuen Gesellen bestellet, sie wollten auch selber +ein Aufsehen auf Martini Studio haben, htten auch bereits das Ntige +angeordnet. Und sie trugen darum auch um so lieber auf den Ankauf des +Gutes Wachsdorf an. Demgem entschied nun der Kurfrst mit Ratzebergers +Zustimmung: er wolle es bei dem Entschlusse Hansens bewenden lassen; sei +auch einverstanden, da er und seine Brder nun bei der Mutter blieben, +versehe sich aber nun, da des Doktors sel. Shne alle drei unter dem +Hauslehrer und der Vormnder Aufsicht zu Zucht, Tugend und Lehre mit +Flei angehalten wrden, ihnen auch nicht viel versumliches Spazierens +verstattet werde. "Denn Wir wissen, da des Doktors Gemt mit hchster +Begierde dahin gerichtet gewest, da seine Shne studieren sollten." Von +einer Einschrnkung oder Auslsung der Haushaltung war nicht mehr die +Rede. + +So hatte Frau Katharina schlielich doch ihr "Gemt" durchgesetzt: das +alte, liebgewordene, durch so viele groe Erinnerungen geheiligte +Klosterhaus blieb ihr Besitz und ihr Wohnsitz, die Kinder durfte sie +alle um sich haben und Wachsdorf wurde den Shnen zu teil als ein +rittermiges Mannlehen; und damit hatte sie die Genugthuung, da ihre +Kinder wieder ein edelmnnisches Erbgut besaen, nachdem der adelige +Besitz ihrer eigenen Familie vllig zerstoben war. + +Die Familie blieb also im Klosterhause beisammen. Hans besuchte die +Kollegien und die beiden Knaben lernten bei ihrem Przeptor Rutfeld. Das +Tchterlein wurde von der Mutter erzogen. + +In der ersten Trauerzeit hatte die Frau Doktorin unmglich ihren groen +Haushalt und Kosttisch mit den vielen fremden Tischgenossen weiter +fhren knnen. So waren manche ausgezogen. M. Besold z.B. bat +Melanchthon, ihn aufzunehmen. Frau Katharina kam auch wohl wegen der +ungewissen Zukunft ihrer Lage nicht so bald dazu, den Kosttisch wieder +im alten Umfang anzufangen. + +Der lahme alte Wolf, der Famulus des Doctors, war auch noch da. Die +Vormnder muten hren, ob er noch lnger bei der Frau bleiben, auch ob +sie ihn behalten wollte oder nicht. Wahrscheinlich ist er, der so sehr +mit dem Klosterhause verwachsen war, doch geblieben, obwohl er einmal +auf eine frhere gleiche Anfrage Luthers, ob er bei seiner Frau bleiben +wolle, ausweichend geantwortet hatte, wenn Luther sterbe, mchte er am +liebsten auch selber gleich begraben werden, und Frau Katharina wird ihn +auch behalten haben; abgesehen von den 40 Gulden Pension, die sie, wie +Kanzler Bruck meinte, "mit einbrocken" konnte, war er doch zu sehr +eingeweiht in alle Verhltnisse des Hauses, und Frau Kthe behielt ihn, +wenn er auch nicht nur lahm, sondern nach Luthers Zeugnis auch +nachlssig, bequem und gedankenlos war und am liebsten am Vogelherd sa. + +Das brige Gesinde wird wohl beschrnkt worden sein, wie der Kanzler und +der Kurfrst verschiedentlich betont hatten. Denn auch die +Gastfreundschaft war in dem Klosterhause nicht mehr in dem alten Umfang +ntig: die Besuche, Feste, Tischgesellschaften der zahlreichen Freunde +und Bekannten, der flchtigen und Bittsteller, der Gesandtschaften und +Studierenden lieen nach oder hrten ganz auf. Aber freilich neue Mhe +und Arbeit erwuchs der Doktorin in dem neuen Landgut, zumal da jetzt die +Heu- und Fruchternte bevorstand. Doch solche Arbeit war der +thatkrftigen Domina eine Lust und Freude. Neben der Landwirtschaft +betrieb Frau Kthe jetzt ihre "Tischburse" weiter. Es starb ihr aber +leider gar bald am 30. Mai ein junger Tischgeselle Weidhofer aus +Oesterreich hinweg[611]. + +Die eben Witwe gewordene hatte auch selber zu sorgen fr eine andere +Waise, ihren Neffen Florian. Die Mutter desselben hatte sie angegangen, +dem jungen Studenten namentlich mit Bchern nachzuhelfen; sie meinte +wohl--irrigerweise--, das knnte aus der Bibliothek Luthers geschehen +oder durch Bcher von einem abgehenden oder verdorbenen andern +Tischgenossen, wie das ja vorkam. Frau Kthe schreibt da ihrer +Schwgerin: + +"Was Euern Sohn, meinen lieben Ohmen antrifft, will ich gerne thun, so +viel ich kann, wenn es allein sollt an ihm angelegt sein. Wie ich mich +denn gnzlich versehe, er werde dem Studieren mit allem Flei folgen und +seine kstliche, edle Jugend nicht unntzlich und vergeblich zubringen. +Wenn er aber in seinem Studieren ein wenig besser zunehmen und nun +andere und mehr Bcher bedarf, sonderlich so er die Rechte studieren +sollte, knnt Ihr, liebe Schwester, selbst gedenken, da ich ihm solche +Bcher, die er dazu bedarf, nicht werde geben knnen. Und (er) wird ein +wenig einen grern Nachdruck mssen haben, damit er sich das Ding +alles, was dazu gehrt, schicken kann. Wr' derhalben sehr vonnten, +da, wie Ihr mir schreibet, Euren Sohn, meinem lieben Ohmen, ein +jhrlich Geld zum Stipendio gegeben wrde. Also knnte er desto besser +beim Studieren bleiben und seinem Ding leichtlicher nachkommen.--Von dem +allem aber, das ich bei ihm thun kann, will ich Euch bei (durch) meinem +Bruder Hans von Bora, alsbald er hieher zu mir kommen wird, weiterm +Bericht und Bescheid geben."[612] + +Dies Stipendium erhielt auch Florian mit Hilfe Katharinas[613]. + +Zu Ostern kam also Bruder Hans von Krimmitschau, wo ihm vom Kurfrsten +die Karlhause als Rittergut um migen Kaufpreis berlassen worden war, +zu Besuch bei der verwitweten Schwester. Freilich helfen konnte Hans von +Bora auch nicht eigentlich, am wenigsten mit handgreiflicher +Untersttzung; denn er hatte selbst mit Sorgen der Nahrung und des +Lebens zu kmpfen. + +Dagegen wandten sich die Freunde der Lutherschen Familie, besonders +Bugenhagen, der Reformator des Nordens, wiederholt an den alten Gnner +D. Luthers, den Knig Christian III. von Dnemark. Nachdem zu Pfingsten +auf Jonas' allgemeines Schreiben noch keine Antwort eingetroffen war, +schrieb der Dr. Pommer am 5. Juni bestimmt und deutlich: "Der Herr +Philippus und ich bitten, E.M. wolle unsern Sold (100 Thlr.) und 50 +Thaler, die noch gehren in diesem Jahr unserm lieben Vater Doctori +Martino (welchen Christus herrlich hat aus diesem Jammerthal zu sich +genommen vor einem Vierteljahr) geben diesem Herrn Christophero, Ritter, +an uns zu bringen. Die fnfzig Thaler wollen wir Doctor Martini Weib und +Kindern verantworten."[614] + + +Bald darauf kam die knigliche Antwort auf D. Jonas' Brief: "Wir wollen +auch Uns des seligen und teuern Mann Gottes nachgelassene Witwe und +Kinder gndigst befohlen sein lassen." Aber der fllige Sold kam nicht, +so da Bugenhagen im Herbst (am 15. Nov.) nochmals eine deutliche +Mahnung an den Knig abgehen lie: "Ich habe Ew. Knigl. Majestt +fleiig geschrieben um Pfingsten bei Ehr Christoffer, Ritter aus +Schweden, von unserm Solde, welchen Ehr Christoffer wollt uns hieher +bringen, auch gebeten fr D. Martini nachgelassene Witwe da sie diesmal +noch die fnfzig Thaler mchte kriegen aus Gnaden E.K.M. Aber Ehr +Christoffer ist nicht wieder kommen, hat mir auch gar nicht +geschrieben."[615] + +So harrte Frau Katharina vergeblich auf diese Beisteuer und sie htte +sie doch so ntig gehabt. Denn mittlerweile war aufs neue groes Unheil +ber Wittenberg und das Klosterhaus hereingebrochen. + + + + +17. Kapitel. + +Krieg und Flucht. + + +Die Witwe konnte sich kaum in ihren neuen Stand einleben, da nahte schon +das Unglck, das Luther vorausgesehen und vorausgesagt: es kam der +Schmalkaldische Krieg und mit ihm Verwstung, Plnderung, Flucht, Elend +ber Frau Katharina. + +Die Ereignisse folgten sich rasch im Frhling und Sommer: die +Protestanten verwerfen das Tridentinische Konzil; der Regensburger +Konvent verluft ohne Ergebnis; der evangelische Erzbischof Hermann von +Kln kommt in Bann. Herzog Moriz verbndet sich mit dem Kaiser; das +protestantische Oberdeutschland greift zu den Waffen, dann auch +Kursachsen und Hessen; die beiden Frsten werden gechtet, der Krieg +erklrt und der Papst ordnet Gebete an fr Ausrottung der Ketzer. Schon +zehn Tage vorher am dritten Sonntag nach Pfingsten hrte Frau Katharina +in der Kirche zu Wittenberg das evangelische Kriegsgebet und flehte mit +besonderer Inbrunst um Hilfe in dem Gewaltkampf, der gegen ihres seligen +Mannes Werk entbrennen sollte: "Dieweil Du siehst die groe Not unserer +Herrschaft, unser aller: Mann, Weib und Kinder, und da unsre Feinde +frnehmlich suchen Vertilgung rechter Lehre und Aufrichtung und +Besttigung ihrer schndlichen Abgtterei: so bitten wir Dich, Du +wollest um Deiner Ehre willen unsre Herrschaft, unsere Kirchen, uns, +unsere Kinder und Huslein gndiglich schtzen und bewahren, wie Du Dein +Volk Israel im Roten Meer erhalten und geschtzet hast, und wollest der +Feinde Macht zerstren und die mrderische fremde Nation ihre Unzucht +und Grausamkeit nicht an unsern Weibern und Kindern ben lassen." Und +Melanchthon gab die "Warnung D. Martini Luther an seine lieben +Deutschen" in Kriegsgefahr aufs neue heraus[616]. + +Sorge und Schrecken verbreitete sich in Wittenberg als der Hauptfestung +Kursachsens und dem geistigen Hauptbollwerk des Protestantismus, und +ganz besonders im Schwarzen Kloster, von dem aus der Sturm gegen das +Papsttum begonnen war. + +Im Sommer kamen unter Hauptmann von Mila viele gute Kriegsknechte in die +Stadt, auch viel Proviant, Bchsen und Pulver. Die einen waren +ordentlich und fromm, andere lebten roh und praten. Die Brger zogen +mit den Kriegsknechten auf die Wache, ergriffen Spiee, Hellebarden und +Arkebusen und bezogen die Schanzen, Hans Lufft, der Drucker mit seinen +Gesellen, den groen Berg, wo die "Singerin", ein groes Geschtz, +aufgestellt war. Eine sptere Nachricht erzhlt, da auch Hans Luther +als Fhnrich in den "kaiserischen Elbkrieg" gezogen sei[617]. + +Alles war in Aufregung, namentlich als Herzog Moriz von Sachsen, dem +schon Luther Verrat an der evangelischen Sache zugetraut hatte, sich auf +die Seite des Kaisers schlug und in Kursachsen einfiel, von den Welschen +und "Hussern" des Knigs Ferdinand begleitet[618]. + +Die Universitt begann sich zu zerstreuen aus Furcht vor Belagerung. Der +Krieg nherte sich. Am 6. November wird Zwickau umzingelt, daher die +Hochschule aufgelst. Am 9. kommt die Kunde, Zwickau sei an Moriz +bergeben und das feindliche Kriegsvolk ziehe auf Wittenberg heran. +Jetzt flchtete alles, was konnte, aus der festen Stadt: Greise, Weiber, +Kinder, nach allen Richtungen in zahllosen Wagen, whrend der fallende +Winterschnee Menschen, Tiere und Gefhrte bedeckte. Nur Pfarrer und +Schulmeister blieben zurck von den Beamten[619]. + +Frau Kthe hatte schon vor vierzehn Tagen ihren Wagen einspannen und +auer ihren Kindern das Wertvollste und Notwendigste an Hab und Gut +aufladen lassen. Auch der Neffe Fabian Kaufmann und wohl noch andere +Verwandte und Tischgenossen waren bei dem traurigen Zug; der Famulus +Wolf aber blieb zur Hut des Hauses zurck. Die Flucht ging ber Dessau +und Zerbst nach dem festen Magdeburg, wohin sich die meisten Professoren +begaben; nur Melanchthon blieb mit seiner Familie in Zerbst, wo er einen +kleinen Schlerkreis sammelte, kam aber fters nach Magdeburg herber. +Fabian wurde spter nach Wittenberg zurckgeschickt, wo neben Kreuziger +und Bugenhagen auch Paul Eber verblieben war, der sich des jungen +Menschen annehmen konnte; wahrscheinlich sollte Fabian in der Stadt mit +Wolf Sieberger auf das Schwarze Kloster und den Lutherischen Besitz +achtgeben. + +Bald kam die betrbende Kunde von Wittenberg: "Man hat (am 16. November) +die Vorstdte samt allen Grten und Lusthusern weggebrannt, die Aecker +verwstet und ist den armen Leuten wohl eine Tonne Goldes Schaden +geschehen und ein groer Jammer." Dann kam Moriz mit seinen Meinern und +mit Knig Ferdinands "Hussern", und sie streiften bis an die Mauern der +Stadt und schrieen hinein. Herzog Moriz, des "Teufels Ritter und +Soldat", berannte die Stadt am 18. November. Da hie es nach dem Liede: + + Zu Wittenberg auf dem hohen Wall + Hrt man die Bchsen krachen. + +Der Sturm wurde abgeschlagen, aber die "Hussern" plnderten und +schndeten in der Umgegend[620]. + +Indessen diesmal ging die Belagerung Wittenbergs rasch vorber; denn +Moriz wurde um Weihnachten von dem aus Sddeutschland herbeigeeilten +Kurfrsten zurckgetrieben. Jedoch der Krieg in Sachsen dauerte fort und +an eine Heimkehr nach Wittenberg war nicht zu denken; nur Melanchthon +war einmal Mitte Januar 1547 dort[621]. + +Der Aufenthalt in Magdeburg war nichts weniger als behaglich, Unterkunft +war gar schwer zu finden; dem Stadtrat war die Masse der Schler +unbequem. Die Nachbarschaft, besonders die Halloren, waren gegen sie +aufgebracht und bedrohten sie. Daher suchten die Professoren andere +Stellungen, namentlich Major mit seiner zahlreichen Familie[622]. + +In dieser Zeit der Not kam eine Hlfe, die fast nicht mehr erwartet war. +Die 50 Thaler, um welche Bugenhagen den dnischen Knig fr Luthers +Witwe schon zu Pfingsten und dann nochmals nach der Flucht der Witwe +geschrieben hatte, waren bis jetzt nicht gekommen. Nun aber am 10. +Januar 1547 wurden die gewhrten 150 "Joachimer" durch Vermittelung des +Hamburgers Mller an Professor Veit Winsheimer, welcher bei dem ehrbaren +Herrn Emeran Tucher zu Magdeburg wohnte, geschickt, und Frau Katharina +empfing erfreut ihren Anteil[623]. Und nicht lange darauf kam wieder ein +Bote mit 50 Thalern und einem gndigen Schreiben an "Doktor Luthers +Witwe": + +"Unsern gndigsten Gru zuvor. + +Ehrbare und viel Tugendsame, Liebe, Besondre! + +Nachdem Wir berichtet, da Ihr in jetzigen gefhrlichen Zeiten neben +anderen aus Wittenberg nach Magdeburg gewichen, haben Wir nicht +unterlassen wollen an Euch zu schreiben, Euch Unsern gndigsten Willen +und Neigung zu vermelden. Und als Ihr dermaen Eure Haushaltung und Euch +an fremden Orten unterhalten mt, worber wir ein besonders Mitleid +haben, schicken Wir Euch bei gegenwrtigem Boten, dem alten Schlesier, +zu Eurer Haushaltung fnfzig Thaler; die wollet zu Gefallen annehmen und +Unsere gndigste Neigung daraus vermerken. Wir wollen auch jederzeit +Euer gndiger Herr sein und Uns gegen Euch zu erzeigen wissen. Wollten +Euch solches gndigst nicht vorenthalten und sind Euch mit Gnaden und +allem Guten geneigt."[624] + +Frau Katharina schrieb dafr ihren Dankesbrief: + +"Gnad und Friede von Gott dem Vater durch seinen eingeborenen Sohn +Christum Jesum. + +Durchlauchtigster, gromchtigster Knig, gndigster Herr! + +E.K.M. sei mein andchtig Gebet gegen Gott dem Herrn vor (fr) E.K.M. +und aller der Ihren Wohlfahrt und glckselig Regiment allzeit mit hohem +Flei zuvoran bereitet. Gndigster Herr! Nachdem ich in diesem Jahre +viel groe und schwere Bekmmernis und Herzeleids gehabt, als da +erstlich mein und meiner Kinder Elend mit Absterben (jedoch seliger und +frhlicher Heimfahrt zu unserm Heiland Christo Jesu) meines lieben +Herrn, welches Jahrzeit jetzt den 18. Februarii sich nahet, angangen; +darnach auch diese fhrliche Kriege und die Verwstung dieser Lnder +unsers lieben Vaterlandes gefolget und noch kein Ende dieses Jammers und +Elends zu sehen: ist mir in solchem Bekmmernis ein groer und hoher +Trost gewesen, da E.K.M. beides, mit gndigster Schrift und +Uebersendung der funfzig Thaler zu bequemer Unterhaltung meiner und +meiner Kinder, auch ferner E.K.M. gndigster Erbietung, Ihre gndigste +Neigung gegen mir armen verlassenen Witfrau und meiner armen Waisen +vermeldet; welches auch vieler andern zuvor gndigst erzeigten Wohltaten +halber gegen E.K.M. ich mich unterthnigst bedanke; verhoffend, Gott der +Herr, welcher sich einen Vater der Witwen und Waisen nennet, wie ich +denn tglich zu ihm bitte, werde solches E.K.M. reichlich belohnen; in +welches gndigen Schutz und Schirm E.K.M. und Ihr Gemahl, meine +gndigste Frau Knigin, und die ganze junge Herrschaft samt Ihren Landen +und Leuten hiemit und allezeit fleiig thue befehlen. + +Geben zu Magdeburg, den 9. Februarii A.D. XLVII. + + E.K.M. + + gehorsame + Katharina Lutherin, + seliger Gedchtnis Doctoris + Martini Luthers + verlassne Witfrau."[625] + +Die so Beglckte dachte aber auch an andere Hilfsbedrftige, an den +Amtsgenossen ihres Gatten, D.G. Major, der mit seiner groen +Kinderschaar in dieser schlimmen Zeit sich vergeblich nach einer +Stellung umsah. Frau Katharina legte in diese Danksagung als Beilage +noch eine Frbitte ein: + +"Gndigster Herr! Nachdem ich erfahren, was vor gndigste und +christliche Neigung E.K.M. gegen den (die) Theologen der Universitt zu +Wittenberg tragen und mein lieber Herr seliger Gedchtnis Doctor Georgen +Major stets nun ber zwanzig Jahre als seinen Sohn gehalten und lieb +gehabt, welcher zu dieser Zeit allhie bei mir im Elend samt zehen +lebendigen Kindern: will E.K.M. gedachten Doctor ich mich unterthnigst +befohlen haben bittend, E.K.M. wollen ob solchem kein ungndigst +Gefallen haben. Denn Theologi je mit Weib und Kindern sonderlichen zu +diesen jmmerlichen Zeiten, betteln mssen, wie ich schier selbst +erfahren, da sie nicht von Frsten und Herren ihre Errettung und +Unterhaltung haben werden." + +Zu Ostern erhielt nun auch D. Major "auf der tugendsamen Frauen +Katharina, des seligen und lblichen Gedchtnis Doctoris Martini Luthers +verlassenen Witfrauen Vorschrift und Vorbitte 50 Thaler bei dem +Schlesiger gndiglich berschickt"[626]. + +Da es mit der Einnahme Wittenbergs durch Moriz nichts geworden, so war +mittlerweile die tapfere Frau Katharina wieder nach Wittenberg +zurckgekehrt, aber ihres Bleibens war nicht lange dort. Denn der Kaiser +Karl und sein Bruder Ferdinand kamen aus Sddeutschland und Bhmen mit +ihren Spaniern und Italienern, Bhmen und Ungarn ihrem Verbndeten Moriz +zu Hilfe und es stand eine neue Belagerung Wittenbergs bevor, die +diesmal ernstlich und gefhrlich werden sollte. Und jetzt mute Frau +Katharina erst recht flchten, denn berall hin verbreitete sich die +Kunde von den unerhrten Greuelthaten und Grausamkeiten der fremden +Vlker, sogar gegen unschuldige Kinder: "sie raubten, mordeten, +plnderten, schndeten Frauen und Jungfrauen und warfen Kinder auf der +Gasse ber die Zune". Namentlich aber wteten Spanier und Italiener +gegen die evangelischen Geistlichen und ihre Familien. Dem Pfarrer in +Altenburg entfhrten sie zwei Tchter, den von Kemberg bei Wittenberg +ermordeten sie[627]. Da hie es: "Die ungarischen Ruber, gemeiniglich +Hussirer genannt, sind ein ruberisch und unbarmherzig Volk; bei Eger +hieben sie den Kindern die Hnde und Fe ab und steckten sie als +Federbsche auf die Hte". So erzhlte man, und Melanchthon schrieb: +"Ihr Fhrer Lodran (Lateranus) sagte, er werde nach Eroberung unserer +Stadt Luthers Leib ausgraben und den Hunden vorwerfen lassen; und redete +namentlich davon, mich in Stcke zu hauen." Oder gar: "Man werde Luthers +Gebeine ausgraben und verbrennen, die Sttte, wo er geruht, zerstren +und die Stadt schleifen, Melanchthon erwrgen und D. Pommer zerhacken, +da man sich mit den Stcken werfen mchte." Deshalb setzte Melanchthon, +welcher zu Anfang 1547 wieder in Wittenberg weilte, fr die dortigen +Pfarrfrauen eine Bittschrift an den Kaiser auf[628]. + +Frau Katharina hielt in Wittenberg aus, so lange als mglich. Da aber +kam am Ostertag morgens in aller Frhe die schreckliche Kunde, da am +Karsamstag 24. April der Kurfrst Johann Friedrich von der kaiserlichen +Uebermacht auf der Lochauer Heide geschlagen und gefangen worden sei und +das feindliche Heer sich gegen Wittenberg heranwlze. Hals ber Kopf +mute nun Luthers Witwe aufs neue ins Elend" ziehen[629]. + +So kam sie pltzlich wieder nach Magdeburg und bat die Freunde, +besonders Melanchthon als Vormund ihrer Kinder unter Thrnen, ihnen ein +Nest zu suchen. Am liebsten wre sie nach Dnemark gegangen, zu dem +einzigen Frsten, der sich ihrer anzunehmen versprochen hatte, nachdem +von dem unglcklichen Kurfrsten nichts mehr zu erwarten stand. Sie bat +zunchst, sie nach Braunschweig fhren zu lassen. Die Theologen +schienen, als sie die Trmmer des geschlagenen kurschsischen Heeres +durch Magdeburg ziehen sahen, sich auch nicht mehr in Magdeburg sicher +zu fhlen, und Melanchthon und Major mit ihren Familien zogen samt der +Lutherischen ber Helmstdt nach Braunschweig. In Helmstdt wurden sie +vom Stadtrat freigebig bewirtet. In Braunschweig brachte Melanchthon die +beiden anderen Familien bei dem evangelischen Abt unter, whrend er fr +sich selbst recht lange sich nach einer kleinen Wohnung umthun mute. Er +wurde als begehrter Professor von den verschiedensten Frsten +eingeladen; aber um Luthers Witwe kmmerte sich niemand: sie konnte in +dieser Zeit der katholischen Reaktion hchstens eine Verlegenheit sein. +Deshalb drngte sie darauf, nach Dnemark zu kommen. Aber als die +Flchtlinge kaum einige Meilen von Braunschweig nrdlich nach Gifhorn +gekommen waren, zeigten sich alle Wege im Herzogtum Lneburg voll +Soldaten und Herzog Franz machte Schwierigkeiten; so kehrte man wieder +nach Braunschweig zurck. Dort blieb nun Katharina mit ihren Kindern, +whrend Melanchthon zu Himmelfahrt nach Nordhausen zog, wohin ihn sein +Freund, der Brgermeister Meienburg, eingeladen halte; und Major folgte, +willens sich nach seiner Vaterstadt Nrnberg zu begeben[630]. + +Am 23. Mai, Montag vor Pfingsten, wurde Wittenberg vom kaiserlichen Heer +besetzt; am Mittwoch ritt der Kaiser und der Knig Ferdinand in die +Stadt ein vor die Schlokirche und lie sich vom Studiosus Johann Burges +aus Quedlinburg "die Begrbnis" Luthers zeigen, die zu entweihen er aber +nicht zulie, so feind die Spanier sonst D. Luthern waren[631]. Am 6. +Juni mute Wittenberg dem neuen Kurfrsten Moriz huldigen, der den +Kurhut und das Kurland als Preis fr seinen Verrat an der evangelischen +Sache erhalten hatte. Zwei Tage darauf lud der Rektor die Universitt +zur Rckkehr nach Wittenberg ein. Auch Kthe wurde Ende Juni von D. +Pommer und Brgermeister Reuter zur Rckkehr aufgefordert: es sei alles +sicher und Haus und Hof unverheert. So kehrte sie, wenn auch erst Ende +Juli, aus Braunschweig heim ins liebe Wittenberg[632]. + + + + +18. Kapitel. + +Der Witwenstand. + + +Es war eine traurige Heimkehr, als Frau Katharina mit ihren Kindern und +dem Rest der geretteten Habe auf ihrem Fuhrwerk durch das Coswiger Thor, +die Schlostrae und die Kollegiengasse herauf fuhr und vor dem +Klosterhause hielt. Leichter waren Koffer und Kasten geworden--es waren +vergoldete und silberne Kredenzbecher im Werte von 600 fl. versetzt +worden--und das Herz voll schwerer Sorge. Und doch war's ein Gefhl der +Ruhe und Sicherheit, wieder daheim zu sein nach der langen Flucht +drauen im "Elend". Und tapfer griff Frau Kthe es an, das Leben neu zu +gestalten. + +Das Haus war noch im alten Stande und vom Hausrat nichts versehrt. Die +Stadt hatte zwar eine Belagerung und einen Sturm durch Moriz +ausgehalten, aber friedlich war sie nach der Mhlberger Schlacht an den +neuen Regenten bergeben worden und keine Spanier hatten darin hausen +drfen; nur deutsche Vlker waren zugelassen. Das Klosterhaus war +whrend der Flucht in der Hut des alten treuen Wolf gestanden. Der aber +war nicht mehr, als die Doctorin mit den Kindern heimkehrte: einige +Wochen zuvor, am 14. Juni, war er dahin gegangen, als man seiner nicht +mehr zu bedrfen schien[633]. + +Wenn aber auch Haus und Hof unangetastet dastand, um so schlimmer stand +es mit den Gtern drauen. Die Vorstdte waren bei Beginn der ersten +Belagerung niedergebrannt worden und so waren auch die Gebulichkeiten +in den Grten ein Opfer der Flammen geworden. Dann hatten die "Hussern" +die Nachbarschaft von Wittenberg geplndert. Auch sonst, bei Grimma, +unweit Nimbschen und Zulsdorf, hatte (schon 1546) der Nachtrab bel +gehaust: Hhner, Gnse und Schafe geraubt, auch ungedroschenes Getreide +zur Streu fr die Pferde verwendet. Noch schlimmer hatten im folgenden +Jahr die Spanier mit Morden und Brennen, Plndern und Verjagen +geschaltet; wo nichts zu plndern war, verbrannten sie drauen im Lande +alles Gewchs bis auf die Stoppeln[634]. + +So hatte Luthers Witwe groen Schaden erlitten im Krieg. Wenn Jonas den +seinigen bei den zwei Fluchten auf 400 fl. schtzt, so mu derjenige +Katharinas bei ihrem ausgedehnten Grundbesitz weit mehr betragen haben. +Ihre Grten und Gter: das Baumstck mit seinen Gebulichkeiten, das Gut +Wachsdorf und das Vorwerk Zulsdorf waren verwstet, so da sie auf Jahre +hinaus sie "schwer zu versorgen" wute, wie Bugenhagen in Briefen an den +dnischen Knig klagt[635]. + +Und wenn man die vielgeplagte Witwe nur in Frieden gelassen htte, da +sie ruhig sich ihrer verwsteten Gter htte annehmen knnen. Aber da +wurde sie noch von bsen Nachbarn geplagt und von harten Beamten. Ein +znkischer Mensch fing Streit mit ihr an wegen eines Servituts +(vielleicht der Nachbar von Zulsdorf auf Kieritzsch). Melanchthon war zu +einem Vergleich bereit, aber der Mann forderte eine malose Summe und +auch Bruder Hans riet vom Vergleich ab. So kam es zum Proze, wobei Dr. +Stromberg in Leipzig und auch Camerarius, die Freunde Melanchthons, sich +der armen Frau annahmen (1548). Dieser Proze dauerte aber jahrelang und +noch 1550 mute Frau Katharina mit Melanchthon vor dem Stadthauptmann in +Leipzig zur Tagfahrt erscheinen[636]. + +Da galt es nicht verzagen, sondern mit neuem Mut das Werk angreifen, um +sich und ihre Kinder in Ehren durchzubringen. Der Kosttisch wurde wieder +eingerichtet, wenn es auch schwer hielt, in diesen wirren Zeiten, wo die +Universitt zersprengt war und nur mit Mhe sich wieder sammelte, zumal +das neue Kursachsen jetzt zwei Hochschulen hatte: Leipzig und +Wittenberg, und die Shne des gefangenen Kurfrsten sich bestrebten, in +Jena eine eigene zu errichten und dahin die echten Lutheraner unter den +Professoren und Studenten von Wittenberg zu ziehen; erst im August wurde +das Wittenberger Kollegienhaus vom Schmutz der Einquartierung gereinigt +und neu getncht[637]. Ferner konnte von groem Verdienst keine Rede +sein, wenn bei dem Rektor Crodel in Torgau zwei Schler in der Woche fr +Wohnung und Kost, dazu mittags und abends zwei Kannen Bier, nur 14 +Groschen zahlten, und Matthesius in Wittenberg, ehe er zu Frau Luther +kam, bei Wolf Jan von Rochlitz "einen sehr guten trocknen Tisch um 5 +Silbergroschen" hatte "neben alten gelehrten, ehrlichen (ehrbaren), +guten Tafelbrdern". Als solcher Tischgenosse wird genannt: Johann +Stromer, der fnf Jahre bei der Witwe wohnte und a. Vielleicht war +damals unter den Tischgenossen Kthes auch der Preue Georg von Kunheim, +der am 15. August 1550 in Wittenberg Student wurde und so mit der +Lutherischen Familie bekannt und spter verwandt wurde[638]. + +Auer den Stuben wurden auch noch die Sle zu Vorlesungen an Docenten +vermietet, und so las im Sommer 1551 in Luthers Aula, wo der groe +Doktor sonst ber biblische Bcher vorgetragen hatte, Bartholomus Lasan +ber Herodot[639]. + +Trotz alledem mute Frau Katharina auer der Verpfndung der Becher noch +auf ihr Gtlein Zulsdorf ein Anlehen von 400 fl. aufnehmen bei Dr. Franz +Kram und auerdem mute sie sich entschlieen, selbst an den Knig von +Dnemark zu schreiben, als den "einzigen Knig auf Erden, zu dem wir +armen Christen Zuflucht haben mgen und von dem allein erwartet werden +konnte, da den armen christlichen Prdikanten und ihren armen Witwen +und Waisen Wohlthaten erzeiget wrden." Zu diesem Brief war sie +gezwungen, nachdem die Schreiben der Freunde Bugenhagen und Melanchthon +ohne Erfolg gewesen. So bittet nun am 6. Oktober 1550 "D.M. Luthers +nachgelassene Witfrau, nachdem sie und ihre Kinder jetzund weniger Hilfe +haben und die Unruhe dieser Zeit viele Beschwerungen bringet", S.K.M. +wolle ihr solche Hilfe gndiglich auch hinfro verordnen. Sie will +treulich und ernstlich bitten, Gott mge Sr.K.M. Wohlthaten, die er den +armen evangelischen Pfarrherren und ihren Familien erzeigt, vergelten +und dafr besondere Gaben und Segen verleihen. "Der allmchtige Gott +wolle E.K.M. und E.K.M. Knigin und junge Herrschaft gndiglich +bewahren." + +Auch dies eigene Schreiben der Witwe war, scheint es, ohne Erfolg, +trotzdem sie den Knig an ihres "lieben Herrn groe Last und Arbeit" +mahnen konnte, die S.K. Maj. ohne Zweifel nicht vergessen habe[640]. + +Die Zeitlufe waren sehr traurig. Kreuziger starb 1548, und seine Frau +wollte fast vergehen; auch Veit Dietrich in Nrnberg schied bald darauf. +Andere Freunde waren verzogen oder auch gestorben. Dazu kam die Not der +Kirche, welche der Witwe Luthers nahe genug ging: "das Interim" mit dem +"Schalk hinter ihm" erregte die Evangelischen aufs rgste. Der neue +Landesherr Moriz, bei dessen Anblick sogar die Spanier und Italiener +"Schelm! Schelm!" riefen und den die Protestanten als "Judas" +bezeichneten, hatte kein warmes Herz, weder fr die protestantische +Sache, noch fr die hauptschlichsten Vertreter derselben, die +Universitt zu Wittenberg und deren Angehrige. Da gab es trbe Tage in +der alten Elbstadt[641]. + +Die vier Kinder Katharinas waren bei ihr; und wohl auch einige junge +Verwandte. Den Neffen Luthers, Fabian Kaufmann, jetzt mit dem +lateinischen Gelehrtennamen Mercator, empfahl Jonas 1548 zu einer +Hofstelle an die Frsten von Anhalt[642]. + +Johannes studierte in Wittenberg weiter als Rechtsbeflissener. +Mglicherweise hat er, ehe nach den Unruhen des Krieges die Mue und +Gelegenheit zum Studium wieder eintrat, "auf den vterlichen Gtern ein +lndliches Leben gefhrt", d.h. der Mutter bei der Landwirtschaft +beigestanden, wie einmal berichtet wird[643]. Nach Ostern 1549 kam nun +Melanchthons Schwiegersohn Sabinus, Rektor der Knigsberger Hochschule, +nach Wittenberg. Dieser erzhlte viel von des Preuenherzogs Wohlwollen +gegen Luthers Familie. Da riet Melanchthon, den jungen Mann nach +Knigsberg zu schicken, damit er dort durch die Gunst des Knigs seine +Studien vollende. So schrieb nun Frau Kthe an Herzog Albrecht einen +Brief. + +"Gnade und Frieden in Christo samt meinem armen Gebet zu Gott fr +E.F.Gn. zuvoran. + +Durchlauchtigster und hochgeborner Frst und Herr! + +Da sich E.F.Gn. gegen meinen lieben Herrn gottseligen, Doctorem Martinum +mit sonderlichen Gnaden allezeit erzeigt, so hab ich in keinen Zweifel +gestellt, E.F.Gn. wrden auch mir aus sonderlichen Gnaden, so unser +lieber Gott E.F.Gn. zu seinem gttlichen Wort, das zu lieben, zu +schtzen und zu handhaben verliehen, auch um meines lieben Herrn seliger +willen als eines wahren Propheten dieser letzten gefhrlichen und +unruhigen Zeiten mich und meine lieben Kinder als nachgelassene Witwe +und Waisen in gndigen Schutz nehmen und Ihnen befohlen sein lassen. + +Als ohne Not, E.F.Gn. zu erinnern, in wie schwere Not meiner Haushaltung +ich nach jetzt ergangener Kriegsfhrung gediehen, auch wie kmmerlich +ich bisher von meinen armen verwsteten und verheerten Gtern mich samt +meinen Kindern ernhren und erhalten mssen--hab ich aus Rat des Herrn +Philippi und Anzeigen des Herrn Dr. Sabini, wie geneigt E.F.Gn. meinen +Kindern sei, meinen ltesten Sohn Hans an E.F.Gn. abgefertigt, und +nachdem dann E.F.Gn. ihn noch eine Zeitlang bei den Studien zu erhalten +sich gndigst erboten, will gegen E.F.Gn. ich mich derselbigen gndigen +Frderung und Mitsorge fr meine nachgelassenen armen Kinder aufs +demtigste bedankt haben. + +Dieweil aber dies meines Sohnes erstes Abreise ist, und ich auch +derhalben ihn zumeist abgefertigt, (damit er) neben seinen Studien gegen +die Leute lerne wissen sich zu (ver)halten, so ist an E.F.Gn. dies meine +demtige Bitte, dieselben wollten diesen meinen Sohn um meines lieben +Herrn gottseliger willen in Gnade und Schutz aufnehmen und da er sich +sonst in der erste in allem gegen E.F.Gn. nicht zu erzeigen wte, +solches noch seiner Unwissenheit und ersten Ausfahrt gndiglich zu gute +halten und Geduld mit ihm tragen. Als zweifel ich nicht, er wird sich +gegen E.F.Gn. zu unterthnigem und seinen Prceptoribus zu schuldigem +Gehorsam wohl zu verhalten wissen, seinen Studiis und demjenigen, so ihm +oblieget, fleiig nachgehen und gegen E.F.Gn. ehrbar und denkbarlich in +aller Untertnigkeit sich zu erzeigen wissen. + +Dies dann E.F.Gn. gndige Befrderung unser lieber Gott auch reichlich +wiederum belohnen wird und bin fr E.F.Gn. gegen Gott um langwhrende +Regierung und Wohlfahrt frzubitten allezeit demtiglich beflissen. + +Datum Wittenberg, den 29. Mai anno 49. + +E.F.G. + + demtige und unterthenige + Catharina, D. Martin Luthers + seligers nachgelassene Witwe." + +Melanchthon schrieb einen Empfehlungsbrief an den Herzog fr den jungen +Mann, worin er ihn lobt als "tugendhaft im Wesen, unbescholten, +bescheiden, aufrichtig, rein, von guter Anlage und Beredsamkeit; sein +Krper sei gewandt und leistungsfhig und wenn er sich am Hofe be, so +knne sein Eifer dem Staat zu groem Nutzen gedeihen." Auch Jonas +empfahl in einem Schreiben dem Herzog seinen "lieben Freund, den Sohn +des gttlichen Propheten, empfehlenswert schon durch seinen Vater" und +entbot "Sr. Hoheit das Gebet der hochverehrten Frau und Witwe des hochw. +D. Luther". Zu mehreren Empfehlung legte Jonas eine Erzhlung von dem +Krieg bei und ein handschriftliches Schreiben Luthers, "des Propheten +Deutschlands", worin er diesen Krieg prophezeit habe[644]. + +So reiste denn Johannes Ende Mai mit Dr. Sabinus ab, der auch sein von +Melanchthon erzogenes Tchterlein zu des Grovaters tiefem Schmerz +mitnahm. Auch Jonas' Sohn, Dr. Christoph und Johann Camerar, der Sohn +von Melanchthons Busenfreund, sind wahrscheinlich mit Hans Luther nach +Knigsberg gezogen[645]. + +Es kam nun auch ein Brief von Hans an Melanchthon, worin er einen Teil +der Reise beschrieb. Den andern Teil scheint er schuldig geblieben zu +sein. Auch mu ihm Melanchthon schreiben, Mutter, Schwester und Brder +warteten mit Sehnsucht auf einen Brief, worin er von all seinen Sachen +berichten mchte; zur Leipziger Weihnachtsmesse gebe es schon genug +Gelegenheit zur Briefbefrderung[646]. + +Lange hrte man nichts mehr von Hans Luther. Daheim aber dauerten die +bsen Zeiten fort; denn die Unruhen und Aufregungen wegen des Interims, +das der Kaiser den Lutheranern aufgezwungen hatte, lieen nicht nach; +die Erbitterungen zwischen dem ehemaligen und jetzigen kurfrstlichen +Hause waren eher im Wachsen, zumal der gefangene Kurfrst noch immer +nicht freigegeben, sondern vom Kaiser in unwrdiger Weise +umhergeschleppt wurde. Die Belagerung Magdeburgs, das wegen Nichtannahme +des Interims gechtet und durch Moriz angegriffen war, brachte allerlei +landschdigende Truppenbewegungen, und die Universitt konnte also nicht +so leicht zur Mue und Blte kommen. Auch die Anfechtungen durch "die +bsen Nachbarn" dauerten bei Katharina fort. Die Einknfte in diesen +unruhigen Zeiten wollten nur schwer reichen fr den Haushalt und die +Erziehung der Kinder; Frau Katharina "litt an Armut", so da die 15 +Rosenobel (50 Thaler) Gnadengehalt von dem dnischen Knig Christian +III., um welche die Freunde regelmig einkamen und Katharina selbst +schrieb, fr "die arme Frau, unseres lieben Vaters Doctoris Martini +Witwe mit ihren Kindern" eine gar erwnschte "gndige Hilfe" waren. Die +"Begnadigungen", welche sonst die Lutherische Familie von ihren +Landesherren gewohnt war, blieben aus, da der alte Kurfrst gefangen sa +und der neue bei seinen groen Plnen und steten Kriegen nichts brig +hatte fr sie. Daher konnte Frau Katharina klagen, "da wenig Leut sind, +die fr die groen Wohlthaten meines lieben Herrn seinen armen Waisen +Hilfe zu thun gedchten"[647]. + +Die vielerlei Schicksalsschlge trafen die arme Witwe so schwer, da +sie, die stets gesunde, jetzt krnklich wurde und ber "Schwachheit" zu +klagen hatte. + +In dieser schweren Zeit, "da es ihr Vermgen nicht war, ihren und ihres +lieben Herrn Kindern nach Notdurft zu helfen", war es fr Frau Katharina +ein Trost, da der preuische Herzog "nun selber Vater sein" solle. In +dieser Zuversicht wandte sie sich zu Georgi (23. April) 1551 an S.F.Gn. +unter Verdankung fr die gndige Aufnahme und Unterhaltung ihres Sohnes +mit der Bitte, ihm ferner zur Vollendung seines angefangenen Studii in +Frankreich oder Italien Unterhaltung zu verordnen, damit er dem Herzog +ntzlicher dienen knne. Zuvor aber mge der Herzog ihren Sohn eine +kurze Zeit zu ihr kommen lassen, damit sie in ihrer Schwachheit etliche +ntzliche Sachen mit ihm reden knne, daran ihm und seinen Brdern und +seiner Schwester merklich gelegen; dann mge er wieder nach Knigsberg +oder nach Italien und Frankreich gehen, wie S.F.Gn. bestimmen wrde. +Wahrscheinlich hatte Hans der Mutter diesen Plan an die Hand gegeben. + +Welchen Schmerz aber mute die Mutter ber ihren Lieblingssohn erleben, +als darauf vom Herzog Albrecht folgende Antwort eintraf: + +"Wir befinden, da Unser gndiger Wille bei ihm nicht dermaen, wie Wir +wohl gehofft, angewendet. Denn wie Wir berichtet (sind), soll er seiner +Studien zur Gebhr nit abwarten. So wissen Wir auch gewi, da er sich +etlicher guter Hndel, deren er wohl mig gehen konnte, teilhaftig +macht. Derwegen zu bedenken, da Uns wahrlich etwas beschwerlich (fllt, +da) Unsere gndige Gewogenheit so wenig bei ihm bedacht wird." Daher +schlage es der Herzog ab, Hans reisen zu lassen; wolle er aber in +Knigsberg vor gut annehmen, so sei der Herzog geneigt, um seines Vaters +willen ihn mit Unterhalt zu versorgen[648]. + +Das war ein Schlag fr Katharinas Mutterherz! Also weder fleiig noch +ordentlich war ihr Liebling und beides wre er doch nicht nur dem +Herzog, sondern auch seinem Vater und seiner Mutter schuldig gewesen. +Und wenn sie sich auch sagen mochte, der Herzog sei strenge gegen seine +Schtzlinge: wie einst gegen ihren Bruder Clemens, so jetzt gegen ihren +Sohn Hans und wenn sie auch wohl mit ebenso viel Recht geltend machen +konnte, der junge, sonst gut geartete und willige Mensch sei durch bse +Gesellschaften verfhrt worden, so blieb doch die Thatsache stehen, da +sie dem Sohn zu viel und zu Gutes zugetraut, und da die Vormnder doch +recht gehabt mit der Behauptung, Hans habe nicht das Zeug zum +Studium--war er doch auch jetzt schon 25 Jahre alt! Daran konnte auch +das gute Zeugnis nichts abbrechen, das die Universitt Knigsberg dem +Sohne Luthers wohl allzu gnstig ausstellte[649]. + +Und als nun Hans vollends das Stipendium und Studium in Knigsberg +aufgab und auf weitem Weg langsam heimkehrte, so war der Beweis +geliefert, da er zu nichts Besserem tauge als auf die herzogliche +Kanzlei. Dahin kam er denn auch in Weimar. + +Um so besser gediehen die Shne Martin und Paul, von denen der eine +Theologie, der andere Medizin studierte; Margarete wuchs zur blhenden +Jungfrau heran. + +Der Schmalkaldische Krieg war wohl sonst zu Ende, nur nicht in Sachsen; +es entstand allerlei Unruhe und Kriegsgercht, neue Sorge und Angst. +Sachsen wimmelte von Soldaten, Wittenberg hatte starke Einquartierung. +Und obwohl es Freundesvlker waren, so geschahen doch von der rohen +Soldateska allerlei Gewaltthaten. In der festen Stadt waren die Brger +vor ihren eigenen Quartiergsten nicht sicher, vor die Mauern +hinauszugehen wagte niemand, denn drauen in den Stdtlein gab es Mord +und Totschlag; bermtig forderten die Kriegsknechte das +Unmgliche[650]. + +Und wie sah es nun wieder drauen auf den Hfen und in den Grten aus, +wo eben mit Mhe die Schden des Schmalkaldischen Krieges wieder +hergestellt waren! Da waren Verwstungen und Kontribution auf ihren +Hfen vorgekommen. "Es ist am Tage", klagt Bugenhagen, "da sie in ihren +Gtern dies Jahr (1551) groen Schaden gelitten." "Derwegen mute sie zu +Recht gehen vor des Kurfrsten Gericht wider Jan Lser." Jan Lser--des +alten Hans Lser ([Symbol: gestorben] 1541), ihres Gevatters Sohn und +Luthers Paten--mute Frau Katharina verklagen. Das war frwahr ein +bittrer Gang[651]. + +Und ob sie ihr Recht bekommen? + +Der Kurfrst Moriz rstete sich eben zum Schlage gegen den alten Kaiser. +Da hatte er wohl keine Zeit und Lust, eine klagende Witwe anzuhren. + +So mute Frau Katharina nochmals den sauren Schritt thun und sich an den +dnischen Knig wenden, an den sie am 8. Januar 1552 u.a. schreibt: + +"E.K.M. wissen sich gndiglich zu entsinnen, wie da E.K.M. meinem +lieben Herrn seligen samt dem Herrn Philippo und D. Pomerano jhrlich +ein Gnadengeld geschenkt, welches sie zu Unterhalt ihrer Haushaltung und +Kinderlein haben sollten, welches denn bishero gemeldeten Herrn von +E.K.M. berreichet (worden). Dieweil aber mein seliger lieber Herr +E.K.M. allzeit geliebet und fr den christlichsten Knig gehalten, auch +E.K.M. sich in solchen Gnaden gegen seligen meinen Herrn verhalten: so +werde ich _durch dringende Not bewogen, E.K.M. in meinem Elend_ +unterthniglich zu ersuchen, des Verhoffens, E.K.M. werden mir armen und +itzt von jedermann verlassenen Witwen solch mein unwrdig Schreiben +gndiglich zu gut halten und mir aus Gnaden solch Geld folgen lassen. +Denn E.K.M. sonder Zweifel bewut, wie es nu nach dem Abgang meines sel. +Mannes gestanden, _wie man die Elenden gedrckt_, Witwen und Waisen +gemacht, also da (es) zu erbarmen; ja (auch) _mir mehr durch Freunde +als durch Feinde Schaden zugefgt_; welches alles E.K.M. zu erzhlen zu +lang wre. Aus diesen und anderen Ursachen werde ich _gedrnget_, E.K.M. +unterthnig zu ersuchen, nachdem sich ein jeder so fremd gegen mir +stellt und sich meiner niemand erbarmen will." + +Bugenhagen untersttzte in einer Beilage diese Bitte der Witwe "Patris +Lutheri", welche "fast (sehr) klaget". Und mit Erfolg: am 22. Mrz kam +das Geld in seine Hand und er schreibt, da S.M. "sehr wohl gethan", die +Witwe zu trsten[646]. + +Im Februar 1552, als die Kriegsknechte am rohesten hausten, wurden die +Gemter in Wittenberg noch erschreckt mitten im Winter durch heftige +Gewitter mit Blitz und Donnerschlgen. Aber bald darauf zogen die +Kriegsvlker ab. + +Es kam nun Kunde, da Moriz mit seinen Sachsen, den Brandenburgern und +Hessen den Kaiser in die Flucht gejagt und beinahe gefangen htte (Mai +1552). Die gefangenen Frsten (Kurfrst Johann Friedrich und Landgraf +Philipp von Hessen) wurden freigegeben, und freigegeben auch die +Religion im "Passauer Vertrag" (August 1552). + +Mittlerweile war es Frhling geworden und Sommer. Frau Kthe konnte sen +und ernten und sich des Friedens freuen, der endlich nach sechs Jahren +Krieg, Flucht, Verwstung eingetreten war, auch des Friedens in Sachen +des evangelischen Glaubens, um deswillen ihr "lieber Herr" ein Feuer +angezndet hatte im deutschen Lande, dessen Flamme auch sie, und sie am +schwersten, fhlen mute. + +Jetzt htte die arme Witwe aufatmen knnen vom langen Leid: da traf sie +der letzte, tdliche Streich. + + + + +19. Kapitel. + +Katharinas Tod. + + +Die Kriegsvlker waren aus Wittenberg abgezogen, aber sie hatten ein +bses Andenken hinterlassen: eine ansteckende Seuche, die "Pestilenz", +die in der sumpfumgebenen engen Festung wieder rasch um sich griff und +mit der Sommerhitze wuchs. Am 1. Juni wurde ber Verlegung der +Universitt beraten, am 10. bot Torgau ihr Herberge an. Aber bis 6. Juli +hielt sie noch in Wittenberg aus. Dann zog auch die Hochschule in die +Nachbarstadt und wurde in den engen winkeligen Rumen des +Barferklosters untergebracht, welches seinerzeit Leonhard Koppe zu +Fastnacht gestrmt hatte und das jetzt leer stand. + +Frau Katharina blieb aber in Wittenberg, wohl wegen der Gter, die sie +besorgen mute; wahrscheinlich hatten die studierenden Shne und +Tischgesellen dennoch von dem einen und andern Magister, der im +Schwarzen Kloster wohnte, Vorlesungen. In dem groen, gesund gelegenen +Hause war es ja auch einstweilen noch auszuhalten. Aber im Herbst wurde +auch das Klosterhaus von der Seuche angesteckt. Und um ihre Kinder aus +der Gefahr zu reien, unterzog sich die besorgte Mutter wiederum den +Beschwerlichkeiten der Auswanderung. So lie sie denn einspannen, lud +das Ntigste auf den Wagen und fuhr mit ihren Kindern, die noch bei ihr +waren: Paul und Margarete, whrend Martin scheint's schon vorher der +Universitt nachgezogen war und Hans in Weimar auf der Kanzlei +arbeitete, das Elsterthor hinaus, Torgau zu[652]. + +Da geschah das Unglck: die Pferde wurden scheu und gingen mit dem Wagen +durch ber Stock und Stein. Die erschrockene Frau suchte das Leben ihrer +Kinder zu retten, und um die wilden Pferde aufzuhalten, sprang sie vom +Wagen, fiel aber so unglcklich, da sie mit dem Leib heftig auf den +Boden anprallte und dann in einen Graben mit kaltem Wasser strzte. Die +Aufregung, der Fall, die Erkltung und wohl auch eine innere Verletzung +fhrten eine schwere Krankheit herbei[653]. + +So kam die Familie Luther nach Torgau. Hier wohnte sie vom Kloster aus +in der "nchsten Strae, die nach dem Schlo fhrt", in einem Eckhause +bei der Klosterkirche zur Herberge. Hier lag nun Frau Katharina in +groen Schmerzen langsam dahinsiechend, gepflegt von ihrer Wirtin und +ihrer Tochter Margarete, welche jetzt 18 Jahre zhlte[646]. + +Noch einen Lichtblick erlebte die Witwe Luthers in diesen Leidenstagen. +Ihr jngster Sohn Paul, der sich zu einem tchtigen Mediziner +heranbildete, verlobte sich in dieser Zeit mit Anna von Warbeck, der +Tochter des weiland Herrn Veit von Warbeck, gewesenen Domherrn von +Altenburg und Kurfrstl. Hofrat und Vizekanzler zu Torgau, eines Edeln +aus Schwaben. Ihre Mutter, Anna von Hack--auch eine geborne +Schwbin--lebte noch und hatte ein eigenes Haus zu Torgau in der +Fischergasse[646]. + +Frulein Anna war ein resolutes Frauenzimmer. Sie hatte einen Damastrock +mit Samtschleppe getragen und war deshalb vom Stadtrat mit Berufung auf +eine kurfrstliche Kleiderordnung in Strafe gezogen worden. Dagegen +wehrte sie sich und appellierte an den Kurfrsten, so da ein ehrbarer +Stadtrat einen Boten mit Bericht ber Anna Warbeckin Supplicien gen +Dresden schicken mute fr Lohn und Trinkgeld. S. Kurf. Gn. sandte nun +in diesem Betreff an den ehrbaren Rat zu Torgau folgenden Erla: + +"Lieben Getreuen! Wir sind von der ehrbaren und lieben besondern +Jungfrau Anne von Warbeck demtiglichen Klag berichtet worden, wie da +Ihr ihr den damastenen Rock mit samtenem Schweif zu tragen zu enthalten +und noch dazu etliche Gulden zur Strafe entrichten sollt auferlegt +haben. Wiewohl Wir Uns zu erinnern wissen, was Wir der Kleidung halber +in der Polizei-Ordnung haben ausgehen lassen, so vermerken Wir doch, da +der gedachten Jungfrauen Vater einer von Adel und frstl. Rat gewesen, +auch die Damasten, davon der Rock gemacht, frstliches Geschenk und die +Rcke _vor_ obenerwhnt ausgegangener Ordnung gemacht. Derwegen Wir denn +geschehen lassen, da sie solche Rcke zu Ehren tragen mge. Und +begehren demnach, Ihr wollet ihr solches verstatten und sie mit +geforderter Strafe verschonen, Euch auch sonst gegen sie dermaen +verhalten und erzeigen, da sie sich keiner Beschwerung zu beklagen hab. +Daran geschieht Unsere gnzlich zuverlssige Meinung. Datum Dresden, 30. +Jan. Anno LII"[654]. + +Dieses adelige Frulein wurde also die Schwiegertochter Frau Katharinas +und diese wird an dem entschlossenen Wesen ihrer knftigen Sohnsfrau ihr +Gefallen gehabt haben. Aber die Freude der Hochzeit erlebte Frau +Katharina nicht mehr. + +Drei Monate lang dauerte das Siechtum der Kranken. Mit christlicher +Geduld ertrug sie die Leiden und die Sorge fr die Kinder. "In der +ganzen Zeit ihrer Krankheit trstete sie sich selbst und hielt sich +aufrecht mit Gottes Wort. In heien Gebeten erflehte sie sich ein +friedliches Hinscheiden aus diesem mhseligen Leben. Oftmals auch befahl +sie Gott die Kirche und ihre Kinder und betete, da die Reinheit der +Lehre, welche Gott durch ihres Gatten Werk dieser Zeit wiedergebracht, +unverflscht den Nachkommen berliefert werden knne." Sie selbst aber +wollte "an Christus kleben, wie die Klette am Kleid", ein Wort, das ihr +nachher fromme Snger im Liede nachsprachen[655]. + +Am 20. Dezember 1552 hauchte sie ihre Seele aus. + +Der Vice-Rektor der Universitt, Paul Eber, gab dies den Studenten durch +ein von Melanchthon verfates lateinisches "Leichenprogramm" kund, worin +ihr Leben und Leiden kurz geschildert war. Namentlich die Erinnerung an +die sechs letzten Leidensjahre schwebten dem treuen Freunde des Hauses +vor Augen und fast scheint es auch, das Unrecht, das sie von Kanzler +Brck u.a. erlitten. "Mit ihren verwaisten Kindern mute die als Witwe +schon schwer Belastete unter den grten Gefahren umherirren wie eine +Gechtete; groen Undank hat sie von vielen erfahren, und von denen sie +wegen der ungeheuren Verdienste ihres Mannes um die Kirche Wohlthaten +hoffen durfte, ist sie oft schmhlich getuscht worden." Statt des +derben deutschen Spruches, mit welchem Luther in seinem Hausbuch seinen +Befrchtungen ber die Behandlung seiner Witwe Luft gemacht hatte: "Die +Leute sind grob; die Welt ist undankbar", whlte der gelehrte Freund fr +das Leichenprogramm als Motto einen griechischen Spruch des Euripides +(Orist. 1-3), der allerdings auf die schwere Leidenszeit der Witwe +Luthers pat: "Es giebt kein Unheil, kein Geschick, kein Leid, das Gott +verhngt und das die Sprache nennt, nichts Schreckliches, das nicht der +Mensch erlebet." + +Dieser Erfahrung des heidnischen Dichters gegenber weist das "Programm" +auf den Trost und die Hoffnung des Christentums, dessen sich auch die +Selige getrstet habe bei der herben Wunde durch den Tod ihres +Ehegemahls, ihrer Flucht mit den verwaisten Kindern in der Kriegszeit, +den manchfachen Trbsalen des Witwenstandes und dem Undank vieler Leute +gegen die Witwe des ehrwrdigen und heiligen Mannes D. Luther. Die +Universitt lade nun alle ihre Hrer zum Leichenbegngnis ein, "um der +verehrten Frau die letzte Pflicht zu erweisen und so zu bezeugen, da +sie die Frmmigkeit der Witwe, welche so herrlich an ihr leuchtete, ihr +ganzes Leben lang hochhielten; da sie der Waisen tiefe Trauer zu Herzen +nhmen; und da sie nicht vergen die Verdienste ihres Vaters, die so +gro sind, da sie keine Rede genug preisen kann; da sie endlich +zusammen Gott im Gebete anflehen, das Licht des Evangeliums rein zu +halten und seine Lehrer und Verkndiger zu schtzen und zu regieren, die +Staaten zu behten und den Kirchen und Schulen geziemende +Zufluchtssttten zu gewhren"[656]. + +Am folgenden Tag, nachmittags drei Uhr, war der Leichenzug der "edlen +Gemahlin des heiligen Mannes D. Luther". Von ihrer Gastwohnung die +Schlogasse hinab an der neuerbauten groartigen kurfrstlichen Residenz +Hartenfels vorbei bewegte sich der gewaltige Zug von Brgern, +Professoren und Studenten durch die Wintergrne nach der Stadtkirche +St. Marien. Hier unter dem Knabenchor mit seiner schnen Inschrift: +"Laudate dominum pueri!" wurde die mde Pilgerin unter den blichen +Feierlichkeiten bestattet und die Knaben werden ihr auch von droben ein +Abschiedslied gesungen haben[657]. + +Am Grabe der Mutter trauerten ihre Tochter und drei Shne. + +_Hans_ war herzoglich schsischer Kanzleirat; er heiratete im folgenden +Jahre Elisabeth, die Tochter des Professors und Propstes an der +Schlokirche in Wittenberg D. Kreuziger, den sich sein Vater selbst zum +Nachfolger erkoren hatte, der aber schon bald nach dem groen Doktor +gestorben war. Spter kam Hans Luther zu seinem alten Gnner, dem Herzog +Albrecht von Preuen, in Dienst und starb nicht lange nach diesem 1575. + +_Martin_, von dem sein Vater gefrchtet hatte, er werde einmal ein +Jurist, studierte Theologie; er mute aber anhaltender Krnklichkeit +wegen als Privatgelehrter leben und starb jung im vierunddreiigsten +Jahr, nachdem er mit Brgermeister Heilingers Tochter in Wittenberg +einige Zeit in kinderloser Ehe gelebt hatte. + +_Paul_, der jngste, wurde ein angesehener Arzt, Dr. und Professor zu +Jena und herzoglicher Leibarzt, dann Rat und Leibarzt des +brandenburgischen und spter des schsischen Kurfrsten. Er vermhlte +sich bald nach der Mutter Tod mit seiner Verlobten Jungfrau Anna von +Warbeck, und Nachkommen von ihm in weiblicher Linie leben noch heute. + +_Margarete_ vermhlte sich 1555 "im Beisein vieler Grafen und Herren" +mit Georg von Kunheim, Erbherrn auf Knauten bei Knigsberg, der in +Wittenberg studiert und vielleicht bei Frau Katharina gewohnt und +gespeist hatte. Sie lebte mit ihrem Gemahl, dem herzoglich preuischen +Landrichter zu Tapiau, in glcklichster Ehe und starb als Mutter von +neun Kindern im Jahre 1570[646]. + +Von dem zahlreichen Geschlecht Luthers und der Ahnmutter Katharina sind +heutzutage noch wenige Nachkommen brig. Vom Kloster Nimbschen, wo +Jungfrau Katharina 15 Jahre lebte, stehen jetzt nur noch drei +altersgraue Mauern, von wilden Reben umrankt. Ueber Zulsdorf geht seit +1801 der Pflug und nur ein Denkmal bezeichnet die Sttte, wo sie so +gern gewaltet hat. Ihre Grten in Wittenberg, in denen sie arbeitete und +erntete, sind zum Teil mit neuen Huserreihen berbaut. Nur das +Klosterhaus steht noch, wo sie zwanzig Jahre mit dem groen Doktor +gehaust, wenn auch nur die Wohnstube einigermaen im alten Zustand ist. + +In der Stadtkirche zu Torgau aber wurde Frau Katharinen--wohl von ihren +Kindern--ein Grabdenkmal errichtet in grauem Sandstein, allerdings kein +sonderliches Kunstwerk, nach dem Modell des Gipsreliefs, das von einem +realistischen Knstler verfertigt in Zulsdorf hing und heute noch in der +Kirche zu Kieritzsch zu sehen ist. Auf ihrem Grabmal ist Frau Katharina +in halberhabener Arbeit ausgehauen als Matrone im langen Mantel und +weien Kopftuch. Mit heiterem Angesicht schaut sie vor sich hin, wie +eine Mutter am Sonntag auf ein wohl verbrachtes Tagewerk; in den Hnden +hlt sie ein offenes Buch zum Zeichen ihrer Frmmigkeit und ihres Eifers +im Bibellesen; also als andchtige Maria ist die fleiige Martha +dargestellt. Ihr zu Hupten sind die Wappen von Luther und von Bora. Um +den Rand steht die Inschrift: "Anno 1552 den 20. December Ist in Gott +Selig entscha | ffen alhier in Torgau Herrn | D. Martini Luthers seligen +Hinderlassene wittbe Katharina | von Borau."[658] + +Ein knstlerisches Idealbild neben den mancherlei realistischen +Konterfeien Katharinas hat Meister Lukas Kranach geschaffen auf dem +Altarblatt in Wittenberg. Da sitzt Frau Katharina als andchtige +Zuhrerin ihres predigenden Gatten mit ihrem Kindlein in vorderster +Reihe vor der Gemeinde--also ebenfalls als sinnige Maria. + +Ein dichterisches Denkmal hat der Hausfrau Luthers beim ersten +Reformations-Jubilum 1617 der gekrnte Dichter Balthasar Mencius, Pota +Laureatus, gewidmet, in schlichten, treuherzigen Knittelversen[659]: + + Cathrin von Bora bin ich gnant + geboren in dem Meissner Landt + aus einem alten Edlen Stamm + wie solchs mein Anherrn zeigen an + die Gott und dem Rmischen Reich + mit Ehr und Ruhm gedienet gleich. + Als ich erwuchs, zu Jahren kam, + der Tugendt mich tht nehmen an + und jedermann bethret war + vom Pabst und seiner Mnche Lahr, + und hoch erhaben der Nonnen-Stand, + ward ich ins Kloster Nimetzsch gesand; + mein Ehr und Amt hatt ich in acht + rief zu Gott, bethet Tag und Nacht + fr die Wohlfarth der Christenheit. + Gott mich erhrt und auch erfreut; + Doctor Luther den khnen Held + mir zu einm Ehmann auerwehlt, + dem ich im keuschen Ehstandt mein + gebahr drei Shn und Tchterlein. + Im Witwenstand lebt sieben Jahr + nachdem mein Herr gestorben war. + Zu Torgau in der schnen Stadt + man meinen Leib begraben hat; + bi Gottes Posaun thut ergehn + und alle Menschen heit aufstehn; + alsdann will ich mit meinem Herrn + Gott ewig lobn, rhmen, ehrn + und mit der Auerwhlten Schaar + in Freuden leben immerdar. + +Weniger freundliche Denkmler haben der Gattin Luthers katholische +Schriftsteller gesetzt, welche die Ehe des Mnches und der Nonne als ein +Sakrileg und Skandal auffaten und in ihrer Weise ausbeuteten, wie +Luther selbst schon vor seinem Tode vorausgesehen und in seinem +Testament vorausgesagt hatte. Von protestantischer Seite sind fast nur +Verteidigungsschriften wider diese Verleumdungen ergangen, oder auch +gelehrte Stoffsammlungen und kleine Volksschriften[646]. + +Und doch lebt Katharina im Andenken des deutschen evangelischen Volkes +in deutlicher und freundlicher Erinnerung als die Gattin des gewaltigen +Doktors und deutsche Pfarrfrau, welche mit ihrem Manne das +gemtansprechende Vorbild eines evangelischen Pfarrhauses geschaffen +hat. + +Und mit Recht. Sie war eine tchtige und brave Frau, wie man's zu ihrer +Zeit ausdrckte: ein "frommes Weib", eine echte deutsche Hausfrau. Sie +hatte den Mut, Martinus Luther, "den khnen Held", zu ihrem Ehegemahl zu +erwhlen, sie hat es gewagt, mit dem Geistesgewaltigen, dem +kaiserbrtigen Regenten der Kirche[646] zu leben, ihm zu gengen, ihn zu +befriedigen. Und sie hat geleistet, was sie unternommen. Der groe +Doktor hat sie geachtet, hat sie geliebt und gelobt. "Das aber ist das +wahre Lob, gelobt zu werden von gelobten Mnnern." + +[Illustration: Katharinas Handschrift und Siegel.][660] + + + + +Belege und Bemerkungen + + +Abkrzungen + + +_Anton_, D.M.L. Zeitverkrzungen. L. 1804. + +_W. Beste_, Die Geschichte Katharinas von Bora, nach den Quellen bearb. +Halle 1843. + +_Br. s.u._ + +_G. Buchwald_, Zur Wittenb. Stadt- u. Univers.-Gesch. L. 1893. + +_C.A.H. Burkhardt_, Dr. M.L. Briefwechsel. L. 1866. + +Consilia Theol. Witteb. Fr. 1664. + +_Cordatus_, Tagebuch ber Luther. 1553. Von H. Wrampelmeyer, Halle 1883. + +_C.R._ = Corpus Reformatorum. Bretschneider, Halle 1834 ff. + +_Grulich_, Denkwrdigkeiten von Torgau. 2. Aufl. Torgau 1855. + +_A. Hausrath_, Kleine Schriften religionsgesch. Inhalts. Leipz. 1883. S. +237-298. + +_M.Fr.G. Hofmann_, Kath. v. Bora oder Dr. M. Luther als Gatte u. Vater. +Leipz. 1845. + +_Juncker_, Ehrengedchtnis Lutheri. Frankf. 1706. + +_Kaweran_, Briefwechsel v. J. Jonas. 2 Bde. + +_Kolde_, Analecta Lutherana. Gotha 1883. + +_Kstlin_, M. Luther. 2 Bde. 2. Aufl. Elberfeld 1883. + +_M.A. Lauterbachs_ Tagebuch. 1538. Von I.K. Seidemann, Dresden 1862. + +_Lingke_, D.M.L. Reisegeschichte. L. 1769. + +_G. Lsche_, Analecta Lutherana et Melanth. Gotha 1892. + +_L.W._ = _Walch_, Luthers Deutsche Werke, Halle 1739-50. + +_Mayeri_, Vita Catharinae Boriae. Hamburg 1698. Deutsch: Unsterbl. +Ehrengedchtnis Frauen Katharinen Lutherin. Frankf. u. L. 1724. + +_Mathesius_, Predigten ber Dr. M.L. Nrnberg 1576. + +_Ratzebergers_ Handschr. Gesch. ber L.u.s. Zeit von Chr. G. Neudecker. +1850. + +_Richter_, Geneal. Lutherorum. Berlin u. L. 1723. + +_J. Schlaginhaufen_, Tischreden L. 1531/2. Von W. Preger, L. 1888. + +_Seckendorf_, De Lurtheranismo Comment. Leipz. 1692. + +_Seidemann_, Luthers _Grundbesitz_, in Zeitschr. fr histor. Theol. +1866. + +_Seidemann_, _Erluterungen_ zur Ref.-Gesch. Dr. 1844. + +_Seidemann_, Beitrge zur Ref.-Gesch. Dr. 1846-48. + +_Stier_, Denkwrdigkeiten Wittenbergs. Dessau u. L. + +T.-R. = _Frstemann-Bindseil_, D.M.L. Tischreden. 4 Bde. Berlin 1844-48. + +Urkb. = Urkundenbuch von Grimma und Nimbschen. Herausgegeben von L. +Schmidt in Cod. dipl. Sax. reg. II. 15. Bd. L. 1898. + +W. = _Walch_, Wahrh. Gesch. der sel. Frau Katharina v.B. Halle 1752. + +NB. _Ohne Namen u. Titel_ oder mit _Br._ citiert sind _De Wette_ und +_Seidemann_, Dr. M. Luthers Briefe. 6 Bde. 1825-56. + + * * * * * + + + + +1. Katharinas Herkunft und Familie. + +[1] Die Herkunft und Heimat Katharinas ist noch lange streitig und wird +sich nicht so leicht feststellen lassen, selbst wenn neue Urkunden +aufgefunden werden; hauptschlich ist die weite Verzweigung der Familie +und die Unsicherheit der Elternnamen Katharinas daran schuld. Der +Stammbaum Katharinas von Bora ist am eingehendsten verfolgt worden von +dem jetzt verstorbenen _Georg von Hirschfeld_: "Beziehungen Luthers und +seiner Gemahlin zur Familie Hirschfeld" in Beitrge zur Schs. K.-Gesch. +II, 86-141 (bezw. 309). Dies geschah auf Grund einer lteren Chronik +(vgl. Hofmann 63) von Philipp von Hirschfeld ([Symbol: gestorben] 1748). +Sodann von _Ernst Wezel_ ([Symbol: gestorben] 1898) zuerst +in der "Wissensch. Beilage der Leipz. Leitung" 1883 Nr. 71, +dann in der Festschrift zur 100jhrigen Jubelfeier des K. +Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums in Berlin. "Das Adelsgeschlecht derer von +Bora", A.W. Hagens Erben 1897, mit Auszgen aus zahlreichen Urkunden +(vgl. Br. VI, 647 f. 705), eine Schrift, welche noch vervollstndigt +herausgegeben werden soll. + +Nach G. von Hirschfelds Stammbaum wre Katharina von Bora eine Tochter +des Hans von (Bora zu) Hirschfeld-A. (vgl. Br. VI, 648, 28) und der Anna +von Haugwitz: Hans veruerte aber (zwischen 1525-30) Hirschfeld-A. an +Hans von Mergenthal und Reinsberg, zog nach Lben, bergab dies seinem +Erstgebornen und zog dann nach Moderwitz, welches der Familie Hayr +gehrte.-- + +Diese Aufstellung ist nicht mehr kontrollierbar, denn das Hirschfeldsche +Archiv ist verschwunden. Und dazu beruht dies Ergebnis noch auf den +Annahmen: 1. da es zwei Gter Hirschfeld gegeben habe (S. 119); 2. da +eine Linie Bora sich Mergenthal genannt und ihr Wappen (vom roten Lwen +in eine Lilie) verndert habe (97); 3. da Phil. v.H. verschiedene +Personen (z.B. zwei Katharinen) verwechselte (116). (Eine lutherisch +gesinnte Katharina von Mergenthal war im Kloster zu Freiberg; sie war +einmal zu Besuch bei ihrem Bruder in Hirschfeld bei Bora. N. Archiv f. +Schs. Gesch. IV, 298. Sie entwich anfangs Juni 1529 aus dem Kloster und +kam zu Luther. A.a.O. 318. Br. III, 469. Die Verwechslung dieser +Katharina von Mergenthal aus Hirschfeld bei Deutschen-Bora findet sich +schon Schs. Kirchen-Gal. I, 110. Seidemann, Erl. zur Ref.-Gesch. +Dresden 1844. S. 110, 120, 122, 469); 4. da Irrtmer in dem schs. +Teilungsvertrag von 1485 vorkamen; 5. da die wunderliche und nicht mehr +auffindbare Notiz, wonach Luther "seinem Schwhervater, dem edeln und +festen Herrn Hans von Bora zu Moderwitz ein Bchlein (Joel) oder gar +eine Bibel verehret" (Br. VI. 684), richtig sei. + +Gegen diese Aufstellung sprechen aber auer den knstlichen Umstellungen +der Umstand, da Katharinas Eltern bei ihrer Flucht aus dem Kloster und +bei ihrer Verheiratung hchst wahrscheinlich nicht mehr lebten. Ferner +sollte man meinen, da die Luthersche Familie mit dem Staatsmann +Bernhard von Hirschfeld (1490-1551; Br. II, 55, 245, 448; C.R. IV, 349) +in vertrauterem Verkehr gestanden haben mte, wenn sie mit ihm so nahe +verwandt gewesen wre. Das war aber gerade nach 1525 nicht der Fall. + +Fr _Lippendorf_ als Geburtssttte von Katharina spricht folgendes: 1. +Zu Lippendorf verschreibt ums Jahr 1482 Hans von Bore seiner Ehefrau +Katharina als Leibgeding das Dorf Sale; ebenso 1505 Jan von Bore alle +seine Gter zu Lippendorf seiner Hausfrau Margarete (E. Wezel, Wiss. +Beil. der Leipz. Z. 1883, Nr. 71, S. 422 f.). Solche Verschreibungen +wurden nicht etwa (wie G. v. Hirschfeld meint) auf dem Todbette, sondern +gerade am Vermhlungstag gemacht (wie auch die in beiden Urkunden +vorkommende Formel beweist: "nach ihres ehelichen Mannes Tode, ob sie +den erlebet, u. nicht eher"). Es wre nun sehr erklrlich, da Katharina +wegen und bei der Schlieung der zweiten Ehe ihres Vaters ins Kloster +gebracht wurde. 2. Wegen dem eine halbe Stunde davon gelegenen "Gtlein" +Zulsdorf hat Katharinas Bruder Hans sich aus Preuen hier einfinden und +"lange herauen aufhalten, auch mssen selbes beziehen u. sich +verehelichen, bis er's an sich bracht" und hat das "aus Not, (um) sein +u. seiner Brder Gtlein zu bekrftigen, mssen thun u. fr sein +Kindlein das Gtlein u. armes Erbdchlein beschicken". (Br. V, 106, f.) +3. Als Bruder Hans Zulsdorf nicht mehr halten konnte (1540), so kaufte +es seine Schwester, obwohl es wenig eintrglich und zwei Tagereisen weit +von Wittenberg entfernt lag, und hat sich mit Vorliebe hier aufgehalten. +(S.S. 84 f.) + +Allerdings gehrte wenigstens seit 1504 Zulsdorf zu Kieritzsch und nicht +zu Lippendorf und wurde 1515 von Denen zu Kieritzsch an einen Jan von +Lenau verkauft (Br. VI, 705; Lpz. Z. 1883 Nr. 70 S. 413); aber um 1525 +heiratete eine Marie von Bora zu Zulsdorf einen Siegm. Wolf von Niemeck +zu Wittenberg (Schumann, Lexikon von Sachsen XIII, S. 671), und nach +Katharinas Tod (1553) brachte ein Christoph von Niemeck, also wohl ein +Sohn des vorigen, das Gut Zulsdorf wieder an sich. (Lexikon von Sachsen +XIII, S. 671; vgl. Seidemann, Grundbes. S. 529; ber die Niemeck vgl. +Wittenb. Urbar V.H., Schmalbecker Hufen). _Also scheint Zulsdorf in der +That ein "Erbdchlein" Derer von Bora gewesen zu sein._ (Die +Wittenberger Familie Zulsdorfer, die Stifter der "Zulsdorfer Kapelle", +stammt aus Zulsdorf bei Lochau. Vgl. Wittenb. Urbar III, 296 c. XI; 299 +c. XII.) + +Im Amte Weienfels, wozu Lippendorf und Zulsdorf gehrten, gab es um +1510 noch Bora; da wurde ein Siegmund von Bora in einer Streitsache vor +Amt geladen (Staatsarchiv zu Dresden), und zwar, wie es scheint, der +Bruder einer verehelichten "Haugwitz". + +Gegen die Abstammung Katharinas von Hans oder Jan zu Lippendorf kann man +geltend machen: 1. Die erste Gemahlin hie Katharina und war vielleicht +eine geborne von Miltitz, die zweite, Margarete, eine geborne von Ende, +wenn nmlich der erste in den Urkunden genannte Zeuge oder Vormund, wie +gewhnlich, der Bruder der Frau ist. Dagegen soll Katharina von Boras +Mutter eine geborene Haubitz gewesen sein. Wenigstens berichten die +(freilich erst 1664 verffentlichten) Consilia Theolog. Wittenb. IV p. +17 (ebenso Keil histor. Nachr. 15 und Luthers merkw. Lebensweise IV 320) +da Katharinas Mutter eine von Haubitz gewesen. Haubitz heit ein +Vorwerk stlich von Grimma, also bei Nimbschen (Urkundenb. 409), ein +anderes liegt eine Stunde von Lippendorf (Wezel 423). _Seckendorf_ (III +92), dessen Schwester 1580 einen Georg von Haubitz heiratete (Engelhard +Lucifer Wittemb. I 13, meint, er sei dadurch ein Verwandter der +Katharina v. B. geworden) und nach ihm _Mayer_ p. 4 nennt sie eine +_Haugwitz_, darum sagt Richter 295 (vgl. 675): "von Haubitz _oder_ +Haugwitz". (Walch 12, 5 und nach ihm Hofmann 62 irren, wenn sie +berichten, in den Consil. W. stehe Haugwitz.) Uebrigens ist Siegmund von +Bora 1510 Vormund fr eine von Haugwitz, welche also seine Schwester +gewesen sein wird (Dresdner Landesarchiv s.o.) Freilich die beiden Namen +werden oft verwechselt bzw. gleichgesetzt, z.B. im Kloster Nimbschen +(Urkundenbuch 322, 326, 328, 331, 332 vgl. 409 unter "Haubitz"). Diese +Verwechslung beruht auf der mundartlichen Aussprache, indem das b in +Haubitz wie w und das g in Haugwitz sehr weich gesprochen wurde, so da +es verschwand. Die spteren Biographen behalten Haugwitz bei und +behaupten (freilich ohne Quellenangabe), der Vorname von Katharinas +Mutter sei _Anna_ gewesen. Soll das ein Miverstndnis aus Una de +Haugwitz sein? (Wezel 423) oder eine Verwechslung mit Anna von Haubitz +aus Flberg (bei Grimma), welche gleichzeitig mit Katharina im Kloster +Nimbschen war und kurz nach ihr daraus entfloh? Ob die Mutter +Katharinas aber wirklich eine geborene von Haugwitz war? Dagegen +spricht, da ein Kanonikus Christoph von Haugwitz 1536 eine Schrift mit +einer Vorrede Bugenhagens verffentlichte, worin keine Rede ist von der +Verwandtschaft Katharinas mit der Familie Haugwitz. (_Seckendorf_ ad +Indicem I histor. XXXIII, Wezel 423). Gegen _Haubitz_, wenn Katharinas +Mutter aus dem Geschlechte der Nimbscher Nonnen war, spricht der +Umstand, da der Vater Annas v. H. ein _kurschsischer_ Unterthan war +(Hirschfeld 97 f.), weshalb sie auch zu Pfingsten 1523 aus Nimbschen +austreten und zu ihrer Familie heimkehren konnte. Dagegen die drei +Linien Haugwitz waren herzogliche Vasallen (A. Fr. _Glasey_, Kern der +hohen kur- und frstl. H. zu Sachsen, 4. Aufl. Nrnberg 1753, S. 795. +Hirschfeld 127).--Doch war unter den kurschsischen Visitatoren von +Thringen auch ein Erasmus von Haugwitz (Seckendorf II S. 101). Der +Bruder der Nimbscher Abtissin Margarethe von Haubitz, Asmus, war 1526-35 +Vorsteher des evangelisch gewordenen Klosters Nimbschen (Gromann, +Visitationsakten der Dices Grimma L. 1873, S. 78). Oder sind beide +(Asmus = Erasmus) dieselbe Person? + +2. Ferner spricht gegen Lippendorf, da Jan von Bora 1505 alle seine +Gter zu Lippendorf seiner Hausfrauen zu einem Leibgeding +bekennt.--Lippendorf als damaliger Sitz dieser Linie wre doch +naturgem nicht als Leibgeding an die Ehefrau, sondern als Erblehen an +die Kinder bergegangen (dieser Grund bestimmt G. v. Hirschfeld S. 110 +f., gegen Lippendorf als Geburtsort Katharinas zu stimmen, und ihm folgt +jetzt 1897 aus demselben Grunde auch Wezel, nachdem er 1883 Leipz. 8. +Wiss. Beil. 71 dafr gewesen war). Indes war auch Sale ein "Sitz" und +wurde dennoch von Hans von Bora zu Lippendorf an seine Ehefrau Katharina +verleibgedingt. Es kann ja ganz gut auer Lippendorf noch ein weiterer +"Sitz" fr den Aeltesten vorhanden gewesen sein. Aeltere Mnner pflegen +in zweiter Ehe die Frauen zu Ungunsten der Kinder zu bevorzugen. Dies +ist doppelt begreiflich in diesem Falle, wo aus erster Ehe, wie es +scheint, nur ein Mdchen, Katharina, vorhanden war, hchstens noch ein +Bruder, der mit einem geringen Gtchen abgefunden wurde (s.u. zu S. 4). + +Schon Seidemann meint, L. scheine K.s Geburtsort zu sein (Br. VI, 647) +und neuerdings (1899) hat ein aus Medewitzsch gebrtiger Lehrer Dr. +Krebs in Lippendorf am Hofgut als der Geburtssttte Katharinas eine +Tafel anbringen lassen. + +Lippendorf gehrte zum Amte Weienfels und dieses mit seinen +Zugehrungen nach dem Teilungsvertrag 1485 zum Herzogtum Sachsen (A. Fr. +_Glasen_, Kern der Gesch. der hohen kur- u. frstl. H. zu Sachsen. 4. +Aufl. Nrnberg, 1753, S. 792.) + +[2] Vielleicht wirkte auch die strkere Mischung mit slavischem Blut bei +den Meinern auf diese Miachtung. + +[3] Katharinas Leichenprogramm C.R. VII. 1155. Nata ex nobili familia +equestris ardinis in Misnia. + +[4] Br. V. 792. + +[5] 1733 bei _M.D. Richter_, Geneal Lutherorum, S. 750, "Alt- und +Neu-Boren, Wendisch- und Deutschen-Boren". Nossen liegt genau in der +Mitte des heutigen K.-R. Sachen. + +[6] _Grimm_, D. Mythologie, Gttingen 1835. S. 478. "Bor" eigentlich +Fhre, vgl. Fohre.--Der Name Bora wird sehr verschieden geschrieben: +Bhor, Bohra, Bhora, Bor(a)ra, Bor, Bora, Borau, Boren, Born, Borna, +Borna, Pora, lat. Boria, Bornia, Borana, Borenia, Borensis, griech. +[Griechisch: hae Boreia]. So steht sogar in ein und derselben Urkunde +(27. Nov. 1534, Dresden, Copialb 82, Wiss. Beil. zur Leipz. Z. 70, S. +413 u. 414) oben "Hansen vonn Bora" und unten "dem von Borau". Auch auf +dem Grabstein Katharinas in Torgau stand frher unten Borau, aber das +Wort war schon vor 100 Jahren ganz von Salpeter zerfressen und ist jetzt +gnzlich verschwunden. _Keil_, hist. Nachr. v. Geschl. L., S. 6.9. So +wechselt auch durch die mundartliche Aussprache Torga und Torgau, sogar +in derselben Urkunde, drei Zeilen von einander. _Kolde_, An. L. 200. + +[7] _Beste_, 9.--Das Wappen ist auch auf K.'s Grabstein ausgehauen. Die +Farben dazu wurden bei einer Renovation i.J. 1617 aus Eilenburg von +einer an den dortigen Pfarrer Bhm verheirateten Enkelin Luthers geholt. +Torgau. Kmmerei-Rechnung. + +[8] Schon Hofmann 63 f. weist eine Anzahl Bora-Sttten ab. Ebenso G. v. +Kirchfeld. a.a.o. S. 87-110, 113, 116-118. Aus _Dohna_ stammt K. nicht, +denn das dortige Bora-Haus am Markt kam erst 1573 in die Hnde des +Groneffen Katharinas: Clemens. Aus _Moderwitz_ (s.o. S. 267) bei +Neustadt an der Orla nicht, denn das dortige Gut war kurschsisch und +gehrte der Familie Hayn, _Motterwitz_ bei Leisnig aber denen von +Bressen und das andere Motterwitz dem Geschlecht Staupitz, aus dem +Luthers geistlicher Vater stammt. (Schmidt, Urkundenbuch S. 312: Gnther +von Staupitz auf Motterwitz, 1501.) Aus _Schlesien_ stammt Katharina +auch nicht, woher einmal ein alter Edelmann (Bernhard) von Bora, +wahrscheinlich der Hauptmann von Oels, zu Luther nach Wittenberg kam und +sich bei ihm ber den Schwrmer Schwenkfeld Rats erholte. Denn dies +schlesische Geschlecht heit eigentlich Borau-Kessel und hat ein ganz +anderes Wappen: im silbernen Feld nebeneinander drei rote Rosen und +gelbe Butten. Br. VI, 647. Noch weniger stammt K. aus _Ungarn_, wie auch +einmal behauptet wurde (Hofmann 64). Diese Meinung rhrt wohl daher, da +der ehemalige Wittenberger Brgermeister Christoph von Niemeck, dessen +Mutter wohl eine Maria von Bora aus Zulsdorf war (s.o. S. 270 f.) in +Ungarn Fundgrberei trieb und dort (1564?) starb. (Seidemann, Ztschr. f. +hist. Th. 1860, S. 529.)--Aus _Simselwitz_ bei Dbeln kann K. auch +nicht herstammen, weil die dortige Bora-Linie schon 1490, d.h. vor ihrer +Geburt ausstarb (G. v. Hirschfeld a.a.o.). + +Bisher hatte die Ueberlieferung sehr allgemein und zu verchtlich +behauptet. Katharina von Bora sei in Steinlausig an der Mulde (setzt +"Muldenstein"), ein paar Stunden nrdlich von Bitterfeld auf die Welt +gekommen, weil 1525 nach dem Tode Friedrichs des Weisen ein dort +begterter Ritter, Hans von Bora, nach Wittenberg gekommen ist und dem +neuen Kurfrsten Johann Erbhuldigung gethan und dort eine Luther-Linde +steht(!). Ja, es wurde sogar erzhlt, da Katharina in das dortige +Kloster eingetreten sei. Diese Ansicht wurde festgehalten auf Grund der +Nachricht von Mayer (S. 7): "welches wir in der Weimarischen Bibel +(1641!) aufgezeichnet gefunden", wo es heit. "Geborene au dem +Adelichen Geschlechte derer von Bora, so in der Chur oder (!) +Herzogthumb Sachsen zu Stein-Lausig (!) sehaft gewest, wie au der +Ritterschaft im Chur-Krei Erbhuldung zu Wittenberg (!) 1525 zu +vernehmen." Aber um 1500 war Stein-Lausig ("Lussigk", eine wste Mark), +wie die ganze Gegend _kur_frstlich, und dieser Hans von Bora +_kur_frstlicher Vasall (daher er eben dem _Kur_frsten +huldigt)--whrend doch Katharina aus Meien stammte und Unterthanin des +Herzogs Georg war. Dieser Hans v.B. auf Steinlausig starb auch ohne +Shne, so da sein Leben an Luthers Gevatter, Hans von Taubenheim, kam. +Steinlausig endlich war ein _Mnnerkloster_! (Emil Obst, "Muldenstein +und Steinlausig", Bitterfeld, Selbstverlag, 1895, S. 30-35). Vgl. Wezel, +S. 421.--Bemerkenswert ist, da um 1520 in Nimbschen eine Katharina von +Lausigk Bursarin war (Urkundenb. 166). Vielleicht suchte man Katharinas +Geburtsort auch darum in Stein-Lausig, weil die Gemahlin von Katharinas +Bruder Hans, Apollonia geb. von Marschall, verwitwete Seidewitz, aus +Jenitz stammte. So hieen fnf Orte, darunter der bedeutendste: die +Stadt Jenitz, nicht weit nrdlich von Steinlausig. Thatschlich ist +aber das Dorf Jenitz bei Dbeln ihre Heimat. Br. VI. 705. + +[9] _Zulsdorf_. (Zlsdorf, Zllsdorf, Zlldorf, Zeilsdorf u.s.w.) "das +wste Dorf oder die Wstung Czollsstorff" (a. 1105: Zulnestorff), +burggrflich-leisnigsches Lehen, gehrte zur Pfarrei Kieritzsch. +_Nixdorf_: "Holzmark zw. Z. u. Kieritzsch". Archiv f. Schs. Gesch. +1864, S. 209. 97. Vgl. Br. VI, 705. Wezel 413. +[Transkriptions-Anmerkung: Die genaue Position des Verweises im Text +nicht markiert.] + +[10] Beste 12. + +[11] Br. VI, 649 f. V, 492. _Walch_, K.v.B. 23. 65. k. + +[12] IV, 291. V, 106. 201. 411. 516. _Burkh._ Br. 303. 401. 423. + +[13] _Seidemann_, Ztschr. f. histor. Th. 1860. S. 265-69. + +[14] Urkundenbuch 318 ff. Sie war 1509 die 14. unter 43 Klosterfrauen, +gehrte also schon unter die Seniorinnen. Muhme bedeutet freilich nicht +blo Tante, sondern im allgemeinen soviel wie das sddeutsche Base +(sogar = Nichte); ebenso "Ohm" = "Vetter" (auch = Neffe). So nennt +Luther seine Nichte (Lene) "Muhme" (T.R. IV, 54) und Katharina ihren +Neffen (Florian) "Ohm". S.o.S. 239. + +[15] _Schumanns_ Lexikon von Sachsen. Bd. 13, S. 671. + +[16] Br. V, 64. + +[17] _Richter_. 674, nobilis sed tum fere ad incitas redacta prosapia. +Br. VI, 649 f. IV, 291. + +[18] _Lorenz_, Sachsengrn, 1861, 1, S. 82; Z.B. die 2 Schnfeld 3 Sch. +20 Gr., Ilse Kitschers 40 Gr., die 2 Zeschau je 4 fl. rh., Magd. v. +Staupitz 2 fl. Hirschfeld a.a.O. 127. + +[19] Wiss. Beil. zur Leipz. Z. 1899, S. 35a Erasmus Epist. ed. Cler. +Tom. III pag. 790 indotata (ohne Aussteuer).--Vgl. Luthers Rede und +Gebet bei seiner Krankheit 1527. L.W XIX, S. 160 ff.--Das sog. Bild +Katharinas von Bora, das sie angeblich im reichen Brautstaat mit dicken +silbernen und goldenen Ketten zeigt (bei Fr. G. Hofmann, Katharina v.B., +Leipzig 1845) stellt sie gar nicht vor, wie schon die gestickte Schrift +C A B an der Haube beweist, denn das heit nicht etwa C. a Bora. +_Seidemann_, Beitr. I, 92. Vgl. brigens das Siegel 266. + + +2. Im Kloster + +Hierher bes. "Urkundenbuch". Ferner: "Sachsengrn" Kulturhist. Ztschr. I +S. 82; Br, Wissensch. Beil. der Leipz. Zeitung 1899, Nr. 9. Vgl. A. +_Thoma_, Gesch. des Klosters Frauenalb, Freiburg 1899. + +[20] _Vierordt_, Gesch. der ev. Kirche im Groherz. Baden, Karlsruhe +1847, I. Bd. S. 30 ff. Frauenalb S. 18. Th. Murner, Schelmenzunft +(1512). "Kloster und Stifte sind berall gemeiner Edellt Spital". + +[21] Frauenalb S. 31: "Da alle Klausur und geistlichen Leute erdacht und +gemacht sind, da sie unserm Herrn und Gott dienen und fr Tote und +Lebende und alle Gebresthafte Bitten fllen". + +[22] Vgl. "Wie Gott einer Klosterjungfrau ausgeholfen", Walch, L.W. XIX +2095 ff. Diese Nonne Florentina von Oberweimar. "Da ich 24 Jahre alt +wurde, begann ich mein Gemt und meine Geschicklichkeit zu fhlen und +erkennen". + +[23] Monachum aut paterna devotio aut propria professio facit. Decret II +part. c. 3. C. XX qu. 1. Vgl. Kstlin I 592, Frauenalb 19. + +[24] Florentina a.a.O.: "Von meinen Eltern, welche geistlichen Stand +fr gut und selig angesehen, durch Bitt und Anregung meiner Muhme, der +Domina (Aebtissin) zu Eisleben, wurde ich in das Jungfrauenkloster +daselbst gegeben." + +[25] Frauenalb 19.--Ave Grossin wurde in Nimbschen als Kind +angenommen--(Sachsengrn 81). Florentina, welche mit dem 6. Jahr ins +Kloster kam, erzhlt. "Da ich 11 Jahre, bin ich durch Angeben der Domina +(Aebtissin) ohne alles Befragen (und wenn ich gleich wohl befragt, htte +ich keinen Verstand gehabt) also unwissend eingesegnet". + +[26] Br. II, 323. 319. + +[27] Br. II, 331 (lies invito dicatis). 324. + +[28] Urkundenbuch 319 ff. Die Nonnen pflegten nicht nach dem +Lebensalter, sondern nach dem Eintrittsjahr aufgezhlt zu werden. +(Frauenalb 42 f.) + +[29] _Seckendorf I_, 274. _Engelhard_, Lucifer Wittenbergensis v.d. +Morgenstern v.W., d.i. vollstnd. Lebenslauff der Cath. v.B., des +vermeynten Ehe-Weibs D.M.L. Landsperg, 1747. I, 27. + +[30] _Nimbschen_. Der Name lautet: Nimetzsch, Nimtsch(en), Nympschen, +Nimptschen. Br a.a.O.--"Gestiftet zur Ehre und zum Dienste Gottes und +seiner geheiligten jungfrulichen Mutter".--Das Amt und Kloster fiel bei +der Teilung 1485 an das Kurfrstentum. Sachsengrn, I, 82. + +[31] Zu S. 8 ff. Vgl. Thoma, Frauenalb 77 ff. Zu S. 9-12 s. Urkundenbuch +319 ff. Br, 35a. + +[32] Urkundenbuch 337. Zum damaligen Geldwert: l Schock = 60 Groschen. +20 Gr. = 1 fl. 14 gute Schock = 40 fl.--Damals kostete 1 Huhn 1/2 Gr.; 1 +Schock (60) Eier 1 Gr.; 1 Scheffel Weizen 7 Gr.; ein Scheffel Hafer 3 +Gr. Urkb. S. 376. + +[33] Amsdorfs Brief an Spalatin vom 11. April 1523. "Ordinis B. +Bernardi". + +[34] Im Freiberger Kloster gingen durch das Fenster am Chor Sachen (bes. +Schriften) aus und ein. (Seidemann 128).--canes (statt canas?) vetulas. + +[35] cum pueris heit es. Sollten die Knaben der Aebtissin (S. 11) +gemeint sein? + +[36] Ueber die Feierlichkeiten s. Frauenalb S. 23-25. + +[37] Urkundenbuch S. 166. Frauenalb 22. + +[38] Metze = Magda(lena). + +[39] Margarete hatte (1497) von ihrem Vater Hans v. Haubitz samt ihrer +Tante als Leibgeding 64 Groschen Geld, 9 Hhner, 30 Eier und ein +Hofichen Butter vom Vorwerk Haubitz verschrieben. (Urkb. zu 1497). + +[40] Als das Stift evangelisch geworden war. _Gromann_, Die +Visitations-Akten der Dices Grimma I.H. Leipzig 1873, S. 181. + +[41] S. _Seidemann_, Kollektaneen auf der Dresdener Hofbibliothek II +unter "Bora". Zu S. 13-15 Urkundenb. 319 f. + +[42] _Cordatus_ Nr. 954. + +[43] Urkb. 303: 1504 nahm das Kloster "zur Anhebung der hl. Reformation" +Geld auf. 324: "Obgleich noch viel zur Reformation gehrt." + +[44] Die stndige Eingangsformel eines Antwortschreibens lautet: Euern +Brief habe ich erhalten und verstanden. + +[45] In der Zeit, da das Kloster evangelisch geworden war, wurde den +Schreibverstndigen unter den Klosterfrauen aufgegeben, die jungen +wenigstens, die es noch nicht konnten, schreiben zu lehren. _Dr. +Gromann a.a.O._ S. 80. + +[46] Sachsengrn, 81, Urkb. 319, 323. Altes Gesangbuch 290. + +[47] _Seidemann_, Kollekt. Pars II unter "Bora". + +[48] Florentina bei Walch XIX 2095 ff. + +[49] Florentina. Walch a.a.O. + +[50] Br a.a.O. Anderwrts waren die Spenden bei der Einsegnung +tarifmig festgesetzt und sehr betrchtlich; z.B. im Kloster Hausdorf +erhielt der Propst allein 32 Gr. und 1 Fingerlin (Ring), die Priorin und +Kellnerin je einen Schleier, 15 Gr., 4 Stck Fleisch, 1-1/2 Stbchen +Bier und ein St. Wein, und alle Beamte und Bedienstete bis zum +Blasbalgtreter, Luter und Fensterknecht, sowie jegliche Jungfer, ihren +ganzen oder halben Solidus. _Mitzschke_, N. Archiv fr Schs Gesch. XIX, +347. + +[51] T.-R. II 233. "Wider Willen geweiht": Br. II 330, lies: invito +dic(a)tis "Hitzig", T.-R. II, 233, vgl. Urkb. 324: "in Gottesliebe +hitzig". + +[52] Frauenalb. 31. Urkb. 324. + +[53] T.-R. III 230, II 124. 235 sagt Luther: "Es war eine lautere +Stockmeisterei und Marter der Gewissen im Beten. Da war nur ein +Geplapper und Gewsch von vielen Worten; kein Gebet, sondern nur ein +Werk des Gehorsams." + +[54] Da Katharina, wie seltsamerweise die katholischen Schriftsteller +bis auf Evers hartnckig behaupten (vgl. S. 262, Z. 27), Aebtissin +gewesen sei, wird schon durch die Thatsache widerlegt, da Margarete von +Haubitz von 1509 bis zur Aufhebung des Klosters Vorsteherin war. + +[55] Von den Nonnenklstern stammen die zahllosen Paramentstcke der +mittelalterlichen Gotteshuser. So hatte die Wittenberger Stiftskirche +32 Teppiche, 18 Fahnen, 12 Samtdecken, 138 seidene Vorhnge und 221 +Megewnder! _G. Stier_, Denkwrdigkeiten Wittenbergs, S. 10. + +[56] Urkb. 316-319. + +[57] Ebenda.--Vgl. _Myconius_, Summarium der Ref.-Geschichte 4: +"Vielfeiern: Tag und Nacht singen, plrren, murmeln". + +[58] Sachsengrn, I, S. 82.--Der Bischof von Merseburg (Adolf, Frst von +Anhalt) kam am 28. April 1524 zur Visitation nach Grimma mit 40 Pferden +und sechs Geistlichen. _Frstemann_, Neues Urkundenbuch, Hamburg 1842, +S. 97. + +[59] 1. Jan. 1291. 7. Okt. 1296; s. Urkb. 226. + +[60] 23. Aug. 1311. Urkb. S. 221. 337. + +[61] Weimarer Archiv, Rechnungen von 1517, 1519, 1530. _Seidemann_, +Kollekt. II. Vgl. _Grulich_, Denkw., S. 27. Urkb. 315. + +[62] Urkb. 322 ff. + +[63] Urkb. 334. Sachsengrn I, 82. Urkb. 303, 307. 313: Beschwerden ber +die Mnche: "Alle Diener (Beamte), die vom Frsten dahingesetzt, worber +die Aebtissin und Sammlung hlt, werden von den Mnchen verfolgt. Sie +wollen auch die neue Abtissin entsetzen wie die alte, aus Neid." + +[64] Urkb. 328. Der Vorsteher hie Matthias Heuthlin. + +[65] Urkb. 329. 337 f. + +[66] Urkb. 344. "Mutter Khnen wartet auf die kranken Jungfrauen." So +beklagten sich die Nonnen in Freiberg, da ihnen keine Liebesdienste, +wie Krankenpflege und dgl. verstattet sei. Urkundenb. 325: Die Aebtissin +ermahnt die Nonnen, den Statuten nachzufolgen, "da ihr also durch +dieselben geistlich lebet, auf da ihr aufs letzte das Verdienst der +guten Werke ("Uebungen") und Vergeltung eurer Arbeit mit dem ewigen +Leben mget erlangen." + + +3. Die Flucht aus dem Kloster. + +[67] L.W. XIX, S. 1797-2155. + +[68] T.-R. II 124, S. oben S. 18, 2. [Transkriptions-Anmerkung: Die +genaue Position des Verweises im Text nicht markiert.] + +[69] _Matthesius_ 31, wonach auch der Inhalt des Bchleins angegeben +ist. Vgl. _Seidemann_, Erluterungen zur Ref.-Gesch. 113. + +[70] _Grulich_, Denkw. v.T., S. 28. S. unten S. 32. + +[71] S.o.S. 21. _Walch_, Leben der sel. Kath. v. Bora 64 f. + +[72] Florentina a.a.O. + +[73] Vgl. Ztschr. f.d. Gesch. d. Oberrheins, 1899, H. 1. S.o.S. 28 und +S. 32. + +[74] Br. III 321, 322.--1534, als Luther allerlei Erfahrungen in dieser +Hinsicht gemacht hatte, mute er die austrittlustigen Nonnen auf diese +Schwierigkeiten aufmerksam machen. Br. II, 322, IV, 580, 583. + +[75] Br. II, 322. 327. + +[76] Br. II, 323.--"Kinder" = freigeborne Shne und Tchter (liberi); +vgl. Frauenalb 18. Damit sind Seidemanns (Erluterungen zur Ref.-Gesch., +Dresden 1844, S. 109) Bedenken ber die "Sammlung (Konvent) von Kindern" +in Freiberg erledigt. + +[77] Br. II, 320. Luthers Auslegung von I. Cor., 7. _Walch_ XII, 287 +f.--So enthielt der Ave Schnfeld ihr Bruder nach ihrem Austritt ihr +Erbe vor, indem er sich auf das ppstliche (kanonische) Recht berief. +Br. III, 289 f. + +[78] _E. Wezel_, Kath. v.B. Geburtsort, Wiss. Beil. z. Leipz. Z., 1883, +Nr. 71, S. 423 f.--Br. II, 323. + +[79] Vergleichen kann man mit den Nimbschener Zustnden diejenigen im +Kloster Freiberg. Hier vermittelte die Herzogin Heinrich (Enkelin des +Bhmenknigs Georg Podiebrad) die Schriften Luthers. Die Schriften kamen +auch durch den Klosterprediger, den Balbierer Meister Philipp ins +Kloster, wurden abgeschrieben u.s.w. Bei einer Visitation vergrub die +Herzogin Ursula einen ganzen Sack voll lutherischer Bchlein ins Korn. +Beim Salva Regina sangen die Lutherischen andere Wrter.--Viele, +darunter Katharina von Mergenthal, die Herzogin von Mnsterberg "waren +rege und wollten springen; die Heerfhrerin drohte immer mit Auslaufen" +(Seidemann, 120). Unter den 77 Freiberger Nonnen waren ein gut Drittel +(besonders die jungen) lutherisch, ein anderes Drittel altglubig, das +dritte Drittel "wie der Wind geht". Die einen hielten die andern fr +"bnnisch". Die Priorin war lutherisch und half zur Flucht. N. Archiv f. +Schs. Gesch. III, 290-320, _Seidemann_, Erl. zur Ref.-Gesch., Dr. 1844, +S. 109 ff. + +[80] Br. II 323. + +[81] III, 9. + +[82] II, 323. + +[83] II, 323. + +[84] II, 327. + +[85] Br. II, 321, 322 f.--Auch Luther dachte an Todesgefahr: "ob's auch +das Leben kosten mte". Um diese Zeit, vor oder nach Ostern 1523 wurde +Heinrich Kelner, welcher eine Nonne aus Kloster Sornzig entfhrt hatte, +durch Herzog Georg zu Dresden gekpft, gespiet und an den Galgen +gesteckt. S. 36. Und als um Fastnacht (4. Mrz 1524(?)) zu Torgau 16 +Brger das Barferkloster strmten, erregte das den grten Unwillen +des Kurfrsten Friedrich, zumal damals gerade kaiserliche Gesandte sich +in Torgau aufhielten, um ber die Religions-Angelegenheiten zu +verhandeln. Der Kurfrst wollte den 16 an das Leben, so da sie Frau +und Kinder in Stich lassen muten und flchtig wurden; ein Glck, da +Kurfrst Friedrich bald starb und sein Bruder Johann milder gegen die +Verjagten gestimmt war. + +[86] _Hofmann_, S. 8 f., Torgauische Denkwrdigkeiten 1749, S. 38; +_Grulich_, Denkwrdigkeiten Torgaus, Torgau 1855, 2. Aufl. S. 24 f. M. +Sam. _Schneider_, Neue Beitrge 1758. "Im Jahre spter strmte Koppe mit +anderm Pbelvolk das Mnchskloster."--Der Klosterstrmer war aber +wahrscheinlich der gleichnamige Neffe des alten Koppe; auf den Neffen +pat das Herumtreiben mit jungen Edelleuten whrend der Flucht. Der +junge Koppe konnte auch verwandt mit Kunz von Kaufungen sein.--Der +Klostersturm war auch wahrscheinlich 1525 nicht 1524, sonst wrde sich +nicht reimen, da der Kurfrst bald starb. Auch ist 1525 das Jahr der +Bauernunruhen, wo sich eine solche aufgeregte That eher erklrt. Noch +weniger kann es 1523 sein; denn sonst htte Koppe, sei's der ltere oder +jngere, nicht nach Torgau sich wagen drfen. + +[87] Hofmann, S. 9 f. + +[88] Die verschiedenen Berichte ber die Flucht s. bei _Walch_ 64, +_Hofmann_ 11, _Seidemann_, Ztschr. f. histor. Th. 1860, S. 475. +Lutherbr. 14. _Br_ 36. Von Heringstonnen berichtet _Arnold_, +Kirchen-und Ketzerhistorie II, 513. Vgl. _Beste_ 17 f. Die oft erwhnte +Florentina entkam ohne weiteres, als ihre Hterin ihre Zelle zu +schlieen versumte und die andern Nonnen im Schlafhaus waren. Die +Herzogin Ursula von Mnsterberg entwich durch die schlecht verwahrte +Hintertr im Garten (N. Archiv fr Schs. Gesch. III, 304, Seidemann 118 +f.); auch in Nimbschen war die hintere Pforte schlecht verwahrt. +(Urkundenbuch 324). Die mndliche Sage in der Umgegend erzhlt, es +htten sich alle neun Nonnen durch das Fenster in der Zelle Katharinas +herabgelassen; auch habe diese bei der Flucht ihren Pantoffel verloren. +Das Fenster wird an den heutigen Ruinen (des Refektoriums?) noch gezeigt +und lange Zeit sangen die Zglinge der Landesschule zu Grimma, an welche +das Kloster mit seinen Einknften bergegangen ist, dort bei Ausflgen +lateinische und deutsche Hymnen. Das Fenster aber hat schwerlich zu +einer Zelle gehrt. Ebenso wird noch in Nimbschen der Pantoffel +gewiesen, der aber ist ein Machwerk des vorigen Jahrhunderts. + +[89] _Menken_ Annal. a. 1523. Script. rer. Sax. 571: singulari consilio +et calliditate. Facinus plane audacissimum. Asus est ex monasterio clam +abducere. Br. II, 319; satis mirabile evaserunt. + +[90] Br. II, 318; vom 8. April ex captivitate accepi heri ex Nimpschen 9 +moriales. + +[91] _Grulich_. Denkwrdigkeiten S. 29. "Auch Zwilling war bei der Hand +und fhrte den Zug der Nonnen an". + +[92] Br. II, 319. vulgus miserabile. Kolde Ann. Luth. 443. + +[93] Anspielung auf 1. Petri 3, 19 und Ephes. 4, 8, wonach Christus am +Karsamstag zu den Geistern ins Gefngnis hinabstieg und die armen Seelen +befreite, wie das auf mittelalterlichen Bildern mit so groer Vorliebe +dargestellt wird. + +[94] Br. II, 321. "Euer Audi" lt Luther auch in der Einladung zur +Hochzeit gren III, 9. + +[95] Der offene Brief an Koppe Br. II, 321-7. + +[96] _Burkhardt_, 56. 109. _Lorenz_: die Stadt Grimma, 1112 f. +_Lauterbach_ 163 f. + +[97] Dr. _Br_ 36. _Lauterbach_ 163 f. _Seckendorf_ I 272: Elcetor +dissimulavit factum. Die Aebtissin schrieb schon vorher an den +Kurfrsten. + +[98] _Seidemann_, Beitr. zur Ref.-Gesch. I, Dresden 1846, S. 60. +_Lorenz_ 1108 f. Urkundenbuch 340. _Gromann_, Visitationsakten der +Dices Grimma I, L. 1873 S. 78 ff. 181. + +[99] _Hofmann_ 14. _Seidemann_, Beitr. I, 92. + +[100] Br. II, 354. III, 9. 32. 33. + + +4. Eingewhnung ins weltliche Leben. + +[101] II, 323. 319. + +[102] II, 319 f. _Kolde_, Ann. L. 443. + +[103] Br. II, 334. 433. 473. 584. 330. + +[104] Br. IV, 580. + +[105] Br. III, 170. 229 f. 236. Schnfeld, T.-R. IV, 50. Burkh. 193. + +[106] Reichenbach stammte aus Zwickau und studierte in Wittenberg +1510-11. 1525 nahm er sein Haus in Lehen, 1530 wird er Brgermeister, +1541 heiratete seine Tochter, 1543 starb er. (_Buchwald_ 74 f. 173). +_Consil. Theol. Witt._ IV, 19. _Hofmann_ 13 f. Reichenbachs Haus ist +brigens nur in dem hundert Jahre spter erschienenen Werk der _Consil. +Theol. Witteb._ als Katharinas Zufluchtsort genannt. Bei allen +gleichzeitigen Quellen kommt es nicht vor; auch in allen Berichten ber +die Trauung und Hochzeit wird das Ehepaar nicht erwhnt und von irgend +welcher Beziehung des Lutherschen Hauses mir der Familie Reichenbach +findet sich keine Spur. Er gehrte allerdings in den Freundeskreis +Dietrichs und Baumgartners. Dietrich meldet diesem am 29. Jan. 1535 die +Vermhlung von Reichenbachs Schwester mit dem Nrnberger Strauch. +(Ztschr. f. hist. Th. 1874 S. 546 f.) Dagegen weisen andere Anzeichen +darauf hin, da Kthe vielmehr in dem _Kranach_schen Hause gelebt habe; +der Knig Christian, welcher im Oktober 1523 dort wohnte, verehrte der +Jungfrau Kthe einen Ring: das kann doch nur fr Dienste geschehen sein, +die sie im Kranachschen Hause that. Ferner ist bei der Trauung Luthers +als einzige Frau die Kranachin zugeben. Endlich steht Luther, wie Kthe, +mit den beiden Eheleuten, seinen Gevattern, auch in spteren Jahren noch +in reger Beziehung, whrend nirgendswo von einem Verkehr mit dem +Reichenbachschen Ehepaar im Leben Katharinas geredet wird. Ich mchte +daher vermuten, da Kthe nur kurze Zeit im Reichenbachschen Hause +untergebracht wurde, dagegen im brigen in dem sehr umfangreichen und +wohlhabenden Hause der Kranach als Sttze der Hausfrau Verwendung +gefunden. Bei Kranach konnte auch Ave von Schnfeld untergebracht sein, +weil ihr spterer Gatte Lic. Basilius Axt in Kranachs Apotheke +beschftigt war. In dem Brief, worin Luther den Medicus Basilius Axt +empfiehlt, wird von diesem gesagt, er sei Apotheker bei Kranach gewesen +und seine Gattin (Ave von Schnfeld) eine Mitschwester von Luthers Frau. +(B. III, 292 vgl. 291). + +[107] _Beste_ 20. _Hofmann_ 13, 26. + +[Transkriptions-Anmerkung: Zur folgenden Bemerkung gibt es keinen +Verweis im Text.] + +_Seidemann_, Ztschr. f. hist. Th. 1874. S. 533 ff. + +[108] Consil Witt. IV, p. 19. + +[109] Br. II, 325. + +[110] Br. II, 553. W.L.W. XXI, 916. Beste 22, 2. + +[111] Ztschr. f. hist. Th. 1874. S. 544-58. Br. II, 553. + +[112] Corp. Ref. I, 1114. Br. III, 532, wo Luther und Melanchthon an Abt +Friedrich fr eine Wittenbergerin frsprechen, welche ein junger +Nrnberger heiraten will. + +[113] _Abr. Scultetus_ Ann. ad. ev. renov. ad a. 1525. p. 80. +_Seckendorf_ II, 17. _Walch_ 92-96. _Beste_ 23 f. + +[114] "Meine Kthe hatte ich damals nicht lieb, denn ich hielt sie +verdchtig, als wre sie stolz und hoffrtig." T.-R. IV, 50. + + +5. Katharinas Heirat. + +[115] Ostern 1525. Br. II, 643. 646.--Vgl. T.-R. IV, 132. + +[116] _Schadow_, Wittenberger Denkwrdigkeiten, W. 1825, S. 61. + +[117] Hochmeister: Br. II, 673 f. 678. Spalatin: II, 643. _Seckendorf_ +II, 274. + +[118] T.-R. IV, 145: "Die kaiserlichen Rechte sagen: Wer eine Nonne +nimmt, der habe das Leben verloren und das Schwert verdient". + +[119] Br.: II, 35. 40. 49. 102 f. 583. 637. + +[120] _Cordatus_ 1509. Argula. Br. II, 570. 646. W. XXI, 931. + +[121] _Lingke_, D.M.L. Reisegeschichte, L. 1769, S. 157. Luther war vom +16. April bis 6. Mai auf der Reise. Br. II, 643.--Anfangs Mrz bat +Luther Amsdorf, zu ihm zu kommen, um ihm in seinen Anfechtungen ein +Trost zu sein. Br. II, 634. + +[122] W. XX, 1685. X, 861. _Seckendorf_ II, 17, I, 274. _Scultetus_ p. +80. 274. Br. II, 643. 655. 678, III, 1. 3. 13. 21. 32. Consil. Theol. +Witteb. IV, 19. _Lingke_ 151-3.--"Es ist der Welt Gott der Teufel (der +ja selbst ein Hagestolz ist), der Versptter jeder Gott geflligen +Gattenliebe und jedes ehrsamen Familienlebens, der den Ehestand so +verleumdet und schmhlich gemacht hat" (W. X, 806). "Wer dem Ehestand +zuwider ist und redet bel davon, der ist gewi vom Teufel." (Matthes. +138.) Erasmus spttelte, Luther erlaube andern, was er selber nicht +wage. _Schlegel_, Vita Spalatini, 211. 214.--T.-R. IV, 36. + +[123] W. X, 962. Erasmi Opera ed Cler. III, 1 ep. 80. Br. III, 21. So +schreibt L. 1526 bei der Taufe seines Erstgebornen. "Ich scheu des +Prangens, als wollt ich mich mit einem Mnchs- und Nonnen-Kinde +herfrthun" (III, 113).--Nonne trotz kaiserl. Rechte: T.-R. IV, 145. + +[124] Die Schnheit Katharinas behauptet u.a. Erasmus III, 1 ep. 730. +"Ein Mgdlein von feiner Gestalt". "Eine schne Frau": IV, 553. "Nicht +in Leidenschaft entbrannt": III, 9. Reim: Seidemann in Schnorrs Archiv +IX, S. 3. Ueber schne Frauen, T.-R. IV, 40. + +[125] II, 646. Diese 2 Frauen waren wohl 1. die Ave von Schnfeld, von +welcher L. 1536 sagt: "Wenn ich vor 13 Jahren htte freien wollen, so +htte ich Eva Schnfeldin genommen, die jetzt der D. Basilius, der +Medicus, in Preuen hat" (T.-R. IV, 50); und 2. "jene Alemannin, meine +Verlobte", von welcher im Januar 1526 das Gercht ging, Amsdorf habe sie +geheiratet. Br. III, 77. Salus (=Ave) Allemanna, vgl. die vier Brder +Alemann III, 418. Man deutet aber diese Aeuerung L. drei "Frauen" auch +allegorisch auf die drei Mnchsgelbde (_Beste_ 31) u.a. + +[126] II, 655. Luther war am 19., 28., 29. April in Eisleben. + +[127] Die ble Nachrede (III, 2 infamantibus me cum Catharina Borana) +war vielleicht die Lge von einem frhzeitigen unerlaubten Umgang der +beiden Brautleute, welche auch Melanchthon in seinem bekannten +vertrauten Brief an Camerarius zurckweist. S. 58. Luther war wegen der +an sich selbst erfahrenen und auch sonst wahrnehmbaren Verleumdung +Verlobter gegen lange Verlobungszeit. T.-R. IV, 41, Br. III, 1-3, 9-12. + +[128] T.-R. IV, 73. Cord. 1511. + +[129] Luthers Augen beschreibt Melanchthon (Ztschr. f. K.-G. IV, 326) +als braun mit einem gelben Ring darum: der Ausdruck habe den +kampflustigen Blick des Lwen.--Ueber Luthers Aeuere vgl. +Kchenmeister, L.'s Krankheitsgeschichte, 42. 116. Bei dem Besuch bei +Kardinal Bergerins (s.o.S. 115) trug, wie dieser bemerkte und +aufschrieb, Luther ein Wams aus dunklem Kamelot, die Aermel mit Atlas +eingefat, darber einen kurzen Rock von Sersche mit Fuchspelz +gefttert, an den Fingern mehrere Ringe, um den Hals eine schwere +goldene Kette. Luther wollte damals dem Kardinal imponieren und recht +jung aussehen, um ihn zu rgern; er meinte, so msse man mit Fchsen und +Schlangen handeln. + +[130] T.-R. IV, 38. + +[131] _Kawerau_, der Briefwechsel des J. Jonas, Halle 1884/5, I, S. 94. + +[132] "Herkmml. Bruche": im Briefe Mel. an Camer. (ed. _W. Meyer_, +Mnchen, Akadem. Buchdr., 1876, S. 6 f. Vgl. _Kstlin_ I, 768 f., 817 +f.--T.-R. IV, 72: L. fhrt nach dem Nachtessen die Braut zum Bette. +S.u.S. 121 f. + +[133] Die Trauform in Luthers Traubchlein (1529), welche sich wohl dem +herkmmlichen Gebrauch anlehnt, ist folgende: Vor der Kirche geschieht +die Trauung durch einen Weltlichen oder Geistlichen. Da wird "Hans und +Grete" gefragt: Willst Du den oder die zum ehelichen Gemahl haben? Auf +das Ja! wechseln sie Trauringe; der Trauende fgt die Hnde zusammen und +spricht: "Was Gott zusammengefgt hat, soll der Mensch nicht scheiden." +Und: "Weil denn Hans N. und Grete N. einander zur Ehe begehren und +solches hier ffentlich vor Gott und der Welt bekennen, daraufhin sich +die Hnde und Trauringe gegeben haben, so spreche ich sie ehelich +zusammen im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes." +Darauf folgt in der Kirche Gebet und Segen. Spter wurde in Wittenberg +die Trauung in der Kirche blich. Kstlin II, 642, 63. Vgl. T.-R. IV, +53. "Da verlachet D. Philipp hhnisch, wenn wir Braut und Brutigam in +der Kirche ffentlich zusammengeben, gleich als drfte man nicht beten +zu solchen Sachen." + +[134] _Kawerau_, Jonas' Briefw. a.a.O.--"Gelbnis" Wittenb. +Stadtrechnung. Vgl. V, 196: sponsalia confimare. + +[135] _Hofmann_ 47. + +[136] W. X, 855 f. 967 f. III 2, 567 f. 2565. Bugenhagen an Spalatin. +Luther fordert im "Traubchlein", die Ehe als ffentlicher Stand solle +auch ffentlich vor der Gemeinde vollzogen werden, vor oder in der +Kirche, wie es die Brautleute begehren.--Auch _Matthes._ redet +von einem ffentlichen Kirchgang Luthers, desgl. Consil. Theol. +Witteb.--Bezeichnungen fr die Hochzeit bei _Schild_, Denkwrdigkeiten +Wittenbergs, W. 1892, S. 25. Luther hielt--gegenber Melanchthon--sehr +auf die herkmmlichen kirchlichen Bruche bei der Hochzeit. T.-R. IV. +72. Als Wittenberger Brauch der Heimfhrung wird (_Buchwald_, Zur +Wittenberger Stadt- und Universitts-Gesch. 35) erzhlt: "Rhrer fhrte +seine Braut nach der Hochzeit im Hause Dr. Beiers in unser Haus mit +feierlichem Geleite der Frauen." Vgl. M.H. Gottl. _Kreuler_, Denkmler +der Ref., L. 1817, S. 29. "Die kleine Gesellschaft brachte das Brautpaar +heim." + +[137] Hochzeitsbriefe III, 1. 3. 9. 11-14. + +[138] Hochzeitsgeschenke, Hofmann, 52 f. + +[139] Siehe bei _Hofmann_ das Titelbild. _Seidemann_, Beitr. zur +Ref.-Gesch. I, 92. + + +6. Das erste Jahr von Katharinas Ehestand. + + +Br. II, 582, III, 32. + +[140] "Schwarzes Kloster" d.h. Kloster der schwarzgekleideten Augustiner +im Gegensatz zu dem unteren "grauen Kloster", dem Sitz der grauen +"Minderbrder".--Studierstube, Br. II, 543, T.-R. IV, 476. Ausrstung, +Br. III, 472 f. Winterzimmer, III, 221. Bilder: Der Karlstadtianer +Ickelsamer ("Klag etlicher Brder") rgt, "Luther wolle bei sich gemalte +gtzische Bilder haben." T.-R. I, 137: "Gemlde an der Wand. Das +Kindlein Jesus schlft in seiner Mutter Arm". S. 311. "Da D.M. +das Kindlein Jesus gemalt im Schoe der reinen Jungfrauen +ansahe".--_Seidemann_, Grundbesitz 496. Die gesamte jetzige Einrichtung +des Lutherzimmers ist nicht echt, namentlich Tisch und Ofen aus spterer +Zeit. Ueber das Lutherhaus s. H. Stein, Geschichte des Lutherhauses, +Wittenberg 1883. Das Lutherstblein war aber nicht im Turm, sondern ist +das vorhandene.--S. Seite 74 f. und Anmerkung dazu. S. 285. + +[141] In dem Krankheitsbericht des Jonas von 1527 speist die Familie, +scheint es, im untern Stock und Luther geht von da in das Schlafzimmer +hinauf. + +[142] _Seidemann_, Grundbes. 484. S. 8. Kapitel und [239]. + +[143] _Frstemann_, N. Mitteilungen a.d. Gebiete hist.-antiq. +Forschungen III, S. 113: "1 Schwbisch, Frau katharin Doctoris Martinj +Ehelichen Weyb zeum Newen Jhare geschenckt."--Consil. Theol. Witteb., +Frankf. 1664, S. 19: "1 Sch. 8 Gr. 3 Heller vor ein Schwebisch _Haub_ +Frau Katharinen, Doctoris Martini Ehelichem Weibe zum Neuen Jahre +geschenckt." Hofmann 52 meint: Ein Stck oder Schock schwbische +Leinwand. Kasten V, 162. Gerte VI, 325 f. + +[144] III, 18. "Ich bin an Kethen gebunden und gefangen und liege auf +der Bore (Bahre) scilicet mortuus mundo. Salutat tuam Catenam mea +Catena. III, 9: "Ich bin meiner Metzen (Meid = Jungfrau) in die Zpfe +geflochten". S. oben [38]. + +[145] T.-R. IV, 41. + +[146] Im Studierstblein Bcher auf Bnken und Fenstern, 111, +472.--Hochmeister Cord. 1510. Vielleicht aber meinte Kthe den +Markgrafen Georg von Ansbach.--Brief ber Erasmus 111, 212. + +[147] Cord. 38. T.-R. II, 208, IV, 121, vgl. 78: "Die Weiber sind von +Natur beredt und knnen die Rhetorikam, die Redekunst wohl, welche doch +die Mnner mit groem Flei lernen und berkommen mssen." + +[148] Garten und Brunnen III, 117. _Schild_ a.a.O. Birnbaum, T.-R. II, +369. + +[149] Das als Titelbild diesem Buch vorgesetzte Bild weicht bedeutend +von dem im Text geschilderten ab. + +[150] T.-R. IV, 114. + +[151] Luther nennt es selbst "meine abenteuerlich Geschrei". + +[152] Br. III, 10. Camerarius. Narratio de Vita Mel., L. 1723, p. 103, +CXXX. + +[153] C.R. I, 754, Melanchthon. Camerarius p. 103 f. Vgl. _Hausrath_, +Kleine Schriften, L. 1883, S. 253 f. + +[154] III, 3. + +[155] Quellensammlung frnk. Gesch., Bamberg 1853, IV p. LXII. Beste +103-6. + +[156] Erasmi Opp. ed. Clerie. III 1. ep. 781. 790. 900. + +[157] _Seidemann_ 555. + +[Transkriptions-Anmerkung: Zur folgenden Bemerkung gibt es keinen +Verweis im Text.] + +Schmhschriften. _Hofmann_ 190 ff. + +[158] W. XIV, 1335 f. Br. III, 299. 365. + +[159] S.o.S. 36. Br. III, 9. 32. 49. _Hofmann_ 77. _Ratzeberger_ 69 ff. + +[160] III, 94 f. + +[161] III, 125: Mihi morigera et in omnibus obsequens est et commoda +plus quam sperarem. + +[162] Mel. griech. Brief an Camerar. Vgl. _Hausrath_ 254. T.-R. IV, 304. + +[163] Br. III, 55. 58. 32. 49. _Seckendorf_ II, 81. + +[164] III, 9. + +[165] L.W. "Das Pabstum mit seinen Gliedern gemalet". + +7. Katharina als Mutter ihrer Kinder und Hausgenossen. + +[166] Der Gevatterbrief an Kanzler Mller lautet. "Gerne tht ich's, da +ich m. gn. Herrn (d.i. wohl der Graf von Mansfeld) zu Gevatter bte: +aber ich scheu des Prangens, das man mir wrde zumessen, als der ich +mich mit einem Mnchen- und Nonnenkinde wollt herfrthun und groe +Herren zu Gevatter bitten. Darum will ich hieneiden bleiben und bitte +Euch, sich des Kindes annehmen und geistlicher Vater mit sein, da es +zum Christen mchte geboren werden." Br. III 113. T.-R. III 144. Br. III +115 f. 125. 128. + +[167] III, 173. 213. 264. Kolde, An. L. 97. Natrlich sugte Katharina +ihre Kinder selber. T.-R. II, 165. + +[168] III, 364. T.-R. I, 44. 199. Cord. 639. + +[169] _Kawerau_, Briefw. des J. Jonas, Halle 1884, I, 116. Beste 74. Br. +III, 246. 364 f. 376. 390. + +[170] III, 448.--Es war am Himmelfahrtsabend. + +[171] III, 447 f. T.-R. II, 274. + +[172] Mayer p. 40. Veit Dietrich 19. Juni an Kthe. + +[173] T.-R. I, 205 f. + +[174] Beste 77 f. Br. IV, 313. 320. 414. T.-R. I, 118. 200. IV, 131. + +[175] Br. IV, 419. + +[176] _Hofmann_ 156 f. Vgl. T.-R. IV, 515. 525. + +[177] Br. IV, 436. Hofmann 156-88. + +[178] IV, 436 f. + +[179] _Mayer_ 22. _Cord._ 1235. + +[180] IV, 574. 623. V, 129. 163. VI, 153. + +[181] T.-R. I, 118. 178. 181. 198 ff. 211. Br. III, 123. IV, 343. + +[182] T.-R. I, 26. 213. Ratzeberger 60. Rietschel L. und sein Haus. +Halle 1888. S. 45. ("Der Kleider und des Baretts springen"--Sack- oder +Hosenlaufen und Barlauf?) Jost Br. IV, 7. Jost und Lippus; 41. + +[183] T.-R. I, 13. _Matthesius_ 145a. Br. IV, 41 f. 343. V, 163. +_Ratzeberger_ 59. + +[184] T.-R. I, 294. 212. 185. 178. Cord. 732. _Weilinger_ in seiner +Schmhschrift "Fri Vogel oder stirb" (Straburg, 1726, S. 78) hat ein +Familienbild: D. Luther, die Frau Kth und liebe Jugendt; darauf stehen +in einer Gruppe das Ehepaar, an den Vater angeschmiegt "Hnchen", dann +dem Alter nach "Lisel", als erwachsenes Mdchen (obwohl sie mit einem +halben Jahr gestorben ist.), "Lenchen, Martin, Paulus, Gretel"; in der +Thr steht ein lterer Knabe mit der Schrift. "Ich hei +Andrsel".--Dies Bild hat mit Weglassung von Elisabeth ein Straburger +Maler etwas veredelt nachgebildet und diese Nachbildung ist in der +"Niederlage Christlicher Schriften" in Straburg als Photographie +erschienen und in G. Buchwalds D.M.L. deutsche Briefe (L. Bernh. Richter +1899) reproduziert.--Vielleicht ist das Weilingersche Bild unter +schmhschtigem Hinzuthun des "Andrsel" einem lteren Original +nachgebildet; die Tracht der Kinder weist zum Teil auf die Wende des 16. +Jahrhunderts. Bei Luther, Kthe und Lenchen hatte der Zeichner offenbar +die bekannten Originale vor Augen. + +[185] Muhme Lene. Magdalena von Bora fehlt in dem Nimbschener +Personenverzeichnis von 1525/6. Von 1520-25 fehlt ein solches. IV, 44 f. +Vgl. T.-R. I, 200. + +[186] T.-R. III, 153. Br. IV, 42. 132. 343. + +[187] _Lauterbach_ 2. 141 f. 164 f. Cyriak Br. III, 550. IV, 8. 15. 121. +139. VI, 123. + +[188] Lies. gleichzeitig, statt "frhzeitig". Von dem Adoptivsohn +_Andreas_ schreiben sich die katholischen Verleumdungen des Lutherschen +Ehepaares her, da er als "Sohn" bald nach der Hochzeit geboren sei. +(Vgl. oben S. 58). Ueber diese Verleumdung vgl. Lauterbach V und 141 +Anm. desgl. _Lutherophilus_, "Das 6. Gebot und Luthers Leben." Halle, +1893. + +Fabian hatte in der "Specke" ein Abenteuer mit einigen Schlangen, das er +daheim natrlich gehrig bertrieben erzhlte: als er dahin spazierte +und sich darin schlafen legen wollte, trat er auf ein Nest voll +Schlangen, die ber einen Haufen lagen; die Tiere zischten ihm entgegen, +der junge Siegfried aber zog sein Schwert, hieb unter sie, der einen den +Kopf, der andern den Schwanz ab, bis das ganze Nest zerstrt war. T.-R. +I, 233. + +[189] Hans Polner Br. IV, 131. VI, 123. 151. Cord. 444 N. lies: Hans +statt Andreas Polner. + +[190] V, 492. VI, 649 f. _Kolde_, Anm. Luth. 428. Ztschr. f. +Kirchengesch. 1878, S. 145. Neobulos, eigentlich Neobolos. + +[191] IV, 342 f. T.-R. I, 350. + +[192] III, 217 ff. VI, 683 unter "Mocha". + +[193] III, 178. V, 189. + +[194] Ganerben = Gesamterben. Wie falsch diese Beschuldigung des +Stehlens war, geht daraus hervor, da die Herzogin mittellos zu L. kam +und ihre Begleiterin ein groes Vermgen im Stich gelassen hatte. (Br. +III, 290). Katharina von Mergenthal, (IV, 469) Anna und Christina Korb +hatten nichts mitgebracht, als ihr Pelzlein und Ziechen vom Bettgewand. +(N. Archiv f. schs. Gesch. III, S. 319). + +[195] S. 104. Br. III, 219.--Die Matronen Luther, Melanchthon u.a. +pflegten in der Stadt schwangere Frauen zu besuchen und zu beraten. +_Seidemann_, Beitr. S. 496. Kollekt. unter "Bora". + +[196] _Kstlin_ II, 115. Nach _Seckendorf_ II, 122 war die Kurfrstin +drei Monate im Lutherhaus. + +[197] _Kolde_, An. Luth. 378. + +[198] V, 46 f. + +[199] "Bildenhauer" ([Symbol: gestorben] 1539) T.-R. I, 206. 248. Br. V, +201. VI, 328. + + +8. Katharinas Haushalt und Wirtschaft. + +[200] _Seidemann_, Luthers Grundbesitz. Ztschr. f. histor. Th., 1860, +475-570. _Stein_, die Geschichte des Lutherhauses. Wittenberg, 1883. +Vgl. _J. v. Dorneth_. M. Luther, Berlin 1886. II, c. 12. III, c. 10. 24. + +[201] Luther wute, was ihm alles auferlegt wurde: "Luther hat einen +dicken Rcken, er wird auch diese Last tragen." IV, 294. + +[202] _Cord._ 1057. T.-R. IV, 78. 114. Br. III, 417. C. Ref. IV, 890. +Vgl. _Hofmann_ 93.--Zu I Cor. 7. W. II, 2830. + +[203] Cord. 1079. + +[204] V, 228. CR. VI, 625. VII, 144. + +[205] _H. Stein_, Geschichte des Lutherhauses. Wittenb. 1883. + +[206] T.-R. IV, 272 (Kellereinsturz). Vieh: _Burkh._ 409. 1 Kuh war +damals wert 3 fl.; 1 groes Kalb 2 fl.; 1 Ziege mit 2 Jungen 2 fl.; 1 +Schwein 1 fl.; 1 Ferkel 1/3 fl.--Hhner T.-R. II, 81. IV, 24. +Schweinehirt Johannes T.R. III, 128. + +[207] Reparaturen. VI, 327. V, 424. + +[208] Grundbes. 484 f. Br. VI 324-326. + +[209] 1541. _Burkh._ 403 f. + +[210] _Stein a.a.O._ + +[211] T.-R. I, 102. 123. 183. 213. IV, 291. + +[212] Gerte VI, 325. Kasten V, 162. Becher IV, 342. Vermchtnis: Burkh. +362. Uhren III, 168. 449. Messer: Burkh. 270. + +[213] Br. VI, 331. + +[214] Urkunde: _Burkh._ 202 f. + +[215] Myconii Summarium der Ref.-Gesch. Cyprian IV, 27. (2. Aufl.) W. +XI, 67. Br. V, 11. 127. 493. 668. 629. 319. 602. III, 156. Ueber das +teure Leben in Wittenberg beklagte sich auch ein Student 1532. +_Buchwald_ 103. Sonst 1 Kandel Wein 3 [Symbol: Pfennig]. T.-R. I, 268. + +[Illustration: Grundri des Lutherhauses (um 1540). + +(Nach H. Stein, Gesch. des Lutherhauses, Wittenberg 1883.) + + a Kollegienstrae. + b Huser darin. + c "Haus Bruno". + d "Des Rymers Huslein an Thor". + e Eingang. + f Hof. + g frherer Kirchhof. + h altes Kirchlein. + i Stlle. + k Brauhaus. + l Brauthor. + m Thordurchgang (Turm?). + n Garten. + o Thr in der Mauer. + p "Das hindere neue Haus". + q Lutherhaus (Schwarzes Kloster) 1. Stock. + r Haupteingang. + s Turm mit Wendeltreppe. + t Flur im 1. Stock. + u Vorzimmer + v _Wohnzimmer_. + w Schlafkammer. + x Feuerungsraum. + y Zimmer mit Fallthr und Treppe. + z _Studierstube_. + ab Aula. + A Vorlesungssaal. + B Stadtmauer. + C Stadtmauer. + D Wall. + E Nebeneingang mit Wendeltreppe. + +[216] VI, 297. T.-R. I, 258. 274 f. + +[217] Jonas hatte einen Weinberg, Melanchthon (wohl durch seine Frau, +eine Wittenberger Brgermeisterstochter) verschiedene Grundstcke. + +[218] _Burkh._ 319. + +[219] T.-R. I, 141. 142. 146. IV, 667. C.R. XXIV, 392. + +[220] Br. VI, 328. Garten: Burkh. 409.--Der Platz "Am Saumarkt", spter +"Viehmarkt", wo der kurfrstliche Karpfenteich war, ("Saumrkterin" V, +783, "auf dem neuen Saumarkt", _Burkh._ 356 f.) ist heute die +Lutherstrae. (Wittenberger Urbar VIa. 1625, Lagerplan.)--Richter, +Geneal. 398 ff. Beste 127. Fischteichlein T.-R. I, 179.--In der +Hausrechnung (VI, 2) 1536 ist nur vom Bildenhauerschen Garten geredet, +in dem Steuerschlag 1542 (_Burkh._ 409) vom Garten an der Zahnischen +Strae, im Teil-Rece 1553 (_Beste_ 127) vom "Baumgarten am Sewmargkt", +der samt dem Hopfengarten an der Specke fr 500 fl. angeschlagen +wird--also scheint er an Gelnde oder Gebude (durch den Krieg?) +verloren zu haben. Oder sollte der Garten an der "Zahnischen Strae" = +am Saumarkt sein? Nach weiteren Erhebungen ist wahrscheinlich, da die +Zahnische Strae den Anfang der heutigen Dr. Friedrichstrae bildete. +Dann wre thatschlich der Saumarkt da, wo die Zahnische Strae und die +Faule Bach sich schneiden. + +Die Lage wre so. + +[Illustration: a-b Zahnische Strae. c-d Faule Bach. e-f Rische Bach.] + +Der Bildenhauersche Garten (fr 900 fl.) lag nach dem Steueranschlag +nicht "unter dem Rat" wie der an der Zahnischen Strae. (_Burkh._ 409) + +[221] Br. IV, 575. VI, 328 f. Wolfs Vogelherd: 154 f. V 787. Vgl. +_Burkh._ 409. + +[222] _Burkh._ 403. _Hofmann_ 98.--Der "Lutherbrunnen" gehrte der +Stadt. + +[223] Br. VI, 547. Grundbes. 520. Pfhle Br. V, 637. Hauspostille 1. +September 1532. Rebenstock II, 124b. Stehlen: Grundbes. 530. + +[224] Bienenstock. _Rebenst._ II, 109. Fische T.-R. II, 80. + +[225] a. 1542 schtzt L. Braunen Haus auf 420 fl. IV, 575. Grundbesitz +502. Br. VI, 328: Die 250 fl. scheinen brigens eine Abschlagszahlung +gewesen zu sein, denn das Haus kam hher zu stehen. Der Kaufbrief (v. +1541) bei _Richter_ Geneal. Luth. lautet: Bruno Brauer Pfarrer zu Dobin +verkauft erblich eine Bude im Elsterviertel zwischen D. Luthers +Behausung und Bruno Brauer an Luther und seine Erben mit allen +Gerechtigkeiten und mit Gehft und Raum von der vordern Sule bis auf +die erste Ecke des Brunnens und von der hintern Ecke des Brunnens bis +auf die alte Badestube, zusamt derselben Badestube fr 430 fl. zu 20 +Groschen jeden. + +[226] "Mein lieber Herr" ist = mein Gemahl. + +[227] Burkh. 319. Nach dem Bericht von Kanzler Brck an den Kurfrsten +vom 13. Mrz 1546 hat Frau Kthe dennoch "die Bse (das ist doch wohl +das Gut Boos) zur Miet und um einen liederlichen Zins etliche Jahr her +inne gehabt". _Frstemann_, D.M.L. Testamente. Nordhausen 1846, S. 31. + +[228] S.o.S. 3. T.-R. II, 233. Br. V, 358. 298. 318. 431. 434. 753. VI, +304. _Burkh._ 357. + +[229] V, 312 f. 358. 495. 605. 609. 323. Ueber Kthes Walten in Zulsdorf +vgl. _Anton_ 193 ff. + +[230] VI, 318. V, 313. 427. 448 f. 482. 507. 528. _Burkhardt_, Th. Stud. +und Krit. 1896, S. 161. Der Scheunenbau spielt zwei Jahre lang. C.-R. +VII, 125. + +[231] Zulsdorf wird in 21 Briefen und T.-R. II, 233 erwhnt. (S. Br. VI, +705). V, 300. 318. 323. 394. 400. Den Mainzer Erzbischof und den Herzog +Heinrich von Braunschweig nennt Lauterbach in dieser Zeit "die wahren +Trken". V, 401. + +[232] V, 299. 659. VI, 304.--An der Decke war einer der bekannten +Tintenflecke und am Balken ein Spruch, angeblich von Luthers (?) Hand. +"Willt du Trost haben, so gehe nach Drodorf" (1/4 Stunde davon +gelegen). Da das Gtlein nicht ganz ohne Schmuck war, zeigen die noch +vorhandenen Reliefbilder von Luther und Kthe, zwei Medaillons, das eine +in Stein, das andre in Gips; beide, besonders das letztere, kra +realistisch; sie sind spter auf das Hofgut Kieritzsch und dann in die +dortige Kirche gekommen. Eine Nachbildung des Reliefbildes von Katharina +ist in der Leipziger Illustr. Zeitung vom 2. Febr. 1899. Vgl. oben S. +263. + +[233] L.W. II, 279. T.-R. IV, 59. L.W. XXI, 169*. Br. IV, 643. T.-R. +III, 128. IV, 62. + +[234] _Cord._ 1471. 1597. 589. _Schlaginhaufen_ 419. T.-R. IV, 199. + +[235] T.-R. IV, 306 (Cord. 980). L. fhrte diese Bezeichnung Kthes als +"Morgenstern" als Beispiel fr die zahlreichen "Metaphern" oder +"verblmte Wort" der deutschen Sprache an, neben Redensarten wie +"gro Geschrei--wenig Wolle"; "er hngt den Mantel nach dem +Winde".--Bekanntlich hat _Engelhard_ diese Methapher im gehssigen Sinn +als Lucifer Wittenbergensis zum Titel seiner Schmhschrift gemacht: +"Lucifer Wittenbergensis oder der Morgenstern von Wittenb., d.i. +Vollstndiger Lebenslauff C. von Bore, des vermerkten Ehe-Weibs D.M. +Lutheri, in welchem alle ihre Scheintugenden, erdichtete Grothaten, +falsche Erscheinungen weitluffig erzehlet werden v. R.D. Euseb. +Engelhard." Landsperg 1747.--Kthes Krankheiten: Cord. 965. T.-R. IV, +24. II, 230. 233. III, 37. 122. 131. IV, 259. Br. IV, 530. V, 271. + +[236] VI, 547. 332. + +[237] _Lauterb._ 111. T.-R. IV, 593. Rietschl 43 f. L.W. XXI, 163*. + + +9. "Wunderliche Rechnung zwischen D. Martin und Kthe." + +[238] Br. VI, 151. V, 403. IV, 342. Widerruf vom Fegefeuer. Cord. 105 f. +Br. IV, 575. + +[239] L. Grundbes. 518. (_Burkhardt_) Stud. und Krit. 1896, S. 158 ff. +1894 S. 769. _Burkh._ 432. _Kolde_, An. L. 396. 409. + +[240] VI, 325 f. II, 524, 618. + +[241] Diener III, 342. 449. VI, 324 f. _Kolde_, An. L. 195. _Seidemann_, +Grundbes. 484 f. + +[242] Br. III, 104. T.-R. III, 308. Br. III, 496. + +[243] III, 495. + +[244] V, 189. + +[245] _Ratzeberger_ 59 f. + +[246] IV. 342. + +[247] _Mathes._ 144b. 377. Vgl. Kolde, An. Luth. 254. Hoffmann 99 f. + +[248] _Lauterbach_ S. 5. + +[249] VI, 328 ff. + +[250] Eine Schneiderrechnung: "1 Rock, Hosen und Wams Doktori Martino zu +machen bei Schneider Cunz Krug 18 Gr." + +[251] Wrze und Zucker durfte allein der Apotheker (Lukas Kranach) +verkaufen.--1 Loth Seide kostete 1 Gr. 6 [Symbol: Pfennig]; 5 Ellen +Barchent 21 Gr. 8 [Symbol: Pfennig].--"10 Ellen schwarz puritanisch Tuch +vor 3 Schock 20 Gr. hat der Rat (1524) D.M.L. zum Rock geschenkt und +Hier. Krapp (Melanchthons Schwager war ein Gewandschneider) bezahlt." +_Schild_, Denkw. Wittenb. S. 27. + +[252] Die Paten waren in Wittenberg sehr zahlreich, wie man schon bei +Luthers Kindern sieht. Am 20. Jan. 1536 wurden neun Kinder auf einmal +getauft; da war natrlich auch D. Martinus, ferner D. Pommer, M. Philipp +und viele andere treffliche ehrsame Leute Gevattern. T.-R. IV, 146. +Luther stand zahllose Male zu Gevatter. Er hatte es so oft versprochen, +da er einmal gar nicht mehr wute, wem, und es seinem Famulus auftrug, +es auszukundschaften. IV, 559. (Das erinnert an den vergebenen Traum +Nebukadnezars, Daniel 2). Hochzeiten V, 570. + +[253] Br. IV. 342. _Mathes._ 144b: In der Teuerung zur Pestzeit borgte +L. beim Schsser etliche Scheffel Frucht und "wagte sie an die armen +Leute". T.-R. II, 212. Bezeichnend ist ein Zettel des Doktors (an den +Stadtrat?) vom Mrz 1539: "Lieben Herrn! Es mu dieser arme Gesell auch +Hungers wegen davon. Nu hat er keine Zehrung wie die andern und mu fern +reisen; weil er aber ein fromm gelehrt Mann ist, so mu man ihm helfen. +So wisset Ihr, da meines Gebens ohn das viel und tglich ist, da ich's +nicht kann alles erschwingen. Bitt derhalben, wollet ihm 30 Gr. geben; +wo nicht so viel da ist, so gebet 20, so will ich 10 geben; wo nicht, so +gebet die Hlfte. 15, so will ich die andere Hlfte geben. Gott wird's +wohl wiedergeben. Martinus Luther." VI, 226. + +[254] III, 157. V, 570. + +[255] _Cord._ 1601. + +[256] VI, 329. + +[257] _Cordatus_ Nr. 1057 hat nur 50 fl. Im Jahre 1537 aber bei der +zahlreichen Familie und den vielen Kostgngern kann das lange nicht +gereicht haben, wenn er auch nur die Barauslagen rechnet. Sonst wre ja +auch die Haushaltung nicht "wunderlich".--VI, 331. + +[258] _Frstemann_, Denkmale D.M.L. errichtet. Nordh. 1846. S. 27. + +[259] III, 111. 115. + +[260] Potentem et avarum. Strobel, Beitr. II, 481. C.R. V, 314. "Die +_richtige_ Bezahlung". _Frstemann_, Luthers Testamente. Nordhausen +1846, S. 3. + +[261] T.-R. IV, 62. + +[262] VI, 329. + +[263] IV, 342. + +[264] An Link: III, 10. 104 an Rhel. "L. Hr. Dr. und Schwager! Das ihr +meine Kthe hie zu W. geben habt, bin ich lang hernach inne worden; +meinte nicht anders, Ihr httet's hinweg, wie ich bat."--Kse: IV, 556 +und 599 u.a. Kolde, Ann. L. 423. Kolde, M. Luther II, 519. + +[265] Br. V, 605. S.o.S. 155 ff. + +[266] _Cord._ 662. + +[267] III, 157. V, 424. VI, 326. + +[268] T.-R. I, 274. Br. III, 495. + +[269] T.-R. IV, 130. + +[270] Uebrigens war Kthe im Grundsatz mit Luther einigermaen +einverstanden, vgl. den Brief an Lser S. 83. + +[271] T.-R. IV, 70 f. Spr. Sal. 31, 10-31. + + +10. Husliche Leiden und Freuden. + +[272] Das Folg. in D.T. Pommerani und I. Jon Historie von L. geistl. +und leibl. Anfechtungen. a. 1527. L.W. XXI, 158* ff. Br. III, 187-190. + +[273] Br. III, 191. 205. Vgl. 200. 213. 170.--Ueber die Fortschritte +der Pest. Vgl. auch G. _Buchwald_, zur Wittenb. Stadt- und +Universittsgeschichte, L. 1893, S. 3-17.--Mocha(u): VI, 683. + +[274] _Buchwald_ S. 7. Auf dem Pestkirchhof wurden die Kleider der +Pestkranken verbrannt; daher wohl verbrannte dort Luther auch die +Bannbulle. + +[275] Br. III, 217 f. 221. _Buchwald_ 9. 12. 15. Br. III, 188. 193 ff. +212. 215. 217-19. 221. Teuerung. _Vogt_, Bugenhagens Briefw. Stettin +1888. S. 106. + +[276] III, 218. 221. 225. 240. 241. 243. 247. 253. + +[277] III, 222. 246. 248 f. + +[278] III, 314. 364 f. 376. 390. VI, 96. + +[279] III, 390. 404. 423. + +[280] III, 432. 469. + +[281] III, 512. + +[282] IV, 1 f. 34. 132. 179. V, 186--"Gruboc" umgekehrt von Coburg. + +[283] Luth. Ztsch. 1880, 50. C.-R. II, 40 f. Br. IV, 115. 132. 2. 10. +12. 32. V, 186. + +[284] IV, 132. 10. 19. 32. 43. 120. T.-R. IV, 244. "Oertlein" 270. + +[285] IV, 121. 51. 10 174. + +[286] _F. Eysenhardt_ und _A. v. Dommer_. Mitteil. a.d. Stadtbibl. zu +Hamburg II, 1885, S. 96.--H ... "Hrlein". Es ist bekannt, da fr +Kinder als Kosenamen oft die hlichen Wrter gewhlt werden z.B. "Du +Spitzbub. Du Schelm!" So hrte ich einmal eine alte Kindsmagd im +Ueberschwang ihrer Gefhle sagen. "Du liebes Schindluderle".--Luther +gebrauchte also, wie sonstige Gelehrte, zum _Lesen_ schon frh (1525) +eine Brille. II,624.--Ueber den Goldschmied Christian Dring s. Br. VI, +657. + +[287] IV, 7. + +[288] IV. 39. 41. 7. 9. 16-18 (vgl. III, 219). + +[289] IV, 4. 7 f. 13 f. 51 f. 41 f. 39. + +[290] IV, 131 ff. + +[291] Die Briefe waren lateinisch. + +[292] Exemplar = Manuskript. + +[293] VI, 121 f. + +[294] Br. IV, 230. 322. + +[295] Groeltern. T.-R. I, 201. Brief an den kranken Vater III 550 f., +an die Mutter IV, 256 ff. + +[296] Martin IV, 313. 320. 414. T.-R. 201. Paul IV, 411. 431. 436. +Margarethe IV, 574, vgl. 555. Hans immatrikuliert, _Lauterbach_ 141. + +[297] _Kolde_, An L. 184. Br. VI, 144. + +[298] Burkh., St. und Krit., a.a.O., 158. + +[299] IV, 553. + +[300] _Kstlin_ IV, 380 f. + +[301] IV, 362. V, 560. 643. 703 f., vgl. 524: "Euer Sohn hat jetzt die +Masern gehabt; haben sein mit Flei gewartet nach Dr. Augustin (Schurf) +Rat; ist nun wieder gesund." + +[302] IV, 342. T.-R. IV, 93, lies: Rischmann. + +[303] Wenigstens wird Jakobs von Seidewitz sel. Sohn, Kammerjunker +Martin von Seidewitz erwhnt. Ztschr. f. hist. Theol., 1860, S. 570. + +[304] V, 106. 201. 411. 516. Ztschr. f. hist. Th., 1860, 565-69. + +[305] T.-R. IV, 451 f. 244. + +[306] T.-R. I. 201 f. 204. 205. + +[307] V, 46 f. 492 f. Da Luther seinen Sohn Hans schon (1533) im 7. +Jahr ein lateinisches Urteil ber Erasmus und im 11. Jahr (1537) einen +lateinischen Brief schreibt (Br. IV, 497, V, 46), ist nicht zu +verwundern; schrieb doch der 11jhrige Herzog Wilhelm von Sachsen an +Hans Luther auch eine, wohl mit Hilfe seines Lehrers, verfate +lateinische Epistel 1541, _Mayer_ 17. (D. D. _Richter_, Geneal. +Luther. 379). + +[308] _Lauterbach_ 141. Martin. T.-R. I, 205. _Kstlin_ II, 491. +Florian, Ztschr. f. K.-Gesch. II, 145 f.: L. diktiert dem Buben zum +Willkomm drei Tage hintereinander je des Tages einen guten fetten +Schilling.--Zeile 10 lies: Florian (st. Fabian). + +[309] T.-R. I, 202. + +[310] T.-R. IV, 76. 64. + +[311] T.-R. IV, 129. _Matthes._ 145. + +[312] Muhme Lehnes Tod. T.-R. III, 153.--Rosine, Br. V, 625. 396. 506. +753. + +[313] V, 101. + +11. Hochzeiten und Krankheiten, Pest und Tod. + +[314] T.-R. IV, 41. 84. 104. Br. V, 186 f. 198. II, 317. + +[315] T.-R. IV, 53, 75. 51. + +[316] VI, 189 f. 196. T.-R. III, 147. IV, 54-56. + +[317] Br. VI, 217. + +[318] T.-R. IV, 58. I, 184.--Wein und Brot. T.R. I. 106. Wenn Luther das +Tanzen empfiehlt, so vgl. [445]. + +[319] T.-R. IV, 59. + +[320] IV, 610 f. 618. 625. 627. _Burkh._ 237 f. + +[321] V, 49 ff. 57 f. ("hessische Betten"). _Ratzeberger_ 105 f. (nasse +Bettcher), _Seckendorf_ III, 60. _Burkh._ 276. + +[322] Mist: In Schmalkalden gab man Luther ein Getrnk? von Pferdemist +und Knoblauch ein. Man hielt viel auf solche Mistkuren: T.-R. I 120: +"Pferdemist dienet fr Pleurosie". + +[323] V, 59 f. + +[324] V, 59. 270. 58. + +[325] Muhme Lene [Symbol: gestorben] T.-R. III, 153. + +[326] IV, 524. V, 188. _Burkh._ 259. _Schmidt_, Ztschr. f. Gesch. II, +256. VI, 187 f. + +[327] VI, 188. + +[328] V, 579. 259 f. VI, 291. _Seckendorf_ III, 182. V, 127. + +[329] VI, 444 ff. schrofa (d.i. scropha) ista Boemica "jene bhmische +Sau", _Burkh._ 285 f. 289-95. + +[330] Burkh. 365. 467. + +[331] T.-R. I, 225. II, 212. + +[332] T.-R. II, 441 f. IV, 257. Br. V, 218 f. 225. Auch Dr. Sebald und +seine Frau hatte er besucht, angegriffen und betastet. Und da er ihre +Kinder ins Haus genommen, gaben ihm etliche einen Stich, als wollte er +Gott versuchen, T.-R. IV, 251. + +[333] Jonas' Briefw. I, 381 f. Diese Krankheit mu es gewesen sein, von +der Luther T.-R. IV, 259 redet. Als nmlich von den Schrecken des Todes +die Rede war, sagte er. "Da fraget meine Kthe drum, ob sie des etwas +gefhlet hat, denn sie war recht gestorben." Sie aber antwortete. "Herr +Doktor, ich habe gar nichts gefhlet." + +[334] V, 269-271. 273. 277. 218. _Ratzeberger_, 104. T.-R. II, 230. 233. + +[335] Jonas' Briefw. I, 383. + +[336] V, 300. + +[337] _Burkh._ 356 ff. + +[338] Sprichwrtlich, vgl. S. 131. Seltsamerweise kehrt die alte +Schreibart des Namens wieder, vielleicht bei einem Abschreiber, obwohl +man auch damals wute, da L. seinen Namen von Lothar ("vom Kaiser +Luther") habe, wie der Stadtpfarrer M. Clius zu Eisleben in seiner +Leichenrede erklrt. _Frstemann_, Denkm., Nordh. 1846, S. 55. + +[339] _Burkh._ 131, I. VI, 269 f. + +[340] V, 298. + +[341] V, 299 f. + +[342] V, 107. 201. 411. 516. _Faber_, Briefw. 14. _Burkh._ 401. 423. + +[343] V, 306. + +[344] V, 336. 346. 348-52. + +[345] V, 416, 431. VI, 297. + +[346] V, 744. 763. + +[347] Vgl. S. 196. Cyriak: andere nehmen seinen Bruder Fabian als den +heimlich Verlobten an; er war gleichzeitig mit seinem Bruder Andreas und +seinem Vetter Hans Luther an Trinitatis 1533 immatrikuliert--also jnger +wie Cyriak, welcher schon 1529 Student war. Daher wird auf diesen die +Verlobung eher passen.--T.-R. IV, 96. 84 ff. 491 ff. 500 ff. Beier: Br. +V, 619. 676. Burkh. 453 f. C.R. V, 313, 286 ff. Mel. d. J. Verlbnis. +Kreuzigers Klagebrief ber die Wittenb. Hndel. Br. V, 620: L. hat +Melanchthon bermocht, da er seinem Sohn nicht nachgebe. 616: Phil. und +sein Weib vergehen fast an ihrem Sohn. + +[348] V, 497.--Das folgende steht in T.-R. 258-265. + +[349] Die folgenden Verse, in deutscher Uebersetzung, lauten: + + "Die ich in Snden war geborn + Htt ewig mssen sein verlorn, + Aber ich leb nun und hab's gut, + Herr Christe erlst mit deinen Blut." + +Sie sind vielleicht vom Berichterstatter. _Mayer_ 20.--_M. Richter_, +Geneal. Luther. 352. + +[350] V, 502 f. 506. + +[351] V, 520. + +[352] V, 519. + + +12. Tischgenossen und Tischreden. + +Vgl. _Anton_, Zeitverk. 145 ff. + +[353] IV, 629. + +[354] _Schadow_, Wittberg Denkw. 60 f. Br. III, 14. V, 11. 15. 19. +Verlbnis 196. + +[355] IV, 476. 629. C.R. XXIV, 397. Burkh. 237 f. Br. IV, 641. 414. + +[356] III, 217. VI, 286. _Lauterb._ 158. V, 767. _Kolde_ 377. + +[357] _Burkh._ 238. Br. IV, 413. 629. T.-R. I, 179. V, 767. + +[358] V, 619. 624 f. 630. + +[359] Besuch von Mansfeld, z.B. 30. November 1538, T.-R. III, +358.--Capito V, 70. + +[360] _Burkhardt_, Th. St. u. Krit. 1896, S. 192. 161. + +[361] Cordatus, S. 13. 20. 22. T.-R. I, 414. + +[362] II, 153. 46. 677. III, 9. 31. 59. 130. 149 f. 210. 394. 401 f. +476. IV, 272. 370. 388 f. T.-R. IV, 297. _Burkh._ 216 ff. _Kolde_, An. +Luth. 197. + +[363] Lauterb. IX. + +[364] T.-R. IV, 667. _Seidemann_, M.A. Lauterbachs Tagebuch, Dresden +1872, V-VII, _Waltz_, Ztschr. f. K.-Gesch. 1878, S. 629 f., vgl. Beitr. +zur Schs. K.-G., 1893, S. 74 ff. 79. + +[365] _M. Preger_, Tischreden L.s nach den Aufz. von Schlaginhaufen, L. +1888, S. VI-X. T.-R. III, 118 f. + +[366] _H. Nobbe_. Dr. H. Weller, Ztschr. f. hist. Th. 1870, S. 153 ff. +Br. IV, 38 f. 131. 477. 586. Beide Weller des jungen Musikus Joh. Jppel +gute Freunde! 535. Ruf nach Dresden 161. Schwermut 556 f. Cord. 601, 6. +783. Br. V, 11. T.-R. 538. Cord. 1774: "Lieber Weller, lgt Euch nicht +zu Tode; Ihr knnt noch wohl ein Jurist werden." + +[367] T.-R. II, 46. Mayer, p. 56 f. + +[368] T.-R. II, 210. L.-W. XXI. 186* ff. + +[369] T.-R. I, 57 f. + +[370] _Hirsch_ und _Wrfel_, Lebensbeschr. aller Hh. Geistlichen in +Nrnberg. Nrnb., 1756. III, 4-6.--Br. IV, 363. 192. 199. Krause Sinne: +T.-R. III, 184. Cord. 920. _Hausrath_ 278. Vgl. oben S. 121. + +[371] Briefe aus Wittenberg an H. Baumgarten. Ztschr. f. hist. Th., +1874, S. 546 f.--Br. IV, 665. V, 564. + +[372] C. Ref. V, 314^4. S.o.S. 963. Stud. und Krit. 1887, S. 354. +_Kstlin_ II, 496.--Die Klagen Besolds ber Frau Kthe werfen nicht +gerade ein schlechtes Licht auf ihren Charakter. Ihre "Habsucht" belegt +er damit, da sie "alles zu Rate gehalten und bei den Tischgenossen auf +richtige Bezahlung gedrungen"; ihre "Herrsucht" damit, da sie +"diejenigen Theologos nicht leiden knnen, welche Weiber von schlechten +Stande geheiratet." Beides ist nur ein Beweis fr ihre gesunde +praktische Lebensansicht. + +[373] Lemnius: "ein Poetaster und Leuteschnder" Matthes. 126. Br. V, +105. 381 f. 385-7.--T.-R. II, 223. III, 317. IV, 95. 259. 705. M. +Holstein, "der neue Jurist": T.-R. III, 317.--Th. St. und Krit. 1887, S. +354. Ztschr. f. hist. Th. 1874, S. 570 ff. + +[374] Br. VI, 234. 270. V, 29. T.-R. III, 293. 381. IV, 285.--Vgl. o.S. +131. + +[375] Matthes. 68. T.-R. IV, 444. + +[376] T.-R. IV, p. XX, s.u. 204. 206. 229. 236. + +[377] T.-R. IV, p. XVIIIf. Br. VI, 328. Matthes. 131. Nach M.D. +_Richter_, Geneal. Luth. 369, war auch der Jurist Joh. Schneidewin 10 +Jahre Kthes Haus- und Tischgenosse und wurde nachher Zeuge fr +Margarete L. beim Teilrece 1554. + +[378] Matth. 68. 209a. 211. + +[379] IV, 667 f. + +[380] V, 115. IV, 435 f. + +[381] V, 402. + +[382] C.-R. V, 314^4. + +[383] IV, 524. S.o.S. 116. + +[384] L.-W. XXI* 166. 165. + +[385] _Matthes._ 141. 143. 209. + +[386] _Waltz_, Ztschr. f. K.-Geschichte, 1878. S. 629. _Hausrath_ 266 +bis 273. + +[387] Cord. 133. _Matthes._ 151. + +[388] _Matthes._ 133. 211. + +[389] T.-R. II, 247. + +[390] _Cord._ 731. _Lauterb._ 5. 38. + +[391] T.-R. IV, 131 f. Vgl. _Schlaginhaufen_ Nr. 147. "Luther: Der Satan +hat Gottes Sohn erwrget. Respondit uxor D.: Ei mein lieber Herr Doktor +von Credo." + +[392] T.-R. III, 90 f. + +[393] T.-R. IV, 134. + +[394] Cord. 1205. Der groe Zwischensatz sieht allerdings aus, wie eine +Einwendung Luthers; aber der Berichterstatter, der doch sonst Katharina +nicht sonderlich wohl will, schreibt die _ganze_ Rede ihr zu. + +[395] Cord. 120. + +[396] Cord. 110 f. + +[397] _Lauterb._ 156.--Der gelehrte "Engeleser" war wohl "der schwarze +Engeleser" Dr. Antonius Robert Barns (Barnes) S. 144. + +[398] T.-R. IV, 78. 121 f. Vgl. o.S. 55. 73. Schlaginhaufen Nr. 187. Als +die Rede auf den Trken kam, sagte die Doktorin: "Ei beht uns Gott vor +dem Trken!" Der Doktor: "Ei, er mu einmal den Pelz laufen." 216: Die +Doktorin stach was in die Seite; da schreit sie laut auf: "Ave Maria!" +Sagt der Doktor. "Warum hast Du nicht billig am Ende den angerufen, der +am Anfang? Wre nicht Jesus Christus auch ein trstlich Anrufen?" 228: +Der Doktor neckte einmal seine Frau, es werde noch dahin kommen, da +ein Mann mehr als ein Weib nehme. Da sagte die Doktorin: "Das glaub der +Teufel!" Und als Luther auf Grnde der Natur wies, da berief sich Kthe +auf Paulus; als aber der Doktor auch dies widerlegte, sagte sie: "Bevor +ich das zugbe, wrde ich lieber wieder ins Kloster gehen und Euch und +alle Kinder verlassen." + +[399] Br. III, 35. + + +13. Hausfreunde + +Vgl. _Anton_ D.M.L. Zeitverkrzungen. L. 1804, S. 94 ff. + +[400] V, 668. Vgl. Matthesius zu 1529: Luthers "Discipel" fangen an zu +lesen. + +[401] Br. IV, 503. 565. 636. _Burkh._ 319. _Kolde_, An. L. 82. +_Buchwald_ 48. 52. Br. II, 677. III, 150 u.a. IV, 344. VI, 138. 411. +"Ktten-Latwerg" d.i. Quitten-Latwerge. + +[402] IV, 500. V, 434. 503. III, 77. + +[403] Fr. S. Keil, Dr. M.L. Merkw. Lebensumst., S. 699. Ztschr. f. hist. +Th., 1874, S. 551.-- + +[404] III, 35. 128. IV,36. V, 96. 426. VI, 450. T.-R. III. + +[405] _Kawerau_, Ztschr. f. K.-Gesch., IV, 301. T.-R. III, 375. + +[406] "Grickel und Jckel". T.-R. III, 358-82.--_Anton_, L.s +Zeitverkrzungen 145. Vgl. das Katechismusglas T.-R. II, 174. Kstlin +II, 465. 469.--Das berlaute Schreien Agrikolas charakterisiert +Creuziger in einem Brief an Veit Dietrich: er lehre in der Schule nach +Gewohnheit grandibus buccis (mit vollen Backen). + +[407] III, 253 u.a. V, 162 f. 450. 703. T.-R. I, 272. 328. + +[408] III, 226. + +[409] III, 199 f. 389 f. + +[410] T.-R. III, 358. 370. 376. Br. IV, 161. S.o.S. 53. S. 77.--L. kommt +zur Taufe nach Torgau. _Lingke_, L. Reisegesch. 159. + +[411] III, 523. IV, 556. V, 67. 74. 326. + +[412] _Kolde_, An. L. 234. 241. 239. 307. Br. V, 70. + +[413] III, 17. IV, 198. + +[414] IV, 176. VI, 129. 367. V, 402. C.-R. V, 214^4. _Seidemann_, +Ztschr. f. hist. Th., 1874. S. 555 ff. + +[415] V, 672. Th. Studien und Krit., 1887. S. 353 ff. Oeffentliche +Gebete in W. fr B.--Reden und Jammern bei Tisch. Vgl. Melanchthon an B. +am 25. Mrz 1546: (C.-R. VI, 93): "Von Dir hat Luther immer mit Liebe +und Verehrung gesprochen." Ueber die Gefangenschaft Baumgartens vom 31. +Mai 1544 bis anfangs August 1545. _S. Seidemann_, Kollektaneen. Anz. f. +d. K. der d. Vorzeit. R.F. 1854. 1855. + +[416] Vgl. oben S. 1. 4. 5. Br. IV. 665. V, 564. + +[417] IV, 556. 607 f. 247. VI, 736. IV, 611. 596. + +[418] "Feldglocken" = Galgen, also Galgenschwengel. + +[419] IV, 586. + +[420] V, 11. 15. 19. 22. 274. + +[421] T.-R. I, 414. III, 96. 115. + +[422] III, 219. IV, 31. 499. + +[423] III, 447. 492. IV, 183. 215. III, 434. + +[424] IV, 261. 312. 317. 490. III, 490. IV. 343. + +[425] IV, 414, 476. V, 22. 139. Vgl. _Kolde_, An. Luth. 332--T.-R. IV, +256 f. + +[426]. IV, 494. VI, 266. V, 57. Matthes. 319 + +[427] V, 38. 271. 285. 401 u.f.f. Vgl. Br. VI, 533-35. 674. IV, 583 f. +T.-R. IV, 47. + +[428] Tischgesprch: II, 265. Besorgungen: Br. V, 228. 493. 668. 602. +628. 637. + +[429] III, 53. 119. 154. 254. 372. V, 330. 148. + +[430] V, 59. S.o.S. 126. + +[431] V, 312 f. VI, 318. V, 507. 605. 609. 627. + +[432] Ztschr. f. K.-G., 1878, S. 304. + +[433] _Anton_, L. Zeitverf. S. 116 f. + +[434] _F.W. Lhe_, Ztschr. f. hist. Th. 1840, S. 175-247. _Piper_, +Zeugen der Wahrheit L. 1874, Bd. IV, S. 375-82. Elisa, Br. IV, 654. +Testament, Br. V, 425. T.-R. II, 397. Kreuziger war der Protokollfhrer +der Evangelischen und Nachschreiber von Luthers Predigten. Myconii +Historia Reform. 1517-42 v. E.S. Cyprian, L. 1718. S. 47. + +[435] Auftrge IV, 10, Megeschenk 422. Frau Elis. Kreuziger: Ztschr. f. +hist. Th., 1874, S. 554. _Lauterb._ 183. + +[436] IV, 684. V, 11. IV, 414. + +[437] _Piper_, Bd. IV, 356-368. + +[438] III, 230. 111. 219. + +[439] IV, 375. III, 304. 245. 252 f. 264. 281. V, 299. u.s.w. + +[440] III, 512. IV, 131. + +[441] III, 244. 253. 314. + +[442] III, 314. 375. _Zitzlaff_, Bugenhagen, Wittenb. 1885, S. 106. +"Pomerisches Rom", Br. V, 48. Mit "Oel" = Bier; vgl. das englische ale. + +[443] _Piper_ IV, 368-75.--VI, 304. Jonas' Briefwechsel I, 115. 153. +160. 174. II, 77. + +[444] Br. IV, 10. 16 f. 18 f. V, 414. 557. 109. 114. 201. + +[445] _Buchwald_ 62. V, 7. VI. 303. + +[446] V, 519. IV, 9. + +[447] IV, 629 f. V, 3 f. 100. 394 f. 470. + +[448] Briefw. I, 380-3. (_Kolde_, An. L. 134, Br. IV, 629). [Griechisch: +hae gynae] vgl. Offenb. Joh. 12, 1. + +[449] Jonas in Halle, V, 346. Neckerei 396. Seine Frau [Symbol: +gestorben] 519. + +[450] Ueber Luthers Verhltnis zu Melanchthon vgl. _Anton_ 31-33. V, +336. 171. 344. 270. + +[451] Zur Charakteristik von Frau Melanchthon, C.R. III. 390. 396. 398. +Kolde, M.L. II, 463. 471. 603. Kleiderordnung, Schadow, Wittenb. Denkw., +S. 60 f. + +[452] C.R. III, 398. T.-R. III, 390. Vgl. Kstlin II, 462. + +[453] Kolde, An. L., 311. 318. Br. V, 105. T.-R III, 275 ff. + +[454] VI, 199. T.-R. III, 275 ff. IV, 126, vgl. Matthes. 126. Kolde, 321 +f. 326 f. Hofmann 193. + +[455] C.R. V, 641. 123 f. IV, 143. 154. 169. 303. V, 113. VI, 20 f. + +[456] V, 273. 277. Frhlich sein: 294. 323. C.R. VI. 53 f. + +[457] C.-R. V, 410.--Kthe oder Melanchthon meint dabei wohl den +"Schwaben" Simon Lemnius und den Sachsen (Joh. Sachse aus) Holstein +(s.o.S. 146). Sie stellte brigens dem Melanchthon dies nicht als _ihre_ +Meinung, sondern als Klage des Holstein dar. + +[458] C.-R., V, 410. + +[459] Die beiden Kanzler sind Brck und Beier. + +[460] _Zitzlaff_, Bugenhagen S. 107. + +[461] _Kreuler_, Denkmler der Reformation L. 1817. S. 29. Abneigung +gegen Theologen-Weiber aus niederem Stande. Br. VI, 419. C.-R. V, 314^4. +S.o.S. 146^1. _Seidem._, Beitr. z. Ref.-Gesch. 496. Auch mit dem alten +Bildenhauer verkehrte L. viel. Vgl. T.-R. I, 24 ff.--Die +Krankenpflegerinnen des Mittelalters waren die "Beguinen oder +Seelweiber", _Matthes._ 159b. + +[462] T.-R. III, 127. II, 210. + + +14. Kthe und Luther. + +Vgl. _Anton_ 117 ff. + +[463] T.-R. IV, 124. 38. (77). + +[464] _Kchenmeister_: L. Krankheitsgeschichte. S. 54. + +[465] T.-R. IV, 53. Br. VI, 332. + +[466] _Lauterbach_ 2. _Kchenmeister_ 111. + +[467] _Lauterbach_ 2. _Kchenmeister_ 111. Br. V, 51. + +[468] Br. 330. T.-R. I, 134. 212. 213. IV, 129. + +[469] Kse V, 319. Bier von Jonas V, 100. Knigin der Biere V, 470. +Sehnsucht vom Hof nach Haus: IV, 553. Hofbrot V, 51. + +[470] T.-R. IV, 69: "Wenn ich bei mir selbs (daheim?) bin, dank ich +unserm Herrgott fr das Erkenntnis der Ehe" T.-R. IV, 59. S.o.S. 123, 2. + +[471] _Melanchthon_, Vita Lutheri p. 8. _Mayer_ 27. _Hofmann_ 148. Das +Katechismusglas, T.-R. II, 144. III, 170. + +[472] T.-R. IV, 300 f. Vgl. I, 103. Br. VI, 330. + +[473] S.o.S. 71. 104 f. 126-128. + +[474] Dr. Fr. _Kchenmeister_, L.s Krankengeschichte. L. 1881. + +[475] II, 616. III, 254. V. 330. VI, 115. 130. 144. + +[476] T.-R. I, 208. _Walch_ XXI, 275*. _Kchenmeister_ 52 f. + +[477] Die Antrittsrede (_Hofmann_ 110) ist brigens nach damaliger Sitte +von Melanchthon verfat.--Zum folg. vgl. S. 124. + +[478] T.-R. IV, 271.--_Ratzeberger_ S. 61 f. + +[479] Br. III, 219. 244. + +[480] T.-R. II, 210. III, 51. + +[481] _Kolde_, An. Luth. 234. + +[482] _Mayer_ 27. Keil II, 199. T.-R. I, 212. 210. + +[483] _Anton_, L. Zeitverk. S. 117 ff. + +[484] V, 163. IV, 599. + +[485] Diese Anekdote, welche u.a. Albert _Richter_, Deutsche Frauen, L., +Brandsttter 1896, S. 162 erzhlt, habe ich aus den Quellen nicht +belegen knnen. + +[486] T.-R. III, 131. Br. IV, 123. Vgl. T.-R. II, 215. Da sagt L. von +seinen cholerischen Temperament: "Ich habe kein besser Werk denn Zorn +und Eifer; denn wenn ich wohl dichten, schreiben, beten und predigen +will, so mu ich zornig sein: da erfrischt sich mein Geblte, mein +Verstand wird geschrft und alle unlustigen Gedanken und Anfechtungen +weichen." + +[487] _Strobel_, Beitr. II, 481 (C.-R. V, 314). (14. Febr. 1544). Scis +illum habere ad multa quae cum inflammant facem domesticam. Als 1533 der +Stadtschreiber _Roth_ von Zwickau mit seiner Frau und den dortigen +Geistlichen in Hader lebte und infolgedessen auch Luther gegen ihn +aufgebracht war, berichtete ein Student, Peter von Neumark, an Roth von +Dorothea, einer Verwandten von Roth, die an einen "seinen und zchtigen +Schustergesellen" verheiratet war. "Sie (Dorothea Kersten) hat mir auch +darneben geklagt, wi das die Doktor Martinus Lutherin wiliche doch Hader +und Zank stillen solde ja vil mher htte angericht." _Buchwald_ 37. +104.--Das ist aber nach den Verhltnissen eine recht unlautere Quelle. + +[488] _Buchwald_ 176. Vgl. Kstlin II, 492. 608 f. + +[489] _Mayer_ 27. Keil II, 199. + +[490] Br. V, 790. + +[491] S.o.S. 112. 106 f. + +[492] IV, 174. Riedtesel: Kurf. Direktor. + +[493] IV, 553. VI, 270. + +[494] _Ratzeberger_ 122. + +[495] III, 125. Vgl. IV, 49. Cord. 22. + +[496] VI, 185. L. Test. S. 6. + +[497] V, 422. + +[498] Hier. _Weller_ Opp. I, 871. Test. 7. + +[499] Cord. 1005. 1079. 55. T.-R. IV, 48. Der Sinn ist in beiden +Redensarten: Maulschellen geben = ber den Mund fahren; bildlich: auf +eine scharfe Redensart mit einer scharfen (oder schrferen) +erwidern.--Da Luther es nicht wrtlich meinte (wie Wrampelmeyer a.a.O. +anzunehmen scheint), geht aus T.-R. IV, 38 hervor, wo Luther von +Eheleuten, die einander "raufen und schlagen", sagt: "das sind nicht +Menschen." Uebrigens steht T.-R. IV. 48 die Rede in einem bestimmten +Zusammenhang. Da ist von einem Magister die Rede, der seine Freiheit an +eine reiche Frau verkauft hatte und dem diese bers Maul fuhr: "Du +httest mssen ein Bettler sein, wenn ich Dich nicht genommen." Da sagt +Luther: "Ich _htt_ auch gerne, da" ...; da konnte man meinen, L. wolle +sagen: "Ich htte auch gerne, wenn mir meine Frau so bers Maul +fahre"--freilich u.s.w. + +[500] T.-R. IV, 72. + +[501] IV, 553. Cordatus bemerkt in seiner bissigen Weise dazu: Das ist +sicherlich wahr (Nr. 1837). So ist auch in der Rede, worin Luther von +ihrem "Stolz" spricht, dessen er sie vor seiner Verheiratung fr +verdchtig hielt, die Einschaltung--vom Herausgeber der Reden oder als +neckende Bemerkung von Luther?--gemacht: ut est (wie es auch ist). +Lauterbach 162*. + +[502] III, 10. IV, 649. V, 19. 59. 110. 304. 431. IV, 221. 524. VI, 304. +III, 512. 145. IV, 221. Auch Jonas' Frau nennt L. tuum dictative. III, +213. + +[503] III, 15. IV, 632. V, 10. + +[504] Br. III, 512. IV, 552. 132. 553. VI, 545. V, 296. 783. (786). VI, +269. 547. III, 341. V, 122. 127. 780. 784. 788. T.-R. IV, 119. + +[505] T.-R. IV, 78. Vgl. 126. + +[506] T.-R. IV, 78. I, 209. 208. 211 f. IV, 212. + +[507] T.-R. I, 210. IV, 44. 125. I, 208. Sehr scharf spricht sich L. aus +ber Schmhungen von "Frauen und Jungfrauen". "Ob sie gleich Mangel und +Fehl haben." T.-R. IV, 126. + +[508] T.-R. IV, 120. 77. III, 75. IV, 78. Cord. 48. Uebereinstimmend mit +dem Spruch der Frau Cotta schreibt L. in einem Beileidbrief (1536, Br. +IV, 687). "Es ist der hchste Schatz auf Erden eine liebe Hausfrau." + +[509] T.-R. IV, 52. _Cord._ 22. T.-R. IV, 50. 53. + +[510] _Cord._ 249. 1780. T.-R. IV, 40. + +[511] T.-R. 43 f. 54 ff. Reden ber den Ehestand. IV, 34-156. Vgl. +_Frobse_, D.M.L. ernste krftige Worte ber Ehe und ehel. Verhltnisse. +Hannover, 1823. + +[512] T.-R. IV, 34. 38. 77. 73. 49. Cord. 1379. + +[513] T.-R. IV, 50. 204. + +[514] _Cord._ 22. T.-R. IV, 72. 50 f. + +[515] Br. V, 126. T.-R. 58. 37 f. + +[516] T.-R. I, 116. Com in ep. ad. Gal.--Seckendorf I, 63. +_Lauterbach_ 2. 37. + +[517] Br. IV, 645. 649. (Das Lesen Br. IV, 649 wird wohl vom Flachslesen +gemeint sein.) T.-R. I, 20.--Vgl. Was Luther von den Juden sagt: "Sie +schreien wohl sehr und beten heftig, mit groem Ernst und Eifer; mich +wundert's, da Gott sie nicht erhrt." T.-R. I, 109.--_Kstlin_ II, 437. + +[518] V, 787.--Link in Nrnberg schickt sogar seinen Annotationes in +Genesim an Kthe. V, 713, vgl. _Buchw._ 48. + +[519] Die Schreibkunst hochstehender Frauen veranschaulicht ein Brief +der Grfin von Mansfeld an Luther (vom 14. Sept. 1545), welcher so +anfngt: "Lieber togktor ich besyntt au eurem berichtt, das es kein +Flo (Flu, Rheuma) ist noch wirtt" u.s.f. _Kolde_, An. L. 391. + +[520] So erkundigt sich die Herzogin Sibylle schriftlich bei Luther nach +seinem lieben Weibe. So entbietet Herzog Albrechts liebe Gemahel Luthers +und Melanchthons Husern und tugendsamen Frau Dienst und Gru. _Burkh._ +162. Br. V, 638. _Kolde_, An. L. 189. Vgl. die Besuche von Frsten und +Frstinnen.--Kthe heit auch bei den Freunden respektvoll die Domina, +Doctorissa, [Griechisch: despoina didaschalae] (vgl. S. 171) + +[521] Im Museum zu Leipzig. + +[522] V, 520. + + +15. Luthers Tod. + +Hierzu besonders _Frstemann_, Denkmale dem D.M.L. von s. Zeitgenossen +errichtet. Nordhausen 1846. + +[523] S.o.S. 181, 2. + +[524] V, 522. 544. 628 f. 642. T.-R. II, 261. Bndnis mit den Trken: +T.-R. IV, 661. + +[525] Fladenkrieg. T.-R. IV, 444-47. _Ratzeberger_ 112. Mainz: Br. 522. +602. "Grickel und Jckel": V, 383. 629. 734. T.-R. II, 470. Klner +Reform V, 584. 708. Epigonen: V, 527. 529. 539. 550. 553. 572. 586. 659. +663. V, 537. 571. 708 f. 727. + +[526] V, 616. 708. _Ratzeb._ 123 f. + +[527] Vgl. zu S. 134, 2. T.-R. IV, 98 f. 104. 500 ff. Ueberhaupt ber +"die garstigen Juristen", (495): 478-541. 523: "Es ist ein ewiger Hader +und Kampf zwischen den Juristen und Theologen, wie zwischen Gesetz und +Gnade." _Beste_ 77 f. _Hofmann_. 156 f. + +[528] Heimliche Verlbnisse. V, 616 ff. 627. 715. 747. 744. 763. T.-R. +IV, 99. 491 f. _Kstlin_, II, 580. + +[529] V, 527. 586. 604. 679. 683. 688. 700. 704. 711. 726. + +[530] V, 518. + +[531] V, 643. 703. + +[532] T.-R. III, 15 f. + +[533] V, 359. _Kolde_, An. L. 391. + +[534] V, 529. 743. + +[535] V, 571. 534. Denkmale 31. 26. _Ratzeb._ 137. + +[536] V, 600. 555. 638. 703. 743. + +[537] V, 541. 571. 778. + +[538] T.-R. III, 131. Br. V, 571. + +[539] VI, 590. 628 ff. 570. 600. 642. 299. 674. Nach dem jngsten Tag +seufzt Luther auch sonst: Als L. einmal ein Paternoster (einen +Rosenkranz) von weien Agatsteinen in der Hand hatte, sprach er: "O +wollte Gott, da der Tag nur balde komme! Ich wollte das Paternoster +jetzt essen, da er morgen kme." T.-R. I, 63. + +[540] So Bugenhagen in seiner Leichenrede fr Luther. Denkm. 92. + +[541] V, 747. + +[542] V, 753. 561. 710. VI, 302. Lob Nrnbergs: T.-R. IV, 665. _Burkh._ +463. _Kolde_, An. L. 423. Br. V, 753.--"Kleiderordnungen" von 1562 und +1576; vgl. _Schadow_, Denkw. 60. 92. + +[543] Br. V, 752 f. + +[544] Ernst von Schnfeld ist ein Bruder der Ave aus Nimbschen, welche +den Basilius Axt geheiratet hatte. Ueber ihn hatte sich L. 1540 beklagt, +da er seiner Schwester ihre tochterliche oder fruliche Gebhr +vor(ent)hielt. L. nimmt sich der Ave, (fr die er sich einst +interessiert hatte, s.S. 46, 2, T.-R. IV, 50), in einem Briefe an den +Kurfrsten an, auch nach dem Tode ihres Mannes und ihrer Kinder (1541). +V, 289. 403. S.o.S. 16. 29. + +[545] Das Schwarze Kloster. + +[546] Die vier Fakultten? + +[547] Georg von Anhalt, Bischof von Merseburg. + +[548] "gesegnen von meinenwegen" = in meinem Namen Lebewohl sagen. + +[549] _Burkh._ 475 ff. 483. _Kolde_, An. L. 416. 423. + +[550] _Lingke_, L. Reisegeschichte, 284 f. + +[551] Denkm. 1. 2. Br. V, 779. 771. _Ratzeb._ 134 ff. 129. Denkm. 22. + +[552] "Unartiges" Wetter, _Ratzeb._ 134.--Reisegenossen, Jonas' Briefw. +II, 182 ff.--Vorbedeutung: _Ratzeb._ 130 f. + +[553] V, 780 f. + +[554] "Hans von Jena hat sie gebeten" = die Langeweile hat sie geplagt. + +[555] V, 783 f., vgl. Jonas' Briefw. II, 182. + +[556] C.R. VI, 60. Jonas' Briefw. II, 183. C.R. VI, 56. Denkm. 10. 64. + +[557] V, 786. + +[558] V, 787 f. 789 f. + +[559] Hier und zum Folgenden L. Krankheits- und Sterbegeschichte von +Jonas, L.W. XXI, 274-393 und K. Ed. _Frstemann_, Denkmale dem Dr. M.L. +errichtet, Nordhausen 1846. + +[560] V, 791. + +[561] Denkm. 23. C.R. VI, 54.--Man wollte bei dreien Nchten einen +Kometen gesehen haben; sonderlich behauptete das der Bote von Jonas an +Melanchthon, der sich fr so etwas ganz besonders interessierte. Denkm. +21. 23. 25 ff. Jonas' Briefw. II, 282 f. + +[562] Aus dem "Leichenprogramm" beim Tode Katharinas. Hofmann 136. + +[563] Denkm. 10. 11. + +[564] C.R. VI, 274. Denkm. 26. 53. + +[565] Denkm. 78 f. + +[566] Denkm. 81. + +[567] Denkm. 76 f. + +[568] Jonas Briefw. II, 183. Hofmann 112. + +[569] "10 Gr. denen Pulsanten gegeben an Tag Cathedra Petri von allen +Glocken zu luten, do man den Ehrwrdigen Herr Doctorem Martinum zu +Grabe getragen". Wittenb., Kmmerei-Rechnung, Dm. 82. 142. + +[570] Das eherne Bild, das mit den Zgen des Doktors in die Wand +eingelassen werden sollte, kam des Krieges wegen erst spter zustande +und in die Kirche zu Jena, weil Wittenberg dem Kurhause verloren ging. +Denkm. 78 f. + +[571] Br. VI, 650. Der Brief ist faksimiliert in der Illustr. Zeitung +1899, S. 149 f.; ist aber nicht von Katharinas Hand, sondern diktiert. +S. Seidemann, a.a.O. + + +16. Luthers Testament + +Hierzu vgl. K. Ed. _Frstemann_, D.M.L. Testamente. Nordhausen 1846. +Seidemann, Ztschr. f. histor. Th. 1860. S. 475 bis 564. + +[572] _Rade_ (P. Martin) D.M.L., Neusalza 1887, III, 699. S.o.S. 201. + +[573] "Die Welt ist undankbar" setzte L. an die Spitze seines +Hausbuches, in welchem er fr die Seinigen eine Art testamentarische +Aufzeichnung machte, wegen ihrer Zukunft. VI, 324. + +[574] V, 424. + +[575] S.o.S. 201. V, 424. + +[576] V, 424. VI, 324. 326. + +[577] S.o.S. 83. _Kolde_, An. L. 416. _Burkh._ 482 f. + +[578] T.-R. IV, 522 heit es zwar: "Nur _ein_ Jurist ist fromm (brav) +und weise. Dr. Gregorius _Brck_." Dagegen 525. "Etliche sind fromm wie +Dr. _Sebald_; etliche aber sind eitel Teufel." + +[579] _Burkh._ 482. _Kolde_, An. L. 421-23. _Buchwald_ 180: L. zieht weg +propter pessimos mores. + +[580] Grundbes. 531. Br. V, 304. Denkm. 76 f. + +[581] Denkm. 27. 79. L.W. XXI, 299*.--Hierbei hatte Brck von den +"groben Fleischern und Fischern" geredet: "Man soll (wird) der Frauen +wohl bald mit ungestmen Worten, wenn man schuldig ist, zu Halse laufen" +(S. 95 f.). Auch Luther hatte in Beziehung auf die Wittenberger Brger +an die Spitze seines Tagebuchs geschrieben: "Die Leute sind grob". (VI, +324.) + +[582] _Seckendorf_ III, 647. am 24. Febr., wenn hier keine Verwechslung +mit dem Schreiben vom 20. vorliegt. + +[583] C.R. VI, 81. + +[584] Denkm. 163. + +[585] Denkm. 167 f. + +[586] Denkm. 169. + +[587] Th. St. und Krit. 1896, S. 161. + +[588] V, 25 f. 424. + +[589] T.-R. IV, 521: "L. klagte ber die Armut und Elend der Theologen, +wie sie allenthalben gedrckt wrden und dazu helfet ihr Juristen +redlich und drckt uns weidlich."--IV, 145: "Wir arme Mnche und Nonnen +mssen herhalten. Dr. Pommer sollte nach weltlichem Rechte entsetzt +werden. Weil aber solche Rechte noch nicht exequieret und vollzogen +sind, so ist die Frage, ob seine Kinder auch seiner Gter Erben sein +knnen." + +[590] V, 403, vgl. 307. Grundbes. 511 ff. _Nobbe_ Ztschr. f. hist. Th., +1870, S. 173. + +[591] Br. V, 422 ff. Sachsenrecht. T.-R. IV, 51. + +[592] Sorge: _Rebenstock_ I, 229.--Barschaft Testam. 48, vgl. 28. Br. +VI, 324 f.--Schatzung Br. VI, 304. V, 499. Verschreibung des Kurfrsten, +_Burkh._ 402 f. Der Grafen, Denkm. 169. + +[593] Wolfs "Gnadenbrief". _Richter_ 379. _Seidemann_, N. Mitt. VIII, +37. 21. 26. Grundbes. 508. + +[594] S.o.S. 82 f. und Anmerkg.--Test. 31. + +[595] S.o.S. 85. Grundbes. 530 f. zu S. 227 ff. Brcks Gutachten, Test. +29-41. + +[596] Ob die 100 fl. Bauholz fr ein Scheunlein nicht zu hoch gegriffen +sind?--Wenn das Gtlein Zulsdorf Kthen auf 1600 fl. zu stehen gekommen +wre, so mte sie in dasselbe, welches nur 610 fl. kostete, 1000 fl. +verbaut haben. Uebrigens wurde das Gut 1553 trotz der Kriegsverwstung +um 956 fl. verkauft. + +[597] "Vgel fangen", wohl auf Wolfs Vogelherd, s. "Klageschrift der +Vgel an Lutherum ber seinen Diener Wolfgang Siebergern." Br. VI, 164. +Vgl. oben S. 207. + +[598] "Man": Der Text lt nicht erkennen, ob Melanchthon oder Brck +darunter gemeint ist. + +[599] Test. 41-44. + +[600] Test. 44 f. + +[601] Br. V, 754 an Ratzeberger: uxori tuae commatri, affini et +Landsmanninae Meae. + +[602] Test. 44-46. + +[603] Test. 46 f. 48. Vormnder: 50-52. + +[604] Test. 52 f. Richter 375.--Am 21. Mrz hatte Melanchthon an M. +Grodel in Torgau geschrieben, er mchte dafr besorgt sein, da ihre +Eingabe an den Kurfrsten durch Dr. Ratzeberger richtig bergeben werde; +diese Eingabe ist wohl Katharinas Bitte um Besttigung des +"Testamentes". Diese Bettigung zgerte sich brigens 3 Wochen, bis zum +11. April hinaus. + +[605] Test. 47-66. + +[606] Test. 47-50. 59 f. 62-64. + +[607] Test. 64. (C.R. VI, 149). Grundbes. 548. Quittung fr 2000 fl. +Test. 65 f. + +[608] Test. 35-37. 46. 49. + +[609] Test. 44. 51. 54-57. + +[610] S. 235-237. Test. 57-62. Grundbes. 530-564. + +[611] Grundbes. 494. + +[612] Br. V, 650. + +[613] Br. V, 649. + +[614] C.R. VI, 81. + +[615] Hofmann 122, 84. + + +17. Krieg und Flucht. + +[616] C.R. VI, An. IX. 185. 190. + +[617] Zitzlaff 119. C.R. VI, 249. Arnold in seiner Kirchen- und +Ketzerhistorie meldet, nicht in freundlicher Absicht, Hans, der +Erstgeborene und Katharinas Lieblingssohn, sei mit dem Kurfrsten in +den Krieg gezogen als Fhnrich. Das entsprche freilich ganz dem Willen +des Vaters, der seine Shne wenigstens gegen den Trken schicken wollte, +ja selber wider ihn ziehe, wenn er noch htte knnen. Br. V, 450 sagt +Luther: "Wo ich nicht zu alt und zu schwach, mchte ich persnlich unter +den Haufen sein" (gegen die Trken 1542). Vgl. Cord 834.--Robsten, +Beitr. zur Geneal. des Luth. Geschlechtes, Jena 1754, p. 7. + +[618] Vgl. hier und zum Folgenden: Voigt, Ztschr. f. K.-G. 1877, S. 158 +ff. + +[619] C.R. VI, 268. + +[620] C.R. VI, 290. _Liliencron_, Histor. Volkslieder IV, Nr. 546. + +[621] Grundbes. 521. _Zitzlaff_ 121. + +[622] C.R. VI, 296-299. 301. _Waltz_, Ztschr. f. K.-G. 1878, S. 167. + +[623] C.R. 345. 355. 535. + +[624] _Kolde_, An. L. 433 f. + +[625] _Hofmann_ 123 f. + +[626] _Hofmann_ 124. + +[627] Grundbes. 537 f. C.R. VI, 513. 515. 537. + +[628] _Zastrow_, Mohnike I, 260. C.R. VI, 355. 428. 431. 520-31. + +[629] _Zitzlaff_ 122. Bugenhagen: "Mein Weib kommt sehr frhe gelaufen +ans Bett und ruft: "Ach, mein lieber Herr, unser lieber Landesfrst ist +gefangen." Ich sagt: "Das ist, will's Gott, nicht wahr."--Er habe diese +Stadt und Kirche, welche Luther ihm als Braut anvertraut, mit zerissenem +Haar und Kleid gesehen. + +[630] C.R. VI, 534-38. 621. 625. 640. 541. 549. + +[631] C.R. VI, p. XII. _Ratzeberger_ 170 f. "Er war berredet worden, +da man ber Luthers Begrbnis Nacht und Tag brennende Lampen hnge und +Wachskerzen stehen htte, und davor betete, als in den papistischen +Kirchen vor der Heiligen Reliquien geschehen." _Zastrow_ (Mohnike) II, +22. + +[632] C.R. VI, 563. 586. + + +18. Der Witwenstand. + +[633] Vgl. Teil-Rece. _Beste_ 129. C.R. VI. 585. _Zitzlaff_, +"Bugenhagen" 122. Da nur Deutsche in die Stadt durften, hatten sich die +Wittenberger ausbedungen. Als nun aber die Spanier mit dem Kaiser am +Schlothor eindringen wollten, warfen die Wittenberger sie in den +Graben, "da sie na wurden wie die Katzen". + +[634] Briefw. des Jonas II, 281. _Zitzlaff_ 121 f. Die Hussern waren +nicht so schlimm, wie die Spanier. + +[635] Briefw. Jonas II, 281. Grundbes. 558. + +[636] C.R. VII, 125. 536. + +[637] _Richter_ 390 f. C.R. VI, 669-693. 714. + +[638] _Grulich_, Torgau 112. _Matthes._ 68 (7. Pred.) _Richter_ 390. +396. + +[639] Grundbes. 494. + +[640] _Hofmann_ 129. + +[641] Waltz 181. + +[642] Jonas' Briefw. 259. + +[643] _Robsten_, Beitrge zur Geneal. des Luther. Geschl., Jena 1754. +_Keil_, Leben Han L., p. 89: "Joh. L. miles redux vitam egit +domesticam." + +[Transkriptions-Anmerkung: Zu den folgenden beiden Bemerkungen gibt es +keine Verweise im Text.] + +C.R. VII, 409 ff. Grundbes. 558. Jonas' Briefw. 280 ff. 295. + +C.R. VII, 408 f. 430. + +[644] C.R. VII, 502. + +[645] _Kolde_, An. L. 433. Grundbes. 558 f. + +[646] [Transkriptions-Anmerkung: Keine Bemerkung zum Verweis vorhanden.] + +[647] Grundbes. 559. C.R. VII, 411. + +[648] _Richter_, 325 f. C.R. VII, 611. 637. + +[649] C.R. VII, 945. + +[Transkriptions-Anmerkung: Zur folgenden Bemerkung gibt es keinen +Verweis im Text.] + +Grundbes. 559. + +[650] _Hofmann_ 141 f. + +[651] [Transkriptions-Anmerkung: Keine Bemerkung zum Verweis vorhanden.] + + +19. Katharinas Tod. + +[Transkriptions-Anmerkung: Zu den folgenden 4 Bemerkungen gibt es keine +Verweise im Text.] + +_Grulich_, Denkw. Torgaus S. 86. + +_Mayer_ 62. 122. _J.T. Lingke_, Hrn. D.M.L. Geschfte und Andenken zu +Torgau, 1764. S. 69-75. + +Nach _Grulich_ wohnte K. beim Stadtrichter M. Reichenbach im +Grnwaldschen Hause. Das Haus "Auf dem Scharfenberg" (heute +"Lutherhaus") in dem "Karniergchen" (heute "Luthergasse") war nicht +Katharinens hospitium; es hatte nur nach Wittenberg Zins zu zahlen. +_Grulich_ S. 70 f. 86. _Grulich_, Annales th. eccl., 1734. S. 176. +_Lingke_ a.a.O. S. 70.--Sollte M. Reichenbach in Torgau eine +Verwechslung sein mit M. Reichenbach in Wittenberg, bei dem K. 1523 +wohnte (S. 39)? Die Familie Reichenbach, auch der Pflegevater Katharinas +stammt aus Zwickau. _T. Schmidt_, Chronik der Stadt Zwickau, 472. +_Buchwald_ 108. + +_Juncker_ 250. + +[652] _Richter_ 493 f. Vgl. die Kleiderordnung fr Wittenberg 1576. S. +169. + +[653] Diese Rede Katharinas wurde von zwei Dichtern in Kirchenliedern +verwendet. In dem Liede eines unbekannten Verfassers (Anna von Stolberg +1600?, nicht Simon Graf, geb. 1609): "Christus, der ist mein Leben," +heit die letzte (7.) Strophe. "_Und la mich an dir kleben, wie eine +Klett am Kleid_, und ewig bei dir leben in Himmelswonn und Freud." +Ebenso heit es in Chr. Reimanns (1607-1662) Lied: "Meinen Jesus la ich +nicht, weil er sich fr mich gegeben, so erfordert meine Pflicht, +klettenweis an ihm zu kleben." _E.E. Koch_, Gesch. der Kirchenlieder IV, +667, behauptet zwar, der Ausdruck schreibe sich von Herzogin Katharina +von Sachsen, geb. von Mecklenburg ([Symbol: gestorben] 1561) her, welche +bei ihrem Ende gesagt habe, "sie wolle an ihrem Herrn Jesus mit Glauben +kleben bleiben, wie die Klette am Kleid."--Jedenfalls hat Katharina die +Prioritt. + +[654] C.R. VII, 1155 f. + +[655] _Lingke_ 71. _Grulich_ 87. + +[656] Der Leichenstein wurde zum Reformations-Jubelfest 1617 von "Daniel +Fritschen dem Mahler" fr 9 Groschen bermalt. Dazu wurde ein Bote (fr +2-1/2 Gr.) nach Eilenburg geschickt, zu Prediger M. Behem, mit welchem +Luthers Enkelin Katharina, die Tochter von Hans Luther, verheiratet war. +_Lingke_ 73. + +[657] _Juncker_, Ehrenged. L. (deutsch.) 243 f. + +[658] Br. V, 424.--Vgl. die ltere Litteratur bei _Hofmann_ +183-203.--_Bhringer_, K.v.B., Barmen. _Meurer, K.v.B.L._ 1876. +_Rietschel_, L. und sein Haus. Halle 1888. Romanhaft gehalten. _Armin +Stein_ (H. Nietschmann), K.v.B., Luthers Ehegemahl, ein Lebensbild. 4. +A. Halle 1897. + +[659] Bugenhagen schreibt an Knig Christian als "Wort eines groen +Frsten": "Wir haben hier zwei Regenten gehabt ber weltliches und +geistliches Regiment, den Kaiser und Luther." _Zitzlaff_ 106. + +[660] Das Faksimile ist von einem Brief Katharinas an den dnischen +Knig, original in Kopenhagen. 3/4 n. Gr. Vgl. folg. Brief: + +"Von den drei im hiesigen Archiv aufbewahrten Briefen von Katharina von +Bora an den Knig Christian III. von Dnemark sind die zwei entschieden +nicht eigenhndig. Der dritte ist auch von einer Schreiberhand +herrhrend; von dessen Unterschrift sind aber, wie aus dem beifolgenden +Faksimile hervorgeht, die Buchstaben: "E.K.M. vnterthenige" von einer +andern Hand als der Brief selbst geschrieben, und die eigentliche +Unterschrift wieder von einer dritten. Die Originalurkunde giebt den +Eindruck, da Katharina selbst die Unterschrift angefangen, dieselbe +aber aus irgend einer Ursache aufgegeben habe und da also nur die oben +zitierten Buchstaben von ihr eigenhndig sind." + +_Thiset_, Archivar. + +Dieser Einsatz wird um so mehr von Katharina herrhren, als auch eine +Einfgung in dem ersten Brief Katharinas an den Herzog Albrecht ("ge" +S. 252, Z. 19, original in Knigsberg) Aehnlichkeit mit dieser +Handschrift im Kopenhagener Brief zeigt. + +Da smtliche vorhandene Briefe Katharinas Kanzleischrift haben, so sind +diese drei Buchstaben "E.K.M." und das Wort "vnterthenige" wohl das +einzige, was von Katharinas Hand erhalten ist. + +Das _Siegel_ Katharinas ist von den Briefen an Herzog Albrecht, wohl ein +Siegelring; es zeigt den Lwen Derer "v. Bora". + +_Bilder_ Katharinas sind (unvollstndig) verzeichnet bei Hofmann S. 168 +f. Hier sei nur bemerkt, da das S. 55 beschriebene Bild im Lutherhaus +in Wittenberg hngt; das auf S. 193 erwhnte im Museum zu Leipzig. Das +Nrnberger, frher in der Morizkapelle, jetzt im German. Museum, ist +weder von Kranach, noch stellt es Katharina vor. + + + + +Register. + + +Abla +Aebtissin +Agnes (Nisa) Lauterbach +Agricola, Joh. = M. Eisleben +Agricola, Frau Elisabeth +Alemann, Ave +Altenburg +Amsdorf, Nicolaus von +Anhalt, Frsten +Apel +Audi Koppe +Augsburg +Aurifaber = Goldschmidt +Aurogallus, Matth. +Axt, Lic. Basilius + +Bader, Kastner (Kastellan) auf Koburg und Frau +Barnes, D. Robert +Baumgrtner, Hieron. +Bayer (Baier, Beier), Vizekanzler +Berndt, Ambros +Besold +Bildenhain, Bildenhauer +Boo (Bse) Gut +Bora +Bora, Christina +Bora, Clemens +Bora, Florian, (lies Florian statt Fabian) +Bora, Hans +Bora, Katharina +Bora, Maria +Bora, Magdalene (s. "Muhme Lene") +Borna +Brandenburg, Herzog Albrecht +Brandenburg, Elisabeth von +Brandenburg, Georg Markgraf +Brandenburg, Joachim Kurfrst I. +Braunschweig +Braunschweig, Herzogin Elisabeth +Briefe Luthers an Kthe: + Von Marburg + von Wittenberg + von Koburg + von Torgau + von Schmalkalden + von Eisenach + von Zeitz + von Halle + von Eisleben + Brief der Hausfreunde an Kthe +Briefe Kthes +Brisger, Eberhard +Brck, Dr. Gregorius +Bruno (Brauer, Haus Bruno) +Bugenhagen, Joh. = D. Pommer +Bugenhagen, Frau +Butzer (Bucer) + +Camerarius, Joachim +Canitz, Elisabetha (Else) von +Capito, Wolfg. +Cario, Joh. +Carlstadt +Coburg +Cordatus +Crafft +Cranach +Crodel, Marcus, Schulmeister in Torgau +Cronberg, Hartmut von + +Dnemark, Christian II. von, 39. 71. +Dnemark, Christian III. +Dene, Thilo +Dessau +Dietrich, Veit +Doctores + Doktorschmaus +Dolzig, Hofmarschall +Domina + = Aebtissin + = Frau D. Luther +Dring, Christian (Aurifaber) +Drr, Kanzler +Drer, Albrecht + +Eber, Paul +Eck +Einsiedel, Heinrich von +Eisenach +Eisleben, Stadt +Eisleben, D. +Emser +England, Heinrich VIII., Knig +Englnder ("Engeleser") s. Barnes +Erasmus +Erfurt + +Ferdinand, Knig +Feste +Fladenkrieg +Florentina, eine Nonne +Freiberg +Friedrich Becker (Pistorius), Abt in Nrnberg +Fndli-Haus zu Nrnberg + +Gabriel = Zwilling +Gerbel, Lic. +Glatz, D. +Goldschmidt s. Aurifaber. +Goritz +Gotha +Grimma +Gro Ave +Grumbach, Argula von, +Grne, Friedr. von, Feldzeugmeister + +Hagenau, Reichstag +Halle +Hasenberg +Haubitz, Anna von +Haubitz, Margarete von +Haugwitz +Hausfreunde +Hausmann +Heinrich VIII., von England +Heidten +Hennick +Heuthlin +Hirsfeld (Hirschfeld), Bernhard von +Hohndorf, Brgermeister +Holstein +Honold, Hans, Brger von Augsburg +Horen +Humanisten + +Jckel s. Jakob Schenk +Jena + "Hans von Jena" +Johannes, der Schweinehirt, +Jonas, Justus +Jonas, Christoph +Jonas, Elisabeth +Jonas, Justus d.J. +Jonas, Katharina +Jonas, Sofia +Jrger, Christoph und Dorothea von Tollet +Juristen + +K siehe C. +Kanitz s. Canitz. +Karl V. +Karlstadt s. Carlstadt +Kaufmann, Andreas +Kaufmann, Cyriac +Kaufmann, Jrg +Kaufmann, Fabian +Kaufmann, Lehne (s. Muhmchen Lene) +Kaufmann, Else +Kegel +Kieritzsch +Klausur +Klosterkinder +Kloster-Regel +Koburg s. Coburg. +Knigsberg +Koppe, Leonhard. +Kreuziger (Cruciger) Kasper + (Frauen) +Kummer +Kunheim, von + +Lauterbach +Lauterbach, Frau +Leipzig +Lemle (Leminus) +Lene (von Bora), Muhme, d. Aeltere +Lene, (Kaufmann) Muhme, d. Jngere +Lichtenberg +Lindemann, Kaspar +Link, Wenzel +Lippendorf +Lischnerin, Barbara +Lser, Hans, zu Pretsch, Erbmarschall +Lser, Hans, der Sohn +Lufft, Hans, Buchdrucker +Lneburg, Herzog +D.M. Luther + Tischreden + Geselligkeit + Krankheiten +Luthers Eltern +Luthers Kinder + Hans, d.J. + Elisabeth + Magdalene + Martin + Paul + Margareta +Luthers Bruder: Jacob +Luthers Neffe: Martin +Luthers Schwester: Dorothea +Lutherbrunnen + +Magdeburg +Magister +Mainz, Kurfrst Erzbischof Albrecht +Mhrische Brder +Major Georg +Mansfeld, Stadt +Mansfeld, Grafen + Graf Albrecht + Grfin + Shne +Marburg +Matthesius, Joh. +Maugen (a Maugis) +Medler +Melanchthon, M. Philipp +Melanchthon, Lippus +Melanchthons Frau, Katharina +Menius +Meien +Mergenthal, Hans von +Mergenthal, Kath. von +Metsch, Hans +Mohr (Aetiops) +Mochau, Margr. v. +Mnche +Morgenstern v. Wittenberg +Mller, Kaspar Kanzler +Motterwitz +Mnster, Dr. Sebald +Mnsterberg, Ursula, Herzogin +Myconius (Mekum) Fr. + +Naumburg +Neobolus (Neuheller) +Niemeck +Nimbschen +Nonnen im Kloster + entflohen +Nonnen-Ehe + Nonnen-Kind +Novizen +Nordhausen +Nrnberg + +Pfister +Pforta +Pforzheim +Pirkheimer +Pirna +Plato +Polner, Hans +Pommer = Bugenhagen +Preuen, Albrecht, Herzog von +Probst +Professoren + +Ratzeberger, Dr. Matthias +Reichenbach, M. Phil. +Reliquien +Reuchlin = Reichel +Reuter, Brgermeister +Riedtesel +Rischmann +Rhrer (Rorer, Rorarius) Gg. +Rosina +Roth +Rothenburg +Rhel +Rutfeld + +Sabinus, Melanchthons Schwiegersohn +Sachsen, Land +Sachsen: Georg, Herzog + Heinrich + Moriz + Kurfrst Friedrich + Johann + Joh. Friedrich + Johann Ernst +Sala, Hanna von +Saumarkt +Schenck, Jakob +Sibylle, Herzogin +Schiefer +Schla(g)inhausen +Schmalkalden +Schnell, Georg +Schnfeld, Ave (Eva) + Ernst +Schurf, Augustin, Arzt + Hieron., Jurist + Hanna, geb. Muschwitz +Severus = Schiefer. +Sieberger, Wolfgang +Spalatin +Specke +Speckstudenten +Speratus +Spiegel, Erasmus, Stadthauptmann von Wittenberg +Staupitz, Joh. von +Staupitz, Magdalena +Stiefel, Michael +Strau, Anna (Hanna) +Studenten, "Bruder Studium" + +Taglhner Kthes +Taubenheim, Hans von +Taubenheim, Dietrich +Tischreden +Tollet s. Jrger +Tommitzsch, Wolf +Torgau + +Ursula s. Mnsterberg + +de Vay +Vergerius, Kardinal +Viscamp + +Wachsdorf +Warbeck +Weimar +Weller, Hieron. +Weller, Mathias +Weller, Peter + S. Lischner. +Wittenberg, Stadt und Rat +Wolf(gang) s. Sieberger + +Zeschan +Zell, Katharina (Schtzin) +Zink, Hans +Zulsdorf +Zwilling + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Katharina von Bora, by D. Albrecht Thoma + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK KATHARINA VON BORA *** + +***** This file should be named 12636-8.txt or 12636-8.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + https://www.gutenberg.org/1/2/6/3/12636/ + +Produced by Charles Franks and the DP Team + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. Special rules, +set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to +copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to +protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project +Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you +charge for the eBooks, unless you receive specific permission. 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It exists +because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from +people in all walks of life. + +Volunteers and financial support to provide volunteers with the +assistance they need, is critical to reaching Project Gutenberg-tm's +goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will +remain freely available for generations to come. In 2001, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure +and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. +To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation +and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 +and the Foundation web page at https://www.pglaf.org. + + +Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive +Foundation + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit +501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the +state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal +Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification +number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at +https://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent +permitted by U.S. federal laws and your state's laws. + +The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. +Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered +throughout numerous locations. Its business office is located at +809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email +business@pglaf.org. 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Thus, we do not necessarily +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + + +Most people start at our Web site which has the main PG search facility: + + https://www.gutenberg.org + +This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, +including how to make donations to the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to +subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. diff --git a/old/12636-8.zip b/old/12636-8.zip Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..f4b27da --- /dev/null +++ b/old/12636-8.zip diff --git a/old/12636.txt b/old/12636.txt new file mode 100644 index 0000000..0a7afad --- /dev/null +++ b/old/12636.txt @@ -0,0 +1,13361 @@ +The Project Gutenberg EBook of Katharina von Bora, by D. Albrecht Thoma + +This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with +almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Katharina von Bora + Geschichtliches Lebensbild + +Author: D. Albrecht Thoma + +Release Date: June 16, 2004 [EBook #12636] + +Language: german + +Character set encoding: ASCII + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK KATHARINA VON BORA *** + + + + +Produced by Charles Franks and the DP Team + + + + +[Illustration: Katharina von Bora + +nach dem Gemaelde von Lucas Cranach im Museum zu Schwerin + +Phot. F. u. O. Breckmann Nachf., Dresden. + +Verlag Georg Reimer, Berlin.] + + + + +Katharina von Bora + + +Geschichtliches Lebensbild + +von D. Albrecht Thoma + + +Berlin + +Druck und Verlag Georg Reimer. + +1900. + + + + +Vorwort. + + +In dem "Leben Luthers" bietet das Kapitel "Luthers Haeuslichkeit" als +freundliche Idylle ein liebliches Ausruhen von den dramatischen Kaempfen +und dem epischen Gange einer reformatorischen Wirksamkeit. Die Briefe an +eine "liebe Hausfrau" sind unter den Tausenden seiner Episteln die +schoensten und originellsten. Dafuer liegt der Grund doch nicht allein in +dem reichen Gemuet und dem geistvollen Humor des grossen Mannes, sondern +auch in der Persoenlichkeit seiner lebhaften, temperamentvollen Gattin. +Es muss doch eine bedeutende Frau gewesen sein, die der grosse Mann als +seine Lebensgefaehrtin zu sich emporhob und die sich getraute, die Gattin +des gewaltigen Reformators zu werden und der es gelungen ist, ihm zu +genuegen; und ein sympathischer Charakter musste das sein, an dem er seine +frohe Laune so schoen entfalten konnte. Sie hat ihrem Doktor das schoene +Heim geschaffen und das vorbildliche evangelische Pfarrhaus. Und so lebt +auch Luthers Kaethe als die Genossin von dem Liebling und Stolz unserer +Nation in der Seele des deutschen Volkes in gutem Gedenken. + +Es kann nun auffallen, dass eine eigentliche Lebensgeschichte der Gattin +Luthers bisher noch gar nicht erschienen ist, dass fast mehr +schmaehsuechtige Feinde, wie vor hundertfuenfzig Jahren ein Engelhard, ihre +wenig lauteren Kuenste an dieser Aufgabe geuebt haben; und besonders ist +zu verwundern, dass in dem letzten halben Jahrhundert, diesem so +hervorragend historischen Zeitalter,--seit den beiden gleichzeitig +erschienenen quellenreichen Skizzen von _Beste_ und _Hofmann_--keine +Biographie entstand, nicht einmal fuer dieses Jubilaeumsjahr ihres +vierhundertjaehrigen Geburtstages. + +Der Grund dieser eigentuemlichen Erscheinung liegt aber doch klar. Einmal +wird eben in "Luthers Leben" das Bild Katharinas von Bora stets mit +hineingemalt; sodann ist es schwierig, neben der gewaltigen Gestalt +ihres Gatten sie recht zur Geltung kommen zu lassen; endlich ist eine +muehsame Kleinarbeit erforderlich, um eine lebensvolle Zeichnung zu +entwerfen, und ueberraschende Entdeckungen sind bei aller Findigkeit hier +nicht zu machen. + +Dennoch verdient Luthers Kaethe--so viel das geschehen kann--fuer sich +besonders betrachtet zu werden, wie ja ihr Bild so oft fuer sich neben +demjenigen des grossen Doktors gemalt ist. Ist Frau Kaethe freilich nichts +ohne den D. Martinus, so kann man doch auch fragen: Was waere Luther ohne +seine Kaethe? Dem Lebensbilde des grossen Reformators fehlte das +menschlich Anziehende, fehlten die vor allem uns Deutschen ausbrechenden +gemuetlichen Beziehungen des Familienlebens. Und das hat Frau Kaethe ihm +geschaffen. Ihr ist es zu verdanken, dass die Welt ihn so lange, und so +lange in geistiger Frische und freudigem Arbeitseifer gehabt hat. + +So mag es ein Denkmal sein, und--wie es der schlichten deutschen +Hausfrau geziemt--ein anspruchsloses, was ihr hier zu ihrem +vierhundertjaehrigen Gedaechtnistage gesetzt ist. + + + + +Inhaltsverzeichnis. + +1. Katharinas Herkunft und Familie. + +Sachsen und Meissen +Bora +Lippendorf +Eltern und Brueder +"Muhme Lene" und Maria v. Bora +Armut der Familie +Der Eltern Tod + + +2. Im Kloster + +"Ehrsame" Jungfrauen +Adelige Stifter +Klosterkinder +Nimbschen +Klosterfrauen +Klausur +Wuerden +Klostergenossinnen +Die Novize +Kloster-Regel +Erziehung +Die Postulantin +Einsegnung +Tagewerk +Reliquien +Ablass +Kloster-Erlebnisse +Nonnen-Beruf + + +3. Die Flucht aus dem Kloster + +Luthers Schriften ueber Ablass, gute Werke, Klostergeluebde +Vermittelung der Schriften +Leonhard Koppe +Austrittsgedanken +Die Verwandten +Klagebrief an Luther +Bedenken +Flucht-Plan +Das Entkommen aus dem Kloster +Die Flucht +Offener Brief an Koppe, "dass Jungfrauen Kloster goettlich verlassen moegen" +Der Abt von Pforta +Neue Entweichungen + + +4. Eingewoehnung ins weltliche Leben + +Versorgung der Klosterjungfrauen +Katharina bei Reichenbach +Hier. Baumgaertner +D. Glatz + + +5. Katharinas Heirat + +Luther draengt zur Ehe +Verehelichung von Priestern und Klosterleuten +Luther denkt zu heiraten +Eine Nonne soll's sein +Luthers Werbung +Trauung und Hochzeit +Gaeste +Geschenke +Das Fest + +6. Das erste Jahr von Katharinas Ehestand. + +Im "Schwarzen Kloster" +Ausstattung +Angewoehnung +Unterhaltung +Bild +"Die erste Liebe" +Verstimmung der Freunde +Schmaehungen der Feinde +Gefahren +Stimmungen + + +7. Katharina als Mutter ihrer Kinder und Hausgenossen. + +Johannes +Elisabeth +Magdalena +Martin, Paul +Margareta +Elternfreuden +Muhme Lene +Neffen und Nichten +Zuchtmeister +Gesinde, Gaeste +Besuche + + +8. Katharinas Haushalt und Wirtschaft. + +Das Regiment in Luthers Haus +Haus und Hof +Bauereien +Geraete +Schenkungs-Urkunde +Teurer Markt +Landwirtschaft +Gaerten +"Haus Bruno", Gut Booss +Zulsdorf +Grundbesitz +Arbeitsseligkeit + + +9. "Wunderliche Rechnung zwischen D. Martin und Kaethe." + +Armut +Einkuenfte +"Geschenke" +Umsonst +Hausrechnung. "Gieb Geld" +Luthers Mildthaetigkeit +Schulden +insidiatrix Ketha +"Raetlichkeit" +"Wunderlicher Segen" +"Lob des tugendsamen Weibes" + + +10. Haeusliche Leiden und Freuden. + +Schwerer Haushalt +Krankheitsanfall Luthers (1527) +Die Pest +Hochzeit und Tod +Fluechtlinge und Hochzeiten +Visitationsreisen +Briefe von der Koburg +Die Grosseltern +Besuche und Reisen +Ein Kardinal in Wittenberg +Tischgesellen, Famulus, Kaethes Brueder +Kinderzucht +Rosine +Kaethes Tageloehner + + +11. Hochzeiten und Krankheiten, Pest und Tod. + +"Muehmchen Lene" und Veit Dietrich +Lenchens Verlobung (1538) +"Des Teufels Fastnacht" (1535) +In den "hessischen Betten" +Luthers toedliche Krankheit in Schmalkalden (1537) +Muhme Lene [Symbol: gestorben] +Pflege der Elisabeth von Brandenburg +Wieder Pest (1539) +Kaethes toedliche Krankheit (1539) +Briefe aus Weimar (1540) +Allerlei Sorgen +Hanna Strauss verlobt und Muehmchen Lene verwitwet +Haus in Torgau, Lenchens Krankheit und Tod +Hansens Heimweh + + +12. Tischreden und Tischgenossen. + +Eine akademische Hochzeit +Allerlei Feste +Besuche +_Cordatus_ +_Stiefel_ +_Kummer, Lauterbach_ +_Schlaginhaufen, Weller_ +_Hennik; Barnes; de Bai_ +_Dietrich_ +_Besold_ +_Holstein; Schiefer; Matthesius_ +_Goldschmidt u.a._ +Kaethes "Tischburse" +Die "Tischgespraeche" + + +13. Hausfreunde. + +Humanisten-Freundschaft +Der Freundeskreis des Lutherischen Hauses +Gruesse und Geschenke +_Amsdorf; Agrikola_ +_Probst_ +_Brisger, Biscampius, Zwilling; Mykonius; Capito_ +Die Nuernberger: _Link_ und _Friedrich_; _Baumgaertner_ +_Dietrich_; Geschwister _Weller_ +_Hausmann_ +_Schlaginhaufen_ +_Lauterbach_ +_Spalatin_ +Hans von _Taubenheim_ +Amtsgenossen +_Kreuziger_ +_Bugenhagen_ +_Jonas_ +_Melanchthon_ +Sabinus und Lemnius +Brief der Freunde an Kaethe +Die Tafelrunde +Freundinnen + + +14. Kaethe und Luther. + +Die "Erzkoechin" +Luthers Enthaltsamkeit und Festfreude +Kaethe als Krankenpflegerin +Kaethes Humor +Verdaechtigungen Kaethes +Kaethes geistige Interessen +Was Luther von Kaethe hielt +"Ihr" und "Du" +"Herr" Kaethe +"Liebe" Kaethe +Luthers unguenstige Aeusserungen +Lob des Weibes +"Haeuslicher Zorn" +Lob des Ehestandes und Kaethes +Kaethes "Bildung" +Ebenbuertigkeit +Kaethes Bild + + +15. Luthers Tod. + +Truebe Zeitlage +Hader im eigenen Lager +Die "garstigen" Juristen +Abscheiden der Freunde +Luthers zunehmende Krankheiten +Arbeit und Humor +Wegzugsgedanken +"Speckstudenten" und Kleidermoden +Abreise +Schrecken in Wittenberg +Reisen nach Eisleben +Briefe von Halle und Eisleben +Der letzte Brief +Die Todesnachricht +Zuruestung zur Bestattung +Trostbrief des Kurfuersten +Der Leichenzug +Katharinas Stimmung + + +16. Luthers Testament. + +"Die Welt ist undankbar, die Leute sind grob" +Dr. Bruecks Zorn auf Katharina +Fuerstliche und freundschaftliche Fuersorge +Das saechsische Erbrecht +Katharinas Leibgeding +Die Erbschaft +Bruecks und Katharinas Plaene +Katharinas Bittschrift +Reden der vier Hausfreunde +Bruecks Gutachten +Die Entscheidungen des Kurfuersten +Kampf um Wachsdorf und die Kinder +Wolf, Gesinde und Tischburse +Fuersorge fuer Florian von Bora +Mahnungen an den Daenenkoenig + + +17. Krieg und Flucht. + +Beginn des Schmalkaldischen Kriegs, zweierlei Gebete +Anmarsch auf Wittenberg, Flucht +Belagerung Wittenbergs. In Magdeburg +Brief von und an Christian III. +Schreckensgeruechte +Neue Flucht; in Braunschweig +Heimkehr + + +18. Der Witwenstand. + +Wie's daheim aussah +Kriegsschaeden und Process +Kosttisch; Anlehen +Das Interim. Hans Luther nach Koenigsberg +Leiden und "gnaedige Hilfe" +Hans in Koenigsberg +Kriegslasten +"Dringende Not" + + +19. Katharinas Tod + +Flucht vor der "Pestilenz" +Der Unfall +Anna von Warbeck +Das Leichenprogramm und die Bestattung +Nachkommen und Reliquien +Denkmaeler +Katharinas Gedaechtnis + + +Belege und Bemerkungen. + + +Register. + + + + +1. Kapitel + +Katharinas Herkunft und Familie[1]. + + +Zur Zeit der Reformation umfasste das Land Sachsen etwa das heutige +Koenigreich, den groessten Teil der Provinz Sachsen und die +thueringisch-saechsischen Staaten. Diese saechsischen Lande aber waren seit +dem Erbvertrag von 1485 zwischen den Ernestinern und Albertinern geteilt +in ein Kurfuerstentum und ein Herzogtum. Wunderlich genug war diese +Teilung, aber ganz nach damaligen Verhaeltnissen: zum Albertinischen +Herzogtum, auch "Meissen" genannt, gehoerte der groesste Teil vom heutigen +Koenigreich mit den Staedten Meissen, Dresden, Chemnitz; ferner ein +schmaler Streifen von Leipzig bis nach Langensalza. Dazwischen dehnte +sich das Kurfuerstentum mit den Hauptstaedten Wittenberg, Torgau, Weimar, +Gotha, Eisenach westwaerts, und Zwickau und Koburg nach Sueden. Die +Kursachsen sahen mit einigem Stolz auf ihre Nachbarn herab, welche bloss +herzoglich waren, gebrauchten auch wohl den alten Spottreim: "Die +Meissner sind Gleisner". Wenn's auch nicht wahr war, es reimte sich doch +gut[2]. + +Aus dem Herzogtum Meissen stammte nun Katharina von Bora, Luthers +Hausfrau[3], waehrend er selbft ein geborener Mansfelder, dann ein Buerger +der kursaechsischen Residenz Wittenberg und Beamter des Kurfuersten war. +Er beklagte sich wohl bei seiner Frau ueber ihren Landesherrn, Herzog +Georg den Baertigen, welcher, ein heftiger Gegner der Reformation, mit +Luther in steter Fehde lag, gehaessige Schriften gegen ihn losliess und +die Lutheraner im Lande "Meissen" verfolgte. Daneben neckte Luther seine +Kaethe auch, als sie in Leipzig bei seinen Lebzeiten die Maere von seinem +Tode verbreiteten: "Solches erdichten die Naseweisen, deine +Landsleute"[4]. + +Im Meissenschen nun hinter der Freiberger Mulde, eine Stunde ostwaerts von +dem "Schloss und Staedtchen" Nossen lagen die beiden Ortschaften Wendisch- +und Deutschenbora[5], eine Viertelstunde von einander zwischen +Tannengehoelzen, denn Tanne heisst auf slavisch "Bor"[6]. Hier hatte das +Geschlecht der Bora seinen Stammsitz. Von dort verpflanzte es sich in +verschiedenen Zweigen an viele Orte des Sachsenlandes; so auch in die +Naehe von Bitterfeld und Borna, je fuenf Stunden noerdlich und suedlich von +Leipzig. Sie fuehrten alle im Wappen einen steigenden roten Loewen mit +erhobener rechter Pranke in goldenem Feld und den Pfauenschweif als +Helmzier[7]. + +Aus welchem dieser neun oder zehn Zweige aber Frau Katharina, des +Reformators Ehegattin, stammte, ist nicht mehr gewiss auszumachen. Mehr +als sieben Orte, wie bei dem Vater der griechischen Dichtung, Homer, +streiten sich um die Ehre, ihre Geburtsstaette zu sein: das ist fast +jeder Ort, wo frueher oder spaeter Bora gewohnt und gewaltet haben. Aber +man kann eher noch beweisen, dass sie aus acht dieser Orte nicht stammt, +als dass sie am neunten Ort wirklich geboren sei[8]. + +Vielleicht ist Katharinas Geburtsort beim alten Stammsitz des +Geschlechts: zu Hirschfeld, einem sehr fruchtbaren Hofgut in der +doerferreichen Hochebene, wo man noerdlich nach dem nahen Deutsch-Bora und +dem etwas ferneren Wendisch-Bora schaut, gen Westen aber, in einer +Entfernung von einer Stunde, die burggekroente Bergnase von Nossen +erblickt. + +Wahrscheinlicher aber wurde Kaethe zu _Lippendorf_ geboren. Westwaerts +naemlich von Borna an der Pleisse zieht sich als meissnisches Gebiet ein +weites Blachfeld, dessen Einfoermigkeit nur durch dunkle Gehoelze +unterbrochen wird. Nur ein paar hundert Schritte von dem Kirchdorf +Medewitzsch erhebt sich das Haeuflein Haeuser des kleinen Doerfchens +Lippendorf und etwas abseits gelegen ein groesseres Gut, mit einem Teiche +dahinter. Das war zwar kein rittermaessiger Hofsitz, aber doch ein +stattliches Lehngut, das heutzutage seinen Besitzer zu einem +wohlhabenden Bauern macht. Um 1482 sass dort ein Hans von Bora mit +seiner Gemahlin Katharina; um 1505 ist's ein Jan von Bora mit seiner +Gattin Margarete, einer geborenen von Ende. Wahrscheinlich ist Hans und +Jan nicht Vater und Sohn, sondern dieselbe Person und Margarete nur +seine zweite Ehefrau. + +Hier waere nun Katharina an dem Ende des fuenfzehnten Jahrhunderts, 15-1/4 +Jahre nach Martin Luther, auf die Welt gekommen. In diesem +bauernhofaehnlichen Anwesen waere sie--vielleicht unter einer +Stiefmutter--herangewachsen. An diesem Teich haette sie als Kind gespielt +und hinuebergeschaut nach dem nahen Rittersitz Kieritzsch mit seinem +Schlosspark und kleinen Kirchlein, und weiterhin ueber die Wiesen und +Gehoelze der Mark Nixdorf nach der "Wuestung Zollsdorf"--wo sie spaeter als +ehrsame Hausfrau und Doktorin vom fernen Wittenberg herkommend hausen +und wirtschaften sollte, wie sie's zu Lippendorf in Hof und Stall, Kueche +und Keller von der fleissigen Mutter gelernt.[9] + +Aber sicher ist diese Annahme nicht. Es kann auch ein anderer Ort +Katharinas Geburtsstaette sein. + +Ja, sicher weiss man nicht einmal den Namen von Vater und Mutter. Hans +konnte der Vater wohl geheissen haben, so hiess damals jeder dritte Mann, +auch im Bora'schen Geschlecht. Und nach einer andern, nicht +unglaubwuerdigen Nachricht waere die Mutter eine geborene von Haubitz +gewesen und haette nach der Tradition den ebenfalls zu jener Zeit sehr +beliebten Namen Anna getragen. Dann waere freilich Lippendorf nicht +Kaethes Heimat gewesen. Unzweifelhaft gewiss ist nur ihr Geburtstag, der +29. Januar 1499; denn dieser Tag ist auf einer Schaumuenze eingegraben, +die heute noch vorhanden ist[10]. + +Auch ihre naechsten Verwandten sind bekannt. + +Katharina hatte wenigstens noch drei Brueder. Der eine, dessen Name nicht +genannt ist, verheiratete sich mit einer gewissen Christina und starb +ziemlich fruehzeitig, vielleicht schon um 1540. Denn sein Sohn Florian, +der etwa gleichaltrig mit Luthers Aeltestem d.h. damals vierzehn Jahre +alt war, wurde um diese Zeit ins Haus genommen und wollte 1546 die +Rechte studieren; damals war "Christina von Bora Witfraw"[11]. + +Der andere Bruder Katharinas ist _Hans_ von Bora. Er war 1531 in +Diensten des Herzogs Albrecht von Preussen, kehrte aber etwa 1534 von +dort zurueck, um fuer sich und seine Brueder das Guetlein Zulsdorf als +"Erbdaechlein" zu uebernehmen. Er bekam in seinen Mannesjahren von seinem +Schwager Luther und von Justus Jonas das Lob eines "aufrichtigen, feinen +und treuen Menschen". "Treu und brav ist er, das weiss ich, dazu auch +geschickt und fleissig", bezeugt ihm Luther[12]. + +Weniger Loebliches ist von dem dritten Bruder _Klemens_ bekannt. Er kam +mit Bruder Hans nach Koenigsberg, geriet aber nach dessen Rueckkehr in die +Gesellschaft eines adligen Raufboldes, der in seiner Gegenwart einen +Zimmergesellen im Rausch erstach, was ihm selbst uebeln Ruf zuzog und ihn +in Ungnaden bei dem Herzog brachte[13]. + +Ausser den Bruedern Katharinas ist auch eine Muhme (Base) Lene bekannt, +welche spaeter in Luthers Haus lebte. Es wird dies niemand anders sein +als die Magdalena von Bora, des Vaters Schwester[14], welche freilich +zur Zeit von Katharinas Geburt schon lange im Kloster Nimbschen lebte. + +Wenn es wahr ist, dass um 1525 eine Maria von Bora auf Zulsdorf sich nach +Wittenberg verheiratete[15], so muessen auf diesem Vorwerk in den +zwanziger Jahren noch nahe Verwandte gelebt haben. Reich konnten diese +aber nicht sein, denn das ganze Gut war nur 600 fl. wert und naehrte +seinen Mann nicht, wie spaeter Bruder Hans selbst erfuhr. Ein weiterer +Verwandter Katharinas war Paul von Rachwitz, welcher zu Bitterfeld +wohnte in dessen Naehe auch in Zweig der Bora hauste[16]. + +Die Familie Katharinas muss recht arm gewesen sein: es heisst sogar: sie +war in die aeusserste Bedraengnis geraten. Florian, der Sohn des aeltesten +Bruders, war jedenfalls nach seines Vaters Tod, obwohl dieser +wahrscheinlich das Erbgut besass, doch auf Stipendien angewiesen fuer +seine Studien. Bruder Hans war am preussischen Hof so aermlich gestellt, +dass Luther fuer ihn dem Herzog Albrecht "beschwerlich sein" und schreiben +musste: "Nachdem meiner Kaethen Bruder Hans von Bora nichts hat und am +Hofe Kleid und Futter genug nicht hat, wollten E.F.Gn. verschaffen, dass +ihm jedes Vierteljahr ein paar Gulden wuerden zugeworfen, damit er auch +Hemd und andere Notdurft bezahlen moechte.[17]" + +Katharina selbst endlich hat, wie es scheint, nicht einmal ein +Leibgeding mit ins Kloster bekommen, wie es andere, wohlhabendere adlige +Fraeulein mit durchschnittlich 3 Schock[18] jaehrlich erhielten; und auf +ihre Einsegnung konnte sie nur 30 Groschen spenden, waehrend neue Nonnen +wohl 100 oder wenigstens 40 Groschen opferten. Bei ihrer Heirat konnte +sie keine Mitgift in die Ehe bringen[19]. + +So ist also Katharina von Bora--wo es auch sei--in gar engen +Verhaeltnissen aufgewachsen, und wenn man sich das junge Maedchen etwa als +zartes Ritterfraeulein am Burgfenster mit dem Stickrahmen oder als +Jaegerin auf stolzem Zelter vorstellen wollte, so gaebe das ein gar +falsches Bild. Wir haben sie uns vielmehr zu denken wie eine junge +Bauerntochter auf dem Hofgut schaltend und waltend, der Mutter an die +Hand gehend in der Wirtschaft, zugleich als die Aelteste, vielleicht als +einziges Toechterlein, auch eine gewisse Selbstaendigkeit und +Herrschergabe entfaltend, wie sie sich spaeter in der reifen Frau +entwickelt zeigt. + +Freilich ein wirkliches anschauliches Bild ihrer Kindheit zu entwerfen +vermoegen wir nicht, dazu fehlen alle Anhaltspunkte, alle Formen und +Farben. Wir moegen dies bestimmte Bild aus der ersten Jugendzeit, in die +wir uns bei einem Menschenleben so gerne versenken, bei Katharina +schmerzlich vermissen, da sich die ganze Umgebung, der Hintergrund der +Landschaft und selbst die notwendige Staffage von Vater und Mutter und +alles, was auf ein junges Menschenkind einwirkt, bis auf die Namen +verwischen und verschwinden, waehrend zum Beispiel bei ihrem Gatten, dem +Doktor Luther, Elternhaus, Vater, Mutter, Geschwister, Gespielen, Heimat +und Schule so deutlich und plastisch sich herausheben, dass sie ein gar +lebendiges und farbenreiches Gemaelde geben. Aber man kann sich doch auch +wieder ueber diesen Mangel leicht troesten. + +Denn wie es scheint, sind die Eltern beide frueh gestorben. Sobald +Katharina ins Licht der Geschichte tritt mit ihrer Heirat, ja schon bei +ihrer Entweichung aus dem Kloster, ist jede Spur von ihnen verschwunden: +die Eltern erscheinen nicht bei ihrer Hochzeit, wie die Eltern von +Luther; sie werden um ihre Einwilligung nicht gefragt, worauf doch +Luther sonst so grosses Gewicht legt; ja sie kommen schon nicht in +Betracht bei der Flucht aus dem Kloster, als es sich um eine Unterkunft +handelt; und auch waehrend der ganzen Klosterzeit kommt Vater und Mutter +nicht zum Vorschein, wie es doch oftmals bei Klosterjungfrauen der Fall +ist. Vielleicht ist gerade der Eltern frueher Tod fuer Katharina die +Veranlassung gewesen, so bald ins Kloster einzutreten. + +Wie dem aber auch sei, die geistige Entwicklung des jungen Fraeuleins +faellt nicht in das Elternhaus. Denn sehr frueh kam Katharina von daheim +fort und ihre bewusste Jugendzeit verbrachte sie fern von der Heimat im +Jungfrauen-Stift. + +So faellt Katharinas Eintritt, obwohl sie 15 Jahre juenger war, etwa in +dieselbe Zeit, als der Erfurter Magister Martin Luther die Studien +verliess und in das Kloster der Augustiner ging. + + + + +2. Kapitel + +Im Kloster. + + +Wenn heutzutage ein armes Maedchen aus besseren Staenden versorgt werden +soll, das nicht auf grosse Mitgift und darum auf Verheiratung rechnen und +somit dem natuerlichen weiblichen Beruf, dem Familienleben, +voraussichtlich entsagen muss, so kommt es in eine Anstalt und bildet +sich zur Lehrerin oder dergleichen aus. Im Mittelalter kam so ein armes +Fraeulein, dessen Ausstattung die schmalen Erbgueter der Stammhalter und +Schwestern noch mehr geschmaelert haette, zur Versorgung ins Kloster. Die +alten Kloester (der Benediktiner, Cisterzienser, Bernhardiner) wurden so +Versorgungsanstalten[20]. Es waren adelige Stifter, fromme Anstalten der +Vorfahren, worin "ehrsame" (d.h. adelige) Jungfrauen Gott dienen und fuer +die Seelen der Lebenden und Verstorbenen beten sollten[21]. Statt des +jetzigen "geistigen" Berufs zum Wirken in der Welt fuer lebendige +Menschen diente damals der "geistliche" Beruf zur Verehrung Gottes und +der Heiligen, zum ewigen Seelenheil der Lebenden, namentlich aber der +toten Anverwandten im Fegefeuer. Statt der heutigen freien und doch +nicht immer freiwilligen Entschliessung zu einem selbstgewaehlten Beruf, +der freilich immer nur bedingungsweise und auf Zeit ergriffen wird, galt +es damals die "ewige" unwiderrufliche "Vergeluebdung" auf Lebenszeit; +statt der "Emanzipation", welche einer ausser dem Familienleben stehenden +Jungfrau heute mehr oder weniger wartet, harrte ihrer damals die +"Klausur", die Einschliessung in die Klostermauern in einem streng +geschlossenen Verband, dem "Orden", unter dem straffen Bande der +"Regel", der Klostersatzungen. + +Nach Begabung und Neigung zu diesem geistlichen Beruf wurde da wenig +gefragt, und es konnte auch keine Ruecksicht darauf genommen werden[22]. +Dazu war in diesen Zeiten die elterliche Autoritaet, namentlich ueber +Toechter, viel zu gross, und der Familiensinn in solchen adeligen Haeusern +war ein zu stark ausgepraegter, als dass sich ein Glied in individueller +Neigung gegen das Herkommen und die Familiensitte wie gegen die +Forderungen der Existenzbedingungen seines Geschlechts aufgelehnt haette. +Nach den kirchlichen Bestimmungen galt der Grundsatz: "Einen Moench macht +entweder die elterliche Vergeluebdung oder die eigene Einwilligung"[23], +also in erster Linie die Bestimmung der Eltern! Diese hielten es eben +fuer eine standesgemaesse Versorgung und zugleich fuer einen "guten seligen +Stand", wie eine Nonne aus dieser Zeit erklaert[24]. + +Zudem wurden die Toechter in einem Alter in das Stift gethan, wo von +einer Willensentscheidung gar keine Rede sein konnte[25]. Die Maedchen +waren noch Kinder. Der Eintritt konnte schon im sechsten Lebensjahr +geschehen; viele kamen auch spaeter hinein, wenn sich die +Familienverhaeltnisse durch Wachstum der Kinderzahl, Tod der Mutter und +dergleichen anders gestalteten. Aber auch in noch frueherem Alter wurden +"Kostkinder" aufgenommen, welche dann auch oft Klosterjungfrauen wurden. + +"Es ist eine hohe Not und Tyrannei, dass man leider die Kinder, +sonderlich das schwache Weibervolk und junge Maedchen in die Kloester +stoesset, reizet und gehen laesst"--so aeussert sich Luther gerade ueber das +Kloster, worin sich Katharina von Bora befand, und ruft entruestet aus: +"O die unbarmherzigen Eltern und Freunde (Verwandten), die mit den +Ihren so schrecklich und greulich verfahren!"[26] + +Nicht anders erging es auch der Tochter aus dem verarmten Hause Bora. +Katharina ward ins Kloster geschickt--gefragt wurde das Kind natuerlich +nicht; es geschah "ohne ihren Willen", wie denn Luther im allgemeinen +von ihr und ihren Mitschwestern von Verstossung ins Kloster redet und von +Zwang. Er fragt bei dieser Gelegenheit seine Zeitgenossen: "Wie viel +meinst du, dass Nonnen in Kloestern sind, die froehlich und mit Lust +ungezwungen ihren Gottesdienst thun und Orden tragen? Unter tausend kaum +eine. Was ist's, dass du solches Kind laesst also sein Leben und alle seine +Werke verlieren?"[27] + +Katharina kam vielleicht schon mit dem 6. Lebensjahr ins Kloster; denn +in ihrem sechsten Lebensjahr verschreibt Jan von Bora auf Lippendorf +alle seine Gueter allda seiner--vielleicht in diesem Jahr geheirateten +zweiten--Ehefrau. Jedenfalls war Katharina im zehnten Lebensjahr (1509) +schon Klosterjungfrau; und zwar nicht mehr die juengste, sondern die +zweitjuengste von den Aufgenommenen und blieb noch lange Jahre (bis 1516) +die vorletzte in der Reihe der Schwestern[28]. + +Kloester gab es damals genug im Land: es wurden allein im Meissnischen +gegen 30 Nonnenkloester gezaehlt[29]. In welches Kloster Katharina +eintreten sollte, das stand von vornherein fest: es musste das adelige +Cisterzienserinnen-Kloster "Marienthron" oder "Gottesthron" _Nimbschen_ +bei Borna im Kurfuerstentum Sachsen sein[30]. Denn hier war eine Muhme +von Vaterseite, vielleicht Vatersschwester Magdalene von Bora schon +lange Zeit Klosterjungfrau und bekleidete von 1502-8 das Amt einer +Siechenmeisterin, d.h. Krankenwaerterin der Nonnen. Ausserdem waren, +scheint es, noch zwei Verwandte aus der muetterlichen Familie der Haubitz +da: eine aeltere Margarete und eine juengere Anna. + +Das Kloster Nimbschen hat eine huebsche Lage. Eine Stunde unterhalb, +nachdem die beiden Mulden, die Zwickauer von Sueden und die Freiberger +von Osten her zusammengeflossen sind zu der grossen Mulde, erweitert sich +das enge Flussthal zu einer viertelstundebreiten ebenen Aue, welche die +Form eines laenglichen Blattes hat und eine halbe Stunde lang ist. Am +Ostufer zieht sich eine schroffe Felswand aus Porphyr hin, an welche +das Muldebett sich anschmiegt; im Westen begrenzt eine niedrige, sanfter +ansteigende, waldbewachsene Huegelkette den Werder. Ueber der noerdlichen +Blattspitze, die scharf durch die zusammenrueckenden Felswaende +abschliesst, erhob sich eine Burg und jenseits der Thalsperre, ungesehen +von der Aue aus, liegt die Stadt Grimma; an dem obern Ende der Aue, +unmittelbar am Fusse des westlichen Waldhuegels, stand das Kloster. Es war +also abgelegen von der Welt, abgeschlossen durch die beiden Huegelreihen, +nur mit dem Blick auf die stille ruhige Aue. Drueben floss die Mulde +ungesehen tief in ihren Ufern, ueberragt von der Felswand, hueben erhob +sich der huegelige Klosterwald. Nordwaerts davon schimmerte ein ziemlich +grosser Teich, welcher die leckere Fastenspeise barg. + +Aus dem Huegel unmittelbar neben dem Kloster waren die schmutzig braunen +Porphyrsteine gebrochen, mit welchen die Mauern und Klostergebaeude +aufgebaut waren; ein Graben an diesem Huegel hin verhinderte noch mehr +den unbefugten Zutritt. + +Das Klostergebaeude war sehr umfangreich, denn so eine alte +Cisterzienser-Abtei bildete eine Welt fuer sich: nach alter Regel musste +das Kloster alle seine Beduerfnisse selber durch eigene Wirtschaft +befriedigen[31]. Daher gab es neben dem eigentlichen "Gotteshaus", wie +ein geistliches Stift genannt wurde, noch allerlei Wirtschaftsgebaeude: +Staelle fuer Pferde, Rinder, Schweine, Gefluegel mit den noetigen Knechten +und Maegden, Hirten und Hirtinnen fuer Fuellen, Kuehe, Schafe (das Kloster +hatte deren 1800!), Schweine und Gaense; ferner Maeher, Drescher, +Holzhauer, eine "Kaesemutter". Das Kloster selbst zerfiel in zwei +Gebaeudekomplexe: "die Propstei" und die "Klausur". Die Propstei schloss +sich um den aeusseren Klosterhof und umfasste die Wohnung des Vorstehers +oder Propstes, eines "Halbgeistlichen", welcher mit "Ehren" ("Ehr") +angeredet wurde, dann die Behausung des Verwalters oder Vogts (Voit) +samt dem Schreiber; ferner das "Predigerhaus", in welchem die zwei +"Herren an der Pforte", d.i. Moenche aus dem Kloster Pforta, als +Beichtvaeter wohnten, denn Pforta hatte die Oberaufsicht ueber Nimbschen. +Ein Brauhaus, Backhaus, Schlachthaus, Schmiede, Muehle, Kueche und Keller +waren noch da, worin die verschiedenen Klosterhandwerker hausten und +hantierten; auf dem Thorhaus sass der Thorwaerter Thalheym. Ein +"Hellenheyszer" hatte die Oefen zu besorgen. + +Es war eine gar umfangreiche Wirtschaft und ein grosses Personal: 40-50 +Leute waren in der Klosterzeit Katharinas von Bora taeglich "ueber den +Hof" zu speisen; und dazu mussten Loehne gezahlt werden, vom Oberknecht +mit 4 Schock 16 Groschen und Vorsteher mit 4 Schock an bis zur +Gaensehirtin, welche nur 40 Groschen bekam. + +Um alle diese Personen zu besolden und neben den Klosterfrauen zu +speisen, brauchte es natuerlich grosser Einkuenfte an Geld, Getreide, +Huehnern, Eiern u.s.w. von den Klosterdoerfern und Hoefen, ausser den +Klosterguetern, die vom Klosterpersonal selbst bewirtschaftet wurden. +Ferner hatten die Bauern noch gar manche Fronden mit Ackern, Duengen, +Dreschen, Maehen und Heuen, Schneiden, Holzmachen, Hopfen pfluecken, +Flachs und Hanf raufen, riffeln und roesten, Schafscheren, Jagdfron +(Treiben bei der Jagd) wofuer teilweise Essen und Trinken, bei der Jagd +auch Geld gereicht wurde. + +Die Nonnen selbst wohnten in der "Klausur", einem zweiten +Gebaeudekomplex, welcher im Viereck um einen kleinen Hof gebaut war und +aus der Kirche, dem Refektorium (Speisehaus), dem Dormitorium +(Schlafhaus mit den Zellen) und dem Konvent (Versammlungshaus) bestand. +Die Abtei, die Wohnung der Aebtissin, welche nicht zur Klausur gehoerte, +war zwischen dieser und dem Propsthofe. + +Hier im Kloster lebten nun einige vierzig Toechter adeliger Haeuser aus +verschiedenen Gegenden des kurfuerstlichen und herzoglichen Sachsen. Dazu +kamen noch ein halb Dutzend "Konversen" oder Laienschwestern, die um +Gottes willen, d.h. umsonst dienten. Ferner mehrere bezahlte +"Kochmeide", darunter eine Koechin, und die "Frauen-Meid", d.h. die +Dienerin der Aebtissin. Diese hatte ausserdem noch zwei Knaben zu ihrer +Verfuegung, die natuerlich im aeussern Klosterhof wohnten und zu Kleidern +und Schuhen zusammen 1 Schock jaehrlich erhielten[32]. + +Die adeligen Klosterfrauen bildeten die Sammlung, den Konvent und hiessen +daher auch Konventualinnen. Das war eine kleine weibliche Adelsrepublik, +die sich in allen Dingen selbst regierte nach der "Regel", den +Gesetzen, auf die sie eingeschworen waren--bloss unter Oberaufsicht ihres +Visitators, des Abtes von Pforta, der aber auch nur auf Grund der Regel +anordnen und ruegen konnte. Die Regel war die des hl. Bernhard, eine +etwas strengere Abart derjenigen der gewoehnlichen alten +Benediktinerinnen[33]. + +Die Nonnen waren ausser der Aebtissin in die _Klausur_ eingeschlossen, +aus welcher sie nur in Klosterangelegenheiten mit besonderer Erlaubnis, +und dies selten und in Begleitung einer Seniorin und des Beichtvaters, +heraustreten durften. Ein Verkehr mit der Aussenwelt oder auch nur mit +den Klosterleuten auf der Propstei fand nicht statt; auch in der Kirche +waren sie auf einem besonderen dicht vergitterten Nonnenchor den Blicken +der Weltleute entzogen. Verboten war ausdruecklich das Uebersteigen an +der Orgel und das Herauslehnen ueber die Umzaeunung des Chors. Wenn jemand +von draussen (Geistlicher oder Weltlicher) mit einer Klosterjungfrau zu +reden hatte, etwa die Eltern und Geschwister zu Besuch kamen, so durften +sie nur mit besonderer Erlaubnis der Aebtissin, und nur wenn es die Not +erforderte, in der Redstube durch das vergitterte Redfenster und in +Gegenwart der Aebtissin mit ihr sprechen; es war unmoeglich gemacht, dass +jemand die Hand oder ein Ding durch das Fenster steckte. Ebenso war der +Beichtstuhl vermacht, und selbst der Beichtvater durfte nur in +Krankheitsfaellen in die Klausur eintreten. Festlichkeiten und +Ergoetzungen sollten die Beichtvaeter nicht mit den Klosterjungfrauen +mitmachen. Der Pfoertnerin war bei Strafe verboten, Hunde (?), alte +Weiber und dgl. einzulassen[34]. Die Schwestern durften auch nicht mit +den Klosterkindern[35] zusammen schlafen. + +In diesem kloesterlichen Verband gab es zur Regierung und Verwaltung der +Gemeinschaft zahlreiche Aemter. Mit ziemlich unumschraenkter Gewalt +herrschte die gewaehlte _Aebtissin_: ihrem Befehl und ihren Strafen war +mit wortlosem, unbedingtem Gehorsam nachzukommen; doch war sie gehalten, +ueberall den Rat ihrer "Geschworenen und Seniorinnen" zu hoeren. Ihr war +nicht nur die aeussere Verwaltung der Gemeinschaft uebertragen, auch die +"Leitung der Seelen und Gewissen". Sie sollte sich bestreben, gleich +liebreich gegen alle, Junge und Alte, aufzutreten, fuer alle, Gesunde +und Kranke, namentlich in ihrer leiblichen Notdurft, besorgt zu sein. + +Mit Ehrfurcht nahten die Schwestern der Aebtissin, sie war die Domina +(Herrin), die ehrwuerdige Mutter, und die draussen wenigstens nannten sie +"Meine gnaedige Frau." Im Jahr 1509, also kurz nachdem Katharina von Bora +in Nimbschen eingetreten war, starb die alte Aebtissin Katharina von +Schoenberg, und Katharinas Verwandte, Margarete von Haubitz, wurde zur +Aebtissin gewaehlt und feierlich vom Abt Balthasar aus Pforta in ihr Amt +eingefuehrt[36]. + +Nach der Aebtissin kam an Wuerde die Priorin ("Preilin"), einerseits die +Stellvertreterin und Gehuelfin derselben, andererseits aber auch die +Vertreterin und Vertrauensperson des Konvents. Auf sie folgte die +"Kellnerin", die "Bursarin" (auch "Bursariusin", Kassiererin) die +Kuesterin, die Sangmeisterin ("Saengerin"), die Siech- und +Gastmeisterin[37]. + +Die Schwesternschaft, in welche die junge Katharina eintrat, hatte einen +gleichartigen gesellschaftlichen Rang: sie waren alle aus dem kleinen +Adel und vielfach mit einander verwandt oder gar Schwestern: so die zwei +Haubitz, die zwei Schwestern Zeschau und Margarete und Ave von +Schoenfeld, wozu noch eine Metze[38] Schoenfeld kam, welche 1508 +Siechenmeisterin und spaeter Priorin wurde. Aber die einen waren +wohlhabend mit einem ordentlichen Leibgeding an Geld und Naturalien, die +anderen arm, vielleicht nur bei dem Eintritt und bei der Einsegnung mit +einem kleinen Geschenke von ihren Verwandten abgefunden. Der Wohlstand +scheint nicht ohne Einfluss auf die amtliche Stellung gewesen zu sein; +denn es ist doch wohl nicht Zufall, dass die am reichsten +Verleibgedingte, Margarete von Haubitz, zur Aebtissin gewaehlt wurde[39]. +Auch das Alter war ein gar verschiedenes: da war die 70 jaehrige Ursula +Osmund, die an hundert Jahre alt wurde, und die zehnjaehrige Katharina +von Bora und die beiden jungen Schoenfeld, welche in aehnlichem Alter +standen. Lange Zeit wurden gar keine neuen Jungfrauen in das Stift +aufgenommen: von 1510 bis 1517 blieben Katharina und Ave die letzten, +vielleicht weil die Zahl 50 (mit den Konversen) ueberschritten war und +die Einkuenfte des Klosters nicht mehr Personen ertrugen. Dass die +Klosterfrauen auch an Wesen, Charakter und Temperament verschieden +waren, ist natuerlich; aber alle geistige Individualitaet (alle +"Eigenschaft") wurde durch die Klosterregel und Klosterzucht ebenso +ausgeloescht, wie die leibliche Verschiedenheit durch die gleiche Tracht: +Nonnen tragen auch eine geistige Uniform. Dazu sind Freundschaften +verboten. Von irgend einer Eigenheit einer Schwester erfaehrt man nichts. +Nur die Aebtissin Margarete von Haubitz ist spaeter charakterisiert als: +"ehrliches (vornehmes), frommes, verstaendiges Weibsbild"[40]. + +Ob die neue Klosterjungfrau _Katharina von Bora_ an ihr oder den anderen +Verwandten aus dem muetterlichen Geschlechte eine Annehmerin gefunden +habe, ist nicht zu sagen. Doch war nicht von vornherein die +Verwandtschaft mit der Aebtissin ein Grund zu einer freundlichen +Behandlung. Denn eine gleichzeitig mit Katharina in ein andres Kloster +eingetretene junge Nonne beklagt sich, dass ihre Muhme, die Aebtissin, +ganz besonders gewaltthaetig und grausam mit ihr verfahren sei. +Vielleicht hat Katharina eine Art muetterliche Freundin an ihrer anderen +Verwandten aus dem vaeterlichen Geschlecht gefunden, der ehemaligen +Siechenmeisterin Magdalena von Bora, weil diese nachher sich als "Muhme +Lene" so innig an Katharina und ihre neue Familie anschloss[41]. + +Zunaechst wurde das junge Maedchen eingefuehrt in die Ordensregel und den +Gottesdienst, wurde gewoehnt an kloesterliches Benehmen und an geistliches +Denken und Wesen, auch unterrichtet in einigen Kenntnissen und +Fertigkeiten. In Nimbschen wird keine besondere Novizenmeisterin +genannt; es war nur vom Abt bei der Einfuehrung der neuen Aebtissin 1509 +im allgemeinen aufs neue als Ordensregel eingeschaerft: "Weil es ein Werk +der Froemmigkeit und Barmherzigkeit ist, die Ungelehrten gelehrter zu +machen, wollen wir, dass diejenigen, welche mehr verstehn unter den +Jungfrauen, die andern zu belehren und unterrichten sich bestreben, in +dem Bewusstsein, dass sie einen grossen Lohn fuer diese Muehe empfangen, und +dass sie durch diese Beschaeftigung viel Leichtfertigkeit vermeiden, wozu +die ausgeladene Jugend geneigt ist." Natuerlich sollten aber alle +Aelteren den Jungen mit gutem Beispiel vorangehen. + +Als "der Schluessel der Religion" musste zunaechst ueberall, wo es die +Ordensregel vorschrieb, unbedingtes _Stillschweigen_ beobachtet +werden--ausser dem unbedingten Gehorsam, an den sich die Novizin zu +gewoehnen hatte, der wichtigste und hoechste Punkt des kloesterlichen +Lebens. Denn es muesste Rechenschaft gegeben werden von jedem unnuetzen +Wort nicht nur vor Gottes Richterstuhl, sondern auch vor dem Beichtstuhl +des Priesters. Vielmehr sollten die Klosterjungfrauen ausserhalb der +vorgeschriebenen Gebetszeiten und der Lektionen in besonderen Gebeten +mit dem Braeutigam Christus reden oder in Beschaulichkeit schweigend +hoeren, was Gott in ihnen redet. Darum wurde streng darauf gesehen, dass +die Kinder und heranwachsenden Jungfrauen nicht herumliefen und +schwatzten, sondern sich sittsam und schweigsam verhielten. + +Es galt sodann in Kleidung und Haltung, in Gebaerde und Rede sich das +rechte nonnenhafte Wesen anzueignen. "Am Ort der Busse", musste man "die +groesste Einfachheit der Kleidung zeigen, sich weder mit weltlichen +Gewaendern schmuecken, noch auch mit den Fransen der Pharisaeer", sondern +die Kutten bis an die Schultern herausziehen. Das Angesicht mussten die +Novizen lernen stets zu neigen. "Denn die Scham ist die Hueterin der +Jungfrauschaft, der koestlichen Perle, welche die geistlichen Toechter +bewahren sollen. So sollen sie mit Seufzen und Beklagen der verlorenen +Zeit die Ankunft des himmlischen Braeutigams erwarten welcher seine +Verlobten,--die im Glauben und hl. Profess stets des Herrn harren,--mit +Frohlocken in sein Brautgemach fuehrt." + +"Damit sie sich aber nicht mit dem Laster des Eigentums beflecken, +welches in der Religion das schlimmste und verdammlichste und ein Netz +des Teufels ist, sollen sie bei Strafe der Exkommunikation alle +Geschenke von Freunden und andern draussen nicht als ihr Recht +beanspruchen, sondern der Aebtissin reichen, und demuetig von ihr das +Noetige begehren." + +Die Vorgesetzten assen zwar am besonderen Tisch und hatten bessere +Speisen und Getraenke: so bekamen sie echtes Bier, dagegen die +Konventualinnen nur "Kofent" (Konvent- d.h. Duenn-Bier)[646], aber +gleichmaessige Behandlung aller Klosterjungfrauen in Speisen und Getraenken +waren der Aebtissin zur Pflicht gemacht, und die Mahlzeiten liessen nach +herkoemmlicher Klostersitte nichts zu wuenschen uebrig[42]. "Festmahlzeiten +und Ergoetzlichkeiten" waren den Schwestern unter sich von der Aebtissin +erlaubt. + +Diese Ordnungen, zu welchen in Nimbschen bei Einfuehrung der neuen +Aebtissin der Abt-Visitator eine Art Hirtenbrief als Erlaeuterung und +Ergaenzung der Ordensregel gegeben hatte, wurden alle Vierteljahre +kapitelweise im Konvent gelesen und durch die Aebtissin oder Priorin +Punkt fuer Punkt erklaert, damit jede Klosterjungfrau--namentlich aber die +Neulinge--aus sich selbst die kloesterliche Lebensweise und +Lebenseinrichtung annaehmen. + +In solche strenge Klosterzucht wurde nun das junge Maedchen eingefuehrt. +Wenn auch die Praxis--wie sich bei jeder Visitation zeigte, namentlich +in der Verordnung von unnuetzen Reden--von der Theorie abwich, so war +doch zu dieser Zeit ein stramme ernstliche Einhaltung der Ordensregel in +Nimbschen durchgefuehrt. Man hatte naemlich gerade um 1500 auch hier wie +in anderen Kloestern eine "Reformation" der zerfallenen Klosterordnung +erstrebt[43]. + +Neben dieser Erziehung zum Klosterleben gab es auch einigen +_Unterricht_, der mit dem Ordensleben zusammen hing. Die Novizen mussten +lesen lernen--was damals bei der krausen Schrift und dem noch krauseren +Stil nicht so ganz leicht war[44]. Sogar ins Lateinische mussten die +Nonnen notduerftig eingefuehrt werden: denn die Lesungen und Gebete, +besonders aber die Gesaenge waren meist in der Kirchensprache +geschrieben--wenn es auch mit dem Verstaendnis der Fremdsprache nicht +gerade weit her war: singen ja doch auch heute Kirchenchoere in +Dorfgemeinden lateinische Hymnen und Messen. Auch schreiben hat +Katharina im Kloster gelernt, wenn sie auch spaeter--wie alle viel +beschaeftigten Frauen nicht gerne und viel schrieb und an Fremde und +hochgestellte Personen ihre Gedanken lieber einem Studenten oder +Magister in die Feder sagte. Sonst konnten nicht alle Klosterfrauen +diese Kunst. Eine eigentliche Schule, worin die Schulmeidlein gelehrt +wurden, gab es nicht, doch waren einige Klosterfrauen faehig, nach ihrem +Austritt Maedchenschulmeisterinnen zu werden, so die Schwester von +Staupitz und die Elsa von Kanitz[45]. + +Der _Gesang_ spielte eine grosse Rolle im Kloster: waren doch alle +religioesen Uebungen groesstenteils gemeinschaftlich und mussten so zum +Chorgesang werden. Es war eine Saengerin oder Sangmeisterin +(Kapellenmeisterin) bestellt, welche die Gesaenge einzuueben hatte. Und im +Kloster war ein altes "Sangbuch", welches 1417 fuer 2 Schock Groschen +gekauft und vom markgraeflichen Vogt zu Grimma bezahlt worden war. Es +waren aber im Kloster fremde Gesaenge aufgekommen und es wurde gegen die +Regel des seligen Vaters Bernhard zu schnell und ungleich (d.h. +rhythmisch) gesungen, und kam der Unfug auf, dass unvermittelt bald alle, +bald wenige Stimmen sangen; der Abt von Pforta ordnete daher an, dass +rund, eine Silbe wie die andere gesungen werde, einhellig und mit +gleicher Stimme, nicht zu hoch und zu tief[46]. + +Im Jahre 1509, als Katharina von Bora zehn Jahre zaehlte, war sie kein +Kostkind oder Schulmeidlein mehr, sondern wurde schon unter die +Klosterjungfrauen gezaehlt. Sie war also einstweilen wenigstens +"Postulantin", Anwaerterin fuer die Pfruende. Da meist das vierzehnte +Lebensjahr das Entscheidungsjahr fuer die Klostergeluebde war, so haette +sie mit dem dreizehnten ihr Noviziat antreten und ein Jahr darauf Profess +thun koennen. Es ist auffaellig, dass sich dies bei Katharina zwei Jahre +hinausschob, und sogar die spaeter eingetretene juengere Ave Schoenfeld +_vor_ ihr mit ihrer aelteren Schwester Margarete eingesegnet wurde[47]. + +Mit ihrem 15. Jahre also wurde Katharina von Bora nach dem Herkommen der +Sammlung von der Aebtissin "angegeben" (vorgeschlagen) und von dem +Konvent angenommen. Unter feierlichen Zeremonien in der Kirche wurden +ihr die Haare abgeschnitten, die mit Weihwedel und Rauchfass besprengten +und beraeucherten heiligen Kleider angethan: die weisse Kutte uebergezogen, +der weisse Weiler (das Kopftuch (velum, der sog. Schleier)) ums Haupt +geschlungen; auf diesem wurde der Himmelsbraut der weisse Rosenkranz +aufgesetzt und der Heiland im Kruzifix als Braeutigam in die Arme gelegt, +dann hat sie ihm durch Opferung des Kranzes ewige Reinigkeit verheissen +und geschworen. Darauf fiel die Postulantin der Reihe nach der Aebtissin +und jeder der einzelnen Klosterfrauen demuetig zu Fuessen, wurde von ihnen +aufgehoben und mit einem Kusse als Schwester in die Gemeinschaft +aufgenommen[48]. + +Jetzt kam Katharina unter die strenge Zucht einer aelteren Klosterfrau +und musste in dieser Probezeit im Ernst all die vielen Dinge ueben in +Haltung und Gang, in Gebaerde und Rede, welche eine Nonne auf Schritt und +Tritt zu beobachten hat, wenn sie nicht gegen die Regel suendigen und +dafuer Busse erleiden will. So erzaehlt eine Nonne: "Das Probejahr geschahe +nur, dass wir Ordensweise lernten und uns versuchten, ob wir zum Orden +tuechtig"[49]. + +Endlich, im Jahre 1515, "Montags nach Francisci Confessoris", d.h. am 8. +Oktober, war Katharinas "eynseghnug". Da musste sie "Profess thun", d.h. +das ewig bindende Klostergeluebde ablegen. Es wird ihr gegangen sein wie +jener anderen Nonne, die um diese Zeit auch eingesegnet wurde und von +sich erzaehlt: "Am Abend vor meiner Profession sagte mir die Aebtissin +vor der ganzen Versammlung im Kapitel: man solle mir die Schwierigkeit +der Regel vorlegen und mich fragen, ob ich das gesinnet waere zu halten? +waere aber nicht von noeten, denn ich haette mich in der Einkleidung +genugsam verpflichtet. Und wenn ich gleichwohl gefragt worden waere, +haette ich doch nichts sagen duerfen, haette mir auch nichts geholfen." Die +Einsegnung ging vor sich und zwar war Katharina von "Bhor" als einzige +auf diesen Tag geweiht. Sie spendete dabei dem Kloster von dem wenigen, +was sie vermochte, 30 Groschen[50]. + +Zwar nicht widerwillig, aber doch wie sie (bezw. Luther) spaeter sagte, +ohne "ihren Willen" wurde Katharina als Tochter des sel. Vaters Bernhard +verpflichtet. Trotzdem aber hat sie sich in die Klosterregel nicht nur +gefuegt, sondern auch "hitzig und emsig und oft gebetet"[51]. + +Das entspricht ihrer gesamten entschiedenen Natur, wie sie sich spaeter +ausgereift zeigt. Sie war ja gelehrt worden, durch "gute Werke", +insbesondere durch Klosterwerke, erwerbe man sich himmlische Gueter und +geldliches Vermoegen und einen hohen seligen Sitz im Jenseits; also +strengte sie alle Kraft und allen Fleiss an, solchen Reichtum zu erwerben +und durch geistliche Uebungen sich einen guten Platz im Himmel zu +verdienen. Was sie spaeter als Frau einmal angriff, das erstrebte sie +auch mit der ganzen Gewalt und Zaehigkeit ihres Willens, und so wird sie +es auch im Kloster gehalten haben als Nonne. Zudem pflegen junge +Klosterleute, namentlich weibliche, die eifrigsten zu sein in der Uebung +der Pflichten, auch wenn sie nichts von Schwaermerei an sich haben. + +Und was hatte nun die junge Nonne fuer hohe Werke und heilige Pflichten +zu thun? + +Fast das gesamte Leben im Kloster fuellten geistliche Uebungen aus, ihr +ganzes Tagewerk war Beten, Singen, Lesen, Hoeren erbaulicher Dinge, "da", +wie es in einer Klosterregel heisst, "alle Klausur und geistliche Leute +erdacht und gemacht sind, dass sie unserm Herrn und Gott dienen und fuer +Tote und Lebende und alle Gebresthafte Bitten fuellen". Das waren nun +ausser dem Messesingen und den privaten Gebeten noch besonders die +gemeinsamen 7 Gebetszeiten, die Horen: Matutin, Terz, Sext, Non am +Morgen, Vesper und Komplet am Abend mit Psalmen, Martyrologien, +Ordensregeln. Auch naechtliche Gottesdienste wurden begangen: Metten und +Vigilien. Und sogar waehrend des Essens, wo Stillschweigen geboten war, +wurde vorgelesen aus einem Erbauungsbuch. Abwechselnd hatte Katharina +auch selbst diese Vorlesung zu halten und musste dann nachspeisen[52]. + +Welchen Eindruck diese Vorschriften auf ein natuerlich fuehlendes und +religioeses Gemuet machen mussten, hoeren wir aus einem spaeteren Bericht: +"Da D. Martinus der Nonnen Statuten las, die gar kalt geschrieben und +gemacht waren, seufzte er sehr und sprach: "Das hat man muessen +hochhalten und hat dieweil Gottes Wort vermisset! Sehet nur, was fuer +eine Stockmeisterei und Marter der Gewissen im Papsttum gewest ist, da +man auf die horas canonicas und Menschensatzungen drang, wie Hugo +geschrieben, dass wer nur eine Silbe ausliesse und nicht gar ausbetete, +muesste Rechenschaft dafuer geben am juengsten Gericht[53]." + +Ob Katharina je ein Amt in dem Konvent bekleidet hat, wissen wir nicht; +jedenfalls konnte dies nur ein niederes, etwa das einer +"Siechenmeisterin" sein. Wahrscheinlich aber war sie noch zu jung, als +dass bei so vielen Vorgaengerinnen an sie die Reihe gekommen waere[54]. + +Eigentliche _Arbeit_ gab es im Kloster nicht: die Nonnen durften ja +nicht aus der Klausur, und die Hausarbeit in Kueche und Stube schafften +die Laienschwestern und Klostermaegde. Freilich so ganz arbeitslos wie +bei manchen adeligen Moenchsorden, wovon der Volkswitz sagt: + + Kleider aus und Kleider an + Ist alles, was die Deutschherrn than. + +--so traege verfloss das Leben der Nonnen nicht. Konnten sie sich doch mit +weiblichen Handarbeiten abgeben wie Spinnen von dem Ertrag der grossen +Schafherden fuer die wollene Bekleidung, namentlich aber mit Stickereien, +wie Altardecken, Messgewaender, Teppiche, Fahnen u.s.w., in Nimbschen, +wohl auch in Pforta fuer die Kirche der dortigen Moenche und vielleicht +auch fuer den Bischof von Meissen, unter dem das Kloster stand[55]. So hat +jedenfalls auch Schwester Katharina manche kunstvolle Stickerei +verfertigt, wenn auch die mancherlei Handarbeiten, welche heutzutage da +und dort von Luthers Kaethe gezeigt werden, wohl alle nicht echt sind. + +Eine gewisse Unterhaltung gewaehrte noch die Besichtigung und +Instandhaltung der zahllosen Reliquienstuecke, welche in der Nimbscher +Kirche aufgespeichert waren, und welche es galt zu schmuecken und in +Ordnung zu halten. Es waren da an den 12 Altaeren in Kreuzen, +Monstranzen, Kapseln, Tafeln wohl vierhundert hl. Partikeln. So von +Christi Tisch, Kreuz und Krippe, Kleid und Blut und Schweisstuch, vom +Stein und Boden, wo Jesus ueber Jerusalem weinte, im Todesschweiss betete, +gegeisselt sass, gekreuzigt ward, gen Himmel fuhr; vom Haar, Hemd, Rock, +Grab der hl. Jungfrau; von den Aposteln allerlei Knochen, auch Blut +Pauli, vom Haupt und Kleid Johannes' des Taeufers; von vielen Heiligen, +bekannten und unbekannten: den 11000 Jungfrauen, der hl. Elisabeth von +Thueringen, der hl. Genoveva, dem hl. Nonnosus, der hl. Libine Zaehne, +Haende, Arme, Knochen, Schleier, Teppiche--, ferner Partikeln von der +Saeule Christophs, vom Kreuz des Schaechers u.a.[56]. + +Aber auch hier hatten die Seniorinnen, u.a. auch Magdalena von Bora, die +Obhut ueber die hl. Kapseln. + +Vor allen diesen Reliquien wurden bestimmte Antiphonien gesungen, was +eine gewisse Abwechslung in dem taeglichen Gottesdienst gab. + +Eine Abwechslung in dem ewigen Einerlei brachten auch die vielen +Festtage, Bittgaenge und Prozessionen im Kreuzgang und auf dem +Kirchhof[57]. + +Eine grosse Sache war die Visitation des Klosters durch den Abt von +Pforta--freilich auch eine kostspielige: der Abt mit seinen Begleitern +musste abgeholt und wieder heimgebracht und unterwegs und im Kloster +verkoestigt, auch herkoemmlich mit Erkenntlichkeiten bedacht werden[58]. +Bei der Visitation gab's eine Untersuchung aller Missstaende, ein Verhoer +aller einzelnen Schwestern und schliesslich einen oft scharfen Bescheid. + +Es kamen auch an den hohen Festtagen und deren Oktaven Wallfahrer ins +Kloster, denn dieses hatte von verschiedenen Kirchenfuersten Ablaesse, +wenn auch nur 40taegige, erlangt fuer Besucher und Wohlthaeter des +Klosters, fuer Anhoerung von Predigten und Kniebeugen beim Avelaeuten[59]. + +Der Hauptablass aber war an einem besondern Tag im Jahre, wahrscheinlich +an der Kirchweihe (23. August). Da war Messe und Jahrmarkt zu gunsten +des Klosters unter dem Namen "_Ablass_" (wie in Bayern "Dult" = Indulgenz += Ablass). Zu diesem Tage kamen von weit und breit die Leute. Wenn so zu +Nimbschen jaehrlich "Ablass" war, mussten fronweise aus jedem Klosterdorf +drei Maenner kommen und "zur Verhuetung von Haendeln, bei Tag und Nacht zu +besorgend, Wache halten". Von all diesem Leben und Treiben freilich +sahen die Klosterfrauen so gut wie nichts, wenn sie auch von ihrer +Klausur aus den Laerm draussen hoeren konnten[60]. + +Allerdings nahm die Aebtissin, wenn sie einmal ausreiste, eine und die +andre Schwester mit; aber freilich an die juengern Klosterfrauen kam das +wohl schwerlich. Da ging es nach Grimma, ins nahe Staedchen, oder auch +ins ferne Torgau, die kurfuerstliche Residenz an der Elbe, wo gerade das +grossartige Schloss Hartenfels gebaut wurde. Dort hatte das Kloster +mancherlei Besitzungen an Aeckern und Wiesen und musste mit eigenem +Geschirr Getreide holen, waehrend die Stadt verschiedene Gebraeude Bier +selbst bringen musste. Mit diesen Fuhren wurde aber auch manches, was in +Torgau verkauft oder gekauft war, hin und zurueck gebracht. Eingekauft +wurde vor allem bei dem Ratsherrn und Schoeffer Leonhard Koppe, z.B. +Tonnen Heringe, Kiepen (Rueckkoerbe) voll Stockfische, Hechte, Faesser +Bier, Aexte. Namentlich geschahen solche Einkaeufe zu Martini, wo "Meine +gnaedige Frau", die Aebtissin, mit einer wuerdigen Jungfrau die Zinsen +einnahm, in der Herberge auch einige Groschen "zu vertrinken" gab und +bei Koppe einkaufte und die Rechnung persoenlich bezahlte[61]. + +Das waren die besondern Ereignisse in dem steten Einerlei des Jahres. In +ihrer ganzen Klosterzeit erlebte Katharina von Bora auch nichts +besonderes Ausserordentliches. Einzelne der Klosterfrauen gingen mit Tod +ab. Nachdem lange Katharina von Bora und Ave von Schoenfeld die Juengsten +im Kloster gewesen waren, kamen anno 1516 auf einmal 9 Kostkinder +herein: 3 Schellenberger, 2 Hawbitzen (Verwandte Katharinas von +muetterlicher Seite), 1 Lauschkin, 1 Keritzin (Kieritsch?), 1 Possin, 1 +Buttichin. Im folgenden Jahre traten drei Neulinge in den +Klosterverband, und ein Jahr darauf kamen wieder einige Kostkinder weg +und andere herein[62]. 1522 war ein Wechsel des Klostervorstehers +(Propstes), indem der alte, Johann Kretschmar, starb. Die Nonnen hielten +sehr zu ihrem Propst, waehrend die Beichtvaeter verhasst waren; denn diese, +"die 2 Herren an der Pforte" betrugen sich anspruchsvoll und anmassend, +mischten sich--wohl aus Langerweile--in Dinge, die sie nichts angingen, +wollten in die Verwaltung, also in den Geschaeftskreis des Propstes drein +reden, hetzten die Nonnen wider einander auf, so dass gar oft Klagen +wider sie ergingen und der Konvent sogar die weltliche Gewalt wider sie +und gegen ihre Schuetzer, die Aebte von Pforta, anrufen musste[63]. Da gab +es nun in diesen Jahren eine gar willkommene Gelegenheit, den Moenchen +ein Schnippchen zu schlagen. Zu Martini 1513 kam der Vorsteher vom +Hospital des Heilig-Geist-Ordens aus dem fernen Pforzheim im +Schwabenland, Matthias Heuthlin, und bot den Nonnen ein Privilegium an. +Weil seine Anstalt naemlich nicht genug Einkuenfte besass, hatte er sich +vom Papst Julius II. die Gnade erwirkt, dass allen Wohlthaetern des +Spitals die Wahl des Beichtvaters freigegeben wurde. Also gab die Domina +Aebtissin und ganze loebliche Sammlung des Klosters eine Beisteuer und +erhielten dafuer einen gedruckten mit dem Namen "Niimitsch" ausgefuellten +und vom Magister domus Hospitalis de Pfortzheim ord S. Spirit. +unterzeichneten Zettel, wonach das Kloster Nimbschen fuer seine milde +Gabe in die Bruderschaft des hl. Geistordens ausgenommen und aller guten +Werke und Ablaesse derselben teilhaftig und ihm insbesondere erlaubt +wurde, sich von einem beliebigen weltlichen oder moenchischen Beichtvater +Absolution von Suenden, Uebertretungen und Verbrechen, sogar solchen, +welche dem apostolischen Stuhl vorbehalten waren, einmal im Leben und im +Todesfall, so oft es noetig erschien, erteilen zu lassen. Dieses +Privilegs machte sich das Kloster durch wiederholte Gaben in den +folgenden Jahren (1516, 1519, 1520) teilhaftig[64]. So war auch den +Nimbschener Nonnen eine von den zahllosen Hinterthueren geoeffnet, durch +welche in der katholischen Kirche die geknechteten Seelen dem +geistlichen Zwang sich entziehen und auf Nebenwegen die Seligkeit +erlangen konnten. + +Katharina erlebte auch im Kloster noch die Vorboten des Bauernkriegs. +Die Klosterdoerfer hatten zwoelferlei Fronden. Von diesen trotzten die +Bauern sich schon vorher vier ab, waren aber auch damit noch nicht +zufrieden, so dass der neue Propst sich nach Rat und Hilfe umsehen +musste[65]. + +Das waren die kleinen und kleinlichen Eindruecke und Ereignisse, die in +das Leben der Nimbscher Jungfrauen und der Katharina von Bora +eingreifend, die glatte Oberflaeche ihres beschaulichen Daseins leicht +kraeuselten. Das waren die einfoermigen Beschaeftigungen, mit denen sie die +Zeit, die langen Tage, Wochen und Jahre muehsam hinwegtaeuschten. Solche +einseitigen Interessen und Anschauungen beherrschten den Gesichtskreis +eines jugendlichen Geistes. Wie das Klosterleben die koerperliche Kraft +eines jungen Menschenkindes zurueckhielt, so musste es auch die +aufstrebende Willenskraft erschlaffen. Die Klostermauern beengten nicht +nur das aeussere Gesichtsfeld, sie machten auch das geistige Auge +kurzsichtig. Wenn auch die gaehnende Langeweile demjenigen nicht zu +Bewusstsein kam, der von nichts anderem wusste, so musste doch der Geist +nach Eindruecken lechzen, so dass das Sprichwort begreiflich wird, welches +den Klosterbewohnern die Sehnsucht nach Erlebnissen zuschreibt: +"Neugierig wie eine Nonne". Und die staendige Aufgabe, "das Leben in +sich abzutoeten", konnte bei einer gesunden Natur erst recht die Frage +erwecken, was Leben sei. Wenn bei dem Mann im Kloster der Verstand sich +heisshungrig auf die Wissenschaft werfen konnte, so blieb die +eigentuemliche Lebenskraft des Weibes, das Gemuet hier unbefriedigt[66]. + +Gewiss die allermeisten dieser adligen Fraeulein hatten es aeusserlich +angesehen im Kloster besser, behaglicher, luxurioeser als daheim im +beschraenkten Haushalt der Eltern oder eines eigenen Gatten; und das +Ansehen, das eine gottgeweihte Jungfrau in den Augen des Volkes und +besonders der Kirche, und nicht zum wenigsten in dem eigenen Bewusstsein +hatte, war viel groesser als dasjenige, das eine arme Edelfrau draussen in +der Welt finden konnte. Aber der ganze Zwang der Unnatur und die +Kuenstlichkeit all dieser Verhaeltnisse musste, wenn auch ohne klares +Bewusstsein, auf einen wahrhaften und gesunden Geist druecken. + +Nur das eine Gefuehl konnte die Nonne ueber alle Zweifel, alle Entsagung, +alle Pein, alle Langeweile des Klosterlebens hin wegheben: das +Bewusstsein, ein gottwohlgefaelliges Werk zu thun, sich ein besonderes +Verdienst vor Gott zu erwerben, sich die zeitliche Heiligkeit und die +ewige Seligkeit zu versichern. Aber wie dann, wenn diese Grundbedingung +alles Nonnentums, dieser Grundpfeiler alles Klosterlebens erschuettert +und untergraben wurde, ja sich selbst als morsch und faul erwies? Dann +musste das ganze Gebaeu zusammenstuerzen, dann musste eine gegen sich +aufrichtige und willensstarke Natur die Konsequenzen ziehen und ein +Leben verwerfen und verlassen, das als heiliger und seliger Beruf +erschienen war und bisher den ganzen Menschen erfuellt hatte. + +Und dieser Fall trat bei Katharina ein. Aber freilich ihr verstaendiger, +nuechterner Sinn wird sie auch davor bewahrt haben, in krankhafter +Schwermut sich unglueckselig zu beklagen oder sich hinauszusehnen in eine +verschlossene Welt. + +Es musste ihr erst die Moeglichkeit sich oeffnen, den Klostermauern zu +entrinnen, und das pflichtmaessige Recht, es zu duerfen; dann aber erwachte +auch ihre ganze Thatkraft und mit aller Macht des Willens und Verstandes +setzte sie auch durch, was erreichbar und recht war. + + + + +3. Kapitel + +Die Flucht aus dem Kloster + + +Kaum ein Jahr hatte Schwester Katharina das Nonnengeluebde abgelegt, da +schlug der Augustinermoench Martin Luther in Wittenberg die 95 Saetze +wider den Ablass an. Nach einem Jahr stellte er sich dem Gesandten des +Papstes in Augsburg zur Verantwortung. Wieder ein Jahr spaeter war die +grosse Redeschlacht mit Eck zu Leipzig. Am Ende des folgenden Jahres +verbrannte Luther die Bannbulle und im Fruehjahr 1521 stand er vor Kaiser +und Reich in Worms. + +Diese die Kirche und die ganze christliche Welt aufregenden Ereignisse +drangen auch in die Kloester und erregten auch dort die Geister; dies um +so mehr, weil der Urheber all dieser gewaltigen Kaempfe selbst ein +Klosterbruder war, und zwar ein Augustiner, der dem Orden der alten +Benediktiner (Cisterzienser und Bernhardiner) verwandt war und darum als +Vorkaempfer dieses wider die gegnerischen Genossenschaften der +ketzerrichterischen Dominikaner angesehen und schon darum mit einer +gewissen Sympathie betrachtet wurde. + +Aber noch tiefer in das Leben und die Gedankenwelt der Klosterbewohner +schnitten die Schriften ein, welche der Wittenberger Moench und Doktor in +diesen grossen Jahren schrieb. Schon die Disputation von "Kraft und Wert +des Ablasses" ueber die 95 Thesen ging die Nonnen in Nimbschen besonders +an; denn auf "Kraft und Wert des Ablasses" ruhte ja ein sehr grosser Teil +ihres geistlichen Vermoegens: der Gottesdienst an jedem Festtag, ja das +Kniebeugen beim Avelaeuten brachte jedesmal vierzig Tage Ablass ein. Aber +noch naeher sollten ihre Person und ihren besonderen Beruf weitere +Schriften beruehren[67]. + +Es erschien 1518 Luthers "Auslegung des Vaterunsers fuer die +Einfaeltigen". Darin musste einem Klosterinsassen gar mancherlei +auffallen. Das Vaterunser, heisst's da, ist das edelste und beste +Gebet--beim Rosenkranz aber kommt das Ave Maria 5 mal so oft vor! +Ferner: "Je weniger Worte, je besser Gebet; je mehr Worte, je weniger +Gebet. Da klappert einer mit den Paternosterkoernern und manche +geistliche Personen schlappern ihre Horen ueberhin und sagen ohne Scham: +'Ei nun bin ich froh, ich habe unsern Herrn bezahlt', meinen, sie haben +Gott genug gethan. Jetzt setzen wir unsere Zuversicht in viel Geplaerr, +Geschrei und Gesang, was Christus doch verboten hat, da er sagt: +'niemand wird erhoert durch viel Worte machen'. Er spricht nicht: ihr +sollt ohne Unterlass beten, Blaetter umwenden, Rosenkranz-Ringlein ziehn, +viele Worte machen. Das Wesen des Gebets ist nichts anders als Erhebung +des Gemuetes oder Herzens zu Gott, sonst ist's kein Gebet. Den Namen +Gottes verunehren die hoffaertigen Heiligen und Teufels-Martyrer, die +nicht sind wie andere Leute, sondern gleich dem Gleisner im Evangelium. +Wir beten nicht: Lass uns kommen zu deinem Reich, als sollten wir darnach +laufen; sondern: Dein Reich komme zu uns; denn Gottes Gnade und sein +Reich muss zu uns kommen, gleich wie Christus zu uns vom Himmel auf die +Erde gekommen ist und nicht wir zu ihm von der Erde gestiegen sind in +den Himmel. Das taegliche Brot ist das Wort Gottes, weil die Seele davon +gespeist, gestaerkt, gross und fest wird. Es ist ein schweres Wesen zu +unser Zeit, dass das Fuernehmste im Gottesdienst dahinten bleibt."[68] + +Dann kam 1520 der "Sermon von den guten Werken". Gute Werke waren ja +alles Thun im Kloster: Beten, Fasten, Wachen u.s.w. Was aber nennt nun +Luther wahrhaft gute Werke? "Das erste, hoechste und alleredelste Werk +ist der Glauben an Christum. Darin muessen alle Werke geschehen und +dadurch erst gut werden. Beten, Fasten, Stiften ist ohne dies nichts. +Fragst du solche, ob sie das auch als gutes Werk betrachten, wenn sie +ihr Handwerk arbeiten und allerlei Werk thun zu des Leibes Nahrung oder +zum gemeinen Nutzen, so sagen sie nein! und spannen die guten Werke so +enge, dass nur Kirchengehen, Beten, Fasten Almosen bleiben. So verkuerzen +und verringern sie Gott seine Dienste. Ein Christenmensch vermisset sich +aller Ding, die zu thun sind, und thut's alles froehlich und frei; nicht +um viele gute Verdienste und Werke zu sammeln, sondern weil es ihm eine +Lust ist, Gott also wohlzugefallen. Eltern koennen an ihren eigenen +Kindern die Seligkeit erlangen; so sie die zu Gottes Dienst ziehen, +haben sie fuerwahr beide Haende voll guter Werke an ihnen zu thun. O welch +ein selige Ehe und Haus waere das! Fuerwahr, es waere eine rechte Kirche, +ein auserwaehlet Kloster, ja ein Paradies!" + +Und aehnliche Gedanken konnten die Klosterleute ausgefuehrt finden in des +Doktors herrlichem Buechlein "Von der Freiheit eines Christenmenschen" +vom selben Jahr 1520. Da heisst es: "Der Mensch lebt nicht fuer sich +allein, sondern auch fuer alle Menschen auf Erden; ja vielmehr allein fuer +andere und nicht fuer sich. Daher bin ich schmerzlich besorgt, dass +heutzutage wenige oder keine Stifte und Kloester christlich sind. Ich +fuerchte naemlich, dass in dem Fasten und Beten allesamt nur das Unsere +gesucht wird, dass damit unsere Suenden gebuesst und unsere Seligkeit +gefunden wird." + +Fuer die Moenche und Nonnen aber eigens geschrieben waren mehrere +Schriften ueber das Klosterleben. So das Buechlein ueber "die +Klostergeluebde. Aus der Wuestenung (d.h. Wartburg) anno 1521". Darin +nimmt sich Luther der gefallenen und geaengsteten Gewissen an und thut +aus Gottes Wort dar, dass die Geluebde, die ohne und wider Gottes Gebot +geschehen und an sich unmoeglich sind, eines getauften Menschen Herz +nicht bestricken und gefangen halten koennen. Der Glaube und das +Taufgeluebde sei das oberste, ohne welches man nichts geloben kann; denn +die Seelen werden durch die Taufe Verschworene und Verlobte Christi. +Falsch Verlobte wie die Klostersleute befreit der Sohn Gottes und nimmt +den aus Gnaden mit Freuden an, der sich zu ihm kehrt und dem ersten +Geluebde anhaengt. "Dies Buch machte viele Bande ledig und befreite viel +gefangener Herzen", sagt eine Zeitgenosse[69]. + +Gleichfalls von der Wartburg aus erschien endlich ein deutsches +Predigtbuch ("Postilla") von Luther und zu Michaelis desselben Jahres +(1522) noch ein Wartburgswerk "Das Neue Testament deutsch". Da konnte +nun jedermann und vor allem die geistlichen Personen im Kloster, welche +die evangelischen Ratschlaege befolgen und ein evangelisches Leben fuehren +wollten, aus der Quelle erfahren, was wahres Christentum sei, wie es +Christus und die Apostel gelehrt, und wie es Luther ausgelegt hatte. + +Demzufolge wandte sich die Stadt Grimma, in deren unmittelbarer Naehe +das Kloster Nimbschen gelegen war, dem Evangelium zu, und die Moenche in +mehreren umliegenden Kloestern verliessen ihre Gotteshaeuser. + +Diese Schriften und Nachrichten kamen auch in das Kloster Nimbschen, +denn so ganz verschlossen von der Welt waren auch Nonnenkloester nicht. + +Auf welchem Wege und durch wen wurden sie den Klosterfrauen vermittelt? + +Zweierlei Wege und Personen zeigen sich da. In _Grimma_ war ein Kloster +von Luthers Kongregation: Augustiner-Eremiten. Dort hatte Luther 1516 +schon Visitation gehalten und bei der Rueckkehr von der Leipziger +Disputation (1519) blieb er mehrere Tage und predigte wohl auch +daselbst; denn die Mehrzahl der Einwohner Grimmas standen schon laengst +auf seiner Seite. Der Prior des Klosters Wolfgang von _Zeschau_ war +Luthers Freund. Er trat 1522 mit der Haelfte der Ordensbrueder aus dem +Kloster und wurde "Hospitalherr" (Spittelmeister) am St. Georgen-Spital. + +Von diesem Zeschau nun aber waren zwei Verwandte (Muhmen) im Kloster +Nimbschen, zwei leibliche Schwestern: Margarete und Veronika von +Zeschau. Gewiss konnte dieser evangelisch gesinnte fruehere Moench +wenigstens vor seinem Austritt mit seinen Muhmen ohne Verdacht verkehren +und ihnen Luthers Schriften zustecken. Auch der eifrig evangelische +Stadtpfarrer in Grimma, Gareysen, war dazu imstande, welcher zu Ostern +1523 das hl. Abendmahl unter beiderlei Gestalt austeilte. + +Ausser dem nahen Staedtchen Grimma konnte aber auch das ferner gelegene +_Torgau_ der Ort sein, von welchem aus reformatorische Gedanken und +Schriften ins Kloster Nimbschen drangen. In Torgau war sehr frueh und +sehr durchgreifend die Reformation eingefuehrt worden, besonders seit der +fruehere Klostergenosse Luthers, der feurige Magister Gabriel _Zwilling_ +dort wirkte. Dieser, obwohl einaeugig und ein kleines Maennlein mit +schwacher Stimme, hat doch durch seine begeisterte, ja stuermische +Predigt, welche in Wittenberg sogar einen Melanchthon mit fortgerissen +hatte, die Buergerschaft zu einer ziemlich radikalen Abstellung aller +roemischen Missstaende und zu begeisterter Aufnahme des Evangeliums +bewogen. Ja ein Torgauer Buergersohn, Seifensieder seines Handwerks, +entfuehrte zu dieser Zeit--ob vor oder nach 1523 ist ungewiss,--zwei +Nonnen aus dem Kloster Riesa an der Elbe und versteckte sie in einen +hohlen Baum. Dann holte er Pferde und geleitete sie heim und heiratete +die eine der beiden Klosterjungfrauen. Und eine Torgauerin trat 1523 aus +dem Kloster Sitzerode[70]. + +Ein besonders entschiedener und thatkraeftiger Anhaenger war der ehemalige +Schoesser, der "fuersichtige und weise Ratsherr" Leonhard Koppe, in dessen +Kaufladen das Kloster seine Waren einzukaufen pflegte, und der wohl mit +seinem Fuhrwerk selber Lieferungen nach Nimbschen brachte. So war dieser +Laie, wenn auch seine evangelische Gesinnung bekannt sein musste, +vielleicht ein noch geeigneterer Mittelsmann fuer evangelische Schriften, +als die doch immerhin verdaechtigen uebergetretenen Geistlichen von +Grimma, vor denen als gefaehrlichen Woelfen die "zwei Herren an der +Pforte" ihren geistlichen Schafstall wohl gehuetet haben werden. Mit +seinen Waren konnte Koppe leicht lutherische Schriften einschmuggeln und +auch einen Brief aus dem Kloster nach aussen besorgen. Keck und schlau +genug war Koppe dazu[71]. + +Welchen Eindruck das Auftreten und die Schriften Luthers auf die Nonnen +machte, laesst sich ersehen aus einem Bericht, den eine Nonne in gleicher +Lage und Zeit, jene Florentina von Eisleben, durch Luther in Druck gab. +"Als nun die Zeit goettlichen Trostes, in welcher das Evangelium, das so +lange verborgen, an den Tag gekommen, ganzer gemeiner Christenheit +erschienen: sind auch mir als einem verschmachteten hungrigen Schaf, das +lange der Weide gedarbt, die Schriften der rechten Hirten gekommen, +worinnen ich gefunden, dass mein vermeintlich geistlich Leben ein +gestrackter Weg zu der Hoelle sei"[72]. + +In Nimbschen ging es einem grossen Teil der Klosterjungfrauen aehnlich. +Ja, eine Anzahl derselben verabredete sich zu dem Plan, aus dem Kloster +auszutreten. + +Das war ein schwerer Entschluss, der grosse Ueberwindung kostete. Eine +ausgesprungene Nonne galt bisher fuer einen Schandfleck in der Familie. +Der _freie_ Austritt aber war nur durch paepstlichen Dispens mit grossen +Kosten und Muehen zu erreichen und eigentlich nur Gliedern fuerstlicher +Familien moeglich. Freilich waren in dieser neuen, tieferregten Zeit +schon Moenche aus dem Klosterverband ausgetreten und weltlich geworden; +niemand wagte sie jetzt, wenigstens im kurfuerstlichen Sachsen, +anzutasten, ja, sie erhielten sogar Aemter und Stellen von Stadt und +Staat. Aber der Austritt von Nonnen war fast noch unerhoert, jedenfalls +noch sehr ungewohnt[73]. Und wenn auch das Vorurteil der Welt und der +eigenen Angehoerigen ueberwunden war, so fragte sich doch: was sollten die +ausgetretenen Nonnen draussen in der Welt anfangen, was thun und werden, +womit sich erhalten und durchs Leben bringen?[74] + +Wenn darum also auch die meisten, wo nicht alle Nonnen in Nimbschen das +Klosterleben verwarfen, so haben sich doch nur die mutigsten +entschlossen, den Schritt zu thun, den sie fuer recht und geboten +erachteten, naemlich nur diejenigen, welche vermoege ihrer Bildung +selbstaendig sich durchs Leben zu bringen im stande waren, wie die +Staupitz und Kanitz, oder die noch jung genug waren, sich in ein neues +Leben zu schicken, wie die beiden Schoenfeld und Katharina von Bora. Es +waren in Nimbschen neun Nonnen zum Austritt bereit: Magdalena von +Staupitz, Elisabeth von Kanitz, Veronika und Margarete von Zeschau, +Loneta von Gohlis, Eva Grosse, Ave und Margarete von Schoenfeld und als +zweitjuengste von ihnen Katharina von Bora[75]. + +Diese Kloster-"Kinder" (Nonnen) thaten nun das Naturgemaesseste und +Verstaendigste: "sie ersuchten und baten ihre Eltern und Freundschaft +(d.i. Verwandte) aufs allerdemuetigste um Huelfe, herauszukommen". Sie +zeigten genugsam an, dass ihnen solch Leben der Seelen Seligkeit halber +nicht laenger zu dulden sei, erboten sich auch zu thun und zu leiden, was +fromme (brave) Kinder thun und leiden sollen"[76]. + +Aber freilich den Eltern und Verwandten war das Gesuch ihrer Toechter und +Basen eine Verlegenheit. Einmal: der Versorgung wegen waren ja diese +Toechter ins Kloster gethan worden--wie wollte man sie nun in den armen +Familien unterhalten? Ihr Erbe war schon in Wirklichkeit oder in +Gedanken verteilt, wer mochte es an diese weltentrueckten, +gesellschaftlich toten Familienmitglieder herausgeben?[77] Ferner waren +solche Klosterfrauen der Welt entfremdet und taugten gar wenig ins +Leben. Wenn endlich auch nicht noch religioese oder kirchliche Bedenken +abschreckten, so war es doch noch eine andere Furcht: die Lehen der +meisten Anverwandten der Klosterfrauen lagen im Lande Herzogs des +Baertigen, der ein heftiger Feind der Reformation und des Wittenberger +Doktors im besonderen war. Da konnte es wegen Entfuehrung von +gottgeweihten Klosterfrauen empfindliche Strafen geben oder doch +Zuruecksetzung bei Hofaemtern. Kurzum das Gesuch der klosterfluechtigen +Nonnen wurde abgeschlagen[78]. + +So standen die Aermsten von jedermann verlassen da, in nicht geringer +Gefahr, dass ihr Vorhaben entdeckt und gehindert, die Beteiligten aber +empfindlich gestraft wuerden, wie es z.B. der mehrerwaehnten Florentina +geschah, als ihr Vorhaben, aus dem Kloster zu treten, entdeckt wurde. +Diese wurde von ihrer eigenen Muhme, der Aebtissin, unbarmherzig vier +Wochen bei grosser Kaelte haertiglich gefangen gesetzt, dann in Bann und +Busse in ihre Zelle gesperrt, musste sich beim Kirchgang platt auf die +Erde werfen und die anderen Nonnen ueber sich hinschreiten lassen, beim +Essen mit einem Strohkraenzlein vor der Priorin auf die Erde setzen; dann +wurde sie bei einem neuen Versuch, sich an ihre Verwandten zu wenden, +durchgestaeupt und "7 Mittwoch und 7 Freitage von 10 Personen auf einmal +discipliniert", in Ketten gelegt und fuer immer in die Zelle +gesperrt--bis sie durch Unachtsamkeit ihrer Schliesserin doch entkam. + +Solches oder Aehnliches ist im Kloster Nimbschen mit den lutherisch +Gesinnten nicht geschehen; vielleicht schuetzte sie ihre grosse Zahl vor +solchen Gewaltmassregeln. Es war aber wohl auch die Gesinnung der +verstaendigen Aebtissin, welche eine solche Bestrafung verhinderte: +Margarete von Haubitz ist ja nachher mit dem ganzen uebrig gebliebenen +Konvent zur Reformation uebergetreten, obwohl sie mit den aelteren Frauen +im Kloster blieb und das Leben darin nach evangelischen Grundsaetzen +einrichtete. Keineswegs aber konnte und wollte sie als Aebtissin schon +1523 den Klosterfluechtigen Vorschub leisten in ihrem Vorhaben[79]. + +Da nun die Nonnen an den Ihrigen keinen Anhalt fanden, so hatten sie +gerechte Ursache, anderswo Huelf und Rat zu suchen, wie sie es haben +konnten. Sie fuehlten sich ja gedrungen und genoetigt, ihre Gewissen und +Seelen zu retten[80]. Wo anders aber sollten sie diese Huelfe suchen, als +bei dem, der sie durch seine evangelischen Schriften und geistkuehne +Thaten auf diese Gedanken gebracht hatte? So machten sie's also wohl, +wie nach ihnen noch manche andere, einzelne und ganze Haufen von +Klosterjungfrauen: sie schrieben "an den hochgelehrten Dr. Martinus +Luther zu Wittenberg, einen Klage-Brief und elende Schrift, gaben ihm +ihr Gemuet zu erkennen und begehrten von ihm Trost, Rat und Huelfe"[81]. + +Und der Ueberbringer dieses Briefes wird jedenfalls niemand anderes +gewesen sein als eben Leonhard Koppe von Torgau. Luther erkannte an, dass +"sie beide hier haben helfen und raten koennen, und darum seien sie auch +schuldig, aus Pflicht christlicher Liebe die Seelen und Gewissen zu +retten"[82]. + +"Denn es ist eine hohe Not", erklaerte er weiter, mit Bezug auf die +Nimbscher Nonnen, "dass man leider die Kinder in die Kloester gehen laesst, +wo doch keine taegliche Uebung des goettlichen Wortes ist, ja selten oder +nimmermehr das Evangelium einmal recht gehoert wird. Diese Ursach ist +allein genug, dass die Seelen herausgerissen und geraubt werden, wie man +kann, ob auch tausend Eide und Geluebde geschehen waeren. Weil aber Gott +kein Dienst gefaellt, es gehe denn willig von Herzen, so folgt, dass auch +keine Geluebde weiter gelten, als sofern Lust und Lieb da ist; sonst sind +im Klosterleben furchtbare Gefahren, Versuchungen und Suenden"[83]. + +"Aber wenn sich nun schwache Seelen an solchem Klosterraub aergern?" +konnte man einwenden. + +Luther erklaerte: "Aergernis hin, Aergernis her! Not bricht Eisen und hat +kein Aergernis. Ich werde die schwachen Gewissen schonen, sofern es ohne +Gefahr meiner Seele geschehen kann; wo nicht, so werde ich meiner Seele +raten, es aergere sich dann die ganze oder halbe Welt. Nun liegt hier der +Seele Gefahr in allen Stuecken. Darum soll niemand von uns begehren, dass +wir ihn nicht aergern, sondern wir sollen begehren, dass sie unser Ding +billigen und sich nicht aergern. Das fordert die Liebe!"[84] + +So dachte Luther und ihm gleichgesinnt war Leonhard Koppe. An ihn +stellte nun Luther das Ansinnen, die Befreiung zu uebernehmen. Und Koppe +war trotz seiner sechzig Jahre ein entschlossener Mann, zu einem kecken +Wagnis bereit, und willigte ein; er nahm keine Ruecksicht, ob es ihm im +Geschaefte schaden koennte, noch weniger, ob es ihn beim Hof in Ungunst +bringen oder gar ans Leben gehen koennte; denn auf Nonnenraub stand +eigentlich Todesstrafe, und auch Kurfuerst Friedrich, der vorsichtige +Schuetzer Luthers missbilligte nicht nur jede oeffentliche Gewaltthat, +sondern war auch geneigt, sie zu strafen. Aber trotz all dieser Bedenken +war Leonhard Koppe zu der That entschlossen, und wurde darin von dem +Torgauer Pfarrer D. Zwilling bestaerkt; denn dieser war auch in die Sache +eingeweiht[85]. + +Zwischen Luther und Koppe wurde so der Plan verabredet. Das Unternehmen +sollte von Torgau ausgehen, welches in der Mitte zwischen Nimbschen und +Wittenberg gelegen war. Die Osterzeit wurde zur Ausfuehrung ersehen. + +Koppe brauchte aber Gehuelfen zur Ausfuehrung seines Unternehmens. Er +waehlte dazu seines Bruders Sohn, einen verwegenen jungen Mann, und einen +Buerger Wolfgang Tommitsch (oder Dommitsch), dessen Stieftochter, ein +Fraeulein von Seidewitz, kurz vorher aus dem Kloster entkommen war und +bald darauf einen ausgetretenen Augustiner-Propst, Mag. Nikolaus Demuth +heiratete, welcher dann Amtsschoeffer in Torgau wurde. Mit den neun +Klosterjungfrauen waren jedenfalls Verabredungen getroffen worden und +sie machten sich fluchtbereit[86]. + +In der Karwoche brachen nun die Torgauer auf einem oder mehreren mit +einer Blahe bedeckten Wagen, worin sie wohl weltliche Frauenkleider +verborgen hatten, von ihrer Stadt auf. Wenn die beiden Helfer nicht +eigene Wagen leiteten, so waren sie zu Pferde als Bedeckung dabei. Sie +kamen ueber Grimma am Karsamstag abends den 4. April vor Nimbschen +an[87]. + +Hier ruesteten sich die Nonnen in gewohnter Weise zu den Ostervigilien, +welche in der Auferstehungsnacht gefeiert wurden. Die ausserordentliche +Zeit, wo die Regel und geordneten Beschaeftigungen der Klosterfrauen +aufgehoben waren, muss dem Fluchtplan guenstig geschienen haben. Waehrend +die beiden Begleiter in dem nahen Gehoelz gehalten haben werden, fuhr +Koppe an dem Kloster vor. Er nahm, wie berichtet wird, zum Vorwand, +leere Heringstonnen auf der Heimfahrt nach Torgau mitnehmen zu wollen. +Beim Aufsuchen und Aufladen derselben scheint er den Thorwart Thalheim +beschaeftigt und die Aufmerksamkeit der uebrigen Bewohner des aeussern +Klosterhofs, namentlich der zwei Beichtvaeter, abgelenkt zu haben. Aus +der Klausur entkamen die neun Verschworenen, indem die Pfoertnerin +entweder getaeuscht oder gar bei dem Plan beteiligt war (es konnte ganz +gut eine von diesen neun zu dieser Zeit Thuerhueterin sein). Ein alter +Berichterstatter erzaehlt, man haette eine Lehmwand durchbrochen; ein +anderer, die Jungfrauen haetten sich im Garten versammelt und seien da +ueber die Mauer gestiegen. Aber auch zur hinteren Thuere konnten sie +entkommen sein; denn an der Bewachung dieser liess es das Kloster fehlen. +Kurzum, die Neun entflohen, wurden von den beiden Begleitern Koppes +aufgenommen; dieser fuhr wohl mit seinem Wagen Heringstonnen ganz +unschuldig ab und nahm dann draussen die Jungfrauen auf. Die leeren +Tonnen--vorne aufgestellt--konnten ganz gut dazu dienen, den lebendigen +Inhalt des Wagens vor unberufenen Augen zu verbergen[88]. + +Auf diese oder aehnliche Weise, jedenfalls "mit ausnehmender Ueberlegung +und Schlauheit", aber auch mit "aeusserster Keckheit"--nicht mit Gewalt +wurden die neun Jungfrauen durch Koppe aus Nimbschen befreit. Luther sah +es fast wie ein Wunder an[89]. + +Bei Nacht und Nebel fuhren nun die Retter und Geretteten davon, dem +Ostermorgen entgegen: es war eine eigene Ostervigilie in der Luft der +Freiheit durch die fruehlingsjunge Gotteswelt[90]. Die Fahrt ging durch +die kurfuerstlichen Lande, war also nicht bedroht durch die +Nachstellungen des lutherfeindlichen Herzogs Georg. Eine Verfolgung von +Nimbschen aus war nicht gerade zu befuerchten: es waren dort keine +Maenner, welche etwa einen Kampf mit den Entfuehrern gewagt haetten. Auch +hat der kluge Koppe gewiss ihre Spuren moeglichst verdeckt und die +Verfolger irre gefuehrt. Die weltliche Kleidung, welche die Jungfrauen +mittlerweile mit ihrer geistlichen vertauscht hatten, machte wohl die +Reise unauffaellig, und so kam der Zug auch ungehindert am Ostertag in +Torgau an und wurde vom Magister Zwilling freudig empfangen. In Torgau +wurde uebernachtet, die weltliche Kleidung der Klosterjungfrauen in der +Eile noch vervollstaendigt und am anderen Tag ging es Wittenberg zu, weil +es doch nicht geraten schien, die Entflohenen so nahe bei dem Kloster +und auch so nahe beim kurfuerstlichen Hof zu lassen[91]. + +Am Osterdienstag kam der Zug in Wittenberg an; ohne alle Ausstattung, in +ihrer geborgten und eilig zusammengerafften Kleidung, mit den +geschorenen Haeuptern ein "arm Voelklein", aber in ihrer grossen Armut und +Angst ganz geduldig und froehlich[92]. + +Luther empfing sie mit wehmuetiger Freude. Den kuehnen aber rief er zu: +"Ihr habt ein neu Werk gethan, davon Land und Leute singen und sagen +werden, welches viele fuer grossen Schaden ausschreien: aber die es mit +Gott halten, werden's fuer grossen Frommen preisen. Ihr habt die armen +Seelen aus dem Gefaengnis menschlicher Tyrannei gefuehrt eben um die +rechte Zeit: auf Ostern, da Christus auch der Seinen Gefaengnis gefangen +nahm"[93]. Als dann die Befreier heimfuhren, empfahl er sie Gott und gab +ihnen Gruesse mit an Koppes "liebe Audi" und "alle Freunde in +Christo"[94]. + +Drei Tage darauf schrieb Luther zur Verantwortung fuer sich, fuer den +"seligen Raeuber" Koppe und die es mit ihm ausgerichtet, sowie fuer die +befreiten Jungfrauen zum Unterricht an alle, die diesem Exempel wollten +nachfolgen "dem Fuersichtigen und Weisen Leonhard Koppe, Buerger zu +Torgau, meinem besonderen Freunde" einen offenen Brief. "Auf dass ich +unser aller Wort rede, fuer mich, der ich's geraten und geboten, und fuer +Euch und die Euern, die Ihr's ausgericht, und fuer die Jungfrauen, die +der Erloesung bedurft haben, will ich hiermit in Kuerze vor Gott und aller +Welt Rechenschaft und Antwort geben". In dieser "Ursache und Antwort, +dass Jungfrauen Kloester goettlich verlassen moegen" berichtet er offen die +That und ihre Gruende und nennt die Namen der Befreier und Befreiten. Er +sagt ihnen: + +"Seid gewiss, dass es Gott also verordnet hat und nicht Euer eigen Werk +noch Rat ist, und lasset das Geschrei derjenigen, die es fuer das +alleraergste Werk tadeln. 'Pfui, pfui!' werden sie sagen, 'der Narr +Leonhard Koppe hat sich durch den verdammten ketzerischen Moench fangen +lassen, faehrt zu und fuehrt neun Nonnen auf einmal aus dem Kloster, und +hilft ihnen, ihr Geluebde und kloesterlich Leben zu verleugnen und zu +verlassen'. Meint ihr, das ist all heimlich gehalten und verborgen? Ja, +verraten und verkauft, dass auf mich gehetzt werde das ganze Kloster zu +Nimptzschen, weil sie nun hoeren, dass ich der Raeuber gewesen bin! Dass ich +aber solches ausrufe und nicht geheim halte, thue ich aus redlichen +Gruenden. Es ist durch mich nicht darum angeregt, dass es heimlich bleiben +sollte, denn was wir thun, thun wir in Gott und scheuen uns des nicht am +Licht. Wollte Gott, ich koennte auf diese oder andere Weise alle +gefangenen Gewissen erretten und alle Kloester ledig (leer) machen. Ich +wollt mich's darnach nicht scheuen, zu bekennen samt allen, die dazu +geholfen haetten, (in) der Zuversicht, Christus, der nun sein Evangelium +an Tag gebracht, und des Endechrists (Antichrists) Reich zerstoert, wuerde +hier Schutzherr sein, ob's auch das Leben kosten muesste. Zum anderen thu +ich's, der armen Kinder und ihrer Freundschaft (Verwandtschaft) Ehren zu +erhalten, dass niemand sagen darf, sie seien durch lose Buben unredlich +ausgefuehrt und ihrer Ehre sich in Gefahr begeben. Zum dritten, zu warnen +die Herrn vom Adel und alle frommen Biederleute, so Kinder in Kloestern +haben, dass sie selbst dazu thun und sie herausnehmen"[95]. + +Diese Aufforderung und die gelungene Flucht der neun Nonnen ermutigte, +wie Luther gedacht, noch andere Klosterjungfrauen und deren Eltern zu +gleichem. Noch in derselben Osterwoche entwichen abermals drei Nonnen +aus Nimbschen und kamen zu ihren Angehoerigen, und zu Pfingsten wurden +wieder drei von ihren Verwandten selbst aus dem Kloster geholt[96]. + +Da endlich ermannte sich der Abt von Pforta, der dem offenen Brief +Luthers nicht entgegenzutreten gewagt hatte,--Luther war ein zu +gefuerchteter Kaempe. Am 9. Juni schrieb er eine Klage an den--Kurfuersten +ueber diese Vorgaenge, welche zur "Entrottung und Zerstoerung des Klosters" +fuehrten, und beschwerte sich, dass die Nonnen von Sr. Kurf. Gn. +Unterthanen dazu geholfen und gefoerdert worden seien. Der Kurfuerst +Friedrich gab in seiner bekannten diplomatischen Weise die ausweichende +Antwort: "Nachdem Wir nit wissen, wie diese Sache bewandt und wie die +Klosterjungfrauen zu solch ihrem Furnehmen verursacht und Wir uns +bisher dieser und dergleichen Sachen nie angenommen, so lassen Wir's +bei ihrer selbst Verantwortung bleiben"[97]. + +Aber damit war die Klosterflucht in Nimbschen nicht zu Ende. Bis 1526 +waren einige zwanzig--auch Magdalena von Bora--ausgetreten, so dass jetzt +nur noch 19 Klosterjungfrauen da waren; und diese samt ihrer Aebtissin +wurden evangelisch, blieben aber im Kloster, bis sich der Konvent im +Jahre 1545 aufloeste[98]. + +Drei Wochen nach der Flucht der neun Nimbscher Nonnen, am 28. April, +wagten sechs Nonnen aus Sornzig die Flucht, trotzdem dies Kloster im +Lande des Reformationsfeindes Herzogs Georg lag, und trotz des +schrecklichen Schicksals, das um diese Zeit den Entfuehrer einer Nonne +betroffen hatte, der zu Dresden gekoepft worden war. Und weitere acht +flohen aus Peutwitz[99]. + +Im selben Jahre der Flucht Katharinas traten noch 16 Nonnen in +Widderstetten auf einmal aus. Zwei Jahre darauf wandten sich wieder +andere "elende Kinder" an Luther aus dem fuerstlichen Kloster Freiberg im +Gebiete seines grimmen Feindes, Herzogs Georg. Und wieder wandte sich +Luther an den bewaehrten Nonnen-Entfuehrer Leonhard Koppe, den er +scherzweise "Wuerdiger Pater Prior" anredet. Luther wusste, dass diese +Zumutung fast zu viel und zu hoch sei--es konnte ja diesmal ernstlich +das Leben kosten--und meinte, Koppe wisse vielleicht jemand anderes, der +dazu helfen koennte. Aber der verwegene Mann liess sich um ein solches +wagehalsiges Stueck schwerlich vergebens bitten und--zu Georgs +allerhoechstem Verdruss--glueckte das Wagestueck, wie die Entfuehrung aus +Nimbschen[100]. + + + + +4. Kapitel + +Eingewoehnung ins weltliche Leben. + + +Nachdem die Befreiung Katharinas und ihrer Mitschwestern so gut gelungen +war, fragte es sich nun, was sollte mit ihnen werden? + +Die Sorge blieb an Luther haengen. Nochmals wandte er sich an die +Angehoerigen der Entflohenen und wird ihnen die Gewissen genugsam geweckt +und ihre Pflicht eingeschaerft haben, sich ihrer erbarmungswerten +Toechter, Schwestern und Basen anzunehmen; das geht aus dem offenen Brief +an Koppe und einem anderen an Spalatin hervor, worin es heisst: "O, der +Tyrannen und grausamen Eltern in Deutschland!"[101] + +Zugleich aber hatte er den Fall vorgesehen, dass die Verwandten, +wenigstens zum Teil, ablehnten, fuer die Nonnen zu sorgen. Daher +ueberdachte er, wie er sie unterbringen koennte. Aber von seinen +"Kapernaiten" (den Wittenbergern) konnte und wollte er keine +Geldunterstuetzung oder Anleihe erhalten; dagegen erhielt er von mehreren +Seiten Versprechungen, den Gefluechteten eine Unterkunft zu bieten. +Etliche wollte er auch, wenn er koenne, verheiraten. Amsdorf schrieb +scherzend an Spalatin: "Sie sind schoen und fein, und alle von Adel, und +keine fuenfzigjaehrige darunter. Die aelteste unter ihnen, meines gnaedigen +Herrn und Oheims Dr. Staupitz Schwester, hab ich Dir, mein lieber +Bruder, zugerechnet zu einem ehelichen Gemahl, damit Du Dich moegest +eines solchen Schwagers ruehmen. Willst Du aber eine juengere, so sollst +Du die Wahl unter den Schoensten haben"[102]. + +Bis dahin bat Luther und ebenso Amsdorf den Hofkaplan und +Geheimschreiber des Kurfuersten Friedrichs des Weisen, "dieser ehrbaren +Meidlein Vorbitter am Hofe zu sein und ein Werk der Liebe zu thun, und +bei den reichen Hofleuten und vielleicht dem Kurfuersten etwas Geld zu +betteln, auch wohl selbst etwas zu geben, damit die Gefluechteten +einstweilen genaehrt und auf acht bis vierzehn Tage, auch mit Kleidung +versehen werden koennten, denn sie hatten weder Schuhe noch Kleider." +Luther ging es naemlich damals so schlecht, dass er selbst kaum etwas zu +essen hatte und sein Mitbruder, der Prior Brisger, einen Sack Malz +schuldig bleiben musste: so sehr blieben die Klostereinkuenfte aus, auf +die Luther und der letzte mit ihm lebende Moench angewiesen war. Er +scherzt mit Beziehung auf seinen Bettelorden: "Der Bettelsack hat ein +Loch, das ist gross". Freilich der Hof des vorsichtigen Kurfuersten wollte +nicht recht, wenigstens nicht offen mit Unterstuetzungen herausruecken, +weshalb Luther seinen Freund nochmals mahnen musste: "Vergesst auch meiner +Kollekte nicht und ermahnt den Fuersten um meinetwillen auch etwas +beizusteuern. O, ich will's fein heimlich halten und niemanden sagen, +dass er etwas fuer die abtruennigen Jungfrauen gegeben--die doch wider +Willen geweihet und nun gerettet sind"[103]. + +Luthers Appell an die Verwandten verfing nicht. Er musste klagen: "Sie +sind arm und elend und von ihrer Freundschaft verlassen." Luther musste +also trotz seiner grossen Armut die Nonnen mit grossem Aufwand +unterstuetzen. Sonst erfuhr er, "was sie draussen von ihren Verwandten und +Bruedern leiden muessten"--wenn etwa eine nach Hause kaeme. Sie wollten +meist auch nicht zu ihrer "Freundschaft", weil sie in Herzog Joergs Land +des goettlichen Wortes Mangel haben muessten[104]. + +Magdalena Staupitz wurde mit der Zeit als "Schulmeisterin" der Maegdlein +in Grimma gesetzt, und ihr ein Haeuslein vom Moenchskloster gegeben. Die +Elsa von Kanitz fand bei einer Verwandten Aufenthalt; Luther wollte sie +1527 als Schulmeisterin der Maegdlein nach Wittenberg berufen. Die Ave +von Schoenfeld verheiratete er mit dem Medikus Dr. Basilius Axt[105]. + +Katharinas Verwandte konnten sich ihrer offenbar nicht annehmen. Die +Eltern waren tot, Bruder Hans musste selber Dienste suchen im fernen +Preussen, dann Verwalterstellen in Sachsen. Der aelteste Bruder war arm +verheiratet, hatte wohl keinen Platz fuer die Schwester; vom juengsten, +Clemens, war vollends nichts zu erwarten. + +So wurde denn das Fraeulein Katharina von Bora nach der Ueberlieferung im +Hause eines Wittenberger Buergers untergebracht, der in der +Buergermeistergasse wohnte. Es war der ehrsame gelehrte M. Philipp +Reichenbach, welcher 1525 in Wittenberg Stadtschreiber, 1529 Licentiat +der Rechte, 1530 Buergermeister und endlich Kurfuerstlicher Rat +wurde[106]. + +In dem Wittenberger Buergerhause wurde die ehemalige Nonne mehr als eine +Art Pflegetochter gehalten und der Hausherr vertrat Vaterstelle an ihr. +Sie muss dort doch eine angesehene Stellung eingenommen haben. Sie war +bekannt und genannt im Kreise der Universitaetsgenossen, und der +Daenenkoenig Christiern II., der landesfluechtig im Oktober 1523 nach +Wittenberg kam und bei dem Maler Lukas Kranach Wohnung hatte, beschenkte +Katharina mit einem goldenen Ringe. Die jungen Gelehrten in Wittenberg +sprachen mit Achtung von ihr; sie nannten sie in ihren vertrauten +Briefen, wohl wegen ihrer strengen Zurueckhaltung, "die Katharina von +Siena"[107]. + +Bei dem Stadtschreiber, oder vielmehr bei seiner Frau, sollte nun +Katharina von Bora sich eingewoehnen in das neue oder vielmehr alte +"weltliche", das buergerliche Leben. + +Das war nicht so gar leicht. Mindestens vierzehn Jahre lang, also fast +ihr ganzes bewusstes Leben, hatte Katharina im Kloster zugebracht. Alle +diese Jahre hatte sie die geistliche Tracht getragen, sich an +nonnenhafte Gebaerde und Haltung, an geistliche Sitten und Reden gewoehnt; +den Umgang mit weltlichen Menschen hatte sie verlernt oder eigentlich +nie recht gelernt, und ebenso die Arbeit, das Hantieren in Stube und +Kueche; in der That, man begreift, dass der praktische Luther beim Anblick +der neun weltunerfahrenen Nonnen ausrufen konnte: "Ein armes Voelklein"! +Wie in die weltliche Kleidung musste Katharina sich nun an weltliche +Sitte und Rede gewoehnen; wie ihr bleiches Gesicht sich an Luft und Sonne +braeunen, ihre zarten Haende im Angreifen von Toepfen und Besen sich +haerten, so musste auch ihr geistiges Wesen an den rauheren, aber +gesuenderen Anforderungen und Zumutungen der Welt sich kraeftigen. Aber +wie ihre abgeschnittenen Haare zu langen blonden Zoepfen wuchsen, so nahm +auch Sorgen und Denken an die kleinen weltlichen Pflichten und die +grossen weltlichen Interessen zu. + +Und das gnaedige Fraeulein war nicht umsonst bei der Frau Magister. Sie +wurde hier tuechtig vorgeschult fuer ihren spaeteren grossen +pflichtenreichen Haushalt. Und sie hat sich auch nach dem Zeugnis der +Wittenberger Universitaet in dem Hause Reichenbach "stille und wohl +verhalten"[108]. + +Aber auch andere Gedanken und Gefuehle erwachten in ihr und wurden ihr +von aussen nahe gelegt. Und auch hier machte sie Erfahrungen und erfuhr +sie schmerzliche Enttaeuschungen, die sie weltkluger und vorsichtiger +machten. + +Katharina war jetzt 24 Jahre alt, eine reife, ja nach den Anschauungen +jener Zeit, welcher das 15. bis 18. Lebensjahr einer Jungfrau fuer das +richtigste heiratsfaehige Alter galt, eine ueberreife Jungfrau. Dass sie an +Verehelichung dachte, ist begreiflich. Denn sie hatte weder eine +Stellung noch Vermoegen. Der Aufenthalt bei ihren Pflegeeltern konnte +doch nur ein voruebergehender und nicht befriedigender sein. Luther, der +die besondere Sorge fuer diese, wie fuer andere ausgetretene Klosterleute +uebernommen, hatte ohnedies schon von Anfang die ausgesprochene Absicht, +diejenigen, welche in ihren Familien keinen Unterhalt und Aufenthalt +finden konnten, zu verheiraten. Und seine gesamte Anschauung ging +dahin--darin hatte er die echt baeuerliche Ansicht seines Vaters--dass der +Mensch zum Familienleben geboren und gerade das Weib von Gott zur Ehe +bestimmt sei[109]. + +Nun kam damals im Mai oder Juni 1523 in die Universitaetsstadt Hieronymus +_Baumgaertner_, ein Patriziersohn aus Nuernberg, "ein junger Gesell mit +Gelehrsamkeit und Gottseligkeit begabt". Er hatte frueher (1518-21) in +Wittenberg studiert und bei Melanchthon seinen Kosttisch gehabt und +wollte jetzt seine alten Lehrer und Freunde in Wittenberg: Luther und +besonders Melanchthon besuchen, mit dem er spaeter in regem Briefwechsel +stand[110]. Dieser junge Mann erschien Luther als der rechte Gatte fuer +seine Schutzbefohlene: er war 25 Jahre alt, Kaethe 24, beide aus +vornehmem Hause; sie ohne Vermoegen, um so mehr passte in Luthers Augen +der wohlhabende Nuernberger fuer sie. Und er wird wohl dafuer gesorgt +haben, dass Baumgaertner an sie heran kam und an ihr Wohlgefallen fand. +Auch Kaethe fasste eine raschaufwallende Neigung fuer den jungen Mann, war +er ja wohl der erste, der sich der gewesenen Nonne naeherte. Vielleicht +haben sich die beiden auch zuerst gefunden, und Luther betrieb es nun in +seiner Art eifrig, die zwei zusammenzubringen. Jedenfalls wurde die +gegenseitige Neigung in dem Freundeskreise bekannt, und man hielt da die +Heirat fuer sicher. + +Aber Baumgaertner zog heim nach Nuernberg und liess nichts mehr von sich +hoeren, trotzdem er versprochen hatte, nach ein paar Wochen wieder zu +kommen, um, wie man glaubte, Katharina heimzufuehren. Die Freunde, +besonders Blickard Syndringer, erinnerten den Patriziersohn in ihren +Briefen neckend oft genug an die verlassene Geliebte. Sie sei wegen +seines Weggangs in eine Krankheit verfallen und habe sich in Sehnsucht +nach ihm verzehrt. Im Anfang des folgenden Jahres bestellte noch der +Nuernberger Ulrich Pinder von Wittenberg aus an Baumgaertner einen Gruss +von "Katharina von Siena d.i. von Borra". Endlich schrieb Luther noch +einmal am 12. Oktober 1524 an Baumgaertner: "Wenn Du Deine Kaethe von Bora +festhalten willst, so beeile Dich, bevor sie einem andern gegeben wird, +der zur Hand ist. Noch hat sie die Liebe zu Dir nicht verwunden. Und ich +wuerde mich gar sehr freuen, wenn ihr beide mit einander verbunden +wuerdet"[111]. + +Aber den Eltern Baumgaertners war offenbar die entlaufene Nonne anstoessig, +und dass sie vermoegenslos war, konnte sie erst recht nicht empfehlen. +Daher ging Hieronymus auf dieses Ultimatum des Freiwerbers Luther nicht +ein. Als er im Fruehjahr 1525 in Nuernberg Ratsherr geworden war, verlobte +er sich mit einem Maedchen von 14 Jahren, Sibylle Dichtel von Tutzing +"mit sehr reicher Mitgift und was ihm noch erwuenschter war, von sehr +angesehenen Eltern" und hielt mit ihr am 23. Januar 1526 in Muenchen die +Hochzeit[112]. + +Da aber Baumgaertner Katharina endgiltig aufgegeben hatte, so rueckte +Luther nun mit dem andern Heiratskandidaten heraus, den er fuer Kaethe an +der Hand hatte. Das war D. Kaspar Glatz, der am 27. August 1524 von der +Universitaet Wittenberg, deren Rektor er damals war, sich auf ihre +Patronatspfarrei Orlamuende hatte setzen lassen. Luther ging nun damit +um, seine Schutzbefohlene dem D. Glatz zu freien. Aber Kaethe, welche +den Mann waehrend seiner Lehrzeit in dem kleinen Wittenberg kennen +gelernt hatte, wollte ihn nicht haben, und sie hatte ein richtigeres +Gefuehl als Luther. Glatz war, wie sich spaeter herausstellte, ein +rechthaberischer, eigensinniger Mensch, der Streitigkeiten mit seiner +Gemeinde bekam und deshalb entsetzt werden musste. Luther aber setzte +Kaethe mit der Heirat zu. Da ging sie zu Luthers Amtsgenossen, dem +Professor Amsdorf und beklagte sich, dass Luther sie wider ihren Willen +an D. Glatz verheiraten wolle; nun wisse sie, dass Amsdorf Luthers +vertrauter Freund sei; darum bitte sie, er wolle bei Luther dies +Vorhaben hintertreiben. + +Hier scheint nun Amsdorf, der diese Ablehnung fuer adeligen Hochmut +auslegte, bemerkt zu haben: Ob ihr denn ein Doktor, Professor oder +Pfarrherr nicht gut genug sei? denn Katharina wurde zu der Erklaerung +gedraengt: Wuerde Amsdorf oder Luther sie zur Gattin begehren, so wolle +sie sich nicht weigern, D. Glatz aber koenne sie nicht haben[113]. + +Diese Aeusserung, welche wohl ohne viel Absicht gesprochen war, hatte +ihre Folgen; zwar nicht fuer Amsdorf, der immer ehelos blieb, aber fuer +Luther. Auch er hatte die Bora "fuer stolz und hoffaertig" gehalten, +waehrend sie doch nur etwas Zurueckhaltendes hatte und ein gewisses +Selbstbewusstsein zeigte; er hatte sie also nicht recht gemocht. Durch +jene Erklaerung an Amsdorf wurde er aber auf andere Gedanken +gebracht[114]. + + + + +5. Kapitel. + +Katharinas Heirat. + + +So machte Luther bei Kaethe von Bora, aber auch bei anderen Nonnen den +Freiwerber; er that es aber auch in seinen Schriften, worin er den +Ehestand so hoch pries und jedermann dazu einlud. Daher scherzte er in +einer Epistel an Spalatin: "Es ist zu verwundern, dass ich, der ich so +oft von der Ehe schreibe und so oft unter Weiber komme, nicht laengst +verweibischt oder beweibt bin." Und mehr im Ernst: "Ich draenge andere +mit so viel Gruenden zur Ehe, dass ich beinahe selbst dazu bewegt +werde"[115]. + +Wenn Luther so eifrig zur Ehe riet, so hatte er dabei vor allem seine +Amtsgenossen im Auge. Denn bis zur Reformation war es nicht nur Sitte, +sondern sogar Gesetz, dass Universitaetslehrer sich nicht verehelichten: +so sehr wurden die Schulen, auch die Hochschulen als kirchliche, ja +geistliche Anstalten angesehen und die "geistigen" Personen als +"Geistliche". Nur beschraenkte Ausnahmen wurden allmaehlich mit der +Verehelichung gestattet fuer Mediziner und Juristen; Rektor konnte lange +Zeit, auch in Wittenberg, nur ein unverehelichter Professor werden. Die +Gelehrten aber betrachteten auch ihrerseits die Ehe als eine +Erniedrigung fuer ihren hohen Stand. Darum hat Luther nur mit Muehe den +Gelehrten Melanchthon zur Heirat vermocht[116]. + +Dass aber die eigentlichen Geistlichen, die Priester, heirateten, das war +vor Luther, seit Gregor des Siebenten Zeiten, das heisst seit +sechsthalbhundert Jahren etwas Unerhoertes. Gerade aber _darauf_ hat nun +Luther allmaehlich in seinen vielen Schriften gedrungen, um zu zeigen dass +im Christentum der geistliche Stand nichts Besonderes sei, dass vielmehr +alle, die aus der Taufe gekrochen, Bischoefe und Pfarrer waeren, und +umgekehrt die Geistlichen nichts anders als Christenmenschen. So hat er +all seine geglichen Freunde zur Ehe gedraengt und ihnen dazu mit Eifer +verholfen; auch den Hochmeister von Preussen und den Erzbischof von +Mainz. Er wollte sozusagen fuer seine Anschauung vom allgemeinen +Priestertum und dem hl. Ehestand, wie der falschen Heiligkeit des +Coelibats den Massenbeweis mit Tatsachen fuehren. So mahnt er Spalatin +(Ostern 1525): "Warum schreitest Du nicht zur Ehe? Es ist moeglich, dass +ich selbst dazu komme, wenn die Feinde nicht aufhoeren diesen Lebensstand +zu verdammen und die Klueglinge ihn taeglich belaecheln!"[117] + +Der Gedanke, dass auch _Klosterleute_ ehelich werden sollten, war Luther +anfangs befremdend: galt dies doch nach der Anschauung der Zeit so +sakrilegisch, dass die weltlichen Rechte Heiraten von Moenchen und Nonnen +mit dem Tode bestraften[118]. Von der Wartburg schrieb Luther (am 6. +August 1521): "Unsere Wittenberger wollen sogar den Moenchen Weiber +geben? Nun mir sollen sie wenigstens keine Frau aufdringen," und mit +Melanchthon scherzt er, ob dieser sich wohl an ihm dafuer raechen wolle, +dass er ihm zu einer Frau verholfen habe? er werde sich aber zu hueten +wissen. Doch nach wenigen Monaten hatte er sich ueberzeugt: "Das ehelose +Leben in Kloestern ist auch der geistlichen Freiheit zuwider. Darum, wo +du nicht frei und mit Lust ehelos bist und musst es allein um Scham, +Furcht, Nutz oder Ehre willen, da lass nur bald ab und werde ehelich." So +versorgte er nun auch Moenche und Nonnen in den Ehestand[119]. + +Aber wie er selber nur spaet,--am spaetesten unter den Bruedern--dazu kam, +sein Klosterleben aufzugeben, seine Kutte--als die letzte zerschlissen +war--im Oktober 1524 mit dem Priesterrock und Professorentalar +vertauschte, so erging es ihm auch mit dem Heiraten. 1528 sagte er: +"Wenn mir jemand auf dem Wormser Reichstag gesagt haette, nach 7 Jahren +wuerde ich Ehemann sein, der Frau und Kinder habe, so haette ich ihn +ausgelacht". Gerade wenn ihm seine Freunde und Freundinnen wie Argula +von Grumbach zuredeten oder davon sprachen, er werde doch noch heiraten, +erklaerte er das fuer Geschwaetz. Noch am 30. November 1524 meinte er, bei +seiner bisherigen und jetzigen Gesinnung werde er keine Frau nehmen, +sein Gemuet passe nicht zum Heiraten, er fuehle sich dazu nicht geschickt. +Ja noch Ostern 1525 schreibt er, dass er an keine Ehe denke[120]. + +Aber bald nach Ostern wurde er anderen Sinnes. + +Es war gerade die boese Zeit der Bauernunruhen, wo radikale Schwaermer die +Sache der Reformation aufs aeusserste gefaehrdeten, die Zeit, wo die Feinde +mit gehaessiger Schadenfreude auf ihn wiesen, und die Freunde mit +aengstlicher Sorge nach ihm schauten; es war damals, da er umherzog die +fanatischen Bauernhaufen zu beschwichtigen und dabei zweimal in +Faehrlichkeiten des Todes gewesen, als er ueberhaupt dem Tode entgegen +sah[121]. Da erklaerte er: "Muenzer und die Bauern haben dem Evangelium +bei uns so sehr geschadet und die Papisten so uebermuetig gemacht, dass es +fast aussieht, als muesse man das Evangelium wieder ganz von vorn +predigen." Deshalb wollte er's nunmehr "nicht mit dem Wort allein, +sondern mit der That bezeugen". Er wollte mit seinem Beispiel seine +Lehre bekraeftigen, weil er so viele kleinmuetig finde, und so auch dem +zaghaften Erzbischof von Mainz zum Exempel voran traben. Er war im +Sinne, ehe er aus diesem Leben scheide, sich im gottgeschaffenen +Ehestande finden zu lassen und "nichts von seinem vorigen papistischen +Leben an sich zu behalten", und sei es auch nur eine verlobte +Josephsehe: auf dem Todbett wollte er sich ein fromm Maegdlein antrauen +lassen und ihr zum Mahlschatz seine zwei silbernen Becher reichen. Als +er gar von Dr. Scharf das Wort hoerte: "Wenn dieser Mensch ein Weib +naehme, so wuerde die ganze Welt und der Teufel selber lachen und er all +seine Sach damit verderben", da entschloss er sich erst recht: "Kann +ich's schicken, so will ich dem Teufel zum Trotz noch heiraten, und die +Engel sollen sich freuen und der Teufel weinen." Endlich draengte ihn +auch sein Vater, mit dem er auf seinen damaligen Reisen zusammentraf, +seinen groessten Lieblingswunsch zu erfuellen, und Luther wollte "diesen +letzten Gehorsam seinem geliebenden Vater nicht weigern"[122]. + +Und gerade eine _Nonne_ sollte die Erwaehlte sein, "dem Teufel mit seinen +Schuppen, den grossen Hansen, Fuersten und Bischoefen zum Trotz, welche +schlechterdings unsinnig werden wollen, dass geistliche Personen freien". +Und nicht nur den grossen Hansen, sondern auch dem grossen Haufen zum +Trotz, welcher nach seinem Aberglauben den Sohn eines Moenchs und einer +Nonne fuer den Antichrist hielt. Also wollte er "mit der That das +Evangelium bezeugen, zum Hohn fuer alle, welche triumphieren und Ju, ju +schreien, und eine Nonne zum Weibe nehmen"[123]. Diese Nonne aber sollte +_Katharina von Bora_ sein. + +Sie war noch immer unversorgt im Reichenbachschen Hause, und er konnte +an ihr ein Werk der Barmherzigkeit thun. Sie hatte erklaert, sie werde +ihn nehmen, wenn er sie wolle. Und er hatte mittlerweile eine bessere +Meinung von ihr gewonnen. + +Dass Kaethes ausserordentliche Schoenheit ihn in Feuer gesetzt habe, sagten +ihm seine Gegner in gehaessiger Absicht nach. Luther redet nur einmal und +in ziemlich spaeter Zeit in einem Brief an seine Gattin, in ritterlich +schalkhafter Weise davon, dass er "daheim eine schoene Frau" habe. +Ausdruecklich aber erklaert er, in den ersten Tagen seiner Ehe, dass er +nicht verliebt sei oder voll leidenschaftlichen Feuers, aber er habe +seine Frau gern. Sie war ja auch gar nicht besonders schoen. Von +koerperlicher Schoenheit zitierte Luther den Reim: + + Ist der Apfel rosenrot, + Ist ein Wuermlein drinnen, + Ist das Maidlein saeuberlich, + So hat's krause Sinnen. + +Und da ihm ein heiratslustiger Freund einmal sagte, er moechte eine +Schoene, Fromme, (d.h. Brave) und Reiche, so bemerkte Luther: "Ei, ja, +man soll dir eine malen mit vollen Wangen und weissen Beinen; dieselben +sind auch die froemmsten, aber sie kochen nicht wohl und beten +uebel"[124]. + +So traf er in der Stille und ohne leidenschaftliche Erregung seine Wahl. +Am 16. April scherzt er gegen Spalatin, dass er ein gar arger Liebhaber +sei: "Drei Frauen habe ich zugleich gehabt und sie so wacker geliebt, +dass ich zwei verloren habe, welche andere Verlobte nahmen, und die +dritte halte ich kaum am linken Arme, die mir vielleicht auch bald +weggenommen wird"[125]. + +Er hatte also doch bestimmte Persoenlichkeiten ins Auge gefasst. + +Schon am 4. Mai, nach einem Besuche bei seinen Verwandten in Eisleben +und Mansfeld, redet er in einem vertrauten Briefe an seinen Schwager +Ruehel zu Mansfeld von "meiner Kaethe", die er nehmen wolle, so er's +schicken koenne. Und wie seinen Schwager, hat er jedenfalls auch seine +Eltern in seine Plaene eingeweiht, und der Vater redete ihm ernstlich +zu[126]. In Wittenberg selbst aber vertraute er es nur wenigen Leuten +an: dem Maler und Ratsherrn Lukas Kranach und seiner Frau. Gerade seinen +Amtsgenossen und uebrigen Freunden, vor allem auch Melanchthon, sagte er +nichts davon. Die Klugen wollten fuer ihn gerade nicht, was Luther +wollte: eine Nonne, und dachten und redeten ueber eine Moenchs- und +Nonnenheirat "lieblos". Und ganz besonders war ihnen Katharina von Bora +nicht recht; alle seine besten Freunde schrieen: "Nicht diese, sondern +eine andere!" Und wohl um es zu verhindern, brachten "boese Maeuler" sogar +eine boshafte Nachrede auf. Aber gerade das bewog Luther, der Sache +rasch ein Ende zu machen, bevor er die gegen ihn aufgebrachten Maeuler +zu hoeren genoetigt wuerde, wie es zu geschehen pflegt, und "weil der Satan +gern viel Hindernis und Gewirrs mache durch boese Zungen"[127]. Er +"betete zu unserm Herrn Gott mit Ernst", wie er berichtet, und handelte +dann ohne Menschen-Rat und -Bedenken, ja wie Melanchthon klagt, ohne +seinen Freunden etwas davon zu sagen[128]. + +Mit Katharina hatte sich Luther jedenfalls ins Einverstaendnis gesetzt: +wenn er schon wochenlang schreiben konnte "Meine Kaethe", so musste sie +doch von seinen Absichten wissen. + +Dass Kaethe an Martin Luther auch ein rein menschliches Gefallen fand, +begreift sich. Er war wohl schon 42 Jahre alt und 16 aelter wie sie +selbst. Aber ein Zeitgenosse bezeugt: "Ein fein klar und tapfer Gesicht +und Falkenaugen hatte er und war von Gliedmassen eine schoene Person. Er +hatte auch eine helle feine reine Stimme, beides zu singen und zu reden, +war nicht ein grosser Schreier". Auch einem edeln, feineren Geschmack +musste der ehemalige Moench und Bauernsohn zusagen: er hielt etwas auf ein +ansprechendes Aeussere und wegen seiner Sorgfalt in der Kleidung nannten +ihn sogar seine Gegner tadelnd einen "feinen Hofmann", denn er trug +"Hemden mit Baendelein", hatte einen Fingerring und gelbe Stiefel[129]. + +Dabei war Luther fuer alles Schoene in Kunst und Natur eingenommen, ein +guter Saenger und "Lautenist", heiteren Sinnes und froehlicher Laune. + +Aber noch mehr musste Luthers Gemuetsart einem weiblichen Wesen zusagen: +er war bei aller Heftigkeit doch gutmuetig, bei aller Halsstarrigkeit +lenkbar wie ein Kind, bei aller Derbheit doch sinnig und feinfuehlig. +Dabei war er "ein frommer (guter) Mann", der sein Weib herzlich lieb +haben konnte, und in dessen Besitz, wie er selber sagte, eine Frau sich +als Kaiserin duenken duerfte[130]. + +Freilich auch die aeussere Stellung, welche Luthers Gemahlin einnahm, +musste einen hochstrebenden Sinn reizen. Das Doktorat war in dieser +Humanistenzeit noch hoeher gewertet als heutzutage die akademische +Professur, es stand mindestens dem Adel gleich. Der einfachste Doktor, +der vom Bauern- und Handwerkerstand sich emporgearbeitet hatte, wurde +von adeligen Jungfrauen als wuenschenswerter Ehegenosse begehrt, sodass +eine grosse Anzahl Professorenfrauen in Wittenberg von Adel waren. Und +gar Luthers Gattin zu heissen, des gefeiertsten Mannes nicht nur in ganz +Wittenberg, sondern in der ganzen Christenheit, musste einem Weibe von +Selbstgefuehl schmeicheln, wenn es sich auch umgekehrt sagen musste, dass +mit der Groesse des Mannes auch all der Hass und die Beschimpfung mit in +Kauf zu nehmen, welche ihm die Feinde entgegenbrachten. Es war auch ein +gewagtes Unternehmen, einen solchen ausserordentlichen Mann zu +befriedigen, des Gewaltigen ebenbuertige Lebensgefaehrtin zu werden. +Jungfer Kaethe hatte den Mut wie das Selbstbewusstsein dazu. + +So weigerte sich Kaethe der Annaeherung Luthers nicht. + +Die foermliche Bewerbung Luthers ist wahrscheinlich erst Dienstag den 13. +Juni geschehen, natuerlich im Reichenbachschen Hause. Ein spaeterer +Bericht sagt, dass Kaethe ueberrascht war und anfaenglich nicht gewusst, ob +es Luthers Ernst sei, dann aber eingewilligt habe. Gleich abends am +selben Tage war die Trauung oder "das Verloebnis", entweder ebenfalls +beim Stadtschreiber oder moeglicherweise in Luthers Behausung im Kloster. +Auf die Zeit des Nachtmahls lud der Doktor den Stadtpfarrer Bugenhagen +und den Stiftspropst Jonas, den Juristen Apel und den Ratsherrn und +Stadtkaemmerer Meister Lukas Kranach und seine Frau--Melanchthon war +nicht dabei--was Jonas ausdruecklich als auffaellig hervorhebt: er war so +aengstlich ueber diesen Schritt seines grossen Freundes, dass er nicht zu +diesem Akt passte. Auch seinen Freund Dr. Hier. Schurf konnte Luther +nicht zu seinem Rechtsbeistand waehlen, weil dieser Lehrer des +buergerlichen und kirchlichen Rechts allerlei juristische Bedenken hatte +gegen die Priesterehe[131]. + +Die Trauung geschah nach den herkoemmlichen Braeuchen[132]: der +Rechtsgelehrte vollzog die rechtlichen Formalitaeten, den schriftlichen +Ehevertrag, er (oder Bugenhagen) fragte im Beisein der Zeugen den +Braeutigam, ob er die Braut zum Weibe nehmen und die Braut, ob sie den +Mann zum ehelichen Gemahl haben wollte. Dann gab der Pfarrer sie beide +mit Gebet und Segen zusammen. Darauf folgte ein kleines Abendessen und +dann das Beilager: Braut und Braeutigam wurden zum Brautbett gefuehrt, +lagerten sich darauf unter einer Decke und damit war die Ehe +gueltig[133]. + +Das war Luthers "Geloebnis", wie es in der Wittenberger Redeweise hiess. +Jonas konnte sich beim Anblick der Verlobten auf dem Brautlager nicht +enthalten, Thraenen zu vergiessen, so sehr war er bewegt. Aber auch die +Gemueter der anderen waren gewiss in grosser Bewegung, nicht zum wenigsten +Luther und Kaethe[134]. + +Am folgenden Morgen, Mittwoch, gab Luther den Freunden ein kleines +Mittagsmahl, das damals um 10 Uhr stattfand. Da mittlerweile die +Vermaehlung in dem kleinen Wittenberg rasch bekannt geworden war, so +sandte der Stadtrat einen Ehrentrunk von einem Stuebchen (= 4 Mass) +Malvasier, einem Stuebchen Rheinwein und anderthalb Stuebchen +Frankenwein[135]. + +"Das Geloebnis" war aber nach damaliger Sitte nicht die "Beilage" oder +oeffentliche Hochzeit; diese folgte erst spaeter mit oeffentlichem +Kirchgang und der "Wirtschaft" (d.i. Hochzeitsschmaus) und feierlicher +Heimfuehrung der "Jungfer Braut". Vierzehn Tage nach der Trauung, +Dienstag den 27. Juni, folgte nun bei Luther dieses hochzeitliche Mahl +und "Heimfahrt", denn das junge Ehepaar und seine Freunde wollten nicht +nur die Sitte ehren, sondern gerade recht auffaellig in oeffentlicher +Feierlichkeit vor der Welt ihren heiligen Ehestand ehrenvoll bezeugen. +Dazu lud der Doktor seine Eltern und seinen Schwager Dr. Ruehel in +Mansfeld nebst noch zwei Mansfeldischen Raeten, Johann Duerr und Kaspar +Mueller, ferner den Hofkaplan M. Spalatin und den Pfarrer Link in +Altenburg, den kuehnen Befreier der Nonnen Leonhard Koppe als "wuerdigen +Vater Prior", den Kurfuerstlichen Hofmarschall Dr. Johann von Dolzig, vor +allem aber den Superintendenten ("Bischof") Amsdorf in Magdeburg +u.a.[136]. + +Die mit Scherz und Ernst gewuerzten Einladungsbriefe an diese +Gaeste--ausser dem an die Eltern--sind noch vorhanden. Da schreibt Luther +an die drei Mansfeldischen Raete: "Bin willens, eine kleine Freude und +Heimfahrt zu machen. Solches habe ich Euch als guten Herren und Freunden +nicht wollen bergen und bitte, dass Ihr den Segen helft darueber sprechen. +Wo Ihr wolltet und koenntet samt meinem lieben Vater und Mutter kommen, +moegt Ihr ermessen, dass mir's eine besondere Freuden waere". An Link: "Der +Herr hat mich ploetzlich, da ich's nicht dachte, wunderbarer Weise in +den Ehestand versetzt mit der Nonne Kaethe von Bora.... Wenn Ihr kommt, +will ich durchaus nicht, dass Ihr einen Becher oder irgend etwas +mitbringt". An Dolzig: "Es ist ohne Zweifel mein abenteuerlich Geschrei +fuer Euch kommen, als sollt ich ein Ehemann worden sein. Wiewohl nun +dasselbige fast seltsam ist und ich's selbst kaum glaube, so sind doch +die Zeugen so stark, dass ich's denselben zu Dienst und Ehren glauben +muss, und fuergenommen, auf naechsten Dienstag mit Vater und Mutter samt +anderen guten Freunden in einer Kollation dasselbe zu versiegeln und +gewiss zu machen. Bitte deshalben gar freundlich, wo es nicht +beschwerlich ist, wollet auch treulich beraten mit einem Wildbret und +selbst dabei sein und helfen das Siegel aufdruecken und was dazu +gehoert"[137]. + +Das Wildbret fehlte nicht; Wittenberg, welches wusste, was die +Universitaet und Stadt an Luther besass--er hat die kleine Stadt und +Universitaet erst gross und beruehmt gemacht--spendete reichliche +Geschenke. Der Stadtrat sandte "Doctori Martino zur Wirtschaft +und Beilage ein Fass Eimbeckisch Bier und zwanzig Gulden in +Schreckenbergern"; und die loebliche Universitaet verehrte als +Brautgeschenk "H.D. Marthin Luthern und seiner Jungfraw Kaethe von Bor" +einen hohen Deckelbecher aus Silber mit schoenen vergoldeten +Verzierungen. Johann Pfister, der zu Ostern den Moench ausgezogen und zu +Pfingsten nach Wittenberg gereist war, um da zu studieren, hat auf D. +Luthers Hochzeit das Amt eines Mundschenken versehen. Vielleicht waren +jetzt auch die Eheringe fertig, welche die Freunde besorgten. Diese +Eheringe soll der Kaiserl. Rat Willibald Pirkheimer in Nuernberg von +Albrecht Duerer haben anfertigen lassen und geschenkt haben; desgleichen +auch eine goldene Denkmuenze mit Luthers Bild. Der Trauring Luthers ist +ein zusammenlegbarer Doppelreif mit Diamant und Rubin, den Zeichen von +Liebe und Treue; unter dem hohen Kasten sind die Buchstaben M.L.D. und +C.V.B. und in dem Reif der Spruch: "Was Gott zusammenfueget, soll kein +Mensch scheiden". Katharinas Ring hat einen Rubin und ist mit Kruzifix +u.a. geziert, mit der Inschrift: "D. Martinus Lutherus, Catharina von +Boren 13. Juni 1525"[138]. + +Dass dabei Katharina in ueblichem Brautschmuck erschien, ist +selbstverstaendlich, wenn dieser auch nicht so reich war, als das +angebliche Bild Katharinas von Bora im Hochzeitsstaat denken laesst[139]. + +So wurde mit den guten Freunden eine froehliche Hochzeit gefeiert. +Freilich werden der unruhigen Zeitlaeufte wegen nicht alle Eingeladenen +erschienen sein--Luther setzte das schon in seinen Briefen voraus. Auch +Magister Philipp Melanchthon war nicht dabei, der aengstliche Gelehrte, +welcher gegen Luthers Ehe und besonders mit der Nonne war, waere ein +uebler Hochzeitsgast gewesen. Von Katharinas Verwandten scheint niemand +anwesend gewesen zu sein. Vater und Mutter waren wohl schon laengst tot, +zwei Brueder im fernen Preussen, der aelteste vielleicht auch ferne; den +anderen Verwandten war Kaethe doch durch ihr Klosterleben entfremdet, es +hatte sich ja auch bisher niemand von ihnen ihrer angenommen. So musste +sie ihre Gefreunde und Verwandte in ihren Pflegeeltern und Luthers +Freunden und Eltern sehen. Und wenn ihr's an ihrem Hochzeitsfest recht +wehmuetig ums Herz gewesen sein wird, so musste sie doch die hohe +Verehrung und Freundschaft troesten, welche ihr Gatte bei seinen +Amtsgenossen und Landsleuten gefunden hatte. + + + + +6. Kapitel + +Das erste Jahr von Katharinas Ehestand. + + +Luther fuehrte nach seiner Vermaehlung die junge Frau in seine Wohnung im +Augustinerkloster. Denn dies hatte ihm der Kurfuerst Johann der +Bestaendige, der seit Mai seinem Bruder Friedrich dem Weisen gefolgt war, +unter der Bedingung des Vorkaufsrechts zur Verfuegung gestellt. + +Das "schwarze Kloster" lag oben am Elsterthor, unmittelbar am Wall und +Graben, still und abgewandt von der Welt, von der Strasse durch einen +grossen Hof geschieden. Das dreistoeckige Hauptgebaeude gegen die Elbe zu +gelegen war die Behausung der Moenche gewesen und jetzt Luthers +Aufenthalt. In der westlichen Ecke nach Mittag gerichtet und mit +Aussicht auf die gelben Fluten des Stromes war Luthers Zelle, woraus er +"den Papst gestuermt hatte": sie blieb auch jetzt seine Studierstube. +Dagegen richtete das Ehepaar nach dem Hofe zu, wo die Gemaecher des +ehemaligen Priorats lagen, die geraeumige Wohnstube ein, worin auch +gespeist und die Besucher empfangen und Gaeste bewirtet wurden. Davor lag +ein kleineres Empfangszimmer mit Holzbaenken. Die Decken der Gemaecher und +bis zur halben Hoehe auch die Waende des behaglichen Wohnzimmers waren mit +Holzgetaefel versehen, an den Waenden hin zogen sich Baenke, Pfloecke +darueber dienten zum Aufhaengen von Geraeten und Kleidern. Zwei grosse +Fenster mit Butzenscheiben schauten in den Klosterhof. Aber um +deutlicher zu sehen, waren kleine Schiebfenster angebracht, welche +klirrend geoeffnet wurden, wenn dahinter etwas beobachtet werden sollte, +ein Besuch kam oder ging oder auf die Dienstboten und das Geziefer des +Hauses geachtet werden sollte. Dort in der Fensternische wurde ein +einfacher hoelzerner Sitz aufgestellt mit einer Art Pult, der als +Naehtisch dienen mochte. Ein maechtiger Eichentisch auf Kreuzgestellen +stand in der Mitte und die eine Ecke fuellte ein maechtiger Kachelofen. +Darum hiess die Wohnstube auch "das gewoehnliche Winterzimmer". Es war +wohl noch von der Klosterzeit her bemalt. Wahrscheinlich befand sich +auch hier ein Bild der Maria mit dem schlafenden Jesuskind[140]. + +Hinter dieser Wohnstube war das Schlafzimmer und eine weitere Kammer, +von dieser wurde spaeter eine Stiege mit einer Fallthuere in das +Erdgeschoss angelegt, auf der man in die Wirtschaftsraeume drunten +gelangen und namentlich die Speisen von der Kueche innerhalb des Hauses +heraufbringen konnte. Denn Kueche, Dienstbotenzimmer und dgl. waren unten +im ehemaligen Refektorium[141]. + +Schon in diesem Jahre, 1525, schenkte der Stadtrat verschiedene Fuhren +Kalk, womit das Klosterhaus innen und aussen, wenigstens teilweise, +getuenscht werden konnte. Vielleicht geschah dies bereits in der +Zwischenzeit zwischen der Trauung und Heimfuehrung, dieser zu Ehren, als +das Haus viele festliche Besucher aufnehmen musste[142]. + +Die erste Ausstattung des Hauses wird duerftig genug gewesen sein, denn +Luther konnte bei seiner bekannten Freigebigkeit und Gastfreiheit mit +seinem Gehalt kaum fuer sich selbst bestehen, und obwohl der Kurfuerst es +bei seiner Verheiratung auf 200 fl. aufbesserte, so waren daraus nicht +viel Anschaffungen zu machen, namentlich fuer ein so weitlaeuftiges +Gebaeude. Die 100 fl., die der Kurfuerst, und die 20 fl., die der Stadtrat +zur Hochzeit schenkte, gingen darauf fuer das kostspielige Festmahl. Der +Klosterhausrat, so weit er noch uebrig und nicht weggeschleift war durch +allerlei unberufene Haende, war Luther von den Visitatoren geschenkt +worden. Aber es war geringfuegig: Schuesseln und Bratspiesse, einiger +sonstiger Hausrat und Gartengeraete--zusammen kaum 20 fl. wert. So werden +wohl die Freunde durch Hochzeitsgeschenke, die freilich in der Regel aus +silbernen Bechern bestanden, unmittelbar oder mittelbar dazu beigetragen +haben, die oeden Raeume des Klosters ein bisschen wohnlich zu gestalten. +Verwoehnt durch mannigfaltigen Hausrat war man damals ueberhaupt nicht, +und die zwei ehemaligen Klosterleute noch weniger. So schenkte D. +Zwilling von Torgau einen Kasten, der war aber bald so lotter und +wurmstichig, dass Frau Kaethe kein Leinen mehr darin aufbewahren konnte +vor lauter Wurmmehl. Nach und nach kamen auch sonst von auswaerts +allerlei Geschenke, sogar kuenstliche Uhren. Vom Stadtrat wurde das junge +Ehepaar ein ganzes Jahr lang mit Wein aus dem Ratskeller freigehalten, +brauchte aber nur (trotz vieler Gaeste) fuer 3 Thlr. 4 Groschen 6 +Pfennige. Auch schenkte die Stadt "Frau Katharinen Doktor Martini +ehelichem Weibe zum neuen Jahr (1526) ein Schwebisch" (schwaebisches +Tuch)[143]. + +Der einzige Mitbewohner und neben Luther letzte Moench, der Prior Brisger +verheiratete sich gleich nach Luther und zog nach einiger Zeit in sein +neugebautes Haeuschen, das neben dem Kloster, aber vorn an der Strasse +gelegen war, dann auf die Pfarrei Altenburg. Von den alten +Klosterbewohnern blieb nur Luthers Famulus Wolfgang Sieberger im Hause, +der arm an Geld und Geistesgaben zwar zu studieren angefangen, aber es +nicht hatte fortsetzen und vollenden koennen, und besser zu einem Diener +taugte als zum Gelehrten, eine treue Seele, die von 1517 bis zu Luthers +Tod im Hause blieb und den Doktor nur um ein Jahr ueberlebte. Eine Magd +war auch da und andere folgten bald, als der Haushalt sich ausdehnte. + +In diesem Hause nun gewoehnte sich das junge Paar zunaechst einigermassen +in Ruhe in den Ehestand und aneinander, und Luther schrieb da: "Ich bin +an meine Kaethe gekettet und der Welt abgestorben"[144]. + +Es war dem 42jaehrigen Gelehrten, Junggesellen und ehemaligen Moench im +ersten Jahre des Ehestandes ein seltsames Gefuehl, wenn er jetzt +selbander bei Tische sass statt allein, oder wenn er morgens erwachend +zwei Zoepfe neben sich liegen sah. Aber auch der juengeren Ehefrau, der +frueheren Nonne mochte ihr neuer Stand seltsam duenken, hier im ehemaligen +Kloster, namentlich an der Seite des gewaltigen Mannes, der die +Weltordnung umgekehrt hatte und mit Papst, Kaiser, Welt und Teufel im +Kampfe lag[145]. + +Da sass Kaethe in dieser ersten Zeit bei Luther hinten in seiner +Studierstube, von wo er mit dem Flammenschwert seiner Feder den Papst +gestuermt, sah ihn von Buechern umgeben, den Tisch mit Briefen und +Schriftbogen bedeckt, spann und horchte ihm zu und that auch Fragen nach +diesem und jenem. Ihre Fragen zeugten nicht immer von Welterfahrung und +theologischer Bildung. So ergoetzte es den Gelehrten, als sie einmal +fragte: "Ehr Doktor, ist der Hochmeister in Preussen des Markgrafen +Bruder?" Es war dieselbe Person. Luther weihte seine junge Frau bald in +theologische Fragen ein. Als ihm Jonas 1527 seine jetzige Ansicht ueber +Erasmus meldete, las er seiner Frau ein Stueck des Briefes vor. Da sprach +sie alsbald: "Ist nicht der teure Mann zur Kroete geworden?" Und sie +freute sich, dass Jonas nun die gleiche Ansicht mit Luther ueber Erasmus +hatte. Mit der Zeit erweiterte sich ihr Wissen, sie lernte in ihres +Mannes Haus, wo so viele Faeden der Kirchen- und Weltgeschichte +zusammenliefen und so viele bedeutende Maenner, Gelehrte, Staatsmaenner +und Fuersten einkehrten, die Weltdinge verstehen und lebte sich in die +theologische Gedankenwelt so ein, dass sie an den Tischreden lebhaften +Anteil nahm und auch Gelehrte durch ihren gesunden Menschenverstand und +ihr natuerliches Gefuehl mitunter in Verlegenheit brachte[146]. + +Frau Kaethe hatte eine ziemliche Beredsamkeit, so dass Luther sie oftmals +damit neckte und sie einmal einem Englaender als Sprachlehrerin empfahl +oder auch davon redete, dass sie das Amen nicht finden koennte bei ihren +Predigten. Er sagt aus der Erfahrung von seiner Gattin: "Weiber reden +vom Haushalten wohl als Meisterinnen mit Holdseligkeit und Lieblichkeit +der Stimm und also, dass sie Cicero, den besten Redner, uebertreffen; und +was sie mit Wohlredenheit nicht zu Wege bringen koennen, das erlangen sie +mit Weinen. Und zu solcher Wohlredenheit sind sie geboren, denn sie sind +viel beredter und geschickter von Natur zu diesen Haendeln, denn wir +Maenner, die wir's durch lange Erfahrung, Uebung und Studieren erlangen. +Wenn sie aber ausser der Haushaltung reden, so taugen sie nichts."[147] + +Zur Abwechslung arbeiteten die jungen Eheleute auch in dem umzaeunten +Klostergarten hinter dem Hause, worin auch ein Brunnen war. Da wurde +gegraben und gepflanzt und allerlei Kraeuter, Gemuese und Obstbaeume, aber +auch zierliche Straeucher und Blumen gepflegt. So konnte Luther schon im +folgenden Sommer Spalatin einladen: "Ich hab einen Garten gepflanzt, +einen Brunnen gegraben, beides mit gutem Glueck. Komm, und Du sollst mit +Lilien und Rosen bekraenzt werden." Auch zu dem "Lutherbrunnen" vor dem +Elsterthore wandelten die Ehegatten hinaus, welchen der Doktor 1521 +entdeckt hatte und 1526 fassen und mit einem "Lusthaus" ueberbauen liess, +in dem er manch liebes Mal in Musse mit seiner Frau und seinen Freunden +sass. Sonst ruhten die beiden unter dem Birnbaum im Klosterhofe, der +schon zu Staupitz' Zeiten manches ernste Gespraech vernommen[148]. + +Von dem jungen Ehepaar haben wir ein Bild aus der Werkstatt Kranachs. +Die junge Frau, mehr eine zarte als robuste Erscheinung, hat ein ovales +Gesicht mit feiner Hautfarbe, die Augenoeffnung erscheint ein bisschen +"geschlitzt", die Backenknochen, welche in einem anderen Kaethe-Typus +sehr stark hervortreten, sind normal. Charakteristisch ist die volle +Unterlippe. Die Augenbrauen sind schwach und hoch gewoelbt, das wenig +ueppige feine Haar hat roetliche oder blonde Farbe und die mattblauen +Augen schauen verstaendig drein. Der Eindruck des ganzen Gesichtes laesst +nuechternen Ernst und eine gewisse zaehe Energie erwarten[149]. + +Die Zeit der ersten Liebe schildert der Wittenbergische Doktor obwohl +"nicht von unmaessiger Liebesglut entflammt", mit den gleichen Worten wie +unser moderner Dichter: "Die hoechste Gnade Gottes ist's, wenn im +Ehestande Eheleute einander herzlich stets fuer und fuer lieb haben. Die +erste Liebe ist fruchtbar und heftig, damit wir geblendet und wie die +Trunkenen hineingehen; wenn wir die Trunkenheit haben ausgeschlafen, +alsdann so bleibet in Gottesfuerchtigen die rechtschaffene Liebe, die +Gottlosen aber haben den Reuwel."[150] + +Freilich diese Zeit seines jungen Ehestandes ging dem Reformator weder +als muessig taendelnde Flitterwochen, noch als ein ungetruebtes Idyll dahin. +Dafuer sorgte der Drang seines gewaltigen Werkes, wie der Hass seiner +Gegner. Und mindestens eben so schwer, wie er, hatte seine junge Gattin +unter den giftigen und schmutzigen Angriffen zu leiden, die sofort die +Heirat des Reformators und ehemaligen Moenchs mit der gewesenen Nonne +beleidigten. + +Luthers Heirat mit Katharina war eine zu ungeheuerliche That in den +Augen seiner Zeitgenossen, als dass sie nicht das gewaltigste Aufsehen +erregen und auch zu den abenteuerlichsten Verdaechtigungen Anlass geben +mussten[151]. + +Schon sofort nach der Trauung hatte Luther um dieses Werkes willen +Schmaehungen und Laesterungen zu ertragen. Und nicht nur von den Feinden. +Die Klueglinge "belaechelten" seine Ehe oder verdammten sie auch: "Die +Weltweisen, auch unter den Unserigen, sind heftig darueber erzuernt." Das +war nicht nur Dr. Schurf, sondern sogar sein naher Freund Melanchthon; +jener hatte gemeint, die ganze Welt, ja die Teufel wuerden darueber +lachen, und Luther wuerde sein ganzes Werk vernichten. Dieser missbilligte +wohl die That an sich nicht, wohl aber, dass sie nicht opportun sei und +unbedachtsam geschehen, so dass die Feinde darin ihr grosses Vergnuegen +haben und laestern; er meinte auch, "Luther habe sich durch Nonnenkuenste +fangen lassen und sei hereingefallen"[152]. + +So war es fuer die Eheleute schon ein Schmerz, dass der Hausfreund nicht +bei der Hochzeit war, ja nicht einmal dazu eingeladen werden konnte. Und +auf Luther mochte dies Verhalten der Freunde wenn auch nur zeitweilig +verstimmend und niederschlagend wirken. Da hatte Kaethe wohl eine schwere +Aufgabe, ihn aufzurichten und zu ermuntern. Die anderen Freunde, seine +Gevattersleute Kranach vor allem, halfen dabei. Und schliesslich maessigte +auch Melanchthon seinen Verdruss, ja er troestete Luther und beeiferte +sich, seine Traurigkeit und ueble Laune durch Freundlichkeit und +froehliche Unterhaltungen zu erheitern[153]. So kehrte Luthers Gemuet +wieder zur alten Lebhaftigkeit zurueck. Schon drei Tage nach der Trauung +schreibt er an Spalatin mit bezug auf Schurfs Rede im alten Ton frohen +und getrosten Trutzes: "Ich habe mich durch diese Heirat so +geringschaetzig und veraechtlich gemacht, dass ich hoffe, es sollen die +_Engel lachen_ und die Teufel weinen. Die Welt mit ihren Klueglingen +kennet dies Werk nicht, dass es goettlich und heilig sei: sie nennen's an +meiner Person gottlos und teufelisch. Derohalben ich auch groesseren +Gefallen daran habe, dass ihr Urteil durch meinen Ehestand verdammt wird, +so dass sich daran stossen und aergern die, so ohne Erkenntnis Gottes +mutwillig zu bleiben fortfahren"[154]. + +Viel aerger als die Freunde trieben's natuerlich die Widersacher. Emser +verfertigte Spott- und Schmaehgedichte, ja Eck gab ein ganzes Buechlein +von solchen Liedern auf Luthers Hochzeit heraus. Der Herzog Georg von +Sachsen, Luthers besonderer Feind, erliess ein Schreiben an Luther, worin +er ihn aufs heftigste schalt, und in einem Instruktionsschreiben zum +Speierer Reichstag (15. Mai 1526) an Otto von Pack beschimpft er ihn mit +der falschen Anschuldigung: "Es erscheint auch klaerlich, indem Martinus +verworfen hat den Moenchsstand und so auch die Moenche aus dem Kloster zu +Wittenberg, dass er desto mehr Raum habe mit seiner Kaethchen zu wohnen, +davon sich ein ganzer Konvent hat naehren moegen." Der theologische Koenig +Heinrich VIII. von England, damals noch Defensor Fidei (Verteidiger des +roemischen Glaubens) nachher Ritter Blaubart, fuhr in einem Briefe den +Reformator an: "Was? Du hast ihr nicht nur beigewohnt, sondern, was noch +unendlich fluchwuerdiger ist, hast sie sogar oeffentlich als Gattin +heimgefuehrt!"[155] + +Diese Schriften--ausser der Georgs--waren lateinisch und gingen zunaechst +in die Gelehrtenwelt. Unter das Volk aber wurden ehrenruehrige +Verleumdungen gegen die beiden Ehegatten gestreut. Der Humanistenkoenig +Erasmus machte sich lustig, indem er mit schnoedem Witze meint: wenn der +Antichrist ein Moenchs- und Nonnenkind waere, muesste die Welt voll +Antichristen laufen; aber die Luege von einem fruehgeborenen Kinde hat er +mit boshafter Geflissentlichkeit in seinen Briefen an hohe Herren +verbreitet, bis er sie dann widerrufen musste. Die Heirat Luthers ist dem +hochmuetigen Humanisten aber immerhin eine Posse, mit der der gelehrte +Doktor den Philosophenmantel abgelegt und sich zu einem gewoehnlichen +Menschen erniedrigt haette[156]. + +Aber noch naeher trat der jungen Frau bald nach ihrer Heirat die +Schmaehung. "Ein Buergersweib Klara, Eberhard Lorenz Jessners eheliche +Hausfrau hat unnuetze Worte gehabt und Herrn Dr. Luther und seine ehrbare +Hausfrau geschmaeht und gescholten," freilich "auch des Pfarrers Eheweib +uebel angefahren" in Magister Joh. Lubecks Wirtschaft zu Wittenberg[157]. + +Endlich verfassten zwei Leipziger Magister, Joh. Hasenberg und Joachim +von der Heidten (Miricianus), in Prosa und Poesie lateinische und +deutsche Sendbriefe und liessen sie drucken. Hasenbergs Schmaehschrift +richtete sich "an M. Luder und seine uneheliche Gattin Catharina von +Bohra, damit sie entweder mit dem verlorenen Sohn sich bekehren und zur +Busse und Heiligkeit des Klosterlebens zurueckkehren oder doch Luther +seine Nonne ihrem Braeutigam Christus und ihrer Mutter Kirche +zurueckstelle" bei Hoellenstrafe. Heidten schrieb "Ein Sendbrieff Kethen +von Bhora, Luthers vermeynthem eheweib sampt einem geschenk freundlicher +Weise zuvorfertigt". Die beiden jungen Menschen hatten die Frechheit, +diese Schriften durch einen eigenen Boten Luther und seiner Frau ins +Haus zu schicken, allerdings in der thoerichten Hoffnung, wenigstens +Kaethe von ihrem Manne abwendig zu machen und zur Rueckkehr ins Kloster zu +bewegen. + +Natuerlich hatten diese beiden Schriften den entgegengesetzten Erfolg. +Luthers Diener trieben mit denselben ihren Spott, schickten sie den +"jungen Loeffeln illuminiert (illustriert) im Hintergemach" mit dem Boten +zurueck und dazu ein viereckiges Taefelein, darauf waren die 6 Buchstaben +_ASINI_ (Esel) so verteilt, dass man sie von der Mitte aus gesehen, an +vierzig mal lesen konnte. Der ritterliche Luther aber nahm sich seines +Weibes an und liess "Eine neue Fabel Aesopii vom Esel und Loewen" mit +behaglichem Witze drucken und sandte sie an seinen Freund Link mit den +Worten: "Die Leipziger Esel haben meine Kaethe mit albernen Schmaehungen +verunglimpft; denen ist geantwortet worden, davon du hier vor Augen +siehst."[158] + +Zu den Beschimpfungen gesellten sich Gefahren. In der Nacht vor +Michaelis 1525 hatte Luther es gewagt, im Gebiete seines heftigsten +Widersachers, des Herzogs Georg von Sachsen-Meissen, dreizehn Jungfrauen +aus dem fuerstlichen Kloster Freiberg entfuehren zu lassen. "Ich habe +diese Beute dem wuetenden Tyrannen entrissen", meldet er triumphierend +seinem Freund Stiefel. Darueber war natuerlich Georg wuetend, aber auch der +Adel zuernte ueber Luthers Gewaltthat--mussten doch die Angehoerigen der +Nonnen durch ihren Austritt Vermoegenseinbusse befuerchten: sogar adelige +_Freunde_ der Reformation nahmen es Luther uebel. Es wurden Drohungen +gegen ihn laut, und sein Leben stand in Gefahr, wenn er irgendwie einem +Haufen Reisiger oder Bauern in die Haende fiele, denn auch die Bauern +waren ihm ja seit dem Aufstand wenig guenstig. Nun war Luther auf den 19. +November zu Spalatins Hochzeit nach Altenburg geladen, wo der ehemalige +Geheimschreiber des verstorbenen Kurfuersten jetzt Stadtpfarrer war. +Luther wollte durchaus zu des Freundes Ehrentag. Aber Kaethe hielt ihn +zurueck und beschwor ihn sogar mit Thraenen vor der gefaehrlichen Reise. +Also dass ihr Gatte heldenmuetig seines reformatorischen Befreieramtes +waltete und anderen armen Jungfrauen that, was ihr geschehen, und "dem +Satan diese Beute Christi abjagte", das hinderte Frau Kaethe nicht, aber +das setzte sie durch, dass er sich nicht ohne Not in Gefahr begab. Solche +Lebensgefahr musste sie ja immer fuer ihren Gatten fuerchten, auf welchen +wie auf einen Fuersten gar mancherlei Attentate geplant und versucht +wurden[159]. + +Dagegen liess sie es Ende Februar des folgenden Jahres zu, dass Luther sie +nach Segrehna bei Kemberg begleitete. In diesem Dorfe hielt sich damals +der ehemalige Schwaermer, Bilderstuermer und Bauernagitator Karlstadt als +Bauersmann und Landkraemer versteckt. So viel Schmerzen und Sorgen ihm +auch Karlstadt gemacht, Luther hatte sich seines alten Amtsgenossen +angenommen und ihm Begnadigung beim Kurfuersten erwirkt. Und jetzt hatte +Karlstadt Luthers Gemahlin zur Gevatterin gebeten. Auch zu diesem +Liebesdienst war sie bereit, machte nicht nur selbst die beschwerliche +Reise, sondern liess sogar ihren Gemahl mitfahren[160]. + +Schon in diesem Jahre gemeinsamen Lebens lernte Luther seine Gattin +besser verstehen, tiefer lieben und hoeher achten. Hatte er sie vor der +Hochzeit fuer stolz und hoffaertig gehalten, so schreibt er jetzt: "Sie +ist mir gottseidank willfaehrig, gehorsam und gefaellig, mehr als ich +haette hoffen koennen, so dass ich meine Armut nicht mit des Croesus +Reichtum vertauschen moechte."[161] + +Melanchthon hatte die Hoffnung ausgesprochen, Luthers Verheiratung werde +ihn gemessener machen, und sein ungestuemes, derbes Wesen saenftigen. Das +dachte wohl auch der Erzbischof Albrecht, der durch seinen Kanzler +Ruehel, Luthers Schwager, der Frau zwanzig Goldgulden als +Hochzeitsgeschenk reichen liess, welche Katharina gern annahm, Luther +aber zurueckwies. Erasmus glaubte auch bald die Bemerkung gemacht zu +haben, dass Luther milder geworden sei und nicht mehr so viel mit der +Feder wuete. Denn, setzt er in gewohnter spoettischer Weise hinzu: "nichts +ist so wild, dass ein Weib es nicht zaehmt"[162]. + +Das wird ja im allgemeinen nicht abzustreiten sein. Und tatsaechlich liess +sich Luther--aber durch fuerstliche Zurede--im versoehnlichen Tone gegen +Herzog Georg und Koenig Heinrich VIII. hoeren--freilich ohne diese dadurch +versoehnlich zu stimmen: sie beuteten vielmehr seine Schreiben aus, um +ihn veraechtlich zu machen. Aber in seinem reformatorischen Beruf hat +Kaethe ihren Mann weder hindern koennen noch wollen[163]. + +Nicht einmal in den ersten Tagen seiner Heirat. Ja, Frau Kaethe plante +wohl selbst mit ihm waehrend der Vorbereitung zu ihrer Heimfuehrung die +Befreiung der Freiberger Nonnen: die Einladung an Koppe zur Hochzeit +enthielt zugleich die Aufforderung zu diesem neuen, noch keckeren +Klosterraub[164]! + +Und am Neujahrstag 1526 malte Luther aufs neue in einer Spottschrift +das Papsttum mit seinen Gliedern ab und schrieb dazu: "Es meinen +etliche, man solle nun aufhoeren, das Papsttum und geistlichen Stand zu +spotten. Mit denen halt ichs nit, sondern muss ihr einschenken, bis +nichts Veraechtlicheres auf Erden sei, denn diese blutgierige +Isabel."[165] + + + + +7. Kapitel. + +Katharina als Mutter ihrer Kinder und Hausgenossen. + + +Ein Jahr nach ihrer Vermaehlung am 7. Juni 1526, "da der Tag im Kalender +heisst Dat." (d.i.: Er giebt) schenkte Kaethe ihrem Gatten ein Soehnlein, +das war, wie die Eltern mit Freuden sahen, gesund und ohne Fehl. Um 2 +Uhr nachmittags kam es auf die Welt, schon um 4 Uhr wurde es nach +damaliger Sitte von Diakonus M. Roerer getauft. Taufpaten waren der +Superintendent D. Bugenhagen, der Propst Justus Jonas, Luthers Gevatter +L. Kranach, der Vizekanzler Baier und in Abwesenheit der Kanzler Mueller +in Mansfeld. Eine der Patinnen war die Frau des Buergermeisters Hohndorf. +Nach dem Grossvater erhielt das Kind den Namen Johannes[166]. + +Haenschen blieb auch wohlauf, wennschon die Mutter das Stillen nur +langsam fertig brachte und das Kind die Milch schwer vertrug. Der Knabe +wird bald froehlich und kraeftig und ein homo vorax et bibax (starker +Esser und Trinker), lernt auf den Knieen rutschen; zu Neujahr 1527 +bekommt er Zaehne, lernt stehen und gehen und faengt an zu lallen und mit +lieblichen Beleidigungen alle zu schelten. Zur Belohnung fuer all diese +Kuenste schickt Jonas dem kleinen Hans einen "silbernen Johannes", ein +Geldstueck mit dem Bild des Kurfuersten[167]. + +Bald ist der Zweijaehrige gar stolz ueber eine Klapper, die er vom +Pfarrer Hausmann geschenkt erhielt (1528). Dieser Erstgeborene wird +jahrelang in jedem Brief erwaehnt und muss immer und ueberall hin die +Freunde gruessen. Es ist ein herziges Bild, wenn der Vater von seinem +Soehnchen erzaehlt: "Wenn ich sitze und schreibe oder thue sonst etwas, so +singet er mir ein Liedlein daher, und wenn er's zu laut will machen, so +fahre ich ihn ein wenig an; so singet er gleichwohl fort, aber er +machet's heimlicher und mit etwas Sorgen und Scheu. Also will Gott auch, +dass wir immer froehlich sein sollen, jedoch mit Furcht und Ehrerbietung +gegen Gott." Und wieder sass Haenschen am Tisch und lallete vom Leben im +Himmel, wie eine so grosse Freude da waere mit Essen und Tanzen, da waere +die groesste Lust: die Wasser floessen mit eitel Milch und die Semmeln +wuechsen auf den Baeumen. Da freute sich der Doktor ueber das selige Leben +des Kindes[168]. + +Anderthalb Jahre blieb Haenschen allein, da folgte am 10. Dezember 1527, +waehrend die Pest in Wittenberg und im Hause Luthers wuetete, ein +Schwesterlein, Elisabeth. Jonas gratuliert dem Doktor dazu und scherzt +von seinem kleinen Soehnchen: "Mein Sohn begruesst deine Tochter als seine +zukuenftige Braut." Aber am 3. August des folgenden Jahres in der +gefaehrlichen Zeit des Zahnens starb das zarte Toechterlein und wurde in +grosser Trauer auf dem Gottesacker vorm Elsterthore bestattet. Da erhielt +es einen (noch vorhandenen) kleinen Grabstein mit der lateinischen +Inschrift: "Hier schlaeft Elisabeth, M. Luthers Toechterlein." Schwer nur +troesteten sich die trauernden Eltern mit dem Gedanken: "Elisabeth ist +von uns geschieden und zu Christo durch den Tod ins Leben gereist."[169] + +Am 4. Mai des folgenden Jahres wurde ihnen Ersatz fuer Elisabeth in einem +zweiten Toechterlein: Magdalena. Amsdorf, der Magdeburger Superintendent +(Bischof), und Frau Goritzen, Gattin des Magisters und spaeteren +Stadtrichters in Leipzig, wurden Paten. Der Gevatterbrief an Amsdorf +lautet: + +"Achtbarer, wuerdiger Herr! Gott der Vater aller Gnaden hat mir und +meiner lieben Kaethe gnaediglich eine junge Tochter beschert: so bitte ich +Ew. Wuerden um Gottes Willen, wollet ein christlich Amt annehmen und +derselbigen armen Heidin christlicher Vater sein und zu der hl. +Christenheit helfen durch das himmlische hochwuerdige Sakrament der +Taufe[170]. + +Der Gevatterinbrief lautet: + +"Gnad' und Fried' in Christo! Ehrbare tugendsame Frau, liebe Freundin! +Ich bitt Euch um Gottes willen: Gott hat mir eine junge Heidin +bescheret, Ihr wollet so wohl thun und derselben armen Heidin zur +Christenheit helfen und ihre geistliche Mutter werden, damit sie durch +Euern Dienst und Huelfe auch komme aus der alten Geburt Adams zur neuen +Geburt Christi durch die hl. Taufe. Das will ich wiederum, womit ich +soll, um euch verdienen. Hiemit Gott befohlen. Amen. Ich hab selbst +nicht duerfen ausgehen in die Luft. Martinus Luther."[171] + +Als Magdalena heranwuchs, sah das Maedchen dem aelteren Bruder Haenschen +"ueber die Massen gleich mit Mund, Augen und Nase, in Summa mit dem ganzen +Gesicht", und war auch gutmuetig und brav wie dieser. Diese zwei aeltesten +Geschwister hingen auch sehr aneinander. Als Luther im folgenden Jahr +waehrend des Augsburger Reichstags in Verborgenheit auf der Koburg weilte +und sich dort wie auf der Wartburg den Bart wachsen liess, um sich +unkenntlich zu machen, da liess Frau Kaethe von dem kleinen Lenichen einen +Abriss in schwarzer Kreide oder Tusche machen, welches freilich etwas zu +dunkel geraten scheint, und sandte es ihm als Herzstaerkung in seine +"Wueste", wo der Doktor in Einsamkeit und Thatlosigkeit oft trueben +Gedanken nachhing, auch sich gar viel aergern musste ueber den Gang der +Dinge in Augsburg; auch war gerade sein Vater gestorben, der alte Hans +Luther, was den Sohn tief bewegte, denn er hing mit kindlicher Liebe und +Ehrfurcht an ihm. Da der Vater das Konterfei des Toechterchens zuerst +ansah, konnt' er sie nicht erkennen. "Ei", sprach er, "die Lene ist ja +schwarz". Aber bald gefiel sie ihm wohl und duenkte ihm je laenger je +mehr, es sei Lenchen. Der Doktor haengte die Kontrefaktur gegen den Tisch +ueber an die Wand im Fuerstenzimmer, wo er ass, und vergass ueber die Massen +viel Gedanken mit dem Bilde."[172] + +Das Maedchen wurde vom Vater anders behandelt als der Sohn. Dieser wurde +mit Ernst gezogen und Luther wollte, dass man ihm nichts lasse gut sein. +Aber mit seinem Toechterlein scherzte er mehr. Dagegen zog die Mutter +naturgemaess den Sohn vor, namentlich den erstgeborenen und suchte des +Vaters Strenge gegen ihn zu mildern[173]. + +Am Vorabend vor Luthers Geburtstag, den 9. November 1531, traf zu +Wittenberg im schwarzen Kloster wieder ein Sohn ein, der deshalb des +Vaters Namen erhielt. Als jetzt der juengste wurde nunmehr er der +Liebling des Vaters. Denn, sagt dieser, "die Eltern haben die juengsten +Kinder stets am allerliebsten. Mein Martinchen ist mein liebster Schatz, +denn solche Kinder beduerfen der Eltern Sorge und Liebe wohl, dass ihrer +fleissig gewartet wird. Haenschen und Lenchen koennen nun reden, beduerfen +solche Sorge so gross nicht."[174] + +Am Namenstag des folgenden Jahres meldet Luther dem Paten Martins, dem +gestrengen und ehrenfesten Joh. von Rindesel Kurf. Kaemmerer: "Euer Pate +will ein thaetiger Mann werden, er greift zu und will sein Sinnchen +haben."[175] + +Der Knabe war, scheint es, kraenklich und ein kleiner Taugenichts, so dass +der Vater fuerchtete, er moechte einmal Jurist werden[176]! + +Dagegen war Haenschen ein stiller nachdenklicher Bursche, so dass der +Vater meinte: "Er ist ein (geborener) Theologe." Der juengste Sohn Paul +aber, der am 28. Januar 1533 auf die Welt kam, ein kraeftiger mutiger +Junge, schien sich zum Tuerkenkrieger zu eignen. Daran dachte der Vater +schon bei seiner Geburt und waehlte ihm vielleicht deshalb einen Ritter, +Hans von Loeser, Erbmarschall und Landrentmeister, zum Paten. Aber auch +der Herzog Joh. Ernst von Sachsen, ferner D. Jonas und die Frau des +Kaspar Lindemann standen bei Paul zu Gevatter[177]. + +In dem Gevatterbrief an Loeser, der noch in der Nacht des 28. Januar 1533 +geschrieben wurde, damit der Knabe nicht lange ein Heide bleibe und +schon zur Vesper getauft werde, heisst es: "Ew. Gestrengen wollen sich +demuetigen Gott zu Ehren fuer meinen jungen Sohn foerderlich und fueglich +erscheinen, damit er aus der alten Art Adams zur neuen Geburt Christi +durch das hl. Sakrament der Taufe kommen und ein Glied der Christenheit +werden moechte, ob vielleicht Gott der Herr einen neuen Feind des Papstes +oder des Tuerken erziehen wolle."[178] + +Als Hans Loeser zur Taufe kam, hat ihn Luther also empfangen: "Gott sei +Dank! Ich werde nicht ermangeln, Ew. Gestrengen in andern Sachen zu +dienen. Es ist heut ein junger Papst geboren worden; derohalben helfet +doch dem armen Schelm, dass er getauft werde." Das Kind wurde im Schlosse +in einem Becken getauft. Hernach hat Luther seinen Gevatter zu Gaste +geladen, da sie denn viel freundliche Diskurse gefuehrt. Luther sagte: +"Ich habe meinen Sohn lassen Paul heissen, denn der hl. Paulus hat uns +viel grosse Lehren und Sprueche vorgetragen. Gott gebe ihm die Gnaden und +Gaben Pauli. Ich will, so Gott will, alle meine Soehne von mir thun: der +Lust zum Krieg hat, den will ich zu Hans Loeser thun; der Lust zu +studieren hat, zu Jonas und Philipp; der Lust zur Arbeit hat, den will +ich zum Bauern thun"[179]. + +Als eine Art Nachkoemmling wurde das um Weihnachten 1534 geborene juengste +Kind angesehen, das nach Luthers (1531) verstorbenen Mutter Margareta +genannt wurde. Wenigstens sah der Vater voraus, dass er nicht so alt +werden wuerde, um sie zu versorgen. Darum schrieb er auch, als sie erst +vier Jahr alt war, ihrem Paten, dem Pfarrer Probst in Bremen: "Es gruesset +Euch meine Frau Kaethe und Euer Patchen, mein Toechterlein Margaretchen, +der Ihr nach meinem Tode fuer einen feinen frommen Mann sorgen sollt. Ihr +habt sie zum Patchen gewaehlt, Euch befehle ich sie auch." Ein anderer, +sehr hoher Pate war der Fuerst Joachim von Anhalt, der Luther das +"christliche Amt geistlicher Vaterschaft" angetragen hatte und auch +uebernahm[180]. + +Frau Kaethe musste die Kinder oft ihrem Vater bringen, auch ins +Studierzimmer, da koste er mit ihnen und machte seine sinnigen +Bemerkungen ueber Kindesnatur und Kindesleben; das zeige uns, wie's im +Paradies war und wie's im Gottesreich sein sollte. Der Vater schaute +aber auch mit Wohlgefallen zu, wie seine Kaethe so freundlich mit ihrem +Martinchen redete und so viel Geduld und Erbarmen mit allen Kindern +hatte. Luther unterhielt sich mit ihnen uebers Christkind, sah zu, wie +Martinchen eine Puppe als Braut schmueckte und beschuetzte, freute sich, +wenn die Kinder sich zankten und schnell vertrugen als ueber ein Sinnbild +der Suendenvergebung der Gotteskinder; er sah, wie die Kinder um den +Tisch sassen und in freudiger Erwartung auf Pfirsiche und Birnen sahen, +die darauf lagen, oder den Ast Kirschen, den ihnen Jonas gebracht, und +sagte: "Wer da sehen will das Bild eines, der sich in Hoffnung freuet, +der hat hier ein rechtes Konterfei. Ach dass wir den juengsten Tag so +froehlich in Hoffnung koennten ansehen!" Sein herziger Maerchenbrief an +sein liebes Soehnichen von der Koburg, ist das schoenste Zeugnis eines +kinderfreundlichen Gemuetes. Von Koburg aus besorgte Luther seinem Haus +ein gross schoen Buch von Zucker aus dem schoenen (Maerchen-)Garten in +Nuernberg. Auch sonst bringt er seinen Kindern von seinen Reisen immer +"Jahrmarkt" mit. Regelmaessig auch sendet er aus der Ferne Gruesse und Kuesse +an Haenschen und Lenchen[181]. + +Die Gespielen der Lutherischen Kleinen waren Melanchthons und Jonas' +Kinder ("Lippus" und "Jost" im Maerchenbrief). Der Spielplatz war der +grosse Klosterhof; da tummelten sie ihre Steckenpferde und schossen mit +Armbruesten, laermten mit Pfeifen und Trommeln, tanzten oder "sprangen der +Kleider und des Baretts"; auch ein Huendlein durften die Kinder halten. +Spaeter richtete der Vater Luther fuer sie und die andern jungen +Hausgenossen auch einen Kegelplan ein und sah zu, wie sie sich vermassen, +zwoelf Kegel zu treffen, wo doch nur neun auf dem "Bossleich" standen, und +schliesslich froh waren, eine nicht zu fehlen. Ja, er selbst mass sich hie +und da als ein Meister des Spiels mit ihnen, "schub einmal die Kegel +umbwaerts, das andere Mal seitwaerts oder ueber Eck"[182]. + +Aber Luther betete auch taeglich den Katechismus mit seinem Sohn Hansen +und seinem Toechterlein Magdalene und die Kinder selbst mussten "bei Tisch +beten und herlesen"; und auch sonst waren sie von Vater und Mutter +angehalten zum Gebet fuer die Goenner und Schuetzer der Reformation, fuer +das Heil der Kirche und des Vaterlands. Martin und Paul hatten des +Vaters musikalische Anlagen geerbt und mussten nach der Mahlzeit--allein +oder mit andern--die liturgischen Gesaenge der jeweiligen Kirchenzeit +vortragen. Auch die kleine Margarete lernte mit fuenf Jahren schon mit +schoener Stimme singen: "Kommt her zu mir alle" und anderes[183]. + +In ihren Kindern sahen die Eltern ihr hoechstes Glueck und ihren +schoensten Schatz. "Kinder binden, sie sind ein Band der Ehe und Liebe", +pflegte Luther zu sagen. Er fand in ihnen seinen Trost und seine +Erholung von seinen Welt- und Kirchensorgen. "Ich bin zufrieden; ich +habe drei eheliche Kinder, die kein papistischer Theolog hat, und die +drei Kinder sind drei Koenigreiche, die habe ich ehrlicher und erblicher +denn Ferdinandus Ungarn, Boehmen und das roemische Reich"[184]. + +Freilich, was fuer den Vater in seinen Mussestunden und bei Tisch eine +Freude und Erholung war, das brachte der Mutter Arbeit, Sorge und +Schmerzen. Es war doch keine Kleinigkeit fuer die vielbeschaeftigte +Hausfrau in acht Jahren sechs kleine Kinder zu haben, zu pflegen und zu +erziehen--denn auf ihr lag doch das Hauptgeschaeft der Erziehung. Und ihr +Gatte sah das ein und bemerkte einmal, dass nur unser Herrgott sich von +seinen Menschenkindern mehr gefallen lassen muesse als eine Mutter[185]. + +Da war es denn ein grosser Segen, dass Frau Kaethe in ihrem Hause eine +Stuetze fand an ihrer Tante, _Magdalene von Bora_. + +Diese war bald nach ihrer Nichte selber aus Nimbschen entwichen und +wohnte jetzt im schwarzen Kloster in einem besonderen Stueblein. Sie war +als "Muhme Lene" der gute Hausgeist, die echte und rechte Kindertante in +der Lutherischen Familie. Als Siechenmeisterin hat sie sich ja zum +Warten und Pflegen schon im Kloster ausgebildet. Und so wartete und +huetete sie die kleinen Grossneffen und Grossnichten, spielte und betete +mit ihnen, verwoehnte sie auch wohl und vertuschte ihre boesen Streiche, +pflegte sie in den Kinderkrankheiten und war auch fuer Frau Kaethe in +ihren Kindbetten und Krankheiten die sorgsame Pflegerin und Lehrerin. +Luther will in dem Maerchenbrief von der Koburg an sein Soehnchen Hans die +"Muhme Lene" auch mitbringen lassen in den schoenen Wundergarten und laesst +sie gruessen und ihr einen Kuss "von meinetwegen" geben; und auch sonst +sendet er Muhme Lene seine Gruesse[186]. + +Zu den eigenen Kindern im Lutherischen Hause kamen bald andere. Zunaechst +Verwandte, Neffen und Nichten, dann aber Kinder von Freunden und +Bekannten, und endlich fremde Kostgaenger. + +Der erste war Cyriak Kaufmann, der Sohn einer Schwester Luthers; er kam +als Studiosus nach Wittenberg und wurde am 22. November 1529 +immatrikuliert. Er begleitete 1530 seinen Oheim auf die Koburg und +dieser schickte ihn im August nach Augsburg, dass er sich in der grossen +Stadt einmal das Treiben eines Reichstags ansehe; dann musste er wieder +zu seinen Studien nach Wittenberg; auf der Heimreise brachte er von +Nuernberg den Lebkuchen fuer seinen kleinen Vetter Hans Luther mit[187]. + +Luthers Schwager und Schwester Kaufmann starben frueh und so kamen +allmaehlich alle fuenf Waisen derselben zu ihrem Oheim nach Wittenberg, +ausser dem genannten Cyriak noch seine jungen Geschwister, die Brueder +Fabian und Andreas, welche 1533 am 8. Juni fruehzeitig mit dem erst +siebenjaehrigen Hans Luther zu Wittenberg als akademische Buerger +eingeschrieben wurden, und die Schwestern Lene und Else. Es war keine +Kleinigkeit, fuenf elternlosen Kindern Vater und besonders Mutter zu +sein, zumal, da sie nicht alle wohlgeraten waren und namentlich Lene +Sorge machte, so dass Luther einmal erklaerte, wenn sie nicht gut thun +wolle, werde er sie einem schwarzen Huettenknecht (Bergmann) geben, statt +einen frommen und gelehrten Mann mit ihr betruegen.--Schliesslich kam zu +den zwei Nichten noch eine kleine Grossnichte, Anna Strauss, die Enkelin +einer Schwester Luthers[188]. + +Mit Cyriak Kaufmann war ein andrer Schwestersohn, Hans Polner, als +Student ins Haus gekommen, der an Peter Weller anbefohlen wurde. Aber +Frau Katharina war aufgetragen zuzusehen, "dass er sich gehorsamlich +halte", und auch sonst musste sie fuer ihn sorgen. Dieser Polner wartete +als Famulus dem Doktor auf, studierte Theologie und predigte einmal in +der Pfarrkirche; die Doktorin meinte, den haette sie viel besser +verstehen koennen, als D. Pommer, welcher sonst von dem Thema weit +abweiche und andre Dinge in seine Predigt mit einfuehre, oder, wie Jonas +sich ausdrueckte, unterwegs manchen Landsknecht anspreche[189]. + +Noch ein Neffe Luthers, seines Lieblings-Bruders Jakob Sohn, Martin, +wurde spaeter zur Erziehung der Doktorsfamilie uebergeben und 1539 an der +Universitaet eingeschrieben; ebenso Florian von Bora, der Sohn von Kaethes +aeltestem Bruder. Martin und Florian wurden zusammen mit den Kindern +Luthers unterrichtet. Einer der Neffen sollte einmal zu Camerarius auf +die Schule kommen; spaeter kam Florian mit Hans nach Torgau[190]. + +Schliesslich wurden dem Lutherischen Hause noch allerlei Schueler und +angehende Studenten anvertraut, welche in dem Kloster wohnten, assen und +unterrichtet wurden. + +Fuer die eigenen und fremden Kinder wurden nun, bei der grossen +anderweiten Inanspruchnahme Luthers, "allerlei Zuchtmeister und +Praezeptoren" noetig: aeltere Studenten, junge Magister, auch Leute von +gesetztem Alter, welche noch einmal die Universitaet bezogen, um ihre +Kenntnisse zu erweitern oder die neue evangelische Theologie zu +studieren. Sie waren in Luthers Familie Hausgenossen und Tischgesellen, +unterstuetzten auch etwa Luther in seinen Arbeiten, ja auch (wie z.B. +Neuheller) Frau Kaethe in der Wirtschaft und Aufsicht ueber das Gesinde. + +So waren nach und neben einander im Hause als "Schulmeister" und Luthers +Gehuelfen die Nuernberger Veit Dietrich (1529-34) und Besold (1537-42), +Cordatus (1528-31), die Freiberger Hieronymus und Peter Kelter (1530), +Joh. Schlaginhaufen (1531-32), Jodocus Neuheller (Neobulus) (1537-38) +aus Lauterburg, Jakobus Lauterbach (1536-39), Schiefer (1539-41), ein +Franziskus und zuletzt Rutfeld (1546). Diese Praezeptoren hatten sogar +oft wieder ihre eigenen Zoeglinge, welche mit im schwarzen Kloster +wohnten und assen oder auch nur dort unterrichtet wurden. Der Unterricht +begann oft in sehr fruehen Jahren: der junge Hans Luther musste schon mit +vier Jahren tuechtig "lernen", hauptsaechlich wohl lateinisch +sprechen--wie es heute mit dem Franzoesischen geschieht. + +Ausser den Magistern hatte Luther noch Famuli, nicht nur seinen +lebenslaenglichen Diener Wolf, sondern auch andere, wie der "fromme +Gesell", welcher "etliche Jahre treulich, fleissig und demuetig gedienet +hat und altes gethan und gelitten" und 1532 wegzog. Der Famulus diente +bei Tisch, schenkte ein, besorgte Gartengeschaefte, machte Ausgaenge, +schrieb auch fuer Frau Kaethe Briefe[191]. + +Sogar eine Lehrerin wurde nach Wittenberg ins schwarze Kloster berufen: +naemlich im Jahre 1527 hat Luther auch eine Mitschwester Frau Kaethe's, +die ehemalige Nonne und Fluechtlingin von Nimbschen, die "ehrbare, +tugendsame Jungfrau Else von Kanitz" eingeladen auf eine Zeitlang nach +Wittenberg zu kommen. "Denn ich gedacht Euer zu brauchen, junge +Maegdelein zu lehren und durch Euch solch Werk andern zum Exempel +anzufahen. Bei mir sollt Ihr sein zu Hause und zu Tische, dass Ihr keine +Fahr noch Sorge haben sollt. So bitte ich nu, dass Ihr mir solchs nicht +wollt abschlagen." Die Kanitz kam aber nicht. Dafuer erscheint jetzt ein +Fraeulein Margarete von Mochau, wahrscheinlich die Schwester von +Karlstadts Frau, im Klosterhause und wird ihre Stelle vertreten +haben[192]. + +Natuerlich fehlte es bei dem grossen Haushalt auch an sonstigem Gesinde +nicht und da gab es, wie ueberall gute und schlechte, dankbare und +undankbare, getreue und ungetreue Dienstboten. Alle aber wurden zur +"Familie" gerechnet und nahmen an der Hausandacht teil. Und der +abwesende Hausvater verfehlte nicht in seinen Briefen, das "gesamte +Gesinde" gruessen zu lassen. Aber er ermahnt es auch, dass sie im Haus kein +Aergernis gaeben. Oft scherzt er in seinen Briefen ueber Traegheit und +Bequemlichkeit seiner Dienstleute: so wenn er aus Nuernberg Handwerkszeug +bestellt, welches von selber geht, wenn Wolf schlaeft oder nachlaessig +ist, oder einen Kronleuchter, der sich von selber putzt, damit er nicht +zerbricht oder beschaedigt wird von der zornigen oder schlaefrigen +Magd[193]. + +Natuerlich auch Gaeste aller Art verkehrten im Schwarzen Kloster oder +wohnten darin in kuerzerem oder laengerem Aufenthalt, oft monate-, ja +jahrelang: vertriebene oder stellenlose Prediger, fluechtige Fremde, +entwichene Moenche und Nonnen, Besuche und Festgenossen, "armseliges +Gesindlein" und fuerstliche Damen. + +So beherbergte das Lutherhaus 1525 mehrere adlige Ordensschwestern; 1528 +einige Monate lang sogar die Herzogin Ursula von Muensterberg, Herzog +Georgs eigene Base, die mit zwei getreuen Klosterfrauen dem +Nonnenkloster zu Freiberg entflohen war; und zu Pfingsten 1529 wieder +drei Adelige aus demselben Konvent. Ausserdem kamen auch allerlei Moenche, +sogar aus Frankreich, ins Lutherhaus nach Wittenberg, als der +allgemeinen Zufluchtsstaette aller religioes Bedraengten. So hat Herzog +Georg in begreiflichem Zorn, wenn auch mit unwahren Behauptungen, Luther +beschuldigt: "Du hast zu Wittenberg ein Asylum eingerichtet, dass alle +Moenche und Nonnen, so uns unsre Kloester berauben mit Nehmen und +Stehlen, die haben bei Dir Zuflucht und Aufenthalt, als waere Wittenberg, +hoeflich zu reden, ein Ganerbenhaus aller Abtruennigen des Landes"[194]. + +Ja, die Wittenberger Freundinnen des Hauses, Bugenhagens und Dr. A. +Schurfs Frauen, warteten im schwarzen Kloster ihr Wochenbett oder ihre +Krankheit ab[195]. + +Aber auch fuerstliche Gaeste suchten das gastliche Haus der Luther'schen +Eheleute auf. + +Die Kurfuerstin Elisabeth von Brandenburg hatte sich, besonders durch den +Einfluss ihres evangelisch gesinnten Leibarztes Ratzeberger, der +Reformation zugewandt, waehrend ihr altglaeubiger Gemahl Joachim I. streng +darauf sah, dass das Lutherische Gift nicht ueber die saechsische Grenze +herueberkaeme. Da musste er von seiner 14jaehrigen Tochter Elisabeth zu +seinem Schrecken erfahren, dass seine eigene Gemahlin im Berliner +Schlosse heimlich das Abendmahl unter beiderlei Gestalt genommen habe. +Er sperrte die Kurfuerstin ein; das Geruecht ging, er wolle sie einmauern +lassen. Da entwich sie mit Hilfe ihres koeniglichen Bruders Christiern, +der damals landfluechtig in Deutschland umherirrte, samt Dr. Ratzeberger +(Maerz 1528) und floh zu ihrem Oheim Kurfuerst Johann nach Sachsen. Ihren +Wohnsitz erhielt sie auf Schloss Lichtenberg, hielt sich aber oft in +Wittenberg auf und verkehrte viel im Klosterhause mit Luther und Frau +Kaethe; sie stand sogar zu einem der Kinder Gevatter[196]. + +Auch der Fuerst Georg von Anhalt wollte im schwarzen Kloster Aufenthalt +nehmen, um Luthers Umgang und Geist recht zu geniessen. Aber sein +Vizekanzler musste ihm davon abraten, da das Haus zu voll sei. + +So wurde "das Haus des Herrn Doktor Luther von einer buntgemischten +Schar studierender Zoeglinge, Maedchen, alter Witwen und artiger Kinder +bewohnt. Darum herrschte viel Unruhe darin"[197]. + +Da begreift es sich, dass, als der junge Hans anfangen sollte ernstlich +zu lernen, er der groesseren Musse wegen aus dem Hause gethan +wurde--vielleicht nach Torgau. Zu Neujahr 1537 ist der elfjaehrige Sohn +irgendwo auf der Schule, wo er durch seine "Studien" und lateinischen +Briefe dem Vater Freude machte. Dieser erlaubt ihm, namentlich auf +Bitten von Muhme Lene, zu den naechsten Fastnachtsferien nach Hause zu +kommen zu Mutter und Muhme, Schwestern und Bruedern[198]. + +Zu allen Haus- und Tischgenossen im Kloster kamen nun noch die taeglichen +Besuche und Gaeste von Bekannten, Freunden, Verwandten, Amtsgenossen und +Mitbuergern: so aus der Ferne die Geistlichen Amsdorf und Spalatin, +Hausmann und Link, die Hofherren und Ritter Taubenheim und Loeser, Bruder +Jakob oder Schwager Ruehel von Mansfeld, Kaethes Bruder Hans, Abgesandte +aus aller Herren Laender, Staatsmaenner und Kirchenbeamte aus England und +Frankreich, aus Skandinavien und Boehmen, Ungarn und Venedig; Stadtraete +und Buerger von allen saechsischen und deutschen Staedten, wandernde +Magister und fahrende Schueler. Aus Wittenberg selbst verkehrten als +liebe und haeufige Gaeste vor allem Magister Philipp (Melanchthon) und +Frau; die Gaerten der beiden Haeuser waren nicht weit von einander +und--wie man wenigstens heute erzaehlt--ein Thuerlein zwischen beiden +vermittelte den Verkehr der zwei Familien. Gerngesehene Hausfreunde +waren auch der Propst Jonas und seine Gattin; ferner noch andere +Gevattersleute, der Superintendent Bugenhagen, M. Kreuziger, M. Roerer, +der Buchdrucker Hans Lufft, der Meister Lukas Kranach mit seiner Frau +und der alte Meister Claus Bildenhauer oder "Bildenhain", wie Sophiele +Jonas ihn zu nennen pflegte, ein wackerer Kuenstler, der auch manchmal zu +Tische war; von ihm kaufte Luther spaeter einen Garten. Mit ihm, der auch +schon "zu viele Ostereier gegessen", gedachte Luther gern der guten +alten Zeiten[199]. + +Da wurde denn droben in der Familienstube um den grossen Eichentisch oder +unten im Hof unter dem schattigen Birnbaum oder auch wohl vorm +Elsterthor draussen bei dem murmelnden Lutherbrunnen Gesellschaft und +Mahlzeit gehalten und Frau Kaethe musste die Wirtin machen, ihr +treffliches Hausbraeu aufsetzen und auch zu den Kosten der Unterhaltung +ihr Scherflein beitragen. + + + + +8. Kapitel + +Katharinas Haushalt und Wirtschaft[200]. + + +Fuer eine so zahlreiche Haus- und Tischgenossenschaft galt es eine Menge +Gemaecher zu beschaffen und auszustatten; es musste Kueche und Keller in +grossem Massstabe in stand gesetzt werden; es war noetig, Stall und Garten +zu besorgen; es war erforderlich Markt und Einkauf, Rechnung und +Vermoegensverwaltung zu verstehen; und endlich zur Regierung eines so +umfangreichen Hauswesens mit seinen vielen und vielerlei Gliedern, +Tischgaengern und Hofmeistern, Kindern und Gesinde galt es eine weise +Umsicht, aber auch ein strammes Herrschaftstalent zu entfalten. + +Das alles fiel nun der Hausfrau anheim. Denn es waere unmoeglich gewesen, +dass Luther neben den gewaltigen Arbeiten seines Berufs als Prediger, +Seelsorger, Professor, Ratgeber fuer einzelne Personen wie ganze Staedte +und Laender, als Reformator nicht nur Deutschlands, sondern der halben +Christenheit sich um die Hauswirtschaft kuemmern konnte, namentlich eine +so umfangreiche, die allein schon eine ganze Menschenkraft +erforderte[201]. Sodann aber war es des Doktors Anschauung, dass in Haus +und Wirtschaft die Frau zu walten und zu regieren habe: "Das Weib habe +das Regiment im Hause, ohnbeschadet des Mannes Recht und Gerechtigkeit; +dafuer ist es geschaffen. Denn das ist wahr, die haeuslichen Sachen, was +das Hausregiment betrifft, da sind die Weiber geschickter und beredter +als wir." "Ich bin zur Haushaltung sehr ungeschickt und fahrlaessig. Ich +kann mich in das Haushalten nicht richten. Ich werde von meinem grossen +Hauswesen erdrueckt." Vor so etwas hatte er sich schon als Junggesell +gefuerchtet. 1523 sagte er: "Nimmst Du ein Weib, so ist der erste Stoss: +wie willt Du nun Dich, Dein Weib und Kind ernaehren? Und das waehret Dein +Lebenlang; beim ersten Kind denken die Eltern daran, ein Haus zu bauen, +Vermoegen zu erwerben und die Nachkommenschaft zu versorgen"[202]. +Andererseits aber war auch Frau Kaethe so veranlagt und gewillt, dass sie +dies Regiment gerne fuehrte und ihrem Gatten alles das fernhalten wollte, +was ihn in seiner Wirksamkeit hindern und stoeren konnte. Und Luther liess +sich das gerne gefallen. "Meine Frau kann mich ueberreden, wie oft sie +will, denn sie hat die ganze Herrschaft allein in ihrer Hand, und ich +gestehe ihr auch gerne die gesamte Hauswirtschaft zu"[203]. + +So richtete nun Katharina zunaechst das Haus her und ein, und der +Kurfuerst und die Stadt Wittenberg, die Freunde des Hauses und die Eltern +der Kostgaenger stifteten dazu mancherlei Baubedarf und Geraete. + +Das schwarze Kloster war 1502 von Staupitz mit Unterstuetzung des +Kurfuersten gebaut, aber nur zu einem Drittel vollendet worden. Die +Kirche war nur angefangen, die Wirtschaftsgebaeude kaum vorhanden. +Eigentlich war nur das sog. Schlafhaus (dormitorium), die frueheren +Wohnraeume der Moenche fertig, die fuer 40 Menschen reichten. Aber die +Zellen--meist im dritten Stock--waren zahlreich, dagegen klein, und +daher musste wohl manche Wand durchgebrochen und manche auch aufgerichtet +werden. Auf der Gartenseite war ein groesserer Saal (jetzt die Aula) und +ein kleinerer, welche beide von Luther zu Vorlesungen und Hausandachten +benutzt wurden. Ein Zimmer daneben hatte oder erhielt eine Thuere in +Luthers Studierstube. Im oberen Stock wurden die Gelasse zu Gastzimmern +fuer die mancherlei Hausgenossen benutzt. + +Das Erdgeschoss hatte Frau Kaethe zu Wirtschaftsraeumen eingerichtet und +zum leichteren Verkehr mit dem Oberstock eine Treppe in das Zimmer neben +das Schlafgemach fuehren lassen. + +Im Jahre 1539 auf 40 erfreute Frau Kaethe ihren Gatten mit einem sinnigen +Geschenk: aus Pirna liess sie--durch den dortigen Pfarrer +Lauterbach--eine schoengearbeitete Pforte aus weissem Sandstein kommen, +einen Spitzbogen mit huebschen Staeben; auf der einen Seite Luthers +Brustbild, auf der anderen sein Wappen, die weisse Rose mit dem roten +Herzen und schwarzen Kreuz darin, vom goldenen Ring der Ewigkeit umfasst, +und die lateinische Inschrift: "Im Stillesein und Hoffen ruht meine +Staerke." Auf beiden Seiten der Thuere waren zwei Sitze angebracht zum +Ausruhen am Feierabend[204]. + +Der Klosterhof war gegen die Strasse mit einem Zaun abgeschlossen; +spaeter kamen an das Thor zwei Buden, wohl fuer die Bewachung des Anwesens +in der unruhigen und gefaehrlichen Zeit des Festungsbaues, wo die +Stadtmauern am Elsterthor abgerissen und die Stadt allem Gesindel +geoeffnet war[205]. + +An der Westseite des Hofes wurden nun allerlei Wirtschaftsgebaeude +errichtet. + +Eine Braustube war schon im Kloster vorhanden; denn der Kurfuerst hatte +diesem die Braugerechtigkeit fuer 12 "Gebraeude" verliehen; diese ging auf +den neuen Besitzer ueber und wurde von Frau Kaethe selbst ausgeuebt. Das +war ein grosser Vorteil fuer den starken Haushalt; denn das Bier war in +Wittenberg auffaellig teuer: die Kanne kostete drei Pfennige. Aber die +Herstellung des Brauhauses und die Geraete kosteten 150 fl. Eine +Badestube mit Wanne und Staender baute sie nun auch und D. Lauterbach +musste ihr das Baumaterial dazu besorgen. Auch allerlei Viehstaelle liess +sie errichten und hielt Pferde, Kuehe und namentlich Schweine, um +Arbeitskraefte, Milch und Fleisch fuer den Hausbedarf zu haben: Schon 1527 +hatte man einen Stall voll Schweine, mehr als fuenf Stueck; 1542 waren es +zehn und drei Ferkel, so dass ein eigener Schweinehirt gehalten werden +musste; ferner hatte Kaethe mehrere Pferde, fuenf Kuehe, neun Kaelber und +eine Ziege mit zwei Zicklein. Ein Huehnerhof lieferte die noetigen Eier. +Endlich wurden auch noch einige Keller ausgebessert oder neu angelegt, +so der Weinkeller, der neue Keller und der grosse Keller. Bei der +Besichtigung des letzteren kam das Ehepaar fast um's Leben, denn das +Gewoelbe stuerzte hinter ihnen ein, gerade als sie es besichtigt und eben +herausgetreten waren[206]. + +Im Laufe der Zeiten wurden in dem halbfertigen Hause gar mancherlei +Reparaturen noetig und ebenso allerlei Neubauten. So erhielten Johann +Crafft und M. Plato ihre Stuebchen, auch der Sohn Hans, als er +herangewachsen war; Muhme Lene hatte ihr Stueblein mit Kammer und +Schornstein--jedes kostete 5 fl. herzurichten. Die obere Stube und +Kammer kam aber auf 100 fl. zu stehen und die untere auf 40 fl. Ausser +dem grossen Keller, der (mit dem "Schaden" beim Einsturz) auf 130 fl. +gekommen war, wurde noch der neue Keller fuer 50 fl. gebaut und ein +Weinkeller fuer 10 fl. eingerichtet. Endlich wurde noch ein "new Haus" +gebaut, welches 400 fl. kostete. Die Treppe musste zweimal hergestellt +werden und das Dach oefters geflickt[207]. + +Dazu brauchte es manches Tausend Dachsteine (Ziegel) und Backsteine, +auch nicht wenige Tonnen und Wagen Kalk, besonders in den Baujahren +1535-39: 280 Wagen Kalk und 12500 Mauersteine und 1300 Dachsteine und +wieder von beiden Arten zusammen 2600. Freilich, das Tausend +"Dachsteine" kostete nur 40 Groschen, Mauersteine 57 Groschen und der +Wagen Kalk nur 4-5 Groschen. Das lieferte die Stadt, aus der eigenen +Brennerei. Luther machte sie bezahlt durch seine Dienste (unentgeltliche +Predigt und Seelsorge u.a.) und durch Abtretung von Boden an seinem +Klosterhof. Im Jahre 1542 hatte Luther allein 1155 fl. verbaut[208]. + +Spaeter erlebte man im Lutherhause schweren Aerger durch den neuen +Festungsbau. Der Zeugmeister Friedrich von der Gruene war den Lutherschen +offenbar nicht gruen. Er verschuettete nicht nur--mit Luthers +Bewilligung--das untere Gemach, sondern auch ohne Not und Zustimmung das +mittlere, verderbte das Brauthor, bedrohte die Gartenmauer und die +Erdmauer am hinteren neuen Haus. Und wie der Herr, so machten's die +Knechte: die Deichknechte warfen Fenster ein und trieben sonst noch +allerlei Mutwillen. Luther fuerchtete sogar fuer seine geliebte +Studierstube, darin er so viele schwere Stunden mit Studieren und +Anfechtungen erlebt, "daraus er den Papst gestuermet" und seine +wunderbaren Schriftwerke und Episteln in die Welt gesandt. Da musste der +Doktor einen gar zornigen Brief an den Zeugmeister schicken, der +wahrscheinlich seinen Eindruck nicht verfehlte[209]. + +Im Hof, dem ehemaligen Spitalkirchhof, waren die Fundamente der Kirche +angelegt, aber nur der Erde gleichgebracht. Mitten in diesen Fundamenten +stand eine alte Kapelle "von Holz gebaut und mit Lehm beklebt; diese war +sehr baufaellig, war gestuetzt auf allen Seiten. Es war bei 30 Schuhen +lang und 20 breit, hatte ein klein alt rostig Vorkirchlein, darauf 20 +Menschen kaum mit Not stehen konnten. An der Wand gegen Mittag, war ein +Predigtstuhl von alten Brettern, die ungehobelt, ein Predigtstuehlchen +gemacht, etwa 1-1/2 Ellen hoch von der Erde, worauf Luther einst +gepredigt hatte. In Summa, es hatte allenthalben das Ansehen, wie die +Maler den Stall malen zu Bethlehem, darinnen Christus geboren worden." +Erst im Jahre 1542 fiel es der Befestigung zum Opfer; Luther "murrte +aerger darueber als Jona ueber die verdorrte Kuerbisstaude"[210]. + +Der Hof war mit einem Bretterverschlag gegen die Strasse abgeschlossen +und wie der Kirchhof mit Baeumen bepflanzt. Darin liefen Huehner, Gaense, +Enten, Tauben; Singvoegel nisteten im Gebuesch, Spatzen flogen zu und +wurden von einem Huendlein gescheucht[211]. + +Sonst diente er zum Tummelplatz der Kinder, zum Spielplatz und +Kegelschieben. + +Zur Ausstattung des grossen Haushaltes musste gar viel angeschafft und +geschenkt werden. + +Von der Klosterzeit waren noch einige Sachen da: zinnerne Gefaesse und +Kuechen- und Gartengeraete als Schuesseln, Bratspiesse, Schaufeln, freilich +recht verbraucht und schadhaft, keine 20 fl. wert. Das musste bald +ergaenzt und ersetzt werden. So auch der wurmstichige Kasten Dr. +Zwillings in Torgau. Dieser bot einen andern an; Frau Kaethe wundert sich +ueber den hohen Preis, den er kosten solle: 4 Florin, erkundigt sich, ob +er "reinlich" sei, mit einem "Sedel" (Sitzkasten) "fuer leinen Geraet +darin zu legen, da nicht Eisen durchgeschlagen das Leinen eisenmalich +macht"; sonst wollte sie sich einen in Wittenberg machen lassen. Einen +"Schatzkasten" hatte das Ehepaar bereits, nur war er "wohl tausendmal zu +weit" fuer ihren Schatz; 1532 hatten sie nur einen einzigen Becher. Doch +fuellte sich der Schrein allmaehlich mit silbernen Bechern, Ringen, +Denkmuenzen und andern Kleinodien. Auch geerbt hatten sie einen fast zu +koestlichen Pokal, den der Augsburger Buerger Hans Honold dem grossen +Doktor vermachte. Von Nuernberg schenkte der evangelische Abt Friedrich +eine kunstreiche Uhr, die das Lutherische Ehepaar gebuehrend bewunderte; +1529 kam eine zweite (von Link) und 1542 eine dritte dazu. 1536 +schickten die Aeltesten der Maehrischen Brueder ein Dutzend boehmische +Messer[212]. + +Eine staendige Ausgabe machten die Anschaffungen fuer Leinwand, Betten, +Federn, Leuchter in die Schlafkammern; fuer zinnerne Kannen, Schuesseln, +Teller, Becken, Kesseln, Pfannen in die Kueche; fuer Schaufeln, +Grabscheite, Gabeln, "Schupen", Mulden, Radbarn (Schubkarren) in den +Garten; fuer Faesser, "Gelten" (niedere Kuebel), Eimer in Keller und +Waschkueche; fuer Geschirr und Wagen zum Fuhrwerk[213]. + +Das Klosterhaus war bisher zwar im thatsaechlichen Besitze Luthers; aber +eine foermliche Verschreibung hatte er nicht, nur durch muendliche +Abmachung war das Gebaeude mit seinen Gerechtigkeiten ihm vom Kurfuersten +ueberlassen. Diesem hatte es Luther, der letzte Moench des Wittenberger +Augustinerkonvents, als dem juengsten Erben zur Verfuegung gestellt. +Nunmehr aber betaetigte der ihm so wohlgewogene Kurfuerst Johann vor +seinem Tode der Lutherschen Familie den Besitz des Anwesens +vorbehaltlich des Vorkaufsrechtes fuer Staat und Stadt in einer +foermlichen Verschreibung. Die Urkunde besagt[214]: + +"Von Gottes Gnaden Wir Johann Herzog von Sachsen thun kund maenniglich: + +Nachdem der ehrwuerdig und hochgelahrte unser lieber andaechtige Herr M. +Luther D. aus sonderlicher Gnad und Schickung Gottes sich fast vom +Anfang bei unser Universitaet zu Wittenberg mit Lesen in der heiligen +Schrift, Predigen, Ausbreitung und Verkuendung des heiligen Evangelii +u.s.w. bemueht, so haben Wir in Erwaegung des alles und aus unser +selbsteigenen Bewegnis unersucht obgen. D.M. Luther, Katharin seinem +ehelichen Weib und ihrer beider Leibeserben die neu Behausung in unserer +Stadt Wittenberg, welche hievor das "Schwarze Kloster" genannt war, +darinnen D. Martinus seither gewohnt, mit seinem Begriff und Umfang samt +dem Garten und Hof zu einem _rechten freien Erbe_ verschrieben und sie +damit begabt und begnadet als ihr _Eigen_ und _Gut_.... Geben auch +vielgenanntem Doktor und seiner ehelichen Hausfrau aus sonderlichen +Gnaden diese _Freiheiten_, dass sie zu ihrer beider Lebtag aller +buergerlichen Buerden und Last derselben frei sein, also dass sie keinen +Schoss noch andre Pflicht wie Wachen und dgl. davon sollen thun und moegen +gleichwohl brauen, maelzen, schaenken, Vieh halten und andere buergerliche +Handtirung treiben. + +... Zu Urkund ... + +Torgau, 4. Febr. 1532." + +"Es war Wittenberg bis daher eine arme, unansehnliche Stadt mit kleinen +alten haesslichen, niedrigen hoelzernen Haeuslein, einem alten Dorfe +aehnlicher als einer Stadt. Aber um diese Zeit kamen Leute aus aller +Welt, die da sehen, hoeren und etliche studieren wollten." Da wurde nun +freilich gebaut und gebessert. Aber in dem kleinen Staedtchen mit seinen +paar tausend Einwohnern und ebensoviel Studenten waren die alltaeglichen +Beduerfnisse nicht gar leicht zu bekommen. Melanchthon schon beklagte +sich bei seiner Uebersiedlung nach Wittenberg, dass da nichts Rechtes zu +bekommen sei und Luther schreibt selbst: "Es ist unser Markt ein Dr. +----" Dazu war es teuer genug. Und so musste Frau Luther nicht nur einen +Kasten, einen Pelzrock fuer die kleine Margarete nach angegebenem Mass von +auswaerts bestellen, sondern allerlei Beduerfnisse, Saemereien, Stecklinge, +sogar Borsdorfer Aepfel, ja Butter und Kaese musste sie von weither aus +Pirna durch den dortigen Pfarrer Lauterbach oder von Erfurt und Nuernberg +kommen lassen[215]. + +Als Kaethe fuer Luthers Grossnichte die Hochzeit ausrichten sollte (Januar +1542), musste ihr Gatte an den Hof nach Dessau um Wildbret schreiben. +"Hie ist wenig zu bekommen, denn die Menge (der Einwohner) und viel mehr +die Aemter und Hoflager haben schier alles aufgefressen, dass weder +Huehner, noch ander Fleisch wohl zu bekommen, dass, wo es fehlet (am +Wildbret) ich mit Wuersten und Kaldaunen muss nachfuellen." Natuerlich musste +sie auch Mehl kaufen, waehrend Landpfarrer solches zu Kauf anboten, und +Frau Kaethe konnte es sehr verdriessen, wenn ein solcher ihr, weil sie die +Frau Doktorin war, fuer den Scheffel neunthalb Groschen forderte, also +mehr als die Bauern. Und ebenso vermerkte sie uebel, dass die Wittenberger +drei Pfennig fuer ein Kandel Bier begehrten[216]. + +Wie alle Stadtbewohner des Mittelalters, auch die Professoren, Jonas, +Melanchthon u.a.[217], so strebte darum auch Frau Katharina nach +liegenden Gruenden; als ehemaliges Edelfraeulein und Klosterfrau hatte sie +ohnedies eine besondere Neigung zum Grundbesitz, und auch Luther hatte +seine Freude wenigstens an der Natur und der Landwirtschaft. So hielt +man es auch fuer die sicherste Anlage und eigentliches Erbe fuer die +Nachkommen, "Feld und Gut zu hinterlassen", und auch Frau Kaethe "hoffte +zu Gott, er werde ihren Kindern, so sie leben und sich frommlich und +ehrlich halten werden, wohl Erbe bescheren"[218]. Freilich ist der Boden +auf dem rechten Elbufer, wo Wittenberg liegt, wie Luther klagt, drei +Meilen herum, sandige und steinige Heide, so dass bei windigem Wetter +nach dem Witzwort 99 Prozent Landgueter in der Luft herumfliegen. Er +fuhrt den plattdeutschen Spruch im Mund: + + Laendicken, Laendicken + Du bist ein Saendicken! + Wenn ik dik arbeite, + So bist du licht (leicht); + Wenn ik dik egge, + So bist du schlicht; + Wenn ik dik meie (maehe), + So find ich nicht (nichts). + +Ueber diese Wittenberger Gemarkung bemerkte er gegenueber der seiner +Heimat: "In dieser unserer Gegend, welche sandig ist, giebt die Erde in +mittleren Jahren fuer einen Scheffel 7 bis 8, in Thueringen meist 12 und +mehr"[219]. Dennoch erwarben die Luthers bald mehrere Grundstuecke, zwei +Hufen und zwei weitere Gaerten. + +Schon 1531 kaufte Kaethe einen Garten, wie Luther sagte "nicht fuer mich, +ja gegen mich". Es ist wohl derselbe, dessen Kauf sie "mit Thraenen" +durchsetzte, so dass er seinem Freund und ehemaligen Mitbruder Brisger +sein Haeuschen nicht abkaufen, ihm auch kein Geld leihen konnte. Dieser +Garten, an der Zahnischen Strasse gelegen, wurde, scheint es, spaeter +veraeussert; dafuer wurde (um 1536) von Claus Bildenhauer fuer 900 fl. ein +groesserer "Baum-Garten" mit allerlei Gebaeulichkeiten und einem +angestrichenen Zaun erworben. Einer dieser Gaerten lag vor der Stadt an +dem "Saumarkt"; deshalb adressiert Luther Briefe an die "Saumaerkterin", +"auf dem Saumarkt zu finden"[220]. Hier floss die "Rische Bach" und +speiste wohl die "Fischteichlein", welche Frau Kaethe mit allerlei +Fischen, sogar mit edlen Forellen besetzte. Am Hause wurde ferner im +selben Jahre (1536) ein Garten mit Baeumen angelegt, der 400 fl. kostete. +Fuer den Famulus Wolf wurde um 20 fl. ein Gaertlein gekauft, wo er +wahrscheinlich seinen Vogelherd anlegte, mit dem ihn Luther +verschiedentlich neckt. Ferner wurden einige Hufen gekauft am +"Eichenpfuhl"[221]. + +Zwei Jahre vor Luthers Tode kam endlich noch zu Frau Kaethes Wirtschaft +um 375 fl. ein Hopfengarten hinzu, der "an der Specke", einem +Eichwaeldchen auf der nahen Gemarkung des Dorfes Lopez, gelegen war, wo +die Studenten gerne lustwandelten und auch manchen Unfug trieben. Aus +diesem Garten gewann die Frau Doktorin ihren Hopfenbedarf fuer ihr +Klosterbraeu[222]. + +So schaltete und waltete Frau Kaethe im Haus und in ihren Gaerten und +Hufen als "Kuechenmeisterin", "Baeuerin und Gaertnerin", fuhrwerkte, baute +Aecker, kaufte Vieh, weidete Tiere u.s.f. Besonders verlegte sie sich +mit ihrem Gemahl auf die Obstzucht: Kirschen, Pfirsiche, Nuesse, Apfel, +Birnen erntete die Doktorin. Auch mit Rebbau gab sie sich ab, und ihr +Faktotum Pfarrer Lauterbach musste ihr aus Pirna dazu die Pfaehle, allein +10 Schock d.h. 600 Stueck, besorgen; freilich wurde aus den Trauben nicht +Wein bereitet, sondern sie dienten zur Nachkost auf der Tafel. Selbst +mit Feigen- und Maulbeerbaeumen versuchte sie sich. Und als Gemuese +pflanzte sie nicht nur die einheimischen: Kraut, Erbsen und Bohnen, +sondern auch Gurken, Kuerbisse und Melonen, wozu Link aus Nuernberg die +Samenkerne schickte. Mit Erfurter Riesenrettichen wollte Luther seine +Freunde nicht nur in Erstaunen setzen, sondern sie auch selbst gezogen +haben. Frau Kaethe war sehr ungluecklich, wenn Ungeziefer ihr das Gemuese +schaedigten: "denn Raupen im Kohl und Fliegen in der Suppe--ein sehr +nuetzlich und lieblich Vieh!" hiess es da. Aber noch aerger war ihr's, wenn +Studenten, Spatzen und Dohlen ihr in die Gaerten einfielen, und ihr +Gemahl haette gern ein strenges Edikt "gegen die unnuetzen Sperlinge und +Kraehen, Raben und Spechte erlassen, welche alles verderben"[223]. + +In einem der Gaerten waren Bienenstoecke, vor welchen der gruebelnde Doktor +das wunderbare Treiben der fleissigen Tierlein belauschte, die praktische +Hausfrau aber den suessen Ertrag berechnete fuer Met, Suesswein und +Honigkuchen. Im grossen Garten draussen vor der Stadt, hatte Frau Kaethe +ihre Fischteichlein, worin sie Hechte und Schmerle, Kaulbarsche und +Karpfen, sogar Forellen zog und von denen sie bei guter Gelegenheit +etliche "gesotten auf den Tisch brachte und mit grosser Lust und Freude +und Danksagung davon ass", und sie hatte "groessere Freude ueber den wenigen +Fischen, denn mancher Edelmann, wenn er etliche grosse Teiche und Weiher +fischet und etliche hundert Schock Fische faehet"[224]. + +Mit diesen Gaerten waren aber die Guetererwerbungen der Lutherischen +Familie noch nicht abgeschlossen. Zunaechst kam ein unwillkommener Erwerb +hinzu, den Luther aus Gefaelligkeit uebernahm. Es war das kleine Haus +"Bruno", eine "Bude" ohne Gerechtigkeiten und Zubehoer an Garten, +unmittelbar neben dem Kloster, aber vorn an der Kollegiengasse gelegen. +Das hatte Luthers letzter Klosterbruder Brisger fuer sich bauen lassen, +dann aber bei seinem Wegzug dem Pfarrer Bruno Brauer zur Verwaltung +gegeben und Luther oft angeboten; dieser konnte es aber wegen anderer +Kaeufe nicht erwerben, auch forderte Brisger, der von seiner katholisch +gebliebenen Mutter enterbt wurde und, scheint es, in Geldbedraengnis war, +einen zu hohen Preis (440 fl.). Endlich kaufte es Luther als Lehen fuer +seinen Diener Wolf Sieberger bezw. als Leibgedinge fuer seine Gattin, +musste aber den Kaufschilling voellig schuldig bleiben. Der Besitz dieses +Hauses war unwillkommen, weil es erst wieder vermietet werden musste und +mehr Sorgen als Ertrag brachte; es kostete 250 fl. und musste noch um 70 +fl. "geflickt" werden[225]. + +Der Sinn von Frau Kaethe stand viel mehr auf landwirtschaftliche +Besitztuemer, weil diese ihrer nutzbringenden Thaetigkeit mehr +entsprachen. So bekam sie nach einem grossem Pachtgut Verlangen, um +daraus ihre grossen haeuslichen Beduerfnisse zu beschaffen; sie wollte +nicht abhaengig sein von den teuren Lieferanten und stoerrischen Bauern, +welche manchmal eine kuenstliche Teuerung veranlassten. So hatte sie schon +1536 ihren Gevatter, den Landrentmeister Hans von Taubenheim, um +Ueberlassung eines guenstig gelegenen Gutes, Booss, gebeten, hatte es aber +nicht bekommen. Drei Jahre spaeter fing sie aufs neue Verhandlungen mit +Taubenheim an. Ihr Brief lautet in der urspruenglichen Schreibweise so: + +"Gnad vnd fride yn Christo zuuor, gestrenger, ernuester, lieber herr +geuatter. Euch ist wol wissentlich, wie ich E.g. vngeferlich fur dreyen +jaren gebeten, dass myr das gut "_Booss_" myt seynen zugehorungen vmb +eynen gewonlichen zynss zu meyner teglichen hawsshaltung wie eynem andern +mochte gelassen werden, als denn auch meyn lieber herr bey doctor +Brug[226] diselbige zeyt deshalben hat angeregt; ist aber dasselbig mal +vorblieben, dass ichs mecht bekommen, vylleycht dass doselbst nicht loss +ist gewesen von seynem herrn, der es vmb den zynss hat ynnen gehabt. Ich +byn aber unterrichtet, wie der kruger von Brato, welcher es dysse zeyt +ynnengehabt, soll iezund solch gut lossgeschrieben haben, wo solchs also +were, ist meine freuntliche bytte an Euch also mynen lieben gevattern, +wollt myr zw solchem gut fodderlich seyn vmb denselbigen zynss, sso eyn +ander gybt, wyll ichs von herczen gerne annehmen vnd die zynsse deglich +an zwen orth vberychen. Bitte gancz freuntlich, e.g. wolde myr Ewer +gemueth wyder schreyben vnd das beste rathen yn dyssem fall vnd +anzceygen, wo ich etwas hyrin vnbyllichs begert vnd woldet denen nicht +stadgeben myt yrem argkwone, alss ssolde ich solchs gut fur mich odder +meyne kinder erblich begeren, welche gedanken yn meyn hercz nie kommen +synd. Hoffe zu gott, er werde meynen kindern, sso sie leben vnd sich +fromlich vnd ehrlich halten wurden, wol erbe beschern, bytte alleyne, +das myrs ein jar odder zwey vmb eynen zymlichen geburlichen zynss mochte +gelassen werden, damyt ich meyne haushaltung vnd vyhe deste bek(w)emer +erhalten mochte, weyl man alles alhier vfs tewerst kewfen muss vnd myr +solcher ort, der nahe gelegen, sser nuezlich seyn mochte. Ich habe meynen +lieben herrn iczt yn dvsser sachen nicht wollen beschweren, an Euch +zuschreyben, der sunst vyl zu schaffen, ist auch on noth, dass E.g. +solchs meyn antragen ferrer an ymandes odder an m. g'sten herrn wolde +gelangen lassen, ssunder sso Ir solche myne bytte fur byllich erkennet, +dass Irs myt dem schosszer zw Seyda bestellen wolt, dass myr solch gut vmb +eynen geburlichen zynss wie eynen andern mochte eyngethan werden. Domyt +seyet gott bepholen. Gegeben zu Wyttembergk, Montag nach Jubilate ym +1539. jhare. + +Catherina Lutherynu"[227]. + +Wiederum wurde aus der Pacht nichts. Dagegen kam Frau Kaethe im folgenden +Jahre unverhofft zu einem eigenen Hofgut, das sogar ihr persoenlich als +Leibgeding gehoerte und ihr um so werter sein musste, als es der letzte +Rest von dem Erbgut der Bora war, welches sonst der Familie anscheinend +vollstaendig abhanden gekommen war. + +Es war das Guetchen Zulsdorf, das ihr Bruder Hans vor sieben Jahren +uebernommen hatte, aber trotz der Mitgift der Witwe Apollonia von +Seidewitz, die er geheiratet hatte, nicht halten konnte, oder das zu +gering war, um ihn selbst zu ernaehren. Es war freilich weitab von +Wittenberg gelegen, wohl zwei Tagereisen; aber es zog sie doch hin nach +dieser ihrer mutmasslichen einstigen Heimat und ihrem kuenftigen +Witwensitz. So wurde Frau Kaethe die Nachbarin von Amsdorf, dem Bischof +von Naumburg, dem sie jetzt ihren Gruss entbietet als "gnaedigem Nachbar +und Gevatter". Ihr Gemahl that alles, "um die neue Koenigin wuerdig in ihr +Reich einzusetzen" und titulierte sie seitdem als die "Zulsdorferin", +"die gnaedige Frau von Zulsdorf", oder "Ihro Gnaden Frau von Bora und +Zulsdorf"[228]. + +Hier in ihrem, "neuen Koenigreich" und Sondereigentum konnte ihr +unternehmender thatkraeftiger Geist so recht nach Behagen schalten und +walten und ein Neues pfluegen und schaffen. Denn das Guetchen war +verlottert, das Land eine "wueste Mark", die Gebaeulichkeiten baufaellig. +Sie riss nieder, baute, besserte, fuhrwerkte und nahm dabei, wie gewohnt, +auch die Hilfe der Freunde ihres Hauses in Anspruch: der Herr von Ende +musste ihr Hafer und Saatkorn liefern, der von Einsiedel Wagen stellen, +Spalatin ihre Fuhrleute beherbergen. Sie steckte viel Geld hinein, der +Kurfuerst gab ihr Eichenbalken und anderes Holz und 600 fl. +"Begnadigung", aber auch das reichte zum Schmerze Kaethes nicht fuer +Reparatur und Zustandhaltung des heruntergekommenen Anwesens, so dass +Luther im ersten Jahr schreibt: "Sie verschwendet in diesem Jahr dort, +was erzeugt wurde"[229]. + +Dabei hatte die Doktorin allerlei Aerger und Missgeschick: die +Eichenstaemme, die ihr der Kurfuerst aus dem Altenburger Forst angewiesen +und die Luther selbst ausgesucht hatte, liess sie faellen, um sie in +Bretter schneiden zu lassen fuer ein Scheunlein. Als sie aber mit ihrem +Fuhrwerk kam, die Baeume abzuholen, waren sie vom Amtmann verkauft oder +unterschlagen. Und es musste geklagt, von neuem petitioniert und +verhandelt werden, bis wieder Holz angewiesen war und Kaethe die Fuhren +besorgen konnte. Weitere Unannehmlichkeiten erlebte die Gutsbesitzerin +mit den Anliegern von Zulsdorf, den Kieritzscher Bauern, welche ihr das +Weiderecht beeintraechtigten. So hatte sie im Jahre 1541 monatelang vorm +Amtmann Heinrich von Einsiedel zu Borna mit denen von Kieritzsch zu +prozessieren. Das Urteil des Kurfuersten fiel guenstig fuer die +Lutherischen aus; sie "haetten in der Guete wohl mehr um Friedens und +guter Nachbarschaft willen eingeraeumt"[230]. + +Trotzdem verleidete der Doktorin der Besitz nicht. Wochenlang, +namentlich wenn Luther verreist war, hielt sich Frau Kaethe in ihrem +neuen Besitztum auf, so dass ihr der Gemahl manche Epistel dahin +schreiben musste. So im Herbst (13. September) 1541, wo sie vielleicht +mit einigen Kindern Obsternte dort hielt. Da schreibt er: "Meiner lieben +Hausfrauen Kaethe Ludern von Bora zuhanden. + +G.u.F.! Liebe Kaethe! Ich lasse hiermit Urban zu Dir laufen, auf dass Du +nicht erschrecken sollst, ob ein Geschrei vom Tuerken zu Dir kommen +wuerde. Und mich wundert, dass Du so gar nichts her schreibst oder +entbeutst, so Du wohl weisst, dass wir hie nicht ohne Sorge sind fuer euch, +weil Mainz, Heinz und viel vom Adel in Meissen uns sehr feind sind. +Verkaufe und bestelle, was Du kannst, und komme heim. Denn als mich's +ansieht, so will's Dreck regnen, und unsre Suende will Gott heimsuchen +durch seines Zornes Willen. Hiemit Gott befohlen, Amen. + +Sonntags nach Lamperti 1541. + +M. LutheR"[231]. + +Ja noch zu Wittenberg war Kaethe mit ihren Gedanken oft abwesend auf +ihrem Lieblingssitz, so dass ihr Gemahl adressiert: "Der reichen Frauen +zu Zulsdorf, Frauen Doktorin Katharin Lutherin, zu Wittenberg leiblich +wohnhaftig und zu Zulsdorf geistlich wandelnd, meinem Liebchen." Auch +Luther hielt sich manchmal in dem stillen Oertlein zur Erholung auf und +sendet von hier Briefe und Gruesse "von meinem Kaethe und Herrn zu +Zulsdorf"[232]. + +Wohl weil Zulsdorf zu weit abgelegen und zu wenig eintraeglich war, so +wandte in den letzten Jahren Frau Katharina ihre Augen auf das Gut +Wachsdorf bei Wittenberg, eine Stunde davon, jenseits der Elbe auf +fruchtbarem Boden gelegen, mit Hochwald umgeben; freilich etwas sumpfig. +Es gehoerte des [Symbol: gestorben] Dr. Sebald Muensterers Kindern und war +der Erbteilung wegen kaeuflich. Aber es wurde nichts daraus; namentlich +hintertrieb der Kanzler Brueck die Erwerbung. + +Auch der Doktor war mit dieser grossen Ausdehnung der Wirtschaft nicht +mehr recht einverstanden, obwohl er den Hausspruch: "Eigen Wat gut ist +dat" sehr wohl kannte und anerkannte und sagte, alles Gute im Ehestand +sei eitel Segen Gottes was niemand erkenne, "als der Gott fuerchtet und +alles auf dem Markte kaufen muss." Er konnte sich in diese Haushaltung +nicht richten; er meinte, dass die Sorge und Geschaeftigkeit um den grossen +Haushalt sie abziehe, in stiller, gemuetlicher, geistiger Weise sich +selbst zu leben und ihm und ihren Kindern. Auch klagte er gelegentlich +ueber die vielen Dienstboten, welche in dem weitlaeuftigen Hauswesen noetig +waren; so schon 1527 waren mehrere Maegde da, 1534 ein Kutscher, spaeter +sogar ein Schweinehirt. Er meinte: "Ich habe zu viel Gesinde." Mehr +Dienstboten als heutzutage waren ja auch in diesen Zeiten ueblich und +moeglicherweise ist hierin Frau Kaethe etwas weiter gegangen, was wohl mit +der zahlreichen Gesindeschar im Klosterleben zusammenhaengen mochte[233]. + +Aber es ist doch begreiflich, dass die Frau Doktorin darauf bedacht +war, ihre Wirtschaft zu erweitern. Es war nicht allein die +unternehmungslustige Thatkraft der energischen Frau, welche Neues +schaffen und ein grosses Bereich beherrschen wollte, es war auch die +Sorge um die Beduerfnisse des grossen Haushaltes selbst, es war aber ganz +besonders das Streben, die oekonomische Zukunft der nicht kleinen Familie +fuer das Alter, namentlich aber fuer die eigene Witwenschaft und das +Waisentum ihrer fuenf Kinder, zu sichern, indem sie das in Luthers Haenden +gefaehrdete fluessige Geld in festes Gut umwandelte. + +So bestand am Ende der gesamte Besitz der Lutherischen Familie aus einem +Landgut, dem grossen und kleinen Haus, dem Klostergarten, dem +"Baumgarten" auf dem Saumarkt, dem Hopfengarten an der "Specke" und zwei +Hufen Landes. Das war ein ziemlich umfangreicher Besitz, der neben der +grossen und weitlaeufigen Haushaltung gar viel Unruhe verursachte und viel +Zeit und Arbeit kostete, so dass man kaum begreift, woher Frau Kaethe nur +die Zeit nahm, um das alles zu besorgen und zu uebersehen. Und wir +verstehen, dass es ihr manchmal zu viel wurde und sie dem heftigen, +ungeduldigen Mann manchmal nicht rasch genug nachkommen konnte, so dass +er klagt: "Ich bin unter einem ungluecklichen Stern geboren, vielleicht +dem Saturn; was man mir thun und machen soll, kann nimmermehr fertig +werden; Schneider, Schuster, Buchbinder, mein Weib ziehen mich aufs +laengste hin." Aber er muss in derselben Zeit auch die vielgeplagte Frau +noch entschuldigen, wo sie ein Kind an der Brust und eins unter dem +Herzen naehrte: "Es ist schwer zwei Gaeste zu naehren, einen im Haus und +den andern vor der Thuere." Und er erkennt ihre Anstrengungen und Sorgen +auch an: "Mein Wolf hat's besser denn ich und meine Kaethe"[234]. + +Die Frau Doktorin war aber auch ein gar fleissiges Weib. Sie hat in ihrem +Bereich ebenso gewaltig und unermuedlich geschafft und geschaffen, wie +der Doktor in dem seinigen. + +Freilich schon morgens um 4 Uhr im Sommer, um 5 Uhr im Winter, oft auch +noch frueher, stand sie auf, und darum wohl sagte ihr Gatte und ihre +Mitbuerger: "Kaethe von Bora ist der Morgenstern von Wittenberg." Und so +stand sie an der Arbeit bis abends um 9 Uhr, wo der Doktor unerbittlich +zum Schlafengehen draengte. Freilich hatte sie einen kraeftigen, +leistungsfaehigen Koerper und war, im Gegensatz zu ihrem viel kraenklichen +Mann, so gesund, dass fast niemals von einer Erkrankung Meldung +geschieht. Es ist nur einmal die Rede davon, dass sie eines Abends +schwach wurde und ein Fieber bekam, so dass ihr Gatte in Angst geriet und +sagte: "Liebe Kaethe, stirb mir ja nicht." Ein andermal, da D.M. Luther +mit etlichen ueber Tische redete, ging sie in die Kammer und fiel in +Ohnmacht. Aber das war alles voruebergehendes Unwohlsein. Nur _eine_ +Krankheit machte sie durch infolge einer Fruehgeburt; sonst scheint sie +gesund gewesen zu sein bis ins Alter[235]. + +Doch nicht nur unermuedliche Geschaeftigkeit war Kaethes Tugend, sondern +sie verstand es auch, das Hausregiment zu fuehren in Kueche und Keller, im +Brauhaus und Backhaus, in Garten und Feld, in der Kinder- und +Gesindestube, als Mutter und Gattin, als Wirtin und Herrin, als +"Predigerin, Braeuerin, Gaertnerin und was sie mehr sein kann", und mit +Bezug auf sie, die Hausregentin und "Kuechenmeisterin", schrieb Luther an +den Rand seines Hausbuches: + + "Der Frauen Augen kochen wohl + Mehr denn Magd, Knecht und Feuer und Kohl"[236]. + +Freilich Luther selbst war nicht weniger arbeitssam, auch mit +koerperlicher Beschaeftigung; namentlich in den ersten Jahren: er gaertelte +gern und viel, grub, saeete, pfropfte; er drechselte auch auf seiner +eigenen Drehbank. Beides sah gewiss Frau Kaethe gern, nicht nur, weil es +manchen Tagelohn und Handwerksmann ersparte, sondern weil es auch +Luthers Gesundheit zutraeglich war. Weniger Gefallen hatte sie an seiner +aus der Junggesellenzeit heruebergenommenen Neigung, seine Kleider selber +zu flicken. Der Doktor that sich auf diese Kunst viel zu gut und duenkte +darin sich geschickter, wie die deutschen Schneider, welche keine +gutsitzenden Hosen fertig braechten. Da fand Frau Kaethe eines Tags zu +ihrem nicht geringen Staunen und Verdruss ein Paar Hosen ihres Buben, aus +denen ein Stueck herausgeschnitten war: und als sie nachfragte, hatte der +Herr Gemahl den Flicken zum Ausbessern seiner eigenen Hose +verwendet[237]!-- + +Es war ein arbeitsseliges Haus, die ehemalige Staette der +Beschaulichkeit. Droben in der Studierstube der grosse Doktor, der mit +emsiger Gewissenhaftigkeit und dem angestammten Fleiss eines Bauernsohnes +seine Zeit auskaufte fuer die geistliche Haushaltung der Kirche; und +unten die wirtliche Hausfrau, die in echter deutscher Geschaeftigkeit und +Treue sich ihrem Hause widmete, dem Gatten und den Kindern, dem Gesinde +und den Freunden, und deren Stolz und Ruhm es war, alles zu koennen und +alles zu thun. + +So waltete Frau Kaethe in ihrer "Wirtschaft". + + + + +9. Kapitel + +"Wunderliche Rechnung zwischen D. Martin und Kaethe." + + +Ein Grundbesitz, wie ihn das Lutherische Ehepaar am Ende aufwies, zeugte +von nicht geringer Vermoeglichkeit. Woher und wie war nun dieses Vermoegen +zusammengekommen? + +Katharina sowohl wie Luther brachten nichts in die Ehe. Sie waren am +Anfang ihres Hausstandes und noch lange fort vollstaendig vermoegenslos; +erst nach seiner Eltern Absterben (1530-31) erbte Luther eine kleine +Barschaft von 250 fl. Im Jahre 1527 war er noch gaenzlich ohne Besitz, er +war arm und ein Bettler, konnte weder Haus, Aecker, liegende Gruende, +Geld noch Gut seinem Weib und Kind nach sich lassen, wenn er damals +gestorben waere. Denn auch das Klosteranwesen war noch nicht sein +ausgesprochenes Eigentum. "Armut ist mein Irrtum und meine Ketzerei", +sagte er noch 1530; und zwei Jahre darauf hat er nur einen Becher im +Schatzkaestlein. Noch 1534 musste er es ablehnen, fuer ein paar hundert +Gulden das kleine Haus Bruno zu kaufen: er wollte seine Armut nicht +offenbar werden lassen, weil er's fuer unmoeglich hielt, jemals auch nur +die Haelfte einer solchen Summe zusammenzubringen[238]. + +In Ermangelung eines eingebrachte Heiratsgutes war das Ehepaar also auf +die Besoldung angewiesen, welche der Hausvater hatte, und auf den +Verdienst, welchen die Hausmutter von der Bebauung des Gutes und ihrem +Kosttisch zog. + +Die Beamtenbesoldungen waren zu jener Zeit nicht etwa bloss feste +Gehalte, sondern bestanden auch in allerlei Ehrengeschenken, meist in +Naturalien, welche den Angestellten bei besonderen Gelegenheiten und fuer +besondere Dienstleistungen, als Reisen, Gutachten, Berichte, Schriften +u.a., von den Fuersten und Stadtobrigkeiten zuflossen. + +Seit seiner Verheiratung war Luthers Besoldung von einhundert auf +zweihundert Gulden erhoeht worden. Von 1532 ab, unter Kurfuerst Johann +Friedrich, kamen noch jaehrlich 100 Scheffel Korn, 100 Scheffel Malz fuer +zwei Gebraeude Bier, 60 (spaeter 100) Klafter Holz und zwei Fuder Heu +hinzu. Freilich blieben die Lieferungen "aus Unwillen" der Beamten +manchmal aus. Der kurfuerstliche Keller zu Wittenberg stand den +hervorragenden Professoren immer offen. Ausserdem kamen ihm vom Hofe +allerlei Viktualien zu: Wein, Most, Essig, Obst, Fische, Wildbret, +Arzneien, auch Kleider und Tuche. So sendet 1543 der Kurfuerst "zwei Fass, +eins mit altem Wein, das andre mit heurigem gewachsenen Most, Suptezer, +so gut Uns der allmaechtige Gott dies Jahr bescheret hat; den wollet von +Unseretwegen gutwillig annehmen und in Froehlichkeit geniessen". Auch der +Daenenkoenig Christian III. sandte in den letzten Jahren (1543) zuerst +Butter und Heringe; als man aber unterwegs mit dieser "Kuechenspeise +unschicklich umgegangen", wurde die Sendung in ein Geschenk von 50 fl. +verwandelt. Soviel erhielten auch die andern Wittenberger Theologen +Bugenhagen und Jonas: es war ein Ehrensold, den der Fuerst fuer die +Ausbildung seiner Gottesgelehrten an die saechsische Universitaet +zahlte[239]. + +Wenn der Kurfuerst Johann an Luther bei Aufhebung des Klosters den +Hausrat im Werte von 20 fl. und die Kuechengeraete, welche um 50 fl. +verkauft wurden, ueberliess, so war das eine Entschaedigung dafuer, dass er +lange Zeit sein Deputat an Viktualien gar nicht oder nur spaerlich +erhalten hatte. Fuer den Hausrat hatte er "der Kirche und Universitaet mit +Predigen, Lesen, Schreiben u.s.w. die langen Jahre her um Gotteswillen +und umsonst gedient; und fuer die Kuechengeraete hatte er Nonnen und Moenche +(Diebe und Schaelke mitunter) gekleidet, gespeiset und versorget mit +solchem Nutzen, dass ich das Meine und 100 fl., so mir m. gn. H. Herzog +Hans zur Haushaltung geschenkt, gar weidlich zugesetzt habe"[240]. + +Aehnlich waren die Geschenke der Stadt Wittenberg auch nur +Gegenleistungen. So hat der Stadtrat aus seinen Brennereien +Baumaterialien, als Ziegelsteine und Kalk, nicht angerechnet, schenkte +auch sonst eine Jahresgabe oder besondere Erkenntlichkeit, so als +Luther in der Osterzeit jeden Tag gepredigt hatte, einen halben Lachs, +anno 1529 der Frau Doktor in Abwesenheit ihres Mannes 10 Thaler, "weil +man ihm dies Jahr sonst keine Verehrung gethan". Dafuer war Luther ohne +Gehalt bei dreissig Jahre der Stadt Prediger gewesen, hatte auch oftmals +noch Bugenhagen auf kuerzere oder laengere Zeit, einmal sogar, als jener +auswaerts reformierte, zwei Jahre lang (1535-37) vertreten. Auch musste +Luther auf seine Kosten "zu ihrer Kirche Dienst und Nutz" Diener halten, +ohne dass der "gemeine Kasten" etwas fuer sie beitrug. Ferner trat Luther +einen grossen Raum vorm Klosterhof umsonst an die Stadt ab, gestattete +auch, dass sein ganzes Anwesen nach seinem Tode und das Nebengebaeude auch +bei seinen Lebzeiten unter das Buergerrecht gestellt wurde, waehrend es +vorher ganz frei gewesen. Ebenso wollte Luther, als der Kurfuerst 1542 +eine Tuerkensteuer ausschrieb, obgleich er grundsteuerfrei war, doch des +Beispiels wegen auch geschatzt sein[241]. + +Trotz solcher Gegendienste, welche mittelbar oder unmittelbar +"Geschenke" veranlassten, nahm doch Luther solche nicht ohne Wahl und Mass +an. Er lehnte nicht nur das Hochzeitsgeschenk des Mainzer Erzbischofs +ab, er wies auch eine Gabe des Kurfuersten zurueck, weil er wisse, "dass +der hohe Herr des Gebens viel habe und zu viel den Sack zerreisse". +"Bitte derhalben Ew. Kurfuerstliche Gnaden wollten harren, bis ich selber +klage und bitte, auf dass ich durch solch Zuvorkommen Eurer Kurf. Gnaden +nicht scheu werde fuer andre zu bitten, die viel wuerdiger sind solcher +Gaben"[242]. + +Und ferner: "Ich will Ew. Kurf. Gn. unterthaeniglich bitten, nicht zu +glauben denen, die mich angeben, als habe ich Mangel; ich habe leider +mehr, sonderlich von Ew. K. Gn., denn ich im Gewissen vertragen +kann"[243]. + +Auch seine Freunde schilt er oft, dass sie des Schenkens zu viel +machen[244]. + +Wenn er Sommers von einem Pfarrherrn oder Schultheissen aufs Dorf zu +Gaste geladen wurde, so kam er gern mit einem Tischgesellen und hielt +eine Predigt. Aber er brachte allewege Speise und Trank fuer sich und +seine Begleiter mit, die ihm daheim Frau Kaethe zubereitet und in den +Wagen gepackt hatte[245]. + +Einem wegziehenden Famulus wuerde er gerne zehn Gulden geben, wenn er +sie haette; aber unter fuenf Gulden soll ihm seine Frau nicht geben und +was sie darueber kann geben, bittet der Doktor sie, das solle sie +thun--also bis auf den letzten Gulden mutet er der Hausfrau zu sich zu +entbloessen und doch traegt er der Frau gleichzeitig auf, ein Mitbringsel +fuer die Kinder zu kaufen, weil er selbst in Torgau nichts Sonderliches +faende[246]. + +Fuer seine Vorlesungen nahm Luther von den Studenten keine +Kollegiengelder. Ja, auch von seinen Schriften nahm er kein Honorar: 400 +fl., die ihm ein Buchdrucker jaehrlich fuer den Verlag seiner Schriften +anbot, schlug er aus, auch die 1000 fl., welche Melanchthon ihm fuer die +Ausarbeitung des deutschen Aesop versprach. Eine Kure im Silberbergwerk +zu Schneeberg, welche ihm der Kurfuerst fuer seine Bibeluebersetzung 1529 +schenken wollte, wies er ab: er wollte von der Welt seine geistige +Arbeit nicht bezahlt haben und wie Paulus mit dem Gotteswort nicht +Handel treiben[247]. + +Bei einer solchen Gesinnung und Handlungsweise ist es begreiflich, dass +die praktische Frau Kaethe auch einmal ueber ihren Doktor mit seiner +Geldverachtung seufzte. Als der gleichfalls wenig haushaelterische +Meister Philipp Melanchthon einmal bei Luther speiste und im Gespraech +ueber den Weltlauf von einem Magister sprach, welcher dem Geiz ergeben, +ein sehr gutes Urteil ueber gute und schlechte Gulden habe, bemerkte die +Doktorin: "Wenn mein Gemahl solchen Sinn haette, wuerde er gar reich +sein." Melanchthon meinte darauf: "Das kann nicht sein, denn die +Geister, welche fuer die Allgemeinheit arbeiten, koennen sich ihren +Privatangelegenheiten nicht hingeben"[248]. + +Den nicht gerade ausserordentlichen Einnahmen Luthers standen nun aber +gewaltige Ausgaben gegenueber. Zunaechst einmal fuer die ausgedehnte +Haushaltung; dann aber auch fuer andere Zwecke und Anschaffungen. Einen +interessanten Einblick in diese Dinge gewaehren die Aufzeichnungen +Luthers in seinem Haushaltungsbuch. Da ist[249] eine + +"Wunderliche Rechnung gehalten zwischen Doc. Martin und Kaethe + + 1535 + Anno ---- + 1536 +das waren zwei halbe Jahr. + 90 fl. fuer Getreide + 90 fl. fuer die Hufen + 20 fl. fuer Leinwat (Leinwand) + 30 fl. fuer Schweine + 28 fl. Muhme Lene gen Borna(u) + 29 fl. fuer Ochsen + 10 fl. Valt. Mollerstet bezahlt + 10 fl. Geleitsmann " + 8 Thaler M. Philipp " + 40 fl. fuer Gregor Tischer " + 26 fl. Universitaet " + ------- +Zus. 389 fl. ausser andern Viktualien. " + +Diese "andern Viktualien" waren Gemuese, Fleisch, Fisch und Gefluegel, +Obst und Kolonialwaren, Getreide und Hopfen, Brot und Semmel, Oel und +Talg, Butter und Honig, Wein und Bier. + +Dann hiess es: "Gieb Geld fuer Hanf und Flachs, Garn und Wachs, Naegel und +Haken, allerlei Geschirr und Geraete in Stube, Kueche, Keller, Garten; fuer +Wagen und Geschirr." + +"Gieb Geld" forderten auch 29erlei Handwerker, ferner Buchfuehrer +(Buchhaendler), Arzt, Apotheker und Praezeptor, Knechte, Maegde, Hirten, +Knaben und Jungfern, Braeute und Gevattern, auch Bettler und--Diebe[250]. + +Ausgaben gab es dann fuer manche Patengeschenke, Hochzeiten und +Gastungen, Geschenke zu Neujahr, Jahrmarkt und S. Niklas. Endlich kamen +die "grobe Stueck: Hochzeit machen fuer Sohn, Tochter, Freundin; dem +Kraemer fuer Seiden, Sammet und Wurze"[251]. + +Im ganzen waren es 135 Dinge, fuer welche Frau Kaethe stets die Hand +ausstrecken und "Gieb Geld" sagen musste. + +Unter diesen Ausgaben machen namentlich die Ehrengeschenke und +Wohlthaten einen grossen Posten aus; sie gehoerten bei Luther zu den +besonders "groben Stuecken". Ausser den Gastungen gehoeren namentlich die +Patengeschenke und Hochzeiten hierher; Luther und Frau Kaethe standen +zahllose Male zu Gevatter, denn in Wittenberg waren bei jedem Kinde +viele Paten ueblich, und fuer jeden kostete es einen Silberbecher oder +eine grosse Muenze. Die Hochzeiten und Hochzeitsgeschenke waren eine grosse +Last. So klagt Luther (1543) am Ende selber: "Die taeglichen Hochzeiten +hier erschoepfen mich"[252]. Luthers Mildtaetigkeit kannte keine Grenzen. +Er sprach als Grundsatz aus: "Wer gerne giebt, dem wird gegeben; das +erhaelt das Haus, darum, liebe Kaethe, haben wir nicht mehr Geld, so +muessen die Becher daran." Und demgemaess handelt er. Wie viele andere +Theologen und sonstige gutmuetige Menschen (auch Melanchthon) gab er +Beduerftigen und Bittenden ueber Gebuehr und Vermoegen, und gar oft an +Unwuerdige, so dass er erst durch "boese Buben witzig gemacht" wurde. Er +gestand spaeter (1532) selbst seiner Frau: "Denke, wie oftmals wir haben +boesen Buben und undankbaren Schuelern gegeben, da es alles verloren +gewesen ist." Wie weit er in seiner Gutherzigkeit ging, moegen von vielen +nur zwei Beispiele zeigen: Einem armen Studenten schenkt der Doktor, +weil kein Geld im Haus ist, einen silbernen Ehrenbecher, und als er +merkte, wie Frau Kaethe ihm abwinkt, drueckt er ihn schnell zusammen und +schickt den jungen Menschen damit zum Goldschmied; was er dafuer loese, +solle er behalten, er brauche keinen silbernen Becher. Ja, als seine +Frau im Wochenbett liegt, geraet er gar ueber das Patengeschenk seines +juengsten Kindes, um einen bedraengten Beduerftigen nicht mit leerer Hand +gehen zu lassen, und meinte: "Gott ist reich, er wird anderes +bescheren"[253]. + +Das gesamte, so wenig berechnende Verhalten Luthers erklaert sich +einerseits aus seiner allem Eigennutz abgeneigten Natur und seinem +grossartigen Gottvertrauen, andrerseits aber auch aus dem Mangel an +Berechnung, welche dem weltentfremdeten Moench aus seiner Klosterzeit +noch anhaftete; dies musste aber bei einem "weltlichen" Haushalt +naturgemaess dazu fuehren, dass Einnahme und Ausgabe bald nicht mehr im +richtigen Verhaeltnis zu einander stand. So hatte das junge Paar im +zweiten Jahre seiner Ehe ueber hundert Gulden Schulden, so dass Luther +seinem Freunde und ehemaligen Klostergenossen Brisger keine acht Gulden +vorstrecken konnte. "Woher soll ich's nehmen?" fragt er. "Durch meinen +schweren Haushalt und meine Unvorsichtigkeit ist es so gekommen. Drei +Becher sind fuer 50 fl. verpfaendet. Dazu kommt, dass Lukas (Cranach) und +Christian (Aurifaber, Goldschmied) mich nicht mehr als Buergen zulassen, +denn sie merken, dass sie so (durch meine Buergschaft) auch nicht besser +daran sind oder ich ausgebeutelt werde. Ich habe ihnen jetzt auch den +vierten Becher gegeben, welchen sie dem fetten H. geliehen haben." Dabei +kommt ihm aber noch nicht in Sinn, wo der Rechnungsfehler stecke. Er +klagt: "Wie kommt's, dass ich allein so ausgesaugt werde? nein, nicht nur +ausgesaugt, sondern sogar in Schulden verstrickt?" Sogar noch 1543 klagt +er dem allerdings etwas habsuechtigen Jonas gegenueber, der von ihm bei +seiner zweiten Verheiratung wohl ein "fettes Hochzeitsgeschenk" +erwartete: "Du kennst meine Duerftigkeit und meine Schuldenlast".[254] + +Einmal fing er auch an zu rechnen--am Kleinen, ans Grosse dachte er +nicht. Da brachte er heraus, dass er allein jaehrlich fuer Semmeln 31 +Groschen 4 Pfennig brauche; dazu noch der Trank mit 4 Pfennig taeglich +und das Uebrige--eine Summe, die ihm zu gross war, und er schliesst: "Ich +mag nie mehr rechnen, es macht einen gar verdrossen. Ich haette nicht +gemeint, dass auf einen Menschen so viel gehen sollte"[255]. + +Dennoch stellte er 1536 eine Generalrechnung an fuer "grobe Stueck" und +brachte da allein 389 fl. Ausgaben heraus in zwei halben Jahren, ohne +die Viktualien u.a. Er schloss diese Zusammenstellung ab mit dem Seufzer: +"Rat, wo kommt dies Geld her? Sollt das nicht stinken und Schuld +machen[256]?" + +Und als Luther im Jahre 1542, wo er sein "Testament" machte, seine +Ausgaben zusammenstellte und seine Einnahmen dagegen hielt, schliesst er: +"Ich habe eine wunderliche Haushaltung, ich verzehre mehr als ich +einnehme; ich muss jedes Jahr 500 Gulden in der Haushaltung in die Kueche +haben, zu geschweigen der Kleider, anderer Zierat und Almosens, da doch +meine jaehrliche Besoldung sich nur auf 200 Gulden belauft." Dazu +schreibt er im Haushaltungsbuch neben anderen ernsten und launigen +Reimen den Stossseufzer: + + "Ich armer Mann! So halt ich Haus; + Wo ich mein Geld soll geben aus, + Beduerft ich's wohl an sieben Ort + Und fehlt mir allweg hier und dort"[257]. + +Da war es freilich begreiflich, dass manchmal die Fleischer und Fischer +von Wittenberg "grob" wurden und mit "ungestuemen Worten der Frau" +gegenueber ihre Schuld forderten. "Die Doktorin" half sich dann wohl +damit, bei "Philipp Melanchthon 20 Thaler zur Haushaltung zu leihen". +Und dann sprang etwa der Kurfuerst ein, wenn er's durch den Kanzler Brueck +erfuhr[258]. + +Diese "wunderliche Haushaltung" Luthers wurde in sehr Natur- und +sachgemaesser Weise geregelt durch die Hausfrau. Die "wunderliche Rechnung +gehalten zwischen Doktor Martin und Kaethe", mit ihrem staendigen Defizit, +wurde in Ordnung gebracht durch diese gute Rechnerin und sparsame und +erwerbsame Haushaelterin. Frau Kaethe brachte einen Ausgleich zwischen +Soll und Haben: sie verminderte die Ausgaben, vermehrte die Einnahmen, +sie bezahlte die Schulden und erwarb ein Vermoegen. + +Eines der ersten Ereignisse in dem neuen Haushalt ist eine lustige +Familienszene, welche die gutmuetige Verschwendung des Eheherrn und die +listige Sparsamkeit der Gattin zeigte. Es hatte naemlich das Ehepaar ein +huebsches Glasgeschirr mit Zinnverzierung von Hausmann geschenkt +bekommen; das haette Frau Kaethe selbst gerne behalten, Luther aber an den +D. Agrikola, damals noch sein lieber Freund, der auch darnach Gelueste +hatte, verschenkt. Luther hatte es gemerkt, wie sie darauf gelauert, und +wollte es kurz machen. Er hatte schon den Brief dazu geschrieben; als er +aber das Geschenk dazu packen wollte, war es fort: Frau Kaethe hatte es +abhanden kommen lassen und die Hausfreunde D. Bugenhagen und D. Roehrer +hatten sich mit ihr verschworen und ihr dabei geholfen. So musste sich +Luther in einer Nachschrift entschuldigen, dass er das Glas nicht +mitschicken koenne; seiner insidiatrix Ketha (der hinterlistigen Kaethe) +gegenueber sei er ohnmaechtig; er denke aber das Glas spaeter doch noch +einmal zu erwischen. Kaethe aber hielt es fest wie ein bissiger +Kettenhund[259]. Sie brachte etwas strengere Ordnung in die Gesellschaft +der jungen Studenten und in ihre Hausrechnung, so dass M. Veit Dietrich +sich ueber sie beklagte und sein Landsmann und Nachfolger im Haus und am +Tisch Frau Kaethes sie als stramm und knauserig beschrieb, "die alles zu +Rat gehalten und bei den Tischgenossen auf noetige Bezahlung +gedrungen"[260]. Auch Kanzler Brueck warf ihr in feindseliger Stimmung +Knauserigkeit in der Haushaltung vor. Von Luther und andern hoeren wir +dagegen hierueber keine Klagen; und dass der Zudrang zu ihrem Kosttisch +von alt und jung ein grosser und nicht zu befriedigender war, ist der +beste Beweis fuer die Uebertriebenheit jener Vorwuerfe. Aber ihre loebliche +Sparsamkeit und haushaelterisches Zuratehalten weiss ihr Gemahl wohl +anzuerkennen. Er sagt: "Das Weib kann den Mann wohl reich machen, aber +nicht der Mann das Weib. Denn der ersparte Pfennig ist besser denn der +erworbene. Also ist raetlich sein (zu rate halten) das beste +Einkommen"[261]. Und in sein Haushaltungsbuch schrieb Luther den +Sinnspruch: + + Es gehoert gar viel in ein Haus. + Willst Du es aber rechnen aus, + So muss noch viel mehr gehn heraus. + Des nimm ein Exempel, mein Haus[262]. + +So hoerte er mit Rechnen auf und ueberliess das seiner "raetlichen" und +wirtlichen Hausfrau, und wenn er selbst nicht wusste, woher nehmen, so +schrieb er seiner Kaethe: "Sieh, wo Du's kriegst"[263]. + +Und Kaethe sah, wo sie's kriegte. Sie war nicht so heikel, wie Luther, +Verehrungen anzunehmen. Waehrend sie Freund Link von einem +Hochzeitsbecher absolviert, hat sie die von Luther zurueckgewiesen 20 +Goldgulden des Mainzer Erzbischofs hinter seinem Ruecken doch behalten. +Mit besserem Gewissen empfing sie die Faesslein Kaese von der Herzogin +Elisabeth von Braunschweig und ebenso ein Kaesegeschenk von Mykonius, dem +Stadtpfarrer in Gotha. In Notfaellen wandte sich Frau Kaethe auch einmal +an die kurfuerstliche Kaemmerei, so waehrend Luthers Aufenthalt auf der +Koburg um 12 Scheffel Roggen. Kaethe nahm ueberhaupt das Gehalt ein und +verrechnete es, so dass es nicht mehr hiess wie in Luthers +Junggesellenwirtschaft (1523): "Wir leben von einem Tag zum andern." Sie +scheute sich nicht, die saeumigen Kostgaenger an ihre Schuldigkeit zu +mahnen[264]. Ja es wird erzaehlt, dass sie in spaeterer Zeit durch Freunde +und Kostgaenger des Hauses Anschaffungen machen liess, wofuer sie die +Bezahlung vergessen habe, weil sie sich wohl fuer Dienste ihres Mannes +dadurch bezahlt machte. Jedenfalls nahm sie auch die Dienste anderer in +Anspruch fuer Gefaelligkeiten, welche ihr Mann ihnen erwies: hatte Luther +dem Freund Pfarrer Spalatin eine Vorrede zu einem Buche geschrieben, so +muss sich dafuer Spalatin in Altenburg ihrer Fuhrleute und Arbeiter +annehmen, die sie nach Zulsdorf schickt; und Lauterbach, der in ihrem +Hause als Kostgaenger und Nachschreiber von Luthers Tischreden allerlei +Vorteile und Freundlichkeiten genossen, hat zum Entgelt der Doktorin +allerlei Besorgungen zu machen[265]. + +Aber das Beste that doch Frau Kaethe selber: Sie zuechtete und maestete +Tiere, melkte und schlachtete, gewann Butter und Honig, Kaese und Eier; +sie pflanzte Obst und Fruechte, Gemuese und Wuerzkraeuter; sie baute +Getreide, buk Brot und braute das Bier fuer den grossen Haushalt, so dass +das kleine Soehnchen, als Luther es einmal fragte, wie viel Kostgeld es +eigentlich zahlen muesste, sagen konnte: "Ei Vater, Essen und Trinken +kauft Ihr nicht; allein Aepfel und Birnen", meinte der Kleine, "gestehen +viel Geld"[266]. Fuer Obst konnte also Frau Kaethe damals nicht aufkommen, +weshalb sie dann auch endlich den Ankauf des Baumgartens von Bildenhauer +betrieb. Ebenso trachtete sie nach den Hufen und dem Hopfengarten, so +dass nach den grossen Ankaeufen von 1536 die schweren Haushaltsausgaben +geringer wurden und die Posten "Gieb Geld" immer weniger. Hatte Luther +am Anfang seiner Ehe den Stossseufzer gethan: "Der Herr, der meine +Unvorsichtigkeit straft, wird mich wieder erloesen"--von den Schulden, so +kann er am Ende derselben in seinem sogenannten "Testament" (1542) +schreiben: "Ich habe von meinem Einkommen und Geschenken so viel gebaut, +gekauft, grosse und schwere Haushaltung gefuehrt, dass ich's muss neben +anderm selbst fuer einen sonderlichen, wunderlichen Segen erkennen, dass +ich's habe koennen erschwingen." Das "andere" neben dem goettlichen Segen, +war eben das haushaelterische Talent seiner Gattin; sie hatte ihn von +seinen Schulden wieder erloest, ja das Weib hatte nach seinem Spruch den +Mann "reich" gemacht. Und so bezeugt er ihr mit "seiner Hand" im +Haushaltungsbuch: "Was sie jetzt hat, das hat sie selbst gezeuget +(errungen) neben mir"[267]. + +Ein Vermoegen zu erwerben oder gar reich zu werden, daran dachte Luther +nicht, ja er wollte es nicht. "Mir gebuehret nicht als einem Prediger, +Ueberfluss zu haben, begehre es auch nicht", erklaerte er. Ihm duenkte, +"dass das lieblichste Leben sei ein mittelmaessiger Hausstand, Leben mit +einem frommen, willigen, gehorsamen Weibe in Fried und Einigkeit und +sich mit wenigem lassen begnuegen"[268]. + +Ja nicht einmal fuer seine Kinder gedachte er ein Vermoegen anzulegen. Er +segnete seiner Kindlein eins, das eine Muhme auf dem Arme trug und +sprach: "Gehe hin und bis fromm. Geld will ich Dir nicht lassen, aber +einen reichen Gott will ich Dir lassen. Der mir Dich nicht versaeume. Bis +nur fromm! Da helf Dir Gott zu." Und als ihn jemand ermahnte, er moechte +wenigstens zum Besten seiner Familie ein kleines Vermoegen sammeln, da +gab er zur Antwort: "Das werde ich nicht thun; denn sonst verlassen sie +sich nicht auf Gott und ihre Haende, sondern auf ihr Geld"[269]. Diesen +doch wohl allzu theologischen, ja moenchischen Standpunkt ergaenzte der +praktisch nuechterne Sinn Katharinas, welche gerade darauf aus war, ihren +fuenf noch unversorgten Kindern ein Erbe zu erwerben; denn sie erkannte +besser als wie Luther, dass nach dessen Tod die Gebefreudigkeit der +Fuersten und Freunde wohl abnehmen werde mit dem Wegfall der grossen +Vorteile, welche der lebendige Reformator seinem Land und seiner Stadt +und seinen Freunden verschaffte. So brachte sie es in der That zuwege, +dass den Kindern doch ein ganz ansehnliches Familiengut uebrig blieb[270]. + +"Das Lob eines tugendsamen Weibes"--nicht nur in der Bibel hat es Luther +uebersetzt, sondern auch bei Tisch und sonst oft angefuehrt und auf seine +Kaethe bezogen, so dass es--erweitert mit Zusaetzen--unter den Tischreden +steht, wie ein Lob auf seine Hausfrau: "Der Mann verlaesst sich auf sie +und vertraut ihr altes. Da wird's an Nahrung nicht mangeln. Sie arbeitet +und schafft gern mit ihren Haenden, zeuget ins Haus und ist wie ein +Kaufmannsschiff, das aus fernen Landen viel War' und Gut bringt. Fruehe +stehet sie auf, speiset ihr Gesinde und giebt den Maegden ihr beschieden +Teil. Sie denkt einem Acker nach und kauft ihn und lebt von der Frucht +ihrer Haende. Sie verhuetet Schaden und siehet, was Frommen bringt. Ihr +Schmuck ist, dass sie reinlich und fleissig ist"[271]. + + + + +10. Kapitel + +Haeusliche Leiden und Freuden. + + +Es war ein schwerer Haushalt, den Frau Kaethe zu fuehren hatte, wenn man +auch nur der wirtschaftlichen Sorgen in Haus und Hof, in Kueche +und Keller, im Garten und auf dem Felde gedenkt. Aber noch +bewunderungswuerdiger wird ihre Leistungsfaehigkeit, wenn man alle die +Menschen in Betracht zieht, die als Kinder und Gesinde, als Tisch- und +Hausgenossen taeglich und stuendlich Anspruch an ihre Fuersorge machen in +Wohnung und Kleidung, in Speise und Trank, in Erziehung und Zucht--ganz +abgesehen von den Gaesten und Freunden, die im Schwarzen Kloster ein und +ausgingen. Eine so ueberaus grosse Familie verursachte aber nicht nur viel +Muehe und Arbeit, sondern brachte auch einen mannigfaltigen Wechsel von +Freud und Leid ins Haus. So erlebte Frau Kaethe in wenigen Jahrzehnten +Krankheiten und Feste, Hochzeiten und Todesfaelle nach einander und oft +neben einander. + +Gleich im zweiten Jahre ihres Ehestandes hatte die Doktorin schwere +Zeiten durchzumachen[272]. + +Frau Kaethe wurde durch einen heftigen Krankheitsanfall ihres Gemahls +erschreckt, wie sie es in dieser Heftigkeit noch nicht an ihm erlebt +hatte, wiewohl er schon mehrmals Schwindelanfaelle erfahren. Eine +entsetzliche Angst und Beklemmung ging dem Anfall voraus. Samstags 6. +August morgens fuehlte er am linken Ohr und Backen ein ungestuemes Sausen +und Brausen wie Windsbraut und Meeresbrandung, so graesslich und +unertraeglich, dass er es nur einer satanischen Einwirkung zuschreiben +konnte. Es ging gottlob rasch vorueber. Aber er fuerchtete, dies sei +vielleicht der Vorbote eines noch schwereren, toedlichen Anfalls, darum +schickte er um 8 Uhr seinen Diener Wolf zu seinem Beichtvater +Bugenhagen, dieser moege eilend kommen. Bugenhagen eilte erschrocken ins +Kloster, fand aber da den Doktor in "gewoehnlicher Gestalt" bei seiner +Hausfrau stehen. Warum er ihn habe rufen lassen? "Um keiner boesen Sache +willen", erwiderte Luther, ging mit ihm hierauf abseits, beichtete und +begehrte fuer den folgenden Tag zum Abendmahl zu gehen. + +Mittlerweile war es schier Zeit geworden zum Mittagsmahl (d.h. um 10 +Uhr). Und weil Luther und Bugenhagen von etlichen Adeligen, Max von +Wallefels, Hans von Loeser u.a. zu Gaste geladen war, forderte ihn +Bugenhagen auf, mitzukommen, indem er hoffte, die Zerstreuung sollte ihm +gut thun, wenn er nicht einsam daheim sitze, sondern mit Menschen +verkehre. Luther schlug es ab. Aber Bugenhagen steckte es hinter Frau +Kaethe, und diese brachte Luther dazu, hinzugehn in Paul Schultheiss' +Gasthof. Dort ass und trank er, aber sehr wenig, und unterhielt die Gaeste +mit angemessener Froehlichkeit. Um zwoelf Uhr stand er auf und ging in D. +Jonas Gaertlein hinter dem Hause und unterhielt sich da zwei Stunden mit +dem Stiftspropst. Beim Weggehen lud er Jonas und seine Frau ein, sie +sollten auf den Abend mit ihm essen. + +Recht angegriffen kehrte Luther zurueck ins Kloster und legte sich ins +Bett, um sich zu erholen. Als um 5 Uhr die Jonischen kamen, lag er noch +und die Frau Doktorin bat die Gaeste, sich die Weile nicht lang sein zu +lassen, und so sich's ein wenig verzoege, es seiner Schwachheit +zuzurechnen. + +Nach einer Weile kam der Doktor herunter, um die Abendmahlzeit gemeinsam +mit den andern zu halten. Er klagte wieder ueber grosses unangenehmes +Brausen und Klingen des linken Ohrs. Das wurde ueber Tisch heftiger, er +musste aufstehen und zog sich, begleitet von Jonas, hinauf in seine +Schlafkammer zurueck; die Doktorin folgte, hatte aber noch unten an der +Treppe den Maegden zu befehlen. Da, als Luther gerade ueber die Schwelle +der Schlafkammer trat, ueberkam ihn ploetzlich eine Ohnmacht: "O Herr +Doktor Jona", rief der Kranke, "mir wird uebel; Wasser her, oder was Ihr +habt, oder ich vergehe." Er sank leblos hin. Jonas erwischte erschrocken +und behend einen Topf mit kaltem Wasser und goss es dem Ohnmaechtigen ueber +Kopf und Ruecken. Er kam wieder zu sich und fing an zu beten. + +Indem kommt auch die Doktorin hinauf; da sie nun sah, dass er so +hinfaellig und schier tot war, entsetzte sie sich sehr und rief laut den +Maegden. Dann schickte sie zum Hausarzt Dr. Augustin Schurf und zu dem +Hausfreund Bugenhagen. Mittlerweile zogen sie dem Kranken die Kleider +aus und legten ihn auf den Ruecken. Er war sehr matt und voellig kraftlos. +Frau Kaethe und Jonas rieben und kuehlten ihn, gaben ihm Labsal und +thaten, was sie konnten, bis der Arzt kam. + +Da der Doktor so eiskalt und leblos war, so verordnete Schurf dem +Kranken warme Tuecher, Kleider und Kissen, die man immer ueber dem +Kohlenfeuer waermte, aufzulegen auf Brust und Fuesse, liess auch seinen Leib +reiben, troestete ihn auch und hiess ihn hoffen, es wuerde, ob Gott will, +auf diesmal keine Not haben. Dann kam auch um 6 Uhr Dr. Pommer, und die +Freunde mahnten den Patienten, er solle mit ihnen dafuer beten, dass er +moege leben bleiben, ihnen und vielen zum Trost. Da antwortete er: "Zwar +fuer meine Person waere Sterben mein Gewinn; aber im Fleische laenger +leben, waere noetig um vieler willen. Lieber Gott, Dein Wille geschehe." + +Da aber die Ohnmacht wieder zunahm, betete er wieder um Erbarmen. Dann +sagte er zu seiner Hausfrau: "Meine allerliebste Kaethe, ich bitte Dich, +will mich unser lieber Gott auf diesmal zu sich nehmen, dass Du Dich in +seinen gnaedigen Willen ergebest. Du bist mein ehrlich Weib, dafuer sollst +Du Dich gewiss halten und gar keinen Zweifel daran haben. Lass die blinde, +gottlose Welt darueber sagen, was sie will; richte Du Dich nach Gottes +Wort und halte fest daran, so hast Du einen gewissen bestaendigen Trost +wider den Teufel und all seine Laestermaeuler." + +Dann fragte er nach seinem Soehnlein: "Wo ist denn mein allerliebstes +Haensichen?" Da das Kind gebracht wurde, lachte es den Vater an. Da +sprach er: "O Du gutes armes Kindlein! Nun ich befehle meine +allerliebste Kaethe und Dich armes Waislein meinem lieben, frommen, +treuen Gott. Ihr habt nichts, Gott aber, der ein Vater der Waisen und +Richter der Witwen ist, wird Euch wohl ernaehren und versorgen." + +Darauf redete er weiter mit seiner Hausfrau von den silbernen Bechern: +"Die ausgenommen weisst Du, dass wir sonst nichts haben." Ueber dieser und +andern Reden ihres Herrn war die Doktorin hoch erschrocken und betruebt. +Doch liess sie sich nicht merken, wie gross Leid ihr geschah, dass sie +ihren lieben Herrn dergestalt so jaemmerlich da vor Augen liegen sah, +sondern sie stellte sich getrost und sprach: "Mein liebster Herr Doktor! +Ist's Gottes Wille, so will ich Euch bei unserm lieben Herrn Gott lieber +denn bei mir wissen. Aber es ist nicht allein um mich und mein liebes +Kind zu thun, sondern um viel frommer, christlicher Leute, die Euer noch +beduerfen. Wollet Euch, mein allerliebster Herr, nicht bekuemmern; ich +befehle Euch seinem goettlichen Willen, ich hoff und trau zu Gott, er +werde Euch gnaediglich erhalten." + +Bald fuehlte der Kranke Besserung, die Schwaeche liess nach und der Doktor +meinte, wenn der Patient nur schwitzen koennte, so sollte es durch Gottes +Gnade fuer diesmal keine Not mehr mit ihm haben. + +Da gingen die drei Maenner, um ihm Ruhe zu goennen, hinab in den Saal zur +Abendmahlzeit und hiessen die Frauen stille sein. Der Patient geriet +wirklich in Schweiss. Der Arzt sah spaeter wieder nach dem Kranken und +erklaerte die Gefahr vorbei. Dann kamen auch die Freunde, begruessten den +Genesenden, wuenschten ihm "Selige Nacht" und gingen nach Hause. + +Zwar dauerte das Ohrenbrausen am Sonntag noch fort; am Abend aber konnte +der Doktor aufstehen und mit den Freunden das Abendmahl halten. Das +koerperliche Leiden war so bald gehoben; aber die "geistige Anfechtung", +wie Luther sagt, warf ihn noch eine ganze Woche in "Tod und Hoelle" +umher, so dass er zerschlagen an allen Gliedern bebte. + +Kaum war dieser Schrecken vorbei, so nahte eine neue und viel laengere +Heimsuchung: die Pest, die damals ganz Deutschland durchzog, kam auch +nach Wittenberg. Alles was konnte, floh aus der Stadt; die Universitaet +wurde nach Jena verlegt; Luther aber blieb zurueck als Mann, Seelsorger +und Lehrer und seine treue Gattin mit ihm. Er war immer des Glaubens, +die Angst sei die schlimmste Seuche, die Haelfte der Leute stuerben an +Furcht davor, nicht an der Pest selbst. Er hielt es fuer einen "Spuk des +Teufels", dem er trotzen muesse, waehrend der Boese sich freue, die +Menschen so zu aengstigen und die Universitaet zu sprengen, die er nicht +umsonst so hasse. Er bleibe gerade wegen der ungeheuren Angst des +Volkes. Er ging ohne Scheu zu den Pestkranken: die Frau des +Buergermeisters Thilo Dene starb fast in seinen Armen; und andere +Pestverdaechtige nahm er in sein Haus. Dagegen war, scheint's aus Furcht +vor der Pest, Elsa von Kanitz, welche in Wittenberg Maedchenlehrerin +werden und bei Luther wohnen sollte, nicht aufgezogen; an ihrer Statt +aber wohnte nun Fraeulein Magdalene von Mochau im Klosterhause[273]. + +Die Seuche brach in den Winkeln aus, kam aber bald ans +Elsterthor-Viertel, wo der Pestkirchhof lag[274]; zuerst wurde die +Umgebung angesteckt, so das Haus des naechsten Nachbarn, des D. Schurf +und endlich auch das Schwarze Kloster. Das wurde jetzt gerade ein +Spital, denn Luther nahm die kranke Frau Dr. Schurf, Hanna, herueber. Die +von Mochau bekam die wirkliche Pest. Die Frau des Kaplan (Diakonus) +Roehrer, eines von Luther hochgeschaetzen Amtsgenossen, starb (am 2. Nov.) +daran bei ihrer Entbindung samt dem Kinde. Und Bugenhagen fluechtete +deshalb mit seiner Familie aus dem Pfarrhaus in das Schwarze Kloster. +Zwei Pflegetoechter von Kaethe erkrankten und auch der kleine Hans war vom +Zahnen so mitgenommen, dass er mehrere Wochen nichts ass und allein mit +Fluessigkeit ernaehrt wurde, so dass er nur sehr langsam wieder zu Kraeften +kam. Dazu war Luther selbst noch immer eine lange Zeit (Juli bis +November) vom Unwohlsein geplagt, besonders mit Blutandrang nach dem +Kopf und infolge dessen von Schwermut, oder wie er sagte, vom Satan +angefochten und sehr entkraeftet. Schliesslich kam die Krankheit noch in +die Staelle und es fielen fuenf Schweine. Die Bauern brachten der Stadt +keine Zufuhr, so dass eine Teurung entstand und der Scheffel Mehl 5 +Groschen galt, eine Gans 2 Groschen[275]. + +Nur Kaethe hielt sich aufrecht in alt dieser Not, "tapfer im Glauben und +gesund am Koerper", und doch war sie ihrer Entbindung nahe. Sie pflegte +Mann und Kind, Nichten und Gaeste. Den Diakonus Roehrer mit seinem +Knaeblein Paul, welches nach der Mutter schrie, nahm Kaethe auch noch auf, +und Luther lud noch Jonas dringend zum Besuch ein, als es ein wenig +besser ging. Die von Mochau wurde in dem gewoehnlichem Winterzimmer +(Wohnzimmer) eingeschlossen, Frau Hanna war in Katharinas Kemenate +(heizbarem Zimmer), Haenschen im Studierzimmer, der Doktor und die +Lutherin weilten in der vorderen grossen Aula. Schliesslich wurde der +"Mochau" die Beule aufgeschnitten, und nachdem das Gift heraus war, ging +es besser. Endlich, Mitte November, wich die Krankheit. Die Eheleute +waren froh, dass der boese Geist der Pest nur in die Saeue gefahren war und +sie mit diesem Opfer sich loskauften. Haenschen war wieder frisch und +munter, Hanna genas und die Mochau entrann mit Muehe dem Tode; auch +Luthers Zustand und Stimmung wurde besser, namentlich als die +Universitaet allmaehlich wiederkehrte und er seine gewohnte Lehrtaetigkeit +wieder beginnen konnte[276]. + +In dieser Zeit (am 10. Dezember) kam nun Kaethe nach schmerzlichen Wochen +mit ihrem Toechterchen Elisabeth nieder, gerade als der Gemahl von einer +Vorlesung heimkehrte. Die vorausgegangenen Strapazen hatten doch ihre +Spuren hinterlassen, und die Mutter war recht angegriffen. Aber schon zu +Weihnachten wurde im Lutherhaus Verlobung gefeiert; die Hanna von Sala +wurde dem Petrus Eisenberg, einem braven Mann aus guter Familie, +Leut-Priester in Halle, anverlobt; schon am Neujahrstag war die +Hochzeit, und die kaum vom Wochenbett erstandene Hausfrau hatte schon +wieder diese froehliche Unmusse durchzumachen[277]. + +Das neue Jahr (1528) war ein gesundes und im ganzen glueckliches, Luther +und Kaethe lebten wieder frisch auf. Sie brachten am 15. Mai wieder eine +Verlobung zustande, zwischen dem verwitweten Kaplan D. Georg Roehrer und +ihrer Pflegetochter Magdalene von Mochau. Die Hochzeit sollte froehlich +am Tag nach Laurenzi (11. August) gefeiert werden. Aber da kam Leid vor +die Freude: am 3. August starb "Elslein" und von dem lieben Toechterlein, +dessen Ankunft die gluecklichen Eltern den Freunden in zahlreichen +Briefen angekuendet hatten, mussten sie jetzt, gar wehmuetig und weich +gestimmt, wieder ihr Abscheiden in die ewige Heimat melden. "Es war ein +grosses Herzeleid; denn es starb ein Stueck an des Vaters und ein Teil +von der Mutter Leibe"[278]. + +Die durch Tod und Verheiratung in die Hausgenossenschaft gerissenen +Luecken wurden bald reichlich ausgefuellt. Im Mai des folgenden Jahres +erschien das kleine Lenchen im Schwarzen Kloster. Auf gar wunderbare +Weise entkam die Herzogin Ursula von Muensterberg, die Base des Herzogs +Georg aus dem Kloster Freiburg samt zwei andern buergerlichen +Klosterjungfrauen, von denen die eine ihr reiches Vermoegen im Stiche +liess, um der Armut Christi zu folgen. Die drei fluechteten nach +Wittenberg in die Freistaette des Lutherhauses: keinen Kreuzer brachten +sie mit, wohl aber den Hass des Herzogs und Verlegenheit fuer Luthers +Landesherrn[279]. + +Das war im Herbst 1528. Zu Ostern 1529 hatte Frau Kaethe wieder eine +Hochzeit auszurichten: dem Pfarrer Bruno Brauer zu Dobin, dessen Braut +natuerlich auch schon ein paar Tage vorher sich im Hause aufhielt. +Amsdorf wird dazu eingeladen und wird ersucht, sich nicht mit Eisen und +Schwert, sondern mit Gold und Silber und Ranzen zu umguerten, denn ohne +Geschenk komme er nicht los. Im Sommer verlobten die beiden Ehegatten +den Professor der Medizin Milich mit Susanna von Muschwitz, der +Schwester von Frau D. Schurf[280]. + +Waehrend dieser Zeit war der Hausherr vielfach abwesend auf der +Visitation des Kurkreises, welche Luther mit dem Stadthauptmann Herrn +Metsch, dem Edlen Hans von Taubenheim und dem Rechtsgelehrten Benedikt +Pauli vorzunehmen hatte. Dazu kam die Reise nach Marburg zum +Religionsgespraech mit Zwingli (1529). + +Von Marburg stammt auch der erste Brief des Doktors an seine Ehefrau, +der erhalten geblieben ist. Er lautet[281]: + +"Gnad und Fried in Christo! + +Lieber Herr Kaethe! + +Wisset, dass unser freundlich Gespraech zu Marburg ein Ende hat, und seynd +fast in allen Stuecken eins worden, ohne dass der Widerteil (Gegenpartei) +wollen eitel Brot und Wein im Abendmal behalten und Christum geistlich +darinnen gegenwaertig bekennen. Heute handelt der Landgraf, ob wir +koennten eins werden, oder doch gleichwohl, so wir uneins blieben, +dennoch (als) Brueder und Christi Glieder unter einander uns halten. Da +arbeit der Landgraf heftig. Aber wir wollen des Bruedern und Gliederns +nicht; friedlich und Guts wollen wir wohl.... + +Sage dem Herrn Pommer, dass die besten Argument seind gewesen des +Zwingli, dass corpus non potest esse sine loco: ergo Christi corpus non +est in pane; des Oecolampadii: dies sacramentum est Signun corporis +Christi. Ich achte, Gott habe sie verblendet, dass sie nichts haben +muessen fuerbringen. + +Ich habe viel zu thun und der Bot eilet. Sage allen gute Nacht und +bittet fuer uns. Wir seind auch alle frisch und gesund und leben wie die +Fuersten. Kuesst mir Lensgen und Haensgen. + +E. williger Diener + +Martin Luther. + +Ins folgende Jahr (1530), zur Zeit des Augsburger Reichstags, faellt der +lange halbjaehrige Aufenthalt Luthers auf der Koburg (April bis Oktober). +Er reiste mit dem Kurfuersten Johann und Kanzler Brueck und den +Wittenberger Theologen, Melanchthon und Jonas ab und nahm seinen Famulus +Veit Dietrich mit. Kaethe konnte ihren Gatten nicht ohne Sorge zum +Reichstag scheiden sehen; denn bei seiner Abreise glaubte man, dass auch +Luther nach Augsburg selbst gehe, also mitten in die Reihe seiner +Feinde. Bald erhielt sie die Nachricht, dass ihr Gatte, eben um seine +Gegner, und namentlich den Kaiser, in dessen Acht er war, nicht zu +reizen, in der suedlichsten Stadt des Kurfuerstentums bleibe, auf der +Feste Koburg, und zwar einigermassen in Verborgenheit, aehnlich wie auf +der Wartburg. Er wurde morgens vor Tagesanbruch, samt seinem Famulus +Veit Dietrich, dahin gebracht; er liess sich da den Bart wachsen und dazu +schickte ihm auch noch ein Freund, Abt Friedrich aus Nuernberg, ein +Schwert. Also musste Frau Kaethe in die "Einoede Gruboc" allerlei Dinge +schicken, Buecher und Papier fuer allerlei Schriften, und empfahl ihren +Gemahl der Fuersorge der Kastellanin[282]. Freilich war vortrefflich fuer +den Einsiedler auf seinem Sinai gesorgt, die erste Fruehlingszeit mit +Dohlenschwarm, Kuckuck und Nachtigall stimmte froehlich; Veit Dietrich +wachte sorgfaeltig darueber, dass Luther keinen Diaetfehler begehe und +veranlasste ihn gar zum Armbrustschiessen auf Fledermaeuse. Auch an +Besuchen fehlte es nicht, so dass er schliesslich klagte: "Die Wallfahrt +will zu gross werden hierher"[283]. Aber Luther litt bei der ungewohnten +Musse doch wieder an seinem alten Leiden: Fluss am Bein, Kopfweh und +Schwindel, und infolgedessen "Anfechtungen" des Satans, so dass er sich +schon ein Oertlein fuer ein Grab aussuchte und meinte, unter dem Kreuz in +der Kapelle werde er wohl liegen. Davon meldete zwar der Doktor an seine +besorgte Ehehaelfte kein Woertlein; er schrieb vielmehr sie neckend: "Sie +wollen (in Augsburg) schlechterdings die Moenche und Nonnen wieder im +Kloster haben"[284]. Aber sie ahnte es doch, oder erfuhr es auf Umwegen +von den Freunden, denen er sein Leiden klagte, oder durch die Boten, die +vorbei kamen. Darum schickte sie ihm nicht nur Lenchens Bild, sondern +auch seinen Neffen Cyriak in Person samt seinem Praezeptor. Boten mit +Briefen und Auftraegen gingen fleissig hin und her: so bestellte Frau +Kaethe durch Luther Pomeranzen bei Link in Nuernberg, weil es keine in +Wittenberg gebe, und sie erfuhr zeitig und ausfuehrlich, wie es auf +Koburg und in Augsburg ging, wo der Kaiser sich barsch benahm und +Melanchthon gar aengstlich war. Wenn aber zu Wittenberg Sonntags in der +Kirche fuer gluecklichen Ausgang des Augsburger Reichstages und fuer die +abwesenden Theologen gebetet wurde, da war Frau Luther wohl von allen +Kirchgaengerinnen die andaechtigste; und zu Mittags bei Tisch mit ihren +Tischgesellen und Kinderlein und abends im Kaemmerlein allein hat sie fuer +den teuren Mann in der Ferne gefleht, wie er's in jedem Briefe +erbittet[285]. + +Einige Briefe Luthers von der Koburg an seine Hausfrau sind erhalten; so +kam um Pfingsten einer[286]: + +"Gnad und Friede in Christo. + +Liebe Kaethe! Ich hab, acht ich, Deine Briefe alle empfangen. So ist dies +der vierte Brief, den ich Dir schreibe heut dass Er Johann von hinnen +gegangen ist. Lenchen Konterfeit hab ich mit der Schachtel auch. Ich +kannte das H---- zuerst nicht, so schwarz deucht mir's (zu) sein. Ich +halte, wo Du es wilt absetzen von Woehnen (d.h. entwoehnen), das gut sei +weilinger Weise, also dass Du ihr zuerst eines Tages einmal abbrechest, +darnach des Tages zweimal, bis es also saeuberlich ablaesst. Also hat mir +Georgen von Grumbachs Mutter, Frau Argula, geraten. Die ist hier bei uns +gewest und hat mit mir gessen. Hans Reinicke von Mansfeld auch und +George Roemer, dass wir muessen an einen andern Ort; es will zu gemeiner +Wallfahrt hieher werden. + +Sage Meister Christannus[287], dass ich meins Tage schaendlichere Brillen +nicht gesehen habe, denn die mit seinem Briefe (ist) kommen. Ich konnt +nicht ein Stich dadurch sehen. So ist mir auch der Brief an Kunzen Vater +nicht geworden. Auch bin ich nicht zu Koburg, (d.h. ich will nicht da zu +finden sein); kann ich aber sonst dazu thun, will ich's nicht lassen. Du +sollst aber gleichwohl Deine Briefe dem Kastner, (Schlossverwalter) +[646], lassen zustellen; der wird sie mir wohl schaffen. + +Man beginnt zu Nuernberg und Augsburg zu zweifeln, ob etwas aus dem +Reichstag werde. Der Kaiser verzeucht noch immer in Inspruck. Die +Pfaffen haben etwas vor und gehet mit Kraeutern zu. Gott gebe, dass sie +der Teufel besch---- Amen. + +Lass den Herrn Doctor Pommer den Brief an D. Wencels lesen. + +Eilend. Der Bote wollt nicht harren. Gruesse, kuesse, herze und sei +freundlich allen, jeden nach seinem Stande. + +Am Pfingsttag fruehe, 1530. + +Martin Luther. + +Meiner herzlieben Hausfrauen Katharin Lutherin zu Wittenberg zu handen." + +Zu Wittenberg machte damals der Festungsbau den Einwohnern, namentlich +auch der Familie Jonas, viel Verdruss und Aufregung; das Kloster blieb +einstweilen noch verschont. + +Waehrend Luthers Abwesenheit waren im Klosterhause Hieronymus Weller als +Praezeptor des kleinen Haeuschens. Hieronymus war aber ein von Schwermut +geplagter Mann, und es wurde darum dankbar begruesst, dass auch sein Bruder +Peter ins Haus zog, der Praezeptor von Luthers Neffen, Polner. Auch der +wuerdige D. Pommer (Bugenhagen) kam ab und zu ins Schwarze Kloster, um +Frau Kaethe zu beraten, und Frau Jonas, die allezeit froehliche, muntere +Gattin des in Augsburg abwesenden Stiftspropstes, welche freilich +damals ihr zweites Soehnlein bald nach der Geburt verlor[288]. Mit hohem +Interesse wurden Luthers Schreiben empfangen und mit vieler Freude im +Kreise der zurueckgebliebenen Freunde vorgelesen. Grossen Jubel bei den +Tischgesellen erregte ein humorvoller Brief Luthers vom "Reichstag der +Dohlen und Kraehen", dem lustigen Abbild des Augsburger Reichstags. Da +wird gar ergoetzlich geschildert das Ab- und Zureiten "der Malztuerken", +ihr Scharwaenzen und Turnieren, ihr "Kecken" und Kriegsrat wider Korn und +Weizen. Und welche Freude erst war's, als goldene Fruehaepfel aus Nuernberg +mit dem Boten von Koburg fuer die Tischgesellschaft ankamen! Wie +leuchteten aber erst die Augen der Kleinen und seiner Gespielen ueber den +herzigen Maerchenbrief Luthers an sein "liebes Soehnichen Johannes" von +dem schoenen Paradiesesgarten. Wie hat sich da die Mutter gefreut und +Muhme Lene und des Jonas Jost und Melanchthons Lips, die auch in den +Garten kommen sollten, und der "Gruss und Putz" wird der Muhme Lene von +dem kleinen Hans ausgerichtet worden sein. Haenschen war ein braver Bub +und wird von seinem Praezeptor wegen seines Fleisses und Eifers +gelobt[289]. + +Aber auch ernste Briefe kamen von Koburg an, welche Frau Kaethe und die +Theologen interessierten und im Lutherhaus gemeinsam gelesen wurden, +oder auch unter den Freunden umliefen. Allerdings seine schwersten +Sorgen und Schmerzen schrieb Luther nicht darin, aber allerlei Anliegen +wegen der Zoeglinge und an seine Buchdrucker Schirlenz, Weiss und Rau. So +kamen vom 14. und 15. August mit einem Boten zwei Episteln an seine +"herzliebe Hausfrau"[290]. + +"Gnade und Friede in Christo. + +Meine liebe Kaethe! Dieser Bote lief eilend vorueber, dass ich nichts mehr +schreiben konnte, nur dass ich ihn nicht wollte ohne meine Handschrift +gehen lassen. Du magst Herr Johann Pommern und allen sagen, dass ich bald +mehr schreiben will. Wir haben noch nichts von Augsburg, warten aber +alle Stunden auf Botschaft und Schrift. Aus fliegenden Reden haben wir, +dass unsers Widerparts Antwort soll oeffentlich gelesen sein; man habe +aber den Unsern keine Abschrift wollen geben, dass sie darauf antworten +moechten. Weiss nicht, ob's wahr ist. Wo sie das Licht so scheuen, werden +die Unsern nicht lange bleiben. Ich bin seit Lorenzentag recht gesund +gewesen und habe kein Sausen im Kopf gefuehlt; das hat mich fein lustig +gemacht zu schreiben, denn bisher hat mich das Sausen wohl zerplaget. + +Gruesse alle und alles; ein andermal weiter. Gott mit euch. Amen. Und +betet getrost: es ist wohl angelegt, und Gott wird helfen. + +Gegeben am Sonntage nach Lorenzentag, Anno 1530." + +Der Brief war kaum geschrieben, so kam weitere Nachricht von Augsburg. +Luther behielt deshalb den Boten bei sich ueber Nacht und fuegte am andern +Tage noch folgendes hinzu: + +"Gnad' und Fried in Christo. + +Meine liebe Kaethe! Als ich den Brief hatte zugemacht, kamen mir diese +Briefe von Augsburg: da liess ich den Boten aufhalten, dass er sie mit +sich naehme. Daraus werdet ihr wohl vernehmen, wie es zu Augsburg mit +unsrer Sache steht, fast wie ich im andern Brief geschrieben habe. Lass +Dir sie Peter Weilern lesen oder Herrn Johann Pommer[291]. Gott helfe +weiter, wie er gnaediglich angefangen hat, Amen. + +Jetzt kann ich nicht mehr schreiben, weil der Bote so wegfertig da sitzt +und harret kaum. Gruesse unsern lieben Sack. + +Ich habe Deinen Brief an die Kaestnerin (die Kastellanin vom Koburger +Schloss) gelesen, und sie dankt Dir sehr. Hans Polner habe ich Peter +Wellern befohlen: siehe zu, dass er sich gehorsamlich halte. Gruesse Hansen +Luthern und seinen Schulmeister; dem will ich bald auch schreiben. Gruesse +Muhme Lenen und allesamt. Wir essen hier reife Weintrauben, wiewohl es +diesen Monat hieraussen sehr nass gewesen ist. Gott sei mit euch allen, +Amen. + +Aus der Wuesten, am Tage Maria Himmelfahrt 1530. + +Mart. Luther. + +Wie verdreusst mich's, dass unsere Drucker so schaendlich verziehen mit den +Exemplaren[292]. Ich schicke solch Exemplar darum hinein, dass sie bald +sollen fertig werden--da machen sie mir ein Lagerobst draus. Wollt' ich +sie so liegen haben, ich haette sie wohl hier bei mir auch wissen zu +halten. Ich hab' Dir geschrieben, dass Du den Sermon, wo er nicht +angefangen, von Schirlenz nehmen und Georgen Rau geben solltest. Ich +kann doch wohl denken, dass Schirlenz sein gross Exemplar kaum zu verlegen +hat mit Papier. Ist das nicht geschehen, so schaffe, dass es noch bald +geschehe und der Sermon aufs foerderlichste gefertigt werde." + +Die Abwesenheit des Doktors zoegerte sich gar lange hinaus: es wurde +Sommer und wurde Herbst und der Doktor war noch nicht da. Mit Sehnsucht +wurde er erwartet und voll Sehnsucht schrieb er nach Hause. So um "Maria +Geburt"[293]: + +"Gnade und Friede in Christo. + +Meine liebe Kaethe! Dieser Bote lief eilend vorueber, dass ich nicht viel +schreiben konnte. Hoffe aber, wir wollen schier selbst kommen; denn +dieser Bote bringt uns von Augsburg Briefe, dass die Handlung in unsrer +Sache ein Ende habe und man nur wartet, was der Kaiser schliessen und +urteilen wird. Man haelt's dafuer, dass es werde alles aufgehoben auf ein +kuenftig Konzilium; denn der Bischof zu Mainz und Augsburg halten noch +fest, so wollen der Pfalzgraf, Trier und Coeln nicht zum Unfrieden oder +Krieg willigen. Die andern wollten gern wueten und versehen sich, dass der +Kaiser mit Ernst gebieten werde. Es geschehe, was Gott will: dass nur des +Reichstags ein Ende werde! Wir haben genug gethan und erboten; die +Papisten wollen nicht ein Haarbreit weichen; damit wird einer kommen, +der sie lehren soll weichen und raeumen. + +Mich wundert, warum Hans Weiss den Psalm nicht hat genommen. Ich haett' +nicht gemeint, dass er so ekel waere, ist's doch ein koestlich Exemplar. +Schicke hier denselbigen vollends ganz mit und goenn' ihn Georgen Rau +wohl. Gefaellt das Exemplar Herrn Johann Pommern und Kreuzigern, so lass +immerhin drucken. Es ist doch nichts, dass man den Teufel feiert. + +Wer Dir gesagt hat, dass ich krank sei, wundert mich sehr, und Du siehest +ja die Buecher vor Augen, die ich schreibe. So hab' ich ja die Propheten +alle aus, ohne den Ezechiel, darin ich jetzt bin und im Sermon vom +Sakrament, ohne was sonst des Schreibens mit Briefen und anders mehr +ist. Ich konnte jetzt nicht mehr vor Eilen schreiben. Gruesst alle und +alles. + +Ich hab' ein gross schoen Buch von Zucker fuer Hansen Luther, das hat +Cyriakus von Nuernberg gebracht aus dem schoenen Garten. Hiemit Gott +befohlen und betet. + +Mit Polner mach's nach Rat des Pommers und Kellers. + +Aus der Wuesten, am 8. September 1530." + +Als aber die Herren endlich wieder heimkehrten, samt Veit Dietrich, +Peter Weller und dem jungen Cyriak, der mit seinem Lehrer das Schauspiel +des Reichstag in Augsburg und die beruehmte Stadt Nuernberg hatte besuchen +duerfen, da war ein Erzaehlen am Eichentisch im Wohnzimmer und unten im +Hof unterm Birnbaum, waehrend der vierjaehrige Studiosus Hans sich an +seinem Nuernberger Zuckerbuch erlustierte. + +Ruhiger gingen die folgenden Jahre hin. Freilich wiederholten sich die +beaengstigenden Schwindelanfaelle beim Doktor, so dass er im Herbst 1531 +eine Erholungsreise zu Gevatter Hans Loeser nach Schloss Pretzsch machte, +um durch die Bewegung das Sausen loszuwerden. Da ging er viel spazieren, +fuhr auch zur Jagd[294]. + +Von Mansfeld waren auch die Grosseltern einigemal nach Wittenberg +heruebergekommen, obwohl das keine kleine Reise war; da schickte der +Stadtrat "Doktoris Martini Vater" einen Ehrentrunk. Dann herrschte grosse +Freude im Kloster und der Doktor konnte eine Vergleichung anstellen +zwischen seiner harten Jugend und der Zaertlichkeit der alten Leute gegen +die Enkel und merken, dass die Grosseltern ihre Kindeskinder lieber haben +als ihre eigenen Kinder. Als im Anfang 1530 Bruder Jakob von Mansfeld +schrieb, der Vater waere "faehrlich krank", waere Luther aus der Massen gern +selbst kommen; aber er durfte es dorthin der Bauern und des Adels wegen +nicht wagen. Aber grosse Freude sollt es ihm sein, schrieb er, wo es +moeglich waere, dass der Vater samt der Mutter sich liesse herbeifuehren nach +Wittenberg, was auch "Kaethe mit Thraenen begehrte", in der Hoffnung, sie +aufs beste zu warten. Dazu wurde Cyriak in seine Vaterstadt abgefertigt, +zu sehen, ob das moeglich waere. Aber die alten Leute konnten sich +begreiflicherweise nicht zu diesem Umzug entschliessen. Und nicht lange +darauf, als Luther auf der Koburg sass, starb der Vater. Im Sommer des +folgenden Jahres erkrankte die Grossmutter. Das erregte grosses Leid in +der Familie; Luther schrieb inmitten der Kinderschar einen Trostbrief: +darin schildert er gar anschaulich das echt kindliche Benehmen der +beiden eigenen Kinder und der andern Enkel, welche im Klosterhause +lebten: "Es bitten fuer Euch alle Eure (Enkel-) Kinder und meine Kaethe; +etliche weinen, etliche essen und sagen: Die Grossmutter ist sehr krank." +Am 30. Juni schied auch sie vom Leben[295]. + +Von den Enkeln hatten freilich die Grosseltern hoechstens die drei ersten +gesehen: Hans, Elisabeth und Lenchen. Erst nach ihrem Tode kam der +vierte auf die Welt am Vorabend von Luthers Geburtstag und bekam deshalb +den Namen Martin. Es war gerade zur Zeit als die Bauern, wie man ihnen +nachsagte, eine kuenstliche Teuerung zu stande brachten. Fuenfviertel +Jahre spaeter (am 28. Januar 1533) stellte sich Paul ein und endlich am +Ausgang des folgenden Jahres das Juengste, Margarete. Schon 1533 war der +siebenjaehrige Erstgeborne--gewiss nur, wie andre Professorensoehne, der +Ehre halber--bei der Universitaet als akademischer Buerger angenommen +worden, zugleich mit seinen Vettern Fabian und Andreas Kaufmann[296]. + +In diesem Jahre 1533 war Luther wieder einen ganzen Monat krank an +Kopfleiden[297]. + +Im Februar 1534 kam seine Schwester zu Besuch nach Wittenberg. Da +tischte Frau Kaethe fuer die Schwaegerin koestlich auf und liess Hechte +kommen aus den kurfuerstlichen Teichen[298]. + +Seitdem Johann Friedrich Kurfuerst geworden, war Luther gar oft zu dem +ihm vorher schon sehr befreundeten neuen Landesherrn allein oder mit +andern Theologen nach Torgau geladen, wo er predigte, disputierte und +bei Tisch in ernstem und froehlichem Gespraech verblieb. Von dort sandte +der Doktor auch einmal an "seinen freundlichen lieben Herrn, Frau +Katharina von Bora, D. Lutherin zu Wittenberg" einen heiteren +Brief[299]: + +"Gnade und Friede in Christo. + +Lieber Herr Kaethe! Ich weiss Dir nichts zu schreiben, weil Magister +Philipps samt den andern selbst kommen. Ich muss laenger hier bleiben, um +des frommen Fuersten willen. Du magst denken, wie lange ich hier bleiben +werde, oder wie Du mich los machst. Ich halt', M. Franciscus wird mich +wieder los machen, wie ich ihn losgemacht habe, doch nicht so balde. + +Gestern hatt' ich einen boesen Trunk gefasst, da musst' ich singen. Trink' +ich nicht wohl, das ist mir leid und thaet's so recht gerne, und hab +gedacht, wie gut Wein und Bier hab' ich daheime, dazu eine schoene Frauen +oder (sollt' ich sagen) Herrn. Und Du thaetest wohl, dass Du mir +hinueberschicktest den ganzen Keller voll meines Weines und eine Flaschen +Deines Biers, so oft Du kannst. Sonst komme ich vor dem neuen Bier nicht +wieder. Hiermit Gott befohlen samt unsern Juengern und altem Gesinde, +Amen. + +Mittwoch nach Jakobi, 1534. + +Dein Liebchen + +Mart. LutheR, D." + +Im Jahre 1535 kam der paepstliche Gesandte Kardinal _Vergerius_ durch +Wittenberg; mit glaenzendem Gefolge, zwanzig Pferden und einem Esel zog +er ins Schloss und liess Luther dahin einladen. Der liess sich schoen +schmuecken, haengte eine goldene Kette um und fuhr mit Bugenhagen, als der +deutsche Papst mit Kardinal Pomeranus, ins Schloss, wo er dem Legaten +gegenueber, wie er sich vorgenommen hatte, den rechten Luther spielte. Da +erzaehlte er auch dem Kirchenfuersten, um ihn zu aergern, von seiner Frau, +der ehrwuerdigen Nonne, und seinen fuenf Kindern, von denen der +Erstgeborene hoffentlich ein grosser evangelischer Theologe werden wuerde +[300]. + +Waehrend dieser Zeit waren mancherlei Veraendernden im Kreise der +Lutherschen Hausgenossen eingetreten. Natuerlich wechselte von Jahr zu +Jahr die Tafelrunde der jugendlichen Kostgaenger durch Abgang oder Zugang +zur Schule. Aber es starb auch einmal ein Schueler. So aus Nuernberg Hans +Zink Ostern 1531. Er war allen ein gar lieber Bube, sonderlich dem +Hausvater, indem er den Discant bei der abendlichen Hausmusik sang; aber +auch weil er fein still und zuechtig (sittsam) und im Studium sonderlich +fleissig war, so dass allen gar wehe geschehen ist durch seinen Abscheid. +Frau Kaethe sparte zu seiner Pflege nichts an Fleiss, Sorge und Arzenei, +um das fremde liebe Kind wo nur moeglich zu retten und zu erhalten. Aber +die Krankheit wurde uebermaechtig ueber die Pflege, und der Knabe ist Gott +noch viel lieber gewesen als den Lutherschen, der hat ihn wollen haben. +Das meldete Luther im Trauer- und Trostbrief den betruebten fernen +Eltern. Auch spaeter kamen solche Sterbefaelle noch vor; ja es starben +Ostern 1544, als in Wittenberg die Masern grassierten und auch Luthers +Kinder alle daran darniederlagen, auf einmal zwei Zoeglinge, ein +wohlgeschickter Knabe aus Lueneburg und ein Strassburger. Das war keine +kleine Verantwortung, welche Luther und besonders Kaethe zu tragen hatte. +Das juengste, Margaretlein, hatte als Nachwehen 10 Wochen ein schweres +hitziges Fieber und kaempfte noch vor Weihnachten um Gesundheit und Leben +[301]. + +Der Diener Johannes Nischmann, der mehrere Jahre der Familie treulich +und "fleissig gedienet, dem Evangelium gemaess sich demuetig gehalten und +alles gethan und gelitten", zog Lichtmess 1534 aus dem Schwarzen Kloster +mit 5 fl. Lohn und einem guten Zeugnis. Von einem andern dagegen ging +ein boeses Geschrei aus, dass er sich von einem wenig achtbaren Maedchen +haette verfuehren lassen[302]. + +Schmerz und Verdruss bereiteten den Lutherischen Eheleuten in dieser Zeit +aber auch ihre Verwandten. + +Zunaechst Katharinas Brueder. Da war Hans aus Preussen heimgekehrt, um das +Gut Zulsdorf zu uebernehmen, hatte eine Witfrau des von Seidewitz, eine +geborene Marschall, mit einem oder mehrern Kindern geheiratet[303]; er +konnte aber von dem Guetchen nicht recht leben und seinen Dienst am +preussischen Hofe auch nicht mehr erhalten--und seine Ehe soll auch nicht +gluecklich gewesen sein. Daher musste Kaethe ihren Gatten um manche +Bittschrift fuer ihn angehen. Ebenso machte Bruder Clemens Sorge, welcher +gleichfalls in Preussen wegen Beteiligung an einer Schlaegerei seine +Stelle bei Hof verlor und, wie es scheint, nicht mehr in "vorigen Stand +kommen" konnte, trotz der Fuerbitte der evangelischen Bischoefe von +Samland und Pomesan an den Herzog, ihn wieder zu Gnaden anzunehmen, +"damit er D. Martino und seiner geliebten Hausfrau nicht eine Betruebnis, +dazu Schimpf und Spott sei und also im Land hin und wieder und endlich +hinaus ziehet". Der Herzog "wolle ihn doch mit einem Klepper und +Zehrung und gnaediger Fuerschrift an den Kurfuersten von Sachsen +abfertigen"[304]. + +Naeher noch gingen den beiden Ehegatten allerlei Erlebnisse mit den +Kindern im Hause, den eignen und noch mehr den fremden. + +Mit der Anzahl der Kinder wuchs auch die Erfahrung der jungen Eheleute +in der Zucht und Erziehung. Zu Anfang, als einmal eines der jungen +Kindlein schrie und weinte, dass es niemand stillen konnte, waren Kaethe +sowohl wie Luther eine ganze Stunde traurig und bekuemmert. Spaeter +erkannten sie und der Vater sprach es aus: "Wenn junge Kinder recht +schreien, so wachsen sie wohl; denn durch Schreien dehnen sich die +Glieder und Adern auseinander, weil sie sonst keine andere Uebung haben, +sich zu bewegen"[305]. + +Als die Kinder groesser wurden, gab es natuerlich allerlei Unarten und +Vergehungen, und zwar sowohl bei den eignen, wie bei den angenommenen +Waisen. Das "Tauschen" ("Fuggern" nannte man's spaeter nach dem damals +beruehmten Augsburger Handelshause) war natuerlich auch bei den +Lutherskindern ueblich. Ja, auch das "Stehlen" ("Schiessen" nannte man es +auch nach den "Schuetzen" d.h. jungen fahrenden Schuelern, den tirones +oder Plaenklern in Vergleichung mit der roemischen Heeresordnung). Das war +nun beides recht verpoent im Luther-Hause, freilich wurde bei Esswaren, +namentlich Obst, als Kirschen, Aepfeln, Birnen, Nuessen, die Strafe +gelinder bemessen. Aber wenn einmal etwas anderes genommen wurde, dann +gab es boeses Wetter im Hause. Ganz besonders aufgebracht werden konnte +der heftige Hausvater wegen Ungehorsams: Gehorsam hielt er mit andern +Paedagogen fuer die erste Tugend der Kinder. Darum liess er seinen +Erstgeborenen einmal drei Tage lang nicht vors Angesicht kommen und Frau +Kaethe musste ihre ganze Ueberredungskraft und die Fuersprache von Freunden +anwenden, um den erzuernten Vater umzustimmen[306]. + +Im Jahre 1536 that Luther seinen Erstgebornen schon aus dem Hause zu +einem tuechtigen Schulmeister.--Die Unruhe war im Kloster gar zu gross. +Spaeter--1542--kam er wieder fort zu dem beruehmten Praezeptor Crodel in +Torgau[307]. + +Manchen Aerger hatten Luther und Kaethe auch mit den fremden Kindern, +namentlich den Neffen. + +Man wird frelich kein grosses Aufhebens zu machen haben, wenn Luther +einmal sagt: "Wenn ich meinen Enders (d.i. Andreas Kaufmann) nicht haette +gestrichen, von seiner Untugend ueber Tisch gesagt und ihm Zucker und +Mandelkerne gegeben haette, so haette ich ihn schlimmer gemacht." Aber von +Martin (seines Bruders Sohn) erzaehlte Luther: "Derselbe hat mich einmal +also erzuernt und getoetet, dass ich ganz von meines Leibes Kraeften +gekommen bin." Als Fabian von Bora mit Hans Luther 1542 nach Torgau kam, +liess er sich auf der Reise dahin verleiten, dem kleinen Paul Luther ein +Messer zu nehmen und dem Schulmeister Crodel vorzuluegen, der Oheim habe +es ihm gegeben, waehrend er vorher dergleichen nie gethan. Darueber +erzuernte Luther maechtig und diktierte dem armen Suender drei Tage +hintereinander Streiche[308]. + +Begreiflicherweise vertuschte auch die Mutter und Hausfrau gar manches, +was bei den Kindern und dem Gesinde in dem grossen Haushalt vorfiel, vor +dem heftigen Mann, so dass er in hellem Zorn aufflammen konnte: "Wenn sie +suendigen und allerlei Bueberei treiben, so erfahre ich's nicht; man zeigt +mir's nicht an, sondern haelt's heimlich vor mir"[309]. + +Es war aber freilich nicht allein die Furcht vor des Doktors Zorn, +sondern doch auch die Ruecksicht auf den vielbeschaeftigten und viel +geaergerten Mann, was die Gattin bewegen musste, ihn mit den haeuslichen +Widerwaertigkeiten moeglichst zu verschonen. Er sollte vor allem an den +Kindern sich erfreuen. Denn diese Freude an den Kindern war Luther +freilich die groesste und schoenste und er war einigermassen eifersuechtig +auf "Muhme Lene", welche sie ihm "vorwegnahm", da die Kinder so an ihr +hingen und so viel um sie waren[310]. Luther wollte seine Kinder nicht +so hart erzogen haben, wie es ihm ergangen war. Aber fuer Bosheit und +Schalkheit und Schaden sollten sie gestraft werden und es ihnen nicht +nachgesehen werden. Das war gewiss auch Frau Kaethes Meinung und +jedenfalls war sie mit ihres Mannes Anschauung einverstanden: eines +Geistlichen Kinder muessten ganz besonders wohlgezogen sein, auf dass +andere Leute davon erbaut und ein gut Exempel naehmen; ungezogene +Pfarrkinder gaeben andern "ein Aergernis und Privilegium zu suendigen". +Dasselbe galt auch vom Gesinde. Denn, sagt Luther, "der Teufel hat ein +scharpf Aug auf mich, damit er meine Lehre verdaechtig mache oder gar +einen Schandfleck anhaenge." Daher war es ein aufregendes Ereignis, als +ein Maedchen in Luthers Hause sich uebel auffuehrte[311]. + +Nach Muhme Lene's Abscheiden naemlich (1537) nahm das Luthersche Ehepaar +eine gefaehrliche Person ins Haus. Sie kam zu Luther, nannte sich Rosine +von Truchses und gab vor, eine arme Nonne aus hohem Geschlecht zu sein. +Da Luther aber scharf in sie drang, so bekannte sie, sie waere eine +Buergerstochter aus Minderstadt in Franken; ihr Vater sei im +Bauernaufruhr gekoepft worden; sie irre als verwaistes Kind umher und +bitte um Gotteswillen ihr zu verzeihen und sich ihrer zu erbarmen. Der +gutherzige Mann that es. Das Juengferlein bezeugte sich gar sittsam und +artig, wusste sich in Gunst zu setzen und das Vertrauen aller im Hause zu +erschleichen, besonders sich bei den Kindern wohl anzumachen. Aber es +war ein schlechtes Weibsbild, das sich in das Haus gedraengt hatte. In +Keller, Kueche und Kammer kam allerlei weg; niemand wusste, wer der Dieb +war. Weiter lockte sie allerlei junge Leute an sich, die sie mit ihrer +angeblich hohen Abkunft beschwindelte, und trieb Unzucht mit ihnen. +Endlich entdeckte Frau Kaethe die Sache und entfernte, waehrend Luther auf +einer Reise war, die Person in aller Stille aus dem Hause. Luther war +froh, dass er nichts von allem gewusst hatte und dass sie jetzt fort sei. +Aber die Schwindlerin zog umher in allen Pfarrhaeusern, beruehmte sich +ihrer Bekanntschaft mit dem grossen Doktor und seinem Hause, log, trog +und stahl weiter. Immer von neuem tauchte sie auf, zuletzt nach mehreren +Jahren noch in Leipzig, so dass Luther dorthin an den Richter Goeritz, +seinen Gevatter, schreiben musste, um ihrem Unfug ein Ende zu machen. +Luther litt unendlich unter dieser Schmach, die seinem Hause +widerfahren, und meinte, die Papisten haetten ihm diese Teufelsperson auf +den Hals geschickt. Aber auch Frau Kaethe musste es schwer tragen und dazu +noch die Vorwuerfe ihres Mannes, welcher zuernte, dass man dieses Weibsbild +hatte entkommen lassen und nicht gleich in der Elbe ertraenkt habe. Er +meinte durch diese Erfahrung gewitzigt zu sein, und doch bekam er vor +seinem Ende noch eine "andere Rosine" ins Haus, die ihm den Aufenthalt +in Wittenberg verleiden half[312]. + +Ein anderes Vorkommnis setzte Frau Kaethe 1538 hart zu. Ein Tageloehner +arbeitete oft bei ihr, ein fleissiger und braver Mensch, nuechtern sanfter +wie ein Lamm, aber in der Trunkenheit ein Krakehler. An einem Sonntag +lief er in der ganzen Stadt herum und prahlte, er sei Famulus bei +Luther, und in der Aufregung schlug er jemand tot. Dann ward er +nuechtern, nahm mit Thraenen Abschied von Frau Luther und wurde fluechtig. +Ein Weib und drei Kinder, die er im groessten Elend zurueckliess, fiel +natuerlich Frau Kaethe zur Last[313]. + + + + +11. Kapitel + +Hochzeiten und Krankheiten, Pest und Tod. + + +Besondere Geduld und Liebe, Vorsicht und Weisheit mussten die Eheleute +brauchen in der Behandlung der ihnen anvertrauten Kinder. + +Die verwaiste Pflegetochter Lenchen Kaufmann, "Muehmchen Lene die +Juengere", fing in noch recht jugendlichem Alter eine Liebelei mit +Magister Veit Dietrich an, der mit seinen sechs Scholaren im Schwarzen +Kloster lebte. Nun war Luther zwar der Meinung des Sprichworts: "Frueh +aufstehn und jung freien" und ist oefters fuer junge ehrbare Leute, die +sich einander gern hatten und zu einander passten, bei ihren Eltern um +ihre Einwilligung eingetreten und hat sie gegen Eigensinn und +Selbstsucht der Vaeter und Muetter in Schutz genommen und +zusammengebracht. So hatte er sich auch schon 1523 eines Maedchens aus +Torgau angenommen, welchem der kurfuerstliche Barbier die Ehe +versprochen und zum Unterpfand einen Ring gegeben und mit ihr eine Muenze +geteilt hatte[314]. + +Aber er wusste auch, dass es zu frueh und ungeschickt sein koennte, das +konnte er an Melanchthons Toechterlein merken, welches auch als kaum +vierzehnjaehriges Kind sich in einen begabten, aber leichtsinnigen jungen +Poeten verliebt hatte und, da die Eltern unbedacht nachgaben, einen +ungluecklichen Ehestand erlebte. Luther meinte, "es waere nicht ratsam, +dass junge Leute so bald in der ersten Hitze und ploetzlich freiten; denn +wenn sie den Fuerwitz gebuesst haetten, so gereuete sie's bald hernach und +koennte keine bestaendige Ehe bleiben; es kaeme das Huendlein Reuel, das +viele Leute beisst". Bestaerkt wurde Luther in dieser Anschauung durch +seine Ehefrau, welche dem Veit Dietrich ueberhaupt nicht ganz hold war. +Das Juengferlein Lene wollte natuerlich die Stimme der Vernunft nicht +hoeren und zeigte sich ungebaerdig, so dass Luther sogar einmal meinte, +"man sollte sie mit einem guten Knuettel zuechtigen, dass ihr das +Mannnehmen verginge"[315]. + +Der Herr Magister Veit zog nun aus dem Hause und warf seinen Zorn vor +allem auf Frau Kaethe, der er Herrschsucht und Habsucht vorwarf (1534). + +Aber als Baeschen Lene zu ihren vollkommenen Jahren gekommen war (1538) +und der Rechte kam, der auch mit Vorwissen der Pflegeeltern um sie +freite, da gaben diese ihre freudige Einwilligung. Es war M. Ambrosius +Berndt aus Jueterbog, ein gesetzter, "recht frommer (braver) Mann, der +Christum lieb hatte", seit einem halben Jahr, wo ihm seine junge Frau im +ersten Kindbett samt dem Knaeblein gestorben war, kinderloser Witwer, +Professor der Philosophie und Schoeffer in Wittenberg, ein Amtsgenosse +und guter Bekannter und Gevattersmann der Lutherschen Familie. Von +dieser Verlobung und Hochzeit ist uns in den Tischreden Eingehendes +berichtet[316]. + +Martini 1538 beging Luther seinen Geburtstag. Dazu hatte Frau Kaethe, wie +gewoehnlich einen festlichen Schmaus gerichtet und viele Freunde, Jonas, +Kreuziger, Melanchthon, auch die fremden Gaeste Camerarius und Bucer, +welche damals in Wittenberg waren, eingeladen. Auch der Freier und +Lenchen Kaufmann waren zugeben. Vor dem Essen--es war ein +Nachtmahl--liess nun der M. Ambrosius bei Luther "oeffentlich werben um +des Doktors Muhme Magdalene, dass er ihm dieselbige wollte zur Ehegattin +geben, wie er ihm zuvor zugesagt". Da nahm D. Martinus die Jungfrau bei +der Hand und sagte: "Lieber Herr Schoeffer und Gevatter! Allhie habe ich +die Jungfrau, wie mir sie Gott gegeben und bescheret hat, die +ueberantworte ich Ihm. Gott gebe seinen Segen und Benedeiung, dass sie +wohl und christlich mit einander leben!" + +Die Gaeste wuenschten Glueck; man setzte sich zur Mahlzeit und waren alle +froehlich und guter Dinge. Luther sprach vom Freien und der Freiheit +eines neuen Braeutigams, vom Kriegsdienst und allen andern Lasten und +Buerden. + +Als die Brautleute so eifrig und heimlich mit einander sprachen und die +Gesellschaft um sich her vergassen, laechelte der Doktor und sagte: "Es +wundert mich, dass doch ein Braeutigam mit der Braut so viel zu reden hat. +Ob sie auch muede werden koennen? Aber man darf sie nicht vexieren, denn +sie haben Freibriefe ueber alle Macht und Gewohnheit." + +Die Brautleute bekuemmerten sich nun um die Herrichtung der Hochzeit und +das Gaestebitten. Da sprach der Doktor: "Seid unbekuemmert, solches geht +euch nichts an. Wir wollen bedacht sein auf solch zufaellig Ding, das +nicht zum Wesen des Ehestandes gehoert." + +So schrieb denn Luther an den Fuersten von Anhalt um den Wild-Festbraten: +"Ich bitte ganz demuetig, wo Ew. Fuerstl. Gnaden so viel Uebrigs haetten, +wollten mir einen Frischling oder Schweinskopf schenken; denn ich soll +bis Mittwoch mein Waislein, meiner Schwester Tochter versorgen." Der +Wildbraten blieb natuerlich nicht aus und Frau Kaethe bereitete ihn zu, +auch der Stadtrat schickte zum Hochzeitsmahl ein "Stuebchen" Frankenwein +und vier Quart Jueterbogischen Wein--also aus des Braeutigams Heimat[317]. + +So richteten nun die Pflegeeltern ihrer Nichte Hochzeit aus und sorgten +dafuer, dass es froehlich zuging und auch die Verwandten aus Mansfeld und +Eisleben eingeladen wurden. Luthers Lieblingsbruder Jakob kam herueber +und sogar zwei Vatersbrueder. Der Schulmeister mit den Saengern wurde +bestellt, und waehrend Frau Kaethe buk, briet und kochte, kostete der +Doktor die Weine im Keller. Er meinte: "Man soll den Gaesten einen guten +Trunk geben, dass sie froehlich werden: denn wie die Schrift sagt, das +Brot staerkt des Menschen Herz, der Wein aber macht ihn froehlich." Es +sollte ueberhaupt in christlicher Froehlichkeit bei Hochzeit zugehen, nach +dem Grundsatz: "Bei der Hochzeit soll man die Braut schmuecken, soll +essen, trinken, schoen tanzen und sich darueber kein Gewissen machen, denn +der Glaube und die Liebe laesst sich nicht austanzen noch aussitzen, so du +zuechtig und maessig darinnen bist." Beim Hochzeitsschmaus selbst sorgte +Luther fuer froehliche Unterhaltung und allerlei Raetselaufgaben. So fragte +er den "schwarzen Englaender" (wahrscheinlich Robert Barns, der seit 1533 +in Wittenberg studierte und zur Hochzeit geladen war): "Wie wollt Ihr +Wein in einen Keller legen nicht eingeschroten und nicht eingefuellt?" +Der Englaender wusste es nicht; Luther aber sagte: "Man bringt Most +hinein, so wird schon Wein daraus; das ist eine natuerliche Magie und +Kunststueck." Weiter fragte er, welches die breiteten Wasser zu Lande +waeren? Antwort: "Der Schnee, Regen und Tau"[318]. + +Dem neuen Ehepaare legte aber Luther einen seinen Spruch der Alten ans +Herz; der Braut: "Liebe Tochter, halte Dich also gegen Deinen Mann, dass +er froehlich wird, wie er auf dem Heimwege die Spitze des Hauses sieht." +Und dem Braeutigam: "Es soll der Mann leben mit seinem Weibe, dass sie ihn +nicht gerne siehet wegziehen und froehlich wird, so er heimkommt"[319]. + +Diesen froehlichen Tagen sind schwere Jahre vorausgegangen und gefolgt. + +Schon 1535 war die Pest wieder in Wittenberg eingekehrt. Obwohl der +Kurfuerst Luther dringend mahnte, der Gefahr aus dem Wege zu gehen, +meinte er doch, es sei nichts Rechtes an der Sache, er glaubte nicht +daran und spottete darueber in seinem Brief an den Kurfuersten: sein +"gewisser Wetterhahn", der Landvoigt Hans Metzsch, haette sonst mit +seiner Spuernase schon die Pestilenz gespuert. Luther meinte, die +Studenten hoerten das Pestgeschrei gern, sie kriegten die Beule auf dem +Schulsack, die Kolik in den Buechern, den Grind an den Federn, die Gicht +am Papier; vielen sei die Tinte schimmlich geworden, oder sie haetten die +Mutterbriefe gefressen und das Heimweh bekommen: da muessten die Eltern +und die Obrigkeit eine starke Arznei wider solch Landsterben +verschreiben. Der Teufel scheine Fastnacht mit solchem Schrecken zu +halten oder Kirmes in der Hoelle zu feiern mit solchen Larven. Die Sache +ging auch bald vorueber[320]. + +Ernster wurde es aber 1537. Zu Lichtmess dieses Jahres musste Luther auf +den Schmalkaldener Konvent. Er fuhr in eigenem Wagen mit Kaethes Pferden. +Kaethe sah ihren Gatten nicht ohne Sorgen abreisen; denn er war nicht +ganz wohl, das Wetter unwirtlich, die Wege schlecht, fremde Betten und +Mahlzeiten und das ungewohnte Leben waren ihm nicht zutraeglich, wie sie +schon von frueheren Reisen wusste. Er fuehlte sich nirgends so wohl wie +daheim, mit seinem gewohnten Essen und Trinken und Arbeiten. Luther +erkaeltete sich denn auch zu Schmalkalden in seiner unbequemen Herberge +in den feuchten "hessischen Betten" und verdarb sich an dem schweren, +festen Hofbrot den Magen. Sein Steinleiden stellte sich mit einer +unerhoerten Heftigkeit ein; ueber vierzehn Tage lang dauerte es und +verursachte die rasendsten Schmerzen, so dass er sich den Tod wuenschte +und seine Umgebung seinen Tod voraussah. Die Fuerstlichen Leibaerzte +wussten ihm nicht zu helfen und sie marterten ihn mit Rosskuren. Daher +wollte Luther lieber daheim sterben und sich von seinem Weibe zu tot +oder gesund pflegen lassen und liess sich am 26. Februar aus Schmalkalden +in kurfuerstlichem Gefaehrt wegfahren gen Wittenberg[321]. + +Hier hatte Jonas zu Anfang mehrere Briefe von Luther aus Schmalkalden +empfangen. Im ersten meldete er, dass er gleich nach seiner Ankunft einen +Stein ueberstanden habe, sonst schrieb er aber vergnuegt, und fuenf Tage +darauf, dass der Valentinstag ihn valentulum d.h. zum Rekonvaleszenten +gemacht habe. Vier Briefe aber an Kaethe waren nicht an sie gelangt: +wahrscheinlich waren sie von den aengstlichen Freunden vorsorglicherweise +zurueckgehalten worden. Aber sie hatte doch Geruechte gehoert und nicht +geruht, bis wenigstens Jonas mit der Nichte Luthers dem kranken Mann +entgegenreiste. Frau Kaethe erhielt erst spaeter, als es wieder besser +ging, folgenden Brief ihres Mannes aus Gotha[646]: + +"Gnade und Friede in Christo! + +Du magst dieweil andere Pferde mieten zu Deiner Notdurft, liebe Kaethe; +denn mein gnaediger Herr wird Deine Pferde behalten und mit dem Mag. +Philipp heimschicken. Denn ich selber gestern von Schmalkalden +aufgebrochen auf meines gnaedigen Herrn eigenem Wagen daher fuhr. Ist die +Ursach, ich bin nicht ueber drei Tag hier gesund, und ist bis auf diese +Nacht vom ersten Sonntag an kein Troepflein Wasser von mir gelassen, hab' +nie geruhet noch geschlafen, kein Trinken noch Essen behalten moegen. +Summa, ich bin tot gewesen, und hab' Dich mit den Kindlein Gott befohlen +und meinem guten Herrn, als wuerde ich euch nimmermehr sehen; hat mich +euer sehr erbarmet, aber ich hatte mich dem Grabe beschieden. Nun hat +man so hart gebeten fuer mich zu Gott, dass vieler Leute Thraenen vermocht +haben, dass mir Gott diese Nacht geholfen hat und mich duenkt, ich sei +wieder von neuem geboren. + +Darum danke Gott, und lass die lieben Kindlein mit Muhme Lenen dem +rechten Vater danken; denn ihr haettet diesen Vater gewisslich verloren. +Der fromme Fuerst hat lassen laufen, reiten, holen und mit altem Vermoegen +sein Hoechstes versucht, ob mir moecht' geholfen werden; aber es hat nicht +wollen sein. Deine Kunst hilft nicht mit dem Mist[322]. Gott hat Wunder +an mir gethan diese Nacht und thut's noch durch frommer Leute Fuerbitte. + +Solches schreib' ich Dir darum, denn ich halte, dass mein gnaedigster Herr +habe befohlen dem Landvogt, Dich mir entgegen zu schicken, da ich ja +unterwegen stuerbe, dass Du zuvor mit mir reden oder mich sehen moechtest; +welches nun nicht not ist und magst wohl daheim bleiben, weil mir Gott +so reichlich geholfen hat, dass ich mich versehe, froehlich zu Dir zu +kommen. Heute liegen wir zu Gotha. Ich habe sonst viermal geschrieben, +wundert mich, dass nichts zu euch kommen ist. + +Dienstags nach Reminiscere. 1537. + +Martinus Luther." + +Wie mag das arme Weib erschrocken sein ueber diese unglueckliche Kunde! +und wie haette sie erst gebangt, wenn sie gewusst haette, dass am folgenden +Tag der toedliche Anfall sich wiederholte, bis wieder sechs Steine von +ihm gingen. Kaethe fuhr nun ihrem Manne entgegen nach Altenburg, wo +Freund Spalatin als Pfarrer lebte. Bei diesem bereitete sie nun eine +Herberge, bis Jonas und die Muhme Lenchen mit dem Kranken von Weimar her +ankamen. Im gastlichen Altenburger Pfarrhaus pflegte Kaethe den +Erschoepften einige Tage und fuhr dann mit ihm Mitte Maerz langsam an +Kloster Nimbschen vorbei, mit einem Aufenthalt in Grimma nach Wittenberg +heim, wo sie am 14. Maerz ankamen[323]. + +Langsam nur erholte sich Luther; an allen Knochen wie zerschlagen, +konnte er sich kaum auf den Beinen halten, so erschoepft war er. Er +lernte wieder essen und trinken: die Ruhe und Kaethes sorgliche Pflege +brachte ihn allmaehlich wieder zu Kraeften. Acht Tage darauf konnte er +wieder die feiernde Feder ergreifen und seinen Dankesbrief an Spalatin +schreiben. Frau Kaethe, die in der Bestuerzung den Toechtern Spalatins +nichts mitgebracht hatte, wollte ein paar Buecher binden lassen und zum +Andenken schicken. Ueber die Osterzeit hat Luther dann wieder fleissig +gepredigt. Aber als er spaeter wieder in die Hessenstadt zum Konvent +gehen sollte, hielt Kaethe ihren Gatten zurueck und er selbst warnte die +Freunde vor "den hessischen Betten"[324]. + +In diesem Jahre ging auch Muhme Lene heim und mit ihr ein guter +Hausgeist, eine Stuetze der Hausfrau, eine geliebte Freundin und Hueterin +der Kinder. Der Ersatz, den Frau Kaethe fuer sie suchte und erhielt in +"Muhme Lene" der juengeren, ihrer leichtherzigen Nichte, und gar in +fremden Stuetzen der Hausfrau, war ein sehr zweifelhafter[325]. + +In diesem Jahre 1537 hatte Frau Kaethe noch einen schweren Fall von +Krankenpflege in ihrem Hause: naemlich die Kurfuerstin Elisabeth von +Brandenburg. + +Die arme Frau war schon 1534 kraenklich, bald besser, bald schwerer. +Damals war sie in Wittenberg. Luther musste aber auch oefter zu ihr nach +Schloss Lichtenberg reisen. Im Todesjahre ihres Gemahls, 1537, aber, als +sich ihr Zustand zu einer Geistesstoerung ausgebildet hatte, war sie zur +Verpflegung in Luthers Haus, wohl auf des Kurfuersten von Sachsen +Veranlassung. Nach langem Fiebertraum erwachte sie im September, war +aber so bloede und kindisch, dass sie wenig verstand. Frau Kaethe sass bei +ihr auf dem Bette und schweigete sie[326]. Darauf wollte ihre Tochter, +Fuerstin Margarete von Anhalt, mit Gefolge zum Besuch der kranken Mutter +kommen, natuerlich womoeglich auch in Luthers Behausung. Aber diese konnte +man nicht auch noch aufnehmen; war doch das grosse Haus genug belegt; +auch in der Stadt, die als Festung so eng gebaut war und jetzt so +besucht von Studenten, war jedes Haus bis in den kleinsten Winkel +vollgepropft. So musste man den Besuch ablehnen, aber versichern, dass +alles angewendet werde, um die Genesung der Kurfuerstin zu +beschleunigen[327]. Die andere Tochter der Kurfuerstin, Herzogin +Elisabeth von Braunschweig-Calenberg, welche einst ihre Mutter wegen des +evangelischen Abendmahls an den Vater und eine unguenstige Aeusserung +Luthers ueber Herzog Georg an diesen verraten hatte, kam oefter zum Besuch +ihrer kranken Mutter in Luthers Haus; und dieser Umgang brachte sie +dazu, dass sie selbst evangelisch wurde und nach dem Tode ihres Gemahls +als Regentin des Landes in Braunschweig die Reformation einfuehrte. Sie +wurde sehr befreundet mit Luther und Kaethe, schickte ihr einmal eine +Sendung Kaese und bekam dafuer Maulbeer- und Feigen-Setzlinge[328]. + +Aber der Zustand der armen "Markgraefin" war ein trauriger und noch +monatelang musste sie Kaethe pflegen. Dabei trugen sich allerlei +aergerliche Zwischenfaelle zu, namentlich durch die Zudringlichkeit +unberufener Leute: so draengte sich eine schmutzige Boehmin ins Haus, ins +Gemach und an die Seite der Fuerstin, suchte fuer sich Gunst und andern +Ungunst zu erregen. Eine Zeitlang ging es noch gut; als die Kranke aber +Geld ausgezahlt bekam, da fing es wieder an, sie verschwendete masslos an +jedermann ohne Unterschied; auch den Lutherischen Eheleuten wollte sie +zwei Stuerzbecher mit 100 Goldgulden darin schenken. Dazu machte sie +immer Reiseplaene und schrieb heimlich ueberallhin und wollte durchaus +fort aus Wittenberg[329]. + +Luther und Kaethe waeren die unruhige Patientin, ueber die sie nicht +voellige Gewalt hatten, mit der vielen Unmusse gerne losgewesen, mussten +aber warten, bis der Hofhalt in Lichtenberg wieder eingerichtet +war[330]. + +Die greise Kurfuerstin wurde nachher wieder gesund und ueberlebte noch +Luther. + +Nachdem das Jahr 1538 ebenfalls ein "faehrlich schwer Jahr" gewesen wegen +der mancherlei Krankheiten, spukte im Spaetherbst 1539 die Pest wieder im +Lande. Die Leute hatten eine furchtbare Angst, der Bruder liess den +Bruder, der Sohn die Eltern im Stich; wenn ein Haus angesteckt war, +wurde es niedergerissen. Kein Bauer wollte Holz, Eier, Butter, Kaese, +Korn in die verseuchte Stadt fahren. Da mussten die Wittenberger zwei +Plagen fuer eine leiden: Pestilenz und Hunger und Frost. Die Bauern luden +endlich ihre Sachen draussen vor den Thoren ab und die Staedter mussten sie +auflesen[331]. + +Luther freilich nahm wie gewohnt "das Pestlein" leicht und hielt es nur +fuer eine Seuche. Er zuernte und spottete ueber die Pestfurcht: "Ich halt, +der Teufel hat die Leut besessen mit der _rechten_ Pestilenz, dass sie so +schaendlich erschrecken." Ja, er trotzte der Krankheit, um Tod und Teufel +zu verachten. Als er einmal einen Pestkranken besuchte, betastete er +ohne Scheu dessen Beulen. Und er war so sorglos, dass er, als er heimkam, +sogar mit ungewaschenen Haenden sein Toechterlein Margarete unbedacht um +den Mund streichelte--es schadete freilich nichts. Ja, als die Gattin +des Kosmographen Dr. Sebald Muenster an der Seuche starb und dieser +selbst an sieben Beulen litt, nahm Luther zum Entsetzen der Wittenberger +die vier Kinder Sebalds aus dem verpesteten Hause zu sich. Guter Gott! +was entstand in der ganzen Stadt fuer ein Geschrei gegen Luther! Er +wollte den Erbarmungslosen und Furchtsamen ein Exempel geben[332]. + +Diejenige, welche am wenigsten wider diese starkmuetige Tapferkeit +Luthers einzuwenden hatte, war seine Gattin; und sie hatte doch die +groesste Muehe und Sorge mit den uebernommenen Kindern und war dazu wie vor +zehn Jahren ihrer Entbindung nahe. Und sie musste es buessen. Sie kam +ungluecklich nieder und schwebte lange Zeit zwischen Leben und Tod. Sie +fiel von einer Ohnmacht in die andre. Vergebens wurden alle staerkenden +Mittel angewendet, die Entkraeftung zu heben. Sie lag da wie eine atmende +Leiche, das Gesicht entstellt, die Gestalt verfallen. Wohl wurde sie von +besorgten Haenden aufs treulichste gepflegt und jeder Atemzug, jede +Bewegung beobachtet[333]. + +Luther wich nicht von der geliebten Frau und sagte darum seine Anwohnung +auf dem Schmalkalder Konvent ab. Er betete Kaethe wieder lebendig, wie +einst zu Weimar seinen Freund Melanchthon. Denn wunderbarerweise siegte +Kaethes starke Natur. Sie erholte sich, fing mit Appetit an zu essen und +zu trinken, stand wieder auf und kroch umher, indem sie sich mit den +Haenden an Tischen und Baenken hielt. Und bald that sie sich etwas zu gut +auf ihre wachsende Gesundheit und im April ist sie voellig wieder +hergestellt[334]. + +Die Freunde sahen in der wie durch ein Wunder genesenden Gattin des +Reformators das Weib der Offenbarung (Kap. 12): ein Sinnbild der durch +ein Gotteswunder genesenden kranken Kirche[335]. + +Im Sommer 1540 reiste Luther mit Melanchthon nach Eisenach, um dem +Reichstag in Hagenau naeher zu sein, aehnlich wie vor zehn Jahren in +Koburg dem Augsburger Tag. Melanchthon sollte nach Hagenau ziehen, aber +er wurde unterwegs in Weimar sterbenskrank; doch Luther hat ihn unsrem +Herrgott abgebetet. In Eisenach wohnte Luther im Pfarrhaus des Menius, +welcher mit nach Hagenau reiste. Sein "Fraulein" pflegte den +Wittenberger Doktor aufs sorgsamste und liebenswuerdigste, so dass Frau +Kaethe unbesorgt sein konnte. Und der Kinderfreund Luther entschaedigte +sich fuer die Entfernung von seinen Kleinen dadurch, dass er den +Pfarrbuben Timotheus ein Spiel mit Nuessen lehrte. Von hier aus schrieb +Luther fleissig Briefe nach Haus, erhielt freilich von der +vielbeschaeftigten Frau Kaethe nicht so leicht einen. Dafuer mussten die +Kinder und Hausgenossen schreiben, zu denen damals auch ein "Mariischen" +gehoerte[336]. + +Die drei ersten Briefe sind verloren gegangen, der vierte aber +lautet[337]: + +"Meiner herzlieben Kaethe, Doktorin Kathrin und Frauen auf dem neuen +Saumarkt zu handen. + +Gnade und Friede, liebe Jungfrau Kaethe, gnaedige Frau von Zulsdorf und +wie Ew. Gnaden mehr heisst! Ich fuege Euch und Ew. Gnaden unterthaeniglich +zu wissen, dass mir's hie wohl gehet: "ich fresse wie ein Boehme und saufe +wie ein Deutscher"[338]--das sei Gott gedankt, Amen. Das kommt daher: +Magister Philipps ist wahrlich tot gewesen und recht wie Lazarus vom Tod +auferstanden. Gott der liebe Vater hoeret unser Gebet, das sehen und +greifen wir, ohne dass wir's dennoch nicht glauben: da sage niemand Amen +zu unserm schaendlichen Unglauben. + +Ich hab' dem Doktor Pommer Pfarrherr geschrieben, wie der Graf zu +Schwarzburg (um) einen Pfarrherrn gen Greussen bittet, da magst Du als +eine kluge Frau und Doktorin mit Magister Georg Roehrer und Magister +Ambrosio Berndt helfen raten, welcher unter den dreien sich wollte +bereden lassen, die ich dem Pommer angezeigt: es ist nicht eine +schlechte Pfarre; doch seid ihr klug und macht's besser. + +Ich habe der Kinder Briefe, auch des Bacculaurien (Hans)--der kein Kind +ist, Mariische auch nicht--kriegt, aber von Ew. Gnaden hab' ich nichts +kriegt; werdet jetzt auf die vierte Schrift, ob Gott will, einmal +antworten mit Ew. gnaedigen Hand. + +Ich schicke hie mit dem Magister Paul den silbernen Apfel, den mir Ihre +gnaedige Hand geschenkt hat, den magst Du, wie ich zuvor geredet habe, +unter die Kinder teilen und fragen, wie viel sie Kirschen und Aepfel +dafuer nehmen wollen; die bezahle ihnen bar ueber und behalt' Du den Stiel +davon. + +Sage untern lieben Kostgaengern, sonderlich Doktor Severo oder Schiefer, +mein freundlich Herz und guten Willen, und dass sie helfen zusehen in +allen Sachen der Kirchen, Schulen, Haus und wo es not sein will. Auch M. +Georg Major und M. Ambrosio, dass sie Dir zu Hause troestlich seien. +Will's Gott, so wollen wir bis Sonntag auf sein, von Weimar gen Eisenach +zu ziehen, und Philipps mit. Hiemit Gott befohlen. Sage Lycaoni nostro +(dem Diener Wolfgang), dass er die Maulbeer nicht versaeume, er verschlafe +sie denn, das wird er nicht thun--er versehe es denn--und den Wein soll +er auch zur Zeit abziehen. Seid froehlich alle und betet. Amen. + +Weimar, am Tage der Heimsuchung Mariae (2. Juli) 1540. + +Martinus Luther, + +Dein Herzliebchen." + +Mit dem folgenden Brief an "Frau Katherin Luderin zu Wittenberg, meiner +lieben Hausfrau" schickt Luther seiner "lieben Jungfer Kaethe" durch den +Fuhrmann Wolf 42 Thaler Sold und 40 fl. Die "magst Du brauchen, bis wir +kommen, und wechseln lassen bei Haus von Taubenheim zu Torgau; denn wir +zu Hofe nicht einen Pfennig Kleinmuenze moegen haben. Magister Philipps +kommt wieder zum Leben aus dem Grabe, siehet noch kraenklich, aber doch +leberlich aus, scherzt und lacht wieder mit uns, isset und trinket wie +zuvor mit ueber Tische. Gott sei Lob! Und danket ihr auch dem lieben +Vater im Himmel.... Was aber (zu Hagenau) geschieht, wissen wir nicht, +nur das: man achtet, sie werden uns heissen: Thu das und das, oder wir +wollen euch fressen. Denn sie haben's boese im Sinn. Sage auch Doct. +Schiefer, dass ich nichts mehr von Ferdinando halte; er gehet da hin zu +grunde. Doch hab ich Sorge, wie ich oft geweissagt, der Papst moechte den +Tuerken ueber uns fuehren.... Denn der Papst singet schon bereits: flectere +si nequeo Superos, Acheronta movebo: kann er den Kaiser nicht ueber uns +treiben, so wird er's mit dem Tuerken versuchen; er will Christus nicht +nachgeben. So schlage denn Christus drein beides in Tuerken, Papst und +Teufel und beweise, dass er der rechte Herr sei vom Vater zur Rechten +gesetzt. Amen!--Amsdorf ist auch noch hier bei uns. Hiemit Gott +befohlen. Amen. + +Sonnabends nach Kiliani (10. Juli). + +Mart. Luther."[339] + +Sechs Tage darauf kam wieder ein Brief[340]. + +"Gnade und Friede. Meine liebe Jungfer und Frau Kaethe! Euer Gnaden +sollen wissen, dass wir hier, Gottlob, frisch und gesund sind; "fressen, +wie die Boehmen"--doch nicht sehr--"saufen wie die Deutschen"--doch nicht +viel--, sind aber froehlich. Denn unser gnaediger Herr von Magdeburg, +Bischof Amsdorf, ist unser Tischgenosse. Mehr neue Zeitung wissen wir +nicht, denn dass Doktor Kaspar Mekum und Menius sind von Hagenau gen +Strassburg spazieren gezogen, Hans von Jenen zu Dienst und Ehren. M. +Philipps ist wiederum fein worden, Gottlob. Sage meinem lieben D. +Schiefer, dass sein Koenig Ferdinand ein Geschrei will kriegen, als wolle +er den Tuerken zu Gevatter bitten ueber die evangelischen Fuersten: hoffe +nicht, dass es wahr sei, sonst waere es zu grob. Schreibe mir auch einmal, +ob Du alles kriegt hast, was ich Dir gesandt, als neulich 90 Fl. bei +Wolf Fuhrmann u.s.w. Hiermit Gott befohlen, Amen. Und lass die Kinder +beten. Es ist allhier solche Hitze und Duerre, dass unsaeglich und +unertraeglich ist bei Tag und Nacht. Komm, lieber juengster Tag, Amen. + +Freitags nach Margareten, 1540. Der Bischof von Magdeburg laesst Dich +freundlich gruessen. + +Dein Liebchen + +Martin Luther." + +Und endlich als es wieder auf die Heimreise ging, kuendigt Luther Kaethe +die Rueckkehr an und bestellt einen Willkommtrunk. + +"Der reichen Frauen zu Zulsdorf, Frauen Doktorin Katherin Lutherin, zu +Wittenberg leiblich wohnhaftig und zu Zulsdorf geistlich wandelnd, +meinem Liebchen zu handen.--Abwesend dem Doktor Pomeran, Pfarrherr, zu +brechen und zu lesen. + +... (Ew. Gnaden) ... wollen schaffen, dass wir einen guten Trunk bei Euch +finden. Denn, ob Gott will, morgen Dienstag wollen wir auf sein gegen +Wittenberg zu. Es ist mit dem Reichstage zu Hagenow ein Dreck, ist Muehe +und Arbeit verloren und Unkost vergeblich. Doch, wo wir nichts mehr aus +gerichtet, so haben wir doch Magister Philippus wieder aus der Hoelle +geholet und wieder aus dem Grabe froehlich heimbringen wollen, ob Gott +will und mit seiner Gnaden, Amen. + +Es ist der Teufel hieraussen selber mit neuen boesen Teufeln besessen, +brennt und thut Schaden, das schrecklich ist. Meinem gnaedigsten Herrn +ist im Thueringer Wald mehr denn tausend Acker Holz abgebrannt und +brennet noch. Dazu kommt heute Zeitung, dass der Wald bei Werda auch +angegangen sei und viel Orten mehr; hilft kein Loeschen. Das will teuer +Holz machen. Betet und lasset beten wider den leidigen Satan, der uns +sucht nicht allein an Seele und Leib, sondern auch an Gut und Ehre aufs +allerheftigste. Christus, unser Herr, wolle vom Himmel kommen und auch +ein Feuerlein dem Teufel und seinen Gesellen aufblasen, dass er nicht +loeschen koennte, Amen. + +Ich bin nicht gewiss gewesen, ob Dich diese Briefe zu Wittenberg oder zu +Zulsdorf wuerden finden; sonst wollt' ich geschrieben haben von mehr +Dingen. Hiemit Gott befohlen, Amen. Gruesse unsere Kinder, Kostgaenger und +alle. Montags nach Jacobi (26. Juli) 1540. + +Dein Liebchen + +M. Luther, D.[341] + +Um diese Zeit begann eine neue Sorge fuer Kaethe. Ihrem Bruder Hans wollte +es auf Zulsdorf gar nicht gluecken. Daher kaufte sie ihm Zulsdorf ab. +Aber sie musste auch ihres Mannes vielfache Beziehungen zu fuerstlichen +Hoefen angehen, um ihm wieder einen Hofdienst zu verschaffen, sei's in +Preussen, sei's in Sachsen. Luther konnte das mit gutem Gewissen, denn +Hans von Bora war keiner von den grossmaeuligen "Scharhansen", wie sie in +dieser Zeit massenhaft aufgekommen waren. Aber vielleicht eben wegen +seiner Frommheit hatte er Unglueck. Ein Gegner Luthers verdraengte ihn von +seinem Vorsteheramte am Neuen Kloster in Leipzig, bis er endlich einen +Teil des Klostergutes in Crimmitschau ueberkam[342]. + +Im Herbst dieses Jahres (1540) suchte die Stadt Wittenberg ein Fieber +heim, das zwar selten einen toedlichen Ausgang nahm, aber so ziemlich +alle Bewohner ergriff. Bugenhagen war so krank, dass Luther fuer ihn sein +Pfarramt versehen musste. Im eignen Hause waren zehn Todkranke und dazu +fuehlte sich der Hausherr selber "alt und schwach". Da konnte wieder +Kaethe ihre Sorge und Pflege anwenden[343]. + +Zu Ostern des folgenden Jahres (1541) wurde die Umgebung Wellenbergs +erschreckt durch Brandstiftungen und allerlei Vergiftungserscheinungen, +indem die Lebensmittel: Wein und Milch mit Gift und Gips gemischt +wurden. Es wurden allerlei Leute verhaftet und gefoltert, auch in +Wittenberg zwei Leute geroestet--ohne die Ursachen und die Urheber zu +entdecken. Luther fuehlte sich in diesem Jahr gar nicht wohl, so dass der +Kurfuerst ihm sogar einmal zwei Aerzte schickte und er am Dreikoenigstag +des folgenden Jahres (1542) sein Testament machte[344]. + +Noch eine Freude erlebten die Eheleute zu dieser Zeit: die Enkelin von +Luthers Schwerer, _Hanna Strauss_, die in der Familie erzogen war, wurde +mit M. Heinrich von Koelleda im Dezember 1541 verlobt, nachdem die +Pflegeeltern die Verlobung des Dr. Jakob Schenck (spaeter als Luthers +Gegner "der Jaeckel") abgewiesen hatten. Zu dem Verloebnis kam gerade von +den Anhalter Fuerstenbruedern ein Wildschwein, als Luther eben gebeten +hatte, wenn es moeglich und thunlich waere, ihn zur Hochzeit "etwa mit +einem Wildbret zu begaben, denn ich einer Hausjungfrauen, meiner +Freundin (Verwandten) soll zu Ehren helfen in den hl. Stand der Ehe". Am +30. Januar 1542 wurde Hochzeit gemacht, die letzte in Luthers Haus. +Amsdorf u.a. schickten Hochzeitsgeschenke, und weiteres Wildbret von +Anhalt wird nicht gefehlt haben[345]. + +Aber zu gleicher Zeit (1541) starb auch nach nur vierjaehriger Ehe D. +Ambros. Berndt, der Gatte der Magdalene Kaufmann, der Muhme Lene der +Juengeren. Die junge Witwe machte sich nun zum grossen Verdrusse der +Lutherischen Verwandten an einen sehr jugendlichen Mediziner, Ernst +Reichet (Reuchlin), der noch studieren musste und heiratete ihn auch nach +Luthers Tod, so dass sie eine zeitlang in rechte Bedraengnis geriet, bis +ihr Mann eine ehrenvolle Stellung erwarb[346]. + +Auch Lenes Bruder, Cyriak, bereitete Luther grossen Aerger, indem er nach +dem Beispiel von Melanchthons und Dr. Beiers Sohn ein heimliches +Verloebnis einging, was die Wittenberger Juristen als giltig +anerkannten[347]. + +Am 26. August 1542 war der aelteste Sohn, Hans Luther, jetzt 16jaehrig und +bereits seit drei Jahren Baccalaureus, nach Torgau geschickt worden zu +Markus Crodel, der dort eine treffliche, von Luther hochgeschaetzte +Knabenschule hielt, damit er in Sprachlehre und Musik ausgebildet werde, +auch Sitte und Anstand lerne, wozu in der studentenwimmelnden Kleinstadt +und in Luthers ueberfuelltem Hause nicht der rechte Ort war; Luther war +sich auch bewusst, Theologen bilden zu koennen, aber keine Grammatiker und +Musiker. Daher wollte er Crodel, wenn er am Leben bliebe, noch spaeter +die zwei juengeren Soehne schicken. Der Gesellschaft und Aneiferung wegen +wurde auch Kaethes Brudersohn, Florian von Bora, mitgeschickt. Hans war +ein guter Junge, waehrend Florian schon einer haerteren Zucht bedurfte. +Der Mutter that der Abschied weh, noch mehr aber der aeltesten Schwester, +Lenchen, die mit besondrer Zaertlichkeit an ihm hing. Aber Hans gefiel es +gut im Pensionat des Praezeptors, er hatte ihn und seine Frau zu ruehmen; +er meinte sogar, es erginge ihm hier besser als daheim[646]. + +Kaum aber war der Bruder abgereist, so wurde Lenchen sterbenskrank. + +Es war ein gar liebes frommes Maedchen, das seine Eltern ihr Lebtag nie +erzuernt hatte. Auf ihrem Sterbebette verlangte sie herzlich und +schmerzlich, ihren Bruder Hans nochmals zusehen; sie meinte, sie wuerde +dann wieder gesund werden. Kaethe musste ihren Wagen anspannen lassen und +der Kutscher Wolf fuhr mit dem Luther'schen Gefaehrt nach Torgau. Er +brachte einen Brief vom Vater an den Praezeptor, der lautete: + +"Gnade und Friede, mein lieber Markus Krodel. Ich bitt' Euch, sagt +meinem Sohn Hans nicht, was ich Euch schreibe. Mein Toechterlein +Magdalena ist dem Ende nahe und wird bald heimkehren zu ihrem wahren +Vater im Himmel, wenn' s Gott nicht anders gefaellig ist. Aber sie sehnt +sich so sehr darnach, den Bruder zu sehen, dass ich den Wagen schicken +musste: sie lieben eins das andere gar so sehr--vielleicht, dass sein +Kommen ihr neue Kraft geben koennte. Ich thue, was ich kann, damit mich +nicht spaeter mein Gewissen beschwert. So sagt ihm also--doch ohne die +Ursach'--dass er mit diesem Wagen eilends herkomme, um bald wieder +zurueckzukehren, wenn Lenchen im Herrn entschlafen oder wieder gesund +worden sein wird. Gott befohlen. Ihr muesst ihm sagen, es warte seiner ein +heimlicher Auftrag. Sonst steht alles wohl. 6. September 1542."[348] + +Hans kam zurueck und auch rechtzeitig daheim an. Denn das arme Maedchen +musste noch vierzehn Tage leiden und mit dem Tode ringen: offenbar hatte +dies Wiedersehen des Bruders ihre Lebensgeister nochmals aufflammen +lassen. Es waren gar traurige Wochen in dem Lutherhaus. Das fromme +Maegdlein zwar wollte gerne sterben: beim irdischen Vater bleiben oder +zum himmlischen heimkehren. "Ja, herzer Vater", sagte es, "wie Gott +will!" Aber den Eltern kam der Abschied ihres Lieblings sehr hart an, +namentlich Luther, der hatte sie sehr lieb, denn die Vaeter haengen mehr +an den Toechtern, waehrend Frau Kaethe zu ihrem Hans groessere Zuneigung +fuehlte. + +In der Nacht vor Lenchens Tode hatte die Mutter einen wundersamen Traum: +Es deuchte sie, zwei geschmueckte, schoene junge Gesellen kaemen und +wollten ihr Lenchen zur Hochzeit fuehren. Am Morgen kam Melanchthon +herueber ins Kloster und fragte, was Lenchen machte. Da erzaehlte Frau +Kaethe ihren Traum. Magister Philipp, der bei andern im Geruch der +Wahrsagung und Traumdeuterei stand und sich selbst viel darauf zu gut +that, machte ein erschrockenes Gesicht. Und als er zu anderen Leuten +kam, deutete er den Traum: "Die jungen Gesellen sind die lieben Engel, +die werden kommen und diese Jungfrau in das Himmelreich zur rechten +Hochzeit heimfuehren." Melanchthon hatte diesmal recht prophezeit. + +Am 26. September um die neunte Stunde ging es zu Ende. Der Vater hielt +das Kind in seinen Armen, die Mutter stand dabei. Der Doktor weinte, +betete und troestete abwechselnd das Kind, sich selbst und die +Umstehenden: Frau Kaethe, Melanchthon und D. Roehrer. Die Mutter war tief +ergriffen; als es zu Ende war, weinte sie ihren Jammer laut hinaus, so +dass Luther sie beruhigen musste: "Liebe Kaethe, bedenke doch, wo sie +hinkommt: sie kommt wohl." + +Die traurigen Ereignisse gingen ihren Gang. Der Sarg kam; aber als das +Maegdlein hineingelegt werden sollte, hatte es der Tod gestreckt und ihr +Bettlein war ihr zu klein geworden. Die Leute kamen und bezeugten den +Eltern nach dem gemeinen Brauch ihr Beileid: "es waere ihnen ihre +Betruebnis leid". Der Schuelerchor sang das Lied: "Herr, gedenk nicht +unsrer vorigen alten Missethat." Sie ward hinausgetragen auf den +Friedhof am Elsterthor, und eingescharrt. "Es ist die Auferstehung des +Fleisches", sagte Luther, der jedes Wort und jeden Akt mit einem +sinnigen Trostspruch begleitete. Dann ging der traurige Zug heim und der +Doktor sagte zu Kaethe: "Nun ist unsere Tochter beschickt, an Leib und +Seel versorgt, wie es Eltern sollen thun, sonderlich mit den armen +Maegdlein." Darauf dichtete der Doktor seinem Toechterlein eine +lateinische Grabschrift, die lautet in treuherzigem Deutsch: + + Hie schlaf ich Lenchen, D. Luthers Toechterlein, + Ruh mit allen Heiligen in mei'm Bettelein[349]. + +Aber noch monatelang sprach und schrieb Luther von seiner Trauer, zuernte +wider den Tod und milderte seinen Schmerz mit Thraenen um die geliebte +Tochter; und Kaethe hatte die Augen voll Thraenen und schluchzte laut auf +beim Gedanken an das "gute gehorsame Toechterlein"[350]. + +Begreiflich, dass Frau Kaethe den erstgebornen Sohn mit schwerem Herzen +wieder in die Ferne entliess. "Wenn dir's uebel gehen sollte, so komm nur +heim", hatte die Mutter in einer Anwandlung von Weh und Schwaeche zu Hans +gesagt. Es ging nun zwar Hans nicht schlecht in Crodels Hause, aber das +Heimweh nach Lenchen und die Sehnsucht nach dem Vaterhause wurde +uebermaechtig in ihm--es war ja gerade um die Weihnachtszeit. Er schrieb +einen klaeglichen Brief und berief sich auf die Rede der Mutter, er solle +heimkehren, wenn's ihm uebel ginge. Da schrieb Luther am 2. Christtag an +den Praezeptor und den Sohn zwei Episteln, in denen er Hans zur +maennlichen Ueberwindung der weibischen Schwaeche ermahnt. Der Brief an +den Sohn lautet: + +"Gnade und Friede im Herrn. + +Mein lieber Sohn Hans. Ich und Deine Mutter und das ganze Haus sind +gesund. Gieb Dir Muehe, dass Du Deine Thraenen maennlich besiegst und Deiner +Mutter Schmerz und Sorge nicht noch mehrst, die so geneigt ist zu Sorge +und Angst. Gehorche Gott, der Dir durch uns befohlen hat dort zu +arbeiten, so wirst Du leicht dieser Schwaeche vergessen. Die Mutter kann +nicht schreiben und hat es auch nicht noetig geachtet; aber sie sagt, +alles was sie Dir gesagt habe--naemlich Du solltest heimkehren, wenn es +Dir uebel ginge--habe sie von Krankheit gemeint; davon solltest Du, wenn +es geschehe, gleich Kunde geben. Sonst will sie, dass Du diese Trauer +lassest und froehlich und ruhig studierest. Hiemit gehab Dich wohl im +Herrn. + +Dein Vater Martin Luther."[351] + +Der letzte Schmerz und Verlust, den Frau Kaethe in diesem +schicksalsschweren Jahre noch erlebte, war der Tod ihrer besten +Freundin, der Frau Stiftspropst Katharina Jonas. Sie starb am +Weihnachtstage 1542, eine frohe freundliche Kinderseele; so ging sie +auch am Christfest hinein in den himmlischen Freudensaal zur ewigen +Weihnacht. + +Frau Kaethe aber war's, als sei ihr ein Stueck von ihrer Seele +gestorben[352]. + + + + +12. Kapitel + +Tischgenossen und Tischreden. + + +"Unsere Herrin Kaethe, die _Erzkoechin_", so nennt Luther seine Gattin in +einem scherzhaften Einladungsbrief an Freund Jonas[353]. + +Und das war sie; sie kochte gern und gut und braute auch die +entsprechenden Getraenke dazu. Gelegenheit zu den manchfaltigsten +Gastereien hatte aber kein Weib so sehr als Frau Kaethe. + +Da gab es vor altem gar mancherlei Hochzeiten von Verwandten und +Freunden, deren Ausrichtung dem Herrn Doktor eine Herzensfreude war, bei +denen aber sein "Herr Kaethe" eine ganz besonders hervorragende und liebe +Rolle spielte. + +Und was so eine Hochzeit in Wittenberg auf sich hatte, kann man sich +kaum recht vorstellen. Da musste der "Haufe" geladen werden; bei einer +"akademischen" Hochzeit "die Universitaet mit Kind und Kegel" und dazu +andere, die man Luthers halber "nicht wohl konnte auss(en) lassen; so +bleibt's weder bei 9 noch bei 12 Tischen, 120 Gaeste ohne die Diener +u.s.w." war das Gewoehnliche fuer eine akademische Hochzeit. "Bei einem +Doktorschmaus machten die Maenner allein schon 7 bis 8 Tische voll; was +wurde es erst, wenn die Frauen, Kinder und noch das Gesinde zu speisen +und zu traenken waren?" Dazu dauerten die Hochzeiten mehrere Tage. Luther +hatte sich bei seiner Hochzeit auch nur "fuer die gewoehnlichen Gaeste" mit +einem Tage begnuegt. Und das alles bei dem schlechten Markt in +Wittenberg! Da war es fuer die gute Kaethe keine geringe Schwierigkeit, +einen solchen Schwarm in anstaendiger Weise zu speisen, und sie wollte +doch weder auf den Ruhm ihres Mannes, noch der Gefeierten einen Makel +kommen lassen--natuerlich auf ihren Ruhm auch nicht. Luther und Kaethe +wollten beide keine Unehre einlegen[354]. + +Aber auch sonst richtete Frau Kaethe gern Feste aus: Doktorschmaeuse, +Geburtstagsessen und auch sonstige Gesellschaften ohne besondere +Veranlassungen. Da ist Wilhelm Rink, D. Eisleben (Agricola), Alexander +Drachstett und Wolf Heinzen zu Besuch im Schwarzen Kloster; und weil der +Pfarrer Michael Stiefel in Lochau seltener dahin kommt, soll auch er +erscheinen und teilnehmen an den froehlichen Tagen. Da wird einer der +Freunde oder gar zwei: Roehrer oder Jak. Schenk, Hier. Heller, Nikolaus +Medler, "der Markgraefin Kaplan" (d.i. der Hofprediger der Kurfuerstin +Elisabeth von Brandenburg) zum Doktor promoviert und Herr Kaethe braet und +braut fuer den ueblichen Schmaus. Da giebt sie ihrem eignen Doktor am 19. +Oktober ein festliches Abendmahl zum Jahrestage seines Doktorats. Am 10. +Martini wird mit dem Heiligen Martin auch der Geburtstag ihres D. +Martinus und spaeter noch ihres Martinleins festlich begangen[355]. Der +zehnte Jahrestag des Thesenanschlags ("der niedergetretenen Ablaesse"), +der Allerheiligentag 1527, wird mit einem Fest begangen. Auch um ihn zu +troesten ueber den Tod des lieben Freundes Hausmann, der Luther ungemein +nahe ging, lud Frau Kaethe einen Kreis von Freunden ein: Jonas, +Melanchthon, Camerarius, Cokritz. Die Kindtaufschmaeuse fuer ihre +Neugebornen musste die Woechnerin wenigstens einige Zeit vorher +vorbereiten und von ihrem Bette aus ueberwachen. Doch auch ohne besondere +festliche Veranlassung erschienen zu kleinerem Beisammensein am +geselligen Tisch die guten Freunde und Amtsgenossen: Jonas, Melanchthon, +Bugenhagen, so oft ein Stueck Wildbret oder eine Sendung Fische ins Haus +geschickt wird, oder eine Kufe Bier, oder ein Fass Wein--manchmal mit der +ausdruecklichen Bestimmung, "Herr Philipp, D. Pommer und andere gute +Freunde sollten es mit dem Doktor gesund verbrauchen." Dann darf Frau +Kaethe die Speisen bereiten und auftischen[356]. Manchmal muss sie auch +bei Hof um Wild zum Festbraten bitten lassen, wenn sonst keines zu +bekommen ist; oder sie bestellt bei einem guten Freunde "fuer einen +Thaler Voegel, Gefieder, Gefluegel und was im Reich der Luft fleugt, +ferner was er an Hasen und anderen Leckerbissen kaufen oder umsonst +erjagen kann." Oder Frau Kaethe musste ihre eigenen Fischteichlein +ausraeumen, wo neben Hechten und Karpfen, Schmerlen und Barsche, ja +sogar Forellen schwammen. Denn nicht immer kamen die Geschenke so +reichlich wie einmal vom Kurfuersten "ein Fuder Supstitzer, ein halb +Fuder Goreberger, vier Eimer Jenischen Weins, dazu ein Schock Karpfen +und ein Zentner Hechte, schoene Fische"--war auf einmal zu viel, selbst +fuer eine zahlreiche Gesellschaft[357]. + +Da sind Durchreisende und Besuche vom Fuersten bis zum fahrenden Schueler, +fremde Gesandte und stellenlose Magister, arme Witwen und vertriebene +Pfarrer, Englaender und Franzosen, Boehmen und Ungarn, sogar einmal ein +"Mohr": sie sitzen zu Gaste einen Tag, auch eine Woche und ein Jahr an +Kaethes grossem Tisch. Als Hartmut von Cronbergs verwitwete Schwester von +einem Juden entfuehrt nach Wittenberg kam und heimlich sich da aufhielt, +entschuldigt sich Luther mit seinen boesen Erfahrungen an vornehmen und +geistlichen Schwindlerinnen, dass er sich ihrer nicht an-, d.h. sie nicht +ins Haus genommen; bei ihrem Kinde stand er aber nachher Gevatter[358]. + +Da kamen Schwester und Bruder, Schwager und "Freunde" von Mansfeld. Oder +die Strassburger Theologen speisten im Schwarzen Kloster. So machte der +feine Strassburger Capito, der samt Butzer zur "Concordia" in Wittenberg +verhandelte, einen gar guten Eindruck auf Frau Kaethe, und es war ihr ein +grosses Unglueck, dass der goldene Ring, den er ihr verehrte und den sie +als Sinnbild der Vereinigung der saechsischen und oberlaendischen Kirche +betrachtete, ihr durch ein Missgeschick abhanden kam [359]. + +Sogar dem Kurfuersten musste Frau Kaethe hinter dem Wall eine Collation +auftischen (8.-14. Maerz 1534). Spaeter waren noch allerlei andere Fuersten +wenigstens voruebergehend Tischgenossen Kaethes, so der junge saechsische +Johann Ernst und der Herzog Franz von Lueneburg[360]. + +Staendige Tischgesellen waren die im Schwarzen Kloster wohnenden +Praezeptoren, Famuli und Scholaren. + +Einer der aeltesten und ersten dieser Tischgenossen im Luther hause ist +Konrad _Cordatus_. + +Er war sieben Jahre vor Luther von husitischen Bauern im +oesterreichischen Weissenkirchen geboren, studierte Theologie in Wien, +lebte einige Jahre in Rom; erhielt 1510 eine sehr gute Anstellung in +Ofen, schloss sich sofort 1517 der Reformation an, wurde abgesetzt, ging +1524 mittellos nach Wittenberg und studierte unter Luther, der sich +seiner annahm, kehrte heim und predigte das Evangelium, wird 38 Wochen +lang gefangen gehalten im tiefen Turm, in Finsternis bei "Nattern und +Schlangen", entkommt durch einen mitleidigen Waechter und fluechtet zu +seinem kongenialen Lehrer D. Luther. Dort lebte er einige Zeit in dessen +jungem Haushalt 1526, und wieder stellenlos auf Einladung Luthers von +1528-29, nach zweijaehrigem Pfarramt in Zwickau 1531-32 wieder fast ein +Jahr, bis er Pfarrer in Niemegk nahe bei Wittenberg wurde. Er ist einer +der besten Prediger der Reformationszeit. Er war eine trotzige Natur, +wie Luther; nur noch viel hitziger, schroffer und wenig vertraeglich. Er +konnte sich auch in Frau Kaethes Art nicht sonderlich schicken und machte +Luther Vorwuerfe, dass er sich von seiner Gattin bestimmen lasse. Dafuer +macht er in seinen Tischreden einigemale eine bissige Bemerkung ueber die +Doktorin, als waere sie herrschsuechtig und hoffaertig und berichtet +ueberhaupt mit einer gewissen Herbigkeit ueber sie. Als Luther ihn und +seinen Freund Hausmann nicht so mit Geld unterstuetzen kann, wie er's +moechte, meint Cordatus, Luther haette seiner Frau nicht erlauben sollen, +einen Garten anzukaufen. Auch vertrug er schwer, dass sie bestaendig +Luthers "beste Reden unterbrach", weil er mit grossem Eifer alle Worte +Luthers nachschrieb[361]. + +Am Dreikoenigstag 1528 kam desgleichen aus Oesterreich vertrieben Luthers +alter Freund Michael _Stiefel_ an, welcher von 1525 an bei der edeln +Familie Joerger von Tollet Kaplan gewesen, "ein frommer, sittiger und +fleissiger Mensch". Er kannte Frau Kaethe schon vor ihrer Vermaehlung und +war bei seiner Abreise von Wittenberg am 3. Juni 1525 wahrscheinlich +schon in Luthers Absicht, zu heiraten, eingeweiht. Von Oesterreich aus +hatte er einen gar liebenswuerdigen Brief an Frau Katharina geschrieben +und sie erwiderte seine Gruesse. Bis zu Michaelis 1528 blieb Stiefel in +Luthers Haus, fuehlte sich aber durch diese Inanspruchnahme seiner +Gastfreundschaft bedrueckt. Er uebernahm darum die Pfarrei und Pfarrwitwe +von Lochau mit zwei Kindern. Das Luthersche Ehepaar besorgte seinen +Umzug. Der Verkehr mit dem Lochauer Pfarrhaus hielt an. Luther schreibt +und erhaelt viele Briefe und auch Kaethe bekommt eine freundliche Epistel +vom Pfarrherrn; die Pfarrerin schickt dem Doktor ein Geschenk. Bald wird +Stiefel eingeladen zu einer guten Gesellschaft im Schwarzen Kloster, +bald sagt sich Luther mit seiner ganzen Knabenschaar zum Kirschenbrechen +in Lochau an. Schliesslich verfiel Stiefel zum Verdrusse Luthers aufs +Gruebeln nach dem Juengsten Tag. Die Bevoelkerung der ganzen Gegend bis +nach Schlesien hinein stroemte dem Propheten zu und erwartete mit ihm am +19. Oktober 1533, 8 Uhr nachmittags, das Ende der Welt. Als dies nicht +eintraf, wurde der falsche Prophet vom Landesherrn verhaftet und so fuer +den Unrat, den er angerichtet, gestraft, aber auch gegen die aufgeregten +Leute geschuetzt und nach Wittenberg gebracht, wo er seinen Irrtum +bereute[362]. + +Gleichfalls ein Oesterreicher, _Kummer_ (Kommer), kam 1529 nach +Wittenberg. Auch er hatte, wegen des Evangeliums verfolgt, in +Weiberkleidern fliehen muessen, und nahm natuerlich seine Zuflucht zu +Luther. Dessen Haus- und Tischgenosse scheint er ebenfalls gewesen zu +sein. Kummer war ein Freund und Studiengenosse Lauterbachs[363]. + +Im selben Jahre 1529 kam dieser Anton _Lauterbach_, geboren 1500 als +Sohn des Buergermeisters zu Stolpe, nach Wittenberg, wo er Magister wurde +und mindestens schon 1531 Luthers Hausgenosse und Tischgaenger war und +Diakonus der Pfarrgemeinde wurde. Ein hochaufgeschossener Mensch, im +Gegensatz zu seinem Genossen Cordatus ein gutmuetiger Geselle. Dienstag, +28. Januar 1533, diente er zu Tisch beim Kindtaufschmaus fuer den kleinen +Paul. Er verheiratete sich in diesem Jahre mit einer Nonne Auguste, +wobei natuerlich Frau Kaethe wieder die Hochzeit herzurichten hatte. Dann +wurde er Diakonus in Leisnig, 1537-39 kam er wieder als Diakonus in die +Universitaetsstadt. Als darauf das Herzogtum Sachsen reformiert werden +sollte, wurde er als Superintendent nach Pirna berufen, wollte aber "das +heilige Wittenberg" nicht verlassen. Doch gab er den Mahnungen Luthers +und der andern Vaeter nach, seinem Vaterlande zu dienen und das +beschwerliche Amt zu uebernehmen. Am Mittwoch, 25. Juli 1539 erschienen +in Wittenberg die Pirnaer Ratsherren mit zwei Wagen und holten ihren +ersten evangelischen Pfarrherrn ab. Unter Thraenen nahm er Abschied von +Luthers Familie. Am folgenden Freitag, Jacobi, kam er, feierlich mit +Willkommtrunk empfangen, in Pirna an, und es wurde mit der Reformation +"der Anfang deutsch und gut lutherisch zu taufen gemacht an Drillingen". +Aber aus der weiten Ferne blieb Lauterbach in lebhaftem und freundlichem +Verkehr mit Luther und Frau Kaethe, der er gar mancherlei Besorgungen +machte[364]. + +Ohne Amt, aber auf eines wartend, zog im November 1531 der Oberpfaelzer +Joh. _Schlaginhaufen_--der lateinisch Turbicida oder gar griechisch +Ochloplectes genannt wurde--ins Schwarze Kloster nach Wittenberg, wo er +ein Jahrzehnt zuvor studiert hatte. Er war zum Truebsinn geneigt und +quaelte sich mit dem Zweifel, ob er auch zur Zahl der Auserwaehlten +gehoere; und Luther muss den Schwermuetigen oft aufheitern, wenn er +truebselig und teilnahmslos unter den Gaesten und Tischgenossen dasitzt. +Trotzdem oder gerade deswegen steht er bei Frau Kaethe hoch in Gunst, und +als ihr Gatte waehrend der Rektoratswahl am 1. Mai 1532 einen +Ohnmachtsanfall bekommt, schickt sie zuerst nach Schlaginhaufen in die +Festversammlung und dann erst laesst sie Melanchthon und Jonas rufen. +"Meister Hans" war willig zu jedem Dienst, nahm sich des Gartens und +besonders des Bienenstandes der Frau Kaethe an, und wurde spaeter als +Pfarrer im nahen Zahna und dann in Koethen ein tuechtiger +Bienenvater[365]. + +Seit 1527 war im Schwarzen Kloster als Hausgenosse der gesetzte, ernste +30jaehrige _Hieronymus Weller_ aus Freiberg. Als Luther auf der Koburg +sass, war er der Hauslehrer des jungen Hans. Sein Bruder Peter, ein +junger Magister und juristischer Student, welcher ebenfalls spaeter +unterrichtete, zog 1530 auch in das Kloster; beide als maennliche +"Schirmer" der von Luther und seinem Famulus Veit Dietrich verwaisten +Familie. Die Brueder waren sehr musikalisch; ein dritter, namens +Matthias, sogar in seiner Vaterstadt am Dom Organist und Tonsetzer. +Peter und Hieronymus erfreuten also die Familie durch ihren huebschen +Gesang. Aber es war gut, dass der heitere Bruder Peter noch ins Kloster +kam, denn der hochbegabte Hieronymus war--wie Matthias--zur Schwermut +geneigt. Und die vielbesorgte Hausfrau wird zugeredet haben, dass der +Truebsinnige lieber eine Stelle in Dresden annehmen solle; aber er blieb +bis 1535 und war so acht Jahre in ihrem Haus. Daher kam es, dass auch die +beiden andern Weller gar oft als Gaeste im Kloster weilten. So waren am +24. September 1533 die zwei oder gar drei Weller da und sangen mit +Luther. Ebenso 1534. Im folgenden Jahr wurde Hieronymus Doktor der +Theologie und den Doktorschmaus fuer acht Tische musste Frau Kaethe +ausrichten Mit dem Juristen Peter biss sich Luther weidlich herum[366]. + +Um diese Zeit gehoerte auch ein adeliger Boehme, _Hennick_, ein Waldenser, +zu den Tischgenossen, der spaeter mit Peter Weller zum heiligen Lande +zog, wo beide gestorben und begraben sind[367]. + +Als fremdlaendischer Haus- und Tischgenosse lebte im Lutherhause auch der +"schwarze Engeleser" Dr. theol. Antonius (Robert _Barns_), dem Luther im +Scherz seine Kaethe zum deutschen Sprachmeister geben wollte und der auch +Gast bei den haeufigen Hochzeiten im Schwarzen Kloster war. Er war 1529 +seines Glaubens wegen aus der Heimat geflohen, dann von Heinrich VIII. +als Unterhaendler seiner neuen Ehe und "Religion" gebraucht, aber dann +doch bei seiner Rueckkehr mit zwei Gefaehrten "von Koenig Heinz wegen +seines evangelischen Glaubens auf das Schmidfeld hinausgefuehrt und +verbrannt worden". Von dem Maertyrertum "unseres guten Tischgesellen und +Hausgenossen" gab Luther dann eine Schrift heraus[368]. + +Kaethes Tischgenosse war ferner der Ungar Matthias v. Vai, ein mutiger +Mann, dem es daheim besser erging als Robert Barns. Denn als er mit +seinen papistischem Amtsgenossen in Streit geriet, verklagte ihn dieser +bei des Woiwoden Bruder, dem Moench Georg, damals Statthalter in Ofen. +Dieser wollte bald erfahren, wer recht habe, setzte zwei Tonnen Pulver +auf den Markt und sagte: "Wer seine Lehre fuer goettlich erkennt, setze +sich Drauf--ich zuende es an, wer lebendig bleibt, dess' Lehre ist +recht." Da sprang Vai flugs auf die Tonne, der Priester aber folgte +nicht und Georg strafte den Priester mit seinem Anhang um 4000 Gulden, +dem Vai aber erlaubte er, oeffentlich zu predigen. Diese rettende, +mutige That erzaehlte Luther mit Freude seinen Tischgenossen[369]. + +Lange Zeit (1529-1534) lebte auch M. Veit Dietrich im Lutherhause. Er +war ein Nuernberger (geb. 1506), der nach Wittenberg gekommen war, um +Medizin zu studieren, aber wie manche andere von Luther fuer die +Theologie gewonnen wurde (1527) und ihm bald als vertrauter Famulus an +die Hand ging. Er begleitete Luther auf die Koburg. Dietrich hatte seine +eignen Zoeglinge; von der Koburg sandte er ihnen "Argumente", die sie +auswendig lernen sollten, waehrend Luther dieselben durch seinen Brief +vom Dohlen-Reichstag erfreute. Als Luther vom Reichstag zurueckgekehrt +war, schrieb er dem in Nuernberg zurueckgebliebenen Dietrich von dem Stand +der Dinge in Wittenberg, auch Gruesse von der ganzen Tischgenossenschaft +und Frau Kaethe, welche zugleich auszurichten befahl, "Dietrich solle +nicht glauben, dass sie ihm erzuernt sei". Dietrich kam naemlich nicht +recht mit Frau Kaethe aus. Er meinte von sich selbst, dass er zwar keine +krausen Haare habe, aber einen krausen Sinn. Daher riet ihm Luther, ein +Weib zu nehmen, da werde ihm das schon vergehen. Das wollte Dietrich +auch. Aber bis er dazu kam, rieb er sich einstweilen, wie es scheint, an +Frau Kaethe. Als sie ihm gar die Liebschaft mit Muhme Lene untersagte, +zog er im Herbst 1534 mit seinen sechs Scholaren aus dem Hause und +verbreitete die Rede, die Doktorin sei gegen seine Zoeglinge hochmuetig +und berechnet gewesen. Fuer die Hauswirtin mit ihren eignen fuenf kleinen +Kindern und dem schweren Haushalt war dieser Wegzug wahrlich eine +Erleichterung[370]. + +Es gab nun natuerlich zwischen Dietrich und dem Lutherischen Hause eine +Spannung. Diese aber ging vorueber. Als Dietrich im folgenden Jahre in +seine Vaterstadt Nuernberg berufen wurde und heiratete, schrieb ihm nicht +nur Luther einen freundlichen Brief, sondern auch Kaethe sandte ihm Gruesse +und Glueckwuensche zum Ehestand und Amt. Der Briefwechsel dauerte fort bis +zu beider Maenner Tod und auch Kaethes Gruesse blieben nicht aus[371]. + +Ein Landsmann von Veit Dietrich, _Hieronymus Besold_, kam einige Jahre +nach dessen Weggang ins Lutherhaus. Er war durch jenen gegen die +Hauswirtin eingenommen, so dass er sich anfangs vor ihr als einer +herrischen und habsuechtigen Frau fuerchtete. Aber--er kam doch an ihren +Tisch und blieb da und verlor seine schlechte Meinung von ihr, wenn er +auch von Frau Kaethe mit Bestellungen in Nuernberg in Anspruch genommen +wurde und dann einmal nicht wagte, sie an seine Auslagen zu +erinnern[372]. + +Um diese Zeit (1537-1542) war auch M. Johann (Sachse aus) _Holstein_ im +Klosterhaus Tischgenosse, auf dessen rotes Haar der "Schandpoetaster" +Simon Lemnius (1538) seine wohlfeilen Witze machte. Er war eines +"ehrbaren, frommen Gemuets und stillen Wesens, dazu ein feiner Magister". +Er hatte 17 Jahre studiert und war ueber zehn Jahre lang Magister +(Privatdozent) gewesen, gab im Lateinischen, Griechischen und +Hebraeischen keinem etwas nach. Trotzdem konnte er nicht als ordentlicher +Professor ankommen, so dass sich Luther bei dem Senior der +"Artistenfakultaet", M. Melanchthon, erkundigen wollte, was fuer ein Groll +und Neidhart dahinter stecke. Auch Frau Kaethe nahm sich seiner an und +legte ein gutes Wort bei Meister Philipp ein, das aber eine boese Statt +fand. So musste sich Holstein weiter mit Knaben ernaehren und wurde +schliesslich Jurist[373]. + +1539 lebte bei Luther wieder ein "Oestreicher" als Kostgaenger, Huttens +Freund Wolfgang Angst oder _Schiefer_ (Severus), gebuertig aus dem +oesterreichischen Elsass zu Kaisersberg bei Kolmar. Er war zuvor +Hofmeister der Soehne des Koenigs Ferdinand, spaeter Kaiser Ferdinand I., +Bruder Karls V. gewesen, musste aber seines Luthertums wegen fluechten und +nahm nach Wittenberg seine Zuflucht. Er war ein sehr feiner Mann, noch +unbeweibt; Luther empfahl ihn dem Kurfuersten zum Hofmeister und hoffte, +er solle ihm "sehr wohl gefallen". Aber es wurde nichts daraus, und so +lebte Schiefer als ein lieber Freund Luthers ins folgende Jahr im Haus. +Schiefer beteiligt sich gar oft an den Tischgespraechen, ihm soll Frau +Kaethe auch von Luther aus Weimar allerlei ueber "seinen Koenig Ferdinand" +ausrichten[374]. + +Ein ebenso gesetzter Mann kam um diese Zeit als Gast ins Lutherhaus nach +Wittenberg, _Matthesius_, der 36jaehrige Schulmeister von Joachimsthal, +der noch Theologie studieren wollte, um daheim das Pfarramt zu +uebernehmen. Von 1540-42 war er Genosse an Kaethes Kosttisch. Er redet +mit grosser Verehrung von ihr[375]. + +Und endlich kam noch _Goldschmidt_ (Aurifaber) ins Haus, ein Mansfelder. +Er studierte von 1537-40 Theologie; wurde dann Hofmeister des jungen +Grafen Mansfeld, und darauf Feldprediger, kam aber 1545 nochmals nach +Wittenberg und war die ganze Zeit bis zu Luthers Tod um ihn. +Gleichzeitig war _Rutfeld_ da als Famulus und Praezeptor fuer Luthers +Knaben[376]. + +In dieser letzten Lebenszeit Luthers sass wieder ein Oesterreicher an +Kaethes Tisch, Ferdinand _a Mangis_, ferner ein M. _Plato_ und andere +Kostgaenger[377]. + +Das war Luthers oder vielmehr Frau Kaethes "Tischburse", an welcher +teilzunehmen alle, auch die Aeltesten, Geehrtesten und Gelehrtesten fuer +ein hohes Glueck und grosse Auszeichnung ansahen. Und wenn es gar einen +Rundtrank gab aus dem Glase der heiligen Elisabeth von Thueringen, das +Luther besass, so galt das als eine besonders feierliche Stunde[378]. + +Ausser diesen erwachsenen und zum Teil sogar in sehr gesetztem Alter +stehenden Kostgaengern gehoerten zur "Tischburse" Luthers noch die +zahlreichen fremden Kinder, die als Pensionaere gegen und ohne Entgelt im +Schwarzen Kloster lebten. Kaethe setzte eine bestimmte Zahl von solchen +Kostgaengern fest, ueber die sie mit Recht nicht hinausgehen wollte. Als +daher der Kanzler Mueller zu Mansfeld im Januar 1536 anfragte wegen +Uebernahme eines gewissen Kegel an Kaethes Kosttisch, musste ihm der +Hausherr schreiben: "Den Kegel haette ich wohl gerne zum Kostgaenger haben +moegen aus allerlei Ursachen, aber weil die Purse (Burse) wiederkummt von +Jena (wohin die Studenten wegen der Pest gezogen), so ist der Tisch voll +und ich kann die alten Compane nicht also verstossen. Wo aber eine Staett +los (ein Platz leer) wuerde (was nach Ostern geschehen mag), so will ich +meinen Willen Euch gern darthun, _wo anders Herr Kaethe alsdann mir +gnaedig_ sein wird."[379] + +Also Frau Kaethe bestimmte ueber den Kosttisch. Und das war auch sonst gut +so. Denn der gutmuetige Doktor nahm jeden armen Schelm auf, der sonst +nicht unterkam oder sorgte fuer ihn durch Stipendien, so dass aus aller +Herren Laender und aus allen Staedten, sogar aus "Mohrenland" Schueler und +Studenten nach Wittenberg stroemten "und wir allhie gar sehr ueberladen +sind und mehr denn unsre Armut vermag von vielen verjagten und sonst +guten Leuten, so gern studieren wollen, besucht werden um Huelfe". So +musste z.B. 1533 die Frau Doktorin ihren Mann draengen, an die Stadtraete +von Rothenburg an der Tauber zu schreiben, dass sie sich eines ihrer +Stadtkinder annaehmen, eines Georg Schnell, der "arm war und nichts +hatte" als einen guten Kopf und ein frommes Gemuet, und taeglicher Haus- +und Tischgenoss im Schwarzen Kloster war[380]. Einen andern kleinen +Knaben, der ihnen 1541 vom reichen England durch einen Nuernberger +Geistlichen aufgehalst war, musste man nach Nuernberg ins Findlingshaus +(Waisenhaus) abschieben. Luther musste sich auf Kaethes Vorstellungen an +den "ehrbaren und fuersichtigen" Ratsherrn Hieron. Baumgaertner wenden, +ihrer beiden "lieben Herrn und guten Freund". "Auf gut Vertrauen, so ich +zu Euch habe, schicke ich hie einen Knaben, der mir aus England ist +schalkhaft aufgelogen. Nu ihr aber wisset, was fuer eine Bettelstadt +unsre Stadt ist, dazu der Bube noch wohl bedarf einer Magd, die sein +warte mit Waschen und Lausen usw., mein Zins (Einkommen) aber nicht +vermoege, ist meine ganz freundliche Bitte, wollet bei den Herren in +Nuernberg guter Fugge sein, dass er ins Fuendli-Haus moechte versetzt +werden. Wir sind sonst ohnedas, und ich sonderlich, hier gar hoch genug +beschwert und ueber Vermoegen beladen. Gott behuete mich, dass ich nicht +mehr so betrogen werde."[381] Aber auch die andern nicht gerade armen +Kostgaenger liessen es an puenktlicher Bezahlung fehlen und empfanden es +als Haerte von Kaethe der Hausfrau, wenn sie "auf richtige Bezahlung +drang", waehrend sie von Luther her anders gewohnt und verwoehnt +waren[382]. + +Gelegenheit, die jungen Leute nicht nur zu bekoestigen, sondern auch in +Krankheit zu pflegen, hatte natuerlich Frau Kaethe auch genug. Ein junger +Adeliger, Sohn eines der vielen Lutherischen Gevattersleute, war 1534 im +Haus und hielt sich fein. Er machte die Masern durch und wurde von Kaethe +"fleissig gewartet" nach Dr. Augustins (Schurff) Rat, des Hausarztes und +Nachbarn. Er wurde gesund. Aber manche diese Krankheiten fuehrten auch +zum Tode und das musste den Pflegeeltern, insbesondere der Frau Kaethe zu +schwerer Sorge werden[383]. + +Wie Frau Kaethe bei den Mahlzeiten die leibliche Kost bereitete, so gab +der gespraechige, unterhaltsame Doktor die geistige Kost, die +"Tischwuerze". + +Luther war von Natur "ein gar froehlicher Gesell", ja voll +uebersprudelndem Humor, wenn er sich wohl fuehlte, aber auch, wenn er +Uebles erfahren hatte: Aerger und Verdruss, dem zum Trotz. In seiner +Beichte vor seinem ersten Krankheitsanfall (1527) sagte er zu +Bugenhagen: "Viele denken, weil ich mich unterweilen in meinem aeussern +Wandel froehlich stelle, ich gehe auf lauter Rosen; aber Gott weiss, wie +es um mich stehet meines Lebens halber. Ich habe mir oft vorgenommen, +ich wollte der Welt zu Dienst mich etwas ernstlicher und heiliger (weiss +nicht, wie ich's nennen soll) stellen; aber Gott hat mir solches zu thun +nicht gegeben." Und Bugenhagen bezeugte dabei: "Thut er ihm unterweilen +ueber Tisch mit Froehlichsein zu viel, so hat er selbst keinen Gefallen +daran und kann solches keinem gottseligen Menschen uebel gefallen, viel +weniger ihn aergern, denn er ist ein leutseliger Mensch und aller +Gleisnerei und Heuchelei feind."[384] + +Luther redete gut und gern und viel. Er liebte besonders Sprueche, +sinnreiche Reden und huebsche Reime, Sprichwoerter und Anekdoten. Deren +wusste er sehr viel und die brachte er am Tisch wie auf der Kanzel vor. +Ueber und nach Tische wurde zwischen den Reden auch gesungen, und wer +eine gute Stimme hatte, auch Gaeste, mussten mitthun; Luther, der ein +guter "Lautenist" war, begleitete den Gesang[385]. + +So entstanden die beruehmten Tischgespraeche, die sich um die tiefsten und +hoechsten, die groessten und kleinsten Dinge, goettliche und menschliche, +himmlische und irdische drehten, bald im erbaulichsten Ernst, +bald im lustigsten Scherz, jetzt sinnig zart, dann in derber +Natuerlichkeit--obwohl der erste und Hauptherausgeber der Tischreden, der +ehemalige Feldprediger Aurifaber, spaeter Pfarrer in Erfurt, die derben +mit behaglicher Breite ausmalt, vergroebert und aus dem nicht ganz +sauberen Schatz seiner soldatischen Erinnerungen und Ausdrucksweisen +ergaenzt[386]. + +Diese Tischreden wurden naemlich von Luthers Juengern auf- und +nachgeschrieben, wie Jesu und Sokrates' Aussprueche und Gespraeche; zuerst +nach dem Gedaechtnis, spaeter nach gleichzeitigen Aufzeichnungen. + +_Cordatus_ war der erste, der es wagte, hinter dem Tisch sitzend oder +davorstehend, die geistvollen Reden des Meisters--auch, wie ihm +Melanchthon warnend bedeutete, manches weniger zur Verewigung geeignete +Wort--in sein Notizbuch einzutragen. Andre Tischgenossen und Gaeste wie +_H. Weller_, _Veit Dietrich_, _Lauterbach_, _Besold_, _Schlaginhaufen_, +_Matthesius_, _Ferdinand a Mangis_, _Goldschmidt_ folgten seinem +Beispiel nach. Auch der Diakonus _Roehrer_, der beruehmte Schnellschreiber +und Notarius (Protokollfuehrer) der Evangelischen auf den Reichstagen und +Religionsgespraechen, verzeichnete "viel Koestliches". Und so sind unter +der zahllosen Menge von Lutherreden (3000) auch einzelne authentische +Worte der Doktorin ueberliefert[387]. + +Wie es bei diesen Tischgespraechen zuging, das erzaehlt uns Matthesius. +Bescheiden und sittsam sassen die Leute da und sahen auf "Seine Wuerden, +den Herrn Doktor". "Wenn er uns nun Rede abgewinnen wollte, fing er an: +"Was hoert man Neues?" Diese erste Vermahnung liessen wir gehen. Wenn er +aber wieder anhob: "Ihr Praelaten, was Neues?" da fingen die Alten an zu +reden. D. Wolf Severus, so der Roemischen Koeniglichen Majestaet Praezeptor +gewesen, sass oben an, der brachte, wo niemand Fremdes vorhanden, als +gewandter Hofmann was auf die Bahn. Wenn so das Gedoeber anging, doch mit +gebuerlichem Anstand, so schossen die andern auch ihren Teil dazu"[388]. + +Alle moeglichen Dinge und Vorkommnisse gaben den Anlass zu kuerzeren oder +laengeren Reden, bald die Tagesneuigkeiten, bald ein Gast, jetzt die +Kinder mit ihrem Spiele oder Unarten und dann Peter Wellers Hund, der so +andaechtig morgens zum Essen war wie kein Beter. Alles musste zum +Anknuepfungspunkt oder zum Sinnbild fuer hoehere Wahrheiten dienen. Und +nicht selten gab Frau Kaethe durch eine Rede oder durch ihre blosse +Anwesenheit die Veranlassung zu sinnigen Bemerkungen[389]. + +Die Tischreden wurden meist lateinisch gehalten, wie die Briefe Luthers +mit allen "gelehrten", d.h. akademisch gebildeten, Maennern lateinisch +geschrieben wurden. Bei alltaeglichen Dingen, wo der deutsche Ausdruck +gelaeufiger war, ging es vom Latein ins Deutsche bunt durch einander. +Wenn ungelehrte Freunde oder Freundinnen zugegen waren, oder Frau und +Kinder der Unterhaltung folgen sollten, wurde deutsch gesprochen; doch +liefen auch da lateinische Brocken unter. Am treuesten ist dieser +Wechsel vom Latein und Deutsch bewahrt in Lauterbachs Tagebuch. + +So viel verstanden aber auch die weiblichen Hausgenossen, teils vom +Kloster her, teils aus dem steten Hoeren von Lateinisch, dass sie sich +drein mischen konnten, oft sogar selbst vielleicht mit lateinischen +Phrasen. So Muhme Lene, welche auf die Frage, ob sie wieder ins Kloster +wolle, mit Non, Non! antwortete. Besonders aber die Doctorissa, wie sie +bei den jungen Leuten respektvoll genannt und geschrieben wurde[390]. + +So redete Luther einmal von der elterlichen Liebe: "Lieber Gott, wie +wird sich ein Herzpochen erhoben haben, da Abraham seinen einigen und +allerliebsten Sohn Isaak hat sollen toeten! Es wird ihm der Gang auf den +Berg Moria sauer angekommen sein. Er wird der Sarah nichts davon gesagt +haben." Da fing seine Hausfrau an und sagte: "Ich kann's in meinen Kopf +nicht bringen, dass Gott so grausam Ding von jemands begehren sollte, +sein Kind selbst zu erwuergen." Luther widerlegte diese verstaendig +natuerliche Einwendung mit dem theologischen Hinweis auf Gott selbst, der +ja seinen eigenen Sohn habe kreuzigen lassen. Aber die Doktorin konnte +sich damit nicht ganz ueberzeugen lassen[391]. + +Frau Kaethe wusste auch Sagen. So erzaehlte sie von einem Wasserweib, das +in der Mulde im Wasser in einem Loche wie in einer schoenen Stube +gesessen und haette ihr das Wasser nichts geschadet; zu der sei eine +Wehemutter von einem "Geist" gefuehrt worden, um ihr beizustehen[392]. + +Ein andermal wurde bei Tisch erzaehlt, dass einer in der Stadt die Ehe +gebrochen. Da entsetzte sich Frau Kaethe und fragte den Herrn Doktor: +"Lieber Herr, wie koennen die Leute nur so boese sein und sich mit solchen +Suenden beflecken?!" Da antwortete er: "Ja, liebe Kaethe, die Leute beten +nicht; so ist dann der Teufel bei der Hand."[393] + +Einmal fing der Doktor mit seiner Kaethe eine Disputation an ueber ihre +Heiligkeit. Sie erwies sich da als eine tuechtige, in lutherischen +Gedankengaengen geuebte Theologin, wurde natuerlich aber von dem +Sieggewaltigen doch widerlegt und ueberwunden. Er fragte sie, ob sie +glaube, dass sie heilig waere? Sie dachte lange nach, dann erwiderte sie: +"Wie kann ich heilig sein, da ich eine so grosse Suenderin bin! So sehr +hat der Papst unser ganzes Wesen verdorben, seine Lehre hat unser +Innerstes so durchsetzt, dass wir auch mit willigem Ohr Christus nicht +als unsern Erloeser, als unsere Gerechtigkeit und Heiligkeit erkennen und +wunderbarer Weise glauben, getauft, ja Christen zu sein und doch nicht +glauben, heilig zu sein. Denn in der Taufe wird unsre Suende verbannt und +uns Christi Gerechtigkeit geschenkt und wir glauben doch nicht, heilig +geworden zu sein. Soweit wir Menschen, sind wir Suender, aber weil wir +getauft sind und glauben, so sind wir heilig durch Christum." + +Luther entgegnete: "Ja, der ganze Christ ist heilig; denn wenn der +Teufel den Suender wegfuehrt, wo bleibt der Christ? Daher ist die +Unterscheidung meiner Gattin nicht gueltig. Denn wer durch festen Glauben +an seiner Taufe haengt, der ist ganz heilig (wie David sich heilig +nennt). Die Papisten, welche den Artikel von der Suendenvergebung nicht +verstehen, koennen diese Heiligkeit nicht glauben noch einsehen, aergern +sich nur, wenn sie solches von uns hoeren."[394] + +Die Ritter vom Geiste waren zu jener Zeit ganz besonders kampfesfreudig +und die Fehden des Wortes wollten kein Ende nehmen. Insbesondere aber +waren an Luthers Tische die wissenshungrigen Magister auf diese +interessanten Privatissima erpicht und vor allem suchten die +Tagebuchschreiber, die auf jedes Wort vom Munde des Geistgewaltigen +lauerten, um es gedruckt in die Welt zu senden, diese Gespraeche zu +verlaengern. Natuerlich hatte Frau Kaethe viel weniger Freude an diesen +theologischen Turnieren; ihr lebhafter Geist, wie derjenige von Jonas, +mochte langen Eroerterungen nicht folgen. Sie unterbrach daher gar oft +die gelehrten Gespraeche, indem sie den geistlichen Fechtern ganz +gewoehnliche Knueppel zwischen die Schwerter warf, vor allem ihrem +Gatten, der nicht leicht aufhoeren konnte, wenn er einmal im Zuge +war[395]. + +Wenn des Redens bei Tisch zu viel wurde und dabei die Speisen kalt und +warm der Trank, da brach Frau Kaethe mit einer Strafpredigt los ueber den +Text: "Was ist denn, dass ihr ohne Unterbrechung redet und nicht esst?" +Ueber diese Stoerung war der Tischredenschreiber Cordatus entruestet, er +hatte gerade eine gar schoene Auseinandersetzung Luthers ueber das +Vaterunser, den "Himmelsknecht Gabriel und den Himmelsfuhrmann Raphael", +die er "aus vollem gluehenden Herzen" that, heimlich aufgeschrieben. Aber +Luther wandte die Sache zum Scherz und sagte: "Wenn nur ihr Frauen, +bevor ihr eine Predigt anfanget, auch beten koenntet (d.h. euch sammeln +und besinnen); ein Paternoster solltet ihr zuvor sprechen!" [396] + +Aber auch Frau Kaethe stellte in der Rede ihren Mann. Ueber diese +weibliche Wohlredenheit wurde sie oefter aufgezogen von Luther. Er fragte +sie lachend: ob sie predigen wolle und ihrer Predigt so viel Worte +Betens (als Einleitung) vorausschicke? Oder er neckte sie: die Weiber +duerften nicht predigen, weil sie nicht beteten vor der Predigt; oder: +Gott lasse, durch ihr langes Gebet ermuedet, sie gar nicht zum Predigen +kommen. Einst sass ein gelehrter "Engeleser" (Englaender) am Tische, der +kein Wort Deutsch konnte; da sagte Luther zu ihm: "Ich will Euch meine +Frau zum Lehrer in der deutschen Sprache vorschlagen, die ist gar +beredt. Sie kann's so fertig, dass sie mich weit ueberwindet."[397] +Freilich setzte er hinzu: "Die Beredsamkeit ist nicht zu loben an +Frauen; es ziemt sich eher, dass sie bloss lispeln und stammeln. Das steht +ihnen wohl besser an." Und vom Unterschied der weiblichen und maennlichen +Beredsamkeit sagt er in einem andern Tischgespraech: "Die Weiber sind von +Natur beredt und koennen die Rethoricam, die Redekunst wohl, welche doch +die Maenner mit grossem Fleiss lernen und ueberkommen muessen. Das aber ist +wahr: in haeuslichen Sachen, was das Hausregiment, da sind die Weiber +geschickter und beredter; aber im weltlichen, politischen Regiment und +Haendeln taugen sie nichts. Dazu sind die Maenner geschaffen und geordnet +von Gott und nicht die Weiber. Denn wiewohl sie Worte genug haben, so +fehlet und mangelt's ihnen an Sachen, als die sie nicht verstehen; drum +reden sie davon auch laeppisch, unordentlich und wueste ueber die Massen. +Daraus erscheint, dass das Weib geschaffen ist zur Haushaltung, der Mann +aber zur Policei (Politik), weltlichem Regiment, zu Kriegen und +Gerichtshaendeln, die zu verwalten und fuehren."[398] + +So kam Frau Kaethe bei den Gespraechen der Maenner wohl weniger zum Wort, +als sie verdient haette; und noch weniger fand man bemerkenswert, was sie +sagte. Es ist schade, dass die "Tischreden" so wenig von der Doctorissa +berichten. Aber den Tagebuchschreibern kam es vor allem auf theologische +Eroerterungen an--darum ist auch die einzige laengere Rede von Kaethe, die +sie der Aufzeichnung wert erachtet haben, eine theologische; zum andern +wollten sie des Doktors Reden bringen: die Erguesse seines uebergewaltigen +Geistes schienen ihnen allein der Nachwelt wuerdig. + + + + +13. Kapitel + +Hausfreunde. + + +Die Humanistenzeit hatte ein ausgepraegtes Freundschaftsbeduerfnis, +welches nur ein Seitenstueck findet in der freundesseligen Stimmung +unserer klassischen Litteraturperiode im vorigen Jahrhundert. Dieses +rege Freundschaftsgefuehl aeussert sich einerseits in den zahlreichen +Besuchsreisen der befreundeten Humanisten, welche in jener Zeit der so +beschwerlichen Reisegelegenheiten doppelt auffallen, und dann in dem +heute ganz unbegreiflich reichen Briefwechsel, in welchem diese +Gelehrten damals mit einander standen. Alle moeglichen Dinge teilte man +sich brieflich mit, selbst die intimsten persoenlichen Erlebnisse und +Stimmungen; und wenn man gar nichts zu schreiben hatte, so schrieb man +sich auch dieses. "Ich schreibe Dir, um Dir zu schreiben, dass ich nichts +zu schreiben habe", ist kein ungewoehnlicher Briefinhalt dieser Zeit, +sogar bei Luther[399]. + +Den groesstmoeglichen Freundeskreis zaehlte aber begreiflicherweise das +Luthersche Ehepaar. Nicht etwa Luther allein, sondern auch Frau Kaethe. +Die vielen jungen Leute, die bei ihr Kost und Pflege fanden, die +mancherlei Magister, die als Praezeptoren ihrer und anderer Knaben im +Schwarzen Kloster hausten, die vielen Amtsgenossen und Schueler ihres +Mannes, die zahllosen Gaeste, welche freundliche Aufnahme an ihrem Tische +erlebten: sie alte kannten und verehrten neben dem gewaltigen Doktor +auch die weibliche Genossin seiner Freundschaft und Gastlichkeit, Frau +Kaethe. Aus den Schuelern wurden Amtsgenossen, aus den Tischgenossen +Freunde--ein stets wachsender Haufen. Und Luthers alte Bekannte, welche +Frau Kaethe erst durch Briefe oder Besuche kennen lernte, wurden mit der +Zeit auch ihre Freunde, namentlich wenn sie diese Freundschaft durch +Gruesse, Glueckwuensche und Geschenke warm hielten. + +Diese umfangreiche Freundschaft wurde auch lebhaft gepflegt. Da ist kaum +ein Brief, den Luther empfaengt oder schreibt, in dem nicht auch die Frau +Kaethe gegruesst wird oder gruesst, oder Glueckwuensche und Beileidsbezeugungen +zu allerlei Familienereignisse und Glueckwechsel empfaengt und sendet. + +Gar oft begnuegt sich aber Frau Kaethe nicht mit einem blossen Wortgruss, +sie fuegt auch in ihrer praktischen Weise einen guten Rat bei, eine +Mahnung, oder ein Rezept, eine Arzenei, eine Wurzel gut fuers Steinleiden +u. dgl. + +Noch viel haeufiger aber hat Frau Kaethe zu danken fuer allerhand +Geschenke. Und nicht zum wenigsten nuetzt die wirtliche Hausfrau die +Freundschaften aus zu allerlei hauswirtschaftlichen Auftraegen. Dies ging +bei Lauterbach sogar soweit, dass Luther selber einmal bei einer solchen +Bestellung meint, sie haette den Freund foermlich in Dienst und Beschlag +genommen[400]. + +Wie begreiflich, waren die Hausfreunde in einem so ausnehmend +theologischen Hause auch fast lauter Theologen. Weltlich waren nur die +Verwandten: Geschwister, Schwaeger und Schwaegerinnen, einige vornehme +Gevattersleute, wie die Kanzler Mueller und Ruehel in Mansfeld, die Goritz +in Leipzig, Hans von Riedtesel und Hans von Taubenheim, der +Landrentmeister in Torgau, an welchen Frau Kaethe in die Ferne +freundliche und ehrerbietige Gruesse, Glueckwuensche oder Einladungen +sendet oder gar selbst einmal zu einem Brief--natuerlich einem +Geschaeftsbrief--sich aufschwingt. Auch der Strassburger Syndikus Gerbel +laesst Frau Kaethe tausendmal gruessen. Der Stadtschreiber Roth von Zwickau +laesst ein Exemplar seiner Postille fuer die Doktorin binden und schenken +und sendet ein Glas, das "fein ganz" ankommt. Endlich war noch eine +liebenswuerdige Adelsfamilie Joerger von Tollet im Oesterreichischen, eine +Mutter mit mehreren Soehnen, welcher Luther einen evangelischen +Hauskaplan besorgt hatte (1525) und allerlei seelsorgerliche Ratschlaege +gab, die sich nun dankbar erwies in zahlreichen und teuren Geschenken: +"ungarische Gulden", "Kuetten-Latwerg" und andere "treue und teure +Gaben"; auch ein Stipendium sandte sie von 500 Goldgulden fuer arme +Gesellen, die in der heiligen Schrift studieren. Spaeter studierte auch +ein Enkel der Joergerin in Wittenberg. Mit dieser "ehrenreichen, edlen +Frauen Dorothea Joergerin, als besonders guten Freundin", wurden gar +zahlreiche und freundliche Briefe gewechselt, worin auch Luthers +"Hausehre Frau Kaethe" oft zum Grusse kommt[401]. + +Mit dem evangelischen Bischof von Naumburg, Nikolaus _v. Amsdorf_, +wechselte Frau Kaethe ehrerbietige Gruesse, namentlich seitdem sie durch +den Besitz von Zulsdorf die Nachbarin des gnaedigen Herrn Bischofs +geworden (1542); sogar mit einem Besuch "droht" sie auf "kuenftigen +Sommer". Sonst hatte man freilich mit dem ehelosen und hochgestellten +Mann weniger intime Beziehungen. Doch besorgte er auch einmal fuer 7 fl. +Butter und Stockfisch ins Lutherhaus[402]. + +Mit dem kleinen M. Joh. _Agrikola_, dem Pfarrer von _Eisleben_ und +seiner Else, stand die Luthersche Familie gleich von Anfang an in +lebhaftem Verkehr. "Sie konnte ihn auch sehr wohl leiden." Er hatte +schon 1523 zu dem Kreise der jungen Nuernberger gehoert, welche ueber die +Verlobung Baumgartens mit Kaethe sich aussprachen und steht auch jetzt +noch in regem Briefwechsel mit Wittenberg[403]. Da giebt's Gruesse an Weib +und Kinder, hinueber und herueber; auch ein Pelzrock wird dorther besorgt, +der Frau Kaethe nur zu teuer ausfaellt, und Elsbeeren oder kleine +Mispelchen werden bestellt, nach denen Frau Kaethe eben Gelueste bekommt. +1529 wird Agrikola nach Wittenberg geladen. 1530 sendet er vom +Augsburger Reichstag ueber Koburg einen scherzhaften Brief zur Besorgung +an Frau Kaethe, ueber den ihm Luther schreibt: "Ich errate leicht, was sie +Dir antworten wird. Wenn sie den Brief gelesen hat, wird sie lachen und +sagen: Ei, wie ist M. Eisleben doch ein Grundschalk!"[404] Luther nahm +sich Agrikolas an, als es dem beweglichen und ehrgeizigen Mann nicht +mehr in Eisleben gefiel. Und als er 1536 seine Stelle kuendigte und in +Wittenberg nicht gleich eine bequeme Wohnung fand, so oeffnete sich ihm +das Klosterhaus und Agrikola zog ein mit Weib und Kind. Als dann Luther +zu Anfang 1537 nach Schmalkalden zog, vertraute er Agrikola nicht nur +"Lehre, Predigtstuhl und Kirche an", sondern auch "Weib, Kind, Haus und +Heimlichkeit"[405]. Als aber Agrikola ein "Antinomist" (Bestreiter der +Giltigkeit des Gesetzes fuer die Christen) wurde, da entbrannte Luthers +Zorn wider ihn und er entzog ihm die vorher gewaehrte Erlaubnis, in +Wittenberg Vorlesungen zu halten. Agrikolas Frau, zu welcher Luther ganz +vaeterlich stand, so dass er sie mit Du anredet, that zwar vor dem Doktor +einen Fussfall und dieser nahm ihren Mann wieder zu Gnaden an (1538); +aber Agrikola entzog sich dem Einfluss Luthers, ging nach Berlin und die +Freundschaft mit dem "Meister Grickel" hoerte natuerlich auch fuer Frau +Kaethe auf, ohne wieder angeknuepft zu werden. Als spaeter einmal (1545) +Agrikola mit Weib und Tochter nach Wittenberg kam, durften bloss die +beiden Frauen ins Klosterhaus kommen; aber das Toechterlein fanden die +Lutherischen eitel und vorlaut wie ihren Vater[406]. + +Mit dem Pfarrer Jakob _Probst_ in Bremen, einem frueheren Klostergenossen +Luthers, auch einem Gevatter, stand ebenso die Lutherische Familie in +frueher Verbindung. Familiennachrichten werden ausgiebig mitgeteilt; +Kaethe und auch das kleine Patchen Margaretel senden regelmaessig Gruesse an +den fernen Gevatter und danken fuer Patengulden und andere Geschenke. Ihm +empfehlen die Eltern ihre Juengste zur Versorgung, da Probst sie sich zum +Patchen auserlesen. Und "Herr Kaethe" befiehlt ihrem Gatten, noch +scherzend anzufragen, ob denn die Nordsee ausgetrocknet sei, seitdem das +Evangelium die Erlaubnis zum Fleischessen gebracht habe? Denn niemals +habe es in Wittenberg weniger Seefische gegeben, so dass man schon durch +die Hungersnot zum Fleischessen gezwungen werde, wo nicht etwa die +Fische und das Meer sich vor des Papstes Zorn aengstigten, nachdem man +ihn zu Lande verachte. Am 14. Juni 1542 kam Probst, jetzt ein alter +Mann, nach Wittenberg, um seinen Vater D. Martinus noch einmal zu sehen. +Das war ein gar unerwarteter lieber Besuch und Frau Kaethe wird ihm den +Aufenthalt recht angenehm gemacht und das Margaretlein den Paten +froehlich begruesst und ihm mit ihrer huebschen Stimme etwas vorgesungen +haben[407]. + +Weniger im Verkehr war man mit dem frueheren Prior des Schwarzen Klosters +Eberhard _Brisger_, Pfarrer in Altenburg; doch tauschte auch mit ihm +Kaethe Gruesse aus[408]. + +Der ehemalige Klosterbruder (Stiftsherr der "Brueder vom gemeinsamen +Leben") Gerhard _Viscampius_ zu Herford war auch ein besonders guter +Freund der Familie Luther und Melanchthon und sie nahmen warmen Anteil +an ihm. 1528 sendet er an das Lutherische Ehepaar Tuch und zwei Lampen, +welche die zwei Gatten jede Nacht staendig gebrauchten. Dafuer soll er +auch regelmaessig Luthers Schriften erhalten[409]. + +Der alte "Stuermer und Schwaermer" D. Gabriel _Zwilling_, Luthers +Klostergenosse, der ihm auf der Wartburg mit seiner Bilderstuermerei so +zu schaffen machte, war, nachdem er seinen Radikalismus ausgetobt, ein +ruhiger Pfarrherr zu Torgau geworden. Er hatte zur Befreiung der Nonnen +aus Nimbschen mitgewirkt, und kam verschiedentlich nach Wittenberg, +durfte auch einen etwas schweren Auftrag Kaethes wegen Beschaffung eines +Leinenkastens besorgen[410]. + +Der Reformator und Stadtprediger von Gotha, _Mykonius_, der auch zur +Zeit der "Wittenberger Konkordia" sich im Lutherhause aufhielt, bekam +von Kaethe Gruesse, Glueckwuensche, Danksagung fuer ein "Kaese-Geschenk", auch +Verhaltungsmassregeln gegen seine Frau und Teilnahme an seinem +Brustleiden[411]. + +Ein besonderer Verehrer der Frau Doktorin war der feine Strassburger +_Capito_ (Koepflin), welcher im Jahre 1536 mit Butzer in Wittenberg die +"Konkordia" der saechsischen und oberlaendischen Kirche zustande brachte +und dabei im Lutherhause verkehrte. Er laesst die "treffliche Frau +Katharina von Bora, seine Wirtin", gruessen und sendet nach seiner +Heimkehr ihr einen goldenen Ring als Zeichen seiner Gesinnung gegen sie, +"welche mit Recht so hoch geschaetzt wird, weil sie mit hausmuetterlicher +Sanftmut und Emsigkeit die Versorgung unsres Lehrers uebt". Und auch Frau +Kaethe schaetzt den Strassburger Gast. Wiederholt laesst er sie gruessen und +verspricht ihr zur Frankfurter Messe 1537 einen Brief. Capito erbat sich +sogar mit den uebrigen Strassburger Freunden Gerbel, Butzer u.s.w. den +Sohn Hans erziehen zu helfen[412]. + +In _Nuernberg_ hatte Luther und damit auch seine Kaethe, allerlei gute +Freunde, besonders seine beiden Ordensbrueder, Wenceslaus _Link_ und Abt +_Friedrich_ (Becker, Pistorius), die ihm manches schoene Geschenk und +Geraet an Uhren, Drechslerwerkzeug, Holz- und Kupferstichen, feines Obst, +Saemereien aus der reichen Freistadt besorgten. Auch sie laesst Kaethe +gruessen[413]. + +In der Reichsstadt lebte aber auch ihre "alte Flamme", wie Luther +schreibt, der Ratsherr Hieronymus _Baumgaertner_. Die alte Liebe zu ihm +hatte sich zu herzlicher Freundschaft gestaltet, und es ist ein gar +schoenes Zeichen eines natuerlichen und gesunden Gefuehls, dass sowohl +Luther als Frau Kaethe in ganz unbefangener offener Weise von dieser +liebenden Verehrung fuer den ehemaligen Geliebten reden unter sich und +dem gemeinsamen Freund gegenueber: "Es gruesst Euch verehrungsvoll meine +Kaethe, Eure alte Flamme, welche Euch ob Eurer Tugenden und Vorzuege mit +neuer Liebe umfasst und von ganzem Herzen Euch wohl will." Von Koburg +schreibt Luther am 1. Oktober 1531 an Baumgaertner: "Ich gruesse Dich im +Namen meiner Herrin, Deiner einstigen Flamme; so werde ich ihr erzaehlen, +wenn ich heim komme. So pflege ich auch sie in Deinem Namen zu necken." +Als 1543 Luther durch seinen Tischgaenger Besold einen Brief erhielt, +ruehmte er des Briefschreibers Sittenreinheit, Froemmigkeit und Tugend. Da +fragte Luthers Gattin "nach ihrer Gewohnheit", wer denn der Schreiber +des Briefes waere. Luther antwortete: "tuus ignis Amynthas: Dein alter +Buhle (Liebhaber)."[414] Der Ton, diesem Freunde gegenueber, ist ein gar +herzlicher, namentlich in dem Trostbrief Luthers an Baumgaertner und +seine Frau, als der Nuernberger Kaufherr von dem Ritter Albrecht von +Rosenberg (bei Mergentheim) gefangen genommen und lange in Haft gehalten +wurde, so dass Frau Sibylle mit ihren fuenf unerzogenen Kindern laenger als +ein Jahr um das Leben ihres Ehewirts in Angst schwebte. Die Wittenberger +Freunde beteten in der Kirche oeffentlich um die Freilassung und gingen +den Landgrafen von Hessen darum an[415]. + +Auch Veit _Dietrich_ blieb trotz seines Spanes mit Kaethe nicht nur +Luthers Freund nach seinem Wegzug nach Nuernberg, wo er Pfarrer an der +Sebalduskirche wurde, sondern auch mit Frau Kaethe stellte sich bald +wieder ein freundliches Verhaeltnis her. Sie laesst ihn wiederholt +gruessen[416]. + +Mit den Freiberger "Geschwistern _Weller_", dem juengsten Peter, dem +Komponisten Matthias und besonders dem Theologen Hieronymus, aber auch +der Schwester Barbara Lischner standen die Lutherischen Eheleute in +freundschaftlichem Verhaeltnis. Der eine musste in seiner Schwermut +aufgerichtet werden, der andere versorgt, die Schwester belehrt ueber den +heimlichen Empfang des heiligen Abendmahls[417]. Dem Komponisten +Matthias laesst Luther mit Frau Kaethe danken, fuer sein "gutwillig Herz, so +er erzeigt hat mit dem Gesang und den Borsdorfern." Das Lied saengen die +Maenner unter Tisch, so gut sie's koennten. "Machen wir etliche Saeue +(Boecke, Fehler) darunter, so ist's freilich Eure Schuld nicht, sondern +unsre Kunst. Wenn's schon alle Komponisten gut machen, so ist unser +Ernst wohl noch weit drueber und koennen's boese genug singen. Es folgen +uns alle Regiment der ganzen Welt; sie lassen Gott und alte Vernunft +sehr gut Ding komponieren und stellen, aber sie singen auch, dass sie +wert waeren einen Markt eitel Wuerste aus den Saeuen oder Kloeppel in den +Feldglocken[418]. Darum muesst ihr Komponisten uns auch zugut halten, wenn +wir Saeue machen in den Gesaengen. Denn wir wollten's lieber treffen denn +fehlen. Solchen Scherz, bittet meine liebe Kaethe, wollet ihr fuer gut +annehmen, und laesst Euch freundlich gruessen. Hiemit Gott befohlen. 1535. +Priska-Tag."[419] + +Dr. Hieronymus Weller heiratete um diese Zeit ein Freiberger Maedchen, +die Tochter G. am Steige. Natuerlich sollte ihm Frau Kaethe die Hochzeit +in Wittenberg ausrichten. Aber Frau Kaethe war damit nicht einverstanden; +kannte sie doch die grosse Unmusse und Unkosten, welche ein Doktor in +einer Universitaetsstadt aufwenden muesse: und hier waere sowohl der +Hochzeiter, wie der Hochzeitgeber ein Doktor; daher muessten viele Leute +eingeladen werden; Weller solle sich die Liste, die beigelegt sei, +einmal ansehen und werde dann merken, welche Menge geladen werden muesste +(wenn man auch einige streichen koennte), wofern man des Hochzeiters und +seiner Angehoerigen Ehre bedenke, zumal man die angesehenen Freunde doch +ehrenvoll bewirten muesse. Das sei sehr schwer. Auch koste es mehr als +100 fl. Die Eheleute rieten Weller daher, die eigentliche Hochzeit +anderswo zu halten und es einzurichten wie M. Kreuziger und Dr. Brueck, +naemlich mit geringer Begleitung nach der Universitaetsstadt zu kommen, zu +einem Morgen- oder Abendessen mit zwei oder drei Tischen. Hoffentlich +war der Dr. Hieronymus und seine Braut so verstaendig und gingen darauf +ein. Waehrend der ledige Doktor bei Luthers gewohnt hatte, zog er mit +seiner jungen Frau in ein eigenes Haus in der Nachbarschaft. Nicht lange +darauf wurde Weller Pfarrer in seiner Vaterstadt Freiberg, wo Herzog +Georgs Bruder Heinrich residierte und dem Evangelium beitrat; er blieb +aber in regem Verkehr mit dem Lutherhaus[420]. + +Nach Freiberg wurde 1538 auch M. Nikolaus _Hausmann_ als Stadtpfarrer +berufen. Er war einer der aeltesten und besten Freunde des Lutherischen +Hauses, ein sanfter, liebenswuerdiger Mann und Junggeselle. Zuerst in +Zwickau angestellt (bis 1532), wurde er dann Hofprediger bei den drei +Anhalter Fuersten in Dessau (1532-38). Die Bekanntschaft Kaethes mit ihm +ging durch ein zierliches und muehsam geflochtenes Koerbchen und das +schoene Glasgefaess, welches Hausmann selbst gemalt und als Andenken in den +jungen Haushalt geschickt hatte und das Kaethes Wohlgefallen erregte (S. +96)[421]. Von da an sendete Frau Kaethe dem Zwickauer Stadtpfarrer stets +angelegentliche Gruesse und wird wieder gegruesst in den zahllosen Briefen, +die fast jede Woche zwischen dem Wittenberger Kloster und dem Zwickauer +Pfarrhaus hin und wieder fliegen. Sie empfiehlt sich in schweren Zeiten +seinem Gebet oder bedankt sich fuer gesandtes Chemnitzer Leinen, wofuer er +eine Last lutherischer Schriften durch den Pakettraeger erhaelt[422]. Auch +"lebendige Briefe" gingen hin und her: allerlei Freunde und Bekannte, +namentlich seitdem auch Cordatus nach Zwickau versetzt war, anfangs +1529.[423] Oefters wird Hausmann eingeladen: seine Stubella (Stueblein) +sei bereitgestellt und alles geruestet--trotzdem Frau Kaethe einen jungen +Erdenbuerger erwartet. Einigemale kam auch Hausmann wirklich den weiten +Weg nach Wittenberg[424]. + +Im August 1531 ging Hausmann von dem schwierigen Zwickau weg, hielt sich +auch in Wittenberg auf. Von dem nahen Dessau aus war noch ein viel +regerer Verkehr moeglich. Das erste Zeichen war ein Wildschwein, das von +der Residenz kam und zum Martinstag von den Freunden des Lutherhauses +verspeist wurde. Als er krank wird, bekuemmert sich "Herr Kaethe" in gar +"stattlichem stetem Gedanken um den Freund". Ja, da dieser so oft +kraenklich ist, will Luther ihn gar zu sich nehmen, damit er der Stille +und Ruhe geniesse. 1538 kam aber Nikolaus Hausmann als Superintendent +nach Freiberg, wo sein Bruder Valentin lebte. Hier traf ihn bei seiner +Antrittspredigt am 3. November auf der Kanzel der Schlag. Die Freunde +und die Hausfrau verheimlichten Luther den Tod seines lieben Genossen +und brachten ihm die Nachricht erst allmaehlich bei--er aber sass einen +ganzen Tag und weinte, und auch Frau Kaethe wird dem Getreuen ihre +Thraenen nachgeweint haben[425]. + +Der fruehere Tischgenosse _Schlaginhaufen_ war im Jahre 1532 nach Zahna, +nur zwei Stunden von Wittenberg, als Pfarrer gesetzt worden, wo er mit +dem Lutherhause in enger Verbindung blieb, und z.B. einmal die von +Luther so geliebten Mispeln schickte. Aber in dem aermlichen und der +Gesundheit des schwachbruestigen Mannes wenig zutraeglichen Orte hielt er +es nur ein Jahr aus. Er wurde dann Pfarrer in Koethen und reformierte +dies Laendchen. Dahin gruesst auch Frau Kaethe. Er reiste mit nach +Schmalkalden, begleitete den erkrankten Luther zurueck bis Tambach, lief +dann mit der Kunde von dessen Besserung nach Schmalkalden und rief zu +den Fenstern an der Herberge des Legaten hinauf: Lutherus vivit! +Lutherus vivit! (Luther lebt! Luther lebt!)[426]. + +Mit dem Pfarrhaus von Leisnig standen Luther und seine Kaethe in regem +Verkehr. Sie senden in zahlreichen Briefen Gruesse an ihre ehemaligen +Tischgenossen M. _Lauterbach_ und seine Hagnes oder Nise (Agnese) und +Elslein ("Lamm" und "Laemmlein"); sie geben ihm allerlei zu besorgen, so +Frau Kaethe einen Katechismus an eine arme ehemalige Nonne, Christina v. +Honsberg, jetzt Gattin von Georg Schmid. Der Bischof von Meissen hatte +sich gegen Lauterbach gestraeubt, weil er nicht geweiht waere; da sagte +Lauterbach zu dem bischoeflichen Amtmann: "Ich bin genug geweiht durch +mein Weib (denn sie war eine Nonne) und Mann und Weib ist ein +Leib"[427]. Da der andre Pfarrer in Leisnig sich nicht mit Lauterbach +vertrug, so verzog dieser als Diakonus nach Wittenberg, wo er von +1536-39 lebte, um dann als Superintendent nach Pirna ins evangelisch +gewordene Herzogtum Sachsen zu kommen. Zu Wittenberg als Amtsgenosse +Luthers verkehrte er viel im Klosterhaus; auch seine Frau war oefter da +und gab einmal auf eine theologische Frage eine gar feine Antwort. Es +war an sie dieselbe Frage gerichtet, wie an Frau Kaethe, ob sie heilig +waere; da sagte sie, sie waere heilig, so viel sie glaubte; waere aber eine +Suenderin, sofern sie ein Mensch waere. Von Pirna hat Lauterbach die +Steinmetzarbeit an der Hausthuer fuer Frau Kaethe besorgt, weiterhin +Rebpfaehle, mehrmals Pelzroecke fuer die Toechter, auch Butter und Aepfel, +Borsdorfer und andere, "roetliche", von welchen sich dann Frau Kaethe auch +Zweige zur Veredlung bestellt[428]. + +Georg _Spalatin_ war bald nach Luthers Vermaehlung aus dem Hofdienst +getreten, hatte sich verheiratet und war neben M. Eberhard Brisger +Oberpfarrer von Altenburg geworden. Weil diese Stadt ziemlich weit +ablag, so kam der alte Freund Luthers nur bei besonderen Veranlassungen +amtlicher Art nach Wittenberg; auch Luther konnte, so sehr er voll +Sehnsucht nach des Freundes Umgang war, schwer nach Altenburg kommen, +nicht einmal zur Hochzeit Spalatins, weil er eben die Flucht der 13 +Nonnen aus Freiberg veranstaltet hatte. Um so haeufiger aber sandten sich +die Freunde Briefe und Boten und teilten sich die haeuslichen +Vorkommnisse mit und Frau Kaethe draengt dabei ihren Mann zum Schreiben. +"Meine Rippe" oder "mein Herr Kaethe" senden an Spalatin und "seine +Rippe" oder "Kette" (sie hiess auch Katharina), seine "Hindin" und ihre +Kleinen Gruesse und Glueckwuensche, wuenscht ihm auch ein kleines +"Spalatinlein, das ihn lehre, was sie sich ruehmt von ihrem Haenslein +gelernt zu haben, naemlich die Frucht und Freude des Ehestandes, deren +der Papst mit seiner Welt nicht wert ist"[429]. Den in Schmalkalden +schwer erkrankten Luther liess Frau Kaethe ins Altenburger Pfarrhaus +bringen und bleibt dort mehrere Tage. Voller Dankbarkeit und Anerkennung +ist sie fuer die "freundliche Liebenswuerdigkeit und liebenswuerdige +Freundlichkeit", die sie mit ihrem Gatten im Hause des feinen Mannes +erfahren. Sie ist ungluecklich, dass sie in der Aufregung den Toechtern +Spalatins nichts mitgebracht und sendet ihnen schoen gebundene Buechlein, +ihr gewoehnliches Geschenk[430]. Nochmals nimmt sie die Liebenswuerdigkeit +des Altenburger Pfarrherrn in Anspruch, als sie ihre Bauten in Zulsdorf +ausfuehrt. Weil Spalatin gerade um diese Zeit nach Wittenberg kam, so +giebt sie ihm allerlei Auftraege mit, da Zulsdorf von Wittenberg so weit +weg und naeher bei Altenburg lag und sie wegen der bestehenden +Winterszeit nicht dahin kommen konnte. Da soll er, der ehemalige +Hofmann, bei dem Schoeffer dafuer sorgen, dass sie Eichenstaemme und dicke +Pruegel fuer Bauten bekomme in ihrem neuen Reich. Da empfiehlt sie ihre +Fuhrleute und Handwerker der Fuersorge Spalatins. Und dieser interessiert +sich fuer ihre Zulsdorfer Unternehmungen so sehr, dass ihm Luther +ausfuehrlich ueber all die Missgeschicke schreiben muss, welche seine Frau +mit den saechsischen "Harpyen" hat, welche ihr Bauholz wegstibitzen. +Dafuer schickt die arzneikundige Doktorin dem Herrn Oberpfarrer auch eine +Wurzel gegen den Stein, die sich bei Luther recht wirksam gezeigt +hatten.[431] + +Ein Freund der Familie Luther war auch ihr Gevatter _Hans von +Taubenheim_. An ihn wendet Kaethe sich vertraulich mit wirtschaftlichen +Anliegen. Aber sie nimmt auch Teil an seinem Schicksal, als er 1539, +scheint's, in Ungnade fiel. Luther muss ihm schreiben: "Meine Kaethe laesst +Euch herzlich gruessen und weinet bitterlich ueber Euren Unfall und sagt: +wenn Euch Gott nicht so lieb haette, oder waeret ein Papist, so wuerd er +Euch solch Unglueck nicht geschehen lassen."[432] + +Alle diese Freunde des Lutherhauses lebten auswaerts und waren nur +besuchsweise oder doch voruebergehend in Wittenberg. Die befreundeten +Familien in der Stadt selbst waren die der Amtsgenossen Luthers: die +Professoren Kreuziger, Jonas und Melanchthon und die Pfarrer Bugenhagen +und Roehrer, weniger bedeutend der andere Schlossprediger D. Georg Major, +der Professor des Hebraeischen Matthaeus Aurogallus (Goldhahn), +Melanchthons Busenfreund Paul Eber, D. Hier. Schurf, endlich sein +Bruder, der Hausarzt und Nachbar, Professor Augustin Schurf, dessen Weib +Hanna von Frau Kaethe in der Pestzeit ins Haus genommen und gepflegt +wurde. Sie alle waren vielfach Gaeste in Luthers Haus, namentlich bei der +Bibel-Uebersetzung. In ihrem Kreise liess sich Luther mehr gehen, als an +der Tafelrunde der Tischgenossen, mit "froehlicher Laune und witzigem +Scherzwort"[433]. + +_Kreuziger_, Dr. der heiligen Schrift, Luthers treuer Freund und +"Fuerbund", den er (seit 1528) zu seinem "Elisa", seinem Nachfolger in +der Theologie erlesen hatte, der auch Luthers Testament unterschrieben +hat, war--ausnahmsweise--ein wohlhabender Theologe[434]. Fuer ihn +besorgte Frau Kaethe Auftraege und seine Frau Elisabeth, eine gewesene +Nonne aus Pommern, bringt ihr ein goldenes Messgeschenk, wofuer Luther an +Kreuzigers Frau ein gleiches schickt. Diese, Elisabeth von Meseritz, war +die Dichterin eines Liedes, das Luther in sein Gesangbuch setzen liess. +Es beginnt: + + Herr Christ, der Einige Gottes + Vaters in Ewigkeit, + Aus seinem Herz entsprossen + Gleichwie geschrieben steit. + Er ist der Morgenstern, + Sein' Glanz streckt er so fern + Vor andern Sternen dar[435]. + +Elisabeth starb frueh, so dass Kreuziger zur zweiten Ehe schritt (1530); +mit der Hochzeit wollte er aber Frau Kaethe nicht beschweren und hielt +sie auf Schloss Eilenburg ab, das ihm der Kurfuerst auf Luthers Bitte +dafuer zur Verfuegung stellte. Dagegen ist er eingeladen bei Luthers +Geburtstagsschmaus[436]. + +_Bugenhagen_ oder D. Pommer, der stattliche und wuerdige Propst, +Professor und Stadtpfarrer und geborene General-Superintendent +(1536)[437], war mit seiner pommerschen Gelassenheit ein gar milderndes +Element in dem Lutherischen Hause, dessen Beichtvater er war. So hielt +er auch neben Luther ruhig in der Pestzeit aus. Trotz seines wuerdevollen +Wesens war er doch "im gemeinen Wandel eines liberalischen, froehlichen +und fertigen Gemuets". Er stellte sich von Anfang auf Frau Kaethes Seite. +Er half ihr--nebst dem Kapellan Roehrer--das schoene Glas vor Luthers +Geschenkwut retten. Er hielt sich gar viel im Kloster auf; ja er wohnte +sogar in Luthers Anfechtungen dort[438]. Luthers Briefe gruessen gar oft +in einem Atem: Dr. Pommer und meine Kaethe oder meine Kaethe und Dr. +Pommer. Einmal schreibt er sogar im Hause und Namen Luthers einen Brief +an Spalatin, worin "Dominus mea" ("meine Herr" Kaethe) gruesste. Einen +Brief Luthers an Frau Kaethe sollte in ihrer Abwesenheit Pfarrherr D. +Pommer erbrechen und lesen[439]. Umgekehrt hat Frau Kaethe auch allerlei +an D. Pommer auszurichten, sogar allerlei Theologisches in lateinischen +Wendungen von den Argumenten Zwinglis in Marburg und Kirchenpolitisches +von Augsburg. "Sage D. Pommer", heisst es dann in Luthers Briefen an +seine Frau[440]. Der behagliche Pommer ergoetzte die Freunde gar sehr mit +seinen Spruechen, namentlich in breitem Platt; aber er lachte auch, wenn +der "schwaebische" Pfaelzer Melanchthon sich im Plattdeutschen versuchen +wollte. Im Dezember 1527 erwartet der Propst im Lutherhause die +Niederkunft seiner Frau. Sie und Frau Katharina lagen fast zu gleicher +Zeit in den Wochen: Frau Pommer mit einem Knaeblein, Frau Kaethe mit ihrem +Toechterlein Elsbeth. Bald darauf starben ihr zwei Soehne[441]. 1528 wird +zu Bugenhagens Reise nach Braunschweig von Luthers "Eva" im Kloster ein +Abschiedsmahl gehalten; er wurde aber auch nach Hamburg "geliehen", dann +nach Luebeck, Pommern und Daenemark, und erzaehlte dann daheim, nach der +Landesart gefragt, zum Ergoetzen der "Tafelrunde", dort traenken die Leute +"Oel" und aessen "Schmeer" (d.h. Bier und Butter). Bugenhagen war also +viel weg von Wittenberg, zur grossen Sorge Luthers, der seine +Arbeitslast als Stadtpfarrer und Professor noch dazu uebernehmen musste. +So hatte auch Frau Kaethe gar oft nach dem "Pommerischen Rom" mit seinen +kleinen Weltbuergern in der Superintendur am Kirchenplatz zu sehen[442]. + +Justus _Jonas_, "der Rechte Licentiat und Erfurter Kanonikus" nachher +(1521) Professor, D. der Theologie und Propst des Allerheiligenstiftes, +nahm im Lutherhause eine aehnliche Stellung ein, wie Bugenhagen. Nur +hatte er in seinem Wesen nicht die stoische, gesunde Ruhe des D. Pommer. +Er war vielmehr kraenklich und etwas erregt, ein lebhafter Sprecher, +"unser Demosthenes", der lieber redete als schrieb; denn er "drohte" nur +Briefe zu schreiben, fuehrte es aber nicht aus, wie Luther scherzt. Die +Familie wohnte in der Fischervorstadt, hatte auch Garten und Weinberg. +Waehrend der Pest 1527 und wieder 1535 zog Jonas mit Weib und Kind in +seine Vaterstadt Nordhausen bezw. nach Jena. Er war bei den +Verhandlungen in Augsburg, Marburg, Frankfurt, Schmalkalden u.s.w. viel +abwesend von Wittenberg, so dass Luther viele und haeufige Briefe an ihn +zu schreiben hatte, in denen Frau Kaethe mit Gruessen, Auftraegen und +Mahnungen und dgl. sich hoeren laesst. Umgekehrt gruesst auch Jonas die Frau +Doktorin, Muhme Lene, Haenschen, Lenchen--und sendet seinem Paten einen +silbernen Johannes, d.h. einen Joachimsthaler (Gulden) mit dem Bildnis +des Kurfuersten Johann[443]. Jonas hatte sich schon 1522 verheiratet mit +Katharina von Falk. Sie hatte eine grosse Kinderschar (1530 schon 5 +Soehne), aber viele starben jung; bekannt sind davon Jost, Christoph, +"Sophiela", "Elisabethula", auch eine Grossmutter lebte im Haus und +erhielt von Luther Gruesse[444]. Frau Kaethe Jonas war eine muntere, +heitere Frau. Von ihr meldete im Sommer 1529 der Wittenberger +Stadtschreiber Baldunai: "Ich hab' Melanchthon mit der Proepstin tanzen +sehen! Es ist mir wunderlich gewesen." Auch Luther richtet an sie +gelegentlich einen scherzhaften Brief als der "Ehrbaren, Tugendsamen +Frauen Kathrin Dokterschen Jonischen, Propstin zu Wittenberg, meiner +guenstigen Freundin und lieben Gevatterin" und schliesst: "meine Kaethe und +Herr zu Zulsdorf gruesset Euch alle freundlich."[445] + +Mit der "Jonischen" Familie war die Lutherische eng befreundet, +namentlich die beiden Kaethen waren aufs innigste mit einander verbunden, +sie waren stets ein Herz und eine Seele: die lebhafte thatkraeftige +Lutherin war offenbar recht angezogen von der froehlichen Natur der +Propstin. Aber auch den redegewandten Propst mochte die Frau Doktorin +gerne leiden. Nach Augsburg schickt sie in einem Brief an ihren Herrn +Martinus ein Billet ("Zedula"), worin sie von der Geburt eines Jonischen +fuenften Sohnes berichtet[446]. Als die Propstfamilie waehrend der Pest +mit der Universitaet auch in Jena weilt, bestellt die "Erzkoechin" bei +Jonas fuer einen Thaler allerhand Gefluegel und Wildbret zu einem +Doktorschmaus und will ihn mit einem guten Sud von ihrem gesunden und +heilsamen Bier nach Wittenberg locken. Dagegen warnt sie ihn, sich von +der "Guete des Weins" bei Spalatin beruecken zu lassen, wodurch der Leib +so rauch und scharf von Steinen werde, wie die Weinfaesser, wenn sie +ausgetrunken sind. Mit dem Bier wusste Frau Jonas nicht so wohl Bescheid +wie Frau Lutherin; denn dasjenige, das sie Luther einmal schickte, war +verdorben. Angenehmer als dieses Geschenk waren der Wein, die Quitten +und Aepfel u.a., welche Jonas von seinen Reisen oder aus Halle +sandte[447]. Als Frau Kaethe zu Anfang des Jahres 1540 schwer erkrankte, +da schrieb Jonas manchen betruebten Brief voll aufrichtiger Teilnahme und +Sorge. "Wenn mein Brief so truebselig ist, so ist die Trauer schuld um +die hochgeschaetzte Frau, weil sie so krank darniederliegt." Und er freut +sich "dann, als [Griechisch: hae gynae] des Herrn D.M. Luther durch +goettliche Wunderkraft wieder gesundet." Im Fruehjahr 1541 zog Jonas nach +Halle, um dort trotz des Bischofs "mit Volk und Rat" die Reformation +durchzufuehren[448]. Da sich dieser Aufenthalt, wie es den Anschein +bekam, lange hinausziehen sollte, so zog im Herbst die Frau Propstin +ihrem Manne nach, waehrend der Sohn Tischgenosse im Lutherhause werden +sollte. Sie verabschiedete sich so eifrig und eilig, dass sie sogar +vergass, Briefe von Luther mitzunehmen und dieser samt seiner Frau sie +neckte mit ihrer Liebessehnsucht. Leider sollten sie die Freundin nicht +mehr sehen. Nicht lange nach ihres lieben Toechterchens Lenchen Tod +verlor Frau Kaethe auch ihre beste Freundin. Sie starb in Halle um +Weihnachten 1542, indem sie "mit gar frommen und heiligen Worten ihren +Glauben bezeugte." Frau Kaethe war ganz weg bei der Trauerkunde[449]. + +Etwas weniger herzlich scheint das Verhaeltnis zur Familie Melanchthon +gewesen zu sein. Die beiden waren fast Gartennachbarn und wie die +Maenner, so werden auch die Frauen sich an dem Gartenzaun und in ihren +Gaerten und Haeusern doch vielfach begegnet sein. Die Kinder spielten mit +einander, wie aus dem Maerchenbrief Luthers ersichtlich ist, und Luther +schreibt dem aengstlichen Magister waehrend seiner Abwesenheit genau alle +Vorkommnisse unter den Kindern[450]. Aber auffaellig ist doch, dass in +all' den vielen (3000) Briefen Luthers die Gattin seines Kollegen +ausdruecklich niemals erwaehnt ist. Frau Kaethe Melanchthon war der +temperamentvollen Doktorin wie dem Doktor nicht so sympathisch als die +Frau Kaethe Jonas. Sie fuehlte ihren Gemahl und sich nach den Epigrammen +des Lemnius, aber auch nach den Andeutungen Kreuzigers ueberall +zurueckgesetzt und in den Schatten gestellt durch Luther und die +Doktorin. Die wohlhabende Buergermeisterstochter und das arme +Edelfraeulein standen sich wohl von Anfang an gegenueber, nochmehr aber, +als die fremde Nonne den gewaltigen Doktor, den ersten Mann der Stadt, +ja der Welt zum Gemahl bekam. Zur Erklaerung der Stimmung von Frau +Melanchthon muss wohl auch auf die bestehende Kleiderordnung verwiesen +werden, welche derjenigen von 1572 aehnlich gewesen sein wird. Die +Doktorsfrauen durften darnach eine guldene unverfuetterte Haube tragen, +und so ein alt Kleid zu kurz wird, es mit Sammet- und Seidegebraem +verlaengern--die _Magisters_frauen nicht, und Frau Melanchthon war blosse +Magisterin. Ferner durften Doktoren 8 Tische, Magister bloss 6 Tische bei +Hochzeiten haben; letztern waren auch Roecke, Barett oder Schlaepplin aus +Sammet und Seide verboten[451]. + +Es traten sogar einmal Missstimmungen Luthers gegen Melanchthon ein, +welche sich natuerlich auch auf die beiderseitigen Frauen uebertrugen. + +Melanchthons Schwiegersohn Sabinus, ein Humanist und Poet, hatte Luthers +alten Gegner, den Kardinal-Erzbischof Albrecht, der sich gern als Maecen +aufspielte, als seinen Goenner gefeiert, und bei seiner Hochzeit mit +Melanchthons Toechterlein (1536) war der erzbischoefliche Kanzler Tuerk zu +Gast, ja Sabinus lebte eine zeitlang an Albrechts Hofe. Um diese Zeit +machten auch andere roemische Kirchenfuersten den Versuch, Melanchthon auf +ihre Seite zu bringen. Luther zuernte ueber die "Erasmischen Vermittler", +wenn er auch nicht glaubte, Melanchthon werde ein zweiter Erasmus +werden. Die Anhaenger Luthers, Cordatus und Schenk, gingen aber schaerfer +gegen Melanchthon vor und dieser scheute sich in seiner aengstlichen Art +vor einer offenen Aussprache mit Luther. Kaethe haette gerne eine +freundschaftliche Auseinandersetzung der beiden alten Freunde gewuenscht; +die "Doktorin" beklagte die Entfremdung derselben, sprach dies auch +gegen Kreuziger und andere Freunde aus, in der Hoffnung, eine +Auseinandersetzung herbeizufuehren. Aber dem widersetzte sich die +"Weibertyrannei" der Frau Melanchthon[452]. + +Jetzt kam noch etwas anderes hinzu. 1537 geriet ein gewisser M. Simon +Lemchen (Leminus) nach Wittenberg, der war ein Freund und +Gesinnungsgenosse des Sabinus, formgewandt, aber auch charakterlos wie +dieser. Fuer diesen Schoengeist verwendete sich Melanchthon um ein +Stipendium bei dem Rat von Augsburg, weil er zum Teil in Augsburg +erzogen war und diese loebliche Stadt fuer sein Vaterland hielt. Er bekam +auch wirklich eine Unterstuetzung von 20 fl. Damals kam auch Sabinus nach +Wittenberg und verkehrte viel mit seinem Freunde[453]. + +Zu Pfingsten 1538 nun hat Lemnius, der "ehrlose Bube etliche Epigrammata +ausgehen und sogar an den Kirchthueren verkaufen lassen, ein recht +Erzschund-, Schmach- und Luegenbuch, wider viel ehrliche Manns- und +Weibsbilder, dieser Stadt und Kirchen wohl bekannt." Natuerlich machte +das Buechlein in der kleinen Stadt das peinlichste Aufsehen und erregte +haessliche Geschwaetze. Melanchthon hatte als Rektor die Zensur ueber +litterarische Erscheinungen von Universitaetsangehoerigen zu ueben. Daher +erhob sich gegen ihn der Verdacht, dass er mit Absicht die boese Schrift +habe drucken lassen. Aber Luther ueberzeugte sich bald, dass es "hinter +Wissen und Willen derer, so es befahlen ist zu urteilen", ausgegangen +war. Und so beruhigte sich auch die Frau Doktorin bald wieder. Der +"Poetaster und Leuteschaender" Lemnius fluechtete und wurde relegiert, +raechte sich aber durch ein unflaetiges Schmaehgedicht auf Luthers und +Kaethes Ehe, wie auf andere Professorenfamilien in Wittenberg [454]. Das +gute Einvernehmen der beiden Familien stellte sich bald wieder her. Frau +Kaethe laesst nach wie vor dem abwesenden Magister Philipp ehrerbietig +Gruesse zusenden und dieser versaeumt nicht nach wie vor "Luthers +hochverehrte Gemahlin und suesse Kinder zu gruessen". Ja das Verhaeltnis zu +ihm zeigt sich nach diesem Vorkommnis noch viel freundlicher [455]. Sie +laesst dem Magister besonders nachdruecklich danken, dass er ihren Doktor +nicht mit nach Schmalkalden--schlimmen Angedenkens--mitgenommen hat. Sie +versichert ihn ihrer ganz besonders warmen Liebe und Zuneigung. Als +Melanchthon wegen der hessischen Ehegeschichte toedlich erschrocken +darniederlag, heisst sie ihn tapfer und "froehlich" sein und versichert +ihn mit ihrem Gatten ihrer aufrichtigen Liebe und verspricht, eifrig und +kraeftig fuer ihn zu beten. Nach Worms laesst sie ihm melden, sie siede eben +fuer ihn Wittenbergisch Bier, um ihn und seine Genossen damit zu +empfangen. Und M. Philipp laesst sich auch sorglich ueber ihr Wohlergehen +berichten und waere sehr beunruhigt, wenn er hoeren muesste, es ginge der +Frau Doktorin uebel. An Luthers Todestag noch sendet er in ihrem Auftrag +nach Eisleben Nachrichten und Arzeneien[456]. + +Eine gewiss noch rascher voruebergehende Verstimmung trat 1544 ein infolge +eines Vorwurfs, den Frau Kaethe Melanchthon machte und den der +empfindliche Meister Philipp wohl zu schwer nahm; sie sagte naemlich, man +glaube, er bevorzuge seine schwaebischen Landsleute vor den Sachsen. Das +konnte doch weder so ernst gemeint noch genommen werden, wenn er auch in +einem Brief an Freund Jonas die [Griechisch: despoina] (Herrscherin) +darueber verklagt[457]. + +Den Verkehr dieser Hausfreunde mit Frau Kaethe kennzeichnet ein Brief, +den dieselben von Augsburg aus 1530 an die Doktorin geschrieben haben; +es ist der Ton achtungsvoller Freundlichkeit mit einem Anflug von +Lutherschem Humor; zugleich aber ein Beweis, wie geschaeftstuechtig Frau +Kaethe war, dass Melanchthon sogar oekonomische Auftraege ihr gab, statt +seiner eigenen Gattin, die er wohl auch fuer weniger schreibfertig halten +musste, als die Lutherin. Der Brief lautet samt der Adresse so[458]: + +"Der ehrbaren tugendsamen Frau Katharina Lutherin Doktorin, meiner +besonders guenstigen Freundin. + +Gottes Gnad' und alles Gute! + +Ehrbare, tugendsame Frau Doktorin! + +Ich fuege Euch zu wissen, dass wir nun, Gott gebe Gnad, bis gen Augsburg +kommen sind und haben den Herrn Doctor zu Coburg gelassen, wie er ohn +Zweifel Euch geschrieben hat. Ich hoff aber, in kurz bei ihm zu sein. +Bitt Euch, Ihr wollet mir schreiben, wie es Euch geht und wie sich der +Hauptmann Korns halber erzeiget hat. Womit ich Euch dienen kann, will +ich mit allem Fleiss, wie ich mich schuldig erkenne, solches thun und +ausrichten. + +Beide Kanzler[459] gruessen Euch und wuenschen altes Gute. Gott bewahre +Euch! + +Datum Augsburg, Mittwoch nach Walpurgis. Philippus. + +Herzog Georg von Sachsen soll morgen kommen. Der Kaiser ist noch ferne, +kommt aber. + +Liebe Gevatter! Auch ich wuensche Euch, Haenschen Luther und Magdalenchen +und Muhme Lene viel selige Zeit. Pusset mir in meinem Namen meine +liebsten Jungen. + +J. Jonas. + +Ich, Johann Agricola Eissleben, mein es auch gut, meine liebe Frau +Doktorin." + +Wie hier im Brief, so massen sich an Kaethes Tisch die Freunde an der +theologischen Tafelrunde im Redewettkampf um den Preis des kuerzesten +Tischgebets. Da zeigt sich nun Luthers Sinnigkeit, Bugenhagens +hausbackenes Behagen und Melanchthons zierliche Feinheit in den Spruechen +Luthers: Dominus Jesus sit potus et esus (der Herr Jesu sei Speis' und +Trank); Pommer: "Dit und dat, traeg und natt, gesegen uns Gad"; und +Melanchthons: Benedictus benedicat (der Gesegnete segne)[460]. + +Ausser den beiden Frauen der Kollegen Jonas und Melanchthon wird +Katharina wohl vorzueglich mit Frau Barbara Kranach verkehrt haben und +Frau Buergermeister Reichenbach, ihrer Pflegemutter, beide aeltere +Matronen, und ebenso mit der Familie des Buchdruckers Hans Lufft. +Selbstverstaendlich gehoerte die Gemahlin des Doktors zu den vornehmen +Kreisen, ja sie war bei weitem die angesehenste Frau Wittenbergs und es +entspricht ihrer Stellung, wenn Meister Lukas sie auf dem Altarbilde der +Stadtkirche mit ihrem Kinde in der vordersten Reihe malt. Sie trug auch +das feine goldschimmernde Pelzwerk um die Schultern oder in Streifen am +Kleid, das die Patrizierin auszeichnet. Ein gewisses Selbstgefuehl laesst +sie auch verschiedentlich durchblicken. So laesst sie einen Freund ihres +Mannes "warnen, beileibe keinen Bauernkloppel zur Ehe zu nehmen; denn +sie sind grob und stolz, koennen die Maenner nicht fuer gut haben, koennen +auch weder kochen noch keltern". Daneben freilich ging sie mit andern +Frauen (in der Weise unserer heutigen Frauenvereine) kranken Weibern und +Woechnerinnen mit Rat und That an die Hand[461]. + +Aber man versteht es auch, dass eine Frau von der Anlage und dem +Temperament und Bildung Katharinas mehr auf den Umgang mit Maennern +hielt, und dass dieser Umgang, zu dem sie so viel Veranlassung und +Gelegenheit hatte, sie wenig geneigt machte, sich viel in weiblicher +Gesellschaft zu bewegen. + +Freunde um sich zu haben, war Luther ein Beduerfnis. Er hasste die +Einsamkeit aus Furcht vor "Anfechtungen"--musste er doch in den +Nachtstunden dem Teufel genug Rede stehen. "Ehe gehe ich zu meinem +Schweinehirten Johannes und zun Schweinen, denn dass ich allein bliebe", +sagt er zum Exempel fuer einen Angefochtenen. So war er auch stets in +Gesellschaft, wenn er spazieren fuhr[462]. + +Bei der Bibeluebersetzung (1525-34) und der Bibelrevision (1539-42) kamen +die Gehilfen Luthers, Melanchthon, Bugenhagen, Jonas, Kreuziger, +Aurogallus und der Schnellschreiber und Korrektor Roehrer zum +evangelischen "Sanhedrin" zusammen, und nachher blieben sie oft zu +Tische da, disputierten weiter, oder erholten sich auch an heiterem +Gespraech und Gesang. + +So war der Gasttisch in Kaethes Haus nimmer leer--dafuer sorgte Luther. + +Aber auch ihm persoenlich und besonders widmete sie als echte deutsche +Frau ihr Leben. + + + + +14. Kapitel. + +Kaethe und Luther. + + +"Das ist ein seliger Mann, der eine gute Ehe hat. Denn es ist kein +lieblicher, freundlicher noch holdseliger Verwandtnis, Gemeinschaft und +Gesellschaft, denn eine gute Ehe, wenn Eheleute mit einander in Frieden +und Einigkeit leben. Die hoechste Gnade Gottes ist, ein fromm, +freundlich, gottesfuerchtig Gemahl haben, mit der du friedlich lebest, +der du darffst all dein Gut und was du hast, ja dein Leib und Leben +anvertrauen." So preist Luther die Ehe, und _seine_ Ehe und seine +Gattin, die ihm das Wesen und das Ideal des Ehestandes vor Augen fuehrte +und verwirklichte. Sie bereitete ihm ein schoenes Heim, einen gluecklichen +Hausstand, sie wartete und pflegte ihn treulich und diente ihm "wie eine +Ehefrau, ja wie eine Magd"[463]. + +Kaethe sorgte vor allem fuer ihres Herrn Doktors leibliches Wohl in +gesunden und kranken Tagen[464]. + +Die "Erzkoechin" verstand den leiblichen Beduerfnissen ihres Mannes +gerecht zu werden; sie wusste, was seinem Geschmack entsprach und was +seiner Gesundheit zutraeglich war. Luther wusste auch, was das heisst, und +dass "das ein gemarterter Mann sei, dess' Weib und Magd nichts wissen in +der Kueche: es ist das erste Unglueck, woraus viele Uebel folgen." Aber +auch das Gesinde thut's nicht, sondern, wie Luther in sein Hausbuch +schreibt: "Der Frauen Augen kochen wohl."[465] + +Luther liebte, als ein echtes Bauernkind und mit gesundem Appetit +gesegnet, recht derbe Hausmannskost. Ueppige Speise machte ihm +Beschwerden. Er lobte sich eine reine, gute, gemeine Hausspeise: +Brathering und Erbsen war ihm ein Lieblingsgericht[466]. Aber seine +Gattin erkannte bald, dass dem Doktor bei seiner sitzenden Lebensweise, +bei seiner angestrengten geistigen Thaetigkeit und namentlich, weil er in +den Tagen seines unnatuerlichen Kloster- und Junggesellenlebens seine +Natur sehr verdorben hatte und durch Verdauungsstoerungen an schweren +Schwindelanfaellen litt,--dass diese derbe Kost ihm wenig zutraeglich sei +und sie namentlich mit anderer Pflanzenkost, besonders Obst, nachhelfen +muesse, und ueberhaupt war sie auf Wechsel in der Speise bedacht[467]. So +hatte sie denn in ihrer Speisekammer, in Keller und Speicher nicht nur +Erbsen und Hirsen, Gruetze, Graupen und Reis vorraetig, da gab es auch +Kraut, Kohl, Mohren, Rueben und Obst; die einheimischen Mispeln liebte +Luther mehr denn alle welschen Feigen, und die Pfirsiche schaetzte er +besonders hoch und fast den Weintrauben gleich. Da wurden im Kloster +nicht nur Ochsen und Schweine geschlachtet, auch Gaense und Enten, +Huehner, Tauben und Krammetsvoegel, frische und duerre Fische und Krebse +kamen als Leckerbissen auf den Tisch. Wildbret war Hochzeitsbraten; +Luther fand es aber mit seinem schwarzen Fleisch zu "melancholisch". +Zwar hielt Kaethe selber Rinder und Huehner, pflanzte allerlei Frucht und +Gemuese, zog Obst, buk das taegliche Brot und sott Bier; aber vieles musste +noch dazu gekauft werden, oder man erhielt es geschenkt, namentlich +sorgte der Hof fuer Wildbret und die Freunde fuer schoenes Obst: +Borsdorfer, Gold- und Blutaepfel. Frau Kaethe aber wuerzte die Speisen mit +Salz, Pfeffer, Safran, mit Mohn, "Zippel" (Cipola, Zwiebel), +Petersilien, Kuemmel und Karbey, schmaelzte mit Butter und suesste mit Honig +und Zucker. Zum Nachtisch war immer Obst da: Aepfel, Birnen, Pfirsiche +und Nuesse; in der Kirschenzeit hing auch ein Kirschenast ueber der +Tafel[468]. + +Daher schmeckte dem Doktor nichts besser als seine hausgemachten Speisen +und Getraenke und nirgends ist es ihm wohler, als daheim an seinem +wohlbestellten Tisch. Lieber als die gepressten Kaese, welche Lauterbach +fern aus Pirna herschickt, sind ihm "unsre Kaese von einfachem Stoff und +einfacher Form". Das von Jonas geschenkte Bier findet er schlecht, +waehrend er jenem das Bier von seiner Kaethe anpreist als ein erprobtes +Heilmittel gegen das Steinleiden; ja er nennt es geradezu die "Koenigin +aller Biere". Bei Hof gedenkt er an seinen "freundlichen lieben Herrn" +Kaethe, wie gut Wein und Bier daheim habe; dort muesse er einen boesen +Trunk thun oder von den dicken schweren Brot essen, das ihm so schlecht +bekomme[469]. + +Und wie sehnte sich Luther immer von den Unbequemlichkeiten der Reise +und fremder Herberge nach seinem gemuetlichen Heim und dem behaglichen +warmen Bett! + +Kaethe befolgte also die alte Regel, welche Luther so gerne jungen +Ehefrauen einschaerfte: "Halt dich also gegen deinen Mann, dass er +froehlich wird, wenn er auf dem Wiederwege des Hauses Spitzen +sieht."[470] + +Freilich hatte Frau Kaethe auch in Beziehung auf die Verkoestigung ihres +Gatten mit dessen Eigensinn zu kaempfen, denn der Doktor genoss oft +mehrere Tage lang gar nichts, oder er ass nur einen Bratfisch und ein +Stueck Brot; wenn er ganz ungestoert studieren wollte, nahm er einen +Bissen Brot und zog sich in sein Studierstueblein, seine alte +Moenchszelle, ein und kam gar nicht zum Essen und--zum Schlafen. So +schloss er sich einmal, um den 22. Psalm zu erklaeren, mit Brot und Salz +ein und kam drei Tage nicht zum Vorschein. Da wurde Frau Kaethe doch +aengstlich zu Mute, sie pochte und rief an der Thuer. Keine Antwort. Sie +liess nun den Schlosser kommen und die Thuere aufbrechen. Da rief er +unwillig: "Was wollt ihr? Meint ihr, es sei was Schlechtes, was ich +vorhabe? Weisst Du nicht, dass ich muss wirken, so lang es Tag ist; denn es +kommt die Nacht, da niemand wirken kann!" Ein andermal (1541) hatte sie +ihre liebe Not mit dem eigensinnigen Patienten, der bei seiner +"Anfechtung" vierzehn Tage nicht schlafen konnte und nichts essen und +nichts trinken wollte[471]. + +Freilich zu anderer Zeit war Luther auch aufgelegt zu einem festlichen +Schmaus oder einem kleinen Gelage im Freundeskreise, denn er meinte: +"Darf unser Herrgott grosse Hechte und Rheinwein schaffen, so darf ich +sie auch essen und trinken; es ist dem lieben Gott recht, wenn du einmal +aus Herzensgrund dich freuest oder lachest." Da wusste nun Frau Kaethe +ihrem Manne den Geburtstag, den Doktorstag, den Thesentag u.a. festlich +zu schmuecken. "Das Koenigreich" wurde am 3. Mai mit einem Mahle gefeiert, +"da wurden Psalmen gesungen, Evangelien gesagt, der Katechismus, Gebete, +wie einem jeglichen aufgelegt war; darauf musste das Hausgesinde +antworten." An St. Niklas wurden die Kinder beschenkt; am Neujahr auch +das Gesinde. Besonders aber Weihnachten wurde festlich begangen und die +Kinder freuten sich darauf und die Eltern mit ihnen. Frau Kaethe aber +sorgte dafuer, dass allerlei Gutes und Schoenes ins Zimmer und auf den +Tisch kam[472]. + +Ganz vorzueglich bewaehrte sich aber Frau Kaethe als Krankenpflegerin. Da +zeigte sie alle ihre Erfahrung, Geschicklichkeit und Energie. Und was es +alles fuer Krankheiten in einer so grossen Familie gab, laesst sich denken. +Da waren nicht bloss die Kinder und Schueler, welche allerlei +Kinderkrankheiten, zum Teil toedliche, durchmachten; da schleppte Luther +noch alle kranken Freunde und Freundinnen ins Schwarze Kloster, so dass +es nach seinem eigenen Ausdruck oft genug ein "Spital" war[473]. + +Der langwierigste und schwierigste Patient war freilich der Doktor +selber[474]. Krank war er eigentlich von Anfang an, und immer neue +Krankheiten kamen zu den alten: Ruhr, Fieber, schmerzliche +Hautausschlaege und Geschwuere, Rheuma, Hueftenweh und Brustbeschwerden. Er +hatte insbesondere einen boesen Pfahl im Fleisch: den Stein, der ihn wie +"Faustschlaege des Satans" plagte; sodann verursachten ihm seine +Verdauungsstoerungen Beengungen, Blutandrang nach dem Haupt, Kopfweh, +Ohrensausen und Schwindel, Kraempfe und Ohnmachten: Anfaelle, vor denen er +als "Anfechtungen des Teufels" sich heftig fuerchtete und die ihn oft mit +tiefer Schwermut erfuellten[475]. Da galt es, eine geduldige und +froehliche Krankenpflegerin sein. Und Frau Kaethe verstand ihren Patienten +zu behandeln, besser als die grossen Doktoren, die Herren Aerzte; sie +wusste, wie man den Kranken behandeln musste mit Nahrung und +Arzneimitteln; sie hielt ihn vom Wein ab und sott ihm leibreinigendes +Bier; sie rieb ihm das Bein mit heilkraeftiger Salbe und Aquavitae ein und +erwaermte ihm den Leib mit heissen Tuechern: sie erquickte ihn mit +Kraftkuechlein und allerlei Saeften; sie kannte eine wirksame Wurzel gegen +den Stein und zahlreiche Hausmittel: sie schabte ihm Bernstein von einem +alten Rosenkranz und loeste ihm die weissen Bernsteinstueckchen auf, welche +der Herzog von Preussen als Mittel gegen den Stein schickte[476]. Nach +dem Zeugnis ihres Sohnes, des nachherigen beruehmten Arztes Paul Luther, +war sie eine halbe Doktorin. Dieser sagte in seiner Antrittsrede zu +seiner Professur in Jena: "Meine Mutter hat nicht allein in +Frauenkrankheiten durch Rat und Heilung vielen geholfen, sondern auch +Maenner oft von Seitenschmerzen befreit."[477] Ihr vertraute sich daher +Luther auch lieber an, als "unsers Herrgotts Flickern", den Aerzten und +den Apothekern. Als Luther zu Schmalkalden toedlich erkrankte und die +Aerzte ihm Arzneien gaben, "als ob er ein grosser Ochs waere", und der +schwaebische Carnifex (Schinder, Folterknecht) meinte: "Ei, lieber Herr +Doktor, Ihr habt einen guten, starken Leib, Ihr habt wohl noch +zuzusetzen; Ihr muesst, bei Gott! leiden, wenn man Euch angreift"--da +dachte er an seine Hausfrau und ihre wohlthuenden Hausmittel und +begehrte, trotz aller Schrecken solcher Fahrt, nichts wie heim[477]. + +Luther hatte den Grundsatz: "Ich esse, was mir schmeckt und leide +darnach, was ich muss. Ich frage auch nach den Aerzten nichts; will mir +mein Leben, so mir von ihnen auf ein Jahr gestellt ist, nicht sauer +machen, sondern in Gottes Namen essen und trinken, was mir schmeckt." So +berichtet der Arzt Ratzeberger, Leibarzt der Kurfuerstin Elisabeth von +Brandenburg, der mit ihr nach Wittenberg floh, dann des Grafen von +Mansfeld und zuletzt des Kurfuersten von Sachsen Leibarzt--auch zu Zeiten +Luthers eigener Arzt[478]: + +"Da D. Luther zum erstenmal am Calculo (Stein) krank war, so war ihm der +Appetit entgangen und scheute sich auch sonsten vor gemeiner Arzenei aus +der Apotheke. Zudem hatte er grosse koerperliche Schmerzen und gar keine +Ruhe. Als er nun weder essen noch trinken konnte und alles, was ihm +seine Hausfrau aufs beste und fleissigste zugerichtet, von sich schob, +bittet sie ihn aufs fleissigste, er wolle doch selbst eine Speise +erwaehlen, dazu er moechte Lust haben. "Wohlan", spricht er, "so richte +mir zu einen Brathering und ein Essen kalter Erbsen mit Senf, weil du ja +willst, dass ich essen soll, und thue solches nur balde, ehe die Lust mir +vergeht; verzeuchst du lang, so mag ich hernacher nicht." Die Frau +thuet, wiewohl mit grossen Sorgen, was ihr Herr befohlen, und richtet das +Essen zu, so geschwinde sie vermochte, und setzte es ihm vor. Als er nun +mit grosser Lust davon isset, besuchen ihn die Aerzte--seine Medici +waren Augustin Schurf und Lic. Melchior Fend--ihrer Gewohnheit nach und +wollen sehen, wie sich die Krankheit anlasse. Da sie ihn nun essen +sahen, entsetzten sie sich vor dieser Kost, welche sie ihm schaedlich und +ungesund achteten. "Ach, was thut Ihr doch, Herr Doktor", sagte Lic. +Fend, "dass Ihr Euch wollet selber noch kraenker machen!" D. Luther +schwieg ganz stille und ass immer fort und hatte ein Mitleiden ob der +Medikorum Traurigkeit, die so hart fuer ihn sorgten. Bald nachdem sie +Urlaub von ihm genommen und nunmehr gedachten, er wuerde gar eine +toedliche Krankheit erwecken, kommt ein grosser Stein von ihm, dessen sie +vorher nicht an ihm gewohnt waren und war Lutherus wieder gesund. Des +andern Morgens besuchten sie ihn und vermeinten ihn krank im Bette zu +finden; da sahen sie ihn aber in seinem Schreibstueblein ueber den Buechern +sitzen, dessen sie sich hoch verwundern." + +Aber Frau Kaethe wusste ihren Mann nicht nur durch Speise und Arznei zu +erquicken, sondern auch aufzurichten und zu troesten. + +Wenn er verstimmt war oder gar seine "Anfechtungen" hatte, so lud die +kluge, verstaendige Frau heimlich den Dr. Jonas zu Tische, dass dieser ihn +mit frohen Gespraechen aufheiterte; sie wusste naemlich, dass ihn niemand +durch Gespraech besser aufzumuntern verstand; oder sie liess Bugenhagen +gar im Kloster wohnen und nahm seine Frau, die ihrer Niederkunft +entgegensah, dazu[479]. + +Nicht nur, um ihre Bauerei und Landwirtschaft zu besorgen, hielt Frau +Kaethe ein Fuhrwerk, sie liess auch oft ihre Pferde anspannen und ihren +Gatten mit seinen Freunden spazieren fuehren, in ein "Holz" und auf die +Felder, um sich zu erlustieren, wo er dann froehlich wurde und sogar +Lieder sang; oder er fuhr ueber Land in die Doerfer, wobei er die Armen +beschenkte[480]. + +Diesen Beruf der Frau Doktorin, dem grossen Reformator Leben und +Gesundheit und Geistesfrische zu erhalten, zum Segen der Kirche, +erkannte besonders der feine Capito an und spricht es aus in den Worten +an Luther: "Ich liebe sie von Herzen als diejenige, welche dazu geboren +ist, Deine Gesundheit aufrecht zu halten, damit Du desto laenger der +unter Dir geborenen Kirche, d.h. allen Christglaeubigen zum Heile dienen +kannst."[481] + +Doch nicht bloss als treffliche Koechin und ausgezeichnete +Krankenpflegerin stand Frau Kaethe ihrem Gatten bei, wie er es von dem +Eheweib verlangt, "dass sie ihres Mannes Unfall, Krankheit und Unglueck +tragen zu helfen, schuldig sei"; sie war ihm auch "ein freundlicher, +holdseliger und kurzweiliger Gesell des Lebens"; in diesem Sinn nennt er +sie "Hausehre", dass sie des Hauses Ehre, Schmuck und Zierde waere[482]. + +Ueber den Verkehr mit der Ehegattin spricht sich Luther bei der +Auslegung von 1. Moses 26, 8 aus, wo Isaak und Rebecca scherzen. "Das +ist ein ehrlicher Scherz, so einem frommen Weibe wohl ansteht. Wenn der +Hausherr mit seiner Schwester oder Gesinde dermassen scherzen wollte, das +wuerde ihm nicht wohl anstehen. Denn da gehoert sich, dass man sie heisse, +was sie thun und lassen sollen, und da soll Ernst dabei sein, auch wenn +man sie troestet. Aber mit der, die mir Gott zugefueget hat, will ich +scherzen, spielen und freundlich reden, auf dass ich mit Vernunft und +Bescheidenheit bei ihr leben moege."[483] + +So wusste auch Katharina selbst ihren Gatten zu unterhalten, selber einen +Scherz zu machen und noch mehr Scherz und Neckerei ihres Eheherrn +auszuhalten. Und auch den Freunden und Gaesten weiss sie so zu begegnen. +Den Bremer Pfarrer Probst laesst sie fragen, ob die Nordsee ausgetrocknet +sei, dass es keine Fische gebe. Als D. Speratus eine Menge Fische schickt +durch den hochgewachsenen Cario, sagte sie zu Luther: "Ein grosser +Bischof hat mir ein grosses Fass geschickt." "Und zwar durch einen grossen +Mann, unsern Charon", setzte Luther hinzu. "Ja, heut ist alles gross!" +meinte sie darauf[484]. + +In Luthers eigener sinniger Art, aber mit wirkungsvollem Handeln wusste +sie ihrem Gemahl entgegenzutreten. Da war er einmal in einer Anwandlung +von Schwermut, an Gott und der Welt verzweifelnd, fortgegangen. Als er +heimkehrte, trat ihm Frau Kaethe entgegen im schwarzen Trauergewand und +den Schleier tief im Gesicht. Erschrocken rief er: "Um Gotteswillen, +Kaethe, was ist geschehen?" "O, Herr Doktor, ein grosses Unglueck", +erwiderte sie; "denket nur, unser lieber Hergott ist gestorben, des bin +ich so traurig." Da fiel Luther seinem Weibe um den Hals und rief: "Ja, +liebe Kaethe, that ich doch, als waer' kein Gott im Himmel mehr!" Und so +gewann er neuen Mut, dass er die Traurigkeit ueberwand[485]. + +Nicht nur Luthers Verstimmungen und Anfechtungen wusste Frau Kaethe +aufzuheitern, sondern auch den gewaltigen Willen des bei aller +Gutmuetigkeit eigensinnigen und starrkoepfigen Mannes zu brechen, +namentlich wenn es galt, ihn zu seinem eigenen Besten zur Ruhe und +Erholung zu bewegen. "Mein Kopf ist eigensinnig, wie ihr sagt", schreibt +er einmal an Melanchthon, "aber mir ist er eigensinnigissimmum, weil +mich der Satan so wider Willen zu feiern und Zeit zu verderben zwingt." +Die kluge Frau aber verstand es, nach seinem eigenen Gestaendnis, ihn zu +ueberreden, so oft sie wollte[486]. + +Dagegen verwahrt sich Luther gegen den Verdacht, dass er sich in +theologischen oder kirchlichen Dingen durch seine Frau bestimmen lasse. +Dennoch wurde das geglaubt und ihr namentlich ein schlimmer Einfluss +zugetraut gegen gewisse Personen; so schreibt z.B. Kreuziger an Veit +Dietrich, der Frau Kaethe an sich nicht hold war: "Du weisst, dass er +(Luther) zu vielem, was ihn entflammt, eine Fackel im Hause hat." +Namentlich bei seinem Streit mit den Juristen glaubten die Wittenberger +die persoenliche Abneigung seiner Frau gegen gewisse Persoenlichkeiten +dahinter zu wittern[487]. + +In einer so kleinen Stadt und bei den oft so kleinlichen Reibereien der +Gelehrten und ihrer Frauen, ist ein solcher Klatsch auch begreiflich, so +grundlos er auch sein moechte. Wir haben darueber eine sehr lebhafte und +anschauliche Schilderung eines Augenzeugen. Am Sonntag Estomihi (24. +Februar) 1544 war bei Luther ein "Koenigreich" mit dem ueblichen Schmause. +Ausser Bugenhagen, Melanchthon, Roehrer, Major u.a. war auch der +Schulmeister Crodel aus Torgau zu seiner grossen Freude und Genugthuung +eingeladen. Dieser, von einigen Wittenbergern dazu veranlasst, brachte +das Gespraech auf das "verleumderische Geruecht", dass der Doktor "aus +Eingebung und Antrieb seiner Gattin predige". Mit grosser Ernsthaftigkeit +und Waerme wies Luther diesen Verdacht ab und sagte u.a.: "Solcherlei +Worte, wie ich sie in dieser Sache (dem Streit mit den Juristen) +vorbringe, fallen--ohne dass ich dem heiligen Geist eine Regel +vorgeschrieben haben will--keinem Weiberkopf ein. Ich lass mich von +meinem Weibe etwa leiten in Sachen des Haushaltes und Tisches, aber in +Dingen des Gewissens und der Schrift erkenne ich keinen andern Lehrer +und Doktor an, als den heiligen Geist." Ein wenig darauf, nach einer +heftigen Rede, kam sein Weib her und fragte, was denn mit so grosser +Heftigkeit verhandelt werde. Er schloss mit den Worten zu Crodel: "Sage +den Rechtsgelehrten, dass ich in dieser Sache nicht von meiner Frau +geleitet werde; ich hebe es auf die Sache selbst und den Kern eines +Gegenstandes ab ohne Ruecksicht auf eine Person." Crodel war dieses +Gespraech so wichtig, dass er's woertlich seinem Freunde Ratzeberger +schriftlich mitteilte, und es war auch bezeichnend genug: man musste +Luther wenig kennen, wenn man solchem Klatsch Glauben schenken +wollte[488]. + +Es kommt auch jetzt noch vor, dass Luther seiner Kaethe Briefe vorlas, +auch in ihrer Gegenwart solche schrieb und dass sie ihm Auftraege dabei +gab; auch ermunterte sie ihn, an die Freunde zu schreiben, wenn er +saeumig darinnen war. Freilich zu Stunden stiller Erholung, wie in den +ersten Jahren ihrer Ehe, werden die Gatten in der spaeteren Zeit des +grossen Arbeitsdranges seltener mehr gekommen sein. Aber bei aller +haeuslichen Sorge und Thaetigkeit in Garten und Feld ging Frau Kaethe doch +nicht voellig in ihrer wirtschaftlichen Thaetigkeit auf. Sie war ihrem +Manne in seinem Amt und Beruf, so viel das moeglich und noetig war, doch +die Gehilfin seines Lebens. Nicht nur in dem Sinne, dass sie ihm die +Sorgen abnahm fuer Familie und Vermoegen, sondern sie nimmt teil an seinem +Wirken, an den zeitbewegenden Fragen[489]. + +"Lehrest Du also den Katechismum und den Glauben?" schreibt der Doktor +von Eisleben an seine "sorgfaeltige" Hausfrau. Damit ist doch wohl +ausgesprochen, dass Frau Kaethe--mindestens in Abwesenheit des +Doktors--mit Kindern und Gesinde den Katechismus trieb, wie Luther mit +diesem Lehrbuechlein allen christlichen Eltern zumutete[490]. + +Luther giebt aber auch seiner Hausfrau Auftraege wegen des Druckes seiner +Schriften; ja sie hat mit darein zu reden und bestimmt ihn, was er +drucken lassen solle oder nicht. Von Marburg aus schreibt er ueber das +Religionsgespraech mit Zwingli, ueber das Abendmahl sogar mit lateinischen +Schlagwoertern[491]. + +Fuer diese Anteilnahme an ihres Gatten Arbeiten, Sorgen, wie an den +grossen Zeitfragen und Weltbegebenheiten, geben die Briefe vor allem +Zeugnis, die er waehrend seiner Abwesenheit bei Gelegenheit von +Reichstagen an sie schrieb. So die von Koburg (S. 109-113). Insbesondere +der letzte vom 24. September, "zuhanden Frauen Kathrin D. Lutherin zu +Wittenberg." + +Gnade und Friede in Christo! + +Meine liebe Kaethe! Gestern hab ich Dir geschrieben und einen Brief in +gnaedigsten Herrn mitgeschickt, daraus Du vernehmen kannst, wie die +Unsern von Augsburg wollen auf sein. Darnach hoff ich, wo Gott Gnade +giebt, wollen wir in vierzehn Tagen bei Euch daheim sein. Wiewohl ich +achte, unsere Sache werde nicht gar unverdammt bleiben. Da liegt auch +nicht Macht an. Doch hat der Rietesel anhero geschrieben, er hoffe, man +werde in Augsburg mit Frieden abscheiden in allen Gassen. Das gebe Gott +und waere eine grosse Gnade. So beduerfen wir's alle wohl, weil der Tuerke +so an uns will. Weiteres wirst Du wohl von Hornungen hoeren. Hiemit seid +Gott alle befohlen. + +Sonnabends nach Matthaei, 1530. Martinus LutheR."[492] + +Zehn Jahre nachher, als der Reichstag und Konvent in Hagenau stattfand, +schreibt Luther am 10. Juli 1540 von Eisenach seiner "lieben Hausfrauen, +Frauen Kathrin Luderin zu Wittenberg" u.a.: "... Bittet mit Fleiss, wie +ihr schuldig seid, fuer unsern Herrn Christum, d.i. fuer uns alle, die an +ihn glauben, wider den Schwarm der Teufel, so jetzt zu Hagenau toben +wider den Herrn und seinen Gesalbten (Ps. 2)." (S.o.S. 130 f.)[493]. + +So redete Luther auch in den letzten Jahren mit seiner Hausfrau ueber die +politische Lage, namentlich die hinterlistige Politik des Herzogs Moriz. +"Liebe Kaethe", erklaerte er da, "deine Landsleute haben mit meines +gnaedigsten Herrn Raeten eine Hundskette gemacht und werden nicht eher +nachlassen, sie haben ihn denn verraten."[494] + +Es ist naturgemaess und begreiflich, dass wir von Frau Katharinas Wesen, +Wirken und Bedeutung so wenig direkte Zeugnisse besitzen. Denn sie +selbst hat nicht gerade viel geschrieben und ihre Briefe sind fast alle +verloren gegangen, waehrend sie selbst ihres Doktors Briefe sorgfaeltig +aufbewahrt hat; ferner interessierten sich die Hausgenossen und +Zeitgenossen selbstverstaendlich fast nur fuer den grossen Mann, der die +Welt bewegt hatte. Seine Gestalt ueberstrahlte die Hausfrau voellig. Nur +im Reflex von Luthers Briefen und Tischgespraechen, selten in Bemerkungen +seiner Bewunderer, finden wir Zuege, die ihr Charakterbild darstellen. + +Dass aber demnach Frau Katharina neben dem Reformator eine selbstaendige +Stellung und Geltung behauptete, beweist der Umstand, dass die Freunde +und Luther selbst sie nicht nur respektvoll die "Domina" und Doktorin, +mit lateinischen und griechischen Worten nannten, sondern auch von der +verheirateten Frau noch den Namen "Katharina von Bora" gebrauchten. + +Was hielt nun Luther von seiner Frau? + +Da giebt es drei wichtige Zeugnisse, die Luther seiner Gattin ausstellt, +am Anfang, in der Mitte und am Ende seiner Ehe, nicht etwa bloss +gelegentliche Aeusserungen guter oder schlechter Laune, sondern ueberlegte +und feierliche Anerkennung ihrer Vortrefflichkeit als Hausfrau und +Ehefrau. + +Im zweiten Jahre seines Ehestands (1526) schreibt er an Stiefel: "Sie +ist mir willfaehrig und in allen Dingen gehorsam und gefaellig, viel mehr, +als ich zu hoffen gewagt hatte (Gott sei Dank!), so dass ich meine Armut +nicht mit den Schaetzen des Kroesus tauschen moechte."[495] + +Elf Jahre darauf, bei seinem toedlichen Krankheitsanfall auf der Reise +von Schmalkalden, diktierte Luther in Gotha sein Testament, worin es +heisst: "Troestet meine Kaethe, dass sie dies trage dafuer, dass sie zwoelf +Jahre mit mir froh gelebt hat. Sie selbst hat mir gedient nicht allein +wie eine Gattin, sondern auch wie eine Magd. Gott vergelt es ihr! Ihr +aber sollt fuer sie sorgen und ihre Kinder, wie sich's geziemt" Und dann +sagte er: "Ich habe meine Kaethe lieb, ja ich hab sie lieber denn mich +selber, das ist gewisslich wahr; ich wollt lieber sterben, denn dass sie +und die Kinderlein sterben sollten."[496] + +Endlich schreibt Luther in seinem letzten und endgiltigen Testament i.J. +1542. "Ich M.D.L. bekenne mit dieser meiner eigenen Handschrift, dass ich +meiner lieben und treuen Hausfrauen gegeben habe zum Leibgeding Gut, +Haus und Kleinode. Das thue ich darum, dass sie mich als ein fromm +(brav), treu ehelich Gemahl allezeit lieb, wert und schoen gehalten +hat."[497] + +Und was so Luther in feierlichen Stunden bezeugte, das hat er wiederholt +sonst vor seinen Tischgenossen und Freunden bekannt. Sein langjaehriger +Hausgenosse Hieronymus Weller schreibt in seinen Erinnerungen: "Ich +erinnere mich, wie der hochw. Mann oft sagte: er preise sich von Herzen +gluecklich, dass ihm Gott eine so folgsame, bescheidene und kluge Gemahlin +geschenkt, welche so ausgezeichnet fuer seine Gesundheit sorge und +eintreten koenne und sich so geschickt seinem Wesen anzupassen und seine +Fehler und Unannehmlichkeiten mit so stillem Gemuete zu tragen wisse. +Denn er koenne bei seinen vielen Arbeiten, Beschaeftigungen und +Anfechtungen nicht immer seinem Wohlbefinden Rechnung tragen."[498] + +Das Verhaeltnis zwischen Kaethe und Luther war das der achtungsvollen +Verehrung; das entsprach einmal der Anschauung des Mittelalters von der +Herrschaftsstellung des Mannes zum Weibe; anderseits ruehrte es davon +her, dass die fuenfzehn Jahre juengere Frau zu dem aelteren, durch +Gelehrsamkeit und hohes Ansehen ehrwuerdigen Mann mit einer gewissen +Pietaet hinaufschaute. Daher redet er sie zwar immer mit "Du" an, _sie_ +aber spricht zu _ihm_ immer mit "Ihr" und nennt ihn "Herr Doktor". Das +fand auch Luther selbstverstaendlich. Als einmal von einem Manne die Rede +war, welcher an eine reiche Frau seine Freiheit verkauft hatte, sagte +er: "Ich hab's auch gern, wenn mir meine Kaethe uebers Maul faehrt--nur dass +ich sie nicht viel dran lasse gewinnen als ein Maulschellium."[499] Und +ein andermal: "Sie hat allein die ganze Herrschaft in ihrer Hand. Ich +gestehe ihr auch gerne das ganze Hausregiment zu; aber mein Recht wollte +ich mir unversehrt erhalten und Weiberregiment hat nie nichts Gutes +ausgerichtet." Luther war seinem ganzen Wesen, aber auch seiner +Anschauung und seinen biblischen Grundsaetzen nach nicht der Mann, seine +eheherrlichen Rechte sich verkuerzen zu lassen: einen Freund, der ihm die +Tyrannei seines Weibes klagt, verweist er tadelnd darauf, dass man das +Ansehen des Mannes nicht duerfe mit Fuessen treten lassen. So fuehrte er +auch auf Hans Luffts Tochter Hochzeit die Braut zum Lager und sprach zum +Braeutigam (dem Arzt M. Andreas Aurifaber): "Er soll's bei dem gemeinen +Lauf bleiben lassen und Herr im Hause sein (wenn die Frau nicht daheim +ist, setzte er scherzend hinzu). Und zum Zeichen zog er ihm einen Schuh +aus und legte ihn aufs Himmelbett, dass er die Herrschaft und das +Regiment behielte[500]. + +Aber freilich Kaethes resolutes Wesen, die Herrschaft, die sie im Haus +fuehrte und die der Hausherr ihr auch voellig einraeumte, fuehrte ihn dazu, +dass er sie auch scherzend seinen "Herrn" nannte. So schreibt er ihr vom +Hoflager in Torgau: "Gestern hab ich gedacht, wie ich daheim eine schoene +Frauen habe, oder sollt ich sagen Herren?"[501] + +Und gerade mit dieser resoluten Art ihres Wesens neckt er sie genugsam. +Und wie gerade recht willensstarke wenn auch gutmuetige Eheherren, +gefaellt er sich seinen Freunden gegenueber in der humoristischen Rolle +des gehorsamen, unterdrueckten Ehemanns. So sagte er einmal zu einem +Gast: "Nehmt fuerlieb mit einem frommen (braven) Wirt, denn er ist der +Frauen gehorsam." Ihr selbst gegenueber spricht Luther in immer neuen +Wendungen von dieser angeblichen Eheherrschaft und charakterisiert jenes +gebieterische Wesen der Frau Kaethe. "Meine Herrin" nennt er sie schon in +der ersten Woche ihrer Ehe. "Mein Kaethe" (Meus Ketha) ist spaeter ihre +regelmaessige Bezeichnung in seinen vertrauten Briefen und in ebenso +drolliger Verbindung "Meine Herr Kaethe", oder sprachlich richtiger "Mein +Herr Kaetha", "Dr. Kethus", auch einmal "mein Herr und mein Moses" und +"meine Gebieterin" oder "Kaiserin"[502]. + +Aber sonst nennt er sie in zaertlichem Wortspiel gar haeufig "meine +Kette", auch meine "Weinrebe", oder in Briefen an entfernter Stehende +respektvoll "meine Hausfrau", "meine Hausehre"[503]. + +Auch seiner Frau selber gegenueber schlaegt Luther gewoehnlich jenen +neckischen Ton an, woraus einerseits zaertliche Neigung, andererseits +doch auch achtungsvolle Anerkennung blickt. + +Schon in seinem ersten erhaltenen Brief und dann fast regelmaessig redet +er sie an "Lieber Herr Kaeth". Dann adressiert er--nach Sitte der +damaligen Zeit--"Meinem lieben Herrn, Frau Kathrin Lutherin zu +Wittenberg zu handen", oder "Meinem freundlichen lieben Herrn, Frau +Katherin von Bora, D. Lutherin, zu Wittenberg" oder noch umstaendlicher +humoristisch pathetisch: "Meinem freundlichen lieben Herren Katherina +Lutherin, Doctorin, Predigerin zu Wittenbergh". Oder: "Meiner gnaedigen +Jungfer Katherin Lutherin von Bora und Zulsdorf gen Wittenberg, meinem +Liebchen". "Meiner herzlieben Hausfrauen Katherin Lutherin Doctorin +Zulsdorferin, Saumaerkterin und was sie mehr sein kann." "Meiner +freundlichen lieben Hausfrau Katherinen Luther von Bora, Predigerin, +Brauerin, Gaertnerin und was sie mehr sein kann." Dann aber heisst es auch +innig und herzlich auf der Adresse "Meiner lieben" oder "herzlieben +Hausfrauen" oder "Meiner freundlichen lieben Kaethe Lutherin" und in der +Anrede: "Liebe Jungfer Kaethe" und zum Schluss "Dein altes Liebchen" oder +auch "Dein lieber Herr". Sogar in seinem taeglichen Hausgebet bittet er +fuer "mein liebes Weib"[504]. + +So dient dem Doktor seine Hausfrau manchmal auch zur Exemplifikation +seiner theologischen oder erfahrungsgemaessen Ansicht ueber die Weiber, oft +in scherzhafter oder wohl auch einmal ernsthafter Uebertreibung. Da +spricht er ihnen Weisheit und Herrschaftstalent ab und macht sich lustig +ueber ihre Redseligkeit, indem er verschiedentlich bemerkte, die Weiber +im allgemeinen und seine Kaethe im besonderen vergaessen das Vaterunser, +wenn sie anfingen, zu predigen[505]. + +So "lachte der Doktor einmal seiner Kaethe, als sie klug sein wollte; er +meinte, Gott habe dem Manne eine breite Brust als Sitz der Weisheit +gegeben, dem Weibe aber breite Hueften und starke Schenkel, dass sie +sollen daheim bleiben, im Hause still sitzen, haushalten, Kinder tragen +und ziehen. Weiberregiment im Haus und Staat taugt nichts. Der Mann hat +im Hause das Regiment. Das Gesetz nimmt den Weibern Weisheit und +Regiment." Er meinte ueberhaupt: "Es ist kein Rock noch Kleid, das einer +Frauen oder Jungfrauen uebeler ansteht, als wenn sie klug will sein." +Luther erklaerte sogar einmal in einer Tischrede: "Den Weibern mangelt's +an Staerke, Kraeften des Leibes und am Verstand. Den Mangel an +Leibeskraeften soll man dulden, denn die Maenner sollen sie ernaehren. Den +Mangel an Verstand sollen wir ihnen wuenschen, doch ihre Sitten und Weise +mit Vernunft tragen, regieren und etwas zu Gute halten."[506] + +Daneben aber erkennt er die Vorzuege und die Bestimmung des weiblichen +Geschlechts ruehmend an: "Ein Weib ist ein freundlicher, holdseliger und +kurzweiliger Gesell des Lebens. Weiber tragen Kinder und ziehen sie auf, +regieren das Haus und teilen ordentlich aus, was ein Mann hineinschaffet +und erwirbt, dass es zu Rate gehalten und nicht unnuetze verthan werde, +sondern dass einem jeglichen gegeben werde, was ihm gebuehrt. Daher sie +vom heiligen Geiste Hausehren genannt werden, dass sie des Hauses +Schmuck, Ehre und Zierde sein sollen. Sie sind geneigt zur +Barmherzigkeit, denn sie sind von Gott auch fuernehmlich dazu geschaffen, +dass sie sollen Kinder haben, der Maenner Lust und Freude und barmherzig +seien." "Es ist ein arm Ding ein Weib. Die groesste Ehre, die es hat, ist, +dass wir allzumal durch die Weiber geboren werden und auf die Welt +kommen. Ein Weib wird in der heiligen Schrift genannt "ein Lust und +Freude deiner Augen" (Sirach 26, 2). Ein fromm Weib soll darum geehret +und geliebet werden, erstlich, dass sie Gottes Gabe und Geschenk ist; zum +andern, dass Gott einem Weibe herrliche grosse Tugenden verliehen, welche +andere Maengel und Gebrechen weit uebertreffen, sonderlich wo sie Zucht, +Treue und Glauben halten." "Wenn die Weiber die Lehre des Evangeliums +annehmen, so sind sie viel staerker und inbruenstiger im Glauben, halten +viel staerker und steifer darueber, als die Maenner, wie man siehet an der +lieben Anastasia und andern Maertyrern; auch Magdalena war herzenhaftiger +denn Petrus."[507] + +Einmal klagt er wohl auch: "Wenn ich noch eine freien sollte, so wollte +ich mir ein gehorsam Weib aus einem Steine hauen; so sehr hab ich +verzweifelt an aller Weiber Gehorsam." Aber so gar ernst war's ihm doch +nicht damit. Er wusste wohl: "Es ist keine groessere Plage noch Kreuz auf +Erden, denn ein boes, wunderlich, zaenkisch Weib." Bei ihm war's nicht so, +sonst liefe er davon, sagt er. Dagegen weiss er seines Weibes +Willfaehrigkeit und Dienstfertigkeit an vielen Orten und in mancherlei +Weise zu ruehmen. So zitierte er auch gerne das Wort seiner Wirtin zu +Eisenach: "Es ist kein lieber Ding auf Erden als Frauenlieb, wem sie +kann werden." Und aus seiner eignen Erfahrung erklaert er: "Ein fromm +Eheweib ist eine Gesellin des Lebens, des Mannes Trost." [508] + +Kleine eheliche Fehden nahm Luther als selbstverstaendliche Dinge +leichten Herzens in den Kauf. Als er einmal einen kleinen Zwist mit +seiner Frau gehabt hatte, sagte er erklaerend zu Veit Dietrich: "Er stehe +auch von ihr einen Zorn aus, er koenne ja noch mehr ertragen." Er meint +von Eheleuten: "Ob sie gleich zuweilen schnurren und murren, das muss +nicht schaden; es gehet in der Ehe nicht allzeit schnurgleich zu, ist +ein zufaellig Ding, des muss man sich ergeben. Adam und Eva werden sich +auch gar weidlich die neunhundert Jahre zerscholten haben und Eva zum +Adam gesagt: "Du hast den Apfel gessen." Herwiederum wird Adam +geantwortet haben: "Warum hast Du mir ihn gegeben?" Das Wesen der Ehe +wird durch solche Plaenkeleien nicht geschaedigt. "Denn wiewohl die +Weibsen gemeiniglich alle die Kunst kennen, dass sie mit Weinen, Luegen, +Einreden einen Mann gefangen nehmen, koennen's fein verdrehen und die +besten Worte geben; wenn nur diese drei Stuecke im Ehestand bleiben, +naemlich Treu und Glauben, Kinder und Leibesfruechte und Sakrament, dass +man's naemlich fuer ein heilig Ding und goettlichen Stand haelt, so ist's +gar ein seliger Stand, und das ein seliger Mann, der eine gute Ehefrau +hat."[509] + +Einmal klagt er wohl: "Ich muss Geduld haben mit dem Papste, ich muss +Patienz haben mit den Schwaermern, ich muss Geduld haben mit den +Scharhaufen, ich muss Patienz haben mit dem Gesinde, ich muss Patienz +haben mit Kaethen von Bora, und der Patienz ist so viel, dass mein Leben +nichts sein will als Patienz. Der Prophet Jesaias (30, 15) spricht: "In +Schweigen und Hoffen steht eure Staerke."--Wie wenig aber Kaethe dies uebel +nahm, beweist, dass sie auf die steinerne Hausthuere, welche sie in Pirna +fuer Luther bestellte, grade diesen Prophetenspruch eingraben liess. +Luther bekennt aber auch: "Wer ein fromm (brav) Weib bekommt, der +bekommt eine gute Mitgift. Und da gleich ein Weib etwas bitter ist, doch +soll man mit ihr Geduld haben. Denn sie gehoert ins Haus und das Gesinde +bedarf's bisweilen auch sehr wohl, dass man ihnen hart sei und weidlich +zuspreche." "Der haeusliche Zorn als Vater und Mutter, Herrn und Frau im +Hause, thut nicht grossen Schaden. Haeuslicher Zorn ist, als wenn die +Kinder mit den Puppen spielen."[510] + +Die Hochschaetzung des Familienlebens, das Lob, das Luther in allen +Tonarten dem Ehestand anstimmt, ist doch auch ein Beweis fuer die +glueckliche Ehe, in der Luther mit seiner Kaethe lebte. Das Kapitel ueber +den Ehestand ist in seinen Tischreden das groesste. So fing er bei der +Verlobung seiner Nichte (1538) an und konnte gar nicht aufhoeren, den +Ehestand zu loben, dass er Gottes Ordnung und der allerbeste und +heiligste Stand sei. "Darum sollte man ihn mit den herrlichsten +Zeremonien (Feierlichkeiten) anfangen. Gott hat ein Kreuz (naemlich: des +Segens) ueber den Ehestand gemacht und haelt's auch darueber."[511] + +In der Ehe soll eitel Liebe und Lust sein, freilich "muss es ein frommer +Mann und ein fromm Weib sein, welche Gemahl und Kinder von ganzem Herzen +lieben. Ein fromm Eheweib ist eine Gesellin des Lebens, des Mannes +Trost, wie geschrieben steht (Sprw. 31, 11): Des Mannes Herz verlaesst +sich auf sie. Das Weib hat das Lob der Gefaelligkeit und erfreuenden +Anmut." Das lieblichste Leben duenkte ihm: "leben mit einem frommen, +willigen, gehorsamen Weibe in Frieden und Einigkeit."[512] + +Luther selber hatte nun in seiner Hausfrau und seinem Hausstand +gefunden, was er in dem rechten Ehestand suchte und von dem rechten +Eheweib erwartet. Er bezeugt: "Mir ist, gottlob! wohl geraten, denn ich +habe ein fromm (brav), getreu Weib, auf welche sich des Mannes Seele +verlassen darf, wie Salomon sagt (Sprw. 31, 11): Sie verderbet mir's +nicht."[513] + +"Martinus redete von seiner Hausfrau und sagte: er achtete sie teurer +denn das Koenigreich Frankreich und der Venediger Herrschaft. Denn ihm +waere ein fromm (brav) Weib von Gott geschenkt und gegeben. Zum andern, +er hoere, dass viel groesser Gebrechen und Fehler allenthalben unter +Eheleuten seien, denn an ihr erfunden waere. Zum dritten: das waere +ueberfluessige Ursach genug, sie lieb und wert zu halten, dass sie Glauben +und sich ehrlich hielte, wie es einem frommen, zuechtigen Weib gebuehret. +Welches alles, da es ein Mann ansehe, so wuerde er leichtlich ueberwinden, +was sich moechte zutragen, und triumphieren wider Zank und Uneinigkeit, +so der Satan pflegt unter Eheleuten anzurichten." "Die Ehe ist nicht ein +natuerlich Ding, sondern Gottes Gabe, das allersuesseste, lieblichste und +keuscheste Leben. Ach, wie herzlich sehnte ich mich nach den Meinen, da +ich zu Schmalkalden todkrank lag! Ich meinte, ich wuerde Weib und Kinder +hie nicht mehr sehen; wie weh that mir solche Scheidung und Trennung. +Nun glaub ich wohl, dass in sterbenden Menschen solche natuerliche Neigung +und Liebe, so ein Ehemann zu seinem Eheweib habe, am groessten sei. Weil +ich aber nun gesund bin worden durch Gottes Gnade, so hab ich mein Weib +und Kinderlein desto lieber. Keiner ist so geistlich, der solche +angeborene Neigung und Liebe nicht fuehlet. Denn es ist ein gross Ding um +das Buendnis und die Gemeinschaft zwischen Mann und Weib."[514] + +Luther wusste aber auch, dass er keine zweite Frau in der Welt finden +koennte, die so gut fuer ihn passte, als Katharina von Bora. Er warnte den +Pfarrer von Sitten vor einer zweiten Heirat und fuegt bei der Umschau auf +seinen Bekanntenkreis hinzu: "Ich, wenn ich jung waere und die Bosheit +der Welt so kennete, ich wuerde, wenn mir auch eine Koenigin angeboten +wuerde nach meiner Kaethe, lieber sterben, als noch einmal heiraten." Und +doch schaetzte er den Ehestand so hoch, dass er ihn fuer die schoenste +Ordnung nach der Religion, fuer den fuernehmsten Stand auf Erden +hielt[515]. + +Luther kannte nichts Lieberes als seine Kaethe. Er beteuert, er habe sie +lieber als sich selber. Ja er klagte darueber als menschliche Schwaeche, +dass er seine Kaethe lieber habe als unsern Herrgott. Seine +Lieblingsepistel, den Galaterbrief, nannte er "seine Kaethe im neuen +Testament". "Der Brief an die Galater ist meine liebe Epistel, der ich +mich vertrauet habe: sie ist meine Kaethe von Bora." Und sein hoechster +Trumpf war: "Ich setze meine Kaethe zum Pfand!"[516] + +Kaethe war nicht eine geistreiche Frau, hoher Schwung der Gedanken, +glaenzende Geistesgaben gingen ihr ab: sie ist eine nuechterne und doch +nicht hausbackene, tuechtige deutsche Frau. + +Es ist eine unzeitgemaesse Sache, die Frage aufzuwerfen, ob denn Frau +Kaethe "gebildet" war. Eine gelehrte Frau wie Argula von Grumbach war sie +gluecklicherweise nicht; von einer solchen war Luther, wie seine +Aeusserungen zeigen, wenig erbaut und jedenfalls waere dann seine Wahl +nicht auf Katharina gefallen. (S. 185 f.) Eine geistvolle Frau wie die +Kirchenmutter Katharina Schuetzin in Strassburg, welche Sendschreiben an +die christlichen Frauen ergehen liess, brauchte sie neben Luther nicht zu +sein. Aber so gebildet wie irgend eine Frau ihres Standes war sie doch. + +Frau Kaethe, wird bezeugt, las gerne und eifrig in der Bibel und gewiss +nicht bloss wegen der von Luther versprochenen 50 fl. Einmal ermahnte der +Doktor sein Weib, dass sie fleissig Gottes Wort lesen und hoeren solle, und +sonderlich den Psalter fleissig lesen. Sie aber sprach, dass sie es genug +thaete und taeglich viel lese, und koenne auch viel davon reden; wollte +Gott, sie thaete auch darnach. Der Doktor meinte zwar, solch' Ruehmen +muesse der Vortrab des kuenftigen Ueberdrusses sein. Aber freilich, die +vielbeschaeftigte Frau konnte doch auch nicht staendig mit geistlichen +Dingen sich beschaeftigen, wie ihr theologischer Gemahl. Und ein andermal +fiel ihr selbst auf, dass sie im Evangelium nicht mehr so hitzig und +emsig bete wie im Papsttum. Geistlich gesinnet sein konnte sie aber +deswegen doch. Von seinen Predigten ueber Joh. 14-16 sagte Luther zu +seiner Gattin: "Das ist das beste unter allen Buechern, die ich je +geschrieben habe; darum liebe Kaethe, lass Dir's befohlen sein und halt es +fuer mein Testament."[517] + +Und von Eisleben aus schrieb er: "Lies Du, liebe Kaethe, den Johannem und +den kleinen Katechismum, davon Du zu dem Male sagtest: "Es ist doch +alles in dem Buch von mir gesagt." Sie las also nicht nur in Schrift und +Glaubensbuechlein, sondern wandte es auch auf sich an[518]. + +Es ist doch ein Zeugnis fuer so eifriges Forschen in der Schrift, wenn +ihr von ihren Kindern auf ihrem Grabstein ein offenes Buch in die Haende +gegeben wird. + +Kaethe konnte auch schreiben, und ihre Briefe, soweit sie diktiert und +nicht etwa von andern stilisiert sind, beweisen eine klare, bestimmte +und verstaendige Denk- und Ausdrucksweise. Und wenn Luther seine Frau +auch einmal damit aufzieht, dass sie "Kattegissimum" schrieb statt +Katechismum, so kann dies damals viel weniger wie heute als +orthographische Unbildung gelten zu einer Zeit, wo nicht nur Laien, +sondern auch Gelehrte hoechstens das Lateinische einigermassen +orthographisch schrieben, das Deutsche aber in der krausesten Form, wie +es ihnen in die Feder kam mit allen Fehlern der undeutlichen, +verdorbenen mundartlichen Aussprache[519]. + +Ebenso wenig sachgemaess ist die Frage, ob Frau Katharina ihrem Gemahle +ebenbuertig war. An eine Vergleichung mit seinem geistigen Wesen, mit +Luthers Genialitaet und Charakter, Wirksamkeit und weltgeschichtlicher +Bedeutung ist ja naturgemaess nicht zu denken. Aber dass sie als Gattin, +als Hausfrau und Mutter seiner Kinder ihm das war, was er an ihr +brauchte und wollte, dass sie Luthers rechte und somit ebenbuertige Gattin +war, das hat er immer wieder ausgesprochen und anerkannt. + +Aber auch daran muss erinnert werden, dass Frau Katharina doch ein +lebhaftes Interesse fuer das Werk ihres Gatten, fuer die Kirche und die +Reformation bezeugte. Frau Kaethe hoerte und las viele von den Briefen, +die ab- und eingingen. Sie draengte ihren Gatten zum Schreiben. Sie +sprach ein Wort darein, wenn er eine Schrift ausgehen liess. Sie durfte +als eine Doktorin auch ihren Rat bei Besetzung von Pfarrstellen geben +und bemuehte sich fuer junge Magister um Anstellung. Sie verstand die +Bedeutung ihres Gatten fuer die Christenheit, sie wusste seine +Persoenlichkeit und sein Werk zu wuerdigen. Sie betete und sorgte fuer das +Heil der Christenheit und den Erfolg des Evangeliums noch auf ihrem +Totenbette. Und Luther mutete ihr solches Interesse auch zu. + +Und wenn wir die Rolle in Betracht ziehen, welche Katharina gegenueber +den anderen Professoren- und Reformatorenfrauen in dem muendlichen und +schriftlichen Gedankenaustausch der Zeitgenossen spielte, so z.B. +Melanchthons Frau, wenn wir sehen, wie sie allerseits geehrt, gegruesst +und beachtet, in ihrer Krankheit um sie gebangt war, nicht bloss um ihres +Gatten willen, dann ist ausser Zweifel: seine Kaethe ist des grossen +Doktors wert und wuerdig gewesen, und es ist doch bemerkenswert, dass die +Freunde die Gattin Luthers mit dem Weibe der Offenbarung, dem Sinnbild +der christlichen Kirche verglichen[520]. + +Aus den spaeteren Jahren giebt es von Frau Katharina ein Kranachsches +Bild[521]. Das Gesicht ist etwas gebraeunt, die Augen blicken truebe, fast +schmerzlich und muede, wie Luther in dieser Zeit sie schildert, als +"geneigt zu Misstrauen und Sorgen"[522]; wieder zeigt die starke +Unterlippe das kraeftige Selbstbewusstsein, die zusammengelegten Haende +deuten ruhige Gelassenheit an. Aber es ist das Bild einer geistig nicht +unbedeutenden Frau. Der ernste, ja strenge Ausdruck des Gesichts +verkuendet ein schweres Geschick, das ihr bevorsteht, oder das sie schon +erlebt hat. + + + + +15. Kapitel. + +Luthers Tod. + + +Die letzten Jahre der Ehe waren gar schwer und truebe. Das lag einerseits +in den Verhaeltnissen, die sich fast nach allen Seiten recht widerwaertig +gestalteten; andererseits aber in Luthers Zustand, der immer +krankhafter, immer hinfaelliger und damit truebseliger und verstimmter +wurde. Was Kaethe bei dem zur Schwermut geneigten Temperament und der +zornmuetigen Gereiztheit ihres Gatten unter all' diesen Verhaeltnissen zu +leiden hatte, ist leicht zu denken[523]. + +Die Weltlage, welche der Reformator begreiflicherweise mit aufmerksamem +Auge verfolgte, war eine seltsame und fuer Luthers Empfinden geradezu +erschreckliche. Das stete Vordringen der Tuerken, das seinem +christlich-deutschen Herzen schwer weh that, die Verbindung christlicher +Maechte, wie Frankreichs und, wenigstens indirekt, Venedigs und des +Papstes mit dem Erbfeind der Christenheit erschien wie drohende +Vorzeichen des Juengsten Tages. Dazu das Verhalten des Kaisers und seines +Bruders, des Koenigs Ferdinand, das deutlich darauf ausging, die +Protestanten hinzuhalten, sie, wie einstens die Husiten, mit einem +Brocken Zugestaendnis abzuspeisen, wenn man aber einmal freie Hand haette, +mit Gewalt, wie Luther fuerchtete--verbunden mit Papst und Teufel, Tuerke +und Hoelle, ueber sie herzufallen. Das alles erfuellte ihn mit bangen +Sorgen. Er weissagte an seinem letzten Geburtstag richtig: "Bei meinem +Leben wird es, ob Gott will, keine Not haben und guter Friede in +Germania bleiben; aber wenn ich nun tot bin, da wird alsdann das Beten +hoch vonnoeten sein. Unsere Kinder werden noch muessen den Spiess in die +Hand nehmen; denn es wird uebel zugehen in Deutschland. Das Konzil zu +Trient ist sehr zornig und meinet es sehr boese mit uns. Darum betet zu +Gott mit Fleiss."[524] + +Noch verdriesslicher aber und sorgenerregender waren fuer Luther mit Recht +die Streitigkeiten in den eigenen Reihen. Darueber sagte er seinen +Freunden beim letzten Geburtstagsfest: "Ich fuerchte mich nicht vor den +Papisten, das sind des mehren Teils grobe Esel; aber unsere Brueder +werden dem Evangelium Schaden thun, die von uns ausgegangen sind, aber +nicht von uns sind." Da standen sich Kurfuerst und Herzog von Sachsen +wegen Landbesitz feindlich gegenueber im sogenannten "Fladenkrieg" (weil +um Ostern 1542). Herzog Moriz, welchem Luther Verraeterei zutraute, +entzog sich dem evangelischen Bunde von Schmalkalden. Wohl waren--bis +auf den "geistlichen Tuerken", den Mainzer Erzbischof--die alten Feinde +Luthers: Herzog Georg und Kurfuerst Joachim I. gestorben und das +Herzogtum Sachsen und Kurbrandenburg zum Protestantismus uebergetreten +und sogar das Erzbistum Koeln dazu bereit; aber in Berlin traten der +"Grickel und der Jaeckel" (Agricola und Schenk) auf mit ihren +gesetzesstuermerischen Lehren; in Koeln wollte man die Luther so +unsympathische schweizerische "Sakramentiererei" einfuehren und der grosse +Vermittler Butzer und der milde Melanchthon, welche diese Koelner +Reformation uebernommen hatten, wurden Luther hoechst verdaechtig und das +ganze Werk aergerlich--es scheiterte ohnedies durch die Gewaltthat des +Kaisers. In Luthers Umgebung wuchs, nachdem die alten Mitarbeiter der +Reformation am Abgang waren, ein neues Geschlecht heran, das mit +epigonenhafter Uebertreibung die Gegensaetze schaerfte oder allerlei +Kleinigkeiten und Aeusserlichkeiten aufbauschte, wie die Zeremonien, +Auslegung der Offenbarung Johannes, Verbot von alten Osterbraeuchen und +andere "Geislein" "herfuergucken" liessen, die sie fuehren wollten, um sich +wichtig zu machen; auch der alte Streit mit den Schweizern flammte +wieder auf[525]. + +Ja, auf Melanchthon selbst, seinen alten Freund und Mitarbeiter, wurde +Luther misstrauisch gemacht wegen allerlei Abweichungen vom "echten" +Luthertum und es entstand eine gefaehrliche Spannung zwischen den beiden +Maennern und ihren Familien, bis die Missstimmung endlich durch Luther +selbst beigelegt wurde, so dass der Reformator doch bis ans Ende seines +Lebens mit ihm als dem treuesten Freunde verkehrte[526]. Mit seinen +Kollegen von der juristischen Fakultaet, namentlich seinem alten Freunde +Hier. Schurf, bekam Luther einen boesen Span wegen der heimlichen +Verloebnisse, welche die "garstigen Juristen" mit einem Rueckfall ins +kanonische Recht fuer giltig erklaerten, Luther aber verwarf[527]: er +hatte die Gefaehrlichkeit der Sache an Melanchthons Sohn er fahren, der +sich--noch unmuendig--von einem Maedchen hatte fangen und ohne Wissen und +Willen seiner Eltern ihr ein Eheversprechen gegeben hatte, worueber M. +Philipp und sein Weib "schier verschmachtet" waeren, wenn Luther es nicht +abgewendet haette. Und er selber musste es erfahren in seiner eigenen +Familie, indem seiner Schwester Sohn sich ungehorsamerweise ohne der +Freundschaft Rat verlobte. Er hatte infolgedessen zu klagen, dass das +"Meidevolk in Wittenberg gar kuehn" geworden sei und die Eltern ihre +Soehne von der Universitaet zurueckforderten, weil man ihnen da Weiber an +den Hals haenge[528]. + +Die alten Hausgenossen und Freunde waren in alle Welt zerstreut; aber in +ihren Anfechtungen, Verdriesslichkeiten, Bedenken wandten sie sich an +ihren "heiligen Vater Luther". So hatte er zu schlichten, zu raten und +zu troesten--und das richtete ihn selber auf. Aber er hatte auch manchen +Aerger und manchen Schmerz[529]. Da plagte ihn M. Stiefel mit seinen +Grillen ueber den Juengsten Tag, oder der Stadthauptmann Metzsch mit +seinem uebeln Wandel und seiner ruecksichtslosen Niederlegung von vielen +Wohnhaeusern zum Festungsbau, wodurch die kleine, volkreiche Stadt noch +enger wurde und die armen Studenten noch elender wohnen mussten. Einer +nach dem andern von den Zeitgenossen ging aus dem Leben. So schon 1538 +der treue Hausmann. Dann Luthers letzter Klostergenosse Brisger, endlich +auch Spalatin (1545). Schon vorher (1542) war seine und Kaethes +liebenswuerdige, heitere Freundin, Kaethe Jonas, verschieden, deren +Erscheinung ihm immer erfreulich und troestlich gewesen[530]; vor allem +aber der Sonnenschein des Hauses, das gute Magdalenchen. Der Sohn und +ein Neffe waren eine zeitlang fort in Torgau. In dieser Zeit starb auch +der Gatte seiner Nichte Lene, geb. Kaufmann; und diese machte ihm dann +schweren Verdruss durch ihre zweite Heirat mit dem jugendlichen Mediziner +Ernst Reuchlin (Ende 1545). + +Das Jahr 1544 war wieder ein Krankheitsjahr in Wittenberg und im +Lutherhaus. Um Ostern lagen alle Kinder an den Masern und die kleine +Margarete bekam davon ein schweres Fieber, an dem sie zehn Wochen +lebensgefaehrlich darniederlag und von dem sie sich bis in den Dezember +hinein gar nicht erholen wollte. Was gab es da fuer Kaethe an Sorgen und +Muehen[531]! + +Aber auch der Hausvater selbst war jetzt immer krank: bald fehlte ihm +dies, bald jenes; alle seine Leiden stellten sich mit Macht ein in dem +abgearbeiteten Koerper und der erschoepfte Lebensgeist war nicht mehr +recht widerstandsfaehig gegen die mancherlei Angriffe auf die +verschiedenen Organe. Die Hausaerzte und die kurfuerstlichen Leibaerzte +doktorten an ihm herum; der Hof schickte Arzneien; die Graefin von +Mansfeld wollte ihn in die Kur nehmen. Es war ein alter (noch jetzt +bestehender) Glaube, dass grosser Fuersten und Herren Arznei, die sie +selbst gaeben und applizierten, kraeftig und heilsam seien, sonst nichts +wirkten, wenn's ein Medikus gaebe[532]. Das meiste und beste that +freilich Frau Kaethe. + +Im Jahre 1541 war Luther lange Zeit so schwach, dass er nicht eine Stunde +angestrengt lesen und sprechen konnte; er musste daheim bleiben und da +seine Hausgottesdienste halten. Einmal schrieb er auch an die +arzneikundige verwitwete Graefin Dorothea von Mansfeld, welche auch gern +dem "lieben togktor" geholfen haette. Denn die Schmerzen waren +entsetzlich, so dass er jammerte: "Sterben will ich, aber diese Qualen +sind graesslich."[533] Im folgenden Jahre machte er sein Testament, "satt +dieses Lebens, oder dass ich's richtiger sage, dieses herben Todes". "Ich +habe mich ausgearbeitet und ausgelebt. Der Kopf ist kein nutz mehr. Ich +bin muede erschoepft, bin nichts mehr."[534] Im April 1543 klagt er: "Wie +oft bin ich in diesem Jahre schon gestorben! Und doch lebe ich noch, +eine unnuetze Last der Erde." Am 13. und 14. Juli 1543 wurde er +wiederholt so ohnmaechtig, dass er zu sterben meinte und seinen Hans von +Torgau holen lassen wollte. Aber Frau Kaethe hatte gelernt, ihn zu +ermutigen und redete ihm die Todesgedanken aus. Anfangs 1515 hatte er +einen Krankheitsanfall mit aehnlichen Erscheinungen, wie sie ein Jahr +spaeter seinen Tod herbeifuehrten, Leichenkaelte und die beaengstigenden +Beklemmungen auf der Brust. Er konnte lange keine Predigt und keine +Vorlesung halten und musste selbst in einem Waegelchen sich zur Kirche +fahren lassen, um die Predigt zu hoeren[535]. "Ich glaube, meine +wirkliche Krankheit ist das Alter, dann meine Arbeiten und heftigen +Gedanken, besonders aber die Schlaege Satans." "Dass ich am Haupte +untuechtig bin, ist nicht Wunder; das Alter ist da; der Krug geht solange +zu Wasser, bis er einmal zerbricht." "Ich bin traeg, muede, kalt, das +heisst alt und unnuetz; ich habe meinen Lauf vollendet und es bleibt +nichts uebrig, als dass der Herr mich zu meinen Vaetern versammle." Bei +seinen graesslichen Qualen wuenscht er, wenn nicht sanft, so doch tapfer zu +sterben[536]. + +Und bei all' diesen Leiden und Qualen sollte der alte Mann noch fuer drei +arbeiten, so war er geplagt von Fuersten und Stadtraeten, von Freunden und +Amtsgenossen und Beichtkindern mit Briefschreiben, Buecherschreiben, +Vorlesungen, Predigten und Beratungen, "Bedenken", Trostschreiben; so +dass er klagt: "Da sitze ich alter, abgelebter, fauler, mueder, frostiger +und noch dazu einaeugiger Mann und schreibe. Hoffte ich doch, man sollte +mir Abgestorbenen nun die Ruhe goennen, die ich mir, denkt mich, verdient +habe. Aber als haette ich niemals etwas gethan, geschrieben, geredet und +ausgefuehrt, muss ich so viel reden, thun und ausfuehren, dass ich mir +keinen Rat weiss. Ich bin so beschaeftigt, dass ich gar selten Musse habe, +zu lesen oder fuer mich zu beten, was mir beschwerlich ist.[537] + +Freilich brach oft der angeborene Humor bei Luther durch, und das frohe +Gottvertrauen blieb wohl die Grundstimmung seines Wesens. Aber bei +seinem zur Schwermut neigenden Temperament und Gesundheitszustand +pflegte der alternde Mann doch vorwiegend die Schattenseiten aller +Erscheinungen zu sehen und nur selten konnte er sich sagen: "Ich lasse +das Antlitz unsrer Gemeinden nicht trauervoll zurueck, sondern bluehend, +durch reine und heilige Lehre mit vielen vortrefflichen und lauteren +Geistlichen, von Tag zu Tage wachsend.[538] + +So war ihm Zeit und Welt widerwaertig geworden. "Welt ist Welt, war Welt +und wird Welt sein." Und er wuenschte sich weg daraus. Er hoffte und +wuenschte, dass das Weltende nahe sei oder doch sein Lebensende. "Komm', +lieber juengster Tag!" seufzt er am Schluss eines Briefes an Kaethe, und an +Frau Joerger schliesst er (1544) ein Schreiben: "Es sollt ja nunmehr die +Zeit da sein meiner Heimfahrt und Ruhe; bittet fuer mich um ein seliges +Stuendlein."[539] + +Da er aber nicht aus der Welt gehen und die Feiertagsruhe des Juengsten +Tages nicht selbst herbeifuehren konnte, so wollte er wenigstens aus +_seiner_ Welt scheiden und von seinem Beruf. Denn so ist ja Stimmung und +Wunsch bei alten und kranken Leuten: da sie nicht aus dem Leben gehen +koennen, so suchen sie ihren Wohnort zu veraendern und wuenschen sich +daraus weg, mit so viel Beschwerden auch ein Wechsel und eine Reise +verbunden sein mag. So sagte Luther das ganze letzte Jahr zu seiner +Umgebung, "er begehre an einen anderen Ort zu ziehen". Und die Freunde +fanden es auch merkwuerdig, dass er in diesem Jahr vor seinem Tode oefter +ausgezogen, denn in vielen Jahren; und sie sahen es als "Prophezeiung +an, dass er die selige Reise werde thun in ein besser Leben"[540]. + +So ging es nun auch schon 1544, wo er mit einem Wegzug aus Wittenberg +gedroht und von den Freunden und Beamten Wittenbergs davon abgebracht +war. Im folgenden Jahr (1545) nachdem er am Johannistag von seinem +"Peiniger", dem Stein, fast umgebracht worden und dadurch in eine +gereizte Stimmung versetzt war, fuehrte er diesen Entschluss wirklich +aus[541]. + +Es war gerade kein besonderer Anlass zu diesem Schritte da. Aber +mancherlei hatte ihm den Aufenthalt in Wittenberg in der letzten Zeit +verleidet. Der Streit mit den Juristen, die aergerliche Geschichte im +Haus mit "einer andern Rosina und Schwindlerin", vor allem aber das +Leben und Treiben von Buergern und Studenten in Wittenberg, hatten ihn +hoch aufgebracht. Der ungeheure Studentenandrang nach Wittenberg brachte +begreiflicherweise nicht lauter gute, fromme und sittige Elemente dahin +und bei den 2000 Studierenden gab es natuerlich viel mehr zu ruegen und zu +strafen, als bei den frueheren 200. Und unter diesen Tausenden waren +Leute aus allerlei Volk; nicht nur alle deutschen Staemme, sondern auch +Auslaender: "Reussen und Preussen, Hollaender und Engellender, Daenemarker +und Schweden, Boehmen, Polen, Hungern, Wenden und Winden, Walen und +Franzosen, Spanier und Graeken." Die Buerger beuteten die Studierenden +aus. Weibliches Gesindel zog herbei, wie Luther meinte, von den +Widersachern geschickt, und es gab manche "Speckstudenten", die sich +lieber in dem Lustwaeldchen "Specke" umhertrieben, statt in der Schule +Gottes Wort, Tugend und Zucht zu lernen. Gegen solche Unordentlichkeit +trat nun Luther als alter treuer Prediger mit vaeterlicher Vermahnung +auf. Er bittet seinen "Bruder Studium, sich still, zuechtig und ehrlich +zu halten, des warten, warum sie hergesandt und mit schweren Kosten von +den Ihren erhalten werden, dass sie Kunst und Tugend lernen, weil die +Zeit da ist und solche feine Praezeptoren da sind." Er ermahnte den Rat, +die Laster zu strafen, und die Buerger, dem "Geiz" zu steuern. Aber die +Buerger der kleinen Universitaetsstadt hielten zumeist auf ihren Vorteil, +der Rat war laessig und aengstlich, wie Luther oftmals klagt gegenueber der +schoenen Ordnung in einer Reichsstadt wie Nuernberg, und die Studenten +wies er vergeblich auf seinen grauen Kopf; sie ueberhoerten seine +schmerzlichen und herzlichen Mahnungen: "Ach, mein Bruder Studium, +schone mein und lass es nicht dahin kommen, dass ich muesse schreien wie +St. Polykarpus: Ach Gott, warum hast Du mich das erleben lassen? Ich +hab's ja nicht verdient, sondern da sind vorhanden meine und euer +Praezeptoren treue Arbeit, die euch zum besten dienen in diesem und jenem +Leben."[542] + +Neben und mit diesem unordentlichen Wesen nahm die Ueppigkeit in der +Stadt bei Doktorschmaeusen und besonders bei Hochzeiten und Kindtaufen so +ueberhand, dass mancher Mann (z.B. Georg Major durch sein Doktorat und +neun Kindtaufen) in Schulden geriet. Ja, es riss die neue Kleidertracht +ein, "die Jungfrauen zu bloessen, hinten und vorn", und niemand war da, +"der da strafe oder wehre"; es schien, wie Luther fuerchtet, sich +anzulassen, "dass Wittenberg mit seinem Regiment nicht den S. Veitstanz +noch S. Johannistanz, sondern den Bettlertanz und Beelzebubtanz kriege". +Daher meinte Luther: "Nur weg aus dieser Sodoma!"[646] + +Damit schien er nun Ernst zu machen. Im Juli 1545 unternahm er auf Frau +Kaethes Fuhrwerk mit seinem aeltesten Sohne Hans, D. Kreuziger und einem +Tischgenossen Ferdinand von Maugen eine Erholungsreise nach Leipzig und +Zeitz zu Freund Amsdorf, dem Bischof. Unterwegs hoerte er, dass die +Zustaende in Wittenberg viel mehr im Munde der Leute waeren, als er +dachte. Da wollte er gar nicht mehr in die "unordige" Stadt zurueck. Er +schrieb am 28. Juli von Zeitz aus an seine Frau folgenden Brief[543]: + +"G(nade) und F(riede)! + +Liebe Kaethe! Wie unsre Reise ist gangen, wird Dir Hans wohl alles +sagen--wiewohl ich auch nicht gewiss bin, ob er bei mir bleiben solle--, +dann werden's doch D. Kaspar Kreuziger und Ferdinandus wohl sagen. Ernst +von Schoenfeld hat uns zu Lobnitz schoen gehalten[544]. Noch viel schoener +Heinz Scherle zu Leipzig. + +Ich wollt's gerne so machen, dass ich nicht muesste wieder gen Wittenberg +kommen. Mein Herz ist erkaltet, dass ich nicht gern da bin; wollt auch, +dass Du verkauftest Garten und Hufe, Haus und Hof. So wollt ich (auch) +M(einem) G(naedigen) H(errn) das grosse Haus[545] wieder schenken. Und +waere Dein Bestes, dass Du Dich gen Zulsdorf setzest, weil (waehrend) ich +noch lebe. Und (ich) koennte Dir mit dem Solde wohl helfen das Guetlein +bessern, denn ich hoffe, M.G.H. soll mir den Sold (aus)folgen lassen, +zum wenigsten ein Jahr meines letzten Lebens. Nach meinem Tode werden +Dich die vier Elemente[546] zu Wittenberg doch nicht wohl leiden; darum +waere es besser bei meinem Leben gethan, was dann zu thun sein will. + +Ich habe auf dem Lande mehr gehoert, denn ich zu Wittenberg erfahre, +darum ich der Stadt muede bin und nicht wieder kommen will, da mir Gott +zu helfe. + +Uebermorgen werde ich gen Merseburg fahren, denn Fuerst George hat mich +sehr darum lassen bitten[547]. + +Will also umherschweifen und eher das Bettelbrot essen, ehe ich meine +arm alte letzte Tage mit dem unordigen Wesen zu Wittenberg martern und +beunruhigen will mit Verlust meiner sauern und teuern Arbeit. Magst +solches, wo Du willst, D. Pommer und M. Philipps wissen lassen, und ob +D. Pommer wollt' hiemit Wittenberg von meinenwegen gesegnen[548]. Denn +ich kann des Zorns und Unlust nicht laenger leiden. + +Hiemit Gott befohlen, Amen. + +Martinus Luther." + +Frau Kaethe zeigte natuerlich diesen drohenden Brief den beiden Freunden; +Melanchthon wiederum, welcher auf den Mittag zu Dr. Brueck kam und mit +ihm ass, erzaehlte dem Kanzler Luthers Vorhaben. Das that seine Wirkung. +Denn was war Wittenberg ohne Luther? Auch Melanchthon erklaerte, dass er +dann nicht mehr bleiben koennte und sich vor dem Aergernis irgend wohin +verkriechen muesse. + +Da fuhr der Schrecken den Wittenbergern, Universitaet, Rat und +Buergerschaft durch die Glieder. Der Senat und der Magistrat kamen +zusammen und berieten ueber Massregeln, Luther zu halten. An den +Kurfuersten wurde mit einer Abschrift von Luthers Brief eine Botschaft +geschickt, damit er auch seinerseits auf den erzuernten Mann einwirke, +"dass er sein Gemuet aendere". Eine Abordnung von Universitaet und Stadtrat: +Melanchthon, Bugenhagen, Major, der Buergermeister und der Stadtrichter +Hans Lufft, wurden zu Luther gesandt und auch vom Hof kam ein +beschwichtigender Brief und der liebenswuerdige Leibarzt Ratzeberger, den +Luther gar gut leiden mochte, nach Merseburg. Der Doktor liess sich hart +genug gegen die Wittenberger Abgesandten aus ueber "die Lockerung der +Zucht". Stadt und Regierung versprachen nun ernstliches Einschreiten +gegen das "verthunliche" Wesen bei Hochzeiten und Kindtaufen, gegen +leichtfertiges Treiben bei Tanzvergnuegungen, gegen das ungebuehrliche +Geschrei auf den Strassen u.s.w.[549] + +So liess sich Luther besaenftigen; er kehrte noch bei Hof an, um seinen +Forderungen Nachdruck zu geben; dann fuhr er langsam nach Hause. Die +Ausspannung und der Aufenthalt in freier Luft hatte ihm doch gut gethan, +und die Behaglichkeit in seinem schoenen Heim, die Fuersorge seiner treuen +Hausfrau liessen ihn die Gedanken an einen Auszug vergessen, bis die +endgiltige Wanderung in die jenseitige Welt ihn aller Unlust und +Widerwaertigkeiten, aller Leiden und Folterqualen der Krankheit +enthob[550]. + +Er sollte die verwickelten Streithaendel seiner Landesherrn, der +Mansfelder Grafen, wegen der Bergwerksrechte beilegen und machte dazu im +folgenden Winter drei Reisen in seine Heimat. Der Kurfuerst haette lieber +gesehen, wenn Luther "als ein alter abgelebter Mann mit diesen Sachen +verschont bliebe"; und das war Frau Kaethes Meinung auch, welche es +betrieb, dass Melanchthon, der doch viel juenger und gesunder war, nicht +nach Regensburg musste. Aber Luther selbst meinte: "Es muss, wiewohl ich +viel zu thun habe, um ein acht Tage nicht not haben, die ich daran wagen +will, damit ich mit Freuden mich in meinen Sarg legen moege, wo ich zuvor +meine lieben Landesherren vertragen und freundliches, einmuetiges Herzens +gesehen habe." Nebenbei war es ihm eine Genugthuung, zu zeigen, was in +Streithaendeln ein guter Christ fertig braechte, gegenueber "den silbernen +und guldenen Juristen, welche die Sache oftmals als Vorteil und Geiz +wider alle Billigkeit erweitern und auf(hinaus)ziehen."[551] + +Freilich Frau Kaethe nahm diese Reisen viel schwerer, namentlich die +letzte in der schlimmsten Jahreszeit. Es war Ende Januar und ein gar +"unartiges", kaltes Wetter. Sie wusste aus reicher Erfahrung, was eine +Erkaeltung fuer den durch und durch kranken Mann bedeute. Sie hatte ja +auch gehoert, dass Luther im November (1545) seine Vorlesung ueber die +Genesis mit den Abschiedsworten geschlossen hatte: "Ich kann nicht mehr; +ich bin schwach; bittet Gott fuer mich, dass er mir ein gutes, seliges +Ende beschere." Endlich hatte ein Vorfall das ganze Haus mit banger +Ahnung erfuellt. Kurz vorher hatten die studentischen Tisch- und +Hausgenossen im Schlafhaus, wo sie wohnten, eine Schlaguhr erneuern +lassen. Da begab sich's einstmals um Mitternacht, dass bei dieser Uhr ein +sehr grosser harter Fall gehoert wurde, als ob das ganze Gehaeuse mit samt +den Gewichten heruntergefallen waere. Am andern Morgen war alles +unversehrt. Da dies Luther gesagt war, sprach er zu den Tischgenossen: +"Ihr lieben Quiriten, erschreckt nicht davor. Denn dieser Fall bedeutet +mich, dass ich bald sterben werde. Wenn ich von Eisleben komme, will ich +mich in Sarg legen. So bin ich der Welt muede, und scheide gerne wie ein +reifer Gast aus einer gemeinen Herberge." Dennoch wollte Frau Katharina +ihren Gatten an dem Friedenswerk in Mansfeld nicht hindern und nachdem +er zweimal die Reise gluecklich ueberwunden, hoffte sie wohl auch auf +einen gluecklichen Ausgang einer dritten und letzten. Sie gab ihm aber +nicht nur seinen Famulus Ambrosius Rutfeld mit, sondern auch ihre drei +Soehne und in Halle sollte Herr D. Jonas einsteigen. Im Kloster blieben +als Tischgenossen Besold, Plato u.a. zurueck[552]. + +Die Reisenden fuhren am Samstag, den 23. Januar, in Wittenberg ab. Es +trat nach scharfem Frost waehrend der Nacht auf Sonntag Tauwetter ein, +mit Eisgang und Ueberschwemmung, so dass die Reisegesellschaft, als sie +Sonntag vormittag in Halle anlangte, nicht ueber die Saale kommen und +drei Tage in der Stadt verziehen musste; Freund Jonas, der seit vier +Jahren in Halle Pfarrer war, hiess aber die Wittenberger Gaeste in seinem +Hause willkommen. Von Halle empfing nun Frau Kaethe einen launigen Brief +ihres Eheherrn, der dessen gute Stimmung meldete. Er war adressiert +"Meiner freundlichen lieben Kaethen Luthrin zu Wittenberg zu +Handen"[553]. + +"Gnad und Friede im Herrn! + +Liebe Kaethe! + +Wir sind heute um acht Uhr zu Halle ankommen, aber nach Eisleben nicht +gefahren. Denn es begegnete uns eine grosse Wiedertaeuferin mit +Wasserwogen und grossen Eisschollen, die das Land bedeckte; die draeuete +uns mit der Wiedertaufe. So konnten wir auch nicht wieder zurueckkommen, +von wegen der Mulda; mussten also zu Halle zwischen den (beiden) Wassern +stille liegen. Nicht dass uns durstete zu trinken, sondern nahmen gut +Torgisch Bier und guten rheinischen Wein; damit labeten und troesteten +wir uns dieweil, ob die Saale wollt wieder auszuernen. Denn weil die +Leute und Fuhrmeister, auch wir selbst zaghaftig waren, haben wir uns +nicht wollen in das Wasser begeben und Gott versuchen; denn der Teufel +wohnet im Wasser und ist uns gram; und ist besser verwahret denn +beklaget; und ist ohne Not, dass wir dem Papst samt seinen Schuppen eine +Narrenfreude machen sollten. Ich haette nicht gemeint, dass die Saale eine +solche Sod machen koennte, dass sie ueber Steinwege und alles rumpeln +sollte. + +Jetzo nicht mehr, denn: betet fuer uns und seid fromm. Ich halte, waerest +Du hier gewesen, so haettest Du uns auch also zu thun geraten; so haetten +wir Deinem Rat auch einmal gefolget. + +Hiemit Gott befohlen! Amen. + +Zu Halle am St. Paulus Bekehrungstage (25. Januar) Anno 1546. + +Martinus Luther D." + +Das lautete gar froehlich und vergnuegt, als man im Kloster diesen +lustigen Brief las, und Frau Kaethe konnte einstweilen beruhigt sein. +Aber es dauerte acht Tage, bis wieder ein Brief kam. Das musste die +besorgte Frau schon nicht wenig aufregen und sie sandte Briefe ueber +Briefe ab, was sonst bei der vielbeschaeftigten Frau nicht gerade +Gewohnheit war. Endlich nach Lichtmess langte ein zweiter Brief Luthers +an. Der war freilich auch in demselben scherzhaften Ton geschrieben, wie +der vorige und die meisten Episteln des Doktors an seine Frau. Aber es +war doch eine Stelle darin, die bedenklich machen konnte. + +"Meiner herzlieben Hausfrauen Katharin Lutherin, Doktorin, Zulsdorferin, +Saumaerkterin und was sie sonst noch sein kann. + +Gnade und Friede in Christo und meine alte, arme und, wie ich weiss, +unkraeftige Liebe zuvor. + +Liebe Kaethe! Ich bin schwach gewesen auf dem Wege hart vor Eisleben, das +war meine Schuld. Aber wenn Du waerest dagewesen, so haettest Du gesagt, +es waere der Juden oder ihres Gottes Schuld gewesen. Denn wir mussten +durch ein Dorf hart vor Eisleben, da viele Juden inne wohnten; +vielleicht haben sie mich so scharf angeblasen. So sind hier in der +Stadt Eisleben jetzt diese Stunde ueber fuenfzig Juden wohnhaftig (in +einem Hause). Und wahr ist's, da ich bei dem Dorf war, ging mir ein +solch kalter Wind hinten im Wagen ein auf meinen Kopf durchs Barett, als +wollte mir's das Hirn zu Eise machen. Solches mag nun zum Schwindel +etwas haben geholfen; aber jetzt bin ich gottlob! wohl geschickt, +ausgenommen, dass die schoenen Frauen mich so hart anfechten. + +Ich trinke Naumburgisch Bier, fast des Geschmacks, den Du von Mansfeld +mir etwa hast gelobet. Es gefaellt mir wohl. + +Deine Soehnchen sind nach Mansfeld gefahren ehegestern, weil sie Hans von +Jene[554] so demuetiglich gebeten hatte; weiss nicht, was sie da machen. +Wenn's kalt waere, so moechten sie helfen frieren. Nun es warm ist, +koennten sie wohl was anders thun oder leiden, wie es ihnen gefaellt. + +Hiermit Gott befohlen sammt allem Hause, und gruesse alle Tischgesellen. +Vigilia Purificationis, 1546. + +M.L., Dein altes Liebchen."[555] + +Also der Doktor hatte sich richtig erkaeltet und zwar durch eigene +Schuld; er war eine Zeitlang vom Wagen abgestiegen, hatte sich in +Schweiss gelaufen bei dem auffallend warmen Winterwetter, war dann im +letzten Dorfe Nissdorf, hart vor Eisleben, unvorsichtigerweise wieder auf +den Wagen gesessen und hatte sich in dem scharfen Luftzug des Fuhrwerks +erkaeltet. Frau Kaethe wusste, was das zu bedeuten hatte und war gar +aengstlich trotz des froehlichen Briefes. Sie hatte, scheint es, die Sache +schon vor Luthers eigener Meldung sonsther gehoert, auch dass die sonst +immer offen gehaltene Wunde am Bein, welche, eine Art Fontanelle, den +kranken Saeften einen Abfluss gewaehrte, bedenklicherweise zugeheilt war. +So schrieb sie nun einen Brief um den andern, an einem Tag (Freitag, 5. +Februar) sogar mehrere. Auch sandte sie von Wittenberg ihre gewoehnlichen +Hausmittel: "Staerkkuechlein", allerlei Staerkwasser, Rosenessig und +Aquavitae, und hiess Jonas, den Famulus und ihre Soehne in dem Gemach des +Doktors schlafen[556]. Er zwar schreibt wieder ganz sorglos, nur +bedenklich wegen der heikeln Streitigkeiten, die er zu schlichten hatte, +am 6. Februar[557]: + +"Der tiefgelehrten Frauen Katharin Lutherin, meiner gnaedigen Hausfrauen +zu Wittenberg. + +Gnade und Friede. + +Liebe Kaethe! Wir sitzen hier und lassen uns martern und waeren wohl gern +davon; aber es kann noch nicht sein, als mich duenkt, in acht Tagen. Mag. +Philippus magst Du sagen, dass er seine Postille korrigiere; denn er hat +nicht verstanden, warum der Herr im Evangelio die Reichtuemer Dornen +nennt. Hier ist die Schule, da man solches verstehen lernet. Aber mir +grauet, dass allewege in der heiligen Schrift den Dornen das Feuer +gedroht wird; darum ich desto groessere Geduld habe, ob ich mit Gottes +Hilfe moechte etwas Gutes ausrichten. Deine Soehnchen sind noch zu +Mansfeld. Sonst haben wir zu essen und trinken genug und haetten gute +Tage, wenn's der verdriessliche Handel thaet. Mich duenkt, der Teufel +spotte unser; Gott woll' ihn wieder spotten, Amen. + +Bittet fuer uns. Der Bote eilte sehr. + +Am Sankt Dorotheentage, 1546." + +Trotz dieser Briefe war aber Frau Kaethe so voller Sorge um den fernen +Gatten, dass sie nicht schlafen konnte, und schrieb gar aengstliche +Episteln nach Eisleben, so dass ihr der fromme Doktor eine lange Predigt +hielt ueber Gottvertrauen in zwei aufeinanderfolgenden Briefen, am 7. und +10. Februar[558]: + +"Meiner lieben Hausfrauen Katherin Lutherin, Doktorin, Selbstmartyrin zu +Wittenberg, meiner gnaedigen Frauen zu Haenden und Fuessen. + +Gnade und Friede im Herrn. + +Lies Du, liebe Kaethe, den Johannem und den kleinen Katechismus, davon Du +einmal sagtest: es ist doch alles in dem Buch von mir gesagt. Denn Du +willst sorgen fuer Deinen Gott, gerade als waere er nicht allmaechtig, der +da koennte zehn Doktor Martinus schaffen, wo der einige alte ersoeffe in +der Saale oder im Ofenloch oder auf Wolfs Vogelherd. Lass mich in Frieden +mit Deiner Sorge: ich hab' einen bessern Sorger, denn Du und alle Engel +sind. Der liegt in der Krippe und haenget an einer Jungfrauen Brust; aber +sitzet gleichwohl zur rechten Hand Gottes des allmaechtigen Vaters. Darum +sei in Frieden, Amen. + +Betet, betet, betet und helft uns, dass wir's gut machen. Denn ich heute +in Willen hatte, den Wagen zu schmieren in meinem Zorn; aber Jammer, so +mir einfiel, meines Vaterlandes hat mich gehalten. Ich bin nun auch ein +Jurist worden. Aber es wird ihnen nicht gedeihen. Es waere besser, sie +liessen mich einen Theologen bleiben. Komme ich unter sie, so ich leben +soll, ich moecht' ein Poltergeist werden, der ihren Stolz durch Gottes +Gnade hemmen moechte. Sie stellen sich, als waeren sie Gott, davon moechten +sie wohl und billig bei Zeit abtreten, ehe denn ihre Gottheit zur +Teufelheit wuerde, wie Luzifer geschah, der auch im Himmel vor Hoffart +nicht bleiben konnte. Wohlan, Gottes Wille geschehe. + +Du sollst Mag. Philippus diesen Brief lesen lassen: denn ich nicht Zeit +hatte, ihm zu schreiben, damit Du Dich troesten kannst, dass ich Dich gern +lieb haette, wenn ich koennte, wie Du weisst, und er gegen seine Frauen +vielleicht auch weiss und alles wohl verstehet. + +Wir leben hier wohl, und der Rat schenkt mir zu jeglicher Mahlzeit ein +halb Stuebchen Rheinfall, der ist sehr gut. Zuweilen trink ich's mit +meinen Gesellen. So ist der Landwein hier gut, und Naumburgisch Bier +sehr gut, ohne dass mich duenkt, es macht mir die Brust voll phlegmate +(Schleim) mit seinem Pech. Der Teufel hat uns das Bier in aller Welt mit +Pech verdorben und bei euch den Wein mit Schwefel. Aber hier ist der +Wein rein, ohne was des Landes Art giebt. + +Und wisse, dass alle Briefe, die Du geschrieben hast, sind anher kommen +und heute sind die kommen, die Du am naechsten Freitag geschrieben hast +mit Mag. Philippus Briefen, damit Du nicht zuernest. + +Am Sonntag nach Dorotheens Tag (7. Febr.) 1546. + + * * * * * + +Dein lieber Herr M. Luther." + +"Der heiligen sorgfaeltigen Frauen, Katherin Lutherin, Doktor +Zulsdorferin zu Wittenberg, meiner gnaedigen, lieben Hausfrauen. + +Gnade und Friede in Christo. + +Allerheiligste Frau Doktorin! Wir bedanken uns gar freundlich fuer Eure +grosse Sorge, davor Ihr nicht schlafen koennt; denn seit der Zeit Ihr fuer +uns gesorget habt, wollt' uns das Feuer verzehret haben in unsrer +Herberg hart vor meiner Stubenthuer; und gestern, ohne Zweifel aus Kraft +Eurer Sorge, hat uns schier ein Stein auf den Kopf gefallen und +zerquetscht, wie in einer Mausfallen. Der hatte im Sinn, Eurer heiligen +Sorge zu danken, wo die lieben heiligen Engel nicht gehuetet haetten. Ich +sorge, wo Du nicht aufhoerst zu sorgen, es moechte uns zuletzt die Erde +verschlingen und alle Elemente verfolgen. Lehrest Du also den +Katechismum und den Glauben? Bete Du und lass Gott sorgen, es heisst: +"Wirf dein Anliegen auf den Herrn, der sorget fuer dich (1. Petr. 5, 7)." + +Wir sind, Gott Lob, frisch und gesund, ohne dass uns die Sachen Unlust +machen, und Doktor Jonas wollt' gern einen boesen Schenkel haben, dass er +sich an eine Lade ohngefaehr gestossen: so gross ist der Neid in den +Leuten, dass er mir nicht wollt' goennen allein einen boesen Schenkel zu +haben. + +Hiemit Gott befohlen. Wir wollten nun fort gerne los sein und +heimfahren, wenn's Gott wollt', Amen, Amen, Amen. + +Euer Heiligen williger Diener Martinus Luther. + +Am Tage Scholasticae (10. Febr.) 1546." + +Aber was Frau Kaethe zu wenig an Gottvertrauen zeigte, das bewies der +Herr Doktor zu viel. Sie wusste und hoerte, dass er, trotzdem er sich jeden +Abend mit warmen Tuechern behandeln lassen musste, seinen alten +Predigteifer auch in der fremden Stadt in der kalten Kirche bethaetigte; +zwei Geistliche ordinierte er und viermal predigte er, zuletzt am +Sonntag den 14. Februar. Abends schrieb er noch einen Brief an seine +Hausfrau, erwaehnte aber nichts davon, dass er heute morgen seine Predigt +hatte abbrechen muessen aus Schwachheit; er bat aber seine Frau um +Arzneien[559]. + +Der Brief schlaegt wieder froehliche und hoffnungsvolle Toene an; die +Aussicht auf Rueckkehr nach der lieben Heimat vergoldete die truebe +Stimmung[560]: + +"Meiner freundlichen, lieben Hausfrauen, Katherin Lutherin von Bora zu +Wittenberg zu Haenden. + +Gnade und Friede im Herrn. + +Liebe Kaethe! Wir hoffen diese Woche wieder heim zu kommen, ob Gott will. +Gott hat grosse Gnade hier erzeigt; denn die Herren durch ihre Raete fast +altes verglichen haben, bis auf zwei Artikel oder drei, unter welchen +ist, dass die zwei Brueder Graf Gebhardt und Graf Albrecht wiederum Brueder +werden, welches ich heute soll vornehmen und will sie zu mir zu Gaste +bitten, dass sie auch mit einander reden; denn sie bis daher stumm +gewesen und mit Schriften sich hart verbittert haben. Sonst sind die +jungen Herren (die Soehne der feindlichen Grafen) froehlich, fahren +zusammen mit den Narrengloecklein auf Schlitten und die Fraeulein auch und +bringen einander Mummenschanz, und sind guter Dinge, auch Graf Gebhardts +Sohn. Also muss man greifen, dass Gott Gebete erhoert. + +Ich schicke Dir Forellen, so mir die Graefin Albrecht geschenkt hat: die +ist von Herzen froh der Einigkeit. Deine Soehnchen sind noch zu Mansfeld. +Jakob Luther will sie wohl versorgen. Wir haben hier zu essen und zu +trinken als die Herrn, und man wartet unser gar schoen, nur allzu schoen, +dass wir Euer wohl vergessen moechten zu Wittenberg. So ficht mich der +Stein auch nicht an. Aber Doktor Jonas Bein waere schier gnad worden, so +hat's Loecher gewonnen auf dem Schienbein; aber Gott wird auch helfen. + +Solches alles magst Du Mag. Philippus anzeigen, Doktor Pommer und Doktor +Kruziger. Hier ist das Geruecht herkommen, dass Doktor Martinus sei +weggefuehrt, wie man zu Leipzig und Magdeburg redet. Solches erdichten +die Naseweisen, Deine Landsleute. Etliche sagen, der Kaiser sei dreissig +Meilen Wegs von hinnen bei Soest in Westphalen; etliche, dass der +Franzose Knechte annehme, der Landgraf auch. Aber lass sagen und singen: +wir wollen warten, was Gott thun wird. Hiemit Gott befohlen. + +Zu Eisleben am Sonntag Valentini 1546. + +M. Luther, Doktor." + +Es war der letzte Brief an seine Ehefrau, der letzte, den Luther +ueberhaupt schrieb. Die heitere Epistel kam am Donnerstag in Kaethes Haende +und erregte bei den Klosterbewohnern grosses Vergnuegen: in Eisleben aber +lag der Schreiber schon auf dem Totenbette. Der Gewaltige war am selben +Tage frueh um 3 Uhr im Kreise seiner Freunde, Dr. Jonas, M. Aurifaber, +des Arztes, des Stadtpfarrers von Eisleben, des Grafen und der Graefin +Albrecht, sanft und selig entschlafen. In Wittenberg freilich dachte man +nicht daran. Melanchthon, dem Luther mit gleichem Boten geschrieben +hatte (u.a. dass Papst Paul gestorben waere), verfasste noch einen Brief an +den Freund und Frau Kaethe schickte noch eine Salbe mit, zur +Wiederherstellung der Fontanelle am linken Schenkel. Aber am Freitag +frueh 6 Uhr kam aus Torgau ein reitender kurfuerstlicher Bote vor des +Kanzlers Brueck Haus; dieser liess sogleich D. Bugenhagen, Kreuziger und +M. Philipp zu sich kommen; sie wussten aber bereits, was das +kurfuerstliche Schreiben meldete, ehe er es ihnen zu lesen gab, denn vor +einer Viertelstunde war auch ein Bote mit einem Brief aus Eisleben von +Jonas an sie gelangt. Auf Bruecks Bitten verfuegten sich die drei Herren +mit des Kurfuersten und Jonas' Brief unsaeumig hinauf zu der Doktorin und +berichteten sie mit der besten Vorsicht von ihres Herrn Abgang. "Da ist +das arme Weib, wie leichtlich zu achten, hart erschrocken und in grosser +Betruebnis gewesen." Aber wiederum nicht an sich dachte sie zumeist, +sondern an ihre Kinder, besonders, wie ihre drei Soehne in der Ferne sich +ueber des Vaters Tod halten moechten[561]. + +Katharinas bange Ahnung hatte sich also erfuellt; ihre Sorge um den +kraenklichen fernen Gatten war nicht ohne Grund gewesen. Das Trauervolle +war geschehen: der teure Mann, der gewaltige Reformator, der geistvolle +Lehrer und Prediger, der liebreiche Vater, der treue Gatte war nicht +mehr! Wenn auch nicht unerwartet, so doch zu frueh fuer die Welt und fuer +die Familie war er dahin geschieden, wohin er sich so oft gesehnt; von +der Welt, ueber die er so viel gescholten und die er doch mit so viel +Verstaendnis und Freude erfasst; von dem Amte, in dem er sich so muede +gearbeitet, und in dem er doch noch so Grosses leistete; von der Familie, +die ihm zwar Sorgen, aber noch viel mehr Glueck und Freude gebracht und +die er mit so viel Glauben und Liebe umfasste; von der Gattin, die er so +oft geneckt und manchmal getadelt, die er aber ueber alle Frauen +geschaetzt und geliebt hatte. + +"Es war eine harte Wunde, die sie durch den Tod ihres Ehegemahls +empfing. Und dazu musste sie noch klagen, dass derselbe in einem anderen +Orte gestorben war, wo sie nicht bei dem Kranken Treue und die letzten +Liebesdienste hatte erweisen koennen."[562] + +Ja, in der Fremde war er gestorben, zum grossen Schmerze Katharinas, die +mit ihm zwanzig Jahre "in Friede und Freude" gelebt, die ihn in gesunden +und kranken Tagen so hingebungsvoll gepflegt und jetzt die letzten +Stunden seines Lebens nicht um ihn sein durfte, ihm in das liebe +Angesicht schauen und die treuen Augen zudruecken durfte. Es war kaum +ein Trost, dass er im Kreise der Freunde verschieden war, dass der Graf +Albrecht ihm selbst Einhorn geschabt und seine Gemahlin ihm den Puls mit +dem Staerkwasser strich, welches die Doktorin geschickt, und dass er in +ihres Sohnes Paul Armen ausgeatmet und ihm sein treuer Aurifaber die +Augen zugedrueckt hatte[563]. + +Und jetzt konnte sie nicht einmal den Trost geniessen, durch die Fuersorge +fuer die Bestattung des geliebten Toten ihren Geist abzulenken von dem +Gedanken des schmerzlichen Verlustes. + +Das kurfuerstliche Schreiben enthielt naemlich die Bestimmung, dass der +Leib Luthers in der Schlosskirche zu Wittenberg bestattet werden sollte, +bei Fuersten und Fuerstinnen, deren zwanzig dort bestattet waren. Aber so +war wenigstens ihr lieber Herr bei ihr in ihrer Stadt und sie konnte mit +den anderen Freunden "ihren Heiligen daselbst nach seinem Tode +besuchen", wie Bugenhagen sich ausdrueckte. Denn die Grafen von Mansfeld +haetten "die Leiche des hochteuern, von Gott mit unaussprechlichen Gaben +begnadeten Mannes gern selbst in der Herrschaft behalten", folgten sie +aber "aus unterthaenigem Gehorsam" dem Kurfuersten auf dessen Bitte +dienstwillig aus. So ruestete sich nun die Doktorin, ihr Toechterlein und +das ganze Kloster fuer das Leichenbegaengnis nur mit Trauergewaendern[564]. + +Aber auch die ganze Stadt und Universitaet machte sich bereit, ihren +groessten Buerger mit feierlichem Leichengepraenge zu empfangen. Melanchthon +hatte sofort nach der Ankunft der Todeskunde am Freitag frueh die +Studenten in einem Anschlag benachrichtigt, dass der christliche Elias +von seinen Juengern genommen sei. Der Rektor der Akademie, Dr. Aug. +Schurf, befahl am Sonntag Morgen in einem Programme "allen Studenten am +Nachmittag, sobald das Zeichen mit der kleinen Glocke gegeben werde, +sich auf dem Markte zu versammeln und daselbst den ehrwuerdigen +Pfarrherrn (D. Pommer) an der Kirche zu erwarten, ihm sofort zu folgen +und mit ihm die Leiche zu empfangen, welche gewesen ist und sein wird +eine Huette des heiligen Geistes." Von Wittenberg ritten dem Trauerzuge +entgegen, um ihn in Bitterfeld, an der Mansfeldischen Grenze zu +empfangen und ehrenvoll zu geleiten, die "Verordneten des Kurfuersten": +Erasmus Spiegel, der Hauptmann von Wittenberg, Gangolf von Heilingen zu +Dueben und Dietrich von Taubenheim zu Brehne mit Gefolge[565]. + +Aber die Leiche kam am Sonntag noch nicht: in jeder Stadt wollte man sie +einholen, zurueckhalten, begleiten; und so verzoegerte sich die Ankunft +des Zuges, der zuletzt in Kemberg gerastet hatte. Und Melanchthon musste +am Schwarzen Brett, auf dem Programm des Rektors verkuendigen, dass die +Ankunft der Leiche und ihre Bestattung erst am andern Morgen, etwa um 9 +Uhr, stattfinde[566]. + +Im Laufe des Sonntags kam ein Beileid-Schreiben des Kurfuersten[567]: + +"An Catharina, Doctoris Martini seliger Gedaechtnis verlassene Witwe zu +Wittenberg. + +Herzog Johanns Friedrich, Kurfuerst. + +Liebe Besondere! + +Wir zweifeln nicht, Ihr werdet nunmehr erfahren haben, dass der +Ehrwuerdige und Hochgelehrte, unser Lieber Andaechtiger Doctor Martin +Luther seliges Gedaechtnis, Euer Hauswirt, sein Leben in diesem +Jammerthal zu Eisleben am naechsten Dornstag fruehe zwischen 2 und 3 Uhren +christlich und wohl mit goettlichen der hl. Schrift Spruechen beschlossen +hat und von hinnen geschieden ist, welches Wir aber mit betruebtem und +bekuemmertem Gemuet vernommen. Der allmaechtige Gott wolle seiner Seelen, +wie Wir denn gar nicht zweifeln, gnaedig und barmherzig sein! Und wiewohl +Wir wohl ermessen moegen, dass Euch solcher Euers Herrn toedlicher Abgang +schmerzlich und bekuemmerlich sein wird, so kann doch in dem Gottes +gnaedigen Willen, des Allmaechtigkeit es also mit ihm gnaediglich und +christlich geschafft hat, nicht widerstrebt werden, sondern es will +solches Gott zu befehlen sein. Darum Ihr auch soviel destoweniger +bekuemmern und seines christlichen Abscheidens Euch troesten wollet. Denn +Wir seind gnaediglich geneigt, Euch und Eure Kinder um Eures Herren sel. +willen, dem Wir in sonderen Gnaden und Guten geneigt gewest, in gnaedigem +Befehl zu haben und nicht zu verlassen. Das wollen Wir Euch gnaediger +Meinung nicht verhalten. + +Datum Torgau, Sonnabends nach Valentini 1546." + +Am Montag frueh versammelten sich am Elsterthor Rektor, Magistri und +Doktores und die ganze loebliche Universitaet, auch ein ehrbarer Rat samt +ganzer Gemeinde und Buergerschaft, dann die Geistlichen und Schulen. Auch +Frau Kaethe machte sich auf mit ihrem Toechterlein Margarete und einigen +Frauen und stellten sich weinend an den Weg, dem toten Gatten entgegen +harrend. + +Endlich um 9 Uhr, langte der Zug mit der teuren Leiche an: geleitet von +den kurfuerstlichen Abgeordneten und den beiden jungen Mansfelder Grafen +Hans und Hoyer und einer grossen Reiterschar. Auch die Mansfelder +Verwandten kamen mit, Luthers Lieblingsbruder Jakob, und seine +Schwestersoehne Joerg und Cyriak Kaufmann und andere von der +"Freundschaft". Vor allem aber die drei Soehne Hans, Martin und Paul. Es +war ein schmerzliches Wiedersehen, das hier Frau Katharina erlebte. Die +Soehne freilich konnte sie schluchzend in die Arme schliessen, aber das +Antlitz des teuren geliebten Gatten durfte sie nicht mehr sehen; da lag +er eingeschlossen im Sarg von Zinn, aufgebahrt auf dem Wagen, mit +schwarzem samtenem Tuch umhangen[568]. + +Darauf ordnete sich der Zug: voraus die Geistlichkeit und die Schulen +mit den herkoemmlichen Gesaengen und Zeremonien, darauf die "Berittenen" +auf ungefaehr 65 Pferden. Gleich hinter dem vierspaennigen Leichenwagen +fuhr die "Frau Doktorin Katharina Lutherin" mit den Matronen, nach +herkoemmlicher Sitte auf einem niederen Waegelein. Ihr folgten die drei +Soehne, der Bruder, die Neffen und andere Verwandten. Dann in vollem +Ornat "der Rektor Magnificus der loeblichen Universitaet mit etlichen +jungen Fuersten, Grafen und Freiherrn, so in der Universitaet Wittenberg +Studii halber sich (auf)enthalten." Darnach kam als weiteres +Leichengefolge: Kanzler Brueck, Melanchthon, Jonas, Bugenhagen, +Kreuziger, Hieronymus Schurf und andere aelteste Doktoren; dann die +uebrigen Doktoren, Magister, der ehrbare Rat, Buergermeister Cranach samt +den Ratspersonen, darnach der ganze grosse Haufen und herrliche Menge der +Studenten; darauf die Buergerschaft, desgleichen viele Buergerinnen, +Matronen, Frauen, Jungfrauen, viel "ehrliche" Kinder, jung und alt; +alles mit Weinen und Wehklagen. "In allen Gassen, auch auf dem Markt ist +das Gedraenge so gross und solche Menge des Volkes gewesen, dass sich's +billig in der Eil zu verwunden und viele bekannt haben, dass sie +dergleichen zu Wittenberg nicht gesehen." + +So ging es unter Gesang und dem Gelaeute aller Glocken in unabsehbarem +Zuge vom Elsterthor die ganze Laenge der Stadt hin am Kloster vorbei, das +jetzt verwaist von seinem Vater und Herrn dalag, die Kollegienstrasse +hinab zur Schlosskirche. Dort wurde der Sarg am Predigtstuhl +niedergesetzt. Trauerlieder erschollen, bis Bugenhagen die Kanzel +bestieg und vor den ungezaehlten Hoerern, die in und vor der Kirche +standen, eine "gar festliche und troestliche Predigt" that. Darauf hat +Melanchthon "aus sonderlichem Mitleiden, um die Kirche zu troesten", eine +lateinische Gedaechtnisrede gehalten, die vor dem allgemeinen Weinen und +Schluchzen kaum gehoert wurde. Seine Klage: "Wir sind wie arme Waisen, +die einen vortrefflichen Mann zum Vater gehabt und ihn verloren haben", +die den Grundton aller Rede bildeten, sie waren ganz besonders +denjenigen aus dem Herzen gesprochen, die dem teuren Toten am naechsten +standen, und am naechsten an seinem Sarg klagten: der trauernden Gattin, +den weinenden Kindern[569]. + +"Nach den Leichenreden trugen etliche Magister den Sarg nach der Gruft +und legten so das teure Werkzeug des heiligen Geistes, den Leib des +ehrwuerdigen D. Martini zur Ruhe, nicht fern von dem Predigtstuhl, da er +im Leben manche gewaltige Predigt gethan." Der Kurfuerst aber hatte schon +am Tag vorher verordnet, dass eine Tafel aus Messing aufs Grab +niedergelegt wurde, dergestalt wie noch heutzutage zu sehen ist[570]. + +Wohl konnte das ausserordentliche, wahrhaft fuerstliche Leichengepraenge +zeigen, welch ein Mann, ja, wie der Rektor ankuendigte, welch ein "Fuerst +Gottes" der Dahingegangene gewesen, welche Liebe und Verehrung er bei +hoch und nieder genossen und die Teilnahme aller bewies, was die Welt an +ihm verlor und betrauern musste, und das ist ja fuer die Hinterbliebenen +immer ein Trost in ihrem Schmerz. Aber diese Leichenfeier zeigte auch, +was die Angehoerigen selber an ihm gehabt und beweinen mussten. + +Was Katharinas Stimmung und Gedanken in diesen schmerzlichen Tagen war, +das giebt sie kund in einem Briefe, den sie an ihre Schwaegerin +Christina, die verwitwete Gemahlin eines ihrer Brueder und Mutter des +Florian, welcher in Wittenberg ihr Hausgenosse war, richtete[571]. Da +schreibt sie: + +"Der ehrbaren und tugendsamen Frauen Christina von Bora, meiner lieben +Schwester zuhand. + +Gnad und Fried von Gott dem Vater unsers lieben Herrn Jesu Christi! + +Freundliche liebe Schwester! + +Dass Ihr ein herzlich Mitleiden mit mir und meinen armen Kindern tragt, +glaeub' ich leichtlich. Denn wer wollt' nicht billig betruebt und +bekuemmert sein um einen solchen teuern Mann, als mein lieber Herr +gewesen ist, der nicht allein einer Stadt oder einem einigen Land, +sondern der ganzen Welt viel gedienet hat. Derhalben ich wahrlich so +sehr betruebt bin, dass ich mein grosses Herzeleid keinem Menschen sagen +kann, und weiss nicht, wie mir zu Sinn und zu Mut ist. Ich kann weder +essen noch trinken, auch dazu nicht schlafen. Und wenn ich haett' ein +Fuerstentum und Kaisertum gehabt, sollt' mir so leid nimmer geschehen +sein, so ich's verloren haett', als nun unser lieber Herrgott mir, und +nicht allein mir, sondern der ganzen Welt, diesen lieben und teuern Mann +genommen hat. Wenn ich daran gedenk', so kann ich vor Leid und +Weinen--das Gott wohl weiss--weder reden noch schreiben. + + Katharina, + des Herrn Doctor Martinus Luther + gelassene Witfrau." + + + + +16. Kapitel. + +Luthers Testament. + + +"Ich denke noch oft", erzaehlt der treue Hieronymus Weller nach Luthers +Tod, "an den Mann Gottes, Doktor Martin Luther, dass er sein Gemahl liess +den 31. Psalm auswendig lernen, da sie noch jung und frisch und froehlich +war und sie noch nicht wissen konnte, wie dieser Psalm so lieblich und +troestlich war. Aber ihr Mann that das nicht ohne Ursache. Denn er wusste +wohl, dass sie nach seinem Tode ein betruebtes, elendes Weib sein und +dieses Trostes, so der 31. Psalm in sich hat, sehr noetig werde +beduerfen." Und aehnlich hat sich der Doktor auch in seinem Testament +ausgesprochen, wie in seinem Brief auf seiner Trutz-Fahrt[572]. + +Luther kannte eben die Welt und seine und seiner Familie Lage: er kannte +der Leute Undank[573], der Fuersten Unzuverlaessigkeit und ihrer Beamten +Untreue, der Amtsgenossen kleinliche Gesinnung, der Feinde Hass, der sich +schon bei Lebzeiten auch gegen sein Gemahl in unerhoerter Beschimpfung +richtete und sich noch ungehemmter zeigen musste, wenn erst der +gefuerchtete Kaempe den Schild nicht mehr ueber sie deckte. Er wusste, dass +er ein kranker Mann war, dass er sterben werde, ehe seine Kinder erzogen +und versorgt waeren; er kannte die traurige Lage einer Witwe zu seiner +Zeit, die ohne Ansprueche auf Witwengehalt, ja nach dem herkoemmlichen +Recht ohne Ansprueche auf die Hinterlassenschaft war. Deshalb war er in +Sorge fuer seine treue Gattin; deshalb hat er aber auch, so viel an ihm +lag, Fuersorge fuer sie getroffen, um sie vor dem Schwersten zu bewahren. + +Diese Gedanken hat Luther in seinem "zweiten" und "letzten" "Testament" +niedergelegt, welches vier Jahre vor seinem Tode, am 6. Januar 1542 +niedergeschrieben ist. Darin setzt er seiner "lieben und treuen +Hausfrau" ein Leibgeding aus und will sie schuetzen gegen "etlich +unnuetze, boese und neidische Maeuler", welche seine "liebe Kaethe" +beschweren oder verunglimpfen moechten oder die Kinder aufhetzen. "Denn +der Teufel, so er mir nicht konnte nahe kommen, sollt er wohl meine +Kaethe (auf) allerlei Weise (heim)suchen, (schon) allein (aus) der +Ursache, dass sie des D.M. ehrliche Hausfrau gewesen und Gottlob noch +ist."[574] + +So musste Frau Katharina auch bald spueren, welcher Unterschied es sei, +die Gattin des grossen Doktors zu sein, der nach dem Anspruch eines +grossen Fuersten neben dem Kaiser die Welt regierte, dessen Ansehen und +Ehre auch auf die "Hauswirtin" ueberging, und Luthers verlassene Witwe, +in deren Vermoegens-und Familienverhaeltnisse, Hauswirtschaft und +Kindererziehung hineinzureden und hineinzuregieren sich jetzt viele +berufen fuehlten, zum Teil aus gutem Willen und Verehrung fuer den +dahingegangenen Freund und Reformator, waehrend bisher Frau Katharina +selbst, hoechstens mit Rat und Zustimmung ihres Eheherrn, in diesen +Dingen vollstaendig selbstherrlich geschaltet hatte. Dass sie, die +energische Frau, welche sich ihrer Tuechtigkeit in der Leitung eines +grossen Hauswesens wohl bewusst war, und welcher Luther so bereitwillig +das Hausregiment ueberlassen hatte, dies Dreinreden und Dreinbefehlen +schwer empfand, ist begreiflich. Nicht wenig musste es sie auch schmerzen +und ihr Selbstgefuehl verletzen, dass sie bisher die erste Frau der Stadt, +ja der evangelischen Welt, nun bescheiden zuruecktreten musste. Schwer +auch kam sie's gewiss an, dass sie das in so grossem Stil gefuehrte +Hauswesen mit seiner unerhoerten Gastlichkeit beschraenken musste. + +Zwar das trat nicht ein, was Luther gefuerchtet hatte, dass "die vier +Elemente (d.h. doch wohl die vier Fakultaeten der Universitaet) sie nicht +wohl leiden" wuerden. Auch davon hoert man nichts, was Luther in seinem +Testamente aussprach: "Ich bitt alle meine guten Freunde, sie wollten +meiner lieben Kaethe Zeugen sein und sie entschuldigen helfen, wo etliche +unnuetze Maeuler sie beschweren und verunglimpfen wollten, als sollte sie +etwa eine Barschaft hinter sich haben, die sie den armen Kindern +entwenden oder unterschlagen wuerde. Ich bin des Zeuge, dass da keine +Barschaft ist, ohne die Becher und Kleinod droben im Wipgeding erzaehlt +(aufgezaehlt), vielmehr 450 fl. Schulden oder mehr."[575] + +Aber Luther hatte noch ein weiteres vorausgesehen, was seiner Frau +vorgeworfen werden koennte: eine ueble Wirtschaft. Es heisst weiter im +Testament: "Es kann solches bei jedermann die Rechnung oeffentlich geben, +weil man weiss, wie viel ich Einkommens gehabt von meinen gestrengen +Herrn, ohn was Geschenk ist gewesen, welches droben unter den Kleinoden, +zumteil auch noch in der Schuld steckt und zu finden ist. Und ich doch +von solchem Einkommen und Geschenk so viel gebaut, gekauft und grosse und +schwere Haushaltung gefuehrt, dass ich's muss neben anderem selbst fuer +einen sonderlichen, wunderliche Segen erkennen, dass ich's hab koennen +erschwingen, und nicht Wunder ist, dass keine Barschaft, sondern dass +nicht mehr Schuld da ist."[576] + +Am meisten unzufrieden mit der gesamten Wirtschaft Katharinas war der +Kanzler Brueck, Luthers Gevattersmann. Brueck hatte schon 1536, als +Katharina das Gut Booss pachten wollte, ihr das nicht zukommen lassen, +aus Argwohn, sie wolle dies herrschaftliche Gut so unter der Hand +erblich an sich und ihre Kinder bringen, "welche Gedanken doch nie in +ihr Herz gekommen sind". Deshalb hatte sie auch den Landrentmeister +Taubenheim spaeter (1539), als das Gut wieder pachtfrei war, angegangen, +solchen ihren Antrag an niemand sonst, auch nicht an den Kurfuersten +(welchen dann Brueck um Gutachten gefragt haette) gelangen zu lassen, +sondern ihr's unter der Hand zukommen zu lassen, was dann auch geschah. +Brueck aeusserte sich auch sehr abschaetzig ueber Kaethes Unternehmungen auf +ihrem Lieblingssitz Zulsdorf und hielt diese kostspieligen +Verbesserungen fuer arge Verschwendungen. Er widersetzte sich endlich dem +Erwerb von Wachsdorf. Daher ist es begreiflich, dass auch Katharina auf +ihn uebel zu sprechen war, und ueberhaupt auf die fuerstlichen Amtleute, +welche scheel zu den Begnadigungen sahen, die sie vom Hofe erhielten, +und sogar sie darin verkuerzten. Als Luther ein Jahr vor seinem Tode von +Wittenberg wegziehen wollte, und seine Frau beauftragte, seine +Besitzungen in der Stadt zu veraeussern, da liess Melanchthon gegen Brueck +merken, dass eigentlich Katharina das "treibe" und dass es nicht das sei, +was Luther vorwende. Das berichtete der Kanzler dem Kurfuersten und fuegte +mit einer gewissen Schadenfreude hinzu: es gebe Gottlob keine Kaeufer fuer +so kostbare Haeuser und Gueter[577]. + +Als dann die kurfuerstliche Verordnung wegen "der Hochzeiten und +Kindtaufen" an Luther geschickt wurde, kamen Melanchthon und Bugenhagen +zu Brueck und zeigten an, Luther wolle sie weder sehen noch hoeren; zu Hof +haette man nur sein Gespoett damit. Daraus schloss Brueck, dass der Doktor +durch seine Frau aufgewiegelt werde. + +Es war also ein Zerwuerfnis zwischen dem Schwarzen Kloster und dem Hof, +das heisst zwischen Dr. Luther und Kanzler Brueck, der den "Hof" vertrat, +so dass Brueck gar nicht mehr persoenlich und direkt mit Luther +verhandelte, sondern die beiden Theologen sandte oder auch einen +Dritten[578]. Dieses Zerwuerfnis hatte dann noch seine weitere +Geschichte. + +Im Dezember 1545 schickte Brueck einen Zwischenhaendler ins Schwarze +Kloster "hinauf zu Sr. Ehrwuerden", um Luther zu bewegen, er solle aus +einer vom Hof bestellten Schrift eine politisch bedenkliche Stelle +auslassen. "Da war Frau Kaethe auch dabei und hat ihr Wort dazu gelegt +dergestalt: "Ei lieber Herr, sie lesen zu Hof nichts; das macht's, +wissen sie doch Euere Weise wohl u.s.w." Und Luther wurde ueber diese +Zumutung des Kanzlers zornig und wunderlich und sagte, er wolle es +kurzum nicht thun. Diese Rede Kaethes wurde natuerlich dem Kanzler +hinterbracht und er berichtete sie sofort samt den vorhergehenden +Beobachtungen dem Kurfuersten mit dem Zusatz: "Ich sorg, weil sich Doktor +Martinus in mehr denn einem Weg wider den Hof bewegt vermerken laesst, es +muss nochmals das Guetlein Wachsdorf dahinter stecken, und der gute, +fromme Herr durch die "Rippe" bewegt wird."[579] + +Das alles spielte kurz vor Luthers Tode; begreiflich, dass die +Verstimmung bei Brueck jetzt noch frisch und kraeftig nachwirkte. Auch +Melanchthon und Bugenhagen scheinen gegen die Doktorin eingenommen, wenn +man den Berichten von Brueck glauben soll. Es muss aber doch ausfallen, +dass ausser den Brueckschen Berichten keine Belege fuer Melanchthons und +Bugenhagens Feindseligkeit gegen Frau Kaethe bekannt sind; ja die +Fuersorge beider, namentlich Melanchthons und das Zutrauen Katharinas zu +diesem beweist eher das Gegenteil. Dennoch waere nach Bruecks Eingabe eine +voruebergehende Erregung der beiden alten Freunde gegen sie vorhanden +gewesen. + +Zunaechst freilich wirkte die Liebe und Verehrung, die der gewaltige und +gemuetreiche Mann genossen, auch noch auf seine Familie, insbesondere die +trauernde Gattin. + +Der Kurfuerst hatte einst vor neun Jahren in Schmalkalden an Luthers +vermeintlichem Sterbebett diesem versprochen: "Euer Weib soll mein Weib +sein und Euere Kinder sollen meine Kinder sein". Dessen gedachte er auch +jetzt nach des Doktors wirklichem Abscheiden und sandte an "die +Doktorin, Luthers liebe Hausfrau", jenes gnaedige Trostschreiben, worin +er sie und ihre Kinder seiner gnaedigen Fuersorge versichert[580]. Diesem +Versprechen kam nun auch der Fuerst getreulich nach, so lange er in +Freiheit war und es vermochte. + +Der Kanzler Brueck hatte in einer Nachschrift zu seinem Briefe an den +Kurfuersten vom 19. bemerkt: "Philippus hat mir gesagt, er habe der +Doktorin bereits vor 14 Tagen 20 Thaler zur Haushaltung leihen muessen. +E. Kf. Gn. wollen 14 Thaler verordnen zur Haushaltung und anderem, das +dieses Falles Notdurft wohl erfordern will. Der Allmaechtige wird es E. +Kf. Gn. reichlich vergelten!" Darauf sandte der Kurfuerst sofort am +folgenden Tag hundert Gulden mit einem Schreiben an Melanchthon; darin +heisst es: "Dieweil Wir auch vermerken, als solle gemeldten Doctor +Martini seligen Hausfrau und Witwe am Gelde Mangel haben, wie ihr denn +von Euch vor seinem Tode Fuersehung (Vorschuss) geschehen sein solle: als +schicken Wir Euch bei diesem Boten hundert Gulden. Davon wollet Euch des +Geldes, was Ihr geliehen habt, zuvor bezahlen und der Witwe die Uebermass +(den Ueberschuss) von Unserntwegen zustellen."[581] + +Und vielleicht nochmals zwei Tage nach der Beisetzung hat der Kurfuerst +die Witwe Luthers seiner besonderen Gnade und Fuersorge versichert. Auch +erbot er sich, ihren aeltesten Sohn an den Hof und in die kurfuerstliche +Kanzlei zu nehmen[582]. + +Auch die Freunde des Hauses nahmen sich der Witwe noch an. Melanchthon +erwies ihr eine kleine Aufmerksamkeit. Als er am 11. Maerz einen Hasen +und einen Pelz von Jonas erhielt, dachte er an das Mosesgesetz, dass den +Priestern, welche die Buerde der Kirchenregierung auf ihren Schultern +trugen, auch die Haut des Opfertieres gehoeren sollte, und damit an +Luther, der so lange Jahre auf seinen Schultern eine solche Last +Geschaefte getragen, und er schickte den Pelz und Hasen an Luthers +Witwe[583]. + +Jonas berichtet am 15. April an Koenig Christian III. von Daenemark ueber +Luthers Tod und fuegte die Bitte bei: "Bitt' unterthaenigst E.K.Maj. wolle +der Witwe Domini D. Martini seiner drei Soehne Martini, Pauli, Johannis +und eines Toechterlein Margret gnaedigster Herr sein."[584] + +Sogar der Herzog von Preussen schrieb an den Kurfuersten von Sachsen fuer +D. Martini seligen Witwe eine "Vorbitt", deren der Kurfuerst freundlich +eingedenk zu sein verheisst: "Dieweil Wir dem Doktor bei seinem Leben in +allem Guten geneigt gewesen, so achten Wir Uns auch schuldig, seine +nachgelassenen Kinder, seinen getreuen, fleissigen und christlichen +Dienst geniessen zu lassen, wie Wir sie auch samt der Witwe in gutem +Befehl habend."[585] + +Die Grafen von Mansfeld hatten Luther und seiner Familie fuer seine +Vermittlung 2000 fl. zugesagt und haben diese dann auch am 8. Mai 1546 +"Doktor Luthers nachgelassener Wittfrau und Kindern" verschrieben, zu +"Dankbarkeit solch christlichen Liebe und Erzeigung bemeldts D.M. +Luthers, dass er sich gutwillig gen Eisleben gefuegt und treumeinende +Handlung vorgenommen und also daselbst mit Friede sein Ende christlich +und seliglich beschlossen."[586] + +Endlich bestand noch ein Vermaechtnis des Kurfuersten Johann Friedrich von +1000 fl., welche Luthers Kindern ausgesetzt waren, und wovon einstweilen +die Renten ausbezahlt wurden, als eine Art Gnadengehalt fuer die +Waisen[587]. + +Der Witwe war in diesen Verschreibungen nicht gedacht. Dagegen hatte +Luther fuer seine Gattin schon vier Jahre vor seinem Tode ein Leibgeding +ausgesetzt. + +Luther hatte nun in bekannter Missachtung der Juristen und des +juristischen Formen-Krams dies Dokument absichtlich selbst aufgesetzt +und nur von seinen theologischen Freunden Melanchthon, Kreuziger und +Bugenhagen unterschreiben lassen, in der Meinung, da ihn so "viele in +der Welt fuer einen Lehrer der Wahrheit halten" trotz Papstes Bann und +des Kaisers, Koenige, Fuersten, Pfaffen, ja aller Teufel Zorn, so sollte +man ihm und seiner Handschrift auch in diesen geringen Sachen glauben." +Er schreibt darin: "Zuletzt bitt' ich jedermann, weil ich in dieser +Begabung oder Wibgeding nicht gebrauche der juristischen Formen und +Woerter (wozu ich Ursachen gehabt), man wolle mich lassen sein die +Person, die ich in Wahrheit bin, naemlich oeffentlich im Himmel, auf Erden +und in der Hoelle bekannt, der man trauen und glauben mag, mehr denn +keinem Notario."[588] + +Daraus ergiebt sich eine Missstimmung gerade gegen Brueck, der ja in +diesem Falle besonders haette gehoert werden muessen. Aber die +Rechtsgelehrten konnten dies Testament auch anfechten und scheinen dies +gethan zu haben eben darum, weil Luther in so geflissentlicher Weise die +verhassten Juristen uebergangen hatte. Waren doch die Juristen immer noch +bedenklich ueber die Rechtsgueltigkeit der Priesterehe und gar der Ehe von +Moenchen und Nonnen, also dass Luther fuerchten musste, dass sie seine "Ehre +und Bettelstuecke seinen Kindern nicht gedenken zuzusprechen". Da konnte +nur eine besondere Entscheidung der Staatshoheit der Witwe zu ihrem +Rechte verhelfen, wie auch Luther selbst in dem Testament vorgesehen +hatte: "Und bitt auch hiemit unterthaeniglich, S.K.G. wollten solche +Begabung oder Wibgeding schuetzen und handhaben."[589] + +Dies sog. "Testament" Luthers war eigentlich ein Leibgeding fuer seine +Hausfrau, ein "Weibgedinge", wie es herkoemmlich von Ehemaennern frueher +oder spaeter ausgestellt zu werden pflegte. Es hatte um so groessere +Bedeutung, als es fuer Beamten-, wie Professorenfrauen kein Witwengehalt +gab und das saechsische Erbrecht fuer Frauen so unguenstig war. + +Alle evangelischen Pfarrer der Reformationszeit, deren Besoldung sehr +unsicher, oft nur ein Gnadengehalt war, strebten deshalb danach, ihren +Frauen, wie Luther sich ausdrueckt, ein "Erbdaechlein und Herdlin", d.h. +Grundbesitz, zu verschaffen; und jeder Ehemann in Sachsen pflegte der +Ehefrau ein Leibgedinge zu verschreiben. "Wie wenige findet man," sagt +Luthers langjaehriger Hausgenosse Hieronymus Weller, als er Pfarrer in +Freiberg war und Weib und Kind hatte, "wie wenige findet man, die sich +kuemmern um Witwen und Waisen von verstorbenen Dienern der Kirche! Darum +folge ich Luthers Beispiele und kaufe ein Haus zur Zuflucht fuer die +Meinen in der Zukunft." So dachte auch Luther. Er aeusserte sich sehr +unzufrieden ueber das saechsische Recht wegen seiner Behandlung der +weiblichen Ansprueche. "Sachsenrecht", sagte er, "ist allzustreng und +hart, als das da anordnet, dass man einem Weibe nach ihres Mannes Tode +geben soll nur einen Stuhl und Rocken". Dies legte aber Luther so aus: +"_Stuhl_, das ist Haus und Hof; _Rocken_, das ist Nahrung, dabei sie +sich in ihrem Alter auch koenne erhalten; muss man doch Dienstboten +besolden und jaehrlich ihnen ihren Lohn geben, ja man giebt doch einem +Bettler mehr."[590] + +Demgemaess handelte nun auch Luther und schrieb--schon am Dreikoenigstag +1542--sein "Testament", d.h. das "Weibgeding" fuer seine Gattin[591]. + +"Ich, M.L.D. bekenne mit dieser meiner eigenen Handschrift, dass ich +meiner lieben u. treuen Hausfrauen Katherin gegeben habe zum Wipgeding +(oder wie man es nennen kann) auf ihr Lebenlang, damit sie ihres +Gefallens u. zu ihrem Besten gebaren muge, und gebe ihr das in Kraft +dieses Briefs, gegenwartiges und heutigen Tages: + +Naemlich das Guttlein Zeilsdorff, wie ichs bis daher gehabt habe. + +Zum andern das Haus Bruno zur Wohnung, so ich unter meines Wolfs Namen +gekauft habe. + +Zum dritten die Becher und Kleinod, als Ringe, Ketten, Schenkgroschen, +gulden und silbern, welche ungefaehrlich sollten bey 1000 Fl. werth seyn. + +Das thue ich darumb, + +Erstlich, dass sie mich als ein frum, treu ehelich Gemahel allezeit lieb, +werth u. schoen gehalten, und mir durch reichen Gottes-Segen fuenf +lebendige Kinder (die noch furhanden, Gott geb lange) geboren und +erzogen hat. + +Zum andern, dass sie die Schuld, so ich noch schuldig bin (wo ich sie nit +bey Leben ablege), auf sich nehmen und bezahlen soll, welcher mag seyn +ungefaehr, mir bewusst, 450 fl. mugen sich vielleicht wohl mehr finden. + +Zum dritten, und allermeist darumb, dass ich will, sie muesse nicht den +Kindern, sonder die Kinder ihr in die Haende sehen, sie in Ehren halten, +und unterworfen seyn, wie Gott geboten hat. Denn ich wohl gesehen und +erfahren, wie der Teufel wider diess Gebot die Kinder hetzet und reizet, +wenn sie gleich frum sind, durch boese und neidische Maeuler, sonderlich +wenn die Muetter Witwen sind, und die Soehne Ehefrauen, und die Toechter +Ehemaenner kriegen, und wiederumb socrus nurum, nurus socrum. Denn ich +halte, dass die Mutter werde ihrer eigenen Kinder der beste Vormund seyn, +und soelch Guttlein und Wipgeding nicht zu der Kinder Schaden oder +Nachtheil, sondern zu Nutz und Besserung brauchen, als die ihr Fleisch +und Blut sind und sie unter ihrem Herzen getragen hat. + +Und ob sie nach meinem Tode genoethiget oder sonst vorursachet wurde +(denn ich Gott in seinen Werken und Willen kein Ziel setzen kann) sich +zu voraendern: so traue ich doch, und will hiemit soelches Vertrauen +haben, sie werde sich mutterlich gegen unser beyder Kinder halten, und +alles treulich, es sey Wipgeding oder anders, wie recht ist, mit ihnen +theilen. + +Auch bitt ich alle meine gutten Freunde, sie wollten meiner lieben +Kaethen Zeugen seyn und sie entschuldigen helfen, wo etzliche unnutze +Maeuler sie beschweren oder verunglimpfen wollten, als sollt sie etwa +eine Barschaft hinter sich haben, die sie den armen Kindern entwenden +oder unterschlagen wuerde. Ich bin dess Zeuge, dass da keine Barschaft ist, +ohn die Becher und Kleinod, droben im Wipgeding erzaehlet. + +Und zwar sollts bey iedermann die Rechnung offentlich geben, weil man +weiss, wie viel ich Einkummens gehabt vom M. gestr. Herr, und sonst nicht +ein Heller noch Koernlein von iemand einzukummen gehabt, ohn was Geschenk +ist gewesen, welches droben unter den Kleinoden, zum Theil auch noch in +der Schuld steckt, und zu finden ist. Diess bitte ich darumb: denn der +Teufel, so er mir nicht kunnt naeher kummen, sollt er wohl meine Kaethe, +allein der Ursachen, allerley Weise suchen, dass sie des Mannes D.M. +eheliche Hausfrau gewesen, und (Gott Lob) noch ist."-- + +Ausser diesem Witwengut bestand das Lutherische Vermoegen aus folgendem: +dem Klosterhaus, hernach zu 3700 fl. verkauft, den beiden Gaerten zu 500 +fl., Hausrat und Bibliothek zu 1000 fl. zusammen 5200 fl. Das Leibgeding +der Mutter betrug im Verkaufswert 2300 fl., naemlich das Gut Zulsdorf 956 +fl., das Haus "Bruno" zu 343 fl., bisher "um einen liederlichen Zins" +vermietet, dazu noch die 1000 fl. Silbergeschirre; davon gingen +allerdings die genannten 450 fl. Schulden ab, wenn sie bei Luthers Tod +noch standen; diese Schulden machten ihr viel Sorgen; eine "Barschaft" +war--auch nach D. Bruecks Zeugnis "nicht da". Freilich Luther selber +hatte diesen Besitz viel hoeher angeschlagen; in der Schaetzung 1542 +berechnet er ihn auf 9000 fl. Das Einkommen aber aus allem schaetzt er +auf kaum 100 fl. Dazu kamen noch seit einiger Zeit 50 fl. jaehrliche +Rente, aus dem verschriebenen kurfuerstlichen Legate von 1000 fl. und +endlich noch 2000 fl. des Grafen von Mansfeld[592]. + +Das war wohl ein grosser, weitlaeufiger Besitz; aber er war wenig +eintraeglich; alles in allem warf er 250 fl. ab. Ob davon eine groessere +Familie ohne gar zu grosse Einschraenkung leben konnte? Die Kinder waren +noch alle unversorgt und unmuendig. Der aelteste Sohn Hans war 20 Jahre +alt, das juengste Toechterlein Margarete erst 11, Martin 14 und Paul 15. +Und die drei Soehne sollten nach Luthers Wunsch alle studieren: Hans nach +der Mutter Meinung die Rechte, Martin wollte Theologe werden, Paul hatte +sich schon mit des Vaters Beifall fuer die Medizin entschlossen. Zudem +war noch der alte lahme Famulus Wolf da, der als gewohntes Erbstueck mit +versorgt werden musste; er hatte zwar auf Luthers Ansuchen vom Kurfuersten +ein Stipendium von 40 fl. bekommen, dies aber ging in Luthers Haushalt +mit auf[593]. Man konnte Luthers Witwe, die einen so grossen und +gastfreien Haushalt gewohnt war, doch nicht zumuten, das alte liebe Haus +zu verlassen und sich in aermlichster Weise, etwa in die "Bude" Bruno +oder auf Zulsdorf zurueckzuziehen und die Kinder unter fremde Leute zu +geben. Brueck war freilich dieser Meinung. Frau Katharina dagegen wollte +alle Kinder bei sich behalten, was ja wohl auch das billigste war; sie +wollte ferner im Klosterhaus bleiben und Kostgaenger nehmen in noch +ausgedehnterem Masse wie bisher; sie wollte endlich nicht nur "die Boese" +(das Gut Booss), die sie etliche Jahre her zur Miete und um einen +"liederlichen Zins" innegehabt, ferner auch also behalten, sondern noch +ein weiteres landwirtschaftliches Anwesen erwerben, um ihre Einnahmen zu +vermehren[594]. Dies alles aus Fuersorge fuer sich und ihre Kinder; aber +auch, wie der Kanzler Dr. Brueck gewiss richtig versteht, "damit sie zu +thun, zu schaffen und zu gebieten genug hab, und ihr demnach an der +vorigen Reputation nichts abgehe". Namentlich war ihr das neue Landgut +angelegen: hatte sie ja fuer die Landwirtschaft besondere Neigung aus +wirtschaftlichem Interesse, aber wohl auch aus ihrem adeligen Bewusstsein +heraus. Schon vor mehreren Jahren naemlich war ihrem Gatten das grosse Gut +Wachsdorf zum Kaufe angetragen worden, welches eine Stunde von +Wittenberg, jenseits der Elbe, also viel guenstiger als das ferne +Zulsdorf gelegen, auch fruchtbarer und eintraeglicher, freilich auch +teurer war als dies. Das wurde ihr nun aufs neue angeboten[595]. + +Die Witwe fragte nun Melanchthon um Rat. Der sah fuer gut an, man sollte +den Kauf von Wachsdorf anlangend des Kurfuersten Rat und, wo dieser es +riete, seine gnaedige Hilfe erbitten. Sie aber wollte das schlechterdings +nicht haben--gewiss nur deshalb, weil sie von vorn herein wusste, dass der +kurfuerstliche Rat--der Rat Dr. Bruecks sei, dem die Sache zur +Begutachtung uebergeben wuerde und der dem Vorhaben Katharinas durchaus +entgegen war. Sie entwarf nun eine Eingabe an den Kurfuersten +dahingehend: Weil sie gedenke, das Gut Wachsdorf zu kaufen, so wolle +S.K.Gn. ihr dazu gnaedige Hilfe thun, und sie mit Vormuendern bedenken, +damit ihre Kinder und sie zu ihrer Unterhaltung bedacht werden moechten, +dieweil kein Geld, Gesinde oder Vorrat vorhanden, denn das Gut waere +nicht angerichtet (eingerichtet). + +Diese Bittschrift gab Frau Katharina Melanchthon zur Begutachtung. +Dieser brachte sie nun am Dienstag, 9. Maerz, abends in die Sitzung mit, +welche er, Bugenhagen und Kreuziger mit Brueck wegen des Regensburger +Religionsgespraeches bei dem Kanzler hielten, und gab sie--Brueck. Und der +Kanzler las sie nun "oeffentlich" vor. + +Als Bugenhagen den Plan Katharinas wegen Wachsdorf vernahm, rief er: "Da +hoert man wohl, wer alleweg nach dem Gut Wachsdorf getrachtet. Vorher hat +man's auf den Doktor geworfen, der wolle es schlechterdings haben; aber +jetzt merkt man wohl, wessen Getrieb es gewest." + +Darnach fielen allerlei Reden zwischen den vier Maennern und meinten +dieselben "fast insgemein": "Kriegte sie das Gut, so wuerde sie ein +solches Bauen darauf anfangen, zu ihrem und der Kinder grossem Schaden, +wie sie mit dem Gut Zulsdorf auch gethan, welches sie ueber 1600(!) +Gulden zu stehen kam und wollt ihr nicht gern 600 Gulden gelten[596]. +Weiter wurde bedacht: Wenn sie draussen (in Wachsdorf) bauen und wohnen +wollte, so wuerde sie die Soehne zu sich hinaus vom Studium abziehen, dass +sie junkern lernten und Voegel fangen[597]. Ferner ueberschwemme die Elbe +sofort und bedecke das Gut mehrern Teils mit Wasser; man koenne keinen +Keller bauen, es sei ueberhaupt "ein wuestes Guetlein". + +Aber Melanchthon, der das Ungehoerige seines Schrittes wohl einsah, bat, +man solle nicht ueber die Bittschrift verhandeln, sondern sie, wie sie +waere, an den Kurfuersten abgehen lassen; "die Frau liesse sich doch nit +raten, sondern ihr Gutduenken und Meinung muesse alleweg fuer ruecken". + +Brueck sagte: "Will sie um Vormuender bitten, so wird sie ja mit derselben +Rate handeln und vorgehen muessen. Und ich daechte, dass Kreuziger und M. +Melanchthon neben andern die besten Vormuender waeren; denn sie wissen ja +um des Herrn sel. Gelegenheit; die Kinder muessen ihnen auch des Studiums +halber vor anderen folgen." + +Aber die beiden schlugen die Vormundschaft "alsbald glatt ab", aus +Ursachen, dass "die Frau nicht folge und sie oft beschwerliche Reden von +ihr wuerden einnehmen muessen". + +Ferner liess sich Melanchthon vernehmen, dass sie der Kinder keins wolle +von sich thun, sondern dieselben sollten bei ihr in Wittenberg +unterhalten werden. Und wiewohl der aeltere Sohn Hans nicht ungeneigt +gewesen waere, auf des Kurfuerst gnaediges Erbieten gen Hof und in die +kurf. Kanzlei zu ziehen, so haette sie ihn doch (ab)wendig gemacht. +Man[598] habe von andern auch dergleichen gehoert, dass sie vorgaebe: es +waere ein alberner Gesell, man wuerde ihn in der Kanzlei nur aeffen und zum +Narren machen. Zum Studium tauge er nach Melanchthons Meinung gar nicht, +denn er waere zu gross und es fehlten ihm die Grundlagen. Endlich war der +Kanzler der Meinung, man sollte die Behausung des Klosters, diese +weitlaeufige Wohnung, verkaufen oder verlassen. Aber Melanchthon +erklaerte, dass "ihr Gemuet (Sinn) nicht waere", das zu thun, sondern sie +gedaecht es zu behalten, ingleichen auch das Gut Zulsdorf, selbst wenn +Wachsdorf dazu kaeme. + +So war--nach Bruecks Bericht--die Unterredung der vier Freunde und +Gevattern Luthers ueber seine Witwe. + +Melanchthon hatte also gegen den Willen der Frau Doktorin ihr Anliegen +dem Kanzler vorgetragen, dessen Dreinreden sie gerade--und mit gutem +Grund--vermeiden wollte; und er hatte auch noch allerlei muendliche +Mitteilungen gemacht, welche nicht dazu dienen konnten, die Stimmung der +Freunde gegen die Doktorin zu verbessern. + +Ohne von dieser Behandlung ihrer vertraulichen Mitteilung etwas zu +wissen, liess nun Frau Katharina ihre Eingabe durch den Hausfreund +Ratzeberger, den kurfuerstlichen Leibarzt, bei Hofe im Torgauer Schloss +einreichen. Es geschah am Mittwoch, und schon Donnerstag, 11. Maerz, +fordert der Kurfuerst den Kanzler Brueck in Wittenberg um ein Gutachten +ueber die Bittschrift Katharinas auf, die er seinem Schreiben beilegte. + +Das Gutachten des Kanzlers ist nun ein eigentuemlich gehaessiges +Schreiben. Brueck berichtet darin an den Kurfuersten zuerst die +vertrauliche Beratung der drei Theologen mit allen fuer Katharina +unguenstigen Bemerkungen derselben, und zwar, wie es scheint, verschaerft. +Haette das Melanchthon gewusst, so haette er's wohl unterlassen, Brueck "von +der Frauen wegen um sein Bedenken" zu bitten. Ferner erwaehnt der Kanzler +in dem Schriftstueck allerlei gehaessiges und sogar verlogenes Geschwaetz +"von andern". "Viel Leut wollen's dafuer halten, es werde endlich +schwerlich unterbleiben, dass sie sich wieder veraendern wird"--so wagt +Brueck drei Wochen nach ihres Gatten Tod von einer 47jaehrigen Frau zu +schreiben! und dies, obwohl er sich bewusst ist und ausdruecklich erklaert, +es sollte vermieden werden, dass "man mit der Frauen disputiere, ob sie +sich veraendern wird oder nit". Ferner berichtet er an den Kurfuersten: +"Man sagt mir, es hab ein jeder Knab einen eigenen Praeceptor und +Famulum"--hinterher stellt sich aber heraus, dass es bloss ein einziger +ist, Rutfeld, und ein gelehrter und treuer Geselle. Ebenso wird es +Uebertreibung sein, wenn er als "oeffentlich" hinstellt, was "des andern +Gesindes vorhanden ist"--wie sie naemlich "mit vielem Volk" (Gesinde) +ueberladen sei. Endlich giebt der Kanzler seiner Abneigung gegen die +Doctorin noch verschiedentlich klaren Ausdruck. Er nennt ihre Bitte +"stumpf und kurz"; er rechnet dem Kurfuersten _wiederholt_ vor, dass er +600 fl. Gnadengeld zur Erbauung des Gutes Zulsdorf gegeben und noch dazu +fuer 100 fl. Holz; er spricht die Verdaechtigung aus, welche doch auch Dr. +Luther traefe: "Der arme lahme Wolf ist auch noch da; wollt sie ihn bei +sich behalten und er bei ihr bleiben, so haett sie die vierzig Gulden +auch mit einzubrocken, wie denn bisher geschehen, dass der arme Mensch +derselben wenig genossen hat,--besorg ich", setzt er doch etwas +bedenklich hinzu. Das Gut Wachsdorf macht Brueck so schlecht wie moeglich +und meint, es "erobere" keine hundert Gulden Reinertrag, also nicht +einmal die Kapitalzinsen. Er verdaechtigt die Doctorin weiter, "es sei +ihren Kindern nichts nutz" und es sei ihr nur darum zu thun, teil zu +haben an dem Gut. Und sein ganzes Bestreben geht dahin, nur den Kindern +und immer den Kindern alles zugut kommen zu lassen und die Witwe vom +Besitz und Genuss auszuschliessen. Und weiterhin ist Bruecks Rat und +Absicht, "ihr die stattliche--ein andermal heissts: "grosse und +verthunliche"--Haushaltung zu brechen". Endlich geht er mit aller Macht +darauf aus, der Mutter die Kinder zu entziehen. Waehrend Luther in seinem +Testament zu seiner Gattin das gute Zutrauen hatte, "die Mutter werde +ihren eigenen Kindern der beste Vormund sein", erklaerte Brueck, wie es +scheint mit direkter Beziehung auf diese Meinung Luthers: "Nach +saechsischem Recht kann sie nit Vormund sein, dieweil sie bei ihrem +Witwenstand selbst Vormuender beduerftig; so waer es auch sorglich, da +(wenn) sich die Frau anderweit wuerde verehelichen." Am aergsten wohl +tritt er der Witwe zu nahe, wenn er ausfuehrt, die Knaben wuerden bei ihr +junkern und spazieren gehen und vom Studio abgezogen, sie muessten daher +"zu gelehrten Leuten gethan werden, vor denen sie Furcht und Scheu +haetten, bei welchen sie auch einen bequemen Tisch haetten"--als ob die +Kinder bei ihr--der "Erzkoechin"--sogar in ihrer leiblichen Pflege +versaeumt wuerden! Die einzige gegruendete Veranlassung zu dem Misstrauen in +Katharinas Erziehungskunst konnten doch nur die geringen Fortschritte +geben, die der wenig begabte Erstgeborne im Studium bisher gemacht. + +Fast eher wie boeses Gewissen sieht es aus, als wie Scheu vor Frau +Katharinas starkem Willen, wenn der Kanzler an den Kurfuersten schreibt: +"Nun waer ich in Unterthaenigkeit willig gewest, mit der Frauen selbst +oder dem Philippo von den Sachen auf E. Kurf. Gn. Befehl zu reden; so +hat mich doch dies abgescheuet, dass ich dazumal vom Philippo verstanden, +dass ihr Gemuet nit waere das Haus allhie zu verkaufen oder zu verlassen, +sondern gedaecht es zu behalten, ingleichen Zulsdorf und Wachsdorf; darum +des Verkaufens des Hauses gegen ihr nit zu gedenken sein wollte." + +Sachlich macht der Kanzler dem Kurfuersten nun folgende Vorschlaege: + +1. Damit die Domina nicht Ursache habe S.K.Gn. zu Unglimpf zu gedenken, +moege der Kurfuerst zu den bisherig verschriebenen 1000 fl. noch 1000 +fl.--aber nur fuer die Kinder--hinzuthun und beides zusammen mit 100 fl. +verzinsen, das auf das Maedchen (Margarete) fallende Viertel aber (500 +fl.) bis zu ihrer Verheiratung verpensionieren. + +2. Der Kurfuerst solle der Mutter und den Kindern besondere Vormuender +geben. Diese beiderseitigen Vormuender sollten dann das Eigentum der +Witwe und das der Waisen reinlich scheiden. + +3. "Darnach muessen die Vormuender beiderseits davon reden, wie, wovon und +welcher Gestalt die Kinder sollen unterhalten werden. Da wird sich denn +das Gebeiss zwischen der Frau und den beiderseitigen Vormuendern ergeben. +Denn der Kinder Vormuender werden sagen: es sei kein bessers, denn Hansen +den aeltern Sohn thue man gen Hof in E.K.G. Kanzlei; so moechte es sich +mit der Zeit also schicken, dass er zu etwas kaeme, so ihm sonst fehlen +moechte. Denn wenn ihm E.K.G. ein Stipendium verordnet und es wollt mit +dem Studium nicht fort, so wird es schimpflich, es ihm zu kuendigen. +Ferner werden sie sagen, dass mit den andern Knaben auch kein besser +waere, denn dass man sie von einander thaet und dass sie nit bei der Mutter +waeren." Dazu koenne ihnen der Kurfuerst noch ein weiteres Stipendium +geben. + +4. Das Toechterlein koenne man bei der Mutter lassen, und von den 500 fl. +30 fl. Rente geben, und wenn es nicht reiche: 40 fl. Davon koennte es die +Mutter mit einem kleinen Meidlein, das ihm aufwartet, wohl erhalten und +es von dem Mansfeldischen Geld- oder Zinsanteil mit Kleidung versehen. + +5. Auf diesem Weg wuerde der Frau ihre grosse und verthunliche Haushaltung +gebrochen werden und dem vorgebeugt, dass aus den Kindern "Junker und +Lappen" werden. + +6. "Wuerde die Frau unsern Vormuendern dann sagen: "Wovon solle sie denn +erhalten werden?", so koennten die Vormuender der Kinder erwidern: Sie +brauche mit ihrer Tochter nicht grosse Haushaltung, nicht viel Gesinde, +haette die Wohnung umsonst, koenne Kostgaenger halten, die Anwesen zum Teil +vermieten, brauen, den Genuss vom Garten, Hufen und Zulsdorf haben und +Anteil an den Mansfeldschen Kapitalzinsen. Auch koenne der Kurfuerst ihr +und der Tochter jaehrlich 2 Wispel Korn geben und vielleicht etliche +Klafter Holz. + +7. "Wenn sie (die Domina) vermerkte, dass E.K.G. den _Kindern_ bewilligen +wollte, Wachsdorf zu kaufen und dazu die 2000 fl. ausfolgen lassen, so +wird sie des Gutes bald vergessen und sich der Muehe und des Bauens nicht +wollen beladen, so sie nicht zum wenigsten die Haelfte daran +mitberechtigt wird." Es gebe auch jaehrlich kaum 100 fl. Reinertrag, und +habe dazu auch die Last eines halben Lehnspferdes. Darueber aber solle +der Hauptmann zu Wittenberg Asmus Spiegel befinden, ob das Gut mehr +eintrage als das Kapital. + +Der Kurfuerst war ruecksichtsvoller als sein Kanzler. Er schien dessen +Abneigung zu merken und ordnete in einem Schreiben an Brueck und +Melanchthon an, dass Vormuender fuer die Witwe und fuer die Waisen bestellt +wuerden, und verschrieb den Kindern noch 1000 fl.; ueber den Kauf von +Wachsdorf sollten die Vormuender befinden[599]. + +Zwar erbot sich Brueck, "hinauf zu fahren (zur Doktorin) und die +Anzeigung mit zu thun; Philippus aber meinte, es waere ohne Not, er wollt +es von unser beider wegen wohl ausrichten." Also ging Melanchthon am +Freitag frueh mit dem kurfuerstlichen Schreiben zu der Doktorin[600]. + +Sie bedankte sich bei ihm und dem Kurfuersten fuer die Begnadigungs-Zulage +zu gunsten ihrer Kinder und erklaerte dann folgendes: + +1. Sie wuensche fuer sich zu Vormuendern den jeweiligen Stadthauptmann von +Wittenberg und ihren Bruder Hans von Bora; fuer die Kinder des Doktors +sel. Bruder Jakob, den jetzigen Buergermeister Reuter von Wittenberg und +Melanchthon, Dr. G. Major lehnte sie ab; auch Kreuziger scheint sie +abgelehnt zu haben, welcher im vertrauten Briefwechsel mit Veit Dietrich +Kaethe eine "Hausfackel" genannt hatte. Sie erklaerte sich aber mit der +Vormundschaft des Kurfuerstl. Leibarztes Dr. Ratzeberger einverstanden, +der "seines Weibes halber selber der Freundschaft (= Verwandtschaft) +war."[601] + +2. Sie war einverstanden, dass die 1500 fl. vom Kurfuersten fuer ihre +_Soehne_ auf Wachsdorf angelegt wuerden. Der Kanzler hatte ihr also auch +darin Unrecht gethan, dass er meinte, die Domina wolle Wachsdorf nur oder +hauptsaechlich fuer sich haben und bewirtschaften, statt fuer ihre Soehne. + +Der Kanzler schlug nun dem Kurfuersten vor, Melanchthon "nicht mit der +Vormundschaft zu beladen, denn er ist fromm und wenig (gutherzig und +schwach), dienet nit dazu, da man der Frau wird sollen Oppositum +(Opposition) halten." Man solle die beiden Theologen Melanchthon und +Kreuzinger nur zu Mitvormuendern in Bezug auf die Erziehung der Kinder +machen, dass die Soehne zu "Gottesfurcht, Lehre, Zucht und Tugend moechten +gezogen werden".[602] + +So wurde es dann auch vom Kurfuersten angenommen und die Vormuender +bestellt, fuer die Kinder auch Kreuziger in Stellvertretung fuer +Ratzeberger, welcher nur bei den wichtigsten Verhandlungen abkommen +koennte[603]. + +Auch das Testament Luthers wurde, "nachdem Uns Unsre Liebe Besondere +Katharina, des Ehrwuerdigen und Hochgelehrten Unsers Lieben Andaechtigen +Ehr Martin Luthers, der hl. Schrift Doctors seligen nachgelassene Witwe +ihres Herrn Testament und Verordnung vortragen und bitten lassen"--zu +Judica vom Kurfuersten "gnaediglich bestaetiget und konfirmiret, ob es +gleich an Zierlichkeiten und Solemnitaeten, so die Rechte erfordern, +mangelhaft waere."[604] + +Nun gab es noch lange muehsame Verhandlungen zwischen dem Kanzler und +Kurfuersten einerseits und zwischen den Vormuendern und der Doctorin +anderseits wegen der Erwerbung des Gutes Wachsdorf und der Erziehung der +Kinder[605]. + +Der Kanzler riet energisch von dem Kauf des Gutes ab, aber noch +hartnaeckiger "arbeitete" Frau Katharina darauf, und erbot sich, ihren +Kindern zu gut sich mit dieser Sache zu "beladen"; denn sie verhoffte +daraus grosse Nutzniessung zu ziehen und versprach auch "keine +sonderlichen Gebaeude allda vorzunehmen". Darum haben die Vormuender "es +auch nit haerter bestreiten wollen und durch ihr Widerfechten das Ansehen +bei ihr haben, als wollten sie ihre Wohlfahrt hindern und des Herrn +(Luthers) Wohlthaten vergessen". "Also hat es die tugendsame Frau +Doctorin und die Vormuender neben ihr angenommen."[606] Das Gut kostete +aber 2200 fl. Weil das Mansfeldische Kapital erst in zwei Jahren fluessig +wurde, so gaben die Vormuender dem Kurfuersten zu bedenken, "dass um des +loeblichen Herrn Doctors willen der Witfrauen auch etwas zu willfahren +ist, und dass sie wahrlich zwischen Thuer und Angel stecken." Darum gab +der Kurfuerst die 2000 fl. her, darunter auch die 500 fl. der Margarete, +welche aber bis zu ihrer Verehelichung als Hypothek auf Wachsdorf +gestellt und mit 30 fl. verzinst werden mussten. Von den fehlenden 200 +fl. gab Melanchthon und ein Freund die Haelfte, um die andere ging er den +wohlhabenden Amsdorf an. Am Pfingstmontag (14. Juni 1546) zahlte der +Kanzler Brueck die 2000 fl. an die Vormuender Ratzeberger, Reuter und +Jacob Luther aus, und Frau Kaethe, die so "fleissig angehalten, dass +gemeldte Gabe in liegende Gueter umgewandelt werde", erbot sich, "dass sie +solche Gueter den vier Kindern zu Gute treulich und fleissig warten +wollte". Zur Verwaltung des Gutes haette sie freilich gerne noch einen +Teil des Mansfeldschen Kapitals gehabt und begab sich dieserhalb zu dem +Grafen, und wie es scheint, mit teilweisem Erfolg[607]. + +In aehnlicher Weise ging es auch mit der Erziehung der Kinder. Der +Kanzler drang zwar darauf, dass Johann in die kurfuerstl. Kanzlei kaeme und +die beiden andern, Paul und Martin, mit der Mutter Verwilligung weg zu +einem Magister in Wohnung, Kost und Unterricht, also zu fremden Leuten +gethan wuerden. Und so billigte es auch der Kurfuerst[608]. + +Damit musste auch die Witwe zufrieden sein und "ihr solches gefallen +lassen und sich mit den Vormuendern darueber vergleichen." So berichtete +wenigstens Brueck an den Kurfuersten. Nun ordnete der Kurfuerst auf den +Bericht des Kanzlers an, dass die Vormuender den aeltesten Sohn vor sich +forderten und an ihm vernaehmen, ob er im Studio fortzufahren geneigt und +wenn er jetzo dermassen geschickt, dass seines Studieren halber Hoffnungen +sei, so solle man es noch ein halb Jahr mit ihm versuchen; sollte er +aber dazu weder geschickt noch geneigt sein, so wolle der Kurfuerst ihn +auf seine Kanzlei nehmen. Die zwei jungen Soehne aber sollten "von der +Mutter zu einem tauglichen Magister oder Praeceptor gethan werden, bei +denen sie wesentlich sein und ihre um ein gleich (billiges) Geld Kost +haben oder irgendwo mit ihm zu Tisch gehen, bei denen sie auch eine +Scheu und Furcht haben und also in der Lehr und Zucht zum besten +aufgezogen werden und darinnen verharren." Mit dieser Entfernung der +Kinder aus dem Hause sollte nun auch zugleich die Haushaltung der Witwe +aufgeloest werden[609]. + +Dass diese Zumutungen bei Katharina einen grossen Kampf kosteten, laesst +sich denken. Wenn sie auch wohl zuerst bei dem gemeinsamen Ansturm aller +Freunde und Goenner diesen Plaenen nachgegeben hatte, jetzt, als sie zur +wirklichen Ausfuehrung kommen sollten, wehrte sich die Mutter mit aller +Macht dagegen. Vier Wochen dauerte der Kampf und--Katharina blieb +siegreich[610]. + +Die Vormuender Kreuziger, Melanchthon und Reuter nahmen auf des +Kurfuersten Befehl zuerst den aeltesten, Johann, vor. Sie stellten ihm +vor, dass S.K.Gn. geneigt waere, ihn in seine Kanzlei zu nehmen. "Dieweil +er denn in einem solchen Alter waere, dass er billig bedenken solle, was +er endlich vornehmen wolle: ob er bei dem Studio wollte bleiben oder +nicht, und die Vormuender ihn zur Kanzlei tuechtiger erachteten, so +wollten sie ihm gern dazu raten; zudem dass es an sich ein loeblicher und +nuetzlicher Stand sei, darin er zu Gottes Lob und zu gemeiner Wohlfahrt +dienen und seiner lieben Mutter, Schwester und Bruedern troestlich sein +koenne; er sollte daher dankbar das kurfuerstliche Anerbieten annehmen und +diesen Stand nicht ausschlagen." + +Darauf folgte eine lange Hin- und Widerrede und eine schriftliche +Antwort von Hans des Inhalts: "Ehrwuerdige, liebe Herren! Des Durchl. +Kurf. Befehl meine Person anlangend habe ich in Untertaenigkeit und +dankend angehoert. Nun versteh ich wohl, dass der Stand in der Kanzlei ein +sehr ehrlicher (ehrenvoller) Dienst ist, ich weiss aber, dass mein lieber +Vater vor dieser Zeit nicht hat willigen wollen, dass ich ausser der Schul +ziehen soll. So wollt ich gern laenger studieren. Ich will mich auch +durch Gottes Gnade in allem Gehorsam und Unterthaenigkeit gegen Gott, S. +Kurf. Gn. und meiner lieben Mutter allezeit halten. Und bitte, S. Kurf. +Gn. wollen mir gnaediglich zulassen, noch ein Jahr in artibus ("in den +freien Kuensten") zu studiren, mich in lateinischer Schrift besser zu +ueben. Und so ich alsdann zu einer Fakultaet tuechtig, wollt ich lieber +procediren (fortfahren) im Studio; so mich aber S.K.Gn. alsdann +gnaediglich gebrauchen wollten, stelle ich dasselbe auch zu S.K.Gn. in +Unterthaenigkeit. Johannes Lutherus." + +Weiterhin forderten die Vormuender den jetzigen Praezeptor der zwei jungen +Knaben, Ambros Rutfeld, vor und erkundigten sich nach den Knaben. Des +einen, Martin, Schrift sahen sie an und befanden ihn wohl studiert; Paul +war etliche Wochen krank gewesen, erwies sich zur Musik geschickt, der +Grammatik aber nicht so faehig. + +Dann zeigten die Vormuender der Mutter Sr. Kurf. Gn. "gnaediges Gemuet an, +dass sie zum Studio treulich und fleissig angehalten und mit Lehr und +Wohnung bei einem Magister in der Stadt bestellet wuerden." + +Die Mutter gab folgende Antwort: "Sie zweifle nicht, S. Kurf. Gn. meine +dieses gnaediglich, und sie danke unterthaenig. Aber sie bitte zu +bedenken, weil der juengste oft schwach (krank) sei, dass er an andern +Oertern nicht besser sein koenne, denn bei der Mutter. Zudem so seien +allhie die Magistri also beladen (uebersetzt) in ihren eigenen Wohnungen, +dass die Kinder ohne Faehrlichkeit ihrer Gesundheit nicht wohl bei ihnen +zu bestellen seien. Auch moechten sie unter dem fremden ungleichen jungen +Volk eher in boese Gesellschaft geraten, denn bei ihr, dieweil sie doch +aus dem Haus ohne ihre Erlaubnis nicht gehen duerften." + +Diese Gruende erkannten die Vormuender an; und weil nun die Soehne nicht +von der Mutter kommen, sondern weiter bei ihr bleiben sollten, so +erheischte auch der Kinder und der Witwe Notdurft nicht mehr, dass die +Haushaltung eingezogen und vergebliche Kosten abgeschnitten wurden. Die +Vormuender brachten darum auch den weiteren kurfuerstlichen Auftrag gar +nicht zur Verhandlung, "dass das unnoetige Gesinde hinweg gethan wurde und +von dem jaehrlichen Einkommen die Witwe und Kinder ihre Haushaltung +bequemlich haben, auch darueber nicht in Schulden gedeihen moechten." Die +Vormuender erklaerten vielmehr dem Kurfuersten, die Knaben seien jetzund +mit einem gelehrten treuen Gesellen bestellet, sie wollten auch selber +ein Aufsehen auf Martini Studio haben, haetten auch bereits das Noetige +angeordnet. Und sie trugen darum auch um so lieber auf den Ankauf des +Gutes Wachsdorf an. Demgemaess entschied nun der Kurfuerst mit Ratzebergers +Zustimmung: er wolle es bei dem Entschlusse Hansens bewenden lassen; sei +auch einverstanden, dass er und seine Brueder nun bei der Mutter blieben, +versehe sich aber nun, dass des Doktors sel. Soehne alle drei unter dem +Hauslehrer und der Vormuender Aufsicht zu Zucht, Tugend und Lehre mit +Fleiss angehalten wuerden, ihnen auch nicht viel versaeumliches Spazierens +verstattet werde. "Denn Wir wissen, dass des Doktors Gemuet mit hoechster +Begierde dahin gerichtet gewest, dass seine Soehne studieren sollten." Von +einer Einschraenkung oder Ausloesung der Haushaltung war nicht mehr die +Rede. + +So hatte Frau Katharina schliesslich doch ihr "Gemuet" durchgesetzt: das +alte, liebgewordene, durch so viele grosse Erinnerungen geheiligte +Klosterhaus blieb ihr Besitz und ihr Wohnsitz, die Kinder durfte sie +alle um sich haben und Wachsdorf wurde den Soehnen zu teil als ein +rittermaessiges Mannlehen; und damit hatte sie die Genugthuung, dass ihre +Kinder wieder ein edelmaennisches Erbgut besassen, nachdem der adelige +Besitz ihrer eigenen Familie voellig zerstoben war. + +Die Familie blieb also im Klosterhause beisammen. Hans besuchte die +Kollegien und die beiden Knaben lernten bei ihrem Praezeptor Rutfeld. Das +Toechterlein wurde von der Mutter erzogen. + +In der ersten Trauerzeit hatte die Frau Doktorin unmoeglich ihren grossen +Haushalt und Kosttisch mit den vielen fremden Tischgenossen weiter +fuehren koennen. So waren manche ausgezogen. M. Besold z.B. bat +Melanchthon, ihn aufzunehmen. Frau Katharina kam auch wohl wegen der +ungewissen Zukunft ihrer Lage nicht so bald dazu, den Kosttisch wieder +im alten Umfang anzufangen. + +Der lahme alte Wolf, der Famulus des Doctors, war auch noch da. Die +Vormuender mussten hoeren, ob er noch laenger bei der Frau bleiben, auch ob +sie ihn behalten wollte oder nicht. Wahrscheinlich ist er, der so sehr +mit dem Klosterhause verwachsen war, doch geblieben, obwohl er einmal +auf eine fruehere gleiche Anfrage Luthers, ob er bei seiner Frau bleiben +wolle, ausweichend geantwortet hatte, wenn Luther sterbe, moechte er am +liebsten auch selber gleich begraben werden, und Frau Katharina wird ihn +auch behalten haben; abgesehen von den 40 Gulden Pension, die sie, wie +Kanzler Bruck meinte, "mit einbrocken" konnte, war er doch zu sehr +eingeweiht in alle Verhaeltnisse des Hauses, und Frau Kaethe behielt ihn, +wenn er auch nicht nur lahm, sondern nach Luthers Zeugnis auch +nachlaessig, bequem und gedankenlos war und am liebsten am Vogelherd sass. + +Das uebrige Gesinde wird wohl beschraenkt worden sein, wie der Kanzler und +der Kurfuerst verschiedentlich betont hatten. Denn auch die +Gastfreundschaft war in dem Klosterhause nicht mehr in dem alten Umfang +noetig: die Besuche, Feste, Tischgesellschaften der zahlreichen Freunde +und Bekannten, der fluechtigen und Bittsteller, der Gesandtschaften und +Studierenden liessen nach oder hoerten ganz auf. Aber freilich neue Muehe +und Arbeit erwuchs der Doktorin in dem neuen Landgut, zumal da jetzt die +Heu- und Fruchternte bevorstand. Doch solche Arbeit war der +thatkraeftigen Domina eine Lust und Freude. Neben der Landwirtschaft +betrieb Frau Kaethe jetzt ihre "Tischburse" weiter. Es starb ihr aber +leider gar bald am 30. Mai ein junger Tischgeselle Weidhofer aus +Oesterreich hinweg[611]. + +Die eben Witwe gewordene hatte auch selber zu sorgen fuer eine andere +Waise, ihren Neffen Florian. Die Mutter desselben hatte sie angegangen, +dem jungen Studenten namentlich mit Buechern nachzuhelfen; sie meinte +wohl--irrigerweise--, das koennte aus der Bibliothek Luthers geschehen +oder durch Buecher von einem abgehenden oder verdorbenen andern +Tischgenossen, wie das ja vorkam. Frau Kaethe schreibt da ihrer +Schwaegerin: + +"Was Euern Sohn, meinen lieben Ohmen antrifft, will ich gerne thun, so +viel ich kann, wenn es allein sollt an ihm angelegt sein. Wie ich mich +denn gaenzlich versehe, er werde dem Studieren mit allem Fleiss folgen und +seine koestliche, edle Jugend nicht unnuetzlich und vergeblich zubringen. +Wenn er aber in seinem Studieren ein wenig besser zunehmen und nun +andere und mehr Buecher bedarf, sonderlich so er die Rechte studieren +sollte, koennt Ihr, liebe Schwester, selbst gedenken, dass ich ihm solche +Buecher, die er dazu bedarf, nicht werde geben koennen. Und (er) wird ein +wenig einen groessern Nachdruck muessen haben, damit er sich das Ding +alles, was dazu gehoert, schicken kann. Waer' derhalben sehr vonnoeten, +dass, wie Ihr mir schreibet, Euren Sohn, meinem lieben Ohmen, ein +jaehrlich Geld zum Stipendio gegeben wuerde. Also koennte er desto besser +beim Studieren bleiben und seinem Ding leichtlicher nachkommen.--Von dem +allem aber, das ich bei ihm thun kann, will ich Euch bei (durch) meinem +Bruder Hans von Bora, alsbald er hieher zu mir kommen wird, weiterm +Bericht und Bescheid geben."[612] + +Dies Stipendium erhielt auch Florian mit Hilfe Katharinas[613]. + +Zu Ostern kam also Bruder Hans von Krimmitschau, wo ihm vom Kurfuersten +die Karlhause als Rittergut um maessigen Kaufpreis ueberlassen worden war, +zu Besuch bei der verwitweten Schwester. Freilich helfen konnte Hans von +Bora auch nicht eigentlich, am wenigsten mit handgreiflicher +Unterstuetzung; denn er hatte selbst mit Sorgen der Nahrung und des +Lebens zu kaempfen. + +Dagegen wandten sich die Freunde der Lutherschen Familie, besonders +Bugenhagen, der Reformator des Nordens, wiederholt an den alten Goenner +D. Luthers, den Koenig Christian III. von Daenemark. Nachdem zu Pfingsten +auf Jonas' allgemeines Schreiben noch keine Antwort eingetroffen war, +schrieb der Dr. Pommer am 5. Juni bestimmt und deutlich: "Der Herr +Philippus und ich bitten, E.M. wolle unsern Sold (100 Thlr.) und 50 +Thaler, die noch gehoeren in diesem Jahr unserm lieben Vater Doctori +Martino (welchen Christus herrlich hat aus diesem Jammerthal zu sich +genommen vor einem Vierteljahr) geben diesem Herrn Christophero, Ritter, +an uns zu bringen. Die fuenfzig Thaler wollen wir Doctor Martini Weib und +Kindern verantworten."[614] + + +Bald darauf kam die koenigliche Antwort auf D. Jonas' Brief: "Wir wollen +auch Uns des seligen und teuern Mann Gottes nachgelassene Witwe und +Kinder gnaedigst befohlen sein lassen." Aber der faellige Sold kam nicht, +so dass Bugenhagen im Herbst (am 15. Nov.) nochmals eine deutliche +Mahnung an den Koenig abgehen liess: "Ich habe Ew. Koenigl. Majestaet +fleissig geschrieben um Pfingsten bei Ehr Christoffer, Ritter aus +Schweden, von unserm Solde, welchen Ehr Christoffer wollt uns hieher +bringen, auch gebeten fuer D. Martini nachgelassene Witwe dass sie diesmal +noch die fuenfzig Thaler moechte kriegen aus Gnaden E.K.M. Aber Ehr +Christoffer ist nicht wieder kommen, hat mir auch gar nicht +geschrieben."[615] + +So harrte Frau Katharina vergeblich auf diese Beisteuer und sie haette +sie doch so noetig gehabt. Denn mittlerweile war aufs neue grosses Unheil +ueber Wittenberg und das Klosterhaus hereingebrochen. + + + + +17. Kapitel. + +Krieg und Flucht. + + +Die Witwe konnte sich kaum in ihren neuen Stand einleben, da nahte schon +das Unglueck, das Luther vorausgesehen und vorausgesagt: es kam der +Schmalkaldische Krieg und mit ihm Verwuestung, Pluenderung, Flucht, Elend +ueber Frau Katharina. + +Die Ereignisse folgten sich rasch im Fruehling und Sommer: die +Protestanten verwerfen das Tridentinische Konzil; der Regensburger +Konvent verlaeuft ohne Ergebnis; der evangelische Erzbischof Hermann von +Koeln kommt in Bann. Herzog Moriz verbuendet sich mit dem Kaiser; das +protestantische Oberdeutschland greift zu den Waffen, dann auch +Kursachsen und Hessen; die beiden Fuersten werden geaechtet, der Krieg +erklaert und der Papst ordnet Gebete an fuer Ausrottung der Ketzer. Schon +zehn Tage vorher am dritten Sonntag nach Pfingsten hoerte Frau Katharina +in der Kirche zu Wittenberg das evangelische Kriegsgebet und flehte mit +besonderer Inbrunst um Hilfe in dem Gewaltkampf, der gegen ihres seligen +Mannes Werk entbrennen sollte: "Dieweil Du siehst die grosse Not unserer +Herrschaft, unser aller: Mann, Weib und Kinder, und dass unsre Feinde +fuernehmlich suchen Vertilgung rechter Lehre und Aufrichtung und +Bestaetigung ihrer schaendlichen Abgoetterei: so bitten wir Dich, Du +wollest um Deiner Ehre willen unsre Herrschaft, unsere Kirchen, uns, +unsere Kinder und Haeuslein gnaediglich schuetzen und bewahren, wie Du Dein +Volk Israel im Roten Meer erhalten und geschuetzet hast, und wollest der +Feinde Macht zerstoeren und die moerderische fremde Nation ihre Unzucht +und Grausamkeit nicht an unsern Weibern und Kindern ueben lassen." Und +Melanchthon gab die "Warnung D. Martini Luther an seine lieben +Deutschen" in Kriegsgefahr aufs neue heraus[616]. + +Sorge und Schrecken verbreitete sich in Wittenberg als der Hauptfestung +Kursachsens und dem geistigen Hauptbollwerk des Protestantismus, und +ganz besonders im Schwarzen Kloster, von dem aus der Sturm gegen das +Papsttum begonnen war. + +Im Sommer kamen unter Hauptmann von Mila viele gute Kriegsknechte in die +Stadt, auch viel Proviant, Buechsen und Pulver. Die einen waren +ordentlich und fromm, andere lebten roh und prassten. Die Buerger zogen +mit den Kriegsknechten auf die Wache, ergriffen Spiesse, Hellebarden und +Arkebusen und bezogen die Schanzen, Hans Lufft, der Drucker mit seinen +Gesellen, den grossen Berg, wo die "Singerin", ein grosses Geschuetz, +aufgestellt war. Eine spaetere Nachricht erzaehlt, dass auch Hans Luther +als Faehnrich in den "kaiserischen Elbkrieg" gezogen sei[617]. + +Alles war in Aufregung, namentlich als Herzog Moriz von Sachsen, dem +schon Luther Verrat an der evangelischen Sache zugetraut hatte, sich auf +die Seite des Kaisers schlug und in Kursachsen einfiel, von den Welschen +und "Hussern" des Koenigs Ferdinand begleitet[618]. + +Die Universitaet begann sich zu zerstreuen aus Furcht vor Belagerung. Der +Krieg naeherte sich. Am 6. November wird Zwickau umzingelt, daher die +Hochschule aufgeloest. Am 9. kommt die Kunde, Zwickau sei an Moriz +uebergeben und das feindliche Kriegsvolk ziehe auf Wittenberg heran. +Jetzt fluechtete alles, was konnte, aus der festen Stadt: Greise, Weiber, +Kinder, nach allen Richtungen in zahllosen Wagen, waehrend der fallende +Winterschnee Menschen, Tiere und Gefaehrte bedeckte. Nur Pfarrer und +Schulmeister blieben zurueck von den Beamten[619]. + +Frau Kaethe hatte schon vor vierzehn Tagen ihren Wagen einspannen und +ausser ihren Kindern das Wertvollste und Notwendigste an Hab und Gut +aufladen lassen. Auch der Neffe Fabian Kaufmann und wohl noch andere +Verwandte und Tischgenossen waren bei dem traurigen Zug; der Famulus +Wolf aber blieb zur Hut des Hauses zurueck. Die Flucht ging ueber Dessau +und Zerbst nach dem festen Magdeburg, wohin sich die meisten Professoren +begaben; nur Melanchthon blieb mit seiner Familie in Zerbst, wo er einen +kleinen Schuelerkreis sammelte, kam aber oefters nach Magdeburg herueber. +Fabian wurde spaeter nach Wittenberg zurueckgeschickt, wo neben Kreuziger +und Bugenhagen auch Paul Eber verblieben war, der sich des jungen +Menschen annehmen konnte; wahrscheinlich sollte Fabian in der Stadt mit +Wolf Sieberger auf das Schwarze Kloster und den Lutherischen Besitz +achtgeben. + +Bald kam die betruebende Kunde von Wittenberg: "Man hat (am 16. November) +die Vorstaedte samt allen Gaerten und Lusthaeusern weggebrannt, die Aecker +verwuestet und ist den armen Leuten wohl eine Tonne Goldes Schaden +geschehen und ein grosser Jammer." Dann kam Moriz mit seinen Meissnern und +mit Koenig Ferdinands "Hussern", und sie streiften bis an die Mauern der +Stadt und schrieen hinein. Herzog Moriz, des "Teufels Ritter und +Soldat", berannte die Stadt am 18. November. Da hiess es nach dem Liede: + + Zu Wittenberg auf dem hohen Wall + Hoert man die Buechsen krachen. + +Der Sturm wurde abgeschlagen, aber die "Hussern" pluenderten und +schaendeten in der Umgegend[620]. + +Indessen diesmal ging die Belagerung Wittenbergs rasch vorueber; denn +Moriz wurde um Weihnachten von dem aus Sueddeutschland herbeigeeilten +Kurfuersten zurueckgetrieben. Jedoch der Krieg in Sachsen dauerte fort und +an eine Heimkehr nach Wittenberg war nicht zu denken; nur Melanchthon +war einmal Mitte Januar 1547 dort[621]. + +Der Aufenthalt in Magdeburg war nichts weniger als behaglich, Unterkunft +war gar schwer zu finden; dem Stadtrat war die Masse der Schueler +unbequem. Die Nachbarschaft, besonders die Halloren, waren gegen sie +aufgebracht und bedrohten sie. Daher suchten die Professoren andere +Stellungen, namentlich Major mit seiner zahlreichen Familie[622]. + +In dieser Zeit der Not kam eine Huelfe, die fast nicht mehr erwartet war. +Die 50 Thaler, um welche Bugenhagen den daenischen Koenig fuer Luthers +Witwe schon zu Pfingsten und dann nochmals nach der Flucht der Witwe +geschrieben hatte, waren bis jetzt nicht gekommen. Nun aber am 10. +Januar 1547 wurden die gewaehrten 150 "Joachimer" durch Vermittelung des +Hamburgers Mueller an Professor Veit Winsheimer, welcher bei dem ehrbaren +Herrn Emeran Tucher zu Magdeburg wohnte, geschickt, und Frau Katharina +empfing erfreut ihren Anteil[623]. Und nicht lange darauf kam wieder ein +Bote mit 50 Thalern und einem gnaedigen Schreiben an "Doktor Luthers +Witwe": + +"Unsern gnaedigsten Gruss zuvor. + +Ehrbare und viel Tugendsame, Liebe, Besondre! + +Nachdem Wir berichtet, dass Ihr in jetzigen gefaehrlichen Zeiten neben +anderen aus Wittenberg nach Magdeburg gewichen, haben Wir nicht +unterlassen wollen an Euch zu schreiben, Euch Unsern gnaedigsten Willen +und Neigung zu vermelden. Und als Ihr dermassen Eure Haushaltung und Euch +an fremden Orten unterhalten muesst, worueber wir ein besonders Mitleid +haben, schicken Wir Euch bei gegenwaertigem Boten, dem alten Schlesier, +zu Eurer Haushaltung fuenfzig Thaler; die wollet zu Gefallen annehmen und +Unsere gnaedigste Neigung daraus vermerken. Wir wollen auch jederzeit +Euer gnaediger Herr sein und Uns gegen Euch zu erzeigen wissen. Wollten +Euch solches gnaedigst nicht vorenthalten und sind Euch mit Gnaden und +allem Guten geneigt."[624] + +Frau Katharina schrieb dafuer ihren Dankesbrief: + +"Gnad und Friede von Gott dem Vater durch seinen eingeborenen Sohn +Christum Jesum. + +Durchlauchtigster, grossmaechtigster Koenig, gnaedigster Herr! + +E.K.M. sei mein andaechtig Gebet gegen Gott dem Herrn vor (fuer) E.K.M. +und aller der Ihren Wohlfahrt und glueckselig Regiment allzeit mit hohem +Fleiss zuvoran bereitet. Gnaedigster Herr! Nachdem ich in diesem Jahre +viel grosse und schwere Bekuemmernis und Herzeleids gehabt, als da +erstlich mein und meiner Kinder Elend mit Absterben (jedoch seliger und +froehlicher Heimfahrt zu unserm Heiland Christo Jesu) meines lieben +Herrn, welches Jahrzeit jetzt den 18. Februarii sich nahet, angangen; +darnach auch diese faehrliche Kriege und die Verwuestung dieser Laender +unsers lieben Vaterlandes gefolget und noch kein Ende dieses Jammers und +Elends zu sehen: ist mir in solchem Bekuemmernis ein grosser und hoher +Trost gewesen, dass E.K.M. beides, mit gnaedigster Schrift und +Uebersendung der funfzig Thaler zu bequemer Unterhaltung meiner und +meiner Kinder, auch ferner E.K.M. gnaedigster Erbietung, Ihre gnaedigste +Neigung gegen mir armen verlassenen Witfrau und meiner armen Waisen +vermeldet; welches auch vieler andern zuvor gnaedigst erzeigten Wohltaten +halber gegen E.K.M. ich mich unterthaenigst bedanke; verhoffend, Gott der +Herr, welcher sich einen Vater der Witwen und Waisen nennet, wie ich +denn taeglich zu ihm bitte, werde solches E.K.M. reichlich belohnen; in +welches gnaedigen Schutz und Schirm E.K.M. und Ihr Gemahl, meine +gnaedigste Frau Koenigin, und die ganze junge Herrschaft samt Ihren Landen +und Leuten hiemit und allezeit fleissig thue befehlen. + +Geben zu Magdeburg, den 9. Februarii A.D. XLVII. + + E.K.M. + + gehorsame + Katharina Lutherin, + seliger Gedaechtnis Doctoris + Martini Luthers + verlassne Witfrau."[625] + +Die so Beglueckte dachte aber auch an andere Hilfsbeduerftige, an den +Amtsgenossen ihres Gatten, D.G. Major, der mit seiner grossen +Kinderschaar in dieser schlimmen Zeit sich vergeblich nach einer +Stellung umsah. Frau Katharina legte in diese Danksagung als Beilage +noch eine Fuerbitte ein: + +"Gnaedigster Herr! Nachdem ich erfahren, was vor gnaedigste und +christliche Neigung E.K.M. gegen den (die) Theologen der Universitaet zu +Wittenberg tragen und mein lieber Herr seliger Gedaechtnis Doctor Georgen +Major stets nun ueber zwanzig Jahre als seinen Sohn gehalten und lieb +gehabt, welcher zu dieser Zeit allhie bei mir im Elend samt zehen +lebendigen Kindern: will E.K.M. gedachten Doctor ich mich unterthaenigst +befohlen haben bittend, E.K.M. wollen ob solchem kein ungnaedigst +Gefallen haben. Denn Theologi je mit Weib und Kindern sonderlichen zu +diesen jaemmerlichen Zeiten, betteln muessen, wie ich schier selbst +erfahren, da sie nicht von Fuersten und Herren ihre Errettung und +Unterhaltung haben werden." + +Zu Ostern erhielt nun auch D. Major "auf der tugendsamen Frauen +Katharina, des seligen und loeblichen Gedaechtnis Doctoris Martini Luthers +verlassenen Witfrauen Vorschrift und Vorbitte 50 Thaler bei dem +Schlesiger gnaediglich ueberschickt"[626]. + +Da es mit der Einnahme Wittenbergs durch Moriz nichts geworden, so war +mittlerweile die tapfere Frau Katharina wieder nach Wittenberg +zurueckgekehrt, aber ihres Bleibens war nicht lange dort. Denn der Kaiser +Karl und sein Bruder Ferdinand kamen aus Sueddeutschland und Boehmen mit +ihren Spaniern und Italienern, Boehmen und Ungarn ihrem Verbuendeten Moriz +zu Hilfe und es stand eine neue Belagerung Wittenbergs bevor, die +diesmal ernstlich und gefaehrlich werden sollte. Und jetzt musste Frau +Katharina erst recht fluechten, denn ueberall hin verbreitete sich die +Kunde von den unerhoerten Greuelthaten und Grausamkeiten der fremden +Voelker, sogar gegen unschuldige Kinder: "sie raubten, mordeten, +pluenderten, schaendeten Frauen und Jungfrauen und warfen Kinder auf der +Gasse ueber die Zaeune". Namentlich aber wueteten Spanier und Italiener +gegen die evangelischen Geistlichen und ihre Familien. Dem Pfarrer in +Altenburg entfuehrten sie zwei Toechter, den von Kemberg bei Wittenberg +ermordeten sie[627]. Da hiess es: "Die ungarischen Raeuber, gemeiniglich +Hussirer genannt, sind ein raeuberisch und unbarmherzig Volk; bei Eger +hieben sie den Kindern die Haende und Fuesse ab und steckten sie als +Federbuesche auf die Huete". So erzaehlte man, und Melanchthon schrieb: +"Ihr Fuehrer Lodran (Lateranus) sagte, er werde nach Eroberung unserer +Stadt Luthers Leib ausgraben und den Hunden vorwerfen lassen; und redete +namentlich davon, mich in Stuecke zu hauen." Oder gar: "Man werde Luthers +Gebeine ausgraben und verbrennen, die Staette, wo er geruht, zerstoeren +und die Stadt schleifen, Melanchthon erwuergen und D. Pommer zerhacken, +dass man sich mit den Stuecken werfen moechte." Deshalb setzte Melanchthon, +welcher zu Anfang 1547 wieder in Wittenberg weilte, fuer die dortigen +Pfarrfrauen eine Bittschrift an den Kaiser auf[628]. + +Frau Katharina hielt in Wittenberg aus, so lange als moeglich. Da aber +kam am Ostertag morgens in aller Fruehe die schreckliche Kunde, dass am +Karsamstag 24. April der Kurfuerst Johann Friedrich von der kaiserlichen +Uebermacht auf der Lochauer Heide geschlagen und gefangen worden sei und +das feindliche Heer sich gegen Wittenberg heranwaelze. Hals ueber Kopf +musste nun Luthers Witwe aufs neue ins Elend" ziehen[629]. + +So kam sie ploetzlich wieder nach Magdeburg und bat die Freunde, +besonders Melanchthon als Vormund ihrer Kinder unter Thraenen, ihnen ein +Nest zu suchen. Am liebsten waere sie nach Daenemark gegangen, zu dem +einzigen Fuersten, der sich ihrer anzunehmen versprochen hatte, nachdem +von dem ungluecklichen Kurfuersten nichts mehr zu erwarten stand. Sie bat +zunaechst, sie nach Braunschweig fuehren zu lassen. Die Theologen +schienen, als sie die Truemmer des geschlagenen kursaechsischen Heeres +durch Magdeburg ziehen sahen, sich auch nicht mehr in Magdeburg sicher +zu fuehlen, und Melanchthon und Major mit ihren Familien zogen samt der +Lutherischen ueber Helmstaedt nach Braunschweig. In Helmstaedt wurden sie +vom Stadtrat freigebig bewirtet. In Braunschweig brachte Melanchthon die +beiden anderen Familien bei dem evangelischen Abt unter, waehrend er fuer +sich selbst recht lange sich nach einer kleinen Wohnung umthun musste. Er +wurde als begehrter Professor von den verschiedensten Fuersten +eingeladen; aber um Luthers Witwe kuemmerte sich niemand: sie konnte in +dieser Zeit der katholischen Reaktion hoechstens eine Verlegenheit sein. +Deshalb draengte sie darauf, nach Daenemark zu kommen. Aber als die +Fluechtlinge kaum einige Meilen von Braunschweig noerdlich nach Gifhorn +gekommen waren, zeigten sich alle Wege im Herzogtum Lueneburg voll +Soldaten und Herzog Franz machte Schwierigkeiten; so kehrte man wieder +nach Braunschweig zurueck. Dort blieb nun Katharina mit ihren Kindern, +waehrend Melanchthon zu Himmelfahrt nach Nordhausen zog, wohin ihn sein +Freund, der Buergermeister Meienburg, eingeladen halte; und Major folgte, +willens sich nach seiner Vaterstadt Nuernberg zu begeben[630]. + +Am 23. Mai, Montag vor Pfingsten, wurde Wittenberg vom kaiserlichen Heer +besetzt; am Mittwoch ritt der Kaiser und der Koenig Ferdinand in die +Stadt ein vor die Schlosskirche und liess sich vom Studiosus Johann Burges +aus Quedlinburg "die Begraebnis" Luthers zeigen, die zu entweihen er aber +nicht zuliess, so feind die Spanier sonst D. Luthern waren[631]. Am 6. +Juni musste Wittenberg dem neuen Kurfuersten Moriz huldigen, der den +Kurhut und das Kurland als Preis fuer seinen Verrat an der evangelischen +Sache erhalten hatte. Zwei Tage darauf lud der Rektor die Universitaet +zur Rueckkehr nach Wittenberg ein. Auch Kaethe wurde Ende Juni von D. +Pommer und Buergermeister Reuter zur Rueckkehr aufgefordert: es sei alles +sicher und Haus und Hof unverheert. So kehrte sie, wenn auch erst Ende +Juli, aus Braunschweig heim ins liebe Wittenberg[632]. + + + + +18. Kapitel. + +Der Witwenstand. + + +Es war eine traurige Heimkehr, als Frau Katharina mit ihren Kindern und +dem Rest der geretteten Habe auf ihrem Fuhrwerk durch das Coswiger Thor, +die Schlossstrasse und die Kollegiengasse herauf fuhr und vor dem +Klosterhause hielt. Leichter waren Koffer und Kasten geworden--es waren +vergoldete und silberne Kredenzbecher im Werte von 600 fl. versetzt +worden--und das Herz voll schwerer Sorge. Und doch war's ein Gefuehl der +Ruhe und Sicherheit, wieder daheim zu sein nach der langen Flucht +draussen im "Elend". Und tapfer griff Frau Kaethe es an, das Leben neu zu +gestalten. + +Das Haus war noch im alten Stande und vom Hausrat nichts versehrt. Die +Stadt hatte zwar eine Belagerung und einen Sturm durch Moriz +ausgehalten, aber friedlich war sie nach der Muehlberger Schlacht an den +neuen Regenten uebergeben worden und keine Spanier hatten darin hausen +duerfen; nur deutsche Voelker waren zugelassen. Das Klosterhaus war +waehrend der Flucht in der Hut des alten treuen Wolf gestanden. Der aber +war nicht mehr, als die Doctorin mit den Kindern heimkehrte: einige +Wochen zuvor, am 14. Juni, war er dahin gegangen, als man seiner nicht +mehr zu beduerfen schien[633]. + +Wenn aber auch Haus und Hof unangetastet dastand, um so schlimmer stand +es mit den Guetern draussen. Die Vorstaedte waren bei Beginn der ersten +Belagerung niedergebrannt worden und so waren auch die Gebaeulichkeiten +in den Gaerten ein Opfer der Flammen geworden. Dann hatten die "Hussern" +die Nachbarschaft von Wittenberg gepluendert. Auch sonst, bei Grimma, +unweit Nimbschen und Zulsdorf, hatte (schon 1546) der Nachtrab uebel +gehaust: Huehner, Gaense und Schafe geraubt, auch ungedroschenes Getreide +zur Streu fuer die Pferde verwendet. Noch schlimmer hatten im folgenden +Jahr die Spanier mit Morden und Brennen, Pluendern und Verjagen +geschaltet; wo nichts zu pluendern war, verbrannten sie draussen im Lande +alles Gewaechs bis auf die Stoppeln[634]. + +So hatte Luthers Witwe grossen Schaden erlitten im Krieg. Wenn Jonas den +seinigen bei den zwei Fluchten auf 400 fl. schaetzt, so muss derjenige +Katharinas bei ihrem ausgedehnten Grundbesitz weit mehr betragen haben. +Ihre Gaerten und Gueter: das Baumstueck mit seinen Gebaeulichkeiten, das Gut +Wachsdorf und das Vorwerk Zulsdorf waren verwuestet, so dass sie auf Jahre +hinaus sie "schwer zu versorgen" wusste, wie Bugenhagen in Briefen an den +daenischen Koenig klagt[635]. + +Und wenn man die vielgeplagte Witwe nur in Frieden gelassen haette, dass +sie ruhig sich ihrer verwuesteten Gueter haette annehmen koennen. Aber da +wurde sie noch von boesen Nachbarn geplagt und von harten Beamten. Ein +zaenkischer Mensch fing Streit mit ihr an wegen eines Servituts +(vielleicht der Nachbar von Zulsdorf auf Kieritzsch). Melanchthon war zu +einem Vergleich bereit, aber der Mann forderte eine masslose Summe und +auch Bruder Hans riet vom Vergleich ab. So kam es zum Prozess, wobei Dr. +Stromberg in Leipzig und auch Camerarius, die Freunde Melanchthons, sich +der armen Frau annahmen (1548). Dieser Prozess dauerte aber jahrelang und +noch 1550 musste Frau Katharina mit Melanchthon vor dem Stadthauptmann in +Leipzig zur Tagfahrt erscheinen[636]. + +Da galt es nicht verzagen, sondern mit neuem Mut das Werk angreifen, um +sich und ihre Kinder in Ehren durchzubringen. Der Kosttisch wurde wieder +eingerichtet, wenn es auch schwer hielt, in diesen wirren Zeiten, wo die +Universitaet zersprengt war und nur mit Muehe sich wieder sammelte, zumal +das neue Kursachsen jetzt zwei Hochschulen hatte: Leipzig und +Wittenberg, und die Soehne des gefangenen Kurfuersten sich bestrebten, in +Jena eine eigene zu errichten und dahin die echten Lutheraner unter den +Professoren und Studenten von Wittenberg zu ziehen; erst im August wurde +das Wittenberger Kollegienhaus vom Schmutz der Einquartierung gereinigt +und neu getuencht[637]. Ferner konnte von grossem Verdienst keine Rede +sein, wenn bei dem Rektor Crodel in Torgau zwei Schueler in der Woche fuer +Wohnung und Kost, dazu mittags und abends zwei Kannen Bier, nur 14 +Groschen zahlten, und Matthesius in Wittenberg, ehe er zu Frau Luther +kam, bei Wolf Jan von Rochlitz "einen sehr guten trocknen Tisch um 5 +Silbergroschen" hatte "neben alten gelehrten, ehrlichen (ehrbaren), +guten Tafelbruedern". Als solcher Tischgenosse wird genannt: Johann +Stromer, der fuenf Jahre bei der Witwe wohnte und ass. Vielleicht war +damals unter den Tischgenossen Kaethes auch der Preusse Georg von Kunheim, +der am 15. August 1550 in Wittenberg Student wurde und so mit der +Lutherischen Familie bekannt und spaeter verwandt wurde[638]. + +Ausser den Stuben wurden auch noch die Saele zu Vorlesungen an Docenten +vermietet, und so las im Sommer 1551 in Luthers Aula, wo der grosse +Doktor sonst ueber biblische Buecher vorgetragen hatte, Bartholomaeus Lasan +ueber Herodot[639]. + +Trotz alledem musste Frau Katharina ausser der Verpfaendung der Becher noch +auf ihr Guetlein Zulsdorf ein Anlehen von 400 fl. aufnehmen bei Dr. Franz +Kram und ausserdem musste sie sich entschliessen, selbst an den Koenig von +Daenemark zu schreiben, als den "einzigen Koenig auf Erden, zu dem wir +armen Christen Zuflucht haben moegen und von dem allein erwartet werden +konnte, dass den armen christlichen Praedikanten und ihren armen Witwen +und Waisen Wohlthaten erzeiget wuerden." Zu diesem Brief war sie +gezwungen, nachdem die Schreiben der Freunde Bugenhagen und Melanchthon +ohne Erfolg gewesen. So bittet nun am 6. Oktober 1550 "D.M. Luthers +nachgelassene Witfrau, nachdem sie und ihre Kinder jetzund weniger Hilfe +haben und die Unruhe dieser Zeit viele Beschwerungen bringet", S.K.M. +wolle ihr solche Hilfe gnaediglich auch hinfuero verordnen. Sie will +treulich und ernstlich bitten, Gott moege Sr.K.M. Wohlthaten, die er den +armen evangelischen Pfarrherren und ihren Familien erzeigt, vergelten +und dafuer besondere Gaben und Segen verleihen. "Der allmaechtige Gott +wolle E.K.M. und E.K.M. Koenigin und junge Herrschaft gnaediglich +bewahren." + +Auch dies eigene Schreiben der Witwe war, scheint es, ohne Erfolg, +trotzdem sie den Koenig an ihres "lieben Herrn grosse Last und Arbeit" +mahnen konnte, die S.K. Maj. ohne Zweifel nicht vergessen habe[640]. + +Die Zeitlaeufe waren sehr traurig. Kreuziger starb 1548, und seine Frau +wollte fast vergehen; auch Veit Dietrich in Nuernberg schied bald darauf. +Andere Freunde waren verzogen oder auch gestorben. Dazu kam die Not der +Kirche, welche der Witwe Luthers nahe genug ging: "das Interim" mit dem +"Schalk hinter ihm" erregte die Evangelischen aufs aergste. Der neue +Landesherr Moriz, bei dessen Anblick sogar die Spanier und Italiener +"Schelm! Schelm!" riefen und den die Protestanten als "Judas" +bezeichneten, hatte kein warmes Herz, weder fuer die protestantische +Sache, noch fuer die hauptsaechlichsten Vertreter derselben, die +Universitaet zu Wittenberg und deren Angehoerige. Da gab es truebe Tage in +der alten Elbstadt[641]. + +Die vier Kinder Katharinas waren bei ihr; und wohl auch einige junge +Verwandte. Den Neffen Luthers, Fabian Kaufmann, jetzt mit dem +lateinischen Gelehrtennamen Mercator, empfahl Jonas 1548 zu einer +Hofstelle an die Fuersten von Anhalt[642]. + +Johannes studierte in Wittenberg weiter als Rechtsbeflissener. +Moeglicherweise hat er, ehe nach den Unruhen des Krieges die Musse und +Gelegenheit zum Studium wieder eintrat, "auf den vaeterlichen Guetern ein +laendliches Leben gefuehrt", d.h. der Mutter bei der Landwirtschaft +beigestanden, wie einmal berichtet wird[643]. Nach Ostern 1549 kam nun +Melanchthons Schwiegersohn Sabinus, Rektor der Koenigsberger Hochschule, +nach Wittenberg. Dieser erzaehlte viel von des Preussenherzogs Wohlwollen +gegen Luthers Familie. Da riet Melanchthon, den jungen Mann nach +Koenigsberg zu schicken, damit er dort durch die Gunst des Koenigs seine +Studien vollende. So schrieb nun Frau Kaethe an Herzog Albrecht einen +Brief. + +"Gnade und Frieden in Christo samt meinem armen Gebet zu Gott fuer +E.F.Gn. zuvoran. + +Durchlauchtigster und hochgeborner Fuerst und Herr! + +Da sich E.F.Gn. gegen meinen lieben Herrn gottseligen, Doctorem Martinum +mit sonderlichen Gnaden allezeit erzeigt, so hab ich in keinen Zweifel +gestellt, E.F.Gn. wuerden auch mir aus sonderlichen Gnaden, so unser +lieber Gott E.F.Gn. zu seinem goettlichen Wort, das zu lieben, zu +schuetzen und zu handhaben verliehen, auch um meines lieben Herrn seliger +willen als eines wahren Propheten dieser letzten gefaehrlichen und +unruhigen Zeiten mich und meine lieben Kinder als nachgelassene Witwe +und Waisen in gnaedigen Schutz nehmen und Ihnen befohlen sein lassen. + +Als ohne Not, E.F.Gn. zu erinnern, in wie schwere Not meiner Haushaltung +ich nach jetzt ergangener Kriegsfuehrung gediehen, auch wie kuemmerlich +ich bisher von meinen armen verwuesteten und verheerten Guetern mich samt +meinen Kindern ernaehren und erhalten muessen--hab ich aus Rat des Herrn +Philippi und Anzeigen des Herrn Dr. Sabini, wie geneigt E.F.Gn. meinen +Kindern sei, meinen aeltesten Sohn Hans an E.F.Gn. abgefertigt, und +nachdem dann E.F.Gn. ihn noch eine Zeitlang bei den Studien zu erhalten +sich gnaedigst erboten, will gegen E.F.Gn. ich mich derselbigen gnaedigen +Foerderung und Mitsorge fuer meine nachgelassenen armen Kinder aufs +demuetigste bedankt haben. + +Dieweil aber dies meines Sohnes erstes Abreise ist, und ich auch +derhalben ihn zumeist abgefertigt, (damit er) neben seinen Studien gegen +die Leute lerne wissen sich zu (ver)halten, so ist an E.F.Gn. dies meine +demuetige Bitte, dieselben wollten diesen meinen Sohn um meines lieben +Herrn gottseliger willen in Gnade und Schutz aufnehmen und da er sich +sonst in der erste in allem gegen E.F.Gn. nicht zu erzeigen wuesste, +solches noch seiner Unwissenheit und ersten Ausfahrt gnaediglich zu gute +halten und Geduld mit ihm tragen. Als zweifel ich nicht, er wird sich +gegen E.F.Gn. zu unterthaenigem und seinen Praeceptoribus zu schuldigem +Gehorsam wohl zu verhalten wissen, seinen Studiis und demjenigen, so ihm +oblieget, fleissig nachgehen und gegen E.F.Gn. ehrbar und denkbarlich in +aller Untertaenigkeit sich zu erzeigen wissen. + +Dies dann E.F.Gn. gnaedige Befoerderung unser lieber Gott auch reichlich +wiederum belohnen wird und bin fuer E.F.Gn. gegen Gott um langwaehrende +Regierung und Wohlfahrt fuerzubitten allezeit demuetiglich beflissen. + +Datum Wittenberg, den 29. Mai anno 49. + +E.F.G. + + demuetige und unterthenige + Catharina, D. Martin Luthers + seligers nachgelassene Witwe." + +Melanchthon schrieb einen Empfehlungsbrief an den Herzog fuer den jungen +Mann, worin er ihn lobt als "tugendhaft im Wesen, unbescholten, +bescheiden, aufrichtig, rein, von guter Anlage und Beredsamkeit; sein +Koerper sei gewandt und leistungsfaehig und wenn er sich am Hofe uebe, so +koenne sein Eifer dem Staat zu grossem Nutzen gedeihen." Auch Jonas +empfahl in einem Schreiben dem Herzog seinen "lieben Freund, den Sohn +des goettlichen Propheten, empfehlenswert schon durch seinen Vater" und +entbot "Sr. Hoheit das Gebet der hochverehrten Frau und Witwe des hochw. +D. Luther". Zu mehreren Empfehlung legte Jonas eine Erzaehlung von dem +Krieg bei und ein handschriftliches Schreiben Luthers, "des Propheten +Deutschlands", worin er diesen Krieg prophezeit habe[644]. + +So reiste denn Johannes Ende Mai mit Dr. Sabinus ab, der auch sein von +Melanchthon erzogenes Toechterlein zu des Grossvaters tiefem Schmerz +mitnahm. Auch Jonas' Sohn, Dr. Christoph und Johann Camerar, der Sohn +von Melanchthons Busenfreund, sind wahrscheinlich mit Hans Luther nach +Koenigsberg gezogen[645]. + +Es kam nun auch ein Brief von Hans an Melanchthon, worin er einen Teil +der Reise beschrieb. Den andern Teil scheint er schuldig geblieben zu +sein. Auch muss ihm Melanchthon schreiben, Mutter, Schwester und Brueder +warteten mit Sehnsucht auf einen Brief, worin er von all seinen Sachen +berichten moechte; zur Leipziger Weihnachtsmesse gebe es schon genug +Gelegenheit zur Briefbefoerderung[646]. + +Lange hoerte man nichts mehr von Hans Luther. Daheim aber dauerten die +boesen Zeiten fort; denn die Unruhen und Aufregungen wegen des Interims, +das der Kaiser den Lutheranern aufgezwungen hatte, liessen nicht nach; +die Erbitterungen zwischen dem ehemaligen und jetzigen kurfuerstlichen +Hause waren eher im Wachsen, zumal der gefangene Kurfuerst noch immer +nicht freigegeben, sondern vom Kaiser in unwuerdiger Weise +umhergeschleppt wurde. Die Belagerung Magdeburgs, das wegen Nichtannahme +des Interims geaechtet und durch Moriz angegriffen war, brachte allerlei +landschaedigende Truppenbewegungen, und die Universitaet konnte also nicht +so leicht zur Musse und Bluete kommen. Auch die Anfechtungen durch "die +boesen Nachbarn" dauerten bei Katharina fort. Die Einkuenfte in diesen +unruhigen Zeiten wollten nur schwer reichen fuer den Haushalt und die +Erziehung der Kinder; Frau Katharina "litt an Armut", so dass die 15 +Rosenobel (50 Thaler) Gnadengehalt von dem daenischen Koenig Christian +III., um welche die Freunde regelmaessig einkamen und Katharina selbst +schrieb, fuer "die arme Frau, unseres lieben Vaters Doctoris Martini +Witwe mit ihren Kindern" eine gar erwuenschte "gnaedige Hilfe" waren. Die +"Begnadigungen", welche sonst die Lutherische Familie von ihren +Landesherren gewohnt war, blieben aus, da der alte Kurfuerst gefangen sass +und der neue bei seinen grossen Plaenen und steten Kriegen nichts uebrig +hatte fuer sie. Daher konnte Frau Katharina klagen, "dass wenig Leut sind, +die fuer die grossen Wohlthaten meines lieben Herrn seinen armen Waisen +Hilfe zu thun gedaechten"[647]. + +Die vielerlei Schicksalsschlaege trafen die arme Witwe so schwer, dass +sie, die stets gesunde, jetzt kraenklich wurde und ueber "Schwachheit" zu +klagen hatte. + +In dieser schweren Zeit, "da es ihr Vermoegen nicht war, ihren und ihres +lieben Herrn Kindern nach Notdurft zu helfen", war es fuer Frau Katharina +ein Trost, dass der preussische Herzog "nun selber Vater sein" solle. In +dieser Zuversicht wandte sie sich zu Georgi (23. April) 1551 an S.F.Gn. +unter Verdankung fuer die gnaedige Aufnahme und Unterhaltung ihres Sohnes +mit der Bitte, ihm ferner zur Vollendung seines angefangenen Studii in +Frankreich oder Italien Unterhaltung zu verordnen, damit er dem Herzog +nuetzlicher dienen koenne. Zuvor aber moege der Herzog ihren Sohn eine +kurze Zeit zu ihr kommen lassen, damit sie in ihrer Schwachheit etliche +nuetzliche Sachen mit ihm reden koenne, daran ihm und seinen Bruedern und +seiner Schwester merklich gelegen; dann moege er wieder nach Koenigsberg +oder nach Italien und Frankreich gehen, wie S.F.Gn. bestimmen wuerde. +Wahrscheinlich hatte Hans der Mutter diesen Plan an die Hand gegeben. + +Welchen Schmerz aber musste die Mutter ueber ihren Lieblingssohn erleben, +als darauf vom Herzog Albrecht folgende Antwort eintraf: + +"Wir befinden, dass Unser gnaediger Wille bei ihm nicht dermassen, wie Wir +wohl gehofft, angewendet. Denn wie Wir berichtet (sind), soll er seiner +Studien zur Gebuehr nit abwarten. So wissen Wir auch gewiss, dass er sich +etlicher guter Haendel, deren er wohl muessig gehen konnte, teilhaftig +macht. Derwegen zu bedenken, dass Uns wahrlich etwas beschwerlich (faellt, +dass) Unsere gnaedige Gewogenheit so wenig bei ihm bedacht wird." Daher +schlage es der Herzog ab, Hans reisen zu lassen; wolle er aber in +Koenigsberg vor gut annehmen, so sei der Herzog geneigt, um seines Vaters +willen ihn mit Unterhalt zu versorgen[648]. + +Das war ein Schlag fuer Katharinas Mutterherz! Also weder fleissig noch +ordentlich war ihr Liebling und beides waere er doch nicht nur dem +Herzog, sondern auch seinem Vater und seiner Mutter schuldig gewesen. +Und wenn sie sich auch sagen mochte, der Herzog sei strenge gegen seine +Schuetzlinge: wie einst gegen ihren Bruder Clemens, so jetzt gegen ihren +Sohn Hans und wenn sie auch wohl mit ebenso viel Recht geltend machen +konnte, der junge, sonst gut geartete und willige Mensch sei durch boese +Gesellschaften verfuehrt worden, so blieb doch die Thatsache stehen, dass +sie dem Sohn zu viel und zu Gutes zugetraut, und dass die Vormuender doch +recht gehabt mit der Behauptung, Hans habe nicht das Zeug zum +Studium--war er doch auch jetzt schon 25 Jahre alt! Daran konnte auch +das gute Zeugnis nichts abbrechen, das die Universitaet Koenigsberg dem +Sohne Luthers wohl allzu guenstig ausstellte[649]. + +Und als nun Hans vollends das Stipendium und Studium in Koenigsberg +aufgab und auf weitem Weg langsam heimkehrte, so war der Beweis +geliefert, dass er zu nichts Besserem tauge als auf die herzogliche +Kanzlei. Dahin kam er denn auch in Weimar. + +Um so besser gediehen die Soehne Martin und Paul, von denen der eine +Theologie, der andere Medizin studierte; Margarete wuchs zur bluehenden +Jungfrau heran. + +Der Schmalkaldische Krieg war wohl sonst zu Ende, nur nicht in Sachsen; +es entstand allerlei Unruhe und Kriegsgeruecht, neue Sorge und Angst. +Sachsen wimmelte von Soldaten, Wittenberg hatte starke Einquartierung. +Und obwohl es Freundesvoelker waren, so geschahen doch von der rohen +Soldateska allerlei Gewaltthaten. In der festen Stadt waren die Buerger +vor ihren eigenen Quartiergaesten nicht sicher, vor die Mauern +hinauszugehen wagte niemand, denn draussen in den Staedtlein gab es Mord +und Totschlag; uebermuetig forderten die Kriegsknechte das +Unmoegliche[650]. + +Und wie sah es nun wieder draussen auf den Hoefen und in den Gaerten aus, +wo eben mit Muehe die Schaeden des Schmalkaldischen Krieges wieder +hergestellt waren! Da waren Verwuestungen und Kontribution auf ihren +Hoefen vorgekommen. "Es ist am Tage", klagt Bugenhagen, "dass sie in ihren +Guetern dies Jahr (1551) grossen Schaden gelitten." "Derwegen musste sie zu +Recht gehen vor des Kurfuersten Gericht wider Jan Loeser." Jan Loeser--des +alten Hans Loeser ([Symbol: gestorben] 1541), ihres Gevatters Sohn und +Luthers Paten--musste Frau Katharina verklagen. Das war fuerwahr ein +bittrer Gang[651]. + +Und ob sie ihr Recht bekommen? + +Der Kurfuerst Moriz ruestete sich eben zum Schlage gegen den alten Kaiser. +Da hatte er wohl keine Zeit und Lust, eine klagende Witwe anzuhoeren. + +So musste Frau Katharina nochmals den sauren Schritt thun und sich an den +daenischen Koenig wenden, an den sie am 8. Januar 1552 u.a. schreibt: + +"E.K.M. wissen sich gnaediglich zu entsinnen, wie dass E.K.M. meinem +lieben Herrn seligen samt dem Herrn Philippo und D. Pomerano jaehrlich +ein Gnadengeld geschenkt, welches sie zu Unterhalt ihrer Haushaltung und +Kinderlein haben sollten, welches denn bishero gemeldeten Herrn von +E.K.M. ueberreichet (worden). Dieweil aber mein seliger lieber Herr +E.K.M. allzeit geliebet und fuer den christlichsten Koenig gehalten, auch +E.K.M. sich in solchen Gnaden gegen seligen meinen Herrn verhalten: so +werde ich _durch dringende Not bewogen, E.K.M. in meinem Elend_ +unterthaeniglich zu ersuchen, des Verhoffens, E.K.M. werden mir armen und +itzt von jedermann verlassenen Witwen solch mein unwuerdig Schreiben +gnaediglich zu gut halten und mir aus Gnaden solch Geld folgen lassen. +Denn E.K.M. sonder Zweifel bewusst, wie es nu nach dem Abgang meines sel. +Mannes gestanden, _wie man die Elenden gedrueckt_, Witwen und Waisen +gemacht, also dass (es) zu erbarmen; ja (auch) _mir mehr durch Freunde +als durch Feinde Schaden zugefuegt_; welches alles E.K.M. zu erzaehlen zu +lang waere. Aus diesen und anderen Ursachen werde ich _gedraenget_, E.K.M. +unterthaenig zu ersuchen, nachdem sich ein jeder so fremd gegen mir +stellt und sich meiner niemand erbarmen will." + +Bugenhagen unterstuetzte in einer Beilage diese Bitte der Witwe "Patris +Lutheri", welche "fast (sehr) klaget". Und mit Erfolg: am 22. Maerz kam +das Geld in seine Hand und er schreibt, dass S.M. "sehr wohl gethan", die +Witwe zu troesten[646]. + +Im Februar 1552, als die Kriegsknechte am rohesten hausten, wurden die +Gemueter in Wittenberg noch erschreckt mitten im Winter durch heftige +Gewitter mit Blitz und Donnerschlaegen. Aber bald darauf zogen die +Kriegsvoelker ab. + +Es kam nun Kunde, dass Moriz mit seinen Sachsen, den Brandenburgern und +Hessen den Kaiser in die Flucht gejagt und beinahe gefangen haette (Mai +1552). Die gefangenen Fuersten (Kurfuerst Johann Friedrich und Landgraf +Philipp von Hessen) wurden freigegeben, und freigegeben auch die +Religion im "Passauer Vertrag" (August 1552). + +Mittlerweile war es Fruehling geworden und Sommer. Frau Kaethe konnte saeen +und ernten und sich des Friedens freuen, der endlich nach sechs Jahren +Krieg, Flucht, Verwuestung eingetreten war, auch des Friedens in Sachen +des evangelischen Glaubens, um deswillen ihr "lieber Herr" ein Feuer +angezuendet hatte im deutschen Lande, dessen Flamme auch sie, und sie am +schwersten, fuehlen musste. + +Jetzt haette die arme Witwe aufatmen koennen vom langen Leid: da traf sie +der letzte, toedliche Streich. + + + + +19. Kapitel. + +Katharinas Tod. + + +Die Kriegsvoelker waren aus Wittenberg abgezogen, aber sie hatten ein +boeses Andenken hinterlassen: eine ansteckende Seuche, die "Pestilenz", +die in der sumpfumgebenen engen Festung wieder rasch um sich griff und +mit der Sommerhitze wuchs. Am 1. Juni wurde ueber Verlegung der +Universitaet beraten, am 10. bot Torgau ihr Herberge an. Aber bis 6. Juli +hielt sie noch in Wittenberg aus. Dann zog auch die Hochschule in die +Nachbarstadt und wurde in den engen winkeligen Raeumen des +Barfuesserklosters untergebracht, welches seinerzeit Leonhard Koppe zu +Fastnacht gestuermt hatte und das jetzt leer stand. + +Frau Katharina blieb aber in Wittenberg, wohl wegen der Gueter, die sie +besorgen musste; wahrscheinlich hatten die studierenden Soehne und +Tischgesellen dennoch von dem einen und andern Magister, der im +Schwarzen Kloster wohnte, Vorlesungen. In dem grossen, gesund gelegenen +Hause war es ja auch einstweilen noch auszuhalten. Aber im Herbst wurde +auch das Klosterhaus von der Seuche angesteckt. Und um ihre Kinder aus +der Gefahr zu reissen, unterzog sich die besorgte Mutter wiederum den +Beschwerlichkeiten der Auswanderung. So liess sie denn einspannen, lud +das Noetigste auf den Wagen und fuhr mit ihren Kindern, die noch bei ihr +waren: Paul und Margarete, waehrend Martin scheint's schon vorher der +Universitaet nachgezogen war und Hans in Weimar auf der Kanzlei +arbeitete, das Elsterthor hinaus, Torgau zu[652]. + +Da geschah das Unglueck: die Pferde wurden scheu und gingen mit dem Wagen +durch ueber Stock und Stein. Die erschrockene Frau suchte das Leben ihrer +Kinder zu retten, und um die wilden Pferde aufzuhalten, sprang sie vom +Wagen, fiel aber so ungluecklich, dass sie mit dem Leib heftig auf den +Boden anprallte und dann in einen Graben mit kaltem Wasser stuerzte. Die +Aufregung, der Fall, die Erkaeltung und wohl auch eine innere Verletzung +fuehrten eine schwere Krankheit herbei[653]. + +So kam die Familie Luther nach Torgau. Hier wohnte sie vom Kloster aus +in der "naechsten Strasse, die nach dem Schloss fuehrt", in einem Eckhause +bei der Klosterkirche zur Herberge. Hier lag nun Frau Katharina in +grossen Schmerzen langsam dahinsiechend, gepflegt von ihrer Wirtin und +ihrer Tochter Margarete, welche jetzt 18 Jahre zaehlte[646]. + +Noch einen Lichtblick erlebte die Witwe Luthers in diesen Leidenstagen. +Ihr juengster Sohn Paul, der sich zu einem tuechtigen Mediziner +heranbildete, verlobte sich in dieser Zeit mit Anna von Warbeck, der +Tochter des weiland Herrn Veit von Warbeck, gewesenen Domherrn von +Altenburg und Kurfuerstl. Hofrat und Vizekanzler zu Torgau, eines Edeln +aus Schwaben. Ihre Mutter, Anna von Hack--auch eine geborne +Schwaebin--lebte noch und hatte ein eigenes Haus zu Torgau in der +Fischergasse[646]. + +Fraeulein Anna war ein resolutes Frauenzimmer. Sie hatte einen Damastrock +mit Samtschleppe getragen und war deshalb vom Stadtrat mit Berufung auf +eine kurfuerstliche Kleiderordnung in Strafe gezogen worden. Dagegen +wehrte sie sich und appellierte an den Kurfuersten, so dass ein ehrbarer +Stadtrat einen Boten mit Bericht ueber Anna Warbeckin Supplicien gen +Dresden schicken musste fuer Lohn und Trinkgeld. S. Kurf. Gn. sandte nun +in diesem Betreff an den ehrbaren Rat zu Torgau folgenden Erlass: + +"Lieben Getreuen! Wir sind von der ehrbaren und lieben besondern +Jungfrau Anne von Warbeck demuetiglichen Klag berichtet worden, wie dass +Ihr ihr den damastenen Rock mit samtenem Schweif zu tragen zu enthalten +und noch dazu etliche Gulden zur Strafe entrichten sollt auferlegt +haben. Wiewohl Wir Uns zu erinnern wissen, was Wir der Kleidung halber +in der Polizei-Ordnung haben ausgehen lassen, so vermerken Wir doch, dass +der gedachten Jungfrauen Vater einer von Adel und fuerstl. Rat gewesen, +auch die Damasten, davon der Rock gemacht, fuerstliches Geschenk und die +Roecke _vor_ obenerwaehnt ausgegangener Ordnung gemacht. Derwegen Wir denn +geschehen lassen, dass sie solche Roecke zu Ehren tragen moege. Und +begehren demnach, Ihr wollet ihr solches verstatten und sie mit +geforderter Strafe verschonen, Euch auch sonst gegen sie dermassen +verhalten und erzeigen, dass sie sich keiner Beschwerung zu beklagen hab. +Daran geschieht Unsere gaenzlich zuverlaessige Meinung. Datum Dresden, 30. +Jan. Anno LII"[654]. + +Dieses adelige Fraeulein wurde also die Schwiegertochter Frau Katharinas +und diese wird an dem entschlossenen Wesen ihrer kuenftigen Sohnsfrau ihr +Gefallen gehabt haben. Aber die Freude der Hochzeit erlebte Frau +Katharina nicht mehr. + +Drei Monate lang dauerte das Siechtum der Kranken. Mit christlicher +Geduld ertrug sie die Leiden und die Sorge fuer die Kinder. "In der +ganzen Zeit ihrer Krankheit troestete sie sich selbst und hielt sich +aufrecht mit Gottes Wort. In heissen Gebeten erflehte sie sich ein +friedliches Hinscheiden aus diesem muehseligen Leben. Oftmals auch befahl +sie Gott die Kirche und ihre Kinder und betete, dass die Reinheit der +Lehre, welche Gott durch ihres Gatten Werk dieser Zeit wiedergebracht, +unverfaelscht den Nachkommen ueberliefert werden koenne." Sie selbst aber +wollte "an Christus kleben, wie die Klette am Kleid", ein Wort, das ihr +nachher fromme Saenger im Liede nachsprachen[655]. + +Am 20. Dezember 1552 hauchte sie ihre Seele aus. + +Der Vice-Rektor der Universitaet, Paul Eber, gab dies den Studenten durch +ein von Melanchthon verfasstes lateinisches "Leichenprogramm" kund, worin +ihr Leben und Leiden kurz geschildert war. Namentlich die Erinnerung an +die sechs letzten Leidensjahre schwebten dem treuen Freunde des Hauses +vor Augen und fast scheint es auch, das Unrecht, das sie von Kanzler +Brueck u.a. erlitten. "Mit ihren verwaisten Kindern musste die als Witwe +schon schwer Belastete unter den groessten Gefahren umherirren wie eine +Geaechtete; grossen Undank hat sie von vielen erfahren, und von denen sie +wegen der ungeheuren Verdienste ihres Mannes um die Kirche Wohlthaten +hoffen durfte, ist sie oft schmaehlich getaeuscht worden." Statt des +derben deutschen Spruches, mit welchem Luther in seinem Hausbuch seinen +Befuerchtungen ueber die Behandlung seiner Witwe Luft gemacht hatte: "Die +Leute sind grob; die Welt ist undankbar", waehlte der gelehrte Freund fuer +das Leichenprogramm als Motto einen griechischen Spruch des Euripides +(Orist. 1-3), der allerdings auf die schwere Leidenszeit der Witwe +Luthers passt: "Es giebt kein Unheil, kein Geschick, kein Leid, das Gott +verhaengt und das die Sprache nennt, nichts Schreckliches, das nicht der +Mensch erlebet." + +Dieser Erfahrung des heidnischen Dichters gegenueber weist das "Programm" +auf den Trost und die Hoffnung des Christentums, dessen sich auch die +Selige getroestet habe bei der herben Wunde durch den Tod ihres +Ehegemahls, ihrer Flucht mit den verwaisten Kindern in der Kriegszeit, +den manchfachen Truebsalen des Witwenstandes und dem Undank vieler Leute +gegen die Witwe des ehrwuerdigen und heiligen Mannes D. Luther. Die +Universitaet lade nun alle ihre Hoerer zum Leichenbegaengnis ein, "um der +verehrten Frau die letzte Pflicht zu erweisen und so zu bezeugen, dass +sie die Froemmigkeit der Witwe, welche so herrlich an ihr leuchtete, ihr +ganzes Leben lang hochhielten; dass sie der Waisen tiefe Trauer zu Herzen +naehmen; und dass sie nicht vergaessen die Verdienste ihres Vaters, die so +gross sind, dass sie keine Rede genug preisen kann; dass sie endlich +zusammen Gott im Gebete anflehen, das Licht des Evangeliums rein zu +halten und seine Lehrer und Verkuendiger zu schuetzen und zu regieren, die +Staaten zu behueten und den Kirchen und Schulen geziemende +Zufluchtsstaetten zu gewaehren"[656]. + +Am folgenden Tag, nachmittags drei Uhr, war der Leichenzug der "edlen +Gemahlin des heiligen Mannes D. Luther". Von ihrer Gastwohnung die +Schlossgasse hinab an der neuerbauten grossartigen kurfuerstlichen Residenz +Hartenfels vorbei bewegte sich der gewaltige Zug von Buergern, +Professoren und Studenten durch die Wintergruene nach der Stadtkirche +St. Marien. Hier unter dem Knabenchor mit seiner schoenen Inschrift: +"Laudate dominum pueri!" wurde die muede Pilgerin unter den ueblichen +Feierlichkeiten bestattet und die Knaben werden ihr auch von droben ein +Abschiedslied gesungen haben[657]. + +Am Grabe der Mutter trauerten ihre Tochter und drei Soehne. + +_Hans_ war herzoglich saechsischer Kanzleirat; er heiratete im folgenden +Jahre Elisabeth, die Tochter des Professors und Propstes an der +Schlosskirche in Wittenberg D. Kreuziger, den sich sein Vater selbst zum +Nachfolger erkoren hatte, der aber schon bald nach dem grossen Doktor +gestorben war. Spaeter kam Hans Luther zu seinem alten Goenner, dem Herzog +Albrecht von Preussen, in Dienst und starb nicht lange nach diesem 1575. + +_Martin_, von dem sein Vater gefuerchtet hatte, er werde einmal ein +Jurist, studierte Theologie; er musste aber anhaltender Kraenklichkeit +wegen als Privatgelehrter leben und starb jung im vierunddreissigsten +Jahr, nachdem er mit Buergermeister Heilingers Tochter in Wittenberg +einige Zeit in kinderloser Ehe gelebt hatte. + +_Paul_, der juengste, wurde ein angesehener Arzt, Dr. und Professor zu +Jena und herzoglicher Leibarzt, dann Rat und Leibarzt des +brandenburgischen und spaeter des saechsischen Kurfuersten. Er vermaehlte +sich bald nach der Mutter Tod mit seiner Verlobten Jungfrau Anna von +Warbeck, und Nachkommen von ihm in weiblicher Linie leben noch heute. + +_Margarete_ vermaehlte sich 1555 "im Beisein vieler Grafen und Herren" +mit Georg von Kunheim, Erbherrn auf Knauten bei Koenigsberg, der in +Wittenberg studiert und vielleicht bei Frau Katharina gewohnt und +gespeist hatte. Sie lebte mit ihrem Gemahl, dem herzoglich preussischen +Landrichter zu Tapiau, in gluecklichster Ehe und starb als Mutter von +neun Kindern im Jahre 1570[646]. + +Von dem zahlreichen Geschlecht Luthers und der Ahnmutter Katharina sind +heutzutage noch wenige Nachkommen uebrig. Vom Kloster Nimbschen, wo +Jungfrau Katharina 15 Jahre lebte, stehen jetzt nur noch drei +altersgraue Mauern, von wilden Reben umrankt. Ueber Zulsdorf geht seit +1801 der Pflug und nur ein Denkmal bezeichnet die Staette, wo sie so +gern gewaltet hat. Ihre Gaerten in Wittenberg, in denen sie arbeitete und +erntete, sind zum Teil mit neuen Haeuserreihen ueberbaut. Nur das +Klosterhaus steht noch, wo sie zwanzig Jahre mit dem grossen Doktor +gehaust, wenn auch nur die Wohnstube einigermassen im alten Zustand ist. + +In der Stadtkirche zu Torgau aber wurde Frau Katharinen--wohl von ihren +Kindern--ein Grabdenkmal errichtet in grauem Sandstein, allerdings kein +sonderliches Kunstwerk, nach dem Modell des Gipsreliefs, das von einem +realistischen Kuenstler verfertigt in Zulsdorf hing und heute noch in der +Kirche zu Kieritzsch zu sehen ist. Auf ihrem Grabmal ist Frau Katharina +in halberhabener Arbeit ausgehauen als Matrone im langen Mantel und +weissen Kopftuch. Mit heiterem Angesicht schaut sie vor sich hin, wie +eine Mutter am Sonntag auf ein wohl verbrachtes Tagewerk; in den Haenden +haelt sie ein offenes Buch zum Zeichen ihrer Froemmigkeit und ihres Eifers +im Bibellesen; also als andaechtige Maria ist die fleissige Martha +dargestellt. Ihr zu Haeupten sind die Wappen von Luther und von Bora. Um +den Rand steht die Inschrift: "Anno 1552 den 20. December Ist in Gott +Selig entscha | ffen alhier in Torgau Herrn | D. Martini Luthers seligen +Hinderlassene wittbe Katharina | von Borau."[658] + +Ein kuenstlerisches Idealbild neben den mancherlei realistischen +Konterfeien Katharinas hat Meister Lukas Kranach geschaffen auf dem +Altarblatt in Wittenberg. Da sitzt Frau Katharina als andaechtige +Zuhoererin ihres predigenden Gatten mit ihrem Kindlein in vorderster +Reihe vor der Gemeinde--also ebenfalls als sinnige Maria. + +Ein dichterisches Denkmal hat der Hausfrau Luthers beim ersten +Reformations-Jubilaeum 1617 der gekroente Dichter Balthasar Mencius, Poeta +Laureatus, gewidmet, in schlichten, treuherzigen Knittelversen[659]: + + Cathrin von Bora bin ich gnant + geboren in dem Meissner Landt + aus einem alten Edlen Stamm + wie solchs mein Anherrn zeigen an + die Gott und dem Roemischen Reich + mit Ehr und Ruhm gedienet gleich. + Als ich erwuchs, zu Jahren kam, + der Tugendt mich thaet nehmen an + und jedermann bethoeret war + vom Pabst und seiner Muenche Lahr, + und hoch erhaben der Nonnen-Stand, + ward ich ins Kloster Nimetzsch gesand; + mein Ehr und Amt hatt ich in acht + rief zu Gott, bethet Tag und Nacht + fuer die Wohlfarth der Christenheit. + Gott mich erhoert und auch erfreut; + Doctor Luther den kuehnen Held + mir zu einm Ehmann ausserwehlt, + dem ich im keuschen Ehstandt mein + gebahr drei Soehn und Toechterlein. + Im Witwenstand lebt sieben Jahr + nachdem mein Herr gestorben war. + Zu Torgau in der schoenen Stadt + man meinen Leib begraben hat; + biss Gottes Posaun thut ergehn + und alle Menschen heisst aufstehn; + alsdann will ich mit meinem Herrn + Gott ewig lobn, ruehmen, ehrn + und mit der Ausserwaehlten Schaar + in Freuden leben immerdar. + +Weniger freundliche Denkmaeler haben der Gattin Luthers katholische +Schriftsteller gesetzt, welche die Ehe des Moenches und der Nonne als ein +Sakrileg und Skandal auffassten und in ihrer Weise ausbeuteten, wie +Luther selbst schon vor seinem Tode vorausgesehen und in seinem +Testament vorausgesagt hatte. Von protestantischer Seite sind fast nur +Verteidigungsschriften wider diese Verleumdungen ergangen, oder auch +gelehrte Stoffsammlungen und kleine Volksschriften[646]. + +Und doch lebt Katharina im Andenken des deutschen evangelischen Volkes +in deutlicher und freundlicher Erinnerung als die Gattin des gewaltigen +Doktors und deutsche Pfarrfrau, welche mit ihrem Manne das +gemuetansprechende Vorbild eines evangelischen Pfarrhauses geschaffen +hat. + +Und mit Recht. Sie war eine tuechtige und brave Frau, wie man's zu ihrer +Zeit ausdrueckte: ein "frommes Weib", eine echte deutsche Hausfrau. Sie +hatte den Mut, Martinus Luther, "den kuehnen Held", zu ihrem Ehegemahl zu +erwaehlen, sie hat es gewagt, mit dem Geistesgewaltigen, dem +kaiserbuertigen Regenten der Kirche[646] zu leben, ihm zu genuegen, ihn zu +befriedigen. Und sie hat geleistet, was sie unternommen. Der grosse +Doktor hat sie geachtet, hat sie geliebt und gelobt. "Das aber ist das +wahre Lob, gelobt zu werden von gelobten Maennern." + +[Illustration: Katharinas Handschrift und Siegel.][660] + + + + +Belege und Bemerkungen + + +Abkuerzungen + + +_Anton_, D.M.L. Zeitverkuerzungen. L. 1804. + +_W. Beste_, Die Geschichte Katharinas von Bora, nach den Quellen bearb. +Halle 1843. + +_Br. s.u._ + +_G. Buchwald_, Zur Wittenb. Stadt- u. Univers.-Gesch. L. 1893. + +_C.A.H. Burkhardt_, Dr. M.L. Briefwechsel. L. 1866. + +Consilia Theol. Witteb. Fr. 1664. + +_Cordatus_, Tagebuch ueber Luther. 1553. Von H. Wrampelmeyer, Halle 1883. + +_C.R._ = Corpus Reformatorum. Bretschneider, Halle 1834 ff. + +_Grulich_, Denkwuerdigkeiten von Torgau. 2. Aufl. Torgau 1855. + +_A. Hausrath_, Kleine Schriften religionsgesch. Inhalts. Leipz. 1883. S. +237-298. + +_M.Fr.G. Hofmann_, Kath. v. Bora oder Dr. M. Luther als Gatte u. Vater. +Leipz. 1845. + +_Juncker_, Ehrengedaechtnis Lutheri. Frankf. 1706. + +_Kaweran_, Briefwechsel v. J. Jonas. 2 Bde. + +_Kolde_, Analecta Lutherana. Gotha 1883. + +_Koestlin_, M. Luther. 2 Bde. 2. Aufl. Elberfeld 1883. + +_M.A. Lauterbachs_ Tagebuch. 1538. Von I.K. Seidemann, Dresden 1862. + +_Lingke_, D.M.L. Reisegeschichte. L. 1769. + +_G. Loesche_, Analecta Lutherana et Melanth. Gotha 1892. + +_L.W._ = _Walch_, Luthers Deutsche Werke, Halle 1739-50. + +_Mayeri_, Vita Catharinae Boriae. Hamburg 1698. Deutsch: Unsterbl. +Ehrengedaechtnis Frauen Katharinen Lutherin. Frankf. u. L. 1724. + +_Mathesius_, Predigten ueber Dr. M.L. Nuernberg 1576. + +_Ratzebergers_ Handschr. Gesch. ueber L.u.s. Zeit von Chr. G. Neudecker. +1850. + +_Richter_, Geneal. Lutherorum. Berlin u. L. 1723. + +_J. Schlaginhaufen_, Tischreden L. 1531/2. Von W. Preger, L. 1888. + +_Seckendorf_, De Lurtheranismo Comment. Leipz. 1692. + +_Seidemann_, Luthers _Grundbesitz_, in Zeitschr. fuer histor. Theol. +1866. + +_Seidemann_, _Erlaeuterungen_ zur Ref.-Gesch. Dr. 1844. + +_Seidemann_, Beitraege zur Ref.-Gesch. Dr. 1846-48. + +_Stier_, Denkwuerdigkeiten Wittenbergs. Dessau u. L. + +T.-R. = _Foerstemann-Bindseil_, D.M.L. Tischreden. 4 Bde. Berlin 1844-48. + +Urkb. = Urkundenbuch von Grimma und Nimbschen. Herausgegeben von L. +Schmidt in Cod. dipl. Sax. reg. II. 15. Bd. L. 1898. + +W. = _Walch_, Wahrh. Gesch. der sel. Frau Katharina v.B. Halle 1752. + +NB. _Ohne Namen u. Titel_ oder mit _Br._ citiert sind _De Wette_ und +_Seidemann_, Dr. M. Luthers Briefe. 6 Bde. 1825-56. + + * * * * * + + + + +1. Katharinas Herkunft und Familie. + +[1] Die Herkunft und Heimat Katharinas ist noch lange streitig und wird +sich nicht so leicht feststellen lassen, selbst wenn neue Urkunden +aufgefunden werden; hauptsaechlich ist die weite Verzweigung der Familie +und die Unsicherheit der Elternnamen Katharinas daran schuld. Der +Stammbaum Katharinas von Bora ist am eingehendsten verfolgt worden von +dem jetzt verstorbenen _Georg von Hirschfeld_: "Beziehungen Luthers und +seiner Gemahlin zur Familie Hirschfeld" in Beitraege zur Saechs. K.-Gesch. +II, 86-141 (bezw. 309). Dies geschah auf Grund einer aelteren Chronik +(vgl. Hofmann 63) von Philipp von Hirschfeld ([Symbol: gestorben] 1748). +Sodann von _Ernst Wezel_ ([Symbol: gestorben] 1898) zuerst +in der "Wissensch. Beilage der Leipz. Leitung" 1883 Nr. 71, +dann in der Festschrift zur 100jaehrigen Jubelfeier des K. +Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums in Berlin. "Das Adelsgeschlecht derer von +Bora", A.W. Hagens Erben 1897, mit Auszuegen aus zahlreichen Urkunden +(vgl. Br. VI, 647 f. 705), eine Schrift, welche noch vervollstaendigt +herausgegeben werden soll. + +Nach G. von Hirschfelds Stammbaum waere Katharina von Bora eine Tochter +des Hans von (Bora zu) Hirschfeld-A. (vgl. Br. VI, 648, 28) und der Anna +von Haugwitz: Hans veraeusserte aber (zwischen 1525-30) Hirschfeld-A. an +Hans von Mergenthal und Reinsberg, zog nach Loeben, uebergab dies seinem +Erstgebornen und zog dann nach Moderwitz, welches der Familie Hayr +gehoerte.-- + +Diese Aufstellung ist nicht mehr kontrollierbar, denn das Hirschfeldsche +Archiv ist verschwunden. Und dazu beruht dies Ergebnis noch auf den +Annahmen: 1. dass es zwei Gueter Hirschfeld gegeben habe (S. 119); 2. dass +eine Linie Bora sich Mergenthal genannt und ihr Wappen (vom roten Loewen +in eine Lilie) veraendert habe (97); 3. dass Phil. v.H. verschiedene +Personen (z.B. zwei Katharinen) verwechselte (116). (Eine lutherisch +gesinnte Katharina von Mergenthal war im Kloster zu Freiberg; sie war +einmal zu Besuch bei ihrem Bruder in Hirschfeld bei Bora. N. Archiv f. +Saechs. Gesch. IV, 298. Sie entwich anfangs Juni 1529 aus dem Kloster und +kam zu Luther. A.a.O. 318. Br. III, 469. Die Verwechslung dieser +Katharina von Mergenthal aus Hirschfeld bei Deutschen-Bora findet sich +schon Saechs. Kirchen-Gal. I, 110. Seidemann, Erl. zur Ref.-Gesch. +Dresden 1844. S. 110, 120, 122, 469); 4. dass Irrtuemer in dem saechs. +Teilungsvertrag von 1485 vorkamen; 5. dass die wunderliche und nicht mehr +auffindbare Notiz, wonach Luther "seinem Schwaehervater, dem edeln und +festen Herrn Hans von Bora zu Moderwitz ein Buechlein (Joel) oder gar +eine Bibel verehret" (Br. VI. 684), richtig sei. + +Gegen diese Aufstellung sprechen aber ausser den kuenstlichen Umstellungen +der Umstand, dass Katharinas Eltern bei ihrer Flucht aus dem Kloster und +bei ihrer Verheiratung hoechst wahrscheinlich nicht mehr lebten. Ferner +sollte man meinen, dass die Luthersche Familie mit dem Staatsmann +Bernhard von Hirschfeld (1490-1551; Br. II, 55, 245, 448; C.R. IV, 349) +in vertrauterem Verkehr gestanden haben muesste, wenn sie mit ihm so nahe +verwandt gewesen waere. Das war aber gerade nach 1525 nicht der Fall. + +Fuer _Lippendorf_ als Geburtsstaette von Katharina spricht folgendes: 1. +Zu Lippendorf verschreibt ums Jahr 1482 Hans von Bore seiner Ehefrau +Katharina als Leibgeding das Dorf Sale; ebenso 1505 Jan von Bore alle +seine Gueter zu Lippendorf seiner Hausfrau Margarete (E. Wezel, Wiss. +Beil. der Leipz. Z. 1883, Nr. 71, S. 422 f.). Solche Verschreibungen +wurden nicht etwa (wie G. v. Hirschfeld meint) auf dem Todbette, sondern +gerade am Vermaehlungstag gemacht (wie auch die in beiden Urkunden +vorkommende Formel beweist: "nach ihres ehelichen Mannes Tode, ob sie +den erlebet, u. nicht eher"). Es waere nun sehr erklaerlich, dass Katharina +wegen und bei der Schliessung der zweiten Ehe ihres Vaters ins Kloster +gebracht wurde. 2. Wegen dem eine halbe Stunde davon gelegenen "Guetlein" +Zulsdorf hat Katharinas Bruder Hans sich aus Preussen hier einfinden und +"lange heraussen aufhalten, auch muessen selbes beziehen u. sich +verehelichen, bis er's an sich bracht" und hat das "aus Not, (um) sein +u. seiner Brueder Guetlein zu bekraeftigen, muessen thun u. fuer sein +Kindlein das Guetlein u. armes Erbdaechlein beschicken". (Br. V, 106, f.) +3. Als Bruder Hans Zulsdorf nicht mehr halten konnte (1540), so kaufte +es seine Schwester, obwohl es wenig eintraeglich und zwei Tagereisen weit +von Wittenberg entfernt lag, und hat sich mit Vorliebe hier aufgehalten. +(S.S. 84 f.) + +Allerdings gehoerte wenigstens seit 1504 Zulsdorf zu Kieritzsch und nicht +zu Lippendorf und wurde 1515 von Denen zu Kieritzsch an einen Jan von +Lenau verkauft (Br. VI, 705; Lpz. Z. 1883 Nr. 70 S. 413); aber um 1525 +heiratete eine Marie von Bora zu Zulsdorf einen Siegm. Wolf von Niemeck +zu Wittenberg (Schumann, Lexikon von Sachsen XIII, S. 671), und nach +Katharinas Tod (1553) brachte ein Christoph von Niemeck, also wohl ein +Sohn des vorigen, das Gut Zulsdorf wieder an sich. (Lexikon von Sachsen +XIII, S. 671; vgl. Seidemann, Grundbes. S. 529; ueber die Niemeck vgl. +Wittenb. Urbar V.H., Schmalbecker Hufen). _Also scheint Zulsdorf in der +That ein "Erbdaechlein" Derer von Bora gewesen zu sein._ (Die +Wittenberger Familie Zulsdorfer, die Stifter der "Zulsdorfer Kapelle", +stammt aus Zulsdorf bei Lochau. Vgl. Wittenb. Urbar III, 296 c. XI; 299 +c. XII.) + +Im Amte Weissenfels, wozu Lippendorf und Zulsdorf gehoerten, gab es um +1510 noch Bora; da wurde ein Siegmund von Bora in einer Streitsache vor +Amt geladen (Staatsarchiv zu Dresden), und zwar, wie es scheint, der +Bruder einer verehelichten "Haugwitz". + +Gegen die Abstammung Katharinas von Hans oder Jan zu Lippendorf kann man +geltend machen: 1. Die erste Gemahlin hiess Katharina und war vielleicht +eine geborne von Miltitz, die zweite, Margarete, eine geborne von Ende, +wenn naemlich der erste in den Urkunden genannte Zeuge oder Vormund, wie +gewoehnlich, der Bruder der Frau ist. Dagegen soll Katharina von Boras +Mutter eine geborene Haubitz gewesen sein. Wenigstens berichten die +(freilich erst 1664 veroeffentlichten) Consilia Theolog. Wittenb. IV p. +17 (ebenso Keil histor. Nachr. 15 und Luthers merkw. Lebensweise IV 320) +dass Katharinas Mutter eine von Haubitz gewesen. Haubitz heisst ein +Vorwerk oestlich von Grimma, also bei Nimbschen (Urkundenb. 409), ein +anderes liegt eine Stunde von Lippendorf (Wezel 423). _Seckendorf_ (III +92), dessen Schwester 1580 einen Georg von Haubitz heiratete (Engelhard +Lucifer Wittemb. I 13, meint, er sei dadurch ein Verwandter der +Katharina v. B. geworden) und nach ihm _Mayer_ p. 4 nennt sie eine +_Haugwitz_, darum sagt Richter 295 (vgl. 675): "von Haubitz _oder_ +Haugwitz". (Walch 12, 5 und nach ihm Hofmann 62 irren, wenn sie +berichten, in den Consil. W. stehe Haugwitz.) Uebrigens ist Siegmund von +Bora 1510 Vormund fuer eine von Haugwitz, welche also seine Schwester +gewesen sein wird (Dresdner Landesarchiv s.o.) Freilich die beiden Namen +werden oft verwechselt bzw. gleichgesetzt, z.B. im Kloster Nimbschen +(Urkundenbuch 322, 326, 328, 331, 332 vgl. 409 unter "Haubitz"). Diese +Verwechslung beruht auf der mundartlichen Aussprache, indem das b in +Haubitz wie w und das g in Haugwitz sehr weich gesprochen wurde, so dass +es verschwand. Die spaeteren Biographen behalten Haugwitz bei und +behaupten (freilich ohne Quellenangabe), der Vorname von Katharinas +Mutter sei _Anna_ gewesen. Soll das ein Missverstaendnis aus Una de +Haugwitz sein? (Wezel 423) oder eine Verwechslung mit Anna von Haubitz +aus Floessberg (bei Grimma), welche gleichzeitig mit Katharina im Kloster +Nimbschen war und kurz nach ihr daraus entfloh? Ob die Mutter +Katharinas aber wirklich eine geborene von Haugwitz war? Dagegen +spricht, dass ein Kanonikus Christoph von Haugwitz 1536 eine Schrift mit +einer Vorrede Bugenhagens veroeffentlichte, worin keine Rede ist von der +Verwandtschaft Katharinas mit der Familie Haugwitz. (_Seckendorf_ ad +Indicem I histor. XXXIII, Wezel 423). Gegen _Haubitz_, wenn Katharinas +Mutter aus dem Geschlechte der Nimbscher Nonnen war, spricht der +Umstand, dass der Vater Annas v. H. ein _kursaechsischer_ Unterthan war +(Hirschfeld 97 f.), weshalb sie auch zu Pfingsten 1523 aus Nimbschen +austreten und zu ihrer Familie heimkehren konnte. Dagegen die drei +Linien Haugwitz waren herzogliche Vasallen (A. Fr. _Glasey_, Kern der +hohen kur- und fuerstl. H. zu Sachsen, 4. Aufl. Nuernberg 1753, S. 795. +Hirschfeld 127).--Doch war unter den kursaechsischen Visitatoren von +Thueringen auch ein Erasmus von Haugwitz (Seckendorf II S. 101). Der +Bruder der Nimbscher Abtissin Margarethe von Haubitz, Asmus, war 1526-35 +Vorsteher des evangelisch gewordenen Klosters Nimbschen (Grossmann, +Visitationsakten der Dioeces Grimma L. 1873, S. 78). Oder sind beide +(Asmus = Erasmus) dieselbe Person? + +2. Ferner spricht gegen Lippendorf, dass Jan von Bora 1505 alle seine +Gueter zu Lippendorf seiner Hausfrauen zu einem Leibgeding +bekennt.--Lippendorf als damaliger Sitz dieser Linie waere doch +naturgemaess nicht als Leibgeding an die Ehefrau, sondern als Erblehen an +die Kinder uebergegangen (dieser Grund bestimmt G. v. Hirschfeld S. 110 +f., gegen Lippendorf als Geburtsort Katharinas zu stimmen, und ihm folgt +jetzt 1897 aus demselben Grunde auch Wezel, nachdem er 1883 Leipz. 8. +Wiss. Beil. 71 dafuer gewesen war). Indes war auch Sale ein "Sitz" und +wurde dennoch von Hans von Bora zu Lippendorf an seine Ehefrau Katharina +verleibgedingt. Es kann ja ganz gut ausser Lippendorf noch ein weiterer +"Sitz" fuer den Aeltesten vorhanden gewesen sein. Aeltere Maenner pflegen +in zweiter Ehe die Frauen zu Ungunsten der Kinder zu bevorzugen. Dies +ist doppelt begreiflich in diesem Falle, wo aus erster Ehe, wie es +scheint, nur ein Maedchen, Katharina, vorhanden war, hoechstens noch ein +Bruder, der mit einem geringen Guetchen abgefunden wurde (s.u. zu S. 4). + +Schon Seidemann meint, L. scheine K.s Geburtsort zu sein (Br. VI, 647) +und neuerdings (1899) hat ein aus Medewitzsch gebuertiger Lehrer Dr. +Krebs in Lippendorf am Hofgut als der Geburtsstaette Katharinas eine +Tafel anbringen lassen. + +Lippendorf gehoerte zum Amte Weissenfels und dieses mit seinen +Zugehoerungen nach dem Teilungsvertrag 1485 zum Herzogtum Sachsen (A. Fr. +_Glasen_, Kern der Gesch. der hohen kur- u. fuerstl. H. zu Sachsen. 4. +Aufl. Nuernberg, 1753, S. 792.) + +[2] Vielleicht wirkte auch die staerkere Mischung mit slavischem Blut bei +den Meissnern auf diese Missachtung. + +[3] Katharinas Leichenprogramm C.R. VII. 1155. Nata ex nobili familia +equestris ardinis in Misnia. + +[4] Br. V. 792. + +[5] 1733 bei _M.D. Richter_, Geneal Lutherorum, S. 750, "Alt- und +Neu-Boren, Wendisch- und Deutschen-Boren". Nossen liegt genau in der +Mitte des heutigen K.-R. Sachen. + +[6] _Grimm_, D. Mythologie, Goettingen 1835. S. 478. "Bor" eigentlich +Foehre, vgl. Fohre.--Der Name Bora wird sehr verschieden geschrieben: +Bhor, Bohra, Bhora, Bor(a)ra, Bor, Bora, Borau, Boren, Born, Borna, +Borna, Pora, lat. Boria, Bornia, Borana, Borenia, Borensis, griech. +[Griechisch: hae Boreia]. So steht sogar in ein und derselben Urkunde +(27. Nov. 1534, Dresden, Copialb 82, Wiss. Beil. zur Leipz. Z. 70, S. +413 u. 414) oben "Hansen vonn Bora" und unten "dem von Borau". Auch auf +dem Grabstein Katharinas in Torgau stand frueher unten Borau, aber das +Wort war schon vor 100 Jahren ganz von Salpeter zerfressen und ist jetzt +gaenzlich verschwunden. _Keil_, hist. Nachr. v. Geschl. L., S. 6.9. So +wechselt auch durch die mundartliche Aussprache Torga und Torgau, sogar +in derselben Urkunde, drei Zeilen von einander. _Kolde_, An. L. 200. + +[7] _Beste_, 9.--Das Wappen ist auch auf K.'s Grabstein ausgehauen. Die +Farben dazu wurden bei einer Renovation i.J. 1617 aus Eilenburg von +einer an den dortigen Pfarrer Boehm verheirateten Enkelin Luthers geholt. +Torgau. Kaemmerei-Rechnung. + +[8] Schon Hofmann 63 f. weist eine Anzahl Bora-Staetten ab. Ebenso G. v. +Kirchfeld. a.a.o. S. 87-110, 113, 116-118. Aus _Dohna_ stammt K. nicht, +denn das dortige Bora-Haus am Markt kam erst 1573 in die Haende des +Grossneffen Katharinas: Clemens. Aus _Moderwitz_ (s.o. S. 267) bei +Neustadt an der Orla nicht, denn das dortige Gut war kursaechsisch und +gehoerte der Familie Hayn, _Motterwitz_ bei Leisnig aber denen von +Bressen und das andere Motterwitz dem Geschlecht Staupitz, aus dem +Luthers geistlicher Vater stammt. (Schmidt, Urkundenbuch S. 312: Guenther +von Staupitz auf Motterwitz, 1501.) Aus _Schlesien_ stammt Katharina +auch nicht, woher einmal ein alter Edelmann (Bernhard) von Bora, +wahrscheinlich der Hauptmann von Oels, zu Luther nach Wittenberg kam und +sich bei ihm ueber den Schwaermer Schwenkfeld Rats erholte. Denn dies +schlesische Geschlecht heisst eigentlich Borau-Kessel und hat ein ganz +anderes Wappen: im silbernen Feld nebeneinander drei rote Rosen und +gelbe Butten. Br. VI, 647. Noch weniger stammt K. aus _Ungarn_, wie auch +einmal behauptet wurde (Hofmann 64). Diese Meinung ruehrt wohl daher, dass +der ehemalige Wittenberger Buergermeister Christoph von Niemeck, dessen +Mutter wohl eine Maria von Bora aus Zulsdorf war (s.o. S. 270 f.) in +Ungarn Fundgrueberei trieb und dort (1564?) starb. (Seidemann, Ztschr. f. +hist. Th. 1860, S. 529.)--Aus _Simselwitz_ bei Doebeln kann K. auch +nicht herstammen, weil die dortige Bora-Linie schon 1490, d.h. vor ihrer +Geburt ausstarb (G. v. Hirschfeld a.a.o.). + +Bisher hatte die Ueberlieferung sehr allgemein und zu veraechtlich +behauptet. Katharina von Bora sei in Steinlausig an der Mulde (setzt +"Muldenstein"), ein paar Stunden noerdlich von Bitterfeld auf die Welt +gekommen, weil 1525 nach dem Tode Friedrichs des Weisen ein dort +begueterter Ritter, Hans von Bora, nach Wittenberg gekommen ist und dem +neuen Kurfuersten Johann Erbhuldigung gethan und dort eine Luther-Linde +steht(!). Ja, es wurde sogar erzaehlt, dass Katharina in das dortige +Kloster eingetreten sei. Diese Ansicht wurde festgehalten auf Grund der +Nachricht von Mayer (S. 7): "welches wir in der Weimarischen Bibel +(1641!) aufgezeichnet gefunden", wo es heisst. "Geborene auss dem +Adelichen Geschlechte derer von Bora, so in der Chur oder (!) +Herzogthumb Sachsen zu Stein-Lausig (!) sesshaft gewest, wie auss der +Ritterschaft im Chur-Kreiss Erbhuldung zu Wittenberg (!) 1525 zu +vernehmen." Aber um 1500 war Stein-Lausig ("Lussigk", eine wueste Mark), +wie die ganze Gegend _kur_fuerstlich, und dieser Hans von Bora +_kur_fuerstlicher Vasall (daher er eben dem _Kur_fuersten +huldigt)--waehrend doch Katharina aus Meissen stammte und Unterthanin des +Herzogs Georg war. Dieser Hans v.B. auf Steinlausig starb auch ohne +Soehne, so dass sein Leben an Luthers Gevatter, Hans von Taubenheim, kam. +Steinlausig endlich war ein _Maennerkloster_! (Emil Obst, "Muldenstein +und Steinlausig", Bitterfeld, Selbstverlag, 1895, S. 30-35). Vgl. Wezel, +S. 421.--Bemerkenswert ist, dass um 1520 in Nimbschen eine Katharina von +Lausigk Bursarin war (Urkundenb. 166). Vielleicht suchte man Katharinas +Geburtsort auch darum in Stein-Lausig, weil die Gemahlin von Katharinas +Bruder Hans, Apollonia geb. von Marschall, verwitwete Seidewitz, aus +Jessnitz stammte. So hiessen fuenf Orte, darunter der bedeutendste: die +Stadt Jessnitz, nicht weit noerdlich von Steinlausig. Thatsaechlich ist +aber das Dorf Jessnitz bei Doebeln ihre Heimat. Br. VI. 705. + +[9] _Zulsdorf_. (Zuelsdorf, Zoellsdorf, Zoelldorf, Zeilsdorf u.s.w.) "das +wueste Dorf oder die Wuestung Czollsstorff" (a. 1105: Zulaenestorff), +burggraeflich-leisnigsches Lehen, gehoerte zur Pfarrei Kieritzsch. +_Nixdorf_: "Holzmark zw. Z. u. Kieritzsch". Archiv f. Saechs. Gesch. +1864, S. 209. 97. Vgl. Br. VI, 705. Wezel 413. +[Transkriptions-Anmerkung: Die genaue Position des Verweises im Text +nicht markiert.] + +[10] Beste 12. + +[11] Br. VI, 649 f. V, 492. _Walch_, K.v.B. 23. 65. k. + +[12] IV, 291. V, 106. 201. 411. 516. _Burkh._ Br. 303. 401. 423. + +[13] _Seidemann_, Ztschr. f. histor. Th. 1860. S. 265-69. + +[14] Urkundenbuch 318 ff. Sie war 1509 die 14. unter 43 Klosterfrauen, +gehoerte also schon unter die Seniorinnen. Muhme bedeutet freilich nicht +bloss Tante, sondern im allgemeinen soviel wie das sueddeutsche Base +(sogar = Nichte); ebenso "Ohm" = "Vetter" (auch = Neffe). So nennt +Luther seine Nichte (Lene) "Muhme" (T.R. IV, 54) und Katharina ihren +Neffen (Florian) "Ohm". S.o.S. 239. + +[15] _Schumanns_ Lexikon von Sachsen. Bd. 13, S. 671. + +[16] Br. V, 64. + +[17] _Richter_. 674, nobilis sed tum fere ad incitas redacta prosapia. +Br. VI, 649 f. IV, 291. + +[18] _Lorenz_, Sachsengruen, 1861, 1, S. 82; Z.B. die 2 Schoenfeld 3 Sch. +20 Gr., Ilse Kitschers 40 Gr., die 2 Zeschau je 4 fl. rh., Magd. v. +Staupitz 2 fl. Hirschfeld a.a.O. 127. + +[19] Wiss. Beil. zur Leipz. Z. 1899, S. 35a Erasmus Epist. ed. Cler. +Tom. III pag. 790 indotata (ohne Aussteuer).--Vgl. Luthers Rede und +Gebet bei seiner Krankheit 1527. L.W XIX, S. 160 ff.--Das sog. Bild +Katharinas von Bora, das sie angeblich im reichen Brautstaat mit dicken +silbernen und goldenen Ketten zeigt (bei Fr. G. Hofmann, Katharina v.B., +Leipzig 1845) stellt sie gar nicht vor, wie schon die gestickte Schrift +C A B an der Haube beweist, denn das heisst nicht etwa C. a Bora. +_Seidemann_, Beitr. I, 92. Vgl. uebrigens das Siegel 266. + + +2. Im Kloster + +Hierher bes. "Urkundenbuch". Ferner: "Sachsengruen" Kulturhist. Ztschr. I +S. 82; Braess, Wissensch. Beil. der Leipz. Zeitung 1899, Nr. 9. Vgl. A. +_Thoma_, Gesch. des Klosters Frauenalb, Freiburg 1899. + +[20] _Vierordt_, Gesch. der ev. Kirche im Grossherz. Baden, Karlsruhe +1847, I. Bd. S. 30 ff. Frauenalb S. 18. Th. Murner, Schelmenzunft +(1512). "Kloster und Stifte sind ueberall gemeiner Edelluet Spital". + +[21] Frauenalb S. 31: "Da alle Klausur und geistlichen Leute erdacht und +gemacht sind, dass sie unserm Herrn und Gott dienen und fuer Tote und +Lebende und alle Gebresthafte Bitten fuellen". + +[22] Vgl. "Wie Gott einer Klosterjungfrau ausgeholfen", Walch, L.W. XIX +2095 ff. Diese Nonne Florentina von Oberweimar. "Da ich 24 Jahre alt +wurde, begann ich mein Gemuet und meine Geschicklichkeit zu fuehlen und +erkennen". + +[23] Monachum aut paterna devotio aut propria professio facit. Decret II +part. c. 3. C. XX qu. 1. Vgl. Koestlin I 592, Frauenalb 19. + +[24] Florentina a.a.O.: "Von meinen Eltern, welche geistlichen Stand +fuer gut und selig angesehen, durch Bitt und Anregung meiner Muhme, der +Domina (Aebtissin) zu Eisleben, wurde ich in das Jungfrauenkloster +daselbst gegeben." + +[25] Frauenalb 19.--Ave Grossin wurde in Nimbschen als Kind +angenommen--(Sachsengruen 81). Florentina, welche mit dem 6. Jahr ins +Kloster kam, erzaehlt. "Da ich 11 Jahre, bin ich durch Angeben der Domina +(Aebtissin) ohne alles Befragen (und wenn ich gleich wohl befragt, haette +ich keinen Verstand gehabt) also unwissend eingesegnet". + +[26] Br. II, 323. 319. + +[27] Br. II, 331 (lies invito dicatis). 324. + +[28] Urkundenbuch 319 ff. Die Nonnen pflegten nicht nach dem +Lebensalter, sondern nach dem Eintrittsjahr aufgezaehlt zu werden. +(Frauenalb 42 f.) + +[29] _Seckendorf I_, 274. _Engelhard_, Lucifer Wittenbergensis v.d. +Morgenstern v.W., d.i. vollstaend. Lebenslauff der Cath. v.B., des +vermeynten Ehe-Weibs D.M.L. Landsperg, 1747. I, 27. + +[30] _Nimbschen_. Der Name lautet: Nimetzsch, Nimtsch(en), Nympschen, +Nimptschen. Braess a.a.O.--"Gestiftet zur Ehre und zum Dienste Gottes und +seiner geheiligten jungfraeulichen Mutter".--Das Amt und Kloster fiel bei +der Teilung 1485 an das Kurfuerstentum. Sachsengruen, I, 82. + +[31] Zu S. 8 ff. Vgl. Thoma, Frauenalb 77 ff. Zu S. 9-12 s. Urkundenbuch +319 ff. Braess, 35a. + +[32] Urkundenbuch 337. Zum damaligen Geldwert: l Schock = 60 Groschen. +20 Gr. = 1 fl. 14 gute Schock = 40 fl.--Damals kostete 1 Huhn 1/2 Gr.; 1 +Schock (60) Eier 1 Gr.; 1 Scheffel Weizen 7 Gr.; ein Scheffel Hafer 3 +Gr. Urkb. S. 376. + +[33] Amsdorfs Brief an Spalatin vom 11. April 1523. "Ordinis B. +Bernardi". + +[34] Im Freiberger Kloster gingen durch das Fenster am Chor Sachen (bes. +Schriften) aus und ein. (Seidemann 128).--canes (statt canas?) vetulas. + +[35] cum pueris heisst es. Sollten die Knaben der Aebtissin (S. 11) +gemeint sein? + +[36] Ueber die Feierlichkeiten s. Frauenalb S. 23-25. + +[37] Urkundenbuch S. 166. Frauenalb 22. + +[38] Metze = Magda(lena). + +[39] Margarete hatte (1497) von ihrem Vater Hans v. Haubitz samt ihrer +Tante als Leibgeding 64 Groschen Geld, 9 Huehner, 30 Eier und ein +Hofichen Butter vom Vorwerk Haubitz verschrieben. (Urkb. zu 1497). + +[40] Als das Stift evangelisch geworden war. _Grossmann_, Die +Visitations-Akten der Dioeces Grimma I.H. Leipzig 1873, S. 181. + +[41] S. _Seidemann_, Kollektaneen auf der Dresdener Hofbibliothek II +unter "Bora". Zu S. 13-15 Urkundenb. 319 f. + +[42] _Cordatus_ Nr. 954. + +[43] Urkb. 303: 1504 nahm das Kloster "zur Anhebung der hl. Reformation" +Geld auf. 324: "Obgleich noch viel zur Reformation gehoert." + +[44] Die staendige Eingangsformel eines Antwortschreibens lautet: Euern +Brief habe ich erhalten und verstanden. + +[45] In der Zeit, da das Kloster evangelisch geworden war, wurde den +Schreibverstaendigen unter den Klosterfrauen aufgegeben, die jungen +wenigstens, die es noch nicht konnten, schreiben zu lehren. _Dr. +Grossmann a.a.O._ S. 80. + +[46] Sachsengruen, 81, Urkb. 319, 323. Altes Gesangbuch 290. + +[47] _Seidemann_, Kollekt. Pars II unter "Bora". + +[48] Florentina bei Walch XIX 2095 ff. + +[49] Florentina. Walch a.a.O. + +[50] Braess a.a.O. Anderwaerts waren die Spenden bei der Einsegnung +tarifmaessig festgesetzt und sehr betraechtlich; z.B. im Kloster Hausdorf +erhielt der Propst allein 32 Gr. und 1 Fingerlin (Ring), die Priorin und +Kellnerin je einen Schleier, 15 Gr., 4 Stueck Fleisch, 1-1/2 Stuebchen +Bier und ein St. Wein, und alle Beamte und Bedienstete bis zum +Blasbalgtreter, Laeuter und Fensterknecht, sowie jegliche Jungfer, ihren +ganzen oder halben Solidus. _Mitzschke_, N. Archiv fuer Saechs Gesch. XIX, +347. + +[51] T.-R. II 233. "Wider Willen geweiht": Br. II 330, lies: invito +dic(a)tis "Hitzig", T.-R. II, 233, vgl. Urkb. 324: "in Gottesliebe +hitzig". + +[52] Frauenalb. 31. Urkb. 324. + +[53] T.-R. III 230, II 124. 235 sagt Luther: "Es war eine lautere +Stockmeisterei und Marter der Gewissen im Beten. Da war nur ein +Geplapper und Gewaesch von vielen Worten; kein Gebet, sondern nur ein +Werk des Gehorsams." + +[54] Dass Katharina, wie seltsamerweise die katholischen Schriftsteller +bis auf Evers hartnaeckig behaupten (vgl. S. 262, Z. 27), Aebtissin +gewesen sei, wird schon durch die Thatsache widerlegt, dass Margarete von +Haubitz von 1509 bis zur Aufhebung des Klosters Vorsteherin war. + +[55] Von den Nonnenkloestern stammen die zahllosen Paramentstuecke der +mittelalterlichen Gotteshaeuser. So hatte die Wittenberger Stiftskirche +32 Teppiche, 18 Fahnen, 12 Samtdecken, 138 seidene Vorhaenge und 221 +Messgewaender! _G. Stier_, Denkwuerdigkeiten Wittenbergs, S. 10. + +[56] Urkb. 316-319. + +[57] Ebenda.--Vgl. _Myconius_, Summarium der Ref.-Geschichte 4: +"Vielfeiern: Tag und Nacht singen, plaerren, murmeln". + +[58] Sachsengruen, I, S. 82.--Der Bischof von Merseburg (Adolf, Fuerst von +Anhalt) kam am 28. April 1524 zur Visitation nach Grimma mit 40 Pferden +und sechs Geistlichen. _Foerstemann_, Neues Urkundenbuch, Hamburg 1842, +S. 97. + +[59] 1. Jan. 1291. 7. Okt. 1296; s. Urkb. 226. + +[60] 23. Aug. 1311. Urkb. S. 221. 337. + +[61] Weimarer Archiv, Rechnungen von 1517, 1519, 1530. _Seidemann_, +Kollekt. II. Vgl. _Grulich_, Denkw., S. 27. Urkb. 315. + +[62] Urkb. 322 ff. + +[63] Urkb. 334. Sachsengruen I, 82. Urkb. 303, 307. 313: Beschwerden ueber +die Moenche: "Alle Diener (Beamte), die vom Fuersten dahingesetzt, worueber +die Aebtissin und Sammlung haelt, werden von den Moenchen verfolgt. Sie +wollen auch die neue Abtissin entsetzen wie die alte, aus Neid." + +[64] Urkb. 328. Der Vorsteher hiess Matthias Heuthlin. + +[65] Urkb. 329. 337 f. + +[66] Urkb. 344. "Mutter Kuehnen wartet auf die kranken Jungfrauen." So +beklagten sich die Nonnen in Freiberg, dass ihnen keine Liebesdienste, +wie Krankenpflege und dgl. verstattet sei. Urkundenb. 325: Die Aebtissin +ermahnt die Nonnen, den Statuten nachzufolgen, "dass ihr also durch +dieselben geistlich lebet, auf dass ihr aufs letzte das Verdienst der +guten Werke ("Uebungen") und Vergeltung eurer Arbeit mit dem ewigen +Leben moeget erlangen." + + +3. Die Flucht aus dem Kloster. + +[67] L.W. XIX, S. 1797-2155. + +[68] T.-R. II 124, S. oben S. 18, 2. [Transkriptions-Anmerkung: Die +genaue Position des Verweises im Text nicht markiert.] + +[69] _Matthesius_ 31, wonach auch der Inhalt des Buechleins angegeben +ist. Vgl. _Seidemann_, Erlaeuterungen zur Ref.-Gesch. 113. + +[70] _Grulich_, Denkw. v.T., S. 28. S. unten S. 32. + +[71] S.o.S. 21. _Walch_, Leben der sel. Kath. v. Bora 64 f. + +[72] Florentina a.a.O. + +[73] Vgl. Ztschr. f.d. Gesch. d. Oberrheins, 1899, H. 1. S.o.S. 28 und +S. 32. + +[74] Br. III 321, 322.--1534, als Luther allerlei Erfahrungen in dieser +Hinsicht gemacht hatte, musste er die austrittlustigen Nonnen auf diese +Schwierigkeiten aufmerksam machen. Br. II, 322, IV, 580, 583. + +[75] Br. II, 322. 327. + +[76] Br. II, 323.--"Kinder" = freigeborne Soehne und Toechter (liberi); +vgl. Frauenalb 18. Damit sind Seidemanns (Erlaeuterungen zur Ref.-Gesch., +Dresden 1844, S. 109) Bedenken ueber die "Sammlung (Konvent) von Kindern" +in Freiberg erledigt. + +[77] Br. II, 320. Luthers Auslegung von I. Cor., 7. _Walch_ XII, 287 +f.--So enthielt der Ave Schoenfeld ihr Bruder nach ihrem Austritt ihr +Erbe vor, indem er sich auf das paepstliche (kanonische) Recht berief. +Br. III, 289 f. + +[78] _E. Wezel_, Kath. v.B. Geburtsort, Wiss. Beil. z. Leipz. Z., 1883, +Nr. 71, S. 423 f.--Br. II, 323. + +[79] Vergleichen kann man mit den Nimbschener Zustaenden diejenigen im +Kloster Freiberg. Hier vermittelte die Herzogin Heinrich (Enkelin des +Boehmenkoenigs Georg Podiebrad) die Schriften Luthers. Die Schriften kamen +auch durch den Klosterprediger, den Balbierer Meister Philipp ins +Kloster, wurden abgeschrieben u.s.w. Bei einer Visitation vergrub die +Herzogin Ursula einen ganzen Sack voll lutherischer Buechlein ins Korn. +Beim Salva Regina sangen die Lutherischen andere Woerter.--Viele, +darunter Katharina von Mergenthal, die Herzogin von Muensterberg "waren +rege und wollten springen; die Heerfuehrerin drohte immer mit Auslaufen" +(Seidemann, 120). Unter den 77 Freiberger Nonnen waren ein gut Drittel +(besonders die jungen) lutherisch, ein anderes Drittel altglaeubig, das +dritte Drittel "wie der Wind geht". Die einen hielten die andern fuer +"baennisch". Die Priorin war lutherisch und half zur Flucht. N. Archiv f. +Saechs. Gesch. III, 290-320, _Seidemann_, Erl. zur Ref.-Gesch., Dr. 1844, +S. 109 ff. + +[80] Br. II 323. + +[81] III, 9. + +[82] II, 323. + +[83] II, 323. + +[84] II, 327. + +[85] Br. II, 321, 322 f.--Auch Luther dachte an Todesgefahr: "ob's auch +das Leben kosten muesste". Um diese Zeit, vor oder nach Ostern 1523 wurde +Heinrich Kelner, welcher eine Nonne aus Kloster Sornzig entfuehrt hatte, +durch Herzog Georg zu Dresden gekoepft, gespiesst und an den Galgen +gesteckt. S. 36. Und als um Fastnacht (4. Maerz 1524(?)) zu Torgau 16 +Buerger das Barfuesserkloster stuermten, erregte das den groessten Unwillen +des Kurfuersten Friedrich, zumal damals gerade kaiserliche Gesandte sich +in Torgau aufhielten, um ueber die Religions-Angelegenheiten zu +verhandeln. Der Kurfuerst wollte den 16 an das Leben, so dass sie Frau +und Kinder in Stich lassen mussten und fluechtig wurden; ein Glueck, dass +Kurfuerst Friedrich bald starb und sein Bruder Johann milder gegen die +Verjagten gestimmt war. + +[86] _Hofmann_, S. 8 f., Torgauische Denkwuerdigkeiten 1749, S. 38; +_Grulich_, Denkwuerdigkeiten Torgaus, Torgau 1855, 2. Aufl. S. 24 f. M. +Sam. _Schneider_, Neue Beitraege 1758. "Im Jahre spaeter stuermte Koppe mit +anderm Poebelvolk das Moenchskloster."--Der Klosterstuermer war aber +wahrscheinlich der gleichnamige Neffe des alten Koppe; auf den Neffen +passt das Herumtreiben mit jungen Edelleuten waehrend der Flucht. Der +junge Koppe konnte auch verwandt mit Kunz von Kaufungen sein.--Der +Klostersturm war auch wahrscheinlich 1525 nicht 1524, sonst wuerde sich +nicht reimen, dass der Kurfuerst bald starb. Auch ist 1525 das Jahr der +Bauernunruhen, wo sich eine solche aufgeregte That eher erklaert. Noch +weniger kann es 1523 sein; denn sonst haette Koppe, sei's der aeltere oder +juengere, nicht nach Torgau sich wagen duerfen. + +[87] Hofmann, S. 9 f. + +[88] Die verschiedenen Berichte ueber die Flucht s. bei _Walch_ 64, +_Hofmann_ 11, _Seidemann_, Ztschr. f. histor. Th. 1860, S. 475. +Lutherbr. 14. _Braess_ 36. Von Heringstonnen berichtet _Arnold_, +Kirchen-und Ketzerhistorie II, 513. Vgl. _Beste_ 17 f. Die oft erwaehnte +Florentina entkam ohne weiteres, als ihre Hueterin ihre Zelle zu +schliessen versaeumte und die andern Nonnen im Schlafhaus waren. Die +Herzogin Ursula von Muensterberg entwich durch die schlecht verwahrte +Hintertuer im Garten (N. Archiv fuer Saechs. Gesch. III, 304, Seidemann 118 +f.); auch in Nimbschen war die hintere Pforte schlecht verwahrt. +(Urkundenbuch 324). Die muendliche Sage in der Umgegend erzaehlt, es +haetten sich alle neun Nonnen durch das Fenster in der Zelle Katharinas +herabgelassen; auch habe diese bei der Flucht ihren Pantoffel verloren. +Das Fenster wird an den heutigen Ruinen (des Refektoriums?) noch gezeigt +und lange Zeit sangen die Zoeglinge der Landesschule zu Grimma, an welche +das Kloster mit seinen Einkuenften uebergegangen ist, dort bei Ausfluegen +lateinische und deutsche Hymnen. Das Fenster aber hat schwerlich zu +einer Zelle gehoert. Ebenso wird noch in Nimbschen der Pantoffel +gewiesen, der aber ist ein Machwerk des vorigen Jahrhunderts. + +[89] _Menken_ Annal. a. 1523. Script. rer. Sax. 571: singulari consilio +et calliditate. Facinus plane audacissimum. Asus est ex monasterio clam +abducere. Br. II, 319; satis mirabile evaserunt. + +[90] Br. II, 318; vom 8. April ex captivitate accepi heri ex Nimpschen 9 +moriales. + +[91] _Grulich_. Denkwuerdigkeiten S. 29. "Auch Zwilling war bei der Hand +und fuehrte den Zug der Nonnen an". + +[92] Br. II, 319. vulgus miserabile. Kolde Ann. Luth. 443. + +[93] Anspielung auf 1. Petri 3, 19 und Ephes. 4, 8, wonach Christus am +Karsamstag zu den Geistern ins Gefaengnis hinabstieg und die armen Seelen +befreite, wie das auf mittelalterlichen Bildern mit so grosser Vorliebe +dargestellt wird. + +[94] Br. II, 321. "Euer Audi" laesst Luther auch in der Einladung zur +Hochzeit gruessen III, 9. + +[95] Der offene Brief an Koppe Br. II, 321-7. + +[96] _Burkhardt_, 56. 109. _Lorenz_: die Stadt Grimma, 1112 f. +_Lauterbach_ 163 f. + +[97] Dr. _Braess_ 36. _Lauterbach_ 163 f. _Seckendorf_ I 272: Elcetor +dissimulavit factum. Die Aebtissin schrieb schon vorher an den +Kurfuersten. + +[98] _Seidemann_, Beitr. zur Ref.-Gesch. I, Dresden 1846, S. 60. +_Lorenz_ 1108 f. Urkundenbuch 340. _Grossmann_, Visitationsakten der +Dioeces Grimma I, L. 1873 S. 78 ff. 181. + +[99] _Hofmann_ 14. _Seidemann_, Beitr. I, 92. + +[100] Br. II, 354. III, 9. 32. 33. + + +4. Eingewoehnung ins weltliche Leben. + +[101] II, 323. 319. + +[102] II, 319 f. _Kolde_, Ann. L. 443. + +[103] Br. II, 334. 433. 473. 584. 330. + +[104] Br. IV, 580. + +[105] Br. III, 170. 229 f. 236. Schoenfeld, T.-R. IV, 50. Burkh. 193. + +[106] Reichenbach stammte aus Zwickau und studierte in Wittenberg +1510-11. 1525 nahm er sein Haus in Lehen, 1530 wird er Buergermeister, +1541 heiratete seine Tochter, 1543 starb er. (_Buchwald_ 74 f. 173). +_Consil. Theol. Witt._ IV, 19. _Hofmann_ 13 f. Reichenbachs Haus ist +uebrigens nur in dem hundert Jahre spaeter erschienenen Werk der _Consil. +Theol. Witteb._ als Katharinas Zufluchtsort genannt. Bei allen +gleichzeitigen Quellen kommt es nicht vor; auch in allen Berichten ueber +die Trauung und Hochzeit wird das Ehepaar nicht erwaehnt und von irgend +welcher Beziehung des Lutherschen Hauses mir der Familie Reichenbach +findet sich keine Spur. Er gehoerte allerdings in den Freundeskreis +Dietrichs und Baumgartners. Dietrich meldet diesem am 29. Jan. 1535 die +Vermaehlung von Reichenbachs Schwester mit dem Nuernberger Strauch. +(Ztschr. f. hist. Th. 1874 S. 546 f.) Dagegen weisen andere Anzeichen +darauf hin, dass Kaethe vielmehr in dem _Kranach_schen Hause gelebt habe; +der Koenig Christian, welcher im Oktober 1523 dort wohnte, verehrte der +Jungfrau Kaethe einen Ring: das kann doch nur fuer Dienste geschehen sein, +die sie im Kranachschen Hause that. Ferner ist bei der Trauung Luthers +als einzige Frau die Kranachin zugeben. Endlich steht Luther, wie Kaethe, +mit den beiden Eheleuten, seinen Gevattern, auch in spaeteren Jahren noch +in reger Beziehung, waehrend nirgendswo von einem Verkehr mit dem +Reichenbachschen Ehepaar im Leben Katharinas geredet wird. Ich moechte +daher vermuten, dass Kaethe nur kurze Zeit im Reichenbachschen Hause +untergebracht wurde, dagegen im uebrigen in dem sehr umfangreichen und +wohlhabenden Hause der Kranach als Stuetze der Hausfrau Verwendung +gefunden. Bei Kranach konnte auch Ave von Schoenfeld untergebracht sein, +weil ihr spaeterer Gatte Lic. Basilius Axt in Kranachs Apotheke +beschaeftigt war. In dem Brief, worin Luther den Medicus Basilius Axt +empfiehlt, wird von diesem gesagt, er sei Apotheker bei Kranach gewesen +und seine Gattin (Ave von Schoenfeld) eine Mitschwester von Luthers Frau. +(B. III, 292 vgl. 291). + +[107] _Beste_ 20. _Hofmann_ 13, 26. + +[Transkriptions-Anmerkung: Zur folgenden Bemerkung gibt es keinen +Verweis im Text.] + +_Seidemann_, Ztschr. f. hist. Th. 1874. S. 533 ff. + +[108] Consil Witt. IV, p. 19. + +[109] Br. II, 325. + +[110] Br. II, 553. W.L.W. XXI, 916. Beste 22, 2. + +[111] Ztschr. f. hist. Th. 1874. S. 544-58. Br. II, 553. + +[112] Corp. Ref. I, 1114. Br. III, 532, wo Luther und Melanchthon an Abt +Friedrich fuer eine Wittenbergerin fuersprechen, welche ein junger +Nuernberger heiraten will. + +[113] _Abr. Scultetus_ Ann. ad. ev. renov. ad a. 1525. p. 80. +_Seckendorf_ II, 17. _Walch_ 92-96. _Beste_ 23 f. + +[114] "Meine Kaethe hatte ich damals nicht lieb, denn ich hielt sie +verdaechtig, als waere sie stolz und hoffaertig." T.-R. IV, 50. + + +5. Katharinas Heirat. + +[115] Ostern 1525. Br. II, 643. 646.--Vgl. T.-R. IV, 132. + +[116] _Schadow_, Wittenberger Denkwuerdigkeiten, W. 1825, S. 61. + +[117] Hochmeister: Br. II, 673 f. 678. Spalatin: II, 643. _Seckendorf_ +II, 274. + +[118] T.-R. IV, 145: "Die kaiserlichen Rechte sagen: Wer eine Nonne +nimmt, der habe das Leben verloren und das Schwert verdient". + +[119] Br.: II, 35. 40. 49. 102 f. 583. 637. + +[120] _Cordatus_ 1509. Argula. Br. II, 570. 646. W. XXI, 931. + +[121] _Lingke_, D.M.L. Reisegeschichte, L. 1769, S. 157. Luther war vom +16. April bis 6. Mai auf der Reise. Br. II, 643.--Anfangs Maerz bat +Luther Amsdorf, zu ihm zu kommen, um ihm in seinen Anfechtungen ein +Trost zu sein. Br. II, 634. + +[122] W. XX, 1685. X, 861. _Seckendorf_ II, 17, I, 274. _Scultetus_ p. +80. 274. Br. II, 643. 655. 678, III, 1. 3. 13. 21. 32. Consil. Theol. +Witteb. IV, 19. _Lingke_ 151-3.--"Es ist der Welt Gott der Teufel (der +ja selbst ein Hagestolz ist), der Verspoetter jeder Gott gefaelligen +Gattenliebe und jedes ehrsamen Familienlebens, der den Ehestand so +verleumdet und schmaehlich gemacht hat" (W. X, 806). "Wer dem Ehestand +zuwider ist und redet uebel davon, der ist gewiss vom Teufel." (Matthes. +138.) Erasmus spoettelte, Luther erlaube andern, was er selber nicht +wage. _Schlegel_, Vita Spalatini, 211. 214.--T.-R. IV, 36. + +[123] W. X, 962. Erasmi Opera ed Cler. III, 1 ep. 80. Br. III, 21. So +schreibt L. 1526 bei der Taufe seines Erstgebornen. "Ich scheu des +Prangens, als wollt ich mich mit einem Moenchs- und Nonnen-Kinde +herfuerthun" (III, 113).--Nonne trotz kaiserl. Rechte: T.-R. IV, 145. + +[124] Die Schoenheit Katharinas behauptet u.a. Erasmus III, 1 ep. 730. +"Ein Maegdlein von feiner Gestalt". "Eine schoene Frau": IV, 553. "Nicht +in Leidenschaft entbrannt": III, 9. Reim: Seidemann in Schnorrs Archiv +IX, S. 3. Ueber schoene Frauen, T.-R. IV, 40. + +[125] II, 646. Diese 2 Frauen waren wohl 1. die Ave von Schoenfeld, von +welcher L. 1536 sagt: "Wenn ich vor 13 Jahren haette freien wollen, so +haette ich Eva Schoenfeldin genommen, die jetzt der D. Basilius, der +Medicus, in Preussen hat" (T.-R. IV, 50); und 2. "jene Alemannin, meine +Verlobte", von welcher im Januar 1526 das Geruecht ging, Amsdorf habe sie +geheiratet. Br. III, 77. Salus (=Ave) Allemanna, vgl. die vier Brueder +Alemann III, 418. Man deutet aber diese Aeusserung L. drei "Frauen" auch +allegorisch auf die drei Moenchsgeluebde (_Beste_ 31) u.a. + +[126] II, 655. Luther war am 19., 28., 29. April in Eisleben. + +[127] Die ueble Nachrede (III, 2 infamantibus me cum Catharina Borana) +war vielleicht die Luege von einem fruehzeitigen unerlaubten Umgang der +beiden Brautleute, welche auch Melanchthon in seinem bekannten +vertrauten Brief an Camerarius zurueckweist. S. 58. Luther war wegen der +an sich selbst erfahrenen und auch sonst wahrnehmbaren Verleumdung +Verlobter gegen lange Verlobungszeit. T.-R. IV, 41, Br. III, 1-3, 9-12. + +[128] T.-R. IV, 73. Cord. 1511. + +[129] Luthers Augen beschreibt Melanchthon (Ztschr. f. K.-G. IV, 326) +als braun mit einem gelben Ring darum: der Ausdruck habe den +kampflustigen Blick des Loewen.--Ueber Luthers Aeussere vgl. +Kuechenmeister, L.'s Krankheitsgeschichte, 42. 116. Bei dem Besuch bei +Kardinal Bergerins (s.o.S. 115) trug, wie dieser bemerkte und +aufschrieb, Luther ein Wams aus dunklem Kamelot, die Aermel mit Atlas +eingefasst, darueber einen kurzen Rock von Sersche mit Fuchspelz +gefuettert, an den Fingern mehrere Ringe, um den Hals eine schwere +goldene Kette. Luther wollte damals dem Kardinal imponieren und recht +jung aussehen, um ihn zu aergern; er meinte, so muesse man mit Fuechsen und +Schlangen handeln. + +[130] T.-R. IV, 38. + +[131] _Kawerau_, der Briefwechsel des J. Jonas, Halle 1884/5, I, S. 94. + +[132] "Herkoemml. Braeuche": im Briefe Mel. an Camer. (ed. _W. Meyer_, +Muenchen, Akadem. Buchdr., 1876, S. 6 f. Vgl. _Koestlin_ I, 768 f., 817 +f.--T.-R. IV, 72: L. fuehrt nach dem Nachtessen die Braut zum Bette. +S.u.S. 121 f. + +[133] Die Trauform in Luthers Traubuechlein (1529), welche sich wohl dem +herkoemmlichen Gebrauch anlehnt, ist folgende: Vor der Kirche geschieht +die Trauung durch einen Weltlichen oder Geistlichen. Da wird "Hans und +Grete" gefragt: Willst Du den oder die zum ehelichen Gemahl haben? Auf +das Ja! wechseln sie Trauringe; der Trauende fuegt die Haende zusammen und +spricht: "Was Gott zusammengefuegt hat, soll der Mensch nicht scheiden." +Und: "Weil denn Hans N. und Grete N. einander zur Ehe begehren und +solches hier oeffentlich vor Gott und der Welt bekennen, daraufhin sich +die Haende und Trauringe gegeben haben, so spreche ich sie ehelich +zusammen im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes." +Darauf folgt in der Kirche Gebet und Segen. Spaeter wurde in Wittenberg +die Trauung in der Kirche ueblich. Koestlin II, 642, 63. Vgl. T.-R. IV, +53. "Da verlachet D. Philipp hoehnisch, wenn wir Braut und Braeutigam in +der Kirche oeffentlich zusammengeben, gleich als duerfte man nicht beten +zu solchen Sachen." + +[134] _Kawerau_, Jonas' Briefw. a.a.O.--"Geloebnis" Wittenb. +Stadtrechnung. Vgl. V, 196: sponsalia confimare. + +[135] _Hofmann_ 47. + +[136] W. X, 855 f. 967 f. III 2, 567 f. 2565. Bugenhagen an Spalatin. +Luther fordert im "Traubuechlein", die Ehe als oeffentlicher Stand solle +auch oeffentlich vor der Gemeinde vollzogen werden, vor oder in der +Kirche, wie es die Brautleute begehren.--Auch _Matthes._ redet +von einem oeffentlichen Kirchgang Luthers, desgl. Consil. Theol. +Witteb.--Bezeichnungen fuer die Hochzeit bei _Schild_, Denkwuerdigkeiten +Wittenbergs, W. 1892, S. 25. Luther hielt--gegenueber Melanchthon--sehr +auf die herkoemmlichen kirchlichen Braeuche bei der Hochzeit. T.-R. IV. +72. Als Wittenberger Brauch der Heimfuehrung wird (_Buchwald_, Zur +Wittenberger Stadt- und Universitaets-Gesch. 35) erzaehlt: "Roehrer fuehrte +seine Braut nach der Hochzeit im Hause Dr. Beiers in unser Haus mit +feierlichem Geleite der Frauen." Vgl. M.H. Gottl. _Kreussler_, Denkmaeler +der Ref., L. 1817, S. 29. "Die kleine Gesellschaft brachte das Brautpaar +heim." + +[137] Hochzeitsbriefe III, 1. 3. 9. 11-14. + +[138] Hochzeitsgeschenke, Hofmann, 52 f. + +[139] Siehe bei _Hofmann_ das Titelbild. _Seidemann_, Beitr. zur +Ref.-Gesch. I, 92. + + +6. Das erste Jahr von Katharinas Ehestand. + + +Br. II, 582, III, 32. + +[140] "Schwarzes Kloster" d.h. Kloster der schwarzgekleideten Augustiner +im Gegensatz zu dem unteren "grauen Kloster", dem Sitz der grauen +"Minderbrueder".--Studierstube, Br. II, 543, T.-R. IV, 476. Ausruestung, +Br. III, 472 f. Winterzimmer, III, 221. Bilder: Der Karlstadtianer +Ickelsamer ("Klag etlicher Brueder") ruegt, "Luther wolle bei sich gemalte +goetzische Bilder haben." T.-R. I, 137: "Gemaelde an der Wand. Das +Kindlein Jesus schlaeft in seiner Mutter Arm". S. 311. "Da D.M. +das Kindlein Jesus gemalt im Schosse der reinen Jungfrauen +ansahe".--_Seidemann_, Grundbesitz 496. Die gesamte jetzige Einrichtung +des Lutherzimmers ist nicht echt, namentlich Tisch und Ofen aus spaeterer +Zeit. Ueber das Lutherhaus s. H. Stein, Geschichte des Lutherhauses, +Wittenberg 1883. Das Lutherstueblein war aber nicht im Turm, sondern ist +das vorhandene.--S. Seite 74 f. und Anmerkung dazu. S. 285. + +[141] In dem Krankheitsbericht des Jonas von 1527 speist die Familie, +scheint es, im untern Stock und Luther geht von da in das Schlafzimmer +hinauf. + +[142] _Seidemann_, Grundbes. 484. S. 8. Kapitel und [239]. + +[143] _Foerstemann_, N. Mitteilungen a.d. Gebiete hist.-antiq. +Forschungen III, S. 113: "1 Schwaebisch, Frau katharin Doctoris Martinj +Ehelichen Weyb zeum Newen Jhare geschenckt."--Consil. Theol. Witteb., +Frankf. 1664, S. 19: "1 Sch. 8 Gr. 3 Heller vor ein Schwebisch _Haub_ +Frau Katharinen, Doctoris Martini Ehelichem Weibe zum Neuen Jahre +geschenckt." Hofmann 52 meint: Ein Stueck oder Schock schwaebische +Leinwand. Kasten V, 162. Geraete VI, 325 f. + +[144] III, 18. "Ich bin an Kethen gebunden und gefangen und liege auf +der Bore (Bahre) scilicet mortuus mundo. Salutat tuam Catenam mea +Catena. III, 9: "Ich bin meiner Metzen (Meid = Jungfrau) in die Zoepfe +geflochten". S. oben [38]. + +[145] T.-R. IV, 41. + +[146] Im Studierstueblein Buecher auf Baenken und Fenstern, 111, +472.--Hochmeister Cord. 1510. Vielleicht aber meinte Kaethe den +Markgrafen Georg von Ansbach.--Brief ueber Erasmus 111, 212. + +[147] Cord. 38. T.-R. II, 208, IV, 121, vgl. 78: "Die Weiber sind von +Natur beredt und koennen die Rhetorikam, die Redekunst wohl, welche doch +die Maenner mit grossem Fleiss lernen und ueberkommen muessen." + +[148] Garten und Brunnen III, 117. _Schild_ a.a.O. Birnbaum, T.-R. II, +369. + +[149] Das als Titelbild diesem Buch vorgesetzte Bild weicht bedeutend +von dem im Text geschilderten ab. + +[150] T.-R. IV, 114. + +[151] Luther nennt es selbst "meine abenteuerlich Geschrei". + +[152] Br. III, 10. Camerarius. Narratio de Vita Mel., L. 1723, p. 103, +CXXX. + +[153] C.R. I, 754, Melanchthon. Camerarius p. 103 f. Vgl. _Hausrath_, +Kleine Schriften, L. 1883, S. 253 f. + +[154] III, 3. + +[155] Quellensammlung fraenk. Gesch., Bamberg 1853, IV p. LXII. Beste +103-6. + +[156] Erasmi Opp. ed. Clerie. III 1. ep. 781. 790. 900. + +[157] _Seidemann_ 555. + +[Transkriptions-Anmerkung: Zur folgenden Bemerkung gibt es keinen +Verweis im Text.] + +Schmaehschriften. _Hofmann_ 190 ff. + +[158] W. XIV, 1335 f. Br. III, 299. 365. + +[159] S.o.S. 36. Br. III, 9. 32. 49. _Hofmann_ 77. _Ratzeberger_ 69 ff. + +[160] III, 94 f. + +[161] III, 125: Mihi morigera et in omnibus obsequens est et commoda +plus quam sperarem. + +[162] Mel. griech. Brief an Camerar. Vgl. _Hausrath_ 254. T.-R. IV, 304. + +[163] Br. III, 55. 58. 32. 49. _Seckendorf_ II, 81. + +[164] III, 9. + +[165] L.W. "Das Pabstum mit seinen Gliedern gemalet". + +7. Katharina als Mutter ihrer Kinder und Hausgenossen. + +[166] Der Gevatterbrief an Kanzler Mueller lautet. "Gerne thaet ich's, dass +ich m. gn. Herrn (d.i. wohl der Graf von Mansfeld) zu Gevatter baete: +aber ich scheu des Prangens, das man mir wuerde zumessen, als der ich +mich mit einem Muenchen- und Nonnenkinde wollt herfuerthun und grosse +Herren zu Gevatter bitten. Darum will ich hieneiden bleiben und bitte +Euch, sich des Kindes annehmen und geistlicher Vater mit sein, dass es +zum Christen moechte geboren werden." Br. III 113. T.-R. III 144. Br. III +115 f. 125. 128. + +[167] III, 173. 213. 264. Kolde, An. L. 97. Natuerlich saeugte Katharina +ihre Kinder selber. T.-R. II, 165. + +[168] III, 364. T.-R. I, 44. 199. Cord. 639. + +[169] _Kawerau_, Briefw. des J. Jonas, Halle 1884, I, 116. Beste 74. Br. +III, 246. 364 f. 376. 390. + +[170] III, 448.--Es war am Himmelfahrtsabend. + +[171] III, 447 f. T.-R. II, 274. + +[172] Mayer p. 40. Veit Dietrich 19. Juni an Kaethe. + +[173] T.-R. I, 205 f. + +[174] Beste 77 f. Br. IV, 313. 320. 414. T.-R. I, 118. 200. IV, 131. + +[175] Br. IV, 419. + +[176] _Hofmann_ 156 f. Vgl. T.-R. IV, 515. 525. + +[177] Br. IV, 436. Hofmann 156-88. + +[178] IV, 436 f. + +[179] _Mayer_ Sec. 22. _Cord._ 1235. + +[180] IV, 574. 623. V, 129. 163. VI, 153. + +[181] T.-R. I, 118. 178. 181. 198 ff. 211. Br. III, 123. IV, 343. + +[182] T.-R. I, 26. 213. Ratzeberger 60. Rietschel L. und sein Haus. +Halle 1888. S. 45. ("Der Kleider und des Baretts springen"--Sack- oder +Hosenlaufen und Barlauf?) Jost Br. IV, 7. Jost und Lippus; 41. + +[183] T.-R. I, 13. _Matthesius_ 145a. Br. IV, 41 f. 343. V, 163. +_Ratzeberger_ 59. + +[184] T.-R. I, 294. 212. 185. 178. Cord. 732. _Weisslinger_ in seiner +Schmaehschrift "Friss Vogel oder stirb" (Strassburg, 1726, S. 78) hat ein +Familienbild: D. Luther, die Frau Kaeth und liebe Jugendt; darauf stehen +in einer Gruppe das Ehepaar, an den Vater angeschmiegt "Haensschen", dann +dem Alter nach "Lisel", als erwachsenes Maedchen (obwohl sie mit einem +halben Jahr gestorben ist.), "Lenchen, Martin, Paulus, Gretel"; in der +Thuer steht ein aelterer Knabe mit der Schrift. "Ich heiss +Andraesel".--Dies Bild hat mit Weglassung von Elisabeth ein Strassburger +Maler etwas veredelt nachgebildet und diese Nachbildung ist in der +"Niederlage Christlicher Schriften" in Strassburg als Photographie +erschienen und in G. Buchwalds D.M.L. deutsche Briefe (L. Bernh. Richter +1899) reproduziert.--Vielleicht ist das Weisslingersche Bild unter +schmaehsuechtigem Hinzuthun des "Andraesel" einem aelteren Original +nachgebildet; die Tracht der Kinder weist zum Teil auf die Wende des 16. +Jahrhunderts. Bei Luther, Kaethe und Lenchen hatte der Zeichner offenbar +die bekannten Originale vor Augen. + +[185] Muhme Lene. Magdalena von Bora fehlt in dem Nimbschener +Personenverzeichnis von 1525/6. Von 1520-25 fehlt ein solches. IV, 44 f. +Vgl. T.-R. I, 200. + +[186] T.-R. III, 153. Br. IV, 42. 132. 343. + +[187] _Lauterbach_ 2. 141 f. 164 f. Cyriak Br. III, 550. IV, 8. 15. 121. +139. VI, 123. + +[188] Lies. gleichzeitig, statt "fruehzeitig". Von dem Adoptivsohn +_Andreas_ schreiben sich die katholischen Verleumdungen des Lutherschen +Ehepaares her, dass er als "Sohn" bald nach der Hochzeit geboren sei. +(Vgl. oben S. 58). Ueber diese Verleumdung vgl. Lauterbach V und 141 +Anm. desgl. _Lutherophilus_, "Das 6. Gebot und Luthers Leben." Halle, +1893. + +Fabian hatte in der "Specke" ein Abenteuer mit einigen Schlangen, das er +daheim natuerlich gehoerig uebertrieben erzaehlte: als er dahin spazierte +und sich darin schlafen legen wollte, trat er auf ein Nest voll +Schlangen, die ueber einen Haufen lagen; die Tiere zischten ihm entgegen, +der junge Siegfried aber zog sein Schwert, hieb unter sie, der einen den +Kopf, der andern den Schwanz ab, bis das ganze Nest zerstoert war. T.-R. +I, 233. + +[189] Hans Polner Br. IV, 131. VI, 123. 151. Cord. 444 N. lies: Hans +statt Andreas Polner. + +[190] V, 492. VI, 649 f. _Kolde_, Anm. Luth. 428. Ztschr. f. +Kirchengesch. 1878, S. 145. Neobulos, eigentlich Neobolos. + +[191] IV, 342 f. T.-R. I, 350. + +[192] III, 217 ff. VI, 683 unter "Mocha". + +[193] III, 178. V, 189. + +[194] Ganerben = Gesamterben. Wie falsch diese Beschuldigung des +Stehlens war, geht daraus hervor, dass die Herzogin mittellos zu L. kam +und ihre Begleiterin ein grosses Vermoegen im Stich gelassen hatte. (Br. +III, 290). Katharina von Mergenthal, (IV, 469) Anna und Christina Korb +hatten nichts mitgebracht, als ihr Pelzlein und Ziechen vom Bettgewand. +(N. Archiv f. saechs. Gesch. III, S. 319). + +[195] S. 104. Br. III, 219.--Die Matronen Luther, Melanchthon u.a. +pflegten in der Stadt schwangere Frauen zu besuchen und zu beraten. +_Seidemann_, Beitr. S. 496. Kollekt. unter "Bora". + +[196] _Koestlin_ II, 115. Nach _Seckendorf_ II, 122 war die Kurfuerstin +drei Monate im Lutherhaus. + +[197] _Kolde_, An. Luth. 378. + +[198] V, 46 f. + +[199] "Bildenhauer" ([Symbol: gestorben] 1539) T.-R. I, 206. 248. Br. V, +201. VI, 328. + + +8. Katharinas Haushalt und Wirtschaft. + +[200] _Seidemann_, Luthers Grundbesitz. Ztschr. f. histor. Th., 1860, +475-570. _Stein_, die Geschichte des Lutherhauses. Wittenberg, 1883. +Vgl. _J. v. Dorneth_. M. Luther, Berlin 1886. II, c. 12. III, c. 10. 24. + +[201] Luther wusste, was ihm alles auferlegt wurde: "Luther hat einen +dicken Ruecken, er wird auch diese Last tragen." IV, 294. + +[202] _Cord._ 1057. T.-R. IV, 78. 114. Br. III, 417. C. Ref. IV, 890. +Vgl. _Hofmann_ 93.--Zu I Cor. 7. W. II, 2830. + +[203] Cord. 1079. + +[204] V, 228. CR. VI, 625. VII, 144. + +[205] _H. Stein_, Geschichte des Lutherhauses. Wittenb. 1883. + +[206] T.-R. IV, 272 (Kellereinsturz). Vieh: _Burkh._ 409. 1 Kuh war +damals wert 3 fl.; 1 grosses Kalb 2 fl.; 1 Ziege mit 2 Jungen 2 fl.; 1 +Schwein 1 fl.; 1 Ferkel 1/3 fl.--Huehner T.-R. II, 81. IV, 24. +Schweinehirt Johannes T.R. III, 128. + +[207] Reparaturen. VI, 327. V, 424. + +[208] Grundbes. 484 f. Br. VI 324-326. + +[209] 1541. _Burkh._ 403 f. + +[210] _Stein a.a.O._ + +[211] T.-R. I, 102. 123. 183. 213. IV, 291. + +[212] Geraete VI, 325. Kasten V, 162. Becher IV, 342. Vermaechtnis: Burkh. +362. Uhren III, 168. 449. Messer: Burkh. 270. + +[213] Br. VI, 331. + +[214] Urkunde: _Burkh._ 202 f. + +[215] Myconii Summarium der Ref.-Gesch. Cyprian IV, 27. (2. Aufl.) W. +XI, 67. Br. V, 11. 127. 493. 668. 629. 319. 602. III, 156. Ueber das +teure Leben in Wittenberg beklagte sich auch ein Student 1532. +_Buchwald_ 103. Sonst 1 Kandel Wein 3 [Symbol: Pfennig]. T.-R. I, 268. + +[Illustration: Grundriss des Lutherhauses (um 1540). + +(Nach H. Stein, Gesch. des Lutherhauses, Wittenberg 1883.) + + a Kollegienstrasse. + b Haeuser darin. + c "Haus Bruno". + d "Des Rymers Haeuslein an Thor". + e Eingang. + f Hof. + g frueherer Kirchhof. + h altes Kirchlein. + i Staelle. + k Brauhaus. + l Brauthor. + m Thordurchgang (Turm?). + n Garten. + o Thuer in der Mauer. + p "Das hindere neue Haus". + q Lutherhaus (Schwarzes Kloster) 1. Stock. + r Haupteingang. + s Turm mit Wendeltreppe. + t Flur im 1. Stock. + u Vorzimmer + v _Wohnzimmer_. + w Schlafkammer. + x Feuerungsraum. + y Zimmer mit Fallthuer und Treppe. + z _Studierstube_. + ab Aula. + A Vorlesungssaal. + B Stadtmauer. + C Stadtmauer. + D Wall. + E Nebeneingang mit Wendeltreppe. + +[216] VI, 297. T.-R. I, 258. 274 f. + +[217] Jonas hatte einen Weinberg, Melanchthon (wohl durch seine Frau, +eine Wittenberger Buergermeisterstochter) verschiedene Grundstuecke. + +[218] _Burkh._ 319. + +[219] T.-R. I, 141. 142. 146. IV, 667. C.R. XXIV, 392. + +[220] Br. VI, 328. Garten: Burkh. 409.--Der Platz "Am Saumarkt", spaeter +"Viehmarkt", wo der kurfuerstliche Karpfenteich war, ("Saumaerkterin" V, +783, "auf dem neuen Saumarkt", _Burkh._ 356 f.) ist heute die +Lutherstrasse. (Wittenberger Urbar VIa. 1625, Lagerplan.)--Richter, +Geneal. 398 ff. Beste 127. Fischteichlein T.-R. I, 179.--In der +Hausrechnung (VI, 2) 1536 ist nur vom Bildenhauerschen Garten geredet, +in dem Steuerschlag 1542 (_Burkh._ 409) vom Garten an der Zahnischen +Strasse, im Teil-Recess 1553 (_Beste_ 127) vom "Baumgarten am Sewmargkt", +der samt dem Hopfengarten an der Specke fuer 500 fl. angeschlagen +wird--also scheint er an Gelaende oder Gebaeude (durch den Krieg?) +verloren zu haben. Oder sollte der Garten an der "Zahnischen Strasse" = +am Saumarkt sein? Nach weiteren Erhebungen ist wahrscheinlich, dass die +Zahnische Strasse den Anfang der heutigen Dr. Friedrichstrasse bildete. +Dann waere thatsaechlich der Saumarkt da, wo die Zahnische Strasse und die +Faule Bach sich schneiden. + +Die Lage waere so. + +[Illustration: a-b Zahnische Strasse. c-d Faule Bach. e-f Rische Bach.] + +Der Bildenhauersche Garten (fuer 900 fl.) lag nach dem Steueranschlag +nicht "unter dem Rat" wie der an der Zahnischen Strasse. (_Burkh._ 409) + +[221] Br. IV, 575. VI, 328 f. Wolfs Vogelherd: 154 f. V 787. Vgl. +_Burkh._ 409. + +[222] _Burkh._ 403. _Hofmann_ 98.--Der "Lutherbrunnen" gehoerte der +Stadt. + +[223] Br. VI, 547. Grundbes. 520. Pfaehle Br. V, 637. Hauspostille 1. +September 1532. Rebenstock II, 124b. Stehlen: Grundbes. 530. + +[224] Bienenstock. _Rebenst._ II, 109. Fische T.-R. II, 80. + +[225] a. 1542 schaetzt L. Braunen Haus auf 420 fl. IV, 575. Grundbesitz +502. Br. VI, 328: Die 250 fl. scheinen uebrigens eine Abschlagszahlung +gewesen zu sein, denn das Haus kam hoeher zu stehen. Der Kaufbrief (v. +1541) bei _Richter_ Geneal. Luth. lautet: Bruno Brauer Pfarrer zu Dobin +verkauft erblich eine Bude im Elsterviertel zwischen D. Luthers +Behausung und Bruno Brauer an Luther und seine Erben mit allen +Gerechtigkeiten und mit Gehoeft und Raum von der vordern Saeule bis auf +die erste Ecke des Brunnens und von der hintern Ecke des Brunnens bis +auf die alte Badestube, zusamt derselben Badestube fuer 430 fl. zu 20 +Groschen jeden. + +[226] "Mein lieber Herr" ist = mein Gemahl. + +[227] Burkh. 319. Nach dem Bericht von Kanzler Brueck an den Kurfuersten +vom 13. Maerz 1546 hat Frau Kaethe dennoch "die Boese (das ist doch wohl +das Gut Boos) zur Miet und um einen liederlichen Zins etliche Jahr her +inne gehabt". _Foerstemann_, D.M.L. Testamente. Nordhausen 1846, S. 31. + +[228] S.o.S. 3. T.-R. II, 233. Br. V, 358. 298. 318. 431. 434. 753. VI, +304. _Burkh._ 357. + +[229] V, 312 f. 358. 495. 605. 609. 323. Ueber Kaethes Walten in Zulsdorf +vgl. _Anton_ 193 ff. + +[230] VI, 318. V, 313. 427. 448 f. 482. 507. 528. _Burkhardt_, Th. Stud. +und Krit. 1896, S. 161. Der Scheunenbau spielt zwei Jahre lang. C.-R. +VII, 125. + +[231] Zulsdorf wird in 21 Briefen und T.-R. II, 233 erwaehnt. (S. Br. VI, +705). V, 300. 318. 323. 394. 400. Den Mainzer Erzbischof und den Herzog +Heinrich von Braunschweig nennt Lauterbach in dieser Zeit "die wahren +Tuerken". V, 401. + +[232] V, 299. 659. VI, 304.--An der Decke war einer der bekannten +Tintenflecke und am Balken ein Spruch, angeblich von Luthers (?) Hand. +"Willt du Trost haben, so gehe nach Drossdorf" (1/4 Stunde davon +gelegen). Dass das Guetlein nicht ganz ohne Schmuck war, zeigen die noch +vorhandenen Reliefbilder von Luther und Kaethe, zwei Medaillons, das eine +in Stein, das andre in Gips; beide, besonders das letztere, krass +realistisch; sie sind spaeter auf das Hofgut Kieritzsch und dann in die +dortige Kirche gekommen. Eine Nachbildung des Reliefbildes von Katharina +ist in der Leipziger Illustr. Zeitung vom 2. Febr. 1899. Vgl. oben S. +263. + +[233] L.W. II, 279. T.-R. IV, 59. L.W. XXI, 169*. Br. IV, 643. T.-R. +III, 128. IV, 62. + +[234] _Cord._ 1471. 1597. 589. _Schlaginhaufen_ 419. T.-R. IV, 199. + +[235] T.-R. IV, 306 (Cord. 980). L. fuehrte diese Bezeichnung Kaethes als +"Morgenstern" als Beispiel fuer die zahlreichen "Metaphern" oder +"verbluemte Wort" der deutschen Sprache an, neben Redensarten wie +"gross Geschrei--wenig Wolle"; "er haengt den Mantel nach dem +Winde".--Bekanntlich hat _Engelhard_ diese Methapher im gehaessigen Sinn +als Lucifer Wittenbergensis zum Titel seiner Schmaehschrift gemacht: +"Lucifer Wittenbergensis oder der Morgenstern von Wittenb., d.i. +Vollstaendiger Lebenslauff C. von Bore, des vermerkten Ehe-Weibs D.M. +Lutheri, in welchem alle ihre Scheintugenden, erdichtete Grossthaten, +falsche Erscheinungen weitlaeuffig erzehlet werden v. R.D. Euseb. +Engelhard." Landsperg 1747.--Kaethes Krankheiten: Cord. 965. T.-R. IV, +24. II, 230. 233. III, 37. 122. 131. IV, 259. Br. IV, 530. V, 271. + +[236] VI, 547. 332. + +[237] _Lauterb._ 111. T.-R. IV, 593. Rietschl 43 f. L.W. XXI, 163*. + + +9. "Wunderliche Rechnung zwischen D. Martin und Kaethe." + +[238] Br. VI, 151. V, 403. IV, 342. Widerruf vom Fegefeuer. Cord. 105 f. +Br. IV, 575. + +[239] L. Grundbes. 518. (_Burkhardt_) Stud. und Krit. 1896, S. 158 ff. +1894 S. 769. _Burkh._ 432. _Kolde_, An. L. 396. 409. + +[240] VI, 325 f. II, 524, 618. + +[241] Diener III, 342. 449. VI, 324 f. _Kolde_, An. L. 195. _Seidemann_, +Grundbes. 484 f. + +[242] Br. III, 104. T.-R. III, 308. Br. III, 496. + +[243] III, 495. + +[244] V, 189. + +[245] _Ratzeberger_ 59 f. + +[246] IV. 342. + +[247] _Mathes._ 144b. 377. Vgl. Kolde, An. Luth. 254. Hoffmann 99 f. + +[248] _Lauterbach_ S. 5. + +[249] VI, 328 ff. + +[250] Eine Schneiderrechnung: "1 Rock, Hosen und Wams Doktori Martino zu +machen bei Schneider Cunz Krug 18 Gr." + +[251] Wuerze und Zucker durfte allein der Apotheker (Lukas Kranach) +verkaufen.--1 Loth Seide kostete 1 Gr. 6 [Symbol: Pfennig]; 5 Ellen +Barchent 21 Gr. 8 [Symbol: Pfennig].--"10 Ellen schwarz puritanisch Tuch +vor 3 Schock 20 Gr. hat der Rat (1524) D.M.L. zum Rock geschenkt und +Hier. Krapp (Melanchthons Schwager war ein Gewandschneider) bezahlt." +_Schild_, Denkw. Wittenb. S. 27. + +[252] Die Paten waren in Wittenberg sehr zahlreich, wie man schon bei +Luthers Kindern sieht. Am 20. Jan. 1536 wurden neun Kinder auf einmal +getauft; da war natuerlich auch D. Martinus, ferner D. Pommer, M. Philipp +und viele andere treffliche ehrsame Leute Gevattern. T.-R. IV, 146. +Luther stand zahllose Male zu Gevatter. Er hatte es so oft versprochen, +dass er einmal gar nicht mehr wusste, wem, und es seinem Famulus auftrug, +es auszukundschaften. IV, 559. (Das erinnert an den vergebenen Traum +Nebukadnezars, Daniel 2). Hochzeiten V, 570. + +[253] Br. IV. 342. _Mathes._ 144b: In der Teuerung zur Pestzeit borgte +L. beim Schoesser etliche Scheffel Frucht und "wagte sie an die armen +Leute". T.-R. II, 212. Bezeichnend ist ein Zettel des Doktors (an den +Stadtrat?) vom Maerz 1539: "Lieben Herrn! Es muss dieser arme Gesell auch +Hungers wegen davon. Nu hat er keine Zehrung wie die andern und muss fern +reisen; weil er aber ein fromm gelehrt Mann ist, so muss man ihm helfen. +So wisset Ihr, dass meines Gebens ohn das viel und taeglich ist, dass ich's +nicht kann alles erschwingen. Bitt derhalben, wollet ihm 30 Gr. geben; +wo nicht so viel da ist, so gebet 20, so will ich 10 geben; wo nicht, so +gebet die Haelfte. 15, so will ich die andere Haelfte geben. Gott wird's +wohl wiedergeben. Martinus Luther." VI, 226. + +[254] III, 157. V, 570. + +[255] _Cord._ 1601. + +[256] VI, 329. + +[257] _Cordatus_ Nr. 1057 hat nur 50 fl. Im Jahre 1537 aber bei der +zahlreichen Familie und den vielen Kostgaengern kann das lange nicht +gereicht haben, wenn er auch nur die Barauslagen rechnet. Sonst waere ja +auch die Haushaltung nicht "wunderlich".--VI, 331. + +[258] _Fuerstemann_, Denkmale D.M.L. errichtet. Nordh. 1846. S. 27. + +[259] III, 111. 115. + +[260] Potentem et avarum. Strobel, Beitr. II, 481. C.R. V, 314. "Die +_richtige_ Bezahlung". _Foerstemann_, Luthers Testamente. Nordhausen +1846, S. 3. + +[261] T.-R. IV, 62. + +[262] VI, 329. + +[263] IV, 342. + +[264] An Link: III, 10. 104 an Ruehel. "L. Hr. Dr. und Schwager! Das ihr +meine Kaethe hie zu W. geben habt, bin ich lang hernach inne worden; +meinte nicht anders, Ihr haettet's hinweg, wie ich bat."--Kaese: IV, 556 +und 599 u.a. Kolde, Ann. L. 423. Kolde, M. Luther II, 519. + +[265] Br. V, 605. S.o.S. 155 ff. + +[266] _Cord._ 662. + +[267] III, 157. V, 424. VI, 326. + +[268] T.-R. I, 274. Br. III, 495. + +[269] T.-R. IV, 130. + +[270] Uebrigens war Kaethe im Grundsatz mit Luther einigermassen +einverstanden, vgl. den Brief an Loeser S. 83. + +[271] T.-R. IV, 70 f. Spr. Sal. 31, 10-31. + + +10. Haeusliche Leiden und Freuden. + +[272] Das Folg. in D.T. Pommerani und I. Jonae Historie von L. geistl. +und leibl. Anfechtungen. a. 1527. L.W. XXI, 158* ff. Br. III, 187-190. + +[273] Br. III, 191. 205. Vgl. 200. 213. 170.--Ueber die Fortschritte +der Pest. Vgl. auch G. _Buchwald_, zur Wittenb. Stadt- und +Universitaetsgeschichte, L. 1893, S. 3-17.--Mocha(u): VI, 683. + +[274] _Buchwald_ S. 7. Auf dem Pestkirchhof wurden die Kleider der +Pestkranken verbrannt; daher wohl verbrannte dort Luther auch die +Bannbulle. + +[275] Br. III, 217 f. 221. _Buchwald_ 9. 12. 15. Br. III, 188. 193 ff. +212. 215. 217-19. 221. Teuerung. _Vogt_, Bugenhagens Briefw. Stettin +1888. S. 106. + +[276] III, 218. 221. 225. 240. 241. 243. 247. 253. + +[277] III, 222. 246. 248 f. + +[278] III, 314. 364 f. 376. 390. VI, 96. + +[279] III, 390. 404. 423. + +[280] III, 432. 469. + +[281] III, 512. + +[282] IV, 1 f. 34. 132. 179. V, 186--"Gruboc" umgekehrt von Coburg. + +[283] Luth. Ztsch. 1880, 50. C.-R. II, 40 f. Br. IV, 115. 132. 2. 10. +12. 32. V, 186. + +[284] IV, 132. 10. 19. 32. 43. 120. T.-R. IV, 244. "Oertlein" 270. + +[285] IV, 121. 51. 10 174. + +[286] _F. Eysenhardt_ und _A. v. Dommer_. Mitteil. a.d. Stadtbibl. zu +Hamburg II, 1885, S. 96.--H ... "Huerlein". Es ist bekannt, dass fuer +Kinder als Kosenamen oft die haesslichen Woerter gewaehlt werden z.B. "Du +Spitzbub. Du Schelm!" So hoerte ich einmal eine alte Kindsmagd im +Ueberschwang ihrer Gefuehle sagen. "Du liebes Schindluderle".--Luther +gebrauchte also, wie sonstige Gelehrte, zum _Lesen_ schon frueh (1525) +eine Brille. II,624.--Ueber den Goldschmied Christian Doering s. Br. VI, +657. + +[287] IV, 7. + +[288] IV. 39. 41. 7. 9. 16-18 (vgl. III, 219). + +[289] IV, 4. 7 f. 13 f. 51 f. 41 f. 39. + +[290] IV, 131 ff. + +[291] Die Briefe waren lateinisch. + +[292] Exemplar = Manuskript. + +[293] VI, 121 f. + +[294] Br. IV, 230. 322. + +[295] Grosseltern. T.-R. I, 201. Brief an den kranken Vater III 550 f., +an die Mutter IV, 256 ff. + +[296] Martin IV, 313. 320. 414. T.-R. 201. Paul IV, 411. 431. 436. +Margarethe IV, 574, vgl. 555. Hans immatrikuliert, _Lauterbach_ 141. + +[297] _Kolde_, An L. 184. Br. VI, 144. + +[298] Burkh., St. und Krit., a.a.O., 158. + +[299] IV, 553. + +[300] _Koestlin_ IV, 380 f. + +[301] IV, 362. V, 560. 643. 703 f., vgl. 524: "Euer Sohn hat jetzt die +Masern gehabt; haben sein mit Fleiss gewartet nach Dr. Augustin (Schurf) +Rat; ist nun wieder gesund." + +[302] IV, 342. T.-R. IV, 93, lies: Rischmann. + +[303] Wenigstens wird Jakobs von Seidewitz sel. Sohn, Kammerjunker +Martin von Seidewitz erwaehnt. Ztschr. f. hist. Theol., 1860, S. 570. + +[304] V, 106. 201. 411. 516. Ztschr. f. hist. Th., 1860, 565-69. + +[305] T.-R. IV, 451 f. 244. + +[306] T.-R. I. 201 f. 204. 205. + +[307] V, 46 f. 492 f. Dass Luther seinen Sohn Hans schon (1533) im 7. +Jahr ein lateinisches Urteil ueber Erasmus und im 11. Jahr (1537) einen +lateinischen Brief schreibt (Br. IV, 497, V, 46), ist nicht zu +verwundern; schrieb doch der 11jaehrige Herzog Wilhelm von Sachsen an +Hans Luther auch eine, wohl mit Hilfe seines Lehrers, verfasste +lateinische Epistel 1541, _Mayer_ Sec. 17. (D. D. _Richter_, Geneal. +Luther. 379). + +[308] _Lauterbach_ 141. Martin. T.-R. I, 205. _Koestlin_ II, 491. +Florian, Ztschr. f. K.-Gesch. II, 145 f.: L. diktiert dem Buben zum +Willkomm drei Tage hintereinander je des Tages einen guten fetten +Schilling.--Zeile 10 lies: Florian (st. Fabian). + +[309] T.-R. I, 202. + +[310] T.-R. IV, 76. 64. + +[311] T.-R. IV, 129. _Matthes._ 145. + +[312] Muhme Lehnes Tod. T.-R. III, 153.--Rosine, Br. V, 625. 396. 506. +753. + +[313] V, 101. + +11. Hochzeiten und Krankheiten, Pest und Tod. + +[314] T.-R. IV, 41. 84. 104. Br. V, 186 f. 198. II, 317. + +[315] T.-R. IV, 53, 75. 51. + +[316] VI, 189 f. 196. T.-R. III, 147. IV, 54-56. + +[317] Br. VI, 217. + +[318] T.-R. IV, 58. I, 184.--Wein und Brot. T.R. I. 106. Wenn Luther das +Tanzen empfiehlt, so vgl. [445]. + +[319] T.-R. IV, 59. + +[320] IV, 610 f. 618. 625. 627. _Burkh._ 237 f. + +[321] V, 49 ff. 57 f. ("hessische Betten"). _Ratzeberger_ 105 f. (nasse +Bettuecher), _Seckendorf_ III, Sec. 60. _Burkh._ 276. + +[322] Mist: In Schmalkalden gab man Luther ein Getraenk? von Pferdemist +und Knoblauch ein. Man hielt viel auf solche Mistkuren: T.-R. I 120: +"Pferdemist dienet fuer Pleurosie". + +[323] V, 59 f. + +[324] V, 59. 270. 58. + +[325] Muhme Lene [Symbol: gestorben] T.-R. III, 153. + +[326] IV, 524. V, 188. _Burkh._ 259. _Schmidt_, Ztschr. f. Gesch. II, +256. VI, 187 f. + +[327] VI, 188. + +[328] V, 579. 259 f. VI, 291. _Seckendorf_ III, 182. V, 127. + +[329] VI, 444 ff. schrofa (d.i. scropha) ista Boemica "jene boehmische +Sau", _Burkh._ 285 f. 289-95. + +[330] Burkh. 365. 467. + +[331] T.-R. I, 225. II, 212. + +[332] T.-R. II, 441 f. IV, 257. Br. V, 218 f. 225. Auch Dr. Sebald und +seine Frau hatte er besucht, angegriffen und betastet. Und da er ihre +Kinder ins Haus genommen, gaben ihm etliche einen Stich, als wollte er +Gott versuchen, T.-R. IV, 251. + +[333] Jonas' Briefw. I, 381 f. Diese Krankheit muss es gewesen sein, von +der Luther T.-R. IV, 259 redet. Als naemlich von den Schrecken des Todes +die Rede war, sagte er. "Da fraget meine Kaethe drum, ob sie des etwas +gefuehlet hat, denn sie war recht gestorben." Sie aber antwortete. "Herr +Doktor, ich habe gar nichts gefuehlet." + +[334] V, 269-271. 273. 277. 218. _Ratzeberger_, 104. T.-R. II, 230. 233. + +[335] Jonas' Briefw. I, 383. + +[336] V, 300. + +[337] _Burkh._ 356 ff. + +[338] Sprichwoertlich, vgl. S. 131. Seltsamerweise kehrt die alte +Schreibart des Namens wieder, vielleicht bei einem Abschreiber, obwohl +man auch damals wusste, dass L. seinen Namen von Lothar ("vom Kaiser +Luther") habe, wie der Stadtpfarrer M. Coelius zu Eisleben in seiner +Leichenrede erklaert. _Foerstemann_, Denkm., Nordh. 1846, S. 55. + +[339] _Burkh._ 131, I. VI, 269 f. + +[340] V, 298. + +[341] V, 299 f. + +[342] V, 107. 201. 411. 516. _Faber_, Briefw. 14. _Burkh._ 401. 423. + +[343] V, 306. + +[344] V, 336. 346. 348-52. + +[345] V, 416, 431. VI, 297. + +[346] V, 744. 763. + +[347] Vgl. S. 196. Cyriak: andere nehmen seinen Bruder Fabian als den +heimlich Verlobten an; er war gleichzeitig mit seinem Bruder Andreas und +seinem Vetter Hans Luther an Trinitatis 1533 immatrikuliert--also juenger +wie Cyriak, welcher schon 1529 Student war. Daher wird auf diesen die +Verlobung eher passen.--T.-R. IV, 96. 84 ff. 491 ff. 500 ff. Beier: Br. +V, 619. 676. Burkh. 453 f. C.R. V, 313, 286 ff. Mel. d. J. Verloebnis. +Kreuzigers Klagebrief ueber die Wittenb. Haendel. Br. V, 620: L. hat +Melanchthon uebermocht, dass er seinem Sohn nicht nachgebe. 616: Phil. und +sein Weib vergehen fast an ihrem Sohn. + +[348] V, 497.--Das folgende steht in T.-R. 258-265. + +[349] Die folgenden Verse, in deutscher Uebersetzung, lauten: + + "Die ich in Suenden war geborn + Haett ewig muessen sein verlorn, + Aber ich leb nun und hab's gut, + Herr Christe erloest mit deinen Blut." + +Sie sind vielleicht vom Berichterstatter. _Mayer_ Sec. 20.--_M. Richter_, +Geneal. Luther. 352. + +[350] V, 502 f. 506. + +[351] V, 520. + +[352] V, 519. + + +12. Tischgenossen und Tischreden. + +Vgl. _Anton_, Zeitverk. 145 ff. + +[353] IV, 629. + +[354] _Schadow_, Wittberg Denkw. 60 f. Br. III, 14. V, 11. 15. 19. +Verloebnis 196. + +[355] IV, 476. 629. C.R. XXIV, 397. Burkh. 237 f. Br. IV, 641. 414. + +[356] III, 217. VI, 286. _Lauterb._ 158. V, 767. _Kolde_ 377. + +[357] _Burkh._ 238. Br. IV, 413. 629. T.-R. I, 179. V, 767. + +[358] V, 619. 624 f. 630. + +[359] Besuch von Mansfeld, z.B. 30. November 1538, T.-R. III, +358.--Capito V, 70. + +[360] _Burkhardt_, Th. St. u. Krit. 1896, S. 192. 161. + +[361] Cordatus, S. 13. 20. 22. T.-R. I, 414. + +[362] II, 153. 46. 677. III, 9. 31. 59. 130. 149 f. 210. 394. 401 f. +476. IV, 272. 370. 388 f. T.-R. IV, 297. _Burkh._ 216 ff. _Kolde_, An. +Luth. 197. + +[363] Lauterb. IX. + +[364] T.-R. IV, 667. _Seidemann_, M.A. Lauterbachs Tagebuch, Dresden +1872, V-VII, _Waltz_, Ztschr. f. K.-Gesch. 1878, S. 629 f., vgl. Beitr. +zur Saechs. K.-G., 1893, S. 74 ff. 79. + +[365] _M. Preger_, Tischreden L.s nach den Aufz. von Schlaginhaufen, L. +1888, S. VI-X. T.-R. III, 118 f. + +[366] _H. Nobbe_. Dr. H. Weller, Ztschr. f. hist. Th. 1870, S. 153 ff. +Br. IV, 38 f. 131. 477. 586. Beide Weller des jungen Musikus Joh. Joeppel +gute Freunde! 535. Ruf nach Dresden 161. Schwermut 556 f. Cord. 601, 6. +783. Br. V, 11. T.-R. 538. Cord. 1774: "Lieber Weller, luegt Euch nicht +zu Tode; Ihr koennt noch wohl ein Jurist werden." + +[367] T.-R. II, 46. Mayer, p. 56 f. + +[368] T.-R. II, 210. L.-W. XXI. 186* ff. + +[369] T.-R. I, 57 f. + +[370] _Hirsch_ und _Wuerfel_, Lebensbeschr. aller Hh. Geistlichen in +Nuernberg. Nuernb., 1756. III, 4-6.--Br. IV, 363. 192. 199. Krause Sinne: +T.-R. III, 184. Cord. 920. _Hausrath_ 278. Vgl. oben S. 121. + +[371] Briefe aus Wittenberg an H. Baumgarten. Ztschr. f. hist. Th., +1874, S. 546 f.--Br. IV, 665. V, 564. + +[372] C. Ref. V, 314^4. S.o.S. 963. Stud. und Krit. 1887, S. 354. +_Koestlin_ II, 496.--Die Klagen Besolds ueber Frau Kaethe werfen nicht +gerade ein schlechtes Licht auf ihren Charakter. Ihre "Habsucht" belegt +er damit, dass sie "alles zu Rate gehalten und bei den Tischgenossen auf +richtige Bezahlung gedrungen"; ihre "Herrsucht" damit, dass sie +"diejenigen Theologos nicht leiden koennen, welche Weiber von schlechten +Stande geheiratet." Beides ist nur ein Beweis fuer ihre gesunde +praktische Lebensansicht. + +[373] Lemnius: "ein Poetaster und Leuteschaender" Matthes. 126. Br. V, +105. 381 f. 385-7.--T.-R. II, 223. III, 317. IV, 95. 259. 705. M. +Holstein, "der neue Jurist": T.-R. III, 317.--Th. St. und Krit. 1887, S. +354. Ztschr. f. hist. Th. 1874, S. 570 ff. + +[374] Br. VI, 234. 270. V, 29. T.-R. III, 293. 381. IV, 285.--Vgl. o.S. +131. + +[375] Matthes. 68. T.-R. IV, 444. + +[376] T.-R. IV, p. XX, s.u. 204. 206. 229. 236. + +[377] T.-R. IV, p. XVIIIf. Br. VI, 328. Matthes. 131. Nach M.D. +_Richter_, Geneal. Luth. 369, war auch der Jurist Joh. Schneidewin 10 +Jahre Kaethes Haus- und Tischgenosse und wurde nachher Zeuge fuer +Margarete L. beim Teilrecess 1554. + +[378] Matth. 68. 209a. 211. + +[379] IV, 667 f. + +[380] V, 115. IV, 435 f. + +[381] V, 402. + +[382] C.-R. V, 314^4. + +[383] IV, 524. S.o.S. 116. + +[384] L.-W. XXI* 166. 165. + +[385] _Matthes._ 141. 143. 209. + +[386] _Waltz_, Ztschr. f. K.-Geschichte, 1878. S. 629. _Hausrath_ 266 +bis 273. + +[387] Cord. 133. _Matthes._ 151. + +[388] _Matthes._ 133. 211. + +[389] T.-R. II, 247. + +[390] _Cord._ 731. _Lauterb._ 5. 38. + +[391] T.-R. IV, 131 f. Vgl. _Schlaginhaufen_ Nr. 147. "Luther: Der Satan +hat Gottes Sohn erwuerget. Respondit uxor D.: Ei mein lieber Herr Doktor +von Credo." + +[392] T.-R. III, 90 f. + +[393] T.-R. IV, 134. + +[394] Cord. 1205. Der grosse Zwischensatz sieht allerdings aus, wie eine +Einwendung Luthers; aber der Berichterstatter, der doch sonst Katharina +nicht sonderlich wohl will, schreibt die _ganze_ Rede ihr zu. + +[395] Cord. 120. + +[396] Cord. 110 f. + +[397] _Lauterb._ 156.--Der gelehrte "Engeleser" war wohl "der schwarze +Engeleser" Dr. Antonius Robert Barns (Barnes) S. 144. + +[398] T.-R. IV, 78. 121 f. Vgl. o.S. 55. 73. Schlaginhaufen Nr. 187. Als +die Rede auf den Tuerken kam, sagte die Doktorin: "Ei behuet uns Gott vor +dem Tuerken!" Der Doktor: "Ei, er muss einmal den Pelz laufen." 216: Die +Doktorin stach was in die Seite; da schreit sie laut auf: "Ave Maria!" +Sagt der Doktor. "Warum hast Du nicht billig am Ende den angerufen, der +am Anfang? Waere nicht Jesus Christus auch ein troestlich Anrufen?" 228: +Der Doktor neckte einmal seine Frau, es werde noch dahin kommen, dass +ein Mann mehr als ein Weib nehme. Da sagte die Doktorin: "Das glaub der +Teufel!" Und als Luther auf Gruende der Natur wies, da berief sich Kaethe +auf Paulus; als aber der Doktor auch dies widerlegte, sagte sie: "Bevor +ich das zugaebe, wuerde ich lieber wieder ins Kloster gehen und Euch und +alle Kinder verlassen." + +[399] Br. III, 35. + + +13. Hausfreunde + +Vgl. _Anton_ D.M.L. Zeitverkuerzungen. L. 1804, S. 94 ff. + +[400] V, 668. Vgl. Matthesius zu 1529: Luthers "Discipel" fangen an zu +lesen. + +[401] Br. IV, 503. 565. 636. _Burkh._ 319. _Kolde_, An. L. 82. +_Buchwald_ 48. 52. Br. II, 677. III, 150 u.a. IV, 344. VI, 138. 411. +"Kuetten-Latwerg" d.i. Quitten-Latwerge. + +[402] IV, 500. V, 434. 503. III, 77. + +[403] Fr. S. Keil, Dr. M.L. Merkw. Lebensumst., S. 699. Ztschr. f. hist. +Th., 1874, S. 551.-- + +[404] III, 35. 128. IV,36. V, 96. 426. VI, 450. T.-R. III. + +[405] _Kawerau_, Ztschr. f. K.-Gesch., IV, 301. T.-R. III, 375. + +[406] "Grickel und Jaeckel". T.-R. III, 358-82.--_Anton_, L.s +Zeitverkuerzungen 145. Vgl. das Katechismusglas T.-R. II, 174. Koestlin +II, 465. 469.--Das ueberlaute Schreien Agrikolas charakterisiert +Creuziger in einem Brief an Veit Dietrich: er lehre in der Schule nach +Gewohnheit grandibus buccis (mit vollen Backen). + +[407] III, 253 u.a. V, 162 f. 450. 703. T.-R. I, 272. 328. + +[408] III, 226. + +[409] III, 199 f. 389 f. + +[410] T.-R. III, 358. 370. 376. Br. IV, 161. S.o.S. 53. S. 77.--L. kommt +zur Taufe nach Torgau. _Lingke_, L. Reisegesch. 159. + +[411] III, 523. IV, 556. V, 67. 74. 326. + +[412] _Kolde_, An. L. 234. 241. 239. 307. Br. V, 70. + +[413] III, 17. IV, 198. + +[414] IV, 176. VI, 129. 367. V, 402. C.-R. V, 214^4. _Seidemann_, +Ztschr. f. hist. Th., 1874. S. 555 ff. + +[415] V, 672. Th. Studien und Krit., 1887. S. 353 ff. Oeffentliche +Gebete in W. fuer B.--Reden und Jammern bei Tisch. Vgl. Melanchthon an B. +am 25. Maerz 1546: (C.-R. VI, 93): "Von Dir hat Luther immer mit Liebe +und Verehrung gesprochen." Ueber die Gefangenschaft Baumgartens vom 31. +Mai 1544 bis anfangs August 1545. _S. Seidemann_, Kollektaneen. Anz. f. +d. K. der d. Vorzeit. R.F. 1854. 1855. + +[416] Vgl. oben S. 1. 4. 5. Br. IV. 665. V, 564. + +[417] IV, 556. 607 f. 247. VI, 736. IV, 611. 596. + +[418] "Feldglocken" = Galgen, also Galgenschwengel. + +[419] IV, 586. + +[420] V, 11. 15. 19. 22. 274. + +[421] T.-R. I, 414. III, 96. 115. + +[422] III, 219. IV, 31. 499. + +[423] III, 447. 492. IV, 183. 215. III, 434. + +[424] IV, 261. 312. 317. 490. III, 490. IV. 343. + +[425] IV, 414, 476. V, 22. 139. Vgl. _Kolde_, An. Luth. 332--T.-R. IV, +256 f. + +[426]. IV, 494. VI, 266. V, 57. Matthes. 319 + +[427] V, 38. 271. 285. 401 u.f.f. Vgl. Br. VI, 533-35. 674. IV, 583 f. +T.-R. IV, 47. + +[428] Tischgespraech: II, 265. Besorgungen: Br. V, 228. 493. 668. 602. +628. 637. + +[429] III, 53. 119. 154. 254. 372. V, 330. 148. + +[430] V, 59. S.o.S. 126. + +[431] V, 312 f. VI, 318. V, 507. 605. 609. 627. + +[432] Ztschr. f. K.-G., 1878, S. 304. + +[433] _Anton_, L. Zeitverf. S. 116 f. + +[434] _F.W. Loehe_, Ztschr. f. hist. Th. 1840, S. 175-247. _Piper_, +Zeugen der Wahrheit L. 1874, Bd. IV, S. 375-82. Elisa, Br. IV, 654. +Testament, Br. V, 425. T.-R. II, 397. Kreuziger war der Protokollfuehrer +der Evangelischen und Nachschreiber von Luthers Predigten. Myconii +Historia Reform. 1517-42 v. E.S. Cyprian, L. 1718. S. 47. + +[435] Auftraege IV, 10, Messgeschenk 422. Frau Elis. Kreuziger: Ztschr. f. +hist. Th., 1874, S. 554. _Lauterb._ 183. + +[436] IV, 684. V, 11. IV, 414. + +[437] _Piper_, Bd. IV, 356-368. + +[438] III, 230. 111. 219. + +[439] IV, 375. III, 304. 245. 252 f. 264. 281. V, 299. u.s.w. + +[440] III, 512. IV, 131. + +[441] III, 244. 253. 314. + +[442] III, 314. 375. _Zitzlaff_, Bugenhagen, Wittenb. 1885, S. 106. +"Pomerisches Rom", Br. V, 48. Mit "Oel" = Bier; vgl. das englische ale. + +[443] _Piper_ IV, 368-75.--VI, 304. Jonas' Briefwechsel I, 115. 153. +160. 174. II, 77. + +[444] Br. IV, 10. 16 f. 18 f. V, 414. 557. 109. 114. 201. + +[445] _Buchwald_ 62. V, 7. VI. 303. + +[446] V, 519. IV, 9. + +[447] IV, 629 f. V, 3 f. 100. 394 f. 470. + +[448] Briefw. I, 380-3. (_Kolde_, An. L. 134, Br. IV, 629). [Griechisch: +hae gynae] vgl. Offenb. Joh. 12, 1. + +[449] Jonas in Halle, V, 346. Neckerei 396. Seine Frau [Symbol: +gestorben] 519. + +[450] Ueber Luthers Verhaeltnis zu Melanchthon vgl. _Anton_ 31-33. V, +336. 171. 344. 270. + +[451] Zur Charakteristik von Frau Melanchthon, C.R. III. 390. 396. 398. +Kolde, M.L. II, 463. 471. 603. Kleiderordnung, Schadow, Wittenb. Denkw., +S. 60 f. + +[452] C.R. III, 398. T.-R. III, 390. Vgl. Koestlin II, 462. + +[453] Kolde, An. L., 311. 318. Br. V, 105. T.-R III, 275 ff. + +[454] VI, 199. T.-R. III, 275 ff. IV, 126, vgl. Matthes. 126. Kolde, 321 +f. 326 f. Hofmann 193. + +[455] C.R. V, 641. 123 f. IV, 143. 154. 169. 303. V, 113. VI, 20 f. + +[456] V, 273. 277. Froehlich sein: 294. 323. C.R. VI. 53 f. + +[457] C.-R. V, 410.--Kaethe oder Melanchthon meint dabei wohl den +"Schwaben" Simon Lemnius und den Sachsen (Joh. Sachse aus) Holstein +(s.o.S. 146). Sie stellte uebrigens dem Melanchthon dies nicht als _ihre_ +Meinung, sondern als Klage des Holstein dar. + +[458] C.-R., V, 410. + +[459] Die beiden Kanzler sind Brueck und Beier. + +[460] _Zitzlaff_, Bugenhagen S. 107. + +[461] _Kreussler_, Denkmaeler der Reformation L. 1817. S. 29. Abneigung +gegen Theologen-Weiber aus niederem Stande. Br. VI, 419. C.-R. V, 314^4. +S.o.S. 146^1. _Seidem._, Beitr. z. Ref.-Gesch. 496. Auch mit dem alten +Bildenhauer verkehrte L. viel. Vgl. T.-R. I, 24 ff.--Die +Krankenpflegerinnen des Mittelalters waren die "Beguinen oder +Seelweiber", _Matthes._ 159b. + +[462] T.-R. III, 127. II, 210. + + +14. Kaethe und Luther. + +Vgl. _Anton_ 117 ff. + +[463] T.-R. IV, 124. 38. (77). + +[464] _Kuechenmeister_: L. Krankheitsgeschichte. S. 54. + +[465] T.-R. IV, 53. Br. VI, 332. + +[466] _Lauterbach_ 2. _Kuechenmeister_ 111. + +[467] _Lauterbach_ 2. _Kuechenmeister_ 111. Br. V, 51. + +[468] Br. 330. T.-R. I, 134. 212. 213. IV, 129. + +[469] Kaese V, 319. Bier von Jonas V, 100. Koenigin der Biere V, 470. +Sehnsucht vom Hof nach Haus: IV, 553. Hofbrot V, 51. + +[470] T.-R. IV, 69: "Wenn ich bei mir selbs (daheim?) bin, dank ich +unserm Herrgott fuer das Erkenntnis der Ehe" T.-R. IV, 59. S.o.S. 123, 2. + +[471] _Melanchthon_, Vita Lutheri p. 8. _Mayer_ Sec.27. _Hofmann_ 148. Das +Katechismusglas, T.-R. II, 144. III, 170. + +[472] T.-R. IV, 300 f. Vgl. I, 103. Br. VI, 330. + +[473] S.o.S. 71. 104 f. 126-128. + +[474] Dr. Fr. _Kuechenmeister_, L.s Krankengeschichte. L. 1881. + +[475] II, 616. III, 254. V. 330. VI, 115. 130. 144. + +[476] T.-R. I, 208. _Walch_ XXI, 275*. _Kuechenmeister_ 52 f. + +[477] Die Antrittsrede (_Hofmann_ 110) ist uebrigens nach damaliger Sitte +von Melanchthon verfasst.--Zum folg. vgl. S. 124. + +[478] T.-R. IV, 271.--_Ratzeberger_ S. 61 f. + +[479] Br. III, 219. 244. + +[480] T.-R. II, 210. III, 51. + +[481] _Kolde_, An. Luth. 234. + +[482] _Mayer_ Sec.27. Keil II, 199. T.-R. I, 212. 210. + +[483] _Anton_, L. Zeitverk. S. 117 ff. + +[484] V, 163. IV, 599. + +[485] Diese Anekdote, welche u.a. Albert _Richter_, Deutsche Frauen, L., +Brandstaetter 1896, S. 162 erzaehlt, habe ich aus den Quellen nicht +belegen koennen. + +[486] T.-R. III, 131. Br. IV, 123. Vgl. T.-R. II, 215. Da sagt L. von +seinen cholerischen Temperament: "Ich habe kein besser Werk denn Zorn +und Eifer; denn wenn ich wohl dichten, schreiben, beten und predigen +will, so muss ich zornig sein: da erfrischt sich mein Gebluete, mein +Verstand wird geschaerft und alle unlustigen Gedanken und Anfechtungen +weichen." + +[487] _Strobel_, Beitr. II, 481 (C.-R. V, 314). (14. Febr. 1544). Scis +illum habere ad multa quae cum inflammant facem domesticam. Als 1533 der +Stadtschreiber _Roth_ von Zwickau mit seiner Frau und den dortigen +Geistlichen in Hader lebte und infolgedessen auch Luther gegen ihn +aufgebracht war, berichtete ein Student, Peter von Neumark, an Roth von +Dorothea, einer Verwandten von Roth, die an einen "seinen und zuechtigen +Schustergesellen" verheiratet war. "Sie (Dorothea Kersten) hat mir auch +darneben geklagt, wi das die Doktor Martinus Lutherin wiliche doch Hader +und Zank stillen solde ja vil mher haette angericht." _Buchwald_ 37. +104.--Das ist aber nach den Verhaeltnissen eine recht unlautere Quelle. + +[488] _Buchwald_ 176. Vgl. Koestlin II, 492. 608 f. + +[489] _Mayer_ Sec.27. Keil II, 199. + +[490] Br. V, 790. + +[491] S.o.S. 112. 106 f. + +[492] IV, 174. Riedtesel: Kurf. Direktor. + +[493] IV, 553. VI, 270. + +[494] _Ratzeberger_ 122. + +[495] III, 125. Vgl. IV, 49. Cord. 22. + +[496] VI, 185. L. Test. S. 6. + +[497] V, 422. + +[498] Hier. _Weller_ Opp. I, 871. Test. 7. + +[499] Cord. 1005. 1079. 55. T.-R. IV, 48. Der Sinn ist in beiden +Redensarten: Maulschellen geben = ueber den Mund fahren; bildlich: auf +eine scharfe Redensart mit einer scharfen (oder schaerferen) +erwidern.--Dass Luther es nicht woertlich meinte (wie Wrampelmeyer a.a.O. +anzunehmen scheint), geht aus T.-R. IV, 38 hervor, wo Luther von +Eheleuten, die einander "raufen und schlagen", sagt: "das sind nicht +Menschen." Uebrigens steht T.-R. IV. 48 die Rede in einem bestimmten +Zusammenhang. Da ist von einem Magister die Rede, der seine Freiheit an +eine reiche Frau verkauft hatte und dem diese uebers Maul fuhr: "Du +haettest muessen ein Bettler sein, wenn ich Dich nicht genommen." Da sagt +Luther: "Ich _haett_ auch gerne, dass" ...; da konnte man meinen, L. wolle +sagen: "Ich haette auch gerne, wenn mir meine Frau so uebers Maul +fahre"--freilich u.s.w. + +[500] T.-R. IV, 72. + +[501] IV, 553. Cordatus bemerkt in seiner bissigen Weise dazu: Das ist +sicherlich wahr (Nr. 1837). So ist auch in der Rede, worin Luther von +ihrem "Stolz" spricht, dessen er sie vor seiner Verheiratung fuer +verdaechtig hielt, die Einschaltung--vom Herausgeber der Reden oder als +neckende Bemerkung von Luther?--gemacht: ut est (wie es auch ist). +Lauterbach 162*. + +[502] III, 10. IV, 649. V, 19. 59. 110. 304. 431. IV, 221. 524. VI, 304. +III, 512. 145. IV, 221. Auch Jonas' Frau nennt L. tuum dictative. III, +213. + +[503] III, 15. IV, 632. V, 10. + +[504] Br. III, 512. IV, 552. 132. 553. VI, 545. V, 296. 783. (786). VI, +269. 547. III, 341. V, 122. 127. 780. 784. 788. T.-R. IV, 119. + +[505] T.-R. IV, 78. Vgl. 126. + +[506] T.-R. IV, 78. I, 209. 208. 211 f. IV, 212. + +[507] T.-R. I, 210. IV, 44. 125. I, 208. Sehr scharf spricht sich L. aus +ueber Schmaehungen von "Frauen und Jungfrauen". "Ob sie gleich Mangel und +Fehl haben." T.-R. IV, 126. + +[508] T.-R. IV, 120. 77. III, 75. IV, 78. Cord. 48. Uebereinstimmend mit +dem Spruch der Frau Cotta schreibt L. in einem Beileidbrief (1536, Br. +IV, 687). "Es ist der hoechste Schatz auf Erden eine liebe Hausfrau." + +[509] T.-R. IV, 52. _Cord._ 22. T.-R. IV, 50. 53. + +[510] _Cord._ 249. 1780. T.-R. IV, 40. + +[511] T.-R. 43 f. 54 ff. Reden ueber den Ehestand. IV, 34-156. Vgl. +_Froboese_, D.M.L. ernste kraeftige Worte ueber Ehe und ehel. Verhaeltnisse. +Hannover, 1823. + +[512] T.-R. IV, 34. 38. 77. 73. 49. Cord. 1379. + +[513] T.-R. IV, 50. 204. + +[514] _Cord._ 22. T.-R. IV, 72. 50 f. + +[515] Br. V, 126. T.-R. 58. 37 f. + +[516] T.-R. I, 116. Com in ep. ad. Gal.--Seckendorf I, Sec. 63. +_Lauterbach_ 2. 37. + +[517] Br. IV, 645. 649. (Das Lesen Br. IV, 649 wird wohl vom Flachslesen +gemeint sein.) T.-R. I, 20.--Vgl. Was Luther von den Juden sagt: "Sie +schreien wohl sehr und beten heftig, mit grossem Ernst und Eifer; mich +wundert's, dass Gott sie nicht erhoert." T.-R. I, 109.--_Koestlin_ II, 437. + +[518] V, 787.--Link in Nuernberg schickt sogar seinen Annotationes in +Genesim an Kaethe. V, 713, vgl. _Buchw._ 48. + +[519] Die Schreibkunst hochstehender Frauen veranschaulicht ein Brief +der Graefin von Mansfeld an Luther (vom 14. Sept. 1545), welcher so +anfaengt: "Lieber togktor ich besyntt auss eurem berichtt, das es kein +Floss (Fluss, Rheuma) ist noch wirtt" u.s.f. _Kolde_, An. L. 391. + +[520] So erkundigt sich die Herzogin Sibylle schriftlich bei Luther nach +seinem lieben Weibe. So entbietet Herzog Albrechts liebe Gemahel Luthers +und Melanchthons Haeusern und tugendsamen Frau Dienst und Gruss. _Burkh._ +162. Br. V, 638. _Kolde_, An. L. 189. Vgl. die Besuche von Fuersten und +Fuerstinnen.--Kaethe heisst auch bei den Freunden respektvoll die Domina, +Doctorissa, [Griechisch: despoina didaschalae] (vgl. S. 171) + +[521] Im Museum zu Leipzig. + +[522] V, 520. + + +15. Luthers Tod. + +Hierzu besonders _Foerstemann_, Denkmale dem D.M.L. von s. Zeitgenossen +errichtet. Nordhausen 1846. + +[523] S.o.S. 181, 2. + +[524] V, 522. 544. 628 f. 642. T.-R. II, 261. Buendnis mit den Tuerken: +T.-R. IV, 661. + +[525] Fladenkrieg. T.-R. IV, 444-47. _Ratzeberger_ 112. Mainz: Br. 522. +602. "Grickel und Jaeckel": V, 383. 629. 734. T.-R. II, 470. Koelner +Reform V, 584. 708. Epigonen: V, 527. 529. 539. 550. 553. 572. 586. 659. +663. V, 537. 571. 708 f. 727. + +[526] V, 616. 708. _Ratzeb._ 123 f. + +[527] Vgl. zu S. 134, 2. T.-R. IV, 98 f. 104. 500 ff. Ueberhaupt ueber +"die garstigen Juristen", (495): 478-541. 523: "Es ist ein ewiger Hader +und Kampf zwischen den Juristen und Theologen, wie zwischen Gesetz und +Gnade." _Beste_ 77 f. _Hofmann_. 156 f. + +[528] Heimliche Verloebnisse. V, 616 ff. 627. 715. 747. 744. 763. T.-R. +IV, 99. 491 f. _Koestlin_, II, 580. + +[529] V, 527. 586. 604. 679. 683. 688. 700. 704. 711. 726. + +[530] V, 518. + +[531] V, 643. 703. + +[532] T.-R. III, 15 f. + +[533] V, 359. _Kolde_, An. L. 391. + +[534] V, 529. 743. + +[535] V, 571. 534. Denkmale 31. 26. _Ratzeb._ 137. + +[536] V, 600. 555. 638. 703. 743. + +[537] V, 541. 571. 778. + +[538] T.-R. III, 131. Br. V, 571. + +[539] VI, 590. 628 ff. 570. 600. 642. 299. 674. Nach dem juengsten Tag +seufzt Luther auch sonst: Als L. einmal ein Paternoster (einen +Rosenkranz) von weissen Agatsteinen in der Hand hatte, sprach er: "O +wollte Gott, dass der Tag nur balde komme! Ich wollte das Paternoster +jetzt essen, dass er morgen kaeme." T.-R. I, 63. + +[540] So Bugenhagen in seiner Leichenrede fuer Luther. Denkm. 92. + +[541] V, 747. + +[542] V, 753. 561. 710. VI, 302. Lob Nuernbergs: T.-R. IV, 665. _Burkh._ +463. _Kolde_, An. L. 423. Br. V, 753.--"Kleiderordnungen" von 1562 und +1576; vgl. _Schadow_, Denkw. 60. 92. + +[543] Br. V, 752 f. + +[544] Ernst von Schoenfeld ist ein Bruder der Ave aus Nimbschen, welche +den Basilius Axt geheiratet hatte. Ueber ihn hatte sich L. 1540 beklagt, +dass er seiner Schwester ihre tochterliche oder fraeuliche Gebuehr +vor(ent)hielt. L. nimmt sich der Ave, (fuer die er sich einst +interessiert hatte, s.S. 46, 2, T.-R. IV, 50), in einem Briefe an den +Kurfuersten an, auch nach dem Tode ihres Mannes und ihrer Kinder (1541). +V, 289. 403. S.o.S. 16. 29. + +[545] Das Schwarze Kloster. + +[546] Die vier Fakultaeten? + +[547] Georg von Anhalt, Bischof von Merseburg. + +[548] "gesegnen von meinenwegen" = in meinem Namen Lebewohl sagen. + +[549] _Burkh._ 475 ff. 483. _Kolde_, An. L. 416. 423. + +[550] _Lingke_, L. Reisegeschichte, 284 f. + +[551] Denkm. 1. 2. Br. V, 779. 771. _Ratzeb._ 134 ff. 129. Denkm. 22. + +[552] "Unartiges" Wetter, _Ratzeb._ 134.--Reisegenossen, Jonas' Briefw. +II, 182 ff.--Vorbedeutung: _Ratzeb._ 130 f. + +[553] V, 780 f. + +[554] "Hans von Jena hat sie gebeten" = die Langeweile hat sie geplagt. + +[555] V, 783 f., vgl. Jonas' Briefw. II, 182. + +[556] C.R. VI, 60. Jonas' Briefw. II, 183. C.R. VI, 56. Denkm. 10. 64. + +[557] V, 786. + +[558] V, 787 f. 789 f. + +[559] Hier und zum Folgenden L. Krankheits- und Sterbegeschichte von +Jonas, L.W. XXI, 274-393 und K. Ed. _Foerstemann_, Denkmale dem Dr. M.L. +errichtet, Nordhausen 1846. + +[560] V, 791. + +[561] Denkm. 23. C.R. VI, 54.--Man wollte bei dreien Naechten einen +Kometen gesehen haben; sonderlich behauptete das der Bote von Jonas an +Melanchthon, der sich fuer so etwas ganz besonders interessierte. Denkm. +21. 23. 25 ff. Jonas' Briefw. II, 282 f. + +[562] Aus dem "Leichenprogramm" beim Tode Katharinas. Hofmann 136. + +[563] Denkm. 10. 11. + +[564] C.R. VI, 274. Denkm. 26. 53. + +[565] Denkm. 78 f. + +[566] Denkm. 81. + +[567] Denkm. 76 f. + +[568] Jonas Briefw. II, 183. Hofmann 112. + +[569] "10 Gr. denen Pulsanten gegeben an Tag Cathedra Petri von allen +Glocken zu laeuten, do man den Ehrwuerdigen Herr Doctorem Martinum zu +Grabe getragen". Wittenb., Kaemmerei-Rechnung, Dm. 82. 142. + +[570] Das eherne Bild, das mit den Zuegen des Doktors in die Wand +eingelassen werden sollte, kam des Krieges wegen erst spaeter zustande +und in die Kirche zu Jena, weil Wittenberg dem Kurhause verloren ging. +Denkm. 78 f. + +[571] Br. VI, 650. Der Brief ist faksimiliert in der Illustr. Zeitung +1899, S. 149 f.; ist aber nicht von Katharinas Hand, sondern diktiert. +S. Seidemann, a.a.O. + + +16. Luthers Testament + +Hierzu vgl. K. Ed. _Foerstemann_, D.M.L. Testamente. Nordhausen 1846. +Seidemann, Ztschr. f. histor. Th. 1860. S. 475 bis 564. + +[572] _Rade_ (P. Martin) D.M.L., Neusalza 1887, III, 699. S.o.S. 201. + +[573] "Die Welt ist undankbar" setzte L. an die Spitze seines +Hausbuches, in welchem er fuer die Seinigen eine Art testamentarische +Aufzeichnung machte, wegen ihrer Zukunft. VI, 324. + +[574] V, 424. + +[575] S.o.S. 201. V, 424. + +[576] V, 424. VI, 324. 326. + +[577] S.o.S. 83. _Kolde_, An. L. 416. _Burkh._ 482 f. + +[578] T.-R. IV, 522 heisst es zwar: "Nur _ein_ Jurist ist fromm (brav) +und weise. Dr. Gregorius _Brueck_." Dagegen 525. "Etliche sind fromm wie +Dr. _Sebald_; etliche aber sind eitel Teufel." + +[579] _Burkh._ 482. _Kolde_, An. L. 421-23. _Buchwald_ 180: L. zieht weg +propter pessimos mores. + +[580] Grundbes. 531. Br. V, 304. Denkm. 76 f. + +[581] Denkm. 27. 79. L.W. XXI, 299*.--Hierbei hatte Brueck von den +"groben Fleischern und Fischern" geredet: "Man soll (wird) der Frauen +wohl bald mit ungestuemen Worten, wenn man schuldig ist, zu Halse laufen" +(S. 95 f.). Auch Luther hatte in Beziehung auf die Wittenberger Buerger +an die Spitze seines Tagebuchs geschrieben: "Die Leute sind grob". (VI, +324.) + +[582] _Seckendorf_ III, 647. am 24. Febr., wenn hier keine Verwechslung +mit dem Schreiben vom 20. vorliegt. + +[583] C.R. VI, 81. + +[584] Denkm. 163. + +[585] Denkm. 167 f. + +[586] Denkm. 169. + +[587] Th. St. und Krit. 1896, S. 161. + +[588] V, 25 f. 424. + +[589] T.-R. IV, 521: "L. klagte ueber die Armut und Elend der Theologen, +wie sie allenthalben gedrueckt wuerden und dazu helfet ihr Juristen +redlich und drueckt uns weidlich."--IV, 145: "Wir arme Moenche und Nonnen +muessen herhalten. Dr. Pommer sollte nach weltlichem Rechte entsetzt +werden. Weil aber solche Rechte noch nicht exequieret und vollzogen +sind, so ist die Frage, ob seine Kinder auch seiner Gueter Erben sein +koennen." + +[590] V, 403, vgl. 307. Grundbes. 511 ff. _Nobbe_ Ztschr. f. hist. Th., +1870, S. 173. + +[591] Br. V, 422 ff. Sachsenrecht. T.-R. IV, 51. + +[592] Sorge: _Rebenstock_ I, 229.--Barschaft Testam. 48, vgl. 28. Br. +VI, 324 f.--Schatzung Br. VI, 304. V, 499. Verschreibung des Kurfuersten, +_Burkh._ 402 f. Der Grafen, Denkm. 169. + +[593] Wolfs "Gnadenbrief". _Richter_ 379. _Seidemann_, N. Mitt. VIII, +37. 21. 26. Grundbes. 508. + +[594] S.o.S. 82 f. und Anmerkg.--Test. 31. + +[595] S.o.S. 85. Grundbes. 530 f. zu S. 227 ff. Bruecks Gutachten, Test. +29-41. + +[596] Ob die 100 fl. Bauholz fuer ein Scheunlein nicht zu hoch gegriffen +sind?--Wenn das Guetlein Zulsdorf Kaethen auf 1600 fl. zu stehen gekommen +waere, so muesste sie in dasselbe, welches nur 610 fl. kostete, 1000 fl. +verbaut haben. Uebrigens wurde das Gut 1553 trotz der Kriegsverwuestung +um 956 fl. verkauft. + +[597] "Voegel fangen", wohl auf Wolfs Vogelherd, s. "Klageschrift der +Voegel an Lutherum ueber seinen Diener Wolfgang Siebergern." Br. VI, 164. +Vgl. oben S. 207. + +[598] "Man": Der Text laesst nicht erkennen, ob Melanchthon oder Brueck +darunter gemeint ist. + +[599] Test. 41-44. + +[600] Test. 44 f. + +[601] Br. V, 754 an Ratzeberger: uxori tuae commatri, affini et +Landsmanninae Meae. + +[602] Test. 44-46. + +[603] Test. 46 f. 48. Vormuender: 50-52. + +[604] Test. 52 f. Richter 375.--Am 21. Maerz hatte Melanchthon an M. +Grodel in Torgau geschrieben, er moechte dafuer besorgt sein, dass ihre +Eingabe an den Kurfuersten durch Dr. Ratzeberger richtig uebergeben werde; +diese Eingabe ist wohl Katharinas Bitte um Bestaetigung des +"Testamentes". Diese Betaetigung zoegerte sich uebrigens 3 Wochen, bis zum +11. April hinaus. + +[605] Test. 47-66. + +[606] Test. 47-50. 59 f. 62-64. + +[607] Test. 64. (C.R. VI, 149). Grundbes. 548. Quittung fuer 2000 fl. +Test. 65 f. + +[608] Test. 35-37. 46. 49. + +[609] Test. 44. 51. 54-57. + +[610] S. 235-237. Test. 57-62. Grundbes. 530-564. + +[611] Grundbes. 494. + +[612] Br. V, 650. + +[613] Br. V, 649. + +[614] C.R. VI, 81. + +[615] Hofmann 122, 84. + + +17. Krieg und Flucht. + +[616] C.R. VI, An. IX. 185. 190. + +[617] Zitzlaff 119. C.R. VI, 249. Arnold in seiner Kirchen- und +Ketzerhistorie meldet, nicht in freundlicher Absicht, Hans, der +Erstgeborene und Katharinas Lieblingssohn, sei mit dem Kurfuersten in +den Krieg gezogen als Faehnrich. Das entspraeche freilich ganz dem Willen +des Vaters, der seine Soehne wenigstens gegen den Tuerken schicken wollte, +ja selber wider ihn ziehe, wenn er noch haette koennen. Br. V, 450 sagt +Luther: "Wo ich nicht zu alt und zu schwach, moechte ich persoenlich unter +den Haufen sein" (gegen die Tuerken 1542). Vgl. Cord 834.--Robsten, +Beitr. zur Geneal. des Luth. Geschlechtes, Jena 1754, p. 7. + +[618] Vgl. hier und zum Folgenden: Voigt, Ztschr. f. K.-G. 1877, S. 158 +ff. + +[619] C.R. VI, 268. + +[620] C.R. VI, 290. _Liliencron_, Histor. Volkslieder IV, Nr. 546. + +[621] Grundbes. 521. _Zitzlaff_ 121. + +[622] C.R. VI, 296-299. 301. _Waltz_, Ztschr. f. K.-G. 1878, S. 167. + +[623] C.R. 345. 355. 535. + +[624] _Kolde_, An. L. 433 f. + +[625] _Hofmann_ 123 f. + +[626] _Hofmann_ 124. + +[627] Grundbes. 537 f. C.R. VI, 513. 515. 537. + +[628] _Zastrow_, Mohnike I, 260. C.R. VI, 355. 428. 431. 520-31. + +[629] _Zitzlaff_ 122. Bugenhagen: "Mein Weib kommt sehr fruehe gelaufen +ans Bett und ruft: "Ach, mein lieber Herr, unser lieber Landesfuerst ist +gefangen." Ich sagt: "Das ist, will's Gott, nicht wahr."--Er habe diese +Stadt und Kirche, welche Luther ihm als Braut anvertraut, mit zerissenem +Haar und Kleid gesehen. + +[630] C.R. VI, 534-38. 621. 625. 640. 541. 549. + +[631] C.R. VI, p. XII. _Ratzeberger_ 170 f. "Er war ueberredet worden, +dass man ueber Luthers Begraebnis Nacht und Tag brennende Lampen haenge und +Wachskerzen stehen haette, und davor betete, als in den papistischen +Kirchen vor der Heiligen Reliquien geschehen." _Zastrow_ (Mohnike) II, +22. + +[632] C.R. VI, 563. 586. + + +18. Der Witwenstand. + +[633] Vgl. Teil-Recess. _Beste_ 129. C.R. VI. 585. _Zitzlaff_, +"Bugenhagen" 122. Dass nur Deutsche in die Stadt durften, hatten sich die +Wittenberger ausbedungen. Als nun aber die Spanier mit dem Kaiser am +Schlossthor eindringen wollten, warfen die Wittenberger sie in den +Graben, "dass sie nass wurden wie die Katzen". + +[634] Briefw. des Jonas II, 281. _Zitzlaff_ 121 f. Die Hussern waren +nicht so schlimm, wie die Spanier. + +[635] Briefw. Jonas II, 281. Grundbes. 558. + +[636] C.R. VII, 125. 536. + +[637] _Richter_ 390 f. C.R. VI, 669-693. 714. + +[638] _Grulich_, Torgau 112. _Matthes._ 68 (7. Pred.) _Richter_ 390. +396. + +[639] Grundbes. 494. + +[640] _Hofmann_ 129. + +[641] Waltz 181. + +[642] Jonas' Briefw. 259. + +[643] _Robsten_, Beitraege zur Geneal. des Luther. Geschl., Jena 1754. +_Keil_, Leben Hanss L., p. 89: "Joh. L. miles redux vitam egit +domesticam." + +[Transkriptions-Anmerkung: Zu den folgenden beiden Bemerkungen gibt es +keine Verweise im Text.] + +C.R. VII, 409 ff. Grundbes. 558. Jonas' Briefw. 280 ff. 295. + +C.R. VII, 408 f. 430. + +[644] C.R. VII, 502. + +[645] _Kolde_, An. L. 433. Grundbes. 558 f. + +[646] [Transkriptions-Anmerkung: Keine Bemerkung zum Verweis vorhanden.] + +[647] Grundbes. 559. C.R. VII, 411. + +[648] _Richter_, 325 f. C.R. VII, 611. 637. + +[649] C.R. VII, 945. + +[Transkriptions-Anmerkung: Zur folgenden Bemerkung gibt es keinen +Verweis im Text.] + +Grundbes. 559. + +[650] _Hofmann_ 141 f. + +[651] [Transkriptions-Anmerkung: Keine Bemerkung zum Verweis vorhanden.] + + +19. Katharinas Tod. + +[Transkriptions-Anmerkung: Zu den folgenden 4 Bemerkungen gibt es keine +Verweise im Text.] + +_Grulich_, Denkw. Torgaus S. 86. + +_Mayer_ 62. 122. _J.T. Lingke_, Hrn. D.M.L. Geschaefte und Andenken zu +Torgau, 1764. S. 69-75. + +Nach _Grulich_ wohnte K. beim Stadtrichter M. Reichenbach im +Gruenwaldschen Hause. Das Haus "Auf dem Scharfenberg" (heute +"Lutherhaus") in dem "Karniergaesschen" (heute "Luthergasse") war nicht +Katharinens hospitium; es hatte nur nach Wittenberg Zins zu zahlen. +_Grulich_ S. 70 f. 86. _Grulich_, Annales th. eccl., 1734. S. 176. +_Lingke_ a.a.O. S. 70.--Sollte M. Reichenbach in Torgau eine +Verwechslung sein mit M. Reichenbach in Wittenberg, bei dem K. 1523 +wohnte (S. 39)? Die Familie Reichenbach, auch der Pflegevater Katharinas +stammt aus Zwickau. _T. Schmidt_, Chronik der Stadt Zwickau, 472. +_Buchwald_ 108. + +_Juncker_ 250. + +[652] _Richter_ 493 f. Vgl. die Kleiderordnung fuer Wittenberg 1576. S. +169. + +[653] Diese Rede Katharinas wurde von zwei Dichtern in Kirchenliedern +verwendet. In dem Liede eines unbekannten Verfassers (Anna von Stolberg +1600?, nicht Simon Graf, geb. 1609): "Christus, der ist mein Leben," +heisst die letzte (7.) Strophe. "_Und lass mich an dir kleben, wie eine +Klett am Kleid_, und ewig bei dir leben in Himmelswonn und Freud." +Ebenso heisst es in Chr. Reimanns (1607-1662) Lied: "Meinen Jesus lass ich +nicht, weil er sich fuer mich gegeben, so erfordert meine Pflicht, +klettenweis an ihm zu kleben." _E.E. Koch_, Gesch. der Kirchenlieder IV, +667, behauptet zwar, der Ausdruck schreibe sich von Herzogin Katharina +von Sachsen, geb. von Mecklenburg ([Symbol: gestorben] 1561) her, welche +bei ihrem Ende gesagt habe, "sie wolle an ihrem Herrn Jesus mit Glauben +kleben bleiben, wie die Klette am Kleid."--Jedenfalls hat Katharina die +Prioritaet. + +[654] C.R. VII, 1155 f. + +[655] _Lingke_ 71. _Grulich_ 87. + +[656] Der Leichenstein wurde zum Reformations-Jubelfest 1617 von "Daniel +Fritschen dem Mahler" fuer 9 Groschen uebermalt. Dazu wurde ein Bote (fuer +2-1/2 Gr.) nach Eilenburg geschickt, zu Prediger M. Behem, mit welchem +Luthers Enkelin Katharina, die Tochter von Hans Luther, verheiratet war. +_Lingke_ 73. + +[657] _Juncker_, Ehrenged. L. (deutsch.) 243 f. + +[658] Br. V, 424.--Vgl. die aeltere Litteratur bei _Hofmann_ +183-203.--_Boehringer_, K.v.B., Barmen. _Meurer, K.v.B.L._ 1876. +_Rietschel_, L. und sein Haus. Halle 1888. Romanhaft gehalten. _Armin +Stein_ (H. Nietschmann), K.v.B., Luthers Ehegemahl, ein Lebensbild. 4. +A. Halle 1897. + +[659] Bugenhagen schreibt an Koenig Christian als "Wort eines grossen +Fuersten": "Wir haben hier zwei Regenten gehabt ueber weltliches und +geistliches Regiment, den Kaiser und Luther." _Zitzlaff_ 106. + +[660] Das Faksimile ist von einem Brief Katharinas an den daenischen +Koenig, original in Kopenhagen. 3/4 n. Gr. Vgl. folg. Brief: + +"Von den drei im hiesigen Archiv aufbewahrten Briefen von Katharina von +Bora an den Koenig Christian III. von Daenemark sind die zwei entschieden +nicht eigenhaendig. Der dritte ist auch von einer Schreiberhand +herruehrend; von dessen Unterschrift sind aber, wie aus dem beifolgenden +Faksimile hervorgeht, die Buchstaben: "E.K.M. vnterthenige" von einer +andern Hand als der Brief selbst geschrieben, und die eigentliche +Unterschrift wieder von einer dritten. Die Originalurkunde giebt den +Eindruck, dass Katharina selbst die Unterschrift angefangen, dieselbe +aber aus irgend einer Ursache aufgegeben habe und dass also nur die oben +zitierten Buchstaben von ihr eigenhaendig sind." + +_Thiset_, Archivar. + +Dieser Einsatz wird um so mehr von Katharina herruehren, als auch eine +Einfuegung in dem ersten Brief Katharinas an den Herzog Albrecht ("ge" +S. 252, Z. 19, original in Koenigsberg) Aehnlichkeit mit dieser +Handschrift im Kopenhagener Brief zeigt. + +Da saemtliche vorhandene Briefe Katharinas Kanzleischrift haben, so sind +diese drei Buchstaben "E.K.M." und das Wort "vnterthenige" wohl das +einzige, was von Katharinas Hand erhalten ist. + +Das _Siegel_ Katharinas ist von den Briefen an Herzog Albrecht, wohl ein +Siegelring; es zeigt den Loewen Derer "v. Bora". + +_Bilder_ Katharinas sind (unvollstaendig) verzeichnet bei Hofmann S. 168 +f. Hier sei nur bemerkt, dass das S. 55 beschriebene Bild im Lutherhaus +in Wittenberg haengt; das auf S. 193 erwaehnte im Museum zu Leipzig. Das +Nuernberger, frueher in der Morizkapelle, jetzt im German. Museum, ist +weder von Kranach, noch stellt es Katharina vor. + + + + +Register. + + +Ablass +Aebtissin +Agnes (Nisa) Lauterbach +Agricola, Joh. = M. Eisleben +Agricola, Frau Elisabeth +Alemann, Ave +Altenburg +Amsdorf, Nicolaus von +Anhalt, Fuersten +Apel +Audi Koppe +Augsburg +Aurifaber = Goldschmidt +Aurogallus, Matth. +Axt, Lic. Basilius + +Bader, Kastner (Kastellan) auf Koburg und Frau +Barnes, D. Robert +Baumgaertner, Hieron. +Bayer (Baier, Beier), Vizekanzler +Berndt, Ambros +Besold +Bildenhain, Bildenhauer +Booss (Boese) Gut +Bora +Bora, Christina +Bora, Clemens +Bora, Florian, (lies Florian statt Fabian) +Bora, Hans +Bora, Katharina +Bora, Maria +Bora, Magdalene (s. "Muhme Lene") +Borna +Brandenburg, Herzog Albrecht +Brandenburg, Elisabeth von +Brandenburg, Georg Markgraf +Brandenburg, Joachim Kurfuerst I. +Braunschweig +Braunschweig, Herzogin Elisabeth +Briefe Luthers an Kaethe: + Von Marburg + von Wittenberg + von Koburg + von Torgau + von Schmalkalden + von Eisenach + von Zeitz + von Halle + von Eisleben + Brief der Hausfreunde an Kaethe +Briefe Kaethes +Brisger, Eberhard +Brueck, Dr. Gregorius +Bruno (Brauer, Haus Bruno) +Bugenhagen, Joh. = D. Pommer +Bugenhagen, Frau +Butzer (Bucer) + +Camerarius, Joachim +Canitz, Elisabetha (Else) von +Capito, Wolfg. +Cario, Joh. +Carlstadt +Coburg +Cordatus +Crafft +Cranach +Crodel, Marcus, Schulmeister in Torgau +Cronberg, Hartmut von + +Daenemark, Christian II. von, 39. 71. +Daenemark, Christian III. +Dene, Thilo +Dessau +Dietrich, Veit +Doctores + Doktorschmaus +Dolzig, Hofmarschall +Domina + = Aebtissin + = Frau D. Luther +Doering, Christian (Aurifaber) +Duerr, Kanzler +Duerer, Albrecht + +Eber, Paul +Eck +Einsiedel, Heinrich von +Eisenach +Eisleben, Stadt +Eisleben, D. +Emser +England, Heinrich VIII., Koenig +Englaender ("Engeleser") s. Barnes +Erasmus +Erfurt + +Ferdinand, Koenig +Feste +Fladenkrieg +Florentina, eine Nonne +Freiberg +Friedrich Becker (Pistorius), Abt in Nuernberg +Fuendli-Haus zu Nuernberg + +Gabriel = Zwilling +Gerbel, Lic. +Glatz, D. +Goldschmidt s. Aurifaber. +Goritz +Gotha +Grimma +Gross Ave +Grumbach, Argula von, +Gruene, Friedr. von, Feldzeugmeister + +Hagenau, Reichstag +Halle +Hasenberg +Haubitz, Anna von +Haubitz, Margarete von +Haugwitz +Hausfreunde +Hausmann +Heinrich VIII., von England +Heidten +Hennick +Heuthlin +Hirsfeld (Hirschfeld), Bernhard von +Hohndorf, Buergermeister +Holstein +Honold, Hans, Buerger von Augsburg +Horen +Humanisten + +Jaeckel s. Jakob Schenk +Jena + "Hans von Jena" +Johannes, der Schweinehirt, +Jonas, Justus +Jonas, Christoph +Jonas, Elisabeth +Jonas, Justus d.J. +Jonas, Katharina +Jonas, Sofia +Joerger, Christoph und Dorothea von Tollet +Juristen + +K siehe C. +Kanitz s. Canitz. +Karl V. +Karlstadt s. Carlstadt +Kaufmann, Andreas +Kaufmann, Cyriac +Kaufmann, Joerg +Kaufmann, Fabian +Kaufmann, Lehne (s. Muhmchen Lene) +Kaufmann, Else +Kegel +Kieritzsch +Klausur +Klosterkinder +Kloster-Regel +Koburg s. Coburg. +Koenigsberg +Koppe, Leonhard. +Kreuziger (Cruciger) Kasper + (Frauen) +Kummer +Kunheim, von + +Lauterbach +Lauterbach, Frau +Leipzig +Lemle (Leminus) +Lene (von Bora), Muhme, d. Aeltere +Lene, (Kaufmann) Muhme, d. Juengere +Lichtenberg +Lindemann, Kaspar +Link, Wenzel +Lippendorf +Lischnerin, Barbara +Loeser, Hans, zu Pretsch, Erbmarschall +Loeser, Hans, der Sohn +Lufft, Hans, Buchdrucker +Lueneburg, Herzog +D.M. Luther + Tischreden + Geselligkeit + Krankheiten +Luthers Eltern +Luthers Kinder + Hans, d.J. + Elisabeth + Magdalene + Martin + Paul + Margareta +Luthers Bruder: Jacob +Luthers Neffe: Martin +Luthers Schwester: Dorothea +Lutherbrunnen + +Magdeburg +Magister +Mainz, Kurfuerst Erzbischof Albrecht +Maehrische Brueder +Major Georg +Mansfeld, Stadt +Mansfeld, Grafen + Graf Albrecht + Graefin + Soehne +Marburg +Matthesius, Joh. +Maugen (a Maugis) +Medler +Melanchthon, M. Philipp +Melanchthon, Lippus +Melanchthons Frau, Katharina +Menius +Meissen +Mergenthal, Hans von +Mergenthal, Kath. von +Metsch, Hans +Mohr (Aetiops) +Mochau, Margr. v. +Moenche +Morgenstern v. Wittenberg +Mueller, Kaspar Kanzler +Motterwitz +Muenster, Dr. Sebald +Muensterberg, Ursula, Herzogin +Myconius (Mekum) Fr. + +Naumburg +Neobolus (Neuheller) +Niemeck +Nimbschen +Nonnen im Kloster + entflohen +Nonnen-Ehe + Nonnen-Kind +Novizen +Nordhausen +Nuernberg + +Pfister +Pforta +Pforzheim +Pirkheimer +Pirna +Plato +Polner, Hans +Pommer = Bugenhagen +Preussen, Albrecht, Herzog von +Probst +Professoren + +Ratzeberger, Dr. Matthias +Reichenbach, M. Phil. +Reliquien +Reuchlin = Reichel +Reuter, Buergermeister +Riedtesel +Rischmann +Roehrer (Rorer, Rorarius) Gg. +Rosina +Roth +Rothenburg +Ruehel +Rutfeld + +Sabinus, Melanchthons Schwiegersohn +Sachsen, Land +Sachsen: Georg, Herzog + Heinrich + Moriz + Kurfuerst Friedrich + Johann + Joh. Friedrich + Johann Ernst +Sala, Hanna von +Saumarkt +Schenck, Jakob +Sibylle, Herzogin +Schiefer +Schla(g)inhausen +Schmalkalden +Schnell, Georg +Schoenfeld, Ave (Eva) + Ernst +Schurf, Augustin, Arzt + Hieron., Jurist + Hanna, geb. Muschwitz +Severus = Schiefer. +Sieberger, Wolfgang +Spalatin +Specke +Speckstudenten +Speratus +Spiegel, Erasmus, Stadthauptmann von Wittenberg +Staupitz, Joh. von +Staupitz, Magdalena +Stiefel, Michael +Strauss, Anna (Hanna) +Studenten, "Bruder Studium" + +Tagloehner Kaethes +Taubenheim, Hans von +Taubenheim, Dietrich +Tischreden +Tollet s. Joerger +Tommitzsch, Wolf +Torgau + +Ursula s. Muensterberg + +de Vay +Vergerius, Kardinal +Viscamp + +Wachsdorf +Warbeck +Weimar +Weller, Hieron. +Weller, Mathias +Weller, Peter + S. Lischner. +Wittenberg, Stadt und Rat +Wolf(gang) s. Sieberger + +Zeschan +Zell, Katharina (Schuetzin) +Zink, Hans +Zulsdorf +Zwilling + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Katharina von Bora, by D. Albrecht Thoma + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK KATHARINA VON BORA *** + +***** This file should be named 12636.txt or 12636.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + https://www.gutenberg.org/1/2/6/3/12636/ + +Produced by Charles Franks and the DP Team + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. Special rules, +set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to +copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to +protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project +Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you +charge for the eBooks, unless you receive specific permission. 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