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authorRoger Frank <rfrank@pglaf.org>2025-10-15 05:32:49 -0700
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+The Project Gutenberg EBook of Die Ahnfrau, by Franz Grillparzer
+#15 in our series by Franz Grillparzer
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+*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!*****
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+Title: Die Ahnfrau
+
+Author: Franz Grillparzer
+
+Release Date: October, 2005 [EBook #9181]
+[Yes, we are more than one year ahead of schedule]
+[This file was first posted on September 12, 2003]
+
+Edition: 10
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+Language: German
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+Character set encoding: ASCII
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+*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE AHNFRAU ***
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+Produced by Delphine Lettau and Gutenberg Projekt-DE.
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+This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE.
+That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/.
+
+Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE"
+zur Verfuegung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse
+http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar.
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+
+Die Ahnfrau
+
+Franz Grillparzer
+
+Trauerspiel in fuenf Akten (1817)
+
+
+
+
+Personen:
+
+Graf Zdenko von Borotin
+Berta, seine Tochter
+Jaromir
+Boleslav
+Guenther, Kastellan
+Ein Hauptmann
+Ein Soldat
+Mehrere Soldaten und Diener
+Die Ahnfrau des Hauses Borotin
+
+
+
+
+Erster Aufzug
+
+Gotische Halle. Im Hintergrunde zwei Tueren. An beiden Seitenwaenden,
+links und rechts, ebenfalls eine Tuere. An einer Kulisse des
+Vorgrundes haengt ein verrosteter Dolch in seiner Scheide. Spaeter
+Winterabend. Licht auf dem Tische.
+
+
+Graf Borotin. Berta.
+
+Der Graf (am Tische sitzend und auf einen Brief hinstarrend, den er in
+beiden Haenden haelt).
+Nun Wohlan, was muss geschehe!
+Fallen seh ich Zweig' auf Zweige,
+Kaum noch haelt der morsche Stamm.
+Noch ein Schlag, so faellt auch dieser
+Und im Staube liegt die Eiche,
+Die die reichen Segensaeste
+Weit gebreitet rings umher.
+Die Jahrhunderte gesehen
+Werden, wachsen und vergehen,
+Wird vergehen so wie sie;
+Keine Spur wird uebrigbleiben;
+Was die Vaeter auch getan,
+Wie gerungen, wie gestrebt,
+Kaum dass fuenfzig Jahr' verfliessen
+Wird kein Enkel mehr es wissen
+Dass ein Borotin gelebt!
+
+Berta (am Fenster).
+Eine grause Nacht, mein Vater!
+Kalt und dunkel wie das Grab.
+Losgerissne Winde wimmern
+Durch die Luft, gleich Nachtgespenstern;
+Schnee soweit das Auge traegt,
+Auf den Huegeln, auf den Bergen,
+Auf den Baeumen, auf den Feldern,
+Wie ein Toter liegt die Erde
+In des Winters Leichentuch;
+Und der Himmel, sternelos,
+Starrt aus leeren Augenhoehlen
+In das ungeheure Grab
+Schwarz herab!
+
+Graf.
+Wie sich doch die Stunden dehnen!
+Was ist wohl die Glocke, Berta?
+
+Berta (vom Fenster zurueckkommend, und sich, dem Vater gegenueber, zur
+Arbeit setzend).
+Sieben Uhr hat's kaum geschlagen.
+
+Graf.
+Sieben? Und schon dunkle Nacht!
+Ach, das Jahr ist alt geworden,
+Kuerzer werden seine Tage,
+Starrend stocken seine Pulse
+Und es wankt dem Grabe zu.
+
+Berta.
+Ei, kommt doch der holde Mai,
+Wo das Feld sich kleidet neu,
+Wo die Luefte sanfter wehen
+Und die Blumen auferstehen!
+
+Graf.
+Wohl wird sich das Jahr erneuen,
+Diese Felder werden gruenen,
+Diese Baeche werden fliessen,
+Und die Blume, die jetzt welket,
+Wird vom langen Schlaf erwachen
+Und das Kinderhaupt erheben
+Von dem weissen, weichen Kissen,
+Oeffnen ihre klaren Augen
+Freundlich laechelnd wie zuvor.
+Jeder Baum, der jetzt im Sturme
+Seine nackten, duerren Arme
+Hilfeflehend streckt zum Himmel,
+Wird mit neuem Gruen sich kleiden.
+Alles was nur lebt und webt
+In dem Hause der Natur,
+Weit umher, in Wald und Flur,
+Wird sich frischen Lebens freuen,
+Wird im Lenze sich erneuen:
+Nie erneut sich Borotin!
+
+Berta.
+Ihr seid traurig, lieber Vater!
+
+Graf.
+Gluecklich, gluecklich nenn ich den,
+Dem des Daseins letzte Stunde
+Schlaegt in seiner Kinder Mitte.
+Solches Scheiden heisst nicht Sterben;
+Denn er lebt im Angedenken,
+Lebt in seines Wirkens Fruechten,
+Lebt in seiner Kinder Taten,
+Lebt in seiner Enkel Mund.
+O es ist so schoen, beim Scheiden
+Seines Wirkens ausgestreuten Samen
+Lieben Haenden zu vertraun,
+Die der Pflanze sorglich warten,
+Und die spaete Frucht geniessen;
+Im Genusse doppelt fuehlend
+Den Genuss und das Geschenk.
+O es ist so suess, so labend,
+Das was uns die Vaeter gaben
+Seinen Kindern hinzugeben
+Und sich selbst zu ueberleben!
+
+Berta.
+Ueber diesen boesen Brief!
+Ihr wart erst so heiter, Vater,
+Schienet seiner Euch zu freuen,
+Und nun, da Ihr ihn gelesen,
+Seid mit eins Ihr umgestimmt.
+
+Graf.
+Ach, es ist nicht dieses Schreiben,
+Seinen Inhalt konnt' ich ahnen.
+Nein es ist die Ueberzeugung,
+Die sich immer mehr bewaehrt;
+Dass das Schicksal hat beschlossen,
+Von der Erde auszustossen
+Das Geschlecht der Borotin!
+Sieh, man schreibt mir, dass ein Vetter,
+Den ich kaum einmal gesehen,
+Der der einz'ge ausser mir
+Von dem Namen unsers Hauses,
+Kinderlos, ein welker Greis,
+Gaehlings ueber Nacht gestorben.
+Und so bin ich denn der Letzte
+Von dem hochberuehmten Stamme,
+Der mit mir zugleich erlischt.
+Ach, kein Sohn folgt meiner Bahre,
+Trauernd wird der Leichenherold
+Meines Hauses Wappenschild,
+Oft gezeigt im Schlachtgefild,
+Und den wohlgebrauchten Degen
+Mir nach in die Grube legen.
+Es geht eine alte Sage,
+Fortgepflanzt von Mund zu Mund,
+Dass die Ahnfrau unsers Hauses,
+Ob begangner schwerer Taten,
+Wandeln muesse ohne Ruh',
+Bis der letzte Zweig des Stammes,
+Den sie selber hat gegruendet,
+Ausgerottet von der Erde.
+Nun wohlan, sie mag sich freuen,
+Denn ihr Ziel ist nicht mehr fern!
+Fast moecht' ich das Maerchen glauben,
+Denn fuerwahr ein maecht'ger Finger
+War bemueht bei unserm Fall.
+Kraeftig stand ich, herrlich bluehend
+In der Mitte dreier Brueder;
+Alle raubte sie der Tod!
+Und ein Weib fuehrt' ich nach Hause,
+Schoen und gut und hold wie du.
+Hochbeglueckt war unsre Ehe
+Und ein Knabe und ein Maedchen
+Sprossten aus dem keuschen Bund.
+Bald wart ihr mein einz'ger Trost,
+Meine einz'ge Lebensfreude,
+Denn mein Weib ging ein zu Gott.
+Sorgsam, wie mein Augenlicht,
+Wahrte ich die teuern Pfaender;
+Doch umsonst! Vergeblich Streben!
+Welche Klugheit, welche Macht,
+Mag das Opfer wohl erhalten,
+Das die finsteren Gewalten
+Ziehen wollen in die Nacht!
+Kaum drei Jahre war der Knabe,
+Als er in dem Garten spielend
+Von der Waertrin sich verlief.
+Offen stand die Gartentuere,
+Die zum nahen Weiher fuehrt.
+Immer sonst war sie geschlossen,
+Eben damals stand sie offen, (bitter)
+Haett' ihn sonst der Streich getroffen!
+
+Ach, ich sehe deine Traenen
+Treu sich schliessen an die meinen.
+Weisst du etwa schon den Ausgang?
+Ach, ich armer, schwacher Mann,
+Habe dir wohl oft erzaehlet
+Die alltaegliche Geschichte.
+Was ist's weiter?--Er ertrank!
+Sind doch manche schon ertrunken!
+Dass es just mein Sohn gewesen,
+Meine ganze, einz'ge Hoffnung,
+Meines Alters letzter Stab;
+Was kann's helfen!--Er ertrank--
+Und ich sterbe kinderlos!
+
+Berta.
+Lieber Vater!
+
+Graf.
+Ich verstehe
+Deiner Liebe sanften Vorwurf.
+Kinderlos konnt' ich mich nennen,
+Und ich habe dich, du Treue!
+Ach, verzeih dem reichen Manne,
+Der sein Habe halb verloren
+In des Ungluecks hartem Sturm,
+Und nun mit der reichen Haelfte,
+Lang an Ueberfluss gewoehnet,
+Sich fuer einen Bettler haelt.
+Ach verzeih, wenn das Verlorne
+In so hellem Lichte glueht,
+Ist doch der Verlust ein Blitzstrahl,
+Der verklaert was er entzieht!
+Ja fuerwahr, ich handle unrecht!
+Ist mein Name denn das Hoechste?
+Leb ich nur fuer meinen Stamm?
+Mag ich kalt das Opfer nehmen,
+Das du mit der Jugend Freuden,
+Mit des Lebens Glueck mir bringst!
+Meines Daseins letzte Tage
+Seien deinem Glueck geweiht.
+Ja an eines Gatten Seite,
+Der dich liebt, der dich verdient,
+Werde dir ein andrer Name
+Und mit ihm ein andres Glueck!
+Waehle von des Landes Soehnen,
+Frei den kuenftigen Gemahl,
+Denn dein Wert verbuergt mir deine Wahl!
+Wie du seufzest!--Hast wohl schon gewaehlet?
+Jener Juengling?--Jaromir--
+Jaromir von Eschen denk ich.
+Ist's nicht also?
+
+Berta.
+Wag ich es?--
+
+Graf.
+Glaubtest du dem Vaterauge
+Bleib' ein Woelkchen nur verborgen,
+Das an deinem Himmel haengt?
+Sollt' ich gleich wohl eher schelten,
+Dass ich erst erraten muss
+Was ich laengst schon wissen sollte:
+War ich je ein harter Vater,
+Bist du nicht mein teures Kind?
+Edel nennst du sein Geschlecht,
+Edel nennt ihn seine Tat,
+Bring ihn mir, ich will ihn kennen,
+Und besteht er auf der Probe
+So kann manches noch geschehn.
+Fallen gleich die weiten Lehen
+Als erloschen heim dem Thron,
+Ein bescheidnes Los zu gruenden
+Hat noch Borotin genug.
+
+Berta.
+O wie soll ich--
+
+Graf.
+Mir nicht danke!
+Zahl ich doch nur alte Schulden.
+Hast nicht du's um mich verdient,
+Hat nicht er's, der wackre Mann?
+Denn er war's doch, der im Walde
+Dir das Leben einst gerettet,
+Und mit eigener Gefahr?
+Ist's nicht also, liebe Tochter?
+
+Berta.
+Oh, mit augenscheinlicher Gefahr!
+Hab ich's Euch doch schon erzaehlet,
+Wie in einer Sommernacht
+Ich dort in dem nahen Walde
+Mich lustwandelnd einst erging,
+Und vom Schmeichelhauch der Luefte,
+Von dem Duft der tausend Blueten
+Eingelullt in suess Vergessen
+Weiter ging als je zuvor.
+Wie mit einmal durch die Nacht
+Einer Laute Klang erwacht,
+Klagend, stoehnend, Mitleid flehend
+Mit der Tonkunst ganzer Macht;
+Girrend bald gleich zarten Tauben
+Durch die dichtverschlungnen Lauben,
+Bald mit langgedehntem Schall
+Lockend gleich der Nachtigall,
+Dass die Luefte schweigend horchten
+Und das Laub der regen Espe
+Seine Regsamkeit vergass.
+Wie ich so da steh und lausche,
+Ganz in Wehmut aufgeloest,
+Fuehl ich mich mit eins ergriffen,
+Und zwei Maenner, angetan
+Mit des Mordes blut'ger Farbe,
+Mit dem Dolch, den Augen draeuend,
+Seh ich graesslich neben mir.
+Schon erheben sie die Dolche,
+Schon glaub ich die Todeswunde,
+Schreiend, in der Brust zu fuehlen:
+Da teilt schnell sich das Gebuesche,
+Reissend springt ein junger Mann,
+Hoch den Degen in der Rechten,
+In der Linken eine Laute
+Auf die bleichen Moerder zu.
+Wie er ihnen obgesieget,
+Wie er, einzeln, sie bezwang,
+Wie die kuehne Tat gelang
+Weiss ich nicht. In starre Ohnmacht
+War ich zagend hingesunken.
+Ich erwacht' in seinen Armen,
+Und zum Leben neu geboren,
+Unbehilflich, schwach und duldend
+Wie ein Kind am Mutterbusen
+Hing ich an des Teuren Lippen
+Seine heissen Kuesse trinkend.
+Und mein Vater, fuer das alles
+Was er erst fuer mich getan,
+Konnt' ich wen'ger als ihn lieben?
+
+Graf.
+Und ihr saht euch oefter?
+
+Berta.
+Zufall
+Liess mich drauf ihn wieder finden.
+Bald--nicht bloss der Zufall mehr.
+
+Graf.
+Warum flieht er deines Vaters,
+Seines Freundes Angesicht.
+
+Berta.
+Obgleich edlem Stamm entsprossen,
+Nur des Hauses edler Stolz,
+Nicht sein Gut kam auf den Erben.
+Arm und duerftig wie er ist,
+Fuerchtet er, hoert' ich ihn sagen,
+Dass der reiche Borotin
+Andern Lohn fuer seine Tochter,
+Als die Tochter selber zahle.
+
+Graf.
+Ich weiss Edelmut zu ehren,
+Wenn er sich und andre ehrt.
+Bring ihn mir, er soll erfahren,
+Dass dem reichen Borotin
+Er sein reichstes Gut erhalten,
+Soll erfahren, dass dein Vater
+Fuer das Gold der ganzen Welt
+Dich nicht fuer bezahlet haelt.--
+Doch jetzt, Berta, nimm die Harfe
+Und versuch es, meinen Kummer
+Um ein Stuendchen zu betruegen.
+Spiel ein wenig, liebe Tochter!
+
+(Berta nimmt die Harfe. Bald nach den ersten Akkorden nickt der Alte
+und schlummert ein. Sobald er schlaeft stellt Berta die Harfe weg.)
+
+Berta.
+Schlummre ruhig, guter Vater!
+Dass doch all die suessen Blumen,
+Die du streust auf meinen Pfad,
+Dir zum Kranze werden moechten
+Auf dein sorgenschweres Haupt.--
+Ich soll also ihm gehoeren,
+Mein ihn nennen, wirklich mein?
+Und das Glueck, das schon als Hoffnung
+Mir der Gueter groesstes schien,
+Giesst in freudiger Erfuellung
+Mir sein schwellend Fuellhorn hin!
+
+Ich kann's nicht fassen,
+Mich selber nicht fassen,
+Alles zeigt mir und spricht mir nur ihn,
+Den Wolken, den Winden
+Moecht' ich's verkuenden,
+Dass sie's verbreiten so weit sie nur ziehn!
+
+Mir wird's zu enge
+In dem Gedraenge
+Fort auf den Soeller, wie lastet das Haus;
+Dort von den Stufen
+Will ich es rufen
+In die schweigende Nacht hinaus.
+
+Und naht der Treue,
+Dem ich mich weihe,
+Kuend ich ihm jubelnd das frohe Geschick
+An seinem Munde
+Preis ich die Stunde
+Preis ich die Liebe, preis ich das Glueck. (Ab.)
+
+(Pause.--Die Ahnfrau, Bertan an Gestalt ganz aehnlich, und in der
+Kleidung nur durch einen wallenden Schleier unterschieden, erscheint
+neben dem Stuhle des Schlafenden und beugt sich schmerzlich ueber ihn.)
+
+Graf (unruhig im Schlafe).
+Fort von mir!--Fort!--Fort! (Er erwacht.)
+Ah--bist du hier meine Berta?
+Ei das war ein schwerer Traum,
+Noch empoert sich mir das Innre!
+Geh doch nach der Harfe, Berta,
+Mich verlangt's Musik zu hoeren!
+
+(Die Gestalt hat sich aufgerichtet und starrt den Grafen mit
+weitgeoeffneten toten Augen an.)
+
+Graf (entsetzt).
+Was starrst du so grass nach mir,
+Dass das Herz im Maennerbusen
+Sich mit bangem Grausen wendet,
+Und der Beine Mark gerinnt!
+Weg den Blick! Von mir die Augen!
+Also sah ich dich im Traume
+Und noch siedet mein Gehirn.
+Willst du deinen Vater toeten?
+
+(Die Gestalt wendet sich ab und geht einige Schritte gegen die Tuere.)
+
+Graf.
+So!--Nun kenn ich selbst mich wieder!--
+Wohin gehst du Kind?
+
+Die Gestalt (wendet sich an der Tuere um. Mit unbetonter Stimme).
+Nach Hause. (Ab.)
+
+Der Graf (stuerzt niedergedonnert in den Sessel zurueck. Nach einer
+Weile).
+Was war das?--Hab ich getraeumt?--
+Sah ich sie nicht vor mir stehn,
+Hoert' ich nicht die toten Worte,
+Fuehl ich nicht mein Blut noch starren
+Von dem grassen, eis'gen Blick?--
+Und doch, meine sanfte Tochter!--
+Berta! Hoere, Berta!
+
+(Berta und Kastellan kommen.)
+
+Berta (hereinstuerzend).
+Ach, was fehlt Euch, lieber Vater?
+
+Graf.
+Bist du da! Was ficht dich an,
+Sprich, was ist's, unkindlich Maedchen,
+Dass du wie ein Nachtgespenst
+Durch die oeden Saele wandelst
+Und mit seltsamen Beginnen
+Lebensmuede Schlaefer schreckst?
+
+Berta.
+Ich, mein Vater?
+
+Graf.
+Du, ja du!
+Wie, du weisst nicht? Und noch haften
+Deine starren Leichenblicke
+Mir gleich Dolchen in der Brust.
+
+Berta.
+Meine Blicke?
+
+Graf.
+Deine Blicke!
+Zieh nicht staunend auf die Augen!
+Siehst du, so!--doch nein, viel starrer!
+Starr?--die Sprache hat kein Wort!
+Blickst du mich liebkosend an,
+Um den Eindruck wegzuwischen
+Jenes finstern Augenblicks?
+All umsonst! So lang ich lebe
+Wird das Schreckbild vor mir stehn,
+Auf dem Todbett werd ich's sehn!
+Scheint dein Blick gleich Mondenschimmer
+Ueber einer Abendlandschaft,
+O ich weiss, er kann auch toeten!
+
+Berta.
+Ach, was hab ich denn begangen,
+Das Euch also aufgeregt,
+Und Euch heisst die Augen schelten,
+Die den Euern bang begegnend
+Sich mit Wehmutstraenen fuellen.
+Dass ich Euch im Schlaf verlassen,
+Unbedachtsam fortgegangen--
+
+Graf.
+Dass du fortgingst?--Dass du hier warst!
+
+Berta.
+Dass ich hier war?
+
+Graf.
+Standst du nicht
+Hier auf dieser, dieser Stelle
+Schiessend deine kalten Pfeile
+Nach des grauen Vaters Brust.
+
+Berta.
+Als Ihr schliefet?
+
+Graf.
+Kurz erst, jetzt erst!
+
+Berta.
+Eben komm ich von dem Soeller!
+Als der Schlummer Euch umfing
+Ging ich sehnsuchtsvoll hinaus
+Nach dem Teuern umzuschauen.
+
+Graf.
+Schaendlich!--Maedchen, hoehnst du mich?
+
+Berta.
+Hoehnen?--ich, mein Vater?--ich?
+
+(Mit ueberstroemenden Augen zu Guenther.)
+
+Ach sprich du!--Ich weiss nicht--kann nicht!
+
+Guenther.
+Ja fuerwahr, mein gnaed'ger Herr,
+Ja, das Fraeulein koemmt vom Soeller.
+Ich stand bei ihr, und wir schauten
+In die schneeerhellte Gegend
+Ob kein Wanderer sich nahe.
+Erst als Ihr sie gellend rieft,
+Eilte sie mit mir herbei.
+
+Graf (rasch).
+Und ich sah--
+
+Guenther.
+Ihr sahet--?
+
+Graf.
+Nichts!
+
+Guenther.
+Ihr saht etwa--?
+
+Graf.
+Nichts! nichts sag ich!
+
+(Vor sich hin.)
+
+Es ist klar, ich hab getraeumt!
+Wenn sich gleich die Sinne straeuben,
+Das Gedaechtnis es verneint,
+Doch ist's so; ich hab getraeumt!
+Kann der Schein sich also huellen
+Ins Gewand der Wirklichkeit?
+Diese Hand seh ich nicht klarer
+Als ich jenes Bild gesehn!
+Und doch, meine sanfte Berta!
+Es ist klar, ich hab getraeumt!--
+Was stehst du so ferne, Berta?
+Hast du keinen Vorwurf, Liebe,
+Fuer den harten, rauhen Vater
+Der so bitter dich gekraenkt?
+Ach, so warst du schon als Kind,
+Trugest immerdar zugleich
+Der Beleid'gung herben Schmerz
+Und das Unrecht des Beleid'gers.
+Immer gut und immer schuldlos,
+Schienst du stets die Schuldige--
+
+Berta (an seiner Brust).
+Und bin ich nicht wirklich schuldig?
+Wenn auch nicht als Grund des Zornes,
+Ach, doch als sein Gegenstand!
+
+Graf.
+Du verzeihst mir also, Berta?
+
+Berta.
+Ihr habt wohl getraeumt, mein Vater!
+Es gibt gar lebend'ge Traeume!
+Oder dieser Halle Dunkel
+Matt vom Kerzenlicht erhellt
+Taeuscht' in truegender Gestaltung
+Euer schlummertrunknes Aug'.
+
+Oh, ich hab es oft erfahren,
+Wie die Sinne, aufgeregt,
+Stumpfe Diener unsrer Seele,
+Gern fuer wahr und wirklich halten
+Die verworrenen Gestalten,
+Die der Geist in sich bewegt.
+Gestern nur, mein Vater, ging ich
+In des Zwielichts mattem Strahl
+Durch den alten Ahnensaal.
+In der Mitte haengt ein Spiegel,
+Halb erblindet und voll Flecken.
+Wie ich ihn vorueber gehe
+Bleib ich, meinen Anzug musternd,
+Vor dem matten Glase stehn.
+Eben senk ich nach dem Guertel
+Nieder meine beiden Haende,
+Da--Ihr werdet lachen, Vater!
+Und auch ich muss jetzt fast laecheln
+Meiner kindisch schwachen Furcht,
+Doch in jenem Augenblicke
+Konnt' ich nur mit Schreck und Grauen
+Das verzerrte Wahnbild schauen.
+Wie ich senke meine Haende
+Um den Guertel anzuziehn,
+Da erhebt mein Bild im Spiegel
+Seine Haende an das Haupt,
+Und mit starrendem Entsetzen
+Seh ich in dem dunkeln Glase
+Meine Zuege sich verzerren.
+Immer sind es noch dieselben
+Und doch anders, furchtbar anders,
+Und mir selbst nicht aehnlicher
+Als ein Lebend'ger seiner Leiche.
+Weit reisst es die Augen auf
+Starrt nach mir, und mit dem Finger
+Droht es warnend gegen mich.
+
+Guenther.
+Weh, die Ahnfrau!
+
+Graf (wie von einem ploetzlichen schrecklichen Gedanken ergriffen, vom
+Sessel aufspringend).
+Ahnfrau!
+
+Berta (verwundert).
+Ahnfrau?
+
+Guenther.
+Saht Ihr nie ihr Bild im Saale,
+Euch so aehnlich, gnaed'ges Fraeulein,
+Gleich als haettet Ihr dem Maler,
+Lieblich wie Ihr seid, gesessen?
+
+Berta.
+Oftmals hab ich's wohl gesehn,
+Es mit Staunen mir betrachtet,
+Und es war mir immer teuer
+Wegen dieser Aehnlichkeit.
+
+Guenther.
+Und Ihr kennet nicht die Sage,
+Die von Mund zu Munde geht?
+
+Berta.
+Schon als Kind hoert' ich's erzaehlen,
+Doch ein Maerchen nennt's der Vater.
+
+Guenther.
+Ach, er fuehlt's zu dieser Frist,
+Wie er sich's auch selbst verhehle,
+Fuehlt's im Tiefsten seiner Seele,
+Dass es mehr als Maerchen ist.
+Ja, die Ahnfrau Eures Hauses,
+Jung und bluehend noch an Jahren,
+Berta, so wie Ihr geheissen,
+Schoen und reizend, so wie Ihr,
+Von der Eltern Hand gezwungen,
+Zu verhasster Ehe Bund,
+Sie vergass ob neuen Pflichten
+Langgehegter Liebe nicht;
+In den Armen ihres Buhlen
+Ueberfiel sie der Gemahl.
+Durstend seine Schmach zu raechen,
+Straft' er selber das Verbrechen
+Stiess ins Herz ihr seinen Stahl,
+Jenen Stahl, den in der Blinde
+Man dort aufgehangen hat,
+Zum Gedaechtnis ihrer Suende,
+Zum Gedaechtnis seiner Tat.
+Ruhe ward ihr nicht vergoennet,
+Wandeln muss sie ohne Rast,
+Bis das Haus ist ausgestorben,
+Dessen Mutter sie gewesen,
+Bis weit auf der Erde hin
+Sich kein einz'ger Zweig mehr findet
+Von dem Stamm den sie gegruendet,
+Von dem Stamm der Borotin.
+Und wenn Unheil droht dem Hause,
+Sich Gewitter tuermen auf,
+Steigt sie aus der dunkeln Klause
+An die Oberwelt herauf.
+Da sieht man sie klagend gehen,
+Klagend, dass ihr Macht gebricht,
+Denn sie kann's nur vorhersehen,
+Ab es wenden kann sie nicht!
+
+Berta.
+Und das ist es--?
+
+Guenther.
+Das ist alles
+Was ich hier zu sagen wage,
+Wenn gleich all nicht was ich weiss.
+Eines ist noch uebrig, eines,
+Das des Hauses aeltre Diener,
+Das der Gegend welke Greise
+Bang sich in die Ohren raunen,
+Das der Sage heil'ger Mund
+Aus der Vaeter fernen Tagen
+In die Enkelwelt getragen.
+Eines, das den Schluessel gibt
+Zu so manchem finstern Raetsel,
+Das ob diesem Hause bruetet.
+Aber wag ich es zu sagen
+Hier an diesem, diesem Ort
+Wo noch kurz zuvor der Schatten--
+
+(Mit scheuen Blicken umhergehend. Berta schmiegt sieh an ihn, und
+folgt mit ihren Augen den seinigen.)
+
+Runzelt Ihr die hohen Brauen
+Edler Herr? Ich kann nicht anders!
+Meinen Busen will's zerbrechen
+Und es draengt mich's auszusprechen
+Beb ich selber gleich zurueck.--
+Kommt hierher, mein Fraeulein, hierher
+Und vernehmt und staunt und bebt.--
+Mit der Ahnfrau blut'ger Leiche
+Ward der Suende Keim begraben,
+Aber nicht der Suende Frucht.
+Das Verbrechen, das des Gatten
+Blut'ger Rachestahl bestraft,
+War, wie jene Sage spricht,
+Wohl das Letzte ihres Lebens
+Aber ach, ihr erstes nicht.
+Ihres Schosses einz'ger Sohn,
+Den Ihr unter Euren Ahnen,
+Unter Euren Vaetern zaehlt,
+Der des maecht'gen Borotin
+Lehen, Gut und Namen erbte,
+Er--
+
+Graf.
+Schweig!
+
+Guenther.
+Es ist ausgesprochen.
+Er, dem Vater unbewusst,
+War ein Pfand geheimer Lust,
+War ein Denkmal ihrer Suende!
+Darum muss sie klagend wallen
+Durch die weiten, oeden Hallen,
+Die das Werk von Trug und Nacht
+Auf ein fremd Geschlecht gebracht.
+Und in jedem Enkelkinde,
+Das entsprosst aus ihrem Blut,
+Hasst sie die vergangne Suende,
+Liebt sie die vergangne Glut.
+Also harret sie seit Jahren,
+Wird noch harren jahrelang
+Auf des Hauses Untergang;
+Und ob der sie gleich befreiet,
+Huetet sie doch jeden Streich,
+Der dem Haupt der Lieben draeuet,
+Den sie wuenscht und scheut zugleich.
+Darum wimmert es so klaeglich
+In den halbverfallnen Gaengen,
+Darum pocht's in dunkler Nacht--
+
+(Entferntes Getoese.)
+
+Berta.
+Himmel!
+
+Guenther.
+Weh uns!
+
+Graf.
+Was ist das?
+
+(Das Getoese wiederholt sich.)
+
+Fast gefaehrlich scheint dein Wahnsinn
+Er steckt auch Gesunde an.
+An die Pforte wird geschlagen
+Einlass fordernd. Geh hinab
+Und sieh zu, was man begehrt!
+
+(Guenther ab.)
+
+Berta.
+Vater, du siehst bleich! Ist's Wahrheit
+Was der alte Mann da spricht?
+
+Graf. Was ist wahr, was ist es nicht?
+Lass uns eignen Wertes freuen
+Und nur eigne Suenden scheuen.
+Lass, wenn in der Ahnen Schar
+Jemals eine Schuld'ge war,
+Alle andre Furcht entweichen
+Als die Furcht ihr je zu gleichen.--
+Und jetzt komm, mein liebes Kind,
+Fuehre mich nach meinem Zimmer.
+Ist's gleich noch nicht Schlafens Zeit
+Ruhe heischt der muede Koerper
+Hat er doch in einer Stunde
+Mehr als manchen Tag gelebt. (Ab mit Berta.)
+
+(Pause.--Dann stuerzt wankend, mit verworrenem Haar und aufgerissenem
+Wams, einen zerbrochenen Degen in der Rechten, Jaromir herein.)
+
+Jaromir (atemlos).
+Bis hierher!--Ich kann nicht weiter!
+Wankend brechen meine Kniee,
+Es ist aus!--Ich kann nicht weiter!
+
+(Sinkt gebrochen auf den Sessel hin.)
+
+Guenther (nachkommend).
+Sagt doch Herr, ist das wohl Sitte?
+Einzudringen so ins Haus
+Achtlos auf mein mahnend Wehren.
+Sprecht, was wollt Ihr? was begehrt Ihr?
+
+Jaromir.
+Ruhe!--Nur ein Stuendchen Ruhe,
+Nur ein kurzes Stuendchen Ruhe!--
+
+Guenther.
+Was ist Euch begegnet, Herr?
+Woher kommt Ihr?
+
+Jaromir.
+Dort--vom Walde--
+Wurde--wurde ueberfallen--
+
+Guenther.
+Ach man hoert so manches Unheil
+Von den Raeubern dort im Walde!
+Wie bedaur' ich Euch, mein Herr!
+Ach verzeihet, wenn ich anfangs
+Eure bange Hast missdeutend
+Und das Fremde Eures Eintritts
+Anders sprach, als ich gesollt.
+Wenn's Euch gutduenkt, folgt mir Herr
+Nach den oberen Gemaechern,
+Wo Euch wuerdig Speis und Trank
+Und willkommne Lagerstaette--
+
+Jaromir.
+Nein, ich kann--ich mag nicht schlafen!
+Lass mich hier in diesem Stuhl,
+Bis die Sinne sich gesammelt
+Und ich wieder selber bin.
+
+(Er legt den Arm auf den Tisch, und den Kopf darauf.)
+
+Guenther.
+Was soll ich mit ihm beginnen?
+Ganz verwirrt hat ihn der Schreck.
+Bleib ich? geh ich? Lass ich ihn?
+Ich will's nur dem Grafen melden,
+Mag er selber doch empfangen
+Seinen sonderbaren Gast. (Ab.)
+
+Jaromir.
+Ha, er geht, er geht!--Was soll ich?
+Sei es denn!--Nun Fassung, Fassung!
+
+(Der Graf und Guenther kommen.)
+
+Guenther.
+Hier mein gnaed'ger Herr, der Fremde!
+
+Jaromir (steht auf).
+
+Graf.
+Lasst Euch doch nicht stoeren, Herr,
+Und geniesst der noet'gen Ruhe.
+Hoch willkommen seid Ihr mir,
+Doppelt wert, denn Euch empfiehlt
+Eure Not und Euer Selbst--
+
+Jaromir.
+Ihr verzeihet wohl die Stunde
+Und die Weise meines Eintritts.
+Mag mein Unfall mich entschuld'gen
+Wo ich selbst es nicht vermag.
+Dort in jenem nahen Walde
+Ward ich raeubrisch ueberfallen.
+Ich und meine beiden Diener
+Wehrten lang uns ritterlich:
+Aber wachsend stieg die Menge,
+Meine treuen Diener lagen
+Hingestreckt in ihrem Blut.
+Da gewahr ich meines Vorteils,
+Und ins dunkle Dickicht springend,
+Schnell, die Raeuber auf der Ferse,
+Such ich fliehend zu entrinnen
+Und das Freie zu gewinnen.
+Gibt die Hoffnung schnelle Fuesse
+Leiht dafuer das Schrecken Fluegel.
+Bald gewinn ich einen Vorsprung,
+Und heraus ins Freie tretend
+Blinkt mir Euer Schloss entgegen.
+Gastfrei schien 's mich einzuladen,
+Zoegernd folgt' ich,--und bin hier.
+
+Graf.
+Halten wird Euch der Besitzer
+Was sein Eigentum versprach.
+Was nur dieses Haus vermag
+Ist das Eure, Euch zu Dienste.
+
+Berta (kommt,).
+Hoert' ich hier nicht seine Stimme?
+Ja er ist's!--Mein Jaromir!
+
+Jaromir.
+Berta!
+
+(Eilt auf sie zu. Ploetzlich haelt er ein, und tritt mit einer
+Verbeugung zurueck.)
+
+Graf.
+Waer' es etwa dieser?--
+
+Berta.
+Ja er ist's, er ist's, mein Vater!
+Ja er ist's, der mich gerettet,
+Ja er ist's der teure Mann!
+
+Graf.
+Zieht Euch nicht so fremd zurueck,
+Seid Ihr doch nicht unter Fremden!
+Schliesst sie immer in die Arme;
+Ihr habt Euch ein Recht erworben,
+Dass sie lebt ist Euer Werk!
+Wohl mir, dass mir ward vergoennt
+Den zu sehen, dem zu danken,
+Der mir meine letzten Tage,
+Mir mein Sterbebett verschoent,
+Mit dem Gluecke mich versoehnt.
+Komm an meine Brust, du Teurer,
+Lebensretter, Segensengel!
+Koennt' ich dankbar nur mein Leben
+Fuer dich hin, du Guter, geben,
+Wie du deines gabst fuer sie!
+
+Jaromir.
+Staunend steh ich und beschaemt--
+
+Graf.
+Du? An uns ist's so zu stehn!
+Ist doch unser Dank so wenig,
+Ach, und deine Tat so viel!
+
+Jaromir.
+Viel? O dass ich's sagen koennte!
+Dass es etwas mich gekostet!
+Dass ich eine Wunde truege,
+Eine kleine, kleine Narbe
+Nur als Denkmal jener Tat!
+Es kraenkt tief das Koestliche
+Um so schlechten Preis zu kaufen!
+
+Graf.
+Ziert Bescheidenheit den Juengling,
+Nicht verkenn er seinen Wert!
+
+Berta.
+Glaubt ihm nicht, o glaubt ihm nicht!
+Er liebt selber sich zu schmaehen,
+Ich weiss das von lange her!
+Wie so oft lag er vor mir,
+Meine Kniee heiss umfassend,
+Und mit schmerzgebrochner Stimme
+Rief er klagend, weinend aus,
+Ich verdiene dich nicht Berta!
+Er nicht mich, er mich nicht!--
+
+Jaromir.
+Berta!
+
+Graf.
+Wolltet Ihr wohl, dass sie minder
+Des Geschenkes Wert erkennte!
+Trieb Euch gleich zu jener Tat
+Nur des Herzens edles Streben
+Recht zu tun und gross und gut,
+Lasst uns glauben, lasst uns schmeicheln,
+Dass auf uns, auf unsre Not
+Auch ein fluecht'ger Blick gefallen,
+Dass Ihr nicht nur bloss begluecken,
+Dass ihr uns begluecken wolltet.
+Wer sich ganz dem Dank entzieht,
+Der erniedrigt den Beschenkten,
+Freund, indem er sich erhebt!
+
+Jaromir.
+Was erwidr' ich auf das alles!
+Wie ich bin, vom Kampf ermuedet,
+Von den Schrecken dieser Nacht,
+Taug ich wenig zu bestehen
+In der Grossmut edlem Wettstreit.
+
+Graf.
+Musstet Ihr mich erst erinnern
+Dass Ihr mued und ruheduerstend!
+
+Berta.
+Ach, was ist ihm denn begegnet?
+
+Graf.
+Das auf morgen, liebes Kind.
+Berta komm und lass uns gehn.
+Unser Guenther mag ihn weisen
+In das koestlichste Gemach.
+Dort umhuelle tiefer Frieden
+Mit der Segenshand den Mueden
+Bis der spaete Morgen naht.
+O er hat ein weiches Kissen
+Ein noch unentweiht Gewissen,
+Das Bewusstsein seiner Tat!--
+So, noch diesen Haendedruck,
+So, noch diesen Segenskuss,
+So, mein Sohn jetzt geh zur Ruh'
+Ein Engel drueck' das Aug' dir zu!
+
+Berta (den Alten abfuehrend).
+Schlummre ruhig!
+
+Jaromir.
+Lebe wohl'
+
+Berta (an der Tuere umwendend).
+Gute Nacht denn!
+
+Jaromir.
+Gute Nacht!
+
+(Graf und Berta ab.)
+
+Guenther.
+So, nun kommt mein wackrer Herr
+Ich will Euch zur Ruhe leiten.
+
+Jaromir (in den Vorgrund tretend).
+Nehmt mich auf Ihr Goetter dieses Hauses,
+Nimm mich auf du heil'ger Ort,
+Von dem Laster nie betreten,
+Von der Unschuld Hauch durchweht.
+Unentweihte, reine Stelle
+Werde wie des Tempels Schwelle
+Mir zum heiligen Asyl!--
+
+Unerbittlich strenge Macht,
+Ha nur diese, diese Nacht,
+Diese Nacht nur goenne mir,
+Harte! und dann steh ich dir!
+
+(Mit Guenther ab.)
+
+Ende des ersten Aufzuges
+
+
+
+
+Zweiter Aufzug
+
+Halle wie im vorigen Aufzuge. Dichtes Dunkel.
+
+
+Jaromir (stuerzt herein).
+Ist die Hoelle losgelassen
+Und knuepft sich an meine Fersen?
+Grinsende Gespenster seh ich
+Vor mir, an mir, neben mir,
+Und die Angst mit Vampirruessel
+Saugt das Blut aus meinen Adern,
+Aus dem Kopfe das Gehirn!
+Dass ich dieses Haus betreten!
+Engel sah ich an der Schwelle
+Und die Hoelle
+Hauset drin!--
+Doch wo bin ich hingeraten
+Von der innern Angst getrieben?
+Ist dies nicht die wuerd'ge Halle,
+Die den Kommenden empfing?
+Still! Die Schlaefer nicht zu stoeren!
+Stille! Wenn sie wuerden innen
+Hier mein seltsames Beginnen!
+
+(An des Grafen Gemach horchend.)
+
+Alles stille.
+
+(An der Tuere zur linken Seite des Hintergrundes.)
+
+Welche Laute!
+Suesse Laute, die ich kenne,
+Die ich einzuschluerfen brenne!
+Horch!--ha!--Worte!--Ach sie betet!
+Betet!--Betet wohl fuer mich!
+Habe Dank du reine Seele! (Horchend.)
+"Heil'ger Engel steh uns bei!"
+Steh mir bei du heil'ger Engel!
+"Und beschuetz uns!"--O beschuetz uns!
+Ja beschuetz mich vor mir selber!
+O du suesses, reines Wesen!
+Nein, ich kann mich nicht mehr halten,
+Ich muss hin, ich muss zu ihr.
+Will vor ihr mich niederstuerzen
+Und an ihrer reinen Seite
+Ruh' und Frieden mir erflehn!
+Ja sie moege ueber mir
+Wie ob einem Leichnam beten,
+Und in ihres Atems Wehn
+Will ich heilig auferstehn!
+
+(Er naehert sich der Tuere; sie geht auf und die Ahnfrau tritt heraus,
+mit beiden Haenden ernst ihn fortwinkend.)
+
+Jaromir.
+Ach, da bist du ja du Holde!
+Ich bin's Teure, zuerne nicht!
+Wink mich nicht so kalt von dir,
+Goenne dem gepressten Herzen
+Die so lang entbehrte Lust,
+An der engelreinen Brust,
+Aus den himmelklaren Augen
+Trost und Ruhe einzusaugen!
+
+(Die Gestalt tritt aus der Tuere, die sich hinter ihr schliesst, und
+winkt noch einmal mit beiden Haenden ihm Entfernung zu.)
+
+Jaromir.
+Ich soll fort? Ich kann nicht, kann nicht!
+Wie ich dich so schoen, so reizend
+Vor den trunknen Augen sehe
+Reisst es mich in deine Naehe!
+Ha ich fuehle, es wird Tag
+In der Brust geheimsten Tiefen
+Und Gefuehle, die noch schliefen,
+Schuetteln sich und werden wach.--
+Kannst du mich so leiden sehn?
+Soll ich hier vor dir vergehn?
+Lass dich ruehren meinen Jammer,
+Lass mich ein in deine Kammer!
+Hat die Liebe je verwehrt
+Was die Liebe heiss begehrt?
+
+(Auf sie zueilend.)
+
+Berta! Meine Berta!
+
+(Wie er sich ihr naehert, haelt die Gestalt den rechten Arm mit dem
+ausgestreckten Zeigefinger ihm entgegen.)
+
+Jaromir (stuerzt schreiend zurueck).
+Ha!
+
+Berta (von innen).
+Hoer ich dich nicht Jaromir?
+
+(Beim ersten Laut vom Bertas Stimme seufzt die Gestalt und bewegt sich
+langsam in die Szene. Ehe sie diese noch ganz erreicht hat, tritt
+Berta aus der Tuere, ohne aber die Gestalt zu sehen, da sie nach dem in
+der entgegengesetzten Ecke stehenden Jaromir blickt.)
+
+Berta (mit einem Lichte kommend).
+Jaromir du hier?
+
+Jaromir (die abgehende Gestalt mit den Augen und dem ausgestreckten
+Finger verfolgend).
+Da! Da! Da! Da!
+
+Berta.
+Was ist dir begegnet, Lieber?
+Warum starrst du also wild
+Hin nach jenem duestern Winkel?
+
+Jaromir.
+Hier und dort, und dort und hier!
+Ueb'rall sie und nirgends sie!
+
+Berta.
+Himmel, was ist hier geschehn?
+
+Jaromir.
+Ei bei Gott, ich bin ein Mann!
+Ich vermag was einer kann.
+Stellt den Teufel mir entgegen
+Und zaehlt an der Pulse Schlaegen
+Ob die Furcht mein Herz bewegt!
+Doch allein soll er mir kommen.
+Grad als grader Feind. Er werbe
+Nicht in meiner Phantasie,
+Nicht in meinem heissen Hirn
+Helfershelfer wider mich!
+Komm' er dann als maecht'ger Riese,
+Stahl vom Haupte bis zum Fuss,
+Mit der Finsternis Gewalt,
+Von der Hoelle Glut umstrahlt;
+Ich will lachen seinem Wueten
+Und ihm kuehn die Stirne bieten.
+Oder komm' als grimmer Leu
+Will ihm stehen ohne Scheu,
+Auge ihm ins Auge tauchen,
+Zaehne gegen Zaehne brauchen,
+Gleich auf gleich. Allein er uebe
+Nicht die feinste Kunst der Hoelle,
+Schlau und tueckevoll, und stelle
+Nicht mich selber gegen mich!
+
+Berta (auf ihn zueilend).
+Jaromir, mein Jaromir!
+
+Jaromir (zuruecktretend).
+O ich kenn dich, schoenes Bild!
+Nah ich mich wirst du vergehn
+Und mein Hauch wird dich verwehn!
+
+Berta (ihn umfassend).
+Kann ein Wahnbild so umarmen?
+Und blickt also ein Phantom?
+Fuehle, fuehle ich bin's selber
+Die in deinen Armen liegt!
+
+Jaromir.
+Ja, du bist's! Ich fuehle freudig
+Deine warmen Pulse klopfen,
+Deinen lauen Atem wehn.
+Ja, das sind die klaren Augen,
+Ja, das ist der liebe Mund,
+Ja, das ist die suesse Stimme,
+Deren wohlbekannter Laut
+Frieden auf mich niedertaut.
+Ja, du bist's, du bist's, Geliebte!
+
+Berta.
+Wohl bin ich's, o waerst du's auch!
+Wie du zitterst!
+
+Jaromir.
+Zittern! zittern!
+Wer sieht das und zittert nicht?
+Bin ich doch nur Fleisch und Blut,
+Hat doch keine wilde Baerin
+Mich im rauhen Forst geboren
+Und mit Tigermark genaehrt,
+Steht auf meiner offnen Stirne
+Doch der heitre Name: Mensch!
+Und der Mensch hat seine Grenzen!
+Grenzen, ueber die hinaus
+Sich sein Mut im Staube windet,
+Seiner Klugheit Aug' erblindet,
+Seine Kraft wie Binsen bricht
+Und sein Innres zagend spricht:
+Bis hierher und weiter nicht!
+
+Berta.
+Du bist krank, ach geh zurueck,
+Geh zurueck nach deiner Kammer.
+
+Jaromir.
+Eher in die heisse Hoelle
+Als noch einmal auf die Stelle!
+Ehrt Ihr so die Pflicht des Hauses
+Und des Gastes heilig Recht?
+Arglos und vertrauensvoll
+Folgt' ich meinem Fuehrer nach
+In das weite Prunkgemach.
+Muede, ruhelechzend steig ich
+Schnell das hohe Bett hinan
+Und das Licht ist ausgetan.
+Wehend fuehl ich schon den Schlummer,
+Mild wie eine Friedenstaube
+Mit dem Oelzweig in dem Munde,
+Ueber meinem Haupte schweben,
+Und in immer engern Kreisen
+Sich auf mich herniederlassen.
+Jetzo, jetzo senkt sie sich,
+Suesse Ruhe fesselt mich.
+Da durchzuckt es meine Glieder,
+Ich erwache, horch und lausche.
+Laut wird's in dem oeden Zimmer,
+Rauschend wogt es um mich her
+Wie ein wehend Aehrenmeer,
+Seltsam fremde Toene wimmern,
+Zuckend fahle Lichter schimmern,
+Es gewinnt die Nacht Bewegung
+Und der Staub gewinnt Gestalt.
+Schleppende Gewaender rauschen
+Durch das Zimmer auf und nieder,
+Hoer es weinen, hoer es klagen
+Und zuletzt in meiner Naehe
+Wimmert es ein dreifach Wehe!
+Da reiss ich des Bettes Vorhang
+Auf in ungestuemer Hast;
+Und mit tausend Flammenaugen
+Starrt die Nacht mich glotzend an.
+Lichter seh ich schwindelnd drehen
+Und mit tausend fahlen Ringen
+Schnell sich ineinander schlingen,
+Und nach mir streckt's hundert Haende,
+Kriecht an mich mit hundert Fuessen,
+Fletscht auf mich aus hundert Fratzen.
+Und an meines Bettes Fuessen
+Daemmert es wie Mondenlicht,
+Und ein Antlitz tauchet auf
+Mit geschlossnen Leichenaugen,
+Mit bekannten, holden Zuegen,
+Ja, mit deinen, deinen Zuegen.
+Jetzt reisst es die Augen auf,
+Starrt nach mir hin, und Entsetzen
+Zuckt mir reissend durchs Gehirn.
+Auf spring ich vom Flammenlager,
+Und durchs flirrende Gemach
+Stuerz ich fort, der Spuk mir nach.
+Wie von Furien gepeitscht
+Lang ich an hier in der Halle.
+Da hoert' ich dich Holde beten,
+Will zu dir ins Zimmer treten,
+Da verstellt mir--Siehst du? Siehst du?
+
+Berta.
+Was Geliebter?
+
+Jaromir.
+Siehst du nicht?
+Dort im Winkel, wie sich's regt,
+Wie's gestaltlos sich bewegt!
+
+Berta.
+Es ist nichts Geliebter, nichts,
+Als die wilde Ausgeburt
+Der erhitzten Phantasie.
+Du bist muede, ruh ein wenig,
+Setz dich hier in diesen Stuhl.
+Ich will schuetzend bei dir stehn,
+Labekuehlung zu dir wehn.
+
+Jaromir (sitzend, an ihre Brust gelehnt).
+Habe Dank, du treue Seele!
+Suesses Wesen, habe Dank!
+Schling um mich her deine Arme,
+Dass der Hoelle Nachtgespenster,
+Scheu vor dem geweihten Kreise,
+Nicht in meine Naehe treten.
+Lieg ich so in deinen Armen,
+Angeweht von deinem Atem,
+Ueber mir dein holdes Auge;
+Duenkt es mich auf Rosenbetten
+In des Fruehlings Hauch zu schlummern,
+Klar den Himmel ueber mir.
+
+(Der Graf koemmt.)
+
+Graf.
+Wer ist hier noch in der Halle?
+Berta, du? Und ihr?
+
+Berta.
+Mein Vater!--
+
+Jaromir.
+Weiss ich doch kaum was ich sagen,
+Weiss kaum wie ich's sagen soll.
+Toericht werdet Ihr mich nennen,
+Und fast moecht' ich's selber tun,
+Fuehlt' ich nicht im tiefsten Innern
+Jede meiner Fibern beben,
+Beben, ja; und Ihr moegt glauben,
+Es gibt Menschen, welche leichter
+Zu erschuettern sind als ich.
+
+Graf.
+Wie versteh ich?--
+
+Berta.
+Ach, so hoert nur,
+Oben in der Erkerstube
+Hatte man ihn hingewiesen.
+Schon senkt schlummernd sich sein Auge,
+Da erhebt sich ploetzlich--
+
+Graf.
+Ah!
+Zaehlt man dich schon zu den Meinen?
+Ist's in jenen dunkeln Orten
+Also auch schon kundgeworden
+Sohn, dass du mir teuer bist.
+Warum kamst du auch hierher!
+Glaubtest du, getaeuschter Juengling,
+Wir hier feiern Freudenfeste?
+Sieh uns nur einmal beisammen
+In der weiten, oeden Halle,
+An dem freudelosen Tische;
+Wie sich da die Stunden dehnen,
+Das Gespraech in Pausen stockt,
+Bei dem leisesten Geraeusche
+Jedes rasch zusammenfaehrt,
+Und der Vater seiner Tochter
+Nur mit Angst und innerm Grauen
+Wagt ins Angesicht zu schauen,
+Ungewiss, ob es sein Kind,
+Ob's ein hoellisch Nachtgesicht
+Das mit ihm zur Stunde spricht.
+Sieh, mein Sohn, so leben die,
+Die das Unglueck hat gezeichnet!
+Und du willst den mut'gen Sinn,
+Willst die rasche Lebenslust
+Und den Frieden deiner Brust,
+Koestlich hohe Gueter, werfen
+Rasch in unsers Hauses Brand?
+O mein Kind, du wirst nicht loeschen,
+Wirst mit uns nur untergehn.
+Flieh, mein Sohn, weil es noch Zeit ist:
+Nur ein Tor baut seine Huette
+Hin auf jenes Platzes Mitte,
+Den der Blitz getroffen hat.
+
+Jaromir.
+Moege was da will geschehn,
+Ich will Euch zur Seite stehn,
+Muss es, mit Euch untergehn!
+
+Graf.
+Nun wohlan, ist das dein Glaube,
+So komm her an meine Brust
+So, und dieser Vaterkuss
+Schliesst dich ein in unsre Leiden,
+Schliesst dich ein in unsre Freuden.
+Ja in unsre Freuden, Sohn,
+Ist kein Dorn doch also schneidend,
+Dass er nicht auch Rosen traegt.
+
+(Der Alte setzt sich, von Jaromir und Berta unterstuetzt, in den Stuhl.
+Die beiden stehen Hand in Hand vor ihm.)
+
+So, habt Dank, habt Dank, ihr Lieben!--
+Seh ich euch so vor mir stehen,
+Mit dem freudetrunknen Auge,
+Mit dem lebensmut'gen Blick,
+Will die Hoffnung neu sich regen,
+Und erloschne, dunkle Bilder
+Aus entschwundnen, schoenern Tagen
+Daemmern auf in meiner Brust.
+Seid willkommen Duftgestalten,
+Froh und schmerzlich mir willkommen!
+
+(Er versinkt in Nachdenken.)
+
+Jaromir.
+Berta, sieh doch nur, dein Vater!
+
+Berta (mit ihm etwas zuruecktretend).
+Lass ihn nur, er pflegt so oefter
+Und sieht ungern sich gestoert.
+Aber, Lieber, sei vergnuegt!
+Sieh, mein Vater weiss schon alles.
+
+Jaromir (rasch).
+Alles?
+
+Berta.
+Ja, und scheint's zu bill'gen!
+Heute nur--er war so gut,
+Ach so gut, so mild und sanft.
+Sanfter, guetiger als du,
+Der du kalt und trocken stehst,
+Waehrend ich nicht Worte finde,
+Fuer mein Fuehlen, fuer mein Glueck.
+
+Jaromir.
+Glaube mir--
+
+Berta.
+Ei, glauben, glauben!
+Besser stuend' es dem zu schweigen,
+Der nicht weiss wie Liebe spricht:
+Kann der Blick nicht ueberzeugen,
+Ueberred't die Lippe nicht.
+Sieh, man hat mir wohl erzaehlet,
+Dass es leichte Menschen gebe,
+Deren Liebe nicht bloss brennt
+Auch verbrennt, und dann erlischt:
+Menschen, die die Liebe lieben,
+Aber nicht den Gegenstand;
+Schmetterlinge, bunte Gaukler,
+Die die keusche Rose kuessen,
+Aber nicht weil sie die Rose,
+Weil sie eine Blume ist.
+Bist du auch so, Stummer, Boeser?
+
+(Vom Naehrahmen eine Schaerpe nehmend.)
+
+Ich will dir die Fluegel binden,
+Binden--binden Trotz'ger--binden
+Dass kein Gott sie loesen soll!
+
+Jaromir.
+Suesses Wesen!--
+
+(Sie bindet ihm die Schaerpe um.)
+
+Graf (hinueberblickend).
+Wie sie glueht!
+Wie es sie hinueberzieht!
+Aller Widerstand genommen
+Und im Strudel fortgeschwommen.
+Nun Wohlan, es sei! Der Himmel
+Scheint mir selbst den Weg zu zeigen,
+Den ich wandeln soll und muss.
+Stemmt gleich manches sich entgegen,
+Glimmt gleich in der tiefsten Brust
+Noch verborgen mancher Funke
+Von der einst so maecht'gen Glut.
+Toericht Treiben! Eitles Trachten!
+Der Palast ist eingesunken,
+Kaum noch geben seine Truemmer
+Eine Huette fuer mein Kind.
+Wohl es sei! Ach wie so schwer
+Loesen sich die Hoffnungen,
+In der Jugend Lenz empfangen,
+Holde Zeichen, eingegraben
+In des Baeumchens frische Rinde,
+Aus des Alters morscher Brust.
+Als sie mir geboren ward
+Und vor mir lag in der Wiege
+Freundlich laechelnd, schoen und hold,
+Wie durchlief ich im Gedanken
+Die Geschlechter unsers Landes,
+Sorgsam waehlend, kindisch suchend
+Nach dem kuenftigen Gemahl.
+Fand den Hoechsten noch zu niedrig,
+Kaum den Besten gut genug:
+Damit ist's nun wohl vorbei!
+Ach, ich fuehl es wohl, wir scheiden
+Kaum so schwer von wahren Freuden,
+Als von einem schoenen Traum!
+
+Berta (an der Schaerpe musternd).
+Halt mir still, du Ungeduld'ger!
+
+Graf.
+Und ziemt mir so ekles Waehlen?
+Wenn es wahr was er gesprochen,
+Was im Nebel der Erinnrung
+Aus der fernen Jugendzeit
+Unbestimmt, in sich verfliessend
+Meine Stirn vorueberschwebt;
+Wenn sie wahr die alte Sage,
+Dass der Name, den ich trage,
+Der mein Stolz war und mein Schmuck,
+Nur durch tief geheime Suenden--
+Fort Gedanke!--Ha, und doch, und doch!
+
+Berta (ihr Werk betrachtend).
+So nun steht es schoen und gut.
+Aber nun sei mir auch freundlich,
+Dass mich nicht die Arbeit reue!
+
+Graf.
+Jaromir!
+
+Jaromir (aufgeschreckt).
+Was!--Ihr Herr Graf!
+
+Graf.
+Noch bist du uns Kunde schuldig
+Von den Deinen, deiner Abkunft.
+Jaromir von Eschen heisst du,
+Fern am Rhein wardst du geboren,
+Dienste suchst du hier im Heer,
+So erzaehlte mir mein Maedchen,
+Aber weiter weiss ich nichts.
+
+Jaromir.
+Ist doch weiter auch nichts uebrig.
+Maechtig waren meine Ahnen,
+Reich und maechtig. Arm bin ich.
+Arm, so arm, dass wenn dies Herz,
+Ein entschlossner kraeft'ger Sinn
+Und ein schwergepruefter, doch vielleicht
+Grade darum festrer Wille
+Nicht fuer etwas gelten koennen,
+Ich nichts habe und nichts bin.
+
+Graf.
+Du sagst viel mit wenig Worten.
+Also recht! Du bist mein Mann!
+Sieh, mein Sohn, ich bin ein Greis.
+Die Natur winkt mir zu Grabe,
+Und ein dunkel, dumpf Gefuehl
+Nennt mir nah des Lebens Ziel.
+Nie hab ich dem Tod gezittert,
+Und auch jetzt schreckt er mich nicht.
+Doch dies Maedchen, sie mein Kind.
+Koenntest du in meinen Traenen,
+Hier in meinem Herzen lesen
+Was sie alles mir gewesen,
+Du verstuendest meinen Schmerz.
+Dass ich sie allein muss lassen
+In der unbekannten Welt,
+Macht dem Tode mich erblassen,
+Das ist's was so tief mich quaelt.
+Sohn, auf dich ist ihrer Neigung
+Schlaferwachtes Aug' gefallen;
+Du weisst ihren Wert zu schaetzen,
+Weisst zu schuetzen was dir wert;
+Du gabst einmal schon dein Leben
+Und wirst's freudig wieder geben,
+Wenn das Schicksal winkt, fuer sie.
+Dir vertrau ich dieses Kleinod,
+Sohn du liebst sie?
+
+Jaromir.
+Wie mein Leben!
+
+Graf.
+Und du ihn?
+
+Berta.
+Mehr als mich selbst.
+
+Graf.
+Moeg' denn Gottes Finger walten!
+Nimm sie hin, die du erhalten!
+
+(Schlaege ans Haustor.)
+
+Graf.
+Was ist das?--Wer naht so spaet
+Noch sich dieses Schlosses Toren!
+
+Berta.
+Gott, wenn etwa--
+
+Graf.
+Sei nicht kindisch.
+Glaubst du wohl, verdaechtig Volk
+Wage sich an feste Schloesser,
+Wohlverwahrt und wohlbemannt.
+
+Guenther (koemmt).
+Herr, ein koeniglicher Hauptmann
+An der Spitze seines Haufens
+Bittet Einlass an der Pforte.
+
+Graf.
+Wie? Soldaten?
+
+Guenther.
+Ja, Herr Graf.
+
+Graf.
+Weiss ich gleich nicht was sie suchen,
+Oeffne ihnen schnell die Pforten,
+Stets willkommen sind sie mir.
+
+(Guenther geht.)
+
+Graf.
+Was fuehrt den hierher zu uns?
+Und in dieser Stunde? Gleichviel.
+Wird doch seine Gegenwart
+Wohl die Stunden uns befluegeln
+Dieser peinlich langen Nacht.
+
+Berta.
+Jaromir, geh doch zu Bette.
+O du bist noch gar nicht wohl!
+Sieh, ich fuehl's an diesem Zucken,
+An dem Stuermen deiner Pulse,
+Dass du krank, bedenklich krank!
+
+Jaromir.
+Krank? ich krank? Was faellt dir ein!
+Stuermen gleich die raschen Pulse,
+Grad im Sturme ist mir wohl!
+
+(Guenther oeffnet die Tuere. Der Hauptmann tritt ein.)
+
+Hauptmann.
+Ihr verzeihet, mein Herr Graf,
+Dass ich noch in spaeter Nacht
+Eures Hauses Ruhe stoere.
+
+Graf.
+Wer des Koenigs Farben traegt
+Dem ist stets mein Haus geoeffnet;
+Euch, mein Herr, auch ohne sie.
+
+Hauptmann.
+Hier gruess ich wohl Eure Tochter?
+
+Graf.
+Ja, es ist mein einzig Kind.
+
+Hauptmann.
+Wie soll ich mich hier entschuld'gen?
+Doch bringt meine Ankunft Schrecken,
+Soll sie Schrecken auch zerstreun.
+Jene maecht'ge Raeuberbande,
+Die die Geissel dieser Gegend--
+
+Graf.
+Ja, fuerwahr, 'ne schwere Geissel!
+Dieses Maedchen, meine Tochter,
+Dass sie lebt noch, dass sie ist,
+Dankt sie nur dem kuehnen Mute
+Ihres wackern Braeutigams
+Jaromir von Eschen hier.
+Ja er selbst, noch diese Nacht
+Ward im Forst er ueberfallen,
+Seine Diener ihm erschlagen,
+Kaum entging er gleichem Los.
+
+Hauptmann.
+Diese Nacht?
+
+Jaromir.
+Ja, diese Nacht.
+
+Hauptmann.
+Und wann--
+
+Jaromir.
+Vor drei Stunden etwa!
+
+Hauptmann (ihn ins Auge fassend, dann zum Grafen).
+Euer Eidam?
+
+Graf.
+Ja, mein Herr.
+
+Hauptmann.
+Reistet Ihr ein Stuendchen spaeter
+War euch jene Angst erspart.
+
+(Zu den uebrigen.)
+
+Fuerder moegt Ihr ruhig sein
+Und nichts Arges mehr befahren,
+Denn die Euer Schrecken waren,
+Jene Raeuber, sind nicht mehr!
+Lange schon auf ihren Fersen,
+Ueberfielen wir sie heute.
+Nach beherztem, blut'gem Streite
+Trat der Sieg auf unsre Seite
+Und die Moerderschar erlag.
+Teils getoetet, teils gefangen,
+Retteten sich wen'ge nur;
+Wir verfolgen ihre Spur.
+
+Graf.
+Nun habt Dank, ihr wackern Krieger,
+Habt den waermsten, besten Dank!
+
+Hauptmann.
+Jetzt noch nicht, bis es vollendet.
+Ist der Stamm gleich schon gefallen,
+Haften doch noch manche Wurzeln;
+Und ich hab mir's selbst geschworen,
+Als man mich zur Tat erkoren,
+Auszurotten diese Brut.
+Bauern haben ausgesagt,
+Dass hier in des Schlosses Naehe,
+In des nahen Weihers Schilf,
+Den verfallnen Aussenwerken
+Sich verdaechtig Volk gezeigt.
+Drum erlaubt, mein edler Graf,
+Dass ich hier aus Euerm Schlosse,
+Meiner Spaeher Suchen leite,
+Stets bereit nach jeder Seite
+Wo es Not tut abzugehn.
+Bald, so hoff ich, ist's vorueber.
+Ringsum stehen meine Posten;
+Wenn sich auch in Busch und Feld
+Einer noch verborgen haelt
+Sollen sie ihn tuechtig fassen,
+Ihm ist nur die Wahl gelassen
+Zwischen Ketten, zwischen Tod.
+
+Graf.
+Dieses Schloss ist nicht mehr mein.
+Bis Ihr Euer Werk vollendet,
+Ist es Euer, ist des Koenigs.
+O wie lieb ich diesen Eifer,
+Der das Rechte schnell ergreift
+Und fest haelt, was er ergriffen.
+
+Hauptmann.
+Nicht mehr Lob, als ich verdiene.
+Fuehr ich hier des Rechtes Sache
+Fuehr ich meine auch zugleich.
+Hat doch dieses Raeubervolk
+Mir mein Stammschloss ueberfallen,
+Und geraubt, gebrannt, gemordet,
+Dass noch jetzt bei der Erinnrung
+Mir das Herz im Busen bebt.
+O mich draengt es, zu bezahlen
+Was ich schwer nur schuldig bin.
+Ich will schonen, grimmig schonen!
+Nicht der Tod in Kampf und Schlacht
+Werde dieser Brut zu Teile,
+Nein, dem Rad, dem Henkerbeile
+Sei ihr schuldig Haupt gebracht.
+
+Berta.
+Nicht doch! Wollt Ihr Menschen richten,
+Geht als Mensch ans blut'ge Werk!
+
+Hauptmann.
+Haettet Ihr gesehn, mein Fraeulein,
+Was ich sah, mit Schauder sah,
+Ihr verschloesset Euer Herz,
+Wieset das geschaeft'ge Mitleid
+Gleich 'nem unverschaemten Bettler
+Von der streng geschlossnen Tuer.
+Jene rauchenden Ruinen,
+Von der Flamme Glut beschienen,
+Greise zagend,
+Weiber klagend,
+Kinder weinend
+An erschlagner Muetter Bruesten
+Durch die leergebrannten Wuesten.
+Und dazu nun der Gedanke,
+Dass die Geldgier, dass die Habsucht
+Wen'ger feiger Boesewichter--
+
+Jaromir (vortretend und ihn hart anfassend).
+Wollt Ihr dieses holde Wesen,
+Ihrer Seele schoenen Spiegel,
+Der auf seiner klaren Flaeche
+Rein die Schoepfung stellet dar,
+Weil er selber rein und klar,
+Mit der Rachsucht gift'gem Hauch,
+Mit des Hasses Atem trueben!
+Lasst sie suesses Mitleid ueben,
+Und in dem Gefallnen auch
+Den gefallnen Bruder lieben.
+O es laesst der Binse wohl
+Der gebrochnen Eiche spotten!
+
+Hauptmann.
+Rasch ins Feuer, wenn sie brach.
+
+Jaromir.
+Eure Zunge richtet scharf;
+Doch was vorschnell sie gesuendigt
+Macht der Arm wohl zoegernd gut.
+
+Hauptmann.
+Ha, wie nehm ich diese Worte?
+
+Jaromir.
+Nehmt sie, Herr, wie ich sie gab.
+
+Hauptmann.
+Waer' es nicht an diesem Orte--
+
+Jaromir.
+Legtet Ihr den Trotz wohl ab!
+
+Hauptmann.
+Warm seh ich Euch Raeubern dienen!
+
+Jaromir.
+Wer in Not ist, zaehl' auf mich!
+
+Hauptmann.
+Nah der Beste unter ihnen--
+
+Hauptmann.
+Ruft ihn! Vielleicht stellt er sich!
+
+Graf.
+Jaromir, was muss ich hoeren!
+Fuehrt der Eifer dich so weit.
+Magst du meinen Gast beleid'gen,
+Kannst du Menschen wohl verteid'gen,
+Welche selber sich verdammt.
+Doch was gilt's, trotz dieser Hitze
+Hab ich richtig dich erkannt,
+Braucht es wen'ge Worte nur
+Und dem Fehlgriff folgt die Reue,
+Ja du folgst uns selbst ins Freie
+Auf der Boesewichter Spur.
+
+Jaromir.
+Ich?
+
+Graf.
+Ja, du!
+
+Jaromir.
+Ich, nimmermehr!
+Wie? Ich sollte einen Armen,
+Einen Stiefsohn des Geschicks,
+Den die unnatuerlich harte Mutter
+Stiefgesinnt hinausgetrieben,
+Fern von Wesen seiner Art
+Zu des Waldes Nachtrevieren
+Wo im Kreis von Raubgetieren
+Selber er zum Raubtier ward,
+Wie, ich sollt' ihm, wenn er naht,
+Alles bietend was er hat,
+Mit der Reue herben Zeichen,
+Statt der Hand, um die er bat,
+Meinen blut'gen Degen reichen?
+Wer tut das, und ist ein Mann?
+Einen Feind mir, der noch ficht,
+Doch zum Haescher taug ich nicht!
+
+Graf.
+Und wenn ich nun selber gehe,
+Und, des Koenigs Lehensmann,
+Diese Haescher fuehre an,
+Wirst du folgen?
+
+Jaromir.
+Ihr?
+
+Graf.
+Ja, ich.
+Ich mag Menschenleben schonen,
+Weiss zu schaetzen Menschenwert:
+Doch lass uns nicht grausam sein
+Gegen unsre bessern Brueder
+Um den Schlimmen mild zu sein.
+Ob das Herz auch aengstlich bebe,
+Lass uns tun die strenge Pflicht,
+Und damit der Gute lebe
+Mit dem Moerder zum Gericht!
+
+Jaromir.
+Recht gesprochen! Recht gesprochen!
+Dass die Kindlein ruhig schlafen,
+Mit den Hunden vor die Tuer!
+Mir ein Schwert! Ich will hinaus,
+Will hinaus auf Menschenleben!
+Ei, sie werden tuechtig fechten!
+Ist das Leben doch so schoen,
+Aller Gueter erstes, hoechstes,
+Und wer alles setzt daran,
+Wahrlich, der hat recht getan!
+Waffen, Waffen! Gebt mir Waffen!
+Fort, hinaus! auf Menschenleben!
+Lasst die Treiber fertig sein,
+Und dann wacker losgejagt,
+Bis der spaete Morgen tagt!
+Waffen! Waffen! Heda Waffen!
+
+Berta.
+Sagt' ich Euch es nicht, mein Vater?
+Er ist krank, gefaehrlich krank.
+
+Jaromir.
+Ist's doch nur gerechte Strafe!
+Seht doch! Konnten sie es wagen
+Die Verruchten, rueckzuschlagen,
+Da auf sie das Schicksal schlug!
+Menschen, Menschen!--Toller Wahn!
+Ausser uns wer geht uns an?
+Fort hinaus aus unserm Kahn,
+Der nur uns und Unsre fasst,
+Fort hinaus unnuetze Last!
+Wenn empor ein Schwimmer taucht,
+Schnell das Ruder wohl gebraucht.
+Weg vom Rande deine Haende,
+Dass sich unser Kahn nicht wende,
+In dem Wellenstrudel ende!
+
+Graf.
+Jaromir, was ficht dich an?
+
+Jaromir.
+Ach verzeiht! Kaum weiss ich's selber!
+Es ward mir die Jagdlust rege
+Bei der froehlichen Erzaehlung
+Wie die Netze sei'n gestellt
+Und nun bald das Wild gefaellt.
+
+Graf (zum Hauptmann).
+Ihr verzeihet wohl, mein Herr,
+Seht, der Unfall dieser Nacht,
+Und dann noch so manches andre,
+Hat sein Wesen so zerruettet,
+Dass er kaum er selber noch.
+
+Hauptmann.
+So bewegt, in dieser Stimmung
+Ist nicht von Beleidigung,
+Von Verzeihen nicht die Rede.
+Pflegt der Ruhe, Herr von Eschen.
+Unser widriges Geschaeft,
+Hat's gleich seine gute Seite,
+Taugt fuer kein bewegt Gemuet.
+
+Berta.
+Wohl, mein Lieber, folge mir.
+
+Jaromir.
+Nicht doch! Lass mich! Lass mich! Sieh,
+Mir ist wohl, wahrhaftig wohl.
+
+Hauptmann.
+Uns geziemt es vorzuschlagen,
+Anzunehmen steht bei Euch,
+Und so nehm ich denn jetzt Urlaub
+Zu vollenden mein Geschaeft.
+
+Graf.
+Doch Herr, kennt Ihr auch die Raeuber?
+Dass Ihr arglos stille Wandrer
+Nicht belaestigt ohne Not.
+
+Hauptmann.
+Kennen? Ich nicht. Denn im Dunkeln
+Ueberfielen wir sie heute,
+Und in Kampfes blut'gem Ringen
+Sieht man auf der Feinde Klingen
+Mehr als auf ihr Angesicht:
+Doch im Vorgemache draussen
+Harret einer meiner Leute,
+Der, von seinem Trupp getrennt,
+Einst in ihre Hand geraten,
+Der oft Zeuge ihrer Taten,
+Und die Raeuber alle kennt.
+Heda! Holla!
+
+(Soldat kommt.)
+
+Hauptmann.
+Walter komme!
+
+(Soldat ab.)
+
+Graf.
+Zwinge dich doch laenger nicht,
+Jaromir, und geh zu Bette.
+Leichenblass ist dein Gesicht
+Und aus deinem duestern Auge
+Blickt des Fiebers dumpfe Glut.
+Geh zu Bette, lieber Sohn!
+
+(Auf die Seitentuere rechts zeigend.)
+
+Hier in diesem stillen Zimmer
+Soll nichts deine Ruhe stoeren.
+
+Berta.
+Jaromir, lass dich erbitten.
+
+Jaromir.
+Wohl, ihr wuenscht es, und es sei!
+Fast fuehl ich mich selber unpass.
+
+(Das Schnupftuch an die Stirne pressend.)
+(Walter koemmt.)
+
+Hauptmann.
+Komm! Wir machen jetzt die Runde,
+Und du folgst mir!
+
+Walter.
+Wohl Herr Hauptmann.
+
+Hauptmann.
+Ist dir dein Gedaechtnis treu;
+Wirst du jeden dieser Raeuber
+Wieder kennen, der sich zeigt?
+
+Walter.
+Sicher werd ich, sorget nicht!
+
+Berta (Jaromir fuehrend).
+Wie du wankst! Sieh, hier hinein!
+
+(Jaromir geht durch die Seitentuere rechts ab.)
+
+Graf.
+So, und jetzt geht denn mit Gott!
+
+Hauptmann.
+Eins ist vorher noch zu tun,
+Meines Auftrags leichtste Haelfte,
+Die mir hier zur schwersten wird.
+Aber sei's, ich muss.--Gar manches
+Scheint dem Menschen ueberfluessig
+Und ist's dem Soldaten nicht.
+Mein Herr Graf, Ihr moegt erlauben,
+Dass ich Eures Schlosses Innres
+Noch vor allem erst durchforsche.
+
+Graf.
+Dieses? Meines Schlosses, Herr?
+
+Hauptmann.
+Streng gemessen ist mein Auftrag,
+Jede Wohnung zu durchsuchen,
+Wem sie sei, wem sie gehoere,
+Nach der fluecht'gen Raeuber Spur.
+Mag ich ungestuem erscheinen,
+Ich erfuelle meine Pflicht.
+Und zudem, Ihr moegt verzeihen,
+Wer buergt Euch fuer Eure Leute?
+
+Graf.
+Und wer Euch, denkt Ihr, fuer mich!
+
+Hauptmann.
+Haett' ich wirklich Euch beleidigt,
+So bedenkt--
+
+Graf.
+O lasst das! lasst das!
+Wird es mir denn nimmer klar
+Welcher weite Abgrund scheidet
+Das was ist von dem was war.
+Muss es mich denn immer mahnen!
+Ich gedachte meiner Ahnen,
+Deren Wort hier, weit und breit
+Mehr galt, als der hoechste Eid,
+Unter denen der Verdacht
+Und des Argwohns finstre Macht,
+Schamrot sich geweigert haetten
+Diese Hallen zu betreten.
+Doch ich bin der Letzte und ein Greis!
+Nun so glaubt denn Euren Augen!
+
+(Die Tueren nach der Reihe oeffnend.)
+
+Kommt und seht!--Hier dies mein Zimmer
+Meiner Tochter Schlafgemach
+
+(An der Tuere von Jaromirs Gemach.)
+
+Hier--
+
+Berta.
+O goennt ihm Ruhe, Vater!
+
+Graf.
+Nun, Ihr saht ja erst vor kurzem
+Meinen Eidam es betreten.
+
+Hauptmann.
+Ihr verlangt mich zu beschaemen.
+
+Graf.
+Nur zu ueberzeugen, Herr!
+Und nun kommt!
+
+Hauptmann.
+Wohin?
+
+Graf.
+Ins Freie
+Mit Euch auf der Raeuber Spur.
+
+Hauptmann.
+Wie, Ihr wolltet?
+
+Graf.
+Was ich muss.
+Bin ich nicht Vasall des Koenigs?
+Und ich kenne meine Pflicht
+Minder nicht als Ihr die Eure.
+Drum ohn' eine zweite Mahnung
+Lasst uns gehen--
+
+Berta.
+O mein Vater!
+So bedenkt doch!
+
+Graf.
+Still, mein Kind!
+Hier hoer ich nur eine Stimme
+Und die hat bereits gesprochen.--
+Kommt mein Herr, und sagt dem Koenig,
+Dass ich Graf von Borotin
+Kein Genoss von Raeubern bin,
+Sagt, dass in des Loewen Hoehle,
+Statt des kraeftigen, gesunden
+Einen welken Ihr gefunden,
+Der gebeugt und hilflos zwar (aufgerichtet)
+Aber doch noch Loewe war.
+
+(Ab mit dem Hauptmann.)
+
+Berta. Ach er geht, er hoert nicht, geht!
+Laesst mich hier allein zurueck,
+Der Verzweiflung preisgegeben
+Und der Sorge Natterzahn.
+
+Soll ich fuer den Vater beben,
+Fuerchten was dem Trauten droht?
+Hab doch nur dies eine Leben
+Warum zweifach mir den Tod!
+(An der Tuere von Jaromirs Gemach)
+Jaromir! Mein Jaromir!
+Keine Antwort, alles stille,
+Alles schweigend wie das Grab.
+
+Wie bezaehm ich diese Angst,
+Wie bezaehm ich dieses Bangen,
+Das mir schwuel wie Wetterwolken
+Auf der schweren Brust sich lagert.
+
+O ich seh es in der Ferne,
+Es verhuellen sich die Sterne,
+Es erlischt des Tages Licht,
+Der erzuernte Donner spricht,
+Und mit schwarzen Eulenschwingen
+Fuehl ich es gehaltnen Flugs
+Sich um meine Schlaefe schlingen.
+O ich kenn dich finstre Macht,
+Ahne was du mir gebracht,
+Muss ich's vor die Seele fuehren!
+O es heisst, es heisst verlieren,
+Und des Unheils ganzes Reich
+Kennt kein Schrecken deinem gleich
+Weh! Besitzen und verlieren!
+Besitzen und verlieren!--
+
+Wohin seid ihr goldne Tage?
+Wohin bist du, Feenland?
+Wo ich ohne Wunsch und Klage,
+Mit mir selber unbekannt,
+Lebte an der Unschuld Hand.
+
+Wo ein Haenfling meine Liebe,
+Eine Blume meine Lust,
+Und der schmerzlichste der Triebe
+Noch ein Fremdling dieser Brust.
+
+War der Himmel auch umzogen,
+Heiter strahlte doch mein Sinn
+Und auf spiegelhellen Wogen
+Taumelte das Leben hin.
+
+Spielend in dem Strahl der Sonne,
+Lockte mich des Bechers Rand,
+Und ich trank der Liebe Wonne
+Und ihr Gift aus seiner Hand.
+
+Seit sein Arm mich hat umwunden,
+Seit ich fuehlte seinen Kuss,
+Ist das Feenland verschwunden
+Und auf Dornen tritt mein Fuss;
+
+Dornen, die zwar Rosen schmuecken,
+Aber Dornen, Dornen doch,
+In dem gluehendsten Entzuecken
+Fuehl ich ihren Stachel noch.
+
+Sehnend wuensch ich seine Naehe,
+Und er kommt. Wie jauchzt die Braut!
+Doch wie ich ins Aug' ihm sehe,
+Werden innre Stimmen laut,
+
+Tief im Busen scheint's zu sprechen
+Wenn mein Blick in seinem ruht,
+Deine Liebe ist Verbrechen,
+Gottverhasst ist diese Glut.
+
+Jenes dumpfe, truebe Brueten,
+Seines Auges starrer Blick,
+Scheint Entfernung zu gebieten
+Und ich bebe bang zurueck.
+
+Doch will ich mich ihm entziehen,
+Trifft sein Blick mich weich und warm,
+Mit dem Willen zu entfliehen,
+Flieh ich nur in seinen Arm,
+
+Und wie der Charybde Tosen,
+Erst von sich stoesst Schiff und Mann,
+Dann verschlingt die Rettungslosen,
+Stoesst er ab und zieht er an.
+
+Wer mag mir das Raetsel loesen?
+Ist es gut; warum so bang?
+Ach und fuehret es zum Boesen;
+Woher dieser Himmelsdrang?
+
+(Mit ausgebreiteten Armen.)
+
+Kann mein Flehen dich erreichen,
+Unerklaerbar hohe Macht,
+Die ob diesem Hause wacht,
+So gib gnaedig mir ein Zeichen,
+Einen Leitstern in der Nacht!
+
+Ist es Tod--(Es faellt ein Schuss.)
+Ha!--Was war das?--Ein Schuss!
+Deut ich es das grause Zeichen?
+Ward mein frevler Wunsch erhoert?--
+Weh mir!--Weh!--Ich bin allein!--
+Ha, allein?--Was streifte da
+Kalt und wehend mir vorueber!--
+Bist du's geist'ge Suenderin?--
+Ha, ich fuehle deine Naehe,
+Ha, ich hoere deinen Tritt!
+(An der Tuere von Jaromirs Gemach.)
+Jaromir, wach auf, wach auf!
+Schuetze deine Berta!--Jaromir!
+Nur ein Wort, nur einen Laut,
+Dass du wachst, dass du mich hoerst,
+Dass ich nicht allein!--Bei dir!--
+Schweigst du?--Ha ich muss dich sehen,
+Dich umfangen, dich umschlingen,
+Sehen, fuehlen dass du lebst.
+
+(Oeffnet die Tuere und stuerzt hinein. Es faellt noch ein Schuss.
+Heraustaumelnd.)
+
+Haltet ein! O haltet ein!
+Alles leer!--das Fenster offen!
+Er ist fort!--ist tot! tot!--tot!
+
+Ende des zweiten Aufzuges
+
+
+
+
+Dritter Aufzug
+
+Halle wie in den vorigen Aufzuegen.
+
+
+Berta (sitzt am Tische, den Kopf in die Hand gestuetzt).
+Liebe das sind deine Freuden,
+Das Besitz ist deine Lust?
+Wie sind dann der Trennung Leiden,
+Und wie martert der Verlust?
+
+(Sinkt in ihre vorige Stellung zurueck.)
+(Pause--Jaromir oeffnet die Seitentuere rechts, und will schnell zurueck
+da er jemanden erblickt.)
+
+Berta.
+Jaromir!--Du weichst zurueck?
+Weichst vor mir zurueck?--O bleib!
+Wie hab ich um dich gezittert,
+O Geliebter, wie gebebt!
+Sprich, wie fuehlst du dich?
+
+Jaromir (scheu und duester).
+Gut! Gut!
+
+Berta.
+Gut? O dass ich's glauben koennte!
+Jaromir, wie siehst du bleich!
+Gott! Am Arm die Binde--
+
+Jaromir.
+Binde?
+
+Berta.
+Hier!
+
+Jaromir.
+Ei Scherz!
+
+Berta.
+Ein blut'ger Scherz!
+Sieh das Blut hier an dem Aermel.
+
+Jaromir.
+Hat's geblutet? Possen, Possen!
+
+Berta.
+Reiss mich doch aus dieser Angst!
+Wo wardst du, und wie verwundet?
+
+(Ihre Augen begegnen den seinigen, er wendet sich schnell ab.)
+
+Berta.
+Du erbebst? du kehrst dich ab?
+
+Jaromir (einige Schritte sich entfernend).
+Nein ich kann nicht, kann nicht, kann nicht!
+Seh ich diese reinen Zuege,
+Senkt zu Boden sich mein Blick
+Und der finstre Geist der Luege
+Kehrt zur finstern Brust zurueck.
+Hoelle! eh' du das begehrst,
+Lass zuvor dies Herz sich wandeln,
+Und soll ich als Teufel handeln,
+Mache mich zum Teufel erst!
+
+Berta.
+Jaromir, ich lass dich nicht!
+Steh mir Rede, gib mir Antwort!
+Wo wardst du und wie verwundet?
+
+Jaromir (mit gesenktem Aug').
+Schlafend ritzt' ich mich am Arme.
+
+Berta.
+Schlafend? Du hast nicht geschlafen!
+Sieh, ich war in deiner Kammer,
+Du warst fort, das Fenster offen!
+
+Jaromir (erschreckend).
+Ha!
+
+Berta.
+Geliebter, lass mich's wissen!
+O du weisst nicht, welche Bilder
+Schwarz vor meine Seele treten.
+Heiss sie weichen! Heiss sie fliehn!
+Wo wardst du, und wie verwundet?
+
+Jaromir (mit Bedeutung).
+Du begehrst's, so sei es denn! (Mit Absaetzen.)
+Angelangt in meiner Kammer
+Hoert' ich schiessen, klirren, schreien--
+Deinen Vater wusst' ich unten--
+Wollte helfen--schuetzen--retten--
+Weiss kaum selbst mehr was ich wollte. (Gefasster.)
+Wie ich nun so sinnend stehe,
+Da gewahr ich einer Linde,
+Die die frostentlaubten Aste
+Bis zu jenem Fenster streckt.
+Ich ergriff die starken Zweige,
+Die sie hilfreich bot, und steige,
+Unbesonnen, unbedacht
+Rasch hinunter in die Nacht.
+Hundert Schritte kaum gegangen--
+Faellt ein Schuss--Ob Freund ob Feind--
+Weiss ich nicht--genug--er traf.
+Da erwacht' ich zur Besinnung,
+Sah mit Schreck was ich gewagt.
+Weiter gehen schien gefaehrlich,
+Drum eilt' ich zurueck zur Linde,
+Die herab mir half, und finde
+Auch den Rueckweg so zurueck.
+
+Berta.
+Und bei allen dem befiel dich
+Auch nicht ein, nicht ein Gedanke
+Nur an mich, an meinen Schmerz.
+Einem Einfall hingegeben,
+Wagtest lieblos du dies Leben
+Das zugleich das meine ist.
+O du fuehlst nicht so wie ich!
+Wenn dich gleiche Sehnsucht triebe,
+Wuesstest du wohl, dass die Liebe
+Auch das eigne Leben ehrt,
+Weil's dem Teuern angehoert.
+
+Jaromir (an seinem verwundeten Arm zerrend).
+Tobe, tobe, heisser Schmerz,
+Uebertaeube dieses Herz!
+
+Berta.
+Warum zerrst du so am Arme?
+Deine Wunde--
+
+Jaromir.
+Ist verbunden!
+
+Berta.
+Rauh die Schaerpe umgewunden!
+Harter, fuehle meine Schmerzen,
+Wenn du deine auch nicht fuehlst.
+
+Hier ist Balsam--hier ist Linnen--
+Mir den Arm! Ich will ihn heilen.
+Reich mir ihn; ich will versuchen,
+Ob es mir vielleicht gelingt,
+Einen jener lieben Blicke,
+Ein Geschenk in schoenern Tagen,
+Jetzt als Lohn davonzutragen.
+Jaromir, ich will's versuchen,
+Ob die Hand hier mehr erreicht,
+Als dies Herz voll heisser Triebe,
+Ach und ob dein Dank vielleicht
+Reicher ist, als deine Liebe, (Die Schaerpe abloesend.)
+Sieh doch nur, die schoene Schaerpe,
+Die ich muehevoll gestickt,
+Und auf die, statt reicher Perlen,
+Manche Traene frommer Liebe,
+Dir einst teurer Schmuck, gefallen,
+Sieh, wie ist sie doch zerrissen.
+Ach zerrissen, wie mein Herz!
+
+(Sie verbindet ihn. Die Schaerpe faellt vor ihr auf den Boden hin.)
+
+Berta.
+Immer stumm noch, immer duester!
+Ach du bist so sonderbar.
+Im Gesichte wechselt Glut
+Mit des Todes fahler Farbe,
+Gichtrisch zuckt der bleiche Mund
+Und dein Aug' sucht scheu den Grund.
+Gott, du schreckst mich!
+
+Jaromir (wild).
+Schreck ich dich?
+
+Berta.
+Guet'ger Himmel, was war das?
+
+Jaromir.
+Horch!--Im Vorsaal--Hoerst du? Tritte!
+Fort!
+
+Berta.
+Bleib doch!
+
+Jaromir.
+Nein, nein, nein!
+Horch, man koemmt!--Schnell fort! fort! fort!
+
+(Eilt ins Gemach zurueck.)
+
+Berta.
+Ist er's noch? Ist's noch derselbe?
+Wie er bebte, und erblich,
+Wie sein Aug' zu Boden sank!
+Himmel! Wie er's auch verhehle,
+Schwer ist noch sein Koerper krank,
+Oder--schwerer seine Seele.
+
+Ein Soldat (koemmt, ein abgerissenes Stueck von einer Schaerpe in der
+Hand).
+Ihr verzeiht! Ist hier mein Hauptmann?
+
+Berta.
+Nein, mein Freund.
+
+Soldat.
+Wo mag der sein?
+Erst war er bei unsern Posten,
+Und jetzt nirgends aufzufinden.
+Glaubt' ihn schon zurueckgekehrt
+Um der Ruhe hier zu pflegen.
+
+Berta.
+Und mein Vater?--
+
+Soldat.
+Ist bei ihm!
+Habt nicht Angst, mein holdes Fraeulein.
+An den Raeubern ist's zu zittern,
+Denn wir sind auf ihrer Spur.
+Zielte Kurt ein bisschen schaerfer,
+Oder hatt' ich bessres Glueck,
+War der Raeuberhauptmann unser.
+Ja der Hauptmann! Staunt nur Fraeulein.
+Ei, ich war ihm nah genug
+Um ihn wieder zu erkennen!
+Wie er da so um die Mauern
+Und durch die Gebuesche kroch,
+Da schoss Kurt nach ihm, und brav,
+Denn, bei meiner Treu, es traf,
+Hier, am Arme.
+
+Berta.
+Gott!--Am Arme?
+
+Soldat.
+Ja, am Arm, 's floss Blut darnach.
+Taumelnd wankt' er hart und schwer,
+Und es wollt' uns fast beduenken,
+Jetzt muess' er zu Boden sinken.
+Wie ich ihn so wanken sehe,
+Ich hervor, und auf ihn hin.
+Hart fasst' ich ihn an am Guertel
+Und am Hals mit starker Hand,
+Trotz dem Straeuben, trotz dem Ringen,
+Meint' es muesse mir gelingen:
+Doch bald war er aufgerafft,
+Packte mich mit Riesenkraft,
+Wie ich mich verzweifelt wehrte,
+Musst' ich dennoch auf die Erde
+Und der Hoellensohn verschwand.
+Ob wir rasch gleich nach ihm setzen,
+All umsonst, und dieser Fetzen,
+Blieb statt ihm in meiner Hand.
+
+(Das Stueck der Schaerpe hinhaltend.)
+
+Berta (es erkennend).
+Ha!
+
+(Sie laesst ihr Schnupftuch auf die Erde fallen, so dass es die am Boden
+liegende Schaerpe bedeckt, und steht zitternd.)
+
+Soldat.
+Ei ja mein schoenes Fraeulein.
+Glaubt, fuerwahr es ist kein Scherz
+Dem da in den Weg zu treten.
+Ich war lang in seinen Klauen,
+Und noch jetzt denk ich mit Grauen,
+Mit Entsetzen jener Zeit.
+Wenn er so nach seiner Weise
+Stand in der Gefaehrten Kreise,
+Mit dem dunkel gluehnden Blick,
+Wie da nicht ein Laut entschwebte,
+Und der Mutigste selbst bebte,
+Und der Ungestuemste schwieg.
+Bis er maechtig dann begann:
+Frisch Genossen, drauf und dran!
+Jeder zu den Waffen eilte,
+Und der wilde Haufen heulte,
+Dass es bis gen Himmel drang
+Und die Gegend rings erklang.
+Und dann fort der ganze Tross,
+Er vorauf auf schwarzem Ross,
+Wie des Teufels Kampfgenoss,
+Heiss von Wut und Rachgier gluehend,
+Blitze aus den Augen spruehend.
+Wo der Haufe sich liess sehen
+War's um Menschenglueck geschehen;
+Nichts verschonte ihre Wut,
+Alles nieder! Menschenblut
+Rauchte auf der oeden Staette
+Mit den Truemmern um die Wette.
+Schaudert ihr? Es ist darnach.
+Doch gekommen ist der Tag,
+Wo auch ihnen wird ihr Lohn
+Und der Henker wartet schon.
+
+Berta.
+Weh!
+
+Soldat (den Fetzen auf den Tisch werfend).
+Da lieg unnuetzes Stueck.
+Will noch mal hinaus zum Tanz,
+Und was gilt's, ich bring ihn ganz!
+Gott befohlen, schoenes Fraeulein! (Ab.)
+
+Berta.
+Weh mir weh!--Es ist geschehn!
+
+(In den Sessel stuerzend, und die Haende vors Gesicht schlagend.)
+
+Jaromir (die Tuere oeffnend).
+Ist er fort?--Was fehlt dir Berta?
+
+Berta (deutet mit abgewandten Blicken auf das am Boden liegende
+Schnupftuch hin).
+
+Jaromir (es aufhebend).
+Meine Schaerpe!
+
+Berta (haelt ihm das abgerissene Stueck vor, mit bebender Stimme).
+Raeuber!
+
+Jaromir (zuruecktaumelnd).
+Ha!
+Nun wohlan, es ist geschehn!
+Wohl, der Blitzstrahl hat geschlagen,
+Den die Wolke lang getragen,
+Und ich atme wieder frei.
+Fuehl ich gleich es hat getroffen,
+Ist vernichtet gleich mein Hoffen,
+Doch ist's gut, dass es vorbei!
+Jene Binde musste reissen
+Und verschwinden jener Schein;
+Soll ich zittern das zu heissen,
+Was ich nicht gebebt zu sein?
+Nun braucht's nicht mehr zu betruegen,
+Fahret wohl ihr feigen Luegen,
+Ihr wart niemals meine Wahl:
+Dass ich es im Innern wusste,
+Und es ihr verschweigen musste,
+Das war meine gift'ge Qual.
+Wohl, der Blitzstrahl hat geschlagen,
+Das Gewitter ist vorbei;
+Frei kann ich nun wieder sagen
+Was ich auf der Brust getragen,
+Und ich atme wieder frei.--
+
+Ja ich bin's, du Ungluecksel'ge,
+Ja ich bin's, den du genannt!
+Bin's den jene Haescher suchen,
+Bin's dem alle Lippen fluchen,
+Der in Landmanns Nachtgebet
+Hart an an dem Teufel steht;
+Den der Vater seinen Kindern
+Nennt als furchtbares Exempel,
+Leise warnend: Huetet euch,
+Nicht zu werden diesem gleich!
+Ja ich bin's, du Ungluecksel'ge,
+Ja ich bin's, den du genannt!
+Bin's den jene Waelder kennen,
+Bin's den Moerder: Bruder nennen,
+Bin der Raeuber Jaromir!
+
+Berta. Weh mir, wehe!
+
+Jaromir.
+Bebst du Maedchen?
+Armes Kind, schon bei dem Namen
+Fasst es dich mit Schauder an?
+Lass dich nicht so schnell betoeren,
+Was du schauderst anzuhoeren,
+Maedchen, das hab ich getan!
+Dieses Aug', des deinen Wonne,
+War des Wanderers Entsetzen;
+Diese Stimme, dir so lieblich,
+War des Raeuberarms Gehilfin
+Und entmannte bis er traf;
+Diese Hand, die sich so schmeichelnd
+In die deinige getaucht,
+Hat von Menschenblut geraucht!
+
+Schuettle nicht dein suesses Haupt,
+Ja ich bin's, du Ungluecksel'ge!
+Weil die Augen Wasser blinken,
+Weil die Arme kraftlos sinken,
+Weil die Stimme bebend bricht,
+Glaubst du, Kind, ich sei es nicht?
+Ach der Raeuber hat auch Stunden,
+Wo sein Schicksal, ganz empfunden,
+Solche Tropfen ihm erpresst.
+Berta, Berta, glaube mir,
+Dessen Augen jetzt in Weinen
+Fruchtlos suchen nach den deinen,
+Ist der Raeuber Jaromir!
+
+Berta.
+Himmel! Fort!
+
+Jaromir.
+Ja du hast recht!
+Fast vergass ich wer ich bin!
+Feige Traenen fahret hin!
+Darf ein Raeuber menschlich fuehlen?
+Darf sein heisses Auge kuehlen
+Einer Traene koestlich Nass?
+Fort! Von Menschen ausgestossen,
+Sei dir auch ihr Trost verschlossen,
+Dir Verzweiflung nur und Hass!
+Wie ich oft mit mir gestritten,
+Wie gerungen, wie gelitten,
+Darnach fraegt kein Menschenrat.
+Vor des Blutgerichtes Schranken
+Richtet man nicht die Gedanken,
+Richtet man nur ob der Tat!
+
+Nun, so weiht mich eurem Grimme,
+Willig steig ich aufs Schafott,
+Doch zu dir ruft meine Stimme,
+Auf zu dir du heil'ger Gott!
+Du hoerst guetig meine Klagen,
+Dir Gerechter will ich's sagen,
+Was mein wunder Busen hegt,
+Du, mein Gott, wirst gnaedig richten,
+Und ein Herz nicht ganz vernichten,
+Das in Angst und Reue schlaegt.
+
+Unter Raeubern aufgewachsen,
+Gross gezogen unter Raeubern,
+Frueh schon Zeuge ihrer Taten,
+Unbekannt mit milderm Beispiel,
+Mit dem Vorrecht des Besitzes,
+Mit der Menschheit suessen Pflichten,
+Mit der Lehre Lebenshauch,
+Mit der Sitte heil'gem Brauch;
+Wirst du wohl den Raeuberssohn,
+Wirst Gerechter ihn verdammen,
+Menschenaehnlich, schroff und hart,
+Wenn er selbst ein Raeuber ward!
+Ihn verdammen, wenn er uebte,
+Was die taten, die er liebte,
+Und an seines Vaters Hand,
+Dem Verbrechen sich verband.
+Weisst du doch, wie beim Erwachen
+Aus der Kindheit langem Schlummer,
+Er mit Schrecken sich empfand,
+Seinem schwarzen Lose fluchte,
+Zweifelnd einen Ausweg suchte,
+Suchte, Himmel, und nicht fand.
+Weisst du doch, wie seit den Stunden,
+Als ich sie, ich sie gefunden,
+Die mich nun bei dir verklagt,
+Meinem wuesten Tun entsagt;
+Weisst du--Doch wozu die Worte!
+Wie mein Herz auch schwellend bricht,
+Bleibt versperrt des Mitleids Pforte,
+Du weisst alles, ew'ges Licht,
+Und die Harte hoert mich nicht.
+Ab von mir bleibt sie gewendet.--
+Nun wohlan, so sei's vollendet!
+Ach, geendet ist's ja doch!
+Ob mein Blut die Erde roetet:
+Hat doch sie mich schon getoetet,
+Henker, sprich! Was kannst du noch?
+
+(Geht rasch der Tuere zu.)
+
+Berta (aufspringend).
+Jaromir!--Halt ein!
+
+Jaromir.
+Was hoer ich?
+Das ist meiner Berta Blick!
+Ihre Stimme toent mir wieder,
+Und auf goldenem Gefieder
+Kehrt das Leben mir zurueck.
+
+(Auf sie zueilend.)
+
+Berta! Berta! Meine Berta!
+
+Berta.
+Lass mich!
+
+(Sie eilt fliehend gegen den Vorgrund. Jaromir erreicht sie und fasst
+ihre Hand, die sie nach einigem Widerstreben in seiner laesst. Sie
+steht mit abgewandtem Gesichte.)
+
+Jaromir.
+Nein, ich lass dich nicht!
+Ach soll denn der Ungluecksel'ge,
+Kaum dem Schiffbruch nur entgangen,
+Dem die Kraft schon schwindend sinkt,
+Treibend auf der Wasserwueste,
+Denn umklammern nicht die Kueste,
+Die ihm reich entgegenblinkt?
+Nimm mich auf, o nimm mich auf!
+Was aus meinem fruehern Leben
+Noch mir hafte, noch mir bliebe,
+Alles, bis auf deine Liebe,
+Als unwuerdig deinem Blick,
+Stoss ich's in die Flut zurueck;
+Als ein neues, reines Wesen,
+Wie aus meines Schoepfers Hand,
+Lieg ich hier zu deinen Fuessen
+Um zu lernen, um zu buessen.
+
+(Ihre Kniee umfassend.)
+
+Nimm mich auf! O nimm mich auf!
+Mild, wie eine Mutter, leite
+Mich, dein Kind, wie's dir gefaellt,
+Dass mein Fuss nicht strauchelnd gleite
+In der neuen, fremden Welt.
+Lehr mich deine Wege treten,
+Glueck gewinnen, Glueck und Ruh',
+Lehr mich hoffen, lehr mich beten,
+Lehr mich heilig sein wie du!
+
+Berta, Berta, und noch immer,
+Und noch immer faellt kein Blick
+Auf den Flehenden zurueck?
+Meine Berta, sei nicht strenger,
+Als der strenge Richter, Gott;
+Der mit seiner Sonne Strahlen
+In des Suenders letzten Qualen
+Noch vergoldet das Schafott.--
+Ha ich fuehle--dieses Beben--
+Ja--du bist mir rueckgegeben!
+
+(Die schwach sich Straeubende in seine Arme ziehend.)
+
+Berta! Maedchen! Gattin! Engel!
+
+(Aufspringend.)
+
+Stuerze jetzt die Erde ein!
+Ist doch hier der Himmel mein!
+
+Berta.
+Jaromir, ach Jaromir!
+
+Jaromir.
+Fort jetzt Traenen, fort jetzt Klagen!
+Mag das Schicksal immer schlagen,
+Wenn dein Arm mich, Teure, haelt,
+Trotz ich einer ganzen Welt.
+
+Meine Schuld ist ausgestrichen,
+Jubelnd bin ich mir's bewusst,
+Und Gefuehle, laengst verblichen,
+Bluehen neu in dieser Brust.
+
+Wieder bin ich aufgenommen
+In der Menschheit heil'gem Rund,
+Und des Himmels Geister kommen
+Segnend den erneuten Bund.
+
+Unschuld mit dem Lilienstengel,
+Liebe mit der goldnen Frucht,
+Hoffnung, jener Friedensengel,
+Der sich jenseits Kronen sucht.
+
+Nun stuermt immer, wilde Wogen,
+Schwellt in himmelhohen Bogen,
+In des Hafens sichrer Hut
+Lach ich der ohnmaecht'gen Wut.
+
+Und nun hoere, meine Berta!
+Lange noch eh' ich dich kannte,
+Dacht ich schon auf kuenft'ge Flucht.
+Weit von hier, am fernen Rhein
+Ist ein Schloss, ein Guetchen mein,
+Gelder, Wechsel stehn bereit,
+Fertig wie mein Wink gebeut.
+Dorthin, wo mich niemand kennt,
+Wo man mich: von Eschen nennt,
+Nach dem stillen Guetchen hin,
+Dahin, Berta, lass uns fliehn.
+Dort fang ich auf neuer Bahn
+Auch ein neues Leben an,
+Und nach wenig kurzen Jahren,
+Duenkt uns was wir frueher waren
+Wie ein altes Maerchen, kaum
+Klarer als ein Morgentraum.
+
+Berta.
+Fliehen soll ich?
+
+Jaromir.
+Kann ich bleiben?
+Kann ich fliehen ohne dich?
+
+Berta.
+Und mein Vater?
+
+Jaromir.
+Weib, und ich?
+Wohl so bleib, auch ich will bleiben!
+Hier, hier sollen sie mich finden,
+Fassen, wuergen, fesseln, binden,
+Hier vor deinem Angesicht.
+Wohl, so bleib du gute Tochter,
+Pflege deinen grauen Vater,
+Fuehr lustwandelnd ihn hinaus,
+Hin zu jener schwarzen Staette,
+Wo auf sturmdurchwehtem Bette
+Im durch dich vergossnen Blut
+Dein ermordet Liebchen ruht.
+Zeig ihm dann am Rabensteine
+Jene modernden Gebeine--
+
+Berta.
+Ach, halt ein!
+
+Jaromir.
+Du willst?
+
+Berta (halb ohnmaechtig).
+Ich will!
+
+Jaromir.
+So hab Dank, hab Dank, mein Leben!
+Schnell jetzt fort, ich kann nicht weilen;
+Hier wird mich ihr Arm ereilen,
+Meine Spur ist schon entdeckt.
+Dieses Schloss wird man durchspueren,
+Sie durch die Gemaecher fuehren
+Denn ihr Argwohn ist geweckt.
+Abwaerts suchen jetzt die Spaeher,
+Dieses Schlosses Aussenwerke,
+Seine halbverfallnen Gaenge
+Sind dem Raeuber laengst bekannt.
+Dorthin will ich mich verbergen,
+Bis der Augenblick erscheint,
+Der auf ewig uns vereint.
+
+Wenn erschallt die zwoelfte Stunde
+Und kein lebend Wesen wacht,
+Nah ich leise, leis im Bunde
+Mit der stillen Mitternacht.
+
+Im Gewoelbe, wo in Reihen
+Deiner Vaeter Saerge stehn,
+Fuehrt ein Fenster nach dem Freien,
+Dort, mein Kind, sollst du mich sehn--
+
+Und schnell eil ich, wenn das Zeichen
+Von der lieben Hand erschallt,
+Schnell dahin, wo unter Leichen,
+Mir dies liebe Leben wallt.
+
+Dort an deiner Vaeter Saergen,
+Die Verdacht und Argwohn fliehn,
+Soll die Liebe sich verbergen,
+Und dann schnell ins Weite hin!
+
+Also kommst du?
+
+Berta (leise).
+Ja, ich komme!
+
+Jaromir.
+Also willst du?
+
+Berta.
+Ja, ich will!
+
+Jaromir.
+Jetzt leb wohl, denn ich muss fort;
+Dass sie uns nicht ueberraschen.
+Lebend soll man mich nicht haschen.
+Doch noch eins! Kind, schaff mir Waffen!
+
+Berta.
+Waffen? Waffen? Nimmermehr!
+Dass du von Gefahr gedraengt,
+Selber nach dem eignen Leben--
+
+Jaromir.
+Sei nur unbesorgt, mein Kind.
+Seit ich weiss wie du gesinnt,
+Seit ich deinen Schwur gehoert,
+Hat mein Leben wieder Wert.
+Auch beduerft' es nicht der Waffen.
+Um mir Freiheit zu verschaffen,
+Waer' dies Flaeschchen wohl genug.
+
+Berta.
+Fort dies Flaeschchen!
+
+Jaromir.
+Kind, warum?
+
+Berta.
+Glaubst du denn, mir wuerde Ruh',
+Glaubst ich koennt' es bei dir wissen
+Ohne dass mein Herz zerrissen?
+
+Jaromir.
+Macht's dich ruhig, nimm es hin!
+
+(Das Flaeschchen auf den Tisch werfend.)
+
+Doch nun schaff mir Waffen, Waffen!
+
+Berta.
+Waffen? Ach woher?
+
+Jaromir.
+Ei haengt nicht,
+Haengt denn nicht an jener Mauer
+Dort ein Dolch?
+
+Berta.
+Ach lass ihn, lass ihn!
+Zieh ihn nicht aus seiner Scheide,
+Unglueck haengt an dieser Schneide.
+Von dem Dolche, den du siehst,
+Ward der Ahnfrau unsers Hauses
+Einst in ungluecksel'ger Stunde
+Eingedrueckt die Todeswunde.
+Als ein Zeichen haengt er da
+Von dem naechtlichen Verhaengnis
+Das ob unserm Hause bruetet.
+Blut'ges hat er schon gesehn,
+Blut'ges kann noch jetzt geschehn!
+
+(Die Ahnfrau erscheint hinter den beiden, die Haende, wie abwehrend,
+gegen sie ausgestreckt.)
+
+Berta.
+Was starrst du so graesslich hin?
+Mann du zitterst? Ich auch bebe!
+Grabesschauer fasst mich an,
+Leichenduft weht um mich her!
+
+(Sich an ihn schmiegend.)
+
+Ich erstarre! Ich vergehe!
+
+Jaromir.
+Lass mich!--Diesen Dolch da kenn ich!
+
+Berta.
+Bleib zurueck! Beruehr ihn nicht!
+
+Jaromir.
+Sei gegruesst, du hilfreich Werkzeug!
+Ja du bist's, fuerwahr du bist's!
+Wie ich dich so vor mir sehe
+Tauchen ferner Kindheit Bilder,
+Lang verborgen, lang entzogen
+Von des Lebens wilden Wogen,
+Wie der Heimat blaue Berge,
+Auf aus der Erinnrung Flut.--
+An dem Morgen meiner Tage
+Hab ich dich schon, dich gesehn.
+
+Seitdem durch die Nacht des Lebens
+Schwebtest du mir graesslich vor
+Wie ein blutig Meteor.
+In der flucherfuellten Nacht,
+Als ich auf der ersten Stufe
+Meinem furchtbaren Berufe
+Scheu die Erstlinge gebracht,
+Da sah ich mit bleichem Schrecken
+In der Wunde, die ich schlug,
+Statt des Dolches, den ich trug,
+Deine, deine Klinge stecken.
+Und seit jenem Schreckenstag
+Blieb dein Bild mir immer wach!
+Sei gegruesst, du hilfreich Werkzeug!
+Lockend seh ich her dich blinken,
+Und mein Schicksal scheint zu winken.
+Du bist mein! Drum her zu mir!
+
+(Drauf los gehend.)
+
+Berta (zu seinen Fuessen).
+Ach, halt ein!
+
+Jaromir (immer unverwandt auf den Dolch blickend).
+Weg da!--Zurueck!
+
+(Er nimmt den Dolch. Die Ahnfrau verschwindet.)
+
+Jaromir.
+Was ist das? Was ist geschehn?
+Als du dort noch flimmernd hingst,
+Schien von deiner blut'gen Schneide
+Auszugehn ein gluehend Licht,
+Das durch der Vergangenheit
+Nachtumhuellte Nebeltaeler,
+Scheu, mit mattem Strahle flammte.
+Und Gestalten, oft gesehn,
+Wie in einem fruehern Leben
+Fuehlt' ich ahnend mich umschweben.
+Diese Hallen gruessten mich
+Dies Geraet schien mir zu winken,
+Und in meines Busens Gruenden
+Schien ich mir mich selbst zu finden.
+Und jetzt ausgeloescht, verweht,
+Wie ein Blitzstrahl kommt und geht.
+
+Berta.
+Diesen Dolch! O leg ihn hin!
+
+Jaromir.
+Ich, den Dolch? Nein, nimmermehr!
+Er ist mein, ist mein, ist mein!
+Ei fuerwahr ein tuechtig Eisen!
+Wie ich ihn so pruefend schwinge
+Wird mit eins mir guter Dinge
+Und mein innres Treiben klar.
+Wen's mit dir, mein guter Stahl,
+Mir gelingt so recht zu fassen,
+Der wird mich wohl ziehen lassen
+Und koemmt nicht zum zweitenmal.
+Nun leb wohl, leb wohl mein Kind!
+Mutig! Froh! Die Zukunft lacht!
+Und gedenk!--Um Mitternacht!
+
+(Mit erhobenem Dolche ins Seitengemach ab.)
+
+Ende des dritten Aufzuges
+
+
+
+
+Vierter Aufzug
+
+Halle wie in den vorigen Aufzuegen. Lichter auf dem Tische. Berta
+sitzt, den Kopf in die flachen Haende und diese auf den Tisch gelegt.
+
+
+Guenther (kommt).
+Ihr seid hier, mein gnaed'ges Fraeulein?
+Moegt Ihr weilen so allein
+In den duesteren Gemaechern
+Und in dieser, dieser Nacht?
+Wahrlich, eine schreckenvollre
+Hat dies Aug' noch nie gesehn.
+Wimmernd heult der Sturm von aussen
+Und im Innern schleicht Entsetzen
+Sinnverwirrend durch das Schloss.
+Auf den dunkeln Stiegen rauscht es,
+Durch die oeden Gaenge wimmert's,
+Und im Grabgewoelbe drunten
+Poltert's mit den morschen Saergen,
+Dass das Hirn im Kreise treibt
+Und das Haar empor sich straeubt.
+Manches steht uns noch bevor,
+Wandelt doch die Ahnfrau wieder;
+Und man weiss aus alten Zeiten,
+Dass das Grosses zu bedeuten,
+Schweres anzukuenden hat,
+Unglueck oder Freveltat!
+
+Berta.
+Unglueck oder Freveltat?
+Unglueck, ach und Freveltat.--
+Reichte nicht das Unglueck hin
+Dieses Dasein zu vernichten,
+Warum noch den schweren Frevel
+Laden auf die wunde Brust?
+Warum, du gerechtes Wesen,
+Noch mit des Gewissens Fluch
+Deinen harten Fluch verschaerfen?
+Warum, Gott, zwei Blitze werfen,
+Wo's an einem schon genug?
+
+Guenther.
+Ach, und Euer grauer Vater
+Draussen in dem Wintersturm
+Blossgestellt der Wut des Wetters
+Und der blut'gen Raeuber Dolch!
+
+Berta.
+Dolch?--Was sagst du?--Welcher Dolch?
+Gab ich? Nahm er nicht?
+
+Guenther.
+Liebes Fraeulein,
+Lasst den Mut nicht ganz entweichen!
+Alle diese trueben Zeichen
+Sind ja doch nur Wetterwolken,
+Die des Sturmes Nahn verkuenden:
+Doch nicht alle Donner zuenden,
+Und des Blitzes gluehnder Brand
+Liegt in Gottes Vaterhand.
+
+Berta.
+Du hast recht.--In Gottes Hand!
+Du hast recht!--Ja ich will beten!
+Er wird Hilf' und Trost verleihn;
+Er kann schlagen, er kann retten,
+Er kann strafen und verzeihn!
+
+(Am Sessel niederknieend.)
+
+Guenther (ans Fenster tretend).
+Es erhellet sich die Gegend,
+Fackeln streifen durch das Feld.
+Man verfolgt den Rest der Raeuber,
+Der sich hier verborgen haelt.
+
+Berta (knieend).
+Heil'ge Mutter aller Gnaden,
+Lass mich dir mein Herz entladen,
+Aus mich schuetten meinen Schmerz;
+Mild, mit weichem Finger streife
+Von der Brust den Kummer, traeufe
+Balsam in dies wunde Herz!
+
+Guenther.
+Rund herum im Kreis sie stehen,
+Jeder Ausweg ist verstellt.
+Da mag keiner wohl entgehen,
+Wie er sich verborgen haelt.
+
+Berta (in steigender Angst).
+Huell ihn ein in deinen Schleier
+Den Geliebten, mir so teuer,
+Er ist ja zurueckgekehrt!
+Wollest gnaedig ihn bewahren!
+Fuehr ihn durch der Spaeher Scharen,
+Fuehr ihn durch der Feinde Schwert!
+
+Guenther.
+Waer' doch Euer Vater hier.
+Dass es ihn hinausgetrieben!
+Waer' er doch bei uns geblieben,
+Wenn--mit Schaudern denk ich's mir!
+
+Berta.
+Schau herab vom Sternensitze,
+Und auch ihn, auch ihn beschuetze,
+Dem man schon so viel geraubt;
+Was den Teuern, Lieben draeuet,
+Sei auf dieses Haupt gestreuet,
+Sei gelegt auf dieses Haupt!
+
+Guenther.
+Jetzt scheint etwas auf gespuert!
+Alles eilt der Mauer zu.
+Setzt er sich auch noch zur Wehr,
+Der entkoemmt wohl nimmermehr.
+
+Berta (in hoechster Angst, fast schreiend).
+Wend es ab!--Ach, wende! wende!
+Hier erheb ich meine Haende.
+Oder ende!--ende!--ende!
+
+(Pause.--Beide horchen mit der gespanntesten Aufmerksamkeit. Berta
+richtet sieh langsam auf.)
+
+Guenther.
+Horch!--Ein Schrei!
+
+Berta.
+Ein Schrei!
+
+Guenther.
+Wieder Stille.
+
+Berta.
+Wieder Stille--
+
+Guenther.
+Himmel! War das nicht die Stimme?
+
+Berta.
+Wessen Stimme?
+
+Guenther.
+Fort Gedanke!
+Das zu denken waer' schon Tod!
+
+Berta.
+Wessen Stimme?
+
+Guenther.
+Ei nicht doch!
+Alle stehen sie versammelt
+Rings um einen Gegenstand,
+Der, so scheint's, am Boden liegt.
+
+Berta.
+Liegt? Am Boden liegt?
+
+Guenther,
+Ich kann
+Nicht hinvor bis dahin blicken,
+Denn des Hauses scharfer Vorsprung
+Hemmt die Aussicht nach der Seite.
+Doch duenkt mich an jener Linde,
+Die das Fenster dort beschattet--
+
+Berta.
+An der Linde?
+
+Guenther.
+Ja, so duenkt mich.
+
+Berta.
+An der Linde?--Liegt am Boden?
+
+Guenther.
+Wie ich sagte. Also scheint's.
+
+Berta.
+Gott, mein Jaromir!
+
+Guenther.
+Ei Fraeulein,
+Der schlaeft ruhig in der Kammer.
+
+Berta.
+Schlaeft? Ach schlaeft um nie zu wachen!
+
+Guenther.
+Horch, man koemmt.--Da lasst uns fragen
+Was sich unten zugetragen.
+
+(Hauptmann kommt.)
+
+Hauptmann (eintretend).
+Heda! Betten! Tuecher! Betten!
+
+Guenther.
+Ach sagt an doch, edler Herr!
+
+Berta (steht bewegungslos).
+
+Hauptmann.
+Ihr auch hier, mein holdes Fraeulein?
+Darauf war ich nicht bereitet.
+Hilfe wollt' ich hier begehren,
+Nicht des Ungluecks Bote sein.
+Euer Vater ist--
+
+Berta (schnell).
+Und Er?
+
+Hauptmann.
+Wer, mein Fraeulein?
+
+Berta.
+Und--die Raeuber?
+
+Hauptmann.
+Noch ist es uns nicht gelungen.
+Ach und Euer Vater--
+
+Berta.
+Nicht?--
+Nun habt Dank fuer Eure Botschaft! 2
+
+Hauptmann.
+Botschaft? Welche Botschaft?
+
+Berta.
+Dass--
+Ich erwarte wollt' ich sagen,
+Ich erwarte Eure Botschaft.
+
+Hauptmann.
+Hoert sie denn mit wenig Worten.--
+Euer Vater ist verwundet.
+
+Berta.
+Ist verwundet? Wie, mein Vater?
+O ich will ihn pflegen, warten,
+Sorglich heilen seine Wunden,
+Und er soll gar bald gesunden
+An der Tochter frommen Brust.
+
+Hauptmann.
+Nun mich freut's, dass meine Botschaft,
+Euch gefasster, mut'ger trifft,
+Als ich fuerchtete und--hoffte.
+
+Guenther.
+Also war's doch seine Stimme!
+Ich will alsogleich hinaus--
+
+Hauptmann.
+Bleib! Bereite lieber alles,
+Denn man bringt ihn schon hierher.
+Hart traf ihn der Stoss des Raeubers--
+
+Berta.
+Ha!--des Raeubers?
+
+Hauptmann.
+Wohl, des Raeubers;
+Wessen sonst? Doch ja, Ihr wisst nicht.--
+Wir durchstreiften rings die Gegend,
+Euern Vater in der Mitte,
+Denn trotz meiner warmen Bitte,
+Blieb er, tief die Kraenkung fuehlend,
+Die ich schuldlos ihm gebracht,
+Helfend, leitend unter uns--
+Horch! Da rauscht's durch die Gebuesche,
+Und die Wachen rufen's an.
+Keine Antwort. Meine Leute
+Froh ob der gefundnen Beute
+Stuerzen jubelnd drauf und dran.
+Und nach einem jener Gaenge
+Die in wildverworrner Menge,
+Halb verfallen, weit umhin
+Dieses Schlosses Wall umziehn,
+Sahn wir einen Schatten fliehn.
+Euer Vater stand der Naechste,
+Und mit vorgehaltnem Degen
+Stuerzt er jugendlich verwegen,
+Nach dem Raeuber in den Gang.
+Da ertoent ein matter Schrei.
+Eilig stuerzen wir herbei.
+Euer Vater liegt am Boden,
+Ohne Leben, ohne Odem,
+Seiner selbst sich nicht bewusst,
+Einen Dolch in seiner Brust.
+
+Berta.
+Einen Dolch?
+
+Hauptmann.
+Ja, liebes Fraeulein!
+
+Berta.
+Einen Dolch?
+
+Hauptmann.
+Ja, einen Dolch.
+
+Berta.
+Fort! hinaus! hinaus! hinaus!
+
+Hauptmann (sie zurueckhaltend).
+Bleibt doch, liebes Fraeulein, bleibt doch!
+Seht man bringt ihn.--
+
+(Soldaten und Diener bringen den Grafen auf einer Tragbahre, die sie
+in der Mitte der Buehne niedersetzen.)
+
+Berta.
+Gott! Mein Vater!
+Lasst mich! Lasst mich!
+
+Hauptmann.
+Ruhig, Fraeulein!
+Denn Ihr toetet Euch und ihn!
+Ruhig!
+
+Berta.
+Ruhig?--Lasst mich! Lasst mich!
+
+(Sich losreissend und an der Bahre niederstuerzend.)
+
+Vater! Vater! O mein Vater!
+
+Graf (in Absaetzen).
+Ah bist du es, meine Berta?
+Gutes Maedchen, armes Kind,
+Armes, armes, armes Kind!
+
+Berta.
+Vater, mir nicht diese Guete,
+Vater, mir nicht diese Huld,
+Sie vergroessert meine Schuld!
+
+Graf.
+Wenn in jenem Augenblicke
+Bei der Fackeln fernem Licht
+Mich getaeuscht mein Auge nicht,
+Wenn er's war, er den ich meine--
+Armes, armes Kind, dann weine
+Um dich selber, nicht um mich!
+Wo ist Jaromir?
+
+Berta (bebend, leise).
+Ich weiss nicht.
+
+Graf.
+Wo ist Jaromir, mein Kind?
+
+Berta (ihr Gesicht in die Kissen verbergend).
+Vater! Vater!
+
+Graf.
+Nun, es sei!
+Fahre wohl denn, fahre wohl
+Meine letzte, einz'ge Hoffnung!
+Wohl, die Sonne ist hinunter,
+Ausgeglimmt der letzte Schein,
+Dunkle Nacht bricht rings herein.
+Es ist Schlafens-, Schlafenszeit!--
+Gutes Maedchen, armes Kind,
+Klage, dulde, leide, stirb!
+Dir kann nimmer Segen werden,
+Fuer dich gibt's kein Glueck auf Erden,
+Bist du ja doch meine Tochter,
+Bist doch eine Borotin.
+
+Guenther.
+Haltet ein, mein gnaed'ger Herr!
+Eure matte, wunde Brust
+Leidet unter Eurem Sprechen.
+
+Graf.
+Lass mich, treuer Diener, lass mich
+Noch einmal, am Rand des Grabes,
+Diesem wuesten, wirren Leben,
+Wuest und rauh und dennoch schoen,
+Noch einmal ins Auge sehn.
+Seine Freuden, seine Leiden
+Mich zum letzten, letzten Abschied,
+Noch einmal als Mensch mich fuehlend,
+Druecken an die Menschenbrust.
+Noch zum letzten Male schluerfen
+Aus dem bittersuessen Becher--
+Und dann Schicksal nimm ihn hin!
+
+Berta.
+Vater, nein! Nicht sterben!--Nein!
+Nein, Ihr duerft nicht, duerft nicht sterben!
+Seht, ich klammre mich an Euch
+Seht, Ihr duerft, Ihr koennt nicht sterben!
+
+Graf.
+Willst du mit den Kinderhaenden
+In des Schicksals Speichen greifen?
+Seines Donnerwagens Lauf
+Haelt kein sterblich Wesen auf.
+
+(Ein Soldat koemmt.)
+
+Soldat (zum Hauptmann).
+Eben hat man einen Raeuber,
+Der im Schilfe lag verborgen
+Von dem nahgelegnen Weiher,
+Edler Herr, hier eingebracht.
+
+Graf.
+Einen Raeuber?
+
+Berta.
+Guet'ger Gott!
+
+Graf.
+Juengling noch? Von schlankem Wuchse?
+
+Soldat.
+Nein, Herr Graf, beinah schon Greis.
+Er verlangt mit Euch zu sprechen.
+Wicht'ges hab' er zu verkuenden,
+Wichtiges fuer ihn und Euch.
+
+Hauptmann.
+Mag der Boesewicht es wagen
+Dieses Mannes letzte Stunden--
+
+Graf.
+Lasst ihn kommen, lieber Herr!
+Hat er sich gen mich vergangen,
+Will ich sterbend ihm verzeihn,
+Oder ward vielleicht von mir
+Ihm Beleid'gung oder Unbild,
+Soll ich aus dem Leben scheiden
+Mit des Armen Fluch beschwert?
+
+Hauptmann.
+Wohl, er komme!
+
+(Soldat ab.)
+
+Guenther.
+Gnaed'ger Herr,
+Unbequem ist dieses Lager.
+Ihr erlaubt es wohl, wir tragen
+Euch in Euer Schlafgemach.
+
+Graf.
+Nein, nicht doch! Hier will ich bleiben,
+Hier in dieser heil'gen Halle:
+Die des Knaben muntre Spiele,
+Die des Juenglings bunte Traeume,
+Die des Mannes Taten sah,
+Soll auch sehn des Greises Ende.
+Hier, wo meiner Ahnen Geister
+Mich mit leisem Flug umschweben,
+Hier, wo von den hohen Waenden
+Eine lange, wuerd'ge Reihe,
+Die noch jetzt der Ruhm erhebt,
+Niederschaut auf ihren Erben,
+Wo die Vaeter einst gelebt,
+Soll der letzte Enkel sterben!
+
+(Boleslav tritt ein, von Wachen gefuehrt.)
+
+Boleslav (sich auf die Kniee niederwerfend).
+Gnaed'ger Herr, ach habt Erbarmen!
+Lasst mich Gnade, Gnade finden,
+Sprecht fuer mich ein maechtig Wort!
+Und zum Lohne will ich dann
+Eine Kunde Euch erteilen,
+Die schnell Euer Siechtum heilen,
+Euch mit Lust erfuellen soll.
+
+Graf.
+Gibt's fuer mich gleich keine Kunde,
+Die so maechtig wie du sprichst,
+Doch versprach ich dir zur Stunde,
+Hier in meines Freundes Geist,
+Wenn's zum Guten was du weisst
+Sollst du gnaed'ge Richter finden,
+Gnaedig auch bei schweren Suenden.
+
+Boleslav.
+Wohl so hoert, ach, und verzeiht!
+Einst, jetzt sind's wohl zwanzig Jahre,
+Ging ich eines Sommerabends,
+Damals schon auf schlimmen Wegen,
+Hier an Euerm Schloss vorbei.
+Wie ich lauernd ringsum spaehe,
+Da gewahr ich an dem Weiher,
+Der an Eure Mauern stoesst,
+Einen schoenen, holden Knaben,
+Kaum drei Jahre mocht' er haben;
+Der warf spielend Stein auf Stein
+In die klare Flut hinein.
+
+Guenther.
+Guet'ger Gott!
+
+Graf.
+Was werd ich hoeren!
+
+Boleslav.
+Schoen und koestlich war sein Kleid,
+Und um seinen weissen Nacken
+Hing ein funkelndes Geschmeid.
+Mich geluestet nach der Beute.
+Ringsum schau ich, nirgends Leute,
+Ich und er nur ganz allein.
+Ich versuch's ihn anzulocken,
+Abzulocken ihn vom Schlosse,
+Zeig ihm Blumen, zeig ihm Fruechte,
+Und der Knabe froh und heiter
+Folgt mir weiter, immer weiter
+Bei des Abends Daemmerschein
+In den duestern Wald hinein.
+
+Graf.
+Ach es war, es war mein Sohn!
+
+Guenther.
+Und wir glaubten ihn ertrunken,
+In des Weihers Schlamm versunken,
+Weil sein Hut im Wasser schwamm!
+
+Graf.
+Jubelst du in toller Lust,
+Glaubst du, dass in Raeubers Brust
+Menschlichkeit und Mitleid wohnet?
+Glaubst du, dass er ihn verschonet?
+
+Boleslav.
+Ja ich habe ihn verschont!
+Morden wollten ihn die Brueder,
+Dass nicht durch des Knaben Mund
+Unsre Wege wuerden kund,
+Doch ich setzte mich dawider.
+Und als die Gefaehrten schwoeren,
+Nimmer soll' er wiederkehren
+Aus des Waldes Nacht heraus
+In der Eltern heimisch Haus,
+Da, Herr, dau'rte mich der Kleine,
+Da ward Euer Sohn der meine.
+Bald vergass er Euch und sich,
+Und er ehrt als Vater mich.
+
+Graf.
+Gott! Mein Sohn!--Er lebt! er lebt!
+Aber wie?--Ha, unter Raeubern!
+Ist wohl gar?--Weh ist--
+
+Boleslav (mit gesenkten Augen).
+Was ich!
+
+Graf.
+Raeuber?--Gott, er sagt nicht: Nein!
+Schweigt erstarrt und sagt nicht: Nein!
+Ha mein Sohn ein Raeuber, Raeuber!
+Haett' ihn doch dein schwarzer Mund
+Tueckisch Wassergrab verschlungen,
+Besser, schien's mir gleich so hart,
+Waer' sein Name nie erklungen,
+Als mit Raeuber jetzt gepaart.
+Aber ach, was fluch ich ihm?
+Gott, hab Dank fuer diesen Strahl!
+Raeuber! War's denn seine Wahl?
+Bring ihn, Guter, bring ihn mir,
+Auch fuer den Raeuber dank ich dir!
+
+Boleslav.
+Er ist hier in Euerm Schlosse!
+
+Graf.
+Hier?--
+
+Boleslav.
+Ja, Herr, Euch unbekannt.
+Jener Fremde der heut abend
+Matt und bleich um Zuflucht bat--
+
+Berta.
+Jaromir?
+
+Boleslav.
+Derselbe, ja!
+
+Graf.
+Teufel! Schadenfroher Teufel!
+Nimm's zurueck das Donnerwort,
+Nimm's zurueck!
+
+Boleslav.
+Er ist's, mein Herr!
+
+Graf.
+Widerruf!
+
+Boleslav.
+Ich kann nicht, Herr!
+
+Graf (sich mit hoechster Anstrengung aller Kraefte vom Lager
+aufrichtend).
+Widerruf!
+
+Hauptmann (besaenftigend zum Grafen).
+Herr Graf!
+
+(Auf Boleslav zeigend.)
+
+Fort mit ihm!
+
+Boleslav.
+Mein Herr Ritter!
+
+Hauptmann.
+Fort mit ihm!
+
+(Boleslav wird abgefuehrt.)
+
+Graf.
+Er geht fort, und sagt nicht: Nein!
+So begrabt mich denn ihr Mauern,
+Und Verwuestung brich herein,
+Stuerzet ein ihr festen Saeulen,
+Die der Erde Ball getragen,
+Denn den Vater hat sein Sohn erschlagen!
+
+(Zuruecksinkend.)
+
+Berta (aufs Lager hinstuerzend).
+Todespforte tu dich auf!
+
+(--Pause.--Alle stehen in stummen Entsetzen.)
+
+Graf.
+Wie hab ich so oft geklagt,
+Dass ein Sohn mir ward versagt,
+Kampfgerecht und lehenbar,
+Wie der Vaeter hohe Schar.
+Seht des Schicksals giftigen Hohn!
+Seht, ich habe einen Sohn,
+Es erhielt ihn mild am Leben,
+Mir den Todesstreich zu geben!
+
+Wenn mein Aug' sich traenend netzte,
+War die Klage ohne Not,
+Vaeter, ich bin nicht der Letzte!
+Noch lebt einer!--am Schafott!--
+Was liegt dort zu meinen Fuessen
+Und blinkt mich so blutig an?
+
+Guenther (den Dolch aufhebend und hinhaltend).
+'s ist der Dolch, der Euch verwundet!
+
+Graf.
+Dieser war es? Dieser Dolch?
+Ja du bist es, blutig Eisen,
+Ja, du bist's, du bist dasselbe,
+Das des Ahnherrn blinde Wut
+Tauchte in der Gattin Blut.
+Ich seh dich, und es wird helle,
+Hell vor meinem trueben Blick.
+Seht ihr mich verwundert an?
+Das hat nicht mein Sohn getan!
+Tiefverhuellte, finstre Maechte
+Lenkten seine schwanke Rechte!
+
+(Guenthern anfassend.)
+
+Wie war, Alter, deine Sage,
+Von der Ahnfrau frueher Schuld,
+Von dem suendigen Geschlecht,
+Das in Suenden ward geboren
+Um in Suenden zu vergehn!
+Seht ihr jenen blut'gen Punkt
+Aus der grauen Vaeterwelt,
+Gluehendhell herueberblinken?
+Seht, vom Vater zu dem Sohne
+Und vom Enkel hin zum Enkel
+Rollt er wachsend, wallend fort,
+Und zuletzt zum Strom geschwollen,
+Hin durch wildgesprengte Daemme,
+Ueber Felder, ueber Fluren,
+Menschendaseins, Menschengluecks
+Leichtdahingeschwemmte Spuren,
+Waelzt er seine Fluten her,
+Uferlos, ein wildes Meer.
+Ha, es steigt, es schwillt heran,
+Des Gebaeudes Fugen krachen,
+Sinkend schwankt die Decke droben
+Und ich fuehle mich gehoben!
+
+Tiefverhuellte Warnerin,
+Suend'ge Mutter suend'ger Kinder,
+Trittst du draeuend hin vor mich?
+Triumphiere! Freue dich!
+Bald, bald ist dein Stamm vernichtet;
+Ist mein Sohn doch schon gerichtet!
+Nimm denn auch dies Leben hin,
+Es stirbt der letzte Borotin! (Sinkt sterbend zurueck.)
+
+Guenther.
+Gott! Es sprengen die Verbande!
+Weh, er stirbt!
+
+(Ueber ihn gebeugt, die Hand auf seine Brust gelegt, nach einer Pause.)
+
+Er ist nicht mehr!--
+Kalt und bleich sind diese Wangen,
+Diese Brust hat ausgebebt.
+Qualvoll ist er heimgegangen,
+Qualvoll, so wie er gelebt.
+Fahr denn wohl, du reine Seele,
+Ach und deine Tugenden
+Tragen dich wie lichte Engel,
+Von der Erde Leiden los
+In des Allerbarmers Schoss.
+Schlummre bis zum Morgenrot,
+Guter Herr, und was dies Leben,
+Karg und hart, dir nicht gegeben,
+Gebe freundlich dir der Tod!
+
+(Er sinkt betend auf die Kniee nieder. Der Hauptmann und alle
+Umstehenden entbloessen die Haeupter. Feierliche Stille.)
+
+Hauptmann.
+So, ihm ward der Andacht Zoll!
+Und jetzt Freunde, auf, zu raechen
+Das entsetzliche Verbrechen
+Auf des blut'gen Moerders Haupt!
+
+Guenther.
+Wie, Ihr wolltet?
+
+Hauptmann.
+Fort, mir nach!
+
+(Ab mit seinen Leuten.)
+
+Guenther.
+Guet'ger Himmel! Haltet ein!
+Hoert Ihr nicht? Es ist sein Sohn!
+Meines Herren einz'ger Sohn!
+Fraeulein Berta!--Hoert doch, hoert!
+
+(Dem Hauptmanne nach.)
+
+Berta (sich aufrichtend).
+Rief man mir?--Nu, Berta rief es,
+Ei, und Berta ist mein Name.--
+Aber nein, ich bin allein!
+
+(Vom Boden aufstehend.)
+
+Stille, still! Hier liegt mein Vater,
+Liegt so sanft und regt sich nicht.
+Stille! Stille! Stille! Stille!
+
+Wie so schwer ist dieser Kopf,
+Meine Augen truebe, truebe!
+Ach ich weiss wohl, manche Dinge,
+Manche Dinge sind geschehn,
+Noch vor kurzem erst geschehn;
+Sinnend denk ich drueber nach;
+Aber ach, ein lichter Punkt,
+Der hier an der Stirne brennt,
+Der verschlingt die wirren Bilder!
+
+Halt! Halt! Sagten sie denn nicht,
+Nicht, mein Vater sei ein Raeuber?
+Nicht mein Vater, nicht mein Vater!
+Jaromir, so hiess der Raeuber!
+Der stahl eines Maedchens Herz
+Aus dem tiefverschlossnen Busen,
+Ach, und statt des warmen Herzens
+Legte er in ihren Busen
+Einen kalten Skorpion,
+Der nun grimmig, wuetend nagt
+Und zu Tod' das Maedchen plagt.
+Und ein Sohn erschlug den Vater
+
+(freudig.)
+
+Und mein Bruder kam zurueck,
+Mein ertrunkner, toter Bruder!
+Und der Bruder--Halt!--Hinunter!
+Nur hinunter, da hinunter!
+Fort in euren schwarzen Kaefich!
+
+(Die Hand krampfig aufs Herz gepresst.)
+
+Nage, nage, gift'ges Tier,
+Nage, aber schweige mir!
+
+(Ein Licht vom Tische nehmend.)
+
+Ei, ich will nur schlafen gehn,
+Schlafen, schlafen, schlafen gehn.
+Lieblich sind des Schlafes Traeume,
+Nur das Wachen traeumt so schwer!
+
+(Ihre umherschweifenden Blicke auf den Tisch heftend.)
+
+Was blinkt dort vom Tisch mich an?
+O ich kenn dich, schoenes Flaeschchen!
+Gab mir's nicht mein Braeutigam?
+Gab zum Brautgeschenke mir's.
+Sprach er nicht als er mir's gab,
+Dass in dieser kleinen Wiege
+Schlummernd drin der Schlummer liege?
+Ach der Schlummer! Ja, der Schlummer!
+Lass an deinem Rand mich nippen,
+Kuehlen diese heissen Lippen,
+Aber leise--leise--leise.--
+
+(Sie geht auf den Zehenspitzen, mit jedem Schritte mehr wankend auf
+den Tisch zu. Eh' sie ihn noch erreicht, sinkt sie zu Boden.)
+
+Ende des vierten Aufzuges
+
+
+
+
+Fuenfter Aufzug
+
+Schlosszwinger. Von allen Seiten halbverfallene Werke. Links an einer
+Wand des Vorgrundes ein Fenster in der Mauer. Im Hintergrunde ein
+Teil des Wohngebaeudes mit der Schlosskapelle.
+
+
+Jaromir (kommt durch die Nacht).
+So,--Hier ist der Ort, das Fenster!
+Hier in diesen wuesten Mauern
+Will ich tiefverborgen lauern,
+Bis des Glueckes Stunde schlaegt.
+
+(Auf und ab gehend.)
+
+Fort, ihr marternden Gedanken,
+Schlingt nicht eure dunkeln Ranken
+In dies weichliche Gefuehl!
+Pfui! Der nie dem Tod gezittert,
+Fest und mutig, den erschuettert
+Loser Bilder leichtes Spiel!--
+
+Ha, und wenn ich ihn erschlug,
+Ihn der mich erschlagen wollte,
+Was ist's, dass ich zittern sollte?
+Hat die Tat nicht Grund genug?
+Hab ich ihm den Tod gegeben,
+War's in ehrlichem Gefecht,
+Ei, und Leben ja um Leben,
+Spricht die Sitte, spricht das Recht!
+Wer ist's, der darob erroetet,
+Dass er seinen Feind getoetet,
+Was ist's mehr?--Drum fort mit euch,
+War ich sonst doch nicht so weich!--
+
+Und wenn's recht, was ich getan,
+Warum fasst mich Schauder an?
+Warum brennt es hier so heiss,
+Warum wird mein Blut zu Eis?
+Warum schien's, als ich es tat,
+In dem schwarzen Augenblicke,
+Teufel zoegen mich zur Tat,
+Gottes Engel mich zuruecke!
+
+Als ich fliehend in den Gang,
+Der Verfolger nach mir sprang,
+Schon sein Atem mir im Nacken,
+Jetzt mich seine Haende packen,
+Da rief's warnend tief in mir,
+Deine Waffen wirf von dir
+Und dich hin zu seinen Fuessen,
+Suess ist's durch den Tod zu buessen!
+Aber rasch, mit neuer Glut
+Flammt empor die Raeuberwut
+Und ruft ungestuem nach Blut.
+Vor den Augen seh ich's flirren,
+Hoer es um die Ohren schwirren,
+Geister, bleich wie Mondenglanz,
+Wirbeln sich im Ringeltanz,
+Und der Dolch in meiner Hand
+Gluehet wie ein Hoellenbrand!
+Rette, ruft es, rette dich!
+Und blind stoss ich hinter mich.
+Ha es traf. Ein wimmernd Ach
+Folgt dem raschen Stosse nach,
+Mit bekannter, suesser Stimme,
+Mit erstorbner Klagestimme.
+Bebend hoer ich sie erschallen.
+Da fasst ungeheure Angst
+Mich mit kalten Eises-Krallen.
+Wahnsinn zuckt mir durchs Gehirn.
+Bebend such ich zu entweichen
+Mit dem blutigen Kains-Zeichen
+Flammend auf der Moerderstirn.
+
+All mein Ringen, all mein Treiben
+Kann den Ton nicht uebertaeuben,
+Immer droehnt mir dumpf und bang
+In das Ohr sein hohler Klang;
+Und mag ich mir's immer sagen:
+Deinen Feind hast du erschlagen;
+Ruft der Hoelle gift'ger Hohn:
+Das war keines Feindes Ton!--
+Doch wer naht dort durch die Truemmer,
+Eilig schreitend auf mich zu?
+Tor! Den Rueckweg findst du nimmer,
+Ich muss fallen, oder du.
+Denn wenn einmal nur der Tiger
+Erst gesaettigt seine Wut,
+Bleibt die Gierde ewig Sieger
+Und sein Innres schreit nach Blut. (Er zieht sich zurueck.)
+
+(Boleslav kommt.)
+
+Boleslav.
+Gott sei Dank! Es ist gelungen,
+Ledig bin ich meiner Haft,
+Doch von Mauern noch umrungen
+Und schon schwindet meine Kraft.
+Dass ich ihn doch finden koennte,
+Ihn, den Teuern, den ich suche,
+Meinen, seinen, unsern Sohn.
+Werf ich mich mit Jaromir
+Zu des maecht'gen Vaters Fuessen,
+O dann muss der Richter schonen,
+Trifft desselben Schwertes Streich,
+Doch den Sohn mit mir zugleich.
+
+Jaromir (hervortretend).
+Das ist meines Vaters Stimme!
+
+Boleslav.
+Jaromir!--du bist's?
+
+Jaromir.
+Ich bin's.
+
+Boleslav.
+Sei gesegnet!
+
+Jaromir.
+Grossen Dank!
+Ei, behaltet Euren Segen,
+Raeubers Segen ist wohl Fluch.
+Und woher des Wegs, mein Vater?
+Welcher Dietrich, welche Leiter
+Fuehrt Euch in des Sohnes Arm?
+
+Boleslav.
+Ach, ich war in Feindeshaenden.
+An dem Weiher dort gefangen,
+Ward ich in das Schloss gebracht.
+Doch benutzend die Verwirrung,
+Die des Grafen jaehe Krankheit
+Unter seine Diener streute,
+Sucht' ich Rettung, und entsprang.
+
+Jaromir.
+Und entsprangt? Ihr seid mein Mann!
+Seht, so hab ich auch getan;
+Denn uns blueht kein Glueck, uns beiden,
+Unter unbescholtnen Leuten,
+In des Waldes Nacht und Graus,
+Fuehlt ein Raeuber sich zu Haus.
+Recht mein Vater! Wackrer Vater!
+Wuerdig eines solchen Sohns.
+
+Boleslav.
+Solchen Sohns?--Er weiss noch nicht!--
+Jaromir, du nennst mich Vater!
+
+Jaromir.
+Soll ich nicht?--Wohl, tauschen wir!
+Nehmt den Vater Ihr zurueck,
+Doch erlasst mir auch den Sohn!
+
+Boleslav.
+Wozu mag noch Schweigen frommen,
+Ist die Stunde doch gekommen,
+Wo die Huelle fallen muss.
+Nun wohlan denn, so erfahre
+Das Geheimnis langer Jahre:
+Wer dir gab des Lebens Licht.
+Lass den Dank nur immer walten,
+Denn ich habe dir's erhalten,
+Wenn auch gleich gegeben nicht.
+
+Jaromir.
+Ha!--Wenn gleich gegeben nicht?
+Nicht gegeben? Nicht gegeben?
+
+Boleslav.
+Nein, mein Sohn, nicht mehr mein Sohn.
+
+Jaromir.
+Nicht dein Sohn?--Ich nicht der Sohn
+Jenes Raeubers Boleslav?
+Alter Mann, ich nicht dein Sohn?
+Lass mich's denken, lass mich's fassen,
+O es fasst, es denkt sich schoen!
+Ich gehoerte mit zum Bunde,
+Den verzweifelnd ich gesucht,
+Und Gott haette in der Stunde
+Der Geburt mir nicht geflucht?
+Meinen Namen nicht geschrieben
+Ein in der Verwerfung Buch,
+Duerfte hoffen, duerfte lieben
+Und mein Beten ist kein Fluch?
+
+(Boleslav hart anfassend.)
+
+Ungeheuer! Ungeheuer!
+Und du konntest mir's verhehlen,
+Sahst mich gift'ge Martern quaelen,
+Sahst des Innern blut'gen Krieg,
+Ha, und deine Lippe schwieg!
+Schlichst dich kirchenraeuberisch
+In des reinen Kinderbusens
+Unentweihtes Heiligtum;
+Stahlst des teuren Vaters Bild
+Von der gottgeweihten Schwelle,
+Setztest deines an die Stelle!
+
+Ungeheuer! Ungeheuer!
+Wenn ich im Gebete kniete,
+Und des Dankes Gegenstand,
+Der, mir selber unbekannt,
+In dem heissen Herzen brannte,
+Lebensschenker, Vater nannte,
+Segen auf ihn niederflehte,
+Schlichst du dich in die Gebete,
+Eignetest dir, Moerder, du,
+Meiner Lippen Segen zu!
+Sprich's noch einmal, sprich es aus,
+Dass du dir den Vaternamen
+Wie ein feiger Dieb gestohlen,
+Moerder! Dass ich nicht dein Sohn!
+
+Boleslav.
+Ach mein Sohn--
+
+Jaromir.
+Sprich es nicht aus!
+Deine Zunge toene Mord,
+Aber nicht dies heil'ge Wort!--
+Nicht dein Sohn! Ich nicht dein Sohn!
+Habe Dank fuer diese Nachricht!
+Moerder! Darum hasst' ich dich,
+Seit ich Gottes Namen nenne,
+Seit ich Gut und Boeses kenne.
+Darum bohrten deine Blicke
+Sich wie Meuchelmoerder-Dolche
+In des Knaben warme Brust,
+Darum fasst' ihn kalter Schauder,
+Wenn du mit den blut'gen Haenden
+Seine vollen Wangen strichst,
+Dich zu ihm herunter neigtest,
+Auf erschlagne Leichen zeigtest,
+Und dein Mund mit Laecheln sprach:
+Werd ein Mann, und tu mir nach!
+Und ich Tor, ich blinder Tor,
+Ich verstand des eignen Innern
+Tief geheime Warnung nicht,
+Rang mit meinem weichen Herzen,
+Rang in fruchtlos blut'gem Ringen
+Um ihm Liebe abzudraengen
+Fuer des Mannes greises Haar,
+Der der Unschuld Henker war.
+Boesewicht, gib mir zurueck,
+Was mir die Geburt beschieden,
+Meiner Seele goldnen Frieden,
+Meines Daseins ganzes Glueck,
+Meine Unschuld mir zurueck!
+
+Boleslav.
+Gott im Himmel! Hoere doch!
+
+Jaromir.
+Und wo ist, wer ist mein Vater?
+Fuehr mich hin zu seinen Fuessen.
+Lass ihn einen Landmann sein,
+Der mit seiner Stirne Schweiss
+Seiner Vaeter Erbe duenget.
+Hin zu ihm! An seiner Seite,
+Will ich gern, ein Landmann nur,
+Mit der sparsamen Natur
+Ringen um die karge Beute,
+Legen meiner Traenen Saat
+Mit dem Samen in die Erde,
+Froh wenn mir die Hoffnung naht,
+Dass noch beides gruenen werde.
+Lass ihn einen Bettler sein;
+Ich will leiten seine Schritte,
+Teilen seine duerft'ge Huette,
+Teilen seine Angst und Not,
+Teilen sein erbettelt Brot;
+Will, wenn spaete Sterne blinken,
+Auf den nackten Boden sinken,
+Und mich reich und selig duenken,
+Reicher als kein Koenig ist,
+Wenn der Schlaf mein Auge schliesst.
+Sprich wo ist er? Fuehr mich hin!
+
+Boleslav.
+Nun wohlan, so folge mir!
+Nicht ein niedrig dunkler Landmann
+Nicht ein Sklav' in Bettlertracht,
+Nein, ein Mann von Rang und Macht,
+Den des Landes Hoechste kennen
+Und den Fuersten Bruder nennen,
+Dem der Ersten Haupt sich beugt,
+Jaromir, hat dich gezeugt.
+Heiss den duestern Missmut fliehn,
+Denn dein Los ist nicht so herbe,
+Stolz sieh auf den Boden hin,
+Du trittst deiner Vaeter Erbe,
+Bist ein Graf von Borotin!
+
+Jaromir (zusammenfahrend).
+Ha!--
+
+Boleslav.
+Deiner Kindheit erstes Lallen
+Hoerten dieses Schlosses Hallen,
+Hier hast du das Licht erblickt,
+Und bei des Besitzers Kuessen
+Hast du ohne es zu wissen
+Vaters Brust ans Herz gedrueckt.
+
+Jaromir (schreiend).
+Nein!
+
+Boleslav.
+Es ist so wie ich sagte!
+Komm mit mir hinauf zu ihm.
+Des Gesetzes rauhe Stimme,
+Hart und fuerchterlich dem Raeuber,
+Mildert seinen strengen Ton
+Gegen jenes Maecht'gen Sohn!
+Komm mit mir, weil es noch Zeit.
+Hart verletzt liegt er darnieder
+Und wer weiss, ersteht er wieder,
+Denn nur jetzt, in dieser Nacht,
+In des Schlosses duestern Gaengen,
+Unsrer Brueder Spur verfolgend
+Traf ihn eines Fluecht'gen Dolch.
+
+Jaromir.
+Teufel! Schadenfroher Teufel!
+Toetest du mit einem Wort?
+Glaubst du, weil ich keine Waffen?
+Die Natur, die halb nichts tut,
+Gab mir Krallen, gab mir Zaehne,
+Gab zu der Hyaene Wut
+Mir auch Waffen der Hyaene!
+Natter, lass mich dich zertreten,
+Senden dich ins Heimatland!
+Koennen deine Worte toeten,
+Besser kann's noch diese Hand!
+
+(Auf ihn losgehend.)
+
+Boleslav.
+Er ist rasend! Rettung! Hilfe!
+
+(Fliehend ab.)
+
+Jaromir.
+Waer' es wahr? Ha waer' es wahr,
+Was des Untiers Mund gesprochen?
+Und wovon schon der Gedanke,
+Nur das Bild der Moeglichkeit,
+Meine raschen Pulse stocken,
+Mir das Mark gerinnen macht.
+Waer' es Wahrheit?--Ja, es ist!
+Ja, es ist! es ist! es ist!
+Ja! toent's durch die dumpfen Sinne,
+Ja! heult's aus dem finstern Innern
+Und die schwarzen Schreckgestalten,
+Die vor meiner Stirne schweben,
+Neigend ihre blut'gen Haeupter,
+Winken mir ein graesslich Ja!
+Ha und jener Klageton,
+Der erscholl in blut'ger Stunde
+Aus des Hingesunknen Munde,
+Er ist meinem Ohre nah
+Und seufzt wimmernd, sterbend: Ja!
+
+Er mein Vater, er mein Vater!
+Ich sein Sohn, sein Sohn und--Ha!
+Wer spricht hier? Wer sprach es aus?
+Aus das Wort, das selbst ein Moerder,
+In des Herzens tiefste Falten
+Bleich und bebend sich verbirgt.
+Wer sprach's aus? Sein Sohn und Moerder!
+Ha, sein Sohn, sein Sohn und Moerder!
+
+(Die Haende vors Gesicht schlagend.)
+
+Was die Erde Schoenes kennet,
+Was sie hold und lieblich nennet,
+Was sie hoch und heilig glaubt,
+Reicht nicht an des Vaters Haupt.
+Balsam stroemt von seinen Lippen
+Und auf wem sein Segen ruht,
+Der schifft durch des Lebens Klippen
+Laechelnd ob der Stuerme Wut.
+
+Doch wer in der Sinne Toben,
+Gottesraeuberisch, verrucht,
+Gegen ihn die Hand erhoben
+Ist verworfen und verflucht.
+Ja, ich hoer mit blut'gem Beben
+Wie der ew'ge Richter spricht:
+Allen Suendern wird vergeben,
+Nur dem Vatermoerder nicht!
+
+Sprenge deine starken Fesseln
+Gift'ges Laster, komm hervor
+Aus der Hoelle offnem Tor.
+
+Lass sie los die schwarzen Scharen,
+Die so lang gebunden waren.
+Hinterlist mit Netz und Stricken,
+Luege mit dem falschen Wort,
+Neid, du mit den hohlen Blicken,
+Mit dem blut'gen Dolche Mord!
+Meineid mit dem gift'gen Mund,
+Gotteslaestrung, toller Hund,
+Der die Zaehne grimmig bleckt
+Gegen den, der ihn gepflegt.
+Brecht hervor, durchstreift die Welt
+Und veruebt was euch gefaellt.
+Was ihr auch getan, getrieben,
+Ungestraft moegt ihr's verueben,
+Euer Tun reicht nicht hinan,
+Nicht an das, was ich getan!
+
+Ha, getan!--Hab ich's getan?
+Kann die Tat die Schuld beweisen,
+Muss der Taeter Moerder sein?
+Weil die Hand, das blut'ge Eisen,
+Ist drum das Verbrechen mein?
+Ja ich tat's, fuerwahr ich tat's!
+Aber zwischen Stoss und Wunde,
+Zwischen Mord und seinem Dolch,
+Zwischen Handlung und Erfolg
+Dehnt sich eine weite Kluft,
+Die des Menschen gruebelnd Sinnen,
+seiner Willensmacht Beginnen,
+Alle seine Wissenschaft,
+Seines Geistes ganze Kraft,
+Seine bruestende Erfahrung,
+Die nicht aelter als ein Tag,
+Auszufuellen nicht vermag.
+Eine Kluft, in deren Schoss,
+Tiefverhuellte, finstre Maechte
+Wuerfeln mit dem schwarzen Los
+Ueber kommende Geschlechte.
+
+Ja, der Wille ist der meine,
+Doch die Tat ist dem Geschick,
+Wie ich ringe, wie ich weine,
+Seinen Arm haelt nichts zurueck.
+Wo ist der, der sagen duerfe:
+So will ich's, so sei's gemacht!
+Unsre Taten sind nur Wuerfe
+In des Zufalls blinde Nacht.
+Ob sie frommen, ob sie toeten?
+Wer weiss das in seinem Schlaf!
+Meinen Wurf will ich vertreten,
+Aber das nicht was er traf!
+Dunkle Macht, und du kannst's wagen
+Rufst mir Vatermoerder zu?
+Ich schlug den, der mich geschlagen,
+Meinen Vater schlugest du!--
+
+--Doch wer haelt dies Bild mir vor?
+Ha, wer fluestert mir ins Ohr?
+Halt! Lass mich die Kunde teilen!
+Wunden, sprichst du, Wunden heilen
+Und Verwundete genesen.
+Habe Dank du guet'ges Wesen,
+Segensbote habe Dank!
+Mit der Hoffnung auf sein Leben
+Hast du meines mir gegeben,
+Das verzweifelnd schon versank.
+Ja, er wird, er muss gesunden,
+Heilen muessen jene Wunden,
+Die der Hoelle gift'ger Trug,
+Nicht der Sohn dem Vater schlug.
+
+Ich will hin zu seinen Fuessen,
+Will die blut'gen Male kuessen,
+Und des Schmerzes heisse Glut
+Kuehlen mit der Traenen Flut.
+
+Nein, in jenen duestern Fernen,
+Waltet keine blinde Macht,
+Ueber Sonnen, ueber Sternen
+Ist ein Vateraug' das wacht;
+Keine finstern Maechte raten
+Blutig ueber unsern Taten,
+Sie sind keines Zufalls Spiel,
+Nein, ein Gott, ob wir's gleich leugnen,
+Fuehrt sie, wenn auch nicht zum eignen,
+Immer doch zum guten Ziel.
+Ja, er hat auch mich geleitet,
+Wenn ich gleich die Hand nicht sah,
+Der die Schmerzen mir bereitet,
+Ist vielleicht in Wonne nah.
+
+(Die Fenster der Schlosskapelle haben sich waehrend dem erleuchtet, und
+sanfte, aber ernste Toene klingen jetzt herueber.)
+
+Was ist das?--Habt Dank! Habt Dank!
+
+Saeuselt, saeuselt, holde Toene,
+Saeuselt lieblich um mich her,
+Sanft und weich, wie Silberschwaene
+Ueber ein bewegtes Meer.
+
+Schuettelt eure weichen Schwingen,
+Traeufelt Balsam auf dies Herz,
+Lasst die Himmelslieder klingen,
+Einzuschlaefern meinen Schmerz.
+
+Ja, ich kenne eure Stimme,
+Ihr sollt laden mich zum Bund,
+Der mich rief in Donners Grimme,
+Ruft mich jetzt durch euren Mund.
+
+Lasst ihr mich Verzeihung hoffen?
+Ihr toent fort und sagt nicht: Nein,
+Seht die Pforten stehen offen,
+Friedensboten ziehet ein!
+
+(Die Toene nehmen nach und nach einen immer ernsteren Charakter an, und
+begleiten zuletzt folgende Worte:)
+
+Chor (von innen).
+Auf, ihr Brueder!
+Senkt ihn nieder
+In der Erde stillen Schoss,
+In der Truhe
+Finde Ruhe,
+Die dein Leben nicht genoss.
+
+Jaromir.
+Aendert ihr so schnell das Antlitz
+Unerklaerte Geisterstimmen?
+Habt so lieblich erst geschienen,
+Zoget ein, wie Honigbienen,
+Und jetzt kehrt ihr fuerchterlich
+Euren Stachel wider mich!
+Das sind keine Friedensklaenge,
+Ha, so toenen Grabgesaenge!
+Dort in der Kapelle Licht--
+Stille Herz! Weissage nicht!
+Ich will sehen, sehen, sehen!
+Sollt' ich drueber auch vergehen.
+
+(Er klettert an verfallenem Gestein bis zum Kapellfenster empor.)
+
+Gesang (faehrt fort).
+Hat hienieden
+Auch den Frieden
+Dir dein eigen Kind entwandt,
+Dort, zum Lohne,
+Statt dem Sohne
+Reicht ein Vater dir die Hand.
+
+Und den Blinden
+Wird er finden
+Wie er Abels Moerder fand,
+Das Verbrechen
+Wird er raechen
+Mit des Richters schwerer Hand.
+
+Jaromir (wankend und bleich zurueckkommend).
+Was war das?--Hab ich gesehn?
+Ist es Wahrheit, Wahrheit, Wahrheit,
+Oder spiegeln diese Augen
+Nur des Innern dunkle Bilder
+Statt der lichten Aussenwelt?
+
+Starr und dumpf in wuestem Graus
+Lag das weite Gotteshaus,
+Seine leichenblassen Wangen
+Mit des Trauers Flor umhangen;
+Am Altar des Heilands Bild
+Abgewandt und tief verhuellt,
+Als ob Dinge da geschehen,
+Die's ihn schaudre anzusehen.
+Und aus schwarzverhuelltem Chor
+Wanden Toene sich empor,
+Die um Straf' und Rache baten
+Ueber ungeheure Taten.
+Und am oeden Hochaltar,
+Ringsum eine Dienerschar,
+Lag, umstrahlt von dumpfen Kerzen,
+Eine Wunde auf dem Herzen,
+Weit geoeffnet, blutig rot,
+Lag mein Vater bleich und tot.
+Wie, mein Vater? Mag ich's sagen?
+Nein, lag der, den ich erschlagen,
+Denn, was auch die Hoelle spricht,
+Nein, er war mein Vater nicht!
+
+Bin ich ja doch nur ein Mensch,
+Meine Taten, wenn gleich schwarz,
+Sind ja doch nur Menschentaten,
+Und ein Teufel wuerde beben,
+Gaelt' es eines Vaters Leben.
+Hab ich doch gehoert, gelesen
+Von der Stimme der Natur,
+Waer' mein Vater es gewesen,
+Warum schwieg sie damals nur?
+Musste sie nicht donnernd schreien,
+Als der Dolch zum Stoss geneigt,
+Halt! Dem deine Haende draeuen,
+Moerder, der hat dich gezeugt!
+Und wenn sie, sie die ich liebe,
+Liebe?--Nein die ich begehre,
+Wenn sie meine Schwester waere,
+Woher diese heisse Gier,
+Die mich flammend treibt zu ihr?
+Schwester? Schwester! Toller Wahn!
+Zieht es so den Bruder an?
+Wenn uns Hymens Fackeln blinken,
+Wir uns in die Arme sinken,
+In des Brautbetts Bindeglut,
+Dann erst nenn ich sie mein Blut.
+
+Mir wird Tag. Die Nebel schwinden,
+Es erhellet sich die Nacht.
+Was ich suchte will ich finden,
+Was ich anfing sei vollbracht!
+Glaubst du, Wuensche koennen retten,
+Und entsuehnen kann ein Wort?
+Nie muss man den Weg betreten,
+Wer ihn trat, der wandle fort.
+Sie muss ich, ja sie besitzen,
+Mag der Himmel Rache blitzen,
+Mag die Hoelle Flammen spruehn
+Und mit Schrecken sie umziehn.
+Wie der tolle Wahn sie heisse,
+Weib und Gattin heisst sie hier
+Und durch tausend Donner reisse
+Ich die Teure her zu mir.
+
+Hier der Ort und hier das Fenster!
+Die Entscheidungsstunde naht
+Und mahnt laut mich auf zur Tat.
+
+(Im Hinaufsteigen.)
+
+Schauderst Liebchen? Sei nicht bange!
+Sieh, du harrest nicht mehr lange,
+In des Heissgeliebten Arm
+Ruht sich's selig, ruht sich's warm!
+
+(Durchs Fenster hinein.)
+(Hauptmann kommt mit Soldaten, die Boleslav fuehren.)
+
+Hauptmann.
+Suche nicht mehr zu entrinnen,
+Du hast Sorgfalt uns gelehrt!
+Ruhig und nicht von der Stelle!
+Aber wo ist dein Geselle?
+Hier, sprachst du, verliessest du ihn?
+
+Boleslav.
+Ja, mein Herr!
+
+Hauptmann.
+Er ist nicht hier!
+
+Soldat.
+Herr, an jenem kleinen Fenster
+Sah ich es von weitem blinken,
+Und es wollte mich beduenken,
+Dass ein Mensch in voller Hast
+Durch die enge Oeffnung steige.
+Und ich wette, Herr, er war's;
+In des Schlosses innern Gaengen
+Suchet er wohl Sicherheit.
+
+Hauptmann.
+Wohl, nicht mehr kann er entweichen,
+Wo er sei, an jedem Ort
+Soll die Rache ihn erreichen.
+Und nun folgt mir! Eilig fort!
+
+(Ab mit den Soldaten.)
+
+Grabgewoelbe.
+
+Im Hintergrunde das hohe Grabmal der Ahnfrau mit passenden Sinnbildern.
+Rechts im Vorgrunde eine Erhoehung, mit schwarzem Tuch bedeckt.
+
+Jaromir (kommt).
+So! Hier bin ich!--Mutig! Mutig!--
+Schauer weht von diesen Waenden,
+Und die leisgesprochnen Worte
+Kommen meinem Ohre wieder
+Wie aus eines Fremden Mund.--
+
+Wie ich gehe, wie ich wandle,
+Ziehet sich ein schwarzer Streif,
+Dunkel wie vergossnes Blut
+Vor mir auf dem Boden hin,
+Und ob gleich das Innre schaudert,
+Sich empoeret die Natur,
+Ich muss treten seine Spur.
+
+(Seine Haende begegnen sich.)
+
+Ha, wer fasst so kalt mich an?
+Meine Hand?--Ja, 's ist die meine.
+Bist du jetzt so starr und kalt,
+Sonst von heissem Blut durchwallt,
+Kalt und starr wie Moerderhand,
+Moerder, Moerder, Moerderhand!
+
+(Vor sich hinbruetend.)
+
+Possen!--Fort! Gebt euch zur Ruh'!
+Fort, es geht der Hochzeit zu!
+Liebchen, Braut, wo weilest du?
+Berta, Berta, komm!
+
+Die Ahnfrau (tritt aus dem Grabmale).
+Wer ruft?
+
+Jaromir.
+Du bist's! Nun ist alles gut,
+Wieder kehret mir mein Mut.
+Lass mich Maedchen dich umfangen,
+Kuessen diese bleichen Wangen--
+Warum trittst du scheu zurueck,
+Warum starrt so trueb dein Blick,
+Lustig Maedchen, lustig Liebe!
+Ist dein Hochzeittag so truebe?
+Ich bin heiter, ich bin froh,
+Und auch du sollst's sein, auch du!
+Sieh mein Kind, ich weiss Geschichten,
+Wunderbar und laecherlich,
+Luegen, derbe, arge Luegen,
+Aber drum grad laecherlich.
+Sieh sie sagen--Lustig, lustig!
+Sagen, du seist meine Schwester!
+Meine Schwester!--Lache Maedchen,
+Lache, lache sag ich dir!
+
+Ahnfrau (mit dumpfer Stimme).
+Ich bin deine Schwester nicht.
+
+Jaromir.
+Sagst du s doch so weinerlich.
+Meine Schwester!--Lache sag ich!
+Und mein Vater--Von was anderm!
+Alles ist zur Flucht bereitet,
+Komm!
+
+Ahnfrau.
+Wo ist dein Vater?
+
+Jaromir.
+Schweige!
+Schweig!
+
+Ahnfrau (steigend).
+Wo ist dein Vater?
+
+Jaromir.
+Weib,
+Schweig und reiz mich laenger nicht!
+Du hast mich nur mild gesehn,
+Aber wenn die finstre Macht
+In der tiefen Brust erwacht
+Und erschallen laesst die Stimme,
+Ist ein Leu in seinem Grimme
+Nur ein Schosshund gegen mich;
+Blut schreit's dann in meinem Innern,
+Und der Naechste meinem Herzen
+Ist der Naechste meinem Dolch.
+Darum schweig!
+
+Ahnfrau (mit starker Stimme).
+Wo ist dein Vater!
+
+Jaromir.
+Ha!
+Wer heisst mich dir Rede stehn?--
+Wo mein Vater?--Weiss ich's selbst?
+Meinst du jenen bleichen Greis
+Mit den heil'gen Silberlocken?
+Sieh, den hab ich eingesungen,
+Und er schlaeft nun, schlaeft nun, schlaeft!
+
+(Die Hand auf die Brust gepresst.)
+
+Manchmal, manchmal regt er sich,
+Aber legt sich wieder nieder,
+Schliesst die schweren Augenlider
+Und schlaeft murrend wieder ein.--
+Aber Maedchen, narrst du mich?
+Komm mit mir, hinaus ins Freie!
+Schuettelst du dein bleiches Haupt?
+Eidvergessne, Undankbare,
+Lohnst du so mir meine Liebe,
+Lohnst du so was ich getan?
+Was mir teuer war hienieden,
+Meiner Seele goldnen Frieden,
+Welt und Himmel setzt' ich ein
+Um dich mein zu nennen, mein!
+Kenntest du die Hoellenschmerzen,
+Die mir nagen tief im Herzen,
+Fuehltest du die grimme Pein,
+Koenntest Reine du es wissen,
+Was ein blutendes Gewissen,
+O du wuerdest milder sein,
+O du sagtest jetzt nicht: Nein!
+
+Ahnfrau.
+Kehr zurueck!
+
+Jaromir.
+Ha, ich? zurueck?
+Nimmermehr! Nicht ohne dich,
+Geh ich, Weib, so folgst du mir.
+Und wenn selbst dein Vater kaeme,
+Und dich in die Arme naehme,
+Mit der grassen Todeswunde,
+Die mit offnem, blut'gem Munde,
+Moerder! Moerder! zu mir spricht,
+Meiner Hand entgingst du nicht.
+
+Ahnfrau.
+Kehr zurueck!
+
+Jaromir.
+Nein, sag ich, nein!
+
+(Man hoert eine Tuere aufsprengen.)
+
+Ahnfrau.
+Horch, sie kommen!
+
+Jaromir.
+Mag es sein!
+Leben, Berta, dir zur Seite
+Oder sterben neben dir.
+
+Ahnfrau.
+Flieh, entflieh, noch ist es Zeit!
+
+(Eine zweite Tuere wird eingesprengt.)
+
+Jaromir.
+Berta! Hierher meine Berta.
+
+Ahnfrau.
+Deine Berta bin ich nicht!
+Bin die Ahnfrau deines Hauses,
+Deine Mutter, Suendensohn!
+
+Jaromir.
+Das sind meiner Berta Wangen,
+Das ist meiner Berta Brust,
+Du musst mit! Hier stuermt Verlangen
+Und von dorther winkt die Lust.
+
+Ahnfrau.
+Sieh den Brautschmuck den ich bringe!
+
+(Sie reisst das Tuch von der bedeckten Erhoehung. Berta liegt tot im
+Sarge.)
+
+Jaromir (zuruecktaumelnd).
+Weh mir!--
+Truggeburt der Hoelle!
+All umsonst! Ich lass dich nicht!
+Das ist Bertas Angesicht
+Und bei dem ist meine Stelle!
+
+(Auf sie zueilend.)
+
+Ahnfrau.
+So komm denn Verlorner!
+
+(Oeffnet die Arme. Er stuerzt hinein.)
+
+Jaromir (schreiend).
+Ha!--
+
+(Er taumelt zurueck, wankt mit gebrochenen Knieen einige Schritte und
+sinkt dann an Bertas Sarge nieder.)
+(Die Tuere wird aufgesprengt. Guenther, Boleslav, der Hauptmann und
+Soldaten stuerzen herein.)
+
+Hauptmann (hereinstuerzend).
+Moerder, gib dich! Du musst sterben!
+
+(Die Ahnfrau streckt die Hand gegen sie aus. Alle bleiben erstarrt an
+der Tuere stehen.)
+
+Ahnfrau (sich ueber Jaromir neigend).
+Scheid in Frieden, Friedenloser!
+
+(Sie neigt sich zu ihm herunter und kuesst ihn auf die Stirne, hebt dann
+die Sargdecke auf und breitet sie wehmuetig ueber beide Leichen. Dann
+mit emporgehobenen Haenden:)
+
+Nun wohlan, es ist vollbracht,
+Durch der Schluesse Schauernacht
+Sei gepriesen ew'ge Macht!--
+Oeffne dich, du stille Klause,
+Denn die Ahnfrau kehrt nach Hause!
+
+(Sie geht feierlichen Schrittes in ihr Grabmal zurueck. Wie sie
+verschwunden ist, bewegen sich die Eingetretenen gegen den Vorgrund zu.)
+
+Hauptmann.
+Ha, nun bist du unser--
+
+Guenther (eilt dem Sarge zu, hebt die Decke auf und spricht mit Traenen).
+Tot!
+
+(Der Vorhang faellt.)
+
+
+Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Die Ahnfrau, von Franz
+Grillparzer.
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Die Ahnfrau, by Franz Grillparzer
+
+*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE AHNFRAU ***
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+projected audience is one hundred million readers. If the value
+per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2
+million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text
+files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+
+We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002
+If they reach just 1-2% of the world's population then the total
+will reach over half a trillion eBooks given away by year's end.
+
+The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks!
+This is ten thousand titles each to one hundred million readers,
+which is only about 4% of the present number of computer users.
+
+Here is the briefest record of our progress (* means estimated):
+
+eBooks Year Month
+
+ 1 1971 July
+ 10 1991 January
+ 100 1994 January
+ 1000 1997 August
+ 1500 1998 October
+ 2000 1999 December
+ 2500 2000 December
+ 3000 2001 November
+ 4000 2001 October/November
+ 6000 2002 December*
+ 9000 2003 November*
+10000 2004 January*
+
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created
+to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium.
+
+We need your donations more than ever!
+
+As of February, 2002, contributions are being solicited from people
+and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut,
+Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois,
+Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts,
+Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New
+Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio,
+Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South
+Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West
+Virginia, Wisconsin, and Wyoming.
+
+We have filed in all 50 states now, but these are the only ones
+that have responded.
+
+As the requirements for other states are met, additions to this list
+will be made and fund raising will begin in the additional states.
+Please feel free to ask to check the status of your state.
+
+In answer to various questions we have received on this:
+
+We are constantly working on finishing the paperwork to legally
+request donations in all 50 states. If your state is not listed and
+you would like to know if we have added it since the list you have,
+just ask.
+
+While we cannot solicit donations from people in states where we are
+not yet registered, we know of no prohibition against accepting
+donations from donors in these states who approach us with an offer to
+donate.
+
+International donations are accepted, but we don't know ANYTHING about
+how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made
+deductible, and don't have the staff to handle it even if there are
+ways.
+
+Donations by check or money order may be sent to:
+
+Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+PMB 113
+1739 University Ave.
+Oxford, MS 38655-4109
+
+Contact us if you want to arrange for a wire transfer or payment
+method other than by check or money order.
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been approved by
+the US Internal Revenue Service as a 501(c)(3) organization with EIN
+[Employee Identification Number] 64-622154. Donations are
+tax-deductible to the maximum extent permitted by law. As fund-raising
+requirements for other states are met, additions to this list will be
+made and fund-raising will begin in the additional states.
+
+We need your donations more than ever!
+
+You can get up to date donation information online at:
+
+http://www.gutenberg.net/donation.html
+
+
+***
+
+If you can't reach Project Gutenberg,
+you can always email directly to:
+
+Michael S. Hart <hart@pobox.com>
+
+Prof. Hart will answer or forward your message.
+
+We would prefer to send you information by email.
+
+
+**The Legal Small Print**
+
+
+(Three Pages)
+
+***START**THE SMALL PRINT!**FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS**START***
+Why is this "Small Print!" statement here? You know: lawyers.
+They tell us you might sue us if there is something wrong with
+your copy of this eBook, even if you got it for free from
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+fault. So, among other things, this "Small Print!" statement
+disclaims most of our liability to you. It also tells you how
+you may distribute copies of this eBook if you want to.
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+eBook, you indicate that you understand, agree to and accept
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+you got it from. If you received this eBook on a physical
+medium (such as a disk), you must return it with your request.
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+ABOUT PROJECT GUTENBERG-TM EBOOKS
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+is a "public domain" work distributed by Professor Michael S. Hart
+through the Project Gutenberg Association (the "Project").
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+on or for this work, so the Project (and you!) can copy and
+distribute it in the United States without permission and
+without paying copyright royalties. Special rules, set forth
+below, apply if you wish to copy and distribute this eBook
+under the "PROJECT GUTENBERG" trademark.
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+works. Despite these efforts, the Project's eBooks and any
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+But for the "Right of Replacement or Refund" described below,
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+receive this eBook from as a PROJECT GUTENBERG-tm eBook) disclaims
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+WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, ARE MADE TO YOU AS
+TO THE EBOOK OR ANY MEDIUM IT MAY BE ON, INCLUDING BUT NOT
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+may have other legal rights.
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+ or other equivalent proprietary form).
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+Project Gutenberg is dedicated to increasing the number of
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+in machine readable form.
+
+The Project gratefully accepts contributions of money, time,
+public domain materials, or royalty free copyright licenses.
+Money should be paid to the:
+"Project Gutenberg Literary Archive Foundation."
+
+If you are interested in contributing scanning equipment or
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+hart@pobox.com
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+[Portions of this eBook's header and trailer may be reprinted only
+when distributed free of all fees. Copyright (C) 2001, 2002 by
+Michael S. Hart. Project Gutenberg is a TradeMark and may not be
+used in any sales of Project Gutenberg eBooks or other materials be
+they hardware or software or any other related product without
+express permission.]
+
+*END THE SMALL PRINT! FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS*Ver.02/11/02*END*
+
diff --git a/old/7frau10.zip b/old/7frau10.zip
new file mode 100644
index 0000000..b767fbd
--- /dev/null
+++ b/old/7frau10.zip
Binary files differ
diff --git a/old/8frau10.txt b/old/8frau10.txt
new file mode 100644
index 0000000..ea2a70b
--- /dev/null
+++ b/old/8frau10.txt
@@ -0,0 +1,5310 @@
+The Project Gutenberg EBook of Die Ahnfrau, by Franz Grillparzer
+#15 in our series by Franz Grillparzer
+
+Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the
+copyright laws for your country before downloading or redistributing
+this or any other Project Gutenberg eBook.
+
+This header should be the first thing seen when viewing this Project
+Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the
+header without written permission.
+
+Please read the "legal small print," and other information about the
+eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is
+important information about your specific rights and restrictions in
+how the file may be used. You can also find out about how to make a
+donation to Project Gutenberg, and how to get involved.
+
+
+**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts**
+
+**eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971**
+
+*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!*****
+
+
+Title: Die Ahnfrau
+
+Author: Franz Grillparzer
+
+Release Date: October, 2005 [EBook #9181]
+[Yes, we are more than one year ahead of schedule]
+[This file was first posted on September 12, 2003]
+
+Edition: 10
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ISO-8859-1
+
+*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE AHNFRAU ***
+
+
+
+
+Produced by Delphine Lettau and Gutenberg Projekt-DE.
+
+
+
+
+This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE.
+That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/.
+
+Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE"
+zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse
+http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar.
+
+
+
+
+Die Ahnfrau
+
+Franz Grillparzer
+
+Trauerspiel in fünf Akten (1817)
+
+
+
+
+Personen:
+
+Graf Zdenko von Borotin
+Berta, seine Tochter
+Jaromir
+Boleslav
+Günther, Kastellan
+Ein Hauptmann
+Ein Soldat
+Mehrere Soldaten und Diener
+Die Ahnfrau des Hauses Borotin
+
+
+
+
+Erster Aufzug
+
+Gotische Halle. Im Hintergrunde zwei Türen. An beiden Seitenwänden,
+links und rechts, ebenfalls eine Türe. An einer Kulisse des
+Vorgrundes hängt ein verrosteter Dolch in seiner Scheide. Später
+Winterabend. Licht auf dem Tische.
+
+
+Graf Borotin. Berta.
+
+Der Graf (am Tische sitzend und auf einen Brief hinstarrend, den er in
+beiden Händen hält).
+Nun Wohlan, was muß geschehe!
+Fallen seh ich Zweig' auf Zweige,
+Kaum noch hält der morsche Stamm.
+Noch ein Schlag, so fällt auch dieser
+Und im Staube liegt die Eiche,
+Die die reichen Segensäste
+Weit gebreitet rings umher.
+Die Jahrhunderte gesehen
+Werden, wachsen und vergehen,
+Wird vergehen so wie sie;
+Keine Spur wird übrigbleiben;
+Was die Väter auch getan,
+Wie gerungen, wie gestrebt,
+Kaum daß fünfzig Jahr' verfließen
+Wird kein Enkel mehr es wissen
+Daß ein Borotin gelebt!
+
+Berta (am Fenster).
+Eine grause Nacht, mein Vater!
+Kalt und dunkel wie das Grab.
+Losgerißne Winde wimmern
+Durch die Luft, gleich Nachtgespenstern;
+Schnee soweit das Auge trägt,
+Auf den Hügeln, auf den Bergen,
+Auf den Bäumen, auf den Feldern,
+Wie ein Toter liegt die Erde
+In des Winters Leichentuch;
+Und der Himmel, sternelos,
+Starrt aus leeren Augenhöhlen
+In das ungeheure Grab
+Schwarz herab!
+
+Graf.
+Wie sich doch die Stunden dehnen!
+Was ist wohl die Glocke, Berta?
+
+Berta (vom Fenster zurückkommend, und sich, dem Vater gegenüber, zur
+Arbeit setzend).
+Sieben Uhr hat's kaum geschlagen.
+
+Graf.
+Sieben? Und schon dunkle Nacht!
+Ach, das Jahr ist alt geworden,
+Kürzer werden seine Tage,
+Starrend stocken seine Pulse
+Und es wankt dem Grabe zu.
+
+Berta.
+Ei, kommt doch der holde Mai,
+Wo das Feld sich kleidet neu,
+Wo die Lüfte sanfter wehen
+Und die Blumen auferstehen!
+
+Graf.
+Wohl wird sich das Jahr erneuen,
+Diese Felder werden grünen,
+Diese Bäche werden fließen,
+Und die Blume, die jetzt welket,
+Wird vom langen Schlaf erwachen
+Und das Kinderhaupt erheben
+Von dem weißen, weichen Kissen,
+Öffnen ihre klaren Augen
+Freundlich lächelnd wie zuvor.
+Jeder Baum, der jetzt im Sturme
+Seine nackten, dürren Arme
+Hilfeflehend streckt zum Himmel,
+Wird mit neuem Grün sich kleiden.
+Alles was nur lebt und webt
+In dem Hause der Natur,
+Weit umher, in Wald und Flur,
+Wird sich frischen Lebens freuen,
+Wird im Lenze sich erneuen:
+Nie erneut sich Borotin!
+
+Berta.
+Ihr seid traurig, lieber Vater!
+
+Graf.
+Glücklich, glücklich nenn ich den,
+Dem des Daseins letzte Stunde
+Schlägt in seiner Kinder Mitte.
+Solches Scheiden heißt nicht Sterben;
+Denn er lebt im Angedenken,
+Lebt in seines Wirkens Früchten,
+Lebt in seiner Kinder Taten,
+Lebt in seiner Enkel Mund.
+O es ist so schön, beim Scheiden
+Seines Wirkens ausgestreuten Samen
+Lieben Händen zu vertraun,
+Die der Pflanze sorglich warten,
+Und die späte Frucht genießen;
+Im Genusse doppelt fühlend
+Den Genuß und das Geschenk.
+O es ist so süß, so labend,
+Das was uns die Väter gaben
+Seinen Kindern hinzugeben
+Und sich selbst zu überleben!
+
+Berta.
+Über diesen bösen Brief!
+Ihr wart erst so heiter, Vater,
+Schienet seiner Euch zu freuen,
+Und nun, da Ihr ihn gelesen,
+Seid mit eins Ihr umgestimmt.
+
+Graf.
+Ach, es ist nicht dieses Schreiben,
+Seinen Inhalt konnt' ich ahnen.
+Nein es ist die Überzeugung,
+Die sich immer mehr bewährt;
+Daß das Schicksal hat beschlossen,
+Von der Erde auszustoßen
+Das Geschlecht der Borotin!
+Sieh, man schreibt mir, daß ein Vetter,
+Den ich kaum einmal gesehen,
+Der der einz'ge außer mir
+Von dem Namen unsers Hauses,
+Kinderlos, ein welker Greis,
+Gählings über Nacht gestorben.
+Und so bin ich denn der Letzte
+Von dem hochberühmten Stamme,
+Der mit mir zugleich erlischt.
+Ach, kein Sohn folgt meiner Bahre,
+Trauernd wird der Leichenherold
+Meines Hauses Wappenschild,
+Oft gezeigt im Schlachtgefild,
+Und den wohlgebrauchten Degen
+Mir nach in die Grube legen.
+Es geht eine alte Sage,
+Fortgepflanzt von Mund zu Mund,
+Daß die Ahnfrau unsers Hauses,
+Ob begangner schwerer Taten,
+Wandeln müsse ohne Ruh',
+Bis der letzte Zweig des Stammes,
+Den sie selber hat gegründet,
+Ausgerottet von der Erde.
+Nun wohlan, sie mag sich freuen,
+Denn ihr Ziel ist nicht mehr fern!
+Fast möcht' ich das Märchen glauben,
+Denn fürwahr ein mächt'ger Finger
+War bemüht bei unserm Fall.
+Kräftig stand ich, herrlich blühend
+In der Mitte dreier Brüder;
+Alle raubte sie der Tod!
+Und ein Weib führt' ich nach Hause,
+Schön und gut und hold wie du.
+Hochbeglückt war unsre Ehe
+Und ein Knabe und ein Mädchen
+Sproßten aus dem keuschen Bund.
+Bald wart ihr mein einz'ger Trost,
+Meine einz'ge Lebensfreude,
+Denn mein Weib ging ein zu Gott.
+Sorgsam, wie mein Augenlicht,
+Wahrte ich die teuern Pfänder;
+Doch umsonst! Vergeblich Streben!
+Welche Klugheit, welche Macht,
+Mag das Opfer wohl erhalten,
+Das die finsteren Gewalten
+Ziehen wollen in die Nacht!
+Kaum drei Jahre war der Knabe,
+Als er in dem Garten spielend
+Von der Wärtrin sich verlief.
+Offen stand die Gartentüre,
+Die zum nahen Weiher führt.
+Immer sonst war sie geschlossen,
+Eben damals stand sie offen, (bitter)
+Hätt' ihn sonst der Streich getroffen!
+
+Ach, ich sehe deine Tränen
+Treu sich schließen an die meinen.
+Weißt du etwa schon den Ausgang?
+Ach, ich armer, schwacher Mann,
+Habe dir wohl oft erzählet
+Die alltägliche Geschichte.
+Was ist's weiter?--Er ertrank!
+Sind doch manche schon ertrunken!
+Daß es just mein Sohn gewesen,
+Meine ganze, einz'ge Hoffnung,
+Meines Alters letzter Stab;
+Was kann's helfen!--Er ertrank--
+Und ich sterbe kinderlos!
+
+Berta.
+Lieber Vater!
+
+Graf.
+Ich verstehe
+Deiner Liebe sanften Vorwurf.
+Kinderlos konnt' ich mich nennen,
+Und ich habe dich, du Treue!
+Ach, verzeih dem reichen Manne,
+Der sein Habe halb verloren
+In des Unglücks hartem Sturm,
+Und nun mit der reichen Hälfte,
+Lang an Überfluß gewöhnet,
+Sich für einen Bettler hält.
+Ach verzeih, wenn das Verlorne
+In so hellem Lichte glüht,
+Ist doch der Verlust ein Blitzstrahl,
+Der verklärt was er entzieht!
+Ja fürwahr, ich handle unrecht!
+Ist mein Name denn das Höchste?
+Leb ich nur für meinen Stamm?
+Mag ich kalt das Opfer nehmen,
+Das du mit der Jugend Freuden,
+Mit des Lebens Glück mir bringst!
+Meines Daseins letzte Tage
+Seien deinem Glück geweiht.
+Ja an eines Gatten Seite,
+Der dich liebt, der dich verdient,
+Werde dir ein andrer Name
+Und mit ihm ein andres Glück!
+Wähle von des Landes Söhnen,
+Frei den künftigen Gemahl,
+Denn dein Wert verbürgt mir deine Wahl!
+Wie du seufzest!--Hast wohl schon gewählet?
+Jener Jüngling?--Jaromir--
+Jaromir von Eschen denk ich.
+Ist's nicht also?
+
+Berta.
+Wag ich es?--
+
+Graf.
+Glaubtest du dem Vaterauge
+Bleib' ein Wölkchen nur verborgen,
+Das an deinem Himmel hängt?
+Sollt' ich gleich wohl eher schelten,
+Daß ich erst erraten muß
+Was ich längst schon wissen sollte:
+War ich je ein harter Vater,
+Bist du nicht mein teures Kind?
+Edel nennst du sein Geschlecht,
+Edel nennt ihn seine Tat,
+Bring ihn mir, ich will ihn kennen,
+Und besteht er auf der Probe
+So kann manches noch geschehn.
+Fallen gleich die weiten Lehen
+Als erloschen heim dem Thron,
+Ein bescheidnes Los zu gründen
+Hat noch Borotin genug.
+
+Berta.
+O wie soll ich--
+
+Graf.
+Mir nicht danke!
+Zahl ich doch nur alte Schulden.
+Hast nicht du's um mich verdient,
+Hat nicht er's, der wackre Mann?
+Denn er war's doch, der im Walde
+Dir das Leben einst gerettet,
+Und mit eigener Gefahr?
+Ist's nicht also, liebe Tochter?
+
+Berta.
+Oh, mit augenscheinlicher Gefahr!
+Hab ich's Euch doch schon erzählet,
+Wie in einer Sommernacht
+Ich dort in dem nahen Walde
+Mich lustwandelnd einst erging,
+Und vom Schmeichelhauch der Lüfte,
+Von dem Duft der tausend Blüten
+Eingelullt in süß Vergessen
+Weiter ging als je zuvor.
+Wie mit einmal durch die Nacht
+Einer Laute Klang erwacht,
+Klagend, stöhnend, Mitleid flehend
+Mit der Tonkunst ganzer Macht;
+Girrend bald gleich zarten Tauben
+Durch die dichtverschlungnen Lauben,
+Bald mit langgedehntem Schall
+Lockend gleich der Nachtigall,
+Daß die Lüfte schweigend horchten
+Und das Laub der regen Espe
+Seine Regsamkeit vergaß.
+Wie ich so da steh und lausche,
+Ganz in Wehmut aufgelöst,
+Fühl ich mich mit eins ergriffen,
+Und zwei Männer, angetan
+Mit des Mordes blut'ger Farbe,
+Mit dem Dolch, den Augen dräuend,
+Seh ich gräßlich neben mir.
+Schon erheben sie die Dolche,
+Schon glaub ich die Todeswunde,
+Schreiend, in der Brust zu fühlen:
+Da teilt schnell sich das Gebüsche,
+Reißend springt ein junger Mann,
+Hoch den Degen in der Rechten,
+In der Linken eine Laute
+Auf die bleichen Mörder zu.
+Wie er ihnen obgesieget,
+Wie er, einzeln, sie bezwang,
+Wie die kühne Tat gelang
+Weiß ich nicht. In starre Ohnmacht
+War ich zagend hingesunken.
+Ich erwacht' in seinen Armen,
+Und zum Leben neu geboren,
+Unbehilflich, schwach und duldend
+Wie ein Kind am Mutterbusen
+Hing ich an des Teuren Lippen
+Seine heißen Küsse trinkend.
+Und mein Vater, für das alles
+Was er erst für mich getan,
+Konnt' ich wen'ger als ihn lieben?
+
+Graf.
+Und ihr saht euch öfter?
+
+Berta.
+Zufall
+Ließ mich drauf ihn wieder finden.
+Bald--nicht bloß der Zufall mehr.
+
+Graf.
+Warum flieht er deines Vaters,
+Seines Freundes Angesicht.
+
+Berta.
+Obgleich edlem Stamm entsprossen,
+Nur des Hauses edler Stolz,
+Nicht sein Gut kam auf den Erben.
+Arm und dürftig wie er ist,
+Fürchtet er, hört' ich ihn sagen,
+Daß der reiche Borotin
+Andern Lohn für seine Tochter,
+Als die Tochter selber zahle.
+
+Graf.
+Ich weiß Edelmut zu ehren,
+Wenn er sich und andre ehrt.
+Bring ihn mir, er soll erfahren,
+Daß dem reichen Borotin
+Er sein reichstes Gut erhalten,
+Soll erfahren, daß dein Vater
+Für das Gold der ganzen Welt
+Dich nicht für bezahlet hält.--
+Doch jetzt, Berta, nimm die Harfe
+Und versuch es, meinen Kummer
+Um ein Stündchen zu betrügen.
+Spiel ein wenig, liebe Tochter!
+
+(Berta nimmt die Harfe. Bald nach den ersten Akkorden nickt der Alte
+und schlummert ein. Sobald er schläft stellt Berta die Harfe weg.)
+
+Berta.
+Schlummre ruhig, guter Vater!
+Daß doch all die süßen Blumen,
+Die du streust auf meinen Pfad,
+Dir zum Kranze werden möchten
+Auf dein sorgenschweres Haupt.--
+Ich soll also ihm gehören,
+Mein ihn nennen, wirklich mein?
+Und das Glück, das schon als Hoffnung
+Mir der Güter größtes schien,
+Gießt in freudiger Erfüllung
+Mir sein schwellend Füllhorn hin!
+
+Ich kann's nicht fassen,
+Mich selber nicht fassen,
+Alles zeigt mir und spricht mir nur ihn,
+Den Wolken, den Winden
+Möcht' ich's verkünden,
+Daß sie's verbreiten so weit sie nur ziehn!
+
+Mir wird's zu enge
+In dem Gedränge
+Fort auf den Söller, wie lastet das Haus;
+Dort von den Stufen
+Will ich es rufen
+In die schweigende Nacht hinaus.
+
+Und naht der Treue,
+Dem ich mich weihe,
+Künd ich ihm jubelnd das frohe Geschick
+An seinem Munde
+Preis ich die Stunde
+Preis ich die Liebe, preis ich das Glück. (Ab.)
+
+(Pause.--Die Ahnfrau, Bertan an Gestalt ganz ähnlich, und in der
+Kleidung nur durch einen wallenden Schleier unterschieden, erscheint
+neben dem Stuhle des Schlafenden und beugt sich schmerzlich über ihn.)
+
+Graf (unruhig im Schlafe).
+Fort von mir!--Fort!--Fort! (Er erwacht.)
+Ah--bist du hier meine Berta?
+Ei das war ein schwerer Traum,
+Noch empört sich mir das Innre!
+Geh doch nach der Harfe, Berta,
+Mich verlangt's Musik zu hören!
+
+(Die Gestalt hat sich aufgerichtet und starrt den Grafen mit
+weitgeöffneten toten Augen an.)
+
+Graf (entsetzt).
+Was starrst du so graß nach mir,
+Daß das Herz im Männerbusen
+Sich mit bangem Grausen wendet,
+Und der Beine Mark gerinnt!
+Weg den Blick! Von mir die Augen!
+Also sah ich dich im Traume
+Und noch siedet mein Gehirn.
+Willst du deinen Vater töten?
+
+(Die Gestalt wendet sich ab und geht einige Schritte gegen die Türe.)
+
+Graf.
+So!--Nun kenn ich selbst mich wieder!--
+Wohin gehst du Kind?
+
+Die Gestalt (wendet sich an der Türe um. Mit unbetonter Stimme).
+Nach Hause. (Ab.)
+
+Der Graf (stürzt niedergedonnert in den Sessel zurück. Nach einer
+Weile).
+Was war das?--Hab ich geträumt?--
+Sah ich sie nicht vor mir stehn,
+Hört' ich nicht die toten Worte,
+Fühl ich nicht mein Blut noch starren
+Von dem grassen, eis'gen Blick?--
+Und doch, meine sanfte Tochter!--
+Berta! Höre, Berta!
+
+(Berta und Kastellan kommen.)
+
+Berta (hereinstürzend).
+Ach, was fehlt Euch, lieber Vater?
+
+Graf.
+Bist du da! Was ficht dich an,
+Sprich, was ist's, unkindlich Mädchen,
+Daß du wie ein Nachtgespenst
+Durch die öden Säle wandelst
+Und mit seltsamen Beginnen
+Lebensmüde Schläfer schreckst?
+
+Berta.
+Ich, mein Vater?
+
+Graf.
+Du, ja du!
+Wie, du weißt nicht? Und noch haften
+Deine starren Leichenblicke
+Mir gleich Dolchen in der Brust.
+
+Berta.
+Meine Blicke?
+
+Graf.
+Deine Blicke!
+Zieh nicht staunend auf die Augen!
+Siehst du, so!--doch nein, viel starrer!
+Starr?--die Sprache hat kein Wort!
+Blickst du mich liebkosend an,
+Um den Eindruck wegzuwischen
+Jenes finstern Augenblicks?
+All umsonst! So lang ich lebe
+Wird das Schreckbild vor mir stehn,
+Auf dem Todbett werd ich's sehn!
+Scheint dein Blick gleich Mondenschimmer
+Über einer Abendlandschaft,
+O ich weiß, er kann auch töten!
+
+Berta.
+Ach, was hab ich denn begangen,
+Das Euch also aufgeregt,
+Und Euch heißt die Augen schelten,
+Die den Euern bang begegnend
+Sich mit Wehmutstränen füllen.
+Daß ich Euch im Schlaf verlassen,
+Unbedachtsam fortgegangen--
+
+Graf.
+Daß du fortgingst?--Daß du hier warst!
+
+Berta.
+Daß ich hier war?
+
+Graf.
+Standst du nicht
+Hier auf dieser, dieser Stelle
+Schießend deine kalten Pfeile
+Nach des grauen Vaters Brust.
+
+Berta.
+Als Ihr schliefet?
+
+Graf.
+Kurz erst, jetzt erst!
+
+Berta.
+Eben komm ich von dem Söller!
+Als der Schlummer Euch umfing
+Ging ich sehnsuchtsvoll hinaus
+Nach dem Teuern umzuschauen.
+
+Graf.
+Schändlich!--Mädchen, höhnst du mich?
+
+Berta.
+Höhnen?--ich, mein Vater?--ich?
+
+(Mit überströmenden Augen zu Günther.)
+
+Ach sprich du!--Ich weiß nicht--kann nicht!
+
+Günther.
+Ja fürwahr, mein gnäd'ger Herr,
+Ja, das Fräulein kömmt vom Söller.
+Ich stand bei ihr, und wir schauten
+In die schneeerhellte Gegend
+Ob kein Wanderer sich nahe.
+Erst als Ihr sie gellend rieft,
+Eilte sie mit mir herbei.
+
+Graf (rasch).
+Und ich sah--
+
+Günther.
+Ihr sahet--?
+
+Graf.
+Nichts!
+
+Günther.
+Ihr saht etwa--?
+
+Graf.
+Nichts! nichts sag ich!
+
+(Vor sich hin.)
+
+Es ist klar, ich hab geträumt!
+Wenn sich gleich die Sinne sträuben,
+Das Gedächtnis es verneint,
+Doch ist's so; ich hab geträumt!
+Kann der Schein sich also hüllen
+Ins Gewand der Wirklichkeit?
+Diese Hand seh ich nicht klarer
+Als ich jenes Bild gesehn!
+Und doch, meine sanfte Berta!
+Es ist klar, ich hab geträumt!--
+Was stehst du so ferne, Berta?
+Hast du keinen Vorwurf, Liebe,
+Für den harten, rauhen Vater
+Der so bitter dich gekränkt?
+Ach, so warst du schon als Kind,
+Trugest immerdar zugleich
+Der Beleid'gung herben Schmerz
+Und das Unrecht des Beleid'gers.
+Immer gut und immer schuldlos,
+Schienst du stets die Schuldige--
+
+Berta (an seiner Brust).
+Und bin ich nicht wirklich schuldig?
+Wenn auch nicht als Grund des Zornes,
+Ach, doch als sein Gegenstand!
+
+Graf.
+Du verzeihst mir also, Berta?
+
+Berta.
+Ihr habt wohl geträumt, mein Vater!
+Es gibt gar lebend'ge Träume!
+Oder dieser Halle Dunkel
+Matt vom Kerzenlicht erhellt
+Täuscht' in trügender Gestaltung
+Euer schlummertrunknes Aug'.
+
+Oh, ich hab es oft erfahren,
+Wie die Sinne, aufgeregt,
+Stumpfe Diener unsrer Seele,
+Gern für wahr und wirklich halten
+Die verworrenen Gestalten,
+Die der Geist in sich bewegt.
+Gestern nur, mein Vater, ging ich
+In des Zwielichts mattem Strahl
+Durch den alten Ahnensaal.
+In der Mitte hängt ein Spiegel,
+Halb erblindet und voll Flecken.
+Wie ich ihn vorüber gehe
+Bleib ich, meinen Anzug musternd,
+Vor dem matten Glase stehn.
+Eben senk ich nach dem Gürtel
+Nieder meine beiden Hände,
+Da--Ihr werdet lachen, Vater!
+Und auch ich muß jetzt fast lächeln
+Meiner kindisch schwachen Furcht,
+Doch in jenem Augenblicke
+Konnt' ich nur mit Schreck und Grauen
+Das verzerrte Wahnbild schauen.
+Wie ich senke meine Hände
+Um den Gürtel anzuziehn,
+Da erhebt mein Bild im Spiegel
+Seine Hände an das Haupt,
+Und mit starrendem Entsetzen
+Seh ich in dem dunkeln Glase
+Meine Züge sich verzerren.
+Immer sind es noch dieselben
+Und doch anders, furchtbar anders,
+Und mir selbst nicht ähnlicher
+Als ein Lebend'ger seiner Leiche.
+Weit reißt es die Augen auf
+Starrt nach mir, und mit dem Finger
+Droht es warnend gegen mich.
+
+Günther.
+Weh, die Ahnfrau!
+
+Graf (wie von einem plötzlichen schrecklichen Gedanken ergriffen, vom
+Sessel aufspringend).
+Ahnfrau!
+
+Berta (verwundert).
+Ahnfrau?
+
+Günther.
+Saht Ihr nie ihr Bild im Saale,
+Euch so ähnlich, gnäd'ges Fräulein,
+Gleich als hättet Ihr dem Maler,
+Lieblich wie Ihr seid, gesessen?
+
+Berta.
+Oftmals hab ich's wohl gesehn,
+Es mit Staunen mir betrachtet,
+Und es war mir immer teuer
+Wegen dieser Ähnlichkeit.
+
+Günther.
+Und Ihr kennet nicht die Sage,
+Die von Mund zu Munde geht?
+
+Berta.
+Schon als Kind hört' ich's erzählen,
+Doch ein Märchen nennt's der Vater.
+
+Günther.
+Ach, er fühlt's zu dieser Frist,
+Wie er sich's auch selbst verhehle,
+Fühlt's im Tiefsten seiner Seele,
+Daß es mehr als Märchen ist.
+Ja, die Ahnfrau Eures Hauses,
+Jung und blühend noch an Jahren,
+Berta, so wie Ihr geheißen,
+Schön und reizend, so wie Ihr,
+Von der Eltern Hand gezwungen,
+Zu verhaßter Ehe Bund,
+Sie vergaß ob neuen Pflichten
+Langgehegter Liebe nicht;
+In den Armen ihres Buhlen
+Überfiel sie der Gemahl.
+Durstend seine Schmach zu rächen,
+Straft' er selber das Verbrechen
+Stieß ins Herz ihr seinen Stahl,
+Jenen Stahl, den in der Blinde
+Man dort aufgehangen hat,
+Zum Gedächtnis ihrer Sünde,
+Zum Gedächtnis seiner Tat.
+Ruhe ward ihr nicht vergönnet,
+Wandeln muß sie ohne Rast,
+Bis das Haus ist ausgestorben,
+Dessen Mutter sie gewesen,
+Bis weit auf der Erde hin
+Sich kein einz'ger Zweig mehr findet
+Von dem Stamm den sie gegründet,
+Von dem Stamm der Borotin.
+Und wenn Unheil droht dem Hause,
+Sich Gewitter türmen auf,
+Steigt sie aus der dunkeln Klause
+An die Oberwelt herauf.
+Da sieht man sie klagend gehen,
+Klagend, daß ihr Macht gebricht,
+Denn sie kann's nur vorhersehen,
+Ab es wenden kann sie nicht!
+
+Berta.
+Und das ist es--?
+
+Günther.
+Das ist alles
+Was ich hier zu sagen wage,
+Wenn gleich all nicht was ich weiß.
+Eines ist noch übrig, eines,
+Das des Hauses ältre Diener,
+Das der Gegend welke Greise
+Bang sich in die Ohren raunen,
+Das der Sage heil'ger Mund
+Aus der Väter fernen Tagen
+In die Enkelwelt getragen.
+Eines, das den Schlüssel gibt
+Zu so manchem finstern Rätsel,
+Das ob diesem Hause brütet.
+Aber wag ich es zu sagen
+Hier an diesem, diesem Ort
+Wo noch kurz zuvor der Schatten--
+
+(Mit scheuen Blicken umhergehend. Berta schmiegt sieh an ihn, und
+folgt mit ihren Augen den seinigen.)
+
+Runzelt Ihr die hohen Brauen
+Edler Herr? Ich kann nicht anders!
+Meinen Busen will's zerbrechen
+Und es drängt mich's auszusprechen
+Beb ich selber gleich zurück.--
+Kommt hierher, mein Fräulein, hierher
+Und vernehmt und staunt und bebt.--
+Mit der Ahnfrau blut'ger Leiche
+Ward der Sünde Keim begraben,
+Aber nicht der Sünde Frucht.
+Das Verbrechen, das des Gatten
+Blut'ger Rachestahl bestraft,
+War, wie jene Sage spricht,
+Wohl das Letzte ihres Lebens
+Aber ach, ihr erstes nicht.
+Ihres Schoßes einz'ger Sohn,
+Den Ihr unter Euren Ahnen,
+Unter Euren Vätern zählt,
+Der des mächt'gen Borotin
+Lehen, Gut und Namen erbte,
+Er--
+
+Graf.
+Schweig!
+
+Günther.
+Es ist ausgesprochen.
+Er, dem Vater unbewußt,
+War ein Pfand geheimer Lust,
+War ein Denkmal ihrer Sünde!
+Darum muß sie klagend wallen
+Durch die weiten, öden Hallen,
+Die das Werk von Trug und Nacht
+Auf ein fremd Geschlecht gebracht.
+Und in jedem Enkelkinde,
+Das entsproßt aus ihrem Blut,
+Haßt sie die vergangne Sünde,
+Liebt sie die vergangne Glut.
+Also harret sie seit Jahren,
+Wird noch harren jahrelang
+Auf des Hauses Untergang;
+Und ob der sie gleich befreiet,
+Hütet sie doch jeden Streich,
+Der dem Haupt der Lieben dräuet,
+Den sie wünscht und scheut zugleich.
+Darum wimmert es so kläglich
+In den halbverfallnen Gängen,
+Darum pocht's in dunkler Nacht--
+
+(Entferntes Getöse.)
+
+Berta.
+Himmel!
+
+Günther.
+Weh uns!
+
+Graf.
+Was ist das?
+
+(Das Getöse wiederholt sich.)
+
+Fast gefährlich scheint dein Wahnsinn
+Er steckt auch Gesunde an.
+An die Pforte wird geschlagen
+Einlaß fordernd. Geh hinab
+Und sieh zu, was man begehrt!
+
+(Günther ab.)
+
+Berta.
+Vater, du siehst bleich! Ist's Wahrheit
+Was der alte Mann da spricht?
+
+Graf. Was ist wahr, was ist es nicht?
+Laß uns eignen Wertes freuen
+Und nur eigne Sünden scheuen.
+Laß, wenn in der Ahnen Schar
+Jemals eine Schuld'ge war,
+Alle andre Furcht entweichen
+Als die Furcht ihr je zu gleichen.--
+Und jetzt komm, mein liebes Kind,
+Führe mich nach meinem Zimmer.
+Ist's gleich noch nicht Schlafens Zeit
+Ruhe heischt der müde Körper
+Hat er doch in einer Stunde
+Mehr als manchen Tag gelebt. (Ab mit Berta.)
+
+(Pause.--Dann stürzt wankend, mit verworrenem Haar und aufgerissenem
+Wams, einen zerbrochenen Degen in der Rechten, Jaromir herein.)
+
+Jaromir (atemlos).
+Bis hierher!--Ich kann nicht weiter!
+Wankend brechen meine Kniee,
+Es ist aus!--Ich kann nicht weiter!
+
+(Sinkt gebrochen auf den Sessel hin.)
+
+Günther (nachkommend).
+Sagt doch Herr, ist das wohl Sitte?
+Einzudringen so ins Haus
+Achtlos auf mein mahnend Wehren.
+Sprecht, was wollt Ihr? was begehrt Ihr?
+
+Jaromir.
+Ruhe!--Nur ein Stündchen Ruhe,
+Nur ein kurzes Stündchen Ruhe!--
+
+Günther.
+Was ist Euch begegnet, Herr?
+Woher kommt Ihr?
+
+Jaromir.
+Dort--vom Walde--
+Wurde--wurde überfallen--
+
+Günther.
+Ach man hört so manches Unheil
+Von den Räubern dort im Walde!
+Wie bedaur' ich Euch, mein Herr!
+Ach verzeihet, wenn ich anfangs
+Eure bange Hast mißdeutend
+Und das Fremde Eures Eintritts
+Anders sprach, als ich gesollt.
+Wenn's Euch gutdünkt, folgt mir Herr
+Nach den oberen Gemächern,
+Wo Euch würdig Speis und Trank
+Und willkommne Lagerstätte--
+
+Jaromir.
+Nein, ich kann--ich mag nicht schlafen!
+Laß mich hier in diesem Stuhl,
+Bis die Sinne sich gesammelt
+Und ich wieder selber bin.
+
+(Er legt den Arm auf den Tisch, und den Kopf darauf.)
+
+Günther.
+Was soll ich mit ihm beginnen?
+Ganz verwirrt hat ihn der Schreck.
+Bleib ich? geh ich? Laß ich ihn?
+Ich will's nur dem Grafen melden,
+Mag er selber doch empfangen
+Seinen sonderbaren Gast. (Ab.)
+
+Jaromir.
+Ha, er geht, er geht!--Was soll ich?
+Sei es denn!--Nun Fassung, Fassung!
+
+(Der Graf und Günther kommen.)
+
+Günther.
+Hier mein gnäd'ger Herr, der Fremde!
+
+Jaromir (steht auf).
+
+Graf.
+Laßt Euch doch nicht stören, Herr,
+Und genießt der nöt'gen Ruhe.
+Hoch willkommen seid Ihr mir,
+Doppelt wert, denn Euch empfiehlt
+Eure Not und Euer Selbst--
+
+Jaromir.
+Ihr verzeihet wohl die Stunde
+Und die Weise meines Eintritts.
+Mag mein Unfall mich entschuld'gen
+Wo ich selbst es nicht vermag.
+Dort in jenem nahen Walde
+Ward ich räubrisch überfallen.
+Ich und meine beiden Diener
+Wehrten lang uns ritterlich:
+Aber wachsend stieg die Menge,
+Meine treuen Diener lagen
+Hingestreckt in ihrem Blut.
+Da gewahr ich meines Vorteils,
+Und ins dunkle Dickicht springend,
+Schnell, die Räuber auf der Ferse,
+Such ich fliehend zu entrinnen
+Und das Freie zu gewinnen.
+Gibt die Hoffnung schnelle Füße
+Leiht dafür das Schrecken Flügel.
+Bald gewinn ich einen Vorsprung,
+Und heraus ins Freie tretend
+Blinkt mir Euer Schloß entgegen.
+Gastfrei schien 's mich einzuladen,
+Zögernd folgt' ich,--und bin hier.
+
+Graf.
+Halten wird Euch der Besitzer
+Was sein Eigentum versprach.
+Was nur dieses Haus vermag
+Ist das Eure, Euch zu Dienste.
+
+Berta (kommt,).
+Hört' ich hier nicht seine Stimme?
+Ja er ist's!--Mein Jaromir!
+
+Jaromir.
+Berta!
+
+(Eilt auf sie zu. Plötzlich hält er ein, und tritt mit einer
+Verbeugung zurück.)
+
+Graf.
+Wär' es etwa dieser?--
+
+Berta.
+Ja er ist's, er ist's, mein Vater!
+Ja er ist's, der mich gerettet,
+Ja er ist's der teure Mann!
+
+Graf.
+Zieht Euch nicht so fremd zurück,
+Seid Ihr doch nicht unter Fremden!
+Schließt sie immer in die Arme;
+Ihr habt Euch ein Recht erworben,
+Daß sie lebt ist Euer Werk!
+Wohl mir, daß mir ward vergönnt
+Den zu sehen, dem zu danken,
+Der mir meine letzten Tage,
+Mir mein Sterbebett verschönt,
+Mit dem Glücke mich versöhnt.
+Komm an meine Brust, du Teurer,
+Lebensretter, Segensengel!
+Könnt' ich dankbar nur mein Leben
+Für dich hin, du Guter, geben,
+Wie du deines gabst für sie!
+
+Jaromir.
+Staunend steh ich und beschämt--
+
+Graf.
+Du? An uns ist's so zu stehn!
+Ist doch unser Dank so wenig,
+Ach, und deine Tat so viel!
+
+Jaromir.
+Viel? O daß ich's sagen könnte!
+Daß es etwas mich gekostet!
+Daß ich eine Wunde trüge,
+Eine kleine, kleine Narbe
+Nur als Denkmal jener Tat!
+Es kränkt tief das Köstliche
+Um so schlechten Preis zu kaufen!
+
+Graf.
+Ziert Bescheidenheit den Jüngling,
+Nicht verkenn er seinen Wert!
+
+Berta.
+Glaubt ihm nicht, o glaubt ihm nicht!
+Er liebt selber sich zu schmähen,
+Ich weiß das von lange her!
+Wie so oft lag er vor mir,
+Meine Kniee heiß umfassend,
+Und mit schmerzgebrochner Stimme
+Rief er klagend, weinend aus,
+Ich verdiene dich nicht Berta!
+Er nicht mich, er mich nicht!--
+
+Jaromir.
+Berta!
+
+Graf.
+Wolltet Ihr wohl, daß sie minder
+Des Geschenkes Wert erkennte!
+Trieb Euch gleich zu jener Tat
+Nur des Herzens edles Streben
+Recht zu tun und groß und gut,
+Laßt uns glauben, laßt uns schmeicheln,
+Daß auf uns, auf unsre Not
+Auch ein flücht'ger Blick gefallen,
+Daß Ihr nicht nur bloß beglücken,
+Daß ihr uns beglücken wolltet.
+Wer sich ganz dem Dank entzieht,
+Der erniedrigt den Beschenkten,
+Freund, indem er sich erhebt!
+
+Jaromir.
+Was erwidr' ich auf das alles!
+Wie ich bin, vom Kampf ermüdet,
+Von den Schrecken dieser Nacht,
+Taug ich wenig zu bestehen
+In der Großmut edlem Wettstreit.
+
+Graf.
+Mußtet Ihr mich erst erinnern
+Daß Ihr müd und ruhedürstend!
+
+Berta.
+Ach, was ist ihm denn begegnet?
+
+Graf.
+Das auf morgen, liebes Kind.
+Berta komm und laß uns gehn.
+Unser Günther mag ihn weisen
+In das köstlichste Gemach.
+Dort umhülle tiefer Frieden
+Mit der Segenshand den Müden
+Bis der späte Morgen naht.
+O er hat ein weiches Kissen
+Ein noch unentweiht Gewissen,
+Das Bewußtsein seiner Tat!--
+So, noch diesen Händedruck,
+So, noch diesen Segenskuß,
+So, mein Sohn jetzt geh zur Ruh'
+Ein Engel drück' das Aug' dir zu!
+
+Berta (den Alten abführend).
+Schlummre ruhig!
+
+Jaromir.
+Lebe wohl'
+
+Berta (an der Türe umwendend).
+Gute Nacht denn!
+
+Jaromir.
+Gute Nacht!
+
+(Graf und Berta ab.)
+
+Günther.
+So, nun kommt mein wackrer Herr
+Ich will Euch zur Ruhe leiten.
+
+Jaromir (in den Vorgrund tretend).
+Nehmt mich auf Ihr Götter dieses Hauses,
+Nimm mich auf du heil'ger Ort,
+Von dem Laster nie betreten,
+Von der Unschuld Hauch durchweht.
+Unentweihte, reine Stelle
+Werde wie des Tempels Schwelle
+Mir zum heiligen Asyl!--
+
+Unerbittlich strenge Macht,
+Ha nur diese, diese Nacht,
+Diese Nacht nur gönne mir,
+Harte! und dann steh ich dir!
+
+(Mit Günther ab.)
+
+Ende des ersten Aufzuges
+
+
+
+
+Zweiter Aufzug
+
+Halle wie im vorigen Aufzuge. Dichtes Dunkel.
+
+
+Jaromir (stürzt herein).
+Ist die Hölle losgelassen
+Und knüpft sich an meine Fersen?
+Grinsende Gespenster seh ich
+Vor mir, an mir, neben mir,
+Und die Angst mit Vampirrüssel
+Saugt das Blut aus meinen Adern,
+Aus dem Kopfe das Gehirn!
+Daß ich dieses Haus betreten!
+Engel sah ich an der Schwelle
+Und die Hölle
+Hauset drin!--
+Doch wo bin ich hingeraten
+Von der innern Angst getrieben?
+Ist dies nicht die würd'ge Halle,
+Die den Kommenden empfing?
+Still! Die Schläfer nicht zu stören!
+Stille! Wenn sie würden innen
+Hier mein seltsames Beginnen!
+
+(An des Grafen Gemach horchend.)
+
+Alles stille.
+
+(An der Türe zur linken Seite des Hintergrundes.)
+
+Welche Laute!
+Süße Laute, die ich kenne,
+Die ich einzuschlürfen brenne!
+Horch!--ha!--Worte!--Ach sie betet!
+Betet!--Betet wohl für mich!
+Habe Dank du reine Seele! (Horchend.)
+»Heil'ger Engel steh uns bei!«
+Steh mir bei du heil'ger Engel!
+»Und beschütz uns!«--O beschütz uns!
+Ja beschütz mich vor mir selber!
+O du süßes, reines Wesen!
+Nein, ich kann mich nicht mehr halten,
+Ich muß hin, ich muß zu ihr.
+Will vor ihr mich niederstürzen
+Und an ihrer reinen Seite
+Ruh' und Frieden mir erflehn!
+Ja sie möge über mir
+Wie ob einem Leichnam beten,
+Und in ihres Atems Wehn
+Will ich heilig auferstehn!
+
+(Er nähert sich der Türe; sie geht auf und die Ahnfrau tritt heraus,
+mit beiden Händen ernst ihn fortwinkend.)
+
+Jaromir.
+Ach, da bist du ja du Holde!
+Ich bin's Teure, zürne nicht!
+Wink mich nicht so kalt von dir,
+Gönne dem gepreßten Herzen
+Die so lang entbehrte Lust,
+An der engelreinen Brust,
+Aus den himmelklaren Augen
+Trost und Ruhe einzusaugen!
+
+(Die Gestalt tritt aus der Türe, die sich hinter ihr schließt, und
+winkt noch einmal mit beiden Händen ihm Entfernung zu.)
+
+Jaromir.
+Ich soll fort? Ich kann nicht, kann nicht!
+Wie ich dich so schön, so reizend
+Vor den trunknen Augen sehe
+Reißt es mich in deine Nähe!
+Ha ich fühle, es wird Tag
+In der Brust geheimsten Tiefen
+Und Gefühle, die noch schliefen,
+Schütteln sich und werden wach.--
+Kannst du mich so leiden sehn?
+Soll ich hier vor dir vergehn?
+Laß dich rühren meinen Jammer,
+Laß mich ein in deine Kammer!
+Hat die Liebe je verwehrt
+Was die Liebe heiß begehrt?
+
+(Auf sie zueilend.)
+
+Berta! Meine Berta!
+
+(Wie er sich ihr nähert, hält die Gestalt den rechten Arm mit dem
+ausgestreckten Zeigefinger ihm entgegen.)
+
+Jaromir (stürzt schreiend zurück).
+Ha!
+
+Berta (von innen).
+Hör ich dich nicht Jaromir?
+
+(Beim ersten Laut vom Bertas Stimme seufzt die Gestalt und bewegt sich
+langsam in die Szene. Ehe sie diese noch ganz erreicht hat, tritt
+Berta aus der Türe, ohne aber die Gestalt zu sehen, da sie nach dem in
+der entgegengesetzten Ecke stehenden Jaromir blickt.)
+
+Berta (mit einem Lichte kommend).
+Jaromir du hier?
+
+Jaromir (die abgehende Gestalt mit den Augen und dem ausgestreckten
+Finger verfolgend).
+Da! Da! Da! Da!
+
+Berta.
+Was ist dir begegnet, Lieber?
+Warum starrst du also wild
+Hin nach jenem düstern Winkel?
+
+Jaromir.
+Hier und dort, und dort und hier!
+Üb'rall sie und nirgends sie!
+
+Berta.
+Himmel, was ist hier geschehn?
+
+Jaromir.
+Ei bei Gott, ich bin ein Mann!
+Ich vermag was einer kann.
+Stellt den Teufel mir entgegen
+Und zählt an der Pulse Schlägen
+Ob die Furcht mein Herz bewegt!
+Doch allein soll er mir kommen.
+Grad als grader Feind. Er werbe
+Nicht in meiner Phantasie,
+Nicht in meinem heißen Hirn
+Helfershelfer wider mich!
+Komm' er dann als mächt'ger Riese,
+Stahl vom Haupte bis zum Fuß,
+Mit der Finsternis Gewalt,
+Von der Hölle Glut umstrahlt;
+Ich will lachen seinem Wüten
+Und ihm kühn die Stirne bieten.
+Oder komm' als grimmer Leu
+Will ihm stehen ohne Scheu,
+Auge ihm ins Auge tauchen,
+Zähne gegen Zähne brauchen,
+Gleich auf gleich. Allein er übe
+Nicht die feinste Kunst der Hölle,
+Schlau und tückevoll, und stelle
+Nicht mich selber gegen mich!
+
+Berta (auf ihn zueilend).
+Jaromir, mein Jaromir!
+
+Jaromir (zurücktretend).
+O ich kenn dich, schönes Bild!
+Nah ich mich wirst du vergehn
+Und mein Hauch wird dich verwehn!
+
+Berta (ihn umfassend).
+Kann ein Wahnbild so umarmen?
+Und blickt also ein Phantom?
+Fühle, fühle ich bin's selber
+Die in deinen Armen liegt!
+
+Jaromir.
+Ja, du bist's! Ich fühle freudig
+Deine warmen Pulse klopfen,
+Deinen lauen Atem wehn.
+Ja, das sind die klaren Augen,
+Ja, das ist der liebe Mund,
+Ja, das ist die süße Stimme,
+Deren wohlbekannter Laut
+Frieden auf mich niedertaut.
+Ja, du bist's, du bist's, Geliebte!
+
+Berta.
+Wohl bin ich's, o wärst du's auch!
+Wie du zitterst!
+
+Jaromir.
+Zittern! zittern!
+Wer sieht das und zittert nicht?
+Bin ich doch nur Fleisch und Blut,
+Hat doch keine wilde Bärin
+Mich im rauhen Forst geboren
+Und mit Tigermark genährt,
+Steht auf meiner offnen Stirne
+Doch der heitre Name: Mensch!
+Und der Mensch hat seine Grenzen!
+Grenzen, über die hinaus
+Sich sein Mut im Staube windet,
+Seiner Klugheit Aug' erblindet,
+Seine Kraft wie Binsen bricht
+Und sein Innres zagend spricht:
+Bis hierher und weiter nicht!
+
+Berta.
+Du bist krank, ach geh zurück,
+Geh zurück nach deiner Kammer.
+
+Jaromir.
+Eher in die heiße Hölle
+Als noch einmal auf die Stelle!
+Ehrt Ihr so die Pflicht des Hauses
+Und des Gastes heilig Recht?
+Arglos und vertrauensvoll
+Folgt' ich meinem Führer nach
+In das weite Prunkgemach.
+Müde, ruhelechzend steig ich
+Schnell das hohe Bett hinan
+Und das Licht ist ausgetan.
+Wehend fühl ich schon den Schlummer,
+Mild wie eine Friedenstaube
+Mit dem Ölzweig in dem Munde,
+Über meinem Haupte schweben,
+Und in immer engern Kreisen
+Sich auf mich herniederlassen.
+Jetzo, jetzo senkt sie sich,
+Süße Ruhe fesselt mich.
+Da durchzuckt es meine Glieder,
+Ich erwache, horch und lausche.
+Laut wird's in dem öden Zimmer,
+Rauschend wogt es um mich her
+Wie ein wehend Ährenmeer,
+Seltsam fremde Töne wimmern,
+Zuckend fahle Lichter schimmern,
+Es gewinnt die Nacht Bewegung
+Und der Staub gewinnt Gestalt.
+Schleppende Gewänder rauschen
+Durch das Zimmer auf und nieder,
+Hör es weinen, hör es klagen
+Und zuletzt in meiner Nähe
+Wimmert es ein dreifach Wehe!
+Da reiß ich des Bettes Vorhang
+Auf in ungestümer Hast;
+Und mit tausend Flammenaugen
+Starrt die Nacht mich glotzend an.
+Lichter seh ich schwindelnd drehen
+Und mit tausend fahlen Ringen
+Schnell sich ineinander schlingen,
+Und nach mir streckt's hundert Hände,
+Kriecht an mich mit hundert Füßen,
+Fletscht auf mich aus hundert Fratzen.
+Und an meines Bettes Füßen
+Dämmert es wie Mondenlicht,
+Und ein Antlitz tauchet auf
+Mit geschloßnen Leichenaugen,
+Mit bekannten, holden Zügen,
+Ja, mit deinen, deinen Zügen.
+Jetzt reißt es die Augen auf,
+Starrt nach mir hin, und Entsetzen
+Zuckt mir reißend durchs Gehirn.
+Auf spring ich vom Flammenlager,
+Und durchs flirrende Gemach
+Stürz ich fort, der Spuk mir nach.
+Wie von Furien gepeitscht
+Lang ich an hier in der Halle.
+Da hört' ich dich Holde beten,
+Will zu dir ins Zimmer treten,
+Da verstellt mir--Siehst du? Siehst du?
+
+Berta.
+Was Geliebter?
+
+Jaromir.
+Siehst du nicht?
+Dort im Winkel, wie sich's regt,
+Wie's gestaltlos sich bewegt!
+
+Berta.
+Es ist nichts Geliebter, nichts,
+Als die wilde Ausgeburt
+Der erhitzten Phantasie.
+Du bist müde, ruh ein wenig,
+Setz dich hier in diesen Stuhl.
+Ich will schützend bei dir stehn,
+Labekühlung zu dir wehn.
+
+Jaromir (sitzend, an ihre Brust gelehnt).
+Habe Dank, du treue Seele!
+Süßes Wesen, habe Dank!
+Schling um mich her deine Arme,
+Daß der Hölle Nachtgespenster,
+Scheu vor dem geweihten Kreise,
+Nicht in meine Nähe treten.
+Lieg ich so in deinen Armen,
+Angeweht von deinem Atem,
+Über mir dein holdes Auge;
+Dünkt es mich auf Rosenbetten
+In des Frühlings Hauch zu schlummern,
+Klar den Himmel über mir.
+
+(Der Graf kömmt.)
+
+Graf.
+Wer ist hier noch in der Halle?
+Berta, du? Und ihr?
+
+Berta.
+Mein Vater!--
+
+Jaromir.
+Weiß ich doch kaum was ich sagen,
+Weiß kaum wie ich's sagen soll.
+Töricht werdet Ihr mich nennen,
+Und fast möcht' ich's selber tun,
+Fühlt' ich nicht im tiefsten Innern
+Jede meiner Fibern beben,
+Beben, ja; und Ihr mögt glauben,
+Es gibt Menschen, welche leichter
+Zu erschüttern sind als ich.
+
+Graf.
+Wie versteh ich?--
+
+Berta.
+Ach, so hört nur,
+Oben in der Erkerstube
+Hatte man ihn hingewiesen.
+Schon senkt schlummernd sich sein Auge,
+Da erhebt sich plötzlich--
+
+Graf.
+Ah!
+Zählt man dich schon zu den Meinen?
+Ist's in jenen dunkeln Orten
+Also auch schon kundgeworden
+Sohn, daß du mir teuer bist.
+Warum kamst du auch hierher!
+Glaubtest du, getäuschter Jüngling,
+Wir hier feiern Freudenfeste?
+Sieh uns nur einmal beisammen
+In der weiten, öden Halle,
+An dem freudelosen Tische;
+Wie sich da die Stunden dehnen,
+Das Gespräch in Pausen stockt,
+Bei dem leisesten Geräusche
+Jedes rasch zusammenfährt,
+Und der Vater seiner Tochter
+Nur mit Angst und innerm Grauen
+Wagt ins Angesicht zu schauen,
+Ungewiß, ob es sein Kind,
+Ob's ein höllisch Nachtgesicht
+Das mit ihm zur Stunde spricht.
+Sieh, mein Sohn, so leben die,
+Die das Unglück hat gezeichnet!
+Und du willst den mut'gen Sinn,
+Willst die rasche Lebenslust
+Und den Frieden deiner Brust,
+Köstlich hohe Güter, werfen
+Rasch in unsers Hauses Brand?
+O mein Kind, du wirst nicht löschen,
+Wirst mit uns nur untergehn.
+Flieh, mein Sohn, weil es noch Zeit ist:
+Nur ein Tor baut seine Hütte
+Hin auf jenes Platzes Mitte,
+Den der Blitz getroffen hat.
+
+Jaromir.
+Möge was da will geschehn,
+Ich will Euch zur Seite stehn,
+Muß es, mit Euch untergehn!
+
+Graf.
+Nun wohlan, ist das dein Glaube,
+So komm her an meine Brust
+So, und dieser Vaterkuß
+Schließt dich ein in unsre Leiden,
+Schließt dich ein in unsre Freuden.
+Ja in unsre Freuden, Sohn,
+Ist kein Dorn doch also schneidend,
+Daß er nicht auch Rosen trägt.
+
+(Der Alte setzt sich, von Jaromir und Berta unterstützt, in den Stuhl.
+Die beiden stehen Hand in Hand vor ihm.)
+
+So, habt Dank, habt Dank, ihr Lieben!--
+Seh ich euch so vor mir stehen,
+Mit dem freudetrunknen Auge,
+Mit dem lebensmut'gen Blick,
+Will die Hoffnung neu sich regen,
+Und erloschne, dunkle Bilder
+Aus entschwundnen, schönern Tagen
+Dämmern auf in meiner Brust.
+Seid willkommen Duftgestalten,
+Froh und schmerzlich mir willkommen!
+
+(Er versinkt in Nachdenken.)
+
+Jaromir.
+Berta, sieh doch nur, dein Vater!
+
+Berta (mit ihm etwas zurücktretend).
+Laß ihn nur, er pflegt so öfter
+Und sieht ungern sich gestört.
+Aber, Lieber, sei vergnügt!
+Sieh, mein Vater weiß schon alles.
+
+Jaromir (rasch).
+Alles?
+
+Berta.
+Ja, und scheint's zu bill'gen!
+Heute nur--er war so gut,
+Ach so gut, so mild und sanft.
+Sanfter, gütiger als du,
+Der du kalt und trocken stehst,
+Während ich nicht Worte finde,
+Für mein Fühlen, für mein Glück.
+
+Jaromir.
+Glaube mir--
+
+Berta.
+Ei, glauben, glauben!
+Besser stünd' es dem zu schweigen,
+Der nicht weiß wie Liebe spricht:
+Kann der Blick nicht überzeugen,
+Überred't die Lippe nicht.
+Sieh, man hat mir wohl erzählet,
+Daß es leichte Menschen gebe,
+Deren Liebe nicht bloß brennt
+Auch verbrennt, und dann erlischt:
+Menschen, die die Liebe lieben,
+Aber nicht den Gegenstand;
+Schmetterlinge, bunte Gaukler,
+Die die keusche Rose küssen,
+Aber nicht weil sie die Rose,
+Weil sie eine Blume ist.
+Bist du auch so, Stummer, Böser?
+
+(Vom Nährahmen eine Schärpe nehmend.)
+
+Ich will dir die Flügel binden,
+Binden--binden Trotz'ger--binden
+Daß kein Gott sie lösen soll!
+
+Jaromir.
+Süßes Wesen!--
+
+(Sie bindet ihm die Schärpe um.)
+
+Graf (hinüberblickend).
+Wie sie glüht!
+Wie es sie hinüberzieht!
+Aller Widerstand genommen
+Und im Strudel fortgeschwommen.
+Nun Wohlan, es sei! Der Himmel
+Scheint mir selbst den Weg zu zeigen,
+Den ich wandeln soll und muß.
+Stemmt gleich manches sich entgegen,
+Glimmt gleich in der tiefsten Brust
+Noch verborgen mancher Funke
+Von der einst so mächt'gen Glut.
+Töricht Treiben! Eitles Trachten!
+Der Palast ist eingesunken,
+Kaum noch geben seine Trümmer
+Eine Hütte für mein Kind.
+Wohl es sei! Ach wie so schwer
+Lösen sich die Hoffnungen,
+In der Jugend Lenz empfangen,
+Holde Zeichen, eingegraben
+In des Bäumchens frische Rinde,
+Aus des Alters morscher Brust.
+Als sie mir geboren ward
+Und vor mir lag in der Wiege
+Freundlich lächelnd, schön und hold,
+Wie durchlief ich im Gedanken
+Die Geschlechter unsers Landes,
+Sorgsam wählend, kindisch suchend
+Nach dem künftigen Gemahl.
+Fand den Höchsten noch zu niedrig,
+Kaum den Besten gut genug:
+Damit ist's nun wohl vorbei!
+Ach, ich fühl es wohl, wir scheiden
+Kaum so schwer von wahren Freuden,
+Als von einem schönen Traum!
+
+Berta (an der Schärpe musternd).
+Halt mir still, du Ungeduld'ger!
+
+Graf.
+Und ziemt mir so ekles Wählen?
+Wenn es wahr was er gesprochen,
+Was im Nebel der Erinnrung
+Aus der fernen Jugendzeit
+Unbestimmt, in sich verfließend
+Meine Stirn vorüberschwebt;
+Wenn sie wahr die alte Sage,
+Daß der Name, den ich trage,
+Der mein Stolz war und mein Schmuck,
+Nur durch tief geheime Sünden--
+Fort Gedanke!--Ha, und doch, und doch!
+
+Berta (ihr Werk betrachtend).
+So nun steht es schön und gut.
+Aber nun sei mir auch freundlich,
+Daß mich nicht die Arbeit reue!
+
+Graf.
+Jaromir!
+
+Jaromir (aufgeschreckt).
+Was!--Ihr Herr Graf!
+
+Graf.
+Noch bist du uns Kunde schuldig
+Von den Deinen, deiner Abkunft.
+Jaromir von Eschen heißt du,
+Fern am Rhein wardst du geboren,
+Dienste suchst du hier im Heer,
+So erzählte mir mein Mädchen,
+Aber weiter weiß ich nichts.
+
+Jaromir.
+Ist doch weiter auch nichts übrig.
+Mächtig waren meine Ahnen,
+Reich und mächtig. Arm bin ich.
+Arm, so arm, daß wenn dies Herz,
+Ein entschloßner kräft'ger Sinn
+Und ein schwergeprüfter, doch vielleicht
+Grade darum festrer Wille
+Nicht für etwas gelten können,
+Ich nichts habe und nichts bin.
+
+Graf.
+Du sagst viel mit wenig Worten.
+Also recht! Du bist mein Mann!
+Sieh, mein Sohn, ich bin ein Greis.
+Die Natur winkt mir zu Grabe,
+Und ein dunkel, dumpf Gefühl
+Nennt mir nah des Lebens Ziel.
+Nie hab ich dem Tod gezittert,
+Und auch jetzt schreckt er mich nicht.
+Doch dies Mädchen, sie mein Kind.
+Könntest du in meinen Tränen,
+Hier in meinem Herzen lesen
+Was sie alles mir gewesen,
+Du verstündest meinen Schmerz.
+Daß ich sie allein muß lassen
+In der unbekannten Welt,
+Macht dem Tode mich erblassen,
+Das ist's was so tief mich quält.
+Sohn, auf dich ist ihrer Neigung
+Schlaferwachtes Aug' gefallen;
+Du weißt ihren Wert zu schätzen,
+Weißt zu schützen was dir wert;
+Du gabst einmal schon dein Leben
+Und wirst's freudig wieder geben,
+Wenn das Schicksal winkt, für sie.
+Dir vertrau ich dieses Kleinod,
+Sohn du liebst sie?
+
+Jaromir.
+Wie mein Leben!
+
+Graf.
+Und du ihn?
+
+Berta.
+Mehr als mich selbst.
+
+Graf.
+Mög' denn Gottes Finger walten!
+Nimm sie hin, die du erhalten!
+
+(Schläge ans Haustor.)
+
+Graf.
+Was ist das?--Wer naht so spät
+Noch sich dieses Schlosses Toren!
+
+Berta.
+Gott, wenn etwa--
+
+Graf.
+Sei nicht kindisch.
+Glaubst du wohl, verdächtig Volk
+Wage sich an feste Schlösser,
+Wohlverwahrt und wohlbemannt.
+
+Günther (kömmt).
+Herr, ein königlicher Hauptmann
+An der Spitze seines Haufens
+Bittet Einlaß an der Pforte.
+
+Graf.
+Wie? Soldaten?
+
+Günther.
+Ja, Herr Graf.
+
+Graf.
+Weiß ich gleich nicht was sie suchen,
+Öffne ihnen schnell die Pforten,
+Stets willkommen sind sie mir.
+
+(Günther geht.)
+
+Graf.
+Was führt den hierher zu uns?
+Und in dieser Stunde? Gleichviel.
+Wird doch seine Gegenwart
+Wohl die Stunden uns beflügeln
+Dieser peinlich langen Nacht.
+
+Berta.
+Jaromir, geh doch zu Bette.
+O du bist noch gar nicht wohl!
+Sieh, ich fühl's an diesem Zucken,
+An dem Stürmen deiner Pulse,
+Daß du krank, bedenklich krank!
+
+Jaromir.
+Krank? ich krank? Was fällt dir ein!
+Stürmen gleich die raschen Pulse,
+Grad im Sturme ist mir wohl!
+
+(Günther öffnet die Türe. Der Hauptmann tritt ein.)
+
+Hauptmann.
+Ihr verzeihet, mein Herr Graf,
+Daß ich noch in später Nacht
+Eures Hauses Ruhe störe.
+
+Graf.
+Wer des Königs Farben trägt
+Dem ist stets mein Haus geöffnet;
+Euch, mein Herr, auch ohne sie.
+
+Hauptmann.
+Hier grüß ich wohl Eure Tochter?
+
+Graf.
+Ja, es ist mein einzig Kind.
+
+Hauptmann.
+Wie soll ich mich hier entschuld'gen?
+Doch bringt meine Ankunft Schrecken,
+Soll sie Schrecken auch zerstreun.
+Jene mächt'ge Räuberbande,
+Die die Geißel dieser Gegend--
+
+Graf.
+Ja, fürwahr, 'ne schwere Geißel!
+Dieses Mädchen, meine Tochter,
+Daß sie lebt noch, daß sie ist,
+Dankt sie nur dem kühnen Mute
+Ihres wackern Bräutigams
+Jaromir von Eschen hier.
+Ja er selbst, noch diese Nacht
+Ward im Forst er überfallen,
+Seine Diener ihm erschlagen,
+Kaum entging er gleichem Los.
+
+Hauptmann.
+Diese Nacht?
+
+Jaromir.
+Ja, diese Nacht.
+
+Hauptmann.
+Und wann--
+
+Jaromir.
+Vor drei Stunden etwa!
+
+Hauptmann (ihn ins Auge fassend, dann zum Grafen).
+Euer Eidam?
+
+Graf.
+Ja, mein Herr.
+
+Hauptmann.
+Reistet Ihr ein Stündchen später
+War euch jene Angst erspart.
+
+(Zu den übrigen.)
+
+Fürder mögt Ihr ruhig sein
+Und nichts Arges mehr befahren,
+Denn die Euer Schrecken waren,
+Jene Räuber, sind nicht mehr!
+Lange schon auf ihren Fersen,
+Überfielen wir sie heute.
+Nach beherztem, blut'gem Streite
+Trat der Sieg auf unsre Seite
+Und die Mörderschar erlag.
+Teils getötet, teils gefangen,
+Retteten sich wen'ge nur;
+Wir verfolgen ihre Spur.
+
+Graf.
+Nun habt Dank, ihr wackern Krieger,
+Habt den wärmsten, besten Dank!
+
+Hauptmann.
+Jetzt noch nicht, bis es vollendet.
+Ist der Stamm gleich schon gefallen,
+Haften doch noch manche Wurzeln;
+Und ich hab mir's selbst geschworen,
+Als man mich zur Tat erkoren,
+Auszurotten diese Brut.
+Bauern haben ausgesagt,
+Daß hier in des Schlosses Nähe,
+In des nahen Weihers Schilf,
+Den verfallnen Außenwerken
+Sich verdächtig Volk gezeigt.
+Drum erlaubt, mein edler Graf,
+Daß ich hier aus Euerm Schlosse,
+Meiner Späher Suchen leite,
+Stets bereit nach jeder Seite
+Wo es Not tut abzugehn.
+Bald, so hoff ich, ist's vorüber.
+Ringsum stehen meine Posten;
+Wenn sich auch in Busch und Feld
+Einer noch verborgen hält
+Sollen sie ihn tüchtig fassen,
+Ihm ist nur die Wahl gelassen
+Zwischen Ketten, zwischen Tod.
+
+Graf.
+Dieses Schloß ist nicht mehr mein.
+Bis Ihr Euer Werk vollendet,
+Ist es Euer, ist des Königs.
+O wie lieb ich diesen Eifer,
+Der das Rechte schnell ergreift
+Und fest hält, was er ergriffen.
+
+Hauptmann.
+Nicht mehr Lob, als ich verdiene.
+Führ ich hier des Rechtes Sache
+Führ ich meine auch zugleich.
+Hat doch dieses Räubervolk
+Mir mein Stammschloß überfallen,
+Und geraubt, gebrannt, gemordet,
+Daß noch jetzt bei der Erinnrung
+Mir das Herz im Busen bebt.
+O mich drängt es, zu bezahlen
+Was ich schwer nur schuldig bin.
+Ich will schonen, grimmig schonen!
+Nicht der Tod in Kampf und Schlacht
+Werde dieser Brut zu Teile,
+Nein, dem Rad, dem Henkerbeile
+Sei ihr schuldig Haupt gebracht.
+
+Berta.
+Nicht doch! Wollt Ihr Menschen richten,
+Geht als Mensch ans blut'ge Werk!
+
+Hauptmann.
+Hättet Ihr gesehn, mein Fräulein,
+Was ich sah, mit Schauder sah,
+Ihr verschlösset Euer Herz,
+Wieset das geschäft'ge Mitleid
+Gleich 'nem unverschämten Bettler
+Von der streng geschloßnen Tür.
+Jene rauchenden Ruinen,
+Von der Flamme Glut beschienen,
+Greise zagend,
+Weiber klagend,
+Kinder weinend
+An erschlagner Mütter Brüsten
+Durch die leergebrannten Wüsten.
+Und dazu nun der Gedanke,
+Daß die Geldgier, daß die Habsucht
+Wen'ger feiger Bösewichter--
+
+Jaromir (vortretend und ihn hart anfassend).
+Wollt Ihr dieses holde Wesen,
+Ihrer Seele schönen Spiegel,
+Der auf seiner klaren Fläche
+Rein die Schöpfung stellet dar,
+Weil er selber rein und klar,
+Mit der Rachsucht gift'gem Hauch,
+Mit des Hasses Atem trüben!
+Laßt sie süßes Mitleid üben,
+Und in dem Gefallnen auch
+Den gefallnen Bruder lieben.
+O es läßt der Binse wohl
+Der gebrochnen Eiche spotten!
+
+Hauptmann.
+Rasch ins Feuer, wenn sie brach.
+
+Jaromir.
+Eure Zunge richtet scharf;
+Doch was vorschnell sie gesündigt
+Macht der Arm wohl zögernd gut.
+
+Hauptmann.
+Ha, wie nehm ich diese Worte?
+
+Jaromir.
+Nehmt sie, Herr, wie ich sie gab.
+
+Hauptmann.
+Wär' es nicht an diesem Orte--
+
+Jaromir.
+Legtet Ihr den Trotz wohl ab!
+
+Hauptmann.
+Warm seh ich Euch Räubern dienen!
+
+Jaromir.
+Wer in Not ist, zähl' auf mich!
+
+Hauptmann.
+Nah der Beste unter ihnen--
+
+Hauptmann.
+Ruft ihn! Vielleicht stellt er sich!
+
+Graf.
+Jaromir, was muß ich hören!
+Führt der Eifer dich so weit.
+Magst du meinen Gast beleid'gen,
+Kannst du Menschen wohl verteid'gen,
+Welche selber sich verdammt.
+Doch was gilt's, trotz dieser Hitze
+Hab ich richtig dich erkannt,
+Braucht es wen'ge Worte nur
+Und dem Fehlgriff folgt die Reue,
+Ja du folgst uns selbst ins Freie
+Auf der Bösewichter Spur.
+
+Jaromir.
+Ich?
+
+Graf.
+Ja, du!
+
+Jaromir.
+Ich, nimmermehr!
+Wie? Ich sollte einen Armen,
+Einen Stiefsohn des Geschicks,
+Den die unnatürlich harte Mutter
+Stiefgesinnt hinausgetrieben,
+Fern von Wesen seiner Art
+Zu des Waldes Nachtrevieren
+Wo im Kreis von Raubgetieren
+Selber er zum Raubtier ward,
+Wie, ich sollt' ihm, wenn er naht,
+Alles bietend was er hat,
+Mit der Reue herben Zeichen,
+Statt der Hand, um die er bat,
+Meinen blut'gen Degen reichen?
+Wer tut das, und ist ein Mann?
+Einen Feind mir, der noch ficht,
+Doch zum Häscher taug ich nicht!
+
+Graf.
+Und wenn ich nun selber gehe,
+Und, des Königs Lehensmann,
+Diese Häscher führe an,
+Wirst du folgen?
+
+Jaromir.
+Ihr?
+
+Graf.
+Ja, ich.
+Ich mag Menschenleben schonen,
+Weiß zu schätzen Menschenwert:
+Doch laß uns nicht grausam sein
+Gegen unsre bessern Brüder
+Um den Schlimmen mild zu sein.
+Ob das Herz auch ängstlich bebe,
+Laß uns tun die strenge Pflicht,
+Und damit der Gute lebe
+Mit dem Mörder zum Gericht!
+
+Jaromir.
+Recht gesprochen! Recht gesprochen!
+Daß die Kindlein ruhig schlafen,
+Mit den Hunden vor die Tür!
+Mir ein Schwert! Ich will hinaus,
+Will hinaus auf Menschenleben!
+Ei, sie werden tüchtig fechten!
+Ist das Leben doch so schön,
+Aller Güter erstes, höchstes,
+Und wer alles setzt daran,
+Wahrlich, der hat recht getan!
+Waffen, Waffen! Gebt mir Waffen!
+Fort, hinaus! auf Menschenleben!
+Laßt die Treiber fertig sein,
+Und dann wacker losgejagt,
+Bis der späte Morgen tagt!
+Waffen! Waffen! Heda Waffen!
+
+Berta.
+Sagt' ich Euch es nicht, mein Vater?
+Er ist krank, gefährlich krank.
+
+Jaromir.
+Ist's doch nur gerechte Strafe!
+Seht doch! Konnten sie es wagen
+Die Verruchten, rückzuschlagen,
+Da auf sie das Schicksal schlug!
+Menschen, Menschen!--Toller Wahn!
+Außer uns wer geht uns an?
+Fort hinaus aus unserm Kahn,
+Der nur uns und Unsre faßt,
+Fort hinaus unnütze Last!
+Wenn empor ein Schwimmer taucht,
+Schnell das Ruder wohl gebraucht.
+Weg vom Rande deine Hände,
+Daß sich unser Kahn nicht wende,
+In dem Wellenstrudel ende!
+
+Graf.
+Jaromir, was ficht dich an?
+
+Jaromir.
+Ach verzeiht! Kaum weiß ich's selber!
+Es ward mir die Jagdlust rege
+Bei der fröhlichen Erzählung
+Wie die Netze sei'n gestellt
+Und nun bald das Wild gefällt.
+
+Graf (zum Hauptmann).
+Ihr verzeihet wohl, mein Herr,
+Seht, der Unfall dieser Nacht,
+Und dann noch so manches andre,
+Hat sein Wesen so zerrüttet,
+Daß er kaum er selber noch.
+
+Hauptmann.
+So bewegt, in dieser Stimmung
+Ist nicht von Beleidigung,
+Von Verzeihen nicht die Rede.
+Pflegt der Ruhe, Herr von Eschen.
+Unser widriges Geschäft,
+Hat's gleich seine gute Seite,
+Taugt für kein bewegt Gemüt.
+
+Berta.
+Wohl, mein Lieber, folge mir.
+
+Jaromir.
+Nicht doch! Laß mich! Laß mich! Sieh,
+Mir ist wohl, wahrhaftig wohl.
+
+Hauptmann.
+Uns geziemt es vorzuschlagen,
+Anzunehmen steht bei Euch,
+Und so nehm ich denn jetzt Urlaub
+Zu vollenden mein Geschäft.
+
+Graf.
+Doch Herr, kennt Ihr auch die Räuber?
+Daß Ihr arglos stille Wandrer
+Nicht belästigt ohne Not.
+
+Hauptmann.
+Kennen? Ich nicht. Denn im Dunkeln
+Überfielen wir sie heute,
+Und in Kampfes blut'gem Ringen
+Sieht man auf der Feinde Klingen
+Mehr als auf ihr Angesicht:
+Doch im Vorgemache draußen
+Harret einer meiner Leute,
+Der, von seinem Trupp getrennt,
+Einst in ihre Hand geraten,
+Der oft Zeuge ihrer Taten,
+Und die Räuber alle kennt.
+Heda! Holla!
+
+(Soldat kommt.)
+
+Hauptmann.
+Walter komme!
+
+(Soldat ab.)
+
+Graf.
+Zwinge dich doch länger nicht,
+Jaromir, und geh zu Bette.
+Leichenblaß ist dein Gesicht
+Und aus deinem düstern Auge
+Blickt des Fiebers dumpfe Glut.
+Geh zu Bette, lieber Sohn!
+
+(Auf die Seitentüre rechts zeigend.)
+
+Hier in diesem stillen Zimmer
+Soll nichts deine Ruhe stören.
+
+Berta.
+Jaromir, laß dich erbitten.
+
+Jaromir.
+Wohl, ihr wünscht es, und es sei!
+Fast fühl ich mich selber unpaß.
+
+(Das Schnupftuch an die Stirne pressend.)
+(Walter kömmt.)
+
+Hauptmann.
+Komm! Wir machen jetzt die Runde,
+Und du folgst mir!
+
+Walter.
+Wohl Herr Hauptmann.
+
+Hauptmann.
+Ist dir dein Gedächtnis treu;
+Wirst du jeden dieser Räuber
+Wieder kennen, der sich zeigt?
+
+Walter.
+Sicher werd ich, sorget nicht!
+
+Berta (Jaromir führend).
+Wie du wankst! Sieh, hier hinein!
+
+(Jaromir geht durch die Seitentüre rechts ab.)
+
+Graf.
+So, und jetzt geht denn mit Gott!
+
+Hauptmann.
+Eins ist vorher noch zu tun,
+Meines Auftrags leichtste Hälfte,
+Die mir hier zur schwersten wird.
+Aber sei's, ich muß.--Gar manches
+Scheint dem Menschen überflüssig
+Und ist's dem Soldaten nicht.
+Mein Herr Graf, Ihr mögt erlauben,
+Daß ich Eures Schlosses Innres
+Noch vor allem erst durchforsche.
+
+Graf.
+Dieses? Meines Schlosses, Herr?
+
+Hauptmann.
+Streng gemessen ist mein Auftrag,
+Jede Wohnung zu durchsuchen,
+Wem sie sei, wem sie gehöre,
+Nach der flücht'gen Räuber Spur.
+Mag ich ungestüm erscheinen,
+Ich erfülle meine Pflicht.
+Und zudem, Ihr mögt verzeihen,
+Wer bürgt Euch für Eure Leute?
+
+Graf.
+Und wer Euch, denkt Ihr, für mich!
+
+Hauptmann.
+Hätt' ich wirklich Euch beleidigt,
+So bedenkt--
+
+Graf.
+O laßt das! laßt das!
+Wird es mir denn nimmer klar
+Welcher weite Abgrund scheidet
+Das was ist von dem was war.
+Muß es mich denn immer mahnen!
+Ich gedachte meiner Ahnen,
+Deren Wort hier, weit und breit
+Mehr galt, als der höchste Eid,
+Unter denen der Verdacht
+Und des Argwohns finstre Macht,
+Schamrot sich geweigert hätten
+Diese Hallen zu betreten.
+Doch ich bin der Letzte und ein Greis!
+Nun so glaubt denn Euren Augen!
+
+(Die Türen nach der Reihe öffnend.)
+
+Kommt und seht!--Hier dies mein Zimmer
+Meiner Tochter Schlafgemach
+
+(An der Türe von Jaromirs Gemach.)
+
+Hier--
+
+Berta.
+O gönnt ihm Ruhe, Vater!
+
+Graf.
+Nun, Ihr saht ja erst vor kurzem
+Meinen Eidam es betreten.
+
+Hauptmann.
+Ihr verlangt mich zu beschämen.
+
+Graf.
+Nur zu überzeugen, Herr!
+Und nun kommt!
+
+Hauptmann.
+Wohin?
+
+Graf.
+Ins Freie
+Mit Euch auf der Räuber Spur.
+
+Hauptmann.
+Wie, Ihr wolltet?
+
+Graf.
+Was ich muß.
+Bin ich nicht Vasall des Königs?
+Und ich kenne meine Pflicht
+Minder nicht als Ihr die Eure.
+Drum ohn' eine zweite Mahnung
+Laßt uns gehen--
+
+Berta.
+O mein Vater!
+So bedenkt doch!
+
+Graf.
+Still, mein Kind!
+Hier hör ich nur eine Stimme
+Und die hat bereits gesprochen.--
+Kommt mein Herr, und sagt dem König,
+Daß ich Graf von Borotin
+Kein Genoß von Räubern bin,
+Sagt, daß in des Löwen Höhle,
+Statt des kräftigen, gesunden
+Einen welken Ihr gefunden,
+Der gebeugt und hilflos zwar (aufgerichtet)
+Aber doch noch Löwe war.
+
+(Ab mit dem Hauptmann.)
+
+Berta. Ach er geht, er hört nicht, geht!
+Läßt mich hier allein zurück,
+Der Verzweiflung preisgegeben
+Und der Sorge Natterzahn.
+
+Soll ich für den Vater beben,
+Fürchten was dem Trauten droht?
+Hab doch nur dies eine Leben
+Warum zweifach mir den Tod!
+(An der Türe von Jaromirs Gemach)
+Jaromir! Mein Jaromir!
+Keine Antwort, alles stille,
+Alles schweigend wie das Grab.
+
+Wie bezähm ich diese Angst,
+Wie bezähm ich dieses Bangen,
+Das mir schwül wie Wetterwolken
+Auf der schweren Brust sich lagert.
+
+O ich seh es in der Ferne,
+Es verhüllen sich die Sterne,
+Es erlischt des Tages Licht,
+Der erzürnte Donner spricht,
+Und mit schwarzen Eulenschwingen
+Fühl ich es gehaltnen Flugs
+Sich um meine Schläfe schlingen.
+O ich kenn dich finstre Macht,
+Ahne was du mir gebracht,
+Muß ich's vor die Seele führen!
+O es heißt, es heißt verlieren,
+Und des Unheils ganzes Reich
+Kennt kein Schrecken deinem gleich
+Weh! Besitzen und verlieren!
+Besitzen und verlieren!--
+
+Wohin seid ihr goldne Tage?
+Wohin bist du, Feenland?
+Wo ich ohne Wunsch und Klage,
+Mit mir selber unbekannt,
+Lebte an der Unschuld Hand.
+
+Wo ein Hänfling meine Liebe,
+Eine Blume meine Lust,
+Und der schmerzlichste der Triebe
+Noch ein Fremdling dieser Brust.
+
+War der Himmel auch umzogen,
+Heiter strahlte doch mein Sinn
+Und auf spiegelhellen Wogen
+Taumelte das Leben hin.
+
+Spielend in dem Strahl der Sonne,
+Lockte mich des Bechers Rand,
+Und ich trank der Liebe Wonne
+Und ihr Gift aus seiner Hand.
+
+Seit sein Arm mich hat umwunden,
+Seit ich fühlte seinen Kuß,
+Ist das Feenland verschwunden
+Und auf Dornen tritt mein Fuß;
+
+Dornen, die zwar Rosen schmücken,
+Aber Dornen, Dornen doch,
+In dem glühendsten Entzücken
+Fühl ich ihren Stachel noch.
+
+Sehnend wünsch ich seine Nähe,
+Und er kommt. Wie jauchzt die Braut!
+Doch wie ich ins Aug' ihm sehe,
+Werden innre Stimmen laut,
+
+Tief im Busen scheint's zu sprechen
+Wenn mein Blick in seinem ruht,
+Deine Liebe ist Verbrechen,
+Gottverhaßt ist diese Glut.
+
+Jenes dumpfe, trübe Brüten,
+Seines Auges starrer Blick,
+Scheint Entfernung zu gebieten
+Und ich bebe bang zurück.
+
+Doch will ich mich ihm entziehen,
+Trifft sein Blick mich weich und warm,
+Mit dem Willen zu entfliehen,
+Flieh ich nur in seinen Arm,
+
+Und wie der Charybde Tosen,
+Erst von sich stößt Schiff und Mann,
+Dann verschlingt die Rettungslosen,
+Stößt er ab und zieht er an.
+
+Wer mag mir das Rätsel lösen?
+Ist es gut; warum so bang?
+Ach und führet es zum Bösen;
+Woher dieser Himmelsdrang?
+
+(Mit ausgebreiteten Armen.)
+
+Kann mein Flehen dich erreichen,
+Unerklärbar hohe Macht,
+Die ob diesem Hause wacht,
+So gib gnädig mir ein Zeichen,
+Einen Leitstern in der Nacht!
+
+Ist es Tod--(Es fällt ein Schuß.)
+Ha!--Was war das?--Ein Schuß!
+Deut ich es das grause Zeichen?
+Ward mein frevler Wunsch erhört?--
+Weh mir!--Weh!--Ich bin allein!--
+Ha, allein?--Was streifte da
+Kalt und wehend mir vorüber!--
+Bist du's geist'ge Sünderin?--
+Ha, ich fühle deine Nähe,
+Ha, ich höre deinen Tritt!
+(An der Türe von Jaromirs Gemach.)
+Jaromir, wach auf, wach auf!
+Schütze deine Berta!--Jaromir!
+Nur ein Wort, nur einen Laut,
+Daß du wachst, daß du mich hörst,
+Daß ich nicht allein!--Bei dir!--
+Schweigst du?--Ha ich muß dich sehen,
+Dich umfangen, dich umschlingen,
+Sehen, fühlen daß du lebst.
+
+(Öffnet die Türe und stürzt hinein. Es fällt noch ein Schuß.
+Heraustaumelnd.)
+
+Haltet ein! O haltet ein!
+Alles leer!--das Fenster offen!
+Er ist fort!--ist tot! tot!--tot!
+
+Ende des zweiten Aufzuges
+
+
+
+
+Dritter Aufzug
+
+Halle wie in den vorigen Aufzügen.
+
+
+Berta (sitzt am Tische, den Kopf in die Hand gestützt).
+Liebe das sind deine Freuden,
+Das Besitz ist deine Lust?
+Wie sind dann der Trennung Leiden,
+Und wie martert der Verlust?
+
+(Sinkt in ihre vorige Stellung zurück.)
+(Pause--Jaromir öffnet die Seitentüre rechts, und will schnell zurück
+da er jemanden erblickt.)
+
+Berta.
+Jaromir!--Du weichst zurück?
+Weichst vor mir zurück?--O bleib!
+Wie hab ich um dich gezittert,
+O Geliebter, wie gebebt!
+Sprich, wie fühlst du dich?
+
+Jaromir (scheu und düster).
+Gut! Gut!
+
+Berta.
+Gut? O daß ich's glauben könnte!
+Jaromir, wie siehst du bleich!
+Gott! Am Arm die Binde--
+
+Jaromir.
+Binde?
+
+Berta.
+Hier!
+
+Jaromir.
+Ei Scherz!
+
+Berta.
+Ein blut'ger Scherz!
+Sieh das Blut hier an dem Ärmel.
+
+Jaromir.
+Hat's geblutet? Possen, Possen!
+
+Berta.
+Reiß mich doch aus dieser Angst!
+Wo wardst du, und wie verwundet?
+
+(Ihre Augen begegnen den seinigen, er wendet sich schnell ab.)
+
+Berta.
+Du erbebst? du kehrst dich ab?
+
+Jaromir (einige Schritte sich entfernend).
+Nein ich kann nicht, kann nicht, kann nicht!
+Seh ich diese reinen Züge,
+Senkt zu Boden sich mein Blick
+Und der finstre Geist der Lüge
+Kehrt zur finstern Brust zurück.
+Hölle! eh' du das begehrst,
+Laß zuvor dies Herz sich wandeln,
+Und soll ich als Teufel handeln,
+Mache mich zum Teufel erst!
+
+Berta.
+Jaromir, ich laß dich nicht!
+Steh mir Rede, gib mir Antwort!
+Wo wardst du und wie verwundet?
+
+Jaromir (mit gesenktem Aug').
+Schlafend ritzt' ich mich am Arme.
+
+Berta.
+Schlafend? Du hast nicht geschlafen!
+Sieh, ich war in deiner Kammer,
+Du warst fort, das Fenster offen!
+
+Jaromir (erschreckend).
+Ha!
+
+Berta.
+Geliebter, laß mich's wissen!
+O du weißt nicht, welche Bilder
+Schwarz vor meine Seele treten.
+Heiß sie weichen! Heiß sie fliehn!
+Wo wardst du, und wie verwundet?
+
+Jaromir (mit Bedeutung).
+Du begehrst's, so sei es denn! (Mit Absätzen.)
+Angelangt in meiner Kammer
+Hört' ich schießen, klirren, schreien--
+Deinen Vater wußt' ich unten--
+Wollte helfen--schützen--retten--
+Weiß kaum selbst mehr was ich wollte. (Gefaßter.)
+Wie ich nun so sinnend stehe,
+Da gewahr ich einer Linde,
+Die die frostentlaubten Aste
+Bis zu jenem Fenster streckt.
+Ich ergriff die starken Zweige,
+Die sie hilfreich bot, und steige,
+Unbesonnen, unbedacht
+Rasch hinunter in die Nacht.
+Hundert Schritte kaum gegangen--
+Fällt ein Schuß--Ob Freund ob Feind--
+Weiß ich nicht--genug--er traf.
+Da erwacht' ich zur Besinnung,
+Sah mit Schreck was ich gewagt.
+Weiter gehen schien gefährlich,
+Drum eilt' ich zurück zur Linde,
+Die herab mir half, und finde
+Auch den Rückweg so zurück.
+
+Berta.
+Und bei allen dem befiel dich
+Auch nicht ein, nicht ein Gedanke
+Nur an mich, an meinen Schmerz.
+Einem Einfall hingegeben,
+Wagtest lieblos du dies Leben
+Das zugleich das meine ist.
+O du fühlst nicht so wie ich!
+Wenn dich gleiche Sehnsucht triebe,
+Wüßtest du wohl, daß die Liebe
+Auch das eigne Leben ehrt,
+Weil's dem Teuern angehört.
+
+Jaromir (an seinem verwundeten Arm zerrend).
+Tobe, tobe, heißer Schmerz,
+Übertäube dieses Herz!
+
+Berta.
+Warum zerrst du so am Arme?
+Deine Wunde--
+
+Jaromir.
+Ist verbunden!
+
+Berta.
+Rauh die Schärpe umgewunden!
+Harter, fühle meine Schmerzen,
+Wenn du deine auch nicht fühlst.
+
+Hier ist Balsam--hier ist Linnen--
+Mir den Arm! Ich will ihn heilen.
+Reich mir ihn; ich will versuchen,
+Ob es mir vielleicht gelingt,
+Einen jener lieben Blicke,
+Ein Geschenk in schönern Tagen,
+Jetzt als Lohn davonzutragen.
+Jaromir, ich will's versuchen,
+Ob die Hand hier mehr erreicht,
+Als dies Herz voll heißer Triebe,
+Ach und ob dein Dank vielleicht
+Reicher ist, als deine Liebe, (Die Schärpe ablösend.)
+Sieh doch nur, die schöne Schärpe,
+Die ich mühevoll gestickt,
+Und auf die, statt reicher Perlen,
+Manche Träne frommer Liebe,
+Dir einst teurer Schmuck, gefallen,
+Sieh, wie ist sie doch zerrissen.
+Ach zerrissen, wie mein Herz!
+
+(Sie verbindet ihn. Die Schärpe fällt vor ihr auf den Boden hin.)
+
+Berta.
+Immer stumm noch, immer düster!
+Ach du bist so sonderbar.
+Im Gesichte wechselt Glut
+Mit des Todes fahler Farbe,
+Gichtrisch zuckt der bleiche Mund
+Und dein Aug' sucht scheu den Grund.
+Gott, du schreckst mich!
+
+Jaromir (wild).
+Schreck ich dich?
+
+Berta.
+Güt'ger Himmel, was war das?
+
+Jaromir.
+Horch!--Im Vorsaal--Hörst du? Tritte!
+Fort!
+
+Berta.
+Bleib doch!
+
+Jaromir.
+Nein, nein, nein!
+Horch, man kömmt!--Schnell fort! fort! fort!
+
+(Eilt ins Gemach zurück.)
+
+Berta.
+Ist er's noch? Ist's noch derselbe?
+Wie er bebte, und erblich,
+Wie sein Aug' zu Boden sank!
+Himmel! Wie er's auch verhehle,
+Schwer ist noch sein Körper krank,
+Oder--schwerer seine Seele.
+
+Ein Soldat (kömmt, ein abgerissenes Stück von einer Schärpe in der
+Hand).
+Ihr verzeiht! Ist hier mein Hauptmann?
+
+Berta.
+Nein, mein Freund.
+
+Soldat.
+Wo mag der sein?
+Erst war er bei unsern Posten,
+Und jetzt nirgends aufzufinden.
+Glaubt' ihn schon zurückgekehrt
+Um der Ruhe hier zu pflegen.
+
+Berta.
+Und mein Vater?--
+
+Soldat.
+Ist bei ihm!
+Habt nicht Angst, mein holdes Fräulein.
+An den Räubern ist's zu zittern,
+Denn wir sind auf ihrer Spur.
+Zielte Kurt ein bißchen schärfer,
+Oder hatt' ich beßres Glück,
+War der Räuberhauptmann unser.
+Ja der Hauptmann! Staunt nur Fräulein.
+Ei, ich war ihm nah genug
+Um ihn wieder zu erkennen!
+Wie er da so um die Mauern
+Und durch die Gebüsche kroch,
+Da schoß Kurt nach ihm, und brav,
+Denn, bei meiner Treu, es traf,
+Hier, am Arme.
+
+Berta.
+Gott!--Am Arme?
+
+Soldat.
+Ja, am Arm, 's floß Blut darnach.
+Taumelnd wankt' er hart und schwer,
+Und es wollt' uns fast bedünken,
+Jetzt müss' er zu Boden sinken.
+Wie ich ihn so wanken sehe,
+Ich hervor, und auf ihn hin.
+Hart faßt' ich ihn an am Gürtel
+Und am Hals mit starker Hand,
+Trotz dem Sträuben, trotz dem Ringen,
+Meint' es müsse mir gelingen:
+Doch bald war er aufgerafft,
+Packte mich mit Riesenkraft,
+Wie ich mich verzweifelt wehrte,
+Mußt' ich dennoch auf die Erde
+Und der Höllensohn verschwand.
+Ob wir rasch gleich nach ihm setzen,
+All umsonst, und dieser Fetzen,
+Blieb statt ihm in meiner Hand.
+
+(Das Stück der Schärpe hinhaltend.)
+
+Berta (es erkennend).
+Ha!
+
+(Sie läßt ihr Schnupftuch auf die Erde fallen, so daß es die am Boden
+liegende Schärpe bedeckt, und steht zitternd.)
+
+Soldat.
+Ei ja mein schönes Fräulein.
+Glaubt, fürwahr es ist kein Scherz
+Dem da in den Weg zu treten.
+Ich war lang in seinen Klauen,
+Und noch jetzt denk ich mit Grauen,
+Mit Entsetzen jener Zeit.
+Wenn er so nach seiner Weise
+Stand in der Gefährten Kreise,
+Mit dem dunkel glühnden Blick,
+Wie da nicht ein Laut entschwebte,
+Und der Mutigste selbst bebte,
+Und der Ungestümste schwieg.
+Bis er mächtig dann begann:
+Frisch Genossen, drauf und dran!
+Jeder zu den Waffen eilte,
+Und der wilde Haufen heulte,
+Daß es bis gen Himmel drang
+Und die Gegend rings erklang.
+Und dann fort der ganze Troß,
+Er vorauf auf schwarzem Roß,
+Wie des Teufels Kampfgenoß,
+Heiß von Wut und Rachgier glühend,
+Blitze aus den Augen sprühend.
+Wo der Haufe sich ließ sehen
+War's um Menschenglück geschehen;
+Nichts verschonte ihre Wut,
+Alles nieder! Menschenblut
+Rauchte auf der öden Stätte
+Mit den Trümmern um die Wette.
+Schaudert ihr? Es ist darnach.
+Doch gekommen ist der Tag,
+Wo auch ihnen wird ihr Lohn
+Und der Henker wartet schon.
+
+Berta.
+Weh!
+
+Soldat (den Fetzen auf den Tisch werfend).
+Da lieg unnützes Stück.
+Will noch mal hinaus zum Tanz,
+Und was gilt's, ich bring ihn ganz!
+Gott befohlen, schönes Fräulein! (Ab.)
+
+Berta.
+Weh mir weh!--Es ist geschehn!
+
+(In den Sessel stürzend, und die Hände vors Gesicht schlagend.)
+
+Jaromir (die Türe öffnend).
+Ist er fort?--Was fehlt dir Berta?
+
+Berta (deutet mit abgewandten Blicken auf das am Boden liegende
+Schnupftuch hin).
+
+Jaromir (es aufhebend).
+Meine Schärpe!
+
+Berta (hält ihm das abgerissene Stück vor, mit bebender Stimme).
+Räuber!
+
+Jaromir (zurücktaumelnd).
+Ha!
+Nun wohlan, es ist geschehn!
+Wohl, der Blitzstrahl hat geschlagen,
+Den die Wolke lang getragen,
+Und ich atme wieder frei.
+Fühl ich gleich es hat getroffen,
+Ist vernichtet gleich mein Hoffen,
+Doch ist's gut, daß es vorbei!
+Jene Binde mußte reißen
+Und verschwinden jener Schein;
+Soll ich zittern das zu heißen,
+Was ich nicht gebebt zu sein?
+Nun braucht's nicht mehr zu betrügen,
+Fahret wohl ihr feigen Lügen,
+Ihr wart niemals meine Wahl:
+Daß ich es im Innern wußte,
+Und es ihr verschweigen mußte,
+Das war meine gift'ge Qual.
+Wohl, der Blitzstrahl hat geschlagen,
+Das Gewitter ist vorbei;
+Frei kann ich nun wieder sagen
+Was ich auf der Brust getragen,
+Und ich atme wieder frei.--
+
+Ja ich bin's, du Unglücksel'ge,
+Ja ich bin's, den du genannt!
+Bin's den jene Häscher suchen,
+Bin's dem alle Lippen fluchen,
+Der in Landmanns Nachtgebet
+Hart an an dem Teufel steht;
+Den der Vater seinen Kindern
+Nennt als furchtbares Exempel,
+Leise warnend: Hütet euch,
+Nicht zu werden diesem gleich!
+Ja ich bin's, du Unglücksel'ge,
+Ja ich bin's, den du genannt!
+Bin's den jene Wälder kennen,
+Bin's den Mörder: Bruder nennen,
+Bin der Räuber Jaromir!
+
+Berta. Weh mir, wehe!
+
+Jaromir.
+Bebst du Mädchen?
+Armes Kind, schon bei dem Namen
+Faßt es dich mit Schauder an?
+Laß dich nicht so schnell betören,
+Was du schauderst anzuhören,
+Mädchen, das hab ich getan!
+Dieses Aug', des deinen Wonne,
+War des Wanderers Entsetzen;
+Diese Stimme, dir so lieblich,
+War des Räuberarms Gehilfin
+Und entmannte bis er traf;
+Diese Hand, die sich so schmeichelnd
+In die deinige getaucht,
+Hat von Menschenblut geraucht!
+
+Schüttle nicht dein süßes Haupt,
+Ja ich bin's, du Unglücksel'ge!
+Weil die Augen Wasser blinken,
+Weil die Arme kraftlos sinken,
+Weil die Stimme bebend bricht,
+Glaubst du, Kind, ich sei es nicht?
+Ach der Räuber hat auch Stunden,
+Wo sein Schicksal, ganz empfunden,
+Solche Tropfen ihm erpreßt.
+Berta, Berta, glaube mir,
+Dessen Augen jetzt in Weinen
+Fruchtlos suchen nach den deinen,
+Ist der Räuber Jaromir!
+
+Berta.
+Himmel! Fort!
+
+Jaromir.
+Ja du hast recht!
+Fast vergaß ich wer ich bin!
+Feige Tränen fahret hin!
+Darf ein Räuber menschlich fühlen?
+Darf sein heißes Auge kühlen
+Einer Träne köstlich Naß?
+Fort! Von Menschen ausgestoßen,
+Sei dir auch ihr Trost verschlossen,
+Dir Verzweiflung nur und Haß!
+Wie ich oft mit mir gestritten,
+Wie gerungen, wie gelitten,
+Darnach frägt kein Menschenrat.
+Vor des Blutgerichtes Schranken
+Richtet man nicht die Gedanken,
+Richtet man nur ob der Tat!
+
+Nun, so weiht mich eurem Grimme,
+Willig steig ich aufs Schafott,
+Doch zu dir ruft meine Stimme,
+Auf zu dir du heil'ger Gott!
+Du hörst gütig meine Klagen,
+Dir Gerechter will ich's sagen,
+Was mein wunder Busen hegt,
+Du, mein Gott, wirst gnädig richten,
+Und ein Herz nicht ganz vernichten,
+Das in Angst und Reue schlägt.
+
+Unter Räubern aufgewachsen,
+Groß gezogen unter Räubern,
+Früh schon Zeuge ihrer Taten,
+Unbekannt mit milderm Beispiel,
+Mit dem Vorrecht des Besitzes,
+Mit der Menschheit süßen Pflichten,
+Mit der Lehre Lebenshauch,
+Mit der Sitte heil'gem Brauch;
+Wirst du wohl den Räuberssohn,
+Wirst Gerechter ihn verdammen,
+Menschenähnlich, schroff und hart,
+Wenn er selbst ein Räuber ward!
+Ihn verdammen, wenn er übte,
+Was die taten, die er liebte,
+Und an seines Vaters Hand,
+Dem Verbrechen sich verband.
+Weißt du doch, wie beim Erwachen
+Aus der Kindheit langem Schlummer,
+Er mit Schrecken sich empfand,
+Seinem schwarzen Lose fluchte,
+Zweifelnd einen Ausweg suchte,
+Suchte, Himmel, und nicht fand.
+Weißt du doch, wie seit den Stunden,
+Als ich sie, ich sie gefunden,
+Die mich nun bei dir verklagt,
+Meinem wüsten Tun entsagt;
+Weißt du--Doch wozu die Worte!
+Wie mein Herz auch schwellend bricht,
+Bleibt versperrt des Mitleids Pforte,
+Du weißt alles, ew'ges Licht,
+Und die Harte hört mich nicht.
+Ab von mir bleibt sie gewendet.--
+Nun wohlan, so sei's vollendet!
+Ach, geendet ist's ja doch!
+Ob mein Blut die Erde rötet:
+Hat doch sie mich schon getötet,
+Henker, sprich! Was kannst du noch?
+
+(Geht rasch der Türe zu.)
+
+Berta (aufspringend).
+Jaromir!--Halt ein!
+
+Jaromir.
+Was hör ich?
+Das ist meiner Berta Blick!
+Ihre Stimme tönt mir wieder,
+Und auf goldenem Gefieder
+Kehrt das Leben mir zurück.
+
+(Auf sie zueilend.)
+
+Berta! Berta! Meine Berta!
+
+Berta.
+Laß mich!
+
+(Sie eilt fliehend gegen den Vorgrund. Jaromir erreicht sie und faßt
+ihre Hand, die sie nach einigem Widerstreben in seiner läßt. Sie
+steht mit abgewandtem Gesichte.)
+
+Jaromir.
+Nein, ich laß dich nicht!
+Ach soll denn der Unglücksel'ge,
+Kaum dem Schiffbruch nur entgangen,
+Dem die Kraft schon schwindend sinkt,
+Treibend auf der Wasserwüste,
+Denn umklammern nicht die Küste,
+Die ihm reich entgegenblinkt?
+Nimm mich auf, o nimm mich auf!
+Was aus meinem frühern Leben
+Noch mir hafte, noch mir bliebe,
+Alles, bis auf deine Liebe,
+Als unwürdig deinem Blick,
+Stoß ich's in die Flut zurück;
+Als ein neues, reines Wesen,
+Wie aus meines Schöpfers Hand,
+Lieg ich hier zu deinen Füßen
+Um zu lernen, um zu büßen.
+
+(Ihre Kniee umfassend.)
+
+Nimm mich auf! O nimm mich auf!
+Mild, wie eine Mutter, leite
+Mich, dein Kind, wie's dir gefällt,
+Daß mein Fuß nicht strauchelnd gleite
+In der neuen, fremden Welt.
+Lehr mich deine Wege treten,
+Glück gewinnen, Glück und Ruh',
+Lehr mich hoffen, lehr mich beten,
+Lehr mich heilig sein wie du!
+
+Berta, Berta, und noch immer,
+Und noch immer fällt kein Blick
+Auf den Flehenden zurück?
+Meine Berta, sei nicht strenger,
+Als der strenge Richter, Gott;
+Der mit seiner Sonne Strahlen
+In des Sünders letzten Qualen
+Noch vergoldet das Schafott.--
+Ha ich fühle--dieses Beben--
+Ja--du bist mir rückgegeben!
+
+(Die schwach sich Sträubende in seine Arme ziehend.)
+
+Berta! Mädchen! Gattin! Engel!
+
+(Aufspringend.)
+
+Stürze jetzt die Erde ein!
+Ist doch hier der Himmel mein!
+
+Berta.
+Jaromir, ach Jaromir!
+
+Jaromir.
+Fort jetzt Tränen, fort jetzt Klagen!
+Mag das Schicksal immer schlagen,
+Wenn dein Arm mich, Teure, hält,
+Trotz ich einer ganzen Welt.
+
+Meine Schuld ist ausgestrichen,
+Jubelnd bin ich mir's bewußt,
+Und Gefühle, längst verblichen,
+Blühen neu in dieser Brust.
+
+Wieder bin ich aufgenommen
+In der Menschheit heil'gem Rund,
+Und des Himmels Geister kommen
+Segnend den erneuten Bund.
+
+Unschuld mit dem Lilienstengel,
+Liebe mit der goldnen Frucht,
+Hoffnung, jener Friedensengel,
+Der sich jenseits Kronen sucht.
+
+Nun stürmt immer, wilde Wogen,
+Schwellt in himmelhohen Bogen,
+In des Hafens sichrer Hut
+Lach ich der ohnmächt'gen Wut.
+
+Und nun höre, meine Berta!
+Lange noch eh' ich dich kannte,
+Dacht ich schon auf künft'ge Flucht.
+Weit von hier, am fernen Rhein
+Ist ein Schloß, ein Gütchen mein,
+Gelder, Wechsel stehn bereit,
+Fertig wie mein Wink gebeut.
+Dorthin, wo mich niemand kennt,
+Wo man mich: von Eschen nennt,
+Nach dem stillen Gütchen hin,
+Dahin, Berta, laß uns fliehn.
+Dort fang ich auf neuer Bahn
+Auch ein neues Leben an,
+Und nach wenig kurzen Jahren,
+Dünkt uns was wir früher waren
+Wie ein altes Märchen, kaum
+Klarer als ein Morgentraum.
+
+Berta.
+Fliehen soll ich?
+
+Jaromir.
+Kann ich bleiben?
+Kann ich fliehen ohne dich?
+
+Berta.
+Und mein Vater?
+
+Jaromir.
+Weib, und ich?
+Wohl so bleib, auch ich will bleiben!
+Hier, hier sollen sie mich finden,
+Fassen, würgen, fesseln, binden,
+Hier vor deinem Angesicht.
+Wohl, so bleib du gute Tochter,
+Pflege deinen grauen Vater,
+Führ lustwandelnd ihn hinaus,
+Hin zu jener schwarzen Stätte,
+Wo auf sturmdurchwehtem Bette
+Im durch dich vergoßnen Blut
+Dein ermordet Liebchen ruht.
+Zeig ihm dann am Rabensteine
+Jene modernden Gebeine--
+
+Berta.
+Ach, halt ein!
+
+Jaromir.
+Du willst?
+
+Berta (halb ohnmächtig).
+Ich will!
+
+Jaromir.
+So hab Dank, hab Dank, mein Leben!
+Schnell jetzt fort, ich kann nicht weilen;
+Hier wird mich ihr Arm ereilen,
+Meine Spur ist schon entdeckt.
+Dieses Schloß wird man durchspüren,
+Sie durch die Gemächer führen
+Denn ihr Argwohn ist geweckt.
+Abwärts suchen jetzt die Späher,
+Dieses Schlosses Außenwerke,
+Seine halbverfallnen Gänge
+Sind dem Räuber längst bekannt.
+Dorthin will ich mich verbergen,
+Bis der Augenblick erscheint,
+Der auf ewig uns vereint.
+
+Wenn erschallt die zwölfte Stunde
+Und kein lebend Wesen wacht,
+Nah ich leise, leis im Bunde
+Mit der stillen Mitternacht.
+
+Im Gewölbe, wo in Reihen
+Deiner Väter Särge stehn,
+Führt ein Fenster nach dem Freien,
+Dort, mein Kind, sollst du mich sehn--
+
+Und schnell eil ich, wenn das Zeichen
+Von der lieben Hand erschallt,
+Schnell dahin, wo unter Leichen,
+Mir dies liebe Leben wallt.
+
+Dort an deiner Väter Särgen,
+Die Verdacht und Argwohn fliehn,
+Soll die Liebe sich verbergen,
+Und dann schnell ins Weite hin!
+
+Also kommst du?
+
+Berta (leise).
+Ja, ich komme!
+
+Jaromir.
+Also willst du?
+
+Berta.
+Ja, ich will!
+
+Jaromir.
+Jetzt leb wohl, denn ich muß fort;
+Daß sie uns nicht überraschen.
+Lebend soll man mich nicht haschen.
+Doch noch eins! Kind, schaff mir Waffen!
+
+Berta.
+Waffen? Waffen? Nimmermehr!
+Daß du von Gefahr gedrängt,
+Selber nach dem eignen Leben--
+
+Jaromir.
+Sei nur unbesorgt, mein Kind.
+Seit ich weiß wie du gesinnt,
+Seit ich deinen Schwur gehört,
+Hat mein Leben wieder Wert.
+Auch bedürft' es nicht der Waffen.
+Um mir Freiheit zu verschaffen,
+Wär' dies Fläschchen wohl genug.
+
+Berta.
+Fort dies Fläschchen!
+
+Jaromir.
+Kind, warum?
+
+Berta.
+Glaubst du denn, mir würde Ruh',
+Glaubst ich könnt' es bei dir wissen
+Ohne daß mein Herz zerrissen?
+
+Jaromir.
+Macht's dich ruhig, nimm es hin!
+
+(Das Fläschchen auf den Tisch werfend.)
+
+Doch nun schaff mir Waffen, Waffen!
+
+Berta.
+Waffen? Ach woher?
+
+Jaromir.
+Ei hängt nicht,
+Hängt denn nicht an jener Mauer
+Dort ein Dolch?
+
+Berta.
+Ach laß ihn, laß ihn!
+Zieh ihn nicht aus seiner Scheide,
+Unglück hängt an dieser Schneide.
+Von dem Dolche, den du siehst,
+Ward der Ahnfrau unsers Hauses
+Einst in unglücksel'ger Stunde
+Eingedrückt die Todeswunde.
+Als ein Zeichen hängt er da
+Von dem nächtlichen Verhängnis
+Das ob unserm Hause brütet.
+Blut'ges hat er schon gesehn,
+Blut'ges kann noch jetzt geschehn!
+
+(Die Ahnfrau erscheint hinter den beiden, die Hände, wie abwehrend,
+gegen sie ausgestreckt.)
+
+Berta.
+Was starrst du so gräßlich hin?
+Mann du zitterst? Ich auch bebe!
+Grabesschauer faßt mich an,
+Leichenduft weht um mich her!
+
+(Sich an ihn schmiegend.)
+
+Ich erstarre! Ich vergehe!
+
+Jaromir.
+Laß mich!--Diesen Dolch da kenn ich!
+
+Berta.
+Bleib zurück! Berühr ihn nicht!
+
+Jaromir.
+Sei gegrüßt, du hilfreich Werkzeug!
+Ja du bist's, fürwahr du bist's!
+Wie ich dich so vor mir sehe
+Tauchen ferner Kindheit Bilder,
+Lang verborgen, lang entzogen
+Von des Lebens wilden Wogen,
+Wie der Heimat blaue Berge,
+Auf aus der Erinnrung Flut.--
+An dem Morgen meiner Tage
+Hab ich dich schon, dich gesehn.
+
+Seitdem durch die Nacht des Lebens
+Schwebtest du mir gräßlich vor
+Wie ein blutig Meteor.
+In der flucherfüllten Nacht,
+Als ich auf der ersten Stufe
+Meinem furchtbaren Berufe
+Scheu die Erstlinge gebracht,
+Da sah ich mit bleichem Schrecken
+In der Wunde, die ich schlug,
+Statt des Dolches, den ich trug,
+Deine, deine Klinge stecken.
+Und seit jenem Schreckenstag
+Blieb dein Bild mir immer wach!
+Sei gegrüßt, du hilfreich Werkzeug!
+Lockend seh ich her dich blinken,
+Und mein Schicksal scheint zu winken.
+Du bist mein! Drum her zu mir!
+
+(Drauf los gehend.)
+
+Berta (zu seinen Füßen).
+Ach, halt ein!
+
+Jaromir (immer unverwandt auf den Dolch blickend).
+Weg da!--Zurück!
+
+(Er nimmt den Dolch. Die Ahnfrau verschwindet.)
+
+Jaromir.
+Was ist das? Was ist geschehn?
+Als du dort noch flimmernd hingst,
+Schien von deiner blut'gen Schneide
+Auszugehn ein glühend Licht,
+Das durch der Vergangenheit
+Nachtumhüllte Nebeltäler,
+Scheu, mit mattem Strahle flammte.
+Und Gestalten, oft gesehn,
+Wie in einem frühern Leben
+Fühlt' ich ahnend mich umschweben.
+Diese Hallen grüßten mich
+Dies Gerät schien mir zu winken,
+Und in meines Busens Gründen
+Schien ich mir mich selbst zu finden.
+Und jetzt ausgelöscht, verweht,
+Wie ein Blitzstrahl kommt und geht.
+
+Berta.
+Diesen Dolch! O leg ihn hin!
+
+Jaromir.
+Ich, den Dolch? Nein, nimmermehr!
+Er ist mein, ist mein, ist mein!
+Ei fürwahr ein tüchtig Eisen!
+Wie ich ihn so prüfend schwinge
+Wird mit eins mir guter Dinge
+Und mein innres Treiben klar.
+Wen's mit dir, mein guter Stahl,
+Mir gelingt so recht zu fassen,
+Der wird mich wohl ziehen lassen
+Und kömmt nicht zum zweitenmal.
+Nun leb wohl, leb wohl mein Kind!
+Mutig! Froh! Die Zukunft lacht!
+Und gedenk!--Um Mitternacht!
+
+(Mit erhobenem Dolche ins Seitengemach ab.)
+
+Ende des dritten Aufzuges
+
+
+
+
+Vierter Aufzug
+
+Halle wie in den vorigen Aufzügen. Lichter auf dem Tische. Berta
+sitzt, den Kopf in die flachen Hände und diese auf den Tisch gelegt.
+
+
+Günther (kommt).
+Ihr seid hier, mein gnäd'ges Fräulein?
+Mögt Ihr weilen so allein
+In den düsteren Gemächern
+Und in dieser, dieser Nacht?
+Wahrlich, eine schreckenvollre
+Hat dies Aug' noch nie gesehn.
+Wimmernd heult der Sturm von außen
+Und im Innern schleicht Entsetzen
+Sinnverwirrend durch das Schloß.
+Auf den dunkeln Stiegen rauscht es,
+Durch die öden Gänge wimmert's,
+Und im Grabgewölbe drunten
+Poltert's mit den morschen Särgen,
+Daß das Hirn im Kreise treibt
+Und das Haar empor sich sträubt.
+Manches steht uns noch bevor,
+Wandelt doch die Ahnfrau wieder;
+Und man weiß aus alten Zeiten,
+Daß das Großes zu bedeuten,
+Schweres anzukünden hat,
+Unglück oder Freveltat!
+
+Berta.
+Unglück oder Freveltat?
+Unglück, ach und Freveltat.--
+Reichte nicht das Unglück hin
+Dieses Dasein zu vernichten,
+Warum noch den schweren Frevel
+Laden auf die wunde Brust?
+Warum, du gerechtes Wesen,
+Noch mit des Gewissens Fluch
+Deinen harten Fluch verschärfen?
+Warum, Gott, zwei Blitze werfen,
+Wo's an einem schon genug?
+
+Günther.
+Ach, und Euer grauer Vater
+Draußen in dem Wintersturm
+Bloßgestellt der Wut des Wetters
+Und der blut'gen Räuber Dolch!
+
+Berta.
+Dolch?--Was sagst du?--Welcher Dolch?
+Gab ich? Nahm er nicht?
+
+Günther.
+Liebes Fräulein,
+Laßt den Mut nicht ganz entweichen!
+Alle diese trüben Zeichen
+Sind ja doch nur Wetterwolken,
+Die des Sturmes Nahn verkünden:
+Doch nicht alle Donner zünden,
+Und des Blitzes glühnder Brand
+Liegt in Gottes Vaterhand.
+
+Berta.
+Du hast recht.--In Gottes Hand!
+Du hast recht!--Ja ich will beten!
+Er wird Hilf' und Trost verleihn;
+Er kann schlagen, er kann retten,
+Er kann strafen und verzeihn!
+
+(Am Sessel niederknieend.)
+
+Günther (ans Fenster tretend).
+Es erhellet sich die Gegend,
+Fackeln streifen durch das Feld.
+Man verfolgt den Rest der Räuber,
+Der sich hier verborgen hält.
+
+Berta (knieend).
+Heil'ge Mutter aller Gnaden,
+Laß mich dir mein Herz entladen,
+Aus mich schütten meinen Schmerz;
+Mild, mit weichem Finger streife
+Von der Brust den Kummer, träufe
+Balsam in dies wunde Herz!
+
+Günther.
+Rund herum im Kreis sie stehen,
+Jeder Ausweg ist verstellt.
+Da mag keiner wohl entgehen,
+Wie er sich verborgen hält.
+
+Berta (in steigender Angst).
+Hüll ihn ein in deinen Schleier
+Den Geliebten, mir so teuer,
+Er ist ja zurückgekehrt!
+Wollest gnädig ihn bewahren!
+Führ ihn durch der Späher Scharen,
+Führ ihn durch der Feinde Schwert!
+
+Günther.
+Wär' doch Euer Vater hier.
+Daß es ihn hinausgetrieben!
+Wär' er doch bei uns geblieben,
+Wenn--mit Schaudern denk ich's mir!
+
+Berta.
+Schau herab vom Sternensitze,
+Und auch ihn, auch ihn beschütze,
+Dem man schon so viel geraubt;
+Was den Teuern, Lieben dräuet,
+Sei auf dieses Haupt gestreuet,
+Sei gelegt auf dieses Haupt!
+
+Günther.
+Jetzt scheint etwas auf gespürt!
+Alles eilt der Mauer zu.
+Setzt er sich auch noch zur Wehr,
+Der entkömmt wohl nimmermehr.
+
+Berta (in höchster Angst, fast schreiend).
+Wend es ab!--Ach, wende! wende!
+Hier erheb ich meine Hände.
+Oder ende!--ende!--ende!
+
+(Pause.--Beide horchen mit der gespanntesten Aufmerksamkeit. Berta
+richtet sieh langsam auf.)
+
+Günther.
+Horch!--Ein Schrei!
+
+Berta.
+Ein Schrei!
+
+Günther.
+Wieder Stille.
+
+Berta.
+Wieder Stille--
+
+Günther.
+Himmel! War das nicht die Stimme?
+
+Berta.
+Wessen Stimme?
+
+Günther.
+Fort Gedanke!
+Das zu denken wär' schon Tod!
+
+Berta.
+Wessen Stimme?
+
+Günther.
+Ei nicht doch!
+Alle stehen sie versammelt
+Rings um einen Gegenstand,
+Der, so scheint's, am Boden liegt.
+
+Berta.
+Liegt? Am Boden liegt?
+
+Günther,
+Ich kann
+Nicht hinvor bis dahin blicken,
+Denn des Hauses scharfer Vorsprung
+Hemmt die Aussicht nach der Seite.
+Doch dünkt mich an jener Linde,
+Die das Fenster dort beschattet--
+
+Berta.
+An der Linde?
+
+Günther.
+Ja, so dünkt mich.
+
+Berta.
+An der Linde?--Liegt am Boden?
+
+Günther.
+Wie ich sagte. Also scheint's.
+
+Berta.
+Gott, mein Jaromir!
+
+Günther.
+Ei Fräulein,
+Der schläft ruhig in der Kammer.
+
+Berta.
+Schläft? Ach schläft um nie zu wachen!
+
+Günther.
+Horch, man kömmt.--Da laßt uns fragen
+Was sich unten zugetragen.
+
+(Hauptmann kommt.)
+
+Hauptmann (eintretend).
+Heda! Betten! Tücher! Betten!
+
+Günther.
+Ach sagt an doch, edler Herr!
+
+Berta (steht bewegungslos).
+
+Hauptmann.
+Ihr auch hier, mein holdes Fräulein?
+Darauf war ich nicht bereitet.
+Hilfe wollt' ich hier begehren,
+Nicht des Unglücks Bote sein.
+Euer Vater ist--
+
+Berta (schnell).
+Und Er?
+
+Hauptmann.
+Wer, mein Fräulein?
+
+Berta.
+Und--die Räuber?
+
+Hauptmann.
+Noch ist es uns nicht gelungen.
+Ach und Euer Vater--
+
+Berta.
+Nicht?--
+Nun habt Dank für Eure Botschaft! 2
+
+Hauptmann.
+Botschaft? Welche Botschaft?
+
+Berta.
+Daß--
+Ich erwarte wollt' ich sagen,
+Ich erwarte Eure Botschaft.
+
+Hauptmann.
+Hört sie denn mit wenig Worten.--
+Euer Vater ist verwundet.
+
+Berta.
+Ist verwundet? Wie, mein Vater?
+O ich will ihn pflegen, warten,
+Sorglich heilen seine Wunden,
+Und er soll gar bald gesunden
+An der Tochter frommen Brust.
+
+Hauptmann.
+Nun mich freut's, daß meine Botschaft,
+Euch gefaßter, mut'ger trifft,
+Als ich fürchtete und--hoffte.
+
+Günther.
+Also war's doch seine Stimme!
+Ich will alsogleich hinaus--
+
+Hauptmann.
+Bleib! Bereite lieber alles,
+Denn man bringt ihn schon hierher.
+Hart traf ihn der Stoß des Räubers--
+
+Berta.
+Ha!--des Räubers?
+
+Hauptmann.
+Wohl, des Räubers;
+Wessen sonst? Doch ja, Ihr wißt nicht.--
+Wir durchstreiften rings die Gegend,
+Euern Vater in der Mitte,
+Denn trotz meiner warmen Bitte,
+Blieb er, tief die Kränkung fühlend,
+Die ich schuldlos ihm gebracht,
+Helfend, leitend unter uns--
+Horch! Da rauscht's durch die Gebüsche,
+Und die Wachen rufen's an.
+Keine Antwort. Meine Leute
+Froh ob der gefundnen Beute
+Stürzen jubelnd drauf und dran.
+Und nach einem jener Gänge
+Die in wildverworrner Menge,
+Halb verfallen, weit umhin
+Dieses Schlosses Wall umziehn,
+Sahn wir einen Schatten fliehn.
+Euer Vater stand der Nächste,
+Und mit vorgehaltnem Degen
+Stürzt er jugendlich verwegen,
+Nach dem Räuber in den Gang.
+Da ertönt ein matter Schrei.
+Eilig stürzen wir herbei.
+Euer Vater liegt am Boden,
+Ohne Leben, ohne Odem,
+Seiner selbst sich nicht bewußt,
+Einen Dolch in seiner Brust.
+
+Berta.
+Einen Dolch?
+
+Hauptmann.
+Ja, liebes Fräulein!
+
+Berta.
+Einen Dolch?
+
+Hauptmann.
+Ja, einen Dolch.
+
+Berta.
+Fort! hinaus! hinaus! hinaus!
+
+Hauptmann (sie zurückhaltend).
+Bleibt doch, liebes Fräulein, bleibt doch!
+Seht man bringt ihn.--
+
+(Soldaten und Diener bringen den Grafen auf einer Tragbahre, die sie
+in der Mitte der Bühne niedersetzen.)
+
+Berta.
+Gott! Mein Vater!
+Laßt mich! Laßt mich!
+
+Hauptmann.
+Ruhig, Fräulein!
+Denn Ihr tötet Euch und ihn!
+Ruhig!
+
+Berta.
+Ruhig?--Laßt mich! Laßt mich!
+
+(Sich losreißend und an der Bahre niederstürzend.)
+
+Vater! Vater! O mein Vater!
+
+Graf (in Absätzen).
+Ah bist du es, meine Berta?
+Gutes Mädchen, armes Kind,
+Armes, armes, armes Kind!
+
+Berta.
+Vater, mir nicht diese Güte,
+Vater, mir nicht diese Huld,
+Sie vergrößert meine Schuld!
+
+Graf.
+Wenn in jenem Augenblicke
+Bei der Fackeln fernem Licht
+Mich getäuscht mein Auge nicht,
+Wenn er's war, er den ich meine--
+Armes, armes Kind, dann weine
+Um dich selber, nicht um mich!
+Wo ist Jaromir?
+
+Berta (bebend, leise).
+Ich weiß nicht.
+
+Graf.
+Wo ist Jaromir, mein Kind?
+
+Berta (ihr Gesicht in die Kissen verbergend).
+Vater! Vater!
+
+Graf.
+Nun, es sei!
+Fahre wohl denn, fahre wohl
+Meine letzte, einz'ge Hoffnung!
+Wohl, die Sonne ist hinunter,
+Ausgeglimmt der letzte Schein,
+Dunkle Nacht bricht rings herein.
+Es ist Schlafens-, Schlafenszeit!--
+Gutes Mädchen, armes Kind,
+Klage, dulde, leide, stirb!
+Dir kann nimmer Segen werden,
+Für dich gibt's kein Glück auf Erden,
+Bist du ja doch meine Tochter,
+Bist doch eine Borotin.
+
+Günther.
+Haltet ein, mein gnäd'ger Herr!
+Eure matte, wunde Brust
+Leidet unter Eurem Sprechen.
+
+Graf.
+Laß mich, treuer Diener, laß mich
+Noch einmal, am Rand des Grabes,
+Diesem wüsten, wirren Leben,
+Wüst und rauh und dennoch schön,
+Noch einmal ins Auge sehn.
+Seine Freuden, seine Leiden
+Mich zum letzten, letzten Abschied,
+Noch einmal als Mensch mich fühlend,
+Drücken an die Menschenbrust.
+Noch zum letzten Male schlürfen
+Aus dem bittersüßen Becher--
+Und dann Schicksal nimm ihn hin!
+
+Berta.
+Vater, nein! Nicht sterben!--Nein!
+Nein, Ihr dürft nicht, dürft nicht sterben!
+Seht, ich klammre mich an Euch
+Seht, Ihr dürft, Ihr könnt nicht sterben!
+
+Graf.
+Willst du mit den Kinderhänden
+In des Schicksals Speichen greifen?
+Seines Donnerwagens Lauf
+Hält kein sterblich Wesen auf.
+
+(Ein Soldat kömmt.)
+
+Soldat (zum Hauptmann).
+Eben hat man einen Räuber,
+Der im Schilfe lag verborgen
+Von dem nahgelegnen Weiher,
+Edler Herr, hier eingebracht.
+
+Graf.
+Einen Räuber?
+
+Berta.
+Güt'ger Gott!
+
+Graf.
+Jüngling noch? Von schlankem Wuchse?
+
+Soldat.
+Nein, Herr Graf, beinah schon Greis.
+Er verlangt mit Euch zu sprechen.
+Wicht'ges hab' er zu verkünden,
+Wichtiges für ihn und Euch.
+
+Hauptmann.
+Mag der Bösewicht es wagen
+Dieses Mannes letzte Stunden--
+
+Graf.
+Laßt ihn kommen, lieber Herr!
+Hat er sich gen mich vergangen,
+Will ich sterbend ihm verzeihn,
+Oder ward vielleicht von mir
+Ihm Beleid'gung oder Unbild,
+Soll ich aus dem Leben scheiden
+Mit des Armen Fluch beschwert?
+
+Hauptmann.
+Wohl, er komme!
+
+(Soldat ab.)
+
+Günther.
+Gnäd'ger Herr,
+Unbequem ist dieses Lager.
+Ihr erlaubt es wohl, wir tragen
+Euch in Euer Schlafgemach.
+
+Graf.
+Nein, nicht doch! Hier will ich bleiben,
+Hier in dieser heil'gen Halle:
+Die des Knaben muntre Spiele,
+Die des Jünglings bunte Träume,
+Die des Mannes Taten sah,
+Soll auch sehn des Greises Ende.
+Hier, wo meiner Ahnen Geister
+Mich mit leisem Flug umschweben,
+Hier, wo von den hohen Wänden
+Eine lange, würd'ge Reihe,
+Die noch jetzt der Ruhm erhebt,
+Niederschaut auf ihren Erben,
+Wo die Väter einst gelebt,
+Soll der letzte Enkel sterben!
+
+(Boleslav tritt ein, von Wachen geführt.)
+
+Boleslav (sich auf die Kniee niederwerfend).
+Gnäd'ger Herr, ach habt Erbarmen!
+Laßt mich Gnade, Gnade finden,
+Sprecht für mich ein mächtig Wort!
+Und zum Lohne will ich dann
+Eine Kunde Euch erteilen,
+Die schnell Euer Siechtum heilen,
+Euch mit Lust erfüllen soll.
+
+Graf.
+Gibt's für mich gleich keine Kunde,
+Die so mächtig wie du sprichst,
+Doch versprach ich dir zur Stunde,
+Hier in meines Freundes Geist,
+Wenn's zum Guten was du weißt
+Sollst du gnäd'ge Richter finden,
+Gnädig auch bei schweren Sünden.
+
+Boleslav.
+Wohl so hört, ach, und verzeiht!
+Einst, jetzt sind's wohl zwanzig Jahre,
+Ging ich eines Sommerabends,
+Damals schon auf schlimmen Wegen,
+Hier an Euerm Schloß vorbei.
+Wie ich lauernd ringsum spähe,
+Da gewahr ich an dem Weiher,
+Der an Eure Mauern stößt,
+Einen schönen, holden Knaben,
+Kaum drei Jahre mocht' er haben;
+Der warf spielend Stein auf Stein
+In die klare Flut hinein.
+
+Günther.
+Güt'ger Gott!
+
+Graf.
+Was werd ich hören!
+
+Boleslav.
+Schön und köstlich war sein Kleid,
+Und um seinen weißen Nacken
+Hing ein funkelndes Geschmeid.
+Mich gelüstet nach der Beute.
+Ringsum schau ich, nirgends Leute,
+Ich und er nur ganz allein.
+Ich versuch's ihn anzulocken,
+Abzulocken ihn vom Schlosse,
+Zeig ihm Blumen, zeig ihm Früchte,
+Und der Knabe froh und heiter
+Folgt mir weiter, immer weiter
+Bei des Abends Dämmerschein
+In den düstern Wald hinein.
+
+Graf.
+Ach es war, es war mein Sohn!
+
+Günther.
+Und wir glaubten ihn ertrunken,
+In des Weihers Schlamm versunken,
+Weil sein Hut im Wasser schwamm!
+
+Graf.
+Jubelst du in toller Lust,
+Glaubst du, daß in Räubers Brust
+Menschlichkeit und Mitleid wohnet?
+Glaubst du, daß er ihn verschonet?
+
+Boleslav.
+Ja ich habe ihn verschont!
+Morden wollten ihn die Brüder,
+Daß nicht durch des Knaben Mund
+Unsre Wege würden kund,
+Doch ich setzte mich dawider.
+Und als die Gefährten schwören,
+Nimmer soll' er wiederkehren
+Aus des Waldes Nacht heraus
+In der Eltern heimisch Haus,
+Da, Herr, dau'rte mich der Kleine,
+Da ward Euer Sohn der meine.
+Bald vergaß er Euch und sich,
+Und er ehrt als Vater mich.
+
+Graf.
+Gott! Mein Sohn!--Er lebt! er lebt!
+Aber wie?--Ha, unter Räubern!
+Ist wohl gar?--Weh ist--
+
+Boleslav (mit gesenkten Augen).
+Was ich!
+
+Graf.
+Räuber?--Gott, er sagt nicht: Nein!
+Schweigt erstarrt und sagt nicht: Nein!
+Ha mein Sohn ein Räuber, Räuber!
+Hätt' ihn doch dein schwarzer Mund
+Tückisch Wassergrab verschlungen,
+Besser, schien's mir gleich so hart,
+Wär' sein Name nie erklungen,
+Als mit Räuber jetzt gepaart.
+Aber ach, was fluch ich ihm?
+Gott, hab Dank für diesen Strahl!
+Räuber! War's denn seine Wahl?
+Bring ihn, Guter, bring ihn mir,
+Auch für den Räuber dank ich dir!
+
+Boleslav.
+Er ist hier in Euerm Schlosse!
+
+Graf.
+Hier?--
+
+Boleslav.
+Ja, Herr, Euch unbekannt.
+Jener Fremde der heut abend
+Matt und bleich um Zuflucht bat--
+
+Berta.
+Jaromir?
+
+Boleslav.
+Derselbe, ja!
+
+Graf.
+Teufel! Schadenfroher Teufel!
+Nimm's zurück das Donnerwort,
+Nimm's zurück!
+
+Boleslav.
+Er ist's, mein Herr!
+
+Graf.
+Widerruf!
+
+Boleslav.
+Ich kann nicht, Herr!
+
+Graf (sich mit höchster Anstrengung aller Kräfte vom Lager
+aufrichtend).
+Widerruf!
+
+Hauptmann (besänftigend zum Grafen).
+Herr Graf!
+
+(Auf Boleslav zeigend.)
+
+Fort mit ihm!
+
+Boleslav.
+Mein Herr Ritter!
+
+Hauptmann.
+Fort mit ihm!
+
+(Boleslav wird abgeführt.)
+
+Graf.
+Er geht fort, und sagt nicht: Nein!
+So begrabt mich denn ihr Mauern,
+Und Verwüstung brich herein,
+Stürzet ein ihr festen Säulen,
+Die der Erde Ball getragen,
+Denn den Vater hat sein Sohn erschlagen!
+
+(Zurücksinkend.)
+
+Berta (aufs Lager hinstürzend).
+Todespforte tu dich auf!
+
+(--Pause.--Alle stehen in stummen Entsetzen.)
+
+Graf.
+Wie hab ich so oft geklagt,
+Daß ein Sohn mir ward versagt,
+Kampfgerecht und lehenbar,
+Wie der Väter hohe Schar.
+Seht des Schicksals giftigen Hohn!
+Seht, ich habe einen Sohn,
+Es erhielt ihn mild am Leben,
+Mir den Todesstreich zu geben!
+
+Wenn mein Aug' sich tränend netzte,
+War die Klage ohne Not,
+Väter, ich bin nicht der Letzte!
+Noch lebt einer!--am Schafott!--
+Was liegt dort zu meinen Füßen
+Und blinkt mich so blutig an?
+
+Günther (den Dolch aufhebend und hinhaltend).
+'s ist der Dolch, der Euch verwundet!
+
+Graf.
+Dieser war es? Dieser Dolch?
+Ja du bist es, blutig Eisen,
+Ja, du bist's, du bist dasselbe,
+Das des Ahnherrn blinde Wut
+Tauchte in der Gattin Blut.
+Ich seh dich, und es wird helle,
+Hell vor meinem trüben Blick.
+Seht ihr mich verwundert an?
+Das hat nicht mein Sohn getan!
+Tiefverhüllte, finstre Mächte
+Lenkten seine schwanke Rechte!
+
+(Günthern anfassend.)
+
+Wie war, Alter, deine Sage,
+Von der Ahnfrau früher Schuld,
+Von dem sündigen Geschlecht,
+Das in Sünden ward geboren
+Um in Sünden zu vergehn!
+Seht ihr jenen blut'gen Punkt
+Aus der grauen Väterwelt,
+Glühendhell herüberblinken?
+Seht, vom Vater zu dem Sohne
+Und vom Enkel hin zum Enkel
+Rollt er wachsend, wallend fort,
+Und zuletzt zum Strom geschwollen,
+Hin durch wildgesprengte Dämme,
+Über Felder, über Fluren,
+Menschendaseins, Menschenglücks
+Leichtdahingeschwemmte Spuren,
+Wälzt er seine Fluten her,
+Uferlos, ein wildes Meer.
+Ha, es steigt, es schwillt heran,
+Des Gebäudes Fugen krachen,
+Sinkend schwankt die Decke droben
+Und ich fühle mich gehoben!
+
+Tiefverhüllte Warnerin,
+Sünd'ge Mutter sünd'ger Kinder,
+Trittst du dräuend hin vor mich?
+Triumphiere! Freue dich!
+Bald, bald ist dein Stamm vernichtet;
+Ist mein Sohn doch schon gerichtet!
+Nimm denn auch dies Leben hin,
+Es stirbt der letzte Borotin! (Sinkt sterbend zurück.)
+
+Günther.
+Gott! Es sprengen die Verbande!
+Weh, er stirbt!
+
+(Über ihn gebeugt, die Hand auf seine Brust gelegt, nach einer Pause.)
+
+Er ist nicht mehr!--
+Kalt und bleich sind diese Wangen,
+Diese Brust hat ausgebebt.
+Qualvoll ist er heimgegangen,
+Qualvoll, so wie er gelebt.
+Fahr denn wohl, du reine Seele,
+Ach und deine Tugenden
+Tragen dich wie lichte Engel,
+Von der Erde Leiden los
+In des Allerbarmers Schoß.
+Schlummre bis zum Morgenrot,
+Guter Herr, und was dies Leben,
+Karg und hart, dir nicht gegeben,
+Gebe freundlich dir der Tod!
+
+(Er sinkt betend auf die Kniee nieder. Der Hauptmann und alle
+Umstehenden entblößen die Häupter. Feierliche Stille.)
+
+Hauptmann.
+So, ihm ward der Andacht Zoll!
+Und jetzt Freunde, auf, zu rächen
+Das entsetzliche Verbrechen
+Auf des blut'gen Mörders Haupt!
+
+Günther.
+Wie, Ihr wolltet?
+
+Hauptmann.
+Fort, mir nach!
+
+(Ab mit seinen Leuten.)
+
+Günther.
+Güt'ger Himmel! Haltet ein!
+Hört Ihr nicht? Es ist sein Sohn!
+Meines Herren einz'ger Sohn!
+Fräulein Berta!--Hört doch, hört!
+
+(Dem Hauptmanne nach.)
+
+Berta (sich aufrichtend).
+Rief man mir?--Nu, Berta rief es,
+Ei, und Berta ist mein Name.--
+Aber nein, ich bin allein!
+
+(Vom Boden aufstehend.)
+
+Stille, still! Hier liegt mein Vater,
+Liegt so sanft und regt sich nicht.
+Stille! Stille! Stille! Stille!
+
+Wie so schwer ist dieser Kopf,
+Meine Augen trübe, trübe!
+Ach ich weiß wohl, manche Dinge,
+Manche Dinge sind geschehn,
+Noch vor kurzem erst geschehn;
+Sinnend denk ich drüber nach;
+Aber ach, ein lichter Punkt,
+Der hier an der Stirne brennt,
+Der verschlingt die wirren Bilder!
+
+Halt! Halt! Sagten sie denn nicht,
+Nicht, mein Vater sei ein Räuber?
+Nicht mein Vater, nicht mein Vater!
+Jaromir, so hieß der Räuber!
+Der stahl eines Mädchens Herz
+Aus dem tiefverschloßnen Busen,
+Ach, und statt des warmen Herzens
+Legte er in ihren Busen
+Einen kalten Skorpion,
+Der nun grimmig, wütend nagt
+Und zu Tod' das Mädchen plagt.
+Und ein Sohn erschlug den Vater
+
+(freudig.)
+
+Und mein Bruder kam zurück,
+Mein ertrunkner, toter Bruder!
+Und der Bruder--Halt!--Hinunter!
+Nur hinunter, da hinunter!
+Fort in euren schwarzen Käfich!
+
+(Die Hand krampfig aufs Herz gepreßt.)
+
+Nage, nage, gift'ges Tier,
+Nage, aber schweige mir!
+
+(Ein Licht vom Tische nehmend.)
+
+Ei, ich will nur schlafen gehn,
+Schlafen, schlafen, schlafen gehn.
+Lieblich sind des Schlafes Träume,
+Nur das Wachen träumt so schwer!
+
+(Ihre umherschweifenden Blicke auf den Tisch heftend.)
+
+Was blinkt dort vom Tisch mich an?
+O ich kenn dich, schönes Fläschchen!
+Gab mir's nicht mein Bräutigam?
+Gab zum Brautgeschenke mir's.
+Sprach er nicht als er mir's gab,
+Daß in dieser kleinen Wiege
+Schlummernd drin der Schlummer liege?
+Ach der Schlummer! Ja, der Schlummer!
+Laß an deinem Rand mich nippen,
+Kühlen diese heißen Lippen,
+Aber leise--leise--leise.--
+
+(Sie geht auf den Zehenspitzen, mit jedem Schritte mehr wankend auf
+den Tisch zu. Eh' sie ihn noch erreicht, sinkt sie zu Boden.)
+
+Ende des vierten Aufzuges
+
+
+
+
+Fünfter Aufzug
+
+Schloßzwinger. Von allen Seiten halbverfallene Werke. Links an einer
+Wand des Vorgrundes ein Fenster in der Mauer. Im Hintergrunde ein
+Teil des Wohngebäudes mit der Schloßkapelle.
+
+
+Jaromir (kommt durch die Nacht).
+So,--Hier ist der Ort, das Fenster!
+Hier in diesen wüsten Mauern
+Will ich tiefverborgen lauern,
+Bis des Glückes Stunde schlägt.
+
+(Auf und ab gehend.)
+
+Fort, ihr marternden Gedanken,
+Schlingt nicht eure dunkeln Ranken
+In dies weichliche Gefühl!
+Pfui! Der nie dem Tod gezittert,
+Fest und mutig, den erschüttert
+Loser Bilder leichtes Spiel!--
+
+Ha, und wenn ich ihn erschlug,
+Ihn der mich erschlagen wollte,
+Was ist's, daß ich zittern sollte?
+Hat die Tat nicht Grund genug?
+Hab ich ihm den Tod gegeben,
+War's in ehrlichem Gefecht,
+Ei, und Leben ja um Leben,
+Spricht die Sitte, spricht das Recht!
+Wer ist's, der darob errötet,
+Daß er seinen Feind getötet,
+Was ist's mehr?--Drum fort mit euch,
+War ich sonst doch nicht so weich!--
+
+Und wenn's recht, was ich getan,
+Warum faßt mich Schauder an?
+Warum brennt es hier so heiß,
+Warum wird mein Blut zu Eis?
+Warum schien's, als ich es tat,
+In dem schwarzen Augenblicke,
+Teufel zögen mich zur Tat,
+Gottes Engel mich zurücke!
+
+Als ich fliehend in den Gang,
+Der Verfolger nach mir sprang,
+Schon sein Atem mir im Nacken,
+Jetzt mich seine Hände packen,
+Da rief's warnend tief in mir,
+Deine Waffen wirf von dir
+Und dich hin zu seinen Füßen,
+Süß ist's durch den Tod zu büßen!
+Aber rasch, mit neuer Glut
+Flammt empor die Räuberwut
+Und ruft ungestüm nach Blut.
+Vor den Augen seh ich's flirren,
+Hör es um die Ohren schwirren,
+Geister, bleich wie Mondenglanz,
+Wirbeln sich im Ringeltanz,
+Und der Dolch in meiner Hand
+Glühet wie ein Höllenbrand!
+Rette, ruft es, rette dich!
+Und blind stoß ich hinter mich.
+Ha es traf. Ein wimmernd Ach
+Folgt dem raschen Stoße nach,
+Mit bekannter, süßer Stimme,
+Mit erstorbner Klagestimme.
+Bebend hör ich sie erschallen.
+Da faßt ungeheure Angst
+Mich mit kalten Eises-Krallen.
+Wahnsinn zuckt mir durchs Gehirn.
+Bebend such ich zu entweichen
+Mit dem blutigen Kains-Zeichen
+Flammend auf der Mörderstirn.
+
+All mein Ringen, all mein Treiben
+Kann den Ton nicht übertäuben,
+Immer dröhnt mir dumpf und bang
+In das Ohr sein hohler Klang;
+Und mag ich mir's immer sagen:
+Deinen Feind hast du erschlagen;
+Ruft der Hölle gift'ger Hohn:
+Das war keines Feindes Ton!--
+Doch wer naht dort durch die Trümmer,
+Eilig schreitend auf mich zu?
+Tor! Den Rückweg findst du nimmer,
+Ich muß fallen, oder du.
+Denn wenn einmal nur der Tiger
+Erst gesättigt seine Wut,
+Bleibt die Gierde ewig Sieger
+Und sein Innres schreit nach Blut. (Er zieht sich zurück.)
+
+(Boleslav kommt.)
+
+Boleslav.
+Gott sei Dank! Es ist gelungen,
+Ledig bin ich meiner Haft,
+Doch von Mauern noch umrungen
+Und schon schwindet meine Kraft.
+Daß ich ihn doch finden könnte,
+Ihn, den Teuern, den ich suche,
+Meinen, seinen, unsern Sohn.
+Werf ich mich mit Jaromir
+Zu des mächt'gen Vaters Füßen,
+O dann muß der Richter schonen,
+Trifft desselben Schwertes Streich,
+Doch den Sohn mit mir zugleich.
+
+Jaromir (hervortretend).
+Das ist meines Vaters Stimme!
+
+Boleslav.
+Jaromir!--du bist's?
+
+Jaromir.
+Ich bin's.
+
+Boleslav.
+Sei gesegnet!
+
+Jaromir.
+Großen Dank!
+Ei, behaltet Euren Segen,
+Räubers Segen ist wohl Fluch.
+Und woher des Wegs, mein Vater?
+Welcher Dietrich, welche Leiter
+Führt Euch in des Sohnes Arm?
+
+Boleslav.
+Ach, ich war in Feindeshänden.
+An dem Weiher dort gefangen,
+Ward ich in das Schloß gebracht.
+Doch benutzend die Verwirrung,
+Die des Grafen jähe Krankheit
+Unter seine Diener streute,
+Sucht' ich Rettung, und entsprang.
+
+Jaromir.
+Und entsprangt? Ihr seid mein Mann!
+Seht, so hab ich auch getan;
+Denn uns blüht kein Glück, uns beiden,
+Unter unbescholtnen Leuten,
+In des Waldes Nacht und Graus,
+Fühlt ein Räuber sich zu Haus.
+Recht mein Vater! Wackrer Vater!
+Würdig eines solchen Sohns.
+
+Boleslav.
+Solchen Sohns?--Er weiß noch nicht!--
+Jaromir, du nennst mich Vater!
+
+Jaromir.
+Soll ich nicht?--Wohl, tauschen wir!
+Nehmt den Vater Ihr zurück,
+Doch erlaßt mir auch den Sohn!
+
+Boleslav.
+Wozu mag noch Schweigen frommen,
+Ist die Stunde doch gekommen,
+Wo die Hülle fallen muß.
+Nun wohlan denn, so erfahre
+Das Geheimnis langer Jahre:
+Wer dir gab des Lebens Licht.
+Laß den Dank nur immer walten,
+Denn ich habe dir's erhalten,
+Wenn auch gleich gegeben nicht.
+
+Jaromir.
+Ha!--Wenn gleich gegeben nicht?
+Nicht gegeben? Nicht gegeben?
+
+Boleslav.
+Nein, mein Sohn, nicht mehr mein Sohn.
+
+Jaromir.
+Nicht dein Sohn?--Ich nicht der Sohn
+Jenes Räubers Boleslav?
+Alter Mann, ich nicht dein Sohn?
+Laß mich's denken, laß mich's fassen,
+O es faßt, es denkt sich schön!
+Ich gehörte mit zum Bunde,
+Den verzweifelnd ich gesucht,
+Und Gott hätte in der Stunde
+Der Geburt mir nicht geflucht?
+Meinen Namen nicht geschrieben
+Ein in der Verwerfung Buch,
+Dürfte hoffen, dürfte lieben
+Und mein Beten ist kein Fluch?
+
+(Boleslav hart anfassend.)
+
+Ungeheuer! Ungeheuer!
+Und du konntest mir's verhehlen,
+Sahst mich gift'ge Martern quälen,
+Sahst des Innern blut'gen Krieg,
+Ha, und deine Lippe schwieg!
+Schlichst dich kirchenräuberisch
+In des reinen Kinderbusens
+Unentweihtes Heiligtum;
+Stahlst des teuren Vaters Bild
+Von der gottgeweihten Schwelle,
+Setztest deines an die Stelle!
+
+Ungeheuer! Ungeheuer!
+Wenn ich im Gebete kniete,
+Und des Dankes Gegenstand,
+Der, mir selber unbekannt,
+In dem heißen Herzen brannte,
+Lebensschenker, Vater nannte,
+Segen auf ihn niederflehte,
+Schlichst du dich in die Gebete,
+Eignetest dir, Mörder, du,
+Meiner Lippen Segen zu!
+Sprich's noch einmal, sprich es aus,
+Daß du dir den Vaternamen
+Wie ein feiger Dieb gestohlen,
+Mörder! Daß ich nicht dein Sohn!
+
+Boleslav.
+Ach mein Sohn--
+
+Jaromir.
+Sprich es nicht aus!
+Deine Zunge töne Mord,
+Aber nicht dies heil'ge Wort!--
+Nicht dein Sohn! Ich nicht dein Sohn!
+Habe Dank für diese Nachricht!
+Mörder! Darum haßt' ich dich,
+Seit ich Gottes Namen nenne,
+Seit ich Gut und Böses kenne.
+Darum bohrten deine Blicke
+Sich wie Meuchelmörder-Dolche
+In des Knaben warme Brust,
+Darum faßt' ihn kalter Schauder,
+Wenn du mit den blut'gen Händen
+Seine vollen Wangen strichst,
+Dich zu ihm herunter neigtest,
+Auf erschlagne Leichen zeigtest,
+Und dein Mund mit Lächeln sprach:
+Werd ein Mann, und tu mir nach!
+Und ich Tor, ich blinder Tor,
+Ich verstand des eignen Innern
+Tief geheime Warnung nicht,
+Rang mit meinem weichen Herzen,
+Rang in fruchtlos blut'gem Ringen
+Um ihm Liebe abzudrängen
+Für des Mannes greises Haar,
+Der der Unschuld Henker war.
+Bösewicht, gib mir zurück,
+Was mir die Geburt beschieden,
+Meiner Seele goldnen Frieden,
+Meines Daseins ganzes Glück,
+Meine Unschuld mir zurück!
+
+Boleslav.
+Gott im Himmel! Höre doch!
+
+Jaromir.
+Und wo ist, wer ist mein Vater?
+Führ mich hin zu seinen Füßen.
+Laß ihn einen Landmann sein,
+Der mit seiner Stirne Schweiß
+Seiner Väter Erbe dünget.
+Hin zu ihm! An seiner Seite,
+Will ich gern, ein Landmann nur,
+Mit der sparsamen Natur
+Ringen um die karge Beute,
+Legen meiner Tränen Saat
+Mit dem Samen in die Erde,
+Froh wenn mir die Hoffnung naht,
+Daß noch beides grünen werde.
+Laß ihn einen Bettler sein;
+Ich will leiten seine Schritte,
+Teilen seine dürft'ge Hütte,
+Teilen seine Angst und Not,
+Teilen sein erbettelt Brot;
+Will, wenn späte Sterne blinken,
+Auf den nackten Boden sinken,
+Und mich reich und selig dünken,
+Reicher als kein König ist,
+Wenn der Schlaf mein Auge schließt.
+Sprich wo ist er? Führ mich hin!
+
+Boleslav.
+Nun wohlan, so folge mir!
+Nicht ein niedrig dunkler Landmann
+Nicht ein Sklav' in Bettlertracht,
+Nein, ein Mann von Rang und Macht,
+Den des Landes Höchste kennen
+Und den Fürsten Bruder nennen,
+Dem der Ersten Haupt sich beugt,
+Jaromir, hat dich gezeugt.
+Heiß den düstern Mißmut fliehn,
+Denn dein Los ist nicht so herbe,
+Stolz sieh auf den Boden hin,
+Du trittst deiner Väter Erbe,
+Bist ein Graf von Borotin!
+
+Jaromir (zusammenfahrend).
+Ha!--
+
+Boleslav.
+Deiner Kindheit erstes Lallen
+Hörten dieses Schlosses Hallen,
+Hier hast du das Licht erblickt,
+Und bei des Besitzers Küssen
+Hast du ohne es zu wissen
+Vaters Brust ans Herz gedrückt.
+
+Jaromir (schreiend).
+Nein!
+
+Boleslav.
+Es ist so wie ich sagte!
+Komm mit mir hinauf zu ihm.
+Des Gesetzes rauhe Stimme,
+Hart und fürchterlich dem Räuber,
+Mildert seinen strengen Ton
+Gegen jenes Mächt'gen Sohn!
+Komm mit mir, weil es noch Zeit.
+Hart verletzt liegt er darnieder
+Und wer weiß, ersteht er wieder,
+Denn nur jetzt, in dieser Nacht,
+In des Schlosses düstern Gängen,
+Unsrer Brüder Spur verfolgend
+Traf ihn eines Flücht'gen Dolch.
+
+Jaromir.
+Teufel! Schadenfroher Teufel!
+Tötest du mit einem Wort?
+Glaubst du, weil ich keine Waffen?
+Die Natur, die halb nichts tut,
+Gab mir Krallen, gab mir Zähne,
+Gab zu der Hyäne Wut
+Mir auch Waffen der Hyäne!
+Natter, laß mich dich zertreten,
+Senden dich ins Heimatland!
+Können deine Worte töten,
+Besser kann's noch diese Hand!
+
+(Auf ihn losgehend.)
+
+Boleslav.
+Er ist rasend! Rettung! Hilfe!
+
+(Fliehend ab.)
+
+Jaromir.
+Wär' es wahr? Ha wär' es wahr,
+Was des Untiers Mund gesprochen?
+Und wovon schon der Gedanke,
+Nur das Bild der Möglichkeit,
+Meine raschen Pulse stocken,
+Mir das Mark gerinnen macht.
+Wär' es Wahrheit?--Ja, es ist!
+Ja, es ist! es ist! es ist!
+Ja! tönt's durch die dumpfen Sinne,
+Ja! heult's aus dem finstern Innern
+Und die schwarzen Schreckgestalten,
+Die vor meiner Stirne schweben,
+Neigend ihre blut'gen Häupter,
+Winken mir ein gräßlich Ja!
+Ha und jener Klageton,
+Der erscholl in blut'ger Stunde
+Aus des Hingesunknen Munde,
+Er ist meinem Ohre nah
+Und seufzt wimmernd, sterbend: Ja!
+
+Er mein Vater, er mein Vater!
+Ich sein Sohn, sein Sohn und--Ha!
+Wer spricht hier? Wer sprach es aus?
+Aus das Wort, das selbst ein Mörder,
+In des Herzens tiefste Falten
+Bleich und bebend sich verbirgt.
+Wer sprach's aus? Sein Sohn und Mörder!
+Ha, sein Sohn, sein Sohn und Mörder!
+
+(Die Hände vors Gesicht schlagend.)
+
+Was die Erde Schönes kennet,
+Was sie hold und lieblich nennet,
+Was sie hoch und heilig glaubt,
+Reicht nicht an des Vaters Haupt.
+Balsam strömt von seinen Lippen
+Und auf wem sein Segen ruht,
+Der schifft durch des Lebens Klippen
+Lächelnd ob der Stürme Wut.
+
+Doch wer in der Sinne Toben,
+Gottesräuberisch, verrucht,
+Gegen ihn die Hand erhoben
+Ist verworfen und verflucht.
+Ja, ich hör mit blut'gem Beben
+Wie der ew'ge Richter spricht:
+Allen Sündern wird vergeben,
+Nur dem Vatermörder nicht!
+
+Sprenge deine starken Fesseln
+Gift'ges Laster, komm hervor
+Aus der Hölle offnem Tor.
+
+Laß sie los die schwarzen Scharen,
+Die so lang gebunden waren.
+Hinterlist mit Netz und Stricken,
+Lüge mit dem falschen Wort,
+Neid, du mit den hohlen Blicken,
+Mit dem blut'gen Dolche Mord!
+Meineid mit dem gift'gen Mund,
+Gotteslästrung, toller Hund,
+Der die Zähne grimmig bleckt
+Gegen den, der ihn gepflegt.
+Brecht hervor, durchstreift die Welt
+Und verübt was euch gefällt.
+Was ihr auch getan, getrieben,
+Ungestraft mögt ihr's verüben,
+Euer Tun reicht nicht hinan,
+Nicht an das, was ich getan!
+
+Ha, getan!--Hab ich's getan?
+Kann die Tat die Schuld beweisen,
+Muß der Täter Mörder sein?
+Weil die Hand, das blut'ge Eisen,
+Ist drum das Verbrechen mein?
+Ja ich tat's, fürwahr ich tat's!
+Aber zwischen Stoß und Wunde,
+Zwischen Mord und seinem Dolch,
+Zwischen Handlung und Erfolg
+Dehnt sich eine weite Kluft,
+Die des Menschen grübelnd Sinnen,
+seiner Willensmacht Beginnen,
+Alle seine Wissenschaft,
+Seines Geistes ganze Kraft,
+Seine brüstende Erfahrung,
+Die nicht älter als ein Tag,
+Auszufüllen nicht vermag.
+Eine Kluft, in deren Schoß,
+Tiefverhüllte, finstre Mächte
+Würfeln mit dem schwarzen Los
+Über kommende Geschlechte.
+
+Ja, der Wille ist der meine,
+Doch die Tat ist dem Geschick,
+Wie ich ringe, wie ich weine,
+Seinen Arm hält nichts zurück.
+Wo ist der, der sagen dürfe:
+So will ich's, so sei's gemacht!
+Unsre Taten sind nur Würfe
+In des Zufalls blinde Nacht.
+Ob sie frommen, ob sie töten?
+Wer weiß das in seinem Schlaf!
+Meinen Wurf will ich vertreten,
+Aber das nicht was er traf!
+Dunkle Macht, und du kannst's wagen
+Rufst mir Vatermörder zu?
+Ich schlug den, der mich geschlagen,
+Meinen Vater schlugest du!--
+
+--Doch wer hält dies Bild mir vor?
+Ha, wer flüstert mir ins Ohr?
+Halt! Laß mich die Kunde teilen!
+Wunden, sprichst du, Wunden heilen
+Und Verwundete genesen.
+Habe Dank du güt'ges Wesen,
+Segensbote habe Dank!
+Mit der Hoffnung auf sein Leben
+Hast du meines mir gegeben,
+Das verzweifelnd schon versank.
+Ja, er wird, er muß gesunden,
+Heilen müssen jene Wunden,
+Die der Hölle gift'ger Trug,
+Nicht der Sohn dem Vater schlug.
+
+Ich will hin zu seinen Füßen,
+Will die blut'gen Male küssen,
+Und des Schmerzes heiße Glut
+Kühlen mit der Tränen Flut.
+
+Nein, in jenen düstern Fernen,
+Waltet keine blinde Macht,
+Über Sonnen, über Sternen
+Ist ein Vateraug' das wacht;
+Keine finstern Mächte raten
+Blutig über unsern Taten,
+Sie sind keines Zufalls Spiel,
+Nein, ein Gott, ob wir's gleich leugnen,
+Führt sie, wenn auch nicht zum eignen,
+Immer doch zum guten Ziel.
+Ja, er hat auch mich geleitet,
+Wenn ich gleich die Hand nicht sah,
+Der die Schmerzen mir bereitet,
+Ist vielleicht in Wonne nah.
+
+(Die Fenster der Schloßkapelle haben sich während dem erleuchtet, und
+sanfte, aber ernste Töne klingen jetzt herüber.)
+
+Was ist das?--Habt Dank! Habt Dank!
+
+Säuselt, säuselt, holde Töne,
+Säuselt lieblich um mich her,
+Sanft und weich, wie Silberschwäne
+Über ein bewegtes Meer.
+
+Schüttelt eure weichen Schwingen,
+Träufelt Balsam auf dies Herz,
+Laßt die Himmelslieder klingen,
+Einzuschläfern meinen Schmerz.
+
+Ja, ich kenne eure Stimme,
+Ihr sollt laden mich zum Bund,
+Der mich rief in Donners Grimme,
+Ruft mich jetzt durch euren Mund.
+
+Laßt ihr mich Verzeihung hoffen?
+Ihr tönt fort und sagt nicht: Nein,
+Seht die Pforten stehen offen,
+Friedensboten ziehet ein!
+
+(Die Töne nehmen nach und nach einen immer ernsteren Charakter an, und
+begleiten zuletzt folgende Worte:)
+
+Chor (von innen).
+Auf, ihr Brüder!
+Senkt ihn nieder
+In der Erde stillen Schoß,
+In der Truhe
+Finde Ruhe,
+Die dein Leben nicht genoß.
+
+Jaromir.
+Ändert ihr so schnell das Antlitz
+Unerklärte Geisterstimmen?
+Habt so lieblich erst geschienen,
+Zoget ein, wie Honigbienen,
+Und jetzt kehrt ihr fürchterlich
+Euren Stachel wider mich!
+Das sind keine Friedensklänge,
+Ha, so tönen Grabgesänge!
+Dort in der Kapelle Licht--
+Stille Herz! Weissage nicht!
+Ich will sehen, sehen, sehen!
+Sollt' ich drüber auch vergehen.
+
+(Er klettert an verfallenem Gestein bis zum Kapellfenster empor.)
+
+Gesang (fährt fort).
+Hat hienieden
+Auch den Frieden
+Dir dein eigen Kind entwandt,
+Dort, zum Lohne,
+Statt dem Sohne
+Reicht ein Vater dir die Hand.
+
+Und den Blinden
+Wird er finden
+Wie er Abels Mörder fand,
+Das Verbrechen
+Wird er rächen
+Mit des Richters schwerer Hand.
+
+Jaromir (wankend und bleich zurückkommend).
+Was war das?--Hab ich gesehn?
+Ist es Wahrheit, Wahrheit, Wahrheit,
+Oder spiegeln diese Augen
+Nur des Innern dunkle Bilder
+Statt der lichten Außenwelt?
+
+Starr und dumpf in wüstem Graus
+Lag das weite Gotteshaus,
+Seine leichenblassen Wangen
+Mit des Trauers Flor umhangen;
+Am Altar des Heilands Bild
+Abgewandt und tief verhüllt,
+Als ob Dinge da geschehen,
+Die's ihn schaudre anzusehen.
+Und aus schwarzverhülltem Chor
+Wanden Töne sich empor,
+Die um Straf' und Rache baten
+Über ungeheure Taten.
+Und am öden Hochaltar,
+Ringsum eine Dienerschar,
+Lag, umstrahlt von dumpfen Kerzen,
+Eine Wunde auf dem Herzen,
+Weit geöffnet, blutig rot,
+Lag mein Vater bleich und tot.
+Wie, mein Vater? Mag ich's sagen?
+Nein, lag der, den ich erschlagen,
+Denn, was auch die Hölle spricht,
+Nein, er war mein Vater nicht!
+
+Bin ich ja doch nur ein Mensch,
+Meine Taten, wenn gleich schwarz,
+Sind ja doch nur Menschentaten,
+Und ein Teufel würde beben,
+Gält' es eines Vaters Leben.
+Hab ich doch gehört, gelesen
+Von der Stimme der Natur,
+Wär' mein Vater es gewesen,
+Warum schwieg sie damals nur?
+Mußte sie nicht donnernd schreien,
+Als der Dolch zum Stoß geneigt,
+Halt! Dem deine Hände dräuen,
+Mörder, der hat dich gezeugt!
+Und wenn sie, sie die ich liebe,
+Liebe?--Nein die ich begehre,
+Wenn sie meine Schwester wäre,
+Woher diese heiße Gier,
+Die mich flammend treibt zu ihr?
+Schwester? Schwester! Toller Wahn!
+Zieht es so den Bruder an?
+Wenn uns Hymens Fackeln blinken,
+Wir uns in die Arme sinken,
+In des Brautbetts Bindeglut,
+Dann erst nenn ich sie mein Blut.
+
+Mir wird Tag. Die Nebel schwinden,
+Es erhellet sich die Nacht.
+Was ich suchte will ich finden,
+Was ich anfing sei vollbracht!
+Glaubst du, Wünsche können retten,
+Und entsühnen kann ein Wort?
+Nie muß man den Weg betreten,
+Wer ihn trat, der wandle fort.
+Sie muß ich, ja sie besitzen,
+Mag der Himmel Rache blitzen,
+Mag die Hölle Flammen sprühn
+Und mit Schrecken sie umziehn.
+Wie der tolle Wahn sie heiße,
+Weib und Gattin heißt sie hier
+Und durch tausend Donner reiße
+Ich die Teure her zu mir.
+
+Hier der Ort und hier das Fenster!
+Die Entscheidungsstunde naht
+Und mahnt laut mich auf zur Tat.
+
+(Im Hinaufsteigen.)
+
+Schauderst Liebchen? Sei nicht bange!
+Sieh, du harrest nicht mehr lange,
+In des Heißgeliebten Arm
+Ruht sich's selig, ruht sich's warm!
+
+(Durchs Fenster hinein.)
+(Hauptmann kommt mit Soldaten, die Boleslav führen.)
+
+Hauptmann.
+Suche nicht mehr zu entrinnen,
+Du hast Sorgfalt uns gelehrt!
+Ruhig und nicht von der Stelle!
+Aber wo ist dein Geselle?
+Hier, sprachst du, verließest du ihn?
+
+Boleslav.
+Ja, mein Herr!
+
+Hauptmann.
+Er ist nicht hier!
+
+Soldat.
+Herr, an jenem kleinen Fenster
+Sah ich es von weitem blinken,
+Und es wollte mich bedünken,
+Daß ein Mensch in voller Hast
+Durch die enge Öffnung steige.
+Und ich wette, Herr, er war's;
+In des Schlosses innern Gängen
+Suchet er wohl Sicherheit.
+
+Hauptmann.
+Wohl, nicht mehr kann er entweichen,
+Wo er sei, an jedem Ort
+Soll die Rache ihn erreichen.
+Und nun folgt mir! Eilig fort!
+
+(Ab mit den Soldaten.)
+
+Grabgewölbe.
+
+Im Hintergrunde das hohe Grabmal der Ahnfrau mit passenden Sinnbildern.
+Rechts im Vorgrunde eine Erhöhung, mit schwarzem Tuch bedeckt.
+
+Jaromir (kommt).
+So! Hier bin ich!--Mutig! Mutig!--
+Schauer weht von diesen Wänden,
+Und die leisgesprochnen Worte
+Kommen meinem Ohre wieder
+Wie aus eines Fremden Mund.--
+
+Wie ich gehe, wie ich wandle,
+Ziehet sich ein schwarzer Streif,
+Dunkel wie vergoßnes Blut
+Vor mir auf dem Boden hin,
+Und ob gleich das Innre schaudert,
+Sich empöret die Natur,
+Ich muß treten seine Spur.
+
+(Seine Hände begegnen sich.)
+
+Ha, wer faßt so kalt mich an?
+Meine Hand?--Ja, 's ist die meine.
+Bist du jetzt so starr und kalt,
+Sonst von heißem Blut durchwallt,
+Kalt und starr wie Mörderhand,
+Mörder, Mörder, Mörderhand!
+
+(Vor sich hinbrütend.)
+
+Possen!--Fort! Gebt euch zur Ruh'!
+Fort, es geht der Hochzeit zu!
+Liebchen, Braut, wo weilest du?
+Berta, Berta, komm!
+
+Die Ahnfrau (tritt aus dem Grabmale).
+Wer ruft?
+
+Jaromir.
+Du bist's! Nun ist alles gut,
+Wieder kehret mir mein Mut.
+Laß mich Mädchen dich umfangen,
+Küssen diese bleichen Wangen--
+Warum trittst du scheu zurück,
+Warum starrt so trüb dein Blick,
+Lustig Mädchen, lustig Liebe!
+Ist dein Hochzeittag so trübe?
+Ich bin heiter, ich bin froh,
+Und auch du sollst's sein, auch du!
+Sieh mein Kind, ich weiß Geschichten,
+Wunderbar und lächerlich,
+Lügen, derbe, arge Lügen,
+Aber drum grad lächerlich.
+Sieh sie sagen--Lustig, lustig!
+Sagen, du seist meine Schwester!
+Meine Schwester!--Lache Mädchen,
+Lache, lache sag ich dir!
+
+Ahnfrau (mit dumpfer Stimme).
+Ich bin deine Schwester nicht.
+
+Jaromir.
+Sagst du s doch so weinerlich.
+Meine Schwester!--Lache sag ich!
+Und mein Vater--Von was anderm!
+Alles ist zur Flucht bereitet,
+Komm!
+
+Ahnfrau.
+Wo ist dein Vater?
+
+Jaromir.
+Schweige!
+Schweig!
+
+Ahnfrau (steigend).
+Wo ist dein Vater?
+
+Jaromir.
+Weib,
+Schweig und reiz mich länger nicht!
+Du hast mich nur mild gesehn,
+Aber wenn die finstre Macht
+In der tiefen Brust erwacht
+Und erschallen läßt die Stimme,
+Ist ein Leu in seinem Grimme
+Nur ein Schoßhund gegen mich;
+Blut schreit's dann in meinem Innern,
+Und der Nächste meinem Herzen
+Ist der Nächste meinem Dolch.
+Darum schweig!
+
+Ahnfrau (mit starker Stimme).
+Wo ist dein Vater!
+
+Jaromir.
+Ha!
+Wer heißt mich dir Rede stehn?--
+Wo mein Vater?--Weiß ich's selbst?
+Meinst du jenen bleichen Greis
+Mit den heil'gen Silberlocken?
+Sieh, den hab ich eingesungen,
+Und er schläft nun, schläft nun, schläft!
+
+(Die Hand auf die Brust gepreßt.)
+
+Manchmal, manchmal regt er sich,
+Aber legt sich wieder nieder,
+Schließt die schweren Augenlider
+Und schläft murrend wieder ein.--
+Aber Mädchen, narrst du mich?
+Komm mit mir, hinaus ins Freie!
+Schüttelst du dein bleiches Haupt?
+Eidvergeßne, Undankbare,
+Lohnst du so mir meine Liebe,
+Lohnst du so was ich getan?
+Was mir teuer war hienieden,
+Meiner Seele goldnen Frieden,
+Welt und Himmel setzt' ich ein
+Um dich mein zu nennen, mein!
+Kenntest du die Höllenschmerzen,
+Die mir nagen tief im Herzen,
+Fühltest du die grimme Pein,
+Könntest Reine du es wissen,
+Was ein blutendes Gewissen,
+O du würdest milder sein,
+O du sagtest jetzt nicht: Nein!
+
+Ahnfrau.
+Kehr zurück!
+
+Jaromir.
+Ha, ich? zurück?
+Nimmermehr! Nicht ohne dich,
+Geh ich, Weib, so folgst du mir.
+Und wenn selbst dein Vater käme,
+Und dich in die Arme nähme,
+Mit der grassen Todeswunde,
+Die mit offnem, blut'gem Munde,
+Mörder! Mörder! zu mir spricht,
+Meiner Hand entgingst du nicht.
+
+Ahnfrau.
+Kehr zurück!
+
+Jaromir.
+Nein, sag ich, nein!
+
+(Man hört eine Türe aufsprengen.)
+
+Ahnfrau.
+Horch, sie kommen!
+
+Jaromir.
+Mag es sein!
+Leben, Berta, dir zur Seite
+Oder sterben neben dir.
+
+Ahnfrau.
+Flieh, entflieh, noch ist es Zeit!
+
+(Eine zweite Türe wird eingesprengt.)
+
+Jaromir.
+Berta! Hierher meine Berta.
+
+Ahnfrau.
+Deine Berta bin ich nicht!
+Bin die Ahnfrau deines Hauses,
+Deine Mutter, Sündensohn!
+
+Jaromir.
+Das sind meiner Berta Wangen,
+Das ist meiner Berta Brust,
+Du mußt mit! Hier stürmt Verlangen
+Und von dorther winkt die Lust.
+
+Ahnfrau.
+Sieh den Brautschmuck den ich bringe!
+
+(Sie reißt das Tuch von der bedeckten Erhöhung. Berta liegt tot im
+Sarge.)
+
+Jaromir (zurücktaumelnd).
+Weh mir!--
+Truggeburt der Hölle!
+All umsonst! Ich laß dich nicht!
+Das ist Bertas Angesicht
+Und bei dem ist meine Stelle!
+
+(Auf sie zueilend.)
+
+Ahnfrau.
+So komm denn Verlorner!
+
+(Öffnet die Arme. Er stürzt hinein.)
+
+Jaromir (schreiend).
+Ha!--
+
+(Er taumelt zurück, wankt mit gebrochenen Knieen einige Schritte und
+sinkt dann an Bertas Sarge nieder.)
+(Die Türe wird aufgesprengt. Günther, Boleslav, der Hauptmann und
+Soldaten stürzen herein.)
+
+Hauptmann (hereinstürzend).
+Mörder, gib dich! Du mußt sterben!
+
+(Die Ahnfrau streckt die Hand gegen sie aus. Alle bleiben erstarrt an
+der Türe stehen.)
+
+Ahnfrau (sich über Jaromir neigend).
+Scheid in Frieden, Friedenloser!
+
+(Sie neigt sich zu ihm herunter und küßt ihn auf die Stirne, hebt dann
+die Sargdecke auf und breitet sie wehmütig über beide Leichen. Dann
+mit emporgehobenen Händen:)
+
+Nun wohlan, es ist vollbracht,
+Durch der Schlüsse Schauernacht
+Sei gepriesen ew'ge Macht!--
+Öffne dich, du stille Klause,
+Denn die Ahnfrau kehrt nach Hause!
+
+(Sie geht feierlichen Schrittes in ihr Grabmal zurück. Wie sie
+verschwunden ist, bewegen sich die Eingetretenen gegen den Vorgrund zu.)
+
+Hauptmann.
+Ha, nun bist du unser--
+
+Günther (eilt dem Sarge zu, hebt die Decke auf und spricht mit Tränen).
+Tot!
+
+(Der Vorhang fällt.)
+
+
+Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Die Ahnfrau, von Franz
+Grillparzer.
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Die Ahnfrau, by Franz Grillparzer
+
+*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE AHNFRAU ***
+
+This file should be named 8frau10.txt or 8frau10.zip
+Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 8frau11.txt
+VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 8frau10a.txt
+
+Produced by Delphine Lettau and Gutenberg Projekt-DE.
+
+Project Gutenberg eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US
+unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+We are now trying to release all our eBooks one year in advance
+of the official release dates, leaving time for better editing.
+Please be encouraged to tell us about any error or corrections,
+even years after the official publication date.
+
+Please note neither this listing nor its contents are final til
+midnight of the last day of the month of any such announcement.
+The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at
+Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. A
+preliminary version may often be posted for suggestion, comment
+and editing by those who wish to do so.
+
+Most people start at our Web sites at:
+http://gutenberg.net or
+http://promo.net/pg
+
+These Web sites include award-winning information about Project
+Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new
+eBooks, and how to subscribe to our email newsletter (free!).
+
+
+Those of you who want to download any eBook before announcement
+can get to them as follows, and just download by date. This is
+also a good way to get them instantly upon announcement, as the
+indexes our cataloguers produce obviously take a while after an
+announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter.
+
+http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext03 or
+ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext03
+
+Or /etext02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90
+
+Just search by the first five letters of the filename you want,
+as it appears in our Newsletters.
+
+
+Information about Project Gutenberg (one page)
+
+We produce about two million dollars for each hour we work. The
+time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours
+to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright
+searched and analyzed, the copyright letters written, etc. Our
+projected audience is one hundred million readers. If the value
+per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2
+million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text
+files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+
+We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002
+If they reach just 1-2% of the world's population then the total
+will reach over half a trillion eBooks given away by year's end.
+
+The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks!
+This is ten thousand titles each to one hundred million readers,
+which is only about 4% of the present number of computer users.
+
+Here is the briefest record of our progress (* means estimated):
+
+eBooks Year Month
+
+ 1 1971 July
+ 10 1991 January
+ 100 1994 January
+ 1000 1997 August
+ 1500 1998 October
+ 2000 1999 December
+ 2500 2000 December
+ 3000 2001 November
+ 4000 2001 October/November
+ 6000 2002 December*
+ 9000 2003 November*
+10000 2004 January*
+
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created
+to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium.
+
+We need your donations more than ever!
+
+As of February, 2002, contributions are being solicited from people
+and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut,
+Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois,
+Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts,
+Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New
+Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio,
+Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South
+Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West
+Virginia, Wisconsin, and Wyoming.
+
+We have filed in all 50 states now, but these are the only ones
+that have responded.
+
+As the requirements for other states are met, additions to this list
+will be made and fund raising will begin in the additional states.
+Please feel free to ask to check the status of your state.
+
+In answer to various questions we have received on this:
+
+We are constantly working on finishing the paperwork to legally
+request donations in all 50 states. If your state is not listed and
+you would like to know if we have added it since the list you have,
+just ask.
+
+While we cannot solicit donations from people in states where we are
+not yet registered, we know of no prohibition against accepting
+donations from donors in these states who approach us with an offer to
+donate.
+
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+how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made
+deductible, and don't have the staff to handle it even if there are
+ways.
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+PMB 113
+1739 University Ave.
+Oxford, MS 38655-4109
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+requirements for other states are met, additions to this list will be
+made and fund-raising will begin in the additional states.
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+(Three Pages)
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