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+The Project Gutenberg EBook of Philotas, by Gotthold Ephraim Lessing
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
+other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
+whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of
+the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
+www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have
+to check the laws of the country where you are located before using this ebook.
+
+Title: Philotas
+
+Author: Gotthold Ephraim Lessing
+
+Posting Date: October 12, 2014 [EBook #9159]
+Release Date: October, 2005
+First Posted: September 9, 2003
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ISO-8859-1
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK PHILOTAS ***
+
+
+
+
+Produced by Delphine Lettau, from files obtained from
+Gutenberg Projekt-DE.
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+Philotas
+
+Gotthold Ephraim Lessing
+
+Ein Trauerspiel
+
+
+Personen:
+
+Aridäus, König.
+Strato, Feldherr des Aridäus.
+Philotas, gefangen.
+Parmenio, Soldat.
+
+Die Szene ist ein Zelt in dem Lager des Aridäus.
+
+
+
+Erster Auftritt.
+
+Philotas.
+
+So bin ich wirklich gefangen?--Gefangen!--Ein würdiger Anfang meiner
+kriegerischen Lehrjahre!--O ihr Götter! O mein Vater!--Wie gern
+überredte ich mich, daß alles ein Traum sei! Meine frühste Kindheit
+hat nie etwas anders, als Waffen, und Läger, und Schlachten und Stürme
+geträumet. Könnte der Jüngling nicht von Verlust und Entwaffnung
+träumen?--Schmeichle dir nur, Philotas! Wenn ich sie nicht sähe,
+nicht fühlte, die Wunde, durch die der erstarrten Hand das Schwert
+entsank!--Man hat sie mir wider Willen verbunden. O der grausamen
+Barmherzigkeit eines listigen Feindes! Sie ist nicht tödlich, sagte
+der Arzt, und glaubte mich zu trösten.--Nichtswürdiger, sie sollte
+tödlich sein!--Und nur eine Wunde, nur eine!--Wüßte ich, daß ich sie
+tödlich machte, wenn ich sie wieder aufriss', und wieder verbinden
+ließ', und wieder aufriss'--Ich rase, ich Unglücklicher!--Und was für
+ein höhnisches Gesicht--itzt fällt mir es ein--mir der alte Krieger
+machte, der mich vom Pferde riß! Er nannte mich: Kind!--Auch sein
+König muß mich für ein Kind, für ein verzärteltes Kind halten. In was
+für ein Zelt hat er mich bringen lassen! Aufgeputzt, mit allen
+Bequemlichkeiten versehen! Es muß einer von seinen Beischläferinnen
+gehören. Ein ekler Aufenthalt für einen Soldaten! Und anstatt
+bewacht zu werden, werde ich bedienet. Hohnsprechende Höflichkeit!--
+
+
+
+Zweiter Auftritt.
+
+Strato. Philotas.
+
+
+Strato. Prinz--
+
+Philotas. Schon wieder ein Besuch? Alter, ich bin gern allein.
+
+Strato. Prinz, ich komme auf Befehl des Königs--
+
+Philotas. Ich verstehe dich! Es ist wahr, ich bin deines Königs
+Gefangener, und es stehet bei ihm, wie er mir will begegnen lassen--
+Aber höre, wenn du der bist, dessen Miene du trägst--bist du ein alter
+ehrlicher Kriegsmann, so nimm dich meiner an, und bitte den König, daß
+er mir als einem Soldaten, und nicht als einem Weibe begegnen lasse.
+
+Strato. Er wird gleich bei dir sein; ich komme, ihn zu melden.
+
+Philotas. Der König bei mir? und du kömmst, ihn zu melden?--Ich will
+nicht, daß er mir eine von den Erniedrigungen erspare, die sich ein
+Gefangener muß gefallen lassen.--Komm, führe mich zu ihm! Nach dem
+Schimpfe, entwaffnet zu sein, ist mir nichts mehr schimpflich.
+
+Strato. Prinz, deine Bildung, voll jugendlicher Anmut, verspricht ein
+sanftres Gemüt.
+
+Philotas. Laß meine Bildung unverspottet! Dein Gesicht voll Narben
+ist freilich ein schöners Gesicht--
+
+Strato. Bei den Göttern! eine große Antwort! Ich muß dich bewundern
+und lieben.
+
+Philotas. Möchtest du doch, wenn du mich nur erst gefürchtet hättest.
+
+
+Strato. Immer heldenmütiger! Wir haben den schrecklichsten Feind vor
+uns, wenn unter seiner Jugend der Philotas viel sind.
+
+Philotas. Schmeichle mir nicht!--Euch schrecklich zu werden, müssen
+sie mit meinen Gesinnungen größre Taten verbinden. Darf ich deinen
+Namen wissen?
+
+Strato. Strato.
+
+Philotas. Strato? Der tapfre Strato, der meinen Vater am Lykus
+schlug?--
+
+Strato. Gedenke mir dieses zweideutigen Sieges nicht! Und wie blutig
+rächte sich dein Vater in der Ebene Methymna! So ein Vater muß so
+einen Sohn haben.
+
+Philotas. O dir darf ich es klagen, du würdigster der Feinde meines
+Vaters, dir darf ich mein Schicksal klagen.--Nur du kannst mich ganz
+verstehen; denn auch dich, auch dich hat das herrschende Feuer der
+Ehre, der Ehre fürs Vaterland zu bluten, in deiner Jugend verzehrt.
+Wärest du sonst, was du bist?--Wie habe ich ihn nicht, meinen Vater,
+seit sieben Tagen--denn erst sieben Tage kleidet mich die männliche
+Toga--wie habe ich ihn nicht gebeten, gefleht, beschworen, siebenmal
+alle sieben Tage auf den Knieen beschworen, zu verstatten, daß ich
+nicht umsonst der Kindheit entwachsen sei, und mich mit seinen
+Streitern ausziehen zu lassen, die mir schon längst so manche Träne
+der Nacheiferung gekostet. Gestern bewegte ich ihn, den besten Vater,
+denn Aristodem half mir bitten.--Du kennst ihn, den Aristodem; er ist
+meines Vaters Strato.--"Gib mir, König, den Jüngling morgen mit,"
+sprach Aristodem; "ich will das Gebirge durchstreifen, um den Weg nach
+Cäsarea offen zu halten."--"Wenn ich euch nur begleiten könnte",
+seufzte mein Vater.--Er liegt noch an seinen Wunden krank.--"Doch es
+sei!" und hiermit umarmte mich mein Vater. O was fühlte der
+glückliche Sohn in dieser Umarmung!--Und die Nacht, die darauf folgte!
+Ich schloß kein Auge; doch verweilten mich Träume der Ehre und des
+Sieges bis zur zweiten Nachtwache auf dem Lager.--Da sprang ich auf,
+warf mich in den neuen Panzer, strich die ungelockten Haare unter den
+Helm, wählte unter den Schwertern meines Vaters, dem ich gewachsen zu
+sein glaubte, stieg zu Pferde; und hatte ein Roß schon müde gespornt,
+noch ehe die silberne Drommete die befohlne Mannschaft weckte. Sie
+kamen, und ich sprach mit jedem meiner Begleiter, und da drückte mich
+mancher wackere Krieger an seine narbigte Brust! Nur mit meinem Vater
+sprach ich nicht; denn ich zitterte, wenn er mich noch einmal sähe, er
+möchte sein Wort widerrufen.--Nun zogen wir aus! An der Seite der
+unsterblichen Götter kann man nicht glücklicher sein, als ich an der
+Seite Aristodems mich fühlte! Auf jeden seiner anfeuernden Blicke
+hätte ich, ich allein, ein Heer angegriffen und mich in der
+feindlichen Eisen gewissesten Tod gestürzet. In stiller
+Entschlossenheit freute ich mich auf jeden Hügel, von dem ich in der
+Ebene Feinde zu entdecken hoffte; auf jede Krümmung des Tals, hinter
+der ich auf sie zu stoßen mir schmeichelte. Und da ich sie endlich
+von der waldigten Höhe auf uns stürzen sahe; ihnen bergan entgegen
+flog--rufe dir, ruhmvoller Greis, die seligste deiner jugendlichen
+Entzückungen zurück--du konntest nie entzückter sein!--Aber nun, nun
+sieh mich, Strato, sieh mich von dem Gipfel meiner hohen Erwartungen
+schimpflich herabstürzen! O wie schaudert mich, diesen Fall in
+Gedanken noch einmal zu stürzen!--Ich war zu weit vorausgeeilt; ich
+ward verwundet und--gefangen! Armseliger Jüngling, nur auf Wunden
+hieltest du dich, nur auf den Tod gefaßt,--und wirst gefangen. So
+schicken die strengen Götter, unsere Fassung zu vereiteln, nur immer
+unvorhergesehenes Übel?--Ich weine; ich muß weinen, ob ich mich schon,
+von dir darum verachtet zu werden, scheue. Aber verachte mich nicht!--
+Du wendest dich weg?
+
+Strato. Ich bin unwillig; du hättest mich nicht so bewegen sollen.--
+Ich werde mit dir zum Kinde--
+
+Philotas. Nein; höre, warum ich weine! Es ist kein kindisches Weinen,
+das du mit deiner männlichen Träne zu begleiten würdigest--Was ich
+für mein größtes Glück hielt, die zärtliche Liebe, mit der mich mein
+Vater liebt, wird mein größtes Unglück. Ich fürchte, ich fürchte; er
+liebt mich mehr, als er sein Reich liebt! Wozu wird er sich nicht
+verstehen, was wird ihm dein König nicht abdringen, mich aus der
+Gefangenschaft zu retten! Durch mich Elenden wird er an einem Tage
+mehr verlieren, als er in drei langen mühsamen Jahren, durch das Blut
+seiner Edeln, durch sein eignes Blut gewonnen hat. Mit was für einem
+Angesichte soll ich wieder vor ihm erscheinen; ich, sein schlimmster
+Feind? Und meines Vaters Untertanen--künftig einmal die meinigen,
+wenn ich sie zu regieren mich würdig gemacht hätte--wie werden sie den
+ausgelösten Prinzen ohne die spöttischste Verachtung unter sich dulden
+können? Wann ich denn vor Scham sterbe und unbedauert hinab zu den
+Schatten schleiche, wie finster und stolz werden die Seelen der Helden
+bei mir vorbeiziehen, die dem Könige die Vorteile mit ihrem Leben
+erkaufen mußten, deren er sich als Vater für einen unwürdigen Sohn
+begibt.--O das ist mehr, als eine fühlende Seele ertragen kann!
+
+Strato. Fasse dich, lieber Prinz! Es ist der Fehler des Jünglings,
+sich immer für glücklicher, oder unglücklicher zu halten, als er ist.
+Dein Schicksal ist so grausam noch nicht; der König nähert sich, und
+du wirst aus seinem Munde mehr Trost hören.
+
+
+
+Dritter Auftritt.
+
+König Aridäus. Philotas. Strato.
+
+
+Aridäus. Kriege, die Könige unter sich zu führen gezwungen werden,
+sind keine persönliche Feindschaften.--Laß dich umarmen, mein Prinz!
+O welcher glücklichen Tage erinnert mich deine blühende Jugend! So
+blühte die Jugend deines Vaters! Dies war sein offenes, sprechendes
+Auge; dies seine ernste, redliche Miene; dies sein edler Anstand!--
+Noch einmal laß dich umarmen; ich umarme deinen jüngern Vater in dir.
+--Hast du es nie von ihm gehört, Prinz, wie vertraute Freunde wir in
+deinem Alter waren? Das war das selige Alter, da wir uns noch ganz
+unserm Herzen überlassen durften. Bald aber wurden wir beide zum
+Throne gerufen, und der sorgende König, der eifersüchtige Nachbar
+unterdrückte, leider! den gefälligen Freund.--
+
+Philotas. Verzeih, o König, wenn du mich in Erwiderung so süßer Worte
+zu kalt findest. Man hat meine Jugend denken, aber nicht reden
+gelehrt.--Was kann es mir itzt helfen, daß du und mein Vater einst
+Freunde waren? Waren: so sagst du selbst. Der Haß, den man auf
+verloschne Freundschaft pfropfet, muß, unter allen, die tödlichsten
+Früchte bringen;--oder ich kenne das menschliche Herz zu wenig.--
+Verzögere daher, König, verzögere meine Verzweiflung nur nicht. Du
+hast als der höfliche Staatsmann gesprochen; sprich nun als der
+Monarch, der den Nebenbuhler seiner Größe ganz in seiner Gewalt hat.
+
+Strato. O laß ihn, König, die Ungewißheit seines Schicksals nicht
+länger peinigen.--
+
+Philotas. Ich danke, Strato!--Ja, laß mich es nur gleich hören, wie
+verabscheuungswürdig du einen unglücklichen Sohn seinem Vater machen
+willst. Mit welchem schimpflichen Frieden, mit welchen Ländern soll
+er ihn erkaufen? Wie klein und verächtlich soll er werden, um nicht
+verwaist zu bleiben?--O mein Vater!--
+
+Aridäus. Auch diese frühe, männliche Sprache, Prinz, war deines
+Vaters! So höre ich dich gern! Und möchte, meiner nicht minder
+würdig, auch mein Sohn itzt vor deinem Vater so sprechen!--
+
+Philotas. Wie meinst du das?--
+
+Aridäus. Die Götter--ich bin es überzeugt--wachen für unsere Tugend,
+wie sie für unser Leben wachen. Die so lang als mögliche Erhaltung
+beider ist ihr geheimes, ewiges Geschäft. Wo weiß ein Sterblicher,
+wie böse er im Grunde ist, wie schlecht er handeln würde, ließen sie
+jeden verführerischen Anlaß, sich durch kleine Taten zu beschimpfen,
+ganz auf ihn wirken?--Ja, Prinz, vielleicht wäre ich der, den du mich
+glaubst; vielleicht hätte ich nicht edel genug gedacht, das
+wunderliche Kriegesglück, das dich mir in die Hände liefert,
+bescheiden zu nützen; vielleicht würde ich durch dich ertrotzt haben,
+was ich zu erfechten nicht länger wagen mögen; vielleicht--Doch
+fürchte nichts; allen diesen "Vielleicht" hat eine höhere Macht
+vorgebauet; ich kann deinen Vater seinen Sohn nicht teurer erkaufen
+lassen als--durch den meinigen.
+
+Philotas. Ich erstaune! Du gibst mir zu verstehen--
+
+Aridäus. Daß mein Sohn deines Vaters Gefangener ist, wie du meiner.--
+
+Philotas. Dein Sohn meines Vaters? Dein Polytimet?--Seit wenn? Wie?
+Wo?
+
+Aridäus. So wollt' es das Schicksal! Aus gleichen Wagschalen nahm es
+auf einmal gleiche Gewichte, und die Schalen blieben noch gleich.
+
+Strato. Du willst nähere Umstände wissen.--Eben dasselbe Geschwader,
+dem du zu hitzig entgegen eiltest, führte Polytimet; und als dich die
+Deinigen verloren erblickten, erhob sie Wut und Verzweiflung über alle
+menschliche Stärke. Sie brachen ein, und alle stürmten sie auf den
+einen, in welchem sie ihres Verlustes Ersetzung sahen. Das Ende weißt
+du.--Nun nimm noch von einem alten Soldaten die Lehre an: Der Angriff
+ist kein Wettrennen; nicht der, welcher zuerst, sondern welcher zum
+sichersten auf den Feind trifft, hat sich dem Siege genähert. Das
+merke dir, zu feuriger Prinz; sonst möchte der werdende Held im ersten
+Keime ersticken.
+
+Aridäus. Strato, du machst den Prinzen durch deine, zwar
+freundschaftliche, Warnung verdrießlich. Wie finster er da steht!--
+
+Philotas. Nicht das! Aber laß mich; in tiefe Anbetung der Vorsicht
+verloren--
+
+Aridäus. Die beste Anbetung, Prinz, ist dankbare Freude. Ermuntere
+dich! Wir Väter wollen uns unsere Söhne nicht lange vorenthalten.
+Mein Herold hält sich bereits fertig; er soll gehen und die
+Auswechselung beschleunigen. Aber du weißt wohl, freudige Nachrichten,
+die wir allein vom Feinde erfahren, scheinen Fallstricke. Man könnte
+argwohnen, du seist vielleicht an deiner Wunde gestorben. Es wird
+daher nötig sein, daß du selbst mit dem Herolde einen unverdächtigen
+Boten an deinen Vater sendest. Komm mit mir! Suche dir einen unter
+den Gefangenen, den du deines Vertrauens würdigen kannst.--
+
+Philotas. So willst du, daß ich mich vervielfältiget verabscheuen
+soll? In jedem der Gefangenen werde ich mich selbst erblicken.--
+Schenke mir diese Verwirrung.
+
+Aridäus. Aber--
+
+Philotas. Unter den Gefangenen muß sich Parmenio befinden. Den
+schicke mir her; ich will ihn abfertigen.
+
+Aridäus. Wohl; auch so! Komm, Strato! Prinz wir sehen uns bald
+wieder.
+
+
+
+Vierter Auftritt.
+
+Philotas.
+
+
+Götter! Näher konnte der Blitz, ohne mich ganz zu zerschmettern,
+nicht vor mir niederschlagen. Wunderbare Götter! Die Flamme kehrt
+zurück; der Dampf verfliegt, und ich war nur betäubt.--So war das mein
+ganzes Elend, zu sehen, wie elend ich hätte werden können? Wie elend
+mein Vater durch mich!--Nun darf ich wieder vor dir erscheinen, mein
+Vater! Zwar noch mit niedergeschlagenen Augen; doch nur die Scham
+wird sie niederschlagen, nicht das brennende Bewußtsein, dich mit mir
+ins Verderben gerissen zu haben. Nun darf ich nichts von dir fürchten,
+als einen Verweis mit Lächeln; kein stummes Trauren; keine, durch die
+stärkere Gewalt der väterlichen Liebe erstickte Verwünschungen.--
+
+Aber--ja, bei dem Himmel! ich bin zu gütig gegen mich. Darf ich mir
+alle Fehler vergeben, die mir die Vorsicht zu vergeben scheinet? Soll
+ich mich nicht strenger richten, als sie und mein Vater mich richten?
+Die allzugütigen!--Sonst jede der traurigen Folgen meiner
+Gefangenschaft konnten die Götter vernichten; nur eine konnten sie
+nicht: die Schande! Zwar jene leicht verfliegende wohl, die von der
+Zunge des Pöbels strömt; aber nicht die wahre dauernde Schande, die
+hier der innere Richter, mein unparteiisches Selbst, über mich
+ausspricht!--
+
+Und wie leicht ich mich verblende! Verlieret mein Vater durch mich
+nichts? Der Ausschlag, den der gefangene Polytimet,--wenn ich nicht
+gefangen wäre,--auf seine Seite brächte, der ist nichts!--Nur durch
+mich wird er nichts!--Das Glück hätte sich erkläret, für wen es sich
+erklären sollte; das Recht meines Vaters triumphierte, wäre Polytimet,
+nicht Philotas und Polytimet gefangen!--
+
+Und nun--welcher Gedanke war es, den ich itzt dachte? Nein; den ein
+Gott in mir dachte--Ich muß ihm nachhängen! Laß dich fesseln,
+flüchtiger Gedanke!--Itzt denke ich ihn wieder! Wie weit er sich
+verbreitet, und immer weiter; und nun durchstrahlt er meine ganze
+Seele!--
+
+Was sagte der König? Warum wollte er, daß ich zugleich selbst einen
+unverdächtigen Boten an meinen Vater schicken sollte? Damit mein
+Vater nicht argwohne--wo waren ja seine eigne Worte--, ich sei bereits
+an meiner Wunde gestorben.--Also meint er doch, wenn ich bereits an
+meiner Wunde gestorben wäre, so würde die Sache ein ganz anders Ansehn
+gewinnen? Würde sie das? Tausend Dank für diese Nachricht! Tausend
+Dank!--Und freilich! Denn mein Vater hätte alsdenn einen gefangenen
+Prinzen, für den er sich alles bedingen könnte; und der König, sein
+Feind, hätte--den Leichnam eines gefangenen Prinzen, für den er nichts
+fordern könnte; den er--müßte begraben oder verbrennen lassen, wenn er
+ihm nicht zum Abscheu werden sollte.
+
+Gut! das begreif' ich! Folglich, wenn ich, ich elender Gefangener,
+meinem Vater den Sieg noch in die Hände spielen will, worauf kömmt es
+an? Aufs Sterben. Auf weiter nichts?--O fürwahr; der Mensch ist
+mächtiger, als er glaubt, der Mensch, der zu sterben weiß!
+
+Aber ich? ich, der Keim, die Knospe eines Menschen, weiß ich zu
+sterben? Nicht der Mensch, der vollendete Mensch allein, muß es
+wissen; auch der Jüngling, auch der Knabe; oder er weiß gar nichts.
+Wer zehn Jahre gelebt hat, hat zehn Jahre Zeit gehabt, sterben zu
+lernen; und was man in zehn Jahren nicht lernt, das lernt man auch in
+zwanzig, in dreißig und mehrern nicht.
+
+Alles, was ich werden können, muß ich durch das zeigen, was ich schon
+bin. Und was könnte ich, was wollte ich werden? Ein Held.--Wer ist
+ein Held?--O mein abwesender vortrefflicher Vater, itzt sei ganz in
+meiner Seele gegenwärtig!--Hast du mich nicht gelehrt, ein Held sei
+ein Mann, der höhere Güter kennt als das Leben? Ein Mann, der sein
+Leben dem Wohle des Staats geweihet; sich, den einzeln, dem Wohle
+vieler? Ein Held sei ein Mann--Ein Mann? Also kein Jüngling, mein
+Vater?--Seltsame Frage! Gut, daß sie mein Vater nicht gehöret hat!
+Er müßte glauben, ich sähe es gern, wenn er Nein darauf antwortete.--
+Wie alt muß die Fichte sein, die zum Maste dienen soll? Wie alt? Sie
+muß hoch genug, und muß stark genug sein.
+
+Jedes Ding, sagte der Weltweise, der mich erzog, ist vollkommen, wenn
+es seinen Zweck erfüllen kann. Ich kann meinen Zweck erfüllen, ich
+kann zum Besten des Staats sterben: ich bin vollkommen also, ich bin
+ein Mann. Ein Mann, ob ich gleich noch vor wenig Tagen ein Knabe war.
+
+
+Welch Feuer tobt in meinen Adern? Welche Begeisterung befällt mich?
+Die Brust wird dem Herzen zu eng!--Geduld, mein Herz! Bald will ich
+dir Luft machen! Bald will ich dich deines einförmigen langweiligen
+Dienstes erlassen! Bald sollst du ruhen, und lange ruhen--
+
+Wer kömmt? Es ist Parmenio.--Geschwind entschlossen!--Was muß ich zu
+ihm sagen? Was muß ich durch ihn meinem Vater sagen lassen?--Recht!
+das muß ich sagen, das muß ich sagen lassen.
+
+
+
+Fünfter Auftritt.
+
+Parmenio. Philotas.
+
+
+Philotas. Tritt näher, Parmenio.--Nun? warum so schüchtern? So
+voller Scham? Wessen schämst du dich? Deiner, oder meiner?
+
+Parmenio: Unser beider, Prinz.
+
+Philotas. Immer sprich, wie du denkst. Freilich, Parmenio, müssen
+wir beide nicht viel taugen, weil wir uns hier befinden. Hast du
+meine Geschichte bereits gehört?
+
+Parmenio. Leider!
+
+Philotas. Und als du sie hörtest?--
+
+Parmenio. Ich bedauerte dich, ich bewunderte dich, ich verwünschte
+dich, ich weiß selbst nicht, was ich alles tat.
+
+Philotas. Ja, ja! Nun aber, da du doch wohl auch erfahren, daß das
+Unglück so groß nicht ist, weil gleich darauf Polytimet von den
+Unserigen--
+
+Parmenio. Ja nun; nun möchte ich fast lachen. Ich finde, daß das
+Glück zu einem kleinen Schlage, den es uns versetzen will, oft
+erschrecklich weit ausholt. Man sollte glauben, es wolle uns
+zerschmettern, und hat uns am Ende nichts, als eine Mücke auf der
+Stirne totgeschlagen.
+
+Philotas. Zur Sache!--Ich soll dich mit dem Herolde des Königs zu
+meinem Vater schicken.
+
+Parmenio. Gut! So wird deine Gefangenschaft der meinigen das Wort
+sprechen. Ohne die gute Nachricht, die ich ihm von dir bringen werde,
+und die eine freundliche Miene wohl wert ist, hätte ich mir eine
+ziemlich frostige von ihm versprechen müssen.
+
+Philotas. Nein, ehrlicher Parmenio; nun im Ernst! Mein Vater weiß es,
+daß dich der Feind verblutet und schon halb erstarrt von der Walstatt
+aufgehoben. Laß prahlen, wer prahlen will; der ist leicht gefangen zu
+nehmen, den der nahende Tod schon entwaffnet hat.--Wie viele Wunden
+hast du nun, alter Knecht?--
+
+Parmenio. O, davon konnte ich sonst eine lange Liste hersagen. Itzt
+aber habe ich sie um ein gut Teil verkürzt.
+
+Philotas. Wie das?
+
+Parmenio. Ha! Ich rechne nun nicht mehr die Glieder, an welchen ich
+verwundet bin; Zeit und Atem zu ersparen, zähle ich die, an welchen
+ich es nicht bin.--Kleinigkeiten bei dem allem! Wozu hat man die
+Knochen anders, als daß sich die feindlichen Eisen darauf schartig
+hauen sollen?
+
+Philotas. Das ist wacker!--Aber nun--was willst du meinem Vater
+sagen?
+
+Parmenio. Was ich sehe; daß du dich wohl befindest. Denn deine Wunde,
+wenn man mir anders die Wahrheit gesagt hat,--
+
+Philotas. Ist so gut als keine.
+
+Parmenio. Ein kleines liebes Andenken. Dergleichen uns ein
+inbrünstiges Mädchen in die Lippe beißt. Nicht wahr, Prinz?
+
+Philotas. Was weiß ich davon?
+
+Parmenio. Nu, nu; kömmt Zeit, kömmt Erfahrung.--Ferner will ich
+deinem Vater sagen, was ich glaube, daß du wünschest--
+
+Philotas. Und was ist das?
+
+Parmenio. Je eher, je lieber wieder bei ihm zu sein. Deine kindliche
+Sehnsucht, deine bange Ungeduld--
+
+Philotas. Mein Heimweh lieber gar. Schalk! warte, ich will dich
+anders denken lehren!
+
+Parmenio. Bei dem Himmel, das mußt du nicht! Mein lieber
+frühzeitiger Held, laß dir das sagen: Du bist noch Kind! Gib nicht zu,
+daß der rauhe Soldat das zärtliche Kind so bald in dir ersticke. Man
+möchte sonst von deinem Herzen nicht zum besten denken; man möchte
+deine Tapferkeit für angeborne Wildheit halten. Ich bin auch Vater,
+Vater eines einzigen Sohnes, der nur wenig älter als du, mit gleicher
+Hitze--du kennst ihn ja.
+
+Philotas. Ich kenne ihn. Er verspricht alles, was sein Vater
+geleistet hat.
+
+Parmenio. Aber wüßte ich, daß sich der junge Wildfang nicht in allen
+Augenblicken, die ihm der Dienst frei läßt, nach seinem Vater sehnte,
+und sich nicht so nach ihm sehnte, wie sich ein Lamm nach seiner
+Mutter sehnet: so möchte ich ihn gleich--siehst du!--nicht erzeugt
+haben. Itzt muß er mich noch mehr lieben, als ehren. Mit dem Ehren
+werde ich mich so Zeit genug müssen begnügen lassen; wenn nämlich die
+Natur den Strom seiner Zärtlichkeit einen andern Weg leitet; wenn er
+selbst Vater wird.--Werde nicht ungehalten, Prinz.
+
+Philotas. Wer kann auf dich ungehalten werden?--Du hast recht! Sage
+meinem Vater alles, was du glaubest, daß ihm ein zärtlicher Sohn bei
+dieser Gelegenheit muß sagen lassen. Entschuldige meine jugendliche
+Unbedachtsamkeit, die ihn und sein Reich fast ins Verderben gestürzt
+hätte. Bitte ihn, mir meinen Fehler zu vergeben. Versichere ihn, daß
+ich ihn nie durch einen ähnlichen Fehler wieder daran erinnern will;
+daß ich alles tun will, damit er ihn auch vergessen kann. Beschwöre
+ihn--
+
+Parmenio. Laß mich nur machen! So etwas können wir Soldaten recht
+gut sagen.--Und besser als ein gelehrter Schwätzer; denn wir sagen es
+treuherziger.--Laß mich nur machen! Ich weiß schon alles.--Lebe wohl,
+Prinz; ich eile--
+
+Philotas. Verzieh!
+
+Parmenio. Nun?--Und welch feierliches Ansehen gibst du dir auf
+einmal?
+
+Philotas. Der Sohn hat dich abgefertiget, aber noch nicht der Prinz.--
+Jener mußte fühlen; dieser muß überlegen. Wie gern wollte der Sohn
+gleich itzt, wie gern wollte er noch eher, als möglich, wieder um
+seinen Vater, um seinen geliebten Vater sein; aber der Prinz--der
+Prinz kann nicht.--Höre!
+
+Parmenio. Der Prinz kann nicht?
+
+Philotas. Und will nicht.
+
+Parmenio. Will nicht?
+
+Philotas. Höre!
+
+Parmenio. Ich erstaune--
+
+Philotas. Ich sage, du sollst hören und nicht erstaunen. Höre!
+
+Parmenio. Ich erstaune, weil ich höre. Es hat geblitzt, und ich
+erwarte den Schlag.--Rede!--Aber, junger Prinz, keine zweite
+Übereilung!--
+
+Philotas. Aber, Soldat, kein Vernünfteln!--Höre! Ich habe meine
+Ursachen, nicht eher ausgelöset zu sein, als morgen. Nicht eher als
+morgen! Hörst du?--Sage also unserm Könige, daß er sich an die
+Eilfertigkeit des feindlichen Herolds nicht kehre. Eine gewisse
+Bedenklichkeit, ein gewisser Anschlag nötige den Philotas zu dieser
+Verzögerung.--Hast du mich verstanden?
+
+Parmenio. Nein!
+
+Philotas. Nicht? Verräter!--
+
+Parmenio. Sachte, Prinz! Ein Papagei versteht nicht, aber er behält,
+was man ihm vorsagt. Sei unbesorgt. Ich will deinem Vater alles
+wieder herplappern, was ich von dir höre.
+
+Philotas. Ha! ich untersagte dir, zu vernünfteln, und das verdreußt
+dich. Aber wie bist denn du so verwöhnt? Haben dir alle deine
+Befehlshaber Gründe gesagt?--
+
+Parmenio. Alle, Prinz; ausgenommen die jungen.
+
+Philotas. Vortrefflich! Parmenio, wenn ich so empfindlich wäre, als
+du--
+
+Parmenio. Und doch kann nur derjenige meinen blinden Gehorsam
+heischen, dem die Erfahrung doppelte Augen gegeben.
+
+Philotas. Bald werde ich dich also um Verzeihung bitten müssen.--Nun
+wohl, ich bitte dich um Verzeihung, Parmenio. Murre nicht, Alter!
+Sei wieder gut, alter Vater!--Du bist freilich klüger, als ich. Aber
+nicht die Klügsten allein haben die besten Einfälle. Gute Einfälle
+sind Geschenke des Glückes; und das Glück, weißt du wohl, beschenkt
+den Jüngling oft lieber, als den Greis. Denn das Glück ist blind.
+Blind, Parmenio; stockblind gegen alles Verdienst. Wenn es das nicht
+wäre, müßtest du nicht schon lange Feldherr sein?
+
+Parmenio. Sieh, wie du zu schmeicheln weißt, Prinz--Aber im Vertrauen,
+lieber Prinz! Willst du mich nicht etwa bestechen? mit
+Schmeicheleien bestechen?
+
+Philotas. Ich, schmeicheln! Und dich bestechen! Du bist der Mann,
+der sich bestechen läßt!
+
+Parmenio. Wenn du so fortfährest, so kann ich es werden. Schon traue
+ich mir selbst nicht mehr recht!
+
+Philotas. Was wollte ich also sagen?--So einen guten Einfall nun,
+wollte ich sagen, als das Glück oft in das albernste Gehirn wirft, so
+einen habe ich itzo ertappt. Bloß ertappt; von dem Meinigen ist nicht
+das geringste dazugekommen. Denn hätte mein Verstand, meine
+Erfindungskraft einigen Anteil daran; würde ich ihn nicht gern mit dir
+überlegen wollen? Aber so kann ich ihn nicht mit dir überlegen; er
+verschwindet, wenn ich ihn mitteile; so zärtlich, so fein ist er, ich
+getraue mir ihn nicht in Worte zu kleiden; ich denke ihn nur, wie mich
+der Philosoph Gott zu denken gelehrt hat, und aufs höchste könnte ich
+dir nur sagen, was er nicht ist--Möglich zwar genug, daß es im Grunde
+ein kindischer Einfall ist; ein Einfall, den ich für einen glücklichen
+Einfall halte, weil ich noch keinen glücklichern gehabt habe. Aber
+mag er doch; kann er nichts nützen, so kann er doch auch nichts
+schaden. Das weiß ich gewiß; es ist der unschädlichste Einfall von
+der Welt; so unschädlich als--als ein Gebet. Wirst du deswegen zu
+beten unterlassen, weil du nicht ganz gewiß weißt, ob dir das Gebet
+helfen wird?--Verdirb mir immer also meine Freude nicht, Parmenio,
+ehrlicher Parmenio! Ich bitte dich, ich umarme dich--Wenn du mich nur
+ein klein wenig lieb hast--Willst du? Kann ich mich darauf verlassen?
+Willst du machen, daß ich erst morgen ausgewechselt werde? Willst
+du?
+
+Parmenio. Ob ich will? Muß ich nicht? muß ich nicht?--Höre, Prinz,
+wenn du einmal König wirst, gib dich nicht mit dem Befehlen ab.
+Befehlen ist ein unsicheres Mittel, befolgt zu werden. Wem du etwas
+recht Schweres aufzulegen hast, mit dem mache es, wie du es itzt mit
+mir gemacht hast, und wenn er dir alsdenn seinen Gehorsam verweigert--
+Unmöglich! Er kann dir ihn nicht verweigern! Ich muß auch wissen,
+was ein Mann verweigern kann.
+
+Philotas. Was Gehorsam? Was hat die Freundschaft, die du mir
+erweisest, mit dem Gehorsam zu tun? Willst du, mein Freund?--
+
+Parmenio. Hör' auf! hör' auf! Du hast mich schon ganz. Ja doch,
+ich will alles. Ich will es, ich will es deinem Vater sagen, daß er
+dich erst morgen auslösen soll. Warum zwar erst morgen,--das weiß ich
+nicht! Das brauch' ich nicht zu wissen! Das braucht auch er nicht zu
+wissen. Genug, ich weiß, daß du es willst. Und ich will alles, was
+du willst. Willst du sonst nichts? Soll ich sonst nichts tun? Soll
+ich für dich durchs Feuer rennen? Mich für dich vom Felsen
+herabstürzen? Befiehl nur, mein lieber kleiner Freund, befiehl! Itzt
+tu' ich dir alles! Sogar--sage ein Wort, und ich will für dich ein
+Verbrechen, ein Bubenstück begehen! Die Haut schaudert mir zwar; aber
+doch Prinz, wenn du willst, ich will, ich will--
+
+Philotas. O mein bester, feuriger Freund! O du--wie soll ich dich
+nennen?--du Schöpfer meines künftigen Ruhmes! Dir schwöre ich bei
+allem, was mir heilig ist, bei der Ehre meines Vaters, bei dem Glücke
+seiner Waffen, bei der Wohlfahrt seines Landes schwöre ich dir, nie in
+meinem Leben diese deine Bereitwilligkeit, deinen Eifer zu vergessen!
+Möchte ich ihn auch würdig genug belohnen können!--Höret, ihr Götter,
+meinen Schwur!--Und nun Parmenio, schwöre auch du! Schwöre mir, dein
+Wort treulich zu halten.--
+
+Parmenio. Ich schwören? Ich bin zu alt zum Schwören.
+
+Philotas. Und ich bin zu jung, dir ohne Schwur zu trauen. Schwöre
+mir! Ich habe dir bei meinem Vater geschworen, schwöre du mir bei
+deinem Sohne. Du liebst ihn doch, deinen Sohn? Du liebst ihn doch
+recht herzlich?
+
+Parmenio. So herzlich, wie dich!--Du willst es, und ich schwöre. Ich
+schwöre dir, bei meinem einzigen Sohne, bei meinem Blute, das in
+seinen Adern wallet, bei dem Blute, das ich gern für deinen Vater
+geblutet, das auch er gern für dich einst bluten wird, bei diesem
+Blute schwöre ich dir, mein Wort zu halten! Und wenn ich es nicht
+halte, so falle mein Sohn in seiner ersten Schlacht, und erlebe sie
+nicht, die glorreichen Tage deiner Regierung!--Höret, ihr Götter,
+meinen Schwur--
+
+Philotas. Höret ihn noch nicht, ihr Götter!--Du hast mich zum besten,
+Alter. In der ersten Schlacht fallen; meine Regierung nicht erleben:
+ist das ein Unglück? Ist früh sterben ein Unglück?
+
+Parmenio. Das sag' ich nicht. Doch nur deswegen, um dich auf dem
+Throne zu sehen, um dir zu dienen, möchte ich--was ich sonst durchaus
+nicht möchte--noch einmal junge werden--Dein Vater ist gut; aber du
+wirst besser, als er.
+
+Philotas. Kein Lob zum Nachteile meines Vaters!--Ändere deinen Schwur!
+Komm, ändere ihn so: Wenn du dein Wort nicht hältst, so möge dein
+Sohn ein Feiger, ein Nichtswürdiger werden; er möge, wenn er zwischen
+Tod und Schande zu wählen hat, die Schande wählen; er möge neunzig
+Jahre ein Spott der Weiber leben, und noch im neunzigsten Jahre ungern
+sterben.
+
+Parmenio. Ich entsetze mich--doch schwöre ich: das mög' er!--Höret
+den gräßlichsten der Schwüre, ihr Götter!
+
+Philotas. Höret ihn!--Nun gut, nun kannst du gehen, Parmenio. Wir
+haben einander lange genug aufgehalten, und fast zu viel Umstände über
+eine Kleinigkeit gemacht. Denn ist es nicht eine wahre Kleinigkeit,
+meinem Vater zu sagen, ihn zu überreden, daß er mich nicht eher als
+morgen auswechsle? Und wenn er ja die Ursache wissen will; wohl, so
+erdenke dir unter Weges eine Ursache.
+
+Parmenio. Das will ich auch! Ich habe zwar, so alt ich geworden bin,
+noch nie eine Unwahrheit gesonnen. Aber doch, dir zuliebe, Prinz--Laß
+mich nur; das Böse lernt sich auch noch im Alter.--Lebe wohl!
+
+Philotas. Umarme mich!--Geh!
+
+
+
+Sechster Auftritt.
+
+Philotas.
+
+
+Es soll so viele Betrüger in der Welt geben, und das Betrügen ist doch
+so schwer, wenn es auch in der besten Absicht geschieht.--Habe ich
+mich nicht wenden und winden müssen!--Mache nur, guter Parmenio, daß
+mich mein Vater erst morgen auslöset, und er soll mich gar nicht
+auszulösen brauchen.--Nun habe ich Zeit genug gewonnen! Zeit genug,
+mich in meinem Vorsatze zu bestärken--Zeit genug, die sichersten
+Mittel zu wählen.--Mich in meinem Vorsatze zu bestärken?--Wehe mir,
+wenn ich dessen bedarf!--Standhaftigkeit des Alters, wenn du mein Teil
+nicht bist, o so stehe du mir bei, Hartnäckigkeit des Jünglings!
+
+Ja, es bleibt dabei! es bleibt fest dabei!--Ich fühl' es, ich werde
+ruhig,--ich bin ruhig!--Der du itzt da stehest, Philotas--(indem er
+sich selbst betrachtet)--Ha! es muß ein trefflicher, ein großer
+Anblick sein: ein Jüngling gestreckt auf den Boden, das Schwert in der
+Brust!--
+
+Das Schwert? Götter! o ich Elender! ich Ärmster!--Und itzt erst
+werde ich es gewahr? Ich habe kein Schwert; ich habe nichts! Es ward
+die Beute des Kriegers, der mich gefangen nahm.--Vielleicht hätte er
+es mir gelassen, aber Gold war der Heft.--Unseliges Gold, bist du denn
+immer das Verderben der Tugend!
+
+Kein Schwert? Ich kein Schwert?--Götter, barmherzige Götter, dies
+einzige schenket mir! Mächtige Götter, die ihr Erde und Himmel
+erschaffen, ihr könntet mir kein Schwert schaffen,--wenn ihr wolltet?--
+Was ist nun mein großer, schimmernder Entschluß? Ich werde mir selbst
+ein bitteres Gelächter--
+
+Und da kömmt er auch schon wieder, der König.--Still! Wenn ich das
+Kind spielte?--Dieser Gedanke verspricht etwas.--Ja! Vielleicht bin
+ich glücklich--
+
+
+
+Siebenter Auftritt.
+
+Aridäus. Philotas.
+
+
+Aridäus. Nun sind die Boten fort, mein Prinz. Sie sind auf den
+schnellesten Pferden abgegangen, und das Hauptlager deines Vaters ist
+so nahe, daß wir in wenig Stunden Antwort erhalten können.
+
+Philotas. Du bist also, König, wohl sehr ungeduldig, deinen Sohn
+wieder zu umarmen?
+
+Aridäus. Wird es dein Vater weniger sein, dich wieder an seine Brust
+zu drücken?--Laß mich aber, liebster Prinz, deine Gesellschaft
+genießen. In ihr wird mir die Zeit schneller verschwinden; und
+vielleicht, daß es auch sonst glückliche Folgen hat, wenn wir uns
+näher kennen. Liebenswürdige Kinder sind schon oft die
+Mittelspersonen zwischen veruneinigten Vätern gewesen. Folge mir also
+in mein Zelt, wo die besten meiner Befehlshaber deiner warten. Sie
+brennen vor Begierde, dich zu sehen und zu bewundern.
+
+Philotas. Männer, König, müssen kein Kind bewundern. Laß mich also
+nur immer hier. Scham und Ärgernis würden mich eine sehr einfältige
+Person spielen lassen. Und was deine Unterredung mit mir anbelangt--
+da seh' ich vollends nicht, was daraus kommen könnte. Ich weiß weiter
+nichts, als daß du und mein Vater in Krieg verwickelt sind; und das
+Recht--das Recht, glaub' ich, ist auf seiten meines Vaters. Das
+glaub' ich, König, und will es nun einmal glauben--wenn du mir auch
+das Gegenteil unwidersprechlich zeigen könntest. Ich bin Sohn und
+Soldat, und habe weiter keine Einsicht, als die Einsicht meines Vaters
+und meines Feldherrn.
+
+Aridäus. Prinz, es zeiget einen großen Verstand, seinen Verstand so
+zu verleugnen. Doch tut es mir leid, daß ich mich also auch vor dir
+nicht soll rechtfertigen können.--Unseliger Krieg!--
+
+Philotas. Jawohl, unseliger Krieg!--Und wehe seinem Urheber!
+
+Aridäus. Prinz! Prinz! erinnere dich, daß dein Vater das Schwert
+zuerst gezogen. Ich mag in deine Verwünschung nicht einstimmen. Er
+hatte sich übereilt, er war zu argwöhnisch--
+
+Philotas. Nun ja; mein Vater hat das Schwert zuerst gezogen. Aber
+entsteht die Feuersbrunst erst dann, wenn die lichte Flamme durch das
+Dach schlägt? Wo ist das geduldige, gallose, unempfindliche Geschöpf,
+das durch unaufhörliches Necken nicht zu erbittern wäre?--Bedenke,--
+denn du zwingst mich mit aller Gewalt von Dingen zu reden, die mir
+nicht zukommen--bedenke, welch eine stolze, verächtliche Antwort du
+ihm erteiltest, als er--Doch du sollst mich nicht zwingen; ich will
+nicht davon sprechen! Unsere Schuld und Unschuld sind unendlicher
+Mißdeutungen, unendlicher Beschönigungen fähig. Nur dem untrüglichen
+Auge der Götter erscheinen wir, wie wir sind; nur das kann uns richten.
+Die Götter aber, du weißt es, König, sprechen ihr Urteil durch das
+Schwert des Tapfersten. Laß uns den blutigen Spruch aushören! Warum
+wollen wir uns kleinmütig von diesem höchsten Gerichte wieder zu den
+niedrigern wenden? Sind unsere Fäuste schon so müde, daß die
+geschmeidige Zunge sie ablösen müsse?
+
+Aridäus. Prinz, ich höre dich mit Erstaunen--
+
+Philotas. Ach!--Auch ein Weib kann man mit Erstaunen hören!
+
+Aridäus. Mit Erstaunen, Prinz, und nicht ohne Jammer!--Dich hat das
+Schicksal zur Krone bestimmt, dich!--Dir will es die Glückseligkeit
+eines ganzen, mächtigen, edeln Volkes anvertrauen; dir!--Welch eine
+schreckliche Zukunft enthüllt sich mir! Du wirst dein Volk mit
+Lorbeern und Elend überhäufen. Du wirst mehr Siege, als glückliche
+Untertanen zählen.--Wohl mir, daß meine Tage in die deinigen nicht
+reichen werden! Aber wehe meinem Sohne, meinem redlichen Sohne! Du
+wirst es ihm schwerlich vergönnen, den Harnisch abzulegen--
+
+Philotas. Beruhige den Vater, o König! Ich werde deinem Sohne weit
+mehr vergönnen! weit mehr!
+
+Aridäus. Weit mehr? Erkläre dich--
+
+Philotas. Habe ich ein Rätsel gesprochen?--O verlange nicht, König,
+daß ein Jüngling, wie ich, alles mit Bedacht und Absicht sprechen soll.
+--Ich wollte nur sagen: Die Frucht ist oft ganz anders, als die Blüte
+sie verspricht. Ein weibischer Prinz, hat mich die Geschichte gelehrt,
+ward oft ein kriegerischer König. Könnte mit mir sich nicht das
+Gegenteil zutragen?--Oder vielleicht war auch diese meine Meinung, daß
+ich noch einen weiten und gefährlichen Weg zum Throne habe. Wer weiß,
+ob die Götter mich ihn vollenden lassen?--Und laß mich ihn nicht
+vollenden, Vater der Götter und Menschen, wenn du in der Zukunft mich
+als einen Verschwender des Kostbarsten, was du mir anvertrauet, des
+Blutes meiner Untertanen, siehest!--
+
+Aridäus. Ja, Prinz; was ist ein König, wenn er kein Vater ist! Was
+ist ein Held ohne Menschenliebe! Nun erkenne ich auch diese in dir,
+und bin wieder ganz dein Freund!--Aber komm, komm; wir müssen hier
+nicht allein bleiben. Wir sind einer dem andern zu ernsthaft. Folge
+mir!
+
+Philotas. Verzeih, König--
+
+Aridäus. Weigere dich nicht!
+
+Philotas. So wie ich bin, mich vor vielen sehen zu lassen?--
+
+Aridäus. Warum nicht?
+
+Philotas. Ich kann nicht, König; ich kann nicht.
+
+Aridäus. Und die Ursache?
+
+Philotas. O die Ursache!--Sie würde dich zum Lachen bewegen.
+
+Aridäus. Um so viel lieber laß sie mich hören. Ich bin ein Mensch,
+und weine und lache gern.
+
+Philotas. Nun so lache denn!--Sieh, König, ich habe kein Schwert, und
+ich möchte nicht gern, ohne dieses Kennzeichen des Soldaten, unter
+Soldaten erscheinen.
+
+Aridäus. Mein Lachen wird zur Freude. Ich habe in voraus hierauf
+gedacht, und du wirst sogleich befriediget werden. Strato hat Befehl,
+dir dein Schwert wieder zu schaffen.
+
+Philotas. Also laß uns ihn hier erwarten.
+
+Aridäus. Und alsdenn begleitest du mich doch?--
+
+Philotas. Alsdenn werde ich dir auf dem Fuße nachfolgen.
+
+Aridäus. Gewünscht! da kömmt er! Nun, Strato--
+
+
+
+Achter Auftritt.
+
+Strato (mit einem Schwerte in der Hand). Aridäus. Philotas.
+
+
+Strato. König, ich kam zu dem Soldaten, der den Prinzen gefangen
+genommen, und forderte des Prinzen Schwert in deinem Namen von ihm
+zurück. Aber höre, wie edel sich der Soldat weigerte. "Der König",
+sprach er, "muß mir das Schwert nicht nehmen. Es ist ein gutes
+Schwert, und ich werde es für ihn brauchen. Auch muß ich ein Andenken
+von dieser meiner Tat behalten. Bei den Göttern, sie war keine von
+meinen geringsten! Der Prinz ist ein kleiner Dämon. Vielleicht aber
+ist es euch nur um den kostbaren Heft zu tun--" Und hiermit, ehe ich
+es verhindern konnte, hatte seine starke Hand den Heft abgewunden, und
+warf mir ihn verächtlich zu Füßen--"Da ist er!" fuhr er fort. "Was
+kümmert mich euer Gold?"
+
+Aridäus. O Strato, mache mir den Mann wieder gut!--
+
+Strato. Ich tat es. Und hier ist eines von deinen Schwertern!
+
+Aridäus. Gibt her!--Willst du es, Prinz, für das deinige annehmen?
+
+Philotas. Laß sehen!--Ha!--(Beiseite.) Habet Dank, ihr Götter!
+(Indem er es lange und ernsthaft betrachtet.)--Ein Schwert!
+
+Strato. Habe ich nicht gut gewählet, Prinz?
+
+Aridäus. Was findest du deiner tiefsinnigen Aufmerksamkeit so wert
+daran?
+
+Philotas. Daß es ein Schwert ist!--(Indem er wieder zu sich kömmt.)
+Und ein schönes Schwert! Ich werde bei diesem Tausche nichts
+verlieren.--Ein Schwert!
+
+Aridäus. Du zitterst, Prinz.
+
+Philotas. Vor Freuden!--Ein wenig zu kurz scheinet es mir bei alledem.
+Aber was zu kurz? Ein Schritt näher auf den Feind ersetzt, was ihm
+am Eisen abgehet.--Liebes Schwert! Welche eine schöne Sache ist ein
+Schwert, zum Spiele und zum Gebrauche! Ich habe nie mit etwas andern
+gespielt.--
+
+Aridäus (zum Strato). O der wunderbaren Vermischung von Kind und Held!
+
+
+Philotas (beiseite). Liebes Schwert! Wer doch bald mit dir allein
+wäre!--Aber, gewagt!
+
+Aridäus. Nun lege das Schwert an, Prinz; und folge mir.
+
+Philotas. Sogleich!--Doch seinen Freund und sein Schwert muß man
+nicht bloß von außen kennen. (Er zieht es, und Strato tritt zwischen
+ihn und den König.)
+
+Strato. Ich verstehe mich mehr auf den Stahl, als auf die Arbeit.
+Glaube mir Prinz; der Stahl ist gut. Der König hat, in seinen
+männlichen Jahren, mehr als einen Helm damit gespalten.
+
+Philotas. So stark werde ich nicht werden! Immerhin!--Tritt mir
+nicht so nahe, Strato.
+
+Strato. Warum nicht?
+
+Philotas. So! (Indem er zurückspringt, und mit dem Schwerte einen
+Streich durch die Luft tut.) Es hat den Zug, wie es ihn haben muß.
+
+Aridäus. Prinz, schone deines verwundeten Armes! Du wirst dich
+erhitzen!--
+
+Philotas. Woran erinnerst du mich, König?--An mein Unglück; nein, an
+meine Schande! Ich ward verwundet und gefangen! Ja! Aber ich will
+es nie wieder werden! Bei diesem meinem Schwerte, ich will es nie
+wieder werden! Nein, mein Vater, nein! Heut sparet dir ein Wunder
+das schimpfliche Lösegeld für deinen Sohn; künftig spar' es dir sein
+Tor! Sein gewisser Tod, wenn er sich wieder umringt siehet!--Wieder
+umringt?--Entsetzen!--Ich bin es! Ich bin umringt! Was nun?
+Gefährte! Freunde! Brüder! Wo seid ihr? Alle tot? Überall Feinde?--
+Überall! Hier durch, Philotas! Ha! Nimm das, Verwegner!--Und du
+das!--Und du das! (Um sich hauend.)
+
+Strato. Prinz! was geschieht dir? Fasse dich! (Geht auf ihn zu.)
+
+Philotas (sich von ihm entfernend). Auch du, Strato? auch du?--O
+Feind, sei großmütig! Töte mich! Nimm mich nicht gefangen!--Nein,
+ich gebe mich nicht gefangen! Und wenn ihr alle Stratos wäret, die
+ihr mich umringet! Doch will ich mich gegen euch alle, gegen eine
+Welt will ich mich wehren!--Tut euer Bestes, Feinde!--Aber ihr wollt
+nicht? Ihr wollt mich nicht töten, Grausame? Ihr wollt mich mit
+Gewalt lebendig?--Ich lache nur! Mich lebendig gefangen? Mich?--Eher
+will ich dieses mein Schwert, will ich--in diese meine Brust--eher--
+(Er durchsticht sich.)
+
+Aridäus. Götter! Strato!
+
+Strato. König!
+
+Philotas. Das wollt' ich! (Zurücksinkend.)
+
+Aridäus. Halt ihn, Strato!--Hilfe! dem Prinzen zur Hilfe!--Prinz,
+welche wütende Schwermut--
+
+Philotas. Vergib mir, König! ich habe dir einen tödlichern Streich
+versetzt, als mir!--Ich sterbe; und bald werden beruhigte Länder die
+Frucht meines Todes genießen.--Dein Sohn, König, ist gefangen; und der
+Sohn meines Vaters ist frei--
+
+Aridäus. Was hör' ich?
+
+Strato. So war es Vorsatz, Prinz?--Aber als unser Gefangener hattest
+du kein Recht über dich selbst.
+
+Philotas. Sage das nicht, Strato!--Sollte die Freiheit zu sterben,
+die uns die Götter in allen Umständen des Lebens gelassen haben,
+sollte diese ein Mensch dem andern verkümmern können?--
+
+Strato. O König!--Das Schrecken hat ihn versteinert!--König!
+
+Aridäus. Wer ruft?
+
+Strato. König!
+
+Aridäus. Schweig!
+
+Strato. Der Krieg ist aus, König!
+
+Aridäus. Aus? Das leugst du, Strato!--Der Krieg ist nicht aus, Prinz!
+--Stirb nur! stirb! Aber nimm das mit, nimm den quälenden Gedanken
+mit: Als ein wahrer unerfahrner Knabe hast du geglaubt, daß die Väter
+alle von einer Art, alle von der weichlichen, weiblichen Art deines
+Vaters sind.--Sie sind es nicht alle! Ich bin es nicht! Was liegt
+mir an meinem Sohne? Und denkst du, daß er nicht ebensowohl zum
+Besten seines Vaters sterben kann, als du zum Besten des deinigen?--Er
+sterbe! Auch sein Tod erspare mir das schimpfliche Lösegeld!--Strato,
+ich bin nun verwaiset, ich armer Mann!--Du hast einen Sohn; er sei der
+meinige!--Denn einen Sohn muß man doch haben.--Glücklicher Strato!
+
+Philotas. Noch lebt auch dein Sohn, König! Und wird leben! Ich hör'
+es!
+
+Aridäus. Lebt er noch?--So muß ich ihn wieder haben. Stirb du nur!
+Ich will ihn doch wieder haben! Und für dich!--Oder ich will deinem
+toten Körper so viel Unehre, so viel Schmach erzeigen lassen!--Ich
+will ihn--
+
+Philotas. Den toten Körper!--Wenn du dich rächen willst, König, so
+erwecke ihn wieder!--
+
+Aridäus. Ach!--Wo gerat' ich hin!
+
+Philotas. Du daurest mich!--Lebe wohl, Strato! Dort, wo alle
+Tugendhafte Freunde, und alle Tapfere Glieder eines seligen Staates
+sind, im Elysium sehen wir uns wieder!--Auch wir, König, sehen uns
+wieder--
+
+Aridäus. Und versöhnt!--Prinz!--
+
+Philotas. O so empfanget meine triumphierende Seele, ihr Götter; und
+dein Opfer, Göttin des Friedens!
+
+Aridäus. Höre mich, Prinz!--
+
+Strato. Er stirbt!--Bin ich ein Verräter, König, wenn ich deinen
+Feind beweine? Ich kann mich nicht halten. Ein wunderbarer Jüngling!
+
+
+Aridäus. Beweine ihn nur!--Auch ich!--Komm! Ich muß meinen Sohn
+wieder haben! Aber rede mir nicht ein, wenn ich ihn zu teuer erkaufe!--
+Umsonst haben wir Ströme Bluts vergossen; umsonst Länder erobert. Da
+zieht er mit unserer Beute davon, der größere Sieger!--Komm! Schaffe
+mir meinen Sohn! Und wenn ich ihn habe, will ich nicht mehr König
+sein. Glaubt ihr Menschen, daß man es nicht satt wird?--(Gehen ab.)
+
+
+Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Philotas, von Gotthold Ephraim
+Lessing.
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Philotas, by Gotthold Ephraim Lessing
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK PHILOTAS ***
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