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| author | Roger Frank <rfrank@pglaf.org> | 2025-10-15 05:30:34 -0700 |
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Das Projekt ist unter der Internet-Adresse +http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar. + + + + +Der Zweyte Theil von König Heinrich dem vierten + +der seinen Tod, und die Crönung von Heinrich dem fünften enthält. + +William Shakespeare + +Übersetzt von Christoph Martin Wieland + + +Personen. + +König Heinrich der vierte. +Prinz Heinrich, nachmals König Heinrich der fünfte. +Prinz John von Lancaster, Humphrey von Glocester und Thomas von +Clarence, Söhne König Heinrichs des vierten. +Northumberland, der Erzbischoff von York, Mowbray, Hastings, Lord +Bardolph, Travers, Morton (nd Coleville, Gegner von König +Heinrich. +Marwik, Westmorland, Surrey, Gower, Harcourt und Lord Ober- +Richter, von der Königlichen Parthey. +Falstaff, Poins, Bardolph, Pistol, Peto und ein kleiner Lakey, +zügellose Humoristen. +Schallow und Silence, zween Friedens-Richter vom Lande. +Davy, Schallows Bedienter. +Fang und Schlinge, zween Häscher. +Schimlich, Schatten, Warze, Schwächlich und Bulkalb, Recruten +von der Land-Miliz. +Lady Northumberland. +Lady Percy. +Wirthin Quikly. +Dortchen Tear-Scheat. +Bediente, Büttel, und andre stumme Personen. + +Die Scene ist in England. + + + +Erster Aufzug. + + + +Erste Scene. +(Northumberlands Burg.) +(Der Lord Bardolph tritt auf; der Pförtner an der Pforte.) + + +Bardolph. +Wer ist hier bey der Pforte, he? Wo ist der Graf? + +Pförtner. +Wie soll ich euch anmelden? + +Bardolph. +Sag dem Grafen, der Lord Bardolph warte hier auf ihn. + +Pförtner. +Er ist in den Garten gegangen; wenn Eu. Gnaden nur an die Thüre +klopfen will, so wird er selbst antworten. (Northumberland zu den +Vorigen.) + +Bardolph. +Hier ist der Graf. + +Northumberland. +Was bringt ihr Neues, Lord Bardolph? jede Minute sollte izt die +Mutter einer grossen Handlung seyn; die Zeiten sind wild; +einheimische Zwietracht, ist, wie ein zu wol gefüttertes Pferd, +toller Weise ausgebrochen, und sprengt alles nieder, was ihr im +Wege ligt. + +Bardolph. +Edler Graf, ich bring euch zuverläßige Zeitungen von Schrewsbury. + +Northumberland. +Gute, wenn Gott will! + +Bardolph. +So gute als man nur wünschen kan. Der König ist auf den Tod +verwundet, und der Prinz Heinrich von euers Sohns, und beyde Blunts +von Dowglassens Hand erschlagen; der junge Prinz John, Westmorland +und Stafford haben die Flucht ergriffen--Kurz, ein solcher Tag, so +erfochten, und von so herrlichen Folgen ist seit Cäsars Zeiten +nicht gesehen worden. + +Northumberland. +Woher habt ihr die Nachricht? Wart ihr selbst auf dem Plaz? Kommt +ihr von Schrewsbury? + +Bardolph. +Ich sprach mit einem der von dort herkam, Milord, einem Edelmann +von Erziehung und gutem Namen, der mir diese Zeitung für zuverläßig +gab. + +Northumberland. +Hier kommt Travers, mein Diener, den ich lezten Dienstag abschikte, +um zu sehen wie es ablauffen werde. + +Bardolph. +Milord, ich ließ ihn unterwegs hinter mir; er bringt nichts +gewissers noch umständlichers, als was ich euch schon gemeldet habe. + + + +Zweyte Scene. +(Travers zu den Vorigen.) + + +Northumberland. +Nun, Travers, was für gute Zeitungen bringt ihr mit? + +Travers. +Gnädiger Herr, Sir John Umfrevil bewog mich durch die erfreulichen +Neuigkeiten die er ankündigte, zurük zu kehren, und weil er besser +beritten war, kam er mir zuvor. Allein nach ihm kam ein andrer +Ritter in vollem Galopp angerennt, der, selbst ganz ausser Athem, +bey mir still hielt, sein blutendes Pferd verschnauben zu lassen; +er fragte mich, wo der Weg nach Chester gienge; ich erkundigte mich +bey ihm nach Neuigkeiten von Schrewsbury, und da sagt' er mir, es +sey unglüklich für die Rebellion ausgefallen, und der junge Hot- +Spur sey erschlagen; und mit diesem stieß er seinen armen +keuchenden Klepper in die Rippen, und rannte, ohne auf meine +fernere Fragen zu warten, so hastig davon, daß er den Weg zu +verschlingen schien. + +Northumberland. +He! Sag es noch einmal! Sagte er, es sey unglüklich für die +Rebellion ausgefallen, und der junge Hot-Spur sey erschlagen? + +Bardolph. +Milord, ich sag' euch, wenn euer Sohn den Sieg nicht erhalten hat, +so will ich, auf meine Ehre, meine Baronie für einen seidenen Spiz +geben. Verlaßt euch darauf. + +Northumberland. +Warum sagte dann der Edelmann, der bey Travers vorbey ritt, gerad +das Gegentheil? + +Bardolph. +Er? Das war irgend ein elender Kerl, der das Pferd gestohlen hatte, +worauf er ritt, und, bey meinem Leben, es nur so auf Gerathwohl +hinsagte. Seht, hier kommen mehr Zeitungen. + + + +Dritte Scene. +(Morton zu den Vorigen.) + + +Northumberland. +O dieses Manns Stirne kündigt wie ein Titelblatt einen tragischen +Inhalt an; so sieht der Strand aus, auf dem die gewaltthätige Fluth +Zeugnisse ihrer zerstörenden Wuth gelassen hat. Sprich, Morton, +kommst du von Schrewsbury? + +Morton. +Ich bin von Schrewsbury hieher gerennt, Milord, wo der verhaßte Tod +seine scheußlichste Maske umgethan hat, unsre Parthey zu schreken. + +Northumberland. +Was macht mein Sohn und mein Bruder?--Du zitterst? Die Blässe +deiner Wangen verkündigt, was deine Zunge nicht aussprechen kan. +Eben so ein Mann, so bebend, so athemlos, so bestürzt, so todt in +seinem Blik, so trostlos, zog in der Todesstille der Nacht den +Vorhang von Priams Bette, und wollt' ihm sagen, sein halbes Troja +lige schon in Asche; aber Priam fand das Feuer, eh der Mann seine +Zunge fand, und ich meines Percy Tod, eh du ihn ankündigst. Du +wolltest sagen: Euer Sohn that diß und das, euer Bruder, diß; so +focht der edle Dowglas; aber wenn du mein gieriges Ohr mit ihren +kühnen Thaten vollgestopft gehabt hättest, dann würdest du alles +dieses Lob mit einem einzigen Seufzer weggeblasen und damit +beschlossen haben, daß mein Bruder, mein Sohn und alle geblieben +seyen. + +Morton. +Dowglas lebt, und euer Bruder auch noch; aber Milord euer Sohn-- + + +Northumberland. +Nun, er ist todt. Sieh, was für eine fertige Zunge der Argwohn hat! +Wer das fürchtet, was er nicht wissen will, ließt, wie durch +Instinct, in andrer Augen, daß was er fürchtet geschehen ist. Aber, +rede Morton; sag dem Grafen von Northumberland, seine Ahnung lüge, +und ich will dich reich für eine so angenehme Beleidigung machen. + +Morton. +Eure Ahnung ist nur allzurichtig. + +Northumberland. +Und mit alle dem sagst du doch nicht, daß Percy todt sey. Du +schüttelst den Kopf, als ob du läugnen wollest, was dein düstrer +Blik bekennet; du hältst es für Gefahr oder Sünde eine Wahrheit zu +sagen. Wenn er erschlagen ist, so sag es; die Zunge begeht kein +Verbrechen, die seinen Tod berichtet; der sündigt, der den Todten +belügt, nicht der, welcher sagt, der Todte lebe nicht mehr. Und +doch hat der Ueberbringer unwillkommner Zeitungen eine undankbare +Mühe; seine Zunge tönt uns nachher immer wie eine Todten-Gloke, die +uns erinnert, daß sie einem geliebten Freund zu Grabe gelidten hat. + +Bardolph. +Ich kan es nicht glauben, Milord, daß euer Sohn todt seyn soll. + +Morton. +Es ist mir leid, daß ich euch nöthigen muß, etwas zu glauben, daß +ich nicht gesehen zu haben wünschte. Aber diese meine Augen sahen +ihn in seinem Blute sich wälzen, sahen ihn, in dem Augenblik, da er +langsamathmend und mit schwachem Ton die lezten Worte gegen +Heinrich von Monmouth aushauchte, dessen feuriger Grimm den nie +zuvor besiegten Percy zur Erde niedergeschlagen hatte. Mit einem +Wort, wie vorher sein Geist selbst dem plumpesten Fußknecht in +seinem Lager Feuer geliehen hatte, so blies izt sein Tod, sobald er +ruchtbar wurde, alle Hize in den Herzhaftesten aus; seine +scheidende Seele, gleich als wäre sie die allgemeine Seele seiner +Parthey gewesen, ließ lauter leblose Klöze zurük, die izt von der +Furcht allein fortgeschleudert wurden; und wie die schwersten +Körper, wenn sie durch eine fremde Gewalt in Bewegung gesezt werden, +desto schneller fliegen, so fliegt kein Pfeil vom Bogen abgedrükt +schneller seinem Ziele zu, als unsre Soldaten vom Felde ihrer +Rettung zu flohen. In diesem Tumult wurde allzufrüh der edle +Worcester gefangen, und dieser feuerathmende Schotte, dieser +blutige Dowglas, dessen unermüdetes Schwerdt dreymal die vermeynte +Gestalt des Königs erschlagen hatte; selbst er begann seinen Muth +zu verhüllen, und verminderte durch seine Flucht die Schmach derer +die den Rüken gewendet hatten, gerieth aber durch einen Fall vom +Pferd in die feindlichen Hände. Kurz, die Summe von allem ist, daß +der König gewonnen, und bereits ein eilfertiges Heer, unter +Anführung des jungen Lancasters und Westmorlands gegen euch +abgeschickt hat. + +Northumberland. +Diese Neuigkeiten zu betrauren, werd' ich immer Zeit genug haben. +Gift kan manchmal zur Arzney werden; und diese Zeitungen, die mich, +wär' ich gesund gewesen, krank gemacht hätten, haben izt, da ich +krank bin, mich in gewisser Maasse gesund gemacht. Und wie der +Elende, dessen vom Fieber geschwächte Gelenke, wie losgerißne +Angeln, unter der Gewalt des Lebens wanken, in einem ungeduldigen +Anstoß von Hize, wie ein Feuer aus seines Hüters Armen ausbricht; +so sind meine von Gram geschwächte Glieder, nun vom Gram zur Wuth +getrieben, dreymal stärker als sonst. Weg also, du schwache Krüke, +ein beschupter Handschuh mit Gelenken von Stahl soll hinfort diese +Hand umgeben. Und weg mit dir, du sieche Kopf-Hülle, du bist ein +zu schwacher Schirm für einen Kopf, nach welchem siegende Könige +zielen. Nun gürtet meine Stirne mit Eisen, und dann laßt das +Aergste kommen, was Zeit und Verhängniß gegen den wüthenden +Northumberland vermögen! Laßt den Himmel die Erde küssen! Halte +nicht länger, o Natur, die wilden Fluthen eingekerkert; laß die +Ordnung sterben, und diese Welt nicht länger einen Schauplaz seyn, +wo die Zwietracht genährt wird, um durch langsame Qualen +aufgerieben zu werden; sondern laß einen mördrischen Geist, den +Geist des erstgebohrnen Cains, in jedem Busen herrschen; laß in +einer wüthenden Stunde, die blutdurstenden Menschen, alle in einen +Hauffen getrieben, sich würgen, bis mit der allgemeinen Niederlage +die Scene sich schließt, und ewige Finsterniß begrabe dann die +Todten! + +Bardolph. +Diese heftige Leidenschaft thut euch Schaden, Milord; liebster Graf, +gestattet keine Scheidung zwischen eurer Klugheit und eurer Ehre. + +Morton. +Die Leben von allen euern getreuen Anhängern hangen an den eurigen, +und dieses muß nothwendig unterligen, wenn ihr euch diesem Sturm +der Leidenschaft überlaßt. Ihr überlegtet ja ohne Zweifel die +Zufälle und den ungewissen Ausgang des Kriegs, Milord, eh ihr +sagtet, wir wollen einen Aufstand erregen; ihr konntet leicht +vorhersehen, daß ein hiziges Gefecht euerm Sohn das Leben kosten +könne; ihr wußtet daß er, so zu sagen, auf der Schneide eines +Messers über einen gefährlichen Abgrund gieng, wo es +wahrscheinlicher war, daß er hineinfallen, als daß er hinüber +kommen werde: ihr wußtet daß sein Fleisch verwundbar war, und daß +ihn sein ungestümer Geist mitten in die grösten Gefahren treiben +würde; und doch sagtet ihr: Ziehe hin, und keine von diesen +Betrachtungen, so stark sie euch rühren müßten, konnte euern +gefaßten Entschluß wanken machen. Und was ist nun begegnet, oder +was hat diese kühne Unternehmung hervorgebracht, als was +wahrscheinlicher Weise erfolgen mußte? + +Bardolph. +Wir alle, die an diesem Verlust Theil haben, wußten, daß wir uns +auf ein so gefährliches Meer wagten, daß kaum einer unter zehen das +Leben davon bringen werde; und doch wagten wir's für den +vorgestekten Preis, sezten die Betrachtung einer augenscheinlichen +Gefahr bey Seite, und sind nun, da wir hinüber gekommen sind, +bereit noch mehr zu wagen. Kommt, wir wollen alles dran sezen, +Vermögen und Leben. + +Morton. +Es ist die höchste Zeit, Milord; und was unsern Muth erhöhen soll, +ist eine Nachricht, die ich euch für gewiß geben kan. Der beliebte +Erzbischoff von York ist mit einer ansehnlichen und wolgerüsteten +Macht auf. Er ist ein Mann, der seine Anhänger mit einer doppelten +Sicherheit gürtet. Milord, euer Sohn, hatte nur Leiber unter +seiner Anführung, nur Schatten und Gestalten von Männern, welche +fechten sollten; denn das Wort Rebellion schied die Würksamkeit +ihrer Seelen und ihrer Leiber von einander, sie fochten mit Grauen +und Widerwillen, ihre Waffen allein waren auf unsrer Seite, denn +ihre Geister und Seelen hatte das Wort Rebellion so frostig gemacht, +wie die Fische in einem Teiche. Aber nun verwandelt der Bischoff +den Aufruhr in Rebellion; das Vorurtheil, daß er ein rechtschaffner +und heiliger Mann sey, macht, daß man ihm mit Leib und Seele folgt, +krazt das Blut Königs Richards von den Steinen von Pomfret, um +seinem Aufstand eine Farbe zu geben, leitet seine Sache vom Himmel +ab, sagt ihnen, er eile einem blutenden Lande zu Hülfe, das unter +dem tyrannischen Bolingbroke in lezten Zügen lige; und so treibt es +ihm schaarenweis Anhänger und Freunde zu. + +Northumberland. +Ich wußte diß bereits; aber die Wahrheit zu sagen, dieser +gegenwärtige Schmerz hat es aus meinem Gemüth gewischt. Kommt mit +mir hinein, und ein jeder eröffne das beste, was er zu unsrer +gemeinschaftlichen Erhaltung und Rache rathen kan. Schiket +Couriers, schreibet Briefe, macht Freunde so schnell als möglich; +noch nie waren unsrer so wenig, und noch nie hätten wir Viele so +nöthig. + +(Sie gehen ab.) + + + +Vierte Scene. +(Verwandelt sich in eine Strasse von London.) +(Sir John Falstaff* tritt mit einem kleinen Lakayen auf, der ihm +sein Schwerdt und seinen Schild nachträgt.) + +{ed. * Die Falstaffischen Scenen machen einen grossen Theil dieser +gegenwärtigen Haupt- und Staats-Action aus, ob sie gleich als +blosse Zwischen-Spiele, die dem Pöbel für seine sechs Pfennige was +zu lachen geben sollen, mit dem Stük selbst keinen nothwendigen +Zusammenhang haben. Wir werden fortfahren, uns damit die nemliche +Freyheit zu nehmen, wie in dem vorigen Stüke; und wir sind +destomehr hiezu genöthiget, da der Humor und das Lächerliche, so +darinn herrscht, gröstentheils in sehr pöbelhaften Schwänken, Zoten, +Wortspielen, und einer ekelhaften Art von falschem und schmuzigem +Wiz besteht, und wir vermuthlich keine Leser von derjenigen Classe +haben werden, zu der die Zuhörer gehörten, die man damit belustigen +wollte.} + + +Falstaff. +Holla, du, Riese! was sagt der Doctor zu meinem Wasser? + +Lakay. +Er sagt, Herr, das Wasser an sich selbst sey ein gutes gesundes +Wasser; aber was die Person anlange, von der es komme, die möchte +wohl mehr Krankheiten an sich haben, als sie sich einbilde. + +Falstaff. +Alle Arten von Leute bilden sich was drauf ein, auf mich zu +sticheln. Das Hirn dieser närrischen Composition von Erdschollen, +die man Mensch heißt, ist nicht fähig mehr Lächerliches zu erfinden +als ich erfinde, oder wozu ich den Stoff hergebe. Ich bin nicht +nur für mich selbst wizig, sondern auch die Ursach, daß andre Leute +wizig sind. Ich geh hier vor dir her, wie ein Mutterschwein, das +alle seine Jungen, bis auf eins, aufgefressen hat. Wenn der Prinz +eine andre Ursach, warum er dich in meine Dienste gethan, gehabt +hat, als mich lächerlich zu machen, so weiß ich nicht was rechts +und links ist. Du H**sohn von einem Alraun, du taugtest besser daß +ich dich an meiner Müze trüge, als daß du hinter mir drein gehen +sollst. Ich habe noch nie kein Agtstein-Männchen zum Diener gehabt +bis izt, aber ich will dich weder in Gold noch Silber einfassen +lassen, darauf verlaß dich; in Bley sollst du mir gefaßt werden, +und so will ich dich deinem Herrn wieder zurük schiken, damit er +dich für ein Kleinod tragen kan. Dieser Juvenal, der Prinz dein +Herr, dessen Kinn noch nicht einmal Gauchfedern hat; es soll mir +eher ein Bart in meiner flachen Hand wachsen, eh er einen im +Gesicht kriegen wird; und doch ist er unverschämt genug, und +behauptet, sein Gesicht sey ein königliches Gesicht. Der Himmel +mag es völlig ausmachen wenn er will, izt ist noch kein Haar daran +auszusezen; er kan es immer als ein königliches Gesicht inne haben, +denn ein Barbier wird sein Lebtag nicht sechs Pfenninge daraus +ziehen, und doch kräht er immer, als ob er schon ein Mann gewesen +sey, wie sein Vater noch ein Junggeselle war. Er mag seine Gnade +für sich selbst sparen, denn die meinige hat er ziemlich verlohren, +das kan ich ihn versichern. Was sagt Herr Dombledon, wegen des +Atlas zu meinem kurzen Mantel und zu meinen Pluder-Hosen? + +Lakay. +Er sagt, Herr, ihr müßtet ihm einen bessern Bürgen stellen als +Bardolph; er verlange nicht mit eurer und seiner Handschrift zu +thun zu haben, die Versicherung sey ihm nicht hinlänglich. + +Falstaff. +Möcht' er verdammt werden wie der reiche Schlemmer, und seine Zunge +noch heisser seyn! Der H**sohn von einem Ahitophel, der Schurke, +der den Handschlag eines Edelmanns hat, und noch Versicherung +fordert! Die H*ds-f*tische Kahlköpfe tragen heutigs Tags nichts +als hohe Absäze, und ein Gebund Schlüssel an ihrem Gürtel; und wenn +ein Bidermann so höflich ist und bey ihnen borgen will, so +verlangen sie Sicherheit! Es wäre mir eben so lieb gewesen, wenn +er mir das Maul mit Mausgift gestopft hätte, als mit dieser +unverschämten Versicherung, die er verlangt. Ich erwartete, der +Flegel würde mir zween und zwanzig Stab Atlas schiken, so wahr ich +ein rechtschaffner Ritter bin, und er schikt mir Versicherung. Gut, +er mag in Sicherheit schlaffen, denn er hat das Horn des +Ueberflusses.** Seiner Frauen Galanterie*** scheint daraus hervor, +und doch sieht er nichts, ob er gleich seine Laterne an der Stirne +trägt.--Wo ist Bardolph? + +{ed. ** Dieser Spaß scheint augenscheinlich von einem +Plautinischen entlehnt zu seyn: (Quo ambulas tu, qui Vulcanum in +cornu conclusum geris? Amph. Act. L Sc. 1.) Daß Plautus hier +eine scherzhafte Anspielung im Sinne gehabt habe, daran dürfen wir +nicht zweifeln, da die Proverbial-Redensart, Hörner für +Hahnreyschaft zu sagen, sehr alt ist, wie aus einer Stelle des +Artemidorus erhellet, welcher sagt: Proseipein autv oti h gunh sou +porneusei, kai to legomenon, KERATA AUTW POIHSEI--Oneirocr. L. II. +c. 12. Warburton.} + +{ed. *** Im Englischen ist hier ein Wortspiel mit +dem Wort (Lightness), dessen Doppelsinn schon anderswo bemerkt +worden. Weil es sich im Deutschen nicht ausdrüken läßt, so geht +der ganze Spaß verlohren. Auf schweizerisch, wo Licht und leicht +beydes liecht ausgesprochen wird, gieng es vielleicht an.} + +Lakay. +Er ist nach Schmidtfield gegangen, Eu. Herrlichkeit ein Pferd zu +kauffen. + +Falstaff. +Ich kaufte ihn in Paul's, und er kauft mir izt dafür ein Pferd in +Smithfield. Wenn ich izt nur noch ein Weib aus einem B**l kriegen +könnte, so wär' ich bemannt, begault und beweibt! + + + +Fünfte Scene. +(Der Lord Ober-Richter und seine Bediente zu den Vorigen.) (Wir +müssen diese Scene gänzlich weglassen. Der gröste Spaß darinn +besteht in dem Einfall, den Falstaff hat, sich zu stellen als ob er +nicht wohl höre; und in den unverschämten Antworten die er, auf das +Privilegium der Taubheit hin dem Lord Ober-Richter giebt, der ihn +wegen seiner heillosen Lebensart beschilt.) + + + +Sechste Scene. +(Verwandelt sich in den Palast des Erzbischoffs von York.) +(Der Erz-Bischoff Hastings, Thomas Mowbray und Lord Bardolph +treten auf.) + + +York. +Ihr habt nun die Beschaffenheit unsrer Sache vernommen, und kennet +unsre Mittel. Entdeket uns izt, meine edlen Freunde, ich bitte +euch alle, entdeket ungescheut, was ihr von unsern Hoffnungen +denket. Was saget ihr dazu, Lord Marschall? + +Mowbray. +Ich billige gänzlich die Sache unsrer Waffen, aber ich wünschte +besser überzeugt zu seyn, wie wir mit den Mitteln die wir haben +einer so furchtbaren Macht als des Königs, die Stirne bieten können. + +Hastings. +Unsre dermalige Stärke ist auf fünf und zwanzig tausend Mann +auserlesener Leute angewachsen; und der grosse Northumberland, +dessen Brust von gerechtester Rache glüht, giebt uns die +zuverläßige Hoffnung einer mächtigen Unterstüzung. + +Bardolph. +Die Frage, Lord Hastings, ist also diese: Ob wir mit diesen fünf +und zwanzig tausend Mann, die wir haben, ohne Northumberland, eine +Unternehmung wagen können? + +Hastings. +Mit ihm können wir's. + +Bardolph. +Gut, das ist also der Umstand auf den alles ankommt. Wenn wir ohne +ihn zu schwach sind, so ist meine Meynung, wir sollen uns nicht zu +tief einlassen, bis wir seinen Beystand haben. Bey einem so +blutigen Vorhaben wie das unsrige, können Vermuthungen, Wünsche, +Erwartungen einer ungewissen Unterstüzung, nicht in die Rechnung +gebracht werden. + +York. +Diß ist sehr richtig, Lord Bardolph; des jungen Hot-Spurs Fall zu +Schrewsbury giebt uns diese Lection. + +Bardolph. +In der That, Milord, was verursachte seinen Fall, als daß er seine +kleine Anzahl durch die Hoffnung versprochner Hülfe doppelte; daß +er sich selbst mit Ausrechnungen einer eingebildeten Macht täuschte, +die in der That kleiner war, als der kleinste seiner Gedanken; daß +er in der Schwärmerey einer erhizten Einbildungskraft seine Leute +zum Tod führte, und taumelnd in sein Verderben sprang. + +Hastings. +Es kan, dem ungeachtet, mit eurer Erlaubniß, nicht schaden, die +Vortheile, auf die man sich mit der grösten Wahrscheinlichkeit +Rechnung machen kan, in den Ueberschlag unsrer Unternehmung zu +bringen. + +Bardolph. +Ja, wenn uns die Umstände nicht zu einer augenbliklichen +Entschliessung nöthigten. Eine auf blosse Hoffnung hin würklich +angefangne Sache gleicht den Trag-Knospen eines zu frühzeitigen +Frühlings, von denen man gleichviel Ursache hat zu hoffen, daß sie +Früchte geben, als zu fürchten, daß Fröste sie verderben werden. +Wenn wir bauen wollen, so überlegen wir zuerst wie wir es angelegt +haben wollen; hernach machen wir den Riß davon, und dann müssen wir +nothwendig die Unkosten der Aufführung berechnen. Finden wir, daß +sie unsre Kräfte übersteigen, was thun wir dann? Wir ziehen unsern +Plan zusammen, wir machen ein kleineres Modell, oder wir geben den +Bau gar auf. Sollten wir bey einem so grossen Werk, als das +Vorhaben ein Königreich niederzureissen, und ein anders +aufzurichten, weniger Vorsichtigkeit gebrauchen? Um wie viel +nöthiger ist es, daß wir eines wolüberlegten Entwurfs einig seyen, +daß wir des Fundaments versichert seyen, worauf wir bauen wollen; +daß wir unsre Mittel überrechnen und genau erkundigen, wie weit sie +zu einem solchen Werke zureichen, und ob sie die entgegenstehende +Schwierigkeiten überwiegen? Denn sonst bauen wir auf Papier, +zählen blosse Namen von Männern für die Männer selbst, und befinden +uns am Ende im Fall desjenigen der einen Bau angefangen hat, der +sein Vermögen übersteigt, und wenn er's zur Hälfte gebracht hat, +genöthigt ist es ligen zu lassen, und als einen nakten Gegenstand +weinender Wolken, den Stürmen und dem verwüstenden Winter preis zu +geben. + +Hastings. +Gesezt auch, unsre Hoffnungen sollten wider allen Anschein in der +Geburt erstiken, und wir hätten nicht einen einzigen Mann mehr als +wir schon haben zu erwarten, so denke ich doch, wir sind, so wie +wir sind, stark genug, uns mit dem König zu messen. + +Bardolph. +Wie? hat er etwann nur fünf und zwanzig tausend Mann? + +Hastings. +Gegen uns, nicht mehr; nicht einmal so viel, Lord Bardolph; Er ist +genöthiget, seine Macht in drey Heere zu theilen; eines gegen die +Franzosen, eines gegen Glendower, und ein drittes gegen uns; diese +Theilung muß den König desto schwächer machen, da sein Schaz +erschöpft und seine Kisten leer sind. + +York. +Daß er seine verschiedne Schaaren zusammenziehen, und uns mit +gesammter Macht angreiffen sollte, haben wir nicht zu besorgen. + +Hastings. +Wenn er das thun wollte, so ließ' er seinen Rüken unbeschüzt, und +er sezte sich in die unvermeidliche Gefahr, von allen Seiten +eingeschlossen zu werden; das ist nimmermehr zu besorgen. + +Bardolph. +Wem wird er wohl die Anführung seiner Truppen gegen uns geben? + +Hastings. +Dem Herzog von Lancaster und Westmorland; er selbst und Harry +Monmouth ziehen gegen die Welschen, aber wer gegen die Franzosen +commandieren wird, ist noch nicht bekannt. + +York. +Wolan dann, laßt uns Hand ans Werk legen, und die Ursachen bekannt +machen, warum wir die Waffen ergreiffen--Die Gemeinen sind ihrer +eignen Wahl überdrüssig, ihre heißhungrige Liebe hat sie überfüllt. +Der hat eine wankende und unsichre Wohnung, der auf das Herz des +Pöbels baut. O du schwärmerischer Hauffe! Mit was für einem +lauten Zujauchzen, mit welchem Getümmel von Segnungen schlugst du +den Himmel, eh Bolingbroke war, was du wolltest daß er seyn sollte? +Und nun, da er zugerichtet ist, wie du ihn wünschtest, nun bist du +so voll von ihm, daß du dich selber reizest, ihn wieder von dir zu +geben. So, so entludest du, du gemeiner Gassen-Hund, deinen +gefräßigen Busen des königlichen Richards; und izt wolltest du +gerne wieder essen was du gespien hast, und heulst, es zu finden. +Was für Vertrauen darf man auf die Menschen sezen! Diejenige, die +Richards Tod wollten, da er lebte, sind nun in sein Grab verliebt; +du, der Staub und Auskehricht auf sein schönes Haupt herab +schüttete, als er seufzend hinter dem bewunderten Bolingbroke durch +das stolze London geführt wurde, schreyst izt: o Erde, gieb uns +jenen König wieder, und nimm diesen!--[*Verfluchte Unbeständigkeit +der menschlichen Gedanken! Das Vergangne und Künftige scheint +ihnen immer das beste, das Gegenwärtige immer das schlimmste. + +{ed. * Reime im Original.} + +Mowbray. +Sollen wir unsre Leute mustern, und ausrüken? + +Hastings. +Wir hangen nun von der Zeit ab, und die Zeit befiehlt uns, zu gehen.] + + + + +Zweyter Aufzug. + + + +Erste Scene. +(Eine Strasse in London.) +(Die Wirthin tritt mit den zween Häschern, Fang und Schlinge auf.) + + +Wirthin. +Herr Fang, habt ihr die Klage anhängig gemacht? + +Fang. +Sie ist anhängig gemacht. + +Wirthin. +Wo ist euer Scherge? Ist es ein braver Scherge? Ist er ein Mann, +zum Anpaken? + +Fang. +Holla, wo ist Schlinge? + +Wirthin. +O Jemini! Ah, guter Herr Schlinge! + +Schlinge. +Hier, hier. + +Fang. +Schlinge, wir müssen Sir John Falstaffen in Verhaft nehmen. + +Wirthin. +Ach ja, guter Herr Schlinge, ich hab ihn verklagt, und alle. + +Schlinge. +Das mag einigen von uns das Leben kosten; er wird vom Leder ziehen. + +Wirthin. +Das ist doch ein Elend! Nehmt euch ja vor ihm in Acht; er erstach +mich neulich in meinem eignen Hause, und das nur auf eine recht +bestialische Art; er bekümmert sich nichts darum, was für Unheil er +anrichtet, wenn er mit seiner Fuchtel heraus ist. Er wird +zustossen wie ein Teufel; er schont euch weder Mann, noch Weib, +noch Kind. + +Fang. +Wenn ich ihn nur einmal zu paken kriegen kan, so frag ich nichts +nach seinem Pochen. + +Wirthin. +Nein, ich auch nicht; ich will euch schon an der Hand seyn. + +Fang. +Wenn ich ihm nur einmal mit der Faust beykommen kan-- + +Wirthin. +Ich bin verlohren, wenn er entgeht; ich versichre euch, die Zechen +nehmen kein Ende, die er mir schuldig ist. Guter Herr Fang, haltet +ihn ja fest; guter Herr Schlinge, laßt ihn ja nicht entwischen; er +kommt immer in Pie-Corner, mit Verlaub vor euer Ehren zu reden, +einen Sattel zu kauffen, und er ist heute zum Mönchs-Kopf in der +Lombard-Strasse zu Hrn. Smooth, dem Seidenhändler, zum Mittagessen +eingeladen. Ich bitte euch, weil meine Klage einmal anhängig ist, +und die Sache so weit gekommen ist, daß es die ganze Welt weiß, +macht doch ja, daß er sich zur Verantwortung stellen muß. Hundert +Mark ist eine grosse Summe für eine arme verlassene Wittfrau; ich +hab immer gewartet, und gewartet, und gewartet, und er hat mich +immer gefoppt, und gefoppt, und wieder gefoppt, daß es eine Schande +ist, nur daran zu denken.-- +(Falstaff, sein kleiner Lakay, und Bardolph zu den Vorigen.) Dort +kommt er eben, und der ausgemachte malvasiernasichte Spizbube +Bardolph mit ihm. Thut euer Amt, thut euer Amt, Herr Fang und Herr +Schlinge, thut mir, thut mir, thut mir euer Amt. + +Falstaff. +Wie? wie? Wessen Mähre ist todt? Was giebt's hier? + +Fang. +Sir John, ich arretire euch, auf Ansuchen der Frau Quikly. + +Falstaff. +Weg, ihr Lümmel; zieh, Bardolph: Hau mir dem Raker den Kopf +herunter: Wirf den Sausödel in den Bach. + +Wirthin. +Was? Mich in den Bach werfen? Ich will dich in den Bach werfen. +Willt du? willt du? Du--Mörder! Mörder!-- + +Falstaff. +Bardolph, halt sie zurük. + +Fang. +Succurs! Succurs! + +Wirthin. +Liebe Leute, holt noch einen Mann oder zwey; du willt, willt du? +Du willt, willt du? Thu's, thu's, du Raker, du, du Hanfsaamen! + +Falstaff. +-- + +(Dumme Schimpfwörter.) + + + +Zweyte Scene. +(Der Lord Ober-Richter mit seinem Gefolge.) + + +Ober-Richter. +Was giebts hier? Haltet Frieden hier, he! + +Wirthin. +O mein lieber Gnädiger Herr, haltet zu mir; ich bitte euch, nehmt +euch meiner an. + +Ober-Richter. +Wie, Sir John? Was für saubre Händel habt ihr hier? Schikt sich +das für eure Bedienung, und für das Geschäfte, so euch aufgetragen +ist? Ihr solltet schon weit auf der Landstrasse nach York seyn. +Laß ihn gehen, Bursche; was hängst du dich an ihn an? + +Wirthin. +O allergnädigster Herr Lord, ich bin mit Euer Gestreng Erlaubniß +eine arme Wittfrau von East-Cheap, und er wird auf mein Ansuchen in +Verhaft genommen. + +Ober-Richter. +Für was für eine Summe? + +Wirthin. +Für alles, Gnädiger Herr, für alles was ich habe. Er hat mich von +Haus und Hof gefressen, er hat mein ganzes Vermögen in seinen diken +Bauch da hinein gestopft; aber ich will doch nicht alles verlohren +haben, ich will wieder was herauskriegen, oder ich will dich des +Nachts reiten wie eine Hexe. + +Falstaff (Eine Zote.) +-- + +Ober-Richter. +Wie kommt das, Sir John? Fie! welcher ehrliche Mann wollte sich +dergleichen nachreden lassen? Schämt ihr euch nicht, eine arme +Wittfrau zu solchen Mitteln zu treiben, um zum Ihrigen zu gelangen? + +Falstaff. +Wie viel bin ich dir dann schuldig? + +Wirthin. +Meiner Six! Wenn du ein Bidermann wär'st, dich selbst und das Geld +dazu; du schwur'st mir auf einen verguldten Becher, es war in der +Delphin-Stube, du sassest an der runden Tafel, bey einem See-Kohlen- +Feuer, am Dienstag in der Pfingst-Woche, war es, wie dir der Prinz +ein Loch in den Kopf schlug, daß du ihn mit einem Bänkel-Singer von +Windsor verglichen hattest, schwur'st du mir nicht, indem ich deine +Wunde wusch, du wollst mich heurathen, und mich zu Milady deiner +Frau zu machen? Kanst du's läugnen? Kam nicht eben Frau Cathrine, +die Mezgerin, in die Stube, und nannte mich Gevatterin Quikly? Sie +kam, und wollte eine Maaß Eßich bey mir entlehnen, und da sagte sie, +sie hätte eine gute Schüssel voll gebakne Pflaumen, und da sagtest +du, du habest Lust etliche davon zu essen, und da sagt' ich dir, +sie taugten nicht zu einer frischen Wunde; und batest du mich nicht +damals, wie sie wieder die Stiege hinunter war, ich sollte mit +solchem armem Volk nicht mehr so gemein thun, und sagtest, es solle +nicht mehr lang währen, so würden sie mich Madam heissen müssen? +Und gabst du mir nicht einen Kuß, und batest mich, ich sollte dir +dreyßig Schillinge holen? Ich treib dich izt auf deinen Eid; +läugn' es, wenn du kanst.* + +{ed. * So viel mag zur Probe von dieser und der folgenden Scene +genug seyn, worinn Falstaff und die Wirthin, indeß daß Gower dem +Lord Ober-Richter die Zeitung von Yorks und Northumberlands Empörung +bringt, sich unter der Hand wieder mit einander aussöhnen.} + + + +Vierte Scene. +(Eine andre Strasse in London.) +(Prinz Heinrich und Poins.) + + +Prinz Heinrich. +Du kanst mirs glauben, ich bin entsezlich müde. + +Poins. +Wie, ist es dazu gekommen? Ich dachte, die Müdigkeit dürfte keinen +Königssohn angreiffen. + +Prinz Heinrich. +Es ist doch so, ob meine Hoheit sich gleich entfärbt, es zu +gestehen. Kommt es nicht pöbelhaft an mir heraus, daß ich einen +Gelust nach Schmahl-Bier habe? + +Poins. +In der That, ein Prinz sollte sich nie so sehr vergessen, an eine +so schwache Composition nur zu denken. + +Prinz Heinrich. +Mein Appetit ist also vermuthlich nicht von königlicher Abkunft; +denn, in gutem Ernst, ich denke izt an die arme Creatur, Schmahl- +Bier. Aber in der That, diese gedemüthigen Gedanken erleiden mir +meine Hoheit gewaltig. Was für eine Unanständigkeit, daß ich mich +deines Namens erinnere? Oder daß ich morgen dein Gesicht noch +kenne? Oder daß ich weiß, wie viele paar seidene Strümpfe du hast, +(z. Ex. diese hier, und deine Pfersich-Blüth farbene;) oder daß +ich ein Inventarium über deine Hemder bey mir trage, z. Ex. eines +für die Noth, und eins zum Ueberfluß, usw. + +Poins. +Wie übel das zusammenhängt, daß ihr izt so alberne Dinge sagt, +nachdem ihr kaum so grosse Dinge gethan habt! Sagt mir einmal, wie +viele wakre junge Prinzen sind in der Welt die es so machen würden +wie ihr, wenn ihr Vater so krank läge, als der eurige izt ist? + +Prinz Heinrich. +Sol ich dir was sagen, Poins? + +Poins. +Ja, aber einmal etwas recht gutes. + +Prinz Heinrich. +Es soll für wizige Köpfe von so edler Geburt wie du, gut genug seyn. + +Poins. +So sagt es denn, ich kan alles anhören. + +Prinz Heinrich. +Ich sage dir, es schikt sich nicht, daß ich izt traurig aussehe, +weil mein Vater krank ist; und doch könnt' ich dir sagen, (als +einem, den mir's beliebt, aus Mangel eines bessern, meinen Freund +zu nennen,) daß ich traurig seyn könnte, im Ernst traurig. + +Poins (spöttisch.) +In der That, die Ursache ist auch darnach. + +Prinz Heinrich. +Bey dieser Hand, du denkst ich sey ein so verstokter Bube, als du +und Falstaff. Laß das Ende den Mann bewähren. Aber ich sage dir, +mein Herz blutet innwendig, daß mein Vater so krank ist, wenn mir +gleich der Umgang mit so schlimmer Gesellschaft als du bist, die +Freyheit benimmt, äusserliche Zeichen von Schmerz an mir sehen zu +lassen. + +Poins. +Und warum das? + +Prinz Heinrich. +Was würdest du von mir denken, wenn ich weinte? + +Poins. +Ich dächte, du seyest ein so durchlauchtiger Heuchler, als ein Cron- +Prinz je gewesen ist. + +Prinz Heinrich. +So würde jedermann denken, und du bist ein glüklicher Geselle, daß +du immer denkst wie jedermann denkt. Keines Menschen in der Welt +seine Gedanken bleiben besser in der allgemeinen Landstrasse als +die deinigen. Jedermann würde denken, ich sey ein Heuchler, so ist +es. Und was bewegt eure hochzuverehrende Gedanken, so zu denken? + +Poins. +Was? Weil ihr so lüderlich zu seyn geschienen habt, und mit +Falstaffen in so vertrauter Freundschaft gelebt habt. + +Prinz Heinrich. +Und mit dir. + +Poins. +Nein, bey diesem Tageslicht! Ich bin in keinem schlimmen Ruf, ich +darf zuhören, wenn von mir gesprochen wird. Das ärgste was die +Leute von mir sagen können, ist, daß ich ein jüngerer Bruder bin, +und daß ich flinke Hände habe; und für diese zwey Dinge, ich muß es +gestehen, kan ich nichts. Seht, seht, da kommt Bardolph-- + +Prinz Heinrich. +Und der Junge, den ich Falstaffen gab; der Junge sah doch wie ein +Christenmensch aus, da er ihn von mir bekam, und sieh, ob ihn der +feiste Spizbube nicht in einen ausgemachten Affen verwandelt hat? + + + +Fünfte Scene. +(Bardolph mit dem kleinen Lakeyen zu den Vorigen.) (Bardolph +bringt dem Prinzen einen abgeschmakten Brief von Falstaffen; der +kleine Lakey berichtet, daß sein Herr im Bärenkopf in East-Cheap +mit der Frau Quikly und Jgfr. Dortchen Tear-Scheet zu Nacht essen +werde, und der Prinz verabredet sich mit Poins, sie beym Nacht- +Essen zu überraschen. Es ist eine Art von Wiz und Humor in dieser +Scene; aber auch das, was nach Abzug der Wortspiele und platten +oder schmuzigen Einfälle übrig bleibt, verdient keine Uebersezung; +ein paar Einfälle des Prinzen ausgenommen, um deren willen das +übrige von folgender Stelle mitgehen mag.) + + +Prinz Heinrich. +Aber ist es wahr, Ned, daß ihr so vertraut mit mir thut? Muß ich +eure Schwester heurathen? + +Poins. +Mag das Mensch keinen schlechtem Anstand haben! Aber das hab' ich +nie gesagt. + +Prinz Heinrich. +Wol--so treiben wir den Narren mit der Zeit, und die Geister der +Weisen sizen in den Wolken und spotten unser--Ist euer Herr hier in +London? + +Bardolph. +Ja, Milord. + +Prinz Heinrich. +Wo ißt er zu Nacht? + +Bardolph. +Am alten Ort, Milord, in East-Cheap. + +Prinz Heinrich. +In was für Gesellschaft? + +Page. +Mit Ephesiern, Milord, von der alten Kirche. + +Prinz Heinrich. +Wird er Weibsleute beym Essen haben? + +Page. +Niemand, als die alte Frau Quikly, und Jungfer Dortchen Tear-Scheet. + +Prinz Heinrich. +Was für eine Heidin mag das seyn? + +Page. +Es ist ein ganz hübsches Frauenzimmer, Milord, und eine Base zu +meinem Herrn. + +Prinz Heinrich. +Von der Art Basen, wie die Pfarr-Kühe zum Stadt-Bullen sind. +Wollen wir sie beym Nacht-Essen überraschen, Ned? + +Poins. +In bin euer Schatten, Milord. + +Prinz Heinrich. +Aber holla, ihr Junge, und Bardolph, sagt euerm Herrn kein Wort +davon, daß ich in der Stadt bin--Da ist was für eure +Verschwiegenheit. + +Bardolph. +Ich habe keine Zunge, Milord. + +Page. +Und ich will schon Meister über meine seyn. + +Prinz Heinrich. +Fahrt ihr wohl, geht-- + +(Zu Poins.) + +Diese Dortchen Tear-Scheet wird vermuthlich was Allgemeines seyn? + +Poins. +Ich stehe euch davor, so gemein, wie die Landstrasse zwischen hier +und St. Albans. + +Prinz Heinrich. +Wie müßten wir's machen, wenn wir Falstaffen heute Nacht (in +naturalibus) sehen wollten, ohne daß er uns sähe? + +Poins. +Wir müßten lederne Brust-Tücher anthun, und Schürze, und ihm bey +Tisch aufwarten. + +Prinz Heinrich. +Von einem Gott zu einem Stier? Eine tieffe Herablassung! Es war +Jupiters Fall. Aus einem Prinzen ein Keller-Junge? Eine unedle +Verwandlung! Das soll mein Fall seyn. Wenn man eine Narrheit +machen will, so muß man sie ganz machen. Folge mir, Ned. + +(Sie gehen ab.) + + + +Sechste Scene. +(Northumberlands-Burg.) +(Northumberland, Lady Northumberland, und Lady Percy.) + + +Northumberland. +Ich bitte dich, mein liebes Weib, und euch, meine werthe Tochter, +laßt den Entschliessungen ihren Lauff, wozu die Zeit mich nöthigt. +Beunruhigt mich nicht länger durch Vorstellungen, welchen Gehör zu +geben nicht mehr in meiner Macht ist. + +Lady Northumberland. +Ich hab es aufgegeben, ich will nichts mehr sagen: thut was ihr +wollt; eure Klugheit sey eure Rathgeberin. + +Northumberland. +Ich habe meine Ehre zum Pfand gegeben, liebstes Weib; und nichts +kan sie wieder einlösen, als wenn ich gehe. + +Lady Percy. +O, um des Himmels willen, bleibet dem ungeachtet zurük. Es war +eine Zeit, Vater, da ihr euer Wort brachet, obgleich weit mehr +daran gelegen war es zu halten, als izt. Wie manchen Blik schikte +euer Percy, euer Sohn, mein liebster Harry, nordwärts, dem Beystand +entgegen, den ihm sein Vater zuführen sollte? aber er wartete +umsonst. Wer beredete euch damals daheim zu bleiben? In einem so +entscheidenden Zeitpunct, und da durch euer Zurükbleiben eure und +euers Sohnes Ehre verlohren gieng? Was die eurige betrift, möge +himmlische Glorie sie umglänzen! Die seinige stand über ihm wie +die Sonne im arzurnen Gewölbe des Himmels: Und die ganze +Ritterschaft von England bewegte sich bey seinem Licht, in der +Laufbahn ruhmwürdiger Thaten. Er war der Spiegel, vor dem die edle +Jugend ihre Gestalt untersuchte. Er sah keine Füsse, die nicht +seinen Gang nachahmten; und mit der Zunge anstossen, welches bey +ihm ein Natur-Fehler war, wurde der allgemeine Accent der Tapfern; +so groß war die Begierde, ihm ähnlich zu seyn. Nicht nur seine +kriegrischen Vorzüge, selbst seine Sprache, sein Gang, seine Art +sich zu kleiden, seine Manieren, seine Neigungen, sogar seine Laune +und sein Humor, waren das Muster, wornach alle andre sich bildeten; +ein jeder schäzte sich selbst nur so viel, als er ihm ähnlich zu +seyn glaubte. Und diesen Mann, o! dieses Wunder von einem Mann, +ihn, der an Verdiensten niemand über sich hatte, ihn ließt ihr +allein, mit einer Hand voll Leute, die ganze Gewalt des Kriegs- +Gottes auszuhalten; verließt ihn, in Umständen, wo nichts als der +Schall von Hot-Spurs Namen fähig war Widerstand zu thun--O! nimmer, +nimmer beleidigt seinen abgeschiednen Geist so sehr, daß ihr euer +Wort andern besser haltet als ihm! Laßt sie allein: Der Marschall +und der Erzbischoff sind stark genug. Hätte mein liebster Harry +nur die Hälfte ihrer Anzahl gehabt, so würd' ich diesen Augenblik, +an Hot-Spurs Naken hangend, von Monmouths Grabe reden können. + +Northumberland. +Uebel mög' es euch bekommen, schöne Tochter, daß ihr durch frische +Klagen eine alte Wunde wieder aufreisset. Aber ich muß gehen, und +mich der Gefahr dort entgegen stellen, oder sie wird mich anderswo +selbst suchen, und mich weniger gerüstet finden. + +Lady Northumberland. +Flieht nach Schottland, bis der Adel und die empörten Gemeinen ihre +Stärke ein wenig versucht haben. + +Lady Percy. +Wenn sie einen Vortheil über den König erhalten haben, dann +vereiniget euch mit ihnen, und macht die Starken stärker. Aber, um +unsrer Aller willen, laßt sie vorher ihre Kräfte allein versuchen. +Das mußt euer Sohn thun, ihr ließ't es geschehen, so wurd' ich eine +Wittwe; und nimmer werd' ich Leben genug haben, sein Andenken* aus +meinen Augen so lange zu beregnen, bis es zum Gedächtniß meines +edeln Gemals an den Himmel empor wachse. + +{ed. * Eine Anspielung auf den Rosmarin, der, weil er ein (Cephalicon) +ist, in unsers Autors Zeiten (Remembrance), Andenken, genannt wurde.} + +Northumberland. +Kommt, kommt, geht mit mir hinein; mein Gemüth ist izt wie die +Fluth, wenn sie zu ihrer grösten Höhe hinaufgeschwollen ist; sie +steht dann still, und fliesset weder vorwärts noch zurük. Ich +wünschte herzlich, daß ich mit dem Erzbischoff mich vereinbaren +könnte; aber tausend Ursachen halten mich zurük. Ich will mich +entschliessen nach Schottland zu gehen, und dort warten, bis Zeit +und bessere Umstände meinen Beytritt fordern. + +(Sie gehen ab.) + +([Die übrigen sechs Scenen in diesem Aufzug, stellen dasjenige vor, +was bey dem) Soupé (des Sir John Falstaff in Gesellschaft der +liebenswürdigen Dortchen Tear-Scheet und der Frau Wirthin zum +Bärenkopf in East-Cheap vorgegangen; die Händel zwischen Falstaff +und Pistol, die Verwandlung des Prinzen in einen Keller-Buben, und +den zärtlichen Abschied zwischen Dortchen Tear-Scheet und Falstaff, +welcher mitten aus seinen Vergnügungen fortgerissen wird, um zur +Armee abzugehen. Es sind Scenen aus Bierschenken und Bordelhäusern, +in Ostadens Geschmak nach dem Leben gemahlt. Der Genie unsers +Autors zeigt sich vielleicht in gewisser Maaße so groß darinn, als +in den schönsten Scenen des Hamlet oder des Kauffmanns von Venedig; +aber die ekelhafte Unsittlichkeit derselben verbietet uns sie zu +übersezen, und würde auf jedem anderm Theater als dem zu London, +auch ihre öffentliche Aufführung verbieten.]) + + + + +Dritter Aufzug. + + + +Erste Scene. +(Der Palast in London.) +(König Heinrich in seinem Nachtrok, und ein Edelknabe treten auf.) + + +König Heinrich. +Geh, ruffe die Grafen von Surrey und Warwik; aber eh sie kommen, +sag ihnen, daß sie diese Briefe lesen, und den Inhalt wol überlegen +sollen: Halte dich nicht auf. + +(Der Edelknabe geht ab.) + +Wie viele tausende von meinen ärmsten Unterthanen schlafen in +dieser Stunde! O holder Schlaf, wohlthätige Amme der Natur, womit +hab' ich dich erschrekt, daß du meine Auglieder nicht mehr +schliessen, meine Sinnen nicht mehr in süsses Vergessen aller +Sorgen wiegen willst? Warum ligst du lieber in rauchigen Krippen, +auf unbequemen Strohsäken ausgestrekt, und von summenden +Nachtfliegen in deinen Schlummer eingezischet, als in den +parfümirten Zimmern der Grossen, unter goldnen Thronhimmeln, und +von den angenehmsten Symphonien eingewiegt? O warum liegst du bey +den Niedrigsten in ekelhaften Betten, und verlässest das königliche +Lager wie ein Schilderhäuschen bey einer Sturmgloke? Kanst du, zu +oberst auf dem wankenden Mast des Schiff-Jungens Augen versiegeln, +und sein Gehirn in der Wiege der ungestümen Woge einwiegen, den +Winden ausgesezt, welche die aufrührischen Wellen beym Schopf +ergreiffen, ihre ungeheuren Häupter krümmen, und sie unter +betäubendem Geschrey an den schlüpfrigen Mast-Tauen aufhängen-- +Kanst du, o partheyischer Schlaf, dem nassen See-Jungen in einer so +rauhen Stunde Ruhe geben, und versagst sie in der stillesten Nacht, +bey allen ersinnlichen Mitteln sie zu befördern, einem Könige? So +schlummre dann sanft, glüklicher Bettler! Das Haupt ligt übel, das +eine Crone trägt. + + + +Zweyte Scene. +(Warwik und Surrey treten auf.) + + +Warwik. +Unzählbare glükliche Morgen, Gnädigster Herr! + +König Heinrich. +Ist es schon Morgen, Lords? + +Warwik. +Es ist schon über ein Uhr. + +König Heinrich. +Nun dann, so wünsch ich euch einen guten Morgen--Gut, Milords, habt +ihr die Briefe gelesen, die ich euch schikte? + +Warwik. +Wir haben, Gnädigster Herr. + +König Heinrich. +Ihr habt also daraus ersehen, in welch einem verdorbnen Zustand +unser Staats-Körper ligt, wie sehr seine innerliche Schäden +zunehmen, und wie nahe die Gefahr zu seinem Herzen gedrungen ist. + +Warwik. +Die Krankheit ist nicht so gefährlich, daß dieser fiebrische Körper +nicht durch gute Diät und ein wenig Medicin zu seiner vorigen +Stärke hergestellt werden könnte; Milord von Northumberland wird +bald abgekühlt seyn. + +König Heinrich. +O Himmel, wer im Buche des Schiksals lesen könnte, was für +Veränderungen die kommenden Zeiten mit sich bringen, wie sie +Gebürge ebnen, und das feste Land, troz seiner unbeweglichen +Dauerhaftigkeit, in die See zerschmelzen werden; oder wie zu einer +andern Zeit der felsichte Gürtel des Oceans zu weit für Neptuni +Hüften wird; wie ein Wechsel den andern verdrängt, und der Zufall +den Becher des Glüks bald mit süssem bald mit bitterm Getränk +anfällt! O, könnte diß gesehen werden, der glüklichste Jüngling, +wenn er durch diese Aussicht vergangner und zukünftiger +Widerwärtigkeiten hindurchschaute, würde das Buch zumachen, sich +niederlegen und sterben! Es sind noch nicht zehn Jahre, daß +Richard und Northumberland als die besten Freunde einander Bankette +gaben, und zwey Jahre darauf lagen sie gegen einander zu Felde. Es +ist kaum acht Jahre, daß dieser Percy meinem Herzen der nächste war, +daß er sich mit dem Eifer eines Bruders für mich bearbeitete, und +seine Liebe und sein Leben unter meine Füsse legte. Er gieng so +weit, daß er um meinetwillen Richarden ins Gesicht den Gehorsam +aufkündigte. War nicht einer von euch dabey? Ihr, Vetter Nevil, +denke ich--als Richard, von Northumberland mit bittern Vorwürfen +angefallen, mit thränenvollen Augen diese Worte sagte, die nun zu +einer Propheceyung geworden sind: Northumberland, du Leiter, auf +welcher Bolingbroke zu meinem Thron hinaufsteigt, (obgleich damals, +der Himmel weiß es, eine solche Absicht weit von mir entfernt war, +und in der Folge erst die Umstände des Staats mich zu Uebernehmung +der Crone nöthigten;) die Zeit wird kommen, fuhr er fort, daß dein +schändliches Verbrechen, wie ein reiffes Geschwür, in faulen Eiter +ausfliessen wird; und so fuhr er fort, diesen Bruch unsrer +Freundschaft und die Umstände worinn wir izt sind, vorher zu sagen. + +Warwik. +Das menschliche Leben ist seinen hauptsächlichsten Zügen nach eine +blosse Abbildung der vormaligen Zeiten; das künftige ligt wie ein +Embryon in dem Gegenwärtigen eingehüllt, und wer also das Vergangne +und Gegenwärtige wohl beobachtet hat, mag oft mit vieler +Richtigkeit vorhersagen, was für noch ungebohrne Veränderungen die +Zukunft ausbrüten wird. Auf diese Art konnte König Richard mit +einer Art von gewisser Vermuthung vorhersehn, daß der mächtige +Northumberland, der damals ihm untreu war, aus dem nemlichen Saamen +in eine noch größre Untreue aufschiessen würde, die keinen andern +Grund, um Wurzeln zu fassen, finden könnte als euch. + +König Heinrich. +Sind denn alle diese Dinge unvermeidliche Nothwendigkeiten? Nun so +laßt uns ihnen auch als Nothwendigkeiten entgegen gehen--Man sagt, +der Bischoff und Northumberland seyen fünfzig tausend Mann stark. + +Warwik. +Das kan nicht seyn; das Gerücht verdoppelt, wie ein Echo, die +Anzahl der Gefürchteten. Geruhet euch zu Bette zu begeben, +Gnädigster Herr. Bey meinem Leben, die Macht die Eu. Majestät +ihnen bereits entgegen gestellt hat, ist hinlänglich, den Sieg +davon zu tragen. Zu eurer noch grössern Beruhigung bring' ich die +gewisse Nachricht, daß Glendower todt ist. Eu. Majestät hat sich +diese vierzehn Tage her übel befunden, und dieses unzeitige Wachen +muß eure Unpäßlichkeit nothwendig vermehren. + +König Heinrich. +Ich will euerm Rath folgen, und wären wir nur einmal dieser +einheimischen Unruhen los, so wollten wir bedacht seyn, liebste +Lords, unsern beschloßnen Zug ins gelobte Land auszuführen. + +(Sie gehen ab.) + + + +Dritte Scene. +(Verwandelt sich in den Ritter-Siz des Friedens-Richters Schallow +in Glocesterschire.) +(Schallow und Silence, mit Schimmel, Schatten, Warze, Schwächlich, +und Bullkalb treten auf.) + + +Schallow. +Kommt herein, kommt, kommt; gebt mir eure Hand, Sir; ihr seyd früh +auf, früh auf, wahrhaftig! Und was lebt denn meine werthe Frau +Base Silence? + +Silence. +Guten Morgen, lieber Vetter Schallow. + +Schallow. +Was macht meine Base, eure Bettgesellin? und eure hübsche Tochter, +und die meinige, meine Pathe Elschen? + +Silence. +O das Mädel wird so schwarz wie eine Kohl-Amsel, Vetter Schallow. + +Schallow. +Auf mein Wort, Sir, ich sag es nicht, weil ihr's hört, aber mein +Vetter Williams ist ein guter Student worden; ist er noch immer zu +Oxford? Ist er nicht? + +Silence. +Ja, Sir, mein Beutel empfindt es wol. + +Schallow. +So müßt ihr eben machen, daß ihr ihn bald ins Juristen-Stipendium +bringt; ich war ehmals in Clements-Inn; ich denke, man wird noch +vom närrischen Schallow drinn zu sagen wissen. + +Silence. +Man nannte euch den lustigen Schallow, Vetter. + +Schallow. +Man nannte mich was man wollte, und ich machte auch alles mit was +man wollte, mein Seel! und das frisch weg, dazu. Es waren da, ich, +und der kleine John Deut von Staffordshire, und der schwarze Georg +Bare, und Franz Pik-Bone und William Squele von Cotes-Wold + +(in Glocesterschire) + +, vier grössere Rauffer waren nicht im ganzen Collegio, das +versichr' ich euch; ich kan's euch sagen, wir wußten wo die Bona- +Roba's waren, und wir hatten immer die hübschesten davon zu unsern +Diensten. Hänschen Falstaff, (izt Sir John) war damals noch ein +junger Bursche, und Edelknabe von Thomas Mowbray, Herzogen von +Norfolk. + +Silence. +Ist das der Sir John, Vetter, der heute mit Soldaten hieher kommen +soll? + +Schallow. +Eben der Sir John, eben der; ich erinnre mich noch, wie er vor der +Thür des Collegii dem Schoggan ein Loch in den Kopf schlug, da er +nur noch eine kleine Krabbe war, kaum so hoch, was ich sage; und +noch am nemlichen Tag schlug er sich hinter Grays-Inn mit einem +gewissen Samson Stokfisch einem Obst-Händler herum, daß die Fezen +davon flogen. O das närrische Zeug das wir angegeben haben! Und +wenn ich denke, wie viele von meinen alten Bekannten schon todt +sind! + +Silence. +Die Reyhe wird an uns auch kommen, Vetter. + +Schallow. +Gewiß, o das ist gewiß, wahrhaftig, wahrhaftig; der Tod ist, wie +der Psalmist sagt, allen gewiß; alle Menschen müssen sterben. Habt +ihr ein hübsches Joch Ochsen auf dem Stamforder Markt verkauft? + +Silence. +Meiner Treu, Vetter, ich war nicht dort. + +Schallow. +Alle Menschen müssen sterben, ja wol! Ey, lebt auch der alte +Double noch in eurer Stadt? + +Silence. +Er ist todt, Sir. + +Schallow. +Ist er todt? Seht doch, seht doch; er spannte einen guten Bogen; +und ist er todt? Er war ein guter Bogenschüze. John von Gaunt +mochte ihn wol leiden, und wettete viel Geld auf seinen Kopf. Todt! +Er schoß euch auf zweyhundert und vierzig Schritte das Centrum +heraus, daß es eine Lust war zuzusehen--Was gilt izt die Mandel +Schaafe? + +Silence. +Darnach sie sind; eine Mandel gute Schaafe mag izt sieben bis acht +Pfund werth seyn. + +Schallow. +So ist der alte Double todt! + + + +Vierte Scene. +(Bardolph und der kleine Lakay zu den Vorigen.) + + +Silence. +Hier kommen zween von Sir John Falstaffs Leuten, denk' ich. + +Schallow. +Guten Morgen, mein werther Herr. + +Bardolph. +Ich bitte euch, wer ist Junker Schallow, der Friedens-Richter? + +Schallow. +Ich bin Robert Schallow, Sir, ein armer Land-Edelmann in dieser +Gegend, und einer von Sr. Majestät Friedens-Richtern; worinn kan +ich zu euern Diensten seyn? + +Bardolph. +Mein Hauptmann, Sir, empfiehlt sich euch; mein Hauptmann Sir John +Falstaff; ein ansehnlicher Edelmann, beym Himmel! und ein braver +Officier. + +Schallow. +Er empfiehlt sich seinem Diener; ich weiß daß er ein Mann ist, der +seinen Degen versteht. Was lebt der gute Ritter? Darf ich fragen, +wie sich Milady, seine Gemalin, befindt? + +Bardolph. +Um Vergebung, Sir, ein Soldat ist besser accommodirt als mit einer +Frau. + +Schallow. +Das ist wol gegeben, Sir; und recht wol gegeben, dazu, in der That-- +Besser accommodirt--es ist gut, ja in der That ist es; gute Phrases, +sicher, sind, und waren immer in grossem Werth, accommodirt--es +kommt von (accommodo;) recht gut, eine recht gute Phrasis. + +Bardolph. +Um Vergebung, Sir, ich habe das Wort so gehört. Phrases nennt +ihr's? Beym Element, ich weiß nicht was Phrases ist; aber was +dieses Wort betrift, da will ich mit meinem Degen behaupten, daß es +ein gutes soldatenmässiges Wort ist, und ein Wort das einem +unvergleichliche Dienste thun kan. Accommodirt, das ist, wenn +einer--wie sie's nennen--accomodirt ist; oder wenn einer, es mag +nun seyn was es will, wovon man denken kan, es accommodire ihn; ihr +versteht mich schon, es ist ein vortreffliches Ding darum. + + + +Fünfte Scene. +(Falstaff zu den Vorigen.) + + +Schallow. +Ihr habt vollkommen recht. Seht, hier kommt der gute Sir John. +Gebt mir eure gute Hand: gebt mir Eurer Herrlichkeit gute Hand: Bey +meiner Treu, ihr seht recht gut aus, recht gut für einen Mann von +euern Jahren. Willkommen, guter Sir John. + +Falstaff. +Es erfreut mich, euch zu sehen, mein lieber Herr Robert Schallow: +das ist Herr Sure-Card, wo mir recht ist-- + + +Schallow. +Nein, Sir John, es ist mein Vetter Silence; Mein College in der +königlichen Commißion. + +Falstaff. +Mein guter Herr Silence, es ist nicht mehr als billig daß ihr des +Friedens wegen da seyd. + +Silence. +Eu. Herrlichkeit ist willkommen. + +Falstaff. +Ey, das ist heisses Wetter, meine Herren; habt ihr mir um ein halb +Duzend wakre Kerle gesehen? + +Schallow. +Sapperment, das haben wir, Sir: Wollt ihr euch nicht sezen? + +Falstaff. +So laßt mich sie sehen, wenn ich bitten darf. + +Schallow. +Wo ist der Rodel? wo ist der Rodel? wo ist der Rodel? Laßt sehen, +laßt sehen, laßt sehen; so, so, so, So; ja, meiner Six, Sir Ralph +Schimmlich; sie sollen herbey kommen, so wie ich sie aufruffe; sie +sollen auftreten wie ich sie aufruffe, das sollen sie. Laßt sehen, +wo ist Schimmlicht? + +Schimmlich. +Hier, mit Verlaub. + +Schallow. +Was sagt ihr zu diesem da, Sir John? Ein guter grobgliediger +Geselle; jung, stark, und aus einer guten Freundschaft. + +Falstaff. +Ist dein Name Schimmlich? + +Schimmlich. +Ja, mit Eurer Erlaubniß. + +Falstaff. +So ist es die höchste Zeit, daß man dich brauche. + +Schallow. +Ha, ha, ha, ein vortrefflicher Einfall, mein Treu! Ein Ding wird +schimmlicht, wenn man's nicht braucht; unvergleichlich gut. Ein +guter Einfall, Sir John, ein guter Einfall! + +Falstaff. +Zeichnet ihn auf. + +Schimmlich. +Ich bin gezeichnet genug, wenn ihr mich meines Wegs gehen lassen +wolltet; meine Großmutter wird ihre liebe Noth haben jemand zu +finden, der ihr ihre Haushaltung versieht; ihr brauchtet mich gar +nicht zu zeichnen, daß ihr's wißt; es sind Leute genug die gehen +können, ohne mich. + +Falstaff. +Geh, geh; nur ruhig, Schimmlich, du must gehen, Schimmlich; es ist +Zeit, daß du gebraucht wirst. + +Schimmlich. +Gebraucht? + +Schallow. +Still, Bursche, still; auf die Seite! wißt ihr, wo ihr seyd? Zu +den andern, Sir John--Laßt mich sehen; Simon Schatten. + +Falstaff. +Sapperment, den muß ich haben, der ist gut zum Untersizen; er wird +ein ziemlich kühler Kriegsheld seyn. + +Schallow. +Wo ist Schatten? + +Schatten. +Hier, Sir. + +Falstaff. +Schatten, wessen Sohn bist du? + +Schatten. +Meiner Mutter Sohn, Sir. + +Falstaff. +Deiner Mutter Sohn! Das ist sehr wahrscheinlich; und deines Vaters +Schatten, aber nicht von deines Vaters Körper; das begegnet oft +genug, in der That. + +Schallow. +Gefällt er euch, Sir John? + +Falstaff. +Schatten wird im Sommer gute Dienste thun; schreibt ihn auf; wir +haben schon eine Menge solcher Schatten im Muster-Buch; sie sind +immer gut, die Lüken auszufüllen. + +Schallow. +Thomas Warze! + +Falstaff. +Wo ist er? + +Warwik. +Hier, Sir. + +Falstaff. +Heißt du Warze? + +Warwik. +Ja, Sir. + +Falstaff. +Du siehst so ziemlich zerlumpt aus, Warze. + +Schallow. +Soll ich ihn aufschreiben?* + +{ed. * Das Sinnreiche der Antwort, welche Falstaff hierauf giebt, ligt +in dem Doppelsinn des Worts prick, welches eigentlich stechen +bedeutet; und wie das französische Wort (piquer) auch so viel heißt, +als jemands Namen zu einem gewissen Dienst, wozu man einen +gebrauchen will, auszeichnen.} + +Falstaff. +Das wäre sehr überflüßig; alle seine Habschaft ist auf seinen Rüken +gebaut, und das ganze Werk steht auf Stek-Nadeln; stecht ihn nicht +noch mehr. + +Schallow. +Ha, ha, ha, was ihr für gute Einfälle habt, Sir! ha ha! das muß +man euch lassen, darinn seyd ihr ein Meister, das muß man euch +lassen.--Franz Schwächlich-- +**-------------- + +{ed. ** So sehr Hr. Schallow die wizigen +Einfälle bewundert, welche Falstaff aus Gelegenheit der Namen und +Profeßionen dieser Recruten hat, so ekelhaft fangen sie an, dem +Uebersezer, und vermuthlich auch dem Leser zu werden. Wir +überschlagen also den Aufruf des Franz Schwächlich, Frauenzimmer- +Schneiders, und Peter Bulkalbs, nebst anderm frostigem und zum +Theil völlig unübersezlichem Zeug, so in dieser Scene vorkommt.} + +Falstaff. +Sind das nun alle? + +Schallow. +Man hat noch zween mehr ruffen lassen, aber ihr braucht nur viere +von hier; kommt also mit mir herein, Sir, und nehmt bey mir auf den +Mittag vorlieb. + +Falstaff. +Kommt, ich will eins mit euch trinken, aber bis über Mittag kan ich +mich nicht aufhalten. Es freut mich euch zu sehen; aufrichtig, es +freut mich, Herr Schallow. + +Schallow. +O Sir John erinnert ihr euch noch daran, wie wir die ganze Nacht in +der Windmühl in Sanct Georgen-Feld lagen? + +Falstaff. +Nichts mehr davon, Herr Schallow, nichts mehr davon. + +Schallow. +Ha! es war eine lustige Nacht. Und lebt Hannchen Nacht-Werk auch +noch? + +Falstaff. +Sie lebt noch, Herr Schallow. + +Schallow. +Sie konnte nie von mir wegkommen. + +Falstaff. +Nie, nie; sie sagte immer: Man kan doch nicht ohne Hrn. Schallow +seyn! + +Schallow. +Sapperment, ich konnte ihr recht im Herzen weh machen; Sie war +damals eine (Bona-roba.) Stehen ihre Sachen noch gut? + +Falstaff. +Sie ist eben alt, Herr Schallow, alt. + +Schallow. +Sie muß alt seyn, das ist wahr; sie kan nicht anders als alt seyn; +ganz gewiß, alt ist sie, sie hatte schon Robin Nachtwerk von dem +alten Nachtwerk, eh ich noch in Clements-Inn kam. + +Silence. +Das war schon vor fünf und fünfzig Jahren. + +Schallow. +Ha, Vetter Silence, du solltest gesehen haben, was dieser Ritter +und ich gesehen haben!--Ha, Sir John, hab' ich nicht recht? + +Falstaff. +Wir haben des Nachts manchmal die Gloken auf allen Thürmen schlagen +gehört. + +Schallow. +Das haben wir, das haben wir, meiner Treu, Sir John, das haben wir; +unsere Wach-Parole war, hem, Jungens!--Kommt, wir wollen zum Mittag- +Essen; o was wir für Zeiten gesehen haben! Kommt, kommt! + +Bulkalb. +Lieber Herr Corporal Bardolph, seyd mein guter Freund, hier habt +ihr vier Harry-Zehnschilling-Stüke in französischen Cronen. In +gutem Ernst, seht ihr, ich wollte eben so gern gehangen seyn, Sir, +als gehen; und doch für meinen Theil, Sir, fragt' ich nichts +darnach, es ist eben bloß daß ich keine Lust dazu habe, seht ihr, +und für meinen Theil blieb ich halter eben lieber bey meinen +Freunden; sonst, Herr, fragt ich eben für meinen Theil nicht viel +darnach. + +Bardolph. +Schon gut; steh nur auf die Seite. + +Schimmlich. +Und lieber Herr Corporal-Hauptmann, meiner alten Großmutter zu lieb, +seyd mein guter Freund; wenn ich fort bin, hat sie keinen Menschen, +der ihr ihre Sachen thut, und sie ist alt und kan selbst nicht +mehr fortkommen; es soll mir auf vierzig Schilling nicht ankommen. + +Bardolph. +Gut, gut, steh' auf die Seite. + +Schwächlich. +Ich bekümmre mich nichts drum, ein Mensch kan nur einmal sterben; +und gestorben muß es seyn, ich will mich herzhaft darein ergeben; +ist es mein Schiksal, wohl und gut; wo nicht, so ist's nichts desto +schlimmer. Niemand ist zu gut dazu, seinem Fürsten zu dienen; und +es mag gehen wie es will, wer in diesem Jahr stirbt, ist quitt für +das nächste. + +Bardolph. +Das heißt wie ein braver Kerl gesprochen. + +Falstaff. +Kommt, Sir, welche von diesen Leuten soll ich haben? + +Schallow. +Die viere, die euch am besten gefallen. + +Bardolph (zu Falstaff leise.) +Sir, ein Wort mit euch--Schimmlicht und Bulkalb bieten drey Pfund +an, wenn ihr sie freylassen wollt. + +Falstaff. +Gut, gut. + +Schallow. +Nun, Sir John, welche viere wollt ihr haben? + +Falstaff. +Wählt ihr für mich. + +Schallow. +Nun so sey es dann, Schimmlich, Bulkalb, Schwächlich und Schatten. + +Falstaff. +Schimmlich und Bulkalb--Was euch betrift, Schimmlich, bleibt ihr da, +bis ihr aufgebraucht seyd, und ihr, Bulkalb, wachßt bis man euch +brauchen kan; ich will keinen von euch. + +Schallow. +Sir John, Sir John, ihr thut euch ja selbst Unrecht, sie sind ja +gerade die zween ansehnlichsten, und ich wollte euch gerne mit den +besten bedient wissen. + +Falstaff. +Herr Schallow, wollt ihr mich lehren, wie ich meine Leute auswählen +soll? Bekümmre ich mich was darum, wie groß, wie dik oder wie +stark die Leute sind, was für breite Schultern sie haben, oder wie +dik ihre Beine sind? Ich sehe auf Herz, Herr Schallow. Seht mir +diesen Warze hier, ich steh euch davor, so zerlumpt er aussieht, so +soll er mir drauf zuschlagen, wie ein Zinngiessers-Hammer; der Kerl +ist flink, das kan ich euch sagen. Und dieser schindeldürre +Geselle, Schatten, hier, das ist ein Mann für mich; das ist ein +Mann, dem der Feind nicht beikommen kan; der Feind könnte eben so +leicht nach der Schärfe eines Federmessers zielen als nach ihm; und +wenn es um eine Retirade zu thun ist, wie behend wird dieser +Schwächlich, der Frauenzimmer-Schneider, davon lauffen? O, gebt +mir die unansehnlichen Leute, und behaltet diese grossen Kerle für +euch. Gebt mir Warzen eine Flinte in die Hand Bardolph--- +-------------Diese Bursche werden ihre Sachen nicht übel machen. +Herr Schallow, Gott behüte euch; lebt wohl, Herr Silence. Ich +mache wie ihr seht, nicht viel Complimente; lebt wohl, meine Herren, +beiderseits. Ich danke euch; ich muß noch ein duzend Meilen +machen, eh es Nacht ist. Bardolph, gieb den Soldaten Uniformen. + +Schallow. +Sir John, der Himmel geleite euch, und benedeye eure Waffen, und +geb' uns bald Frieden. Besucht mein Haus, wenn ihr zurükkommt; wir +wollen die alte Bekanntschaft wieder erneuern; vielleicht geh ich +dann mit euch nach Hofe. + +Falstaff. +Es sollte mir angenehm seyn, Herr Schallow. + +Schallow. +Gut, gut, es bleibt dabey, ein Mann ein Wort. Lebt wohl. + +(Sie gehen ab.) + + + + +Vierter Aufzug. + + + +Erste Scene. +(Ein Wald in Yorkschire.) +(Der Erzbischoff von York, Mowbray, Hastings und Coleville treten +auf.) + + +York. +Wie nennt man diesen Wald? + +Hastings. +Es ist Gaultree-Wald, Milord. + +York. +Hier wollen wir Halte machen, Milords, und Kundschafter ausschiken, +um die Stärke des Feinds zu erkundigen. + +Hastings. +Es ist schon geschehen. + +York. +Ihr habt wol gethan. Nun, meine Freunde und Brüder in dieser +grossen Angelegenheit, muß ich euch entdeken, daß ich kürzlich +Briefe von Northumberland erhalten habe, deren kalter Inhalt dieser +ist: Er wünschte in Person, und mit einer Macht, die seinem Stande +proportioniert wäre, bey uns zu seyn; da es ihm aber unmöglich sey, +eine solche aufzubringen, so habe er sich nach Schottland +zurükgezogen, bis Zeit und Vermögen ihm erlauben würden, mehr zu +thun. Den Beschluß macht er mit herzlichen Wünschen, daß unsre +Unternehmung die Gefahr eines so mächtigen Widerstands überleben +möge. + +Mowbray. +So stürzt also das ganze Gebäude von Hoffnungen ein, das wir auf +ihn gegründet hatten. (Ein Bote zu den Vorigen.) + +Hastings. +Nun, was bringt ihr Neues? + +Bote. +Von der Westseite dieses Waldes, und kaum noch eine Meile entfernt, +rükt der Feind in stolzer Schlachtordnung an; und soviel aus dem +Grund den sie deken, abzunehmen ist, schäze ich ihre Anzahl +höchstens auf dreyßig tausend Mann. + +Mowbray. +Das ist gerade soviel als wir vermutheten. Laßt uns aufbrechen, um +ihnen ins Gefild entgegen zu rüken. + + + +Zweyte Scene. +(Westmorland zu den Vorigen.) + + +York. +Was für ein stattlicher Kriegs-Oberster kommt hier auf uns zu? + +Mowbray. +Ich denke, es ist Milord von Westmorland. + +Westmorland. +Heil und geneigten Gruß von unserm Feld-Herrn, dem Prinzen John von +Lancaster. + +York. +Saget an, Milord von Westmorland, was ist der Beweggrund eurer +Anherkunft? + +Westmorland. +An euch, Milord, soll dann vornehmlich der Inhalt meiner Rede +gerichtet seyn. Käme die Empörung in ihrer eignen Gestalt, in +verächtlichen, pöbelhaften Rotten, von blutigen Jünglingen +angeführt, von wilder Raubsucht gespornt, und von Lotterbuben und +Bettlern unterstüzt; wenn der Aufruhr, sage ich, in dieser seiner +wahren, natürlichen und eigenthümlichen Gestalt erschiene, so +würdet ihr, ehrwürdiger Vater, und diese edeln Lords nicht hier +seyn, seine verabscheute Häßlichkeit mit euerm ehrenvollen Ansehn +aufzuschmüken. Ihr, Milord Erzbischoff, dessen Siz durch +einheimischen Frieden beschüzt wird, dessen Bart die Silber-Hand +des Friedens berührt, dessen Gelahrtheit und Wissenschaft der +Friede begünstiget hat, und dessen weisser Priester-Schmuk die +Unschuld, die Sanftmuth und jede gesegnete Eigenschaft des Friedens +abbildet; warum übersezt ihr euch selbst aus der Sprache des +Friedens, die so viel Anmuth hat, in die harte und rauhtönende +Sprache des Kriegs? Warum, warum verwandelt ihr eure Bücher in +Hellebarden, eure Dinte in Blut, eure Federn in Lanzen, und eure +göttliche Zunge in eine kriegrische Trompete? + +York. +Warum thue ich diß? Das ist die Frage; und darauf antworte ich +kürzlich: Wir sind alle krank, und haben uns selbst durch +Ueppigkeit und Schwelgerey ein brennendes Fieber zugezogen, um +dessen willen wir izt bluten müssen; es ist die nemliche Krankheit, +an der unser voriger König Richard starb. Doch, mein sehr edler +Lord von Westmorland, meine Absicht ist hier nicht den Arzt zu +spielen; auch ist es weit von mir entfernt, als ein Feind des +Friedens, mich unter die Hauffen kriegrischer Männer einzumengen; +diese mir sonst fremde Gestalt ist nur auf eine Weile angenommen, +um ausschweiffende üppige Gemüther, die das Uebermaaß ihres Glüks +krank gemacht hat, wieder in Ordnung zu bringen, und die +Verstopfungen zu reinigen, die den natürlichen Lauf unsers Lebens- +Blutes selbst zu hemmen angefangen haben. Ich will mich deutlicher +erklären: Ich habe das Uebel so unsre Waffen thun können, und +dasjenige so wir leiden, genau gegen einander abgewogen, und finde +unsre Beschwerden schwerer als unsre Verschuldungen. Wir sehen, +welchen Weg der Strom der Zeit läuft, und werden von der gewaltsam +daherstürmenden Gelegenheit aus unsrer friedsamen Sphäre +weggerissen. Wir werden den Inhalt aller unsrer Klagen, sobald es +die Zeit erheischen wird, Punct für Punct bekannt machen; Klagen, +die wir dem König schon vor langer Zeit vorgelegt haben, ohne daß +wir durch unser inständiges Bitten erhalten konnten, nur angehört +zu werden. Wenn wir beleidiget werden, und unsre Beschwerungen +entfalten wollen, so wird uns der Zutritt zu seiner Person von eben +denjenigen abgeschlagen, die uns am meisten beleidiget haben. Die +Gefahr jener neulichen Tage, deren Andenken mit noch sichtbarem +Blut auf die Erde geschrieben ist; und die gegenwärtigen Beyspiele +die uns jede Minute darstellt, haben uns in diese übelanständige +Waffen-Rüstung gezwungen; nicht den Frieden oder irgend einen Zweig +desselben zu brechen, sondern vielmehr einen wahren und dauerhaften +Frieden, einen Frieden der den Namen mit der That führe, zu +erzielen. + +Westmorland. +Wenn ist euch jemals eine rechtliche Klage abgeschlagen worden? +Worinn seyd ihr von dem Könige zum Unmuth gereizt worden? Welcher +Peer ist heimlich aufgestiftet worden, euch anzutasten; daß ihr +dieses gesezwidrige blutige Patent der meuterischen Empörung mit +einem göttlichen Sigel gültig zu machen, und das Schwerdt des +Bürger-Kriegs einzusegnen berechtiget seyn solltet? + +York. +Mein Bruder General, das gemeine Wesen, ist durch eine ungerechte +Partheylichkeit gegen einige von seinen Kindern zum Nachtheil der +andern, in eine häusliche Tyrannie ausgeartet, welche der besondere +Gegenstand meiner Klagen ist. + +Westmorland. +Es ist in diesem Stük noch nirgends keine Noth einer Staats- +Verbesserung vorhanden; und wann es wäre, so kommt sie euch nicht +zu. + +Mowbray. +Warum nicht ihm, für seinen Theil, und uns allen, die noch die +Schmerzen der Wunden der vorigen Zeiten, und die ungerechte und +drükende Hand der gegenwärtigen fühlen? + +Westmorland. +O Milord Mowbray, betrachtet die Zeiten in der natürlichen +Verknüpfung mit ihren Ursachen und Umständen, und ihr werdet +bekennen müssen, daß es in der That die Zeit und nicht der König +ist, worüber ihr euch zu beklagen habt. Und dennoch kan ich, was +eure eigne Person betrift, nicht absehen, wie ihr, weder vorn König, +noch der dermaligen Zeit, nur einen Zoll breit Grund hernehmen +könnt, Beschwerden darauf zu bauen. Wurdet ihr nicht in alle +Herrschaften und Güther des Herzogs von Norfolk, eures edeln und +ruhmwürdigen Vaters, wieder eingesezt? + +Mowbray. +Womit hatte mein Vater verdient ihrer entsezt zu werden, wenn ich +diese Wieder-Einsezung für etwas mehr halten soll, als was man mir +schuldig war? Wider seinen Willen und sein Herz, wurde der König, +der ihn liebte, durch die damalige Verfassung des Staats gezwungen, +ihn zu verbannen. Und o! damals, da Harry Bolingbroke und er sich +in ihre Sättel geschwungen hatten, da ihre schnaubenden Rosse +ungeduldig dem Sporn zum Angriff entgegenwieherten, da sie ihre +Lanzen eingelegt, ihre Visiere herabgezogen hatten, da ihre +feurigen Augen aus stählernen Oeffnungen hervor funkelten, und die +laute Trompete sie zum Kampf zusammenblies; damals, damals, (da +nichts anders meinen Vater von Bolingbroks Brust hätte zurükhalten +können) als der König seinen Stab hinwarf, warf er sein eigen Leben +hin, warf er sich selbst hin, und das Leben aller derjenigen, die +durch Anklage oder durch die Wuth des Schwerdts unter Bolingbroke +gefallen sind. + +Westmorland. +Ihr redet hier, Lord Mowbray, und wißt nicht was ihr redet. Der +Graf von Hereford wurde damals für den tapfersten Ritter von ganz +England gehalten. Wer weiß, auf wen das Glük gelächelt hätte? Und +hätt' auch euer Vater den Sieg erhalten, so würde er ihn gewiß +nimmermehr aus Coventry hinausgetragen haben. Das ganze Land haßte +ihn, und schrie ihm mit einer allgemeinen Stimme Flüche zu; alle +ihre Liebe, alle ihre Wünsche, waren für Hereford, den Gegenstand +ihrer brünstigen Zuneigung, dem sie, in der That, mehr Segnungen +zurieffen, mehr Beyfall zujauchzten, als dem König selbst--Doch diß +führt mich nur von meinem Vorhaben ab: Ich komme hier von dem +Prinzen unserm Feldherrn, euern Beschwerden nachzufragen, und euch +in seiner Durchlaucht Namen zu sagen, daß er euch Gehör geben will, +und daß euch alle billige Forderungen, die ihr machen könnt, +zugestanden werden sollen, ohne daß auch nur der blosse Gedanke, +daß ihr Feinde gewesen seyd, dagegen in Betracht kommen solle. + +Mowbray. +Er hat uns gezwungen, ihm dieses Anerbieten abzudringen, welches +aus blosser Politik, nicht aus guter Meynung gemacht wird. + +Westmorland. +Mowbray, ihr treibet die Einbildung zu weit, wenn ihr es so +aufnehmt. Dieses Anerbieten kommt aus Gnade, nicht aus Furcht. +Denn seht, dort, nah genug, um von euern Bliken erreicht zu werden, +ligt unser Heer, und, bey meiner Ehre! keine Seele in ihm, die +nicht den blossen Gedanken der Furcht verschmähe. Unsre Schlacht- +Ordnung hat mehr Männer von Namen als die eurige, unsre Leute sind +geübter in den Waffen, unsre Munition ist zum wenigsten eben so +stark, und unsre Sache die bessere. Wie könnte, bey solchen +Umständen, unser Herz schlechter seyn? Sagt also nicht, unser +Anerbieten sey abgedrungen. + +Mowbray. +Gut, mit meinem Willen wird man sich in keine Unterhandlungen +einlassen. + +Westmorland. +Das beweist nur die Schändlichkeit euers Vergehens; ein böser +Schade leidet kein Anrühren. + +Hastings. +Hat der Prinz John Vollmacht von seinem Vater, sich auf alle +Bedingungen, worauf wir schlechterdings bestehen mögen, einzulassen, +und den Vergleich einzurichten, wie es ihm und uns gefallen mag? + +Westmorland. +Das ligt in dem Namen unsers Generals; mich wundert, wie ihr eine +so überflüßige Frage thun möget. + +York. +Wenn dieses ist, Milord von Westmorland, so nehmt dieses Papier; es +enthält alle unsre Beschwerungen: Wird allen hierinn erwähnten +Puncten abgeholfen, uns und allen unsern Anhängern, gegenwärtigen +und abwesenden, der Pardon in gehöriger Form ertheilt, und eine +vollständige Sicherheit unsrer Freyheit und unsers Eigenthums für's +Künftige gewähret werden; so sind wir bereit die Waffen +niederzulegen, und in unsre gesezmäßige Ordnung wieder einzutreten. + +Westmorland. +Ich will es dem Feldherrn überbringen. Gefällt es euch, Milords, +so wollen wir im Gesicht unsrer beydseitigen Armeen wieder zusammen +kommen, um entweder die Sache gütlich zu enden, (welches der Himmel +geben wolle!) oder die Schwerdter sogleich herbeyzuruffen, die den +Ausschlag geben müssen. + +York. +Wir sind es zufrieden, Milord. + +(Westmorland geht ab.) + + + +Dritte Scene. + + +Mowbray. +Es ist etwas in meinem Busen, das mir sagt, unser Friede werde +unter keinerley Bedingungen Bestand haben. + +Hastings. +Besorget das nicht; wenn wir unsern Frieden unter so ausgedehnten +und vortheilhaften Bedingungen erhalten, als diejenige, worauf wir +schlechterdings bestehen wollen; so wird er so feste stehen, als +ein felsichtes Gebürge. + +Mowbray. +Gut; aber alle diese Bedingungen werden uns doch nie das Zutrauen +des Königs geben; wir werden immer mit einem Auge beobachtet werden, +das voraus geneigt ist, uns schuldig zu finden; und die +schlechteste Ursache, der eitelste Schatten eines Verdachts wird +das Andenken dieser That wieder aufweken. Unsre künftige Treue mag +den flammenden Eifer der Märtyrer haben, sie wird doch immer zu +kalt befunden werden; und das argwöhnische Auge des Vorurtheils +wird in unsern Verdiensten selbst Entwürfe neuer Verbrechen sehen. + +York. +Nein, nein Milord; glaubt mir, der König ist dieser allzugrossen +Schärfe und dieser nagenden Besorgnisse selbst überdrüßig; er hat +gefunden daß jeder Argwohn, dem er durch den Tod ein Ende macht, +zween Grössere in den Ueberlebenden erwekt. Er wird also seine +Schreibtafel rein auswischen, und, um seiner gegenwärtigen Ruhe +willen, die Erinnrung vergangner Unruhen von sich entfernt halten. +Denn er weiß allzuwol, daß er dieses Land nicht so genau ausjäten +kan, als seine argwöhnische Gemüthsart es wünschte. Seine Feinde +sind so sehr mit seinen Freunden zusammengewurzelt, daß er keinen +Feind ausreuten kan, ohne zugleich einen Freund zu entkräften. So +daß dieses Land, wie ein böses Weib, das seinen Mann so sehr +aufgebracht hat, ihr Schläge anzubieten, indem er schlagen will, +ihm sein Kind entgegen strekt, und dadurch die beschloßne +Züchtigung in seinem aufgehobnen Arm zurük hält. + +Hastings. +Ueberdem hat der König an den neulichen Verbrechern alle seine +Ruthen abgenuzt, so daß es ihm izt sogar an Werkzeugen zur +Züchtigung fehlt; und seine Macht, wie ein Löwe dem die Klauen +benommen sind, zwar drohen, aber nicht fassen kan. + +York. +Es ist in der That so; seyd also versichert, mein lieber Lord +Marschall, daß wenn wir mit dem König nur erst recht ausgesöhnt +sind, unser Frieden, wie ein gebrochnes Glied das wieder +eingerichtet worden, nur desto stärker werden soll. + +Mowbray. +Ich wünsch' es. Hier kommt Milord von Westmorland zurük. +(Westmorland zu den Vorigen.) + +Westmorland. +Der Prinz ist nicht weit von hier; gefällt es euch, Milords, mit +seiner Durchlaucht, in gleicher Entfernung von beyden Armeen +zusammen zu kommen? + +Mowbray. +Milord von York, so gehet dann in Gottes Namen voran. + +York. +Gehet ihr voran, und grüsset seine Durchlaucht: Milord, wir kommen. + + + +Vierte Scene. +(Prinz John von Lancaster tritt auf.) + + +Lancaster. +Mir ist angenehm, mein Vetter Mowbray, euch hier anzutreffen; guten +Tag, mein lieber Lord Erzbischoff, und so euch, Lord Hastings, und +allen. Milord von York, ihr hattet ein weit bessers Ansehen, wenn +euch eure Heerde, von der Gloke versammelt, umzirkelte, voller +Ehrfurcht eure Erklärung des heiligen Texts anzuhören, als izt in +dieser Gestalt eines eisernen Mannes, in der ihr eine Rotte von +Aufrührern mit der Trummel aufreizet, um das Wort in Schwerdt, und +Leben in Tod zu verwandeln. Der Mann, der das Herz eines Monarchen +hat, und im Sonnenschein seiner Gewogenheit reift, wie viel Böses, +wenn er die Macht des Königs mißbrauchen wollte, wie viel Unheil +könnte er im Schatten eines solchen Ansehens anrichten? So ist es +mit euch bewandt, Lord Bischoff. Wer hat nicht davon gehört, wie +tief eure Einsicht in die Bücher des Himmels ist? In unsern Augen +seyd ihr der Sprecher in seinem Parlament; wir glauben die Stimme +des Himmels selbst zu hören, wenn wir euch hören; wir sehen euch +als den Canal an, durch den die Gnaden des Himmels zu uns fliessen, +und durch den wir ihm unsre Bitten vortragen. O! wer muß nicht +glauben, daß ihr das ehrwürdige Ansehen euers Amts mißbraucht, und +gleich einem treulosen Günstling, den Namen euers Fürsten zu +Ausübung böser Thaten gelten macht? Ihr habt unter einem +verstellten Eifer für die Sache Gottes, die Unterthanen seines +Statthalters, meines Vaters, aufgewigelt, und sie, beydes gegen den +Himmel und gegen ihn, in diesen Schwarm hier zusammen getrieben. + +York. +Gnädigster Herr, ich bin nicht gegen euern Vater hier; sondern, wie +ich bereits dem Lord von Westmorland sagte, die Verwirrung dieser +Zeiten treibt uns zusammen, und gruppiert uns in diese ungeheure +Form, um unsre Sicherheit zu erhalten. Ich sandte Eu. Durchlaucht +die besondern Puncte, worinn wir uns beschwert befinden, und womit +wir bey Hofe mit Verachtung abgewiesen worden sind. Daher dieser +Aufstand, der durch Gewährung unsrer gerechten Forderungen +augenbliklich wieder gestillet werden kan, um zahm und unterwürfig +sich zu den Füssen der Majestät hinzulegen. + +Mowbray. +Wo nicht, so sind wir bereit, unser Glük bis auf den lezten Mann zu +versuchen. + +Westmorland. +Gefällt es Euer Durchlaucht, ihnen darauf zu antworten, in wie fern +ihr ihre Artikel genehmiget? + +Lancaster. +Ich genehmige sie alle, und gestehe sie alle zu; und hier schwör +ich, bey dem ehrenvollen Blut von dem ich stamme, meines Vaters +Absichten sind mißgedeutet worden, und es sind einige um ihn, die +seinen Willen und seine Autorität mit einer übertriebnen Schärfe +gelten gemacht haben. Milord, diese Beschwerden sollen schleunig +gehoben werden, bey meinem Leben! sie sollen. Wenn ihr hiemit +zufrieden seyd, so entlaßt eure Truppen, wie wir mit den unsrigen +thun werden; und laßt uns hier zwischen beyden Heeren uns umarmen, +und auf unsre wiederhergestellte Freundschaft trinken, damit ihrer +allen Augen diese Pfänder unsrer Aussöhnung mit nach Hause tragen +mögen. + +York. +Ich nehme euer Fürstliches Wort für die Abstellung dieser +Beschwerden. + +Lancaster. +Ich geb' es euch, und will es behaupten; und hiemit trink ich Eu. +Gnaden zu. + +Hastings (zu Coleville.) +Geh, Hauptmann, und kündige der Armee diese Friedens-Zeitung an; +laß sie ihren Sold haben und gehen; ich weiß, es wird ihnen +angenehm seyn. Beschleunige dich, Hauptmann. + +(Coleville geht ab.) + +York. +Auf euer Wohlseyn, Milord von Westmorland. + +Westmorland. +Ich werde Eu. Gnaden Bescheid thun, und wenn ihr wißtet, wie viele +Mühe ich angewandt habe, diesen Frieden zu Stande zu bringen, ihr +würdet desto muntrer trinken; aber ich werde künftig Anlas haben, +euch meine Freundschaft deutlicher zu zeigen. + +York. +Ich seze keine Zweifel in sie. + +Westmorland. +Es erfreut mich. Auf eure Gesundheit, Milord und Vetter Mowbray. + +Mowbray. +Die Gesundheit die ihr mir wünscht, käme sehr gelegen, denn es wird +mir plözlich etwas übel. + +York. +Vor schlimmen Zufällen sind die Menschen gemeiniglich munter, und +Bangigkeit ist oft der Vorbote einer glüklichen Begebenheit. + +Westmorland. +Seyd also munter, Vetter, weil diese plözlichen Anstösse von +Bangigkeit von so glüklicher Bedeutung sind. + +York. +Glaubt mir, es ist mir ungemein leicht ums Herz. + +Mowbray. +Desto schlimmer, wenn eure eigne Regel wahr ist. + +(Man hört ein Freuden-Geschrey.) + +Lancaster. +Der Friede ist angekündigt; horcht! wie sie froloken. + +Mowbray. +Nach einem Sieg würde das angenehm getönt haben. + +York. +Ein Frieden ist die glüklichste Art von Erobrung; beyde Theile sind +dann überwunden, und keiner verliehrt. + +Lancaster (zu Westmorland.) +Geht, Milord, und entlaßt auch unsre Armee. + +(Westmorland geht ab.) + +Und wenn es euch gefällt, mein lieber Lord, so wollen wir die +Truppen bey uns vorbeyziehen lassen, damit wir sehen, mit was für +Leuten wir uns hätten messen sollen. + +York. +Geht, Lord Hastings, und laßt sie hier vorbey ziehen, eh sie +auseinander gehen. + +(Hastings geht ab.) + +Lancaster. +Ich hoffe, Milords, wir werden diese Nacht beysammen ligen. + + + +Fünfte Scene. +(Westmorland kommt zurük.) + + +Lancaster. +Nun, Vetter, warum bleibt unsre Armee stehen? + +Westmorland. +Die Officiers, welche den Befehl, Stand zu halten, aus Eu. +Durchlaucht Mund haben, wollen nicht gehen, bis sie den Befehl dazu +von Euch selbst bekommen würden. + +Lancaster. +Sie kennen ihre Schuldigkeit. (Hastings kommt zurük.) + +Hastings. +Milord, unsre Armee ist bereits zerstreut: Gleich jungen noch +unbejochten Stieren rennten sie gegen Ost, West, Süd und Nord davon; +oder wie, wenn die Schule aus ist, die Schul-Jungens in wimmelndem +Gedräng hervor stürmen, und jeder seinem Haus oder seinem Spielplaz +zuspringt. + +Westmorland. +Eine gute Zeitung, Milord Hastings, für welche ich dich, Verräther, +und euch, Lord Erzbischoff, und euch, Lord Mowbray, sämtlich als +des Hochverraths schuldig in Verhaft nehme. + +Mowbray. +Ist das ein erlaubtes und rechtschaffnes Verfahren? + +Westmorland. +War es euer Aufstand? + +York. +Brecht ihr eure Treue so? + +Lancaster. +Ich versprach euch keine; ich versprach euch, daß diesen +Beschwerden abgeholfen werden sollte, worüber ihr klagtet, und bey +meiner Ehre, ich will es mit der christlichen Sorgfalt halten. Ihr +aber, Empörer, empfangt den Lohn eurer Thaten. Der Ausgang eurer +thörichten Unternehmung entspricht der Unbesonnenheit ihres Anfangs-- +Laßt unsre Trummeln rühren, verfolgt die zerstreuten Flüchtlinge, +der Himmel, nicht wir, hat an diesem Tag einen unblutigen Sieg für +uns erfochten--Man sorge davor, daß diese Verräther bis zu ihrem +Todes-Urtheil wol verwahret werden. + +(Sie gehen ab.) + + + +Sechste Scene. +(Ein Kriegs-Getümmel. Excursionen. Falstaff und Coleville treten +auf.) + + +Falstaff. +Wie ist euer Name, Sir? Von welchem Stand seyd ihr? Und von +welchem Plaz, wenn ich bitten darf? + +Coleville. +Ich bin ein Ritter, Sir, und mein Nam ist Coleville vom Thal. + +Falstaff. +Gut, Coleville ist also euer Nam', ein Ritter ist euer Stand, und +euer Plaz das Thal. Coleville soll immer euer Name bleiben, ein +Verräther euer Stand, und ein Loch im Gefängniß euer Plaz; ein Ort +das tief genug ist, damit ihr immer Coleville vom Thal bleibet. + +Coleville. +Seyd ihr nicht Sir John Falstaff? + +Falstaff. +Ein so braver Mann, Sir, als er, ich mag seyn wer ich will; wollt +ihr euch ergeben, Sir, oder soll ich um euertwillen schwizen? Muß +ich schwizen, so sind meine Schweiß-Tropfen die Thränen deiner +Freunde, die deinen Tod beweinen. Zittre also so gut du kanst, und +bitte um Gnade. + +Coleville. +Ich denke, ihr seyd Sir John Falstaff, und in dieser Meynung geb +ich mich zu euerm Gefangnen. + +Falstaff. +Ich hab' eine ganze Schule voll Zungen in diesem Bauch und nicht +eine einzige davon redt was anders als meinen Namen: Hätt' ich nur +einen Bauch von etwas indifferenterm Umfang, ich wäre ohne weiters +der activste Kerl in ganz Europa; mein Wanst, mein Wanst, mein +Wanst ist mein Unglük--Hier kommt unser General. (Der Prinz John +von Lancaster, und Westmorland treten auf.) + +Lancaster. +Die Hize ist vorbey, folgt ihnen nicht weiter, ruft die Unsrigen +zurük, mein lieber Vetter Westmorland. + +(Westmorland geht ab.) + +Nun, Falstaff, wo seyd ihr diese ganze Zeit über gewesen? Wenn +alles und jedes vorbey ist, dann kommt ihr. Diese Langsamkeit +schikt sich nicht gut zu euerm Handwerk; bey meinem Leben, sie wird +über lang oder kurz noch einmal einem Galgen den Rüken brechen. + +Falstaff. +Es solte mir leid thun, Milord, wenn es nicht so wäre; ich habe nie +anders gehört, als daß Verweise und Demüthigungen der Lohn der +Tapferkeit sind. Denkt ihr, ich sey eine Schwalbe, ein Pfeil oder +eine Kugel? Kan ich armer alter Mann die Geschwindigkeit eines +Gedankens haben? Ich eilte mit dem äussersten Punct des äussersten +Grads der Möglichkeit hieher. Ich habe hundert und etlich und +achtzig Postpferde zu Schanden geritten; und kaum war ich +abgestiegen, so nahm' ich, so matt ich von der Reise war, in meiner +reinen und immaculirten Tapferkeit diesen Sir John Coleville vom +Thal, einen ganz furiosen Ritter und höchst furchtbaren Feind, +gefangen: Doch was sag ich? Er sah mich, und ergab sich; so daß +ich in Wahrheit mit jenem Haaken-nasichten Gesellen aus Rom da, dem +Cäsar, sagen kan: ich kam, sah und siegte. + +Lancaster. +Das war eine blosse Höflichkeit von ihm daß er sich ergab, und ihr +könnt euch kein Verdienst daraus machen. + +Falstaff. +Ich weiß nicht; hier ist er, und hier liefr' ich ihn aus, und bitte +Eu. Durchlaucht, daß es mit den übrigen Thaten dieses Tages +aufgeschrieben werden möge; oder bey G*** ich will eine eigne +Ballade darauf machen lassen, und oben drüber mein Bild in +Holzschnitt, und Colevillen wie er mir die Füsse küßt; wenn ich +genöthiget werde, so was zu thun, und wenn ihr nicht alle wie +verguldte Doppel-Pfennige gegen mich aussehen sollt, und ich am +hellen Himmel des Ruhms euch nicht eben so weit überglänzen werde, +als der Vollmond die Funken in einer heissen Asche, die nur wie +Steknadel-Köpfe gegen ihn aussehen, so glaubt keinem Edelmann auf +sein Wort. Laßt mir also mein Recht wiederfahren; laßt das +Verdienst steigen. + +Lancaster. +Zum Steigen ist das deine zu schwer. + +Falstaff. +So laßt es scheinen. + +Lancaster. +Dazu ist es zu dicht. + +Falstaff. +Laßt es nur etwas thun, mein gütiger Lord, das mir wohl thut, und +nennt es wie ihr wollt. + +Lancaster. +Ist dein Name Coleville? + +Coleville. +Ja, Milord. + +Lancaster. +Du bist ein berüchtigter Rebell, Coleville. + +Coleville. +Ich bin, Milord, was bessere als ich sind, die mich hieher führten; +hätt' ich ihnen rathen sollen, ihr solltet sie theurer bezahlt +haben, als ihr habt. + +Falstaff. +Ich weiß nicht, wie theuer sie sich selbst verkauften, aber du +warst ein so gutherziger Geselle, und gabst dich gratis weg; und +ich danke dir davor. + + + +Siebende Scene. +(Westmorland zu den Vorigen.) + + +Lancaster. +Nun, habt ihr das Nachsezen gehemmet? + +Westmorland. +Unsre Leute sind wieder zurük, und warten nur auf Befehl, wegen der +Gefangnen. + +Lancaster. +Sendet also Colevillen mit seinen Consorten nach York, ihr Urtheil +unverzüglich zu empfangen. Blunt, führe sie ab, und sorge daß sie +wol bewacht werden. + +(Blunt geht mit Coleville ab.) + +Und nun, Milords, will ich nach Hofe; ich höre, der König mein +Vater ist krank; unsre Zeitungen sollen uns zuvorkommen, und ihr, +Vetter, sollet sie seiner Majestät überbringen; vielleicht werden +sie von beßrer Würkung seyn, als alle andre Arzneyen. Wir werden +euch sobald als möglich folgen. + +(Sie gehen ab.) + + + +Achte Scene. +(Verwandelt sich in den Palast zu Westmünster.) +(König Heinrich, Warwik, Clarence und Glocester treten auf.) + + +König Heinrich. +Nun, Milords, wenn der Himmel diesem Streit, der vor unsrer Thüre +blutet, ein glükliches Ende macht, so wollen wir unsre Jugend in +höhere Gefilde führen, und hinfort keine andre als geheiligte +Schwerdter ziehen. Unsre Flotte ist ausgerüstet, unsre Macht +beysammen, die Regierung in unsrer Abwesenheit ist bestellt, und +alles ist so wie wir's wünschen; ausser daß wir uns ein wenig +besser befinden sollten, und noch verziehen müssen, bis diese +Rebellen zu paaren getrieben sind. + +Warwik. +Beydes, Gnädigster Herr, wird, wie wir nicht zweifeln, in kurzem +nach Wunsch erfolgen. + +König Heinrich. +Humphrey, mein Sohn von Glocester, wo ist der Prinz euer Bruder? + +Glocester. +Gnädigster Herr, ich denke, er ist nach Windsor auf die Jagd +gegangen. + +König Heinrich. +Mit was für Gesellschaft? + +Glocester. +Ich weiß es nicht, Milord. + +König Heinrich. +Ist nicht sein Bruder, Thomas von Clarence, bey ihm? + +Glocester. +Nein, Gnädigster Herr, er ist hier gegenwärtig. + +Clarence. +Was wünscht mein Gebietender Herr und Vater? + +König Heinrich. +Nichts als Gutes für dich, Thomas von Clarence. Wie kommt es, daß +du nicht bey dem Prinzen deinem Bruder bist? Er liebt dich, und du +sezest ihn bey Seite, Thomas; du hast einen bessern Plaz in seinem +Herzen als deine Brüder, trage Sorge dazu, mein Sohn, du kanst +dereinst nach meinem Tod die Mittels-Person zwischen ihm und deinen +Brüdern seyn, und ihnen wichtige Dienste thun. Verabsäume ihn also +ja nicht; und verscherze den Vortheil seiner Liebe nicht, durch den +Schein der Kaltsinnigkeit, oder, als wenn du dich nichts um ihn +bekümmertest. Er ist gütig und freundschaftlich gegen diejenige, +die er ihm ergeben sieht; er hat Thränen für andrer Leiden, und +eine immer offne Hand zur Wohlthätigkeit. Allein, wenn er gereizt +wird, ist er lauter Feuer, launig wie der Winter, und gäh wie ein +Windsstoß an einem kühlen Morgen. Man muß sich daher nach seiner +Gemüthsart richten lernen. Tadelt ihn wegen seiner Fehler, jedoch +mit Ehrerbietung, wenn ihr sehet daß er bey guter Laune ist; aber +wenn er aufgebracht ist, so gebt ihm Plaz, bis seine Leidenschaft, +wie ein zu Grund sinkender Wallfisch, durch ihre eigne heftige +Bewegungen sich entkräftet hat. Lerne diß, Thomas, und du wirst +ein Schirm deiner Brüder seyn, ein goldner Reiff, der sie +zusammenbinden wird, damit das vereinigte Gefäß ihres Bluts, wenn +es, wie vielleicht begegnen kan, durch den Gift heimlicher +Aufstiftungen in Gährung gesezt wird, nicht lek werde, und sollt' +es gleich stärker würken als Aconitum oder rasches Schieß-Pulver. + +Clarence. +Ich werde mir angelegen seyn lassen, seine Liebe zu verdienen. + +König Heinrich. +Warum bist du nicht zu Windsor bey ihm, Thomas? + +Clarence. +Er ist nicht zu Windsor; er speißt in London zu Mittag. + +König Heinrich. +Und wer ist bey ihm? Kanst du mir's sagen? + +Clarence. +Poins, und seine andern gewöhnlichen Begleiter. + +König Heinrich. +Der fetteste Boden trägt das meiste Unkraut, und er das edle Bild +meiner Jugend, ist ganz damit überwachsen; Ursache zu einem Kummer, +der sich über mein Leben hinaus erstrekt. Das Blut weint aus +meinem Herzen, wenn ich mir die regellosen Tage, die verderbten +Zeiten vorstelle, die ihr sehen werdet, wenn ich einst bey meinen +Voreltern schlafe: Denn wenn seine wilde Schwelgerey keinen Zügel +mehr hat, wenn Wuth und schäumendes Blut seine Räthe sind, wenn +Macht und schlimme Sitten sich vereinbaren; oh, mit was für +stürmenden Schwingen wird er seinem Fall und Verderben entgegen +stürzen. + +Warwik. +Mein Gnädigster Herr, ihr mißkennt ihn in diesem Augenblik. Der +Prinz studiert nur seine Gesellschafter, wie eine fremde Sprache; +will man die Sprache besizen, so ist nöthig daß man auch das +unanständigste Wort ansehe und lerne; wenn man's aber einmal +versteht, so weiß Eu. Majestät, daß es zu keinem andern Gebrauch +kommt, als daß man es kennt und verabscheut. So wird es der Prinz, +zu seiner Zeit, mit seinen Gesellschaftern halten, und die Kenntniß +die er von ihnen hat, wird eine Art von Modell oder Maasstab seyn, +woran er den Werth beßrer Leute messen wird. + +König Heinrich. +Selten macht die Biene ihren Waben in ein Todten-Aaß.--Wer kommt +hier? Westmorland? + + + +Neunte Scene. +(Westmorland tritt auf.) + + +Westmorland. +Heil, Gnädigster Herr, und neues Glük, zu demjenigen, so ich +anzukündigen komme! Prinz John, euer Sohn küßt eure königliche +Hand; Mowbray, der Bischoff Scroop, Hastings und die übrigen haben +die Straffe eurer Geseze erfahren, kein einziges aufrührisches +Schwerdt ist mehr entblößt, und der Friede treibt seine Oliven +allenthalben hervor. Die Art und Weise und den ganzen Zusammenhang +der Umstände, wie alles dieses geschehen ist, geruhe Euer Majestät +mit beßrer Musse aus dieser Relation zu ersehen. + +(Er übergiebt ein Papier.) + +König Heinrich. +O Westmorland, du bist ein Sommer-Vogel, der mitten im Winter den +aufgehenden Tag ansingt. (Harcourt zu den Vorigen.) Seht, noch +mehr Neuigkeiten. + +Harcourt. +Der Himmel bewahre Eure Majestät vor Feinden, und stehen Feinde +gegen euch auf, so mögen sie fallen wie diejenige, von denen ich +komme, euch Nachricht zu geben. Der Graf von Northumberland, und +der Lord Bardolph, mit einer ansehnlichen Macht von Engländern und +Schotten, sind von dem Scheriff von Yorkschire aufs Haupt +geschlagen worden. Die nähere Umstände und Folgen dieser Action +enthält dieses Paquet. + +König Heinrich. +Und warum müssen diese guten Zeitungen mich kränker machen? Kan +das Glük keine unvermengte Gunst gewähren, und muß, wenn sie uns +nichts als Gutes zu sagen hat, der angenehme Inhalt wenigstens in +häßlichen Lettern geschrieben seyn? Entweder giebt sie einen guten +Magen und nichts zu essen; oder sie stellt uns ein Banquet auf, und +nimmt den Appetit hinweg. Ich sollte mich über diese gute +Zeitungen erfreuen, und nun vergeht mir mein Gesicht, und mein Kopf +wird mir ganz taumlicht. O! o! kommt näher--mir wird ganz übel-- + + +Glocester. +Der Himmel stärke Eu. Majestät. + +Clarence. +O mein königlicher Vater! + +Westmorland. +Mein Gnädigster Gebieter, richtet euch auf, ermuntert euch! + +Warwik. +Geduld, meine Prinzen; ihr wißt, diese Anstösse sind bey Sr. +Majestät nicht ungewöhnlich. Tretet weiter zurük, gebt ihm Luft, +er wird gleich besser werden. + +Clarence. +Nein, nein, er kan diese Bangigkeiten nicht mehr lange aushalten. +Der langwierige Kummer, und die Unruhe seiner Seele haben die Mauer +welche sie einschliessen soll, durchgearbeitet; und das Leben +scheint allenthalben durch, und kan alle Augenblike ausbrechen. + +Glocester. +Das Volk erschrekt mich: Man spricht von allerley unnatürlichen +Wunderzeichen und vaterlosen Mißgeburten; die Jahrszeiten haben +ihre Sitten geändert, und es ist, als ob das Jahr einige Monate +schlafend gefunden und sie übersprungen habe. + +Clarence. +Der Fluß ist dreymal ohne Ebbe angeschwollen, und alte Leute (die +waschhaften Chroniken der Zeit) sagen, er habe eben das gethan, da +unser grosser Anherr Eduard starb. + +Warwik. +Redet nicht so laut, Prinzen, der König erholt sich wieder. + +Glocester. +Dieser Schlag wird ganz gewiß sein Ende seyn. + +König Heinrich. +Ich bitte euch, hebt mich auf, und tragt mich in ein anders Zimmer: +Sachte, ich bitte euch; sorget davor, daß kein Getöse gemacht werde, +meine werthen Freunde, ausser irgend eine mitleidige, tröstende +Hand, wollte Musik meinem schmachtenden Geiste zuflüstern. + +Warwik. +Ruft Musik in das Nebenzimmer-- + + +König Heinrich. +Sezt mir die Crone auf dieses Küssen hier. + +Clarence (bey Seite.) +Seine Augen sind hohl, und er verändert sich ungemein. + +Warwik. +Nicht so laut, nicht so laut. + + + +Zehnte Scene. +(Der Prinz Heinrich tritt auf.) + + +Prinz Heinrich. +Wo ist der Herzog von Clarence? + +Clarence. +Hier bin ich, Bruder, voller Kummer. + +Prinz Heinrich. +Warum das? Warum habt ihr alle Thränen in den Augen? Wie stehts +mit dem König? + +Glocester. +Sehr schlecht. + +Prinz Heinrich. +Weiß er die guten Zeitungen? Sagt sie ihm. + +Glocester. +Er alterirte sich ungemein, da er sie hörte. + +Prinz Heinrich. +Wenn er vor Freuden krank wurde, so wird er ohne Arzney gesund +werden. + +Warwik. +Nicht so laut, Milords; liebster Prinz, redet leise; der König, +euer Vater, hat einen Ansaz zum Schlaffen. + +Clarence. +Wir wollen in ein andres Zimmer gehen. + +Warwik. +Gefällt es Eu. Hoheit, mit uns zu kommen? + +Prinz Heinrich. +Nein; ich will mich hier sezen, und dem König wachen. + +(Alle gehen ab, bis auf Prinz Heinrich.) + +Warum ligt die Crone hier auf diesem Küssen, sie, die ein so +unruhige Bettgesellin ist? O du goldne Sorge! die so manche +durchwachte Nacht die Thüren des Schlummers weit offen hält, izt +lässest du ihn doch schlaffen! Aber nicht so gesund, nicht halb so +tief und süß als der schläft, der mit einem groben Tuch um seine +Schläffe, die lange Nacht hinweg schnarcht. O Majestät! du ligst +auf dem der dich trägt, wie eine goldne Rüstung, an einem heissen +Mittag.--Hier ligt eine Pflaumfeder auf seinen Lippen, die sich +nicht bewegt; wenn er athmete, so müßte dieser leichte Pflaum +nothwendig erregt werden. Ach! Mein Herr! Mein Vater! was für +ein Schlaf ist das? Das ist der Schlaf, der so manche Englische +Könige von diesem goldnen Reiff geschieden hat. Was dir nun von +mir gebührt, sind Thränen und herzliche Trauer, und die soll dir +Natur, Liebe und kindliche Zärtlichkeit in vollem Maaß bezahlen. +Was mir von dir gebührt, ist diese Königs-Crone, die von dir auf +mich, als den nächsten an dir, unmittelbar herabsinkt. Nun, hier +sizt sie; + +(Er sezt sie auf.) + +der Himmel soll sie schüzen; und legt in eines Riesen Arm die +Stärke der ganzen Welt, nimmer soll er diese angestammte Ehre von +meiner Stirne reissen. Ich will sie den meinigen verlassen, wie du +sie mir verlassen hast. + + + +Eilfte Scene. +(Warwik, Glocester und Clarence kommen wieder.) + + +König Heinrich. +Warwik! Glocester! Clarence! + +Clarence. +Ruft der König? + +Warwik. +Was befiehlt Eu. Majestät? wie befindet Sie sich? + +König Heinrich. +Warum ließt ihr mich so allein, Milords? + +Clarence. +Gnädigster Herr, wir liessen den Prinzen meinen Bruder hier, +welcher sich sezen, und neben Eu. Majestät wachen wollte. + +König Heinrich. +Den Prinzen von Wales? Wo ist er? laßt mich ihn sehen. + +Warwik. +Hier ist eine Thür offen, er muß da hinausgegangen seyn. + +Glocester. +Er gieng nicht durch das Zimmer, wo wir warteten. + +König Heinrich. +Wo ist die Crone? Wer nahm sie von meinem Küssen. + +Warwik. +Wie wir uns weg begaben, Gnädigster Herr, war sie noch da. + +König Heinrich. +Der Prinz hat sie also weggenommen? Geht, sucht ihn auf. Ist er +so ungeduldig, daß er meinen Schlaf für meinen Tod ansieht? Sucht +ihn, Milord von Warwik, und schmählt ihn unverzüglich her. + +(Warwik geht ab.) + +Dieser Zug seiner Gemüthsart vollendet die Würkung meines Uebels, +und beschleunigt meinen lezten Augenblik. Seht, Söhne, was für +Dinge ihr seyd! Wie leicht sich die Natur zum Abfall bringen läßt, +wenn Gold der Versucher ist! Für diß haben närrische sorgenvolle +Väter ihren Schlaf mit Nachsinnen unterbrochen, ihr Gehirn mit +Sorgen erschöpft, ihre Gebeine mit Arbeit entkräftet; für diß, für +diesen Dank haben sie Tag und Nacht darauf gedacht, ihre Söhne +durch Künste und martialische Uebungen zu bilden, für diß haben sie +mit so vieler Mühe Gold auf Gold gehäuft. Gleich der Biene +flattern wir von Blume zu Blume, saugen ihre besten Düfte aus, und +wenn unsre Beine mit Wachs und unsre Lippen mit Honig beladen sind, +tragen wir's in den Stok; und wie Bienen, werden wir für unsre Müh +getödtet. Bittrer Gedanke für einen sterbenden Vater!-- +(Warwik kommt zurück.) Nun, wo ist er? er, der nicht warten kan, +bis sein Freund, Krankheit, mit mir fertig ist? + +Warwik. +Gnädigster Herr, ich fand den Prinzen in dem nächsten Zimmer, mit +Thränen der zärtlichsten Wehmuth seine Wangen badend, und in seiner +Mine und Stellung eine so tiefe, so rührende Bekümmerniß ausgedrükt, +daß die Grausamkeit selbst, bey seinem Anblik, ihren blutigen +Dolch mit milden Thränen gewaschen hätte. + +König Heinrich. +Aber warum nahm er dann die Crone weg? (Der Prinz Heinrich zu den +Vorigen.) Seht, hier kommt er. Komm hieher zu mir, Harry; verlaßt +das Zimmer, laßt uns allein. + +(Die Lords gehen ab.) + + + +Prinz Heinrich. +Ich dachte nicht, daß ich Eu. Majestät wieder reden hören würde. + +König Heinrich. +Dein Wunsch, Harry, war Vater zu diesem Gedanken. Ich lebe zu +lange für dich, du wirst es müde. Ist deine Begierde nach meinem +leeren Thron so heftig, daß du dich meiner Vorrechte schon +anmassest, eh deine Stunde reif ist? O thörichter Jüngling! Du +suchst eine Hoheit, die dich zu Grunde richten wird. Warte nur +noch ein wenig; die Wolke meiner Würde wird von einem so schwachen +Wind noch emporgehalten, daß sie bald zertrieffen wird. Du hast +etwas gestohlen, das in wenigen Stunden ohne Verbrechen dein +gewesen wäre; in meiner Todesstunde selbst hast du noch das Siegel +auf meine Erwartung gedrükt; dein Leben bewies, wie wenig du mich +liebest; und du willt, daß ich mit der völligen Ueberzeugung davon +sterben soll. Du verbirgst tausend Dolche in deinen Gedanken, die +du an deinem steinernen Herzen gewezt hast, eine halbe Stunde zu +ermorden, die ich noch zu leben gehabt hätte. Wie? kanst du mich +nicht noch eine halbe Stunde ertragen? So geh' dann, und grabe +selbst mein Grab, und laß die frölichen Gloken in dein Ohr tönen, +daß du gekrönt bist, nicht daß ich todt bin. Mögen alle die +Tropfen, die meine Leiche bethauen sollten, zu Balsam-Tropfen +werden, dein Haupt zu heiligen; nur bedeke mich vorher mit ein +wenig faulem Staub, und gieb den der dir das Leben gab, den Würmern. +Stürze meine Staats-Bediente, vernichte meine Verordnungen; denn +nun ist eine Zeit gekommen, die aller gesezlichen Ordnung spottet. +Heinrich der fünfte ist gekrönt: Auf, Thorheit! Herab, königliches +Ansehn! Alle ihr weisen Räthe, hinweg! Und nun versammelt euch +aus allen Enden an den Englischen Hof, ihr müßigen Affen; nun, +angrenzende Nachbarn, reinigt euch von euerm Unrath! Habt ihr +einen Lotterbuben, der schwört? säuft? tanzt? die Nächte +durchschwärmt? raubt? mordet? und die ältesten Sünden nach der +neuesten Mode begeht? Freut euch, er wird euch nicht länger +beunruhigen, in England wird er Dienste, Ehre und Gewalt bekommen; +denn Heinrich der fünfte nimmt der gekrümmten Ausgelassenheit den +Maulkorb des Zwangs ab, und der rasende Hund hat nun Freyheit, +seine Zähne in jeden Unschuldigen einzuhauen. O! mein armes Land! +von bürgerlichen Wunden entkräftet! Wenn meine Sorgfalt deine +Ausschweiffungen nicht dämmen konnte, was wird aus dir werden, wenn +die Ausschweiffung deine Fürsorge ist? O du wirst wieder eine +Wildniß werden, von Wölfen, deinen alten Einwohnern, bewohnt! + +Prinz Heinrich (kniend.) +O! vergebet mir, mein Gnädigster Oberherr! Wenn ich vor +Beklemmung und Thränen hätte reden können, so würde ich diese harte +und schmerzliche Bescheltung eher unterbrochen haben. Hier ist +eure Crone, und derjenige, der die Crone der Unsterblichkeit trägt, +möge sie euch noch lang' erhalten. Wenn ich sie mehr liebe als +euer Leben, und eure Ehre, so mög' ich nimmer von diesem Boden +aufstehen, auf den mein getreues und von seiner Pflicht +durchdrungnes Herz meine Knie niedergeworfen hat. Der Himmel ist +mein Zeuge, was für ein kalter Schauer mich befiel, da ich herein +kam, und keinen Athem mehr an Eurer Majestät spürte. Wenn diß +Verstellung ist, o! so mög' ich in meiner gegenwärtigen Wildheit +sterben, und die Zeit nicht erleben, daß ich der ungläubigen Welt +die Veränderung zeigen könne, die ich bey mir selbst beschlossen +habe. Ich war gekommen euch zu besuchen, und in der Meynung daß +ihr todt seyd, und von dem Gedanken daß ihr es seyd, selbst beynahe +todt, redte ich die Crone an, als ob sie mich verstehen könnte, und +machte ihr diese Vorwürfe: Die Sorgen, die du machst, haben das +Leben meines Vaters aufgezehrt, und also bist du, obgleich das +feinste, das schlimmste Gold; anders Gold, obgleich minder fein, +ist kostbarer, da es, in eine trinkbare Arzney aufgelößt, ein +Mittel zu Erhaltung des Lebens ist; du hingegen, das feinste, das +hochgeschäzteste, das glorreicheste, hast den der dich trug des +Lebens beraubt. Indem ich sie so beschalt, mein Königlicher Herr, +sezte ich sie auf mein Haupt, um mit ihr, wie mit einem Feind, der +meinen Vater vor meinen Augen ermordet hatte, die Sache eines +rechtschaffnen Erben auszufechten. Wenn sie aber mein Blut mit +Freude anstekte, oder mit irgend einem stolzen Gedanken meine Seele +schwellte, wenn ein rebellischer oder hochstrebender Geist in mir, +auch nur mit dem schwächsten Grad von Vergnügen, ihre Macht +willkommen hieß; so verhindre der Himmel, daß sie nie auf mein +Haupt komme, und mache mich dem Aermsten unter allen gleich, die +mit zitternder Ehrfurcht vor ihr knien! + +König Heinrich. +O! Mein Sohn, der Himmel gab dir ein, sie von hinnen zu nehmen, um +zu dieser Erklärung Anlaß zu machen, die dir deines Vaters Liebe in +desto vollerm Maaß wieder giebt. Komm näher, Harry, seze dich zu +meinem Bette, und höre, ich denke den lezten Rath, den ich dir +jemals geben werde. Der Himmel weiß, mein Sohn, durch was für +Seiten-Wege und krumme Pfade ich zu dieser Crone gekommen bin, und +ich selbst weiß am besten, wie unruhig sie auf meinem Haupte saß. +Zu dir wird sie in beßrer Ruhe, mit bessrer Meynung und mit einem +bessern Titel herabsteigen: Denn alle Vorwürfe, die der Gelangung +dazu gemacht werden können, gehen mit mir zu Grabe. Diese Crone +schien an mir nur eine gewaltthätig an mich gerissene Zierde, und +es lebten ihrer viele die mir vorrüken konnten, daß sie mir dazu +verholfen hätten; und daraus mußte täglich Zank und Blutvergiessen +entstehen; der Friede, dessen ich genoß, war unsicher, und alle +Augenblike von Unternehmungen unterbrochen, die meine Crone und +mein Leben in Gefahr sezten. Meine ganze Regierung war wie ein +Schauspiel, wovon Empörung und Selbstvertheidigung der Inhalt war. +Aber nun ändert mein Tod die Scene; was bey mir erobert war, fällt +unter einem schönern Titel auf dich, denn du trägst die Crone durch +das Recht der Erbfolge. Allein ob du gleich sichrer stehst als ich, +so stehst du doch nicht fest genug, da die Beschwerden noch so +frisch sind, und allen denen, die du nun zu deinen Freunden machen +must, der Stachel erst so kürzlich ausgezogen worden ist. Ich rede +von den Erben und Freunden dererjenigen, durch deren +verbrecherische Künste ich emporgestiegen, durch deren Macht ich +besorgen mußte, wieder gestürzt zu werden, und denen ich deßwegen +zuvor kam. Meine Absicht war, sie in das heilige Land zu führen, +damit nicht Ruhe und Musse sie veranlassen möchte, zu tief in +unsern Staat hinein zu schauen. Laß es also deine vornehmste +Maxime seyn, mein Sohn Harry, schwindlichte Köpfe mit auswärtigen +Angelegenheiten zu beschäftigen; damit sie ihr Feuer in entfernten +Provinzen ausarbeiten, und unter dieser Arbeit das Andenken der +vorigen Tage verliehren. Ich wollte noch mehr mit dir reden, aber +meine Lunge ist so schwach, daß ich es nicht länger aushalten kan. +Wie ich zu dieser Crone kam, o Gott, vergieb mir! und laß sie +ruhig und glüklich auf meines Sohnes Haupte sizen! + +Prinz Heinrich. +Mein Gnädigster Herr, ihr habt sie gewonnen, getragen, erhalten, +und auf mich gebracht; mein Besiz ist also klar und rechtmäßig; und +rechtmäßig will ich ihn auch, so viele Müh es kosten mag, gegen die +ganze Welt behaupten. (Lord John von Lancaster und Warwik, treten +auf.) + +König Heinrich. +Sieh, sieh, hier kommt mein Sohn Lancaster. + +Lancaster. +Gesundheit, Frieden und Glük, meinem Königlichen Vater. + +König Heinrich. +Du bringst mir Glük und Frieden, Sohn John; aber die Gesundheit ist +mit jugendlichen Schwingen aus diesem kahlen verdorrten Stamm +weggeflohen. Nachdem ich nun auch dich gesehen habe, so sind meine +zeitlichen Geschäfte vorbey--Wo ist Milord von Warwik? + +Prinz Heinrich. +Milord von Warwik!-- + +König Heinrich. +Hat das Zimmer, wo ich die erste Ohnmacht bekam, nicht irgend einen +besondern Nahmen? + +Warwik. +Man nennt es Jerusalem, Gnädigster Herr. + +König Heinrich. +Gott sey gelobt! Dort muß ich mein Leben enden. Es ist mir vor +vielen Jahren propheceyet worden, ich könnte nirgends als in +Jerusalem sterben: und ich bildete mir fälschlich ein, es müßte im +gelobten Lande seyn. Aber bringet mich in dieses Zimmer, das ist +das Jerusalem, wo ich sterben will. + +(Sie gehen ab.) + + + + +Fünfter Aufzug. + + + +Erste Scene. +(Schallow's Siz in Glosterschire.) +(Schallow, Silence, Falstaff, Bardolph, und der kleine Lakay +treten auf.) + + +Schallow. +Beym Sappermost, Sir, ich laß euch diese Nacht nicht fort! He! +Davy, sag ich-- + +Falstaff. +Ihr werdet mich entschuldigen, Herr Robert Schallow. + +Schallow. +Ich werd' euch nicht entschuldigen; ihr sollt nicht entschuldiget +werden; ich nehme keine Entschuldigung an; es hilft keine +Entschuldigung; ich lasse keine Entschuldigung gelten--He! Davy-- +(Davy tritt auf.) + +Davy. +Hier, Sir. + +Schallow. +Davy, Davy, Davy, laß mich seh'n, Davy, laß mich sehen; ja, +Sapperment! der Koch William, sagt ihm, er soll herkommen--Sir +John, ich laß keine Entschuldigung gelten. + +Davy. +Ja, Herr; aber diese Regeln können nicht gehalten werden; und noch +eins, Sir, sollen wir das Ek mit Weizen ansäen? + +Schallow. +Mit rothem Weizen, Davy--Aber auf William Koch zu kommen--sind +keine jungen Dauben da? + +Davy. +Ja, Sir--Hier ist des Schmidts Conto, für Schuhe, und Pflug- +Eisenwerk. + +Schallow. +Laß ihn bezahlt und quittirt werden--Sir John, ich nehme keine +Entschuldigung an. + +Davy. +Izt, Sir, brauchte man nothwendig einen neuen Ring an den Wasser- +Eymer. Und, Sir, ist nicht eure Meynung, dem William den Betrag +von dem Sak, den er neulich auf dem Hinkley-Markt verlohr', an +seinem Lohn abzuziehen? + +Schallow. +Er muß es vergüten. Etliche Dauben, Davy, ein Paar kurz-beinichte +Hennen, eine Schöps-Keule, und etliche artige kleine Beyessen: +Sag's dem Koch Willhelm. + +Davy. +Bleibt der Mann im rothen Rok die ganze Nacht da, Sir? + +Schallow. +Ja, Davy. Ich will ihm eine Ehre anthun. Ein Freund bey Hofe, ist +besser als ein Pfenning im Beutel. Mach' daß seine Leute ihre +Sachen recht bekommen, Davy; denn es sind Erzschelme, sie würden +uns durchhecheln, daß es eine Art hätte. Geh izt an deine Arbeit, +Davy. + +Davy. +Ich bitte euch, Herr, helfet doch dem William Visor von Woncot +gegen Clement Perkes vom Bühel. + +Schallow. +Es gehen grosse Klagen, Davy, über diesen Visor; dieser Visor ist +ein Erz-Schelm, so viel ich weiß. + +Davy. +Ich gesteh es Eu. Herrlichkeit ein, daß er ein Schelm ist; aber +behüt uns G**, Sir, daß ein Schelm keine Gunst sollte finden können, +wenn ein guter Freund für ihn bittet. Ein ehrlicher Mann, Sir, +ist im Stand für sich selbst zu reden, das ist ein Schelm nicht. +Ich hab' Euer Herrlichkeit treulich gedient, diese acht Jahr' her; +und wenn ich nicht auch ein oder zweymal in einem Quartal einem +Schelmen gegen einen Bidermann hinaushelfen kan, so ist wahrlich +mein Credit bey Eu. Herrlichkeit nicht groß. Der Schelm ist mein +guter Freund, Sir, und ich bitte Euer Herrlichkeit also, laßt ihn +durchwischen. + +Schallow. +Geh, geh, sag' ich, es soll ihm nichts gethan werden: Sieh' zu den +Sachen, Davy.--Wo seyd ihr, Sir John? Kommt, herab mit euern +Stiefeln! Gebt mir eure Hand, Herr Bardolph. + +Bardolph. +Es freut mich, Eu. Herrlichkeit wohl zu sehen. + +Schallow. +Ich danke dir von Herzen, mein wakrer Herr Bardolph; + +(zum kleinen Lakayen) + +ha, willkommen, mein hübscher Bursche--Kommt, Sir John. + +(Sie gehen ab.) + + + +Zweyte Scene. +(Verwandelt sich in den Hof zu London.) +(Der Graf von Warwik, und der Lord Ober-Richter treten auf.) + + +Warwik. +Wie steht es, Milord Ober-Richter, wohin? + +Ober-Richter. +Wie befindt sich der König? + +Warwik. +Vollkommen wohl; seine Sorgen sind nun alle geendigt. + +Ober-Richter. +Ich hoffe, er ist nicht todt? + +Warwik. +Er ist den Weg der Natur gegangen, und für uns lebt er nicht mehr. + +Ober-Richter. +Ich wünschte, Se. Majestät hätte mich mit sich genommen. Die +getreuen Dienste, die ich ihm in seinem Leben geleistet, haben mich +allen Kränkungen ausgesezt gelassen. + +Warwik. +In der That, ich denke der junge König ist nicht euer Freund. + +Ober-Richter. +Ich weiß, daß er's nicht ist; und ich rüste mich auf alles was +begegnen kan; es kan nicht schlimmer seyn, als ich's erwarte. +(Lord John von Lancaster, Glocester und Clarence zu den Vorigen.) + +Warwik. +Hier kommen die betrübten Söhne des todten Heinrichs. O hätte der +lebende nur die Gemüthsart des schlechtesten unter diesen drey +Prinzen, wie viele Männer von Stand und Verdienst würden dann ihre +Pläze behalten, die izt vor Leuten von der verächtlichsten Classe +die Segel streichen müssen. + +Ober-Richter. +Ich besorge, leider! es werde alles zu unterst zu oberst gekehrt +werden. + +Lancaster. +Guten Morgen, Vetter Warwik. + +Glocester. Clarence. +Guten Morgen, Vetter. + +Lancaster. +Wir kommen zusammen, wie Leute die das Reden vergessen haben. + +Warwik. +Wir erinnern uns noch wol, aber der Inhalt unsrer Gedanken ist zu +schwer, als daß ihn Worte sollten tragen können. + +Lancaster. +Nun, Friede sey mit dem, der uns diese Schwermuth verursacht hat. + +Ober-Richter. +Friede sey mit uns, oder wir werden noch schwermüthiger werden. + +Glocester. +O, mein lieber Lord, ihr habt in der That einen Freund verlohren, +und ich darf schwören, ihr borgtet dieses kummervolle Gesicht nicht; +es ist ganz gewiß euer eignes. + +Lancaster. +Obgleich niemand gewiß weiß, wie es ihm ergehen wird, so habt ihr +doch am wenigsten gutes zu erwarten; diß vermehrt meinen Kummer, +ich wollt' es wär' anders. + +Clarence. +Gut, ihr müßt izt Sir John Falstaffen gute Worte geben; seine Gunst +vermag izt mehr als eure Verdienste. + +Ober-Richter. +Liebste Prinzen, was ich that, that ich als ein rechtschafner Mann, +nach der Vorschrift meines Gewissens und meiner Pflicht; und +niemals sollt ihr mich eine niederträchtige Verzeihung erbetteln +sehen. Wenn Wahrheit und aufrichtige Unschuld meinen Fall +verursachen, so will ich zu dem König meinem abgelebten Herrn, und +ihm sagen, wer mich ihm nachgeschikt hat. + +Warwik. +Hier kommt der Prinz. + + + +Dritte Scene. +(Der Prinz Heinrich, nunmehr König Heinrich der fünfte, zu den +Vorigen.) + + +Ober-Richter. +Gott erhalte Eu. Majestät. + +König Heinrich. +Dieses ungewohnte und strozende Kleid, Majestät, sizt mir lange +nicht so leicht als ihr euch einbildet. Brüder, eure Traurigkeit +ist, wie mich däucht, mit Furcht vermischt; diß ist der Englische, +nicht der Türkische Hof; kein Amurath folgt auf einen Amurath, +sondern Heinrich auf Heinrich. Und doch seyd immerhin traurig, +meine Brüder; aber, da die Ursache dazu uns allen gemein ist, so +betrachtet sie auch nicht anders als wie eine Last, die uns +gemeinschaftlich zu tragen auferlegt ist. Von mir seyd versichert, +daß ich euer Vater sowol als euer Bruder seyn will: Schenket mir +nur eure Liebe, und überlaßt mir eure Sorgen. Weint, daß Heinrich +todt ist, ich thue es auch; aber ein Heinrich lebt, der alle diese +Thränen, soviel ihrer sind, in eben so viele glükselige Stunden +verwandeln wird. + +Lancaster. Glocester. Clarence. +Wir hoffen nichts anders von Eu. Majestät. + +König Heinrich. +Ihr seht mich alle mit seltsamen Gesichtern an, sonderlich ihr. + +(Zum Lord Ober-Richter.) + +Ich denke, ihr seyd versichert, daß ich euch nicht liebe. + +Ober-Richter. +Ich bin versichert, daß, wenn ich nach Biligkeit beurtheilt werde, +Eu. Majestät keine Ursache hat mich zu hassen. + +König Heinrich. +Keine? Soll ein Prinz von meinen Hoffnungen so grosse +Beleidigungen vergessen können, als mir von euch wiederfahren sind? +Wie? den Cron-Erben von England auszuschalten, öffentlich zu +beschimpfen und ins Gefängniß zu schiken? War das eine +Kleinigkeit? Kan das in Lethe gewaschen, und vergessen werden? + +Ober-Richter. +Ich stellte damals die Person euers Vaters vor, nicht die meinige. +Ich war mit der Handhabung seines Gesezes, und der öffentlichen +Gerechtigkeit beschäftiget, als es Euer Hoheit beliebte, mein Amt, +die Majestät und Gewalt des Gesezes, und des Königs, den ich +vorstellte, zu vergessen, und in meinem Richter-Stuhl gewaltsame +Hand an mich zu legen. Als einen Verbrecher gegen die Person euers +Vaters, ließ ich euch, kraft der Autorität die mir anvertraut war, +in Verhaft nehmen; und wenn ich daran unrecht that, so laßt es euch +immerhin gefallen, einen Sohn zu bekommen, der eurer Verordnungen +spotte, der die Gerechtigkeit von euern ehrwürdigen Bänken +herabreisse, den Lauf der Geseze hemme, und das Schwerdt stumpf +mache, das eure eigne Person und die allgemeine Sicherheit beschüzt; +ja der euer königliches Ebenbild schmählich antaste, und eure +Handlungen in der Person euers Repräsentanten verspotte. Fraget +eure königlichen Gedanken, macht den Fall zum eurigen, seyd nun der +Vater, und stellt euch einen Sohn vor, von dem euer Ansehn so sehr +angegriffen werde; und dann bildet euch ein, daß ich eure Parthey +nehme, und in euerm Namen und durch eure Macht euern Sohn so zur +Gebühr weise. Nach dieser kalten Ueberlegung sprecht mein Urtheil, +und saget nun, da ihr ein König seyd, was ich gethan habe, das +meinem Amt, meiner Person, und der Majestät meines Königs nicht +gemäß war? + +König Heinrich. +Ihr habt vollkommnes Recht, Milord, und wäget diese Sache richtig +ab; fahret also fort, die Wage und das Schwerdt zu tragen; und +möchtet ihr, mit immersteigenden verdienten Ehren, so lange leben, +biß ihr einen Sohn von mir sehet, der, wenn er euch so beleidigt +hätte, euch so gehorche wie ich that: So würd ich's erleben, wie +damals mein Vater sagen zu können: Glüklich bin ich, daß ich einen +Mann habe, der Muth genug hat, die Justiz gegen meinen eignen Sohn +auszuüben; und nicht weniger glüklich, daß ich einen Sohn habe, der +seine Grösse so willig in die Hände der Gerechtigkeit überliefert-- +Zum Beweiß also, daß ich eure Tugend ehre, übertrag' ich euch +ferner das unbeflekte Schwerdt, das ihr bißher getragen habt, mit +der Erinnerung, daß ihr eben diesen gerechten, kühnen und +unpartheyischen Geist, den ihr damals gegen mich gezeigt habet, +über alle eure Handlungen herrschen lasset. Hier habt ihr meine +Hand, daß ihr bey meiner Jugend die Stelle eines Vaters vertreten +sollt; meine Stimme soll tönen, was ihr meinem Ohr eingebet, und +Eure Weisheit und wohlgeübte Erfahrenheit soll in allen meinen +Entschliessungen mich leiten. Und, ihr Prinzen alle, glaubet mir, +ich bitte euch, mein Vater hat den besten Theil meines Herzens mit +sich ins Grab genommen; und ich lebe nur mit seinem Geist, die +Erwartungen der Welt zu beschämen, voreilige Weissagungen zu +vereiteln, und die schlimme Meynung auszulöschen, die man nach +meinem äusserlichen Schein von mir gefaßt hat. Die Fluth meines +Bluts, die bisher von vielen Ausschweiffungen aufgeschwollen +daherströmte, soll nun zum Meer zurük ebben, und daselbst mit dem +allgemeinen Staat der Wasser vermengt, hinfort in festlicher +Majestät einherfliessen. Wir sind nun im Begriff unser Parlament +zusammen zu beruffen, und wir werden vor allen Dingen darauf +bedacht seyn, unsern edeln Staatsrath, in welchem ihr, mein Vater, + +(zum Lord Ober-Richter,) + +den Vorsiz haben sollt, mit würdigen Gliedern zu verstärken; damit +der grosse Körper unsers Staats mit den bestregierten Nationen in +gleicher Linie stehe, und Krieg oder Frieden oder beydes zugleich, +uns bekannte und vertraute Sachen seyn mögen. Sobald unsre Crönung +vorbey seyn wird, werden wir, wie ich schon erinnert, unsern ganzen +Staat zusammen beruffen, und, wenn der Himmel meine guten Absichten +bekräftiget, so soll kein Prinz noch Pair eine gerechte Ursache +finden zu wünschen, daß der Himmel Heinrichs glükliches Leben um +einen einzigen Tag verkürzen möge. + +(Sie gehen ab.) + + + +Vierte Scene. +(Diese Scene stellt das Gastmahl vor, das der Junker Schallow dem +Sir John Falstaff giebt; es ist ein vortreffliches Gemählde in +seiner Art, aber man muß nach London reisen um es zu sehen; denn +nichts als die würkliche theatralische Vorstellung kan ihm das +Leben und den Grad von Abgeschmaktheit geben, worinn der ganze +Werth davon besteht. Das was bey der Vorstellung den besten Effect +machen muß, ist der gute ehrliche Junker Silence, der aus dem mehr +als Pythagoräischen Stillschweigen, das er nüchtern zu halten +pflegt, in das andre Extremum fällt, und in trunknem Muth ein +dummes Liedlein nach dem andern singt.) + + + +Fünfte Scene. +(Während daß Herr Silence und Sir John im Streit begriffen sind, +wer den andern zu Boden trinken könne, kommt Pistol von London an, +und unterbricht das Landjunkerische Bacchanal durch frohe Zeitungen +vom Hofe, die er ankündiget, ohne gleich zu sagen, worinn sie +bestehen. Dieses giebt unserm Autor Anlas zu einer kleinen +spöttischen Parodie eines abgeschmakten Schauspiels vom König +Cophetua, so vermuthlich damals noch von Marionetten-Spielern oder +andern Comödianten von dieser Art gespielt wurde; endlich macht die +Weisheit des Hrn. Schallow dem Mißverständniß auf folgende Art ein +Ende:) + + +Schallow. +Um Vergebung, Sir: Wenn ihr mit neuen Zeitungen vom Hofe kommt, Sir, +so sind, wie ich's begreiffe, nur zwey Wege; entweder ihr müßt sie +sagen, oder ihr müßt verschweigen. Ich bin unter dem König in +einiger Autorität, Herr. + +Pistol. +Unter welchem König? Nichtswürdiger, sprich oder stirb!* + +{ed. * Dieser Vers scheint wieder eine Parodie zu seyn.} + +Schallow. +Unterm König Heinrich! + +Pistol. +Heinrich dem vierten oder dem fünften? + +Schallow. +Heinrich dem vierten. + +Pistol. +So geb' ich dir einen T** für dein Amt. Sir John, dein zartes +Lämmchen ist nun König. Heinrich der fünfte ist der Mann. Was ich +sag' muß wahr seyn. Wenn Pistol lügt, so thut das, und prellt mich +wie den prahlenden Spanier. + +Falstaff. +Was, ist der alte König todt? + +Pistol. +Wie ein Nagel in der Thür; das muß wahr seyn. + +Falstaff. +Auf, Bardolph, sattle mir mein Pferd. Herr Robert Schallow, such' +dir ein Amt im Königreich aus, was für eins du willt, es ist dein; +Pistol, ich will dich doppelt mit Ehrenstellen beladen. + +Bardolph. +O freundenvoller Tag! Ich wollte kein Ritter-Gut um mein Glük +nehmen. + +Pistol. +Gelt! Ich bringe gute Zeitungen? + +Falstaff. +Tragt Herrn Silence zu Bette: Herr Schallow, Milord Schallow, sag +nur was du seyn willst, ich bin Fortuna's Haushofmeister--Zieh +deine Stiefel an, wir wollen die ganze Nacht durch reiten. O! +süsser Pistol, sag mir noch mehr, und vergiß mit allem dem nicht, +dich zu besinnen, was du gern hättest. Stiefel, Stiefel an, Herr +Schallow. Ich weiß, der junge König schmachtet nach mir. Wir +wollen Pferde nehmen, wo wir sie finden, die Geseze von England +stehen izt zu meinem Befehl. Glüklich sind die, die sich meine +Freunde nennen können; und weh dem Milord Ober-Richter! + + + +Sechste Scene. +(Verwandelt sich in eine Strasse von London.) +(Die Wirthin und Dortchen Tear-Scheet, von Zween Bütteln geführt, +treten auf.) (Eine kleine Scene, von der pöbelhaftesten und +unanständigsten Art, die sich nicht übersezen läßt.) + + + +Siebende Scene. +(Ein öffentlicher Plaz nicht weit von der Westmünster-Abbtey.) +(Zween Bediente von Hof die den Boden mit Binsen bestreuen.) + + +1. Bedienter. +Mehr Binsen, mehr Binsen! + +2. Bedienter. +Die Trompeten haben schon zum zweytenmal geblasen. + +1. Bedienter. +Es wird zwey Uhr seyn, eh sie von der Crönung zurük kommen. + +(Sie gehen ab.) + +(Falstaff, Schallow, Pistol, Bardolph und der kleine Lakey treten +auf.) + +Falstaff. +Steht hier, neben mich, Herr Robert Schallow, ich will machen, daß +der König euch eine Gnade erweisen soll: Ich will ihn von der Seite +anschielen, wenn er kommt, und gebt nur acht, was er mir für ein +Gesicht machen wird--Komm hieher, Pistol, steh' hinter mich. O! +wenn ich nur Zeit gehabt hätte, neue Livreen machen zu lassen, ich +wollte die tausend Pfund dazu angewandt haben, die ich von euch +borgte. Aber es hat nichts zu bedeuten, dieser schlechte Aufzug +ist besser; er zeigt an, wie groß mein Verlangen war ihn zu sehen. + +Schallow. +Das thut es. + +Falstaff. +Es zeigt die Heftigkeit meiner Liebe an. + +Schallow. +Das thut es. + +Falstaff. +Meine Devotion. + +Pistol. +Das thut es, das thut es, das thut es. + +Falstaff. +Tag und Nacht zu reiten, und sich nicht einmal so viel Zeit zu +nehmen, sich nicht einmal zu besinnen noch Geduld zu haben, ein +weisses Hemd anzuziehen. + +Schallow. +Das ist gewiß! + +Falstaff. +Sondern so beschmuzt, wie man von der Reise kommt, dazustehen, und +vor Begierde ihn zu sehen schwizen, an nichts anders denken, alles +andre vergessen, als ob sonst nichts in der Welt zu thun wäre, als +ihn zu sehen. + +Schallow. +So ist es, in der That. + +Pistol. +Mein Ritter, ich muß dir was sagen, daß deine edle Leber in Flammen +sezen wird: Dein Dortchen, die Helena deiner edeln Gedanken ligt in +tiefer Noth und in anstekendem Gefängniß, von schmuzigen +mechanischen Händen weggeschleppt. Laß die Rache mit Alectos +Schlangen-Haaren aus ihrer düstern Höhle hervorstürmen, Dortchen +ist eingestekt. Was Pistol sagt, muß wahr seyn. + +Falstaff. +Ich will sie in Freyheit sezen. + +Pistol. +Da heulte die See; die Trompeten schallen. + + + +Achte Scene. +(Der König tritt mit seinem ganzen Gefolge auf.) + + +Falstaff. +Heil dir, König Hal; Heil, mein königlicher Hal. + +Pistol. +Der Himmel schüze dich, du ruhmvolles Reis von königlichem Stamm! + +Falstaff. +Gott grüß dich, mein süsser Junge! + +König Heinrich. +Milord Ober-Richter, sprecht zu diesem thörichten Mann. + +Lord Ober-Richter. +Seyd ihr bey Sinnen? Wißt ihr auch was ihr redt? + +Falstaff. +Mein König, mein Jupiter; ich rede mit dir, mein Herz. + +König Heinrich. +Ich kenne dich nicht, alter Mann; bereite dich zu deinem Tode: Wie +übel stehen graue Haare einem Narren und Pikelhäring an! Ich habe +lange von einem solchen Mann geträumt, der so von Schwelgerey +aufgeschwollen, so alt und so ruchlos war; aber da ich erwacht bin, +verschmäh' ich meinen Traum. Sorge daß dein Bauch kleiner--zurük!-- +und dein Werth grösser werde; laß dein Schwelgen; bedenke, daß das +Grab seinen Rachen dreymal weiter gegen dich aufsperrt, als gegen +andre Leute--Antworte mir keinen abgeschmakten Spaß auf diß; bilde +dir nicht ein, daß ich das Ding bin das ich war; der Himmel weiß, +und die Welt soll es gewahr werden, daß ich mein vormaliges Selbst +von mir geworffen habe, und so will ich's auch mit meiner +Gesellschaft machen. Wenn du hören wirst, ich sey wie ich war, +dann komm zu mir, und du sollt seyn was du warst, der Vormünder und +Pfleger meiner Auschweiffungen. Bis dahin verbann' ich dich, bey +Straffe des Todes, dich und den Rest meiner Verführer, euch niemals +unter zehn Meilen meiner Person zu nähern. Ich will euch den +nöthigen Unterhalt reichen lassen, damit euch Dürftigkeit nicht +nöthige böses zu thun; und so wie wir hören werden, daß ihr euch +bessert, wollen wir euch, euerm Stand und eurer Tüchtigkeit nach, +Befördrung geben--Sorget dafür, Milord, daß diesem unserm Willen +nachgelebt werde. Weiter fort!-- + +(Der König und sein Gefolge gehen ab.) + + + +Neunte Scene. + + +Falstaff. +Herr Schallow, ich bin euch tausend Pfund schuldig. + +Schallow. +Ja, mein Seel, Sir John, und ich bitte euch, gebt sie mir wieder +mit heim. + +Falstaff. +Das kan schwerlich seyn, Herr Schallow. Macht euch keine Gedanken +hierüber; er wird in Geheim nach mir schiken; seht ihr, er mußte +vor den Leuten so dergleichen thun. Seyd ohne Sorge wegen eurer +Beförderung, ich will doch der Mann seyn, der euch groß machen soll. + +Schallow. +Ich kan nicht begreiffen wie das zugehen müßte, ausser wenn ihr mir +euer Wamms gebt, und mich mit Stroh ausstopft. Ich bitte euch, +guter Sir John, gebt mir nur wenigstens fünfhundert Pfund. + +Falstaff. +Sir, mein Wort ist eben so viel. Was ihr das hörtet, war nur +Verstellung, ein Kunstgriff, wie ich sage; kommt mit mir zum Mittag- +Essen; kommt, Lieutenant Pistol: kommt, Bardolph. Er wird heute +Nacht bald nach mir schiken. (Der Lord Ober-Richter und Lancaster +treten auf.) + +Lord Ober-Richter (zu seinem Gefolge.) +Geht, bringt Sir John Falstaffen in den Fleet. Nehmt seine ganze +Gesellschaft mit. + +Falstaff. +Milord, Milord,-- + + +Ober-Richter. +Ich kan izt nicht reden; ich will bald mehr von euch hören. Führt +sie fort. + +Pistol (singt.) +Si fortuna me tormenta, il sperare me contenta.) + +(Sie gehen ab.) + +(Lancaster und Lord Ober-Richter bleiben.) + +Lancaster. +Dieses Verfahren des Königs gefällt mir, es ist edel. Er will, daß +seine gewohnten Gesellschafter mit allem Nöthigen versorgt seyn +sollen; aber sie sind verbannt, bis eine bessere Aufführung sie mit +der Welt ausgesöhnt haben wird. + +Lord Ober-Richter. +Das sind sie. + +Lancaster. +Der König hat sein Parlament zusammen beruffen Milord. + +Lord Ober-Richter. +Er hat. + +Lancaster. +Ich wollte wetten, daß wir, eh diß Jahr zu Ende ist, unsre +bürgerlichen Schwerdter nach Frankreich tragen werden. Ich hörte +einen Vogel so singen, dessen Musik, wie mich däuchte, dem König +wol gefiel. Kommt, wollen wir gehen? + +(Sie gehen ab.) + + +Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Der Zweyte Theil von König +Heinrich dem vierten, der seinen Tod, und die Crönung von Heinrich +dem fünften enthält, von William Shakespeare. + +Übersetzt von Christoph Martin Wieland. + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Der Zweyte Theil von Koenig Heinrich +dem vierten, by William Shakespeare + +*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK KOENIG HEINRICH DEM VIERTEN, II *** + +This file should be named 7934-8.txt or 7934-8.zip + +Delphine Lettau and Mike Pullen + +Project Gutenberg eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US +unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + +We are now trying to release all our eBooks one year in advance +of the official release dates, leaving time for better editing. +Please be encouraged to tell us about any error or corrections, +even years after the official publication date. + +Please note neither this listing nor its contents are final til +midnight of the last day of the month of any such announcement. +The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at +Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. 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