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diff --git a/75889-0.txt b/75889-0.txt new file mode 100644 index 0000000..f89ff99 --- /dev/null +++ b/75889-0.txt @@ -0,0 +1,9205 @@ + +*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 75889 *** + + + #################################################################### + + Anmerkungen zur Transkription + + Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1895 so weit + wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler + wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht + mehr verwendete Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original + unverändert; fremdsprachliche Ausdrücke wurden nicht korrigiert. + + Besondere Schriftschnitte werden im vorliegenden Text mit Hilfe der + folgenden Symbole gekennzeichnet: + + kursiv: _Unterstriche_ + fett: =Gleichheitszeichen= + gesperrt: +Pluszeichen+ + Kapitälchen: ~Tilden~ + + #################################################################### + + + + +[Illustration: NAVIGARE NECESSE] + + + + + DER SCHIFFBAU + SEIT SEINER + ENTSTEHUNG + + [Illustration] + + + + + DER SCHIFFBAU + + SEIT SEINER + + ENTSTEHUNG + + VON + + E. VAN KONIJNENBURG, C. I., + + _INGENIEUR DES RIJKSWATERSTAATS DER NIEDERLANDE_ + + 1895-1905 + + + HERAUSGEGEBEN + VOM + INTERNATIONALEN STÄNDIGEN VERBAND + DER + SCHIFFAHRTSKONGRESSE + + + GESCHÄFTSFÜHRENDER AUSSCHUSS-GENERALSEKRETARIAT + 38, RUE DE LOUVAIN, 38 + BRÜSSEL + + + BAND I + + + + +INHALTSVERZEICHNIS + + + Seite + + VORREDE 11 + + Teilung Europas nach der Forme der Schiffe: + Nördlicher Mittelpunkt. -- Ostsee. -- + Südlicher Mittelpunkt. -- Mittelmeer. + + SÜDLICHER MITTELPUNKT. + + ~Kapitel~ I 13 + + Die Ägypter 13 + Die Phönizier 17 + Die Griechen und die Römer 21 + Das Mittelmeer im Mittelalter 24 + Die Galeeren 25 + Die Schiffstype des 18. Jahrhunderts 29 + + NÖRDLICHER MITTELPUNKT. + + ~Kapitel~ II 33 + + Das Wikingerschiff 34 + Das Koggeschiff 36 + Einfluss der Kreuzzüge 39 + Verwendung des Steuerruders 39 + Die Galeere in den Niederlanden 40 + Verwendung der Kanonen 41 + Die Baertzen 41 + Die Krayers und die Hulken 42 + Verwendung von Schiffen mit glattem Bord 42 + Das Schiff des 16. Jahrhunderts 45 + Verwendung des Spiegelschiffs 46 + Einführung der Stückpforten 46 + Das Vlieboot 47 + Das Spiegelschiff 48 + Die Flüte, das Kuff, die Schmack 48 + Übergang vom Schiff des 16. Jahrhunderts zu dem + des 17. 50 + Das Kriegsschiff (erste Kriegsmarine) 51 + Frankreich 53 + England 55 + Die Niederlande 56 + Die Handelsmarine der Niederlande 59 + Verwendung der Fregatte 60 + Die Brander 61 + + + ~Kapitel~ III 63 + + _Ordnung der Schiffe_ 67 + + I. Kriegsschiffe 68 + II. Handelsschiffe {für die grosse Schiffahrt 68 + {für die kleine Schiffahrt 69 + III. Fähren 69 + IV. Fahrzeuge für verschiedene Zwecke 70 + V. Schiffe, die den Oberlauf der Flüsse befahren + (Bovenlanders) 71 + VI. Fischereifahrzeuge 72 + + + ~Kapitel~ IV 75 + + _Beschreibung der Schiffstype_ 75 + Die Pinasse 75 + Das Vlieboot 75 + Das Katzenschiff 76 + Das Ostindische Kompagnie-Schiff 76 + Der Bujer 76 + Der Huker 76 + Die Büse 77 + Das Heckboot 77 + Der Straetsvaerder 77 + Der Stocker 77 + Die Fregatte 77 + Die Galiot 77 + Die Galeasse 78 + Das Kuff 78 + Die Schmack 79 + Das Smalschip und das Wijdschip 79 + Der Damlooper 79 + Die Tjalk 80 + Die Schute und die Poon 80 + Die Kaag 81 + Die Steigerschute 81 + Die Yacht 81 + Die Bujerschute 81 + Die Pleit 81 + Der Otter 82 + Die Motte 82 + Die Spitze Motte 82 + Der Ewer 82 + Der Bremerkahn 82 + Die Potten und Pujen 83 + Die Snijboon und die Somp oder Pegge 83 + Die Hoogeveensche Praam 83 + Die Praam 83 + Die Kufftjalk 86 + Die Kraak 86 + Der Nachen 87 + Der Ponton 87 + Der halbe Ponton oder Pijper 87 + Der Gierpont 87 + Die Kabelfähre 88 + Der Bok 89 + Der Snik 89 + Der Westländer 89 + Die Kaag 90 + Die Praam von Utrecht 90 + Die Schauwe 90 + Die Treckschute 91 + Die Yacht 91 + Die Baggeraak 91 + Die Bagger- oder Moddermolen 92 + Der Tjotter 93 + Der Laadbak und die Zolderschute 93 + Der Onderlegger 93 + + DIE OBERLÄNDER (Bovenlanders) 93 + + _Der Rhein_ 94 + Die Dorstensche Aak 94 + Das Stevenschiff 95 + Der Turfijker und Haagenaar 95 + Der Keen 95 + Die Keenaak 95 + Die Lahnaak und der Slof 96 + _Die Maas_ 96 + Der Whalemajol 96 + + ~Kapitel~ V 97 + + _Fischereifahrzeuge_ 97 + Die Egmonder Pink 97 + Die Büse 97 + Der Kwee und die Hukerbüse 100 + Der Huker 100 + Der Heringsjäger und der Büsenbegleiter 100 + Die Schaluppe 100 + Der Logger 101 + Der Bom 101 + Der Schocker 103 + Die Heringsschute 103 + Der Punter und die Gondel 103 + Der Hoogaars 103 + Die Steekschute 104 + Der Hengst 104 + Der Botter 104 + Der Blazer 104 + Die Lemmeraak 105 + Die Bolle und die Knots 105 + Die Jolle 105 + Verwendung der Fischereifahrzeuge auf der Zuiderzee 105 + Das Waterschip 106 + + + ~Kapitel~ VI 107 + + _Die belgischen Schiffe_ 107 + Das Schiff von Tournai 107 + Die Zille 107 + Der Bijlander 108 + Das Spitzschiff 108 + Der Prij 108 + + + ~Kapitel~ VII 109 + + Die Entwicklung der Schiffstype im Nordwesten + Europas in Bezug auf die ersten Bewohner der + Niederlande 109 + + + + +[Illustration: VORREDE + + De scheeps- en sterke bouw + ’t heeft ons ’t gebruik geleerd, + Dees gaf ons wet en reght + Hoe men de landen heert. + + (~Nicolaas Witsen.~)[1] + +] + + +Der Kampf ums Dasein ist für die Niederlande ein fortwährender +Kampf gegen die Gewässer gewesen. Stellt das Wasser einerseits +einen furchtbaren Feind dar, so ist es andrerseits die natürliche +Verkehrsstrasse par excellence, die seit den ältesten Zeiten aus +unseren Ahnen ein Volk von Seeleuten gemacht hat. Das Schiff war genau +so unentbehrlich wie das Haus. + +Es lässt sich nicht sagen, wer der Erfinder des Schiffes gewesen ist, +jeder hat an seinem Teile dazu hergetragen, was zu einer allmählichen +Entwicklung geführt hat. Die Entdeckung der Schwimmfähigkeit des Holzes +ist offensichtlich dem Zufall zu verdanken. + +Man wird sich zuerst eines Baumstammes bedient haben, um dann später +mehrere so zusammenzubinden, dass sie Flösse bildeten. + +Dann kam der ausgehöhlte Stamm; ihm folgte ein Fahrzeug aus einem mit +Häuten überzogenen Gerippe, woraus schliesslich das vollständige Schiff +entstand. + +Zwischen den Baumstamm und dem vollkommensten Schiff haben alle +Zwischenformen bestanden, von denen die meisten sich übrigens noch +heutzutage finden. + +[Sidenote: III 1] + +Der erste Schiffbauer dürfte Noah gewesen sein, wenn man den +Schriftstellern des Altertums folgt. Sie behandeln diesen Gegenstand +bis ins Einzelne und geben verschiedene Zeichnungen von der +«Arche». Einige dieser Zeichnungen sind in dem Atlas dieses Werkes +wiedergegeben. Sie haben nur insofern Wert, als die Arche als ein +Schiff aus der Zeit des Zeichners dargestellt ist. Hierbei ist noch +zu bemerken, dass der erste Schiffbauer ganz ebenso unbekannt ist wie +der erste Erfinder. Es steht ausser Zweifel, dass die gegenseitigen +Einflüsse der verschiedenen Völker von grosser Bedeutung für die +Entwicklung des Schiffs gewesen sind. Dies letztere brachte die Völker, +die durch das Wasser getrennt waren, einander näher und öffnete nicht +erforschte Gegenden. + +Die Schiffbaukunst wird zuerst bei den zivilisiertesten Völkern geblüht +haben. + +Nimmt man Mexiko und Peru aus, so kann man sagen, dass die Zivilisation +sich zuerst bei den Chinesen im Tal des Hoango, bei den Babyloniern +im Tal des Euphrat und Tigris und bei den Ägyptern im Tal des Nils +entwickelt hat. + +Die Frage, ob die Babylonier den Schiffbau von den Chinesen gelernt +haben, hat für uns weniger Bedeutung. Es ist indessen sicher, dass +gegenseitige Einflüsse sich unter den Völkern Kleinasiens fühlbar +gemacht haben, und es steht zweifellos fest, dass die Babylonier die +Phönizier beeinflusst haben, die als erste die Schiffbaukunst im +Mittelmeer trieben. Die Ägypter, die kein Seevolk waren, kommen hier +nicht in Betracht. + +Da die Niederlande unter dem Einfluss Europas standen, wo die +Schiffbaukunst sich um zwei unabhängige Mittelpunkte entwickelt hat, an +der Ostsee und im Mittelmeer, so können wir Asien unbeachtet lassen, +soweit es nicht an die Küste des Mittelmeers stösst. + +Nachdem von der Ostsee, die wir den Nordmittelpunkt nennen wollen, die +Schiffbaukunst bei uns eingeführt war, trat dieser Mittelpunkt infolge +der Verschiebung des Handels und der Schiffahrt, soweit es sich um die +Grossschiffahrt handelt, in Berührung mit dem Mittelmeer, das wir den +südlichen Mittelpunkt nennen wollen, um dort schliesslich unterzugehen. +Man sieht leicht, dass der Einfluss des Nordmittelpunktes auf unseren +Schiffbau überwiegend gewesen ist. Seine Bedeutung für uns ist also +erheblich. + +Die wenigen Schiffe des Altertums, die man aufgefunden hat, zeigen +uns, wie schon in den ältesten Zeiten die Schiffbaukunst einen +hohen Grad von Vollkommenheit erreichte; man hat ausserdem bemerken +können, wie vollendet diese Schiffe waren und welche Sorgfalt man auf +ihre Ausschmückung verwandte. Diese Feststellung ist übrigens nicht +wunderbar, wenn man sich die ungeheure Rolle klar macht, die das Schiff +im Leben der Völker spielte. Das Gegenteil hätte uns vielmehr in +Erstaunen gesetzt, und es ist nicht einmal auffallend, dass man sich +mit diesen kleinen Fahrzeugen aufs Meer wagte. Sehen wir denn nicht +noch heutzutage unsere Fischer den Wogen der Nordsee mit noch kleineren +Schiffen trotzen, um dort ihr rauhes und gefährliches Gewerbe auszuüben +und zwar während des ganzen Jahres? Vergessen wir es doch nicht, die +Seeschiffahrt wurde im ganzen Mittelalter nur im Sommer ausgeübt. +~Witsen~ schreibt hierüber in J. 1671, S. 195 seines Werkes: + +«Dat men oulinckx in deze landen nimmer ’t zee ging als naer besloten +boeken, besproken uiterste wille en met God zich te hebben verzoent: +wanneer men het gevaar meer ontzag als heden nu dorst men althans zee +kiezen zonder aanzien van tijdt of weer van outs wiert de zee gesloten +in de quaetste tijden van het jaar»[2]. + +Zu wissen, was wir hervorbringen können, wessen wir auf diesem Gebiete +fähig sind, aber besonders zu wissen, was wir noch lernen müssen und +auch was wir nachzuahmen haben, das ist die Hauptforderung jeder +individuellen Erziehung und auch derjenigen eines Volkes, das in der +Reihe der Nationen nur eine Einheit ist. + +Möge dieses Buch zur Kenntnis der allmählichen Entwickelung der +Schiffbaukunst beitragen; möge es aber auch die lächerliche Art +verschwinden lassen, in der man sich bisher die alten Schiffe +vorstellte; möge es insbesondere die Liebe zu unserem Schiffbau +erwecken. + +Ich schliesse mich übrigens ganz dem Gedanken Witsens hierüber an, der +wie folgt lautet: + +«Zoo groot dunkt mij de waerdigheydt dezer wetenschap te zijn dat +niemant derzelve hier ten lande, daer de zeevaert de sterkste zenuwe +van den staet is, behoorde unkundig te zijn»[3]. + + + [1] Der Gebrauch hat uns den Schiffbau und die Kriegskunst gelehrt, + die uns die Mittel geben, die Völker zu beherrschen. + + [2] Dass man ehemals hierzulande niemals aufs Meer fuhr, ohne vorher + seine Rechnungen geregelt, sein Testament gemacht und sich mit + Gott versöhnt zu haben; man hatte also mehr Furcht als jetzt, wo + wir uns zu jeder Zeit auf die See wagen. Früher war das Meer in + der schlechten Jahreszeit geschlossen. + + [3] Der Wert dieser Wissenschaft scheint mir ein solcher, dass jeder + unserer Mitbürger sie kennen sollte, da die Schiffahrt der + Hauptnerv des Volkes ist. + + + + +[Illustration: 1] + + +Die Ägypter waren nicht ein Volk von Seeleuten. Ursprünglich trieben +sie nur auf dem Nil Schiffahrt; erst später wagten sie sich auf das +Meer nach dem Vorbild und mit Unterstützung der Phönizier. + +Ihre Fahrzeuge waren und blieben nur Flussschiffe. Die Frage, ob +die Ägypter die Kunst des Schiffbaues von den Babyloniern entlehnt +haben, oder ob sich ihre Kunst unabhängig von jeder anderen entwickelt +hat, ist hier von keiner Bedeutung und könnte überdies nicht mit den +nautischen Kenntnissen gelöst werden, die wir besitzen. (~Ermann~, S. +679. -- Dr. ~Moritz Rühlmann~, S. 25 S. 3.) + +[Sidenote: II 1] + +Es steht fest, dass die Babylonier und die Ägypter schon im frühesten +Altertum Schiffe besassen; das geht aus dem Schmuck hervor, mit dem +alte Vasen versehen sind, die aus einer 6000 bis 4000 Jahre vor Christi +Geburt liegenden Zeit stammen. (_L’Anthropologie_ 1889. Bd. X. § 517 +und ~Holmes~, 1900 S. 9.) + +[Sidenote: II] + +Es sind bisweilen -- meines Erachtens zu Unrecht -- Zweifel aufgetaucht +über die Frage, ob dieser Vasenschmuck wirklich Schiffe darstellte. +Obwohl die Figuren zu primitiv sind, um aus ihnen Angaben über die Form +des Schiffes abzuleiten, so kann man doch mit Sicherheit sagen, dass +auf den Vasen nur Ruderschiffe dargestellt sind, und dass zu jener +Zeit das Segelschiff wahrscheinlich noch unbekannt war. Die Linien +unten am Schiff, die man manchmal mit Unrecht für ein Gerät zum Fischen +angesehen hat (_Recherches sur les origines de l’Égypte_, Dr. ~Morgan~, +S. 91 und 92) stellen die Ruder der Ruderer, die grossen Linien hinten +am Schiff die Ruder der Steuerleute dar. Man bewegt die Schiffe +nicht durch das Ruder, sondern durch die Pagaie fort, wie man an der +unterbrochenen Reihe der Ruderer sehen kann; diese Art, die Schiffe +vorwärts zu treiben, findet sich auch noch später bei den Ägyptern. + +Die Gründe für die fast ausschliessliche Fortbewegung der Schiffe durch +das Ruder oder die Pagaie sind in der Beweglichkeit der Flusssohle zu +suchen; d. h. also in der Veränderlichkeit der Fahrrinnen des Nils. +Hierzu kommen die starken Schwankungen des Wasserspiegels und die +plötzlich eintretenden Windstillen. + +Später allerdings verwendete man die Segel, aber neben dem Segel +bediente man sich weiter des Ruders und des Schlepptaues. + +Die Form des Schiffes hing davon ab, zu welchem Zweck es gebraucht +wurde, so dass man bei den Ägyptern unterschied: Lastschiffe, +Schleppschiffe und Fischereifahrzeuge. Man weiss nicht, ob sie +Kriegsschiffe besessen haben. Die Vergnügungsfahrzeuge und die +Reiseschiffe für die hochgestellten Personen bildeten eine bedeutende +Flotte. (Dr. ~Moritz Rühlman~, S. 25 und _Aegypten_ von ~Adolf Ermann~, +S. 639.) + +Im allgemeinen waren die ägyptischen Schiffe flach; das Vorder- und +das Hinterteil erhoben sich mit leichter Neigung über die Wellen, das +Hinterteil gewöhnlich mehr als das Vorderteil, anscheinend, um den +Steuerleuten mehr Schutz zu gewähren. (_Aegypten_, ~Adolf Ermann~, S. +637.) + +[Sidenote: II 2] + +[Sidenote: II 3] + +[Sidenote: II 4] + +Unter dem alten Reich etwa 5000-3200 Jahre vor Chr. Geb. waren die +Schiffe mit Paddeln ausgestattet; die Ruderer sassen mit dem Gesicht +nach vorn. Aber auch schon in dieser alten Zeit verwendete man +allgemein Ruder und gegen Ende dieses Zeitraums war das Steuerruder +schon allgemein in Gebrauch. Das ergibt sich klar aus den Figuren +auf den Denkmälern jener Zeit, auf denen die Ruderer nicht mehr +mit dem Gesicht nach vorn sondern nach hinten sitzen (~Holmes~, S. +13, ~Ermann~, S. 640, _Ancient ships_ von ~Cecil Tor~, 1894). Das +Schaufelruder wurde nur für die Fahrzeuge aus Papyrus beibehalten. + +[Sidenote: I 5] + +[Sidenote: II 13] + +Wenn die Schiffe mit dem Ruder fortbewegt wurden, so gingen diese durch +die Bordwand oder wurden durch hierzu vorgesehene Ringe gesteckt. Jedes +Ruder wurde von einem einzigen Ruderer gehandhabt. Das Schiff wurde +mit Rudern gesteuert, die etwas grösser waren als die anderen und die +ebenfalls von einem Mann gehandhabt wurden. Die Zahl der Steuerruder +sowie die Zahl der Steuerleute hing von der Zahl der Ruderer ab. +(~Ermann~, S. 641.) -- + +So waren für 8 Ruderer wenigstens zwei Steuermänner vorhanden; für 14 +Ruderer 3 Steuerer, für 21 Ruderer 4 Steuerer, u. s. w. + +[Sidenote: II 13] + +[Sidenote: II 14] + +Schon unter dem alten Reich zeigt sich das Segel neben dem Ruder. Der +in der Mitte des Schiffes aufgestellte Mast bestand aus zwei quer zu +einander stehenden, an der Spitze verbundenen Pfählen; dies Verfahren +ist charakteristisch für das alte Reich. + +Die Takelage, die in der Längsachse des Schiffes angeordnet war, +bestand aus einem nach vorn gerichteten starken Tau und aus mehreren +weniger dicken Tauen, gewöhnlich 6 bis 12, die nach hinten gerichtet +waren. + +Das Segel, von quadratischer Form, war immer zwischen zwei Raaen +befestigt, von denen die eine oben, die andere unten am Segel sass, +eine ausschliesslich in Ägypten befolgte Methode. Von der oberen Raa, +die oben am Mast befestigt war, liefen zwei Taue nach hinten, um das +Segel nach dem Winde drehen zu können. + +Wir lassen einige Ziffern folgen, die einen Begriff von den +Grössenverhältnissen geben werden. + +Ein verhältnismässig grosses Schiff von 16 m Länge hatte Ruder von 3 +m, Steuerruder von 6 m, einen Mast von 10 m mit einer Raa von 6 m. +Das Segel hatte eine Fläche von 60-70 qm. Die Segel waren also in +der Höhe grösser als in der Breite. (~Ermann~, S. 639.) In Zeiten +der Windstille, die oft eintraten, wurde das Fahrzeug gerudert oder +geschleppt. Der Mast wurde alsdann niedergelegt und in das Segel +gehüllt. + +Zum Festmachen des Taues, das das Schiff mit dem Schlepper verband, +bediente man sich im allgemeinen eines hölzernen Pflockes, der entweder +nur am Vordersteven oder am Vorder- und Hintersteven befestigt war. +Dies geschah besonders bei den Lastschiffen. Diese besassen gewöhnlich +keine Takelage; sie konnten kaum einige Ruderer aufnehmen, weil der +grösste Teil des Schiffes durch die Kabine eingenommen war. + +Zum Schleppen verwendete man meist kleine Barken zum Rudern. + +Unter dem mittleren Reich (3200-2100 Jahre vor Chr. G.) macht die +Kunst, Schiffe zu bauen, grosse Fortschritte. Die Schiffe mit Ausnahme +des Papyrusbootes werden mit Rudern getrieben, aber nicht mehr mit dem +Schaufelruder (Paddel). + +Die Steuerruder, die schwer zu handhaben waren, werden durch ein +einziges grosses Steuerruder ersetzt, das von einem Mann gehandhabt +werden kann. + +Die Takelage wird ebenfalls geändert. Die obere Raa sitzt nicht mehr +am Mast fest; sie ist mit ihm so verbunden, dass sie verschoben werden +kann. Das Segel ist weniger hoch, aber breiter, und dementsprechend +wird der Mast kürzer; endlich wird der so charakteristische Doppelmast +des alten Reichs durch einen einzigen Mast ersetzt. + +[Sidenote: II 8] + +Unter dem neuen Reich, einschliesslich der Zwischenregierung der Hyksos +(2100-1600 Jahre vor Chr. Geb. und 1600-730 Jahre vor Chr. Geb.) bleibt +die Schiffbaukunst auf dem gleichen Stand. Nur der Luxus nimmt zu, +besonders bei den Kabinen, die schon zur Zeit des mittleren Reichs +aufgetreten waren. + +Das Besondere dieser Zeit ist die wachsende Breite des Segels. Diese +Breite war derartig, dass die Raaen aus 2 Stücken zusammengesetzt +werden mussten, die nahe am Mast verbunden waren. Die nachstehenden +Ziffern werden einen Begriff von dieser fortwährenden Zunahme geben. +(~Ermann~, S. 643 u. ff.) + +[Sidenote: II 18 u. s. w.] + +Unter dem alten Reich hatte der Mast 10 m Länge, die Raa 6 m. Unter dem +mittleren Reich sind sie 5 bzw. 6 m lang, unter dem neuen Reich 5 und +10 m. + +Infolge dieses ständigen Wachsens der Grösse des Segels wird die +Takelung verwickelter; man bringt oben am Mast einen Mastkorb an, um +von dort aus das Tauwerk zu handhaben. + +[Sidenote: II 4] + +Die Seltenheit des Holzes in Ägypten bewirkte, dass seit den ältesten +Zeiten andere Stoffe zum Schiffbau Verwendung fanden. Hierzu eignete +sich sehr gut der Papyrus. Diese Wasserpflanze, gab geschnitten, +getrocknet und in Bündel gebunden einen ausgezeichneten Baustoff für +Schiffe. + +[Sidenote: II 5] + +Man legte die Papyrus dicht nebeneinander und band sie in kurzen +Abständen zusammen, um daraus ein Ganzes zu machen. (~Ermann~, S. 593; +~Nicolas Witsen~, S. 6, _Archéologie navale_ von ~Jal~, Bd. I, S. 91.) + +Mehrere auf alten Denkmälern gefundene Zeichnungen zeigen uns die +Ägypter bei dieser Arbeit. + +Die Barken aus Papyrus bildeten eine Art Floss wie die Abbildungen +der Ruderer zeigen, auf denen jene auf und nicht in dem Fahrzeug +dargestellt sind. + +Die so hergestellten Fahrzeuge waren klein, wenn man auch später +versucht hat, grössere zu bauen, was anscheinend nicht gelungen ist. +Das Holz für die grösseren Schiffe musste meist eingeführt werden. + +Aus den zahlreichen Zeichnungen auf Denkmälern und der grossen Menge +aufgefundener Modelle kann man sich ein ziemlich genaues Bild von dem +alten ägyptischen Schiff machen und man kann gleichzeitig sehen, wie +die alten Formen verändert wurden. + +Bevor diese Modelle eingehender beschrieben werden, dürfte es nicht +uninteressant sein, wenn bemerkt wird, dass im allgemeinen die ältesten +nicht in den Grössenverhältnissen der Praxis ausgeführt sind: sie +sind zu hoch und zu breit im Verhältnis zur Länge. Der Vorder- und +der Hintersteven sind jeder für sich richtig dargestellt, aber das +Mittelstück ist zu kurz. Der Grund ist darin zu suchen, dass diese +Modelle nach der Natur ausgeführt sind und nicht, indem die Masse von +sorgfältig abgezirkelten Zeichnungen abgenommen wurden. Wenn man so +verfährt, ist es schwer, sich einen genauen Begriff von den relativen +Abmessungen des Schiffes zu machen, besonders von den Verhältnissen +zwischen der Länge und der Breite. Deshalb ist ein Schiff so oft mit +einer verhältnismässig zu geringen Länge dargestellt. Viele alte +Modelle müssen also mit der nötigen Zurückhaltung behandelt werden. Das +gilt auch von den ägyptischen Modellen. + +Die auf Wandbildern dargestellten Schiffe sind im allgemeinen viel +besser als die Modelle. In den Wandbildern, auf denen das Schiff von +der Seite abgebildet ist, war kein Anlass, sich mit der Breite zu +befassen; die Figuren sind jedoch oft zu gross. + +Nach ~Belger~ (_Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde_, +Bd. XXXIII, S. 24) müssen die aufgefundenen Modelle in zwei Klassen +geteilt werden: + + _a_) die Vollmodelle, aus einem Stück Holz, und + + _b_) die Hohlmodelle, die offenbar eine genauere Nachbildung des + Schiffes sind. + +~Belger~ zeigt ausserdem, dass bei der Gruppe _a_ in _Weiss_ das als +nicht vorhanden zu Betrachtende gezeichnet ist, in _Braun_ das wirklich +Vorhandene. + +Meist ergibt sich aus der Prüfung dieser Modelle, dass die ägyptischen +Schiffe wenig eintauchten; ihr Tiefgang konnte nur gering sein, +infolge der geringen Tiefe und des häufigen Wechsels im Stande des +befahrbaren Wassers. Die Wandbilder lehren uns ihrerseits, dass die +Länge am Boden ein Drittel der Gesamtlänge betrug. (~Ermann~, S. 637, +~Belger~, S. 25, 3. XXXIII. 1895 und ebendort S. 26.) + +[Sidenote: II 8] + +Die Schiffe hatten einen flachen Boden und sehr niedrigen Bord, so +dass man, um das Eindringen des Wassers zu verhindern, oft abnehmbare +Aufsätze verwendete. Der Bord war glatt (alle Modelle sind so +gearbeitet) und besassen weder ein Vorder- noch einen Hintersteven. +Ebenso war der Kiel nicht dargestellt, was jedoch nicht zu sagen +gestattet, dass in Wirklichkeit ein solcher nie vorhanden war. + +Wie konnte nun das Fahrzeug eine genügende Widerstandsfähigkeit +erlangen? + +[Sidenote: II 10] + +Die Erklärung erhalten wir aus der Abbildung eines Schiffes, das vor +etwa 11 Jahren ausgegraben und im _Wassersport_ vom 4. Januar 1906 (Nr. +1) wiedergegeben ist. Dies Bild zeigt, dass weder Rippen noch Kiel +vorhanden waren; dafür ist die Beplankung sehr dick (die des fraglichen +Schiffes hat 63 mm Stärke) und besteht aus gut aneinander gepassten +Bohlen, die fest mit einander verbunden sind und wie Schwalbenschwänze +aneinanderstossen; die mittlere, die Stelle des Kieles einnehmende +Bohle, ist dicker als die andern; sie ragt indessen nicht unter dem +Schiff hervor. Dies ist also aussen völlig glatt. Das Kielschwein +bildet mit dem Boden ein Ganzes und setzte sich nach vorn und hinten +fort bis zum Ende. + +Die Ruderbänke dienten als Stützen für die Wände des Schiffs; bei den +Schiffen von grösseren Abmessungen wurden die Wände wegen der grösseren +Länge in der Mitte durch einen Balken gehalten, der in der Längsachse +des Schiffes angebracht war. + +An der Stelle, wo sich der Mast erhob, bildete ein doppelter, von vorn +nach hinten laufender Balken eine Art Scheide, in die der Mast gesteckt +werden konnte, und worin er gleichzeitig eine Stütze fand. Bei den +Schiffen von kleineren Abmessungen, wo man diesen Balken nicht findet, +war es also nötig, dem Mast eine besondere Stütze zu geben, die sich in +den Modellen findet. + +Das Vorderteil und das Hinterteil sind immer als geschlossen +dargestellt (in braun gezeichnet), was zeigt, dass an dieser Stelle +ein Deck vorhanden war; tatsächlich zeigt sich dort eine glatte Fläche, +die mit dem oberen Teil des Bords ein Ganzes bildet. + +Die Ruderbänke gingen durch die Borde hindurch, was den Schiffen eine +grössere Festigkeit verlieh; diese Bänke sind in den meisten Reliefs +durch kleine Quadrate angedeutet, die auf die Seitenwand des Schiffs +gezeichnet sind. Das Steuerruder stützte sich ebenfalls auf einen +Balken, der durch das Schiff ging. Dieser Balken wird durch ein kleines +Rechteck dargestellt. + +Man hat manchmal, meines Erachtens mit Unrecht, geglaubt, dass diese +Rechtecke Kabinenfenster seien. (Siehe Dr. ~Moritz Rühlmann~, S. 22.) + +Man kann ein fast gleiches Verfahren bei der Schwarzen-Meer-Barke +feststellen, die einst bei den Arabern üblich war, und die in dem Werk +von ~Paris~, Bd. 1, Nr. 59, abgebildet ist. (Siehe auch die Modelle aus +Niederländisch-Indien in der Sammlung der Technischen Hochschule in +Delft.) + +Dieser ganz eigenartige Bau, der niemals in Nordeuropa üblich war, +zeigt, dass die ägyptische Schiffsbaukunst mehr Verwandtschaft mit der +Asiens (Indiens und Chinas) hatte als mit der Europas. + +[Sidenote: II 11] + +Dass diese kleinen Rechtecke tatsächlich keine Fenster darstellen, +beweist uns eine Figur, die man in dem Tempel Bês-el-Bahari findet +(_Ancient and Modern Ships_, ~Holmes~, S. 20) und die ein Schiff +darstellt, das einen Obelisken befördert. In der Seitenwand dieses +Schiffes sieht man nicht eine, sondern drei über einander liegende +Reihen kleiner Rechtecke. Dieses Schiff ist also ausserordentlich +befestigt worden, und zwar in Hinsicht auf die zu befördernde +Last. Man kann schwerlich zugeben, dass man drei Reihen Fenster +übereinander angebracht haben würde. Man hat versucht, eine Versteifung +herzustellen. In der Barke, die das Schiff schleppt, findet man +übrigens nur eine Reihe von Rechtecken und diese liegen unter dem Bord +an der Stelle, wo sich die Ruderer befanden. Hier hat man sich also +begnügt, die Ruderbänke von einer Seite zur anderen durchgehen zu +lassen. + +Die _Schiffe zur Güterbeförderung_, ein wenig kürzer und runder als die +anderen, wurden meist geschleppt. Sie haben hierzu gewöhnlich oben am +Schiffsvorderteil, manchmal auch oben am Schiffshinterteil einen Bolzen +zum Festmachen. Einige von ihnen haben eine Takelung; meist ist die +Möglichkeit vorhanden, die Schiffe auch durch Ruder zu bewegen. Der +freie Raum auf dem Deck wurde gewöhnlich von einer Kabine eingenommen +(Latten, die mit Leinwand überzogen waren). Ein wenig flacher am +Vorderteil gingen diese Schiffe am Hinterteil merklich in die Höhe. + +[Sidenote: II 20] + +Wie ich schon bemerkt habe, weiss man nicht, ob die Ägypter Schiffe +hatten, die ausschliesslich zum Kriegführen erbaut waren; es scheint +nicht so, da die Mehrzahl der Kämpfe auf dem Wasser nur den Fluss zum +Schauplatz hatte. Deshalb findet man nur eine einzige Darstellung einer +Seeschlacht, die unter Ramses III (1180-1150 vor Christo) geschlagen +wurde, ein Beweis mehr dafür, dass die Ägypter kein seefahrendes Volk +waren. Die Kriegsschiffe, die man dargestellt sieht, zeigen auch keinen +reinen ägyptischen Typus. Wir werden später hierauf zurückkommen. + +Über die Grössenverhältnisse der ägyptischen Flussschiffe gibt ~Jal~ in +seinem berühmten Werke «_Archéologie navale_», S. 68, einige Zahlen. +Nach ihm waren die grössten Schiffe nicht mehr als ungefähr 38,98 +also rund 39 m lang und nicht mehr als ungefähr 5,19 oder rund 5,20 m +breit. Die Breite verhielt sich demnach zu der Länge wie 1 : 7,5, ein +Verhältnis, das sich für die Ruderschiffe bis ins Mittelalter erhalten +hat. + +Als Geschwindigkeit dieser Schiffe gibt uns derselbe Schriftsteller +9 km in der Stunde an (S. 110). Um die Schnelligkeit in den +Stromschnellen zu ermässigen, befestigte man an dem Schiffe ein Tau, +dessen Ende durch einen Stein hinuntergezogen wurde. Dieser Stein +schleifte auf dem Boden des Flussbettes und erzeugte genügenden +Widerstand; obwohl die Ägypter den Anker damals noch nicht kannten, +sind sie eigentlich seine Erfinder gewesen. (~Jal~, _Archéologie +navale_, S. 103.) + +Bevor ich dieses Kapitel schliesse, möchte ich mir noch einige +Bemerkungen erlauben, die sich auf alle ägyptischen Schiffe beziehen. + +Die Bänke der Ruderer standen immer senkrecht zu der Längsachse des +Schiffes, ein Erfordernis, das sich aus der besonderen Bauart der +Schiffe ergab. + +Unter dem mittleren Reich errichtete man an dem vorderen und an dem +hinteren Oberdeck kleine Überbauten, die mit einem Geländer versehen +wurden. Es waren dies Posten, die für den Kapitän beziehungsweise für +den Steuermann vorgesehen waren. + +[Sidenote: II 20] + +Der etwa in der Mitte des Fahrzeuges aufgerichtete Mast war auf allen +Schiffen beweglich. Der Doppelmast (unter dem alten Reich) ruhte in +zwei Balken, die auf beiden Seiten der Längsachse angebracht waren. +Der einfache Mast (unter dem mittleren und neuen Reich) reichte in den +untersten Schiffsraum hinab und stützte sich gegen die Balken, die die +Bänke der Ruderer trugen; man befestigte ihn noch in verschiedener +Weise mit Tauen (dies ist auf mehreren Reliefs klar zu erkennen) und +zwar unmittelbar oder mit Hilfe einer Scheide, wie man es an dem Modell +zu Berlin sieht. (Vgl. ~Belger~, S. 27-29.) + +In den Fällen, wo man die Scheide gebrauchte, verband man übrigens +den Mast mit ihr in einer Befestigungsart, die heutzutage noch +angewendet wird. In dieser Beziehung verdient ein Relief, das aus einer +Begräbniskammer herrührt und zur Zeit in dem Museum zu Giseh aufbewahrt +wird, grosses Interesse. Dieses Relief stellt das Niederlegen eines +Mastes dar. ~Belger~, der schon erwähnte Autor, weist darauf hin, +dass der Bildhauer das äussere Ende des Mastes hinter dem Gewande des +Mannes, der das Niederlegen besorgt, verschwinden lässt, wahrscheinlich +deshalb, weil er es nicht darzustellen verstand. Nur zwei der fünf +Ruderer sind abgebildet, woraus, wenn die Zeichnung gut wiedergegeben +ist, zu schliessen wäre, dass die Vorsprünge, die bei den Modellen +hinten an den Bänken der Ruderer dargestellt sind, einfach als +Rückenstützen für die Ruderer dienen sollten. + +[Sidenote: II 20] + +Die grosse Länge der Schiffe, die verhältnismässig geringe Länge der +eingetauchten Fläche erforderte eine besondere Vorsichtsmassregel gegen +das Durchbrechen des Bodens. Aus diesem Grunde spannte man in der +Längsachse des Schiffes ein Tau, das Vorder- und Hinterteil verband; +dieses Tau war durch Gabelhölzer gestützt und mit einem Kabel, das den +Schiffskörper umwand, verbunden. (Dr. ~Moritz Rühlmann~ S. 22.) + +[Sidenote: II 12] + +Auf einigen Bildnissen ist man im Begriffe, diese Gabelhölzer +aufzurichten. ~Ermann~ bemerkt, meiner unmassgeblichen Ansicht nach +mit Unrecht, dass man auf einer dieser Abbildungen damit beschäftigt +sei, das Tau anzuspannen, um dem Schiffe dadurch die gewollte Wölbung +zu geben (~Ermann~ S. 604). Dass dem nicht so ist, ergibt sich meines +Erachtens zuvörderst aus der Tatsache, dass das Schiff abgesteift ist +und schon die gewünschte Form hat. Zweitens würden die Streben nicht +fest gehalten haben, wenn es darauf angekommen wäre, die Form des +Schiffskörpers zu ändern; man hätte sie dann gar nicht abgebildet. +Endlich kann ich mir nicht vorstellen, dass in dem Schiffe wie die +Abbildung zeigt, die einen ruhig zu arbeiten fortfahren, während dessen +die anderen dabei sind, es auszuwölben; in der Tat müssten während +dieser letzteren Tätigkeit die Seitenwandungen notgedrungen nachgeben. +Man ist also einfach damit beschäftigt, das Gabelholz aufzurichten, das +das Spanntau tragen soll. Es ist verständlich, dass man dieses tut, +bevor man die Streben entfernt, weil nach deren Entfernung das Tau sich +bei der geringeren Biegung des Schiffes genügend gespannt hätte. + +[Sidenote: II 17] + +Aus dem Vorgesagten geht zur Genüge hervor, dass das ägyptische Schiff +kein Seefahrzeug war. Selbst die Schiffe, die nach dem längs des Roten +Meeres gelegenen Lande Punt fuhren und die eigentlich Seefahrzeuge sein +mussten, sind in den Abbildungen in derselben Weise dargestellt, wie +die gewöhnlichen Flussschiffsbauten. + +[Sidenote: II 19] + +Als der König Necho (612-596 vor Christo), der dem Handel seinen Schutz +angedeihen liess, das Bedürfnis zur Schaffung einer Flotte empfand, +wandte er sich zwecks Erbauung seetüchtiger Schiffe an Griechen, und +mit den grossen Entdeckungreisen zur See betraute man keine Ägypter, +sondern Phönizier. (~Ermann~, S. 646. ~Holmes~, S. 26. Dʳ ~Moritz +Rühlmann~, S. 39. _Geschichte des Altertums der Völker im Orient_, G. +~Maspero~, 1893, S. 536 und 537.) + +_Von den Phöniziern also, und nicht von den Aegyptern, stammt also die +dem Mittelmeer eigentümliche Schiffsbauart her._ + +Wenden wir uns daher einen Augenblick den Phöniziern zu. + +Es ist eine allgemein beobachtete Erscheinung, dass Völker, die in +gegenseitige Beziehungen eintreten, auf dem Gebiete der Schiffsbaukunst +sehr rasch wechselseitig von einander lernen. Und wie sollte es sonst +auch anders sein? Der Kampf ums Dasein erzeugt diese Erscheinung ganz +natürlich sowohl auf dem Gebiete der Kriegskunst wie auf dem des +Handels. + +War die Flotte nicht der Aufgabe, sich mit der feindlichen zu messen, +gewachsen, so baute man Schiffe, die denen des Gegners ähnlich oder +stärker als diese waren. So war es schon dazumal, und so ist es +heutzutage noch. Gegenwärtig sind alle charakteristischen Unterschiede +in den Schiffen der verschiedenen Völker verschwunden, und die +Nationalität der Bauten lässt sich nur an der Flagge erkennen, die sie +zeigen. Deshalb ist die Feststellung nicht überraschend, dass von den +verschiedenen Völkern, die an den Küsten des Mittelmeeres wohnten und +die fast gleichzeitig oder kurze Zeit nacheinander den Höhepunkt ihrer +Kultur erreicht hatten, nicht ein jedes für sich einen, seinem Lande +eigentümlichen Schiffstyp gehabt hat. + +Leider ist von den Schiffsbauten der Alten nicht viel übrig geblieben, +und die Abbildungen, die wieder aufgefunden worden sind, sind meistens +viel schlechter als diejenigen der Ägypter. Die Bildhauer haben +ihr Augenmerk wohl mehr auf die schöne Linie gerichtet als auf die +Notwendigkeit, eine genaue Vorstellung von einem Schiffe zu geben. +Ebenso zeichnen sich die Schriftsteller durch Uebertreibung aus, wenn +es sich um die Grössenverhältnisse der Schiffe handelt. + +Ueber die Grössenverhältnisse, über die Form der Schiffe sowie über die +Zahl der Ruderer ist nichts Sicheres bekannt. Es ist nicht anzunehmen, +dass es so grosse Schiffe gegeben hat. ~Jal~ bringt dies recht gut zum +Ausdruck, wenn er in seinem berühmten Werk _Archéologie navale_, S. +117, sagt: Ich glaube an die Galeere _quadraginta ordinum_, 134,43 m +lang, 15,27 m breit, 23,38 m über dem Wasser hoch, nicht mehr als an +das lange Pferd, das die vier Haimonskinder trug. (Vgl. auch _Lexikon +der griechischen und römischen Altertümer_, 36. Lieferung, S. 24. Dr. +~Moritz Rühlmann~, S. 62. ~Jal~, _Archéologie navale_, 1840, Band I, S. +110.) + +Wie wir also gezeigt haben, ist die Schiffsbaukunst von den Phöniziern +und den mit ihnen in Verbindung stehenden Völkern ausgegangen. Es ist +nicht möglich, exakt zu beweisen, welches Volk die erste Anregung +gegeben hat. Damals schon fand man die primitivsten Formen neben +Modellen, die weit vollkommener waren. So berichtet ~Herodot~, dass die +Völkerschaften Klein-Asiens (Armenier) den Fluss gen Babylon in kleinen +Barken hinunterfuhren, deren Kiel aus Lindenzweigen hergestellt und mit +Fellen überzogen war. (Vgl. ~Witsen~, S. 9 u. 19; -- _Herodot_, _Buch_ +I, 194; -- Dr. ~Moritz Rühlmann~, S. 27. -- _Archéologie_, ~Jal~, S. +88.) Auf den Boden der Barke legte man Stroh, und man nahm ausser +der Ladung noch einen oder zwei Esel mit sich. In Babylon angekommen, +verkauften die Schiffer die Ladung, das Stroh sowie das Rippenwerk der +Barke und luden die gut zusammengebundenen Felle auf den Rücken der +Esel, die sie so wieder nach Hause trugen. Der Fluss war zu reissend, +als dass sie in ihren Barken gegen die Strömung hätten hinauf fahren +können. + +[Sidenote: II 21] + +Die älteste Abbildung der grossen Schiffe datiert von 1150 vor Christi +Geburt und stellt die obenerwähnte Seeschlacht der Ägypter gegen die +Barbaren dar. (Vgl. ~Rossellini~, ~Jal~, _Archéologie navale_, 1845, +Band I, S. 65. _Jahrbuch des Kaiserl. Deutschen Archaeologischen +Instituts_, Band VII, 1892, S. 44.) In Bezug auf die Form der Schiffe +lehrt uns die in Rede stehende Abbildung wenig. Sie gestattet uns nur +zu sehen, dass die Schiffe der kriegführenden Parteien verschiedenartig +sind. Ausserdem merkt man gleich, dass die ägyptischen Schiffe mittelst +Ruder vorwärts bewegt wurden, die anderen nicht. + +Man hat aus dieser Tatsache folgern wollen, dass die anderen Schiffe +ausschliesslich Segelschiffe waren, was meines Erachtens nicht so +augenfällig zu Tage tritt. Die Ägypter sind nämlich mit Pfeil und +Bogen bewaffnet, die anderen mit Schwertern. Suchen die ersteren ihre +Stärke in schnellen Bewegungen, so können die anderen eine Schlacht +nur liefern, indem sie an Bord entern. Unter diesen Umständen können +die Ruderer sie nur hindern, was ihre Abwesenheit erklären würde, oder +diese selbst werden ebenfalls das Schwert schwingen. Bei den Ägyptern +dienen dagegen die Besiegten als Ruderer und blieben an ihren Rudern. +(Vgl. ~Jal~, _Archéologie navale_, Band I, S. 52 u. ff.) Wahrscheinlich +wollte der Bildhauer kenntlich machen, dass die Ägypter anders kämpften +als die anderen Völker. Endlich unterscheiden sich die ägyptischen +Schiffe, um die es sich handelt, ausserordentlich von denen, die wir am +Anfang dieser Arbeit beschrieben haben. Es ist mehr als wahrscheinlich, +dass die Schiffe, die uns jetzt beschäftigen, keine ägyptischen +Kriegsschiffe sind, sondern Schiffe, die von den nordischen Völkern +(Phöniziern) erbaut oder nach ihren Modellen nachgeahmt worden sind. +Das Takelwerk ist nicht ägyptischen Ursprungs. Das Segel hat nur eine +Raa. + +Es wird indessen nicht unnütz sein, hier zu bemerken, dass im +Britischen Museum zu London eine Amphora vorhanden ist, die aus dem +Grabe des Polledrara de Vulci herrührt, und die ~Murray~ (_Journal +of Hell. Stud._ 1879, S. 247) in die zweite Hälfte des siebenten +Jahrhunderts vor Christi Geburt datiert. Diese Amphora trägt als +Zeichnung ein griechisches Schiff mit ägyptischem Takelwerk. Das +Segel ist da an zwei Raaen befestigt, ein Verfahren, das für Aegypten +charakteristisch ist. (_Jahrbuch des Kais. Deutschen Archaeolog. +Instituts_, Band VII, 1892, S. 42.) + +Die Phönizier hatten mehrere Schiffsarten und scheinen ausgesprochenere +Kriegsschiffe gehabt zu haben. Diese letzteren waren lang und schmal +für schnelle Fahrt; die anderen dagegen waren kurz und breit für grosse +Ladungen. (Dʳ ~Moritz Rühlmann-Holmes~, S. 26.) + +[Sidenote: II 23] + +Von den ursprünglichsten Schiffsbauten der Phönizier kennen wir nur +wenig. Die älteste Abbildung, die man davon besitzt ist jene, die in +dem Werke von ~Layard~ wiedergegeben ist. Es ist eine Zeichnung, die +nach einem Flachrelief aufgenommen ist, das sich am Palast des Sanherib +(etwa um 700 vor Christi Geburt) erhalten hat. Die Darstellung ist +rudimentär, die Grössenmasse stehen in einem Missverhältnis; ausserdem +sind unverständliche Zusätze darin. Man kann ihr kaum einige Bedeutung +beimessen. + +Diese Abbildung ist nun aus zwei Gesichtspunkten bemerkenswert; einmal, +weil sie uns eine zweirudrige Galeere zeigt, wenngleich es zweifelhaft +bleibt, ob die beiden Ruderreihen zu gleicher Zeit in Tätigkeit gesetzt +worden sind; zum zweiten, weil die Schiffe einen Sporn tragen. Diese +Besonderheit unterscheidet sie merklich von den ägyptischen Schiffen. +(_Lexikon der griechischen und römischen Altertümer_, S. 25, Dʳ ~Moritz +Rühlmann~, S. 30.) + +_Es ist dies die älteste bekannte Abbildung von Schiffen mit Sporn._ + +Auf ihren Fahrten längs den Küsten des Mittel-Meeres, nach +Griechenland, Italien, Afrika, nach einigen Schriftstellern bis nach +England und nach anderen sogar bis in die Ostsee haben die Phönizier +einen grossen Einfluss auf die Schiffbaukunst gehabt, wie sie im +Mittelmeer ausgeübt wurde. Dieser Einfluss dürfte sich besonders in +den Kolonien fühlbar gemacht haben, die sie begründet haben, unter +denen Carthago die bekannteste war. Es ist ausser Zweifel, dass in +der Schiffbaukunst die Phönizier, die Griechen und die Römer wenig +von einander abgewichen sind. Erinnern wir uns übrigens daran, dass +zum Beispiel in den Niederlanden die alten Schiffsformen mehrere +Jahrhunderte lang unverändert geblieben sind, und dass dieselbe +Tatsache sich anderswo überall gezeigt hat; es wird dann nicht schwer +sein, zuzugeben, dass die Schiffsformen des Mittelalters, die man im +Mittelmeer findet, sich wenig von denen unterschieden haben, die aus +der Zeit der Römer stammen. + +Wenn wir die weitere Entwickelung der Grösse des Schiffes während der +verschiedenen Zeiten betrachten, so kann man nicht sagen, dass die +Alten Schiffe von fabelhaften Abmessungen gebaut hätten; im Gegenteil: +ihre Schiffe werden vielmehr klein gewesen sein. + +Die ersten wichtigen Änderungen, die das Schiff erfahren hat, sind die +Folge der Erfindung des Schiesspulvers. Sie stehen nicht in direkter +Beziehung zu der Entwickelung der Völker. Die neue Entwickelung +in der Schiffbaukunst fällt also nicht zusammen mit dem Ende der +alten Geschichte und dem Beginn der Geschichte des Mittelalters. +Es scheint mir also wenig genau, von der Kunst der Alten als einem +zusammenhängenden Ganzen zu sprechen. + +Wenn nach den ausgegrabenen Modellen das ägyptische Schiff schon eine +so grosse Vollkommenheit erreicht hatte, obwohl die Ägypter noch die +Kenntnisse der Phönizier benutzten, so ist es augenscheinlich, dass das +phönizische Schiff noch hervorragender gewesen sein muss. Alle alten +Abbildungen sind also, ohne Unterschied, sehr schlecht, zweifellos +infolge der Unfähigkeit des Bildhauers oder des Malers, ein Umstand, +der auch oft noch heutzutage eintritt. + +Wie wir in der Abbildung von ~Layard~ soeben gesehen haben, hat es +schon in den ältesten Zeiten zweiruderige Galeeren gegeben. Bei dieser +Gelegenheit sei auf die griechischen Vasen «Dipylon» aufmerksam +gemacht, auf welchen man 2 Reihen Ruderer übereinander dargestellt +sieht. Diese Abbildungen sind indessen so primitiv, dass es mir zu +gewagt scheint, daraus irgend etwas über das Schiff ableiten zu wollen. +In der Tat, man kann mit gleichem Recht zugeben, dass die obere Reihe +der Ruderer die hintere darstellt; dass man übereinander dargestellt +hat, was man hintereinander folgen lassen wollte. + +Die Ruder der oberen Reihe sind nicht ganz gezeichnet, was andeutet, +dass die Ruderer eher hintereinander sassen, als übereinander. Das ist +wohl ein Beweis dafür, dass alle diese Abbildungen mit der grössten +Vorsicht zu betrachten sind. + +Im Mittelalter ist mehr als ein Ruderer für jedes Ruder vorhanden; man +rechnet mehr mit der schnelleren Bewegung als mit der Vermehrung der +Zahl der Ruder, um dadurch eine grössere Geschwindigkeit zu erzielen. + +Man kann nicht genau sagen, zu welcher Zeit der Umschwung erfolgt ist. +_Die älteste Art der Fortbewegung geschah indessen so_, _dass ein Mann +auf je 1 Ruder kam_; dies Verfahren ist anscheinend von der ältesten +Art der Fortbewegung der Schiffe hergenommen, dem Rudern mit der +Pagaie, wobei jede Pagaie (Paddel) von nur einem Mann gehandhabt wurde. + +Was die Stellung der Ruderer betrifft, wenn sie in mehreren Reihen +sassen, so hat man sehr viele Annahmen gemacht, da etwas Bestimmtes +nicht bekannt war. + +Es dürfte zwecklos sein, alle diese Hypothesen zu prüfen. Ich werde +mich darauf beschränken, die Aufmerksamkeit auf die verschiedenen +Versuche über Fortbewegung mit Rudern zu lenken, die nach Anweisung des +Kaisers Napoléon III auf einer zu Versuchszwecken besonders erbauten +Galeere gemacht wurden, welche auf verschiedene Art gerudert wurde. Es +ist bewiesen worden, dass die dreiruderige Galeere etwas mögliches ist; +unter diesen Umständen ist das Schiff aber so mit Ruderern besetzt, +dass kein Platz mehr für die Ladung verbleibt. (S. das Werk: _Le Musée +du Louvre_, _Schiffbau im Altertum_.) + +Im ganzen ist das Ergebnis aller Untersuchungen das folgende: + +Alle Mitteilungen über die Zahl der Rudererreihen wie über ihre Plätze +beruhen nur auf Annahmen; es ist mehr als eine Reihe Ruderer vorhanden +gewesen; jedoch wahrscheinlich nicht mehr als 2; anfangs wurde jedes +Ruder von nur einem Mann gehandhabt. (_Encyclopaedia Britannica_, 9. +Ausgabe, S. 806. -- ~Holmes~, S. 44. -- ~Torr~, S. 18. -- ~Witsen~, S. +13.) + +Im allgemeinen haben die Ruderschiffe wenig Veränderung durch die +Erfindung des Schiesspulvers erfahren. Die Triebkraft konnte nicht +entwickelt werden, denn man hätte nicht ohne Schaden die Zahl der +Ruder vermehren können. (_Archéologie navale_, A. ~Jal~, Bd. 1, S. 50. +-- _Dictionnaire des antiquités grecques et romaines_, S. 40 und S. +30.) ~Jal~ bestreitet also in seinem wohlbekannten Werk, _Archéologie +navale_, dass es zur Zeit der Griechen und Römer Schiffe von der Grösse +des «Great Eastern» gegeben hat. + +Nach dem Denkmal der «Prora» von Samothrake hat es schon bei den Alten +Eisen gegeben, um die Ruder festzuhalten. Ueber diesen Punkt gibt uns +Dʳ ~Assmann~ nähere Aufschlüsse. (_Baumeister, Denkmäler, Seewesen_, S. +1632 Abb. 1693.) + +[Sidenote: II 24] + +Die noch beobachtete Gewohnheit, ein Auge vorn auf jeder Seite des +Schiffsvorderteils malen zu lassen, beweist, wie lange die alten +Gebräuche in Uebung bleiben können. Das war schon bei den Phöniziern, +Griechen und Römern Sitte, und diese Tatsache kann man noch auf +einigen italienischen und portugiesischen Barken feststellen. (Vgl. Dʳ +~Emil Lübeck~, _Das Seewesen der Griechen und Römer_, 1890, S. 43. -- +~Assmann~, _Seewesen_, S. 1597. -- _Jahrbuch des Deutschen Archäol. +Instituts_, 1889, S. 99. -- ~Jal~, _Archéologie navale_, S. 105. -- +~Torr~, _Ancient ships_, S. 69.) + +Dieses Auge war ein Symbol; man wollte damit sagen, dass das Schiff +seinen Weg selbst suchte. Fälschlicherweise hat man manchmal diese +Augen für Klüsen gehalten. + +Es haben sich auch alte Formen erhalten, bei denen der Sporn das +Bemerkenswerteste ist. + +[Sidenote: II 54] + +[Sidenote: II 59] + +In diesem Sinne ist das interessanteste Modell des Mittelmeeres die +«Speronara» von Malta, die im Werk von ~Paris~, Bd. 4, Nʳ 203 (Nʳ 164 +u. s. w.) abgebildet ist. Der Vordersteven dieses Schiffes erhebt sich +senkrecht aus dem Wasser und ist mit einem Sporn versehen; auch das +Auge findet sich dort. + +In demselben Bilde bemerkt man Barken von Malta ohne Sporn, die sich im +übrigen wenig von der «Speronara» unterscheiden. + +[Sidenote: II 23] + +Vergleicht man mit diesen Modellen die oben beschriebene Abbildung des +~Layard~, so findet man auf beiden Schiffe, von denen einige einen +Sporn und einen Mast besitzen, während andere beides nicht haben, und +Schiffsvordersteven, die sich senkrecht aus dem Wasser erheben. + +Wir können daraus schliessen, dass schon zu den Zeiten der Phönizier +die Schiffe dieselben Unterschiede zeigten. + +Es ist also nicht zweifelhaft, dass wir in der «Speronara» ein +ursprünglich phönizisches Modell vor uns haben, in dem das Steuer durch +ein Ruder zum Lenken ersetzt ist. + +Man ist sich nicht völlig einig über die Stelle, an der der Sporn sass. +Die einen meinen über, die andern unter der Wasserlinie. Wie dem auch +sei, man findet ihn auf allen alten Abbildungen wieder, und in den +meisten Fällen verläuft die Grundlinie des Schiffs in gerader Linie +oder leicht gekrümmt bis zum Sporn. + +Da dieser letztere ständig vorhanden ist, so darf man schliessen, dass +er nicht unter, sondern über dem Wasser lag. Im entgegengesetzten +Fall nämlich hätte der Sporn nicht einen so grossen Eindruck auf die +Zeichner machen können. Uebrigens tragen alle alten Modelle, in denen +man Spuren des Spornes findet, diesen Teil oberhalb der Wasserlinie. + +Der Umstand, dass die Grundlinie im Sporn endet, beweist noch nicht, +dass dieser letztere sich unterhalb der Wasserlinie befand. Die +Grundlinie war unsichtbar, und die Zeichner, die im Schiffbau nur +Laien waren, und kein anderes Mittel kannten, die Figur darzustellen, +schnitten das Schiff an der Wasserlinie ab. Da aber die Zeichnung +ziemlich sonderbar aussah, fügten sie oft eine gekrümmte Linie hinzu, +die vom Sporn nach dem Hintersteven lief. + +Wenn wir von diesem Gesichtspunkt aus mehrere der alten Abbildungen +betrachten, und wenn wir die sonderbaren Grundlinien der Zeichner +verdecken, oder sie durch bessere Linien ersetzen, die wir von der +«Speronara» oder den alten Galeeren entnehmen können, so erhalten diese +alten Zeichnungen eine ganz andere Bedeutung. + +Wenn man wenig von dem alten phönizischen Schiff kennt, so hat man +dank der späteren Untersuchungen eine vollkommenere Kenntnis von dem +griechischen und römischen Schiff erlangt. Das gilt besonders für die +Abmessungen der Schiffe. + +Es wird nicht nötig sein, zu beweisen, dass man schon bei den Alten +Schiffwerften fand, an die sich Schuppen schlossen, um das abgetakelte +Schiff und seine feste Ausrüstung unterzubringen. (S. Dr. ~Emil +Lübeck~, _Das Seewesen der Griechen und Römer_, 1890, S. 2.) Diese +Schuppen geben uns einen Begriff von den Abmessungen der Schiffe. + +Die Untersuchungen des Kaiserl. Deutsch. Archäologischen Instituts +(1876-77) unter Leitung des Leutnants ~von Alten~ (_Das Seewesen der +Griechen und Römer_, S. 5) haben bewiesen, dass die von ~Graser~ +festgestellten Ziffern nicht ganz genau sind. Nur 8 Docks konnten in +Munychia (bei Athen) gemessen werden; sie hatten eine Breite von 6,25 +und eine Länge von 21,20 m. Bei späteren Ausgrabungen entdeckte man +in Zea Docks von 5,50 m Breite bei etwa 40 m Länge, gemessen bis zur +Uferlinie. (_Das Seewesen der Griechen und Römer_, S. 6.) + +Die Abmessungen der Schiffe müssen also verhältnismässig gering gewesen +sein. Im allgemeinen nimmt man für die griechischen Ruderschiffe +eine geringere Breite an als die der Galeeren des Mittelalters; der +Unterschied ist indessen nicht gross. Nach ~Jal~ (_Arch. nav._) betrug +im Mittelalter das Verhältnis zwischen der Breite und Länge für die +Kriegsschiffe 1 : 8; für die Handelsschiffe 1 : 7. ~Graser~ sagt, dass +bei den Griechen dieses Verhältnis 1 : 8¼ betragen hätte; nach ~Serre~ +(_La marine de guerre de l’antiquité_, S. 33) betrug es 1 : 9, auch +~Lemaitre~ gibt ein Verhältnis 1 : 9 an. (_Revue archéol_. 1833, Bd. 8, +S. 148 ff.) Die Schiffe waren also im Verhältnis zu ihrer Länge schmal, +was ihre Beweglichkeit erhöhte. + +Die Tiefe der Docks zeigt ausserdem, dass der Tiefgang der Schiffe +gering war, und dass infolgedessen die Schiffe gewissermassen über das +Wasser glitten. Auch in dieser Hinsicht unterscheidet sich das Schiff +der Alten nicht von dem des Mittelalters. Indem GRASER unter anderm +diese Einzelheit vernachlässigt, kommt er zu einem Schiffstyp mit +übermässigem Tiefgang. + +Neben den Kriegsschiffen, _naves longae_, gab es die Handelsschiffe, +_naves onerariae_ (Lastschiffe). Es ist augenscheinlich, dass man für +die ersteren besonders eine grosse Beweglichkeit zu erreichen versucht +hat. Das ist der Grund der geringen Breite des Schiffs gegenüber seiner +Länge, während das Lastschiff kürzer und breiter war. + +Später, aber immer mehrere Jahrhunderte vor Christi Geburt, als die +Macht Roms sich entwickelte, als seine Bevölkerung wuchs, und als die +Einfuhr von Getreide und anderen Lebensmitteln umfangreicher wurde und +immer schneller erfolgen musste, benutzte man als Lastschiff ausser dem +Schiff mit gedrungenen Formen das Ruderschiff. + +Gegenüber der geringen Tragkraft der Kriegsschiffe der späteren Zeit +waren zweifellos die Handelsschiffe der Römer breit, wie die des +Mittelalters. Aber es ergab sich daraus kein _neuer_ Typ; es handelte +sich lediglich um eine neue Verwendung vorhandener Modelle. Man +kann mit Sicherheit annehmen, dass die neuen Type nicht mit einem +Mal geschaffen worden sind, und es ist nicht die Lage der Wege der +Handelschiffahrt und die Schaffung neuer Häfen, die sie erzeugt haben. +Die Anlage neuer Häfen hat höchstens die zulässigen Abmessungen ändern +können. + +Die verschiedenen Type des Atlantischen Ozeans sind Jahrhunderte lang +in Gebrauch geblieben und finden sich noch gegenwärtig zum grossen Teil +vor. + +Ich möchte mich damit begnügen, auf einige alte Bilder aufmerksam zu +machen, auf denen man Schiffe abgebildet sieht, deren Vordersteven rund +ist. Vor kurzem konnte man diese letzteren in dem Typ vom Tajo, «La +Muleta» finden, der jetzt verschwunden ist. (Vergl. ~Paris~, Bd. 5 Abb. +268 und _Jahrbuch des Dt. Archaeol. Inst._ Bd. 12. 1889, S. 91). + +Die Abmessungen der Schiffe erfuhren wenig Aenderungen. Um mehr +Kraft zu entfalten, vermehrte man die Zahl der Ruderer; da die +Länge des Schiffes beschränkt war, so musste man die Ruderer in +übereinanderliegenden Reihen setzen. + +Jal ist der Meinung, dass eine dreifache Reihe eine Ausnahme ist; +für diesen Fall nimmt er an, dass die untere Reihe von den anderen +durch ein Deck getrennt war. Die berühmte dreirudrige Galeere, die im +Jahre 1860 in Asnières auf Befehl Napoleons III, gebaut wurde, war +nach dieser Annahme ausgeführt. Wie man gesehen hat, hat das Schiff +nicht befriedigt; es wurde später abgebrochen (vgl. Dʳ ~Lübeck~, _Das +Seewesen der Griechen und Römer_, S. 49). + +Wenn nun dieser Versuch die Frage über die Plätze der Ruderer nicht +gelöst hat, so hat er genügend gezeigt, dass bei einem dreirudrigen +Schiff der Raum von Ruderern gefüllt ist. + +Das Schiff der Alten hatte wenig Raum für die Lebensmittel. Man musste +also Vorsorge treffen, dass man jeden Abend an Land gehen konnte, +und so versteht man, warum die meisten Seeschlachten an den Küsten +geliefert worden sind. + +Um aber überall landen zu können, musste ein geringer Tiefgang +vorhanden sein. Dieser muss nach +Assmann+ und +Lemaitre+ etwa 1 m +betragen haben. (Vgl. Dʳ ~Emil Lübeck~, _Das Seewesen der Griechen und +Römer_, S. 10 Anm. 5.) + +Der verfügbare Raum an Bord war so beschränkt, dass, wenn man nachts +nicht an Land gehen konnte, die Ruderer nur reihenweise schlafen +konnten. Während der Fahrt mussten die Ruderer, um sich nicht +gegenseitig zu stören, eine völlige Gleichmässigkeit in den Bewegungen +beobachten und selbst, um an Bord zu gehen, musste eine bestimmte +Reihenfolge innegehalten werden. (Vgl. Dr. ~Emil Lübeck~, _Das +Seewesen, u. s. w._, S. 10.) + +Man weiss nicht genau, wann die alte Art der Fortbewegung, bei der +jedes Ruder von _einem_ Mann gehandhabt wurde, durch die andere ersetzt +worden ist, bei der schwere Ruder von mehreren Männern bewegt werden. +Es scheint indessen, dass schon die Liburner sich dieser schweren Ruder +bedienten, deren Gebrauch eine Folge der Schlacht von Actium gewesen +sein dürfte, die im Jahre 31 vor Christi Geb. stattfand. (Vgl. Dr. +~Emil Lübeck~, _Das Seewesen, u. s. w._, Seite 21.) + +Wie man gesehen hat, gab es neben den Kriegsschiffen oder _naves +longae_ Handels- oder Lastschiffe oder _naves onerariae_. Diese +letzteren hatten ebenfalls geringe Grösse; ihre Tragkraft beweist dies. +Die Ladung wurde, wie die alten aufgefundenen Urkunden beweisen, in +griechischen Talenten oder römischen Amphoren ausgedrückt (Eine Amphora += 26,2 kg.), später auch in Midimnen von Attika. (= 42,5 kg.) (Vgl. Dr. +~Emil Lübeck~, _Das Seewesen u. s. w._, S. 22.) + +Nach einem Abkommen über die Grösse der Handelsschiffe, das im Jahre +218 vor Chr. Geb. getroffen wurde, hatten die Schiffe, die von den +Besitzungen der Senatoren in Sizilien und in Sardinien die Waren nach +Rom brachten, nur 7,86 Tonnen. Man findet allerdings Beschreibungen +grösserer Schiffe, die nach den Berechnungen von ~Assmann~ und anderen +eine Tragkraft von 260-2500 Tonnen gehabt haben sollen. + +~Graser~ sagt sogar, indem er die Menge der beförderten Waren zur +Grundlage nimmt, dass das Schiff _Alexandreia_ des Hieron von Syrakus +eine Tragkraft von 4200 Tonnen gehabt hätte. Wir finden sogar ein +Schiff von 120 Ellen Länge, während für ein anderes Schiff eine Tiefe +von 29 Ellen angegeben wird. + +Alle diese Abmessungen dürften auch heut nicht zu verachten sein. Aber +in jener Zeit dürften sie mit Rücksicht auf die geringe Tiefe und die +beschränkten Verhältnisse der Häfen und der Schiffahrtsstrassen eine +Unmöglichkeit gewesen sein. Ueberdies beruhen alle diese angeführten +Ziffern nur auf Annahmen und können nicht genau sein. + +Das Rundschiff der Alten von gedrungener Form ist sicher nicht länger +gewesen als das Ruderschiff und nicht grösser, als eine Tjalk. + +In ganz Westeuropa hat der Schiffbau allmählich Fortschritte gemacht; +das gleiche gilt vom Mittelmeer seit dem Mittelalter. Welchen Grund +sollte es nun haben, anzunehmen, dass die Schiffe des Altertums +ausserordentliche Abmessungen gehabt hätten? + +In diesem Sinne gibt uns die _Prora von Samothrake_ (aufgefunden +i. J. 1863) aus dem Jahre 306 v. Chr. G. ein genaues Bild eines +Kriegsschiffs. Aus diesem Kunstwerk kann man entnehmen, dass diese +Fahrzeuge in Form und Grösse wenig von denen des Mittelalters abwichen. + +Der Boden besass eine leichte Krümmung in der Mitte, die Enden liefen +spitz zu. Der Tiefgang betrug durchschnittlich 1 m; der der grössten +Schiffe war nicht grösser als 1,50 m (Vgl. ~Assmann~, _Seewesen_, S. +1597 u. ff.). Der Vorder- und der Hintersteven waren aussen mit Zeichen +geschmückt, die für unsere Studie kaum Bedeutung haben. + +Die Ruderschiffe, deren Hinterteil in Wasserhöhe eine runde Form +hatte, besassen am Vordersteven einen Sporn. Zu beiden Seiten war der +Sporn, mit dem das feindliche Schiff gerammt und die Ruder abgebrochen +werden sollten, mit einem Holzbalken versehen, an dem ein Widderkopf +angebracht war. Dieser Holzblock verhinderte, dass der Sporn zu tief in +die Seiten des feindlichen Schiffs eindringen konnte. + +Der Sporn hat zweifellos verschiedene Formen gehabt, wie die +Abbildungen zeigen, ohne indessen die Form des Schiffes selbst +zu verändern. Er war das Zeichen der Kraft und sollte Schrecken +einflössen. Es ist also nicht verwunderlich, dass in den meisten alten +Abbildungen der Zeichner sich mehr an diese Einzelheiten gehalten hat +als an das Schiff selbst, was bewirkte, dass die Form des letzteren +nebensächlich wurde. + +Der schon bei den Phöniziern übliche Sporn trat bei den Griechen erst +i. J. 536 vor Chr. G. auf (vgl. Dr. ~Emil Lübeck~, _Seewesen u. s. w._, +S. p. 13). Daraus ergibt sich, und man kann nicht oft genug darauf +hinweisen, dass die Kunst des Schiffbaues bei den Phöniziern einen +höheren Grad von Vollkommenheit erreicht hatte als bei den Griechen, +und dass dies Volk einen überwiegenden Einfluss auf die Völker +ausgeübt hat, die die Küsten des Mittelmeeres bewohnten. + +Man könnte also den Satz aufstellen, dass die Schiffe des Mittelmeeres +gleiche Form gehabt haben, womit nicht gesagt sein soll, dass jedes +Volk nur einen Typ gekannt hätte; es hat vielmehr mehrere Type +gleichzeitig gegeben. So hat man nämlich neben den langen Ruderschiffen +die Handelsschiffe mit gedrungenen Formen, und neben vollkommenen +Mustern gab es primitive. + +Liest man nicht, z. B., dass Caesar sich mit einer Flotte aufs Meer +wagte, 30 Tage nachdem das zum Bau bestimmte Holz geschnitten war? +(~Nicolas Witsen~, S. 12, 1. Spalte unten.) Man kann schwerlich +behaupten, dass die Schiffe, aus denen jene Flotte bestand, gut +ausgeführte Ruderschiffe waren. Es waren zweifellos aus einem Stück +gemachte Fahrzeuge, Piroguen, wie man sie noch jetzt im Adriatischen +Meere findet, ein Typ, der so schön in der «Rascona» wiedergegeben +ist. (Vgl. ~Paris~, Bd. II, und Dr. ~Emil Lübeck~, _Das Seewesen der +Griechen und Römer_, S. 39.) + +Der schnelle Bau der fraglichen Flotte liefert uns einen Beweis mehr +für die Behauptung, dass die Schiffe nur klein waren. + +Um klarer zu zeigen, was ich unter der Gleichförmigkeit im Bau der +Schiffe verstehe, möchte ich die Aufmerksamkeit auf den Typ _Tjalk_ der +Niederlande lenken. Dieser Typ findet sich mit leichten Abänderungen +und unter anderen Benennungen von Dänemark bis Belgien wieder. Alle +Schiffe dieser Art haben einen gemeinsamen Grundcharakter, aber neben +der _Tjalk_ besitzen die Niederlande noch andere Type, die sich +ebenfalls anderwärts finden. Von Dänemark bis Belgien gibt es also eine +Reihe bestimmter Grundtype, und so kann man von gemeinsamen Formen +sprechen. + +Diese Feststellung gilt auch für das Mittelmeer. (Vgl. _Dictionnaire +des Antiquités grecques et romaines_, 36. Bd., S. 24. -- ~Navis~.) + +Diese Grundtype haben sich jahrhundertelang erhalten, und die alten +Holztype, die wir jetzt treffen, geben uns noch ein genaues Bild davon, +wenn man vom Steuer und der Takelung absieht. + +Gewiss, manche Type sind anderswohin geraten oder haben infolge der +örtlichen Verhältnisse Wandlungen erfahren, so dass man, um die einer +bestimmten Gegend eigentümlichen Grundcharaktere wiederzufinden, oft +anderwärts suchen muss. + +So finden wir z. B. in Holland, in ’s Gravenmoor (Nord-Brabant) einen +alten Rheintyp wieder; in Portugal kleine Fischerbarken, die sehr den +alten ägyptischen Schiffen ähneln, und im Arabischen Meer ein Schiff, +das abgesehen von der Takelage und dem Steuer erstaunlich einem +primitiven römischen Schiff gleicht. Daher behaupten auch die Araber, +sie hätten die ältesten und besten Schiffe. (Vgl. ~Paris~, Bd. III, Nr. +135, mit _dem Relief des Tiberhafens in_ ~Baumeister~, _Denkmäler des +klassischen Altertums_, Abb. 1688.) + +Wenn die Ruderschiffe infolge der Erfindung des Schiesspulvers +keine Änderung erfahren haben, so muss man den Grund dafür in ihrem +schmalen Bau suchen, den die geringere Fortbewegungskraft, über die +man verfügte, nötig machte. Die Zahl der Ruder war begrenzt, und bald +erreichte man einen nicht überschreitbaren Höhepunkt. + +Aus dem Umstande, dass es nicht gelungen ist, ein praktisches Schiff +mit mehr als drei Ruderreihen zu bauen, und dass die uns bekannten +Abbildungen niemals mehr als drei aufweisen, darf man folgern, dass die +alten Schriftsteller, die von 4 Reihen und mehr berichten, sich von +ihrer Phantasie haben leiten lassen, oder, was genauer sein dürfte, +anders zählen als wir heutzutage. Zweifellos hat man die Zahl der Ruder +angeben wollen, die gruppenweise durch den Bord gingen. + +Die Tafel von ~Huys~, zeigt uns so, nach ~Breugel~ (um die Mitte des +16. Jahrhunderts), Ruder, die in Reihen von drei geordnet sind. Man +findet dasselbe Verfahren auf einigen alten Abbildungen. Wenn diese +Figuren das dreireihige Ruderschiff darstellten, so würde die Frage +ganz einfach zu lösen sein. + +Hinsichtlich des Dreiruderers wird immer auf das Flach-Relief der +Akropolis von Athen verwiesen (~Baumeister~, _Denkmäler des klass. +Altertums_, Abb. 1689). Hiervon findet man Nachbildungen in allen +Werken. Diese stimmen indessen nicht alle überein; sie können uns also +keine Sicherheit geben. (Vgl. Dr. ~Moritz Rühlmann~, S. 62.) + +Um zu Ende zu kommen, möchte ich noch etwas über die Handelsschiffe +sagen. + +[Sidenote: II 26] + +Das schönste mir bekannte Bild ist sicher das vorgenannte Relief des +Tiberhafens, das sich im Museum Torlonia befindet. Man sieht darauf ein +grosses Handelsschiff mit schrägem Vorder- und rundem Hinterteil. Auf +etwa zwei Drittel der Länge des Schiffes (das Mass ist vom Vordersteven +aus genommen) springt der obere Teil der Bordwand vor, um dem +Steuerruder als Stütze zu dienen. Diese Bauart kommt noch bei einigen +indischen u. s. w. Schiffen vor. Der in der Mitte errichtete und mit +einem Stützbalken versehene Mast ist mit starken Tauen befestigt. Das +quadratische Segel kann mit Hilfe von Stricken gerefft werden, die +durch Ringe laufen. Der Mast trägt nur eine Raa; an seinem oberen Teil +ist ein Klüver befestigt. + +Vorn erhebt sich ein «Dolon» genannter Mast, der ursprünglich +dazu diente, das kleine Rettungsboot heraufzuziehen. Deshalb, +wahrscheinlich, nannte man ihn Rettungsbootmast. + +Die Kabine nimmt den ganzen verfügbaren Platz hinter dem Mast ein. + +Die Takelung bestand im allgemeinen aus Segeln mit Raa. Diese Segel +hatten, auf den Lastschiffen von Alexandria, zuweilen eine rechteckige +Gestalt. + +Die Kriegsschiffe wie die grossen Kauffahrteischiffe besassen stets 2 +Masten. (Vgl. Dr. ~Breusing~, _Die Nautik der Alten_, S. 56.) Während +der Schlacht wurden die Segel aufgegeit und die Masten umgelegt, um sie +vor dem Sporn der feindlichen Schiffe in Sicherheit zu bringen. + +[Sidenote: II 31] + +Wir müssen aber nicht nur auf die grossen, sondern auch auf die kleinen +Handelsschiffe achten. Das schönste Bild in dieser Art ist unbestritten +das alte Relief der Kathedrale von Salerno (_Jahrbuch d. D. Archäol. +Instituts_, Bd. V, S. 103, Fig. 1c.) Abgesehen von dem Steuer würde das +dort abgebildete Schiff leicht für ein neuzeitliches Schiff gelten. + +Man ist dabei, das Schiff zu entladen; der Landungssteg ist +herabgelassen, und die vordere Holzklappe ist hochgezogen. Der +niedergelegte Mast, den man zu diesem Zweck aus seiner Scheide +entfernen musste, ruht darauf. Dies Verfahren war noch vielfach +hierzulande im 18. Jahrhundert üblich. Die Steuerruder hängen längs des +Schiffes herab, wobei sie sich an den vorspringenden Bord lehnen. + +Das Schiff selbst hat Vorder- und Hintersteven. Auf ein Drittel seiner +Länge ist die Scheide für den Mast angebracht, hinter der man den +Schiffsraum sieht. Dieser ist, wie bei unseren Flussschiffen mit +Holzplatten geschlossen. Man sieht sogar die halbrunden Falze, auf die +sich die Holzplatten stützen, und in diesen Falzen fehlen selbst die +Oeffnungen zum Abfliessen des Wassers nicht. (Kleine Punkte in den +Halbrundungen.) + +Die Holzplatten stehen schräg, wie die oberen Linien zeigen. + +In dem genannten Jahrbuch hat man die Bedeutung dieser kleinen +Halbkreise nicht verstanden. (Vgl. _Jahrbuch d. Kaiserl. Dt. Arch. +Inst._, Bd. 4, 1889, S. 103.) + +Vorn bemerkt man 2 Kreuzbetings, hinten 4; ihre sonderbare Form deutet +darauf hin, dass sie ebenfalls als Stützen für Ruder dienten, mit denen +man bei Windstille das Schiff fortbewegen konnte. + +Der Mast ist kurz und dick; er ist mit Backen versehen und da solche +bis unten reichen, so darf man annehmen, dass sie angebracht waren, +damit man an dem Mast emporklettern konnte. Es ist also wahrscheinlich, +dass das fragliche Schiff hierfür kein genügendes Tauwerk besass. In +der uns beschäftigenden Zeichnung sieht man kein Tauwerk, was jedoch +nicht heisst, dass solches nicht vorhanden war. + +Meines Erachtens ist die Barke nicht grösser, als eine kleine Tjalk. +Man findet darin noch einen weiteren Beweis für die Behauptung, dass +die Schiffe im Laufe der Jahrhunderte wenig Änderung erfahren haben, +und dass die Alten keine lange Zeit brauchten, um zu einem hohen Grad +der Vollkommenheit zu kommen. Man kann nichts Überraschendes in dieser +Behauptung finden, wenn man die Meisterwerke betrachtet, die uns von +den Griechen und Römern hinterlassen sind. + +Es ist bedauerlich, dass man über den Platz der Ruderer bei den Alten +keine entscheidenden Anhaltspunkte hat; denn gerade in dieser Hinsicht +hat das Mittelalter die Ruderschiffe sich verändern sehen. Zu dieser +Zeit machen die von einem einzelnen Mann nach der ursprünglichen Weise +gehandhabten Ruder einer Reihe schwerer Ruder Platz, die von mehreren +Ruderern bewegt wurden. Dieser Umschwung ist nicht mit dem Sturz des +weströmischen Reiches zusammengefallen (im Jahre 476). Der Kaiser Leo +(886-911) rät nämlich zum Bau von zweiruderigen Schiffen «Dromon». +(~La Croix~, S. 75.) Im 11. Jahrhundert spricht ein Schriftsteller von +einem _Chélandre_ oder _Sélandre_, dem er eine grosse Geschwindigkeit +zuschreibt, und der zwei Ruderreihen übereinander hatte. (~La Croix~, +S. 75 und 79.) Der Übergang zu einer Ruderreihe hat sich wahrscheinlich +allmählich vollzogen. + +Im 13. Jahrhundert spricht man nur noch von derartigen Schiffen, den +Galeeren. (Vgl. bezüglich der Ruder-Reihen ~van Yk~, S. 11. -- ~Torr~, +_Ancient ships_, S. 19 a ff.) + +Inzwischen taucht im 12. Jahrhundert das Steuerruder auf, dessen +Erscheinen Änderungen am Hinterteil des Schiffes nach sich zieht. + +Im allgemeinen weiss man wenig über den Stand der Schiffbaukunst im +Anfang des Mittelalters. Doch muss zu dieser Zeit auf dem Mittelmeer +eine bedeutende Marine vorhanden gewesen sein, und so muss auch die +Schiffbaukunst in Blüte gestanden haben. Zweifellos haben die Kreuzzüge +(1096-1291) einen grossen Einfluss auf diesen Zustand gehabt. Venedig +wurde der Mittelpunkt des Fortschrittes, bald danach Genua. + +Die Bedeutung der Marine zu jener Zeit wird durch die berühmten +Arsenale von Venedig sowie die grosse Anzahl von Verordnungen über +den Schiffbau bezeugt. So finden wir im 13. Jahrhundert einen Erlass, +der die Wasserlinie für das beladene und das leere Schiff festsetzt. +(~Jal~, S. 267, _Mémoire_, 4.) + +Was den Bau von Ruderschiffen betrifft, so muss man sich dieserhalb +an die Erlasse des Kaisers Leo halten, die bis zum Ende des 10. +Jahrhunderts beachtet worden sind. Dieser Fürst liess die Galeeren +folgendermassen bauen: genügend stark, leicht beweglich, daher ziemlich +lang und wenig breit; die Breite musste jedoch in einem bestimmten +Verhältnis zur Länge stehen. Diese Anordnungen sind einfach aber doch +recht klar! Später konnte man nicht mehr nach Belieben bauen. Man +musste den über die Form der Schiffe aufgestellten Regeln folgen; und +zwar musste die Form sich nach der Tragkraft und den auszuführenden +Fahrten richten. + +Die Schiffe hatten keine aussergewöhnliche Länge; ~Jal~ gibt zum +Beispiel eine Länge von etwa 44 m für die Ruderschiffe an. Diese Ziffer +weicht, wie man sieht, wenig von derjenigen des Altertums ab und wurde +später kaum überschritten. + +Ebenso wie in den Zeiten der Griechen und Römer hatte das Mittelalter, +neben seinen Galeeren, seine Handelsschiffe von runderer Form, +gedrungener Gestalt. Man behauptet nämlich, dass im Jahre 1284 die +Stadt Genua eine Flotte von 8 Galeeren und Karavellen nach Pisa sandte. +(~Jal~, S. 250.) + +Diese Galeeren dienten indessen nicht ausschliesslich als +Kriegsschiffe; im 14. Jahrhundert wurden sie auch als Lastschiffe +benutzt. (~Jal~, S. 250.) + +Das Mittelalter hat uns keine Zeichnungen oder Abbildungen +hinterlassen, aus denen wir mit Sicherheit die Form der Schiffe +entnehmen könnten. Die älteste Abbildung stammt von Pietro Laurenti, +einem Künstler des 14. Jahrhunderts; dann folgt eine Darstellung von +der Hand Raffaels (1483-1520); sie stammt also aus dem Anfang des 16. +Jahrhunderts. + +Diese beiden Abbildungen werden in dem Werk von ~Jal~ (_Archéologie +navale_) wiedergegeben, aber ihre geringe Grösse macht sie fast +wertlos. Sie sind indessen insofern bemerkenswert, als die erste uns +den Doppelmast der Alten und die Kabine zeigt, während die von Raffael +vorn und hinten einen Aufbau trägt, und deutlich mit einem Steuer +versehen ist. + +Aus einem Vergleich der alten Münzen ergibt sich, dass im 13. +Jahrhundert das Steuer überall eingeführt war. Es dürfte indessen +überflüssig sein, zu bemerken, dass man auch damals noch auf vielen +Schiffen das Ruder zum Steuern trifft, anstelle des Steuers. + +Die Erfindung des Schiesspulvers um die Mitte des 14. Jahrhunderts +führte keine Aenderung im Bau der Galeeren herbei, weil die Triebkraft +durch die Kraft der Ruderer beschränkt blieb, wodurch sich für +das Schiff eine schlanke Form ergab, so dass nicht viele Kanonen +aufgestellt werden konnten. + +Im Jahre 1600 erreichten die Galeeren ihren Höhepunkt. Bald danach +beginnen sie ihren Wert als Kriegsschiffe zu verlieren, infolge der +wachsenden Stärke der grossen Seeschiffe von runderer Gestalt. + +Wir finden ein treffendes Beispiel für die kriegerische +Minderwertigkeit der Galeeren in der Seeschlacht, die das französische +Schiff «Le Bon» gegen 36 Galeeren am 10. Juli 1684 lieferte. (~Paris~, +Band 3 No. 26.) Seine Länge betrug zwischen Vorder- und Hintersteven +nur 41,41 m, bei einer Gesamtbreite von 11,04 m und einer Tiefe von +5,03 m; der Kiel hatte 37,03 m Länge. + +Die Galeeren hatten dagegen 48,77 m Länge, 21,20 m am Kiel bei 5,90 m +Breite gemessen auf dem Deck. (8,47 m zwischen den Ruderauflagen); die +Ruder hatten 25 m Länge. + +Die höher aufgestellte Artillerie auf dem Schiff «Le Bon», sein +festerer Bau und seine stärkere Bordwand ermöglichten es ihm, seinen +Feinden standzuhalten und zu entwischen, als der Wind sich aufmachte. + +Wenn wir die Stärke der Bemannungen untersuchen, so wird die geringere +Kriegstüchtigkeit der Galeeren noch deutlicher; während nämlich +das französische Schiff nur 600-800 Mann Besatzung hatte, hatten +die Galeeren 12000-14000. Daher wurden in Frankreich seit dem 17. +Jahrhundert die Galeeren ausschliesslich zum Schleppen gebraucht; so +lesen wir, dass im Jahre 1688, als sich der Wind gelegt hatte, Duquesne +seine Schiffe durch Galeeren unter die Mauern Algiers bringen liess, um +diese Stadt zu beschiessen. + +Nichtsdestoweniger traten die Galeeren in der französischen Marine bis +zum Jahre 1773 auf. + +In der Schlacht von Zierikzee im Jahre 1302, in der die Flamänder +gegen die Franzosen, Holländer und Genuesen kämpften, fühlte man nach +dem alten Geschichtsschreiber ~Florentin Villani~ zum ersten Male die +Überlegenheit der Schiffe von gedrungener Gestalt über die Galeeren. +Der Graf von Flandern hatte für diese Schlacht 80 Schiffe (oder Cogues, +Cochi) ausgerüstet, die nach den örtlichen Verhältnissen jenes Meeres +gebaut waren (_ottanti navi, overo, cochi, al medo di quello mare_, +sagt ~Villani~). Nach diesem Geschichtsschreiber war es auch das erste +Mal, dass man gegen derartige Schiffe zu kämpfen hatte. + +Dieses Treffen gab Anlass, dass man sich von nun an mehr und mehr im +Mittelmeer dem Bau von Schiffen gedrungener Gestalt zuwandte. Die +Notwendigkeit zwang übrigens hierzu. Die Kreuzzüge führten häufigere +Beziehungen zu den Völkern des Nordens herbei, und man musste sich +gegen sie verteidigen. + +Anfangs nahmen die Völker des Nordens ihre Zuflucht zu den Genuesen +und anderen am Mittelmeer wohnenden Völkern, um die Kreuzfahrer nach +Palästina zu bringen; aber bald unternahmen sie selbst den Bau der +Schiffe, um den übertriebenen Preisen der Italiener zu entgehen; so war +die Strasse durch das Mittelmeer gefunden. Nichtsdestoweniger blieben +Venedig, Genua u. s. w. die Stapelplätze, und viele Schiffe wurden dort +noch gebaut, besonders für Frankreich. Philipp der Schöne in seinem +Kampf gegen Eduard I von England im Jahre 1295 und Philipp von Valois +gegen Eduard III im Jahre 1337 bedienten sich genuesischer Fahrzeuge. +(~La Croix~, S. 92.) + +Wie übrigens ~Jal~ schreibt (_Arch. Nav._, Bd. 2, S. 352), kann man +mit Sicherheit annehmen, dass die Schiffe, die an der französischen +Mittelmeer-Küste gebaut wurden, genau so aussahen, wie die, welche +in Italien üblich waren. Die gegenseitigen Beziehungen zwischen +den seefahrenden Völkern und ihre gemeinsamen Interessen führten +notwendiger Weise diese Nachahmungen herbei. Venedig blieb nicht hinter +Genua zurück; Genua war der Stadt Pisa auf den Fersen, und diese Stadt +liess sich gewiss nicht von Barzelona, noch von Marseille, noch von +Konstantinopel in den Vervollkommnungen der Schiffbaukunst überholen. + +So schreibt der genannte Schriftsteller mit gutem Recht: «Das +Mittelmeerbecken hatte also nur _eine Marine_, wenigstens sofern man +nur die Hauptschiffe in Betracht zieht; das ist heute noch ebenso und +war so sicherlich in den alten Zeiten.» Ich möchte hinzufügen, dass +die charakteristischen Unterschiede, die die verschiedenen Schiffstype +unter sich haben, im Laufe der Jahrhunderte keine Veränderung erfahren +haben, und zwar gilt dies nicht allein für das Mittelmeer, sondern für +den Schiffbau im allgemeinen. + +Diese alten Type finden sich indessen nicht unter den grossen Schiffen, +sondern mehr unter den kleinen und besonders unter den Fischerbarken. + +Bei allen Völkern, sogar bei allen seefahrenden Völkern haben die +Fischer ihren Charakter am besten bewahrt und am wenigsten ihre Sitten +und Gebräuche verändert. Ihr schweres Handwerk auf dem Meere hat sie zu +Feinden jeder vom Festland kommenden Neuerung gemacht und mit Händen +und Füssen haben sie sich gesträubt, ihre alten, durch Ueberlieferung +und Uebung hervorgegangenen Modelle fallen zu lassen. Die Fischer haben +also am längsten die alten Formen bewahrt, und zu ihnen muss man gehen, +um diese wiederzufinden. So zeigt uns Norwegen Fischereifahrzeuge, +die, abgesehen vom Steuer fast vollständig das alte Wikinger-Schiff +wiedergeben; die holländische Bomme ist ein solcher Rest eines +Schiffes, und Portugal zeigt uns Barken, die an die alten, in Italien +ausgegrabenen Wandgemälde erinnern. + +Sicherlich sind viele Type nicht mehr vorhanden; ihre Zahl wächst +unaufhörlich durch die Verwendung des Eisens zum Schiffbau. So gibt +es noch einige wenige Galeeren, die man jedoch nur bei Festlichkeiten +verwendet (z. B. die Galeere, die bei der Flottenparade am +Hollandsche Diep verwendet wurde und die in Portugal bei den jüngsten +Festlichkeiten Verwendung fand). + +Das älteste Werk, das von den Galeeren handelt, ist folgendes: +«Fabbrica di galere». (Vgl. ~Jal~, _Arch. Nav._ Bd. 2, S. 6 und ff.) +Die ersten vollständigen Angaben stammen aus der Zeit Ludwigs XIV. und +werden von dem Chevalier ~Barras de la Penne~ gegeben (1698). Man darf +indessen nicht das Werk ~Fürtenbachs~ aus dem Jahre 1623 übergehen. +(~Witsen~, S. 186). + +[Sidenote: II 24] + +[Sidenote: II 38] + +[Sidenote: II 46] + +[Sidenote: II 47] + +Obwohl die Galeeren genügend bekannt sind, möchte ich einiges über sie +sagen. Sie waren lang und schmal und ragten sehr wenig aus dem Wasser +empor. Ihre Breite betrug meist ⅐ oder ⅛ ihrer Länge, und der aus dem +Wasser emporragende Teil mass nur 1 m oder 1,50 m. Eine Galeere von +40,60 m Länge hatte z. B. eine Breite von nur 5,27 m; der Vordersteven +hatte eine Gesamtlänge von 3,28 m und der Hintersteven eine solche von +3,62 m. Die Hauptrippe lag bei ³⁄₇ der Länge des Schiffs und war am +unteren Teil leicht gekrümmt. Das Schiff verlief nach vorn und hinten +spitz; das Deck überspannte die ganze Länge, in der Mitte erhob sich +die Wachbrücke, Corsia, an die sich die Bänke der Ruderer schlossen. +Auf jeder Seite längs der Bordwände befanden sich die Auflagen für die +Ruder, in einer zu der Längsachse des Schiffes parallelen Linie; sie +bildeten die Ruderdollen. Die Ruder, die in einer Reihe angeordnet +waren, wurden von 4 oder 5 Leuten gehandhabt, die sich erhoben, um +die Ruder vorwärts zu stossen und sich auf ihre Bänke fallen liessen, +indem sie die Ruder ins Wasser tauchten. Die Ruderer waren bei dieser +Tätigkeit völlig nackt. Ein Mann von mittlerer Stärke konnte diese +Arbeit eine Stunde lang aushalten, und doch musste viel länger gerudert +werden; manchmal, in Kriegszeiten, 12 Stunden hintereinander. Welch’ +Zustand, wenn man erwägt, dass diese Leute den Unbilden der Luft und +dem Feuer des Feindes ausgesetzt waren! + +Um die Ruderer in ihrer Tätigkeit zu stärken, steckte man ihnen Brot +in den Mund, das in Wein getaucht war; wenn sie erschöpft umfielen, +so wurden sie von dem Wächter, der auf der Wachbrücke herumging, +unbarmherzig gepeitscht; wenn sie sich nicht wieder erhoben, so wartete +der Tod ihrer. Man warf sie über Bord. + +Wenn man weiter erwägt, dass die Ruderer durch Ketten an das Schiff +gefesselt waren, die man ihnen nur selten abnahm, dass sie meist auf +ihren Bänken lebten und starben, so wird man verstehen, dass die +Galeeren für die seefahrenden Völker ein Schrecken und eine Schande +gewesen sind. + +Selten fand man Freiwillige für dies Handwerk, das meist nur Sklaven, +Kriegsgefangene u. s. w. verrichteten. Die Ruderer waren indessen +nicht alle gleich; sie bestanden aus 3 Klassen: 1) den Sträflingen, +d. h. den Verurteilten; ihre Haare und ihr Bart waren abgeschnitten; +2) den Sklaven, unter ihnen Türken, Mauren und Neger; letztere waren +als die besten Ruderer bekannt. Ihr Unterscheidungszeichen war ein +Haarbüschel auf dem Kopfe; 3) den Benevoglie (Freiwilligen), unter +ihnen freigelassene Sträflinge, die anderswo nicht mehr unterkommen +konnten und auf den Galeeren Zuflucht nahmen, Räuber und andere, die +nichts mehr zum Leben hatten. Ihre Kleidung war sehr einfach; jedes +Jahr bekamen sie 2 Hemden, 2 Paar Hosen, 1 Rock aus rotem Tuch, 1 +Mantel für den Winter, 1 rote Mütze und 2 Decken für jede Bank. + +Die Nahrung war ihnen genau zugemessen, aber wenn sie mehr wollten, +konnten sie sich welche kaufen. + +Der Teil des Schiffsraumes, der nicht von Schiessvorräten eingenommen +war, war für die Lebensmittel bestimmt und enthielt auch eine ganz +kleine Kabine für den Kapitän und die Offiziere. + +Wenn die Galeere hielt, so spannte man über das Fahrzeug ein grosses +Segel, das auf einer Seite hoch genommen wurde, um die Luft einzulassen. + +Der schlanke Bau der Galeeren gab ihnen auf dem Meere keine genügende +Stabilität; daher hatten die Ruderer immer sehr unter den Wellen zu +leiden. + +Die Ausrüstung war einfach: vorn standen 3 Kanonen, von denen die +mittlere, in der Längsachse des Schiffes aufgestellte, die grösste +war; auf den grossen Galeeren gab es Kanonen mit einem Kaliber von +18,48 und mit Kugeln von 12 Pfund, während die auf den kleinen Galeeren +Kanonen mit Kugeln von 12, 24 und 8 Pfund hatten. + +Der kriegerische Wert richtete sich nach der Menge Eisen, das man auf +einmal pro Mann abfeuern konnte. + +Nehmen wir z. B. eine Galeere, die 44 kg Eisen auf einmal schiesst und +etwa 400 M Besatzung hat; man verschoss demnach 0,110 kg auf den Mann. +Eine Galeere kostete 400000 Frcs, d. h. 9090 Frcs pro kg Eisen. + +Vergleicht man mit dieser Galeere ein gewöhnliches Kriegsschiff, das 55 +Kanonen an Bord hat, bei 1100 Mann Besatzung, auf einmal 1000 kg Eisen +(d. h. 0,910 kg pro Mann) verschiessen kann, und dessen Kosten 3000000 +Frcs, d. h. 3000 Frcs pro kg betragen haben, so sieht man deutlich die +militärische Minderwertigkeit der Galeeren und die höheren Kosten, die +sie nach sich ziehen. Während ein gewöhnliches Kriegsschiff 9 mal mehr +Eisen auf einmal verschiesst als eine Galeere, kostet es weniger als +diese. + +Endlich möchte ich darauf hinweisen, dass die Galeeren eine +Geschwindigkeit von 2,50 m in der Sek. hatten und dass sie ausser über +Ruder auch über Segel verfügten. Sie hatten 2 Masten, den einen vorn, +den anderen in der Mitte des Schiffes; beide besassen lateinische +Segel. (Vgl. ~Jal~, _Glossaire nautique_, S. 749.) Während des Kampfes +reffte man die Segel. + +[Sidenote: II 43] + +Ich brauche nicht näher nachzuweisen, dass die Galeeren für die offene +See nicht geeignet waren, auf die man sich mehr und mehr begab. Die +Erfindung des Schiesspulvers zeigte bald die geringere Kampffähigkeit +der Galeere. Man bemühte sich also, sie zu verbessern. + +[Sidenote: II 45] + +So sehen wir im 16. Jahrhundert ein Schiff auftauchen, die «Galeasse», +deren Vorder- und Hinterteil an die Schiffe von gedrungener Form +erinnern, während das Mittelstück an die Galeeren denken lässt. Dieses +Schiff war höher und breiter als die letzteren; das Verhältnis seiner +Breite zur Länge betrug 1 : 5½, ausserdem war es höher. + +Bei einer Länge von 50,01 m hatten die Galeassen eine Breite von 9,01 +und einen Tiefgang von 3,35 m; die grösste Tiefe betrug 6,52 m. Jeder +Bord hatte 44 Ruder; die Ruderbänke hatten einen Abstand von 1,30 m. +Die Ruder wurden meist von 7 oder 8 Menschen bewegt. Der Bord war +höher als bei den Galeeren, sodass die Ruderer besser vor den Wogen +geschützt waren. + +Die Galeassen hatten gewöhnlich 700 bis 1000 Mann Besatzung. Sie waren +mit 50 Kanonen ausgerüstet, die in den Aufbauten und zwischen den +Ruderbänken aufgestellt waren. + +Die Galeasse hatte also mehr Stabilität auf dem Wasser als die Galeere, +schützte die Ruderer besser, hatte mehr Artillerie, war aber infolge +eben dieser Vorzüge nicht so beweglich, da die Triebkraft durch die +Zahl der Ruderer beschränkt war. + +Die Galeassen besassen 3 Masten mit lateinischen Segeln. Diese waren +sehr schwer zu handhaben; deshalb wurden sie bei heftigem Winde durch +Segel von kleineren Abmessungen ersetzt. + +Es ist nicht auffallend, dass auch die Galeassen den Schiffen von +gedrungener Gestalt unterlegen waren, daher sind sie niemals zahlreich +gewesen: am Ende des 16. Jahrhunderts, in der Seeschlacht zwischen den +Türken und den Vereinigten Mächten bei Lepanto war es nicht möglich, +mehr als 6 Galeassen aufzubringen. (~Jal~, _Arch. Nav._, S. 394.) Es +ist also sehr zu bezweifeln, dass die unüberwindliche Armada, die +berühmte Flotte von 1588, eine Division von 22 Galeassen enthalten +haben soll. Diese Schiffe waren zweifellos meist Galeeren. + +Ebenso wie bei den Alten gab es ausser den naves longae Schiffe von +gedrungener Gestalt, die ursprünglich lediglich für den Handel und den +Güterverkehr gebraucht wurden. + +Die Erfindung des Schiesspulvers, aber mehr noch die Schliessung der +alten Strasse nach Indien durch die Türken am Ende des 15. Jahrhunderts +änderten diesen Zustand. Der Handel verschiebt sich von diesem +Augenblick an nach dem Ozean; man ist auf der Suche nach einem neuen +Weg nach Indien, den man anderwärts findet, und so wird die «Neue Welt» +entdeckt. + +Die Völker des Nordens, begierig nach Reichtum, wagen sich ebenfalls +nach dem Süden und begnügen sich nicht mehr mit der Ostsee. + +Alle diese Umstände führen einen Umschwung im Schiffbau des +Mittelmeeres herbei. Trotz der Anstrengungen, die gemacht wurden, um +die Vorherrschaft durch die alten Schiffstype zu wahren, indem man +grössere Ruderschiffe, wie die Galeassen baute, musste man nicht nur +in Italien, sondern auch in Spanien und Portugal vor den mächtigeren +Typen der Völker des Nordens den Rückzug antreten. + +Man kann also in dem von mir eingeschlagenen Gedankengang sagen, mit +Bezug auf die Schlacht von Zierickzee im Jahre 1302, dass im 14. +und 15. Jahrhundert die Schiffbaukunst vom Ozean in das Mittelmeer +gedrungen ist. Dagegen hat die Schiffbaukunst des Mittelmeeres jene +Baukunst beeinflusst. + +Es ist nicht leicht, die dem Mittelmeer eigentümlichen Schiffstype +wiederherzustellen; tatsächlich sind uns wenig Angaben über diese +Schiffe erhalten. Wir können nur auf die erwähnten Verträge Ludwigs IX. +zurückgehen. Die ersten sicheren Angaben stammen aus einer nach dem +Mittelalter liegenden Zeit, besonders aus dem 18. Jahrhundert. + +Alle alten, zur Zeit bekannten Abbildungen sind schlecht, meist in +falschen Verhältnissen. Es hat mehrere Arten Schiffe gegeben, das ist +der einzige Schluss, den man aus ihnen entnehmen kann. + +Es ist, wie ~Jal~ sagt, wirklich bedauernswert, dass wir keine besseren +Aufschlüsse gefunden haben. Es ist jedoch zweifellos, dass es schon im +Mittelalter gute Schiffe von gedrungener Gestalt gegeben hat. (Vgl. +~Jal~, _Glos. naut._, S. 1057; ~La Croix~, S. 86 u. 96.) mit denen es +möglich war, wenigstens 500 Kämpfer zu befördern. (Vgl. ~Jal~, _Arch. +nav._, S. 380, II. Teil, Anm.) Man lud auch Pferde ein. (~Jal~, _Arch. +nav._, S. 386, u. s. w.; ~Holmes~, S. 68.) Um die dem Mittelmeer +eigentümlichen Type wiederherzustellen, muss man vor allem untersuchen, +welche Modelle noch am Ausgang des 18. Jahrhunderts zu der Zeit +vorhanden waren, wo man ausschliesslich Holzschiffe verwendete. + +Vor Beginn dieser Prüfung möchte ich bemerken, dass es eine ständige +Übung war, die Schiffe auf den Strand zu ziehen, wenn man nicht mit +ihnen fuhr; es ist auch zu bemerken, dass das Wasser des Mittelmeers im +Vergleich zu dem des Ozeans ruhig ist. Dieser letztere Punkt besonders +erklärt, warum die Ruderschiffe so lange im Gebrauch geblieben sind. +(~Paris~, IV. Bd., S. 206.) + +Um die Schiffe an Land ziehen zu können, mussten sie einen flachen +Kiel haben; tatsächlich sind die Schiffe in der Mitte breit und flach, +breiter sogar als die Schiffe des Nordens; bei diesen letzteren betrug +das Verhältnis der Breite zur Länge 1 : 4, während bei den meisten +Schiffen des Mittelmeers dies Verhältnis zwischen 1 : 2½ und 1 : 3½ +schwankt (meist 1 : 3). + +Vorn und hinten laufen die Schiffe spitz zu, anders wie die nordischen +Schiffe. Dadurch erhalten sie eine ganz besondere Gestalt. Ausserdem +verlaufen die Wände dieser Schiffe nicht gekrümmt nach oben, d. h. sie +sind höchstens vertikal. Anders ausgedrückt, die Breite ist am grössten +oben. + +Unter den alten Typen finden wir solche, deren Vordersteven, 1) gerade +ist und schräg steht, 2) gerade ist und senkrecht steht, 3) oben konkav +ist und sich oben nach innen biegt. Daneben gibt es eine grosse Zahl +mit konvexem Vordersteven. + +Neben Schiffen von gedrungener Gestalt gibt es längere, deren Breite +sich zur Länge wie 1 : 5 verhält. + +Absichtlich habe ich nicht vom Hintersteven der Schiffe gesprochen, da +dieser in den meisten Fällen durch Einführung des Steuers verändert ist. + +[Sidenote: II 48] + +Viele Schiffe haben ausserdem hinten einen glatten Vorsprung, der mit +einem Geländer versehen ist; diese Einzelheit findet sich auch auf +den Schiffen der Griechen und Römer wieder. Jener Vorsprung diente +ursprünglich als Stand für den Steuermann, der das Stangenruder zu +handhaben hatte. + +[Sidenote: II 49] + +[Sidenote: II 50] + +[Sidenote: II 53] + +Zu den wichtigsten Typen sind die _Schebecken_ mit drei Masten zu +rechnen, die zuerst mit lateinischen Segeln versehen waren. Diese +letzteren sind später durch quadratische Segel ersetzt worden. +Das so veränderte Schiff hiess dann _mystische Schebecke_ oder +_Polacker-Schebecke_. Man findet daneben auch _Polacker_. Die Länge +dieser Schiffe, etwa 15 m, verhält sich zur Breite wie 3½ : 1. Der +oben ziemlich gerade Vordersteven verläuft unten gekrümmt und trägt +einen Sporn, der hier noch Galjoen heisst. Der Hintersteven ist gerade, +steht aber schräg. Das Hinterdeck springt vor. Man könnte diesen Typ am +besten mit einer Galeere von gedrungener Form vergleichen. Hinten hat +der _Polacker_ mehr Ähnlichkeit mit den Ozeanschiffen. + +[Sidenote: II 35] + +Alle diese Schiffe stammen aus dem Westen des Mittelmeeres. (Vgl. +~Paris~, Bd. 2, Nr. 78 u. 90, sowie Bd. 1, Nr. 25.) Man kann in diese +Klasse auch die «Pink» von Genua einreihen. (~Paris~, Bd. 2, Nr. 119). + +[Sidenote: II 37] + +Wir finden noch in Tunis die «Carebe», 12 bis 15 m lang und etwa ⅓ so +breit. Dies Schiff scheint zwei Vordersteven zu haben (das Schandeck +springt zurück). + +[Sidenote: II 39] + +Vergleichen wir damit die Abbildung am Turm zu Pisa u. s. w. (~Paris~, +Bd. 2, Nr. 201), die auch ein Schiff mit doppeltem Vordersteven +darstellt. + +Neben der «Carebe» gibt es die «Arabischen Sandalen», von 12 m Länge, +2,85 m Breite und 1,30 m Tiefe. Jal sieht in ihnen eins der ältesten +Modelle. + +Die «Arabische Sandale» ist ein sehr schlankes Schiff, das in der Mitte +schmaler ist als die meisten anderen. + +[Sidenote: II 54] + +[Sidenote: II 60] + +Die Schiffe von Malta, die sogenannten «Speronare», sind ebenso +sonderbar: sie haben 15 m Länge, 4,40 m Breite, einen Tiefgang von +1,20 m und eine Tragfähigkeit von etwa 17 Tonnen; der Vorder- und der +Hintersteven sind senkrecht. Manchmal besitzen diese Schiffe hinten +noch einen geraden Vorsprung und vorn einen stumpfen Sporn. + +Derselbe Typ von 5,30 m Länge, 1,95 m Breite und 1 m Tiefe wird eine +«Tarella». Diese Barke hat keinen Sporn; zweifellos befinden wir +uns hier vor sehr alten Formen. (Vgl. z. B. die «Speronara» mit der +Abbildung von ~Layard~.) + +Die «Schifarro und Lautello» von Sizilien mit ihren rückwärts +gekrümmten Vorder- und Hintersteven sind nicht weniger merkwürdig. +Diese Barken erinnern ebenfalls an die Abbildungen des Mittelalters, +die die gleichen Merkmale haben. + +An der Ostküste Italiens finden wir die «Tartana», 17,90 m lang, 4,90 +m breit, mit einem Tiefgang von 0,80 m, und die «Barco da Pasca», lang +12,20 m, breit 2,30 m und tief 1,06 m; alle beide sind Schiffe mit +flachem Boden, fest gebaut. (~Paris~, Bd. 2, Tafel 85, 86, 87.) Es ist +noch zu bemerken, dass man auf dem Adriatischen Meer mehrere Arten +Fahrzeuge mit flachem Boden trifft: unter anderen die «Rascona», ein +sehr schmales Fahrzeug, wenn man seine Länge berücksichtigt (1 : 5), +und den «Topo». Das erstere Fahrzeug wird mittels des Ruders gesteuert. + +Griechenland und die Türkei haben viele Berührungspunkte, man findet +dort zwei Type: den einen mit geradem, aber geneigtem Vordersteven, +den anderen mit gebogenem; Beispiel: die «Scaphé» und die «Sacobeva». +(~Paris~, Bd. 2, Nr. 91, 89, 88.) + +Das Arabische Meer, um nicht weiter zu gehen, zeigt uns, die «Baggala» +und die «Dungiyah», von denen die letztere heut wahrscheinlich +nicht mehr vorkommt; das sind sehr alte Type mit stark geneigtem +Vordersteven. Oben haben wir auf griechische Abbildungen verwiesen, die +ihr völlig gleichen. + +Manche Type haben ihren Ort gewechselt. Der beste Beweis hierfür ist +die spanische «Balancella», die, wie es scheint, aus Neapel stammt. +(~Paris~, Bd. 2, Nr. 61); sie hat viel Ähnlichkeit mit dem «Trabocolo». + +Alle diese Barken, und ich habe nur die hauptsächlichsten angeführt, +ermöglichen es, einige Urtype wiederherzustellen, die man nicht nur +jetzt noch wiederfindet, sondern die schon vor mehreren Jahrhunderten +vorhanden waren. Dank der Entwickelung des Verkehrs, dank auch den nach +immer entfernteren Gegenden unternommenen Fahrten, die man unter allen +Umständen ausführen musste, sind die alten Type des Mittelmeeres längst +durch neue für die Schiffahrt mit langer Fahrt ersetzt worden. Deshalb +kann man die ursprünglichen Type nur in den Schiffen von geringerer +Grösse wiederfinden. Für diese Fahrzeuge brauchte man keine neuen +Formen zu suchen, umsoweniger, als die kleinen Schiffbauer nach dem +alten Brauch und nach Modellen arbeiteten. Erst langsam hat das Eisen +bei ihnen an Boden gewonnen, und durch dieses, aber auch langsam und +erst, wenn eine neue Generation die alte ersetzt, werden die alten Type +verschwinden. + +Es ergibt sich aus dem Vorstehenden, dass im allgemeinen die +Mittelmeerschiffe breit im Verhältnis zu ihrer Länge sind, flach in der +Mitte und vorn und hinten spitz. Berücksichtigt man dies, so erhält das +Werk von ~Fürtenbach~ aus dem Jahre 1629 mehr Wert in unseren Augen, +weil der Verfasser darin Abbildungen eines holländischen Schiffes sowie +einiger Mittelmeerschiffe gibt, in denen wir sehr viele bekannte Type +entdecken, wenn sie auch andere Namen tragen. + +Der Unterschied in der Form zwischen den Typen des Nordens und denen +des Südens, auf den wir oben hingewiesen haben, ist darin deutlich +erkennbar und tritt in voller Kraft hervor, wenn man die Hauptrippen +der beiden Schiffe vergleicht. (Vgl. die «mittlere Stamenale», +Abbildung II, und die «Stamenale» der Abbildung 16, sowie die Pläne +der beiden Schiffe.) Der Höhenunterschied zwischen Vordersteven und +Hintersteven ist nicht weniger bemerkenswert; ausserdem erscheinen die +Schiffe des Mittelmeers wirklich höher als die unsrigen. Wir werden +später sehen, dass unter dem Einfluss des Südens (des Mittelmeeres) man +auch in unserem Lande den Schiffen eine grössere Höhe gab. + +Auch das System der Aufbauten, die im Mittelalter auf den Schiffen +Platz fanden, stammt aus dem Süden. Es ist zu bemerken, dass schon +der Kaiser Leo im 10. Jahrhundert Beschreibungen über die Aufbauten +gab. (Vgl. ~La Croix~, S. 6.) Man findet sogar solche schon auf alten +römischen Zeichnungen. Man kann also mit vollem Recht annehmen, dass +diese Aufbauten sich allmählich entwickelt haben. + +Die Vervollkommnung in den Verteidigungsmitteln und daher ein Wechsel +in der militärischen Taktik, die Erfindung des Schiesspulvers mit +einem Wort, hat viel dazu beigetragen, die Bedeutung der Aufbauten zu +vermehren. + +Man wusste in unserem Vaterlande, dass die Schiffe des Mittelmeeres +spitzer waren als die unsrigen; wir haben einen Beweis dafür in der +Stelle, wo ~van Yk~ in seinem bekannten Werk, S. 355, uns darauf +aufmerksam macht, dass man dem stark gekrümmten Vorderteil, also +dem vollen Bug, die besonderen Vorzüge unserer Schiffe als Segler +zuschrieb. Und es ist sicherlich nicht ohne Interesse, wenn man weiter +liest, dass sein Vater begleitet von seinen drei Söhnen nach Genua +ging, um Schiffe zu bauen, die vorwärts fahren konnten, obwohl sie +Gegenwind hatten (S. 354), was in dieser Stadt noch unbekannt war. Zu +dieser Zeit kannte man also nicht in Genua die Kunst des Kreuzens, was +die lateinischen Segel übrigens nicht ermöglichten. + +Erst später sehen wir diese Segel durch quadratische Segel ersetzt. +Es ist also nicht wunderbar, dass die Ruderschiffe so andauernd auf +dem Mittelmeer in Gebrauch gewesen sind; andererseits können wir +als bewiesen ansehen, dass schon in den ältesten Zeiten Schiffe von +gedrungener Form neben langen Ruderschiffen vorhanden waren. (~Jal~, +_Glossaire Nautique_, S. 1049.) + +Die wenigen alten Schiffe indessen, die ausgegraben sind, zeigen +einen so hohen Grad der Vollkommenheit, dass der Schiffbau schon in +den frühesten Jahrhunderten eine wunderbare Entwicklung erreicht +haben muss. Das dürfte uns jedoch gegenüber den Meisterwerken nicht +überraschen, die uns die Völker des Mittelmeeres hinterlassen haben, +Meisterwerke die von ihrem æsthetischen und praktischen Sinn zeugen. + +Verfolgt man die fortschreitende Entwicklung des Schiffes im +Mittelalter und betrachtet man die Grössenverhältnisse der Dockbecken +u. s. w. bei den Griechen und Römern, so kann man behaupten, dass das +Altertum nicht die Riesenschiffe gekannt hat, und dass die gegebenen +Beschreibungen beim Licht der Verhältnisse geprüft werden müssen, unter +denen sie verfasst sind. Das gilt auch von der Stadt Babylon, deren +Grösse, wie die Ausgrabungen bestätigen, von den alten Schriftstellern +in sonderbarem Masse übertrieben ist. Liest man übrigens nicht täglich +von der ausserordentlichen Grösse von Schiffen und Maschinen, die +wenige Jahre danach durch noch ausserordentlichere übertroffen wird? So +wird es übrigens immer sein. + +Schliesslich möchte ich bemerken, dass man noch heut alle alten Modelle +in den kleinen Holzschiffen und in den Fischerbooten findet. + +Wenn man also eine genaue Vorstellung von den Typen der Schiffe der +Alten haben will, so muss man baldigst eine vollständige Untersuchung +eröffnen, um sie wiederzufinden, um ihre Grössenverhältnisse +festzustellen und danach mit Massangaben versehene Zeichnungen +anzufertigen, wie man dies in den Niederlanden getan hat. + +Die kurze vergleichende Untersuchung ermöglicht leicht die Feststellung +der gegenseitigen Beziehungen, die zwischen den verschiedenen Völkern +bestehen; sie zeigt, dass die alten, dem südlichen Frankreich, Spanien +und Portugal eigentümlichen Type der Mittelmeerfamilie angehören, d. h. +dem südlichen Mittelpunkt. + + +[Illustration] + + + + +[Illustration: 2] + + Het varen met weijnig volk, het nauw en zober behelpen in leeftochten + en ons ingeboren zindelijkheid, die de schepen langdurend maekt, doet + den Nederlantschen scheepvaart bloeijen, en niet het scheepsfatzoen. + + ~Nicolas Witsen~, 1771.[4] + + +Diese bemerkenswerten Worte sind charakteristisch und zeigen, dass +zum Gedeihen und zur Grösse eines Volkes etwas anderes nötig ist +als bestimmte Schiffsformen. Wenn dem nicht so wäre, sagt ~Witsen~, +so wären unsere Schiffsmodelle unverzüglich von den anderen Völkern +nachgeahmt worden. + +Die Nüchternheit und Reinlichkeit sind zwei Haupttugenden unseres +Volkes, was niemand bestreiten dürfte; aber ausser diesen Tugenden +besassen unsere Vorfahren eine Eigenschaft von hoher Bedeutung: die +Holländer waren sparsame Schiffbauer, wie sie es noch heut sind. + +Hoffen wir fest, mit vollem Vertrauen, dass dem immer so sein wird, und +dass man niemals an der eigenen Kraft zweifeln wird. + +~Witsen~ schreibt, -- was eine gewisse Bedeutung erhält, wenn man +es mit dem Vorhergehenden vergleicht -- dass die behufs Erlernung +der Schiffbaukunst nach Holland gekommenen Fremden bei der Rückkehr +in ihre Heimat unsere Art nicht nachahmen konnten. Ich wundere mich +also keineswegs, wenn diese Fremden schreiben, dass sie weder unsere +Baukunst noch unser Verfahren brauchen könnten. + +Manches Schiff, sagt der genannte Schriftsteller, ist im Ausland +analysiert und gemessen worden, aber nie hat man es Punkt für Punkt +nachgeahmt; nie auch haben unsere Schiffbauer dort Lob geerntet. + +Was ~Witsen~ darauf über die Engländer sagt, ist ziemlich sonderbar: +«In deze braveeren zij (de Engelschen) opentlijk allen Landaert en +wanen niemant huns gelijk in deze konst te hebben»[5]. Er schreibt dies +wenig günstige Urteil über die Holländer dem Umstand zu, dass in den +Niederlanden nichts über den Schiffbau veröffentlicht ist. Man wird +später sehen, dass man im Ausland tatsächlich ganz anderer Ansicht war. + +Manche Angaben bezeugen, dass schon im frühen Altertum die an den +Mittelmeerküsten wohnenden Völker die Schiffahrt gekannt haben. Noch +heut bauen die wildesten und unkultiviertesten Völker, die längs +Strömen und Flüssen wohnen, Fahrzeuge, so primitiv auch ihre Formen +sein mögen. In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts sind mehrere +alte Schiffe in Nordeuropa ausgegraben worden. Alles dies ist geeignet, +uns zu überzeugen, dass alle am Wasser wohnenden Völker die Schiffahrt +gekannt haben und zwar seit den ältesten Zeiten. + +Es ist ausserdem wahrscheinlich, dass die Form «Kanoe» die älteste +Form eines Fahrzeuges ist; es ist eine lange und schmale Form, die +natürlich aus dem ausgehöhlten Baum entstanden ist. Die Stange ist das +ursprüngliche Fortbewegungsmittel, das bald durch die Pagai (Schaufel) +und das Ruder ersetzt wurde. + +Der Mensch sucht es sich im allgemeinen bequem zu machen; es ist daher +nicht zu verwundern, dass er bald auch den Wind in der Schiffahrt zu +Hilfe gerufen hat, um ihn später als Haupttriebkraft zu verwenden. + +Die ältesten Bewohner der Niederlande haben also die Schiffahrt lange +vor der Herrschaft der Römer gekannt, und es ist anzunehmen, dass sie +oft verschiedene Teile ihrer Heimat nur auf dem Wasserwege erreichen +konnten. + +Caesar berichtet (~Holmes~, S. 52), dass die Bretonen sich sehr +leichter Schiffe bedienten, die aus einem Gerippe von Lindenzweigen +bestanden, das mit Häuten bespannt war. Andrerseits erzählt der Papst +Marcellin (296 bis 304 n. Chr.), wie sehr die Sachsen wegen ihrer +Beweglichkeit zu fürchten wären und fügt hinzu, dass ihre Schiffe aus +Büffelhäuten beständen, die straff über biegsames Holz gespannt waren. + +Neben den langen Ruderschiffen wird es zweifellos sehr früh breitere +und weniger schnelle Schiffe gegeben haben. Diese Schiffe wurden mit +Segeln bewegt. Schliesslich haben sie die Ruderschiffe völlig verdrängt. + +Nichts ist von diesen ursprünglichen Fahrzeugen erhalten geblieben. + +Die ältesten Bewohner unseres Landes sind bekanntlich aus dem Orient +gekommen; zweifellos kannten sie die Schiffbaukunst; sie werden aber +ihre Modelle den Bedürfnissen haben anpassen müssen, die durch den +Zustand der Schiffahrtsstrassen in unseren Niederungen entstanden. + +Man kann also behaupten, dass die Wiege der Schiffbaukunst der +Niederlande sich in der Ostsee befunden hat. Wir wollen also vor allem +unsere Blicke nach der Seite wenden, wo seit der ältesten Zeit die +Schiffbaukunst einen hohen Grad der Vollkommenheit erreicht haben muss. +Das ergibt sich nicht nur aus der Zahl der ausgegrabenen Schiffe, +die der Wikingerzeit angehören, sondern auch aus den in letzter Zeit +vorgenommenen Untersuchungen. Aus diesen Untersuchungen lässt sich +folgern, dass schon im Altertum die nordischen Völker die Nordsee +durchfahren haben müssen. Der schwedische Archæologe ~Montelius~ +vermutet sogar, dass es am Ende der Steinzeit schon dauernde +Beziehungen zwischen der Westküste von Schweden und der Ostküste von +England gab. + +Lange vor den eigentlichen Wikingerfahrten nach Süden, haben die +Wikinger schon Seefahrten unternommen, und es ist sicher, dass im +Anfang unserer Zeitrechnung die Völker des Nordens Schiffahrt trieben. +~Tacitus~ spricht von mächtigen Flotten der Schweden, die zu seiner +Zeit nicht das Segel, sondern einfach das Ruder verwendeten. Das Werk +«Vesterlandenes indflydelse poa Nordboenes og saerlig Nordmaennenes +ydze Kulture levesaet og sim funds forhold i Vickingetiden af +Alexander Bugge 1905»[6] ist also vollauf berechtigt zu sagen, dass +die Schiffahrt des Nordens ihren Ursprung den suevischen und gothischen +Volksstämmen verdanken dürfte, die an den Ostseeküsten angesiedelt +waren, von wo sie dann zu den Normannen und Dänen gekommen ist. +Wir können wohl hinzusetzen, dass es ebenso mit den Niederlanden, +Grossbritannien, Belgien und einem Teil von Nordfrankreich gewesen ist. + +Der berühmte deutsche Philologe und Archæologe Professor N. ~Zimmer~ +nimmt an, dass die Normannen die Shetlandsinseln zwischen den Jahren +590 und 644 besucht haben. Diese Annahme ist durch die Untersuchungen +des Dr. ~Jacob Jacobsen~ bestätigt worden, der lange auf den fraglichen +Inseln gelebt hat, um die nordischen Namen der Dörfer zu untersuchen +und andere Spuren der nordischen Sprache aufzusuchen. Dieser Gelehrte +hat ebenfalls gefolgert, dass die Normannen die Shetlandsinseln schon +um das Jahr 700 besucht haben. + +[Sidenote: II 75] + +Wenn wir diesen Tatsachen gegenüberstellen, was im Mittelmeer vor sich +ging, wo man immer versuchte, am Abend an Land zu gehen, so können wir +ein Gefühl der Bewunderung für die Normannen nicht unterdrücken, die +furchtlos das Meer bis Island und Grönland durchquerten. Ihr Schiffbau +muss schon damals einen ausserordentlich hohen Grad der Vollkommenheit +erreicht haben, was in vollem Masse durch die Bauart der prachtvollen +Schiffe «Oxberg» und «Gokstad» bestätigt wird, die in der Gegend von +Sandefjord aufgefunden sind (Museum der Altertümer von Christiania). + +Es ist sonach wenig wahrscheinlich, dass die Völker des Nordens irgend +etwas im Schiffbau bei ihren Fahrten nach Westeuropa gelernt haben. +Im Gegenteil hat dieser Teil Europas, also auch die Niederlande, von +ihnen die Schiffbaukunst erhalten. Erst später spricht man in England +von einer Flotte und einer Marine. (Siehe ~Holmes~, _Ancient and modern +ships_, 1900.) + +In der Folge richteten die Normannen ihre Fahrten immer mehr nach +Süden; sie setzen sich in der Normandie fest und bemächtigten +sich Englands. Bei diesen Fahrten lernten sie den Schiffbau des +Mittelmeeres kennen. Selbstverständlich werden sie damals alles +beachtet haben, was hier an Vollkommenem vorhanden war. Es lag dies +zudem in ihrem Interesse. Sie entnahmen insbesondere von den Völkern +Südeuropas den Anker, den diese von den Griechen kennen gelernt +hatten. Das nordische Wort «akkeri», das _Anker_ bedeutet, scheint dem +angelsächsischen «ancor» entlehnt zu sein, das von dem lateinischen +«ancora» stammt. Das Wort «forkr» (Bootshaken) ist ebenfalls +ausländischen Ursprungs; es kommt von dem angelsächsischen «forca» und +dem lateinischen «furca» her. + +Die normannischen Schiffsmodelle haben jedoch durch diese Berührung mit +dem Süden keine Veränderung erlitten. Das aussergewöhnliche Leben der +Wikinger, ihre ständigen Seeräubereien lassen den Schluss zu, dass das +Handelsschiff sich nicht bei ihnen vervollkommnet hat, sondern bei den +Völkern, die sich mit dem regelmässigeren Handel befasst haben. Ich +finde es nicht wunderbar, dass diese Entwicklung sich im Nordwesten +Europas vollzogen hat. Es wird sogar von einigen behauptet, dass das +Schiff «Büse», das im Mittelalter allgemein in Gebrauch war, aus der +Normandie gekommen ist und aus dem 11. Jahrhundert stammt. + +Zur Unterstützung dieses Satzes dient die Tatsache, dass das Wort +«Busse» (Büse) zu jener Zeit zum ersten Male in den alten Chroniken +erscheint. + +J. ~Steenstrup~ hat die Aufmerksamkeit auf die «Butsecarlas» gelenkt +(die in den alten angelsächsischen Chroniken des Jahres 1066 und +in dem Buch von Florant Wigorniensis aus dem Jahre 1052 erwähnt +werden), ein Volk von Seeleuten, das an den Küsten von Hastings und +Yorkshire wohnte. Der letztgenannte Schriftsteller lenkt ausserdem die +Aufmerksamkeit auf den zweiten Teil des Wortes, das der nordischen +Sprache angehört, während das Wort «buza» ziemlich oft in dem +Alt-Nordischen und dem Alt-Schwedischen etwa im 13. Jahrhundert +vorkommt und ein Schiff von stark gekrümmter Form bezeichnet. Dies +Wort ist indessen romanischer Herkunft: es entspricht, wie ich hörte, +dem Alt-Französischen «buse» oder «buce» (aus dem Jahr 1080 etwa); man +glaubt also, dass das Schiff «Büse» aus der Normandie stammt. + +Das scheint mir indessen nicht so sicher; es ist nämlich erwiesen, dass +dieselben Schiffsformen sich jahrhundertelang, allerdings unter anderen +Benennungen erhalten haben. + +Der Umstand, dass das Wort «buse» (Büse) zum ersten Mal ums Jahr 1080 +gebraucht wird, ist also kein Beweis, dass der fragliche Schiffstyp +erst in dieser Zeit aufgetaucht ist. Ich möchte eher glauben, dass das +Modell, um das es sich hier handelt, schon vorhanden war, dass es aber +erst um 1080 mit «buse» oder «buce» (Büse) in der Normandie bezeichnet +ist, wahrscheinlich, nachdem einige unwesentliche Änderungen mit ihm +vorgenommen sind. + +Die Schiffbaukunst ist in die Niederlande aus der Nordsee durch die +ältesten Bewohner des Landes, die Friesen und die Sachsen gekommen, die +sie dann ohne jeden fremden Einfluss weiter entwickelt haben. + +In dieser Beziehung sind die folgenden Worte ~Witsens~ auf Seite +47 seines bekannten Werkes von wirklicher Bedeutung: «De Vriezen +komt de lof toe van de herstelde scheepsbouw in Nederland, zoo de +meeste schryvers willen»[7]. Es handelt sich tatsächlich um eine +eigene Entwicklung für den Nordwesten Europas; die besonderen und +übereinstimmenden Formen, die man noch jetzt zum grossen Teil von +Dänemark bis Belgien findet, beweisen es vollauf. + +Deshalb können wir im Gegensatz zum Mittelmeer oder dem Südzentrum im +Hinblick auf Belgien von einem Nordzentrum sprechen. In weiterem Sinne +hat die Entwicklung der Schiffbaukunst in diesem Nordzentrum begonnen +und hat dann schliesslich ihren Höhepunkt in den Niederlanden erreicht. +England und Frankreich sind uns gefolgt. + +Die Schiffbaukunst ist allmählich in den Niederlanden weiter +aufgeblüht, und zwar nur mit einer Unterbrechung in der Zeit, wo +Frankreich durch die Kontinentalsperre herrschte. + +[Sidenote: II 72] + +Wir kehren nun zu den Schiffstypen zurück. Ich habe schon bemerkt, dass +man einige Wikingerschiffe aufgefunden hat. Man entdeckte eins i. J. +1867 in Haugen und ein anderes i. J. 1880 in Gokstad; schon früher +i. J. 1865 hatte man in Jütland 3 Schiffe gefunden, die aus dem 5. +Jahrhundert zu stammen scheinen. Das grösste von ihnen hat eine Länge +von 70 Fuss. + +Man entdeckte ebenfalls ein Wikingerschiff in Charbuw, bei Pommeren. +Die letzte Entdeckung erfolgte in der Umgegend von Oxenberg bei +Christianiafjord in Norwegen (1904). + +[Sidenote: II 74] + +Alle diese Schiffe sind Ruderschiffe; man konnte sich auf ihnen +aber auch der Segel bedienen, die man an dem in der Schiffsmitte +aufgestellten Mast befestigte. + +Die Schiffe sind im Vergleich zu ihrer Breite weniger lang als die +Ruderschiffe des Mittelmeeres; ihre Breite beträgt nämlich ⅕ der Länge. +Sie sind in der Mitte voll, ziemlich flach und werden nach vorn und +hinten schmaler. Der Vorder- und der Hintersteven sind sehr hoch. Ein +an der Seite des Hinterteils befestigtes Ruder dient ihnen als Steuer. + +Ihr Bau weicht ebenfalls wesentlich von dem der Mittelmeerschiffe +ab; hier findet man nur Schiffe mit glatten Wänden, während die +Wikingerschiffe übereinandergreifende Planken haben. + +Das Schiff «Gokstad» ist eins der schönsten Beispiele dieses Typs; es +ist eingehend beschrieben von ~Holmes~ in seinem schönen Werk «Ancient +and modern ships», S. 55 und folg. Dies Schiff hat eine Länge von 77 +Fuss 11 Zoll, eine Breite von 16 Fuss 7 Zoll, und eine Tiefe von 5 Fuss +9 Zoll; es hat ebenfalls übereinandergreifende und genagelte Planken. + +[Sidenote: II 76] + +[Sidenote: II 80] + +Wenden wir uns nun nach Norwegen und betrachten wir dort die +Fischereifahrzeuge, die noch heut in Gebrauch sind; wir werden durch +die Ähnlichkeit betroffen sein, die zwischen diesen Schiffen und dem +Wikingerschiff besteht, sowohl hinsichtlich der Bauart wie hinsichtlich +der Form. Das veranlasst ~Holmes~ zu schreiben (S. 60): «Such an +instance of persistency in type is without parallel in the history of +shipbuilding». (Eine solche Beibehaltung des Typs ist in der Geschichte +des Schiffbaues ohne gleichen). + +Wir haben gesehen, dass dies nicht nur in Norwegen vorkommt, sondern +bei allen Völkern. Wir finden es nicht wunderbar, dass die ältesten +Modelle bei den Fischerbooten zu finden sind; keine Klasse ist +konservativer als die der Fischer, die ihre Boote wie ihre Vorfahren +bauen und die sich nur durch die Notwendigkeit zu neuen Formen bewegen +lassen. + +[Sidenote: II 103] + +Ausser den im Norden aufgefundenen Modellen ist uns wenig von den +älteren Schiffstypen geblieben. Die Beschreibungen und Abbildungen, die +wir besitzen, sind entweder oberflächlich oder unvollkommen. In dieser +Hinsicht ist das Wappen der Stadt Amsterdam die bekannteste Urkunde, +die uns die Niederlande liefern. Das Werk ~Witsens~ enthält auf S. 362 +mehrere Abbildungen dieses Wappens aus verschiedenen Zeiten. + +[Sidenote: II 112] + +[Sidenote: II 105] + +[Sidenote: II 110] + +~Holmes~ gibt ausserdem die Schiffe wieder, die auf einem alten +Wandteppich von Bayeux (1066) abgebildet sind, wie das «Sandwich +Seal» (Siegel) von 1238, das «Dover Seal» von 1284 und das «Pool +Seal» von 1325 (S. 67 und 68). Die letzteren Siegel stimmen mit der +ältesten Abbildung des Wappens von Amsterdam überein, und das auf ihnen +dargestellte Schiff ist dem der genannten Stadt ziemlich ähnlich. Man +darf auf diese Einzelheit jedoch nicht zu grossen Wert legen, denn +wie der heraldische Löwe wenig einem wirklichen Löwen gleicht, so ist +anzunehmen, dass das heraldische Schiff nicht die treue Abbildung des +Typs ist. + +Die alte Bibel mit Abbildungen aus der Zeit von 1200-1220, welche sich +in der Königlichen Bibliothek im Haag befindet und die zu uns von +Nordfrankreich gekommen sein dürfte, enthält auch eine bemerkenswerte +Abbildung; der Typ eines Schiffes, das darin abgebildet ist, gleicht +ebenfalls den vorigen. + +[Sidenote: II 112] + +Die Übereinstimmung aller dieser Abbildungen gestattet die Folgerung, +dass in Westeuropa nur eine Sorte Schiffe vorzugsweise benutzt +wurde; die deutlich erkennbare Beplankung zeigt überdies das +Übereinandergreifen der Planken. + +[Sidenote: II 78] + +Aus der Abbildung auf dem Wandteppich von Bayeux geht ausserdem +hervor, dass man sich sehr früh des Segels bedient hat; der Steuermann +eines der Schiffe, die darauf abgebildet sind, hält in der Hand eine +Segelleine. Diese Schiffe haben ausserdem -- was zu beachten ist -- +ziemlich vertikale Vorder- und Hintersteven, wie man sie noch heut bei +einigen Fischerbooten Norwegens trifft. + +Das «Koggeschiff» (cogue), das Wappenschiff von Amsterdam ist ein +sehr bekannter mittelalterlicher Typ, dessen Bedeutung vom 13. +Jahrhundert ab in West- und Mitteleuropa deutlicher hervortritt, wo +es die hanseatischen Völker, die Hansen und die Friesen erheblich +vervollkommneten. + +Dies im Verhältnis zur Länge sehr breite Schiff war schwer besteigbar; +daher liess es sich als Kriegsschiff gut verwenden. + +Das «Koggeschiff» scheint älter zu sein als der Hansabund (1250), wenn +man sich an seinen Namen hält, dem man schon vor dieser Zeit begegnet. +So hatten die Einwohner der Niederlande mehrere «Koggeschiffe» +auszurüsten, um die Einfälle der Normannen zu bekämpfen (818-1010). + +Das war die Anwendung des Feudalsystems auf die Schiffahrt (siehe ~La +Croix~ S. 88). Diese Politik wurde bekanntlich unter Karl dem Grossen +endgültig eingeführt, der die Friesen im Jahre 785 und die Sachsen +im Jahre 804 unterjochte (J.-C. ~de Jonge~, _Histoire de la marine +néerlandaise_, I. Bd. S. 6). + +Natürlich setzte man alles ins Werk, um dem zu entgehen. Eine +Verordnung des römischen Königs Otto I (936-973) legt einen Zehnten auf +die Koggeschiffe (Kogschuit), dessen Ertrag dem Bischof von Utrecht +zufiel. Es war dies das Lösegeld für die Verpflichtung, dem Fürsten +mit den Koggeschiffen zu dienen. Diese Verpflichtung scheint im Grunde +besonders die an der jetzigen Zuiderzee liegenden Gegenden betroffen zu +haben. (~de Jonge~, Bd. I S. 7.) + +Das Koggeschiff erscheint zum erstenmal in Deutschland erst im Jahre +1211, als der Kaiser Otto IV. den Einwohnern von Wismar erlaubte, zwei +Koggeschiffe (Cogken) und soviel kleine Schiffe zu unterhalten, als sie +wünschten. + +Einige behaupten, dass das Wort «Cogue», im Altnordischen «Kuggr» vom +italienischen «cocca», vom spanischen «coca» oder vom altfranzösischen +«coche» kommt und meinen demnach, dass das Koggeschiff romanischen +Ursprungs sei. Das ist nicht wahrscheinlich; das Koggeschiff ist +ein Schiffstyp, der dem alten Wikinger-Schiff nachgebildet und den +Sonderverhältnissen der Schiffahrtstrassen und den Niederungen +Nordwesteuropas angepasst ist. Es war also solide gebaut, d. h. breit +und voll, um es leicht an Land ziehen zu können. + +Das Koggeschiff war tatsächlich im Mittelmeer unbekannt; das ergibt +sich übrigens aus dem, was der Geschichtsschreiber ~Florentin Villani~ +gelegentlich der Schlacht von Zieriksee davon erzählt. Wenn dies Schiff +ein Muster aus dem Mittelmeer gewesen wäre, so hätte der genannte +Schriftsteller die Aufmerksamkeit nicht besonders darauf gelenkt. Das +Koggeschiff gehört also wohl nach Nord- und Westeuropa; es verdankte +seine Vervollkommnung den Friesen und besonders den Flamändern. + +[Sidenote: II 103] + +[Sidenote: II 97] + +[Sidenote: II 98] + +Im 13. Jahrhundert war das Koggeschiff schon allgemein im Gebrauch, und +man kann annehmen, dass die Normannen es schon zur Zeit der Wikinger +kannten. Leider ist nicht viel davon übrig geblieben. Die ältesten +Abbildungen, die wir von ihm besitzen, sind die auf den Siegeln von +Amsterdam und Harderwyk. Aber das Schiff, das auf dem Wappen der +ersteren Stadt abgebildet ist, hat sehr viele Veränderungen im Laufe +der Jahrhunderte durchgemacht. Es ist eine schlecht hergestellte +Zeichnung, wie ~Witsen~ bemerkt, der diese mangelhafte Herstellung der +Unkenntnis der Wappenstecher zuschreibt. (~Witsen~, S. 363.) + +[Sidenote: II 108] + +Das Wappen von Harderwyk stimmt mit dem von Damme überein. (~Jal~, +_Gloss. nautique_ S. 1051); zweifellos zeigen uns die beiden Siegel +dasselbe Schiff (der einzige Unterschied besteht darin, dass das Schiff +von Damme 2 Aufbauten hat). Wenn also, wie ~Witsen~ behauptet, das +Schiff von Harderwyk ein Koggeschiff ist (~Witsen~, S. 364, 2. Spalte +unten), so muss es ebenso das von Damme sein. + +Was die Siegel von Amsterdam betrifft, so bemerkt ~Witsen~ ausserdem, +dass das älteste nicht vor dem Jahre 1200 angefertigt sein kann, da +Amsterdam vor dieser Zeit nicht den Rang einer Stadt besass. Er fügt +hinzu, dass man auf diesem Wappen klar sieht: «hoe het met de bouwery +der Kog-schepen oulinx heeft gestaen en hoe haer gestalte steeds is +veranderd met den tyd, gelijck men ook hedens-daegs (dus ten tyde van +dien schryver) de gestalten der schepen steeds veranderen ziet» (blz. +364)[8]. + +Der Rumpf der Koggeschiffe hatte übereinandergreifende Planken. + +Die meisten Abbildungen zeigen uns nur ein Vorderteil mit abgerundeter +Form. Man kann also annehmen, dass das auf dem Wappen von Harderwyk +dargestellte Schiff eine Abart des gewöhnlichen Koggeschiffs ist. Es +ist zu bemerken, dass alle alten Modelle von holländischen Schiffen wie +das Koggeschiff ein leicht abgerundetes Vorderteil ohne Galion zeigen. + +[Sidenote: II 124 u. s. w.] + +Alle alten flämischen Stiche aus dem 15. Jahrhundert zeigen +verschiedene Schiffstypen, und sonderbarerweise hat keins von diesen +den Namen Koggeschiff. Indessen zeigen uns alle diese Stiche gedrungene +Schiffe mit rundem Vorderteil, die sicher von den Koggeschiffen +abzuleiten sind. + +[Sidenote: II 190] + +Man findet sogar eine Abbildung aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts, +die ein seeländisches Koggeschiff darstellt. Vorder- und Hinterteil +haben dort gleiche Form; es ist indessen anzunehmen, dass das +Vorderteil breiter gewesen ist mit Rücksicht auf die Stelle, an der +sich der Mast befand, und die auf etwa ein Drittel der Schiffslänge +vom Vordersteven aus gerechnet liegt; dieser letztere sowie der +Hintersteven sind gekrümmt; die Ruderpinne geht durch ein Gehäuse; der +Mast ist stark geneigt, wie es die Verwendung der alten Spriete wollte. +Das Schiff hat ausserdem Schwerter. + +Die Zeichnung lässt nicht deutlich erkennen, ob die Planken des Rumpfes +übereinander greifen. Es ist wohl möglich, dass die Wände glatt gewesen +sind, denn zu jener Zeit war diese Bauart schon üblich. Das Schiff hat +keinen Spiegel; der Rumpf ist mit konvexen Planken bedeckt. + +[Sidenote: III 115] + +[Sidenote: III 116] + +Zweifellos stammt dies seeländische Koggeschiff von dem ursprünglichen +Koggeschiff. Wir können annehmen, dass dies Fahrzeug etwas breitere +Enden hatte; der Mast dürfte in der Mitte gestanden haben; richten +wir den Mast in der Mitte auf, ersetzen wir das Steuer durch ein +Steuerruder, lassen wir die Schwerter fort und denken wir uns die +Wände klinkerweise hergestellt, so werden wir eine Vorstellung von +dem Koggeschiff haben; dann aber erhält unser «Bom» eine ganz andere +Bedeutung. Dies letztere Schiff ist bekanntlich in den letzten Jahren +erheblich vergrössert worden und hat an seinen Enden an Breite +gewonnen, um die Fassungskraft zu vermehren. Das sieht man klar, +wenn man das Vorderteil eines «Bom» mit dem Vorderteil der Barke +vergleicht, die zum Krabbenfang dient. Diese letztere zeigt noch die +alten runden Formen und hat im Verhältnis zu ihrer Länge eine geringere +Breite. + +[Sidenote: III 112] + +Wir können also annehmen, dass der Bom weniger eckige Enden und ein +höheres Vorder- und Hinterteil hatte, also etwas mehr gekrümmt war als +die früheren Schiffe; wir erhalten so ein Schiff, das mit seinen Wänden +aus klinkerweise an einander genagelten Planken sich wenig von dem +alten Koggeschiff unterschied, und sofort erklären wir uns den Ursprung +eines alten Schiffstyps, den man noch als eine Seltenheit in unserer +Fischereiflotte findet. + +So geändert unterscheidet sich der «Bom» nicht mehr so sehr von der +«Egmonder Pink», die von ~Witsen~, S. 168, beschrieben und gezeichnet +wird; es dürfte sogar erlaubt sein zu sagen, dass er aus jener +entstanden ist. So erklärt es sich, dass noch heutzutage die «Bommen» +oft «Pinken» genannt werden. + +Ein im Gemeindemuseum des Haags aufbewahrtes Bild stellt übrigens +den Strand von Scheveningen dar, der nicht mit «Bommen» sondern mit +«Egmonder Pinken» bedeckt ist. + +Wir werden darauf zurückkommen, wenn wir von den Fischereifahrzeugen +sprechen werden. + +[Sidenote: II 243] + +Die Barken für den Krabbenfang erfuhren weniger Abänderungen; daher +unterscheiden sie sich auch, abgesehen von dem Spiegel, der später auf +ihnen angebracht wurde, weniger von der Egmonder Pink, die sich endlich +fast vollständig in der Ostender Fischerbarke wiederfindet, wie schon +~Lelong~ in seiner _Encyclopédie d’Architecture navale_, S. 17, bemerkt +hat. + +Einige Bommen haben noch im 19. Jahrhundert auch als Küstenwachtschiffe +gute Dienste leisten können. Nichts beweist, dass sie schon zur +Zeit Witsens vorhanden waren; es scheint nicht so, denn dieser +Schriftsteller erwähnt sie nicht; er begnügt sich mit der Bemerkung, +dass man ausser den Egmonder Pinken auf dem Strande andere +Fischerbarken fand, die viel kleiner waren und nur Besan-Segel +besassen. Wenn diese Barken durch ihre Formen sich viel von den Pinken +unterschieden hätten, so hätte er meines Erachtens sicher davon +gesprochen. (S. ~Witsen~, S. 168, 2. Spalte.) + +[Sidenote: II 187] + +Der Zeichner, der das seeländische Koggeschiff nachbildete, hat uns +auch die Zeichnung eines «Deghbootes» hinterlassen, das wie das erste +aus Seeland stammte. (~Witsen~, S. 120, 2. Spalte.) Dieses Fahrzeug +gleicht sehr jenem Koggeschiff. Der Vordersteven ist etwas länger, die +«Statie» ist nicht geschlossen, und es sind keine konvexen Lukendeckel +vorhanden. Nur die Takelung weicht vollständig von derjenigen der +«Pink» ab, und alles lässt darauf schliessen, dass sie aus dem Süden +stammt. + +[Sidenote: II 189] + +[Sidenote: II 188] + +Derselbe Zeichner bringt eine Abbildung eines Brabanter «Heude» +oder «Heu», den man kleine seeländische Kogge nennen könnte. Es +scheint indessen auch grössere «Heuden» gegeben zu haben, wenn man +der Abbildung des «Heu von Brüssel» folgt, eines Fahrzeugs, das zwei +Kanonen trug. Diese Abbildung lässt keinen Schluss auf die Form des +Schiffes zu. + +Es dürfte hier zu bemerken sein, dass man sehr vorsichtig in Bezug +auf diese verschiedenen Benennungen sein muss, die Anlass zu vielen +Verwirrungen gegeben haben; ein Beispiel hierfür ist die berühmte +Besprechung, die im Jahre 1902 und 03 in Groningen über die Frage +stattfand, was ein «Pram» ist. + +Die Kreuzzüge, die im Jahre 1096 begannen, haben in hohem Grade zur +Vervollkommnung des Schiffes beigetragen; das gleiche gilt von der +Erfindung des Kompasses in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. +(~Holmes~, S. 66.) Der Handel und die Schiffahrt nahmen einen immer +grösseren Aufschwung, sodass im 13. Jahrhundert Damme der Stapelplatz +für Nordeuropa wurde. Italien, Spanien und Frankreich brachten ihre +Erzeugnisse zu uns. Die alten Seegebräuche von Damme wurden später die +Quelle des Seerechts in Holland, im Norden Deutschlands (~Koenen~, S. +50), in Schweden und in Dänemark. + +Es werden Handelsverträge mit den Hansestädten geschlossen, und im +Jahre 1252 stellt man Tarife auf. (~Koenen~.) In diesen Tarifen spricht +man von «Losbogen, Scharpoise, Eenvaren», Barken mit hohem Bord und +Heckbooten. Man findet diese Benennungen in einem Vertrag, der zwischen +dem Herrn von Kuyck und dem Herrn von Dordrecht geschlossen wurde, um +einen Streit über den Zoll in Kuyck zu schlichten. + +Unter «Losbogen» versteht man die Schiffe, die von vorne oder vom +«Booge» entladen wurden, wie dies noch auf den Schiffen geschieht, die +Holz befördern. + +Zu den «Scharpoise» oder «Escarpoise» rechnet man die Barken, die auf +der Scharpe, einem Nebenfluss der Schelde, in Gebrauch waren. + +Die «Eenvaren» waren Fahrzeuge, die von einem einzigen Schiffer geführt +wurden, während die «Heckboote» Schiffe mit Spiegel waren. + +Diese Benennungen werden genügen, um zu beweisen, dass es frühe +verschiedene Arten von Fahrzeugen gegeben hat, und dass neben der +«Kogge» andere, wenn auch kleinere Schiffe vorhanden waren. + +Ursprünglich steuerte man die «Kogge» mit dem Ruder wie alle anderen +Schiffe; erst im 13. Jahrhundert wurde diese Art allmählich aufgegeben, +und das Ruder wurde vom Steuer verdrängt. + +Man kann für Holland nicht die Zeit bestimmen, zu der dieser Wechsel +stattfand; die verschiedenen Wappen von Amsterdam können hierfür keine +Aufklärung geben. Auf mehreren von ihnen hat nämlich das Schiff kein +Steuer, zweifellos um symbolisch anzudeuten, dass man nach allen Teilen +der Erde schiffen könnte (~Witsen~, S. 634), und dass von Amsterdam +Schiffe nach allen Gegenden der Erde fuhren. + +Es ist trotzdem anzunehmen, dass das Steuer ebenfalls im 13. +Jahrhundert in Holland eingeführt ist. + +Einige haben behauptet, dass zwischen der Einführung des Kompasses und +des Steuers eine Beziehung bestanden hat; letzteres musste angenommen +werden, als man mit Hilfe des Kompasses immer weitere Fahrten +unternehmen konnte. + +Ich meinerseits glaube nicht, dass die geringste Beziehung zwischen +Kompass und Steuerruder bestanden haben kann; die Normannen fuhren +nämlich schon durch die Nordsee, bevor das Steuer bekannt war. + +Die ältesten Abbildungen der «Kogge», wie primitiv sie auch sein +mögen, haben in der Mitte einen Mast mit Takelung. Ich kenne keine +Abbildungen, die Ruder zeigen. Man kann also sagen, dass die Takelung +die Hauptausrüstung war, und dass die Ruder, deren Zahl auch auf den +grössten Koggen höchstens 32, also 16 auf jeder Bordseite betrug, nur +zur Zeit von Windstille benutzt wurden. Das geschieht noch heut auf den +kleineren Fahrzeugen, wie den «Tjalken». + +Die Ruder waren also nur nebensächlich, entgegen dem, was man auf +den Galeeren sieht, wo die Ruder die Hauptsache und die Takelung die +Nebensache war. Das ist der Grund, aus dem man im Gegensatz zu der +Kogge keine Abbildungen von Galeeren ohne Ruder findet. + +Man gibt also ohne Grund den «Koggen» manchmal den Namen «Galeeren». +Diese haben sich niemals in den Niederlanden einbürgern können. ~De +Jonge~ hat schon auf die Ungenauigkeit der Stelle hingewiesen, wo der +Verfasser der Annexe _Op Wagenaar_, Bd. 3, S. 50, erzählt, dass die +1100 gegen Antwerpen von Graf Wilhelm III. geschickten Schiffe fast +ausschliesslich Galeeren waren. + +In der Geschichte der Niederlande ist jedoch von Galeeren die Rede, +aber nicht von dem Mittelmeertyp. Ihre Zahl ist beschränkt gewesen; sie +wurden nur auf Strömen und Flüssen verwendet. + +[Sidenote: II 145] + +Ein Stich aus etwa 1600, der die Schelde vor Antwerpen darstellt, sowie +eine Ansicht von Gouda zeigen uns eine derartige Galeere. + +Diese Galeeren waren nur grosse Ruderschiffe, ein wenig länger als die +gewöhnlichen Barken (~de Jonge~, Bd. 1, S. 80) und hatten höchstens +32 Ruder. Die grösste niederländische Galeere diente dem Schutz von +Amsterdam und hiess der «Schrecken der Zuiderzee». + +Die in den Seeschlachten verwendeten Galeeren sind zu uns aus dem Süden +gekommen. + +Wer den holländischen Nationalcharakter kennt, wird sich nicht wundern, +dass die Galeere in Holland keinen Erfolg hatte. Da die Beschäftigung +auf der Galeere als verächtlich galt, so fand man keine freiwilligen +Ruderer; Sklaverei gab es nicht, da sie frühzeitig abgeschafft war. (s. +~Witsen~, S. 194, 1. Spalte.) + +Die Koggeschiffe behielten nun nicht ihre einfachen Formen, die wir +beschrieben haben. Die fortwährenden Kriege, die zur Errichtung fester +Burgen im Mittelalter führten, veranlassten den Bau fester Teile auch +auf den Schiffen, und so sehen wir, wie sich allmählich bei uns +ebenfalls jene Kastelle entwickelten, die sich vorn und hinten auf den +Schiffen erhoben. Die Siegel von Amsterdam liefern hierfür ein Beispiel. + +Die militärische Taktik beeinflusste natürlich die Bauart der Schiffe. +Die Kreuzzüge und der darauf folgende Verkehr mit den Völkern des +Mittelmeeres, denen die Kastelle schon bekannt waren, lehrten auch +uns die Aufbauten kennen. Wenn es beim ersten Treffen nicht gelang, +das feindliche Schiff in den Grund zu bohren, so enterte man, um Mann +gegen Mann zu kämpfen. Nunmehr war derjenige Sieger, der die festesten +Schiffe besass und sich hoch aufstellen konnte, um seine Pfeile auf den +Feind abzuschiessen. Was war somit natürlicher, als auf den Schiffen +die festen Kastelle mit ihren zinnengekrönten Türmen nachzuahmen. Wenn +der Feind das Deck betrat, so zog man sich in die Kastelle zurück. Man +darf sich also nicht wundern, wenn man auf den Masten die alten Marsen +findet und wenn man hört, dass man sogar die kleinen Boote emporzog, um +von dort den Gegner sicherer unter einem Hagel von Pfeilen und Steinen +zu zerschmettern (~de Jonge~, Bd. I, S. 20). + +Es ist begreiflich, dass die abnehmbaren Aufbauten nicht den +Erwartungen entsprochen haben, und dass man von nun ab bald dahin kam, +das Kastell und das Schiff fest miteinander zu verbinden, daher das +erhöhte Vorder- und Hinterteil. + +Bei dieser Bauart sind Portugal und Spanien, die das Mittelmeer +nachahmten, uns vorangegangen. + +Wir sehen so das Schiff des 16. Jahrhunderts sich allmählich entwickeln +und wir verstehen, wie zwischen den vorn und hinten befindlichen +Aufbauten der mittlere Teil niedrig blieb. + +Anfänglich gab es kein Deck. Daher überdeckte man den mittleren Teil, +um ihn gegen die Steine und sonstige Wurfgeschosse zu schützen, mit +einem hölzernen Gitterwerk (siehe u. a. ~Witsen~, S. 51, 2. Spalte), +während die Borde des Schiffs mit Zinnen versehen waren, die mit Zinn +beschlagen waren, um beim Entern das Erklettern zu erschweren. + +[Sidenote: II 105] + +[Sidenote: II 106] + +[Sidenote: II 109] + +Die englischen Siegel, die feiner und künstlerischer geschnitten +sind als die unsrigen, geben eine ausgezeichnete Vorstellung von +der fortschreitenden Entwicklung der Aufbauten. Fünf davon zeigen +Schiffswände, die klinkerweise genagelt sind, während das Siegel der +Stadt «Poole» deutlich Bolzen erkennen lässt. Die Kastelle sind in +ihren aufeinanderfolgenden Entwicklungsabschnitten so klar dargestellt, +dass man keiner Erklärung bedarf. Das Ruder, zum Lenken, welches auf +dem ältesten Siegel dargestellt ist, ist auf den anderen durch ein +Steuer ersetzt. Das Siegel von Boston hat einen gut gebauten Dreimaster +mit glatten Borden. + +[Sidenote: II 110] + +[Sidenote: II 100] + +Alle diese Siegel, ausgenommen dies letztere, zeigen die Formen der +«Koggeschiffe», was wiederum die Gleichartigkeit der Schiffstype in +Nordwesteuropa beweist. (~Holmes~ versichert auf S. 70 seines Werkes, +dass das Siegel von Poole die älteste englische Darstellung eines +Schiffs mit Steuer ist; 1325.) + +Wie gesagt, war die Einführung des Kompasses das Zeichen zum Aufgeben +der Küstenschiffahrt und ermöglichte weitere Fahrten. Man berichtet +nämlich in «Reygersberghs Chronyk van Zeelant» (herausgegeben von +~Boschborn~) Bd. II, S. 212, dass ums Jahr 1440, nachdem der Gebrauch +des Kompasses kaum allgemein eingeführt war, die Seeländer sich mehr +und mehr nach Süden, nach Portugal und Spanien wandten. + +Früher erschienen diese Länder so fern, dass man vor Beginn einer Reise +nach diesen Ländern beichtete und die heiligen Sakramente nahm. + +Zur selben Zeit wie die Erfindung des Kompasses beeinflusste ein +anderes Ereignis in eigentümlicher Weise den Schiffbau; es war die +Erfindung des Schiesspulvers, somit die Einführung der Artillerie. + +Die Geschichte der Niederlande spricht zum ersten Male von der +Verwendung der Artillerie bei der Unternehmung des Herzogs Albert gegen +die Friesen i. J. 1396. Man hat sich derselben anscheinend bei der +Belagerung des Schlosses Rozenburg i. J. 1351 bedient. (~de Jonge~ Bd. +I, S. 28.) + +Weder in der Schlacht an der Schleuse, noch bei den Seefahrten des +Königs Richards III. benutzte man Kanonen. Im 14. Jahrhundert jedoch +waren diese an Bord der Schiffe allgemein in Gebrauch. (~Holmes~, +Seite 71.) Wir werden uns also nicht wundern, dass die Genuesen und +Venezianer im Süden, die Hansestädte im Norden, die die Meister in +Handel und Schiffahrt waren, zuerst Kanonen einführten. (~de Jonge~ Bd. +I, S. 29.) + +Die Artillerie veränderte natürlich die Kriegstaktik, und man +kann sagen, dass der militärische Wert der Schiffe von der Zahl +ihrer Kanonen abhing. Man baute also schliesslich Schiffe, die +ausschliesslich zum Kriegführen bestimmt waren, und man musste die +Praxis des Mittelalters aufgeben, die darin bestand, Kauffahrteischiffe +als Kriegsschiffe zu verwenden. + +Die vereinigten Provinzen entschlossen sich nicht sogleich, +besondere Schiffe zu bauen. Man musste also die Grössenverhältnisse +der vorhandenen Type vermehren, um eine grössere Zahl von Kanonen +aufstellen zu können. Der Unterschied zwischen den Seeschiffen und den +Binnenfahrzeugen trat immer deutlicher hervor. Es war augenscheinlich +das Kriegsschiff, das sich am meisten von den alten Formen unterschied +und zwar aus dem Grunde, dass man es jeder Änderung unterzog, die von +dem Feinde als zweckmässig eingeführt war. + +[Sidenote: II 145] + +Die ersten Kanonen sind nicht allzu furchtbar gewesen; ein Beweis +hierfür ist, dass die Bedeckung der Kabinen und Kastelle geneigt +war, wie die Dächer, um die vom Feind geschleuderten Bomben leichter +herabrollen zu lassen. + +Der Name «Koggeschiff» verschwindet in dem Masse, wie die Schiffe +wachsen. Diese heissen am Ende des 14. Jahrhunderts und während des +15. Jahrhunderts allgemein «Hulken» und «Baertzen» und sind im ganzen, +wie ~Witsen~ sagt, nur Schiffstype, die früher bei uns im Gebrauch +waren. Die Hulk, fügt er hinzu, das grössere der beiden, segelte nach +den entfernten Gegenden; seine Tragkraft erreichte manchmal 200 Last. +(~Witsen~ S. 494, 2. Spalte.) + +Die «Baertze», sagt derselbe Autor, war ein Schiff, das man sowohl für +die Küstenverteidigung wie für den Seekrieg ausrüstete. I. J. 1518 +baute man noch eine sehr grosse Baertze, die mit Segeln fuhr, die +man aber bei Windstille auch rudern konnte. (s. ~Witsen~, S. 483, 1. +Spalte.) + +Diese beiden Type waren also Handelsschiffe, von denen die Baertze +besonders für Kriegszwecke verwendet wurde. Ihre Ausrüstung umfasste +auch Ruder, die man benutzte, wenn sich der Wind legte. + +[Sidenote: II 124] + +[Sidenote: II 131] + +Auch im 15. Jahrhundert gab es keine ausschliesslich für den Krieg +erbauten Schiffe. Dies Jahrhundert hat uns sehr schöne Nachbildungen +flämischen Ursprungs hinterlassen. (s. «Der Meister W. A.» von ~Max +Lehr~, 1895, S. 1.) Nur drei dieser Schiffe tragen einen Namen, die +«Baertze», die «Barke» und die «Kraeck». + +Alle dort dargestellten Schiffe zeigen dieselben Merkmale und +unterscheiden sich von einander nur durch ihre Takelung. Sie sind voll, +wie man sehen kann, und ihr Vordersteven ist gekrümmt, ihr Hintersteven +abgerundet; sie haben also keinen Spiegel. + +[Sidenote: II 127] + +Ausser der «Kraeck» hat keins dieser Schiffe Artillerie; alle haben +indessen ein Kastell vorn und hinten, das noch recht einfach gebaut +ist; nur die «Kraeck» hat Fenster in dem später «Fronton» genannten +Teil. + +Alle Aufbauten der dargestellten Schiffe ausser denen der «Kraeck» sind +oben offen. Dies letztere Schiff ist zweifellos das grösste; schon sein +Name weist auf einen Schiffstyp hin, dessen starke Bauart und Gestalt +ihren Ursprung in der spanischen «Karake» haben dürften; daher der Name +«Kraeck». + +[Sidenote: II 64] + +Die Form dieses Schiffes weicht nun kaum von der der anderen ab; das +Vorderteil besonders nähert sich mehr dem holländischen Typ als dem der +spanischen «Karake» oder des «Galion». (Vgl. die Abbildung in dem Werk +von ~van Yk~, S. 9.) Es ist also anzunehmen, dass die «Kraeck» sich nur +durch die grösseren Aufbauten, eine stärkere Takelung und die Grösse +unterschieden haben wird. + +Die «Barke» und die «Baertze» ebenso wie die anderen Abbildungen geben +uns einen Begriff von dem holländischen Schiff des 15. Jahrhunderts. +Unter diesen Schiffen finden wir keine «Hulken», deren Wandungen +klinkerweise genagelt waren, (~Witsen~, S. 496, 1. Spalte, Karavelle), +während wir auf allen uns interessierenden Abbildungen nur Schiffe mit +glatten Bordwänden sehen. + +Ausser den «Hulken» gab es «Razeilers» und «Krayers», deren Wandungen +ebenfalls klinkerweise genagelt waren. Wir finden also hier die alte +Bauweise der «Koggeschiffe», und man kann behaupten, dass wir Schiffe +vor uns haben, die ihren Ursprung diesem Schiffstyp verdanken und +nur deshalb einen anderen Namen führen, weil sie sich durch einige +Einzelheiten der Takelung und der Aufbauten unterscheiden. + +Eine der flämischen Miniaturen aus dem 15. Jahrhundert ist eine sehr +bemerkenswerte Darstellung eines derartigen Schiffs. Man sieht das +Koggeschiff mit Planken, die klinkerweise genagelt sind; nach der Sitte +des Mittelalters hat das Schiff drei Maste mit Marsen, einen Aufbau +vorn und hinten und Artillerie; es hat keine Stückpforten. + +[Sidenote: II 118] + +Die «Koggeschiffe», die im 13. Jahrhundert allgemein gebräuchlich +waren, wurden im 14. Jahrhundert durch die «Krayers» und die «Hulken» +ersetzt, die ihrerseits im 15. Jahrhundert den «Barken», «Baertzen» +u. s. w. weichen mussten. + +Erst in diesem letzteren Jahrhundert verschwinden bei den grossen +Schiffen die klinkerweise genagelten Wandungen, um den glatten +Bordwänden Platz zu machen, einer Bauart, die bei uns infolge unserer +Beziehungen zu den Völkern des Mittelmeeres eingeführt wurde. + +Eine alte von D. ~Velius~ geschriebene Chronik von Hoorn erzählt uns, +dass diese Arbeitsweise zum ersten Mal von «Juliaan» in Zierikzee +erwähnt und i. J. 1460 in Hoorn eingeführt wurde. Die in dieser Art +gebauten Schiffe hiessen «Karwiel» oder «Kraweel» oder «Karveel» +(~Witsen~, S. 486, 1. Spalte), und ihr Typ dürfte nach diesem Autor der +lateinischen Bark «Carabus» nachgeahmt sein. ~De Jonge~ seinerseits +(Bd. I, S. 76, Anmerkung) bemerkt, dass «Juliaan» wohl italienischer +Herkunft gewesen sein könnte. + +~Witsen~ gibt von dieser «Karwiel» eine Beschreibung, die beachtenswert +ist; sie hatte ein ziemlich schmales Vorderteil, ein breiteres +Hinterteil, in der Form eines Meissels, mit anderen Worten spitzere +Formen, wodurch sie sich von den in Holland gebräuchlichen Schiffstypen +unterschied. + +Wir würden also nicht nur eine bestimmte Bauart vor uns haben, sondern +auch ein bestimmtes Modell, das aus dem Mittelmeer zu uns gekommen +ist. ~Jal~ behauptet übrigens in seinem _Glossaire nautique_, S. 419 +und 420, dass es schon i. J. 1307 im Mittelmeer Karavellen gab, die +jedoch kleiner waren als die Schiffe, die Vasco da Gama und Columbus +benutzten. Hierüber sagt dieser Schriftsteller: «Die Karavelle war +ein kleines Fahrzeug aus der Familie der runden Schiffe, aber feiner +in der Form als die gleichzeitigen Schiffe; sie war auch feiner +gearbeitet. Daher war sie auch schneller, liess sich besser bewegen und +war geeigneter für alle Unternehmungen, die Schnelligkeit während der +Fahrt und grosse Geschwindigkeit bei den Bewegungen erforderten.» Diese +Karavellen sind nicht als «Kraeck» in Gebrauch geblieben; mit diesem +Schiff kommen wir also zu der Zeit, wo der gegenseitige Einfluss beider +Mittelpunkte fühlbar wird. + +[Sidenote: II 119] + +[Sidenote: II 117] + +Zwei andere kleine flämische Bilder zeigen uns deutlich den Unterschied +zwischen dem holländischen und dem fremden Typ; sie stammen aus dem +Jahre 1482 bzw. 1488. Das erste lässt den reinsten holländischen Typ +erkennen; das zweite weist glatte Bordwände auf. Diese Bauweise war +also bei uns schon im 15. Jahrhundert angenommen. + +Die Schiffe haben jedoch noch keinen Spiegel, und ihr Hinterteil ist +abgerundet, nach der alten Art. Im allgemeinen waren sie klein, so dass +wohl unsere jetzigen auf der See verwendbaren «Tjalken» sich mit ihnen +vergleichen liessen. Sie hatten eine Tragkraft von 160, 180 und 200 t +oder 80, 90 und 100 Last. Es gab aber auch solche zu 220, 230 und 240 t +(110, 115 und 120 Last). (~de Jonge~ Bd. I, S. 80.) + +Die «Karavellen» und die «Kraecken» erscheinen im 17. Jahrhundert +nicht mehr. Zu dieser Zeit findet man keine Type mehr, die von dem +gewöhnlichen holländischen Typ abweichen, so dass man mit Recht sagen +kann, dass es den beiden vorgenannten Typen nicht gelungen sei, sich +bei uns einzubürgern. Wir werden im Gegenteil sehen, dass die Schiffe +mit vollen Formen immer mehr eingeführt werden. + +Der Name «Koggeschiff» kommt also im 15. Jahrhundert nicht mehr +vor. Der Typ bestand aber weiter. Aus dem Koggeschiff entstanden +die «Hulken» und aus diesen die «Baertzen». Wenn auch abgeändert +blieb die erste Form, d. h. das volle Schiff, in Gebrauch. Nur eine +Eigentümlichkeit verschwand: der schlanke Vorder- und Hintersteven, +eine Erinnerung an das alte Wikingerschiff, die man auf allen im +Nordwesten Europas von Dänemark bis einschliesslich Nordfrankreich und +England vorhandenen Abbildungen wiedertrifft. + +Die Takelung entwickelte sich; an die Stelle des einen Mastes traten +drei aus einem Stück bestehende, jeder mit einem Mars und einem grossen +Segel versehen. Das Tauwerk wird verstärkt, und am Ende des 15. +Jahrhunderts finden wir Rüsten. Längst ist das alte Stangenruder zum +Steuern des alten «Koggeschiffs» durch das Steuer ersetzt. + +Es würde ungenau sein, die von dem Meister W. A. dargestellten +Schiffe «Koggeschiffe» zu nennen, wie dies ~Arenhold~ in seinem Werk: +«Die allmähliche Entwicklung des Segelschiffs von der Römerzeit bis +zur Zeit der Dampfer», S. 650, _Jahrbuch der Schiffbautechnischen +Gesellschaft_ 1906, tut. Immerhin handelt es sich um Formen, die von +dem «Koggeschiff» stammen. Es handelt sich also nicht um neue Formen, +die sich neben den alten entwickelt hatten. + +Befragt man die Geschichte, so wird man nicht erstaunen, dass gerade +im 15. Jahrhundert die Wirkungen der Berührung der beiden Mittelpunkte +auftreten. + +Die Kreuzzüge (1096-1291), die eine grosse Annäherung zwischen den +Völkern brachten, waren zu Ende gegangen. Der hanseatische Städtebund, +geschlossen i. J. 1250, hatte unseren Handel auf der Ostsee wunderbar +aufblühen lassen. Die Friesen insbesondere widmeten sich der +Schiffbaukunst, aber die Bewohner von Flandern liessen sich doch nicht +überholen. + +Im Jahre 1339 brach dann zwischen Frankreich und England der +hundertjährige Krieg aus, der das letztgenannte Land bewog, sich +tatkräftiger mit dem Bau von Schiffen zu beschäftigen als bisher. + +Einer der berühmtesten Kämpfe dieser Zeit ist die Seeschlacht an der +Schleuse (1340), in der die englische, aus 200 Schiffen bestehende +Flotte unter dem Befehl König Eduards III. die französisch-genuesische +Flotte vollständig vernichtete. Diese 190 Schiffe starke Flotte bestand +aus runden Fahrzeugen, Galeeren, Barken und einer grossen Zahl kleiner +Schiffe. Einige Geschichtsschreiber behaupten sogar, dass sie 400 +Schiffe umfasste. (~Holmes~, S. 71.) + +Die Engländer verloren in dieser Schlacht 4000 Mann und die Franzosen +25000, was zu dem Schlusse führt, dass die Franzosen und Genuesen eine +grosse Zahl Galeeren besassen. + +Im Jahre 1345 ging Eduard III. wiederum nach Frankreich, an der Spitze +einer Flotte von 1000 bis 1100 Schiffen, und i. J. 1347 wurde ein +dritter Zug in Verbindung mit der Belagerung von Calais gegen dieses +Land unternommen. + +~Holmes~ (S. 72) erzählt, dass die meisten Schiffe, aus denen die +Flotte bestand, die damals mit 745 Einheiten in den französischen +Gewässern erschien, von England gekommen wären; sie hatten 15895 +Mann an Bord; die anderen Fahrzeuge dürften von Flandern und Spanien +geliefert worden sein. + +Die Zahl der Mannschaften, die oben genannt ist -- 21 Mann auf das +Schiff -- besagt zur Genüge, dass im allgemeinen die Fahrzeuge +verhältnismässig klein waren. Wir können uns also keine bessere +Vorstellung von dieser Flotte machen als die, welche uns die alten +Stiche geben, auf denen die Ausfahrt einer Fischereiflottille von Büsen +und einigen «Noordvaarders» abgebildet ist. + +Die Kastelle, die die Schiffe jener Zeit hatten, waren klein und nicht +für die Dauer aufgebaut. + +Die zur Erinnerung an die Schlacht bei der Schleuse geschlagene +Medaille zeigt ebenfalls eine Kogge oder wenigstens ein Schiff, das +ihm mit seinen klinkerweise befestigten Planken völlig gleicht. Es ist +anzunehmen, dass man für dieses Bild den zu jener Zeit verbreitetsten +Typ gewählt hat; es wäre also wiederum die nahe Verwandtschaft +bewiesen, die zwischen den im Norden ansässigen Völkern bestand. + +Die militärische Taktik hatte die Völker des Mittelmeeres und später +Spanien und Portugal, die jenen nachahmten, gezwungen, ihre Schiffe zu +erhöhen. Folgendermassen schreibt nämlich ~Holmes~ über die von Eduard +III. bei Winchelsea gegen 40 spanische Schiffe gelieferte Schlacht: +«The tactics of the English consisted chiefly of boarding, while the +Spaniards, whose vessels were much the higher, attacked with crossbows +and heavy stones; the latter they hurled from their frighting tops into +their adversary’s ships»[9]. + +Die Geschichte der Niederlande spricht ebenfalls von dieser Methode. + +Im Jahre 1372 machte England auf der See zum ersten Mal Gebrauch +von der Artillerie; auf dem Mittelmeer wurde sie i. J. 1377 von +den Genuesen verwendet. Erst viel später entwickelte sich die +Schiffbaukunst in Frankreich. Trotzdem ist bewiesen, dass man im 14. +Jahrhundert dort schon Schiffe baute, und es scheint, dass es i. J. +1339 schon Kanonen an Bord gab. Aber nur an den Mittelmeerküsten wurde +Schiffbau getrieben, anscheinend auf Anregung von Johann von Wien, der +1373 zum Admiral ernannt war. (_Musée de Marine du Louvre._) + +Während der Herrschaft Heinrichs des Seefahrers (1417) nimmt die +Schiffbaukunst ihren Aufschwung in Portugal, das ganz unter dem +Einflusse des Mittelmeeres stand. + +Inzwischen entwickelten sich die Beziehungen der Niederlande zu den +Mittelmeerländern schnell. + +Die Schliessung des alten Weges nach Indien, der durch das Mittelmeer +und Kleinasien führte, veranlasste eine vollständige Umwälzung im +Welthandel. Man war gezwungen, neue Erkundungsfahrten zu unternehmen, +und so lesen wir, dass man, nachdem sechs Karavellen i. J. 1446 bis +nach Guinea gedrungen waren, bald danach die Kapverdischen Inseln +erreichte. + +Im Jahre 1449 drang man bis zu den Azoren vor, und i. J. 1486 erreichte +Bartholomaeus Diaz das Kap der guten Hoffnung. Elf Jahre später +umschiffte dieser Seefahrer das Kap und landete in Indien mit drei +Schiffen, dem «San Gabriël», dem «San Raphaël» und dem «Bonio». Das +erste dieser Fahrzeuge muss nach den Angaben einen Tonnengehalt von 400 +t oder 250 bis 300 Registertonnen gehabt haben. (~Holmes~, S. 86.) + +[Sidenote: II 61] + +Es dürfte nicht notwendig sein, länger bei diesen Ereignissen zu +verweilen, deren Geschichte genügend bekannt ist, und deren letztes die +Entdeckung Amerikas durch Christoph Columbus i. J. 1492 war. Dieser +verfügte nur über drei kleine Fahrzeuge, obwohl Spanien zu jener Zeit +schon grössere verwendete. Das bekannteste und grösste dieser drei +Schiffe war die «Santa Maria». Dies Fahrzeug hatte eine Kiellänge von +60,68 Fuss, eine Gesamtlänge von 128,25 Fuss und eine Gesamtbreite von +25,71 Fuss. Auf der Chicagoer Ausstellung i. J. 1893 war ein Modell +dieses Schiffs, von dem das Werk von ~Holmes~, S. 85, eine Abbildung +bringt. + +Die Entdeckung Amerikas erzeugte den Durst nach Gold, trieb die Völker +des Nordwestens Europas auf das Meer und nötigte sie, sich energischer +mit dem Schiffbau zu befassen. Die Niederlande nahmen damals einen +wunderbaren Aufschwung; die Grösse ihrer Schiffe wächst beträchtlich, +so dass man vom 16. Jahrhundert ab Schiffe von 300, 400, 500 und 600 t +findet. + +Für den Krieg indessen benutzt man auch ferner mit Vorliebe Schiffe +geringerer Grösse (s. z. B. ~de Jonge~, Bd. 1, S. 81) weil ihre +Bewegung leichter war. + +Nach dem Jahre 1500 erreicht unsere Schiffsbaukunst eine derartige +Entwicklung, dass unser Land den Beinamen die Werft Europas erhält. +Im Gegensatz zu Portugal, wo sich nichts erhalten hat, besitzen die +Niederlande eine ganze Reihe von Zeichnungen aus dem 16., 17. und 18. +Jahrhundert, die es uns ermöglichen, uns eine sehr genaue Vorstellung +von der fortschreitenden Entwicklung des Schiffs zu machen. + +In den alten oben genannten Abbildungen des Meisters W. A., sowie in +den flämischen Miniaturen hatte das Kastell über den Vordersteven +hervorgeragt; es bildet jedoch schon einen einzigen Körper mit dem +Schiff und ist auf einem Balken befestigt, der auf dem Vordersteven +sitzt und auf einer Stütze ruht, die an diesem letzteren sitzt. Infolge +dieser Bauart sieht es aus, als ob der Vordersteven erst nach oben geht +und sich dann senkt, indem er eine S-Form bildet; das scheint aber wohl +nur so. + +Die Schiffe werden nach 1500 grösser, und die Aufbauten ausgedehnter. +Allmählich indessen ragt das Vorderkastell weniger hervor, und um die +Mitte des 16. Jahrhunderts reicht es nur noch bis zum Vordersteven. + +[Sidenote: II 138] + +In dem Anhang zu seinem berühmten Werke (S. 8 und 10) gibt uns ~Witsen~ +ein sehr hübsches Modell aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts. Es +handelt sich um die Abbildung eines Schiffes, das seiner Zeit das +Gewölbe der Kirche von Diemer-lez-Amsterdam schmückte, die i. J. 1500 +gebaut war. Die Takelung dieses Schiffes und der aus einem Stück +bestehende Mast mit Marsen und grossen viereckigen Segeln versetzen +uns in das Mittelalter zurück. Das Vorderkastell, das kräftig über +den Vordersteven hervortritt, sowie das Hinterkastell sind höher als +gewöhnlich. Berghölzer, wie man sie später anbrachte, sieht man nicht; +mehrere schwere Holzstücke von Stützen gehalten vertreten sie. Die +Bordwände sind deutlich glatt, und vorn wie seitlich hat das Schiff +nach der ständigen Übung jener Zeit Schutzhölzer. + +Nur das Hinterteil ist nicht deutlich dargestellt; man sieht kein +Steuer, was darauf schliessen lässt, dass die Zeichnung mangelhaft ist. + +Aller Wahrscheinlichkeit nach hat dies Schiff keinen Spiegel; zu jener +Zeit kennen unsere Fahrzeuge diese Ergänzung noch nicht. Man hat einen +neuen Beweis hierfür in der «Arche Noah», die in der _Nürnberger +Chronik_ wiedergegeben ist, Blatt XI, von 1494, sowie in dem Schiffe, +das in dem holländischen Werk _Peinture ecclésiastique du moyen-âge en +Hollande, 1518-1525_, Nr. 14, dargestellt ist und Jonas im Wasser zeigt. + +[Sidenote: II 136] + +[Sidenote: II 119] + +Diese Abbildung besonders ist ein prächtiges Muster eines Schiffes +aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts. Sie ist nicht so alt wie das +Schiff in der Kirche von Diemer, wie die Takelung beweist; die +Mastspitze geht durch den Mars und ein anderes Merkmal ist, dass das +Vorderkastell nicht über den Vordersteven emporragt. Der Sporn ist nahe +an der Fassung abgebrochen. Die menschlichen Figuren sind übrigens im +Verhältnis zum Schiff übertrieben gross. Die Bordwände sind glatt. Es +erinnert uns erstaunlich an die flämische Miniatur aus d. J. 1482. + +Wie interessant sind doch diese Abbildungen vom Standpunkt der +Entwicklung des Schiffes; wir sehen auf ihnen, wie die Formen des +Kastells deutlicher hervortreten, wie sich die Takelung verbessert und +umfangreicher wird und wie das Schiff selbst wächst. + +Ich möchte darauf hinweisen, dass auf allen Abbildungen die Schiffe ein +Bugspriet haben, das anfangs nur dazu diente, den Anker zu heben, eine +Praxis, die noch auf den grossen Flussaken üblich ist. + +Wenden wir nun unsere Blicke auf die Bilder von ~Breugel~, nach denen +F. ~Huis~ vortreffliche Stiche angefertigt hat. + +[Sidenote: II 132] + +[Sidenote: II 135] + +[Sidenote: II 64] + +Eine aufmerksame Prüfung dieser Stiche zeigt uns verschiedene +Schiffstype. Mehrere von ihnen stellen grosse Fahrzeuge dar, die mit +ihrem riesigen Galion, ihren hohen Aufbauten und ihrem breiten Spiegel +sich erheblich von dem alten holländischen Schiff unterscheiden. + +Das Werk von ~Van Yk~ bringt ebenfalls, auf S. 9, eine Abbildung +dieser grossen Fahrzeuge, die der Verfasser spanische «Karaken» +oder «Galionen» nennt, zwei Schiffstype, die unter dem Einflusse des +Mittelmeers entstanden sind. + +Aber neben diesen «Karaken» findet man auch kleinere holländische +Schiffe. Ein Stich aus d. J. 1564 nach ~Breugel~ zeigt nämlich das +Bild eines Handelsschiffs von Amsterdam; es ist hinten rund, also ohne +Spiegel. Man kann es wohl mit dem alten flämischen Stich aus 1480 bis +1490 vergleichen, der eine «Kraeck» ohne Spiegel darstellt, und dessen +Aufbauten sich durch ihre Form und Grösse völlig von den Kastellen der +Schiffe unterscheiden, die auf den anderen Stichen des Meisters W. A. +dargestellt sind. Sie stimmen mit dem Mittelmeertyp überein. + +Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts war demnach das Spiegelschiff in +Holland eingeführt. Seitdem blieben die Spiegel in diesem Lande auf den +grossen Fahrzeugen üblich; erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts kam man +auf die alte Bauweise zurück, nach dem Beispiele Englands, das nur sehr +kurze Zeit den Spiegel verwendete, da im 17. Jahrhundert William Pitt +(~Holmes~, S. 40) dort die runden Formen einführte. ~De Jonge~ macht +sich also einer kleinen Ungenauigkeit schuldig, wenn er in seinem Werk +sagt, dass das Spiegelschiff in Holland erst im Jahre 1651 erschien. + +Die Einführung des Spiegels liess nichtsdestoweniger das alte runde +und volle Fahrzeug nicht verschwinden; man kann dies nicht oft genug +wiederholen. + +Noch ein Wort über die Stückpforten. Die alten Abbildungen aus dem +16. Jahrhundert haben Stückpforten; man findet solche sogar auf einer +Miniatur aus d. J. 1428. Auf alle Fälle geht ihre allgemeine Einführung +auf das Ende des 15. Jahrhunderts zurück; sie scheinen von einem +Franzosen aus Brest, namens Descharges, erfunden zu sein. (~de Jonge~, +Bd. I, S. 85.) + +Auch die Takelung erfuhr wichtige Änderungen. Bei Beginn des 80jährigen +Krieges (1590) erfand ein Einwohner von Enkhuizen, namens «Kryn +Wouterz», nach ~Brandt~ (_Geschichte von Enkhuizen_, Bd. 1, S. 139) +ein Verfahren, die Masten aus mehreren Stücken zu bauen. (~de Jonge~, +Bd. I, S. 390.) Sie bestanden zunächst aus zwei Stücken, wurden aber +bald, infolge der neuen Erfindung aus drei Stücken zusammengesetzt, von +denen jedes ein viereckiges Segel trug. Zu dieser Zeit verschwand die +mittelalterliche Takelung mit _einem_ grossen quadratischen Segel. + +Um die Bewegungen des Schiffs zu erleichtern, erhielt das Bugspriet +ebenfalls ein viereckiges Segel. + +Die Artillerie wurde zweckmässiger aufgestellt, und in Nachahmung +dessen, was auf den spanischen «Karaken» geschah, stellte man auf dem +Vorder- und Hinterkastell Kanonen auf, die das Deck beherrschten. Diese +Anordnung erinnert an die Praxis des Mittelalters, nach der man sich +im Fall des Enterns in die Kastelle zurückzog und von dort aus die +Eindringlinge bekämpfte. + +[Sidenote: II 143] + +[Sidenote: II 144] + +Das auf dem Stich von 1594 dargestellte Fahrzeug ist also allmählich +aus den alten Formen hervorgegangen, hat aber dabei unter dem Einflusse +des Mittelmeeres gestanden; es führt uns zu der «Pinasse» des 17. +Jahrhunderts. Das Schiff ist reich geschmückt und bewimpelt, und seine +Segel sind wie üblich schön bemalt. Diese Sitte verschwand allmählich +in dem genannten Jahrhundert; man fuhr jedoch trotzdem noch lange fort, +die Schiffe zu schmücken. + +Nach ~Witsen~ bestanden feste Regeln seit dem 16. Jahrhundert für den +Schiffbau. Eine ständiges Gesetz unter anderen erlaubte es nicht, den +Vordersteven weiter vorspringen zu lassen als ⁷⁄₆ seiner Höhe und nicht +weniger als ⅚ dieser Höhe; der Hintersteven hatte eine Neigung von ⅕ +bis ⅙ seiner Höhe. Der genannte Schriftsteller behauptet, dass man +dem Vordersteven eine so starke Neigung gab, weil man glaubte, dass +unter diesen Umständen die Schiffe so leichter über das Wasser gleiten +würden. (S. 47, 2. Spalte unten.) + +Etwa beim ersten Drittel der Kiellänge vom Vordersteven gerechnet, +lagen 1 bis 4 Hauptrippen; hinten lief das Schiff schmaler zu, so +dass der Heckbalken eine Länge gleich der Hälfte der grössten Breite +des Schiffes hatte. Das Vorderteil war voll, so dass man das Wasser +leichter durchschneiden konnte. (~Witsen~, S. 49 u. 50.) + +Die Fugen der Beplankung waren kalfatert und nach alter Sitte mit +Bleiplatten beschlagen. + +Das Vorderkastell war niedriger gemacht, das Hinterkastell dagegen +erhöht worden. Hinten hatte das Schiff einen vierten Mast, um seine +Bewegungsfähigkeit zu erhöhen; dieser Mast verschwand später, als der +kleine Bugsprietmast im Laufe des 17. Jahrhunderts in Aufnahme kam. +(~Witsen~, S. 139, 2. Spalte.) + +Das 16. Jahrhundert ist eine für die Niederlande denkwürdige Zeit +gewesen; während desselben wurde nämlich der Grund zu jener Marine +gelegt, der, wie ~de Jonge~ sagt, Holland später seine Befreiung, seine +Grösse und seine Wohlfahrt verdankte. Sie vereinigte in sich alles, was +dazu beitragen konnte, eine Kraft zur Verteidigung des Vaterlandes zu +entwickeln, den Handel, die Schiffahrt und die Fischerei zu schützen +und Holland zu Ruhm und Macht zu führen. + +Unsere Marine im allgemeinen und unsere Schiffbaukunst im besonderen +entwickeln sich immer mehr. Ein langer Kampf beginnt, und zahlreich +sind die Schlachten, die sowohl vor als auch nach dem 80jährigen Krieg +geliefert werden (1568-1648). + +Nach alter Sitte waren die am Kampf beteiligten Schiffe nur +Kauffahrteischiffe, die für den Krieg hergerichtet waren (~de Jonge~, +Bd. I, S. 180). Diese, «Vliebooten» oder «Vlietbooten» genannt, hatten +kaum 40, 100 bis 140 t Tragkraft und führten 6, 8, 10 und 20 Kanonen. +Die Mannschaft entsprach im allgemeinen dem Tonnengehalt: ein Schiff +von 50 t hat 50 Mann Besatzung. (~de Jonge~, Bd. I, S. 181.) + +Auf den Strömen und Flüssen verwendete man die «Heuden», von denen oben +gesprochen ist, ebenso die «Bujer», die auch «Kromstevens» hiessen, und +andere Schiffe mit glattem Boden. + +Die seeländische Marine umfasste ausser einer grossen Zahl kleiner +Fahrzeuge einige Schiffe von beachtenswerterem Umfang. Bei der +Belagerung von Middelburg benutzte man «Hulken»; eine davon, die grosse +Hulk genannt, muss eine Tragkraft von 600 Last oder 1200 t und eine +Besatzung von wenigstens 500-600 Mann gehabt haben. (~Van Meteren~, +Blatt 81 und 102.) + +Im allgemeinen waren die Schiffe in Nord-Holland grösser als in +Seeland. Sie fassten 50-125 Last, d. h. 100-250 t und hatten eine +Besatzung von 50-150 Matrosen und Soldaten; die grössten waren mit 32 +Kanonen bewaffnet. (~de Jonge~, Bd. I, S. 187.) + +~Tor~ berichtet (_Holländer Kriege_, Bd. I, S. 650), dass i. J. 1575 13 +Schiffe von dieser Grösse ausgerüstet wurden, denen «Kraveelschife», +«Yachten» und «Boote» beigegeben wurden, während nach ~de Jonge~ (Bd. +I, S. 187) auf der Zuiderzee noch einige Galeeren verwendet wurden. + +Damit wir uns eine genauere Vorstellung von der Grösse der Seemacht +zu jener Zeit machen können, lasse ich hier eine Aufstellung über die +Marine der Provinz Holland i. J. 1587 folgen, deren Original in den +Staatsarchiven liegt. (~de Jonge~, Bd. I, S. 586.) + + +=========+========+=======+==========+============================+ + | ZAHL | | | | | + | DER | LASTEN |KANONEN|MANNSCHAFT| BEMERKUNGEN | + | SCHIFFE | | | | | + +---------+--------+-------+----------+----------------------------+ + | 1 | 100 | 16 | 95 | | + | | | | | | + | 1 | -- | 14 | 70 | | + | | | | | | + | 1 | 27 | 14 | 32 | Kleines Kaliber. | + | | | | | | + | 10 | 30-90 | 12 | 45-76 | | + | | | | | | + | 35 | 17-70 | 8-11 | 29-75 | die grössten: 50-60 Mann. | + | | | | | | + | 4 Y | -- | -- | 36-50 | Y = Yacht. | + | | | | | | + | 25 | 8-40 | 4-7 | 11-70 | die grössten: 30-40 Mann. | + | | | | | | + | 6 | -- | 1-2 | 7-11 | | + | | | | | | + | 1 G | -- | 1 | 16 | G = Galeere. | + | | | | | | + +Ausser den «Vliebooten» gab es kleinere Fahrzeuge, die «Kromsteven», +«Kraveelen», «Heuden» oder Transportschiffe, die «Krapschuiten», +«Potten», «Yachten», «Bujer» hiessen. Die grössten Schiffe waren jedoch +ziemlich klein; nach den Bestimmungen der Regierung vom 1. Juni 1588 +sollten drei der grössten Schiffe für den Krieg ausgerüstet werden, und +es wird bestimmt, dass sie 200 Last fassen sollten. (~de Jonge~, Bd. I, +S. 201, Anm.) + +Es wird behauptet, dass man sich im Anfang unseres +Unabhängigkeitskrieges kleiner Fahrzeuge bediente, weil die Schlachten +auf den Flüssen geliefert wurden, und weil ausserdem die Finanzlage +sehr schlecht war. (~de Jonge~, Bd. I, S. 203-204.) Ich meinerseits bin +der Meinung, dass der letztere Umstand der Hauptgrund gewesen ist. Auch +später noch wird man sich über den wenig befriedigenden Zustand unserer +Flotte beklagen, weil es an Geld mangelte. + +[Sidenote: III 8] + +Kehren wir zu den Formen der Schiffe zurück. Nach der «Kogge» haben wir +die «Hulk» erscheinen sehen, die ihrerseits durch die «Baertze» ersetzt +wurde; die «Kraeck» ist neben diesem letzteren Typ aufgetaucht; ihr ist +schliesslich das «Spiegelschiff» gefolgt, in der Form einer Pinasse +oder eines Kriegsschiffs. + +[Sidenote: III 9] + +Die runde Form erhielt sich jedoch bei den unbedeutenderen Fahrzeugen, +und wir sehen so, wie der oben erwähnten Baertze das «Vlieboot» oder +«Vlietboot» folgt. Es ist dies der alte Typ der Baertze, bei dem der +obere Teil der Bordwände deutlich einspringt. + +Unter dieser neuen Benennung, die man zum ersten Mal in der zweiten +Hälfte des 16. Jahrhunderts findet, tritt also kein neuer Typ auf; +es ist die alte Form, die etwas verändert, unter einem neuen Namen +erscheint. Diese Erscheinung wird später noch öfter vorkommen. Ein +einfacher Vergleich zwischen dem Vlieboot, der Baertze u. s. w. hat +bald diese Ähnlichkeit festgestellt; es ist deshalb nicht auffallend, +dass wir dieselbe Form in der «Buse» wiederfinden. Alle diese Formen +haben ihren Ursprung in der «Kogge». + +Das «Vlieboot» das von der Zuiderzee stammt, und dessen Benennung wohl +dem Vlie entnommen sein könnte, der von dem fraglichen Schiff oft +befahren wurde, hatte zurückspringende obere Borde in konvexer Form, +weil man sie so schwerer entern konnte. Ihre Verteidigung erforderte +daher nur eine beschränkte Anzahl Leute, eine Eigenschaft, die für die +Handelsschiffe von Bedeutung war. + +[Sidenote: II 148] + +[Sidenote: III 19] + +Die Vlietboote hatten also ausser einer erheblichen Fassungskraft eine +grosse Leichtigkeit in der Bewegung; sie sind zweifellos die Vorläufer +der «Flüte» gewesen, des bevorzugten Handelsschiffs des 17. und 18. +Jahrhunderts, das England und Frankreich von uns entnommen haben. + +Es gibt eine schöne Zeichnung des Vlietbootes aus dem Jahre 1647. Sie +stellt ein verhältnismässig grosses Schiff dar; der Beweis dafür liegt +in dem Galion, mit dem unsere kleinen Handelsschiffe nicht versehen +waren. Dieses Galion (Schnabel) stammt aus dem Mittelmeer; es ist nicht +niederländischen Ursprungs; die alten holländischen Type haben nämlich +kein Galion, während die des Mittelmeers schon zur Zeit der Phönizier +damit versehen waren. (S. u. a. ~Van Yk~, S. 103.) + +Der Name «Baertze» verschwindet am Ende des 16. Jahrhunderts vor dem +Namen «Vlietboot», und im Anfang des 17. Jahrhunderts tauchen Namen auf +wie «Gallioot, Bootschip, Noortvaerder, Kof, Smakschip, Boeier (Bujer)» +und gleichzeitig die «Flüten» und die Schiffe mit eckigem Hinterteil. + +In diesen verschiedenen Benennungen indessen -- man kann dies nicht oft +genug wiederholen -- verschwanden aber die ersten Formen nicht. Diese +haben sich erweitert, und einige äussere Merkmale, wie die Takelung, +haben Abänderungen erfahren. -- Alle die verschiedenen vorgenannten +Type haben also als Haupt- und Grund-Charakter die alte volle Form. + +In der Zeit, die uns beschäftigt, kann man die Schiffe in drei +Hauptgruppen teilen: + +_a_) die Schiffe mit Spiegel, + +_b_) die Flüten, in der weitesten Bedeutung des Wortes und, + +_c_) die Kof- und Smakscheepen. (Kuffen und Schmacken.) + +Es dürfte nicht notwendig sein, hinzuzufügen, dass die Schiffe der +Gruppen _b_) und _c_) keinen Spiegel hatten. Bei diesen Gruppen werden +wir also die alten holländischen Type in reinster Form finden. + +So sind wir zum 17. Jahrhundert gekommen, diesem Jahrhundert des Ruhmes +und der unerhörten Wohlfahrt für unser Vaterland, besonders im Hinblick +auf die Schiffbaukunst. Bevor wir indessen in diese Zeit treten, müssen +wir kurz sehen, welches der Zustand des Schiffbaues im Auslande war. + +Beginnen wir mit Spanien, das an unserm Unabhängigkeitskrieg beteiligt +war. + +Die spanische Schiffbaukunst, die später aufblühte als die Portugals, +hat zweifellos und in hohem Grade den Einfluss des Mittelmeers +erfahren. Die Galionen und die Spanischen Karaken erinnern an die +genuesischen Schiffe und Karaken, von denen nur einige alte Zeichnungen +aufbewahrt werden konnten, und die erst unter dem Einfluss der +Beziehungen zu den Völkern des Nordens entstanden sind. + +Ausser den Galionen nahmen die Galeeren und die Galeassen eine wichtige +Stellung in der spanischen Marine ein. Der lange und häufige Gebrauch +der Ruderschiffe, bei denen die Kämpfe Mann gegen Mann selten waren, +bewirkte es, dass entgegen der Praxis der nördlichen Völker man bei den +Völkern des Südens weniger häufig enterte. + +Man kann zweckmässig die Abbildungen der Mittelmeerschiffe zu Rate +ziehen, um sich einen Begriff von den spanischen Schiffen zu machen. + +Die Seemacht Spaniens ging bekanntlich im Jahre 1588 mit der +unbesieglichen Armada unter. Eine kurze Beschreibung dieser Flotte wird +uns eine Vorstellung von der Grösse dieser Schiffe geben. Sie bestand +aus 132 Schiffen, darunter (~Holmes~ S. 92) 4 Galeeren, 4 Galeassen, 30 +Schiffe von weniger als 100 Tonnen und 94 Fahrzeuge von 130 bis 1550 +Tonnen. Die runden Schiffe hatten eine Gesamttragfähigkeit von 59120 t. +Die Artillerie bestand aus 2761 Kanonen, und die Besatzung zählte 7865 +Matrosen und 20671 Soldaten. + +Ihr Gegner, die englische Flotte, war 197 Schiffe stark, von denen +nur 34 zur Königlichen Marine gehörten, während der Rest aus +Handelsschiffen bestand, die in der Eile für den Krieg hergerichtet +waren. + +Das grösste englische Fahrzeug war das im Jahre 1561 gebaute +Schlachtschiff «Triumph», mit 1000 bis 1100 t. Ladefähigkeit, einer +Besatzung von 300 Matrosen, 40 Kanonieren und 160 Soldaten sowie +42 Kanonen. Ausser dem «Triumph» zählte die englische Flotte nur 7 +Schiffe, deren Tragfähigkeit von 600 bis 1000 t schwankte, während die +spanische Flotte 45 von dieser Grösse besass. + +Die Gesamtbesatzung der englischen Flotte zählte 15551 Köpfe, Holland +war in diesem Kampf auf der Seite Englands; Holland war es, das den +Herzog von Parma bei Dünkirchen einschloss. + +Die grössten niederländischen Schiffe hatten eine Wasserverdrängung +von 400 t. Sowohl in England wie bei uns mietete man für den Krieg +Handelsschiffe, die vorübergehend als Kriegsschiffe dienten. Das war +die alte Sitte des Mittelalters, die noch lange bestand. Zu jener +Zeit war es übrigens um so leichter, Handelsschiffe für den Krieg +auszurüsten, als die Artillerie noch in den Kinderschuhen steckte oder +unbekannt war. + +Die folgenden Ziffern (~Holmes~, S. 95) zeigen uns, dass im +allgemeinen die Schiffe der südlichen Staaten grösser waren als +die unsrigen. Im Jahre 1792 bemächtigten sich die Engländer einer +portugiesischen Karake von 1600 t, einer Länge von 165 Fuss zwischen +Vorder- und Hintersteven und 7 Decken. + +Im Jahre 1594 geschah dasselbe mit einer spanischen Karake, die 1100 +Mann an Bord hatte. Bei der Einnahme von Cadix im Jahre 1596 fielen +zwei spanische Galeassen dem Feinde in die Hände. Sie hatten eine +Tragkraft von 1200 t, das Admiralschiff San Felipo, das man in die +Luft sprengte, hatte einen Tonnengehalt von 1500. I. J. 1602 kaperte +man in Cezimbra eine portugiesische Karake von 1600 t, genannt «San +Valentino», deren Wert einschliesslich der Kanonen auf 1 Million +Dukaten geschätzt wurde. + +Unter der Regierung der Königin Elisabeth (1588 bis 1603) nahmen +die Engländer, wie man sagt, nach unserem Beispiele und infolge der +Erfindung von Kryn Wouterszoon den Mast mit beweglichem Mars an. +(~Holmes~, S. 86.) + +Bisher waren die Stückpforten nicht nur unregelmässig verteilt, sondern +die untere Reihe befand sich im allgemeinen so niedrig, dass sie bei +mehr oder weniger bewegter See geschlossen gehalten werden mussten. +In England indessen bemühte man sich, die untere Reihe höher zu legen +(~Holmes~, S. 96), und dies Beispiel wurde bald allgemein befolgt. +Frankreich, das bis zu dieser Zeit nur auf dem Mittelmeer erschienen +war, begann im 17. Jahrhundert unter Richelieu (1624-1692) seine +Marine zu entwickeln. Colbert setzte dieses Werk mit Eifer fort. Wie +wir bemerkt haben, als wir vom Mittelmeer sprachen, waren die ältesten +französischen Schiffe im Grunde völlig denen der Genuesen ähnlich; +bis gegen 1650 überwogen auch dort die Galeeren. Nur der Norden +Frankreichs, sowie die Normandie gehören, wie die alten Abbildungen +zeigen, zum Nordzentrum. Das überrascht uns nicht; man erinnere sich +des Einfalls der Normannen in jene Gegenden. Noch heutigentags findet +man im Norden Frankreichs Schiffe, die denen von Flandern und unserer +Heimat gleichen. + +Kehren wir jetzt zu den Niederlanden zurück. + +Nach der Entdeckung des Seewegs nach Indien durch Vasco da Gama im +Jahre 1498, und nachdem Portugal sich das Handelsmonopol in diesen +Gegenden gesichert hatte, wurde Lissabon der Sitz des Welthandels. + +Zu jener Zeit holten die Holländer die Erzeugnisse Indiens aus den +portugiesischen Häfen. Aber im J. 1580 bemächtigte sich der Herzog von +Alba Portugals und nahm es für Spanien in Besitz. Trotzdem duldete man, +dass wir fortfuhren, mit dem ersteren Land Handel zu treiben, bis im +Jahre 1585 alle holländischen Schiffe fortgenommen wurden. + +Holland sah sich also gezwungen, sich selbst einen Weg nach Indien zu +bahnen, den man zuerst über den Norden zu finden glaubte. Zu diesem +Zweck rüstete man im Jahre 1594 vier Schiffe aus; zwei davon auf Kosten +Hollands, zwei auf Kosten Amsterdams. Dieses Unternehmen scheiterte, +ebenso das von 1595, dem die berühmte Expedition von Heemskerk, Barens +und Ryp folgte, die gleichfalls ergebnislos verlief. + +In der Zwischenzeit suchte man einen Weg über den Süden und das Kap der +guten Hoffnung. Im Jahre 1595 lief eine Flotte von vier Schiffen unter +der Leitung von Keyzers und Houtman aus; ihre Abwesenheit dauerte 2½ +Jahre. Nach einer Fahrt von 446 Tagen erreichten die Schiffe Bantam und +besuchten Bali. Die Rückkehr erforderte 168 Tage. Diese Flotte hatte +eine Mannschaft von 248 Köpfen an Bord. + +Die Ergebnisse dieser Unternehmung waren nicht glänzend; trotzdem hatte +sie die Bildung der Ostindischen Kompagnie im Jahre 1602 zur Folge, die +in unserer Geschichte eine so wichtige Rolle spielte. + +Es braucht nicht gesagt zu werden, dass beide Ereignisse einen +entscheidenden Einfluss auf die Entwickelung unserer Schiffbaukunst +hatten. + +Im Anfang des 17. Jahrhunderts war noch nicht die Rede von einer +eigentlichen Kriegsmarine. Für alle wichtigen Ereignisse mietete man +noch Handelsschiffe, die man in Kriegsfahrzeuge umwandelte. Unsere +Flotte bestand also zu jener Zeit aus allen möglichen Schiffstypen. +Unter diesen waren die Schiffe mit Spiegel, genannt Pinassen, +die «Vlietboote» oder «Flüten» die wichtigsten. Es gab ausserdem +«Heckboote» und «Schmacken» von geringerer Grösse. Wir finden also +drei Sorten, von denen oben gesprochen ist: die «Spiegelschiffe», die +«Flüten» und die «Schmacken». + +[Sidenote: II 149] + +Das alte Modell von Zierikzee gibt uns die beste Vorstellung von +dem Uebergang des Spiegelschiffs des 16. Jahrhunderts in das des 17. +Wenngleich es, wie übrigens alle alten Abbildungen, Fehler in den +Grössenverhältnissen zeigt, so zieht es doch unsere Aufmerksamkeit +auf die ausgesprochene Neigung seines Vorderstevens. Es war zu jener +Zeit allgemein üblich, dass das Schiff möglichst wenig in das Wasser +tauchte, einen stark geneigten Vordersteven und ein vorspringendes +Vorderteil hatte, so dass es das Wasser leichter verdrängen konnte, +oder, wie man sagte, das Wasser unter, und nicht um den Kiel führen +konnte. Man glaubte, dass das Wasser unter die Bordwände. gesogen +würde, (~Van Yk~, S. 353), und dass das sehr schräg stehende Vorderteil +es dem Schiff ermöglichte, leichter über das Wasser zu gleiten. +(~Witsen~, S. 47, 2. Spalte unten.) + +Später hat man seine Ansicht geändert, und wir sehen dann, dass bis zum +19. Jahrhundert man den Vordersteven immer mehr aufrichtet; das Schiff +gewinnt dadurch an Weite. + +~Fürtenbach~ bildet ein holländisches Fahrzeug aus dem Anfang des +17. Jahrhunderts ab; der Spiegel ist darin, wahrscheinlich, um die +Schwierigkeiten der Zeichnung zu vermeiden, nur durch einige Linien +angegeben. Das Hinterkastell ist grösser geworden; der Teil zwischen +dem Vorder- und Hinterkastell bleibt immer noch offen. Diese Bauweise, +die sich aus der fortschreitenden Entwickelung der Kastelle im +Mittelalter ergibt, verschwindet erst am Ende des 18. Jahrhunderts in +dem Augenblick, wo die Fahrzeuge mit 2 oder 3 Decken auf der Bildfläche +erscheinen. + +Bei diesen Schiffen sind Vorder- und Hinterkastell von gleicher Höhe; +sie sind mit einander verschmolzen und bestehen aus mehreren über +einander liegenden Decken. + +Auch die Takelung hat neue Aenderungen erfahren, zweifellos infolge +der Erhöhung des Hinterteils. Der vierte kleine, an dieser Stelle +errichtete Mast hat nämlich einem Mast Platz gemacht, der mit einem +viereckigen Segel versehen und am Ende des Bugspriets festgemacht ist. +Dieser Mast diente nur dazu, das Schiff zu steuern. + +Die Schiffe nehmen an Grösse zu, und die Ausrüstung wird infolge einer +zweckmässigeren Anordnung der Artillerie verbessert. Die folgenden +Ziffern liefern den Beweis dafür. + +Im J. 1596 hat ein Fahrzeug von 200 Last nur 24 Kanonen, ein Fahrzeug +von 150 Last 17 und ein Schiff von 100 Last nur 16 an Bord. + +Im J. 1616 stellt man 36 Kanonen auf einem Schiff von 200 Last auf, 28 +auf einem Schiff von 120 Last, und i. J. 1628 spricht man von einem +Schiff von 200 Last, das mit 39 Kanonen bestückt ist (~de Jonge~, Bd. +2, S. 396). + +Ausser der besseren Anordnung ergab sich die Vermehrung der Artillerie +selbst durch die Bewaffnung des Oberdecks und der Kampagne. Um 1639 +wurde ein grosser Teil der eisernen Kanonen durch solche aus Bronze +verdrängt, was es ermöglichte, eine grössere Anzahl von Kanonen an Bord +zu nehmen (~de Jonge~, Bd. 1, S. 400); aber diesen Kanonen fehlte das +einheitliche Kaliber und die gleiche Grösse. Durch spätere Einführung +von Kanonen eines gleichartigeren Kalibers wurde der Gefechtswert der +Schiffe erheblich vermehrt. + +Wie gross auch die erreichten Fortschritte für unsere Flotte waren, so +konnte sie doch nicht die Rolle spielen, die ein Seekrieg erforderte. +Man sah sich also schliesslich genötigt, eigentliche Kriegsfahrzeuge +zu bauen, da die Aufgabe mit Handelsschiffen nicht mehr zu lösen war. +Man beschloss also, 60 neue Kriegsschiffe zu bauen, die man im Jahre +1652 auf Stapel legte. Diese Flotte, die erste Kriegsflotte, die in +unserer Heimat gebaut wurde, lief schon im Jahre 1658 aus. In diesem +Jahre brach man also mit der alten mittelalterlichen Sitte, nach der +man Handelsschiffe für den Krieg zurechtmachte. + +Es ist selbstverständlich, dass die fragliche Flotte allein nicht +genügte, und dass Handelsschiffe als Transportschiffe dienten. Deshalb +behielten diese letzteren Kanonen zu ihrer eigenen Verteidigung an Bord. + +[Sidenote: II 146] + +[Sidenote: II 147] + +Die oben genannten Kriegsschiffe hiessen «Pinassen» und hatten einen +Spiegel sowie ein grosses Galion. Das Admiralschiff von Tromp, die +«Emilie» war eine Musterpinasse. + +[Sidenote: III 8] + +[Sidenote: III 9] + +[Sidenote: II 150] + +Im Jahre 1664 wurde die Flotte in sehr kurzer Zeit noch um 60 neue +Einheiten vermehrt (Spiegelschiffe) (~de Jonge~, Bd. 2, S. 25 u. ff.). +Als man diese Schiffe baute (~de Jonge~, Bd. 2, S. 27), beabsichtigte +man besonders, unsere Marine mit Schiffen zu versehen, die, _soweit +es unsere Durchfahrten und Häfen gestatteten_, wenigstens so gross +und stark wie die des Feindes waren; die Zahl ihrer Kanonen wurde auf +60 bis 80 festgestellt. Unter diesen Fahrzeugen, die im Jahre 1665 +ausliefen, befand sich das wohlbekannte Schiff De Ruyters «Die sieben +Provinzen». + +Auf den meisten Schiffen waren die Kanonen aus Ersparnisrücksichten +teils aus Eisen, teils aus Bronze; das Admiralschiff De Ruyters jedoch +hatte nur Bronzekanonen. + +Die folgenden Ziffern werden eine Vorstellung von der zunehmenden +Grösse der Schiffe geben. + +Im Jahre 1654 hatte das grösste Schiff 150 Fuss Länge, 38 Fuss Breite +und 15 Fuss Tiefe; es trug 58 Kanonen. Das ihm folgende hatte eine +Länge von 146 Fuss, eine Breite von 26 Fuss und eine Tiefe von 14 Fuss; +es hatte 60 Kanonen an Bord. + +Beim Beginn des zweiten Krieges mit England massen die beiden grössten +Schiffe 169 und 171 Fuss in der Länge. «Die sieben Provinzen» hatte +eine Länge von 163 Fuss, eine Breite von 43 Fuss und eine Tiefe von 15 +Fuss. Das nächstfolgende mass 155-160 Fuss in der Länge, 40½–42½ Fuss +in der Breite und 15 Fuss in der Tiefe u. s. w. + +Die Längen und Breiten nehmen also zu, aber die grösste Tiefe bleibt 15 +wegen der Tiefe unserer Durchfahrten. + +Als man später im Ausland mit der Vergrösserung fortfuhr, und als +man bei uns die Notwendigkeit empfand, diesem Beispiel zu folgen, +wurde die Frage des grössten Tiefganges eine Aufgabe, die die volle +Aufmerksamkeit unserer Schiffbauer immer mehr in Anspruch nahm. Je +grösser das Schiff wurde, um so breiter wurde es, weil der Tiefgang +beschränkt war; hierdurch wurde es den Schiffen der feindlichen Länder +unterlegen, mit denen man leichter segeln konnte. In diesen Ländern +brauchte man nämlich nicht Rücksicht auf die wenig tiefen Fahrstrassen +zu nehmen und konnte demnach Schiffe von schmalerer Form bauen. (~Van +Yk~, 1697, Seite 353.) + +Als daher, i. J. 1682, die Fahrzeuge, aus denen unsere Flotte bestand, +in Klassen oder «Charters» geteilt wurden, rechnete man zur ersten +Klasse nur Schiffe von 16 bis 17 Fuss Tiefe. Zu dieser Klasse gehörten +später die ersten Schiffe mit dreifachem Deck, die bei uns gebaut +wurden. Es wird uns daher nicht wundern, wenn schliesslich unsere +Kriegsschiffe denen des Auslands weichen mussten, die immer grösser +wurden. Dieser Zustand war keine Folge der Minderwertigkeit unserer +Schiffbauer, sondern hatte seinen Grund in dem Zustande unseres +Fahrwassers. + +[Sidenote: III 13] + +Der Unterschied im Tiefgang tritt deutlich hervor, wenn wir die +Abmessungen des grössten französischen und englischen Schiffes mit +denen unseres grössten Schiffs am Ende des 17. und am Anfang des 18. +Jahrhunderts vergleichen. Diese Abmessungen waren die folgenden: für +das holländische Schiff: Länge 49,26 m; Breite 12,88 m; Tiefe 4,86 m; +für das englische Schiff: Länge 49,41 m; Breite 14,33 m; Tiefe 5,64 m; +für das französische Schiff: Länge 59,91 m; Breite 14,29 m; Tiefe 5,61 +m. + +Man verstand unter Tiefe die innere Höhe des Schiffs gemessen bis zur +ersten Schwimmlinie. (~Witsen~, S. 74, unter 9.) (S. auch Abbildung +XXXII, S. 56 desselben Werkes u. s. w.) + +Ein Schiff von 4,86 m Tiefe brauchte übrigens mit Hinzurechnung +der Kielhöhe u. s. w., eine Wassertiefe von wenigstens 5 m. Nun +hatte sich die Wassertiefe im «Pampus» bei Amsterdam am Ausgang +des 17. Jahrhunderts bekanntlich schon wesentlich vermindert. Die +grossen Schiffe konnten nicht mehr oder doch nur mit sehr grossen +Schwierigkeiten in die Stadt gelangen. + +[Sidenote: II 238] + +Unter diesen Umständen erfand ein gewisser Meeuwis Meindertz Bakker, +aus Amsterdam gebürtig, i. J. 1691 die «Seekameele», mit deren Hilfe +man die Schiffe um 5 bis 6 Fuss heben konnte. (~Van Yk~, S. 360.) +Diese «Seekameele» hatten auf der einen Seite eine senkrechte Wand, +die andere schmiegte sich der Form des Schiffes an. Auf beiden Seiten +angebracht umschlossen sie das Schiff, indem sie eine Art Schwimmdock +bildeten. + +Wurde das Schiff zwischen diese beiden, fest mit einander verbundenen +Kameele genommen, so stieg es in dem Masse, wie man die Kameele +entleerte. + +Die «Seekameele» sind recht gut bei ~Van Yk~, Blatt 360, abgebildet, +ebenso in dem Werke: _Figures de navires et embarcations_, 1831, S. +135, von ~Le Comte~. + +Kleine Barken schleppten das so gehobene Schiff durch den «Pampus». +Was die Tiefe an dieser Stelle betrifft, so berichtet ~Le Comte~ (S. +38), dass bei Flut der Pampus oder «Muiderzand» 10½ Fuss Tiefe hatte +(2,97 niederl. Ellen), und bei Ebbe 9 Fuss (2,55 niederl. Ellen). Nur +bei ausserordentlich starker Flut war eine Wassertiefe von 13 Fuss +vorhanden (3,68 niederl. Ellen). + +Später gelang es, dank der «Seekameele», Schiffe von 19 Fuss Tiefe, d. +h. von 5,58 m bis vor Amsterdam zu führen. + +Aber dieser Zustand ist bei Rotterdam nicht besser. Hierüber berichtet +der Schiffbauer ~Van Yk ~in seinem Werke von 1697, S. 14. «En waarlyk +de wytheid der schepen is wel het voornamste en beste middel om het +ondiepgaan derselve te bevorderen, een saak die wy hier te lande +wegens de droogte of ondieptheid onzer zeegaten, ten hoogste dienen te +betrachten; want (volgens ’t getuigenis van ervaarne en de diepte dezer +zeegaten zeerwel bepeild hebbende loodsen) soo konnen met een gemeen +geleide uit het Goereesche gat niet meer dan 20, uit Texel, omtrent +ook soo veel en uit de Maas niet meer als 13 voeten diepgaande schepen +worden gelootst. Waarom dan ook somtyds wel is komen te gebeuren, dat +eenige van ’s Lands oorlogsschepen, soo nauw gemaakt en om zeilvoerens +wil soo diep geballast synde, met een dood getyde en Wind, tot Staats +groot nadeel, niet konnen ’t zee geraken, of daar al in synde, haar +onderste geschut, omdat so naby ’t water lag, niet bruikbaar werd +bevonden»[10]. + +Ferner heisst es auf S. 360: «Want soo heeft men al voor veele jaren, +om onze groote en diepgaande schepen in zee te brengen, wegens de +ondieptheid onzer _rivieren_ en _zeegaten_, getragt, waar ’t mogelyk, +door ledig vatwerk, so pypen, als voedervaten, op te ligten en te +doen ryzen. Dog was dit werk, om het byeen schikken der vaten, een +ellendige talmery en veel arbeids onderworpen»[11]. + +Nach den Berichten der Batavischen Gesellschaft in Rotterdam 1850, S. +94 und ff. war die Durchfahrt von Briel nur für Schiffe von 3 m bis +3,50 m fahrbar; die grösseren Schiffe mussten durch das «Goereesche +Gat» fahren, um nach Rotterdam zu kommen, in dem sie nacheinander +das «Hollandsche Diep» und das «Dortsche Kil» benutzten. Selbst an +diesen Stellen war bei Flut nur eine Tiefe vorhanden, die höchstens +für einen Tiefgang von 5,10 m genügte (s. Dr. ~Blink~, _Nederland en +zyne Bewoners_, Bd. I, S. 447); diese Strasse war übrigens wegen der +geringen Fahrwasserbreite schwer fahrbar. Dieser Zustand veranlasste +die Herstellung des Kanals von Voorne (1827-29). Trotz dieses Kanals +hing auch ferner der grösste Tiefgang von der Tiefe ab, die bei +gewöhnlicher Flut das Goereesche Gat und das Hellegat hatten. Diese +Tiefen betrugen 5,10 m und 5,20 m. (W. F. ~Leemans~: _De Nieuwe +Waterweg, etc. Gedenkboek, K. Inst. Ing._ S. 13, s. auch S. 130 +desselben Werkes.) + +[Sidenote: II 140] + +[Sidenote: III 14] + +In dem Masse, wie im Auslande die Schiffe wuchsen, wurde die Lage +bedenklicher für die niederländische Marine. Und das Ausland schlief +nicht! England widmete seiner Marine i. J. 1656-57 ⅘ der Kroneinkünfte; +i. J. 1657-58 ⅔ und 1658-59 gegen ⅗. (~Holmes~, S. 108.) + +Vier von den grössten während dieser Zeit gebauten Schiffen hatten +eine Ladefähigkeit von über 1000 t; i. J. 1673 wurde das bei uns +wohlbekannte Schiff «The Royal Charles» vom Stapel gelassen, das später +von den Holländern gekapert wurde. + +Die meisten englischen Kriegsschiffe gehörten zu dieser Zeit noch zur +3. Klasse. I. J. 1666 verteilten sich die Schiffe folgendermassen auf +die Klassen: + + +-------+---------+--------+-----------+-----------+--------+ + |KLASSE | KIEL- | BREITE | TIEFE | TRAGKRAFT |KANONEN | + | | LÄNGE | | | | | + +-------+---------+--------+-----------+-----------+--------+ + | 1 | 128-146 | 40-48 | 17,9-19,8 | 1100-1740 | 90-100 | + | 2 | 121-143 | 37-45 | 17-19,8 | 1000-1500 | 82-90 | + | 3 | 115-140 | 34-40 | 14,2-18,3 | 750-1174 | 60-74 | + | 4 | 88-108 | 27-34 | 11,2-15,6 | 12,8-17,8 | 32-54 | + | 5 | 72-81 |23,6-27 | 9,9-11 | 11,6-13,2 | 26-32 | + | \----------------V----------------/ | + | Die Masse sind in englischen Fuss angegeben, | + | 1 Fuss = 0,3048 m | + +I. J. 1646 wurde in England die erste Fregatte gebaut, und i. J. 1679 +wurde dort der Mörserprahm (Bombarde) eingeführt, nach einem vom +französischen Schiffbauer Bernard Renan erfundenen Modell. + +Nach 1700 stand die Schiffbaukunst völlig unter dem Einflusse +derjenigen Frankreichs. + +«It may truly be said, sagt ~Holmes~, S. 114, that during the whole of +the eighteenth century the majority of the improvements introduced in +the forms and proportions of vessels of the Royal Navy were copied from +French prizes»[12]. + +Kaum hatte man ein französisches Schiff gekapert, als man es nachahmte, +aber mit Vorliebe in grösserem Massstabe. (~Holmes~, S. 124.) Die +Schiffbaukunst hatte sich übrigens wesentlich vervollkommnet, besonders +unter dem Minister Colbert (1661), nachdem der Kardinal Richelieu +die ersten Grundlagen geschaffen hatte (1630). Die von Colbert +aufgestellten Regeln wurden bis zum 19. Jahrhundert befolgt, mit +einigen Abweichungen in Einzelheiten. + +I. J. 1668 umfasste die französische Flotte schon 176 Schiffe, von +denen eins der schönsten und berühmtesten die «Soleil Royal» war. Diese +Flotte war vollständig ebenso organisiert wie die in Holland. (~de +Jonge~, Bd. III, 1. Teil, S. 114.) Es gab übrigens zu jener Zeit nur +geringe Unterschiede zwischen den französischen und den holländischen +Modellen. + +Am Ende des 17. Jahrhunderts, unter der Regierung Ludwigs XIV, wuchsen +die Abmessungen erheblich. Man kann sich hiervon ein Bild aus der +nachstehenden Übersicht machen, die dem ~Barras de la Penne~ entnommen +ist (1698). + + +--------+-------+------------+-----+------+-----+--------------------+ + | RANG | ZAHL | KALIBER | | | | ZAHL | + | UND | DER |UND MATERIAL|LÄNGE|BREITE|TIEFE| DER | + |ORDNUNG |KANONEN|DER KANONEN | | | | BATTERIEN | + +--------+-------+------------+-----+------+-----+--------------------+ + | | | m | m | m | | + | 1. | {1 Batterie, | | | | } | + | Reihe. | {8-48, der Rest,| | | |Drei verdeckte } | + | 1. | {36 |56,01| | |Batterien, } | + |Ordnung.|122 {2 Batterien, 24|Kiel |15,64 | 7,64|Kampanje und } | + | | {3 Batterien, 18|51,54| | |Vorderkastell. } | + | | {und Kampagnen, | | | | } | + | | {12 und 18 | | | | } | + | | | | | | | } | + | 1. | | | | | |Drei verdeckte } | + | Reihe. |70-100 | Bronze- |51,91|14,29 | 6,61|Batterien, } | + | 2. | | kanonen. | | | |Vorder- und } | + |Ordnung.| | | | | |Hinterkastell. } | + | | | | | | | } | + | 2. | | | | | | }[*] | + | Reihe. |60-70 | desgl. |48,72|13,47 | 6,17|desgl. } | + | 1. | | | | | | } | + |Ordnung.| | | | | | } | + | | | | | | | } | + | 3. | | | | | | } | + | Reihe. |56-66 |Kanonen ⅔ |47,47|12,34 | 5,68|Zwei verdeckte } | + | 1. | |aus Bronze, | | | |Decke, Kam- } | + |Ordnung.| |⅓ aus Eisen.| | | |panje und } | + | | | | | | |Vorderkastell. } | + | | | | | | | } | + | 3. | | | | | | } | + | Reihe. |40-50 |Kanonen ½ |34,22|12,01 | 5,41|desgl. } | + | 2. | |aus Bronze, | | | | } | + |Ordnung.| |½ aus Eisen.| | | | } | + | | | | | | | | + | 4. | | | | | | } | + | Reihe. |30-40 |Kanonen ⅓ |38,98|10,55 | 4,71|desgl. } | + | | |aus Bronze, | | | | } | + | | |¾ aus Eisen.| | | | } | + | | | | | | | } | + | 5. | | | | | | } | + | Reihe. |18-30 |Kanonen ¼ |35,73| 8,66 | 4,55|Zwei kleine }[**]| + | | |aus Bronze, | | | |Aufbauten oder } | + | | |¾ aus Eisen.| | | |nur ein } | + | | | | | | |Hinterkastell. } | + |Fregat- | | | | | | } | + |ten. | 8-16 | -- | -- | -- | -- | -- } | + | | | | | | | } | + + [*] Linienschiffe. + + [**] Stehen nicht in der Schlachtreihe. + +[Sidenote: II 166] + +[Sidenote: II 169] + +[Sidenote: II 15] + +Die im Schiffbau unter Ludwig XIV. erzielten Fortschritte werden in dem +Werk _Le Musée de Marine du Louvre_ folgendermassen dargestellt: «Das +Hervortreten des Vorderteils ist weniger übertrieben, das Hinterkastell +ist niedriger gemacht, die Artillerie ist gut verteilt; die Masten +sind proportionierter und das Segelwerk umfangreicher und leichter zu +handhaben, so dass ein schnelleres Segeln und leichtere Bewegungen +erzielt werden. Der Reichtum und die Schönheit des Schmuckes sind auf +ihrem Höhepunkt angelangt; sie hatten die Art Poesie wie die ehemalige +Ritterschaft. Alles in dieser Marine lässt schon die Vervollkommnung +ahnen, zu der das Schiff unter den beiden folgenden Herrschern schnell +gelangt ist.» + +Die Schiffbaukunst nimmt einen beträchtlichen Aufschwung. Einige Werke +werden veröffentlicht, von denen die von ~Bernouilli~ (1738) und +~Euler~ (1749) über die Stabilität der Schiffe die berühmtesten sind. + +Die Abmessungen der Schiffe nehmen immer mehr zu. Schiffe mit 70 +Kanonen, die 1715 in der 1. Klasse standen, werden i. J. 1765 in die 6. +Klasse eingereiht. + +Die französische Flotte war i. J. 1750 nach dem _Musée de Marine du +Louvre_, folgendermassen zusammengesetzt: + + +======+========+========+========+===========+========+==============+ + | |Lähge | | | | | | + | |des Vor-| | | | | | + |ARTIL-|derste- | Breite | Tiefe | | Mann- | Kaliber | + |LERIE |vens und| am |über dem| BATTERIEN | schaft | der | + | |des Hin-| Haupt- | Kiel | | | Geschütze | + | |terste- | balken | | | | | + | |vens | | | | | | + +------+--------+--------+--------+-----------+--------+--------------+ + | +DREIDECKER+ | + | | + |Kano- | m. | m. | m. | | Mann | | + |nen | | | | | | | + | 120 |56,84 |14,61 |7,47 |3 verdeckte|1000 {In der un- | + | |-60,42 |-16,24 |-8,12 |Batterien, |-1200 {tersten Bat- | + | | | | |Back und | {terie 30 Pfd. | + | | | | |Schanze und| { | + | | | | |Kampanje | { | + | | | | | | { | + | 110 |54,57 |14,94 |7,31 | desgl. |1000 {2º 18 „ | + | |-57,82 |-15,59 |-7,80 | |-1100[A]{ | + | | | | | | { | + | 100 |53,27 |14,61 |7,47 | | 900 {3º 12 „ | + | |-57,49 |-15,26 |-7,63 | desgl. | -1000 { | + | | | | | | {Halb- | + | 90 |51,97 |14,29 |6,81 | desgl. | 850 {deck 6 „ | + | |-55,22 |-14,94 | -7,46 | | -900 {Kampanje | + | | | | | | { 4 „ | + | | + | +ZWEIDECKER+ | + | | + | 80 |50,67 |13,96 |6,66 |2 verdeckte| 750 {Untere Bat- | + | |-54,57 |-14,61 |-6,98 |Batterien, | -800 {terie 30 Pfd. | + | | | | |Back, | {Obere 18 „ | + | | | | |Schanze und| {Halbdeck | + | | | | |Kampanje | { 8 „ | + | | | | | | {Kampanje | + | | | | | | { 4 „ | + | | | | | | | | + | 74 |48,72 |13,64 |6,50 | desgl. | 650 { {36 oder 24| + | |-53,27 |-13,96 |-6,98 | | -700 {des-{ 8 | + | | | | | | {gl. { 8 oder 6 | + | | | | | | { { 4 | + | | | | | | { | + | 64 |46,04 |12,66 |6,00 |2 Batterien| 450 {Obere Batterie | + | |-48,72 |-12,99 | -6,50 |mit Back |-500[B]{ 21 oder 18 | + | | | | |und Schanze| { untere | + | | | | | | { 18 oder 12 | + | | | | | | { Schanze | + | | | | | | { 6 Pfd. | + | | | | | | { | + | 50 |43,84 |11,36 |5,50 | desgl. | 300 { {18 oder 12| + | |-45,17 |-12,01 | -5,85 | | -330 {des-{12 oder 8 | + | | | | | | {gl. { 6 oder 4 | + | | | | | | { { Pfd. | + | | + | +FREGATTEN+ | + | | + | 40 |38,98 |10,71 to| 5,19 |Eine Bat- | { | + | | -42,22 | -11,04 | -5,53 |terie mit |280 { | + | | | | |Back und | -300 { | + | | | | |Schanze | { | + | | | | | | { Batterie | + | 30 |35,07 | 9,74 | 4,55 | desgl. |200 { 12 Pfd.| + | | -38,98 | -10,39 | -5,20 | | -230 { Schanze | + | | | | | | { 6 bis 4 Pfd.| + | 20 |33,13 | 8,77 | 4,22 | desgl. |130 { | + | | -35,73 | -9,10 | -4,55 | | -150 { | + | | + | +KORVETTEN+ | + | | + | 12 |19,49 | 7,85 | 2,92 |Batterie | 70 |4 in Bank- | + | | -22,74 | -8,50 | -3,25 |ohne Back | -80 |Batterie | + | | | | |und Schanze| | | + + [A] Es gab Zwischentype, die zu denjenigen in dieser Tabelle gestellt +sind, denen sie | am meisten ähneln. + + [B] Dieses Schiff war das kleinste von denen, die in die Schlachtreihe +eingestellt werden | konnten. + + +Frankreich hat ebenfalls einen grossen Einfluss auf das Zeichnen im +Schiffbau ausgeübt. (~Holmes~, S. 114 oben.) Das schönste Schiff dieser +Zeit ist die «Sans Pareil». + +Das erwähnte Werk _Le Musée de Marine du Louvre_ enthält eine +Stelle, die die Zeit Ludwigs XVI. (1754-1793) betrifft, die unsere +Aufmerksamkeit fesseln dürfte (Kapitel VII): «Es war die Zeit, in +der die Wissenschaft des Schiffbaues, die in Holland entstanden war, +tatsächlich auf Frankreich überging», was nicht hinderte, dass man noch +zu Ende des 18. Jahrhunderts nach Holland ging, um den Schiffbau zu +studieren und zwar trotz des hohen Grads der Vollkommenheit, die er in +Frankreich erreicht hatte. Das genannte Werk sagt hierüber nämlich: «Am +Ende des verflossenen 18. Jahrhunderts nahm man in Holland Unterricht, +und hierüber enthält die Bibliothek von Brest eine Handschrift eines +der berühmten Ingenieure, des Olivier, der um’s Jahr 1780 nach Holland +geschickt worden war, um den Schiffbau zu studieren». + +Dies zeigt, wie hoch zu jener Zeit der niederländische Schiffbau +geachtet war. + + * * * * * + +Die Vermehrung der Grössenverhältnisse in der französischen Flotte fand +ihren Widerhall in der englischen Flotte. Diese war durch folgende +Angaben gekennzeichnet: + + +=================+=======+=======+=======+=======+=======+=======+ + | | | | | | | | + |ZAHL DER KANONEN | 90 | 80 | 70 | 60 | 50 | 40 | + | | | | | | | | + +-----------------+-------+-------+-------+-------+-------+-------+ + |Länge des |192 F. |192 F. |150 F. |144 F. |130 F. |118 F. | + |Kanonendecks | | | | | | | + | | | | | | | | + |Aeussere Breite | 47 F. | 43 F. | 41 F. | 38 F. | 35 F. | 32 F. | + | | | | | | | | + |Tiefe | 18 F. | 17 F. | 17 F. | 15 F. | 14 F. | 13 F. | + | | 6 Z. | 8 Z. | 4 Z. | 8 Z. | | 6 Z. | + | | | | | | | | + |Tonnage | 1552 | 1283 | 1069 | 914 | 705 | 532 | + | ------------------------------------------------| + | 1 englischer Fuss = 0,3048 m | + +~Holmes~ äussert sich folgendermassen S. 115: «The subject of the +superiority in size of the French ships was constantly coming to the +front and, in 1719, a new establishment was made for the dimension of +ships in our Royal Navy, according to the following scale[13].» + + +----------------+------+------+------+------+------+------------+ + |ZAHL DER KANONEN| 90 | 80 | 70 | 60 | 50 | 40 | + +----------------+------+------+------+------+------+------------+ + |Zunahme in der | | | | | | | + | Länge | 2 F. | 2 F. | 1 F. | 0 | 4 F. | 6 F. | + | der Breite | 2 Z. | 1 F. | 6 Z. | 1 F. | 1 F. | 1 F., 2 Z. | + |dem Tonnengehalt| 15 | 67 | 59 | 37 | 51 | 63 | + +----------------+------+------+------+------+------+------------+ + +Im Jahre 1765 finden wir Schiffe mit 100 Kanonen, 2047 Tonnen Tragkraft +und 21 Fuss 6 Zoll Tiefe. ~Holmes~ schreibt hierüber (S. 124-128): +«During the whole of our naval history down to comparatively recent +time, improvements in the dimensions and forms of our ships were +only carried out after they had been originally adopted by French, +or Spaniards, or more recently by the people of the United States of +America».[14] + +Im Jahre 1719 führt man in England das Verfahren ein, die Planken +am offenen Feuer zu erwärmen, um sie zu biegen, und im Jahre 1736 +räuchert man sie. (~Holmes~, S. 115.) Im Jahre 1753 verbessert man die +Ventilation (~Holmes~, S. 117) und im Jahre 1761 (nach ~Holmes~, S. +121) folgt die Erfindung des Verfahrens, die Schiffe mit Kupferplatten +zu überziehen. Vor jener Zeit verwendete man ausnahmsweise hierzu +Blei; etwa 100 Jahre vorher wurden mehrere Schiffe in Holland zum Teil +oder ganz mit Kupferplatten überzogen, wie aus einer Stelle im dem +Werk von ~Van Yk~, _De Nederlandsche Scheepsbouwkunst opengesteld_, +hervorgeht, wo es auf S. 121 heisst: «Dat het schip om de zuid of west +bestieren sal, heeft sy om den houtknagenden worm daarvan te keeren, +stevenswaarts met koper doen bekleeden»[15]. + +Das Vorstehende zeigt genügend, dass um die Mitte des 18. Jahrhunderts +die französische und englische Flotte der unsrigen überlegen waren, +was die Grösse ihrer Schiffe betrifft. Die Erfahrung hatte indessen +gezeigt, dass die Stärke einer Flotte nicht allein in der Zahl, sondern +vielmehr in dem inneren Wert jedes Schiffes liegt (~de Jonge~, Bd. 4, +S. 86), wie übrigens ~Martin Hampertszoen Tromp~ selbst schon vorher +erklärt hatte. + +Um einen Begriff von der ausserordentlichen Kraft zu geben, die von den +Vereinigten Provinzen entwickelt wurde, möchte ich bemerken, dass von +1682 bis 1700, also in 18 Jahren 15 Schiffe von 90 bis 96 Kanonen (alle +15 mit drei Decken), zwei von 80 bis 86, zwei von 70 bis 74, 29 von 60 +bis 68 und 26 von 50 bis 56 Kanonen gebaut wurden, sowie zwei Fregatten +von 22 Kanonen, drei Brander und neun Bombarden d. h. im ganzen 107 +Schiffe. Von diesen wurden nur 7 ausserhalb Hollands und Seelands +gebaut. (~de Jonge~, Bd. II, S. 72-75.) + +Ausser dieser Flotte, deren Kosten durch ausserordentliche Kredite +gedeckt wurden, baute man während der gleichen Zeit mittels +gewöhnlicher Kredite 65 andere Fahrzeuge, darunter 7 von 50 bis 52 +Kanonen, 18 von 40 bis 46, 17 von 30 bis 38, 13 von 20 bis 26 und 10 +von 16 Kanonen und geringerer Grösse. + +Das ergibt für einen Zeitraum von 18 Jahren eine Gesamtzahl von 107 + +65 gleich 172 Schiffen (ebenda, S. 77). Aber diese ausserordentliche +Vergrösserung war nötig; man brauchte nur die erlittenen Verluste ins +Auge zu fassen; diese betrugen durch Unwetter und andere Ursachen in +den Jahren 1688 bis 98 drei Einheiten von 70, fünf von 60, sechs von +50, acht von 40 bis 46 Kanonen, ausserdem einige Schiffe von 30 Kanonen +oder weniger d. h. im ganzen 36 Fahrzeuge. + +Alle diese Arbeiten verursachten natürlich erhebliche Kosten; während +der Zeit von 1682 bis 1702 wurden für neue Schiffe etwa 81197000 Gulden +und für die Ausrüstung etwa 69954000 Gulden aufgewendet. + +Die Unterhaltung, Ausrüstung u. s. w. kostete jährlich etwa 5829000 +Gulden, und i. J. 1697 betrug die Ausgabe 7723000 Gulden (ebenda, S. +80 und 81). Um sich einen genauen Begriff von der Bedeutung dieser +Summe zu machen, muss man sich erinnern, dass zu der Zeit, die uns +beschäftigt, die Löhne u. s. w. viel niedriger waren als heutzutage. +(~de Jonge~, Bd. 4, I. Kap., S. 80, Anm.) + +Ausser diesen Kriegsschiffen baute man eine grosse Zahl von +Handelsschiffen, Binnenschiffen von geringerer Grösse und +Fischereifahrzeugen, sodass, wenn man den alten Schriftstellern Glauben +schenkt, es Orte gab, wo unter Berücksichtigung aller Fahrzeuge man +mehr Schiffe zählte als Häuser. + +In der Zeit, zu der Hugo de Groot lebte, wurden jährlich 2000 Schiffe +gebaut. (M. ~Koenen~, _Geschiedenis van Scheepsbouw en Zeevaart_, +S. 87.) Es gab keine Holländer, die nicht einige Kenntnis von dem +Schiffbau oder der Schiffahrt besassen (ebenda, S. 85). + +[Sidenote: II 154] + +Um eine so grosse Summe von Tatkraft entfalten zu können, musste sich +natürlich der Schiffbau bei uns in ausserordentlicher Weise entwickeln. +Wir finden den Beweis hierfür in den Werken von ~Nicolas Witsen~ (1671) +und von ~Van Yk~ (1697). Unsere Schiffbaukunst erfreute sich also im +Anfang des 18. Jahrhunderts einer unerhörten Wohlfahrt. + +[Sidenote: II 155] + +[Sidenote: II 156] + +Was die Vervollkommnung betrifft, die das Zeichnen im Schiffbau um die +Mitte desselben Jahrhunderts erreicht hatte, so wird es genügen, in +unserem Album die photographischen Reproduktionen einiger Zeichnungen +von W. van Gent aus dem Jahre 1750, 1751, 1752 zu betrachten, deren +Originale zu der wunderbaren Bildersammlung von S. van Gyn in Dordrecht +gehören; dasselbe beweist die Abbildung eines Kriegsschiffes aus dem +Jahre 1770, die sich in der Sammlung kolorierter Zeichnungen befindet. + +Diese Urkunden geben getreu die Schiffe mit den notwendigen +Wasserlinien wieder, was aber in besonderem Grade die Aufmerksamkeit +erregt, ist die folgende Inschrift, die die Zeichnung eines +Kriegsschiffs aus dem Jahre 1750 sehr leserlich zeigt: «Propriété de +l’amiral Schryver». Dieser Admiral ist derselbe, der im Jahre 1753 +schrieb, dass «während der Zeit von 1683 bis 1753 die Schiffbauer, +besonders die, welche Kriegsfahrzeuge für den Staat herstellten, nur +noch gewöhnliche Marine-Zimmerleute waren, dass sie keine theoretischen +Kenntnisse besassen, sich nur von der Erfahrung leiten liessen +und sich in mancher Hinsicht auf derselben Höhe befanden wie die +Schiffseigentümer von Zaandam, die beim Scheitern eines Schiffs sich +mit den Worten entschuldigten, dass das Schiff sich nicht anders als +mit der Axt hätte bauen lassen.» + +Zur Unterstützung des Vorstehenden verweist der Admiral Schryver auf +einige weniger gut gelungene Kriegsschiffe, unter denen er an erster +Stelle fünf Dreidecker aufführt, die von 1683 bis 1689 gebaut waren, +die ersten übrigens, die von unseren Schiffbauern hergestellt waren. + +Dass diese Schiffe nicht völlig den Erwartungen entsprochen haben, +wer wird sich darüber wundern! Und wenn man später Schiffe von +besserer Beschaffenheit gebaut hat, so beweist das nur, dass es +unsern Schiffbauern gelungen ist, die grosse Aufgabe zu lösen, feste +Schiffe zu bauen, deren Tiefgang mit Rücksicht auf die Tiefe unserer +Durchfahrten und Flüsse indessen nur beschränkt sein durfte. + +Noch später hat man Unvollkommenheiten feststellen können; aber +das beweist keineswegs die Unfähigkeit unserer Schiffbauer. Auch +heutigentags kommt es im Ausland wie bei uns vor, dass die besten +Werften Schiffe vom Stapel lassen, die weniger vollkommen sind oder der +Verbesserungen bedürfen. + +Die Klage des Admirals Schryver (~de Jonge~, Bd. 4, I. Kap., S. 116) +über die Unfähigkeit unserer Schiffbauer scheint mir weder begründet +noch verdient! Meiner Meinung nach haben wir es in diesem Falle mit +einem eigensinnigen Seeoffizier zu tun, der von seinen eigenen Ideen +erfüllt ist und im allgemeinen nur Missachtung für die der anderen +hat (~de Jonge~ Bd. 4, I. Kap. S. 116), und nicht mit einem Mann, der +auf der Höhe unseres Schiffbaues stand. Wie oben gezeigt ist, geschah +es übrigens nicht nur zur Zeit des Staatspensionärs de Witt und des +berühmten Colbert, wie ~de Jonge~ sagt (Bd. 4, I. Kap., S. 120), +dass man vom Ausland kam, um bei uns den Schiffbau zu lernen; noch +viel später im Jahre 1780 schickte Frankreich seine Söhne auf unsere +Werften, und man nimmt an, dass erst unter der Regierung Ludwigs XVI. +(1774 bis 1793) die französische Marine sich völlig dem holländischen +Einfluss zu entziehen verstand. + +Unser Vaterland verfolgte indessen mit Aufmerksamkeit die Fortschritte, +die sich in Frankreich und England auf dem Gebiete des Schiffbaues +vollzogen; Beweis hierfür ist die Uebersetzung des Werks von ~du Hamel +du Monceau~ (erschienen im Jahre 1757) und die Stelle darin, wo für +später eine Uebersetzung des Werkes von ~Mungo Murray~, des berühmten +Schiffbauers der Schiffswerft von Deptford, angekündigt wird. Ich +weiss nicht, ob diese Uebersetzung jemals das Licht erblickt hat; +nichtsdestoweniger geht aus dem Vorstehenden meines Erachtens deutlich +hervor, dass man die im Ausland erschienenen Werke las. + +Es steht also fest, dass man schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts in +unserem Lande Schiffe nach Zeichnungen baute. Man hatte also mit dem +alten holländischen Verfahren gebrochen, das darin bestand, sich nach +den Senten-Linien (Centlijnen) zu richten. + +Die unteren Stückpforten der Schiffe waren zu nahe an die Wasserlinie +gelegt; man hatte dies zuerst bei uns bemerkt; dieselbe Klage wurde +auch bald in England gehört, wo man indessen diesem Zustand erst +ausgangs des 18. Jahrhunderts abhalf, indem man den französischen +Schiffbauern folgte. (~Holmes~ S. 126). + +Es ist eine gewisse Zeit verstrichen, bevor Grossbritannien die +Verbesserungen angenommen hat, die von den Franzosen im Schiffbau +eingeführt waren. + +~De Jonge~ berichtet, indem er sich auf fremde Angaben stützt, dass +der Zar Peter der Grosse in England den eigentlichen Schiffbau gelernt +hätte. + +Der Geschichtsschreiber ~Fincham~ erzählt sogar (_History of naval +architecture_ S. 69), dass der Zar Peter den englischen Schiffbau +dem holländischen vorgezogen hätte. In dieser Hinsicht macht +~Koenen~ darauf aufmerksam, dass diese Bevorzugung sich nur auf die +Kriegsschiffe bezogen haben könnte. Das alles hat indessen Peter +den Grossen nicht gehindert, holländische Schiffe, Schiffbauer und +Seeleute für die Schöpfung seiner Flotte zu benutzen, die drei Jahre +vor seinem Tode 41 Kriegsschiffe mit 2106 Kanonen und 14,900 Mann an +Bord umfasste, und die die Schweden zu der Aeusserung veranlasste (~de +Jonge~, Bd. 4, II. Kap., S. 152 und ~Koenen~, S. 93-95): «Wir sehen +auf der moskovitischen Flotte nichts Moskovitisches ausser der Flagge. +Wir haben eine holländische Flotte zu bekämpfen, die von Holländern +befehligt wird, mit holländischen Seeleuten besetzt ist und die mit +holländischem Pulver aus holländischen Kanonen schiesst.» + +Man fragt sich nun, ob der Zar Peter wirklich holländische Schiffbauer +herangezogen hätte, wenn er bessere bei den Engländern hätte finden +können? + +Wie soll man aber erklären, dass man um die Mitte des 18. Jahrhunderts +sich von unsern Schiffbauern abgewendet hat? + +In England und in Frankreich wuchsen die Grössen der Schiffe +unaufhörlich; die Flotten der fremden Mächte gewannen also ständig +an Bedeutung, während man bei uns wegen der geringen Tiefe unserer +Durchfahrten, Flüsse und Häfen nicht imstande war, Schiffe zu bauen, +die an Grösse sich mit denen des Auslands messen konnten. (S. ~van Yk~, +S. 14.) Alle Schriftsteller jener Zeit weisen auf diesen Zustand hin, +dessen Vorhandensein ich durch die Beibringung einiger Ziffern bewiesen +habe. + +Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts fühlte man den Missstand, der +sich aus der verhältnismässig geringen Tiefe des niederländischen +Fahrwassers ergab, und dieser Uebelstand musste in der Folge immer +deutlicher hervortreten. Die Notwendigkeit, grössere Schiffe zu bauen, +die bis zu 90 und 95 Kanonen trugen, wurde indessen dringend. Um den +grossen Tiefgang zu vermeiden, musste man also die Schiffe breiter +machen; diese wurden indessen dadurch schwer, segelten schlecht und +waren nur schlechte Kriegswerkzeuge in den Händen unserer tapferen +Seeleute. Soll man sich nun wundern, dass diese sich darüber bitter +beklagten? So mussten wir trotz all unseres Mutes wegen der Tiefe +unseres Fahrwassers und ungeachtet der finanziellen Verhältnisse dem +Auslande weichen. + +Mit Unrecht schreibt man diese Minderwertigkeit den Schiffbauern +jener Zeit zu. Viele von ihnen haben sich natürlich lange an das +alte Verfahren gehalten, wie aus dem Werk des ~Du Hamel du Monceau~ +hervorgeht. Auf S. 287 dieses Werks heisst es: «Die Gewohnheit, +mechanisch und knechtisch nachzuahmen, was früher geschah, hat +alle jene Proportionsregeln geschaffen, die bei der Bestimmung der +Hauptrippe, der Beschreibung der Modelle und ihrer Zeichnung beobachtet +wurden.» Was er hinzufügt, ist nicht weniger interessant: «Jeder +Schiffszimmermann bewahrte diese Regeln für seine Familie als ein +Geheimnis.» + +Die holländischen Schiffbauer sind keine Freunde der Feder. ~Witsen~ +selbst bemerkte dies schon. Sie hatten Furcht, ihre Geheimnisse +zu veröffentlichen, damit nicht auf diese Weise ihre Arbeit ihnen +von andern entrissen würde. Noch vor wenig Jahren weigerte ein +Schiffbauingenieur sich, mir die Zeichnungen eines von ihm gebauten +Schiffes zu zeigen; er fürchtete ebenfalls, dass seine Modelle +nachgeahmt würden. + +Wie konnte man übrigens erwarten, dass man um die Mitte des 18. +Jahrhunderts schon Schiffe völlig nach wissenschaftlichen Regeln baute, +da in Frankreich, das allen Völkern in dieser Hinsicht überlegen war, +man erst 1740 dazu kam. «_Le Musée de Marine du Louvre_» berichtet +nämlich, indem es vom 18. Jahrhundert spricht: «Es (das Schiff) wird +nach wissenschaftlichen Grundsätzen gebaut, die im Jahre 1697 bekannt +zu werden anfingen, aber erst im Jahre 1740 zur Anwendung kamen; sie +führten dahin, dass sich die Schiffe in allen Ländern glichen, so weit +sie für die grosse Schiffahrt bestimmt waren; die Originalität blieb +nur für die Schiffe bestehen, die für die Küstenschiffahrt bestimmt +waren.» (s. u. a. ~Bougeur~ 1746, ~XXIII~.) + +Es war also nicht das Haften an dem Ueberlieferten, sondern der +natürliche Zustand unseres Fahrwassers, das uns verhinderte, +Kriegsschiffe von demselben Gefechtswert wie die des Auslandes zu +bauen. Das vergisst ~de Jonge~, der zu viel Wert auf die Praxis +legt, die besonders im Schiffbau noch heutzutage ein grosses Ansehen +geniesst. Dieser verehrte Schriftsteller kommt demnach notwendigerweise +dazu, über unsere Schiffbauer des 18. Jahrhunderts ein ungünstiges, +aber unverdientes Urteil zu fällen. + +Der Rückgang des Schiffbaues längs der «Zaan» z. B. war nicht die +Folge der Unwissenheit unserer Schiffbauer; die Ursache dafür ist +besonders der Versandung des Flusses und seiner Mündung zuzuschreiben. +Infolgedessen war es nicht mehr möglich, ohne grosse Kosten und Mühen +grössere Schiffe in See zu bringen. (~Loosjes~, _De Zaandamsche +dorpen_, S. 194; ~Koenen~ S. 95.) + +[Sidenote: III 15] + +Um den Unterschied zwischen der französischen und englischen und +der holländischen Bauweise zu zeigen, habe ich auf einem Blatt in +der Abbildungssammlung die verschiedenen Hauptrippen aufzeichnen +lassen. Diese Zeichnung spricht für sich selbst; es scheint mir +jedoch nötig, im Vorübergehen die Aufmerksamkeit auf den Unterschied +der verschiedenen Stile zu lenken. Dieser Unterschied lag zunächst +in der Form und der Zusammensetzung der Hauptrippen; dann zeigten +die englischen Schiffe weniger Krümmung, gingen weniger in die Höhe +und hatten keinen Spiegel. (~Van Yk~ S. 17.) Die Engländer scheinen +auch statt der vertikal nebeneinander stehenden Deckstützen sich +kreuzende verwendet zu haben, um das Schiff weniger anzustrengen; man +hielt indessen dies Verfahren für weniger praktisch hinsichtlich des +Verstauens. (~Van Yk~, S. 17 und Abbild. A. S. 18.) Sie gaben ihren +Schiffen einen vorspringenden Bug (~Witsen~, S. 126) und breite Flanken +(«dick in den buik», wie ~Witsen~ sagt, S. 207), im Gegensatz zu den +holländischen Schiffen. «The Dutch ships,» sagt ~Holmes~ (S. 110), «in +one respect excelled all others in that they were the first in which +the absurd practice of an exaggerated ‹tumble home› or contraction of +the upper deck was abandoned.» «This fashion,» sagt er später, «was +still carried out to a very great extent by the Englisch and to a less +extent by the French and Spaniards»[16]. + +Dieser Schriftsteller spricht ebenfalls von dem geringen Tiefgang +unserer Schiffe. Er äussert sich hierüber auf S. III folgendermassen: + +«In consequence of the shallowness of the Dutch harbours, the draught +of their ships was also considerably less than that of the English +vessels of corresponding force»[17]. + +Die Engländer besassen Becken zum Bau ihrer Schiffe; (~Witsen~ S. 206. +I. Spalte) sie benutzten weder Berghölzer noch Stützen. Bevor sie ein +Schiff auf Stapel legen, sagt ~Van Yk~ (S. 19), gelingt es ihnen, das +Modell davon so vorzubereiten, dass es die gewünschte Form erhält. Zu +diesem Zweck zeichnen sie vor dem Baubeginn die Rippen in natürlicher +Grösse auf einen Boden aus Brettern. Dies Verfahren ist also in England +entstanden. + +Das Aufzeichnen der Aufrisse ist bei uns erst in der Mitte des 18. +Jahrhunderts eingeführt worden. Vordem brauchte man bei uns nur Modelle +und Senten-Linien, wie man noch heut beim Bau der kleineren Holzschiffe +und Fischerboote verfährt. + +Die Einführung der Aufrisse erfolgte jedoch nicht ganz allein, um +so mehr als man an dem Erfolg ihrer Anwendung auf die holländischen +Schiffe zweifelte, die wie ~Van Yk~ (S. 19) sagt «runde Flanken hatten, +_damit sie über das Wasser gleiten könnten_ und schärfere Kurven als +die englischen Schiffe,» die einen regelmässigeren Umriss hatten. + +Die Schweden und die Dänen folgten zum grossen Teil dem holländischen +Verfahren. (~Van Yk~, S. 20.) Ihre Marine war der unsrigen nachgebildet +(~de Jonge~), aber ihre Schiffe waren weniger voll und hatten einen +grösseren Tiefgang. + +Den Franzosen fällt die Ehre zu, der Schiffbaukunst wissenschaftliche +Regeln gegeben zu haben. Alle Völker, sogar die Engländer und die +Holländer haben sich nach ihren Grundsätzen gerichtet (um die Mitte des +18. Jahrhunderts). Aber erst gegen Ende dieses Jahrhunderts drang das +französische Verfahren für die Berechnung und Zeichnung der Schiffe +überall ein. + +Ausser einer eigentlichen Kriegsflotte besassen die Niederlande eine +sehr bedeutende Handelsmarine. (~Koenen~, S. 90.) Diese umfasste, wie +man sagt, am Anfang des 17. Jahrhunderts 20,000 Schiffe, die alle in +Holland gebaut waren und das Meer unter holländischer Flagge in allen +Richtungen durchfuhren. Am Ende des 17. Jahrhunderts, als wir schon +mehrere unserer überseeischen Besitzungen verloren hatten, betrug der +Gesamttonnengehalt der Handelsmarine in England 500000 t; in unserem +Lande 900000 Tonnen und in den anderen vereinigten Ländern 2 Millionen +Tonnen. (~Groen van Pinsteren~, _Handboek_ 303, ~Koenen~, S. 160.) + +Unsere Handelsschiffe erreichten schnell eine grosse Vollkommenheit; +man kann sich davon überzeugen, durch die Bemerkungen Sir ~Walter +Raleighs~ (1552-1618) über die holländischen Schiffe, in denen man, +wie er hervorhebt, eine grosse Menge Waren verstauen konnte, während +sie eine geringere Besatzung erforderten, als die englischen Schiffe. +(~Koenen~, S. 86.) + +Unsere Handelsschiffe, unter denen besonders Flüten vertreten waren, +wurden von den Engländern und Franzosen nachgeahmt. Vorzugsweise +verwendete man Flüten als Transportschiffe. Hierüber heisst es z. B. +in dem _Musée de Marine du Louvre_: «La marine a toujours eu des +navires de transport destinés à ravitailler les escadres et qui d’abord +nommés flûtes ou transports, ont été désignés plus tard sous le nom de +corvettes de charge»[18]. + +Um einen Begriff von der Zahl der ausgangs des 17. Jahrhunderts in +Gebrauch befindlichen Schiffe zu geben, lasse ich hiernach einige +Ziffern aus dem Werk von ~Koenen~, S. 160 folgen, die der Verfasser dem +Werk von ~Van Hoogendorp~, _Bydragen tot de huishouding van den Staat_ +(Bd. I, S. 183) entnommen hat. + +Im Jahre 1783 gab es in Nordholland und in Friesland: 50 Flüten von +400, 450 bis 500 Last, die nach der Ostsee und Norwegen, Frankreich +und Spanien fuhren, und 30 Flüten von 250 bis 280 Last; 18 Flüten von +160 bis 180 Last, die den Hafen von Archangelsk, das Mittelmeer und +Westindien aufsuchten. Diese letzteren dienten anfänglich der Fischerei +in Grönland; 16 Katschepen von 160 bis 180 Last; 80 Hoeker (Huker) +oder Galiots, darunter 13 von 300 bis 350 Last, 18 von 280 bis 240, 12 +von 220 bis 200, 17 von 180 bis 160 und 20 von 150 bis 100. Alle diese +Fahrzeuge segelten nach Archangelsk, der Ostsee, dem Mittelmeer und +Westindien. Es gab ausserdem 60 Fregatten, «Snauwen» und Brigantinen, +darunter 10 von 150-200 Last, 30 von 100-140, 20 von 70-90; 5 Heckboote +von 200-300 Last; 140 Fahrzeuge und zwar Huker, Fregatten, Snauwen, +Brigantinen, deren Ladefähigkeit von 300 bis 60 Last schwankt. Endlich +gab es noch 36 Schiffe, die nach West- und Ostindien fuhren, 150 +Kuffen und Schmacken von 50 bis 70 Last, 90 Kuffen und Galiots von +70 bis 100 Last, und schliesslich 120 Galiots, Huker und Kuffen von +100-150 Last, im ganzen 819 Fahrzeuge. + +Zu dieser Zahl muss man für Leeuwarden hinzufügen 20 Kuffen und +Schmacken, deren Ladefähigkeit von 50 bis 100 Last und darüber +schwankte; für Groningen 30 Schiffe von 50 bis 70 Last; für Harlingen 9 +Fahrzeuge von 100 bis 150 Last, 1 von 180, und 3 von 200-300 Last; für +Makkum 14 Schiffe von 60-100 Last und mehr; für Werkum 2 von 60-70, 24 +von 80 bis 100, und 23 von 100 Last und darüber. + +Bolsward, Woudsend, Dryst, Dokkum, Sneek, Grouwsloten, u. s. w. zählten +zusammen 30 Schiffe von 50 bis 70 Last; 40 von 70 bis 100 und 50 von +100 Last und darüber. Endlich hatte Lemmen 40 Schiffe von 50 bis 100 +Last und darüber. + +Es gab ausserdem eine Menge kleinerer Schiffe wie die Tjalken u. s. w., +mit einer Ladefähigkeit von 20 bis 30 Last und eine nicht weniger +grosse Zahl von Fischerbarken, die in den obigen Ziffern nicht +mitgezählt sind. + +Wir kommen so auf etwa 1105 Fahrzeuge, ohne die Schiffe von geringerer +Bedeutung. + +Aber es war nicht allein die Zahl gross; es gab gleichzeitig, wie wir +aus den verschiedenen Benennungen ersehen konnten, eine grosse Menge +verschiedener Schiffsarten. + +In dem folgenden Kapitel werden wir uns mit den Handelsschiffen +beschäftigen; bevor wir jedoch die Kriegsschiffe verlassen, ist +zu bemerken, dass schon im Anfang des 17. Jahrhunderts unser Land +Fregatten besass, einen Schiffstyp, dessen man sich bei uns vor +jener Zeit nicht bedient hatte, der sich aber durch die Umstände als +notwendig erwiesen hatte. + +Die Einwohner von Dünkirchen brachten uns herbe Verluste bei: von 1631 +bis 1637 nahmen sie uns in Maassluis mehr als 200 Fischereifahrzeuge, +die man auf mehr als 1 Million Gulden geschätzt hat. (~de Jonge~, Bd. +I, S. 373.) Um ungestrafter ihre Räubereien ausführen zu können, hatten +sie dem Mittelmeer ein Schiff von schlanken Formen entnommen, das, wenn +es auch nicht gross war (es hatte nur 6 bis 12 Kanonen), ein guter +Segler war; ich meine die Fregatte. + +Um wirksamer gegen die Einwohner von Dünkirchen zu kämpfen, machte +man sich auch bei uns daran, das fragliche Schiff zu bauen, und seine +Zahl wuchs schnell auf das Drängen unseres grossen Tromp. (~de Jonge~ +Bd. I. S. 388 und 389.) In der Folge baute man Schiffe mit grösseren +Abmessungen. + +[Sidenote: III 18] + +Die Fregatte war, wie ich oben bemerkt habe, nach Frankreich durch die +Einwohner von Dünkirchen gebracht worden, von da ging sie 1741 nach +England (~Holmes~ S. 121); im Jahre 1646 besass dies Land jedoch schon +einige von geringerer Grösse. + +Die Fregatten haben eine wichtige Rolle in dem englisch-amerikanischen +Kriege gespielt. + +Einer der grössten Feinde der Holzschiffe war, wie leicht begreiflich, +das Feuer. Es ist selbstverständlich, dass man schon in den ältesten +Zeiten dieses Element verwendete, um die feindlichen Flotten zu +zerstören. Man wird sich indessen nicht damit begnügt haben, brennendes +Pech zu schleudern; man brauchte wirksamere Mittel, und so bedienten +sich die Alten schon der Brander, um Feuer an die Flotte des Gegners zu +legen. + +Wir wollen uns nicht in Vermutungen über die Brander der Alten ergehen, +die überdies nur gewöhnliche Schiffe gewesen sind. Wir werden vielmehr +eine zusammenfassende Beschreibung der Brander geben, deren man sich +im 17. Jahrhundert bediente. Es sind nur solche, von denen ~Witsen~ in +seinem wohlbekannten Werk auf Seite 166 und 167 spricht. + +Schiffe von geringerer Grösse dienten als Brander, hauptsächlich Flüten +oder Pinassen, später Spiegelschiffe von 70 bis 80 Last. Diese Schiffe +hatten ein einheitliches Deck und ein durchlaufendes Oberdeck, in das +man Löcher von etwa 1½ Quadratfuss schnitt. Von dem Hinterkastell ging +eine Leitung aus, die das Schiff in seiner ganzen Länge durchzog, +und die mit Querleitungen u. s. w. versehen war; mit einem Wort, man +stellte ein Röhrensystem her, durch das Feuer leicht und schnell laufen +konnte und zwar durch das ganze Fahrzeug. Zu diesem Zweck füllte man +die Röhren mit einem Stoff, der zur Hälfte aus Pulver, zu einem Viertel +aus Salpeter, und zu einem Viertel aus Harz und Schwefel zu gleichen +Teilen gemischt bestand; dem Ganzen wurde etwas Leinöl beigemengt. + +Die so gefüllten Leitungen wurden mit Hobelspänen bedeckt, die +ihrerseits unter Bündeln von leichten Zweigen verschwanden, die mit +einer Mischung von Harz, Oel aus der Leber des Kabeljaus, Pulver +und Salpeter überzogen waren. Das Schiff wurde ausserdem mit leicht +brennbaren Stoffen gefüllt; das Deck und die Innenwände waren mit Fett +überzogen und mit einer feinen Schicht gepulverten Harzes bedeckt. + +Man lud manchmal sogar in die Brander leere offene Teertonnen, in die +man Hobelspäne warf, welche mit denselben Stoffen überzogen waren. Man +sorgte besonders dafür, dass alle Pforten und Luken offen waren, um +Luftzug hervorzurufen. + +Um den Brander sicherer am feindlichen Schiff festmachen zu können, +befestigte man am Ende des Bugspriets, und zwar darunter und am Ende +jeder Raae, einen kräftigen Haken, den man mit Leinen lösen konnte, die +längs des Schiffes angebracht waren. + +Um den Feind zu täuschen, brachte man in den Stückpforten hölzerne +Kanonen an; auf dem Hinterteil allein wurden zwei eiserne Kanonen +aufgestellt, um sich gegen die Schaluppen u. s. w. verteidigen zu +können. + +An dem Hinterkastell war eine grosse Klappe eingebaut, durch die die +Mannschaft, nachdem sie Feuer angelegt und die Enterhaken ausgelegt +hatte, das Schiff verlassen konnte, um mit der Schaluppe zu entfliehen, +die unter der Klappe am Brander befestigt war. + +Der Dienst auf dem Brander war natürlich kein Ruheposten; daher wählte +man auch für ihn nur die tüchtigsten Leute aus, die wegen der grossen +Gefahr, die sie liefen, doppelten Sold erhielten. + +Im Bedürfnis richtete man die Brander gerade auf den Feind, sodass das +Schiff des Gegners vorn und nicht von der Seite gefasst wurde. Unter +diesen Umständen verwickelten sich die Taue sogleich und eine Lösung +war nicht mehr möglich. + +Im allgemeinen waren die Brander nur alte Fahrzeuge; manchmal waren +es auch ganz neue Schiffe, zu deren Bau man sich, wie ~Witsen~ sagt: +«eines sehr gewöhnlichen, ganz leichten und sehr leicht entzündbaren +Holzes bediente.» + +Aeusserlich unterschieden sich die Brander nicht von den gewöhnlichen +Schiffen; das Gegenteil wäre überdies nicht praktisch gewesen, weil der +Feind sie alsdann sofort erkannt hätte. Ihre Mannschaft war so wenig +zahlreich, wie möglich und alle Massnahmen waren getroffen, um ihr das +Verlassen des Fahrzeuges zu ermöglichen, so bald es angezündet war und +den gewünschten Ort erreicht hatte. + +[Sidenote: II 158] + +[Sidenote: II 161] + +Man kennt genügend die Umwandlungen, die unsere Kriegsschiffe im +Laufe des 19. Jahrhunderts erfahren haben; es dürfte also nicht nötig +sein, sich hierbei aufzuhalten. Ich möchte mich darauf beschränken, +hervorzuheben, dass die Schiffe immer weniger Krümmung hatten, das der +Vorder- und der Hintersteven fast vertikal wurden, und dass die alten +Verzierungen fast ganz verschwanden. + +[Sidenote: II 165] + +Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wählte man für das Hinterteil die +abgerundete Form, nach der englischen Art; das war der Tod des alten +Spiegelschiffs. Aber schon längst nannte man es _Kriegsschiff_. Diese +neue Benennung entsprach nicht einer neuen Bauweise. + +Unser Schiffbau war während der französischen Besetzung gesunken, und +die Kontinentalsperre vernichtete ihn völlig. Gegen Ende der ersten +Hälfte des 19. Jahrhunderts lebte er indessen z. T. wieder auf. Im +Jahre 1824 baute man allerdings nur 3 Schiffe, von 1440 t.; aber im +Jahre 1827 war diese Zahl auf 59 Schiffe mit einer Ladefähigkeit von +19758 t. gestiegen. Diese Angaben betreffen nur Schiffe von mehr als +100 t. (~Koenen~ S. 101.) + +Im Jahre 1853, sagt ~Koenen~, gab es in dem Groninger Lande für die +Binnenschiffahrt, wie für die Seeschiffahrt 89 Schiffswerfte; in +Friesland gab es bedeutende Schiffswerfte in Harlingen und Lemmen, +die nur für die Seeschiffahrt arbeiteten. In Nordholland baute +man Seeschiffe in Amsterdam, Medemblik, Monnikkendam, Muiden und +Nieuwendam. In Südholland blühte der Schiffbau in Rotterdam, Schiedam, +Alblasserdam und Dordrecht. Im gleichen Jahre 1853, fügt der genannte +Verfasser hinzu, empfingen 125 in unserm Land gebaute Schiffe +niederländische Pässe, und unsere Handelsmarine umfasste 1971 Schiffe +mit 224-432 Last Ladefähigkeit. + +Auch der Dampf hielt seinen Einzug bei uns in der ersten Hälfte des 19. +Jahrhunderts; die Segelschiffahrt wurde dadurch in das Hintertreffen +gedrängt. Die Einführung des Eisens brachte ebenfalls eine grosse +Umwälzung; aber auf sehr vielen Werften erkannte man nicht die +Bedeutung dieses neuen Baumaterials, sodass man sich zu lange beim Bau +von Holzschiffen aufhielt, und dass schliesslich der Zusammenbrach +erfolgte. Andere dagegen, die gleich im Anfang sich dem Eisenbau +zugewendet haben, haben sich gedeihlich entwickelt und in hohem Masse +dazu beigetragen, den alten Ruf unserer holländischen Schiffbaukunst +hochzuhalten. + +Das erste Eisenschiff in unserem Lande wurde von Fop Smit gebaut, der +auch die eisernen Maste erfunden zu haben scheint. Die ersten Dampfer +wurden in Feyenoord (1834/35) auf der Werft erbaut, die jetzt der +«Société de constructions navales et de mécanique» gehört. (Siehe +_Gedenkboek Kon. Instituut van Ingenieurs_, S. 209 usw.) + +Man kennt zur Genüge die Umwälzung, die das Eisen in unserm +Kriegsschiffsbau hervorrief; aber die Kriegsschiffe haben dabei jeden +eigenen Charakter verloren, und man erkennt sie nur noch an der Flagge, +die sie tragen. Das ist der Zustand für die Seeschiffahrt; aber das +wird auch die Lage der Binnenschiffahrt werden. Auch hier ist das Eisen +eingeführt worden; die alten Formen verschwinden, um Typen Platz zu +machen, die bald allgemein Verwendung finden werden. + +Aber dann wird auch jeder nationale Charakter auf den Flussschiffen +verschwunden sein, und man wird vergeblich suchen, was vergangen ist. +Obgleich schon viel Gleichmässigkeit vorhanden ist, kann man doch noch +immer an ihren soliden und eleganten Formen die in Holland gebauten +Schiffe erkennen. + +Könnte dem doch immer so sein; möchten die Schiffbauer den guten +Ruf der holländischen Schiffbaukunst mehren, aber möchte auch das +niederländische Kapital fortfahren, sie zu unterstützen und begreifen, +dass die Macht unseres Vaterlandes in einer blühenden Marine liegt. +Aber diese braucht auch ausgezeichnete Verbindungsstrassen; im 19. +Jahrhundert sind bekanntlich neue Verbindungen zu Wasser geschaffen und +die alten verbessert worden. Die alten Hindernisse, die in der geringen +Tiefe der zu unseren grossen Zentren führenden Durchfahrten lagen, sind +beseitigt, und es ist uns ermöglicht worden, auf dem Gebiete des Baues +der grossen Schiffe den Kampf mit dem Ausland aufzunehmen. + + + [4] Dem Fahren mit geringer Mannschaft, der Nüchternheit seiner + Seeleute und der angeborenen Reinlichkeit des holländischen + Volkes ist das Blühen der holländischen Schiffahrt zu danken, + nicht der Formenschönheit der Schiffe. + + [5] In diesem Punkt trotzen sie (die Engländer) offen allen Ländern + und halten sich für unerreicht auf dem Gebiete des Schiffbaues. + + [6] Westländischer Einfluss auf die Kultur, Lebensweise und den + Ackerbau der Nordländer (Norweger, Skandinavier u. s. w.) zur + Zeit der Wikinger von Alexander Bugge 1905. + + [7] Nach Ansicht der meisten Schriftsteller fällt den Friesen die + Ehre zu, die Schiffbaukunst in den Niederlanden zu neuer Blüte + gebracht zu haben. + + [8] «Wie man in der Vergangenheit die Koggeschiffe baute und wie sehr + sie sich in der Folgezeit geändert haben, übrigens ganz wie + man in unserer Zeit (zur Zeit des Schreibers) ständig die + Schiffsformen sich ändern sieht.» + + [9] Die Taktik der Engländer bestand hauptsächlich darin, die Schiffe + zu entern, während die Spanier, deren Schiffe viel höher waren, + mit Armbrüsten und schweren Steinen angriffen; die letzteren + schleuderten sie aus ihren furchtbaren Marsen in die Schiffe + ihres Gegners. + + [10] Und in der Tat, das vornehmste und beste Mittel, den zu grossen + Tiefgang der Schiffe zu vermeiden, besteht darin, die Schiffe zu + verbreitern. Diese Aufgabe müssen wir besonders im Auge behalten + wegen der geringen Tiefe unserer Durchfahrten. + + Nach Ansicht erfahrener Lootsen, die sie gewissenhaft gemessen + haben, ist es nicht möglich, durch die Goereesche Durchfahrt + Schiffe von über 20 Fuss Tiefgang, durch die von Texel solche + von etwa gleichem Tiefgang und durch die Maas solche von mehr + als 13 Fuss zu bringen. + + Daher ist es auch mehr als einmal vorgekommen, dass + Kriegsschiffe des Staates von schlanker Form und durch Ballast + tief eingesenkt, um das Segeln zu erleichtern, zum grossen + Schaden des Landes bei Ebbe oder Windstille die hohe See nicht + erreichen konnten, während man sie auf offener See nicht + verwenden konnte, weil die untere Reihe der Kanonen zu nahe am + Wasser lag. + + [11] Seit mehreren Jahren hat man, um unsere grossen tiefgehenden + Schiffe in den Stand zu setzen, die hohe See zu gewinnen, bei + der geringen Tiefe unserer Flüsse und Durchfahrten, so weit es + möglich war, versucht, sie durch leere Fässer zu heben. Aber + dies Verfahren erforderte schon zur Anbringung der Fässer eine + endlose Zeit und erhebliche Arbeit. + + [12] Man kann mit vollem Recht sagen, das während des ganzen + 18. Jahrhunderts die meisten Verbesserungen an den Formen und + Grössenverhältnissen der Schiffe der Königlichen Marine den + gekaperten französischen Schiffen abgesehen wurden. + + [13] Die Ueberlegenheit der französischen Schiffe hinsichtlich ihrer + Grössenverhältnisse stand fortwährend zur Erörterung, und + im Jahre 1719 stellte man eine neue Uebersicht für die + Grössenverhältnisse der Schiffe unserer Königlichen Marine auf + nach der folgenden Tabelle. + + [14] Durch die ganze Geschichte unseres Seewesens und zwar bis auf + verhältnismässig neue Zeitläufte sehen wir, dass man + Verbesserungen in der Grösse und in der Form unserer Schiffe + erst einführt, nachdem diese Aenderungen von den Franzosen oder + Spaniern oder in neuester Zeit von dem Volk der Vereinigten + Staaten von Amerika angenommen sind. + + [15] Dass das Schiff, welches nach Süden oder Westen fährt, das + Vorderteil mit Kupfer bekleidet haben soll, um es vor dem + Bohrwurm zu schützen. + + [16] Die holländischen Schiffe waren allen anderen in sofern + überlegen, als sie die ersten waren, die mit jener törichten + Praxis brachen, den Schiffen ein übermässiges «tumble home» + zu geben, d. h das Oberdeck einspringen zu lassen. Bei den + Engländern wurde dies Verfahren in grösserem Massstabe + angewendet, während dies bei den Franzosen und Spaniern in + geringerem Grade geschah. + + [17] Wegen der geringen Tiefe der holländischen Häfen hatten die + Schiffe dieses Landes auch einen geringeren Tiefgang als die + englischen Schiffe von gleicher Stärke. + + [18] Die Marine hat immer Transportschiffe gehabt, um die + Geschwader mit Lebensmitteln zu versorgen, die zuerst Flüten + oder Transportschiffe hiessen und später mit dem Namen + Lastkorvetten bezeichnet wurden. + + + + +[Illustration: 3] + + +Im vorigen Kapitel haben wir gesagt, dass man erst in der zweiten +Hälfte des 16. Jahrhunderts in Holland mit dem Bau von eigentlichen +Kriegsschiffen begonnen hat. Bis zu dieser Zeit wurden die +Handelsschiffe zu militärischen Zwecken benutzt. Daraus ergibt sich, +dass in dem Masse, wie sich der Handel entwickelt und die Gefahren +vor dem Feind zur See wachsen, die Bewaffnung der Handelsschiffe +immer wichtiger wird. Das persönliche Interesse war so der Grund der +teilweisen Ausrüstung der Handelsschiffe als Kriegsschiffe. So stellte +man die Schiffe der Ost-Indischen Kompagnie her, die als Type dieser +Art betrachtet werden können. + +Es ist übrigens selbstverständlich, dass gerade die grössten +Handelsschiffe die meisten Umänderungen in der Folge der Zeiten +erfuhren. Die alten Muster werden also nicht unter ihnen sondern unter +den kleinen Typen zu finden sein, wo sich diese Muster am besten +erhalten haben. + +Der älteste Schiffstyp in unserer Heimat ist das «Koggeschiff», aus +dem die «Krayers» und «Hulken» entstanden sind. Sie sind alle mit +übergreifenden Planken (klinkerweise) gebaut. Im 15. Jahrhundert +erscheinen die «Barges» (Barken), die «Baertsen» u. s. w. mit glatter +Bordwand, die allmählich die «Krayers» und die «Hulken» verdrängen. Sie +weichen übrigens wenig in der Form von den letzteren ab. + +Am Ausgang des 15. Jahrhunderts trifft man die «Kraak», die von den +Völkern des Südens zu uns kommt; ebenso stammt von ihnen der «Spiegel» +(Schiff mit viereckigem Hinterteil) am Ende des 16. Jahrhunderts. Zu +dieser Zeit verschwinden die Namen «Barge» u. s. w., und an ihre +Stelle treten die der «Kuffen» und «Schmaken». Es muss aber die +Tatsache betont werden, dass die alten Formen nicht verschwanden. +Dieselben Schiffe wechseln in der Folge nur den Namen infolge einiger +Veränderungen in Einzelheiten. Ein treffendes Beispiel hierfür sind +die «Tjalken» die ~Witsen~ nicht anführt und die doch schon zu jener +Zeit vorhanden waren. Sie trugen damals den Namen «Smalschepen» oder +«Wijdschepen». Wir könnten hierfür noch mehrere Beispiele nennen. Die +Ähnlichkeit der Form ist oft so auffallend, dass am Anfange des 19. +Jahrhunderts unsere Flotte noch vollkommen die Type der Zeit von Witsen +zeigt. Die eingeführten Änderungen betreffen nur Einzelheiten. + +Bei Beurteilung der alten Type, die noch jetzt in Gebrauch sind, muss +man jedoch zweierlei berücksichtigen: dass unsere Schiffe im Laufe +des 19. Jahrhunderts erheblich an Länge und Breite zugenommen haben +und entsprechend auch an Tiefe, um so den Verbesserungen unserer +Wasserstrassen und der Herstellung neuer Kanäle zu folgen. + +Daraus hat sich um die Mitte dieses Jahrhunderts die Entartung einiger +Type ergeben, zu der übrigens das Auftreten des Eisens im Schiffbau in +hohem Masse beigetragen hat. + +Andrerseits hat die Verbesserung der Schiffahrtsstrassen und die +Schaffung der Häfen die völlige Beseitigung gewisser Type bewirkt. +So dürfte die Herstellung des «Bommenhaven» bald das gänzliche +Verschwinden der alten «Bommen» zur Folge haben. Wir werden darüber +später sprechen. (Fischereifahrzeuge.) + +Die kleineren Fahrzeuge werden uns also die beste Vorstellung von +den alten Formen geben, während man, wie oben gezeigt, unter den +Fischereifahrzeugen die schönsten Proben der Schiffbauten früherer +Zeiten finden wird. Die Fischereifahrzeuge offenbaren uns am besten den +Ursprung der Formen unserer Schiffe, und deshalb werden diese Fahrzeuge +in einem besonderen Kapitel behandelt werden. + +Wie oben gesagt, bestand der Hauptunterschied der Handels- und der +Kriegsschiffe darin, dass die ersteren ein schmales Deck hatten, so +dass ihre Mannschaft vermindert werden konnte (~Witsen~, S. 54, 263, +266), und wir haben zu gleicher Zeit gezeigt, wie die Holländer immer +als Beispiel hierfür angeführt wurden. So sehen wir die «Vliebooten» +auftauchen, als Vorläufer der «Fluiten» die in England unter dem Namen +«Dutch flight» bekannt waren. + +Die Fahrten nach dem Norden wie nach dem Süden brachten jedoch +Änderungen hervor, aus denen eine grosse Zahl von Schiffstypen +entstand. Diese sind jedoch alle von einem gleichen Grundtyp +abzuleiten. So schreibt ~Witsen~ (Seite 53): «Noortsche deelhaelders +laeden het meest wanneer na den vierkante hellen, kooren schepen en die +op stukgoederen aenleggen, als ze rondtachtig zijn en veel springen. +Oost- en Noortsvaerders die grove waeren laeden zijn grooter en ’t +gemeen als die stuk goederen wijnen en diergelijke laeden gelijk ook de +southaelders»[19]. + +Das sind also alles geringe Varianten desselben Typs. Als die Schiffe +an Grösse zunahmen, musste man sie gewölbter bauen, auch wegen der +geringen Wassertiefe der Meeresarme, was andererseits die Unterschiede +zwischen den Grundformen verschwinden lässt. + +So lesen wir in ~Van Yk~ (S. 348): «Maar als men hiertegen aanmerkt dat +wegens de doorgaans ondiepe gronden en lastvoerens wil alle schepen +van tijd tot tijd vierkanter werden gebouwd, sulks dat heden desen +aangaande niet so veel onderscheid tusschen d’een en d’andere soort +van Schepen als wel voor dezen gevonden werd. Want een hedendaags +welgebouwde kaag sal in Lasten te voeren ’t Smalschip dat in Lengte, +Wijdte en Holte daaraan gelijk is, weinig wijken willen. En de +Damschuit, die wel gemaakt is, sal den Damlooper bijna ook evenaren +konnen»[20]. + +Das schmale Deck der Kauffahrteischiffe hat noch einen anderen +Ursprung, der Anlass gab, Schiffe mit stark ausspringenden Formen zu +bauen. Dieser Ursprung liegt in der Art, die Schiffe zu eichen. + +~Witsen~ sagt hierüber: «Het uitbreecken deser schepen (Noortsvaerders) +voor en achter bracht hier in den schipper profijt aan dat ze vele +goederen meer stouden als de maat der schepen hielt[21].» (S. 160.) + +Das bezog sich besonders auf die Schiffe, die Holz oder Korn in den +Ostseehäfen luden, wegen der Zölle, die dem König von Dänemark zu +zahlen waren, deren Höhe nach dem Vertrag von 1647 festgestellt wurde, +indem man die Fassungskraft nach der Länge, der Breite in Höhe des +Decks und der Tiefe berechnete. Als jedoch dieser Vertrag im Jahre 1666 +abgeändert wurde, verschwand, wie ~Witsen~ (S. 160) schreibt, diese +hässliche Bauart und diese übermässige Wölbung allmählich (werd dit +mismaekt bouwen en geweldigh uitspringen achterwege gelaten). + +[Sidenote: III 16] + +Trotzdem baute man noch lange in grosser Zahl Handelsschiffe mit +schmalem Deck, und im Anfang des 19. Jahrhunderts findet man sogar noch +«Fluitschepen». Ein schönes Beispiel dieser «Fluitschepen» (Flüten) +befindet sich im Altertumsmuseum von Dordrecht. + +Der mehr gewölbte Bau der Handelsschiffe ging Hand in Hand mit der +Erhöhung des Hinterstevens und des Vorderstevens. Andrerseits liess man +am Ende des 17. Jahrhunderts den Gedanken fallen, dass die Grösse des +eingetauchten Teils eines Schiffs möglichst beschränkt sein müsste. + +[Sidenote: II 149] + +[Sidenote: II 153] + +Die Erhöhung des Vorder- und Hinterstevens zogen die Verkürzung des +Galiondecks nach sich, das am Anfang des 17. Jahrhunderts ⅕ der +Gesamtlänge des Schiffs und am Ende desselben Jahrhunderts nur ⅛ +mass. Dieser Unterschied springt deutlich in die Augen, wenn man das +Modell von Zierikzee und das von «Bleyswijk» miteinander vergleicht. +Das Galion, das zu uns aus dem Altertum gekommen war, (~Van Yk~ +S. 103) wird nur als «Heimelijke gevoeg-plaatsen» (als W. C.) für +das Volk verwendet, während man dort auch diejenigen einschliesst, +die irgend ein unbedeutendes Vergehen begangen haben; «des devotie +des overspelenden zeewaters,» sagt ~Van Yk~ (S. 104), (den Wogen +ausgesetzt). + +Für unsere Handelsschiffe war der grosse Feind das Feuer. + +Die Verstopfung der Wassereintrittsstellen war überdies schwieriger für +die Handelsschiffe als für die Kriegsschiffe, weil es für die ersteren +im allgemeinen unmöglich war, zu den Wassereintrittsstellen vom Innern +und durch die Ladung zu gelangen. + +Wasserdichte Schotten gab es nicht, und die Verstopfung der +Wassereintrittsstellen war darum nicht weniger nötig. ~Witsen~ +berichtet uns, wie dies geschah, (S. 276). Nachdem er erklärt hat, wie +man den Brand löscht, indem man Wasser einlaufen lässt, fährt er wie +folgt fort: + +«Wanneer een geschoten gat onder water van binnen niet gestopt kann +worden, hetzij den last en den weg is, of anderzins wordt een man +buiten boord met een prop in de hant op een plankje gezet, daar een +dreg aan vast is die hun onder water haalt. En aldus stopt of dekt hij +de opening. Man geeft hem een geoliede lap in den mont, om het water +uit het lichaem te weeren»[22]. + +Bevor wir zu der eigentlichen Teilung der Hauptklassen gehen, die +wir kennen gelernt haben, müssen wir noch etwas über das Schiff im +allgemeinen und einige Einzelheiten im besonderen sagen. + +Die alten Erbauer von Holzschiffen bemassen die Länge derselben nach +ihrer Bestimmung. Diese Länge wurde gerechnet zwischen dem vorderen +Teil des Vorderstevens und dem hinteren Teil des Hinterstevens. +Aus der Länge berechnete man die Breite und Tiefe, da die Breite = +¼ der Länge ist. Für die Tiefe nahm man 1 Fuss auf 10 Fuss Länge, +an der Stelle, wo das Schiff die geringste Höhe hatte. Lediglich +aus ästhetischen Gründen zog man den Hintersteven höher als den +Vordersteven. + +Wenn der Kiel gelegt war, wurden Vorder- und Hintersteven gerichtet; +nun machte man die Heckbalken mit den Spiegelspanten (Heckspanten) +fest, dann das Hauptspant und das Spant über der Verbindung des +Bugs. Dann legte man noch ein Spant zwischen das Hauptspant und den +Hintersteven. Auf diesen Spanten befestigte man dann die «Centen» +(dünne biegsame Bretter), um so die Form des Schiffes zu bestimmen und +daraus die anderen Rippen (Spanten) abzuleiten. + +Nach ~Van Yk~ (S. 77) hiessen diese Bretter nicht «Centen» sondern +«Certen» (Sicherer), weil man mittels dieser Bretter die Form des +Schiffes festlegte, sie sicherte. Andere Schriftsteller behaupten, +dass das Wort von «Kanten» oder «Kenten» herkommt, das wieder von +«Bekendheid» (Kenntnis) stammt. + +Die Form des Schiffes wurde also «in natura» festgelegt, nachdem man +zuerst die Hauptspanten und die Länge festgestellt hatte. Je weniger +gross das Schiff war, je stärker war die Kurve und um so mehr «Centen» +brauchte man, um genau die Form festzulegen. + +Andrerseits war es üblich, dem Schiff eine Krümmung (Zeegte) zu +geben, d. h. ihm in der Mitte weniger Höhe zu geben als an den Enden. +Diese Krümmung wurde nach Anbringung der «Centen» hergestellt, durch +Verstärkungsplanken, die man zunächst da befestigte, wo die Höhe des +Schiffs am geringsten war. Diese Verstärkungsplanken liefen von dort +nach vorn in die Höhe, und zwar 1 Zoll auf 6 Fuss Länge und nach +hinten 5 Zoll auf 6 Fuss. Nach diesen Verstärkungsplanken brachte man +die Berghölzer (Aussenplanken) an, die das Schiff schützen sollten. +Bei den grossen Schiffen (Spiegelschepen) hat die Krümmung allmählich +abgenommen, und man hat sich bemüht, Schiffe mit geradem Deck zu +bauen, indem man hierin England und später Amerika nachahmte. Bei den +Binnenfahrzeugen wie den «Tjalken» «Poonen» u. s. w. ist die Krümmung +bestehen geblieben. Bei den kleinen Fahrzeugen verwendete man nur eine +Aussenbeplankung. Bei den grossen, wie den «Tjalken» und «Schmacken» +legte man sogar bis zu 3 Aussenplanken übereinander. + +Im allgemeinen kann man feststellen, dass im 18. Jahrhundert die +Aussenplanken weniger schwer wurden, ganz wie der Vorder- und der +Hintersteven. Die Stiche, die Schiffe von vor 1500 darstellen, zeigen +mehrere Aussenplanken in gleichen Abständen, während man erst am Ende +des 16. Jahrhunderts die späteren einzigen Aussenplanken erscheinen +sieht. + +Es ist sicher, dass die Verbesserung der Schiffahrtstrassen im übrigen +einer der Gründe gewesen ist, die Schiffe weniger schwer zu bauen. + +Andererseits zeigen diese alten Stiche, dass die Bordplanken sehr +kurz sind, um zu ausgesprochene Krümmungen zu vermeiden; um aber +trotzdem dem Schiffe mehr Festigkeit zu geben, werden die mehrfachen +Aussenplanken nötig. + +[Sidenote: II 138] + +Im früheren Schiffbau, wo die mit Überlappung gelegten Planken, die +zusammengenietet werden, den Bau fester machen, findet man keine +Aussenplanken (Berghölzer), wie z. B. bei den alten «Koggeschepen». Das +kleine Schiff in der Kirche von Diemer hatte jedoch welche. + +Diese Berghölzer wurden damals von runden Konsolen aus Holz gestützt, +die man noch bei einigen alten «Poonen» findet. + +Was die Berghölzer betrifft, so ist es Regel, dass wenn man das Schiff +von vorn sah, diese Planken konvex erschienen, mit der konvexen Seite +nach oben, während sie beim Anblick von der Seite konkav aussahen, d. +h. konvex nach unten. + +Wie gesagt, man ging etwa in der Mitte des 17. Jahrhunderts bei den +grossen Schiffen von der Verwendung der «Centen» ab und arbeitete nach +Entwürfen, in denen die Spanten gezeichnet und entwickelt waren. + +Der Bau des Schiffes endete dann in genügend bekannter Weise, so dass +wir uns damit nicht aufzuhalten brauchen. + +Das Steuerruder wurde mittels der Ruderpinne gehandhabt, die an ihm +angebracht war. Auf den grossen Schiffen wurde die Ruderpinne von einem +Stück Holz gestützt (Luierwagen), wie man es noch auf vielen kleinen +Binnenschiffen findet. + +Um die Ruderpinne leicht handhaben zu können, verlängerte man sie +auf den grossen Schiffen durch den Helmstock. Dieser ging durch +eine Öffnung des Oberdecks. Später steckte man in diese Öffnung eine +bewegliche Stütze, deren Achse sich in der Richtung der Schiffsachse +befand; die Stütze hatte ein vertikales Loch, durch das der Helmstock +ging. Der Helmstock konnte so durch die Öffnung hindurch gehandhabt +werden und als Hebel wirken, um das Steuerruder gegen die Seiten des +Schiffes zu legen. Es ist selbstverständlich, dass bei solchem Steuern +die Arbeit bei schwerem Wetter nicht gerade leicht war und Verstärkung +nötig machte. Zu diesem Zwecke war eine Rolle an dem Oberdeck +befestigt; um sie lief ein an der Ruderpinne angebrachtes Tau (Trosse), +um das Steuerruder besser lenken zu können. (~Witsen~, S. 274, 2. +Spalte.) + +Dieses Tau wurde von zwei Leuten bedient und stellte mit der Rolle den +Vorläufer des Steuerrades dar, das im 18. Jahrhundert erschien, in +Nachahmung Englands, wie manche Schriftsteller behaupten. + +Man nimmt manchmal an, dass das Steuerruder sich nur schwach neigen +konnte; darin täuscht man sich indessen. ~Witsen~ sagt nämlich auf S. +28: «Je grösser die Neigung des Steuerruders ist, je schwieriger wird +seine Handhabung.» Es ist klar, dass ~Witsen~ nicht von einer Neigung +gesprochen hätte, wenn diese gering gewesen wäre. Es geht klar aus der +Anführung des ~Van Yk~ (S. 121) betreffend die «Luierwagens» hervor, +dass der Steuermann viel Kraft entwickeln musste. «Hij (de Luierwagen) +diend om de Roerpen, aan ’t vooreinde, t’ ondersteunen nademaal deze, +wegens deszelfs langte, om sig selven te dragen immers _om ’t geweld +dat de man_ te Roer daaraan verrichten moet, uit te staan; al te zwak +soude wezen»[23]. + +Endlich sagt ~Bouguer~ (1764) auf S. 83, dass das Steuerruder mit der +Verlängerung des Kiels einen Winkel von 54°44′ u. s. w. bilden muss. + +Mit Unrecht sagt man also, dass die Neigung des Steuerruders nur einige +Grade beträgt. (S. ~Paris~, Bd. 4, S. 221.) + +Übrigens müssen auf unseren Flüssen mit geringer Wassertiefe und enger +Fahrrinne die Schiffe schneller steuern können; das Steuerruder muss +sich also mehr als nur einige Grade wenden können. + +Auf den kleinen Binnenschiffen verlängert man häufig das Steuer, wenn +man in wenig tiefes Wasser kommt; diese Verlängerung geschah durch eine +besondere Planke, oder einen beweglichen Teil (~Van Yk~, S. 121), was +auch heute noch sehr häufig vorkommt. + +Wenn die Pinne des Steuers ganz oberhalb des Bords gedreht werden kann, +was man holländisch «geen statie voeren» (ohne Statie) nennt, so sagt +man, dass das Schiff einen «draai over boord» hat[24], im Gegensatz zu +den Schiffen mit «Statie». Die «Statie» bezeichnet den Teil des Bords, +der oberhalb der Ruderpinne liegt. + +Die Ruderpinne läuft dann also durch eine Öffnung der Statie, sodass +das Steuerruder nicht völlig umgelegt werden kann. Die Länge der zur +Vergrösserung des Steuerruders dienenden Schwerter wird doppelt so +gross genommen wie die Tiefe des Fahrzeuges. + +Da die Wassertiefe auf vielen Flüssen und Seen ungenügend ist, sodass +die Schwerter den Grund berühren würden, so verkürzt man sie für die +Binnenschiffe, und vermehrt infolgedessen ihre Breite. + +Für das Meer und die seeländischen Flüsse sind die Schwerter lang und +schmal. + +Um die Mitte des 18. Jahrhunderts erfährt die Takelung neue Änderungen. +Das kleine Bugspriet verschwindet, um den Fockmasten Platz zu machen, +die seit jener Zeit im Gebrauch geblieben sind. + +[Sidenote: III 145 u. s. w.] + +Die Takelung der grossen Schiffe ist übrigens bekannt genug. Wir wollen +nur die Tatsache hervorheben, dass auf verschiedenen Modellen des 17. +Jahrhunderts Fockmaste fälschlicher Weise angebracht sind. + +Man nennt «Schip» (vaartuig) ein Fahrzeug, bei dem die Bekleidung mit +dem Vordersteven verbunden ist. Die «Aak» ist ein Fahrzeug, das keinen +Vordersteven hat und bei dem die Beplankung bis zum Vorderteil glatt +bleibt. Die Beplankung endet also an der vorn befindlichen Ebene. Wenn +das bei einer «Tjalk» eintritt, so erhält man eine sogenannte «Aak +Tjalk». + +Wenn das hintere Deck bis über den Bord erhöht ist, so sagt man, dass +das Schiff einen «paviljoen» hat (gebrochenes Deck). + +Man wird also z. B. eine «Statiepaviljoenpoon» haben, d. h. eine «Poon» +mit erhöhtem Hinterteil und gebrochenem Deck. Wenn das hintere Deck +nicht erhöht ist, so hat man einfach eine «Statiepoon», u. s. w. + +Neben den Kriegsschiffen und den Handelsschiffen findet man noch +Fähren, Fahrzeuge für Sonderzwecke wie Bagger u. s. w.; die Schiffe, +die lediglich auf den oberen Läufen der Flüsse verkehren und die +Fischereifahrzeuge. + +Man kann also die Schiffe folgendermassen ordnen: + + +ORDNUNG DER SCHIFFE + + I. KRIEGSSCHIFFE. + + II. HANDELSSCHIFFE. + A) Für die grosse Schiffahrt; + B) Für die kleine Schiffahrt. + + III. FÄHREN. + + IV. FAHRZEUGE FÜR VERSCHIEDENE ZWECKE, DIE KEINER DER VORSTEHENDEN + GRUPPEN ANGEHÖREN. + + V. SCHIFFE FÜR DEN OBERLAUF DER FLÜSSE (BOVENLANDERS). + A) Für den Rhein; + B) Für die Maas; + C) Für den Oberrhein und das Becken zwischen Rhein und Maas. + + VI. FISCHEREIFAHRZEUGE. + A) Zum Seefischfang; + B) Zum Fluss- und Küstenfischfang. + + +I. + +KRIEGSSCHIFFE + +Was die Entwicklung der eigentlichen Kriegsschiffe betrifft, so können +wir den Leser auf die vorhergehenden Kapitel verweisen. + +Vor dem Jahre 1675 etwa hat es also als erstes eigentliches +Kriegsschiff das «Pinasschiff», die Pinasse, später das «Spiegelschiff» +(Schiff mit viereckigem Hinterteil) gegeben. Der «Spiegel» +verschwindet dann. Man kommt zu den runden Hinterteilen zurück, aus +denen sich das «Schip van Oorlog» (Kriegsschiff) ergibt. Anfangs +waren es ausschliesslich Schiffe mit doppeltem Deck; am Ende des 17. +Jahrhunderts baute man indessen in den Niederlanden einige Typen mit +dreifachem Deck. + +Als Hilfs-Kriegsschiffe verwendet man oft das «Fluitschip» (Flüte) und +das «Oost-Indisch Compagnie-Schip» (Schiff der Ost-Indischen Kompagnie) +sowie die «Jachten» (Yachten) und verschiedene andere Type geringerer +Bedeutung; zur Küstenbewachung nimmt man die «Boeier» (Bujer), +«Galjoot» (Galiot), «Galeas» (Galeasse), «Bom», «Koff» und «Smak» +genannten Schiffe. + +Alle diese Schiffe gehören mehr zur Klasse der Handelsschiffe und +sollen im folgenden Kapitel beschrieben werden. + +Man ahmt aus dem Ausland nach die «Fregat» (Fregatte), und später die +«Brik» (Brigantine), den «Schooner» und die «Bark» (Barke). + + +II. + +HANDELSSCHIFFE + + +A) _Für die grosse Schiffahrt._ + +Das älteste Handelsschiff ist das «Koggeschiff», aus dem die «Hulken» +und die «Krayers» entstanden sind. Diese Schiffe haben eine Beplankung +mit Überlappung. Darauf baut man stärker gewölbte Schiffe. In der +zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erscheint die glatte Beplankung. +Der sich daraus ergebende Typ heisst «Barge» (Barke) oder «Baertze». + +Während dieser Zeit beginnt man, auf diesen Schiffen Aufbauten zu +errichten, ganz wie bei den alten «Koggeschepen». Diese Aufbauten +werden allmählich grösser, als man die spanischen, portugiesischen und +genuesischen Schiffe nachbildet. Ein Typ mit Aufbauten von grossen +Abmessungen nach den spanischen Karaks heisst «Kraak». + +Dieses Schiff verschwindet jedoch in unserem Vaterlande im Laufe des +16. Jahrhunderts. + +Am Ende des 16. Jahrhunderts tauchen die «Vlie-» oder «Vlietbooten» +auf, die später «Fluiten» (Flüten) heissen. + +Diese Schiffe unterscheiden sich von den vorhergehenden Typen dadurch, +dass sie am oberen Teil des Rumpfes stark einspringen. Sie hatten also +einen breiten Rumpf und ein schmales Deck. Diese «Fluiten» sind die +hervorragendsten Handelsschiffe bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts. + +Am Ende des 16. Jahrhunderts war das «Spiegelschiff» erschienen, das +als Handelsschiff nach dem Beispiel des Mittelmeeres diente. Am Anfang +des 17. Jahrhunderts nannte man dies Schiff «Pinasschiff». + +Man baute das «Pinasschiff» (Pinasse) stärker gewölbt in der zweiten +Hälfte des 17. Jahrhunderts mit vertikalerem Hintersteven und einem +kleineren Galionsdeck, woraus sich das Oost-Indisch Compagnie-Schip +(Schiff der Ostindischen Kompagnie) ergeben hat. + +Neben diesen Typen bleibt das «Fluitschip» bestehen. Es erfährt +indessen einige Abänderungen, die sich aus seiner Zweckbestimmung +ergeben, und so entwickelt sich der «Noordvaerder» oder +«Walvischvaerder» (Walfischfänger) und der «Oostvaerder» (Ostseeschiff). + +Die kleinen «Spiegelschiffe», die übrigens eine weniger umfangreiche +Takelung haben, erscheinen im 18. Jahrhundert unter dem Namen +«Snauschepen». + +Ferner werden zwei Type von Fischereifahrzeugen gebaut, mit grossen +Abmessungen für die offene See; das sind die «Hoeker» (Huker) und die +«Buys» (Büsen), die wir im Kapitel «Fischereifahrzeuge» wiederfinden. + +Das Ausland gibt uns noch als Handelsschiff: die «Fregate» (Fregatte), +während die «Kromstevens» oder «Boeiers» (Bujer) schon der +französischen Marine nachgebildet sind. + +Diese Schiffe erscheinen im 17. Jahrhundert infolge des Handelsverkehrs +mit Rouen (~Witsen~, Seite 164, 2. Spalte). + +Aus Verbindungen dieser Type unter sich und mit kleinen Typen entstehen +neue Arten, die andere Namen tragen wie das «Boot» das nichts anderes +ist, als eine kleine Fluit mit Hinterteil als «Draai-over-boord»; das +«Hekboot» eine Verbindung der Pinasse und der Galiot; das «Katschip» +gebaut nach dem «Bujer» und der «Fluit», und schliesslich der +«Stokker», der ein Vorderteil wie ein Spiegelschiff und ein Hinterteil +wie ein Huker hat. + +Es ist natürlich schwer, eine genaue Trennung zwischen der grossen und +kleinen Schiffahrt herzustellen, weil es viele Beispiele sogar von +kleinen «Koffen» gibt, die nach Indien verfrachtet werden. + +Indem wir die Grenze zwischen der grossen und kleinen Schiffahrt zogen, +haben wir besonders die ursprüngliche Bestimmung der Schiffe im Auge +gehabt. + + +B) _Für die kleine Schiffahrt._ + +Die grossen Type dieser Schiffe sind vertreten durch die «Galiot» und +die «Galeasse» dann kommen das «Kuff» und die «Smak» (Schmack); zu der +Familie der Schmacken gehören die «Damloopers» und die «Smalschepen» +und die «Wijdschepen» sowie die «Friesche Turfschepen» (Torffahrzeuge +von Friesland). + +Sie stammen alle von demselben allgemeinen Typ ab und unterscheiden +sich nur durch Einzelheiten, die eine Folge dieser oder jener örtlichen +Notwendigkeit sind. + +Die Familie der «Smakken» (Schmacken) hat die «Tjalken» entstehen +lassen. + +Die «Tjalken» findet man besonders in Friesland und Groningen. In der +Provinz Holland nennt man sie infolge einiger kleiner Umänderungen +«Schuiten» (Schuten). In Seeland, wo sie ein schmaleres Deck haben, +nennt man sie «Poonen». In Nord-Holland führen sie den Namen «Jacht» +(Yacht). Bei diesen ist entgegen den «Poonen» der Boden weniger breit +als bei der «Tjalk». + +Auf der belgischen Schelde sind sie etwas länger und heissen «Pleiten» +während die kleineren dort «Otters» heissen. Ostfriesland zeigt uns +dieselbe Familie: hier sind es die «Motten», die etwas an die «Kuffen» +erinnern. Wir finden dort auch noch einen sehr alten Typ eines +Handelsschiffs, das von den alten Fischerbarken abstammt; es heisst +«Ever» und «Bremerkahn». + +Daneben und unabhängig von der oben genannten Familie der «Tjalken» +finden wir seit den ältesten Zeiten in Overyssel einen ganz allein +stehenden Typ. Wenn man diese Schiffe im 17. Jahrhundert zur Zeit +Witsens noch «Potten» und «Pujen» nennt, so findet man sie später und +noch jetzt nach einigen kleinen Abänderungen unter dem Namen «Snijboon» +(wörtlich Bohnen); daraus ist der «Praam» entstanden. Dieselbe Form, +aber kleiner findet sich in dem «Somp» und der «Pegge». + +Alle diese Schiffe unterscheiden sich von den «Schmacken» in baulicher +Hinsicht dadurch, dass der Vorder- und Hintersteven spitz sind, während +die «Schmacken» abgerundete Steven haben. + +Auch hier fehlen die Kombinationen nicht. So gibt es «Koftjalken», +«Praamaken» und «Aaktjalken». + +Ferner sind zu erwähnen die «Boeiers» (Bujer), die indessen keine +Aehnlichkeit mit den alten «Kromstevens» haben. + +Endlich wollen wir noch die «Kraken» erwähnen, die jedoch nichts +gemeinsames mit den spanischen «Karaken» haben. Es sind ganz einfach +sehr feste «Tjalken», die etwas gradere Linien haben, d. h. die weniger +Krümmung besitzen. + + +III. + +DIE FÄHREN (BACS) + +Als eigentliche Fähren sind nur anzuführen die «Pontons»; sie umfassen +den «Gierpont» (fliegende Fähre, Gierbrücke); den «Kabelveerpont» +(Kabelfähre); den «Jaagpont» (Pferdefähre); den «Halve Pont» +(Segelponton); den «Pijper» (kleinen Ponton) und den «Overhaalpontje» +(Nachen). + +Es ist klar, dass man als Fähren jede Art Schiffe verwendet, z. B. den +«Feerhengst», der zur Familie der «Hoogaarsen» (s. Fischereifahrzeuge) +gehört, sowie die «Tjalken», die «Schuiten» und die «Poonen», alles +Type, die wir schon kennen gelernt haben. + + +IV. + +FAHRZEUGE FÜR VERSCHIEDENE ZWECKE, DIE KEINER DER VORGENANNTEN GRUPPEN +ANGEHÖREN. + +Es braucht nicht gesagt zu werden, dass unter den Gruppen I, II, +III sich noch eine Menge kleiner Schiffe finden, die für örtliche +Zwecke bestimmt sind und mehr oder weniger von derselben Grundgruppe +abstammen, aber nach ihrer Bestimmung von einander abweichen. + +Unter den wichtigsten nennen wir die «Bocken», die man sowohl in +Holland wie in Friesland trifft. Zur selben Familie gehören die +«Groningeraardappelpramen» (Prähme zur Beförderung von Kartoffeln nach +Groningen). + +Der «Snik», friesisches Fahrzeug mit einem etwas geneigteren +Vordersteven; es gleicht darin ziemlich dem «Haarlemermeerplompertje» +(kleines Schiff für das Haarlemermeer). Wenn der Hintersteven geneigter +ist, so erhält man die «Westlanders». + +Wenn diese letzteren einen Bordteil weniger haben wie die Baggerschiffe +aus dem Haag, so werden sie zu «Bocken», die man aber nicht mit den +vorher genannten verwechseln darf. + +Im Norden von Overyssel, findet man noch bei Vollenhove ein kleines, +sehr bekanntes Schiff, den «Punter», der wahrscheinlich aus der +«Haringschuitje» (Barke zur Heringsfischerei) vom Zuiderzee stammt. +Die «Groenteschuitje» von Hoorn die zur Gemüsebeförderung dient, ist +ganz gleich gebaut. Sie ist schmal mit stark geneigtem Vorder- und +Hintersteven. + +Der gleiche Ursprung zeigt sich noch bei dem «Praam» von Utrecht und +der _Krommen Rijnaak_. Diese sind indessen länger, wenn man ihre Breite +berücksichtigt. + +Ausser den vorgenannten Typen finden wir noch den «Snik» oder +die _Gondel_ aus Nord-Holland, die sehr den «Oude Kinderdijksche +Hoogaarsen» und auch der ganz alten «Vischschuit van Aalsmeer» +(Fischerbarke von Aalsmeer) gleichen. + +Ausser einer ganz ausserordentlichen Zahl von kleinen _Schauwen_, die +nichts anderes sind als offene und flache Fähren, wie man sie schon +auf den ältesten Stichen findet, begegnet man in Holland noch den +«Schiedamschen Schauwen» oder den «Melken Spoelingschuiten» (Barken +zur Beförderung von Milch und Trebern). Es sind dies lange und flache +Barken mit einem glatten Vorder- und Hinterteil. + +Eine besondere Familie wird durch die «Barges» (Barken) und +«Trekschuiten» gebildet (getreidelte Barken); diese sind in den ganzen +Niederlanden verbreitet. Sie gleichen sich fast alle, da sie, aus +Holland stammend, sich nur in dem übrigen Teil des Landes verbreitet +haben, in dem Masse, wie Kanäle gebaut wurden. + +Besonders in der Provinz Drenthe ist die «Trekschuit» noch sehr +gebräuchlich. Der Bau der Eisenbahnen und Strassenbahnen wird sie +indessen allmählich verschwinden lassen. Einen wichtigen Platz nehmen +bei uns die _Baggeraken_ ein (Baggerschiffe). + +Uebrigens erfordert die besondere Beschaffenheit unserer Flüsse +und Meeresarme fortwährende Baggerungen, um die Häfen und +Schiffahrtsstrassen auf der richtigen Tiefe zu halten. Wir dürfen +hierbei nicht an unsere modernen Bagger denken, sondern an die «Hand- +oder Hijschbeugel» (Handbagger), das älteste bekannte Werkzeug zur +Beseitigung des Baggergutes. + +Die hierzu verwendeten Fahrzeuge heissen im allgemeinen «Baggeraken» +obgleich sie sich oft sehr von einander unterscheiden. Der bekannteste +Typ ist die _Vlet-_ oder _Baggeraak_, auch _Sliedrechtsche Aak_ genannt. + +Man verwendet hierzu noch viel die «Boeieraken» (Bujeraken). Sie +gehören alle zur Klasse der abgerundeten Schiffe. Einen besonderen +Typ findet man in Dordrecht, nämlich den _Vreeswijkschen Zandlichter_ +(Sandleichter) und die Dortsche _Zantschuit_ (Sandschute) (Barken zum +Sandbaggern), die unter sich viel Ähnlichkeit haben. + +Die letzteren dienten fast ausschliesslich zum Baggern von Ballast +für die Seeschiffe. Sie sind jetzt bis auf einige Exemplare +verschwunden. Im Westen und in der Rheingegend verwendet man zum +Baggern und zur Beseitigung des Dünensandes fast ausschliesslich die +_Bokken_, die in der Form den «Westlanders» gleichen. Sie haben einen +Bordteil weniger. In der Provinz Utrecht gebraucht man hierzu die +_Slijkpramen_ (Schlickprähme), entsprechend der «Krommen Rijnaak», +(Krummen Rheinaak) dem allgemeinen Typ von Utrecht; in Groningen +erfolgt dagegen die Beförderung von Schlick durch den «Groninger +Slijkpraam» oder «Vlotpraam», ein schmales, aber bauchiges Fahrzeug, +das nichts gemeinsam hat mit dem «Overysselschen Praam», der ihm +übrigens in keiner Weise gleicht. Der Vorläufer unserer Bagger +ist der alte _Moddermolen_ oder das «Moddermolenschip» (wörtlich +Schlammühlenschiff), das seit 1575 vor Amsterdam verwendet wurde. Noch +sind als sehr alt zu nennen die _Zolderschuiten_ und die _Schauwen_, +die wir heute «Bakken» nennen würden. Im Jahre 1829 versieht man sie +mit Bodenklappen, woraus sich die _Klepschauwen_ oder _Onderlossers_ +ergeben (wörtlich: Schiffe, die sich vom Boden aus entleeren). + +Schliesslich haben wir noch die Vergnügungsfahrzeuge oder Segelyachten, +für welche man als holländischen Typ die _Boeierjacht_ (Bujeryacht) +(Südholland) und den «Tjotter» (Friesland) verwendet. + +Es ist zu bemerken, dass man sie, wenn man von Vergnügungsfahrzeugen +spricht, meistens «Yacht» nennt, obwohl das Schiff gewöhnlich nicht +einer Yacht gleicht. Der Name bezeichnet nicht immer den Typ. + + +V. + +SCHIFFE, DIE DEN OBERLAUF DER FLÜSSE BEFAHREN. BOVENLANDERS +(OBERLÄNDER). + +Alle Schiffe, die die Oberläufe der Ströme besuchen, führen den +gemeinsamen Namen «Bovenlanders» (Oberländerschiffe) ohne Rücksicht +auf die Form des Schiffes. Diese Schiffe haben im allgemeinen selten +Interesse erregt; auch ~Witsen~ sagt hierüber nur einige Worte und +nennt sie einfach «Aaken und Samoreuzen» (Seite 170, 2. Spalte); ~Van +Yk~ führt diese letzteren ebenfalls an. (Seite 318.) + +Diese Schiffe sind indessen sehr interessant. + + +A) _Rheinschiffe_ (Schiffe vom unteren Rhein). + +Die Rheinschiffe sind nicht von einheitlichem Typ. Diejenigen, die den +Unterlauf des Flusses befahren (unterhalb Bonn) unterscheiden sich von +denjenigen, die auf dem Oberrhein und seinen Nebenflüssen verkehren; +eine Ausnahme bildet ein kleines Schiff, das man auf dem Neckar findet +und das der Gruppe entspricht, die den Unterlauf befährt. Der Grundtyp +der Unterlaufabteilung wird dargestellt durch die _Dorstensche Aak_. +Die Dorstensche Aak hat das _Stevenschip_ entstehen lassen. + +Diese Type, die aus dem mittleren Westdeutschland, mit Dorsten etwa +als Mittelpunkt stammen, sind in unser Land übergegangen und finden +sich dort seit langer Zeit. So spricht man im 17. Jahrhundert von den +«Gelderschen Samoreuzen». Man sieht sie noch gut oder schlecht auf +alten Stichen abgebildet. Wir finden sie auf dem unteren Rhein und +dem Waal unter der Bezeichnung _Hollandsche Aken_ und _Stevenschepen_ +(Stevenschiffe), während man sie noch heute im Westen von Nordbrabant +baut, wo sie auch zu allen Zeiten vorhanden waren. + +Diese Schiffstype sind also aus dem Westen Deutschlands (Westfalen) +zu uns gekommen, durch den Unterrhein und den Waal und vom Nordwesten +von Nordbrabant. Man sieht sie nicht auf der Maas und dem unteren Waal +ungefähr unterhalb von Tiel. Man baute diese Aken im kleinen längs +der Merwede und hier und da in Holland, wo man den Typ in dem alten +«Turfeiker» (Torfkahn) wiederfindet, dessen Rumpf mit Überlappung +gebaut ist und der wahrscheinlich jetzt ganz verschwunden ist. Der +Rumpf aller dieser Fahrzeuge war anfangs mit Überlappung gebaut; wir +finden hier also die alte Bauart der Ostsee wieder. Sie sind alle wie +die «Bovenlanders» lang und schmal mit flachem Boden. + + +B) _Maasschiffe._ + +Die Maas-Schiffe, ebenfalls lang und schmal, stellen auch einen ganz +anderen Typ dar, der sich völlig von den obengenannten Rheintypen +unterscheidet. + +Als Grundtyp nennen wir den _Whalemajol_; dann kommen _Whalepont_ und +_Maaspont_, dann kleiner der _Spitsbek_ und endlich die _Herna_. Alle +diese Type sieht man auf der ganzen belgischen Maas bis Ruremonde. Auf +der unteren Maas findet man in den Niederlanden Schiffe von kleineren +Abmessungen, genannt _Bovenmaasche Aak_ oder _Hedelsche Aak_, die auch +noch viel als Baggerprahme verwendet werden. Sie weichen in der Form +von den obengenannten Maasschiffen ab; sie stammen jedoch von ihnen +her. Das Steuerruder entspricht aber mehr dem System der Rheinschiffe, +die oberhalb Bonns verkehren. + + +C) _Oberrheinschiffe._ + +Schiffe von oberhalb Bonn, einschliesslich der Gegend westlich vom +Rhein und östlich der _Maas_. Hier sind als Grundtyp anzuführen der +_Keen_, neben ihm die _Keenaak_ und ein Schiff neueren Datums, der +_Slof_. + +Einer dieser Type wurde im 19. Jahrhundert in ’s Gravenmoor +eingeführt, weil er sehr geeignet schien, zur Ausnutzung der Weiden +des Biesbosches; aber er hat dabei schon verschiedene Abänderungen +erfahren, infolge des Wechsels des Hinterteils und des Steuers. + +Keiner dieser Type stammt aus den Niederlanden. + +Der «Hagenaak» wie der «Turfeiker» entsprechen der «Dortenschen Aak». + +Endlich findet man auf diesem Teil des Rheines wie auf der Maas ein +Schiff, das erst aus dem 19. Jahrhundert stammt und das _Bunder_ +genannt wird. + +Ausser dem Bunder haben auch die unter C aufgeführten Type einen Rumpf, +der klinkerweise gebaut ist (mit Überlappung). Die unter B genannten +müssen ehemals einen klinkerweise gebauten Rumpf gehabt haben, nach +den Erklärungen alter Schiffer und nach dem, was aus einem alten Bild +von Whalemajol aus der Sammlung des Herrn van Gijn hervorgeht, sowie +aus einem Stein vom Ende des 18. Jahrhunderts, der in der Vorderseite +eines Hauses der St-Pieterstraat in Maastricht angebracht ist und eine +«Herna» darstellt. Es lässt sich nicht feststellen ob die glatten +Schiffsrümpfe und die mit überlappender Beplankung gleichzeitig +bestanden haben oder ob die ersteren neueren Datums sind. Es ist jedoch +anzunehmen, dass die Schiffsrümpfe mit überlappender Beplankung die +älteren sind. + +Es ist sonderbar, dass ein der «Herna» sehr ähnlicher Typ sich im +Adriatischen Meer findet, nämlich die _Rascona_, die in dem +bekannten Werke von ~Paris~ beschrieben und dargestellt ist +(Bd. 2, Nr. 86); dies Schiff wird noch mit dem alten «Stuurriem» +(Steuerruder) gelenkt. + + +VI. + +FISCHEREIFAHRZEUGE. + + +A) _Für die grosse Fischerei._ -- Als alter holländischer Schiffstyp +zum grossen Fischfang ist zu nennen die _Buys_ (Büse) und der _Hoeker_ +(Huker), sowie die _Schollenschute_, die _Bazaanschute_ und der _Zwarte +Waalsche Gaffelaar_. + +Die beiden ersteren haben die _Hukerbüse_ und den _Kwee_ hervorgebracht. + +Von Frankreich ist zu uns gekommen die «Sloep» (Schaluppe) und der +«Logger» (Lugger), ferner der «Rotter» (Rutter). Unter den Schiffen für +die Grossfischerei sind noch die Walfischfänger zu erwähnen, für die +man früher die _Noortsvaerders_ verwendete, die zum Typ der bei den +Handelsschiffen schon genannten «Fluitschepen» (Flüten) gehören. + +Das älteste zu dieser Gruppe gehörige Schiff ist der _Egmonder +Pink_, aus dem der _Bom_ und die _Garnalen-Schuit_ (Krabbenbarke) +von kleinsten Abmessungen entstanden sind. Die drei ersten Type +sind so gebaut, dass sie auf den Strand gezogen werden können. Nach +Fertigstellung des Fischerei-Hafens von Scheveningen ist ein neuer +Typ aus dem Logger und dem Bom entstanden, der Loggerbom oder Lelybom +heisst. + + +B) _Für die kleine Fischerei._ -- Die ungeheure Mehrzahl der +Fischereifahrzeuge ist für den gewöhnlichen oder kleinen Fischfang +bestimmt. Ihre Masse waren früher viel kleiner als die der vorigen +Gruppe. (Augenblicklich baut man grössere, abgesehen von den +«Garnaalschuitjes».) Ihre Namen sind unzählig und so verschieden, dass +sie durchaus keinen Begriff von der Form und der Art der Schiffe geben. + +Die Grundtype sind: _a_) die _Schocker_, d. h. die Schiffstype, +die nach dem Muster der Schocker gebaut sind, zu denen auch die +Wierschuitje und die Steekschuit, der Hengst und der Hoogaars gehören. + +Wie wir bei den meisten Schiffstypen «Aken» getroffen haben, z. B. +die «Aaktjalk», so finden wir auch «Aken» in der Klasse, die uns +beschäftigt; sie heisst die _Tholensche Schouw_ (Schauw). + +Dies Schiff zeigt auch viel Ähnlichkeit mit der _Beyerlandschen Schute_ +und stellt gewissermassen eine Übergangsform zu der _Fischbujeraak_ dar. + +_b_) Die _Botters_ und die _Vollendammer Kwak_, die _Ronse_ und die +_Plute_ sowie die _Platje von Maassluis_. + +Als dritte Gruppe haben wir ein kleines kurzes und rundes Schiff, +dessen Vorbild _c_) der _Knots von Antwerpen_ ist. Zur selben Gruppe +gehören die «Bolle» und die «Lemmerjacht» oder «Lemmeraak»; endlich +als vierte Gruppe ein Typ mit stark geneigtem Hintersteven und +Vordersteven; das sind _d_) die _Haringschuitjes_ (Heringsschuten), zu +denen auch der sehr verbreitete _Punter_ gehört. + +Endlich möchten wir einige Type von kleinen Fischereifahrzeugen nennen, +die ausschliesslich unsere Binnenflüsse und Kanäle befahren und von +denen viele noch mehr oder weniger deutliche Ähnlichkeiten mit den +unter den Buchstaben _a_ bis _d_ aufgeführten haben. + +Hier nennen wir die _Fischerschute von Alsmeerj_, die _Gondel_, +den _kleinen Fischerbujer_, die _Woudrichemsche Fischschute_, +die _Prikschute_, die _Steekschute von dem Biesbosch_ und die +_Strooperschute_. + +Alle Arten von Ruderbooten der verschiedensten Type sowie die alten +nicht mehr seetüchtigen Botter und die gewöhnlichen Schocker der +Zuidersee finden zum Fischfang auf den schiffbaren Binnenwasserstrassen +Verwendung. + + +[Illustration] + + +[Illustration] + + + [19] Die Schiffe, die Holz vom Norden bringen, laden am meisten, wenn + sie sich der rechteckigen Form nähern; diejenigen, welche + Getreide und Stückgüter befördern, wenn sie abgerundet und + stark gewölbt sind. Die Schiffe des Nordens und von Indien, die + schwere Waren bringen, sind im allgemeinen grösser als die, + welche Stückgüter, Wein u. s. w. befördern, wie übrigens auch + die Schiffe, die Salz befördern. + + [20] Berücksichtigt man dagegen, dass wegen der Untiefen und der + besseren Beladung alle Schiffe sich mehr und mehr der + rechteckigen Form nähern, so sieht man, dass man jetzt + nicht mehr so viele Unterschiede zwischen den verschiedenen + Schiffsformen findet wie früher. Denn eine moderne, gutgebaute + Kag wird an Tragfähigkeit dem Schmalschiff wenig nachgeben, das + ihr an Länge, Breite und Tiefgang gleicht. Und die Damschute, + die gut gebaut ist, kann auch mit dem «Damlooper» in Wettbewerb + treten. + + [21] Die Wölbung dieser Schiffe vorn und hinten war dem Schiffer + dadurch nützlich, dass er mehr laden konnte, als das Eichmass + angab. + + [22] «Wenn eine von einer Kugel unter der Wasserlinie gerissene + Bresche nicht von innen verstopft werden kann, z. B. weil die + Ladung die Arbeiten behindert, so setzt man ausserhalb des + Schiffes einen Mann auf eine Planke, an der ein Schiffshaken + befestigt ist, mit dem er unter Wasser geholt werden kann, um + das Loch zu verstopfen. Man steckt ihm einen ölgetränkten Lappen + in den Mund, damit das Wasser nicht in seinen Körper gelangen + kann.» + + [23] Er (der Luierwagen) dient dazu, die Ruderpinne an ihrem vorderen + Teil zu stützen, aber auch der Kraft zu widerstehen, die der + Steuermann auf den Helmstock des Steuerruders ausübt. + + [24] Draai-over-boord heisst Dreh-über-Bord, d. h. die Pinne konnte + sich über Bord drehen, wie bei unseren neuzeitlichen + Binnenschiffen. + + + + +[Illustration: 4] + +BESCHREIBUNG DER SCHIFFSTYPE. + + +[Sidenote: III 3] + +[Sidenote: III 6] + +Wir haben den Zeichnungen einige Skizzen nach den alten Stichen und +Beschreibungen beigegeben. Sie geben uns eine Vorstellung von der +Entwickelung des Schiffs von 1200 bis einschliesslich 1600. Wir +verweisen bezüglich ihrer Beschreibung auf die vorhergehenden Kapitel. +Die Zeichnungen, welche sich auf die nach 1600 liegende Zeit beziehen, +sind alle nach Ausführungszeichnungen angefertigt. + +Wie wiederholt hervorgehoben ist, muss man die alten Formen in den +kleinen Typen suchen. Die Kriegsschiffe werden also nicht in Betracht +gezogen werden, während die grossen Handelsschiffe nur nebenbei erwähnt +werden. + + +DIE PINASSE. + +[Sidenote: II 146] + +[Sidenote: III 8] + +[Sidenote: III 9] + +Das Pinasschip (die Pinasse). Dies ist das älteste Schiff, von dem wir +eine genaue Beschreibung besitzen. Es stammt aus der ersten Hälfte +des 17. Jahrhunderts und verschwindet am Ende dieses Jahrhunderts. +Dieses Schiff hatte einen sehr schrägstehenden Vordersteven mit einem +sehr entwickelten Galion und einem Hinterteil mit Spiegel. Der Spiegel +und das Galion kommen zu uns vom Süden; übrigens stammt dies Schiff +von denen des 16. Jahrhunderts her; seine Abmessungen sind indessen +grösser; auch trägt es Kanonen. + + +DAS FLIBÔT + +[Sidenote: II 148] + +[Sidenote: II 19] + +Das Vlieboot (Flibôt) findet man schon im Jahre 1600; es ist stark +gewölbt und hat ein schmales Deck. Von diesem Typ stammt nach 1600 +die «Fluit» (Flüte), die noch gewölbter ist wegen der Art der +Schiffsvermessung in Dänemark. + +Eine gewöhnliche Flüte hat 130 Fuss Länge, 26½ Fuss Breite und 13 +Fuss 5 Zoll Tiefe. Die Flüte hat vorn kein Galion. Später baut man +indessen grössere mit Galion, in Nachahmung der «Spiegelschepen» +(Spiegelschiffe). + +Man verwendet sie zu verschiedenen Zwecken und sie erfahren aus diesem +Grunde einige Umänderungen. So ist die «Fluit von Indien» fester gebaut +als die, die den Verkehr mit den Ostseehäfen besorgt. Wir wollen unter +anderem bemerken, dass die Drahtseile der Rusten verdoppelt werden, um +die Takelage zu verstärken, während hinten ihre Ausladungen grösser +sind, um geräumigere Kabinen zu erhalten. Mit Rücksicht auf diese +Vergrösserung verstärkt man sie im Innern durch Rippen und Eisenbänder. +(~Witsen~, S. 159.) + +Am Anfang des 17. Jahrhunderts, bis zum Jahre 1640 werden diese Schiffe +und im allgemeinen alle indischen Schiffe vorn offen gebaut ohne +Wohnräume. Die Hängematten und Betten der Schiffsmannschaft werden bald +hier bald dort an der Bordwand angebracht. + +Die «Fluiten» sind als gute Segler bekannt. Infolge ihres schmalen +Baues geben sie dem Wind wenig Angriffsfläche. Es sind Dreimaster mit +der wohlbekannten Takelung des 17. Jahrhunderts. + +Die «Fluiten», welche die Ostsee besuchen, um dort Getreide zu holen, +sind etwas kleiner als die vorigen; man nennt sie «Oostvaerder oder +Oostervaerder». Ihre Abmessungen sind die folgenden: Länge 125 Fuss; +Breite 25 Fuss; Tiefe 12 Fuss oder auch 115,23 ½ und 11,5 Fuss oder +auch 100,22 und 11 Fuss; sie können laden 200, 150, 100 Last (eine Last +gleich 2 Tonnen). Die Mehrzahl hat ein Galionsdeck. Wir können uns +einen Begriff von dem Umfang unseres Verkehrs zur Ostsee machen, wenn +wir erwähnen, dass im Jahre 1604 400 «Oostvaerders» sich gleichzeitig +vor Amsterdam befanden. Innerhalb zwei Wochen werden sie entladen, +beladen und sind wieder bereit, in See zu stechen. (~Witsen~, S. 448.) + +Die «Noordvaerders» oder «Noortsvaerders» sind auch Flüten, die +zwei Fuss mehr an Tiefe haben als die Oostvaerders, weil sie mehr +Fassungskraft haben müssen, um Holz zu laden, das sie aus Norwegen +holen. (~Witsen~, S. 160.) Ihre Breite beträgt im allgemeinen ⅕ der +Länge. Sie sind ganz wie die Oostvaerders massiv und solid. (~Witsen~, +S. 53.) Sie haben kein Galionsdeck. Im allgemeinen haben wegen der +häufigen Kriege die Schiffe, die die Ostsee besuchen, weniger starke +Mannschaften als die, die den Verkehr mit dem Westen besorgen. +(~Witsen~, S. 160.) + + +DAS KATZENSCHIFF (Katschip). + +[Sidenote: II 217] + +Das «Katschip» besteht aus einem Bujer und einer Flüte. Daraus ergibt +sich schon, dass es ein Schiff mit starken Krümmungen ist, da man es +oft in flachem Wasser verwendet, so hat es einen sehr flachen Boden +und ist überdies eckig gebaut. Es ist als sehr mittelmässiger Segler +bekannt, aber es kann viel laden. Die Langsamkeit müsste ihm eher den +Namen Esel eintragen als den Namen Katze, sagt ~Witsen~. (S. 163.) + +Es hat kein Galionsdeck; dagegen hat es ein offenes Oberdeck vorn +und eine Kabine. Die Stange des Steuerruders, die unter der Kabine +durchgeht, wird ohne Ruderpinne gehandhabt. Meistens baut man das +Katzenschiff aus Pitch-Pine. + +Alle oben erwähnten Type haben das Hinterteil einer Flüte, das heisst +ohne Spiegel, was den alten holländischen Schiffsbau kennzeichnet. + + +DAS OSTINDISCHE KOMPAGNIE-SCHIFF. + +[Sidenote: II 151] + +[Sidenote: III 11] + +Das Pinasschiff hat uns das «Oostindisch Compagnieschip» (Schiff der +Ostindischen Kompagnie) gegeben. Es hat keinen Spiegel und zeigt +demnach ein abgerundetes Hinterteil. Als Handelsschiff ist es stark +bewaffnet und hat im Bedürfnissfalle oft als Kriegsschiff gedient. Die +in der Sammlung enthaltene Tafel gibt uns einen guten Begriff von der +Form und der Bauart. Nähere Erklärungen sind also überflüssig. Wir +wollen nur darauf hinweisen, dass das Hinterteil reich geschmückt und +mit einem Galionsdeck versehen ist. Die Länge des Decks ist grösser als +bei den Flüten; es besitzt drei Masten und die gewöhnliche Takelage. + +[Sidenote: II 159] + +Dasselbe Schiff, aber von kleineren Abmessungen und mit nur zwei Masten +heisst «Snauwschip» man findet es viel in Flandern. ~Witsen~ rechnet +das Snauwschip zu den Binnenfahrzeugen. (S. 170.) + + +DER BUJER. + +[Sidenote: II 191] + +[Sidenote: II 194] + +Der «Boeier» (Bujer) bildet einen Typ für sich, der besonders den +Verkehr mit Rouen besorgte. Er ist ein Schiff mit flachem Boden und +einem Kiel mit Schwertern; denn er besucht sowohl die wenig tiefen +Flüsse wie das Meer. Die Schwerter überragen den Kiel um zwei Fuss. Der +Vordersteven ist stark gekrümmt, daher der Name «Kromsteven». + +Nach den alten Stichen besitzt der Bujer eine sehr hohe «Statie», was +mehr an den Bau des Mittelmeeres als an den Hollands erinnert. Der +Bujer ist überdies kein rein holländischer Typ, und wahrscheinlich +haben wir es mit einem Mittelmeertyp zu tun, der für die Bedürfnisse +unseres Vaterlandes abgeändert ist. + +In Rotterdam hat man Bujer gebaut, als «Draai-over-Boord», +wahrscheinlich mit einem unterbrochenen Deck, denn ~Witsen~ sagt, dass +sie einen kleinen Verschlag unter dem Steuerruder hatten (S. 164). Mit +Unrecht spricht ~Witsen~ von einem Bujer _oder_ Galiot, denn dieses +letztere ist ein ganz anderes Schiff. Die Bujer haben etwa 86 Fuss +Länge, 20 Fuss Breite und 9½ Fuss Tiefe. + + +DER HUKER. + +[Sidenote: II 227] + +[Sidenote: II 228] + +[Sidenote: II 230] + +[Sidenote: III 21] + +Der «Hoeker» (Huker), ursprünglich ein Fischereifahrzeug, wird oft +schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts als Handelsschiff mit einem, +zwei oder drei Masten verwendet; er ist ein sehr festes Seeschiff und +wird später für die Ostindienfahrt eingerichtet, obwohl er nicht sehr +gross ist. Er hat eine Länge von 80 Fuss. Die grossen Huker haben eine +Kabine auf Deck. + + +DIE BÜSE. + +[Sidenote: II 221] + +[Sidenote: III 113] + +Wir finden sogar die «Buys» (Büse) als Handelsschiff, selbst als +Dreimaster, obgleich es sich ursprünglich um ein Fischereifahrzeug +handelt. + +Wir werden also von dem Huker und der Büse bei den Fischereifahrzeugen +nochmals sprechen. Es dürfte überflüssig sein, zu sagen, dass weder die +Bujer, noch die Huker, noch die Büsen ein Galionsdeck haben. + + +DAS HECKBOOT. + +Endlich müssen wir noch zwei Schiffstype erwähnen, die von dem +vorgenannten abstammen; dies sind: + +Das «Heckboot», dessen unterer Teil wie eine Flüte und dessen oberer +Teil wie eine Pinasse gebaut ist, d. h. mit breitem Deck, daher mehr +Ladefähigkeit. + +Das zweite ist der «Straetsvaerder», eine grössere Flüte mit +Galionsdeck. (~Witsen~, S. 168.) So taucht eine grosse Menge von Namen +auf, die sich auf denselben Typ beziehen. + +Endlich nennen wir den «Stocker» ein festes Schiff, vorn wie ein +Spiegelschiff und hinten wie ein Huker gebaut mit zwei Decken. + +Das Ausland bringt uns: + + +DIE FREGATTE, + +[Sidenote: III 18] + +(Fregat), die einen wichtigen Platz einnimmt, besonders am Ende des +18. Jahrhunderts und am Anfang des 19. Jahrhunderts. Wir haben im +vorigen Kapitel gesehen, wie sie zu uns gekommen ist. Dieses Schiff +wird verschiedenartig getakelt, hat andere Namen wie «Gaffelschoener, +Brigantine, Schoenerbrik, Brik, Bark.» Wir verweisen hierüber auf die +verschiedenen Abbildungen der Takelung in der Sammlung. + + +DIE GALIOT. + +Wenn man liest, dass im Jahre 1587 der König von Dänemark mehr als +600 holländische Schiffe im Sund anhält, die alle an einem Tag den +Vlie verlassen hatten (beschrieben von Hendrik Rantzon, ~Witsen~, S. +36) so darf man sich nicht einbilden, dass dies alles grosse Schiffe +sind. Es ist im Gegenteil sehr wahrscheinlich, dass die meisten nicht +grösser waren als unsere Kuffen und Tjalken von heute. Wir können uns +leicht den charakteristischen Anblick der Zuiderzee zu dieser Zeit +vorstellen, wo neben all diesen Schiffen die grosse Zahl der damals +üblichen Fischereifahrzeuge herumwimmelt. So nennt man also mit Recht +die Zuiderzee die Wiege unseres Schiffbaues. Die kleinen Küstenstädte +an der Zuiderzee mit ihrer ruhmreichen Vergangenheit sind davon Zeugen. + +Wir werden also nicht erstaunt sein, dass im Laufe der zahlreichen +Kriege, die Holland gegen Friesland und Geldern geführt hat, unzählige +Seeschlachten auf der Zuiderzee geliefert worden sind. So wurde z. B. +im Jahre 1504 eine Seeschlacht zwischen Holland und Geldern geliefert, +die von Wilhelm Hermszoon, einem Augustinermönch beschrieben wird. +(~Witsen~, Anhang S. 19.) Er erzählt uns hierbei, dass die Einwohner +von Geldern mit einer grossen Zahl von _Kochevers_ das «Zwarte Water» +herabkamen, um die Holländer zu überraschen, die sieben bewaffnete +Schiffe hatten. Die Holländer verstanden sich besser auf den Krieg als +die Leute von Geldern, denn diese bedienten sich nur des Bogens, der +Armbrust und der Schleuder. Schliesslich scheitert das grösste der +holländischen Schiffe, aber die Holländer erschrecken durch Abfeuern +ihrer Standbüchsen die Leute von Geldern derartig, dass diese den Kampf +aufgeben. + +An einer anderen Stelle erzählt derselbe Verfasser, dass auf Anraten +spanischer Kaufleute, die Einwohner von Amsterdam ein «Galeoot» +genanntes Schiff auf Stapel legen lassen, dessen Bau ein Jahr dauert. +Dies Schiff kann segeln oder gerudert werden, wobei 32 Ruderer in +Tätigkeit sind. Man nennt es «den Schrecken der Zuiderzee.» + +[Sidenote: II 241] + +[Sidenote: III 58] + +Die Erzählungen sind insofern interessant, als bei der Erzählung der +Schlacht auf der Zuiderzee von einem «Kochever» gesprochen wird, woraus +sich ergibt, dass «Koch» oder «Kogge» und «Ever» enge Beziehungen +zueinander haben. Aus der zweiten Erzählung geht hervor, dass die +Galiot zu uns aus dem Auslande gekommen ist. Die Galiot wie der Ever +finden sich noch heute; nur wird die Galiot nicht mehr gerudert. + +Unsere Schiffe aus dem 16. Jahrhundert sind auch viel kleiner als +die der Südstaaten, weil unsere Schiffahrt nach der Ostsee fast +ausschliesslich Küstenschiffahrt ist, zu der nur kleinere Schiffe nötig +sind. + +[Sidenote: II 225] + +[Sidenote: II 226] + +[Sidenote: III 20] + +Die Galiot aus dem 16. Jahrhundert wird später noch viel gebaut, und +man erwähnt sie überdies zu jeder Zeit. Wahrscheinlich jedoch hat +man später Galiots gebaut, die gewölbter waren, wie übrigens alle +unsere Schiffe. Immer kann man feststellen, dass die «Galiot» des +18. Jahrhunderts viel Ähnlichkeit mit einem gewöhnlichen «Koftjalk» +(Kufftjalk) hat. + +Die Galiot hat einen gradlinigeren Bord und einen höheren Aufbau. +(~Le Comte~, S. 18.) Sie hat 85 Fuss Länge, 21 Fuss Breite und 11 +Fuss Tiefe. Der Vorder- und der Hintersteven sind runder als die des +Bujers. (~Witsen~, S. 165.) Sie stellt also einen Typ dar, der nicht +zu den holländischen gerechnet werden kann. Der grosse Mast befindet +sich bei den Galiots mit einem und zwei Masten auf ein Drittel der +Länge des Schiffs, gerechnet vom Vordersteven. Das Schiff ist ein +«Draai-over-Boord». Manchmal hat die Galiot das Hinterteil einer +Flüte und heisst dann _Bootschip_ oder ganz einfach «Boot». Ein +andermal baut man das Oberteil als Pinasse, aber umgekehrt, um die +Ladefähigkeit zu vermehren. Wir können wiederum nachweisen, wie die +meisten Schiffe auf einen Grundtyp zurückzuführen sind. So spricht man +oft in der Geschichte von «Advies (Melde)-Jachten». Dieser Name war +nur ein Gattungsname, denn alle Arten von Schiffen wurden zu diesem +Zweck gebraucht, besonders die Galiot. (~Witsen~, S. 165.) Man gibt +ihnen damals schmalere Formen und eine umfangreichere Takelung, um +schneller vorwärts zu kommen. Die Galiots haben gewöhnlich zwei Masten +und ausnahmsweise drei. Sie besitzen kein Galionsdeck. Ursprünglich +haben sie Schwerter und sind mit einem grossen und einem kleinen Mast +versehen. Ihre Ladefähigkeit schwankt von 160 bis 300 t. Augenblicklich +sind nur noch einige vorhanden, die nach der Ostsee fahren, aber +sie sind kleiner; ihre durchschnittliche Länge beträgt 19 Meter, +ihre Breite 4,5 m und ihre Tiefe 2,20 m. Auch diese werden bald +verschwinden, um den eisernen Kofs und den Tjalken Platz zu machen. +(~Le Comte~, S. 22.) Der Name «Galiot» ist wahrscheinlich italienischen +Ursprungs. (~Koenen~, S. 140.) + + +DIE GALEASSE. + +[Sidenote: II 239] + +Die _Galeas_ (Galeasse) gehört, wie die «Galiot» zu den grösseren +Typen, die von der Kleinschiffahrt benutzt werden. Schon der Name zeigt +den ausländischen Ursprung, obwohl man sie viel in Holland findet. +Die Bauart verrät überdies denselben Ursprung. Die meisten werden in +Königsberg, Stettin, Stralsund u. s. w. gebaut, und fassen sogar 100 +bis 260 t. (~Le Comte~, S. 35.) + +Sie besorgen insbesondere den Verkehr mit Holland, England und +Frankreich. Ihr Tiefgang schwankt von 8 bis 14 Fuss. (2,26 bis 3,96 +Meter.) Sie besitzen gewöhnlich, wie die Galiots, zwei Masten. Ihr Bau +gleicht sehr dem der Kotter (Kutter), und der «Sloep» (Schaluppe). Es +ist also ein exotischer Typ, von dem man noch einige Beispiele auf der +Ostsee findet. Dieser Schiffstyp ist später aufgetreten, wahrscheinlich +unter dem Einfluss des Schiffbaues der Völker des Südens. (Im +Mittelmeer findet man die Namen: Galeazza, Galeone, Galeota.) + + +DAS KUFF (KOFF). + +[Sidenote: II 218] + +[Sidenote: III 22] + +Das _Koff_, ist ein rein holländischer Typ, den weder ~Witsen~ noch +~Van Yk~ anführen. Es stammt wahrscheinlich aus dem Ende des 17. +Jahrhunderts und hat später in vielen Fällen die «Fluiten» und die +«Katschepen» (Katzenschiffe) ersetzt. (~Le Comte~, S. 10.) + +Die Formen dieses Schiffs sind sehr rund und zeigen so ihre +Verwandtschaft mit den «Schmacken» und den «Tjalken». Sie haben einen +flachen Boden, viereckiges Vorderteil oder wie ~Van Loon~ sagt (Seite +64): «Stomp rond» (rund und stumpf). Später baute man spitzere. + +Es sind feste Schiffe, die besonders Stürmen gut widerstehen, daher +das Sprichwort: «Koffen en Smakken zijn Waterbakken» (Die Kuffen +und die Schmacken sind Wasserbecken). Ich kann mich der Meinung des +Herrn ~Koenen~ nicht anschliessen, der behauptet, dass «Kof» von +«Kog» herkommt, denn das «Kof» erscheint viel später und stammt von +den kleinen Binnenschiffen her. Das sind im allgemeinen Schiffe mit +geringem Tiefgang. Ihre Ladefähigkeit schwankte von 100 bis 300 t.; +die Abmessungen waren z. B.: Länge 72 Fuss, Breite 17, Tiefe 8 Fuss 3 +Zoll. Sie haben im allgemeinen zwei Masten; der grössere steht auf ⅓ +der Länge. Ihr Deck ist unterbrochen ohne _Statie_. Die kleinen Kuffen +haben Schwerter, die grossen nicht. + +Im 19. Jahrhundert beginnt man, ebenfalls das Vorderteil schlank zu +machen (~Van Loon~, S. 65), wodurch jedoch die alten Merkmale der +Schiffe verschwinden. Man wollte ihnen so grössere Richtungsfestigkeit +geben. Man baut noch diese Schiffe in der Provinz Groningen, aus der +sie stammen. Gegenwärtig gibt man ihnen allerdings wie den Tjalken ein +runderes Hinterteil. Früher fand man sie häufig auch in Holland, da +sie den Verkehr mit der Ostsee vermittelten; sie fuhren aber auch nach +Norwegen, England, Schottland, Irland, Frankreich, Portugal und dem +Mittelmeer, selbst nach Rio de Janeiro. (~Le Comte~, S. 11.) + + +DIE SCHMACK. + +[Sidenote: II 216] + +[Sidenote: III 23] + +Die _Smak_ ist ein ebenso interessantes Schiff wie das Kof (Kuff), dem +sie sehr gleicht. Hier handelt es sich um einen rein holländischen Typ, +rund und flach und von grosser Standfestigkeit zu Wasser. ~Le Comte~ +nennt sie die Schwester des Kof. Man findet in diesem Typ sehr wohl die +Form der «Tjalk» wieder. Die Schmacken laufen weder am Vorder- noch +am Hintersteven spitz zu und gleichen völlig den alten Abbildungen +der «Smalschepen», «Wijdschepen» und «Turfschepen» (Torfschiffe). Sie +bilden übrigens mit den letzteren ein und dieselbe Familie; sie sind +etwas fester im Bau, da sie für weitere Fahrten bestimmt sind. Die +«Smak» stellt den friesischen Schiffstyp dar. Sie trägt eine «Statie» +und Schwerter. Der grosse Mast steht auf ⅓ der Länge des Schiffes. Am +Hinterteil, in der «Statie» hat die «Smak» noch einen kleinen Mast. Die +Ladefähigkeit schwankt von 70 bis 140 t. Ihre Länge beträgt 80 Fuss, +ihre Breite 22 und ihre Tiefe 9. Die Schmacken besorgen den Verkehr +mit Frankreich, England und sogar mit Lissabon, offenbar auch mit der +Ostsee. Sie waren indessen besonders gebaut, wie ~Le Comte~, S. 12, +sagt, um durch die «Wadden» (Watten) nach Groningen, Friesland und +Ostfriesland segeln zu können. ~Witsen~ erwähnt die «Schmacken» nicht. + +[Sidenote: II 210] + +[Sidenote: II 209] + +Wenn wir indessen die Abbildung der «Smak» mit der des «Wijdschips» +vergleichen, das ~Witsen~ anführt (S. 171), so sehen wir sogleich, +dass es sich hier nur um einen Namenwechsel handelt. Im Grunde gibt es +auch keinen Unterschied zwischen dem «Smal-» und dem «Wijdschip», ~Van +Yk~ sagt nämlich (S. 308), dass der Unterschied zwischen den beiden +Typen nur in folgendem besteht: das «Smalschip» war so schmal, dass +es die Stadt Gouda durchfahren konnte, während das «Wijdschip» um sie +herumfahren musste. Es sind also zwei ähnliche Schiffe, die sich nur +durch ihre Grösse unterscheiden. Wenn man nun die Abbildungen dieser +Schiffe mit denjenigen der «Turfschepen» (Torfschiffe) vergleicht, +so stellt man eine völlige Ähnlichkeit fest. Erst am Ende des 18. +Jahrhunderts gibt man allen diesen Schiffen den Gattungsnamen «Tjalk», +in Anlehnung an Friesland. + + +DAS SCHMALSCHIFF. + +[Sidenote: II 210] + +Das «Smalschip» hat folgende Abmessungen: Länge 60 Fuss, Breite 16 +Fuss, Tiefe 14 Fuss; das «Wijdschip» hat entsprechend 70 Fuss, 20 Fuss +und 8 Fuss 2 Zoll. Alle diese Schiffe besassen eine «Statie». + + +DER DAMLOOPER. + +[Sidenote: II 212] + +Dasselbe Schiff so gebaut, dass es die alte Schleuse des Leydener +Dammes durchfahren kann, heisst «Damlooper». ~Van Yk~ beschreibt die +Grössenverhältnisse dieses Schiffes folgendermassen (S. 312.): «’t +schip (de Damlooper) zal lang zijn 56 voeten, wijd dat de zwaarden +afhangen, het rakende en echter gemakkelijk door de Duikers van den +Leidsen dam kan gebragt werden, zo sal dat schip op de bovebuitekant +van den Vrimmegang of wentelstrook, zo wijd als op ’t Barkhout wesen +moeten en ten minsten van binnen tegen de zetwegers gemeeten zijnde elf +voeten en een duym wijdte hebben[25]». + +Die Ladefähigkeit des Schiffes wird später mit 18 Last (36 t) angegeben. + +Die Schleuse des Leydener Dammes, von der hier die Rede ist, ist kraft +der Provinzialakte von 1617 gebaut und 1648 umgebaut worden. Diese +Schleuse wie die von der Gouwe aus dem 14. Jahrhundert[26] ist erst +1885 durch eine neue Schleuse von 7 m nutzbarer Breite und 2,20 m +Wassertiefe über dem Drempel ersetzt worden. Die Provinzialverbände von +Südholland haben in das Schleusenwärterhaus am Leydenschen Damm einen +Stein mit folgender Inschrift einsetzen lassen: + +«In 1885 is de verbetering der vaart tuschen Rijn en Schie door de +Staten van Holland ondernomen. Hier war de naijver der steden tot +1648 slechts een overtoom en daarna een verlaat van 3,80 m wijdte en +doorvaarthoogte van 2,20 m gedoogde, hebben zij deze sluis wijd 7 m met +beweegbare bruggen bevolen[27]». + +Also erst i. J. 1885 hat man diese Hindernisse beseitigt. Bis zu +dieser Zeit haben demnach die «Smal-» und «Wijdschepen» und die +«Damloopers» ihre Daseinsberechtigung gehabt. Sie werden jedoch nicht +mehr im 19. Jahrhundert erwähnt; man spricht da fast ausschliesslich +von den «Tjalken». Demnach handelt es sich wiederum um eine einfache +Namenvertauschung, ohne dass die Schiffe ihre Form geändert haben. +Die Binnenschiffe haben jedoch im Laufe des 19. Jahrhunderts eine +wesentliche Umänderung erfahren. ~Van Loon~ (S. 69), schreibt nämlich: +Die eckigen Formen des Vorder- und des Hinterteils haben runderen +Formen des Vorderteils und des Rumpfes überhaupt Platz gemacht. Das +Schiff erhält also eine regelmässige und glatte allgemeine Form. Die +eckigen Formen finden sich nur noch bei einigen alten «Poonen» und +«Schuiten» wieder. Die alten Stiche geben uns eine gute Vorstellung +dieser eckigen Bauart, die bei einigen Mustern so tief ist, dass man +glauben möchte, mit einem Bau zu tun zu haben, der mit Überlappung +hergestellt ist. + +Wir sehen also, dass im 19. Jahrhundert eine grosse Zahl von Schiffen, +die früher unter verschiedenen Namen bekannt waren, unter dem +Gattungsnamen «Tjalk» zusammengefasst werden. + + +DIE TJALK. + +[Sidenote: III 26] + +[Sidenote: III 29] + +Die _Tjalk_. Die eigentliche «Tjalk» stammt aus Friesland und der +Provinz Groningen. Ihre Ladefähigkeit schwankt von 30 bis 80 t. In +der Provinz Groningen baut man jedoch «Tjalken» für die See von 200 +t. Der Hauptunterschied zwischen einer Tjalk von Groningen und einer +friesischen Tjalk ist, dass die erstere einen «Draai-over-boord» und +die letztere eine «Statie» hat. + +Man nennt die letzteren auch «Friesche Praam», wenn sie etwas gradere +Linien zeigen. (~Le Comte~, S. 17.) + +Ausserdem hat die «Friesische Tjalk» einen schrägeren Vordersteven. +Wie unsere Binnenschiffe hatten die «Tjalken» früher eine Takelung +mit lateinischen Raaen (Spriettuig, auch Ferrytuig genannt), die fast +überall im 19. Jahrhundert durch die gewöhnliche Takelung mit Besanmast +(Bazaantuig) ersetzt wurde. + +Während die «Tjalk» im allgemeinen einen Mast besass, sind einige +grosse Tjalken manchmal noch mit einem kleinen Mast auf der «Statie» +versehen. + + +DIE SCHUTE UND DIE POON. + +[Sidenote: II 252] + +[Sidenote: II 254] + +[Sidenote: II 236] + +[Sidenote: III 40] + +[Sidenote: III 43] + +[Sidenote: II 211] + +Die _Schuit_ (Schute). Die Schuit ist für Südholland, was die Tjalk für +Friesland und die Provinz Groningen ist, während wir die «Poon» für +Seeland und die Inseln Südhollands haben. Es besteht nur ein kleiner +Unterschied zwischen der «Poon» und der «Schuit». Beide erinnern uns an +den holländischen Typ der «Smak», da der untere Teil etwas bauchiger +ist. Das Deck ist also etwas schmaler als der Boden. Der Unterschied +zwischen beiden besteht darin, dass die «Poon» eine Krümmung hat, d. h. +dass die «Schuit» ein geraderes Deck hat. Beide haben eine «Statie»; +aber die «Poon» findet man auch oft mit einem «Draai-over-boord» und +unterbrochenem Deck. Die «Schuit» zeigt selten diese Merkmale. + +Es sind beides sehr feste Schiffe, die bei schwerem Wetter besonders +stabil auf dem Wasser sind. Eine Eigentümlichkeit beider Schiffe +besteht in der schmalen Spitze, in die der Vordersteven ausläuft. Diese +Spitze wird ein wenig nach hinten gebogen und muss nach den Backen am +Mast zeigen (oberer Teil, wo das Segelwerk am Mast befestigt ist). Wir +finden dieselbe Spitze bei den Schiffen, die die belgische Schelde +befahren, aber nicht bei den «Tjalken». + + +DIE KAAG. + +[Sidenote: III 24] + +Neben der «Schuit» finden wir in Nord- und Südholland besonders +vor Amsterdam die «Kaag», die stark der «Poon» ähnelt. Die «Kaag» +hat keinen so stark ausspringenden Rumpf wie die «Poon» und stellt +sozusagen den Übergang zwischen der Tjalk und der Poon dar. Dies Schiff +wird viel als leichtes Fahrzeug gebraucht und trägt die Takelung mit +Raae; man findet indessen solche mit Gaffeltakelung (Gaffeltuig); sie +führen dann den Namen «Gaffelkaag» oder «Gaffelschip». Hinsichtlich der +Grösse ist die «Kaag» mit der «Poon» und der «Tjalk» zu vergleichen. +Die «Schuit», die «Poon» und die «Kaag» haben bis zu Ende ihre eckigen +Formen behalten. Es braucht nicht betont zu werden, dass die Kaag auch +eine «Statie» besitzt. + +Die drei letzten Type haben auch am längsten die Wände mit runden Luken +behalten, die ehemals in ständigem Gebrauch waren. + + +DIE STEIGERSCHUTE. + +Die _Steigerschuit_ (wörtlich Einsteigbarke) findet man oft im 17. +Jahrhundert. Es sind dies kleine Schuten, Poonen oder Kogschiffe, +die in den Häfen und auf den Flüssen gebraucht werden, um von den +Anlegestellen nach den grossen Schiffen und umgekehrt Fahrgäste und +Waren zu bringen. Der Name bezeichnet also die Verwendung und nicht den +Fahrzeugtyp. + + +DIE YACHT. + +[Sidenote: III 44] + +[Sidenote: III 45] + +Während man in Südholland und Seeland die Schiffe mit schmalem Deck +baut, zieht man in Nordholland die Schiffe mit schmalem Boden vor. +Man nennt dann diese Schiffe «Yacht» oder «Noord Hollandsche Yacht». +Sie haben im allgemeinen die Grösse einer kleinen «Tjalk». Wenn man +also die vorgenannten Schiffe nach ihrer Bodenbreite ordnen wollte, so +müsste man mit der «Yacht» anfangen; dann käme die «Tjalk» und endlich +die «Poon». + +Infolge ihres schmaleren Bodens und der mehr zusammenlaufenden Wände +macht die Yacht den Eindruck eines schlankeren und schnelleren Schiffes +als die «Poon». + +Die Berghölzer der Yacht zeigen starke Krümmung mit einem geraden Teil +in der Mitte. Die Yacht hat ein «Draai-over-boord» mit unterbrochenem +Deck. + + +DIE BUJERSCHUTE. + +[Sidenote: III 46] + +In Nachahmung der grossen Bujer oder Kromstevens, die wir oben +erwähnten, findet man oft kleinere meist mit der Benennung +«Bujerschuten» (Boeierschuiten), einem Namen der wahrscheinlich von +ihrer Ähnlichkeit mit den gewöhnlichen «Schuten» herstammt. Das +Hinterteil hat ein «Draai-over-boord», oft mit unterbrochenem Deck. +Sie haben eine Eigentümlichkeit: das ist eine Art Verschlag, in dem +sich der Steuermann befindet, um leicht die Ruderpinne handhaben zu +können. Diesen Verschlag findet man auch oft bei den «Boeieraken». Die +«Boeierschuiten» trifft man in Südholland, Seeland und Flandern. + +In Flandern ist der Schiffbau ebenfalls frühzeitig entwickelt. Wir +brauchen nur an das alte Damme und Antwerpen zu denken und werden uns +nicht wundern, dass die dort vorkommenden Schiffstype denen unserer +Heimat gleichen. Das sind in erster Reihe die «Pleiten» und die +«Otterschepen», die wir auch im Nordwesten von Brabant antreffen. + + +DIE PLEIT. + +[Sidenote: III 51] + +Die _Pleit_ ist ein sehr altes Schiff, von dem die Geschichte +oft erzählt. Man sieht sie im Verkehr mit England. Sie hat die +Tragfähigkeit unserer Tjalk, deren Formen sie auch hat, abgesehen von +der Länge; diese überwiegt auch verhältnismässig gegenüber der Breite. +Die «Pleit» sieht also länger aus als die «Tjalk». Sie hat ausserdem +gefällige Linien. Die Grössenverhältnisse sind: Länge 23-27 m, Breite +4,80-5 m, Tiefgang höchstens 1,90 m, Ladefähigkeit 125-180 t. + +Heute baut man diese Schiffe grösser; ihre Länge erreicht 35 m, ihre +Breite 5 m, ihr Tiefgang leer 0,40 m, bei Belastung 2 m; sie können 270 +t laden. Mit Unrecht nennt man diese Schiffe in Belgien «Holländische +Belander» nach dem jüngeren, Belander genannten Binnenschiff, von dem +später die Rede sein wird. + +Dies Schiff hat nichts mit der «Pleit» zu tun. (S. ~Dehem~, _Annales +des Travaux publics 1901_, August, S. 508.) + +Die «Pleit» hat eine «Statie». Es ist merkwürdig, dass die «Pleiten» +von heut nur eine gegenüber ihrer Länge geringe Takelung besitzen. +Früher hatten sie zwei Maste. + + +DER OTTER. + +[Sidenote: II 253] + +[Sidenote: III 52] + +Der _Otter_ (franz. loutre), den wir eine kleine verkürzte Pleit nennen +können, hat eine Länge von 20-28 m (wenigstens 16 m, höchstens 30, s. +~Dehem~, S. 507), eine Breite von 4 m, einen Tiefgang von 1,70-2,20 m +bei Belastung, gewöhnlich 1,80 m. Die Tragfähigkeit schwankt von 70 bis +180 t. + +Der «Otter» ist mit gewöhnlicher Takelung versehen, mit Besanmast, oft +mit einem kleinen Mast hinten in der «Statie». + +Neben den «Pleiten» und «Ottern» findet man noch auf der Schelde die +«Schuten» (Barken), die den holländischen Schuten entsprechen. Sie +unterscheiden sich also ebensosehr von dem Otter wie sich bei uns die +«Schute» von der «Tjalk» unterscheidet. ~Dehem~ täuscht sich also in +seinem oben genannten Werk etwas, wenn er sagt (S. 507) «die Schute ist +ein Otter von kleinen Abmessungen». + +Die «Pleiten» und «Otter» findet man oft hier in den Niederlanden. + +Wenn die Schiffe von West-Belgien somit die gleichen Eigentümlichkeiten +zeigen wie die unserer Heimat, so wird es ebenso mit denjenigen von +Ostfriesland sein. + + +DIE MOTTE. + +[Sidenote: III 53] + +[Sidenote: III 54] + +Die _Motte_ ersetzt dort die Tjalk. Man teilt die «Motten» ein in: +«Buiten-Motten», «Binnen-Motten» und «Spitse-Motten». + +Die Schiffe der beiden ersten Sorten haben dieselbe Form. Sie +unterscheiden sich nur in der Grösse. + +Sie entsprechen den Tjalken von Groningen, auch in der Form der +Berghölzer und des Steuers. Sie gehören also zur Familie der Tjalken. + + +DIE SPITZE MOTTE. + +[Sidenote: III 55] + +Die _Spitse-Mot_ ist ein kleines Schiff, dessen Form sich von der +gewöhnlichen Motte etwas unterscheidet; sie ist schlanker und weniger +massiv gebaut. Ihre Länge erreicht 14,50 m, die Breite 3,90 m und die +Tiefe 1,60 m. Der Unterschied zwischen einer «Spitsen-Mot» und einer +«Binnen-Mot» ist derselbe wie zwischen einem «Oberijsselschen Praam» +und einer «Tjalk». + + +DER EWER. + +[Sidenote: II 241] + +[Sidenote: III 58] + +Der _Ewer_ und der «Bremerkahn» werden längs des ganzen Ostfriesland +bis Dänemark angetroffen. Sie haben sehr alte Formen behalten, die +an die alten «Kogschiffe» erinnern. Sie wurden besonders bei Hamburg +gebaut und ursprünglich als Fischereifahrzeuge verwendet. Es geht also +hier so wie in unserer Heimat, wo der «Huker» und die «Büse», die +zuerst Fischereifahrzeuge waren, später Handelsschiffe werden. + +Der «Ewer» wird bei den Fischereifahrzeugen besprochen werden. + + +DER BREMERKAHN. + +[Sidenote: III 57] + +Der _Bremerkahn_ ist ein schmaler «Ewer». Beide besitzen den Spiegel +(viereckiges Hinterteil), den sie aus dem Süden erhalten haben. + +Diese letzteren Schiffe haben einen glatten Rumpf; ehemals hatte der +Rumpf eine Beplankung mit Ueberlappung. Der «Kahn», der grader und +flacher als der «Ever» ist, hat einen weniger schrägen Vordersteven; +beide Schiffe haben eine Takelung mit Besanmast, oft mit einem kleinen +Ergänzungsmast am Hinterteil. Ihre Ladefähigkeit entspricht ungefähr +derjenigen unserer Tjalken. + +Der Hamburgische Ewer hat 17 m Länge, 6,40 m Breite und einen Tiefgang +von 0,70 m, wenn er leer, und 1,50 m, wenn er beladen ist. Die +Abmessungen des «Bremerkahns» sind entsprechend 15,50 m, 4,80 m, 0,70 m +und 1,50 m. + +Ausser der «Galiot» und der «Galeasse» findet man alle Schiffe, die +zur Gruppe II B. gehören, von Dänemark längs Ostfriesland, Groningen, +Friesland, Nord- und Südholland, Seeland, Nord-West-Brabant, Flandern, +Westutrecht und noch eines kleinen Teiles (des Westens) der Betuwe, +kurz längs der Küste und auf unseren Binnenflüssen und solchen mit Ebbe +und Flut. + +Sobald man an die Maas und den Lech kommt, ändert sich der +Charakter; das gilt auch für die Provinzen Over-IJssel und einen +Teil von Drenthe. Der grössere Teil der Provinz Drenthe ist der +Schiffahrt erst zugänglich gewesen nach Herstellung der Kanäle im +19. Jahrhundert. Der Süden dieser Provinz bildet jedoch schon sehr +frühzeitig mit Over-IJssel ein Ganzes hinsichtlich des Schiffbaues, +und die gegenwärtig in Gebrauch befindlichen Type haben sich auch in +Over-IJssel entwickelt. + + +DIE POTTEN UND PUJEN. + +[Sidenote: II 201] + +Die ältesten Schiffe, die man in Over-IJssel kennt, sind die _Potten_ +und _Pujen_ (~Witsen~, S. 170), von denen es noch einige Abbildungen +gibt; jene Namen findet man heute nicht mehr in Over-IJssel. Die alten +«Potten» und «Pujen» sind jedoch dort nicht ganz verschwunden. Hier wie +übrigens überall, haben sich die alten Formen erhalten; infolge einiger +Änderungen haben die Schiffe einfach andere Namen erhalten. + +Ebenso haben die Schiffsrümpfe mit übereinandergreifenden Planken den +glatten Rümpfen Platz gemacht, und später haben diese Schiffe weniger +eckige Formen angenommen. Die alte Takelung hat sich geändert, und +die alten Wände mit runden Luken sind durch flache, einfachere Wände +verdrängt worden. So ändern diese Schiffe etwas ihr Aussehen, obwohl +der Rumpf derselbe bleibt; aber die Namen «Potten» und «Pujen» machen +den Namen «Sompen», «Peggen» und «Snijboonen» Platz, die wir noch heute +überall finden. + +~Witsen~ und andere berichten bereits, dass die «Potten» und «Pujen» +sich von den «Smal- und Wijdschepen» durch ihr schlankeres Vorder- und +Hinterteil unterscheiden; derselbe Unterschied, den man augenblicklich +zwischen den Tjalken einerseits und den Snijboonen und den Sompen +andererseits findet. Uebrigens zeigt schon allein der Name Snijboon +(Bohne), dass es sich um ein langes und schlankes Fahrzeug handelt, d. +h. ein Schiff mit flachem Boden und schlankem Vorder- und Hinterteil. + + +DIE SNIJBOON UND DIE SOMP ODER PEGGE. + +[Sidenote: III 34] + +[Sidenote: III 31-33] + +Die _Snijboon_ und die «Somp» haben dieselbe Form. Sie haben beide +einen «Draai-over-boord» und gewöhnlich ein unterbrochenes Deck. +Die Eigentümlichkeiten dieser Schiffe sind das schlanke Vorder- und +Hinterteil, die plötzliche Senkung der Berghölzer am Hinter- und +Vordersteven; diese Berghölzer bleiben nämlich fast horizontal auf der +übrigen Länge des Schiffs, während der Vorder- und Hintersteven fast +vertikal sind. + +Diese Merkmale scheiden sie fast augenblicklich von den Schiffen der +anderen Provinzen. Die Somp hat 15,5 m Länge, 3,70 m Breite und 1,80 m +Tiefe. + +Wenn die Somp kleiner ist und einen geringeren Tiefgang hat, so nennt +man sie «Pegge»; deren Abmessungen sind entsprechend 12 m, 2,65 m und +1,45 m. + +Die Snijboon misst 17,5 m, 3,90 m und 1,50 m. + + +DIE HOOGEVEENSCHE PRAAM. + +[Sidenote: III 53] + +Die _Hoogeveensche Praam_ ist ein Schiff aus neuerer Zeit, das aus der +Somp hervorgegangen ist, mit mehr gewölbtem Hinter- und Vorderteil. + + +DIE PRAAM. + +[Sidenote: III 35] + +[Sidenote: III 36] + +Das Bestreben, grössere und vollere Schiffe zu bauen, das sich schon +im 17. und im Anfang des 18. Jahrhunderts zeigt (~Van Yk~, S. 348), +tritt noch mehr im 19. Jahrhundert hervor. So wachsen die «Snijboonen» +und die «Sompen» und lassen die _Praam_ entstehen, deren Abmessungen +und Ladefähigkeit ähnlich denjenigen der Tjalk sind. Die «Praam» +hat jedoch ein schlankeres Vorder- und Hinterteil erhalten, ebenso +zeigen diese Schiffe den charakteristischen Verlauf der Berghölzer +(~Le Comte~, S. 23); sie haben alle den «Draai-over-Boord», oft mit +einem unterbrochenen Deck. Diese Pramen unterscheiden sich also völlig +von den Schiffen aus der Gruppe der Schmacken (Tjalken), wie man sie +in Friesland und Groningen findet. Sie haben nichts zu tun mit der +«Groninger Aardappelpraam» und der «Groninger Slijkpraam», auch nicht +mit der «Frieschen Praam», die zur Gruppe der Tjalken gehören. Der Name +«Praam» findet sich in Over-IJssel erst am Ende des 18. Jahrhunderts +oder gar erst am Anfang des 19. Der Name ist jedoch nicht rein +holländisch. So erzählt der Marquis ~de Tolin~ (S. 175), dass Napoleon +für seine Flotte von Boulogne einige «Prame» bauen liess, Schiffe mit +flachem Boden von 30 m Länge, 8 m Breite und etwa 2,50 m Tiefgang. Sie +hatten eine Takelung mit drei Masten und waren mit Kanonen ausgerüstet. +(~de Bonnefoux~ et ~Paris~: _Dictionnaire de Marine à Voiles 1847_, +S. 59.) Es scheint, dass man 20 dieser «Prame» gebaut hat. Sie haben +indessen nichts zu tun mit unsern Pramen, ausser dass es Schiffe +mit flachem Boden sind. Der Marquis ~de Tolin~ beschreibt in seinem +Werk die holländische Praam. (S. 144.) Der Beschreibung fehlt jedoch +Genauigkeit, denn die Over-IJsselsche und die Friesche Praam sind +zusammengestellt. + +Die Friesche Praam (Praam von Friesland), ist nichts anderes als eine +kleine Tjalk von etwas graderen Linien, mit Statie; die andere dagegen +ist ein Schiff mit flachem Boden und Draai-over-boord (niemals mit +Statie). + +~Le Comte~ (S. 29.) berichtet nur, dass man dies Schiff in der Provinz +Drenthe in Meppel und Hoogeveen baut, während auch er die Tjalk mit der +Frieschen Praam zusammen gruppiert. So schreibt er zum Beispiel (S. +14.), dass die Tjalken manchmal bewegliche Setzborde haben, während +sie über Bord laden, dass dies aber besonders die Frieschen Pramen +charakterisiert. + +Zu jener Zeit spricht man oft in Holland von «Praam», obgleich man dort +kein Schiff findet, das diesen Namen trägt, oder dem Over-IJsselschen +Praam ähnelt. Dieser Name wird damals gebraucht, um ein Schiff im +allgemeinen zu bezeichnen. + +Die grosse, eigentliche Over-IJsselsche Praam, wie wir sie jetzt +kennen, stammt also erst aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, +und die Vergrösserung ihrer Abmessungen ist lediglich der Verbesserung +der vorhandenen Kanäle oder der Herstellung neuer Schiffahrtstrassen zu +danken, die fast alle aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammen. Erst +damals verbindet man die Drentsche Hoofdvaart (Drenthensche Hauptfahrt) +in Groningen durch die Anlage der Noord Willemsvaart (1858-1862) (siehe +_Gedenkboek van het Koninklijk Instituut van Ingenieurs_ S. 31.). Die +Hoogeveensche Vaart, die 1623 als «Echtens nieuwe Grifte» (neuer Kanal +von Echten) gegraben wird, wird ostwärts verlängert und verbessert +zwischen 1850 und 1860, und das Meppeler Diep wird zwischen 1860 und +1882 reguliert. + +Die Verbindung von Friesland mit Groningen ist neueren Datums; sie +erfolgte früher nur zur See, während die Binnenverbindung dieser +Provinzen noch bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts sehr primitiv war. +Erst von 1851 bis 1893 spricht man von einer Verbesserung, während 1864 +die Schleuse von Gaarkeuken an der Grenze dieser beiden Provinzen neu +gebaut wird. + +Man legt dort eine Schleuse von 6 m Breite und einer nutzbaren Länge +der Kammer von 26 m an. Der Stadskanaal, der 1766 oder 1767 in Angriff +genommen wurde, wird erst im Jahre 1858 vollendet. + +Ebenfalls erst im 19. Jahrhundert beginnt man glücklicherweise die +Verbesserung der Verbindung zwischen Over-IJssel und Friesland, +die durch Beseitigung der Torfhochmoore verwirklicht wird, während +endlich die Verbindung der nördlichen Provinzen unserer Heimat mit den +südlichen Provinzen im Jahre 1820 durch Eröffnung der Willemsvaart +bei Zwolle hergestellt wird, einer Verbindung zwischen Yssel und +Zwartewater. Man hatte wohl im 14. Jahrhundert einen Zuführungskanal +von Zwolle nach der Yssel angelegt und man hatte auch 1480 die +Verbesserung dieses Kanals begonnen, sodass er schiffbar wurde, aber +die gegenseitige Eifersucht der Städte an der Yssel hielt diese +Arbeiten an. (Dr. H. ~Blink~, Bd. II, S. 282.) Bis zur ersten Hälfte +des 19. Jahrhunderts erfolgte die Verbindung zu Wasser zwischen den +Nordprovinzen durch die Zuiderzee, für die man zunächst ausschliesslich +Schiffe aus der Gruppe der Tjalken verwendete. Die «Potten» und die +«Pujen», ebenso die «Sompen» und «Peggen» konnten nicht auf die hohe +See gehen (~Witsen~, S. 170); erst die Pramen, die später erscheinen, +sind so gross und so gebaut, dass sie die hohe See besuchen können; sie +verbreiten sich daher bald in unserer ganzen Heimat. + +Es ist jedoch interessant, sich zu fragen, wie man den Namen «Praam» +gewählt hat, in einer Gegend, wo man andere gute alte Namen zur +Verfügung hatte? Es ist ausser Zweifel, dass der Einfluss der Provinz +Groningen hierfür bestimmend gewesen ist. Durch den «Convenant van +1817» (Vertrag von 1817), also zu einer Zeit, wo man noch nicht die +grossen Pramen von Over-IJssel baut, bestimmt die Stadt Groningen, +dass die zum Markt kommenden Leute wie jedermann die gewöhnlichen +Zölle an den Brücken, Schleusen und Schranken der vorhandenen Kanäle +zahlen müssen. Für die zu bauenden Kanäle sollte man bei jeder +Schleuse 30 Cent für 1 «Schip» und 10 für 1 «Praam» bezahlen. Schon +in den alten Tarifen findet man dieselbe Unterscheidung zwischen +Schip und Praam. So setzt die «Stadsordonnantie» vom 28. Januar 1773 +fest, dass an den Schleusen der Stadt ein «Schip» 5 und eine «Praam» +4 Sous bezahlen soll. Aus alledem geht hervor, dass man in Groningen +Schip und Praam unterscheidet; aus dem grossen Unterschied im Preise +ergibt sich klar, dass eine Praam ein kleines Schiff war. Man findet +dies so augenscheinlich, dass weitere Erklärungen über die Natur der +Praam fehlen. Es ist also klar, dass man darunter die in der Provinz +Groningen wohlbekannten «Slijkpramen» versteht; diese Slijkpramen +wurden nämlich sowohl im Dollard wie in den Torfgegenden verwendet. +Es sind kleine schmale, oben offene Schiffe, mit gradem Längsprofil +mit vollem Vorder- und Hinterteil (wie die Tjalken von Groningen). Man +findet sie noch mit einigen Abänderungen unter dem Namen «Flotpraam». + +Als durch die Vollendung der Noord-Willemsvaart im Jahre 1862 die +direkte Verbindung zwischen Over-IJssel und Groningen hergestellt +ist, und als diese Provinz von den grossen Over-IJsselschen Schiffen +erreicht werden kann, die auch geraden Bord haben, findet man es +augenscheinlich vorteilhaft, diese Schiffe ganz einfach Praam zu +nennen. So zieht man aus dem niedrigeren Tarif Nutzen und hütet sich +wohl mit Rücksicht auf die dadurch entstehenden Vorteile, den Namen +«Praam» in «Schip» umzuändern. Erst 1903 wird durch Erkenntnis des +Friedensrichters von Groningen entschieden, dass diese «Pramen» wie +ein «Schip» zu rechnen sind und nicht als «Pramen», wie sie der oben +genannte Vertrag im Auge hat. (_Provinciale Groninger courant_, +Dinsdag, 24 Februari 1903, No. 46). Dieses Erkenntnis lässt also die +Vorteile aufhören, von denen oben die Rede war. Die Entscheidung ist +getroffen worden infolge eines Sachverständigenberichtes vom 24. +Dezember 1902. + +In den Begründungen dieses Berichts wird die französische Übersetzung +eines Artikels des Zolltarifs angeführt, der dem Vertrag von 1817 +angefügt war, worin amtlich das Wort «Praam» mit «Schiff genannt +Vlotpraam» übersetzt wird. Hiermit wird, und wohl mit Recht, die +kleine offene «Praam» von Groningen bezeichnet. Die Verfasser täuschen +sich jedoch, wenn sie sagen, dass die grossen «Pramen» der Neuzeit +aus der «Vlotpraam» von Groningen hervorgegangen wären. Sie gleichen +in baulicher Hinsicht völlig den Schiffen von Overijssel; nur ihre +Abmessungen sind grösser. Sie haben überdies niemals der Klasse der +Groninger Schiffe angehört. Das schlanke Vorderteil und Hinterteil +sind hierfür der schlagendste Beweis. Um den Typ der «Pramen» +festzustellen, hätte man nicht nur in Groningen suchen dürfen, wie +die Sachverständigen getan hatten, sondern man hätte einen Vergleich +zwischen den Typen von Groningen und denen von Overijssel anstellen +müssen. + +Es ist ebensowenig beweisend, wenn man sich in dem Bericht auf einige +frühere Erkenntnisse beruft, in denen von einem «Praamschip» die Rede +ist, weil es nicht darauf ankommt, den Namen zu berücksichtigen, +sondern den Typ eines Schiffes. Die Schlussfolgerung ist noch +unwahrscheinlicher, weil sie sagt, dass die «Praam» ein Schiff sei, +weil sich der Besitzer «Schiffer» (Schipper, frz. batelier) nennt. + +Der Vertrag bezieht sich nicht auf «Overijsselsche Pramen», weil es +diese noch nicht gab, als der Vertrag aufgesetzt wurde. + +Das Vorhergehende zeigt uns klar, wie wichtig es ist, die Schiffe +richtig zu ordnen und zu bestimmen, welchem Lande die Typen angehören. + +[Sidenote: III 37] + +Es ist ganz klar, dass Overijssel unter dem Einflusse der anderen +Provinzen gestanden hat. So trifft man längs der Zuiderzee die «Tjalk» +und im 17. Jahrhundert das «IJzere Verken» (eiserne Ferkel), ein +Schiff das auch zu den «Tjalken» gerechnet werden muss. ~Witsen~ +nennt es ein festes Schiff von Overijssel (S. 170). Ebenso kommt in +Overijssel die «Statie» von Friesland, die aus dieser Provinz stammte, +wieder in Gebrauch. Es dürfte unnütz sein zu bemerken, dass man auch +«Praamaken» und «Aaktjalken» findet, d. h. einige Schiffe, die die Form +der «Praam» und der «Tjalk» haben, aber ohne Vordersteven. Der Boden +endet in der Nase und die Beplankung trifft in dieser vorderen Fläche +zusammen. + +Seit einigen Jahren baut man viel «Tjalken» und «Pramen» aus Eisen. +Obwohl sie auch jetzt noch die charakteristischen Unterschiede +zeigen, ist es zweifellos, dass schliesslich die Formen mit einander +verschmelzen werden, wenn die «Pramen» vollere Formen angenommen haben, +und wenn die Krümmung der «Tjalken» sich verringert hat. + + +DIE KOFTJALK (KUFFTJALK). + +[Sidenote: III 25] + +Endlich ist noch die _Koftjalk_ zu erwähnen, ein Schiff, das die Mitte +zwischen dem «Koff» und der «Tjalk» hält. Es stammt aus Groningen und +gleicht sehr den «Buitenmotten» von Ostfriesland. Die «Koftjalk» ist +die Vorgängerin der späteren «Koffs», die an die Stelle der «Katzen» +und «Fluiten» getreten sind. + +[Sidenote: III 22] + +Die «Koffs» sind also nicht aus sich selbst entstanden, sondern haben +sich in dem Masse entwickelt, wie Handel und Gewerbe sich ausdehnten, +und wie die Schiffahrtstrassen sich entwickelten und verbessert wurden. +So nehmen die Abmessungen der «Koffs» am Anfang des 19. Jahrhunderts +zu, infolge der Herstellung des «Amsterdiep» im Jahre 1791. + +Wenn ~Hogendorp~ (Bijdrage tot de huishouding van den Staat, Bd. 1, S. +183) noch am Ende des 18. Jahrhunderts von «Koffs» von 70 bis 100 Last +spricht (140-200 t), so erwähnt dagegen ~Le Comte~ (S. 16) am Anfang +des 19. Jahrhunderts «Koffs» von 100 bis 150 Last. + +Der Name «Koftjalk» zeigt uns andererseits, dass nur ein geringer +Unterschied zwischen dem «Koff» und der «Tjalk» besteht. + + +DIE KRAAK. + +[Sidenote: III 47] + +[Sidenote: II 176] + +[Sidenote: II 178] + +Die _Kraak_ ist ein Schiff von starkem Bau mit geradem Bord, vollem +und rundem Vorder- und Hinterteil, das zur Gruppe der «Schmacken» +gehört. Dies Schiff, von der Grösse einer kleinen «Tjalk» gehört in die +Gegend, die begrenzt wird von der gebrochenen Linie Amsterdam, Naarden, +Nigtevecht, Haarlem, Zaandam, Amsterdam. Die letztgenannte Stadt muss +als Ursprungsort der Kraaken betrachtet werden. Es sind sehr alte +Schiffe. Die alten Stiche aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts zeigen +sie schon, jedoch nicht unter dem Namen «Kraak», sondern unter dem +Namen «Lichter». + +So spricht ~Witsen~ (S. 170) von «Amsterdamschen Binnenlichters», als +von «een plomb gebouwd zonder zeil of mast, overdekt met hooge ronde +duiken» (ein schwer gebautes Schiff ohne Masten und Segel, bedeckt mit +Platten, die runde hohe Luken haben). + +Man führte sie meist mit dem Bootshaken; sie hatten keinen Mast. Der +hintere Teil hatte eine kleine Kabine. Die Abbildung eines «Lichters» +(Leichters) aus dem 17. Jahrhundert ist mit folgendem Distichon +versehen: + +[Sidenote: II 177] + + «Te lichten menich schip bequaem, + Daar af voert dit schip zijnen naem.» + +(Den Namen führt dies Schiff, weil es manch anderes erleichtern +konnte). Später baute man grössere Leichter und man spricht von +Leichtern aus Nigtevecht, Brouwershaven, Wieringen u. s. w. + +Sie haben alle dieselbe massive Form, vorn und hinten etwas nach oben +gebogen. Manche haben eine «Statie». In der Mitte ist das Schiff +immer gerade. Die grösseren Abmessungen bedingen eine Takelung, und +der getakelte Leichter erhält den Namen «Kraak», der nichts mit der +Benennung spanischer «Caraques» (Kraken) zu tun hat. + +[Sidenote: III 48] + +Das Bild, das die zwischen Amsterdam und Haarlem verkehrende Fähre +darstellt, gibt schon eine Vorstellung von dem Vorläufer der «Kraak». +Zu den «Kraken» muss man auch die «Yker» rechnen, mit glattem Rumpf. +«Yker» ist ein neuerer Name für dasselbe Schiff. Es ist wiederum darauf +hinzuweisen, dass der alte «Turfijker» nichts mit dem «Yker» mit +glattem Rumpf zu tun hat, dem er nur im Namen gleicht. + +In Haarlem nennt man die «Kraak» «Haarlemmerpont». Dieser ist etwas +weniger bauchig, und sein Hinterteil ist nicht so voll. + +Die Niederlande, die in allen Richtungen von zahllosen Flüssen und +Strömen durchzogen werden, sind seit den ältesten Zeiten die Heimat +par excellence der Fähren und anderer Fahrzeuge zur Beförderung von +Menschen und Tieren gewesen. + + +DER NACHEN (OVERHAALPONTJE). + +[Sidenote: III 59] + +[Sidenote: III 61] + +Die einfachste Form dieser Fährschiffe ist die flache, rechteckige +Fähre, die an einem oder zwei Tauen hinübergezogen wird; das sind die +kleinen wohlbekannten «Overhaalpontjes» (Fährnachen), von denen man +noch viele in Holland findet, z. B. in der Nähe des Haag, von Amsterdam +und Utrecht. + + +DER PONTON. + +Der _Pont_ (Ponton). Bei den Pontons, die grösser sind, sind Vorder- +und Hinterteil erhöht, um die Überfahrt zu erleichtern. Das Vorder- +und das Hinterteil, die breit und flach sind, haben einen beweglichen +Teil, der «Koebrug» (Kuhbrücke) genannt wird, um das Einschiffen +der Wagen, der Pferde und des Rindviehes zu erleichtern. Diese +beweglichen Vorbrücken oder Kuhbrücken werden durch zwei Hebel auf- und +niederbewegt, die zu beiden Seiten befestigt und mit Gegengewichten +versehen sind. Die Vorbrücke, die sich dagegenlehnt, erhebt sich ein +wenig über die Horizontale. Nun stellt man den Hebel fest. Nach der +Überfahrt über den Fluss lässt man die Vorbrücke hinunter; sie legt +sich dann gegen die Zufahrtrampe. Die Schrägstellung der Vorbrücke darf +nicht zu stark sein; andrerseits darf dies bewegliche Stück auch nicht +zu lang sein; sonst ist es nicht mehr leicht zu handhaben. + +Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass zu einer guten Zufahrtrampe ein +bestimmtes Verhältnis zwischen der Neigung dieser Rampe, der Länge der +beweglichen Vorbrücke und dem Tiefgang der Fähre bestehen muss. Im +allgemeinen beträgt bei den gewöhnlichen Pontons die günstigste Neigung +der Rampe ⅛. + +Eine geringere Neigung bewirkt, dass die Neigung der beweglichen +Vorbrücke zu gross wird; eine stärkere, die eine horizontalere +Lage dieses letzteren Teiles ermöglichen würde, würde dagegen die +Zufahrtrampe für den Wagenverkehr schwierig machen. + + +DER HALBE PONTON ODER DER PIJPER. + +[Sidenote: III 60-64] + +Um den _Ponton_ hinüberzubringen, kann man sich der Ruder oder einer +Takelage mit Gabel bedienen. Man lenkt dann das Fährschiff durch ein +Ruder. Obwohl man hierzu ein Fährschiff braucht, das an jedem Ende eine +bewegliche Vorbrücke hat, benutzt man doch gewöhnlich ein _Halve Pont_ +(Halbfähre), ein Fahrzeug, das vorn wie eine «Aak» und hinten wie eine +Fähre aussieht. Manchmal nennt man diese Halbfähre «Pijper». Die Wagen +fahren von hinten auf die Fähre und müssen sie auch dort verlassen. +Ein um das andere Mal muss man sie also rückwärts entladen, denn das +Fahrzeug kann auf der Fähre selbst nicht wenden. + +Wenn die Strömung des Flusses stark genug ist, so benutzt man sie, um +die Fähre an einem Seil hinübertreiben zu lassen. Natürlich braucht man +dann grosse Fähren mit zwei beweglichen Klappen. + + +DER GIERPONT (SEILFÄHRE). + +[Sidenote: III 63] + +Mit der «fliegenden Fähre» (_Gierpont_) kann die Überfahrt auf zwei +verschiedene Weisen geschehen. Man kann nämlich das Seil an einem Anker +in der Flussmitte einerseits und in der Mitte und an dem oberen Teile +der Fähre andrerseits befestigen. Die beiden so verankerten Enden der +Fähre werden nach flussaufwärts durch besondere Seile an dem Gierseil +befestigt. So kann man die Fähre gegen die Strömungsrichtung geneigt +einstellen, indem man an einem der beiden Seile zieht. Die Normale der +Strömung treibt dann die Fähre vorwärts, die einen Bogen um den Anker +als Mittelpunkt und mit dem Seil als Radius beschreibt. Man regelt die +Geschwindigkeit, indem man den Winkel ändert, den die Achse der Fähre +mit der Stromrichtung bildet. + +Um die Wirkung der Strömung auf die Fähre zu verstärken, befestigt +man an der stromaufwärts gerichteten Seite, d. h. auf der Seite des +Gierkabels, zwei oder vier Schwerter, von denen eins oder zwei dazu +dienen, nach dem rechten und ebensoviel, um nach dem linken Ufer zu +fahren. + +Um den Widerstand des Kabels im Wasser zu vermindern, stützt man es +durch einige kleine Boote, die man «Onderleg aakjes» (Unterleg-Aken) +nennt. + +Eine solche fliegende Fähre ist u. a. auf der Maas in Tätigkeit, um den +Übergang von Grevenbricht-Rotem (Limburg) und Grave zu vermitteln. + + +DIE KABELFÄHRE. + +[Sidenote: III 62] + +Der «Kabelveerpont» (_Kabelfähre_) ist ein anderes Fahrzeug zum +Übersetzen über Wasserläufe. Bei ihr fällt das Gierkabel fort, und man +verfährt anders, indem man das Kabel oder eine Kette über den Fluss +spannt. Die Mitte des flussaufwärts gerichteten Teils der Fähre wird +an dem Kabel befestigt. Eine zu seiner Aufnahme bestimmte Rolle ist +hierzu an ihm angebracht. Um über den Fluss zu kommen, stösst man +die Fähre vom Ufer ab und lenkt sie in die Strömung, natürlich erst +nachdem die beweglichen Vorbrücken hochgezogen sind; dann bringt man +das Kabel an das Ende der Brücke, das auf der Seite liegt, zu der man +übersetzen will, und führt es über eine Rolle, die zeitweilig (nur +während der Überfahrt) in der Mitte der Vorbrücke befestigt ist. Die +Fähre nimmt dann eine schräge Stellung zum Kabel an, und ihre Achse +bildet wieder einen Winkel mit der Strömungsrichtung, wodurch die Fähre +hinübergetrieben wird. Das an beiden Ufern befestigte Kabel legt sich +durch sein eigenes Gewicht auf den Boden des Flusses und wird nur an +der Stelle hochgezogen, an der sich die Fähre befindet. + +Als solche Fähren nennen wir die für die Überfahrt von Kessenich nach +Stevensweert und von Boorsheim nach Elsloo (Limburger Maas). + +Man zieht aber nicht immer das Kabel über die Fähre, denn es behindert +die Schiffahrt. Manchmal lässt man es am Boden des Flusses liegen und +hängt die Fähre an ein Seil, das mittels einer Rolle am Kabel befestigt +ist. Dies Seil, das also in der Stromrichtung gespannt ist, wird in +der Mitte des oberen Teiles der Fähre befestigt. Wenn man nun mittels +eines besonderen Kabels die Fähre schräg stellt, wie wir es bei der +fliegenden Fähre (Gierpont) gesehen haben, so fährt sie über den Fluss, +indem die Rolle über das Kabel läuft, das am Boden des Flusses liegt. + +Wir finden ein Beispiel einer solchen Fähre bei der Überfahrt +von Zalt-Bommel in Geldern. Die Gefahr dieser Kabel und aller +quergespannten Seile im allgemeinen ist die, dass sie oft beschädigt +werden, weil sie von den Ankern vorüberfahrender Schiffe erfasst +werden. Im Ausland, besonders in Belgien, spannt man die Kabel zum +Hinüberfahren über den Fluss, so dass die Schiffe darunter fahren +können. Es ist sehr zweifelhaft, ob diese Art die Kabel anzubringen, +für die schweren Fähren und bei grosser Breite des Flusses anwendbar +ist, ohne dass sehr kostspielige Mittel zum Halten des Kabels zur +Anwendung kommen. + +In Limburg, wo die Maas sehr reissend ist, und wo das starke Gefälle +des Grundes viel stärkere Strömungen hervorruft, als im Lande sonst, +haben die Fähren keine Schwerter. + +Bei allen diesen Fähren im allgemeinen und den «Kabelveerponten» +insbesondere ist eine sehr breite Zufahrtrampe nötig. Eine Breite +von 16 m in der Höhe des gewöhnlichen Niedrigwassers, die nach oben +abnimmt, hat sich als erforderlich erwiesen, weil die Spannung des +Kabels, die sich nach der Strömung und der Windstärke richtet, wechselt. + +Je stärker die Strömung ist, um so sicherer kann man anlegen; das +ermöglicht es, die Breite der Zufahrtrampe nach oben zu verringern, +denn dieser obere Teil wird bei hohem Wasserstand allein benutzt. + +[Sidenote: III 174] + +[Sidenote: III 175] + +[Sidenote: III 178] + +[Sidenote: III 181] + +Es ist selbstverständlich, dass man für die Überfahrt über das Wasser +nicht nur Fähren (Ponten), sondern alle Sorten Schiffe verwendet, wie +«Tjalken», «Poonen» u. s. w., von denen schon gesprochen ist. + +[Sidenote: III 60] + +[Sidenote: III 65] + +[Sidenote: III 67] + +Der «Veerhengst». Oft spricht man auch von «Hengsten», hier gebraucht +um die Kraft auszudrücken, und von «Veerhengsten», die zur Klasse der +«Hoogaarsen» gehören, denen sie übrigens gleichen. + +Die «Hoogaarsen» werden bei den Fischereifahrzeugen beschrieben. + +Zum Übersetzen von Fussgängern verwendet man meist Ruderboote und +gegenwärtig auch viel «Vletten». + +Eine Bemerkung ist noch zu dem Vorstehenden zu machen: + +Für die Flüsse mit Ebbe und Flut braucht man 2 Kabel, eins +stromaufwärts, eins stromabwärts, um bei Ebbe und bei Flut arbeiten +zu können. Die Arbeiten werden dann aber sehr schwierig, denn bei +stehender Ebbe ist die Strömung gleich Null oder so schwach dass +die Überfahrt nicht immer ausführbar ist. In solchen Fällen dienen +die Kabel nur als Führung für die Fährschiffe. Man bringt diese mit +der Hand oder mittels eines Motors hinüber, der auf ein besonderes +Überfahrseil wirkt. Eine solche Einrichtung findet man auf der +Berg’schen Maas, unterhalb Heusden. + +Wenn bei Hochwasser die Strömung zu stark wird, so dass die Kabel zu +brechen drohen, so könnte man das Fährschiff an ein Gierseil hängen, +das dann den grösseren Teil der Spannung aufnehmen würde. Dies +Seil muss sehr lang sein: 1) damit der Zug auf den Anker möglichst +horizontal ist und 2) damit der Bogen, den die Fähre beschreibt, +möglichst flach ist. + + * * * * * + +Die kleinen Binnenschiffe sind nicht weniger wichtig. Ihre Grösse nimmt +in dem Masse zu, wie die Schiffahrtstrassen verbessert werden. Der +Rumpf mit Überlappung macht dem glatten Rumpf Platz. Hinsichtlich der +Form unterscheiden sie sich von den oben erwähnten Typen durch ihre +verhältnismässig geringe Breite, sowie durch ihr sehr schräges Vorder- +und Hinterteil. Wenn im allgemeinen das Verhältnis zwischen Länge und +Breite von 3,5 bis 4 schwankt, so beträgt bei den uns beschäftigenden +Schiffen dies Verhältnis meist 5. Sie haben natürlich alle flachen +Boden; in den letzten Jahren hat man sie mit runderen Kimmungen gebaut. + + +DER BOK. + +[Sidenote: III 83] + +[Sidenote: III 84] + +Der _Bok_ ist eins der grössten derartigen Schiffe. Man findet ihn +in Friesland, im Nordosten der Provinz Utrecht unter Ankeveen und ’s +Graveland, im Nordosten von Südholland nördlich vom alten Rhein. Es +ist ein langes und schmales Schiff von 16 m Länge, 3,35 m Breite und +1,75 m Tiefe. Das Schiff wird nach dem Boden hin sehr schmal und hat +ziemlich starken Vorder- und Hintersteven. Der Hintersteven ist gerade +und geneigt; der Vordersteven ist schräger und schwach gekrümmt. +Das Schiff hat ein viereckiges Vorderteil und erhält dadurch ein +charakteristisches Aussehen, wie man es auch bei den anderen Typen +findet. + + +DER SNIK. + +[Sidenote: II 240] + +[Sidenote: III 85] + +Neben dem «Bok» trifft man in Friesland den _Snik_, d. h. einen «Bok» +von weniger eckigem Bau mit geraderem und schräger stehendem Vorder- +und Hintersteven. + +In Holland findet man denselben Unterschied gegenüber dem «Bok» bei dem +«Haarlemmer meer plompertje», das jedoch kleiner ist als der Friesische +«Snik». + +[Sidenote: III 86] + +Weder der Name «Snik» noch der Name «Bok» ist in Groningen üblich; +doch gibt es dort ein ihm ähnliches Schiff. Es hat ein etwas runderes +Vorder- und Hinterteil als der «Bok». In Frage kommt die «Groninger +Aardappelpraam», (Groninger Kartoffelpraam) ein Schiff, das schon +erwähnt wurde. Es hat, wie die drei vorhergehenden Schiffe, Berghölzer +mit schwacher Krümmung. Durch sein volles Vorder- und Hinterteil +unterscheidet es sich von den «Overijsselschen Pramen». + +Wenn wir das Haarlemmermeer verlassen, indem wir über Leyden fahren, +wenn wir also das Land der Dünen durchqueren, indem wir die westliche +Richtung einschlagen, so stossen wir überall auf einen Schiffstyp, der +zwar kleiner ist als die «Bokken», aber die gleichen Formen zeigt. + + +DER WESTLÄNDER. + +[Sidenote: III 81] + +Dieses Schiff heisst _Westländer_. Der stark geneigte Vordersteven +ist schwach gekrümmt. Das Schiff ragt nur sehr wenig aus dem Wasser +hervor, um unter den Brücken hindurchfahren zu können. Es kann sich +der Segel bedienen, aber meist stösst man es mit einen Bootshaken +vorwärts. Das Deck hat zu diesem Zweck einen Laufgang am Vorder- und +am Hinterteil. Das Schiff ist bedeckt mit flachen und horizontalen +Lukendeckeln. Mit Rücksicht auf die niedrige Lage der Ruderpinne haben +diese Schiffe, wie die vorhergenannten eine «Stuurbak» (Öffnung im +Deck), worin sich der Steuermann aufhält. Der obere Teil der Beplattung +ist verstärkt und dient als Bergholz. Fehlt dieser Teil, was gewöhnlich +bei den kleinen, offenen Schiffen der Fall ist, so nennt man sie +ebenfalls «Bok» (nicht zu verwechseln mit dem grossen friesischen Bok, +von dem oben gesprochen ist). Man verwendet sie häufig zur Beseitigung +der Dünen, so dass sie im Haag wohl bekannt sind. + + +DIE KAAG. + +[Sidenote: II 182] + +[Sidenote: II 184] + +[Sidenote: II 185] + +[Sidenote: III 71] + +Im 17. Jahrhundert findet man nördlich von Leyden, längs des +Haarlemermeers und in dem Teil von Nordholland, der nördlich der Linie +Aalsmeer-Muiden liegt, ein Schiff, das damals gewöhnlich _Kaag_ (Kage +oder Kaghe) genannt wurde, und von dem ~Witsen~ eine gute Abbildung +bringt. (S. 174.) Dies Schiff unterscheidet sich von den früheren +Typen durch die erheblich stärkere Erhöhung des Vorderteils und das +Aneinanderrücken der oberen Borde, wodurch es einem Fischereifahrzeug, +dem «Hoogaars» ähnlich wird, da es wie dieser ein breites Vorderteil +hat, während das Hinterteil schmaler wird. Der Vordersteven ist gerade, +aber stark geneigt. Der Mast liegt auf einem Drittel der Länge, die +Takelung ist eine solche mit Gabel. Heute gibt es dies Schiff nicht +mehr; man trifft aber andrerseits ein Schiff mit glattem Rumpf, das ihm +ähnelt und jetzt «Snik» oder «Gondel» heisst. Es ist jedoch weniger +eckig und hat einen kleinen «Spiegel» (viereckiges Hinterteil), der wie +wo anders, erst später aufgetreten ist. Ohne Zweifel haben wir es hier +mit der alten «Kaag» zu tun, die man auch unter den heutigen Schiffen +noch trifft. Das Verhältnis der Länge zur Breite ist bei beiden +Schiffen das gleiche. + +Auf den Flüssen mit Ebbe und Flut von Holland findet man als kleines +Schiff den «Kinderdijkschen Hoogaars», der völlig der alten «Kaag» +gleicht. Dann trifft man auf den Inseln Südhollands ein Schiff mit +glattem Rumpf, die «Beyerlandsche Schuitje», die eine Aak ist, weil der +Boden sich bis zur äussersten Spitze des Vorderteils erhebt; es handelt +sich wahrscheinlich nicht um einen sehr alten Typ. Ihre Verwandtschaft +mit den vorhergehenden kann noch leicht bemerkt werden. + +Dies Schiff hat 9 m Länge, 2,75 m Breite und 1,30 m Tiefe. Der Mast +steht auf ¼ und ⅓ der Länge. + +Die «Beyerlandsche Schuit» entspricht völlig dem Fischereifahrzeug: +«Tholensche Schouw». + + +DIE PRAAM VON UTRECHT. + +[Sidenote: III 88] + +[Sidenote: III 87] + +In der Provinz Utrecht gibt es noch eine andere Art Schiffe, die +obwohl sie etwas den «Westlanders» gleicht, sich von diesen doch durch +ihren schmaleren und schlankeren Bau unterscheidet. Der Hintersteven, +wie der Vordersteven ist gerade und stark geneigt, was diese Schiffe +sehr spitz macht. Man nennt sie _Utrechtsche Praam_, während man sie, +wenn sie völlig offen sind, _Kromme Rijnaak_ nennt, obwohl sie nicht +den flachen, vorn hochgehenden charakteristischen Boden haben. Sie +entsprechen der «Vlotschuit», die von ~Witsen~ (S. 171, Nr. 3) erwähnt +wird, obwohl diese letztere im Verhältnis zur Länge breiter ist. + +[Sidenote: III 89] + +Man sieht die «Utrechtsche Praam» längs des «Krommen Rijn» und in der +Gegend, die mehr nördlich längs des Vecht liegt. Dies Fahrzeug gleicht +sehr einem «Punter», der langgestreckt ist; dieser gehört dem Norden +von Overijssel an (bei Vollenhove, u. s. w.); dasselbe Schiff findet +man auch in Nordholland als _Groenteschuitje van Hoorn_, von ~Witsen~ +(S. 171-173) _Weijschuitje_ genannt. + + +DIE SCHAUWE. + +Die _Schouw_ ist ein flaches, breites und offenes Fahrzeug, das man +überall antrifft. Sie ist ein sehr einfaches und sehr primitives +Schiff, das man schon auf den ältesten Abbildungen sieht, sowohl in den +Gegenden längs des Mittelmeeres wie in den Ländern Nordeuropas. + +In unserem Lande der Kanäle und Flüsse verwendet man häufig «Schouwen». +Sie sind mehr oder weniger gross gebaut und haben sich allmählich +in Schiffsform entwickelt. Fast alle werden getreidelt oder mit +dem Bootshaken gestossen. Die grössten sind die «Melkschouwen» +(Milchprähme), die man täglich in grosser Zahl in Rotterdam sehen kann. + +Der Rumpf der Schouwen wird vorn und hinten etwas schmaler, während der +Boden regelmässig etwas nach oben gekrümmt ist. Das Fahrzeug ist ganz +offen. + +Denkt man es sich etwas höher und vorn und hinten mit einer kleinen +Kajüte (Flütenverdeck) ausgestattet und den Schiffsinnenraum mit +Lukendeckeln versehen, so erhält man die _Schiedamsche Schouw_, +die besser bekannt ist unter den Namen _Spoelingschuit_ (Barke zur +Beförderung von Abfällen). + + +DIE TRECKSCHUTE. + +[Sidenote: II 204] + +[Sidenote: II 207] + +[Sidenote: III 77] + +[Sidenote: III 79] + +Das heutige Geschlecht wird sich schwer denken können, dass vor +kaum 60 Jahren die _Trekschuit_ bei uns noch das einzige Mittel zur +Fortbewegung war. Wer würde heut noch auf den Gedanken kommen, mit +der Treckschute vom Haag nach Scheveningen oder umgekehrt zu fahren, +wo es heut eine Unzahl von elektrischen Bahnen gibt? Und doch hat +die Treckschute in unserer wasserreichen Heimat eine wichtige Rolle +gespielt, und es gibt noch heut Gegenden, wo sie gebräuchlich ist. +Die eigentlichen «Trekschuiten» werden in 2 Klassen geteilt, solche +mit geradem und schrägem Vordersteven und solche mit gekrümmtem +Vordersteven. + +[Sidenote: III 80] + +Die ersteren, die fast völlig den Westlanders gleichen, wenn sie auch +etwas massiver gebaut sind, findet man besonders in Südholland und +Nordholland sowie im Westen von Utrecht. Die alten Gravüren zeigen uns, +dass dieses Schiff sich im Laufe der Jahrhunderte sehr wenig verändert +hat; die wasserdichte Kabine ist die einzige nennenswerte Änderung, die +es erfahren hat. + +[Sidenote: II 78] + +Man trifft sie noch häufig als _Pakschuiten_, deren helle Farben (grün, +weiss, rot) sofort die Blicke auf sich ziehen. + +Die zweite Sorte dieser Schiffe, die gekrümmte Vordersteven und +elegantere Formen haben, die «Barken» oder «Trekyachten», findet man +häufiger im Norden unseres Landes, so in Nordholland, Groningen und +Friesland. Sie haben volleres Vorder- und Hinterteil (wie die Tjalken) +und erinnern mehr an unsere alten Yachten, die etwas schlank sind, und +von denen sie sicherlich abstammen. + + +DIE YACHT. + +[Sidenote: II 156] + +[Sidenote: II 235] + +[Sidenote: II 184] + +[Sidenote: II 185] + +[Sidenote: II 186] + +[Sidenote: III 90] + +Die alte _Yacht_ war eins der schönsten in Gebrauch befindlichen +Schiffe. Während sie ursprünglich eine kleine Nachbildung der «Pinasse» +war, baute man sie später grösser und zwar wegen der geringen Tiefe +(vlotgaanswille) mit ziemlich vollen Formen. Die Ausschmückung der +Kabine und des Spiegels ist besonders sorgfältig. Die Schiffe haben +eine Takelung, das sogenannte «Spriettuig», und sind mit Schwertern +ausgestattet. Leider sind die Spiegel nicht erhalten worden, und in +der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat man Brennholz daraus +gemacht. Einige Photographien prächtiger Yachten nach Zeichnungen aus +der Sammlung des Herrn van Gijn, in Dordrecht, sind der Sammlung der +Abbildungen beigefügt und geben ein ziemlich deutliches Bild. + + +DIE BAGGERAAK. + +[Sidenote: III 68] + +Die _Baggeraak_ bildet eine besondere Gruppe. Wie bereits gesagt, kann +man sie in 3 Klassen teilen. Zur ersten gehört die «Vlet» (Flette), +die man in Südholland, westlich der Betuwe, im Westen von Nordbrabant +(Biesbosch und Donge) sowie in Zeeland, kurz auf unseren Flüssen mit +Ebbe und Flut antrifft. Die Flette oder Baggeraak (auch «Sliedrechtsche +Aak» genannt) ist ein kleines, festes Schiff, das ausser einer +kleinen Vorderkajüte ganz offen ist. Die Takelung besteht aus dem +sogenannten «Spriettuig»; sie hat Schwerter und abnehmbare Setzborde +wie die meisten «Baggeraakjes», um das Ablaufenlassen der Handbagger +zu erleichtern. Man stellt diese Setzborde erst auf, wenn die Barke +teilweise beladen ist, d. h. wenn sie schon merklich eintaucht. +Der Mast liegt auf ⅕ und ¼ der Länge. Das Verhältnis der Länge zur +Breite ist 4 : 1. Die Beplankung geht bis in die äusserste Spitze +des Vorderteils, gegen die ein falscher Steven gebaut ist. In Zeeland +verwendet man hierzu viele «Hoogaarsen» und in Brabant und Holland +«Boeieraakjes» wie im Biesbosch und auf dem Amer und der Donge. Man +verwendet sie noch viel auf der Maas, obwohl man dort, wie auf den +Oberläufen anderer Flüsse ehemals die «Bovenlandschen Baggeraakjes.» +benutzte. + +[Sidenote: III 70] + +Zu den «Bovenlandschen Baggeraakjes» gehören: + +Die der Maas, die die Mitte halten zwischen dem «Keen» und den +«Whalemajol». Sie besitzen eine kleine Takelung, mit Spriet +(«Spruittuig») und ein «Klaphekken» (besondere Art Steuerruder). Die +grössten, besonders bekannt unter dem Namen «Hedelsche Aken», die +Schwerter haben, werden zu allen möglichen Zwecken verwandt. Diese +Maasschiffe gehören weder zu den wirklichen Maastypen noch zu den +Rheintypen von oberhalb Bonn (Keen, u. s. w.). Sie bilden eine Gruppe +für sich, die sich wahrscheinlich aus den beiden oben genannten Klassen +entwickelt hat. + +[Sidenote: III 73] + +[Sidenote: III 72] + +Vom Rhein ist uns nur die _Vreeswijksche Zandschuit_ geblieben +(Sandbarke von Vreeswijk), die ein Vorderteil wie eine «Dorstensche +Aak» hat, während das Hinterteil dem der «Dortsche Zandschuit» +(Sandbarke von Dordrecht) gleicht. Diese Dortsche Zandschuit hat +gleiches Vorder- und Hinterteil und einen glatten Rumpf. Obgleich dies +Schiff spitzer ist, ähnelt es etwas dem «Westerling», der als ein +sehr altes Schiff von der oberen Schelde bekannt ist (siehe ~Dehem~, +S. 505). Die alte Dortsche Zandschuit wurde besonders zum Baggern von +Ballast für die Seeschiffe verwendet. + +Im Westen und im Rheinland verwendet man zur Beseitigung der Dünen eine +grosse Zahl von «Bokken», die wir schon bei den «Westlanders» erwähnt +haben. + +[Sidenote: III 87] + +In der Provinz Utrecht verwendet man die «Slijkpraam», die der schon +genannten «Krommen Rijnaak» gleicht, während man endlich in Groningen +noch die «Vlotpraam» oder «Slijkpraam» antrifft. + +[Sidenote: II 246] + +Von einem gewissen Standpunkt aus müssten die oben erwähnten +_Hoogeveensche Pramen_, die in den Torfmooren Verwendung finden, zu +dieser Gruppe gerechnet werden. + + +DIE BAGGER- ODER MODDERMOLEN. + +[Sidenote: II 274] + +[Sidenote: II 277] + +Die alte Moddermolen (die Schlammmühle) oder das _Moddermolenschip_ +findet man schon in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts; es ist +der Vorläufer der Baggermolen (Eimerbagger). Während der Bagger +ursprünglich von Menschenhänden getrieben wird, verwendet man im 17. +Jahrhundert hierzu Pferde. (~Le Comte~, S. 6, und ~Witsen~.) Ein +Laufplatz für das Pferd und ein Stall sind auf Deck erbaut. Im 18. +Jahrhundert, sagt ~Le Comte~, ist das alte Moddermolenschip schon so +verbessert, dass man sich dieser Zeit schon einbildet, es wäre nichts +mehr daran zu vervollkommnen. + +Die Schiffahrt erfordert indessen immer grössere Tiefen, und so erbauen +die Brüder Kater, Baggerbauer in Monnikendam, im Jahre 1829 ein Schiff, +das bis zur Tiefe von 7 m baggert; entsprechend der Tiefe und der Menge +des Baggergutes braucht man 3-6 Pferde. + +Die genannten Baggerbauer, sagt ~Le Comte~, sind die Erfinder der +«Klepschouwen», für die sie am 1. Mai 1830 um Genehmigung nachsuchen. +~Le Comte~ gibt uns eine Abbildung von diesen Baggern auf Tafel 12 +seines Werkes. + +In der Zeitschrift _Eigen Haard_ (1906) erzählt uns J. C. ~Kerkmeijer~, +in einem Artikel betitelt «De Diep- of Baggermolen, een merkwaardige +Ontdekking», dass er das älteste Modell eines Baggers wieder +aufgefunden hat, der vom Erfinder im Jahre 1632 erbaut worden ist; +dies Modell wird erwähnt von C. A. ~Abbing~ in seiner Fortsetzung zur +Chronik von Hoorn von ~Velius~ (1841, S. 12); dort heisst es: + +«Zu dieser Zeit (1632) hat Jan Jantz Nieng, Bürgermeister und Einwohner +dieser Stadt (Hoorn), die Diepmolen erfunden. Das erste von ihm +hergestellte Modell hat 2 Fuss 6½ Zoll Länge, 9 Zoll Breite und 6½ Zoll +Höhe (Fuss von Hoorn), das Ganze ausserhalb gemessen.» Dieses Modell +fand sich noch vor einigen Jahren auf der städtischen Werft. Das von +Herrn Kerkmeijer aufgefundene Modell wurde sorgfältig von ihm wieder +hergestellt und wird gegenwärtig im Rathaus der Stadt Hoorn aufbewahrt. + +Dank seiner freundlichen Hilfe können wir noch einige Einzelheiten über +die Moddermolen von Middelbourg mitteilen (genannt Dieplust), die er +von dem Schiffswerftleiter Koole in Middelbourg erhalten hat. + +Der Dieplust-Bagger schöpfte den Schlamm in einen rinnenartigen Trog, +der gerade Seitenteile von geringer Höhe hatte. Dieser Schlammtrog war +am unteren Teil mit Eisen beschlagen. Wenn man das Schiff mit Hilfe +eines verankerten Kabels verschob, so schöpfte dieser Trog den Schlamm +aus grösstmöglicher Tiefe. Die Leiter des Baggers war in diesem Trog +aufgehängt, und auf der Kette ohne Ende waren Schaufeln befestigt, +die etwa die gleiche Grösse hatten wie der Schlammtrog. Wenn sie sich +um die achteckige oder sechseckige untere Trommel (Turas) drehten, so +tauchten sie in den Schlamm und zogen einen Teil durch eine Öffnung +nach dem oberen Teil. + +Es ist damals noch nicht die Rede von Eimern oder Kübeln, um das +Baggergut zu heben. Die Eimerbagger tauchten erst mit den Dampfbaggern +auf. + +Der rinnenartige Trog mit der Schaufelleiter konnte mittels eines +Bratspills gesenkt oder gehoben werden; er ging durch eine Öffnung, +die nicht mit der Achse des Fahrzeugs zusammenfiel. In dem breiteren +Teil befand sich die Welle, von der aus durch Zahngetriebe die von den +Pferden erzeugte Bewegung auf die Schaufelleiter übertragen wurde. Das +Triebwerk war aus Holz, dem ähnlich, das in den alten Windmühlen zur +Anwendung kam. Auf dem Deck war ein Laufplatz sowie ein Stall für die +Pferde eingerichtet. + +Das Genter Journal _Het Volksbelang_ gibt diesen Artikel von _Eigen +Haard_ in seiner Nummer vom 9. Juni 1906 wieder. Man äussert dort +indessen Zweifel, dass die Erfindung aus dem Jahre 1632 stammen soll, +weil man folgende Anmerkung in dem «Resolutie Boek van de Staten van +Vlaanderen» von 1628-1630, Bl. 16, findet. (Archive des Staaten in +Gent, No. 553.) + +«Actum den XXII. May 1628 wierd den Ingeniaris Adam Clippens, ghemaackt +hebbende den slijekmeulen, gelicentiert en de gheordonneert hem te +geven ordonnantie van betalijnghe den dach van merghen mitsghaders +hondert guldenen voor eene verreeringhe zoo ghedaen is geweest»[28]. + +Aus dieser Anführung würde hervorgehen, dass in Flandern ein +mechanischer Bagger im Jahre 1628 betriebsfertig war; entweder gibt, +so sagt man, ~Abbing~ ein falsches Datum an; oder die gleiche Maschine +ist an zwei verschiedenen Orten erfunden worden, zur gleichen Zeit. Die +Frage ist noch nicht gelöst, aber wie dem auch sei, man muss zugeben, +dass der erste mechanische Bagger im 17. Jahrhundert im Betrieb gewesen +ist. + + +DER TJOTTER. + +[Sidenote: III 91] + +[Sidenote: II 247] + +[Sidenote: II 248] + +Die Vergnügungsfahrzeuge oder Yachten sind so oft beschrieben worden, +und man verwendet hierzu so viele verschiedene Typen, dass wir sie +hier stillschweigend übergehen können. Es ist nur auf ein friesisches +Schiff aufmerksam zu machen, den Tjotter, den man oft antrifft, und +der in ganz Friesland verbreitet ist, ebenso wie das «Friesch Bootje». +Der _Tjotter_ ist ein volles, kurzes und breites Schiff mit eleganten +Linien von grosser Stabilität auf dem Wasser. Es ist stark gekrümmt, +hat eine Takelung mit Besanmast (Bazaantuig) und ist im allgemeinen +sehr gut gearbeitet. + + +DER LAADBAK. + +[Sidenote: III 74-76] + +Der «Laadbak» und die «Zolderschuit» sind so bekannt, dass wir nur auf +die Zeichnungen verweisen möchten, während noch auf ein sehr nützliches +Schiff aufmerksam zu machen ist, das zu allen Zeiten viel verwendet +wurde. Es ist dies der «Onderlegger», dessen Bild ~Witsen~ bringt (S. +176); er erzählt bei dieser Gelegenheit, dass er dazu diente, die +Schiffe behufs Ausbesserung auf die Seite zu legen, Pfähle aus dem +Boden zu reissen, Masten zu befestigen, u. s. w. Diese Schiffe haben 60 +Fuss Länge, 16 Fuss Breite und 6½ Fuss Tiefe und besitzen 2 vertikale +Gangspille. + + +DIE OBERLÄNDER. + +Die Schiffe, die die oberen Flussläufe besuchten, heissen +«Bovenlanders» (Oberländer). Sie unterscheiden sich völlig von den +Typen, die uns bisher begegnet sind. Sie sind alle lang und schmal, +haben geringen Tiefgang und flachen Boden. Im allgemeinen kann man +sagen, dass die «Bovenlanders» ungefähr da beginnen, wo die Flüsse +mit Ebbe und Flut aufhören. Sie sind schon in den ältesten Zeiten +vorhanden, obgleich sie nur sehr selten auf den alten Abbildungen +vorkommen. Man spricht wenig von ihnen, wahrscheinlich weil man der +Meinung war, dass sie keiner Beschreibung wert sind oder vielleicht +auch, weil man sie nicht genügend kennt. ~Witsen~ erwähnt nur die +folgenden (S. 170-171); er sagt hiervon wörtlich: + + ~A~) _Die Overlanders_ (Oberländer), die vom Oberrhein kommen, sind + hohe, schwere und wenig durchgearbeitete Fahrzeuge. Ganze Haushalte + bewohnen sie. + +[Sidenote: II 213] + +[Sidenote: II 214] + + ~B~) _Die Samoreuzen._ Ausserordentlich lange und flache Schiffe, + die den Rhein mit Holz hinabfahren. Sie haben einen hohen, aus + zwei Teilen bestehenden Mast, der durch Taue an den Enden und den + Seitenteilen des Schiffs festgemacht ist. + + ~C~) _Die Aeken_, die den Wein von Cöln bringen, sind lang, hoch und + sehr bauchig. Sie haben ein sehr breites Steuerruder. + + ~D~) _Die Dorstschen Koolhaelders_ sind lange, nicht bedeckte Schiffe + mit flachem Boden, um die Untiefen der Flüsse überfahren zu können. + Sie haben eine viereckige Kabine in der Mitte, in der die Schiffer + wohnen. Sie sind eckig; das Steuerruder ist gross und breit; das + Segel viereckig; man hisst es nahe an der Kabine an einem kurzen Mast + mit einer gebogenen Raae. + +~Van Yk~ spricht von _Geldernschen Samoreuzen_ (S. 348), ~Le Comte~ von +«Samoreus» oder «Keulenaer» (S. 44), was man noch auf der Abbildung von +~Groenewegen~ (Serie F, No. 3) sieht. + +Die «Overlanders» sind die «Bovenlanders», und die «Samoreuzen» sind +die Schiffe, die von flussaufwärts von Cöln kommen, während die +Aeken wahrscheinlich die grossen «Keenaken» sind. Endlich müssen +die «Dorstschen Koolhaelders» die «Dortschen Aken» sein. Weder die +Abbildung noch die Beschreibungen geben einen genauen Begriff. Die Type +haben sich jedoch auf dem Rhein sehr gut erhalten bis zur Einführung +des Eisens; die Schiffsrümpfe mit übereinandergreifenden Planken sind +sogar unberührt geblieben, woraus wir noch jetzt entnehmen können, was +die Schiffe früher waren und woher sie stammten. + + +DER RHEIN. + +Wie bei der allgemeinen Einteilung gesagt ist, können die Rheinschiffe +in zwei Gruppen geteilt werden: _a_) die vom Rhein, unterhalb etwa von +Bonn: _b_) die vom Rhein, oberhalb Bonns, sowie von den Nebenflüssen, +ausgenommen den Neckar, wo ein Schiff vorkommt, das zur Gruppe _a_ +gehört. + +Die Gruppe _a_ umfasst: + +Die _Dorstensche Aak_, so genannt nach der Stadt Dorsten, wo diese +Schiffe häufig gebaut werden. Es ist eine lange und schmale Aak. Der +Boden läuft bis in die Nase; die Länge ist das 6 bis 7 fache der +Breite, und das Schiff hat Beplankung mit Überlappung. Das Vorderteil +ist voll, das Hinterteil läuft in der Höhe der Wasserlinie spitz +zu. Das Hinterdeck ist erhöht und unterbrochen; die Ruderpinne ist +stark gekrümmt und ruht auf einem festen Stützholz (Luierwagen). Das +Steuerruder ist gross und schwer. Das Schiff hat zwei Masten. Auf den +kleineren Schiffen liegt die Kabine am hinteren Mast. Auf den grösseren +Aken bleibt ein Raum zwischen der Kabine und dem Mast. Hinter dem +grossen Mast befindet sich ein Verschlag und im Vorderteil eine Kabine +für die Bedienung. Der Rumpf ist durch flache und schräge Lukendeckel +verdeckt. Früher waren sie rund. + +Die «Dorstensche Aak» mit runden Luken heisst «Samoreus» Neben dieser +hat es Aken mit verdecktem Schiffsraum gegeben. Das sind die «Dorstsche +Koolhaelders». Obwohl sie nicht bauchiger sind als die anderen «Aken», +so sehen sie, wie alle mit überlappender Beplankung gebauten Schiffe, +voller aus. Gewöhnlich führen sie Segel mit Raaen am grossen Mast und +Besansegel am kleinen. Im allgemeinen kamen diese Schiffe unvollendet +zu uns, und erst nachdem die Ladung (Koch- und anderes Geschirr) +verkauft war, stellte man sie in unserem Lande fertig. + +[Sidenote: III 94] + +Die «_Neckaraak_» (Aak des Neckars) ist eine kleine «Dorstensche Aak», +deren Länge etwa das 6½ fache der Breite beträgt. Sie ist also lang +und schmal und fuhr gut. Diese Aken haben eine eigenartige Kabine, die +im Verhältnis zur Höhe des Schiffs stark über das Deck emporragt. Sie +haben einen grossen Mast und einen kleinen am Steuerruder. Dies ist +ähnlich dem der «Dorstenschen Aak»; die Schiffe haben aber nicht, wie +diese letzteren, Schwerter. + + +DAS STEVENSCHIFF. + +[Sidenote: III 95] + +[Sidenote: III 96] + +[Sidenote: III 98] + +Das _Stevenschip_ gleicht der «Dorstenschen Aak». Es hat +übereinandergreifende Planken wie diese letztere, besitzt dieselbe +Takelung und ist ebenso gebaut. Es unterscheidet sich von ihr nur +dadurch, dass die Beplankung nicht in der Nase oder Spitze des +Vorderteils endet, sondern in einem starken, etwas gekrümmten +Vordersteven zusammenläuft. Wir stossen auf die vorgenannten Type auch +in unserer Heimat, sowohl auf solche mit überlappender Beplankung wie +auf solche mit glatter Beplankung. Man nennt sie dann «Hollandsche Aak» +und «Stevenschip», während man früher neben diesen noch eine grosse +Zahl kleinerer Aken antraf, am Rhein, auf dem Waal, auf dem Lek, an der +IJssel und ihren Nebenflüssen. Diese «Aken» sind genaue Nachbildungen +der grossen Aken, haben aber elegantere Linien wegen ihrer geringeren +Länge. Die in der Sammlung der Tafeln befindlichen sind nach einigen +alten Mustern hergestellt, die wahrscheinlich aus dem 18. Jahrhundert +stammen: + +[Sidenote: III 100] + +Die Nase der «Hollandschen Aak» ist etwas flacher als die der +«Dorstenschen Aak». Die «Bovenlanders» haben allmählich (ebenfalls) +vollere Formen angenommen, was sich schon erkennen lässt, wenn man die +Zeichnung einer «Dorstenschen Aak» mit der einer «Samoreus» vergleicht. +Manche kleine holländische Aken haben einen falschen, unterbrochenen +Vordersteven, daher ihr Name «Hollandsche Schlechtaak». Einige dieser +«Aakjes» findet man auch an der Merwede und der Yssel. + + +DER TURFIJKER UND DER HAGENAAR. + +[Sidenote: III 101] + +In der Gegend östlich der Linie Leyden-Delft, nördlich von Rotterdam, +südlich des alten Rheins und westlich von Utrecht gibt es einen sehr +sonderbaren Schiffstyp, mit kleinen Abmessungen, Beplankung mit +Überlappung und nach deutscher Art gebaut; das ist der _Turfijker_, +von dem heut wahrscheinlich kein Exemplar mehr vorhanden ist, während +derselbe Typ sich im «Hagenaar» wiederfindet. + +[Sidenote: III 99] + +Der _Haagenaar_ ist flach und ohne Wölbung und ragt nur sehr wenig, +mit Rücksicht auf die geringe freie Höhe der Brücken im Haag, aus dem +Wasser heraus, daher sein Namen «Hagenaar» (Schiff vom Haag). Wir +finden hier also, im «Herzen Hollands», einen Bovenlandertyp. + +Es ist sonderbar, dass dieselben grossen holländischen Aken (Typen von +Dorsten) auch im Nordwesten von Noordbrabant (Langstraat) vorkommen, +wo man sie noch baut, während man auf der Maas und dem Waal diesen Typ +nicht baut. + +Die zweite Gruppe, die oberhalb von Bonn zu finden ist, unterscheidet +sich etwas von der ersteren durch das charakteristische lange +Steuerruder, das an dem durch das Hinterteil gehenden Stützpfosten +befestigt ist. Vom Ende des Steuerruders und oberhalb dieser Stütze +geht ein starkes Holzstück ab, das fest mit der Ruderpinne verbunden +ist. Man nennt dies Steuer das «Klaphekken». Alle zu dieser Gruppe +gehörigen Schiffe sind hiermit ausgerüstet. Diese Schiffe sind übrigens +flacher als die der ersten Gruppe. Sie haben eine Beplankung mit +Überlappung, obwohl man heut auch schon viele mit glatter Beplankung +trifft. + + +DER KEEN. + +[Sidenote: III 105] + +[Sidenote: III 106] + +Der _Keen_ kann als Grundtyp dieser Gruppe angesehen werden. + +Früher war er wie eine «Dorstenschen Aak» getakelt; jetzt hat er wie +alle Schiffe eine Takelung am Besanmast. Der Boden hebt sich bis zur +Nase sowohl vorn wie hinten. Der «Keen» ist also eine «Aak». Die +Beplankung läuft am Boden zusammen, d. h. die Planken stossen dort etwa +in einer geraden Linie aneinander. Das Hinterteil hat meistens ein +unterbrochenes Deck. + + +DIE KEENAAK. + +[Sidenote: III 107] + +Die _Keenaak_ ist im Verhältnis zur Länge breit und hat im allgemeinen +stärkere Abmessungen; sie ragt mehr aus dem Wasser heraus, hat vollere +Enden und die Beplankung endet in nur einer Spitze, der Nase. + + +DIE LAHNAAK UND DER SLOF. + +[Sidenote: III 108] + +Der völlig offene _Keen_ heisst «Lahnaak», deren Grössenverhältnisse +in letzter Zeit gewachsen sind. Die «Lahnaak» hat dann fast vertikale +Wände, ein stumpfes Vorder- und Hinterteil und glatte Beplankung. Sie +führt den Namen «Slof». + +[Sidenote: III 109] + +Eine Eigentümlichkeit der «Sloffen» ist, dass sie am Vorderteile stets +mit einer schmalen Kabine ausgestattet sind, die wenig über das Schiff +hervorragt. In den letzten Jahren hat man die «Sloffen» sogar mit +Lukendeckeln versehen und nennt sie dann einfach «Aak». Die Schiffer +nennen die «Slof» manchmal auch «Mulmsche Aak». (Aak von Mühlheim.) + +[Sidenote: III 110] + +Zur ersten Gruppe ist noch ein sehr festes Schiff zu rechnen, das +erst aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammt. Es ist der +«Bunder». Dies Schiff hat die Form einer «Dorstenschen Aak», hat glatte +Beplankung und ist mit Deckplatten versehen. + +[Sidenote: III 102] + +[Sidenote: III 104] + +Endlich ist für unsere Heimat noch die «’S Gravenmoersche Aak» zu +erwähnen, die in ’S Gravenmoer im 19. Jahrhundert aufgetreten ist; sie +kam vom Oberrhein, um im Biesbosch verwendet zu werden. Obwohl sie +ursprünglich mit «Klaphekken» (besonderem Steuerruder), versehen waren, +hat man mehrere davon abgesägt, entweder weil sie zu lang oder weil +sie nicht fest genug waren; danach hat man sie mit einem gewöhnlichen +Steuerruder versehen. Sie gleichen der «Lahnaak» und werden besonders +zur Beförderung von Heu verwendet. Die Einführung des Eisens wird diese +Schiffe wie so viele andere verschwinden lassen. + +Um Verwirrungen zu vermeiden, ist darauf hinzuweisen, dass manche +holländische «Aken» später mit falschen Vordersteven ausgestattet +worden sind, wodurch sie den Eindruck eines «Stevenschips» erweckten, +was sie natürlich nicht waren. + + +DIE MAAS. + +Die Schiffe, welche die obere Maas und ihre Nebenflüsse besuchen und +die ebenfalls lang, schmal und flachgehend sind, sehen ganz anders aus. +Erstens unterscheidet sich das Steuerruder völlig von den früheren +Typen. Allerdings wird das lange, an einem Stützpfosten befestigte +Steuerruder beibehalten; aber das gebogene Holzstück ist durch eine +Welle ersetzt worden, die vom Ende des Steuerruders ausgeht, nach dem +Stützpfosten läuft und über die Ruderpinne hinausragt. Nachdem sie +mittels einer Kette an dem Stützpfosten befestigt ist, spannt man ein +Seil zwischen Ruderpinne und Welle, so dass man ein sehr festes Gefüge +erhält. Die Welle besteht aus 2 gleichen Stücken. Der Stützpfosten geht +auch durch das Hinterteil; dies geht aber nicht schwach und regelmässig +nach hinten in die Höhe, sondern biegt sich stark nach innen um. + + +DER WHALEMAJOL. + +Das Vorderteil hatte ursprünglich nicht diese Form; aber in den +letzten Jahren hat man diesen Schiffen vollere Formen gegeben, und +das Vorderteil hat ebenfalls eine gekrümmte Gestalt erhalten, um die +Länge des Schiffes zu vermindern und die Ladefähigkeit zu erhöhen. +Der älteste Typ ist der «Whalemajol» (auch Mijole). Das Vorder- und +das Hinterteil enden spitz, die Hauptrippe ist ein Trapez mit drei +übereinander greifenden Borden; unterhalb derselben ist der Rumpf glatt. + +[Sidenote: II 208] + +[Sidenote: III 111] + +Die «Herna», welche eben so gross ist wie das vorbeschriebene Schiff, +hat ein breites Vorder- und Hinterteil und endet in einem horizontalen +Holzstück. Die Hauptrippe, die früher ebenfalls trapezförmig war, ist +jetzt ein Rechteck, ganz wie bei den rheinischen «Sloffen». + +Der _Spitsbek_ ist eine kleine «Herna» (Altes Muster), ganz offen. Man +trifft solche aller Grössen und nennt sie «Spitsbek» (Spitzschnäbel) +wegen ihrer spitzen Form. + +Augenblicklich scheint man die «Klaphekken» vorzuziehen. + +Das alte Steuerruder der «Whalemajols» ist allmählich durch diese +ersetzt worden. Ein «Whalemajol» mit Klaphekken heisst «Whalepont» oder +«Maaspont». + +Diese Schiffe findet man auch auf dem südlichen Teil der limburgischen +Maas. Weiter flussabwärts sieht man jedoch mehr die «Hedelschen Aken», +die ein Mittelding zwischen einem «Keen» und einem «Majol» sind. Sie +haben «Klaphekken» und gegenwärtig manchmal auch ein gewöhnliches +Steuerruder. + + + [25] Das Schiff soll eine Länge von 56 Fuss und eine solche Breite + an den Schwertern haben, dass es die Schleuse des Leydener + Dammes durchfahren kann, d. h. 11 Fuss 1 Zoll höchstens. + + [26] Siehe _Gedenkboek van Koninklijk Instituut van Ingenieurs_, S. + 51. ~Van der Vegt~, J., _De Binnenscheepvaart in Zuid-Holland_. + + [27] Im Jahre 1885 haben die Staaten von Holland die Verbesserung + der Schiffahrtsstrasse zwischen Rhein und Schie unternommen. Da + wo bis 1648 die Gegnerschaft der Städte nur eine Beförderung + oberhalb des Dammes und später eine Schleuse von 3,80 m Breite + und 2,20 m Wassertiefe zuliess, haben sie diese Schleuse von 7 m + Breite mit beweglichen Brücken erbauen lassen. + + [28] Durch Verfügung vom 22. Mai 1628 befiehlt man, morgen dem + Ingenieur Adam Clippens, der die Schlammmühle erbaut hat, eine + Summe von 100 Gulden für die Submission zuzustellen, die er + vorgelegt hat. + + + + +[Illustration: 5] + +FISCHEREIFAHRZEUGE. + + +[Sidenote: III 112] + +Seit den ältesten Zeiten hat sich der Mensch mit dem Fischfang +beschäftigt, allerdings in ziemlich einfachen Formen. Man wird also +auch von den ältesten Zeiten ab Fischereifahrzeuge finden. Da der +Mensch überdies zuerst an seinen eigenen Unterhalt denkt, bevor er +darauf verfällt, Handel zu treiben, so werden die Fischereifahrzeuge +älter sein als die Handelsschiffe, und es ist ein ganz natürlicher +Schluss, dass die letzteren aus den ersteren entstanden sind. So ist +das «Koggeschip» nichts anderes als eine Umbildung der späteren sog. +«Egmonder Pink» oder besser einer «Pink» von grossen Abmessungen. + +Da man anfangs die Fische nur für die örtlichen Bedürfnisse fängt, +so ist es klar, dass die Fischereifahrzeuge nur klein sein werden. +Man unternimmt keine weiten Fahrten, da die Konservierung des Fisches +überdies zu jener Zeit nicht möglich ist; einige alte Schriftsteller +behaupten sogar, dass erst im 12. Jahrhundert der Heringsfischfang in +Zierikzee beginnt. (i. J. 1163 nach ~Witsen~, S. 431). + +Man könnte also sagen, dass die Anfänge unserer Seefischerei in jene +Zeit fallen. Die grosse Umwälzung erfolgt im Jahre 1384, als Willem +Beukelszon von Biervliet das Heringseinsalzen erfindet (Haringkaken). +Diese Erfindung wirbelt soviel Staub auf, dass 100 Jahre nach dem Tode +von Willem Beukelszon der Kaiser Karl V. sein Grab in Biervliet besucht +(1556). + +Von diesem Augenblick an werden die weiten Fahrten möglich, weil +der Hering konserviert werden kann. Im Jahre 1416 verfertigt man in +Hoorn das erste grosse Heringsnetz, und in Zierikzee, dem Mittelpunkt +der Heringsfischerei, tauchen die Schiffe mit glatter Beplankung +auf. Sicherlich besteht eine Beziehung zwischen diesen verschiedenen +Ereignissen. Das Einsalzen des Herings gibt dem Fischfang einen solchen +Aufschwung, dass daraus ein neuer Handel entsteht, der selbst wiederum +immer mehr Ansprüche nach einem vervollkommneten Material hervorruft. + + +DIE EGMONDER PINK. + +[Sidenote: II 243] + +[Sidenote: III 112] + +Die alte _Egmonder Pink_ mit Planken, die übereinander greifen, ehemals +das grösste Fischereifahrzeug (Länge 35 Fuss, Breite 12 Fuss, Tiefe +4 Fuss) wird zu klein, besonders als man anfängt, immer grössere und +schwerere Heringsnetze zu verwenden. + + +DIE BÜSE. + +[Sidenote: II 197] + +[Sidenote: II 223] + +[Sidenote: II 224] + +[Sidenote: II 231] + +[Sidenote: III 113] + +Ein neues Schiff wird nötig; man baut es grösser und mit glattem Rumpf +und erhält so die Buis (Heringbüse). Länge 52 Fuss, Breite 13 Fuss, +Tiefe 8 Fuss. Dieses Schiff hat eine grössere Tragfähigkeit als die +«Pink». (~Witsen~ S. 167). + +[Sidenote: II 195] + +[Sidenote: II 196] + +[Sidenote: II 198] + +Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts zählt man in Enkhuizen schon 400 bis +500 «Haringbuizen» und man findet damals vierzig sog. «Grotschippers» +(Grosse Fischerboote), die 20 bis 120 Last laden können. (~Koenen~ S. +78). I. J. 1590 fahren 350 Buizen (Büsen) auf den Heringsfischfang, +während am Anfang des 17. Jahrhunderts 3000 holländische Buizen den +Fischfang in der Nordsee besorgen (1609); im Jahre 1601 beträgt ihre +Zahl noch nicht 1500 (~Groen van Prinsterer~, Handb., § 100; ~Koenen~ +S. 156). Diese 3000 Schiffe, sagt Koenen, haben 50000 Mann Besatzung, +während diese Flotte 9000 grössere Fahrzeuge und 150.000 Mann zu Wasser +und zu Lande erfordert, um die Fische zu verpacken und zu befördern. +Man rechnet, dass 20 «Haringbuizen» (Heringsbüsen) 8000 Personen +beschäftigen. + +Am Anfang des 17. Jahrhunderts durchfährt eine Flotte von 1500 Büsen +hin und zurück dreimal die Durchfahrt von Texel. Es ist also nicht zu +verwundern, dass die Abfahrt der Fischereiflotte ein sehr wichtiges +Ereignis ist. Noch heutzutage spricht man von dem wohlbekannten +«Buisjesdag» (Tag der Büsen). + +Als zur Zeit des zweiten Krieges mit England der Heringsfang auf der +Nordsee unterbrochen ist, und die Fischer auf der Zuiderzee arbeiten, +gelingt es einigen von ihnen noch, im Laufe eines Monats 800 Last (1600 +t) Heringe zu fangen, aus denen 15.620 Gulden gelöst werden. Eine +grosse Zahl von Verordnungen betreffend den Fischfang erscheinen (1611, +12, 20, auch 29). + +So liest man: + +«Niemand vermag zijn roor en klaer houden zoodat daer metten aen +zoude kunnen hechten» (Niemand darf sein Steuerruder so halten, dass +er an den Netzen hängen bleibt). Anderswo heisst es: «Die niet en +vischt vermag niet onder de visschers te drijven». (Wer nicht fischt, +darf nicht mit den Fischern fahren), während gleichzeitig bestimmt +wird, dass jeder seine Netze mit seinem Namen zu versehen hat, um sie +kenntlich zu machen. + +Die Stärke der Mannschaft und der Bestückung ist ebenfalls Gegenstand +von Bestimmungen, was zu jener Kriegeszeit wohl nötig ist. + +[Sidenote: II 196] + +Ein «Noortsvaerder» von 70-80 Last und eine Büse von mehr als 24 +Last sollen wenigstens 2 «Gotelingen» (kleine Kanonen) führen. Diese +Stücke findet man noch oft auf alten Stichen. An Tapferkeit fehlt es +den Fischern übrigens nicht. ~De Jonge~ (Bd. I S. 182) gibt davon +ein Beispiel, in dem er den Zusammenstoss eines Engländers mit einem +Fischer aus Vlieland zwischen dem Skagerrack und der Doggersbank +erzählt: + +«Kaum sind sie einander näher gekommen, als die Engländer in +Ermangelung andrer Waffen beginnen, mit grossen Steinen zu werfen. +Die Holländer erwidern, indem sie mit Brennholz werfen. Dieser wenig +mörderische Kampf langweilt die mutigen Holländer. Sie entern das +feindliche Fahrzeug, springen mit dem Messer im Munde hinauf, unter +Führung ihres mutigen Steuermannes Jonge Rees, treiben die Engländer +in das Innere, vernageln es und kehren mit dem kleinen Fahrzeug +triumphierend nach Amsterdam zurück, wo der tapfere Führer eine goldene +Medaille erhält und die ganze Mannschaft das erbeutete Schiff und +andere Belohnungen empfängt». + +Ausgangs des 18. Jahrhunderts und am Anfang des 19. Jahrhunderts +ist unsere Fischereiflotte stark gefährdet. Die Mitte des 19. +Jahrhunderts bringt kaum Besserung. Während man i. J. 1843 noch 128 +Fischereifahrzeuge zählt, fällt diese Zahl i. J. 1852 schon auf +93 (~Koenen~ S. 156). Glücklicherweise macht sich am Ende des 19. +Jahrhunderts ein Aufschwung bemerkbar, und i. J. 1905 zählt unsere +Flotte wieder 724 Schiffe. Die Erneuerung beginnt i. J. 1891, wie +sich dies aus der nachstehenden Übersicht erkennen lässt. Die grosse +Verbesserung der Verkehrsmittel vermehrte die Nachfrage nach Fischen +als Volksnahrungsmittel; (s. z. B. die Antrittsrede des Professors E. +Vosnack in Delft; _Nieuwe Rotterdamsche Courant_, 11. Oktober 1906, +1. Blatt A.) während eine sorgfältigere Verpackung mit Eis jetzt die +Beförderung der Fische auf grössere Entfernungen gestattet. + +Deshalb hat man hier mit neuem Eifer dem Fang des Kabeljaus und des +Schellfisches obgelegen (~A. Hoogendijk~, De Grootvischerij 1895, S. +47), und das Gewerbe ist noch einträglicher geworden, als man es mit +dem Heringsfang verband. + +Der Fang des Herings erfordert ein mässig grosses Schiff, denn das +Fahrzeug darf nicht zu stark an den Fischereigeräten ziehen. Der +Winterfischfang dagegen erfordert ein festes und schnelles Schiff, denn +es muss bei jedem Wetter brauchbar sein. + +Daraus folgt, dass zur Verbindung beider ein neues Schiff erforderlich +wird, das die abweichenden Anforderungen zu befriedigen vermag und +durch das natürlich die alten Type sicher verdrängt werden. Je +schneller das Fahrzeug ist, je grösser ist die Zahl der Fahrten und um +so frischer ist der Fisch, den man bringt. + +Andrerseits kann man mit einem schnellen Fahrzeug die fischreichen +Gegenden aufsuchen, und es ist nicht zu verwundern, dass man ganz +wie in England auch bei uns Dampfschiffe in Dienst stellt, nachdem +die Logger, Kutter und Schaluppen vorhergegangen waren. Das erste +Dampfschiff erscheint 1897, und seitdem ist die Zahl gestiegen. Die +englische Fischereiflotte zählt gegenwärtig nicht weniger als 1600 +Dampfschiffe für die Grossfischerei. + + +------------------------------------------------------------------+ + | =Zusammensetzung der holländischen Fischerei-Flotte mit | + | Ausnahme der Bommen von 1867 bis 1905.= | + +-----+-----+--------+------+------+-------+-----+-----------------+ + | | | | | |LOGGER | | | + | | |SCHALUP-|DAMPF-|MOTOR-|KUTTER | ZU- | | + |JAHR |BUJER| PEN |SCHIF-|FAHR- | UND | SAM-| BEMERKUNGEN | + | | | | FE |ZEUGE |LOGGER-| MEN | | + | | | | | |BOMMEN | | | + +-----+-----+--------+------+------+-------+-----+-----------------+ + | |/-----v-----\ | | | | | | + |1867 | 85 | - | - | 4 | 89 |Im Jahre 1867 | + |1868 | 80 | - | - | 11 | 91 |wird der erste | + |1869 | 79 | - | - | 28 | 107 |französische Log-| + |1870 | 69 | - | - | 51 | 120 |ger eingestellt. | + | | \----Λ----/ | | | | | | + |1871 | 45 | 13 | - | - | 64 | 122 | | + |1872 | 30 | 14 | - | - | 64 | 108 | | + |1873 | 23 | 11 | - | - | 68 | 102 | | + |1874 | 20 | 11 | - | - | 83 | 114 | | + |1875 | 14 | 11 | - | - | 90 | 115 | | + |1876 | 6 | 11 | - | - | 92 | 109 | | + |1877 | 8 | 11 | - | - | 94 | 113 | | + |1878 | 7 | 11 | - | - | 109 | 127 | | + |1879 | 4 | 10 | - | - | 114 | 128 | | + |1880 | 3 | 9 | - | - | 121 | 133 | | + |1881 | 2 | 9 | - | - | 127 | 138 | | + |1882 | 2 | 8 | - | - | 135 | 145 | | + |1883 | 2 | 8 | - | - | 144 | 154 | | + |1884 | 2 | 8 | - | - | 159 | 169 | | + |1885 | 2 | 8 | - | - | 174 | 184 | | + |1886 | 1 | 8 | - | - | 181 | 190 | | + |1887 | - | 7 | - | - | 189 | 196 | | + |1888 | - | 8 | - | - | 186 | 194 | | + |1889 | - | 8 | - | - | 186 | 194 | | + |1890 | - | 7 | - | - | 189 | 196 | | + |1891 | - | 7 | - | - | 199 | 206 | | + |1892 | - | 9 | - | - | 212 | 221 | | + |1893 | - | 11 | - | - | 213 | 224 | | + |1894 | - | 13 | - | - | 214 | 227 | | + |1895 | - | 17 | - | - | 216 | 233 | | + |1896 | - | 24 | - | - | 245 | 269 | | + |1897 | - | 30 | 1 | - | 252 | 283 |Im Jahre 1897 | + |1898 | - | 36 | 1 | - | 258 | 295 |wird das erste | + |1899 | - | 40 | 2 | - | 269 | 311 |Dampfschiff in | + |1900 | - | 46 | 3 | - | 275 | 324 |Dienst gestellt. | + |1901 | - | 47 | 7 | 1 | 300 | 355 | | + |1902 | - | 52 | 25 | 1 | 327 | 405 | | + |1903 | - | 58 | 44 | 1 | 410 | 513 | | + |1904 | - | 58 | 44 | 1 | 432 | 535 | | + |1905 | - | 48 | 38 | 1 | 425 | 512 | | + + + +----------------------------------------------------------------+ + | =Übersicht über die verschiedenen Schiffstype | + | während der letzten 10 Jahre sowie über die Grösse | + | der Flotte zum Heringsfang.= | + +-----+--------+------+------+-------+------+-----+--------------+ + | |LOGGER |DAMPF-|MOTOR-|LOGGER-|BOMMEN| ZU- | | + |JAHR |KUTTER |SCHIF-|FAHR- |BOMMEN | | SAM-| BEMERKUNGEN | + | |SCHALUP-| FE |ZEUGE | | | MEN | | + +-----+--------+------+------+-------+------+-----+--------------+ + |1896 | 269 | - | - | - | 324 | 593 |Siehe Bericht | + |1897 | 282 | 1 | - | - | 325 | 608 |über den | + |1898 | 294 | 1 | - | - | 320 | 615 |Seefischfang | + |1899 | 309 | 2 | - | - | 303 | 614 |S. 149 | + |1900 | 320 | 3 | - | 1 | 289 | 613 |von 1905. | + |1901 | 346 | 7 | 1 | 1 | 279 | 634 | | + |1902 | 377 | 25 | 1 | 2 | 271 | 676 | | + |1903 | 463 | 44 | 1 | 5 | 268 | 781 | | + |1904 | 484 | 44 | 1 | 6 | 239 | 774 | | + |1905 | 467 | 38 | 1 | 6 | 212 | 724 | | + + +Wir wollen uns jedoch noch etwas mit der Büse beschäftigen, bevor wir +die Beschreibung der modernen Type beginnen. + +Die im 15. Jahrhundert entstandene Büse bleibt das +Heringsfischereifahrzeug bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, wo sie +vollständig verschwindet. Wenn es i. J. 1832 noch 120 Büsen gibt +(Vlaardingen 78, Maassluis 18, Delfshaven 1, Zwartewaal 3, Entshuizen +5, De Rijp 5 und Amsterdam 10; siehe ~Le Comte~ S. 46.) so werden i. +J. 1867 keine mehr erwähnt. Das ist das Jahr, in dem der französische +Logger in Betrieb genommen wird. Die Büse wird ausschliesslich für den +Heringsfang verwendet. Wenn dieser stilliegt, wird sie abgetakelt. + +Obwohl die Büsen volle Formen hatten, besassen sie einen Kiel und +suchten Schutz in den verschiedenen Häfen. Diese Schiffe können nicht +auf den Strand gesetzt werden. Sie hatten etwa 22 m Länge, 6 m Breite +und 3 m Tiefe. Ihre Grössenverhältnisse sind ebenfalls allmählich +gewachsen. (~Van Yk~ gibt auf S. 310 7 rheinische Fuss als Tiefe an.) + +Die Takelung bestand anfangs aus 3 Masten, von denen die beiden ersten +niedergelegt werden konnten und ein grosses Segel hielten. Später, +am Ende des 17. Jahrhunderts, ändert man die Takelung, und die Büsen +erhalten solche wie die «Huker». Die Änderungen ergeben sich deutlich +aus den alten Abbildungen. Die Büse hatte eine «Statie». + + +DER KWEE UND DIE HUKERBÜSE. + +Am Ende des 18. oder am Anfang des 19. Jahrhunderts haben die +Abmessungen der Büsen zugenommen; die Statie verschwindet, und +der Fischkasten tritt in Erscheinung. Diese Schiffe heissen nach +~Hoogendijk~ (S. 59) _Kwee_. Da die Büse ausdrücklich dem Heringsfang +dient, so hat sie keinen Fischkasten. + +Die wie ein Huker getakelte Büse heisst auch «Hoekerbuis» (Hukerbüse). +Was ~Hoogendijk~ in seinem interessanten Buch von der Grossfischerei +über den Ursprung des Hukers erzählt, ist nicht ganz genau. Nach ihm +(S. 59) ist der Huker durch Fortfall der Statie aus der Hukerbüse +entstanden. Nach ~Witsen~ und ~Van Yk~ sollen die Huker schon in der +ältesten Zeit vorhanden gewesen sein und lange vor dem Auftauchen der +Hukerbüse. + + +DER HUKER. + +[Sidenote: II 228] + +[Sidenote: II 229] + +[Sidenote: II 234] + +[Sidenote: III 114] + +Der Huker tritt also zuerst parallel mit der Büse auf, und seine +Formen weichen nicht sehr davon ab. Andrerseits beweist die Anbringung +der Hukertakelung auf der Büse, dass der Huker schon zur selben Zeit +vorhanden ist wie die Büse. + +Der Huker ist ein stark abgerundetes Schiff mit Fischkasten, das viel +Krümmung zeigt. Der Name kann nicht von der Form herkommen, sondern +eher von einem Fischereigerät, dem Hoek (eiserner Haken zum Fischfang), +der zum Fangen des Kabeljaus und des Schellfisches verwendet wird; +da man aber von der Büse früher spricht als von dem Huker, so muss +man folgern, dass dieser später in Gebrauch gekommen ist, d. h. dass +man sich später mit dem Fang des Kabeljaus im Grossen befasst hat. +Man weiss nicht, wann Fischkästen in Aufnahme gekommen sind. Es ist +indessen sehr wahrscheinlich, dass sie sehr alt sind, obwohl es möglich +ist, dass man sie erst später bei der Grossfischerei benutzt hat. + + +DER HERINGSJÄGER UND DER BÜSENBEGLEITER. + +[Sidenote: II 222] + +[Sidenote: II 232] + +Der Huker wird nicht allein als Fischerei-Fahrzeug gebraucht, sondern +auch als «Haringjager» (Heringsjäger), d. h. als Schiff zum Abholen der +ersten Heringe, die von der Flotte gefangen sind. + +Man hat den Huker auch als Buisconvoyers (Begleitschiffe für die +Heringsbüsen) verwendet. Er war dann mit mehreren Kanonen ausgerüstet, +um die Büsen gegen den Feind verteidigen zu können. Verschiedene +Umstände haben zum völligen Verschwinden der Büse und des Hukers +beigetragen. Es sind dies die immer strengeren Anforderungen, die an +diese Schiffahrt gestellt werden, die Verbindung des Heringsfanges mit +dem des Kabeljaus und des Schellfisches auf ein- und demselben Schiff, +die Einführung der Baumwollnetze, die weniger wiegen, so dass das +Auslegen der Netze auf dem Schiffe selbst von geringerer Bedeutung ist. +Alle diese Gründe führen zur Herstellung schmaler Schiffe, so dass es +im Jahre 1886 nur noch einen Huker gegen 8 Schaluppen und 181 Logger +gibt. Die Schaluppe ebenso wie der Logger, dem sie vorangeht, sind aus +Frankreich zu uns gekommen. + + +DIE SCHALUPPE. + +[Sidenote: III 119] + +Die «Sloep» (Slup oder Schaluppe), die zunächst einen Mast mit einem +grossen Segel mit Giekbaum und einen Spiegel hatte (~Hoogendijk~, S. +61), ist in Middelharnis, Zwarte Waal und Pernis in Betrieb genommen +und hat daher besonders den Namen _Pernissersloep_ (Slup von Pernis) +erhalten. + +Die schwere und umständliche Takelung des einzigen Mastes wird jedoch +schnell durch die Loggertakelung ersetzt, während der Spiegel bei den +neueren Schaluppen verschwindet, wodurch der Hauptunterschied zwischen +den beiden Typen verwischt wird. + +Die Schaluppe hat einen Fischkasten und wird zur Beförderung der +lebenden Fische verwandt, während man sie auch zum Heringsfang benutzen +kann, wenn sie einen Fockmast hat, der niedergelegt werden kann. + +Mit Rücksicht besonders auf die grosse Heringsfischerei, sagt +~Hoogendijk~ (S. 55), fanden die neuen Schaluppentype nicht den Beifall +der Bevölkerung. Ihre grosse Ladefähigkeit liess befürchten, dass sie +für den Heringsfang zu schwer sein würden. Diese Ladefähigkeit erreicht +40 Last, wohingegen die Durchschnittsladefähigkeit der Heringsfänger +nur 25 bis 30 Last beträgt, abgesehen von der grossen Zahl von +Fahrzeugen, die nur 16 bis 20 Last tragen. + +Diese Furcht hat sich indessen als unbegründet erwiesen. Die schlankere +Form dieses Schiffes bietet dem Winde weniger Angriffsfläche als +die der alten Type und macht es demnach hinsichtlich der Schiffahrt +überlegen. Heut wird niemand mehr daran denken, die alten «Büsen» und +«Huker» den modernen Schiffen «Logger» und «Schaluppe» vorzuziehen. + + +DER LOGGER. + +[Sidenote: II 269] + +[Sidenote: II 270] + +[Sidenote: III 118] + +Der «Logger» ist gleichfalls ein Schiff von schlanker Gestalt +und französischen Ursprungs. Die Bauart des Schiffes, das keinen +Fischkasten hat, ergibt sich genügend aus den Zeichnungen. Die +Takelung besteht aus zwei Masten. Der grosse Mast, auf ⅓ der Länge, +kann niedergelegt werden. Die vorn ausgelegten Netze werden seitlich +eingezogen. + + +DER BOM. + +[Sidenote: II 270] + +[Sidenote: II 271] + +[Sidenote: III 115] + +Die oben erwähnten Schiffe sind jedoch nicht die einzigen, die zum +Heringsfang verwendet werden. Ein anderer, sehr merkwürdiger Typ ist +noch in Gebrauch, der «Bom», der aus der «Egmonder Pink» hervorgegangen +ist. Dieser «Bom», der so gebaut ist, dass er auf den Strand gesetzt +werden kann, hat wie die Pink einen sehr festen Boden und eine +Verkleidung mit übereinandergreifenden Planken. Die Länge beträgt +das Doppelte der Breite; er hat zwei Masten (einen grossen und einen +kleinen), eine Takelung des Besanmastes (Bazaantuig) und lange und +schmale Schwerter (etwa ⅓ der Schiffslänge). Die Flut führt die Bommen +auf den Strand, von wo sie mit Pferden auf eine Holzdielung gerollt +werden, die auf dem Strande angelegt ist. Walzen (aus Holz) sind vorher +unter das Schiff geschoben, nachdem es mittels Winden angehoben ist. + +Die Herstellung des «Bommenhaven» (Hafen für die Bommen) in +Scheveningen macht es unnötig, die Schiffe auf den Strand zu setzen; +dadurch wird das Verschwinden der Bommen herbeigeführt werden, weil +diese keine Daseinsberechtigung mehr haben, und weil es vorteilhafter +ist, Logger zu verwenden. Der für sie gegrabene Bommenhaven wird also +die Ursache ihres Verschwindens sein. + +Die Herstellung dieses neuen Hafens hat übrigens schon den Bau einiger +neuer Bommen mit Kiel veranlasst; man nennt sie «Loggerbom» oder +«Lelybom», ein Typ, der die Mitte zwischen einem Logger und einem Bom +hält. Der erste dieser Bommen ist im Jahre 1900 in Betrieb genommen, +ist aber nicht oft nachgeahmt worden, weil er dem Logger kaum überlegen +ist. Diese Fahrzeuge haben alle, wie der Bom, eine Verkleidung mit +übereinander greifenden Planken, das Vorderteil dieses letzteren, aber +das Hinterteil des Loggers. Der alte und interessante Bom wird nicht +mehr gebaut und wird bald der Geschichte angehören wie die Büse und der +Bujer. So wird übrigens die letzte Spur des «Koggeschips» verschwinden. +Seit 1896 ist ihre Zahl schon von 324 auf 212 gesunken. + + +-----------------------------------------------------+ + | =Umfang der Flotte der Bomschuten 1899-1905.= | + +------------------+----+----+----+----+----+----+----+ + | |1899|1900|1901|1902|1903|1904|1905| + | | -- | -- | -- | -- | -- | -- | -- | + |Scheveningen | 217| 205| 194| 189| 183| 158| 140| + |Katwijk | 67| 68| 69| 71| 74| 70| 66| + |Noordwijk | 15| 15| 15| 10| 10| 10| 5| + |Egmond | 3| -- | -- | -- | -- | -- | -- | + |Haarlem (Ymuiden) | 1| 1| 1| 1| 1| 1| -- | + |Maassluis | -- | -- | -- | -- | -- | -- | -- | + |Bericht über die | | | | | | | | + |Seefischerei 1905.| 303| 289| 279| 271| 268| 239| 212| + |Seite 149. | | | | | | | | + | | | | | | | | | + + +DIE GARNELENSCHUTE. + +[Sidenote: III 116] + +[Sidenote: III 117] + +In der «Garnalenschuit» (Schute zum Fang von Krabben) sehen wir den +alten «Bom» wieder, und die Ähnlichkeit mit der alten «Egmonder Pink» +springt in die Augen. + + +DIE SCHOLLENSCHUTE ODER BESANSCHUTE. + +DIE ZWARTEWAALSCHE GAFFELAAR. + +[Sidenote: II 219] + +[Sidenote: II 220] + +Neben den «Büsen» und den «Hukern» traf man früher noch ein +Fischereifahrzeug, das zur Gruppe der «Smakken» gehört. Das ist die +_Scholschuit_ (Schute zum Fang von Seezungen) auch _Bazaanschuit_ +genannt. In der Zwarten Waal haben sie eine Takelung mit Gaffel +(Gaffeltuig), daher ihr Name _Zwartewaalsche Gaffelaar_. + +Dieses Schiff ist kürzer als der Huker; es ist ziemlich breit, hat +kräftige Rippen und gleicht sehr den «Visschersnikken» von Paesens +und Wierum (nicht zu verwechseln mit dem «Binnensnik») und den +«Palingschuiten» von Heeg und Gaastmeer, die die Aale nach London +brachten. + +[Sidenote: II 202] + +Die «Scholschuit», die man in Pernis, Middelharnis und Zwartewaal +findet, wird später durch die Schaluppe verdrängt. + +Der Walfischfang, der früher so in Blüte stand, ist schon im 19. +Jahrhundert völlig verschwunden. Während 1756 sich noch 186 Fahrzeuge +mit diesem Fang beschäftigten, geht diese Zahl im Jahre 1785 auf 66 +zurück, besonders wegen der hohen Prämien, die England zahlt. + +In dem Masse, wie dieses Gewerbe bei uns abnahm, blühte es in England +auf. Während es hier nur 26 Walfischfänger im Jahre 1750 gab, stieg +diese Zahl im Jahre 1785 schon auf 152. Man bewilligte hier Prämien von +3000 bis 8000 Fl. je nach der Grösse der Schiffe, was bewirkt, dass im +Jahre 1854 bei uns nur 2 Walfischfänger in See gehen. (~Koenen~, S. +164.) + +Zu diesem Fang verwendete man die «Noortsvaerders» sowie die schon oben +beschriebenen «Fluitschepen» (Flüten). + +Die Heimat der «Büse» ist also Vlaardingen und Enkhuizen, dann findet +man auch welche in Maassluis auf einem Teil der Zuiderzee. + +Die Heimat des «Bom» ist Scheveningen, Katwijk und Noordwijk, d. h. +längs der flachen Küste der Nordsee. + +Die der Schaluppe ist Middelharnis, Zwartewaal und Pernis, während man +endlich den Logger überall antrifft. + +Der alte Huker war besonders in Maassluis vertreten und der «Loggerbom» +oder «Leleybom» in Scheveningen. + +Man würde sich eine falsche Vorstellung von der niederländischen +Fischereiflotte machen, wenn man sich einbildete, dass wir nur 724 +Fischereifahrzeuge besitzen. Neben den schon erwähnten Schiffen +gibt es eine ausserordentlich grosse Zahl kleinerer Fahrzeuge, die +ausschliesslich zum Fischfang benutzt werden. Wenn wir einen Blick in +den Bericht über die niederländische Seefischerei im Jahre 1905 werfen, +so sehen wir, dass in diesem Jahre (S. 342) die Flotte im ganzen +5334 Schiffe mit einer Gesamttragfähigkeit von 234766 t und einer +Gesamtbesatzung von 20141 Mann umfasst. Im J. 1891 sind diese Ziffern +4427, 164259 und 15482. + + + +-----------------------------------------------------------------+ + |=Stand der niederländischen Fischereiflotte und ihrer Mannschaft=| + +------+------+----------------------+----------------------------+ + | JAHR | ZAHL | LADEFÄHIGKEIT IN m³ | MANNSCHAFTEN | + | -- | -- | -- | -- | + | 1905 | 5334 | 234766 | 20141 | + | 1904 | 5781 | 215873 | 21226 | + | 1903 | 5922 | 218249 | 21467 | + | 1902 | 5938 | 215660 | 21225 | + | 1901 | 5851 | 199248 | 20164 | + | 1900 | 5719 | 195950 | 19498 | + | 1899 | 5661 | 191530 | 19232 | + | 1898 | 5385 | 186554 | 18709 | + | 1897 | 5318 | 184576 | 18387 | + | 1896 | 5211 | 181953 | 17895 | + | 1895 | 5189 | 179782 | 17643 | + | 1894 | 5151 | 176649 | 17286 | + | 1893 | 4902 | 172603 | 16700 | + | 1892 | 4647 | 167549 | 16142 | + | 1891 | 4427 | 164357 | 15482 | + + +Ein Teil der kleinen Schiffe ist auf der Nordsee in Tätigkeit, ein +kleiner Teil an den Küsten von Friesland und Groningen und der Rest auf +den Küstenflüssen von Seeland und Holland sowie auf der Zuiderzee. + +Unter ihnen findet man alle Namen der Fischereifahrzeuge, so dass es +sehr schwer ist, darin ihren Ursprungsort zu entdecken; überdies haben +sich diese Schiffe in den letzten 50 Jahren bei uns derartig vermehrt, +dass das Auftreten eines bestimmten Typs an einem Orte noch keineswegs +seine Herkunft aus dieser Gegend bestätigt. So findet man unter anderen +augenblicklich «Schocker» und «Botter» auf der oberen Maas, wo man sie +nie erbaut hat. Überdies verwendet man, seitdem die Fischerei aufblüht, +als Fischereifahrzeug alle Arten von Schiffen, die ursprünglich +durchaus nicht hierfür bestimmt waren. Um einen genauen Begriff von den +Fischereifahrzeugen und ihrer Entwickelung zu erhalten, dürfen wir uns +nur mit den hierfür erbauten Schiffen befassen. + +Wie wir bei der allgemeinen Klassifikation gesagt haben, kann man sie +in Hauptklassen wie folgt einteilen: + +_a_) Schocker; _b_) Botter; _c_) Vollschiffe (Knots, Aken u. s. w.); +_d_) Schiffe zum Heringsfang. + + +DER SCHOCKER. + +[Sidenote: III 120] + +Dieses Schiff hat ein aufwärts gehendes und langes Vorderteil. Das +Hinterteil ist dagegen schmal. Oberhalb der Berghölzer springt +der Rumpf stark zurück. Es hat einen graden und sehr schrägen +Vordersteven. An dem viereckigen, oberen Ende des Vorderstevens liegt +ein Flaschenzug, der einerseits auf dem Vordersteven, andererseits auf +einer Stütze (Snoves) ruht, die gut befestigt ist. + +Das Fahrzeug hat einen Fischkasten und vorn ein Flütenverdeck, das +als Wohnung dient. Während die Schocker früher in der Mitte offen +waren, sieht man jetzt grössere, die in der Mitte geschlossen sind. Am +Vorderteil hat der Schocker ein kleines Deck, genannt «Kootje». + +Der Schocker hat Schwerter und einen auf ⅘ der Länge liegenden Mast, +an der Hauptrippe. Seine Länge beträgt 26,1 m, die Breite 4,48 m, der +Tiefgang 0,98 m. Er hat Takelung mit Besanmast (Bazaantuig) und einem +grossen Vorstagsegel, das am Bord hinter dem Mast befestigt ist, also +ohne durchlaufendes Deck. Dies letztere findet man jedoch manchmal in +letzter Zeit. An dem Bugsprietmast kann man einen Klüver anbringen. +Während die «Schocker» früher eine Beplankung mit Überlappung hatten, +sieht man heut oft welche mit glattem Rumpf. Es sind sehr alte Schiffe; +die grossen Modelle stammen jedoch erst aus dem 19. Jahrhundert. +Weder ~Witsen~ noch ~Van Yk~ erwähnt sie, obwohl sie schon zu ihrer +Zeit vorhanden sind, denn es finden sich Zeichnungen davon auf den +Tragbahren der reformierten Kirche von Workum etwa aus dem Jahre 1600. + +[Sidenote: II 203] + +[Sidenote: III 125] + +Der «Schocker» stammt von der Zuiderzee und zwar von den Küsten von +Overijssel (Vollenhoven), von Schokland, (wahrscheinlich auch Urk) und +von Enkhuizen. + +Nach dem oben Gesagten würde die Insel Schokland ihren Namen von den +«Schockers» haben. + +Durch ihren graden und schrägstehenden Vordersteven unterscheiden sich +diese Schiffe von den andern Fischereifahrzeugen, welche die Zuiderzee +aufsuchen, ausgenommen von der «Haringschuit» (Heringsschute). + + +DIE HERINGSSCHUTE. + +Diese _Haringschuit_ (Schute zum Heringsfang) kann als ein grosser +«Punter» oder als ein kleiner «Schocker» mit weniger hohem Bord +betrachtet werden. + +Es ist also nicht zweifelhaft, dass der alte Schocker, die +«Haringschuit» und der «Punter» zur selben Familie gehören. Der +Schocker unterscheidet sich nur durch sein erhöhtes und volleres +Vorderteil, denn er ist für längere Fahrten auf der Zuiderzee und der +Nordsee bestimmt. + + +DER PUNTER UND DIE GONDEL. + +[Sidenote: III 141] + +Dem _Punter_ begegnet man im Norden von Overijssel als Binnenschiff. +Wenn es grösser ist, so dient es als Fischereifahrzeug. + +[Sidenote: II 183] + +[Sidenote: II 185] + +[Sidenote: III 137] + +Die «Haringschuit» findet man auch längs der Küste von Geldern, während +man längs der Küste von Nordholland ein kleines Schiff antrifft, das +dem «Punter» gleicht; das ist die «Vischschuit van Aalsmeer», die neben +dem schwereren «Snik» oder der «Gondel» (der alten Kag) fährt, wie man +anderswo den festgebauten «Schocker» neben dem «Punter» findet. + +Die «Gondel», ein Schiff mit Fischkasten, wird indessen als +Binnenschiff verwendet, d. h. auf den Seen. Sehr selten wagt sie sich +auf das Meer. Der grade Vordersteven geht indes ziemlich hoch, unter +geringer Neigung. + +[Sidenote: III 130] + +Denselben Merkmalen begegnen wir bei der «Wierschuitje» von Wieringen, +wo man auch die «Haringschuit» antrifft. + + +DER HOOGAARS. + +[Sidenote: II 273] + +[Sidenote: III 132] + +[Sidenote: III 133] + +[Sidenote: III 134] + +In Südholland findet man denselben Typ bei der alten _Kinderdijkschen +Hoogaars_ und der «Steekschuit» vom «Biesbosch» und in Seeland bei +der «Steekschuit» und dem «Hoogaars», während der «Hengst» und der +«Veerhengst» ebenfalls «Hoogaars»-Arten sind, die kleine Änderungen +erfahren haben. Ferner gleicht die «Tholensche Schouw» völlig der +«Beyerlandschen Schuitje», die auf den Inseln von Südholland in +Gebrauch ist. Sie zeigen beide das hohe und breite Vorderteil; sie +haben keinen Vordersteven, die Beplankung endet vielmehr in der Spitze +des Vorderteils. Es sind also «Aken». + +[Sidenote: III 131] + +Der _Hoogaars_ hat also einen graden und über die Horizontale +schwachgeneigten Vordersteven, der viel schwächer ist als der des +«Schockers». Die Beplankung, die bisher aus übereinandergreifenden +Planken bestand, ist jetzt glatt. Sein Vorderteil ist ein wenig +schlanker als das des «Schockers», sein Hinterteil etwas voller. +Das Vorderteil ist bedeckt, das Mittelstück des Schiffes offen, +während das Hinterteil mit einer erhöhten Kajüte versehen ist. Diese +Schiffe haben ein schmales Steuerruder, führen Schwerter, besitzen +eine Takelung am Besanmast mit Stagsegel und «Bugspriet-Klüver». Sie +haben wie die «Schocker» und die andern schon genannten Schiffe einen +flachen Boden, sind aber nicht mit einem Fischkasten ausgestattet. Die +neuen «Hoogaarsen» von grosser Gestalt haben ein volleres Hinterteil +nach Art der «Bujer», was in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts +den Typ «Hoogaars-Boeier» (Hoogaars Bujer) hat entstehen lassen. Das +Bestreben, das Hinterteil voller zu bauen, bemerkt man jetzt bei allen +Fischereifahrzeugen, wodurch die charakteristischen Unterschiede +zwischen den verschiedenen Typen verschwinden werden. + +Der «Hoogaars» hat eine Länge von 15 m, eine Breite von 4,50 m. + +Der «Hoogaars» von Arnemuide ist etwas kleiner, völlig offen und +besitzt am Hinterteil eine kleine Kajüte; die Takelung hat ein Spriet +(Spriettuig). + + +DIE STEEKSCHUTE. + +[Sidenote: III 136] + +Die _Steekschuit_, die wie ein «Hoogaars» gebaut ist, hat etwas +schwerere Formen und ein weniger zurückgebogenes Vorderteil. Der +Vordersteven ist am oberen Ende abgerundet. + + +DER HENGST. + +Der «Hengst» unterscheidet sich wenig von dem «Hoogaars»; man verwendet +ihn viel auf dem «Hollandschen Diep» (Willemstad). + +[Sidenote: III 139] + +Alle obenbeschriebenen Type haben lange und schmale Schwerter, mit +Ausnahme der «Tholenschen Schouw», deren Schwerter breiter sind, +ganz wie die des «Kinderdijkschen Hoogaars». Der Fang der Austern +und Miesmuscheln beschäftigt augenblicklich viele «Boeier-Aakjes» +(Bujeraken). + + +DER BOTTER. + +[Sidenote: III 121] + +[Sidenote: III 127] + +[Sidenote: II 200] + +[Sidenote: II 123] + +Abweichend von allen diesen Typen mit gradem Vordersteven gibt es +augenblicklich im Westen der Zuiderzee und auf der Insel Urk Type +mit gekrümmten Vordersteven. Sie führen eine grosse Anzahl von +Namen infolge leichter Unterschiede, gehören aber schliesslich alle +zur selben Familie, derjenigen der «Botter», deren Vorläufer die +alten «Tochtschuiten» und «Kubboote» gewesen sind; mit Ausnahme des +Vorderstevens gilt hier alles, was wir bezüglich der Form der Takelung +der «Schocker» gesagt haben. Man sieht sie in Urk und an der Küste +der Zuiderzee, längs Nordholland, im Süden von Medemblik sowie längs +der Provinz Utrecht und Geldern bis nach Harderwijk. Ihre örtlichen +Benennungen wechseln. + +[Sidenote: III 126] + +[Sidenote: III 122] + +Ausser der Form des «Kubboots», findet man diesen Typ als «Vollendammer +Kwacken», «Bonse» und «Plüte», sowie in Maassluis als «Platje van +Maassluis». + + +DER BLAZER. + +[Sidenote: III 124] + +Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts baut man die «Botter» grösser und +voller; daraus ist des Typ _Blazer_ entstanden, dessen gekrümmter +Vordersteven sich weniger zurückbiegt, und dessen Hinterteil voller +ist als das des «Botters». Man verwendet ihn zum Fischfang in der +Nordsee und begegnet ihm längs unserer Küsten. Man baut augenblicklich +«Blazer», die das Hinterteil des «Bujer» haben; so haben wir einen +gemischten Typ: den «Blazer-Boeier» (Blazerbujer). + +Infolge seiner grossen Stabilität wird dies Schiff bald die «Schocker» +und «Botter» ersetzen. + + +DIE LEMMERAAK. + +[Sidenote: III 128] + +Bei der Fischerei in der Zuiderzee verwendet man mehr und mehr +«Aken». Sie kommen aus Friesland, wo sie den Namen «Lemmeraak» oder +«Lemmerjacht» führen. + +Es sind ziemlich kurze, feste und runde Schiffe, wohl geeignet zur +Fahrt in flachem Wasser. + + +DIE BOLLE UND DIE KNOTS. + +[Sidenote: III 129] + +[Sidenote: III 135] + +Dasselbe Schiff trifft man in Urk unter dem Namen «Bolle van Urk» oder +auch «Bolletje van Urk». Diese Fischereifahrzeuge sind also von der +Gruppe der «Schmacken» abzuleiten. Es ist sonderbar, dass dieses Schiff +sich seit langer Zeit vor Antwerpen findet, unter dem Namen «Knots» von +Antwerpen. + + +DIE JOLLE. + +In Stavoren hat man noch die «Stavorensche Jol», ein kleines, kurzes +und rundes Schiff mit Kiel, von grosser Stabilität auf dem Wasser. Man +begegnet ihm jetzt auch in Enghuizen und in «Medemblik». Es ist ein +Schiff mit übereinander greifenden Planken (manchmal jetzt auch glatt), +das man wegen seiner runden Formen oft mit einem Huf vergleicht. Diese +Schiffe haben einen Fischkasten, sind aber mit Rücksicht auf den +Kiel nicht mit Schwertern ausgestattet. Sie haben eine Takelung mit +Spriet (Spriettuig); ihre Ladefähigkeit beträgt 4 bis 6 t. In Helder, +Enkhuizen und Medemblik verwendet man viele Fletten, deren Länge bis +zu 10 m geht. Das Hinterteil hat einen Spiegel; das ziemlich lange +Vorderteil geht unter schwacher Neigung kräftig in die Höhe. Die +Planken greifen übereinander; die Schiffe besitzen zwei Kimmungskiele +und einen Hilfskiel am hinteren Ende; sie können im allgemeinen 2 bis 5 +t laden. + +Im allgemeinen schwankt die Tragfähigkeit der «Botter» und «Schocker» +von 20 bis 30 t. Die kleineren Type in Huizen können 16 bis 20 t, in +Hardarwijk und in Elburg 13 bis 18 t laden. + +Die Unterschiede in den Hauptgruppen können der verschiedenen +Auffassung der Schiffbauer zugeschrieben werden, ganz wie es +Unterschiede in den Kostümen dieses und jenes Landes gibt. + +Der Unterschied zwischen den Typen einer und derselben Gruppe ist +dagegen das Ergebnis der Verwendung des Schiffs, d. h. also der +verwendeten Fischereigeräte, abgesehen von einigen Unterschieden +geringerer Bedeutung. + +Zum leichteren Verständnis lassen wir hier eine kurze Beschreibung +der auf der Zuiderzee gebräuchlichen Fischereigeräte folgen, die dem +Bericht über die Fischerei auf der Zuiderzee, veröffentlicht durch +die Zuiderzeevereeniging (1905, Seite 35 und folgende), sowie den +Jahresberichten über die Seefischerei entnommen ist. + +Die Fischereigeräte können eingeteilt werden in bewegliche und feste; +die letzteren sind für unseren Zweck von geringerer Bedeutung. + +Zu den ersteren gehören: + +_a._ Der «Wonderkuil» (französisch: «Poche miraculeuse», deutsch +«Wundertasche»), die wie der «Kwakkuil» und der «Dwarskuil» aus +einem Netz, in Form einer Tasche besteht, deren Oeffnung durch ein +hölzernes Quadrat offen gehalten wird (vier Stücke Holz, genannt +«Juffers-Oorstokken»). Man zieht das Netz vorwärts, indem man den +Rahmen vertikal hält, während der ganze Apparat den Boden berührt. Die +Fische dringen in die Oeffnung und werden so in dem spitz zulaufenden +Sack gefangen. Die Bewegung im Wasser entwickelt das Netz. Der +«Wonderkuil» hängt zwischen zwei Bottern, die mit möglichst grosser +Geschwindigkeit vorrücken, um die schnell schwimmenden Fische wie die +Heringe fangen zu können. Die grossen, schon genannten Botter, die gute +Segler sind, eignen sich sehr gut hierzu. Der «Wonderkuil» berührt den +Grund fast nicht, wegen der grossen Schnelligkeit, aber jeder Fisch, +der sich vor der Oeffnung zeigt, wird sicher gefangen. Die durch die +grosse Geschwindigkeit veranlasste Zusammenziehung der Maschen lässt +nichts hindurch. + +_b._ Der bei den Fischern von Vollendam gebräuchliche «Kwakkuil» +ist ein kleiner «Wonderkuil», der durch ein Schiff, meist einen +«Vollendamer Kwak» geschleppt wird. Die Tasche ist dann an zwei Stangen +befestigt, die am Hinterteil des Schiffes angebracht sind, wo sie +sich kreuzen. Da die Geschwindigkeit geringer ist als die mit dem +«Wonderkuil» erreichte, so schleppt das Netz auf dem Grund, so dass +Aale, Schollen und Seezungen gefangen werden können. + +_c._ Der «Dwarskuil» (Quertasche), kleiner als der «Kwakkuil» aber von +derselben Form, ist an der Seite des Schiffs durch Seile befestigt, die +selbst am Vorder- und Hinterteil festgemacht sind. Das Fahrzeug muss +beim Fischen also quer vorrücken, was natürlich nicht schnell geht. +Das Fahrzeug darf keinen flachen Boden haben, und während des Fischens +müssen die Schwerter hochgezogen sein. + +Man verwendet den «Wonderkuil» in tiefem Wasser und auf hartem, +sandigem Grund; in weniger tiefem Wasser und auf weichem Grund benutzt +man den «Kwakkuil» und an den flachen Stellen von Utrecht und Geldern +bedient man sich der «Dwarskuilen». + +Die zahlreichen Klagen über die Vernichtung der Fische durch den +«Wonderkuil» stammen nicht von gestern; denn schon im Jahre 1559 setzt +eine Verordnung die Grösse der Maschen der «Astkens of Steerten» (der +Netzenden) fest. + +Unter dem beweglichen Fanggerät sind natürlich die Schleppnetze zu +nennen, zum Fang der Heringe, der Anchovis, der Seezungen und der +Stinte. Man benutzt sie in allen grossen Fischereihäfen der Zuiderzee. +Man schleppt diese Netze zwischen zwei Schiffen irgend welcher Form. + +Längs der friesischen Küste fischt man besonders mit festen Geräten, +hauptsächlich im Norden von Makkum. Diese Art Fischerei erfordert nur +kleine Schiffe (24 bis 30 Reusen auf das Schiff). Man benutzt hierzu +Aal- und Heringsreusen; es ist auch wahrscheinlich, dass das alte +«Kubboot» seinen Namen dem Fischereigerät verdankt, das «Kub» heisst; +es ist dies ein trichterförmiger Weidenkorb, der an seinem unteren Ende +geschlossen ist, so dass noch eine kleine Öffnung bleibt; auf diese +Öffnung folgt ein kleines seidenes Netz, dessen Öffnung den Aalen den +Durchgang gestattet, die sich nun in dem hinteren Teile, dem «Kub», +sammeln. + +Der Fischfang auf der Zuiderzee ist besonders geartet, weil eine grosse +Zahl von Fischern der Zuiderzee die Nordsee besuchen, während andere +in den Flüssen fischen und der Rest das ganze Jahr auf der Zuiderzee +selbst bleibt. Die ersteren benutzen die grossen «Blazer», «Schocker» +und «Botter»; die letzteren verwenden die «Kwakken», «Kubboote» und +die «Haringschuiten» (Heringsschuten). Endlich bedienen sich die an +zweiter Stelle genannten der «Gondeln», «Lemmeraken», «Punters», +u. s. w. + +Ausser diesen gibt es jedoch eine ganze Reihe Gelegenheitsfischer, die +alle Sorten von Fahrzeugen benutzen. Daraus folgt, dass es sehr schwer +ist, die genaue Zahl der in Gebrauch befindlichen Fahrzeuge anzugeben, +und dass die in den obigen Tabellen genannten Ziffern nur ungefähr +stimmen, soweit sie sich auf die Fischerei in der Zuiderzee beziehen. + + +DAS WATERSCHIP. + +[Sidenote: II 238] + +Man kennt seit langem ein Schiff genannt «Waterschip» das zum Schleppen +der «Zeekameele» (Art schwimmende Docks) über den Pampus dient. Das +«Waterschip» ist ursprünglich ein einfacher «Botter» aus Marken. Wie +schon gesagt, stammen die «Zeekameele» aus dem Jahre 1691. Man baute +sie später mit festerem Vorder- und Hintersteven und einer Kajüte +hinter dem Mast. Das «Waterschip» unterscheidet sich so mehr von den +alten «Botters». + +Während das Schleppen der Schiffe zuerst zwei privaten Gesellschaften +(der Grossen und der Kleinen Kompagnie) oblag, wurde es nach 1741 +durch Vertrag der grösseren Gesellschaft übertragen, die ihren +«Waterscheepjes» eine Tafel aus Weissblech am Vordersteven als +Unterscheidungszeichen anheftete. Diese Massnahme genügte jedoch nicht, +um die Nebenbuhler fernzuhalten. I. J. 1783 wird angeordnet, dass das +Admiralswappen auf die Segel der genehmigten Schiffe gemalt würde, +wie heut die Segel der Fischereifahrzeuge mit Buchstaben und Ziffern +versehen sind. + +Als während der französischen Herrschaft die Schiffahrt stillgelegt +ist, leiden die «Waterscheepen» derart, dass i. J. 1824 von den 18 +vorhandenen 6 zerstört werden. I. J. 1827 wird der Rest infolge der +Eröffnung des Nordholländischen Kanals verkauft. (~Le Comte~, S. 38.) + +Man darf diese «Waterschepen» nicht mit denen der Salzsiedereien +verwechseln, die zur Beförderung von Seewasser dienen, von denen einige +Abbildungen in unserem Atlas wiedergegeben sind. Mit einer einzigen +Ausnahme gehören diese Schiffe zur Gruppe der «Smakken» (Schmacken). + + + + +[Illustration: 6.] + + +Die _Annales des Travaux publics de Belgique_ (August 1901) enthalten +eine eingehende Untersuchung über das Material der Binnenschiffahrt +in Belgien. Diese Arbeit rührt her von dem Oberingenieur der Brücken +und Wege ~Dehem~. Sie enthält eine Beschreibung der Schiffstypen, +die auf den belgischen und französischen Kanälen Verwendung finden. +Diese für die Kanäle eigens gebauten Schiffstype haben keinen Wert vom +geschichtlichen Standpunkt. Da sie indessen viel die Zuid-Willemsvaart +(Kanal von Maastricht nach Bois-le-Duc) benutzen, so dürfte eine kurze +Beschreibung dieser hier gewöhnlich «Ballanten» genannten Schiffe am +Platze sein. + +Im allgemeinen kann man sie folgendermassen einteilen: + + _a_) Die Prahme von Charleroi + + _b_) Die wallonischen Schiffe oder Kanalschiffe + +[Sidenote: II 257] + +[Sidenote: II 265] + +Das Schiff der Gruppe _a_ führt auf flämisch den Namen «Bak» und hat +eine parallelepipedische Gestalt. Es misst 19,50 m in der Länge, +2,60-2,85 m in der Breite; die Tauchtiefe, wenn das Schiff leer ist, +schwankt von 0,35 bis 0,40 m und sie erreicht bei voller Belastung 1,80 +m. Seine Tragfähigkeit schwankt bei dieser Tauchtiefe von 67 bis 72 +t. Dieser Schiffstyp ist eigens für die Schiffahrt auf dem Kanal von +Charleroi in Brüssel geschaffen worden, dessen Schleusen mit kleinem +Querschnitt nur 19 m Nutzlänge und 2,70 m Öffnung haben. Die festen +Brücken haben eine freie Höhe von 2,65 bis 3 m. + +Der Preis dieser Schiffe schwankt von 4500 bis 7500 Frcs. + +Das Schiff der Gruppe _b_ führt flämisch den Namen «Waal»; es ist +ebenfalls ein parallelepipedischer Kasten mit flachem Boden und fast +glatten Seitenwänden. Nach den verschiedenen Formen der Vorder- und +Hinterseiten nehmen diese Schiffe folgende Namen an: 1) Schiff von +Tournai, 2) Zille, 3) Binnenländer, 4) Spitzschiff. + +Es ist jedoch zu bemerken, dass die beiden letzteren Benennungen mehr +für ältere Type genommen werden, und dass die beiden ersteren für +die grossen Kanalschiffe (_Péniches_) vorbehalten bleiben, die man +heutzutage gewöhnlich baut. + +Bei dem ersten Typ, dem Schiff von Tournai, sind die Vorder- und +Hinterflächen abgerundet; die Kurve ist in der vertikalen Ebene +ziemlich deutlich, so dass das Schiff einen gekrümmten Vordersteven +hat, der Nase heisst. Die Vorderseite hat ein Bergholz, das Bart heisst +und von einer Holzsente gekrönt ist, die als Auflage für das Schlepptau +dient, das über den Bolzen hinter der Nase geschlungen ist. + +Bei der _Zille_ (Chaland oder Ballant) sind Vorder- und Hinterteil +fast glatt; die Nase und der Bart treten nur schwach hervor, und der +Schlepptaubolzen liegt an der äussersten Spitze des Schiffs. + +Im allgemeinen sind diese Schiffe ziemlich fest gebaut, und ihre +Beplankung hat sehr gelitten durch die starken Krümmungen des Vorder- +und des Hinterteiles. Ihre Form ist so gewählt, dass die Schiffe genau +die Schleusen füllen und eine möglichst grosse Ladefähigkeit haben, +obwohl es völlig unverständlich ist, dass man, um einige Tonnen mehr +zu laden, ganz die Leichtigkeit des Schleppens vernachlässigt. Was man +also auf der einen Seite gewinnt, verliert man doppelt auf der anderen +durch die höheren Schleppgebühren. + +Die einzige Erklärung, die man für diese Bauart geben kann, ist, dass +die meisten Schiffer ihre eigenen Pferde zum Treideln haben (für die +sich ein Stall in der Mitte des Fahrzeugs befindet), so dass sie nicht +die Mehrkosten für das Treideln merken. + +Die Grössen bei den Gruppen 1 und 2 sind dieselben; die Länge der +Schiffe schwankt von 3,50 m bis 3,90 m (ohne Steuer) und ihre Breite +von 5 m bis 5,05 m; ihre Tauchtiefe leer beträgt durchschnittlich 0,28 +m; beladen tauchen sie 1,80 bis 2,30 m ein, und ihr Fassungsvermögen +beträgt 300 bis 370 t. + +Vergleicht man die Type 3 und 4 mit den Typen 1 und 2, so sieht +man, dass die ersteren weniger laden können, wegen ihres spitzen +Vorderteils, von welchem sie den Namen «Spitzschiffe» (flämisch +_Spits_) haben. + +Der Binnenländer heisst flämisch _Bijlander_, französisch _Bélandre_. +Der Hauptunterschied zwischen dem Binnenländer und dem Spitzschiff +besteht darin, dass der Boden des ersteren sich an die Vorderfläche +mittels einer gekrümmten Fläche anschliesst, während der Boden des +zweiten bis zur Nase hin eben bleibt. Sonst sind die beiden Type +wenig von einander verschieden. Man baut sie jetzt nicht mehr viel. +Man findet zwar jetzt noch Spitzschiffe; diese müssen aber eher als +eine Art Kanalschiff betrachtet werden. Wir sehen also auch hier eine +Verschmelzung der verschiedenen Formen, die mit der Zunahme der Grösse +Hand in Hand geht. + +Die «Bijlander» haben eine Länge von 28 bis 34 m, eine Breite von 4,60 +bis 5 m und eine Tauchtiefe von 0,30 bis 0,40 m leer, die bei Belastung +2 m erreicht. + +Das Spitzschiff hat eine Länge von 20 bis 30 m und eine Breite von +3,50 m (die niemals 5 m erreicht); die Tauchtiefe beträgt leer +durchschnittlich 0,35 m, bei Beladung 1,80 m; es kann 100 bis 200 t +laden. Die grössten von ihnen, 32 m lang und 4,90 m breit, können bei +2,15 m Tauchtiefe höchstens 250 t laden. + +Man baut jetzt die vorgenannten Type viel aus Eisen. + +Wir erwähnen noch den «Prij», ein Spitzschiff, das aus zwei getrennten +Teilen besteht, die jeder für sich beladen werden können. + + +[Illustration] + + + + +[Illustration: 7.] + + +In Europa hat sich sonach die Schiffbaukunst um zwei Mittelpunkte +entwickelt, deren Einflusskreise etwa im Jahre 1300 zusammentrafen. Die +Verschmelzung der beiden Mittelpunkte hat sich erst zwischen 1450 und +1500 vollzogen. + +Der nördliche Mittelpunkt, die Ostsee, dessen Ursprung in Schweden und +Norwegen liegt, hat die volle Entwickelung erst zur Zeit der Wikinger +erreicht. Die Schiffstype der an den Nordmeeren Europas wohnenden +Völker zeigen unverkennbare Aehnlichkeiten sowohl in den Formen wie in +der Bauart. + +Wenn man weiter in das Festland dringt, so machen sich dieselben +auffallenden Eigentümlichkeiten noch weiter bemerkbar, so dass die +Aehnlichkeit der Formen in der Richtung Ost-West noch deutlicher wird. + +Die Karte Nʳ 1 gibt durch eine grüne Farbe den Nordmittelpunkt an, +während die Richtung der wahrscheinlichen Verschiebung der runden +friesischen Type durch eine volle Linie angezeigt wird; die Richtung +der spitzen Type wird durch eine punktierte und die der Type des +Niederrheins durch eine gemischte Linie angegeben. + +Der im Mittelmeer gelegene Südmittelpunkt, der von Phönizien herstammt, +ist in Rot dargestellt. Die Schiffsbaukunst hat sich dort ebenfalls in +der Richtung Ost-West entwickelt. Obwohl ich in nautischer Beziehung +mit den zu meiner Verfügung stehenden Angaben nicht versichern kann, +dass das Südzentrum sich unter dem Einfluss Asiens befunden hat, +so kann doch festgestellt werden, dass eine Anzahl von Formen und +Bauarten, die man auf den alten Zeichnungen findet, sich auch bei den +arabischen, indischen und chinesischen Schiffen wiederholt. + +Daraus ergibt sich, dass es um so notwendiger ist, unsere +Untersuchungen nach dieser Seite hin fortzusetzen, als in Asien mehr +als in Europa die alten Arten der Fortbewegung und des Steuerns der +Schiffe sich noch ziemlich gut erhalten haben. + +Es steht ausser Zweifel, dass man dort unten Beziehungen zwischen dem +Südzentrum und einem Teil Asiens finden wird. + +Die Schiffbaukunst, die zu uns von der Ostsee gekommen ist, ist zuerst +für die Fischerei benutzt worden, die zweifellos die Wiege jedes +grossen Seevolkes ist. -- Die allmähliche Entwickelung der Fischerei +erweiterte das Feld der Tätigkeit und begünstigte den Verkehr in +Nachahmung dessen, was in Flandern geschah. Wir werden uns also nicht +wundern, dass in Holland die ältesten Erinnerungen bezüglich der +Schiffbaukunst sich auf die Heringsfischerei beziehen. + +Aus dem Aufschwung dieses Fischfanges erklärt sich die Entstehung +der «Kogge» und die Beziehung, die zwischen der «Kogge», der +«Egmonder Pink» und dem «Bom» besteht, der aus ihr hervorgeht; und +wir übertreiben nicht, wenn wir sagen, dass der «Bom», der bald +verschwunden sein wird, die letzte Spur der Kogge darstellt. + +Die Entwickelung des Schiffs beruht übrigens auf der Überlieferung; +diese bestand nicht nur in der sklavischen Nachahmung alles dessen, +was die Vorfahren hervorgebracht haben, sondern passte sich den neuen +Forderungen an, die die Sonderverhältnisse der Zeit nach sich zogen. + +Die Entwickelung des Schiffs wie seiner Grössenverhältnisse ist also +eine allmähliche gewesen. So sind die Schiffe des Altertums nicht +grösser gewesen als die des Mittelalters, die ihrerseits kleiner waren +als die der Neuzeit. + +Weder der Kompass, noch die Anwendung des Steuers, noch auch die +Erfindung des Schiesspulvers haben plötzliche Veränderungen in der +Schiffbaukunst herbeiführen können. Nur allmählich werden, dank den +Vervollkommnungen der Artillerie, die Schiffe schwerer, so dass man +im Anfang unseres Unabhängigkeitskrieges die Kriegsschiffe von den +Handelsschiffen unterschied, mit anderen Worten, die letzteren sind +bis dahin ebenfalls für militärische Zwecke benutzt worden. + +Nach der Entdeckung Amerikas und des Seewegs nach Ostindien, die die +beiden wichtigsten Ereignisse in der Entwickelung der europäischen +Völker waren, hat sich der Weltverkehr vom Mittelmeer nach der +Nordsee verschoben. Erst damals erwachte unser Land und übertraf +bald alle anderen Länder im Schiffbau. Umgekehrt führen heute die +Niederlande den Schiffbau nach der Ostsee. Auch Frankreich hat von uns +die Schiffbaukunst gelernt. Holland hat somit an der Spitze dieser +Industrie von 1500 bis 1700 gestanden, um dann Frankreich Platz zu +machen, wo die Schiffbaukunst sich um die Mitte des 18. Jahrhunderts +völlig von Holland trennt. + +Es ist der Scharfsinn der Franzosen, der alle Länder bei der +mathematischen Berechnung der Schiffe geleitet hat. + +Das immer praktische England hat sich zu jeder Zeit bemüht, sich auf +der Höhe des Landes zu halten, das die grössten Schiffe baute. Das +Werk von ~Holmes~ zeigt dies Bestreben deutlich. Nach 1800 überholt +England seinen Nebenbuhler und gibt den Ton im Schiffbau an. Zahlreiche +Vervollkommnungen haben sich unter dem Einfluss Englands vollzogen. + +Die Kontinentalsperre gibt unserer Schiffbaukunst den Gnadenstoss. +Erst dank dem Eingreifen und der energischen Unterstützung des Königs +Wilhelm I. hat sich der Schiffbau in der ersten Hälfte des 19. +Jahrhunderts wieder belebt, um in der zweiten Hälfte eine neue Zeit +der Grösse zu erreichen. Die ersten neuzeitlichen Kriegsschiffe Japans +wurden in Holland erbaut. + +Das Auftreten des Eisens öffnete unserer Schiffbaukunst eine neue Aera, +und unsere tüchtigen Schiffbauer haben den Überlieferungen unseres +Volkes Ehre zu machen verstanden, indem sie sich wie ehemals als +sparsame Konstrukteure erwiesen, die es verstanden, einen festen Bau +untadelig und mit einem angenehmen Aeusseren auszuführen. + +Die Verteilung der Gruppen der Schiffstype ist auf Karte 3 dargestellt, +während die Karte 4 für unser Land die Unterabteilung jener Gruppen +zeigt. + +Die friesischen Type sind auf den beiden Karten durch grüne Farbe +dargestellt, die Type des Niederrheins, die in den Nordwesten von +Nordbrabant und das Herz von Südholland eingedrungen sind, haben braune +Färbung; die Type des Oberrheins sind mit violetter Farbe, die der +unteren Seine in Rot und die der oberen Maas in Grün dargestellt. Die +spitzeren Type von Overijssel, umgeben von denen Frieslands und des +Niederrheins, die sich übrigens auch auf der Ems, der Weser, der Elbe, +der Havel, der Oder und der Spree finden, sind durch eine blassere +Farbe gekennzeichnet. + +Die Karte Nʳ 4 gibt die Fischereifahrzeuge an, die die Nordsee +befahren. Sie gehören zum friesischen Typ mit Ausnahme des «Loggers» +und der «Schaluppe». Es ist interessant, diese Grenzgebiete mit den +Karten 5, 6 und 7 zu vergleichen, welche das Ergebnis der mühseligen +Untersuchungen des verstorbenen Professors Dr. Gallée enthalten, der +durch seine umfassende Gelehrsamkeit und nicht weniger durch sein +grosses Wohlwollen berühmt ist, das ihn vor einiger Zeit veranlasst +hat, diese Karte uns freundlichst zur Verfügung zu stellen. + +Ein einziger Blick schon zeigt, dass die Grenzen der Frachten sich +in sehr starkem Masse geändert haben; hinsichtlich der Verteilung +der Sprachen und der Art der Wohnungen macht sich eine auffallende +Ähnlichkeit bemerkbar. Die friesischen und sächsischen Einflüsse fallen +auf allen Karten zusammen, während die Type der oberen Maas sich da +finden, wo der Bau der römischen Landhäuser sich erhalten hat. Es ist +also nicht wunderbar, dass diese Type der Maas jenen gleichen, die man +im Tal des Po und auf dem Adriatischen Meer trifft. + +Diese Feststellungen stimmen mit den geschichtlichen Untersuchungen +überein, die festgestellt haben, dass die Länder an der Nordsee von +den Kelten bewohnt waren, die vom Orient nach Mittel- und Westeuropa +mehrere Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung gekommen waren. Sie +vertrieben die mongolische Bevölkerung, die sich dort schon angesiedelt +hatte, aber ihrerseits wurden die Kelten aus dem Westen durch die +Germanen vertrieben. So erzählten die Römer, dass nördlich vom Rhein +die Kelten schon überall von den Germanen verjagt wären. Der Rhein +bildete damals die allgemeine Scheidewand zwischen den beiden Völkern. +Im Süden dieses Flusses gab es nur einige germanische Vorposten, wie +die Eburonen in Maastricht und in Roermond; die Kondrusen in der +Umgegend von Lüttich. Längs der Maas verschmelzen die Germanen und +die Kelten miteinander. In Nordbrabant waren die Kelten schon stark +germanisiert, während die Menapier, die Moriner und die Nervier aus +Flandern und Seeland ebenfalls stark unter dem Einfluss der Germanen +standen. Alle diese germanisierten Kelten wurden von den Römern Gallier +genannt. Zu wiederholten Malen drangen die Germanen in Gallien ein und +kamen dort sogar bis in das Land der Menapier im Scheldetal; aber im +Jahre 55 vor Christi Geburt warf sie Cäsar zurück. Nach den Eroberungen +dieses letzteren römischen Feldherrn bildete der Rhein die Grenze der +römischen Herrschaft und blieb es bis etwa ins 4. Jahrhundert. Die +Gallier latinisierten sich schnell. Nördlich vom Rhein machte sich +der römische Einfluss auf die Bataver, die Kaninefaten und Friesen +fühlbar. Dieser Einfluss war jedoch wenig deutlich, besonders bei +den letzteren. In dem Augenblick, wo die Macht Roms geringer wurde, +erschienen die Germanen wieder, und besonders traten die Franken +hervor. Diese Franken, die die Gegend der Lippe, der Ruhr und der +Ems bewohnten, wurden wahrscheinlich zu jener Zeit schon von den +Sachsen zurückgetrieben. Unter dem Kaiser Probus wurden die Franken +noch einmal im Jahre 280 über den Rhein zurückgeworfen, aber nach dem +Tode Konstantins des Grossen (337) rückten sie von neuem nach Süden +vor. Cöln fiel in ihre Hände, und sie erschienen vor Trier. Julian +verhinderte sie indessen in Taxandrien, das heutige Nordbrabant, +einzudringen. + +Die Salier, die mächtigsten der Franken, blieben im Lande der Bataver, +während die Chamaven, ein anderer Volksstamm, sich im Norden des +Rheins festsetzten. Die Salier und die Bataver verschmolzen bald zu +einem einzigen Stamm; als sich im Jahre 402, während der Regierung +des Kaisers Honorius, die Römer zurückzogen, nahmen die Franken ihren +Marsch nach dem Süden wieder auf und fielen in Nordbrabant ein. Die +Sachsen, die, wie schon gesagt, wahrscheinlich die Franken in Bewegung +gesetzt haben, bewohnten das Land zwischen der Ems und der Elbe, d. h. +also Norddeutschland. Sie setzten sich im Osten unseres Landes fest +und dehnten ihren Einfluss später nördlich aus. + +Die Friesen, die man im allgemeinen neben den Sachsen nennt, haben +es verstanden, sich zu halten und wohnten von der Weser bis zum Zwin +(seeländisches Flandern). Ihr König Radbod erweiterte ihre Herrschaft +nach dem Süden des Rheins und drang sogar bis Cöln vor, wo ihm indessen +Karl Martell eine Niederlage beibrachte. + +Wenn Holland im Mittelalter Friesland nur bis zur Mündung der Maas +heisst, so sagt man andererseits, dass der heilige Amand das Evangelium +bei den Friesen von Seeland predigte. + +Diese Ueberlieferung wird von Professor Fockema Andrae bestätigt, der +nachgewiesen hat, dass das Friesische Gesetz von 800 von der Weser bis +zum Zwin, und das fränkische Gesetz bis zum Eem angewendet wurde, d. h. +dass die Chamaven die Veluwe im Osten des Flusses bewohnt haben; somit +gehört Utrecht zu Friesland. + +Man erzählt auch gelegentlich des Kampfes der Friesen gegen die +Franken, dass Utrecht auf der Grenze Frieslands liegt. + +Zusammenfassend kann man also sagen, dass die Niederlande ursprünglich +von den Kelten bewohnt wurden, die von den Germanen nach Süden gedrängt +sind. Sie haben sich später mit Hilfe der Römer südlich der grossen +Flüsse gehalten. Die ersten Germanen unseres Landes waren die Friesen. +Sie bewohnten die Küste von der Weser bis zum Zwin und haben sich an +einigen Orten unter den Kelten angesiedelt. + +So finden wir die friesischen Type von Dänemark bis Flandern; sie +dringen bis Utrecht und längs der Flüsse mit Ebbe und Flut vor. + +Die Chamaven, die ersten Franken, hielten wahrscheinlich die Veluwe und +die Betuwe bis zur Linge und zum Eem besetzt. Die Franken bevölkerten +später Nordbrabant und drangen bis nach Seeland, Utrecht und Südholland +vor. Tatsächlich haben wir uns schon gewundert, in unserem Lande +die Type des Niederrheins nicht nur längs des Rheins und seiner +Nebenflüsse, sondern auch im Herzen Südhollands und im Nordwesten von +Nordbrabant zu treffen. + +Die zuletzt gekommenen Sachsen setzten sich im Osten unserer Heimat +fest und dehnten sich allmählich nach Groningen und Friesland aus. Dort +finden wir die spitzen Type von Overijsel oder die sächsischen Type. + +Die Schiffstype haben, wie die Art der Wohnungen, die Sprachen und die +Trachten Beziehungen zu den Ureinwohnern der Gegenden. Dies erklärt, +weshalb man an demselben Fluss, in demselben Lande verschiedene +Schiffstype findet. + +So haben sich die alten Formen und die alten Sitten durch die Zeitalter +erhalten, und unser Vaterland besitzt nicht allein eine ruhmreiche +Vergangenheit, sondern hat es auch verstanden, einen beneideten Platz +auf dem Gebiete der Schiffbaukunst festzuhalten, so dass man auf +unsere tüchtigen Schiffbauer anwenden kann, was ~Witsen~ im Jahre 1671 +schreibt: + + «In ’t overleg van een zuinig meeste + bestaat al ’t geheim van + goedkoop bouwen.» + + (Das ganze Geheimnis eines wirtschaftlichen Schiffbaues besteht in + der Überlegung eines sparsamen Baumeisters.) + + +[Illustration] + + +Übersetzer: ~Hugo MÜLLER~, Dahlem. + + + + +[Illustration: KAART Nᵒ 1 + +Tafel Nᵒ 1--Carte Nᵒ 1 + +Plate Nᵒ 1 + + OP WELKE WIJZE + DE SCHEEPSBOUW + ZICH HEEFT + VERPLAATST VOOR + 1500 (1) + +] + +(1) Wie sich der Schiffbau vor 1500 bewegt hat. + +Evolution de l’architecture navale avant 1500. + +Way in which shipbuilding moved before 1500. + + +(2) Südlicher Mittelpunkt. + +Centre méridional. + +Southern Centre. + + +(3) Nördlicher Mittelpunkt. + +Centre septentrional. + +Northern Centre. + + +(4) Erste Berührung zwischen dem südlichen und nördlichen Mittelpunkt. + +Premier contact entre le centre méridional et le centre septentrional. + +First contact between the Southern centre and the Northern centre. + + +(5) Erster Einfluss des südlichen auf den nördlichen Mittelpunkt. + +Première influence du centre méridional sur le centre septentrional. + +First influence of the Southern centre on the Northern centre. + + +[Illustration: KAART Nᵒ 2 + +Tafel Nᵒ 2 -- Carte Nᵒ 2 + +Plate Nᵒ 2 + + OP WELKE WIJZE DE + SCHEEPSBOUW ZICH + HEEFT VERPLAATST + NA 1500 (1) + +] + +(1) Wie sich der Schiffbau nach 1500 bewegt hat. + +Évolution de l’architecture navale après 1500. + +Way in which shipbuilding moved after 1500. + + +(2) 1500-1700. Niederlande. + +1500-1700. Pays-Bas. + +1500-1700. Netherlands. + + +(3) Städte des Hansabundes. + +Villes de la ligue hanséatique. + +Cities of the Hanseatic League. + + +(4) 1700-1800. Frankreich. Der theoretische Schiffbau. + +1700-1800. La France. L’architecture navale théorique. + +1700-1800. France. Theoretical shipbuilding. + + +(5) Die französische Bauweise trennt sich von der der Niederlande. + +L’architecture navale française se sépare de celle des Pays-Bas. + +French shipbuilding withdraws from that of the Netherlands. + + +(6) Nach 1800. England. + +Après 1800. l’Angleterre. + +After 1800. England. + + +[Illustration: KAART Nᵒ 3 + +Tafel Nᵒ 3 -- Carte Nᵒ 3 + +Plate Nᵒ 3 + +KAART DER SCHEEPSMODELLEN + +Tafel der Schiffstype. + +Carte des types de navires. + +Plate showing types of vessels.] + + + I Friesche Friesische Type. Types Frisons. Frisian types. + modellen. (Smacken, (Semaque, etc.) (Smack, etc.) + (Smak, enz.) u. s. w.) + + II Overijselsche Type von Types de Overysel types. + modellen. Overysel. l’Overysel. + (Somp. pegge, (Somp. Pegge, (Somp. pegge, (Somp. pegge, + enz.) u. s. w.) etc.) etc.) + + III B}Rijn }der Rhein }Le Rhin B}The Rhine + o}(Dorstensche }(Aak B}(l’Aque de o}(Ake from + v} aak). O} von Dorsten). o} Dorsten). v} Dorsten). + e} b} v} e} + IV n}Maas e}die Maas e}La Meuse n}The Meuse + d}(Hedelsche r}(Aak von n}(l’Aque de d}(Ake from + l} aak). l} Hedel). d} Hedel). l} Hedel). + a} ä} l} a} + V n}Maas n}die Maas a}La Meuse n}The Meuse + d}(Whale majol).d}(Whale majol). n}(le Whale d}(The Whale + e} e} d}majol). e} majol). + r} r} e} r} + VI s}Boven }der Oberrhein r}Le Rhin s}The Upper + }Rijn }(der Keen). s}supérieur }Rhine + }(Keen). }(der Keen). }(le Keen). }(Keen). + + +[Illustration: KAART DER SCHEEPSMODELLEN(1) + +(1) TAFEL DER SCHIFFSTYPE + +CARTE DES TYPES DE NAVIRES + +PLATE SHOWING TYPES OF VESSELS] + +[Illustration: KAART DER SCHEEPSMODELLEN + +KAART Nᵒ 4 + +Tafel Nᵒ 4 -- Carte Nᵒ 4 + +Plate Nᵒ 4 + +] + + +[Illustration: KAART Nᵒ 5 + +Tafel Nᵒ 5--Carte Nᵒ 5 + +Plate Nᵒ 5 + +KAART DER DIALECTEN + +NEDERLAND. + +Dialecttafel. + +Niederlande. + + +Carte des dialectes. + +Pays-Bas. + + +Dialect Chart. + +Netherlands. + +] + + +[Illustration: KAART Nᵒ 6 + +Tafel Nᵒ 6--Carte Nᵒ 6 + +Plate Nᵒ 6 + +VOLKSKLEEDERDRACHTEN + +Tafel der Volkstrachten + +Carte des costumes nationaux + +Plate of national costumes] + + +[Illustration: KAART Nᵒ 7 + +Tafel Nᵒ 7--Carte Nᵒ 7 + +Plate Nᵒ 7 + +KAART DER BOERENWONINGEN + +Tafel der ländlichen Wohnhäuser. + +Carte des habitations rurales. + +Country homes.] + + +[Illustration: NAVIGARE NECESSE] + + + + +*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 75889 *** |
