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If you are not located in the United States, you -will have to check the laws of the country where you are located before -using this eBook. - -Title: Allerhand Sprachdummheiten - Kleine deutsche Grammatik des Zweifelhaften, des Falschen und des - Häßlichen - -Author: Gustav Wustmann - -Editor: Rudolf Wustmann - -Release Date: January 28, 2023 [eBook #69894] - -Language: German - -Produced by: the Online Distributed Proofreading Team at - https://www.pgdp.net - -*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK ALLERHAND -SPRACHDUMMHEITEN *** - - - #################################################################### - - Anmerkungen zur Transkription - - Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1912 so weit - wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler - wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht mehr - verwendete Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert; - fremdsprachliche Ausdrücke wurden nicht korrigiert. - - Das Original wurde in Frakturschrift gesetzt; besondere - Schriftschnitte werden im vorliegenden Text mit Hilfe der folgenden - Sonderzeichen gekennzeichnet: - - kleinere Schrift: |senkrechte Striche| - kursiv: _Unterstriche_ - fett: =Gleichheitszeichen= - gesperrt: +Pluszeichen+ - Antiqua: ~Tilden~ (Buchwerbung am Ende ausgenommen) - - #################################################################### - - - - - Allerhand Sprachdummheiten - - [Illustration] - - - - - Die erste Ausgabe dieses Buches ist 1891 erschienen, die zweite - 1896, die dritte 1903, die vierte 1908, die fünfte 1911. - - - - - Allerhand - Sprachdummheiten - - Kleine deutsche Grammatik - des Zweifelhaften, des Falschen und des Häßlichen - - Ein Hilfsbuch für alle - die sich öffentlich der deutschen Sprache bedienen - - von - - Gustav Wustmann - - Gewohnheit macht den Fehler schön - Den wir von Jugend auf gesehn - - +Gellert+ - - Sechste Auflage - - [Illustration] - - Straßburg - Verlag von Karl J. Trübner - 1912 - - - - -[Illustration] - - - - -Aus dem Vorwort des Verfassers zur dritten Auflage - - -Viele von denen, in deren Hände dieses Buch gekommen ist, haben es -als Nachschlagebuch benutzt, als eine Art von „Duden“ für Grammatik -und Stilistik. Das ist ein Irrtum. Die „Sprachdummheiten“ sind kein -Sprachknecht, der auf jede grammatische oder stilistische Frage die -gewünschte Antwort bereit hat, sondern ein Buch für denkende Leser, -das im Zusammenhange studiert und gehörig verarbeitet sein will. Wer -Nutzen davon haben will, muß sich den Geist des Buches zu eigen machen. -Gewiß soll es auch der herrschenden Fehlerhaftigkeit und Unsicherheit -unsers Sprachgebrauchs steuern, aber vor allem soll es doch das -Sprachgefühl schärfen und dadurch das Aufkommen neuer Fehler verhüten, -und seine Hauptaufgabe ist eine ästhetische: es soll der immer ärger -gewordnen Steifheit, Schwerfälligkeit und Schwülstigkeit unsrer Sprache -entgegenarbeiten und ihr wieder zu einer gewissen Einfachheit und -Natürlichkeit verhelfen, die, gleichweit entfernt von Gassensprache wie -von Papierdeutsch, die Freiheit einer feinern Umgangssprache mit der -Gesetzmäßigkeit einer guten Schriftsprache vereinigt. - -[Illustration] - - - - -Vorwort zur fünften Auflage - - -Die fünfte Auflage dieses Buches erscheint unter veränderten Umständen. - -Am 22. Dezember 1910 starb der Verfasser des Buches. Kurz darauf -erhielt ich von dem Grunowschen Verlag die Aufforderung, eine neue -Auflage zu besorgen. Mir lag dazu das mit Nachträgen versehene -Handexemplar des Verfassers von der vierten Auflage vor und manche -sonstige von ihm aufgezeichnete Einzelbemerkung. Davon ist aber nur -das wenige, was den Text wirklich berichtigte oder durch ein besonders -treffendes Beispiel verbesserte, in die neue Auflage aufgenommen -worden, sodaß diese im ganzen der vierten Auflage gleicht. - -Während des Druckes der fünften Auflage ist das Buch aus dem Verlag von -Fr. Wilh. Grunow, der die ersten vier Auflagen des Buches verlegt hat, -sich aber nun in anderer Richtung zu betätigen wünscht, in den von Karl -J. Trübner übergegangen. - - Ende September 1911 - - =Rudolf Wustmann= - -[Illustration] - - - - -[Illustration] - - -Inhaltsverzeichnis - - - Zur Formenlehre - - Seite - - Starke und schwache Deklination 3 - - Frieden oder Friede? Namen oder Name? 5 - - Des Volkes oder des Volks, dem Volk oder dem Volke? 6 - - Des Rhein oder des Rheins 7 - - Franz’ oder Franzens? Goethe’s oder Goethes? 8 - - Friedrich des Großen oder Friedrichs des Großen? 13 - - Kaiser Wilhelms 13 - - Leopolds von Ranke oder Leopold von Rankes? 15 - - Böte oder Boote? 16 - - Generäle oder Generale? 17 - - Die Stiefeln oder die Stiefel? 18 - - Worte oder Wörter? Gehälter oder Gehalte? 20 - - Das s der Mehrzahl 23 - - Fünf Pfennig oder fünf Pfennige? 24 - - Jeden Zwanges oder jedes Zwanges? 25 - - Anderen, andren oder andern? 27 - - Von hohem geschichtlichen Werte oder von hohem geschichtlichem - Werte? 29 - - Sämtlicher deutscher Stämme oder sämtlicher deutschen - Stämme? 31 - - Ein schönes Äußeres oder ein schönes Äußere? Großer - Gelehrter oder großer Gelehrten? 33 - - Das Deutsche und das Deutsch 35 - - Lieben Freunde oder liebe Freunde? 36 - - Wir Deutsche oder wir Deutschen? 36 - - Verein Leipziger Gastwirte -- an Bord Sr. Maj. Schiff 38 - - Steigerung der Adjektiva. Schwerwiegender oder - schwerer wiegend? 41 - - Größtmöglichst 43 - - Gedenke unsrer oder unser? 44 - - Derer und deren 45 - - Einundderselbe 46 - - Man 46 - - Jemandem oder jemand? 47 - - Jemand anders 47 - - Ein andres und etwas andres 48 - - Zahlwörter 49 - - Starke und schwache Konjugation 50 - - Verschieden flektierte und schwankende Zeitwörter 51 - - Frägt und frug 54 - - Übergeführt und überführt 56 - - Ich bin gestanden oder ich habe gestanden? 59 - - Singen gehört oder singen hören? 60 - - Du issest oder du ißt? 62 - - Stände oder stünde? Begänne oder begönne? 62 - - Kännte oder kennte? 63 - - - Zur Wortbildungslehre - - Reformer und Protestler 67 - - Ärztin und Patin 68 - - Tintefaß oder Tintenfaß? 69 - - Speisenkarte oder Speisekarte? 73 - - Äpfelwein oder Apfelwein? 74 - - Zeichnenbuch oder Zeichenbuch? 76 - - Das Binde-s 77 - - ig, lich, isch. Adlig, fremdsprachlich, vierwöchig, zugänglich 80 - - Goethe’sch oder Goethisch? Bremener oder Bremer? 84 - - Hallenser und Weimaraner 87 - - - Zur Satzlehre - - Unterdrückung des Subjekts 91 - - Die Ausstattung war eine glänzende 92 - - Eine Menge war oder waren? 96 - - Noch ein falscher Plural im Prädikat 98 - - Das Passivum. Es wurde sich 100 - - Ist gebeten oder wird gebeten? 101 - - Mißbrauch des Imperfekts 101 - - Worden 105 - - Wurde geboren, war geboren, ist geboren 108 - - Erzählung und Inhaltsangabe 109 - - Tempusverirrung beim Infinitiv 111 - - Relativsätze. Welcher, welche, welches 112 - - Das und was 116 - - Wie, wo, worin, womit, wobei 118 - - Wechsel zwischen der und welcher 120 - - Welch letzterer und welcher letztere 123 - - Relativsätze an Attributen 125 - - Einer der schwierigsten, der oder die? 127 - - Falsch fortgesetzte Relativsätze 128 - - Relativsatz statt eines Hauptsatzes 130 - - Nachdem -- zumal -- trotzdem -- obzwar 131 - - Mißbrauch des Bedingungssatzes 134 - - Unterdrückung des Hilfszeitworts 135 - - Indikativ und Konjunktiv 140 - - Die sogenannte ~consecutio temporum~ 148 - - Der unerkennbare Konjunktiv 150 - - Der Konjunktiv der Nichtwirklichkeit 153 - - Vergleichungssätze. Als ob, als wenn 157 - - Würde 158 - - Noch ein falsches würde 160 - - Der Infinitiv. Zu und um zu 161 - - Das Partizipium. Die stattgefundene Versammlung 165 - - Das sich ereignete Unglück 168 - - Hocherfreut oder hoch erfreut 169 - - Partizipium statt eines Neben- oder Hauptsatzes 170 - - Falsch angeschloßnes Partizipium 171 - - In Ergänzung 172 - - Das Attribut 175 - - Leipzigerstraße oder Leipziger Straße? 176 - - Fachliche Bildung oder Fachbildung? 183 - - Erstaufführung 188 - - Sedantag und Chinakrieg 191 - - Shakespearedramen, Menzelbilder und Bismarckbeleidigungen 193 - - Schulze-Naumburg und Müller-Meiningen 199 - - Die Sammlung Göschen 200 - - Die Familie Nachfolger 204 - - Ersatz Deutschland 205 - - Der grobe Unfugparagraph 206 - - Die teilweise Erneuerung 207 - - Der tiefer Denkende, der Tieferdenkende oder der tiefer - denkende? 210 - - Die Apposition 213 - - Der Buchtitelfehler 215 - - Frl. Mimi Schulz, Tochter usw. 217 - - Bad-Kissingen und Kaiser Wilhelm-Straße 218 - - Der Dichter-Komponist und der Doktor-Ingenieur 220 - - In einer Zeit wie der unsrigen 221 - - Gustav Fischer, Buchbinderei 221 - - Die persönlichen Fürwörter. Der erstere und der - letztere 223 - - Derselbe, dieselbe, dasselbe 226 - - Darin, daraus, daran, darauf usw. 231 - - Derjenige, diejenige, dasjenige 235 - - Jener, jene, jenes 237 - - Zur Kasuslehre. Ich versichere dir oder dich? 238 - - Er hat mir oder er hat mich auf den Fuß getreten? 242 - - Zur Steuerung des Notstandes 243 - - Voller Menschen 244 - - Zahlwörter. Erste Künstler 245 - - Die Präpositionen 246 - - Nördlich, südlich, rechts, links, unweit 248 - - Im oder in dem? zum oder zu dem? 250 - - Aus: „Die Grenzboten“ 254 - - Nach dort 256 - - Bis 257 - - In 1870 258 - - Alle vier Wochen oder aller vier Wochen? 259 - - Donnerstag und Donnerstags -- nachmittag und nachmittags 260 - - Drei Monate -- durch drei Monate -- während dreier - Monate 261 - - Am (!) Donnerstag den (!) 13. Februar 263 - - Bindewörter. Und 265 - - Als, wie, denn beim Vergleich 268 - - Die Verneinungen 270 - - Besondere Fehler. Der Schwund des Artikels 274 - - Natürliches und grammatisches Geschlecht 276 - - Mißhandelte Redensarten 278 - - Vertauschung des Hauptworts und des Fürworts -- - ein schwieriger Fall 283 - - Die fehlerhafte Zusammenziehung 286 - - Tautologie und Pleonasmus 290 - - Die Bildervermengung 293 - - Vermengung zweier Konstruktionen 295 - - Falsche Wortstellung 297 - - Die alte gute Zeit oder die gute alte Zeit? 299 - - Höhenkurort für Nervenschwache ersten Ranges 301 - - Die sogenannte Inversion nach und 304 - - Die Stellung der persönlichen Fürwörter 308 - - In fast allen oder fast in allen? 314 - - Zwei Präpositionen nebeneinander 317 - - Zur Interpunktion 318 - - Fließender Stil 324 - - - Zum Wortschatz und zur Wortbedeutung - - Die Stoffnamen 337 - - Verwechselte Wörter 338 - - Hingebung und Hingabe. Aufregung und Aufgeregtheit 343 - - Vertauschung der Hilfszeitwörter 346 - - Der Dritte und der Andre 347 - - Verwechslung von Präpositionen 349 - - Hin und her 352 - - Ge, be, ver, ent, er 354 - - Neue Wörter 359 - - Modewörter 365 - - Der Gesichtspunkt und der Standpunkt 393 - - Das Können und das Fühlen 396 - - Bedingen 398 - - Richtigstellen und klarlegen 402 - - Fort oder weg? 404 - - Schwulst 405 - - Rücksichtnahme und Verzichtleistung 408 - - Anders, andersartig und anders geartet 409 - - Haben und besitzen 410 - - Verbalsurrogate 416 - - Vermittelst, mit Zuhilfenahme von 418 - - Seitens 422 - - Bez. beziehungsweise bezw. 426 - - Provinzialismen 430 - - Fremdwörter 433 - - - Alphabetisches Wortregister 453 - -[Illustration] - - - - -Zur Formenlehre - -[Illustration] - - - - -[Illustration] - - -Starke und schwache Deklination - -Bekanntlich gibt es -- oder wir wollen doch lieber ehrlich sein und -einfach sagen: es gibt im Deutschen eine starke und eine schwache -Deklination. Unter der starken versteht man die, die einen größern -Formenreichtum und eine größere Formenmannigfaltigkeit hat. Sie hat in -der Einzahl im Genitiv die Endung +es+, im Dativ e, in der Mehrzahl -im Nominativ, Genitiv und Akkusativ die Endung e (bei vielen Wörtern -männlichen und sächlichen Geschlechts +er+), im Dativ +en+ (+ern+). Die -Stammvokale a, o, u und der Diphthong +au+ werden dabei in der Mehrzahl -gewöhnlich in ä, ö, ü, +äu+ verwandelt, was man den Umlaut nennt.[1] -Unter der schwachen Deklination versteht man die formenärmere. Hier -haben alle Kasus der Einzahl (mit Ausnahme des Nominativs) und alle -Kasus der Mehrzahl die Endung +en+. Die schwache Deklination hat auch -keinen Umlaut. Zur starken Deklination gehören Wörter männlichen, -weiblichen und sächlichen, zur schwachen nur Wörter männlichen und -weiblichen Geschlechts. Die Wörter weiblichen Geschlechts verändern in -beiden Deklinationen nur in der Mehrzahl ihre Form. - -Zur starken Deklination gehören z. B. der +Fuß+, die +Hand+, das -+Haus+; zur schwachen der +Mensch+, die +Frau+.[2] - -Im Vergleich zu dem großen Reichtum unsrer Sprache an Hauptwörtern und -der großen Mannigfaltigkeit, die innerhalb der beiden Deklinationen -besteht, ist die Zahl der Fälle, wo heute Deklinationsfehler im -Schwange sind, oder wo sich Unsicherheit zeigt, verhältnismäßig klein. -Aber ganz fehlt es doch nicht daran. - -Mehr und mehr greift die Unsitte um sich, schwach zu deklinierende -Maskulina im Akkusativ ihrer Endung zu berauben: +den Fürst+, +den -Held+, +den Hirt+. Es heißt aber: +den Fürsten+, +den Helden+ usw. - -+Zu Mann+ gibt es eine doppelte Mehrzahl: +Männer+ und +Leute+. Man -sagt: die +Bergleute+, die +Hauptleute+, die +Spielleute+, aber die -+Wahlmänner+, die +Ehrenmänner+, die +Biedermänner+, die +Ehemänner+; -unter +Eheleuten+ versteht man Mann und Frau zusammen. - -Ein Wort, mit dem die Leute nicht mehr recht umzugehen wissen, und das -sie doch jetzt sehr gern gebrauchen, ist +Gewerke+ (für +Handwerker+). -Ein +Gewerke+ ist ein zu einer Innung gehörender Meister oder ein -Teilnehmer an einem gesellschaftlichen Geschäftsbetrieb (das alte gute -deutsche Wort für das heutige +Aktionär+). Das Wort ist aber schwach -zu flektieren, die Mehrzahl heißt +die Gewerken+ (die +Baugewerken+). -Daneben gibt es aber das Wort auch im sächlichen Geschlecht: +das -Gewerk+ (für +Handwerk+, +Innung+), und das ist stark zu flektieren; -hier heißt die Mehrzahl die +Gewerke+. Viele gebrauchen aber jetzt -fälschlich die starke Form, auch wo sie offenbar die einzelnen -Personen, nicht die Handwerksinnungen meinen, z. B. heimische +Künstler -und Gewerke+. Umgekehrt sind jetzt +die Gauen+ beliebt: das Lied ging -durch +alle+ deutschen +Gauen+. Aber auch sie sind falsch; +Gau+, -ursprünglich sächlichen Geschlechts (+das Gäu+), jetzt Maskulinum, -bildet den Genitiv +des Gaus+ und die Mehrzahl +die Gaue+. - -In Leipziger Zeitungen werden oft +Darlehne+ gesucht (+Pfanddarlehne+, -+Hypothekendarlehne+), und die Geistlichen treten für ihre alten -+Kirchlehne+ ein. Die Einzahl heißt aber das +Lehen+, und wenn das -auch kein substantivierter Infinitiv ist, wie +Wesen+, +Schreiben+, -+Vermögen+, +Verfahren+, +Vergnügen+, +Unternehmen+, so wird es doch -in der guten Schriftsprache so flektiert wie diese, und die Mehrzahl -heißt: die +Lehen+, die +Darlehen+, die +Kirchlehen+, so gut wie die -+Wesen+, die +Verfahren+, die +Unternehmen+. - - -Frieden oder Friede? Namen oder Name? - -Bei einer kleinen Anzahl von Hauptwörtern schwankt der Nominativ -zwischen einer Form auf e und einer auf en; es sind das folgende -Wörter: +Friede+, +Funke+, +Gedanke+, +Gefalle+, +Glaube+, +Haufe+, -+Name+, +Same+, +Schade+ und +Wille+. Die Form auf en ist aber -eigentlich falsch. Diese Wörter gehören der schwachen Deklination -an,[3] neigen jedoch zur starken: im Genitiv bilden sie eine Mischform -aus der starken und der schwachen Deklination auf +ens+ (des +Namens+), -und von +Schade+ hat der Plural sogar den Umlaut: die +Schäden+. Da -hat sich nun unter dem Einflusse jener Mischform das +en+ aus dem -Dativ und dem Akkusativ auch in den Nominativ gedrängt.[4] Die alte -richtige Form ist aber doch überall daneben noch lebendig und im -Gebrauch (von +Schade+ allerdings fast nur noch in der Redensart: es -+ist schade+). Der +Gefalle+ (bei Lessing öfter) ist wenigstens in -Sachsen und Thüringen noch ganz üblich: es geschieht mir ein großer -+Gefalle+ damit. Daher sollte die alte Form auch immer vorgezogen, also -gesagt werden: der +Friede+ von 1871, nicht der +Frieden+ von 1871. -Vollends der künstlerische +Gedanken+, wie man bisweilen lesen muß, ist -unerträglich.[5] - - -Des Volkes oder des Volks, dem Volk oder dem Volke? - -Ob in der starken Deklination die volle Genitivendung +es+ oder das -bloße Genitiv-s vorzuziehen sei, ob man lieber sagen solle: des -+Amtes+, des +Berufes+, oder des +Amts+, des +Berufs+, darüber läßt -sich keine allgemeine Regel aufstellen. Von manchen Wörtern ist nur -die eine Bildung, von manchen nur die andre, von vielen sind beide -Bildungen nebeneinander üblich; selbst in Zusammensetzungen stehen -ältere Bildungen wie +Landsmann+ und +Landsknecht+ neben jüngern wie -+Landesherr+ und +Landesvater+. Oft kommt es nur auf den Wohlklang des -einzelnen Wortes und vor allem auf den Rhythmus der zusammenhängenden -Rede an: die kurzen Formen können kräftig, aber auch gehackt, die -langen weich und geschmeidig, aber auch schleppend klingen, je nach der -Umgebung. Ich würde z. B. schreiben: die sicherste Stütze des +Throns+ -liegt in der Liebe und Dankbarkeit des +Volkes+, die täglich neu aus -der Überzeugung geboren werden muß, daß die berechtigten Interessen des -+Volks+ ihre beste Stütze im +Throne+ finden. - -Zu beklagen ist es, daß immer mehr die Neigung um sich greift (teils -von Norddeutschland, teils von Süddeutschland aus), das Dativ-e ganz -wegzuwerfen und zu sagen: vor dem +König+, in dem +Buch+, aus dem -+Haus+, nach dem +Krieg+, nach dem +Tod+, im +Jahr+, im +Recht+, im -+Reich+, im +Wald+, auf dem +Berg+, am +Meer+ (statt +Könige+, +Buche+, -+Hause+, +Kriege+, +Jahre+, +Rechte+ usw.). Ja manche möchten das jetzt -geradezu als Forderung aufstellen. Aber abgesehen davon, daß dadurch -der Formenreichtum unsrer Deklination, der ohnehin im Vergleich zu -der ältern Zeit schon stark verkümmert ist, immer mehr verkümmert, -erhält auch die Sprache, namentlich wenn das e bei einsilbigen Wörtern -überall weggeworfen wird, etwas zerhacktes. Ein einziges Dativ-e kann -oft mitten unter klapprigen einsilbigen Wörtern Rhythmus und Wohllaut -herstellen. Man sollte es daher sorgfältig schonen, in der lebendigen -Sprache wie beim Schreiben, und die Schule sollte sich bemühen, es -zu erhalten. Besonders häßlich wirkt das Abwerfen des Dativ-e, wenn -das Wort dann mit demselben Konsonanten schließt, mit dem das nächste -anfängt, z. B. im +Goldland des+ Altertums. Nur wo das Wort mit einem -Vokal anfängt, also ein sogenannter Hiatus entstehen würde, mag man -das e zuweilen fallen lassen -- zuweilen, denn auch da ist immer der -Rhythmus zu berücksichtigen; eine Regel, daß jeder Hiatus zu meiden -sei, soll damit nicht ausgesprochen werden. Ganz unerträglich würde das -Fehlen des Dativ-e in formelhaften Wendungen erscheinen wie: +zustande+ -kommen, +im Wege+ stehen, +zugrunde+ gehen, +zu Kreuze+ kriechen, -ebenso unerträglich freilich die Erhaltung des Dativ-e in andern -formelhaften Wendungen wie: +mit Dank+, +von Jahr zu Jahr+, +von Ort zu -Ort+. - -An den Wörtern auf +nis+ und +tum+ und an Fremdwörtern wirkt das -Dativ-e meist unangenehm schleppend; man denke an Dative wie: dem -+Verhältnisse+, dem +Eigentume+, dem +Systeme+, dem +Probleme+, -dem +Organe+, dem +Prinzipe+, dem +Rektorate+, dem +Programme+, -dem +Metalle+, dem +Offiziere+, dem +Romane+, dem +Ideale+, dem -+Madrigale+, dem +Oriente+, dem +Manifeste+, dem +Archive+ usw. Man -kann nicht sagen, daß diese Formen an sich häßlich wären, denn die -Plurale, die die meisten dieser Wörter bilden, klingen ja ebenso; aber -als Dative des Singulars wirken sie häßlich. - - -Des Rhein oder des Rheins? - -Vielfache Unsicherheit herrscht in der Deklination der Ortsnamen. Haben -sie keinen Artikel, wie die meisten Länder- und Städtenamen, so bildet -wohl jedermann einen richtigen Genitiv (+Deutschlands+, +Wiens+); bei -den Berg- und Flußnamen aber, die den Artikel bei sich haben, muß man -jetzt immer öfter Genitive lesen wie +des Rhein+, +des Main+, +des -Nil+, +des Brocken+, +des Petersberg+, +des Hohentwiel+, +des Vesuv+, -und ebenso ist es bei Länder- und Städtenamen, wenn sie durch den -Zusatz eines Attributs den Artikel erhalten; auch da hat sich immer -mehr die Nachlässigkeit verbreitet, zu schreiben: des +kaiserlichen -Rom+, des +modernen Wien+, des +alten Leipzig+, des +damaligen -Frankreich+, des +nordöstlichen Böhmen+, des erst noch +zu erobernden -Jütland+. Bei den Personennamen ist ja, wenn sie den Artikel haben, der -Genitiv rettungslos verloren; des +großen Friedrichs+ oder die Leiden -des +jungen Werthers+ (wie Goethe noch 1774 schrieb) getraut sich -heute niemand mehr zu schreiben. Ebenso geht es den Monatsnamen. Auch -diese wurden früher alle zwölf richtig dekliniert: +des Aprils+, +des -Oktobers+ (Klopstock: Sohn +des Mais+; Schlegel: Nimm vor des +Märzen+ -Idus dich in acht). Heute schreibt man fast nur noch: zu Anfang +des -Oktober+, wenn man nicht lieber gar stammelt: +Anfang Oktober+. Aber -bei Ortsnamen sind wir doch noch nicht ganz so weit. - - -Franz’ oder Franzens? Goethe’s oder Goethes? - -Großes Vergnügen macht es vielen Leuten, den Genitiv von Personennamen -mit einem Apostroph zu versehen: +Friedrich’s+, +Müller’s+. Selbst -große Gelehrte sind in den Apostroph so verliebt, daß es ihnen ganz -undenkbar erscheint, +Goethes+ ohne das hübsche Häkchen oben zu -schreiben. Nun ist ja der Apostroph überhaupt eine große Kinderei. Alle -unsre Schriftzeichen bedeuten doch Laute, die gesprochen werden. Auch -die Interpunktionszeichen gehören dazu. Nicht bloß das Ausrufe- und das -Fragezeichen, sondern auch Komma, Kolon, Semikolon und Punkt, Klammern -und Gedankenstriche lassen sich beim Vorlesen sehr wohl vernehmlich -machen. Nur der Apostroph bedeutet gar nichts; ja er soll geradezu -einen Laut bedeuten, der -- nicht da ist, der eigentlich da sein -sollte, aber ausgefallen ist. Ist nicht das schon kindisch? Nun ist ja -aber bei diesen Genitiven gar nichts ausgefallen. Wenn man schreibt: -+des Müllers+ Esel, warum soll man nicht auch +Otfried Müllers+ -Etrusker schreiben?[6] - -Nun aber vollends bei Personennamen auf s, ß, z und x -- welche -Anstrengungen werden da gemacht, einen Genitiv zu bilden! Die Anzahl -solcher Namen ist ja ziemlich groß; man denke an +Fuchs+, +Voß+, -+Krebs+, +Carstens+, +Görres+, +Strauß+, +Brockhaus+, +Hinrichs+, -+Brahms+, +Begas+, +Dickens+, +Curtius+, +Mylius+, +Cornelius+, -+Berzelius+, +Rodbertus+, +Marx+, +Felix+, +Max+, +Franz+, +Fritz+, -+Moritz+, +Götz+, +Uz+, +Schütz+, +Schwarz+, +Leibniz+, +Opitz+, -+Rochlitz+, +Lorenz+, +Pohlenz+, nicht zu reden von den griechischen, -römischen, spanischen Namen, wie +Sophokles+, +Tacitus+, +Olivarez+ -usw.; die Veranlassung ist also auf Schritt und Tritt gegeben. Bei den -griechischen und römischen Namen pflegt man sich damit zu helfen, daß -man den Artikel vorsetzt: die Tragödien +des Sophokles+, die Germania -+des Tacitus+. Man ist an diese Genitive von seiner Schulzeit her -so gewöhnt, daß man gar nichts anstößiges mehr darin findet, obwohl -man es sofort als anstößig empfinden würde, wenn jemand schriebe: -die Gedichte +des Goethe+. Der Artikel vor dem Personennamen ist -süddeutscher oder österreichischer Provinzialismus (in Stuttgart sagt -man: +der Uhland+, in Wien: +der Raimund+), aber in die Schriftsprache -gehört das nicht; in kunstgeschichtlichen Büchern und Aufsätzen immer -von Zeichnungen +des Carstens+ und Entwürfen +des Cornelius+ lesen -zu müssen oder gar, wie in der beschreibenden Darstellung der Bau- -und Kunstdenkmäler Leipzigs, von einem Bildnis +des Gottsched+, einem -Bildnis +des Gellert+, ist doch gar zu häßlich. Manche setzen denn -nun auch an solche Namen fröhlich das Genitiv-s (natürlich mit dem -unvermeidlichen Apostroph davor!), also: +Fues’s+ Verlag, +Rus’s+ -Kaffeehandlung, +Harras’s+ Grabstein in der Thomaskirche, Kurfürst -+Moritz’s+ Verdienste um Leipzig, +Leibniz’s+ ägyptischer Plan, Gabriel -+Max’s+ Illustrationen zu Uhlands (oder vielmehr Uhland’s) Gedichten. -Noch andre -- und das ist das beliebteste und das, was in Grammatiken -gelehrt, in den Druckereien befolgt und jetzt auch für die Schulen -vorgeschrieben wird -- meinen, einen Genitiv zu bilden, indem sie einen -bloßen Apostroph hinter den Namen setzen, z. B. +Celtes’+ Ausgabe der -Roswitha, +Junius’+ Briefe, +Kochs’+ Mikroskopierlampe (der Erfinder -heißt wirklich +Kochs+!), +Uz’+ Gedichte, +Voß’+ Luise, Heinrich -+Schütz’+ sämtliche Werke, +Rochlitz’+ Briefwechsel mit Goethe. Und -solche Beispiele, in denen der Name +vor+ dem Worte steht, von dem -er abhängt, sind noch nicht die schlimmsten. Ganz toll aber ist: die -Findung +Moses’+, der Kanzler +Moritz’+ (das soll heißen: der Kanzler -des Herzogs Moritz), die berühmte Ketzerschrift +Servetus’+, auf -Anregung +Gervinus’+, der Besuch König +Alfons’+, der Stil +Rabelais’+, -der Dualismus +Descartes’+ (in +Descartes+ ist ja das es stumm, und -der Genitiv von +Descartes+ wird wirklich gesprochen: +karts+!). -Das neueste ist, daß man sogar Namen, die auf +sch+ endigen, in -diesen Unsinn mit hereinzieht und schreibt: in den Tagebuchblättern -Moritz +Busch’+, zum siebzigsten Geburtstage Wilhelm +Busch’+, das -allerneueste, daß man sogar im Dativ(!) schreibt: ~Dr.~ +Peters’+ als -Vorsitzendem lag die Pflicht ob! - -Sollten wir uns nicht vor den Ausländern schämen ob dieser kläglichen -Hilflosigkeit? Ist es nicht kindisch, sich einzubilden und dem -Ausländer, der Deutsch lernen möchte, einzureden, daß im Deutschen -auch ein Kasus gebildet werden könne, indem man ein Häkchen hinter -das zu deklinierende Wort setzt, ein Häkchen, das doch nur auf dem -Papiere steht, nur für das Auge da ist? Wie klingt denn der Apostroph -hinter dem Worte? Kann man ihn hören? Spreche ihn doch einer! Soll man -vielleicht den Mund eine Weile aufsperren, um ihn anzudeuten? oder sich -einmal räuspern? Irgend etwas muß doch geschehen, um den Apostroph -fürs Ohr vernehmlich zu machen, sonst ist ja zwischen +Leibniz+ und -+Leibniz’+, zwischen dem Nominativ und dem angeblichen Genitiv, gar -kein Unterschied. Nachdenklichen Setzern und Buchbindern will denn auch -die Sache gewöhnlich gar nicht in den Kopf. Daher kommt es, daß man in -den Korrekturabzügen und auf Bücherrücken so oft Titel lesen muß wie: -+Sophokle’s+ Tragödien, +Carsten’s+ Werke, +Dicken’s+ Romane, +Brahm’s+ -Requiem, Friedrich +Perthe’s+ Leben und +Siever’s+ Phonetik. - -Eine gewisse Schwierigkeit ist ja nun freilich da, und es fragt sich, -wie man ihr am besten abhilft. Die ältere Sprache schrieb entweder -unbedenklich +Romanus Haus+ (ohne den Apostroph), oder sie half sich -bei deutschen Namen damit, daß sie (wie bei andern Substantiven, z. B. -+Herz+, und bei den Frauennamen) eine Mischform aus der schwachen -und der starken Deklination auf +ens+ bildete, also: +Fuchsens+, -+Straußens+, +Schützens+, +Hansens+, +Franzens+, +Fritzens+, +Götzens+, -+Leibnizens+ (vgl. +Luisens+, +Friederikens+, +Sophiens+). Im -Volksmunde sind diese Formen auch heute noch durchaus gang und gäbe -(ebenso wie die Dative und Akkusative +Hansen+, +Fritzen+, +Sophien+ --- hast du +Fritzen+ nicht gesehen? gibs +Fritzen+! --, die jetzt -freilich in der Sprachziererei der Vornehmen mehr und mehr durch die -unflektierte Form verdrängt werden: hast du +Fritz+ nicht gesehen? gibs -+Fritz+!), und es ist nicht einzusehen, weshalb sie nicht auch heute -noch papierfähig sein sollten.[7] Oder wollen wir vielleicht nun auch -im Götz von Berlichingen +Hansens Küraß+ in +Hans’ Küraß+ verwandeln? -+Franzensbad+ und +Franzensfeste+ in +Franz’bad+ und +Franz’feste+ -verschönern? Verständige Schriftsteller, die vom Papierdeutsch zur -lebendigen Sprache zurückkehren, gebrauchen denn auch die flektierte -Form allmählich wieder und schreiben wieder: +Vossens Luise+. Wenn sie -nur auch die Schule wieder zu Gnaden annehmen wollte! - -Unmöglich erscheint dieser Ausweg natürlich bei Namen, die selbst -Genitive sind, wie +Carstens+ (eigentlich Carstens Sohn), +Hinrichs+, -+Brahms+. +Brahmsens+ dritte Geigensonate -- das klingt nicht schön. -Auch +Phidiassens+ Zeus und +Sophoklessens+ Antigone nicht, obwohl -auch solche Formen zu Goethes und Schillers Zeit unbedenklich gewagt -worden sind; sprach man doch damals auch, da man den Familiennamen -der Frau auf +in+ bildete, von der +Möbiussin+. Das beste ist wohl, -solchen Formen aus dem Wege zu gehen, was sehr leicht möglich ist, -ohne daß jemand eine Verlegenheit, einen Zwang merkt. Man kann durch -Umgestaltung des Satzes den Namen leicht in einen andern Kasus bringen, -statt des Genitivs +sein+ setzen, +des Dichters+, +des Künstlers+ dafür -einsetzen usw. Aber nur nicht immer: die Zeichnungen +des Carstens+! -Und noch weniger +Voß’s Luise+ oder gar das +Grab Brahms’+, denn das -ist gar zu einfältig. - -In dieselbe Verlegenheit wie bei den Eigennamen auf +us+ gerät man -übrigens auch bei gewissen fremden Appellativen. Man spricht zwar -unbedenklich von +Omnibussen+, aber Not machen uns die +Ismusse+, -und der Deutsche hat sehr viel +Ismusse+! Die Komödie erlognen -+Patriotismus’+, wie jetzt gedruckt wird, oder: im Lichte berechtigten -+Lokalpatriotismus’+ oder: ein unglaubliches Beispiel preußischen -+Partikularismus’+ oder ein Ausfluß erstarkten +Individualismus’+ -- -das sind nun einmal keine Genitive, trotz des schmeichelnden Häkchens. -Da hilft es nichts, man muß zu der Präposition +von+ greifen oder -den unbestimmten Artikel zu Hilfe nehmen und sagen: +eines+ erlognen -+Patriotismus+, +von+ preußischem +Partikularismus+. - - -Friedrich des Großen oder Friedrichs des Großen? - -Daß von +Friedrich+ der Genitiv +Friedrichs+ heißt, das weiß man -allenfalls noch. Aber sobald eine Apposition zu dem Namen tritt, -wissen sich die meisten nicht mehr zu helfen. Man frage einmal nach -dem Genitiv von +Friedrich der Große+; die Hälfte aller Gefragten -wird ihn +Friedrich des Großen bilden+. Fortwährend begegnet man -jetzt so abscheulichen Genitiven wie: +Heinrich des Erlauchten+, -+Albrecht des Beherzten+, +Georg des Bärtigen+. Es gibt Leute, die -alles Ernstes glauben, solche Verbindungen seien eine Art von Formeln -oder Sigeln, die nur am Ende dekliniert zu werden brauchten! Auch -wenn die Apposition eine Ordinalzahl ist -- der häufigste Fall --, -wird kaum noch anders geschrieben als: die Urkunden +Otto+ III., die -Gegenreformation +Rudolf+ II., die Gemahlin +Heinrich+ VIII., die -Regierungszeit +Ludwig+ XIV. Wenn man das aussprechen will, so kann -man doch gar nicht anders sagen als: +Otto der dritte+, +Rudolf der -zweite+, +Heinrich der achte+. Denn wie kann der Schreibende erwarten, -daß man die Zahl im Genitiv lese, wenn der Name, zu dem sie gehört, im -Nominativ steht?[8] - - -Kaiser Wilhelms - -Tritt vollends der Herrschertitel dazu, so pflegt alle Weisheit zu -Ende zu sein. Wie dekliniert man: +Herzog Ernst der Fromme+, +Kaiser -Friedrich der Dritte+? Bei einer vorangestellten Apposition wie -+Kaiser+, +König+, +Herzog+, +Prinz+, +Graf+, +Papst+, +Bischof+, -+Bürgermeister+, +Stadtrat+, +Major+, +Professor+, +Doktor+, +Direktor+ -usw. kommt es darauf an, ob die Apposition als bloßer Titel, oder ob -sie wirklich als Amt, Beruf, Tätigkeit der Person aufgefaßt werden -soll oder aufgefaßt wird. Im ersten Fall ist es das üblichste, nur den -Eigennamen zu deklinieren, den Titel aber ohne Artikel und undekliniert -zu lassen, also +Kaiser Wilhelms+, +Papst Urbans+, +Doktor Fausts -Höllenfahrt+, +Bürgermeister Müllers Haus+. Der Titel verwächst für -das Sprachgefühl so mit dem Namen, daß beide wie eins erscheinen.[9] -Im achtzehnten Jahrhundert sagte man sogar +Herr Müllers+, +Herr -Müllern+, nicht: +Herrn Müller+. Im zweiten Falle wird der Artikel zur -Apposition gesetzt und die Apposition dekliniert, dagegen bleibt der -Name undekliniert: +des Kaisers Wilhelm+, +des Herzogs Albrecht+, ein -Bild +des Ritters Georg+. Freilich geht die Neigung vielfach dahin, -auch hier die Apposition undekliniert zu lassen, z. B. +des Doktor -Müller+, +des Professor Albrecht+. Treten zwei Appositionen zu dem -Namen, eine davor, die andre dahinter, so ist für die voranstehende -nur das erste der eben besprochnen beiden Verfahren möglich, also: die -Truppen +Kaiser Heinrichs des Vierten+, das Denkmal +König Friedrichs -des Ersten+, eine Urkunde +Markgraf Ottos des Reichen+, die Bulle -+Papst Leos des Zehnten+. Beide Appositionen zu deklinieren und den -Namen undekliniert zu lassen, z. B. +Königs+ Christian +des Ersten+, -+des Kaisers+ Wilhelm +des Siegreichen+, wirkt unangenehm wegen des -Zickzackganges der beiden Kasus (Genitiv, Nominativ, Genitiv).[10] - - -Leopolds von Ranke oder Leopold von Rankes? - -Verlegenheit bereitet vielen auch die Deklination adliger Namen -oder solcher Namen, die adligen nachgebildet sind. Soll man -sagen: die Dichtungen +Wolframs von Eschenbach+ oder +Wolfram von -Eschenbachs+? Richtig ist -- selbstverständlich -- nur das erste, -denn Eschenbach ist, wie alle echten Adelsnamen, ein Ortsname, der -die Herkunft bezeichnet; den kann man doch hier nicht in den Genitiv -setzen wollen.[11] So muß es denn auch heißen: die Heimat +Walters -von der Vogelweide+, die Burg +Götzens von Berlichingen+, die -Lebensbeschreibung +Wiprechts von Groitzsch+, die Gedichte +Hoffmanns -von Fallersleben+, auch die Werke +Leonardos da Vinci+, die Schriften -+Abrahams a Sancta Clara+. - -Wie steht es aber mit den Namen, die nicht jedermann sofort als -Ortsnamen empfindet, wie +Hutten+? Wer kann alle deutschen Ortsnamen -kennen? Soll man sagen +Ulrichs von Hutten+ oder +Ulrich von Huttens+ -deutsche Schriften? Und nun vollends die zahllosen unechten Adelsnamen, -über die sich schon Jakob Grimm lustig gemacht hat: diese +von Richter+ -und +von Schulz+, +von Schmidt+ und +von Weber+, +von Bär+ und +von -Wolf+, wie stehts mit denen? Soll man sagen: +Heinrichs von Weber+ -Lehrbuch der Physik, +Leopolds von Ranke+ Weltgeschichte? Streng -genommen müßte es ja so heißen; warum behandelt man Namen, die alles -andre, nur keinen Ort bezeichnen, als Ortsnamen, indem man ihnen das -sinnlose +von+ vorsetzt! Im achtzehnten Jahrhundert war das Gefühl für -die eigentliche Bedeutung der adligen Namen noch lebendig; da adelte -man einen +Peter Hohmann+ nicht zum +Peter von Hohmann+, sondern zum -+Peter von Hohenthal+, einen +Maximilian Speck+ nicht zum +Maximilian -von Speck+, sondern zum +Maximilian Speck von Sternburg+, indem man -einen (wirklichen oder erdichteten) Ortsnamen zum Familiennamen setzte; -in Österreich verfährt man zum Teil noch heute so. Da aber nun einmal -die unechten Adelsnamen vorhanden sind, wie soll man sich helfen? Es -bleibt nichts weiter übrig, als das +von+ hier so zu behandeln, als -ob es nicht da wäre, also zu sagen: +Leopold von Rankes+ sämtliche -Werke, besonders dann, wenn der Genitiv vor dem Worte steht, von dem er -abhängig ist; steht er dahinter, so empfiehlt es sich schon eher, den -Vornamen zu flektieren: die Werke +Leopolds von Ranke+, denn man möchte -natürlich den Genitiv immer so dicht wie möglich an das Wort bringen, -zu dem er gehört. Und so verfährt man oft auch bei echten Adelsnamen, -selbst wenn man weiß, oder wenn kein Zweifel ist, daß sie eigentlich -Ortsnamen sind. Es ist das ein Notbehelf, aber schließlich erscheint er -doch von zwei Übeln als das kleinere. - - -Böte oder Boote? - -Bei einer Anzahl von Hauptwörtern wird der Plural jetzt oft mit dem -Umlaut gebildet, wo dieser keine Berechtigung hat. Solche falsche -Plurale sind: +Ärme+, +Böte+, +Bröte+, +Röhre+, +Täge+, +Böden+, -+Bögen+, +Kästen+, +Krägen+, +Mägen+, +Wägen+, +Läger+. Man redet jetzt -von Geburts+tägen+, Muster+lägern+, Fuß+böden+, Gummi+krägen+ usw. Bei -den Wörtern auf +en+ und +er+ wird dadurch allerdings ein Unterschied -zwischen der Einzahl und der Mehrzahl geschaffen, der namentlich in -Süddeutschland üblich geworden ist.[12] Dennoch ist nur die Form ohne -Umlaut richtig: +die Arme+, +die Kasten+, +die Lager+, +die Rohre+ usw. -Man denke sich, daß es in Eichendorffs schönem Liede: O Täler weit, o -Höhen -- am Schlusse hieße: Schlag noch einmal die +Bögen+ um mich, -du grünes Zelt! Auch +Herzöge+ ist eigentlich falsch; das Wort ist -bis ins siebzehnte Jahrhundert hinein nur schwach dekliniert worden: -des +Herzogen+, dem +Herzogen+, die +Herzogen+. Dann sprang es aber -in die starke Deklination über (des +Herzogs+), und nun blieben auch -die +Herzöge+ nicht aus: der +Trog+, die +Tröge+ -- der +Herzog+, die -+Herzöge+, die Ähnlichkeit war überwältigend. - - -Generäle oder Generale? - -Von den Fremdwörtern sind viele in den Umlaut hineingezogen worden, -obwohl er ihnen eigentlich auch nicht zukommt, nicht bloß Lehnwörter, -deren fremde Herkunft man nicht mehr fühlt, wie +Bischöfe+, +Paläste+, -+Pläne+, +Bässe+, +Chöre+, sondern auch Wörter, die man noch lebhaft -als Fremdwörter empfindet, wie +Altäre+, +Tenöre+, +Hospitäler+, -+Kanäle+. Aber von andern wird doch die Mehrzahl noch richtig ohne -Umlaut gebildet, wie +Admirale+, +Prinzipale+, +Journale+. Wenn sich -daher irgendwo ein Schwanken zu zeigen beginnt, so ist es klar, daß -die Form ohne Umlaut den Vorzug verdient. Besser also als +Generäle+ -ist unzweifelhaft +Generale+. Bisweilen hat die Sprache auch hier die -Möglichkeit der doppelten Form zu einer Unterscheidung des Sinnes -benutzt: +Kapitale+ (oder +Kapitalien+) sind Gelder, +Kapitäle+ -Säulenknäufe; hier heißt freilich auch schon die Einzahl +Kapitäl+. - -Auch zwischen der starken und der schwachen Deklination hat die -Pluralbildung der Fremdwörter vielfach geschwankt und schwankt zum -Teil noch jetzt. Im achtzehnten Jahrhundert sagte man +Katalogen+, -+Monologen+; jetzt heißt es +Kataloge+, +Monologe+. Dagegen sagen -die meisten jetzt +Autographen+ und +Paragraphen+; +Autographe+ und -+Paragraphe+ klingt gesucht. Unverständlich ist es, wie unsre Techniker -dazu gekommen sind, die Mehrzahl +Motore+ zu bilden, da es doch nicht -+Faktore+, +Doktore+ und +Pastore+ heißt; wahrscheinlich haben sie an -die +Matadore+ im Skat gedacht. +Effekte+ und +Effekten+ werden wieder -dem Sinne nach unterschieden: +Effekte+ sind Wirkungen, +Effekten+ -Wertpapiere oder Habseligkeiten. - - -Die Stiefeln oder die Stiefel? - -Von den Hauptwörtern auf +el+ und +er+ gehören alle Feminina der -schwachen Deklination an; daher bilden sie den Plural: +Nadeln+, -+Windeln+, +Kacheln+, +Kurbeln+, +Klingeln+, +Fackeln+, +Wurzeln+, -+Mandeln+, +Eicheln+, +Nesseln+, +Regeln+, +Bibeln+, +Wimpern+, -+Adern+, +Nattern+, +Leitern+, +Klaftern+, +Scheuern+, +Mauern+, -+Kammern+; alle Maskulina und Neutra dagegen gehören zur starken -Deklination, wie +Schlüssel+, +Mäntel+, +Wimpel+, +Zweifel+, +Spiegel+, -+Kessel+, +Achtel+, +Siegel+, +Kabel+, +Eber+, +Zeiger+, +Winter+, -+Laster+, +Ufer+, +Klöster+.[13] Die Regel läßt sich sehr hübsch bei -Tische lernen: man vergegenwärtige sich nur die richtigen Plurale von -+Schüssel+ und +Teller+, +Messer+, +Gabel+ und +Löffel+, +Semmel+, -+Kartoffel+ und +Zwiebel+, +Auster+, +Hummer+ und +Flunder+. Sie gilt, -wie die Beispiele zeigen, ebenso für ursprünglich deutsche wie für -Lehnwörter, und sie ist so fest, daß, wenn ein Lehnwort (wie es im -Laufe der Sprachgeschichte oft geschehen ist) in ein andres Geschlecht -übergeht, sofort auch die Pluralbildung wechselt. Im sechzehnten -Jahrhundert sagte man noch in der Einzahl +die Zedel+ (~schedula~), -folglich in der Mehrzahl +die Zedeln+, im achtzehnten Jahrhundert -noch in der Einzahl +die Aurikel+ (~auricula~), folglich in der -Mehrzahl die +Aurikeln+; heute heißt es +der Zettel+, +das Aurikel+ -und folglich die Mehrzahl +die Zettel+, +die Aurikel+. Also sind -Plurale wie +Buckeln+, +Möbeln+, +Stiefeln+, +Schlüsseln+, +Titeln+, -+Ziegeln+, +Aposteln+, +Hummern+ falsch und klingen gemein. Nur -+Muskel+, +Stachel+, +Pantoffel+ und +Hader+ (Lump, Fetzen) machen -eine Ausnahme (die +Muskeln+, die +Stacheln+, die +Pantoffeln+, die -+Hadern+), doch auch nur scheinbar, denn diese Wörter haben seit alter -Zeit neben ihrer männlichen auch eine weibliche Singularform (ital. -~pantofola~) oder, wie +Hader+, eine schwache männliche Nebenform (des -+Hadern+), und die hat bei der Pluralbildung überwogen. Ein Fehler ist -auch: die +Trümmern+ (in +Trümmern+ schlagen); die Einzahl heißt: der -oder das +Trumm+ (in der Bergmannsprache noch heute gebräuchlich), die -Mehrzahl die +Trümmer+. Wer noch gewöhnt ist, +Angel+ als Maskulinum zu -gebrauchen (Türangel ebenso wie Fischangel), wird die Mehrzahl bilden -+die Angel+, wer es weiblich gebraucht, sagt +die Angeln+. Ebenso ist -es mit +Quader+; wer +Quader+ männlich gebraucht, wird in der Mehrzahl -sagen: die +Quader+, wer es für weiblich hält, kann nur sagen: die -+Quadern+. Der +Oberkiefer+ und der +Unterkiefer+ heißen zusammen die -+Kiefer+; im Wald aber stehen +Kiefern+. Die +Schiffe+ haben +Steuer+ -(das +Steuer+), der Staat erhebt +Steuern+ (die +Steuer+). - -In der niedrigen Geschäftssprache machen sich jetzt aber noch andre -falsche schwache Plurale breit. In Leipziger Geschäftsanzeigen muß -man lesen: +Muffen+, +Korken+ (auch +Korken+zieher, +Korken+fabrik), -+Stutzen+ (Feder+stutzen+), auch +Korsetten+ und +Jaquetten+ (als ob -die Einzahl +Jaquette+ und +Korsette+ hieße!). Anständige Kaufleute -werden sich vor solcher Gassensprache hüten. +Muff+, +Kork+, +Stutz+ -gehören in gutem Schriftdeutsch zur starken Deklination: der +Muff+, -des +Muffs+, die +Müffe+, der +Kork+, des +Korks+, die +Korke+; die -+Muffen+ sind eins der vielen Beispiele, wo sich -- unter dem Einflusse -Berlins -- das Plattdeutsche, das man schon für abgetan hielt, wieder -durchzusetzen versucht. - - -Worte oder Wörter? Gehälter oder Gehalte? - -Die meisten reden von +Fremdwörtern+, manche aber auch von -+Fremdworten+. Was ist richtig? Die Pluralendung +er+, die namentlich -bei Wörtern sächlichen Geschlechts vorkommt (+Gräber+, +Kälber+, -+Kräuter+, +Lämmer+, +Rinder+, +Täler+), aber auch bei Maskulinen -(+Männer+, +Leiber+, +Geister+, +Wälder+, +Würmer+, +Reichtümer+), -im Althochdeutschen ~ir~ (daher der Umlaut), ist im Laufe der Zeit -auf eine große Masse von Wörtern namentlich sächlichen Geschlechts -ausgedehnt worden, die sie früher nicht hatten. Um 1500 hieß es noch: -+die Amt+, +die Kleid+, +die Pfand+, +die Land+, +die Dach+, +die -Fach+, +die Gemach+, +die Rad+, +die Schloß+, +die Schwert+, +die -Faß+, +die Bret+, daneben: +die Amte+, +die Rade+, +die Schwerte+, -+die Fasse+, und endlich kam auf: +die Ämter+, +die Räder+ usw. Bei -manchen Wörtern hat sich nun neben der jüngern Pluralform auf er -auch noch die ältere erhalten. Dann erscheint aber die ältere Form -jetzt als die edlere, vornehmere und ist auf die Ausdrucksweise des -Dichters oder des Redners beschränkt.[14] Man denke an +Denkmale+ -und +Denkmäler+, +Gewande+ und +Gewänder+, +Lande+ und +Länder+, -+Tale+ und +Täler+ (Es geht durch alle +Lande+ ein Engel still -umher -- Die +Tale+ dampfen, die Höhen glühn u. ähnl.). Bei andern -Wörtern hat sich zwischen der ältern und der jüngern Form ein -Bedeutungsunterschied gebildet. So unterscheidet man +Bande+ (des -Bluts, der Verwandtschaft, der Freundschaft) und +Bänder+, +Bande+ -sind gleichsam ein ganzes Netz von Fesseln, +Bänder+ sind einzelne -Stücke. Auch +Gesichte+ und +Gesichter+, +Lichte+ und +Lichter+ sind -dem Sinne nach zu unterscheiden. +Gesichte+ sind Erscheinungen (im -Faust: die Fülle der +Gesichte+). +Lichte+ sind Kerzen (Wachslichte, -Stearinlichte), +Lichter+ sind Flammen (durch das Fenster strahlen -unzählige +Lichter+, Sonne, Mond und Sterne sind die Himmels+lichter+). -Auf dem Altar stehen immer große +Kirchenlichte+, auf der Kanzel -aber nicht immer große +Kirchenlichter+. Bisweilen kommt auch noch -ein Geschlechtsunterschied dazu: +Schilde+ (+der Schild+) gehören zur -Rüstung; +Schilder+ (+das Schild+) sind an den Kaufmannsläden. Neben -den +Banden+ und den +Bändern+ stehen noch die +Bände+ (der Roman -hat drei +Bände+). So kam auch neben der Mehrzahl +die Wort+ oder -+die Worte+ im sechzehnten Jahrhundert die Form auf +er+ auf: +die -Wörter+. In der Bedeutung wurde anfangs kein Unterschied gemacht. Im -achtzehnten Jahrhundert aber begann man unter +Wörtern+ bloße Teile der -Sprache (~vocabula~), unter +Worten+ Teile der zusammenhängenden Rede -zu verstehen. Man sprach also nun von +Hauptwörtern+, +Zeitwörtern+, -+Fürwörtern+, +Wörterbüchern+, dagegen von +Dichterworten+, -+Textworten+, +Vorworten+ (Vorreden), +schöne Worte+ machen usw. Und -an diesem Unterschied wird auch seitdem fast allgemein festgehalten. -+Worte+ haben Sinn und Zusammenhang, +Wörter+ sind zusammenhanglos -aufgereiht. Wenn es also auch nicht gerade falsch ist, von -+Fremdworten+ oder +Schlagworten+ zu reden, so ist doch die Mehrzahl -+Fremdwörter+ vorzuziehen. Dagegen wird niemand sagen: der +Wörter+ -sind genug +gewechselt+. - -In der Sprache des niedrigen Volkes ist nun eine starke Neigung -vorhanden, die Pluralendung auf +er+ immer weiter auszudehnen. Es ist -das aber ein durchaus plebejischer Sprachzug. Nur das niedrige Volk -redet in Leipzig von +Gewölbern+ und +Geschäftern+, der Gebildete von -+Gewölben+ und +Geschäften+. Nur das niedrige Volk bildet Plurale -wie +Zelter+, +Gewinner+, +Mäßer+, +Sträußer+, +Butterbröter+, -+Kartoffelklößer+. Nur die „Ausschnitter“ preisen ihre +Rester+ an, nur -die Telephonarbeiter kommen, um „+die Elementer+ nachzusehen“.[15] Und -wie gemein erscheinen die +Dinger+, mit denen sich das Volk überall -da hilft, wo es zu unwissend oder zu faul ist, einen Gegenstand mit -seinem Namen zu nennen![16] So kommt es, daß die Endung +er+ in der -guten Schriftsprache bisweilen selbst da wieder aufgegeben worden -ist, wo sie früher eine Zeit lang ausschließlich im Gebrauch war, wie -bei +Scheit+; die Mehrzahl heißt jetzt +Scheite+, früher hieß sie -+Scheiter+ (vgl. +Scheiterhaufe+ und +scheitern+). Auch bei +Ort+ ist -eine rückläufige Bewegung zu beobachten: während früher die Mehrzahl -+Örter+ ganz gebräuchlich war, ist sie in neuerer Zeit fast ganz -verschwunden; man spricht fast nur noch von +Orten+. Dagegen hat leider -der plebejische Plural +Gehälter+ (Lehrer+gehälter+, Beamten+gehälter+) -gleichzeitig mit dem häßlichen Neutrum +das Gehalt+ von Norddeutschland -aus selbst in den Kreisen der Gebildeten große Fortschritte gemacht. -Auch in Leipzig, wo Freytag noch 1854 in seinen Journalisten richtig -+der Gehalt+ und +die Gehalte+ geschrieben hat, halten es schon viele -für fein, +das Gehalt+ und die +Gehälter+ zu sagen. Nun verteilen -sich ja die Hauptwörter, die aus Zeitwortstämmen mit dem Präfix -+Ge-+ gebildet sind, auf alle drei Geschlechter. Männlich sind: -+Geruch+, +Geschmack+, +Gedanke+; weiblich: +Geburt+, +Geduld+; -sächlich: +Gehör+, +Gesicht+, +Gewehr+, +Gewicht+. Man mag auch die -Unterscheidung von: +der Gehalt+ (Gedankengehalt, Silbergehalt des -Erzes) und +das Gehalt+ (Besoldung) in Norddeutschland als willkommne -Bereicherung der Sprache empfinden (vgl. +der Verdienst+ und +das -Verdienst+, wo freilich der Bedeutungsunterschied gerade umgekehrt -ist).[17] In Mitteldeutschland klingt aber vorläufig vielen Gebildeten -+das Gehalt+ noch gemein, und +die Gehälter+ stehen für unser Ohr -und unser Gefühl durchaus auf einer Stufe mit den +Gewölbern+, den -+Geschäftern+ und den +Geschmäckern+.[18] Weshalb sollen wir uns also -so etwas aufnötigen lassen? - - -Das s der Mehrzahl - -Von zwei verschiednen Seiten her ist eine Pluralbildung auf s in unsre -Sprache eingedrungen. Wenn wir von +Genies+, +Pendants+, +Etuis+, -+Portemonnaies+, +Korsetts+, +Beefsteaks+ und +Meetings+ reden, so ist -das s natürlich das französische und englische Plural-s, das diesen -Wörtern zukommt. Aber man redet auch von +Jungens+ und +Mädels+, -+Herrens+ und +Fräuleins+, +Kerls+ und +Schlingels+, +Hochs+ und -+Krachs+, +Bestecks+, +Fracks+, +Schmucks+, +Parks+ und +Blocks+ -(Bau+blocks+), +Echos+ und +Villas+ (statt Villen), +Vergißmeinnichts+ -und +Stelldicheins+, +Polkas+, +Galopps+, +Tingeltangels+ und +Trupps+ -(Studenten+trupps+), +Uhus+ und +Känguruhs+, +Wenns+ und +Abers+, U’s -und T’s, +Holbeins+ und +Lenbachs+ (zwei neue +Lenbachs+, ein paar -echte +Holbeins+), von den +Fuggers+ und den +Schlegels+, und einzelne -Universitätslehrer kündigen gar schon am schwarzen Brett ihre +Kollegs+ -an! Alle diese Formen sind unfein. In Süddeutschland bezeichnet man sie -als ~pluralis Borussicus~. Ihr Plural-s stammt aus der niederdeutschen -Mundart[19]; nur dieser gehören ursprünglich die +Jungens+ und die -+Mädels+ an. Aus Verlegenheit ist dieses s dann auch im Hochdeutschen -an Fremdwörter, an unechte Substantiva und schließlich auch an echte -deutsche Substantiva gehängt worden. - -Beschämend für uns Deutsche, die wir uns so gern etwas auf unsre -Kenntnisse zugute tun, sind Formen wie +Solis+, +Mottis+, +Kollis+ und -+Portis+, denn da ist das falsche deutsche Plural-s an die richtige -italienische Pluralendung gehängt! Die Einzahl heißt ja +Solo+, -+Motto+, +Kollo+ und +Porto+. Freilich wird auch schon in der Einzahl -+das Kolli+ gesagt, und nicht bloß von Markthelfern und Laufburschen! - - -Fünf Pfennig oder fünf Pfennige? - -Wenn fünf einzelne Pfennige auf dem Tische liegen, so sind das -unzweifelhaft fünf Pfennige; wenn ich aber mit diesen fünf Pfennigen -(oder auch mit einem Nickelfünfer) eine Zigarre bezahle, kostet die -dann fünf +Pfennige+ oder, wie auf dem Nickelfünfer steht, fünf -+Pfennig+? Schwierige Frage! - -Bei Angaben von Preis, Gewicht, Maß, Zeit, Lebensalter usw. ist oft -eine Pluralform üblich, die sich vom Singular nicht unterscheidet, -wenigstens bei Wörtern männlichen und sächlichen Geschlechts,[20] wie -bei +Taler+, +Gulden+, +Groschen+, +Heller+, +Pfennig+, +Batzen+, -+Pfund+, +Lot+, +Fuß+, +Zoll+, +Schuh+, +Faden+, +Faß+, +Glas+ (zwei -+Glas+ Bier), +Maß+, +Ries+, +Buch+ (drei +Buch+ Papier), +Blatt+,[21] -+Jahr+, +Monat+, +Mann+ (sechs +Mann+ Wache), +Schritt+, +Schuß+ -(tausend +Schuß+), +Stock+ (drei +Stock+ hoch). Diese Formen sind -natürlich keine wirklichen Singulare, sondern zum Teil sind es alte -Pluralformen (vgl. S. 20 +Fach+ und +Fächer+), zum Teil Formen, die -solchen unwillkürlich nachgebildet worden sind. Von einer Regel also, -daß in allen solchen Fällen der Singular stehen müsse, kann keine Rede -sein. Es ist ganz richtig, zu sagen: das Kind ist +drei Monate+ alt, -+drei+ Jahre alt, wie denn auch jeder +drei Taler+, +drei Gulden+, -+drei Groschen+ sicherlich als Plural fühlen, folglich auch sagen wird: -ich habe das Bild mit +zehn Talern+ bezahlt (nicht mit +zehn Taler+!). -Und so haben wir auch in Mitteldeutschland früher immer +Pfennige+ -gesagt so gut wie +Könige+, +Käfige+ und +Zeisige+. (In dem alten Liede -von der Seestadt Leipzig heißt es sogar: Und ein einzig Lot Kaffee -kostet +sechzehn Pfennigee+.) Bis 1880 war auch auf unsern Briefmarken -so gedruckt. Wahrscheinlich war das aber nicht „schneidig“ genug, -und so hieß es von da an 3 +Pfennig+, 5 +Pfennig+, worauf 1889 die -Abkürzung +Pf.+ erschien, die jeder lesen konnte, wie er wollte, bis -schließlich gar nur noch die Ziffer übrig blieb! - - -Jeden Zwanges oder jedes Zwanges? - -Zu den unbehaglichsten Kapiteln der deutschen Grammatik gehört die -Deklination zweier miteinander verbundner Nomina, eines Substantivs -und eines Adjektivs. Heißt es: +jeden Zwanges+ oder +jedes Zwanges+? -+sämtlicher deutscher Stämme+ oder +sämtlicher deutschen Stämme+? -+großer Gelehrter+ oder +großer Gelehrten+? ein +schönes Ganzes+ oder -ein +schönes Ganze+? von +hohem praktischen Werte+ oder von +hohem -praktischem Werte+? So unwichtig die Sache manchem vielleicht scheint, -so viel Verdruß oder Heiterkeit (je nachdem) bereitet sie dem Fremden, -der Deutsch lernen möchte, und so beschämend ist es für uns Deutsche -selbst, wenn wir dem Fremden sagen müssen: Wir wissen selber nicht, was -richtig ist, sprich, wie du willst! Mit einigem guten Willen ist aber -doch vielleicht zu ein paar klaren und festen Regeln zu gelangen. - -Die Adjektiva können stark und auch schwach dekliniert werden. In der -schwachen Deklination haben sie, wie die Hauptwörter, nur die Endung -+en+, in der starken haben sie die Endungen des hinweisenden Fürwortes: -+es+, +em+, +en+ usw. Nach der starken Deklination gehen sie, wenn sie -allein beim Substantiv stehen, ohne vorhergehenden Artikel, und im -Singular, wenn ein Pronomen ohne Endung vorhergeht: +mein guter Hans+, -+du alter Freund+, +unser jährlicher Umsatz+, +welch vorzüglicher+ -Wein. In allen andern Fällen gehn sie nach der schwachen Deklination. -Es muß also heißen: +gerades Wegs+, +guter Hoffnung+, +schwieriger -Fragen+, dagegen +des geraden Wegs+, +der guten Hoffnung+, +der -schwierigen Fragen+, +dieser schwierigen+ Fragen, +welcher schwierigen+ -Fragen, +solcher schwierigen+ Fragen, auch +derartiger+ und +folgender -schwierigen+ Fragen, +beifolgendes kleine+ Buch (denn +derartiger+ -steht für +solcher+, +folgender+ und +beifolgender+ für +dieser+). - -So ist auch die ältere Sprache überall verfahren; Luther kennt Genitive -wie +süßen Weines+ fast noch gar nicht. Im siebzehnten und achtzehnten -Jahrhundert aber drang, obgleich Sprachkundige eifrig dagegen -ankämpften, bei dem männlichen und dem sächlichen Geschlecht im Genitiv -des Singulars immer mehr die schwache Form ein, und gegenwärtig hat -sie sich fast überall festgesetzt; man sagt: +frohen Sinnes+, +reichen -Geistes+, +weiblichen Geschlechts+, +größten Formats+. Höchstens +gutes -Muts+, +reines Herzens+, +gerades Wegs+ wird bisweilen noch richtig -gesagt. Bei den besitzanzeigenden Adjektiven (+mein+, +dein+, +sein+, -+unser+, +euer+, +ihr+) hat sich die starke Form überall unangetastet -erhalten (+meines Wissens+, +unsers Lebens+), dagegen ist es bei den -Zahlbegriffen (+jeder+, +aller+, +vieler+, +keiner+, +mancher+) ins -Schwanken gekommen. Wie man sagt: +größtenteils+ und +andernteils+, -so sagt man auch +jedenfalls+ und +allenfalls+ neben +keineswegs+, -+keinesfalls+, +jedes Menschen+, +keines Worts+, +alles Lebens+, +alles -Ernstes+. Nur wenige schreiben noch richtig: trotz +alles Leugnens+, -trotz +manches Erfolgs+, trotz +vieles Aufwands+; die meisten -schreiben: trotz +allen Leugnens+ usw. - -Bei +jeder+ erklärt sich das Schwanken vielleicht daher, daß +jeder+ -wie ein Adjektiv auch mit dem unbestimmten Artikel versehen werden -kann (+ein jeder+ Mensch), eine Verbindung, die manche Schriftsteller -bis zum Überdruß lieben, als ob sie das bloße +jeder+ gar nicht mehr -kennten. - -Die Schule sollte sich auch hier bemühen, die alte, richtige Form, wo -sie sich noch erhalten hat, sorgfältig zu schützen und zur Schärfung -des Sprachgefühls zu benutzen. Und wo ein Schwanken besteht, wie bei -+jeder+, da sollte doch kein Zweifel sein, wie man sich zu entscheiden -hat. Falsch ist: die Abwehr +jeden+ Zwanges; richtig ist nur: die -Abwehr +jedes Zwanges+ oder +eines jeden Zwanges+ (wie die Bekämpfung -+solches Unsinns+ oder +eines solchen Unsinns+). - -Merkwürdig ist, daß sich nach +solcher+ die schwache Deklination -noch nicht so festgesetzt hat wie nach +welcher+. Während jeder ohne -Besinnen sagt: +welcher gute+ Mensch, +welches guten+ Menschen, +welche -guten+ Menschen, auch +solcher vollkommnen+ Exemplare, hört man im -Nominativ und Akkusativ der Mehrzahl viel öfter: +solche vollkommne+ -Exemplare. Es kommt das wohl daher, daß auch +solcher+ oft mehr etwas -adjektivisches hat. Ebenso ist es bei +derartiger+ (für +solcher+) -und +folgender+ (für +dieser+). Jeder wird im Nominativ vorziehen: -+folgende schwierige+ Fragen, dagegen im Genitiv vielleicht +folgender -schwierigen+ Fragen (wie +dieser schwierigen+ Fragen). - -Manche Leute glauben, daß Adjektiva, deren Stamm auf m endigt, nur -einen schwachen Dativ bilden könnten, weil +mem+ „schlecht klinge“, -daß es also heißen müsse: mit +warmen Herzen+, mit +geheimen Kummer+, -mit +stummen Schmerz+, mit +grimmen Zorn+, von +vornehmen+ Sinn, +bei -angenehmen+ Wetter, bei +gemeinsamen+ Lesen -- ein ganz törichter -Aberglaube. - - -Anderen, andren oder andern? - -Ein garstiger Mißbrauch herrscht in der Deklination bei den Adjektiven, -deren Stamm auf +el+ und +er+ endigt, wie +dunkel+, +edel+, +eitel+, -+übel+, +lauter+, +wacker+; auch die Komparativstämme, wie +besser+, -+größer+, +unser+, +euer+, +inner+, +äußer+, +ander+, gehören dazu. -Bei diesen Adjektiven kommen in der Deklination zwei Silben mit kurzem -e zusammen, also des +eitelen+ Menschen, dem +übelen+ Rufe, dem -+dunkelen+ Grunde, +unseres+ Wissens, mit +besserem+ Erfolge, aus -+härterem+ Holze. Diese Formen sind unerträglich: man schreibt sie wohl -bisweilen, aber niemand spricht sie, eins der beiden e muß weichen. -Aber welches von beiden? Die richtige Antwort darauf gibt der Infinitiv -der Zeitwörter, die von Stämmen auf +el+ und +er+ gebildet werden. -Auch da treffen zwei e zusammen, von denen eins beseitigt werden muß. -Nun ist es zwar hie und da in Deutschland, z. B. in Hannover, beliebt, -zu sagen: +tadlen+, +handlen+, +wandlen+, +veredlen+, +vermittlen+, -+verdunklen+, +verwechslen+, +ausbeutlen+, +mildren+, +verwundren+, -+erschüttren+, +veräußren+, +versilbren+, +versichren+, +erläutren+, -im allgemeinen aber spricht, schreibt und druckt man doch +tadeln+, -+veredeln+, +erinnern+, +erläutern+, d. h. man opfert das e der Endung -und bewahrt das e des Stammes. Ebenso geschieht es auch in der Flexion -des Verbums: +er vereitelt+, er +verändert+, nicht er +vereitlet+, er -+verändret+. Und so ist es gut und vernünftig. Denn nicht nur daß das -Stamm-e wichtiger ist als das der Endung, die Formen auf +eln+ und -+ern+ klingen auch voller und schöner.[22] Genau so verhält sichs bei -den genannten Adjektiven. Aber fast in allen Büchern und Zeitungen -druckt man die häßlich weichlichen Formen: +unsres+ Jahrhunderts, -des +üblen+ Rufes, die +ältren+ Ausgaben, meiner +teuren+ Gemeinde, -in der +ungeheuren+ Menschenmenge, und doch spricht fast jedermann: -+unsers+ Jahrhunderts, des +übeln+ Rufes, die +ältern+ Ausgaben, meiner -+teuern+ Gemeinde, in der +ungeheuern+ Menschenmenge. Man druckt ja -nicht: die +Eltren+, überall wird richtig +Eltern+ gedruckt, warum also -nicht auch die +ältern+? beides ist doch dasselbe.[23] Bei dem Dativ-m -kann man zugeben, daß, wenn das Stamm-e erhalten und das e der Endung -ausgeworfen wird, zuweilen etwas harte Formen entstehen; im allgemeinen -ist aber auch hier auf +dunkelm+ Grunde, mit +besserm+ Erfolg gewiß -vorzuziehen. - - -Von hohem geschichtlichen Werte oder von hohem geschichtlichem Werte? - -Wenn zu einem Hauptwort mehrere Eigenschaftswörter treten, so ist es -selbstverständlich, daß sie in der Deklination gleichmäßig behandelt -werden müssen. Da haben nun manche in der starken Deklination, wenn -das Eigenschaftswort allein, ohne Artikel oder Fürwort steht, im Dativ -der Einzahl einen künstlichen Unterschied schaffen wollen. Sie haben -gelehrt, nur dann, wenn zwei Adjektiva gleichwertig nebeneinander -stünden, wenn sie dem Sinne nach koordiniert wären, ~a-a-s~, dürften -sie gleichmäßig behandelt werden, z. B. Tiere mit +rotem, kaltem+ -Blute, nach +langem, heißem+ Kampfe; wenn dagegen das zweite Adjektiv -mit dem Substantiv einen einheitlichen Begriff bilde, der durch das -erste Adjektiv nur näher bestimmt werde, das erste also dem zweiten -übergeordnet sei, ~a~/(~a-s~), so müsse das zweite schwach dekliniert -werden, wie wenn es hinter einem Fürwort stünde, z. B. mit +echtem -Kölnischen+ Wasser, nach +allgemeinem deutschen+ Sprachgebrauch, zu -+kühnem dramatischen+ Pathos, mit +eigentümlichem humoristischen+ -Anstrich, von +großem praktischen+ Wert, aus +übertriebnem -patriotischen+ Zartgefühl, aus +süddeutschem adligen+ Besitz. Ebenso -müsse im Genitiv der Mehrzahl unterschieden werden zwischen: +frischer, -süßer Kirschen+ (denn die Kirschen seien frisch und süß) und +neuer -isländischen Heringe+, +scharfer indianischen Pfeile+, +einheimischer -geographischen Namen+, +ehemaliger freien+ Reichsstädte (denn die -Heringe seien nicht neu +und+ isländisch, sondern die isländischen -Heringe seien neu). - -Diese Unterscheidung ist logisch unzweifelhaft notwendig, und sie -muß auch in der Interpunktion zum Ausdruck kommen: koordinierte -Adjektiva werden durch ein Komma getrennt, während zwischen zwei -Eigenschaftswörtern, von denen eins dem andern übergeordnet ist, -kein Komma stehen darf. Grammatisch aber ist die Unterscheidung die -reine Willkür. Warum sollte sie auch gerade auf diese beiden Kasus -beschränkt werden? auf den Dativ im Singular und den Genitiv im Plural? -Nur in diesen beiden Kasus aber soll sie gelten, in den übrigen Kasus -fällt es niemand ein, das zweite Adjektiv jemals in die schwache Form -zu bringen. Oder sagt jemand: ohne +selbständiges geschichtliche+ -Studium? von +bewährter christlichen+ Gesinnung?[24] Dazu kommt, -daß sich in manchen Fällen kaum entscheiden läßt, ob zwei Adjektiva -einander koordiniert sind oder eins dem andern untergeordnet, z. B. -nach +ergebnislosem zweijährigem+ Versuche. Unsre Romanschriftsteller -scheinen zu glauben, daß stets eine Unterordnung vorliege, wenn das -zweite Adjektiv eine Farbe bedeutet: sie schreiben fast ausnahmlos: -bei +schönem blauen+ Himmel, mit +langem schwarzen+ Haar, mit -+schmalem braunen+ Rande, mit +auffälligem roten+ Bande. Das ist -völlig widersinnig. Freilich gibt es langes schwarzes Haar und kurzes -schwarzes Haar. Aber eine solche Sortierung schwebt doch hier nicht -vor. Bei dem schönen, blauen Himmel vollends denkt doch niemand an eine -andre, weniger schöne Art von blauem Himmel, sondern +blau+ ist eine -weitere Ausführung und Begründung von +schön+: der Himmel ist schön, -weil er blau ist. Ebenso ist das Band auffällig, weil es rot ist. In -Todesanzeigen kann man täglich lesen, daß jemand nach +langem, schweren -Leiden+ oder nach +kurzem, schweren+ Leiden gestorben sei. Man liest -es so häufig, daß man fast glauben möchte, die Setzer setzten auch das -gewohnheitsmäßig so, selbst wenn in der Druckvorlage richtig gestanden -hat: nach +langem, schwerem+ Leiden. Denn daß auch gebildete Menschen -das immer falsch schreiben sollten, ist doch kaum anzunehmen. - - -Sämtlicher deutscher Stämme oder sämtlicher deutschen Stämme? - -Große Unsicherheit herrscht in der Deklination der Adjektiva im -Genitiv der Mehrzahl nach den Zahlbegriffen +alle+, +keine+, +einige+, -+wenige+, +einzelne+, +etliche+, +manche+, +mehrere+, +viele+, -+sämtliche+, denen sich auch die Adjektiva +andre+, +verschiedne+ -und +gewisse+ anschließen, die beiden letzten, wenn sie in dem Sinne -von +mehrere+ und +einige+ stehen. Da sagt man: +aller guten+ Dinge, -+aller halben+ Stunden, +mancher kleinen+ Souveräne, +einzelner -ausgezeichneten+ Schriftsteller, +verschiedner schweren+ Bedenken, -+gewisser aristokratischen+ Kreise, aber auch: +vieler andrer+ -Gebiete, +vieler damaliger preußischer+ Offiziere, +einzelner großer -politischer+ Ereignisse, +sämtlicher deutscher evangelischer+ -Kirchenregimente, +gewisser mathematischer+ Kenntnisse. Sollte es denn -nicht möglich sein, hier Ordnung und Regel zu schaffen? - -Tatsache ist, daß auch nach allen diesen Wörtern die Adjektiva -ursprünglich stark dekliniert worden sind. Ebenso ist es Tatsache, daß -die schwache Form nur nach zweien von ihnen endgültig durchgedrungen -ist: nach +alle+ und +keine+. Sollte das nicht einen tiefern Grund -haben? Die schwache Form ist endgültig durchgedrungen auch hinter -dem bestimmten Artikel, hinter den hinweisenden Fürwörtern (+dieser+ -und +jener+) und hinter den besitzanzeigenden Adjektiven (+mein+, -+dein+ usw.). In allen diesen Fällen aber handelt es sich um eine -ganz bestimmte Menge. Dagegen bezeichnet die artikellose Form eine -unbestimmte Menge. Sollte es nun Zufall sein, daß gerade +alle+ (mit -seiner Negation +keine+) der Form gefolgt ist, die eine bestimmte -Menge ausdrückt? +Alle+ und +keine+ sind die einzigen in der ganzen -Reihe. Alle übrigen (+viele+, +einige+, +manche+ usw.) bezeichnen eine -unbestimmte Menge; +viele+ und +einige+ bleiben +viele+ und +einige+, -auch wenn einer dazukommt oder abgeht. Sollte sich nicht deshalb hier -die artikellose Form erhalten haben? Im Nominativ überall: +viele -junge+ Leute, +manche bittre+ Erfahrungen, +verschiedne schwere+ -Bedenken, +gewisse aristokratische+ Kreise. Erst im Genitiv beginnt das -Schwanken zwischen +vieler junger+ Leute und +vieler jungen+ Leute, -+verschiedner freisinniger+ Blätter und +verschiedner freisinnigen+ -Blätter, +mehrerer andrer ausländischer+ Blätter und +mehrerer andern -ausländischen+ Blätter. Unzweifelhaft wäre also die starke Form hier -überall vorzuziehen. Nur noch hinter +sämtliche+ wäre die schwache am -Platze, denn +sämtliche+ bedeutet ja dasselbe wie +alle+, also eine -bestimmte Menge. - -Hinter den wirklichen Zahlwörtern +zwei+, +drei+, +vier+, +fünf+ usw. -steht im Nominativ überall die starke Form, so auch im Genitiv, solange -die Zahlwörter selbst undekliniert bleiben: die Kraft +vier starker+ -Männer, um +fünf Gerechter+ willen. Dagegen beginnt das Schwanken, -sobald die Zahlwörter selbst wie Adjektiva dekliniert werden: ein Kampf -+zweier großen+ Völker steht neben einem Kampf +zweier großer+ Völker. -Daß aber auch hier die starke Form vorzuziehen sei, kann wohl keinem -Zweifel unterliegen. +Beide+ dagegen schließt sich natürlich an +alle+ -und +keine+ an: +beide großen+ Männer, +beide+ hier +mitgeteilten+ -Schriftstücke. - - -Ein schönes Äußeres oder ein schönes Äußere? Großer Gelehrter oder -großer Gelehrten? - -Adjektiva und Partizipia, die substantiviert wurden, nahmen in der -ältesten Zeit stets die schwache Form an, auch hinter dem unbestimmten -Artikel. Reste davon sind +Junge+ (ein +Junge+), eigentlich ein -+Junger+, das in der Form +Jünger+ noch daneben steht, und +Untertan+ -(e), eigentlich ein +Untertaner+. Später ist auch bei solchen -substantivierten Adjektiven und Partizipien überall hinter +ein+ die -starke Form eingetreten: ein +Heiliger+, ein +Kranker+, ein +Fremder+, -ein +Gelehrter+, ein +Verwandter+, ein +Junges+ (von Hund oder -Katze), ein +Ganzes+, und stark wird auch überall der alleinstehende -artikellose Plural jetzt dekliniert: +Heilige+, +Verwandte+, -+Geistliche+, +Gelehrte+, +Junge+ (der Hund hat +Junge+ bekommen). -Werden aber diese substantivierten Adjektiva und Partizipia mit einem -Adjektiv versehen, so erhält sich ihre schwache Form: ein +schönes -Ganze+ (noch genau so wie ein +guter Junge+), +mein ganzes Innere+, -von +auffälligem Äußern+, mit +zerstörtem Innern+, und namentlich -im Genitiv der Mehrzahl: eine Anzahl +wunderlicher Heiligen+, eine -Versammlung +evangelischer Geistlichen+, ein Kreis +lieber Verwandten+, -die Stellung +höherer Beamten+, die Arbeiten +großer Gelehrten+, -ein Kreis +geladner Sachverständigen+, große Züge +französischer -Kriegsgefangnen+, die Lehren +griechischer Weisen+ usw. - -Neuerdings versucht man, auch hier überall krampfhaft die starke -Form durchzudrücken und lehrt, weil es heißt +ein Ganzes+, so müsse -es auch heißen: ein +schönes Ganzes+, mein +ganzes Inneres+, ein -+ungewöhnliches Äußeres+, mit +zerrüttetem Innerm+, und im Genitiv -der Mehrzahl: ein Dutzend +deutscher Gelehrter+, die Aufnahme -+choleraverdächtiger Gefangner+, das Eigentum +französischer -Staatsangehöriger+, inmitten +scheelblickender Fremder+, die -Genossenschaft +deutscher Bühnenangehöriger+, der Verband +sächsischer -Industrieller+, zum Besten +armer Augenkranker+, zur Unterstützung -+verschämter Armer+, die Anstellung +pensionierter Geistlicher+, -Mißgriffe +preußischer Polizeibeamter+, die Einführung +neugewählter -Stadtverordneter+, Geldbeiträge +reicher Privater+, der Streit -+zweier berühmter deutscher Gelehrter+, die Zustimmung +vieler -amerikanischer+, +spanischer+ und +französischer Gelehrter+, die -Einbildung +etlicher wunderlicher Heiliger+ usw. Daß die gehäuften -+er+ in den Endungen nicht gerade schön klingen, würde nichts zu sagen -haben; das ließe sich auch gegen manche andre Endung einwenden. Aber -da die schwache Form in diesem Falle das ältere ist, so verdient sie -unbedingt den Vorzug. Unsre besten Schriftsteller haben nie anders -geschrieben als: zur Unterstützung +verschämter Armen+, Lieder +zweier -Liebenden+, zur Bewaffnung +unbegüterter Freiwilligen+, inmitten -+eifersüchtiger Fremden+ usw. Wenn man heute hört: nach dem Urteil -+hervorragender Gelehrter+, so vermißt man stets das Hauptwort, denkt -sich unwillkürlich +hervorragender gelehrter+ geschrieben (mit g) -und meint, es müsse noch folgen: +Männer+. Nur die schwache Form -erzeugt das Substantivgefühl. Ein +schönes Ganzes+ und nach dem Urteil -+hervorragender Gelehrter+ sind unnatürliche, gewaltsame Erzeugnisse -der Halbwisserei. - -Eine Liederlichkeit ist es, substantivierte weibliche Adjektivformen, -wie die +Rechte+, die +Linke+, die +Weiße+ (eine Berliner +Weiße+), -wie Substantiva zu behandeln und zu schreiben: die Einführung +der+ -Berliner +Weiße+; richtig ist nur: +der+ Berliner +Weißen+, wie in -+seiner Rechten+, auf der +äußersten Linken+. Auch die +Herbstzeitlose+ -gehört hierher und die +junge Schöne+, die natürlich ebenso wie die -Maskulina im Genitiv der Mehrzahl bilden muß: Ein Kreis +junger -Schönen+ (nicht +Schöner+). - - -Das Deutsche und das Deutsch. - -Die Sprach- und die Farbenbezeichnungen bilden ein substantiviertes -Neutrum in zwei Formen nebeneinander, in einer Form mit -Deklinationsendung und einer Form ohne Endung: +das Deutsche+ und -+das Deutsch+, +das Englische+ und +das Englisch+, +das Blaue+ (ins -+Blaue+ hinein reden) und +das Blau+ (das Himmelblau), +das Weiße+ (im -Auge) und +das Weiß+ (das Eiweiß). Zwischen beiden Formen ist aber -ein fühlbarer Bedeutungsunterschied. +Das Deutsche+ bezeichnet die -Sprache überhaupt, und dem schließt sich auch das +Hochdeutsche+, das -+Plattdeutsche+ usw. an. Sobald aber irgendein beschränkender Zusatz -hinzutritt, der eine besondre Art oder Form der deutschen Sprache -bezeichnet, wird die kürzere Form gebraucht: das +heutige Deutsch+, ein -+fehlerhaftes Deutsch+, das +beste Deutsch+, +Goethes Deutsch+, +mein -Deutsch+, +dieses Deutsch+, das +Juristendeutsch+, das +Tintendeutsch+ -(Goethe im +Faust+: in +mein geliebtes Deutsch+ zu übertragen; der -Deutsche ist gelehrt, wenn er +sein Deutsch+ versteht). - -Die längere Form: +das Deutsche+, +das Blaue+ muß natürlich schwach -dekliniert werden: der Lehrer +des Deutschen+, die beste Zensur +im -Deutschen+, ein Kirchlein steht +im Blauen+, Willkommen im +Grünen+! -Die kürzere Form halten manche für ganz undeklinierbar und schreiben: -+des Juristendeutsch+, eines +feurigen Rot+. Sie steht aber durchaus -auf einer Stufe mit andern endunglosen substantivierten Neutren, wie: -das +Gut+, das +Übel+, das +Recht+, das +Dunkel+, das +Klein+ (für -+Kleinod+, +Kleinet+, z. B. Gänse+klein+), das +Wild+, und es ist -nicht einzusehen, weshalb man nicht sagen soll: des +Eigelbs+, des -+Tintendeutschs+. An das +tschs+ braucht sich niemand zu stoßen, sonst -dürfte man auch nicht sagen: des Erd+rutschs+, des Stadt+klatschs+. - -Ganz unsinnig ist, was man fort und fort auf den Titelblättern aus -fremden Sprachen übersetzter Bücher lesen muß: +aus dem Französischen -des Voltaire+ übersetzt u. ähnl. Man kann über +das Französisch -Voltaires+ (nicht +das Französische+!) eine wissenschaftliche -Abhandlung schreiben, aber übersetzen kann man etwas nur +aus dem -Französischen+ schlechthin; der Name des französischen Verfassers muß -an andrer Stelle auf dem Titelblatt angebracht werden: +Voltaires+ -Briefe, +aus dem Französischen+ übersetzt usw. - - -Lieben Freunde oder liebe Freunde? - -Obwohl es keinem Menschen einfällt, in der Anrede zu sagen: +teuern+ -Freunde, +geehrten+ Herren, +geliebten+ Eltern, schwankt man -wunderlicherweise seit alter Zeit bei dem Adjektivum +lieb+. Das -ursprüngliche ist allerdings, daß beim Vokativ die schwache Form steht. -Aber bereits im Althochdeutschen dringt die starke Form ein, und im -Neuhochdeutschen gewinnt sie bis zum achtzehnten Jahrhundert die -Oberhand. Auch die Kanzleisprache sagte schließlich: +liebe Getreue+ -statt: +lieben Getreuen+! Und heute haben wir bei einer Verbindung -wie +lieben Freunde+ (wie Luther noch schreibt) nicht mehr das Gefühl -von etwas organischem, von etwas, das so in Ordnung wäre, sondern die -Empfindung einer gewissen Altertümelei. Wer diese Empfindung nicht -erregen will, wird die schwache Form in der Anrede vermeiden. - - -Wir Deutsche oder wir Deutschen? - -Ist es richtiger, zu sagen: +wir Deutsche+ oder +wir Deutschen+? -Diese Frage, die eine Zeit lang viel Staub aufgewirbelt hat, würde -wohl gar nicht entstanden sein, wenn nicht Bismarck in der bekannten -Reichstagssitzung vom 6. Februar 1888 den Ausspruch getan hätte, der -dann auf zahllosen Erzeugnissen des Gewerbes (Bildern, Gedenkblättern, -Denkmünzen, Armbändern usw.) angebracht worden ist: +Wir Deutsche+ -fürchten Gott, sonst nichts auf der Welt. Denn so hat er nach den -stenographischen Berichten gesagt, und so war er also wohl gewohnt zu -sagen. Aber schon der Umstand, daß die Zeitungen am 7. Februar (vor dem -Erscheinen der stenographischen Berichte!) druckten: +Wir Deutschen+, -und daß sich die Gewerbetreibenden vielfach zu vergewissern suchten, -wie er denn eigentlich gesagt habe, zeigt, daß seine Ausdrucksweise -auffällig war; dem Volksmunde war geläufiger: +wir Deutschen+, und so -ist in der Tat schon im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert viel -öfter gesagt worden als +wir Deutsche+, obwohl es in der Einzahl heißt: -+ich Deutscher+, und heute vollends sagt niemand mehr: +wir Arme+, +ihr -Reiche+, +wir Alte+, +ihr Junge+, sondern +wir Armen+ (Gretchen im -Faust: am Golde hängt, nach Golde drängt doch alles, ach +wir Armen+!), -+ihr Reichen+, +wir Alten+, +ihr Jungen+, +wir Konservativen+, -+wir Liberalen+, +wir Wilden+ (Seume: +wir Wilden+ sind doch beßre -Menschen), +wir Geistlichen+, +wir Gesandten+, +wir Vorgenannten+, +wir -Unterzeichneten+, +wir armen Deutschen+, +wir guten dummen Deutschen+, -+wir Deutschen+ sind halt +Deutsche+! Es ist gar nicht einzusehen, -weshalb gerade die Deutschen von all diesen substantivierten Adjektiven -und Partizipien eine Ausnahme machen sollen. Wenn sich augenblicklich -gewisse Leute, denen es gar nicht einfallen würde, zu sagen: +wir -Arme+, mit dem vereinzelt aufgeschnappten und ihrem eignen Munde ganz -ungewohnten +wir Deutsche+ spreizen, so ist das einfach lächerlich. - -Die Ursache, weshalb hinter +wir+ und +ihr+ schon früh die schwache -Form bevorzugt worden ist, ist offenbar dieselbe, die hinter den -hinweisenden Fürwörtern, den besitzanzeigenden Adjektiven und hinter -+alle+ und +keine+ wirksam gewesen ist (vgl. S. 32): daß es sich um -eine bestimmte Menge handelt. Wenn man sagt: +wir Deutschen+, so -meint man damit entweder alle Deutschen überhaupt oder alle Deutschen -in einem bestimmten Falle, z. B. alle, die in einer aus Angehörigen -verschiedner Nationen gemischten Versammlung anwesend sind. Daß im -Akkusativ der Mehrzahl die starke Form vorgezogen worden ist: +uns -Deutsche+, hat seinen Grund wieder darin, daß man ihn sonst nicht hätte -vom Dativ unterscheiden können (bei Burkhard Waldis aber: und das Reich -an +uns Deutschen+ kummen). - -Ein Unterschied läßt sich zwischen +wir beiden+ und +wir beide+ -machen. Wenn der Lehrer am Schluß der Stunde fragt: wer ist noch nicht -drangewesen? ein Schüler dann antwortet: +Wir beiden+ sind noch nicht -drangewesen, der Lehrer das bezweifelt und sagt: Ich dächte, +du+ wärst -schon drangewesen, so kann der Schüler das zweitemal antworten: Nein, -+wir beide+ sind noch nicht drangewesen. Im zweiten Falle wird +beide+ -zum Prädikat gezogen, +wir beiden+ dagegen ist dasselbe wie +wir zwei+. -Freilich heißt es in Holteis Mantellied auch: +Wir beide+ haben niemals -gebebt. - - -Verein Leipziger Gastwirte -- an Bord Sr. Maj. Schiff - -Ein gemeiner Fehler, für den leider in den weitesten, auch in -gebildeten Kreisen schon gar kein Gefühl mehr vorhanden zu sein -scheint, liegt in Verbindungen vor wie: Verein +Leipziger Gastwirte+, -Ausschank +Zwenkauer Biere+, Hilfskasse +Leipziger Journalisten+, -Verein +Berliner Buchhändler+, Radierungen +Düsseldorfer Künstler+, -Photographien +Magdeburger Baudenkmäler+, eine Sammlung +Meißner -Porzellane+, die frühesten Namen +Breslauer Konsuln+, zur Topographie -+südtiroler Burgen+, nach Meldungen +Dresdner Zeitungen+. - -Die von Ortsnamen gebildeten Formen auf +er+ werden von vielen jetzt -für Adjektiva gehalten, wie sich schon darin zeigt, daß sie sie mit -kleinen Anfangsbuchstaben schreiben: +pariser+, +wiener+, +thüringer+, -+schweizer+. Das ist ein großer Irrtum. Diese Formen sind keine -Adjektiva, sondern erstarrte Genitive von Substantiven. Der +Leipziger -Bürgermeister+ ist, wörtlich ins Lateinische übersetzt, nicht ~consul -Lipsiensis~ -- das wäre der +Leipzigische+ Bürgermeister --, sondern -~Lipsiensium consul~, der Bürgermeister +der Leipziger+. Man sieht das -deutlich, wenn man solche Verbindungen zugleich mit einem wirklichen -Adjektivum dekliniert, z. B. der +neue Berliner Ofen+. Dann lauten die -einzelnen Kasus: des neu+en+ Berlin+er+ +Ofens+, dem neu+en+ Berlin+er+ -+Ofen+, den neu+en+ Berlin+er+ +Ofen+, die neu+en+ Berlin+er+ -+Öfen+ usw. Während also das Adjektiv +neu+ und das Substantiv -+Ofen+ dekliniert werden, bleibt +Berliner+ stets unverändert. Ganz -natürlich; es ist eben kein Adjektivum, sondern ein eingeschobner, -abhängiger Genitiv. Der Irrtum ist dadurch entstanden, daß man, durch -den Gleichklang der Endungen verführt, solche abhängige Genitive mit -dem Genitiv von wirklichen Adjektiven wie +deutscher+, +preußischer+ -zusammengeworfen hat. Weil man richtig sagt: eine Versammlung -+deutscher Gastwirte+, glaubt man auch richtig zu sagen: ein Verein -+Leipziger Gastwirte+. Leider heißt nur hier der Nominativ nicht -+Leipzige+, während er dort +deutsche+ heißt. - -Nun ist aber in der artikellosen Deklination der Genitiv der Mehrzahl, -wenn er nicht durch ein hinzugesetztes Adjektiv kenntlich gemacht wird, -überhaupt nicht kenntlich; er muß (leider!) durch die Präposition +von+ -umschrieben werden. Wenn man sagt: eine +Versammlung großer Künstler+, -so ist der Genitiv durch das Attribut +großer+ genügend kenntlich -gemacht; aber ~societas artificum~ läßt sich nimmermehr übersetzen: -ein +Verein Künstler+, sondern nur ein +Künstlerverein+ oder: ein -+Verein von Künstlern+; erst durch das +von+ entsteht ein erkennbarer -Genitiv. Ganz ebenso ist es aber auch, wenn zu dem Substantiv ein -Attribut tritt, das nicht deklinierbar ist, z. B. ein Zahlwort oder ein -abhängiger (kein attributiver) Genitiv. So unmöglich und so falsch es -ist, zu sagen: infolge +Streitigkeiten+, wegen +Sonderzüge+, mangels -+Beweise+, ein Bund +sechs Städte+, innerhalb +vier Wochen+, nach -Verlauf +vier Wochen+, die Lieferung +fünftausend Gewehre+, in der -ersten Zeit +dessen Leitung+, mit Bewilligung +dessen Eltern+, unter -Angabe +deren Kennzeichen+, die Neubesetzung +Herrn Dornfelds Stelle+, -unterhalb ~Dr.~ +Heines Brücke+, der Verkauf +ihres Mannes Bücher+, -Genüsse +mancherlei Art+, eine Quelle +allerhand Verlegenheiten+, so -gewiß in allen diesen Fällen der Genitiv nur mit Hilfe der Präposition -+von+ kenntlich gemacht werden kann (ein Bund +von sechs Städten+, eine -Quelle +von allerhand Verlegenheiten+), so gewiß muß es auch heißen: -Verein +von Leipziger Gastwirten+, Verhaftung +von Erfurter Bürgern+, -Verkauf +von Magdeburger Molkereibutter+; bei +Verein Berliner -Künstler+ glaubt man immer nur einen Nominativ zu hören: ein +Verein -Künstler+, wie bei: eine +Menge Menschen+, ein +Haufe Steine+, ein -+Sack Geld+, ein +Stück Brot+ usw.[25] - -Ebenso falsch ist es, wenn geschrieben wird: an Bord +Sr. Majestät -Schiff Möwe+, die Forschungsreise +Sr. Majestät Schiff Gazelle+. Der -Genitiv +Sr. Majestät+ hängt ab von +Schiff+. Aber wovon hängt +Schiff+ -ab? Von nichts: es schwebt in der Luft. Und doch soll auch das ein -Genitiv sein, der von +Bord+ oder +Reise+ abhängt. Der kann nur dadurch -erkennbar gemacht werden, daß man schreibt: an Bord +von Sr. Majestät -Schiff+ Gazelle, denn an Bord +Sr. Majestät Schiffs+ Gazelle wird -niemand sagen wollen.[26] - -Anstatt des abhängigen +dessen+ und +deren+ braucht man sich nur -des attributiven +sein+ und +ihr+ zu bedienen, und der Genitiv ist -sofort erkennbar. Falsch ist: ich gedenke +dessen+ Güte und Macht --- die Briefe Goethes an seinen Sohn während +dessen+ Studienjahre -in Heidelberg -- eine Darstellung der alten Kirche und +deren+ -Kunstschätze -- die Interessen der Stadt und +deren+ Einwohner -- -eine Aufzählung aller Güter und +deren+ Besitzer -- eine Versammlung -sämtlicher evangelischen Fürsten und +deren+ Vertreter -- eine Tochter -des Herrn Direktor Schmidt und +dessen+ Gemahlin -- zum Besten der -Verunglückten und +deren+ Hinterlassenen -- die Sicherstellung der -Zukunft der Beamten und +deren+ Familien; es muß heißen: +seiner+ Güte -und Macht, +seiner+ Gemahlin, +ihrer+ Hinterlassenen, +ihrer+ Familien -usw.[27] - - -Steigerung der Adjektiva. Schwerwiegender oder schwerer wiegend? - -Mannigfachen Verstößen begegnet man in der Steigerung der Adjektiva -(Positiv, Komparativ, Superlativ). Von +viel+ heißt der Komparativ -nicht +mehrere+, sondern +mehr+: ich habe in meinem Garten +viel+ -Rosen, du hast +mehr+ Rosen, er hat die +meisten+ Rosen. +Mehrere+ -ist nichts andres als +einige+, +etliche+. Wenn also ein Hausbesitzer -genötigt wird, zu bescheinigen, daß +mehrere+ Hunde als die hier -verzeichneten in seinem Hause nicht gehalten werden, so wird er -genötigt, einen Schnitzer zu unterschreiben. - -Bei Adjektiven, deren Stamm auf einen Zischlaut endigt, stoßen im -Superlativ zwei Zischlaute zusammen. Das stört nicht, wenn die Wörter -mehrsilbig sind (der +weibischste+, der +malerischste+), wohl aber, -wenn sie einsilbig sind (der +hübschste+, der +süßste+). Man bewahrt -dann lieber das e, das sonst immer ausgeworfen wird, und sagt: der -+hübscheste+, der +süßeste+. Von +groß+ ist allgemein der +größte+ -üblich geworden (Goethe im Götz auch: der +hübschte+, in den Briefen -aus Italien: der +genialischte+). - -Bei der Vorliebe, womit jetzt einfache Begriffe wie +groß+, +stark+, -+schwer+ durch schleppende Zusammensetzungen wie +tiefgehend+, -+weitgehend+, +weittragend+, +schwerwiegend+ ersetzt werden, entsteht -oft Verlegenheit, wie man solche Zusammensetzungen im Komparativ -und im Superlativ behandeln soll. Logisch ist ja die Frage leicht -zu beantworten; was gesteigert werden soll, ist nicht das Partizip -+gehend+, sondern das dabeistehende Adverb +tief+ oder +weit+. -In vielen solchen Zusammensetzungen ist aber das Adverb mit dem -Partizip so innig verwachsen, daß man kaum noch die Zusammensetzung -empfindet. Wenn also auch niemand wagen wird, eine +weitverbreitete+ -Unsitte zu steigern: eine +weitverbreitetere+ Unsitte, sondern eine -+weiter verbreitete+,[28] das +hochbesteuerte Einkommen+, nicht: -das +hochbesteuertste+, sondern das +höchstbesteuerte+, so ist doch -gegen einen Komparativ wie +zartfühlender+ nichts einzuwenden, denn -das Partizipium +fühlend+ wird hier gar nicht mehr als Verbalform -empfunden, sondern etwa wie +fühlig+ in +feinfühlig+, und solche -Zusammensetzungen (+feinsinnig+, +kleinmütig+, +böswillig+, -+fremdartig+, +gleichmäßig+) gelten für einfache Wörter und können -nur steigern: +kleinmütiger+, der +kleinmütigste+. Ihnen würde sich -auch das neumodische +hochgradig+ anschließen. Dazwischen liegen aber -nun Zusammensetzungen, bei denen manchmal kaum zu entscheiden ist, ob -man sie als einfache oder als zusammengesetzte Wörter behandeln soll; -sogar derselbe Mensch kann darin zu verschiednen Zeiten verschieden -fühlen. Ganz unerträglich sind: der +schöngelegenste+ Teil, die -+vielgenannteste+ Persönlichkeit, die +naheliegendste+ Erklärung, -die +leichtlaufendste+ Maschine, die +tiefliegendere+ Bedeutung, -+tiefgehendere+ Anregungen, die +feinschmeckenderen+ Sorten, die -+weitblickendere+ Klugheit, eine +engbegrenztere+ Aufgabe; es muß -heißen: der +schönstgelegne+, noch besser der am +schönsten gelegne+ -Teil, die +am meisten genannte+ Persönlichkeit, die +tiefer liegende+ -Bedeutung, +tiefer gehende+ Anregungen, die +feiner schmeckenden+ -Sorten, die +nächstliegende+ Erklärung, die +weiter blickende+ -Klugheit, eine +enger begrenzte+ Aufgabe. Nicht ganz so anstößig -erscheint: die +wohlgemeinteste+ Warnung, die +weitgehendste+ -Mitwirkung, die +weittragendste+ Bedeutung, die +fernliegendsten+ -Dinge, die +hochfliegendsten+ Pläne, obwohl natürlich der -+bestgemeinte+ Rat, die +weitestgehende+ Mitwirkung vorzuziehen ist. -Völlig gewöhnt haben wir uns an den +tiefgefühltesten+ Dank und an die -+hochgeehrtesten+ oder +hochverehrtesten+ Damen und Herren. Schön kann -man trotzdem solche Steigerungen nicht nennen; sie klingen alle mehr -oder weniger schleppend und schwülstig, und was sie ausdrücken sollen, -kann meist durch ein einfacheres Wort oder durch einen kurzen Nebensatz -ebenso kräftig und deutlich gesagt werden. - - -Größtmöglichst - -Noch schlimmer freilich sind die jetzt so beliebten doppelten -Superlativbildungen, wie die +besteingerichtetsten+ Verkehrsanstalten, -die +bestbewährtesten+ Fabrikate, die +höchstgelegenste+ Wohnung, der -+feinstlaubigste+ Kohlrabi u. ähnl. (statt der +besteingerichteten+ -oder der +bewährtesten+). Für +so gut wie möglich+ kann man natürlich -auch sagen: +möglichst gut+. Es gibt ja verschiedne Grade der -Möglichkeit, es kann etwas leichter möglich sein und auch schwerer -möglich; man sagt auch: tue dein +möglichstes+! Wie muß sich aber diese -Steigerung mißhandeln lassen! Die einen stellen die Wörter verkehrt, -bringen den Superlativ an die falsche Stelle und sagen +bestmöglich+, -in der irrigen Meinung, das Wort sei eine Zusammenziehung aus: der -+beste+, der +möglich+ ist; andre wissen sich gar nicht genug zu tun -und bilden auch hier wieder den doppelten Superlativ +bestmöglichst+, -+größtmöglichst+: mit +größtmöglichster+ Beschleunigung. Das beste ist, -auch solche schwülstige Übertreibungen zu vermeiden. Das gilt auch von -der beliebten Steigerung: der +denkbar größte+. Wenn ein Nutzen nicht -der +denkbar größte+ wäre, so wäre er doch auch nicht der +größte+. -Welch unnötiger Wortschwall also! Manche sind aber in dieses +denkbar+ -so verliebt, daß sie es sogar zum Positiv setzen: in ihrer Stimmung -sind beide Altarflügel +denkbar verschieden+. - -Vollkommener Unsinn ist es natürlich, wenn gedankenlose Menschen jetzt -der +erste beste+ zusammenziehen in der +erstbeste+, wenn ein Arzt -bittet, +möglichst keine+ Briefe an ihn zu richten, da er verreist sei, -eine Herrschaft einen +möglichst verheirateten+ oder einen +möglichst -unverheirateten+ Kutscher zu +möglichst sofortigem+ Antritt sucht, -Zeitungen ihre Abonnenten auffordern, das Abonnement +baldgefälligst+ -zu erneuern, oder ein Kaufmann seine Kunden bittet, ihm +baldmöglichst+ -oder +baldgefälligst+ ihre geschätzten Aufträge oder Bestellungen -zukommen zu lassen. Was sie meinen, ist weiter nichts als: +womöglich -keine+, +womöglich verheiratet+, +womöglich sofort+, und: +möglichst -bald+, +gefälligst bald+. Aber namentlich das +baldgefälligst+, so -albern es auch ist, gehört zu den Lieblingswörtern aller Geschäftsleute -und Beamten. - -Ebenso unsinnig ist es, wenn ein Superlativ von +einzig+ gebildet wird: -der +Einzigste+, der bisher Großes in diesem Fache geleistet hat. -Einziger als einzig kann doch niemand sein. - - -Gedenke unsrer oder unser? - -Auch in der Deklination der Fürwörter herrscht hie und da Unwissenheit -oder Unsicherheit. Daß man eine Frage besprechen muß wie die: gedenke -+unsrer+ oder +unser+? ist sehr traurig, aber es ist leider nötig, denn -der Fehler: wir sind +unsrer+ acht -- es harrt +unsrer+ eine schwere -Aufgabe, oder: wir gedenken +eurer+ in Liebe, kommt so oft vor, daß man -fast annehmen möchte, die Leute wären der Meinung, die kürzeren Formen -seien nur durch Nachlässigkeit entstanden. - -Die Genitive der persönlichen Fürwörter +ich+, +du+, +er+, +wir+, -+ihr+, +sie+ heißen: +mein+, +dein+, +sein+, +unser+, +euer+, +ihr+, -z. B.: gedenke +mein+, vergiß +mein+ nicht, der Buhle +mein+, ich -denke +dein+, +unser+ einer, +unser aller+ Wohl, +unser+ keiner lebt -ihm selber.[29] Daneben sind freilich im Singular schon früh die -unorganischen Formen +meiner+, +deiner+, +seiner+ aufgekommen und -haben sich festgesetzt, aber doch ohne die echten, alten Formen ganz -verdrängen zu können (Gellert: der Herr hat +mein+ noch nie vergessen, -vergiß, mein Herz, auch +seiner+ nicht); +ihr+ ist leider ganz durch -+ihrer+ verdrängt worden; wir wollen uns +ihrer+ annehmen. Aber in -der ersten und zweiten Person der Mehrzahl ist doch die richtige -alte Form noch so lebendig, daß es unverantwortlich wäre, wenn man -sie nicht gegen die falsche, die sich auch hier eindrängen will, in -Schutz nähme. +Unsrer+ und +eurer+ sind Genitive des besitzanzeigenden -Eigenschaftswortes, aber nicht des persönlichen Fürworts. Also: erbarmt -euch +unser+ und +unsrer+ Kinder![30] - - -Derer und deren - -Die Genitive der Mehrzahl +derer+ und +deren+ sind der alten Sprache -überhaupt unbekannt, sie hat nur ~der~; beide sind -- ebenso wie die -Genitive der Einzahl +dessen+ und +deren+ -- erst im Neuhochdeutschen -gebildet worden und als willkommne Unterscheidungen des betonten und -lang gesprochnen Determinativs und Relativs +der+ (~dēr~) von dem -gewöhnlich unbetonten und kurz gesprochnen Artikel +der+ (~dĕr~) -festgehalten worden. +Derer+ steht vor Relativsätzen (und verdient -dort den Vorzug vor dem schleppenden +derjenigen+); +deren+ ist -Demonstrativum: die Krankheit und +deren+ Heilung (d. i. +ihre+ -Heilung) und Relativum: die Krankheiten, +deren+ Heilung möglich ist. -Falsch ist es also, wenn Relativsätze angefangen werden: in betreff -+derer+, vermöge +derer+. - -Ein ganz neuer Unsinn, den man jetzt bisweilen lesen muß, ist +dessem+ -und +derem+: der Dichter, +dessem+ löblichen Fortschreiten ich -mit Freuden folge -- die Geschäfte werden inzwischen von +dessem+ -Stellvertreter besorgt -- die fremde Kunst, bei +derem+ Studium der -Deutsche seine eigne Kunst vergaß -- für die Behörden zu +derem+ -alleinigen Gebrauch ausgefertigt. Der Dativ, der in diesen Sätzen -steht, hat gleichsam den vorangehenden abhängigen Genitiv angesteckt -und dadurch die Mißbildungen geschaffen. Die Verirrung geht aber wohl -öfter in den Köpfen der Setzer als in denen der Schriftsteller vor; -bei der Korrektur lesen die Verfasser über den Unsinn weg, und so -wird er mit gedruckt. Auch +dergleichem+ findet sich schon: er ist zu -Verschickungen und +dergleichem+ gebraucht worden.[31] - - -Einundderselbe - -Der arge Mißbrauch, der mit dem Pronomen +derselbe+ getrieben wird -(daß man es fortwährend für +er+ oder +dieser+ gebraucht; vgl. S. -226), hat dazu geführt, daß man nun +einundderselbe+ sagen zu müssen -glaubt, wo man +derselbe+ mit seiner wirklichen Bedeutung meint. Diese -überflüssige Zusammensetzung wird vollends schleppend, wenn man sie -pedantisch dekliniert: +eines und desselben+, +einem und demselben+. -Wer sie nicht entbehren zu können glaubt, der schreibe wenigstens: -an +einunddemselben Tage+, im Laufe +einunddesselben+ Jahres, in -+einundderselben+ Hand. Dieselbe Freiheit nimmt man sich ja auch bei -+Grund und Boden+: die Entwertung des +Grund und Bodens+ (als ob beides -nur +ein+ Wort wäre), nicht des +Grundes und Bodens+; ebenso: ein Hut -mit +blau und weißem+ Band, wenn nicht zwei verschiedenfarbige Bänder -gemeint sind, sondern ein zweifarbiges. - - -Man - -Daß auch das unpersönliche Fürwort +man+ dekliniert werden kann, dessen -sind sich die allerwenigsten bewußt. In der lebendigen Rede bilden -sie zwar, ohne es zu wissen, die ~casus obliqui~ ganz richtig, aber -wenn sie die Feder in die Hand nehmen, getrauen sie sich nicht, sie -hinzuschreiben, sondern sinnen darüber nach, wie sie sich ausdrücken -sollen. Der Junge, der von einem andern Jungen geneckt wird, sagt: laß -+einen+ doch gehn! und wenn er sich über den Necker beschwert, sagt er: -der neckt +einen+ immer. Auch der Erwachsne sagt: das kann +einem+ alle -Tage begegnen. Und Lessing schreibt: macht +man+ das, was +einem+ so -einfällt? -- so was erinnert +einen+ manchmal, woran +man+ nicht gern -erinnert sein will -- muß +man+ nicht grob sein, wenn +einen+ die Leute -sollen gehn lassen? -- Goethe sagt sogar: +eines+ Haus und Hof steht -gut, aber wo soll bar Geld herkommen? Es ist also klar, die ~casus -obliqui~ von +man+ werden in der lebendigen Sprache gebildet durch -+eines+, +einem+, +einen+. Aber viele scheinen diese Ausdrucksweise -jetzt nicht mehr für fein zu halten, scheinen sich einzubilden, daß sie -nur der niedrigen Umgangssprache zukomme. Das ist bloßer Aberglaube, -man kann sich gar nicht besser ausdrücken, als wie es Goethe getan hat, -wenn er z. B. sagt: wenn +man+ für einen reichen Mann bekannt ist, so -steht es +einem+ frei, seinen Aufwand einzurichten, wie +man+ will. - - -Jemandem oder jemand? - -In +jemand+ und +niemand+ ist das d ein unorganisches Anhängsel. Die -Wörter sind natürlich mit +man+ (+Mann+) zusammengesetzt (~ieman~, -~nieman~), im Mittelhochdeutschen heißen Dativ und Akkusativ noch -~iemanne~, ~niemanne~, ~ieman~, ~nieman~. Da sich das Gefühl dafür -durchaus noch nicht verloren hat, da es jedermann noch versteht, wenn -man sagt: ich habe +niemand+ gesehen, du kannst +niemand+ einen Vorwurf -machen, so ist nicht einzusehen, weshalb die durch Mißverständnis -entstandnen Formen +jemandem+, +niemandem+, +jemanden+, +niemanden+ den -Vorzug verdienen sollten. - - -Jemand anders - -Der gute Rat, bei den Adjektiven, deren Stamm auf er endigt, immer die -schönen, kräftigen Formen: +unsers+, +andern+ den weichlichen Formen: -+unsres+, +andren+ vorzuziehen (vgl. S. 29), erleidet eine Ausnahme -bei dem Neutrum +anders+. Unser heutiges Umstandswort +anders+ (ich -hätte das +anders+ gemacht) ist ursprünglich nichts „andres“ als das -Neutrum von +andrer+, +andre+, +andres+ (ein +andres+ Kleid). Die -Sprache hat sich hier des ganz äußerlichen Mittels bedient, das einemal -den Vokal der Endung, das andremal den des Stammes auszuwerfen, um -einen Unterschied zwischen Adjektiv und Adverb zu schaffen. (Ebenso -bei +besondres+ und +besonders+.) An diesem Unterschied ist natürlich -nun festzuhalten, niemand wird schreiben ein +anders+ Kleid. Zum Glück -hat sich aber in der lebendigen Sprache in den Verbindungen: +wer -anders+, +was anders+, +jemand anders+, +niemand anders+ die kräftigere -Form erhalten; man sagt: +wer anders+ sollte mir helfen? -- das ist -+niemand anders+ gewesen als du -- und die Schlußzeile einer bekannten -Fabel: ja, Bauer, das ist ganz was +anders+ -- ist durchaus nicht bloß -wegen des Reimes auf +Alexanders+ so geschrieben. In allen diesen -Verbindungen ist +anders+ nicht etwa als Adverb aufzufassen, sondern -es ist der Genitiv des geschlechtslosen Neutrums, das zur Bezeichnung -beider Geschlechter dient, wie in +jemand fremdes+. Darnach kann nun -auch kein Zweifel sein, wie diese Verbindungen zu deklinieren sind. Der -Volksmund hat das richtige, wenn er sagt: von +wem anders+ soll ich -mir denn helfen lassen? -- ich bin mit +niemand anders+ in Berührung -gekommen. Mit +niemand anderm+ ist falsch, freilich nicht viel falscher -als: von +was anderm+, zu +was besserm+, zu +nichts gutem+, wo auch -das abhängige Wort, das eigentlich im Genitiv stehen müßte, die -Kasusbezeichnung übernommen hat, die in +was+ und +nichts+ nicht zum -Ausdrucke kommt. - - -Ein andres und etwas andres - -Das Neutrum von +jemand anders+ heißt +etwas andres+, im Volksmunde -+was andres+. Die Mutter sagt: ich habe dir +was schönes+ oder +etwas -schönes+ mitgebracht. Ebenso +etwas gutes+, +etwas rechtes+, +etwas -wahres+, +etwas großes+, +etwas wesentliches+, +etwas neues+, +etwas -weiteres+. Dieses schlichte +was+ oder +etwas+ verschmäht man aber -jetzt, man schreibt: und noch +ein andres+ muß ich erwähnen -- zunächst -möchte ich +ein allgemeines+ voranschicken -- und nun können wir -noch +ein weiteres+ hinzufügen -- man darf nicht glauben, daß damit -+ein wesentliches+ gewonnen sei -- auch der reichhaltigste Stoff muß -+ein spezifisches+ haben, das ihn von tausend andern unterscheidet; -und man kommt sich äußerst vornehm vor, wenn man so schreibt. Sogar -ein Lied von Oskar von Redwitz, das in der Komposition von Liszt das -Entzücken aller Backfische ist, fängt an: Es muß +ein wunderbares+ sein -ums Lieben zweier Seelen! Es ist aber nichts als alberne Ziererei. -Poetischer wird das Lied durch das +ein+ sicherlich nicht. - -„Etwas andres“ ist es, wenn +ein+ nicht das unbestimmte Fürwort, -sondern das Zahlwort bedeuten soll, z. B.: dann hätte das Unternehmen -wenigstens +ein gutes+ gehabt. Das ist natürlich ebenso richtig wie: -+das eine gute+. - - -Zahlwörter - -Gegen die richtige Bildung der Zahlwörter werden nur wenig Verstöße -begangen; es ist auch kaum Gelegenheit dazu. Lächerlich ist es, daß -manche Leute immer +sechszig+ und +siebenzig+ drucken lassen, denn -in ganz Deutschland sagt man +sechzig+ und +siebzig+. Für +fünfzehn+ -und +fünfzig+ sagen manche lieber +funfzehn+ und +funfzig+. Im -Althochdeutschen stand neben unflektiertem ~funf~ ein flektiertes -~funfi~, woraus im Mittelhochdeutschen +fünfe+ wurde. +Funfzig+ ist nun -mit +funf+ gebildet, mit +fünf+ dagegen +fünfzehn+ und +fünfzig+, die -in der Schriftsprache die Oberhand gewonnen haben.[32] - -Statt +hundertunderste+ kann man jetzt öfter lesen: +hundertundeinte+, -aber doch nur nach dem unbestimmten Artikel: nicht als ob ich zu den -hundert Fausterklärungen noch +eine hundertundeinte+ hinzufügen wollte. -Es schwebt dabei wohl weniger die Reihenfolge und der neue letzte -Platz in dieser Reihenfolge vor, als die Zahl, die von +hundert+ auf -+hundertundeins+ steigt. Trotzdem hat die Form keine Berechtigung. - -Die Bildungen +anderthalb+ (d. h. der andre, der zweite halb), -+drittehalb+ (2½), +viertehalb+ (3½) sind jetzt mehr auf die -Umgangssprache beschränkt; in der Schriftsprache sind sie seltner -geworden. Es ist aber nichts gegen sie einzuwenden. - - -Starke und schwache Konjugation - -Wie bei den Hauptwörtern zwischen einer starken und einer schwachen -Deklination, so unterscheidet man bei den Zeitwörtern zwischen einer -starken und einer schwachen Konjugation. Starke Zeitwörter nennt -man die, die ihre Formen nur durch Veränderung des Stammwortes -bilden, schwache die, die zur Bildung ihrer Formen andrer Mittel -bedürfen. Ein starkes Zeitwort ist: ich +springe+, ich +sprang+, ich -bin +gesprungen+, ein schwaches: ich +sage+, ich +sagte+, ich habe -+gesagt+. Die Veränderung des Stammvokals nennt man den Ablaut, die -verschiednen Wege, die der Ablaut einschlägt, die Ablautsreihen.[33] -Die wichtigsten Ablautsreihen sind: ei, i, i (+reite+, +ritt+, -+geritten+), ei, ie, ie (+bleibe+, +blieb+, +geblieben+), ie, o, o -(+gieße+, +goß+, +gegossen+), i, a, u (+binde+, +band+, +gebunden+), i, -a, o (+schwimme+, +schwamm+, +geschwommen+), e, a, o (+nehme+, +nahm+, -+genommen+), i, a, e (+bitte+, +bat+, +gebeten+), e, a, e (+lese+, -+las+, +gelesen+), a, u, a (+fahre+, +fuhr+, +gefahren+). Außerdem gibt -es noch eine Mischgruppe mit ie im Imperfekt und einunddemselben Vokal -im Präsens und im Partizip, wie +falle+, +fiel+, +gefallen+, +stoße+, -+stieß+, +gestoßen+, +rufe+, +rief+, +gerufen+, +laufe+, +lief+, -+gelaufen+, +heiße+, +hieß+, +geheißen+, wofür man jetzt bisweilen -falsch +gehießen+ hören muß, als ob es in die zweite Ablautsreihe -gehörte. - -Fast noch bewundernswürdiger als in der Deklination der Hauptwörter -ist in der Flexion der Zeitwörter die Sicherheit, mit der auch -der Mindergebildete der Fülle und Mannigfaltigkeit der Formen -gegenübersteht. Freilich gibt es auch hier Schwankungen und -Verirrungen, darunter sogar recht ärgerliche und beschämende. Es gibt -Verbalstämme, die eine starke und auch eine schwache Flexion erzeugt -haben mit verschiedner Bedeutung; da ist dann Verwechslung eingetreten. -Es gibt aber auch Zeitwörter, die sich bloß in die andre Flexion -verirrt haben ohne Bedeutungswechsel. Bei gutem Willen ist aber doch -vielleicht auch hier noch manches zu verhüten oder aufzuhalten. - - -Verschieden flektierte und schwankende Zeitwörter - -Das intransitive +hangen+ und das transitive +hängen+ (eigentlich -+henken+) jetzt noch streng auseinanderhalten zu wollen wäre wohl -vergebliches Bemühen. Wenn auch im Perfekt noch richtig gesagt wird: -ich habe das Bild +aufgehängt+, und +aufgehangen+ hier als fehlerhaft -empfunden wird, so hat sich doch leider fast allgemein eingebürgert: -ich +hing+ den Hut auf, und +hangen+, +abhangen+, +zusammenhangen+ -erscheint uns altertümlich gesucht, obwohl es das richtige ist -(Heine: und als sie kamen ins deutsche Quartier, sie ließen die Köpfe -+hangen+). Ähnlich verhält sichs mit +wägen+ und +wiegen+; man sagt -jetzt ebenso: der Bäcker +wiegt+ das Brot, wie: das Brot +wiegt+ zu -wenig, obwohl es im ersten Falle eigentlich +wägt+ heißen müßte. -Auch bei +schmelzen+, +löschen+ und +verderben+ ist von Rechts wegen -zwischen einer transitiven schwachen und einer intransitiven starken -Flexion zu unterscheiden: die Sonne +schmelzt+ den Schnee, hat den -Schnee +geschmelzt+, aber der Schnee +schmilzt+, er ist +geschmolzen+; -der Wind +löscht+ das Licht +aus+, hat es +ausgelöscht+, aber das Licht -+verlischt+, ist +verloschen+; das Fleisch +verdirbt+, +verdarb+, -ist +verdorben+, aber der schlechte Umgang +verderbt+ die Jugend, -+verderbte+ sie, hat sie +verderbt+. Leider wird der Unterschied -nicht überall mehr beobachtet (am ehesten noch bei +löschen+). Sehr -in Verwirrung geraten sind das intransitive und das transitive -+schrecken+. Das intransitive +erschrecken+ wird allgemein noch -richtig flektiert: du +erschrickst+, er +erschrickt+, ich +erschrak+, -ich +bin erschrocken+ (in der niederdeutschen Vulgärsprache: +ich -habe mich erschrocken+!); ebenso das transitive: du +erschreckst+ -mich, ich +erschreckte+, ich habe +erschreckt+. Bei +aufschrecken+ -und +zurückschrecken+ aber hat die schwache Form die starke fast -ganz verdrängt; selten, daß man noch einmal richtig liest: daß die -Sozialdemokratie hiervor nicht +zurückschrickt+. Von dem ursprünglich -intransitiven +stecken+ (der Schlüssel +steckt+ an der Tür) hat sich -ein transitives +stecken+ abgezweigt (ich +stecke+ den Schlüssel an die -Tür). Beide werden jetzt meist schwach flektiert; das intransitive war -aber früher stark: wo +stickst+ du? Und mundartlich heißt es ja noch -heute: der Schlüssel +stak+. - -Schlechterdings nicht verwechselt werden sollte +gesonnen+ und -+gesinnt+, +geschaffen+ und +geschafft+. +Gesonnen+ kann nur die -Absicht oder den Willen bedeuten: ich bin +gesonnen+, zu verreisen; -+gesinnt+, das gar nicht von dem Zeitwort +sinnen+, sondern von dem -Hauptwort +Sinn+ gebildet ist (wie +gewillt+ nicht von +wollen+, -sondern von +Wille+), kann nur von der Gesinnung gebraucht werden: er -war gut deutsch +gesinnt+, er ist mir feindlich +gesinnt+. +Schaffen+ -bedeutet in der starken Flexion (+schuf+, +geschaffen+) die wirklich -schöpferische Tätigkeit, das Hervorbringen: der Dichter hat ein neues -Werk +geschaffen+. Ist aber nur arbeiten, hantieren, ausrichten, -bewirken, bringen (z. B. Waren auf den Markt schaffen) gemeint, -so muß es schwach flektiert werden (+schaffte+, +geschafft+). Von -+Rat schaffen+ also, +Nutzen schaffen+, +Abhilfe schaffen+, +Ersatz -schaffen+, +Raum schaffen+, +Luft schaffen+ und dem jetzt in der -Zeitungssprache so beliebten +Wandel schaffen+ dürfen durchaus nur die -schwachen Formen gebildet werden; es ist falsch, zu sagen: hier muß -+Wandel geschaffen+ werden. Ein +neuer Raum+ (ein Zimmer, ein Saal) -kann +geschaffen+ werden, aber +Raum+ (Freiheit der Bewegung) wird -+geschafft+. - -Auch das starke Zeitwort +schleifen+ (+schliff+, +geschliffen+) hat -im Laufe der Zeit ein schwaches von sich abgespaltet (+schleifte+, -+geschleift+), das andre Bedeutung hat. Das Messer wird +geschliffen+, -aber die Kleiderschleppe wird über den Boden +geschleift+. Früher -wurden auch Städte und Festungen +geschleift+, auch Verbrecher auf -einer Kuhhaut auf den Richtplatz +geschleift+; jetzt wird nur noch -ein Student vom andern in die Kneipe +geschleift+, und dort wird dann -+gekneipt+ (nicht +geknippen+), denn +kneipen+ „in diesem Sinne“ ist -nur eine Ableitung von +Kneipe+. - -Zwei ganz verschiedne Verba, ein starkes und ein schwaches, begegnen -einander in +laden+. Zwar werden jetzt ebenso Gäste +geladen+ wie -Kohlen und Gewehre, auch sagt man schon in beiden Fällen: ich +lud+. -Im Präsens wird aber doch noch bisweilen unterschieden zwischen: du -+ladest+ oder er +ladet+ mich ein (Schiller: es lächelt der See, er -+ladet+ zum Bade) und: er +lädt+ das Gewehr. - -Sehr unangenehm fällt die fortwährende Vermischung von +dringen+ und -+drängen+ auf. +Dringen+ ist intransitiv und hat zu bilden: ich +drang+ -vor, ich bin +vorgedrungen+. +Drängen+ dagegen ist transitiv oder -reflexiv und kann nur bilden: ich +drängte+, ich habe +gedrängt+; also -auch: ich +drängte mich+ vor, ich habe +mich vorgedrängt+, es wurde -mir +aufgedrängt+. Durchaus falsch ist: ich +dringe mich+ nicht auf, -ich habe +mich+ nicht +aufgedrungen+, diese Auffassung hat sich mir -+aufgedrungen+. - -Eine ärgerliche Verwirrung ist bei +dünken+ eingerissen. Man sollte -dieses Wort, das ohnehin für unser heutiges Sprachgefühl etwas gesucht -altertümelndes hat, doch lieber gar nicht mehr gebrauchen, wenn man es -nicht mehr richtig flektieren kann! Das Imperfekt von +dünken+ heißt -+deuchte+; beide Formen verhalten sich zueinander ebenso wie +denken+ -und +dachte+, womit sie ja auch stammverwandt sind. Aus +deuchte+ hat -man aber ein Präsens +deucht+ gemacht, noch dazu falsch mit dem Dativ -verbunden: +mir deucht+ (!). Wer sich ganz besonders fein ausdrücken -will, sagt immer: +mir deucht+ (statt +mir scheint+) und macht dabei -zwei Schnitzer in zwei Worten. Das richtige ist: +mich dünkt+ und +mich -deuchte+. - -+Willfahren+ und +radebrechen+ (eine Sprache) sind nicht mit +fahren+ -und +brechen+ zusammengesetzt, sondern von Hauptwörtern abgeleitet, -von einem nicht mehr vorhandnen ~willevar~ und von der +Radebreche+, -einer abschüssigen, für die Wagen gefährlichen Straßenstelle.[34] Beide -werden also richtig schwach flektiert: er +willfahrt+, +willfahrte+, -hat +gewillfahrt+, er +radebrecht+, +radebrechte+, hat +geradebrecht+. - -Von manchen schwachen Verben ist vereinzelt ein starkes Partizip -gebräuchlich mit einer besonders gefärbten Bedeutung, z. B. -+verschroben+ (von +schrauben+), +verwunschen+ (der +verwunschne+ -Prinz, von +verwünschen+), +unverhohlen+ (ich habe ihm +unverhohlen+ -meine Meinung gesagt, von +verhehlen+). - - -Frägt und frug - -Eine Schande ist es -- nicht für die Sprache, die ja nichts dafür kann, -wohl aber für die Schule, die das recht gut hätte verhüten können und -doch nicht verhütet hat --, mit welcher Schnelligkeit in ganz kurzer -Zeit die falschen Formen +frägt+ und +frug+ um sich gegriffen haben, -auch in Kreisen, die für gebildet gelten wollen und den Anspruch -erheben, ein anständiges Deutsch zu sprechen. Der Fehler wird deshalb -so ganz besonders widerwärtig, weil sichs dabei um ein Zeitwort -handelt, das hundertmal des Tags gebraucht wird. Das immer falsch hören -und -- lesen zu müssen, ist doch gar zu greulich. - -Die Zeitwörter mit +ag+ im Stamme teilen sich in zwei Gruppen; die -eine Gruppe gehört dem starken Verbum, die andre dem schwachen an. Die -erste Gruppe bilden die beiden Verba: ich +trage+, du +trägst+ -- ich -+trug+ -- ich habe +getragen+, ich +schlage+, du +schlägst+ -- ich -+schlug+ -- ich habe +geschlagen+; sie haben dieselbe Ablautsreihe wie -+fahre+, +fuhr+, +gefahren+ -- +grabe+, +grub+, +gegraben+ -- +wachse+, -+wuchs+, +gewachsen+ u. a. Zur zweiten Gruppe gehören: ich +sage+, du -+sagst+ -- ich +sagte+ -- ich habe +gesagt+, ich +jage+, du +jagst+ -- -ich +jagte+ -- ich habe +gejagt+; ebenso +klagen+, +nagen+, +plagen+, -+ragen+, +wagen+, +zagen+. +Fragen+ hat nun seit Jahrhunderten -unbezweifelt zur zweiten Gruppe gehört: ich +frage+, du +fragst+ -- -ich +fragte+ -- ich habe +gefragt+. Unsre Klassiker kennen keine andre -Form. Zwei der besten deutschen Prosaiker, Gellert und Lessing, wissen -von +frägt+ und +frug+ gar nichts. Nur ganz vereinzelt findet sich in -Versen, also unter dem beengenden Einflusse des Rhythmus, +frug+; so -bei Goethe in den Venezianischen Epigrammen: niemals +frug+ ein Kaiser -nach mir, es hat sich kein König um mich bekümmert -- bei Schiller -im Wallenstein: jawohl, der Schwed +frug+ nach der Jahrszeit nichts. -Auch Bürger hat es (Lenore: sie +frug+ den Zug wohl auf und ab, und -+frug+ nach allen Namen), und da haben wir denn auch die Quelle: es -stammt aus dem Niederdeutschen. Bürger war 1747 in Molmerswende bei -Halberstadt geboren; wahrscheinlich sagte man dort schon zu seiner Zeit -allgemein frug.[35] Aber noch in den fünfziger und sechziger Jahren des -neunzehnten Jahrhunderts hörte man die Dialektform in der gebildeten -Umgangssprache so gut wie gar nicht. Auf einmal tauchte sie auf. Und -nun ging es ganz wie mit einer neuen Kleidermode, sie verbreitete -sich anfangs langsam, dann schneller und immer schneller,[36] und -heute schwatzen nicht bloß die Ladendiener und die Ladenmädchen in der -Unterhaltung unaufhörlich: ich +frug+ ihn, er +frug+ mich, wir +frugen+ -sie, sondern auch der Student, der Gymnasiallehrer, der Professor, alle -schwatzens mit, alle Zeitungen, alle Novellen und Romane schreibens, -das richtige bekommt man kaum noch zu hören oder zu lesen. Es fehlte -nur, daß auch noch gesagt und geschrieben würde: ich habe +gefragen+, -er hat mich +gefragen+ usw.[37] Wie lange wird die alberne Mode -dauern? wird sie nicht endlich dem Fluche der Lächerlichkeit verfallen? -Alle guten Schriftsteller und alle anständigen Zeitschriften und -Zeitungen brauchten nur die falschen Formen beharrlich zu meiden, -so würden wir sie bald ebenso schnell wieder lossein, wie sie sich -eingedrängt haben.[38] - -Merkwürdig ist es, daß in diesem Falle die Sprache einmal aus der -schwachen in die starke Konjugation abgeirrt ist. Gewöhnlich verläuft -sie sich in umgekehrter Richtung. Wie kleine Kinder, die erst reden -lernen, anfangs starke Verba gern nach der schwachen Konjugation -bilden: ich +schreibte+, der Käfer +fliegte+, der Mann, der da -+reinkamte+, so haben es auch immer die großen Kinder gemacht, die -nicht ordentlich hatten reden lernen. So werden +falten+ und +spalten+, -die ursprünglich stark flektiert wurden (+falte+, +fielt+, +gefalten+), -jetzt schwach flektiert: mit +gefalteten+ Händen; von +spalten+ hat -sich nur das starke Partizip erhalten: +gespaltnes+ Holz. Aber einzelne -Zeitwörter sind schon in alter Zeit auch den umgekehrten Weg gegangen; -so ist das ursprüngliche +geweist+ und +gepreist+ schon längst durch -+gewiesen+ und +gepriesen+ verdrängt worden, und in Mitteldeutschland -kann man im Volksmunde hören: es wurde mit der großen Glocke -+gelauten+, ich habe den ganzen Winter kalt +gebaden+.[39] - - -Übergeführt und überführt - -Auch das transitive +führen+ (d. h. bringen) und das intransitive -+fahren+ (d. h. sich bewegen) noch auseinanderhalten zu wollen, wäre -vergebliches Bemühen. In beiden Bedeutungen wird schon längst bloß noch -+fahren+ gebraucht: ich +fahre+ im Wagen, und der Kutscher +fährt+ -mich. Es kann aber gar nichts schaden, wenn man sich an +Fuhre+, -+Fuhrmann+, +Bierführer+, dem ältern +Buchführer+ (statt Buchhändler) -u. a. den ursprünglichen Unterschied gegenwärtig hält. Und dazu könnte -auch +überführen+ dienen, das jetzt in der Zeitungsprache (als Ersatz -für +transportieren+) beliebt geworden ist, wenn man es nur nicht -fortwährend falsch flektiert lesen müßte! Täglich muß man in Zeitungen -von +überführten+ Kranken und +überführten+ Leichen lesen, das soll -heißen: von Personen, die in das oder jenes Krankenhaus oder nach ihrem -Tode in die Heimat zum Begräbnis gebracht worden sind. Wie kann sich -das Sprachgefühl so verirren! Verbrecher werden +überführt+, wenn ihnen -trotz ihres Leugnens ihr Verbrechen nachgewiesen wird: dann aber werden -sie ins Zuchthaus +übergeführt+, wenn denn durchaus „geführt“ werden -muß. - -Es gibt eine große Anzahl zusammengesetzter Zeitwörter, bei denen, -je nach der Bedeutung, die sie haben, bald die Präposition, bald das -Zeitwort betont wird, z. B. +über+setzen (den Wandrer über den Fluß) -und über+setzen+, +über+fahren (über den Fluß) und über+fahren+ (ein -Kind auf der Straße), +über+laufen (vom Krug oder Eimer gesagt) und -über+laufen+ (es über+läuft+ mich kalt, er über+läuft+ mich mit seinen -Besuchen), +über+legen (über die Bank) und über+legen+, +über+gehen -(zum Feinde) und über+gehen+ (den nächsten Abschnitt), +unter+halten -(den Krug am Brunnen) und unter+halten+, +unter+schlagen (die Beine) -und unter+schlagen+ (eine Geldsumme), +unter+breiten (einen Teppich) -und unter+breiten+ (ein Bittgesuch), +hinter+ziehen (ein Seil) und -hinter+ziehen+ (die Steuern), +um+schreiben (noch einmal oder ins -Reine schreiben) und um+schreiben+ (einen Ausdruck durch einen -andern), +durch+streichen (eine Zeile) und durch+streichen+ (eine -Gegend), +durch+sehen (eine Rechnung) und durch+schauen+ (einen -Betrug), +um+gehen und um+gehen+, +hinter+gehen und hinter+gehen+, -+wieder+holen und wieder+holen+ usw. Gewöhnlich haben die Bildungen -mit betonter Präposition die eigentliche, sinnliche, die mit betontem -Verbum eine übertragne, bisweilen auch die einen eine transitive, -die andern eine intransitive Bedeutung. Die Bildungen nun, die die -Präposition betonen, trennen bei der Flexion die Präposition ab, oder -richtiger: sie verbinden sie nicht mit dem Verbum (ich +breite unter+, -ich +streiche durch+, ich +gehe hinter+, daher auch +hinterzugehen+) -und bilden das Partizip der Vergangenheit mit der Vorsilbe +ge+ -(+untergebreitet+, +durchgestrichen+, +hintergegangen+); die dagegen, -die das Verbum betonen, lassen bei der Flexion Verbum und Präposition -verbunden (ich +unterbreite+, ich +durchstreiche+, ich +hintergehe+, -daher auch +zu hintergehen+) und bilden das Partizip ohne die Vorsilbe -+ge+ (+unterbreitet+, +durchstrichen+, +hintergangen+). Darnach ist es -klar, daß von einem Orte zum andern etwas nur +übergeführt+, aber nicht -+überführt+ werden kann. Ebenso verhält sichs mit +übersiedeln+, wo -das Sprachgefühl neuerdings auch ins Schwanken gekommen ist. Richtig -ist nur, wann siedelst du +über+? ich bin schon +übergesiedelt+, aber -nicht: wann +übersiedelst+ du? ich bin schon +übersiedelt+, die Familie -+übersiedelte+ nach Berlin. - -Die Verwirrung stammt aus Süddeutschland und namentlich aus Österreich, -wo nicht nur der angegebne Unterschied vielfach verwischt wird, -sondern überhaupt die Neigung besteht, das Gebiet der trennbaren -Zusammensetzung immer mehr einzuschränken. Der Österreicher sagt stets: -über+führt+, über+siedelt+; er an+erkennt+ etwas, er unter+ordnet+ -sich, eine Aufgabe ob+liegt+ ihm, er redet von einem unter+schobnen+ -Kinde, von dem Text, der einem Liede unter+legt+ ist, er unter+bringt+ -einen jungen Mann in einem Geschäft, er über+schäumt+ vor Entrüstung, -er hat die verschiednen Weine des Landes durch+kostet+ usw. Wir sollen -uns mit allen Kräften gegen diese Verwirrung wehren, da sie ein Zeichen -trauriger Verlotterung des Sprachgefühls ist. - -Von den mit +miß+ zusammengesetzten Zeitwörtern sind Partizipia mit -oder ohne +ge+- gebräuchlich, je nachdem man sich lieber +miß+ oder -das Verbum betont denkt, also miß+lungen+, miß+raten+, miß+fallen+, -miß+billigt+, miß+deutet+, miß+gönnt+, miß+braucht+, miß+handelt+, -neben +gemiß+braucht, +gemiß+billigt, +gemiß+handelt. Die Vorsilbe -+ge+- kann aber niemals zwischen +miß+ und das Zeitwort treten, +miß+ -bleibt in der Flexion überall mit dem Zeitwort verwachsen. Daher -ist es auch falsch, Infinitive zu bilden wie +mißzuhandeln+, es muß -unbedingt heißen: +zu mißhandeln+, +zu mißbrauchen+. - -Für +neubacken+ wird jetzt öfter +neugebacken+ geschrieben: ein -neu+gebackner+ Doktor, ein neu+gebackner+ Ehemann usw., aber doch -immer nur von solchen, die sich die gute alte Form nicht zu schreiben -getrauen. Und doch fürchten sie sich weder vor +neuwaschen+ noch vor -+altbacken+ noch vor +hausbacken+. - - -Ich bin gestanden oder ich habe gestanden? - -Ufm Bergli +bin i gsässe+, ha de Vögle zugeschaut; hänt gesunge, +hänt -gesprunge+, hänt’s Nestli gebaut -- heißt es in Goethes Schweizerlied. -+Ich bin gesessen+, +gestanden+, +gelegen+ ist das Ursprüngliche, das -aber in der Schriftsprache längst durch +habe gesessen+, +gestanden+, -+gelegen+ verdrängt ist. Nur mundartlich lebt es noch fort, und in -einer bayrischen oder österreichischen Erzählung aus dem Volksleben -läßt man sichs auch gern gefallen, auch in der Dichtersprache (Rückert: -es +ist+ ein Bäumlein +gestanden+ im Wald); in einem wissenschaftlichen -Aufsatz ist es unerträglich. Wie köstlich aber ist das +hänt -gesprunge+! Die Verba der Bewegung bilden ja das Perfektum alle mit -+sein+; manche können aber daneben auch ein Perfektum mit +haben+ -bilden, nämlich dann, wenn das Verbum der Bewegung eine Beschäftigung -bezeichnet. Schon im fünfzehnten Jahrhundert heißt es in Leipzig: Der -Custos zu S. Niclas +hat+ mit dem Frohnen nach Erbgeld +gangen+, d. h. -er hat den Auftrag ausgeführt, das Geld einzusammeln. Und heute heißt -es allgemein: vorige Woche +haben+ wir +gejagt+, aber: ich +bin+ in der -ganzen Stadt +herumgejagt+, eine Zeit lang +bin+ ich diesem Trugbilde -+nachgejagt+, wir +haben+ die halbe Nacht +getanzt+, aber: das Pärchen -+war+ ins Nebenzimmer +getanzt+. Jedermann sagt: +ich bin gereist+, -nur der Handlungsreisende nicht, der sagt: ich +habe+ nun schon zehn -Jahre +gereist+, denn das Reisen ist seine Beschäftigung![40] Wenn -er aber sagt: Ich +bin+ mit Müller und Kompagnie zehn Jahre lang -+verkehrt+, so ist das falsch: auch +verkehren+ bildet sein Perfektum -mit +haben+. Und geradezu entsetzlich ist es, wenn er seine junge Frau -in der Stadt herumführt und ihr ein Haus zeigt mit den Worten: Hier -+bin+ ich ein Jahr lang +jewohnt+! Richtig unterschieden wird wohl -allgemein zwischen: er +ist+ mir +gefolgt+ (nachgegangen) und er +hat+ -mir +gefolgt+ (gehorcht), er +ist fortgefahren+ (im Wagen) und er +hat -fortgefahren+ (zu lügen). - - -Singen gehört oder singen hören? - -Eine der eigentümlichsten Erscheinungen unsrer Sprache, die dem -Ausländer, der Deutsch lernen will, viel Kopfzerbrechen macht, wird -mit der Frage berührt, ob es heiße: ich habe dich +singen gehört+ oder -+singen hören+. - -Bei den Hilfszeitwörtern +können+, +mögen+, +dürfen+, +wollen+, -+sollen+ und +müssen+ und bei einer Reihe andrer Zeitwörter, die -ebenfalls mit dem Infinitiv verbunden werden, wie +heißen+, +lehren+, -+lernen+, +helfen+, +lassen+ (+lassen+ in allen seinen Bedeutungen: -befehlen, erlauben und zurücklassen), +machen+, +sehen+, +hören+ und -+brauchen+ (+brauchen+ im Sinne von +müssen+ und +dürfen+) ist schon -in früher Zeit das Partizipium der Vergangenheit, namentlich wenn es -unmittelbar vor dem abhängigen Infinitiv stand (der +Rat+ hat ihn -+geheißen gehen+), durch eine Art von Versprechen mit diesem Infinitiv -verwechselt und vermengt worden. In der zweiten Hälfte des fünfzehnten -Jahrhunderts heißt es bunt durcheinander: man hat ihn +geheißen gehen+ -und +heißen gehen+, und passiv: er ist +geheißen gehen+, er ist +heißen -gehen+, er ist +geheißen zu gehen+, ja sogar er ist +gegangen heißen+. -Schließlich drang an der Stelle des Partizips der Infinitiv vollständig -durch, namentlich dann, wenn der abhängige Infinitiv unmittelbar -davorstand, und so sagte man nun allgemein: ich habe ihn +gehen -heißen+, ich habe ihn +tragen müssen+, ich habe ihn +kommen lassen+, -ich habe ihn +kennen lernen+, ich habe ihn +laufen sehen+, ich habe ihn -+rufen hören+, er hat viel von sich +reden machen+ (Goethe im Faust: -ihr habt mich weidlich +schwitzen+ machen, der Kasus +macht+ mich -+lachen+), du hättest nicht zu +warten brauchen+.[41] Das merkwürdigste -ist, daß bei vieren von diesen Zeitwörtern der abhängige Infinitiv -ebenfalls erst durch ein Mißverständnis aus dem Partizip entstanden -ist, nämlich bei +hören+, +sehen+, +machen+ und +lassen+: ich höre ihn -+singen+, ich mache ihn +schwitzen+, ich lasse ihn +liegen+ ist ja -entstanden aus: ich höre ihn +singend+, ich mache ihn +schwitzend+, -ich lasse ihn +liegend+.[42] In der Verbindung also: ich habe ihn -+singen hören+ sind, so wunderbar das klingt, zwei Partizipia, eins der -Gegenwart und eins der Vergangenheit, durch bloßes Mißverständnis zu -Infinitiven geworden! Diese merkwürdige Erscheinung ist aber nun durch -jahrhundertelangen Gebrauch in unsrer Sprache so eingebürgert, und sie -ist uns so vertraut und geläufig geworden, daß es gesucht, ungeschickt, -ja geradezu fehlerhaft erscheint, wenn jemand schreibt: ich habe sie -auf dem Ball +kennen gelernt+ -- Dozent auf der Hochschule hatte ich -+werden gewollt+ (behüt dich Gott! es hat nicht +sein gesollt+!) -- -er hatte ein Mädchen mit einem Kinde gewissenlos +sitzen gelassen+ -- -wir haben die Situation +kommen gesehen+ -- über diesen Versuch hat -er nie Reue zu +empfinden gebraucht+ -- du hast mir das Verständnis -+erschließen geholfen+ usw. Wer sich ungesucht ausdrücken will, bleibt -beim Infinitiv, ja er dehnt ihn unwillkürlich gelegentlich noch auf -sinnverwandte Zeitwörter aus und schreibt: wir hätten diese Schuld auch -dann noch auf uns +lasten fühlen+ (statt: +lasten gefühlt+). (Lenau: -Drei Zigeuner +fand+ ich einmal +liegen+ an einer Weide.) - -Kommen zwei solche Hilfszeitwörter zusammen, so hilft es nichts, und -wenn sich der Papiermensch noch so sehr darüber entsetzt: es stehn -dann drei Infinitive nebeneinander: wir hätten den Kerl +laufen lassen -sollen+, +laufen lassen müssen+, +laufen lassen können+. Klingt -wundervoll und ist -- ganz richtig. - - -Du issest oder du ißt? - -In der Flexion innerhalb der einzelnen Tempora können keine Fehler -gemacht werden und werden auch keine gemacht. Bei Verbalstämmen, die -auf s, ß oder z ausgehen, empfiehlt sichs, im Präsens in der zweiten -Person des Singular das e zu bewahren, das sonst jetzt ausgeworfen -wird: du +reisest+, du +liesest+, du +hassest+, du +beißest+, du -+tanzest+, du +seufzest+. Allgemein üblich ist freilich: du +mußt+, -du +läßt+, fast allgemein auch: du +ißt+. Aber zu fragen: du +speist+ -doch heute bei mir? wäre nicht fein; zwischen +speisen+ und +speien+ -muß man hübsch unterscheiden. (Vgl. auch +du haust+ und +du hausest+.) -Bei Verbalstämmen dagegen, die auf sch endigen, kann man getrost -sagen: du +naschst+, du +wäschst+, du +drischst+, du +wünschst+, -sogar du +rutschst+. Auch in der zweiten Person der Mehrzahl wird -das e, wenigstens in Nord- und Mitteldeutschland, schon längst nicht -mehr gesprochen; also hat es auch keinen Sinn, es zu schreiben. Über -Maueranschläge, wie: +Besuchet+ Augsburg mit seinen Sehenswürdigkeiten, -oder: +Waschet+ mit Seifenextrakt, lacht man in Leipzig schon wegen -des altmodischen +et+. Nur bei der Abendmahlsfeier läßt man sich gern -gefallen: +Nehmet+ hin und +esset+. - - -Stände oder stünde? Begänne oder begönne? - -Immer größer wird die Unbeholfenheit, den Konjunktiv des Imperfekts -richtig zu bilden. Viele getrauen sichs kaum noch, sie umschreiben -ihn womöglich überall durch den sogenannten Konditional (+würde+ mit -dem Infinitiv), auch da, wo das nach den Regeln der Satzlehre ganz -unzulässig ist (vgl. S. 158). Besonders auffällig ist bei einer Reihe -von Zeitwörtern die Unsicherheit über den Umlautsvokal: soll man -ä oder ü gebrauchen? Das Schwanken ist dadurch entstanden, daß im -Mittelhochdeutschen der Pluralvokal im Imperfektum vielfach anders -lautete als der Singularvokal (~half~, ~hulfen~; ~wart~, ~wurden~), -dieser Unterschied sich aber später ausglich. Da nun der Konjunktiv -immer mit dem Umlaut des Pluralvokals gebildet wurde, so entstand -Streit zwischen ü und ä. Da aber die ursprünglichen Formen (+hülfe+, -+stürbe+, +verdürbe+, +würbe+, +würfe+) doch noch lebendig sind, so -verdienen sie auch ohne Zweifel geschützt und den später eingedrungnen -+hälfe+, +stärbe+, +verdärbe+, +wärbe+, +wärfe+ vorgezogen zu -werden. Neben +würde+ ist die Form mit ä gar nicht aufgekommen. Von -+stehen+ hieß das Imperfekt ursprünglich überhaupt nicht +stand+, -sondern +stund+, wie es in Süddeutschland noch heute heißt; das u -ging durch den Singular wie durch den Plural. Folglich ist auch hier -+stünde+ älter und richtiger als +stände+. Bei einigen Verben, wie -bei +beginnen+, hat der Streit zwischen ä und ü im Anschluß an das o -des Partizips (+begonnen+) im Konjunktiv des Imperfekts ö in Aufnahme -gebracht. Auch diese Formen mit ö (+beföhle+, +begönne+, +besönne+, -+empföhle+, +gewönne+, +gölte+, +rönne+, +schölte+, +schwömme+, -+spönne+, +stöhle+) verdienen, da sie den Formen mit umgewandeltem -Pluralvokal entsprechen, den Vorzug vor denen mit ä. - - -Kännte oder kennte? - -Ein Irrtum ist es, wenn man glaubt, aus dem Indikativ +kannte+ einen -Konjunktiv +kännte+ bilden zu dürfen. Die sechs schwachen Zeitwörter: -+brennen+, +kennen+, +nennen+, +rennen+, +senden+ und +wenden+ haben -eigentlich ein a im Stamm, sind also schon im Präsens umgelautet. -Ihr Imperfekt bilden sie ebenso wie das Partizip der Vergangenheit -(durch den sogenannten Rückumlaut) mit a: +brannte+, +gebrannt+, -+sandte+, +gesandt+, und da der Konjunktiv bei schwachen Verben -nicht umlautet, so sollte er eigentlich ebenfalls +brannte+, +sandte+ -heißen. Zur Unterscheidung hat man aber (und zwar ursprünglich nur im -Mitteldeutschen) einen Konjunktiv +brennete+, +kennete+, +nennete+, -+rennete+, +sendete+ und +wendete+ gebildet. Das e dieser Formen ist -nicht etwa ein jüngerer Umlaut zu dem a des Indikativs, sondern es -ist das alte Umlauts-e, das durch das Präsens dieser Zeitwörter geht. -Wirft man nun, wie es jetzt geschieht, aus +brennete+, +kennete+ das -mittlere e aus, das in +sendete+ und +wendete+ beibehalten wird, so -bleibt +brennte+, +kennte+ übrig. In früherer Zeit gehörten noch andre -Verba zu dieser Reihe, z. B. +setzen+ und +stellen+; der Konjunktiv -des Imperfekts heißt hier +setzte+, +stellte+, der Indikativ und das -Partizipium aber hießen früher: +sazte+, +stalte+, +gesazt+, +gestalt+ -(das noch in +wohlgestalt+, +mißgestalt+, +ungestalt+ erhalten ist). - -[Illustration] - - - - -Zur Wortbildungslehre - -[Illustration] - - - - -[Illustration] - - -Reformer und Protestler - -Erstaunlich ist die Fülle und Mannigfaltigkeit in unsrer Wortbildung, -noch erstaunlicher die Sicherheit des Sprachgefühls, mit der sie doch -im allgemeinen gehandhabt und durch gute und richtige Neubildungen -vermehrt wird. Doch fehlt es auch hier nicht an Mißhandlungen und -Verirrungen. - -Im Volksmund ist es seit alter Zeit üblich, zur Bezeichnung von -Männern dadurch Substantiva zu bilden, daß man an ein Substantiv, -das eine Sache bezeichnet, oder an ein andres Nomen die Endung -+er+ hängt. In Leipzig sprach man im fünfzehnten und sechzehnten -Jahrhundert nicht bloß von +Barfüßern+, sondern nannte auch die -Insassen der beiden andern Mönchsklöster kurzweg +Pauler+ und -+Thomasser+, und im siebzehnten Jahrhundert die kurfürstliche Besatzung -der Stadt +Defensioner+. Dazu kamen später die +Korrektioner+ (die -Insassen des Arbeitshauses) und die +Polizeier+, und in neuerer -Zeit die +Hundertsiebener+, die +Urlauber+, die +Sanitäter+, die -+Eisenbahner+ und die +Straßenbahner+. Im Buchhandel spricht man von -+Sortimentern+, in der gelehrten Welt von +Naturwissenschaftern+ und -+Sprachwissenschaftern+, in der Malerei von +Landschaftern+, und in der -Politik von +Botschaftern+, +Reformern+ und -- +Attentätern+![43] Da -manche dieser Bildungen unleugbar einen etwas niedrigen Beigeschmack -haben, der den von Verbalstämmen gebildeten Substantiven auf er -(+Herrscher+, +Denker+, +Kämpfer+) nicht anhaftet, so sollte man sich -mit ihnen recht in acht nehmen. In +Reformer+, das man dem Engländer -nachplappert, liegt unleugbar etwas geringschätziges im Vergleich zu -+Reformator+; unter einem +Reformer+ denkt man sich einen Menschen, -der wohl reformatorische Anwandlungen hat, es aber damit zu nichts -bringt. Noch viel deutlicher liegt nun dieses geringschätzige -in den Bildungen auf +ler+, wie +Geschmäckler+, +Zünftler+, -+Tugendbündler+, +Temperenzler+, +Abstinenzler+, +Protestler+, -+Radler+, +Sommerfrischler+, +Barfüßler+, +Zuchthäusler+; deshalb ist -es unbegreiflich, wie manche Leute so geschmacklos sein können, von -+Neusprachlern+ und von +Naturwissenschaftlern+ zu reden. Eigentlich -gehen ja die Bildungen auf +ler+ auf Zeitwörter zurück, die auf +eln+ -endigen, wie +bummeln+, +betteln+, +grübeln+, +kritteln+, +sticheln+, -+nörgeln+, +kränkeln+, +hüsteln+, +frömmeln+, +tänzeln+, +radeln+, -+anbändeln+, sich +herumwörteln+, +näseln+, +schwäbeln+, +französeln+. -So setzen +Neusprachler+ und +Naturwissenschaftler+ die Zeitwörter -+neuspracheln+ und +naturwissenschafteln+ voraus; das wären aber -doch Tätigkeiten, hinter denen kein rechter Ernst wäre, die nur als -Spielerei betrieben würden. An +Künstler+ haben wir uns freilich ganz -gewöhnt, obwohl +künsteln+ mit seiner geringschätzigen Bedeutung -daneben steht, auch an +Tischler+ und +Häusler+. - - -Ärztin und Patin - -Von Substantiven, die einen Mann bezeichnen, werden Feminina auf -+in+ gebildet: +König, Königin+ -- +Wirt, Wirtin+ -- +Koch, Köchin+ --- +Berliner, Berlinerin+ -- sogar +Landsmann, Landsmännin+ (während -sonst natürlich zu +Mann+ das Femininum +Weib+ oder +Frau+ ist: der -+Kehrmann+, das +Waschweib+, der +Botenmann+, die +Botenfrau+). Von -+Arzt+ hat man in letzter Zeit +Ärztin+ gebildet. Manche getrauten -sich das anfangs nicht zu sagen und sprachen von +weiblichen Ärzten+, -es ist aber gar nichts dagegen einzuwenden, und es ist abgeschmackt, -wenn unsre Zeitungen immer von männlichen und +weiblichen Arbeitern+, -männlichen und +weiblichen Lehrern+ reden statt von Arbeitern und -+Arbeiterinnen+, Lehrern und +Lehrerinnen+ (abgeschmackt auch, wenn -es in Polizeiberichten heißt, daß ein neugebornes +Kind+ männlichen -oder +weiblichen Geschlechts+ im Wasser gefunden worden sei, statt -ein neugeborner Knabe oder ein neugebornes +Mädchen+). Dagegen ist es -nicht gut, ein Femininum auf +in+ zu bilden von +Pate+, +Kunde+ (beim -Kaufmann) und +Gast+. In der ältern Sprache findet sich zwar zuweilen -auch +Gästin+, auf Theaterzetteln konnte man noch vor gar nicht langer -Zeit lesen, daß eine auswärtige Schauspielerin als +Gastin+ auftrete, -aber wer möchte noch heute eine Frau oder ein Mädchen seine +Gästin+ -oder +Gastin+ nennen? Bei +Pate+ unterscheidet man +den Paten+ und -+die Pate+, je nachdem ein Knabe oder ein Mädchen gemeint ist, und der -Kaufmann sagt: das ist +ein guter Kunde+ oder +eine gute Kunde+ von -mir. Entsetzlich sind die in der Juristensprache üblichen Bildungen: -die +Beklagtin+, die +Verwandtin+ und -- das neueste -- die +Beamtin+. -Von Partizipialsubstantiven -- und ein solches ist auch der +Beamte+, -d. h. der +Beamtete+, der mit einem Amte versehene -- können keine -Feminina auf +in+ gebildet werden; niemand sagt: meine +Bekanntin+, -meine +Geliebtin+, auch Juristen nicht. - - -Tintefaß oder Tintenfaß? - -Zusammensetzungen aus zwei Substantiven wurden im Deutschen -ursprünglich nur so gebildet, daß der Stamm des ersten Wortes, des -Bestimmungswortes, an das zweite, das bestimmte Wort vorn angefügt -wurde, z. B. +Tage-lohn+; das e in Tagelohn ist der abgeschwächte -Stammauslaut. Später sind zusammengesetzte Wörter auch dadurch -entstanden, daß ein vorangehendes Substantiv im Genitiv mit einem -folgenden durch einfaches Aneinanderrücken verschmolz, z. B. -+Gottesdienst+, +Sonntagsfeier+, +Tageslicht+, +Heeressprache+, -+Handelskammer+. In manchen Fällen sind jetzt beide Arten der -Zusammensetzungen nebeneinander gebräuchlich in verschiedner Bedeutung, -z. B. +Landmann+ und +Landsmann+, +Wassernot+ und +Wassersnot+. Nun -endet bei allen schwachen Femininen der Stamm ursprünglich ebenso wie -der Genitiv, beide gehen eigentlich auf +en+ aus, und so haben diese -schwachen Feminina eine sehr große Zahl von Zusammensetzungen mit +en+ -gebildet, auch in das Gebiet der starken Feminina übergegriffen, sodaß -+en+ zum Hauptbindemittel für Feminina überhaupt geworden ist. Man -denke +nur an Sonnenschein+, +Frauenkirche+ (d. i. die Kirche unsrer -lieben +Frauen+, der Jungfrau Maria), +Erdenrund+, +Lindenblatt+, -+Aschenbecher+, +Taschentuch+, +Seifensieder+, +Gassenjunge+, -+Stubentür+, +Laubendach+, +Küchenschrank+, +Schneckenberg+, -+Wochenamt+, +Gallenstein+, +Kohlenzeichnung+, +Leichenpredigt+, -+Reihenfolge+, +Wiegenlied+, +Längenmaß+, +Breitengrad+, +Größenwahn+, -+Muldental+, +Pleißenburg+, +Parthendörfer+, +Markthallenstraße+ -u. a. Sogar Lehn- und Fremdwörter haben sich dieser Zusammensetzung -angeschlossen, wie in +Straßenpflaster+, +Tintenfaß+, +Kirchendiener+, -+Lampenschirm+, +Flötenspiel+, +Kasernenhof+, +Bastillenplatz+, -+Visitenkarte+, +Toilettentisch+, +Promenadenfächer+, -+Kolonnadenstraße+. Ein reizendes Bild in der Dresdner Galerie ist das -+Schokoladenmädchen+. - -Bei dem einfachen Zusammenrücken von Wörtern stellten sich nun aber -Genitive im Plural als erster Teil der Zusammensetzung ein, und das -hat neuerdings zu einer traurigen Verirrung geführt. Man bildet sich -ein, das Binde-+en+ sei überhaupt nichts andres als das Plural-+en+, -man fühlt nicht mehr, daß dieses +en+ ebenso gut die Berechtigung -hat, einen weiblichen Singular mit einem folgenden Substantiv zu -verbinden, und so schreibt und druckt man jetzt wahrhaftig aus Angst -vor eingebildeten widersinnigen Pluralen: +Aschebecher+, +Aschegrube+, -+Tintefaß+, +Jauchefaß+, +Sahnekäse+, +Hefezelle+, +Hefepilz+, -+Rassepferd+ und +Rassehund+, +Stellegesuch+, +Muldetal+, +Pleißeufer+, -+Parthebrücke+, +Gartenlaubekalender+, +Gartenlaubebilderbuch+, -+Sparkassebuch+, +Visitekarte+, +Toiletteseife+, +Serviettering+, -+Manschetteknopf+, +Promenadeplatz+, +Schokoladefabrik+ usw. In allen -Bauzeitungen muß man von +Mansardedach+ und von +Lageplan+ lesen (so -haben die Architekten, die erfreulicherweise eifrige Sprachreiniger -sind, +Situationsplan+ übersetzt), in allen Kunstzeitschriften von -+Kohlezeichnungen+ und +Kohledrucken+, offenbar damit ja niemand -denke, die Zeichnungen oder Drucke wären mit einem Stück Stein- oder -Braunkohle aus dem +Kohlenkasten+ gemacht -- nicht wahr? Wer nicht -fühlt, daß das alles das bare Gestammel ist, der ist aufrichtig zu -bedauern. Es klingt genau, wie wenn kleine Kinder dahlten, die erst -reden lernen und noch nicht alle Konsonanten bewältigen können. -Man setze sich das nur im Geiste weiter fort -- was wird die Folge -sein? daß wir in Zukunft auch stammeln: +Sonneschein+, +Taschetuch+, -+Brilleglas+, +Gosestube+, +Zigarrespitze+, +Straßepflaster+, -+Roseduft+, +Seifeblase+, +Hülsefrucht+, +Laubedach+, +Geigespiel+, -+Ehrerettung+, +Wiegelied+, +Aschebrödel+ usw.[44] Sollten einzelne -dieser Wörter vor der Barbarei bewahrt bleiben, so könnte es nur -deshalb geschehen, weil man annähme, ihr Bestimmungswort stehe im -Plural, und der sei richtig, also ein +Taschentuch+ sei nicht ein Tuch -für die Tasche, sondern -- für die Taschen! - -Wo das Binde-+en+ aus rhythmischen oder andern Gründen nicht gebraucht -wird, bleibt für Feminina nur noch die eine Möglichkeit, den verkürzten -Stamm zu benutzen, der wieder mit dem eigentlichen Stamm der alten -starken Feminina zusammenfällt und dadurch überhaupt erst in der -Zusammensetzung von Femininen aufgekommen ist. So findet sich in -früherer Zeit +Leichpredigt+ neben +Leichenpredigt+, und so haben wir -längst +Mühlgasse+ neben +Mühlenstraße+, +Erdball+ und +Erdbeere+ -neben +Erdenrund+ und +Erdenkloß+, +Kirchspiel+ und +Kirchvater+ -neben +Kirchenbuch+ und +Kirchendiener+, +Elbtal+, +Elbufer+ und -+Elbbrücke+ neben +Muldental+ und +Muldenbett+. Vor dreißig Jahren -sagte man +Lokomotivenführer+, und das war gut und richtig. Neuerdings -hat die Amtssprache +Lokomotivführer+ durchgedrückt. Das ist zwar ganz -häßlich, denn nun stoßen zwei Lippenlaute (v und f) aufeinander, aber -es ist ja zur Not auch richtig. Aber ein Wort wie +Saalezeitung+ oder -+Solebad+, wie man auch neuerdings lallt (das +Solebad+ Kissingen), -ist doch die reine Leimerei. Bei +Saalzeitung+ könnte wohl einer an -den +Saal+ denken statt an die +Saale+? Denkt denn beim +Saalkreis+, -beim +Saalwein+ und bei der +Saalbahn+ jemand dran?[45] Die Amtssprache -fängt jetzt freilich auch an, vom +Saalekreis+ zu stammeln. Als 1747 -das erste Rhinozeros nach Deutschland kam, nannten es die Leute bald -+Nashorn+, bald +Nasenhorn+. Hätte man das Tier heute zu benennen, -man würde es unzweifelhaft +Nasehorn+ nennen.[46] Das Neueste ist, -daß sich die Herren von der Presse jetzt +Pressevertreter+ nennen und -bisweilen ein +Pressefest+ oder einen +Presseball+ veranstalten. Von -einem +Preßfest+ oder einem +Preßball+ zu reden fürchten sie sich, -offenbar damit niemand an die +Preßwurst+ denke! Ein Glück, daß die -Wörter +Preßfreiheit+, +Preßgesetz+, +Preßvergehen+, +Preßpolizei+, -+Preßbureau+ schon in einer Zeit gebildet worden sind, wo die Herren -von der Presse noch deutsch reden konnten! - -Besonders bei der Zusammensetzung mit Namen wird jetzt (z. B. bei -der Taufe neuer Straßen oder Gebäude) fast nur noch in dieser Weise -geleimt. Wer wäre vor hundert Jahren imstande gewesen, eine Straße -+Augustastraße+, ein Haus +Marthahaus+, einen Garten +Johannapark+ zu -nennen! Da sagte man +Annenkirche+, +Katharinenstraße+, +Marienbild+, -und es fiel doch auch niemand ein, dabei an eine Mehrzahl von Annen, -Katharinen oder Marien zu denken. - - -Speisenkarte oder Speisekarte? - -Da haben also wohl die Schenkwirte, die statt der früher allgemein -üblichen +Speisekarte+ eine +Speisenkarte+ eingeführt haben, -etwas recht weises getan? Sie haben den guten alten Genitiv -wiederhergestellt? Nein, daran haben sie nicht gedacht, sie haben -die Mehrzahl ausdrücken wollen, denn sie haben sich überlegt: auf -meiner Karte steht doch nicht bloß +eine+ Speise. Damit sind sie -aber auch wieder gründlich in die Irre geraten. In +Speisekarte+ ist -die erste Hälfte gar nicht durch das Hauptwort +Speise+ gebildet, -sondern durch den Verbalstamm von +speisen+. Alles, was zum Speisen -gehört: die +Speisekammer+, das +Speisezimmer+, der +Speisesaal+, -das +Speisegeschirr+, der +Speisezettel+ -- alles ist mit diesem -Verbalstamm zusammengesetzt. So ist auch die +Speisekarte+ nicht die -Karte, auf der die Speisen verzeichnet stehen, sondern die Karte, -die man beim Speisen gebraucht, wie die +Tanzkarte+ die Karte, die -man beim Tanzen gebraucht, das +Kochbuch+ das Buch, das man beim -Kochen benutzt, die +Spielregel+ die Regel, die man beim Spielen -beobachtet, die +Bauordnung+ die Ordnung, nach der man sich beim -Bauen richtet, der +Fahrplan+ der Plan, der uns darüber belehrt, -wann und wohin gefahren wird, die +Singweise+ die Weise, nach der -man singt, das +Stickmuster+ das Muster, nach dem man stickt, die -+Zählmethode+ die Methode, nach der man zählt. Alle diese Wörter sind -mit einem Verbalstamm zusammengesetzt. Hätten die Schenkwirte mit -ihrer +Speisenkarte+ Recht, dann müßten sie doch auch +Weinekarte+ -sagen.[47] Glücklicherweise läßt sich der Volksmund nicht irremachen. -Niemals hört man in einer Wirtschaft eine +Speisenkarte+ verlangen, es -wird aber immer nur gedruckt, entweder auf Verlangen der Wirte, die -damit etwas besonders feines ausgeheckt zu haben glauben, oder auf -Drängen der Akzidenzdrucker, die es den Wirten als etwas besonders -feines aufschwatzen. Ganz lächerlich ist es, wenn manche Wirte einen -Unterschied machen wollen: eine +Speisekarte+ sei die, auf der ich mir -eine Speise aussuchen könne, eine +Speisenkarte+ dagegen ein „Menu“, -das Verzeichnis der Speisen bei einem Mahl, wofür man neuerdings auch -das schöne Wort +Speisenfolge+ eingeführt hat. Die +Speisekarte+ ist -die Karte, die zum +Speisen+ gehört, ob ich mir nun etwas darauf -aussuche, oder ob ich sie von oben bis unten abesse. - -Ein Gegenstück zur +Speisenkarte+ ist die +Fahrrichtung+; an den -ehemaligen Leipziger Pferdebahnwagen stand: nur in der +Fahrrichtung+ -abspringen! Es spricht aber niemand von +Fließrichtung+, -+Strömrichtung+, +Schießrichtung+, wohl aber von +Flußrichtung+, -+Stromrichtung+, +Schußrichtung+, +Windrichtung+, +Strahlrichtung+. -Bedenkt man freilich, daß der Volksmund die +Fahrtrichtung+ -unzweifelhaft sofort zur +Fahrtsrichtung+ verschönert hätte (nach -+Mietskaserne+), so muß man ja eigentlich für die +Fahrrichtung+ sehr -dankbar sein. - - -Äpfelwein oder Apfelwein? - -Unnötigen Aufruhr und Streit erregt bisweilen die Frage, ob in dem -Bestimmungswort einer Zusammensetzung die Einzahl oder die Mehrzahl am -Platze sei. Einen Braten, der nur von +einem+ Rind geschnitten ist, -nennt man in Leipzig +Rinderbraten+, eine Schüssel Mus dagegen, die -aus einem halben Schock Äpfel bereitet ist, +Apfelmus+. Das ist doch -sinnwidrig, heißt es, es kann doch nur das umgekehrte richtig sein! -Nein, es ist beides richtig. Es kommt in solchen Zusammensetzungen -weder auf die Einzahl noch auf die Mehrzahl an, sondern nur auf den -Gattungsbegriff. Im Numerus herrscht völlige Freiheit; die eine -Mundart verfährt so, die andre so,[48] und selbst innerhalb der -guten Schriftsprache waltet hier scheinbar die seltsamste Laune und -Willkür. Man sagt: +Bruderkrieg+, +Freundeskreis+, +Jünglingsverein+, -+Ortsverzeichnis+ (neuerdings leider auch +Namensverzeichnis+ und -+Offizierskasino+!), +Adreßbuch+, +Baumschule+, +Fischteich+, -+Kartoffelernte+, +Trüffelwurst+, +Federbett+, obwohl hier überall -das Bestimmungswort unzweifelhaft eine Mehrzahl bedeutet; dagegen -sagt man +Kinderkopf+ (in der Malerei), +Liedervers+, +Eierschale+, -+Lämmerschwänzchen+, +Hühnerei+, +Städtename+, +Gänsefeder+, obwohl -ein Vers nur zu +einem+ Liede, eine Schale nur zu +einem+ Ei gehören -kann. Wer näher zusieht, findet freilich auch hinter dieser scheinbaren -Willkür gute Gründe. +Baumschule+, +Bruderkrieg+ und +Fischteich+ -sind noch nach der ursprünglichen Zusammensetzungsweise, die nach -singularischer oder pluralischer Bedeutung des Bestimmungswortes -nicht fragte, mit dem bloßen Stamme des ersten Wortes gebildet. -+Jünglingsverein+ und +Ortsverzeichnis+ haben das s, das eigentlich nur -dem vorgesetzten maskulinen Genitiv zukommt, aber von da aus weiter -gegriffen hat und zum Bindemittel schlechthin, selbst für pluralisch -gemeinte Substantiva, geworden ist; auch +Freundeskreis+ ist ein -Absenker dieser Bildungsweise. Und ebenso natürlich erklärt sich die -Gruppe mit scheinbar pluralischer Form und singularischer Bedeutung. -In ihr kommen nur Neutra mit der Pluralendung +er+ und umgelautete -Feminina in Frage. Aber sowohl der Umlaut der Feminina wie das +er+ -(und der Umlaut) der Neutra gehörte in alter Zeit nicht nur dem -Plural, sondern dem Stamme dieser Wörter an, und daß es sich bei den -Zusammensetzungen mit ihnen um nichts weiter als um den Stamm handelt, -können wir bei einigem guten Willen noch jetzt nachfühlen. Kein Mensch -denkt bei dem Worte +Gänseblume+ an mehrere Gänse, sondern jeder nur an -den Begriff Gans, so gut wie er bei +Rinderbrust+ nicht mehrere Rinder -vor Augen hat. - -Trotz alledem ist natürlich +Äpfelwein+ neben +Apfelwein+ nicht zu -verurteilen. Der wirklich pluralischen Zusammensetzungen und der -pluralisch gefühlten gibt es zu viel, als daß ihnen ein Eingreifen -in dieses Gebiet der Zusammensetzungen mit Gattungsbegriffen -verwehrt werden könnte. Schwankt man doch auch in Zusammensetzungen -wie +Anwaltstag+, +Juristentag+, +Ärztetag+, +Bischofkonferenz+, -+Rektorenkonferenz+, +Gastwirtverein+, +Gastwirtstag+, -+Architektenverein+ u. a. Wenn etwas hier bestimmend wäre, so könnte es -nur der Wohlklang sein. Die schwach deklinierten ziehen augenscheinlich -den Plural, die stark deklinierten den Singular vor; zu +Ärztetag+ hat -man ausnahmsweise gegriffen, weil +Arzttag+ undeutlich, +Arztstag+ -unerträglich klingt, während gegen eine +Arztversammlung+ niemand -etwas einwenden wird, also auch die +Ärztekammer+ (statt +Arztkammer+) -überflüssig war, ebenso überflüssig wie der +Wirteverein+. Höchst -ärgerlich aber ist es, wenn man, nachdem man vierzig Jahre lang von -+Kollegienheften+ hat sprechen hören, plötzlich an dem Ladenfenster -eines Schreibwarenkrämers +Kolleghefte+ angepriesen sieht. Aber der -gute Mann macht es ja bloß den Professoren nach, die jetzt keine -+Kollegiengelder+ mehr beanspruchen, sondern +Kolleggelder+! - - -Zeichnenbuch oder Zeichenbuch? - -Die falschen Zusammensetzungen +Zeichnenbuch+, +Zeichnensaal+, -+Rechnenheft+ sind in der Schule, wo sie sich früher auch breitmachten, -jetzt wohl überall glücklich wieder beseitigt; außerhalb der Schule -aber spuken sie doch noch und gelten noch immer manchen Leuten für das -Richtige. In Wahrheit sind es Mißbildungen. Wenn in Zusammensetzungen -das Bestimmungswort ein Verbum ist, so kann dieses nur in der Form des -Verbalstammes erscheinen; daher heißt es: +Schreibfeder+, +Reißzeug+, -+Stimmgabel+, +Druckpapier+, +Stehpult+, +Rauchzimmer+, +Laufbursche+, -+Spinnstube+, +Trinkhalle+, +Springbrunnen+, +Zauberflöte+, oder auch -mit einem Bindevokal: +Wartesaal+, +Singestunde+, +Bindemittel+.[49] -Nun gibt es aber Verbalstämme, die auf n ausgehen, z. B. +zeichen+, -+rechen+, +trocken+, +turn+; die Infinitive dazu heißen: +rechnen+ -(eigentlich +rechenen+), +zeichnen+ (eigentlich +zeichenen+), -+trocknen+, +turnen+. Werden diese in der Zusammensetzung verwendet, -so können natürlich nur Formen entstehen wie +Rechenstunde+, -+Zeichensaal+, +Trockenplatz+, +Turnhalle+. Wäre +Rechnenbuch+ und -+Zeichnensaal+ richtig, so müßte man doch auch sagen: +Trocknenplatz+, -+Turnenhalle+, ja auch +Schreibenfeder+ und +Singenstunde+. - - -Das Binde-s - -In ganz unerträglicher Weise greift jetzt das unorganisch eingeschobne -s in zusammengesetzten Wörtern um sich. In +Himmelstor+, +Gotteshaus+, -+Königstochter+, +Gutsbesitzer+, +Feuersnot+, +Wolfsmilch+ kann -man ja überall das s als die Genitivendung des männlichen oder -sächlichen Bestimmungswortes auffassen, wiewohl es auch solche -Zusammensetzungen gibt, in denen der Genitiv keinen Sinn hat, das s -also nur als Bindemittel betrachtet werden kann, z. B. +Rittersmann+, -+segensreich+ (Schiller hat in der Glocke noch richtig +segenreiche -Himmelstochter+ geschrieben). Aber wie kommt das s an Wörter -weiblichen Geschlechts, die gar keinen Genitiv auf s bilden können? -Wie ist man dazu gekommen, zu bilden: +Liebesdienst+, +Hilfslehrer+, -+Geschichtsforscher+, +Bibliotheksordnung+, +Arbeitsliste+, -+Geburtstag+, +Hochzeitsgeschenk+, +Weihnachtsabend+, +Fastnachtsball+, -+Zukunftsmusik+, +Einfaltspinsel+, +Zeitungsschreiber+, +Hoheitsrecht+, -+Sicherheitsnadel+, +Wirtschaftsgeld+, +Konstitutionsfest+, -+Majestätsbeleidigung+, +ausnahmsweise+, +rücksichtsvoll+, -+vorschriftsmäßig+? - -Dieses Binde-s stammt ebenso wie das falsche Plural-s (vgl. S. 23) aus -dem Niederdeutschen. Dort wird es wirklich aus Verlegenheit gebraucht, -um von artikellosen weiblichen Hauptwörtern einen Genitiv zu bilden, -natürlich immer nur dann, wenn er dem Worte, von dem er abhängt, -voransteht, wie +Mutters+ Liebling, vor +Schwesters Tür+, +Madames+ -Geschenk (Lessing: +Antworts+ genug, über +Naturs+ Größe), und so ist -aus diesem Verlegenheits-s dann das Binde-s geworden. Es gehört aber -erst der neuern Zeit an. Im Mittelhochdeutschen findet es sich nur -vereinzelt, erst im Neuhochdeutschen ist es eingedrungen, hat sich -dann mit großer Schnelligkeit verbreitet und sucht sich noch immer -weiter zu verbreiten. Schon fängt man an zu sagen: +Doktorsgrad+, -+Wertspapiere+, +Raumsgestaltung+, +Gesteinsmassen+, +Gewebslehre+, -+Gesangsunterricht+, +Kapitalsanlage+, +Inventursaufnahme+, -+Examensvorbereitung+, +Aufnahmsprüfung+, +Einnahmsquelle+, -+teilnahmslos+, +Niederlagsraum+, +Schwadronsbesichtigung+, ja -in einzelnen Gegenden Deutschlands, namentlich am Rhein, sogar -schon +Stiefelsknecht+, +Erbsmasse+ (statt Erbmasse), +Ratshaus+, -+Stadtsgraben+, +Nachtswächter+, +Zweimarksstück+, +Schiffsbruch+, -+Kartoffelsbrei+ u. a. In Leipzig sind wir neuerdings mit einem -+Kajütsbureau+ beglückt worden (!), und die sächsischen Eisenbahnen -reden seit einiger Zeit nur noch von +Zugsverkehr+, +Zugsverbindungen+ -und +Zugsverspätungen+. Das widerwärtigste aber wegen ihrer Häufigkeit -sind wohl die Zusammensetzungen mit +Miets-+ und +Fabriks-+: das -+Mietshaus+, die +Mietskaserne+, der +Mietsvertrag+, der +Mietspreis+, -der +Fabriksdirektor+, das +Fabriksmädchen+, das tollste der in -rheinischen Städten übliche +Stehsplatz+ und der +Verpflegsdienst+. Das -Binde-s hinter einem Verbalstamm eingeschmuggelt! - -Nur +eine+ Wortgattung hat sich des Eindringlings bis jetzt glücklich -erwehrt: die Stoffnamen. Von +Gold+, +Silber+, +Wein+, +Kaffee+, -+Mehl+, +Zucker+ usw. wird nie eine Zusammensetzung mit dem Binde-s -gebildet. Nur mit +Tabak+ hat man es gewagt: +Tabaksmonopol+, -+Tabaksmanufaktur+, natürlich durch das verwünschte k verführt. -Der +Fabrikstabak+ und die +Tabaksfabrik+ sind einander wert. Die -+Tabakspfeife+ geht freilich schon weit zurück. - -Wo das falsche s einmal festsitzt, da ist nun freilich jeder Kampf -vergeblich, und das ist der Fall bei allen Zusammensetzungen mit -+Liebe+, +Hilfe+, +Geschichte+, hinter vielen weiblichen Wörtern, -die auf t endigen, ferner bei allen, die mit +ung+, +heit+, +keit+ -und +schaft+ gebildet sind, endlich bei den Fremdwörtern auf +ion+ -und +tät+. Hier jetzt noch den Versuch zu machen, das s wieder -loszuwerden, wäre wohl ganz aussichtslos.[50] Wo es sich aber noch -nicht festgesetzt hat, wo es erst einzudringen versucht, wie hinter -+Fabrik+ und +Miete+, da müßte doch der Unterricht alles aufbieten, es -fernzuhalten, das Sprachgefühl für den Fehler wieder zu schärfen.[51] -Es ist das nicht so schwer, wie es auf den ersten Blick scheint, denn -dieses Binde-s ist ein solcher Wildling, daß es nicht die geringste -Folgerichtigkeit kennt. Warum sagt man +Rindsleder+, +Schweinsleder+, -+vertragsbrüchig+, +inhaltsreich+, +beispielsweise+, +hoffnungslos+, -da man doch +Kalbleder+, +Schafleder+, +wortbrüchig+, +gehaltreich+, -+schrittweise+, +gefühllos+ sagt? Hie und da scheint wieder der -Wohllaut im Spiele zu sein, aber doch nicht immer. - -Nach +Hilfe+ wird übrigens in der guten Schriftsprache ein Unterschied -beobachtet: man sagt +Hilfsprediger+, +Hilfslehrer+, +Hilfsbremser+, -+hilfsbedürftig+ und +hilfsbereit+, auch +aushilfsweise+, dagegen -+Hilferuf+ und +Hilfeleistung+, weil man bei diesen beiden das -Akkusativverhältnis fühlt, bei den übrigen bloß die Zusammensetzung. -Ähnlich ist es mit +Arbeitgeber+ im Gegensatz zu +Arbeitsleistung+, -+Arbeitsteilung+, mit +staatserhaltend+ und +vaterlandsliebend+ im -Gegensatz zu +kriegführend+, +rechtsuchend+, +betriebstörend+. Niemand -redet von +kriegsführenden+ Mächten, auch nicht von +Kriegsführung+, -weil hier die einzelne Handlung vorschwebt und deshalb der Akkusativ -(Krieg) deutlich gefühlt wird, während +vaterlandsliebend+ und -+staatserhaltend+ eine dauernde Gesinnung bezeichnen. Was nützt -aber die Freude über diesen feinen Unterschied? In der nächsten -Zeitungsnummer stößt man auf den +geschäftsführenden+ Ausschuß, auf -die +verkehrshindernde+ Barriere und auf die +vertragsschließenden+ -Parteien.[52] - - -ig, lich, isch. Adlig, fremdsprachlich, vierwöchig, zugänglich - -Eigenschaftswörter können im Deutschen von Hauptwörtern auf sehr -verschiedne Arten gebildet werden: mit +ig+, +lich+, +isch+, +sam+, -+bar+, +haft+ usw. Zwischen allen diesen Bildungen waren ursprünglich -fühlbare Bedeutungsunterschiede, die heute vielfach verwischt sind. -Doch sind sie auch manchmal noch deutlich zu erkennen, selbst bei den -am häufigsten verwendeten und deshalb am meisten verblaßten Endungen -+ig+, +lich+ und +isch+; man denke nur an +weiblich+ und +weibisch+, -+kindlich+ und +kindisch+, +herrlich+ und +herrisch+, +launig+ und -+launisch+, +traulich+ und +mißtrauisch+, +göttlich+ und +abgöttisch+, -+väterlich+ und +altväterisch+, +gläubig+ und +abergläubisch+ u. a. - -Das von +Adel+ gebildete Adjektiv soll nach der „neuen Orthographie“ -nun endgiltig +adlig+ geschrieben werden. Es schadet aber vielleicht -nichts, wenn man sich darüber klar bleibt, daß das eigentlich falsch -ist. +Adlich+ ist entstanden aus +adel-lich+, es gehört zu +königlich+, -+fürstlich+, +ritterlich+, +männlich+, +weiblich+, +geistlich+, -+weltlich+, +fleischlich+, aber nicht zu +heilig+, +geistig+, -+luftig+, +fleißig+, +steinig+, +ölig+, +fettig+, +schmutzig+. -Dieselbe Verwirrung des Sprachgefühls wie bei +adlig+ findet sich -auch bei +billig+ (das noch bis in das siebzehnte Jahrhundert richtig -+billich+ geschrieben wurde) und bei +unzählig+ und +untadlig+, die -eigentlich +unzählich+ und +untadlich+ geschrieben werden müßten. Nur -bei +allmählich+, das eine Zeit lang allgemein falsch +allmählig+ -geschrieben wurde (es ist aus +allgemächlich+ entstanden), ist das -richtige in neuerer Zeit wiederhergestellt worden, wohl deshalb, weil -hier doch gar zu offenbar ist, daß das l nicht zum Stamme gehören kann. - -Wenn aus einem Substantiv mit vorhergehendem Eigenschaftswort oder -Zahlwort ein Adjektiv gebildet wird, so geschieht es immer mit -der Endung +ig+. Bei +kurzweilig+, +langstielig+, +großmäulig+, -+dickfellig+, +gleichschenklig+, +rechtwinklig+, +vierzeilig+ könnte -man meinen, sie wären deshalb auf ig gebildet worden, weil der -Stamm auf l endigt; es heißt aber auch: +fremdartig+, +treuherzig+, -+gutmütig+, +schöngeistig+, +freisinnig+, +hartnäckig+, +vollblütig+, -+breitschultrig+, +schmalspurig+, +freihändig+, +buntscheckig+, -+eintönig+, +vierprozentig+ usw. - -Da hat man nun neuerdings +fremdsprachlich+ und +neusprachlich+ -gebildet -- ist das richtig? Leider Gottes! muß man sagen. Diese -Adjektiva sind nicht etwa entstanden zu denken aus +fremd+ und -+Sprache+, +neu+ und +Sprache+ (so wie +fremdartig+ aus +fremd+ und -+Art+), sondern es sollen Adjektivbildungen zu +Fremdsprache+ und -+Neusprache+ sein. Diese beiden herrlichen Wörter hat man nämlich -gebildet, um nicht mehr von +fremden+ und +neuen Sprachen+ reden -zu müssen; nur die +Altsprachen+ fehlen noch, aber stillschweigend -vorausgesetzt werden sie auch, denn neben +neusprachlich+ steht -natürlich +altsprachlich+. Und wie man nun nicht mehr von -+Sprachunterricht+, sondern nur noch von +sprachlichem+ Unterricht -redet, so nun auch von +fremdsprachlichem+, +altsprachlichem+ -und +neusprachlichem+. Neben diesen Bildungen gibt es aber auch -+fremdsprachig+, das nun wirklich aus +fremd+ und +Sprache+ -gebildet ist. Während mit +fremdsprachlich+ bezeichnet wird, was -sich auf eine fremde Sprache bezieht, bezeichnet +fremdsprachig+ -eine wirkliche Eigenschaft. Man redet oder kann wenigstens reden -von +fremdsprachigen+ Völkern, +fremdsprachigen+ Büchern, einer -+fremdsprachigen+ Literatur (wie von einer +dreisprachigen+ Inschrift -und einer +gemischtsprachigen+ Bevölkerung). Sogar ein Unterricht kann -zugleich +fremdsprachlich+ und +fremdsprachig+ sein, wenn z. B. der -Lehrer die Schüler im Französischen unterrichtet und dabei zugleich -französisch spricht. +Fremdsprachig+ steht also neben +fremdsprachlich+ -wie +gleichaltrig+ (gebildet aus +gleich+ und +Alter+) neben -+mittelalterlich+ (gebildet von +Mittelalter+). - -Streng zu scheiden ist zwischen den Bildungen auf +ig+ und denen auf -+lich+ bei den Adjektiven, die von +Jahr+, +Monat+, +Tag+ und +Stunde+ -gebildet werden. Auch hier bezeichnen die auf +ig+ eine Eigenschaft, -nämlich die Dauer: +zweijährig+, +eintägig+, +vierstündig+. -Bis vor kurzem konnte man zwar oft von einem +dreimonatlichen -Urlaub+ oder einer +vierwöchentlichen+ Reise lesen; jetzt wird -erfreulicherweise fast überall nur noch von einem +dreimonatigen+ -Urlaub und einer +vierwöchigen+ Reise gesprochen. Dagegen bezeichnen -+einstündlich+, +dreimonatlich+ so gut wie +jährlich+, +halbjährlich+, -+vierteljährlich+, +monatlich+, +wöchentlich+, +täglich+ und -+stündlich+ den Zeitabstand von wiederkehrenden Handlungen. Da heißt -es: in +dreimonatlichen+ Raten zu zahlen, +einstündlich+ einen Eßlöffel -voll zu nehmen, ebenso wie: nach +vierteljährlicher Kündigung+. Unsinn -also ist es, von +halbjährigen+ öffentlichen Prüfungen zu reden; -es gibt nur +halbjährliche+, das sind solche, die alle halben Jahre -stattfinden, und +halbstündige+, das sind solche, die eine halbe Stunde -dauern. - -Falsch ist es auch, von einem +unförmlichen+ Fleischklumpen zu reden. -+Unförmlich+ könnte nur als Verneinung von +förmlich+ verstanden -werden. Das Betragen eines Menschen kann +unförmlich+ sein (ohne -Förmlichkeit, formlos), ein Fleischklumpen aber nur +unförmig+ -(gebildet von +Unform+; vgl. +unsinnig+ und +unsinnlich+). - -Genau zu unterscheiden ist endlich auch noch zwischen +abschlägig+ -(eine +abschlägige+ Antwort) und +abschläglich+ (eine +abschlägliche+ -Zahlung). +Abschlägig+ ist unmittelbar aus dem Verbalstamm gebildet, -eine +abschlägige+ Antwort ist eine abschlagende; +abschläglich+ -dagegen ist von +Abschlag+ gebildet, eine +abschlägliche+ Zahlung -ist eine +Abschlagszahlung+. (Vgl. +geschäftig+ und +geschäftlich+.) -Wenn Kaufleute oder Buchhändler neuerdings davon reden, daß Waren -oder Bücher wegen ihres niedrigen Preises den weitesten Kreisen -+zugängig+ seien, oder eine Zeitung schreibt: die Kinder müssen so -viel Deutsch lernen, daß ihnen die deutsche Kultur +zugängig+ ist, -oder das „Tuberkulosemerkblatt“ des Kaiserlichen Gesundheitsamtes als -Hauptmittel gegen die Ansteckung eine dem Zutritte (!) von Luft und -Licht +zugängige+ Wohnung bezeichnet, so ist das dieselbe Verwechslung. -Die Wohnung soll der Luft +zugänglich+ sein, d. h. sie soll der Luft -+Zugang+ bieten. +Zugängig+ könnte höchstens (aktiv!) etwas bedeuten, -was jedermann zugeht, z. B. die Probenummer einer Zeitung, wie das -neumodische +angängig+ (für +möglich+) doch das bedeuten soll, was -angeht. (Vgl. auch +verständlich+ und +verständig+.) Wenn also amtlich -bekanntgemacht wird, daß die sächsischen Sterbetaler der Allgemeinheit -unmittelbar +zugängig+ gemacht werden sollen, so könnte ich mit Recht -sagen: Schön, wann wird mir der meinige zugeschickt? Der Unterschied -liegt auf der Hand, und doch hat das dumme +zugängig+ in der letzten -Zeit mit ungeheurer Schnelligkeit um sich gegriffen. - - -Goethe’sch oder Goethisch? Bremener oder Bremer? - -Eine rechte Dummheit ist in der Bildung der Adjektiva auf +isch+ -eingerissen bei Orts- und Personennamen, die auf e endigen; man liest -nur noch von der +Halle’schen+ Universität, von +Goethe’schen+ und -+Heine’schen+ Gedichten und von der +Ranke’schen+ Weltgeschichte. Man -übersehe ja den Apostroph nicht; ohne den Apostroph würde die Sache den -Leuten gar keinen Spaß machen. In dieses Häkchen sind Schulmeister und -Professoren ebenso verliebt wie Setzer und Korrektoren (vgl. S. 8). - -Die Adjektivendung +isch+ muß stets unmittelbar an den Wortstamm -treten. Von +Laune+ heißt das Adjektiv +launisch+, von +Hölle+ -+höllisch+, von +Satire+ +satirisch+, von +Schwede+ +schwedisch+; -niemand spricht von +laune’schen+ Menschen, +hölle’schen+ Qualen, -+satire’schen+ Bemerkungen oder +schwede’schen+ Streichhölzchen. Und -sagt oder schreibt wohl ein vernünftiger Mensch: dieses Gedicht klingt -echt +Goethe’sch+? oder: mancher versucht zwar Ranke nachzuahmen, -aber seine Darstellung klingt gar nicht +Ranke’sch+? Jeder sagt doch: -es klingt +Goethisch+, es klingt +Rankisch+. Wenn man aber in der -undeklinierten, prädikativen Form das Adjektiv richtig bildet, warum -denn nicht in der attributiven, deklinierten? Es könnte wohl am Ende -einer denken, der Dichter hieße +Goeth+ oder +Goethi+, wenn man von -+Goethischen+ Gedichten spricht? Denkt vielleicht bei der +hansischen+ -Geschichte irgend jemand an einen +Hans+ oder +Hansi+? August Hermann -Francke, der Stifter des +Hallischen+ Waisenhauses (noch bis ins -achtzehnte Jahrhundert hinein sagte man sogar mit richtigem Umlaut -+hällisch+),[53] würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüßte, daß -seine Stiftung jetzt das +Halle’sche+ Waisenhaus genannt wird. Genau -so lächerlich aber sind die +Laube’schen+ Dramen, die +Raabe’schen+ -Erzählungen, das +Fichte’sche+ System, die +Heyse’schen+ Novellen, die -+Stolze’sche+ Stenographie, der +Grote’sche+ Verlag, die +Moltke’sche+ -Strategie und der +Lippe’sche+ Erbfolgestreit. Unbegreiflicherweise -stammelt man jetzt sogar in Germanistenkreisen von der +Manesse’schen+ -Handschrift, die doch seit Menschengedenken die +Manessische+ geheißen -hat.[54] - -Man spricht aber neuerdings auch von dem +Meiningen’schen+ Theater -(statt vom +Meiningischen+), von +rügen’schen+ Bauernsöhnen (statt von -+rügischen+), vom +schonen’schen+ Hering (statt vom +schonischen+) und -von +hohenzollern’schem+ Hausbesitz (statt von +hohenzollerischem+). -Dann wollen wir nur auch in Zukunft von +thüringen’schen+ Landgrafen -reden, von der +franken’schen+ Schweiz, vom +sachsen’schen+ und vom -+preußen’schen+ König! Nein, auch hier ist die Bildung unmittelbar aus -dem Wortstamm das einzig richtige. Die Ortsnamen auf +en+ sind meist -alte Dative im Plural. Wenn ein Adjektiv auf +isch+ davon gebildet -werden soll, so muß die Endung +en+ erst weichen. Es kann also nur -heißen: +hohenzollerisch+, +meiningisch+. - -Derselbe Unsinn wie in +meiningen’sch+ liegt übrigens auch in Bildungen -wie +Emdener+, +Zweibrückener+, +Eislebener+, +St. Gallener+ vor; da -ist die Endung +er+ an die Endung +en+ gefügt, statt an den Stamm. In -den genannten Orten selbst, wo man wohl am besten Bescheid wissen wird, -wie es heißen muß, kennt man nur +Emder+, +Zweibrücker+, +Eisleber+, -(das +Eisleber+ Seminar), +St. Galler+, wie anderwärts +Bremer+, -+Kempter+, +Gießer+ (meine +Gießer+ Studentenjahre), +Barmer+. Bei -+Bingen+ ist das +Binger+ Loch, und in Emden wird einer sofort als -Fremder erkannt, wenn er von der +Emdener+ Zeitung redet. Ein wahres -Glück, daß der +Nordhäuser+ und der +Steinhäger+ schon ihre Namen -haben! Heute würden sie sicherlich +Nordhausener+ und +Steinhagener+ -genannt werden: Geben Sie mir einen +Nordhausener+![55] - -All dieser Unsinn hat freilich eine tiefer sitzende Ursache, er -hängt zusammen mit der traurigen Namenerstarrung, zu der wir erst im -neunzehnten Jahrhundert gekommen sind, und die, wie so manche andre -Erscheinung in unserm heutigen Sprachleben, eine Folge des alles -beherrschenden juristischen Geistes unsrer Zeit ist. Im fünfzehnten, -ja noch im sechzehnten Jahrhundert bedeutete ein Name etwas. Um 1480 -heißt derselbe Mann in Leipziger Urkunden bald +Graue Hänsel+, bald -+Graue Henschel+, bald +Hänsichen Grau+, um 1500 derselbe Mann bald -+Schönwetter+, bald +Hellwetter+, derselbe Mann bald +Sporzel+, -bald +Sperle+ (Sperling), derselbe Mann bald +Sachtleben+, bald -+Sanftleben+, derselbe Mann bald +Meusel+, bald +Meusichen+, Albrecht -Dürer nennt 1521 in dem Tagebuch seiner niederländischen Reise seinen -Schüler +Hans Baldung+, der den Spitznamen der +grüne+ (mundartlich -der +griene+) +Hans+ führte, nur den +Grünhans+,[56] und selbst als -sich längst bestimmte Familiennamen festgesetzt hatten, behandelte -man sie doch immer noch wie alle andern Nomina, man scherte sich -den Kuckuck um ihre Orthographie, man deklinierte sie, man bildete -frischweg Feminina und Adjektiva davon wie von jedem Appellativum. -Noch Ende des achtzehnten Jahrhunderts berichtete der Leipziger -Rat an die Landesregierung, daß er Gottfried +Langen+, Hartmann -+Wincklern+, Friedrich +Treitschken+, Tobias +Richtern+ und Jakob -+Bertramen+ zu Ratsherren gewählt habe. Frau Karsch hieß bei den -besten Schriftstellern die +Karschin+ (das heute von „gebildeten“ -Leuten wie +Berlin+ betont wird!), und so war es noch zu Anfange des -neunzehnten Jahrhunderts. Heute ist ein Name vor allen Dingen eine -unantastbare Reihe von Buchstaben. Wehe dem, der sich daran vergreift! -Wehe dem, der es wagen wollte, den großen +Winckelmann+ jetzt etwa -+Winkelmann+ zu schreiben, weil man auch den +Winkel+ nicht mehr mit -ck schreibt, oder +Joachimsthal+ mit T, weil man auch das +Tal+ jetzt -nicht mehr mit Th schreibt, oder gar +Goethe+ mit ö! Er wäre sofort -von der Wissenschaft in Acht und Bann getan. Das alles haben wir dem -grenzenlosen juristischen Genauigkeitsbedürfnis unsrer Zeit zu danken, -das keinen gesunden Menschenverstand kennt und anerkennt, das alles -äußerlich in Buchstaben „festlegen“ muß, und dessen höchster Stolz es -ist, selbst eine Straße mit einem Vornamen, eine Stiftung mit einem -Doktortitel und ein Denkmal mit einem Doktortitel und einem Vornamen -zu schmücken: +Gustav Freytag-Straße+, ~Dr.~ +Wünsche-Stiftung+, ~Dr.~ -+Karl Heine-Denkmal+. - - -Hallenser und Weimaraner - -Daß wir Deutschen bei unsrer großen Gelehrsamkeit und -Gewissenhaftigkeit die Bewohner fremder Länder und Städte mit einer -wahren Musterkarte von Namenbildungen versehen, ist zwar sehr komisch, -aber doch immerhin erträglich. Sprechen wir also auch in Zukunft -getrost von Amerika+nern+, Mexika+nern+, Neapolita+nern+, Parmes+anern+ -und Venezol+anern+, Byzant+inern+, Florent+inern+ und Tarent+inern+, -Chine+sen+ und Japane+sen+, Piemont+esen+ und Alban+esen+, Genu+esern+, -Bolog+nesern+ und Veron+esern+, Bethlehem+iten+ und Sybar+iten+ -(denen sich als neue Errungenschaft die Sansibar+iten+ angereiht -haben), Samarit+ern+ und Moskowit+ern+, Asia+ten+ und Ravenna+ten+, -Candi+oten+ und Hydri+oten+, Franzo+sen+, Portugi+esen+, Provenz+alen+, -Savoy+arden+ usw. Daß wir aber an deutsche(!) Städtenamen noch -immer lateinische Endungen hängen, ist doch ein Zopf, der endlich -einmal abgeschnitten werden sollte. Die +Athenienser+ und die -+Carthaginienser+ sind wir aus den Geschichtsbüchern glücklich -los, aber die +Hallenser+, die +Jenenser+ und die +Badenser+, die -+Hannoveraner+ und die +Weimaraner+ wollen nicht weichen, auch die -+Anhaltiner+ spuken noch gelegentlich. Und doch ist nicht einzusehen, -weshalb man nicht ebensogut soll +Jenaer+ sagen können wie +Gothaer+, -+Geraer+ und +Altonaer+,[57] ebenso gut +Badner+ wie +Münchner+, -+Posner+ und +Dresdner+, ebenso gut +Haller+ wie +Celler+, +Stader+ -und +Klever+, ebenso gut +Hannoverer+ und +Weimarer+ wie +Trierer+, -+Speierer+ und +Colmarer+. - -Freilich erstreckt sich die häßliche Sprachmengerei in unsrer -Wortbildung nicht bloß auf geographische Namen, sie ist überhaupt -in unsrer Sprache weit verbreitet; man denke nur an Bildungen wie -+buchstabieren+, +halbieren+, +hausieren+, +grundieren+, +schattieren+, -+glasieren+ (im sechzehnten Jahrhundert sprach man noch von +geglästen+ -Ziegeln und Kacheln), +amtieren+, +Hornist+, +Lagerist+, +Probist+, -+Kursist+, +Wagnerianer+, +Börsianer+, +Goethiana+, +Beethoveniana+, -+Lieferant+, +Stellage+, +Futteral+, +Stiefeletten+, +Glasur+, -+schauderös+, +blumistisch+, +superklug+, +hypergeistreich+, -+antideutsch+ usw. Manches davon stammt aus sehr früher Zeit und -wird wohl nie wieder zu beseitigen sein; vieles aber ließe sich doch -vermeiden, und vor allem sollte es nicht vermehrt werden. - -[Illustration] - - - - -Zur Satzlehre - -[Illustration] - - - - -[Illustration] - - -Unterdrückung des Subjekts - -Die meisten Fehler gegen die grammatische Richtigkeit und den guten -Geschmack werden natürlich auf dem schwierigsten Gebiete der Sprache, -auf dem des Satzbaues begangen. Hier sollen zunächst Subjekt und -Prädikat und dann die Tempora und die Modi des Zeitworts in Haupt- und -Nebensätzen besprochen werden. - -Nicht bloß in dem Geschäfts- und Briefstil der Kaufleute, sondern im -Briefstil überhaupt halten es viele für ein besondres Zeichen von -Höflichkeit, das Subjekt ich oder wir zu unterdrücken. Kaufleute -schreiben in ihren Geschäftsanzeigen: Kisten und Tonnen +nehmen+ zum -Selbstkostenpreise zurück, Zeitungen drucken über ihren Inseratenteil: -Sämtliche Anzeigen +halten+ der Beachtung unsrer Leser empfohlen, und -Ärzte machen bekannt: +Habe+ mich hier niedergelassen, oder: Meine -Sprechstunden +halte+ von heute ab von acht bis zehn Uhr. Aber auch -gebildete Frauen und Mädchen, denen man etwas Geschmack zutrauen -sollte, schreiben: Vorige Woche +habe+ mit Papa einen Besuch bei R.s -gemacht. - -Wenn man jemand seine Hochachtung unter anderm auch durch die Sprache -bezeugen will, so ist das gar nicht so übel. Aber vernünftigerweise -kann es doch nur dadurch geschehen, daß man die Sprache so sorgfältig -und sauber behandelt wie irgend möglich, aber nicht durch äußerliche -Mittelchen, wie große Anfangsbuchstaben (+Du+, +Dein+), gesuchte -Wortstellung, bei der man den Angeredeten möglichst weit vor, sich -selbst aber möglichst weit hinter stellt (so +bitte Ew. Wohlgeboren+ -infolge unsrer mündlichen Verabredung +ich+ ganz ergebenst), oder gar -dadurch, daß man den grammatischen Selbstmord begeht, wie es Jean Paul -genannt hat, +ich+ oder +wir+ wegzulassen. Derartige Scherze schleppen -sich aus alten Briefstellern fort -- wer Gelegenheit hätte, in den -Briefen des alten Goethe zu lesen, würde mit Erstaunen sehen, daß sich -auch der nie anders ausgedrückt hat --, sie sollten aber doch endlich -einmal überwunden werden. - -Noch schlimmer freilich als die Unterdrückung von +ich+ und +wir+ ist -die Albernheit, wenn man den andern nicht recht verstanden hat, zu -fragen: +Wie meinen?+ Hier mordet man grammatisch gar den Angeredeten! - - -Die Ausstattung war eine glänzende - -Eine häßliche Gewohnheit, die in unserm Satzbau eingerissen ist, ist -die, das Prädikat, wenn es durch ein Adjektiv gebildet wird, nicht, -wie es doch im Deutschen das richtige und natürliche ist, in der -unflektierten, prädikativen Form hinzuschreiben, z. B.: das Verfahren -ist +sehr einfach+, sondern in der flektierten, attributiven Form, als -ob sich der Leser dazu das Subjekt noch einmal ergänzen sollte: das -Verfahren ist +ein sehr einfaches+ (nämlich Verfahren). Es ist das -nicht bloß ein syntaktischer, sondern auch ein logischer Fehler, und -daß man das gar nicht empfindet, ist das besonders traurige dabei. - -Ein Adjektiv im Prädikat zu flektieren hat nur in einem Falle Sinn, -nämlich wenn das Subjekt durch die Aussage in eine bestimmte Klasse -oder Sorte eingereiht werden soll. Wenn man sagt: die Kirsche, die -du mir gegeben hast, war +eine saure+ -- das Regiment dort ist +ein -preußisches+ -- diese Frage ist +eine+ rein +wirtschaftliche+ -- der -Genuß davon ist mehr +ein sinnlicher+, +kein+ rein +geistiger+ -- der -Begriff der Infektionslehre ist +ein moderner+ -- der Hauptzweck der -Regierung war +ein fiskalischer+ -- das Amt des Areopagiten war +ein -lebenslängliches+ -- das Exemplar, das ich bezogen habe, war +ein -gebundnes+ -- das abgelaufne Jahr war für die Geschäftswelt +kein -günstiges+ -- so teilt man die Kirschen, die Regimenter, die Fragen, -die Genüsse usw. in verschiedne Klassen oder Sorten ein und weist -das Subjekt nun einer dieser Sorten zu. Es wäre ganz unmöglich, zu -sagen: diese Frage ist rein +ästhetisch+ oder: das Regiment dort ist -+preußisch+. Die Kirsche ist +sauer+ -- das kann man wohl von einer -unreifen Süßkirsche sagen, aber nicht, wenn man ausdrücken will, daß -die Kirsche zu der Gattung der sauern Kirschen gehöre. Das unflektierte -Adjektiv also urteilt, das flektierte sortiert. An ein Sortieren ist -aber doch nicht zu denken, wenn jemand sagt: meine Arbeit ist +eine -vergebliche+ gewesen. Es fällt dem Schreibenden nicht im Traume ein, -die Arbeiten etwa in erfolgreiche und vergebliche einteilen und nun die -Arbeit, von der er spricht, in die Klasse der vergeblichen einreihen -zu wollen, sondern er will einfach ein Urteil über seine Arbeit -aussprechen. Da genügt es doch, zu sagen: meine Arbeit ist +vergeblich+ -gewesen. - -In der Unterhaltung sagt denn auch kein Mensch: die Suppe ist -+eine zu heiße+, aber +eine sehr gute+. Der lebendigen Sprache -ist diese unnötige und häßliche Verbreiterung des Ausdrucks ganz -fremd, sie gehört ausschließlich der Papiersprache an, stellt sich -immer nur bei dem ein, der die Feder in die Hand nimmt, oder bei -dem Gewohnheitsredner, der bereits Papierdeutsch spricht, oder dem -gebildeten Philister, der sich am Biertisch in der Sprache seiner -Leibzeitung unterhält. Die Papiersprache kennt gar keine andern -Prädikate mehr. Man sehe sich um: in zehn Fällen neunmal dieses -schleppende flektierte Adjektiv, im Aktendeutsch durchweg, aber auch -in der wissenschaftlichen Darstellung, im Essay, im Leitartikel, im -Feuilleton. Lächerlicherweise ist das Adjektiv dabei oft durch ein -Adverb gesteigert, sodaß gar kein Zweifel darüber sein kann, daß ein -Urteil ausgesprochen werden soll. Aber es wird nirgends mehr geurteilt, -es wird überall nur noch sortiert: das Befinden der Königin ist +ein -ausgezeichnetes+ -- die Ausstattung war +eine überaus vornehme+ -- -die Organisation ist +eine sehr straffe, fast militärische+ -- der -Andrang war +ein ganz enormer+ -- der Beifall war +ein wohlverdienter+ --- diese Forderung ist eine +durchaus gerechtfertigte+ -- die Stellung -des neuen Direktors war +eine außerordentlich schwierige+ -- in einigen -Lieferungen ist die Bandbezeichnung +eine falsche+ -- der Erfolg mußte -von vornherein +ein zweifelhafter+ sein -- diese Anschauung vom Leben -der Sprache ist +eine durchaus verkehrte+ -- die Verfrachtung ist +eine -außerordentlich zeitraubende+ und +kostspielige+ -- die Beurteilung -des Gedichts war +eine verschiedne+, doch +günstige+ -- dieser -Standpunkt ist +ein völlig undurchführbarer+ -- die kirchliche Lage -der kleinen Gemeinden war eine +sehr gedrückte, wenig beneidenswerte+ --- die Aussicht auf die kommende Session ist +eine sehr trübe+ -- -dieses Gedicht ist +ein+ dem ganzen deutschen Volke +teures+ (!) -- -allen Verehrern Moltkes dürfte der Besitz dieses Kunstblattes ein -+sehr willkommner+ (!) sein -- die Notwendigkeit einer Ausdehnung wird -schwerlich so bald +eine fühlbare+ (!) sein usw. Ebenso dann auch in -der Mehrzahl: die Meinungen der Menschen sind +sehr verschiedne+ -- die -Pachtsummen waren schon an und für sich +hohe+ -- die mythologischen -Kenntnisse der Schüler sind gewöhnlich +ziemlich dürftige+ -- ich -glaube nicht, daß die dortigen Verhältnisse von den unsrigen +so -grundverschiedne+ (!) seien. Ist das Prädikat verneint, so heißt es -natürlich +kein+ statt +nicht+: die Schwierigkeiten waren +keine -geringen+ -- die Kluft zwischen den einzelnen Ständen war +keine sehr -tiefe+ -- die Rührung ist +keine erkünstelte+ -- die Grenze ist +keine+ -für alle Zeiten +bestimmte+ und +keine+ für alle Orte +gleiche+ -- bei -Goethe und Schiller ist der Abstand von der Gegenwart +kein so starker+ -mehr. Eine musterhafte Buchkritik lautet heutzutage so: ist der Inhalt -des Lexikons +ein sehr wertvoller+ und die Behandlung der einzelnen -Punkte +eine vorzügliche+, so hält die Ausstattung gleichen Schritt -damit, denn sie ist +eine sehr gediegne+.[58] - -Von dem einfachen mit der Kopula gebildeten Prädikat geht aber der -Schwulst nun weiter zu den Verben, die mit doppeltem Akkusativ, einem -Objekts- und einem Prädikatsakkusativ, verbunden werden. Auch da heißt -es nur noch: diesen Kampf kann man nur +einen gehässigen+ nennen -(statt: +gehässig+ nennen!) -- mehr oder minder sehen wir alle die -Zukunft als +eine ernste+ an (statt: als +ernst+ an) -- ich möchte -diesen Versuch nicht als +einen durchaus gelungnen+ bezeichnen -- ich -bin weit davon entfernt, diese Untersuchung als +eine abschließende+ -hinzustellen -- das, was uns diese Tage +zu unvergeßlichen+ macht -(statt: +unvergeßlich+ macht!) -- und passiv: der angerichtete Schade -wird als +ein beträchtlicher+ bezeichnet -- abhängige Arbeit löst sich -los und wird zu +einer unabhängigen+ (statt: wird +unabhängig+) -- bis -die Bildung der Frauen +eine andre+ und +bessere+ wird (statt: +anders+ -und +besser+ wird) -- unsre Kenntnis der japanischen Industrie ist -+eine+ viel +umfassendere+ und +gründlichere+ geworden -- durch diese -Nadel ist das Fleischspicken +ein müheloseres+ (!) geworden usw. - -Besonders häßlich wird die ganze Erscheinung, wenn statt des Adjektivs -oder neben dem Adjektiv ein aktives Partizip erscheint, z. B.: das -ganze Verfahren ist +ein durchaus+ den Gesetzen +widersprechendes+. -Hier liegt ein doppelter Schwulst vor: statt des einfachen -~verbum finitum~ +widerspricht+ ist das Partizip gebraucht: +ist -widersprechend+, und statt des unflektierten Partizips auch noch das -flektierte: ist +ein widersprechendes+. Aber gerade auch solchen Sätzen -begegnet man täglich: das Ergebnis ist +ein verstimmendes+ -- da die -natürliche Beleuchtung doch immer +eine wechselnde+ ist -- der Anteil -war +ein+ den vorhandnen männlichen Seelen +entsprechender+ -- die -Mache ist +eine verschiedenartige+, der Mangel selbständiger Forschung -aber +ein+ stets +wiederkehrender+ -- die Stellung des Richters ist -+eine+ von Jahr zu Jahr +sinkende+ -- das schließt nicht aus, daß der -Inhalt der Sitte +ein verwerflicher+, d. h. dem wahren Besten der -Gesellschaft +nicht entsprechender+ sei (statt: +verwerflich+ sei, -d. h. +nicht entspreche+) -- die Armierung ist +eine sehr schwache+ -und absolut +nicht+ ins Gewicht +fallende+ -- die Sprache des Buchs -ist +eine klare, einfache+ und allgemein +verständliche+, vom Herzen -+kommende+ und zum Herzen +gehende+ -- im ganzen ist das Werk freilich -+kein+ den Gegenstand +erschöpfendes+ -- und auch hier passiv: der -Zweck des Buchs ist ein +durchaus anzuerkennender+ (statt: +durchaus -anzuerkennen+). - -Es ist kein Zweifel, daß diese breitspurig einherstelzenden Prädikate -allgemein für eine besondre Schönheit gehalten werden. Wer aber einmal -auf sie aufmerksam gemacht worden oder von selbst aufmerksam geworden -ist, der müßte doch jeden Rest von Sprachgefühl verloren haben, wenn er -sie nicht so schnell wie möglich abzuschütteln suchte. - - -Eine Menge war oder waren? - -Wenn das Subjekt eines Satzes durch ein Wort wie +Zahl+, +Anzahl+, -+Menge+, +Masse+, +Fülle+, +Haufe+, +Reihe+, +Teil+ und ähnliche -gebildet wird, so wird sehr oft im Prädikat ein Fehler im Numerus -gemacht. Zu solchen Wörtern kann nämlich entweder ein Genitiv treten, -der als Genitiv nicht erkennbar und fühlbar ist, sondern wie ein -frei angeschlossener Nominativ erscheint (eine +Menge Menschen+) und -deshalb sogar ein Attribut im Nominativ zu sich nehmen kann (eine -+Menge unbedeutende Menschen+[59]), oder ein auf irgendeine Weise -erkennbar gemachter Genitiv (eine +Menge von Menschen+, eine +Menge -unbedeutender Menschen+); die eine Verbindung ist so gebräuchlich wie -die andre. Nun ist wohl klar, daß in dem ersten Falle das Prädikat -in der Mehrzahl stehn muß; der scheinbare Nominativ +Menschen+ tritt -da so in den Vordergrund, daß er geradezu zum Subjekt, daher für -die Wahl des Numerus im Prädikat entscheidend wird. Ebenso klar ist -aber doch, daß in dem zweiten Falle das Prädikat nur in der Einzahl -stehn kann, denn der abhängige Genitiv +von Menschen+ bleibt im -Hintergrunde, und entscheidend für den Numerus im Prädikat kann dann -nur der Singular +Menge+ sein. Man kann zwar zu solchen Begriffen --- nach dem Sinne -- das Prädikat auch in die Mehrzahl setzen, aber -doch nur, wenn sie allein stehen; durch den abhängigen deutlichen -Plural-Genitiv wird das zusammenfassende, einheitliche in dem -Begriff +Menge+ so eindringlich fühlbar gemacht, daß es in hohem -Grade stört, wenn man Sätze lesen muß wie: eine auserlesene +Zahl -deutscher Kunstwerke+ sind gegenwärtig in Leipzig zu sehen -- eine -große +Anzahl seiner Erzählungen beginnen+ mit dem jugendlichen Alter -des Helden -- erfreulich ist es, daß eine große +Anzahl unsrer Ärzte+ -schon über zehn Jahre ihren Dienst versehen +haben+ -- die größere -+Anzahl+ der Lieder und Bearbeitungen +sind+ nicht frei -- eine +Menge -abweichender Beispiele dürfen+ nicht dazu verleiten, die Regel als -ungiltig zu bezeichnen -- außer den Seen +müssen+ noch eine +Menge -kleiner Kanäle+ benutzt werden -- dem Reichsdeutschen +treten+ in dem -schweizerischen Schriftdeutsch eine ganze +Menge von Besonderheiten+ -entgegen -- von diesem schönen Unternehmen +liegen+ nun schon +eine -Reihe+ von Heften vor -- eine +Reihe von Kunstbeilagen ermöglichen+ dem -Kunsthistoriker weitergehendes Studium -- kaum ein halbes +Dutzend der -vorzüglichsten Dramen finden+ nachhaltige Teilnahme -- der größte +Teil -der Grundbesitzer waren+ gar nicht mehr Eigentümer -- ein ganz geringer -+Bruchteil der Stellen sind+ auskömmlich bezahlt -- mindestens ein -+Viertel seiner Lieder stehen+ in jedem Gesangbuche -- wer da weiß, wie -schrecklich unbeholfen die +Mehrzahl unsrer Knaben sind+ -- dem Erfolge -+stehen+ eine +Fülle von verschiednen Bedingungen+ entgegen usw. Alle, -die so schreiben, verraten ein stumpfes Sprachgefühl und lassen sich -von dem Krämer beschämen, der in der Zeitung richtig anzeigt: ein -großer +Posten zurückgesetzter Unterröcke ist+ billig zu verkaufen. -Besonders beleidigend wird der Fehler, wenn das Zeitwort im Plural -unmittelbar vor dem singularischen Begriff der Menge steht. - -Umgekehrt sind manche geneigt, alle Angaben von Bruchteilen als -Singulare zu behandeln und zu schreiben: bei Aluminium +wird zwei -Drittel+ des Gewichts erspart -- es +wurde nur fünf Prozent+ der Masse -gerettet. Hier ist der Singular natürlich ebenso anstößig wie in den -vorher angeführten Beispielen der Plural. - -Dem Deutschen eigentümlich ist die Anrede +Sie+, eigentlich die -dritte Person der Mehrzahl. Sie ist dadurch entstanden, daß man -vor lauter Höflichkeit den Angeredeten nicht bloß, wie andre -Sprachen, als Mehrzahl, sondern sogar als abwesend hinstellte. Man -wagte gleichsam gar nicht, ihm unter die Augen zu treten und ihn -anzublicken. Das pluralische Prädikat zu diesem +Sie+ wird aber nun -sogar mit singularischen Subjekten verbunden, wie +Eure Majestät+, -+Exzellenz+, +der Herr Hofrat+ (Goethe im Faust: +Herr Doktor wurden+ -da katechisiert). So unnatürlich das ist, es wird schwerlich wieder zu -beseitigen sein. Die wunderlichste Folge dieser Spracherscheinung ist -wohl ein Satz wie der: Verzeihen Sie, daß ich +Sie, der Sie+ ohnehin so -beschäftigt +sind+, mit dieser Frage belästige. - - -Noch ein falscher Plural im Prädikat - -Ein Prädikat, das sich auf zwei oder mehr Subjekte bezieht, muß -selbstverständlich im Plural stehen, wenn die Subjekte zu einer Gruppe -zusammengefaßt werden. Das geschieht aber immer, wenn sie durch das -Bindewort +und+ verbunden sind. Dagegen werden die Subjekte niemals zu -einer Gruppe vereinigt, wenn sie mit trennenden (disjunktiven) oder -gegenüberstellenden Bindewörtern verbunden werden -- eigentlich ein -Widerspruch, aber doch nur ein scheinbarer, denn die Verbindung ist -etwas äußerliches, rein syntaktisches, die Gegenüberstellung ist etwas -innerliches, logisches. Zu diesen Bindewörtern (zum Teil eigentlich -mehr Adverbien) gehören: +oder+, +teils -- teils+, +weder -- noch+, -+wie+, +sowie+, +sowohl -- wie+, +sowohl -- als auch+. Es ist eins -der unverkennbarsten Zeichen der zunehmenden Unklarheit des Denkens, -daß in solchen Fällen das Prädikat jetzt immer öfter in den Plural -gesetzt wird. Verhältnismäßig selten liest man ja so unsinnige Sätze -wie: wenn ein schwacher Vater +oder+ eine schwache Mutter der Schule -ein Schnippchen +schlagen+ (+schlägt+!) -- es ist sehr fraglich, ob ein -roher, trunksüchtiger Mann +oder+ eine böse, schlecht wirtschaftende -Frau im Hause mehr Schaden +anrichten+ (+anrichtet+!) -- so war es -+teils+ die Willkür des Geschmacks, +teils+ die Willkür des Zufalls, -die zu entscheiden +hatten+ (+hatte+!) -- oder gar: sein Milieu, +wenn -nicht+ etwas andres in ihm, +erhalten+ (+erhält+!) ihn unparteiisch -und nüchtern. Aber schon etwas ganz alltägliches ist der Fehler bei -+weder -- noch+: wenn +weder+ der Beklagte +noch+ er selbst +sich -stellen+ -- während doch sonst +weder+ Tinte +noch+ Papier gespart -+werden+ -- da +weder+ der Vater +noch+ die Mutter des Jungen mit uns -das geringste zu tun +haben+ -- +weder+ die Gräfin +noch+ ihr Bruder -+verfügen+ über ein größeres Vermögen -- +weder+ Boccaccio +noch+ -Lafontaine +haben+ solche Abweichungen geduldet -- +weder+ Preußen -+noch+ das junge Reich +waren+ stark genug, das Zentrum zu überwinden. -Am häufigsten wird der Fehler bei +wie+, +sowie+ und den verwandten -Verbindungen begangen: die vornehme Salondame +wie+ die schlichte -Hausfrau +stellen+ an Dienstboten oft unerhörte Anforderungen -- der -Verfasser zeigt, wie sich von da an das Heer +wie+ das Reich immer mehr -+barbarisierten+ -- da der Rationalismus den Grundzug dieser Religion -bildet, so ist es klar, daß ihr der Gebildete +wie+ der Ungebildete in -gleicher Weise +anhängen+ -- die Ausbildung der städtischen Verfassung -+wie+ die Entwicklung der Fürstentümer +zwangen+ zur Vermehrung der -Beamten -- der höchste Gerichtshof +sowie+ der Rechnungshof des Reichs -+befinden+ sich nicht in der Reichshauptstadt -- Frankreich +sowohl -wie+ Deutschland +entwickeln sich+ sozialistisch -- Custine +sowohl -wie+ die französische Regierung +waren+ hinlänglich davon unterrichtet --- +sowohl+ der romantische +als+ der realistische Meister +hatten+ der -Entwicklung eine breite Bahn geöffnet -- +sowohl+ der Wortschatz +als -auch+ die Formenlehre +haben+ im Verlaufe von hundert Jahren merkliche -Veränderungen erfahren -- die freundlichen Worte, die +sowohl+ der -Vizepräsident an mich +als auch+ der Herr Ministerpräsident an die -Direktoren gerichtet +haben+. In allen diesen Sätzen kann gar kein -Zweifel sein, daß nur von einem Singular etwas ausgesagt wird. Dieser -Singular wird einem andern Singular gleichgestellt, von dem dieselbe -Aussage gilt. Aber dadurch wird doch aus den beiden Singularen noch -kein Plural. Wer das Prädikat in den Plural setzen will, muß eben die -Subjekte durch +und+ verbinden, nicht durch +wie+. - - -Das Passivum. Es wurde sich - -Beim Gebrauche der Zeitwörter kommen in Betracht die Genera (Aktivum -und Passivum), die Tempora und die Modi. Im Gebrauche der Genera -können kaum Fehler vorkommen. Zu warnen ist nur vor der unter Juristen -und Zeitungschreibern weit verbreiteten Gewohnheit, alles passivisch -auszudrücken, z. B.: namentlich muß +von dem+ obersten +Leiter+ der -Politik dieser Zustand als eine Erschwerung seines Amtes +empfunden -werden+ (statt: der oberste Leiter muß empfinden) -- das hat sehr dazu -beigetragen, +daß von der Regierung+ nicht an den bisher befolgten -sozialpolitischen Grundsätzen +festgehalten worden ist+ (statt: daß -die Regierung nicht festgehalten hat) -- bei einem Pachtverhältnis -sollte +von seiten (!) des+ Verpächters nicht bloß auf die Höhe der -gebotnen Pachtsumme +gesehen werden+, sondern auch die Persönlichkeit -des Bewerbers +berücksichtigt+ und auf dessen Befähigung Wert -+gelegt werden+ (statt: der Verpächter sollte berücksichtigen). Das -nächstliegende ist doch immer das Aktivum. - -Geschmacklos ist es, ein Passivum von einem reflexiven Zeitwort zu -bilden: es brach ein Gewitter los, und +es wurde sich+ in ein Haus -+geflüchtet+ -- mit dem Beschlusse des Rats +wurde sich+ einverstanden -+erklärt+ -- über dieses Thema +ist sich+ in pädagogischen -Zeitschriften wiederholt +geäußert worden+. Dergleichen Sätze kann man -höchstens im Scherz bilden. In gutem Deutsch müssen sie mit Hilfe des -Fürworts +man+ umschrieben werden. - - -Ist gebeten oder wird gebeten? - -Zahlreiche Verstöße werden gegen den richtigen Gebrauch der Tempora -begangen. Ganz undeutsch und nichts als eine gedankenlose Nachäfferei -des Französischen, noch dazu eines falsch verstandnen Französisch, -ist es, zu schreiben: die Mitglieder +sind gebeten+, pünktlich zu -erscheinen. In dem Augenblicke, wo jemand eine derartige Aufforderung -erhält, +ist+ er noch nicht gebeten, sondern er +wird+ es erst. Man -kann wohl sagen: du +bist geladen+, d. h. betrachte dich hiermit als -geladen. Aber die Mitteilung einer Bitte, einer Einladung usw. kann nur -durch das Präsens, nicht durch das Perfektum ausgedrückt werden. - - -Mißbrauch des Imperfekts - -Ganz widerwärtig und ein trauriges Zeichen der zunehmenden Abstumpfung -unsers Sprachgefühls ist ein Mißbrauch des Imperfekts, der seit einiger -Zeit mit großer Schnelligkeit um sich gegriffen hat. - -Das Imperfektum ist in gutem Deutsch das Tempus der Erzählung. Was -heißt erzählen? - -Mariandel kommt weinend aus der Kinderstube und klagt: +Wolf hat+ -mich +geschlagen+! Die Mutter nimmt sie auf den Schoß, beruhigt sie -und sagt: erzähle mir einmal, wies zugegangen ist. Und nun erzählt -Mariandel: ich +saß+ ganz ruhig da und +spielte+, da +kam+ der böse -Wolf und +zupfte+ mich am Haar usw. Mit dem Perfektum also hat sie die -erste Meldung gemacht; auf die Aufforderung der Mutter, zu erzählen, -springt sie sofort ins Imperfektum über. Da sehen wir deutlich den Sinn -des Imperfekts. Erzählen heißt aufzählen, herzählen. Das Wesentliche -einer Erzählung liegt in dem Eingehen in Einzelheiten. Weiterhin -besteht aber zwischen Imperfekt und Perfekt auch ein Unterschied in -der Zeitstufe: das Imperfekt berichtet früher geschehene Dinge (man -kann sich meist ein +damals+ dazu denken), das Perfektum Ereignisse, -die sich soeben zugetragen haben, wie der Schlag, den Mariandel -bekommen hat. Wenn ich eine Menschenmasse auf der Straße laufen sehe -und frage: was gibts denn? so wird mir geantwortet: der Blitz +hat -eingeschlagen+, und am Markt +ist+ Feuer +ausgebrochen+; d. h. das ist -soeben geschehen. Wenn ich dagegen nach einigen Wochen oder Jahren über -den Vorgang berichte, kann ich nur sagen: der Blitz +schlug ein+, und -am Markte +brach+ Feuer +aus+. Nur wenn ich etwas, was mir ein andrer -erzählt hat, weiter erzähle, gebrauche ich das Perfektum; selbst dann, -wenn mirs der andre im Imperfekt erzählt hat, weil ers selbst erlebt, -selbst mit angesehen hatte, kann ich es nur im Perfekt weiter erzählen. -Wollte ich auch im Imperfekt erzählen, so müßte ich auf die Frage -gefaßt sein: bist du denn dabei gewesen? - -Also mit dem Imperfekt wird erzählt, und zwar selbsterlebtes; es -ist daher das durchgehende Tempus aller Romane, aller Novellen, -aller Geschichtswerke, denn sowohl der Geschichtschreiber wie der -Romanschreiber berichtet so, als ob er dabeigewesen wäre und die Dinge -selbst mit angesehen hätte. Das Perfektum ist dagegen das Tempus der -bloßen Meldung, der tatsächlichen Mitteilung. Der Unterschied ist so -handgreiflich, daß man meinen sollte, er könnte gar nicht verwischt -werden. - -Nun sehe man einmal die kurzen Meldungen in unsern Zeitungen an, die -das Neueste vom Tage bringen, unter den telegraphischen Depeschen, -unter den Stadtnachrichten usw. -- ist es nicht widerwärtig, wie da -das Imperfekt mißbraucht wird? Da heißt es: Prinz A. +erkrankte+ -schwer in Venedig; seine Gemahlin +reiste+ aus München dahin ab -- -Bahnhofsinspektor S. in R. +erhielt+ das Ritterkreuz zweiter Klasse --- in Heidelberg +starb+ Professor X -- Minister Soundso +reichte+ -seine Entlassung +ein+ -- in Dingsda +wurde+ die Sparkasse +erbrochen+ --- ein merkwürdiges Buch +erschien+ in Turin. Wann denn? fragte man -unwillkürlich, wenn man so etwas liest. Du willst mir doch eine -Neuigkeit mitteilen und drückst dich aus, als ob du etwas erzähltest, -was vor dreihundert Jahren geschehen wäre. Ein merkwürdiges Buch -+erschien+ in Turin -- das klingt doch, als ob der Satz aus einer -Kirchengeschichte Italiens genommen wäre. - -Etwas andres wird es schon, wenn eine Zeitbestimmung der Vergangenheit -hinzutritt, und wäre es nur ein +gestern+; dann kann der Satz den -Charakter einer bloßen tatsächlichen Mitteilung verlieren und den der -Erzählung annehmen. Es ist ebenso richtig, zu schreiben: gestern starb -hier nach längerer Krankheit Professor X, wie: +gestern+ ist hier nach -längerer Krankheit Professor X +gestorben+. Im zweiten Falle melde ich -einfach das Ereignis, im ersten Falle erzähle ich. Fehlt aber jede -Zeitangabe, soll das Ereignis schlechthin gemeldet werden, so ist der -Gebrauch des Imperfekts ein Mißbrauch. - -Der Fehler ist aber nicht auf Zeitungsnachrichten beschränkt geblieben; -auch unsre Geschäftsleute schreiben schon in ihren Anzeigen und Briefen -und halten das für eine besondre Feinheit: ich +verlegte+ mein Geschäft -von der Petersstraße nach der Schillerstraße -- ich +eröffnete+ am -Johannisplatz eine zweite Filiale u. ähnl. Ein Schuldirektor schreibt -einem Schüler ins Zeugnis: M. +besuchte+ die hiesige Schule und +trat+ -heute aus. Eine Verlagsbuchhandlung schreibt in der Ankündigung -eines Werkes, dessen Ausgabe bevorsteht: wir +scheuten+ kein Opfer, -die Illustrationen so prächtig als möglich auszuführen; den Preis -+stellten+ wir so niedrig, daß sich unser Unternehmen in den weitesten -Kreisen Eingang verschaffen kann. Wann denn? fragt man unwillkürlich. -Sind diese Sätze Bruchstücke aus einer Selbstbiographie von dir? -erzählst du mir etwas aus der Geschichte deines Geschäfts? über ein -Verlagsunternehmen, das du vor zwanzig Jahren in die Welt geschickt -hast? Oder handelt sichs um ein Buch, das soeben fertig geworden ist? -Wenn du das letzte meinst, so kann es doch nur heißen: wir +haben+ kein -Opfer +gescheut+, den Preis +haben+ wir so niedrig +gestellt+ usw. Eine -andre Buchhandlung schreibt auf die Titelblätter ihrer Verlagswerke: -den Buchschmuck +zeichnete+ Fidus. +Zeichneetee+! Wann denn? - -Es kommt aber noch eine weitere Verwirrung hinzu. Das Perfekt hat -auch die Aufgabe, die gegenwärtige Sachlage auszudrücken, die durch -einen Vorgang oder eine Handlung geschaffen worden ist. Auch in -dieser Bedeutung wird es jetzt unbegreiflicherweise durch das -Tempus der Erzählung verdrängt. Da heißt es: die soziale Frage ist -das schwierigste Erbteil, das Kaiser Wilhelm von seinen Vorfahren -+erhielt+ (statt: +erhalten hat+, denn er hat es doch nun!) -- auch die -vorliegende Arbeit führt nicht zum Ziel, trotz der großen Mühe, die -der Verfasser auf sie +verwandte+ (statt: +verwendet hat+, denn die -Arbeit liegt doch vor!) -- da die Ehe des Herzogs kinderlos +blieb+ -(statt: +geblieben ist+) -- folgt ihm sein Neffe in der Regierung -- -die letzten Wochen haben dazu beigetragen, daß das Vertrauen in immer -weitere Kreise +drang+ (statt: +gedrungen ist+) -- wir beklagen tief, -daß sich kein Ausweg finden +ließ+ (statt: +hat finden lassen+) -- -kein Wunder, daß aus den Wahlen solche Ergebnisse +hervorgingen+ usw. -Der letzte Satz klingt, als wäre er aus irgendeiner geschichtlichen -Darstellung genommen, als wäre etwa von Wahlen zum ersten deutschen -Parlament die Rede. Es sollen aber die letzten Reichstagswahlen damit -gemeint sein, die den gegenwärtigen Reichstag geschaffen haben! Da -muß es doch heißen: kein Wunder, daß aus den Wahlen solche Ergebnisse -+hervorgegangen sind+, denn diese Ergebnisse bilden doch die -gegenwärtige Sachlage. - -Es kann wohl kaum ein Zweifel darüber sein, woher der Mißbrauch des -Imperfekts stammt. In Norddeutschland ist er durch Nachäfferei des -Englischen entstanden und mit dem lebhaftern Betriebe der englischen -Sprache aufgekommen. Der Engländer sagt: ~I +saw+ him this morning~ -(ich +habe+ ihn diesen Morgen +gesehen+) -- ~I +expected+ you last -Thursday~ (ich +habe+ Sie vorigen Donnerstag +erwartet+) -- ~Yours -I +received+~ (ich +habe+ Ihr Schreiben +erhalten+) -- ~That is the -finest ship I ever +saw+~ (das ist das schönste Schiff, das ich je -+gesehen habe+) -- ~Sheridan’s Plays, now printed as he +wrote+ -them~ (wie er sie +geschrieben hat+). Wahrscheinlich weniger durch -nachlässiges Übersetzen aus englischen Zeitungen als durch schlechten -englischen Unterricht, bei dem nicht genug auf den Unterschied -der Sprachen in dem Gebrauche der Tempora hingewiesen, sondern -gedankenlos wörtlich übersetzt wird, ist der Mißbrauch ins Deutsche -hereingeschleppt worden. In Leipzig kann man schon hören, wie ein Geck, -der den Tag zuvor aus dem Bade zurückgekehrt ist, einem andern Gecken -auf der Straße zuruft: +Jä, ich käm gestern zurück+, wie ein Geck in -Gesellschaft sagt: ich +hatte+ schon den Vorzug (ich habe schon die -Ehre gehabt). In Süddeutschland aber kommt dazu noch eine andre Quelle. -Dem bayrisch-österreichischen Volksdialekt fehlt das Imperfektum (mit -Ausnahme von +ich war+) gänzlich; er kennt weder ein +hatte+, noch -ein +ging+, noch ein +sprach+, er braucht in der Erzählung immer das -Perfekt (+bin ich gewesen+ -- +hab ich gesagt+). Daher hat diese Form -in Süddeutschland und Österreich den Beigeschmack des Vulgären, und -wenn nun der Halbgebildete Schriftdeutsch sprechen will, so gebraucht -er überall, auch da, wo es gar nicht hinpaßt, das Imperfektum, weil -er mit dem Perfekt in den Dialekt zu fallen fürchtet. In großen -Dresdner Pensionaten, wo englische, norddeutsche und österreichische -Kinder zusammen sind, soll man den Einfluß beider Quellen gleichzeitig -beobachten können. - -Ein wunderliches Gegenstück zu dem Mißbrauch des Imperfekts verbreitet -sich in neuern Geschichtsdarstellungen, nämlich die Schrulle, im -Perfektum zu -- erzählen! Nicht bloß vereinzelte Sätze werden so -geschrieben, wie: der Enkel +hat+ ihm eine freundliche und liebevolle -Erinnerung +bewahrt+ (statt: +bewahrte+ ihm), sondern halbe und ganze -Seiten lang wird das Imperfekt aufgegeben und durch das Perfektum -ersetzt. Geschmackvoll kann man auch das nicht nennen. - - -Worden - -Ebenso schlimm wie die beiden eben bezeichneten ist aber nun noch -eine dritte Verwirrung, die neuerdings aufgekommen ist und in kurzer -Zeit reißende Fortschritte gemacht hat: die Verwirrung, die sich in -dem Weglassen des Partizips +worden+ im passiven Perfektum zeigt. Es -handelt sich auch hier um eine Vermengung zweier grundverschiedner -Zeitformen, der beiden, die man in der Grammatik als Perfektum und als -~Perfectum praesens~ bezeichnet. - -Nicht nur in gutem Schriftdeutsch, sondern auch in der gebildeten -Umgangssprache ist noch bis vor kurzem aufs strengste unterschieden -worden zwischen zwei Sätzen wie folgenden: auf dem Königsplatze +sind+ -junge Linden +angepflanzt worden+, und: auf dem Königsplatze +sind+ -junge Linden +angepflanzt+. Der erste Satz meldet den Vorgang oder -die Handlung des Anpflanzens -- das ist das eigentliche und wirkliche -Perfektum; der zweite beschreibt den durch die Handlung des Anpflanzens -geschaffnen gegenwärtigen Zustand -- das ist das, was die Grammatik -~Perfectum praesens~ nennt. Der Altarraum +ist+ mit fünf Gemälden -+geschmückt worden+ -- das ist eine Mitteilung; der Altarraum +ist+ mit -fünf Gemälden +geschmückt+ -- das ist eine Beschreibung. Wenn mir ein -Freund Lust machen will, mit ihm vierhändig zu spielen, so sagt er: -komm, das Klavier +ist gestimmt+! Dann kann ich ihn wohl fragen: so? -wann +ist+ es denn +gestimmt worden+? aber nicht: wann +ist+ es denn -+gestimmt+? denn ich frage nach dem Vorgange. Wenn ein Maler sagt: mir -+sind+ für das Bild 6000 Mark +geboten+, so heißt das: ich kann das -Geld jeden Augenblick bekommen, der Bieter ist an sein Gebot gebunden. -Sagt er aber: mir +sind+ 6000 Mark +geboten worden+, so kann der Bieter -sein Gebot längst wieder zurückgezogen haben. - -Handelte sichs um einen besonders feinen Unterschied, der schwer -nachzufühlen und deshalb leicht zu verwischen wäre, so wäre es ja nicht -zu verwundern, wenn er mit der Zeit verschwände. Aber der Unterschied -ist so grob und so sinnfällig, daß ihn der Einfältigste begreifen muß. -Und doch dringt der Unsinn, eine Handlung, einen Vorgang, ein Ereignis -als Zustand, als Sachlage hinzustellen, in immer weitere Kreise und -gilt jetzt offenbar für fein. Selbst ältere Leute, denen es früher -nicht eingefallen wäre, so zu reden, glauben die Mode mitmachen zu -müssen und lassen das +worden+ jetzt weg. Täglich kann man Mitteilungen -lesen wie: ~Dr.~ Sch. +ist+ zum außerordentlichen Professor an der -Universität Leipzig +ernannt+ -- dem Freiherrn von S. +ist+ auf sein -Gesuch der Abschied +bewilligt+ -- in H. +ist+ eine Eisenbahnstation -feierlich +eröffnet+ -- oder Sätze wie: über den Begriff der Philologie -+ist+ viel +herumgestritten+ -- die märkischen Stände +sind+ um ihre -Zustimmung offenbar nicht +befragt+ -- so ist die Reformation in -Preußen als Volkssache +vollzogen+ -- er behauptete, daß er in dieser -Anstalt wohl +gedrillt+, aber nicht +erzogen sei+ -- die Methode, -in der Niebuhr so erfolgreich die römische Geschichte behandelte, -+ist+ von Ranke auf andre Gebiete +ausgedehnt+ -- man rühmt sich bei -den Nationalliberalen, daß über 12000 Stimmen von ihnen +abgegeben -seien+ -- es kann nicht geleugnet werden, daß an Verhetzung +geleistet -ist+, was möglich war -- es ist zu bedauern, daß so viel Fleiß nicht -auf eine lohnendere Aufgabe +verwendet ist+ -- wie hätte die schöne -Sammlung zustande kommen können, wenn nicht mit reichen Mitteln dafür -+eingetreten wäre+? - -Doppelt unbegreiflich wird der Unsinn, wenn durch Hinzufügung einer -Zeitangabe noch besonders fühlbar gemacht wird, daß eben der Vorgang -(manchmal sogar ein wiederholter Vorgang) ausgedrückt werden soll, -nicht die durch den Vorgang entstandne Sachlage. Aber gerade auch -diesem Unsinn begegnet man täglich in Zeitungen und neuen Büchern. -Da heißt es: das Verbot der und der Zeitung +ist heute+ wieder -+aufgehoben+ (+worden+! möchte man immer dem Zeitungschreiber zurufen) --- der österreichische Reichsrat +ist gestern eröffnet+ (+worden+!) --- der Anfang zu dieser Umgestaltung +ist+ schon +vor längerer Zeit -gemacht+ (+worden+!) -- diese Frage +ist schon einmal aufgeworfen+ und -+damals+ in verneinendem Sinne +beantwortet+ (+worden+!) -- +vorige -Woche ist+ ein Flügel angekommen und unter großen Feierlichkeiten im -Kursaal +aufgestellt+ (+worden+!) -- +in späterer Zeit sind+ an dieser -Tracht die mannigfachsten Veränderungen +vorgenommen+ (+worden+!) -- -+in gotischer Zeit ist+ das Schiff der Kirche äußerlich verlängert und -dreiseitig +geschlossen+ (+worden+!) -- an der Stelle, wo Tells Haus -gestanden haben soll, +ist+ 1522 eine mit seinen Taten bemalte Kapelle -+errichtet+ (+worden+!) -- +am Tage darauf+, am 25. Januar, +sind+ -noch drei Statuen +ausgegraben+ (+worden+!) -- jedenfalls +ist+ der -Scherz in Karlsbad +bei irgendeiner Gelegenheit aufs Tapet gebracht+ -(+worden+!) -- in B. +ist dieser Tage+ ein Kunsthändler wegen Betrugs -zu sechs Monaten Gefängnis +verurteilt+ (+worden+!) -- diese Dinge -sind offenkundig, denn sie +sind hundertmal besprochen+ (+worden+!) --- die Wandlungen der Mode +sind+ zu allen Zeiten von Sittenpredigern -+bekämpft+ (+worden+!) -- bis 1880 +ist+ von dieser Befugnis nicht +ein -einzigesmal+ Gebrauch +gemacht+ (+worden+!). - -Wo der Unsinn hergekommen ist? Er stammt aus dem Niederdeutschen -und hat seine schnelle Verbreitung unzweifelhaft auf dem Wege über -Berlin gefunden. Die Unterscheidung der beiden Perfekta in unsrer -Sprache ist nämlich verhältnismäßig jung, sie ist erst im fünfzehnten -Jahrhundert zustande gekommen, und zwar ganz allmählich. Erst um -die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts fing man an, zu sagen: -daß ein Knecht +geschlagen ist worden+ (anfangs immer in dieser -Wortstellung). Aber schon im sechzehnten Jahrhundert war die willkommne -Unterscheidung durchgedrungen und unentbehrlich geworden. Nur die -niederdeutsche Vulgärsprache lehnte sie ab und beharrt -- noch heute, -nach vierhundert Jahren -- dabei. Welche Lächerlichkeit nun, diesen -unvollkommnen Sprachrest, der heute doch lediglich auf der Stufe eines -Provinzialismus steht, aller Vernunft und aller Logik zum Trotz der -gebildeten Schriftsprache wieder aufnötigen zu wollen! Der Unterricht -sollte sich mit aller Macht gegen diesen Rückschritt sträuben. - - -Wurde geboren, war geboren, ist geboren - -Eine biographische Darstellung ist natürlich auch eine Erzählung, kann -sich also in keinem andern Tempus bewegen als im Imperfekt. Aber der -erste Satz, die Geburtsangabe, wie stehts damit? Soll man schreiben: -Lessing +war geboren+, Lessing +wurde geboren+ oder Lessing +ist -geboren+? Alle drei Ausdrucksweisen kommen vor. Aber merkwürdigerweise -am häufigsten die falsche! Er +ist geboren+ -- das kann man doch -vernünftigerweise nur von dem sagen, der noch lebt. Den Lebenden fragt -man: wann +bist+ du denn +geboren+? Und dann antwortet er: +ich bin+ am -23. Mai 1844 +geboren+. Von einem, der nicht mehr lebt, kann man wohl -am Schlusse seiner Lebensbeschreibung sagen: +gestorben ist+ er am 31. -Oktober 1880. Damit fällt man zwar aus der Form der Erzählung heraus -in die der bloßen tatsächlichen Mitteilung; aber die ist dort ganz am -Platze, denn sie drückt die gegenwärtige Sachlage aus. Am Anfang einer -Lebensbeschreibung aber kann es vernünftigerweise nur heißen: er +war+ -oder er +wurde geboren+; mit +wurde+ versetze ich mich -- was das -natürlichste ist -- an den Anfang des Lebenslaufs meines Helden, mit -+war+ versetze ich mich mitten hinein. In wieviel hundert und tausend -Fällen aber wird in Zeitungsaufsätzen, im Konversationslexikon, in -Kunst- und Literaturgeschichten usw. die Gedankenlosigkeit begangen, -daß man von Verstorbnen zu erzählen anfängt, als ob sie lebten! Den -Fehler damit verteidigen zu wollen, daß man sagte: ein großer Mann lebe -eben nach seinem Tode fort, wäre eine arge Sophisterei. Das Fortleben -ist doch immer nur bildlich gemeint, in der Biographie aber handelt -sichs um das wirkliche Leben. - - -Erzählung und Inhaltsangabe - -Wer eine Geschichte erzählt, bedient sich des Imperfekts; alle -Ereignisse; die vor der Geschichte liegen, die erzählt wird, also zu -der sogenannten Vorfabel gehören, müssen im Plusquamperfekt mitgeteilt -werden. Imperfekt und Plusquamperfekt sind die beiden einzigen Tempora, -die in den erzählenden Abschnitten einer Novelle oder eines Romans -vorkommen können. Die Vorfabel braucht nicht am Anfang der Novelle zu -stehen, sie kann mitten in der Novelle nachgetragen, ja selbst auf -mehrere Stellen der Novelle verteilt werden. Immer aber muß das sofort -durch den Tempuswechsel kenntlich gemacht werden. Zieht sich nun die -Vorfabel in die Länge, so wird der Leser bald des Plusquamperfekts -überdrüssig, und der Erzähler muß dann auch für die Vorfabel in das -Imperfekt einzulenken suchen. Das geschickt und fein und an der -richtigen Stelle zu machen ist eine Aufgabe, an der viele Erzähler -scheitern. - -Noch schwieriger freilich scheint eine andre Aufgabe zu sein: wenn -Rezensenten den Inhalt eines Romans, eines erzählenden Gedichts, -eines Dramas angeben, so zeigen sie nicht selten eine klägliche -Hilflosigkeit in der Anwendung der Tempora. Man kann Inhaltsangaben -lesen, deren Darstellung zwischen Präsens und Imperfekt, Perfekt und -Plusquamperfekt nur immer so hin und her taumelt. Und doch ist auch -diese Aufgabe eigentlich nicht schwieriger als die andre. Ein Buch, das -besprochen wird, liegt vor. Da hat kein andres Tempus etwas zu suchen -als das Präsens und das Perfektum, das Präsens für die Geschichte -selbst, das Perfektum für die Vorgeschichte. Wer den Inhalt wissen -will, fragt nicht: wie +war+ denn die Geschichte? sondern: wie +ist+ -denn die Geschichte? Und anders kann auch der nicht antworten, der -den Inhalt des Buches angibt; er kann nur sagen: die Geschichte +ist -so+, und nun fängt er im Präsens an: Auf einem Gut in der Nähe von -Danzig +lebt+ ein alter Rittmeister; er +hat+ früher eine zahlreiche -Familie +gehabt+, +steht+ aber jetzt allein da usw. Auch wer in der -Unterhaltung den Inhalt eines Schauspiels angibt, das er am Abend zuvor -im Theater gesehen hat, bedient sich keines andern Tempus und kann sich -keines andern bedienen. Nur manche Zeitungschreiber scheinen das nicht -begreifen zu können.[60] - -Nicht ganz leicht dagegen ist es wieder, in der Erzählung das -sogenannte ~Praesens historicum~, das Präsens der lebhaften, -anschaulichen Schilderung richtig anzuwenden. Genau an der richtigen -Stelle in dieses Präsens einzufallen, genau an der richtigen Stelle -sich wieder ins Imperfekt zurückzuziehen, das glückt nur wenigen. Die -meisten fangen es recht täppisch an. - - -Tempusverirrung beim Infinitiv - -Wenn jemand anstatt: da +muß+ ich mich +geirrt haben+ -- sagen -wollte: da +mußte+ ich mich +irren+ oder: +da habe+ ich mich +irren -müssen+, so würde man ihn wohl sehr verdutzt ansehen, denn eine -solche Tempusverschiebung aus dem Infinitiv in das regierende Verbum -ließe auf eine nicht ganz normale Geistesverfassung schließen. Der -Fehler wird aber gar nicht selten gemacht, nur daß er nicht immer so -verblüffend hervortritt, z. B.: ich glaube bewiesen zu haben, daß die -Verfügung des Oberpräsidenten an dem Anschwellen der Bewegung nicht -schuld +sein konnte+ (anstatt: nicht schuld +gewesen sein kann+). -Nicht besser, eher noch schlimmer ist es, die Vergangenheit doppelt zu -setzen, z. B.: später +mochten+ wohl die Arbeiten für den Kurfürsten -dem Künstler nicht mehr die Muße +gelassen haben+. Wenn ein Vorgang aus -der Vergangenheit nicht als wirklich, sondern mit Hilfe von +scheinen+, -+mögen+, +können+, +müssen+ nur als möglich oder wahrscheinlich -hingestellt werden soll, so gehört die Vergangenheit natürlich nicht in -die Form der Aussage, denn die Aussage geschieht ja in der Gegenwart, -sondern sie gehört in den Infinitiv. Es muß also heißen: +mögen nicht -gelassen haben+. - -Manche möchten es ja nun gern richtig machen, sind sich aber über die -richtige Form des Infinitivs nicht klar. Wenn z. B. jemand schreibt: -Ludwig +scheint+ sich durch seine Vorliebe für die Musik etwas von -den Wissenschaften +entfernt zu haben+ -- und sich einbildet, damit -den Satz: Ludwig +hatte+ sich von den Wissenschaften +entfernt+ -- in -das Gebiet der Wahrscheinlichkeit gerückt zu haben, so irrt er sich. -Die Tempora des Indikativs und des Infinitivs entsprechen einander in -folgender Weise: - - L. +entfernt+ sich -- scheint sich zu +entfernen+. - - L. +entfernte+ sich -- scheint sich +entfernt zu haben+ (nämlich - damals). - - L. +hat+ sich +entfernt+ -- scheint sich +entfernt zu haben+ (nämlich - jetzt). - - L. +hatte+ sich +entfernt+ -- scheint sich +entfernt gehabt zu haben+. - - L. +wird+ sich +entfernen+ -- scheint sich +entfernen zu wollen+. - - -Relativsätze. Welcher, welche, welches - -Unter den Nebensätzen ist keine Art, in der so viel und so -mannigfaltige Fehler gemacht würden wie in den Relativsätzen. Freilich -sind sie auch die am häufigsten verwendete Art. - -Ein Hauptübel unsrer ganzen Relativsatzbildung liegt zunächst nicht im -Satzbau, sondern in der Verwendung des langweiligen Relativpronomens -+welcher+, +welche+, +welches+. Das Relativpronomen +welcher+ gehört, -wie so vieles andre, fast ausschließlich der Papiersprache an, und -da sein Umfang und seine Schwere in gar keinem Verhältnis zu seiner -Aufgabe und Leistung stehen, so trägt es ganz besonders zu der -breiten, schleppenden Ausdrucksweise unsrer Schriftsprache bei. In der -ältern Sprache war +welcher+ (~swelher~) durchaus nicht allgemeines -Relativpronomen, sondern nur indefinites Relativ, es bedeutete: +wer -nur irgend+ (~quisquis~), +jeder, der+, noch bei Luther: +welchen+ der -Herr lieb hat, den züchtiget er. Erst seit dem fünfzehnten Jahrhundert -ist es allmählich zum gemeinen Relativum herabgesunken. Aber nur in -der Schreibsprache, die sich so gern breit und wichtig ausdrückt, -zuerst in Übersetzungen aus dem Lateinischen; der lebendigen Sprache -ist es immer fremd geblieben und ist es bis auf den heutigen Tag -fremd. Niemand spricht +welcher+, es wird immer nur geschrieben! Man -beobachte sich selbst, man beobachte andre, stundenlang, tagelang, -man wird das vollständig bestätigt finden. Es ist ganz undenkbar, daß -sich in freier, lebendiger Rede, wie sie der Augenblick schafft, das -Relativum +welcher+ einstellte; jedermann sagt immer und überall: -+der+, +die+, +das+. Es ist undenkbar, daß jemand bei Tische sagte: -die Sorte, +welche+ wir vorhin getrunken haben, oder: wir gehen wieder -in die Sommerfrische, +in welcher+ wir voriges Jahr gewesen sind.[61] -In stenographischen Berichten über öffentliche Versammlungen und -Verhandlungen findet man allerdings oft Relativsätze mit +welcher+, -aber darauf ist nicht viel zu geben, diese Berichte werden redigiert, -und wer weiß, wie viele +der+ dabei erst nachträglich in +welcher+ -verwandelt werden, weil mans nun einmal so für schriftgemäß hält! Und -dann: Leute, die viel öffentlich reden, sprechen nicht, wie andre -Menschen sprechen, sie sprechen auch, wenn sie am Rednerpulte stehen, -anders als in der Unterhaltung, sie sprechen nicht bloß für die -Zeitung, sie sprechen geradezu Zeitung; alte Gewohnheitsredner, die Tag -für Tag denselben Schalenkorb ausschütten und es gar nicht mehr für der -Mühe wert halten, sich auf eine „Ansprache“ vorzubereiten, suchen auch -mit ihrem +welcher+ Zeit zu gewinnen, wie andre mit ihrem äh -- äh. -Wenn aber ein junger Pfarrer auf der Kanzel Relativsätze mit +welcher+ -anfängt, so kann man sicher sein, daß er die Predigt aufgeschrieben und -wörtlich auswendig gelernt hat; wenn ein Festredner aller Augenblicke -+welcher+ sagt, so kann man sicher sein, daß das Manuskript seiner -Festrede schon in der Redaktion des Tageblatts ist. Wer den Ausdruck -im Augenblicke schafft, sagt +der+, nicht +welcher+. Darum ist auch -+welcher+ in der Dichtersprache ganz unmöglich. In Stellen, wie -bei Goethe (in den Venezianischen Epigrammen): +welche+ verstohlen -freundlich mir streifet den Arm -- oder bei Schiller (in Shakespeares -Schatten): das große gigantische Schicksal, +welches+ den Menschen -erhebt, wenn es den Menschen zermalmt -- oder bei Hölty: wunderseliger -Mann, +welcher+ der Stadt entfloh -- oder bei Schikaneder: bei Männern, -+welche+ Liebe fühlen -- oder bei Tiedge (in der Urania): mir auch -war ein Leben aufgegangen, +welches+ reichbekränzte Tage bot -- oder -bei Uhland: ihr habt gehört die Kunde vom Fräulein, +welches+ tief -usw., ist es nichts als ein langweiliges Versfüllsel, eine Strohblume -in einem Rosenstrauß. Darum wird es +ja+ auch mit Vorliebe in der -Biedermeierpoesie verwendet und wirkt dort so unnachahmlich komisch: -zu beneiden sind die Knaben, +welche+ einen Onkel haben, oder: wie -z. B. hier von diesen, +welche+ Max und Moritz hießen. Aber auch in -der dichterischen Prosa, was gäbe man da manchmal drum, wenn man das -+welcher+ hinauswerfen könnte, wie bei Gottfried Keller in Romeo und -Julia auf dem Dorfe: sie horchten ein Weilchen auf diese eingebildeten -oder wirklichen Töne, +welche+ von der großen Stille herrührten, oder -+welche+ sie mit den magischen Wirkungen des Mondlichtes verwechselten, -+welches+ nah und fern über die grauen Herbstnebel wallte, +welche+ -tief auf den Gründen lagen! - -Leider lernt man in der Schule als Relativpronomen kaum etwas andres -kennen als +welcher+. Man schlage eine Grammatik auf, +welche+ (hier -ist es am Platze! denn hier heißt es: +welche auch immer+) man will, -eine lateinische, eine griechische, eine französische, eine englische: -wie ist das Relativpronomen ins Deutsche übersetzt? +Welcher+, -+welche+, +welches!+ Allenfalls steht +der+, +die+, +das+ in Klammern -dahinter, als ob das gelegentlich einmal als Ersatz dafür geduldet -werden könnte! Und sieht man in die Beispielsätze, die zur Übung in die -fremde Sprache übersetzt werden sollen, wie fangen die Relativsätze an? -Mit +welcher+, +welche+, +welches+. Nur ja nicht mit +der+! der Schüler -könnte ja einmal irre werden! Daß die lebendige Sprache eine einzige -große Widerlegung dieses Unsinns ist, sieht gar niemand. Kein Wunder, -daß den meisten später das langweilige Wort in die Feder läuft, sowie -sie die Feder in die Hand nehmen. Gerade umgekehrt müßte es sein. In -allen Grammatiken müßte +der+, +die+, +das+ als Relativpronomen stehn, -dahinter in Klammern +welcher+, +welche+, +welches+, denn das ist -doch das traurige Surrogat. Man benutze in Gottes Namen +welcher+ im -Unterricht ein paar Wochen lang als Verständniskrücke; aber sobald der -Junge den Begriff des Relativs gefaßt hat, müßte die Krücke unbedingt -weggeworfen und er wieder auf seine eignen Beine gestellt werden. Wer -einmal auf dieses Verhältnis zwischen +der+ und +welcher+ aufmerksam -geworden oder aufmerksam gemacht worden ist, den verfolgt +welcher+ -förmlich beim Lesen, er sieht es immer gleichsam gesperrt oder fett -gedruckt, und in wenigen Tagen ist es ihm ganz unerträglich geworden: -wenn ers schreiben wollte, käme er sich entweder ganz schulknabenhaft -vor, oder er sähe sich sitzen wie einen alten, verschleimten Aktuarius -mit Vatermördern, Hornbrille und Gänsekiel. Bisweilen will ihm wohl -noch einmal ein +wel+-- aus der Feder laufen! aber weiter kommt er -nicht, dann streicht ers ohne Gnade durch und setzt +der+ darüber.[62] - -Aber gibt es denn nicht Fälle, wo man +welcher+ gar nicht umgehen -kann, wo man es ganz notwendig braucht, um einen häßlichen Gleichklang -zu vermeiden? Wenn nun unmittelbar auf +der+ (~qui~ oder ~cui~) der -Artikel +der+ folgt, unmittelbar auf +die+ (~quae~ oder ~quam~ oder -~quos~ oder ~quas~) der Artikel +die+? Nikolaus, +der der+ Vater des -Andreas gewesen war -- eine Verwandlung, bei +der der+ große Vorhang -nicht fällt -- die Prozessionsstraße, auf +der der+ Papst zum Lateran -zog -- auf der Wiese, durch +die die+ Straße führt -- die Bildwerke, -+die die+ hehre Göttin verherrlichen -- das Tau, +das das+ Fahrzeug -am Ufer hielt -- das sind doch ganz unerträgliche Sätze, nicht wahr? -Mancher Schulmeister behauptets. Es gehört das in das berühmte Kapitel -von den angeblich unschönen Wiederholungen, vor denen der Unterricht -zu warnen pflegt. Die Warnung ist aber ganz überflüssig, sie stammt -nur aus der Anschauung des Papiermenschen, der die Sprache bloß noch -schwarz auf weiß, aber nicht mehr mit den Ohren aufzufassen vermag. Der -Papiermensch sieht das doppelte +der der+ oder +die die+, und das flößt -ihm Entsetzen ein. Aber lies doch einmal solche Sätze laut, lieber -Leser, hörst du nichts? Ich denke, es wird dir aufdämmern, daß es zwei -ganz verschiedne Wörter sind, die hier nebeneinander stehen: ein lang -und schwer gesprochnes +der+ (das Relativpronomen) und ein kurz und -leicht gesprochnes +der+ (der Artikel). Was man hört, ist: +deer dr+. -Jedermann spricht so, und keinem Menschen fällt es ein, daran Anstoß -zu nehmen; warum soll man nicht so schreiben? Aberglaube, dummer -Aberglaube! Und fürchtet sich denn jemand vor +daß das+? Jeder schreibt -unbedenklich: wir wissen, +daß das+ höchste Gut die Gesundheit ist. Ach -so, das sind wohl zwei verschiedne Wörter? das eine mit ß, das andre -mit s? Nein, es sind keine verschiednen Wörter. Sie klingen gleich, -und sie sind gleich; das Fügewort +daß+ ist ja nur in der Schrift ganz -willkürlich von dem hinweisenden Fürwort +das+ unterschieden worden.[63] - - -Das und was - -Ein häßlicher Fehler ist es, statt des relativen +das+ zu schreiben -+was+, wenn sich das Relativ auf einen bestimmten einzelnen Gegenstand -bezieht, z. B. +das Haus, was+ -- +das Buch, was+ -- +das Ziel, -was+. Nur die niedrige Umgangssprache drückt sich so aus; in der -guten Schriftsprache wie in der feinern Umgangssprache ist +was+ -als Relativ auf ganz bestimmte Fälle beschränkt: es wird nur hinter -substantivierten Fürwörtern, Zahlwörtern und Eigenschaftswörtern -gebraucht, z. B. +das, was+ -- +dasselbe, was+ -- +etwas, was+ -- -+alles, was+ -- +vieles, was+ -- +das wenige, was+ -- +das einzige, -was+ -- +das erste, was+ -- +das letzte, was+ -- +das meiste, was+ -- -+das Gute, was+ -- +das Beste, was+. Doch ist auch hier, namentlich bei -den substantivierten Adjektiven, wohl zu unterscheiden zwischen solchen -Fällen, wo es sich um ein Allgemeines handelt, und solchen, wo etwas -Besondres, Bestimmtes, Einzelnes vorschwebt. Fälle der zweiten Art -sind z. B.: +etwas Ungeschicktes, das+ mich in Verlegenheit brachte -- -+das Bittre, das+ zwischen uns getreten ist -- +das Besondre, das+ dem -Allgemeinen untergeordnet ist -- +das Schiefe und Hinkende, das+ jeder -Vergleich hat -- +das Moralische, das+ einem doch nicht gleichgiltig -sein kann -- +das Erlernbare, das+ sich jederzeit in Büchern wieder -auffinden läßt -- wenn an +das Gute, das+ ich zu tun vermeine, gar -zu nah was Schlimmes grenzt (Lessing). Hinter dem Superlativ von -substantivierten Eigenschaftswörtern ist in den meisten Fällen +was+ -das richtige, aber doch nur deshalb, weil gewöhnlich ein partitiver -Genitiv zu ergänzen ist (+von dem, von allem+), der das +was+ verlangen -würde. Wenn ich sage: +das Erhabenste, was+ Beethoven geschaffen hat --- so meine ich nicht das Erhabenste überhaupt, sondern eben das -Erhabenste +von dem+ oder +von allem, was+ Beethoven geschaffen hat. -Der Superlativ für sich allein bezeichnet hier noch gar nichts, der -Relativsatz ist die notwendige Ergänzung dazu. Wenn ich dagegen sage: -+das Erhabenste, das+ wir Gott nennen, so ist gar nichts zu ergänzen, -der Relativsatz kann auch fehlen, es ist das Erhabenste schlechthin -gemeint. Beispiele der ersten Art sind: +das Höchste, was+ wir -erreichen können -- +das Schlimmste, was+ einem Staate widerfahren kann --- +das Ärgste, was+ Menschen einander antun können -- +das Beste, -was+ du wissen kannst, darfst du den Buben doch nicht sagen (Faust) -- -er preist +das Höchste, das Beste, was+ das Herz sich wünscht, +was+ -der Sinn begehrt (Schiller). Hier wird denn auch meist richtig +was+ -gesetzt. Nach dem Positiv gebrauchen aber auch gute Schriftsteller -blindlings bald +das+, bald +was+. Sieht man sich die Beispiele näher -an, so sieht man, daß sie viel öfter das Falsche als das Richtige -getroffen haben. - -Endlich ist +was+ für +das+ auch da notwendig, wo sich das Relativ -auf den Inhalt eines ganzen Satzes bezieht, z. B. der Mensch, +das -Tier+ mit zwei Händen, +das+ auch lachen kann, +was+ der Affe immer -noch nicht fertig bringt. In einem Satze wie: es ist kein freundliches -Bild, +was+ der Verfasser vor uns aufrollt -- wird nicht deutlich, ob -sich was auf Bild beziehen soll; man kann den Relativsatz auch als -Subjektsatz auffassen: +was+ der Verfasser vor uns aufrollt, ist kein -freundliches Bild. In diesem Falle wäre natürlich +was+ richtig, im -andern müßte es +das+ heißen. - - -Wie, wo, worin, womit, wobei - -Daß Präpositionen in Verbindung mit dem Relativpronomen durch die -hübschen relativen Adverbia +worin+, +woraus+, +womit+, +wobei+, -+woran+, +wofür+ usw. ersetzt werden können und in der lebendigen -Sprache sehr oft ersetzt werden, wenn sich das Relativ auf eine Sache -(nicht auf eine Person!) zurückbezieht, daran denken beim Schreiben -die wenigsten, und wenn sie daran denken, so wagen sie nicht, Gebrauch -davon zu machen. Am ehesten getrauen sie sichs noch da, wo sie auch -+was+ statt +das+ sagen würden. Aber ein Brief, +worin+ -- eine Fläche, -+worauf+ -- ein Messer, +womit+ -- ein Mittel, +wodurch+ -- eine Regel, -+wobei+ -- ein Geschenk, +worüber+ -- eine Gefahr, +wovor+ -- (auch: -der Grund, +weshalb+) -- wie wenigen will das aus der Feder! Sie halten -es womöglich gar für falsch. Irgendein Schulmeister, der sich nicht vom -Lateinischen hatte losmachen können, hat ihnen vielleicht einmal in der -Jugend davor bange gemacht, und so schreiben sie denn: diese beiden -Punkte sind es, +an welchen+ Grimm aufs strengste festgehalten hat -- -der innige Zusammenhang, +in welchem+ Glaube, Recht und Sitte stehen --- das einfache, schmucklose Gewand, +mit welchem+ uns die Natur wie -eine Mutter umfängt usw. Und doch heißt es in dem Bürgerschen Spruch: -Die schlechtsten Früchte sind es nicht, +woran+ die Wespen nagen. Nun -gar das einfache +wo+: das Gebäude, +wo+ -- ein Gebiet, +wo+ -- in -einer Stadt, +wo+ -- in allen Fällen, +wo+ -- eine Gelegenheit, +wo+ --- eine Ausgabe, +wo+ (z. B. der Sopran die Melodie hat), und vollends -dieses einfache +wo+ von der Zeit gebraucht: wir gedenken an jene Zeit -der Jugend, +wo+ wir zuerst auszogen -- die Eltern sind genötigt, -über den Bildungsgang ihrer Kinder schon zu einer Zeit Bestimmungen -zu treffen, +wo+ deren Anlagen noch zu wenig hervorgetreten sind -- -seit dem 29. März, +wo+ die neue Bewegung begann -- seit dem Jahre -1866, +wo+ er sein Amt niedergelegt hatte -- wie wenige wagen das zu -schreiben, wie wenige haben eine Ahnung davon, daß auch das grammatisch -ganz richtig und hundertmal schöner ist als das ungeschickte: seit dem -29. März, +an welchem Tage+ -- seit 1866, in welchem Jahre usw.[64] -Ist es nicht kläglich komisch, in einem Manuskript sehen zu müssen, -wie der Verfasser erst geschrieben hat: die Depesche gelangte +an -demselben Tage+ in seine Hände, +als+ usw., dann das +als+ wieder -durchgestrichen und darübergesetzt hat: +an welchem+, aber auf das -gute, einfache, natürliche +wo+ nicht verfallen ist? Und genau so ist -es mit +wie+. Die Art und Weise, +wie+ -- in dem Grade, +wie+ -- in -jenem Sinne, +wie+ -- in dem Maße, +wie+ -- über die Richtung, +wie+ --- wie wenige getrauen sich das zu schreiben! Die alten Innungen waren -Produktivgenossenschaften in jenem vernünftigen Sinne, +in welchem+ -jeder Staat es ist -- man war im Zweifel über die Art und Weise, +in -welcher+ die soziale Gesetzgebung vorzugehen habe -- ein Bier, das in -demselben Grade ungenießbar wird, +in welchem+ sich seine Temperatur -über den Gefrierpunkt erhebt -- in dem Maße, +in welchem+ (+wie+!) -sich die Partei dem Augenblicke nähert, +in welchem+ (+wo+!) sie ihr -Versprechen erfüllen soll -- anders schreibt der Papiermensch gar nicht. - -Das relative Adverbium +wo+ bedeutet keineswegs, wie so viele -glauben, nur den Ort, es bedeutet, wie das ihm entsprechende +da+, -ebensogut auch die Zeit. Merkwürdigerweise hat man noch eher den Mut, -zu schreiben: die Zeit, +da+ -- als: die Zeit, +wo+. Manche lieben -sogar dieses +da+, ziehen also hier das Demonstrativ in der relativen -Bedeutung vor, während sie doch sonst immer +welcher+ für +der+ -schreiben. Aber +da+ als Relativ klingt uns heute doch etwas veraltet -(man denke nur an den Bibelspruch: seid Täter des Worts und nicht Hörer -allein, +damit+ ihr euch selbst betrüget), es kann auch leicht mit dem -kausalen +da+ verwechselt werden, z. B. mitten in einer trüben Zeit, -+da+ ihn ein Augenleiden heimsuchte. Für +in welchem+ sollte man, wo es -irgend angeht, schreiben +worin+; bei +in dem+ entsteht der Übelstand, -daß es mit dem Fügewort +indem+ verwechselt werden kann: der Aufsatz, -+in dem+ ihm vorgeworfen wird, er heuchle Frömmigkeit. Auf dem Papier -natürlich nicht, aber das Papier geht uns auch nichts an; beim Hören -kanns verwechselt werden -- das ist die Hauptsache! - - -Wechsel zwischen der und welcher - -Wenn zu einem Worte zwei (oder mehr) Relativsätze zu fügen sind, so -halten es viele für eine besondre Schönheit, mit dem Relativpronomen -abzuwechseln. Es ist das der einzige Fall, wo sie einmal mit Bewußtsein -und Absicht zu dem Relativum +der+ greifen, während sie sonst, wie die -Schulknaben, immer +welcher+ schreiben. Jeden Tag kann man Sätze lesen -wie: das Allegro und das Scherzo fanden nicht das Maß von Beifall, -+welches+ wir erwartet hatten, und +das+ sie verdienen -- jedes -Grundstück, +welches+ mindestens zu einem Grundsteuerertrage von 200 -Mark eingeschätzt ist, und +das+ mindestens einen Taxwert von 1000 Mark -hat -- lehrreich ist die Niederschrift durch die Korrekturen, +welche+ -der Komponist selbst darin vorgenommen hat, und +die+ sich nicht nur -im Ändern einzelner Noten zeigen -- in eine weite Hausflur mündete die -Treppe, +welche+ in die obern Stockwerke führte, und +die+ man gern als -Wendeltreppe gestaltete -- die ehrwürdigen Denkmäler der Druckkunst, -+welche+ uns der Altmeister selbst hinterlassen hat, und +die+ man mit -dem Namen Wiegendrucke bezeichnet -- es geht nicht an, daß wir Schäden -groß wachsen sehen, +die+ uns als schwache Köpfe erscheinen lassen, -und auf +welche+ die Fremden mit Fingern weisen -- es war ein Klang -in seinen Worten, +welcher+ alle Herzen ergriff, und +dem+ sie gern -weiter gelauscht hätten -- Aufsätze, +welche+ bereits in verschiednen -Zeitschriften erschienen sind, und +die+ durch ihre Beziehungen auf -Schwaben zusammengehalten werden. Kein Zweifel: in allen diesen Fällen -liegt ein absichtlicher Wechsel vor; alle, die so schreiben, glauben -eine besondre Feinheit anzubringen. - -Aber das Gegenteil ist der Fall. Abgesehen davon, daß die Wiederholung -des Relativpronomens bisweilen ganz überflüssig ist, weil das -Satzgefüge dasselbe bleibt, ist es auch unbegreiflich, wie jemand in -seinem Sprachgefühl so irre gehen kann. Wenn man an ein Hauptwort -zwei oder mehr Relativsätze anschließt, so stehn doch diese Sätze als -Bauglieder innerhalb des Satzgefüges parallel zueinander, etwa so: - - Erster Relativsatz - ---------------------- - Hauptsatz / - ----------------- - \ Zweiter Relativsatz - ---------------------- - -Wie kann man da auf den Gedanken kommen, diese beiden parallelstehenden -Sätze verschieden anknüpfen zu wollen! Das natürliche ist es doch, -parallellaufende Sätze auch gleichmäßig anzuknüpfen, ja es ist das -geradezu notwendig, die Abwechslung stört nur und führt irre. Wenn -ich erst +der+ lese und im nächsten Satze +welcher+, so suche ich -unwillkürlich bei dem wechselnden Pronomen auch nach dem wechselnden -Hauptwort und sehe zu spät, daß ich genarrt bin. Mit der vermeintlichen -Schönheitsregel ist es also nichts; auch sie ist nur ein Erzeugnis -der abergläubischen Furcht, kurz hintereinander zweimal dasselbe -Wort -- geschrieben zu sehen. Die vernünftige Regel heißt: Parallele -Relativsätze müssen mit demselben Relativpronomen beginnen, also alle -mit +der+, +die+, +das+. Es gibt viele Talente, +die+ vielleicht nie -selbständig etwas erfinden werden, +die+ man daher auf der Akademie -zwecklos mit Kompositionsaufgaben plagt, +die+ aber beweglich genug -sind, das in der Kopierschule erlernte frei umzubilden -- das ist gutes -Deutsch. +Welcher+, +welche+, +welches+ ist auch hier ganz entbehrlich. - -Etwas andres ist es, wenn auf einen Relativsatz ein zweiter folgt, der -sich an ein neues Hauptwort in dem ersten Relativsatz anschließt, etwa -so: - - Hauptsatz - ----------- - \ Erster Relativsatz - ------------------------ - \ Zweiter Relativsatz. - ----------------------- - -Da wechselt die Beziehung, und da hat es etwas für sich, auch -das Pronomen wechseln zu lassen; die Abwechslung kann da sogar -die richtige Auffassung erleichtern und beschleunigen, wie in -folgenden Sätzen: +Klaviere+, +die+ den +Anforderungen+ entsprechen, -+welche+ in Tropengegenden an sie gestellt werden -- +Gesetze+, die -bestimmte +Organisationen+ zum Gegenstande haben, +welche+ nur bei -der katholischen Kirche vorkommen -- die +Bühnen+, +die+ mit einer -ständigen Schar von +Freunden+ rechnen können, +welche+ mit liebevollem -Interesse ihrer Entwicklung folgen -- +Verbesserungen+, +die+ der -Dichter der +dritten Ausgabe+ seiner Gedichte zu geben beabsichtigte, -+welche+ er leider nicht mehr erlebte -- Amerika zerfällt in zwei -+Hälften+, die nur durch eine verhältnismäßig schwache +Brücke+ -zusammenhängen, +welche+ sich nicht zu einem Handelsweg eignet -- in -dem +Pakt+, +den+ Faust mit dem +Geiste+ der Verneinung schließt, -+welcher+ sich als der Zwillingsbruder des Todes bekennt -- es fehlte -bisher an einer +Darstellung+, +die+ allen +Anforderungen+ entsprochen -hätte, +welche+ an Kunstblätter von nationaler Bedeutung zu stellen -sind -- es gelang uns, in Beziehung zu den +Stämmen+ zu treten, +die+ -die +Artikel+ produzieren, +welche+ unsern Kaufleuten zugehen, und -+die+ zugleich ein weites Absatzgebiet für unsre Industrie bieten. -Dabei empfiehlt sich übrigens (aus rhythmischen Gründen, der Steigerung -wegen), +der+ immer an die erste, +welcher+ an die zweite Stelle zu -bringen, nicht umgekehrt! Aber unbedingt nötig ist der Wechsel auch -hier nicht. - - -Welch letzterer und welcher letztere - -An einen ganzen Rattenkönig von Sprachdummheiten rührt man mit -der so beliebten Verbindung: +welcher letztere+. Auf die häßliche -unorganische Bildung +ersterer+ und +letzterer+ -- eine komparativische -Weiterbildung eines Superlativs! -- soll dabei gar kein Gewicht gelegt -werden, denn solche Erscheinungen gibt es viele in der Sprache und in -allen Sprachen, wenn es auch nichts schaden kann, daß man sich einmal -das Unorganische dieser Formen durch die Vorstellung zum Bewußtsein -bringt, es wollte jemand der +größtere+, der +kleinstere+, der -+bestere+, der +schönstere+ bilden. Viel schlimmer ist ihre unlogische -Anwendung. - -Wenn ein Relativsatz nicht auf ein einzelnes Hauptwort, sondern auf -eine Reihe von Hauptwörtern, zwei, drei, vier oder mehr folgt, so -ist es selbstverständlich, daß das Relativ nicht an das letzte Glied -angeschlossen, sondern nur auf die ganze Reihe bezogen werden kann, -also nicht so: - - Erstes Hauptwort - ------------------ - Zweites Hauptwort - ------------------ - Drittes Hauptwort - ------------------ - \ Relativsatz - -------------- - -sondern so: - - Erstes Hauptwort - ------------------- - Zweites Hauptwort \ Relativsatz. - --------------------------------------- - Drittes Hauptwort / - ------------------- - -Die Hauptwörter werden gleichsam zu einer Gruppe, zu einem Bündel -zusammengeschnürt, und der Relativsatz muß an dem ganzen Bündel hängen. -Es kann also nicht heißen: Lessing, Goethe und Schiller, +der+, sondern -nur: Lessing, Goethe und Schiller, +die+. Das fühlt auch jeder ohne -weiteres. Nun möchte man aber doch manchmal, nachdem man zwei, drei, -vier Dinge aufgezählt hat, gerade über das zuletzt genannte noch etwas -näheres in einem Relativsatz aussagen. Ein bloßes +welcher+ -- das -fühlt jeder -- ist unmöglich; es gehn ja drei voraus! Aber +welcher -letztere+ oder +welch letzterer+ -- das rettet! Also: das Bild stellt -Johannes den Täufer und den Christusknaben dar, +welch letzterer+ von -dem Täufer in die Welt eingeführt wird -- einen Hauptartikel des Landes -bildeten die Landesprodukte, wie Kobalt, Wein, Leinwand und Tuch, -+welch letzteres+ allerdings dem niederländischen nachstand -- er war -Regent der weimarischen, gothaischen und altenburgischen Lande, +welche -letztern+ ihm aber erst kurz vor seinem Tode zufielen -- die Summe des -Intellektuellen im Menschen setzt sich zusammen aus Geist, Bildung -und Kenntnissen, +welchen letztern+ auch die Vorstellungen zugezählt -werden dürfen -- es gibt von dem Bilde schwarze und braune Abdrücke, -+welch letztere+ aber erst 1784 erschienen sind -- den Schluß bildet -der Jahresbericht und das Mitgliederverzeichnis, +welch letzteres+ eine -große Anzahl neuer Namen enthält -- der Neger überflügelt zuerst seine -Schulkameraden weit, besonders in der Mathematik und in den Sprachen, -für +welch letztere+ seine Begabung erstaunlich ist. - -Dieses +letztere+ ist ein bequemes, aber sehr häßliches -Auskunftsmittel; ein guter Schriftsteller wird nie seine Zuflucht -dazu nehmen. Es läßt sich auch sehr leicht vermeiden, z. B. indem -man das letzte Glied für sich stellt: das Bild stellt Johannes den -Täufer dar und den +Christusknaben+, +der+ usw., oder indem man statt -des Relativsatzes einen Hauptsatz bildet, worin das letzte Hauptwort -wiederholt wird. - -Noch schlimmer ist es freilich, wenn, wie so oft, +welch letzterer+ -selbst da geschrieben wird, wo nur ein einziges (!) Substantivum -vorhergeht, eine falsche Beziehung also ganz unmöglich ist, z. B.: -der Plan ist der Wiener Fachschule nachgebildet, +welch letztere+ ihn -schon seit längerer Zeit hat -- der Urkunde ist die durch den Bischof -von Merseburg erteilte Bestätigung beigegeben, +welche letztere+ -aber nichts besondres enthält -- den gesetzlichen Bestimmungen gemäß -scheiden vier Mitglieder aus, +welch letztere+ aber wieder wählbar -sind -- die Menge richtet sich nach den Beamten, nicht nach dem -+Gesetz, welch letzteres+ sie selten kennt -- überall wechseln üppige -Wiesengründe mit stattlichen Waldungen, +welch letztere+ namentlich die -Bergkuppen und Hänge bedecken -- der König nahm in dem +Wagen+ Platz, -+welch letzterer+ aber schon nach einer Minute vor dem Hotel hielt. -Welch eine Schwulst! Vier Silben, wo drei Buchstaben genügen! - - -Relativsätze an Attributen - -Sehr vorsichtig muß man damit sein, einen Relativsatz hinter ein -Hauptwort zu stellen, das ein Attribut mit einem zweiten Hauptworte -(am häufigsten als abhängigen Genitiv) bei sich hat. Jedes der beiden -Hauptwörter, das erste so gut wie das zweite, kann einen Relativsatz zu -sich nehmen; es kommt nur darauf an, welches von beiden den Ton hat. -Beide zugleich sind nie betont, entweder hat das tragende den Ton, oder -das getragne, das im Attribut steht. Welches von beiden betont ist, -ergibt sich gewöhnlich sofort aus dem Zusammenhange. Nur an das betonte -Hauptwort aber kann sich der Relativsatz anschließen. - -Es ist also nichts einzuwenden gegen Verbindungen wie folgende: -mit zehn Jahren wurde ich in die unterste Klasse +der Kreuzschule+ -aufgenommen, +der ich+ dann acht Jahre lang als Schüler angehörte --- bezeichnend ist sein Verhältnis +zum Gelde, das+ er stets wie -ein armer Mann behandelte. In diesen Fällen ist das Hauptwort des -Attributs betont, der Relativsatz schließt sich also richtig an. -Ob man nicht trotzdem solche Verbindungen lieber meiden sollte, -namentlich dann, wenn die beiden Hauptwörter gleiches Geschlecht haben, -ist eine Frage für sich. Vorsicht ist auch hier zu empfehlen, ein -Mißverständnis manchmal nicht ausgeschlossen. Unbedingt falsch dagegen -ist folgender Satz: auch warne ich vor einer bravourmäßigen Auffassung -der +zweiten Variation, die+ dort gar nicht am Platze ist. Es ist von -den Variationen in einer Beethovenschen Sonate die Rede; die erste -Variation ist besprochen, nun kommt die zweite an die Reihe. Da ist es -klar, daß der Relativsatz nur heißen kann: +die+ eine solche (nämlich -eine bravourmäßige Behandlung) gar nicht verträgt. - -Viel öfter kommt aber nun der umgekehrte Fehler vor: daß ein -Relativsatz an das zweite Hauptwort angeschlossen wird, obwohl das -erste den Ton hat. In den meisten Fällen -- das ist das Natürliche -in jeder logisch fortschreitenden Darstellung -- wird das neu -Hinzugekommne, das Unterscheidende, also das zu Betonende in dem -tragenden Hauptworte liegen, nicht in dem Attribut. Wenn trotzdem -an das Attribut ein Relativsatz gehängt wird, so entstehen störende -Verbindungen wie folgende: der +Dichter+ dieses Weihnachtsscherzes, -+der+ vortrefflich inszeniert war -- der +Empfang+ des Fürsten, +der+ -um sieben Uhr eintraf -- der +Tod+ des trefflichen Mannes, +der+ -eine zahlreiche Familie hinterläßt -- der +Appetit+ des Kranken, -+der+ allerdings nur flüssige Nahrungsmittel zu sich nehmen darf -- -der +linke+ Arm des Verschwundnen, +der+ sich vermutlich herumtreibt --- Flüchtigkeiten erklären sich aus dem +körperlichen Zustande+ des -Verfassers, +dem+ es nicht vergönnt war, die letzte Hand an sein Werk -zu legen -- die folgenden Radierungen tragen schon den +Namen+ des -Künstlers, +der+ inzwischen auch mehrere Bildnisse gemalt hatte -- um -den +neuen Lorbeer+ unsers Freundes, +der+ einen so tiefen Blick in -das Leben getan hat, mit Champagner zu begießen -- eine +Beschränkung+ -der Korrekturlast, +die+ wissenschaftlich gebildete Männer täglich -stundenlang bei mechanischer Arbeit festhält -- die +Hochzeitstorte+ -der Prinzessin, +die+ einen Untertanen, den Herzog von Fife heiratete --- die +Glanznummer+ der Wahrsagerin, +die+ noch eine ziemlich junge -Frau ist -- nun wurde das +Dach+ des Schlosses gerichtet, +das+ man in -wenigen Jahren zu beziehen hoffte. Bei oberflächlicher Betrachtung wird -mancher meinen, das Störende in diesen Verbindungen liege nur darin, -daß die beiden Hauptwörter dasselbe Geschlecht haben, und deshalb eine -falsche Beziehung des Relativsatzes möglich ist. Das ist aber nicht -der Fall: es sind auch solche Verbindungen nicht gut wie: +das letzte -Werk+ des russischen Erzählers, +der+ es seiner Freundin Viardot in die -Feder diktierte -- die +lichtvollen Ausführungen+ des Redners, +der+ -durch seinen Eifer für die Sache der evangelischen Vereine bekannt ist --- weist nicht der +Ursprung+ des Gewissens, +das+ ein unveräußerliches -Erbteil des Menschen ist, auf eine höhere Macht hin? Für wen der -Satzbau etwas mehr ist als ein bloßes äußerliches Zusammenleimen, der -wird auch solche Verbindungen meiden. - -Oft sind solche falsch angeschlossene Relativsätze nicht bloß dynamisch -anstößig (der Betonung wegen), sondern auch logisch; sie enthalten -Gedanken, die überhaupt nicht in Relativsätze gehören, beiläufige -Bemerkungen, zu denen man sich das beliebte „übrigens“ hinzudenken -soll, oder Parenthesen, die eigentlich in Hauptsätzen stehen -sollten. Da greifen nun auch hier wieder viele, um Mißverständnissen -vorzubeugen, zu dem bequemen Auskunftsmittel +welcher letztere+ und -schreiben: die übermäßigen +Aufgaben+ der +Schauspieler+, +welch -letztere+ an einzelnen Tagen dreimal aufzutreten haben -- diese -ausgezeichnete +Landschaftsstudie+ aus dem Garten der +Villa Medici+, -+welch letztere+ der Künstler eine Zeit lang bewohnte -- er mußte sich -mit dem +Anblick+ des +Waschschwamms+ begnügen, +welch letzterer+ am -Fenster in der Sonne trocknete -- eine größere Reihe von +Abbildungen+ -kirchlicher +Gegenstände+, +welch letztere+ einst im Besitz der -Michaeliskirche waren -- +die Freunde+ der zum Heere einberufnen -+Studenten+, +welch letztern+ dieser Aufruf nicht zu Gesichte kommt -usw. Ein schwächliches Mittel. Eine Geschmacklosigkeit soll dazu -dienen, einen Fehler zu verbergen! - - -Einer der schwierigsten, der oder die? - -Oft wird an einen Genitiv der Mehrzahl, der von dem Zahlwort +einer+, -+eine+, +eins+ abhängt, ein Relativsatz angeschlossen, aber gewöhnlich -in folgender falschen Weise: ich würde das für +einen+ der härtesten -+Unfälle+ halten, +der+ je das Menschengeschlecht +betroffen hat+ -- -Leipzig ist +eine+ der wenigen +Großstädte+, in +der+ eine solche -Einrichtung noch nicht besteht -- das Buch ist +eine+ der schönsten -+Kriminalgeschichten+, +die+ je geschrieben +worden ist+ -- das -Denkmal ist +eins+ der +schönsten+, +das+ bis jetzt ans Tageslicht -gebracht +worden ist+ -- Klopstock ist +einer+ der +ersten+, +der+ -die Nachahmung des Franzosentums +verwirft+. In solchen Sätzen ist -das +einer+, +eine+, +eins+ völlig tonlos, es ist wie ein bloßer -Henkel für den abhängigen Genitiv, und dieser Genitiv hat den Ton. -Es ist aber auch ein logischer Fehler, den Relativsatz an +einer+ -anzuschließen; denn der Inhalt des Relativsatzes gilt doch nicht bloß -von dem einen, aus der Menge herausgehobnen, sondern von allen, aus -denen das eine herausgehoben wird. Es kann also nur heißen: +einer+ -der härtesten +Unfälle+, +die+ je das Menschengeschlecht betroffen -+haben+ -- +eine+ der wenigen +Großstädte+, +in denen+ (besser -+wo+) eine solche Einrichtung noch nicht besteht usw. Nur scheinbar -vermieden wird der Fehler, wenn jemand schreibt: er war +ein+ durch -und durch +norddeutscher Charakter+, +der+ nur die Pflicht kennt; -denn hier bezeichnet +ein+ die ganze Klasse, und +der+ geht auf den -Einzelnen. Auch hier muß es heißen: er war +einer+ jener +norddeutschen -Charaktere+, +die+ nur die Pflicht kennen.[65] - - -Falsch fortgesetzte Relativsätze - -Ein gemeiner Fehler, dem man in Relativsätzen unendlich oft begegnet, -ist der, daß an einen Relativsatz ein zweiter Satz mit +und+, -+aber+, +jedoch+ angeknüpft wird, worin aus dem Relativ in das -Demonstrativ oder in das Personalpronomen gesprungen oder sonstwie -schludrig fortgefahren wird, z. B. eine Schrift, +die+ er auf -seine Kosten drucken ließ +und sie+ umsonst unter seinen Anhängern -austeilte -- Redensarten, +die+ der Schriftsteller vermeidet, +sie -jedoch+ dem Leser beliebig einzuschalten überläßt -- die vielen -Fische, +die+ er bisweilen selbst füttert +und ihnen+ zuschaut, -wenn sie nach den Krumen schnappen -- ein Bauer, mit +dem+ ich über -Feuerversicherungsgesellschaften sprach +und ihm+ meine Bewundrung -dieser trefflichen Einrichtung ausdrückte -- am Schlusse gab Herr W. -Erläuterungen über die Vorzüge der Neuklaviatur, +welch letztere+ (!) -übrigens in der hiesigen Akademie für Tonkunst bereits eingeführt ist -+und+ der Unterricht +auf derselben+ (!) mit bestem Erfolge betrieben -wird (das richtige Dummejungendeutsch!) -- der Künstler, +der+ dem -Männergesang zu jener hohen Stelle verhalf und +dieser ihm+ die -gewaltige Bedeutung verdankte, die er heute einnimmt (ebenso!) -- eine -übermächtige Verbindung, +welcher+ der Herzog schnell mürbe gemacht -wich +und+ sich zu einer Landesteilung herbeiließ -- dieser Kranke, +an -den+ ich seit zwanzig Jahren gekettet war +und+ nicht aufatmen durfte --- er entwendete verschiedne Kleidungsstücke, +die+ er zu Gelde machte -+und+ sich +dann+ heimlich von hier entfernte -- sie erhielt Saalfeld, -+wo+ sie 1492 starb +und+ in +Weimar+ begraben wurde -- die +Seuche+, -+an der+ zahlreiche Schweine zugrunde gehen +und dann+ noch verwendet -werden -- es geht das aus dem Testament hervor, +das+ ich abschriftlich -beifüge +und+ von fernern Nachforschungen absehen zu können glaube -- -ein +Augenblick+, +den+ der Verhaftete benutzte, um zu entweichen, -+und+ bis zur Stunde noch nicht wieder aufgefunden worden ist. - -Es ist klar, daß durch +und+ nur gleichartige Nebensätze verbunden -werden können. Geht also ein Relativsatz voraus, so muß auch ein -Relativsatz folgen; die Kraft der relativen Verknüpfung wirkt über das -+und+ hinaus fort. In den ersten Beispielen muß es also einfach heißen: -+und+ umsonst austeilte --, +jedoch+ einzuschalten überläßt --, in den -folgenden: +und denen+ er zuschaut, +und dem+ ich meine Bewundrung -ausdrückte. In den letzten Beispielen ist der Anschluß eines zweiten -Relativsatzes überhaupt unmöglich, weil der Begriff, der im Relativ -erscheinen müßte, in dem zweiten Satze gar nicht wiederkehrt; es kann -höchstens heißen: +worauf+ er sich entfernte -- +sodaß+ ich absehen zu -können glaube. - -Steht das Pronomen der Relativsätze im Genitiv, so ist es ein beliebter -Fehler, in dem zweiten Relativsatz, obwohl das Subjekt dasselbe bleibt, -dieses Subjekt durch ein Relativpronomen zu wiederholen, z. B.: der -+Kaiser+, +dessen Interesse+ für alle Zweige der Technik bekannt ist, -+und das+ gerade bei der Berliner Ausstellung wieder klar zutage tritt --- das +Sprachgewissen+, +dessen Stimme+ sich nicht überhören läßt, -die sich vielmehr geltend macht bei allem, was wir lesen und schreiben. -Ein ebenso beliebtes Gegenstück dazu ist es dann, einen zweiten -Relativsatz, der dem ersten untergeordnet ist, mit +und+ anzuknüpfen, -z. B.: eine +Ehe+, vor +deren+ Sündhaftigkeit sie ein wahres +Grauen+ -hat, +und das+ sie doch allmählich überwinden muß -- er war im Frühling -geboren, +dessen Blumen+ ihm stets so lieb blieben, +und die+ er so -gern im Knopfloch trug -- er sollte ihr ein Wort ins Ohr flüstern, -von +deren Antlitz+ sein Herz geträumt hatte, +und von dem+ es sich -nicht abwenden konnte. In den ersten beiden Sätzen muß das zweite -Relativpronomen weichen, in den drei letzten das +und+; der letzte Satz -bleibt freilich auch dann noch Unsinn. - -Ein abscheulicher Fehler ist es, wenn man zwei Relativsätze -miteinander verbindet, ohne das Relativum zu wiederholen, obwohl -das Relativpronomen in dem einen der beiden Sätze Objekt, in dem -andern Subjekt ist, der eine also mit dem Akkusativ, der andre mit -dem Nominativ anfängt, z. B.: ein paar +Kopien+, +die ich+ schon -+vorfand+ und mir viel Freude +machen+ -- +die Festschrift+, +die+ -Georg Bötticher +verfaßt hat+ und von Kleinmichel mit Schildereien -+versehen worden ist+. -- Dieser Fehler gehört unter die zahlreichen -Sprachdummheiten, die dadurch entstehen, daß man ein Wort nicht als -etwas lebendiges, sinn- und inhaltvolles, sondern bloß als eine -Reihe von Buchstaben ansieht, also -- durch die Papiersprache. Ob -diese Buchstabenreihe das einemal Akkusativ, das andremal Nominativ -ist, ist dem Papiermenschen ganz gleichgiltig. Schreibt doch eine -Memoirenerzählerin sogar: +Natur+ und +Kunst lernten wir+ lieben und -+wurden+ in unserm Hause gepflegt! - - -Relativsatz statt eines Hauptsatzes - -Ein schlimmer Fehler endlich, der sehr oft begangen wird, ist es, wenn -ein Relativsatz gebildet wird, wo gar kein Relativsatz hingehört, -sondern entweder eine andre Art von Nebensatz oder -- ein Hauptsatz. -Wenn jemand schreibt: Harkort erfreute sich des Rufes +eines bewährten -Geschäftsmannes+, der als Mitbegründer der Leipzig-Dresdner Eisenbahn -rastlose Energie an den Tag gelegt hatte -- so ist klar, daß der -Relativsatz keine Eigenschaft eines bewährten Geschäftsmannes angibt, -sondern den Grund, weshalb Harkort in diesen Ruf kam; es muß also -heißen: +da er+ als Mitbegründer usw. Wenn jemand schreibt: das Steigen -des Flusses erschwerte +die Arbeiten+, +die+ mit größter Anstrengung -ausgeführt wurden -- so ist klar, daß der Relativsatz keine Eigenschaft -der Arbeiten angibt, sondern eine Folge davon, daß der Fluß steigt; -es muß also heißen: +sodaß+ sie nur mit größter Anstrengung usw. Nun -vollends: machen Sie +einen Versuch+ mit dem Werke, der Sie voll -befriedigen wird -- kein Mittel vertreibt +den Geruch+, der wohl -schwächer wird, aber immer bemerklich bleibt -- das ersehnte Glück -fand er in +dieser Verbindung+ nicht, +die+ nach drei Jahren wieder -gelöst wurde -- wie im Fluge verbreitete sich die Trauerkunde unter -+den Vereinsmitgliedern+, +die+ dem teuern Genossen vollzählig das -letzte Geleit gaben -- er widmete sich dem juristischen Studium ohne -+innern Drang+, +der+ ihn zur Literatur und Geschichte führte -- jedes -+Konzert+, +das+ er nie versäumte, war ihm ein Hochgenuß -- solche -Sätze erscheinen wohl äußerlich in der Gestalt von Relativsätzen, -ihrem Inhalte nach aber sind es Hauptsätze. Es muß heißen: kein Mittel -vertreibt den Geruch; er wird wohl schwächer, bleibt aber immer -bemerklich -- das ersehnte Glück fand er in dieser Verbindung nicht; -sie wurde nach drei Jahren wieder gelöst. Noch fehlerhafter sind -folgende Sätze: die Meister sind das +Ein und Alles+ der Kunst, +die+ -in ihren Werken und sonst nirgends niedergelegt und beschlossen ist -- -oder gar: +das Honorar+ beträgt jährlich 360 +Mark+, +welches+ (!) in -drei Terminen zu entrichten ist. Hier ist der Relativsatz nicht bloß an -das falsche Wort angeschlossen, sondern logisch falsch: er muß in einen -Hauptsatz verwandelt werden. - - -Nachdem -- zumal -- trotzdem -- obzwar - -Verhältnismäßig wenig Fehler kommen in den Nebensätzen vor, die -eine Zeitbestimmung, einen Grund oder ein Zugeständnis enthalten -(Temporalsätze, Kausalsätze, Konzessivsätze). In den Kausalsätzen ist -vor allem vor einem Mißbrauch des Fügewortes +nachdem+ zu warnen. -+Nachdem+ kann nur Temporalsätze anfangen. Es ist zwar schon früh auch -auf das kausale Gebiet übertragen worden (wie +weil+ und +da+, die -ja auch ursprünglich temporal und lokal sind); gegenwärtig aber ist -das nur noch in Österreich üblich. +Nachdem+ der Kaiser keine weitere -Verwendung für seine Dienste +hat+ -- +nachdem+ für die Anschaffung nur -unbedeutende Kosten erwachsen -- +nachdem+ bei günstigem Wasserstande -+sich+ die Verladungen lebhaft +entwickeln werden+ -- solche Sätze -erscheinen als auffällige Provinzialismen. Falsch ist es aber auch, -+nachdem+ in Temporalsätzen mit dem Imperfekt zu verbinden, z. B. der -Grund, warum Lasalle, +nachdem+ seine Lebensarbeit +zerbrach+, doch -immer deutlicher als historische Persönlichkeit hervortritt. +Nachdem+ -kann nur mit dem Perfekt oder dem Plusquamperfekt verbunden werden. - -Ein andrer Fehler, der jetzt in Kausalsätzen fort und fort begangen -wird, ist der, hinter +zumal+ das Fügewort +da+ wegzulassen, als ob -+zumal+ selber das Fügewort wäre, z. B.: der Zuziehung von Fachmännern -wird es nicht bedürfen, +zumal+ in der Literatur einschlägige -Werke genug vorhanden sind. +Zumal+ ist kein Fügewort, sondern ein -Adverb, es bedeutet ungefähr dasselbe wie +besonders+, +namentlich+, -+hauptsächlich+, hat aber noch eine feine Nebenfarbe, insofern -es, ähnlich wie +vollends+, nicht bloß die Hervorhebung aus dem -allgemeinen, sondern zugleich eine Steigerung ausdrückt; der Inhalt -des Hauptsatzes wird, wenn sich ein Nebensatz mit +zumal+ anschließt, -beinahe als etwas selbstverständliches hingestellt. Soll nun, wie es -sehr oft geschieht, der in einem Nebensatz ausgedrückte Gedanke in -dieser Weise hervorgehoben werden, so muß +zumal+ einfach davortreten, -sodaß der Nebensatz nun beginnt: +zumal wer+, +zumal wo+, +zumal als+, -+zumal wenn+, +zumal weil+, +zumal da+, je nachdem es ein Relativsatz, -ein Temporalsatz, ein Bedingungssatz oder ein Kausalsatz ist, z. B.: -das wäre die heilige Aufgabe der Kunst, +zumal seit+ sie bei den -Gebildeten zugleich die Religion vertreten soll. So wenig nun jemand -hinter +zumal+ das +wer+, +wo+, +wann+ oder +als+ weglassen wird, so -wenig hat es eine Berechtigung, das +da+ oder +weil+ wegzulassen, und -es ist eine Nachlässigkeit, zu schreiben: diese Maßregel erbitterte -die Evangelischen, +zumal+ sie hörten -- schließlich ließ sich die -Angelegenheit nicht länger aufschieben, +zumal+ sich die Aussicht -eröffnete usw. Leider ist diese Nachlässigkeit schon so beliebt -geworden, daß man bald wird lehren müssen: +zumal+ ist ein Adverb, aber -zugleich ist es ein Fügewort, das Kausalsätze anfängt. - -Ähnlich wie mit +zumal+ steht es mit +trotzdem+; auch das möchte man -jetzt mit aller Gewalt zum Fügewort pressen. Aber auch das hat keine -Berechtigung. Auch +trotzdem+ ist ein Adverb, es bedeutet dasselbe wie -+dennoch+; soll es zur Bildung eines Konzessivsatzes dienen, so muß -es mit +daß+ verbunden werden. Zu schreiben, wie es jetzt geschieht: -+trotzdem+ Camerarius den Aufgeklärten spielte -- +trotzdem+ die -Arbeiten im Innern des Hauses noch nicht beendigt sind -- +trotzdem+ es -an Festlichkeiten nicht mangelte -- ist ebenfalls eine Nachlässigkeit. -Wir haben zur Bildung von Konzessivsätzen eine Fülle von Fügewörtern: -+obgleich+, +obwohl+, +obschon+, +wenngleich+, +wenn auch+. Kennt -man die gar nicht mehr, daß man sie jetzt alle dem fehlerhaften -+trotzdem+ zuliebe verschmäht? Sie sind wohl zu weich, zu geschmeidig, -zu verbindlich, nicht wahr? +Trotzdem+ ist gröber, „schneidiger“, -trotziger, darum gefällts den Leuten. - -Freilich sind alle unsre Fügewörter früher einmal Adverbia gewesen. -Auch +indem+, +seitdem+, +nachdem+, +solange+, +sooft+, +nun+ (+nun+ -die schreckliche Seuche glücklich erloschen ist) wurden zur Bildung von -Nebensätzen anfangs gewöhnlich mit einem Fügewort gebraucht (+indem -daß+, +solange als+). Aber warum soll man nicht einen Unterschied -bewahren, solange das Bedürfnis darnach noch von vielen empfunden wird? -Wer sorgfältig schreiben will, wird sich auch nicht mit +insofern+ -begnügen, wenn er +insofern als+ meint. - -Eine österreichische Eigentümlichkeit ist es, Konzessivsätze mit -+obzwar+ anzufangen. In der guten Schriftsprache ist das, wie alle -Austriazismen, unausstehlich. - - -Mißbrauch des Bedingungssatzes - -Das temporale Fügewort +während+, das zunächst zwei Vorgänge als -gleichzeitig hinstellt, kommt auf sehr leichte und natürliche Weise -dazu, zwei Handlungen einander entgegenzusetzen. Den Übergang sieht man -an einem Satze wie folgendem: +während+ ihr euerm Vergnügen nachgingt, -habe ich gearbeitet; das Fügewort kann hier noch rein temporal -aufgefaßt werden, hat aber schon einen Beigeschmack vom Adversativen. -Man muß aber in der Anwendung dieser adversativen Bedeutung sehr -vorsichtig sein, sonst kommt man leicht zu so lächerlichen Sätzen wie: -+während+ Herr W. die Phantasie von Vieuxtemps für Violine vortrug, -blies Herr L. ein Nocturno für Flöte von Köhler -- der Minister -besuchte gestern (!) die Schulen zu Marienthal und Leubnitz, +während+ -er heute (!) die Besuche in den hiesigen Schulanstalten fortsetzte -- -König Albert brachte ein Hoch auf den Kaiser aus, +während+ der Kaiser -ihm dafür dankte. - -Geradezu ein Unfug aber ist es, Bedingungssätze in adversativem -Sinne zu verwenden. Es scheint das aber jetzt für eine ganz besondre -Feinheit zu gelten. Man schreibt: +wenn+ bei vielen niedrigen Völkern -die Priester als Träger höherer Bildung zu betrachten sind, +so+ ist -das bei den Ephenegern nicht der Fall -- +wenn+ Adelung die Sprache -hauptsächlich als Verständigungsmittel behandelt wissen wollte, +so+ -forderte Herder eine individuelle, schöpferische Empfindungssprache. -Auch vergleichende Nebensätze werden schon, anstatt mit +wie+, mit -+wenn+ gebildet: +wenn+ Indien die Geschichte der Philosophie ~in nuce~ -enthält, +so+ ist es an Materialien für die Geschichte der Religion -gewiß reicher als ein andres Land -- +wenn+ bei uns vielfach über -den Niedergang des politischen Lebens geklagt wird, +so+ ist auch in -Amerika, wo das politische Leben schon bisher nicht sehr hoch stand, -ein solcher Niedergang bemerkbar -- +wenn+ der Verein schon immer -bestrebt war, die reichen Kunstschätze Freibergs zu heben, +so+ ist -das in besonderm Maße in dem vorliegenden Hefte gelungen -- +war+ das -Handpressenverfahren ungeeignet, +so+ konnte das Typendruckverfahren -hinsichtlich der Güte nicht genügen -- +war+ das Haus damals recht -unbehaglich, +so+ machten sich auch nach dem Umbau Übelstände -bemerklich. Ebenso Kausalsätze: +wenn+ die Macht der Sozialdemokratie -in der Organisation liegt, +so+ müssen wir uns eben auch organisieren. -Ebenso Konzessivsätze: +wenn+ die gestellte Aufgabe sich +zwar+ (aha!) -zunächst nur auf die Untersuchung der Goldlagerstellen bezog, +so+ -war es +doch+ nötig, auch andre Minerale in den Kreis der Betrachtung -zu ziehen. Sogar wo einfach zwei Hauptsätze am Platze wären, kommt -man mit diesem +wenn+ angerückt: +wenn+ mein Herr Amtsvorgänger vorm -Jahre viel gutes wünschte, +so+ sind diese Wünsche nicht vergeblich -gewesen -- +wenn+ im frühern Mittelalter die meisten Häuser einfache -Holzhäuser gewesen waren, +so+ ist man erst später aus diesem Zustande -herausgekommen. Welcher Unsinn! - -Wenn diese Art, sich auszudrücken, weitere Fortschritte macht, so kann -es noch dahin kommen, daß der Bedingungssatz alle andern Arten von -Fügewortsätzen nach und nach auffrißt. - - -Unterdrückung des Hilfszeitworts - -Sehr verschieden sind merkwürdigerweise von jeher die Ansichten gewesen -über den Gebrauch, das Hilfszeitwort und (was gleich damit verbunden -werden kann) die sogenannte Kopula in Nebensätzen wegzulassen, also -zu schreiben: der Bischof war bestrebt, von dem Einfluß, den er -früher in der Stadt +besessen+ (nämlich +hatte+), möglichst viel -zurückzugewinnen, der Rat dagegen trachtete, die wenigen Rechte, die -ihm noch +geblieben+ (nämlich +waren+), immer mehr zu beschränken --- die Wirkung der Mühlen würde noch erhöht, wenn sie beständig von -Luft +durchstrichen+ (nämlich +würden+) -- seine Briefe blieben -frei von Manier, während +sich+ in seine spätern Werke etwas davon -+eingeschlichen+ (nämlich +hat+) -- die Pallas trug einst einen Helm, -wie aus der oben abgeplatteten Form des Kopfes zu +erkennen+ (nämlich -+ist+) -- eine Vorstellung wird um so leichter aufgenommen, je -+einfacher+ ihr sprachlicher Ausdruck (nämlich +ist+) -- der Ursachen -sind mehrere, wenn sie auch sämtlich auf eine Wurzel +zurückzuführen+ -(nämlich +sind+) -- verwundert fragt man, ob denn die Krankheit -wirklich so gefährlich, das Übel gar so heillos +geworden+ (+ist+? -+sei+?) -- so lautet das Schlagwort, womit das ideale Werk +begonnen+ -(+ist+? +hat+?) -- sogar: die Lukaspassion kann nicht, wie allgemein -+behauptet+ (nämlich +wird+), von Bach geschrieben sein. - -Dieser Gebrauch hat eine ungeheure Verbreitung, viele halten ihn -offenbar für eine ganz besondre Schönheit. Manche Romanschriftsteller -schreiben gar nicht anders; aber auch in wissenschaftlichen, -namentlich in Geschichtswerken geschieht es fort und fort. Ja es muß -hie und da geradezu in Schulen gelehrt werden, daß dieses Abwerfen -des Hilfszeitworts eine Zierde der Sprache sei. Wenigstens war -einmal in einem Aufsatz einer Unterrichtszeitschrift verächtlich vom -„Hattewarstil“ die Rede; der Verfasser meinte damit die pedantische -Korrektheit, die das +hatte+ und +war+ nicht opfern will. Von -ältern Schriftstellern liebt es namentlich Lessing, aus dessen -Sprache man sich sonst die Muster zu holen pflegt, das Hilfszeitwort -wegzulassen, und Jean Paul empfiehlt es geradezu, diese „abscheulichen -Rattenschwänze der Sprache“ womöglich überall abzuschneiden. - -Halten wir uns, wie immer, an die lebendige Sprache. Tatsache ist, daß -in der unbefangnen Umgangssprache das Hilfszeitwort niemals weggelassen -wird. Es würde als arge Ziererei empfunden werden, wenn jemand sagte: -es ist ein ganzes Jahr her, daß wir uns nicht +gesehen+. In der Sprache -der Dichtung dagegen ist die Unterdrückung des Hilfszeitworts wohl das -überwiegende. Man denke sich, daß Chamissos Frauenliebe und -leben -anfinge: seit ich ihn +gesehen habe+, glaub ich blind zu sein! In der -Prosa kommt es nun sehr auf die Gattung an. In poetisch oder rednerisch -gehobner Sprache stört es nicht, wenn das Hilfszeitwort zuweilen -unterdrückt wird; in schlichter Prosa, wie sie die wissenschaftliche -Darstellung und im allgemeinen doch auch die Erzählung, die historische -sowohl wie der Roman und die Novelle, erfordert, ist es geradezu -unerträglich. Wer das bestreitet, hat eben kein Sprachgefühl. Wer sich -einmal die Mühe nimmt, bei einem Schriftsteller, der das Hilfszeitwort -mechanisch und aus bloßer Gewohnheit überall wegläßt, nur ein paar -Druckseiten lang auf diese vermeintliche Schönheit zu achten, der wird -bald täuschend den Eindruck haben, als ob er durch einen Tiergarten -ginge, wo lauter unglückselige Bestien mit abgehackten Schwänzen ihres -Verlustes sich schämend scheu um ihn herumliefen. - -Ganz unausstehlich wird das Abwerfen des Hilfszeitworts, wenn das übrig -bleibende Partizip mit dem Indikativ des Präsens oder des Imperfekts -gleich lautet, also ohne das Hilfszeitwort die Tempora gar nicht -voneinander zu unterscheiden sind, z. B.: in unsrer Zeit, wo der Luxus -eine schwindelhafte Höhe +erreicht+ (nämlich +hat+!) -- er ist auch -dann strafbar, wenn er sich nur an der Tat +beteiligt+ (+hat+!) -- -das, was der Geschichtschreiber gewissenhaft +durchforscht+ (+hat+!) --- er erinnert sich der Freude, die ihm so mancher gelungne Versuch -+verursacht+ (+hat+!) -- einer jener Männer, die, nachdem sie in -hohen Stellungen Eifer und Tatkraft +bewiesen+ (+haben+!), sich einem -müßigen Genußleben hingeben -- nachdem 1631 Baner die Stadt vergeblich -+belagert+ (+hatte+!) -- er verteilte die Waffen an die Partei, mit -der er sich +befreundet+ (+hatte+!) -- ich kam im Herbstregen an, den -mein Kirchdorf lange +ersehnt+ (+hatte+!) -- er schleuderte über die -Republik und ihre Behörden den Bannstrahl, weil sie sich an päpstlichem -Gut +vergriffen+ (+hatten+!) -- du stellst in Abrede, daß Vilmar mit -dem Buch eine politische Demonstration +beabsichtigt+ (+habe+!). Oder -wenn es in zwei oder mehr aufeinander folgenden Nebensätzen verschiedne -Hilfszeitwörter sind, die dadurch verloren gehen, +haben+ und +sein+, -z. B.: es war ein glücklicher Gedanke, dort, wo einst der deutsche -Dichterfürst seinen Fuß +hingesetzt+ (nämlich +hat+), auf dem Boden, -der durch seinen Aufenthalt geschichtlich +geworden+ (nämlich +ist+), -eine Kuranstalt zu errichten -- wir wissen, auf welchen Widerstand -einst das Interim +gestoßen+ (+ist+!), und welchen Haß sich Melanchthon -durch seine Nachgiebigkeit +zugezogen+ (+hat+!) -- da sie das -Führen der Maschine +unterlassen+ (+hatten+!) und auf den Fußwegen -+gefahren+ (+waren+!). Oder endlich wenn gar von zwei verschiednen -Hilfszeitwörtern das erste weggeworfen, das zweite aber gesetzt wird, -sodaß man dieses nun unwillkürlich mit auf den ersten Satz bezieht, -z. B.: als ich die Fastnachtsspiele +durchgelesen+ und schließlich zu -dem Luzerner Neujahrsspiel +gekommen war+ (also auch: +durchgelesen -war+?) -- seitdem die Philosophie exakt +geworden+, seitdem auch sie -sich auf die Beobachtung und Sammlung von Phänomenen +verlegt hat+ -(also auch: +geworden hat+?) -- der Verfasser macht Banquo den Vorwurf, -daß er nicht für die Rechte der Söhne Duncans +eingetreten+, sondern -Macbeth als König +anerkannt habe+ (also auch: +eingetreten habe+?). -Wie jemand so etwas schön finden kann, ist unbegreiflich. - -Selbst in Fällen, wo der nachfolgende Hauptsatz zufällig mit demselben -Zeitwort anfängt, mit dem der Nebensatz geschlossen hat, ist das -Wegwerfen des Hilfszeitworts häßlich, z. B.: soviel +bekannt+ (nämlich -+ist+), +ist+ der Vorsitzende der Bürgermeister -- wie der Unglückliche -hierher +gelangt+ (+ist+), +ist+ rätselhaft -- alles, was damit -gewonnen +worden+ (+war+), +war+ unbedeutend gegen das verlorne -- wer -diesen Forderungen Genüge +geleistet+ (+hatte+), +hatte+ sich dadurch -den Anspruch erworben usw. Zwar nehmen auch solche, die im allgemeinen -für Beibehaltung des Hilfszeitworts sind, hier das Abwerfen in Schutz, -aber doch nur wieder infolge des weitverbreiteten Aberglaubens, daß ein -Wort nicht unmittelbar hintereinander oder kurz hintereinander zweimal -geschrieben werden dürfe. Es ist das eine von den traurigen paar -stilistischen Schönheitsregeln, die sich im Unterricht von Geschlecht -zu Geschlecht fortschleppen. Die lebendige Sprache fragt darnach gar -nichts; da setzt jeder ohne weiteres das Verbum doppelt, und es fällt -nicht im geringsten auf, kann gar nicht auffallen, weil mit dem ersten -Verbum, fast tonlos, der Nebensatz ausklingt, mit dem zweiten, nach -einer kleinen Pause, frisch betont der Hauptsatz anhebt. Sie klingen ja -beide ganz verschieden, diese Verba, man traue doch nur seinen Ohren -und lasse sich nicht immer von dem Papiermenschen bange machen! - -Nur in einem Falle empfiehlt sichs zuweilen, das Hilfszeitwort auch in -schlichter Prosa wegzulassen, nämlich dann, wenn in den Nebensatz ein -zweiter Nebensatz eingeschoben ist, der mit demselben Hilfszeitwort -endigen würde, z. B.: bis die Periode, für die der Reichstag +gewählt -worden+, +abgelaufen war+. Hier würden zwei gleiche Satzausgänge -mit +war+ nicht angenehm wirken. Wo bei Häufung von Nebensätzen der -Eindruck des Schleppens entsteht, liegt die Schuld niemals an den -Hilfszeitwörtern, sondern immer an dem ungeschickten Satzbau. - -Die Sitte, das Hilfszeitwort in Nebensätzen gewohnheitsmäßig -abzuwerfen, muß um so mehr als Unsitte bekämpft werden, als sie schon -einen ganz verhängnisvollen Einfluß auf den richtigen Gebrauch der -Modi ausgeübt hat. Daß manche Schriftsteller keine Ahnung mehr davon -haben, wo ein Konjunktiv und wo ein Indikativ hingehört, daß in dem -Gebrauche der Modi eine geradezu grauenvolle Verwilderung und Verrohung -eingerissen ist und täglich weitere Fortschritte macht, daran ist -zum guten Teil die abscheuliche Unsitte schuld, die Hilfszeitwörter -wegzulassen. Wo soll noch Gefühl für die Kraft und Bedeutung eines -Modus herkommen, wenn man jedes +ist+, +sei+, +war+, +wäre+, +hat+, -+habe+, +hatte+, +hätte+ am Ende eines Nebensatzes unterdrückt und -dem Leser nach Belieben zu ergänzen überläßt? In den meisten Fällen -ist die Unterdrückung des Hilfszeitwortes nichts als ein bequemes -Mittel, sein Ungeschick oder seine Unwissenheit zu verbergen. Freilich -ist es sehr bequem, zu schreiben: daß viele Glieder der ersten -Christengemeinde arm +gewesen+, ist zweifellos, daß es alle +gewesen+, -ist sehr zu bezweifeln, oder: wenn man nicht annehmen will, daß ihm -seine Genialität +geoffenbart+, was andre schon vorher +gefunden+, -oder: wir bedauerten, daß sie nicht etwas +getan+, was sie in den Augen -unsrer Gespielen recht groß und mächtig +gemacht+. Hätten die, die -so geschrieben haben, gewußt, das es heißen muß: daß viele Glieder -der ersten Christengemeinde arm +gewesen sind+, ist zweifellos, daß -es alle +gewesen seien+, ist sehr zu bezweifeln -- wenn man nicht -annehmen will, daß ihm seine Genialität +geoffenbart habe+, was andre -schon vorher +gefunden hatten+ -- wir bedauerten, daß sie nicht etwas -+getan hatten+, was sie in den Augen unsrer Gespielen recht groß und -mächtig +gemacht hätte+ -- so hätten sie es schon geschrieben. Aber -man weiß eben nichts, und da man seine Unwissenheit durch Hineintappen -in den falschen Modus nicht verraten möchte, so läßt man einfach das -Hilfszeitwort weg. - - -Indikativ und Konjunktiv - -Sogar in Wunsch- und Absichtssätzen, wo man es kaum für möglich halten -sollte, wird jetzt statt des Konjunktivs der Indikativ geschrieben! -Da liest man: es ist zu wünschen, daß die Nation auch künstlerisch -+zusammensteht+ -- wir wünschen von Herzen, daß das der letzte Fall -eines solchen Verbrechens gewesen +ist+ -- wir hoffen, daß er sich nach -längerer Prüfung davon +wird+ überzeugen lassen -- wir wollen alle -mithelfen, daß es eine gute Ernte +gibt+ -- die staatliche Gewalt hat -darüber zu wachen, daß der Sittlichkeit kein ernster Schaden zugefügt -+wird+ -- als deutscher Fabrikant habe ich das lebhafteste Interesse -daran, daß in deutschen Bureaus mit deutschen Federn geschrieben +wird+ --- wir bitten um Erneuerung des Abonnements, damit die Zusendung keine -Unterbrechung +erleidet+ -- wir raten ihm, sich an deutsche Quellen zu -halten, damit er das Deutsche nicht ganz +verlernt+. Die schlimmste -Verwirrung des Indikativs und des Konjunktivs ist aber in den Subjekt- -und Objektsätzen (Inhaltsätzen) und in den abhängigen Fragesätzen -eingerissen. Und doch, wie leicht ist es, bei einigem guten Willen auch -hier das Richtige zu treffen! - -Man vergleiche einmal folgende beiden Sätze: Curtius zeigte seinen -Fachgenossen, daß er ihnen auch auf dieses Gebiet zu folgen -+vermöchte+, und: Curtius zeigte seinen Fachgenossen, daß er ihnen -auch auf dieses Gebiet zu folgen +vermochte+. Was ist der Unterschied? -In dem ersten Falle lehne ich, der Redende oder Schreibende, ein -Urteil darüber ab, ob Curtius wirklich seinen Fachgenossen habe folgen -können, ich gebe nur seine eigne Meinung wieder; im zweiten Falle gebe -ich selbst ein Urteil ab, ich stimme ihm bei, stelle es als Tatsache -hin, daß er ihnen habe folgen können. Ein andres Beispiel: die meisten -Menschen trösten sich damit, daß es früher auch +so war+, und: die -meisten Menschen trösten sich damit, daß es früher auch +so gewesen -sei+. Was ist der Unterschied? In dem ersten Falle gebe ich über den -Trostgrund der Menschen ein Urteil ab, ich stimme ihnen bei, ich stelle -ihren Trostgrund als richtig, als Tatsache hin; in dem zweiten Falle -enthalte ich mich jedes Urteils, ich gebe nur die Meinung der Menschen -wieder. Noch ein Beispiel: ich kann doch nicht sagen, daß ich krank -+bin+, und: ich kann doch nicht sagen, daß ich krank +sei+. Der erste -Satz bedeutet: ich trage Bedenken, die Tatsache meiner Erkrankung -einzugestehen; der zweite: ich trage Bedenken, eine Krankheit -vorzuspiegeln. Da haben wir deutlich den Sinn der beiden Modi. - -Darnach ist es klar, weshalb nach Zeitwörtern wie +wissen+, +beweisen+, -+sehen+, +einsehen+, +begreifen+, +erkennen+, +entdecken+, ebenso -wie nach den unpersönlichen Redensarten: +es ist bekannt+, +es steht -fest+, +es ist sicher+, +es ist klar+, +es ist kein Zweifel+, +es ist -Tatsache+, +es läßt sich nicht leugnen+ usw. der Inhaltsatz stets im -Indikativ steht. In allen diesen Fällen kann das Subjekt oder Objekt -nur eine Tatsache sein; welchen Sinn hätte es da, ein Urteil darüber -abzulehnen? Es ist also ganz richtig, zu sagen: +kann es geleugnet -werden+, daß die Erziehung des gemeinen Volks eines der wichtigsten -Mittel +ist+, unsre Person und unser Eigentum zu schützen? Dagegen -spricht aus folgenden Sätzen eine völlig unverständliche Ängstlichkeit: -Hamerling hat +bewiesen+, daß man als Atheist ein edler und tüchtiger -Mensch sein +könne+ -- die Besichtigung der Leiche +ergab+, daß es -sich um einen Raubmord +handle+ -- schon seit Jahren hatte sich -+herausgestellt+, daß die Räume unzureichend +seien+ -- als man die -Kopfhaut entfernte, +sah+ man, daß die Schädeldecke vollständig entzwei -geschnitten +sei+ -- zu meinem Schrecken +entdeckte+ ich, daß der junge -Graf nicht einmal orthographisch schreiben +könne+ -- die Sammlung -tritt sehr bescheiden auf und läßt +keinen Zweifel+ darüber, daß die -Zeit des Sturms und Dranges vorüber +sei+. Was bewiesen, gesehen, -entdeckt worden ist, sich ergeben, sich herausgestellt hat, nicht -bezweifelt werden kann, das müssen doch Tatsachen sein. Weshalb soll -man sich scheuen, solche Tatsachen anzuerkennen? - -Dieser Fehler kommt denn auch verhältnismäßig selten vor. Um so öfter -wird der entgegengesetzte Fehler begangen, daß nach Zeitwörtern, die -eine bloße Meinung oder Behauptung ausdrücken, der Indikativ gesetzt -wird, obwohl der Redende oder Schreibende über die ausgesprochne -Meinung oder Behauptung nicht das geringste Urteil abgeben, sondern -sie als bloße Meinung oder Behauptung eines andern hinstellen -will. Die Zeitwörter, hinter denen das geschieht, sind namentlich: -+glauben+, +meinen+, +fühlen+, +denken+, +annehmen+, +vermuten+, -+voraussetzen+, +sich vorstellen+, +überzeugt sein+, +schließen+, -+folgern+, +behaupten+, +sagen+, +lehren+, +erklären+, +versichern+, -+beteuern+, +bekennen+, +gestehen+, +zugeben+, +bezweifeln+, -+leugnen+, +antworten+, +erwidern+, +einwenden+, +berichten+, -+melden+, +erzählen+, +überliefern+, +erfahren+, +vernehmen+, +hören+ -u. a. Stehen diese Verba in dem Tempus der Erzählung, so setzt wohl -jeder richtig den Konjunktiv dahinter, wiewohl sich auch Beispiele -finden wie: er kam zu der +Überzeugung+, daß er zu alt +war+, sich -noch den bildenden Künsten zu widmen. Aber wie, wenn sie im Präsens -oder im Futurum stehen? Da wird geschrieben: man +glaubt+, daß die -Diebe während der Fahrt in den Zug +stiegen+ -- der Ausschuß ist der -+Meinung+, daß der Markt der geeignetste Platz für das Denkmal ist -- -der Herausgeber ist zu der +Ansicht+ gekommen, das sich diese Rede -Ciceros nicht für die Schule +eignet+ -- man kann dem Verfasser darin -(d. h. in der +Ansicht+) beistimmen, daß sich das Juristendeutsch -gegen früher bedeutend gebessert +hat+ -- jeder wird von einer -Privatsammlung, die in den fünfziger Jahren genannt wurde, +annehmen+, -daß sie heute nicht mehr +besteht+ -- man geht von der albernen -+Voraussetzung+ aus, daß Bach und Händel grobe Klötze gewesen +sind+ -- -hier wirkt noch die alte +Vorstellung+, daß das Wesen eines Dinges in -seinem Bilde +steckt+ -- die Rede ist von der +Überzeugung+ erfüllt, -daß das amerikanische Deutschtum mit der deutschen Sprache +steht+ und -+fällt+ -- man behauptet, daß das Lateinische zu schwer +ist+, als -erste fremde Sprache gelernt zu werden -- die +Behauptung+, daß dieser -Aufsatz für die Zeitschrift kein Ruhmesblatt +bildet+, wird schwerlich -auf Widerspruch stoßen -- Marx +sagt+, daß keine neue Gesellschaft -ohne die Geburtshilfe der Gewalt +entsteht+ -- man +sagt+, daß er sich -von einem Priester taufen +ließ+ -- der Fremde, der die Ausstellung -besucht, wird +sagen+, daß es der Berliner Kunst an Schwung und -Phantasie +gebricht+ -- von glaubwürdiger Seite wird uns +versichert+, -daß die Stimmung sehr +flau+ war -- die Legende +erzählt+, daß, als -die Greisin noch ein schönes Mädchen +war+, sie eine tiefe Neigung zu -einem jungen Krieger +faßte+ -- die +Meldung+, daß Morenga +gefallen -ist+, wird durch einen amtlichen Bericht bestätigt -- in Berliner -Künstlerwerkstätten gilt noch heute die +Überlieferung+, daß Rauch -nicht immer der große Mann +gewesen ist+, als den ihn die Nachwelt -preist. In allen diesen Sätzen ist der Indikativ wahrhaft barbarisch. -Doppelt beleidigend wirkt er, wenn in dem regierenden Satze die Meinung -oder Behauptung, die im Nebensatze steht, ausdrücklich verneint -wird, als falsch, als irrtümlich, als übertrieben, als unbewiesen -bezeichnet wird. Und doch muß man täglich auch solche Sätze lesen wie: -ich kann +nicht zugeben+, daß diese Satzfügung fehlerhaft ist -- es -kann +nicht zugegeben+ werden, daß der große Zuzug der Bevölkerung -die Ursache der städtischen Wohnungsnot +ist+ -- wir sind +nicht+ -zu der +Annahme+ berechtigt, daß er sich durch die Mitgift der -Frau zu der Heirat bewegen +ließ+ -- aus dieser Tabelle läßt sich -+keineswegs+ der +Schluß+ ziehen, daß die Kost dürftig +ist+ -- daß -der sozialistische Geschäftsbetrieb in diesen Industrien möglich +ist+, -hat noch +niemand bewiesen+ -- ich kann +nicht finden+, daß Wagners -Musik +läutert+ -- ich muß aufs entschiedenste +bestreiten+, das es -in einem unsrer Schutzgebiete Sklavenmärkte +gibt+ -- daß das Kreuz -erst in christlicher Zeit religiöse Bedeutung +erhielt+, kann man -+nicht behaupten+ -- +niemand+ wird +behaupten+, daß es dem Architekten -gleichgiltig sein +kann+, ob sein Ornament langweilig oder geistreich -ist -- die K. Zeitung geht +zu weit+ mit der +Behauptung+, daß die -beiden vorigen Sessionen des Landtags unfruchtbar +gewesen sind+ -- es -wird +schwerlich+ jemand +dafür eintreten+, daß die Ausführung dieses -Planes möglich +ist+ -- es ist +nicht wahr+, daß man durch Arbeit und -Sparen reich werden +kann+ -- +unwahr+ ist, daß Herr B. eine Sühne -von 500 M. angeboten +hat+ -- es ist +falsch+, wenn der Verfasser -behauptet, daß die Fehlerzahl den Ausschlag bei der Versetzung der -Schüler +gibt+ -- es liegt +nicht+ der leiseste +Anhalt+ vor, daß eine -neue Revision des Gesetzes beabsichtigt +ist+ -- mir ist +nichts+ -davon +bekannt+, daß das ausdrücklich betont worden +ist+ -- es ist -+unzutreffend+, daß das Urteil bereits rechtskräftig geworden +ist+ -- -die Volkszeitung hat sich direkt +aus den Fingern gesogen+, daß mich -der Minister wegen meines patriotischen Verhaltens gelobt +hat+ -- ich -kann +nicht sagen+, daß ich diese Woche große Freude an der Arbeit -+hatte+ -- damit soll +nicht gesagt+ sein, daß es der Sammlung ganz an -duftigen Liederblüten +fehlt+ -- es soll damit +nicht gesagt+ sein, daß -Beethoven je populär werden +kann+ -- wir glauben +widerlegt+ zu haben, -daß der Schule in diesem Kampfe ein Vorwurf zu machen +ist+ -- wer +hat -bewiesen+, daß die sittliche Höhe eines Künstlers der künstlerischen -seiner Werke gleichstehen +muß+? (niemand!) -- +ist+ irgendwo offenbar -geworden, daß der Abgeordnete sich seiner Aufgaben bewußt +gewesen ist+ -(nein!) usw. Welcher Unsinn, etwas in einem Atem zu leugnen oder zu -bestreiten und zugleich als wirklich hinzustellen! Darauf laufen aber -schließlich alle solche Sätze hinaus. Der Indikativ kann in solchen -Fällen geradezu zu Mißverständnissen führen. Wenn einer schreibt: -es ist +falsch+, daß die Arbeit ohne jeden Grund eingestellt worden -+ist+ -- so kann man das auch so verstehen: sie ist ohne jeden Grund -eingestellt worden, und das ist sehr dumm gewesen. Will einer deutlich -sagen: sie ist +nicht+ ohne Grund eingestellt worden, so muß er -schreiben: es ist +falsch+, daß die Arbeit ohne jeden Grund eingestellt -worden +sei+. - -Gewiß gibt es zwischen den unbedingt nötigen Indikativen und den -unbedingt nötigen Konjunktiven verschiedne Arten von zweifelhaften -Fällen. Es gibt doppelsinnige Verba, wie z. B. +finden+, +sehen+, -+zeigen+, die ebensogut eine Erkenntnis wie eine Meinung ausdrücken -können; darnach hat sich der Modus des Nebensatzes zu richten. Als -der erste Schrecken überwunden war, +sahen+ die Römer, daß sich der -Aufstand nicht bis zum Rhein +ausdehne+ -- man erwartet den Indikativ: -+ausdehnte+; aber der Schreibende hat mit +sehen+ vielleicht mehr den -Gedankengang, die Erwägung der Römer ausdrücken wollen. So ist auch -+beweisen wollen+, +zu beweisen suchen+ etwas andres als +beweisen+; -Hamerling hat +beweisen wollen+, daß man als Atheist auch ein edler -und tüchtiger Mensch sein +könne+ -- das wäre richtig, ebenso wie: er -+will beweisen+, daß weiß schwarz +sei+. Ein Bigotter könnte aber auch -sagen: beweisen läßt sich alles mögliche; hat nicht Hamerling sogar -+bewiesen+, daß ein Atheist ein edler Mensch sein +könne+? Dann wäre -der Sinn: trotz seines Beweises glaube ich es nicht. Und andrerseits -kann man wieder sagen: warum +willst+ du erst noch +beweisen+, daß zwei -mal zwei vier +ist+? Man vergleiche noch folgende Sätze: darin geben -wir dem Verfasser Recht, daß es unerklärlich +ist+, wie der gütige Gott -eine mit Übeln erfüllte Welt schaffen konnte; aber wir bestreiten, -daß es deshalb logisch geboten +sei+, dem Wesen, das die sittliche -Norm in sich enthält, die Weltschöpfung abzusprechen. Auch in dem -ersten Satze ist der Konjunktiv möglich, mancher würde ihn vielleicht -auch dort vorziehen. Bei guten Schriftstellern, bei denen man das -angenehme Gefühl hat, daß sie jedes Wort mit Bedacht hinsetzen, macht -es Vergnügen, solchen Dingen nachzugehen. Aber wie oft hat man dieses -Gefühl? Meist lohnt es nicht der Mühe, hinter plumpen Schnitzern nach -besondern Feinheiten zu suchen. - -Wenn das Verbum des Hauptsatzes im Präsens steht und das Subjekt die -erste Person ist, so ist auch nach den Verben des Meinens und Sagens -wohl allgemein der Indikativ üblich und auch durchaus am Platze. Wenn -der Hauptsatz heißt: +ich glaube+ oder +wir behaupten+, so hätte -es keinen Sinn, den Inhalt des Nebensatzes als bloße Vorstellung -hinzustellen und ein Urteil über seine Wirklichkeit abzulehnen, -denn +ich+ und der Redende sind ja +eine+ Person. Daher sagt man am -liebsten: ich +glaube+, daß du Unrecht +hast+. Und sogar wenn der -Hauptsatz verneint ist: ich +glaube nicht+, daß sie bei so rauher -Jahreszeit noch in Deutschland +sind+ -- ich +glaube nicht+, daß der -freie Wille der Gesellschaft heute schon stark genug +ist+ -- wir sind -+nicht der Ansicht+, daß man die bestehende Welt willkürlich ändern -+kann+. In den beiden letzten Sätzen würde vielleicht mancher den -Konjunktiv vorziehen; aber schwerlich wird jemand sagen: +ich glaube -nicht+, daß sie bei so rauher Jahreszeit noch in Deutschland +seien+. -Selbst in Wunsch- und Absichtssätzen steht in solchen Fällen der -Indikativ, zumal in der Umgangssprache. Jedermann sagt: spann deinen -Schirm auf, daß du nicht naß +wirst+! +Werdest+ würde hier so geziert -klingen, daß der andre mit Recht erwidern könnte: du sprichst ja wie -ein Buch. Wenn man aber einen Bibelspruch anführt, sollte man ihn nicht -so anführen: Richte nicht, damit du nicht gerichtet +wirst+! - -Genau so wie mit den Objektsätzen, die mit dem Fügewort +daß+ -anfangen, verhält sichs mit denen, die die Form eines abhängigen -Fragesatzes haben: sie müssen im Konjunktiv stehen, wenn der Redende -oder Schreibende kein Urteil darüber abgeben kann, ob ihr Inhalt -wirklich sei oder nicht, weil es sich um Dinge handelt, die eben in -Frage stehen, sie können im Indikativ stehen, wenn der Redende ein -solches Urteil abgeben kann und will, sie müssen im Indikativ stehen, -wenn es gar keinen Sinn hätte, ein solches Urteil abzulehnen, weil es -sich um eine einfache Tatsache handelt. Richtig sind folgende Sätze: -man darf sich nicht damit begnügen, zu behaupten, etwas sei Recht, -sondern man muß doch wenigstens angeben, weshalb es Recht +sei+, und -welches Ziel ein solches Recht +verfolge+ -- nicht darum handelt sichs -in der Politik, ob eine Bewegung revolutionär +sei+, sondern ob sie -eine innere Berechtigung +habe+ -- die Frage, ob der Angeklagte den -beleidigenden Sinn eines Schimpfwortes +erkannt habe+, wird meist -leicht zu bejahen sein -- man sollte sich fragen, ob man nicht selbst -die Mißstände zum Teil +verschuldet habe+, die man beklagt -- es sollte -nicht gefragt werden, ob die Zölle überhaupt zweckmäßig +seien+, -sondern ob im einzelnen Fall ein Zoll angebracht +sei+, und ob damit -erreicht +werde+, was erstrebt wird. Liederlich ist es dagegen, zu -schreiben: die Verhandlung hat +keine Klarheit+ darüber gebracht, ob -die Klagen berechtigt +sind+ oder nicht. Wie kann man etwas als gewiß -hinstellen, wovon man eben gesagt hat, daß es noch unklar sei? Falsch -sind aber auch -- trotz ihres schönen Konjunktivs -- folgende Sätze: -wie weit das Gebiet +sei+, das K. bearbeitet, +zeigen+ seine Bücher -- -ältere Zuhörer, die mehr oder weniger schon +wissen+, wovon die Rede -+sei+ -- es ist vom Schüler zu verlangen, daß er +wisse+, was eine -Metapher +sei+ -- es wäre interessant, zu +wissen+, was Goethe mit -dieser Bezeichnung gemeint +habe+. - -Schuld an der traurigen Verrohung des Sprachgefühls, die sich in den -falschen Indikativen kundgibt, ist zum Teil sicherlich die Unsitte, -die Hilfszeitwörter in den Nebensätzen immer wegzulassen; das stumpft -das Gefühl für die Bedeutung der Modi so ab, daß man sich schließlich -auch dann nicht mehr zu helfen weiß, wenn das Verbum gesetzt werden -muß. Daneben aber ist noch etwas andres schuld, nämlich die unter -dem verwirrenden Einflusse des Englischen immer ärger werdende -Unkenntnis, welche Konjunktive und welche Indikative im Satzbau -einander entsprechen, d. h. in welchen Konjunktiv im abhängigen Satz -ein Indikativ des unabhängigen Satzes verwandelt werden muß; es scheint -das geradezu nicht mehr gelernt zu werden. Man erinnert sich wohl -dunkel einer Konjugationstabelle, worin die Indikative und Konjunktive -einander so gegenübergestellt waren: - - ich bin ich sei - ich war ich wäre - ich bin gewesen ich sei gewesen - ich war gewesen ich wäre gewesen - -oder: - - ich nehme ich nehme - ich nahm ich nähme - ich habe genommen ich habe genommen - ich hatte genommen ich hätte genommen - -Aber daß einem diese Gegenüberstellung aus der Formenlehre für -den Satzbau gar nichts helfen kann, das weiß man nicht. Die -Gegenüberstellung der Modi für die Inhaltssätze sieht so aus: - - er trägt daß er trage oder: daß er trüge - er trug } daß er getragen habe oder: daß - er hat getragen } er getragen hätte - - ich bin daß ich sei oder: daß ich wäre - ich war } daß ich gewesen sei oder: daß ich - ich bin gewesen } gewesen wäre - -Daß sich gerade der Indikativ des Imperfekts jetzt so oft findet, -wo ein Konjunktiv des Perfekts oder des Plusquamperfekts hingehört -(Friedmann ist den Beweis dafür schuldig geblieben, daß dieser Verdacht -haltlos und sinnwidrig +war+), zeigt deutlich, daß man einen richtigen -Konjunktiv in abhängigen Sätzen zu bilden vollständig verlernt hat. - - -Die sogenannte ~consecutio temporum~ - -Daß ich +sei+ oder: daß ich +wäre+! Oder? Was heißt oder? Ist es -gleichgiltig, was von beiden gesetzt wird? oder richtet sich das nach -dem Tempus des regierenden Hauptsatzes? Mit andern Worten: gibt es -nicht auch im Deutschen etwas ähnliches wie eine ~consecutio temporum~, -die vorschreibt, daß auf die Gegenwart im Hauptsatz auch die -Gegenwart im Nebensatze, auf die Vergangenheit im Hauptsatz auch die -Vergangenheit im Nebensatze folgen müsse? - -Das Altdeutsche hat seine strenge ~consecutio temporum~ gehabt. Die -hat sich aber schon frühzeitig gelockert, und zwar ist in den nieder- -und mitteldeutschen Mundarten der Konjunktiv der Vergangenheit, in -den oberdeutschen der Konjunktiv der Gegenwart bevorzugt worden. Dort -ist die Vergangenheit auch nach Hauptsätzen der Gegenwart, hier die -Gegenwart auch nach Hauptsätzen der Vergangenheit vorgezogen worden. -Eine weitere Entwicklungsstufe, auf der wir noch stehen, ist die, daß -die Eigentümlichkeit der oberdeutschen Mundarten, die Bevorzugung -der Gegenwart, weiter um sich griff und mit der Eigentümlichkeit der -mittel- und niederdeutschen in Kampf geriet. Schon Luther schreibt (Ev. -Joh. 5, 15): der Mensch +ging+ hin und +verkündigte+ es den Juden, es -+sei+ Jesus, der ihn gesund gemacht +habe+. Der gegenwärtige Stand -ist der -- was namentlich auch für Ausländer gesagt sein mag --, daß -es in allen Fällen, mag im regierenden Satze die Gegenwart oder die -Vergangenheit stehen, im abhängigen Satze unterschiedslos +sei+ und -+wäre+, +habe+ und +hätte+, +gewesen sei+ und +gewesen wäre+, +gehabt -habe+ und +gehabt hätte+ heißen kann. Es ist ebensogut möglich, zu -sagen: er +sagt+, er +wäre+ krank -- er +sagt+, er +wäre+ krank -+gewesen+ -- er +sagte+, er +sei+ krank -- er +sagte+, er +sei+ krank -+gewesen+ -- wie: er +sagt+, er +sei+ krank -- er +sagt+, er +sei+ -krank +gewesen+ -- er +sagte+, er +wäre+ +krank+ -- er +sagte+, er -+wäre+ krank +gewesen+. In der Schriftsprache ziehen viele in allen -Fällen den Konjunktiv der Gegenwart als das Feinere vor und überlassen -den Konjunktiv der Vergangenheit der Umgangssprache. Wenn sich aber -jemand in allen Fällen lieber des Konjunktivs der Vergangenheit -bedient, so ist auch dagegen nichts ernstliches einzuwenden. Wer -vollends durch die Verwirrung der Tempora in seinem Sprachgefühl -verletzt wird, wem es Bedürfnis ist, eine ordentliche ~consecutio -temporum~ zu beobachten, den hindert nichts, das auch jetzt noch zu -tun. Das alles ist nun freilich eine Willkür, die ihresgleichen sucht; -aber der tatsächliche Zustand ist so. - -Glücklicherweise hat aber diese Willkür doch gewisse Grenzen, und -daß von diesen Grenzen die wenigsten eine Ahnung haben, ist wieder -ein trauriger Beweis von der fortschreitenden Abstumpfung unsers -Sprachgefühls. - - -Der unerkennbare Konjunktiv - -Die eine Grenze liegt in der Sprachform unsrer Konjunktive. Der -Konjunktiv der Gegenwart hat nämlich jetzt im Deutschen nur zwei (oder -drei) Formen, in denen er sich von dem Indikativ unterscheidet: die -zweite und die dritte Person der Einzahl (und allenfalls die zweite -Person in der Mehrzahl); in allen übrigen Formen stimmen beide überein. -Nur das Zeitwort +sein+ macht seine Ausnahme, und die Hilfszeitwörter -+müssen+, +dürfen+, +können+, +wollen+, +mögen+ und +sollen+; die haben -einen durchgeführten Konjunktiv des Präsens: +ich sei+, +du seist+, +er -+sei+, +ich müsse+, +du müssest+, +er müsse+. Im Plural unterscheiden -sich aber die beiden Modi auch bei den Hilfszeitwörtern nicht. Nur in -der zweiten Person heißt es im Indikativ +wollt+, +müßt+, im Konjunktiv -+wollet+, +müsset+; eigentlich sind aber auch diese Formen gleich, man -hat nur im Konjunktiv das e bewahrt, das man im Indikativ ausgeworfen -hat. Die Formen nun, in denen der Konjunktiv nicht erkennbar ist, -weil er sich vom Indikativ nicht unterscheidet, haben natürlich nur -theoretischen Wert, sie stehen gleichsam nur als Füllsel in der -Grammatik (um das Konjugationsschema vollzumachen), aber praktische -Bedeutung haben sie nicht, im Satzbau müssen sie durch den Konjunktiv -des Imperfekts ersetzt werden. Das geschieht denn auch in der -lebendigen Sprache ganz regelmäßig, so regelmäßig, daß es beinahe ein -Unsinn ist, wenn unsre Grammatiken lehren: ~Conj. praes.~: +ich trage+, -+du tragest+, +er trage+, +wir tragen+, +ihr traget+, +sie tragen+. -Solche Schattenbilder sollten gar nicht in der Grammatik stehen, -es könnte einfach gelehrt werden: ~Conj. praes.~: +ich trüge+, +du -tragest+, +er trage+, +wir trügen+, +ihr trüget+, +sie trügen+. Dieser -Gebrauch steht schon lange so fest, daß er selbst dann gilt, wenn das -regierende Verbum in der Gegenwart steht, also -- gegen die ~consecutio -temporum~. Unsre guten Schriftsteller haben ihn denn auch fast immer -beobachtet. Nicht selten springen sie in einer längern abhängigen Rede -scheinbar willkürlich zwischen dem Konjunktiv des Präsens und dem -des Imperfekts hin und her; sieht man aber genauer zu, so sieht man, -daß das Imperfekt immer nur dazu dient, den Konjunktiv erkennbar zu -machen -- ganz wie in der lebendigen Sprache. Nun unterscheidet sich -zwar der Konjunktiv des Imperfekts, zu dem man seine Zuflucht nimmt, -bisweilen auch nicht von dem Indikativ des Imperfekts. Wenn er aber in -der abhängigen Rede zwischen erkennbaren Konjunktiven der Gegenwart und -abwechselnd mit ihnen erscheint, so wird er eben nicht als Indikativ -gefühlt, sondern hier ist er das einzige Mittel, das Konjunktivgefühl -aufrecht zu erhalten. Ganz dasselbe gilt natürlich von dem Konjunktiv -des Perfekts und des Plusquamperfekts; der erste ist, abgesehen von den -zwei erkennbaren Formen: +du habest gesagt+, +er habe gesagt+, für die -lebendige Sprache so gut wie nicht vorhanden, er muß überall durch den -des Plusquamperfekts ersetzt werden: +ich hätte gesagt+, +wir hätten -gesagt+ usw. - -Nun vergleiche man damit die klägliche Hilflosigkeit unsrer -Papiersprache! Da wird geschrieben: es ist eine Lüge, wenn man -+behauptet+, daß wir die Juden nur +angreifen+, weil sie Juden sind. -Es muß unbedingt heißen: +angriffen+, denn es muß der Konjunktiv -stehen, und das Präsens +angreifen+ wird nicht als Konjunktiv -gefühlt. Zu folgenden falschen Sätzen mag das richtige immer gleich -in Klammern danebengesetzt werden: es ist ein Irrtum, wenn behauptet -wird, daß sich die Ziele hieraus von selbst +ergeben+ (+ergäben+!) --- wie oft wird geklagt, daß die Diener des Staats und der Kirche -von der Universität nicht die genügende Vorbildung für ihren Beruf -+mitbringen+ (+mitbrächten+!) -- von dem Gedanken, daß in Lothringen -ähnliche Verhältnisse +vorliegen+ (+vorlägen+!) wie in Posen, muß -ganz abgesehen werden -- es war eine ausgemachte Sache, daß ich in -Kriegsdienst zu treten +habe+ (+hätte+!) -- es gibt noch Leute, die -ernstlich der Meinung sind, daß die Nationalliberalen 1866 das Deutsche -Reich +haben+ (+hätten+!) gründen helfen -- es wird mir vorgeworfen, -daß ich die ursprüngliche Reihenfolge ohne zureichenden Grund verlassen -+habe+[66] (+hätte+!) -- H. Grimm geht von der Voraussetzung aus, -daß ich den Unterricht in der neuern Kunstgeschichte an der Berliner -Universität bekrittelt +habe+ (+hätte+!) -- am Tage meiner Abreise -konnte ich schreiben, daß ich die Taschen voll gewichtiger Empfehlungen -+habe+ (+hätte+!) -- da mußte ich erkennen, daß ich für mein -wissenschaftliches Streben nicht die gehoffte Förderung zu erwarten -+habe+ (+hätte+!) -- der Verfasser ist der Meinung, das Verbrechen -+müsse+ als gesellschaftliche Erscheinung betrachtet und bekämpft -werden, zu seiner Ergründung +müssen+ (+müßten+!) die Ergebnisse der -Gesellschaftswissenschaft berücksichtigt werden -- man behauptet, -daß die Lehren des Talmud veraltet +seien+ und nicht mehr befolgt -+werden+ (+würden+!) -- ich schrieb ihm, daß ich die Verantwortung -nicht übernehmen +könne+, sondern die anstößigen Stellen beseitigen -+werde+ (+würde+!)[67] -- er erhebt den Vorwurf gegen uns, daß wir -damit ein bloßes Wahlmanöver +bezwecken+ (+bezweckten+!) -- er hatte -vor seinem Tode den Wunsch geäußert, die Soldaten +mögen+ (+möchten+!) -nicht auf seinen Kopf zielen -- der Verfasser sucht nachzuweisen, -daß die behaupteten Erfolge nicht +bestehen+ (+bestünden+!) -- -durch die Städte und Dörfer eilte die Schreckenskunde, daß Haufen -französischer Freischärler den Rhein überschritten +haben+ (+hätten+!) -und sich sengend und brennend über das Land +ergießen+ (+ergössen+!) --- ich hatte ihm bei der letzten Besprechung gesagt, ich +begreife+ -(+begriffe+!) sehr wohl, daß unser Verhältnis nicht wieder angeknüpft -werden könne usw. - -Daß die Verfasser dieser Sätze den Indikativ hätten gebrauchen wollen, -ist nicht anzunehmen; sie haben ohne Zweifel alle die redliche Absicht -gehabt, einen Konjunktiv hinzuschreiben. Aber sie haben alle jenes -Papiergespenst erwischt, das in der Schulgrammatik, um das Kästchen -der Konjugationstabelle zu füllen, als Konjunktiv des Präsens oder des -Perfekts dasteht, aber in der Satzbildung dazu völlig unbrauchbar ist. - -Ganz entsetzlich zu lesen sind Zeitungsberichte über „stattgefundne“ -Versammlungen und die dabei „stattgefundnen“ Debatten. Was die Redner -da gesagt haben, erscheint ja in den Berichten in abhängiger Rede. -Aber von Anfang bis zu Ende wird alles mechanisch in den Konjunktiv -der Gegenwart gesetzt, dazwischen noch so und so viel Indikative. Da -aber mindestens fünfzig von hundert solchen Konjunktiven gar nicht als -solche gefühlt werden können, so taumeln die Berichte nun unausgesetzt -zwischen Konjunktiv und Indikativ hin und her. Auch Protokolle werden -jetzt zum größten Teil so abgefaßt. - - -Der Konjunktiv der Nichtwirklichkeit - -Eine zweite, ebenso unüberschreitbare Grenze für die Neigung, überall -den Konjunktiv der Gegenwart vorzuziehen, liegt in einer gewissen -Bedeutung des Konjunktivs der Vergangenheit. Der Indikativ stellt -etwas als wirklich hin, der Konjunktiv nur als gedacht, gleichviel, ob -diesem Gedachten die Wirklichkeit entspricht oder nicht. Es gibt aber -noch einen dritten Fall. Es kann etwas als gedacht hingestellt, aber -zugleich aufs bestimmteste ausgedrückt werden, daß diesem Gedachten -die Wirklichkeit +nicht+ entspreche. Diese Aufgabe kann aber nur der -Konjunktiv der Vergangenheit erfüllen. Das bekannteste Beispiel dafür -und eins, das niemand falsch bildet, sind die sogenannten irrealen -Konditionalsätze oder Bedingungssätze der Nichtwirklichkeit. Jedermann -sagt und schreibt richtig: wenn ich Geld +hätte+, +käme ich+, oder: -wenn ich Geld +gehabt hätte+, +wäre ich gekommen+. Der Sinn ist in -dem ersten Falle: ich +habe+ aber keins, im zweiten: ich +hatte+ aber -keins, mit andern Worten: sowohl das Geldhaben als die Folge davon, -das Kommen, wird in beiden Fällen als nichtwirklich, als „irreal“ -hingestellt. Die Sprache verfährt dabei sehr ausdrucksvoll. Sie rückt -den Gedanken nicht bloß aus dem Bereiche der Wirklichkeit (den der -Indikativ ausdrücken würde), sondern versetzt ihn außerdem auch noch -in eine größere Zeitferne: eine irreale Bedingung in der Gegenwart -wird durch das Imperfekt (wenn ich +hätte+), eine irreale Bedingung in -der Vergangenheit durch das Plusquamperfekt (wenn ich +gehabt hätte+) -ausgedrückt. Ein Schwanken in dem Tempus des Konjunktivs ist hier -völlig ausgeschlossen; Imperfekt und Plusquamperfekt sind in solchen -Sätzen unerläßlich.[68] - -Solche Sätze bildet ja nun jeder richtig, wenn er auch vielleicht nie -darüber nachgedacht hat, warum er sie so bildet. Die Bedingungssätze -sind aber keineswegs die einzigen Nebensätze, die irrealen Sinn -haben können. Etwas sehr gewöhnliches sind auch Relativsätze, -Objektsätze, Kausalsätze, Folgesätze mit irrealem Sinn. In allen diesen -Sätzen verfährt die lebendige Sprache genau so wie in den irrealen -Bedingungssätzen, jedermann bildet auch sie in der Umgangssprache -ganz richtig, ohne sich einen Augenblick zu besinnen, und sagt: ich -kenne +keinen+ Menschen, den ich lieber +hätte+ als dich -- ich weiß -+nichts+ davon, daß er verreist +gewesen wäre+ -- ich will nicht -+sagen+, daß ich keine Lust +gehabt hätte+[69] -- er ist zu dieser -Arbeit nicht zu brauchen, +nicht+ etwa weil er zu dumm dazu +wäre+ -- -ich bin +nicht+ so ungeduldig, daß ich es nicht erwarten +könnte+ usw. -Aber der Papiermensch getraut sich solche Sätze nicht zu schreiben, er -stutzt, zweifelt, wird irre, schreibt schließlich -- den Indikativ, und -so laufen einem denn täglich auch solche Sätze über den Weg wie: ich -kenne +keine+ zweite Fachzeitschrift auf diesem Gebiete, die so allen -Ansprüchen entgegen+kommt+ (+käme+!) -- die Geschichte kennt +keine+ -Musiker, die auf rein autodidaktischem Wege zur Bedeutung gelangt -+sind+ (+wären+!) -- es dürfte heute +kein+ Physiker zu ermitteln -sein, der an die Möglichkeit eines absolut leeren Raumes +glaube+ -(+glaubte+!) -- bei Shakespeare selbst findet sich +kein+ Wort, das -auf eine solche Anschauung seines Helden +deutet+ (+deutete+!) -- es -gibt +kein+ Stück Shakespeares, worin die Charaktere klarer entwickelt -+sind+ (+wären+!) -- es gibt +kein+ zweites Industrieprodukt, das -eine derartige Verbreitung gefunden +hat+ (+hätte+!) -- es gibt heute -+keine+ Sängerin von Ruf, die diese Lieder nicht +singt+ (+sänge+!), -kein Publikum, das sie nicht begeistert +aufnimmt+ (+aufnähme+!) -- -Wien ist gegenwärtig +kein+ Platz, wo goldne Sporen zu verdienen +sind+ -(+wären+!) -- es +fehlte+ bisher an einem Buche, +das+ dem Laien -verständlich +war+ (+gewesen wäre+!) und zugleich auf der Höhe der -Wissenschaft +stand+ (+gestanden hätte+!) -- es gibt +keinen+, +der+ -die Entwicklung der politischen Verhältnisse +kennt+ (+kennte+!), -keinen, der sagen +kann+ (+könnte+!): morgen wird es so sein -- -+nie+ hat er etwas getan, +was+ mit seiner Untertanenpflicht in -Widerspruch +stand+ (+gestanden hätte+!) -- wir haben seit langen -Jahren +kein+ Abgeordnetenhaus gehabt, worin diese Partei so stark -vertreten +war+ (+gewesen wäre+!) -- wir hören +nichts+ davon, daß -die weniger betroffnen Gemeinden den Notleidenden die Hand +boten+ -(+geboten hätten+!) -- ich gebe diese Auslassung wörtlich wieder, -+nicht+ weil ich sie für sehr bedeutend +halte+ (+hielte+!), sondern -weil usw. -- gewiß sind manche Fehler begangen worden, nicht etwa -weil unsre Vorfahren unverständige Leute +waren+ (+gewesen wären+!) -und ihre Pflicht nicht getan +haben+ (+hätten+!), sondern weil eine -solche Entwicklung nicht vorauszusehen war -- wie +selten+ sind diese -Kenntnisse ein so sichrer Besitz geworden, +daß+ mit Freiheit darüber -verfügt +wird+ (+würde+!) -- die Summe gewährt ihm +keine+ genügende -Unterstützung, +daß+ er während seiner Studentenzeit sorgenfrei leben -+kann+ (+könnte+!) -- so dumm sind unsre Schauspieler nicht, +daß+ man -ihnen das alles haarklein vorschreiben +muß+ (+müßte+!) -- die Sache -ist damals beanstandet worden, +ohne daß+ über den Grund aus den Akten -etwas zu ersehen +ist+ (+wäre+!) -- ach, es war eine schöne Zeit, zu -schön, +als daß+ sie lange dauern +konnte+ (+hätte+ dauern +können+!) --- zum Glück war ich noch zu klein, +als daß+ mir der Inhalt des Buches -großen Schaden zufügen +konnte+ (+hätte+ zufügen +können+!) -- die -Hauswirte lassen lieber die Wohnungen leer stehen, +als daß+ sie sie -billig +vermieten+ (+vermieteten+!) -- +anstatt daß+ eine Beruhigung -+eintrat+ (+eingetreten wäre+!), bemächtigte sich vielmehr des ganzen -Landes eine tiefe Aufregung. - -In allen diesen Sätzen drückt der Nebensatz etwas Nichtwirkliches -aus. Zu allen diesen Nebensätzen ist gleichsam im Geist ein irrealer -Bedingungssatz zu ergänzen: nie hat er etwas getan, was mit seiner -Untertanenpflicht in Widerspruch +gestanden hätte+ (nämlich +wenn er -es getan hätte+, was eben +nicht+ der Fall +war+). Also müssen sie -auch alle in den Modus der Nichtwirklichkeit treten. Es würde ganz -unbegreiflich sein, wie jemand solche Nebensätze in den Indikativ -setzen kann, wenn nicht, wie so oft, die leidige Halbwisserei dabei im -Spiele wäre. Man ist nicht unwissend genug, den richtigen Konjunktiv -aus der lebendigen Sprache unangezweifelt zu lassen, aber man ist auch -nicht wissend, nicht unterrichtet genug, den Zweifel niederzuschlagen -und das richtige aufs Papier zu bringen. - - -Vergleichungssätze. Als wenn, als ob - -Zu diesen Nebensätzen, die sehr oft irrealen Sinn haben, gehören nun -auch die Vergleichungssätze, die mit +als ob+, +als wenn+, +wie wenn+ -anfangen. Sehr oft kann oder muß man zu solchen Sätzen im Geiste den -Gedanken ergänzen: was +nicht+ der Fall +ist+ oder: was +nicht+ der -Fall +war+, z. B.: er geht mit dem Gelde um, +als ob+ er (was nicht -der Fall ist) ein reicher Mann +wäre+. Auch diese Sätze werden in der -lebendigen Sprache wie alle andern irrealen Nebensätze behandelt, -d. h. in der Gegenwart stehen sie im Konjunktiv des Imperfekts, in -der Vergangenheit im Konjunktiv des Plusquamperfekts. Auf dem Papier -ist aber jetzt auch hier Verwirrung eingerissen. Man schreibt z. B.: -er tut, als +habe+ er schon damals diese Absicht gehabt -- er sah -mich verwundert an, als ob ich irre +rede+ oder Fabeln +erzähle+. -Es muß heißen: als +hätte+ er -- als ob ich irre +redete+ oder -Fabeln +erzählte+ -- ganz abgesehen davon, daß sich in dem zweiten -Beispiel die Konjunktive der Gegenwart nicht von den Indikativen -unterscheiden. Die Verwirrung geht so weit, daß solche Sätze jetzt -sogar in den Indikativ gesetzt werden, z. B.: es will uns scheinen, -als ob die mißgünstige Kritik einen sehr durchsichtigen Grund +hat+ -- -es macht den Eindruck, als ob das Stück der Zensurbehörde +vorlag+, -aber nicht die Sanktion +erhielt+ -- es war, als ob seit dem Einzuge -der verwitweten Tochter ein unheimlicher Druck auf dem ganzen Hause -+lag+.[70] - -Soll nicht angedeutet werden, daß der in dem Vergleichungssatze -stehende Gedanke nicht wirklich sei, so kann (nach einem Präsens im -Hauptsatze) natürlich auch im Nebensatze der Konjunktiv der Gegenwart -stehen, z. B.: es +will+ mir scheinen, +als ob+ er geflissentlich die -Augen dagegen +verschließe+ -- es +gewinnt+ den Anschein, +als wolle+ -der Verfasser das sittliche Gefühl des Zuschauers absichtlich verletzen --- ich +habe+ die Empfindung, +als ob+ ihm die Welt zuweilen recht -verzerrt +erschienen sei+. - - -Würde - -Wieviel zu der herrschenden Unsicherheit im Gebrauche der Modi die -Unsitte beiträgt, die Hilfszeitwörter wegzulassen, ist schon gezeigt -worden (vgl. S. 139). Nicht nur der Unterricht sollte darauf halten, -sondern auch jeder Einzelne sich selbst so weit in Zucht nehmen, daß -gerade da, wo ein Zweifel über den Modus entstehen kann, das bequeme -Auskunftsmittel, das Hilfszeitwort zu unterdrücken, verschmäht würde, -der Gedanke stets reinlich und bestimmt zu Ende gebracht würde. Für -den Konjunktiv des Imperfekts aber und seinen richtigen Gebrauch ist -insbesondere noch der Umstand verhängnisvoll geworden, daß man ihn -in Hauptsätzen zu Bedingungssätzen durch den sogenannten Konditional -(+würde+ mit dem Infinitiv) umschreiben kann (+ich würde bringen+ -statt: +ich brächte+). Das hat nicht nur dazu geführt, daß sich viele -Leute von gewissen Zeitwörtern kaum noch einen wirklichen Konjunktiv -des Imperfekts zu bilden getrauen, daß sie sich überall da, wo sie -zweifeln (vgl. S. 62), mit dem kläglichen +würde+ behelfen, anstatt -sich die Kenntnis der richtigen Verbalform zu verschaffen, sondern sie -hat auch schon eine bedenkliche Verwirrung im Satzbau angerichtet. -Von Süddeutschland und namentlich von Österreich aus hat sich aus dem -fehlerhaften Hochdeutsch der Halbgebildeten immer mehr die Unsitte -verbreitet, den Konditional auch in Bedingungs- und Relativsätzen, -Vergleichungs- und Wunschsätzen anzuwenden. - -Man schreibt: ich würde mich nicht wundern, wenn ich in einer Zeitung -+lesen würde+ (+läse+!) -- von großer Bedeutung wäre es, wenn sich der -Leserkreis des Blattes +erweitern würde+ (+erweiterte+) -- wir könnten -eine monumentale Sprache wiedergewinnen, wenn wir unser Denkmalschema -+verlassen würden+ (+verließen+!) -- wie schematisch würde eine -historische Darstellung ausfallen, wenn sie immer nur diese Maßstäbe -+anlegen würde+ (+anlegte+!) -- weniger Sauberkeit und Regelmäßigkeit -wäre dichterisch wertvoller, wenn sich eine starke Natur, eine glühende -Leidenschaft, ein hoher Sinn +offenbaren würden+ (+offenbarten+!) -- -der Christ, der sich +einbilden würde+ (+einbildete+!), daß seine -Religion die Menschen zu Engeln gemacht habe, wäre ein Utopist -- -der Stil seiner Abhandlung wird oft so hoch, als wenn er über Goethe -+schreiben würde+ (+schriebe+!) -- hat die Kochstunde geschlagen, -so muß das Feuer flackern, als ob es auf Kommando +gehen würde+ -(+ginge+!) -- er fuhr mit den Händen auf und ab, als ob er +buttern -würde+ (+butterte+!) -- wenn man diese Arbeit eines Spezialisten auf -therapeutischem Gebiete durchstudiert, so bekommt man den Eindruck, -als wenn man das Urteil eines Richters +lesen würde+ (+läse+!), der -in eigner Sache entscheidet -- diese Romane tun, als +würden+ sie die -Laster nur der Sittlichkeit wegen +schildern+ (+schilderten+!) -- es -wäre zu wünschen, er +würde+ dieser Feier einmal +beiwohnen+ (+wohnte -bei+!) -- es wäre dringend erwünscht, daß das Polizeiamt dieser -Anregung Folge +geben würde+ (+gäbe+!) -- es gibt +keine+ Sphäre des -Lebens, deren Anfänge nicht im Unbewußten +liegen würden+ (+lägen+!) -- -wenn nur wenigstens künstlerische Form ihre Darstellung +adeln würde+ -(+adelte+!) -- der Engländer ist zu sachlich und zu praktisch, als daß -er selber beleidigend +auftreten würde+ (+aufträte+!) -- der Ernst des -militärischen Lebens läßt es sich ab und zu gefallen, daß das Blümlein -Humor an ihm emporwuchert, ohne daß sich dadurch das feste Gefüge der -Disziplin +lockern würde+ (+lockerte+!). - -Ein wahres Wunder, daß wir den Kehrreim bei Mirza Schaffy und -Rubinstein: ach, wenn es doch immer so +bliebe+! nicht längst -verschönert haben zu: ach, wenn es doch immer +so bleiben würde+! Ein -wahres Wunder, daß wir das alte Volkslied: wenn ich ein Vöglein +wär+ -und auch zwei Flüglein +hätt+! noch nicht umgestaltet haben zu: wenn -ich ein Vöglein +sein würde+ und auch zwei Flüglein +haben würde+! -Denn so müßte es doch eigentlich in dem schönen österreichischen -Zeitungshochdeutsch heißen! Im Volksdialekt heißt es freilich ganz -richtig: Wann i a Vögerl war (= wär) und a zwoa Flügerln hätt. - -Nicht zu verwerfen ist es, wenn in Bedingungs- und Wunschsätzen -anstatt des Konjunktivs ein +wollte+, +sollte+ oder +möchte+ mit dem -Infinitiv erscheint. Der Satz kann hierdurch bisweilen eine feine -Färbung erhalten. Wenn ich mir das +erlauben wollte+ -- ist etwas -andres als das einfache: wenn ich mir das +erlaubte+, wenn er sich so -etwas +unterstehen sollte+ -- etwas andres als das einfache: wenn er -sich das +unterstünde+ -- wenn sich doch die Regierung einmal ernstlich -darum +kümmern möchte+ -- etwas andres als das einfache: wenn sie -sich doch einmal darum +kümmerte+. Eine so sinnvolle Verwendung der -Hilfszeitwörter ist natürlich mit dem inhaltlosen, nichtssagenden -+würde+ nicht auf eine Stufe zu stellen. - - -Noch ein falsches würde - -Ein abscheulicher Stilunfug, der jetzt durch unsre gesamte -Erzählungsliteratur geht, ist die Schluderei, die Erzählung durch -eine abhängige (indirekte) Rede zu unterbrechen, ohne ein Zeitwort -des Sagens, Denkens oder Meinens vorauszuschicken oder wenigstens -einzuschalten. Etwa so: Trotz solcher bittern Erfahrungen ließ H. den -Mut nicht sinken. Er +würde+ nach Berlin gehn, +würde+ sich dort Arbeit -suchen, und es +würden+ auch wieder bessere Zeiten kommen. Jeder, der -das liest, glaubt zunächst, der Erzähler spreche weiter, „Er würde“ -sei der Konjunktiv des Imperfekts, und es werde nun ein Bedingungssatz -folgen. Statt dessen ist der Satz als indirekte Rede dem Helden in den -Mund gelegt, und „Er würde“ soll der Konjunktiv des Futurums sein (in -direkter Rede: +ich werde+ nach Berlin gehn, +werde+ mir dort Arbeit -suchen, und es werden auch wieder bessere Zeiten kommen). Ein guter -Erzähler hätte etwa so geschrieben: Er +wollte+ nach Berlin gehn, er -+beschloß+, nach Berlin zu gehn, er +hoffte+, daß auch wieder bessere -Zeiten kommen würden. Das unvorbereitete Umspringen in die indirekte -Rede soll wohl der Darstellung etwas dramatisch lebendiges geben, es -ist aber eine Liederlichkeit. Leider ist sie in neuern Erzählungen -schon so verbreitet, daß sie dem gewohnheitsmäßigen Romanfresser gar -nicht mehr auffällt. Woher sie stammt? Wie es scheint, aus schlecht -übersetzten Erzählungen aus den skandinavischen Sprachen. - - -Der Infinitiv. Zu und um zu - -In den Infinitivsätzen werden mannigfaltige Fehler gemacht. Vor allem -reißt eine immer größere Verwirrung in dem Gebrauch von +zu+ und -+um zu+ ein, und zwar so, daß sich +um zu+ immer öfter an Stellen -drängt, wo nur +zu+ hingehört. Und doch ist zwischen beiden ein großer -Unterschied. Der Infinitiv mit +um zu+ bezeichnet den Zweck einer -Handlung; der Infinitiv mit +zu+ dagegen dient zur Begriffsergänzung -des Hauptworts oder Zeitworts, von dem er abhängt. In einem Satze wie: -die schönen Tage +benutzte+ ich, die Gegend +zu durchstreifen+, +um+ -meine Gesundheit +zu kräftigen+ -- ist der Sinn von +zu+ und +um zu+ -deutlich zu sehen. Ich benutzte die schönen Tage -- das verlangt eine -Ergänzung. Wozu denn? fragt man; das bloße +benutzte+ sagt noch nichts. -Die notwendige Ergänzung lautet: die Gegend +zu durchstreifen+. Aber -das ist kein Zweck; der Zweck wird dann noch besonders angegeben: +um+ -meine Gesundheit +zu kräftigen+.[71] - -Solche ergänzungsbedürftige Begriffe gibt es nun in Menge. Von -Hauptwörtern gehören dazu: +Art und Weise+, +Mittel+, +Macht+, +Kraft+, -+Lust+, +Absicht+, +Versuch+, +Zeit+, +Alter+, +Geld+, +Gelegenheit+, -+Ort+, +Anlaß+ usw., von Zeitwörtern: +imstande sein+, +genug+ (+groß -genug+, +alt genug+ usw.) +sein+, +genügen+, +hinreichen+, +passen+, -+geeignet sein+, +angetan sein+, +dasein+, +dazu gehören+, +dienen+, -+benutzen+ usw. Auf alle diese Begriffe darf nur der Infinitiv mit -+zu+ folgen.[72] Dennoch wird jetzt immer öfter geschrieben: es wurde -eine günstige +Gelegenheit+ benutzt, +um sich+ einen Weg durch die -Feinde zu +bahnen+ -- hierin sehen wir das beste +Mittel+, +um+ einem -Mißbrauch der Staatssteuer +vorzubeugen+ -- als er endlich +Kraft+ -und +Lust+ fühlte, +um+ sich an monumentalen Aufgaben zu +versuchen+ --- sogar eine Übung mit dem Zeitwort muß den +Anlaß+ geben, +um+ den -Rachekrieg +zu predigen+ -- wo ist in der Türkei ein +Mann+, +um so+ -umfassende Aufgaben +durchzuführen+? -- wenn man wirklich einmal die -+Zeit+ gewinnt, +um+ ein aus dem Drange des Herzens geschaffnes Werk -+zu vollenden+ -- nach den Vorbereitungen für die Schule behielt -sie noch +Zeit+ übrig, +um+ deutsche Gedichte +zu lesen+ -- alle -waren in dem +Alter+, +um+ die Gefahr +zu begreifen+ -- wie viele -Schulbibliotheken haben kein +Geld+, +um+ sich Rankes Weltgeschichte -+zu kaufen+! -- er hatte das nötige +Geld+, +um+ durch Reisen seinen -Wissensdurst +zu befriedigen+ -- es +gehört+ schon eine bedeutende -Einnahme +dazu+, +um+ sich eine anständige Wohnung +verschaffen zu -können+ -- manche Aufzeichnungen scheinen mir nicht +geeignet+, +um+ -einen Platz in diesen Denkwürdigkeiten +zu finden+ -- die Zeitlage -ist nicht dazu +angetan+, +um+ diese Forderungen +zu bewilligen+ -- -den Aufenthalt in Berlin +benutzte+ ich, +um+ mich auch den ältern -Fachgenossen +vorzustellen+ -- die Arbeiter +sind+ nur dazu +da+, -+um+ den Hausbesitzern eine möglichst hohe Grundrente +zu sichern+ --- sind diese Gründe wirklich +genügend+, +um+ das Bestehen einer -solchen Einrichtung +zu rechtfertigen+? -- ist unsre Sprache noch -+jung genug+, +um+ (!) neue Wörter +zu erzeugen+? -- ein Jahrhundert -ist +lang genug+, +um+ (!) in der Sprache erhebliche Änderungen -+hervorzurufen+ -- der deutsche Geist war +stark genug+ geworden, -+um+(!) die fremden Ketten +zu brechen+ -- ich muß abwarten, ob ihm -mein Wesen +Interesse genug+ einflößen wird, +um+(!) sich mit mir -abzugeben. Eine Zeitung schreibt: die englische Regierung wird +nichts -tun+, +um+ die Gemeinsamkeit in dem Vorgehen der Mächte +zu stören+. -Das kann doch nur heißen: sie wird sich untätig verhalten, damit sie -das gemeinsame Vorgehen der Mächte störe. Es soll aber heißen: sie wird -alles unterlassen, was das gemeinsame Vorgehen stören könnte. Solches -Unheil richtet das dumme +um+ an! - -Namentlich hinter den Verbindungen mit +genug+ hat +um zu+ gewaltig um -sich gegriffen, obwohl sich die lebendige Sprache meist noch mit dem -bloßen zu begnügt, und die Mutter zu ihrem Jungen ganz richtig sagt: -du bist +alt genug+, das +zu begreifen+! Vollends verdrängt worden -ist aber das ursprüngliche einfache +zu+ nach den mit +zu+ verbundnen -Adjektiven: Gott ist +zu hoch+, +um+ sich um die Kleinigkeiten der -Welt +zu kümmern+ -- der Stoff ist viel +zu umfänglich+, +um+ ihn -in öffentlichen Vorlesungen +zu behandeln+ -- sie haben +zu wenig+ -Bildung, +um+ ihre Taktlosigkeiten +zu erkennen+ -- die Mannschaft ist -+zu gering+, +um+ einen festen Stützpunkt für die Schulung der Rekruten -+abzugeben+. Auch hier genügt überall das einfache +zu+ und hat auch -früher genügt. (Freilich heißt es auch schon im Faust: Ich bin +zu -alt+, +um+ nur +zu spielen+, +zu jung+, +um+ ohne Wunsch +zu sein+.) - -Wie die angeführten Beispiele zeigen, ist es nicht nötig, daß -das Subjekt des Infinitivsatzes immer dasselbe sei wie das des -Hauptsatzes. Doch ist es gut, dabei vorsichtig zu sein. Es braucht bei -Verschiedenheit des Subjekts nicht immer solcher Unsinn herauszukommen -wie in dem Satze: +ohne Gefahr zu ahnen+, +geriet ein+ vom Abhange -rollender +Stein+ unter das Vorderrad des Wagens -- es sind auch solche -Sätze schlecht wie: die Kurfürstin ließ den Hofprediger rufen, um sie -mit den Tröstungen der Religion +zu erquicken+; hier wird nur der -Fehler durch den Gegensatz der Geschlechter verschleiert. Man setze -statt der Kurfürstin den Kurfürsten, und sofort entsteht Unsinn, sofort -müßte der Infinitivsatz geändert und geschrieben werden, +um sich+ von -ihm mit den Tröstungen der Religion +erquicken zu lassen+. Erträglich -sind aber folgende Sätze: der achteckige Aufbau soll wegfallen, +um+ -Turm und Schiff in größern Einklang +zu bringen+ -- das Fechten mit der -blanken Waffe sollte fleißig geübt werden, +um+ nötigenfalls mit der -eignen Person +eintreten zu können+ -- zurzeit liegt die Fregatte im -Trockendock, +um+ sie für die Winterreise +vorzubereiten+. Hier schwebt -beim Infinitiv ein unbestimmtes Subjekt (+man+) vor. - -Vorsichtig muß man auch mit einer Anwendung des Infinitivs mit -+um zu+ sein, die manche sehr lieben, nämlich der, von zwei -aufeinanderfolgenden Vorgängen den zweiten als eine Art von Verhängnis -oder Schicksalsbestimmung hinzustellen und dabei in die Form eines -Absichtssatzes zu kleiden, z. B.: der Herzog kehrte nach F. zurück, um -es nie wieder +zu verlassen+. Der Sinn ist: es war ihm vom Schicksal -bestimmt, es nie wieder zu verlassen, während seine Absicht vielleicht -war, es noch recht oft zu verlassen. Man kann diesen Gebrauch das -ironische +um zu+ nennen. Es entsteht aber sehr oft ein lächerlicher -Sinn dabei, z. B.: er wurde in dem Kloster Lehnin beigesetzt, +um+ -später in den Dom zu Kölln an der Spree +überführt+ (!) +zu werden+ --- er schloß sich der Emin-Pascha-Expedition an, +um+ ein trauriges -Ende dabei +zu finden+ -- täglich wird eine Masse von Konzert- und -Theaterberichten geschrieben, +um+ schnell wieder +vergessen zu -werden+ -- beim Eintreffen der Feuerwehr brannte das Gebäude bereits -vollständig, +um+ schließlich +einzustürzen+ -- die Einzeichnungen -beginnen im Jahre 1530, +um+ schon im Jahre 1555 wieder +abzubrechen+ --- vor etwa dreißig Jahren sind die Niersteiner Quellen versiegt, +um+ -erst neuerdings wieder +hervorzubrechen+ -- nach einigen Jahren wandte -er sich nach Magdeburg, doch nur, +um+ dort in noch größere Bedrängnis -+zu geraten+ -- die Schwestern reisten in die Schweiz, wo sie sich -trennten, +um+ sich nie +wiederzusehen+. Das Richtige wären hier -überall zwei Hauptsätze. - -Mit dem Hilfszeitwort +sein+ verbunden kann der Infinitiv mit +zu+ -sowohl die Möglichkeit wie die Notwendigkeit ausdrücken; das -+ist zu erreichen+ heißt: das +kann+ erreicht werden, das +ist zu -beklagen+ heißt: das +muß+ beklagt werden. Daher muß man sich vor -Zweideutigkeiten hüten, wie: ein Fräulein sucht Stelle bei einem -geistlichen Herrn; gute Zeugnisse +sind vorzulegen+. - - -Das Partizipium. Die stattgefundne Versammlung - -Partizipia hat unsre Sprache nur zwei: ein aktives in der Gegenwart -(ein +beißender+ Hund, d. i. ein Hund, der beißt), und ein passives in -der Vergangenheit (ein +gebissener+ Hund, d. i. ein Hund, der +gebissen -worden+ ist).[73] Für die Gegenwart fehlt es an einem passiven, für -die Vergangenheit an einem aktiven Partizipium; weder ein Hund, der -gebissen +wird+, noch ein Hund, der gebissen +hat+, kann durch ein -Partizip ausgedrückt werden.[74] Nur wirkliche Passiva von transitiven -Zeitwörtern und im Aktiv solche Intransitiva, die sich zur Bildung der -Vergangenheit des Hilfszeitworts +sein+ bedienen (+gehen+, +laufen+, -+sterben+), können ein Partizip der Vergangenheit bilden (+gegangen+, -+gelaufen+, +gestorben+). - -Diese Schranke hat aber nicht immer bestanden. In der ältern Zeit -ist das Partizipium der Gegenwart auch im passiven Sinne gebraucht -worden. Noch im achtzehnten und zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts -sagte man ganz unbedenklich: zu einer +vorhabenden Reise+, zu seinem -+vorhabenden+ neuen +Bau+, sein vor dem Tore +besitzendes Haus+, das -gegen mich +tragende Vertrauen+, laut der in Händen +habenden Urkunde+, -die Briefe des sich von meiner +unterhabenden Kompagnie+ selbst -entleibten (!) Unteroffiziers, er nahm dem Erschlagnen die bei sich -+tragenden Pretiosen+ ab, wir konnten uns nur mit Mühe den +bedürfenden -Bissen+ Brot verschaffen usw., ja man sprach sogar von +essender Ware+ -(statt von +Eßware+). Aber diese Erscheinung ist doch nach und nach -durch den Unterricht beseitigt worden. Höchst selten kommt es vor, daß -man in einer Zeitung noch heute einen Satz liest wie: er hatte nichts -eiligeres zu tun, als ihm eine +in der Hand haltende Flasche+ an den -Kopf zu werfen. Verkehrt aber wäre es, die +fahrende Habe+ mit unter -diese Ausdrücke zu rechnen, denn hier hat das Partizip wirklich aktiven -Sinn, wie bei dem +fahrenden Volke+: der Fuhrmann +führt+ die Habe, die -Habe aber +wird geführt+, oder sie +fährt+ (vgl. S. 56). - -Andrerseits hat man nach dem Beispiel der intransitiven Partizipia -schon frühzeitig angefangen, auch passive Partizipia von transitiven -Zeitwörtern aktivisch zu verwenden. Einzelne Beispiele davon haben -sich so in der Sprache eingebürgert, daß sie gar nicht mehr als falsch -empfunden werden; man braucht nur an Verbindungen zu denken wie: ein -+geschworner+ Bote, ein +abgesagter+ Feind, ein +gedienter+ Soldat, -ein +gelernter+ Kellner, ein +studierter+ Mann, ein +erfahrner+ Arzt, -ein +verdienter+ Schulmann usw. Alle diese Partizipia haben aktive -Bedeutung, auch der +abgesagte+ Feind, der natürlich ein Feind ist, -der einer Person oder einer Sache +abgesagt+, ihr gleichsam die Absage -geschickt +hat+; aber sie werden kaum noch als Partizipia gefühlt, -man fühlt und behandelt sie wie Adjektiva. Auch Verneinungen solcher -Partizipia sind gebildet worden, wie +ungepredigt+, +ungefrühstückt+: -er mußte +ungepredigt+ wieder von der Kanzel gehen. Aber auch diese -Verirrung ist doch im Laufe der Zeit durch den Unterricht beseitigt -worden, und heute erscheint es uns unerträglich, zu sagen: der -vormals zu diesem Hause +gehörte+ Garten, die zwischen den Parteien -+gewaltete+ Uneinigkeit, eine im vorigen Jahrhundert +obgeschwebte+ -Rechtssache, durch Dekoration leicht +gelittene+ Artikel, die dem Feste -+beigewohnten+ Mitglieder, die an der Feier +teilgenommenen+ Offiziere, -Nacht verhüllte seinen ihm so lange +gestrahlten+ Glücksstern,[75] -und nun vollends in Verbindung mit einem Objekt: die das Zeitliche -+gesegneten+ Mitglieder, das den Lokomotivführer +betroffne+ Unglück, -eine inzwischen Gesetzeskraft +erlangte+ Übereinkunft, die im -vorigen Jahre eingerichtete und sehr günstige Aufnahme +gefundne+ -Auskunftsstelle, trotz ihres hohen nun schon ein Jahrhundert -+überschrittnen+ Alters. Vor allem aber unerträglich erscheinen die -+stattgehabte+ und die +stattgefundne+ Versammlung. Je häufiger die -beiden Zeitwörter +statthaben+ und +stattfinden+ -- namentlich das -zweite -- ohnehin in unsrer Amts- und Zeitungssprache verwandt werden, -je lebendiger man sie also als Zeitwörter, und zwar als aktive, mit -einem Objekt verbundne Zeitwörter (+Statt finden+, d. h. Platz finden) -fühlt, desto widerwärtiger sind für jeden Menschen, der sich noch -etwas Sprachgefühl bewahrt hat, diese zahllosen +stattgefundnen+ -Versammlungen, Beratungen, Verhandlungen, Wahlen, Prüfungen, -Untersuchungen, Audienzen, Feuersbrünste usw.[76] - -Sie sind aber doch so kurz und bequem, soll man denn immer Nebensätze -bilden? Nein, das soll man nicht; aber man soll ein klein wenig -nachdenken, sich in dem Reichtum unsrer Sprache umsehen und dann -schreiben: die +veranstaltete+ Feier, die +abgehaltne+ Versammlung, -die +vorgenommne+ Abstimmung, die +angestellte+ Untersuchung, die -+bewilligte+ Audienz, die +ausgebrochne+ Feuersbrunst usw., oder -man soll, was in tausend Fällen das gescheiteste ist, das müßige -Partizipium ganz weglassen. Die +stattgefundne Untersuchung+ ergab -- -kann denn eine Untersuchung etwas ergeben, die +nicht+ stattgefunden -hat? In R. ereignete sich bei einer +stattgehabten Feuersbrunst+ das -Unglück -- kann sich auch ein Unglück ereignen bei einer Feuersbrunst, -die nicht stattgehabt hat? Über den +stattgefundnen Wechsel+ im -Ministerium sind unsre Leser bereits unterrichtet -- können die Leser -auch unterrichtet sein über einen Wechsel, der +nicht+ stattgefunden -hat? - -Nicht viel besser als die +stattgefundnen+ Versammlungen sind aber auch -der bei einem Meister in Arbeit +gestandne Geselle+ und der seit langer -Zeit hier +bestandne Saatmarkt+, das früher +bestandne Hindernis+ und -das lange +bestandne+ freundschaftliche +Verhältnis+. Freilich sagt -man in Süddeutschland: er +ist gestanden+ (vgl. S. 59), und er +ist -bestanden+[77]; aber in der Schriftsprache empfindet man das doch als -Provinzialismus. Es gibt aber sogar Schulräte, die nicht bloß von -+bestandnen Prüfungen+, sondern auch von +bestandnen Kandidaten+ reden! -Dann darf man sich freilich nicht mehr über die Zeitungschreiber und -die Kanzlisten wundern.[78] - - -Das sich ereignete Unglück - -Aus dem vorigen ergibt sich von selbst, warum man auch nicht sagen -darf: das +sich gebildete+ Blatt. Alle reflexiven Zeitwörter -gebrauchen in der Vergangenheit das Hilfszeitwort +haben+, können -also kein Partizip der Vergangenheit bilden. Falsch sind daher alle -Verbindungen wie: der +sich ereignete+ Jagdunfall, die +sich bewährte+ -Geistesbildung, der von hier +sich entfernte+ Lehrer, die +sich -davongemachten+ Zuschauer, der +kürzlich+ hier +sich niedergelassene+ -Bildhauer, die +sich+ zahlreich +eingefundnen+ Konzertbesucher, die -am 9. August +sich+ (!) +angefangne+ Woche, das schon längst +sich+ -fühlbar +gemachte+ Bedürfnis, das +sich+ irrtümlich +eingeschlichne+ -Wort, das ehemals so weit +sich ausgebreitete+ Lehrsystem, ein +sich+ -aus den Kinderschuhen glücklich +herausentwickelter+ Jüngling, ein in -der Mauerritze +sich eingenisteter+ Brombeerstrauch. Ein Partizip wäre -hier nur dann möglich, wenn man sagen wollte: der +sich eingenistet -habende+ Brombeerstrauch, eine Verbindung, die natürlich aus dem Regen -in die Traufe führen würde. Es bleibt auch in solchen Fällen nichts -übrig, als einen Relativsatz zu bilden: ein Brombeerstrauch, +der sich+ -in der Mauerritze +eingenistet hatte+. - - -Hocherfreut oder hoch erfreut? - -Leipziger Geburtsanzeigen werden nie anders gedruckt als: Durch -die glückliche Geburt eines Knaben wurden +hocherfreut+ usw. -- -auch Zeitungen schreiben: das gesamte Personal der Firma ist durch -Jubelgaben +hocherfreut+ worden -- Gutenberg ist dieses Jahr in vielen -deutschen Städten +hochgefeiert+ worden -- und auf Buchtiteln liest -man: in dritter Auflage +neubearbeitet+ von usw. Welche Verirrung! -Ein Partizip kann Verbalform sein, es kann auch Nomen sein.[79] Aber -nur dann, wenn es Nomen, also Adjektiv ist, kann ein hinzugefügtes -Adverb damit zu +einem+ Worte verwachsen: wie man von +hochadligen -Eltern+ reden kann, so auch von +hocherfreuten+ Eltern. Wie soll -aber ein Adverb mit dem Partizip zusammenwachsen, wenn das Partizip -Verbalform ist? Wir sind +hocherfreut worden+ -- so könnte man doch nur -schreiben, wenn es ein Zeitwort +hocherfreuen+ gäbe: ich +hocherfreue+, -du +hocherfreust+ usw. Dasselbe gilt natürlich vom Infinitiv und bei -intransitiven Zeitwörtern vom ~Verbum finitum~; es ist töricht, wenn -Zeitungen schreiben: der Kronprinz ließ das Brautpaar +hochleben+, der -Vortrag wird +hochbefriedigen+, +feststeht+, daß der Minister nicht -zurücktreten wird, denn es gibt kein Zeitwort: ich +hochlebe+, ich -+hochbefriedige+, ich +feststehe+. - -Ebenso wie mit den Adverbien ist es auch mit den Objekten. Man kann -wohl schreiben: die +notleidende+ Landwirtschaft, aber falsch ist es, -im Infinitiv zu schreiben: +notleiden+; denn es gibt kein Zeitwort: ich -+notleide+. - -Es handelt sich hier durchaus nicht bloß um einen „orthographischen“ -Fehler oder gar bloß um eine gleichgiltige orthographische Abweichung, -sondern in der falschen Schreibung verrät sich ein grober Denkfehler. - - -Partizipium statt eines Neben- oder Hauptsatzes - -Wie es oft geschieht, daß ein Gedanke, der eigentlich durch einen -Hauptsatz ausgedrückt werden müßte, unlogischerweise in einen -Relativsatz gebracht wird (vgl. S. 130), so packt man oft auch einen -Hauptgedanken in ein attributives Partizip und schreibt: hier ist -das bisher noch von keiner Seite +bestätigte+ Gerücht verbreitet -- -die neue Auflage hat die von dem Verfasser getreulich +benutzte+ -Gelegenheit gegeben, manches nachzutragen -- ich sandte ausführliche, -in freundlichster Weise +beantwortete+ Fragebogen an folgende -Bibliotheken -- der Mörder nahm die Nachricht von seiner gestern früh -+erfolgten+ Hinrichtung gefaßt entgegen -- mit klopfendem Herzen betrat -ich das Auditorium, um die in der Bohemia +abgedruckte+ Antrittsrede -zu halten -- die anonym +einzureichenden+ Bewerbungsschriften sind -in deutscher, lateinischer oder französischer Sprache zu verfassen. -Da fragt man doch: in welcher Sprache sind denn die nicht anonym -einzureichenden zu verfassen? Und war denn die Antrittsrede wirklich -schon gedruckt, als der Verfasser das Auditorium betrat? Natürlich -soll es heißen: um die Antrittsrede zu halten, die dann in der Bohemia -abgedruckt wurde -- die Bewerbungsschriften sind anonym einzureichen -und in deutscher Sprache abzufassen. - -Nicht viel besser ist es, wenn ein Partizipsatz statt eines Hauptsatzes -gesetzt wird, z. B.: im Jahre 1850 in den Generalstab +zurücktretend+ -(+getreten+!), +wurde+ B. 1858 zum persönlichen Adjutanten des Prinzen -Friedrich Karl +ernannt+ -- er ging zunächst nach Paris, dann nach -London, an beiden Plätzen im Bankfach +arbeitend+ -- oder gar: in der -Einleitung +stellt+ Friedländer die Entwicklung des deutschen Liedes -dar, hierauf (!) eine übersichtliche Bibliographie +bringend+ -- Jürgen -lief in die Apotheke, nach wenig Augenblicken (!) mit einer großen -Medizinflasche +zurückkehrend+. Während in den zuerst angeführten -Beispielen eine Art von Schnelldenkerei vorliegt -- die Verfasser haben -es gleichsam nicht erwarten können, zu sagen, was sie sagen wollten ---, handelt sichs in den letzten nur um einen ungeschickten Versuch, -in den Ausdruck Abwechslung zu bringen. Der Sinn verlangt statt dieser -Partizipialsätze Hauptsätze. - - -Falsch angeschloßnes Partizipium - -Noch größer als bei Infinitivsätzen mit +um zu+ ist bei -Partizipialsätzen die Gefahr eines Mißverständnisses, wenn das Partizip -an ein anderes Wort im Satze als an das Subjekt angelehnt wird; das -nächstliegende wird es auch hier immer sein, es auf das Subjekt des -Hauptsatzes zu beziehen. Entschieden schlecht sind also Verbindungen -wie folgende: +angefüllt+ mit edelm Rheinwein, überreiche ich Eurer -Majestät diesen +Becher+ -- kaum +heimgekehrt+, wandte sich die -engherzigste Philisterei gegen +ihn+ -- einmal +gedruckt+, kehre ich -+dem Buche+ den Rücken -- +erhaben+ über Menschenlob und dessen +nicht -bedürftig+, wissen wir, was wir an +unserm Fürsten+ haben -- an der -Begründung unsers Unternehmens wesentlich +beteiligt+ und während der -ganzen Dauer desselben an der Spitze des Aufsichtsrates +stehend+, -verdanken wir der Tatkraft und Geschäftskenntnis des verehrten -+Mannes+ unendlich viel -- +abstoßend+, schroff, von der mildesten -Güte, verschlossen und hingebend, konnte man ganz irre an +ihm+ werden --- durch Rotationsdruck +angefertigt+, sind wir in der Lage, das -+Verzeichnis+ zu einem Spottpreis zu liefern -- +mich umdrehend+ grüßt -+mich+ im Osten Schloß Johannisberg. Besonders beliebt ist es jetzt, -das Partizip +anschließend+ so zu verbinden, daß man eine Zeit lang im -Satze suchen muß, worauf es sich eigentlich beziehen soll, z. B.: schon -in Ingolstadt hatte er sich, +anschließend+ an seine astronomischen -Arbeiten, optischen Studien gewidmet. Das +anschließend+ soll hier auf -Studien gehen: er schloß die optischen Studien an seine astronomischen -Arbeiten an. Ebenso: +anschließend+ an diese allgemeine Einführung, -dürfte es zweckmäßig sein, einmal das +Gebiet+ der Einzelheiten zu -übersehen. Das schlimmste ist es, vor den Hauptsatz ein absolutes -Partizip zu stellen, für das man sich dann vergebens in dem Satze -nach einem Begriff umsieht, auf den es bezogen werden könnte, z. B.: -wiederholt +lächelnd+ und lebhaft +grüßend+, fuhr das Kriegsschiff -vorüber. Die Partizipia sollen sich auf -- den Kaiser beziehen! -Es braucht nicht immer ein so lächerlicher Sinn zu entstehen wie -hier, auch so beliebte Partizipia wie: +dies vorausgesetzt+, +dies -vorausgeschickt+, +dies zugegeben+ u. ähnl. sind nicht schön. Ja man -kann noch weiter gehen und sagen: das unflektierte Partizip überhaupt, -wenigstens das der Gegenwart (1870 wandte er sich an Richard Wagner, -ihn +fragend+ -- er schlich sich feige davon, nur ein kurzes Wort des -Abschieds +zurücklassend+ -- der Vorsitzende entbot den Versammelten -ein herzliches Willkommen, dankbar des Erscheinens der Ehrengäste -+gedenkend+ und seiner Freude über die Zuwendung reicher Preise -+Ausdruck gebend+), hat im Deutschen immer etwas unlebendiges, steifes; -die Sprache erscheint darin wie halb erstarrt. - - -In Ergänzung - -Wie Ungeziefer hat sich in den letzten Jahren eine Ausdrucksweise -verbreitet, die die verschiedenartigsten Nebensätze und ganz besonders -auch den Infinitiv und das Partizip ersetzen soll: die Verbindung von -+in+ mit gewissen Hauptwörtern, namentlich auf +ung+. Den Anfang -scheinen +in Erwägung+ und +in Ermanglung+ gemacht zu haben[80]; -diese beiden haben aber schon ein ganzes Heer ähnlicher Verbindungen -nach sich gezogen, und das Ende ist noch nicht abzusehen, jede Woche -überrascht uns mit neuen. Briefe von Beamten und Geschäftsleuten -fangen kaum noch anders an als: +in Beantwortung+ oder +in Erwiderung+ -Ihres gefälligen Schreibens vom usw., ein Aufsatz wird geschrieben -+in Anlehnung+ oder +in Anknüpfung+ an ein neu erschienenes Buch, -ein Abschied wird bewilligt +in Genehmigung+ eines Gesuchs, eine -Zeitungsmitteilung wird gemacht +in Ergänzung+ oder +in Berichtigung+ -einer frühern Mitteilung oder +in Fortsetzung+ des gestrigen Artikels, -der Polizeirat vollzieht eine Handlung +in Vertretung+ oder +in -Stellvertretung+ des Polizeidirektors, ein Vereinsmitglied leitet die -Verhandlungen +in Behindrung+ des Vorsitzenden, eine Auszeichnung wird -jemand verliehen +in Anerkennung+ seiner Verdienste, ein Mord wird -begangen +in Ausführung+ früherer Drohungen, eine Bibliothek wird -gestiftet +in Beschränkung+ auf gewisse Fächer usw.; man schreibt: +in -Erledigung+ Ihres Auftrags -- +in Würdigung+ der volkswirtschaftlichen -Wichtigkeit des Sparkassenwesens -- +in Anspielung+ auf eine frühere -Reichstagsrede -- +in Wahrung+ meiner Interessen weise ich jeden -solchen Versuch zurück -- +in Vervollständigung+ der Zirkularnote des -Ministeriums -- +in Veranlassung+ des 25jährigen Geschäftsjubiläums --- +in Begründung+ der Anklage beantragte der Staatsanwalt -- +in -Überschätzung+ dieses Umstandes oder +in Entstellung+ des Sachverhalts -behauptete er -- +in Ausführung+ von § 14 des Ortsstatuts bringen wir -zur Kenntnis -- man gebe den Behörden +in Ausdehnung+ von § 39 die -Befugnis -- +in Verfolgung+ dieses Zieles hatte Schliemann die obere -Schicht zerstört -- +in Befolgung+ seiner Befehle wurden noch weitere -Gebietsteile unterworfen -- die Schauspielkunst hat es, +in Abweichung+ -von dem eben gesagten, mit Gehör und Gesicht zugleich zu tun -- +in -Nachahmung+ einer bei der Kreuzschule bestehenden Einrichtung wurden -zwei Diskantistenstellen begründet -- der +in Verlängerung+ des -Neumarkts durch die Promenade führende Fußweg usw. Vor einigen Jahren -ging sogar eine Anekdote aus den Memoiren der Madame Carette durch die -Zeitungen, wonach Bismarck dieser Dame auf einem Ball am Hofe Napoleons -eine Rose überreicht haben sollte, mit den Worten: wollen Sie diese -Rose annehmen +in Erinnerung+ an den letzten Walzer, den ich in meinem -Leben getanzt habe. - -Wer ein wenig nachdenkt, sieht, daß hier die verschiedensten logischen -Verhältnisse in ganz mechanischer Weise gleichsam auf eine Formel -gebracht sind, wie sie so recht für denkfaule Leute geschaffen ist. In -einem Teile dieser Verbindungen soll +in+ den Beweggrund ausdrücken, -der doch nur durch +aus+ oder +wegen+ bezeichnet werden kann; +in -Ermanglung+, +in Anerkennung+, +in Überschätzung+, +in Behindrung+ -- -das soll heißen: +aus Mangel+, +aus Anerkennung+, +aus Überschätzung+, -+wegen Behindrung+. Wenn Nebensätze dafür eintreten sollten, so könnten -sie nur lauten: +weil+ es mangelt, +weil+ er behindert ist, +weil+ -wir anerkennen, +weil+ er überschätzt. In einem andern Teile soll -+in+ den Zweck bezeichnen, der doch nur durch +zu+ ausgedrückt werden -kann; +in Ergänzung+, +in Berichtigung+, +in Vervollständigung+, +in -Erinnerung+ -- das soll heißen: +zur Ergänzung+, +zur Berichtigung+, -+zur Vervollständigung+, +zur Erinnerung+. Mit einem Nebensatze könnte -man hier nur sagen: +um zu+ ergänzen, +um zu+ berichtigen, +um zu+ -vervollständigen, +damit Sie+ sich erinnern. Wieder in andern Fällen -wäre +als+ am Platze statt in: ein Weg wird +als+ Verlängerung des -Neumarkts durch die Promenade geführt, ein Brief wird geschrieben -+als+ Antwort auf einen andern, der Polizeirat unterschreibt +als+ -Stellvertreter des Polizeidirektors. Nur in wenigen Fällen bezeichnet -das +in+ wirklich einen begleitenden Umstand, wie man ihn sonst durch -+indem+ oder durch das Partizip ausdrückt: ich schreibe einen Aufsatz, -+anknüpfend+ an ein neues Buch, oder +indem+ ich an das Buch anknüpfe; -dafür ließe sich ja zur Not auch sagen: +in Anknüpfung+, wiewohl auch -das nicht gerade schön ist. +Indem+ der Staatsanwalt die Anklage -begründete, beantragte er das höchste Strafmaß -- auch dafür kann -man sagen: in +seiner Begründung+ (+seiner+ darf nicht fehlen).[81] -Aber wie ist es möglich, das alles in einen Topf zu werfen: Ursache, -Grund, Zweck, begleitende Umstände, vorübergehende oder dauernde -Eigenschaften? Wie können wir uns solchem Reichtum gegenüber freiwillig -zu solcher Armut verurteilen? Es handelt sich hier um nichts als -eine Modedummheit, die unter dem Einflusse des Französischen und des -Englischen (~en conséquence~, ~en réponse~, ~in remembrance~, ~in -reply~, ~in answer~, ~in compliance with~, ~in his defence~ u. ähnl.) -aufgekommen ist, und die nun gedankenlos nachgemacht und dabei -immer weiter ausgedehnt wird. Es wird noch dahin kommen, daß jemand -1000 Mark erhält +in Bedingung+ der Rückzahlung oder +in Belohnung+ -treuer Dienste oder +in Entschädigung+ für einen Verlust oder +in -Unterstützung+ seiner Angehörigen; es ist nicht einzusehen, weshalb -nicht auch das alles durch +in+ und ein Hauptwort auf +ung+ sollte -ausgedrückt werden können. - - -Das Attribut - -Unter den Erweiterungen, die ein Satzglied erfahren kann, stehen obenan -das Attribut und die Apposition. - -Ein Attribut kann zu einem Hauptwort in vierfacher Form treten: -als Adjektiv (ein +schöner Tod+), als abhängiger Genitiv (der +Tod -des Kriegers+), als Bestimmungswort einer Zusammensetzung (der -+Heldentod+), endlich in Form einer adverbialen Bestimmung (der -+Tod auf dem Schlachtfelde+, der +Tod fürs Vaterland+). Auch gegen -die vierte Art ist, wie ausdrücklich bemerkt werden soll, nichts -einzuwenden; es ist untadliges Deutsch, wenn man sagt: das +Zimmer -oben+, eine +Wohnung in der innern Stadt+, der +Weg zur Hölle+, die -+Tötung im Duell+, die preußische +Mobilmachung im Juni+ usw. Manche -getrauen sich zwar nicht, solche Attribute zu schreiben, sie meinen -immer ein +befindlich+, +belegen+ (be!), +stattgefunden+, +erfolgt+ -oder dgl. dazusetzen zu müssen; aber das ist eine überflüssige und -häßliche Umständlichkeit. - -Bisweilen kann man ja nun zwei solche Attributarten miteinander -vertauschen, ohne daß der Sinn verändert wird, aber durchaus nicht -immer. Auf wenigen Gebieten unsrer Sprache herrscht aber jetzt eine so -grauenvolle Verwirrung wie auf dem der Attributbildung; hier wird jetzt -tatsächlich alles durcheinander gequirlt. - - -Leipzigerstraße oder Leipziger Straße? - -Wie würde man wohl über jemand urteilen, der ein +Fremdenbuch+ nicht -von einem +fremden Buch+, einen +kranken Wärter+ nicht von einem -+Krankenwärter+, eine +Gelehrtenfrau+ nicht von einer +gelehrten Frau+, -+Bekanntenkreise+ nicht von +bekannten Kreisen+, ein +liebes Lied+ -nicht von einem +Liebeslied+, eine +Hoferstraße+ (nach Andreas Hofer -genannt) nicht von einer +Hofer Straße+ (nach der Stadt Hof in Bayern -genannt) unterscheiden könnte? Genau dieselbe Dummheit ist es, wenn -jemand +Leipzigerstraße+ schreibt statt +Leipziger Straße+. - -Die von Ortsnamen (Länder- und Städtenamen) abgeleiteten Bildungen -auf +er+ sind unzweifelhaft eigentlich Substantiva. +Österreicher+ -und +Passauer+ bedeutet ursprünglich einen Mann aus Österreich oder -aus Passau. Als Adjektiva hat die ältere Sprache solche Bildungen -nicht gebraucht, die Adjektiva bildete sie von Länder- und Städtenamen -auf +isch+: +meißnisch+ (meißnische Gulden), +torgisch+ (von Torgau, -torgisches Bier), +lündisch+ (von London, lündisches Tuch), +parisisch+ -(parisische Schuhe schreibt noch der junge Goethe statt Pariser Fuß). -Nun ist freilich zwischen diesen beiden Bildungen schon längst -Verwirrung eingerissen: die Formen auf +er+ sind schon frühzeitig auch -im adjektivischen Sinne gebraucht worden. Lessing schrieb noch 1768 -eine +Hamburgische Dramaturgie+, Goethe aber schon 1772 Rezensionen -für die +Frankfurter Gelehrten Anzeigen+. Natürlich sind nun die -Bildungen auf +er+ dadurch, daß sie adjektivisch gebraucht werden, -nicht etwa zu Adjektiven geworden (vgl. S. 38); sie können aber doch -vor andern Substantiven wie Adjektiva gefühlt werden, wie am besten -daraus hervorgeht, daß manche Leute Adverbia dazusetzen, wie +echt -Münchner+ Löwenbräu, statt +echtes Münchner+ oder +echt Münchnisches+ -Löwenbräu, +echt Harzer Sauerbrunnen+.[82] Dennoch haben sich im Laufe -der Zeit zwischen den Bildungen auf +er+ und denen auf +isch+ auch -wieder gewisse Grenzen festgesetzt. Von manchen Länder- und Städtenamen -gebrauchen wir noch heute ausschließlich die echt adjektivische Form -auf +isch+, von andern ebenso ausschließlich die Bildung auf +er+, -wieder von andern beide friedlich nebeneinander. Niemand sagt: der -+Österreicher Finanzminister+, der +Römer Papst+, aber auch niemand -mehr das +Leipzigische Theater+, die +Berlinischen Bauten+. Dagegen -sprechen alle Gebildeten noch von +Kölnischem Wasser+, +holländischem -Käse+, +italienischen Strohhüten+, +persischen Teppichen+, -+amerikanischen Äpfeln+. Warum von dem einen Namen die Form auf +isch+, -von dem andern die auf +er+ bevorzugt wird, kann niemand sagen; der -Sprachgebrauch hat sich dafür entschieden, und dabei muß man sich -beruhigen. - -Nur in gewissen Kreisen, die von dem wirklichen Verhältnis der beiden -Bildungen zueinander und von der Berechtigung des Sprachgebrauchs keine -Ahnung haben, besteht die Neigung, das Gebiet der Bildungen auf +er+ -mehr und mehr zum Nachteil derer auf +isch+ zu erweitern. So empfiehlt -mancher Geschäftsmann beharrlich seine +Amerikaner Öfen+, obwohl alle -Gebildeten, die in seinen Laden kommen, seine +amerikanischen Öfen+ -zu sehen wünschen. An einer alten Leipziger Weinhandlung konnte man -vor kurzem ein Schild am Schaufenster liegen sehen: +Italiener Weine+! -Leipziger Teppichhandlungen preisen +Perser Teppiche+, sogar +echt -Perser Teppiche+ an! Aber auch +Holländer Austern+ und +Holländer Käse+ -werden schon empfohlen, ja sogar +Kölner Wasser+, und der +Kölnischen -Zeitung+ hat man schon mehr als einmal zugemutet, sich in +Kölner -Zeitung+ umzutaufen -- ein törichtes Ansinnen, dem sie mit Recht nicht -nachgegeben hat und hoffentlich nie nachgeben wird. Auf den echten -Adjektivbildungen auf +isch+ liegt ein feiner Hauch des Altertümlichen -und -- des Vornehmen, manche sind wie Stücke schönen alten Hausrats; -die unechten auf +er+, namentlich die neugeprägten, sind so gemein -wie Waren aus dem Fünfzigpfennigbasar. Unbegreiflich ist es, wie -sich gebildete, namentlich wissenschaftlich gebildete Leute solchen -unnötigen Neuerungen, die gewöhnlich aus den Kreisen der Geschäftsleute -kommen, gedankenlos fügen können. Ein deutscher Buchhändler in -Athen hat vor kurzem ein Werk über das +Athener Nationalmuseum+ -herausgegeben! Greulich! Auf der Leipziger Stadtbibliothek gibt es eine -berühmte Handschrift aus dem Anfange des sechzehnten Jahrhunderts: den -+Pirnischen Mönch+, genannt nach der Stadt Pirna (eigentlich Pirn) an -der Elbe in Sachsen. Den nennen jetzt sogar Historiker den +Pirnaer -Mönch+! In Plauen im sächsischen Vogtlande gibt es jetzt ein +Plauener -Realgymnasium+, einen +Plauener+ Altertumsverein, man hat sogar ein -+Plauener Stadtbuch+ veröffentlicht; die gute alte Adjektivform -+Plauisch+ scheint also dort niemand mehr zu kennen. Und in neuern -Werken über die Befreiungskriege wird in den Schilderungen der Schlacht -bei Leipzig gar von der Erstürmung des +Grimmaer Tores+ geredet (statt -des +Grimmischen+)![83] Einem Leipziger kehrt sich der Magen um, wenn -er so etwas liest. - -Nun ist aber doch so viel klar, daß, wenn ein Wort wie +Dresdner+ -in zwei verschiednen Bedeutungen gebraucht wird, als Hauptwort und -auch als Eigenschaftswort, es nur in seiner Bedeutung als Hauptwort -mit einem andern Hauptworte zusammengesetzt werden kann. Wenn nun -eine Straße in Leipzig die +Dresdner Straße+ genannt wird, ist -da +Dresdner+ als Substantiv oder als Adjektiv aufzufassen? Ohne -Zweifel als Adjektiv. Es soll damit dasselbe bezeichnet sein, was -durch +Dresdnische Straße+ bezeichnet sein würde: die Straße, die -von Dresden kommt oder nach Dresden führt. Sowie man den Bindestrich -dazwischensetzt und schreibt: +Dresdner-Straße+ oder auch in +einem+ -Worte: +Dresdnerstraße+, so kann +Dresdner+ nichts andres bedeuten -als Leute aus Dresden, es wird Substantiv, oder vielmehr es bleibt -Substantiv, und die Zusammensetzung rückt auf eine Stufe mit Bildungen -wie +Fleischergasse+, +Gerbergasse+, +Böttchergasse+ und andre -Gassennamen, die in alter Zeit nach den Handwerkern genannt worden -sind, die auf den Gassen angesessen waren. Eine +Dresdnerstraße+ kann -also nichts andres bezeichnen als eine Straße, auf der Dresdner, -womöglich lauter Dresdner wohnen, ein +Potsdamerplatz+ nur einen -Platz, auf dem sich die Potsdamer zu versammeln pflegen. Wir haben -in Leipzig eine +Paulinerkirche+ und eine +Wettinerstraße+. Das sind -richtige Zusammensetzungen, denn die Paulinerkirche war wirklich die -Kirche der Pauliner, der ehemaligen Dominikaner Leipzigs, und die -Wettinerstraße ist nicht nach dem Städtchen Wettin genannt, wie die -+Berliner Straße+ nach der Stadt Berlin, sondern nach den Wettinern, -dem sächsischen Herrschergeschlecht.[84] Aus demselben Grunde ist der -+Wittelsbacherbrunnen+ in München eine richtige Zusammensetzung. -Eine +Berliner Versammlung+ ist eine Versammlung, die in Berlin -stattfindet, eine +Berlinerversammlung+ eine Versammlung, zu der lauter -Berliner kommen. Die +Herrnhuter Gemeinde+ ist die Gemeinde der Stadt -+Herrnhut+, eine +Herrnhutergemeinde+ kann in jeder beliebigen andern -Stadt sein. - -Die Verwechslung der adjektivischen und der substantivischen Bedeutung -der von Ortsnamen abgeleiteten Bildungen auf +er+ grassiert gegenwärtig -in ganz Deutschland und wird von Tag zu Tag ärger. Sie beschränkt sich -keineswegs, wie man wohl gemeint hat, auf die Gassen- und Straßennamen, -sie geht weiter. Schenkwirte, Kaufleute, Buchhändler, sogar Gelehrte -schreiben: +Wienerschnitzel+, +Berlinerblau+, +Solenhoferplatten+, -+Schweizerfabrikanten+, +Tirolerführer+, obwohl hier überall der -Ortsname als Adjektiv verstanden werden soll; denn nicht die -Tiroler sollen geführt werden, sondern die Fremden durch Tirol. Ein -Wienerschnitzel aber -- entsetzliche Vorstellung! -- kann doch nur ein -Stück Fleisch bedeuten, das man von einem Wiener heruntergeschnitten -hat. - -Ganz ähnlich wie mit den Bildungen +Leipziger+, +Dresdner+ verhält -sichs mit den von Zahlwörtern abgeleiteten Bildungen auf +er+: -+Dreißiger+, +Vierziger+, +Achtziger+. Auch das sind natürlich zunächst -Hauptwörter; wir reden von einem +hohen Dreißiger+, einem +angehenden -Vierziger+ (vgl. S. 67). Aber auch sie können als Adjektiva gefühlt -werden; wir sagen: das war in den +vierziger Jahren+, in den +achtziger -Jahren+. Auch da aber druckt man neuerdings: in den +Vierzigerjahren+, -in den +Achtzigerjahren+, ein Ölgemälde aus den +Neunzigerjahren+, als -ob von menschlichen Lebensaltern und nicht von dem Jahrzehnt eines -Jahrhunderts die Rede wäre! - -Eine andre Spielart der hier behandelten Verwirrung tritt uns -in Ausdrücken entgegen wie: +Gabelsberger Stenographenverein+, -+Meggendorfer Blätter+, +Nordheimer Schuhwaren+ (der Geschäftsinhaber -heißt Nordheimer!). Hier werden umgekehrt wirkliche Substantiva -auf +er+, und zwar Personennamen, wie Adjektiva behandelt. Ein -+Gabelsberger+ Stenographenverein -- das klingt wie ein Verein -aus Gabelsberg; natürlich soll es ein +Gabelsbergerscher+ -sein. Die +Meggendorfer+ Blätter -- das klingt, als erschienen -sie in +Meggendorf+; natürlich sollen es +Meggendorfers+ oder -+Meggendorfersche+ Blätter sein. - -Aber die Verwirrung geht noch weiter. Wie jede Sprachdummheit, -wenn sie einmal losgelassen ist, wie Feuer um sich frißt, so auch -die, kein Gefühl mehr für den adjektivischen Sinn der Bildungen -auf +er+ zu haben. Nachdem unsre Geschäftsleute aus der +Dresdner -Straße+ eine +Dresdnerstraße+ gemacht haben, schrecken sie auch vor -dem weitern Unsinn nicht zurück, die Bildungen auf +isch+, über -deren adjektivische Natur doch wahrhaftig kein Zweifel sein kann, -mit +Straße+ zu +einem+ Worte zusammenzusetzen; immer häufiger -schreiben sie +Grimmaischestraße+, +Hallischestraße+ (oder vielmehr -+Halleschestraße+!), und um das Maß des Unsinns voll zu machen, nun -auch +Langestraße+, +Hohestraße+ und +Kurzegasse+, und wer in einer -solchen Gasse wohnt, der wohnt natürlich nun +in der Langestraße+, +in -der Hohestraße+, +in der Kurzegasse+.[85] In frühern Jahrhunderten war -die Sprache unsers Volks so voll überquellenden Lebens, daß sich in -den Ortsbezeichnungen die ~casus obliqui~ in den Nominativ drängten; -daher die zahllosen Ortsnamen, die eigentlich Dative sind (+Altenburg+, -+Weißenfels+, +Hohenstein+, +Breitenfeld+). Heute ist sie so tot und -starr, daß der Nominativ, dieser langweilige, nichtssagende Geselle, -die ~casus obliqui~ verdrängt. Man wohnt +in der Breite Gasse+,[86] und -Sommerwohnungen sind +auf Weißer Hirsch+ bei Dresden zu vermieten! - -Aber selbst damit ist die Verwirrung noch nicht erschöpft. In Leipzig -gibt es auch Ortsbezeichnungen, bei denen einer Örtlichkeit einfach -der Name des Erbauers oder Besitzers im Genitiv vorangestellt ist, wie -+Auerbachs Keller+, +Hohmanns Hof+, +Löhrs Platz+, +Tscharmanns Haus+, -+Czermaks Garten+. Bis vor wenig Jahren hat niemand daran gezweifelt, -daß alle diese Bezeichnungen aus je zwei getrennten Wörtern bestehen, -so gut wie +Luthers Werke+, +Goethes Mutter+, +Schillers Tell+. -Jetzt fängt man an, auch hier den Bindestrich dazwischenzuschieben, -den Artikel davorzusetzen und zu schreiben: +im Auerbachs-Keller+, -+am Löhrs-Platz+, +im Czermaks-Garten+. Man denke sich, daß jemand -schreiben wollte: +in den Luthers-Schriften+, +bei der Goethes-Mutter+, -+im Schillers-Tell+! - -Zum guten Teil tragen die Schuld an der grauenvollen Verwirrung, die -hier herrscht, die Firmenschreiber und die Akzidenzdrucker, die ganz -vernarrt in den Bindestrich sind, aber nie wissen, wo er hingehört, -und wo er nicht hingehört, nie wissen, ob sie ein zusammengesetztes -Wort oder zwei Wörter vor sich haben.[87] Aber nicht sie allein. -Warum lassen sich die Besteller, Behörden wie Privatleute, den Unsinn -gefallen? - - -Fachliche Bildung oder Fachbildung? - -In beängstigender Weise hat in neuerer Zeit die Neigung zugenommen, -statt des Bestimmungswortes einer Zusammensetzung ein Adjektiv zu -setzen, also z. B. statt +Fachbildung+ zu sagen: +fachliche Bildung+. -Sie hat in kurzer Zeit riesige Fortschritte gemacht, wie sie sich nur -daraus erklären lassen, daß diese Ausdrucksweise jetzt für besonders -schön und vornehm gilt. Früher sprach man von +Staatsvermögen+, -+Gesellschaftsordnung+, +Rechtsverhältnis+, +Kriegsereignissen+, -+Junkerregiment+, +Soldatenlaufbahn+, +Bürgerpflichten+, -+Handwerkstraditionen+, +Geschäftsverkehr+, +Verlagstätigkeit+, -+Sonntagsarbeit+, +Kirchennachrichten+, +Kultusordnung+, -+Gewerbeschulen+, +Betriebseinrichtungen+, +Bergbauinteressen+, -+Forstunterricht+, +Steuerfragen+, +Fachausdrücken+, -+Berufsbildung+, +Amtspflichten+, +Schöpferkraft+, +Gedankeninhalt+, -+Körperpflege+, +Lautgesetzen+, +Textbeilagen+, +Klangwirkungen+, -+Gesangvorträgen+, +Frauenchören+, +Kunstgenüssen+, +Turnübungen+, -+Studentenaufführungen+, +Farbenstimmung+, +Figurenschmuck+, -+Winterlandschaft+, +Pflanzennahrung+, +Abendbeleuchtung+, -+Nachtgespenstern+, +Regentagen+, +Landaufenthalt+, +Gartenanlagen+, -+Nachbargrundstücken+, +Elternhaus+, +Endresultat+ usw. Jetzt redet -man nur noch von staat+lichem+ Vermögen, gesellschaft+licher+ -Ordnung, recht+lichem+ Verhältnis, krieger+ischen+ Ereignissen, -junker+lichem+ Regiment, soldat+ischer+ Laufbahn, bürger+lichen+ -Pflichten, handwerk+lichen+ Traditionen, geschäft+lichem+ Verkehr, -verleger+ischer+ Tätigkeit, sonntäg+licher+ Arbeit, kirch+lichen+ -Nachrichten, kult+ischer+ (!) Ordnung, gewerb+lichen+ Schulen, -betrieb+licher+ Einrichtung, bergbau+lichen+ Interessen, forst+lichem+ -Unterricht, steuer+lichen+ Fragen, fach+lichen+ Ausdrücken, -beruf+licher+ Bildung, amt+lichen+ Pflichten, schöpfer+ischer+ -Kraft, gedank+lichem+ Inhalt, körper+licher+ Pflege, laut+lichen+ -Gesetzen, text+lichen+ Beilagen, klang+lichen+ Wirkungen, -gesang+lichen+ Vorträgen, weib+lichen+ (!) Chören, künstler+ischen+ -Genüssen, turner+ischen+ Übungen, student+ischen+ Aufführungen, -farb+licher+ Stimmung, figür+lichem+ Schmuck, winter+licher+ -Landschaft, pflanz+licher+ Nahrung, abend+licher+ Beleuchtung, -nächt+lichen+ Gespenstern, regner+ischen+ Tagen, länd+lichem+ -Aufenthalt, gärtner+ischen+ Anlagen, nachbar+lichen+ Grundstücken, -dem elter+lichen+ Hause, dem end+lichen+ (!) Resultat usw. Eine von -Offizieren gerittne Quadrille wird als +reiterliche+ (!) +Darbietung+ -gepriesen; statt, wie früher, vernünftige Zusammensetzungen mit +Volk+ -zu bilden, quält man sich ab, auch davon Adjektiva zu bilden (die -einen sagen +volklich+, die andern +völkisch+), die „Pädagogen“ reden -sogar von +schulischen+ Verhältnissen und unterricht+licher+ Methode, -und in Schulprogrammen kann man lesen, nicht als schlechten Witz, -sondern in vollem Ernste, daß Herr Kand. X im verflossenen Jahre mit -der Schule „in unterricht+lichem+ Zusammenhange gestanden“ habe.[88] -Aber auch da, wo man früher den Genitiv eines Hauptwortes oder eine -Präposition mit einem Hauptwort oder -- ein einfaches Wort setzte, -drängen sich jetzt überall diese abgeschmackten Adjektiva ein; man -redet von kronprinz+lichen+ Kindern, behörd+licher+ Genehmigung, -erzieh+lichen+ Aufgaben, gedank+licher+ Großartigkeit, gegner+ischen+ -Vorschlägen, zeichner+ischen+ Mitteln, einer buchhändler+ischen+ -Verkehrsordnung, gesetzgeber+ischen+ Fragen, erstinstanz+lichen+ (!) -Urteilen, stecher+ischer+ Technik, gemischtchör+igen+ Quartetten, -stimm+licher+ Begabung, text+lichem+ Inhalt, bau+licher+ Umgestaltung, -seelsorger+ischer+ Tätigkeit, wo man früher Kinder des +Kronprinzen+, -Genehmigung +der Behörden+, Aufgaben +der Erziehung+, Großartigkeit -+der Gedanken+, Vorschläge +des Gegners+, Mittel +der Zeichnung+, -Verkehrsordnung +des Buchhandels+, Fragen +der Gesetzgebung+, Urteile -der +ersten Instanz+, Technik +des Stechers+, Quartette +für gemischten -Chor, Stimme, Text, Umbau, Seelsorge+ sagte. Ein Choralbuch wurde -früher zum +Hausgebrauch+ herausgegeben, jetzt zum +häuslichen+ -Gebrauch; eine Bildersammlung hatte früher Wert +für die Kostümkunde+ -oder +Kunstwert+ oder +Altertumswert+, jetzt kostüm+lichen+ (!), -künstler+ischen+ oder altertüm+lichen+ (!) Wert. Die Sprachwissenschaft -redete früher von dem +Lautleben+ der Sprache und vom +Lautwandel+, -jetzt nur noch von dem laut+lichen+ Leben und dem laut+lichen+ (!) -Wandel; die Ärzte sprachen sonst von Herztönen +des Kindes+ und von -+Gewebe+veränderungen, unsre heutigen medizinischen Journalisten -schwatzen von kind+lichen+ (!) Herztönen[89] und geweb+lichen+ -(!) Veränderungen. Auch Fremdwörter mit fremden Adjektivendungen -werden mit in die alberne Mode hineingezogen; schon heißt es nicht -mehr: +Stilübungen+, +Religionsfreiheit+, +Kulturaufgabe+ und -+Kulturfortschritt+, +Maschinenbetrieb+, +Finanzlage+, +Inselvolk+, -+Kolonieleitung+, +Artilleriegeschosse+, +Infanteriegefechte+, -+Theaterfragen+, +Solo+-, +Chor+- und +Orchester+kräfte, sondern -stilist+ische+ Übungen, religi+öse+ Freiheit, kultur+elles+ Problem -und kultur+eller+ Fortschritt (scheußlich!), maschin+eller+ Betrieb -(scheußlich!), finanzi+elle+ Lage, insu+lares+ Volk, koloni+ale+ -Leitung, artiller+istische+ Geschosse, infanter+istische+ Gefechte -(alle Wörter auf +istisch+ klingen ja äußerst gelehrt und vornehm), -solist+ische+, chor+istische+ und orchest+rale+ Kräfte. Auch von -+Alpenflora+ wird nicht mehr gesprochen, sondern nur noch von alp+iner+ -(!) Flora. Am Ende kommts noch dahin, daß einer erzählt, er habe in -einer alp+inen+ Hütte in sommer+lichen+ Hosen sein abend+liches+ Brot -nebst einem wurst+lichen+ Zipfel verzehrt. - -Was soll die Neuerung? Soll sie der Kürze dienen? Einige der -angeführten Beispiele scheinen dafür zu sprechen. Aber die Mehrzahl -spricht doch dagegen; man könnte eher meinen, sie solle den Ausdruck -verbreitern, ein Bestreben, das sich jetzt ja auch in vielen -andern Spracherscheinungen zeigt. Man fragt vergebens nach einem -vernünftigen Grunde, durch den sich diese Vorliebe für alle möglichen -und unmöglichen Adjektivbildungen erklären ließe: es ist nichts als -eine dumme Mode. Wenn so etwas in der Luft liegt, so steckt es heute -hier, morgen da an; ob das Neugeschaffne nötig, richtig, schön sei, -danach fragt niemand, wenns nur neu ist! Um der Neuheit willen schlägt -man sogar gelegentlich einmal den entgegengesetzten Weg ein. Da es -bis jetzt +silberne Hochzeit+ geheißen hat, so finden sich natürlich -nun Narren, die mit Vorliebe von +Silberhochzeit+ reden. Dazu gehört -natürlich nun auch ein +Silberpaar+: der Bürgermeister schloß mit einem -Hoch auf das +Silberpaar+.[90] In einer Lebensbeschreibung Bismarcks -ist gleich das erste Kapitel überschrieben: Unter dem Zeichen des -+Eisenkreuzes+. Also aus dem geschichtlichen +Eisernen Kreuz+, das doch -für jeden unantastbar sein sollte, wird ein +Eisenkreuz+ gemacht -- aus -bloßer dummer Neuerungssucht. - -Die Adjektiva auf +lich+ bedeuten eine Ähnlichkeit; +lich+ ist -dasselbe wie +Leiche+, es bedeutet den Leib, die Gestalt; daher auch -das Adjektivum +gleich+, d. i. +geleich+, was dieselbe Gestalt hat. -+Königlich+ ist, was die Gestalt, die Art oder das Wesen eines Königs -hat. Will man nun das mit den kronprinz+lichen+ Kindern sagen? Gewiß -nicht. Man meint doch die Kinder des Kronprinzen, und nicht bloß -kronprinzenartige Kinder. Was kann eine Arbeit sonntägliches haben? -eine Bewegung körperliches? eine Wirkung farbliches? eine Pflicht -bürgerliches? ein Herzton kindliches? eine Frage theatralisches? -Gemeint ist doch wirklich die Arbeit am Sonntage, die Bewegung des -Körpers, die Wirkung der Farben usw.[91] Und hat man denn gar kein Ohr -für die Häßlichkeit vieler dieser neugeschaffnen Adjektiva (+fachlich+, -+beruflich+, +volklich+, +farblich+, +klanglich+, +stimmlich+, -+forstlich+, +pflanzlich+, +prinzlich+, +erziehlich+)? - -Hie und da mag ja ein Grund für die Neubildung zu entdecken sein. So -mag zwischen +Regentagen+ und +regnerischen+ Tagen ein Unterschied -sein: an Regentagen regnets vielleicht von früh bis zum Abend, an -regnerischen (früher: +regnichten+) Tagen mit Unterbrechungen. Der -Chordirektor, der zuerst von einem Terzett für +weibliche Stimmen+ -anstatt von einem Terzett für +Frauenstimmen+ gesprochen hat, hatte -sich vielleicht überlegt, daß unter den Sängerinnen auch junge Mädchen -sein könnten. Und der Ratsgärtner, der seiner Behörde zuerst einen -Plan zu +gärtnerischen Anlagen+ am Theater vorlegte, hatte wohl daran -gedacht, daß ein eigentlicher Garten, d. h. eine von einem Zaun oder -Geländer umschlossene Anpflanzung nicht geschaffen werden sollte. -Aber bedeutet denn +Frau+, wo sichs um die bloße Gegenüberstellung -der Geschlechter handelt, nicht auch das Mädchen? Kann sich wirklich -ein junges Mädchen beleidigt fühlen, wenn es aufgefordert wird, einen -+Frauenchor+ mitzusingen?[92] Und können denn nicht +Gartenanlagen+ -auch Anlagen sein, +wie+ sie in einem Garten sind? müssen sie immer -+in+ einem Garten sein? +Gärtnerische+ Anlagen möchte man einem Jungen -wünschen, der Lust hätte, Gärtner zu werden, wiewohl es auch dann -noch besser wäre, wenn er Anlagen +zum Gärtner+ hätte. Nun vollends -von +gärtnerischen+ Arbeiten zu reden statt von +Garten+arbeiten (die -Rekonvaleszenten der Anstalt werden mit +gärtnerischen Arbeiten+ -beschäftigt), ist doch die reine Narrheit. - - -Erstaufführung - -Ein Gegenstück zu dem +fachlichen Unterricht+ bilden die schönen -neumodischen Zusammensetzungen, mit denen man sich jetzt -spreizt, wie: +Fremdsprache+, +Fremdkörper+ und +Falschstück+ -(ein gefälschtes Geldstück!), +Neuauflage+, +Neuerscheinung+ -und +Neuerwerbung+ (die +Neuerscheinungen+ des Buchhandels und -die +Neuerwerbungen+ der Berliner Galerie), +Neuerkrankung+ und -+Leichtverwundung+, +Deutschunterricht+, +Deutschbewußtsein+ und -+Deutschgefühl+, +Erstaufführung+, +Erstausgabe+ und +Erstdruck+, -+Jüngstvergangenheit+, +Einzelfall+, +Einzelpersönlichkeit+ und -+Allgemeingesang+, +Mindestmaß+, +Mindestpreis+ und +Mindestgehalt+, -+Höchstmaß+, +Höchstpreis+, +Höchstgehalt+, +Höchstarbeitszeit+ und -- -+Höchststundenzahl+! Hier leimt man also einen Adjektivstamm vor das -Hauptwort, statt einfach zu sagen: +fremder Körper+, +neue Auflage+, -+einzelner Fall+, +erste Aufführung+, +allgemeiner Gesang+, +höchste -Stundenzahl+ usw. - -Worin liegt das Abgeschmackte solcher Zusammensetzungen? gibt es nicht -längst, ja zum Teil schon seit sehr alter Zeit ähnliche Wörter, an -denen niemand Anstoß nimmt? Gewiß gibt es die, sogar in großer Fülle. -Man denke nur an: +Fremdwort+, +Edelstein+, +Schwerspat+, +Braunkohle+, -+Neumond+, +Weißwein+, +Kaltschale+, +Süßwasser+, +Sauerkraut+, -+Buntfeuer+, +Kurzwaren+, +Hohlspiegel+, +Hartgummi+, +Trockenplatte+, -+Schnellzug+, +Glatteis+, +Rotkehlchen+, +Grünschnabel+, +Freischule+, -+Vollmacht+, +Hochverrat+, +Eigennutz+, +Halbbruder+, +Breitkopf+, -+Rothschild+, +Warmbrunn+ und viele andre. Was ist aber das -Eigentümliche solcher Zusammensetzungen? Es sind meist Fachausdrücke -oder Kunstausdrücke aus irgendeinem Gebiete des geistigen Lebens, aus -dem Handel, aus irgendeinem Gewerbe, einer Kunst, einer Wissenschaft, -aus der Rechtspflege, oder es sind -- Eigennamen.[93] Nun stecken aber -dem Deutschen zwei Narrheiten tief im Blute: erstens, sich womöglich -immer auf irgendein Fach hinauszuspielen, mit Fachausdrücken um sich zu -werfen, jeden Quark anscheinend zum Fachausdruck zu stempeln; zweitens, -sich immer den Anschein zu geben, als ob man die Fachausdrücke aller -Fächer und folglich die Fächer auch selbst verstünde. Wenn es ein paar -Buchhändlern beliebt, plötzlich von +Neuauflagen+ zu reden, so denkt -der junge Privatdozent: aha! +Neuauflage+ -- schöner neuer Terminus -des Buchhandels, will ich mir merken und bei der nächsten Gelegenheit -anbringen. Der Professor der Augenheilkunde nennt wahrscheinlich -ein Eisensplitterchen, das einem ins Auge geflogen ist, einen -+Fremdkörper+. Da läßt es dem Geschichtsprofessor keine Ruhe, er muß -doch zeigen, daß er das auch weiß, und so erzählt er denn bei der -nächsten Gelegenheit: die Germanen waren ein +Fremdkörper+ im römischen -Reiche. Und wenn er Wirtschaftsgeschichte schreibt, dann redet er nicht -von den +fremden Kaufleuten+, die ins Land gekommen seien, sondern von -den +Fremdkaufleuten+! Wie gelehrt das klingt! Der gewöhnliche Mensch -lernt in der Schule, +Evangelium+ heiße auf deutsch: +frohe Botschaft+. -Der Theolog aber sagt dafür neuerdings +Frohbotschaft+! Wie gelehrt das -klingt! Der gewöhnliche Mensch sehnt sich nach +frischer Luft+. Wenn -aber ein Techniker eine Ventilationsanlage macht, so beseitigt er die -+Abluft+ (!) und sorgt für +Frischluft+! Im gewöhnlichen Leben spricht -man von einem +großen Feuer+. Das kann aber doch die Feuerwehr nicht -tun; so gut wie sie ihre Spritzen und ihre Helme hat, muß sie auch -ihre Wörter haben. Der „Branddirektor“ kennt also nur +Großfeuer+. -Sobald das aber der Philister weggekriegt hat, sagt er natürlich auch -am Biertisch: Bitte, meine Herren, sehen Sie mal hinaus, da muß ein -+Großfeuer+ sein, und der Zeitungschreiber berichtet: Diese Nacht wurde -das Gut des Gutsbesitzers Sch. durch ein +Großfeuer+ eingeäschert. -So bilden sich denn auch die gewerbsmäßigen Theaterschreiber ein, -mit +Erstaufführung+ den Begriff der +ersten Aufführung+ aus der -gewöhnlichen Alltagssprache in die vornehme Region der Fachbegriffe -gehoben zu haben. In Wahrheit ist es weiter nichts als eine schlechte -Übersetzung von +Premiere+,[94] wie alle die wahrhaft greulichen -Zusammensetzungen mit +Höchst+ und +Mindest+ nichts als schlechte -Übersetzungen von Wörtern mit +Maximal+ und +Minimal+ sind. Für solches -Deutsch doch lieber keins! Der Katarrh hat den +höchsten Stand+ -überschritten -- das klänge ja ganz laienhaft; den +Höchststand+ -- das -klingt fachmännisch. Wenn aber bei einer Epidemie Ärzte und Zeitungen -berichten, daß an einem Tage hundert +Neuerkrankungen+ vorgekommen -seien, so kann das geradezu zu Mißverständnissen führen. Eine -+Neuerkrankung+ würde ich es nennen, wenn jemand, der krank gewesen -und wieder gesund geworden ist, von neuem erkrankt, ebenso wie eine -+Neuordnung+ voraussetzt, daß die Dinge schon vorher geordnet gewesen -seien. +Erstausgabe!+ Es ist so unsäglich häßlich; aber der große Haufe -ist ganz versessen auf solche Narrheiten. - -Besonders beliebt ist jetzt der +Altmeister+, und eine Zeit lang war es -auch der +Altreichskanzler+. Hier ist aber zweierlei zu unterscheiden. -Der +Altreichskanzler+ stammte aus Süddeutschland und der Schweiz, -wo man den alten, d. h. den ehemaligen, aus dem Amte geschiednen -(~ancien~) so bezeichnete, und wo man z. B. auch vom +Altbürgermeister+ -spricht (bei Schiller: +Altlandammann+). +Altmeister+ dagegen bedeutet -wie +Altgesell+ nicht den ehemaligen, sondern den ältesten, d. h. -bejahrtesten unter den vorhandnen Meistern und Gesellen. Man konnte -also wohl Franz Liszt, solange er lebte, den +Altmeister+ der deutschen -Musik nennen, aber Johann Sebastian Bach einen +Altmeister+ zu nennen, -wie es unter den Musikschwätzern jetzt Mode ist, ist Unsinn. Bach -ist ein Meister der alten Zeit, der Vergangenheit; das ist aber ein -+alter Meister+, kein +Altmeister+. Sehr beliebt sind jetzt auch -Zusammensetzungen wie +Altleipzig+, +Altweimar+, +Altheidelberg+. -Sie haben einen poetischen Beigeschmack, wie man sofort fühlt, -wenn man an +jung Siegfried, jung Roland+ denkt. Wie abgeschmackt -also, von einem +Junggoethedenkmal+, einem +Jungwilhelmdenkmal+, -einem +Jungbismarckdenkmal+ zu reden! Zu einem logischen Verstoß -führen überdies gewisse Zusammensetzungen, mit denen sich jetzt die -Kunstgewerbegelehrten spreizen: +Altmeißner Porzellan, Altthüringer -Porzellan+. Denn nicht darauf kommt es an, daß das Porzellan aus -+Altmeißen+ ist, sondern nur darauf, daß es aus +Meißen+ ist, aber -+altes+ Porzellan aus Meißen! Mancher wird das für Haarspalterei -halten, es ist aber ein großer Unterschied. - - -Sedantag und Chinakrieg - -Noch überboten an Geschmacklosigkeit werden Zusammensetzungen wie -+Erstaufführung+ durch die Roheit, mit der man jetzt Eigennamen -(Ortsnamen und noch öfter Personennamen) vor ein Hauptwort leimt, -anstatt aus dem Namen ein Adjektiv zu bilden. - -Die Herkunft einer Sache wurde sonst nie anders bezeichnet als -durch ein von einem Städte- oder Ländernamen gebildetes Adjektiv -oder durch eine Präposition mit dem Namen, z. B.: +sizilische -Märchen+, +bengalisches Feuer+, +Kölnisches Wasser+, +Berliner -Weißbier+, +Emser Kränchen+, +Dessauer Marsch+, +Motiv aus Capri+, -+Karte von Europa+. Jetzt redet man aber von +Japanwaren+, -einer +Chinaausstellung+, +Smyrnateppichen+, +Olympiametopen+, -+Samosausbruch+, +Neapelmotiven+, +Romplänen+ (das sollen -Stadtpläne von Rom sein!), einem +Leipzig-Elbe-Kanal+ und einer -+Holland-Amerika-Linie+. Wenn solche Zusammenleimungen auch zu -entschuldigen sein mögen bei Namen, von denen man sich kein Adjektiv zu -bilden getraut, wie +Bordeauxwein+, +Jamaikarum+, +Havannazigarren+, -+Angoraziege+, +Chesterkäse+, +Panamahut+, +Suezkanal+, +Sedantag+ -(in Leipzig +Seedangtag+ gesprochen), so ließe sich doch schon eine -Bildung wie +Maltakartoffeln+ vermeiden, denn niemand spricht von -einem +Maltakreuz+ oder +Maltarittern+. Oder klingt +Malteser+ für -Kartoffeln zu vornehm? Auch das +Selterser Wasser+, wie man es richtig -nannte, als es bekannt wurde, hätte man getrost beibehalten können -und nicht in +Selterswasser+ (oder gar +Selterwasser+! es ist nach -dem nassauischen Dorfe Nieder-+Selters+ genannt) umzutaufen brauchen. -Aber ganz überflüssig sind doch die angeführten Neubildungen, denn -das Adjektiv +japanisch+ (oder meinetwegen +japanesisch+!) ist doch -wohl allbekannt, jeder Archäolog oder Kunsthistoriker kennt auch das -Adjektiv +olympisch+, auch von +samischem+ Wein hat man früher lange -genug gesprochen, und auch von +Leipzig+ und von +Holland+ wird man -sich doch wohl noch Adjektiva zu bilden getrauen? +Leipzig-Elbe-Kanal+! -Es ist ja fürchterlich! Einen Städtenamen so vor einen Flußnamen zu -leimen, der selber nur angeleimt ist! Vor fünfzig Jahren hätte jeder -zehnjährige Junge auf die Frage: wie nennt man einen Kanal, der von -Leipzig nach der Elbe führen soll? richtig geantwortet: +Leipziger -Elbkanal+; wie nennt man eine Dampferlinie zwischen Holland und -Amerika? +Holländisch-amerikanische Linie+. Und warum nicht: +Smyrnaer -Teppiche+? Sagt man doch: +Geraer Kleiderstoffe+. Sachkenner behaupten, -die echten nenne man auch so; nur die unechten, in smyrnischer Technik -in Deutschland angefertigten nenne man +Smyrnateppiche+. Mag sein. -Aber warum nicht: +Motive aus Neapel? Japanwaren, Neapelmotive+ -- wer -verfällt nur auf so etwas! Man denke sich, daß jemand +Italienwaren+ -zum Kauf anbieten oder von +Romruinen+ reden wollte! Ein Wunder, daß -noch niemand darauf gekommen ist, den +Cyperwein+ und die +Cyperkatze+ -in +Cypernwein+ und +Cypernkatze+ umzutaufen. Die Insel heißt doch -+Cypern+! Jawohl, aber der Stamm heißt +Cyper+ -- das ist so gut -wie ein Adjektiv, und der ist zum Glück den plumpen Fäusten unsrer -Sprachneuerer bis jetzt noch entgangen. Die +Italienreisenden+ haben -wir freilich auch, wie die +Schweizreisenden+ und die +Afrikareisenden+ -und neuerdings die +Weimarpilger+ und den +Chinakrieg+. Schön -sind die auch nicht (zu Goethes und Schillers Zeit sprach man von -+italienischen+, +Schweizer+ und +afrikanischen+ Reisenden), aber -man läßt sie sich zur Not gefallen; der Ortsname bezeichnet da nicht -den Ursprung, die Herkunft, sondern das Land, auf das sich die -Tätigkeit des Reisenden erstreckt. Im allgemeinen aber kann doch das -Bestimmungswort eines zusammengesetzten Wortes nur ein Appellativ, kein -Eigenname sein. Von +Eisenwaren+, +Sandsteinmetopen+, +Stadtplänen+, -+Fluß-+ und +Waldmotiven+ kann man reden, aber nicht von +Japanwaren+, -+Olympiametopen+, +Romplänen+ und +Neapelmotiven+. Das ist nicht mehr -gesprochen, es ist gestammelt. - -Gestammelt? O nein, es ist ja das schönste Englisch! Der Engländer -sagt ja: ~the India house~, ~the Oxford Chaucer~ (das soll heißen: die -Oxforder Ausgabe von Chaucers Werken), ~the Meier Madonna~; das muß -natürlich wieder nachgeplärrt werden. Wir kommen schon auch noch dahin, -daß wir die Weimarische Ausgabe von Goethes Werken den +Weimar-Goethe+ -nennen oder gar den +Weimar Goethe+ (ohne Bindestrich). - - -Shakespearedramen, Menzelbilder und Bismarckbeleidigungen - -Das wäre nicht möglich? Wir haben ja den Unsinn schon! Wird nicht -täglich von Gastwirten +Tucher Bier+ (so!) empfohlen? Und das soll Bier -aus der Freiherrl. Tucherschen Brauerei in Nürnberg sein! - -Auch Personennamen können nur dann das Bestimmungswort einer -Zusammensetzung bilden, wenn der Begriff ganz äußerlich und lose zu -der Person in Beziehung steht, aber nicht, wenn das Eigentum, die -Herkunft, der Ursprung oder eine sonstige engere Beziehung bezeichnet -werden soll; das ist in anständigem Deutsch früher stets durch den -Genitiv[95] oder ein von dem Personennamen gebildetes Adjektiv -geschehen. - -Wenn, wie es in den letzten Jahrzehnten tausendfach vorgekommen ist, -neue Straßen und Plätze großen Männern zu Ehren getauft und dabei -kurz +Goethestraße+ oder +Blücherplatz+ benannt worden sind, so ist -dagegen grammatisch nichts einzuwenden. Auch eine Stiftung, die zu -Ehren eines verdienten Bürgers namens Schumann durch eine Geldsammlung -geschaffen worden ist, mag man getrost eine +Schumannstiftung+ nennen, -ebenso Gesellschaften und Vereine, die das Studium der Geisteswerke -großer Männer pflegen, +Goethegesellschaft+ oder +Bachverein+; auch -+Beethovenkonzert+ und +Mozartabend+ sind richtig gebildet, wenn -sie ein Konzert und einen Abend bezeichnen sollen, wo nur Werke von -Beethoven oder Mozart aufgeführt werden. Auch die +Schillerhäuser+ -läßt man sich noch gefallen, denn man meint damit nicht Häuser, die -Schillers Eigentum gewesen wären, sondern Häuser, in denen er einmal -gewohnt, verkehrt, gedichtet hat, und die nur zu seinem Gedächtnis -so genannt werden. Bedenklicher sind schon die +Goethedenkmäler+, -denn die beziehen sich doch nicht bloß auf Goethe, sondern stellen -ihn wirklich und leibhaftig dar; noch in den dreißiger und vierziger -Jahren des neunzehnten Jahrhunderts hätte sich niemand so auszudrücken -gewagt, da sprach man in Leipzig nur von +Bachs Denkmal+, von +Gellerts -Denkmal+. Sind einmal die +Goethedenkmäler+ richtig, dann sind es -auch die +Goethebildnisse+, dann ist es auch die +Goethebüste+, der -+Goethekopf+ und -- die +Goethebiographie+. Nun aber das +Goethehaus+ -auf dem Frauenplan in Weimar und die Weimarer +Goetheausgabe+ -- da -meint man doch wirklich Goethes Haus und die Gesamtausgabe von Goethes -Werken. Etwas andres ist es mit einer +Elzevirausgabe+; das soll nicht -eine Ausgabe der Werke eines Mannes namens Elzevir sein, sondern eine -Ausgabe in dem Format und der Ausstattung der berühmten holländischen -Verlagsbuchhandlung. Ist die +Goetheausgabe+ richtig, dann kommen wir -schließlich auch zu den +Goethefreunden+ (d. h. Goethes Freunden zu -seinen Lebzeiten), den +Goetheeltern+ und den +Goetheenkeln+. Es ist -nicht einzusehen, weshalb man nicht auch so sollte sagen dürfen, und -man sagt es ja auch schon. Stammelt man doch auch schon von einem -+Lutherbecher+ (einem Becher, den einst Luther besessen hat) und einem -+Veltheimzettel+ (einem Theaterzettel der Veltheimschen, richtiger -Veltenschen Schauspielertruppe aus dem siebzehnten Jahrhundert), -von einer +Böttgerperiode+ (der Zeit Böttgers in der Geschichte des -Porzellans!) und einer +Schlüterzeit+, von +Kellerfreunden+ (Freunden -des Dichters Gottfried Keller!) und +Pilotyschülern+, von einem -+Grillparzersarg+ und einem +Brahmsgrab+. - -Noch ärger ist es, wenn man zur Bezeichnung von Schöpfungen, von Werken -einer Person, seien es nun wissenschaftliche oder Kunstschöpfungen, -Entdeckungen oder Methoden, Vereine oder Stiftungen, Erfindungen -oder Fabrikate, den Personennamen in solcher Weise vor das Hauptwort -leimt. In anständigem Deutsch hat man sich in solchen Fällen früher -stets des Genitivs oder der Adjektivbildung auf +isch+ bedient. In -Dresden ist die +Brühlsche Terrasse+, in Frankfurt das +Städelsche -Institut+, und noch vor dreißig Jahren hat jedermann von +Goethischen+ -und +Schillerschen Gedichten+ gesprochen. Jetzt wird nur noch gelallt; -jetzt heißt es: +Goethegedichte+ und +Shakespearedramen+, +Mozartopern+ -und +Dürerzeichnungen+, +Bachkantaten+ und +Chopinwalzer+, -+Goethefaust+ und +Gounodfaust+, +Bismarckreden+ und +Napoleonbriefe+, -+Schopenhauerworte+ und +Heimburgromane+, +Schweningerkur+ und -+Horneffervorträge+. Der von Karl Riedel gegründete Leipziger -Kirchengesangverein, der jahrzehntelang ganz richtig der +Riedelsche -Verein+ hieß, ist neuerdings zum +Riedelverein+ verschönert worden, und -wie die Herren Fabrikanten, diese feinfühligsten aller Sprachschöpfer -und Sprachneuerer, hinter allen neuen Sprachdummheiten mit einer -Schnelligkeit her sind, als fürchteten sie damit zu spät zu kommen, -so haben sie sich auch schleunigst dieser Sprachdummheit bemächtigt -und preisen nun stolz ihre +Pfaffnähmaschinen+ und +Drewsgardinen+, -ihre +Jägerpumpen+ und +Steinmüllerkessel+, ihren +Kempfsekt+ und -ihr +Auergasglühlicht+, ihre +Rönischpianos+ und +Feurichpianinos+, -ihre +Langeuhren+, +Zeißobjektive+ und +Ernemanncameras+ an, und -das verehrte Publikum schwatzt es nach und streitet sich über die -Vorzüge der +Blüthnerflügel+ und der +Bechsteinflügel+.[96] In -Leipzig nannte eines Tags eine Bierbrauerei (die Riebeckische) ihr -Bier +Riebeckbier+. Flugs kamen die andern hinterdrein und priesen -+Ulrichbier+, +Naumannbier+ und +Sternburgbier+ an (das nun freilich -eigentlich +Speckbier+ heißen müßte!). Dieses Schandzeug aus unsrer -Kaufmannssprache habt ihr auf dem Gewissen, ihr Herren, die ihr die -+Shakespearedramen+ und die +Dürerzeichnungen+ erfunden habt! Wenn -man in vornehmen Fachzeitschriften von +Bürgerbriefen+ (Briefen des -Dichters der Lenore!) und einem +Lenznachlaß+ (Nachlaß des Dichters -Lenz), einem +Kuglerwerk+ und einem +Menzelwerk+, einem +König -Albert-Bild+, einem +Mörike-Schwind-Briefwechsel+, einer +Rudolf -Hildebrand-Erinnerung+ lesen muß, kann man dann -- andern Leuten -einen Vorwurf machen, wenn sie von +Kathreiners Kneipp-Malzkaffee+, -+Junker- und Ruh-Öfen+ und +August Lehr-Fahrrädern+ reden? Alle -diese Zusammensetzungen zeugen von einer Zerrüttung des Denkens, die -kaum noch ärger werden kann. Von +Lichtfreunden+ kann man reden, von -+Naturfreunden+, +Kunstfreunden+ und +Musikfreunden+, von +Zinnsärgen+ -und +Marmorsärgen+, von +Konzertflügeln+ und +Stutzflügeln+, aber nicht -von +Kellerfreunden+, +Grillparzersärgen+ und +Blüthnerflügeln+. Das -ist schlechterdings kein Deutsch. - -Das Unkraut wuchert aber und treibt die unglaublichsten Blüten. Weißt -du, was +Kriegerliteratur+ ist, lieber Leser? ein +Senfkatalog+? -eine +Schleicherskizze+? ein +Pfeilliederabend+? Du ahnst es nicht, -ich will dirs sagen. +Kriegerliteratur+ sind die Schriften über -den Komponisten des siebzehnten Jahrhunderts Adam Krieger, ein -+Senfkatalog+ ist ein Briefmarkenverzeichnis der Gebrüder Senf in -Leipzig, eine +Schleicherskizze+ eine Lebensbeschreibung des berühmten -Philologen Schleicher, ein +Pfeilliederabend+ ein Abendkonzert, bei -dem nur Lieder des Männergesangkomponisten Pfeil gesungen werden. Was -ein +Lenbachaufsatz+ ist? ein +Holbeinbildnis+? Das weiß ich selber -nicht. Es kann ein Aufsatz +von+ Lenbach sein, es kann aber auch einer -+über+ ihn sein, ein von Holbein gezeichnetes Bildnis, aber auch eins, -das ihn darstellt. Daß läßt sich in dem heutigen Deutsch nicht mehr -unterscheiden. - -Es braucht übrigens nicht immer ein Eigenname zu sein, der solche -Zusammensetzungen unerträglich macht; sie sind auch dann unerträglich, -wenn an die Stelle eines Eigennamens ein Appellativ tritt, unter dem -eine bestimmte Person verstanden werden soll. Da hat einer, der den -Feldzug von 1870 als Kürassier mitgemacht hat, seine Briefe unter -dem Titel +Kürassierbriefe+ drucken lassen. Das können aber niemals -Briefe eines bestimmten Kürassiers sein, sondern immer nur Briefe, -wie sie Kürassiere schreiben. In allerjüngster Zeit ist das neue Wort -+Kaiserhoch+ aufgekommen. Es stammt natürlich aus der Telegrammsprache. -Irgendeiner telegraphierte: „Professor Ö. Festrede Kaiserhoch“; daraus -machte ein dummer Zeitungschreiber: Professor Ö. hielt die Festrede, -die in ein +Kaiserhoch+ ausklang. Ein Kaiserhoch kann aber auf jeden -beliebigen Kaiser ausgebracht werden, und wenn die Zeitungen vollends -statt +ein Kaiserhoch+ schreiben +das Kaiserhoch+ -- die Herabwürdigung -einer persönlichen Huldigung, die aus dem Herzen quellen soll, zu -einem gewohnheitsmäßigen Bestandteil jeder beliebigen Esserei oder -Trinkerei, kann gar keinen schlagendern Ausdruck finden. Ähnlich ist es -mit der +Königsbüste+. Professor Seffner ist damit beschäftigt, eine -+Königsbüste+ anzufertigen. Ob von Ramses oder Romulus oder Ludwig dem -Vierzehnten, wird nicht verraten. Das Ärgste dieser Art sind wohl die -+Herrenworte+ und das +Herrenmahl+, das die Theologen jetzt aufgebracht -haben. Das sollen Aussprüche Christi und das heilige Abendmahl sein! -Man denkt doch unwillkürlich an ein +Herrenessen+. - -Den Gipfel der Sinnlosigkeit erreichen solche Zusammenleimungen, -wenn das Grundwort ein Verbalsubstantiv ist, gebildet von einem -transitiven Verbum. Solche Zusammensetzungen können schlechterdings -nicht mit Eigennamen vorgenommen werden, sondern nur mit Appellativen; -sie bezeichnen ja nicht eine bestimmte einzelne Handlung, sondern -eine Gattung von Handlungen, Menschen, deren Tätigkeit sich nicht -auf eine bestimmte einzelne Person, sondern wieder nur auf eine -Gattung erstreckt. In den siebziger Jahren erfand ein boshafter -Zeitungschreiber das Wort +Bismarckbeleidigung+. Natürlich sollte -es eine höhnische Nachbildung von +Majestätsbeleidigung+ sein. -Wie viel dumme Zeitungschreiber aber haben das Wort dann im Ernst -gebraucht und sogar +Caprivibeleidigung+ darnach gebildet! Jetzt -redet man aber auch von +Cäsarmördern+, +Richardsonübersetzern+, -+Romkennern+, +Goethefreunden+ und +Schillerfeinden+ (unter den heute -lebenden!), +Beethovenerklärern+, +Wagnerverehrern+, +Zolanachahmern+ -und +Nietzscheanbetern+. Entsetzliche Verirrung! Man kann von -+Vatermördern+, +Romanübersetzern+, +Kunstkennern+, +Frauenverehrern+, -und +Fetischanbetern+ reden; aber ein +Wagnerverehrer+ -- das könnte -doch nur ein Kerl sein, der gewerbsmäßig jeden „verehrt“, der Wagner -heißt. Wer das nicht fühlt, der stammle weiter, dem ist nicht zu -helfen.[97] - - -Schulze-Naumburg und Müller-Meiningen - -Eine andre Abgeschmacktheit, auf die nicht bloß Zeitungschreiber, -sondern auch Leute, denen man in Sprachdingen etwas Geschmack zutrauen -sollte, ganz versessen sind, ist die Unsitte, an einen Personennamen -den Wohnort der Person mit Bindestrichen anzuhängen, anstatt ihn -durch die Präposition +in+ oder +aus+ damit zu verbinden und so ein -ordentliches Attribut zu schaffen. Den Anfang dazu haben Leute wie -+Schulze-Delitzsch+, +Braun-Wiesbaden+ u. a. gemacht; die wollten und -sollten durch solches Anhängen des Ortsnamens von einem andern Schulze -und einem andern Braun unterschieden werden. Das waren nun ihrerzeit -gefeierte Parlamentsgrößen, und wer möchte das nicht auch gerne sein! -Wenn sich daher im Sommer Gevatter Schneider und Handschuhmacher zu -den üblichen Wanderversammlungen aufmachen und dort schöne Reden -halten, so möchten sie natürlich auch die Parlamentarier spielen -und dann im Zeitungsbericht mit so einem schönen zusammengesetzten -Namen erscheinen, sie möchten nicht bloß +Müller+ und +Meyer+ heißen, -sondern Herr +Müller-Rumpeltskirchen+ und Herr +Meyer-Cunnewalde+ -- -das klingt so aristokratisch, so ganz wie +Bismarck-Schönhausen+, es -könnte im freiherrlichen Taschenbuche stehen; man hats ja auch den -geographischen Adel genannt. Der Unsinn geht so weit, daß man sogar -schreibt: Direktor +Wirth-Plötzensee bei Berlin+. Was ist denn bei -Berlin? Direktor Wirth-Plötzensee? - -Die ganze dumme Mode ist wieder ein Pröbchen unsers schönen -Papierdeutsch. Man höre nur einmal zu, wenn in einer solchen -Wanderversammlung die sogenannte Präsenzliste verlesen wird: hört -man da je etwas andres als Städtenamen? Man möchte gern wissen, wer -anwesend ist, aber man kann es beim besten Willen nicht erfahren, -denn der Vorlesende betont unwillkürlich -- wie man solche traurige -Koppelnamen nur betonen kann --: Herr Stieve-+München+, Herr -Prutz-+Königsberg+, Herr Ulmann-+Greifswald+. Der Personenname geht -vollständig verloren. Wenn dann die Zeitungen über eine solche -Versammlung berichten, so drucken sie zwar den Personennamen gesperrt -oder fett: Herr +Stieve+-München oder Herr =Stieve=-München. Das hilft -aber gar nichts; gesprochen wird doch: Stieve-+München+ (ᴗ̣ ᴗ ́– ᴗ). -Dieser fett gedruckte und doch unbetonte Personenname, dieser grobe -Widerspruch zwischen Papiersprache und Ohrensprache, ist geradezu ein -Hohn auf den gesunden Menschenverstand. Will man beide Namen betonen, -so bleibt nichts weiter übrig, als eine Pause zu machen, etwa als ob -geschrieben wäre: Herr +Stieve+ (+München+). Dann hat man aber doch -auch Zeit, die Präposition auszusprechen. In neuester Zeit hat man -angefangen, auch Fluß-, Tal- und Bergnamen auf diese Weise an Ortsnamen -anzuleimen; man schreibt: +Halle-Saale+ (statt +Halle a. d. Saale+), -+Frankfurt-Main+, +Sils-Engadin+, +Frankenhausen-Kyffhäuser+. Und ein -Buchhändler in dem Städtchen Borna bei Leipzig schreibt stolz auf seine -Verlagswerke: +Borna-Leipzig+, als ob Leipzig ein unbekannter Vorort -von Borna wäre. Wo ist dabei der mindeste Witz? - - -Die Sammlung Göschen - -Während das Vorleimen von Eigennamen unter dem Einflusse des -Englischen um sich gegriffen hat, beruhen andre Verirrungen unsrer -Attributbildung auf Nachäfferei der romanischen Sprachen, namentlich -des Französischen, vor allem der abscheuliche, immer ärger werdende -Unfug, Personen- oder Ortsnamen unflektiert und ohne alle Verbindung -hinter ein Hauptwort zu stellen, das eine Sache bezeichnet, als ob -die Sache selbst diesen Personen- oder Ortsnamen führte, z. B. das -+Hotel Hauffe+, der +Konkurs Schmidt+, die +Stadtbibliothek Zürich+ -(statt: +Hauffes Hotel+, der +Schmidtsche Konkurs+, die +Züricher -Stadtbibliothek+). Die Anfänge dieses Mißbrauchs liegen freilich weit -zurück, man braucht nur an Ausdrücke zu denken wie: +Universität -Leipzig+, +Zirkus Renz+, +Café Bauer+; aber seinen gewaltigen Umfang -hat er doch erst in der neuesten Zeit angenommen. In wirklich deutsch -gedachter Form bekommt man einen Eigennamen in Attributen kaum noch -zu hören: alles plärrt, die Franzosen und Italiener nachäffend -(~librairie Quantin~, ~chocolat Suchard~, ~rue Bonaparte~, ~casa -Bartholdi~, ~Hera Farnese~ und ähnl.), von dem +Antrag Dunger+, dem -+Fall Löhnig+, der +Affäre Lindau+, dem +Ministerium Gladstone+, dem -+Kabinett Salisbury+, dem +System Jäger+, der +Galerie Schack+, dem -+Papyrus Ebers+, der +Edition Peters+, der +Kollektion Spemann+ und -der +Sammlung Göschen+, von +Schokolade Felsche+ und +Tee Riquet+,[98] -von der +Villa Meyer+, dem +Wohnhaus Fritzen+, dem +Grabdenkmal Kube+, -dem +Erbbegräbnis Wenzel+, dem +Pensionat Neumann+, der +Direktion -Stägemann+, dem +Patentbureau Sack+, dem +Sprachinstitut Bach+, -dem +Konzert Friedheim+, der +Soiree Buchmayer+, der +Tanzstunde -Marquart+, dem +Experimentierabend Dähne+, dem +Vortrag Mauerhof+, dem -+Quartett Udel+, der +Bibliothek Simson+, der +Versteigerung Krabbe+ -und dem +Streit Geyger-Klinger+, von dem +Magistrat Osnabrück+, der -+Staatsanwaltschaft Halle+, der +Fürstenschule Grimma+, dem Kaiserl. -deutschen +Postamt Frankfurt+, dem +Schreberverein Gohlis+, der +Mühle -Zwenkau+, dem +Bundesschießen Mainz+, dem +Löwenbräu München+ und dem -+Migränin Höchst+. Sogar der Dorfwirt will nicht zurückbleiben: er -läßt den Firmenschreiber kommen, die alte Inschrift an seiner Schänke: -+Gasthof zu Lindenthal+ zupinseln und dafür +Gasthof Lindenthal+ -hinmalen, und der Dorfpastor kommt sich natürlich nun auch noch -einmal so vornehm vor, wenn er sich auf seine Briefbogen +Pfarrhaus -Schmiedeberg+ hat drucken lassen. Und was der Franzose nie tut, das -bringt der Deutsche fertig: er setzt auch hier Vornamen und Titel zu -diesen angeleimten Namen und schreibt: die +Galerie Alfred Thieme+, die -+Kapelle Günther Coblenz+, der +Rezitationsabend Ernst von Possart+, -die +Villa ~Dr.~ Brüning+, das +Signet Galerie Ernst Arnold Dresden+ -(das soll heißen: Signet der Galerie von Ernst Arnold in Dresden!). -Manchmal weiß man nicht einmal, ob der angefügte Name ein Orts- oder -ein Personenname sein soll. In Leipzig preist man +Gose Nickau+ an. Ja, -was ist Nickau? Ist es der Ort, wo dieser edle Trank gebraut wird, oder -heißt der Brauer so? Der großherzogliche +Bahnbauinspektor Waldshut+ -- -heißt der Mann Waldshut, oder baut er in Waldshut eine Eisenbahn? - -Da kämpfen wir nun für Beseitigung der unnützen Fremdwörter in unsrer -Sprache; aber sind denn nicht solche fremde Wortverbindungen viel -schlimmer als alle Fremdwörter? Das Fremdwort entstellt doch die -Sprache nur äußerlich; wirft man es aus dem Satze hinaus und setzt das -deutsche Wort dafür ein, so kann der Satz im übrigen meist unverändert -bleiben. Aber die Nachahmung von syntaktischen Erscheinungen aus -fremden Sprachen, noch dazu von Erscheinungen, die die Sprache in so -heruntergekommenem Zustande zeigen, wie dieses gemeine Aneinanderleimen --- leimen ist noch zuviel gesagt, Aneinanderschieben -- von Wörtern -fälscht doch das Wesen unsrer Sprache und zerstört ihren Organismus. -Es ist eine Schande, wie wir uns hier an ihr versündigen! Wie stolz mag -der Inhaber der +Auskunftei Schimmelpfeng+ gewesen sein, als er das -herrliche deutsche Wort +Auskunftei+ erfunden hatte![99] Aber für die -ganz undeutsche Wortzusammenschiebung hat er kein Gefühl gehabt. - -Auch hier handelt sichs um nichts als um eine dumme Mode, die jetzt, -namentlich in den Kreisen der Geschäftsleute und Techniker, für fein -gilt. Wenn es in einer Stadt fünf Kakaofabrikanten gibt, und einer -von den fünfen schreibt plötzlich in seinen Geschäftsanzeigen: +Kakao -Müller+ (statt +Müllerscher+ Kakao) und hat nun damit etwas besondres, -so läßt es den vier andern keine Ruhe, bis sie dieselbe Höhe der -Vornehmheit erklommen haben (+Kakao Schulze+, +Kakao Meier+ usw.). Der -fünfte lacht vielleicht die andern vier eine Zeit lang aus und wartet -am längsten; aber schließlich humpelt er doch auch hinterdrein, während -sich der, der mit der Dummheit angefangen hat, schon wieder eine neue -ausdenkt. - -Zu einer ganz besondern Abgeschmacktheit hat die neu erwachte -Liebhaberei geführt, in Büchern ein Bücherzeichen mit dem Namen des -Eigentümers einzukleben. Ein solches Bücherzeichen nennt man ein -Exlibris, und wer sich eins anfertigen läßt, der läßt auch stets -dieses Wort darauf anbringen. Da gibt es aber doch nun bloß zwei -Möglichkeiten. Entweder man versteht das Wort lateinisch und in -seiner eigentlichen Bedeutung (eins von den Büchern); dann kann -man auch nur seinen Namen lateinisch dahinter setzen: +~Ex libris -Caroli Schelleri~+. So geschah es im achtzehnten Jahrhundert. Oder -man versteht ~Ex-Libris~ „deutsch“ als „Bücherzeichen“; dann kann -man natürlich nur schreiben: +Exlibris Karl Schellers+. Das tut aber -von Tausenden nicht einer! Alle setzen hinter Exlibris ihren Namen -im Nominativ: +Exlibris Eugen Reichardt+, +Exlibris Adolf von Groß+, -+Exlibris Carl und Emma Eckhard+. Das vernünftigste wäre ja, weiter -nichts als seinen Namen hinzusetzen oder zu schreiben: +Eigentum Oskar -Leuschners+ oder +Aus der Bibliothek+ (oder Bücherei) +Paul Werners+. -Aber ohne die Worte oder das Wort Exlibris würde der ganze Sport den -Leuten gar keinen Spaß machen. Man tauscht Exlibris, man tritt in den -Exlibrisverein, man hält sich die Exlibriszeitschrift, und man druckt -auf sein Bücherzeichen eine -- Sprachdummheit. - - -Die Familie Nachfolger - -Ebenso einfältig ist noch ein andrer Unfug, der auch auf bloße -Nachäfferei des Französischen und des Englischen zurückzuführen ist. -Der französische Geschäftsstil setzt ~père~, ~fils~ und ~frères~, der -englische ~brothers~ als Apposition hinter den Personennamen: ~Dumas -fils~, ~Shakelford brothers~. Im Deutschen ist das ganz unmöglich, -wir können nur von dem Wörterbuch der +Gebrüder Grimm+ reden, -nicht der +Grimm Gebrüder+. Aber unsre Kaufleute müssen natürlich -wieder das Fremde nachäffen; sie nennen sich +Schmidt Gebrüder+, -+Blembel Gebrüder+, +Ury Gebrüder+. Sie gehen aber noch weiter. -Während der Franzose sagt: ~Veuve Cliquot~, schreibt der Deutsche: -+M. D. Schwennicke Witwe+, ja selbst wo es sich gar nicht um ein -Verwandtschaftsverhältnis handelt, leimt er ein Appellativ und einen -Personennamen in dieser Weise zusammen, statt ein Attribut zu bilden; -in unsrer Geschäftswelt wimmelt es schon von Firmen, die alle so -aussehen, als ob ihre Inhaber den Familiennamen +Nachfolger+ und dabei -die seltsamsten Vornamen hätten, wie: +C. F. Kahnt Nachfolger+, +Johann -Jakob Huth Nachfolger+, ja sogar +Gebrüder Hinzelmann Nachfolger+ und -+Luise Werner Nachfolger+. In großen Städten findet man kaum noch eine -Straße, wo nicht Mitglieder dieser weitverzweigten Familie säßen. -Auch daraus ist eine richtige dumme Mode geworden. Während früher -ein Geschäft, wenn es den Inhaber wechselte, die alte Firma meist -unverändert beibehielt, um sich deren Ruf zu erhalten -- in Leipzig -gibt es Firmen, die noch heute so heißen wie vor hundert und mehr als -hundert Jahren, und sie befinden sich nicht schlecht dabei! --, ist -jetzt oft ein Geschäft kaum zwei, drei Jahre alt, und schon prangt -der „Nachfolger“ auf der Firma. Manchen will ja die Dummheit, den -Personennamen dabei im Nominativ stehen zu lassen, nicht recht in den -Kopf; man sieht das an der verschiedenen Art und Weise, wie sie sich -quälen, sie hinzuschreiben. Die meisten schreiben freilich dreist: -+Ferdinand Schmidt Nachfolger+. Andre schreiben aber doch mit Komma: -+Ferdinand Schmidt, Nachfolger+, was zwischen einem Schneider und einem -Fleischer so aussieht, als ob die Beschäftigung dieses Biedermanns im -Nachfolgen bestünde, andre ganz klein, als ob sie sich ein bißchen -schämten: +Ferdinand Schmidt |Nachfolger|+. Nur auf das einzig -vernünftige: +Ferdinand Schmidts Nachfolger+ verfällt keiner. - -Namentlich auch im deutschen Buchhandel hat das fruchtbare Geschlecht -der Nachfolger schon eine Menge von Vertretern. Einer der wenigen, -die den Mut gehabt haben, der abgeschmackten Mode zum Trotz dem -gesunden Menschenverstande die Ehre zu geben, ist der Verleger der -Gartenlaube: +Ernst Keils Nachfolger+. Dagegen überbietet alles an -Sprachzerrüttung die +Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger+; das soll -heißen: der Nachfolger der Cottaischen Buchhandlung! In solchem Deutsch -prangt jetzt die Buchhandlung, in der einst Schillers und Goethes Werke -erschienen sind! - - -Ersatz Deutschland - -Eine ähnliche Sprachzerrüttung wie in den zuletzt angeführten -Beispielen findet sich nur noch in den Namen neuer Schiffe, von denen -man jetzt öfter in den Zeitungen liest: +Ersatz Preußen+, +Ersatz -Leipzig+, +Ersatz Deutschland+. Was in aller Welt soll das heißen? Man -kann es wohl ungefähr ahnen, aber ausgesprochen ist es nicht. Soll -+Ersatz Preußen+ aufzufassen sein wie +Ersatztruppen+, +Ersatzknopf+, -+Ersatzgarnitur+, so müßte es natürlich als zusammengesetztes -Wort geschrieben werden: +Ersatz-Preußen+. Soll es aber, was das -wahrscheinlichere ist, heißen: +Ersatz der (!) Preußen+[100] oder -+Ersatz für die Preußen+, so läge in dem Weglassen des Artikels oder -der Präposition eine beispiellose Stammelei. Man könnte dann ebensogut -sagen: +Stellvertreter Direktor+ und sich einbilden, das hieße: -+Stellvertretender Direktor+ oder +Stellvertreter des Direktors+. -Das mag Chinesisch sein oder Negersprache, Deutsch ist es nicht. -Wahrscheinlich ist es aber -- Englisch. Englisch ist ja jetzt Trumpf, -zumal wenn es die Marine betrifft. - - -Der grobe Unfugparagraph - -Viel ist schon gespottet worden über Attributbildungen wie: der -+musikalische Instrumentenmacher+, der +vierstöckige Hausbesitzer+, -der +doppelte Buchhalter+, der +wilde Schweinskopf+, die +reitende -Artilleriekaserne+, die +geprüfte Lehrerinnenanstalt+, die -+durchlöcherte Stuhlsitzfabrik+, die +chinesische Feuerzeugfabrik+, -der +geräucherte Fischladen+, die +verheiratete Inspektorwohnung+, die -+gelben Fieberanfälle+, das +einjährig-freiwillige Berechtigungswesen+ -und ähnliche, wo ein Attribut zu einem zusammengesetzten Worte gestellt -ist, während es sich nur auf das Bestimmungswort der Zusammensetzung, -in dem letzten Falle sogar auf einen dritten, hinzuzudenkenden Begriff -(+Dienst+) bezieht. Dennoch wagen sich immer wieder Verbindungen -dieser Art hervor wie: das +alte Thomanerstipendium+ (das soll eine -Stiftung der alten, d. h. ehemaligen Thomaner sein!), der +grobe -Unfugparagraph+, die +transportabeln Beleuchtungszwecke+, der -+Vereinigte Staatenstaatssekretär+, die +Weiße Damenpartitur+ usw. - -Solche Verbindungen werden nur dann erträglich, wenn es möglich -ist, sie durch doppelte Zusammensetzung zu dreigliederigen -Wörtern zu gestalten; wie: +Armesünderglocke+, +Liebfrauenmilch+, -+Altweibersommer+, +Sauregurkenzeit+ u. dgl. - -Nicht besser, eher noch schlimmer sind solche Fälle, wo das Attribut, -statt durch ein Eigenschaftswort, durch einen Genitiv oder eine -Präposition mit einem Hauptworte gebildet wird wie: der +Doktor+titel -der +Philosophie+, der +Enthüllungs+tag +des Geibeldenkmals+, -das +Heil+verfahren der +Diphtheritis+, das +Schmerz+stillen der -+Zähne+, die +Anzeige+pflicht der +ansteckenden Krankheiten+, -der +Verhaftungs+versuch +des Arbeiters+, eine +Fälscher+bande -+amtlicher Papiere+, das +Übersetzungs+recht +in fremde Sprachen+, -der +Verpackungs+tag +nach Österreich+, ein +Reise+handbuch +nach -Griechenland+, die +Abfahrts+zeit +nach Kassel+, eine +Stern+gruppe -+dritter Größe+, eine +Zucker+fabrik +aus Rüben+, +Erinnerungs+stätte -an +Käthchen Schönkopf+, 100 Stück +Kinder+hemden +von 2 bis 14 -Jahren+, und ähnliches. - - -Die teilweise Erneuerung - -Mit wachsender Schnelligkeit hat sich endlich noch ein Fehler in -der Attributbildung verbreitet, der für einen Menschen von feinerem -Sprachgefühl etwas höchst beleidigendes hat, gegen den aber die -große Masse schon ganz abgestumpft ist: der Fehler, die mit +weise+ -zusammengesetzten Adverbia wie Adjektiva zu behandeln. Man schreibt -jetzt frischweg, als ob es so ganz in der Ordnung wäre: die +teilweise -Erneuerung+, die +stufenweise Vermehrung+, die +ausnahmsweise -Erlaubnis+, die +bruchstückweise Veröffentlichung+, die +heftweise -Ausgabe+, die +stückweise Bezahlung+, die +auszugsweise Abschrift+, die -+vergleichsweise Erledigung+, die +leihweise+ oder +schenkungsweise -Überlassung+, der +glasweise Ausschank+, die +probeweise Anstellung+, -die +reihenweise Aufstellung+, die +versuchsweise Aufhebung+, -die +abwechslungsweise Verteilung+ usw. Wenn in Leipzig jemand -seine Steuern nicht pünktlich bezahlt, so hat er die +zwangsweise -Beitreibung+ (!) zu gewärtigen; ja nach einer Dorfversammlung läßt man -sogar die Leute in ihre +beziehungsweisen (!) Behausungen+ zurückkehren. - -Es wird einem ganz griechisch zumute, wenn man so etwas liest. Die -griechische Sprache ist imstande, das zwischen Artikel und Hauptwort -tretende Attribut auch durch ein Adverb oder einen adverbiellen -Ausdruck zu bilden.[101] Im Griechischen kann man sagen: das +jetzt -Geschlecht+ (τὸ νῦν γένος) für: das jetzige Geschlecht, der +heute -Tag+ für: der heutige Tag, der +jedesmal König+ für: der jedesmalige -König, die +dazwischen Zeit+ für: die dazwischenliegende Zeit, der -+zurück Weg+ für: der zurückführende Weg, die +allzusehr Freiheit+ -für: die allzu große Freiheit. Mit unsern Adverbien auf +weise+ -lassen sich im Griechischen namentlich gewisse mit der Präposition -κατά und dem Akkusativ gebildete Ausdrücke vergleichen wie: κατὰ -μικρόν (stückweise), κατ’ ἐνιαυτόν (jahrweise, alljährlich), καθ’ -ἡμέραν (tageweise), (einer auf einmal), ἡ καθ’ ἡμέραν τροφή (die -tageweise Nahrung). Im Deutschen sind derartige Verbindungen ganz -unmöglich.[102] Dem, der sie gebraucht, fällt es auch gar nicht -ein, in einer Verbindung wie: die +schrittweise Vervollkommnung+ -das +schrittweise+ als Adverb aufzufassen, er meint, er schreibe -wirklich ein Adjektivum hin, er dekliniert ja auch: die +pfennigweisen -Ersparnisse+, ein +teilweiser Erlaß+. Das ist aber eben die Verwirrung. -Die mit +weise+ zusammengesetzten Wörter sind Adverbia, die aus -Genitiven entstanden sind. Man sagte zunächst: +glücklicher Weise+, -+törichter Weise+, +verkehrter Weise+, wie man auch sagte: +gewisser -Maßen+ (+die+ Maße hieß es ursprünglich). Dann dachte man nicht -mehr an den Genitiv, sondern wagte auch andre Zusammensetzungen -(+versuchsweise+ ist eigentlich: +nach+ oder +auf Versuchs Weise+), und -endlich bildete man sich ein, vielleicht verführt durch den Gleichklang -mit +weise+ (~sapiens~), diese Zusammensetzungen wären Adjektiva. -Das sind sie aber nicht; man kann wohl etwas +teilweise erneuern+, -+ausnahmsweise erlauben+, +zwangsweise versteigern+, +bruchstückweise -veröffentlichen+, man kann sich +schrittweise vervollkommnen+, aber die -+schrittweise Vervollkommnung+ ist eine Verirrung des Sprachgefühls, -die nicht um ein Haar besser ist als das +entzweie Glas+, der +extrae -Teller+, der +sehre Hunger+ und die bisweilen im Scherz gebildeten -Ausdrücke, in denen man Präpositionen wie Adjektiva behandelt: ein -+durcher Käse+, eine +zue Droschke+, ein +auses Heft+ (statt: ein -ausgeschriebnes).[103] - -Mancher wird einwenden: daß ein Adverbium zum Adjektivum wird, ist -doch kein Unglück, es ist auch sonst geschehen. Mit +zufrieden+, -+vorhanden+, +ungefähr+ ist es ebenso gegangen. Erst sagte man: -ich kann mir das +ungefähr vorstellen+, dann wagte man auch: ich -habe davon eine +ungefähre Vorstellung+. Andre werden einwenden: -dieser Mißbrauch (wenn es einer ist) gewährt doch unleugbar eine -Bequemlichkeit, wo soll man einen Ersatz dafür hernehmen? Früher -sagte man: +partiell+ (die +partielle Renovation+), +fragmentarisch+ -(die +fragmentarische Publikation+), +exzeptionell+, +obligatorisch+, -+relativ+, +provisorisch+. Nun meiden wir die Fremdwörter und sagen: -die +teilweise Erneuerung+, die +bruchstückweise Veröffentlichung+, und -nun ist es wieder nicht recht. - -Das sind hinfällige Einwände. Wer sich der adverbiellen Natur dieser -Zusammensetzungen bewußt geblieben ist -- und solche Menschen -wird es doch wohl noch geben dürfen? --, oder wer sie sich wieder -zum Bewußtsein gebracht hat, was gar nicht schwer ist, der bringt -Ausdrücke wie +teilweise Erneuerung+ weder über die Lippen noch aus -der Feder.[104] Einzelne dieser Verbindungen sind ja nichts als -Sprachschwulst oder Ungeschick: für +schenkungsweise Überlassung+ -eines Bauplatzes genügt doch wahrhaftig +Schenkung+ und statt: die -+teilweise Veröffentlichung+ der Briefe kann man doch sagen: die -Veröffentlichung +eines Teils+ oder +von Teilen+ der Briefe. Alle aber -lassen sich vermeiden, wenn man sich nur von der Manier freihält oder -wieder freimacht, in der unsre ganze Schriftsprache jetzt befangen -ist, der greulichen Manier, zum Hauptsinnwort eines Satzes immer -ein Substantiv zu machen, statt ein Zeitwort. Wenn wir wieder Verba -schreiben lernten, vor allen Dingen einen Satz wieder mit dem Verbum -anfangen lernten, was sich heute kaum noch jemand getraut, dann würde -so mancher andre Unrat auch wieder verschwinden. Statt zu schreiben: -es wurde eine Resolution angenommen, die die +zeitweise Aufhebung+ der -Kornzölle verlangte -- schreibe man doch: die verlangte, die Kornzölle -+zeitweise aufzuheben+, statt: ihre +teilweise Begründung+ mag diese -Gleichgiltigkeit darin finden -- schreibe man doch: +begründet+ mag -diese Gleichgiltigkeit +zum Teil+ darin sein -- und alles ist in bester -Ordnung. - -Eine nagelneue besondre Abart dieses Fehlers ist das von den -Kleiderfabrikanten aufgebrachte +fußfreie Kleid+, dem sich natürlich -schleunigst der +armfreie Lodenmantel+, die +armfreie+ Betätigung aller -Kräfte und die +kniefreien Wunderkinder+ angeschlossen haben. Man kann -+sich+ wohl +fußfrei kleiden+, d. h. so, daß die Füße frei bleiben, man -kann sich auch +rückenfrei setzen+, aber dann kann weder der Mensch -noch das Kleid fußfrei, weder der Mensch noch der Stuhl rückenfrei -genannt werden. - - -Der tiefer Denkende, der Tieferdenkende oder der tiefer denkende? - -Ein Gegenstück zu der +schrittweisen Vervollkommnung+, das freilich -durch eine andre Sprachdummheit entsteht, bilden Verbindungen wie: das -+einzig Richtige+, der +tiefer Denkende+, der +mittellos Verstorbne+, -der +mit ihm Redende+ u. ähnl. Da liegt der Fehler nicht im Ausdruck, -sondern -- in der Schreibung, nämlich in den törichten großen -Anfangsbuchstaben, mit denen man ganz allgemein die Adjektiva und -Partizipia solcher Verbindungen schreibt und druckt. - -Gewöhnlich wird gelehrt, daß Adjektiva und Partizipia, wenn sie kein -Hauptwort bei sich haben, selber zu Hauptwörtern würden und dann -mit großen Anfangsbuchstaben zu schreiben seien, also: die +Grünen+ -und die +Blauen+, alle +Gebildeten+. Das läßt sich hören. Nun geht -man aber weiter. Man schreibt solche Adjektiva und Partizipia auch -dann groß, wenn zu dem Adjektiv ein Adverb oder ein Objekt, zu dem -Partizip ein Adverb, ein Prädikat, ein Objekt oder eine adverbielle -Bestimmung tritt, z. B.: so +Schönes+, längst +Bekanntes+, etwas -ungemein +Elastisches+, der minder +Arme+, alles +bloß Technische+, -das eigentlich +Theatralische+, der wirtschaftlich +Abhängige+, das -dem Vaterland +Ersprießliche+ -- ein unglücklich +Liebender+, kein -billig +Denkender+, der wagehalsig +Spekulierende+, das wahrhaft -+Seiende+, der früh +Dahingeschiedne+, die mäßig +Begüterten+, die -bloß +Verschwägerten+, der ergebenst +Unterzeichnete+, der sehnlichst -+Erwartete+, der wahrhaft +Gebildete+, das glücklich +Erreichte+, -das früher +Versäumte+, der hier +Begrabne+, das anderwärts besser -+Dargestellte+ -- der beschaulich +Angelegte+, der gefesselt -+Daliegende+, der unschuldig +Hingerichtete+, das als richtig -+Erkannte+ -- die dem Gemetzel +Entgangnen+, die Medizin +Studierenden+ --- die zu ihm +Geflüchteten+, die vom Leben +Abgeschiednen+, die -bei der Schaffung des Denkmals +Beteiligten+, die an der Aufführung -+Mitwirkenden+, die auf die Eröffnung der Kasse +Wartenden+ -- auch: -die von ihm +zu Befördernden+, das auf Grund des schon +Vorhandnen+ -noch +zu Erreichende+ usw. - -Ist das richtig? Können in solchen Verbindungen die Adjektiva und -Partizipia wirklich als Substantiva angesehen werden? Ein wenig -Nachdenken genügt doch, zu zeigen, daß das unmöglich ist. Wenn ich -sage: der +frühere Geliebte+, so ist das Partizip wirklich zum -Substantivum geworden; sage ich aber: der +früher geliebte+, so -kann doch von einer Substantivierung keine Rede sein. Welchen Sinn -hat es aber, Wörter äußerlich, für das Auge, zu Hauptwörtern zu -stempeln, die gar nicht als Hauptwörter gefühlt werden können? Diese -Fälle sollten im Unterricht dazu benutzt werden, den Unterschied -zwischen einem zum Substantiv gewordnen und einem Partizip gebliebnen -Partizipium klarzumachen! Wäre es richtig, zu schreiben: alles bisher -+Erforschte+, alle vernünftig +Denkenden+, die im Elsaß +Reisenden+, -die zwei Jahre lang +Verbündeten+, die zur Feier von Kaisers Geburtstag -+Versammelten+, die durch die Überschwemmung +Beschädigten+, die auf -preußischen Universitäten +Studierenden+, der wegen einer geringfügigen -Übertretung +Angeklagte+, wäre es möglich, alle diese Partizipia als -Substantiva zu fühlen -- und nur darauf kommt es an! --, dann müßte man -auch sagen können: alle bisher +Forschung+, alle vernünftig +Denker+, -die im Elsaß Reise, die zwei Jahre lang +Verbindung+, die zur Feier -von Kaisers Geburtstag +Versammlung+, der durch die Überschwemmung -+Schade+, die auf preußischen Universitäten +Studenten+, die wegen -einer geringfügigen Übertretung +Anklage+. Wollte man hier wirklich -eine Substantivierung annehmen und äußerlich vornehmen, so könnte das -nur so geschehen, daß man die ganze Bekleidung mitsubstantivierte -und schriebe: die +Wirklichoderangeblichminderbegabten+, jeder -+Tieferindiegoethestudieneingedrungne+. So verfährt man ja wirklich bei -kurzen Zusätzen wie: die +Leichtverwundeten+, der +Frühverstorbne+, die -+Fernerstehenden+, die +Wenigerbegabten+. - -Nun könnte man sagen: gut, wir wollen da, wo Adjektiva und Partizipia -allein stehen, sie mit großen Anfangsbuchstaben schreiben; treten -sie mit irgendwelchen Zusätzen auf, so mögen sie mit dem kleinen -Buchstaben zufrieden sein. Was soll aber dann geschehen, wenn -beide Fälle miteinander verbunden sind, was sehr oft geschieht, -z. B.: das +unbedeutende+, in der Eile +hingeworfne+ -- etwas -+selbstverständliches+, mit Händen +greifbares+ -- etwas +großes+, -der ganzen Menschheit +ersprießliches+ -- eine nach dem +pikanten+, -noch nicht +dagewesenen+ haschende Phantasie -- mit Verzicht auf das -+verlorne+ und zu unsrer Sicherheit unbedingt +notwendige+? Soll man da -abwechseln? das eine klein, das andre groß schreiben? - -Das vernünftigste wäre ohne Zweifel, man beschränkte die großen -Anfangsbuchstaben überhaupt auf die wirklichen Substantiva und schriebe -alles übrige klein. Aber zu schreiben: das durch redlichen Fleiß -+Gewonnene+, und sich und andern einzureden: +Gewonnene+ sei hier ein -Substantiv, ist doch geradezu ein Verbrechen an der Logik. Aber auch -das +schrittweise Gewonnene+ ist Unsinn. Denn wäre +Gewonnene+ ein -Hauptwort, dann könnte +schrittweise+ nur ein Eigenschaftswort sein, -und das ist es nicht, ist aber +schrittweise+ ein Adverbium, dann kann -+Gewonnene+ nur eine Verbalform sein, und das ist es ebenfalls nicht, -sowie man es mit G schreibt. - - -Die Apposition - -Eine Regel, die schon der Quintaner lernt, lautet: eine Apposition -muß stets in demselben Kasus stehen wie das Hauptwort, zu dem sie -gehört. Das ist so selbstverständlich, daß es ein Kind begreifen -kann. Nun sehe man sich aber einmal um, wie geschrieben wird! Da -heißt es: das Gastspiel +des+ Herrn R., +erster Tenor+ an der Skala -in Mailand -- der Verfasser +der+ Sylvia, +ein Buch+, das wir leider -nicht kennen -- es gilt das namentlich von +dem+ mitteldeutschen -Hofbau, +die verbreitetste+ aller deutschen Bauarten -- der First ist -+mit+ freistehenden +Figuren+, Petrus und +die vier Evangelisten+, -geschmückt -- offenbar hat Trippel von +jener Skulptur+, +eine+ dem -Apoll von Belvedere nicht +allzufernstehende Arbeit+, die Anregung -erhalten -- in Koblenz war ich ein Stündchen +bei Bädeker+, ein recht -+liebenswürdiger, verständiger+ Mann -- das Grab war +mit+ Reseda und -+Monatsrosen+ geschmückt, +die Lieblingsblumen+ der Verstorbnen -- -anders verhält es sich mit +dem Sauggasmotor+, +ein Apparat+, der das -erforderliche Gas selbst erzeugt. Solche Verbindungen kann man sehr -oft lesen; mag der Genitiv, der Dativ, der Akkusativ vorausgehen, -gleichviel: die Apposition wird in den Nominativ gesetzt. Sie wird -behandelt wie eine Parenthese, als ob sie gar nicht zum Satzgefüge -gehörte, als ob sie der Schreibende „beiseite“ spräche oder in den Bart -murmelte. - -Auch dieser Fehler ist, wie so manches in unsrer Sprache, durch -Nachäfferei des Französischen entstanden. Nicht daß das Französische -bei seiner strengen Logik eines solchen Unsinns fähig wäre, zu einem -Hauptwort im Genitiv eine Apposition im Nominativ zu setzen. Wenn der -Franzose schreibt: ~le faîte est orné de statues~, ~St. Pierre et les -quatre évangélistes~, so empfindet er natürlich ~les évangélistes~ -so gut von de abhängig wie das vorhergehende. Der Deutsche aber, der -ein bißchen Französisch gelernt hat, sieht nur die unflektierte Form, -bildet sich ein, das sei ein Nominativ, und plumpst nun hinter +des+ -und +dem+ und +den+ mit seinem +der+ drein. Es ist wie ein Schlag ins -Gesicht, ein solcher Nominativ als Genosse und Begleiter eines ~casus -obliquus~. - -Auch wenn die Apposition mit +als+ angeschlossen wird, muß sie -unbedingt in demselben Kasus stehen wie das Wort, zu dem sie tritt, -z. B.: ein Vortrag über Viktor +Hugo+ als +politischen Dichter+ -(nicht +politischer+!) -- ein Portal mit zwei gefesselten +Türken+ -als +Schildhaltern+ (nicht +Schildhalter+!) -- eine Zusammenfassung -+Schlesiens+ als +eines+ Ganzen (nicht ein +Ganzes+!). Nur wenn sie -sich an das besitzanzeigende Adjektiv anschließt, also eigentlich im -Genitiv stehen müßte, nimmt man sich allgemein die Freiheit, zu sagen: -+mein+ Beruf +als Lehrer+, +seine+ Bedeutung +als Dichter+. - -Nicht zu verwechseln mit der Apposition hinter +als+ ist das -Prädikatsnomen hinter +als+ und dem Partizip eines Zeitworts, wie -+gesandt+, +berufen+, +bekannt+, +berühmt+, +gefeiert+, +bewährt+, -+berüchtigt+ usw. Beim ~Verbum finitum~ steht selbstverständlich ein -Prädikatsnomen, das sich an das Subjekt anschließt, im Nominativ: -der +Entschlafne+ wurde als +Mensch+ wie als Politiker gleich hoch -geschätzt; schließt es sich an das Objekt an, so steht es im Akkusativ: -ich habe +den Entschlafnen+ als +Menschen+ wie als Politiker gleich -hoch geschätzt. Manche schreiben nun aber auch: die Stadt hat ihr +als -ausgezeichneten Verwaltungsbeamten+ bekanntes +Oberhaupt+ verloren. -Das ist des Guten zu viel. Beim Partizip steht das Prädikatsnomen -stets im Nominativ, der Kasus, auf den es sich bezieht, mag sein, -welcher er will, z. B.: auf die Vorstellungen +des als Gesandter+ -an ihn geschickten +Tilo+ -- an die Stelle +des als Professor+ nach -Aachen versetzten +Baumeisters+ -- als Nachfolger +des als Gehilfe+ -des Finanzministers nach Petersburg berufnen +Geheimrats+ -- +dem+ als -vortrefflicher +Dirigent+ bekannten +Kapellmeister+. Dieser Nominativ -erklärt sich daraus, daß er eben stets hinter dem passiven ~Verbum -finitum~ steht, sogar oft im Aktiv bei rückbezüglichen Zeitwörtern, -wie +sich zeigen+, +sich beweisen+, +sich verraten+, +sich entpuppen+, -+sich bewähren+, wo eigentlich der Akkusativ am Platze wäre: er hat -+sich+ als +ausgezeichneter Verwaltungsbeamter+ bewährt. Hier ist -übrigens ein Unterschied möglich; er zeigte +sich+ als +feinen+ Kenner --- ist etwas andres als: er zeigte +sich+ als +feiner+ Kenner. Der -Akkusativ entspricht einem Objektsatz im Konjunktiv (er zeigte, daß er -ein feiner Kenner +sei+), der Nominativ einem Objektsatz im Indikativ -(er zeigte, daß er ein feiner Kenner +ist+). Aber dieser Unterschied -ist so fein, daß ihn die wenigsten nachfühlen werden; die meisten -schreiben unwillkürlich überall den Nominativ. - -Bei +sein lassen+ und +werden lassen+ muß ein zum Objekt gehöriges -Prädikat natürlich im Nominativ stehen. Falsch heißt es in dem -Gesangbuchliede: laß du +mich deinen Tempel+ sein, falsch auch bei -Uhland: laß +du mich deinen Gesellen+ sein -- so annehmbar es auch zu -klingen scheint. Es muß heißen: laß du +mich dein Geselle+ sein -- laß -+ihn ein tüchtiger Künstler+ werden. - - -Der Buchtitelfehler - -Ein besonders häufiges Beispiel einer fehlerhaften Apposition -findet sich auf Buchtiteln. Gewiß auf der Hälfte aller Buchtitel -wird jetzt zum Verfassernamen, der ja immer hinter +von+, also im -Dativ steht, das Amt oder der Beruf des Verfassers im Nominativ -gesetzt! Noch in den vierziger und fünfziger Jahren des vorigen -Jahrhunderts war diese Nachlässigkeit fast unbekannt; da schrieb -man noch richtig; +von+ Joseph +Freiherrn+ von Eichendorff, +von+ -H. Stephan, kgl. preußisch+em+ Postrat. Jetzt heißt es: +von+ -C. W. Schneider, Reichstagsabgeordnet+er+ -- +von+ H. Brehmer, -dirigierend+er+ Arzt -- +von+ F. Kobeker, kaiserl. russisch+er+ -Geheimrat -- +von+ Egbert von Frankenberg, diensttuend+er+ Kammerherr --- +von+ Havestadt und Contag, Regierungsbaumeist+er+ -- +von+ ~Dr.~ -Leonhard Wolff, städtisch+er+ Musikdirektor -- +von+ J. Hartmann, -königl. preußisch+er+ Generalleutnant z. D. -- +von+ Adolf Zeller, -königlich+er+ Regierungsbaumeister -- +von+ Adolf Winds, königl. -sächsisch+er+ Hofschauspieler -- +von+ ~Dr.~ Friedrich Harms, weiland -ordentlich+er+ Professor an der Universität Berlin -- +von+ L. Schmidt, -korrespondierend+es+ Mitglied des Vereins usw. Besonders häufig -erscheinen der +Dozent+, der +Privatdozent+ und der +Architekt+ in -solchen fehlerhaften Appositionen; es ist, als ob die Herren ganz -vergessen hätten, daß sie nach der schwachen Deklination gehen (+dem+ -Dozent+en+, +dem+ Architekt+en+). Mitunter sind ja die Verfasser so -vorsichtig, das Wort, auf das es ankommt, abzukürzen, z. B.: +von+ -Heinrich Oberländer, +königl.+ Schauspieler. Namentlich der +ordentl.+ -und der +außerordentl.+ Professor gebrauchen gern diese Vorsicht und -überlassen es dem Leser, sich die Abkürzung nach Belieben zu ergänzen. -Die meisten Leser ergänzen aber sicher falsch.[105] Hat außerdem noch -der Name des Druckers oder des Verlegers eine Apposition, so kann es -vorkommen, daß auf einem Buchtitel der Fehler zweimal steht, oben -beim Verfassernamen und dann wieder unten am Fuße: Druck +von+ Gustav -Schenk, königlich+er+ Hofliefer+ant+! - -Aber auch in andern Fällen, nicht bloß wo sich der Verfasser -eines Buches nennt, wird der Fehler oft begangen. Man schreibt -auch: Erinnerungen +an+ Botho von Hülsen, Generalintend+ant+ der -königlichen Schauspiele. Auf Briefadressen kann man lesen: +Herrn+ -~Dr.~ Müller, Vorsitzend+er+ des Vereins usw. Es ist, als ob alle -solche Appositionen, die Amt, Titel, Beruf angeben, zusammen mit den -Personennamen als eine Art von Versteinerungen betrachtet würden. Daß -+von+ den Dativ, +an+ den Akkusativ regiert, dafür scheint hier alles -Bewußtsein geschwunden zu sein. Erst kommt die Präposition, dann der -Name, und dann, unflektiert und, wie es scheint, auch unflektierbar, -der Wortlaut der -- Visitenkarte. - - -Frl. Mimi Schulz, Tochter usw. - -Zu der einen Nachäfferei des Französischen bei der Apposition kommt -aber jetzt noch eine zweite, nämlich die, den Artikel wegzulassen. In -gutem Deutsch ist das nur dann üblich, wenn die Apposition Amt, Beruf -oder Titel bezeichnet, und auch da eigentlich nur in Unterschriften, -wenn man selber seinen Namen und Titel hinschreibt. Aber abgeschmackt -ist es, den Artikel bei Verwandtschaftsbegriffen wegzulassen, und -doch kann man das jetzt ebenso oft in Geschichtswerken wie in -- -Verlobungsanzeigen lesen. Historiker und Literarhistoriker schreiben: -die Bekanntschaft mit Körner, +Vater+ des Dichters Theodor Körner --- die Briefe sind an die Herzogin Dorothee Susanne, +Gemahlin+ des -Herzogs Johann Wilhelm, gerichtet -- Gabriele von Bülow, +Tochter+ -Wilhelm von Humboldts -- sogar: Direktor Adler, +Pate+ meiner Schwester --- und der Reserveleutnant und Gymnasialoberlehrer Schmidt zeigt an, -daß er sich mit Fräulein Mimi Schulz, +Tochter+ des Herrn Kommerzienrat -Schulz, verlobt habe. Diese lapidarische Kürze mag in den Augen des -Reserveleutnants der Größe des Augenblicks angemessen erscheinen -- -deutsch ist sie nicht. Hat der Herr Kommerzienrat nur die eine Tochter, -so muß es heißen: +der Tochter+, hat er mehrere, so muß es heißen: -+einer Tochter+; und warum soll die Welt nicht erfahren, ob er noch -mehr hat? Und wenn der Geschichtschreiber nicht wüßte, oder wenn es -überhaupt unbekannt wäre, ob die Fürstin, von der er erzählt, eine oder -mehrere Töchter gehabt hat, so müßte es immer heißen: +eine Tochter+, -denn +eine+ Tochter war es auf jeden Fall, ob sie nun die einzige war -oder Schwestern hatte. - -Ebenso falsch ist es natürlich, zu schreiben, der Vorwärts, +Organ+ der -sozialdemokratischen Partei. Hat die Partei mehrere „Organe“, so muß -es heißen: +ein+ Organ; hat sie nur das eine, ist das ihr anerkanntes -amtliches „Organ“, so muß es heißen: +das+ Organ. +Organ+ allein könnte -höchstens (in dem zweiten Falle) unter dem Titelkopfe der Zeitung -stehen. - - -Bad-Kissingen und Kaiser Wilhelm-Straße - -Daß ein Eigenname nicht mit einer vorangestellten Apposition ein -zusammengesetztes Wort bilden kann, darüber ist sich wohl jedermann -klar. +Kaiser Wilhelm+ -- das sind und bleiben zwei Wörter, so gut wie -+Doktor Luther+, +Bruder Straubinger+, +Inspektor Bräsig+, +Familie -Mendelssohn+, +Stadt Berlin+ u. ähnl. Trotzdem ist neuerdings der -Unsinn aufgekommen, namentlich bei Badeorten die Apposition +Bad+ durch -einen Strich mit dem Ortsnamen zu verbinden, als ob beides zusammen -+ein+ Wort bildete. +Bad-Sulza+, im Gegensatz dazu dann +Stadt-Sulza+, -+Bad-Elster+, +Bad-Kissingen+, +Bad-Nauheim+ -- so wird selbst -amtlich von der Post und der Eisenbahn z. B. in Briefstempeln und auf -Eisenbahnbilletts gedruckt. Und besucht man dann einen solchen Badeort, -so sieht man, daß dort auch hinter dem Worte +Villa+ der Unsinn in -üppigster Blüte steht: +Villa-Daheim+, +Villa-Schröter+, +Villa-Maria+, -+Villa-Quisisana+ -- anders wird gar nicht mehr an die Häuser gemalt, -einer machts immer dem andern nach.[106] - -Mit diesem Unsinn kreuzt sich aber nun ein andrer. Teils infolge des -übertriebnen juristischen Genauigkeitsbedürfnisses, teils infolge des -herrschenden Byzantinismus unsrer Zeit kann man es sich nicht versagen, -da, wo nun wirkliche Zusammensetzungen mit Eigennamen gebildet werden, -auch noch Vornamen, Titel oder sonstige Appositionen davorzusetzen und -zu schreiben: +Gustav Freytag-Straße+, +von (!) Falckenstein-Straße+, -+Kaiserin Augusta-Straße+, +Königin Carola-Gymnasium+, +Königin -Luisen-Garten+, +Kaiser Friedrich-Quelle+, +Generalfeldmarschall Prinz -Friedrich Karl von Preußen-Eiche+, +Familie Mendelssohn-Stiftung+, -+Baronin Moritz von Cohn-Stiftung+, +Philipp Reis-Denkmal+, +Waldemar -Meyer-Quartett+, +Gustav Frenssen-Abend+, +Arthur Nikisch-Stipendium+, -+Auguste Schmidt-Haus+, +Hugo Wolff-Nachruf+ usw. Wenn man früher -eine Straße nach dem großen Preußenkönig, einen Kanal nach dem großen -Bayernkönig nannte, so nannte man sie einfach +Friedrichstraße+, -+Ludwigskanal+. Eine Stiftung hieß die +Wiedebachsche Stiftung+, mochte -sie nun von einem Manne namens Wiedebach, einer Frau namens Wiedebach -oder einer Familie namens Wiedebach herrühren. Auf den Namen kam es -an. Ein Name soll doch eben ein Name sein, aber keine Geschichte, -kein Steckbrief, keine Hofkalenderadresse, keine Visitenkarte. Die -heute beliebten langatmigen Bezeichnungen sind aber alles andre, nur -keine Namen. Dazu kommt aber nun, daß alle solche Worthaufen, die -doch als zusammengesetzte Wörter gelten sollen, vor den Eigennamen -ohne Bindestrich geschrieben werden: +Kaiser Wilhelm-Straße+. Das -kann doch nichts andres bedeuten als einen Kaiser, der Wilhelmstraße -heißt! Soll es eine Straße bedeuten, die nach Kaiser Wilhelm genannt -ist, so muß sie unbedingt geschrieben werden: +Kaiser-Wilhelm-Straße+. -Und ebenso muß unbedingt geschrieben werden: +Gustav-Adolf-Verein+, -+Maria-Stuart-Tragödie+, +Baronin-Moritz-von-Cohn-Stiftung+, -+Generalfeldmarschall-Prinz-Friedrich-Karl-von-Preußen-Eiche+. Wem das -nicht gefällt, der bilde keine solchen Wörter. Es geht aber schon so -weit, daß man eine Schule +Kaiser Wilhelm II. Realschule+ genannt hat! -Wie soll man das nur aussprechen? - -In der unsinnigen Schreibung solcher Wortungetüme (ohne alle -Bindestriche) offenbart sich wieder der zerrüttende Einfluß des -Englischen. Das Englische kennt ja keine Wortzusammensetzungen. Die -Wörter kollern da aufs Papier wie die Pferdeäpfel auf die Straße: -+Original Singer Familien Nähmaschine+. Das ist zu schön, das muß doch -wieder nachgemacht werden! - - -Der Dichter-Komponist und der Doktor-Ingenieur - -Eine fehlerhafte und abgeschmackte Nachahmung des Französischen und -des Englischen liegt auch in Verbindungen wie +Prinz-Regent+ und -+Dichter-Komponist+ vor. Nach deutscher Logik (vgl. +Chorregent+, -+Liederkomponist+) wäre ein +Dichterkomponist+ ein Komponist, der -Dichter komponierte, ein +Prinzregent+ ein Regent, der einen Prinzen -regierte; das eine soll aber ein Dichter sein, der zugleich komponiert, -das andre ein Prinz, der die Regentschaft führt; das erste Wort soll -also nicht das Bestimmungswort des zweiten, sondern das zweite eine -Art von Apposition zum ersten sein. Das erste Beispiel dieser Art -war wohl der +Bürgergeneral+, wie Goethe wörtlich das französische -~citoyen-général~ übersetzt hatte; später kam der +Prinz-Gemahl+ -dazu (dem englischen ~prince-consort~ nachgebildet). Und nun war -kein Halten mehr. Nun folgten auch die +Herzogin-Mutter+, die -+Königin-Witwe+, der +Prinz-Regent+, der +Fürst-Bischof+ und der -+Fürst-Reichskanzler+, und in andern Lebenskreisen, dem französischen -~peintre-graveur~, ~membre-protecteur~ und ~commis-voyageur~ -nachgeäfft, der +Maler-Radierer+, der +Maler-Dichter+ (z. B. Reinick, -Stifter, Fitger), der +Dichter-Komponist+ und der +Senior-Chef+. Kann -man sich da wundern, wenn die Dienstmädchen nun auch von einem Prinzen, -der in Leipzig studiert, sagen: Dort fährt der +Prinz-Student+? Manche -Zeitungen getrauen sich schon nicht mehr, Fürstenkinder als Söhne und -Töchter zu bezeichnen, sondern schreiben stets: die +Prinzen-Söhne+, -die +Prinzessinnen-Töchter+. In gewissen sächsischen Zeitungen z. B. -hat der König von Sachsen immer nur +Prinzensöhne+. Es fehlt nur noch -die +Kaiserin-Großmutter+ und die +Königin-Tante+. Das neueste der Art -ist der +Doktor-Ingenieur+, der lächerlicherweise noch dazu ~Dr. ing.~ -geschrieben wird, was man doch höchstens ~Doctor ingenii~ lesen kann. -Hätte es da nicht näher gelegen und wäre es nicht logischer gewesen, -solche Herren als ~Dr. techn.~ zu bezeichnen? - - -In einer Zeit wie der unsrigen - -Keine eigentliche Apposition liegt vor, wenn man sagt: +in einer Zeit+ -wie +der unsrigen+, sondern hier hat ein kurzer Nebensatz, und zwar -ein Attributsatz (+wie die unsrige ist+), sein Zeitwort eingebüßt, und -das übrigbleibende Subjekt des Satzes ist dann unwillkürlich zu dem -vorhergehenden Dativ gezogen, „attrahiert“ worden. Manche wollen von -dieser Attraktion nichts wissen; sie ist aber sehr natürlich und liegt -so nahe, daß es pedantisch wäre, sie zu vermeiden. Gegen Verbindungen -wie: in +einem Buche+ wie dem vorliegenden, oder: es bedarf +eines -Reaktionsstoffes+ wie +des Natriums+ -- ist nicht das geringste -einzuwenden; es klingt sogar gesucht und hart, wenn jemand schreibt: -+von+ Perioden wie +die jetzige+ kann man sagen -- sie wollte ihren -Sohn +vor+ einem ähnlichen Schicksal wie +das+ seines Vaters bewahren --- wer die Jugend +zu+ einem Berufe wie +der ärztliche+ vorbereiten -will -- +solche+ kleinere Sammlungen wurden +in+ Werken wie +die -Weingartner Handschrift+ vereinigt. - - -Gustav Fischer, Buchbinderei - -Eine Geschmacklosigkeit, die sich in der Sprache unsrer Geschäftsleute -mit großer Schnelligkeit verbreitet hat, besteht darin, zu einem -Personennamen eine Sache als Apposition zu setzen, z. B.: +Gustav -Fischer, Buchbinderei+ -- +Th. Böhme, Schuhmacherartikel und -Schäftefabrik+ -- +B. Fricke, Kartoffelmehl ~en gros~+ -- +Leopold -Wallfisch, Leder+. Früher sagte man vernünftigerweise: +Gustav Fischer, -Buchbinder+, und wer zu verstehen geben wollte, daß er sein Geschäft -nicht allein, sondern mit einer Anzahl von Gesellen betreibe (jetzt -heißt es vornehmer: Gehilfen, obwohl ein Geselle von damals viel mehr -zu bedeuten hatte als so ein moderner „Gehilfe“!), sagte: +Gustav -Fischers Buchbinderei+ oder +Buchbinderei von Gustav Fischer+. Der -Unsinn, einen Menschen eine Buchbinderei zu nennen, ist unsrer Zeit -vorbehalten geblieben. - -Man könnte nun einwenden, in solchen Verbindungen solle der -Personenname gar nicht den Mann bedeuten, sondern die Firma, das -Geschäft; in dem Zusatz solle also gar keine Apposition liegen, -sondern mehr eine „Juxtaposition“. In den altmodischen Firmen sei nur -der eine Satz ausgedrückt gewesen: (hier wohnt) +Gustav Fischer+; in -den neumodischen Firmen seien zwei Sätze ausgedrückt: (hier wohnt) -+Karl Bellach+, (der hat eine) +photographische Anstalt+, oder: (hier -hat sein Geschäft) +Siegfried Goldmann+, (der verkauft) +Wolle+. Wie -steht es denn aber dann, wenn man in einem Ausstellerverzeichnis -lesen muß: Herr +F. A. Barthel, Abteilung+ für Metallklammern, oder -in einer Verlobungsanzeige: Herr +Max Schnetger, Rosenzüchterei+, mit -Fräulein Luise Langbein, oder in einem Fremdenbuche: +Rudolf Dahme, -Kognakbrennerei+, mit Gattin und Tochter, oder in einer Zeitung: Herr -+Gustav Böhme jun., Bureau+ für Orientreisen, telegraphiert uns? Ist da -auch noch die Firma gemeint? - -Zum Teil ist dieser Unsinn eine Folge der Prahlsucht[107] -unsrer Geschäftsleute; es will niemand mehr +Gärtner+ oder -+Brauer+, +Tischler+ oder +Buchbinder+ sein, sondern nur noch -+Gärtnereibesitzer+, +Brauereibesitzer+, +Tischlereibesitzer+, -+Buchbindereibesitzer+ -- immer großartig! Da darf natürlich die -Buchbind+erei+ auch in der Firma nicht fehlen. Zum andern Teil ist er -aber doch auch eine Folge der Verwilderung unsers Sprachgefühls. +W. -Spindlers Waschanstalt+ und +Gotthelf Kühnes Weinkellereien+ -- das -wäre Sprache; +W. Spindler Färberei und Waschanstalt+ und +Gotthelf -Kühne Weinkellereien+ -- das ist Gestammel. Man will aber gar nicht -mehr sprechen, man will eben stammeln. - - -Die persönlichen Fürwörter. Der erstere und der letztere - -Recht vorsichtig sollte man immer in dem Gebrauche der persönlichen -Fürwörter sein. Wer schreibt, der weiß ja, wen er mit einem -+er+ oder +ihn+ meint; der Leser aber versteht oft falsch, weil -mehrere Hauptwörter vorhergegangen sind, auf die sich das Fürwort -zurückbeziehen kann, sucht dann nach dem richtigen Wort und wird so in -ärgerlicher Weise aufgehalten. Wo daher ein Mißverständnis möglich ist, -ist es immer besser, statt des Fürworts wieder das Hauptwort zu setzen, -besonders dann, wenn im vorhergehenden zwei Hauptwörter einander -gegenübergestellt worden sind. Leider macht sich auch hier wieder der -törichte Aberglaube breit, daß es unschön sei, kurz hintereinander -mehreremal dasselbe Wort zu gebrauchen. - -Man nehme folgende Sätze: Schon in Goethe, ja schon in dem -musikliebenden Luther findet sich das unbestimmte Vorgefühl einer -solchen Entwicklung; Goethe hatte bekanntlich bis zu seinem vierzigsten -Jahre die ernstliche Absicht, sich der bildenden Kunst zu widmen, -und die Haupttat Luthers, die Bibelübersetzung, ist eine wesentlich -künstlerische Tat. - -Das sind gewiß ein paar gute, tadellose Sätze, so klar, übersichtlich -und wohlklingend, wie man sie nur wünschen kann. Da kommt nun der -Papiermensch drüber und sagt: Entsetzlich! Da steht ja zweimal -hintereinander Goethe und zweimal hintereinander Luther! Jedes zweite -mal ist vom Übel, also weg damit! Es muß heißen: +der eine+ und +der -andre+, oder +jener+ und +dieser+, oder -- und das ist nun das schönste -von allem --: +ersterer+ und +letzterer+. Also: schon in Goethe, -ja schon in dem musikliebenden Luther findet sich das unbestimmte -Vorgefühl einer solchen Entwicklung: +ersterer+ hatte bekanntlich bis -zu seinem vierzigsten Jahre die ernstliche Absicht, sich der bildenden -Kunst zu widmen; und die Haupttat des +letztern+, die Bibelübersetzung, -war eine wesentlich künstlerische Tat. - -Über die häßliche Komparativbildung +ersterer+ und +letzterer+ -ist schon bei den Relativsätzen gesprochen worden (vgl. S. 123). -Wie häßlich ist aber erst -- dort wie hier -- die Anwendung! Das -angeführte Beispiel ist ja verhältnismäßig einfach, und da es vorher -mit Wiederholung der Namen gebildet worden ist, so sieht man leicht, -worauf sich +ersterer+ und +letzterer+ beziehen soll. Aber welche -Qualen kann dem Leser in tausend andern Fällen ein solches +ersterer+ -und +letzterer+, +dieser+ und +jener+ bereiten! Man hat ja, wenn man -arglos vor sich hinliest, keine Ahnung davon, daß sich der Schreibende -gewisse Wörter gleichsam heimlich numeriert, um hinterher plötzlich -von dem Leser zu verlangen, daß der sie sich auch numeriert und -- -mit der Nummer gemerkt habe. Auf einmal kommt nun so ein verteufeltes -+ersterer+. Ja wer war denn der +erstere+? Hastig fliegt das Auge -zurück und irrt in den letzten zwei, drei Zeilen umher, um darnach zu -suchen. +Ersterer+ -- halt, da steht +er+: Luther! Also: Luther hatte -bekanntlich bis zu seinem vierzigsten Jahre die ernstliche Absicht, -sich der bildenden Kunst zu widmen. Unsinn! der andre muß es gewesen -sein, also noch einmal suchen! Richtig, hier steht er: Goethe! Also: -Goethe hatte bekanntlich die ernstliche Absicht -- Gott sei Dank, jetzt -sind wir wieder im Fahrwasser. Zum Glück verläuft ja in Wirklichkeit -dieses Hinundhergeworfenwerden etwas schneller; aber angenehm ist es -nicht, und doch, wie oft muß mans über sich ergehen lassen! - -Noch ein paar weitere Beispiele: Diskretion ist eine Tugend der -Gesellschaft: +diese+ kann nicht ohne +jene+ bestehen -- unerfahrne -Kinder und geübte Diplomaten haben das oft blitzartige Durchschauen -von Menschen und Charakteren miteinander gemein, aber freilich aus -verschiednen Gründen: +jene+ besitzen noch den Blick für das Ganze, -+diese+ schon den für die Einzelheiten des menschlichen Seelenlebens --- wie Raffael in der Form, ist Rembrandt in der Farbe nichts weniger -als naturwahr; +dieser+ hat seinen selbständigen und in gewissem -Sinne unnatürlichen Stil gerade so gut wie +jener+; und insofern -Rembrandt in seinen Bildern sogar eine noch intensivere persönliche -Handschrift zeigt als Raffael, hat der +erstere+ noch mehr Stil als -der +letztere+ -- der Gelehrte ist seinem Wesen nach international, -der Künstler national; darauf gründet sich die Überlegenheit des -+letztern+ über den +erstern+ -- dieser Umschwung ist wieder durch -den Egoismus bewirkt worden, nur daß es diesmal nicht der des Gebers, -sondern der des Nehmers war; +jener+ hat in +diesem+ seinen Meister -gefunden; +letzterer+ das Werk würdig fortgesetzt. Alle solche Sätze -sind eine Qual für den Leser. Wer ist +dieser+, wer ist +jener+, wer -ist +letzterer+? In dem letzten Beispiele sollen +dieser+ und +jener+ -der Geber und der Nehmer sein, aber in welcher Reihenfolge? +Dieser+ -soll sich auf den näherstehenden, +jener+ auf den fernerstehenden -beziehen, +letzterer+ bezieht man unwillkürlich zunächst auf Meister, -es ist aber wieder der Nehmer gemeint. Ist es denn da nicht gescheiter, -zu schreiben: dieser Umschwung ist wieder durch den Egoismus bewirkt -worden, nur daß es diesmal nicht der des Gebers, sondern der des -Nehmers war; der Geber hat im Nehmer seinen Meister gefunden, der -Nehmer hat das Werk würdig fortgesetzt? Das ist sofort verständlich, -und alles ängstliche Umkehren und Suchen fällt weg. - -Ein ganz besondrer Mißbrauch wird noch mit +letzterer+ allein -getrieben. Viele sind so verliebt in dieses schöne Wort, daß sie es -ganz gedankenlos (für +dieser+!) auch da gebrauchen, wo gar keine -Gegenüberstellung von zwei Dingen vorhergegangen ist; sie weisen -damit einfach auf das zuletzt genannte Hauptwort zurück; z. B.: das -Preisgericht hat seinen Spruch getan, +letzterer+ greift jedoch -der Entscheidung nicht vor -- das Pepton wird aus bestem Fleisch -dargestellt, sodaß +letzteres+ bereits in löslicher Form dem Magen -zugeführt wird -- Krüge, Teller und Schüsseln bilden das Material, -dem die dichterischen Ergüsse anvertraut werden; sind +letztere+ aber -elegischer Natur, so finden wir sie auf Grabsteinen und Votivtafeln --- in der offiziösen Sprache schreibt man erst dann von gestörten -Beziehungen, wenn der Krieg vor der Tür steht, und daß +letzteres+ -nicht der Fall sei, glauben wir gern -- je weiter entwickelt die Kultur -eines Volkes ist, desto empfindlicher ist +letzteres+ gegen gewaltsame -Eingriffe -- die Stellungnahme (!) des Pietismus zu den Kantoreien -mußte auf +letztere+ lähmend wirken -- die Genossen, die ohne Kündigung -die Arbeit eingestellt hatten und +letztere+ nicht sofort wieder -aufnahmen -- F. schlug den Wachtmeister über den Kopf, als +letzterer+ -(der Kopf?) seine Zelle betrat -- diese Aufsätze sind verhaltne -lyrische Gedichte, von +letztern+ (+solchen+!) nur durch die Form -verschieden usw. Wenn solche Gedankenlosigkeit weitere Fortschritte -macht, so kommen wir noch dahin, daß es in lateinisch-deutschen -Wörterbüchern heißen muß: ~hic~, ~haec~, ~hoc~: +letzterer+, -+letztere+, +letzteres+ (ebenso wie ~qui~, ~quae~, ~quod~: +welch -letzterer+, +welch letztere+, +welch letzteres+). - - -Derselbe, dieselbe, dasselbe - -Zu den entsetzlichsten Erscheinungen unsrer Schriftsprache gehört -der alles Maß übersteigende Mißbrauch, der mit dem Fürwort -+derselbe+, +dieselbe+, +dasselbe+ getrieben wird. An der Unnatur und -Steifbeinigkeit unsers ganzen schriftlichen Ausdrucks trägt dieses -Wort die Hälfte aller Schuld. Könnte man unsrer Schriftsprache diesen -Bleiklumpen abnehmen, schon dadurch allein würde sie Flügel zu bekommen -scheinen. Der Mißbrauch dieses Fürworts gehört zu den Hauptkennzeichen -jener Sprache, von der nun schon so viele Beispiele in diesem Buche -angeführt worden sind, und die man so treffend als papiernen Stil -bezeichnet hat.[108] - -Unter hundert Fällen, wo heute +derselbe+ geschrieben wird, sind keine -fünf, wo das Wort in seiner wirklichen Bedeutung (~idem~, ~le même~, -~the same~) stünde. In der lebendigen Sprache wird es zwar in seiner -wirklichen Bedeutung täglich tausendmal gebraucht, auf dem Papier aber -fast gar nicht mehr; da wird es immer ersetzt durch +ebenderselbe+ -oder +einundderselbe+ oder +der nämliche+ oder +der gleiche+ (von dem -+gleichen+ Verfasser erschien in der +gleichen+ Verlagsbuchhandlung -usw.). Daß zur Gleichheit mindestens zwei gehören, daran denkt man -gar nicht. Zwar so wunderbaren Sätzen wie: Wagner hat +dieselben+ -Quellen benutzt wie Goethe, aber in engerm Anschluß an +dieselben+ -(wo erst ~eosdem~, dann ~eos~ gemeint ist) -- fast gleichzeitig wurde -der Roman Werthers Leiden fertig; über +denselben+ schreibt Goethe in -+demselben+ Briefe usw., begegnet man selten. Aber in fünfundneunzig -unter hundert Fällen ist +derselbe+, +dieselbe+, +dasselbe+ nichts -weiter als +er+, +sie+, +es+ oder +dieser+, +diese+, +dieses+. Und das -ist das ärgerlichste an dem dummen Mißbrauch, daß dabei auch noch der -Unterschied zwischen +er+ und +dieser+ verwischt wird. - -Für das persönliche Fürwort +er+ steht +derselbe+ z. B. in folgenden -Sätzen (man kann in wenig Minuten in jedem Buch und jeder Zeitung die -Beispiele schockweise sammeln): wir brauchten das nur dann zu wissen, -wenn die Welt erst noch geschaffen werden sollte; +dieselbe+ ist aber -bereits fertig -- der Hauptsitz der Rosenkultur ist der Südfuß des -Hämus, doch zieht sich +dieselbe+ auch in das Mittelgebirge hinein --- durch Höhe der Gebäude suchte man zu ersetzen, was +denselben+ an -Breite und Tiefe abging -- was Erich Schmidt gegen die Glaubwürdigkeit -Bretschneiders in Feld führt, reicht nicht aus, +dieselbe+ zu -erschüttern -- der Fall muß allgemeines Aufsehen erregt haben, da -+derselbe+ eine Bürgerstochter aus guter Familie betraf -- neuerdings -hat man versucht, den Reim durch die Alliteration zu verdrängen; Jordan -hat +dieselbe+ eingeführt, und R. Wagner hat +dieselbe+ in freier Weise -verwandt -- ich hatte mir gleich anfangs ein Brunnenglas gekauft, aber -+dasselbe+ blieb jungfräulich -- die Gemeinde war allerdings Besitzer -des Bodens, +derselbe+ wurde aber nicht gemeinschaftlich bearbeitet --- das Manuskript lag halbvergessen in einem Schubfache, bis mir die -Anregung wurde, +dasselbe+ einer Zeitung zu überlassen -- Versuche, -den Verein zu verfolgen, werden +demselben+ nur neues Wachstum -verleihen -- der Inhaber hat die Karte stets bei sich zu führen und -darf +dieselbe+ an andre Personen nicht weitergeben -- der Nebensatz -steht gewöhnlich hinter dem Hauptsatz, +derselbe+ kann jedoch auch -dem Hauptsatz vorangehen, und endlich kann +derselbe+ auch in den -Hauptsatz eingeschaltet sein usw. Kein vernünftiger Mensch spricht so; -jeder braucht, um ein eben dagewesenes Hauptwort zu ersetzen, in der -lebendigen Sprache das persönliche Fürwort. - -In folgenden Sätzen wäre +dieser+ (oder das demonstrative +der+) das -richtige: der Wildbach trat aus und wälzte große Schuttmassen in -die Limmat; dadurch wurde +dieselbe+ in ihrem Laufe gehemmt -- in -Königsberg ließ Lenz seine Ode auf Kant drucken, als +derselbe+ die -Professorwürde erlangte -- in jeder Küche stand früher ein viereckiges -Kästchen aus Blech; +dasselbe+ enthielt vier Gegenstände, unter -anderm eine Masse, die man Zunder hieß; +dieselbe+ war hergestellt -aus usw. -- es finden sich in der Schrift bisweilen originelle -Kombinationen; +dieselben+ sind aber doch völlig wertlos -- freilich -gehört Anlagekapital dazu, +dasselbe+ verzinst sich aber gut -- -für die lokale Feier sind entsprechende Festlichkeiten in Aussicht -genommen; +denselben+ werden geistliche Festlichkeiten vorausgehen -- -das Ergebnis der Revolution wäre sicher nicht der sozialdemokratische -Staat; +derselbe+ (+dieser+!) verlangt eine solche Umwälzung aller -Anschauungen, daß +sich dieselbe+ (+sie sich+!) nicht von heute auf -morgen vollziehen kann. - -Ein Zeitungschreiber kann heutzutage nicht eine Mitteilung von -zwei Zeilen machen ohne dieses unsinnige +derselbe+; erst wenn das -darinsteht, hat die Sache die nötige Wichtigkeit. Der Adjutant des -Sultans ist hier eingetroffen; +derselbe+ überbrachte dem Großfürsten -vier Pferde. Daß man nur ja nicht etwa denke, es habe sie ein andrer -überbracht! nein nein, es war derselbe! Ach, und wenn nun erst noch -die schöne Inversion dazukommt (der Verdacht lenkte sich sofort auf -den wegen Nachlässigkeit bekannten Hausmann, +und wurde derselbe+ in -einem Bodenraum erhängt aufgefunden), und wenn gar die Inversion nur -zu dem Zweck angewandt wird, auch das herrliche +derselbe+ anbringen -zu können (die Zigarren erheben sich weit über das gewöhnliche -Niveau, +und gehören dieselben+ zu den besten usw.), oder wenn sich -zu +derselbe+ noch ein +daselbst+, +dortselbst+, +hierselbst+ oder -+woselbst+ gesellt (denn +da+, +dort+, +hier+ und +wo+ kennt der -Zeitungschreiber auch nicht, das ist ihm viel zu simpel), dann -schwillt die stolze Reporterbrust, er weiß, daß er seinen „bedeutsamen“ -Mitteilungen die würdigste Form verliehen hat. Zur Resolution sprach -bei Beginn der Sitzung der Abgeordnete T.; +derselbe+ erklärte sich -gegen +dieselbe+ -- der Ulan M. erhielt drei Tage Mittelarrest, weil -+derselbe+ beim Appell sein Pferd schlecht vorführte, sodaß +dasselbe+ -einen Kameraden auf den Fuß trat und +denselben+ verletzte -- gestern -abend ist der Herr Justizminister +hierselbst+ eingetroffen und im -Hotel S. abgestiegen. +Derselbe+ begab sich heute morgen nach dem -Amtsgerichtsgebäude, nahm +dasselbe+ eingehend in Augenschein und -wohnte verschiedenen Verhandlungen +daselbst+ bei -- heute wurde hier -eine Windhose beobachtet; +dieselbe+ erfaßte einen Teil des auf der -Wiese liegenden Heues und drehte +dasselbe+ turmhoch in die Luft, -+woselbst+ es dann weiter geführt wurde -- die Färbung der Kreuzotter -ist nicht bestimmt anzugeben, da +dieselbe+ bei +einunddemselben+ (!) -Individuum (!) wechselt und nach der Häutung meist heller erscheint -als vor +derselben+. Das sind Muster von Zeitungssätzen. Aber auch -in wissenschaftlichen Werken und in Erzählungen, in Bekanntmachungen -von Behörden und in Geschäftsanzeigen -- überall verfolgt einen das -entsetzliche Wort. Selbst in den kleinen Scherzgesprächen unter -den Bildern der Fliegenden Blätter und in dem Dialog der neuesten -Lustspiele ist man nicht mehr sicher davor. Man schnellt im Theater von -seinem Sitz in die Höhe, wenn auf der Bühne so ein dummes +derselbe+ -(für +er+) gesprochen wird; aber weder der Schauspieler noch der -Regisseur hat es bemerkt und beseitigt! Wie kommt es nur, liebe B. --- heißt es auf einem Reklamebildchen --, daß deine Kinderchen stets -so blühend und gesund sind, während die meinigen immer bleich und -kränklich aussehen? -- Wir genießen alle als tägliches Getränk Kakao -von Hartwig und Vogel; +derselbe+ ist von anerkannt vorzüglicher -Qualität, ergiebig und daher billig. Nein, so spricht die liebe B. -nicht. Ein bekanntes Geschichtchen erzählt, daß der Lehrer in der -Stunde gefragt habe: wieviel Elemente gibt es, und wie heißen sie? -und der Schüler geantwortet habe: es gibt vier Elemente, und ich heiße -Müller. Das war die Folge davon, daß sich der Lehrer so gewöhnlich -ausgedrückt hatte! Warum hatte er nicht vornehm gefragt, wie unsre -statistischen Formulare: und wie heißen +dieselben+! - -Ein Hochgenuß für den Leser ist es, wenn, wie es tausendfach geschieht, -beide in einem Satz unmittelbar nebeneinander stehen, die herrlichen -Papierpronomina: +derselbe+ (statt +er+) und +welcher+ (statt +der+)! -Zum Verständnis des Parzival ist es nötig, die beiden Sagenkreise, -+welche demselben+ (+die ihm+!) zugrunde liegen, kennen zu lernen -- -in Hyrtls Hause befindet sich der fragliche Schädel (Mozarts), und der -Besitzer, +welcher denselben+ (+der ihn+!) der Stadt Salzburg vermacht -hat, zweifelt nicht an der Echtheit +desselben+ -- Reiskes Briefe kamen -in die Universitätsbibliothek zu Leiden; es sind aufrichtige Verehrer -gewesen, +welche dieselben+ (+die sie+!) jener Bibliothek schenkten, -und sie werden +in derselben+ als ein Schatz geachtet -- das erwähnte -Statut und die Bulle, +welche dasselbe+ (+die es+!) sanktioniert hatte --- bezeichnend für den Geschmack der Direktion und die Zumutungen, -+welche dieselbe+ (+die sie+!) an das Publikum zu stellen wagt -- was -für Forderungen an die Gebildeten gestellt werden, wird je nach dem -Zeitalter, +welchem dieselben+ (+dem sie+!) angehören, verschieden -sein -- die farbige Aufnahme des Fensters verdanken wir Herrn E., -+welcher dasselbe+ (+der es+!) restauriert hat -- wer spricht so? Kein -Mensch. Aber sowie der Deutsche die Feder in die Tinte taucht, fährt -ihm der Registrator oder der Kanzlist in die Glieder. Im fünfzehnten -und sechzehnten Jahrhundert sind Tausende der wichtigsten Urkunden -angefangen worden: Wir tun kund mit diesem Brief allen +denen, die -ihn+ sehen oder hören lesen. Heute in einem Ehrenbürgerbriefe zu -schreiben: Wir ernennen Herrn X. +wegen+ der großen Verdienste, +die -er sich+ um unsre Stadt erworben hat usw. -- das wäre ja im höchsten -Grade würdelos, so spricht man wohl, aber so schreibt man doch nicht! -Wir ernennen Herrn +in Anbetracht+ der großen Verdienste, +welche -derselbe+ um unsre Stadt +sich+ erworben hat usw. -- so klingt es -großartig, feierlich, erhaben! Kaiser Friedrich soll als Kronprinz -1859 zu einer Deputation gesagt haben: Wenn Gott meinen Sohn am Leben -erhält, so wird es unsre schönste Aufgabe sein, +denselben+ in den -Gesinnungen und Gefühlen zu erziehen, +welche+ mich an das Vaterland -ketten. Man kann darauf schwören, daß er nicht so gesagt hat, sondern: -+ihn+ in den Gesinnungen und Gefühlen zu erziehen, +die+ mich an das -Vaterland ketten. Aber der Zeitungschreiber hat das natürlich erst -aus dem Menschlichen ins Papierne übersetzen müssen. In der Poesie -ist +derselbe+ noch viel unmöglicher als +welcher+. Nur in dem alten -Studentenliede ~Ça ça~ geschmauset! heißt es: - - Knaster den gelben - Hat uns Apolda präpariert - Und uns +denselben+ - Rekommandiert. - - -Darin, daraus, daran, darauf usw. - -Es sind ja aber nicht bloß die Fürwörter +er+ und +dieser+ (oder -+der+), die durch den unsinnigen Mißbrauch verdrängt und vermengt -werden; er -- wollte sagen „derselbe“ frißt noch weiter, viel weiter. -In der lebendigen Sprache haben wir die leichten, zierlichen Adverbia: -+darin+, +daraus+, +daran+, +darauf+, +dabei+, +davor+, +dahinter+, -+damit+, +darum+, +dafür+, +dazwischen+ usw.; jeder braucht sie -hundertmal des Tags. Aber sowie einer die Feder ergreift -- wehe den -armen! Dann heißt es: +in demselben+, +aus demselben+, +an demselben+, -+auf demselben+, +mit demselben+, +bei demselben+, +zwischen denselben+ -usw. -- auch in dieser Gestalt storcht das langbeinige Ungetüm -überall durch unsre Schriftsprache. Das Denkmal will alles Prunkvolle -vermeiden, nur das allgemein Menschliche soll +in demselben+ (+darin+!) -betont werden -- die Geistlichen hatten ihren eignen Predigtstuhl, und -+in demselben+ (+darin+!) jeder seinen bestimmten Platz -- so sehr ich -in diesem Punkte mit dem Verfasser einverstanden bin, so entschieden -muß ich die Forderungen bekämpfen, die er +aus demselben+ (+daraus+!) -ableitet -- sie betrachteten sich als die alleinigen Eigentümer des -Landes und gestanden andern keinen Anteil +an demselben+ (+daran+!) -zu -- obgleich durch den Regen der Abmarsch des Festzuges verspätet -und die Beteiligung +an demselben+ (+daran+!) beeinträchtigt wurde -- -die Entstellungen sind wirkungslos, ein unbefangner Beurteiler wird -sich an +dieselben+ (+daran+!) nicht kehren -- im Jahre 1560 wurde -der Turm erhöht und eine Wohnung +auf demselben+ (+darauf+!) erbaut --- die Wiesen waren wieder getrocknet, und bald entwickelte sich +auf -denselben+ (+darauf+!) ein üppiger Graswuchs -- 1890 reichte die -Zahl an den Durchschnitt hinan, 1900 blieb sie +hinter demselben+ -(+dahinter+!) zurück -- der Boden war überall von so wunderbarer -Beschaffenheit, daß sich kaum die fruchtbarsten Gegenden Deutschlands -+mit demselben+ (+damit+!) vergleichen ließen -- der Holzbau ist ein -viel zu überwundner Standpunkt, als daß es der Mühe lohnte, sich in -der Praxis +mit demselben+ (+damit+!) zu befassen -- die Erziehung -des Knaben ruhte ausschließlich in den Händen der Mutter, da sich der -Vater, der sich viel auf Reisen befand, nicht +um dieselbe+ (+darum+!) -kümmern konnte -- hier bedarf es des Glaubens an die gute Sache und der -Begeisterung +für dieselbe+ (+dafür+!) -- keinem kann dieses Studium -erlassen werden, wohl aber bereitet sich +für dasselbe+ (+dafür+!) -ein neuer Maßstab vor -- dieser Gedanke wurde am Mainzer Hofe lebhaft -erwogen, der Kurfürst war ganz +von demselben+ (+davon+!) erfüllt -- -die Fürstin wünschte lebhaft, das Bild zu besitzen, aber Angelika -konnte sich +von demselben+ (+davon+!) nicht trennen -- in der Mitte -des Schrankes hängt ein mächtiges, reich verziertes Schwert, +neben -demselben+ (+daneben+!) rechts und links zwei kleinere Schwerter -- -in diesem Graben fließt eine bedeutende Wassermenge, deshalb ist auch -ein Steg +über denselben+ (+darüber+!) gelegt -- die Presse ist noch -nicht einig, ob sie den Vorfall bedauern oder sich +über denselben+ -(+darüber+!) freuen soll -- das Partizip steht hier absolut, ein Komma -+hinter demselben+ (+dahinter+!) würde nur irreführen usw. Anders wird -gar nicht geschrieben. - -Nach einem weit verbreiteten Aberglauben sollen sich die Adverbia -+darin+, +darauf+, +dafür+ usw. immer nur auf eine Handlung, ein -Zeitwort, einen ganzen Satz, aber nie auf ein Hauptwort beziehen -können. Es sei also zwar richtig, zu antworten: ich kann mich nicht -+darauf+ besinnen -- wenn gefragt worden sei: besinnst du dich, -+was du+ mir damals +versprochen hast+? aber nicht, wenn die Frage -gelautet habe: besinnst du dich auf den +Ausdruck+, den du damals -gebraucht hast? Die angeführten Beispiele zeigen, wie lächerlich dieser -Aberglaube ist. Die lebendige Sprache setzt die Adverbia überall statt -der Präposition in Verbindung mit einem persönlichen Fürwort. Nur -auf Personen können sie sich nicht beziehen, da muß das persönliche -Fürwort stehen. Es gibt zwar Fälle, wo das Adverb auch bei Sachen etwas -ungewöhnlich klingt, z. B.: wer die hiesigen Universitätsverhältnisse -und mein Verhalten +dazu+ nicht kennt; aber das liegt nur daran, daß -uns das dumme +derselbe+ so oft vor die Augen gebracht wird, daß uns -schließlich das Einfache und Natürliche befremdet. Und was hindert -denn, auch hier das persönliche Fürwort zu gebrauchen? Warum sagt man -nicht: die hiesigen Universitätsverhältnisse und mein Verhalten +zu -ihnen+? Bei +ohne+ scheint sowieso nichts andres übrig zu bleiben, -denn ein Adverb +darohne+ gibt es nicht, obwohl man es zu bilden -versucht hat. Auch bei dem Neutrum es entsteht eine Schwierigkeit. Sie -wollte sich durch das Geld Vorteile verschaffen, auf die sie +ohne -dasselbe+ nicht rechnen konnte -- hier ist doch wohl +dasselbe+ ganz -unentbehrlich? Soll man schreiben: +ohne es+? Jakob Grimm hätte es -getan, er schrieb so, er wollte, daß es nicht anders behandelt würde -als +ihn+ und +sie+, und einige sind ihm darin gefolgt. Es klingt aber -doch seltsam, denn +es+ ist gewöhnlich tonlos, und hier müßte es betont -werden. Gibt es denn aber wirklich keinen Ersatz für das fehlende -+darohne+? Gewiß gibt es einen, und er heißt -- +sonst+! Sie wollte -sich durch das Geld Vorteile verschaffen, auf die sie +sonst+ nicht -rechnen konnte. Das ist gutes Deutsch. - -Bisweilen erscheinen in einem Satze zwei gleichklingende persönliche -Fürwörter unmittelbar hintereinander, z. B. +sie+ als Femininum -und als Plural: Handlungen dieser Art suchte die Gewerbeordnung zu -unterdrücken, indem +sie sie+ verbot. Etwas schrecklicheres ist ja -nun für die Augen des Papiermenschen nicht denkbar. Da muß es doch -unbedingt heißen: indem +sie dieselben+ verbot? Nein, auch da nicht, -denn man spricht nicht so, man spricht frischweg +sie sie+, und was -gesprochen und gehört nicht mißfällt, ja nicht einmal auffällt, kann -doch auch geschrieben oder gedruckt keinen Anstoß erregen! Wenn sich -in einer Schulklasse die Mädchen gezankt haben, zwei einer dritten ein -Buch weggenommen haben, der Lehrer Frieden stiftet und dann fragt: -habt +ihr ihr ihr+ Buch wiedergegeben? so ist das doch noch viel -„schlimmer“. Aber wird der Lehrer deshalb fragen: habt +ihr derselben -ihr+ Buch wiedergegeben? - -Der abhängige Genitiv endlich (+desselben+ und +derselben+) kann -überall durch +sein+ und +ihr+ ersetzt werden, denn daß diese Fürwörter -nur im reflexiven Sinne gebraucht werden könnten, ist doch auch -nur Aberglaube.[109] Als die Kaiserin das +Schloß+ besichtigt und -die Schönheit +desselben+ bewundert hatte -- warum nicht: +seine+ -Schönheit? Die Sammlung ist so zeitgemäß, daß zur Rechtfertigung -+derselben+ kein Wort zu verlieren ist -- warum nicht: zu +ihrer+ -Rechtfertigung? Freilich würden einige Geschäfte dann eingehen, da die -ganze Bedeutung +derselben+ darin beruht usw. -- warum nicht: +ihre+ -ganze Bedeutung? Auch wer sich tief in die Eigentümlichkeiten der -spanischen Dichtung versenkt hat und von der lebhaften Bewunderung für -die Vorzüge +derselben+ durchdrungen ist -- warum nicht: für +ihre+ -Vorzüge? Wo eine Verwechslung, ein Mißverständnis entstehen könnte, -da schreibe man +dessen+ und +deren+, z. B.: es muß dem Biographen -nachgerühmt werden, daß er bei aller Liebe zu +seinem+ Helden doch -nicht blind für +dessen+ Schwächen ist. Aber nur nicht +desselben+! -In den allermeisten Fällen aber -- man achte nur darauf und versuche -es! -- kann man den Genitiv einfach streichen, ohne daß der Gedanke -im geringsten an Deutlichkeit verlöre. Nicht auf den Stoff kommt es -an, sondern auf die Behandlung +desselben+ -- über die Aufgaben waren -alle einig, nur schlugen sie zur Lösung +derselben+ verschiedne Wege -ein -- die Erklärung des Parteitags fand so viel Beifall, daß sich die -Führer +desselben+ ermutigt sahen -- Gregor klagte, daß sie die Kirche -zerstört und das Material +derselben+ zum Bau ihrer Häuser verwendet -hätten -- zu den Unregelmäßigkeiten in der äußern Anlage unsrer Dörfer -kommt noch die Unregelmäßigkeit im innern Aufbau +derselben+ -- die -steilere Partie des Berges gehört dem weißen, die mäßig geneigten -Ausläufer +desselben+ dem braunen Jura an -- ich habe die Fachausdrücke -des Deutschen und des Französischen miteinander verglichen und habe -gefunden, daß die Mehrzahl +derselben+ übereinstimmt -- nachdem die -Gäste das Gasthaus verlassen hatten und die Wirtin +desselben+ die Tür -verschlossen hatte -- man streiche überall +desselben+ und +derselben+: -ist irgendwo ein Mißverständnis möglich? Der Kaiser unternahm -heute einen längern Spazierritt und erledigte nach der Rückkehr -+von demselben+ Regierungsgeschäfte. Ja, wovon soll er denn sonst -zurückgekehrt sein als von -- demselben? - - -Derjenige, diejenige, dasjenige - -Noch in anderm Sinne als +derselbe+ ist das schöne Kanzleiwort -+derjenige+ ein Papierpronomen: es ist eigens für die Papiersprache -erfunden worden. +Derjenige+ ist im sechzehnten Jahrhundert aus einem -vorhergegangnen +der jene+ entstanden, wie +derselbige+, das zum Glück -wieder verschwunden ist, aus +der selbe+. Es hat keinen andern Zweck -und keine andre Aufgabe, als das betonte, lange +der+ der lebendigen -Sprache, das determinative Fürwort, das vor Relativsätzen und vor -abhängigen Genitiven steht, auf dem Papier zu ersetzen. Den Ton und die -Länge kann man ja weder schreiben noch drucken, wenigstens ist es nicht -üblich, +dēr+ oder +dér+ zu schreiben[110]; also hilft man sich, so -gut man kann. Der eine läßt das der sperren (wie auch +ein+, wenn es so -viel heißen soll wie +ein einziger+), ein andrer greift zu +jener+, wie -es in Österreich beliebt ist, in der Regel aber schreibt und druckt man -+derjenige+. Wenn man spricht, sagt man zwar: als er endlich +den+ Weg -einschlug, +der+ zum Ziele führen mußte; aber drucken läßt man: als er -endlich +denjenigen Weg+ einschlug, +welcher+ zum Ziele führen mußte. - -Wenn aber nun +derjenige+ allein steht, ohne Hauptwort hinter sich, -z. B.: selbst +diejenigen, welche die+ Schaffung eines allgemeinen -Bürgerlichen Gesetzbuches nicht ganz ablehnten -- kein Scharfsinn -hätte eine bessere Lösung finden können als +diejenige, welche -die+ Verhältnisse zuletzt aufzwangen -- die größten Menschen sind -+diejenigen, welche die+ Kultur einer eben dahinsinkenden Epoche -noch einmal zusammenfassend verkörpern -- da ist es doch wohl ganz -unentbehrlich? Nun, in der lebendigen Sprache sagt man getrost: selbst -+die, die die+ Schaffung eines Gesetzbuches nicht ganz ablehnten -- -eine bessere Lösung als +die, die die+ Verhältnisse zuletzt aufzwangen. -Aber das ist ja wieder das Schreckgespenst des Papiermenschen: nicht -zwei-, nein dreimal hintereinander dasselbe Wort! -- Wirklich? dasselbe -Wort? Dreimal hintereinander dieselben drei Buchstaben: d--i--e; aber -wer seine Ohren aufmacht, der hört doch drei verschiedne Wörter: -+dieh+, +die di+ -- drei Wörter von ganz verschiedner Länge, und hinter -dem ersten eine Pause. Das ist ja wie Musik, es hüpft und springt ja -förmlich. Nun höre man dagegen dieses Schleppen und Schleichen und -Schlurfen: +diejenigen, welche die+![111] - -Nun vollends, daß in der lebendigen Sprache in tausend und aber -tausend Fällen statt +derjenige, welcher+ einfach +wer+ gesagt wird --- also drei Laute statt sechs Silben! --, das ist dem Papiermenschen -völlig unbekannt. Er schreibt: +diejenigen, welche+ die Absicht haben, -Adjuvanten zu werden, lassen sich als Anwärter einschreiben. Ja er wäre -imstande, das Sprichwort: +wer+ Pech angreift, besudelt sich -- oder -den Kinderspruch: +wer+ meine Gans gestohlen hat, der ist ein Dieb --- oder den Goethischen Vers: nur +wer+ die Sehnsucht kennt, weiß, -was ich leide -- zu verwandeln in: +derjenige, welcher+ Pech angreift --- +derjenige, welcher+ meine Gans gestohlen hat -- nur +derjenige, -welcher+ die Sehnsucht kennt usw. - -Leider liegt hier einmal der Fall vor, daß eine Erscheinung der -Papiersprache sogar in die lebendige Sprache eingedrungen ist, -was gewiß selten geschieht. Aktenmenschen und Gewohnheitsredner -bringen es fertig, in Sitzungen und Verhandlungen in einer Stunde -dreißigmal +derjenige, welcher zu+ sagen. Selbst in der Unterhaltung -der „Gebildeten“ kann man es hören; sie haben es eben gar zu oft in -ihrer Zeitung gelesen. Aber die lebendige Sprache des Volks kennt es -nicht; wenn es der Mann aus dem Volke in den Mund nimmt, so tut er es -höchstens, um sich darüber lustig zu machen, er spricht es gleichsam -mit Gänsefüßchen. Also du bist +derjenige, welcher+? fragt er höhnisch --- na warte, Bursche! Oder er sagt: fällt mir gar nicht ein; wenn -ein Unglück passiert, dann bin ich +derjenige, welcher+ (nämlich: -blechen muß), und zitiert damit gleichsam das Gesetzbuch oder die -Polizeiverordnung, worin er die beiden Papierwörter auf jeder Seite -gelesen hat. - - -Jener, jene, jenes - -Der Österreicher gebraucht statt +derjenige+ vor Relativsätzen, -namentlich aber vor einem abhängigen Genitiv +jener+; er schreibt: -diese Vorlesungen haben nur einen bedingten Wert für +jenen+, der -selber Einsicht genug hat, Dichterwerke ohne Beihilfe zu verstehen. Das -halten manche deutsche Schriftsteller jetzt offenbar für eine besondre -Schönheit und machen es nach. In gutem Schriftdeutsch wird aber +jener+ -nur in die Ferne weisend gebraucht, mit einem bald stärkern, bald -schwächern rhetorischen Beigeschmack: wenn ich an +jene schöne Zeit+ -zurückdenke usw. - -Ganz unausstehlich für norddeutsche Ohren ist das österreichische -+jener+ vor einem abhängigen Genitiv, z. B.: der Orden der Dominikaner -und +jener+ der Franziskaner -- wir hoffen, daß sich die Ausstellung -ebenso erfolgreich erweisen werde wie +jene+ von 1897 -- obgleich die -Gesamtzahl ihrer Kräfte +jener+ des Feindes bedeutend nachstand -- ein -~Ecce homo~ trägt das Monogramm Ludwig Krugs, eine Madonna +jenes+ des -Marcantonio Raimondi -- so auffallend erschien dem Tacitus die Art des -deutschen Anbaues gegenüber +jener+ der romanischen Völker -- größere -Gebäude wie Kirchen und Seminare dürfen für die Gesellschaft Jesu -nur mit Erlaubnis des Generals, kleinere mit +jener+ des Provinzials -errichtet werden -- unter den Dienstkrankheiten der Bahnbeamten nehmen -+jene+ der Verdauungsorgane den breitesten Raum ein -- man sucht die -Farbe der Umhüllung meist +jener+ der Blumen anzupassen usw. In allen -diesen Fällen würde die deutsche Amts- und Zeitungssprache +derjenige+ -gebrauchen. Die gute Schriftsprache aber kennt vor solchen Genitiven -nur das determinative Fürwort +der+, +die+, +das+: die Leistungen der -Fabriken stehen gegen +die+ des Handwerks zurück. - - -Zur Kasuslehre. Ich versichere dir oder dich? - -Verhältnismäßig wenig Verstöße werden gegen die Regeln der Kasuslehre -begangen; im allgemeinen herrscht eine erfreuliche Sicherheit darüber, -welchen Kasus ein Zeitwort oder ein Eigenschaftswort zu sich zu nehmen -hat. Bei einer kleinen Anzahl von Zeitwörtern schwankt aber doch der -Sprachgebrauch: der eine verbindet sie mit dem Dativ, der andre mit dem -Akkusativ. Es sind das namentlich die Zeitwörter +heißen+, +lassen+, -+lehren+, +angehen+, +dünken+, +kosten+ und +nachahmen+. - -Mit der berüchtigten Berliner Verwechslung von +mir+ und +mich+ hat -dieses Schwanken nichts zu tun, sondern es hängt meist damit zusammen, -daß in den Begriff dieser Verba sinnverwandte Zeitwörter hineinspielen, -die teils mit dem Dativ, teils mit dem Akkusativ verbunden werden. Aber -nur in den seltensten Fällen hat das Schwanken eine Berechtigung. Bei -+nachahmen+ handelt sichs eigentlich nicht um ein Schwanken, sondern um -zwei verschiedne Bedeutungen des Wortes: es ist ein großer Unterschied, -ob man sagt: ich ahme +dich+ nach, oder ich ahme +dir+ nach. Mit -dem Akkusativ bedeutet es +nachmachen+ (+dich+), mit dem Dativ -+nachstreben+ (+dir+). Wenn Schüler +dem+ Lehrer nachahmen, so kann das -sehr lobenswert sein; wenn sie +den+ Lehrer nachahmen, so kann ihnen -das unter Umständen eine Stunde Karzer eintragen.[112] Schwer ist es, -bei +kosten+ eine Entscheidung zu treffen; +kosten+ ist ein Lehnwort, -entstanden aus dem lateinischen ~constare~. Die Verbindung ~constat -mihi~ ist aber gar nicht maßgebend, denn +kosten+ ist ursprünglich im -Sinne von +aufwenden machen+ gebraucht worden. Der Akkusativ überwiegt -denn auch in der guten Schriftsprache. Bei allen übrigen der genannten -Verba hat der Dativ überhaupt keine Berechtigung. Sätze wie: laß +mir+ -das einmal sehen -- das geht +dir+ nichts an u. ähnl. gehören nur der -niedrigsten Volkssprache an. +Heißen+ verträgt den Dativ der Person -nur ausnahmsweise: wer hat +dir das+ geheißen? (wie: wer hat dir das -+geboten+, +befohlen+, +aufgetragen+?). Im allgemeinen verlangt es, -wie +lehren+, den Akkusativ der Person. Aber gerade für +lehren+ und -+heißen+ verliert die ganze Frage mehr und mehr an Bedeutung, denn -in der lebendigen Sprache werden diese Wörter überhaupt kaum noch -in solcher Verbindung gebraucht. In Mitteldeutschland gebraucht das -Volk +lehren+ mit einem Akkusativ der Person fast gar nicht mehr, -sondern nur +lernen+; man sagt nicht bloß: wo hast du +das gelernt+? -sondern auch: wer hat +dir das gelernt+? Und auch wo man wirklich -noch +lehren+ sagt, setzt man doch den Dativ der Person dazu. Bei -Uhland heißt es noch richtig und sauber: Wer hat +dich solche Streich’+ -gelehrt? Das Volk aber sagt: Ich werde +dir Mores+ lehren. Und in einem -Bibelspruche wie: Herr, +lehre uns bedenken+, daß wir sterben müssen -- -wo +uns+ natürlich der Akkusativ ist --, wird es sicherlich jetzt von -den meisten als Dativ gefühlt. - -Ganz lächerlich ist die Unsicherheit und der Streit darüber, ob es -heißen müsse: ich +versichre dir+ oder: ich +versichre dich+, der Hut -+kleidet dich+, oder: er +kleidet dir+, es +lohnt der Mühe+ oder: -es +lohnt die Mühe+. +Versichern+ ist unzweifelhaft ein transitives -Zeitwort; man versichert sein Leben, seinen Hausrat, seine Ernte. Man -kann auch sagen: ich +versichre dich+ meiner Freundschaft (Goethe: -ich fahre fort, +dich+ meiner Liebe zu +versichern+), wiewohl das -schon etwas gesucht klingt. Aber zu sagen: ich +versichre dich, daß+ -ich nichts davon gewußt habe -- und das für richtig zu halten oder -gar zu verteidigen, kann doch nur einem Sophisten einfallen oder -einem Menschen, der wirklich -- +mir+ und +mich+ nicht unterscheiden -kann. Daß es schon im achtzehnten Jahrhundert so vorkommt, hat gar -nichts zu sagen; der Akkusativ ist eben vernünftigerweise mehr und -mehr gewichen. Wenn auf +versichern+ ein Objektsatz folgt, so ist -doch der Inhalt dieses Satzes das Objekt der Versicherung; diese -Versicherung aber gebe ich nicht +dich+, sondern gebe sie +dir+. -+Versichern+ tritt dann vollständig in eine Reihe mit +beteuern+, -+erklären+, +sagen+, +melden+, +mitteilen+, +berichten+,[113] lauter -Zeitwörtern, die mit dem Dativ der Person und einem Objekt der Sache -verbunden werden. Im Passivum fällt es gar niemand ein zu sagen: +ich -bin versichert worden, daß+, sondern jeder sagt: +mir ist versichert -worden, daß+. Also kann auch im Aktivum das richtige nur sein: +ich -versichre dir, daß+ ich nichts davon gewußt habe. Wenn neuerdings -namentlich in Kreisen, die für vornehm gelten möchten, mit einer -gewissen Absichtlichkeit wieder der Akkusativ gebraucht wird (ich -versichre +Sie+), so ist das eine Modedummheit, durch die sich der -gesunde Menschenverstand und ein natürliches Sprachgefühl nicht werden -irremachen lassen. - -+Kleiden+ mit dem Dativ zu verbinden wäre keinem Menschen eingefallen, -wenn nicht die sinnverwandten intransitiven Zeitwörter +passen+, -+sitzen+ und +stehen+ dazu verführt hätten. Weil man sagt: der Hut -+paßt dir+, +sitzt dir+, +steht dir+, so sagte man auch: er +kleidet -dir+. Richtig ist natürlich nur: er +kleidet dich+. - -In der Redensart: es +lohnt der Mühe+ (oder: es lohnt nicht der Mühe) -ist +der Mühe+ gar nicht der Dativ, sondern der Genitiv (statt: +für+ -die Mühe, +wegen+ der Mühe). Die Redensart hat etwa denselben Sinn wie: -es ist +der Mühe wert+ (oder: es ist nicht der Mühe wert). Zu sagen: es -+lohnt+ nicht +die Mühe+ -- ist also nichts als eine Ausweichung aus -Unwissenheit. - -Ganz unsinnig wird jetzt die Redensart +sich Rats erholen+ gebraucht, -z. B. dort kannst du +dir+ am besten +Rats erholen+! Das +sich+ in -dieser Redensart ist ebenfalls nicht der Dativ, sondern der Akkusativ, -+Rats+ ein frei angeschlossener Genitiv; es heißt: ich +erhole mich -Rates+. Noch Benedix schreibt 1866 in den Zärtlichen Verwandten -richtig: bei mir allein mußt du +dich Rats erholen+. Der Fehler wird -auch nicht besser, wenn man statt +Rats+ sagt +Rat+: in Einzelheiten -+erholte ich mir Rat+ bei besonders sachkundigen Personen, denn dann -hat das +er+holen gar keinen Sinn mehr; es genügt dann, zu sagen: +hole -dir+ bei mir +Rat+, so gut wie: hole dir bei mir Geld. Wenn man die -Redensart nicht mehr versteht und nicht mehr richtig anzuwenden weiß, -warum gebraucht man sie dann noch? (Vgl. auch +dünken+ S. 53.) - -Ein süddeutscher Provinzialismus ist es, +verdenken+ so wie +beneiden+ -zu verbinden: wer kann +ihn darum verdenken+? In gutem Deutsch wird -es verbunden wie +verargen+, +verübeln+: ich kann +dir das+ nicht -+verdenken+. - - -Er hat mir oder er hat mich auf den Fuß getreten? - -Nicht ganz so lächerlich ist der Streit, ob es heißen müsse: er hat -+mir+ oder er hat +mich+ auf den Fuß getreten. Jeder verbindet ohne -Besinnen mit dem Akkusativ der Person: +in den Finger schneiden+, +ins -Bein beißen+, +aufs Maul schlagen+, +auf die Stirn küssen+ (Luther: du -wirst +ihn in die Ferse stechen+). Jeder verbindet eben so sicher mit -dem Dativ der Person: +unter die Arme greifen+, +auf die Finger sehen+, -+auf den Zahn fühlen+, +auf die Schleppe treten.+ Warum dort der -Akkusativ und hier der Dativ? Was ist der Unterschied zwischen diesen -beiden Gruppen von Redensarten? Worauf kommt es an? - -Zunächst ist klar, daß, wenn die Person im Akkusativ steht, zuerst -die Person im ganzen als von einer Tätigkeit betroffen hingestellt -wird, und dann noch nachträglich der einzelne betroffne Körperteil -hinzugefügt wird. Steht die Person im Dativ, so wird der betroffne -Körperteil in den Vordergrund gerückt und die Person mehr als -beteiligt, in Mitleidenschaft gezogen, nicht als unmittelbar betroffen -hingestellt. Das paßt nun zu den mitgeteilten Beispielen vortrefflich. -Wird jemand nur auf ein Kleidungsstück getreten, so wird sein Körper -gar nicht davon berührt; alle andern Redensarten der zweiten Gruppe -aber sind bildliche Wendungen, bei denen ebenfalls kein wirkliches, -leibliches Angreifen, Ansehen, Anfühlen gemeint ist. So wird es nun -auch leicht verständlich, warum man wohl sagt: er hat +mich ins -Gesicht geschlagen+, aber: das +schlägt der Wahrheit ins Gesicht+ -- -der Mörder hatte +ihn mitten ins Herz gestochen+, aber: deine Klagen -+schneiden mir ins Herz+ -- der Schmied hat +das Pferd auf den Schenkel -gebrannt+, aber: solange nicht +dem deutschen Michel+ die +Not auf die -Nägel brennt+ -- du hast +mich+ mit deinem Stock ins +Auge gestochen+, -aber: am Schaufenster +stach mir+ ein schöner Brillantschmuck +ins -Auge+. Erschöpft wird die Sache mit dieser Unterscheidung zwar nicht, -aber man kann sich, wenn man sie sich vor Augen hält, auch in andern -Fällen leicht klarmachen, weshalb die Sprache hier den Dativ, dort -den Akkusativ vorzieht oder vorziehen -- sollte, weshalb man also -z. B. sagt: +seinem Freund auf die Schulter klopfen+ (obwohl das -doch wirklich und nicht bildlich geschieht). Bisweilen bedeutet der -Akkusativ der Person mehr das Absichtliche: weshalb +trittst du mich+ -denn +auf den Fuß+? der Dativ mehr das Unabsichtliche: +mir+ hat vorhin -einer +auf den Fuß getreten+, das tut mir jetzt noch weh. - - -Zur Steuerung des Notstandes - -Ein persönliches Passivum kann natürlich nur von solchen Zeitwörtern -gebildet werden, die ein direktes Objekt (im Akkusativ) zu sich -nehmen: ich +bestreite die Nachricht+ -- +die Nachricht wird+ von -mir +bestritten+. Von Zeitwörtern, die ein indirektes Objekt (im -Dativ) haben, läßt sich nur ein unpersönliches Passivum bilden: -ich +widerspreche der Behauptung+ -- +der Behauptung+ (nicht: +die -Behauptung+!) wird +von mir widersprochen+. Daher ist es falsch, so, -wie es unsre Zeitungen jetzt täglich tun, von +unwidersprochnen+ -Nachrichten zu reden, oder zu sagen wie unsre Reichstagsabgeordneten: -dieser Artikel darf nicht +unwidersprochen+ bleiben, diese Äußerung -möchte ich nicht +unwidersprochen+ ins Land gehen lassen. +Unwiderlegt+ --- das wäre richtig, und aufs Widerlegen kommts doch wohl auch viel -mehr an als aufs Widersprechen. Ebenso falsch sind +bedankt+ und -+unbedankt+ (nun sei +bedankt+, mein lieber Schwan! -- der Vorstand -kann Sie an diesem Tage nicht +unbedankt+ hinweggehen lassen); denn -es heißt nicht: +ich danke dich+, sondern ich +danke dir+, oder: ich -+bedanke mich bei dir+.[114] - -Ebenso kann natürlich ein Objektsgenitiv nur an solche -Verbalsubstantiva gehängt werden, die aus Zeitwörtern mit direktem -Objekt gebildet sind. Falsch und liederlich ist es, zu schreiben: -die +Kündigung der Arbeiter+ (wenn nicht gemeint ist, daß die -Arbeiter kündigen, sondern daß +den Arbeitern gekündigt wird+), ebenso -falsch: zur +Steuerung+ oder zur +Abhilfe des Notstandes+ -- sie war -zur +Hilfeleistung ihrer+ Mutter anwesend -- denn +gesteuert+ oder -+abgeholfen+ wird +dem+ Notstande, nicht +der+ Notstand. - - -Voller Menschen - -Das Adjektivum +voll+ verbindet wohl jeder richtig mit dem Genitiv -oder, je nachdem, mit der Präposition +von+, z. B.: die Straßen waren -+voll geputzter Menschen+ -- er war +deines Lobes voll+ -- das ganze -Haus war +voll von Altertümern+ und +Merkwürdigkeiten+. Daneben ist -noch üblich, das Substantiv gänzlich unflektiert zu +voll+ zu setzen: -+voll Blut, voll Rauch, voll Zorn, voll Haß, voll Verlangen+ usw. Das -ist eigentlich ein Fehler, aber einer, der nicht mehr gefühlt wird. -Wenn man +voll Liebe+ sagte, so meinte man natürlich ursprünglich -auch den Genitiv. Da dieser aber beim Femininum nicht erkennbar war, -verdunkelte sich allmählich das Gefühl dafür, und so ging er auch bei -männlichen und sächlichen Substantiven verloren. Auf dieselbe Weise -sind ja auch Verbindungen entstanden wie: +ein Stück Brot, ein Glas -Wein+. - -Nun aber +voller+ -- wie stehts damit? Im Volksmund ist es ganz gang -und gäbe, auch unsre besten Schriftsteller haben es oft geschrieben, -aber heute getraut man sichs doch nicht mehr so recht, weil man so -gelehrt geworden ist, daß man immer grübelt, ob man wohl so sagen dürfe -oder nicht, aber nicht gelehrt genug, die Zweifel wieder zu bannen. -Die Kirche war +voller Menschen+ -- der Kerl ist +voller Neid+ -- der -Garten ist +voller Unkraut+ -- der Himmel hängt ihm +voller Geigen+ -- -der Junge steckt +voller Schnurren+ -- darf man so schreiben? Ei, gewiß -darf mans; jedermann, Hoch und Niedrig, spricht so, warum soll mans -nicht schreiben dürfen? - -+Voller+ ist der erstarrte männliche Singular, der im Prädikat auf -alle drei Geschlechter und auch auf den Plural übergegriffen hat -(ganz ebenso wie +selber+ und ebenso wie +selbst+, das nichts andres -als das erstarrte Neutrum +selbs+ ist). Schon Luther scheint über -diese merkwürdige Spracherscheinung nachgedacht zu haben, aber zu der -Annahme gekommen zu sein, daß +voller+ aus +voll der+ entstanden sei; -er gebraucht es gern, aber immer nur -- vor dem Femininum und vor dem -Plural. Auf keinen Fall hat die Bildung etwas niedriges an sich, im -Gegenteil etwas trauliches, anheimelndes, und der guten Schriftsprache -ist sie durchaus nicht unwürdig.[115] - - -Zahlwörter. Erste Künstler - -In dem Wesen und der Bedeutung des Superlativs liegt es begründet, daß -er eigentlich nur den bestimmten Artikel haben kann: unter hundert -Männern von verschiedner Größe ist einer +der+ größte. Sind drei von -dieser Größe darunter, so sind diese drei +die+ größten. Dann ist aber -einer von diesen dreien nicht +ein größter+ -- das ist undeutsch! ---, sondern +einer der größten+. Darum ist es eine Abgeschmacktheit, -zu schreiben: Lessings Andenken wird gepflegt wie +eine seltenste+ -Blume im Treibhause -- ein 45jähriger, der +einer reifsten+ Zukunft -entgegenschreitet. Nur in der Mehrzahl kann man allenfalls, wie der -Kaufmann, von +billigsten Preisen+ oder, wie der Philosoph, von -+kleinsten Teilen+ reden. - -Ebenso abgeschmackt ist es, zu sagen: dieses Denkmal wird stets +einen -ersten+ Rang behaupten -- die Politik spielte in seinem ganzen Leben -+eine erste Rolle+ -- und von +ersten Künstlern+, +ersten Opernsängern+ -zu reden oder von +ersten Firmen+, +ersten Häusern+, wie es jetzt in -den Anpreisungen der Geschäftsleute täglich geschieht. Gemeint ist -weiter nichts als +bedeutend+, +hervorragend+, +ausgezeichnet+ -- -warum sagt man das nicht?[116] So ist es auch unlogisch, zu sagen: -+ein letzter+ Wunsch des Verstorbnen, +eine Hauptursache+ des Erfolgs; -sorgfältig ausgedrückt muß es heißen: +einer der letzten+ Wünsche, -+eine der Hauptursachen+ des Erfolgs, denn auch die +Hauptursache+ -ist ein superlativischer Begriff von derselben Bedeutung wie: die -+höchste+, die +wichtigste+ Ursache. - -Statt vom +fünfzigsten+ oder +sechzigsten+ Geburtstag redet man -jetzt öfter vom +fünfzigjährigen+: das Buch ist als Festschrift zum -+fünfzigjährigen Geburtstage+ Max Klingers erschienen. Das ist völliger -Unsinn. Von einem +fünfzigjährigen+ oder +hundertjährigen Jubiläum+ -kann man reden, denn da feiert man den ganzen Zeitraum, mit dem -Geburtstag aber nur den einzelnen Tag. - -Recht unfein klingt es, wie es in militärischen Kreisen üblich ist, -hinter Personennamen die Kardinalzahl zu gebrauchen und von +Fischer -eins+, +Meyer sieben+ zu reden. Vielleicht -- soll es unfein klingen. -Oder wollen wir in Zukunft auch von +Otto drei+ und +Heinrich acht+ -reden? Wie mag +Wilhelm zwei+ darüber denken? - - -Die Präpositionen - -Eine grauenvolle Liederlichkeit hat in der niedrigen Geschäftssprache -in der Behandlung der Präpositionen um sich gegriffen. Vor allem -erscheint immer häufiger der Akkusativ hinter Präpositionen, die den -Dativ verlangen. Schweinsknochen +mit Klöße+, Spinat +mit Eier+, -Kotelette +mit Steinpilze+, Sülze +aus Kalbskopf+ und +Füße+ -- anders -wird auf Leipziger Speisekarten kaum noch geschrieben. Das ist freilich -Kellnerdeutsch, aber wen trifft die Schande für solche Sprachsudelei? -Und ist es nicht eine Beleidigung der Gäste, wenn ihnen Wirte solches -Schanddeutsch vorsetzen? Aber auch an Schaufenstern kann man lesen: -Sohlen +mit Absätze+ -- Neuvergoldung +von Spiegel+ -- Verkauf -+von Zauberapparate+ -- Stühle werden +mit Roßhaare+ gepolstert -- -Regentropfen +auf Hüte+ werden sofort beseitigt -- großes Lager +in -Regenmäntel+ -- Ausstellung +in Damenstiefel+; Zeitungen schreiben: -er wurde +zu zwei Monate+ Gefängnis verurteilt -- und sogar Behörden -machen bekannt: die Lieferung +von+ hundert Stück +gebrauchte+ -Schwellen -- das Abladen +von+ dreißig Kubikmeter +Bruchsteine+ -- das -Befahren dieses Weges +mit Lastfuhrwerke+ usw.[117] - -In andern Fällen drängt sich auf ganz lächerliche Weise der Genitiv -an die Stelle des Dativs. In Leipzig kann man von Halbgebildeten -hören: +unter meines Beiseins+ -- +nach meines Erachtens+; aber auch -Gebildete schreiben: +dank dieses Umstands+ -- +dank des+ mir von allen -Seiten entgegengebrachten ehrenvollen +Vertrauens+ -- +dank dieser -Eindrücke+ meiner Jugendzeit -- +dank seines+ ins einzelste gehenden -+Verständnisses+ -- +dank des+ reichen und neuartigen +Programms+ -- -+dank der Geschenke+ der Offiziere und +andrer+ Zuwendungen. Wie in -aller Welt ist eine solche Verirrung möglich? Man könnte glauben, den -Leuten schwebe bei ihrem +dank+ mit dem Genitiv etwas ähnliches vor -wie: +kraft meines Amts+, +laut deines Briefs+, +statt eines Auftrags+; -+kraft+, +laut+ und +statt+ werden mit Recht mit dem Genitiv verbunden, -denn ursprünglich hieß es: +in Kraft+ (oder: +durch Kraft+), +nach -Laut+, +an Statt+. Aber +dank+ ist doch einfach +Dank+, es hat nie eine -Präposition vor sich gehabt, es verlangt also auch unbedingt den Dativ: -+dank deinem Fleiße+, +dank deinen Bemühungen+ ist es gelungen usw. -Die wunderlichen Beispiele: +unter meines Beiseins+ und +nach meines -Erachtens+ zeigen, wie der falsche Genitiv zustande kommt: er entsteht -durch Verwechslung des Dativs mit dem Genitiv im Femininum. +Nach -meiner Meinung+, +unter meiner Mitwirkung+, +dank deiner Bemühung+ --- das klingt den Leuten wie ein Genitiv, und so sagen sie nun auch -fröhlich: +dank dieses Umstands+. Man kann hier einmal die Entstehung -einer Sprachdummheit an ihrer Quelle beobachten. Genau so ist es mit -+trotz+ gegangen: da sind wir jetzt glücklich so weit, daß der richtige -Dativ für einen Fehler und der falsche Genitiv für das Richtige erklärt -wird. Vielleicht kommt es auch noch mit +dank+ dahin, und wenn wir uns -rechte Mühe geben, auch mit +nach+, +unter+ und -- +gemäß+; denn schon -schreibt man auch: die Arbeiter sind +gemäß ihres+ Beschlusses heute -früh wieder in der Fabrik erschienen. - -Die Redensart +sich an etwas halten+ -- verlangt sie nach +an+ den -Dativ oder den Akkusativ? In äußerlicher, sinnlicher Bedeutung -unzweifelhaft den Dativ: man +hält sich an einer Stange, an einem -Seile+ (an). In übertragner Bedeutung hat man früher geschwankt -(Goethe: wer klug ist, wird sich +am Zugänglichen+ halten). Heute ist --- unter dem Einflusse sinnverwandter Wendungen wie: +sich wenden an, -sich stützen auf+, +sich verlassen auf+ -- nur noch der Akkusativ -üblich: wenn er mich nicht bezahlt, so halte ich mich +an dich+ -- ich -halte mich lieber +ans Gewisse+ als +ans Ungewisse+. - -Die allerneuesten Präpositionen sind +ungerechnet+ und +unerwartet+. -Sie werden beide mit dem Genitiv verbunden: +unerwartet des Beitritts+ -andrer Eisenbahnverwaltungen -- es hatten vierhundert Händler feil, -+ungerechnet derer+, die in den Höfen standen. Beide sind natürlich -dem eben so schönen +ungeachtet+ nachgebildet, das schon älter -ist: +ungeachtet seines Widerspruchs+. Auch hier sieht man eine -Sprachdummheit an der Quelle. Ursprünglich hieß es: +ungeachtet seinen -Widerspruch+; das war aber ein absolutes Partizip im Akkusativ. - - -Nördlich, südlich, rechts, links, unweit - -Alle Präpositionen sind ursprünglich einmal Adverbia gewesen. -Auch die häßlichen, langatmigen Modepräpositionen unsrer Amts- -und Zeitungssprache: +anläßlich+, +gelegentlich+, +inhaltlich+, -+antwortlich+, was sind sie zunächst anders als Adverbia? Neuerdings -soll nun aber noch eine Anzahl weiterer Adverbia mit aller Gewalt zu -Präpositionen gepreßt werden, nämlich: +rechts+, +links+, +nördlich+, -+südlich+, +östlich+, +westlich+ und +seitlich+ (das letzte ein recht -überflüssiges Wort). Niemand wird bestreiten, daß auch diese Wörter -Adverbia sind. Um anzugeben, im Vergleich womit etwas rechts oder -links, nördlich oder südlich sei, haben wir denn auch bis vor kurzem -immer die Präposition +von+ zu Hilfe genommen und gesagt: +rechts von+ -der Straße, +nördlich von+ den Alpen. Da haben nun offenbar manche -Leute geglaubt, +von+ sei hier, wie so oft, eine bloße Umschreibung -des Genitivs, und da sei es doch gescheiter, lieber gleich den Genitiv -zu setzen. Und so hat sich denn immer mehr der Fehler verbreitet, zu -schreiben: +rechts+ und +links der Szene+, +nördlich des Viktoriasees+, -+südlich der Kirche+, +seitlich des Altars+, ja neuerdings sogar -+abseits aller Parteien+ und +ringsum des Marktes+. Namentlich -Architekten, Techniker oder Geographen schreiben gar nicht mehr anders, -aber auch der gebildete Philister am Biertisch sagt schon: Meißen liegt -doch +links der Elbe+. Ein Fehler ist es aber doch, wenigstens solange -es noch Menschen gibt, die so altväterisch sind, zu glauben, +rechts+ -und +links+, +nördlich+ und +südlich+ seien Adverbia, und solange -- -die Schule ihre Schuldigkeit tut. - -Ebenso verhält sichs mit den verneinten Adverbien +unfern+ und -+unweit+. Auch sie können von Rechts wegen nur als Adverbia gebraucht -werden: +unweit von+ dem Dorfe; aber auch sie hat man zu Präpositionen -zu pressen gesucht, und weiß nun nicht, ob man sie mit dem Genitiv -oder, wie das gleichbedeutende +nahe+, mit dem Dativ verbinden soll; -die einen schreiben: +unfern des Bodensees+, +unweit des Flusses+, -andre: +unfern dem Schlosse+, +unweit dem Tore+. Und das hat wieder -zur Folge gehabt, daß man sogar bei +nahe+ irre geworden ist und zu -schreiben anfängt: +nahe Leipzigs+! Auch +nahe+ ist keine Präposition, -sondern ein Adverbium (+nahe bei+, +nahe an+), und als Adjektiv kann es -unzweifelhaft nur den Dativ haben; +unfern+ aber und +unweit+ könnte -man sich doch ganz ersparen; sie sind gesucht (wie +unschwer+; vgl. S. -273) und der lebendigen Sprache fremd. - - -Im oder in dem? zum oder zu dem? - -Große Unsicherheit herrscht darüber, in welchen Fällen der bestimmte -Artikel mit der Präposition verschmolzen werden darf, und in welchen -Fällen nicht, wann es also heißen darf: +im+, +vom+, +zur+, +aufs+, -+ins+ (oder, wenn jemand ohne Apostroph nicht leben kann, +auf’s+, -+in’s+, vielleicht auch +i’m+, +zu’r+?), und wann: +in dem+, +von -dem+, +auf das+ usw. Dennoch ist die Sache sehr einfach und eigentlich -selbstverständlich. - -Der bestimmte Artikel +der+, +die+, +das+ hat ursprünglich -demonstrativen oder determinativen Sinn, er bedeutet dasselbe -wie +dieser+, +diese+, +dieses+, oder wie das schöne Kanzleiwort -+derjenige+, +diejenige+, +dasjenige+. In dieser Bedeutung wird er -ja auch noch täglich gebraucht, er wird dann gedehnt gesprochen und -betont: +deer+, +deem+, +deen+ (man nehme nur seine Ohren zu Hilfe, -nicht immer bloß die Augen!), während er als bloßer Artikel unbetont -bleibt und kurz gesprochen wird. Nun ist es doch klar, daß die -Verschmelzung mit der Präposition nur da eintreten kann, wo wirklich -der bloße Artikel vorliegt. Verschlungen oder verschluckt werden kann -immer nur ein Wort, das keinen Ton hat. Es ist also richtig, zu sagen: -du wirst schon noch +zur Einsicht+ kommen, wenn gemeint ist: zur -Einsicht überhaupt, zur Einsicht schlechthin, oder: ich habe +im guten -Glauben+ gehandelt. Sowie aber durch einen nachfolgenden Nebensatz eine -bestimmte Einsicht, ein bestimmter guter Glaube bezeichnet wird, so ist -eben so klar, daß dann der Artikel einen Rest seiner ursprünglichen -demonstrativen oder determinativen Kraft bewahrt hat, und dann kann von -einer Verschlingung mit der Präposition keine Rede sein. Es kann also -nur heißen: als er nach Jahren +zu der Einsicht+ kam, +daß+ er nicht -zum Künstler geboren sei -- ich habe +in dem guten Glauben+ gehandelt, -+daß+ ich in meinem Rechte wäre. Dennoch muß man fort und fort so -fehlerhafte Sätze lesen wie: die Bauern kamen +zum Bewußtsein, daß+ -sie auf weitere Schenkung von Grund und Boden nicht rechnen dürften --- im +Bewußtsein, daß+ es der Reichshauptstadt an einem Mittelpunkte -künstlerischer Bestrebungen +fehle+ -- er kam +zur Überzeugung, daß+ -alles Suchen vergeblich sei -- die Vergleichung seiner Landsleute mit -den Deutschen von ehemals führte Melanchthon +zur Erklärung, daß+ die -Deutschen leider ihren Vorfahren unähnlich geworden seien -- folgende -Erwägung führt +zur Vermutung, daß+ die Ohnmacht Gretchens einem -geschichtlichen Fall nachgebildet sei -- vielleicht wird die praktische -Beschäftigung +zur Erkenntnis+ gelangen, daß die Rückkehr zum -historischen Ausgangspunkte geboten sei -- er sah sich +zum Geständnis+ -genötigt, +daß+ er sich getäuscht habe -- das Komitee empfahl seinen -Kandidaten im festen +Vertrauen, daß+ ein paar Schlagwörter genügen -würden. In allen diesen Sätzen ist die Verschmelzung der Präposition -mit dem Artikel ein grober Fehler. Es ist unbegreiflich, wie jemand -dafür das Gefühl verlieren kann. - -Die nähere Bestimmung kann aber auch durch einen Infinitiv mit +zu+, -durch einen Relativsatz, durch ein Attribut ausgedrückt werden -- -auch dann darf der Artikel nicht verschlungen werden. Also auch -folgende Sätze sind falsch: er stand +im Rufe+, es mit der klerikalen -Partei +zu halten+ -- er starb +im Bewußtsein+, die teuersten Güter -des Vaterlandes verteidigt +zu haben+ -- unter Eigentum verstehen -wir die volle Herrschaft über eine Sache bis +zur Befugnis+, sie -+zu vernichten+ -- er hielt +am Gedanken+ fest, +sich+ sobald als -möglich von dieser Last +zu befreien+ -- er stand +im Verdacht+, -einem verbotnen Verein +anzugehören+ -- er wurde +vom Verdacht+, ein -preußischer Spion +zu sein+, freigesprochen -- er war +vom reinsten -Willen+ erfüllt, Versöhnung mit Gott +zu finden+ -- +im Augenblick, -wo+ er mich sah -- Goethe schlug den Hans Sachsischen Ton auch +zur -Zeit+ an, +wo+ er sich sonst meist der neueren Formen bediente -- er -ist nicht sparsam +im Lobe, das+ den polnischen Pferden gebührt -- -+im Deutschen, das+ heute geschrieben wird (+in dem Deutsch, das+!) --- sie tranken fleißig +vom Weine, der+ auf der reichbesetzten Tafel -stand -- diese Arie gehört +zum Besten, was+ Verdi geschrieben hat --- Vischer hat es nie +zur Volkstümlichkeit Scheffels+ gebracht -- -ein unbewachter Augenblick stürzte +ihn vom Thron seiner Tugendgröße+ --- +im Alter von+ 60 Jahren -- +zum+ ermäßigten +Preise von+ 15 Mark --- +vom Streit um+ Kleinigkeiten -- +im Bande über+ Leibniz -- +im -Essay über+ Auerbach -- +im Hause+ Berliner Straße Nr. 70 usw. +Im -Augenblicke+ und +zurzeit+ können nur allein stehen, beides bedeutet -dann soviel wie +jetzt+; ebenso auch: +im Alter+, +im Hause+. Auch +im -Essay+ kann nur allein stehen, der Essay wäre dann als Gattung etwa -dem Roman gegenübergestellt: dergleichen kann man sich wohl +im Roman+ -erlauben, aber nicht +im Essay+; von einem bestimmten Essay aber kann -es nur heißen: +in dem Essay+ über Auerbach. Ja es gibt sogar Fälle, -wo gar kein Zusatz hinter dem Hauptwort zu stehen braucht und doch die -Verschmelzung des Artikels mit der Präposition ein Fehler wäre: wenn -nämlich nach dem ganzen Zusammenhange nicht das Ding an sich, sondern -ein bestimmtes Ding gemeint ist. So ist z. B. falsch: die Beziehungen, -in denen Otto Ludwig +zur Stadt+ und ihren Bewohnern stand -- wenn -Leipzig unter der Stadt gemeint ist; es muß heißen: +zu der Stadt+ und -ihren Bewohnern. +Zur Stadt+ könnte nur im Gegensatz zum Lande gesagt -sein.[118] - -Eine Unsitte ist es daher auch, zu schreiben, wie es immer mehr Mode -wird: +im selben+ Augenblick -- die +vom selben+ Verlag ausgegebnen -Kupferstiche -- die Erfüllung dieser Aufgaben kann +beim selben+ -Objekt verschieden erreicht werden. Wer sorgfältig schreiben will, kann -nur schreiben: +in demselben+ Augenblick, +von demselben+ Verlag, +bei -demselben+ Objekt. - -Wo wirklich der bloße Artikel vorliegt, da sollte aber auch nun überall -die Verschmelzung vorgenommen werden; nicht bloß in der lebendigen -Sprache -- da fehlts ja nicht daran --, sondern auch auf dem Papier. -Welche Ziererei, zu schreiben: Alle diese schönen Pläne sind +in das+ -Wasser gefallen! Kein Mensch sagt: +an das Land+ steigen, der Kampf -+um das Dasein+, eine Anstalt +in das Leben+ rufen, einen Vorgang -+an das Licht+ ziehen, einen +hinter das Licht+ führen, eine Sache -+über das Knie+ brechen, +in das Auge+ fallen, einem +in das Gesicht+ -sehen, etwas +in das Werk+ setzen, eine Sache +in das Reine+ bringen, -sich +auf das hohe Pferd+ setzen, sich +auf das beste+, +auf das -bequemste+ einrichten, sondern: +ans Land+, +ums Dasein+, +ins Leben+, -+ans Licht+, +aufs beste+, +aufs bequemste+ (wie: +aufs neue+). Also -schreibe und drucke man auch so. Dagegen ist wieder falsch: sich +aufs -hohe Pferd des Sittenrichters+ setzen -- denn hier ist ein bestimmtes -hohes Pferd gemeint. Ebenso ist zu unterscheiden: +im öffentlichen -Leben+ eine Rolle spielen und: +in dem öffentlichen Leben Deutschlands+ -eine Rolle spielen. - -Wenn von einer Präposition mehrere Substantiva abhängen und beim -ersten die Präposition mit dem Artikel verschmolzen worden ist, so -ist es sehr anstößig, bei den folgenden Substantiven den Artikel -aus der Verschmelzung wieder herauszureißen und mit Weglassung der -Präposition zu schreiben: in gewisser Entfernung +vom+ Brandplatz -oder +dem+ Platze des sonstigen Unglücksfalles -- von Platos realen -Begriffen bis +zur+ Goldmacherkunst und +der+ Telepathie -- Geschichte -+vom+ braven Kasperl und +dem+ schönen Annerl (Brentano). Die -Verschmelzung +vom+ wirkt im Sprachgefühl fort auf das folgende Wort: -man hört also unwillkürlich: +vom dem+ Platze. In solchen Fällen ist -es unbedingt nötig, entweder auch die Präposition zu wiederholen, -also: in gewisser Entfernung +vom+ Brandplatz oder +vom+ Platze -des sonstigen Unglücksfalles, oder von vornherein die Verschmelzung -zu unterlassen und zu schreiben: +von dem+ Brandplatze oder +dem+ -Platze des sonstigen Unglücksfalles. Ebenso verhält sichs bei der -Apposition. Es ist eine Nachlässigkeit, zu schreiben: +im+ Süden, +dem+ -taurischen Gouvernement -- +am+ 12. Januar 1888, +dem+ dreihundertsten -Geburtstage Riberas; auch bei der Apposition muß es wieder +im+ und -+am+ heißen. Doppelt anstößig wird der Fehler, wenn die Substantiva -im Geschlecht oder in der Zahl verschieden sind, z. B. +im+ Berliner -Tageblatt und +der+ geistesverwandten Presse -- das +am+ Ananias und -+der+ Saphira vollzogne Strafwunder -- die +vom+ Anarchismus und +der+ -Sozialdemokratie drohenden Gefahren -- von der Universität herab bis -+zur+ Volksschule und +dem+ Kindergarten -- das hängt +vom+ guten -Willen und +der+ Zahlungsfähigkeit der Untertanen ab -- Eingang +zum+ -Garten und +der+ Kegelbahn. Auch hier muß überall die Präposition -wiederholt werden. Der Gipfel der Nachlässigkeit ist es, die -Wiederholung der Präposition dann zu unterlassen, wenn der bestimmte -Artikel mit der artikellosen Form wechselt: z. B. +zur+ Annahme von -Bestellungen und direkt+er+ Erledigung derselben; es muß heißen: +zur+ -Annahme und +zu+ direkt+er+ Erledigung. - - -Aus: „Die Grenzboten“ - -Zu den größten irdischen Freuden des Papiermenschen gehören die -sogenannten Gänsefüßchen. Der Schulmeister, der auf Verständnis -rechnen kann, wenn er dem Achtjährigen zum erstenmal in die Feder -diktiert: der Vater fragte -- Doppelpunkt -- Gänsefüßchen unten -- -wo bist du gewesen, Max -- Fragezeichen -- Gänsefüßchen oben --, hat -das stolze Gefühl, daß er seinen Zögling zu einer der wichtigsten -Entwicklungsstufen seiner Geistesbildung emporgeführt habe. Aber -nicht bloß Schulmeister und Schulknaben, auch andre Leute, z. B. -Romanschriftsteller, haben an diesen Strichelchen eine kindische -Freude; es gibt Romane, in denen man vor lauter Gänsefüßchen fast -nichts vom Dialog sieht. Ein Hochgenuß beim Lesen ist es, wenn Er -immer mit zweien („--“), Sie immer mit vieren („„--““) erscheint; dann -flimmert es einem förmlich vor den Augen. - -Die Gänsefüßchen sind, wie der Apostroph (vgl. S. 8), eine jener -nichtsnutzigen Spielereien, die -- es steht nicht fest, ob durch den -Schulmeister oder durch den Druckereikorrektor -- eigens für die -Papiersprache erfunden worden sind. Wenn jemand einen Roman vorliest, -so kann er doch die Gänsefüßchen nicht mitlesen, und doch versteht ihn -der Zuhörer. Wozu schreibt und druckt man sie also? Einen Zweck haben -sie nur da, wo man Wörter oder Redensarten ironisch gebraucht (um sie -lächerlich zu machen), oder wo man mitten in seine eigne Darstellung -eine Stelle aus der Darstellung eines andern einflicht.[119] Aber auch -da sind sie überflüssig, wenn diese Stelle in fremder Sprache oder in -Versen ist, sich also schon durch die Schriftgattung (Antiqua, Kursiv, -Petit) von dem übrigen Text genügend abhebt. Ebenso überflüssig aber -und nichts als eine Spielerei sind sie bei Namen und bei Überschriften -und Titeln von Büchern, Schauspielen, Opern, Gedichten usw. Wenn man -sagt: der Kaiser hatte eine Reise +auf der Hohenzollern+ gemacht -- so -versteht das doch jedermann, und ebenso wenn man sagt: der Vers ist -+aus Goethes Iphigenie+. Manche Lehrer behaupten zwar, die Iphigenie -ohne Gänsefüßchen sei die Person des Schauspiels, die Iphigenie mit -Gänsefüßchen sei das Schauspiel selbst; kann man aber in der lebendigen -Sprache diese Unterscheidung machen? - -Das ärgste aber ist es und eine der abgeschmacktesten Erscheinungen -der Papiersprache, wenn Titel und Überschriften wie Versteinerungen -behandelt werden, und geschrieben wird: die Redaktion +des+ „Wiener -Fremden+blatt+“, +des+ „Berliner Tage+blatt+“ und ebenso nach -Präpositionen: Vorspiel +zu+ „+Die+ Meistersinger“ -- Ouverture +zu+: -„+Die+ Fledermaus“ -- einzelne Bilder +aus+ „+Der+ neue Pausias“ --- Bemerkungen zu Goethes „+Der+ getreue Eckardt“ -- erweiterter -Separatabdruck +aus+ „+Der+ praktische Schulmann“ -- diese Aufsätze -haben zuerst +in+ „+Die+ Grenzboten“ gestanden usw. Jedermann sagt: ich -bin gestern abend +in der+ Fledermaus gewesen, der Vers ist +aus dem+ -Neuen Pausias, ich habe das +im+ Praktischen Schulmann gelesen, die -Aufsätze haben +in den+ Grenzboten gestanden. Versteht man das nicht? -Wenn mans aber mit den Ohren versteht, warum denn nicht mit den Augen? - -Einige Verlegenheit bereiten ja die jetzt so beliebten Zeitungs- und -Büchertitel, die, anstatt aus einem Hauptwort, aus einer adverbiellen -Bestimmung bestehen, wie: +Aus unsern vier Wänden+, +Vom Fels zum -Meer+, +Zur guten Stunde+ u. ähnl. Jedes natürliche Sprachgefühl -sträubt sich doch dagegen zu sagen: ich habe das +in Vom+ Fels zum Meer -gelesen. Aber immer dazuzusetzen: in dem Buche, in der Zeitschrift -- -was schließlich das einzige Rettungsmittel ist -- ist doch langweilig. - - -Nach dort - -Statt +hin+ und +her+ schreiben unsre Kaufleute jetzt in ihren -Geschäftsbriefen +nach dort+ und +nach hier+: kommen Sie nicht in -den nächsten Wochen einmal +nach hier+? Wenn nicht, so komme ich -vielleicht einmal +nach dort+. Auch die Zeitungen berichten: Herr M. -ist als Bauinspektor +nach hier+ versetzt worden. Und wenn ein paar -Handlungsreisende bei kühlem Wetter in einem Biergarten sitzen, fragen -sie sich sogar: Wollen wir uns nicht lieber +nach drin+ setzen? Diese -neumodische schöne Ortsbestimmung ist freilich nicht ohne Beispiel: -schon längst hat man zur Bezeichnung einer Richtung, statt die auf die -Frage wohin? antwortenden Ortsadverbien zu gebrauchen, die Präposition -+nach+ mit Ortsadverbien verbunden, die auf die Frage wo? antworten, -z. B. +nach vorn+, +nach hinten+, +nach oben+, +nach unten+, statt: -+vor+, +hinter+, +hinauf+, +herunter+. Auch Schiller sagt im Taucher: -Doch es war mir zum Heil, er riß mich +nach oben+. Und ebenso hat man -auf die Frage woher? geantwortet: +von vorn+, +von hinten+, +von oben+, -+von unten+, sogar +von hier+, +von dort+. Nur +nach hier+, +nach -dort+ und +nach drin+ hatte noch niemand zu sagen gewagt. Aber warum -eigentlich nicht? Offenbar aus reiner Feigheit. Wir können also dem -kaufmännischen Geschäftsstil für seinen sprachschöpferischen Mut nur -dankbar sein. Schade, daß Goethe das Lied der Mignon nicht mehr ändern -kann; das müßte doch nun auch am Schlusse heißen: +nach dort, nach -dort+ möcht’ ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn![120] - - -Bis - -Viel Nachlässigkeiten und Dummheiten werden in den Zeitangaben -begangen. Ein Ausdruck wie: +vom 16. bis 18. Oktober+ soll dabei -noch nicht einmal angefochten werden, wiewohl, wer sorgfältig -schreiben will, hinter +bis+ die Präposition nie weglassen, sondern -schreiben wird: +bis zum 18. Oktober+. Denn +bis+ ist zwar selbst -eine Präposition, es ist aber auch eine Konjunktion, es ist ein -Mittelding zwischen beiden, und bei Ortsbestimmungen verlangt es noch -ein +an+, +auf+, +in+, +zu+, +nach+, nur vor Städte- und Ländernamen -kann es allein stehen, aber doch auch nur dann, wenn eine Strecke, -eine Ausdehnung, aber nicht, wenn ein Ziel angegeben wird. Man kann -also wohl sagen: +bis morgen+, +bis Montag+, +bis Ostern+, sogar: -+bis nächste Woche+, auch +bis Berlin+, aber nicht: +bis Haus+, -+bis Tür+. Nur wer in den Straßenbahnwagen gestiegen ist, antwortet -maulfaul auf die Frage des Schaffners: wie weit? +Bis Kirche+. Eine -ganz unzweifelhafte Nachlässigkeit aber ist es, zu schreiben: von -Nikolaus I. +bis Gregor VII+. Denn wie soll man das lesen? +Bis+ -Gregor +den Siebenten+? +bis den+? Wenn das richtig wäre, dann könnte -man auch sagen: wenn wir vom Großvater noch weiter zurückgehen +bis -den Urgroßvater+. Ebenso nachlässig ist es, zu schreiben: Ausgewählte -Texte +des 4. bis 15. Jahrhunderts+, deutsche Liederdichter +des -12. bis 14. Jahrhunderts+ oder mit einem Strich, den man bis lesen -soll: +des 12.-14. Jahrhunderts+,[121] Flugschriften +des 16. bis 18. -Jahrhunderts+, Kulturbilder aus +dem 15. bis 18. Jahrhundert+. Da -hört man erst den Singular +des+, +dem+, und dann kommen drei oder -vier Jahrhunderte hinterher. Wie kann denn +ein+ Jahrhundert das 4. -bis 15. sein! Und doch muß man den Fehler täglich lesen, oft gleich -auf Titelblättern neuer Bücher. Wer sorgfältig schreiben will, wird -schreiben: Flugschriften +des 16., des 17. und des 18. Jahrhunderts+ -- -oder wenigstens: +des 16., 17. und 18. Jahrhunderts+ -- oder: +aus der -Zeit vom 16. bis zum 18. Jahrhundert+. Das ist zwar etwas umständlich, -aber es geht nicht anders. Wir schrecken ja sonst vor umständlicher -Ausdrucksweise nicht zurück, können uns oft gar nicht breit und -umständlich genug ausdrücken. Warum denn gerade da, wo sie einmal -angebracht ist? - - -In 1870 - -Wie mit +nach hier+ und +nach dort+, verhält sichs auch mit +in+ 1870, -das man neuerdings öfter lesen kann. Jede andre Präposition kann man -so vor die Jahreszahl setzen, man kann sagen: +vor+ 1870, +nach+ -1870, +bis+ 1870 -- aber nicht: +in+ 1870. Warum nicht? Weils nicht -deutsch ist. Es ist eine willkürliche Nachäfferei des Französischen -und des Englischen. Deutsch ist auf die Frage wann? entweder die bloße -Jahreszahl ohne jede Präposition, oder: +im Jahre+ 1870. - -Bei den Angaben der Monate und der Jahreszeiten scheinen es manche -jetzt für geistreich zu halten, +in+ ganz wegzulassen und zu -schreiben: das geschah +Dezember+ 1774 -- ich wurde +Herbst+ 1874 -immatrikuliert. Auch das ist undeutsch; die Monatsnamen wie die Namen -der Jahreszeiten verlangen unbedingt die Präposition, denn bei ihnen -ebenso wie bei dem ganzen Jahre hat man deutlich die Vorstellung eines -Zeitraums, in dessen Innerm sich ein Ereignis zuträgt. - - -Alle vier Wochen oder aller vier Wochen? - -Bei periodisch wiederkehrenden Handlungen antwortet auf die Frage: -wie oft? der Genitiv von +alle+ mit einem Zahlwort, z. B.: +aller -vierzehn Tage+, +aller vier Wochen+, +aller zwei Stunden+, +aller -halben Jahre+, +aller Vierteljahre+, +aller hundert Jahre+, ja sogar -ohne Zahlwort: +aller Augenblicke+. Wenigstens in Mitteldeutschland, -namentlich in Sachsen und Thüringen, ist dieser Genitiv allgemein, bei -Hoch und Niedrig, im Gebrauch. Nicht bloß die Leipziger Straßenjugend -spottete von der Leipziger Pferdebahn: und +aller fünf Minuten+, da -bleibt de Karre stehn -- auch die gebildete Mutter sagt zu ihrem Kinde: -bleib doch nicht +aller zehn Schritte+ stehen, oder: du bleibst +ja -aller drei Zeilen hängen+, oder: so was kommt nur +aller Jubeljahre+ -einmal vor (wobei der Zahlbegriff in +Jubel+ steckt: 25, 50, 100), ja -sogar: komm doch nicht +aller Nasen lang+ gelaufen, oder: du störst -mich +aller Augenblicke+, und der Arzt schreibt auf das Rezept: +aller -zwei Stunden+ einen Eßlöffel voll zu nehmen. Mit dem Akkusativ, wie -er in Nord- und Süddeutschland üblich ist, erscheint uns nicht das -Periodische, die Wiederkehr der Handlung in gleichen Zeitabständen, -ausgedrückt. Wenn ich sage: das kann ich +alle Augenblicke+ tun, oder -von einem geladnen Geschoß: geh zurück! es kann +alle Augenblicke+ -losgehen, so heißt das nichts andres als: +jeden Augenblick+, -+jederzeit+, +sogleich+, +sofort+. Sage ich dagegen: es blitzt +aller -Augenblicke+, so heißt das (natürlich mit einer starken Übertreibung): -es blitzt in regelmäßigen Abständen von je einem Augenblick. Wenn sich -jemand beklagt, er habe vierzehn Tage an einem langweiligen Badeorte -sitzen müssen, so kann ich ihn fragen: bist du denn +alle vierzehn -Tage+ dort gewesen? Das ist eine Zeitdauer, keine Wiederholung. Wenn -sich aber die Landpfarrer in regelmäßigen Zwischenräumen von je -vierzehn Tagen zu einer Konferenz in der Stadt zusammenfinden, so -kommen sie nicht +alle+, sonder +aller vierzehn Tage+. Eine Berliner -Zeitschrift verspricht ihren Lesern auf dem Umschlag +alle sieben Tage+ -ein Heft. Sie hält aber ihr Versprechen nicht, denn sie bringt nur -+aller sieben Tage+ eins. Wenn ich sage: ich reise +alle Jahre+ nach -Italien, so kann ich das einemal im März, das andremal im Mai, das -drittemal im Oktober reisen. Will ich dagegen sagen, daß ich die Reise -in genauen Abständen von je einem Jahre mache, so würde ich zwar nicht -sagen: +aller Jahre+ (das ist nicht gebräuchlich), wohl aber, wo es -auf eine genaue Bestimmung einer periodisch wiederkehrenden Handlung -ankommt: +aller zwölf Monate+.[122] - -Da es sich bei diesem eigentümlich gefärbten „distributiven“ Genitiv, -wie man ihn treffend genannt hat, keineswegs um einen niedrigen -Provinzialismus handelt, sondern um eine mundartliche Feinheit, deren -das Norddeutsche wie das Süddeutsche entbehrt, so kann es uns niemand -verdenken, wenn wir ihn nicht dem unklaren, doppelsinnigen Akkusativ -zuliebe fallen lassen. Wir bleiben fest bei unserm +aller vier Wochen+! - - -Donnerstag und Donnerstags -- nachmittag und nachmittags - -Auch auf die Frage: wann? muß bei periodisch wiederkehrenden Handlungen -stets der Genitiv stehen. Auf die Frage: wann ist der Eintritt ins -Museum frei? kann nur geantwortet werden: +Montags und Donnerstags+, -wenn damit gesagt sein soll, daß es jeden Montag und jeden Donnerstag -so sei. Ebenso bezeichnet +morgens+, +mittags+, +vormittags+, -+nachmittags+, +abends+ Handlungen, die jeden Morgen, jeden Mittag usw. -geschehen. Die einmalige Handlung dagegen wird durch den Akkusativ -ausgedrückt. Aber auch hier herrscht jetzt Verwirrung. Genitive wie -+Sonntags+, +Montags+ gelten jetzt lächerlicherweise manchen beim -Schreiben für unfein, und umgekehrt drängt sich wieder der Genitiv -dahin, wo er nicht hingehört. In der Umgangssprache wird er schon -ganz anstandslos auch von einmaligen Handlungen gebraucht: kommst du -+mittags+ zurück? Nein, ich komme erst +abends+ zurück. Es muß heißen: -+zu Mittag+ und +am Abend+ oder mit dem bloßen Akkusativ: +Mittag+, -+Abend+. Also: ich bin heute +mittag+ in Berlin, aber heute abend schon -wieder in Leipzig; dagegen: ich bin +mittags+ stets in Berlin, +abends+ -stets in Leipzig.[123] Ganz abscheulich ist es, zu schreiben: +anfangs -April+, +anfangs Dezember+, +anfangs der+ fünfziger Jahre, +anfangs der -Spielzeit+, es muß unbedingt heißen: +Anfang April+, +Anfang Dezember+, -wie +Mitte Dezember+, +Ende Dezember+. Auch +Anfang+, +Mitte+, +Ende+ -sind hier Akkusative, +Dezember+ ein (natürlich schlechter!) Genitiv -(vgl. S. 8). +Anfangs+ kann immer nur allein als Adverbium stehen, im -Gegensatze zu +dann+, +später+, +endlich+ (+anfangs+ wollt ich fast -verzagen). - - -Drei Monate -- durch drei Monate -- während dreier Monate - -Ein widerwärtiger Mißbrauch, der aber auch neuerdings für vornehm gilt --- natürlich! es klingt ja französisch --, ist der Gebrauch, auf die -Frage: +wie lange+? mit +während+ zu antworten: wir waren +während -dreier Monate+ in der Schweiz -- dieses Geräusch blieb +während -einiger Minuten+ hörbar -- man sprach +während einiger Wochen+ von -nichts als von dieser Unternehmung -- die Prüfungskommission, der -Gottfried Kinkel +während einer Reihe+ von Jahren angehört hat -- -die Lehren, die +während achtzehn Jahrhunderten+ als die Grundlage -rechtgläubigen Christentums angesehen worden sind -- der Clavigo wurde -+während weniger Tage+ in einem Gusse geschaffen -- die Naturaldienste -wurden nur +während weniger Tage+ im Jahre geleistet. - -Während kann nie auf die Frage: wielange? antworten, sondern immer -nur auf die Frage: wann? Vielleicht ist es nicht allen Lesern in der -Erinnerung, wie die Präposition +während+ entstanden ist. Noch im -achtzehnten Jahrhundert schrieb man +währendes Frühlings+, +währendes -Krieges+. Allmählich wurde dieser absolute Genitiv mißverstanden, eine -Zeit lang wußte man nicht recht, ob man +währendes+ oder +während des+ -hörte, und schließlich sprang der Partizipialstamm von der Endung -ab und wurde -- tatsächlich also durch ein Mißverständnis, durch -eine Sprachdummheit -- zu einer Präposition. Trotzdem erhielt sich -bei richtiger Anwendung der ursprüngliche Sinn: es wird ein Vorgang -zusammengestellt mit einem andern Vorgange, mit dem er entweder ganz -oder teilweise zeitlich zusammenfällt; er lag +während des Kriegs+ -im Lazarett -- +während des Vortrags+ darf nicht geraucht werden -- -+während des Gewitters+ waren wir unter Dach und Fach. Der Krieg, -der Vortrag, das Gewitter sind Vorgänge, Ereignisse. Aber ein Tag, -ein Monat, ein Jahr, ein Jahrhundert sind bloße Zeitabschnitte oder -Zeitmaße. Er lag +während dreier Monate+ im Lazarett -- ist völliger -Unsinn, denn drei Monate sind kein Ereignis, womit der Aufenthalt im -Lazarett zeitlich verglichen würde, sondern sie bedeuten einfach die -Zeitdauer; diese kann aber nur ausgedrückt werden durch den Akkusativ -+drei Monate+ oder +drei Monate lang+. Der Clavigo wurde nicht +während -weniger Tage+, sondern +in wenigen Tagen+ geschaffen. Aber kann man -denn nicht sagen: +während des Tags+? Gewiß kann man das; aber dann -ist +Tag+ nicht als Zeitmaß gebraucht, sondern als Erscheinung der -Nacht gegenübergestellt: +während des Tags+ scheint die Sonne. Die -Sonne hat nur +während eines Tags+ geschienen -- das ist Unsinn; die -Sonne hat +während meiner Ferien nur einen Tag+ geschienen -- das hat -Sinn. Aber alle Romanschreiber und besonders alle Romanschreiberinnen -spreizen sich jetzt mit diesem albernen, dem französischen ~pendant~ -nachgeäfften Mißbrauch. - -+Durch fünfzehn Monate+ endlich, +durch lange Zeit+, +durch fünf -Minuten+, wie die Zeitungen jetzt auch gern auf die Frage: wielange? -schreiben (die heldenmütigen Frauen, die +durch fünfzehn Monate+ mit -ihren Kindern im Buschwalde umherirrten -- dieses Gefühl war +durch -lange Zeit+ künstlich genährt worden -- das Publikum lärmte und -applaudierte +durch+ wenigstens +fünf Minuten+), ist ganz undeutsch. Es -ist ein gedankenlos dem Lateinischen nachgebildeter Austriazismus, der -aus österreichischen Zeitungen in unsre Sprache geschleppt worden ist. - - -Am (!) Donnerstag den (!) 13. Februar - -Ein abscheulicher Fehler, der wieder recht ein Zeichen der immer -mehr zunehmenden Verrohung unsers Sprachgefühls ist, ist die gemeine -Zusammenkoppelung des Dativs und des Akkusativs, die neuerdings bei -Datenangaben aufgekommen ist und mit unbegreiflicher Schnelligkeit um -sich gegriffen hat. Fast alle Behörden, alle Berichterstatter, alle -Programme, alle Einladungen schreiben: +am+ Donnerstag, +den+ 13. -Februar. Sogar die amtlichen stenographischen Berichte des Reichstags -sind so überschrieben! - -Jede von beiden Konstruktionen für sich allein wäre richtig. Auf die -Frage: wann ist das Konzert? kann ebensogut mit dem bloßen Akkusativ -geantwortet werden: +den+ Donnerstag, wie mit an und dem Dativ: +am+ -Donnerstag.[124] Aber beide Konstruktionen zusammenzukoppeln, einen -Akkusativ als Apposition zu einem Dativ zu setzen, ist greulich. -Fühlt man das gar nicht? Was glaubt man denn, daß es für ein Kasus -sei, wenn auf die Frage: wann wird er zurückkehren? geantwortet wird: -+Donnerstag+. Ist man so stumpfsinnig geworden, daß man hier den -Akkusativ nicht mehr fühlt, auch wenn der Artikel nicht dabeisteht? -wenn bloß geschrieben wird: +Donnerstag+, den 13. Februar? Nun meinen -ja manche den Fehler zu vermeiden und ihre Sache sehr gut zu machen, -wenn sie schreiben: +am+ Donnerstag, +dem+ 13. Februar. Aber da kommen -sie aus dem Regen in die Traufe! (vgl. S. 253). Nein nein, es gibt nur -+ein+ Heilmittel: man lasse das dumme am wieder weg, und alles ist in -Ordnung. - -Man schreibt aber auch schon: +vom Ende+ Februar, +vom+ Dienstag, +den+ -6. dieses Monats ab. Das ist fast noch abscheulicher. Die Akkusative -+Ende+ Februar, +Dienstag, den+ 6. gelten für den Satzbau genau so viel -wie jedes Adverbium der Zeit, das auf die Frage wann? antwortet, wie -+gestern+, +heute+, +morgen+ usw. Ebenso nun wie auf die Fragen: von -wann? und bis wann? geantwortet wird: +von heute bis morgen+, ebenso -muß auch geantwortet werden: +von Ende Februar+, +von Dienstag, den -6. bis Donnerstag, den 8. April+. Denn nicht +Ende+ oder der Artikel -+den+ hängt von der Präposition +von+ ab, sondern die ganze, wie ein -Adverbium der Zeit aufzufassende Formel: +Dienstag, den 6+. - -Derselbe Fall kommt auch bei Ortsbestimmungen vor. +Zuhause+, das -auf die Frage wo? antwortet, wird für die Konstruktion ganz zum -Ortsadverbium, wie +hier+, +dort+, +oben+, +unten+ u. a. Auf die Frage: -wo kommst du her? ist es also durchaus nicht falsch, zu antworten: -+von zuhause+. Wir in Mitteldeutschland sagen immer so (nicht wie der -Norddeutsche sagt: +von Hause+, das uns fremdartig und geziert klingt), -ebenso wie wir auch sagen: er spricht viel +von zuhause+, er denkt den -ganzen Tag +an zuhause+. (Goethe: ich freue mich recht +auf nachhause+!) - - -Bindewörter. Und - -Auch der Gebrauch der Bindewörter hält sich jetzt nicht frei von -Fehlern und namentlich nicht frei von Geschmacklosigkeiten, die sich -aber natürlich gerade deshalb, weil sie so geschmacklos sind, besondrer -Beliebtheit erfreuen. Richtig angewandt werden ja im allgemeinen die -geläufigen Verbindungen: +nicht nur -- sondern auch+, +sowohl -- als -auch+, +entweder -- oder+, +weder -- noch+; doch kann man bisweilen -auch Sätze lesen, wo falsch +nicht nur -- aber auch+ gegenübergestellt -sind. Feiner und weniger geläufig ist die Verbindung +nicht sowohl -- -als vielmehr+. Bei den vorhergehenden Verbindungen sind entweder beide -Glieder bejahend oder beide verneinend; hier ist das erste verneinend -und das zweite bejahend. Mit dieser Verbindung wissen manche nicht -recht umzugehn; sie möchten sich aber doch auch gern damit zieren und -schreiben dann: +nicht sowohl+ was die Anzahl, +sondern mehr+ was die -Bedeutung der Stücke betrifft. - -Aber selbst bei dem einfachen +und+ werden Fehler gemacht. Ein sehr -gewöhnlicher Fehler entsteht dadurch, daß sich der Schreibende nicht -genügend klar darüber ist, wieviel Glieder er vor sich hat. Da schreibt -z. B. einer -- gleich auf dem Titelblatt eines Buches! --: Geschichte -+der Seuchen, Hungers- und Kriegsnot+ im Dreißigjährigen Kriege. -Wieviel Glieder sind das, zwei oder drei? Der Schreibende hat es für -drei gehalten, es sind aber nur zwei. Das erste Glied ist +Seuchen+, -das zweite ist +Hungers- und Kriegsnot+, und dieses besteht selber -wieder aus zwei Gliedern. Folglich fehlt die Verbindung zwischen dem -ersten und dem zweiten Gliede. Vielleicht fürchtet man sich vor einem -doppelten +und+ -- es spielt da wieder der Aberglaube herein, daß man -nicht kurz hintereinander zweimal dasselbe Wort gebrauchen dürfe! --, -aber die Logik verlangt es hier unbedingt. Beseitigen wir noch den -zweiten groben Fehler, daß der Plural +der+ vor +Seuchen+ zugleich als -Singular auf +Hungersnot+ bezogen ist, so lautet das Ganze richtig: -Geschichte +der Seuchen und der Hungers- und Kriegsnot+ usw. Ähnliche -Beispiele, wo überall ein +und+ fehlt -- wo? deuten die Klammern an ---, sind folgende: ~Ex-Libris~, Zeitschrift für Bücherzeichen- [] -Bibliothekskunde +und+ Gelehrtengeschichte -- die Beziehungen zum Hofe -von Alexandrien [] zur alexandrinischen Kunst +und+ Wissenschaft -- das -Material entnimmt er seinen eignen Erinnerungen [] Aufzeichnungen +und+ -Briefen aus dem schleswig-holsteinischen Archiv -- ein gemeinsames -Münz-, Maß- [] Gewichtssystem [] Patent- +und+ Markenschutzrecht -- -Hundegeschirre, Hand- [] Kinderwagen +und+ Rollstühle -- ein Gärtchen, -in dem er Gemüse baute [] Blumen +und+ Bienen pflegte -- das schlechte -Essen [] Trinken +und+ die lästigen Fliegen -- wer lesen, schreiben [] -rechnen kann +und+ täglich seine Zeitung liest. In allen diesen Fällen -liegen nur zwei (oder drei) Glieder vor, von denen aber das eine selbst -wieder aus zwei oder mehr Gliedern besteht, und in den meisten Fällen -fehlt das +und+ gerade da, wo die beiden Hauptglieder miteinander -verbunden werden müssen. Es ist genau so, wie wenn jemand schreiben -wollte: die Räuber, Kabale und Liebe anstatt: die Räuber +und+ Kabale -und Liebe. Derselbe Fehler findet sich auch bei +oder+: z. B. die -Beeinträchtigung eines künstlerisch bedeutungsvollen Platzes [], -Straßen- +oder+ Stadtbildes. Hier muß auch hinter +Platzes+ unbedingt -noch ein +oder+ stehen. - -Eine rechte Dummheit ist es, wenn auf Buchtiteln, in -Buchhändleranzeigen, auf Konzertprogrammen usw. von zwei Männern, die, -entweder gleichzeitig oder nacheinander, der eine vielleicht nach dem -Tode des andern, an einem Werke gearbeitet haben, die Namen durch -Bindestriche miteinander verbunden werden, z. B.: kritische Ausgabe -+von Lachmann-Muncker+, Quellenkunde von +Dahlmann-Waitz+, Phantasie -+von Schubert-Liszt+, der Denkmalsentwurf von +Schmitz-Geiger+. Zwei -Namen so zu verbinden hat allenfalls Sinn, wenn der Mann zu seinem -Namen den der Frau oder (wie in der Theaterwelt) die Frau zu dem -ihrigen den des Mannes fügt. Aber zwei (!) Personen durch einen solchen -Doppel- und Koppelnamen zu bezeichnen ist doch sinnwidrig. Warum denn -nicht: kritische Ausgabe von +Lachmann und Muncker+? Wozu solches -Telegrammgestammel, wo es gar nicht nötig ist? Aber die Franzosen -reden doch auch von +Erckmann-Chatrian+. Das wars! das muß doch wieder -nachgemacht werden. Aber es ist wieder nur gedankenlose Nachäfferei, -denn diese beiden +wollten+ doch den Schein erwecken, daß sie nur -+eine+ Person wären![125] - -Dieselbe Dummheit -- einen Bindestrich statt +und+ zu schreiben -- -ist aber auch sonst noch verbreitet, namentlich in den beliebten -Verbindungen: +kritisch-historisch+, +historisch-kritisch+, -+religiös-sittlich+, +religiös-sozial+, +sozial-wirtschaftlich+, -+sozial-ethisch+, +technisch-konstruktiv+, +wirtschaftlich-technisch+, -+hygienisch-therapeutisch+ usw. Welche Unklarheit und Verwirrung haben -diese törichten Koppelwörter schon in den Köpfen angerichtet! Kann -es einen größern Unsinn geben als +religiös-sittlich+? Religion und -Sittlichkeit sind doch zwei ganz verschiedne Gebiete. Kann es einen -größern Unsinn geben als +historisch-kritische+ Anmerkungen? Eine -historische Anmerkung ist doch keine kritische, und eine kritische -keine historische. - -Sehr beliebt ist jetzt auch die Abgeschmacktheit -- sie stammt aus -Österreich --, statt +und zwar so+ zu schreiben: +so zwar+, z. B.: -entscheidend sind die Leistungen im Deutschen, +so zwar+, daß ein -Schüler, der im Deutschen nicht genügt, für nicht bestanden (!) erklärt -wird. Wer logisch denkt, wird hinter +so zwar+ stets noch ein zweites -Glied erwarten: +aber doch auch so+, daß usw. - -Eine ganz neue Dummheit ist es, auf Quittungen, Wechseln u. dgl. in der -Angabe der Geldsumme statt +und+ zu schreiben auch: 75 Mark +auch+ 20 -Pfennige. Das ist schwedisch, aber nicht deutsch: ~utan svafvel +och+ -fosfor~. - -Falsch ist es, einen Satz mit +denn+ an einen untergeordneten Nebensatz -anzuknüpfen, z. B.: leider ist der Brief +nicht so bekannt geworden+, -wie er es verdiente, +denn+ er ist für den Entwicklungsgang des -Künstlers von großer Wichtigkeit. Man erwartet: +denn+ er ist an einer -sehr versteckten Stelle abgedruckt. An einen untergeordneten Nebensatz -kann sich nie ein bei- oder nebengeordneter anschließen. - - -Als, wie, denn beim Vergleich - -Ob es richtiger sei, zu sagen: +größer als+ oder +größer wie+, -läßt sich am besten mit Hilfe der Sprachgeschichte beantworten. In -der Anwendung der drei vergleichenden Bindewörter +als+, +wie+ und -+denn+ ist im Laufe der Zeit eine Verschiebung vor sich gegangen. Im -Althochdeutschen und noch im Mittelhochdeutschen stand (wie noch heute -im Englischen) hinter dem Komparativ stets ~danne~, ~dan~, ~denne~, -z. B.: ~wîzer dan ein snê~ (weißer +denn+ Schnee). +Denn+ bezeichnete -also die Ungleichheit. Hinter dem Positiv stand damals stets ~alsô~ -(d. h. ganz so), ~alse~, ~als~, z. B.: ~wîz als ein swan~ (weiß +als+ -ein Schwan). +Als+ bezeichnete also die Gleichheit, und zwar nicht nur -hinter dem Positiv, sondern auch bei andern Vergleichungen, wie bei -Luther: wer nicht das Reich Gottes empfängt +als+ ein Kind -- du sollst -deinen Nächsten lieben +als+ dich selbst -- und auch in vergleichenden -Zwischensätzen: +als+ sich gebührt. Wie endlich, althochdeutsch -~hwêo~ oder ~hwio~, war ursprünglich überhaupt keine vergleichende -Konjunktion, sondern nur Fragewort. - -Allmählich erweiterte sich aber das Gebiet von +als+ so, daß es nicht -bloß bei der Gleichheit, sondern auch bei der Ungleichheit, hinter dem -Komparativ verwendet wurde und dort das alte +denn+ verdrängte. Dafür -wurde aber +wie+ zur Vergleichungspartikel und fing nun seinerseits -an, das alte +als+ da zu verdrängen, wo dieses früher die Gleichheit -bezeichnet hatte, ja es drang sogar noch weiter vor, bis an die -Stelle von +denn+ und bezeichnete nun ebenfalls auch die Ungleichheit -(+größer wie+). Diese Verschiebung, die schon im sechzehnten -Jahrhundert beginnt, ist im siebzehnten und achtzehnten in vollem Gange -und ist eigentlich auch jetzt noch nicht ganz, aber doch ziemlich -abgeschlossen. Daß sie noch nicht ganz abgeschlossen ist, daher stammt -eben das Schwanken. - -Wenn man also auch nicht behaupten kann, es sei falsch, zu sagen: -+so weiß als+ Schnee, es dürfe nur heißen: so +weiß wie+ Schnee, so -trifft man doch ungefähr das richtige, wenn man sagt: +denn+ als -Vergleichungspartikel ist veraltet (nur in gewissen Verbindungen wie: -mehr +denn je+ ist es noch üblich), +als+ bezeichnet die Ungleichheit -(+anders als+) und gehört hinter den Komparativ (wie lat. ~quam~, -franz. ~que~, engl. ~than~), +wie+ bezeichnet die Gleichheit und -gehört hinter den Positiv (wie lat. ~ut~, franz. ~comme~, engl. -~as~). Es könnte nichts schaden, wenn der Unterricht in diesem Sinne -etwas nachhülfe und dadurch dem Schwanken ein Ende machte. +Wie+ auch -hinter dem Komparativ zu gebrauchen (er sieht ganz +anders+ aus +wie+ -die üblichen Sterblichen), müßte dann natürlich der Gassensprache -überlassen bleiben. Leider verbreitet es sich neuerdings wieder mehr -und mehr auch in der Schriftsprache (+besser wie+, +mehr wie je+), wo -es dann unsäglich gemein wirkt. - -Erhalten hat sich noch die ursprüngliche Bedeutung von +als+ im Sinne -der Übereinstimmung bei den Appositionen hinter +als+: +als Knabe+, -+als Mann+, +als König+, +als Gast+, +als Fremder+. Da kommt es nun -nicht selten vor, daß dieses +als+ unmittelbar hinter ein +als+ beim -Komparativ tritt, z. B.: er betrachtete und behandelte den jungen -Mann mehr als Freund, +als als+ Untergebnen. In diesem Falle pflegt --- nach dem alten, nun schon oft bekämpften Aberglauben -- gelehrt -zu werden, es müsse heißen: +denn als+ Untergebnen; das Wort +als+ -dürfe nicht zweimal hintereinander stehen. Und so schreibt man denn -auch meist ängstlich: die Trennung der Christenheit hat sich eher -als Gewinn +denn als+ Schädigung erwiesen -- Bismarck fühlte sich -weniger als deutscher Staatsmann +denn als+ der ergebne Diener des -Hauses Hohenzollern -- manche Gymnasiallehrer stellen sich lieber als -Reserveoffiziere +denn als+ Bildner der Jugend vor. Es fragt sich aber -doch sehr, was anstößiger sei: das doppelte +als+ oder das auffällige, -gesuchte, veraltete +denn+, das sonst niemand mehr in diesem Sinne -gebraucht. Die Umgangssprache, auch die der Gebildeten, setzt -unbefangen ein doppeltes +als+: mir hat Lewinsky besser als Shylock -+als als+ Mohr gefallen. Ein feiner Satz ist: Friedrich Wilhelm der -Vierte haßte die Revolution nicht bloß +wie+, sondern +als+ die Sünde. -Hier sieht man deutlich hinter +wie+ die Vergleichung, hinter +als+ die -Übereinstimmung. - - -Die Verneinungen - -In dem Gebrauche der Verneinungen ist es zunächst eine häßliche -Gewohnheit der Amts- und Zeitungssprache, statt +keiner+ und +nichts+ -immer zu sagen: +einer nicht+, +etwas nicht+, z. B. dieser Orden wird -auch an solche Personen verliehen, die +einen+ Hofrang +nicht+ besitzen --- diesem Unterschied ist +eine+ größere Tragweite +nicht+ beizumessen --- wenn nachgewiesen wird, daß dieser Versuch +einen+ günstigen Erfolg -+nicht+ gehabt hat -- von der Opposition hatte sich +ein+ Redner, um -diese scharfen Angriffe zurückzuweisen, +nicht+ gemeldet -- das Patent -schließt sich der Ansicht an, daß in dem vorgelegten Maschinenteil -+eine+ wesentliche, zur Erleichterung der Anwendung beitragende neue -Erfindung +nicht+ gemacht sei -- den auf die Tagesordnung zu stellenden -Vorträgen wird +eine+ Erörterung +nicht+ folgen -- die Deputation fand -gegen alles dieses +etwas nicht+ einzuwenden -- durch die neuerlichen -(!) Bestimmungen wird im übrigen an den bestehenden Einrichtungen -+etwas nicht+ geändert (was mag dieses Etwas sein?). Eine solche -Trennung -- eine Nachahmung des Lateinischen -- ist nur dann am Platze, -wenn das Hauptwort betont und einem andern Hauptworte gegenübergestellt -wird, z. B.: +ein Erfolg+ ist bis jetzt +nicht+ zu beobachten gewesen --- wo +Erfolg+ vorangestellt und vielleicht den vorher besprochnen -Bemühungen gegenübergestellt ist.[126] - -Eine doppelte Verneinung gilt jetzt fast allgemein in der guten -Schriftsprache als Bejahung. Es ist das aber -- dessen wollen wir uns -bewußt bleiben -- eine ziemlich junge „Errungenschaft“ des Unterrichts. -In der älteren Sprache bestand, wenn auch nicht geradezu die Regel, -so doch weit und breit die Gewohnheit, daß man den Begriff der -Verneinung, um ihn zu verstärken, verdoppelte, ja verdreifachte. Diese -Gewohnheit hat sich, auch bei den besten Schriftstellern, bis weit in -das achtzehnte Jahrhundert erhalten, und der Volksmund übt sie zum -Teil noch heute. Nicht bloß Luther schreibt: ich habe +keinem nie -kein+ Leid getan,[127] auch Lessing schreibt noch: +keinen+ wirklichen -Nebel sahe Achilleus +nicht+, auch Goethe noch: man sieht, daß er an -+nichts keinen+ Anteil nimmt, auch Schiller noch: +nirgends kein+ Dank -für diese unendliche Arbeit, und der Volksmund fragt noch heute: hat -+keener kee+ Streichhelzchen +nich+? Wir mögen es bedauern, daß unter -dem Einflusse der lateinischen Grammatik diese -- falsche darf man -nicht sagen, sondern nur andre Art, zu denken, ganz verdrängt worden -ist, auch in der Volksschule, die hier ebenfalls unter dem Banne der -lateinischen Grammatik steht; aber nachdem das einmal geschehen ist, -und die doppelte Verneinung fast allgemein wie im Lateinischen (~nemo -non~) als Bejahung empfunden wird, ist es auch unmöglich, sie noch -in der alten Weise zu verwenden. Das gilt besonders auch bei den -Nebensätzen, die mit +ehe+, +bevor+, +bis+ und +ohne daß+ anfangen, -und bei Infinitivsätzen nach einem verneinten Hauptsatze. Es ist -also entschieden anstößig, zu schreiben, wie es so oft geschieht: -die Hauptfrage kann +nicht+ erledigt werden, ehe +nicht+ (oder: -bis +nicht+) die Vorfrage erledigt ist (+wenn nicht+ oder +solange -nicht+ wäre richtig) -- es gehört +keine+ große Menschenkenntnis -dazu, das +nicht+ auf den ersten Blick zu sehen. Namentlich hinter -+warnen+ erscheint ein verneinter Infinitiv, wie in den bekannten -Zeitungsanzeigen: ich +warne+ hiermit jedermann, meiner Frau +nichts+ -zu borgen u. dgl., unsinnig, denn +warnen+, d. h. abraten, abmahnen, -enthält ja schon den Begriff der Verneinung. - -Daß eine Verneinung eines mit +un+ zusammengesetzten Hauptworts oder -Eigenschaftsworts (+kein Un+mensch, +nicht un+gewöhnlich, +nicht -un+möglich, +nicht un+wahrscheinlich) nur eine Bejahung, und zwar eine -eigentümlich gefärbte vorsichtige Bejahung ausdrücken kann, darüber -ist sich wohl jedermann klar. Man sollte aber mit dieser doppelten -Verneinung, der sogenannten Litotes (Einfachheit), wie man sie mit -einem Ausdrucke der griechischen Grammatik bezeichnet, recht sparsam -sein. Es gibt Gelehrte -- es sind dieselben, die auf jeder Seite zwei-, -dreimal +meines Erachtens+ lispeln, als ob nicht alles, was sie sagen, -bloß ihr „Erachten“ wäre! --, die nicht den Mut haben, auch nur eine -einzige Behauptung, ein einziges Urteil fest und bestimmt hinzustellen, -sondern sich um alles mit dem ängstlichen +nicht un+-- herumdrücken. Es -gibt aber auch Leute, die so in diese Litotes verliebt sind, daß sie -sie gedankenlos sogar da brauchen, wo sie die Verneinung meinen, z. B.: -das wirkt +nicht unübel+ -- dieser Effekt war ein von dem Juden +nicht -un+erwarteter -- endlich fand sich ein Tag, an welchem (wo!) +keiner+ -der drei Herren +un+behindert war -- es ist das +kein unverächtlicher+ -Zug -- die Leistungen zeigen eine +nicht ungewöhnliche+ Begabung -- -ein gewisser +Mangel an Nichtachtung+ des Lehrerstandes und ähnl. Ist -es doch sogar einem so scharfen Denker wie Lessing begegnet, daß er -in der Emilia Galotti geschrieben hat: +nicht ohne Miß+fallen (wo -er schreiben wollte: +nicht ohne+ Wohlgefallen, oder: +nicht+ mit -Mißfallen). Sehr häufig, viel häufiger, als es bei unserm heutigen -hastigen und gedankenlosen Lesen bemerkt wird, findet sich namentlich -die törichte Verbindung +nicht unschwer+: der Leser wird +nicht -unschwer+ erkennen -- es wird das +nicht unschwer+ zu beweisen sein --- man wird sich +nicht unschwer+ vorstellen können. Schon +unschwer+ -allein ist ein dummes Wort, wie alle solche unnötig gekünstelten -Verneinungen.[128] Nun vollends +nicht unschwer+! Und das soll heißen: -+leicht+! Erscheint nicht ein solches Hineinfallen in einen logischen -Fehler wie eine gerechte Strafe für törichte Sprachziererei? Auch wenn -jemand schreibt: der Besitzer sieht in dieser Bronze +nichts weniger+ -als ein Werk des Lysipp, es ist aber nur eine römische Nachahmung -- -so schreibt er gerade das Gegenteil von dem, was er sagen will; er -will sagen: der Besitzer sieht in der Bronze +nichts geringeres+ als -ein Werk des Lysipp, es ist aber +nichts weniger+ als das, es ist nur -eine römische Nachahmung. Auch wenn man gespreizt sagt: das ist +nicht -zum geringsten Teile+ der Tätigkeit unsers Vereins zu danken (anstatt -einfach: +zum größten Teile+), kann man sich nicht beschweren, wenn ein -Schalk das Gegenteil von dem heraushört, was man sagen will. - -Wenn von zwei Verneinungen die zweite gesteigert werden soll, so -geschieht das durch +geschweige denn+, z. B. der Bau kann in vier -Jahren nicht ausgeführt werden, +geschweige denn+ in zweien. Ist -das erste Glied positiv, so kann +geschweige denn+ nicht angewendet -werden. Falsch ist also folgender Satz: diese Bestrebungen können -+nur+ mit universalgeschichtlichen Kenntnissen gepflegt, +geschweige -denn+ gefördert werden. Hier muß es entweder statt +geschweige denn+ -heißen: und +vollends+ (vgl. S. 132), oder das erste Glied muß -ebenfalls negativ eingekleidet werden: diese Bestrebungen können ohne -universalgeschichtliche Kenntnisse +nicht+ gepflegt, +geschweige denn+ -gefördert werden. - - -Besondere Fehler. Der Schwund des Artikels - -Im Niederdeutschen ist es gebräuchlich, bei -Verwandtschaftsbezeichnungen den Artikel wegzulassen wie bei -Personennamen und zu sagen: +Vater+ hats erlaubt, +Mutter+ ist -verreist, +Tante+ ist dagewesen. Wenn das neuerdings auch in -Mitteldeutschland viele nachmachen, weil es aus Berlin kommt, so ist -das Geschmacksache; schön ist es nicht, nicht einmal traulich. Eine -widerwärtige Unsitte aber ist es, diese niederdeutsche Gewohnheit -auszudehnen auf Wörter wie: der +Verfasser+, der +Berichterstatter+, -der +Referent+, der +Rezensent+, der +Angeklagte+, der +Kläger+, -der +Redner+, der +Vorredner+ (!), der +Vorsitzende+ usw. Es wird -aber jetzt fast allgemein geschrieben: in dieser Schrift bietet -+Verfasser+ eine Anthologie aus den Hauptwerken der Klassiker der -Staatswissenschaft -- die Veröffentlichung dieses Buchs hat für -+Referenten+ ein besondres Interesse gehabt (für alle Referenten?) --- +Berichterstatter+ bekennt gern, daß er eine solche Bemerkung nie -zu hören bekommen hat -- +Schreiber+ dieser Zeilen hat das selbst -beobachtet. - -Einen zweiten Fall, wo der Artikel jetzt unberechtigterweise -weggelassen wird, vergegenwärtigen Ausdrücke wie: Denkmale +deutscher -Tonkunst+, die erste Blütezeit +französischer Plastik+, eine ältere -Epoche +deutscher Geschichte+, Fragen +auswärtiger Politik+, die Freude -an +heimischer Vergangenheit+, eine Tat +evangelischen Bekenntnisses+. -Sind denn die deutsche Tonkunst und die französische Plastik früherer -Zeiten Dinge wie französischer Rotwein und deutscher Käse, die -unaufhörlich vertilgt und neu fabriziert werden? Es sind doch ganz -bestimmt umgrenzte Mengen dauernder Erzeugnisse der menschlichen -Geistestätigkeit. Welcher Unsinn, denen den bestimmten Artikel zu -rauben! Man denke sich, daß Overbeck seine Geschichte der griechischen -Plastik Geschichte +griechischer Plastik+ genannt hätte! - -Ein dritter Fall endlich -- ungefähr von derselben Art -- ist die -Geschmacklosigkeit, den bestimmten Artikel in Überschriften von -Aufsätzen und in Buchtiteln wegzulassen. Aber auch das ist jetzt -sehr beliebt. Man nimmt eine Monatsschrift zur Hand und findet im -Inhaltsverzeichnis: +Ballade+. Von X. Ei der tausend! denkt man, ist -dein guter Freund X unter die Balladendichter gegangen? und schlägt -begierig auf. Was findet man? Einen Aufsatz über die Geschichte der -Ballade! Der kann aber doch vernünftigerweise nur überschrieben werden: -+Die Ballade+. Ein bekannter Kunstsammler hat über seine Schätze ein -Prachtwerk veröffentlicht unter dem Titel: +Sammlung Schubart+. Ja, so -konnte er ins Treppenhaus über die Tür seines Museums schreiben, aber -der Buchtitel kann nur lauten: +Die Sammlung Schubart+ (wenn durchaus -französelt sein muß!). Namentlich Romane, Schauspiele und Zeitschriften -werden jetzt gern mit solchen artikellosen Titeln versehen (+Heimat+, -+Jugend+, +Sonntagskind+ u. ähnl.), aber auch andre Werke, wie: -+Stammbaum Becker-Glauch+ (das soll heißen: der Stammbaum der Familien -Becker und Glauch!). Ein bekanntes Werk von Guhl und Koner hat fünf -Auflagen lang +das Leben der Griechen und Römer+ geheißen; der neue -Herausgeber der sechsten hat es wahrhaftig verschönert zu: +Leben der -Griechen und Römer+. Zu einer wahren Seuche ist dieses Weglassen des -Artikels in den sogenannten „Spitzmarken“ der Zeitungen ausgeartet: -+Frecher Diebstahl+, +Aufgefundener Leichnam+, +Fahrrad gestohlen+, -+Mädchen vermißt+.[129] - -In formelhaften Verbindungen wie: +Haus und Hof+, +Land und Leute+, -+Frau und Kinder+ bleibt der Artikel stets weg, aber nur dann, wenn die -beiden so verbundnen Hauptwörter gar keinen Zusatz haben. Falsch ist -es, zu sagen, wie es jetzt oft geschieht: der Verunglückte hinterläßt -+Frau und drei unmündige Kinder+. Er hinterläßt +Frau+ -- das ist kein -Deutsch, denn niemand sagt: +ich habe Frau, hast du Frau+? - -Es gibt aber auch Fälle, wo der Artikel gesetzt wird, obwohl er nicht -hingehört. Gleich unausstehlich sind zwei Anwendungen des Artikels --- das einemal des unbestimmten, das andremal des bestimmten -- bei -Personennamen. Für Leute von Geschmack bedarf es wohl nur folgender -Beispiele, um ihren ganzen Abscheu zu erregen: Heyse hat nie die ruhige -Größe +eines Goethe+ erreicht -- welcher unsrer großen Schriftsteller, -selbst +ein Lessing+ und +ein Goethe+, wäre von Fehlern freizusprechen! --- und: von den Franzosen kamen +die Dumas Sohn+ und Genossen herüber --- die Neigung und Schätzung +der Haupt, Jahn und Mommsen+ -- die -tiefeindringende Ästhetik +der Hebbel und Ludwig+. Der zweite Fall -ist ja ein gemeiner Latinismus; den ersten aber sollte man dem -Untersekundaner überlassen, der seinen ersten deutschen Aufsatz über -ein literargeschichtliches Thema schreibt, ja nicht einmal dem, denn -wie soll er sonst seinen Ungeschmack loswerden? - - -Natürliches und grammatisches Geschlecht - -Viel Kopfzerbrechen hat schon manchem die Frage gemacht, ob man auf -Wörter wie +Weib+, +Mädchen+, +Fräulein+, +Mütterchen+ mit +es+, -+das+ und +sein+ zurückweisen müsse, oder auch mit +sie, die+ und -+ihr+ zurückweisen dürfe, mit andern Worten: ob bei solchen Wörtern -das grammatische oder das natürliche Geschlecht vorgehe. Auch bei -+Backfisch+ kann die Frage entstehen. Nun, um das Ob braucht man -sich nicht zu sorgen, es ist eins so richtig wie das andre; die -Schwierigkeit liegt nur in dem Wo und Wie, und hierüber läßt sich -keine allgemeine Regel geben, es muß das dem natürlichen Gefühl des -Schreibenden überlassen bleiben. Klar ist, daß das grammatische Subjekt -solcher Wörter um so eher festgehalten werden darf, je dichter das -Fürwort auf das Hauptwort folgt, also besonders bei dem relativen -Fürwort, das sich unmittelbar an das Hauptwort anschließt, ebenso, -wenn beide sonst nahe beieinander in demselben Satze stehen, z. B.: -+das Mädchen+ hatte frühzeitig +seine+ Eltern verloren. Es ist aber -auch nicht das geringste dagegen einzuwenden, wenn jemand schreibt: die -Dekoration stand +dem Mütterchen+ Moskau gut zu +ihrem+ alten Gesicht. -Auch bei Goethe heißt es: dienen lerne beizeiten +das Weib+ nach -+seiner+ Bestimmung, denn durch Dienen allein gelangt +sie+ endlich -zum Herrschen. Je später das Fürwort auf das Hauptwort folgt, desto -mehr schwächt sich die Kraft des grammatischen Geschlechts ab, und die -Vorstellung des natürlichen Geschlechts verstärkt sich. Deshalb ist es -auch abgeschmackt zu schreiben: die jüngere Tochter ist +ein Ausbund+ -von Anmut und Gescheitheit, um +den+ sich die tanzenden Herren förmlich -reißen, wenn +er+ in der Gesellschaft erscheint. Namentlich in einer -längeren Reihe von Sätzen hintereinander das grammatische Geschlecht -solcher Wörter pedantisch festzuhalten, kann unerträglich werden. - -Die Frage, ob es heißen müsse: +Ihr Fräulein Tochter+ (+Schwester+, -+Braut+) oder +Ihre Fräulein Tochter+, ist sehr leicht zu beantworten. -Das besitzanzeigende Adjektivum gehört in diesen Verbindungen nicht zu -+Fräulein+, sondern natürlich zu +Tochter+, +Schwester+, +Braut+, wozu -+Fräulein+, gleichsam in Klammern, als bloßer Höflichkeitszusatz tritt -(vgl. S. 15 die Herren Mitglieder). Es darf also nur heißen: +Ihre -[Fräulein] Braut+ -- empfehlen Sie mich +Ihrer [Fräulein] Tochter+! - -Seitdem die Universitäten den Titel „Doktor“ (als ob er eine -Versteinerung wäre, von der kein Femininum gebildet werden könnte!) an -Damen verleihen, liest man auf Büchertiteln: ~Dr.~ +Hedwig Michaelson+. -Setzt man davor noch +Fräulein+, so hat man glücklich drei Geschlechter -nebeneinander: +Fräulein+ (sächlich) +Doktor+ (männlich) +Hedwig+ -(weiblich). Freilich ist dabei eigentlich nichts verwunderliches. -Die Verschrobenheit der Sprache ist ja nur das Abbild von der -Verschrobenheit der Sache. Vielleicht druckt man auch noch: Fräulein -~Studiosus medicinae~ Klara Schulze. - - -Mißhandelte Redensarten - -Für eine große Anzahl von Tätigkeitsbegriffen fehlt es im Deutschen -an einem geeigneten Zeitwort; wir können sie nur durch Redensarten -ausdrücken, die aus einem Zeitwort und einem Hauptwort bestehen. -Oft ist aber auch ein geeignetes Zeitwort vorhanden, und doch -geben viele, weil sie die Neigung haben, sich breit auszudrücken, -einer umschreibenden Redensart den Vorzug. Solche Redensarten -- -unentbehrliche und entbehrliche -- sind z. B.: +Fühlung haben+, -+Gebrauch machen+, +Klage führen+, +Rechenschaft ablegen+, +Kenntnis -nehmen+, +Platz greifen+, +Wandel schaffen+, +Lärm schlagen+, +Dank -wissen+, +in Kenntnis setzen+, +zur Verfügung stellen+ und hundert -andre. - -Diese Redensarten haben nun meist etwas formelhaftes. Da sie einfache -Verbalbegriffe ersetzen, so werden sie auch wie einfache Verba gefühlt. -Daraus folgt aber mit Notwendigkeit zweierlei: erstens, daß sie in -passivischen Sätzen und in Nebensätzen, wo das Zeitwort am Ende steht, -nicht zerrissen werden dürfen; zweitens, daß sie, ebenso wie wirkliche -Verba, nur mit Adverbien bekleidet werden können. Gegen beide Gesetze -wird fort und fort verstoßen. - -Da schreibt man z. B.: er wurde +in Kenntnis+ von dem Geschehenen -+gesetzt+. Falsch! Es muß heißen: er wurde von dem Geschehenen +in -Kenntnis gesetzt+, denn die Redensart +in Kenntnis setzen+ vertritt -ein einfaches Verbum und darf nicht zerrissen werden. Andre Beispiele -solches gefühllosen Zerreißens sind: wenn eine der brennenden Fragen -+in Beziehung+ zur technischen Hochschule +gesetzt wurde+ -- es ist -nicht mehr als billig, daß wir +einen Begriff+ von Talenten wie -Kjelland +erhalten+ -- weil die Regierung nicht +die Hand+ zu einer -dauernden Spaltung in den Münchner Künstlerkreisen +bieten+ wollte --- wenn auch dieser Realismus +die Brücke+ zwischen der Dichterin -und der großen Menge +schlug+ -- wer sich +eine Vorstellung+ von der -eigentümlichen Persönlichkeit Stiers +machen+ will. Der Fehler ist um -so störender, als durch das Zerreißen der Redensart der Ton von dem -Hauptwort auf das Zeitwort verlegt wird (die Hand bieten, anstatt: die -Hand bieten -- die Brücke schlug, anstatt: die Brücke schlug), auf das -Zeitwort, das meist ziemlich bedeutungslos und nur ein äußerliches -Hilfsmittel zur Bildung der Redensart ist. Läßt man die Redensart -zusammen, so bleibt auch der Ton an der richtigen Stelle. - -Die andre Art, solche Redensarten zu mißhandeln, besteht darin, daß man -das Hauptwort herausreißt und mit einem Attribut bekleidet, anstatt -die Redensart zusammenzulassen und sie als Ganzes mit einem Adverb -oder einem adverbiellen Ausdruck zu bekleiden. Der häufigste Fall -ist der, daß man zu dem Hauptwort ein Adjektiv setzt, z. B. es ist -sehr zu befürchten, daß er dabei +ernstlichen Schaden nehmen werde+. -+Schaden nehmen+ ist eine Redensart, die einen einfachen passiven -Verbalbegriff vertritt (geschädigt werden, beschädigt werden). Man kann -nicht +ernstlichen+, man kann nur +ernstlich+ Schaden nehmen, wie man -nur +ernstlich+ geschädigt werden kann. Mit andern Worten: nicht der -Schade ist ernstlich, sondern das Schadennehmen, der ganze Begriff. Der -Minister +nahm+ von den Einrichtungen der Schule +eingehende Kenntnis+ --- derselbe Fehler! +Kenntnis nehmen+ ist eine Redensart, die einen -einfachen aktiven oder passiven Verbalbegriff vertritt (kennen lernen, -belehrt werden, unterrichtet werden). Man kann von einer Sache weder -eingehende, noch gründliche, noch flüchtige, noch oberflächliche -Kenntnis nehmen, man kann nur +eingehend+, +gründlich+, +flüchtig+, -+oberflächlich+ Kenntnis nehmen. In folgenden Beispielen soll das -Richtige immer gleich in Klammern hinzugesetzt werden: +bittere -Klagen führen+ (+bitter+ Klage führen) -- +gebührende Notiz nehmen+ -(+gebührend+ Notiz nehmen) -- seiner Abneigung +unverhohlenen Ausdruck -geben+ (+unverhohlen+ Ausdruck geben) -- wir werden sein Andenken -stets +in hohen Ehren halten+ (+hoch+ in Ehren halten) -- sie +nahm+ -immer noch +einen merkwürdigen Anteil+ an dem Herrn (+merkwürdig+ -Anteil) -- der Rat wolle zu diesem Plane +wohlwollende Stellung nehmen+ -(+wohlwollend+ Stellung nehmen) -- es ist nicht leicht, zu dieser -Frage +richtige Stellung+ zu nehmen (+richtig+ Stellung zu nehmen) --- gegen das Rabattwesen wurde +scharfe Stellung genommen+ (+scharf+ -Stellung genommen) -- der König besuchte das Geschäft, um die Geschenke -in +kritischen Augenschein zu nehmen+ (+kritisch+ in Augenschein -zu nehmen) -- von seinen literarischen Arbeiten +legen+ die Briefe -+ausgiebige+ Rechenschaft ab (+ausgiebig+) -- sie denken nicht daran, -mit diesen Hirngespinsten +ernsthafte Politik zu treiben+ (+ernsthaft+ -Politik zu treiben) -- über meine Tätigkeit war +ein entstellender -Bericht erstattet+ worden (+entstellend+ Bericht erstattet worden) --- die ausgestellten Gegenstände +kommen+ nicht +zu rechter Geltung+ -(+recht+ zur Geltung) -- die Stimme des Unmuts im Lande soll nicht +zu -weiterm Ausdruck+ (+weiter+ zum Ausdruck) kommen -- wir können diesen -Gerüchten +keinen rechten Glauben schenken+ (+nicht recht+ Glauben -schenken) -- allen gröbern Ausschreitungen muß +ein energisches Halt -geboten werden+ (+energisch+ Halt geboten) -- die gegnerische Presse -hat +gewaltigen Lärm geschlagen+ (+gewaltig+ Lärm geschlagen) -- das -Gottesgnadentum hatte unter seinem Vater +trostlosen Schiffbruch -gelitten+ (+trostlos+ Schiffbruch gelitten) -- hier wäre Grund -vorhanden, +bessernde Hand anzulegen+ (+bessernd+ Hand anzulegen) --- die Zeit +schafft+ oft unerwartet +schnellen Wandel+ (+schnell+ -Wandel) -- er +brachte+ die Angelegenheit +zum ausführlichen Vortrag+ -(+ausführlich+ zum Vortrag) -- ich erlaube mir, meinen schönen Garten -mit Kolonnaden +in empfehlende Erinnerung zu bringen+ (+empfehlend+ in -Erinnerung zu bringen). - -Ebensowenig wie Eigenschaftswörter dürfen natürlich Zahlwörter oder -besitzanzeigende Adjektiva in solche Redensarten eingefügt werden. Da -schreibt einer über die Tagespresse: man muß +zwischen ihren Zeilen -lesen+. Unsinn! Man muß +bei ihr zwischen den Zeilen lesen+! Denn -+zwischen den Zeilen lesen+ ist eine formelhafte, unveränderliche -Redensart, die nur durch einen adverbiellen Zusatz (+bei ihr+) näher -bestimmt werden kann. Ein andrer schreibt: der +erste Sturm+ sollte -gegen das Großkapital +gelaufen+ werden. Doppelter Unsinn! Erstens weil -der Sturm gezählt, zweitens weil die Redensart zerrissen ist. Es muß -heißen: +zuerst+ sollte gegen das Großkapital +Sturm gelaufen werden+. -Ebenso ist doppelt fehlerhaft: wir müssen +fleißigern Gebrauch+ von der -Rute +machen+ (richtig: wir müssen +fleißiger+ von der Rute +Gebrauch -machen+) -- die Zeit, wo der Fürst noch +unmittelbare Fühlung+ mit -dem Volke +hatte+ (richtig: +unmittelbar+ mit dem Volke +Fühlung -hatte+) -- +besonderen Dank+ wird der Leser dem Herausgeber für die -kurzen Einleitungen +wissen+ (richtig: +besonders+ wird der Leser dem -Herausgeber für die kurzen Einleitungen +Dank wissen+) -- +besondre -Obacht+ mußte darauf +gegeben werden+, daß sich keiner der Buße -entzog (richtig: +besonders+ mußte darauf +Obacht gegeben werden+) -- -von konservativer Seite wird +laute Klage+ über die antisemitischen -Demagogen +geführt+ (richtig: wird +laut+ über die antisemitischen -Demagogen +Klage geführt+).[130] - -Ein Attribut kann ja aber auch in der Form eines abhängigen Genitivs -erscheinen; auch in dieser Form kommt der Fehler sehr oft vor. Da -schreibt man: die Ärzte müssen die ganze Nacht +zur Verfügung der -Wache stehen+ -- sämtliche Verhafteten wurden +zur Verfügung des+ -französischen +Botschafters+ gestellt -- wenn +sich+ die Kammer +zur -Verfügung der+ größten +Schwindelei+ des Jahrhunderts stellt (muß -heißen: der Wache +zur Verfügung stehen+ usw.) -- die Streitfragen, -+die auf der Tagesordnung ihrer Wissenschaft stehen+ (muß heißen: +in -ihrer Wissenschaft auf der Tagesordnung stehen+) -- es sollen ganz -bestimmte Gegenstände +zur Beratung der Konferenz gestellt werden+ --- (muß heißen: +der Konferenz zur Beratung gestellt werden+) -- -die Dame, +in deren Mund+ die Erzählung +gelegt ist+ (muß heißen: -der die Erzählung +in den Mund gelegt ist+). Auch in diesen Fällen -wird überdies die Redensart zerrissen, in den meisten entsteht ein -Gallizismus (~mettre à la disposition de quelqu’un~). - -Sowenig aber das Hauptwort einer solchen formelhaften Redensart mit -einem Attribut bekleidet werden kann, so wenig kann es endlich mit -einem Relativsatz behängt werden. Auch ein Relativsatz kann sich immer -nur an den Gesamtbegriff der Redensart, aber nicht an den Bestandteil -anschließen, den das Hauptwort bildet. Aber auch dieser Fehler, der -große Unbeholfenheit verrät, ist etwas sehr gewöhnliches, wie folgende -Beispiele zeigen: die Versuche +blieben nicht ohne Eindruck, der+ (!) -aber durch die nachfolgenden Ereignisse bald wieder verwischt wurde -- -namentlich +waren+ die Schöpfungen der Pariser Architektur auf ihn +von -Einfluß, der+ (!) bis zu seinen letzten Werken nachhaltend geblieben -ist -- ein solches Unternehmen muß in Einzelheiten +Widerspruch -hervorrufen+, +der+ (!) dann auch auf die Beratung des Ganzen Einfluß -übt -- da +stand er+ nun in +Verlegenheit, an die+ (!) er gar nicht -gedacht hatte -- auf seine Bitten erhielt er in dieser Sprache -+Unterricht, den+ (!) er selbst so anziehend geschildert hat -- die -Scheune +geriet in Brand, der+ (!) erst nach einer Stunde gelöscht -wurde -- Vischer +redet sich+ alle Galle +vom Herzen, das+ (!) im -deutschen Bruderkriege 1866 blutete. - -Etwas erträglicher wird der Fehler, wenn man das Hauptwort der -Redensart mit einer Art von Anaphora wiederholt, z. B.: man hat den -Eindruck, daß beide in dem Augenblick der Entscheidung +Friede gemacht -haben, einen Frieden+, der auch dem unterliegenden Teile zugute kommt. -Schwache Gemüter können hier zugleich rein äußerlich sehen, worauf es -ankommt: in der Redensart erscheint das Hauptwort ohne Artikel, in der -Anaphora mit Artikel; bezeichnend ist dabei der Unterschied, den der -Schreibende (unwillkürlich?) zwischen der ältern und der jüngern Form -+Friede+ und +Frieden+ gemacht hat. Oft berühren sich nämlich solche -unveränderliche formelhafte Redensarten nahe mit andern Wendungen, die -nichts formelhaftes haben, sondern im Augenblick gebildet sind und -jeden Augenblick anders gebildet werden können. Die sind aber dann von -formelhaften Wendungen leicht zu unterscheiden, äußerlich gewöhnlich -schon dadurch, daß in der Formel das Hauptwort keinen Artikel hat. Eine -zweifellos formelhafte Redensart ist: +zu Ohren kommen+. Daher wird -niemand sagen: es ist +zu meinen Ohren gekommen+, oder es ist +zu Ohren -des Ministers+ gekommen, sondern: es ist +mir zu Ohren gekommen+, es -ist +dem Minister zu Ohren gekommen+. Zweifeln kann man dagegen, ob -auch +zur Kenntnis kommen+ formelhaft sei. Der Vorgang kam +zu meiner -Kenntnis+ oder +zur Kenntnis des großen Publikums+ dürfte ebensogut -sein wie: er kam +mir zur Kenntnis+ oder +dem Publikum zur Kenntnis+. -Die Grenze ist hier manchmal schwer zu ziehen; wer Sprachgefühl hat, -wird meist ohne weiteres das Richtige treffen, wer keins hat, wird auch -bei aller Belehrung danebentappen. - -Das Tollste ist es, das Hauptwort aus einer solchen Redensart -herauszunehmen und in einem besondern Satze zu verwenden. Aber auch das -geschieht. Da schreibt z. B. einer: rührend war der +Abschied+, der -+genommen wurde+, ein andrer: wichtig war für meine spätern Neigungen -+die Bekanntschaft+ mit den Zeitungen, die +ich+ schon in meinen -Kinderjahren +machte+. Das soll heißen: rührend war es, als +Abschied -genommen wurde+, wichtig war, +daß ich+ schon in meinen Kinderjahren -mit den Zeitungen +Bekanntschaft machte+. Solche Sätze liegen schon -dicht an dem Wege, der zu den bekannten Späßen Wippchens führt, wie: -gebt mir +einen Haufen+, damit ich den Feind +darüberwerfen+ kann. - - -Vertauschung des Hauptworts und des Fürworts -- ein schwieriger Fall - -Einen eigentümlichen Fehler, dem man sehr oft begegnet, zeigen in zwei -verschiednen Spielarten folgende Beispiele (das Richtige soll wieder -gleich in Klammern danebengesetzt werden): die Lage +Deutschlands+ -inmitten seiner wahrscheinlichen Gegner mache es +ihm+ zur Pflicht -(+seine+ Lage macht es +Deutschland+ zur Pflicht) -- das Zartgefühl -+des Fürsten+ erlaubte +ihm+ nicht die Annahme des Opfers (+sein+ -Zartgefühl erlaubte +dem Fürsten+ nicht) -- leider hat die enge -Begabung +des Dichters ihm+ nicht ermöglicht (leider hat +seine+ enge -Begabung +dem Dichter+) -- der Haß +des Berichterstatters+ gegen -Textor hat +ihn+ zu Übertreibungen geführt (+sein+ Haß hat +den -Berichterstatter+) -- die Krankheit des +Papstes+ hat +ihn+ zu einer -andern Lebensweise veranlaßt (+seine+ Krankheit hat +den Papst+) -- -man hatte gleich nach dem ersten Auftreten +Raimunds ihn+ verdächtigt -(man hatte gleich nach +seinem+ ersten Auftreten +Raimund+ verdächtigt) --- es stellt sich dabei heraus, daß die eignen Kenntnisse +des -Kritikers ihn+ zu diesen Angriffen nicht berechtigen (daß seine eignen -Kenntnisse +den Kritiker+) -- die Romanschreiber, die im Vertrauen -auf die Dummheit +der Gesellschaft dieser+ den Spiegel vorhalten -(die +der Gesellschaft+ im Vertrauen auf +deren+ Dummheit) -- nach -ältern Beschreibungen +des Kodex+ war +er+ früher in roten Sammet -gebunden (nach ältern Beschreibungen war +der Kodex+) -- die Begleiter -+des Kranken+ vermochten +ihn+ nicht zu überwältigen (die Begleiter -vermochten +den Kranken+) -- zur Zeit der Ausweisung +des Ordens -aus+ dem Deutschen +Reiche+ zählte er innerhalb +desselben+ sechzehn -Niederlassungen (zweimal der Fehler in +einem+ Satze! es muß heißen: -zur Zeit +seiner+ Ausweisung zählte der +Orden+ innerhalb des Deutschen -+Reichs+ usw.) -- angesichts der Macht +dieser Gesetze dieselben+ (!) -auf ihre Annehmbarkeit zu prüfen ist dem Gesetzgeber nicht eingefallen -(angesichts +ihrer+ Macht +diese Gesetze+ zu prüfen) -- wie war es -möglich, daß der Besitzer +dieses Schatzes denselben+ so geheim hielt -(der Besitzer +diesen Schatz+) -- man wollte trotz der von den Gehilfen -beschlossenen Kündigung +des Tarifs+ an +letzterm+ (!) festhalten -(trotz der beschlossenen Kündigung an +dem Tarif+ festhalten) -- wir -betrauern den Heimgang des liebenswürdigen Kollegen, der seit Gründung -+der Ärztekammer derselben+ angehört (der +der Ärztekammer+ seit -+ihrer Gründung+ angehört) -- wegen Reinigung +der großen Ratsstube+ -bleibt +dieselbe+ (!) nächsten Montag geschlossen (wegen Reinigung -bleibt die +große Ratsstube+) -- wegen Neubaues der Schleuse +in der -Zentralstraße+ bleibt +letztere+ (!) für den Fahrverkehr gesperrt -(wegen Neubaus der Schleuse bleibt +die Zentralstraße+) -- sie heiratet -darauf den Grafen Tr., +dessen+ Frau +ihm+ kurz vorher durchgegangen -ist (+dem seine Frau+) -- der Bedauernswerte, +dessen+ Eltern +ihm+ -gestern einen Besuch zugedacht hatten (+dem seine+ Eltern) -- der -Vorwurf trifft nur den, +dessen+ Männerstolz +ihm+ nicht gestattet -(+dem sein+ Männerstolz) -- der Verfasser, +dessen+ Bescheidenheit -+ihn+ bis in sein Greisenalter zögern ließ, seine Arbeit zu -veröffentlichen (+den seine+ Bescheidenheit) -- Scharnhorst ist einer -jener schicksalvollen Männer, +deren+ Genius +sie+ zu Dolmetschern -eines ganzen Volkes gemacht hat (+die ihr+ Genius) -- es wird das auch -von solchen bestätigt, +deren+ Auftrag +sie+ zu möglichst gründlicher -Prüfung verpflichtet (+die ihr+ Auftrag) -- Menschen, +deren+ -Halbbildung +sie+ unempfänglich macht (+die ihre+ Halbbildung) -- die -Italiener, +deren+ Freude an der farbigen Oberfläche der Dinge +sie+ -abhält, in den Chor der Naturalisten einzustimmen (+die ihre+ Freude). - -In allen diesen Sätzen ist ein Begriff doppelt da: das einemal in Form -eines Hauptworts (in den zuletzt angeführten Relativsätzen in Form -eines relativen Fürworts), das andremal in Form eines persönlichen -Fürworts (wozu hier auch +derselbe+ und +letzterer+ gerechnet werden -müssen). Der Fehler liegt nun darin, daß beide am falschen Platze -stehen: sie müssen ihre Plätze wechseln, wenn der Satz richtig werden -soll. Warum? Weil das Hauptwort in allen diesen Sätzen nur in einem -Attribut (meist in einem abhängigen Genitiv) und damit gleichsam im -Hintergrunde, im Schatten, das persönliche Fürwort dagegen als Subjekt -oder Objekt im Vordergrunde, im vollen Lichte des Satzes steht. Gerade -umgekehrt muß es sein: das Hauptwort gehört in den Vordergrund, der -bloße Ersatz dafür, das Fürwort, in den Hintergrund. Nicht selten -kann nach dem Platzwechsel das Fürwort ganz wegfallen. Wer lebendiges -Sprachgefühl hat, bildet solche Sätze von selber richtig, ohne zu -wissen, warum. Andern wird die Sache vielleicht auch durch diese -Erklärung nicht deutlich geworden sein. Es ist wirklich ein etwas -schwieriger Fall. - - -Die fehlerhafte Zusammenziehung - -Ein Fehler, der die mannigfachsten Spielarten zeigt, obwohl er im -Grunde immer derselbe ist, entsteht durch jene äußerliche Auffassung -der Sprache, die nicht nach Sinn und Bedeutung, sondern nur nach dem -Lautbilde der Wörter fragt. Kehrt dasselbe Lautbild wieder, so glaubt -es der Papiermensch das zweitemal ohne weiteres unterdrücken zu dürfen, -obwohl es dieses zweitemal vielleicht einen ganz andern Sinn hat als -das erstemal. Eine Abart dieses Fehlers ist schon früher besprochen -worden: die Vernachlässigung des Kasuswechsels beim Relativpronomen -(S. 130). Hierher gehört es aber auch, wenn man einen Fügewortsatz -oder Fragesatz zugleich als Objekt und als Subjekt verwendet, z. B.: -daß der Verfasser ein Jurist ist, +kann man+ mit Händen greifen, +hält -ihn+ jedoch nicht ab -- ob das Wort schon früher in Gebrauch war, -+können wir+ nicht feststellen, +ist+ auch ohne Belang. Oder wenn man -ein Zeitwort gleichzeitig als selbständiges Zeitwort (oder Kopula) und -als Hilfszeitwort verwendet und schreibt: er +hatte sich+ aus kleinen -Verhältnissen +emporgearbeitet+ und wirklich +das Zeug+ zu einem -tüchtigen Künstler -- er +war+ vor kurzem erst ins Dorf +gezogen+ und -ein +kleiner+, kugelrunder +Mann+ -- er +wurde+ später sächsischer -+Minister+ und in den Freiherrnstand +erhoben+ -- jeden Morgen, wenn -der Kaiser +rasiert+ und der +Kopf+ Habys am Fenster +sichtbar wird+ -- -oder gar: wenn ein Grenzstein +verrückt+ oder +unkenntlich geworden+ -ist (anstatt: +verrückt worden+ oder +unkenntlich geworden+) -- glauben -Sie nicht, daß eine Errungenschaft darin liegen würde, wenn Frauen -medizinisch +gebildet+ und +praktizieren würden+? (anstatt: +gebildet -würden+ und +praktizierten+)[131]. Ferner wenn man ein persönliches -Fürwort zugleich als Dativ und als Akkusativ verwendet, z. B.: +sich+ -stets betastend und die Hände reichend -- die Gelegenheit, +sich+ -kennen zu lernen, bzw. (!) näher zu treten -- kurz alle Fälle, wo ein -Wort gleichzeitig in zwei verschiednen Auffassungen gebraucht wird, -also auch z. B.: in Halle +ist+ er +gestorben+ und +begraben+ (wo -das Perfektum das einemal einen Vorgang, das andremal einen Zustand -bezeichnet) -- die Pferde stürzten so unglücklich, daß +die Deichsel -brach+, das eine Pferd aber +den Oberschenkel+ -- er war darauf -angewiesen, sein +Leben+, an das er große +Ansprüche machte+, durch -erbitterten Kampf gegen die Konkurrenz zu +gewinnen+ (wo +Leben+ das -einemal als +Lebensweise+, das andremal als +Lebensunterhalt+ gemeint -ist). - -Eine der häufigsten, aber auch widerwärtigsten Spielarten dieses -groben logischen Fehlers ist es, ein Femininum und einen Plural unter -demselben Artikel, Fürwort oder Adjektivum zusammenzukoppeln (vgl. -englisch: ~the life and times~) und zu schreiben: +die Höhe und Formen+ -des Gitters -- +die Umrahmung und Seitenflügel+ des Altarbildes -- +die -Metalle und Spektralanalyse+ -- +die Verbreitung und Ursachen+ der -Lungenschwindsucht -- +die Stellung und Ansprüche+ des Zentrums -- die -Sicherung +der Post und Transporte+ -- die Analyse +der Gestalten und -Kunst+ Shakespeares -- Handbuch +der Staatswissenschaften und Politik+ --- das Gebiet +der Mathematik und Naturwissenschaften+ -- die Angaben -+der Bevölkerungsdichtigkeit und Temperaturverhältnisse+ -- +seine -Reue und Gewissensbisse+ -- im Kreise +seiner Frau und drei Kinder+ -- -durch +ihre Taten und Hingebung+ -- eine Darstellung ihrer +Schicksale -und Bauart+ -- die Bühne, die +keine Dekoration und Kulissen+ kannte --- die Gegner +der deutschen Landwirtschaft und Getreidezölle+ -- zur -Erforschung +vaterländischer Sprache und Altertümer+ -- trotz +der -papistischen Gesinnung und Bestrebungen+ des Herzogs usw.[132] - -Aber auch da, wo Geschlecht und Numerus zweier Begriffe dieselben -sind, ist es eine grobe Nachlässigkeit, sie unter einem Artikel -unterzubringen und zu schreiben: die Zustimmung +des Bundesrats und -Reichskanzlers+ -- der Direktor +der Bürger- oder Bezirksschule+ --- eine Sitzung +des Bau-, Ökonomie- und Finanzausschusses+ -- ein -Ausflug +nach dem Süßen und Salzigen See+ -- +der Rote und Schwarze -Kocher+ -- +das alte und neue Buchhändlerhaus+ -- +die katholische -und evangelische Kirche+ -- +der Renaissance- und Barockstil+ -- +das -sächsische und schlesische Gebirge+ -- +die religiöse und weltliche -Poesie+ der Juden -- +die weiße und rote Rose+ -- +das Sol- und -Seebad+ -- der Wert +der klassischen und modernen Sprachen+ -- die -Knochen waren nicht die Überreste +eines Frauen- und Kinderskeletts+, -sondern +eines Ferkel- und Kaninchengerippes+! Auch in diesen Fällen -muß der Artikel unbedingt wiederholt werden; wird er nur +ein+mal -gesetzt, so erweckt das die Vorstellung, als ob sichs nur um +einen+ -Begriff handelte. Niemand kann erraten, daß der +Bau-, Ökonomie- und -Finanzausschuß+ drei verschiedne Ausschüsse sind. +Der König von -Preußen und Kaiser von Deutschland+ -- das ist richtig, denn beides ist -dieselbe Person; +das belgische und deutsche Herrscherpaar+ -- das ist -falsch, denn das sind zwei verschiedene Paare. - -Die Nachlässigkeit wird um so störender, wenn durch das im Plural -stehende Prädikat oder auf irgendeine andre Weise noch besonders -deutlich fühlbar gemacht wird, daß es sich um mehrere Begriffe handelt, -z. B.: der deutsche Handel war bedeutender als +der englische und -amerikanische zusammen+ -- +der Nominativ und Vokativ sind+ eigentlich -keine Kasus -- +die erste und letzte Strophe zerfallen+ in zwei Hälften --- +der lyrische und epische Dichter bedürfen+ dieses Mittels nicht --- 1830 +starben der Bruder und Vater+ -- westlich davon +stehen -die Thomas- und Matthäikirche+ -- an der Nordseite +befinden sich -der Dresdner, Magdeburger und Thüringer Bahnhof+ -- die Anlage, -die +die Mit- und Nachwelt+ an Bismarck zu bewundern alle Ursache -+haben+ -- +zwischen (!) dem+ 13. +und+ 15. Grade südlicher Breite --- der Unterschied +zwischen (!) den staatlichen und kirchlichen+ -Einrichtungen -- wo ist die Grenze +zwischen (!) der Wahrheit+, die -man mitteilen, und [+der+!], die man nicht mitteilen darf -- die -deutsche Umgangssprache schwankt +zwischen dem Extrem barscher Kürze -und bedientenhafter Redseligkeit+ -- das Zentrum möchte einen Keil -treiben +zwischen den rechten und linken Flügel+ des Blocks. Wie kann -etwas „zwischen“ einem Grade liegen, „zwischen“ einem Extrem schwanken, -„zwischen“ einen Flügel getrieben werden? - -Bei mehr als zwei Gliedern kann die sorgfältige Wiederholung des -Artikels freilich etwas schleppendes bekommen, und wo mehr aufgereiht -als gegenübergestellt wird, da schreibe man getrost: mit +den Geruchs-, -Geschmacks- und Gefühlsnerven+, die Gewohnheiten +des Fastens, -Beichtens und Betens+, ein Schatz +des Wahren, Guten und Schönen+. -Wo aber unterschieden und gegenübergestellt wird, da muß auch der -Artikel wiederholt werden. Darum steht auch auf dem Titelblatte dieses -Buches: Grammatik +des Zweifelhaften, des Falschen und des Häßlichen+, -denn jeder dieser drei Begriffe bezeichnet eine andre Art von Fällen. -Manche glauben genug zu tun, wenn sie den Artikel bei einem Wechsel -des Geschlechts wiederholen, und schreiben: die Gelübde +der Armut, -Keuschheit+ und +des Gehorsams+. Ganz irrig! Die Gleichmäßigkeit -verlangt den Artikel bei jedem Gliede der Reihe. - -Kein grammatischer, aber ein grober Denkfehler liegt vor in -Verbindungen wie: Lager von +Schneider- und Schuhartikeln+ -- Fabrik -von +Bambus-, Luxus- und Rohrmöbeln+. Der Schneider kann nicht den -Schuhen, Bambus oder Rohr nicht dem Luxus gegenübergestellt werden, -denn Bambus und Rohr geben den Stoff an, Luxus den Zweck (oder die -Zwecklosigkeit). Man könnte ebensogut +Kaffee-, Porzellan- und -Teetassen+ verbinden. - - -Tautologie und Pleonasmus - -Während die fehlerhafte Zusammenziehung aus einem irregeleiteten -Streben nach Kürze entsteht, beruht ein andrer Fehler auf dem Streben -nach Breite und Wortreichtum: der Fehler, einen Begriff doppelt oder -gar dreifach auszudrücken. Man bezeichnet ihn mit Ausdrücken der -griechischen Grammatik als Tautologie (Dasselbesagung) oder Pleonasmus -(Überfluß). - -In den seltensten Fällen will man durch die Verdopplung etwa -den Ausdruck verstärken,[133] gewöhnlich fällt man aus bloßer -Gedankenlosigkeit hinein. Zu den üblichsten Tautologien gehören: -+bereits schon+, ich +pflege gewöhnlich+, +einander gegenseitig+ -oder gar +sich einander gegenseitig+.[134] Aber es gibt ihrer von -den verschiedensten Arten. Auch in Verbindungen wie: +schon gleich+ -(die Bedenken fangen schon gleich beim Lesen der ersten Seite an), -+auch selbst+, +nach abwärts+, +nach dieser Richtung+ (statt: +nach+ -dieser +Seite+ oder +in+ dieser +Richtung+), +nach+ verschiednen -+Richtungen+ (!), +unsre Gegenwart+ (statt: unsre +Zeit+ oder +die+ -Gegenwart), +unsre deutsche+ Jugend, +unser deutsches+ Vaterland, -+mein mir übertragnes+ Amt, +rückvergüten+, +gemeinschaftliches -Zusammenwirken+, etwas +näher bei Lichte+ besehen, nicht +ganz+ ohne -+jede+ gute Regung, Personen beider+lei Geschlechts+ (statt +beider -Geschlechter+), Hilfeleistungen +weiblicher Schwestern+, es +kann -möglich sein+, +ich darf mit Recht+ beanspruchen, das Lob, das ihm +mit -Recht gebührt+, man +muß+ von einem Geschichtschreiber +verlangen+, -die +Forderung+ ist +unerläßlich+, er hat +Anspruch+ auf +gebührende+ -Beachtung, ehe das Einschreiten zur +zwingenden Notwendigkeit+ wird, -die Innung +geht+ mehr und mehr dem +Rückgange entgegen+, die Übung der -Denkkraft, die +angeblich+ durch die Mathematik erzielt werden +soll+ --- überall ist hier ein Begriff ganz unnötigerweise doppelt da. Es -genügt, zu sagen entweder: +mein+ Amt oder: das +mir übertragne+ Amt, -entweder: man kann von einem Geschichtschreiber +verlangen+, oder: -ein Geschichtschreiber +muß+, entweder: die Übung, die +angeblich+ -erzielt +wird+, oder: die erzielt werden +soll+. In Leipzig werden -immer noch Dinge +meistbietend versteigert+ -- das soll heißen: an den, -der das Meiste bietet, was doch schon in dem Begriffe des Versteigerns -liegt --, und dann natürlich gegen +sofortige Barzahlung+! Auch -Zusammensetzungen wie +Rückerinnerung+, +vollfüllen+ und +loslösen+ -sind nichts als Pleonasmen; ebenso die beliebten Partizipzusätze, -die zum Teil aus schlechtem lateinischem Unterricht stammen: auf -+erhaltnen+ mündlichen Befehl -- nach +gehaltner+ Frühpredigt -- die -+erfahrne+ unwürdige Behandlung -- ohne +vorhergehende+ Beschaffung -geeigneter Verkehrsmittel -- nach einer +vorhergehenden+ Fermate -- -bis zur +getroffnen+ Entscheidung -- die +angestellte+ Untersuchung -ergab -- meine Erörterung gründet sich auf +schon gemachte+ Erfahrungen --- die Aussteller sind in der Reihe ihrer +erfolgten+ Anmeldung -aufgeführt. Man streiche die Partizipia, und der Sinn bleibt derselbe, -der Ausdruck aber wird knapper und sauberer (vgl. auch, was S. 167 über -+stattgefunden+ und +stattgehabt+ gesagt ist). - -Der häufigste Pleonasmus aber und der, der nachgerade zu einer -dauernden Geschwulst am Leibe unsrer Sprache zu werden droht und -trotzdem allgemein als Schönheit, ja als eine Art von Bedürfnis -empfunden zu werden scheint, ist der, nach den Begriffen der -Möglichkeit und der Erlaubnis, der Notwendigkeit und der Absicht -beim Infinitiv diese Begriffe durch die Hilfszeitwörter +können+, -+dürfen+, +wollen+, +sollen+, +müssen+ zu wiederholen, also zu -schreiben: niemand schien +geeigneter+ als Ranke, dieses Werk zur -Vollendung bringen zu +können+ -- die +Leichtigkeit+, die gepriesensten -Punkte Süditaliens erreichen zu +können+ -- die +Möglichkeit+, die -Sozialdemokratie mit gleichen Waffen bekämpfen zu +können+ -- auf -diese Weise ist es +möglich+, während des Umbaus den Verkehr aufrecht -erhalten zu +können+ -- die +Fähigkeit+, über sich selbst lachen zu -+können+ -- die +Mittel+, an Ort und Stelle mit Nachdruck auftreten -zu +können+ -- es ist +Gelegenheit+ gegeben, auch am Polytechnikum -Vorlesungen hören zu +können+ -- er hatte +genügendes+ Kapital, etwas -ausführen zu +können+ -- die Finanzwirtschaft ist gar nicht +imstande+, -das Kreditwesen des Staates entbehren zu +können+ -- ich +getraute+ -mir nicht, das Gespräch mit ihm aufrecht erhalten zu +können+ -- -wenn es mir +gelingen+ sollte, hierdurch meine Verehrung an den Tag -legen zu +können+ -- es ist zu beklagen, daß so aufrichtige Naturen -sich nicht anders zur Kirche stellen zu +können vermögen+ (!) -- -der Thronfolger kann von Glück sagen, wenn es ihm +erspart+ bleibt, -seine Herrscherautorität +nicht+ erst durch die Schärfe des Schwerts -erkämpfen zu +brauchen+[135] -- es sei mir +gestattet+, einen Irrtum -berichtigen zu +dürfen+ -- der Biograph hat das schöne +Recht+, -Enthusiast sein zu +dürfen+ -- eine Stellung, die ihm +erlaubte+, -ohne Frage nach dem augenblicklichen Erfolg produzieren zu +dürfen+ --- einer Deputation war es +vergönnt+, Glückwünsche darbringen zu -+dürfen+ -- die +Freiheit+, seiner innern Eingebung folgen zu +dürfen+ --- der +Anspruch+, Universalgeschichte sein zu +wollen+ -- er sprach -seine +Bereitwilligkeit+ aus, auf diesem Wege vorgehen zu +wollen+ -- -die +Absicht+, blenden oder über ihre Verhältnisse leben zu +wollen+ --- er hat +versprochen+, in den ruhmreichen Bahnen seines Großvaters -fortwandeln zu +wollen+ -- die +Aufgabe+, die Akademie reformieren zu -+sollen+ -- es gehört zu den schönsten +Aufgaben+, das Leben eines -Zeitgenossen beschreiben zu +wollen+ (!) -- die +Zumutung+, Gott ohne -Bilder anbeten zu +sollen+ -- ein Volk, das sich dazu +erwählt+ glaubt, -große Dinge erfüllen zu +müssen+ -- die Verhältnisse +zwangen+ den -König, auf die Führung seines Heeres verzichten zu +müssen+. - -Statt in Nebensätzen die Hilfszeitwörter +sein+ und +haben+ -wegzulassen, wo sie oft ganz unentbehrlich sind (vgl. S. 137), bekämpfe -man lieber diese abscheuliche Gewohnheit; die unnützen +können+, -+dürfen+, +wollen+, +sollen+ und +müssen+ sind wirklich wie garstige -Rattenschwänze.[136] - - -Die Bildervermengung - -Bei dem Worte Bildervermengung denkt wohl jeder an Wendungen wie: -das ist wie ein +Tropfen+ auf einen +hohlen Stein+, oder: er wurde -an den +Rand des Bettelstabes+ gebracht, oder: der +Zahn der Zeit+, -der schon so manche +Träne getrocknet+ hat, wird auch über dieser -+Wunde Gras wachsen+ lassen -- und meint, dergleichen werde wohl -beim Unterricht als abschreckendes Beispiel vorgeführt, komme aber -in Wirklichkeit nicht vor. Zeitungen und Bücher leisten aber fast -täglich ähnliches; gilt es doch für geistreich, möglichst viel in -Bildern zu schreiben! Oder wäre es nicht ebenso lächerlich, wenn -von einer Nachricht gesagt wird, daß sie wie ein +Donnerschlag+ ins -+Pulverfaß+ gewirkt habe, wenn in einem Aufsatz über das Theater von -+gaumenkitzelnden Trikotanzügen+ gesprochen wird, oder wenn es in einem -Börsenberichte heißt: der +Verkehr wickelte sich+ in +ruhigem Tone+ -ab, in dem Bericht über eine Kunstausstellung: was bei den Russen zum -+Zerrbilde+ des Fanatismus geworden ist, leuchtet bei den Spaniern als -+Flamme+ der Begeisterung, oder wenn gar geschrieben wird: wo finden -wir einen +roten Faden+, der uns aus diesem +Labyrinth+ hinausführt? --- das politische +Knochengerüst+, über dessen +Nacktheit+ durch eine -schöne +Verbrämung+ hinweggetäuscht werden soll -- der Zauber seiner -Persönlichkeit teilt sich dem Leser in einem +bestrickenden Fluidum+ -mit -- unsre Universitäten sind wie +rohe Eier+: sobald man sie -antastet, +stellen sie sich auf die Hinterbeine+ -- der bureaukratische -Staat +schert+ (!) alles +über einen Leisten+ -- +pilzartig+ schossen -die Lust-, Schau- und Trauerspiele seiner Feder +ins Kraut+ -- alle -diese Mitteilungen +schweben in der Luft+, aus der sie +geschnappt+ -sind (in der Luft schweben, aus der Luft greifen, nach Luft schnappen --- drei Bilder vermengt!) -- das ist eins jener +Kolumbuseier+, deren -der Genius Shakespeares verschiedne +ausgebrütet+ hat -- das sind -vom nationalökonomischen +Gesichtswinkel+ aus in +kargem Gerippe+ -die geistreich variierten +Grundzüge+ seiner Lehre -- die Millionen -+fliegen zum Fenster hinaus+ und leeren das +Reichsfaß+ bis zum -Boden -- natürlich muß das +Pflaster+ auf die verschiednen +kalten -Wasserstrahlen+ gegen ihre Eitelkeit ein wenig +gekitzelt+ werden -- -dieses +Schreckgespenst+ ist schon +so abgedroschen+, daß nur noch -ein politisches +Wickelkind+ darauf +herumreiten+ kann -- um ihrem -geschwächten Parteimagen +neue Nahrung+ zuzuführen, +angeln+ sie in dem -Wasser des Bauernbundes nach +faulen Fischen+ -- die lauteste +Trommel+ -bei dieser Hetze +blasen+ natürlich die Geistlichen -- wenn man den -Herren einen +Floh+ ins Ohr setzt, wird sofort ein +Elefant+ daraus -gemacht und dann auch noch öffentlich +breitgetreten+.[137] - -Dergleichen erregt ja nun die Heiterkeit auch des gedankenlosesten -Lesers. Ein Berliner Schriftsteller hat sich sogar (unter dem Namen -Wippchen) jahrelang planmäßig dem Anbau dieses Sprachunkrauts gewidmet -und großen Erfolg damit gehabt. Es gibt aber auch zahlreiche -Bildervermengungen, die genau so schlimm sind, und die doch von -Tausenden von Lesern, auch von denkenden, gar nicht bemerkt werden, -weil sie nicht so zutage liegen, sondern etwas verschleiert sind. -Unsre Sprache ist überreich an bildlichen Ausdrücken, über deren -ursprüngliche Bedeutung man sich oft gar keine Rechenschaft mehr gibt. -Schon wenn jemand schreibt: die Sache machte keinen +durchschlagenden -Eindruck+ -- so lesen sicher unzählige darüber weg, denn +Eindruck -machen+ und ein +durchschlagender Erfolg+ sind so abgebrauchte -Bilder, daß man sich ihres ursprünglichen Sinnes kaum noch bewußt -ist. Und doch liegt hier eine lächerliche Bildervermengung vor, denn -einen +Eindruck machen+ und +durchschlagen+ schließen einander aus; -wenn man das Kalbfell einer Pauke durchschlägt, so ist es mit dem -Eindruckmachen vorbei. Ebenso ist es, wenn ein Kritiker von Leistungen -eines Schriftstellers redet, die nicht den vollen +Umfang+ seiner -Fähigkeiten +erschöpfen+, denn beim Umfang denkt man an ein Längenmaß, -schöpfen kann man aber nur mit einem Hohlmaß. In solchen mehr oder -weniger verschleierten Bildervermengungen wird sehr viel gesündigt. Man -schreibt: die kleinen Staaten werden von der +Wucht+ ganz Deutschlands -+getragen+ -- er hatte sich in eine solche Schulden+last gestürzt+ -- -diese Maßregel ist von sehr ungünstigem +Einfluß begleitet+ gewesen --- als die auf die Hebung der Hundezucht abzielende +Bewegung+ -feste +Wurzeln geschlagen+ hatte -- bis sie ihm die +Unterlage+ für -Börsenspekulationen +eröffnet+ hatten -- wer nicht +mit der Herde -läuft+, muß sich hüten, daß er nicht +scheitere+ usw.[138] - - -Vermengung zweier Konstruktionen - -Wie zwei verschiedne Bilder, so werden oft auch zwei verschiedne -Konstruktionen miteinander vermengt. Da wird z. B. die erste Person -mit der dritten vermengt und geschrieben: die Verlobung +unsrer+ -Tochter (statt: +ihrer+ Tochter!) beehren sich anzuzeigen -- um -Rückgabe der von +mir+ (statt: von +ihm+!) entliehenen Biergläser -bittet -- +meiner+ Mutter (statt: +ihrer+ Mutter!) gewidmet von der -Verfasserin. Oder es wird an +hoffen+ ein Nebensatz angeschlossen, -als ob +wünschen+ vorherginge: ich +hoffe+ sehr, daß ich das nie -wieder erleben +möge+ (+erlebe+!) -- wir +hoffen+, daß dergleichen -nicht wieder vorkommen +möge+ (+werde+!) -- ich übergebe diese Arbeit -der Öffentlichkeit in der +Hoffnung+, daß sie dazu beitragen +möge+ -(beitragen +werde+!) -- er +hoffe+, daß andre Forscher glücklicher -operieren +möchten+ (+würden+!). Es wird +weil+ geschrieben, wo -es +daß+ heißen muß: er hat seinen Namen +davon, weil+ er -- die -fürstliche Ehe war dem Volke besonders +dadurch+ teuer, +weil+ ihr -eine reiche Zahl von Prinzen entsprossen war; dagegen +daß+, wo es -+als+ heißen muß: Thomsen ist nur +insofern+ original, +daß+ er -die Grundrente als unrechtmäßige Abzahlung betrachtet -- meinem -Arbeitsfelde liegen diese Untersuchungen nur +insofern+ nahe, +daß+ -ich daraus belehrt worden bin usw. Oder es wird geschrieben: da -manche Erörterung die Untersuchung +eher+ erschwert, +statt+ sie zu -vereinfachen -- wo entweder das +eher+ wegfallen, oder fortgefahren -werden muß: +als daß+ sie sie vereinfachte. - -Sehr häufig ist der Fehler, daß man auf das Adverbium +so+ einen -Infinitiv mit +um zu+ folgen läßt statt eines Folgesatzes mit +daß+, -z. B.: Aristoteles sagt, daß eine Stadt +so+ gebaut sein müsse, +um+ -die Menschen zugleich sicher und glücklich +zu+ machen -- behauptet -jemand, daß der Zucker +so+ belastet sei, +um+ weitere Lasten nicht -+zu+ ertragen -- er hatte gerade noch +so+ viel Zeit, +um+ sich in -das Dickicht +zu+ schleichen -- die Verhältnisse haben sich +so+ weit -geordnet, +um+ der Nation eine andre Haltung +zu+ ermöglichen -- dieses -Licht läßt uns gerade +so+ viel sehen, +um+ dem Ewigen und Rätselhaften -seine Launen ab+zu+lauschen -- wenn man nur +so+ viel Freiheit des -Geistes hat, +um+ sich über die Macht der Gewohnheit empor+zu+schwingen --- die Realien waren noch nicht +so+ weit in sich gefestigt, +um+ -als Bildungsmittel Verwendung +zu+ finden -- wir müssen das -Reinlichkeitsbedürfnis in uns +so+ entwickeln, +um+ schmutzige -Literatur fern+zu+halten -- +so+ einfach sind denn doch diese Fragen -nicht, +um+ sie spielend mit einem Worte +zu+ erledigen -- die Herren -sind nicht +so+ dumm, +um+ auf diesen Leim +zu+ gehen. In einigen der -angeführten Beispiele mag wohl das Bestreben, nicht zwei Nebensätze -hintereinander -- einen Objektsatz und einen Folgesatz -- mit +daß+ -anzufangen (für manche Leute ein entsetzlicher Gedanke!), zu dem Fehler -verleitet haben. Dem läßt sich aber doch leicht dadurch aus dem Wege -gehen, daß man den Objektsatz ohne +daß+ bildet: behauptet jemand, der -Zucker sei +so+ belastet, +daß+ er usw. - - -Falsche Wortstellung - -Ein völlig vernachlässigtes Kapitel der deutschen Grammatik ist die -Lehre von der Wortstellung. Die meisten haben kaum eine Ahnung davon, -daß es Gesetze für die Wortstellung in unsrer Sprache gibt. Gewöhnlich -besteht die gesamte Weisheit, die dem Schüler oder dem Ausländer, -der Deutsch lernen möchte, eingeflößt wird, in der Regel, daß in -Nebensätzen das Zeitwort am Ende, in Hauptsätzen in der Mitte zu stehen -pflege; im übrigen, meint man, herrsche in unsrer Wortstellung die -„größte Freiheit“. - -Ein Glück, daß das natürliche Sprachgefühl noch immer so lebendig ist, -daß die Gesetze der Wortstellung, wie sie sich teils aus dem Sinne, -teils aus rhythmischem Bedürfnis, teils aus der Art der Darstellung -(schlichte Prosa, Dichtersprache oder Rednersprache) ergeben, trotz -der angeblichen „Freiheit“ im allgemeinen richtig beobachtet werden. -Dennoch gibt es auch eine Reihe von argen Verstößen dagegen, die sehr -verbreitet und beliebt sind. Auf Abgeschmacktheiten, wie die des -niedrigen Geschäftsstils, bei Preisangaben von +Mark 50+ zu reden, -statt, wie jeder vernünftige Mensch sagt, von +50 Mark+, oder auf -Briefadressen zu schreiben, wie man es neuerdings, natürlich wieder -die Engländer nachäffend, tut: +20 Königsstraße Leipzig+, statt, -wie jeder vernünftige Mensch sagt: +Leipzig, Königsstraße 20+, soll -dabei gar nicht geachtet werden; ebensowenig auf die Ziererei -mancher Schriftsteller, in schlichter Prosa einen Genitiv immer vor -das Hauptwort zu stellen, von dem er abhängt.[139] Auch der häßliche -Latinismus, den manche so lieben: +Goethe, nachdem er+ (vgl. ~Caesar, -cum~), soll nur beiläufig erwähnt werden. Ein Nebensatz, der mit einem -Fügewort anfängt, und ein Infinitivsatz können in einen Hauptsatz nur -dann eingeschoben werden, wenn das Zeitwort des Hauptsatzes bereits -ausgesprochen ist. Eine Wortstellung wie in dem Fibelverse: +die Gans, -wenn sie+ gebraten ist, wird mit der Gabel angespießt, oder: +dem -Hunde, wenn+ er gut gezogen, ist auch ein weiser Mann gewogen -- ist -wohl dem Dichter erlaubt, aber in Prosa sind Satzgefüge wie folgende -undeutsch: +die Pflanzen, um zu gedeihen+, bedürfen des wärmenden -Sonnenlichts -- die +katholische Kirche, wie sie+ sich gern der -Siebenzahl freut, zählt auch sieben Werke der Barmherzigkeit -- alle -+andern Parteien, wenn sie+ im übrigen noch so bedenkliche Grundsätze -haben, erkennen doch den Staat als notwendig an -- der +Verband der -Sattler, obwohl+ er erst ein Jahr besteht, umfaßt bereits 37 Vereine. -Entweder muß es heißen: der Verband der Sattler +umfaßt, obwohl er+ -- -oder der Nebensatz muß mit dem Hauptworte vorangestellt werden: +obwohl -der Verband+ der Sattler usw., +so umfaßt er doch+. Auch der Fehler, -der in Satzgefügen wie folgenden liegt: um die Reisekosten, die er -auf andre Weise nicht beschaffen konnte, +aufzutreiben+ -- auf einem -der schönsten Plätze der Welt, der zugleich ein Hauptkreuzungspunkt -städtischen und vorstädtischen Verkehrs ist, +gelegen+ -- M. ist nun -auch unter die Novellisten, wohl mehr der Mode folgend als dem innern -Drange, +gegangen+ -- mir liegt das Stammbuch eines Holsteiners, der -um 1750 in Helmstedt studierte, +vor+ -- sieht man von der kurzen -Würdigung, die Waldberg 1889 in der Allgemeinen Deutschen Biographie -gegeben hat, +ab+ -- am Neumarkte rissen gestern zwei vor einen -Korbwagen gespannte Pferde eine Frau, die auf der Straße stand und sich -mit einer andern Frau unterhielt, +um+ -- der Redner brach, da die Zeit -inzwischen längst die zulässige Frist von zehn Minuten überschritten -hatte und noch ein andrer Redner zu Worte kommen wollte, auf die -Aufforderung des Vorsitzenden, mit der Bemerkung, daß er noch viel zu -sagen habe, +ab+ -- auch dieser Fehler soll hier nur gestreift werden. -Die Fälle brauchen nicht immer so lächerlich zu sein wie der letzte; -ein eingeschobnes Satzglied muß zusammen mit dem Gliede, in das es -eingeschoben wird, immer folgende Gestalt ergeben, wenn die Verbindung -angenehm wirken soll: - - [--------[--------]--------] - -Sehen sie zusammen so aus: - - [--------------[--------]--] - -so ist der Bau verfehlt, und es ist dann besser, die Einschiebung -lieber ganz zu unterlassen, die Glieder so zu ordnen: - - [------------] [------------] - -und zu schreiben: M. ist nun auch unter die Novellisten gegangen, wohl -mehr der Mode folgend als dem innern Drange. - - -Die alte gute Zeit oder die gute alte Zeit? - -Ein Verstoß gegen die Gesetze der Wortstellung, der sehr oft -vorkommt und nicht gerade von scharfem Denken zeugt, ist der, daß -zwei Adjektiva (oder ein Adjektiv und ein Partizip oder Zahlwort) in -verkehrter Reihenfolge zu einem Substantiv gesetzt werden, z. B.: ein -+sächsischer junger+ Leutnant -- die +ausländische gesamte+ Medizin --- +westfälische mittelalterliche+ Volkslieder -- man schöpfte mit -+hölzernen großen+ Kannen -- wenn die Sonne schien, wurden die -+seidnen verblaßten+ Vorhänge zugezogen -- da wollte auf dem Boden -des Handwerks nicht einmal mehr das +tägliche kärgliche+ Brot wachsen --- die Turnübungen finden in der +städtischen geräumigen+ Turnhalle -statt -- die Bestrebungen, den Arbeiterfamilien +eigne behagliche+ -Wohnungen zu schaffen -- die Bildung +künftiger maßgebender+ -Staatsbeamten -- in Zeiten +wirtschaftlicher+ schroff aufeinander -+stoßender+ Gegensätze -- eine +chronische+ mit Geduld +ertragne+ -Krankheit -- ein +sittlicher angeborner+ Defekt usw. In allen diesen -Fällen ist das Eigenschaftswort, das unmittelbar vor dem Hauptworte -stehen müßte, weil es mit diesem zusammen +einen+ Begriff bildet, durch -ein zweites Eigenschaftswort, das dem Schreibenden nachträglich noch -eingefallen ist, von dem Hauptworte getrennt; soll die Darstellung -logisch richtig werden, so müssen die beiden Eigenschaftswörter überall -ihre Plätze wechseln. Das ärgste dieser Art ist die +alte gute Zeit+, -der +alte gute Taler+, wie man jetzt auch zu schreiben anfängt. Die -+alte Zeit+ ist +ein+ Begriff (die Vergangenheit); tritt zu diesem -Begriff das Eigenschaftswort +gut+, so darf er nicht zerrissen werden, -sondern es muß heißen: die +gute alte Zeit+. Man muß sich also immer -klarmachen, welches von den beiden Adjektiven das wesentliche ist; -dies gehört dann unmittelbar vor das Hauptwort. Bezeichnet eins der -beiden Adjektiva einen Stoff (+hölzern+, +seiden+) oder die Herkunft -(+sächsisch+, +ausländisch+, +westfälisch+), so gehört dieses in der -Regel unmittelbar vor das Hauptwort: +mit großen hölzernen+ Kannen, -ein +junger sächsischer Leutnant+. Natürlich ist es auch möglich, daß -das andre Adjektiv mit dem Substantiv zusammen einen Begriff bildet -oder wenigstens -- bilden soll; dann muß die Ortsbezeichnung von dem -Hauptwort entfernt werden, z. B.: +Leipziger elektrische+ Straßenbahn --- +Münchner neueste+ Nachrichten -- +englische historische+ Romane --- die +sächsische zweite+ Kammer -- die +Straßburger katholische+ -Fakultät -- seine +Nürnberger gelehrten+ Freunde usw. Sage ich: der -+höchste Leipziger+ Turm, so stelle ich mir alle Leipziger Türme vor -und greife dann den höchsten heraus; bei den +Leipziger neuesten+ -Nachrichten dagegen soll ich mir alle Zeitungen vorstellen, die Neueste -Nachrichten heißen, und soll dann die Leipziger herausgreifen. So ist -auch der +letzte schwere+ Tag der letzte einer Reihe von schweren -Tagen, z. B. einer Examenwoche, dagegen der +schwere letzte+ Tag der -Todestag. - -Grundfalsch ist also auch, was man fast in allen antiquarischen -Bücherverzeichnissen lesen muß: +erste seltne+ Ausgabe. Es klingt das, -als ob es von dem Buche mehrere seltne Ausgaben gäbe, und die jetzt -verkäufliche die erste davon wäre. Die Antiquare wollen aber sagen, -es sei überhaupt die erste Ausgabe, die Originalausgabe, die ~editio -princeps~, und diese sei selten. Das kann nur heißen: +seltne erste -Ausgabe+. Anders verhält sichs mit der +zweiten, verbesserten+ Ausgabe. -Hier ist +verbessert+ ein nachträglicher Zusatz, wie schon das Komma -zeigt, das hier nicht fehlen darf, aber auf Büchertiteln leider sehr -oft fehlt; der Sinn ist: +zweite+, (und zwar) +verbesserte+ Auflage. -Läßt man das Komma weg, so erweckt das die Vorstellung, als ob schon -eine +erste verbesserte+ Auflage vorhergegangen, die vorliegende also -im ganzen die dritte wäre. Manchem wird das als unnötige Diftelei -erscheinen, es handelt sich aber um einen ganz groben, handgreiflichen -Unterschied. - - -Höhenkurort für Nervenschwache ersten Ranges - -Mit großer Schnelligkeit, bazillusartig, wie immer, hat sich seit -einiger Zeit ein Fehler in der Wortstellung verbreitet, der noch -vor fünfzig Jahren ganz undenkbar gewesen wäre, der Fehler, der in -Verbindungen liegt, wie den folgenden: +der Direktor Hittenkofer des -Technikums zu Strelitz+ -- +das Töchterchen Alice des Herrn Hofhotelier -Baumann+ -- +die Sektion Sterzing des österreichischen Touristenklubs+. -Hier sind zwei Konstruktionen in- und durcheinandergeschoben. Richtig -ist es, zu sagen: +der Direktor Hittenkofer+; hier ist der Name -+Hittenkofer+ das Hauptwort, und +der Direktor+ eine Apposition dazu. -Richtig ist es auch, zu sagen: +der Direktor des Technikums+; hier -ist +der Direktor+ das Hauptwort, und +des Technikums+ ein Attribut -dazu. Aber falsch ist es, beide Konstruktionen so miteinander zu -verbinden, wie es in den angeführten Beispielen geschehen ist; denn -dann ist +Hittenkofer+ das Hauptwort zu der Apposition +der Direktor+, -und gleichzeitig der +Direktor+ das Hauptwort zu dem Attribut +des -Technikums+. Will man beide Konstruktionen verbinden, so kann es -nur heißen: +der Direktor des Technikums zu Strelitz Hittenkofer+. -Dann ist +Hittenkofer+ das Hauptwort, +der Direktor+ die Apposition -dazu, und +des Technikums+ das Attribut zur Apposition. Wer ein wenig -Sprachgefühl hat, für den wird es dieser langen Auseinandersetzung -gar nicht bedurft haben. Man denke sich, daß jemand sagen wollte: -+die Ballade Erlkönig Goethes+ -- +der Doktor Meurer der Medizin+ --- +der Minister von Dallwitz des Innern+ -- +der Begründer Ritter -der wissenschaftlichen Erdkunde+ -- +das Mitglied Eugen Richter des -Reichstags+ -- jeder würde das für lächerlich und ganz unmöglich -halten, und doch wären das ganz ähnliche Verbindungen.[140] - -Wer sich den logischen Verstoß, der in solchen Ineinanderschiebungen -liegt, nicht klarmachen kann, der müßte doch wenigstens stutzig werden, -wenn er den abhängigen Genitiv, der sonst immer unmittelbar auf das -Wort folgt, von dem er abhängt, hier durch ein dazwischengeschobnes -Wort davon getrennt sieht! Es wird aber niemand stutzig; man schreibt -ruhig: +der Redakteur+ Küchling des Leipziger +Tageblatts+, +der -Direktorialassistent+ Prof. Vogel des städtischen +Museums+, der -+Sekondeleutnant+ von Guttenberg +des Infanterieleibregiments+, -+der Prokurist+ Hermann Becker +der Firma+ Schimmel und Ko., +der -Insasse+ Körner +des+ hiesigen +Arbeitshauses+, +der Mönch+ Bernardus -+des Klosters+ St. Stephan, +der Roman+anfang „Waldrauschen“ der -+Gartenlaube+, +das Segelboot+ Undine +des Prinzen+ Demidoff, +der -Passagierdampfer+ Großer Kurfürst +des Norddeutschen Lloyd+, +das -Pferd+ Lippspringe +des Freiherrn+ von Reitzenstein, +die Komödie+ -Hans Pfriem +des Martin Hayneccius+, +die Marmorbüste+ Die Verdammnis -+des+ kurfürstl. sächs. +Hofbildhauers+ Permoser, +der Bezirksverband+ -Sachsen +des deutschen Schmiedeverbandes+, +die Ortsgruppe+ Zeitz -+des+ Allgemeinen deutschen +Schulvereins+, +der Zweigverein+ -Berlin-Charlottenburg +des+ Allgemeinen deutschen +Sprachvereins+ -(!), +die Haltestelle+ Zwischenbrücken +der+ Plagwitzer +Eisenbahn+, -+die Strecke+ Faido-Lavorgo +der Gotthardbahn+ und (das Neueste!): -+die Königin+ Wilhelmine +der Niederlande+, +der Prinz+ Heinrich +der -Niederlande+ und +die Königin-Mutter+ Emma +der Niederlande+. Und -die angeführten Beispiele zeigen, daß der Fehler keineswegs bloß in -Zeitungen grassiert, sondern auch in wissenschaftlichen Werken spukt. - -Unleugbar hat der Fehler etwas bequemes, und das Bestreben, ihn -zu vermeiden, manchmal etwas unbequemes. Aber wird er dadurch -erträglicher? Wem es nicht gefällt, zu sagen: +die Ortsgruppe des -Allgemeinen deutschen Schulvereins Zeitz+ (natürlich ist das häßlich, -aber doch nicht wegen der Wortstellung, sondern weil einer „Ortsgruppe“ -frischweg ein Städtename beigelegt wird), der sage doch: +die Zeitzer -Ortsgruppe+ des Allgemeinen deutschen Schulvereins. Das ist deutsch. - -Streng genommen ist es natürlich auch falsch, zu sagen: +der -Wetterbericht+ Nr. 200 +des Meteorologischen Instituts+. Hier drängt -sich +Nr. 200+ eben so störend zwischen die beiden untrennbaren Glieder -wie in den vorher angeführten Beispielen die Eigennamen; deutsch wäre: -+der 200. Wetterbericht des Meteorologischen Instituts+. Ganz falsch -ist: eine +Stiftung+ von 7000 Mark +des Landgerichtsrat+ N. -- eine -+Handschrift+ von 240 Blatt +der Münchner Hof- und Staatsbibliothek+ --- +die Abteilung+ für Kriegsgeschichte +des Großen Generalstabs+ -- -+die Adreßbücher+ für 1906 +der Städte Berlin, Bremen und Breslau+ -- -+der Oberarzt+ für Hautkrankheiten +des städtischen Krankenhauses+ -- -+Höhenkurort+ für Nervenschwache +ersten Ranges+ -- +Friseurgeschäft+ -für Herren und Damen +ersten Ranges+ -- +der Entwurf+ zu einem Brunnen -+des Herrn Werner Stein+ -- +das Promemoria+ an die kurfürstliche -Bücherkommission +des Professors Ernesti+ -- +der Mangel+ an -Selbstbewußtsein und Selbständigkeit +der deutschen Mädchen+ -- eine -öffentliche +Vorlesung+ gegen Entree +der+ am beifälligsten begrüßten -+Produktionen+ -- ein großes +Konzert+ mit darauffolgendem Ball +der+ -ganzen +Kapelle+ des Füsilierregiments Nr. 36 usw. Auch hier sind -überall zwei Konstruktionen, und zwar beidemal ein Hauptwort mit -Attribut (z. B. +der Oberarzt des städtischen Krankenhauses+ und der -+Oberarzt für Hautkrankheiten+), in unerträglicher Weise ineinander -geschoben, unerträglich deshalb, weil dadurch der Genitiv von dem -Worte weggerissen ist, zu dem er gehört. Freilich läßt sich auch in -solchen Fällen nicht immer durch bloße Umstellung helfen. Schreibt man: -+der Oberarzt des städtischen Krankenhauses für Hautkrankheiten+, so -ist zwar die unsinnige Verbindung: +Hautkrankheiten des städtischen -Krankenhauses+ beseitigt; aber dafür wird nun das Mißverständnis -möglich, daß es ein besondres Krankenhaus für Hautkrankheiten gebe. In -solchen Fällen bleibt nichts übrig, als ein Partizip zu Hilfe zu nehmen -und zu schreiben: der an dem städtischen Krankenhaus +angestellte+ -Oberarzt für Hautkrankheiten. Solche Partizipia werden so oft ganz -überflüssigerweise hinzugesetzt (vgl. S. 291), daß man auch einmal eins -hinzusetzen kann, wo es notwendig ist. - -Besonders schlimm sind aber nun drei Verstöße gegen die Gesetze der -Wortstellung, die zum Teil schon seit alter Zeit, zum Teil auch erst in -neuerer Zeit für besondre Feinheiten und Schönheiten gehalten werden -und deshalb nicht eindringlich genug bekämpft werden können. Der erste -ist: - - -Die sogenannte Inversion nach und - -Als Inversion (Umkehrung, Umstellung) bezeichnet man es in der -deutschen Grammatik, wenn in Hauptsätzen das Prädikat vor das Subjekt -gestellt wird. Mit Inversion werden alle direkten Fragesätze gebildet, -aber auch Bedingungssätze, wenn sie kein Fügewort haben (+hätte -ich dich+ gesehen), und Wunsch- und Aufforderungssätze. Aber auch -Aussagesätze müssen die Inversion haben, sobald sie mit dem Objekt, -mit einem Adverbium oder einer adverbialen Bestimmung anfangen; es -heißt: +den Vater haben wir+ -- +dem Himmel haben wir+ -- +gestern -haben wir+ -- +dort haben wir+ -- +schon oft haben wir+ -- +aus -diesem Grunde haben wir+ -- +trotzdem haben wir+ -- +zwar haben wir+ --- +freilich haben wir+ -- +auch haben wir+ usw., nicht (wie im -Französischen und im Englischen) +gestern wir haben+. Ebenso ist die -Inversion in Aussagesätzen am Platze bei dem begründenden +doch+: -+habe ich es doch+ selber mit angesehen! Dagegen ist die Inversion -völlig ausgeschlossen hinter Bindewörtern; es heißt: +oder wir haben+, -+aber wir haben+, +sondern wir haben+, +denn wir haben+. Nur hinter -+und+, das doch unzweifelhaft ein Bindewort ist, halten es viele -nicht bloß für möglich, sondern sogar für eine besondre Schönheit, -die Inversion anzubringen und zu schreiben: +und haben wir+. Der -Amtsstil, der Zeitungsstil, der Geschäftsstil, sie wimmeln von solchen -Inversionen nach +und+, viele halten sie für einen solchen Schmuck -der Rede, daß sie selbst da, wo zwei Aussagesätze dasselbe Subjekt -haben, es also genügte, zu sagen: die erste +Lieferung+ ist soeben -+erschienen und liegt+ in allen Buchhandlungen zur Ansicht aus -- nur -um die Inversion anbringen zu können (!), das Subjekt wiederholen, -und zwar in der Gestalt des schönen +derselbe+, und schreiben: die -erste Lieferung ist soeben erschienen, +und liegt dieselbe+ in -allen Buchhandlungen zur Ansicht aus -- die +Fluchtlinie+ und das -+Straßenniveau werden+ vom Rate +vorgeschrieben, und sind dieselben+ -dieser Vorschrift entsprechend auszuführen. Bedarf es noch weiterer -Beispiele? Wohl nicht. Sie stehen dutzendweise in jeder Zeitung. Der -Beginn der Vorstellung ist auf sechs Uhr festgesetzt, +und wollen wir+ -nicht unterlassen, darauf aufmerksam zu machen -- der Verein hat sich -in diesem Jahre außerordentlich günstig entwickelt, +und finden die -Bestrebungen+ desselben allgemeine Anerkennung -- die alte Orgel war -sehr baufällig geworden, +und wurde die Reparatur+ dem Orgelbaumeister -Herrn G. übertragen -- der Austernfang ist in letzter Zeit sehr -ergiebig gewesen, +und wurden+ am Dienstag wieder 10000 Stück in die -Stadt gebracht -- sämtliche Stoffe sind von mir für Leipzig engagiert, -+und können+ daher +dieselben Muster+ nicht von andrer Seite geboten -werden -- die Ruine ist in zehn Minuten zu erreichen, +und bietet -sich+ unterhalb derselben +ein herrliches Panorama+ -- heute findet -ein nochmaliges Ochsenbraten statt, +und können wir+ den Besuch des -Restaurants nur empfehlen -- anders wird gar nicht geschrieben. Prof. -X ist hier eingetroffen, +und fand+ -- na, was fand er denn? eine -begeisterte Aufnahme? Gott bewahre! -- +und fand+ ihm zu Ehren +ein -Festmahl+ statt. Es gibt aber auch Frauen und Mädchen, die imstande -sind, auf einer Postkarte zwei Inversionen anzubringen und damit Wunder -was für ein feines Briefchen gedrechselt zu haben glauben: Nun sind die -schönen Tage in Dresden bald vorüber, +und sende ich Ihnen+ herzliche -Grüße; mein Auftreten ist gut gelungen, +und freue ich mich+ nun wieder -auf unsre gemütlichen Abende usw. - -Einigermaßen erträglich wird die Inversion nach +und+, wenn an der -Spitze des ersten Satzes eine adverbielle Bestimmung steht, die sich -zugleich auf den zweiten Satz bezieht, z. B.: +hier+ hört das Rostocker -Stadtrecht auf +und fängt+ die gesunde Vernunft an -- +so+ werden unsre -Reichen mit Wintergemüse versorgt +und wird+ die Zahl der Genußmittel -um einige überflüssige vermehrt -- +zum Glück+ gibt es noch anständige -Meister +und nehmen+ die Fabriken einen großen Teil der jungen Leute -auf -- +selbstverständlich+ gehört Freigebigkeit gegen die Priester zu -den Hauptbestandteilen der Frömmigkeit +und ist Geiz+ gegen sie die -größte aller Sünden -- +zur Pflege der Geselligkeit+ fand im Januar -eine Christbescherung statt +und wurden+ im Laufe des Sommers mehrere -Ausflüge unternommen -- +wo Hindernisse im Wege stehen+ (Adverbsatz), -pflegt sich die Menge innerhalb des ersten Kreises zu halten +und -kommt+ die Überschreitung des zweiten nur selten vor. Man hat diesen -Fall besonders die „Inversion nach Spitzenbestimmung“ genannt. - -Auf keinem Kunstgebiete kann es ein so schlagendes Beispiel für -die Verschiedenheit des Geschmacks geben wie auf dem Gebiete der -Sprache die Inversion nach +und+. Der Beamte, der Zeitungschreiber, -der Kaufmann hält sie für die größte Zierde der Rede; für den -sprachfühlenden Menschen ist sie der größte Greuel, der unsre -Sprache verunstaltet, sie geht ihm noch über +seitens+, über bzw., -über +selbstredend+, über +diesbezüglich+, sie erregt ihm geradezu -Brechreiz. Sie ist ihm so zuwider, daß er sie auch nach der -„Spitzenbestimmung“ nicht schreibt; selbst da gibt er lieber, um jeden -Anklang an die widerwärtige Verbindung zu vermeiden, die Inversion, die -der erste Satz mit Recht hat, im zweiten auf und schreibt: +übrigens+ -hatte diese Ordnung nichts puritanisches an sich, +und das Joch+ der -Sittenzucht +war+ nicht übermäßig schwer (statt: +und war das Joch+). - -Das Widerwärtige der Inversion liegt nicht nur in dem grammatischen -Verstoß, sondern vor allem in der logischen Lüge: die Inversion sucht -den Schein engerer, ja engster Gedankenverbindung zu erwecken, und -doch haben die beiden Sätze, die so verbunden werden, inhaltlich -gewöhnlich gar nichts miteinander zu tun. Darum ist auch die Inversion -nur selten dadurch zu verbessern, daß man die beiden Hauptsätze in -Haupt- und Nebensatz verwandelt, noch seltner dadurch, daß man Subjekt -und Prädikat hinter +und+ in die richtige Stellung bringt, sondern -meist dadurch, daß man den Rat befolgt, den schon der junge Leipziger -Student Goethe (offenbar nach einer Vorschrift aus Gellerts Kolleg -über deutschen Stil) seiner Schwester Cornelia gab, wenn sie in ihren -Briefen Inversionen geschrieben hatte: einen Punkt zu setzen, das +und+ -zu streichen und mit einem großen Anfangsbuchstaben fortzufahren. - -Die Inversion ist aber auch eins der merkwürdigsten Beispiele des -wunderlichen Standpunkts, den manche Sprachgelehrten zu der Frage über -Richtigkeit und Schönheit der Sprache einnehmen. Es gibt Germanisten, -die sagen: mir persönlich (!) ist die Inversion auch unsympathisch -(!), aber „eigentlich falsch“ kann man sie nicht nennen, denn sie -ist doch sehr alt, sie findet sich schon im Althochdeutschen, -im Mittelhochdeutschen, bei Luther, sehr oft im siebzehnten und -achtzehnten Jahrhundert, und ihre große Beliebtheit gibt ihr doch ein -gewisses Recht. Als ob eine häßliche Spracherscheinung dadurch schöner -würde, daß sie jahrhundertealt ist![141] Wer hat denn zu entscheiden, -was richtig und schön sei in der Sprache: der sprachkundige, -sprachgebildete, mit feinem und lebendigem Sprachgefühl begabte -Schriftsteller, oder der Kanzlist, der Reporter und der „Konfektionär“? -Ein Schriftsteller, der die Inversion nach +und+ aufs strengste -vermieden hat, ist Lessing. Ich denke, der wird genügen.[142] - - -Die Stellung der persönlichen Fürwörter - -Der zweite Verstoß betrifft die Stellung der persönlichen Fürwörter. Es -handelt sich da wieder um eine Spracherscheinung, die äußerst häßlich -ist und doch allgemein für eine Schönheit gehalten wird (vgl. S. 116 -Anm.). Um die Sache deutlich zu machen, soll zunächst der häufigste und -auffälligste Fall besprochen werden. - -Wenn das Zeitwort eines Satzes ein Reflexivum ist, gleichviel ob -das reflexive Verhältnis den Dativ oder den Akkusativ hat (+sich+ -entschließen, +sich+ einbilden), so erscheint in der lebendigen -Sprache das reflexive Fürwort +sich+ stets so zeitig wie möglich im -Satze. In Nebensätzen wird es stets unmittelbar hinter das erste Wort -gestellt, hinter das Relativ, hinter das Fügewort usw. (+der sich+, -+wo sich+, +wobei sich+, +da sich+, +obgleich sich+, +als sich+, -+daß sich+, +wenn sich+, +als ob sich+, +je mehr sich+ usw.); erst -dann folgt das Subjekt des Satzes. Nur wenn das Subjekt selbst ein -persönliches Fürwort ist, geht dieses dem +sich+ voran (+da es sich+, -+wenn sie sich+, +die er sich+). In Hauptsätzen steht das +sich+ stets -unmittelbar hinter dem Verbum (+hat sich+, +zeigt sich+, +wird sich -finden+); in Infinitivsätzen steht es ganz an der Spitze, mag das -Verbum noch so reich mit Objekten, adverbiellen Bestimmungen u. dgl. -bekleidet sein. Man beobachte sich selbst, man beobachte andre, wie -sie reden, man wird höchst selten einer Abweichung von diesem Gesetze -begegnen. - -Nun vergleiche man damit, wie geschrieben wird, ganz allgemein -geschrieben wird, und sehe, wo da das +sich+ hingesetzt wird; die -Stelle, wo es hingehört, soll jedesmal durch Klammern bezeichnet -werden. Da heißt es in Hauptsätzen: selten +hat+ [] eine Darstellung -so rasch in der Literatur +sich eingebürgert+ -- durch die neue -Ordnung +glaubte+ [] namentlich die Universität +sich verletzt+ -- -diese +hielten+ [] ohne Erlaubnis der Regierung in diesen Gegenden -+sich auf+ -- der heftige Seelenschmerz +löste+ [] in ein krampfhaftes -Schluchzen +sich auf+ -- eventuell (!) +behält+ [] der Verkäufer das -Rückkaufsrecht +sich vor+ -- als Porträtmaler +schließt+ [] Hausmann -unmittelbar an Hoyer +sich an+. Beim Infinitiv: nur einmal +scheinen+ -[] die beiden +sich gesprochen+ zu haben -- die Photographie +scheint+ -[] in Rom wirklich bis an die Grenze echter Kunst +sich zu erheben+ --- bald +begannen+ [] Menschen in dem Walde +sich anzusammeln+ -- der -Name +dürfte+ [] auf den ganzen Gebirgszug +sich beziehen+ -- man -+mußte+ [] in entsetzlichen Postkarren, von Ungeziefer halb verzehrt, -unter Hunger und Durst, in jene schönen Gegenden +sich durcharbeiten+ --- es ist leicht, [] diese Kenntnis +sich anzueignen+ -- das Recht, -[] an der friedlichen Kulturarbeit frei +sich zu beteiligen+. In -Nebensätzen endlich: die Verdienste, +welche+ (!) [] Eure Durchlaucht -um das deutsche Vaterland +sich erworben haben+ -- es ist das eine der -schwierigsten Aufgaben, +die+ [] der menschliche Geist +sich stellen -kann+ -- bei dieser Lage der Dinge, +die+ [] binnen wenigen Monaten zu -einer ganz unerträglichen +sich ausbildete+ -- der geistige Zustand, -+in dem+ [] die deutsche Jugend in der Zeit der französischen Invasion -+sich befand+ -- der Modegeschmack, +der+ [] namentlich auf dem Gebiete -des Romans so rasch +sich ändert+ -- die Philosophie, +die+ [] doch nur -dem an das Denken gewöhnten Höhergebildeten +sich erschließt+ -- ein -Mann, +der+ [] bei allem Eifer für die katholische Sache doch einen -warmen Patriotismus +sich bewahrt hatte+ -- im Militärwaisenhaus, -+das+ [] nach dem Willen des Königs zu einer möglichst großartigen -Anlage +sich gestalten soll+ -- die Schlagwörter, +mit denen+ [] die -sozialdemokratischen Lehren +sich zu schmücken lieben+ -- in Fällen, -+wo+ [] das Bedürfnis dazu +sich herausstellt+ -- der erste Akt -versetzt uns in die Welt des Waldes, wo [] Roseggers Phantasie am -meisten +sich heimisch fühlt+ -- in Bonn, wo [] die ganze Rheinstraße -mit ihren Denkmälern zu Exkursionen +sich anbietet+ -- die Verbrecher -treiben allerlei Ulk, +wobei+ [] ihre wahre Natur +sich äußert+ -- -die Schicksale, aus +deren+ Zusammenwirken [] erst die eigenartige -Entwicklung von Hoffmanns Persönlichkeit +sich erklären läßt+ -- -unter der Bedingung, +daß er+ [] auf eine bestimmte Probezeit des -Wilderns +sich enthalte+ -- die Gegenwart beweist, +daß+ [] der kleine -Betrieb dem Großkapital gegenüber +sich+ nicht +halten kann+ -- der -einzelne darf nicht verkennen, +daß er+ [] unter solchen Umständen -zu Nutz und Frommen seiner Mitmenschen eine Selbstbeschränkung +sich -auferlegen muß+ -- +als+ [] fast sämtliche Klöster wieder mit den -geistlichen Orden +sich gefüllt hatten+ -- es wird noch geraume Zeit -vergehen, +ehe+ [] ihr Ideal vollständig +sich verwirklichen kann+ -- -+seitdem+ [] das große, für die Kultur so folgenreiche Weltereignis -der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus +sich ergab+ -- die -Aufhebung des Gesetzes können wir nicht beklagen, +da es+ [] im Laufe -der Jahre immer mehr als unbrauchbar +sich erwiesen hat+ -- +da er+ [] -gerade jetzt in der Lage +sich befindet+, Zahlung leisten zu können -- -+weil er+ [] diese Eigenschaften bis in sein hohes Alter +sich bewahrt -hat+ -- +nachdem+ [] die ursprüngliche Bedeutung im Sprachbewußtsein -+sich verdunkelt hatte+ -- +nachdem+ [] die Wogen freundlicher und -feindlicher Erregung, die das Buch hervorrief, +sich gelegt haben+ -- -+wenn er+ [] zuweilen zu religiösem Pathos +sich erhob+ -- +wenn+ der -Kurfürst abreist und [] auf einen seiner Landsitze +sich begibt+ -- -ich würde untröstlich sein, +wenn+ Sie [] durch mich in Ihrer alten -Ordnung +sich stören ließen+ -- +wenn+ [] neuerdings die Unternehmer -und Arbeitgeber zur Wahrung ihrer gerechten Interessen +sich -zusammenschließen+ -- die Namen der Künstler sind so bezeichnet, +wie+ -sie [] auf den Blättern +sich finden+ -- +als ob er+ [] die größten -Verdienste um das deutsche Vaterland +sich erworben hätte+ -- +je mehr+ -[] Frankreichs Stellung am Mittelmeere +sich behauptet+ usw. - -Wir stehen da wieder vor einer Erscheinung, die recht eigentlich in -das Kapitel vom papiernen Stil gehört. Der lebendigen Sprache gänzlich -fremd, stellt sie sich immer nur da ein, wo jemand die Feder in -die Hand nimmt, aber auch da nicht sofort, sondern erst dann, wenn -er zu künsteln anfängt.[143] Man könnte ja nun meinen, es sei doch -unnatürlich, das reflexive Fürwort von seinem Verbum zu trennen und -so weit vor, an den Anfang des Satzes zu rücken. Aber diese Trennung -ist der Sprache offenbar etwas unwesentliches. Das wesentliche ist -ihr die enge Verbindung, die erst infolge dieser Trennung eingegangen -werden kann: die Verbindung mit dem voranstehenden andern Pronomen -oder mit dem Fügewort (+der sich+, +wenn sich+). Diese Verbindung -ist der lebendigen Sprache wichtiger als die mit dem Verbum, denn -durch sie wird der Satz wie mit eisernen Klammern umschlossen. Wenn -ich das +sich+ unmittelbar nach +da+, +wo+, +wenn+, +seitdem+ bringe, -so erfährt der Hörer schon, daß am Ende des Satzes ein reflexives -Zeitwort folgen wird, die Hälfte des Verbalbegriffs klingt ihm -gleichsam schon im Ohre. Daß sich auf diese Weise der Satz fester -zusammenschließt als auf die andre, liegt auf der Hand. Wenn einer mit -+wenn+ oder +daß+ anfängt, und erst nachdem er zwanzig oder dreißig -Worte dazwischengeschoben hat, endlich mit +sich begab+ oder +sich -befindet+ schließt, so möchte man immer fragen: So viel Zeit hast du -gebraucht, dich auf das Zeitwort zu besinnen? dich zu besinnen, daß du -ein reflexives Verbum gebrauchen willst? - -Es ist ja aber keineswegs bloß das +sich+, das jetzt in dieser Weise -verstellt wird, es geschieht das mit dem rückbezüglichen Fürwort -überhaupt. Man schreibt auch: darüber gedenke ich [] später einmal -in diesen Blättern +mich auszulassen+ -- wenn wir [] auch mit voller -Seele an der Jubelfeier +uns beteiligen+ -- daß wir [] in unsern -nationalen Lebensformen ungehindert +uns entwickeln+ können -- wenn -wir [] überhaupt von Gott eine Vorstellung +uns machen+ wollen usw. Ja -die Krankheit hat sich noch viel weiter verbreitet, sie hat auch das -ganze persönliche Fürwort ergriffen. In der lebendigen Sprache wird -das persönliche Fürwort genau so gestellt wie das reflexive. Wie aber -wird geschrieben? Das war es bloß, wozu [] mein väterlicher Freund -+mich bewegen+ wollte -- wie willst du den Widerspruch lösen, den [] -eine verehrte Autorität +dir aufdrängt+? -- als Goethe seine Reise -antrat, +war+ [] Rom +ihm+ nicht +fremd+ -- man kann den Fortgang -voraussehen, soweit [] nicht unberechenbare äußere Störungen +ihn -hemmen+ -- die Mängel des Gedächtnisses kommen weniger zur Geltung, -wenn [] das Nachdenken +ihm Zeit läßt+ -- der Bischof verzichtete auf -den Segen, den [] sein Konfrater in Trier +ihm anpries+ -- können wir -einen Dichter nennen, der [] an Mannigfaltigkeit, an beherrschender -Sicherheit +ihm gleichkäme+? -- er würde [] gewiß auch diesmal nicht -ohne Not +sie warten lassen+ -- die Menge geht dahin, wohin [] der -Zar und die Kirche +sie treibt+ -- sie wissen viel zu gut, was [] das -erreichte Ziel +sie gekostet hat+ -- die Arbeiter stehen schon so -tief, daß [] ein weiterer Druck +sie arbeitsunfähig machen würde+ -- -wenn [] die Zeit +es erlaubt+ -- wer [] in unsern Tagen noch +es wagt+ --- wie [] der Drang seines Herzens +es gebot+ -- eine unzulängliche -Einrichtung, wie [] das Duell +es ist+ -- abgesehen davon hatten [] -die Bewohner des Hauses +es nicht schlecht+ -- wenn [] die Gegner des -Sozialistengesetzes +es+ als einen Vorteil +preisen+ -- unter diesem -Feldgeschrei hatte man [] in den katholisch-deutschen Ländern +es -dahin gebracht+ -- es genügt uns nicht, [] bei dieser allgemeinen -Schilderung seines Wesens +es bewenden zu lassen+ -- wir müssen tragen, -was [] unser Geschick +uns auferlegt+ -- die praktische Aufgabe, die [] -unsre religiöse Gefahr +uns stellt+ -- wir halten das für die einzig -mögliche Erklärung, weil [] keine andre +uns begreiflich ist+ -- wenn -[] sein Auge so ernst und mild +uns anblickt+ -- wäre er nicht das -große Genie gewesen, so würde [] der Name Rembrandt +uns+ unbekannt -+geblieben+ sein -- am 19. Mai +hat+ [] der Tod wieder einen der -hervorragendsten Künstler +uns entrissen+ -- nun galt es, [] mit Rat -und Tat +ihnen beizustehen+ -- sie warfen mit lateinischen Brocken -um sich, sodaß [] kein andrer in der Gesellschaft +ihnen zu folgen -vermochte+ -- er berichtete gewissenhaft die Geschichte, wie [] [] sein -alter Schulkamerad +sie ihm erzählt hatte+ -- es ist das ein großes -Stück Wehrkraft, worin [] [] die Nachbarn im Osten und Westen +es uns+ -nicht +gleichtun können+. Überall ein ängstliches, schulknabenhaftes -Voranstellen der Subjekte vor die Objekte, überall das gequälte -Aufsparen der Fürwörter bis unmittelbar vor das Zeitwort![144] In -einem Roman heißt es: während die Stämme ihre kahlen Äste +uns -entgegenstreckten+, als wollten sie mit ihren Armen +unserer (!) sich -erwehren+. Das soll heißen: +während uns+ die Stämme ihre kahlen -Äste entgegenstreckten, als wollten +sie sich unser+ mit ihren Armen -erwehren! Am fürchterlichsten ist es, wenn das unbetonte +es+, vollends -das proleptische, das nur einen Inhalts- oder einen Infinitivsatz -vorbereitet, und das nur dann erträglich ist, wenn es sich so viel wie -möglich versteckt und möglichst flüchtig durch den Satz huscht -- wenn -das mit solchem Elefantentritt an möglichst unpassender Stelle in den -Satz hineintappt: trotz des Widerwillens des Vaters setzte [] der Knabe -unter dem Beistande der guten Mutter +es durch+, daß er usw. - -Möglich ist ja eine solche Stellung der Fürwörter auch, falsch ist sie -nicht, es fragt sich nur, ob sie schön sei. Wie müssen sich oft die -Fürwörter und die Wörter überhaupt in Versen herumwerfen lassen! Wie -die Kegel, wenn die Kugel dazwischenfährt. Da +senkte sich+ aus der -Höhe ein lichter Engel -- nicht wahr, ganz gewöhnliche Prosa? - - Da +senkte+ aus der Höhe - Ein lichter Engel +sich+ -- - -auf einmal „Poesie“! Das hat aber doch auch seine Grenzen. Poetischer -als ein Vers wie der: - - Wie +soll+ aus diesem Zwiespalt +ich+ retten +mich+? - -klingt doch unzweifelhaft die schlichte „Prosa“: Wie +soll ich mich -aus+ diesem Zwiespalt retten? - -Von Gellerts Fabeln hat man geringschätzig gesagt, sie wären die reine -Prosa. Von dem Ausdruck trifft das gar nicht zu, der ist dazu viel zu -fein und gewählt. Wenn es sich aber darauf beziehen soll, daß ihre -Wortstellung ganz so ist, wie sie in guter Prosa sein würde, so wäre -das ja das höchste Lob! Es ist das, was Friedrich der Große mit den -Worten sagte: Er hat so etwas Coulantes in seinen Versen. - - -In fast allen oder fast in allen? - -Der dritte Verstoß betrifft die Stellung der Präpositionen. Durch -alle gebildeten Sprachen geht das Gesetz, daß die Präpositionen -(+an+, +bei+, +nach+, +für+, +in+, +vor+, +mit+ usw.) unmittelbar vor -dem Worte stehen müssen, das sie regieren. Das ist so natürlich und -selbstverständlich wie irgend etwas, es kann gar nicht anders sein. In -der griechischen Grammatik spricht man von ~Procliticae~ (d. h. vorn -angelehnten).[145] Man versteht darunter gewisse einsilbige Wörtchen, -die, weil sie eben einsilbig sind und für sich allein noch nichts -bedeuten, keinen eignen Ton haben, sondern -- wie durch magnetische -Kraft -- an das Wort gezogen werden, das ihnen folgt. Dazu gehören -auch einige einsilbige Präpositionen. Das ist aber durchaus keine -Eigentümlichkeit der griechischen Sprache, sondern solche Wörter gibt -es in allen Sprachen, auch im Deutschen, und zu ihnen gehören auch -im Deutschen die Präpositionen. Weil diese aber solche ~Procliticae~ -sind, die mit dem Worte, das von ihnen abhängt, innig verwachsen, so -ist es unnatürlich, zwischen die Präposition und das abhängige Wort -(Eigenschaftswort, Fürwort, Zahlwort) ein Adverb zu stopfen.[146] Auch -dieses Gesetz geht durch alle Sprachen, denn es ist in der Natur der -Präpositionen begründet. - -Da ist aber nun der große Logiker drüber gekommen und hat sich -überlegt: +fast in allen Fällen+ -- das kann doch nicht richtig sein! -das +fast+ gehört doch nicht zu +in+, es gehört ja zu +allen+! Also -muß es heißen: +in fast allen+ Fällen. Und so wird denn wirklich -seit einiger Zeit immer häufiger geschrieben: die +von fast+ allen -Grammatikern gerügte Gewohnheit -- es geht eine Bewegung +durch fast+ -sämtliche Kulturstaaten -- +mit fast+ gar keinen Vorkenntnissen -- -+mit nur+ echten Spitzen -- das Stück besteht +aus nur+ drei Szenen -- -wir haben es +mit nur+ wenigen Lehrstunden zu tun -- wir fuhren +durch -meist+ anmutige Gegend -- die Kritik, die +in meist+ schlechten Händen -ist -- es waren +gegen etwa+ vierzig Mann -- mit einer Besatzung +von -oft+ sechs bis acht Mann -- +in bald+ einfacherer, +bald+ prächtigerer -Ausstattung -- das Buch ist +in wohl+ sämtliche europäische Sprachen -übersetzt -- andre Kritiker +von freilich+ geringerer Autorität -- -+nach genau+ einem Jahrhundert -- +in genau+ derselben Form -- +mit -genau+ derselben Geschwindigkeit -- +nach längstens+ zwei Jahren -- -+für wenigstens+ ein paar Wochen -- Unterricht +in wenigstens+ einer -zweiten lebenden Sprache -- die ordnungsliebendern Elemente sehen sich -+zu wenigstens+ tatsächlicher Achtung vor dem Gesetze gezwungen -- die -Kosten belaufen sich +auf mindestens+ tausend Pfund -- die Schulden -müssen +mit mindestens+ einem Prozent jährlich abgetragen werden -- -fünf Präpositionen +mit jedesmal+ verschiedner Funktion -- eine Anfrage -würde das +in vielleicht+ überraschendem Maße bestätigen -- überall ist -die Technik +auf annähernd+ gleicher Höhe -- er wurde +auf zunächst+ -sechs Jahre zum Stadtrat gewählt -- +mit sozusagen+ absolutem Maßstabe --- +mit allerdings nur+ geringer Hoffnung auf Erfolg -- Japan war mit -+alles in allem+ vier Artikeln vertreten -- er stand mit ihm +in so gut -wie+ keiner Verbindung -- sie sind +um zusammen etwa+ vier Millionen -Mark betrogen worden; sogar: ein besondrer Anstrich +von erst+ Farbe -+und dann+ Lack wird vermieden. - -Es ist eine Barbarei, so zu schreiben. Man hat das Gefühl, als wollte -einem jemand in den Ellbogen oder zwischen zwei Fingerglieder einen -Holzkeil treiben, wenn man so etwas liest, ja es ist, als müßte es der -Präposition selber wehtun, wenn sie auf solche Weise von dem Worte, -mit dem sie doch zusammenwachsen möchte, abgerissen wird. Was ist eine -Logik wert, die zu solcher Unnatur führt! Man versuche es einmal, man -setze in all den angeführten Beispielen das Adverb an die richtige -Stelle, nämlich vor die Präposition: +meist durch+ anmutige Gegend --- +wohl in+ sämtliche Sprachen -- +wenigstens für+ ein paar Wochen --- +annähernd auf+ gleicher Höhe -- +zunächst auf+ sechs Jahre usw., -empfindet wohl jemand die geringste logische Störung?[147] - -Nur die kurzen Adverbia, die zur Steigerung der Adjektiva dienen: +so+, -+sehr+, +viel+, +weit+, stehen hinter der Präposition: +mit so+ großem -Erfolg -- +in sehr+ vielen Fällen -- +mit viel+ geringern Mitteln -- -+nach weit+ gründlichern Vorbereitungen. Bei allen Adverbien aber, die -den Adjektivbegriff einschränken, herabsetzen oder sonstwie bestimmen, -ist die Stellung hinter der Präposition unnatürlich. - - -Zwei Präpositionen nebeneinander - -Doppelt häßlich wird das Wegreißen der Präposition von dem abhängigen -Worte dann, wenn das Einschiebsel nicht ein einfaches Adverb, sondern -ein Satzglied ist, das selbst wieder aus einer Präposition und einem -davon abhängigen Worte besteht; dann entsteht der Fall, daß zwei -Präpositionen unmittelbar hintereinander geraten -- für jeden Menschen -von feinerm Gefühl eine der beleidigendsten Spracherscheinungen. Und -doch wird auch so jetzt fortwährend geschrieben! Da heißt es: +in -im+ Ratsdepositorium befindlichen Dokumenten -- +in zur+ Zeit nicht -zu verwirklichenden Gedanken -- +durch vom+ Kriege unberührtes Land --- +durch von+ beiden Teilen erwählte Schiedsrichter -- +durch für+ -ein weiches Gemüt empfindlichen Tadel -- +mit in+ Tränen erstickender -Stimme -- +mit vor+ Freude strahlendem Gesicht -- +mit vor+ keinem -Hindernis zurückschreckender Energie -- +mit auf+ die Wand aufgelegtem -Papier -- +mit für+ die Umgebung störendem Geräusch -- +mit nach+ außen -kräftigen Institutionen -- +mit über+ die ganze Provinz verteilten -Zweigvereinen -- +mit mit+ (!) schwarzem Krepp umwundnen Fahnen -- -+bei nach+ fürstlichen Personen benannten Gegenständen -- das Sammeln -+von an+ sich wertlosen Dingen -- die Frucht +von durch+ Jahrtausende -fortgesetzten Erfahrungen -- eine große Anzahl +von in+ einzelnen -Fächern weiter ausgebildeten jungen Männern -- die Schülerzahl stieg -+von über+ zwei- gleich +auf über+ sechshundert -- die Falter werden -+mittelst auf mit+ (!) Öl begossene Teller gestellter Gläser gefangen -usw. Man kann also solche Zusammenstöße sehr leicht vermeiden, und -zwar auf die verschiedenste Weise; entweder durch einen Nebensatz: -+durch Land, das+ vom Kriege noch unberührt geblieben war -- oder -durch einen wirklichen Genitiv statt +von+: das Sammeln an sich -+wertloser+ Dinge -- oder durch einen Ausdruck, der dasselbe sagt wie -die Präposition: +von mehr als+ zweihundert (statt +von über+) oder -durch ein zusammengesetztes Wort: +mit freudestrahlendem+ Gesicht usw. -Aber alle diese Mittel werden verschmäht, lieber versetzt man dem Leser -den stilistischen Rippenstoß, unmittelbar hinter einer Präposition noch -eine zweite zu bringen![148] - - -Zur Interpunktion - -Eine feine und schwierige Kunst ist es, gut zu interpungieren. Hier -können nur einige Winke darüber gegeben werden. - -Die Interpunktion verfolgt zwei verschiedne Zwecke: erstens die -Satzgliederung zu unterstützen und die Übersicht über den Satzbau -zu erleichtern, zweitens die Pausen und die Betonung der lebendigen -Sprache in der Schrift auszudrücken. Oft fallen beide Zwecke zusammen, -aber nicht immer. Wenn z. B. geschrieben wird: die Berliner Künstler -haben den französischen Bildern stets die besten Plätze eingeräumt -+und, wenn+ diese nicht reichten, andre Räume gemietet -- oder: wer -die Tagespresse kritiklos liest +und, ohne+ es zu wissen und zu -wollen, die dargebotnen Anschauungen in sich aufnimmt -- so schließt -sich zwar die Interpunktion genau dem Satzbau an, steht aber in -auffälligem Widerspruch zur lebendigen Sprache: niemand wird bis zu -+und+ (oder +oder+) sprechen und hinter +und+ eine Pause machen, -jeder wird vor +und+ abbrechen. Daher empfiehlt es sich, das Komma -hier lieber vor +und+ zu setzen -- gegen den Satzbau -- und zu -schreiben: da die Frauen mit Vorliebe männliche Verhüllungen wählen, -+und+ wenn sie ihren Vornamen nicht ausschreiben, auch die Handschrift -sie nicht immer verrät -- sie glaubte, +oder+ wie es von ihrem -Standpunkt aus wohl richtiger heißen muß, sie hoffte -- daß Dichter -wie Keller und Storm, +oder+ um einige weniger berühmte zu nennen, -Vischer und Riehl gesund blieben -- die Elemente des Anschauungs- und -Gestaltungsvermögens, +oder+ anders ausgedrückt, des Einbildungs- und -des Ausbildungsvermögens.[149] - -Dem ersten Zwecke dienen nun vor allem die drei üblichen Zeichen: -Punkt, Semikolon (;) und Komma. Über die Bedeutung von Punkt und -Komma besteht kein Zweifel; sie werden im allgemeinen auch richtig -angewandt. Der Punkt schließt ab, das Komma gliedert; der Punkt -trennt größere oder kleinere selbständige Gedankengruppen, das Komma -scheidet die einzelnen Bestandteile dieser Gruppen, es tritt vor jeden -Nebensatz, auch vor Partizipial- und Infinitivsätze. Jeder Satz hat -nur einen Punkt; die Zahl der Kommata im Satze ist unbeschränkt. Das -Semikolon endlich ist stärker als das Komma, aber schwächer als der -Punkt. Es ist überall da am Platze, wo zwei Hauptsätze -- mögen sie -nun allein stehen oder jeder wieder von einem Nebensatze begleitet -sein -- einander gegenübergestellt werden, wo also der eine der beiden -Hauptsätze nur die Hälfte des Gedankens enthält und den andern zu -seiner Ergänzung verlangt, z. B.: hättest du dich an den Buchstaben -des Gesetzes gehalten, so träfe dich kein Vorwurf; da du aber -eigenmächtig vorgegangen bist, so hast du nun auch die Verantwortung -zu tragen. Das Semikolon trennt also und vereinigt zugleich, es -scheidet und verbindet. Sehr fein hat es daher David Strauß die Taille -des Satzes genannt[150] und auf Lessing hingewiesen als den, der den -richtigen Gebrauch davon gemacht habe. In der Tat ist das Semikolon -für den, der damit umzugehen weiß, eins der ausdrucksfähigsten -Interpunktionszeichen, es wird nur noch vom Kolon übertroffen. Aber wie -ungeschickt wird es oft behandelt! Besonders beliebt ist es jetzt, wenn -vor einen Hauptsatz eine größere Anzahl gleichartiger Nebensätze tritt, -z. B. drei, vier, fünf Bedingungssätze, diese alle durch Semikolon -voneinander zu trennen -- eine sehr geschmacklose Anwendung. Zwischen -Haupt- und Nebensatz ist einzig und allein das Komma am Platze; folgen -mehrere gleichartige Nebensätze aufeinander, so kann hinter jedem -immer wieder nur ein Komma stehen. Wie der Punkt, so kann auch das -Semikolon in einem gut gegliederten Satze nur +einmal+ vorkommen; ein -Satz, der mehr als +ein+ Semikolon enthält, ist immer entweder schlecht -interpungiert oder schlecht gegliedert. - -Aber auch in dem Gebrauche des Kommas werden mancherlei Fehler gemacht. -Wenn vor ein Hauptwort mehrere Eigenschaftswörter treten, so gilt -im allgemeinen die Regel, diese Eigenschaftswörter durch Kommata -voneinander zu trennen. Manche wollen zwar neuerdings davon nichts -wissen, sie schreiben: ein +guter treuer anhänglicher zuverlässiger -Mensch+; aber das verstößt gegen die Betonung der lebendigen Sprache, -die bei solchen längern Attributreihen hinter jedem Attribut eine -fühlbare kleine Pause macht, und vor allem: man beraubt sich damit -sehr notwendiger Unterscheidungen. Es ist ein großer Unterschied, ob -ich schreibe: er hatte eine +tiefe, staatsmännische Einsicht+ oder: -eine +tiefe staatsmännische Einsicht+ -- hier schließt der +erste, -historische Abschnitt+ oder: der +erste historische Abschnitt+ -des Buches. Im ersten Falle stehen die beiden Attribute parallel -zueinander, das zweite erläutert das erste: er hatte eine tiefe, -(wahrhaft oder echt) staatsmännische Einsicht -- hier schließt -der erste, (nämlich) historische Abschnitt des Buches. Im zweiten -Falle bildet das zweite Attribut mit dem Hauptwort einen einzigen -Begriff, sodaß tatsächlich nur +ein+ Attribut übrig bleibt: er -hatte staatsmännische Einsicht, und diese war tief -- das Buch hat -mehrere historische Abschnitte, und hier schließt der erste davon -(vgl. S. 301). Auf solche Weise kann sogar ein drittes Attribut -wieder dem zweiten übergeordnet werden. Es darf also kein Komma -stehen in folgenden Verbindungen: ein +starker demokratischer Zug+, -eine +liebenswürdige alte Jungfer+, die +nackteste persönliche -Herrschsucht+, das +jahrelange geistliche Eifern+, der +unvermeidliche -tragische Ausgang+, nach +überstandnem sturmvollem Leben+, von -+gewissen hohen österreichischen Offizieren+, die +ganze vielgepriesene -englische Kirchlichkeit+. Ebenso muß ohne Komma geschrieben werden: -das +andre der klassischen Richtung angehörige Drama+ -- wenn der -betreffende Dichter mehrere der klassischen Richtung angehörige Dramen -geschrieben hat, wogegen das Komma nicht fehlen dürfte, wenn er nur -zwei Dramen geschrieben hätte, eins, das der modernen, und eins, das -der klassischen Richtung angehört. - -Wenn zwei Hauptsätze oder auch zwei Nebensätze durch +und+ verbunden -werden, so gilt im allgemeinen die verständige Regel, daß vor +und+ ein -Komma stehen müsse, wenn hinter +und+ ein neues Subjekt folgt, dagegen -das Komma wegbleiben müsse, wenn das Subjekt dasselbe bleibt. Natürlich -ist dabei unter Subjekt das grammatische Subjekt zu verstehen, nicht -das logische. Seinem Begriffe nach mag das zweite Subjekt dasselbe sein -wie das erste: sowie es grammatisch durch ein Fürwort (+er+, +dieser+) -erneuert wird, darf auch das Komma nicht fehlen. Dagegen wird niemand -vor +und+ ein Komma setzen, wo +und+ nur zwei Wörter verbindet. Doch -sind Ausnahmefälle denkbar, z. B.: er welkt, +und+ blüht nicht mehr --- in Leipzig, wo man so viel, +und+ so viel gute Musik hören kann -- -er war unfähig als Heerführer, +und+ als Mensch unbedeutend und wenig -sympathisch. Er blüht +und+ duftet nicht mehr -- da wäre das Komma -überflüssig. In solchen Fällen tritt der zweite Zweck der Interpunktion -in seine Rechte: die Pausen und die Betonung der lebendigen Sprache -auszudrücken, selbst abweichend von dem ersten, die Gliederung des -Satzbaus zu unterstützen. - -Auch vor einem Infinitiv mit +zu+ ist es wohl allgemein üblich, ein -Komma zu setzen. Manche lassen es zwar hier jetzt weg, namentlich wenn -der Infinitiv ganz unbekleidet ist; sie halten es für überflüssig, ein -so kurzes, nur aus zwei Wörtern bestehendes Glied durch ein besondres -Zeichen abzutrennen. Es empfiehlt sich aber doch, es zu setzen, da -sonst leicht Zweifel oder Mißverständnisse entstehen können. Wenn -jemand schreibt: es ist +schwer zu verstehen+ -- so kann der Sinn nur -sein: es ist zu verstehen, aber schwer. Wenn man aber ausdrücken will: -es bereitet Schwierigkeiten, es zu verstehen? Das kann nur durch ein -Komma deutlich gemacht werden. Man muß also unterscheiden zwischen: +es -ist nicht gut, zu verlangen+ und: +es ist nicht gut zu verlangen+ -- -es war +ein Fest, zu sehen+ und: es war +ein Fest zu sehen+. Aber auch -in Sätzen wie: er befahl +ihm Gläser zu bringen+ -- die ultramontane -Presse +verstand es bald+ allerlei Mißverständnisse +aufzufinden+ --- entsteht der Zweifel: wozu gehört +ihm+? wozu gehört +bald+? zu -+verstehen+ oder zu +auffinden+? Ein Komma hebt sofort den Zweifel. - -Nur in einem Falle ist es nicht nur überflüssig, sondern geradezu -störend, vor den Infinitiv mit +zu+ ein Komma zu setzen, nämlich dann, -wenn der Infinitiv ein Objekt oder ein Adverb bei sich hat, und dieses -vor dem regierenden Verbum steht, von dem der Infinitiv abhängt, z. B.: -+diesen Gedanken+ könnte man +versucht sein+, mit Wallenstein herzlich -dumm +zu nennen+. Diesen Gedanken könnte man versucht sein -- das ist -nur ein Satzbruchstück ohne allen Sinn, was soll da das Komma? Es -ist aber auch durch die lebendige Sprache hier nicht gerechtfertigt, -denn niemand wird hinter +versucht sein+ im Sprechen anhalten, alles -drängt zu dem Infinitiv, der erst das Objekt verständlich macht, -das vorläufig noch in der Luft schwebt. Es ist also richtiger, ohne -Komma zu schreiben: bares Geld gelang es ihm nicht sich anzueignen --- tatsächliche Irrtümer dürfte es schwer sein in dem bändereichen -Werke aufzustöbern -- was bemüht man sich mit dem Worte Sozialismus -zu benennen? -- alle Abfälle hatte sie sich ausgebeten ihm bringen -zu dürfen -- auf die Erhaltung des Waldes war die Behörde geneigt das -entscheidende Gewicht zu legen -- gegen diese Szene liegt es uns fern -uns hier zu ereifern -- ich gebe dir keinen Rat, den ich nicht bereit -wäre selber zu befolgen -- die Anforderungen, die wir uns gewöhnt haben -an eine solche Ausgabe zu stellen -- der Wust von Aberglauben, den der -Vorgänger sich rühmte ausgefegt zu haben -- der Unterschied, den der -Offizier gewohnt ist zwischen seiner Stellung als solcher und der als -Gentleman zu machen -- die Oberamtsrichter, denen manche geneigt sind -die Rektoren gleichzustellen -- seine Verwandten, für die es vor allem -seine Pflicht wäre zu sorgen. - -Unbegreiflich ist es, daß man die beiden verschiednen +ja+, die es -gibt, das beteuernde und das steigernde, nie richtig unterschieden -findet, und doch sind sie durch die Interpunktion so leicht zu -unterscheiden. Ein Komma gehört nur hinter das beteuernde +ja+, denn -nur hinter diesem wird beim Sprechen eine Pause gemacht: +ja+, es waren -herrliche Tage! Das steigernde +ja+ dagegen wird mit dem folgenden -Worte fast in eins verschmolzen: sie duldete diese Mißhandlungen, +ja -sie+ schien sie zu verlangen -- es ist wünschenswert, +ja+ geradezu -unerläßlich -- hinter Frankreich liegt der Atlantische Ozean, +ja -man+ kann sagen die ganze andre Welt. Was soll da ein Komma? Ebenso -töricht ist es, ein doppeltes +ja+ (+ja ja+), ein doppeltes +nein+ -(+nein nein+), +ei ei!+ +na na+ oder gar das +ha ha!+, das das Lachen -ausdrücken soll, durch Kommata zu trennen, wie man es in Erzählungen -und Schauspielen überall gedruckt lesen muß. Man spricht doch nicht -+ja+ (Pause), +ja+, sondern +jajjah+, +neinnein+, als ob es nur +ein+ -Wort wäre. Und vollends +ha+ (Komma) +ha+! Wer lacht so? - -Ganz verkehrt wird von vielen das Kolon (:) angewandt: sie setzen -es statt des Semikolons (;) und stören damit den, der die Bedeutung -der Satzzeichen kennt, auf ärgerliche Weise. Das Semikolon schließt -ab wie der Punkt; das Kolon schließt -- auf, es hat vorbereitenden, -spannungerweckenden, aussichteröffnenden Sinn, ein gut gesetztes Kolon -wirkt, wie wenn eine Tür geöffnet, ein Vorhang weggezogen wird. Daher -steht es vor allem vor jeder direkten Rede (vor die indirekte gehört -das Komma!); es ist aber auch überall da am Platze, wo es so viel -bedeutet wie +nämlich+, z. B.: der Verfasser hat mehr getan als diesen -Wunsch erfüllt: er hat die Aufsätze vielfach erweitert und ergänzt -- -oder wo es dazu dient, die Folgen, das Ergebnis, das erwartete oder -unerwartete Ergebnis des vorhergeschilderten einzuleiten, z. B.: wir -baten, flehten, schmollten: er blieb ungerührt und sprach von etwas -anderm. - -Geschmacklos ist es, die der Betonung dienenden Zeichen, das -Fragezeichen und das Ausrufezeichen, zu verdoppeln, zu verdreifachen -oder miteinander zu verbinden: ??, !!!, ?! Dergleichen schreit -den Leser förmlich an, und das darf man sich doch verbitten. Eine -Abgeschmacktheit ohnegleichen aber ist es, halbe oder ganze Zeilen mit -Punkten oder Gedankenstrichen zu füllen, wie es unsre Romanschreiber -und Feuilletonisten jetzt lieben. Das soll geistreich aussehen, den -Schein erwecken, als ob der Verfasser vor Gedanken und Bildern beinahe -platzte, sie gar nicht alle aussprechen oder ausführen könnte, sondern -dem Leser sich auszumalen überlassen müßte. Es ist aber meistens -nur Wind; wer etwas zu sagen hat, der sagt es schon. Nur +eine+ -Abgeschmacktheit kommt dieser noch gleich, die neueste Zierde des -Feuilletonstils: eine Menge kleiner Nebensätze jeden mit einem Punkt -abzuschließen, sodaß die aus Hauptsatz und Nebensätzen bestehende -Periode dem Leser in lauter Brocken vorgesetzt wird. Auch das soll -geistreich aussehen, den Schein höchster dramatischer Lebendigkeit der -Gedankenerzeugung und -einkleidung erregen. In Wahrheit ist es eine -krasse Stillosigkeit, eine abgeschmackte Manier. - - -Fließender Stil - -Man spricht so viel von fließendem Stil, beneidet wohl auch den und -jenen um seinen fließenden Stil. Ist das Sache der Begabung, oder ist -es etwas erlernbares? - -Zum Teil beruht das, was man fließenden Stil nennt, unzweifelhaft -auf der Klarheit des Denkens und der Folgerichtigkeit der -Gedankenentwicklung -- nur wer sich selbst über eine Sache völlig -klar geworden ist, kann sie auch andern klarmachen --, zum Teil -auch auf Rhythmus und Wohllaut -- es wird viel zu viel stumm -geschrieben, während man doch nichts drucken lassen sollte, was man -sich nicht selber laut vorgelesen hat![151] --, zum größten Teil -aber beruht es auf gewissen technischen Handgriffen beim Satzbau -- -Handwerksvorteilchen möchte ich sagen --, die man eben kennen muß, um -sie anwenden zu können. Unbewußt und unwillkürlich wendet sie niemand -an. Es gibt zwar auch einen Naturburschenstil, der den Leser durch eine -gewisse Gewandtheit ein paar Seiten lang täuschen kann; dann kommt -aber plötzlich ein Satz, der deutlich verrät, daß der Verfasser nur -zufällig, nicht mit Bewußtsein fließend geschrieben hat. - -Den angenehmen Eindruck, daß jemand fließend schreibe, hat man -dann, wenn beim Lesen das Verständnis, die geistige Auffassung des -Geschriebnen immer gleichen Schritt hält mit der sinnlichen Auffassung, -die durch das Auge vor sich geht. Ist das nicht der Fall, ist man öfter -genötigt, stehen zu bleiben, mit den Augen wieder zurückzukehren, einen -ganzen Satz, einen halben Satz oder auch nur ein paar Worte noch einmal -zu lesen, weil man sieht, daß man das Gelesene falsch verstanden hat, -so spricht man von holprigem oder höckrigem Stil. Solch ärgerliches -Mißverständnis kann aber die verschiedensten Ursachen haben. Wer diese -Ursachen zu vermeiden weiß, wer den Leser jederzeit +zwingt+, gleich -beim ersten Lesen richtig zu verstehen, der schreibt einen fließenden -Stil. Das ist das ganze Geheimnis. Im folgenden sollen einige -Haupthindernisse eines fließenden Stils zusammengestellt werden. - -Vor allem gehört zu ihnen die leider in unsrer Sprache weitverbreitete, -ungemein beliebte und doch das Verständnis, namentlich dem Ausländer, -aber auch dem Deutschen selbst überaus erschwerende Unsitte (so, wie es -hier soeben geschehen ist!), zwischen den Artikel und das zugehörige -Hauptwort langatmige Attribute einzuschieben, statt diese Attribute -in Nebensätzen nachzubringen. Dergleichen Verbindungen sind eine Qual -für den Leser. Man sieht einen Artikel: +die+. Dann folgt eine ganze -Reihe von Bestimmungen, von denen man zunächst gar nicht weiß, worauf -sie sich beziehen: +verbreitete+, +beliebte+, +erschwerende+. Endlich -kommt das erlösende Hauptwort: +Unsitte+! Während also das Auge weiter -gleitet, weiter irrt, wird unmittelbar hinter dem Artikel der Strom -der geistigen Auffassung unterbrochen, es entsteht eine Lücke, und der -Strom schließt sich erst wieder, wenn endlich das Hauptwort kommt. -Dann ist es aber zu spät, man hat die Übersicht über das Eingeschobne -längst verloren, muß wieder umkehren und das Ganze noch einmal lesen. -Eine solche Unterbrechung tritt zwar bei jedem eingeschobnen Attribut -ein, aber bei kurzen Attributen doch in so geringem Maße, daß man -sie gar nicht fühlt. Je länger das Attribut ist, desto empfindlicher -und störender wirkt die Lücke. Nur ein guter Schriftsteller hat ein -richtiges und feines Gefühl dafür, was er dem Leser in dieser Beziehung -zumuten darf. Unsre Kanzlisten und Zeitungschreiber haben meist keine -Ahnung davon; sie schreiben seelenvergnügt, indem sie immer ein -Attribut ins andre schachteln: das Gericht wolle erkennen, der Geklagte -(!) sei schuldig, mir für +die+ von mir an +die+ in +dem+ von ihm -zur Bearbeitung übernommenen +Steinbruch+ beschäftigten +Arbeiter+ -vorgeschossenen +Arbeitslöhne+ Ersatz zu leisten -- oder: von +einer+ -durch +einen+ in +einer Umwälzung+ in den wichtigsten Einrichtungen -aller Kulturstaaten bestehenden +Vorteil+ ausgezeichneten +Erfindung+ -sind einige Gewinnanteile zu verkaufen -- oder: mit +einem+ von +dem+ -auf +der+ nach +dem Wasser+ zu gelegnen +Veranda+ aufgestellten -+Musikkorps+ des ersten Gardedragonerregiments geblasenen +Choral+ -wurde die Feierlichkeit eröffnet. - -Ein zweites Haupthindernis eines fließenden Stils ist schon früher -besprochen worden und soll hier nur noch einmal kurz erwähnt werden: -es ist der unvorsichtige Gebrauch der Fürwörter (vgl. S. 224). Wie -ärgerlich wird man beim Lesen aufgehalten durch ein +er+, +sie+, +ihm+, -+ihn+, +sein+, +ihr+, +diesem+, wenn man nicht sofort sieht, auf wen -oder was es sich bezieht! Wo irgendein Mißverständnis möglich ist, -sollte immer statt des Fürworts wieder das Hauptwort gesetzt werden. - -Eine dritte Unsitte, die das Verständnis alles Deutschgeschriebnen -in neuerer Zeit in der peinlichsten Weise erschwert, besteht darin, -daß man das eigentliche und wirkliche Hauptwort des Satzes, nämlich -das Verbum, immer in ein Substantiv verwandelt, entweder in ein -wirkliches Substantiv oder in einen substantivierten Infinitiv. Da -wird z. B. geschrieben: der +Zuhilfenahme+ eines besondern Rechts der -Persönlichkeit bedarf es nicht (statt: ein besondres Recht zu Hilfe -zu nehmen ist nicht nötig) -- beim +Unterbleiben+ einer baldigen -+Inangriffnahme+ des Projekts (statt: wenn das Projekt nicht bald in -Angriff genommen wird) -- nach +Umarbeitung+ eines Teils der Lieder zum -Zwecke der +Herstellung+ ihrer +Sangbarkeit+ für Männerchöre an höhern -Schulen (statt: nachdem ein Teil der Lieder umgearbeitet worden ist, um -sie sangbar zu machen) -- aus Gründen der +Zugänglichmachung+ dieses -Vorteils für das große Publikum -- (statt: um diesen Vorteil zugänglich -zu machen) -- im Interesse der +Vermeidung+ von Wiederholungen (statt: -um Wiederholungen zu vermeiden) -- trotz der seitens des Vorsitzenden -erfolgten +Ablehnung+ des Antrags des Angeklagten auf +Vorladung+ des -Kellners (statt: obgleich der Vorsitzende den Antrag des Angeklagten -ablehnte, den Kellner vorzuladen) -- das +Mißlingen+ des Versuchs -muß natürlich sein +Aufgeben+ zur +Folge+ haben (statt: wenn der -Versuch mißlingt, muß er natürlich aufgegeben werden) -- für die -+Mehrzahl+ der Reisenden hat die +Erweiterung+ des Gesichtskreises -aufgehört der +Reisezweck+ zu sein (statt: die meisten reisen nicht -mehr, um ihren Gesichtskreis zu erweitern) -- die +Voraussetzung+ -für die +Patentierung+ eines Advokaten bildet eine mehrjährige -+Hilfsarbeiterschaft+ in einem Bureau (statt: wer als Advokat -patentiert sein will, muß mehrere Jahre Hilfsarbeiter gewesen sein) --- es gibt eine Grenze, bei deren +Überschreitung+ die +Vermehrung+ -der +Bevölkerung+ nicht zur +Erhöhung+, sondern zur +Verminderung+ -des Wohlstandes führt (statt: das Wachstum der Bevölkerung hat eine -Grenze; wird diese überschritten, so wird der Volkswohlstand nicht -vermehrt, sondern vermindert). Es gibt Schriftsteller, bei denen diese -Art, sich auszudrücken, vollständig zur Manier geworden ist; sie haben -sich so hinein verrannt, daß sie nicht wieder davon loskommen. Jeder -Gedanke, der vor ihrer Seele auftaucht, nimmt sofort die Gestalt eines -Substantivs an, jeder Hauptsatz, jeder Nebensatz gerinnt ihnen zu einem -Substantiv. +Erweitern+ -- das können sie gar nicht mehr denken, sie -denken nur noch +Erweiterung+.[152] Statt +um zu+, +weil+, +so daß+, -+wenn+ schwebt ihnen sofort +Zweck+, +Grund+, +Interesse+, +Folge+, -+Voraussetzung+ vor. Wenn ein gewissenhafter Redakteur mit solchen -Mitarbeitern zu tun hat, so bleibt ihm gar nichts weiter übrig, als -Satz für Satz die harten Substantivschalen entzweizuschlagen und -überall den weichen Verbalkern herauszuholen, mit andern Worten: Satz -für Satz umzuschreiben, aus der Substantivsprache in die Verbalsprache -zu übersetzen. Verba erhalten den Satzbau geschmeidig und flüssig, -sie lassen sich in der mannigfaltigsten Weise bekleiden, ohne daß die -Sätze beschwert werden und dadurch schleppend werden. Sowie man aber -den Verbalbegriff substantiviert, entstehen nicht nur so häßliche -Bildungen wie: +Zuhilfenahme+, +Inangriffnahme+, +Inanspruchnahme+, -+Beiseiteschiebung+, +Zugänglichmachung+, +Zurannahmebringung+, -+Inanklagestandversetzung+, sondern diese zähen Verbalextrakte müssen -nun auch erst wieder durch irgendeinen wässerigen, gehaltlosen Zusatz -wie +stattfinden+, +erfolgen+, +bewirken+ in den flüssigen Zustand -zurückversetzt werden, der für den Satzbau notwendig ist. Außerdem -verbaut man sich durch solche Substantivierung selbst den Weg, verfitzt -sich den Satz, und adverbielle Bestimmungen geraten in die Gefahr, -falsch bezogen zu werden, wie in folgenden Sätzen: Seine Majestät -+gab das Zeichen+ zum Beginn der Feier +durch Absingung+ eines -Chorals (statt: durch Absingung +zu beginnen+) -- man +verzichtete+ -auf die Beantwortung einer Thronrede +durch eine Adresse+ (statt: -durch eine Adresse +zu beantworten+) -- K. wurde der Körperverletzung -+mittels eines schweren Werkzeuges angeklagt+ (statt: mittels eines -schweren Werkzeuges +verletzt zu haben+) -- ein Expedient wurde wegen -Unterschlagung von 750 Mark +zum Nachteil seines Prinzipals verhaftet+ -(statt: weil er zum Nachteil seines Prinzipals oder einfach: seinem -Prinzipal +unterschlagen hatte+) -- die Fischerinnung hat das Befahren -der Flüsse innerhalb der Stadtflur +mit Booten und Kähnen verboten+ -(statt: mit Booten und Kähnen +zu befahren+). Eine adverbielle -Bestimmung gehört, wie ihr Name sagt, zunächst zum Verbum; wird -dieses Verbum substantiviert, so flüchtet sie eben zu einem andern -Verbum, und der Unsinn ist fertig. Namentlich in unsrer Gesetz- und -Verordnungssprache spielt dieser Fehler eine große Rolle; Tausende von -Bekanntmachungen, Verordnungen, Warnungen und Verboten, aber auch die -einzelnen Punkte von Tagesordnungen und Protokollen fangen gewöhnlich -gleich mit einem Verbalsubstantiv oder einem substantivierten Infinitiv -an und quälen dann sich und die Leser mit allem, was darauf folgt. - -Ein vierter, sehr häufiger Fehler, aus dem das gerade Gegenteil eines -fließenden Stils entspringt, besteht darin, daß ein ~casus obliquus~ -eines Hauptworts so im Satze gestellt wird, daß er beim ersten Lesen -entweder nicht erkannt wird oder falsch bezogen werden muß. Sehr -gewöhnlich ist es z. B., daß ein Satz mit einem Akkusativ angefangen -wird, der, weil er ein Femininum, ein Neutrum oder ein Plural ist oder -keinen Artikel hat, nicht eher als Akkusativ erkannt wird, als bis --- oft ziemlich spät -- das Subjekt folgt[153]; bis dahin hält ihn -jeder Leser für den Nominativ, also für das Subjekt des Satzes, z. B.: -+die Pflege+ und die Wartung des jüngsten Kindes besorgt die Hausfrau -selbst -- +die Frage+, ob es richtig war, auch die schon seit längerer -Zeit ansässigen Einwandrer auszuweisen, untersuche ich hier nicht -- -+seine Erziehung+ hatte bisher nach der allgemeinen Gewohnheit in -hochadligen Familien ein Priester geleitet -- die beste +Schilderung+ -Corneliens, zugleich ein herrliches Denkmal dankbarer Liebe, haben -wir in Wahrheit und Dichtung -- die +harmlose Geselligkeit+ der -anständigen Restaurationen will der Ankläger nicht gemeint haben -- -+die Einreihung+ der nicht teuern Bände in jede Familienbibliothek -befürworte ich aufs wärmste -- +das Orchester+ führte schneidig -und mit Umsicht Herr Kapellmeister P. -- +das große Pferd+, dessen -mythologische Bedeutung schon durch die Statue auf der Säule nahegelegt -wird, hat Thausing als Herkules gedeutet -- +das geistige Leben+ -beherrscht auf der einen Seite die bald in scholastischer Erstarrung -erstickende lutherische Theologie, auf der andern der Jesuitismus -- -+anerkannte Namen+ von bestem Klange wie aufstrebende neue Talente hat -unsre Mitarbeiterliste aufzuweisen -- des Kaisers +Sieg+ bei Mühlberg, -nach dem die Tage des Evangeliums gezählt schienen, feierte Agricola -durch einen Dankgottesdienst -- +die Herren+, die sich an unserm -Fortbildungskursus beteiligen wollen, ersuchen wir usw. Aber auch andre -Fälle solcher falscher Beziehungen kommen vor, wie folgende Beispiele -zeigen (das Mißverständnis, in das jeder Leser zunächst verfällt, soll -durch den Druck hervorgehoben werden): +diese volle Unabhängigkeit+ -fordernde Stelle -- +in einem Ende+ November 1862 an das Ministerium -gerichteten Schreiben -- die Sozialdemokratie besteht noch +in dem -Staate+ gefahrdrohender Weise -- der Staatsbetrug der Armeelieferanten -ist mir lieber als +der der Staatsteile+ verschachernden Fürsten -- es -handelt sich um +eine sehr weite+ Kreise interessierende Angelegenheit --- um sie +zu allen Anforderungen+ entsprechenden Soldaten zu machen -- -die Absicht, den Platz +mit dem Festzweck+ entsprechenden Dauerbauten -zu versehen -- sie hat ihm +zu seinem Aufsehen+ erregenden Mädchenbilde -gesessen -- mit Rücksicht +auf die Befähigten+ zu erteilende Ausbildung --- das nationale Gefühl ist +durch Jahrhunderte+ lange Trennung -geschwächt -- die beiden Täler werden +von Steinforellen+ enthaltenden -Bächen durchflossen -- diese Konglomerate von +kleinlichen, -detaillierten Spezialforderungen+ anzupassenden Verwaltungsräumen -- -+es traten sich mühsam+ mit der Gitarre begleitende Sängerinnen auf usw. -In allen diesen Sätzen verbindet man im ersten Augenblicke falsch; im -nächsten Augenblicke sieht man natürlich die richtige Verbindung, aber -seinen Rippenstoß hat man weg. - -Viele Druckseiten könnten hier mit Beispielen der verschiedensten -Art gefüllt werden, die alle darauf hinauslaufen, daß der Leser beim -ersten Lesen falsch versteht, an einer gewissen Stelle merkt, daß er -falsch verstanden hat, und deshalb umkehren und das Gelesene gleichsam -umdenken muß. Sehr häufig ist der Fall, daß dem Schreibenden bei -einem Fürwort, einem Partizip, einem Adverb ein erst später folgendes -Hauptwort oder Zeitwort vorschwebt, während es der Leser, der das nicht -wissen kann, auf ein schon dagewesenes bezieht. Welche Störung dann! -Da wird z. B. geschrieben: in Berlin gelang es +Bandel+ nicht, festen -Fuß zu fassen; mit der brutalen Deutlichkeit, die +ihm+ eigen war, -erklärte ihm +Schadow+ usw. (hier wird jeder Leser +ihm+ zunächst auf -Bandel beziehen, während es auf Schadow gehen soll) -- die Gedichte -wurden meine Einführungsbriefe bei den Dichtern Münchens, die ich fast -alle in diesen Jahren im Hause meines Vaters kennen lernte; als +Glied -des Leseausschusses+, als Regisseur, als Träger der Heldenrollen und -wahrlich nicht am wenigsten als einsichtsvoller und wohlwollender -Berater, als ein in allen Stücken prächtiger Mann war +er+ von den -Herren gar eifrig gesucht (hier bezieht der Leser alle die schönen -Prädikate des zweiten Satzes auf +ich+, bis er zuletzt merkt, daß sie -sich auf +er+ beziehen) -- wie sehr unsre Landsleute am Vaterlande -hängen, bewies die reiche +Spende+, die sie zum Bismarckdenkmal -herübersandten. In herrlichem Gartengrün +verborgen, umgeben+ von -tropischer Blumenpracht, hat der deutsche Verein in Honolulu sein -+eignes Heim+ (hier versucht man, die Partizipia +verborgen+ und -+umgeben+ zunächst auf +Spende+ zu beziehen, bis man endlich merkt, -daß sie zu +Heim+ gehören sollen) -- diese Idee +kam+ von außen, +aus+ -der römisch gebildeten +Umgebung+ des Königs und aus den Bedürfnissen -des römischen Papsttums +erwuchs sie+ (hier merkt man erst, daß man -das zweite +aus+, und was darauf folgt, fälschlich mit +kam+ verbunden -hat) -- obgleich ich nicht wußte, ob ich sitzen bleiben dürfte oder -mich zurückziehen müßte, blieb ich doch +sitzen+. +So sehr+ hatte -mich die bewundernswerte Persönlichkeit des Grafen gefangen genommen, -daß ich selbst die gewöhnlichsten Gesellschaftsregeln +außer acht -ließ+ (hier bezieht man +so sehr+ zunächst auf das vorhergehende -+sitzen bleiben+, es soll aber den kommenden Folgesatz vorbereiten) --- das ist zum erstenmal der volle, unvergleichliche +Beethoven+; und -angesichts dieser Stelle kann man es nur mit der Eile, mit der +er+ -schrieb, entschuldigen, daß +Berlioz+ in dieser Sinfonie nur Haydnsche -Musik gesehen hat (hier bezieht jeder Leser das +er+, womit Berlioz -gemeint ist, zunächst auf Beethoven). Auch wenn geschrieben wird: -diese Urkunden +ändern+ das Bild, das man sich von jenen Sekten und -von der zu ihrer Vertilgung eingesetzten Inquisition gemacht hatte, -+nicht wesentlich+ -- die jetzige ritterschaftliche Vertretung besitzt -in ihrer Mehrheit das nötige Verständnis für die Aufgaben ihrer Zeit -+nicht+ -- Wien +hat den Ruhm+, unter allen deutschen Hauptstädten -zuerst eine Pflegstätte für das musikalische Lustspiel, die idyllische, -bürgerliche und lyrisch-romantische Oper zu besitzen, +nicht lange -genossen+ -- so liegt derselbe Fehler vor. Daß Wien den Ruhm nicht -lange genossen hat, erfährt der Leser zu spät; bis dahin hat er glauben -müssen, es hätte ihn überhaupt. - -Abzuhelfen ist solchen Anstößen, wie man sieht, auf die verschiedenste -Weise, aber immer sehr leicht: ein denkender Schriftsteller wird -sich überall schnell zu helfen wissen, sobald er nur -- den Anstoß -bemerkt. Aber das ist eben das schlimme, daß der Schriftsteller selber -gewöhnlich solche Anstöße +nicht+ bemerkt, nur der Leser bemerkt -sie. Wie dem abzuhelfen sei? Vor allem dadurch, daß man sich beim -Lesen dessen, was andre geschrieben haben, überall da, wo man hängen -bleibt, darüber Rechenschaft gibt, warum man hängen bleibt, und dann -dergleichen vermeidet. Man kann es darin bei einigem guten Willen sehr -bald zu einer gewissen Fertigkeit bringen. Ein andres, sehr einfaches -Mittel ist, daß man nichts naß in die Druckerei gibt, sondern alles, -was man geschrieben hat, wenn auch nicht ~nonum in annum~, so doch -einige Tage lang beiseite legt und dann wieder vornimmt. In dieser -Zwischenzeit ist es einem gewöhnlich so fremd geworden, daß man von all -den Anstößen, die jeden andern Leser verletzen würden, selber verletzt -wird, sie also noch rechtzeitig beseitigen kann. - -Auf jeden Fall sollten folgende stilistische Haus- und Lebensregeln -beobachtet werden: 1. schreibe Zeitwörter, nicht Hauptwörter! 2. -schreibe Hauptwörter, nicht Fürwörter! 3. schachtle nicht, sondern -schreibe Nebensätze! 4. schreibe laut! schreibe nicht immer bloß für -die Augen, sondern vor allem auch für die Ohren! Mit der Beobachtung -dieser Regeln und Ratschläge wird man freilich noch lange kein großer -Schriftsteller, aber ohne sie auch nicht. Die Schriftstellerei ist eine -Kunst, und jede Kunst hat ihre Technik, die gelehrt und gelernt werden -kann. Wie der Maler malen, so muß der Schriftsteller schreiben können, -und der geistvollste Schriftsteller kann sich um alle Wirkung bringen, -wenn er seine Leser aller Augenblicke durch Ungeschicklichkeiten und -lumpige technische Schnitzer stört und ärgert. - - - - -Zum Wortschatz und zur Wortbedeutung - -[Illustration] - - - - -[Illustration] - - -Die Stoffnamen - -Zahllose Fehler und Geschmacklosigkeiten werden in der Wahl und der -Anwendung der Wörter begangen. - -Alle Stoffnamen wie: +Wein+, +Bier+, +Blut+, +Eisen+, können von Rechts -wegen nur im Singular gebraucht werden, und so priesen denn auch früher -unsre Kaufleute nur ihren guten +Lack+ oder +Firnis+ an, auch wenn -sie noch so viel Sorten hatten. Von einigen solchen Wörtern hatte man -aber doch gewagt, den Plural zu bilden, um die Mehrzahl der Sorten -zu bezeichnen, und wir haben uns allmählich daran gewöhnt. Schon das -sechzehnte Jahrhundert kannte die Plurale: +die Bier+, +die Wein+, im -Faust heißt es: ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden, -doch ihre +Weine+ trinkt er gern, und die Chemie und die Technologie -reden schon lange von +Ölen+ und +Fetten+. Neuerdings wird aber doch -diese Pluralbildung in unerträglicher Weise ausgedehnt; man empfiehlt -nicht nur +Lacke+, +Firnisse+, +Öle+ und +Seifen+, sondern auch -+Mehle+, +Grieße+, +Essige+, +Salate+, +Honige+, +Tabake+, +Zwirne+, -+Garne+, +Wollen+ (Strick- und Häkelwollen!), +Tuche+, +Seiden+, -+Flanelle+, +Plüsche+, +Tülle+, +Battiste+, +Kattune+, +Damaste+, -+Barchente+ -- +Tees+, +Kaffees+, +Kakaos+, +Buckskins+ usw. Diese -Formen, die die immer rücksichtsloser werdende Reklamesprache unsrer -Kaufleute geschaffen hat, haben etwas stammelndes, sie klingen wirklich -wie Kindergelall. Wenn auf diesem Wege weitergegangen würde, müßte man -in Zukunft auch +Wachse+, +Leime+, +Kalke+, +Porzellane+, ja sogar -+Fleische+, +Wurste+, +Korne+, +Glase+, +Stahle+ anpreisen können. -Denn +Würste+, +Körner+, +Gläser+, +Stähle+ (Plättstähle sagt man in -Leipzig) sind doch etwas andres, sie bezeichnen die einzelnen Stücke, -aber nicht die Sorten; ähnlich die +Kälke+, von denen die Gerber früher -sprachen. Die Geologen reden bereits von +Sanden+ und +Tonen+, statt -von Sand- und Tonarten. Wo ist die Grenze? Und wie will man überhaupt -eine Mehrzahl bilden von +Schiefer+, +Zucker+, +Obst+, +Milch+, -+Butter+, +Käse+, +Leinwand+, +Flachs+, +Spiritus+, +Petroleum+? Das -Bedürfnis, die verschiednen Sorten auszudrücken, ist doch bei diesen -Dingen gewiß ebenso stark wie bei andern. An der Firma einer Leipziger -Handlung steht: +Stahl aller Art+. Wie vornehm klingt das! Man freut -sich jedesmal, wenn man vorbeigeht. Wie dumm dagegen ist die Mehrzahl -+Abfallseifen+! Wenn es irgend etwas gibt, was man nicht in den Plural -setzen kann, so ist es doch das Sammelsurium, daß man als „Abfallseife“ -bezeichnet. - -Ein wunderliches Gegenstück zu diesen anstößigen Pluralen ist es, daß -von manchen Wörtern die Mehrzahl jetzt auffällig vermieden wird. Von -den schönen +Haaren+ einer Frau zu sprechen, gilt nicht für fein; nur -daß sie schönes +Haar+ habe, hört sie gern. Und beim Schneider bestellt -man sich nicht mehr neue +Hosen+ -- das wäre ja ganz plebejisch! --, -nein, eine neue +Hose+. Was will man denn aber mit +einer+ Hose? -Man hat doch zwei Beine, also wird man auch immer ein Paar +Hosen+ -brauchen. +Hose+ bedeutet doch nur die zylinderförmige Hülse für +ein+ -Bein. Vornehme Leute haben allerdings auch keine Beine mehr, sondern -nur noch Füße. Ich habe mich an den Fuß gestoßen, sagt die feine -Dame; wenn man sie aber nach der Stelle fragt, zeigt sie -- auf den -Oberschenkel. - - -Verwechselte Wörter - -Nicht bloß Kindern, auch Erwachsenen, oft sogar recht „gebildeten“ -Erwachsenen begegnet es, daß sie ein Wort in falschem Sinne gebrauchen -oder zwei Wörter oder Redensarten miteinander verwechseln oder -vermengen. Es fehlt ihnen dann an der nötigen Spracherfahrung. Sie -haben die Wörter noch nicht oft genug gehört, oder sie haben nicht -scharf genug auf den Zusammenhang geachtet, worin ihnen die Wörter -vorgekommen sind, und so verbinden sie nun einen falschen Sinn damit. -Es gibt Bücher über Shakespeares, Goethes, Schillers +Frauengestalten+. -Darunter hat wohl noch niemand etwas andres verstanden als die -Frauen in den Werken der drei Dichter. Vor kurzem ist aber ein Buch -erschienen: +Lenaus Frauengestalten+. Das behandelt „diejenigen (!) -Frauen, welche (!) bedeutsam (!) in das Leben und Werden (!) Lenaus -eingegriffen haben“. Wenn eine solche Begriffsverwechslung einem -Schriftsteller begegnet, dann kann man den Schenkwirten keinen Vorwurf -machen, wenn sie neuerdings mit Vorliebe auf die +kleinen Preise+ -ihrer Speisekarte aufmerksam machen. Zwischen +Preis+ (~praemium~) und -+Preis+ (~pretium~) ist ein Unterschied. Große und +kleine Preise+ -gibt es bei Preisausschreiben und Preisverteilungen; im Handel aber -gibt es nur hohe und +niedrige+ oder +billige+ oder +mäßige Preise+. -Man scheint zu glauben, daß man durch +niedrige+ Preise das Publikum -beleidige; Sängerinnen veranstalten schon Konzerte zu +volkstümlichen+, -sogar +populären+ Preisen.[154] In den Zeitungen kann man jeden Tag -lesen, daß ein Erkrankter oder ein Verunglückter in das oder jenes -Krankenhaus +eingeliefert+ worden sei. Welche Roheit! Ein Verbrecher -wird ins Gefängnis +eingeliefert+, nachdem er verhaftet worden ist, -aber doch nicht ein armer Kranker! - -Oft verwechselt werden jetzt von Hauptwörtern: +Neuheit+ und -+Neuigkeit+, +Wirkung+ und +Wirksamkeit+, +Folge+ und +Erfolg+, von -Zeitwörtern: +zeigen+, +zeichnen+, +bezeichnen+ und +kennzeichnen+, -+verlauten+ und +verlautbaren+ u. a., von Adverbien: +regelmäßig+ und -+in der Regel+, +anscheinend+, +scheinbar+ und +augenscheinlich+, -+voran+ und +vorwärts+, +zumal+ und +besonders+. - -+Neuheiten+ liegen in dem Schaufenster des Modewarenhändlers; in dem -des Buchhändlers liegen +Neuigkeiten+. Bis vor kurzem wenigstens ist -dieser Unterschied stets beobachtet und von literarischen Erzeugnissen -dasselbe Wort gebraucht worden wie von neuen Nachrichten: +Neuigkeit+. -Es hat einen geistigern Inhalt als +Neuheit+, und die Schriftsteller -sollten es sich verbitten, daß man ihre Erzeugnisse mit demselben Worte -bezeichnet wie die des Schneiders. - -Von der +Wirksamkeit+ des Saxlehnerschen Bitterwassers zu reden ist -ebenso verkehrt, wie zu sagen: diese Maßregel verliert auf die Dauer -ihre +Wirksamkeit+. Der Pfarrer wirkt in seinem Amte, eine Maßregel -wirkt vielleicht im Verkehr, und das Bitterwasser wirkt in den -Gedärmen; aber nur der Pfarrer hat eine +Wirksamkeit+, die beiden -andern haben eine +Wirkung+. - -Ebenso sinnwidrig ist es von dem +Erfolg+ zu knapper Mittel zu reden, -statt von den +Folgen+, denn ein +Erfolg+ ist etwas positives, -erfreuliches, zu knappe Mittel sind etwas negatives, unerfreuliches. - -+Kennzeichnen+ ist sehr beliebt geworden, seitdem man es als Ersatz -für das Fremdwort +charakterisieren+ gebraucht. Es wird aber oft ganz -gedankenlos verwendet. Wenn geschrieben wird: welche Stellung er zur -Revolution einnahm, ist schon oben kurz +gekennzeichnet+ worden -- -durch ihre Aussprüche +kennzeichnen+ sie ihre Zugehörigkeit zur stillen -Gemeinde -- wir haben das Buch als das +gekennzeichnet+, was es ist: -als eine Tendenzschrift -- der ungeheure Verbrauch von Offizieren muß -als ein Luxus +gekennzeichnet+ werden -- der Hauptraum, der als Halle -oder Kapelle +gekennzeichnet+ werden kann -- die ganze Kläglichkeit der -heutigen Handwerkspolitik hat Stieda trefflich +gekennzeichnet+ -- so -liegt auf der Hand, daß in den ersten drei Sätzen +zeigen+ (andeuten, -verraten, nachweisen), in den zwei nächsten +bezeichnen+, in dem -letzten einfach +zeichnen+ (schildern) gemeint ist. - -+Verlauten+ ist ein intransitives Zeitwort und bedeutet: +laut werden+. -Es +verlautet+ etwas -- heißt: man erzählt es, man spricht davon. -+Verlautbaren+ dagegen (ein entsetzliches Kanzleiwort!) ist transitiv -und bedeutet: +laut aussprechen+, bekanntmachen. Ganz verkehrt ist es -also, zu sagen: es +verlautbart+ etwas.[155] - -Sehr gern verwechselt werden auch +erhalten+ und +empfangen+: er -+empfing+ die Nachricht, daß sein Freund bankrott sei -- wenige Stunden -später +empfing+ Delbrück abermals ein Telegramm Bismarcks. Wenn man -Besuch +erhält+, so kann man ihn natürlich auch +empfangen+, entweder -freundlich oder höflich oder feierlich; aber Nachrichten, Briefe, -Telegramme, Geld usw. +erhält+ man, wenn es auch üblich ist, hinterher -den richtigen +Empfang+ anzuzeigen. - -Falsch ist es auch, aber trotzdem sehr beliebt, reflexive Zeitwörter, -wie: +sich erheben+, +sich anschließen+, ihres rückbezüglichen Fürworts -zu berauben, sie als Intransitiva zu behandeln und zu schreiben: ein -Festaktus in der Aula mit +anschließendem+ Rundgange durch das Gebäude --- die Versammlung bezeugte ihre Teilnahme durch +Erheben+ von den -Plätzen. Man erhebt +sich+, oder einfach: man -- +steht auf+! - -+Regelmäßig+ ist dasselbe wie +immer+; +in der Regel+ aber ist nicht -dasselbe wie +immer+. Wer regelmäßig früh um fünf Uhr aufsteht, leistet -mehr, als wer es bloß in der Regel tut. Die Regel leidet eine Ausnahme, -die Regelmäßigkeit leidet keine. - -Wenn eine Zeitung schreibt: die Herren verlebten einen +scheinbar+ -ganz köstlichen Abend -- so ist das etwas ganz andres, als was der -Zeitungschreiber sagen will. Mit +scheinbar+ wird ein Anschein gleich -für falsch erklärt, mit +augenscheinlich+ wird er gleich für richtig -erklärt, mit +anscheinend+ wird gar kein Urteil ausgesprochen. Er -verzichtet +scheinbar+ auf einen Gewinn -- heißt: in Wahrheit ist -er ganz gierig darnach; er verzichtet +anscheinend+ -- heißt: es -kann sein, daß er verzichtet, es kann auch nicht sein; er verzichtet -+augenscheinlich+ -- heißt: er verzichtet offenbar. - -+Voran+ bezeichnet einen Platz, und zwar den ersten Platz, die Spitze, -+vorwärts+ dagegen eine Richtung. Es ist also Gedankenlosigkeit oder -Ziererei, wenn jemand schreibt: Max Müller hat die Forschung in der -Sprachwissenschaft in keinem Punkte +voran+ gebracht. Gemeint ist: -+vorwärts+gebracht oder +gefördert+. - -Durch +zumal+ erfährt eine Behauptung eine in der Sache selbst -liegende, also selbstverständliche Steigerung z. B.: die Urkunden -sind schwer lesbar, +zumal+ im siebzehnten Jahrhundert (wo man -überhaupt schlecht schrieb -- ist der Sinn) -- du solltest dich doch -sehr in acht nehmen, +zumal+ im Winter. Ganz unangebracht ist es -dagegen in folgendem Satze: als ich die Quellen zur Geschichte des -Bistums durcharbeitete, stieß ich, +zumal+ in zwei Handschriften des -fünfzehnten Jahrhunderts, auf zahlreiche Aktenstücke. Hier kann es nur -+besonders+ oder +namentlich+ heißen. - -Keine Verwechslung, sondern bloße Ziererei ist es, für +erstens+ zu -schreiben +einmal+: ich muß das aus verschiednen Gründen ablehnen, -+einmal+ weil, +sodann+ weil usw. Wer darauf aufmerksam gemacht worden -ist, unterläßt das; es ist wirklich eine Abgeschmacktheit. - -Nicht verwechselt, aber vermengt werden neuerdings fortwährend die -beiden Redensarten +einig sein+ und +sich klar sein+. +Einig sein+ -über etwas können immer nur mehrere; +sich klar sein+ kann auch ein -einzelner. Ganz sinnlos aber ist das aus beiden zusammengeknetete -+sich einig sein+, das man jetzt täglich lesen muß: Protestanten und -Katholiken sind +sich+ in diesem Punkte +einig+ -- darin waren +sich+ -zwei Männer von so verschiedner Art wie Freytag und Treitschke +einig+ --- die Völker andrer Zonen sind +sich+ darüber +einig+ -- die Ärzte -sind +sich+ schon lange darüber +einig+ -- in dieser Wahlparole sind -+sich+ heute alle völlig +einig+ -- die Reichsregierung ist +sich+ -über die Höhe der Forderungen noch nicht +einig+ -- es handelt sich um -Maßnahmen, über die wohl die überwiegende Mehrheit +sich einig+ ist -- -vor kurzem noch war man +sich+ in Kunstgelehrtenkreisen darüber +einig+ --- offenbar ist man +sich+ über gewisse Personenfragen noch nicht -+einig+ -- in der Forderung einer amtlichen, unanfechtbaren Darstellung -des Falles wird man +sich+ wohl überall +einig+ sein. Wenige -Sprachdummheiten haben sich in den letzten Jahren so seuchenartig -verbreitet wie dieses +sich einig sein+. Fort wieder mit dem törichten -+sich+![156] - - -Hingebung und Hingabe. Aufregung und Aufgeregtheit - -Von manchen wird ein lebhafter Kampf gegen die Wörter auf +ung+ -geführt. Sie klängen häßlich, heißt es, ja sie seien geradezu eine -Verunstaltung unsrer Sprache. Im Unterricht wird gelehrt, man solle -sie möglichst vermeiden. Irgend jemand hat sogar die witzige Bemerkung -gemacht, unsre Sprache mit ihren vielen +ung-ung-ung+ klinge wie lauter -Unkenrufe. - -Das ist zunächst eine Übertreibung. Die Endung +ung+ ist tonlos -und fällt nicht so ins Gehör, daß sie, in kurzen Zwischenräumen -wiederholt, stören könnte. Wenn in dem heutigen Deutsch das Ohr -durch nicht schlimmeres verletzt würde als durch die Endung +ung+, -so wäre es gut. Ein Satz wie folgender: über die +Voraussetzungen+ -zu einer +Schließung+ des Reichstags enthält die +Verfassung+ keine -ausdrückliche +Bestimmung+ -- hat gar nichts anstößiges. In lebendiger -Rede hört man es kaum, daß hier kurz hintereinander vier Wörter auf -+ung+ stehen. Hebt man freilich die Endung auffällig hervor, so kann es -wohl lächerlich klingen; aber auf diese Weise könnte man auch hundert -andre Spracherscheinungen lächerlich machen. - -Nicht die Wörter auf +ung+ muß man bekämpfen, sondern eine immer mehr -um sich greifende garstige Gewohnheit, die dazu verleitet, eine Menge -wirklich häßlicher Wörter auf +ung+ zu bilden, darunter Ungetüme -wie: +Inbetriebsetzung+, +Außerachtlassung+, +Inwegfallbringung+, -+Zurdispositionstellung+, +Außerdienststellung+ u. a., die Gewohnheit, -eine Handlung oder einen Vorgang nicht durch ein Zeitwort auszudrücken, -sondern durch ein Substantiv in Verbindung mit irgendeinem farblosen -Zeitwort des Geschehens (mit Vorliebe +stattfinden+ oder +erfolgen+). -Da ist es aber nicht die Endung +ung+, die stört, sondern das -schleppende Wortungetüm, das damit gebildet ist, und der ganze -unlebendige Gedankenausdruck (vgl. S. 328). Wir haben vielmehr allen -Anlaß, die Endung +ung+ zu schützen, ja zu verteidigen gegen törichte -Neubildungen, die sich ihr an die Seite drängen wollen. - -Die Wörter auf +ung+ bezeichnen zunächst eine Handlung, einen -Vorgang; +Bildung+, +Erziehung+, +Aufklärung+, +Einrichtung+ bedeuten -zunächst die Handlung, die Tätigkeit des Bildens, des Erziehens, des -Aufklärens, des Einrichtens. Aus dieser Bedeutung entwickelt sich -aber eine weitere, nämlich die des Ergebnisses, das die Handlung hat, -des Zustandes, der durch sie herbeigeführt worden ist; +Bildung+, -+Erziehung+, +Aufklärung+ bedeuten auch den Zustand des Gebildetseins, -des Erzogenseins, des Aufgeklärtseins, +Einrichtung+ auch das -Eingerichtete selbst. Vielfach hat nun die Sprache, um den Unterschied -zwischen der Handlung und ihrem Ergebnis zu bezeichnen, neben dem Wort -auf +ung+ noch ein kürzeres, meist mit Ablaut, unmittelbar aus dem -Stamme geschaffen, also eine starke Bildung neben der schwachen. So -haben wir +Anlage+ neben +Anlegung+, +Vorlage+ neben +Vorlegung+ und -können geradezu reden von der +Anlegung+ von Gas- und Wasser+anlagen+, -der +Vorlegung+ von Zeichen+vorlagen+. Da besteht nun schon seit -alter Zeit die Neigung, die Bildung auf +ung+ ganz zu beseitigen und -ihre Aufgabe der kürzern Form mit zu übertragen. So sind die Wörter -+Kaufung+ und +Verkaufung+ ganz verschwunden; heute bedeutet +Kauf+ -und +Verkauf+ auch die Handlung des Kaufens und Verkaufens. Noch um -1800 sprach man von +Einführung+ und +Ausführung+ von Waren, und wenn -man mit etwas nicht einverstanden war, machte man eine +Einwendung+; -heute heißt es: +Einfuhr+, +Ausfuhr+, +Einwand+. Und diese Neigung -ist gegenwärtig sehr stark verbreitet: obwohl die Sprache eine -Unterscheidung an die Hand gibt, es ermöglicht, einen Unterschied zu -machen (wieder ein Beispiel: +Unterscheidung+ und +Unterschied+!), -verschmäht man ihn und redet von +Hingabe+, +Freigabe+, +Erwerb+ -(in jedem Bande stand auf dem Titelblatte das Datum des +Erwerbs+!), -+Gewinn+, +Bezug+, +Vollzug+, +Entscheid+, +Entsatz+, +Ersatz+, -+Vergleich+, +Ausgleich+, +Aufgebot+, +Freispruch+ (des Angeklagten), -+Zusammenschluß+, wo +Hingebung+, +Freigebung+ (der Sonntagsarbeit), -+Erwerbung+ (eines Grundstücks oder der Staatsangehörigkeit), -+Gewinnung+ (Schlesiens), +Beziehung+, +Vollziehung+, +Entscheidung+, -+Entsetzung+ (Emin Paschas), +Ersetzung+, +Vergleichung+, +Aufbietung+ -(aller Kräfte), +Zusammenschließung+ das Richtige wäre, weil eine -Handlung gemeint ist. Vor dem letzten Einzug des Königs in Leipzig -schilderte ein Zeitungschreiber, wieviel fleißige Hände mit dem -+Ausschmuck+ der Straßen beschäftigt wären. In den nächsten Tagen -plapperten das dumme Wort alle Leipziger Zeitungen nach![157] -Andrerseits: da, wo die Sprache wirklich beides, Handlung und Zustand, -mit demselben Worte, und zwar auf +ung+, ausgedrückt hat, schafft man -künstlich einen Unterschied durch häßliche Neubildungen auf +heit+ -(sie schießen wie Pilze aus der Erde!) und läßt die Menschen aus -+Geneigtheit+ oder +Abgeneigtheit+, in der +Zerstreutheit+, in der -+Verzücktheit+, in der +Verstimmtheit+, in der +Aufgeregtheit+, in -der ersten +Überraschtheit+, mit +Gefaßtheit+, unter Merkmalen von -+Geistesgestörtheit+ oder gar +geistiger Gestörtheit+ tun, was sie -früher aus +Neigung+ oder +Abneigung+, in der +Zerstreuung+, in der -+Verzückung+, in der +Verstimmung+, in der +Aufregung+, in der ersten -+Überraschung+, mit +Fassung+, in einem Anfalle von +Geistesstörung+ -taten. Ja man redet sogar von künstlerischer +Abgeklärtheit+, von -religiöser +Aufgeklärtheit+, von der +Isoliertheit+ eines Gebäudes, von -der +Vertiertheit+ des Proletariats und sieht mit +Gespanntheit+ den -kommenden Ereignissen entgegen. Hier überall gilt es, die Bildung auf -+ung+ vor der häßlichen Nebenbildung auf +heit+ zu schützen und das -einschlummernde Sprachgefühl wieder zu wecken. Der Straf+vollzug+, -von dem die Juristen immer reden, ist ein Greuel, der doch aus -unsrer Sprache wieder hinauszubringen sein müßte; ebenso die innige -+Hingabe+.[158] Wird jemand +Anziehung+ und +Anzug+ oder +Abtretung+ -und +Abtritt+ oder +Eingebung+ und +Eingabe+ verwechseln und sagen: -er tat das aus göttlicher +Eingabe+? Das fürchterlichste ist wohl der -+Bezug+. Früher kannte man +Bezüge+ nur an Bettkissen, Stuhlpolstern -und Regenschirmen. Jetzt steht +Bezug+ überall für +Beziehung+, und -da nun die, die das Wort so gebrauchen, die Bedeutung der Handlung -dabei doch nicht recht fühlen, was haben sie gemacht? Sie haben das -herrliche Wort +Bezugnahme+ erfunden. Das kann man doch bequemer haben: -was mühselig durch das zusammengesetzte Wort +Bezugnahme+ ausgedrückt -werden soll, das liegt ja in dem einfachen Worte +Beziehung+! - - -Vertauschung der Hilfszeitwörter - -Eine vollständige Verschiebung scheinen manche jetzt unter den -Hilfszeitwörtern (+können+, +mögen+, +wollen+, +dürfen+, +sollen+, -+müssen+) durchsetzen zu wollen. Und +warum+? Aus bloßer Ziererei, nur, -um es einmal anders zu machen, als es bisher gemacht worden ist. Da -schreibt einer: es +mag+ für ältere Mitglieder von Interesse sein die -Mitgliederliste kennen zu lernen. Nun denkt man, er werde fortfahren: -aber für die jüngern hat es kein Interesse, und darum teile ich sie -nicht mit. Nein, er teilt sie mit! Er hat also sagen wollen: die Liste -+kann+ oder +wird vielleicht+ von Interesse sein, darum will ich sie -mitteilen. Eine Zeitschrift macht bekannt: Abonnenten +wollen+ die -Fortsetzung bei der Expedition bestellen -- ein Realschuldirektor -schreibt: Neuphilologisch geschulte Bewerber +wollen+ ihre Gesuche -bis zum 1. Dezember einreichen. Das ist doch nichts als Nachäfferei -des Französischen (~veuillez~); deutsch kann es nur heißen: +mögen+ -sie einreichen, oder wenn das nicht höflich genug scheint, +werden -gebeten+, +werden ersucht+, sie einzureichen. Noch alberner ist es, ein -solches +wollen+ mit dem Passivum zu verbinden: die Redaktion +wolle+ -angewiesen werden (statt: es wird gebeten, die Redaktion anzuweisen) --- das Testament +wolle+ in Verwahrung genommen werden -- das Öffnen -der Fenster +wolle+ den Schaffnern aufgetragen werden -- es +wolle+ -sich gefälligst des Tabakrauchens enthalten werden. Sehr beliebt ist -es auch jetzt, zu schreiben: ich +darf+ endlich noch hinzufügen -- -hier +darf+ zum Schluß noch angeführt werden usw. Darf? Wer erlaubt es -denn? Der Schreibende erlaubt es sich doch selber, er nimmt es sich -heraus. Er kann also doch nur sagen: hier +darf wohl+ zum Schluß noch -angeführt werden; mit dem +wohl+ sucht man sich höflich der Zustimmung -des Lesers zu versichern. Ganz abgeschmackt ist der Mißbrauch, der -jetzt mit +sollen+ getrieben wird. Da wird geschrieben: eines nähern -Eingehens auf diese Punkte glaube ich mich enthalten zu +sollen+ -- -wir glauben, diesen Satz auf das ganze Werk ausdehnen zu +sollen+ -- -der Heilige Vater glaubt dich ermuntern zu +sollen+, in der begonnenen -Arbeit fortzufahren -- wir glaubten die Eröffnung +nicht+ vornehmen zu -+sollen+, ohne die maßgebenden Persönlichkeiten dazu einzuladen -- im -Interesse des Publikums hat die Behörde geglaubt, den Betrieb +nicht+ -in städtische Regie nehmen zu +sollen+. +Sollen+ bezeichnet einen -Befehl, einen Auftrag. In den angeführten Beispielen aber handelt sichs -entweder um eine Möglichkeit oder eine Notwendigkeit. Weshalb also -nicht +können+, +müssen+, +dürfen+? Es ist nichts als dumme Ziererei. - - -Der Dritte und der Andre - -Viele Menschen können jetzt tatsächlich nicht mehr „bis drei zählen“, -sondern lassen auf den Ersten gleich den Dritten folgen. Sie schreiben: -bei allem, was ich unternommen habe, hat mich nichts verleiten können, -das Recht eines +Dritten+ zu verletzen -- an einer neuen Entdeckung -ging er gleichgiltig vorbei; sobald sie aber durch einen +Dritten+ -verballhornt war, erhob er den Kopf -- mein Bauplan würde ganz umsonst -gemacht sein, wenn dann ein +Dritter+ den Bauplatz bekäme -- bei -einer solchen Verpachtung würde die Stadtgemeinde das Eigentumsrecht -behalten und nur auf eine Reihe von Jahren einem +Dritten+ ein -Benutzungsrecht einräumen -- auch der Künstler, der aus innerm Drange -schafft, wird früher oder später erlahmen, wenn er fortwährend zusehen -muß, wie +Dritte+ den ihm zukommenden Ruhm genießen -- die juristische -Wissenschaft zeigt dem Verwaltungsbeamten die Schranken, die seinem -Handeln durch entgegenstehende Rechte +Dritter+ gesetzt sind -- ich -hätte die Aufgabe ohne die freundliche Hilfe +Dritter+ nicht bewältigen -können -- das Mißtrauen in (!) seine Begabung, unter dem er durch -+Dritte+ zu leiden hatte -- die Anerkennung, die sich als Ausbeutung -seines geistigen Eigentums seitens (!) +Dritter+ darstellt -- die -sekundäre Art der Komposition, über Themen +Dritter+ zu phantasieren --- Akten über innere Verwaltungssachen und Verträge mit +Dritten+ -werden nicht mitgeteilt -- da die Mitglieder entfernt wohnen, so -lag es nahe, ihre Befugnisse auf +dritte+ Personen zu übertragen --- wegen des Zeitverlustes, den mir die Arbeit an +dritter+ Stelle -machen würde, bitte ich mir die Bücher in meine Wohnung zu senden. Ein -Lokalrichter macht bekannt, er habe Waren im Auftrage eines +Dritten+ -zu versteigern -- eine Zeitung berichtet, daß ein Klempner von einem -Baugerüst gefallen, ein Verschulden +Dritter+ an dem Unglücksfall aber -ausgeschlossen sei -- eine andre erzählt: der junge Mann besuchte -darauf ein Restaurant, wo möglicherweise +dritte+ Personen von seinem -Gelde Kenntnis erlangten. - -Der Unsinn stammt natürlich aus Juristenkreisen. Die Herren Juristen -sind so daran gewöhnt, mit zwei Parteien zu tun zu haben, zu denen -dann irgend ein „Dritter“ kommt, daß ihnen schließlich der Dritte auch -da in die Feder läuft, wo gar nicht von zweien die Rede gewesen ist; -er vertritt schon vollständig die Stelle des Andern. Und andre Leute -machen es gedankenlos nach. - - -Verwechslung von Präpositionen - -Mancherlei Verwirrung herrscht auch auf dem Gebiete der Präpositionen. -So werden z. B. sehr oft +durch+ und +wegen+ verwechselt, obwohl -sie doch so leicht auseinanderzuhalten wären, denn +durch+ gibt das -Mittel, +wegen+ den Grund an. Da wird z. B. geschrieben: das Buch ist -+durch+ seine prachtvolle Ausstattung ein wertvolles Geschenk -- die -Marienkirche enthält viele +durch+ Kunst und Geschichte bemerkenswerte -Sehenswürdigkeiten -- der Streit ist +durch+ seine lange Dauer von -mehr als bloß örtlicher Bedeutung gewesen -- +durch+ die verkehrte -Methode seines Lehrers machte er lange Zeit keine Fortschritte -- -Falb, der +durch+ seine kritischen Tage vielgenannte Wetterprophet --- die Mißernten bleiben dann nur noch +durch+ Regen zu fürchten -- -+durch+ körperliches Leiden ist als sicher anzunehmen, daß sie sich -ein Leid angetan hat -- +durch+ sein liebenswürdiges und aufrichtiges -Wesen werden wir stets seiner in Ehren gedenken. In allen diesen -Sätzen muß es +wegen+ heißen, denn man fragt hier nicht: wodurch? -sondern weshalb oder warum? Ebenso werden +für+ und +vor+, +für+ und -+zu+, +für+ und +über+ oft vertauscht. Früher hatte man Liebe +zu+ -jemand, faßte Neigung +zu+ jemand, hegte Achtung +vor+ etwas, hatte -Sinn, Gefühl, Interesse +für+ etwas; jetzt gilt es +für+ fein, das -alles durch +für+ zu erledigen: daher seine merkwürdige +Neigung für+ -alle Verkommnen und Gescheiterten -- wir haben +Achtung für+ den -realistischen Geist -- der Sozialismus hat wenig +Achtung für+ rein -geistige Arbeit. Eine Stadtgemeinde gibt Verwaltungsberichte heraus -+für+ das abgelaufene Jahr. Nein, Kalender und Adreßbücher druckt man -+für+ ein Jahr, Berichte schreibt man +über+ ein Jahr. Früher sagte -man: +von+ heute +an+. Jetzt liest man nur noch: +von+ heute +ab+, -+von+ Montag +ab+, +vom+ 1. Januar +ab+. Warum denn +ab+? Man bildet -sich doch nicht etwa ein, +ab+ könne hier in dem Sinne stehen wie auf -den Eisenbahnfahrplänen, wo es den Ausgangspunkt bezeichnet? Nein, es -bedeutet die Richtung. +Von+ Kindesbeinen +an+ -- das will sagen, daß -der Weg von der Kindheit in die Höhe führe (vgl. +hinan+, +bergan+); -noch deutlicher sagt es: +von+ Jugend +auf+. Bei dem neumodischen -+von+ -- +ab+ hat man immer die Vorstellung, als ob alles, was jetzt -unternommen wird, von Anfang an dazu verurteilt wäre, bergab zu gehen. - -Besonders anstößig ist es, wie oft sich -- offenbar unter dem Einflusse -des Lateinischen -- die Präposition +in+ an Stellen drängt, wo sie -nicht hingehört. In gutem Deutsch hat man Vertrauen +zu+ jemand, -Hoffnung +auf+ jemand und Mißtrauen +gegen+ jemand. Das wird jetzt -alles durch +in+ besorgt: man hat Vertrauen +in+ die Kriegsleitung -(scheußlich!), verliert die Zuversicht +in+ sich selbst, ist ohne jedes -persönliche Mißtrauen +in+ die Behörden und setzt seine Hoffnung +in+ -die Zukunft. Ja die Juristen reden sogar von einer Vollstreckung +in+ -verschuldeten Besitz, einer Zwangsvollstreckung +in+ Liegenschaften -und verurteilen einen Angeklagten +in+ die Kosten. Das alles ist -schlechterdings kein Deutsch, es ist das offenbarste Latein. Früher -ging man auch +auf+ einem Wege vorwärts, und nur wenn einen auf -diesem Wege jemand hinderte, sagte man: er tritt mir +in+ den Weg, -er steht mir +im+ Wege, er mag mir +aus+ dem Wege gehen. Unsre -Juristen aber möchten nur noch +im Wege+ vorwärtsgehen oder vielmehr -„vorschreiten“, sei es nun +im Wege+ der Gesetzgebung oder +im Wege+ -der Polizeiverordnung oder +im Wege+ der einstweiligen Verfügung oder -+im Wege+ des Vergleichs oder +im Wege+ der Güte oder +im Wege+ der -Anregung. Man denkt sich die Herren unwillkürlich in einer Schlucht -oder einem Hohlwege stehen, „rings von Felsen eingeschlossen“, wenn -sie so „im Wege vorschreiten“. In der Juristensprache bedeutet aber -doch wenigstens das Wort den eingeschlagnen Weg, das Verfahren; der -Jurist beschreitet ja auch den +Klageweg+ oder verweist einen Klienten -auf den +Beschwerdeweg+. Wenn aber gar eine Bibliothek berichtet, daß -ihr Bücher zugegangen seien +im Wege+ der Schenkung, des Tauschs oder -des Kaufs, so ist das doch völlig abgeschmackt, denn da ist doch nur -von der Art und Weise die Rede: die Bücher sind ihr +durch+ Schenkung, -Tausch oder Kauf zugegangen. - -Im Buchdruck und Buchhandel, wo man sich gegenwärtig durch -Absonderlichkeiten aller Art zu überbieten sucht -- in der Wahl -der Schriften, in der Einrichtung der Kolumnen, in der Fassung und -Anordnung der Titel, in der Angabe des Verlags --, müssen auch die -Präpositionen mit herhalten: ein Buch wird nicht mehr +von+ jemand -herausgegeben und verlegt, sondern herausgegeben wird es +durch+ jemand -(herausgegeben +durch+ Hans Helmolt) und verlegt wird es +bei+ jemand -(verlegt +bei+ Eugen Diederichs). Gedruckt +bei+ -- das hat Sinn. Aber -verlegt +bei+ -- da fragt man doch: verlegt es denn der Herr nicht -selbst? wer sind denn die Hintermänner, die es +bei+ ihm verlegen? - -Zu den neuesten Dummheiten gehört es auch, daß man die Präposition -+nach+ gebraucht in einem Falle, wo sie nicht hingehört, und sie nicht -gebraucht in einem Falle, wo sie hingehört. Man schreibt nicht mehr: -+nach+ der und der Zeitung oder dem und dem Telegramm ist das und das -geschehen, sondern: +zufolge+ (!) der Zeitung oder des Telegramms, als -ob die Zeitung oder das Telegramm die Ursache, die Veranlassung des -Ereignisses wäre. Da ist hier eine Ministerkrisis ausgebrochen, dort -ein Luftschiffer verunglückt, hier beim Rennen ein Pferd gestürzt, dort -ein Leprafall vorgekommen, alles +zufolge+ von Zeitungen! Es ist zu -dumm. Man kann es aber alle Tage lesen. Andrerseits geht man aber nicht -mehr +zu+ Schulze, sondern +nach Schulze+, ja man schreibt sogar +nach -Schulze+ und schickt einen Brief +nach Schulze+ (statt: +an Schulze+). -In meiner Kindheit ging man noch +zu Hause+, so gut wie man +zu Tische+ -und +zu Bette+ ging, und wie der Krug so lange +zu Wasser+ geht, bis er -bricht. Dann hieß es auf einmal: +zu Hause+ auf die Frage wohin? sei -nicht fein, man müsse sagen: +nach Hause+. Vielleicht wird auch +nach -Schulze+ noch fein. Feine Leute schicken aber auch ihre Kinder nicht -mehr +in+ die Schule, sondern +zur+ Schule. Geht Ihre Kleine schon -+zur+ Schule? heißt es. Da wird sie nicht viel lernen, wenn sie bloß -+zur+ Schule geht; sie muß hineingehen! - - -Hin und her - -Auch für den Unterschied von +hin+ und +her+ scheinen nur wenig -Menschen noch ein Gefühl zu haben; daß +hin+ die Richtung, die Bewegung -von mir weg nach einem andern Orte, +her+ die Richtung, die Bewegung -von einem andern Orte auf mich zu bedeutet -- man vergleiche +geh hin!+ -mit +komm her!+ --, wie wenige wissen das noch! In ihrem Sprachgebrauch -wenigstens, dem mündlichen wie dem schriftlichen, wird +hinein+ und -+herein+, +hinaus+ und +heraus+, +hinan+ und +heran+, +hinauf+ und -+herauf+ fortwährend zusammengeworfen. Ein klassisches Beispiel dieser -Verwirrung ist die gemeine Redensart: er ist +reingefallen+. Daß jemand -in eine Grube +hereingefallen+ sei, kann man doch nur sagen, wenn man -selber schon drinliegt. Die aber, die mit Vorliebe diese Redensart im -Munde führen, fühlen sich doch stolz als draußen stehend, sie stehen -oben am Rande der Grube und blicken schadenfroh auf das Opfer, das -unten liegt. Das Opfer ist also +hinein+gefallen oder +nein+gefallen. -Wer auf der Straße bleibt, kann nur sagen: +Geh hinauf+ und wirf mir -den Schlüssel +herunter+! Wer oben am Fenster steht, kann nur fragen: -Willst du +heraufkommen+, oder soll ich dir den Schlüssel +hinunter -werfen+? Aber der Volksmund, auch der der Gebildeten, drückt jetzt -beides durch +rauf+ und +runter+ aus, es gilt das jetzt offenbar für -feiner als +nauf+ und +nunter+. Wenn auch niemand drin ist, ich will -doch mal +rein+sehen -- so sagen auch gebildete Leute. Wenn zwei -an einem Graben stehen, der eine hüben, der andre drüben, so kann -jeder von beiden fragen: Willst du +herüber+springen, oder soll ich -+hinüber+springen? Heute springen beide nur noch +rüber+: Willst +du+ -rüberspringen, oder soll +ich+ rüberspringen? Die Herren von der Feder -aber machens nicht besser, auch sie verwechseln +hin+ und +her+. Nicht -bloß der Zeitungschreiber schreibt: bis in die jüngste Zeit +hinein+, -auch der Historiker: auf die Sturm- und Drangzeit folgte die klassische -Periode, die in unser Jahrhundert +hinein+ragt. Jeder ist aber doch -drin in seinem Jahrhundert! In einem Raum oder Zeitraum, worin wir -uns befinden, kann doch etwas nur +hereinragen+. Etwas andres ist es, -wenn von einer Erscheinung des sechzehnten Jahrhunderts gesagt wird, -sie lasse sich bis ins siebzehnte Jahrhundert +hinein+ verfolgen; das -ist richtig, denn wir sind nicht drin im siebzehnten Jahrhundert. -Umgekehrt aber wird geschrieben: wir fragen nicht, was in das Bild -alles +herein+geheimnist ist (+hinein+!) -- über das Zellensystem kommt -der Architekt nun einmal nicht +heraus+ (+hinaus+!) usw. - -Nun ist es freilich eine merkwürdige Erscheinung, daß bei allen -Zeitwörtern mit übertragner Bedeutung, bei denen man die Vorstellung -einer äußern Richtung nur noch undeutlich oder gar nicht mehr -hat, +hin+ vollständig durch +her+ verdrängt worden ist; man sagt -z. B.: sich +herab+lassen, mit Verachtung +herab+blicken, den Preis -+herab+setzen, ein Buch +heraus+geben, in seinen Vermögensverhältnissen -+herunter+kommen u. a. Die Neigung, +her+ dem +hin+ vorzuziehen, -ist also augenscheinlich in der Sprache vorhanden. Man sollte aber -doch meinen, daß überall da, wo noch deutlich eine äußere Richtung -ausgedrückt wird, eine Verwechslung unmöglich sei. Wie kann man also -sagen, daß die Steuern +herauf+geschraubt werden? Wir stehen doch -unten und möchten auch gern unten bleiben; also werden die Steuern -+hinauf+geschraubt. Wir erhielten Befehl, an den Feind +heran+zureiten --- wer kann so schreiben? Der Feind kann wohl an uns +heran+reiten, -wir aber an den Feind doch nur +hinan+. Eine bittre Pille oder einen -Vorwurf -- schluckt man sie +herunter+ oder +hinunter+? Da man sein -Ich lieber im Kopfe denkt als im Magen, so kann man sie doch nur -+hinunter+schlucken. Er sah zu mir +hinauf+ -- Unsinn! Ich und mein -Kopf, wir sind doch oben. - -Auch sonst, nicht bloß bei +hin+ und +her+, wird der örtliche Gegensatz -jetzt oft verwischt. +Hüben+ und +drüben+ wird allenfalls noch -unterschieden, aber +haußen+ und +hinnen+ getraut sich kaum noch jemand -zu schreiben; jetzt heißt es: sie holen von +draußen+, was +drinnen+ -fehlt. Aber wo bin ich denn, der Schreibende? Irgendwo muß ich mich -doch denken! - - -Ge, be, ver, ent, er - -Wenn auf solche Weise Wörter mißverstanden und miteinander verwechselt -werden können, deren Sinn und Bedeutung man sich mit ein wenig -Nachdenken noch klarmachen kann, um wieviel mehr sind Wörter dem -Mißverständnis und dem Mißbrauch ausgesetzt, wie die kleinen Präfixe -+ge+, +be+, +ver+, +ent+, +er+, deren Bedeutung nicht mehr klar zutage -liegt, sondern nur noch mehr oder weniger dunkel gefühlt wird! Wie -oft wird +brauchen+ und +gebrauchen+ verwechselt! Und doch heißt das -eine +nötig haben+, das andre +anwenden+. Wie oft liest man das dumme -+belegen+ sein (ein Haus ist in der oder der Straße +belegen+), wie -oft das gespreizte +beheben+ (die Hindernisse werden sich hoffentlich -+beheben+ lassen), wie oft das widersinnige +beeidigen+ (die Zeugen -wurden +beeidigt+)! Man kann eine Aussage +beeidigen+, aber nicht -einen +Zeugen+. Im gewöhnlichen Leben sagt man: hier wird Trottoir -+gelegt+; sowie es aber eine Tiefbauverwaltung besorgt, dann wird es -+verlegt+. Warum denn +ver+? Was man +verlegt+ hat, das findet man -doch nicht wieder. Wie oft muß man das lächerliche +entnüchtern+ lesen -(statt +ernüchtern+), auch schon +entwehren+ (statt +erwehren+)! Wird -jemand +entledigen+ und +erledigen+ verwechseln? Wie abgeschmackt -ist der Gebrauch von +entfallen+ und +entlohnen+, mit dem sich jetzt -täglich die Zeitungen spreizen! Fabrikarbeiter werden ja nicht mehr -bezahlt, sie werden nur noch +entlohnt+, der deutsche Lehrerstand -hat stets die Ideale treu gepflegt trotz kärglicher +Entlohnung+, -und von der Fernsprechstelle Berlin-Wien, die 660 Kilometer beträgt, -+entfallen+ 430 auf österreichisches und 230 auf deutsches Gebiet. -Warum denn +ent+? Wem +entfallen+ sie denn? Es wird aber auch nichts -mehr +gehofft+, sondern alles nur +erhofft+ (der +erhoffte+ Erfolg -blieb aus.) Das allerschönste aber ist +erbringen+, das in keiner -Zeitungsnummer fehlt. Beweise und Nachweise, die früher +gebracht+ oder -+geliefert+ wurden und im Volksmunde noch jetzt +gebracht+ werden, in -der Zeitung werden sie nur noch +erbracht+. Ja selbst Tatsachen werden -schon +erbracht+ (die neue Verhandlung hat eine ganze Reihe neuer -Tatsachen +erbracht+), Beispiele (Koschat +erbringt+ dafür ein lebendes -Beispiel -- schreibt der Musikschwätzer), Erträge (die Staatsforsten -+erbringen+ einen Ertrag von einer Million Mark) und sogar Spuren -(von einem Sinken des Richterstandes ist bis jetzt noch keine Spur -+erbracht+). Warum denn +er+? was heißt denn +er+? - -Er ist verwandt mit +ur+, wie +erlauben+ neben +Urlaub+ zeigt, und -beide bedeuteten +aus+. Diese ursprüngliche Bedeutung von +er+ ist -in vielen zusammengesetzten Zeitwörtern noch sehr gut zu fühlen: -gewöhnlich bedeuten sie den Anfang oder das Ende einer Handlung, -wie auch das Wort +ausgehen+ beides bedeutet (vgl. wir sind davon -+ausgegangen+, und: die Sache ist übel +ausgegangen+). Den Anfang einer -Handlung bezeichnet +er+ z. B. in +erblühen+, den Endpunkt dagegen -in +erlangen+, +erreichen+, +erfinden+, +erfüllen+, +ertrinken+, -+ersticken+. Weislingen im Götz sagt mit bewußter Unterscheidung: -ich +sterbe+ und kann nicht +ersterben+. Was da +erhoffen+ bedeuten -soll, ist unverständlich; es könnte doch nur heißen: so lange auf -etwas hoffen, bis es eintritt. Jedenfalls ist es ein Widerspruch, zu -sagen: der +erhoffte+ Erfolg blieb aus, es genügt der +gehoffte+. -Auch ein Brief kann nicht +eröffnet+ werden, wie die Post sagt -(amtlich +eröffnet+!), sondern einfach +geöffnet+; eine Aussicht wird -mir +eröffnet+, ein Beschluß der Behörde, auch ein neues Geschäft; -dann wird es aber jeden Morgen nur +geöffnet+. Auch weshalb die -Eisenbahndirektion Sonntags einen Sonderzug +erstellt+, ist nicht -einzusehen; man ist doch schon zufrieden, wenn sie ihn +stellt+. Das -törichtste aber sind die +erbrachten+ Beweise, Nachweise, Belege, -Beispiele, Erträge und Spuren. Einen Beweis oder Nachweis +erbringen+ -könnte zur Not einen Sinn haben, wenn man damit den durchgeführten, -bis aufs letzte Tüpfelchen gelungnen Beweis im Gegensatz zu dem -bloß versuchten bezeichnen wollte. Aber daran ist in den seltensten -Fällen zu denken, +erbringen+ wird mit ganz gedankenlosem Gespreiz -für +bringen+ gesagt. In +bringen+ liegt ja schon der Begriff des -Vollendens, des Beendigens; +bringen+ verhält sich zu +tragen+ wie -+treffen+ zu +werfen+. Man könnte schließlich auch sagen: Kellner, -+erbringen+ Sie mir ein Glas Bier! - -+Ent+ (urverwandt mit dem lateinischen ~ante~ und dem griechischen -ἀντί, vgl. Antlitz, Antwort) bedeutet eigentlich +vor+, +gegen+, -+gegenüber+. Mit Zeitwörtern zusammengesetzt, drückt es daher zunächst -aus, daß sich von einem Ganzen ein Teil ablöst und ihm als ein -selbständiges Ganze gegenübertritt, so in +entstehen+, +entspringen+. -Daraus entwickelt sich dann überhaupt der Begriff der Trennung, Lösung, -Befreiung und auch Beraubung, wie in +entkommen+, +entfliehen+, -+entwenden+, +entlehnen+, +entkleiden+, +enthüllen+, +entblättern+, -+entkräften+, +entthronen+, +entfesseln+, +entlarven+, und endlich, -bei gänzlicher Verblassung der eigentlichen Bedeutung, eine bloße -Verstärkung des Verbalbegriffs, wie in +entlassen+, +enttäuschen+, -+entfremden+. Wenn man neuerdings +entrechten+ und +enthaften+ gebildet -hat, so ist dagegen nichts weiter einzuwenden, als daß das zweite Wort -recht überflüssig ist. +Entlohnen+ aber kann doch nur heißen: einem -seinen Lohn wegnehmen (wahrscheinlich hat der Schöpfer des Wortes -zugleich an +lohnen+ und +entlassen+ gedacht) und +entnüchtern+ nur: -einen betrunken machen, und was das +ent+ in einem Satze wie: auf den -Quadratkilometer +entfallen+ 200 Seelen -- bedeuten soll, ist gänzlich -unverständlich. Man könnte ebensogut sagen: auf den Quadratkilometer -+entkommen+ 200 Seelen.[159] Auch wenn Bibliotheken um gütige -+Entleihung+ oder +Entlehnung+ eines Buches gebeten werden, so ist -das sinnwidrig; die Bibliothek +verleiht+ ihre Bücher, der Leser aber -+leiht+ oder +entleiht+ sie. - -Lebhafter Streit ist darüber geführt worden, ob es richtig sei, -zu sagen: er +entblödete sich nicht+. Das Grimmische Wörterbuch -erklärt die Verneinung bei +sich entblöden+ für falsch. In der Tat -liegt es auch am nächsten, +sich entblöden+ mit Zeitwörtern wie -+entbehren+, +enthüllen+, +entschuldigen+, +entführen+, +entwischen+ -zu vergleichen, sodaß es bedeuten würde: +die Blödigkeit+ (d. h. -Schüchternheit) +ablegen+, +sich erdreisten+, +sich erfrechen+. Dann -wäre natürlich die Verneinung falsch, denn +sich erdreisten+ -- das -will man ja gerade mit +sich nicht entblöden+ sagen. Neuerdings -ist aber darauf aufmerksam gemacht worden, daß die Vorsilbe +ent+ -hier gar nicht verneinenden (privativen) Sinn habe, sondern wie in -+entschlafen+, +entbrennen+, +entzünden+, +entblößen+ das Eintreten in -einen Zustand bezeichne, sodaß sich +entblöden+ bedeuten würde: +sich -schämen+, +sich scheuen+, und die Verneinung davon: +sich erdreisten+. -Die Unsicherheit über die eigentliche Bedeutung des Wortes bestand -schon im achtzehnten Jahrhundert. Wieland schreibt bald: Verwegner, -darfst du +dich entblöden+ (d. h. dich erfrechen), bald: du solltest -+dich entblöden+ (d. h. dich schämen). Das Klügste wäre, man gebrauchte -eine Redensart überhaupt nicht mehr, die so veraltet und in ihrer -Bedeutung so verblichen ist, daß ihr niemand mehr unmittelbar anfühlt, -ob sie mit oder ohne Verneinung das ausdrückt, was man ausdrücken will. - -+Ver+ gibt dem Zeitwort meist einen schlimmen Sinn, es bezeichnet, -daß gleichsam ein Riegel vor eine Sache geschoben ist, daß sie nicht -wieder rückgängig gemacht werden kann, und schließlich auch, da -man doch manche eben gern wieder rückgängig machen möchte, daß sie -falsch gemacht worden ist. Man denke an: +versichern+, +versprechen+, -+verbinden+, +verpflichten+, +verkaufen+, +verpfänden+, sich -+verlieben+, sich +verloben+, sich +verheiraten+, +verstellen+, -+verdrehen+, +verrücken+, +verlieren+, +verderben+, +vergiften+, -+verschwinden+, +verschlimmern+, +versauern+ (allerdings auch: -+verbessern+, +vergrößern+, +verfeinern+, +verschönern+, +veredeln+, -+versüßen+). Für +meinen+ also zu sagen +vermeinen+, wie es der -Amtsstil liebt, wäre eigentlich nur dann am Platze, wenn die Meinung -als irrig bezeichnet werden sollte (vgl. +vermeintlich+), und von -jemand, der einfach seine Wohnung oder seinen Aufenthalt gewechselt -hat, zu sagen: er ist nach Dresden +verzogen+, ist geradezu lächerlich, -denn es klingt das, als ob er damit verschwunden und gänzlich -unauffindbar geworden wäre. Ebenso unverständlich aber ist es, warum, -wie in Leipzig, Trottoirplatten, Straßenbahngleise und elektrische -Kabel immer +verlegt+ werden, oder, wie in Hamburg, Kaffee +verlesen+ -wird, oder, wie in Magdeburg, Rüben +verzogen+ werden. Es genügt doch, -wenn sie +gelegt+, +gelesen+ und +gezogen+ werden. - -Am meisten verblaßt ist die Bedeutung von +be+ und +ge+. +Be+ ist aus -+bei+ abgeschwächt; +ge+, in der ältern Sprache ~ga~ (wie noch in -+Gastein+), ist urverwandt mit dem lateinischen ~con~ und bedeutet -einen Zusammenhang, eine Vereinigung. Am deutlichsten ist sein Sinn -noch in Bildungen wie +gerinnen+, +gefrieren+, +Gedicht+, +Gebüsch+, -+Gehölz+, +Gewölk+, +Gebirge+, +Gerippe+, +Gefühl+, +Gehör+, -+Gewissen+ (vgl. ~scientia~ und ~conscientia~). Aber wenn sich auch -die ursprüngliche Bedeutung noch so sehr abgeschwächt hat, so kann -man doch immer noch durch umsichtige Vergleichung dahinterkommen, -weshalb es unnötig ist, zu sagen: einem die Möglichkeit +benehmen+, -Geld zu +beschaffen+, oder: ein Haus +beheizen+, wie unsre Techniker -jetzt sagen (sie meinen wohl: +beöfnen+, mit Öfen versehen), oder: die -bei Goslar +belegnen+ geistlichen Stiftungen, weshalb es lächerlich -ist, wenn Schmerzen, Krankheiten, Hindernisse immer +behoben+ werden -(statt +gehoben+). Auch für +gründen+ wird jetzt oft unnötigerweise -+begründen+ gesagt: die +Begründung+ des Deutschen Reiches. Nein, -+begründet+ werden nur Meinungen, Behauptungen, Urteile; aber Reiche, -Staaten, Städte, Anstalten, Schulen, Geschäfte, Zeitungen werden -+gegründet+. Befremdlich klingt es auch, wenn Juristen davon reden, -daß ein Zeuge +beeidigt+ werden müsse, oder wenn Berichterstatter über -Gerichtsverhandlungen einen +Beklagten+ auftreten lassen. Ein Zeuge -kann seine Aussage +beeidigen+ (vgl. +beschwören+), aber er selbst kann -nur +vereidigt+ werden (vgl. +verpflichten+). +Beklagen+ kann man aber -nur den, dem ein Unglück zugestoßen ist; vor Gericht kann einer nur -+verklagt+ oder +angeklagt+ werden. Wer +angeklagt+ wird, kommt vor den -Strafrichter, wer +verklagt+ wird, vor den Richter in bürgerlichen -Streitigkeiten. Und ebenso läßt sich endlich recht gut fühlen, weshalb -es unnötig ist, zu sagen, die 1883 gebornen haben sich heuer zu -+gestellen+.[160] - -Groß in solchen Verschiebungen und Vertauschungen sind namentlich -die Kanzleimenschen und die Techniker. Sie suchen etwas darin, und -sie verblüffen auch wirklich die große Masse mit diesem wohlfeilen -Mittelchen.[161] - -Der Unterricht kann sehr viel tun, das abgestorbne Sprachgefühl in -solchen Fällen wieder zu beleben. Wem die Bedeutung von +ent+ und +er+ -einmal auseinandergesetzt worden ist, der wird nie wieder +entnüchtern+ -statt +ernüchtern+ schreiben, er wird aber auch bald alle die Leute -auslachen, die sich immer mit +entfallen+ und +erbringen+ spreizen. - - -Neue Wörter - -Kein Tag vergeht, ohne daß einem in Büchern oder Zeitungen neue Wörter -entgegenträten. Nun wird niemand so töricht sein, ein neues Wort -deshalb anzufechten, weil es neu ist. Jedes Wort ist zu irgendeiner -Zeit einmal neu gewesen; von vielen Wörtern, die uns jetzt so geläufig -sind, daß wir sie uns gar nicht mehr aus der Sprache wegdenken können, -läßt sich nachweisen, wann und wie sie ältern Wörtern an die Seite -getreten sind, bis sie diese allmählich ganz verdrängten. Wohl aber -darf man neuen Wörtern gegenüber fragen: sind sie nötig? und sind sie -richtig gebildet? - -Neue Gegenstände, neue Vorstellungen und Begriffe verlangen unbedingt -auch neue Wörter. Ein neu erfundnes Gerät, ein neu ersonnener -Kleiderstoff, eine neu entdeckte chemische Verbindung, eine neu -beobachtete Krankheit, eine neu entstandne politische Partei -- wie -sollte man sie mit den bisher üblichen Wörtern bezeichnen können? -Sie alle verlangen und erhalten auch alsbald ihre neuen Namen. Aber -auch alte Dinge fordern bisweilen neue Bezeichnungen. Wörter sind wie -Münzen im Verkehr: sie greifen sich mit der Zeit ab und verlieren -ihr scharfes Gepräge. Ist dieser Vorgang so weit fortgeschritten, -daß das Gepräge beinahe unkenntlich geworden ist, so entsteht von -selbst das Bedürfnis, die abgenutzten Wörter gegen neue umzutauschen. -Und wie bei abgegriffnen Münzen leicht Täuschungen entstehen, so -auch bei vielbenutzten Wörtern; sehr leicht verschiebt sich nämlich -ihre ursprüngliche Bedeutung. Hat sich aber eine solche Verschiebung -vollzogen, dann ist für den alten Begriff, der durch das alte Wort -nun nicht mehr völlig gedeckt wird, gleichfalls ein neues Wort nötig. -In vielen Fällen büßen die Wörter, ebenso wie die Münzen, durch den -fortwährenden Gebrauch geradezu an Wert ein, sie erhalten einen -niedrigen, gemeinen Nebensinn. Dieser „pessimistische“ Zug, wie man ihn -genannt hat, ist gerade im Deutschen weit verbreitet und hat mit der -Zeit eine große Masse von Wörtern ergriffen; man denke an +Pfaffe+, -+Schulmeister+, +Komödiant+, +Literat+, +Magd+, +Dirne+, +Mensch+ -(+das+ Mensch, Küchenmensch, Kammermensch), +Elend+, +Schimpf+, -+Hoffart+, +Gift+, +List+, +gemein+, +schlecht+, +frech+, +erbärmlich+. -Ihnen allen ist ursprünglich der verächtliche Nebensinn fremd, der im -Laufe der Zeit hineingelegt worden ist. Sobald sie aber einmal damit -behaftet waren, mußten sie, wenn der frühere Sinn ohne Beigeschmack -wieder ausgedrückt werden sollte, durch andre Wörter ersetzt werden. -So wurden sie verdrängt durch +Geistlicher+, +Lehrer+, +Schauspieler+, -+Schriftsteller+, +Mädchen+, +Fremde+, +Scherz+, +Hochherzigkeit+, -+Gabe+, +Klugheit+, +allgemein+, +schlicht+, +kühn+, +barmherzig+. - -Die andre Forderung, die man an ein neu aufkommendes Wort stellen darf, -ist die, daß es regelrecht, gesetzmäßig gebildet sei, und daß es mit -einleuchtender Deutlichkeit wirklich das ausdrücke, was es auszudrücken -vorgibt. Diese Forderung ist so wesentlich, daß man, wo sie erfüllt -ist, selbst davon absieht, die Bedürfnisfrage zu betonen. Verrät -sich in einem neu gebildeten Wort ein besonders geschickter Griff, -zeigt es etwas besonders schlagendes, überzeugendes, eine besondre -Anschaulichkeit, und das alles noch verbunden mit gefälligem Klang, so -heißt man es auch dann willkommen, wenn es überflüssig ist; man läßt es -sich als eine glückliche Bereicherung des Wortschatzes gefallen. - -Aber wie wenige von den neuen Wörtern, mit denen unsre Sprache jetzt -überschwemmt wird, erfüllen diese Forderungen! Die meisten werden aus -Eitelkeit oder aus -- Langerweile gebildet. Schopenhauer hat einmal mit -schlagender Kürze ausgesprochen, was er von einem guten Schriftsteller -verlange: er gebrauche gewöhnliche Wörter und sage ungewöhnliche Dinge! -Heute machen es die meisten umgekehrt und hoffen, der Leser werde -so dumm sein, zu glauben, sie hätten etwas neues gesagt. Wie quälen -sich unsre ästhetischen Schwätzer, ihren Trivialitäten den Schein des -Geistreichen zu geben, indem sie sich neue Wörter aussinnen! Eine Art -von „Jugendstil“ möchten sie auch in die Sprache einführen. Wie quälen -sich unsre Musik- und Theaterschreiber, den tausendmal gesagten Quark -einmal mit andern Worten zu sagen! Wie quälen sich die Geschäftsleute -in ihren Anzeigen, dem „Konkurrenten“ durch neue Wörter und Wendungen -den Rang abzulaufen! - -Jahrzehntelang hat man von +Zeitungsnachrichten+ gesprochen; jetzt -heißt es: +Blättermeldungen+! Das eine verhält sich zum andern ungefähr -wie der +Essenkehrer+ zum +Schornsteinfeger+ oder der +Korkzieher+ -zum +Pfropfenheber+. Verfallen sein kann auf +Blättermeldung+ nur -einer, dem +Zeitungsnachricht+ zu langweilig geworden war. Was soll -+Jetztzeit+? Es ist schlecht gebildet, denn unsre Sprache kennt keine -Zusammensetzungen aus einem Umstandswort und einem Hauptwort,[162] -es klingt auch schlecht mit seinem tztz und ist ganz überflüssig, -denn +Gegenwart+ hat weder etwas von seiner alten Kraft eingebüßt -noch seine Bedeutung verschoben. +Gepflogenheit+ hat man gebildet, -um eine Schattierung von +Gewohnheit+ zu haben; ist aber nicht -+Brauch+ so ziemlich dasselbe? Ein abscheuliches Wort ist +Einakter+ -(für einaktiges Schauspiel). Freilich haben wir auch +Einhufer+, -+Dreimaster+ und +Vierpfünder+; würde aber wohl jemand ein Distichon -einen +Zweizeiler+ nennen? Um für +Lehrer+ und +Lehrerin+ ein -gemeinschaftliches Wort zu haben, hat man +Lehrperson+ gebildet -- -eine gräßliche Geschmacklosigkeit. Den +Arbeiter+ nennt man jetzt -+Arbeitnehmer+ in plumpem Gegensatz zum +Arbeitgeber+! Statt +voriges -Jahr+ sagt man jetzt +Vorjahr+; alle Jahresberichte spreizen sich -damit. Man hat das aus dem Adjektivum +vorjährig+ gebildet, wie man -auch aus +alltäglich+ und +vormärzlich+ gedankenloserweise +Alltag+ und -+Vormärz+ (!) gemacht hat, aus +freisinnig+ eine Partei, die man +den -Freisinn+ nennt, und neuerdings gar aus +überseeisch+ +Übersee+: aus -Europa und +Übersee+ (+die+ Übersee oder +das+ Übersee?) -- die Briefe -gehen +nach Übersee+ (warum denn nicht einfach und vernünftig: +über -See+?). Vorjahr ist aber auch dem Sinne nach anstößig. Die mit +Vor+ -zusammengesetzten Hauptwörter bedeuten (wenn es nicht Verbalsubstantiva -sind, wie +Vorsteher+, +Vorreiter+, +Vorsänger+, +Vorbeter+) ein Ding, -das einem andern Dinge als Vorbereitung vorhergeht, wie +Vorspiel+, -+Vorrede+, +Vorgeschichte+, +Vorfrühling+, +Voressen+, +Vorgeschmack+. -Die Leipziger Messe hatte sonst eine +Vorwoche+, die der Hauptwoche -vorausging. Wie kann man also jedes beliebige Jahr das +Vorjahr+ des -folgenden Jahres nennen! Dann könnte auch der Lehrer im Unterricht -fragen: Was haben wir in der +Vorstunde+ behandelt? Mit dem +Vortag+ -fängt man aber auch schon an: trotz des schlechten Wetters am +Vortage+ --- das Befinden des Monarchen war diese Woche besser als am +Vortage+. -Ebenso verfehlt wie das +Vorjahr+ ist natürlich der +Vorredner+ --- man vergleiche ihn nur mit dem +Vorsänger+ und dem +Vorbeter+. -Wenn ein Schiff eine Reise antritt, so nennt man das jetzt nicht -mehr +abreisen+, sondern +ausreisen+: der Tag der +Ausreise+ rückte -heran. War das Wort wirklich nötig, das so lächerlich an +ausreißen+ -anklingt? Für die zeichnenden Künste hat neuerdings jemand das schöne -Wort +Griffelkunst+ erfunden, das die Kunstschreiber schon fleißig -nachgebrauchen. Nun verstand man ja unter den zeichnenden Künsten auch -den Kupferstich und die Radierung, die mit dem Griffel arbeiten. Unter -der +Griffelkunst+ aber soll man nun auch die Bleistift-, die Feder- -und die Tuschzeichnung verstehen, die nicht mit dem Griffel arbeiten. -Was ist also gewonnen? Und wollen wir die Malerei vielleicht nun -+Pinselkunst+ nennen? - -Zu recht verunglückten Bildungen hat neuerdings öfter das Streben -geführt, einen Ersatz für Fremdwörter zu schaffen. Dazu gehören z. B. -der +Fehlbetrag+ (Defizit), die +Begleiterscheinung+ (Symptom), der -+Werdegang+ (Genesis) und die +Straftat+ (Delikt). Auch das +Lebewesen+ -kann mit angereiht werden. Ein Verbalstamm als Bestimmungswort einer -Zusammensetzung bedeutet meist den Zweck des Dinges (vgl. +Leitfaden+, -+Trinkglas+, +Schießpulver+ und S. 73).[163] Ein +Fehlbetrag+ ist aber -doch nicht ein Betrag, der den Zweck hat, zu fehlen, sondern es soll -ein +fehlender+ Betrag sein (ganz anders gebildet sind +Fehlbitte+, -+Fehltritt+, +Fehlschuß+, +Fehlschluß+; hier ist fehl nicht der -Verbalstamm, sondern das Adverbium), ebenso soll +Lebewesen+ ein -+lebendes+ Wesen, +Begleiterscheinung+ eine +begleitende+ Erscheinung -bedeuten. In +Werdegang+ vollends soll der Verbalstamm den Genitiv -ersetzen (Gang +des Werdens+); es scheint nach +Lehrgang+ gebildet -zu sein, aber es scheint nur so, denn +Lehrgang+ ist mit +Lehre+ -zusammengesetzt. Überdies wird es lächerlicherweise auch schon für -+Geschichte+ gebraucht; man redet nicht bloß von dem +Werdegang+ einer -Kellnerin, sondern auch von dem +Werdegang+ der mittelalterlichen -Pergamenthandschriften! Die verunglückteste Bildung ist wohl +Straftat+ --- wer mag die auf dem Gewissen haben! Das Wort ist gebildet, um -eine gemeinschaftliche Bezeichnung für +Vergehen+ und +Verbrechen+ -zu haben. Was soll man sich aber dabei unter +Straf+- denken? das -Hauptwort oder den Verbalstamm? Eins ist so unmöglich wie das andre. -Im ersten Falle würde das Wort auf einer Stufe stehen mit +Freveltat+, -+Gewalttat+, +Greueltat+, +Schandtat+, +Wundertat+. Alle diese -Zusammensetzungen bezeichnen eine Eigenschaft der Tat und zugleich des -Täters; in +Straftat+ aber würde -- die Folge der Tat bezeichnet sein! -Im zweiten Falle würde es auf einer Stufe stehen mit +Trinkwasser+, -und das wäre der helle Unsinn, denn dann wäre es eine Tat, die den -Zweck hätte, bestraft zu werden! Freilich sind solche ungeschickte -Wörter auch früher schon als Übersetzung von Fremdwörtern „von plumpen -Puristenfäusten geknetet“ worden, man denke nur an +Beweggrund+ (für -Motiv), +Fahrgast+ (für Passagier) und ähnliche. - -Unter den Eigenschaftswörtern sind ebenso geschmacklose wie -überflüssige Neubildungen: +erhältlich+ (in allen Apotheken -erhältlich), +erstklassig+ (ein erstklassiges Etablissement, -ein erstklassiges Restaurant, ein erstklassiges Pensionat, eine -erstklassige Firma, erstklassiges Personal, erstklassige Spezialitäten -usw.), +erststellig+ und +zweitstellig+ (eine erststellige Beleihung, -eine zweitstellige Hypothek), +innerpolitisch+ (die innerpolitische -Lage), +treffsicher+ (eine treffsichere Charakteristik), +parteilos+ -(für unparteiisch), +lateinlos+ (die lateinlose Realschule!); -unter den Adverbien: +fraglos+, +debattelos+ (es wurde +debattelos+ -genehmigt), +verdachtlos+ (ein Fahrrad wurde +verdachtlos+ gestohlen -- -abgesehen davon, daß hier weder das grammatische Subjekt, das Fahrrad, -noch das logische Subjekt, der Dieb, einen Verdacht haben kann). Nach -+jahrein jahraus+ hat man +tagein tagaus+ gebildet -- ganz töricht! Das -Jahr ist ein großer Ring oder Kreis, in den tritt man ein und wieder -aus; die kurzen Tage aber gleichen einzelnen Schritten, darum sagt man -richtiger: +Tag für Tag+, wie +Schritt für Schritt+. - -Besonders gern werfen die Techniker unnötige neue Wörter in die -Sprache. Wenn man auf einen Gegenstand Licht fallen läßt, so nannte -man das früher +beleuchten+. Das hat aber den Photographen nicht -genügt, sie haben sich das schöne Wort +belichten+ ausgedacht. Ein -Ding, womit man ein Zimmer heizt, nannte man früher einen +Ofen+, -und ein Ding, womit man ein Zimmer beleuchtet, einen +Leuchter+ -(Armleuchter, Kronleuchter) oder eine +Lampe+. Jetzt nennt man das -eine +Heizkörper+, das andre +Beleuchtungskörper+. +Lehrperson+ und -+Heizkörper+ -- eins immer schöner als das andre! Denen, die sich -für Krematorien begeistern, will doch das Wort +Leichenverbrennung+ -nicht gefallen, obwohl es die Sache schlicht und ehrlich bezeichnet. -Daher haben sie zur +Einäscherung+ ihre Zuflucht genommen, oder -gar zur +Feuerbestattung+, ja sie reden sogar davon, daß jemand -+feuerbestattet+ worden sei. Nur schade, daß bei der Leichenverbrennung -der Verstorbne eben nicht +bestattet+, d. h. mit einer +Grabstätte+ -versehen wird, und daß man wohl von +Gasbeleuchtung+ und -+Wasserheizung+ sprechen, aber nicht sagen kann: ich +gasbeleuchte+, du -+wasserheizest+. - - -Modewörter - -Verbreitet werden neue Wörter namentlich durch die Jugend und durch die -Ungebildeten, die keine Spracherfahrung haben, die nicht wissen, ob ein -Wort alt oder neu, gebräuchlich oder ungebräuchlich ist; dann werden -sie oft in kurzer Zeit zu Modewörtern. Daß es Sprachmoden gibt so gut -wie Kleidermoden, und Modewörter so gut wie Modekleider, Modefarben, -Modefrisuren und Modesitten, darüber kann gar kein Zweifel sein. In -meiner Kinderzeit fragte man, wenn man jemand nicht verstanden hatte: -+Was?+ Dazu war natürlich zu ergänzen: hast du gesagt? Dann hieß es -plötzlich: +Was+ sei grob, man müsse fragen: +Wie?+ Dazu sollte man -ergänzen: meinen Sie? In neuerer Zeit kamen dann dafür die schönen -Fragen auf: +Wie meinen?+ (vgl. S. 92) und +Wie beliebt?+ (was immer -wie +Bibeli+ klingt), und das Allerneueste ist, daß man den andern -zärtlich von der Seite anblickt, das Ohr hinhält und fragt: +Bötte?+ - -Nun kommt ja unleugbar auch bisweilen eine hübsche Kleidermode auf, -aber im allgemeinen wird doch die Mode gemacht von Leuten, die -nicht den besten Geschmack haben. Oft ist sie so dumm, daß man sich -ihre Entstehung kaum anders erklären kann, als daß man annimmt, -der Fabrikant habe absichtlich etwas recht dummes unter die Leute -geworfen, um zu sehen, ob sie darauf hineinfallen würden. Aber immer -fällt die ganze große Masse darauf hinein, denn Geschmack ist, wie -Verstand, „stets bei wenigen nur gewesen“. Ähnlich ist es mit den -Modesitten. Kann es etwas dümmeres, lächerlicheres geben, als den -Stock in die Rocktasche zu stecken oder ans Knopfloch zu hängen? -etwas unritterlicheres, ja roheres, als daß der Mann auf der Straße -die Frau nicht mehr führt, sondern sich bei ihr einhakt und sich von -ihr schleppen läßt oder sie vor sich herschiebt? Aber mindestens -neunzig von hundert Frauen sind darauf hineingefallen. Zuletzt, wenn -eine Mode so gemein (d. h. allgemein) geworden ist, daß sie auch dem -Beschränktesten als das erscheint, was sie für den Einsichtigen von -Anfang an gewesen ist, als gemein (d. h. niedrig), verschwindet sie -wieder, um einer andern Platz zu machen, die dann denselben Lauf nimmt. -Vornehme Menschen halten sich stets von der Mode fern. Es gibt Frauen -und Mädchen, die in ihrer Kleidung alles verschmähen, was an die -jeweilig herrschende Mode streift; und doch ist nichts in ihrem Äußern, -was man absonderlich oder gar altmodisch nennen könnte, sie erscheinen -so modern wie möglich und dabei so vornehm, daß alle Modegänschen sie -darum beneiden könnten. - -Genau so geht es mit gewissen Wörtern und Redensarten. Man hört oder -liest ein Wort -- entweder ein neugebildetes oder, was noch öfter -geschieht, ein bereits vorhandnes in neuer Bedeutung! -- irgendwo zum -erstenmal, bald darauf zum zweiten, dann kommt es öfter und öfter, -und endlich führt es alle Welt im Munde, es wird so gemein, daß es -selbst denen, die es eine Zeit lang mit Vergnügen mitgebraucht haben, -widerwärtig wird, sie anfangen, sich darüber lustig zu machen, es -gleichsam nur noch mit Gänsefüßchen gebrauchen, bis sie es endlich -wieder fallen lassen. Aber es gibt immer auch eine kleine Anzahl von -Leuten, die, sowie ein solches Wort auftaucht, von einem unbesiegbaren -Widerwillen dagegen ergriffen werden, es nicht über die Lippen, nicht -aus der Feder bringen. Und da ist auch gar kein Zweifel möglich; wer -überhaupt die Fähigkeit hat, solche Wörter zu erkennen, erkennt sie -sofort und erkennt sie alle. Er sagt sich sofort: das Wort nimmst -du nie in den Mund, denn das wird Mode. Und wenn zwei oder drei -zusammenkommen, die den Modewörterabscheu teilen, und sie vergleichen -ihre Liste, so zeigt sich, daß sie genau dieselben Wörter darauf -haben -- ein Beweis, daß es an den Wörtern liegt und nicht an den -Menschen, wenn manche Menschen manche Wörter unausstehlich finden. -Ihrer Ausdrucksweise merkt aber trotzdem niemand an, daß sie die Wörter -vermeiden, die klingt so modern wie möglich, niemand vermißt die -Modewörter darin. Gewiß gibt es auch unter den Modewörtern einzelne, -die an sich nicht übel sind. Aber das Widerwärtige daran ist, daß es -eben Modewörter sind, daß sie eine Menge andrer guter Wörter, die -bisher im Gebrauch waren, verdrängen, schließlich sogar in völlig -unpassendem Sinn angewandt werden und doch das bißchen Reiz, daß sie im -Anfange hatten, sehr schnell verlieren. - -Im folgenden sollen einige Wörter zusammengestellt werden, die -entweder überhaupt oder doch in der Bedeutung, in der sie jetzt fast -ausschließlich angewandt werden, unzweifelhaft Modewörter sind. Die -meisten davon stehen jetzt in vollster Blüte; einige haben zwar ihre -Blütezeit schon hinter sich, sollen aber doch nicht übergegangen -werden, weil sie am besten zeigen können, wie schnell dergleichen -veraltet. - -+Darbietung.+ Als solche wird jetzt alles bezeichnet, was in einem -Konzert oder an einem Vereinsabend geredet, gespielt oder gesungen -wird: die gelungenste +Darbietung+ des Abends -- die +Darbietungen+ des -diesjährigen Pensionsfondskonzerts -- das Programm enthielt auch einige -solistische +Darbietungen+ -- die literarischen +Darbietungen+ im Stil -der freien Bühne usw. - -+Ehrung.+ Für +Ehrenbezeigung+ oder +Auszeichnung+. In +Ehrungen+ wird -jetzt ungemein viel geleistet. - -+Note.+ Wofür? Ja, wer das sagen könnte! man schwatzt von einer -eignen, einer besondern, einer persönlichen, einer intimen +Note+: -das Leipziger Barock besitzt eine eigne +Note+ -- was dem Buche noch -eine besondre +Note+ gibt, ist, daß es ein späterer Papst geschrieben -hat -- ein Haus gibt seine intime +Note+ an ein andres Haus weiter -- -wenn auch die Sammlung meist Kunstwerke enthält, so fehlt doch auch -die +Note+ des Absonderlichen nicht -- mit dem fußfreien Rock hat die -Modedame ihre Erscheinung auf die +Note+ des Mädchenhaften gestimmt. -Das letzte Beispiel ist völliger Unsinn, denn hier ist außerdem noch -+Note+ mit +Ton+ verwechselt. - -+Prozent+ oder +Prozentsatz+. Für +Teil+. Aus der Sprache der -Statistik. Man sagt nicht mehr: über die +Hälfte+ aller Arbeiter, -sondern: über +fünfzig Prozent+ aller Arbeiter, nicht mehr: ein ganz -geringer +Teil+ der Künstler, sondern: ein ganz geringer +Prozentsatz+ -der Künstler darf hoffen, als Bildhauer oder Maler vorwärts zu kommen. -Man sagt nicht: ein großer +Teil+ der Studenten ist faul, sondern -man klagt über den Unfleiß (!) eines großen +Prozentsatzes+ der -„Studierenden“. - -+Rückschluß+, +Rückschlag+ und +Rückwirkung+. Für +Schluß+, +Einfluß+ -und +Wirkung+. +Schlüsse+ und +Wirkungen+ gibt es nicht mehr, nur noch -+Rückschlüsse+ und +Rückwirkungen+. Von +Rück+- ist aber meist gar -nicht die Rede. - -+Unstimmigkeit.+ Törichte Neubildung für +Widerspruch+, -+Meinungsverschiedenheit+, +Mißhelligkeit+. Es gibt +einstimmige+ und -+vierstimmige+ Lieder, es gibt auch +Einstimmigkeit+ bei Abstimmungen, -aber es gibt weder +Stimmigkeit+ noch +Unstimmigkeit+. - -+Verfehlung.+ Mattherzig bemäntelndes Wort für +Verbrechen+, -+Vergehen+. Für Betrügereien, Unterschlagungen, Fälschungen, -Bilanzverschleierungen, betrügerische Bankerotte, Ehebrüche u. dgl. -sehr beliebt. - -+Bedeutsam.+ Aufs unsinnigste mißbrauchtes Wort. Goethe sagt in -seiner Beschreibung von dem Selbstbildnis des jungen Dürer, der Maler -halte das Blümlein Mannstreu +bedeutsam+ in der Hand. Das heißt so -viel wie +bedeutungsvoll+: der Maler habe damit sinnbildlich oder -symbolisch etwas andeuten wollen. Von dieser schönen ursprünglichen -Bedeutung des Wortes ist heute nicht der leiseste Hauch mehr zu spüren. -Kein zweites Wort ist binnen wenigen Jahren so heruntergebracht, -so scheußlich entwertet worden wie dieses schöne Wort. Für alles -mögliche muß es herhalten, für +groß+, +wichtig+, +bedeutend+, -+hervorragend+, +wertvoll+, +brauchbar+ usw. Wenn man über eine Sache -nichts, gar nichts zu sagen weiß, so nennt man sie +bedeutsam+. -Man schreibt: der Verfasser hat auch über Luther, Kant, Fichte und -Hegel +bedeutsame+ Bücher geschrieben -- diese Zusammenstellung ist -nicht bloß sprachgeschichtlich, sondern auch kulturgeschichtlich -+bedeutsam+ -- das Buch wird der Erkenntnis Bahn brechen, daß die -Bildhauerei des damaligen Deutschlands eine (!) +bedeutsame+ war -- -für den Buchstaben G lagen schon aus Hildebrands Nachlaß +bedeutsame+ -Ergänzungen vor -- auch in dem Holzschnittwerk des Meisters findet -sich eine +bedeutsame+ Nummer -- in Amerika sind für die deutsche -Sprache +bedeutsame+ Ereignisse zu verzeichnen -- die Thronrede mußte -um so +bedeutsamer+ wirken, als Österreich jetzt im Brennpunkt des -Interesses steht -- daß diese Gedanken von einer Frau ausgesprochen -wurden, schien dem Herausgeber +bedeutsam+ genug, um (!) sie hier -mitzuteilen. Man schwatzt von +bedeutsamen+ Bekanntschaften, Erfolgen, -Aufgaben, Funden, Kunstwerken, von einer für die Kulturgeschichte -+bedeutsamen+ Veröffentlichung, von einer +bedeutsamen+ Umgestaltung -des Schulwesens, von dem +bedeutsamsten+ Teil der Wettinischen Lande, -von einem +bedeutsamen+ Hinweis auf Pflanzenstudien, von +bedeutsamen+ -Probeleistungen einer Kunstgewerbeschule, von +bedeutsamen+ politischen -Momenten (was mag das sein?), ja sogar von einem +bedeutsamen+ -Mozartinterpreten (!), von kunstvollen, bzw. (!) durch (!) die -Namen ihrer einstigen Besitzer +bedeutsamen+ Armbrüsten und von -der +bedeutsamen+ Stellung, die in der Kundschaft der Fleischer -die Schänkwirte einnehmen. Jammerschade um das einst so sinnvolle, -gehaltvolle Wort! - -+Belangreich+ und +belanglos+. Zwei herrliche Wörter, obgleich kein -Mensch sagen kann, was +Belang+ ist, und ob es +der+ Belang oder +das+ -Belang heißt. - -+Besser.+ Wird jetzt mit Vorliebe nicht mehr als positive Steigerung -von +gut+, sondern als negative Steigerung von +schlecht+ gebraucht, -also in dem Sinne von +weniger schlecht+. Herrschaften suchen -täglich in den Zeitungen +bessere+ Mädchen, und Mädchen natürlich -nun auch +bessere+ Herrschaften oder auch, wenn sie sich verheiraten -wollen, +bessere+ Herren. Ein Zeitungsverleger versichert, daß -seine Zeitung in allen +bessern+ Hotels und Cafés ausliege, und ein -Geheimmittelfabrikant, daß sein Fabrikat in allen +bessern+ Apotheken -und Drogengeschäften „erhältlich“ sei. Folglich ist +gut+ jetzt besser -als +besser+. - -+Eigenartig.+ Äußerst beliebt als Ersatz für das Fremdwort +originell+ -und zugleich für +eigentümlich+, worunter man jetzt nur noch so viel -wie +wunderlich+ oder +seltsam+ zu verstehen scheint. Oft auch bloßer -Schwulst für +eigen+ (vgl. S. 400): ein +eigenartiger+ Reiz, ein -+eigenartiger+ Zauber, eine +eigenartige+ Weihe usw. - -+Einwandfrei.+ Schöner neuer Ersatz für +tadellos+ und zugleich für -+unanfechtbar+: gesunde, frische, +einwandfreie+ Milch -- ein sittlich -+einwandfreier+ Priester -- eine absolut +einwandfreie+ Berliner -Familie. Daß man nur von Dingen +frei+ sein kann, die einem auch -anhaften können (vgl. +fehlerfrei+, +fieberfrei+), daran wird gar nicht -gedacht. - -+Erheblich.+ Altes Kanzleiwort, das man schon für tot und begraben -gehalten hatte, das aber seit einiger Zeit wieder hervorgesucht und -nun, als Adjektiv wie als Adverb, zum Lieblingswort aller Juristen, -Beamten und Zeitungschreiber geworden ist (für +groß+, +wichtig+, -+bedeutend+, +wesentlich+). Es gibt nichts in der Welt, was nicht -entweder +erheblich+ oder +unerheblich+ oder -- +nicht unerheblich+ -wäre: eine Wunde, ein Schadenfeuer, eine Gehaltsverbesserung, -eine Verkehrsstörung, alles ist +erheblich+. So heißt es auch vor -Komparativen nicht mehr +viel+, sondern nur noch +erheblich+: -+erheblich+ besser, +erheblich+ größer usw. - -+Froh+ und viele Zusammensetzungen damit: +arbeitsfroh+, -+bildungsfroh+, +genußfroh+, +sangesfroh+, +kunstfroh+, +farbenfroh+, -+fleischfroh+ (der +fleischfrohe+ Rubens!), +wirklichkeitsfroh+, -namentlich in der Kunstschreiberei jetzt äußerst beliebt. Wir leben in -einer +kunstfrohen+ Zeit, in der es viele +novitätenfrohe+ Kunstfreunde -gibt. - -+Glatt.+ Modewort von der mannigfachsten Bedeutung: +leicht+, -+schnell+, +sicher+, +offenbar+ usw.: der Verkehr wickelte sich +glatt+ -ab -- er fiel mit seinem Antrage +glatt+ ab -- es steht zu hoffen, -daß die Heilung der Wunde +glatt+ erfolgen wird -- es liegt ein ganz -+glatter+ Betrug vor -- sogar: das liegt auf +glatter+ Hand (statt: auf -+flacher+)! - -+Großzügig.+ Neues Glanzwort, das alle Welt berauscht oder wenigstens -berauschen soll. Wenn man sich früher bei einer Darstellung auf +große -Züge+ beschränkte, so wurde sie gewöhnlich oberflächlich. Nun kann -man ja in anderm Sinne auch von den +großen Zügen+ (Linien) einer -Gebirgslandschaft, also allenfalls auch von einer +großzügigen+ -Gebirgslandschaft reden. Was soll man sich aber darunter denken, wenn -es heißt: ein +großzügiges+ Regierungsprogramm wird aufgerollt (!) --- es fehlt dem Wahlkampf an einer +großzügigen+ Bewegung -- einen -Zufall gibt es für diesen Standpunkt (!) +großzügiger+ Auffassung -nicht -- die protestantischen Völker verfolgen +großzügig+ ihre Ziele --- seiner +großzügigen+ Persönlichkeit entsprechend hat Begas sein -Lehramt ohne Pedanterie verwaltet -- das Denkmal ist eine +großzügige+ -deutsche Tat, auf die Leipzig stolz sein kann -- G. verrät in seinen -Porträtköpfen eine +großzügige+ Eigenart -- zeichnerische Genialität -und malerische Kraft paaren sich mit +großzügigem+ Realismus? Was soll -man sich unter einer +großzügigen+ Stadtverwaltung, unter +großzügigen+ -Straßennetzen, Bebauungsplänen und Bauschöpfungen, einem +großzügig+ -redigierten Familienblatt, unter der +großzügigen+ Formensprache des -Barock und der imposanten +Großzügigkeit+ seiner Fassaden vorstellen? -Was sind das für „Züge“, an die man dabei denken soll? Gemeint ist -bald einfach +groß+ oder +großartig+, bald +reich+, +kräftig+ oder -+schwungvoll+, bald +geistreich+ oder +geistvoll+, bald +weitherzig+ -oder +weitblickend+. Das alles soll jetzt das alberne +großzügig+ -ausdrücken! Es ist ein ganz infames Klingklangwort, ohne allen Sinn und -Inhalt, so recht für die gedankenlose, groß--mäulige Schwätzerei unsrer -Tage ersonnen, namentlich für die Kunstschwätzerei, aus deren Kreisen -es höchstwahrscheinlich auch stammt. - -+Hochgradig.+ Für +hoch+ oder +groß+; aus der Sprache der Ärzte: -+hochgradiges+ Fieber. Dann auch +hochgradige+ Erregung, +hochgradige+ -Erbitterung usw. - -+Jugendlich.+ Modeersatz für +jung+, das vollständig in Verruf gekommen -ist. Hat namentlich seit der Thronbesteigung des jetzigen Kaisers um -sich gegriffen. Den wagte man nicht +jung+ zu nennen -- wahrscheinlich -hielt man das für eine Majestätsbeleidigung --, man sagte immer: -unser +jugendlicher+ Kaiser, und genau so ging es dann wieder mit -dem +jugendlichen+ Kronprinzen. Welch großer Unterschied zwischen -+jung+ und +jugendlich+ ist, welch erfreuliche Erscheinung z. B. ein -+jugendlicher Greis+, welch klägliche ein +junger Greis+ ist, dafür hat -man gar kein Gefühl mehr, fort und fort redet man von +jugendlichen+ -Arbeitern, +jugendlichen+ Übeltätern, Verbrechern, Dieben, -Brandstiftern, einer +jugendlichen+ Sängerschar, sogar +jugendlichen+, -unter sechzehn Jahren alten Mädchen; den siebenjährigen Knaben Mozart -nennt man den +jugendlichen+ Mozart und den sechzehnjährigen Studenten -Goethe den +jugendlichen+ Goethe und betont das +jugendliche Alter+, -in dem er die Universität bezog! Überall ist +jung+ gemeint, und -+jugendlich+ wird gesagt und geschrieben. - -+Minderwertig.+ Verhüllender Ausdruck für +schlecht+, +wertlos+, -+unbrauchbar+. Irgendeinen Menschen oder eine Sache +schlecht+ -zu nennen, hat man nicht mehr den Mut; man spricht nur noch von -+minderwertigem+ Fleisch, +minderwertigen+ Kartoffeln, +minderwertigen+ -Existenzen, sogar von +minderwertigen+ Referendaren. - -+Offensichtlich.+ Lieblingswort der Zeitungschreiber, zusammengebraut -aus +sichtlich+ und +offenbar+: die +offensichtliche+ Gefahr, -+offensichtliche+ Mängel, mit +offensichtlichem+ Stolz usw. - -+Schneidig.+ Blühendes Modewort zur Bezeichnung der eigentümlichen -Verbindung von äußerlicher Schniepelei und innerlicher Roheit, -Fatzkentum und Landsknechtswesen, in der sich ein Teil unsrer jungen -Männerwelt jetzt gefällt. Zum Glück im Rückgange begriffen. - -+Selbstlos.+ Kühne Bildung. Eine Zeit lang sehr beliebt zur Bezeichnung -des höchsten Grades von Uneigennützigkeit und Opferwilligkeit. Hat aber -auch schon ziemlich abgewirtschaftet. - -+Tiefgründig.+ Neues Modewort. Man spricht von +tiefgründiger+, das -soll heißen: in die Tiefe gehender Arbeit und Forschung, aber auch von -+tiefgründigen+, das soll heißen geheimnisvollen Kunstwerken: Klingers -Werke sind viel zu +tiefgründig+ (!), um dem unvorbereiteten Betrachter -schnell ihren Gehalt zu offenbaren -- endlich aber auch schon von -+tiefgründiger+ (statt +tiefer+!) Vaterlandsliebe. - -+Tunlich+ und +angängig+. Lieblingswörter der Kanzleisprache für -+möglich+: mit +tunlichster+ Bälde. - -+Uferlos+, für endlos: +uferlose+ Debatten, die Darstellung verliert -sich in +uferlose+ Breite. Ja ja, wir sind ein seefahrendes Volk -geworden. - -+Unerfindlich.+ Für +unbegreiflich+ oder +unverständlich+. Verfehlt -gebildet, da +erfinden+ in dem Sinne, wie es in +unerfindlich+ -verstanden werden soll, ungebräuchlich ist. Trotzdem eine Zeit lang -sehr beliebt, jetzt im Rückgange. - -+Ungezählt.+ Sehr beliebte neue Modedummheit für +unzählig+, -+zahllos+, ja sogar für +zahlreich+. Napoleon stand einer Streitmacht -+ungezählter+ Kosaken gegenüber -- die Stadtchronik berichtet von -+ungezählten+ Festen -- dieser Schrank birgt +ungezählte+ Zinnkannen --- die Atmosphäre ist mit +ungezählten+ Kohlenteilchen erfüllt -- -Messel hat im Wertheimpalast Normen geschaffen, die bestimmend für -+ungezählte+ Warenhäuser wurden -- eine +ungezählte+ Menge drängte -sich nach dem Unglücksplatz -- +ungezählte+ Deutsche feiern heute -den Geburtstag des großen Kanzlers -- der Roman erlebte +ungezählte+ -Auflagen. Ob eine Menge gezählt worden ist, darauf kommt es doch gar -nicht an, sondern darauf, ob sie gezählt werden konnte! Die Auflagen -eines Buches aber werden wirklich gezählt. - -+Verläßlich.+ Modewort für +zuverlässig+. Wunderliche Verirrung! -+Zuverlässig+ ist ein schönes, kräftiges Wort; wer +zuverlässig+ ist, -auf den kann man sich wirklich verlassen. Einem +Verläßlichen+ würde -ich nicht über den Weg trauen; das Wort hat gleich so etwas widerwärtig -weichliches. - -+Vornehm.+ Im Superlativ ausschließlicher Ersatz für alle -Zusammensetzungen, die früher mit +Haupt+- gebildet wurden. Für -+Haupt+ursache, +Haupt+bedingung, +Haupt+zweck, +Haupt+aufgabe heißt -es nur noch: die +vornehmste+ Ursache, die +vornehmste+ Bedingung, der -+vornehmste+ Zweck, die +vornehmste+ Aufgabe. Je öfter man +vornehm+ -schreibt, desto vornehmer kommt man sich selber vor. - -+Zielbewußt.+ Von der sozialdemokratischen Presse in Umlauf gesetzt und -eine Zeit lang von ihr mit blutigem Ernst gebraucht. Heute nur noch mit -Gänsefüßchen möglich: ein „zielbewußter“ Autographensammler u. ähnl. - -+Abstürzen.+ Für +herabstürzen+ oder +hinabstürzen+; namentlich von -den Alpenfexen verbreitet. In den Zeitungen +stürzen+ aber schon nicht -mehr bloß Bergkletterer +ab+, sondern auch Steinblöcke in Steinbrüchen, -Turner vom Reck, Kinder vom Straßenbahnwagen usw. Man setze +fallen+ -für +stürzen+, und man wird die Lächerlichkeit fühlen! Ab mit -Zeitwörtern zusammengesetzt bedeutet ja die Trennung, die Entfernung; -vgl. +abfallen+, +abgehen+, +abfahren+, +absenden+, +abspringen+, -+abnehmen+, +abreißen+, +abhauen+, +abschneiden+ usw. - -+Anschneiden+ und +aufrollen+. Eine Frage, ein Thema wird nicht -mehr +berührt+, +angeregt+ -- das ist viel zu fein --, sondern -entweder werden sie +angeschnitten+, wie eine Blutwurst, oder sie -werden +aufgerollt+, wie ein Treppenläufer oder eine Linoleumrolle. -Das ist die Bildersprache der Gegenwart! Und wenn eine Frage dann -+aufgerollt+ oder +angeschnitten+ ist, dann kommt es darauf an, sich -ein tüchtiges Stück +abzuschneiden+. Gelingt einem das, dann hat man -+gut abgeschnitten+, das soll heißen: man ist gut dabei weggekommen. -Wie wird Deutschland dabei +abschneiden+? - -+Auslösen.+ Für +erregen+, +wecken+, +hervorrufen+, +veranlassen+. -Aus der Mechanik, wo es so viel bedeutet, wie durch Beseitigung einer -Hemmung irgend etwas in Bewegung oder Tätigkeit setzen: der Dichter -will uns nicht seine Gedanken aufnötigen, sondern unsre eignen -Gedanken +auslösen+ -- ein Wort, das gerade in diesem Zusammenhange -eigentümliche Empfindungen +auslösen+ mußte -- ob ein Unlustgefühl -eine Handlung +auszulösen+ imstande ist -- Eindrücke, die leicht -pathologische Reize +auslösen+ -- durch frische Luft wird körperliches -Wohlbefinden +ausgelöst+ -- allgemeine Heiterkeit +löste+ folgender -Vorfall +aus+. Aber auch: manche lyrische Gedichte Goethes lassen sich -in der Musik nicht voll (!) +auslösen+ -- in den ersten Monaten seiner -Universitätszeit +löste sich+ (!) bei ihm eine kräftige Fuchsenstimmung -+aus+. Schön gesagt! - -+Ausschalten.+ Für +beseitigen+, +fernhalten+, +vermeiden+, +unnötig -machen+, +aufgeben+ usw.: der Einfluß des Charakters kann natürlich -nicht +ausgeschaltet+ werden -- nachdem alle andern Projekte -+ausgeschaltet+ sind -- um sprachliche Erklärungen des Textes von -vornherein +auszuschalten+. Man muß doch zeigen, daß man mit dem -Telephon und dem elektrischen Licht Bescheid weiß. - -+Bedeuten.+ Gespreizter Ersatz für +sein+, für die ganz einfache -„Kopula“: sein Tod +bedeutet+ für die gesamte Kunst einen schweren -Verlust -- eine dreiköpfige Leitung würde eine äußerst bedenkliche -Einrichtung +bedeuten+ -- die Schülerfahrt nach Weimar soll für -jeden Teilnehmer ein unvergeßliches Erlebnis +bedeuten+ -- welche -Ermäßigung das gegenüber dem jetzigen Tarif +bedeuten+ würde, mag -folgendes Beispiel zeigen -- diese Art der Einordnung +bedeutet+ -einen willkürlichen Anachronismus -- Gobineaus letzte Lebensjahre -+bedeuten+ den Schlußakt eines erschütternden Trauerspiels -- der Tod -der Königin +bedeutete+ für Southampton das Ende der Kerkerhaft. (Vgl. -+darstellen+.) - -+Begrüßen.+ Neuerdings sehr beliebt statt: +willkommen heißen+. -+Begrüßen+ ist aber ein neutraler Begriff; man kann etwas mit Freuden, -mit Jubel, dankbar, aber auch kühl, gleichgiltig, mit sauersüßer Miene -begrüßen. Es ist also nichtssagend, wenn geschrieben wird: es wäre zu -+begrüßen+, wenn solche Untersuchungen weiter angestellt würden -- -daß Bach mit Chorälen vertreten ist, kann man nur +begrüßen+ -- wir -müssen es immer +begrüßen+, wenn ein Mann der Wissenschaft die Gabe -volkstümlicher Darstellung besitzt (!). - -+Bekannt geben.+ Für +bekannt machen+, weil +machen+ nicht mehr für -fein gilt. Freilich wird ein bißchen viel +gemacht+: ein Mädchen -+macht+ sich erst die Haare, dann +macht+ sie die Betten, dann +macht+ -sie Feuer usw. Sonntags +macht+ der Leipziger sogar nach Dresden. -Trotzdem ist +bekannt geben+ eine Abgeschmacktheit. - -+Sich beziffern.+ Statt +betragen+, +sich belaufen+. Aus der -Statistik, die ja keine +Zahlen+ kennt, sondern nur +Ziffern+ (obwohl -sich Ziffer zu Zahl verhält wie Buchstabe zu Laut und Note zu Ton): -Bevölkerungs+ziffer+, Durchschnitts+ziffer+ -- ich kann Ihnen noch -einige +Ziffern+ vorlegen -- das Personal +beziffert sich+ auf hundert -Köpfe -- der Verlust +beziffert sich+ auf 30000 Mann usw. - -+Darstellen.+ Schauderhaft gespreizter Ersatz für +bilden+ in dem -Sinne von +sein+ (vgl. +bedeuten+). Schon +bilden+ war überflüssige -Ziererei, wenn man an seine eigentliche Bedeutung denkt. Nun -vollends +darstellen+! Und doch wird jetzt nur noch geschrieben: -ein Staatspapier, wie es unsre Konsols bisher +darstellten+ -- der -Jahresbericht, den die zweite Lieferung des Buches +darstellt+ -- -das Geschwader +stellt+ eine bedeutende Streitmacht +dar+ -- die -Zusammenkünfte sollen ein kollegiales Bindemittel +darstellen+ -- diese -Bahn +stellt+ den nächsten Landweg von Mitteleuropa nach Indien +dar+ --- diese Beschäftigung +stellt+ keine ausreichende Tätigkeit +dar+ --- die Menschheit, die trotz aller Mängel doch nicht bloß eine Schar -von armen Sündern +darstellt+ -- Bücherschätze, die ein herrliches -Zeugnis für die Freigebigkeit früherer Jahrhunderte +darstellen+ -- -die Akademie +stellt+ einen zusammenhängenden Organismus +dar+ -- -ein Gebiet, das an dem großen Baume des Kunstgewerbes nur einen Ast -+darstellt+ -- ein Unternehmen, bei dem die hochtönenden Namen offenbar -die Hauptsache +darstellen+ -- das Fleisch der Seefische +stellt+ auch -für den Arbeiter ein vollwertiges Nahrungsmittel +dar+ -- unterliegt -ein Volk seinem Gegner, so bleibt nur der Schluß, daß es einen weniger -lebensfähigen Typ (!) repräsentiert (!), als ihn der Sieger +darstellt+ -(d. h. nicht so lebensfähig ist wie der Sieger!). Kann es einen -alberneren Sprachschwulst geben? - -+Einschätzen.+ Es wird nichts mehr +geschätzt+, +beurteilt+, für etwas -+gehalten+, sondern alles wird +eingeschätzt+: ein Buch, das der -Kritiker dieses Blattes +hoch einschätzt+ -- ein Parteifreund, der die -ultramontane Gefahr minder hoch +einschätzt+ -- man muß sich selbst -beobachten und studieren, um seine Fähigkeiten richtig +einzuschätzen+ --- sie nahm zu einem Manne ihre Zuflucht, dessen Charakter sie falsch -+einschätzte+ -- auch die +Einschätzung+ der künstlerischen Tätigkeit -ist dem Wechsel der Zeiten unterworfen -- 1849 gab es nicht einen -Menschen, der Goethes Wert richtig +einschätzte+ -- das Buch ermöglicht -uns eine richtige +Einschätzung+ der Verhältnisse unsers Grenznachbars --- ein Diplomat, der die Gewähr bietet, daß er Stimmungen und -Personen aus eigner Anschauung +einzuschätzen+ weiß -- sein Idealismus -+schätzte+ den Opfermut seiner Landsleute zu hoch, die Schwierigkeiten -zu niedrig +ein+ -- Zöllners Musik zur Versunknen Glocke ist höher -+einzuschätzen+ als seine Faustmusik. Warum denn +ein+-? +Eingeschätzt+ -wird man bei der Steuer, sonst nirgends. Dort hat das +ein+- seinen -guten Sinn, denn man wird durch die Schätzung in eine bestimmte -Steuerklasse gesetzt, und daran hängt die Verpflichtung, eine bestimmte -Steuer zu bezahlen. Irgendein dummer Kerl hat das Wort für +schätzen+, -+beurteilen+ gebraucht, und die gescheitesten Leute sind darauf -hineingefallen. Hat man gar kein Gefühl mehr für die Bedeutung eines -Wortes, daß man solchen Unsinn sagt, wie hohe +Einschätzung+ der Kunst? -Muß man denn auf Schritt und Tritt an den Steuerzettel erinnert werden? - -+Einsetzen.+ Seit einigen Jahren großartiges Modewort für +anfangen+ -und +beginnen+, und gleichfalls eins der schlagendsten Beispiele von -der Gedankenlosigkeit, mit der solche Wörter nachgeplärrt werden. -Das Wort ist von den Musikschreibern in die Mode gebracht worden. In -einer Fuge +setzen+ die einzelnen Stimmen hintereinander +ein+, jede -Stimme nämlich in das, was die vorhergehende schon singt. Das hat -guten Sinn. Aber die erste Stimme -- +setzt+ die auch +ein+? Nein, -die +beginnt+ oder +fängt an+, denn sie ist eben die erste. Und das -ist nun der Blödsinn, und diesen Blödsinn haben die Musikschreiber -selbst aufgebracht, daß +einsetzen+ als Modewort ausschließlich für -das wirkliche +anfangen+ oder +beginnen+ gebraucht wird, außerdem aber -noch für viele andre Wörter, auf die man zu faul ist sich zu besinnen. -Bücher und Zeitungen wimmeln von Beispielen: die Untersuchungen über -die Grenzen der Instrumentalmusik +setzen+ erst nach Beethoven +ein+ --- die Festspiele haben Mittwoch mit Don Juan unter sehr günstigem -Stern +eingesetzt+ -- ihre greifbarste Gestalt haben diese Bestrebungen -in dem +Einsetzen+ (Entstehung, Gründung) der deutschen Liedertafeln --- die Verhandlungen +setzten+ sehr ruhig +ein+ -- überaus heftig -+setzte+ alsbald die Kritik +ein+ -- groß und vielversprechend -+setzt+ Klingers Schaffen +ein+ -- die Kampftage waren vorüber, das -Strafgericht +setzte+ mit alter Herzlosigkeit +ein+ -- die Romantik -+setzt+ in Dresden früh und mit Entschiedenheit +ein+ -- damit hat -Uhlfeldt sein Schicksal besiegelt, und die fallende Handlung +setzt -ein+ -- die Kunst kann erst +einsetzen+, wenn dem Schauspieler die -Seele der dargestellten Person in Fleisch und Blut übergegangen ist -- -die Mode, bei Abendgesellschaften farbige Schuhe zu tragen, hat schon -+eingesetzt+ -- hier hört der Historiker auf, und der Theolog +setzt -ein+ -- Paul Krügers Memoiren +setzen+ mit seiner Jugend +ein+ -- die -aufbewahrten Schreiben von Freytags Hand +setzen+ mit dem Jahre 1854 -+ein+ -- die heutige Verhandlung +setzte+ mit einem Briefe Schmidts -+ein+ -- dogmatische Spekulation +setzte+ schon zur Zeit der Entstehung -der Evangelien +ein+ -- in dieser Zeit scheinen seine Bemühungen -um eine Professur +einzusetzen+ -- die Scheidung der Mundarten hat -bereits im sechzehnten Jahrhundert +eingesetzt+ -- der wirtschaftliche -Niedergang +setzte+ im Jahre 1901 +ein+ -- im Frühjahr +setzt+ -regelmäßig eine stärkere Bautätigkeit +ein+ -- das Erdbeben +setzte+ -5 Uhr 30 Minuten +ein+ -- die schon früh +einsetzende+ Dunkelheit -erhöht die Gefahr -- als ob die Brauchbarkeit der Halle bewiesen -werden sollte, +setzte+ am Nachmittag ein gelinder Regen +ein+ -- ja -sogar: für die diesjährige Saison haben die Fabrikanten mit billigen -Preisen +eingesetzt+ (!) -- die Diskussion in der Presse +beginnt+ -(!) bereits +einzusetzen+ -- es +beginnt+ (!) hier eine Entwicklung -+einzusetzen+, die möglicherweise zu irrigen Schlüssen führen könnte. -Wem diese Beispiele den Appetit noch nicht verdorben haben, der -sammle in den nächsten drei Tagen selber weiter, bis ihm der Appetit -vergeht. Vernünftigen Sinn hat es, wenn man schreibt: Hier muß die -Wissenschaft +einsetzen+, wenn sie zu einer befriedigenden Lösung der -Frage kommen will; denn hier schwebt ein ganz andres Bild vor, nämlich -das vom Einsetzen oder Ansetzen des Hebels. Aber Unsinn ist es wieder, -zu schreiben: Hier will mein Buch +einsetzen+ (für +eingreifen+, -+einspringen+, +in die Lücke treten+). - -+Einstellen.+ Aus der Sprache des Photographen, der die Camera -einstellt: der Blick, die Aufmerksamkeit muß auf diesen Punkt -+eingestellt+ werden. Warum denn nicht: +gelenkt+, +gerichtet+, -+geleitet+? - -+Entgegennehmen.+ Spreizwort für +annehmen+. Anfangs nahm bloß der -Kaiser das Beglaubigungsschreiben des Botschafters eines auswärtigen -Souveräns +entgegen+. Das +entgegen+ malte das Zeremoniell der -feierlichen Handlung. Jetzt werden auch Geldbeiträge für öffentliche -Sammlungen, Blumenspenden für Begräbnisse, Anmeldungen neuer Schüler, -Inserate für die nächste Nummer, Bestellungen auf das nächste Quartal -nur noch +entgegengenommen+ -- immer feierlich, herablassend. Sogar -die Kürschnergesellen nehmen ihren Jahresbericht +entgegen+, und der -Angeklagte +nimmt+ das Todesurteil gefaßt, das Publikum aber +nimmt+ es -mit tiefem Schweigen +entgegen+. - -+Erübrigen+ und +sich erübrigen+. Ein schlagendes Beispiel dafür, -welche Verwirrung durch überflüssige und halbverstandne Neubildungen -angerichtet werden kann. +Erübrigen+ war bisher ein transitives -Zeitwort und bedeutete so viel wie +sparen+, +zurücklegen+: ich habe -mir schon ein hübsches Sümmchen +erübrigt+. Das hat man neuerdings -angefangen intransitiv zu gebrauchen in dem Sinne von +übrig -bleiben+: es +erübrigt+ noch, allen denen meinen Dank auszusprechen --- es +erübrigt+ nur noch, besonders darauf hinzuweisen usw. Andre -aber, die das Wort wohl hatten klingen hören, aber nicht auf den -Zusammenhang geachtet hatten, fingen gleichzeitig an, es in dem Sinne -von +überflüssig sein+ zu gebrauchen: auf die ganze Tagesordnung -+erübrigt+ es heute einzugehen -- hier +erübrigt+ jedes weitere Wort --- es +erübrigt+ für mich jede weitere Bemerkung -- ein ausdrücklicher -Verzicht +erübrigt+ von selbst. Noch andre endlich machten das Wort in -der zweiten Anwendung zum Reflexiv und schrieben: die Ratschläge, deren -Wiedergabe +sich erübrigt+ -- alle weitern Schritte +erübrigen sich+ -hierdurch -- es +erübrigt sich+ wohl, noch besonders darauf hinzuweisen --- es +erübrigt sich+, auch nur ein Wort darüber zu verlieren. In -solchen Quatsch gerät man, wenn man vor lauter Modenarrheit zwei -guten, deutlichen Ausdrücken wie +übrig bleiben+ und +überflüssig sein+ -aus dem Wege geht. - -+Erzielen.+ Ausschließlicher Ersatz für +erreichen+. +Erreicht+ wird -nichts mehr; Nutzen, Gewinn, Vorteil, Ergebnisse, Erfolge, alles wird -+erzielt+. - -+Führen.+ Statt +hervorragen+, +Bahn brechen+, +den Ton angeben+. Man -spricht nur noch von +führenden+ Geistern, Denkern, Persönlichkeiten, -Kunstschriftstellern, Chirurgen, von der +führenden+ Presse, von -Leuten, die eine +führende+ Stelle oder Stellung einnehmen, eine -+führende+ Rolle spielen, und Henckell Trocken ist die +führende+ -Marke! Bei +hervorragen+ sah man gleichsam eine stillstehende -Reihe oder Gruppe vor sich; bei +führen+ sieht man die ganze Bande -marschieren, und zwar im Gänsemarsch. - -+Im Gefolge haben.+ Modephrase für: +zur Folge haben+. Bisher hatte nur -ein Fürst ein Gefolge; jetzt heißt es: die Not +hat+ Unzufriedenheit -+im Gefolge+ -- Reformen, die die Schmälerung des Profits +im Gefolge -haben+ könnten -- anarchistische Bestrebungen, die reaktionäre -Maßregeln +im Gefolge haben+ -- der Fall +hatte+ eine fünfjährige -Freiheitsstrafe +im Gefolge+ -- es ist nicht zu verkennen, daß die -Preßfreiheit auch schwere Schäden +im Gefolge hatte+. Man überlege sich -nur, was für Unsinn man da hinschreibt! - -+Gestatten.+ Feiner Ersatz für +erlauben+, das ganz ins alte Eisen -geworfen ist. Hat aber seine Laufbahn ziemlich rasch zurückgelegt. -Auch der Handlanger sagt schon, ehe er einem auf die Füße tritt: -+Gestatten!+ so gut wie er schon die Zigarette nachlässig zwischen den -Lippen hängen hat. Wo bleibt nun die Feinheit? - -+Landen für ankommen.+ Anfangs als Scherz, jetzt aber in vollem Ernst -geschrieben: als Schiffbrüchiger +landete+ er in Rom -- 1842 war Wagner -nach langer Wanderung in Dresden +gelandet+ (wahrscheinlich kam er mit -dem Schandauer Dampfschiff). - -+Rechnung tragen.+ Beliebte Phrase des Kanzleistils und bequemer Ersatz -für alle möglichen Zeitwörter und Redensarten: wir sind bemüht, -diesen Beschwerden +Rechnung zu tragen+ (+abzuhelfen+!) -- Ihrem -Wunsche, den Gebrauch der Fremdwörter einzuschränken, werden wir gern -+Rechnung tragen+ (+erfüllen+!) -- es finden sich Bearbeitungen von den -einfachsten bis zu den schwierigsten, sodaß allen Vereinen +Rechnung -getragen+ ist (+Rücksicht genommen+!) -- es war zu erwarten, daß das -Volk durch eine Landestrauer seinen Gefühlen +Rechnung tragen+ würde -(+Ausdruck geben+!) -- dieser Auffassung haben wir auch +Rechnung -getragen+ (+bestätigt+!) -- wie wenig die Verwaltung diesem Grundsatz -+Rechnung getragen+ hat (+gefolgt ist+!). - -+Schreiten+, +beschreiten+, +verschreiten+. Für +gehen+ oder +sich -wenden+. Man +schreitet+, oder noch lieber: man +verschreitet+ zur -Wahl, zur Abstimmung, zur Veröffentlichung, zur Operation, ja sogar -zum Aufgießen des Tees. Fürsten +gehen+ nie, sie +schreiten+ immer: -der Kaiser +schritt+ zunächst durch die Sammlung der Musikinstrumente. -Aber auch: die Maori +schreiten+ unaufhaltsam ihrem Untergang entgegen --- immer mit gehobnen und gestreckten Beinen, wie die Rekruten auf dem -Drillplatze. - -+Tragen.+ Feierlicher Ersatz für +bringen+: wir +tragen+ dem Kaiser -Liebe und Vertrauen +entgegen+. Nur schade, daß man einem nur etwas -in den Händen oder auf einem Präsentierteller +entgegentragen+ kann, -in seinem Innern aber doch nur +entgegenbringen+. Ganz besonders -aber ist +getragen sein+ jetzt beliebtes Spreizwort für +erfüllt -sein+: von künstlerischer Überzeugung +getragen+ -- von patriotischer -Wärme +getragen+ -- von religiöser Gläubigkeit +getragen+ -- von -wissenschaftlichem Ernst +getragen+ -- von düsterm Pessimismus -+getragen+ -- eine von hoher Begeisterung +getragene+ Rede -- eine -fesselnde, von staunenswerter Belesenheit +getragene+ Darstellung --- eine von froher Geselligkeit +getragene+ Veranstaltung -- die -geräuschlose, von warmer Fürsorge für die Jugend +getragene+ Arbeit --- der Kommers nahm einen von echt studentischem Geiste +getragenen+ -Verlauf -- der Empfang des Kaisers war von herzlicher Begeisterung -+getragen+ usw. Man muß immer an einen Luftballon denken. - -+Treten.+ Ebenso beliebt wie +schreiten+. Einer Frage wird näher -+getreten+, das Ministerium ist zu einer Beratung zusammen+getreten+, -und besonders gern wird in etwas +eingetreten+: Arbeiter +treten+ -in einen Streik, sogar in einen Ausstand +ein+, eine Versammlung -+tritt+ in eine Verhandlung +ein+, der Reichskanzler ist in ernstliche -Erwägungen +eingetreten+, und der Gelehrte schreibt: ich will auf -dieses Gebiet hier nicht näher +eintreten+ -- ich mag hier nicht in -den Streit über die Bedeutung Hamerlings +eintreten+. Das schönste -aber ist: +in die Erscheinung treten+ (statt +erscheinen+ oder +zur -Erscheinung kommen+): es ist bei dieser Gelegenheit scharf (!) +in -die Erscheinung getreten+ (es hat sich deutlich gezeigt) -- dabei -+tritt+ das Gesetz +in die Erscheinung+ (dabei kann man beobachten) --- es zeigten sich Krankheitssymptome, die immer intensiver +in die -Erscheinung traten+ -- der Zustand der Herzschwäche +trat+ vermindert -+in die Erscheinung+ -- es handelt sich um eine Krankheit des modernen -Lebens, die hier in besonders krasser Weise +in die Erscheinung tritt+ --- Unregelmäßigkeiten +treten+ um so mehr +in die Erscheinung+, je -kleiner das Beobachtungsfeld ist -- hier +tritt+ nie eine so starke -territoriale Zersplitterung +in die Erscheinung+ -- das Gesamtleben des -Reichs +tritt+ in der Hauptstadt konzentriert +in die Erscheinung+ -- -das Nachtleben +tritt+ in Berlin weit auffälliger +in die Erscheinung+ --- ja sogar der neue Spielplan wird zu Neujahr +in die Erscheinung -treten+. Wie vornehm glauben sich die Leute mit diesem ewigen Getrete -auszudrücken, und -- wie albern ist es! - -+Vertrauen.+ Mit nachfolgendem Objektsatz (!), statt +hoffen+, -+glauben+, +überzeugt sein+: das Ministerium +vertraut, daß+ der -eingerissene Mißbrauch bald wieder abgestellt sein werde -- die Leser -können +vertrauen, daß+ wir bei der Feststellung des Textes die größte -Vorsicht haben walten lassen. - -+Vorbestrafen.+ Lieblingswort aller Polizeireporter und aller -Berichterstatter über Gerichtsverhandlungen: ein schon zehnmal -+vorbestrafter+ Kellner -- ein schon fünfzehnmal +vorbestrafter+ -Riemergeselle -- ein schon vielfach, sogar mit Zuchthaus, -+vorbestraftes+ Subjekt. Als ob nicht +bestraft+ genügte! Müssen denn -nicht, wenn einer „schon oft“ bestraft worden ist, diese Strafen -+vor+ der liegen, die ihn jetzt erwartet! Der Unsinn ist aber nicht -auszurotten. Vielleicht schreibt man nächstens auch noch: eine bisher -noch +unvorbestrafte+ Verkäuferin. - -+Vorsehen+, nicht als reflexives, sondern als transitives Zeitwort: -+etwas vorsehen.+ Binnen wenigen Jahren mit ungeheurer Schnelligkeit -in der Kanzlei- und Zeitungssprache verbreitet, für denkfaule Leute -wieder ein willkommner Ersatz für alle möglichen Zeitwörter. Auf dem -Gymnasium wird man im lateinischen Unterricht ermahnt, ~providere~ -ja nicht mit +vorsehen+ zu übersetzen, es sei das ein gemeiner -Latinismus; gut übersetzt heiße es: für etwas +sorgen+, +Fürsorge+ oder -+Vorsorge treffen+, etwas +vorbereiten+. Dieser „gemeine Latinismus“ -ist der neueste Stolz der Kanzlei- und Zeitungssprache: Sache der -Übungsbücher ist es, eine geordnete Folge von Übungen +vorzusehen+ -- -zur Erhöhung der Beamtengehalte sind für das Jahr 1904 keine Mittel -+vorgesehen+ -- die Erstaufführung (!) ist für die Saison 1903 am -Leipziger Stadttheater +vorgesehen+ -- als Verbindung zwischen beiden -Straßen ist eine Allee +vorgesehen+ -- für die Rasenrabatten ist die -übliche niedrige Einfassung +vorgesehen+ -- für den Speisesaal ist -Rokoko +vorgesehen+ -- die Selbstregierung, die das Friedensinstrument -+vorsieht+ -- die zu einer Ferienreise +vorgesehenen+ Ersparnisse der -Schulkinder -- das Richtfest der hiesigen Kirche ist auf Sonnabend -den 5. November +vorgesehen+ -- für den Besuch Sr. Majestät in der -Handelsschule ist folgendes Programm +vorgesehen+ -- für den Abend -ist ein Fackelzug +vorgesehen+ usw. Also +sorgen+, +beabsichtigen+, -+planen+, +bestimmen+, +festsetzen+ -- alles wird mit diesem aus reiner -Dummheit dem Lateinischen nachgeäfften +vorsehen+ ausgedrückt! - -+In die Wege leiten.+ Herrliche neue Modephrase der Amts- und -Zeitungssprache für -- ja, wofür? Eigentlich für gar nichts. Anstatt -einfach zu sagen: es wurde eine starke Seemacht +geschaffen+ -- er -hat mancherlei Technisches +unternommen+ -- die Veranstaltung wird -schon jetzt +vorbereitet+ -- es wäre zu wünschen, daß ein solches -Amt +eingerichtet+ würde -- heißt es: die Schaffung einer starken -Seemacht wurde +in die Wege geleitet+ -- er hat mancherlei technische -Unternehmungen +in die Wege geleitet+ -- die Vorbereitungen zu der -Anstalt werden bereits +in die Wege geleitet+ -- es wäre zu wünschen, -daß die Organisation eines solchen Amtes +in die Wege geleitet+ würde. -Und ein Unterbeamter schreibt an den andern: ich bitte, das Weitere -baldgefälligst (!) +in die Wege leiten+ zu wollen. - -+Werten+ und +bewerten+. Neben +einschätzen+ (vgl. S. 377) seit -kurzem äußerst beliebte Spreizwörter für +schätzen+, +beurteilen+, -+für etwas ansehen+ oder +halten+. Bisher kannte man nur +verwerten+ -und +entwerten+. Jetzt wird aber alles +gewertet+ oder +bewertet+: -in Schlesien weiß man die Kraft, die aus der Muttererde strömt, wohl -zu +werten+ -- diese Luxusausgaben werden im Handel bereits hoch -+bewertet+ -- seine Schriften verraten eine selten (!) hohe +Wertung+ -der Ehe -- es drängt sich die Frage auf, wie ein sächsischer Offizier -einem preußischen gegenüber zu +bewerten+ sei -- wir können diese -Urteile nicht als Urteile eines ernsthaften Journalisten +bewerten+ --- diese Abweichung von der Regel dürfte als nicht ganz sachgemäß -+bewertet+ werden -- man muß die Ausdrucksweise einer Zeit kennen, -wenn man ihre Freundschaften und Liebschaften +bewerten+ will -- die -Monarchenzusammenkunft wird in der N. A. Z. mit folgenden Worten -+gewertet+ -- beide, er wie sie, wollen selbständig +gewertet+ -werden -- bei der wissenschaftlichen +Wertung+ des Problems tut vor -allem Nüchternheit not -- man muß die juristische +Bewertung+ des -Falles abwarten -- ja sogar: die +Bewertung+ und +Beurteilung+ (!) -dieser Bilder wird neu festzustellen und zu modifizieren sein -- was -eine Südländerin von Temperament als Lebensforderung +einschätzt+ -und +wertet+ (!) -- und das Neueste und Schönste von allem: -baugeschichtliche Feststellungen geben uns die Möglichkeit, die -Entstehungsbedingungen dieser Baukunst sicher +einzuwerten+ (also aus -+werten+ und +einschätzen+ ein drittes Wort zusammengeknetet!). Woher -stammen die herrlichen Wörter? Aus der Börsensprache, die von der -+Bewertung+ des umlaufenden Edelmetalls spricht? Oder von Nietzsche? - -+Zeitigen.+ Für +hervorbringen+, +schaffen+: es ist eine armselige -Literatur, wie sie noch keine Periode der Musikgeschichte +gezeitigt+ -hat. - -+Zubilligen.+ Für +bewilligen+ oder +zugestehen+: den Arbeitern -wurde eine Unterredung +zugebilligt+ -- jeder höhern Lehranstalt -sind für Bibliothekzwecke jährlich tausend Mark +zugebilligt+ -- die -Hinterbliebenen haben mir das Recht der Veröffentlichung +zugebilligt+. - -+Zukommen+, auf etwas. Beliebtes neues Ersatzwort des sächsischen -Kanzleistils für alles mögliche, für: an etwas +denken+, etwas +ins -Auge fassen+, etwas +beschließen+, +sich+ zu etwas +entschließen+, -+sich+ auf etwas +einlassen+: wenn man auf die Ausführung dieses -Gedankens +zukommen+ wollte, so wäre jetzt der geeignete Augenblick --- es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß auf einen Aufbau der -Türme +zuzukommen+ sei -- wann wird man an den höhern Schulen auf eine -Verminderung der Unterrichtszeiten +zukommen+. - -+Bislang.+ Für +bisher+. Provinzialismus aus Hannover, nach 1866 stark -verbreitet, heute ziemlich vergessen. - -+Da und dort.+ Modeverbindung für +hie und da+: unter den -technischen Schwierigkeiten klingt doch +da und dort+ ein tieferer -musikalischer Sinn heraus. - -+Erstmals.+ Neues Spreizwort für +zuerst+ oder +zum erstenmal+: eine -Fülle von Material ist in diesem Buche +erstmals+ erschlossen. (Vgl. -+erstmalig+ S. 407) - -+Hoch.+ Einzig gebräuchliches Adverb zur Begriffssteigerung folgender -Adjektiva: +fein+, +elegant+, +modern+, +herrschaftlich+, +gebildet+, -+gelehrt+, +verdient+, +bedeutend+, +bedeutsam+, +wichtig+, +ernst+, -+feierlich+, +tragisch+, +komisch+, +romantisch+, +poetisch+, -+interessant+, +erfreulich+, +befriedigend+, +willkommen+, +achtbar+, -+adlich+, +konservativ+, +kirchlich+, +offiziell+. Das wird genügen. - -+Indes+ oder +indessen+. Sehr beliebtes Spreizwort für +aber+, +doch+, -+jedoch+: heute wurden hier starke Erdstöße verspürt, die +indessen+ -keinen Schaden anrichteten -- es kam zu Zwistigkeiten, die +indes+ -einen günstigen Verlauf nahmen -- er hatte das Stück schon vor -Jahren verfaßt, +indessen+ unterblieb damals die Aufführung -- der -Graf wanderte in den Tower; lange dauerte +indes+ seine Haft nicht --- bei näherer Prüfung +indessen+ stellt sich R. als interessante -Persönlichkeit dar. - -+Nahezu.+ Modewort für +fast+ oder +beinahe+. - -+Naturgemäß.+ Aus Berlin (+naturjemäß+). Hat sich mit -lächerlicher Schnelligkeit an die Stelle von +natürlich+ (d. h. -+selbstverständlich+) gedrängt, sodaß man sich, wo es einmal in seiner -wirklichen Bedeutung erscheint (die soziale Bewegung ist +naturgemäß+ -erwachsen), erst förmlich besinnen muß, daß es ja diese Bedeutung auch -noch haben kann. Sonst heißt es nur noch: wir beginnen +naturgemäß+ mit -den preisgekrönten Entwürfen -- +naturgemäß+ ist die Studentenzeit zum -Lernen bestimmt -- die Wiedergabe durch Lichtdruck läßt +naturgemäß+ -manches unklar -- die Sorge beginnt +naturgemäß+ gleich bei der -Aufnahme der Lehrlinge -- +naturgemäß+ konnte die Stadtbahn nicht durch -den glänzendsten Teil der Hauptstadt gelegt werden -- +naturgemäß+ -ist der Grund der Unsicherheit nicht in allen Fällen der gleiche -- -die Unbilligkeit verstärkt sich +naturgemäß+ mit jedem Jahre usw. Man -redet aber auch schon von einer +vernunftgemäßen+ (!) Auswahl der -Schreibfeder, statt von einer +vernünftigen+ -- und da nun einmal -+gemäß+ Mode ist, so führt auch der Kaufmann +wunschgemäß+ seine -Bestellungen aus, und der Unterbeamte erledigt alles mit großem Eifer -+auftraggemäß+. - -+Rund.+ Dem Englischen nachgeäfft. Wird jetzt vor alle Zahlen gesetzt, -die, wie der Zusammenhang zeigt, selbstverständlich nur runde Zahlen -sein können und sollen: der Kandidat der Ordnungsparteien erhielt -+rund+ 3200 Stimmen gegen +rund+ 360 Stimmen der Sozialdemokraten -- -der Ertrag der Sammlung bezifferte sich (!) auf +rund+ 5000 Mark. Ohne -+rund+ bekommt man eine Zahl mit Nullen am Ende kaum mehr zu lesen. - -+Reichlich.+ Seit kurzem äußerst beliebt für +sehr+, aber immer nur -da, wo es nicht hinpaßt, nämlich in tadelnden Bemerkungen: du kommst -+reichlich spät+, der Kerl ist +reichlich dumm+. Es fehlt nur noch, daß -gesagt würde: er hat +reichlich wenig+ gegeben. - -+Selten.+ Beliebtes Adverb zur Steigerung von Eigenschaftswörtern (in -dem Sinne von +ungewöhnlich+, +außerordentlich+, +in seltnem Grade+), -z. B.: ein Mädchen von +selten gutem+ Charakter -- eine +selten -frische+ Witwe -- ein +selten schönes+ Familienleben -- eine +selten -günstige+ Kapitalanlage -- wir haben +selten schönes+ Wetter gehabt --- dieser Weizen gedeiht auf leichtem Boden und liefert +selten hohe+ -Erträge -- besonders hebe ich die +selten naturgetreuen+ farbigen -Abbildungen hervor -- die Inhaber dieser Bauernhöfe sind +selten -fleißige+ und +tüchtige+ Wirte usw. Nur schade, daß +selten+ eben vor -allen Dingen +selten+ bedeutet, und nicht +in seltnem Grade+, und daß -infolgedessen stets das Gegenteil von dem herauskommt, was die Leute -meinen. Darüber ist denn auch schon viel gespottet worden, so viel, daß -endlich doch auch dem Harmlosesten ein Licht aufgehen müßte. - -+Unentwegt.+ Lächerlicher schweizerischer Provinzialismus für +fest+, -+beharrlich+. Hat seine Rolle ziemlich ausgespielt. - -+Vielmehr.+ Ausschließlicher Ersatz für +sondern+: diese Preisbewegung -ist nicht bloß dem Getreide eigentümlich, sie stimmt +vielmehr+ mit -den übrigen Ackerbauerzeugnissen überein -- der Leser wird nicht mit -einem Ballast von Erläuterungen überschüttet, +vielmehr+ halten die -Anmerkungen das rechte Maß ein. - -+Voll und ganz.+ Modephrase ersten Ranges, die aber ihren Weg wohl -bald „voll und ganz“ zurückgelegt haben wird.[164] Sehr beliebt ist es -jetzt, +voll+ allein zu gebrauchen (für +ganz+ oder +vollständig+): -dieser Auffassung kann ich +voll+ beipflichten -- überall deckt der -Ausdruck +voll+ den Gedanken -- um die Tiefe seiner Auffassung +voll+ -zu würdigen -- Künstler, die diese Bedingung +voll+ erfüllen können --- die deutschen Gemälde hielten den Vergleich mit den französischen -+voll+ aus usw. Auch Zusammensetzungen mit +Voll+- als Bestimmungswort -schießen wie Pilze aus der Erde: +Vollbild+, +Vollmilch+, -+Vollgymnasium+, sogar +vollinhaltlich+: ich kann das +vollinhaltlich+ -bestätigen -- er mußte das Leben der Gefangnen +vollinhaltlich+ -mitleben. - -+Vorab+ und +vornehmlich+. Beide gleich beliebter Ersatz für -+besonders+, +namentlich+ und +hauptsächlich+. Das sechzehnte, +vorab+ -das siebzehnte Jahrhundert -- die Künstler +vorab+ hatten sein -herzliches Wohlwollen erfahren -- Briefe Wielands, +vornehmlich+ an -Sophie La Roche -- +vornehmlich+ habe ich die Syntax von Grund aus -umgestaltet. (Vgl. +vornehm+ S. 374). - -+Weitaus.+ Modezusatz zum Superlativ: +weitaus+ der beste -- in -+weitaus+ den meisten Fällen. - -Außer solchen allgemein gebräuchlichen Modewörtern und Modephrasen gibt -es aber noch eine Masse andrer, die auf einzelne Kreise beschränkt -sind. In der Sprache der Geschäftsleute, der Zeitungschreiber, wohin -man blickt: Mode, nichts als Mode. Kaufleute reden nicht mehr von -+Preisen+, sondern nur noch von +Preislagen+, an die Stelle der -frühern +Sorten+ sind die +Qualitäten+, die +Marken+ und die -- -+Genres+ getreten (bitte, probieren Sie meine +Spezialmarke+!). Wer -einen kleinen Laden gemietet und ein Geschäftchen darin eröffnet -hat, nennt das jetzt ein +Haus+; der eine hat ein +Schokoladenhaus+, -der andre ein +Porzellanhaus+, ein dritter ein +Havannahaus+, ein -+Seidenhaus+, ein +Leinwandhaus+, ein +Lodenhaus+. Vor etlichen Jahren -fiel es einem Schneider in Leipzig ein, über seine Ladentür statt -+Schneidermeister+ zu schreiben: +Herrenmoden+. Das war natürlich -fürchterlicher Unsinn, denn ein Schneider ist keine Mode und fertigt -auch keine Moden, sondern Kleider. Als das aber die andern Schneider -gesehen hatten, da kam für die Firmenschreiber gute Zeit. Sämtliche -Schneider ließen ihre Schilder ändern, und heute gibt es in ganz -Leipzig keinen Schneidermeister mehr. Der kleinste Flickschneider im -Hinterhause vier Treppen hoch hat vorn an der Haustür sein Schildchen -prangen: Wilhelm Benedix, +Herrenmoden+! Vor etlichen Jahren fiel es -auch einmal einem Bierwirt in Leipzig ein, von einem Militärkonzert -anzukündigen, daß es +unter persönlicher Leitung+ des Herrn -Musikdirektors X stattfinden würde -- als ob in andre Wirtschaften -der Herr Musikdirektor seinen Stiefelputzer schickte. Große Aufregung -unter den Bierwirten! Binnen vier Wochen fanden alle Konzerte +unter -persönlicher Leitung+ statt. Aus nichts als Modewörtern und Modephrasen -ist die Sprache der Reporter zusammengesetzt. Da ist eine Gesellschaft -stets +illustre+ (wenigstens in Leipzig), ein Kapellmeister stets -+genial+, ein Geschenk stets +sinnig+, Orgelspiel stets +weihevoll+. -Wird irgendwo ein Vortrag gehalten, so wird er von musikalischen und -gesanglichen +Darbietungen umrahmt+; von einer Festlichkeit wird -stets versichert, sie habe +einen würdigen (!) Verlauf+ genommen. Ein -Revolverschuß wird stets +abgegeben+, und flieht der Täter, so wird -sofort +die Verfolgung aufgenommen+; sich selbst aber schießt man eine -Kugel niemals zum Vergnügen sondern immer +in selbstmörderischer -Absicht+ in den Kopf. Wenn es in einer Familie oder zwischen einem -Liebespaar zu Zank und Streit, Mord und Totschlag gekommen ist, so -heißt das ein +Familiendrama+ oder eine +Liebestragödie+. Wer ein -Jubiläum feiert, +kann+ stets +auf eine+ 25jährige oder 50jährige -+Tätigkeit zurückblicken+, und ist es ein Verein, so +blickt+ er +auf -ein+ 25jähriges +Bestehen zurück+; wer pensioniert wird, tritt in den -+wohlverdienten Ruhestand+, und stirbt er, so werden an seinem Sarge -Lorbeerkränze +niedergelegt+. Wenn einer von einem Dache herabstürzt, -so +bleibt+ er +tot+ (als ob er es schon vorher gewesen wäre!). -Leichen von Verunglückten werden nicht +gefunden+, sondern stets -+geborgen+ (hätte man die Lebenden besser „geborgen“, so wären sie -nicht verunglückt!), und wenn sie im Wasser gelegen haben, so werden -sie +geländet+; wird aber einer glücklich noch lebend aus dem Wasser -gezogen, so wird er +dem nassen Element entrissen+. Kommt ein Fürst zu -Besuch, so steigt er nicht aus dem Wagen, sondern er +ent(!)steigt+ dem -+Waggon+ und +schreitet+ dann, und zwar stets +elastischen Schrittes+, -die Front der Ehrenkompagnie +ab+. Man begreift nicht, warum nicht die -Zeitungen für gewisse besonders oft wiederkehrende wichtige Ereignisse, -wie die Ankunft eines Fürsten, die Eröffnung einer Ausstellung, die -Enthüllung eines Denkmals, das Jubiläum eines Geschäfts, das Begräbnis -eines Kommerzienrats und dergleichen, für ihre Berichterstatter -Formulare drucken lassen, worin sie dann bloß Tag, Stunde und Namen -auszufüllen hätten. - -Aber auch die niedrige Umgangssprache ist voll von Modewörtern, die -immer wechseln. Man könnte sie die Gassenhauer der Sprache nennen. -Zu ihnen gehört das schöne +selbstredend+, das eine Reihe von Jahren -für +selbstverständlich+ gesagt wurde (übrigens stets falsch betont: -+selbstrédend+, wie auch +tats=ä=chlich+, +wunderbár+, +ekelháft+, -+tadellós+). Neuerdings ist wieder +selbstverständlich+ durchgedrungen -(aber auch das wieder falsch betont: +selbstverst=ä=ndlich+). -Augenblicklich ist der beliebteste Gassenhauer: +ausgeschlossen+, -+ganz ausgeschlossen+, +völlig ausgeschlossen+. +Unwahrscheinlich+, -+unmöglich+, +undenkbar+, sogar +unnötig+ -- das alles gibt es nicht -mehr. +Ausgeschlossen+ -- bums! fertig! In der Unterhaltung am -Biertisch hört man nichts weiter als: +selbstverständlich+ (für +ja+) -und: +ausgeschlossen+ (für +nein+). Andre neue Gassenhauer sind: -+totsicher+, +totschick+, +Ton+ (für +Wort+): er hat mir nicht einen -+Ton+ davon gesagt --, auf Wieder+schaun+, und +ausgerechnet+ (für -+gerade+, +genau+ oder dgl.): das muß +ausgerechnet+ Bebel begegnen! - -Eine feine Nase für Modewörter hat gewöhnlich der Student. Die -Studentensprache wimmelt von Modewörtern; sowie ein neues aufkommt, -wird es ihr sofort „einverleibt“. Aber der Student spricht sie fast -alle mit Gänsefüßchen, er macht sich lustig über sie, während er sie -gebraucht. Die Sache hat nur nicht bloß eine lustige, sie hat auch -eine sehr ernste Seite. Jedes neu aufkommende Modewort verdrängt eine -Anzahl sinnverwandter Wörter mit ihren fein abgetönten Unterschieden, -und schließlich wird es gedankenlos auch für Wörter gebraucht, die -einen ganz andern Sinn haben. So ist mit jedem neuen Modewort eine -zunehmende Verarmung der Sprache und eine zunehmende Oberflächlichkeit -und Unklarheit des Denkens verbunden. - -Wie alle Modedummheiten haben aber auch die Sprachmoden ihre Zeit. -Sie verschwinden alle wieder, die einen früher, die andern später. -Darum ist ein Kampf gegen sie eigentlich überflüssig.[165] Verteidigt -werden sie immer nur von solchen, die darauf hineingefallen sind, ohne -es zu merken; die ärgern sich dann über den, der es gemerkt hat, und -bestreiten die Berechtigung seiner Angriffe. Jeder gute Schriftsteller -aber wird sich vor ihnen hüten. Denn jeder gute Schriftsteller hat doch -den Wunsch, nicht gar zu schnell zu veralten. Dazu gehört aber, daß -das, was er schreibt, nicht bloß einen dauerhaften Inhalt, sondern auch -eine dauerhafte Form habe. - - -Der Gesichtspunkt und der Standpunkt - -Ein Modewort, mit dem ein ganz törichter Mißbrauch getrieben wird, der -zu einer Unmasse von Bildervermengungen führt, ist +Gesichtspunkt+. -Das Wort bedeutet den Punkt, von dem aus man etwas ansieht, wie -+Standpunkt+ den Punkt, auf den man sich gestellt hat, um etwas -anzusehen. Beides ist so ziemlich dasselbe. Man sollte doch nun -meinen, das Bild, das in diesen Ausdrücken liegt, wäre so klar und -deutlich, daß es gar nicht vergessen werden könnte: +Standpunkt+ und -+Gesichtspunkt+ bedeuten durchaus etwas räumliches, einen Punkt im -Raume. Da ist es nun schon verkehrt, wie es manche sehr lieben, von -+großen+ oder +allgemeinen Gesichtspunkten+ zu reden. Man kann sich -weder unter einem großen noch unter einem allgemeinen Punkt etwas -denken. Offenbar wird hier der Gesichts+punkt+ mit dem Gesichts+kreise+ -verwechselt. Wenn ich mich hoch aufstelle und die Dinge von oben -betrachte, so überblicke ich mehr, als wenn ich unten mitten unter den -Dingen stehe. Es ändert sich dann auch der Maßstab der Betrachtung: -was mir unten groß, im übertragnen Sinne wichtig, bedeutend erschien, -schrumpft zusammen, ja verschwindet vielleicht ganz, wenn ich es -von oben betrachte. Man kann also wohl von +hohen+ und +niedrigen+ -Gesichtspunkten reden, aber nicht von +großen+ und +kleinen+. Der Geist -ist klein, der sich nicht zu höhern Gesichtspunkten aufschwingen kann, -auch der Gesichtskreis eines solchen Geistes ist klein, aber ein Punkt -ist und bleibt -- ein Punkt, er kann weder klein noch groß sein. - -Was muß sich aber der Gesichtspunkt sonst noch alles gefallen lassen! -Er wird nicht nur +berührt+, +dargelegt+, +ausgeführt+, er wird auch -+beachtet+, +ins Auge gefaßt+, +betont+, +hervorgehoben+, +geltend -gemacht+, +aufgestellt+, +herausgestellt+, +in den Vordergrund -gestellt+, +zur Diskussion gestellt+, +verworfen+, er +wird eröffnet+, -+zugrunde gelegt+, +gewonnen+, er wird +in die Wagschale geworfen+, -und zwar so, daß er +ins Gewicht fällt+, er ist +maßgebend+, er -+berührt sich+ mit etwas, man tut etwas +unter+ ihm, es wird etwas von -ihm +abgeleitet+, es +entspringt+ ihm etwas usw. Der Leser schüttelt -den Kopf? Hier sind die Beispiele: zum Schluß möchte ich noch zwei -+Gesichtspunkte berühren+ -- er +legte die Gesichtspunkte dar+, die -den Ausschuß veranlaßt hätten, die Versammlung zu berufen -- es würde -mich zu weit führen, wenn ich den angedeuteten +Gesichtspunkt+ näher -+ausführen+ wollte -- die Prügelstrafe ist nicht nur brutal, sie ist -auch ehrenrührig, und diesen wichtigen +Gesichtspunkt+ muß man vor -allen Dingen +beachten+ -- diesen +Gesichtspunkt faßte+ Kurfürst -August jetzt +ins Auge+ -- als der Redner diesen +Gesichtspunkt+ -scharf +betonte+ -- erfreulich ist es, daß der Herzog für das Gefühl -vaterländischer Ehre empfänglich ist und bei der Berücksichtigung -der Muttersprache diesen +Gesichtspunkt+ besonders +hervorhebt+ -- -neue +Gesichtspunkte+ wurden in der Debatte nicht +geltend gemacht+ --- es sind hier +Gesichtspunkte aufgestellt+, die in der Tat +zur -Diskussion gestellt+ werden müssen -- er wußte immer sofort die höhern -+Gesichtspunkte herauszustellen+ -- man kann den Mittelstand sehr -verschieden abgrenzen, +je+ nach den +Gesichtspunkten+, die man +in -den Vordergrund stellt+ -- auch der +Gesichtspunkt+, daß (!) man mit -einer stattlichen Schrift dem Auslande imponieren müsse, ist nicht -+zu verwerfen+ -- diese Bestimmung +eröffnet+ für die Geschichte der -Innung einen neuen +Gesichtspunkt+ -- überhaupt möchten wir auf den -+Gesichtspunkt+ hinweisen, den alle Gerichte ihren Rechtsprechungen -auf diesem Gebiete +zugrunde zu legen+ haben -- ich hoffe, daß sich -aus meiner Darlegung gesunde (!) +Gesichtspunkte+ werden +gewinnen -lassen+ -- hier +fallen+ finanzielle (!) +Gesichtspunkte+ schwer -+ins Gewicht+ -- diese Frage bildet den +maßgebenden Gesichtspunkt+, -von dem aus wir dem Problem näher treten -- dieser +Gesichtspunkt+ -der Theaterdirektion +berührt sich+ in mannigfacher Beziehung mit -dem Interesse des Publikums -- der Theologie wandte er nur +unter -dem Gesichtspunkte+, jederzeit brauchbare Kirchendiener zu haben, -seine Fürsorge zu -- die allgemeinen +Gesichtspunkte+, aus denen -sich der kritische Vorrang der Originaldrucke lutherischer Schriften -+ableiten läßt+, sind folgende -- eine innere Kolonisation, die den -oben gekennzeichneten +Gesichtspunkten entspringt+ usw. In allen -diesen Sätzen ist von dem Bilde, das in dem Worte +Gesichtspunkt+ -liegt, keine Spur mehr zu finden. Es bedeutet etwas ganz andres, es -steht für +Umstand+, +Tatsache+, +Grund+, +Ansicht+, +Gedanke+, ja -bisweilen steht es für -- gar nichts, es wird als bloßes Klingklangwort -gebraucht. Oder bedeutet der Satz: neue +Gesichtspunkte+ wurden -nicht geltend gemacht -- irgend etwas andres als: neue +Gedanken+ -wurden nicht vorgebracht? der Satz: zum Schluß möchte ich noch +zwei -Gesichtspunkte+ berühren -- irgend etwas andres als: zum Schluß möchte -ich noch +zweierlei+ berühren? Das völkerpsychologische +Moment+ (!) -ist für ihn der +maßgebende Gesichtspunkt+ -- kann man einen einfachen -und einfach auszudrückenden Gedanken in einen unsinnigern Wortschwall -einhüllen? Von solchen Sätzen wimmelt es aber jetzt in Büchern, -Broschüren und Aufsätzen; Tausende lesen darüber weg, haben das dumpfe -Gefühl, irgend etwas gelesen zu haben, aber denken können sie sich gar -nichts dabei. - -Infolge des fortwährenden Mißbrauchs ist es geradezu dahin gekommen, -daß dieses gute Wort, das ein so klares und deutliches Bild enthält, -und das bisweilen gar nicht zu entbehren ist, einen lächerlichen -Beigeschmack angenommen hat, sodaß man es in der Unterhaltung kaum -noch anders als spöttisch gebrauchen kann. Eine weitere Folge ist, daß -nun gewisse Leute, um das Wort zu vermeiden, es durch +Gesichtswinkel+ -ersetzt haben, das freilich gleich von vornherein mit Recht dem Spott -verfallen ist. - -Derselbe Unfug wie mit dem +Gesichtspunkt+ hat aber neuerdings nun -auch mit dem +Standpunkt+ begonnen. Niemand hat mehr eine +Ansicht+ -oder eine +Meinung+, alle Welt hat nur noch einen +Standpunkt+. -Eine Meinung kann man ändern, eine Ansicht berichtigen -- das -ist nichts. Aber ein Standpunkt -- alle Hochachtung! -- das ist -etwas. Ein Standpunkt ist unverrückbar, der kommt gleich nach der -Weltanschauung. Man +steht+ auf einem +Standpunkt+, +stellt sich+ -auf einen +Standpunkt+, +vertritt+ einen +Standpunkt+ usw., und das -schönste dabei ist, daß man von dem Worte +Standpunkt+ (ganz so wie -früher von +Meinung+) einen Objektsatz abhängig macht, ja sogar einen -Infinitiv, als ob es soviel bedeutete wie +Regel+ oder +Grundsatz+, -und schreibt: ich stehe auf dem +Standpunkte, daß+ man dieses Verbot -wieder aufheben sollte -- ich stehe auf dem +Standpunkte, daß+ man -zwischen Leipzig und Berlin ohne umzusteigen fahren können müßte -- -die Gesellschaft steht auf dem +Standpunkte, daß+ die Stadtgemeinde -berechtigt sei, unentgeltliche Abtretung der Straßenfläche zu -verlangen -- der +Standpunkt, daß+ ein Reisender, der auf derselben -Linie zurückfährt, durch eine Preisermäßigung belohnt werden müsse, -ist ein (!) völlig antiquierter -- wir haben stets den +Standpunkt+ -vertreten, +daß+ zwischen Deutschland und England kein vernünftiger -Grund zur Feindschaft vorliege -- man findet heute oft den +Standpunkt+ -vertreten, +daß+ das Kleinbürgerhaus eine überwundne Form bedeute -(sei!) -- wir stellen uns auf den gewiß empfehlenswerten +Standpunkt+, -in schwankenden Fällen das überflüssige Binde-s zu vermeiden. Man -sieht: auch der +Standpunkt+ ist nahe daran, zum Gassenhauer zu -werden; in Vereinssitzungen wie in öffentlichen Versammlungen ergreift -niemand das Wort, der nicht sofort erklärte, daß er auf irgendeinem -+Standpunkt+ stehe. - - -Das Können und das Fühlen - -Eine richtige Modenarrheit ist es, gewisse Hauptwörter immer durch -einen substantivierten Infinitiv zu umschreiben -- wenns nicht manchmal -bloßes Ungeschick ist! Und bloßes Ungeschick ist wohl anzunehmen, wenn -jemand statt +Ende+ schreibt: +das Aufhören+, oder statt +Mangel+: -+das Fehlen+. Eine Modenarrheit aber liegt ohne Zweifel in der Art, -wie jetzt +das Wissen+, +das Können+, +das Wollen+, +das Fühlen+ und -+das Empfinden+ gebraucht wird -- Wörter wie +Kenntnis+, +Fähigkeit+, -+Fertigkeit+, +Geschick+, +Absicht+, +Gefühl+, +Empfindung+ scheinen -ganz vergessen zu sein. Den Anfang hatte wohl +das Streben+ -gemacht,[166] dann kam +das Wissen+: er hat ein ganz +hervorragendes -Wissen+. Jetzt spricht man aber auch von dichterischem +Wollen+: -anfangs ein Dorfgeschichtenerzähler, wurde Rosegger allmählich ein -Poet von +großem Wollen+ -- auch diese Kompositionen zeigen die -künstlerische Zielbewußtheit (!) seines +Wollens+. Und in höchster -Blüte steht +das Können+ und +das Fühlen+: folgendes Gedicht mag das -+Können+ des Dichters veranschaulichen -- das Konzert lieferte einen -glänzenden Beweis für das +künstlerische (!) Können+ des Vereins -- -Beethoven widmete ihr die ~Cis-moll~-Sonate, kein geringes Zeugnis -für das +musikalische Können+ der Angebeteten -- die Dame hat sich -unter dieser vortrefflichen Leitung bereits ein +achtunggebietendes -Können+ angeeignet -- die Schüler sollen mit einem +solchen Können+ -des Deutschen aus der Schule gehen -- Herr W. hat damit eine neue -Probe seines bedeutenden +gärtnerischen (!) Könnens+ gegeben (es -handelt sich um ein Teppichbeet) -- die Gedichte zeigen ein gesundes, -+ursprüngliches Fühlen+ -- in allen Briefen gibt er nur dem +einen -Fühlen+ Ausdruck -- Tilgner hat den Geist (!) des +österreichischen -Empfindens+ am besten zum Ausdruck gebracht -- zu der Verehrung für -das große +Wollen+ und +Können+ des Meisters gesellt sich das Mitleid -mit dem leidenden Menschen -- die Pyramiden der Ägypter erzählen uns -von dem +Fühlen+ und +Wollen+ ihrer Erbauer und deren Zeitepoche -(!). Das Neueste aber ist das +Erinnern+, das +Erleben+ und das -+Verstehen+: er bewahrte ihm ein +dankbares Erinnern+ -- für uns -moderne Menschen pflegt Italien das +größte Erleben+ unsers Daseins zu -sein -- ein Mann, in dessen +Erleben+ sich ein ganzes Stück deutscher -Geschichte spiegelt -- Böcklin konnte von dem +künstlerischen Erleben+ -abstrahieren, bei Klinger erschließt erst die Persönlichkeit das -Geheimnis (!) seiner Werke -- das Buch ist von +tiefem Verstehen+ für -den geheimnisvollen (!) künstlerischen Trieb des Meisters durchtränkt --- sie erfreute ihn durch +warmes+ geistiges +Verstehen+ -- nimm dieses -Buch in dein +treues und zartes Verstehen+ auf! Es kann einem ganz -schlimm und übel dabei werden. - - -Bedingen - -Wie unter den Hauptwörtern das Wort +Gesichtspunkt+, so ist unter -den Zeitwörtern das am unsinnigsten mißbrauchte Modewort jetzt -+bedingen+.[167] Der erste Band von Grimms Wörterbuch (1854) erklärt -+bedingen+ durch +aushalten+, +bestimmen+, +ausnehmen+. Im Sandersschen -Wörterbuche (1860) sind folgende Bedeutungen aufgezählt und belegt: -+verpflichten+, +festsetzen+, +ausmachen+, +beschränken+, von etwas -+abhängig machen+, außerdem eine Anwendung, die bei Grimm noch fehlt: -eine Sache +bedingt+ die andre, oder passiv: eine Sache +ist+ oder -+wird+ durch die andre +bedingt+; das Aktivum erklärt Sanders hier -durch +notwendig machen+, +erheischen+, +erfordern+, das Passivum durch -+abhängig sein+ von etwas. - -Nun vergleiche man damit den heutigen Sprachgebrauch (der Sinn, -in dem das Wort gebraucht ist, soll stets in Klammern hinzugefügt -werden). Da schreiben die einen: eine Laufbahn, die akademische -Vorbildung +bedingt+ (voraussetzt, verlangt, erfordert, erheischt, -notwendig macht) -- der große Aufwand, den die Aufführung dieser Oper -+bedingt+ (ebenso) -- die angegebnen Preise +bedingen+ die Abnahme -des ganzen Werkes (machen zur Pflicht) -- die Ausgaben für Saalmiete, -Beleuchtung und Annoncen +bedingen+ einen Berg von Kosten (verursachen) --- unsre ganzen Zeitverhältnisse +bedingen+ den zurückgegangnen -Theaterbesuch (sind die Ursache, bringen mit sich, sind schuld an) --- die Lage der Bergarbeiter zu studieren, ist es nötig, auch die -Verhältnisse zu berühren, die diese Lage +bedingen+ (schaffen, -hervorbringen, hervorrufen, erzeugen) -- der Sand- und Lehmboden -+bedingt+ eine besondre Flora (ebenso) -- dieses Korsett +bedingt+ -eleganten Sitz (!) des Kleides (schafft, bewirkt) -- der humanistische -Charakter des akademischen Studiums +bedingt+ das ganze Wesen unsrer -Universitäten (ist von Einfluß auf) -- bei Lessing +bedingte+ stets -die kritische Einsicht das dichterische Schaffen (ebenso) -- Tatsache -ist, daß gewisse Affekte den Eintritt des Stotteranfalls +bedingen+ -(herbeiführen) -- die Stellung der Türen in den Wänden +bedingt+ -wesentlich die Nutzbarkeit der Räume (von ihr hängt ab) -- nur -körperliches Leiden (Laokoongruppe!) +bedingt+ eine so gewaltsame -Anspannung aller Muskeln (macht erklärlich, macht begreiflich) -- -dieser Zweck +bedingt+ sowohl die Mängel als die Vorzüge des Werkes -(aus ihm erklären sich) usw. - -Nun der passive Gebrauch. Da wird geschrieben: die hohen Ränder -des Sees und der dadurch +bedingte+ Reichtum malerischer Wirkungen -(geschaffne) -- diese durch die Lage Englands +bedingte+ Gunst -des Glückes (ebenso) -- durch die Verkehrserleichterungen ist ein -Rückgang des Kommissionsgeschäfts +bedingt+ worden (bewirkt worden, -herbeigeführt worden) -- die durch die Großstadt +bedingte+ Vermehrung -der Arbeitsgelegenheit (bewirkte, verursachte) -- rascher Fortschritt -wird durch zahlreiche Mitarbeiter +bedingt+ (entsteht) -- der Ausfall -der Wahlen ist durch unzählige nicht in der Macht der Regierung -liegende Verhältnisse +bedingt+ (hängt ab von) -- die Zulassung zur -Fakultät war durch den Nachweis des philosophischen Magistergrades -+bedingt+ (hing ab von) -- der Erfolg des Mittels war durch die -Zuverlässigkeit der Leute +bedingt+ (ebenso) -- die Überholung Leipzigs -durch Berlin ist durch die Macht der äußern Verhältnisse +bedingt+ -(ist die Folge) -- diese Aussichtslosigkeit war durch die seit drei -Jahren gemachte Erfahrung +bedingt+ (war entstanden, war die Folge) -- -Glück wird durch Leistungsfähigkeit +bedingt+ (entsteht) -- die Gefahr -für den innern Frieden ist durch den Gegensatz zwischen Besitz und -Besitzlosigkeit +bedingt+ (liegt in, beruht auf, entsteht aus) -- die -durch den Reichtum +bedingten+ Lebensgenüsse (ermöglichten) usw. - -Überblicken wir die angeführten Beispiele, so ergibt sich folgendes. -Die einen gebrauchen +bedingen+ in dem Sinne von: +zur Voraussetzung -haben+. +A bedingt B+ -- das heißt: +A hat B zur Voraussetzung+, A -hängt von B ab, A ist undenkbar, wenn nicht B ist, A +verlangt+ also, -+erheischt+, +erfordert+ B. Das ist die vernünftige und berechtigte -Anwendung des Wortes: aus ihr erklärt sich das Wort +Bedingung+. Die -Aufführung der Oper +bedingt+ großen Aufwand -- das versteht jedermann; -es heißt: die Oper ist ohne großen Aufwand nicht aufführbar, der -Aufwand ist die Voraussetzung, die Bedingung einer guten Aufführung. - -Nun gebrauchen aber andre das Wort in dem Sinne von +bewirken+ und -den zahlreichen sinnverwandten Wörtern (+schaffen+, +erzeugen+, -+hervorbringen+, +hervorrufen+, +verursachen+, +zur Folge haben+). -A +bedingt+ B -- das heißt dann: A +ist die Ursache+ von B. B -+wird+ durch A +bedingt+ heißt: B +ist die Folge+ von A. Wie dieser -Bedeutungswandel möglich sein soll, ist unverständlich, es ist -schlechterdings nicht einzusehen, wie der Begriff der Voraussetzung zu -dem der Hervorbringung soll werden können. - -Es wird aber noch ein weiterer Schritt getan, namentlich in der -passivischen Anwendung des Wortes. B +wird+ durch A +bedingt+ -- das -heißt nicht bloß: B +wird+ durch A +bewirkt+, sondern B wird +nur+ (!) -durch A +bewirkt+, es kann durch nichts andres entstehen als durch A, -also mit andern Worten: B +hat+ A +zur Voraussetzung+. Und da wären -wir denn glücklich bei der vollständigen Verrücktheit angelangt. -Denn wenn es ganz gleichgiltig ist, ob jemand sagt: A hat B zur -Voraussetzung, oder B hat A zur Voraussetzung, B ist die Voraussetzung -von A, oder A ist die Voraussetzung von B, wenn das beides (!) mit -dem Satze ausgedrückt werden kann: A bedingt B (oder passiv: B wird -durch A bedingt), mit andern Worten: wenn es ganz gleichgiltig ist, -ob jemand sagt +bedingen+ oder +bedingt werden+, so ist das doch die -vollständige Verrücktheit. Auf diesem Punkte stehen wir aber jetzt. -Geschrieben wird: Glück +wird+ durch Leistungsfähigkeit +bedingt+ -- -die Zulassung zur Fakultät +wurde+ durch den Magistergrad +bedingt+, -also aktiv ausgedrückt: Leistungsfähigkeit +bedingt+ Glück -- der -Magistergrad +bedingte+ die Zulassung zur Fakultät. Gemeint ist aber: -Glück +bedingt+ (d. h. ist nicht denkbar ohne) Leistungsfähigkeit -- -die Zulassung zur Fakultät +bedingte+ (d. h. war nicht zu erlangen -ohne) den Magistergrad. - -Man übertreibt nicht, wenn man den gegenwärtigen Gebrauch von -+bedingen+ etwa so bezeichnet: wenn der Deutsche eine dunkle Ahnung -davon hat, daß zwei Dinge in irgendeinem ursächlichen Zusammenhange -stehen, aber weder Neigung noch Fähigkeit, sich und andern diesen -Zusammenhang klarzumachen, so sagt er: das eine Ding +bedingt+ -das andre. In welcher Reihenfolge er dabei die Dinge nennt, ober -sagt: Kraft +bedingt+ Wärme oder: Wärme +bedingt+ Kraft, ist ganz -gleichgiltig; der Leser wird sich schon irgend etwas dabei denken. - -Soll man sich denn aber nicht darüber freuen, daß dieses Wort eine -so bewundernswürdige Verwandlungsfähigkeit erlangt hat? Wenn es -vor fünfzig Jahren, wie die Wörterbücher zeigen, nur einen kleinen -Bruchteil der zahlreichen Bedeutungen hatte, die es heute hat, so ist -das doch ein Beweis für die wunderbare Triebkraft, die noch in unsrer -Sprache lebt. Aus einem einzigen Wort entfaltet sie noch jetzt einen -solchen Reichtum! -- Die Sache ist doch wohl anders anzusehen. Wenn -zwanzig sinn- und lebensvolle Wörter und Wendungen, die zur Verfügung -stehen, und die die feinste Schattierung des Gedankens ermöglichen, -verschmäht werden einem hohlen, ausgeblasnen Wortbalg wie diesem -+bedingen+ zuliebe, so ist das weder Reichtum noch Triebkraft, sondern -nur eine alberne Mode und zugleich ein trauriges Zeichen von der -zunehmenden Verschwommenheit unsers Denkens. - - -Richtigstellen und klarlegen - -Höchst merkwürdig ist es, daß man gleichzeitig mit +bedingen+, -diesem abstraktesten aller Zeitwörter, jetzt Ausdrücke mit möglichst -sinnlicher, handgreiflicher Bedeutung liebt. Die Fähigkeit, sich etwas -vorzustellen (die Phantasie), ist zurückgegangen; alles will man -sehen, alles betasten, alles mit Händen greifen. Nur so erklärt sich -die außerordentliche Vorliebe für die Zusammensetzungen mit +stellen+ -und +legen+, die jetzt statt früherer Abstrakta Mode geworden sind. -Stellen und legen -- dazu braucht man keine geistige Anstrengung, das -macht man mit den Händen. So wird denn jetzt niemand mehr +befriedigt+, -sondern +zufriedengestellt+, nichts mehr +vollendet+, +berichtigt+, -+gesichert+, +geklärt+, sondern alles wird +fertiggestellt+, -+richtiggestellt+, +sichergestellt+, +klargestellt+, +klargelegt+, -+festgelegt+ usw. Der Nervenarzt spricht sogar von +Ruhigstellung+ des -Gehirns, statt von +Beruhigung+. Oder soll das Gehirn in dem Sinne -+ruhig gestellt+ werden, wie die Suppe +warm+ und der Wein +kalt -gestellt+ wird? - -Auf den ersten Blick scheint es ja, als ob sich die Wörter durch eine -gewisse Anschaulichkeit empföhlen. Bei +richtigstellen+ soll man wohl -nicht an die Zeiger der Uhr denken, sondern eher an ein Bild, das -falsch beleuchtet gewesen ist und nun in die richtige Beleuchtung -gestellt wird, oder an Gerätschaften im Zimmer, die durcheinander -geraten sind und wieder auf ihren Platz gestellt werden; ähnlich, -kann man sagen, werden Tatsachen, die verschoben sind, zurechtgerückt -oder ins rechte Licht gestellt. Das läßt sich hören. Aber was soll -+fertigstellen+ sein? Das Wort kann doch vernünftigerweise nichts -andres bedeuten, als eine Sache so lange hin und her rücken, so -lange an ihr gleichsam herumstellen, bis sie -- steht. Das will man -aber doch gar nicht sagen, das Wort wird einfach für +fertigmachen+, -+beendigen+ oder +vollenden+ gebraucht; von einem Romanmanuskript, -einem Gemälde oder einem Antikenmuseum so gut wie von einem Denkmal -oder einem Straßenpflaster heißt es: es ist +fertiggestellt+.[168] -Ganz törichte Wörter sind +klarlegen+ und +klarstellen+. Klar kann in -sinnlicher Bedeutung nur von der Luft und von Flüssigkeiten gebraucht -werden.[169] Wie soll man die auf eine feste Unterlage +legen+ oder -+stellen+? Beide Wörter sind gedankenlos gebildet nach +freistellen+ -und +bloßstellen+, +freilegen+, +bloßlegen+ und +lahmlegen+. Gerade -diese aber können den Unterschied zeigen: wie richtig sind +sie+ -gebildet! Wie anschaulich wird gesagt: den Dom +freilegen+ (nämlich -durch Wegreißen der Nachbarhäuser), oder: einen Schaden +bloßlegen+ -- -unwillkürlich denkt man an den Arzt, der Haut und Muskeln auf die Seite -legt, bis der verletzte Knochen +bloßliegt+, oder: einen in seiner -Tätigkeit +lahmlegen+ -- denn wer gelähmt ist, der ist ja zum +Liegen+ -verurteilt! Besser ist +festlegen+ gebildet; man redet z. B. davon, -daß die Ostertage +festgelegt+ werden sollen. Bisher hatten wir nur -+feststellen+ und +festsetzen+, aber beides drückt doch das nicht recht -aus, was man sagen will: etwas bewegliches gleichsam aufschrauben, daß -es sich nicht mehr rühren kann, etwa wie die Pfote eines Hündchens -bei der Vivisektion. Gräßliches Bild! Aber man geht vielleicht -nicht fehl damit, wenn man nach der Herkunft von +festlegen+ sucht. -Das Neueste ist -- +leerstellen+ und +offenstellen+. Ein Leipziger -Baubeamter schreibt: den Bewohnern ist schon gekündigt; sowie die -Gebäude +leergestellt+ sein werden, sollen sie +zum Abbruch gebracht+ -(!) werden. Und ein Zeitungschreiber berichtet: Fabrikbesitzer haben -Gärten für ihre Arbeiter geschaffen, aber auch für die übrigen Bewohner -+offen gestellt+. Natürlich, die guten Wörter +räumen+ und +öffnen+ -sind den Leuten nicht eingefallen; aber sie haben einmal davon gehört, -daß ein Haus +leer steht+ und ein Garten +offen steht+, da muß man sie -doch auch +leer stellen+ und +offen stellen+ können. Und so wird die -Stellerei wohl fröhlich weitergehen. - - -Fort oder weg? - -Nichts weiter als eine Modeziererei ist es auch, daß man das Adverbium -+weg+ zu verdrängen und überall +fort+ an seine Stelle zu setzen sucht. -Die Mode stammt aus dem Niederdeutschen, hat sich zunächst in das -Berliner Deutsch eingedrängt und dann von da aus weitergefressen. - -Unleugbar gibt es eine Anzahl von Zeitwörtern, bei denen es keinen -fühlbaren Unterschied macht, ob sie mit +weg+ oder mit +fort+ -zusammengesetzt werden. Aber ebenso sicher gibt es eine Anzahl andrer, -bei denen bisher in der Anwendung von +weg+ und +fort+ nicht bloß ein -feiner, sondern ein ziemlich grober Unterschied gemacht worden ist, -den alle guten Schriftsteller beobachtet haben und noch beobachten. -+Fort+ nämlich (verwandt mit +vor+ und +vorn+) steht in dem Sinne von -+vorwärts+, wobei stets ein bestimmtes Ziel vorschwebt, wenn es auch -nicht genannt ist; es wird überdies nicht bloß vom Raume, sondern auch -von der Zeit gebraucht. +Weg+ dagegen (dasselbe wie +Weg+) wird nur -räumlich gebraucht und bedeutet: +aus dem Wege+, +auf die Seite+, wobei -man nicht an ein Ziel, sondern an ein Verschwinden denkt. Wer verreisen -will, kann sagen: mein Koffer ist glücklich +fort+, in einer Stunde -fahre ich; es kann aber auch vorkommen, daß er sagen muß: ich kann -nicht fahren, mein Koffer ist +weg+. In einer Volksmasse wird jemand -mit +fortgerissen+, d. h. in die Strömung hinein, auch von Begeisterung -wird jemand +fortgerissen+, z. B. dem hohen Ziele zu, zu dem uns -der Künstler führen will; aber eine Mauer, ein Haus, ein Damm wird -+weggerissen+. Wer aus der großen Stadt auf ein einsames Dorf zieht, -kommt sich anfangs wie +weggesetzt+ vor, aber nicht wie +fortgesetzt+. -Der Bruder sagt zur Schwester: +setze+ deine Malerei (das Malgerät) -jetzt +weg+, wir wollen Klavier spielen: nach einer Stunde aber: es -ist genug, +setze+ deine Malerei (das Malen) nun +fort+. Wenn ich ein -Bild abzeichne, auf dem auch ein Sperling dargestellt ist, so kann ich -den Sperling +weglassen+; wenn ich aber einen lebendigen Sperling in -der Hand habe, so kann ich ihn +fortlassen+. Auf sumpfiger Landstraße -kann man schlecht +fortkommen+, aber bei einem gewagten Geschäft kann -man schlecht +wegkommen+. Von zwei Hunden, die aus +einem+ Napfe -saufen sollten, kann ich sagen: der große hat dem kleinen alles -+weggesoffen+; ein bekannter § 11 aber lautet: es wird +fortgesoffen+. -Wie jemand das Bedürfnis nach diesen Unterscheidungen verlieren kann, -ist unbegreiflich. Aber die Zahl derer, die sich einbilden, +weg+ sei -gemein, +fort+ sei fein, wird immer größer; man sagt nur noch: die -beiden letzten Sätze der Symphonie wurden +fortgelassen+ -- wo wurden -sie denn hingelassen? die Mauern auf der Akropolis sind +fortgebrochen+ -worden -- wo sind sie denn hingebrochen worden? Sie hatte das Bild -+fortgeschlossen+ -- der Damm wurde durch Überschwemmung +fortgerissen+ --- es ist eine nicht +fortzuleugnende+ (!) Tatsache -- ich habe darüber -+fortgelesen+ (!) -- meine Bleistifte +kommen+ mir immer +fort+ (!) --- er hat mir meine Mütze +fortgenommen+ (!) -- so ist es richtig -Berlinisch, und wer ein feiner Mann sein will, der schwatzt es nach. -Vielleicht +setzt+ man +sich+ auch noch über einen schweren Verlust -+fort+ oder spricht sich +fortwerfend+ über jemand aus, und in den -Berliner Gymnasien singt man vielleicht nächstens in Uhlands Gutem -Kameraden: ihn hat es +fortjerissen+, er liegt mir vor den Füßen. - - -Schwulst - -Daß die Sprachmode wie die Kleidermode auch den Schwulst liebt, ist -kein Wunder. Schon die bisherigen Beispiele haben es zum Teil gezeigt, -aber es gibt noch viele andre. Auch die Sprache hat ihre Reifröcke, -ihre Schinkenärmel, ihre Schleppen; die Sucht, sich möglichst breit -auszudrücken, geht durch unsre ganze Schriftsprache. Wo für einen -Begriff zwei Wörter zur Verfügung stehen, ein kurzes und ein langes, da -wird gewiß das lange vorgezogen. Man schreibt nicht +sein+, +haben+, -+können+, +kommen+, +geben+, +sehen+, sondern +sich befinden+ (z. B. -in großer Verlegenheit), +besitzen+, +vermögen+ (die Hälfte der -Bevölkerung +vermag+ weder zu lesen noch zu schreiben), +gelangen+, -+verleihen+ (Ausdruck wird immer +verliehen+, nicht +gegeben+), -+erblicken+. Und doch, wie unpassend ist das oft! +Erblicken+ z. B. -bezeichnet ja den Augenblick, wo ich etwas zu sehen anfange (vgl. S. -355), wo mir etwas ins Auge fällt, mag ich es nun vorher gesucht haben -oder nicht: eine Stunde lang hatte ich mich in dem Menschengewühl -nach ihm umgesehen, endlich +erblickte+ ich ihn. Aber: ich +erblicke+ -darin einen großen Fehler, oder: darin ist ein großer Fortschritt zu -+erblicken+ -- wie jetzt immer geschrieben wird --, oder: die meisten -haben sich verleiten lassen, in dem Märchen eine Verherrlichung des -Freimaurertums zu +erblicken+ -- ist doch sinnwidrig; denn hier -handelt sichs ja um eine dauernde Ansicht, und die kann nur durch das -schlichte, einfache +sehen+ ausgedrückt werden. - -Zahllos sind die Fälle, wo ein einfaches Verbum ganz unnötigerweise -durch eine Redensart umschrieben wird, wie +Folge leisten+, +Verzicht -leisten+, +Abbitte leisten+ u. ähnl., oder durch eine schleppende -Weiterbildung verdrängt wird. Geld wird nicht mehr +eingenommen+ und -+ausgegeben+, sondern nur noch +vereinnahmt+ und +verausgabt+. Die -Kosten einer Sache werden nicht mehr so und so hoch +angeschlagen+, -sondern +veranschlagt+. Prozente werden nicht +abgezogen+, sondern -+verabzugt+, Porto wird nicht +ausgelegt+, sondern +verauslagt+, und -ein kluger, aufgeweckter Junge heißt nicht mehr glücklich +angelegt+, -sondern +beanlagt+ oder +veranlagt+. Lauter fürchterliche Wörter -- -aus dem Zeitwort ist ein Hauptwort gebildet, und aus dem Hauptwort -dann wieder ein Zeitwort! Freilich sind sie nicht schlimmer als -+beauftragt+, +beaufsichtigt+ (vgl. +Aufseher+), +beansprucht+ (statt -+angesprochen+), +bevorzugt+ (statt +vorgezogen+), +beeinflußt+, -+bewerkstelligt+ (man überlege sich einmal, was +Werkstelle+ heißt!), -Wörter, an die wir uns längst gewöhnt haben, und die bei ihrem -ersten Auftauchen für feinfühligere Ohren gewiß ebenso fürchterlich -gewesen sind wie für uns heute +vereinnahmt+ und +verauslagt+; aber -es ist doch gut, sich des Schwulstes bewußt zu werden. Auch in der -Häufung der Präfixe und Präpositionen vor den Zeitwörtern können sich -manche nicht genug tun. Da wird ein Stipendium nicht +ausgezahlt+, -sondern +ausbezahlt+, da werden +anlangen+ und +betreffen+ beide -zu +anbelangen+ und +anbetreffen+ verlängert, man +lebt sich+ in -einen Gedanken +hinein+ (statt +ein+), man führt ein Musikwerk +mit -Hinweglassung+ des Chors auf (statt: +ohne+ Chor), vor allen Dingen -aber +bildet sich+ nichts mehr +aus+, sondern alles bildet sich -+heraus+: schon lange vor Einführung der Buchdruckerkunst hatte sich -bei der Kirche die Sitte +herausgebildet+ usw. Woherrraus denn? -Der Ausdruck hat etwas so gewaltsames, daß man die Sitte wie aus -einem Krater hervorbrodeln sieht. Am Ende werden noch Trinksprüche -+hinausgebracht+ und einem ein paar Hiebe +hinaufgezählt+. Und welcher -Schwulst, wenn jedes +auch+ durch +ebenfalls+ oder +gleichfalls+, jedes -+viel+ durch +zahlreich+, jedes +oft+ durch +häufig+, jedes +nur+ durch -+lediglich+, jedes +viel+ vor dem Komparativ (+viel+ weniger) durch -+bedeutend+, +unvergleichlich+, +unverhältnismäßig+ oder womöglich gar -+unendlich+ ersetzt, jedes +sehr+ und +mehr+ umschrieben wird durch: -+in hohem Grade+, +in ausgedehntem Maße+, +in höherm Grade+, +in -erhöhtem Maße+, jedes +so+ durch: +auf diese Art und Weise+, wenn für -+näher+, +weiter+, +länger+, +breiter+, +öfter+ immer geschrieben wird: -+des nähern+ (oder gar +näheren+), +des weitern+, +des längern+, +des -breitern+, +des öftern+, oder wenn jemand Bericht erstattet nicht +als+ -Rektor oder Vorsitzender, sondern +in seiner Eigenschaft als+ Rektor, -+in seiner Eigenschaft als+ Vorsitzender, wenn +schwere+ Bedenken oder -Vorwürfe zu +schwerwiegenden+ Bedenken und Vorwürfen, eine +schwere+ -Aufgabe zu einer +mit Schwierigkeiten verbundnen+, eine +erste+ -Aufführung und eine +erste+ Einrichtung zu +erstmaligen+ gemacht werden -(die +erstmalige+ Zusammenkunft der deutschen Architekten fand 1842 in -Leipzig statt),[170] oder wenn immer von +Vorahnung+, +Voranschlag+, -+Vorbedingung+, +Rückerinnerung+, +Beihilfe+, +Herabminderung+ geredet -wird, als ob man Bedingungen auch hinterher stellen, sich an ein -Erlebnis auch voraus erinnern oder einen Aufwand hinaufmindern könnte! -Wie der Schwulst immer mehr zunimmt, mag folgendes Beispiel zeigen: -der Fall +ist+ sehr verwickelt -- der Fall +liegt+ sehr verwickelt --- der Fall +ist+ sehr verwickelt +gelagert+ -- die +Lagerung+ des -Falls +ist+ sehr verwickelt -- die +Lagerung+ des Falls +ist eine+ -sehr verwickelte. Weiter gehts nicht! In solchem Deutsch spricht man -aber jetzt mit Vorliebe in Vereinsversammlungen, schreibt man in -Jahresberichten, ja man unterhält sich darin schon am Biertisch, denn -so schreiben die Leitartikelschreiber und die Reporter des Lokalblatts, -und das sind ja die Lehrmeister des Volks auch in Sprachdingen. - - -Rücksichtnahme und Verzichtleistung - -Erzeugnisse des Sprachschwulstes sind unter den Substantiven besonders -die Zusammensetzungen mit +nahme+, die in neuerer Zeit so beliebt -geworden sind: +Parteinahme+, +Stellungnahme+, +Rücksichtnahme+, -+Einsichtnahme+, +Anteilnahme+, +Abschriftnahme+, sogar +Einflußnahme+ -und +Rachenahme+! Einige dieser Bildungen sind ganz überflüssig. -Oder könnte es wirklich mißverstanden werden, wenn jemand sagt: er -handelte ohne +Rücksicht+ auf seine Freunde -- lege mir die Papiere zur -+Einsicht+ vor -- ich erhielt von ihm die Tafeln zur +Abschrift+? Wozu -das -+nahme+? Offenbar soll es die Handlung ausdrücken. Aber die liegt -doch schon in +Rücksicht+, +Einsicht+ und +Abschrift+, fühlt man das -gar nicht mehr? Recht töricht ist +Einflußnahme+, denn Einfluß hat man -entweder, oder man gewinnt ihn, man kann ihn auch zu gewinnen suchen, -sich ihn sogar anmaßen, aber man „nimmt“ ihn nicht. +Anteilnahme+ (in -Leipzig +Ahnteilnahme+ ausgesprochen) ist nichts als eine häßliche -Verbreiterung von +Teilnahme+. Man scheint sich jetzt einzubilden, -+Teilnahme+ sei auf traurige Ereignisse, Unglücksfälle, Todesfälle -u. dgl. zu beschränken, in allen andern Fällen müsse es +Anteilnahme+ -heißen. Ein vernünftiger Grund zu einer solchen Unterscheidung liegt -nicht vor. Es wäre doch lächerlich, wenn nicht auch bei einem freudigen -Ereignis meine +Teilnahme+ genügte; +Parteinahme+ und +Stellungnahme+ -scheinen auf den ersten Blick unentbehrlich zu sein, aber doch nur -deshalb, weil man immer in ein Substantiv zusammenquetschen zu müssen -glaubt, was man mit dem Verbum sagen sollte. - -Wie mit +Rücksichtnahme+ aber verhält sichs auch mit +Hilfeleistung+ -und +Verzichtleistung+; +Hilfe+ und +Verzicht+ sagen genau dasselbe. - - -Anders, andersartig und anders geartet - -Ein entsetzlicher Schwulst greift neuerdings unter gewissen -Eigenschaftswörtern um sich: man fühlt nicht mehr oder tut so, als -ob man nicht mehr fühlte, daß diese Eigenschaftswörter eben die Art, -die Eigenschaft eines Dinges bezeichnen, sondern glaubt, das noch -besonders ausdrücken zu müssen, indem man das Wort +Art+ zu Hilfe -nimmt. Bildungen wie +gutartig+, +bösartig+ und +großartig+ sind ja -schon alt und haben mit der Zeit einen Sinn angenommen, der sich -von dem einfachen +gut+, +böse+ und +groß+ unterscheidet, wiewohl -zwischen einem +bösen+ Hund und einem +bösartigen+ Hund, einer +großen+ -Auffassung und einer +großartigen+ Auffassung ein recht geringer -Unterschied ist. Aber schon +fremdartig+ und +verschiedenartig+ ist -doch oft nichts als eine überflüssige Verbreiterung von +fremd+ und -+verschieden+. Oder wäre es wirklich nicht mehr deutlich, wenn man -sagt: es ist dem innersten Wesen des Deutschen +fremd+ -- oder wenn man -Gaslicht und elektrisches Licht +verschiednes+ Licht nennt? Vollends -unnötiger Schwulst aber ist in den meisten Fällen das neumodische -+andersartig+ für +anders+. Oder ist es etwa nicht mehr zu verstehen, -wenn jemand sagt: die Befriedigung, die wir aus der Kunst schöpfen, ist -eine ganz +andre+ als die, die uns die Natur gewährt? (Vgl., was S. 370 -über +eigen+ und +eigenartig+ gesagt ist.) - -Man begnügt sich aber schon nicht mehr mit den Zusammensetzungen von -+artig+ -- es scheint das noch nicht schwülstig genug zu sein --, -sondern hat das herrliche Partizip +geartet+ erfunden und schreibt nun -nicht bloß von einer +anders gearteten+ Zeit und +anders gearteten+ -Verhältnissen, sondern auch von einer +so gearteten+ Begabung (statt -von einer +solchen+), von +ähnlich gearteten+ Unternehmungen (statt von -+ähnlichen+) usw. Ist der heutige Sextaner +anders geartet+ als der -frühere? -- man sah der Ausführung zwar mit +anders gearteter+, aber -nicht geringerer Spannung entgegen -- wären alle Deutschen Österreichs -+so geartet+ wie die Siebenbürger Sachsen -- das Schöffengericht hat in -einem ganz +ähnlich gearteten+ Falle auf Freisprechung erkannt (vgl. S. -408 den +gelagerten+ Fall!) -- mit der besondern Veranlassung war auch -eine +besonders geartete+ Zuhörerschaft gegeben -- so spreizt man sich, -und dabei ist man womöglich noch stolz auf seinen Scharfsinn, der den -Unterschied zwischen +ähnlich+ und +ähnlich geartet+ ausgediftelt hat. - -Vielleicht erleben wirs noch, daß auch +anders geartet+ nicht mehr -genügt, daß man sagt: die Befriedigung, welche (!) wir aus der Kunst -schöpfen, ist eine ganz +andersartig geartete+ als diejenige, welche -(!) uns die Natur gewährt. Breiter könnte dann der Ausdruck beim besten -Willen nicht genudelt werden. - - -Haben und besitzen - -Wohin es führt, wenn man ein kurzes Zeitwort immer gedankenlos und -aus bloßer Neigung zur Breite durch ein längeres ersetzt, zeigt am -besten der heutige Mißbrauch von +besitzen+ für +haben+. Auch er ist, -wie der Mißbrauch des Zeitworts +bedingen+ (vgl. S. 398), zu völliger -Verrücktheit ausgeartet. - -Die Grundbedeutung von +haben+ ist +halten+, +in der Hand haben+. -Aus ihr hat sich dann leicht die des Eigentums, des Besitzes -entwickelt, wie sie deutlich in +Habe+ vorliegt. Aber damit ist die -Anwendung des Wortes nicht erschöpft: mit +haben+ läßt sich fast -jeder denkbare Zusammenhang, jedes denkbare Verhältnis zwischen zwei -Dingen ausdrücken. +Besitzen+ dagegen bedeutet ursprünglich +auf -etwas sitzen+. Das erste, was der Mensch „besaß“, war unzweifelhaft -der Grund und Boden, auf dem er saß. Noch im siebzehnten Jahrhundert -„besaß“ der Richter die Bank, der Reiter das Pferd, die brütende -Henne die Eier. Vom Grund und Boden ist das Wort dann auf andre Dinge -übertragen worden, die unser Eigentum sind, vor allem auf das Haus, -das auf dem Grund und Boden errichtet ist -- auch dieses „besitzt“ man -noch im eigentlichen Sinne des Wortes, man sitzt darin, man ist Insasse -des Hauses --, dann auch auf alle fahrende Habe, auf allen Hausrat und -endlich auf das liebe Geld. Damit ist aber die sinngemäße Anwendung des -Wortes erschöpft. - -Bedenklich ist es schon, Kinder als Besitztum der Eltern zu bezeichnen: -er +besaß+ vier +Kinder+, zwei Söhne und zwei Töchter. Eltern -+haben+ Kinder, aber sie +besitzen+ sie nicht. Dasselbe gilt von dem -Verhältnis des Herrn zum Diener, des Herrschers zu den Untertanen, -des Freundes zum Freunde. Es ist abgeschmackt, zu schreiben: er hatte -viele sympathische Züge, und doch +besaß+ er keinen +Freund+. Wer die -Abgeschmacktheit nicht fühlen sollte, der kehre sich die Verhältnisse -um; wenn Eltern Kinder, ein Herrscher Untertanen „besitzt“, dann -„besitzen“ auch Kinder Eltern und Untertanen einen Herrscher. In der -Tat schrickt man auch vor solchem Unsinn schon nicht mehr zurück; man -schreibt: er +besaß Eltern+, die töricht genug gewesen waren, in seinen -Kinderjahren die Keime der Genußsucht in seinem Herzen zu pflegen -- -Tycho Brahe +besaß+ auch entfernte +Verwandte+ in Schweden -- wir -+besitzen+ in unsrer Verwandtschaft einen berühmten +Astronomen+ -- -Preußen +besitzt+ in den Hohenzollern ein +Herrschergeschlecht+, um -das es jedes andre Land beneiden kann. Ist das richtig, dann kann man -schließlich auch einen Onkel, einen Großvater, einen Gönner, einen -Widersacher „besitzen“, eine Stadt kann einen Bürgermeister, eine -Kompagnie einen Hauptmann „besitzen“.[171] - -Ebenso bedenklich ist es, einen Teil unsers eignen Selbst, also -entweder den Körper oder den Geist oder einen Teil des Körpers als -unser Besitztum zu bezeichnen und zu schreiben: er +besaß+ einen -kräftigen, wohlgebauten +Körper+ -- sie +besaß+ eine feine, schmale, -wohlgepflegte +Hand+ (in Romanen sehr beliebt!) -- ein Kind, das -ganz normal entwickelt ist, aber leider keine +Augen besitzt+ -- ich -habe dir treu gedient, ohne daß du ein +Auge+ dafür +besaßest+ -- er -+besaß+ ein +Ohr+ für den Pulsschlag der Zeit -- die Soldaten möchten -bedenken, daß die Schwarzen auch ein +Herz besäßen+. Derselbe Fall ist -es, wenn Bestandteile einer Sache als Besitztum der Sache bezeichnet -werden, z. B.: die Peterskirche +besitzt+ eine Menge kleiner +Türmchen+ --- der Turm +besitzt+ auf jeder Seite eine +Uhr+ -- das Stück -+besitzt+ fünf +Akte+ -- das Werk +besitzt+ über 100 +Abbildungen+ --- die spanisch-maurischen Fayencen +besaßen+ eine +Zinnglasur+ -- -das Buschweidenröschen +besitzt+ einen unterirdischen wurzelartigen -+Stengel+ -- diese Schaftstiefel +besitzen+ +Doppelsohlen+, oben von -Leder, unten von Blech -- wir reden von Fensterscheiben, die doch meist -vier +Ecken besitzen+. - -Unzählig aber sind nun die Fälle, wo gar äußere oder innere -Eigenschaften einer Person oder Sache, Zustände, Empfindungen, -Geistestätigkeiten und ähnliches unsinnigerweise als Besitztum der -Person oder Sache hingestellt werden. Da schreibt man z. B: dieser -Orden wird auch an solche Leute verliehen, die keinen +Hofrang -besitzen+ -- er +besaß+ eine auskömmliche +Stellung+ -- Herr R. +besaß+ -damals ein +Engagement+ in Leipzig -- so wenig wird man begriffen, -wenn man die +Eigenschaften+ des Künstlers +besitzt+ -- K. +besitzt+ -dazu weder das reife, ruhige +Urteil+, noch die nötige +Sachlichkeit+, -ja auch die nötige +Wahrheitsliebe+ -- unsre Juden +besitzen+ nicht -die +Feinheit+ der Empfindung, vor dieser deutlichen Ablehnung -zurückzutreten -- einige Tanzweisen der nordischen Völker +besitzen+ -mit denen der alten Deutschen große +Ähnlichkeit+ -- der hochgeehrte -Rat wolle die +Güte besitzen+, unser Gesuch wohlwollend in Erwägung -zu ziehen -- das moderne Theater +besitzt+ einen ganz bestimmten -+Charakter+ -- entscheidend ist die Frage, ob die bedeutendern -Künstler diese +Kennzeichen+ des Klassizismus +besitzen+ oder nicht --- die +Bedeutung+, die in der Entwicklung Englands die normannische -Eroberung +besitzt+ -- die Reise des Kaisers nach London scheint eine -politische +Bedeutung+ zu +besitzen+ -- fast alle englischen Offiziere -+besitzen Spitznamen+ -- beide Bauten +besitzen+ einen langgestreckten, -rechteckigen +Grundriß+ -- diese epochemachende Camera +besitzt+ -folgende +Einrichtung+ -- der Mann +besitzt+ die stattliche +Größe+ von -2,26 Metern -- die Passage +besitzt+ eine +Länge+ von dreiundvierzig -Metern -- die Zigarre +besitzt+ einen schönen, angenehmen +Brand+ --- dieser Fleischextrakt +besitzt+ den +Wohlgeschmack+ des frischen -Fleisches -- diese Sprachen +besaßen+ nur die +Stellung+ von Mundarten --- man muß sich bewußt bleiben, daß diese Unterscheidung keinen -theoretischen, sondern nur einen praktischen +Wert besitzt+ -- der -Name dieses Künstlers +besitzt+ für uns alle einen vertrauten +Klang+ --- das Genie +besitzt+ eine +Verwandtschaft+ mit dem Wahnsinn -- -priesterlicher Gesang kann nicht die +Töne besitzen+, aus denen -das leise Erzittern des frommen Herzens spricht -- für die moderne -Revolution +besitzen+ Dichter und Denker kaum eine geringere -+Bedeutung+ als die Männer der Tat -- man +besitzt+ in Preußen volles -+Verständnis+ für den sächsischen Standpunkt -- wir +besitzen+ an -einer Vermehrung der Streitkräfte unsrer Nachbarn nicht das geringste -+Interesse+ -- die Landstreicher zerfallen (!) in solche, deren Streben -darauf gerichtet ist, bald wieder Arbeit zu finden, und solche, die -dieses +Streben+ nicht +besitzen+ -- die meisten Menschen +besitzen+ -den sehnlichen +Wunsch+, möglichst lange zu leben -- die Behörden -+besaßen+ keine +Ahnung+ von den ihnen obliegenden Pflichten -- wer mit -dem Volksleben nicht die geringste persönliche +Fühlung besitzt+ -- er -+besaß+ die moralische +Überzeugung+ von ihrer Unschuld -- er hatte -die Kühnheit, eine eigne +Meinung+ zu +besitzen+ (warum nicht auch: -er +besaß+ die +Kühnheit+?) -- zu dem praktischen Blick seiner Mutter -+besaß+ er unbedingtes +Vertrauen+ -- die Neuberin +besaß+ jedenfalls -mehr +Begeisterung+ für die Kunst als Pollini -- jeder Preuße, der -die +Befähigung+ zu den Gemeindewahlen +besitzt+ -- die Erde +besitzt -Raum+ genug für den Wettkampf der zwei germanischen Völker (Schiller: -+Raum+ für alle +hat+ die Erde!) -- Leute, die gern Konjekturen machen, -+besitzen+ hier ein ergiebiges +Arbeitsfeld+ -- wir +besitzen+ hier -einen zuverlässigen +Ausgangspunkt+ -- nun erst +besaßen+ die Künstler -den +Malgrund+, auf dem sie bequem arbeiten konnten -- da er keine -Beweise vorgebracht hat, muß man annehmen, daß er keine +Beweise besaß+ --- gegen die Diphtheritis +besitzen+ die Naturärzte eine +Behandlung+ -von ausgezeichnetem Heilerfolg -- der Entschlafne +besitzt+ ein volles -+Anrecht+ darauf, daß wir ihn durch Worte dankbarer Erinnerung ehren -- -die Fortbildungsschüler müssen noch eine Menge Dinge lernen, in denen -sie schon +Übung besitzen+ sollten -- das Konsistorium wird hoffentlich -die +Konsequenz besitzen+ (so konsequent sein!), ebenfalls aus dem Amte -zu scheiden -- es traten Persönlichkeiten auf, die zum Klagen nicht den -geringsten +Grund besaßen+. In Leipzig kann man sogar schon auf der -Straße hören: Nee, so ’ne +Frechheet+ zu +besitzen+! - -Ein Recht auf eine Sache kann gewiß unter Umständen als eine Art -wertvollen Besitztums aufgefaßt werden. Dasselbe gilt von Kenntnissen -und Fertigkeiten. Aber das meinen doch die gar nicht, die gedankenlos -so etwas hinschreiben, wie daß der Entschlafne (!) ein Anrecht auf -dankbare Erinnerung „besitze“. +Haben+ kann auch ein Entschlafner noch -alles mögliche, +besitzen+ kann er schlechterdings nichts mehr. Aber -auch der Lebende kann alle die andern schönen Dinge, wie Begeisterung, -Streben, Interesse, Verständnis, Vertrauen, Kühnheit, „Frechheet“, wohl -haben, aber nicht besitzen. +Güte haben+ ist ja nur eine verbreiternde -Umschreibung von +gut sein+, +Ähnlichkeit haben+ eine Umschreibung von -+ähnlich sein+. Das sind aber Eigenschaften, keine Besitztümer. - -Vollends lächerlich ist es, wenn Eigenschaften oder Zustände, die -einen Schaden oder Mangel bilden, als Besitztümer bezeichnet werden. -Und doch wird auch geschrieben: das +Leiden+, das +er besaß+, war eine -Blasenfistel -- beim Verhör stellte sich heraus, daß er eine tiefe -+Wunde+ am Jochbein sowie eine +Schußwunde+ oberhalb der Herzgegend -+besaß+. Ja sogar Schulden werden als Besitztum hingestellt: das Reich -und die Einzelstaaten +besitzen+ gegenwärtig etwas über zehn Milliarden -+Staatsschulden+. Nettes Besitztum! - -Aber auch das bloße Dasein, Vorhandensein, Bestehen einer Sache -an irgendeinem Orte, in einem bestimmten örtlichen Umkreis oder -sonstigen Bereich läßt sich wohl mit +haben+ ausdrücken, aber nicht -mit +besitzen+. In Leipzig +sind+ sechs Bahnhöfe, oder: in Leipzig -+gibt es+ sechs Bahnhöfe -- dafür kann man auch sagen: Leipzig +hat+ -sechs Bahnhöfe. Aber zu schreiben: Leipzig +besitzt+ sechs +Bahnhöfe+ --- ist Unsinn. Leipzig besitzt eine Anzahl Waldungen, Rittergüter, -auch öffentliche Gebäude, aber seine sechs Bahnhöfe +hat+ es nur. -Auf die Spitze getrieben erscheint der Unsinn, wenn die Angabe des -Ortes wegfällt und nur gesagt werden soll, daß eine Sache überhaupt -da sei. Anstatt: es ist das die älteste +Nachricht+, die es hierüber -+gibt+ -- kann man auch sagen: es ist das die älteste +Nachricht+, -die wir hierüber +haben+, wir, nämlich alle, die sich mit der Sache -beschäftigen. Welch törichtes Gespreiz aber, dafür zu schreiben: es ist -das die älteste +Nachricht+, die wir darüber +besitzen+ -- Weltrichs -Buch ist die beste wissenschaftliche +Biographie+ Schillers, die wir -+besitzen+ -- Minors Kommentar bedeutet (!) das Beste, was wir bis -jetzt über den Faust +besitzen+. - -Die Neigung, +besitzen+ zu schreiben, wo +haben+ gemeint ist, ist -freilich nicht von heute und gestern, sie findet sich schon im -achtzehnten Jahrhundert. Man denke nur an die Worte des Schülers im -Faust: - - Denn was man schwarz auf weiß +besitzt+, - Kann man getrost nach Hause tragen, - -oder an den Goethischen Spruch: - - Wer Wissenschaft und Kunst +besitzt+, - +Hat+ auch Religion; - Wer jene beiden nicht +besitzt+, - Der +habe+ Religion. - -Sieht man sich aber die Stellen, wo so geschrieben ist, näher an, -so sieht man, daß es meist mit Absicht geschehen ist, weil eben die -Sache, um die sichs handelt, als eine Art von Besitztum hingestellt -werden soll, oder es ist der Abwechslung, des Reims, des Rhythmus -wegen geschehen.[172] Zur gedankenlosen Mode ist es erst in unsrer -Zeit ausgeartet. Nun hat es aber auch so um sich gegriffen, daß man -auf alles gefaßt sein muß. Es ist gar nicht undenkbar, daß wir noch -dahin kommen, daß einer auch Recht oder Unrecht, Glück oder Unglück -+besitzt+, eine Pflicht oder Verpflichtung +besitzt+, Zeit zu einer -Arbeit, Lust zu einer Reise +besitzt+, Hunger oder Durst +besitzt+, -schlechte Laune +besitzt+, das Scharlachfieber +besitzt+, einen Floh -+besitzt+ usw. - - -Verbalsurrogate - -Zum Sprachschwulst gehört auch die immer weiter fressende, kaum noch -irgendeinen Tätigkeitsbegriff verschonende Umschreibung einfacher -Zeitwörter durch +ziehen+ und +bringen+ im Aktiv, +gezogen+ oder -+gebracht werden+, +kommen+, +gelangen+ und +finden+ im Passiv. -Nichts wird mehr +erwogen+, +überlegt+, +erörtert+, +betrachtet+, -+berücksichtigt+, sondern alles wird +in Erwägung+, +in Überlegung+, -+in Erörterung+, +in Betracht+, +in Berücksichtigung gezogen+. Nichts -wird mehr +vorgelegt+, +vorgetragen+, +aufgeführt+, +dargestellt+, -+wiederhergestellt+, +ausgeführt+, +durchgeführt+, +angeregt+, -+angerechnet+, +vorgeschlagen+, +angezeigt+, +verkauft+, +verteilt+, -+versandt+, +ausgegeben+, +angewandt+, +erledigt+, +entschieden+, -+erfüllt+, sondern alles wird +zur Vorlage gebracht+, +zum Vortrag -gebracht+, +zur Aufführung+ oder +zur Darstellung gebracht+, +zur -Ausführung+ oder +zur Durchführung gebracht+, +in Anregung+, +in -Anrechnung+, +in Vorschlag gebracht+, +zur Anzeige+, +zum Verkauf+, -+zur Verteilung+, +zur Versendung gebracht+, +zur Ausgabe+, -+zur Anwendung+, +zur Erledigung+, +zur Entscheidung+, +zur -Erfüllung gebracht+, oder es +kommt+ oder +gelangt zum Vortrag+, -+zur Aufführung+, +zur Wiederherstellung+, +in Vorschlag+, +zur -Anzeige+, es +findet Anwendung+, +Erledigung+. Ein Personenzug -+kommt zur Ablassung+, ein Buch +gelangt zum Druck+, und dann -+gelangt es zur Ausgabe+, das Kommißbrot +gelangt zum Verzehr+ (!). -Eine Bürgermeisterstelle wird nicht +ausgeschrieben+, sondern zur -+Ausschreibung gebracht+; selbst von Häusern, die infolge einer -Überschwemmung +eingestürzt+ sind, heißt es, sie seien +zum Einsturz -gebracht+ worden. Die Train-Depot-Offiziere +fallen+ nicht +weg+, -sondern sie +gelangen zum Fortfall+ (!). Grund und Boden +gelangt zur -Aufforstung+, alte Schiffe +gelangen zur Außerdienststellung+, Rinder -und Schweine +gelangen zur Schlachtung+, eine Stadtkassenrechnung -+gelangt+ bei den Stadtverordneten zur +Richtigsprechung+, ja sogar -eine Ratsvorlage zur +Ablehnung+ (als ob es Ziel und Bestimmung -der Ratsvorlagen wäre, abgelehnt zu werden), und wenn die -Straßenbahndirektion ihren Fahrpreis herabsetzt, so macht sie bekannt: -Wir +bringen+ hiermit +zur Kenntnis+, daß der seither giltige Fahrpreis -von 15 Pfennigen +in Wegfall kommt+ und der neue Tarifsatz von 10 -Pfennigen +zur Erhebung gelangt+. - -Zum Schwulst gesellt sich aber hier noch etwas andres: die höchst -bedenkliche Neigung, den Verbalreichtum der Sprache gleichsam auf ein -paar Formeln abzuziehen, die alles Flektieren überflüssig machen. -Wer von diesen sechs oder sieben Verbalsurrogaten glücklich noch -ein Tempus und einen Modus bilden kann, der braucht sich nicht mehr -mit Ablautreihen und schwankenden Konjunktivformen zu plagen. Wie -sich das Französische für das Futurum ein Surrogat geschaffen hat in -seinem ~avoir~ mit dem Infinitiv, wie das Deutsche auf dem besten -Wege ist, sich für den Konjunktiv des Imperfekts ein Surrogat zu -schaffen in +würde+ mit dem Infinitiv, so ersetzen wir vielleicht in -hundert Jahren das Verbum überhaupt durch +bringen+ und +gelangen+ mit -einem Substantiv und sagen: ~propono~, ich +bringe+ in Vorschlag -- -~proponor~, ich +komme+ in Vorschlag. - - -Vermittelst, mit Zuhilfenahme von - -Unrettbar dem Schwulst verfallen sind unsre Präpositionen. Als -Präpositionen gebrauchte man früher eine Menge kleiner Wörtchen, die -aus zwei, drei, vier Buchstaben bestanden. In unsern Grammatiken findet -man sie auch jetzt noch verzeichnet, dieses lustige kleine Gesindel: -+in+, +an+, +zu+, +aus+, +von+, +auf+, +mit+, +bei+, +vor+, +nach+, -+durch+ usw.; in unserm Amts- und Zeitungsdeutsch aber fristen sie -nur noch ein kümmerliches Dasein, da sind sie verdrängt und werden -immer mehr verdrängt durch schwerfällige, schleppende Ungetüme wie: -+betreffs+, +behufs+, +zwecks+, +seitens+, +angesichts+, +mittelst+, -+vermittelst+, +vermöge+, +bezüglich+, +hinsichtlich+, +rücksichtlich+, -+einschließlich+, +ausschließlich+, +anläßlich+, +gelegentlich+, -+inhaltlich+, +ausweislich+, +antwortlich+, +abzüglich+, +zuzüglich+, -+zusätzlich+, +vorbehältlich+ usw. Wie lange wird es dauern, so wird -in unsern Grammatiken auch der Abschnitt über die Präpositionen -vollständig umgestaltet werden müssen; alle diese Ungetüme werden als -unsre eigentlichen Präpositionen verzeichnet, die alten, wirklichen -Präpositionen in die Sprachgeschichte verwiesen werden müssen. - -Früher wurde einer, der +mit+ einem Messer gestochen worden war, +mit+ -einer Droschke ins Krankenhaus gebracht; so wird auch heute noch --- gesagt. In der Zeitung geschieht es aber nur noch +vermittelst+ -eines Messers und +vermittelst+ einer Droschke. Ein herrliches Wort, -dieses +vermittelst+! Dem Anschein nach eine Superlativbildung, aber -wovon? Ein Adjektivum +vermittel+ gibt es nicht, nur ein Zeitwort -+vermitteln+. Daran ist aber doch bei +vermittelst+ nicht zu -denken. Offenbar ist das Wort in schauderhafter Weise verdorben aus -+mittels+,[173] dem Genitiv von +Mittel+, der in ähnlicher Weise zur -Präposition gepreßt worden ist wie +behufs+ und +betreffs+, zu denen -sich neuerdings noch +zwecks+, +mangels+ und +namens+ gesellt haben --- lauter herrliche Erfindungen.[174] Das Zwischenglied wäre dann -+mittelst+, das es ja auch gibt; fürstliche Personen reisen stets -+mittelst+ Sonderzugs, und ein „Etablissement“, das früher +mit+ -oder +durch+ Gas erleuchtet wurde, wird jetzt natürlich +mittelst+ -Elektrizität erleuchtet, Handelsartikel, die früher +mit+ der Hand -hergestellt wurden, werden jetzt +mittelst+ Maschinen gewonnen; ja es -kommt sogar vor, daß ausgediente Mannschaften +mittelst Musik+ auf den -Bahnhof gebracht werden! - -Daß +zu+ unter anderm auch den Zweck bezeichnet, ist dem Beamten -und dem Zeitungschreiber gänzlich unbekannt. Früher verstand man -es sehr gut, wenn einer sagte: er ist der Polizeibehörde +zur+ -Einsperrung überwiesen worden -- die Nummern sind +zur+ Registrierung -beigefügt; jetzt heißt es nur noch: +behufs+ oder noch lieber +zwecks+ -Einsperrung, +zwecks+ (oder +zum Zwecke+) der Registrierung, +zwecks+ -Feststellung der Krankenkassenbeiträge, +zwecks+ Stellungnahme usw. -+Behufs+ Bildung einer Berufsgenossenschaft -- +behufs+ Wahrung -des Prestiges der italienischen Flagge -- ein Bündnis Englands mit -Rußland +zwecks+ Niederhaltung Deutschlands -- die Leiche wurde -+zwecks+ Verbrennung nach Gotha überführt (!) -- die Bank hat +zwecks+ -Erweiterung ihrer Räume das Nachbarhaus angekauft -- die Schülerinnen -sollen +zwecks+ Schonung ihrer Augen acht Tage vom Unterricht -dispensiert werden und dann +zwecks+ erneuter Untersuchung sich wieder -in der Schule einfinden -- so hufst und zweckeckeckst es durch die -Spalten unsrer Zeitungen. - -Einen Brief fing man früher an: +auf+ dein Schreiben vom 17. teile -ich dir mit --; jetzt heißt es nur noch: +antwortlich+ (oder in -+Beantwortung+ oder +Erwiderung+) deines Schreibens (vgl. S. -173). Früher verstand es jedermann, wenn man sagte: +nach+ der -Betriebsordnung oder +nach+ den Bestimmungen der Bauordnung, +nach+ -dem Standesamtsregister, +nach+ Paragraph 5; das Volk spricht auch -heute noch so. In den Bekanntmachungen der Behörden aber heißt es -nur: +auf Grund+ der Betriebsordnung, +inhaltlich+ der Bestimmungen -der Bauordnung, +ausweislich+ des Standesamtsregisters, und was das -Allerschönste ist: +in Gemäßheit von+ Paragraph 5, +in Gemäßheit+ -des Beschlusses der Stadtverordneten. Also statt einer einsilbigen -Präposition ein so fürchterliches Wort wie +Gemäßheit+, flankiert von -zwei Präpositionen, +in+ und +von+! Früher sagte man: +nach+ seinen -Kräften, +bei+ der herrschenden Verwirrung, +durch+ den billigen -Zinsfuß -- jetzt heißt es: +nach Maßgabe+ seiner Kräfte, +angesichts+ -der herrschenden Verwirrung, +vermöge+ des billigen Zinsfußes. Eine -Festschrift erschien früher +zum+ Geburtstag eines Gelehrten, +beim+ -Jubiläum eines Rektors, +zur+ Enthüllung eines Denkmals, jetzt nur -noch +aus Anlaß+ oder +anläßlich+ des Geburtstags, +gelegentlich+ des -Jubiläums, +bei Gelegenheit+ der Enthüllung. +Bei+ dem Auftreten der -Influenza hat sich gezeigt -- +in+ den Verhandlungen +über+ den Entwurf -wurde bemerkt -- +auf+ der Weltausstellung in Sydney traten diese -Bestrebungen zuerst hervor -- versteht das niemand mehr? Es scheint -so, denn jetzt heißt es: +gelegentlich+ des Auftretens der Influenza --- +gelegentlich+ der über den Entwurf gepflognen (!) Verhandlungen --- +bei Gelegenheit+ der Weltausstellung in Sydney. Für +wegen+ wird -+aus Anlaß+ gesagt: der Botschafter X hat sich +aus Anlaß+ einer -ernsten Erkrankung seiner Gemahlin nach B. begeben. Für +über+ heißt es -+betreffs+ oder +bezüglich+: das letzte Wort +betreffs+ der Expedition -ist noch nicht gesprochen -- die Mitteilung der Theaterdirektion -+bezüglich+ der Neueinstudierung des Don Juan war verfrüht. Früher -verstand es jeder, wenn gesagt wurde: +mit+ der heutigen Versammlung -sind dieses Jahr zehn Versammlungen gewesen, +ohne+ die heutige -neun; jetzt heißt es: +einschließlich+ der heutigen Versammlung, -+ausschließlich+ der heutigen Versammlung. Unsre Kaufleute reden sogar -davon, was eine Ware zu stehen komme, +zuzüglich+ der Transportkosten, -+abzüglich+ der Fracht oder +zusätzlich+ der Differenz, statt: +mit+ -den Transportkosten, +ohne+ die Fracht, +samt+ der Differenz, was -man doch auch verstehen würde, und ein Verein macht bekannt, daß er -den Jahresbeitrag +zuzüglich+ der dadurch entstehenden Kosten durch -Postauftrag erheben werde, statt +samt+ oder +nebst+ den Kosten. Ein -Betrüger ist +mit+ 10000 Mark entflohen -- ist das nicht deutlich? Der -Zeitungschreiber sagt: +unter Mitnahme von+ 10000 Mark! Endlich: +mit -Zuhilfenahme von+, +unter Zugrundelegung von+, +in der Richtung nach+, -+in Höhe von+, +an der Hand von+ (jetzt sehr beliebt: +an der Hand+ -der Statistik), was sind alle diese Wendungen anders als breitspurige -Umschreibungen einfacher Präpositionen, zu denen man greift, weil -man die Kraft und Wirkung der Präpositionen nicht mehr fühlt oder -nicht mehr fühlen will. +Ohne Zuhilfenahme von+ fremdem Material -- -was heißt das anders als: +ohne+ fremdes Material? Der Staatsanwalt -machte +an der Hand+ einer Reihe von Straftaten (!) die Schuld des -Angeklagten wahrscheinlich -- was heißt das anders als: +mit+ oder -+an+ einer Reihe? Ist es nötig, daß in Bekanntmachungen einer Behörde -geschrieben wird, daß ein gewisser Unternehmer eine Kaution +in Höhe -von+ 1000 Mark zu erlegen habe, daß eine Straße neu gepflastert werden -solle +in ihrer Ausdehnung von+ der Straße A +bis zur+ Straße B? Sind -wir so schwachsinnig geworden, daß wir eine Kaution +von+ 1000 Mark -nicht mehr verstehen, uns bei dem einfachen +von -- bis+ keine Strecke -mehr vorstellen können? Muß das alles besonders ausgequetscht werden? -Rührend ist es, wenn der „Portier“ auf dem Bahnhof ausruft: Abfahrt -+in der Richtung nach+ Altenburg, Plauen, Hof, Bamberg, Nürnberg usw. -Der Bureaumensch, der +das+ ausgeheckt hat, verdiente zum Geheimen -Regierungsrat ernannt zu werden! Er wird es längst sein. Bei einem -bloßen +nach+ könnte sich ja ein Reisender beschweren und sagen: Ich -wollte nach Gaschwitz, das ist aber nicht mit ausgerufen worden, nun -bin ich sitzen geblieben. Aber +in der Richtung nach+ -- da kann sich -niemand beschweren. - - -Seitens - -Der größte Greuel aber auf dem Gebiete unsers ganzen heutigen -Präpositionenschwulstes ist wohl das Wort +seitens+; es ist zu einer -wahren Krankheit am Leibe unsrer Sprache geworden. - -Zunächst ist es schon eine garstige Bildung. In den vierziger und -fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts schrieben die Beamten und -Zeitungschreiber beim passiven Verbum mit Vorliebe +von Seiten+ -statt des einfachen +von+ (ebenso +auf Seiten+ statt +bei+). Das -war natürlich unnötiger Schwulst, aber es war doch wenigstens -richtig, ja man konnte sich sogar über den schwachen Dativ +Seiten+ -freuen, den sich heute niemand mehr zu bilden getrauen würde. Mit -der Zeit wurde aber doch selbst den Kanzlei- und Zeitungsmenschen -dieses ewige +von Seiten+ zu viel. Statt nun das einzig vernünftige -zu tun und wieder zu dem einfachen +von+ zurückzukehren, ließ man -das +von+ weg und sagte nur noch +seiten+. Aber das dauerte auch -nicht lange. Kaum war die Neubildung fertig, so wurde sie einer -abermaligen Umbildung unterzogen, man hängte gedankenlos, verführt -durch Genitive wie +behufs+, +betreffs+, ein unorganisches s an den -schwachen Dativ,[175] und so entstand nun dieses Jammerbild einer -Präposition, das heute das Leib- und Lieblingswort unsrer Amts- und -Zeitungssprache ist. Sowie man eine Zeitung in die Hand nimmt, das -erste Wort, das einem in die Augen fällt, ist: +seitens+. Die kleinen -Pfennignotizen der Lokalreporter fangen gewöhnlich gleich damit an; -wenn nicht, dann stehts gewiß auf der zweiten oder dritten Zeile. Da -es die Zeitungssprache immer mehr verlernt, ein Ereignis im Aktivum -mitzuteilen, da sie mit Vorliebe im Passivum erzählt, sodaß das Objekt -zum grammatischen Subjekt und das logische Subjekt zum äußerlichen -Agens wird, +von+ beim Passiv ihr aber gänzlich unbekannt geworden ist, -so kann sie tatsächlich nicht die kleinste Mitteilung mehr machen ohne -+seitens+. Die Regierung, der Bundesrat, das Ministerium, das Gericht, -der Magistrat, die Polizeidirektion, das Stadtverordnetenkollegium --- sie alle +tun+ nichts mehr, sondern alles +wird+ getan, alles -geschieht, erfolgt, findet statt +seitens+ der Regierung, +seitens+ -des Bundesrats, +seitens+ des Ministeriums, +seitens+ des Gerichts, -+seitens+ des Magistrats, +seitens+ der Polizeidirektion usw. Dem -fortschrittlichen Kandidaten konnte +seitens+ der Gegner nichts -nachgesagt werden -- die Maschinen können +seitens+ der Interessenten -jederzeit besichtigt werden -- gegen solche Unart muß endlich einmal -mit Ernst vorgegangen werden, +seitens+ der Schule, +seitens+ der -Polizei, aber auch +seitens+ des Publikums -- es liegt darin etwas -verletzendes, auch wenn dies weder +seitens+ des Dichters, noch -+seitens+ der Darsteller beabsichtigt sein sollte; das Stück wurde -+seitens+ des Publikums einstimmig abgelehnt -- anders wird nicht -geschrieben. Aber auch bei aktiven Verben heißt es: zahlreiche Klagen -sind +seitens+ (!) einflußreicher Personen eingelaufen -- +seitens+ des -Herrn Polizeipräsidenten ist uns nachstehende Bekanntmachung zugegangen --- +seitens+ der Kurie hat man (!) sich noch nicht schlüssig gemacht --- +seitens+ der Regierung gibt man (!) sich der bestimmten Hoffnung -hin. Und hier wird +seitens+ auch für +bei+ gebraucht: dabei stieß er -+seitens+ des Gouverneurs auf große Schwierigkeiten (statt: +bei+ dem -Gouverneur!) -- wie er denn auch vielfache Anerkennung +seitens+ der -wissenschaftlichen Welt (+bei+ der wissenschaftlichen Welt!) gefunden -hat -- er erfreute sich des größten Vertrauens +seitens+ seines Chefs -(+bei+ seinem Chef!) -- das Werk wird dadurch an Teilnahme und Gunst -+seitens+ der Berliner (+bei+ den Berlinern!) nichts einbüßen. Für -den garstigen Gleichklang, der entsteht, wenn hinter +seitens+ nun -immer wieder Genitive auf s kommen, für dieses unaufhörliche Gezisch -hat der Papiermensch kein Ohr. Will er ja einmal abwechseln, auf das -einfache, vernünftige +von+ oder gar auf das Aktivum verfällt er gewiß -nicht; dann schreibt er lieber: +englischerseits+, +staatlicherseits+, -+kirchlicherseits+, +päpstlicherseits+, +ministeriellerseits+, -+landwirtschaftlicherseits+, ja sogar +unterrichteterseits+ -oder: +regierungsseitig+, +eisenbahnseitig+, +gerichtsseitig+, -+prinzipalseitig+: die Gehilfenschaft hatte die Frage in ein Gleis -gebracht, an dem sich +prinzipalseitig+ nichts aussetzen ließ! Ein -Tierarzt macht darauf aufmerksam -- die Judenfeinde behaupten -- wie -simpel! Der Zeitungschreiber sagt: +tierärztlicherseits+ wird darauf -aufmerksam gemacht -- +antisemitischerseits+ (–ᴗᴗ–ᴗᴗ–) wird behauptet. -So klingts vornehm! - -Damit ist aber die Anwendung des garstigen Wortes noch nicht -erschöpft. +Seitens+ wird nicht nur mit Verben, es wird auch mit -Verbalsubstantiven verbunden. Da schreibt man: die Beiträge zur -Unfallversicherung +seitens+ der Arbeitsherren -- die Vorführung -eines Spritzenzugs +seitens+ des Branddirektors -- die Behandlung der -Frauen +seitens+ der Männer -- die Aufnahme des Gesandten +seitens+ -des Königs -- die Abneigung gegen die Angestellten +seitens+ der -Einwohnerschaft -- der Übergang über die Parthe +seitens+ der Nordarmee --- die allgemeine Benutzung der Lebensversicherung +seitens+ der -ärmern Klassen -- ein Opfer von 3000 Mark +seitens+ der Stadt -- -die Besitznahme dieses Küstengebiets +seitens+ der Franzosen -- die -Unsitte des Trampelns im Theater +seitens+ der Studenten -- der -schädigende Einfluß der Verletzung der Glaubenspflichten +seitens+ -eines Kirchenmitgliedes -- das Dementi der Nachricht von der Audienz -des Herrn H. beim Kaiser +seitens+ der Konservativen Korrespondenz -- -Zeitungen wie Bücher sind voll von solchen Verbindungen! Wie soll man -sie aber vermeiden? in allen diesen Beispielen ist doch ohne +seitens+ -gar nicht auszukommen. Nun, wie ist man denn früher ohne das Wort -ausgekommen? Entweder durch vernünftige Wortstellung: die Beiträge -+der+ Arbeitsherren zur Unfallversicherung -- der Übergang +der+ -Nordarmee über die Parthe -- ein Opfer +der+ Stadt von 3000 Mark; oder -dadurch, daß man Sätze bildete, anstatt, wie es jetzt geschieht, ganze -Sätze immer in Substantiva zusammenzuquetschen. Zu einem Zeitwort kann -man ein halbes Dutzend näherer Bestimmungen setzen, da hat man immer -freie Bahn und kommt leicht vorwärts; sowie man aber das flüssige -Zeitwort in das starre Hauptwort verwandelt, verbaut man sich selbst -den Weg, und dann werden solche Angstverbindungen fertig wie: mit der -Beherrschung von Raum und Kraft +seitens+ der Menschen wäre es zu Ende -(statt: die Menschen würden Raum und Kraft nicht mehr beherrschen) -- -der redliche Erwerb (!) der Kleidungsstücke +seitens+ des Angeklagten -ließ sich zum Glück nachweisen (statt: daß er sie redlich erworben -hatte). - -Nun aber das Tollste: diese Angstverbindungen von Substantiven mit -+seitens+ sind den Leuten schon so geläufig geworden, und man ist -so vernarrt in das schöne Wort, daß man es auch da anwendet, wo -gar keine Nötigung dazu vorliegt, daß man geradezu -- den Genitiv -damit umschreibt! Man sagt nicht mehr: der Besuch des Publikums, die -Anregung des Vorstandes, eine Erklärung des Wirts, die freiwillige -Pflichterfüllung eines Einzelnen, sondern: der Besuch +seitens+ des -Publikums, die Anregung +seitens+ des Vorstandes, eine Erklärung -+seitens+ des Wirts, die freiwillige Pflichterfüllung +seitens+ -eines Einzelnen. Überall laufen einem jetzt solche Genitive über den -Weg, man braucht nur zuzugreifen: ich wollte damit etwaigen Einreden -+seitens+ der Gegner vorbeugen -- der glänzende Erfolg, den der -Verfasser dem ausgezeichneten Vortrage +seitens+ des Rezitators zu -danken hat -- ein ähnliches Beispiel einer starken Willkür +seitens+ -eines Herausgebers -- er wurde die Zielscheibe vieler Angriffe -+seitens+ der Klerikalen -- ein höherer Gehilfe kann nicht ohne -Vertrauen +seitens+ des Handelsherrn angestellt werden -- die Frau war -wegen fortgesetzter Roheiten +seitens+ ihres Mannes ins Elternhaus -zurückgekehrt -- der Gesandte hatte die Stirn, zu fragen, ob man denn -auch des Friedensbruchs +seitens+ Frankreichs gewiß sei -- es fehlt -ihm die Anerkennung +seitens+ der Großmächte -- das Urteil klingt hart, -beruht aber auf sorgfältiger Prüfung +seitens+ eines Unbefangnen -- -es bedarf nur der Aufforderung +seitens+ eines geeigneten Mannes -- -sie wählten diese Wohnungen, um sich gegen Überraschungen +seitens+ -ihrer Feinde zu sichern -- ohne die freundliche Unterstützung +seitens+ -zahlreicher Bibliotheksverwaltungen würde es nicht gelungen sein --- es trifft ihn die Verachtung +seitens+ seiner Mitmenschen -- es -kostete große Anstrengungen +seitens+ der bekümmerten Verwandten --- an der Tafel fehlte es nicht an herzlichen Reden und Gegenreden -+seitens+ der Arbeiter und Prinzipale -- der Straßenhandel hat zu -Beschwerden +seitens+ der Einwohnerschaft geführt -- eine Trauung, -bei der es an aufrichtig frommer Gesinnung +seitens+ der Brautleute -fehlte. Für einzelne dieser Beispiele scheint es ja einen Schimmer -von Entschuldigung zu geben. Das Hauptwort, von dem der Genitiv -abhängen würde, ist meist ein Verbalsubstantiv, und da kann der Zweifel -entstehen, ob man die Handlung, die es ausdrückt, als aktiv oder als -passiv auffassen soll. Der Besuch des Publikums -- das könnte ja -auch heißen, das Publikum sei besucht +worden+; der Besuch +seitens+ -des Publikums -- das ist nicht mißzuverstehen, da +hat+ das Publikum -besucht. Angriffe der Klerikalen -- da könnte man auch denken, -die Klerikalen wären angegriffen +worden+; Angriffe +seitens+ der -Klerikalen -- da +haben+ sie natürlich angegriffen. Die Untersuchung -des Arztes -- da könnte man ja denken, der Arzt wäre untersucht -+worden+; die Untersuchung +seitens+ des Arztes -- nun +hat+ der Arzt -untersucht. Sollte es aber wirklich Leser geben, die so beschränkt -wären, dergleichen mißzuverstehen? - - -Bez. beziehungsweise bezw. - -Ein Juwel unsrer Papiersprache endlich, der Stolz aller Kanzlisten -und Reporter, der höchste Triumph der Bildungsphilisterlogik ist das -Bindewort +bez.+ oder +bezw.+ - -Vor fünfzig Jahren gab es noch im Deutschen das schöne Wort -+respektive+, geschrieben: +resp.+; man sagte z. B.: der +Vater resp. -Vormund+ -- der +Rektor+ der Schule, +resp.+ dessen +Stellvertreter+ --- +nachlässige, resp. rohe+ Eltern. Was wollte man mit dem Worte? -Warum sagte man nicht: der +Vater oder Vormund+? Hätte man das nicht -verstanden? I nun, der gesunde Menschenverstand des Volks hätte es -schon verstanden; aber der große Logiker, der Kanzleimensch, sagte -sich: ein Kind kann doch nicht zugleich einen Vater und einen Vormund -haben, es kann doch nur entweder einen Vater oder (oder aber! sagte der -Kanzleimensch) einen Vormund haben. Dieses Verhältnis kann man nicht -mit dem bloßen +oder+ ausdrücken, für dieses feine, bedingte +oder+: -der +Vater oder+ (+wenn+ nämlich das Kind keinen Vater mehr haben -sollte!) +Vormund+ gibt es im Deutschen überhaupt kein Wort, das läßt -sich nur durch -- +respektive+ sagen, dadurch aber auch „voll und ganz“. - -Als man nun auch im Kanzleistil den Fremdwörterzopf abzuschneiden -anfing, erfand man als Übersetzung von +respektive+ das herrliche Wort -+beziehentlich+ oder +beziehungsweise+: +be-zieh-ungs-wei-se+! Das war -natürlich etwas zu lang, es immer zu schreiben und zu drucken, und so -wurde es denn zu +bez.+ „beziehungsweise“ +bezw.+ abgekürzt. Daß das -Wörtchen +oder+ auch nur vier Buchstaben hat und dabei ein wirkliches -Wort ist, kein bloßer Wortstummel wie +bezw.+, auf diesen naheliegenden -Gedanken verfiel merkwürdigerweise niemand. Und doch, was bedeutet in -folgenden Beispielen das +bezw.+ anders als +oder+: in einer Zeit, -wo man alles den einzelnen +Kreisen bezw. Staaten+ überließ -- alles -weitere ist +Spezialsache bezw. Aufgabe+ der spätern Jahre -- über den -+Mord bezw. Raubmord+ in R. ist noch immer nichts genaues festgestellt --- Windschirme mit japanischer +Malerei bezw. Stickerei+ -- der -Zusammenschluß zu einem +genossenschaftlichen bezw. landschaftlichen+ -Kreisverbande -- die +wieder bezw. neu+ gewählten Stadtverordneten -- -ein +angebornes bezw.+ durch Überlieferung +geschultes+ Geschick -- -die Bänder haben Wert als +geschichtliche bezw. kulturgeschichtliche+ -Erinnerungsstücke -- +nicht benutzte bezw. nicht abgeholte+ Bücher -werden wieder eingestellt -- es wird mit dem +Kellergeschoß bezw. -Erdgeschoß+ angefangen -- zwei Dachstuben von je drei Meter Breite -und +drei bezw. vier+ Meter Länge -- jede Serie umfaßt +15 bezw. 12+ -Hefte -- die Bemerkung befindet sich in dem +Vor- bezw. Nachwort+ der -Ausgabe -- W. A. Lippert, welcher +flüchtig ist bezw. sich verborgen -hält+ -- da die Anstalt nur solche Kinder +aufnimmt bezw. behält+, -die eine Besserung erwarten lassen -- wo Jahnsdorf +liegt bezw. -gelegen hat+, ist ungewiß -- viele Personen sind außerstande, selbst -bei langsamem Gange des Wagens +auf- bezw. abzuspringen+ -- jeder -Fachmann wird die Schrift +beiseite bezw. in den Papierkorb+ werfen --- es ist anziehend, zu sehen, wie sich dieser Kreis im Laufe der -Sprachentwicklung +verengert bezw. erweitert+ -- die Weigerung der -Prinzessin ist +hauptsächlich bezw. ausschließlich+ auf diesen Umstand -zurückzuführen. Und in folgenden Beispielen, was bedeutet da +bezw.+ -anders als +und+: ein Haus an der +Beethoven- bezw. Rhodestraße+ -- -französische +Bonnen bezw. Gouvernanten+ haben seit Jahrhunderten in -Deutschland eine Rolle gespielt -- zwei Kinder im Alter von +fünf bezw. -drei+ Jahren -- K. und T. wurden zu +viermonatiger bezw. zweimonatiger+ -Gefängnisstrafe verurteilt -- später verfaßte er +pädagogische bezw. -Schulbücher+ -- alle +Bestellzettel bezw. Quittungsformulare+ sind -mit Tinte auszufüllen -- +Anfragen bezw. Anmeldungen+ sind an den -Vorstand des Kunstvereins zu richten -- zur +Rechten bezw. Linken+ des -Kaisers saßen der Reichskanzler und der Staatssekretär -- die Zinsen -werden zu +Ostern bezw. zu Michaeli+ bezahlt -- großen Einfluß auf -die Zahl der +Dissertationen bezw. Promotionen+ über den pekuniären -Anforderungen, die die einzelnen +Universitäten bezw. Fakultäten+ -stellen -- wann die noch übrigen Befestigungsreste der +Burg bezw. -Stadt+ entstanden sind, läßt sich nicht mit Sicherheit angeben -- der -König tritt eine mehrwöchige Reise nach +München bezw. Stuttgart+ an --- die Zehnpfennigmarken und die Fünfpfennigmarken sind von +roter -bezw. grüner+ Farbe -- in A. sind letzte Nacht zwei Personen, ein -Maler und ein Strumpfwirker, die in einem +Schuppen bezw. einem Stalle+ -nächtigten, erfroren. - -Der große Logiker, der so schreibt, denkt natürlich wenn er +und+ -gebrauche, so könnte ihn jemand auch so verstehen, als ob „sowohl“ die -Zehnpfennigmarken „als auch“ die Fünfpfennigmarken zweifarbig wären, -nämlich beide Arten rot und grün, als ob „sowohl“ der Maler „als -auch“ der Strumpfwirker in zwei Räumlichkeiten, nämlich gleichzeitig -in einem Schuppen und in einem Stalle genächtigt hätte. Solchen -Gefahren wird natürlich durch +bezw.+ vorgebeugt; nun weiß man genau, -daß die Zehnpfennigmarken rot und die Fünfpfennigmarken grün sind, -daß der Maler in einem Schuppen, der Strumpfwirker in einem Stalle -genächtigt hat. Maler: Schuppen = Strumpfwirker: Stall -- darin liegt -die tiefe Bedeutung von +bezw.+! Ein unübertreffliches Beispiel ist -folgender Zeitungssatz: alle +Musik- bezw. Trompeterkorps+ und alle -Spielmannszüge +bliesen bezw. schlugen+ den Präsentiermarsch +bezw.+ -die Paradepost. - -Aber damit ist der große Logiker noch nicht auf dem Gipfel seines -Scharfsinns angelangt. Sein schlauestes Gesicht steckt er auf, wenn -er schreibt: +und (!) bezw.+ +Die Besitzer und bezw. Pächter+ der -Grundstücke werden darauf aufmerksam gemacht -- die +Eltern und bezw. -Erzieher+ der schulpflichtigen Kinder werden hiermit aufgefordert -- -ich bitte mir angeben zu wollen, ob diese Ausgabe +und beziehungsweise -oder+ (!) andre Ausgaben auf der Bibliothek vorhanden sind usw. Sogar -solche Dummheiten werden jetzt geschrieben „und bezw.“ gedruckt, und -die, die sie leisten, bilden sich dabei noch ein, sie hätten sich -wunder wie fein und scharf ausgedrückt! Leider ist das widerwärtige -Wort, das übrigens neuerdings oft mit +bezüglich+ vermengt wird,[176] -aus der Papiersprache bereits in die lebendige Sprache eingedrungen. -Nicht nur in Sitzungen und Verhandlungen muß man es hören, es ertönt -auch immer häufiger auf Kathedern, und da es der Professor gebraucht, -gebrauchts natürlich der Student mit, und selbst der Kaufmannsdiener -sagt schon am Biertische: Sie erhalten Sonnabend abend +beziehentlich+ -(oder +bezüglich+!) Sonntag früh Nachricht. Schließlich wird noch der -Herr Assessor, der für seine Kinder zu Weihnachten Spielzeug eingekauft -hat, zur Frau Assessorin sagen: ich habe für Fritz und Mariechen +eine -Schachtel Soldaten beziehungsweise eine Puppe+ mitgebracht! - - -Provinzialismen - -Für Provinzialismen ist in der guten Schriftsprache kein Raum, -mögen sie stammen, woher sie wollen. Man spricht jetzt viel davon, -daß unser Sprachvorrat aus den Mundarten aufgefrischt, verjüngt, -bereichert, befruchtet werden könnte. O ja, wenn es mit Maß und Takt -geschähe, warum nicht? Überzeugende Proben davon hat man aber noch -nicht viel gesehen. Ein böses Mißverständnis wäre es, wenn man jeden -beliebigen Provinzialismus für geeignet hielte, unsern Sprachvorrat -zu „bereichern“. Meist liegt kein Bedürfnis darnach vor, man legt -sich dergleichen aus Eitelkeit zu, um Aufmerksamkeit zu erregen, etwa -wie irgend ein Hansnarr zu einem gut bürgerlichen Anzug einen Tiroler -Lodenhut mit Hahnenfeder aufsetzt. - -Namentlich sind es österreichische Ausdrücke und Wendungen -(Austriazismen), die jetzt durch wörtlichen Abdruck aus -österreichischen Zeitungen in unsre Schriftsprache hereingeschleppt, -dann aber auch nachgebraucht werden. - -Für +brauchen+ z. B. sagt der Österreicher +benötigen+, für -+benachrichtigen+ +verständigen+ (+jemand verständigen+, während sich -in gutem Deutsch nur zwei oder mehr +untereinander verständigen+ -können); beides kann man jetzt auch in deutschen Zeitungen lesen. -In der Studentensprache ist das schöne Wort +unterfertigen+ Mode -(statt +unterzeichnen+); das ist nichts als eine lächerliche, -halb(!)-österreichische Bastardbildung. Der Österreicher sagt: der -+Gefertigte+. Das ist dem deutschen Studenten, der sich zuerst -damit spreizen wollte, mit dem +Unterzeichneten+ in eine Mischform -zusammengeronnen, und seitdem erfüllt fast in allen akademischen -Vereinigungen beim „Ableben“ eines Mitgliedes der +unterfertigte+ -Schriftführer „die traurige Pflicht, die geehrten a. H. a. H. und a. -o. M. a. o. M. geziemend (!) in Kenntnis zu setzen“. - -Unerträglich in gutem Schriftdeutsch ist das süddeutsche +gestanden -sein+ und +gesessen sein+: die Personen, mit denen er in näherm -Verkehr +gestanden war+ -- es lebten noch Männer, die in der -Paulskirche +gesessen waren+ (vgl. S. 59); ganz unerträglich ferner -die österreichischen Verbindungen: +an etwas vergessen+, +auf etwas -vergessen+ und +auf etwas erinnern+: heute schien die Schar ihrer -Verehrer +auf sie vergessen+ zu haben -- +auf die Einzelheiten+ des -Stückes konnte ich nicht mehr +erinnern+ u. ähnl. - -Eine ganze Reihe von Eigenheiten hat der Österreicher im Gebrauche der -Adverbia. Er sagt: +im vorhinein+ statt +von vornherein+, +rückwärts+ -statt +hinten+, +beiläufig+ (bailaifig) statt +ungefähr+ (bis zur -höchsten Spitze ist es +beiläufig+ 6000 Fuß -- dies ist +beiläufig+ -der Inhalt des hübschen Buches -- der zweite Band erscheint in -+beiläufig+ gleicher Stärke), während in gutem Deutsch +beiläufig+ nur -bedeutet: +nebenbei+, im +Vorbeigehen+ (+beiläufig+ will ich bemerken). -Für +nur noch+ heißt es in München wie in Wien: +nur mehr+: z. B. -leidenschaftliche Gedichte von +nur mehr+ geschichtlichem Wert -- ein -Ausspruch, der uns heute +nur mehr+ grotesk anmutet -- alle Bemühungen -sind jetzt +nur mehr+ darauf gerichtet -- auf die Christlich-Sozialen -fielen heute +nur mehr+ acht Stimmen usw. +Neuerdings+, das gut deutsch -nichts andres heißt als: +in neuerer Zeit+ (+neuerdings+ ist der -Apparat noch wesentlich vervollkommnet worden), wird in Österreich in -dem Sinne von +wiederum+, +nochmals+, +abermals+, +aufs neue+, +von -neuem+ gebraucht, z. B.: es kommt mir nicht darauf an, oft gesagtes -+neuerdings+ zu wiederholen -- er hat mich hierdurch +neuerdings+ -zu Dank verpflichtet -- eine Reise führte ihn +neuerdings+ mit der -Künstlerin zusammen -- in diesem Vertrage wird +neuerdings+ die Frage -untersucht -- es kam eine Schrift zur Verlesung, worin B. +neuerdings+ -für seine Überzeugung eintrat -- die Geneigtheit der Kurie muß bei -jedem Wahlgange +neuerdings+ erkauft werden.[177] Man möchte wirklich -annehmen, daß mancher deutsche Zeitungsredakteur von all diesen -Gebrauchsunterschieden gar keine Ahnung habe, denn sonst könnte er doch -solche Sätze nicht unverändert in seiner Zeitung nachdrucken, er müßte -doch jedesmal den Austriazismus erst ins Deutsche übersetzen, damit der -deutsche Leser nicht falsch verstehe! - -Nichts als ein Provinzialismus, den man aber in neuern Erzählungen -oft lesen kann, ist es auch, bei dem reflexiven +sich finden+ mit -Angabe einer Richtung (sich nach Hause finden, sich hinfinden, sich -zurückfinden, sich zurechtfinden) das +sich+ wegzulassen und zu -schreiben: den sichern Boden, zu dem er +zurückfand+ -- er konnte nicht -+nach Hause finden+ u. dgl. - -Eine Schrulle des niedrigen Geschäftsstils ist es, wenn jetzt angezeigt -wird, daß Kohlen +ab Zwickau+ oder +ab Werke+ (!) oder +ab Bahnhof+ -oder +ab Lager+ zu haben seien, Heu +ab Wiese+ verkauft, Flaschenbier -+ab Brauerei+ oder +ab Kellerei+, Mineralwasser +ab Quelle+ geliefert -werde, daß eine Konzertgesellschaft +ab Sonntag+ den 7. Juni auftrete, -oder daß eine Wohnung +ab 1. Oktober+ zu vermieten sei. Ab als -selbständige Präposition vor Substantiven (vgl. +abhanden+, d. i. +ab -Handen+) ist schon seit dem siebzehnten Jahrhundert vollständig durch -+von+ verdrängt. Nur in Süddeutschland und namentlich in der Schweiz -wird es noch gebraucht, dort sagt man noch +ab dem Hause+, +ab dem -Lande+. Aber was soll uns dieser Provinzialismus? und noch dazu in -solcher Stammelform: +ab Werke+, von der man nicht weiß, ob es der -Dativ der Einzahl oder vielleicht gar der Akkusativ der Mehrzahl sein -soll? Es ist übrigens doch zweifelhaft, ob die Geschäftsleute, die sich -neuerdings damit spreizen, wirklich das alte deutsche +ab+ meinen, -und nicht vielmehr das lateinische +~ab~+. Zuzutrauen wäre es ihnen, -wenigstens wenn man +~pro~ Jahr+, +~pro~ Kopf+, +~per~ sofort+, +~per~ -bald+, +~per~ Weihnachten+ und ähnlichen Unsinn damit vergleicht.[178] - -Ein gemeiner Berolinismus, der aber immer mehr um sich greift und schon -in Lustspielen von der Bühne herab zu hören ist, ist die Anwendung von -+bloß+ für +nur+ in ungeduldigen Fragen und Aufforderungen: Was hat er -+bloß+? Was will er +bloß+? Komm doch +bloß+ mal her! - - -Fremdwörter - -Auch unsre Fremdwörter sind zum großen Teil Modewörter. Bei dem Kampfe -gegen die Fremdwörter, der seit einiger Zeit wieder in Deutschland -entbrannt ist, handelt sichs natürlich nicht um die große Zahl zum -Teil internationaler technischer Ausdrücke, sondern vor allem um -die verhältnismäßig kleine Zahl ganz entbehrlicher Fremdwörter, die -namentlich unsre Umgangssprache und die Sprache der Gelehrten, der -Beamten, der Geschäftsleute, der Zeitungschreiber entstellen. - -Zwar haben sich die Bemühungen der Sprachreiniger auch auf die -technischen Ausdrücke einzelner Berufe und Tätigkeitsgebiete -erstreckt, wie des Militärs, des Post- und Eisenbahnwesens, des -Handels, der Küche, des Spiels, auch einzelner Wissenschaften und -Künste, wie der Grammatik, der Mathematik, der Baukunst, der Musik, -des Tanzes. Was aber vorgeschlagen worden ist, hat selten Beifall -gefunden. Schlimm und verdächtig ist es immer schon, wenn einfache -Fremdwörter durch Wortzusammensetzungen verdeutscht werden sollen: -einige Beispiele solcher Art sind schon früher angeführt worden -(S. 363). Gewöhnlich sind das gar keine Übersetzungen, sondern -Umschreibungen oder Begriffserklärungen. So hat man +Redakteur+ und -+Redaktion+ durch +Schriftleiter+ und +Schriftleitung+ „übersetzt“, -und einzelne Zeitungen und Zeitschriften haben das angenommen (dann -auch +Geschäftsstelle+ für +Expedition+). Diese Verdeutschungen geben -nicht entfernt den Begriff des Fremdworts wieder. Unter +Schrift+ -kann dreierlei verstanden werden: die Handschrift, ein Schriftstück -und die Lettern der Druckerei. An die erste und die dritte Bedeutung -ist hier natürlich nicht zu denken, nur die zweite kann gemeint sein. -Aufgabe eines Redakteurs ist es, die eingegangnen Schriftstücke auf -ihren Inhalt zu prüfen, sie in anständiges Deutsch zu bringen, eine -sorgfältige Druckkorrektur zu lesen und den Inhalt der einzelnen -Zeitungsnummern zu bestimmen und anzuordnen. Das alles stellen wir -uns wohl bei dem Worte +Redakteur+ vor, aber nicht bei dem mühselig -ausgeklügelten Worte +Schriftleiter+. Die Zeitung selbst wird -+geleitet+, aber nicht ihre Schriftstücke. Wenn es damals, als es im -Deutschen noch keine Fremdwörter gab, schon Zeitungen gegeben hätte, -ich weiß, wie man den Redakteur genannt hätte: +Zeitungmeister+! Im -Eisenbahnverkehr hat man uns die +Fahrkarte+ und das fürchterliche -+Abteil+ aufgenötigt (statt +Billett+ und +Coupé+). Das kurze, leichte -+Billett+ war -- man spreche es nur deutsch aus! -- fast schon zum -Lehnwort geworden. In Leipzig hieß schon im sechzehnten Jahrhundert -die Kupfermarke, die sich der Brauerbe auf dem Rathause holen mußte, -wenn er Bier brauen wollte, +Bollet+. Was für ein langstieliger Ersatz -dafür sind unsre +Fahrkarten+, +Eintrittskarten+, +Teilnehmerkarten+ -usw.! Und ist etwa +Karte+ ein deutsches Wort? Eine wirkliche -Übersetzung von +Coupé+ wäre +Fach+ gewesen, das in dem ältern Deutsch -jede Abteilung eines Raums bedeutete, nicht bloß in einem Schrank -oder Kasten, sondern auch im Hause (vgl. +Dach und Fach+). Sogar eine -Straße, die in einen Fahrweg, einen Fußweg und einen Reitweg geteilt -war, hieß im achtzehnten Jahrhundert eine Straße in +drei Fachen+. -Das +Abteil+ und die +Fahrkarte+ werden sich schwerlich einbürgern. -Die Schaffner sind ja dazu verurteilt, die Wörter zu gebrauchen, aber -das Publikum gebraucht lachend die Fremdwörter weiter. Etwas ganz -komisches -- wenigstens nach meinem Gefühl -- ist bei der Übersetzung -der militärischen Fachausdrücke mit untergelaufen: die Wiedergabe von -+Terrain+ durch +Gelände+. +Gelände+ war früher ein poetisches Wort, -und zwar ein Wort der höchsten Poesie. Man denke nur an Schillers -Berglied: da tut sich ein +lachend Gelände+ hervor -- und vor allem -an Goethes herrlichen Spruch: Gottes ist der Orient, Gottes ist -der Occident, Nord- und +südliches Gelände+ ruht im Frieden seiner -Hände. Einem solchen Wort jetzt in den Manöverberichten der Zeitungen -zu begegnen ist doch gar zu komisch. In der Musik möchte man jetzt -die Wörter +komponieren+ und +Komposition+ abschaffen, und durch -+vertonen+ und +Vertonung+ ersetzen. Gräßliche Geschmacklosigkeit! -Von einem +vertonten+ (+ver+!) Liede kann man doch nur mit Bedauern -sprechen, denn das könnte doch nur eins sein, das ungeschickt, falsch, -fehlerhaft komponiert, durch die musikalische Zutat verdorben worden -wäre (vgl. S. 357). Die Architekten vermeiden jetzt erfreulicherweise -das überflüssige Fremdwort +Dimension+, nur sollten sie es nicht -immer durch +Abmessung+ übersetzen, was meist gar keinen Sinn gibt -(denn Abmessung bedeutet eine Handlung, keine Eigenschaft!), sondern -einfach durch +Maß+ oder -- es ganz weglassen. Denn ist ein Gebäude -von +riesigen Abmessungen+ etwas andres als ein +riesiges+ Gebäude? -Und welcher Schwulst, zu schreiben: der Baumeister ist verpflichtet, -Irrtümer im Voranschlag in bescheidnen +Abmessungen+ auftreten zu -lassen! Wenn vollends allgemein angenommene und geläufige alte -Kunstausdrücke einzelner Wissenschaften „übersetzt“ werden, wie man -es den Kindern der Volksschule zuliebe in der Grammatik, auch in der -Arithmetik versucht hat, so ist das Ergebnis meist ganz unerfreulich. -Wenn man ein Buch oder einen Aufsatz mit solchen Verdeutschungen liest, -so hat man immer das unbehagliche Gefühl, als ginge man auf einem -Wege, wo aller zwanzig Schritt ein Loch gegraben und ein paar wacklige -Bretter darüber gelegt wären. - -Am ehesten darf man vielleicht hoffen, daß die Fremdwörter aus der -Umgangssprache verschwinden werden, denn hier wirkt fast nur die Mode. -Die Fremdwörter unsrer Umgangssprache stammen zum Teil noch aus dem -siebzehnten Jahrhundert, andre sind im achtzehnten, noch andre erst in -der Franzosenzeit zu Anfange des neunzehnten Jahrhunderts eingedrungen. -Aber sie kommen eins nach dem andern wieder aus der Mode. Viele, die -vor fünfzig Jahren noch für fein galten, fristen heute nur noch in -den untersten Volksschichten ein kümmerliches Dasein! man denke an -+Madame+, +Logis+, +~vis-à-vis~+, +~peu-à-peu~+ (in Leipzig +beeabeeh+ -gesprochen), +retour+, +charmant+, +mechant+, +inkommodieren+, +sich -revanchieren+ und viele andre. In den Befreiungskriegen gab es nur -+Blessierte+; wer hat 1870 noch von +Blessierten+ gesprochen? Wer -+amüsiert+ sich noch? anständige Leute nicht mehr; die haben längst -wieder angefangen, sich zu +vergnügen+. Auch +existieren+, +passieren+ -(für +geschehen+ oder +begegnen+: es ist ein Unglück +passiert+, -mir ist etwas Unangenehmes +passiert+), +sich genieren+ sind so -heruntergekommen, daß man sie anständigerweise kaum noch gebrauchen -kann. Vor dreißig Jahren gab es noch vereinzelt Schneider+mamsellen+; -jetzt wird jedes Dienstmädchen in der Markthalle mit +Fräulein+ -angeredet, wofür die Bürgerstochter freilich zum +gnädigen Fräulein+ -aufgerückt ist. Und wo ist das +Parapluie+ geblieben, das doch auch -einmal fein war, und wie fein! - -Leider tauchen nur an Stelle veraltender Fremdwörter immer auch wieder -neue auf. Wer hat vor dreißig Jahren etwas von +Milieu+ gewußt? Als -es aufkam, mußten auch gebildete Leute das Wörterbuch aufschlagen, -um sich zu belehren, was eigentlich damit gemeint sei. Und was war -es schließlich? Weiter nichts, als was man bis dahin als Hintergrund -(einer Handlung, einer Erzählung) bezeichnet hatte. Neue Schiffe werden -jetzt nicht mehr nach einem Muster gebaut, sondern nur noch nach -einem +Typ+, ebenso auch schon Automobile und Orgeln. Unsre Frauen -und Mädchen tragen keine Kleider oder Anzüge mehr, sondern nur noch -+Kostüme+, die es früher nur auf dem Theater oder auf Maskenbällen -gab. Wagen wurden bisher in eine +Remise+ gestellt; die Automobile -müssen natürlich etwas besondres haben, sie werden in die +Garage+ -gebracht; aber auch das ist nichts weiter als ein Schuppen. Ein neues -Eigenschaftswort, das man seit kurzem täglich hört und liest, ist -+markant+: eine +markante+ Erscheinung, ein +markanter+ Unterschied, -eine +markante+ Persönlichkeit, die +markanteste+ Linie des Gesichts. -Eine feine, leicht auf der Zunge zergehende Schokolade heißt im -Französischen ~chocolat fondant~; ~fondre~ heißt +schmelzen+. Was -haben die deutschen Fabrikanten daraus gemacht? +Fondantschokolade+! -Warum denn nicht +Schmelzschokolade+? Wer hat vor dreißig Jahren etwas -von +chic+ gewußt? Es ist nichts andres als unser +geschickt+, das -nach Frankreich gegangen und in der Form +chic+ zurückgekehrt ist und -nun für +fein+, +hübsch+, +nett+ gebraucht wird. Der Plural davon -wird von unsern Geschäftsleuten +chice+ geschrieben: +chice+ Hüte, -+chice+ Kleider, +chice+ Schuhe, was man wohl +schicke+ aussprechen -soll, aber doch nur +schitze+ aussprechen kann (vgl. +Vice+). Zum -Glück ist es neuerdings schon wieder aus der Mode gekommen. Zu einem -greulichen Modewort dagegen ist +eventuell+ geworden. Es bedeutet ja: -+vorkommendenfalls+, ferner +nötigenfalls+ oder +möglichenfalls+, je -nachdem, dann immer mehr verblassend: +möglicherweise+, +vielleicht+, -+etwa+, +wohl+ und endlich: gar nichts. Es gibt aber eine Menge -Leute, die heute kaum noch einen Satz sagen können, worin nicht -+eventuell+ vorkäme: wir könnens ja +eventuell+ auch so machen -- -ich kann +eventuell+ schon um sieben kommen. Wenn man auf der Straße -aus der Unterhaltung Vorübergehender zehn Worte aufschnappt, das -Wort +eventuell+ ist sicher darunter. Aber auch der Musikschreiber -sagt: etwas mehr Fülle des Tons hätte +eventuell+ den Vortrag noch -mehr unterstützt; ein Buchhändler schreibt: umstehenden Bestellzettel -bitten wir +eventuell+ direkt an die Verlagsbuchhandlung gelangen zu -lassen, und Zeitungen schreiben: ein Mensch, der eine Volksschule und -+eventuell+ eine höhere Schule besucht hat -- der Kreuzer X erhielt -Befehl, sich +eventuell+ zur Ausreise (!) bereit zu halten -- die -Regierung hat alle Maßregeln getroffen, um für einen +eventuellen+ -(!) Streik gerüstet zu sein -- es war Schutzmannschaft aufgestellt, -um einen +eventuellen+ Tumult zu verhüten -- der Platz soll zur -+eventuellen+ (!) Bebauung liegen bleiben. Fast überall kann man -+eventuell+ streichen, und der Sinn bleibt genau derselbe. Eine ganz -neue Aufgabe erfüllt das Zeitwort +interpretieren+. Aus der Sprache -der Philologie, wo es immer mehr zurückgegangen ist, ist es in die der -Musik- und Theaterschreiber eingedrungen. Eine Rolle auf der Bühne -wird nicht mehr gespielt, ein Musikstück nicht vorgetragen, ein Lied -nicht gesungen -- es wird alles +interpretiert+: Strauß wird die Lieder -selbst dirigieren, Frau B. wird +Interpretin+ sein -- der Künstler -hat durch die +Interpretation+ dieses Liedes einen Beweis seines -hervorragenden Könnens (!) erbracht(!) usw. An Stelle der +Sensationen+ -sind neuerdings die +Attraktionen+ getreten, das Konzertprogramm -hat man zwar in +Vortragsordnung+ „übersetzt“, aber in dieser -„Vortragsordnung“ erscheint nun statt des ehemaligen +Potpourris+ -die +Selektion+, und dafür hat man den guten Theater+zettel+ in -Theater+programm+ verwandelt, wenigstens in Leipzig, wo die Jungen -jetzt abends am Theater ausrufen: +Deeaderbroogramm+ gefällig? Kunst- -und Kunstgewerbemuseen veranstalten jetzt mit Vorliebe +retrospektive+ -Ausstellungen. Wieviele Leute, die in solche Ausstellungen laufen, -mögen wissen, was +retrospektiv+ heißt? Ein Friedhof hat in -Sachsen seit einiger Zeit keine Leichenhalle mehr, sondern eine -+Parentationshalle+! Wieviel Leute, auch gelehrte Leute, mögen wissen, -was ~parentare~ und ~parentatio~ heißt, wissen, daß das heidnische -Begriffe sind, die auf unsre Friedhöfe gar nicht passen? - -Ganz widerwärtig ist es, wie unsre Sprache neuerdings mit englischen -Sprachbrocken überschüttet wird. Da wird das kleine Kind +Baby+ -genannt, und die Bedürfnisse für kleine Kinder kauft man im -+Babybasar+, ja im zoologischen Garten ist sogar ein Elefanten+baby+ -zu sehen! Ein Frauenkleid, das der Schneider gemacht hat, wird als -~tailor-made~ bezeichnet, eine Schauspielerin oder Sängerin, die -Aufsehen erregt, wird als +Star+ gefeiert, Buchhändler reden von -+Standard+-Werken, unsre Schuhe werden aus +Boxcalf+ gemacht (wenn -nicht noch lieber aus +Chevreau+), an allen Mauern, Wänden und -Schaufenstern schreit uns das Wort +Sunlight-Seife+ entgegen, das die -Fabrikanten den deutschen Dienstmädchen zuliebe neuerdings sogar in -+Sunlicht-Seife+ (!) geändert haben, ein andrer Fabrikant preist seine -+Safety+-Füllfedern an, und an den Anschlagsäulen heißt es, daß in dem -oder jenem Tingeltangel ~fife sisters~ oder ~fife brothers~ auftreten -werden. Und dabei rühmt eine bekannte Fabrik von Teegebäck in Hannover, -daß ihr Fabrikat +der (!) beste Buttercakes+ sei! Eine deutsche Mutter -sollte sich schämen, ihr Kind +Baby+ zu nennen. Was würden unsre guten -Freunde, die Engländer, sagen, wenn ein englischer Fabrikant wagen -wollte, ~Sonnenlicht Soap~ anzupreisen! - -Unsre Kanzleisprache hat sich im Laufe eines Jahrhunderts gewaltig -gereinigt. Noch 1810 konnte ein deutsches Stadtgericht an das andre -schreiben: „Ew. Wohlgeboren werden ~in subsidium juris et sub oblatione -ad reciproca~ ergebenst ersucht, die anliegende ~Edictalcitation~ in -Sachen des Kaufmanns R. daselbst ~loco consueto affigiren~ zu lassen -und selbige ~effluxo termino cum documentis aff- et refixionis~ -gegen die Gebühr zu ~remittiren~.“ Heute hat sich, wenigstens unter -den höhergebildeten Beamten, doch fast allgemein die Einsicht Bahn -gebrochen, daß das beste und vornehmste Amtsdeutsch das sei, das die -wenigsten Fremdwörter enthält. Nur der kleine Unterbeamte, der +Folium+ -und +Volumen+, +Repositorium+ und +Repertorium+ nicht unterscheiden -kann, der eine Empfangsbescheinigung eine +Rezepisse+ nennt und vom -+Makulatieren+ der Akten redet, weil er einmal von +Makulatur+ gehört -hat, tut sich noch etwas zugute auf ein ~sub~ oder ~ad~ (das gehört -+unter+ ~sub A~, sagt er), auf ein ~a. c.~ (~anni currentis~), ein -~eodem die~, ein ~s. p. r.~ (~sub petito remissonis~), ein ~cf. pg.~ -(~confer paginam~) u. dgl.; er fühlt sich gehoben, wenn er solche -geheimnisvolle Zeichen in die Akten hineinmalen kann. - -Wundern muß man sich, daß die Männer der Wissenschaft, bei denen man -doch die größte Einsicht voraussetzen sollte, fast alle noch in dem -Wahne befangen sind, daß sie durch Fremdwörter ihrer Sache Glanz und -Bedeutung geben könnten. Auf den Universitätskathedern und in der -fachwissenschaftlichen Literatur, da steht die Fremdwörterei noch in -voller Blüte. Der deutsche Professor glaubt immer noch, daß er sich -mit +~editio princeps~+, +~terra incognita~+, +~eo ipso~+, +~bona -fide~+, +Publikation+, +Argumentation+, +Modifikation+, +Akquisition+, -+Kontroverse+, +Resultat+, +Analogie+, +intellektuell+, +individuell+, -+identisch+, +irrelevant+, +adäquat+, +edieren+, +dokumentieren+, -+polemisieren+, +modifizieren+, +identifizieren+, +verifizieren+ -vornehmer ausdrücke als mit den entsprechenden deutschen Wörtern. -Er fühlt sich wunderlicherweise auch gehoben (wie der kleine Rats- -und Gerichtsbeamte), wenn er +lexikalisches Material+ sagt statt -+Wortschatz+, wenn er von +heterogenen Elementen+, +intensiven -Impulsen+, +prägnanten Kontrasten+, +approximativen Fixierungen+ oder -einer +aggressiven Tendenz+, einem +intellektuellen+ oder +moralischen -Defekt+, einem +Produkt destruktiver Tendenzen+ redet, wenn er eine -+Idee ventiliert+, statt einen +Gedanken+ zu +erörtern+, wenn er von -einem +Produkt+ der +Textilkunst+ die +Provenienz konstatiert+, statt -von einem +Erzeugnis+ der +Weberei+ die +Herkunft nachzuweisen+, -wenn er schreibt: es kommt fast nie vor, daß gutartige Polypen -+recidivieren+ (statt: wiederkehren) -- die +Autopsie konstatierte+ -die +Existenz+ eines +sanguinolent tingierten Serums+ im +Perikardium+ -(statt: bei der Öffnung der Leiche zeigte sich, daß der Herzbeutel -blutig gefärbte Flüssigkeit enthielt).[179] Und der Student macht -es ihm leider meist gedankenlos nach; die wenigsten haben die -geistige Überlegenheit, sich darüber zu erheben. In der Sprache aller -Wissenschaften gibt es ja gewisse Freimaurerhändedrücke, an denen -sich die Leute von der Zunft erkennen. Wie stolz ist der Student der -Kunstgeschichte, wenn er zum erstenmale +Cinquecento+ sagen kann! Zwei -Semester lang tut er, als ob er +sechzehntes Jahrhundert+ gar nicht -mehr verstünde. Wie stolz ist er, wenn er das Wort +konventionell+ -begriffen hat! Mit der größten Verachtung blickt er auf die gesamte -Kunst aller Zeiten und Völker herab, denn mit Ausnahme der Kunst der -letzten drei Jahre ist ja alles -- +konventionell+. Und wenn er dann -sein Dissertatiönchen baut, wie freut es ihn, wenn er alle die schönen -vom Katheder aufgeschnappten Wörter und Redensarten darin anbringen -kann! Man kennt den Rummel, man ist ja selber einmal so kindisch -gewesen. Dabei begegnet es aber auch sehr gelehrten Herren, daß sie die -Verneinung von +normal+ frischweg +anormal+ bilden, also das sogenannte -~Alpha privativum~ des Griechischen vor ein lateinisches Wort leimen, -statt +anomal+ (griechisch!) oder +abnorm+ (lateinisch!) zu sagen. Was -ist in der letzten Zeit von +anormalem+ Denken, +anormalem+ Empfinden, -+anormalen+ Trieben geschwafelt worden! Es begegnet auch sehr gelehrten -Herren, daß sie von +Prozent+ ein Eigenschaftswort +prozentuell+ bilden -(als ob ~centum~ „nach der vierten“ ginge, einen ~u~-Stamm hätte wie -~accentus~!), statt +prozentisch+ zu sagen, daß sie +indifferent+ -schreiben, wo sie +undifferenziert+ meinen u. dgl. - -Besonders stolz auf ihre Fremdwörterkenntnis sind gewöhnlich die Herren -„Pädagogen“, d. h. die Volksschullehrer, die sich nicht mit dem Seminar -begnügt, sondern nachträglich noch ein paar Semester an den Brüsten -der ~Alma mater~ gesogen haben. Schon daß sie sich immer +Pädagogen+ -nennen, ist bezeichnend. +Lehrer+ klingt ihnen nicht wichtig genug. -Daß ein Pädagog etwas ganz andres ist als ein Lehrer, daran denken -sie gar nicht. Wenn so ein Pädagog einen Vortrag hält oder einen -Aufsatz schreibt über die Aufgaben oder vielmehr die +Probleme+ (!) -des Unterrichts in der Klippschule, dann regnet es nur so von +exakt+, -+theoretisch+, +empirisch+, +empiristisch+, +didaktisch+, +psychisch+, -+psychologisch+, +ethisch+, +Lustrum+, +Dezennium+, +Koedukation+ usw. -Aus diesen Kreisen ist dann auch in andre Kreise der Unsinn verpflanzt -worden, von +Klavier-+ und +Gesangpädagogen+ zu reden. Wieck, der Vater -der Klara Schumann, der bekanntlich in Leipzig Klavierstunden gab, wird -stets „der hervorragende Klavierpädagog“ genannt. Vielleicht erleben -wir auch noch +Geigen-+, +Posaunen-+ und +Fagottpädagogen+. - -Weniger zu verwundern ist der Massenverbrauch von Fremdwörtern bei den -Geschäftsleuten. Sie stecken infolge ihrer Halbbildung am tiefsten in -dem Wahne, daß ein Fremdwort stets vornehmer sei als das entsprechende -deutsche Wort. Weil auf sie selbst ein Fremdwort einen so gewaltigen -Eindruck macht, so meinen sie, es müsse diesen Eindruck auf alle -Menschen machen. Ein Kapitel, das von Jahr zu Jahr beschämender für -unser Volk wird, bilden die Warennamen, die, wohl meist von den -Fabrikanten der Waren oder von ebenso unfähigen Helfern ersonnen, uns -täglich in Zeitungen und Wochenblättern anschreien. Namentlich auf -dem Gebiete der Arznei- und Toilettenmittel, aber auch auf andern -Gebieten, wie dem der Beleuchtungsmittel, der Kraftfahrzeuge, der -Musikmaschinen, der photographischen Artikel, der „alkoholfreien“ -Getränke usw., wimmelt es davon. Von vernünftigen Sprachgesetzen, -nach denen sich doch auch solche Namen bilden ließen, ist gar keine -Rede mehr. Die Zeiten, wo ein Chemiker oder ein Techniker, der einen -neuen Namen brauchte, einen Philologen zu Rate zog, sind längst -vorüber. Jeder Fabrikant hält sich heute für berechtigt und befähigt, -solche Namen zu bilden; er nimmt ein paar -- Stämme oder Wurzeln, -kann man gar nicht sagen, sondern Stammsplitter oder Wurzelfetzen -- -von irgendwelchen griechischen oder lateinischen Wörtern und leimt -sie aneinander, klebt auch vielleicht noch eine der aus der Chemie -bekannten oder sonst beliebten Endungen daran (ol, il, it, in usw.), -und der Name ist fertig. Man denke nur an Wörter wie +Odol+, +Pektol+, -+Javol+, +Virisanol+, +Antirheumol+, +Pomeril+, +Frutil+, +Fortisin+, -+Antinervin+, +Bioferrin+, +Hämoglobin+, +Sanatogen+, +Kantophon+, -+Solvolith+, +Photonox+, +Humidophor+, +Pianola+, nicht zu reden von -solchen Albernheiten wie +Velotrab+, +Biomalz+, +Abrador+, +Waschifix+ -u. a.[180] Die Verrücktheit geht so weit, daß man sogar die Namen der -Orte zu Hilfe nimmt, wo die Waren fabriziert werden, und Namen bildet -wie +Thürpil+ (Thüringer Pillen!), ja daß man die Anfangsbuchstaben -des in der Regel ja sehr breitspurigen Namens der Anstalt oder Fabrik, -aus der die Ware hervorgeht, oder anderer beliebiger Wörter zu einem -scheinbaren Wort aufreiht, das in Wahrheit nichts als ein bloßer -Lauthaufe ist, ja daß man sogar aus ganz beliebigen Lauten solche -Lauthaufen bildet! ~Tet roia aga simi dalli perco aok degea ohno -pilo agfi wuk afpi tita maggi oxo ciba pebeco densos~ -- klingt das -nicht wie Sprache der Herero oder der Wahehe? Das alles sind deutsche -Warennamen! Ein Glück, daß die meisten nur ein kurzes Dasein fristen. -Sie flackern zu irgendeiner Zeit plötzlich auf, verlöschen aber bald -wieder wie Lämpchen, denen das nötige Öl fehlt. Leider drängen sich -aber an die Stelle jedes verschwindenden sofort wieder zwei oder drei -neue. Man kann nur hoffen, daß der ganze Blödsinn schließlich einmal an -sich selber zugrunde gehen werde. - -Eine Menge Fremdwörter schleppen sich in der Zeitungssprache fort. In -der Zeit der Befreiungskriege redete man viel von +Monarchen+; bei -Leipzig erinnert noch der +Monarchenhügel+ daran. Heute dient der -+Monarch+ nur noch dem Zeitungschreiber zur Abwechselung und als Ersatz -für das persönliche Fürwort +er+, das er sich von einem gekrönten -Haupte nicht zu gebrauchen getraut: heute vormittag empfing der -Kaiser den Prinzen X; bald darauf stattete der +Monarch+ dem Prinzen -einen Gegenbesuch ab -- der Katarrh des Kaisers ist noch im Zunehmen -begriffen, doch ist das Befinden des +Monarchen+ befriedigend -- es -steht jetzt fest, daß die angedeutete Besprechung des Königs nicht -stattgefunden hat, der +Monarch+ also gar nicht in der Lage gewesen -ist, sich zu äußern -- der König nahm heute an der Familientafel teil, -nach der Tafel besuchte der +Monarch+ die Gartenbauausstellung -- der -König wurde aufs Rathaus geleitet, wo der Bürgermeister den +Monarchen+ -erwartete -- Frl. R. überreichte dem König ein Bukett, wofür der -+Monarch+ freundlich dankte. Lieblingswörter der Zeitungssprache -sind: +Individuum+, +Panik+, +Affäre+, +Katastrophe+. Wenn ein Kerl -einen Mordversuch gemacht hat, heißt er stets ein +Individuum+. Ein -großer Schrecken in einer Volksmasse oder im Theater wird stets -als +Panik+ bezeichnet; ob der Zeitungschreiber wohl eine Ahnung -davon hat, woher das Wort stammt? Einen großen Unglücksfall nennt -er stets eine +Katastrophe+: da gibt es +Eisenbahn-+, +Schiffs-+ -und +Bootskatastrophen+, +Erdbeben-+ oder +Vulkankatastrophen+, -+Brandkatastrophen+, +Überschwemmungskatastrophen+, -+Grubenkatastrophen+, sogar +Unglückskatastrophen+! Er redet auch stets -von einer +Duellaffäre+, einer +Säbelaffäre+, einer +Messeraffäre+, -einer +Giftmordaffäre+. Einen gemeinen Betrüger bezeichnet er vornehm -als +Defraudanten+. Wenn sich einer in einem Hotel erschießt, so gibt -das stets eine +Detonation+, dann findet man das +Projektil+, das -+Motiv+ der Tat ist aber gewöhnlich unbekannt. Gerade gegenwärtig -schwelgen die Zeitungschreiber wieder -- im Leitartikel wie im -Feuilleton -- ärger denn je in Fremdwörtern. Es ist, als ob es ihnen -förmlich Spaß machte, die Puristen zu ärgern und ihnen zu zeigen: -wir scheren uns den Kuckuck um eure Bestrebungen! Der Kohlen+konsum+ -+figuriert+ bei der +Rentabilität+ als +Bagatelle+ -- von solchen -Sätzen sind die Zeitungen wieder voll. Es war schon einmal besser -geworden. - -Könnte man doch nur den Aberglauben loswerden, daß das Fremdwort -vornehmer sei als das deutsche Wort, das +momentan+ vornehmer klinge -als +augenblicklich+, +transpirieren+ vornehmer als +schwitzen+ (der -Hufschmied bei seiner Arbeit +schwitzt+ bekanntlich, aber der Herr im -Ballsaal +transpiriert+!), +professioneller Vagabund+ vornehmer als -+gewerbsmäßiger Landstreicher+, ein +elegant möbliertes Garçonlogis+ -vornehmer als ein +fein ausgestattetes Herrenzimmer+, +konsequent -ignorieren+ vornehmer als +beharrlich unbeachtet lassen+, daß ein -+Eleve+ etwas vornehmeres sei als ein +Lehrling+ (Apotheker, Banken -usw. suchen stets Eleven!), ein +Collier+ etwas vornehmeres als ein -+Halsband+ oder eine +Halskette+![181] Schon der Umstand, daß wir für -niedrige, gemeine Dinge so oft zum Fremdwort greifen, sollte uns von -diesem Aberglauben befreien. Oder wäre +perfid+, +frivol+, +anonymer -Denunziant+ nicht zehnmal gemeiner als +treulos+, +leichtfertig+, -+ungenannter Ankläger+? Und stehen +noble Passionen+ nicht tief unter -+edeln Leidenschaften+? Um etwas niedriges zu bezeichnen, dazu sollte -uns das Fremdwort gerade gut genug sein.[182] - -Aber auch unklar, verschwommen, vieldeutig sind oft die Fremdwörter. -Was wird nicht alles durch +konstatieren+ ausgedrückt! +Feststellen+, -+behaupten+, +erklären+, +wahrnehmen+, +beobachten+, +nachweisen+ --- alles legt man in dieses alberne Wort! Da ist wieder etwas -überraschendes zu +konstatieren+ -- was heißt das anders als: da macht -man wieder eine überraschende +Wahrnehmung+ oder +Beobachtung+?[183] -Was soll +intensiv+ nicht alles bedeuten: +groß+, +stark+, +lebhaft+, -+heftig+, +eifrig+, +kräftig+, +genau+, +scharf+, +straff+! Man nutzt -die Zeit +intensiv+ aus, lernt ein Volk +intensiv+ kennen, bespricht -eine Rechenaufgabe +intensiv+ usw. Was soll +direkt+ nicht alles -bedeuten! Bald +unmittelbar+ (die +direkte+ Umgebung von Leipzig, -eine Ware wird +direkt+ bezogen, einer ist der +direkte+ Schüler des -andern, ein Aufsatz wird unter +direkter+ Beteiligung des Kanzlers -geschrieben), bald +gleich+ (sie gingen +direkt+ von der Arbeit ins -Wirtshaus), bald +dicht+ oder +nahe+ (der Gasthof liegt +direkt+ -am Bahnhof), bald +gerade+ (die Straße führt +direkt+ nach der -Ausstellung), bald +geradezu+ (die Verschiedenheit der Darstellung -wird als +direkt+ störend empfunden -- die Stelle wirkt in dieser -Fassung +direkt+ erschütternd -- die Dichtung ist in ihrer Art -+direkt+ klassisch -- die evangelische Kirche ist hier in +direkt+ -falschem Licht dargestellt), bald +genau+ (soll ich denn +direkt+ -um sieben kommen?), bald +wirklich+ (bist du in Berlin gewesen, -+direkt+ in Berlin?), bald +nur+ (Ihre Bibliothek hat also +direkt+ -wissenschaftliche Werke?). Eine Berlinerin ist imstande, zu ihrem -ungezognen Bengel zu sagen: was hast du da gemacht? das ist +direkt+ -ein Fettfleck! oder: wirst du +direkt+ folgen? wirst dus +direkt+ -wieder aufheben? Was für ein unklares Wort ist +Konsequenz+! Bald -soll es +Folge+ heißen (die Konsequenzen tragen), bald +Folgerung+ -(die Konsequenzen ziehen). Was für ein unklares Wort ist +Tendenz+! -Bald soll es +Bestrebung+ bedeuten, bald +Absicht+, bald +Richtung+, -bald +Neigung+. Was für ein unklares Wort ist +System+! Man spricht -von einem +philosophischen System+ und meint eine +Lehre+ oder ein -+Lehrgebäude+, von einem +Röhrensystem+ und meint ein +Röhrennetz+, -von einem +Festungssystem+ und meint einen +Festungsgürtel+, von einem -+Achsensystem+ und meint ein +Achsenkreuz+, von einem +Sternsystem+ -und meint eine +Sterngruppe+, von einem +Verwaltungssystem+ und meint -die +Grundsätze+ der Verwaltung, von einem Sprengwagen +System Eckert+ -und meint die +Bauweise+, ja man kann nicht ein Hemd auf den Leib -ziehen, ohne mit einem +System+ in Berührung zu kommen, entweder dem -+System Prof. ~Dr.~ Jäger+ (!) oder dem +System Lahmann+ oder dem -+System Kneipp+ -- was mag sich die Verkäuferin im Wolladen unter -all diesen Systemen denken? Man sagt: hier fehlt es an +System+, -und meint +Ordnung+ oder +Plan+, man spricht von +systematischem+ -Vorgehen und meint +planmäßiges+. Dazu wird System fort und fort -verwechselt mit +Prinzip+ und mit +Methode+ (auf derselben Seite -spricht derselbe Schriftsteller bald von Germanisierungssystem, bald -von Germanisierungsmethode). Wie kann man den Reichtum des Deutschen -so gegen die Armut des Fremden vertauschen! Das Erstaunlichste von -Vieldeutigkeit und infolgedessen völliger Inhaltlosigkeit sind wohl -die Wörter +Interesse+, +interessant+ und +interessieren+. Vor kurzem -hat jemand in einer großen Tabelle alle möglichen Übersetzungen dieser -Wörter zusammengestellt. Da zeigte sich, daß es kaum ein deutsches -Adjektiv gibt, das nicht durch +interessant+ übersetzt werden könnte! -Ein so nichtssagendes „Bummelwort“ sollte doch anständigerweise in -keinem Buche und keinem Aufsatze mehr vorkommen. - -Aus der Unklarheit, die durch die Fremdwörter großgezogen wird, -entspringen dann auch so alberne Verbindungen wie: +vorübergehende -Passanten+, +dekorativer Schmuck+, +neu renovierter Saal+, -+Grundprinzip+, +Einzelindividuum+, +Attentatsversuch+, +defensive -Abwehr+, +numerische Anzahl+, +gemeinsame Solidarität+, -+charakteristisches Gepräge+ (in der Kunst und Literaturschreiberei -äußerst beliebt!), +ausschlaggebendes Moment+ u. ähnl. Nicht einmal -richtig geschrieben werden manche Fremdwörter. Wir Deutschen lassen -uns keine Gelegenheit entgehen, über den Fremden zu spotten, der -ein deutsches Wort falsch schreibt. Aber machen wir es denn besser? -Nicht bloß der kleine Handwerker setzt uns eine +Vetterage+ oder eine -+Lamperie+ auf die Rechnung statt einer +Vitrage+ oder eines +Lambris+, -sondern auch der Zeitungschreiber schreibt beharrlich +Plebiscit+, -+Diaspora+, +Atmosphäre+ (sogar +Athmosphäre+), +Proſelyten+ statt -+Plebiſcit+, +Diaſpora+, +Atmoſphäre+, +Proselyten+. Wer Griechisch -versteht, dem kommt doch +Diaspora+ und +Proſelyten+ so vor, wie -wenn einer +Schnürstiefel+ und +Halſtuch+ schriebe! Auf Leipziger -Ladenschildern liest man in zehn Fällen kaum einmal richtig +Email+, -überall steht +Emaille+, ein Wort, das es gar nicht gibt! +Drogue+ -und +Droguerie+ werden sogar amtlich in der „neuen Orthographie“ -+Droge+ und +Drogerie+ geschrieben, als ob sie wie +Loge+ und +Eloge+ -ausgesprochen werden sollten; man ließe sich noch +Drogerei+ gefallen, -aber -+erie+ ist doch eine französische Endung! Wie lange wird man noch -+posthum+ mit dem törichten h schreiben! Man kann darauf wetten, daß -die meisten dabei nicht an ~postumus~, sondern an ~humus~ denken. Ganz -glücklich sind die Leute, wenn sie in einem Fremdwort ein y anbringen -können; gewöhnlich tun sies aber gerade an der falschen Stelle, wie in -+Sphynx+, +Syphon+, +Logogryph+ usw. - -Manche Fremdwörter berauschen die Menschen offenbar durch ihren -Klang, wie +glorreich+ (in Leipziger Festreden +chlorreich+ -gesprochen), +historisch+, +Material+, +Element+, +Moment+, +Faktor+, -+Charakter+, +Epoche+ und die zahlreichen Wörter auf +ion+. -+Material+ wird in ganz abscheulicher Weise gebraucht: man redet -nicht bloß von +Pferdematerial+, sondern auch von +Menschenmaterial+, -+Kolonistenmaterial+, sogar +Referendarmaterial+! Streicht man das -+Material+, so bleibt der Sinn derselbe und der Ausdruck verliert zwar -seine klangvolle Breite, aber auch seinen ganz unnötig geringschätzigen -Nebensinn. Zu den nichtsnutzigsten Klingklangwörtern gehören +Element+, -+Moment+ (+das+ Moment!) und +Faktor+, sie werden ganz sinnlos -mißbraucht. Es sind ja eigentlich lateinische Wörter (~elementum~, -~momentum~, ~factor~); wenn man aber einen Satz, worin eins von ihnen -vorkommt, in wirkliches Latein übersetzen wollte, könnte man meist gar -nichts besseres tun, als die Wörter einfach -- weglassen. Liberale -+Elemente+, bedenkliche, unzuverlässige, gefährliche +Elemente+ -- das -ist doch nichts andres als Männer, Menschen, +Leute+. Glücklicherweise -bildeten die anständigen +Elemente+ die +Majorität+ -- das heißt doch -nichts weiter als: die anständigen +Leute+ bildeten die +Mehrheit+. -+Moment+ wie +Faktor+ aber bedeutet in den meisten Fällen weiter -nichts als ~res~, ~aliquid~, und auch mit +Element+ ist es oft nicht -anders. Da will einer sagen: trotz aller Erfahrungen im Seekrieg ist -der Torpedo noch immer +etwas neues+. Das drückt er so aus: trotz aller -Erfahrungen im Seekrieg ist der Torpedo noch immer ein +neues Element+ -oder ein +neues Moment+ oder ein +neuer Faktor+ -- nun klingt es! -Hier sind +drei Momente+ zu berücksichtigen, oder hier wirken +drei -Faktoren+ zusammen -- bei Lichte besehen ist es weiter nichts als: -+dreierlei+ (~tria~). Das wichtigste +Moment+ -- es ist schlechterdings -nichts andres als das +Wichtigste+. Der Stock hat von jeher Freud und -Leid mit den Menschen geteilt: dies +Moment+ findet in der Glocke -einen ergreifenden Ausdruck -- wenn diejenigen +Momente+ in den -Vordergrund gestellt werden, die für die Technik von Wert und Interesse -sind -- die Feinhörigkeit ist von osteologischen +Momenten+ abhängig --- die Studentenauffahrt mit ihren bunten, malerischen +Momenten+ -entrollte ein interessantes akademisches (!) Bild -- die gestrige -Stadtverordnetensitzung bot verschiedne interessante +Momente+ -- bei -jedem entstehenden Reichtum ist die Arbeit ein mitwirkender +Faktor+ -- -sind nicht +Moment+ und +Faktor+ hier ganz taube, inhaltleere Wörter? -Bisweilen kann man wohl +Moment+ durch +Umstand+, +Tatsache+, +Zug+, -+Seite+ wiedergeben, ebenso +Faktor+ bisweilen durch +Macht+, +Kraft+, -+Mittel+, aber in den meisten Fällen ist es nichts als: +etwas+; ein -+beunruhigendes Moment+, ein +differenzierendes Moment+ -- es sind -doch nur gespreizte wichtigtuerische Umschreibungen von +Beunruhigung+ -und +Unterschied+.[184] Nicht viel anders ist es mit +Charakter+. -Diese Festlichkeiten haben deshalb einen wertvollen und interessanten -+Charakter+ -- was bedeutet das anders als: sie sind deshalb wertvoll? -Die Raumbildung ist der wesentlichste +Faktor+, der dem Architekten -zur Verfügung steht. Daneben ist ein zweiter, sehr wichtiger -+Faktor+, um (!) einem Raum +individuellen Charakter+ zu geben, die -Art seiner Beleuchtung. Das dritte +Charakterisierungsmoment+, das -dem Architekten zur Verfügung steht, ist die Farbengebung. In solch -albernem Schwulst wird jetzt der einfache Gedanke ausgedrückt: der -Architekt wirkt durch drei Mittel: Raum, Licht und Farbe! +Historisch+ -(d. h. +geschichtlich+ oder +geschichtswissenschaftlich+) wird -jetzt unsinnigerweise für +alt+ oder +altertümlich+ gebraucht. -Man gibt Konzerte mit +historischen+ Blasinstrumenten (zu dumm!), -schießt auf der Schützenwiese mit +historischen+ Armbrüsten, bildet -Fanfarenbläser in +historischer+ Tracht ab, schwärmt von der +alten, -historischen+ Markgrafenstadt Meißen und preist die +althistorischen+ -Sehenswürdigkeiten von Augsburg an. Ganz arg ist auch der Mißbrauch, -der mit +Epoche+ getrieben wird, namentlich in den Schriften neuerer -Geschichtschreiber. +Epoche+ (ἐποχή) bedeutet Haltepunkt, in der -Geschichte ein Ereignis, das einen wichtigen Wendepunkt gebildet hat. -So brauchen noch unsre Klassiker bisweilen das Wort. Schiller nennt -noch ganz richtig die Geburt Christi eine +Epoche+, das Ereignis -selbst, nicht etwa die Zeit des Ereignisses! Die +Epoche+ der -Weltliteratur ist an der +Zeit+ -- sagte Goethe zu Eckermann. Daher -stammt ja auch die Verbindung +epochemachend+, d. h. einen Wendepunkt -bezeichnend. Das Wort ist dann auf die Zeit selbst übertragen worden --- worin allerdings schon der alte Goethe erkleckliches geleistet hat ---, und heute bezeichnet man jeden beliebigen Zeitabschnitt, klein -oder groß, wichtig oder unwichtig, als +Epoche+. Für Zeit kennen -unsre Geschichtschreiber gar kein andres Wort mehr, sie verwechseln -es auch fortwährend mit +Periode+,[185] reden sogar von +Zeitepoche+, -unaufhörlich pochpochpocht es durch ihre Darstellungen! Aber auch die -Jahre, in denen ein tüchtiger Rektor eine Schule geleitet hat, werden -schon eine der inhaltreichsten +Epochen+ der Schule genannt! Auch -+Generation+ hats den Leuten angetan, obwohl es zu den zahlreichen -unklaren Fremdwörtern gehört, denn es bedeutet ja +Geschlecht+ und auch -+Menschenalter+; man kann zuweilen geradezu lesen von der +Generation+, -die vor drei +Generationen+ gelebt hat! Aber es klingt, und das ist -die Hauptsache. Wenn sich bei einer großen Festtafel nach dem zweiten -Gange, wo der Wein schon zu wirken anfängt, einer erhebt, und nachdem -er einigemal mit +glorreiche Epoche+, +Moment+, +Faktor+, +zielbewußt+, -+unentwegt+ um sich geworfen hat, schließlich, ehe er „in diesem -Sinne“ sein Glas leert, noch einmal donnert: von +Generatiooon+ zu -+Generatiooon+! so muß ja alles auf dem Kopfe stehen vor Entzücken. -+Von Geschlecht zu Geschlecht+ -- damit tut man keine Wirkung. - -Im Grunde ist die Fremdwörterfrage eine Frage der Bildung und des -guten Geschmacks. Man könnte mit Rücksicht auf den Gebrauch unnötiger -Fremdwörter die Deutschen in drei Bildungsklassen einteilen: die -unterste Klasse gebraucht die Fremdwörter falsch, die mittlere -gebraucht sie richtig, die oberste gebraucht sie -- gar nicht. Daneben -gibts natürlich Misch- und Zwischenklassen, aber die Hauptklassen sind -doch diese drei. - -Der gewöhnliche Mann aus dem Volke weiß in den meisten Fällen gar -nicht, daß er Fremdwörter gebraucht. Woher sollte ers auch wissen? In -eine fremde Sprache hat er nie hineingeblickt, über seinen Wortschatz -macht er sich keine Gedanken, entweder versteht er ein Wort, oder er -versteht es nicht -- die Fremdwörter versteht er meist nicht; ob die -Wörter, die er gebraucht, deutsch sind oder einer fremden Sprache -angehören, vermag er nicht zu beurteilen. In Leipzig ist z. B. dem -kleinen Handwerker und Krämer, dem untern Beamten, dem Kutscher, dem -Packträger, dem Kellner das Wort +zurück+ fast unbekannt. Wenns ers -gedruckt liest, versteht ers wohl, aber seinem Wortschatze gehört -es nicht an, er kennt nur das Wort +reduhr+ (+retour+), das ist für -ihn deutsch! Er sagt: ich kriege zehn Fennche +reduhr+ -- schiebe -mal de Karre +reduhr+ -- um zehne fahrmer +reduhr+ -- Müller is in -seinem Jeschäfte +redur+jekommen (denn auch in Leipzig wird jetzt -vielfach +jesehen+, +jekommen+ gesagt). So gibt es noch eine Menge von -Fremdwörtern aus dem täglichen Leben, die er ganz richtig gebraucht, -die aber eben für ihn so gut wie deutsche Wörter sind, wie +Gongerrenz+ -(Konkurrenz), +degerieren+ (dekorieren), +mummendahn+, +orchinell+ -u. a. Die meisten aber gebraucht er falsch oder halbfalsch: entweder -er verdirbt oder verstümmelt ihre Form, oder er wendet sie in -falscher Bedeutung an, oder er verwechselt zwei miteinander: er sagt -+absorbieren+, wo er +absolvieren+ meint (meine Tochter hat die höhere -Töchterschule +absorbiert+), er fordert +Reduzierung+ der Arbeitslöhne -(statt +Regulierung+) und erbietet sich, wenn er eine Stelle sucht, -+Primadifferenzen+ vorzulegen, spricht von +rabiater+ Geschwindigkeit -(statt von +rapider+) und von der Gefahr, die es hat, wenn ein -Schlaganfall +repartiert+ (statt +repetiert+), verwechselt +luxuriös+ -und +lukrativ+ (wir können nicht so +lukrativ+ bauen wie die reichen -Leute), versteht +intakt+ als +in Takt+, gebraucht +irritieren+ in dem -Sinne von +irre machen+, +stören+, leitet +affektiert+ von +Affe+ ab, -bringt überall ein bißchen „französische“ Aussprache an: +Orschester+, -+Sanktimeter+, +Parangthese+, +Deelephong+, +Biweh+ (Büfett!), +Serwih+ -(Service), +Dabbeldooh+ und prophezeit von einem neuen Konzertsaal: -wenn er ene gute +Renässangs+ (Resonanz) kriegt, kriegt er ooch ene -gute +Augustik+ (Akustik). - -Nun die mittlere Klasse. Das sind die, die sich so viel Kenntnis -fremder Sprachen angeeignet haben, daß sie von einer großen Anzahl -von Fremdwörtern die Ableitung, die eigentliche Bedeutung kennen, -auf diese Wissenschaft (wenn sie sich mit den unter ihnen stehenden -vergleichen, die +Gratifikation+ und +Gravitation+ verwechseln) sehr -stolz sind und ihre hohe Bildung nun durch möglichst häufigen Gebrauch -von Fremdwörtern an den Tag zu legen suchen. Das ist die gefährliche -Klasse. Sie werfen sich in die Brust und meinen, sie hätten wunder -was gesagt, wenn sie von +lokalem Konsum+ reden, statt von +örtlichem -Verbrauch+. - -Über dieser aber gibt es noch eine dritte Klasse. Es ist ein Zeichen -höchster und vornehmster Bildung, wenn man durch die Erlernung fremder -Sprachen zugleich seine Muttersprache so hat beherrschen lernen, daß -man die fremden Flicken und Lappen entbehren, daß man wirklich deutsch -reden kann. - -[Illustration] - - - - -[Illustration] - - -Alphabetisches Wortregister - - - ab statt von 432 - - abdecken 359 - - abend und abends 261 - - Abmessung 435 - - abpflastern 359 - - abschlägig und abschläglich 83 - - abstürzen 374 - - Abteil 434 - - abzüglich 421 - - Achtung für oder vor 349 - - adlig und adlich 81 - - Affäre 444 - - Afrikareisender 193 - - Aktiengesellschaft 199 - - alle 31 - - alle oder aller vier Wochen 259 - - allmählich 81 - - Alltag 362 - - alpine Flora 185 - - als beim Komparativ 268 - - als ob, als wenn 157 - - altbacken 59 - - Altheidelberg, Altweimar 191 - - Altmeister 190 - - Altmeißner Porzellan 191 - - anbelangen, anbetreffen 407 - - anders 47 - - anderthalb 49 - - andersartig 409 - - andres, ein 48 - - Anfang und Anfangs 261 - - angängig 373 - - angehen 239 - - Angehöriger 34 - - Angel 19 - - Anhaltspunkt 73 - - anklagen, beklagen, verklagen 358 - - Anlage und Anlegung 344 - - anläßlich 420 - - anliefern 359 - - anormal 441 - - anscheinend 341 - - anschneiden, eine Frage 375 - - anschließen, sich 341 - - Anteilnahme 408 - - antideutsch 88 - - antwortlich 419 - - Anwaltstag 76 - - Anzahl 96 - - Apfelwein 74 - - Apostel 19 - - Arbeitgeber 80 - - Arbeitnehmer 362 - - Arm 16 - - Armesünderglocke 206 - - Aschenbecher 70 - - Ärztetag 70 - - Ärztin 68 - - Attentäter 67 - - auf Festung, auf Jagd 275 - - aufliefern 359 - - Aufregung und Aufgeregtheit 345 - - aufrollen, eine Frage 375 - - auftraggemäß 387 - - augenscheinlich 341 - - Aurikel 19 - - ausbezahlen 407 - - Ausfuhr u. Ausführung 344 - - Ausgabe, erste seltene 301 - - ausgehen 355 - - ausgeschlossen 391 - - Auskunftei Schimmelpfeng 203 - - auslösen 375 - - Ausreise 363 - - ausschließlich 420 - - Ausschmuck 345 - - ausschalten 375 - - Autograph 18 - - - Baby 438 - - Bachkantate 195 - - baden 56 - - Bad-Kissingen 218 - - baldgefälligst 43 - - Bande, Bände, Bänder 20 - - Beamter 33 - - Beamtin 69 - - bedanken 243 - - bedeuten statt sein 376 - - bedeutsam 369 - - bedingen 398 - - beföhle 63 - - Begleiterscheinung 363 - - begönne 63 - - begründen und gründen 358 - - begrüßen 376 - - behufs 418 - - bei statt von 351 - - beide 37 - - beiderlei Geschlechts 290 - - beiläufig 431 - - bekannt als, berühmt als 214 - - bekannt geben 376 - - beklagen, anklagen, verklagen 358 - - Beklagtin 69 - - belanglos, belangreich 370 - - beheben 354 - - belegen sein 354. 358 - - Beleuchtungskörper 365 - - belichten 365 - - benötigen 430 - - bereits schon 290 - - Bergmann 4 - - Bericht erstatten 280 - - berichten 240 - - besitzen statt haben 410 - - besönne 63 - - besser statt gut 370 - - bewähren, sich, als 215 - - bewerten 385 - - beziffern sich 376 - - Beziehung, Bezug, Bezugnahme 345 - - beziehentlich, beziehungsweise 426 - - Biere 337 - - bilden statt sein 377 - - billig 81 - - bis 257 - - bislang 386 - - Bismarckbeleidigung 198 - - Blatt und Blätter 24 - - Blättermeldung 361 - - Blau, das, und das Blaue 35 - - blumistisch 88 - - Blüthnerflügel 196 - - Boden 16 - - Bogen 16 - - Boot 16 - - brauchen oder gebraucht 61 - - brauchen mit Infinitiv 292 - - brauchen und gebrauchen 354 - - bringen, zur Aufführung 416 - - Brot 16 - - Buckel 19 - - - Café Bauer 201 - - Charakter 449 - - chic 437 - - Cypernwein 192 - - - da und dort 386 - - dabei, dafür, darin 231 - - dank 247 - - Darbietung 368 - - Darlehen 4 - - darstellen statt sein oder bilden 377 - - das und was 116 - - denkbar beim Superlativ 43 - - Denkmal 20 - - denn beim Komparativ 268 - - der der, die die, das das 115 - - der, die, das als Relativpronomen 112 - - deren 40 - - deren und derer 45 - - derem und dessem 45 - - derjenige, welcher 235 - - derselbe 226 - - derselbige 235 - - dessen 40 - - Deutsch, das, und das Deutsche 35 - - Deutsche, wir, und wir Deutschen 36 - - Dichter-Komponist 220 - - Ding 21 - - direkt 445 - - Doktor-Ingenieur 220 - - ~Dr.~, weiblich 277 - - drängen 53 - - draußen, drinnen 353 - - dreimonatig und dreimonatlich 82 - - dringen 53 - - Dritte, der, statt der Andre 347 - - drittehalb 49 - - Droguerie 447 - - drüben und hüben 353 - - dünken 53 - - durch statt von 351 - - durch von der Zeit 263 - - durch und wegen 349 - - durchwegs 422 - - Dürerzeichnung 195 - - dürfen 347 - - dürfen mit Recht 290 - - - Edition Peters 201 - - Effekt 18 - - ehe nicht 272 - - Ehrung 368 - - eigenartig 370 - - ein andres 48 - - Einakter 362 - - einander gegenseitig 290 - - eindecken 359 - - einer nicht statt keiner 270 - - eines, einem, einen 46 - - ein Goethe 276 - - einige 31 - - einig sein, sich 342 - - einliefern 339 - - ein Maler drei, ein Stücker drei 245 - - einmal statt erstens 342 - - Einnahmsquelle 78 - - einschätzen 377 - - einschließlich 420 - - einsetzen 378 - - Einsichtnahme 408 - - einstellen 380 - - einundderselbe 46. 226 - - einwandfrei 370 - - einwerten 386 - - einzig 44 - - Eisenbahner 67 - - Element 448 - - Eltern 29 - - Email 447 - - empfangen und erhalten 341 - - empföhle 63 - - empor 257 - - entblöden, sich 356 - - entfallen statt fallen 354. 356 - - entgegennehmen 380 - - entleihen 356 - - entlohnen 354. 356 - - entnüchtern, ernüchtern 359 - - Entscheid 345 - - Epoche 450 - - erblicken 406 - - erbringen 354 - - Erfolg 340 - - erfolgen 344 - - erhalten und empfangen 341 - - erhältlich 364 - - erheben, sich 341 - - erheblich 371 - - erholen, sich, Rats 241 - - erhoffen 354 - - erinnern, auf etwas 431 - - erlauben 355 - - Erleben, das 397 - - eröffnen 355 - - Erscheinung, in die, treten 383 - - erschrecken 51 - - Erstaufführung 188 - - Erstausgabe, Erstdruck 188 - - erstbeste 43 - - erste Künstler 245 - - erstellen 355 - - ersterer 223 - - erstklassig 364 - - erstmalig 407 - - erstmals 386 - - erübrigen statt übrig bleiben 380 - - erübrigen, sich, statt überflüssig sein 380 - - Erwerb und Erwerbung 345 - - erzielen 381 - - essen 62 - - Essen-Ruhr 200 - - ~et~, & 267 - - Etikett, das 23 - - etwas andres 48 - - etwas nicht statt nichts 270 - - euer und eurer 44 - - Eure Majestät 45 - - eventuell 437 - - existieren 436 - - Exlibris 203 - - - Fabriksmädchen 78 - - Façon, das 23 - - fahren und führen 56. 166 - - Fahrkarte 434 - - Fahrrichtung 74 - - Faktor 449 - - Falschstück 188 - - falten 56 - - Fehlbetrag 363 - - Fels und Felsen 5 - - fertigstellen 402 - - Feste, die 34 - - festlegen 403 - - Feuerbestattung 365 - - finden, sich 432 - - Firma, das 23 - - folgender 27 - - forstlich 185 - - fort 404 - - fragen 54 - - Frauenkirche 70 - - Frau und Kinder 276 - - Fräulein, das oder die 276 - - Fräulein Braut, Tochter 277 - - Freisinn 362 - - Fremder 33 - - Fremdsprache 188 - - fremdsprachig und fremdsprachlich 81 - - Friede 5 - - Frischluft 189 - - froh in Zusammensetzungen (arbeitsfroh) 371 - - Fühlen, das 396 - - führende Geister 381 - - fünfzig und funfzig 49 - - fünfzigjähriger Geburtstag 246 - - Funke 5 - - für und über 349 - - für und zu 349 - - Fürst 4 - - fußfrei 210 - - - Ganzes oder Ganze 25. 33 - - Garage 436 - - Garne 337 - - Gartenlaubekalender 70 - - Gastwirtstag, Gastwirtsverein 76 - - Gau 4 - - geartet 409 - - geboren werden, geboren sein 108 - - gebrauchen und brauchen 354 - - Geburtstag 16. 246 - - Gedanke 5 - - gedienter Soldat 166 - - Gefalle 5 - - gefeiert als 214 - - Gefertigte, der 430 - - Gefolge, im -- haben 381 - - Gehalte und Gehälter 20. 22 - - Geistlicher 33 - - gelagerter Fall 408 - - Gelände 435 - - gelangen, zur Aufführung 416 - - gelegentlich 420 - - Gelehrter 33 - - gelernter Kellner 166 - - gemäß 248 - - Gemäßheit, in 420 - - General 17 - - Generation 450 - - Gepflogenheit 362 - - Gesangpädagog 442 - - geschaffen, geschafft 52 - - Geschäft 21 - - geschleift, geschliffen 52 - - Geschmack 22 - - geschweige denn 273 - - gesessen sein, gesessen haben 59 - - Gesichte und Gesichter 20 - - Gesichtspunkt 393 - - gesinnt, gesonnen 52 - - gestanden sein, gestanden haben 59. 168 - - gestatten 381 - - getragen 382 - - Gewand 20 - - Gewerk und Gewerke 4 - - Gewinn 21 - - Gewölbe 21 - - gewönne 63 - - glasieren 88 - - glatt 371 - - Glaube 5 - - gleiche, der 226 - - Goethebiographie, Goethedenkmal 194 - - gölte 63 - - Griffelkunst 363 - - Großfeuer 189 - - großzügig 371 - - größtmöglichst 43 - - Grund und Boden 46 - - gründen und begründen 358 - - - Haar, Haare 338 - - Hader 19 - - Halle-Saale 200 - - hangen und hängen 51 - - Hannoveraner 88 - - Haufe 5 - - Haus 390 - - Hause, nach 351 - - hausbacken 59 - - haußen, hinnen 353 - - Heiliger 33 - - heißen 239 - - heißen oder geheißen 60 - - -heit, Wörter auf 345 - - Heizkörper 365 - - Held 4 - - helfen oder geholfen 61 - - her und hin 352 - - herab, heran, herunter 353 - - Herabminderung 408 - - herauf und hinauf, herein und hinein 352 - - herausbilden 407 - - Herbstzeitlose 34 - - Herr 14 - - Herrenmoden 390 - - Herzog 17 - - Hilferuf, Hilfeleistung 80 - - Hilfslehrer, Hilfsprediger 80 - - hin und her 352 - - hinab, hinan, hinunter 353 - - hinauf 257 - - Hingabe und Hingebung 343 - - Hirt 4 - - historisch 450 - - historisch-kritisch 267 - - hocherfreut und hoch erfreut 169 - - hochfein, hochmodern 386 - - hochgradig 372 - - hoch kommen 257 - - hochleben 170 - - Höchstgehalt, Höchstmaß 188 - - hochverehrtest 42 - - hoffen und wünschen, verwechselt 296 - - Holbeinbildnis 197 - - Holländer Austern 178 - - hören oder gehört 60 - - Hose, Hosen 338 - - hüben und drüben 353 - - hülfe 63 - - Hummer 19 - - hundertunderste 49 - - - im Begriff 252 - - im Wege 350 - - in 1870 258 - - in statt auf oder gegen 350 - - indes, indessen 387 - - in Ergänzung, Fortsetzung, Veranlassung 172 - - inhaltlich 420 - - Inneres oder Innere 33 - - insofern als 133 - - insofern, daß 296 - - instandsetzen 252 - - intensiv 445 - - interessant 447 - - interpretieren 438 - - -ismus, Wörter auf 12 - - - ja, das beteuernde und das steigernde 323 - - ja ja 323 - - jagen 59 - - Jaquet 19 - - jeder 26 - - jemand 47 - - jemand anders 47 - - jener 237 - - Jetztzeit 362 - - Jubiläum 246 - - jugendlich statt jung 372 - - Jungens 23 - - Jünger 33 - - Jungwilhelmdenkmal 191 - - - Kaiserhoch 197 - - Kajütsbureau 78 - - kännte und kennte 63 - - Kapital, Kapitäl 17 - - Kasten 16 - - Katastrophe 444 - - kein 31. 270 - - kennen lernen oder gelernt 61 - - Kenntnis, zur, kommen 283 - - Kenntnis nehmen 279 - - kennzeichnen 340 - - Kiefer 19 - - Klage führen 281 - - klarlegen, klarstellen 402 - - klar sein, sich 342 - - kleiden 240 - - Klein, das 35 - - Kloß 21 - - kneipen 52 - - Kohlezeichnung 71 - - Kolleggeld 76 - - Kollegienhefte 76 - - Kollegs 23 - - kommen, zur Aufführung 416 - - Königsbüste 198 - - Können, das 396 - - konstatieren 445 - - Kork 19 - - Korset 19 - - kosten 239 - - Kostüm 436 - - Kragen 16 - - kriegführend 80 - - kulturell 185 - - Kunde 69 - - Künstler 68 - - - laden 53 - - Lage 293 - - Lageplan 71 - - Lager 16 - - Lande und Länder 20 - - landen 381 - - lang, drei Monate 262 - - längeren, des 407 - - lassen 238 - - lassen oder gelassen 60 - - lateinlos 365 - - lauten 56 - - leerstellen 403 - - Lehen 4 - - lehren 239 - - Lehrperson 362 - - Leipzig-Elbe-Kanal 192 - - leisten, Folge, Verzicht 406 - - letzterer 223 - - Lichte und Lichter 20 - - liebedienerisch 80 - - Liebesdienst 77 - - Liebfrauenmilch 72. 206 - - Linke, die 34 - - links 248 - - Lohn 22 - - lohnen, der Mühe 241 - - Lokomotivführer 72 - - löschen 51 - - - Mädels 23 - - Magen 16 - - Maler-Dichter 220 - - man 46 - - Mann 4 - - manche 31 - - mangels 418 - - Mansardedach 71 - - markant 437 - - Maß 21 - - maschinell 185 - - Material 448 - - mehrere 32 - - mehrere und mehr 41 - - mein, dein, sein 32 - - Menge 96 - - Mietshaus, Mietspreis, Mietsvertrag 74. 78 - - Milieu 436 - - minderwertig 373 - - Mindestpreis 188 - - mißbrauchen, mißfallen, mißhandeln 58 - - Mittwoch 261 - - Möbel 19 - - mögen für können 346 - - möglichst und womöglich 43 - - Moment 448 - - Monarch 443 - - monatlich 82 - - Motor 18 - - Muff 19 - - - nachahmen 239 - - nachdem 131 - - nach dort, nach hier 256 - - nach Hause, zu Hause 351 - - nach meines Erachtens 247 - - nach oben 256 - - Nachrichten, Neueste Leipziger 300 - - nahe 249 - - näheren, des 407 - - nahezu 387 - - Name 5 - - namens 418 - - Namensverzeichnis 75 - - naturgemäß 387 - - Naturwissenschaftler 68 - - Neigung und Geneigtheit 345 - - nein nein 323 - - Neuauflage, Neuerscheinung 188 - - neubacken 59 - - neuerdings 431 - - Neuheit und Neuigkeit 340 - - Neusprachler 68 - - neusprachlich 81 - - nicht ohne 273 - - nichts 270 - - nicht un -- 272 - - Niederlagsraum 78 - - Niederlande, Königin Wilhelmine der 303 - - niemand 47 - - nördlich 248 - - notleiden 170 - - Note, intime 368 - - - oben gehen 257 - - obzwar 133 - - oder 98 - - offenstellen 403 - - öffnen und eröffnen 355 - - offensichtlich 373 - - Offert, das 23 - - Offizierskasino 75 - - öfters 422 - - Ohren, zu, kommen 283 - - Orte und Örter 22 - - Ortsverzeichnis 75 - - - Pädagog 441 - - Pantoffel 19 - - Papierverein 199 - - Paragraph 18 - - Parteinahme 408 - - passieren 436 - - Pate 69 - - Perser Teppiche 178 - - Pfennig, Pfennige 24 - - Porto, Porti 24 - - posthum 447 - - Preise, kleine 339 - - Preislage 390 - - Presseball, Pressefest 72 - - Prinz 4 - - Prinzensöhne 220 - - prinzlich 185 - - Prinzregent 220 - - prozentual 441 - - Prozentsatz 368 - - - radebrechen 53 - - Rassepferd 70 - - Rechenstunde 77 - - Rechnung tragen 381 - - Rechte, die 34 - - rechts 248 - - Redakteur 433 - - reichlich 388 - - Reihe 96 - - reisen 59 - - religiös-sittlich 267 - - Rest 21 - - retour 451 - - retrospektiv 438 - - richtig stellen 402 - - Richtung, in der 421 - - Rindsleder 79 - - Rittersmann 77 - - Rohr 16 - - rönne 63 - - rückenfrei 210 - - Rückerinnerung 291. 408 - - Rücksichtnahme 408 - - Rückwirkung, Rückschluß 368 - - rund 387 - - - Saalezeitung 72 - - Same 5 - - sämtliche 31 - - Sand 338 - - Sauregurkenzeit 206 - - Schade und schade 5 - - schaffen 52 - - scheinbar 341 - - Scheit 22 - - Schilde und Schilder 21 - - Schillerfeind 198 - - schleifen 52 - - Schlüssel 19 - - schmelzen 51 - - schneidig 373 - - schölte 63 - - Schönen, die 34 - - Schreibepapier 77 - - schreiten 382 - - Schriftleiter 433 - - schrittweise 207 - - Schule, zur 351 - - schulisch 184 - - schwerwiegend 41 - - schwömme 63 - - segensreich 77 - - sehen oder gesehen 60 - - Seiner Majestät Schiff 40 - - sein lassen 215 - - seitens 422 - - -seitig, -seits 424 - - selber, selbst 245 - - selbstlos 373 - - selbstredend, selbstverständlich 391 - - selten 388 - - Shakespearedramen 195 - - Silberhochzeit 186 - - singen hören oder gehört 60 - - sinnen 52 - - solcher 27 - - Solebad 72 - - sollen für müssen 346 - - Solo, Soli 24 - - sonst 233 - - sowie 98 - - sowohl als auch 98 - - so zwar 267 - - spalten 56 - - Speisekarte 73 - - speisen 62 - - Spielmann 4 - - spönne 63 - - Standpunkt 395 - - stände, stünde 62 - - stattfinden 344 - - stattgefunden und stattgehabt 167 - - stecken 52 - - Stellung nehmen 279 - - Stellungnahme 408 - - Steuer 19 - - Stiefel 19 - - Straftat 363 - - Straßenbahner 67 - - Strauß 21 - - stückweise 207 - - studierter Mann 166 - - stürbe 63 - - Stutz 19 - - südlich 248 - - Sunlightseife 439 - - System 446 - - - Tabaksmonopol 79 - - tagein, tagaus 365 - - Tale und Täler 20 - - Taler 24 - - teils -- teils 98 - - teilweise 207 - - Tendenz 446 - - tiefgefühltest 42 - - tiefgehend 41 - - tiefgründig 373 - - Tintenfaß 70 - - Titel 19 - - todsicher 392 - - Toiletteseife 70 - - Ton 338 - - Ton für Wort 392 - - tragen 382 - - treffsicher 364 - - treten 383 - - trotzdem und trotzdem daß 133 - - Trümmer 19 - - Tucher Bier 192 - - tunlich 373 - - Typ 436 - - - überfahren 57 - - überführen 56 - - überlegen 57 - - Übersee 362 - - übersetzen 57 - - übersiedeln 58 - - uferlos 373 - - um zu 161. 296 - - und, fehlendes 265 - - unentwegt 388 - - unerfindlich 373 - - unerheblich 371 - - unerwartet 248 - - unförmig und unförmlich 83 - - ungeachtet 248 - - ungefähr 209 - - ungezählt statt unzählig 374 - - Universität Leipzig 201 - - unschwer, nicht unschwer 273 - - unser und unsrer 44 - - unsre Gegenwart 290 - - Unstimmigkeit 369 - - untadlig 81 - - unterbreiten 57 - - Unterfertigte, der 431 - - unterhalten 57 - - unterrichtlich 184 - - unterschlagen 57 - - Untertan 33 - - unverhohlen 54 - - unweit 249 - - unwidersprochen 243 - - unzählig 81 - - Urlaub 355 - - - vaterlandsliebend 80 - - veranschlagen 406 - - verausgaben 406 - - verdenken 241 - - verderben 51 - - Verdienst 22 - - verdürbe 63 - - Verein Berliner Künstler 39 - - vereinnahmen 406 - - Verfehlung 369 - - Verfügung, zur, stehen und stellen 281 - - vergessen, auf etwas 431 - - Verkauf und Verkaufung 344 - - verkehren 60 - - verläßlich statt zuverlässig 374 - - verlautbaren u. verlauten 341 - - verlegen statt legen 354 - - vermeinen 357 - - vermittelst 418 - - vernunftgemäß 387 - - verraten, sich, als 215 - - verschreiten 382 - - verschroben 54 - - versichern 240 - - verständigen 430 - - Verstehen, das 397 - - vertonen 435 - - vertrauen 383 - - Verwandter 33 - - Verwandtin 69 - - Verzichtleistung 408 - - verziehen 357 - - viele 32 - - vielmehr 388 - - vierwöchig und vierwöchentlich 82 - - Villa-Daheim 218 - - Visitekarte 70 - - volklich, völkisch 184 - - voll und ganz 388 - - vollends 273 - - voller 244 - - Vollziehung und Vollzug 345 - - von -- ab, von -- an 349 - - von Ende oder vom Ende 264 - - von Hause, von zuhause 264 - - vorab 389 - - voran und vorwärts 341 - - vorbestrafen 383 - - vorhanden 209 - - vorhinein, im 431 - - Vorjahr 362 - - Vormärz 362 - - vornehm statt Haupt- 374 - - vornehmlich 389 - - Vorredner 362 - - vorsehen 384 - - - Wagen 163 - - wägen 51 - - Wagnerverehrer 198 - - während 14. 261 - - weder -- noch 98 - - weg 404 - - Wege, im 350 - - Wege, in die -- leiten 384 - - wegen und durch 349 - - Weimaraner 88 - - Wein 337 - - weise 207 - - Weiser 33 - - Weiße, die 49 - - weitaus 38 - - weitgehend 413 - - welcher 27. 112 - - welch letzterer 123 - - Werdegang 360 - - werden lassen 215 - - werten 385 - - wie beim Komparativ 268 - - Wie meinen? 366 - - wiegen 51 - - Wild, das 35 - - Wille 5 - - willfahren 53 - - wir Deutschen 36 - - Wirksamkeit und Wirkung 340 - - wo, wobei, womit, worin 118 - - wöchentlich 82 - - Wolle 337 - - Wollen, das 397 - - worden 105 - - Wort, Worte, Wörter 20 - - wunschgemäß 387 - - wünschen und hoffen verwechselt 296 - - würbe 63 - - würde statt des Konjunktivs 158 - - würfe 63 - - - Zeichenbuch 76 - - zeigen, sich, als 215 - - Zeit, die gute alte 209 - - zeitigen 386 - - Zelt 21 - - Zerstreuung und Zerstreutheit 345 - - Zettel 18 - - Ziegel 19 - - zielbewußt 374 - - zu und um zu 161 - - zubilligen 386 - - zufolge statt nach 351 - - zufrieden 209 - - zufriedenstellen 402 - - zugängig und zugänglich 83 - - Zugsverbindung 78 - - zuhause 264 - - Zuhilfenahme 421 - - zukommen, auf etwas 386 - - zumal 342 - - zumal und zumal da 132 - - zuzüglich 421 - - zwangsweise 207 - - zwar, so 267 - - zwecks 418 - - zween, zwo, zwei 49 - - zwischen 258 - -[Illustration] - - - - -Druck von Carl Marquart in Leipzig - - - - -~Verlag von KARL J. TRÜBNER in Straßburg.~ - - -Walther von der Vogelweide - -Von - -Rudolf Wustmann - -Kl. 8°. V, 103 S. 1912. Mit 3 Tafeln. - -Geheftet ℳ 2.--, gebunden ℳ 2.40. - -+~Vorwort des Verfassers~+: - -„~Dies Büchlein zu schreiben hat mich schon lange gedrängt. Walther -von der Vogelweide verdient in unserer allgemeinen Bildung einen -besseren Platz, als ihm die meisten deutschen Hoch- und Mittelschulen -zuteil werden lassen. Sein Charakterbild steht im großen und ganzen -fest, so vieles auch an seinem Lebensbilde noch undeutlich ist. Daß -ich nun auch etwas von Walthers Musik mit vorlegen kann, macht mir -besondere Freude.~“ - - -Shakspere - -Fünf Vorlesungen aus dem Nachlaß - -von - -Bernhard ten Brink - -Mit dem Medaillonbildnis des Verfassers in Lichtdruck - -Dritte durchgesehene Auflage - -Klein 8°. VII, 149 S. 1907. ℳ 2.--, gebunden ℳ 2.50. - - Inhalt: Erste Vorlesung: Der Dichter und der Mensch. -- Zweite - Vorlesung: Die Zeitfolge von Shaksperes Werken. -- Dritte Vorlesung: - Shakspere als Dramatiker. -- Vierte Vorlesung: Shakspere als - komischer Dichter. -- Fünfte Vorlesung: Shakspere als Tragiker. - - - - -~Verlag von KARL J. TRÜBNER in Straßburg.~ - - -Deutsches - -Fremdwörterbuch - -Von - -Hans Schulz - -Privatdozent an der Universität Freiburg i. Br. - -Erste bis vierte Lieferung: A-Kampagne - -Lex. 8°. je 5 Bogen. Subskriptionspreis für die Lieferung ℳ 1.50. Das -Werk wird etwa 10 Lieferungen von je 5 Bogen Lex. 8° umfassen. - -~Das Buch versucht zum ersten Male eine lexikalische Behandlung der -in unsere Sprache aufgenommenen Fremdwörter nach den Grundsätzen der -modernen Wortforschung. Der Verfasser hat es sich zur Aufgabe gemacht, -für jedes Wort die Quelle und die Zeit der Entlehnung zu ermitteln, -seinen ursprünglichen Geltungsbereich festzustellen und unter Darlegung -des historischen Belegmaterials seine Entwicklung im deutschen -Sprachgebrauch zu veranschaulichen. Besonderer Wert wurde darauf -gelegt, die lebende und allgemein gebräuchliche Sprache zu fassen und -eingehend zu behandeln.~ - -„~Das lang ersehnte geschichtliche Fremdwörterbuch tritt endlich in -Erscheinung, nicht im Zusammenarbeiten mehrerer, nicht als Ertrag -einer langen Lebensarbeit, sondern dank der Tatkraft, dem mutigen -Zugreifen eines jugendfrischen Mannes. Schulz will allerdings nicht -ein Seitenstück zum Deutschen Wörterbuch bieten, seine Arbeit ist -vielmehr auf ein einbändiges Werk berechnet. Es sollen nur die wirklich -lebendigen Fremdwörter behandelt werden und nur die, die der allgemein -gebräuchlichen Sprache angehören; Veraltetes, wie das große Heer der -technischen Ausdrücke, scheidet also aus. Was Schulz innerhalb dieser -Grenzen geleistet hat, ist ganz vortrefflich. Auswahl, Anordnung, -Darstellung sind durchaus zweckentsprechend und geschickt; musterhafte -Knappheit verbindet sich mit großem Reichtum ... Die Ausstattung des -Buches ist durchaus erfreulich. Hoffentlich liegt das Ganze recht bald -vollendet vor uns.~“ - -_Prof. Dr. O. Behaghel im Literaturblatt für germanische und romanische -Philologie XXII. Jahrgang 1911, Nr. 1._ - - - - -~Verlag von KARL J. TRÜBNER in Straßburg.~ - - -Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache - -von - -Friedrich Kluge - -ord. Professor der deutschen Sprache an der Universität Freiburg i. Br. - -Siebente verbesserte und vermehrte Auflage - -Lex. 8°. XVI, 519 S. 1910. Geheftet ℳ 9.--, in Leinwand geb. ℳ 10.20, -in Halbfranz geb. ℳ 11.--. - -=Kluges Wörterbuch= ist im Jahre 1883 erstmals erschienen; es hat -also im Jahre 1908 sein 25jähriges Jubiläum feiern können. Der Erfolg -der bis jetzt erschienenen sieben Auflagen und die Anerkennung, -welche dem Buche zu Teil geworden, haben gezeigt, wie richtig der -Gedanke war, die Ergebnisse des anziehendsten und wertvollsten Teiles -der wissenschaftlichen Wortforschung, den über die Entstehung und -Geschichte der einzelnen Wörter unseres Sprachschatzes, in knapper -lexikalischer Darstellung zusammenzufassen. - -Der Verfasser hat es sich zur Aufgabe gemacht, Form und Bedeutung -jedes Wortes bis zu seiner Quelle zu verfolgen, die Beziehungen -zu den klassischen Sprachen in gleichem Maße betonend wie das -Verwandtschaftsverhältnis zu den übrigen germanischen und den -romanischen Sprachen; auch die entfernteren orientalischen, -sowie die keltischen und die slavischen Sprachen sind in allen -Fällen herangezogen, wo die Forschung eine sichere Verwandtschaft -festzustellen vermag. - -Die vorliegende neue Auflage, die auf jeder Seite Besserungen und -Zusätze aufweist, hält an dem früheren Programm des Werkes fest, -strebt aber wiederum nach einer Vertiefung und Erweiterung der -wortgeschichtlichen Probleme und ist auch diesmal bemüht, den -neuesten Fortschritten der etymologischen Wortforschung gebührende -Rechnung zu tragen. Am besten aber veranschaulichen einige Zahlen die -Vervollständigung des Werkes seit seinem ersten Erscheinen: die Zahl -der Stichworte hat sich von der ersten zur siebenten Auflage vermehrt -im Buchstaben A: von 130 auf 346 (6. Aufl. 280); B: von 378 auf 608 (6. -Aufl. 520); D: von 137 auf 238 (6. Aufl. 200); E: von 100 auf 202 (6. -Aufl. 160); F: von 236 auf 454 (6. Aufl. 329). Diese Vermehrung ist in -gleicher Weise auch bei den übrigen Buchstaben angestrebt worden. - - - - -Verlag von KARL J. TRÜBNER in Straßburg. - - -Wörterbuch-Bibliothek. - - =Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache.= Von +Friedrich - Kluge+, Professor an der Universität Freiburg i. Br. Siebente - verbesserte und vermehrte Auflage. Lex. 8°. XVI, 519 S. 1910. Geh. ℳ - 9.--, in Leinw. geb. ℳ 10.20, in Halbfranz geb. ℳ 11.-- - - =Deutsches Fremdwörterbuch.= Von +Hans Schulz+, Privatdozent an - der Universität Freiburg i. Br. 1.-4. Lieferung: A-Kampagne. - Subskriptionspreis für die Lieferung ℳ 1.50. Das Werk wird etwa 10 - Lieferungen von je 5 Bogen Lex. 8°. umfassen. - - =Wörterbuch der deutschen Kaufmannssprache.= ~Auf geschichtlichen - Grundlagen. Mit einer systematischen Einleitung. Von _Alfred - Schirmer_. Lex. 8°. LI, 218 S. 1911.~ - - Geh. ℳ 6.50, geb. ℳ 7.50 - - =Die deutsche Druckersprache.= Von ~Dr.~ +Heinrich Klenz+. 8°. XV, - 128 S. 1900. Geh. ℳ 2.50, geb. ℳ 3.50 - - =Schlagwörterbuch.= Von +Otto Ladendorf+. 8°. XXIV, 365 S. 1906. Geh. - ℳ 6.--, in Leinwand geb. ℳ 7.-- - - =Pennälersprache.= Entwicklung, Wortschatz und Wörterbuch. Von - +Rudolf Eilenberger+. 8°. VIII, 68 S. 1910. Geh. ℳ 1.80, in Leinwand - geb. ℳ 2.30 - - =Schelten-Wörterbuch.= Die Berufs-, besonders Handwerkerschelten und - Verwandtes. Von ~Dr.~ +Heinrich Klenz+. 8°. VIII, 159 S. 1910. Geh. ℳ - 4.--, geb. ℳ 5.-- - - =Rotwelsch.= +Quellen und Wortschatz der Gaunersprache+ und der - verwandten Geheimsprachen. Von +Friedrich Kluge+. I. Rotwelsches - Quellenbuch. Gr. 8°. XVI, 495 S. 1901. ℳ 14.-- - - - - -~Verlag von KARL J. TRÜBNER in Straßburg.~ - - -Allgemeine - -Bücherkunde - -zur neueren deutschen Literaturgeschichte - -Von - -Robert F. Arnold - -a. o. Univ.-Prof., Kustos der k. k. Hofbibliothek in Wien. - -8°. XIX, 354 S. 1910. - -Geheftet ℳ 8.--, in Leinwand geb. ℳ 9.--. - -„~Dieses Werk gehört zu den Büchern, die wirklich einmal eine -vorhandene Lücke ausfüllen und den Bestand unserer Hilfsmittel um -ein höchst nützliches Glied erweitern. Aus der Praxis erwachsen, ist -es auch in besonderem Sinne praktisch gestaltet worden, zumal der -Verfasser reiche bibliothekarische Erfahrung mit literarhistorischer -Kritik aufs glücklichste vereinigte ... Alles in allem erscheint der -Inhalt des Buches so wohlerwogen und so gewissenhaft überprüft, ist -die Anordnung und der Druck so klar und übersichtlich, daß es den -zu stellenden Anforderungen aufs beste entspricht ... Und wenn der -Verfasser die mühevolle Arbeit mit einem Seufzer der Erleichterung -beschließt, so mag in das Bewußtsein trösten, durch sein schönes Buch -den Nachstrebenden wie den Fachgenossen einen guten Dienst geleistet zu -haben.~“ - - _Dr. Otto Ladendorf in Zeitschr. f. d. dt. Unterricht, 24. Jahrg., - Heft 11._ - -„~Für das Gebiet der deutschen Literatur, den bevorzugten Tummelplatz -unserer Bibliophilen, liefert der bekannte, als Bibliograph der neueren -Theatergeschichte bewährte Wiener Literaturhistoriker und Bibliothekar -Arnold eine überaus nützliche Einführung, indem er streng gegliedert -die gesamte eingeschlagene Literatur vorführt. Das System ist praktisch -und zumal durch das ausführliche Register auch für Laien leicht -benutzbar. Für jedes Gebiet wird eine Art historischer Entwicklung -an der Hand der älteren Bücher und Zeitschriften gegeben; knappe, -sichere Urteile, Anweisungen für den Gebrauch von Sammelwerken und -Nachschlagebüchern gewähren namentlich dem Anfänger die nützlichste -Unterstützung~ ...“ - - _Prof. Dr. G. Witkowski in der Zeitschr. f. Bücherfreunde, - Januar-Heft 1911._ - - - - -~Verlag von KARL J. TRÜBNER in Straßburg.~ - - -Die Renaissance - -Historische Szenen - -vom - -Grafen Gobineau - -Deutsch von Ludwig Schemann - -Ausgabe letzter Hand mit den aus der Handschrift erstmalig übertragenen - -Originaleinleitungen Gobineaus. - -8°. LXXXV, 387 S. 1912. - -Preis: Geheftet ℳ 4.--, geb. in Leinwand ℳ 5.--, in Ganzlederband ℳ -6.--. - -~Der Wert und die Bedeutung der neuen Auflage wird besonders -dadurch erhöht, daß in ihr =zum ersten Male= und =allein in ihr -die Einleitungen, die Gobineau selbst zur Renaissance= geschrieben -hat, veröffentlicht werden. „Diese Einleitungen, deren Charakter -und Bedeutung auf den ersten Blick erhellt, bringen einerseits -eine Art =Vorgeschichte der Renaissance=, eine knappe, lichtvolle -kulturgeschichtliche Übersicht über das Mittelalter, als die -eigentliche Grundlage und Voraussetzung jener großen Zeit; anderseits -aber Einzelcharakteristiken von Personen und Ereignissen, welche -die des Hauptwerkes zum Teil zusammenfassen, zum Teil ergänzen -und durch neue Züge bereichern; endlich noch einzelne besondere -geschichtsphilosophische Ausblicke und Erörterungen. =Das Ganze bildet -eine schwungvolle Parallele=, die der Kulturhistoriker dem Dichter -geliefert hat.“~ - - - - -~Verlag von KARL J. TRÜBNER in Straßburg.~ - - -_DAS GESAMTE GEBIET DER NATURWISSENSCHAFTEN IN ZEHN BÄNDCHEN._ - -Chemie -- Physik -- Astronomie -- Physikalische Geographie -- Geologie --- Tierkunde -- Botanik -- Mineralogie -- Physiologie -- Allgemeine -Einführung in die Naturwissenschaften - -~vereinigt die bekannte von bedeutenden Gelehrten verfaßte -Sammlung~ - -Naturwissenschaftliche Elementarbücher. - -~Ihren durchschlagenden Erfolg haben die Bändchen dieser Serie dem -Umstand zu danken, daß hier zum erstenmal die Wissenschaft durch ihre -allerersten Vertreter dem Elementar-Unterricht direkt dienstbar gemacht -ist; sie wollen „die Schuljugend zur Beobachtung, zum Nachdenken über -die alltäglichen Erscheinungen der Außenwelt anleiten und sie so mit -der Natur, in der wir wurzeln, vertraut machen. Nie zuvor sind unserer -Schule so gediegene Hilfsmittel dargeboten worden, in denen unter -der einfachsten und verständlichsten, zugleich das Gemüt erfreuenden -Einkleidung die Resultate der Wissenschaften durchblicken“. -- Die -schöne klare Sprache machen die Bändchen auch in hervorragendem Maße -zum Selbststudium und ersten Einführung gut geeignet.~ - -~+Gute Ausstattung+ (klarer Druck, weißes starkes Papier). -- -+Zahlreiche gute Abbildungen.+~ -- - - ~Preis pro Bändchen~: ~in Schulband~ ℳ --.80, - ~in gediegenem Leinenband~ ℳ 1.--. - _Die ganze Serie zusammen_: _in Schulband_ ℳ 8.--, - _gebunden in Leinen in elegantem Karton_ ℳ 10.--. - - - - -~Verlag von KARL J. TRÜBNER in Straßburg.~ - - -~Kurzes Lehrbuch der~ - -~Physikalischen Geographie~ - -~von~ - -~A. Geikie~ - -~Professor an der Universität Edinburg.~ - -~Autorisierte Deutsche Ausgabe~ - -~von~ - -~Prof. Dr. Bruno Weigand.~ - -~Mit einer Einführung von Prof. Dr. Erich von Drygalski.~ - -~Zweite verbesserte und vermehrte Auflage.~ - -~Mit 77 Holzschnitten, 5 Vollbildern und 13 Karten.~ - -~8°. X, 386 S. 1908.~ - -~Geheftet ℳ 4.50, in Leinwand gebunden ℳ 5.20.~ - -~+Inhalt+: 1. Die Erde als Planet. -- 2. Die Luft. -- 3. Das -Meer. -- 4. Das Festland. -- 5. Das Leben.~ - -„... ~Wer die kleine „physikalische Geographie“ und „Geologie“ -Geikies kennt, die als Nr. 4 und 5 der „Naturwissenschaftlichen -Elementarbücher“ (im selben Verlage) erschienen sind, der wird mit -großer Spannung an Geikies Lehrbuch herantreten. Und diese wächst mit -der Lektüre jeder Seite. Denn es spricht ein Meister und ein Künstler -der Sprache zu uns. Da ist alles knapp, einfach, klar und präzise -ausgedrückt ...~“ - - _Blätter für die Fortbildung des Lehrers und der Lehrerin 1908, - Heft 23._ - -„... ~In seiner Klarheit, Allseitigkeit, strengen Begründung und -doch leichten Faßlichkeit ist das Buch dem Lehrer das beste Werk zum -Selbststudium, dem Unterricht ein treffliches Hilfsmittel und der -reifen Jugend eine anregende Lektüre.~“ - - _Bayerische Lehrerzeitung 1908, Heft 41._ - - - - -Fußnoten: - -[1] Die Bezeichnungen starke und schwache Deklination sind ebenso wie -das Wort Umlaut von Jakob Grimm gebildet. - -[2] Einige Wörter, wie +Auge+, +Bett+ u. a., werden in der Einzahl -stark, in der Mehrzahl schwach dekliniert. Diese faßt man als gemischte -Deklination zusammen. - -[3] Mit Ausnahme von +Friede+ und +Gedanke+, die im Mittelhochdeutschen -(~vride~, ~gedanc~) zur starken Deklination gehörten. - -[4] Auch der Nominativ +Felsen+ neben +Fels+ ist auf diese Weise -entstanden; das Wort gehört ursprünglich der starken Deklination an, -daher ist gegen die Dativ- und Akkusativform +Fels+ (+Vom Fels+ zum -Meer) nichts einzuwenden. - -[5] Etwas andres ist es in Fällen, wo die falsche Form die alte, -richtige aus dem Sprachbewußtsein schon ganz verdrängt hat, wie bei -+Braten+, +Hopfen+, +Kuchen+, +Rücken+, +Schinken+ u. a., die im -Mittelhochdeutschen noch ~brate~, ~hopfe~ usw. hießen. - -[6] Der Apostroph sollte nur da angewandt werden, wo er eine -Verwechslung verhüten kann, z. B. zwischen dem Präsens +rauscht+ und -dem Imperfektum +rauscht’+ (Das Wasser +rauscht’+, das Wasser schwoll), -oder zwischen der Einzahl +Berg+ und der Mehrzahl +Berg’+ (über +Berg’+ -und Täler). Hier bedeutet er wirklich etwas, und hier kann man ihn bei -gutem Vorlesen sogar -- hören! - -[7] Diese schwache oder aus schwacher und starker gemischte Deklination -der Eigennamen war früher noch viel weiter verbreitet. Nicht bloß -+Schwarz+ und +Schütz+ wurden dekliniert +Schwarzens+, +Schwarzen+, -+Schützens+, +Schützen+, weshalb man aus den ~casus obliqui~ nie -entnehmen kann, ob sich der Mann +Schwarz+ oder +Schwarze+ nannte; -auch von +Christ+, +Weck+, +Frank+, +Fritsch+ bildete man +Christens+, -+Christen+, +Weckens+, +Wecken+, +Frankens+, +Franken+, +Fritschens+, -+Fritschen+ (Leipzig, bei Thomas Fritschen). Daher findet man in -antiquarischen Katalogen Christs Buch „Anzeige und Auslegung der -~Monogrammatum~“ meist unter dem falschen Namen +Christen+, Wecks -Beschreibung von Dresden meist unter dem falschen Namen +Wecken+ -aufgeführt; auf den Titelblättern steht wirklich: +von Christen+, +von -Wecken+. Die berühmte Leipziger Gelehrtenfamilie der +Mencke+, aus der -Bismarcks Mutter abstammte, war durch ihre ~casus obliqui~ so irre -geworden, daß sie schließlich selber nicht mehr wußte, wie sie hieß; -deutsch schrieben sie sich +Mencke+, aber latinisiert ~Menckenius~. -Aber auch bei solchen Genitiven auf +ens+ richtet der Apostroph oft -Unheil an. An +Stieglitzens+ Hof am Markt in Leipzig steht über dem -Eingang in goldner Schrift: +Stieglitzen’s+ Hof -- als ob der Erbauer -+Stieglitzen+ geheißen hätte. Und welche Überraschung, wenn einem -der Buchbinder auf einen schönen Halbfranzband gedruckt hat: Hans -+Sachsen’s+ Dichtungen! - -[8] Wie lange soll übrigens noch in der deutschen Schrift der Zopf -der römischen Ziffern weitergeschleppt werden? Warum druckt man -nicht +Heinrichs 8.+, +Ludwigs XIV.+? Auch in andern Fällen werden -die römischen Ziffern ganz unnötigerweise verwandt. Warum nicht -das +12. Armeekorps+, warum immer das +XII. Armeekorps+? Fast alle -unsre Historiker scheinen zu glauben, es klinge gelehrter, wenn sie -schreiben: im +XVIII. Jahrhundert+. Eigentlich sollte man im Druck -überhaupt Ziffern nur für das Datum und für rechnungsmäßige, z. B. -statistische, finanzielle, astronomische Angaben verwenden, also nicht -drucken: Unser Leben währet 70 Jahre. Vornehme Druckereien haben sich -auch früher so etwas nie erlaubt. Von den Zifferblättern unsrer Uhren -verschwinden erfreulicherweise die römischen Ziffern immer mehr. - -[9] Daher schreibt man auch auf Büchertiteln: +Von Pfarrer+ Hansjakob, -+von Prof.+ A. Schneider (statt +von dem+ Professor), wo bloß der Titel -gemeint ist. - -[10] Geschmacklos ist es, vor derartige Appositionen, wo sie wirklich -den Beruf, das Amt, die Tätigkeit bedeuten, noch das Wort +Herr+ zu -setzen: der +Herr Reichskanzler+, der +Herr Erste(!) Staatsanwalt+, -der +Herr Bürgermeister+, der +Herr Stadtverordnete+, der +Herr -Vorsitzende+, der +Herr Direktor+, der +Herr Lehrer+ (die +Herren -Lehrer+ sind während der Unterrichtsstunden nicht zu sprechen), -der +Herr Königliche Oberförster+, der +Herr Organist+, der +Herr -Hilfsgeistliche+, sogar der +Herr Aufseher+, der +Herr Expedient+, -die +Herren Beamten+ usw. Wenn das +Herr+ durchaus zur Erhöhung der -Würde dabeistehen soll, so gehört es unmittelbar vor den Namen: -der +Abgeordnete Herr Götz+, der +Organist Herr Schneider+, der -+Hilfsgeistliche Herr Richter+ usw. Fühlt man denn aber nicht, daß +der -Reichskanzler+, +der Bürgermeister+ und +der Direktor+ viel vornehmere -Leute sind als der +Herr Reichskanzler+, der +Herr Bürgermeister+ -und der +Herr Direktor+? Wie vornehm klangen die Theaterzettel der -Meininger, wie lächerlich klingt eine Liste der Prediger des nächsten -Sonntags, wenn sie alle vom Superintendenten bis herab zum letzten -Kandidaten als +Herren+ aufgeführt sind! Das allerlächerlichste sind -wohl die +Herren Mitglieder+. Wie heißt denn davon die Einzahl? +der+ -Herr Mitglied? oder +das+ Herr Mitglied? - -[11] Obwohl sich schon im fünfzehnten Jahrhundert in Urkunden findet: -das Haus, das +Peter von Dubins+ (Peters von Düben) oder das +Nickel -von Pirnes+ (Nickels von Pirne) gewest, als das Gefühl für den -Ortsnamen noch viel lebendiger war als bei unsern heutigen Adelsnamen. - -[12] In München und in Wien +fahrt+ man in +Wägen+! Die +Nägel+, die -+Gärten+ u. a. sind freilich schon längst durchgedrungen, während es im -sechzehnten Jahrhundert noch hieß: +die Nagel+, +die Garten+. - -[13] Ausgenommen sind nur +Mutter+ und +Tochter+, die zur starken, -und +Bauer+, +Vetter+ und +Gevatter, die zur gemischten Deklination -gehören. In der Sprache der Technik aber, wo +Mutter+ mehrfach im -übertragnen Sinne gebraucht wird, bildet man unbedenklich die +Muttern+ -(die +Schraubenmuttern+). - -[14] Vereinzelt ist auch in Fachkreisen die alte Form lebendig -geblieben. Der Leipziger Zimmermann sagt noch heute: +die Bret+, +die -Fach+, nicht +die Bretter+, +die Fächer+. - -[15] Als die +Schlösser+ aufkamen, müssen Menschen von feinerem -Sprachgefühl etwa dasselbe gefühlt haben, was man heute fühlen würde, -wenn jemand von +Rössern+ reden wollte. - -[16] Faß e mal das Ding an den Dingern hier an, daß die Dinger drinne -nich gedrückt werden. D. h. fasse den Korb an den Henkeln hier an, daß -die Hüte drin nicht gedrückt werden. - -[17] Auch bei +Lohn+ sind seit alter Zeit beide Geschlechter üblich: -aber auch hier hat das Neutrum jetzt einen niedrigen Beigeschmack. -Dienstmädchen verlangen +hohes Lohn+, Gesellen +höheres Macherlohn+ -oder +Arbeitslohn+; aber jede gute Tat hat +ihren+ schönsten +Lohn+ in -sich selbst. - -[18] Wenn ein Hauptwort in seinem Geschlecht schwankt, so hat das -Neutrum nicht selten etwas gemeines. Es hängt das damit zusammen, daß -nicht bloß der ungebildete Fremde, der des Deutschen nicht mächtig -ist, alle deutschen Hauptwörter im Zweifelfalle sächlich behandelt -(+das Bruder+, +das Offizier+, +das Kutscher+), sondern auch der -ungebildete Deutsche ebenso mit Fremdwörtern verfährt. Man denke nur an -die unausstehlichen Neutra unsrer Handlungsreisenden, Ladendiener, und -Ladenmädchen: +das Firma+, +das Fasson+, +das Etikett+, +das Offert+, -+das Makulatur+! Das neueste ist +das Meter+, das die Handlungsdiener -und Ladenmädchen doch wahrhaftig nicht dem griechischen μέτρον zuliebe -plötzlich als Neutrum behandeln! - -[19] Vielleicht ist es dort über die Niederlande aus dem Französischen -eingedrungen; dann würde es schließlich auch auf die romanische Quelle -zurückgehen. - -[20] Von Wörtern weiblichen Geschlechts wird immer der Plural gebildet: -+zwei Mandeln+ Eier, +drei Ellen+ Band, +sechs Flaschen+ Wein, +zehn -Klaftern+ Holz, +vier Wochen+ alt. - -[21] Wenn aber ein Antiquar in einem Katalog von einem wertvollen alten -Druck sagt: +Sechs Blatt+ sind stockfleckig, so ist das natürlich -falsch. - -[22] Genau genommen wird freilich auch nicht +vereiteln+, +verändern+ -gesprochen, sondern +vereitln, verändrn+, l und r werden gleichsam -vokalisiert. Aber gemeint ist doch mit dieser Aussprache +eln+, +ern+, -nicht +len+, +ren+. Eigentlich gehören auch noch die Wortstämme auf -+en+ hierher, wie +rechen+, +zeichen+, +orden+, +offen+, +eben+, -+eigen+, +regen+ (vgl. +Rechenschaft+, +Eigentum+, +Offenbarung+). -Die Infinitive können da natürlich nur +rechnen+, +ordnen+, +eignen+ -lauten; die flektierten Formen aber, die wir jetzt leider allgemein -+zeichnet+, +zeichnete+, +öffnete+, +gerechnet+, +geordnet+, +geeignet+ -schreiben, lauteten im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert noch -überall schöner: +zeichent+, +gerechent+, +geordent+, +geeigent+. -Der Volksmund spricht auch heute noch so, selbst der Gebildete sagt --- er mag sich nur richtig beobachten --: +es regent+, es +regente+, -es hat +geregent+ (genau genommen freilich auch hier wieder +regnt+, -+geregnt+, mit vokalisiertem n). Nur wer sich ziert, wer „wie -gedruckt“ redet, sagt: +ausgezeichnet+! +Net+, womöglich +nett+! Man -muß ja förmlich eine Pause machen und Kraft sammeln, um das +net+ -herauszubringen! Unsre besten und hervorragendsten Zeitschriften -brauchten nur einmal die vernünftigen Formen +zeichent+, +öffent+, -+zeichente+, +öffente+, +gezeichent+, +geöffent+ eine Reihe von Jahren -beharrlich drucken zu lassen, so wären sie wieder durchgedrückt. In -+atmen+ (Stamm +atem+) hat natürlich das Stamm-e ausgeworfen werden -müssen, weil +atemn+ niemand sprechen kann; für +atmet+ hört man aber -im Volksmunde auch oft genug +atent+, wie denn auch schon in der ältern -Sprache +Aten+ neben +Atem+ erscheint, (und wie auch ~bodem~, ~gadem~, -~besem~, ~busem~ zu +Boden+, +Gaden+, +Besen+, +Busen+ geworden sind). - -[23] Auch wenn ein Schriftsteller die schönen, kräftig klingenden -Formen geschrieben hat, werden ihm in den Druckereien stets die -garstigen weichlichen Formen oder gar die Formen mit zwei e daraus -gemacht, die gar niemand spricht (+anderen+, +unseren+). Die -Schriftsteller sollten sich das nur ernstlich verbitten, dann würde dem -Schlendrian schon ein Ende gemacht werden. Zu Schillers und Goethes -Zeit waren in allen Druckereien noch die Formen mit vollem Wortstamm -das selbstverständliche. - -[24] Früher hat man freilich auch so gesagt. Im siebzehnten -Jahrhundert: nach +gepflogner reifen+ Beratschlagung; Lessing: aus -+eigner sorgfältigen+ Lesung. - -[25] Das vernünftigste wäre natürlich, man setzte den Artikel und -sagte: +Verein der Berliner Künstler+. Es brauchten doch deshalb nicht -alle dabei zu sein. Wer nicht mittun will, läßts bleiben. - -[26] Der Fehler ist, wie die ganze Phrase und wie so vieles andre heute -in unsrer Sprache, eine Nachäfferei des Englischen. Im Englischen wird -~on board~ mit dem Akkusativ verbunden (~to go on board a ship~ -- ~on -board Her Majesty’s ship Albert~). Aber was geht das uns an? - -[27] Beim Dichter läßt man sich gefallen: drum komme, wem der Mai -gefällt, und freue sich der schönen Welt und +Gottes Vatergüte+ (statt -+der Vatergüte Gottes+). - -[28] Völlig unsinnig ist natürlich: es gibt kein +leicht -verdaulicheres+ Mehl als Rademanns Kindermehl. - -[29] Aus diesen Genitiven sind dann, indem man sie als Nominative -auffaßte (+mein+ wie +klein+) und nun aufs neue deklinierte, die -besitzanzeigenden Eigenschaftswörter +mein+, +dein+, +sein+, +unser+, -+euer+, +ihr+ entstanden. Früher nahm man an, daß auch in den -Anfangsworten des +Vaterunsers+ das +unser+ der nachgestellte Genitiv -von +wir+ sei (nach dem griechischen πάτερ ἡμῶν). Wahrscheinlicher -ist, daß es hier doch das besitzanzeigende Eigenschaftswort ist (nach -dem lateinischen ~Pater noster~), das in der ältern Sprache auch -nachgestellt werden konnte (in der gotischen Bibelübersetzung: ~atta -unsar~). - -[30] Genitiv und Dativ von +Eure Majestät+, +Eure Exzellenz+ heißen -natürlich +Eurer Majestät+, +Eurer Exzellenz+. Völliger Unsinn aber -ist, was man darnach gebildet hat: +Eurer Hochwohlgeboren+! - -[31] Das Dativ-m hat Ungebildeten immer großen Respekt eingeflößt. -Schrieb und druckte man doch sogar im achtzehnten Jahrhundert in -Leipzig: der Gasthof +zum drei Schwanen+, der Riß +zum Schlachthöfen+. -Man meinte natürlich +zun+ d. i. +zu den+, getraute sich das aber nicht -zu schreiben. - -[32] Leute, die altertümlich schreiben möchten, z. B. Verfasser -historischer Romane oder Schauspiele, greifen gern zu +zween+ und -+zwo+, haben aber gewöhnlich keine Ahnung von dem Unterschied der -Geschlechter und machen sich deshalb lächerlich. Darum wohl gemerkt: -+zween+ war männlich, +zwo+ weiblich, +zwei+ sächlich. - -[33] Auch diese Ausdrücke stammen von Jakob Grimm. - -[34] Andre wollen es auf das Rädern, die Tätigkeit des Henkers, -zurückführen. - -[35] Das Niederdeutsche hat auch +jug+ gebildet von +jagen+. Doch wird -ein Unterschied gemacht. Bismarcks Vater brauchte +jagte+ von der Jagd, -+jug+ von schneller Bewegung, z. B. schnellem Fahren. In Hannover sagt -der gemeine Mann: ehe der Polizist die Nummer merken konnte, +jug+ der -Bengel um die Ecke. - -[36] Viel zu ihrer Verbreitung haben wohl Scheffel und Freytag -beigetragen, die sie beide sehr lieben. - -[37] Die Grenzboten veröffentlichten 1882 ein hübsches Sonett aus -Süddeutschland, das sich über das Vordringen der falschen Formen lustig -machte. Es begann mit der Strophe: - - Ich +frug+ mich manchmal in den letzten Tagen: - Woher stammt wohl die edle Form: er +frug+? - Wer war der Kühne, der zuerst sie +wug+? - So +frug+ ich mich, so hab ich mich +gefragen+. - -Eine Anzahl von Zeitungen brachte dann elende Gegensonette, aus denen -nichts weiter hervorging, als daß die Verfasser keine Ahnung von den -Anfangsgründen der deutschen Grammatik hatten, und daß ihnen die -falschen Formen schon so in Fleisch und Blut übergegangen waren, daß -sie für das Richtige alles Gefühl verloren hatten. - -[38] Wenn freilich Kindern, die im Elternhause noch richtig +fragt+ und -fragte gelernt haben, in der Schule das dumme +frug+ in die Arbeiten -hinein„korrigiert“ wird, dann ist nichts zu hoffen. - -[39] Als eine Merkwürdigkeit mag erwähnt sein, daß die Leipziger -Buchbinder sagen: das Buch wird bloß +geheftet+, dagegen die Leipziger -Schneider: der Ärmel ist erst +gehoften+. - -[40] Diese Unterscheidung sitzt im Sprachgefühl so fest, daß mir -sogar ein vierjähriges Kind auf meine bedauernde Frage: Du bist wohl -gefallen? seelenvergnügt erwiderte: Ich bin nich gefallen, ich +hab -gehuppt+. - -[41] Bei +brauchen+ darf natürlich +zu+ beim Infinitiv nicht fehlen. -Das hättest du ja nicht +sagen brauchen+ -- ist Gassendeutsch. - -[42] Ebenso bei +bleiben+ und +haben+: er ist +sitzen geblieben+ -(eigentlich: +sitzend+) -- ich +habe+ tausend Mark auf dem Hause -+stehen+ (eigentlich: +stehend+) -- hat keiner einen Bleistift -+einstecken+? (eigentlich: +einsteckend+). In der ältern Zeit schrieb -man sogar: ein Büchlein, das man in Kirchen +gebrauchen ist+ (statt -+gebrauchend+) -- wir +sind+ euch dafür +danken+ (statt +dankend+). - -[43] +Apotheker+ und, was man im Volke auch hören kann, +Bibliotheker+ -ist anders entstanden, es ist verstümmelt aus ~apothecarius~ und -~biliothecarius~. +Attentäter+ wurde anfangs nur als schlechter Witz -gebildet (es hätte auch +Täter+ genügt); aber törichte Zeitungschreiber -haben es dann in vollem Ernst nachgebraucht. - -[44] +Kreidezeichnung+, +Höhepunkt+ und +Blütezeit+ haben wir ja -schon längst, und doch wurden auch sie anfangs richtig gebildet: -+Kreidenstrich+, +Höhenpunkt+, +Blütenzeit+. - -[45] Ein Jammer ist es, auf Weinkarten und Weinflaschen jetzt -+Liebfraumilch+ lesen zu müssen! Wahrscheinlich zur Entschädigung dafür -schmuggelt man dann das +en+ in den +Niersteiner+ ein und nennt ihn -- -höchst verdächtig! -- +Nierensteiner+ (Nierstein ist nach dem Kaiser -Nero genannt). +Visitekarte+, +Manschetteknopf+, +Toiletteseife+ soll -vielleicht +Visittkarte+, +Manschettknopf+, +Toilettseife+ gesprochen -werden -- gehört habe ichs noch nicht, man siehts ja immer nur -gedruckt; aber wozu die französische Aussprache? - -[46] Freilich finden sich auch solche Zusammenleimungen schon früh. -Schon im fünfzehnten Jahrhundert kommt in Leipziger Urkunden die -+Parthenmühle+ als ~Pardemöl~ vor. Im Harz spricht man allgemein und -wohl schon lange vom +Bodetal+ und vom +Ilsetal+. - -[47] Ähnlich verhält sichs mit dem neuen Modewort +Anhaltspunkt+. -Früher sagte man: ich finde keinen +Anhaltepunkt+, d. h. keinen Punkt, -wo ich mich anhalten könnte (vgl. +Siedepunkt+, +Gefrierpunkt+). -Daneben hatte man in demselben Sinne das Substantiv +Anhalt+; man -sagte: dafür fehlt es mir an jedem +Anhalt+. Aus beiden aber nun einen -+Anhaltspunkt+ zu bilden, war doch wirklich überflüssig. Wahrscheinlich -hat man geglaubt, damit einen feinen Unterschied zu schaffen zu den -+Anhaltepunkten+ auf den Eisenbahnen. Als ob +Anhaltepunkt+ nicht -ebensogut die Stelle bedeuten könnte, wo man +sich anhält+, wie die, wo -man +anhält+! - -[48] In Leipzig hält man sich ein +Kindermädchen+, auch wenn man nur -ein Kind hat, in Wien eine +Kinds+magd, auch wenn man +sechs+ Kinder -hat. - -[49] Wofür man in Süddeutschland auch +Wartsaal+, +Singstunde+ sagt, -wie neben +Bindemittel+ auch +Bindfaden+ steht. +Schreibpapier+ und -+Schreibpult+ spricht sich schwer aus, weil b und p zusammentreffen; -man hört immer nur: +Schreipapier+. Darum ist wohl +Schreibepapier+ -vorzuziehen. - -[50] Jean Paul hat schon 1817 einmal den Versuch gemacht, diese -s-Krätze, wie er es nannte, zu bekämpfen, merzte auch aus einer -neuen Auflage seines Siebenkäs alle falschen s aus. Es ist aber -vergeblich gewesen. Und ebenso vergeblich wird es sein, daß es jetzt -der Herausgeber der in Berlin erscheinenden Wochenschrift Die Zukunft -wieder versucht. Die Mitarbeiter sollten sich das einfach verbitten. - -[51] Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt die greulichen Zusammensetzungen -nicht. - -[52] Unter den Hunderten mit Liebe gebildeten Zusammensetzungen haben -nur wenige das s nicht: +liebreich+, +liebevoll+, +liebeglühend+, -+liebetrunken+, +liebedienerisch+, +Liebedienerei+, einige wohl -deshalb, weil hier mehr ein dativisches Verhältnis gefühlt wird. - -[53] Wie man auch das Haus eines Mannes, der +Plank+ hieß, das -+Plänkische Haus+ nannte, die Mühle in dem Dorfe +Wahren+ die -+Währische Mühle+. - -[54] Daneben freilich auch schon vom +Manesse-Kodex+! Es wird immer -besser. Vielleicht wird nächstens auch noch der +Farnesische Herkules+ -in einen +Farnese’schen+ verwandelt, und der +Borghesische+ Fechter in -einen +Borghese’schen+. - -[55] Auch die guten Pfefferkuchen, die +Aachner Printen+, sollen -früher in Aachen selbst +Aacher Printen+ geheißen haben. In vielen -ursprünglich undeutschen (lateinischen, slawischen) Ortsnamen gehört -das n zum Stamm; die bilden dann natürlich richtig Bozner, Dresdner, -Meißner, Posner usw. Aber die guten +Gießer+ hätten sich keine -+Gießener Neuesten Nachrichten+ aufnötigen zu lassen brauchen. - -[56] Woraus die Kunsthistoriker „Hans Baldung, genannt Grien“, gemacht -haben. - -[57] Freilich sind Formen wie +Jenaer+ und +Geraer+ auch nicht -besonders schön, so wenig wie die in Sachsen in der Schriftsprache -beliebten Adjektivbildungen auf +aisch+: +Grimmaisch+, +Tauchaisch+, -+Bornaisch+, +Pirnaisch+. In diesen Bildungen ist eine deutsche Endung -an eine ganz unvolkstümliche, künstlich gemachte lateinische Endung -gehängt. Der Volksmund kennt noch heutigestags nur die Städte +Grimme+, -+Tauche+, +Borne+, +Pirne+ und so auch nur die Adjektivbildungen -+Grimmisch+, +Tauchisch+, +Bornisch+, +Pirnisch+, und es wäre zu -wünschen, daß sich die amtliche Schreibung dem wieder anschlösse. So -gut wie sich zu irgendeiner Zeit das Falsche amtlich hat einführen -lassen, ließe sich doch auch das Richtige amtlich wieder einführen. -Man pflegt jetzt eifrig die „Volkskunde“, sucht überall die Reste -volkstümlicher alter Sitten und Gebräuche zu retten und zu erhalten. -Gehört dazu nicht vor allem die Sprache des Volks? - -[58] Der Unsinn geht so weit, daß man sogar feststehende formelhafte -Verbindungen, wie: eine +offne Frage+, ein +zweifelhaftes Lob+, ein -+frommer Wunsch+, +blinder Lärm+, auseinanderreißt, das Prädikat zum -Subjekt macht und schreibt: +die Frage+, ob das Werk fortgesetzt werden -sollte, war lange Zeit +eine offne+ -- +dieses Lob+ ist doch +ein sehr -zweifelhaftes+ -- +dieser Wunsch+ wird wohl ewig +ein frommer+ (!) -bleiben -- +der Lärm+ war zum Glück nur +ein blinder+ (!). - -[59] Vgl. ein +Schock frische+ Eier -- ein +Dutzend neue+ Hemden -- -eine +Flasche guter+ Wein -- mit +ein paar guten+ Freunden -- mit ein -+bißchen fremdländischem+ Sprachflitter. - -[60] Den Inhalt eines Dramas kurz anzugeben, gehört zu den beliebtesten -Aufgaben für deutsche Aufsätze in den oberen Gymnasialklassen. Es ist -auch wirklich eine Aufgabe, bei der viel gelernt werden kann. Wie -viel ärgerliche Korrektur aber könnte sich der Lehrer ersparen, wenn -er bei der Vorbesprechung immer auch diese Tempusfrage mit den Jungen -gründlich erörterte! - -[61] Nur in Süddeutschland und Österreich wird +welcher+ auch -gesprochen, aber immer nur von Leuten, die sich „gebildet“ ausdrücken -möchten. In deren falschem, halbgebildetem Hochdeutsch -- da grassiert -es. In Wien und München, dort sagen es nicht bloß die Professoren -in Gesellschaft, sondern auch schon die Droschkenkutscher, wenn sie -zusammengekommen sind, um zu einem neuen Tarif „Stellung zu nehmen“. -Ja sogar der norddeutsche Professor spricht, wenn er nach Wien berufen -worden ist, nach einigen Jahren „bloß mehr“ +welcher+. In Mittel- und -Norddeutschland aber spricht es niemand. - -[62] Um +welcher+ zu verteidigen, hat man neuerdings ausgezählt, wie -oft es unsre klassischen Schriftsteller schreiben, und hat gefunden, -daß sie es -- sehr oft schreiben. Aber was wird damit bewiesen? Doch -weiter nichts, als daß auch unsre klassischen Schriftsteller von -Kindesbeinen an im Banne der Papiersprache gestanden haben. Das braucht -aber nicht erst bewiesen zu werden, das wissen wir längst. - -[63] Wenn man nicht +der der+ oder +die die+ schreiben dürfte, dann -dürfte man auch nicht schreiben: +an an+drer Stelle, +ein ein+zigesmal, -+bei bei+den Gelegenheiten, +mit mit+leidiger Miene. Sehr oft entsteht -übrigens die so gefürchtete Doppelung nur durch falsche Wortstellung: -ein persönliches oder reflexives Fürwort, das zwischen die beiden +der+ -oder +die+ oder +das+ gehört, wird verschoben und erst beim Verbum -nachgebracht: +alle+ Änderungen, +die die+ Schule +sich+ hat gefallen -lassen -- die Grundsätze, an +die die+ Revision +sich+ gebunden hat -- -die Aufgaben, +die die+ wirtschaftlichen Bedürfnisse der Zeit +uns+ -stellen. Man bringe das persönliche Fürwort an die richtige Stelle, und -das Gespenst ist verschwunden: alle Änderungen, +die sich die+ Schule -hat gefallen lassen. - -[64] Hier ist eine Apposition, die vor dem Relativpronomen stehen -müßte, in den Relativsatz versetzt. Das ist vollends undeutsch, es ist -ganz dem Lateinischen nachgeahmt. - -[65] Nicht zu verwechseln hiermit ist natürlich ein Fall wie folgender: -+eine+ der größten +Schwierigkeiten+ für das Verständnis unsrer -Vorzeit, +die+ meist gar nicht gewürdigt +wird+. Hier muß es +wird+ -heißen, denn hier bezieht sich der Relativsatz wirklich auf +eine+; der -Sinn ist: und zwar +eine+, +die+ meist gar nicht gewürdigt wird. - -[66] +Habe+ wäre ja ein Eingeständnis, daß der Vorwurf berechtigt -sei, denn es kann eben nur als Indikativ gefühlt werden. Manchen -Süddeutschen will das nicht in den Kopf, weil sie (in Schwaben) den -dialektischen Konjunktiv des Präsens haben: +ich häbe+, +wir häben+, -+sie häben+ und daher den Konjunktiv +ich habe+, +wir haben+, +sie -haben+, wo sie ihn gedruckt sehen, unwillkürlich als +häbe+ verstehen -und vielleicht auch so -- aussprechen. Die mögen dann nichts davon -wissen, +habe+ durch +hätte+ zu ersetzen, und behaupten, sie könnten -+hätte+ nur als Konditional fühlen. Mag sein. Wir in Mittel- und -Norddeutschland fühlen eben anders. - -[67] Im Konjunktiv Futuri von +werden+ zu +würden+ auszuweichen ist -freilich nicht möglich, wenn der Hauptsatz im Präsens steht, weil dann -+würden+ als Konditional gefühlt werden würde, z. B. ein geschlagnes -Ministerium kann dem Herrscher raten, das Parlament aufzulösen, in -der Hoffnung, daß die Wähler eine seinen Ansichten günstige Mehrheit -von Abgeordneten entsenden +werden+. In solchen Fällen kann man sich -aber leicht dadurch helfen, daß man zum Singular greift: daß die -Wählerschaft entsenden +werde+. - -[68] Der Volksmund liebt es, eine irreale Bedingung in der -Vergangenheit durch den -- Indikativ des Imperfekts auszudrücken: -wenn ich Geld +hatte+, +kam+ ich. Das klingt aber der Angabe einer -wiederholten Handlung in der Wirklichkeit (+jedesmal+, +wenn+ ich Geld -+hatte+, +kam+ ich) so ähnlich, daß man es in der guten Schriftsprache -besser vermeidet. - -[69] Auch oft verkürzt, ohne Hauptsatz: daß ich +nicht wüßte+ -- -+nicht+ daß es dem Vater an trefflichen Eigenschaften +gefehlt hätte+. - -[70] In einem der schönsten Brahmsschen Lieder, Feldeinsamkeit, das -H. Allmers gedichtet hat, heißt es: die schönen, weißen Wolken ziehn -dahin -- durchs tiefe Blau wie schöne stille Träume; -- mir ist, -+als ob+ ich längst gestorben +bin+ (!) -- und +ziehe+ (!) selig -mit durch ewge Räume. Das bringt man doch beim Singen kaum über die -Lippen. -- Natürlich kann ein Vergleich auch als wirklich hingestellt -werden, z. B. hörten wir ein Geräusch, +wie wenn+ in regelmäßigen -Zwischenräumen ein großer Wassertropfen auf ein Brett +fällt+, d. h. -wie man es hört, +wenn+ ein Wassertropfen +fällt+ (Schiller im Taucher: -+wie wenn+ Wasser mit Feuer +sich mengt+). Hier ist selbstverständlich -der Indikativ am Platze. - -[71] In der älteren Zeit ist auch der Zweck, die Absicht durch das -bloße +zu+ ausgedrückt worden; die Ausdrucksweise mit +um zu+ ist die -jüngere. - -[72] An ein Hauptwort kann ein Infinitivsatz mit +um zu+ niemals -angeschlossen werden, selbst nicht an einen substantivierten Infinitiv. -Wenn auf Konzertprogrammen steht: +Das Belegen+ der Plätze, +um+ solche -Späterkommenden +zu sichern+, ist streng untersagt -- so ist das ein -Schnitzer. - -[73] Außerdem die partizipähnlichen passiven Formen: +zu hoffend+, +zu -fürchtend+, +anzuerkennend+, die durch Anhängen eines unorganischen d -aus dem Infinitiv mit +zu+ entstanden sind. - -[74] Nur in einzelnen Fällen kann das passive Partizip die Gegenwart -bedeuten, z. B. das von mir +bewohnte+ Haus (d. i. das Haus, das von -mir +bewohnt wird+). Eine Anzeige also wie die folgende: die von dem -verstorbenen Rentier Sch. +bewohnte+ Wohnung ist zu Ostern anderweit zu -vermieten -- kann einem geradezu gruselig machen; hier muß es heißen: -die +bewohnt gewesene+. - -[75] Zur Verzierung von Leipziger Wäschschränken wurde eine Zeit lang -mit Vorliebe der Spruch gestickt: - - +Geblüht+ im Sommerwinde, - +Gebleicht+ auf grüner Au, - Ruht still es nun im Spinde - Zum Stolz der deutschen Frau. - -+Gebleicht+ ist richtig; aber daß das +geblüht+ den Stolz der deutschen -Frau nicht verletzte, war zu verwundern. - -[76] In Bibliotheksbekanntmachungen liest man gelegentlich -sogar von demnächst +stattzufindenden+ Revisionen, und in -Kunstausstellungsprogrammen von einer aus sechs Mitgliedern +zu -bestehenden+ Jury! - -[77] Und auch in Mittel- und Norddeutschland spricht man von -+gestandnem Wasser+ (im Gegensatz zu frischem). - -[78] Vor einiger Zeit hatte ich an mehrere hundert Personen eine -Zuschrift abzufassen, auf die ebenso viel hundert teils ablehnende, -teils zustimmende Antworten eingingen. Ich beauftragte einen Schreiber -mit der Durchsicht und Ordnung der eingelaufenen Antworten. Als er -fertig war, legte er mir zwei Mappen vor, und auf der einen stand: -+abgelehnte Schreiben+, auf der andern: +angenommene Schreiben+. Ich -fragte ihn, was das heißen solle. Nun, das hier sagte er, sind die -Schreiben, die angenommen haben, und das hier die, die abgelehnt haben. - -[79] Daher hat es ja seinen Namen. Partizipium kommt her von -~particeps~, d. h. Anteil habend; es ist davon genannt, daß es zugleich -am Verbum und am Nomen Anteil hat, zwischen beiden ein Mittelding ist. -Darum hat man es ja auch in der Volksschulgrammatik durch Mittelwort -übersetzt. - -[80] +In Ermanglung+ ist mir immer so vorgekommen, als ob sichs einer -als schlechten Witz ausgedacht hätte, um den Aktenstil zu verhöhnen, um -zu probieren, ob es ihm wohl einer nachmachen würde. - -[81] Übrigens fehlt es auch nicht an Beispielen, wo noch dazu das -Hauptwort auf +ung+ von einem Zeitwort gebildet ist, das den Dativ -regiert, also eigentlich gar keinen Objektsgenitiv zu sich nehmen -kann, wie: der Zinsfuß wird herabgesetzt +in Entsprechung+ eines -Gesuchs (vgl. S. 243). Eine Behörde schreibt: +In Begegnung von+ -(!) an (!) andern Orten sich ereignet habenden (!) Vorgängen wird -hierdurch bekanntgemacht; das soll heißen: +um+ Vorgängen +zu begegnen+ -(vorzubeugen), wie sie sich an andern Orten ereignet haben. - -[82] In Leipzig empfiehlt man freilich auch +echt Madeirahandarbeiten+, -+echt Gose+ und +echt Bütten+ (nämlich +-papier+)! - -[83] Manche Leute sind in diese Formen auf +er+ so vernarrt, daß sie -sie sogar von Wörtern bilden, die gar keine wirklichen Ortsnamen -sind. So redeten die Leipziger Förster früher vom +Rosentäler+, vom -+Kuhturmer+ und vom +Burgauer+ Revier, statt vom +Rosentalrevier+, -+Kuhturmrevier+, +Burgauenrevier+. Ob sies auch heute noch tun, weiß -ich nicht. - -[84] Über die Bedeutung mancher von unsern Straßennamen herrscht -ohnehin in den Köpfen der Masse eine solche Unklarheit, daß man sie -nicht noch durch fehlerhafte Schreibung zu steigern braucht. Unter -den Straßen Leipzigs, die nach den Helden der Freiheitskriege genannt -sind, ist auch eine +Lützowstraße+, eine +Schenkendorfstraße+, eine -+Gneisenaustraße+. Was machen die Kinder daraus, die kleinen wie die -großen Kinder? Eine +Lützower Straße+, eine +Schenkendorfer Straße+, -eine +Gneisenauer Straße+! Wir haben ferner eine +Senefelderstraße+. -Auch die wird im Volksmunde als +Senefelder Straße+ verstanden. -Freilich gibt es bei Leipzig kein Senefeld, kein Schenkendorf, kein -Gneisenau, kein Lützow. Aber das Volk, namentlich das ewig zu- und -abfließende niedrige Volk, weiß doch von der Umgebung Leipzigs -ebensowenig etwas wie von dem Erfinder der Lithographie und den großen -Männern der Freiheitskriege. Wurde doch auch die +Fichtestraße+, -als sie neu war, sofort als +Fichtenstraße+ verstanden, und ein -unternehmender Schenkwirt eröffnete dort schleunigst ein „Restaurant -zur Fichte“! - -[85] Als vor einigen Jahren die Firma August Scherl den Verlag des -Leipziger Adreßbuchs an sich gebracht hatte, beliebte es ihr, alle -Leipziger Straßennamen über einen Kamm zu scheren und sie alle -als zusammengesetzte Wörter drucken zu lassen: +Dresdnerstraße+, -+Grimmaischestraße+, +Hohestraße+ usw., obwohl in allen amtlichen -Veröffentlichungen und an allen Straßenecken zwischen zusammengesetzten -und nicht zusammensetzbaren Namen streng geschieden wird, auch das -frühere Adreßbuch dazwischen streng geschieden hatte. Zum Glück griff -sofort die Behörde ein und zwang den Verleger, vom nächsten Jahrgang an -die Namen wieder richtig zu drucken. Geschadet hat aber doch das böse -Beispiel ungeheuer. Der Verlag der bekannten Leipziger Illustrierten -Zeitung befindet sich noch heute auf +der Reudnitzerstraße+! - -[86] Freilich findet sich auch schon in Leipziger Urkunden des -fünfzehnten Jahrhunderts: ~uf der nuwestrasse~ (auf der +Neuen Straße+). - -[87] Auf der einen Seite schreiben sie: +Kaiser Park+, +Hôtel Eingang+, -hier werden +Kinder+ und +Damenschuhe+ gemacht, auf der andern Seite: -+Grüne-Waren+, +Täglich-frei-Konzert+ u. ähnl. - -[88] Nachdem die +Sprachdummheiten+ erschienen waren, redeten auch -andre von +Sprachsünden+, +Sprachleben+, +Sprachgefühl+ usw. Wären -die +Sprachdummheiten+ nicht vorangegangen, so kann man sicher sein, -daß die andern von sprach+lichen+ Sünden, sprach+lichem+ Leben, -sprach+lichem+ Gefühl geredet hätten. - -[89] Es handelt sich um Beobachtungen an dem noch ungebornen Kinde! - -[90] Fühlt man denn gar nicht, daß bei der +silbernen+ und der +goldnen -Hochzeit+ das +silbern+ und +golden+ nur ein schönes Gleichnis ist, -wie beim +silbernen+ und +goldnen Zeitalter+? und daß dieses Gleichnis -durch +Silber+hochzeit sofort zerstört und die Vorstellung in plumper -Weise auf das Metall gelenkt wird, das dem Jubelpaar in Gestalt von -Bechern, Tafelaufsätzen u. dgl. winkt? Oder wollen wir in Zukunft -auch von der +Goldhochzeit+ und vom +Goldzeitalter+ reden? Wir reden -von einem +Bronzezeitalter+, aber in wie anderm Sinne! Daß schon -Goethe einmal das Wort +Silberhochzeit+ gebraucht -- in einem Brief -an Schiller nennt er Gedichte Wielands „Schoßkinder seines Alters, -Produkte einer Silberhochzeit“ --, auch Rückert einmal (in trochäischen -Versen, wo +silberne Hochzeit+ gar nicht unterzubringen gewesen wäre), -will gar nichts sagen. - -[91] Darum gehört auch die Behandlung dieses Fehlers nicht, wie manche -wohl meinen könnten, in die Wortbildungslehre, sondern sie gehört in -die Satzlehre. Der Fehler liegt nicht in der Bildung der Adjektiva -- -gebildet sind sie ja richtig --, sondern in ihrer falschen Anwendung. - -[92] Zu welcher Geschmacklosigkeit sich manche Leute verirren vor -lauter Angst, mißverstanden zu werden, dafür noch ein Beispiel. Ein -Zeichenlehrer wollte einen Unterrichtskursus für Damen ankündigen. Aber -das Wort +Damen+ wollte er als Fremdwort nicht gebrauchen, +Frauen+ -auch nicht, denn dann wären am Ende die Mädchen ausgeblieben, auf die -ers besonders abgesehen hatte, +Frauen und Mädchen+ aber auch nicht, -denn dann wären vielleicht Schulmädchen mitgekommen, die er nicht haben -wollte. Was kündigte er also an? Zeichenunterricht für +erwachsene -Personen weiblichen Geschlechts+! - -[93] Auch sie hat es übrigens nicht immer gegeben. Noch im siebzehnten -Jahrhundert erteilte, wer mit seinem +halben Bruder+ im Streite lag, -einem Anwalt +volle Macht+, den Prozeß zu führen, noch 1820 wurde auf -der Leipziger Messe von +kurzen Waren+ gesprochen. - -[94] Neuerdings hat man es durch +Uraufführung+ ersetzt, kein -glücklicher Ersatz. - -[95] Daher Ortsnamen wie +Karlsruhe+, +Ludwigsburg+, +Wilhelmshaven+, -die ja nichts andres sind als +Karls Ruhe+ usw. - -[96] Das Haarsträubendste, was auf diesem Gebiete geleistet worden -ist, sind wohl die Ausdrücke, die einem täglich in den Zeitungen -entgegenschreien: +Henckell Trocken+, +Kupferberg Gold+ u. ähnl. Als -vernünftiger Mensch möchte man sich doch hierbei gern etwas denken -und fragt: Was sind denn das für Waren: +Trocken+ und +Gold+? Es sind -gar keine Waren, die Bezeichnung der Ware fehlt hier ganz! Gemeint -ist +Henckellscher Schaumwein+, +Kupferbergscher Schaumwein+. Aber -keiner der beiden Fabrikanten sagt das, sondern der eine schreibt -statt der Ware eine Eigenschaft der Ware hin (~sec~, ~dry~), aber -mit großem Anfangsbuchstaben, sodaß sie jeder denkende Mensch für -die Bezeichnung der Ware selbst halten muß, der andre die Art der -Ausstattung, denn +Gold+ soll sich doch wohl auf die Farbe der Kapsel -beziehen? Die Sprache mancher afrikanischen Wilden ist gebildeter und -fortgeschrittner als solches Fabrikantendeutsch. - -[97] Überhaupt kann man nicht, um eine nähere Bestimmung zu schaffen, -mechanisch alles mit allem zusammensetzen; es kommt doch sehr auf Sinn -und Bedeutung der beiden Glieder an. Bei +Gesellschaft+ und +Verein+ -z. B. liegt der Gedanke an die Personen, die den Verein bilden, so -nahe, daß es mindestens etwas kühn erscheint, eine Anzahl Geldleute -eine +Aktiengesellschaft+ oder eine +Immobiliengesellschaft+, eine -Gesellschaft von Schlittschuhläufern einen +Eisverein+ und eine -Vereinigung von Förstern einen +Forstverein+ zu nennen. Noch gewagter -ist es, daß sich die deutschen Papierhändler zu einem +Papierverein+ -zusammengetan haben. Mit demselben Recht und demselben guten Geschmack -könnte sich schließlich auch eine Fleischergesellschaft einen -+Fleischverein+ nennen. - -[98] +Schokolade+ und +Tee+ -- deutsch geschrieben! Manche -verbinden die beiden Wörter gar noch durch einen Bindestrich, wie -+Atelier-Strauß+, +Tee-Meßmer+, was doch nur Männer bezeichnen kann -(der Atelier-Strauß, der Tee-Meßmer). In Sachsen gibt es wirklich -Geschäftsleute, die sich mit solchen Namen bezeichnen und sich dadurch -selber lächerlich machen, wie: +Butter-Bader+, +Gold-Richter+, -+Fahrrad-Klarner+, +Zigarren-Krause+, +Schokoladen-Hering+. - -[99] Man könnte ebensogut eine Abfahrthalle auf dem Bahnhof -die +Abfahrtei+ nennen oder die Kopierstube im Amtsgericht die -+Abschriftei+. - -[100] Unsre Schiffe werden bekanntlich, wenn sie einen Länder- oder -Städtenamen tragen, als Weiber betrachtet: +die+. - -[101] Die englische in einzelnen Fällen, wie: ~the now king~, ~the -then ministry~, ~the above rule~, die aber nicht von allen englischen -Grammatikern gebilligt werden. - -[102] Wenn geschrieben wird: das Bild zeigt den Kaiser +in fast -Lebensgröße+, so liegt wohl nur eine verkehrte Wortstellung vor (+in -fast+ statt +fast in+). - -[103] Im Stephansdom in Wien ist etwas bei +sogleicher Wegweisung+ -verboten. - -[104] Heinrich von Treitschke, ein Meister in der Kunst, deutsch zu -schreiben, haßte sie aus tiefster Seele. - -[105] Nicht besser, eher schlimmer wird die Sache, wenn man die -Apposition voranstellt: +von Privatdozent+ ~Dr.~ Albert Schmidt, +von -ordentl. Professor+ E. Max, was doch unzweifelhaft +von ordentlicher+ -(!) Professor gelesen werden soll. - -[106] In Leipzig fängt man jetzt gar an, zwischen Vornamen und -Familiennamen einen Bindestrich zu setzen: +Horst-Schulze+, -+Hermann-Könnecke+. - -[107] Der Deutsche sagt dafür +Renommage+, ein Wort, das es im -Französischen gar nicht gibt! - -[108] O. Schroeder, Vom papiernen Stil. 7. Aufl. Leipzig, 1908. - -[109] Beim Übersetzen aus dem Lateinischen z. B. sollte streng darauf -gehalten werden, daß kein ~ejus~ und ~eorum~ mit +desselben+ und -+derselben+ übersetzt werde. - -[110] Es ist auch nicht nötig; spricht und betont doch jeder richtig -+der+artig, +der+maßen, +der+gestalt usw. - -[111] Bei einer Leichenfeier in der Universitätskirche in Leipzig -sagte der Prediger, ein bedeutender Kanzelredner, in der gehobensten -und feierlichsten Sprache: selbst +die, die die+ wissenschaftliche -Bedeutung des Mannes nicht zu beurteilen wußten usw. Ich bin fest -überzeugt, daß außer mir kein Mensch die drei +die+ gehört hat, obwohl -Hunderte von Menschen in der Kirche saßen. Mir waren sie ein Labsal, -weil sie Natur sind. Ob sie auch gedruckt worden sind, weiß ich nicht. - -[112] In der Dichtersprache wird auch +rufen+ noch wie im alten Deutsch -bisweilen mit dem Dativ verbunden (Goethe im Faust: Wer ruft +mir+? -Gellert: +Er ruft der Sonn’+, er schafft den Mond). Auch hier ist -aber dann ein Bedeutungsunterschied; +rufen+ steht hier im Sinne von -+zurufen+, +gebieten+. - -[113] In der ältern Sprache hatte auch +berichten+ den Akkusativ der -Person mit nachfolgendem Objektsatz bei sich, z. B. ob sie gleich den -+Kurfürsten+ mit Lügen +berichteten+, die hohe Schule zu Wittenberg -wäre die studentenreichste. Heute ist das einzige sinnverwandte -Zeitwort, das mit einem Akkusativ der Person und einem Objektsatze -verbunden werden kann, das verhältnismäßig junge +benachrichtigen+. - -[114] Nur mit den Bildungen auf +bar+ nimmt man es nicht so genau, wie -+unentrinnbar+ zeigt. - -[115] Eine ähnlich merkwürdige Bildung wie +voller+ ist +Maler+, -+Stücker+, +Tager+, +Jahrer+ in Verbindungen wie: +ein Maler drei+, -+ein Stücker drei+, +ein Jahrer fünf+, +ein Tager sechs+ u. ähnl. Hier -ist das +er+ der Rest eines rasch und nachlässig gesprochnen +oder+: -+ein Stück oder drei+. Diese Verbindungen würden sich aber doch in der -guten Schriftsprache recht seltsam ausnehmen, sie gehören nur noch der -Umgangssprache an. - -[116] Nur in Verbindungen wie: ein Kaffee +erster Sorte+, ein Künstler -+zweiten Ranges+, ein Wagen +dritter Klasse+, ein Stern +vierter Größe+ -bleibt der bestimmte Artikel vor den Ordinalzahlen weg. - -[117] Hierher gehört auch der beliebte Fehler: +aus+ aller Herrn -+Länder+, der dem Wohllaut zuliebe entstanden ist: das doppelte +ern+ -schien unerträglich. Aber noch unerträglicher ist doch der Akkusativ -hinter +aus+, man schreibe nur, wie sichs gehört: +aus+ aller Herr+en+ -Länd+ern+. - -[118] Nur bei vielgebrauchten Redensarten, an deren eigentliche -Bedeutung niemand mehr denkt, wie: +im Stande+, +im Begriff+, +im -Interesse+, +im Sinne+, +im Lichte+, +im Spiegel+, +zum Besten+, ist im -Dativ die Verschmelzung vollständig durchgedrungen. Niemand sagt: die -Heimat der Indogermanen +in dem Lichte+ der urgeschichtlichen Forschung --- Napoleons Tod +in dem Spiegel+ zeitgenössischer Dichtung -- wir sind -+in dem Begriff+, abzureisen -- ich bin nicht +in dem Stande+, einen -Bissen zu essen. Dagegen läßt sich wohl unterscheiden: das Haus ist -wieder +in Stand+ gesetzt worden, und: der Verfasser will uns +in den -Stand+ setzen, selbst an der Forschung +teilzunehmen+. Bei dem bloßen -+in Stand+ (d. h. in’n Stand) ist der Artikel verschlungen (vgl. +in -Händen+ haben, +in Kauf+ nehmen). - -[119] An den Leipziger Pferdebahnwagen war am Hintertritt folgender -Satz mit Gänsefüßchen (!) angeschrieben: „Dieser Platz des -Hinterperrons bleibt frei.“ Offenbar war der Satz ein Zitat. Aber -woher? Büchmann gibt keine Auskunft. - -[120] Ein gemeiner Provinzialismus (aus Berlin?), der aber neuerdings -rasch Fortschritte macht, ist der Gebrauch von +hoch+ für +oben+ und -zugleich für +hinauf+, +herauf+, +empor+, +in die Höhe+, z. B. +hoch -kommen+, +hoch gehen+, +hoch holen+ (eine Flasche aus dem Keller); wenn -ich einmal +hoch bin+, dann geh ich nicht gleich wieder runter; ein -ebenso gemeiner (aus Wien?) der Gebrauch von +oben+ für +hinauf+, z. B. -+oben gehen+. In anständigem Deutsch geht man weder +hoch+ noch +oben+, -sondern +hinauf+. - -[121] Dieser dumme Strich hat es mit sich gebracht, daß nun auch -geschrieben wird: +zwischen 1670 bis 1710+. Offenbar hatte einer -geschrieben: +zwischen+ 1670-1710, ein andrer schrieb das ab und wollte -ein Wort aus dem Striche machen. Hier hätte er aber den Strich als -+und+ lesen sollen! Besser, man macht keine Striche, sondern schreibt -Wörter. - -[122] Wenn Wolfgang Müller von der Wunderblume singt: Sie blüht nur -+einmal alle hundert Jahr+, so heißt das nur, daß sie im Verlaufe von -hundert Jahren +einmal+ blühe. Soll aber ausgedrückt werden, daß sie -in regelmäßigen Zwischenräumen von hundert Jahren blühe, so ist das -+einmal+ ganz überflüssig; dann genügt es, sagen: sie blüht +aller -hundert Jahr+. - -[123] Ich hatte einmal eine Zeit lang in regelmäßigen Zwischenräumen -in der Zeitung bekanntzumachen, daß +nächste Mittwoch Abend 8 Uhr+ -eine gewisse Versammlung abgehalten werde (ich gehöre nämlich zu den -altmodischen Leuten, die +Mittwoch+ noch für ein Wort weiblichen -Geschlechts halten). Regelmäßig hatte mir der Zeitungsetzer, der es -natürlich besser wußte, +nächste Mittwoch Abends+ daraus gemacht, bis -ich mirs endlich verbat. - -[124] Bei Handlungen, die noch bevorstehen, wird die erste Verbindung -vorgezogen, bei Handlungen, die vorüber sind, die zweite. Wann wird -er zurückkehren? (+Den+) Donnerstag. Wann ist er zurückgekehrt? +Am+ -Donnerstag. - -[125] Zu den nicht auszurottenden Scherzen der Geschäftssprache -gehört das sogenannte „Undzeichen“ &, das angeblich zur Abkürzung -des Wörtchens +und+ gebraucht wird. Es ist aber gar kein Undzeichen, -sondern es ist weiter nichts als das verschnörkelte lateinische -Wörtchen ~et~. Aber alle Geschäftsleute und Firmenschreiber sind -glückselig, wenn sie schreiben können: +Calw ~et~ Stuttgart+, +Max ~et~ -Johann Schneider+, +Tricotagen ~et~ Strumpfwaren+, +Conditorei ~et~ -Café+, Schnitzel mit +Schoten ~et~ Karotten+. Als ob nicht und eben so -kurz wäre! - -[126] Durch falsche Stellung oder Beziehung der Negation kann der -Sinn eines Satzes vollständig verschoben werden. Es ist ein großer -Unterschied, ob ich sage: +Nicht alle+ Bücher dieses Verzeichnisses -sind eingebunden, oder: +Alle+ Bücher dieses Verzeichnisses sind +nicht -eingebunden+. Auf den Programmen der Leipziger Gewandhauskonzerte -steht: Für die Aufführung sämtlicher Nummern dieses Programms wird -keine Gewähr übernommen, d. h.: es ist möglich, daß das +ganze+ -Programm +nicht aufgeführt+ wird -- eine schöne Aussicht! Die Direktion -will aber sagen: es ist möglich, daß +nicht das ganze+ Programm -+aufgeführt+ wird. Das hätte sie auf ihre Weise so ausdrücken müssen: -Dafür, daß sämtliche Nummern dieses Programms aufgeführt werden, wird -keine Gewähr übernommen. - -[127] Freilich war +kein+ ursprünglich gar kein verneinendes, sondern -ein unbestimmtes Fürwort (+irgend ein+). Luther hat es sicherlich noch -so gefühlt. - -[128] Es gibt jetzt Schriftsteller, die vor lauter Ziererei nicht mehr -+traurig+ sagen, sondern +unfroh+. - -[129] In der Schiffersprache geht man +in See+, +an Land+, +an Bord+, -+auf Deck+, und der Soldat zieht +auf Wache+. Neuerdings ist es aber -auch fein geworden, nicht mehr +auf die Jagd+ zu gehen, sondern +auf -Jagd+ (oder vielmehr +auf Jacht+, natürlich nachdem man vorher ein -Stück „mitm +Zuch+ jefahren is“), und der junge Leutnant wird +auf -Festung+ kommandiert oder geht +auf Kriegsschule+. Schließlich geht -man vielleicht auch noch +auf Universität+, setzt sich +auf Stuhl+ und -klettert +auf Baum+. - -[130] Falsch ist es natürlich auch, das Hauptwort solcher Redensarten -in die Mehrzahl zu setzen: hierüber +sind+ neuerdings +Klagen geführt+ -worden. Man führt nur +Klage+, aber nicht +Klagen+. - -[131] Solche Zusammenziehungen stehen ungefähr auf derselben Stufe wie -die bekannten scherzhaften Wortverbindungen: +geo- und arithmetisch+ -- -teils +aus Frömmig-+, teils +zum Zeitvertreib+ -- der heutige Tag wird -mir ewig +denk-+ und +gegenwärtig+ bleiben. - -[132] Vollends arg sind Zusammenziehungen wie: +unsre+ Arbeit und -+Streben+. Über solche Sudelei ist natürlich kein Wort zu verlieren; -für sie gibt es auch keinen Schein von Entschuldigung. - -[133] Das geschieht z. B. bei der Verdopplung einer Präposition -wie: an diese Jugendarbeit schlossen sich mehrere Dramen +an+ -- -sie traten +aus+ der Landeskirche +aus+ -- man warf ihn +aus+ dem -Zimmer +hinaus+ -- das Gymnasium geriet +in+ einen innern Widerspruch -+hinein+ -- dieser Gedanke zieht sich wie ein roter Faden +durch+ -das Gesetz +hindurch+ -- wir können uns schlechterdings nicht +darum -herumdrücken+. Gegen solche Verdopplungen ist nichts einzuwenden. - -[134] Von einem Leipziger Bankier erzählt man, daß er auf die Frage, -ob er eine gewisse ausländische Geldsorte beschaffen könne, mit der -Gegenfrage geantwortet habe: muß es denn +jetzt alleweile gleich in -demselben Momente+ sein? Ein Schaubudenbesitzer macht bekannt: „Morgen -Eintritt +ausschließlich nur allein+ für Damen.“ - -[135] Dabei hier noch der gemeine Provinzialismus, daß +brauchen+ mit -dem bloßen Infinitiv verbunden ist! (Vgl. S. 61.) - -[136] Ein neutraler Begriff ist +Lage+. Ich bin +in der Lage+ -- kann -ebensogut heißen: ich habe die Möglichkeit, wie: ich bin genötigt. Hier -muß die besondre Art der Lage durch ein +können+ oder +müssen+ näher -bezeichnet werden. Dagegen ist es natürlich überflüssig, zu schreiben: -er wird in die +Zwangslage+ gebracht, sich mit einer Stellung zweiten -Ranges begnügen zu +müssen+. Vereinzelt wird übrigens auch der -umgekehrte Fehler gemacht, nämlich das Hilfszeitwort weggelassen, wo es -ganz notwendig ist, z. B.: wir erklärten, +dazubleiben+ -- wo es heißen -muß: dableiben zu +wollen+, denn in +erklären+ liegt noch nicht der -Begriff der Absicht. - -[137] Alle diese Beispiele sind, wie ausdrücklich bemerkt werden mag, -nicht erfunden! - -[138] Übrigens kann ein Bild auch ohne Vermengung mit andern -geschmacklos wirken, nämlich dann, wenn es zu sehr ausgetitscht wird; -so, wenn es von den Arbeiten, die ein Schriftsteller seinem Verleger -einsandte, heißt: jede +jährliche Ernte+ seines Fleißes und Talentes -hat er +in den Hof+ des befreundeten Hauses +eingefahren+. - -[139] Mit dem Voranstellen des abhängigen Genitivs muß man überdies -vorsichtig sein. Vor kurzem ist ein Buch erschienen: +Lichtenbergs -Mädchen+. Da fragt doch der Leser sofort: +das+ oder +die+? - -[140] +Das Mitglied Eugen Richter des Reichstags+ habe ich wirklich -gedruckt gelesen. - -[141] Die Inversion findet sich in der ältern Zeit auch nach +denn+ -und +nämlich+; wird das heute jemand nachmachen wollen? Vortrefflich -schließt O. Erdmann einen Aufsatz über die Geschichte der Inversion -mit den Worten: „Das historische Studium des ältern Sprachgebrauchs -soll einem vernünftigen und kräftigen Streben nach Regelrichtigkeit -des gegenwärtigen und künftigen nicht hinderlich, sondern förderlich -werden.“ - -[142] Ein Meister des deutschen Stils, Otto Gildemeister, schrieb -einem jungen Neffen, als dieser in einem Brief an ihn eine Inversion -gebraucht hatte: So schreiben Kommis und schlechte Journalisten, aber -kein edler deutscher Jüngling. Diese Inversion ist so schlimm wie mit -dem Messer essen. Tu es nicht wieder! - -[143] Tausendmal habe ich bei der Durcharbeitung von Manuskripten das -+sich+ heraufgeholt an die richtige Stelle, und niemals haben die -Verfasser, wenn sie die Druckkorrektur bekamen, etwas davon gemerkt; -alle haben darüber weggelesen, als ob sie selber so geschrieben hätten. -Und hundertmal ist mir in Manuskripten der Fall begegnet, daß der -Verfasser bei der ersten Niederschrift das +sich+ an die richtige -Stelle gesetzt, aber beim Wiederdurchlesen dort ausgestrichen und dann -hinten, unmittelbar vor dem Verbum, hineingeflickt hatte -- niemals das -umgekehrte! Damit ist schlagend bewiesen, daß die Voranstellung des -+sich+ das natürliche ist und das, was jedem, der unbefangen schreibt, -aus der lebendigen Sprache zunächst in die Feder läuft; erst wenn das -Drechseln und Feilen beginnt, entsteht die Unnatur. - -[144] Nur wo ein Mißverständnis, eine Verwechslung von Subjekt -und Objekt möglich ist, hat es einen Sinn, das Subjekt in dieser -ängstlichen Weise vor das Fürwort zu stellen, z. B. Vater und Mutter -müssen sich darein finden, daß +die Kinder sie+ verlassen. Aber ist -etwa ein Mißverständnis möglich, wenn man sagt: Tatsachen machen sich -geltend, gleichviel ob +sie die Juristen+ definieren können oder nicht? -Wird hier jemand +die Juristen+ für das Objekt halten? - -[145] Der Ausdruck ist von Gottfried Hermann gebildet. - -[146] Der Volksmund vermeidet das sogar zuweilen bei dem unbestimmten -Artikel und dem unbestimmten Fürwort und sagt: das ist +gar ein+ -merkwürdiger Mensch, das ist +ganz was+ feines. - -[147] Tausendmal habe ich in Manuskripten auch diese häßliche -Wortstellung beseitigt, und niemals haben die Verfasser, wenn sie -ihre Druckkorrektur erhielten, von der Änderung etwas gemerkt, immer -haben sie ohne Anstoß darüber weggelesen, also offenbar geglaubt, sie -hätten selber so geschrieben! Wenn es wirklich ein so starkes logisches -Bedürfnis wäre, das Adverb einzuschieben, so hätte doch einmal einer -Anstoß nehmen und seine ursprüngliche Fassung wiederherstellen müssen! - -[148] Ein harmloses Menschenkind, dem die zwei Präpositionen -hintereinander doch wider den Strich gingen, schrieb: +mit -Zumherunterlassen+ eingerichteten Fenstern! - -[149] Ähnlich: der Dichter begnügt sich mit einer Skizze, +da wo+ wir -ein ausgeführtes Bild erwarten. Nach dem Satzbau: der Dichter begnügt -sich mit einer Skizze +da, wo+ wir usw. - -[150] In dem hübschen Scherz: Der Papierreisende (Gesammelte Schriften, -Bd. 2). - -[151] Bedingungssätze statt mit +wenn+ mit dem Verbum anzufangen ist -an sich nicht übel, nur darf das Verbum dann nicht unmittelbar hinter -dem des Hauptsatzes stehen, z. B. ich muß +eilen, will+ ich den Zug -nicht versäumen -- ein gewissenhafter Mann +darf, will+ er seinen Ruf -nicht gefährden -- es ist manches verschwiegen, was gesagt werden -+müßte, sollte+ die Veröffentlichung überhaupt Berechtigung haben. Wer -laut schreibt, wird so etwas nie schreiben. Die beiden Verba platzen -aufeinander wie ein paar Lokomotiven. Schreibt man +wenn+, so mündet -der Nebensatz leicht und natürlich ein wie ein Nebenflüßchen, das den -Fluß des Hauptsatzes beschleunigt. Hüten muß man sich vor der Häufung -einsilbiger Wörter. Doch kann auch eine lange Reihe einsilbiger -Wörter ganz fließend klingen, wenn sie durch den Akzent zu Gruppen -zusammengefaßt werden, z. B.: ein Umstand, wie es ihn | bis jetzt | -noch fast gar nicht | gegeben hat. - -[152] Sehr komisch ist es, wenn unwillkürlich einmal die gesunde -Natur durch die Manier durchbricht, wo es zu spät ist. Dann entstehen -Sätze wie: es ist zu bedauern, was für ein +Aufwand+ von Zeit und -Mühe darauf +verwendet+ worden ist -- die Erfahrungen, die man in -Dresden mit dieser Einrichtung gemacht hat, dürften den +Beweis+ -für die Notwendigkeit derselben genügend +bewiesen+ haben -- eine -telegraphische Nachricht, wonach die +Möglichkeit+ einer persönlichen -Begegnung für +möglich+ erachtet wurde. - -[153] Schon als Knaben haben mich die Verse nachdenklich gemacht: -Ritter, +treue Schwesterliebe+ widmet euch dies Herz. Dann heißt es -weiter: +fordert+ keine andre Liebe -- wo mir wieder +fordert+ wie ein -zweites Prädikat zu +Schwesterliebe+ erschien. - -[154] Wenn aber Sigismund Breslauer anzeigt, daß er für alte Kleider -+staunend hohe+ Preise bezahle, und Sigismund Cohn, daß er zu +staunend -niedrigen+ Preisen verkaufe, so ist das natürlich wieder eine -Verwechslung; sie meinen +erstaunlich hohe+ und +niedrige+ Preise. - -[155] In Leipzig wird ein Hauskauf nicht ins Grundbuch geschrieben, -sondern +grundbücherlich+ (so!) +verlautbart+. - -[156] Das niedrige Volk sagt jetzt auch: +da hört sich alles+ -auf! offenbar, indem es die Redensart: +das gehört sich+ -- damit -zusammenwirft. - -[157] Im Friseurladen redet man jetzt von amerikanischer Kopf+wäsche+. -Wenn jemand im Neuen Testament von Jesu Fuß+wäsche+ reden wollte! - -[158] Im sechzehnten Jahrhundert sprach man noch von +Unterrichtung+. -Als dafür +Unterricht+ aufkam (anfangs gewiß auf der letzten Silbe -betont), muß sprachfühlenden Leuten ähnlich zumute gewesen sein wie uns -heute beim +Vollzug+ und beim +Entscheid+. - -[159] Bei dem jetzt so beliebten +entfallen+ mag wohl das lateinische -~dis~ vorgeschwebt haben, das in ~distrahere~ die Trennung, in -~distribuere~ die Verteilung bedeutet. - -[160] Ein Fehler ist es übrigens, diese Präfixe abzutrennen und zu -betonen, wie +An-+ und +Ver+kauf, +be+- und +ent+laden, +Be+- und -+Ent+wässerung. Getrennt und betont werden können immer nur echte -Präpositionen: +auf+- und +ab+steigen, +Ab+- und +Zu+gang; dagegen -+An+kauf und +Verkauf+. - -[161] Auch mit den Präpositionen springen sie in derselben Weise um -wie mit den Präfixen. In der Sprache des gewöhnlichen Lebens wird -ein neues Haus +gedeckt+, eine neue Kirche +gewölbt+, eine Straße -+gepflastert+, Sandsteinfiguren werden an einem Hause +angebracht+, -Bilder werden +eingerahmt+, und wenn man eine Stube tapezieren läßt, -so werden die Möbel vorher +zugedeckt+; sowie aber der Architekt davon -spricht, wird das Haus +eingedeckt+, die Kirche +eingewölbt+, die -Straße +abgepflastert+, die Figuren werden +aufgebracht+, die Bilder -+gerahmt+, und die Möbel -- +abgedeckt+! Gewöhnlich werden Farben -+gemischt+, und zu einer Lotterie werden auch die Lose +gemischt+. -Der Farbenfabrikant aber empfiehlt seine +Ausmischungen+ sämtlicher -Farbentöne, und die Lotteriedirektion spricht von der +Einmischung+ -der Lose. Gewöhnlich wird ein Vogel von der Stange +abgeschossen+, und -unnütze Sperlinge werden +weggeschossen+; sowie aber der Herr Landrat -davon spricht, werden die Sperlinge +abgeschossen+. Der gewöhnliche -Mensch begnügt sich damit, etwas zu +liefern+. Im Bauwesen aber werden -Steine, Kalk, Ziegel +angeliefert+, und bei der Post werden Briefe, -Postkarten, Pakete, Zeitungen sogar +aufgeliefert+! Der gewöhnliche -Mensch +beschneidet+ in seinem Garten einen Trieb, der Gärtner aber -+kürzt+ ihn +ein+ usw. - -[162] Höchstens +Wollust+ und +Jawort+ ließen sich vergleichen. - -[163] Auch Wörter wie +Pflegemutter+, +Betschwester+, +Schreihals+, -+Singvogel+, +Stechapfel+, +Stinktier+ machen nur scheinbar eine -Ausnahme, auch +Beißkorb+ und +Klapperdeckchen+, denn sie bezeichnen -Dinge, die den Zweck haben, Beißen und Klappern zu verhüten. Nur -+Bratheringe+, +Röstkartoffeln+ und +Schlagsahne+ haben ihren Zweck -schon erfüllt, sie sind schon gebraten, geröstet und geschlagen. - -[164] Die früheste Anwendung von +voll und ganz+, freilich in -gehaltvollerem Sinne als in Parlaments- und Festreden, wiewohl auch -schon ein wenig als Lückenbüßer, steht in Tiecks Übersetzung von -Shakespeares Antonius und Kleopatra (I, 3): - - Der Zeiten strenger Zwang heischt unsern Dienst - Für eine Weile; meines Herzens Summe - Bleibt dein hier +voll und ganz+. - (~The strong necessity of time commands - Our services a while; but my full heart - Remains in use with you.~) - -Dingelstedt gebraucht es 1851 in seinem Gedicht „Christnacht“, worin er -den Heiland des Jahrhunderts herbeiwünscht, aber nicht als Kind, - - Nein, groß und fertig, +voll und ganz+ - Entsteig’ er unsern Dämmerungen -- - -schon ironisch. In einer Erinnerung an Gottfried Keller (Berliner -Tageblatt vom 13. April 1891) wird erzählt, Keller habe, als in der -Unterhaltung mit ihm jemand +voll und ganz+ gebraucht habe, ausgerufen: -„Voll und ganz! Hm, hm! Da sieht man, was ihr für Patrone seid! Phrase, -nichts als Phrase! Voll und ganz ist das charakterloseste Wort, das es -gibt, trotz seiner Fülle!“ - -[165] Als der junge Goethe 1773 seine kecke Schrift „Von deutscher -Baukunst“ hatte drucken lassen, schrieb der wackere kurf. sächsische -Hofbaumeister Krubsacius eine Kritik darüber. Darin spricht er auch von -der „neumodischen Schreibart“, die schon so vielfältig ausgespottet -worden sei und trotzdem immer weiter um sich gegriffen habe. Daran -knüpft er die wahrhaft klassischen Worte: „Ein Mißbrauch wird nicht -anders als durch sich selbst ausgerottet, wenn er nämlich zu einer -solchen Höhe anwächst, daß ein jeder, der nicht zu stumpfe Sinne hat, -das Ungeheure davon gewahr werden kann.“ - -[166] Abgesehen natürlich von Infinitiven, die ganz zu Substantiven -geworden sind, wie +Leben+, +Essen+, +Vergnügen+, +Vermögen+, -+Wohlwollen+ u. a. - -[167] Seitdem dieses Kapitel veröffentlicht worden ist, ist der -Mißbrauch erfreulicherweise bedeutend zurückgegangen. Trotzdem mag es -unverändert hier wieder abgedruckt werden -- als sprachgeschichtliches -Zeugnis. - -[168] Neuerdings wird das Wort sogar für +anfertigen+, +schaffen+ -gebraucht: er hat sich ein Paar neue Stiefel +fertigstellen+ lassen -- -eine Sonate ist mit weniger Zeit und Mühe +fertigzustellen+ als eine -Symphonie! - -[169] Von festen Körpern nur in dem Sinne von +zerkleinert+; +klarer+ -Zucker, +klares+ Holz. - -[170] Soll vielleicht auch weiter gezählt werden: die +zweitmalige+, -+drittmalige+ usw.? - -[171] Eine Leipziger Zeitung schrieb neulich: das Rathaus +besitzt+ -denselben Baumeister wie die Pleißenburg! - -[172] Anders in „Künstlers Erdewallen“, wo es von dem Kunstschatz des -Reichen heißt: „Und er +besitzt+ dich nicht, er +hat+ dich nur.“ - -[173] Das t ist dasselbe unorganische Anhängsel wie in +jetzt+, -+selbst+ und +Obst+. In Leipzig sagt das Volk auch +anderst+, +Rußt+, -+Harzt+. - -[174] Früher hieß es +im Namen+ des Königs, +aus Mangel+ an genügendem -Angebot, jetzt nur noch +namens+ des Königs -- +mangels+ genügenden -Angebots. Schon der häßliche Gleichklang, der ganz unnötigerweise -durch die Häufung der Genitiv-s entsteht, hätte von solchen Bildungen -abhalten sollen. Aber die Leute sind ganz vernarrt in solche Genitive; -man denke auch an: +anfangs+ (!) Oktober (vgl. S. 8). - -[175] Ein solches s drängt sich freilich gar zu gern ein, man -denke an +vollends+, +bereits+, +öfters+, +nirgends+, +zusehends+, -+durchgehends+, +allerdings+, +schlechterdings+ (um 1700 noch aller -+Dinge+, +schlechter Dinge+), „neuerdings“ auch +folgends+. Bei den -meisten dieser Wörter fühlen wir gar nicht mehr das Unorganische des s, -höchstens noch bei +öfters+. Wir fühlen es aber sofort wieder, wenn wir -das häßliche süddeutsche und österreichische +weiters+ und +durchwegs+ -hören: ein selbständiges, +durchwegs+ auf Erfahrung begründetes Urteil --- oder wenn wir +unversehens+ und +unbesehens+ lesen: der Zuhörer -steht +unversehens+ vor dem Dämonischen -- er hätte dieses Argument -nicht so +unbesehens+ hinnehmen sollen. - -[176] +Bezüglich+ ist Präposition und bedeutet dasselbe wie -+hinsichtlich+, +rücksichtlich+. - -[177] Auf einige häßliche Austriazismen ist schon in der Formenlehre -und in der Satzlehre hingewiesen worden. Vgl. S. 17 und 58. - -[178] Manche Kaufleute behaupten, in dem +ab+ liege ein besondrer Sinn; -es solle ausdrücken, daß der Übergang einer Ware aus dem Besitz des -Kaufmanns in den des Käufers an der angegebnen Stelle (+ab Bahnhof+, -+ab Lager+) geschehe; der Bahnhof, das Lager sei der „Erfüllungsort“. -Davon hat aber doch der harmlose Käufer, der so etwas in der Zeitung -liest, keine Ahnung. - -[179] Unsre Professoren lachen heute, wenn sie in einem Buche des -achtzehnten Jahrhunderts lesen: die ~iniquitaet~ ist ~manifest~ oder: -wir müssen diese ~difficultaeten superiren~. Mache sie es denn aber um -ein Haar besser? - -[180] Freilich gehen Technik und Wissenschaft mit bösem Beispiel voran. -Vgl. +Taxameter+, +Automobil+, +homosexuell+ (dessen erste Hälfte auch -„gebildete“ Leute für das lateinische ~homo~ halten!), +Telefunken+ -u. ähnl. - -[181] Sehr bitter spottete einmal darüber ein junger französischer -Student in Leipzig. Die deutschen Mädchen, sagte er, glauben, sie -müßten +Colliers+ tragen, weil jeder Hund ein +Halsband+ trägt. In -Paris trägt aber doch jeder Hund ein +Collier+! - -[182] Ein vortrefflicher deutscher Schriftsteller, August Apel, nennt -(1815) einen eingebildeten Kunstkenner einen +Connaisseur+ und fügt -hinzu: Ich liebe fremde Worte, um die affektierende Abart zu bezeichnen. - -[183] Weiß der Leser, wie +konstatieren+ entstanden ist? Durch Anhängen -der Endung -+ieren+ an das lateinische Impersonale ~constat~. Fast -unglaublich, aber Tatsache. Und dabei ist in 999 von 1000 Fällen -+konstatieren+ nichts weiter als ein ganz überflüssiger Henkel für -einen Aussagesatz. Man sagt nicht: der Hund hat einen Schwanz, sondern -man +konstatiert+, daß der Hund einen Schwanz hat. - -[184] In einem längern Aufsatze, worin +Moment+ und +Faktor+ jedes -etwa ein Dutzend mal vorkamen, machte ich mir den Spaß, sie regelmäßig -miteinander zu vertauschen. Als ich die Druckkorrektur des Verfassers -erhielt, sah ich, daß er nicht das Geringste davon gemerkt hatte. Was -müssen das für Wörter sein, mit denen man sich solche Scherze erlauben -kann! Ein rechtes Kreuz sind die +gesetzgebenden Faktoren+; könnte man -die doch irgendwie los werden! - -[185] Schon Schiller schreibt 1797 an Goethe: Sie müssen eine +Epoche+ -gehabt haben, die ich Ihre analytische +Periode+ nennen möchte. - -*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK ALLERHAND -SPRACHDUMMHEITEN *** - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the -United States without permission and without paying copyright -royalties. 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Hart was the originator of the Project -Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be -freely shared with anyone. For forty years, he produced and -distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of -volunteer support. - -Project Gutenberg™ eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in -the U.S. unless a copyright notice is included. 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You may copy it, give it away or re-use it under the terms -of the Project Gutenberg License included with this eBook or online -at <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. 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Typographische -Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute -nicht mehr verwendete Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original -unverändert; fremdsprachliche Ausdrücke wurden nicht korrigiert.</p> - -<p class="p0">Das Original wurde in Frakturschrift gesetzt; Passagen in -<span class="antiqua">Antiquaschrift</span> werden, mit Ausnahme der -<a href="#buchwerbung">Buchwerbung</a> am Ende, kursiv dargestellt. -<span class="nohtml">Abhängig von der im jeweiligen Lesegerät -installierten Schriftart können die im Original <em class="gesperrt">gesperrt</em> -gedruckten Passagen gesperrt, in serifenloser Schrift, oder aber sowohl -serifenlos als auch gesperrt erscheinen.</span></p> - -</div> - -<div class="titelei"> - -<p class="s2 center padtop5 break-before">Allerhand Sprachdummheiten</p> - -<figure class="figcenter illowe3" id="deko1"> - <img class="w100" src="images/deko.png" alt="Deko"> -</figure> - -<p class="s5 center padtop5 mbot5 break-before"> -Die erste Ausgabe dieses Buches ist 1891 erschienen, die zweite<br> -1896, die dritte 1903, die vierte 1908, die fünfte 1911.</p> -</div> - -<h1><span class="s5">Allerhand</span><br> -Sprachdummheiten</h1> - -<p class="center">Kleine deutsche Grammatik<br> -des Zweifelhaften, des Falschen und des Häßlichen</p> - -<p class="center mtop2">Ein Hilfsbuch für alle<br> -die sich öffentlich der deutschen Sprache bedienen</p> - -<p class="s5 center mtop1">von<br> - -<p class="s2 center"><b>Gustav Wustmann</b></p> - -<div class="poetry-right s5"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Gewohnheit macht den Fehler schön</div> - <div class="verse">Den wir von Jugend auf gesehn</div> - <div class="verse indent8"><em class="gesperrt">Gellert</em></div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="center">Sechste Auflage</p> - -<figure class="figcenter illowe6 padtop3" id="signet"> - <img class="w100" src="images/signet.png" alt="Verlagssignet"> -</figure> - -<p class="center mtop3"><span class="s4">Straßburg</span><br> -Verlag von Karl J. Trübner<br> -1912</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_v">[S. v]</span></p> - -<figure class="figcenter illowe50" id="borduere1a"> - <img class="w100 mtop3" src="images/borduere1.png" alt="Zierband"> -</figure> - -<h2 class="nobreak" id="Aus_dem_Vorwort_des_Verfassers_zur_dritten_Auflage">Aus dem Vorwort des Verfassers zur dritten Auflage</h2> -</div> - -<p class="p0"><span class="drop">V</span>iele von denen, in deren Hände dieses Buch gekommen ist, haben es -als Nachschlagebuch benutzt, als eine Art von „Duden“ für Grammatik -und Stilistik. Das ist ein Irrtum. Die „Sprachdummheiten“ sind kein -Sprachknecht, der auf jede grammatische oder stilistische Frage die -gewünschte Antwort bereit hat, sondern ein Buch für denkende Leser, -das im Zusammenhange studiert und gehörig verarbeitet sein will. Wer -Nutzen davon haben will, muß sich den Geist des Buches zu eigen machen. -Gewiß soll es auch der herrschenden Fehlerhaftigkeit und Unsicherheit -unsers Sprachgebrauchs steuern, aber vor allem soll es doch das -Sprachgefühl schärfen und dadurch das Aufkommen neuer Fehler verhüten, -und seine Hauptaufgabe ist eine ästhetische: es soll der immer ärger -gewordnen Steifheit, Schwerfälligkeit und Schwülstigkeit unsrer Sprache -entgegenarbeiten und ihr wieder zu einer gewissen Einfachheit und -Natürlichkeit verhelfen, die, gleichweit entfernt von Gassensprache wie -von Papierdeutsch, die Freiheit einer feinern Umgangssprache mit der -Gesetzmäßigkeit einer guten Schriftsprache vereinigt.</p> - -<figure class="figcenter illowe3" id="deko2"> - <img class="w100 padtop1" src="images/deko.png" alt="Deko"> -</figure> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_vi">[S. vi]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Vorwort_zur_fuenften_Auflage">Vorwort zur fünften Auflage</h2> - -</div> - -<p class="p0"><span class="drop">D</span>ie fünfte Auflage dieses Buches erscheint unter veränderten Umständen.</p> - -<p>Am 22. Dezember 1910 starb der Verfasser des Buches. Kurz darauf -erhielt ich von dem Grunowschen Verlag die Aufforderung, eine neue -Auflage zu besorgen. Mir lag dazu das mit Nachträgen versehene -Handexemplar des Verfassers von der vierten Auflage vor und manche -sonstige von ihm aufgezeichnete Einzelbemerkung. Davon ist aber nur -das wenige, was den Text wirklich berichtigte oder durch ein besonders -treffendes Beispiel verbesserte, in die neue Auflage aufgenommen -worden, sodaß diese im ganzen der vierten Auflage gleicht.</p> - -<p>Während des Druckes der fünften Auflage ist das Buch aus dem Verlag von -Fr. Wilh. Grunow, der die ersten vier Auflagen des Buches verlegt hat, -sich aber nun in anderer Richtung zu betätigen wünscht, in den von Karl -J. Trübner übergegangen.</p> - -<p class="mtop2">Ende September 1911</p> - -<p class="s4 right mright1 mtop1"><b>Rudolf Wustmann</b></p> - -<figure class="figcenter illowe3" id="deko3"> - <img class="w100 padtop1" src="images/deko.png" alt="Deko"> -</figure> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_vii">[S. vii]</span></p> - -<figure class="figcenter illowe50" id="borduere1b"> - <img class="w100 mtop3" src="images/borduere1.png" alt="Zierband"> -</figure> - -<h2 class="nobreak" id="Inhaltsverzeichnis">Inhaltsverzeichnis</h2> - -</div> - -<table class="toc"> - <tr> - <td class="s4" colspan="2"> - <div class="center"><b><a href="#Zur_Formenlehre">Zur Formenlehre</a></b></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td colspan="2"> - <div class="right">Seite</div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Starke und schwache Deklination</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Starke_und_schwache_Deklination">3</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Frieden oder Friede? Namen oder Name?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Frieden_oder_Friede_Namen_oder_Name">5</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Des Volkes oder des Volks, dem Volk oder dem Volke?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Des_Volkes_oder_des_Volks_dem_Volk_oder_dem_Volke">6</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Des Rhein oder des Rheins</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Des_Rhein_oder_des_Rheins">7</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Franz’ oder Franzens? Goethe’s oder Goethes?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Franz_oder_Franzens_Goethes_oder_Goethes">8</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Friedrich des Großen oder Friedrichs des Großen?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Friedrich_des_Grossen_oder_Friedrichs_des_Grossen">13</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Kaiser Wilhelms</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Kaiser_Wilhelms">13</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Leopolds von Ranke oder Leopold von Rankes?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Leopolds_von_Ranke_oder_Leopold_von_Rankes">15</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Böte oder Boote?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Boete_oder_Boote">16</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Generäle oder Generale?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Generaele_oder_Generale">17</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Die Stiefeln oder die Stiefel?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_Stiefeln_oder_die_Stiefel">18</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Worte oder Wörter? Gehälter oder Gehalte?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Worte_oder_Woerter_Gehaelter_oder_Gehalte">20</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Das s der Mehrzahl</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Das_s_der_Mehrzahl">23</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Fünf Pfennig oder fünf Pfennige?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Fuenf_Pfennig_oder_fuenf_Pfennige">24</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Jeden Zwanges oder jedes Zwanges?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Jeden_Zwanges_oder_jedes_Zwanges">25</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Anderen, andren oder andern?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Anderen_andren_oder_andern">27</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Von hohem geschichtlichen Werte oder von hohem - geschichtlichem Werte?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Von_hohem_geschichtlichen_Werte">29</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Sämtlicher deutscher Stämme oder sämtlicher deutschen - Stämme?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Saemtlicher_deutscher_Staemme">31</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Ein schönes Äußeres oder ein schönes Äußere? Großer - Gelehrter oder großer Gelehrten?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Ein_schoenes_Aeusseres">33</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Das Deutsche und das Deutsch</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Das_Deutsche_und_das_Deutsch">35</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Lieben Freunde oder liebe Freunde?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Lieben_Freunde_oder_liebe_Freunde">36</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Wir Deutsche oder wir Deutschen?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Wir_Deutsche_oder_wir_Deutschen">36</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Verein Leipziger Gastwirte – an Bord Sr. Maj. Schiff</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Verein_Leipziger_Gastwirte">38</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Steigerung der Adjektiva. Schwerwiegender oder - schwerer wiegend?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Steigerung_der_Adjektiva">41</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Größtmöglichst</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Groesstmoeglichst">43</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Gedenke unsrer oder unser?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Gedenke_unsrer_oder_unser">44</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> -<span class="pagenum" id="Seite_viii">[S. viii]</span> - <div class="left">Derer und deren</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Derer_und_deren">45</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Einundderselbe</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Einundderselbe">46</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Man</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Man">46</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Jemandem oder jemand?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Jemandem_oder_jemand">47</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Jemand anders</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Jemand_anders">47</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Ein andres und etwas andres</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Ein_andres_und_etwas_andres">48</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Zahlwörter</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Zahlwoerter">49</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Starke und schwache Konjugation</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Starke_und_schwache_Konjugation">50</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Verschieden flektierte und schwankende Zeitwörter</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Verschieden_flektierte_und_schwankende_Zeitwoerter">51</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Frägt und frug</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Fraegt_und_frug">54</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Übergeführt und überführt</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Uebergefuehrt_und_ueberfuehrt">56</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Ich bin gestanden oder ich habe gestanden?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Ich_bin_gestanden">59</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Singen gehört oder singen hören?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Singen_gehoert_oder_singen_hoeren">60</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Du issest oder du ißt?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Du_issest_oder_du_isst">62</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Stände oder stünde? Begänne oder begönne?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Staende_oder_stuende">62</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Kännte oder kennte?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Kaennte_oder_kennte">63</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="s4" colspan="2"> - <div class="center mtop2"><b><a href="#Zur_Wortbildungslehre">Zur Wortbildungslehre</a></b></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Reformer und Protestler</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Reformer_und_Protestler">67</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Ärztin und Patin</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Aerztin_und_Patin">68</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Tintefaß oder Tintenfaß?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Tintefass_oder_Tintenfass">69</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Speisenkarte oder Speisekarte?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Speisenkarte_oder_Speisekarte">73</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Äpfelwein oder Apfelwein?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Aepfelwein_oder_Apfelwein">74</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Zeichnenbuch oder Zeichenbuch?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Zeichnenbuch_oder_Zeichenbuch">76</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Das Binde-s</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Das_Binde_s">77</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">ig, lich, isch. Adlig, fremdsprachlich, vierwöchig, - zugänglich</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#ig_lich_isch">80</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Goethe’sch oder Goethisch? Bremener oder Bremer?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Goethe_sch_oder_Goethisch">84</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Hallenser und Weimaraner</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Hallenser_und_Weimaraner">87</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="s4" colspan="2"> - <div class="center mtop2"><b><a href="#Zur_Satzlehre">Zur Satzlehre</a></b></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Unterdrückung des Subjekts</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Unterdrueckung_des_Subjekts">91</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Die Ausstattung war eine glänzende</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_Ausstattung_war_eine_glaenzende">92</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Eine Menge war oder waren?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Eine_Menge_war_oder_waren">96</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Noch ein falscher Plural im Prädikat</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Noch_ein_falscher_Plural_im_Praedikat">98</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Das Passivum. Es wurde sich</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Das_Passivum_Es_wurde_sich">100</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Ist gebeten oder wird gebeten?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Ist_gebeten_oder_wird_gebeten">101</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Mißbrauch des Imperfekts</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Missbrauch_des_Imperfekts">101</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Worden</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Worden">105</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Wurde geboren, war geboren, ist geboren</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Wurde_geboren_war_geboren_ist_geboren">108</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Erzählung und Inhaltsangabe</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Erzaehlung_und_Inhaltsangabe">109</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Tempusverirrung beim Infinitiv</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Tempusverirrung_beim_Infinitiv">111</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> -<span class="pagenum" id="Seite_ix">[S. ix]</span> - <div class="left">Relativsätze. Welcher, welche, welches</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Relativsaetze_Welcher_welche_welches">112</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Das und was</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Das_und_was">116</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Wie, wo, worin, womit, wobei</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Wie_wo_worin_womit_wobei">118</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Wechsel zwischen der und welcher</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Wechsel_zwischen_der_und_welcher">120</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Welch letzterer und welcher letztere</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Welch_letzterer_und_welcher_letztere">123</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Relativsätze an Attributen</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Relativsaetze_an_Attributen">125</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Einer der schwierigsten, der oder die?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Einer_der_schwierigsten">127</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Falsch fortgesetzte Relativsätze</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Falsch_fortgesetzte_Relativsaetze">128</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Relativsatz statt eines Hauptsatzes</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Relativsatz_statt_eines_Hauptsatzes">130</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Nachdem – zumal – trotzdem – obzwar</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Nachdem_zumal_trotzdem_obzwar">131</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Mißbrauch des Bedingungssatzes</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Missbrauch_des_Bedingungssatzes">134</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Unterdrückung des Hilfszeitworts</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Unterdrueckung_des_Hilfszeitworts">135</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Indikativ und Konjunktiv</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Indikativ_und_Konjunktiv">140</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Die sogenannte <span class="antiqua">consecutio - temporum</span></div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#consecutio_temporum">148</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Der unerkennbare Konjunktiv</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Der_unerkennbare_Konjunktiv">150</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Der Konjunktiv der Nichtwirklichkeit</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Der_Konjunktiv_der_Nichtwirklichkeit">153</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Vergleichungssätze. Als ob, als wenn</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Vergleichungssaetze">157</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Würde</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Wuerde">158</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Noch ein falsches würde</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Noch_ein_falsches_wuerde">160</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Der Infinitiv. Zu und um zu</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Der_Infinitiv">161</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Das Partizipium. Die stattgefundene Versammlung</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Das_Partizipium">165</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Das sich ereignete Unglück</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Das_sich_ereignete_Unglueck">168</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Hocherfreut oder hoch erfreut</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Hocherfreut_oder_hoch_erfreut">169</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Partizipium statt eines Neben- oder Hauptsatzes</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Partizipium_statt_Neben_oder_Hauptsatz">170</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Falsch angeschloßnes Partizipium</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Falsch_angeschlossnes_Partizipium">171</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">In Ergänzung</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#In_Ergaenzung">172</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Das Attribut</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Das_Attribut">175</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Leipzigerstraße oder Leipziger Straße?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Leipzigerstrasse_oder_Leipziger_Strasse">176</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Fachliche Bildung oder Fachbildung?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Fachliche_Bildung_oder_Fachbildung">183</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Erstaufführung</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Erstauffuehrung">188</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Sedantag und Chinakrieg</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Sedantag_und_Chinakrieg">191</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Shakespearedramen, Menzelbilder und Bismarckbeleidigungen</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Shakespearedramen">193</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Schulze-Naumburg und Müller-Meiningen</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Schulze_Naumburg_und_Mueller_Meiningen">199</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Die Sammlung Göschen</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_Sammlung_Goeschen">200</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Die Familie Nachfolger</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_Familie_Nachfolger">204</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Ersatz Deutschland</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Ersatz_Deutschland">205</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Der grobe Unfugparagraph</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Der_grobe_Unfugparagraph">206</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Die teilweise Erneuerung</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_teilweise_Erneuerung">207</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Der tiefer Denkende, der Tieferdenkende oder der tiefer - denkende?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Der_tiefer_Denkende">210</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Die Apposition</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_Apposition">213</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Der Buchtitelfehler</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Der_Buchtitelfehler">215</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Frl. Mimi Schulz, Tochter usw.</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Frl_Mimi_Schulz_Tochter_usw">217</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> -<span class="pagenum" id="Seite_x">[S. x]</span> - <div class="left">Bad-Kissingen und Kaiser Wilhelm-Straße</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Bad_Kissingen_und_Kaiser_Wilhelm_Strasse">218</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Der Dichter-Komponist und der Doktor-Ingenieur</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Der_Dichter_Komponist_und_der_Doktor_Ingenieur">220</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">In einer Zeit wie der unsrigen</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#In_einer_Zeit_wie_der_unsrigen">221</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Gustav Fischer, Buchbinderei</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Gustav_Fischer_Buchbinderei">221</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Die persönlichen Fürwörter. Der erstere und der letztere</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_persoenlichen_Fuerwoerter">223</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Derselbe, dieselbe, dasselbe</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Derselbe_dieselbe_dasselbe">226</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Darin, daraus, daran, darauf usw.</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Darin_daraus_daran_darauf_usw">231</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Derjenige, diejenige, dasjenige</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Derjenige_diejenige_dasjenige">235</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Jener, jene, jenes</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Jener_jene_jenes">237</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Zur Kasuslehre. Ich versichere dir oder dich?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Zur_Kasuslehre">238</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Er hat mir oder er hat mich auf den Fuß getreten?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#auf_den_Fuss_getreten">242</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Zur Steuerung des Notstandes</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Zur_Steuerung_des_Notstandes">243</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Voller Menschen</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Voller_Menschen">244</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Zahlwörter. Erste Künstler</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Zahlwoerter_Erste_Kuenstler">245</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Die Präpositionen</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_Praepositionen">246</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Nördlich, südlich, rechts, links, unweit</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Noerdlich_suedlich_rechts_links_unweit">248</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Im oder in dem? zum oder zu dem?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Im_oder_in_dem">250</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Aus: „Die Grenzboten“</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Aus_Die_Grenzboten">254</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Nach dort</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Nach_dort">256</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Bis</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Bis">257</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">In 1870</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#In_1870">258</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Alle vier Wochen oder aller vier Wochen?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Alle_vier_Wochen">259</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Donnerstag und Donnerstags – nachmittag und nachmittags</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Donnerstag_und_Donnerstags">260</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Drei Monate – durch drei Monate – während dreier Monate</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Drei_Monate">261</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Am (!) Donnerstag den (!) 13. Februar</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Am_Donnerstag_den_13_Februar">263</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Bindewörter. Und</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Bindewoerter_Und">265</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Als, wie, denn beim Vergleich</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Als_wie_denn_beim_Vergleich">268</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Die Verneinungen</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_Verneinungen">270</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Besondere Fehler. Der Schwund des Artikels</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Besondere_Fehler_Der_Schwund_des_Artikels">274</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Natürliches und grammatisches Geschlecht</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Natuerliches_und_grammatisches_Geschlecht">276</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Mißhandelte Redensarten</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Misshandelte_Redensarten">278</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Vertauschung des Hauptworts und des Fürworts – ein - schwieriger Fall</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Vertauschung_des_Hauptworts_und_des_Fuerworts">283</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Die fehlerhafte Zusammenziehung</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_fehlerhafte_Zusammenziehung">286</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Tautologie und Pleonasmus</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Tautologie_und_Pleonasmus">290</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Die Bildervermengung</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_Bildervermengung">293</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Vermengung zweier Konstruktionen</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Vermengung_zweier_Konstruktionen">295</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Falsche Wortstellung</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Falsche_Wortstellung">297</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Die alte gute Zeit oder die gute alte Zeit?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_alte_gute_Zeit">299</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Höhenkurort für Nervenschwache ersten Ranges</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Hoehenkurort_fuer_Nervenschwache_ersten_Ranges">301</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Die sogenannte Inversion nach und</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_sogenannte_Inversion_nach_und">304</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> -<span class="pagenum" id="Seite_xi">[S. xi]</span> - <div class="left">Die Stellung der persönlichen Fürwörter</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_Stellung_der_persoenlichen_Fuerwoerter">308</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">In fast allen oder fast in allen?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#In_fast_allen_oder_fast_in_allen">314</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Zwei Präpositionen nebeneinander</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Zwei_Praepositionen_nebeneinander">317</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Zur Interpunktion</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Zur_Interpunktion">318</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Fließender Stil</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Fliessender_Stil">324</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="s4" colspan="2"> - <div class="center mtop2"><b><a href="#Zum_Wortschatz_und_zur_Wortbedeutung">Zum Wortschatz und zur Wortbedeutung</a></b></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Die Stoffnamen</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_Stoffnamen">337</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Verwechselte Wörter</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Verwechselte_Woerter">338</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Hingebung und Hingabe. Aufregung und Aufgeregtheit</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Hingebung_und_Hingabe">343</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Vertauschung der Hilfszeitwörter</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Vertauschung_der_Hilfszeitwoerter">346</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Der Dritte und der Andre</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Der_Dritte_und_der_Andre">347</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Verwechslung von Präpositionen</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Verwechslung_von_Praepositionen">349</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Hin und her</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Hin_und_her">352</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Ge, be, ver, ent, er</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Ge_be_ver_ent_er">354</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Neue Wörter</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Neue_Woerter">359</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Modewörter</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Modewoerter">365</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Der Gesichtspunkt und der Standpunkt</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Der_Gesichtspunkt_und_der_Standpunkt">393</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Das Können und das Fühlen</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Das_Koennen_und_das_Fuehlen">396</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Bedingen</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Bedingen">398</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Richtigstellen und klarlegen</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Richtigstellen_und_klarlegen">402</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Fort oder weg?</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Fort_oder_weg">404</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Schwulst</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Schwulst">405</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Rücksichtnahme und Verzichtleistung</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Ruecksichtnahme_und_Verzichtleistung">408</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Anders, andersartig und anders geartet</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Anders_andersartig_und_anders_geartet">409</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Haben und besitzen</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Haben_und_besitzen">410</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Verbalsurrogate</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Verbalsurrogate">416</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Vermittelst, mit Zuhilfenahme von</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Vermittelst_mit_Zuhilfenahme_von">418</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Seitens</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Seitens">422</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Bez. beziehungsweise bezw.</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Bez_beziehungsweise_bezw">426</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Provinzialismen</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Provinzialismen">430</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left">Fremdwörter</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Fremdwoerter">433</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="left mtop1">Alphabetisches Wortregister</div> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right mtop1"><a href="#Alphabetisches_Wortregister">453</a></div> - </td> - </tr> -</table> - -<figure class="figcenter illowe3" id="deko4"> - <img class="w100 padtop1" src="images/deko.png" alt="Deko"> -</figure> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_1">[S. 1]</span></p> - -<h2 class="nobreak padtop5" id="Zur_Formenlehre">Zur Formenlehre</h2> - -</div> - -<figure class="figcenter illowe3" id="deko5"> - <img class="w100 padtop1" src="images/deko.png" alt="Deko"> -</figure> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_3">[S. 3]</span></p> - -<figure class="figcenter illowe50" id="borduere1c"> - <img class="w100 mtop3" src="images/borduere1.png" alt="Zierband"> -</figure> - -<h3 id="Starke_und_schwache_Deklination">Starke und schwache Deklination</h3> - -</div> - -<p class="p0"><span class="drop">B</span>ekanntlich gibt es – oder wir wollen doch lieber ehrlich sein und -einfach sagen: es gibt im Deutschen eine starke und eine schwache -Deklination. Unter der starken versteht man die, die einen größern -Formenreichtum und eine größere Formenmannigfaltigkeit hat. Sie -hat in der Einzahl im Genitiv die Endung <em class="gesperrt">es</em>, im Dativ e, in -der Mehrzahl im Nominativ, Genitiv und Akkusativ die Endung e (bei -vielen Wörtern männlichen und sächlichen Geschlechts <em class="gesperrt">er</em>), -im Dativ <em class="gesperrt">en</em> (<em class="gesperrt">ern</em>). Die Stammvokale a, o, u und der -Diphthong <em class="gesperrt">au</em> werden dabei in der Mehrzahl gewöhnlich in ä, -ö, ü, <em class="gesperrt">äu</em> verwandelt, was man den Umlaut nennt.<a id="FNAnker_1" href="#Fussnote_1" class="fnanchor">[1]</a> Unter der -schwachen Deklination versteht man die formenärmere. Hier haben alle -Kasus der Einzahl (mit Ausnahme des Nominativs) und alle Kasus der -Mehrzahl die Endung <em class="gesperrt">en</em>. Die schwache Deklination hat auch keinen -Umlaut. Zur starken Deklination gehören Wörter männlichen, weiblichen -und sächlichen, zur schwachen nur Wörter männlichen und weiblichen -Geschlechts. Die Wörter weiblichen Geschlechts verändern in beiden -Deklinationen nur in der Mehrzahl ihre Form.</p> - -<p>Zur starken Deklination gehören z. B. der <em class="gesperrt">Fuß</em>, die <em class="gesperrt">Hand</em>, -das <em class="gesperrt">Haus</em>; zur schwachen der <em class="gesperrt">Mensch</em>, die <em class="gesperrt">Frau</em>.<a id="FNAnker_2" href="#Fussnote_2" class="fnanchor">[2]</a></p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_4">[S. 4]</span></p> - -<p>Im Vergleich zu dem großen Reichtum unsrer Sprache an Hauptwörtern und -der großen Mannigfaltigkeit, die innerhalb der beiden Deklinationen -besteht, ist die Zahl der Fälle, wo heute Deklinationsfehler im -Schwange sind, oder wo sich Unsicherheit zeigt, verhältnismäßig klein. -Aber ganz fehlt es doch nicht daran.</p> - -<p>Mehr und mehr greift die Unsitte um sich, schwach zu deklinierende -Maskulina im Akkusativ ihrer Endung zu berauben: <em class="gesperrt">den Fürst</em>, -<em class="gesperrt">den Held</em>, <em class="gesperrt">den Hirt</em>. Es heißt aber: <em class="gesperrt">den Fürsten</em>, -<em class="gesperrt">den Helden</em> usw.</p> - -<p><em class="gesperrt">Zu Mann</em> gibt es eine doppelte Mehrzahl: <em class="gesperrt">Männer</em> und -<em class="gesperrt">Leute</em>. Man sagt: die <em class="gesperrt">Bergleute</em>, die <em class="gesperrt">Hauptleute</em>, -die <em class="gesperrt">Spielleute</em>, aber die <em class="gesperrt">Wahlmänner</em>, die -<em class="gesperrt">Ehrenmänner</em>, die <em class="gesperrt">Biedermänner</em>, die <em class="gesperrt">Ehemänner</em>; -unter <em class="gesperrt">Eheleuten</em> versteht man Mann und Frau zusammen.</p> - -<p>Ein Wort, mit dem die Leute nicht mehr recht umzugehen wissen, und -das sie doch jetzt sehr gern gebrauchen, ist <em class="gesperrt">Gewerke</em> (für -<em class="gesperrt">Handwerker</em>). Ein <em class="gesperrt">Gewerke</em> ist ein zu einer Innung -gehörender Meister oder ein Teilnehmer an einem gesellschaftlichen -Geschäftsbetrieb (das alte gute deutsche Wort für das heutige -<em class="gesperrt">Aktionär</em>). Das Wort ist aber schwach zu flektieren, die Mehrzahl -heißt <em class="gesperrt">die Gewerken</em> (die <em class="gesperrt">Baugewerken</em>). Daneben gibt es -aber das Wort auch im sächlichen Geschlecht: <em class="gesperrt">das Gewerk</em> (für -<em class="gesperrt">Handwerk</em>, <em class="gesperrt">Innung</em>), und das ist stark zu flektieren; -hier heißt die Mehrzahl die <em class="gesperrt">Gewerke</em>. Viele gebrauchen aber -jetzt fälschlich die starke Form, auch wo sie offenbar die einzelnen -Personen, nicht die Handwerksinnungen meinen, z. B. heimische -<em class="gesperrt">Künstler und Gewerke</em>. Umgekehrt sind jetzt <em class="gesperrt">die Gauen</em> -beliebt: das Lied ging durch <em class="gesperrt">alle</em> deutschen <em class="gesperrt">Gauen</em>. Aber -auch sie sind falsch; <em class="gesperrt">Gau</em>, ursprünglich sächlichen Geschlechts -(<em class="gesperrt">das Gäu</em>), jetzt Maskulinum, bildet den Genitiv <em class="gesperrt">des Gaus</em> -und die Mehrzahl <em class="gesperrt">die Gaue</em>.</p> - -<p>In Leipziger Zeitungen werden oft <em class="gesperrt">Darlehne</em> gesucht -(<em class="gesperrt">Pfanddarlehne</em>, <em class="gesperrt">Hypothekendarlehne</em>), und die Geistlichen -treten für ihre alten <em class="gesperrt">Kirchlehne</em> ein. Die Einzahl heißt aber das -<em class="gesperrt">Lehen</em>, und wenn das<span class="pagenum" id="Seite_5">[S. 5]</span> auch kein substantivierter Infinitiv ist, -wie <em class="gesperrt">Wesen</em>, <em class="gesperrt">Schreiben</em>, <em class="gesperrt">Vermögen</em>, <em class="gesperrt">Verfahren</em>, -<em class="gesperrt">Vergnügen</em>, <em class="gesperrt">Unternehmen</em>, so wird es doch in der guten -Schriftsprache so flektiert wie diese, und die Mehrzahl heißt: die -<em class="gesperrt">Lehen</em>, die <em class="gesperrt">Darlehen</em>, die <em class="gesperrt">Kirchlehen</em>, so gut wie -die <em class="gesperrt">Wesen</em>, die <em class="gesperrt">Verfahren</em>, die <em class="gesperrt">Unternehmen</em>.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Frieden_oder_Friede_Namen_oder_Name">Frieden oder Friede? -Namen oder Name?</h3> - -</div> - -<p>Bei einer kleinen Anzahl von Hauptwörtern schwankt der Nominativ -zwischen einer Form auf e und einer auf en; es sind das folgende -Wörter: <em class="gesperrt">Friede</em>, <em class="gesperrt">Funke</em>, <em class="gesperrt">Gedanke</em>, <em class="gesperrt">Gefalle</em>, -<em class="gesperrt">Glaube</em>, <em class="gesperrt">Haufe</em>, <em class="gesperrt">Name</em>, <em class="gesperrt">Same</em>, <em class="gesperrt">Schade</em> -und <em class="gesperrt">Wille</em>. Die Form auf en ist aber eigentlich falsch. Diese -Wörter gehören der schwachen Deklination an,<a id="FNAnker_3" href="#Fussnote_3" class="fnanchor">[3]</a> neigen jedoch zur -starken: im Genitiv bilden sie eine Mischform aus der starken und der -schwachen Deklination auf <em class="gesperrt">ens</em> (des <em class="gesperrt">Namens</em>), und von -<em class="gesperrt">Schade</em> hat der Plural sogar den Umlaut: die <em class="gesperrt">Schäden</em>. Da -hat sich nun unter dem Einflusse jener Mischform das <em class="gesperrt">en</em> aus -dem Dativ und dem Akkusativ auch in den Nominativ gedrängt.<a id="FNAnker_4" href="#Fussnote_4" class="fnanchor">[4]</a> Die -alte richtige Form ist aber doch überall daneben noch lebendig und im -Gebrauch (von <em class="gesperrt">Schade</em> allerdings fast nur noch in der Redensart: -es <em class="gesperrt">ist schade</em>). Der <em class="gesperrt">Gefalle</em> (bei Lessing öfter) ist -wenigstens in Sachsen und Thüringen noch ganz üblich: es geschieht mir -ein großer <em class="gesperrt">Gefalle</em> damit. Daher sollte die alte Form auch immer -vorgezogen, also gesagt werden: der <em class="gesperrt">Friede</em> von 1871, nicht der -<em class="gesperrt">Frieden</em> von 1871. Vollends der künstlerische <em class="gesperrt">Gedanken</em>, -wie man bisweilen lesen muß, ist unerträglich.<a id="FNAnker_5" href="#Fussnote_5" class="fnanchor">[5]</a></p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_6">[S. 6]</span></p> - -<h3 id="Des_Volkes_oder_des_Volks_dem_Volk_oder_dem_Volke">Des Volkes oder des -Volks, dem Volk oder dem Volke?</h3> - -</div> - -<p>Ob in der starken Deklination die volle Genitivendung <em class="gesperrt">es</em> oder -das bloße Genitiv-s vorzuziehen sei, ob man lieber sagen solle: -des <em class="gesperrt">Amtes</em>, des <em class="gesperrt">Berufes</em>, oder des <em class="gesperrt">Amts</em>, des -<em class="gesperrt">Berufs</em>, darüber läßt sich keine allgemeine Regel aufstellen. -Von manchen Wörtern ist nur die eine Bildung, von manchen nur die -andre, von vielen sind beide Bildungen nebeneinander üblich; selbst -in Zusammensetzungen stehen ältere Bildungen wie <em class="gesperrt">Landsmann</em> -und <em class="gesperrt">Landsknecht</em> neben jüngern wie <em class="gesperrt">Landesherr</em> und -<em class="gesperrt">Landesvater</em>. Oft kommt es nur auf den Wohlklang des einzelnen -Wortes und vor allem auf den Rhythmus der zusammenhängenden Rede an: -die kurzen Formen können kräftig, aber auch gehackt, die langen weich -und geschmeidig, aber auch schleppend klingen, je nach der Umgebung. -Ich würde z. B. schreiben: die sicherste Stütze des <em class="gesperrt">Throns</em> liegt -in der Liebe und Dankbarkeit des <em class="gesperrt">Volkes</em>, die täglich neu aus der -Überzeugung geboren werden muß, daß die berechtigten Interessen des -<em class="gesperrt">Volks</em> ihre beste Stütze im <em class="gesperrt">Throne</em> finden.</p> - -<p>Zu beklagen ist es, daß immer mehr die Neigung um sich greift (teils -von Norddeutschland, teils von Süddeutschland aus), das Dativ-e ganz -wegzuwerfen und zu sagen: vor dem <em class="gesperrt">König</em>, in dem <em class="gesperrt">Buch</em>, -aus dem <em class="gesperrt">Haus</em>, nach dem <em class="gesperrt">Krieg</em>, nach dem <em class="gesperrt">Tod</em>, im -<em class="gesperrt">Jahr</em>, im <em class="gesperrt">Recht</em>, im <em class="gesperrt">Reich</em>, im <em class="gesperrt">Wald</em>, auf -dem <em class="gesperrt">Berg</em>, am <em class="gesperrt">Meer</em> (statt <em class="gesperrt">Könige</em>, <em class="gesperrt">Buche</em>, -<em class="gesperrt">Hause</em>, <em class="gesperrt">Kriege</em>, <em class="gesperrt">Jahre</em>, <em class="gesperrt">Rechte</em> usw.). Ja -manche möchten das jetzt geradezu als Forderung aufstellen. Aber -abgesehen davon, daß dadurch der Formenreichtum unsrer Deklination, -der ohnehin im Vergleich zu der ältern Zeit schon stark verkümmert -ist, immer mehr verkümmert, erhält auch die Sprache, namentlich -wenn das e bei einsilbigen Wörtern überall weggeworfen wird, etwas -zerhacktes. Ein einziges Dativ-e kann oft mitten unter klapprigen -einsilbigen Wörtern Rhythmus und Wohllaut herstellen. Man sollte -es daher sorgfältig schonen, in der lebendigen Sprache wie beim -Schreiben, und die Schule sollte sich bemühen, es zu erhalten. -Besonders<span class="pagenum" id="Seite_7">[S. 7]</span> häßlich wirkt das Abwerfen des Dativ-e, wenn das Wort dann -mit demselben Konsonanten schließt, mit dem das nächste anfängt, z. B. -im <em class="gesperrt">Goldland des</em> Altertums. Nur wo das Wort mit einem Vokal -anfängt, also ein sogenannter Hiatus entstehen würde, mag man das e -zuweilen fallen lassen – zuweilen, denn auch da ist immer der Rhythmus -zu berücksichtigen; eine Regel, daß jeder Hiatus zu meiden sei, soll -damit nicht ausgesprochen werden. Ganz unerträglich würde das Fehlen -des Dativ-e in formelhaften Wendungen erscheinen wie: <em class="gesperrt">zustande</em> -kommen, <em class="gesperrt">im Wege</em> stehen, <em class="gesperrt">zugrunde</em> gehen, <em class="gesperrt">zu Kreuze</em> -kriechen, ebenso unerträglich freilich die Erhaltung des Dativ-e in -andern formelhaften Wendungen wie: <em class="gesperrt">mit Dank</em>, <em class="gesperrt">von Jahr zu -Jahr</em>, <em class="gesperrt">von Ort zu Ort</em>.</p> - -<p>An den Wörtern auf <em class="gesperrt">nis</em> und <em class="gesperrt">tum</em> und an Fremdwörtern wirkt -das Dativ-e meist unangenehm schleppend; man denke an Dative wie: -dem <em class="gesperrt">Verhältnisse</em>, dem <em class="gesperrt">Eigentume</em>, dem <em class="gesperrt">Systeme</em>, -dem <em class="gesperrt">Probleme</em>, dem <em class="gesperrt">Organe</em>, dem <em class="gesperrt">Prinzipe</em>, -dem <em class="gesperrt">Rektorate</em>, dem <em class="gesperrt">Programme</em>, dem <em class="gesperrt">Metalle</em>, -dem <em class="gesperrt">Offiziere</em>, dem <em class="gesperrt">Romane</em>, dem <em class="gesperrt">Ideale</em>, dem -<em class="gesperrt">Madrigale</em>, dem <em class="gesperrt">Oriente</em>, dem <em class="gesperrt">Manifeste</em>, dem -<em class="gesperrt">Archive</em> usw. Man kann nicht sagen, daß diese Formen an sich -häßlich wären, denn die Plurale, die die meisten dieser Wörter bilden, -klingen ja ebenso; aber als Dative des Singulars wirken sie häßlich.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Des_Rhein_oder_des_Rheins">Des Rhein oder des Rheins?</h3> - -</div> - -<p>Vielfache Unsicherheit herrscht in der Deklination der Ortsnamen. -Haben sie keinen Artikel, wie die meisten Länder- und Städtenamen, so -bildet wohl jedermann einen richtigen Genitiv (<em class="gesperrt">Deutschlands</em>, -<em class="gesperrt">Wiens</em>); bei den Berg- und Flußnamen aber, die den Artikel -bei sich haben, muß man jetzt immer öfter Genitive lesen wie <em class="gesperrt">des -Rhein</em>, <em class="gesperrt">des Main</em>, <em class="gesperrt">des Nil</em>, <em class="gesperrt">des Brocken</em>, -<em class="gesperrt">des Petersberg</em>, <em class="gesperrt">des Hohentwiel</em>, <em class="gesperrt">des Vesuv</em>, und -ebenso ist es bei Länder- und Städtenamen, wenn sie durch den Zusatz -eines Attributs den Artikel erhalten; auch da hat sich immer mehr -die Nachlässigkeit<span class="pagenum" id="Seite_8">[S. 8]</span> verbreitet, zu schreiben: des <em class="gesperrt">kaiserlichen -Rom</em>, des <em class="gesperrt">modernen Wien</em>, des <em class="gesperrt">alten Leipzig</em>, des -<em class="gesperrt">damaligen Frankreich</em>, des <em class="gesperrt">nordöstlichen Böhmen</em>, des erst -noch <em class="gesperrt">zu erobernden Jütland</em>. Bei den Personennamen ist ja, wenn -sie den Artikel haben, der Genitiv rettungslos verloren; des <em class="gesperrt">großen -Friedrichs</em> oder die Leiden des <em class="gesperrt">jungen Werthers</em> (wie Goethe -noch 1774 schrieb) getraut sich heute niemand mehr zu schreiben. Ebenso -geht es den Monatsnamen. Auch diese wurden früher alle zwölf richtig -dekliniert: <em class="gesperrt">des Aprils</em>, <em class="gesperrt">des Oktobers</em> (Klopstock: Sohn -<em class="gesperrt">des Mais</em>; Schlegel: Nimm vor des <em class="gesperrt">Märzen</em> Idus dich in -acht). Heute schreibt man fast nur noch: zu Anfang <em class="gesperrt">des Oktober</em>, -wenn man nicht lieber gar stammelt: <em class="gesperrt">Anfang Oktober</em>. Aber bei -Ortsnamen sind wir doch noch nicht ganz so weit.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Franz_oder_Franzens_Goethes_oder_Goethes">Franz’ oder Franzens? Goethe’s -oder Goethes?</h3> - -</div> - -<p>Großes Vergnügen macht es vielen Leuten, den Genitiv von Personennamen -mit einem Apostroph zu versehen: <em class="gesperrt">Friedrich’s</em>, <em class="gesperrt">Müller’s</em>. -Selbst große Gelehrte sind in den Apostroph so verliebt, daß es ihnen -ganz undenkbar erscheint, <em class="gesperrt">Goethes</em> ohne das hübsche Häkchen oben -zu schreiben. Nun ist ja der Apostroph überhaupt eine große Kinderei. -Alle unsre Schriftzeichen bedeuten doch Laute, die gesprochen werden. -Auch die Interpunktionszeichen gehören dazu. Nicht bloß das Ausrufe- -und das Fragezeichen, sondern auch Komma, Kolon, Semikolon und Punkt, -Klammern und Gedankenstriche lassen sich beim Vorlesen sehr wohl -vernehmlich machen. Nur der Apostroph bedeutet gar nichts; ja er soll -geradezu einen Laut bedeuten, der – nicht da ist, der eigentlich da -sein sollte, aber ausgefallen ist. Ist nicht das schon kindisch? Nun -ist ja aber bei diesen Genitiven gar nichts ausgefallen. Wenn man -schreibt: <em class="gesperrt">des Müllers</em> Esel, warum soll man nicht auch <em class="gesperrt">Otfried -Müllers</em> Etrusker schreiben?<a id="FNAnker_6" href="#Fussnote_6" class="fnanchor">[6]</a></p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_9">[S. 9]</span></p> - -<p>Nun aber vollends bei Personennamen auf s, ß, z und x – welche -Anstrengungen werden da gemacht, einen Genitiv zu bilden! Die Anzahl -solcher Namen ist ja ziemlich groß; man denke an <em class="gesperrt">Fuchs</em>, -<em class="gesperrt">Voß</em>, <em class="gesperrt">Krebs</em>, <em class="gesperrt">Carstens</em>, <em class="gesperrt">Görres</em>, -<em class="gesperrt">Strauß</em>, <em class="gesperrt">Brockhaus</em>, <em class="gesperrt">Hinrichs</em>, <em class="gesperrt">Brahms</em>, -<em class="gesperrt">Begas</em>, <em class="gesperrt">Dickens</em>, <em class="gesperrt">Curtius</em>, <em class="gesperrt">Mylius</em>, -<em class="gesperrt">Cornelius</em>, <em class="gesperrt">Berzelius</em>, <em class="gesperrt">Rodbertus</em>, <em class="gesperrt">Marx</em>, -<em class="gesperrt">Felix</em>, <em class="gesperrt">Max</em>, <em class="gesperrt">Franz</em>, <em class="gesperrt">Fritz</em>, <em class="gesperrt">Moritz</em>, -<em class="gesperrt">Götz</em>, <em class="gesperrt">Uz</em>, <em class="gesperrt">Schütz</em>, <em class="gesperrt">Schwarz</em>, <em class="gesperrt">Leibniz</em>, -<em class="gesperrt">Opitz</em>, <em class="gesperrt">Rochlitz</em>, <em class="gesperrt">Lorenz</em>, <em class="gesperrt">Pohlenz</em>, -nicht zu reden von den griechischen, römischen, spanischen Namen, -wie <em class="gesperrt">Sophokles</em>, <em class="gesperrt">Tacitus</em>, <em class="gesperrt">Olivarez</em> usw.; die -Veranlassung ist also auf Schritt und Tritt gegeben. Bei den -griechischen und römischen Namen pflegt man sich damit zu helfen, -daß man den Artikel vorsetzt: die Tragödien <em class="gesperrt">des Sophokles</em>, -die Germania <em class="gesperrt">des Tacitus</em>. Man ist an diese Genitive von -seiner Schulzeit her so gewöhnt, daß man gar nichts anstößiges -mehr darin findet, obwohl man es sofort als anstößig empfinden -würde, wenn jemand schriebe: die Gedichte <em class="gesperrt">des Goethe</em>. Der -Artikel vor dem Personennamen ist süddeutscher oder österreichischer -Provinzialismus (in Stuttgart sagt man: <em class="gesperrt">der Uhland</em>, in Wien: -<em class="gesperrt">der Raimund</em>), aber in die Schriftsprache gehört das nicht; -in kunstgeschichtlichen Büchern und Aufsätzen immer von Zeichnungen -<em class="gesperrt">des Carstens</em> und Entwürfen <em class="gesperrt">des Cornelius</em> lesen zu -müssen oder gar, wie in der beschreibenden Darstellung der Bau- und -Kunstdenkmäler Leipzigs, von einem Bildnis <em class="gesperrt">des Gottsched</em>, -einem Bildnis <em class="gesperrt">des Gellert</em>, ist doch gar zu häßlich. Manche -setzen denn nun auch an solche Namen fröhlich das Genitiv-s (natürlich -mit dem unvermeidlichen Apostroph davor!), also: <em class="gesperrt">Fues’s</em> -Verlag, <em class="gesperrt">Rus’s</em> Kaffeehandlung, <em class="gesperrt">Harras’s</em> Grabstein in -der Thomaskirche, Kurfürst <em class="gesperrt">Moritz’s</em> Verdienste um Leipzig, -<em class="gesperrt">Leibniz’s</em> ägyptischer Plan, Gabriel <em class="gesperrt">Max’s</em> Illustrationen -zu Uhlands (oder vielmehr Uhland’s) Gedichten. Noch andre – und das -ist das beliebteste und das, was in Grammatiken<span class="pagenum" id="Seite_10">[S. 10]</span> gelehrt, in den -Druckereien befolgt und jetzt auch für die Schulen vorgeschrieben wird -– meinen, einen Genitiv zu bilden, indem sie einen bloßen Apostroph -hinter den Namen setzen, z. B. <em class="gesperrt">Celtes’</em> Ausgabe der Roswitha, -<em class="gesperrt">Junius’</em> Briefe, <em class="gesperrt">Kochs’</em> Mikroskopierlampe (der Erfinder -heißt wirklich <em class="gesperrt">Kochs</em>!), <em class="gesperrt">Uz’</em> Gedichte, <em class="gesperrt">Voß’</em> Luise, -Heinrich <em class="gesperrt">Schütz’</em> sämtliche Werke, <em class="gesperrt">Rochlitz’</em> Briefwechsel -mit Goethe. Und solche Beispiele, in denen der Name <em class="gesperrt">vor</em> dem -Worte steht, von dem er abhängt, sind noch nicht die schlimmsten. Ganz -toll aber ist: die Findung <em class="gesperrt">Moses’</em>, der Kanzler <em class="gesperrt">Moritz’</em> -(das soll heißen: der Kanzler des Herzogs Moritz), die berühmte -Ketzerschrift <em class="gesperrt">Servetus’</em>, auf Anregung <em class="gesperrt">Gervinus’</em>, der -Besuch König <em class="gesperrt">Alfons’</em>, der Stil <em class="gesperrt">Rabelais’</em>, der Dualismus -<em class="gesperrt">Descartes’</em> (in <em class="gesperrt">Descartes</em> ist ja das es stumm, und der -Genitiv von <em class="gesperrt">Descartes</em> wird wirklich gesprochen: <em class="gesperrt">karts</em>!). -Das neueste ist, daß man sogar Namen, die auf <em class="gesperrt">sch</em> endigen, in -diesen Unsinn mit hereinzieht und schreibt: in den Tagebuchblättern -Moritz <em class="gesperrt">Busch’</em>, zum siebzigsten Geburtstage Wilhelm -<em class="gesperrt">Busch’</em>, das allerneueste, daß man sogar im Dativ(!) schreibt: -<span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Peters’</em> als Vorsitzendem lag die Pflicht ob!</p> - -<p>Sollten wir uns nicht vor den Ausländern schämen ob dieser kläglichen -Hilflosigkeit? Ist es nicht kindisch, sich einzubilden und dem -Ausländer, der Deutsch lernen möchte, einzureden, daß im Deutschen -auch ein Kasus gebildet werden könne, indem man ein Häkchen hinter -das zu deklinierende Wort setzt, ein Häkchen, das doch nur auf dem -Papiere steht, nur für das Auge da ist? Wie klingt denn der Apostroph -hinter dem Worte? Kann man ihn hören? Spreche ihn doch einer! Soll man -vielleicht den Mund eine Weile aufsperren, um ihn anzudeuten? oder sich -einmal räuspern? Irgend etwas muß doch geschehen, um den Apostroph fürs -Ohr vernehmlich zu machen, sonst ist ja zwischen <em class="gesperrt">Leibniz</em> und -<em class="gesperrt">Leibniz’</em>, zwischen dem Nominativ und dem angeblichen Genitiv, -gar kein Unterschied. Nachdenklichen Setzern und Buchbindern will -denn auch die Sache gewöhnlich gar nicht in den Kopf. Daher kommt -es, daß man in den Korrekturabzügen und auf Bücherrücken so oft<span class="pagenum" id="Seite_11">[S. 11]</span> -Titel lesen muß wie: <em class="gesperrt">Sophokle’s</em> Tragödien, <em class="gesperrt">Carsten’s</em> -Werke, <em class="gesperrt">Dicken’s</em> Romane, <em class="gesperrt">Brahm’s</em> Requiem, Friedrich -<em class="gesperrt">Perthe’s</em> Leben und <em class="gesperrt">Siever’s</em> Phonetik.</p> - -<p>Eine gewisse Schwierigkeit ist ja nun freilich da, und es fragt sich, -wie man ihr am besten abhilft. Die ältere Sprache schrieb entweder -unbedenklich <em class="gesperrt">Romanus Haus</em> (ohne den Apostroph), oder sie half -sich bei deutschen Namen damit, daß sie (wie bei andern Substantiven, -z. B. <em class="gesperrt">Herz</em>, und bei den Frauennamen) eine Mischform aus der -schwachen und der starken Deklination auf <em class="gesperrt">ens</em> bildete, also: -<em class="gesperrt">Fuchsens</em>, <em class="gesperrt">Straußens</em>, <em class="gesperrt">Schützens</em>, <em class="gesperrt">Hansens</em>, -<em class="gesperrt">Franzens</em>, <em class="gesperrt">Fritzens</em>, <em class="gesperrt">Götzens</em>, <em class="gesperrt">Leibnizens</em> -(vgl. <em class="gesperrt">Luisens</em>, <em class="gesperrt">Friederikens</em>, <em class="gesperrt">Sophiens</em>). Im -Volksmunde sind diese Formen auch heute noch durchaus gang und gäbe -(ebenso wie die Dative und Akkusative <em class="gesperrt">Hansen</em>, <em class="gesperrt">Fritzen</em>, -<em class="gesperrt">Sophien</em> – hast du <em class="gesperrt">Fritzen</em> nicht gesehen? gibs -<em class="gesperrt">Fritzen</em>! –, die jetzt freilich in der Sprachziererei der -Vornehmen mehr und mehr durch die unflektierte Form verdrängt werden: -hast du <em class="gesperrt">Fritz</em> nicht gesehen? gibs <em class="gesperrt">Fritz</em>!), und es ist -nicht einzusehen, weshalb sie nicht auch heute noch papierfähig -sein sollten.<a id="FNAnker_7" href="#Fussnote_7" class="fnanchor">[7]</a> Oder wollen wir vielleicht nun auch im<span class="pagenum" id="Seite_12">[S. 12]</span> Götz von -Berlichingen <em class="gesperrt">Hansens Küraß</em> in <em class="gesperrt">Hans’ Küraß</em> verwandeln? -<em class="gesperrt">Franzensbad</em> und <em class="gesperrt">Franzensfeste</em> in <em class="gesperrt">Franz’bad</em> und -<em class="gesperrt">Franz’feste</em> verschönern? Verständige Schriftsteller, die vom -Papierdeutsch zur lebendigen Sprache zurückkehren, gebrauchen denn auch -die flektierte Form allmählich wieder und schreiben wieder: <em class="gesperrt">Vossens -Luise</em>. Wenn sie nur auch die Schule wieder zu Gnaden annehmen -wollte!</p> - -<p>Unmöglich erscheint dieser Ausweg natürlich bei Namen, die selbst -Genitive sind, wie <em class="gesperrt">Carstens</em> (eigentlich Carstens Sohn), -<em class="gesperrt">Hinrichs</em>, <em class="gesperrt">Brahms</em>. <em class="gesperrt">Brahmsens</em> dritte Geigensonate -– das klingt nicht schön. Auch <em class="gesperrt">Phidiassens</em> Zeus und -<em class="gesperrt">Sophoklessens</em> Antigone nicht, obwohl auch solche Formen zu -Goethes und Schillers Zeit unbedenklich gewagt worden sind; sprach -man doch damals auch, da man den Familiennamen der Frau auf <em class="gesperrt">in</em> -bildete, von der <em class="gesperrt">Möbiussin</em>. Das beste ist wohl, solchen Formen -aus dem Wege zu gehen, was sehr leicht möglich ist, ohne daß jemand -eine Verlegenheit, einen Zwang merkt. Man kann durch Umgestaltung -des Satzes den Namen leicht in einen andern Kasus bringen, statt des -Genitivs <em class="gesperrt">sein</em> setzen, <em class="gesperrt">des Dichters</em>, <em class="gesperrt">des Künstlers</em> -dafür einsetzen usw. Aber nur nicht immer: die Zeichnungen <em class="gesperrt">des -Carstens</em>! Und noch weniger <em class="gesperrt">Voß’s Luise</em> oder gar das <em class="gesperrt">Grab -Brahms’</em>, denn das ist gar zu einfältig.</p> - -<p>In dieselbe Verlegenheit wie bei den Eigennamen auf <em class="gesperrt">us</em> gerät -man übrigens auch bei gewissen fremden Appellativen. Man spricht -zwar unbedenklich von <em class="gesperrt">Omnibussen</em>, aber Not machen uns die -<em class="gesperrt">Ismusse</em>, und der Deutsche hat sehr viel <em class="gesperrt">Ismusse</em>! Die -Komödie erlognen <em class="gesperrt">Patriotismus’</em>, wie jetzt gedruckt wird, -oder: im Lichte berechtigten <em class="gesperrt">Lokalpatriotismus’</em> oder: ein -unglaubliches Beispiel preußischen <em class="gesperrt">Partikularismus’</em> oder ein -Ausfluß erstarkten <em class="gesperrt">Individualismus’</em> – das sind nun einmal keine -Genitive, trotz des schmeichelnden Häkchens. Da hilft es nichts, man -muß zu der Präposition <em class="gesperrt">von</em> greifen oder den unbestimmten Artikel -zu Hilfe nehmen und sagen: <em class="gesperrt">eines</em> erlognen <em class="gesperrt">Patriotismus</em>, -<em class="gesperrt">von</em> preußischem <em class="gesperrt">Partikularismus</em>.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_13">[S. 13]</span></p> - -<h3 id="Friedrich_des_Grossen_oder_Friedrichs_des_Grossen">Friedrich des Großen oder -Friedrichs des Großen?</h3> - -</div> - -<p>Daß von <em class="gesperrt">Friedrich</em> der Genitiv <em class="gesperrt">Friedrichs</em> heißt, das weiß -man allenfalls noch. Aber sobald eine Apposition zu dem Namen tritt, -wissen sich die meisten nicht mehr zu helfen. Man frage einmal nach -dem Genitiv von <em class="gesperrt">Friedrich der Große</em>; die Hälfte aller Gefragten -wird ihn <em class="gesperrt">Friedrich des Großen bilden</em>. Fortwährend begegnet man -jetzt so abscheulichen Genitiven wie: <em class="gesperrt">Heinrich des Erlauchten</em>, -<em class="gesperrt">Albrecht des Beherzten</em>, <em class="gesperrt">Georg des Bärtigen</em>. Es gibt -Leute, die alles Ernstes glauben, solche Verbindungen seien eine -Art von Formeln oder Sigeln, die nur am Ende dekliniert zu werden -brauchten! Auch wenn die Apposition eine Ordinalzahl ist – der -häufigste Fall –, wird kaum noch anders geschrieben als: die Urkunden -<em class="gesperrt">Otto</em> III., die Gegenreformation <em class="gesperrt">Rudolf</em> II., die Gemahlin -<em class="gesperrt">Heinrich</em> VIII., die Regierungszeit <em class="gesperrt">Ludwig</em> XIV. Wenn man -das aussprechen will, so kann man doch gar nicht anders sagen als: -<em class="gesperrt">Otto der dritte</em>, <em class="gesperrt">Rudolf der zweite</em>, <em class="gesperrt">Heinrich der -achte</em>. Denn wie kann der Schreibende erwarten, daß man die Zahl im -Genitiv lese, wenn der Name, zu dem sie gehört, im Nominativ steht?<a id="FNAnker_8" href="#Fussnote_8" class="fnanchor">[8]</a></p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Kaiser_Wilhelms">Kaiser Wilhelms</h3> - -</div> - -<p>Tritt vollends der Herrschertitel dazu, so pflegt alle Weisheit zu Ende -zu sein. Wie dekliniert man: <em class="gesperrt">Herzog Ernst der Fromme</em>, <em class="gesperrt">Kaiser -Friedrich der Dritte</em>? Bei einer vorangestellten Apposition wie -<em class="gesperrt">Kaiser</em>,<span class="pagenum" id="Seite_14">[S. 14]</span> <em class="gesperrt">König</em>, <em class="gesperrt">Herzog</em>, <em class="gesperrt">Prinz</em>, <em class="gesperrt">Graf</em>, -<em class="gesperrt">Papst</em>, <em class="gesperrt">Bischof</em>, <em class="gesperrt">Bürgermeister</em>, <em class="gesperrt">Stadtrat</em>, -<em class="gesperrt">Major</em>, <em class="gesperrt">Professor</em>, <em class="gesperrt">Doktor</em>, <em class="gesperrt">Direktor</em> usw. -kommt es darauf an, ob die Apposition als bloßer Titel, oder ob sie -wirklich als Amt, Beruf, Tätigkeit der Person aufgefaßt werden soll -oder aufgefaßt wird. Im ersten Fall ist es das üblichste, nur den -Eigennamen zu deklinieren, den Titel aber ohne Artikel und undekliniert -zu lassen, also <em class="gesperrt">Kaiser Wilhelms</em>, <em class="gesperrt">Papst Urbans</em>, <em class="gesperrt">Doktor -Fausts Höllenfahrt</em>, <em class="gesperrt">Bürgermeister Müllers Haus</em>. Der -Titel verwächst für das Sprachgefühl so mit dem Namen, daß beide -wie eins erscheinen.<a id="FNAnker_9" href="#Fussnote_9" class="fnanchor">[9]</a> Im achtzehnten Jahrhundert sagte man sogar -<em class="gesperrt">Herr Müllers</em>, <em class="gesperrt">Herr Müllern</em>, nicht: <em class="gesperrt">Herrn Müller</em>. -Im zweiten Falle wird der Artikel zur Apposition gesetzt und die -Apposition dekliniert, dagegen bleibt der Name undekliniert: <em class="gesperrt">des -Kaisers Wilhelm</em>, <em class="gesperrt">des Herzogs Albrecht</em>, ein Bild <em class="gesperrt">des -Ritters Georg</em>. Freilich geht die Neigung vielfach dahin, auch hier -die Apposition undekliniert zu lassen, z. B. <em class="gesperrt">des Doktor Müller</em>, -<em class="gesperrt">des Professor Albrecht</em>. Treten zwei Appositionen zu dem Namen, -eine davor, die andre dahinter, so ist für die voranstehende nur das -erste der eben besprochnen beiden Verfahren möglich, also: die Truppen -<em class="gesperrt">Kaiser Heinrichs des Vierten</em>, das Denkmal <em class="gesperrt">König Friedrichs -des Ersten</em>, eine Urkunde <em class="gesperrt">Markgraf Ottos des Reichen</em>, die -Bulle <em class="gesperrt">Papst Leos des Zehnten</em>. Beide Appositionen zu deklinieren -und den Namen undekliniert zu lassen, z. B. <em class="gesperrt">Königs</em> Christian -<em class="gesperrt">des Ersten</em>, <em class="gesperrt">des Kaisers</em> Wilhelm <em class="gesperrt">des Siegreichen</em>, -wirkt unangenehm wegen des Zickzackganges der beiden Kasus (Genitiv, -Nominativ, Genitiv).<a id="FNAnker_10" href="#Fussnote_10" class="fnanchor">[10]</a></p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_15">[S. 15]</span></p> - -<h3 id="Leopolds_von_Ranke_oder_Leopold_von_Rankes">Leopolds von Ranke oder -Leopold von Rankes?</h3> - -</div> - -<p>Verlegenheit bereitet vielen auch die Deklination adliger Namen -oder solcher Namen, die adligen nachgebildet sind. Soll man sagen: -die Dichtungen <em class="gesperrt">Wolframs von Eschenbach</em> oder <em class="gesperrt">Wolfram von -Eschenbachs</em>? Richtig ist – selbstverständlich – nur das erste, -denn Eschenbach ist, wie alle echten Adelsnamen, ein Ortsname, der -die Herkunft bezeichnet; den kann man doch hier nicht in den Genitiv -setzen wollen.<a id="FNAnker_11" href="#Fussnote_11" class="fnanchor">[11]</a> So muß es denn auch heißen: die Heimat <em class="gesperrt">Walters -von der Vogelweide</em>, die Burg <em class="gesperrt">Götzens von Berlichingen</em>, -die Lebensbeschreibung <em class="gesperrt">Wiprechts von Groitzsch</em>, die Gedichte -<em class="gesperrt">Hoffmanns von Fallersleben</em>, auch die Werke <em class="gesperrt">Leonardos da -Vinci</em>, die Schriften <em class="gesperrt">Abrahams a Sancta Clara</em>.</p> - -<p>Wie steht es aber mit den Namen, die nicht jedermann sofort als -Ortsnamen empfindet, wie <em class="gesperrt">Hutten</em>? Wer kann alle deutschen -Ortsnamen kennen? Soll man sagen <em class="gesperrt">Ulrichs von Hutten</em> oder -<em class="gesperrt">Ulrich von Huttens</em> deutsche Schriften? Und nun vollends die -zahllosen unechten Adelsnamen, über die sich schon Jakob Grimm lustig -gemacht hat: diese <em class="gesperrt">von Richter</em> und <em class="gesperrt">von Schulz</em>, <em class="gesperrt">von -Schmidt</em> und <em class="gesperrt">von Weber</em>, <em class="gesperrt">von Bär</em> und <em class="gesperrt">von<span class="pagenum" id="Seite_16">[S. 16]</span> Wolf</em>, -wie stehts mit denen? Soll man sagen: <em class="gesperrt">Heinrichs von Weber</em> -Lehrbuch der Physik, <em class="gesperrt">Leopolds von Ranke</em> Weltgeschichte? -Streng genommen müßte es ja so heißen; warum behandelt man Namen, -die alles andre, nur keinen Ort bezeichnen, als Ortsnamen, indem man -ihnen das sinnlose <em class="gesperrt">von</em> vorsetzt! Im achtzehnten Jahrhundert -war das Gefühl für die eigentliche Bedeutung der adligen Namen noch -lebendig; da adelte man einen <em class="gesperrt">Peter Hohmann</em> nicht zum <em class="gesperrt">Peter -von Hohmann</em>, sondern zum <em class="gesperrt">Peter von Hohenthal</em>, einen -<em class="gesperrt">Maximilian Speck</em> nicht zum <em class="gesperrt">Maximilian von Speck</em>, sondern -zum <em class="gesperrt">Maximilian Speck von Sternburg</em>, indem man einen (wirklichen -oder erdichteten) Ortsnamen zum Familiennamen setzte; in Österreich -verfährt man zum Teil noch heute so. Da aber nun einmal die unechten -Adelsnamen vorhanden sind, wie soll man sich helfen? Es bleibt nichts -weiter übrig, als das <em class="gesperrt">von</em> hier so zu behandeln, als ob es nicht -da wäre, also zu sagen: <em class="gesperrt">Leopold von Rankes</em> sämtliche Werke, -besonders dann, wenn der Genitiv vor dem Worte steht, von dem er -abhängig ist; steht er dahinter, so empfiehlt es sich schon eher, den -Vornamen zu flektieren: die Werke <em class="gesperrt">Leopolds von Ranke</em>, denn man -möchte natürlich den Genitiv immer so dicht wie möglich an das Wort -bringen, zu dem er gehört. Und so verfährt man oft auch bei echten -Adelsnamen, selbst wenn man weiß, oder wenn kein Zweifel ist, daß sie -eigentlich Ortsnamen sind. Es ist das ein Notbehelf, aber schließlich -erscheint er doch von zwei Übeln als das kleinere.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Boete_oder_Boote">Böte oder Boote?</h3> - -</div> - -<p>Bei einer Anzahl von Hauptwörtern wird der Plural jetzt oft mit -dem Umlaut gebildet, wo dieser keine Berechtigung hat. Solche -falsche Plurale sind: <em class="gesperrt">Ärme</em>, <em class="gesperrt">Böte</em>, <em class="gesperrt">Bröte</em>, -<em class="gesperrt">Röhre</em>, <em class="gesperrt">Täge</em>, <em class="gesperrt">Böden</em>, <em class="gesperrt">Bögen</em>, <em class="gesperrt">Kästen</em>, -<em class="gesperrt">Krägen</em>, <em class="gesperrt">Mägen</em>, <em class="gesperrt">Wägen</em>, <em class="gesperrt">Läger</em>. Man redet -jetzt von Geburts<em class="gesperrt">tägen</em>, Muster<em class="gesperrt">lägern</em>, Fuß<em class="gesperrt">böden</em>, -Gummi<em class="gesperrt">krägen</em> usw. Bei den Wörtern auf <em class="gesperrt">en</em> und <em class="gesperrt">er</em> -wird dadurch allerdings ein Unterschied zwischen der Einzahl und der -Mehrzahl geschaffen, der namentlich<span class="pagenum" id="Seite_17">[S. 17]</span> in Süddeutschland üblich geworden -ist.<a id="FNAnker_12" href="#Fussnote_12" class="fnanchor">[12]</a> Dennoch ist nur die Form ohne Umlaut richtig: <em class="gesperrt">die Arme</em>, -<em class="gesperrt">die Kasten</em>, <em class="gesperrt">die Lager</em>, <em class="gesperrt">die Rohre</em> usw. Man denke -sich, daß es in Eichendorffs schönem Liede: O Täler weit, o Höhen – -am Schlusse hieße: Schlag noch einmal die <em class="gesperrt">Bögen</em> um mich, du -grünes Zelt! Auch <em class="gesperrt">Herzöge</em> ist eigentlich falsch; das Wort ist -bis ins siebzehnte Jahrhundert hinein nur schwach dekliniert worden: -des <em class="gesperrt">Herzogen</em>, dem <em class="gesperrt">Herzogen</em>, die <em class="gesperrt">Herzogen</em>. Dann -sprang es aber in die starke Deklination über (des <em class="gesperrt">Herzogs</em>), und -nun blieben auch die <em class="gesperrt">Herzöge</em> nicht aus: der <em class="gesperrt">Trog</em>, die -<em class="gesperrt">Tröge</em> – der <em class="gesperrt">Herzog</em>, die <em class="gesperrt">Herzöge</em>, die Ähnlichkeit -war überwältigend.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Generaele_oder_Generale">Generäle oder Generale?</h3> - -</div> - -<p>Von den Fremdwörtern sind viele in den Umlaut hineingezogen worden, -obwohl er ihnen eigentlich auch nicht zukommt, nicht bloß Lehnwörter, -deren fremde Herkunft man nicht mehr fühlt, wie <em class="gesperrt">Bischöfe</em>, -<em class="gesperrt">Paläste</em>, <em class="gesperrt">Pläne</em>, <em class="gesperrt">Bässe</em>, <em class="gesperrt">Chöre</em>, sondern -auch Wörter, die man noch lebhaft als Fremdwörter empfindet, wie -<em class="gesperrt">Altäre</em>, <em class="gesperrt">Tenöre</em>, <em class="gesperrt">Hospitäler</em>, <em class="gesperrt">Kanäle</em>. Aber -von andern wird doch die Mehrzahl noch richtig ohne Umlaut gebildet, -wie <em class="gesperrt">Admirale</em>, <em class="gesperrt">Prinzipale</em>, <em class="gesperrt">Journale</em>. Wenn sich -daher irgendwo ein Schwanken zu zeigen beginnt, so ist es klar, daß die -Form ohne Umlaut den Vorzug verdient. Besser also als <em class="gesperrt">Generäle</em> -ist unzweifelhaft <em class="gesperrt">Generale</em>. Bisweilen hat die Sprache auch -hier die Möglichkeit der doppelten Form zu einer Unterscheidung des -Sinnes benutzt: <em class="gesperrt">Kapitale</em> (oder <em class="gesperrt">Kapitalien</em>) sind Gelder, -<em class="gesperrt">Kapitäle</em> Säulenknäufe; hier heißt freilich auch schon die -Einzahl <em class="gesperrt">Kapitäl</em>.</p> - -<p>Auch zwischen der starken und der schwachen Deklination hat die -Pluralbildung der Fremdwörter vielfach geschwankt und schwankt -zum Teil noch jetzt. Im achtzehnten<span class="pagenum" id="Seite_18">[S. 18]</span> Jahrhundert sagte man -<em class="gesperrt">Katalogen</em>, <em class="gesperrt">Monologen</em>; jetzt heißt es <em class="gesperrt">Kataloge</em>, -<em class="gesperrt">Monologe</em>. Dagegen sagen die meisten jetzt <em class="gesperrt">Autographen</em> -und <em class="gesperrt">Paragraphen</em>; <em class="gesperrt">Autographe</em> und <em class="gesperrt">Paragraphe</em> klingt -gesucht. Unverständlich ist es, wie unsre Techniker dazu gekommen sind, -die Mehrzahl <em class="gesperrt">Motore</em> zu bilden, da es doch nicht <em class="gesperrt">Faktore</em>, -<em class="gesperrt">Doktore</em> und <em class="gesperrt">Pastore</em> heißt; wahrscheinlich haben sie an -die <em class="gesperrt">Matadore</em> im Skat gedacht. <em class="gesperrt">Effekte</em> und <em class="gesperrt">Effekten</em> -werden wieder dem Sinne nach unterschieden: <em class="gesperrt">Effekte</em> sind -Wirkungen, <em class="gesperrt">Effekten</em> Wertpapiere oder Habseligkeiten.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Die_Stiefeln_oder_die_Stiefel">Die Stiefeln oder die Stiefel?</h3> - -</div> - -<p>Von den Hauptwörtern auf <em class="gesperrt">el</em> und <em class="gesperrt">er</em> gehören alle -Feminina der schwachen Deklination an; daher bilden sie den Plural: -<em class="gesperrt">Nadeln</em>, <em class="gesperrt">Windeln</em>, <em class="gesperrt">Kacheln</em>, <em class="gesperrt">Kurbeln</em>, -<em class="gesperrt">Klingeln</em>, <em class="gesperrt">Fackeln</em>, <em class="gesperrt">Wurzeln</em>, <em class="gesperrt">Mandeln</em>, -<em class="gesperrt">Eicheln</em>, <em class="gesperrt">Nesseln</em>, <em class="gesperrt">Regeln</em>, <em class="gesperrt">Bibeln</em>, -<em class="gesperrt">Wimpern</em>, <em class="gesperrt">Adern</em>, <em class="gesperrt">Nattern</em>, <em class="gesperrt">Leitern</em>, -<em class="gesperrt">Klaftern</em>, <em class="gesperrt">Scheuern</em>, <em class="gesperrt">Mauern</em>, <em class="gesperrt">Kammern</em>; -alle Maskulina und Neutra dagegen gehören zur starken Deklination, -wie <em class="gesperrt">Schlüssel</em>, <em class="gesperrt">Mäntel</em>, <em class="gesperrt">Wimpel</em>, <em class="gesperrt">Zweifel</em>, -<em class="gesperrt">Spiegel</em>, <em class="gesperrt">Kessel</em>, <em class="gesperrt">Achtel</em>, <em class="gesperrt">Siegel</em>, -<em class="gesperrt">Kabel</em>, <em class="gesperrt">Eber</em>, <em class="gesperrt">Zeiger</em>, <em class="gesperrt">Winter</em>, <em class="gesperrt">Laster</em>, -<em class="gesperrt">Ufer</em>, <em class="gesperrt">Klöster</em>.<a id="FNAnker_13" href="#Fussnote_13" class="fnanchor">[13]</a> Die Regel läßt sich sehr hübsch bei -Tische lernen: man vergegenwärtige sich nur die richtigen Plurale von -<em class="gesperrt">Schüssel</em> und <em class="gesperrt">Teller</em>, <em class="gesperrt">Messer</em>, <em class="gesperrt">Gabel</em> und -<em class="gesperrt">Löffel</em>, <em class="gesperrt">Semmel</em>, <em class="gesperrt">Kartoffel</em> und <em class="gesperrt">Zwiebel</em>, -<em class="gesperrt">Auster</em>, <em class="gesperrt">Hummer</em> und <em class="gesperrt">Flunder</em>. Sie gilt, wie die -Beispiele zeigen, ebenso für ursprünglich deutsche wie für Lehnwörter, -und sie ist so fest, daß, wenn ein Lehnwort (wie es im Laufe der -Sprachgeschichte oft geschehen ist) in ein andres Geschlecht übergeht, -sofort auch die Pluralbildung wechselt. Im sechzehnten Jahrhundert -sagte man noch in der Einzahl <em class="gesperrt">die Zedel</em> (<span class="antiqua">schedula</span>), -folglich in der Mehrzahl <em class="gesperrt">die Zedeln</em>, im achtzehnten Jahrhundert -noch in<span class="pagenum" id="Seite_19">[S. 19]</span> der Einzahl <em class="gesperrt">die Aurikel</em> (<span class="antiqua">auricula</span>), folglich in -der Mehrzahl die <em class="gesperrt">Aurikeln</em>; heute heißt es <em class="gesperrt">der Zettel</em>, -<em class="gesperrt">das Aurikel</em> und folglich die Mehrzahl <em class="gesperrt">die Zettel</em>, <em class="gesperrt">die -Aurikel</em>. Also sind Plurale wie <em class="gesperrt">Buckeln</em>, <em class="gesperrt">Möbeln</em>, -<em class="gesperrt">Stiefeln</em>, <em class="gesperrt">Schlüsseln</em>, <em class="gesperrt">Titeln</em>, <em class="gesperrt">Ziegeln</em>, -<em class="gesperrt">Aposteln</em>, <em class="gesperrt">Hummern</em> falsch und klingen gemein. Nur -<em class="gesperrt">Muskel</em>, <em class="gesperrt">Stachel</em>, <em class="gesperrt">Pantoffel</em> und <em class="gesperrt">Hader</em> (Lump, -Fetzen) machen eine Ausnahme (die <em class="gesperrt">Muskeln</em>, die <em class="gesperrt">Stacheln</em>, -die <em class="gesperrt">Pantoffeln</em>, die <em class="gesperrt">Hadern</em>), doch auch nur scheinbar, -denn diese Wörter haben seit alter Zeit neben ihrer männlichen auch -eine weibliche Singularform (ital. <span class="antiqua">pantofola</span>) oder, wie -<em class="gesperrt">Hader</em>, eine schwache männliche Nebenform (des <em class="gesperrt">Hadern</em>), -und die hat bei der Pluralbildung überwogen. Ein Fehler ist auch: -die <em class="gesperrt">Trümmern</em> (in <em class="gesperrt">Trümmern</em> schlagen); die Einzahl -heißt: der oder das <em class="gesperrt">Trumm</em> (in der Bergmannsprache noch heute -gebräuchlich), die Mehrzahl die <em class="gesperrt">Trümmer</em>. Wer noch gewöhnt -ist, <em class="gesperrt">Angel</em> als Maskulinum zu gebrauchen (Türangel ebenso wie -Fischangel), wird die Mehrzahl bilden <em class="gesperrt">die Angel</em>, wer es weiblich -gebraucht, sagt <em class="gesperrt">die Angeln</em>. Ebenso ist es mit <em class="gesperrt">Quader</em>; -wer <em class="gesperrt">Quader</em> männlich gebraucht, wird in der Mehrzahl sagen: -die <em class="gesperrt">Quader</em>, wer es für weiblich hält, kann nur sagen: die -<em class="gesperrt">Quadern</em>. Der <em class="gesperrt">Oberkiefer</em> und der <em class="gesperrt">Unterkiefer</em> heißen -zusammen die <em class="gesperrt">Kiefer</em>; im Wald aber stehen <em class="gesperrt">Kiefern</em>. Die -<em class="gesperrt">Schiffe</em> haben <em class="gesperrt">Steuer</em> (das <em class="gesperrt">Steuer</em>), der Staat -erhebt <em class="gesperrt">Steuern</em> (die <em class="gesperrt">Steuer</em>).</p> - -<p>In der niedrigen Geschäftssprache machen sich jetzt aber noch andre -falsche schwache Plurale breit. In Leipziger Geschäftsanzeigen muß -man lesen: <em class="gesperrt">Muffen</em>, <em class="gesperrt">Korken</em> (auch <em class="gesperrt">Korken</em>zieher, -<em class="gesperrt">Korken</em>fabrik), <em class="gesperrt">Stutzen</em> (Feder<em class="gesperrt">stutzen</em>), -auch <em class="gesperrt">Korsetten</em> und <em class="gesperrt">Jaquetten</em> (als ob die Einzahl -<em class="gesperrt">Jaquette</em> und <em class="gesperrt">Korsette</em> hieße!). Anständige Kaufleute -werden sich vor solcher Gassensprache hüten. <em class="gesperrt">Muff</em>, <em class="gesperrt">Kork</em>, -<em class="gesperrt">Stutz</em> gehören in gutem Schriftdeutsch zur starken Deklination: -der <em class="gesperrt">Muff</em>, des <em class="gesperrt">Muffs</em>, die <em class="gesperrt">Müffe</em>, der <em class="gesperrt">Kork</em>, -des <em class="gesperrt">Korks</em>, die <em class="gesperrt">Korke</em>; die <em class="gesperrt">Muffen</em> sind eins der -vielen Beispiele, wo sich – unter dem Einflusse Berlins – das -Plattdeutsche, das man schon für abgetan hielt, wieder durchzusetzen -versucht.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_20">[S. 20]</span></p> - -<h3 id="Worte_oder_Woerter_Gehaelter_oder_Gehalte">Worte oder Wörter? Gehälter oder -Gehalte?</h3> - -</div> - -<p>Die meisten reden von <em class="gesperrt">Fremdwörtern</em>, manche aber auch von -<em class="gesperrt">Fremdworten</em>. Was ist richtig? Die Pluralendung <em class="gesperrt">er</em>, die -namentlich bei Wörtern sächlichen Geschlechts vorkommt (<em class="gesperrt">Gräber</em>, -<em class="gesperrt">Kälber</em>, <em class="gesperrt">Kräuter</em>, <em class="gesperrt">Lämmer</em>, <em class="gesperrt">Rinder</em>, -<em class="gesperrt">Täler</em>), aber auch bei Maskulinen (<em class="gesperrt">Männer</em>, <em class="gesperrt">Leiber</em>, -<em class="gesperrt">Geister</em>, <em class="gesperrt">Wälder</em>, <em class="gesperrt">Würmer</em>, <em class="gesperrt">Reichtümer</em>), im -Althochdeutschen <span class="antiqua">ir</span> (daher der Umlaut), ist im Laufe der Zeit -auf eine große Masse von Wörtern namentlich sächlichen Geschlechts -ausgedehnt worden, die sie früher nicht hatten. Um 1500 hieß es noch: -<em class="gesperrt">die Amt</em>, <em class="gesperrt">die Kleid</em>, <em class="gesperrt">die Pfand</em>, <em class="gesperrt">die Land</em>, -<em class="gesperrt">die Dach</em>, <em class="gesperrt">die Fach</em>, <em class="gesperrt">die Gemach</em>, <em class="gesperrt">die Rad</em>, -<em class="gesperrt">die Schloß</em>, <em class="gesperrt">die Schwert</em>, <em class="gesperrt">die Faß</em>, <em class="gesperrt">die Bret</em>, -daneben: <em class="gesperrt">die Amte</em>, <em class="gesperrt">die Rade</em>, <em class="gesperrt">die Schwerte</em>, <em class="gesperrt">die -Fasse</em>, und endlich kam auf: <em class="gesperrt">die Ämter</em>, <em class="gesperrt">die Räder</em> -usw. Bei manchen Wörtern hat sich nun neben der jüngern Pluralform auf -er auch noch die ältere erhalten. Dann erscheint aber die ältere Form -jetzt als die edlere, vornehmere und ist auf die Ausdrucksweise des -Dichters oder des Redners beschränkt.<a id="FNAnker_14" href="#Fussnote_14" class="fnanchor">[14]</a> Man denke an <em class="gesperrt">Denkmale</em> -und <em class="gesperrt">Denkmäler</em>, <em class="gesperrt">Gewande</em> und <em class="gesperrt">Gewänder</em>, <em class="gesperrt">Lande</em> -und <em class="gesperrt">Länder</em>, <em class="gesperrt">Tale</em> und <em class="gesperrt">Täler</em> (Es geht durch alle -<em class="gesperrt">Lande</em> ein Engel still umher – Die <em class="gesperrt">Tale</em> dampfen, die -Höhen glühn u. ähnl.). Bei andern Wörtern hat sich zwischen der -ältern und der jüngern Form ein Bedeutungsunterschied gebildet. -So unterscheidet man <em class="gesperrt">Bande</em> (des Bluts, der Verwandtschaft, -der Freundschaft) und <em class="gesperrt">Bänder</em>, <em class="gesperrt">Bande</em> sind gleichsam -ein ganzes Netz von Fesseln, <em class="gesperrt">Bänder</em> sind einzelne Stücke. -Auch <em class="gesperrt">Gesichte</em> und <em class="gesperrt">Gesichter</em>, <em class="gesperrt">Lichte</em> und -<em class="gesperrt">Lichter</em> sind dem Sinne nach zu unterscheiden. <em class="gesperrt">Gesichte</em> -sind Erscheinungen (im Faust: die Fülle der <em class="gesperrt">Gesichte</em>). -<em class="gesperrt">Lichte</em> sind Kerzen (Wachslichte, Stearinlichte), <em class="gesperrt">Lichter</em> -sind Flammen (durch das Fenster strahlen unzählige <em class="gesperrt">Lichter</em>, -Sonne, Mond und Sterne sind die Himmels<em class="gesperrt">lichter</em>). Auf dem<span class="pagenum" id="Seite_21">[S. 21]</span> -Altar stehen immer große <em class="gesperrt">Kirchenlichte</em>, auf der Kanzel aber -nicht immer große <em class="gesperrt">Kirchenlichter</em>. Bisweilen kommt auch noch -ein Geschlechtsunterschied dazu: <em class="gesperrt">Schilde</em> (<em class="gesperrt">der Schild</em>) -gehören zur Rüstung; <em class="gesperrt">Schilder</em> (<em class="gesperrt">das Schild</em>) sind an -den Kaufmannsläden. Neben den <em class="gesperrt">Banden</em> und den <em class="gesperrt">Bändern</em> -stehen noch die <em class="gesperrt">Bände</em> (der Roman hat drei <em class="gesperrt">Bände</em>). So -kam auch neben der Mehrzahl <em class="gesperrt">die Wort</em> oder <em class="gesperrt">die Worte</em> -im sechzehnten Jahrhundert die Form auf <em class="gesperrt">er</em> auf: <em class="gesperrt">die -Wörter</em>. In der Bedeutung wurde anfangs kein Unterschied gemacht. -Im achtzehnten Jahrhundert aber begann man unter <em class="gesperrt">Wörtern</em> -bloße Teile der Sprache (<span class="antiqua">vocabula</span>), unter <em class="gesperrt">Worten</em> -Teile der zusammenhängenden Rede zu verstehen. Man sprach also nun -von <em class="gesperrt">Hauptwörtern</em>, <em class="gesperrt">Zeitwörtern</em>, <em class="gesperrt">Fürwörtern</em>, -<em class="gesperrt">Wörterbüchern</em>, dagegen von <em class="gesperrt">Dichterworten</em>, -<em class="gesperrt">Textworten</em>, <em class="gesperrt">Vorworten</em> (Vorreden), <em class="gesperrt">schöne Worte</em> -machen usw. Und an diesem Unterschied wird auch seitdem fast allgemein -festgehalten. <em class="gesperrt">Worte</em> haben Sinn und Zusammenhang, <em class="gesperrt">Wörter</em> -sind zusammenhanglos aufgereiht. Wenn es also auch nicht gerade falsch -ist, von <em class="gesperrt">Fremdworten</em> oder <em class="gesperrt">Schlagworten</em> zu reden, so ist -doch die Mehrzahl <em class="gesperrt">Fremdwörter</em> vorzuziehen. Dagegen wird niemand -sagen: der <em class="gesperrt">Wörter</em> sind genug <em class="gesperrt">gewechselt</em>.</p> - -<p>In der Sprache des niedrigen Volkes ist nun eine starke Neigung -vorhanden, die Pluralendung auf <em class="gesperrt">er</em> immer weiter auszudehnen. -Es ist das aber ein durchaus plebejischer Sprachzug. Nur das niedrige -Volk redet in Leipzig von <em class="gesperrt">Gewölbern</em> und <em class="gesperrt">Geschäftern</em>, der -Gebildete von <em class="gesperrt">Gewölben</em> und <em class="gesperrt">Geschäften</em>. Nur das niedrige -Volk bildet Plurale wie <em class="gesperrt">Zelter</em>, <em class="gesperrt">Gewinner</em>, <em class="gesperrt">Mäßer</em>, -<em class="gesperrt">Sträußer</em>, <em class="gesperrt">Butterbröter</em>, <em class="gesperrt">Kartoffelklößer</em>. Nur die -„Ausschnitter“ preisen ihre <em class="gesperrt">Rester</em> an, nur die Telephonarbeiter -kommen, um „<em class="gesperrt">die Elementer</em> nachzusehen“.<a id="FNAnker_15" href="#Fussnote_15" class="fnanchor">[15]</a> Und wie gemein -erscheinen die <em class="gesperrt">Dinger</em>, mit denen sich das Volk überall da hilft, -wo es zu unwissend<span class="pagenum" id="Seite_22">[S. 22]</span> oder zu faul ist, einen Gegenstand mit seinem -Namen zu nennen!<a id="FNAnker_16" href="#Fussnote_16" class="fnanchor">[16]</a> So kommt es, daß die Endung <em class="gesperrt">er</em> in der -guten Schriftsprache bisweilen selbst da wieder aufgegeben worden ist, -wo sie früher eine Zeit lang ausschließlich im Gebrauch war, wie bei -<em class="gesperrt">Scheit</em>; die Mehrzahl heißt jetzt <em class="gesperrt">Scheite</em>, früher hieß sie -<em class="gesperrt">Scheiter</em> (vgl. <em class="gesperrt">Scheiterhaufe</em> und <em class="gesperrt">scheitern</em>). Auch -bei <em class="gesperrt">Ort</em> ist eine rückläufige Bewegung zu beobachten: während -früher die Mehrzahl <em class="gesperrt">Örter</em> ganz gebräuchlich war, ist sie in -neuerer Zeit fast ganz verschwunden; man spricht fast nur noch von -<em class="gesperrt">Orten</em>. Dagegen hat leider der plebejische Plural <em class="gesperrt">Gehälter</em> -(Lehrer<em class="gesperrt">gehälter</em>, Beamten<em class="gesperrt">gehälter</em>) gleichzeitig mit dem -häßlichen Neutrum <em class="gesperrt">das Gehalt</em> von Norddeutschland aus selbst -in den Kreisen der Gebildeten große Fortschritte gemacht. Auch in -Leipzig, wo Freytag noch 1854 in seinen Journalisten richtig <em class="gesperrt">der -Gehalt</em> und <em class="gesperrt">die Gehalte</em> geschrieben hat, halten es schon -viele für fein, <em class="gesperrt">das Gehalt</em> und die <em class="gesperrt">Gehälter</em> zu sagen. -Nun verteilen sich ja die Hauptwörter, die aus Zeitwortstämmen mit dem -Präfix <em class="gesperrt">Ge-</em> gebildet sind, auf alle drei Geschlechter. Männlich -sind: <em class="gesperrt">Geruch</em>, <em class="gesperrt">Geschmack</em>, <em class="gesperrt">Gedanke</em>; weiblich: -<em class="gesperrt">Geburt</em>, <em class="gesperrt">Geduld</em>; sächlich: <em class="gesperrt">Gehör</em>, <em class="gesperrt">Gesicht</em>, -<em class="gesperrt">Gewehr</em>, <em class="gesperrt">Gewicht</em>. Man mag auch die Unterscheidung von: -<em class="gesperrt">der Gehalt</em> (Gedankengehalt, Silbergehalt des Erzes) und -<em class="gesperrt">das Gehalt</em> (Besoldung) in Norddeutschland als willkommne -Bereicherung der Sprache empfinden (vgl. <em class="gesperrt">der Verdienst</em> und -<em class="gesperrt">das Verdienst</em>, wo freilich der Bedeutungsunterschied gerade -umgekehrt ist).<a id="FNAnker_17" href="#Fussnote_17" class="fnanchor">[17]</a> In Mitteldeutschland klingt aber vorläufig -vielen Gebildeten <em class="gesperrt">das Gehalt</em> noch gemein, und <em class="gesperrt">die -Gehälter</em> stehen für unser Ohr und unser Gefühl durchaus auf -einer Stufe<span class="pagenum" id="Seite_23">[S. 23]</span> mit den <em class="gesperrt">Gewölbern</em>, den <em class="gesperrt">Geschäftern</em> und -den <em class="gesperrt">Geschmäckern</em>.<a id="FNAnker_18" href="#Fussnote_18" class="fnanchor">[18]</a> Weshalb sollen wir uns also so etwas -aufnötigen lassen?</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Das_s_der_Mehrzahl">Das s der Mehrzahl</h3> - -</div> - -<p>Von zwei verschiednen Seiten her ist eine Pluralbildung auf s in unsre -Sprache eingedrungen. Wenn wir von <em class="gesperrt">Genies</em>, <em class="gesperrt">Pendants</em>, -<em class="gesperrt">Etuis</em>, <em class="gesperrt">Portemonnaies</em>, <em class="gesperrt">Korsetts</em>, <em class="gesperrt">Beefsteaks</em> -und <em class="gesperrt">Meetings</em> reden, so ist das s natürlich das französische und -englische Plural-s, das diesen Wörtern zukommt. Aber man redet auch von -<em class="gesperrt">Jungens</em> und <em class="gesperrt">Mädels</em>, <em class="gesperrt">Herrens</em> und <em class="gesperrt">Fräuleins</em>, -<em class="gesperrt">Kerls</em> und <em class="gesperrt">Schlingels</em>, <em class="gesperrt">Hochs</em> und <em class="gesperrt">Krachs</em>, -<em class="gesperrt">Bestecks</em>, <em class="gesperrt">Fracks</em>, <em class="gesperrt">Schmucks</em>, <em class="gesperrt">Parks</em> und -<em class="gesperrt">Blocks</em> (Bau<em class="gesperrt">blocks</em>), <em class="gesperrt">Echos</em> und <em class="gesperrt">Villas</em> -(statt Villen), <em class="gesperrt">Vergißmeinnichts</em> und <em class="gesperrt">Stelldicheins</em>, -<em class="gesperrt">Polkas</em>, <em class="gesperrt">Galopps</em>, <em class="gesperrt">Tingeltangels</em> und <em class="gesperrt">Trupps</em> -(Studenten<em class="gesperrt">trupps</em>), <em class="gesperrt">Uhus</em> und <em class="gesperrt">Känguruhs</em>, -<em class="gesperrt">Wenns</em> und <em class="gesperrt">Abers</em>, U’s und T’s, <em class="gesperrt">Holbeins</em> -und <em class="gesperrt">Lenbachs</em> (zwei neue <em class="gesperrt">Lenbachs</em>, ein paar echte -<em class="gesperrt">Holbeins</em>), von den <em class="gesperrt">Fuggers</em> und den <em class="gesperrt">Schlegels</em>, und -einzelne Universitätslehrer kündigen gar schon am schwarzen Brett ihre -<em class="gesperrt">Kollegs</em> an! Alle diese Formen sind unfein. In Süddeutschland -bezeichnet man sie als <span class="antiqua">pluralis Borussicus</span>. Ihr Plural-s stammt -aus der niederdeutschen Mundart<a id="FNAnker_19" href="#Fussnote_19" class="fnanchor">[19]</a>; nur dieser gehören ursprünglich -die <em class="gesperrt">Jungens</em> und die <em class="gesperrt">Mädels</em> an. Aus Verlegenheit ist -dieses s dann auch im Hochdeutschen an Fremdwörter, an unechte<span class="pagenum" id="Seite_24">[S. 24]</span> -Substantiva und schließlich auch an echte deutsche Substantiva gehängt -worden.</p> - -<p>Beschämend für uns Deutsche, die wir uns so gern etwas auf unsre -Kenntnisse zugute tun, sind Formen wie <em class="gesperrt">Solis</em>, <em class="gesperrt">Mottis</em>, -<em class="gesperrt">Kollis</em> und <em class="gesperrt">Portis</em>, denn da ist das falsche deutsche -Plural-s an die richtige italienische Pluralendung gehängt! Die Einzahl -heißt ja <em class="gesperrt">Solo</em>, <em class="gesperrt">Motto</em>, <em class="gesperrt">Kollo</em> und <em class="gesperrt">Porto</em>. -Freilich wird auch schon in der Einzahl <em class="gesperrt">das Kolli</em> gesagt, und -nicht bloß von Markthelfern und Laufburschen!</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Fuenf_Pfennig_oder_fuenf_Pfennige">Fünf Pfennig oder fünf Pfennige?</h3> - -</div> - -<p>Wenn fünf einzelne Pfennige auf dem Tische liegen, so sind das -unzweifelhaft fünf Pfennige; wenn ich aber mit diesen fünf Pfennigen -(oder auch mit einem Nickelfünfer) eine Zigarre bezahle, kostet die -dann fünf <em class="gesperrt">Pfennige</em> oder, wie auf dem Nickelfünfer steht, fünf -<em class="gesperrt">Pfennig</em>? Schwierige Frage!</p> - -<p>Bei Angaben von Preis, Gewicht, Maß, Zeit, Lebensalter usw. ist oft -eine Pluralform üblich, die sich vom Singular nicht unterscheidet, -wenigstens bei Wörtern männlichen und sächlichen Geschlechts,<a id="FNAnker_20" href="#Fussnote_20" class="fnanchor">[20]</a> -wie bei <em class="gesperrt">Taler</em>, <em class="gesperrt">Gulden</em>, <em class="gesperrt">Groschen</em>, <em class="gesperrt">Heller</em>, -<em class="gesperrt">Pfennig</em>, <em class="gesperrt">Batzen</em>, <em class="gesperrt">Pfund</em>, <em class="gesperrt">Lot</em>, <em class="gesperrt">Fuß</em>, -<em class="gesperrt">Zoll</em>, <em class="gesperrt">Schuh</em>, <em class="gesperrt">Faden</em>, <em class="gesperrt">Faß</em>, <em class="gesperrt">Glas</em> -(zwei <em class="gesperrt">Glas</em> Bier), <em class="gesperrt">Maß</em>, <em class="gesperrt">Ries</em>, <em class="gesperrt">Buch</em> (drei -<em class="gesperrt">Buch</em> Papier), <em class="gesperrt">Blatt</em>,<a id="FNAnker_21" href="#Fussnote_21" class="fnanchor">[21]</a> <em class="gesperrt">Jahr</em>, <em class="gesperrt">Monat</em>, -<em class="gesperrt">Mann</em> (sechs <em class="gesperrt">Mann</em> Wache), <em class="gesperrt">Schritt</em>, <em class="gesperrt">Schuß</em> -(tausend <em class="gesperrt">Schuß</em>), <em class="gesperrt">Stock</em> (drei <em class="gesperrt">Stock</em> hoch). Diese -Formen sind natürlich keine wirklichen Singulare, sondern zum Teil -sind es alte Pluralformen (vgl. <a href="#Seite_20">S. 20</a> <em class="gesperrt">Fach</em> und <em class="gesperrt">Fächer</em>), -zum Teil Formen, die solchen unwillkürlich nachgebildet worden sind. -Von einer Regel also, daß in allen solchen Fällen der Singular stehen -müsse, kann keine Rede sein. Es ist ganz richtig, zu sagen: das Kind -ist <em class="gesperrt">drei Monate</em> alt, <em class="gesperrt">drei</em> Jahre alt, wie denn auch jeder -<em class="gesperrt">drei<span class="pagenum" id="Seite_25">[S. 25]</span> Taler</em>, <em class="gesperrt">drei Gulden</em>, <em class="gesperrt">drei Groschen</em> sicherlich -als Plural fühlen, folglich auch sagen wird: ich habe das Bild mit -<em class="gesperrt">zehn Talern</em> bezahlt (nicht mit <em class="gesperrt">zehn Taler</em>!). Und so haben -wir auch in Mitteldeutschland früher immer <em class="gesperrt">Pfennige</em> gesagt so -gut wie <em class="gesperrt">Könige</em>, <em class="gesperrt">Käfige</em> und <em class="gesperrt">Zeisige</em>. (In dem alten -Liede von der Seestadt Leipzig heißt es sogar: Und ein einzig Lot -Kaffee kostet <em class="gesperrt">sechzehn Pfennigee</em>.) Bis 1880 war auch auf unsern -Briefmarken so gedruckt. Wahrscheinlich war das aber nicht „schneidig“ -genug, und so hieß es von da an 3 <em class="gesperrt">Pfennig</em>, 5 <em class="gesperrt">Pfennig</em>, -worauf 1889 die Abkürzung <em class="gesperrt">Pf.</em> erschien, die jeder lesen konnte, -wie er wollte, bis schließlich gar nur noch die Ziffer übrig blieb!</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Jeden_Zwanges_oder_jedes_Zwanges">Jeden Zwanges oder jedes Zwanges?</h3> - -</div> - -<p>Zu den unbehaglichsten Kapiteln der deutschen Grammatik gehört die -Deklination zweier miteinander verbundner Nomina, eines Substantivs -und eines Adjektivs. Heißt es: <em class="gesperrt">jeden Zwanges</em> oder <em class="gesperrt">jedes -Zwanges</em>? <em class="gesperrt">sämtlicher deutscher Stämme</em> oder <em class="gesperrt">sämtlicher -deutschen Stämme</em>? <em class="gesperrt">großer Gelehrter</em> oder <em class="gesperrt">großer -Gelehrten</em>? ein <em class="gesperrt">schönes Ganzes</em> oder ein <em class="gesperrt">schönes Ganze</em>? -von <em class="gesperrt">hohem praktischen Werte</em> oder von <em class="gesperrt">hohem praktischem -Werte</em>? So unwichtig die Sache manchem vielleicht scheint, so -viel Verdruß oder Heiterkeit (je nachdem) bereitet sie dem Fremden, -der Deutsch lernen möchte, und so beschämend ist es für uns Deutsche -selbst, wenn wir dem Fremden sagen müssen: Wir wissen selber nicht, was -richtig ist, sprich, wie du willst! Mit einigem guten Willen ist aber -doch vielleicht zu ein paar klaren und festen Regeln zu gelangen.</p> - -<p>Die Adjektiva können stark und auch schwach dekliniert werden. In der -schwachen Deklination haben sie, wie die Hauptwörter, nur die Endung -<em class="gesperrt">en</em>, in der starken haben sie die Endungen des hinweisenden -Fürwortes: <em class="gesperrt">es</em>, <em class="gesperrt">em</em>, <em class="gesperrt">en</em> usw. Nach der starken -Deklination gehen sie, wenn sie allein beim Substantiv stehen, ohne -vorhergehenden Artikel, und im Singular, wenn ein Pronomen ohne Endung -vorhergeht: <em class="gesperrt">mein guter Hans</em>, <em class="gesperrt">du alter<span class="pagenum" id="Seite_26">[S. 26]</span> Freund</em>, <em class="gesperrt">unser -jährlicher Umsatz</em>, <em class="gesperrt">welch vorzüglicher</em> Wein. In allen -andern Fällen gehn sie nach der schwachen Deklination. Es muß also -heißen: <em class="gesperrt">gerades Wegs</em>, <em class="gesperrt">guter Hoffnung</em>, <em class="gesperrt">schwieriger -Fragen</em>, dagegen <em class="gesperrt">des geraden Wegs</em>, <em class="gesperrt">der guten Hoffnung</em>, -<em class="gesperrt">der schwierigen Fragen</em>, <em class="gesperrt">dieser schwierigen</em> Fragen, -<em class="gesperrt">welcher schwierigen</em> Fragen, <em class="gesperrt">solcher schwierigen</em> Fragen, -auch <em class="gesperrt">derartiger</em> und <em class="gesperrt">folgender schwierigen</em> Fragen, -<em class="gesperrt">beifolgendes kleine</em> Buch (denn <em class="gesperrt">derartiger</em> steht -für <em class="gesperrt">solcher</em>, <em class="gesperrt">folgender</em> und <em class="gesperrt">beifolgender</em> für -<em class="gesperrt">dieser</em>).</p> - -<p>So ist auch die ältere Sprache überall verfahren; Luther kennt -Genitive wie <em class="gesperrt">süßen Weines</em> fast noch gar nicht. Im siebzehnten -und achtzehnten Jahrhundert aber drang, obgleich Sprachkundige eifrig -dagegen ankämpften, bei dem männlichen und dem sächlichen Geschlecht im -Genitiv des Singulars immer mehr die schwache Form ein, und gegenwärtig -hat sie sich fast überall festgesetzt; man sagt: <em class="gesperrt">frohen Sinnes</em>, -<em class="gesperrt">reichen Geistes</em>, <em class="gesperrt">weiblichen Geschlechts</em>, <em class="gesperrt">größten -Formats</em>. Höchstens <em class="gesperrt">gutes Muts</em>, <em class="gesperrt">reines Herzens</em>, -<em class="gesperrt">gerades Wegs</em> wird bisweilen noch richtig gesagt. Bei den -besitzanzeigenden Adjektiven (<em class="gesperrt">mein</em>, <em class="gesperrt">dein</em>, <em class="gesperrt">sein</em>, -<em class="gesperrt">unser</em>, <em class="gesperrt">euer</em>, <em class="gesperrt">ihr</em>) hat sich die starke Form überall -unangetastet erhalten (<em class="gesperrt">meines Wissens</em>, <em class="gesperrt">unsers Lebens</em>), -dagegen ist es bei den Zahlbegriffen (<em class="gesperrt">jeder</em>, <em class="gesperrt">aller</em>, -<em class="gesperrt">vieler</em>, <em class="gesperrt">keiner</em>, <em class="gesperrt">mancher</em>) ins Schwanken gekommen. -Wie man sagt: <em class="gesperrt">größtenteils</em> und <em class="gesperrt">andernteils</em>, so sagt man -auch <em class="gesperrt">jedenfalls</em> und <em class="gesperrt">allenfalls</em> neben <em class="gesperrt">keineswegs</em>, -<em class="gesperrt">keinesfalls</em>, <em class="gesperrt">jedes Menschen</em>, <em class="gesperrt">keines Worts</em>, -<em class="gesperrt">alles Lebens</em>, <em class="gesperrt">alles Ernstes</em>. Nur wenige schreiben noch -richtig: trotz <em class="gesperrt">alles Leugnens</em>, trotz <em class="gesperrt">manches Erfolgs</em>, -trotz <em class="gesperrt">vieles Aufwands</em>; die meisten schreiben: trotz <em class="gesperrt">allen -Leugnens</em> usw.</p> - -<p>Bei <em class="gesperrt">jeder</em> erklärt sich das Schwanken vielleicht daher, daß -<em class="gesperrt">jeder</em> wie ein Adjektiv auch mit dem unbestimmten Artikel -versehen werden kann (<em class="gesperrt">ein jeder</em> Mensch), eine Verbindung, die -manche Schriftsteller bis zum Überdruß lieben, als ob sie das bloße -<em class="gesperrt">jeder</em> gar nicht mehr kennten.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_27">[S. 27]</span></p> - -<p>Die Schule sollte sich auch hier bemühen, die alte, richtige Form, wo -sie sich noch erhalten hat, sorgfältig zu schützen und zur Schärfung -des Sprachgefühls zu benutzen. Und wo ein Schwanken besteht, wie -bei <em class="gesperrt">jeder</em>, da sollte doch kein Zweifel sein, wie man sich -zu entscheiden hat. Falsch ist: die Abwehr <em class="gesperrt">jeden</em> Zwanges; -richtig ist nur: die Abwehr <em class="gesperrt">jedes Zwanges</em> oder <em class="gesperrt">eines jeden -Zwanges</em> (wie die Bekämpfung <em class="gesperrt">solches Unsinns</em> oder <em class="gesperrt">eines -solchen Unsinns</em>).</p> - -<p>Merkwürdig ist, daß sich nach <em class="gesperrt">solcher</em> die schwache Deklination -noch nicht so festgesetzt hat wie nach <em class="gesperrt">welcher</em>. Während jeder -ohne Besinnen sagt: <em class="gesperrt">welcher gute</em> Mensch, <em class="gesperrt">welches guten</em> -Menschen, <em class="gesperrt">welche guten</em> Menschen, auch <em class="gesperrt">solcher vollkommnen</em> -Exemplare, hört man im Nominativ und Akkusativ der Mehrzahl viel -öfter: <em class="gesperrt">solche vollkommne</em> Exemplare. Es kommt das wohl daher, -daß auch <em class="gesperrt">solcher</em> oft mehr etwas adjektivisches hat. Ebenso ist -es bei <em class="gesperrt">derartiger</em> (für <em class="gesperrt">solcher</em>) und <em class="gesperrt">folgender</em> -(für <em class="gesperrt">dieser</em>). Jeder wird im Nominativ vorziehen: <em class="gesperrt">folgende -schwierige</em> Fragen, dagegen im Genitiv vielleicht <em class="gesperrt">folgender -schwierigen</em> Fragen (wie <em class="gesperrt">dieser schwierigen</em> Fragen).</p> - -<p>Manche Leute glauben, daß Adjektiva, deren Stamm auf m endigt, nur -einen schwachen Dativ bilden könnten, weil <em class="gesperrt">mem</em> „schlecht -klinge“, daß es also heißen müsse: mit <em class="gesperrt">warmen Herzen</em>, mit -<em class="gesperrt">geheimen Kummer</em>, mit <em class="gesperrt">stummen Schmerz</em>, mit <em class="gesperrt">grimmen -Zorn</em>, von <em class="gesperrt">vornehmen</em> Sinn, <em class="gesperrt">bei angenehmen</em> Wetter, bei -<em class="gesperrt">gemeinsamen</em> Lesen – ein ganz törichter Aberglaube.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Anderen_andren_oder_andern">Anderen, andren oder andern?</h3> - -</div> - -<p>Ein garstiger Mißbrauch herrscht in der Deklination bei den Adjektiven, -deren Stamm auf <em class="gesperrt">el</em> und <em class="gesperrt">er</em> endigt, wie <em class="gesperrt">dunkel</em>, -<em class="gesperrt">edel</em>, <em class="gesperrt">eitel</em>, <em class="gesperrt">übel</em>, <em class="gesperrt">lauter</em>, <em class="gesperrt">wacker</em>; -auch die Komparativstämme, wie <em class="gesperrt">besser</em>, <em class="gesperrt">größer</em>, -<em class="gesperrt">unser</em>, <em class="gesperrt">euer</em>, <em class="gesperrt">inner</em>, <em class="gesperrt">äußer</em>, <em class="gesperrt">ander</em>, -gehören dazu. Bei diesen Adjektiven kommen in der Deklination zwei -Silben mit kurzem e zusammen, also des <em class="gesperrt">eitelen</em> Menschen, -dem <em class="gesperrt">übelen</em> Rufe, dem <em class="gesperrt">dunkelen</em> Grunde, <em class="gesperrt">unseres</em> -Wissens, mit <em class="gesperrt">besserem</em> Erfolge, aus<span class="pagenum" id="Seite_28">[S. 28]</span> <em class="gesperrt">härterem</em> Holze. -Diese Formen sind unerträglich: man schreibt sie wohl bisweilen, aber -niemand spricht sie, eins der beiden e muß weichen. Aber welches von -beiden? Die richtige Antwort darauf gibt der Infinitiv der Zeitwörter, -die von Stämmen auf <em class="gesperrt">el</em> und <em class="gesperrt">er</em> gebildet werden. Auch da -treffen zwei e zusammen, von denen eins beseitigt werden muß. Nun ist -es zwar hie und da in Deutschland, z. B. in Hannover, beliebt, zu -sagen: <em class="gesperrt">tadlen</em>, <em class="gesperrt">handlen</em>, <em class="gesperrt">wandlen</em>, <em class="gesperrt">veredlen</em>, -<em class="gesperrt">vermittlen</em>, <em class="gesperrt">verdunklen</em>, <em class="gesperrt">verwechslen</em>, -<em class="gesperrt">ausbeutlen</em>, <em class="gesperrt">mildren</em>, <em class="gesperrt">verwundren</em>, -<em class="gesperrt">erschüttren</em>, <em class="gesperrt">veräußren</em>, <em class="gesperrt">versilbren</em>, -<em class="gesperrt">versichren</em>, <em class="gesperrt">erläutren</em>, im allgemeinen aber spricht, -schreibt und druckt man doch <em class="gesperrt">tadeln</em>, <em class="gesperrt">veredeln</em>, -<em class="gesperrt">erinnern</em>, <em class="gesperrt">erläutern</em>, d. h. man opfert das e der Endung -und bewahrt das e des Stammes. Ebenso geschieht es auch in der -Flexion des Verbums: <em class="gesperrt">er vereitelt</em>, er <em class="gesperrt">verändert</em>, nicht -er <em class="gesperrt">vereitlet</em>, er <em class="gesperrt">verändret</em>. Und so ist es gut und -vernünftig. Denn nicht nur daß das Stamm-e wichtiger ist als das der -Endung, die Formen auf <em class="gesperrt">eln</em> und <em class="gesperrt">ern</em> klingen auch voller -und schöner.<a id="FNAnker_22" href="#Fussnote_22" class="fnanchor">[22]</a> Genau so verhält sichs bei den genannten<span class="pagenum" id="Seite_29">[S. 29]</span> Adjektiven. -Aber fast in allen Büchern und Zeitungen druckt man die häßlich -weichlichen Formen: <em class="gesperrt">unsres</em> Jahrhunderts, des <em class="gesperrt">üblen</em> -Rufes, die <em class="gesperrt">ältren</em> Ausgaben, meiner <em class="gesperrt">teuren</em> Gemeinde, in -der <em class="gesperrt">ungeheuren</em> Menschenmenge, und doch spricht fast jedermann: -<em class="gesperrt">unsers</em> Jahrhunderts, des <em class="gesperrt">übeln</em> Rufes, die <em class="gesperrt">ältern</em> -Ausgaben, meiner <em class="gesperrt">teuern</em> Gemeinde, in der <em class="gesperrt">ungeheuern</em> -Menschenmenge. Man druckt ja nicht: die <em class="gesperrt">Eltren</em>, überall -wird richtig <em class="gesperrt">Eltern</em> gedruckt, warum also nicht auch die -<em class="gesperrt">ältern</em>? beides ist doch dasselbe.<a id="FNAnker_23" href="#Fussnote_23" class="fnanchor">[23]</a> Bei dem Dativ-m kann -man zugeben, daß, wenn das Stamm-e erhalten und das e der Endung -ausgeworfen wird, zuweilen etwas harte Formen entstehen; im allgemeinen -ist aber auch hier auf <em class="gesperrt">dunkelm</em> Grunde, mit <em class="gesperrt">besserm</em> Erfolg -gewiß vorzuziehen.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Von_hohem_geschichtlichen_Werte">Von hohem geschichtlichen Werte oder von -hohem geschichtlichem Werte?</h3> - -</div> - -<p>Wenn zu einem Hauptwort mehrere Eigenschaftswörter treten, so ist es -selbstverständlich, daß sie in der Deklination gleichmäßig behandelt -werden müssen. Da haben nun manche in der starken Deklination, wenn -das Eigenschaftswort allein, ohne Artikel oder Fürwort steht, im Dativ -der Einzahl einen künstlichen Unterschied schaffen wollen. Sie haben -gelehrt, nur dann, wenn zwei Adjektiva gleichwertig nebeneinander -stünden, wenn sie dem Sinne nach koordiniert wären, <span class="antiqua">a-a-s</span>, -dürften sie gleichmäßig behandelt werden, z. B. Tiere mit <em class="gesperrt">rotem, -kaltem</em> Blute, nach <em class="gesperrt">langem, heißem</em> Kampfe; wenn dagegen<span class="pagenum" id="Seite_30">[S. 30]</span> das -zweite Adjektiv mit dem Substantiv einen einheitlichen Begriff bilde, -der durch das erste Adjektiv nur näher bestimmt werde, das erste also -dem zweiten übergeordnet sei, -<span class="hfrac"><span class="numerator"><span class="antiqua">a</span></span><span class="denominator">(<span class="antiqua">a-s</span>)</span></span>, so müsse das -zweite schwach dekliniert werden, wie wenn es hinter einem Fürwort -stünde, z. B. mit <em class="gesperrt">echtem Kölnischen</em> Wasser, nach <em class="gesperrt">allgemeinem -deutschen</em> Sprachgebrauch, zu <em class="gesperrt">kühnem dramatischen</em> Pathos, -mit <em class="gesperrt">eigentümlichem humoristischen</em> Anstrich, von <em class="gesperrt">großem -praktischen</em> Wert, aus <em class="gesperrt">übertriebnem patriotischen</em> Zartgefühl, -aus <em class="gesperrt">süddeutschem adligen</em> Besitz. Ebenso müsse im Genitiv der -Mehrzahl unterschieden werden zwischen: <em class="gesperrt">frischer, süßer Kirschen</em> -(denn die Kirschen seien frisch und süß) und <em class="gesperrt">neuer isländischen -Heringe</em>, <em class="gesperrt">scharfer indianischen Pfeile</em>, <em class="gesperrt">einheimischer -geographischen Namen</em>, <em class="gesperrt">ehemaliger freien</em> Reichsstädte -(denn die Heringe seien nicht neu <em class="gesperrt">und</em> isländisch, sondern die -isländischen Heringe seien neu).</p> - -<p>Diese Unterscheidung ist logisch unzweifelhaft notwendig, und sie -muß auch in der Interpunktion zum Ausdruck kommen: koordinierte -Adjektiva werden durch ein Komma getrennt, während zwischen zwei -Eigenschaftswörtern, von denen eins dem andern übergeordnet ist, -kein Komma stehen darf. Grammatisch aber ist die Unterscheidung -die reine Willkür. Warum sollte sie auch gerade auf diese beiden -Kasus beschränkt werden? auf den Dativ im Singular und den Genitiv -im Plural? Nur in diesen beiden Kasus aber soll sie gelten, in den -übrigen Kasus fällt es niemand ein, das zweite Adjektiv jemals in die -schwache Form zu bringen. Oder sagt jemand: ohne <em class="gesperrt">selbständiges -geschichtliche</em> Studium? von <em class="gesperrt">bewährter christlichen</em> -Gesinnung?<a id="FNAnker_24" href="#Fussnote_24" class="fnanchor">[24]</a> Dazu kommt, daß sich in manchen Fällen kaum entscheiden -läßt, ob zwei Adjektiva einander koordiniert sind oder eins dem -andern untergeordnet, z. B. nach <em class="gesperrt">ergebnislosem<span class="pagenum" id="Seite_31">[S. 31]</span> zweijährigem</em> -Versuche. Unsre Romanschriftsteller scheinen zu glauben, daß stets eine -Unterordnung vorliege, wenn das zweite Adjektiv eine Farbe bedeutet: -sie schreiben fast ausnahmlos: bei <em class="gesperrt">schönem blauen</em> Himmel, mit -<em class="gesperrt">langem schwarzen</em> Haar, mit <em class="gesperrt">schmalem braunen</em> Rande, mit -<em class="gesperrt">auffälligem roten</em> Bande. Das ist völlig widersinnig. Freilich -gibt es langes schwarzes Haar und kurzes schwarzes Haar. Aber eine -solche Sortierung schwebt doch hier nicht vor. Bei dem schönen, blauen -Himmel vollends denkt doch niemand an eine andre, weniger schöne Art -von blauem Himmel, sondern <em class="gesperrt">blau</em> ist eine weitere Ausführung -und Begründung von <em class="gesperrt">schön</em>: der Himmel ist schön, weil er blau -ist. Ebenso ist das Band auffällig, weil es rot ist. In Todesanzeigen -kann man täglich lesen, daß jemand nach <em class="gesperrt">langem, schweren Leiden</em> -oder nach <em class="gesperrt">kurzem, schweren</em> Leiden gestorben sei. Man liest es -so häufig, daß man fast glauben möchte, die Setzer setzten auch das -gewohnheitsmäßig so, selbst wenn in der Druckvorlage richtig gestanden -hat: nach <em class="gesperrt">langem, schwerem</em> Leiden. Denn daß auch gebildete -Menschen das immer falsch schreiben sollten, ist doch kaum anzunehmen.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Saemtlicher_deutscher_Staemme">Sämtlicher deutscher Stämme oder sämtlicher -deutschen Stämme?</h3> - -</div> - -<p>Große Unsicherheit herrscht in der Deklination der Adjektiva im -Genitiv der Mehrzahl nach den Zahlbegriffen <em class="gesperrt">alle</em>, <em class="gesperrt">keine</em>, -<em class="gesperrt">einige</em>, <em class="gesperrt">wenige</em>, <em class="gesperrt">einzelne</em>, <em class="gesperrt">etliche</em>, -<em class="gesperrt">manche</em>, <em class="gesperrt">mehrere</em>, <em class="gesperrt">viele</em>, <em class="gesperrt">sämtliche</em>, -denen sich auch die Adjektiva <em class="gesperrt">andre</em>, <em class="gesperrt">verschiedne</em> und -<em class="gesperrt">gewisse</em> anschließen, die beiden letzten, wenn sie in dem -Sinne von <em class="gesperrt">mehrere</em> und <em class="gesperrt">einige</em> stehen. Da sagt man: -<em class="gesperrt">aller guten</em> Dinge, <em class="gesperrt">aller halben</em> Stunden, <em class="gesperrt">mancher -kleinen</em> Souveräne, <em class="gesperrt">einzelner ausgezeichneten</em> Schriftsteller, -<em class="gesperrt">verschiedner schweren</em> Bedenken, <em class="gesperrt">gewisser aristokratischen</em> -Kreise, aber auch: <em class="gesperrt">vieler andrer</em> Gebiete, <em class="gesperrt">vieler damaliger -preußischer</em> Offiziere, <em class="gesperrt">einzelner großer politischer</em> -Ereignisse, <em class="gesperrt">sämtlicher deutscher evangelischer</em> Kirchenregimente, -<em class="gesperrt">gewisser mathematischer</em> Kenntnisse. Sollte<span class="pagenum" id="Seite_32">[S. 32]</span> es denn nicht -möglich sein, hier Ordnung und Regel zu schaffen?</p> - -<p>Tatsache ist, daß auch nach allen diesen Wörtern die Adjektiva -ursprünglich stark dekliniert worden sind. Ebenso ist es Tatsache, daß -die schwache Form nur nach zweien von ihnen endgültig durchgedrungen -ist: nach <em class="gesperrt">alle</em> und <em class="gesperrt">keine</em>. Sollte das nicht einen tiefern -Grund haben? Die schwache Form ist endgültig durchgedrungen auch -hinter dem bestimmten Artikel, hinter den hinweisenden Fürwörtern -(<em class="gesperrt">dieser</em> und <em class="gesperrt">jener</em>) und hinter den besitzanzeigenden -Adjektiven (<em class="gesperrt">mein</em>, <em class="gesperrt">dein</em> usw.). In allen diesen Fällen -aber handelt es sich um eine ganz bestimmte Menge. Dagegen bezeichnet -die artikellose Form eine unbestimmte Menge. Sollte es nun Zufall -sein, daß gerade <em class="gesperrt">alle</em> (mit seiner Negation <em class="gesperrt">keine</em>) der -Form gefolgt ist, die eine bestimmte Menge ausdrückt? <em class="gesperrt">Alle</em> -und <em class="gesperrt">keine</em> sind die einzigen in der ganzen Reihe. Alle übrigen -(<em class="gesperrt">viele</em>, <em class="gesperrt">einige</em>, <em class="gesperrt">manche</em> usw.) bezeichnen eine -unbestimmte Menge; <em class="gesperrt">viele</em> und <em class="gesperrt">einige</em> bleiben <em class="gesperrt">viele</em> -und <em class="gesperrt">einige</em>, auch wenn einer dazukommt oder abgeht. Sollte sich -nicht deshalb hier die artikellose Form erhalten haben? Im Nominativ -überall: <em class="gesperrt">viele junge</em> Leute, <em class="gesperrt">manche bittre</em> Erfahrungen, -<em class="gesperrt">verschiedne schwere</em> Bedenken, <em class="gesperrt">gewisse aristokratische</em> -Kreise. Erst im Genitiv beginnt das Schwanken zwischen <em class="gesperrt">vieler -junger</em> Leute und <em class="gesperrt">vieler jungen</em> Leute, <em class="gesperrt">verschiedner -freisinniger</em> Blätter und <em class="gesperrt">verschiedner freisinnigen</em> Blätter, -<em class="gesperrt">mehrerer andrer ausländischer</em> Blätter und <em class="gesperrt">mehrerer andern -ausländischen</em> Blätter. Unzweifelhaft wäre also die starke Form hier -überall vorzuziehen. Nur noch hinter <em class="gesperrt">sämtliche</em> wäre die schwache -am Platze, denn <em class="gesperrt">sämtliche</em> bedeutet ja dasselbe wie <em class="gesperrt">alle</em>, -also eine bestimmte Menge.</p> - -<p>Hinter den wirklichen Zahlwörtern <em class="gesperrt">zwei</em>, <em class="gesperrt">drei</em>, -<em class="gesperrt">vier</em>, <em class="gesperrt">fünf</em> usw. steht im Nominativ überall die starke -Form, so auch im Genitiv, solange die Zahlwörter selbst undekliniert -bleiben: die Kraft <em class="gesperrt">vier starker</em> Männer, um <em class="gesperrt">fünf Gerechter</em> -willen. Dagegen beginnt das Schwanken, sobald die Zahlwörter selbst wie -Adjektiva dekliniert werden: ein Kampf <em class="gesperrt">zweier großen</em> Völker<span class="pagenum" id="Seite_33">[S. 33]</span> -steht neben einem Kampf <em class="gesperrt">zweier großer</em> Völker. Daß aber auch hier -die starke Form vorzuziehen sei, kann wohl keinem Zweifel unterliegen. -<em class="gesperrt">Beide</em> dagegen schließt sich natürlich an <em class="gesperrt">alle</em> und -<em class="gesperrt">keine</em> an: <em class="gesperrt">beide großen</em> Männer, <em class="gesperrt">beide</em> hier -<em class="gesperrt">mitgeteilten</em> Schriftstücke.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Ein_schoenes_Aeusseres">Ein schönes Äußeres oder ein schönes Äußere? Großer -Gelehrter oder großer Gelehrten?</h3> - -</div> - -<p>Adjektiva und Partizipia, die substantiviert wurden, nahmen in der -ältesten Zeit stets die schwache Form an, auch hinter dem unbestimmten -Artikel. Reste davon sind <em class="gesperrt">Junge</em> (ein <em class="gesperrt">Junge</em>), eigentlich -ein <em class="gesperrt">Junger</em>, das in der Form <em class="gesperrt">Jünger</em> noch daneben steht, -und <em class="gesperrt">Untertan</em> (e), eigentlich ein <em class="gesperrt">Untertaner</em>. Später ist -auch bei solchen substantivierten Adjektiven und Partizipien überall -hinter <em class="gesperrt">ein</em> die starke Form eingetreten: ein <em class="gesperrt">Heiliger</em>, -ein <em class="gesperrt">Kranker</em>, ein <em class="gesperrt">Fremder</em>, ein <em class="gesperrt">Gelehrter</em>, ein -<em class="gesperrt">Verwandter</em>, ein <em class="gesperrt">Junges</em> (von Hund oder Katze), ein -<em class="gesperrt">Ganzes</em>, und stark wird auch überall der alleinstehende -artikellose Plural jetzt dekliniert: <em class="gesperrt">Heilige</em>, <em class="gesperrt">Verwandte</em>, -<em class="gesperrt">Geistliche</em>, <em class="gesperrt">Gelehrte</em>, <em class="gesperrt">Junge</em> (der Hund hat -<em class="gesperrt">Junge</em> bekommen). Werden aber diese substantivierten Adjektiva -und Partizipia mit einem Adjektiv versehen, so erhält sich ihre -schwache Form: ein <em class="gesperrt">schönes Ganze</em> (noch genau so wie ein -<em class="gesperrt">guter Junge</em>), <em class="gesperrt">mein ganzes Innere</em>, von <em class="gesperrt">auffälligem -Äußern</em>, mit <em class="gesperrt">zerstörtem Innern</em>, und namentlich im Genitiv der -Mehrzahl: eine Anzahl <em class="gesperrt">wunderlicher Heiligen</em>, eine Versammlung -<em class="gesperrt">evangelischer Geistlichen</em>, ein Kreis <em class="gesperrt">lieber Verwandten</em>, -die Stellung <em class="gesperrt">höherer Beamten</em>, die Arbeiten <em class="gesperrt">großer -Gelehrten</em>, ein Kreis <em class="gesperrt">geladner Sachverständigen</em>, große Züge -<em class="gesperrt">französischer Kriegsgefangnen</em>, die Lehren <em class="gesperrt">griechischer -Weisen</em> usw.</p> - -<p>Neuerdings versucht man, auch hier überall krampfhaft die starke -Form durchzudrücken und lehrt, weil es heißt <em class="gesperrt">ein Ganzes</em>, so -müsse es auch heißen: ein <em class="gesperrt">schönes Ganzes</em>, mein <em class="gesperrt">ganzes -Inneres</em>, ein <em class="gesperrt">ungewöhnliches Äußeres</em>, mit <em class="gesperrt">zerrüttetem -Innerm</em>, und im Genitiv der Mehrzahl: ein Dutzend <em class="gesperrt">deutscher<span class="pagenum" id="Seite_34">[S. 34]</span> -Gelehrter</em>, die Aufnahme <em class="gesperrt">choleraverdächtiger Gefangner</em>, -das Eigentum <em class="gesperrt">französischer Staatsangehöriger</em>, inmitten -<em class="gesperrt">scheelblickender Fremder</em>, die Genossenschaft <em class="gesperrt">deutscher -Bühnenangehöriger</em>, der Verband <em class="gesperrt">sächsischer Industrieller</em>, -zum Besten <em class="gesperrt">armer Augenkranker</em>, zur Unterstützung <em class="gesperrt">verschämter -Armer</em>, die Anstellung <em class="gesperrt">pensionierter Geistlicher</em>, Mißgriffe -<em class="gesperrt">preußischer Polizeibeamter</em>, die Einführung <em class="gesperrt">neugewählter -Stadtverordneter</em>, Geldbeiträge <em class="gesperrt">reicher Privater</em>, der -Streit <em class="gesperrt">zweier berühmter deutscher Gelehrter</em>, die Zustimmung -<em class="gesperrt">vieler amerikanischer</em>, <em class="gesperrt">spanischer</em> und <em class="gesperrt">französischer -Gelehrter</em>, die Einbildung <em class="gesperrt">etlicher wunderlicher Heiliger</em> -usw. Daß die gehäuften <em class="gesperrt">er</em> in den Endungen nicht gerade schön -klingen, würde nichts zu sagen haben; das ließe sich auch gegen manche -andre Endung einwenden. Aber da die schwache Form in diesem Falle -das ältere ist, so verdient sie unbedingt den Vorzug. Unsre besten -Schriftsteller haben nie anders geschrieben als: zur Unterstützung -<em class="gesperrt">verschämter Armen</em>, Lieder <em class="gesperrt">zweier Liebenden</em>, zur -Bewaffnung <em class="gesperrt">unbegüterter Freiwilligen</em>, inmitten <em class="gesperrt">eifersüchtiger -Fremden</em> usw. Wenn man heute hört: nach dem Urteil <em class="gesperrt">hervorragender -Gelehrter</em>, so vermißt man stets das Hauptwort, denkt sich -unwillkürlich <em class="gesperrt">hervorragender gelehrter</em> geschrieben (mit g) und -meint, es müsse noch folgen: <em class="gesperrt">Männer</em>. Nur die schwache Form -erzeugt das Substantivgefühl. Ein <em class="gesperrt">schönes Ganzes</em> und nach dem -Urteil <em class="gesperrt">hervorragender Gelehrter</em> sind unnatürliche, gewaltsame -Erzeugnisse der Halbwisserei.</p> - -<p>Eine Liederlichkeit ist es, substantivierte weibliche Adjektivformen, -wie die <em class="gesperrt">Rechte</em>, die <em class="gesperrt">Linke</em>, die <em class="gesperrt">Weiße</em> (eine -Berliner <em class="gesperrt">Weiße</em>), wie Substantiva zu behandeln und zu schreiben: -die Einführung <em class="gesperrt">der</em> Berliner <em class="gesperrt">Weiße</em>; richtig ist nur: -<em class="gesperrt">der</em> Berliner <em class="gesperrt">Weißen</em>, wie in <em class="gesperrt">seiner Rechten</em>, auf -der <em class="gesperrt">äußersten Linken</em>. Auch die <em class="gesperrt">Herbstzeitlose</em> gehört -hierher und die <em class="gesperrt">junge Schöne</em>, die natürlich ebenso wie die -Maskulina im Genitiv der Mehrzahl bilden muß: Ein Kreis <em class="gesperrt">junger -Schönen</em> (nicht <em class="gesperrt">Schöner</em>).</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_35">[S. 35]</span></p> - -<h3 id="Das_Deutsche_und_das_Deutsch">Das Deutsche und das Deutsch.</h3> - -</div> - -<p>Die Sprach- und die Farbenbezeichnungen bilden ein substantiviertes -Neutrum in zwei Formen nebeneinander, in einer Form mit -Deklinationsendung und einer Form ohne Endung: <em class="gesperrt">das Deutsche</em> -und <em class="gesperrt">das Deutsch</em>, <em class="gesperrt">das Englische</em> und <em class="gesperrt">das Englisch</em>, -<em class="gesperrt">das Blaue</em> (ins <em class="gesperrt">Blaue</em> hinein reden) und <em class="gesperrt">das Blau</em> -(das Himmelblau), <em class="gesperrt">das Weiße</em> (im Auge) und <em class="gesperrt">das Weiß</em> -(das Eiweiß). Zwischen beiden Formen ist aber ein fühlbarer -Bedeutungsunterschied. <em class="gesperrt">Das Deutsche</em> bezeichnet die Sprache -überhaupt, und dem schließt sich auch das <em class="gesperrt">Hochdeutsche</em>, das -<em class="gesperrt">Plattdeutsche</em> usw. an. Sobald aber irgendein beschränkender -Zusatz hinzutritt, der eine besondre Art oder Form der deutschen -Sprache bezeichnet, wird die kürzere Form gebraucht: das <em class="gesperrt">heutige -Deutsch</em>, ein <em class="gesperrt">fehlerhaftes Deutsch</em>, das <em class="gesperrt">beste Deutsch</em>, -<em class="gesperrt">Goethes Deutsch</em>, <em class="gesperrt">mein Deutsch</em>, <em class="gesperrt">dieses Deutsch</em>, -das <em class="gesperrt">Juristendeutsch</em>, das <em class="gesperrt">Tintendeutsch</em> (Goethe im -<em class="gesperrt">Faust</em>: in <em class="gesperrt">mein geliebtes Deutsch</em> zu übertragen; der -Deutsche ist gelehrt, wenn er <em class="gesperrt">sein Deutsch</em> versteht).</p> - -<p>Die längere Form: <em class="gesperrt">das Deutsche</em>, <em class="gesperrt">das Blaue</em> muß natürlich -schwach dekliniert werden: der Lehrer <em class="gesperrt">des Deutschen</em>, die beste -Zensur <em class="gesperrt">im Deutschen</em>, ein Kirchlein steht <em class="gesperrt">im Blauen</em>, -Willkommen im <em class="gesperrt">Grünen</em>! Die kürzere Form halten manche für ganz -undeklinierbar und schreiben: <em class="gesperrt">des Juristendeutsch</em>, eines -<em class="gesperrt">feurigen Rot</em>. Sie steht aber durchaus auf einer Stufe mit -andern endunglosen substantivierten Neutren, wie: das <em class="gesperrt">Gut</em>, das -<em class="gesperrt">Übel</em>, das <em class="gesperrt">Recht</em>, das <em class="gesperrt">Dunkel</em>, das <em class="gesperrt">Klein</em> -(für <em class="gesperrt">Kleinod</em>, <em class="gesperrt">Kleinet</em>, z. B. Gänse<em class="gesperrt">klein</em>), das -<em class="gesperrt">Wild</em>, und es ist nicht einzusehen, weshalb man nicht sagen soll: -des <em class="gesperrt">Eigelbs</em>, des <em class="gesperrt">Tintendeutschs</em>. An das <em class="gesperrt">tschs</em> -braucht sich niemand zu stoßen, sonst dürfte man auch nicht sagen: des -Erd<em class="gesperrt">rutschs</em>, des Stadt<em class="gesperrt">klatschs</em>.</p> - -<p>Ganz unsinnig ist, was man fort und fort auf den Titelblättern aus -fremden Sprachen übersetzter Bücher lesen muß: <em class="gesperrt">aus dem Französischen -des Voltaire</em> übersetzt u. ähnl. Man kann über <em class="gesperrt">das Französisch -Voltaires</em> (nicht <em class="gesperrt">das Französische</em>!) eine wissenschaftliche<span class="pagenum" id="Seite_36">[S. 36]</span> -Abhandlung schreiben, aber übersetzen kann man etwas nur <em class="gesperrt">aus -dem Französischen</em> schlechthin; der Name des französischen -Verfassers muß an andrer Stelle auf dem Titelblatt angebracht werden: -<em class="gesperrt">Voltaires</em> Briefe, <em class="gesperrt">aus dem Französischen</em> übersetzt usw.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Lieben_Freunde_oder_liebe_Freunde">Lieben Freunde oder liebe Freunde?</h3> - -</div> - -<p>Obwohl es keinem Menschen einfällt, in der Anrede zu sagen: -<em class="gesperrt">teuern</em> Freunde, <em class="gesperrt">geehrten</em> Herren, <em class="gesperrt">geliebten</em> Eltern, -schwankt man wunderlicherweise seit alter Zeit bei dem Adjektivum -<em class="gesperrt">lieb</em>. Das ursprüngliche ist allerdings, daß beim Vokativ die -schwache Form steht. Aber bereits im Althochdeutschen dringt die starke -Form ein, und im Neuhochdeutschen gewinnt sie bis zum achtzehnten -Jahrhundert die Oberhand. Auch die Kanzleisprache sagte schließlich: -<em class="gesperrt">liebe Getreue</em> statt: <em class="gesperrt">lieben Getreuen</em>! Und heute haben -wir bei einer Verbindung wie <em class="gesperrt">lieben Freunde</em> (wie Luther noch -schreibt) nicht mehr das Gefühl von etwas organischem, von etwas, das -so in Ordnung wäre, sondern die Empfindung einer gewissen Altertümelei. -Wer diese Empfindung nicht erregen will, wird die schwache Form in der -Anrede vermeiden.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Wir_Deutsche_oder_wir_Deutschen">Wir Deutsche oder wir Deutschen?</h3> - -</div> - -<p>Ist es richtiger, zu sagen: <em class="gesperrt">wir Deutsche</em> oder <em class="gesperrt">wir -Deutschen</em>? Diese Frage, die eine Zeit lang viel Staub aufgewirbelt -hat, würde wohl gar nicht entstanden sein, wenn nicht Bismarck in der -bekannten Reichstagssitzung vom 6. Februar 1888 den Ausspruch getan -hätte, der dann auf zahllosen Erzeugnissen des Gewerbes (Bildern, -Gedenkblättern, Denkmünzen, Armbändern usw.) angebracht worden ist: -<em class="gesperrt">Wir Deutsche</em> fürchten Gott, sonst nichts auf der Welt. Denn -so hat er nach den stenographischen Berichten gesagt, und so war er -also wohl gewohnt zu sagen. Aber schon der Umstand, daß die Zeitungen -am 7. Februar (vor dem Erscheinen der stenographischen Berichte!) -druckten: <em class="gesperrt">Wir Deutschen</em>, und daß sich die Gewerbetreibenden -vielfach zu vergewissern suchten, wie er denn eigentlich gesagt -habe, zeigt,<span class="pagenum" id="Seite_37">[S. 37]</span> daß seine Ausdrucksweise auffällig war; dem Volksmunde -war geläufiger: <em class="gesperrt">wir Deutschen</em>, und so ist in der Tat schon -im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert viel öfter gesagt worden -als <em class="gesperrt">wir Deutsche</em>, obwohl es in der Einzahl heißt: <em class="gesperrt">ich -Deutscher</em>, und heute vollends sagt niemand mehr: <em class="gesperrt">wir Arme</em>, -<em class="gesperrt">ihr Reiche</em>, <em class="gesperrt">wir Alte</em>, <em class="gesperrt">ihr Junge</em>, sondern <em class="gesperrt">wir -Armen</em> (Gretchen im Faust: am Golde hängt, nach Golde drängt doch -alles, ach <em class="gesperrt">wir Armen</em>!), <em class="gesperrt">ihr Reichen</em>, <em class="gesperrt">wir Alten</em>, -<em class="gesperrt">ihr Jungen</em>, <em class="gesperrt">wir Konservativen</em>, <em class="gesperrt">wir Liberalen</em>, -<em class="gesperrt">wir Wilden</em> (Seume: <em class="gesperrt">wir Wilden</em> sind doch beßre Menschen), -<em class="gesperrt">wir Geistlichen</em>, <em class="gesperrt">wir Gesandten</em>, <em class="gesperrt">wir Vorgenannten</em>, -<em class="gesperrt">wir Unterzeichneten</em>, <em class="gesperrt">wir armen Deutschen</em>, <em class="gesperrt">wir guten -dummen Deutschen</em>, <em class="gesperrt">wir Deutschen</em> sind halt <em class="gesperrt">Deutsche</em>! -Es ist gar nicht einzusehen, weshalb gerade die Deutschen von all -diesen substantivierten Adjektiven und Partizipien eine Ausnahme -machen sollen. Wenn sich augenblicklich gewisse Leute, denen es gar -nicht einfallen würde, zu sagen: <em class="gesperrt">wir Arme</em>, mit dem vereinzelt -aufgeschnappten und ihrem eignen Munde ganz ungewohnten <em class="gesperrt">wir -Deutsche</em> spreizen, so ist das einfach lächerlich.</p> - -<p>Die Ursache, weshalb hinter <em class="gesperrt">wir</em> und <em class="gesperrt">ihr</em> schon früh die -schwache Form bevorzugt worden ist, ist offenbar dieselbe, die hinter -den hinweisenden Fürwörtern, den besitzanzeigenden Adjektiven und -hinter <em class="gesperrt">alle</em> und <em class="gesperrt">keine</em> wirksam gewesen ist -(vgl. <a href="#Seite_32">S. 32</a>): -daß es sich um eine bestimmte Menge handelt. Wenn man sagt: <em class="gesperrt">wir -Deutschen</em>, so meint man damit entweder alle Deutschen überhaupt -oder alle Deutschen in einem bestimmten Falle, z. B. alle, die in einer -aus Angehörigen verschiedner Nationen gemischten Versammlung anwesend -sind. Daß im Akkusativ der Mehrzahl die starke Form vorgezogen worden -ist: <em class="gesperrt">uns Deutsche</em>, hat seinen Grund wieder darin, daß man ihn -sonst nicht hätte vom Dativ unterscheiden können (bei Burkhard Waldis -aber: und das Reich an <em class="gesperrt">uns Deutschen</em> kummen).</p> - -<p>Ein Unterschied läßt sich zwischen <em class="gesperrt">wir beiden</em> und <em class="gesperrt">wir -beide</em> machen. Wenn der Lehrer am Schluß der Stunde fragt: wer ist -noch nicht drangewesen? ein<span class="pagenum" id="Seite_38">[S. 38]</span> Schüler dann antwortet: <em class="gesperrt">Wir beiden</em> -sind noch nicht drangewesen, der Lehrer das bezweifelt und sagt: -Ich dächte, <em class="gesperrt">du</em> wärst schon drangewesen, so kann der Schüler -das zweitemal antworten: Nein, <em class="gesperrt">wir beide</em> sind noch nicht -drangewesen. Im zweiten Falle wird <em class="gesperrt">beide</em> zum Prädikat gezogen, -<em class="gesperrt">wir beiden</em> dagegen ist dasselbe wie <em class="gesperrt">wir zwei</em>. Freilich -heißt es in Holteis Mantellied auch: <em class="gesperrt">Wir beide</em> haben niemals -gebebt.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Verein_Leipziger_Gastwirte">Verein Leipziger Gastwirte – an Bord Sr. Maj. -Schiff</h3> - -</div> - -<p>Ein gemeiner Fehler, für den leider in den weitesten, auch in -gebildeten Kreisen schon gar kein Gefühl mehr vorhanden zu sein -scheint, liegt in Verbindungen vor wie: Verein <em class="gesperrt">Leipziger -Gastwirte</em>, Ausschank <em class="gesperrt">Zwenkauer Biere</em>, Hilfskasse -<em class="gesperrt">Leipziger Journalisten</em>, Verein <em class="gesperrt">Berliner Buchhändler</em>, -Radierungen <em class="gesperrt">Düsseldorfer Künstler</em>, Photographien <em class="gesperrt">Magdeburger -Baudenkmäler</em>, eine Sammlung <em class="gesperrt">Meißner Porzellane</em>, die -frühesten Namen <em class="gesperrt">Breslauer Konsuln</em>, zur Topographie <em class="gesperrt">südtiroler -Burgen</em>, nach Meldungen <em class="gesperrt">Dresdner Zeitungen</em>.</p> - -<p>Die von Ortsnamen gebildeten Formen auf <em class="gesperrt">er</em> werden von vielen -jetzt für Adjektiva gehalten, wie sich schon darin zeigt, daß sie sie -mit kleinen Anfangsbuchstaben schreiben: <em class="gesperrt">pariser</em>, <em class="gesperrt">wiener</em>, -<em class="gesperrt">thüringer</em>, <em class="gesperrt">schweizer</em>. Das ist ein großer Irrtum. -Diese Formen sind keine Adjektiva, sondern erstarrte Genitive von -Substantiven. Der <em class="gesperrt">Leipziger Bürgermeister</em> ist, wörtlich ins -Lateinische übersetzt, nicht <span class="antiqua">consul Lipsiensis</span> – das wäre -der <em class="gesperrt">Leipzigische</em> Bürgermeister –, sondern <span class="antiqua">Lipsiensium -consul</span>, der Bürgermeister <em class="gesperrt">der Leipziger</em>. Man sieht das -deutlich, wenn man solche Verbindungen zugleich mit einem wirklichen -Adjektivum dekliniert, z. B. der <em class="gesperrt">neue Berliner Ofen</em>. Dann lauten -die einzelnen Kasus: des neu<em class="gesperrt">en</em> Berlin<em class="gesperrt">er</em> <em class="gesperrt">Ofens</em>, -dem neu<em class="gesperrt">en</em> Berlin<em class="gesperrt">er</em> <em class="gesperrt">Ofen</em>, den neu<em class="gesperrt">en</em> -Berlin<em class="gesperrt">er</em> <em class="gesperrt">Ofen</em>, die neu<em class="gesperrt">en</em> Berlin<em class="gesperrt">er</em> -<em class="gesperrt">Öfen</em> usw. Während also das Adjektiv <em class="gesperrt">neu</em> und das -Substantiv <em class="gesperrt">Ofen</em> dekliniert werden, bleibt <em class="gesperrt">Berliner</em> -stets unverändert. Ganz natürlich; es ist<span class="pagenum" id="Seite_39">[S. 39]</span> eben kein Adjektivum, -sondern ein eingeschobner, abhängiger Genitiv. Der Irrtum ist dadurch -entstanden, daß man, durch den Gleichklang der Endungen verführt, -solche abhängige Genitive mit dem Genitiv von wirklichen Adjektiven wie -<em class="gesperrt">deutscher</em>, <em class="gesperrt">preußischer</em> zusammengeworfen hat. Weil man -richtig sagt: eine Versammlung <em class="gesperrt">deutscher Gastwirte</em>, glaubt man -auch richtig zu sagen: ein Verein <em class="gesperrt">Leipziger Gastwirte</em>. Leider -heißt nur hier der Nominativ nicht <em class="gesperrt">Leipzige</em>, während er dort -<em class="gesperrt">deutsche</em> heißt.</p> - -<p>Nun ist aber in der artikellosen Deklination der Genitiv der -Mehrzahl, wenn er nicht durch ein hinzugesetztes Adjektiv kenntlich -gemacht wird, überhaupt nicht kenntlich; er muß (leider!) durch -die Präposition <em class="gesperrt">von</em> umschrieben werden. Wenn man sagt: eine -<em class="gesperrt">Versammlung großer Künstler</em>, so ist der Genitiv durch das -Attribut <em class="gesperrt">großer</em> genügend kenntlich gemacht; aber <span class="antiqua">societas -artificum</span> läßt sich nimmermehr übersetzen: ein <em class="gesperrt">Verein -Künstler</em>, sondern nur ein <em class="gesperrt">Künstlerverein</em> oder: ein <em class="gesperrt">Verein -von Künstlern</em>; erst durch das <em class="gesperrt">von</em> entsteht ein erkennbarer -Genitiv. Ganz ebenso ist es aber auch, wenn zu dem Substantiv ein -Attribut tritt, das nicht deklinierbar ist, z. B. ein Zahlwort oder ein -abhängiger (kein attributiver) Genitiv. So unmöglich und so falsch es -ist, zu sagen: infolge <em class="gesperrt">Streitigkeiten</em>, wegen <em class="gesperrt">Sonderzüge</em>, -mangels <em class="gesperrt">Beweise</em>, ein Bund <em class="gesperrt">sechs Städte</em>, innerhalb -<em class="gesperrt">vier Wochen</em>, nach Verlauf <em class="gesperrt">vier Wochen</em>, die Lieferung -<em class="gesperrt">fünftausend Gewehre</em>, in der ersten Zeit <em class="gesperrt">dessen Leitung</em>, -mit Bewilligung <em class="gesperrt">dessen Eltern</em>, unter Angabe <em class="gesperrt">deren -Kennzeichen</em>, die Neubesetzung <em class="gesperrt">Herrn Dornfelds Stelle</em>, -unterhalb <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Heines Brücke</em>, der Verkauf <em class="gesperrt">ihres Mannes -Bücher</em>, Genüsse <em class="gesperrt">mancherlei Art</em>, eine Quelle <em class="gesperrt">allerhand -Verlegenheiten</em>, so gewiß in allen diesen Fällen der Genitiv nur -mit Hilfe der Präposition <em class="gesperrt">von</em> kenntlich gemacht werden kann -(ein Bund <em class="gesperrt">von sechs Städten</em>, eine Quelle <em class="gesperrt">von allerhand -Verlegenheiten</em>), so gewiß muß es auch heißen: Verein <em class="gesperrt">von -Leipziger Gastwirten</em>, Verhaftung <em class="gesperrt">von Erfurter Bürgern</em>, -Verkauf <em class="gesperrt">von Magdeburger Molkereibutter</em>; bei <em class="gesperrt">Verein Berliner<span class="pagenum" id="Seite_40">[S. 40]</span> -Künstler</em> glaubt man immer nur einen Nominativ zu hören: ein -<em class="gesperrt">Verein Künstler</em>, wie bei: eine <em class="gesperrt">Menge Menschen</em>, ein -<em class="gesperrt">Haufe Steine</em>, ein <em class="gesperrt">Sack Geld</em>, ein <em class="gesperrt">Stück Brot</em> -usw.<a id="FNAnker_25" href="#Fussnote_25" class="fnanchor">[25]</a></p> - -<p>Ebenso falsch ist es, wenn geschrieben wird: an Bord <em class="gesperrt">Sr. -Majestät Schiff Möwe</em>, die Forschungsreise <em class="gesperrt">Sr. Majestät -Schiff Gazelle</em>. Der Genitiv <em class="gesperrt">Sr. Majestät</em> hängt ab von -<em class="gesperrt">Schiff</em>. Aber wovon hängt <em class="gesperrt">Schiff</em> ab? Von nichts: es -schwebt in der Luft. Und doch soll auch das ein Genitiv sein, der -von <em class="gesperrt">Bord</em> oder <em class="gesperrt">Reise</em> abhängt. Der kann nur dadurch -erkennbar gemacht werden, daß man schreibt: an Bord <em class="gesperrt">von Sr. Majestät -Schiff</em> Gazelle, denn an Bord <em class="gesperrt">Sr. Majestät Schiffs</em> Gazelle -wird niemand sagen wollen.<a id="FNAnker_26" href="#Fussnote_26" class="fnanchor">[26]</a></p> - -<p>Anstatt des abhängigen <em class="gesperrt">dessen</em> und <em class="gesperrt">deren</em> braucht man sich -nur des attributiven <em class="gesperrt">sein</em> und <em class="gesperrt">ihr</em> zu bedienen, und der -Genitiv ist sofort erkennbar. Falsch ist: ich gedenke <em class="gesperrt">dessen</em> -Güte und Macht – die Briefe Goethes an seinen Sohn während -<em class="gesperrt">dessen</em> Studienjahre in Heidelberg – eine Darstellung der alten -Kirche und <em class="gesperrt">deren</em> Kunstschätze – die Interessen der Stadt und -<em class="gesperrt">deren</em> Einwohner – eine Aufzählung aller Güter und <em class="gesperrt">deren</em> -Besitzer – eine Versammlung sämtlicher evangelischen Fürsten und -<em class="gesperrt">deren</em> Vertreter – eine Tochter des Herrn Direktor Schmidt und -<em class="gesperrt">dessen</em> Gemahlin – zum Besten der Verunglückten und <em class="gesperrt">deren</em> -Hinterlassenen – die Sicherstellung der Zukunft der Beamten und -<em class="gesperrt">deren</em> Familien; es muß heißen: <em class="gesperrt">seiner</em> Güte und Macht, -<em class="gesperrt">seiner</em> Gemahlin, <em class="gesperrt">ihrer</em> Hinterlassenen, <em class="gesperrt">ihrer</em> -Familien usw.<a id="FNAnker_27" href="#Fussnote_27" class="fnanchor">[27]</a></p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_41">[S. 41]</span></p> - -<h3 id="Steigerung_der_Adjektiva">Steigerung der Adjektiva. Schwerwiegender oder -schwerer wiegend?</h3> - -</div> - -<p>Mannigfachen Verstößen begegnet man in der Steigerung der Adjektiva -(Positiv, Komparativ, Superlativ). Von <em class="gesperrt">viel</em> heißt der Komparativ -nicht <em class="gesperrt">mehrere</em>, sondern <em class="gesperrt">mehr</em>: ich habe in meinem Garten -<em class="gesperrt">viel</em> Rosen, du hast <em class="gesperrt">mehr</em> Rosen, er hat die <em class="gesperrt">meisten</em> -Rosen. <em class="gesperrt">Mehrere</em> ist nichts andres als <em class="gesperrt">einige</em>, -<em class="gesperrt">etliche</em>. Wenn also ein Hausbesitzer genötigt wird, zu -bescheinigen, daß <em class="gesperrt">mehrere</em> Hunde als die hier verzeichneten -in seinem Hause nicht gehalten werden, so wird er genötigt, einen -Schnitzer zu unterschreiben.</p> - -<p>Bei Adjektiven, deren Stamm auf einen Zischlaut endigt, stoßen im -Superlativ zwei Zischlaute zusammen. Das stört nicht, wenn die Wörter -mehrsilbig sind (der <em class="gesperrt">weibischste</em>, der <em class="gesperrt">malerischste</em>), -wohl aber, wenn sie einsilbig sind (der <em class="gesperrt">hübschste</em>, der -<em class="gesperrt">süßste</em>). Man bewahrt dann lieber das e, das sonst immer -ausgeworfen wird, und sagt: der <em class="gesperrt">hübscheste</em>, der <em class="gesperrt">süßeste</em>. -Von <em class="gesperrt">groß</em> ist allgemein der <em class="gesperrt">größte</em> üblich geworden (Goethe -im Götz auch: der <em class="gesperrt">hübschte</em>, in den Briefen aus Italien: der -<em class="gesperrt">genialischte</em>).</p> - -<p>Bei der Vorliebe, womit jetzt einfache Begriffe wie <em class="gesperrt">groß</em>, -<em class="gesperrt">stark</em>, <em class="gesperrt">schwer</em> durch schleppende Zusammensetzungen -wie <em class="gesperrt">tiefgehend</em>, <em class="gesperrt">weitgehend</em>, <em class="gesperrt">weittragend</em>, -<em class="gesperrt">schwerwiegend</em> ersetzt werden, entsteht oft Verlegenheit, wie -man solche Zusammensetzungen im Komparativ und im Superlativ behandeln -soll. Logisch ist ja die Frage leicht zu beantworten; was gesteigert -werden soll, ist nicht das Partizip <em class="gesperrt">gehend</em>, sondern das -dabeistehende Adverb <em class="gesperrt">tief</em> oder <em class="gesperrt">weit</em>. In vielen solchen -Zusammensetzungen ist aber das Adverb mit dem Partizip so innig -verwachsen, daß man kaum noch die Zusammensetzung empfindet. Wenn -also auch niemand wagen wird, eine <em class="gesperrt">weitverbreitete</em> Unsitte zu -steigern: eine <em class="gesperrt">weitverbreitetere</em> Unsitte, sondern eine <em class="gesperrt">weiter -verbreitete</em>,<a id="FNAnker_28" href="#Fussnote_28" class="fnanchor">[28]</a> das <em class="gesperrt">hochbesteuerte<span class="pagenum" id="Seite_42">[S. 42]</span> Einkommen</em>, nicht: -das <em class="gesperrt">hochbesteuertste</em>, sondern das <em class="gesperrt">höchstbesteuerte</em>, -so ist doch gegen einen Komparativ wie <em class="gesperrt">zartfühlender</em> nichts -einzuwenden, denn das Partizipium <em class="gesperrt">fühlend</em> wird hier gar nicht -mehr als Verbalform empfunden, sondern etwa wie <em class="gesperrt">fühlig</em> in -<em class="gesperrt">feinfühlig</em>, und solche Zusammensetzungen (<em class="gesperrt">feinsinnig</em>, -<em class="gesperrt">kleinmütig</em>, <em class="gesperrt">böswillig</em>, <em class="gesperrt">fremdartig</em>, -<em class="gesperrt">gleichmäßig</em>) gelten für einfache Wörter und können nur steigern: -<em class="gesperrt">kleinmütiger</em>, der <em class="gesperrt">kleinmütigste</em>. Ihnen würde sich auch -das neumodische <em class="gesperrt">hochgradig</em> anschließen. Dazwischen liegen aber -nun Zusammensetzungen, bei denen manchmal kaum zu entscheiden ist, ob -man sie als einfache oder als zusammengesetzte Wörter behandeln soll; -sogar derselbe Mensch kann darin zu verschiednen Zeiten verschieden -fühlen. Ganz unerträglich sind: der <em class="gesperrt">schöngelegenste</em> Teil, die -<em class="gesperrt">vielgenannteste</em> Persönlichkeit, die <em class="gesperrt">naheliegendste</em> -Erklärung, die <em class="gesperrt">leichtlaufendste</em> Maschine, die -<em class="gesperrt">tiefliegendere</em> Bedeutung, <em class="gesperrt">tiefgehendere</em> Anregungen, -die <em class="gesperrt">feinschmeckenderen</em> Sorten, die <em class="gesperrt">weitblickendere</em> -Klugheit, eine <em class="gesperrt">engbegrenztere</em> Aufgabe; es muß heißen: der -<em class="gesperrt">schönstgelegne</em>, noch besser der am <em class="gesperrt">schönsten gelegne</em> -Teil, die <em class="gesperrt">am meisten genannte</em> Persönlichkeit, die <em class="gesperrt">tiefer -liegende</em> Bedeutung, <em class="gesperrt">tiefer gehende</em> Anregungen, die <em class="gesperrt">feiner -schmeckenden</em> Sorten, die <em class="gesperrt">nächstliegende</em> Erklärung, die -<em class="gesperrt">weiter blickende</em> Klugheit, eine <em class="gesperrt">enger begrenzte</em> -Aufgabe. Nicht ganz so anstößig erscheint: die <em class="gesperrt">wohlgemeinteste</em> -Warnung, die <em class="gesperrt">weitgehendste</em> Mitwirkung, die -<em class="gesperrt">weittragendste</em> Bedeutung, die <em class="gesperrt">fernliegendsten</em> Dinge, die -<em class="gesperrt">hochfliegendsten</em> Pläne, obwohl natürlich der <em class="gesperrt">bestgemeinte</em> -Rat, die <em class="gesperrt">weitestgehende</em> Mitwirkung vorzuziehen ist. Völlig -gewöhnt haben wir uns an den <em class="gesperrt">tiefgefühltesten</em> Dank und an -die <em class="gesperrt">hochgeehrtesten</em> oder <em class="gesperrt">hochverehrtesten</em> Damen und -Herren. Schön kann man trotzdem solche Steigerungen nicht nennen; sie -klingen alle mehr oder weniger schleppend und schwülstig, und was sie -ausdrücken sollen, kann meist durch ein einfacheres Wort oder durch -einen kurzen Nebensatz ebenso kräftig und deutlich gesagt werden.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_43">[S. 43]</span></p> - -<h3 id="Groesstmoeglichst">Größtmöglichst</h3> - -</div> - -<p>Noch schlimmer freilich sind die jetzt so beliebten doppelten -Superlativbildungen, wie die <em class="gesperrt">besteingerichtetsten</em> -Verkehrsanstalten, die <em class="gesperrt">bestbewährtesten</em> Fabrikate, die -<em class="gesperrt">höchstgelegenste</em> Wohnung, der <em class="gesperrt">feinstlaubigste</em> -Kohlrabi u. ähnl. (statt der <em class="gesperrt">besteingerichteten</em> oder der -<em class="gesperrt">bewährtesten</em>). Für <em class="gesperrt">so gut wie möglich</em> kann man natürlich -auch sagen: <em class="gesperrt">möglichst gut</em>. Es gibt ja verschiedne Grade der -Möglichkeit, es kann etwas leichter möglich sein und auch schwerer -möglich; man sagt auch: tue dein <em class="gesperrt">möglichstes</em>! Wie muß sich -aber diese Steigerung mißhandeln lassen! Die einen stellen die -Wörter verkehrt, bringen den Superlativ an die falsche Stelle und -sagen <em class="gesperrt">bestmöglich</em>, in der irrigen Meinung, das Wort sei eine -Zusammenziehung aus: der <em class="gesperrt">beste</em>, der <em class="gesperrt">möglich</em> ist; andre -wissen sich gar nicht genug zu tun und bilden auch hier wieder den -doppelten Superlativ <em class="gesperrt">bestmöglichst</em>, <em class="gesperrt">größtmöglichst</em>: -mit <em class="gesperrt">größtmöglichster</em> Beschleunigung. Das beste ist, auch -solche schwülstige Übertreibungen zu vermeiden. Das gilt auch von -der beliebten Steigerung: der <em class="gesperrt">denkbar größte</em>. Wenn ein Nutzen -nicht der <em class="gesperrt">denkbar größte</em> wäre, so wäre er doch auch nicht der -<em class="gesperrt">größte</em>. Welch unnötiger Wortschwall also! Manche sind aber in -dieses <em class="gesperrt">denkbar</em> so verliebt, daß sie es sogar zum Positiv setzen: -in ihrer Stimmung sind beide Altarflügel <em class="gesperrt">denkbar verschieden</em>.</p> - -<p>Vollkommener Unsinn ist es natürlich, wenn gedankenlose Menschen jetzt -der <em class="gesperrt">erste beste</em> zusammenziehen in der <em class="gesperrt">erstbeste</em>, wenn -ein Arzt bittet, <em class="gesperrt">möglichst keine</em> Briefe an ihn zu richten, da -er verreist sei, eine Herrschaft einen <em class="gesperrt">möglichst verheirateten</em> -oder einen <em class="gesperrt">möglichst unverheirateten</em> Kutscher zu <em class="gesperrt">möglichst -sofortigem</em> Antritt sucht, Zeitungen ihre Abonnenten auffordern, das -Abonnement <em class="gesperrt">baldgefälligst</em> zu erneuern, oder ein Kaufmann seine -Kunden bittet, ihm <em class="gesperrt">baldmöglichst</em> oder <em class="gesperrt">baldgefälligst</em> ihre -geschätzten Aufträge oder Bestellungen zukommen zu lassen. Was sie -meinen, ist weiter nichts als: <em class="gesperrt">womöglich keine</em>,<span class="pagenum" id="Seite_44">[S. 44]</span> <em class="gesperrt">womöglich -verheiratet</em>, <em class="gesperrt">womöglich sofort</em>, und: <em class="gesperrt">möglichst bald</em>, -<em class="gesperrt">gefälligst bald</em>. Aber namentlich das <em class="gesperrt">baldgefälligst</em>, so -albern es auch ist, gehört zu den Lieblingswörtern aller Geschäftsleute -und Beamten.</p> - -<p>Ebenso unsinnig ist es, wenn ein Superlativ von <em class="gesperrt">einzig</em> gebildet -wird: der <em class="gesperrt">Einzigste</em>, der bisher Großes in diesem Fache geleistet -hat. Einziger als einzig kann doch niemand sein.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Gedenke_unsrer_oder_unser">Gedenke unsrer oder unser?</h3> - -</div> - -<p>Auch in der Deklination der Fürwörter herrscht hie und da Unwissenheit -oder Unsicherheit. Daß man eine Frage besprechen muß wie die: gedenke -<em class="gesperrt">unsrer</em> oder <em class="gesperrt">unser</em>? ist sehr traurig, aber es ist leider -nötig, denn der Fehler: wir sind <em class="gesperrt">unsrer</em> acht – es harrt -<em class="gesperrt">unsrer</em> eine schwere Aufgabe, oder: wir gedenken <em class="gesperrt">eurer</em> -in Liebe, kommt so oft vor, daß man fast annehmen möchte, die Leute -wären der Meinung, die kürzeren Formen seien nur durch Nachlässigkeit -entstanden.</p> - -<p>Die Genitive der persönlichen Fürwörter <em class="gesperrt">ich</em>, <em class="gesperrt">du</em>, -<em class="gesperrt">er</em>, <em class="gesperrt">wir</em>, <em class="gesperrt">ihr</em>, <em class="gesperrt">sie</em> heißen: <em class="gesperrt">mein</em>, -<em class="gesperrt">dein</em>, <em class="gesperrt">sein</em>, <em class="gesperrt">unser</em>, <em class="gesperrt">euer</em>, <em class="gesperrt">ihr</em>, -z. B.: gedenke <em class="gesperrt">mein</em>, vergiß <em class="gesperrt">mein</em> nicht, der Buhle -<em class="gesperrt">mein</em>, ich denke <em class="gesperrt">dein</em>, <em class="gesperrt">unser</em> einer, <em class="gesperrt">unser -aller</em> Wohl, <em class="gesperrt">unser</em> keiner lebt ihm selber.<a id="FNAnker_29" href="#Fussnote_29" class="fnanchor">[29]</a> Daneben sind -freilich im Singular schon früh die unorganischen Formen <em class="gesperrt">meiner</em>, -<em class="gesperrt">deiner</em>, <em class="gesperrt">seiner</em> aufgekommen und haben sich festgesetzt, -aber doch ohne die echten, alten Formen ganz verdrängen zu können -(Gellert: der Herr hat <em class="gesperrt">mein</em> noch nie vergessen, vergiß, mein -Herz, auch <em class="gesperrt">seiner</em> nicht); <em class="gesperrt">ihr</em> ist leider ganz durch -<em class="gesperrt">ihrer</em> verdrängt worden; wir wollen uns <em class="gesperrt">ihrer</em> annehmen. -Aber in der<span class="pagenum" id="Seite_45">[S. 45]</span> ersten und zweiten Person der Mehrzahl ist doch die -richtige alte Form noch so lebendig, daß es unverantwortlich wäre, -wenn man sie nicht gegen die falsche, die sich auch hier eindrängen -will, in Schutz nähme. <em class="gesperrt">Unsrer</em> und <em class="gesperrt">eurer</em> sind Genitive -des besitzanzeigenden Eigenschaftswortes, aber nicht des persönlichen -Fürworts. Also: erbarmt euch <em class="gesperrt">unser</em> und <em class="gesperrt">unsrer</em> Kinder!<a id="FNAnker_30" href="#Fussnote_30" class="fnanchor">[30]</a></p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Derer_und_deren">Derer und deren</h3> - -</div> - -<p>Die Genitive der Mehrzahl <em class="gesperrt">derer</em> und <em class="gesperrt">deren</em> sind der alten -Sprache überhaupt unbekannt, sie hat nur <span class="antiqua">der</span>; beide sind – -ebenso wie die Genitive der Einzahl <em class="gesperrt">dessen</em> und <em class="gesperrt">deren</em> -– erst im Neuhochdeutschen gebildet worden und als willkommne -Unterscheidungen des betonten und lang gesprochnen Determinativs und -Relativs <em class="gesperrt">der</em> (<span class="antiqua">dēr</span>) von dem gewöhnlich unbetonten und -kurz gesprochnen Artikel <em class="gesperrt">der</em> (<span class="antiqua">dĕr</span>) festgehalten worden. -<em class="gesperrt">Derer</em> steht vor Relativsätzen (und verdient dort den Vorzug vor -dem schleppenden <em class="gesperrt">derjenigen</em>); <em class="gesperrt">deren</em> ist Demonstrativum: -die Krankheit und <em class="gesperrt">deren</em> Heilung (d. i. <em class="gesperrt">ihre</em> Heilung) -und Relativum: die Krankheiten, <em class="gesperrt">deren</em> Heilung möglich ist. -Falsch ist es also, wenn Relativsätze angefangen werden: in betreff -<em class="gesperrt">derer</em>, vermöge <em class="gesperrt">derer</em>.</p> - -<p>Ein ganz neuer Unsinn, den man jetzt bisweilen lesen muß, ist -<em class="gesperrt">dessem</em> und <em class="gesperrt">derem</em>: der Dichter, <em class="gesperrt">dessem</em> löblichen -Fortschreiten ich mit Freuden folge – die Geschäfte werden inzwischen -von <em class="gesperrt">dessem</em> Stellvertreter besorgt – die fremde Kunst, bei -<em class="gesperrt">derem</em> Studium der Deutsche seine eigne Kunst vergaß – für die -Behörden zu <em class="gesperrt">derem</em> alleinigen Gebrauch ausgefertigt. Der Dativ, -der in diesen Sätzen steht, hat gleichsam den vorangehenden abhängigen -Genitiv angesteckt und dadurch die Mißbildungen geschaffen. Die -Verirrung geht aber wohl öfter in den Köpfen der Setzer als in denen -der Schriftsteller vor; bei der Korrektur lesen die Verfasser über<span class="pagenum" id="Seite_46">[S. 46]</span> den -Unsinn weg, und so wird er mit gedruckt. Auch <em class="gesperrt">dergleichem</em> findet -sich schon: er ist zu Verschickungen und <em class="gesperrt">dergleichem</em> gebraucht -worden.<a id="FNAnker_31" href="#Fussnote_31" class="fnanchor">[31]</a></p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Einundderselbe">Einundderselbe</h3> - -</div> - -<p>Der arge Mißbrauch, der mit dem Pronomen <em class="gesperrt">derselbe</em> getrieben wird -(daß man es fortwährend für <em class="gesperrt">er</em> oder <em class="gesperrt">dieser</em> gebraucht; -vgl. <a href="#Seite_226">S. 226</a>), hat dazu geführt, daß man nun <em class="gesperrt">einundderselbe</em> -sagen zu müssen glaubt, wo man <em class="gesperrt">derselbe</em> mit seiner wirklichen -Bedeutung meint. Diese überflüssige Zusammensetzung wird vollends -schleppend, wenn man sie pedantisch dekliniert: <em class="gesperrt">eines und -desselben</em>, <em class="gesperrt">einem und demselben</em>. Wer sie nicht entbehren zu -können glaubt, der schreibe wenigstens: an <em class="gesperrt">einunddemselben Tage</em>, -im Laufe <em class="gesperrt">einunddesselben</em> Jahres, in <em class="gesperrt">einundderselben</em> Hand. -Dieselbe Freiheit nimmt man sich ja auch bei <em class="gesperrt">Grund und Boden</em>: -die Entwertung des <em class="gesperrt">Grund und Bodens</em> (als ob beides nur -<em class="gesperrt">ein</em> Wort wäre), nicht des <em class="gesperrt">Grundes und Bodens</em>; ebenso: ein -Hut mit <em class="gesperrt">blau und weißem</em> Band, wenn nicht zwei verschiedenfarbige -Bänder gemeint sind, sondern ein zweifarbiges.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Man">Man</h3> - -</div> - -<p>Daß auch das unpersönliche Fürwort <em class="gesperrt">man</em> dekliniert werden kann, -dessen sind sich die allerwenigsten bewußt. In der lebendigen Rede -bilden sie zwar, ohne es zu wissen, die <span class="antiqua">casus obliqui</span> ganz -richtig, aber wenn sie die Feder in die Hand nehmen, getrauen sie sich -nicht, sie hinzuschreiben, sondern sinnen darüber nach, wie sie sich -ausdrücken sollen. Der Junge, der von einem andern Jungen geneckt wird, -sagt: laß <em class="gesperrt">einen</em> doch gehn! und wenn er sich über den Necker -beschwert, sagt er: der neckt <em class="gesperrt">einen</em> immer. Auch der Erwachsne -sagt: das kann <em class="gesperrt">einem</em> alle Tage begegnen. Und Lessing schreibt: -macht<span class="pagenum" id="Seite_47">[S. 47]</span> <em class="gesperrt">man</em> das, was <em class="gesperrt">einem</em> so einfällt? – so was erinnert -<em class="gesperrt">einen</em> manchmal, woran <em class="gesperrt">man</em> nicht gern erinnert sein will -– muß <em class="gesperrt">man</em> nicht grob sein, wenn <em class="gesperrt">einen</em> die Leute sollen -gehn lassen? – Goethe sagt sogar: <em class="gesperrt">eines</em> Haus und Hof steht -gut, aber wo soll bar Geld herkommen? Es ist also klar, die <span class="antiqua">casus -obliqui</span> von <em class="gesperrt">man</em> werden in der lebendigen Sprache gebildet -durch <em class="gesperrt">eines</em>, <em class="gesperrt">einem</em>, <em class="gesperrt">einen</em>. Aber viele scheinen -diese Ausdrucksweise jetzt nicht mehr für fein zu halten, scheinen sich -einzubilden, daß sie nur der niedrigen Umgangssprache zukomme. Das ist -bloßer Aberglaube, man kann sich gar nicht besser ausdrücken, als wie -es Goethe getan hat, wenn er z. B. sagt: wenn <em class="gesperrt">man</em> für einen -reichen Mann bekannt ist, so steht es <em class="gesperrt">einem</em> frei, seinen Aufwand -einzurichten, wie <em class="gesperrt">man</em> will.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Jemandem_oder_jemand">Jemandem oder jemand?</h3> - -</div> - -<p>In <em class="gesperrt">jemand</em> und <em class="gesperrt">niemand</em> ist das d ein unorganisches -Anhängsel. Die Wörter sind natürlich mit <em class="gesperrt">man</em> (<em class="gesperrt">Mann</em>) -zusammengesetzt (<span class="antiqua">ieman</span>, <span class="antiqua">nieman</span>), im Mittelhochdeutschen -heißen Dativ und Akkusativ noch <span class="antiqua">iemanne</span>, <span class="antiqua">niemanne</span>, -<span class="antiqua">ieman</span>, <span class="antiqua">nieman</span>. Da sich das Gefühl dafür durchaus noch -nicht verloren hat, da es jedermann noch versteht, wenn man sagt: ich -habe <em class="gesperrt">niemand</em> gesehen, du kannst <em class="gesperrt">niemand</em> einen Vorwurf -machen, so ist nicht einzusehen, weshalb die durch Mißverständnis -entstandnen Formen <em class="gesperrt">jemandem</em>, <em class="gesperrt">niemandem</em>, <em class="gesperrt">jemanden</em>, -<em class="gesperrt">niemanden</em> den Vorzug verdienen sollten.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Jemand_anders">Jemand anders</h3> - -</div> - -<p>Der gute Rat, bei den Adjektiven, deren Stamm auf er endigt, immer die -schönen, kräftigen Formen: <em class="gesperrt">unsers</em>, <em class="gesperrt">andern</em> den weichlichen -Formen: <em class="gesperrt">unsres</em>, <em class="gesperrt">andren</em> -vorzuziehen (vgl. <a href="#Seite_29">S. 29</a>), -erleidet eine Ausnahme bei dem Neutrum <em class="gesperrt">anders</em>. Unser heutiges -Umstandswort <em class="gesperrt">anders</em> (ich hätte das <em class="gesperrt">anders</em> gemacht) -ist ursprünglich nichts „andres“ als das Neutrum von <em class="gesperrt">andrer</em>, -<em class="gesperrt">andre</em>, <em class="gesperrt">andres</em> (ein <em class="gesperrt">andres</em> Kleid). Die Sprache -hat sich hier des ganz äußerlichen Mittels bedient, das einemal den -Vokal der Endung, das andremal den des Stammes<span class="pagenum" id="Seite_48">[S. 48]</span> auszuwerfen, um einen -Unterschied zwischen Adjektiv und Adverb zu schaffen. (Ebenso bei -<em class="gesperrt">besondres</em> und <em class="gesperrt">besonders</em>.) An diesem Unterschied ist -natürlich nun festzuhalten, niemand wird schreiben ein <em class="gesperrt">anders</em> -Kleid. Zum Glück hat sich aber in der lebendigen Sprache in den -Verbindungen: <em class="gesperrt">wer anders</em>, <em class="gesperrt">was anders</em>, <em class="gesperrt">jemand -anders</em>, <em class="gesperrt">niemand anders</em> die kräftigere Form erhalten; man -sagt: <em class="gesperrt">wer anders</em> sollte mir helfen? – das ist <em class="gesperrt">niemand -anders</em> gewesen als du – und die Schlußzeile einer bekannten Fabel: -ja, Bauer, das ist ganz was <em class="gesperrt">anders</em> – ist durchaus nicht bloß -wegen des Reimes auf <em class="gesperrt">Alexanders</em> so geschrieben. In allen diesen -Verbindungen ist <em class="gesperrt">anders</em> nicht etwa als Adverb aufzufassen, -sondern es ist der Genitiv des geschlechtslosen Neutrums, das zur -Bezeichnung beider Geschlechter dient, wie in <em class="gesperrt">jemand fremdes</em>. -Darnach kann nun auch kein Zweifel sein, wie diese Verbindungen zu -deklinieren sind. Der Volksmund hat das richtige, wenn er sagt: von -<em class="gesperrt">wem anders</em> soll ich mir denn helfen lassen? – ich bin mit -<em class="gesperrt">niemand anders</em> in Berührung gekommen. Mit <em class="gesperrt">niemand anderm</em> -ist falsch, freilich nicht viel falscher als: von <em class="gesperrt">was anderm</em>, zu -<em class="gesperrt">was besserm</em>, zu <em class="gesperrt">nichts gutem</em>, wo auch das abhängige Wort, -das eigentlich im Genitiv stehen müßte, die Kasusbezeichnung übernommen -hat, die in <em class="gesperrt">was</em> und <em class="gesperrt">nichts</em> nicht zum Ausdrucke kommt.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Ein_andres_und_etwas_andres">Ein andres und etwas andres</h3> - -</div> - -<p>Das Neutrum von <em class="gesperrt">jemand anders</em> heißt <em class="gesperrt">etwas andres</em>, im -Volksmunde <em class="gesperrt">was andres</em>. Die Mutter sagt: ich habe dir <em class="gesperrt">was -schönes</em> oder <em class="gesperrt">etwas schönes</em> mitgebracht. Ebenso <em class="gesperrt">etwas -gutes</em>, <em class="gesperrt">etwas rechtes</em>, <em class="gesperrt">etwas wahres</em>, <em class="gesperrt">etwas -großes</em>, <em class="gesperrt">etwas wesentliches</em>, <em class="gesperrt">etwas neues</em>, <em class="gesperrt">etwas -weiteres</em>. Dieses schlichte <em class="gesperrt">was</em> oder <em class="gesperrt">etwas</em> verschmäht -man aber jetzt, man schreibt: und noch <em class="gesperrt">ein andres</em> muß ich -erwähnen – zunächst möchte ich <em class="gesperrt">ein allgemeines</em> voranschicken -– und nun können wir noch <em class="gesperrt">ein weiteres</em> hinzufügen – man darf -nicht glauben, daß damit <em class="gesperrt">ein wesentliches</em> gewonnen sei – auch -der reichhaltigste Stoff muß <em class="gesperrt">ein<span class="pagenum" id="Seite_49">[S. 49]</span> spezifisches</em> haben, das ihn -von tausend andern unterscheidet; und man kommt sich äußerst vornehm -vor, wenn man so schreibt. Sogar ein Lied von Oskar von Redwitz, das -in der Komposition von Liszt das Entzücken aller Backfische ist, fängt -an: Es muß <em class="gesperrt">ein wunderbares</em> sein ums Lieben zweier Seelen! Es ist -aber nichts als alberne Ziererei. Poetischer wird das Lied durch das -<em class="gesperrt">ein</em> sicherlich nicht.</p> - -<p>„Etwas andres“ ist es, wenn <em class="gesperrt">ein</em> nicht das unbestimmte Fürwort, -sondern das Zahlwort bedeuten soll, z. B.: dann hätte das Unternehmen -wenigstens <em class="gesperrt">ein gutes</em> gehabt. Das ist natürlich ebenso richtig -wie: <em class="gesperrt">das eine gute</em>.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Zahlwoerter">Zahlwörter</h3> - -</div> - -<p>Gegen die richtige Bildung der Zahlwörter werden nur wenig Verstöße -begangen; es ist auch kaum Gelegenheit dazu. Lächerlich ist es, daß -manche Leute immer <em class="gesperrt">sechszig</em> und <em class="gesperrt">siebenzig</em> drucken -lassen, denn in ganz Deutschland sagt man <em class="gesperrt">sechzig</em> und -<em class="gesperrt">siebzig</em>. Für <em class="gesperrt">fünfzehn</em> und <em class="gesperrt">fünfzig</em> sagen manche -lieber <em class="gesperrt">funfzehn</em> und <em class="gesperrt">funfzig</em>. Im Althochdeutschen stand -neben unflektiertem <span class="antiqua">funf</span> ein flektiertes <span class="antiqua">funfi</span>, woraus -im Mittelhochdeutschen <em class="gesperrt">fünfe</em> wurde. <em class="gesperrt">Funfzig</em> ist nun -mit <em class="gesperrt">funf</em> gebildet, mit <em class="gesperrt">fünf</em> dagegen <em class="gesperrt">fünfzehn</em> -und <em class="gesperrt">fünfzig</em>, die in der Schriftsprache die Oberhand gewonnen -haben.<a id="FNAnker_32" href="#Fussnote_32" class="fnanchor">[32]</a></p> - -<p>Statt <em class="gesperrt">hundertunderste</em> kann man jetzt öfter lesen: -<em class="gesperrt">hundertundeinte</em>, aber doch nur nach dem unbestimmten Artikel: -nicht als ob ich zu den hundert Fausterklärungen noch <em class="gesperrt">eine -hundertundeinte</em> hinzufügen wollte. Es schwebt dabei wohl weniger -die Reihenfolge und der neue letzte Platz in dieser Reihenfolge vor, -als die Zahl, die von <em class="gesperrt">hundert</em> auf <em class="gesperrt">hundertundeins</em> steigt. -Trotzdem hat die Form keine Berechtigung.</p> - -<p>Die Bildungen <em class="gesperrt">anderthalb</em> (d. h. der andre, der zweite halb), -<em class="gesperrt">drittehalb</em> (2½), <em class="gesperrt">viertehalb</em> (3½) sind<span class="pagenum" id="Seite_50">[S. 50]</span> jetzt mehr auf -die Umgangssprache beschränkt; in der Schriftsprache sind sie seltner -geworden. Es ist aber nichts gegen sie einzuwenden.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Starke_und_schwache_Konjugation">Starke und schwache Konjugation</h3> - -</div> - -<p>Wie bei den Hauptwörtern zwischen einer starken und einer schwachen -Deklination, so unterscheidet man bei den Zeitwörtern zwischen einer -starken und einer schwachen Konjugation. Starke Zeitwörter nennt man -die, die ihre Formen nur durch Veränderung des Stammwortes bilden, -schwache die, die zur Bildung ihrer Formen andrer Mittel bedürfen. -Ein starkes Zeitwort ist: ich <em class="gesperrt">springe</em>, ich <em class="gesperrt">sprang</em>, -ich bin <em class="gesperrt">gesprungen</em>, ein schwaches: ich <em class="gesperrt">sage</em>, ich -<em class="gesperrt">sagte</em>, ich habe <em class="gesperrt">gesagt</em>. Die Veränderung des Stammvokals -nennt man den Ablaut, die verschiednen Wege, die der Ablaut -einschlägt, die Ablautsreihen.<a id="FNAnker_33" href="#Fussnote_33" class="fnanchor">[33]</a> Die wichtigsten Ablautsreihen -sind: ei, i, i (<em class="gesperrt">reite</em>, <em class="gesperrt">ritt</em>, <em class="gesperrt">geritten</em>), ei, -ie, ie (<em class="gesperrt">bleibe</em>, <em class="gesperrt">blieb</em>, <em class="gesperrt">geblieben</em>), ie, o, o -(<em class="gesperrt">gieße</em>, <em class="gesperrt">goß</em>, <em class="gesperrt">gegossen</em>), i, a, u (<em class="gesperrt">binde</em>, -<em class="gesperrt">band</em>, <em class="gesperrt">gebunden</em>), i, a, o (<em class="gesperrt">schwimme</em>, -<em class="gesperrt">schwamm</em>, <em class="gesperrt">geschwommen</em>), e, a, o (<em class="gesperrt">nehme</em>, -<em class="gesperrt">nahm</em>, <em class="gesperrt">genommen</em>), i, a, e (<em class="gesperrt">bitte</em>, <em class="gesperrt">bat</em>, -<em class="gesperrt">gebeten</em>), e, a, e (<em class="gesperrt">lese</em>, <em class="gesperrt">las</em>, <em class="gesperrt">gelesen</em>), -a, u, a (<em class="gesperrt">fahre</em>, <em class="gesperrt">fuhr</em>, <em class="gesperrt">gefahren</em>). Außerdem gibt -es noch eine Mischgruppe mit ie im Imperfekt und einunddemselben -Vokal im Präsens und im Partizip, wie <em class="gesperrt">falle</em>, <em class="gesperrt">fiel</em>, -<em class="gesperrt">gefallen</em>, <em class="gesperrt">stoße</em>, <em class="gesperrt">stieß</em>, <em class="gesperrt">gestoßen</em>, -<em class="gesperrt">rufe</em>, <em class="gesperrt">rief</em>, <em class="gesperrt">gerufen</em>, <em class="gesperrt">laufe</em>, <em class="gesperrt">lief</em>, -<em class="gesperrt">gelaufen</em>, <em class="gesperrt">heiße</em>, <em class="gesperrt">hieß</em>, <em class="gesperrt">geheißen</em>, wofür man -jetzt bisweilen falsch <em class="gesperrt">gehießen</em> hören muß, als ob es in die -zweite Ablautsreihe gehörte.</p> - -<p>Fast noch bewundernswürdiger als in der Deklination der Hauptwörter -ist in der Flexion der Zeitwörter die Sicherheit, mit der auch -der Mindergebildete der Fülle und Mannigfaltigkeit der Formen -gegenübersteht. Freilich gibt es auch hier Schwankungen und -Verirrungen, darunter sogar recht ärgerliche und beschämende. Es gibt -Verbalstämme, die eine starke und auch eine schwache Flexion erzeugt -haben mit verschiedner Bedeutung; da ist dann Verwechslung eingetreten. -Es gibt aber auch Zeitwörter,<span class="pagenum" id="Seite_51">[S. 51]</span> die sich bloß in die andre Flexion -verirrt haben ohne Bedeutungswechsel. Bei gutem Willen ist aber doch -vielleicht auch hier noch manches zu verhüten oder aufzuhalten.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Verschieden_flektierte_und_schwankende_Zeitwoerter">Verschieden flektierte -und schwankende Zeitwörter</h3> - -</div> - -<p>Das intransitive <em class="gesperrt">hangen</em> und das transitive <em class="gesperrt">hängen</em> -(eigentlich <em class="gesperrt">henken</em>) jetzt noch streng auseinanderhalten zu -wollen wäre wohl vergebliches Bemühen. Wenn auch im Perfekt noch -richtig gesagt wird: ich habe das Bild <em class="gesperrt">aufgehängt</em>, und -<em class="gesperrt">aufgehangen</em> hier als fehlerhaft empfunden wird, so hat sich -doch leider fast allgemein eingebürgert: ich <em class="gesperrt">hing</em> den Hut auf, -und <em class="gesperrt">hangen</em>, <em class="gesperrt">abhangen</em>, <em class="gesperrt">zusammenhangen</em> erscheint -uns altertümlich gesucht, obwohl es das richtige ist (Heine: und als -sie kamen ins deutsche Quartier, sie ließen die Köpfe <em class="gesperrt">hangen</em>). -Ähnlich verhält sichs mit <em class="gesperrt">wägen</em> und <em class="gesperrt">wiegen</em>; man -sagt jetzt ebenso: der Bäcker <em class="gesperrt">wiegt</em> das Brot, wie: das -Brot <em class="gesperrt">wiegt</em> zu wenig, obwohl es im ersten Falle eigentlich -<em class="gesperrt">wägt</em> heißen müßte. Auch bei <em class="gesperrt">schmelzen</em>, <em class="gesperrt">löschen</em> -und <em class="gesperrt">verderben</em> ist von Rechts wegen zwischen einer transitiven -schwachen und einer intransitiven starken Flexion zu unterscheiden: die -Sonne <em class="gesperrt">schmelzt</em> den Schnee, hat den Schnee <em class="gesperrt">geschmelzt</em>, -aber der Schnee <em class="gesperrt">schmilzt</em>, er ist <em class="gesperrt">geschmolzen</em>; der -Wind <em class="gesperrt">löscht</em> das Licht <em class="gesperrt">aus</em>, hat es <em class="gesperrt">ausgelöscht</em>, -aber das Licht <em class="gesperrt">verlischt</em>, ist <em class="gesperrt">verloschen</em>; das Fleisch -<em class="gesperrt">verdirbt</em>, <em class="gesperrt">verdarb</em>, ist <em class="gesperrt">verdorben</em>, aber der -schlechte Umgang <em class="gesperrt">verderbt</em> die Jugend, <em class="gesperrt">verderbte</em> sie, hat -sie <em class="gesperrt">verderbt</em>. Leider wird der Unterschied nicht überall mehr -beobachtet (am ehesten noch bei <em class="gesperrt">löschen</em>). Sehr in Verwirrung -geraten sind das intransitive und das transitive <em class="gesperrt">schrecken</em>. Das -intransitive <em class="gesperrt">erschrecken</em> wird allgemein noch richtig flektiert: -du <em class="gesperrt">erschrickst</em>, er <em class="gesperrt">erschrickt</em>, ich <em class="gesperrt">erschrak</em>, -ich <em class="gesperrt">bin erschrocken</em> (in der niederdeutschen Vulgärsprache: -<em class="gesperrt">ich habe mich erschrocken</em>!); ebenso das transitive: -du <em class="gesperrt">erschreckst</em> mich, ich <em class="gesperrt">erschreckte</em>, ich habe -<em class="gesperrt">erschreckt</em>. Bei <em class="gesperrt">aufschrecken</em> und <em class="gesperrt">zurückschrecken</em> -aber hat die schwache Form die starke fast ganz verdrängt; selten, -daß man noch einmal richtig liest: daß die Sozialdemokratie hiervor -nicht <em class="gesperrt">zurückschrickt</em>.<span class="pagenum" id="Seite_52">[S. 52]</span> Von dem ursprünglich intransitiven -<em class="gesperrt">stecken</em> (der Schlüssel <em class="gesperrt">steckt</em> an der Tür) hat sich -ein transitives <em class="gesperrt">stecken</em> abgezweigt (ich <em class="gesperrt">stecke</em> den -Schlüssel an die Tür). Beide werden jetzt meist schwach flektiert; -das intransitive war aber früher stark: wo <em class="gesperrt">stickst</em> du? Und -mundartlich heißt es ja noch heute: der Schlüssel <em class="gesperrt">stak</em>.</p> - -<p>Schlechterdings nicht verwechselt werden sollte <em class="gesperrt">gesonnen</em> und -<em class="gesperrt">gesinnt</em>, <em class="gesperrt">geschaffen</em> und <em class="gesperrt">geschafft</em>. <em class="gesperrt">Gesonnen</em> -kann nur die Absicht oder den Willen bedeuten: ich bin <em class="gesperrt">gesonnen</em>, -zu verreisen; <em class="gesperrt">gesinnt</em>, das gar nicht von dem Zeitwort -<em class="gesperrt">sinnen</em>, sondern von dem Hauptwort <em class="gesperrt">Sinn</em> gebildet ist (wie -<em class="gesperrt">gewillt</em> nicht von <em class="gesperrt">wollen</em>, sondern von <em class="gesperrt">Wille</em>), -kann nur von der Gesinnung gebraucht werden: er war gut deutsch -<em class="gesperrt">gesinnt</em>, er ist mir feindlich <em class="gesperrt">gesinnt</em>. <em class="gesperrt">Schaffen</em> -bedeutet in der starken Flexion (<em class="gesperrt">schuf</em>, <em class="gesperrt">geschaffen</em>) die -wirklich schöpferische Tätigkeit, das Hervorbringen: der Dichter hat -ein neues Werk <em class="gesperrt">geschaffen</em>. Ist aber nur arbeiten, hantieren, -ausrichten, bewirken, bringen (z. B. Waren auf den Markt schaffen) -gemeint, so muß es schwach flektiert werden (<em class="gesperrt">schaffte</em>, -<em class="gesperrt">geschafft</em>). Von <em class="gesperrt">Rat schaffen</em> also, <em class="gesperrt">Nutzen -schaffen</em>, <em class="gesperrt">Abhilfe schaffen</em>, <em class="gesperrt">Ersatz schaffen</em>, <em class="gesperrt">Raum -schaffen</em>, <em class="gesperrt">Luft schaffen</em> und dem jetzt in der Zeitungssprache -so beliebten <em class="gesperrt">Wandel schaffen</em> dürfen durchaus nur die schwachen -Formen gebildet werden; es ist falsch, zu sagen: hier muß <em class="gesperrt">Wandel -geschaffen</em> werden. Ein <em class="gesperrt">neuer Raum</em> (ein Zimmer, ein Saal) -kann <em class="gesperrt">geschaffen</em> werden, aber <em class="gesperrt">Raum</em> (Freiheit der Bewegung) -wird <em class="gesperrt">geschafft</em>.</p> - -<p>Auch das starke Zeitwort <em class="gesperrt">schleifen</em> (<em class="gesperrt">schliff</em>, -<em class="gesperrt">geschliffen</em>) hat im Laufe der Zeit ein schwaches von sich -abgespaltet (<em class="gesperrt">schleifte</em>, <em class="gesperrt">geschleift</em>), das andre Bedeutung -hat. Das Messer wird <em class="gesperrt">geschliffen</em>, aber die Kleiderschleppe -wird über den Boden <em class="gesperrt">geschleift</em>. Früher wurden auch Städte und -Festungen <em class="gesperrt">geschleift</em>, auch Verbrecher auf einer Kuhhaut auf -den Richtplatz <em class="gesperrt">geschleift</em>; jetzt wird nur noch ein Student -vom andern in die Kneipe <em class="gesperrt">geschleift</em>, und dort wird dann -<em class="gesperrt">gekneipt</em> (nicht <em class="gesperrt">geknippen</em>), denn <em class="gesperrt">kneipen</em> „in -diesem Sinne“ ist nur eine Ableitung von <em class="gesperrt">Kneipe</em>.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_53">[S. 53]</span></p> - -<p>Zwei ganz verschiedne Verba, ein starkes und ein schwaches, begegnen -einander in <em class="gesperrt">laden</em>. Zwar werden jetzt ebenso Gäste <em class="gesperrt">geladen</em> -wie Kohlen und Gewehre, auch sagt man schon in beiden Fällen: ich -<em class="gesperrt">lud</em>. Im Präsens wird aber doch noch bisweilen unterschieden -zwischen: du <em class="gesperrt">ladest</em> oder er <em class="gesperrt">ladet</em> mich ein (Schiller: -es lächelt der See, er <em class="gesperrt">ladet</em> zum Bade) und: er <em class="gesperrt">lädt</em> das -Gewehr.</p> - -<p>Sehr unangenehm fällt die fortwährende Vermischung von <em class="gesperrt">dringen</em> -und <em class="gesperrt">drängen</em> auf. <em class="gesperrt">Dringen</em> ist intransitiv und hat -zu bilden: ich <em class="gesperrt">drang</em> vor, ich bin <em class="gesperrt">vorgedrungen</em>. -<em class="gesperrt">Drängen</em> dagegen ist transitiv oder reflexiv und kann nur -bilden: ich <em class="gesperrt">drängte</em>, ich habe <em class="gesperrt">gedrängt</em>; also auch: ich -<em class="gesperrt">drängte mich</em> vor, ich habe <em class="gesperrt">mich vorgedrängt</em>, es wurde mir -<em class="gesperrt">aufgedrängt</em>. Durchaus falsch ist: ich <em class="gesperrt">dringe mich</em> nicht -auf, ich habe <em class="gesperrt">mich</em> nicht <em class="gesperrt">aufgedrungen</em>, diese Auffassung -hat sich mir <em class="gesperrt">aufgedrungen</em>.</p> - -<p>Eine ärgerliche Verwirrung ist bei <em class="gesperrt">dünken</em> eingerissen. Man -sollte dieses Wort, das ohnehin für unser heutiges Sprachgefühl etwas -gesucht altertümelndes hat, doch lieber gar nicht mehr gebrauchen, -wenn man es nicht mehr richtig flektieren kann! Das Imperfekt von -<em class="gesperrt">dünken</em> heißt <em class="gesperrt">deuchte</em>; beide Formen verhalten sich -zueinander ebenso wie <em class="gesperrt">denken</em> und <em class="gesperrt">dachte</em>, womit sie ja -auch stammverwandt sind. Aus <em class="gesperrt">deuchte</em> hat man aber ein Präsens -<em class="gesperrt">deucht</em> gemacht, noch dazu falsch mit dem Dativ verbunden: <em class="gesperrt">mir -deucht</em> (!). Wer sich ganz besonders fein ausdrücken will, sagt -immer: <em class="gesperrt">mir deucht</em> (statt <em class="gesperrt">mir scheint</em>) und macht dabei -zwei Schnitzer in zwei Worten. Das richtige ist: <em class="gesperrt">mich dünkt</em> und -<em class="gesperrt">mich deuchte</em>.</p> - -<p><em class="gesperrt">Willfahren</em> und <em class="gesperrt">radebrechen</em> (eine Sprache) sind nicht -mit <em class="gesperrt">fahren</em> und <em class="gesperrt">brechen</em> zusammengesetzt, sondern -von Hauptwörtern abgeleitet, von einem nicht mehr vorhandnen -<span class="antiqua">willevar</span> und von der <em class="gesperrt">Radebreche</em>, einer abschüssigen, -für die Wagen gefährlichen Straßenstelle.<a id="FNAnker_34" href="#Fussnote_34" class="fnanchor">[34]</a> Beide werden also -richtig schwach flektiert: er <em class="gesperrt">willfahrt</em>,<span class="pagenum" id="Seite_54">[S. 54]</span> <em class="gesperrt">willfahrte</em>, -hat <em class="gesperrt">gewillfahrt</em>, er <em class="gesperrt">radebrecht</em>, <em class="gesperrt">radebrechte</em>, hat -<em class="gesperrt">geradebrecht</em>.</p> - -<p>Von manchen schwachen Verben ist vereinzelt ein starkes Partizip -gebräuchlich mit einer besonders gefärbten Bedeutung, z. B. -<em class="gesperrt">verschroben</em> (von <em class="gesperrt">schrauben</em>), <em class="gesperrt">verwunschen</em> (der -<em class="gesperrt">verwunschne</em> Prinz, von <em class="gesperrt">verwünschen</em>), <em class="gesperrt">unverhohlen</em> -(ich habe ihm <em class="gesperrt">unverhohlen</em> meine Meinung gesagt, von -<em class="gesperrt">verhehlen</em>).</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Fraegt_und_frug">Frägt und frug</h3> - -</div> - -<p>Eine Schande ist es – nicht für die Sprache, die ja nichts dafür kann, -wohl aber für die Schule, die das recht gut hätte verhüten können und -doch nicht verhütet hat –, mit welcher Schnelligkeit in ganz kurzer -Zeit die falschen Formen <em class="gesperrt">frägt</em> und <em class="gesperrt">frug</em> um sich gegriffen -haben, auch in Kreisen, die für gebildet gelten wollen und den Anspruch -erheben, ein anständiges Deutsch zu sprechen. Der Fehler wird deshalb -so ganz besonders widerwärtig, weil sichs dabei um ein Zeitwort -handelt, das hundertmal des Tags gebraucht wird. Das immer falsch hören -und – lesen zu müssen, ist doch gar zu greulich.</p> - -<p>Die Zeitwörter mit <em class="gesperrt">ag</em> im Stamme teilen sich in zwei Gruppen; -die eine Gruppe gehört dem starken Verbum, die andre dem schwachen -an. Die erste Gruppe bilden die beiden Verba: ich <em class="gesperrt">trage</em>, du -<em class="gesperrt">trägst</em> – ich <em class="gesperrt">trug</em> – ich habe <em class="gesperrt">getragen</em>, ich -<em class="gesperrt">schlage</em>, du <em class="gesperrt">schlägst</em> – ich <em class="gesperrt">schlug</em> – ich habe -<em class="gesperrt">geschlagen</em>; sie haben dieselbe Ablautsreihe wie <em class="gesperrt">fahre</em>, -<em class="gesperrt">fuhr</em>, <em class="gesperrt">gefahren</em> – <em class="gesperrt">grabe</em>, <em class="gesperrt">grub</em>, -<em class="gesperrt">gegraben</em> – <em class="gesperrt">wachse</em>, <em class="gesperrt">wuchs</em>, <em class="gesperrt">gewachsen</em> -u. a. Zur zweiten Gruppe gehören: ich <em class="gesperrt">sage</em>, du <em class="gesperrt">sagst</em> -– ich <em class="gesperrt">sagte</em> – ich habe <em class="gesperrt">gesagt</em>, ich <em class="gesperrt">jage</em>, du -<em class="gesperrt">jagst</em> – ich <em class="gesperrt">jagte</em> – ich habe <em class="gesperrt">gejagt</em>; ebenso -<em class="gesperrt">klagen</em>, <em class="gesperrt">nagen</em>, <em class="gesperrt">plagen</em>, <em class="gesperrt">ragen</em>, <em class="gesperrt">wagen</em>, -<em class="gesperrt">zagen</em>. <em class="gesperrt">Fragen</em> hat nun seit Jahrhunderten unbezweifelt -zur zweiten Gruppe gehört: ich <em class="gesperrt">frage</em>, du <em class="gesperrt">fragst</em> – ich -<em class="gesperrt">fragte</em> – ich habe <em class="gesperrt">gefragt</em>. Unsre Klassiker kennen -keine andre Form. Zwei der besten deutschen Prosaiker, Gellert und -Lessing, wissen von <em class="gesperrt">frägt</em> und <em class="gesperrt">frug</em> gar nichts. Nur ganz -vereinzelt findet sich in Versen, also unter dem beengenden Einflusse -des Rhythmus, <em class="gesperrt">frug</em>; so bei Goethe in den<span class="pagenum" id="Seite_55">[S. 55]</span> Venezianischen -Epigrammen: niemals <em class="gesperrt">frug</em> ein Kaiser nach mir, es hat sich -kein König um mich bekümmert – bei Schiller im Wallenstein: jawohl, -der Schwed <em class="gesperrt">frug</em> nach der Jahrszeit nichts. Auch Bürger hat es -(Lenore: sie <em class="gesperrt">frug</em> den Zug wohl auf und ab, und <em class="gesperrt">frug</em> nach -allen Namen), und da haben wir denn auch die Quelle: es stammt aus -dem Niederdeutschen. Bürger war 1747 in Molmerswende bei Halberstadt -geboren; wahrscheinlich sagte man dort schon zu seiner Zeit allgemein -frug.<a id="FNAnker_35" href="#Fussnote_35" class="fnanchor">[35]</a> Aber noch in den fünfziger und sechziger Jahren des -neunzehnten Jahrhunderts hörte man die Dialektform in der gebildeten -Umgangssprache so gut wie gar nicht. Auf einmal tauchte sie auf. Und -nun ging es ganz wie mit einer neuen Kleidermode, sie verbreitete -sich anfangs langsam, dann schneller und immer schneller,<a id="FNAnker_36" href="#Fussnote_36" class="fnanchor">[36]</a> und -heute schwatzen nicht bloß die Ladendiener und die Ladenmädchen in der -Unterhaltung unaufhörlich: ich <em class="gesperrt">frug</em> ihn, er <em class="gesperrt">frug</em> mich, -wir <em class="gesperrt">frugen</em> sie, sondern auch der Student, der Gymnasiallehrer, -der Professor, alle schwatzens mit, alle Zeitungen, alle Novellen und -Romane schreibens, das richtige bekommt man kaum noch zu hören oder -zu lesen. Es fehlte nur, daß auch noch gesagt und geschrieben würde: -ich habe <em class="gesperrt">gefragen</em>, er hat mich <em class="gesperrt">gefragen</em> usw.<a id="FNAnker_37" href="#Fussnote_37" class="fnanchor">[37]</a> Wie -lange wird die alberne Mode<span class="pagenum" id="Seite_56">[S. 56]</span> dauern? wird sie nicht endlich dem Fluche -der Lächerlichkeit verfallen? Alle guten Schriftsteller und alle -anständigen Zeitschriften und Zeitungen brauchten nur die falschen -Formen beharrlich zu meiden, so würden wir sie bald ebenso schnell -wieder lossein, wie sie sich eingedrängt haben.<a id="FNAnker_38" href="#Fussnote_38" class="fnanchor">[38]</a></p> - -<p>Merkwürdig ist es, daß in diesem Falle die Sprache einmal aus -der schwachen in die starke Konjugation abgeirrt ist. Gewöhnlich -verläuft sie sich in umgekehrter Richtung. Wie kleine Kinder, die -erst reden lernen, anfangs starke Verba gern nach der schwachen -Konjugation bilden: ich <em class="gesperrt">schreibte</em>, der Käfer <em class="gesperrt">fliegte</em>, -der Mann, der da <em class="gesperrt">reinkamte</em>, so haben es auch immer die großen -Kinder gemacht, die nicht ordentlich hatten reden lernen. So werden -<em class="gesperrt">falten</em> und <em class="gesperrt">spalten</em>, die ursprünglich stark flektiert -wurden (<em class="gesperrt">falte</em>, <em class="gesperrt">fielt</em>, <em class="gesperrt">gefalten</em>), jetzt schwach -flektiert: mit <em class="gesperrt">gefalteten</em> Händen; von <em class="gesperrt">spalten</em> hat sich -nur das starke Partizip erhalten: <em class="gesperrt">gespaltnes</em> Holz. Aber einzelne -Zeitwörter sind schon in alter Zeit auch den umgekehrten Weg gegangen; -so ist das ursprüngliche <em class="gesperrt">geweist</em> und <em class="gesperrt">gepreist</em> schon -längst durch <em class="gesperrt">gewiesen</em> und <em class="gesperrt">gepriesen</em> verdrängt worden, -und in Mitteldeutschland kann man im Volksmunde hören: es wurde mit -der großen Glocke <em class="gesperrt">gelauten</em>, ich habe den ganzen Winter kalt -<em class="gesperrt">gebaden</em>.<a id="FNAnker_39" href="#Fussnote_39" class="fnanchor">[39]</a></p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Uebergefuehrt_und_ueberfuehrt">Übergeführt und überführt</h3> - -</div> - -<p>Auch das transitive <em class="gesperrt">führen</em> (d. h. bringen) und das intransitive -<em class="gesperrt">fahren</em> (d. h. sich bewegen) noch auseinanderhalten zu wollen, -wäre vergebliches Bemühen. In beiden Bedeutungen wird schon längst -bloß noch <em class="gesperrt">fahren</em> gebraucht: ich <em class="gesperrt">fahre</em> im Wagen, und -der Kutscher <em class="gesperrt">fährt</em> mich. Es kann aber gar nichts schaden, -wenn man sich an <em class="gesperrt">Fuhre</em>, <em class="gesperrt">Fuhrmann</em>, <em class="gesperrt">Bierführer</em>, -dem ältern<span class="pagenum" id="Seite_57">[S. 57]</span> <em class="gesperrt">Buchführer</em> (statt Buchhändler) u. a. den -ursprünglichen Unterschied gegenwärtig hält. Und dazu könnte auch -<em class="gesperrt">überführen</em> dienen, das jetzt in der Zeitungsprache (als -Ersatz für <em class="gesperrt">transportieren</em>) beliebt geworden ist, wenn man es -nur nicht fortwährend falsch flektiert lesen müßte! Täglich muß man -in Zeitungen von <em class="gesperrt">überführten</em> Kranken und <em class="gesperrt">überführten</em> -Leichen lesen, das soll heißen: von Personen, die in das oder -jenes Krankenhaus oder nach ihrem Tode in die Heimat zum Begräbnis -gebracht worden sind. Wie kann sich das Sprachgefühl so verirren! -Verbrecher werden <em class="gesperrt">überführt</em>, wenn ihnen trotz ihres Leugnens -ihr Verbrechen nachgewiesen wird: dann aber werden sie ins Zuchthaus -<em class="gesperrt">übergeführt</em>, wenn denn durchaus „geführt“ werden muß.</p> - -<p>Es gibt eine große Anzahl zusammengesetzter Zeitwörter, bei denen, -je nach der Bedeutung, die sie haben, bald die Präposition, bald das -Zeitwort betont wird, z. B. <em class="gesperrt">über</em>setzen (den Wandrer über den -Fluß) und über<em class="gesperrt">setzen</em>, <em class="gesperrt">über</em>fahren (über den Fluß) und -über<em class="gesperrt">fahren</em> (ein Kind auf der Straße), <em class="gesperrt">über</em>laufen (vom -Krug oder Eimer gesagt) und über<em class="gesperrt">laufen</em> (es über<em class="gesperrt">läuft</em> mich -kalt, er über<em class="gesperrt">läuft</em> mich mit seinen Besuchen), <em class="gesperrt">über</em>legen -(über die Bank) und über<em class="gesperrt">legen</em>, <em class="gesperrt">über</em>gehen (zum Feinde) und -über<em class="gesperrt">gehen</em> (den nächsten Abschnitt), <em class="gesperrt">unter</em>halten (den Krug -am Brunnen) und unter<em class="gesperrt">halten</em>, <em class="gesperrt">unter</em>schlagen (die Beine) -und unter<em class="gesperrt">schlagen</em> (eine Geldsumme), <em class="gesperrt">unter</em>breiten (einen -Teppich) und unter<em class="gesperrt">breiten</em> (ein Bittgesuch), <em class="gesperrt">hinter</em>ziehen -(ein Seil) und hinter<em class="gesperrt">ziehen</em> (die Steuern), <em class="gesperrt">um</em>schreiben -(noch einmal oder ins Reine schreiben) und um<em class="gesperrt">schreiben</em> (einen -Ausdruck durch einen andern), <em class="gesperrt">durch</em>streichen (eine Zeile) -und durch<em class="gesperrt">streichen</em> (eine Gegend), <em class="gesperrt">durch</em>sehen (eine -Rechnung) und durch<em class="gesperrt">schauen</em> (einen Betrug), <em class="gesperrt">um</em>gehen -und um<em class="gesperrt">gehen</em>, <em class="gesperrt">hinter</em>gehen und hinter<em class="gesperrt">gehen</em>, -<em class="gesperrt">wieder</em>holen und wieder<em class="gesperrt">holen</em> usw. Gewöhnlich haben die -Bildungen mit betonter Präposition die eigentliche, sinnliche, die -mit betontem Verbum eine übertragne, bisweilen auch die einen eine -transitive, die andern eine intransitive Bedeutung. Die Bildungen -nun, die die Präposition betonen, trennen bei der Flexion die -Präposition ab,<span class="pagenum" id="Seite_58">[S. 58]</span> oder richtiger: sie verbinden sie nicht mit dem Verbum -(ich <em class="gesperrt">breite unter</em>, ich <em class="gesperrt">streiche durch</em>, ich <em class="gesperrt">gehe -hinter</em>, daher auch <em class="gesperrt">hinterzugehen</em>) und bilden das Partizip -der Vergangenheit mit der Vorsilbe <em class="gesperrt">ge</em> (<em class="gesperrt">untergebreitet</em>, -<em class="gesperrt">durchgestrichen</em>, <em class="gesperrt">hintergegangen</em>); die dagegen, die -das Verbum betonen, lassen bei der Flexion Verbum und Präposition -verbunden (ich <em class="gesperrt">unterbreite</em>, ich <em class="gesperrt">durchstreiche</em>, ich -<em class="gesperrt">hintergehe</em>, daher auch <em class="gesperrt">zu hintergehen</em>) und bilden -das Partizip ohne die Vorsilbe <em class="gesperrt">ge</em> (<em class="gesperrt">unterbreitet</em>, -<em class="gesperrt">durchstrichen</em>, <em class="gesperrt">hintergangen</em>). Darnach ist es klar, -daß von einem Orte zum andern etwas nur <em class="gesperrt">übergeführt</em>, aber -nicht <em class="gesperrt">überführt</em> werden kann. Ebenso verhält sichs mit -<em class="gesperrt">übersiedeln</em>, wo das Sprachgefühl neuerdings auch ins Schwanken -gekommen ist. Richtig ist nur, wann siedelst du <em class="gesperrt">über</em>? ich bin -schon <em class="gesperrt">übergesiedelt</em>, aber nicht: wann <em class="gesperrt">übersiedelst</em> du? -ich bin schon <em class="gesperrt">übersiedelt</em>, die Familie <em class="gesperrt">übersiedelte</em> nach -Berlin.</p> - -<p>Die Verwirrung stammt aus Süddeutschland und namentlich aus Österreich, -wo nicht nur der angegebne Unterschied vielfach verwischt wird, -sondern überhaupt die Neigung besteht, das Gebiet der trennbaren -Zusammensetzung immer mehr einzuschränken. Der Österreicher sagt stets: -über<em class="gesperrt">führt</em>, über<em class="gesperrt">siedelt</em>; er an<em class="gesperrt">erkennt</em> etwas, er -unter<em class="gesperrt">ordnet</em> sich, eine Aufgabe ob<em class="gesperrt">liegt</em> ihm, er redet -von einem unter<em class="gesperrt">schobnen</em> Kinde, von dem Text, der einem Liede -unter<em class="gesperrt">legt</em> ist, er unter<em class="gesperrt">bringt</em> einen jungen Mann in einem -Geschäft, er über<em class="gesperrt">schäumt</em> vor Entrüstung, er hat die verschiednen -Weine des Landes durch<em class="gesperrt">kostet</em> usw. Wir sollen uns mit allen -Kräften gegen diese Verwirrung wehren, da sie ein Zeichen trauriger -Verlotterung des Sprachgefühls ist.</p> - -<p>Von den mit <em class="gesperrt">miß</em> zusammengesetzten Zeitwörtern sind Partizipia -mit oder ohne <em class="gesperrt">ge</em>- gebräuchlich, je nachdem man sich lieber -<em class="gesperrt">miß</em> oder das Verbum betont denkt, also miß<em class="gesperrt">lungen</em>, -miß<em class="gesperrt">raten</em>, miß<em class="gesperrt">fallen</em>, miß<em class="gesperrt">billigt</em>, miß<em class="gesperrt">deutet</em>, -miß<em class="gesperrt">gönnt</em>, miß<em class="gesperrt">braucht</em>, miß<em class="gesperrt">handelt</em>, neben -<em class="gesperrt">gemiß</em>braucht, <em class="gesperrt">gemiß</em>billigt, <em class="gesperrt">gemiß</em>handelt. Die -Vorsilbe <em class="gesperrt">ge</em>- kann aber niemals zwischen <em class="gesperrt">miß</em> und das -Zeitwort treten, <em class="gesperrt">miß</em> bleibt in der Flexion überall<span class="pagenum" id="Seite_59">[S. 59]</span> mit dem -Zeitwort verwachsen. Daher ist es auch falsch, Infinitive zu bilden wie -<em class="gesperrt">mißzuhandeln</em>, es muß unbedingt heißen: <em class="gesperrt">zu mißhandeln</em>, -<em class="gesperrt">zu mißbrauchen</em>.</p> - -<p>Für <em class="gesperrt">neubacken</em> wird jetzt öfter <em class="gesperrt">neugebacken</em> geschrieben: -ein neu<em class="gesperrt">gebackner</em> Doktor, ein neu<em class="gesperrt">gebackner</em> Ehemann -usw., aber doch immer nur von solchen, die sich die gute alte Form -nicht zu schreiben getrauen. Und doch fürchten sie sich weder vor -<em class="gesperrt">neuwaschen</em> noch vor <em class="gesperrt">altbacken</em> noch vor <em class="gesperrt">hausbacken</em>.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Ich_bin_gestanden">Ich bin gestanden oder ich habe gestanden?</h3> - -</div> - -<p>Ufm Bergli <em class="gesperrt">bin i gsässe</em>, ha de Vögle zugeschaut; hänt -gesunge, <em class="gesperrt">hänt gesprunge</em>, hänt’s Nestli gebaut – heißt es in -Goethes Schweizerlied. <em class="gesperrt">Ich bin gesessen</em>, <em class="gesperrt">gestanden</em>, -<em class="gesperrt">gelegen</em> ist das Ursprüngliche, das aber in der Schriftsprache -längst durch <em class="gesperrt">habe gesessen</em>, <em class="gesperrt">gestanden</em>, <em class="gesperrt">gelegen</em> -verdrängt ist. Nur mundartlich lebt es noch fort, und in einer -bayrischen oder österreichischen Erzählung aus dem Volksleben läßt -man sichs auch gern gefallen, auch in der Dichtersprache (Rückert: -es <em class="gesperrt">ist</em> ein Bäumlein <em class="gesperrt">gestanden</em> im Wald); in einem -wissenschaftlichen Aufsatz ist es unerträglich. Wie köstlich aber -ist das <em class="gesperrt">hänt gesprunge</em>! Die Verba der Bewegung bilden ja das -Perfektum alle mit <em class="gesperrt">sein</em>; manche können aber daneben auch ein -Perfektum mit <em class="gesperrt">haben</em> bilden, nämlich dann, wenn das Verbum -der Bewegung eine Beschäftigung bezeichnet. Schon im fünfzehnten -Jahrhundert heißt es in Leipzig: Der Custos zu S. Niclas <em class="gesperrt">hat</em> -mit dem Frohnen nach Erbgeld <em class="gesperrt">gangen</em>, d. h. er hat den Auftrag -ausgeführt, das Geld einzusammeln. Und heute heißt es allgemein: -vorige Woche <em class="gesperrt">haben</em> wir <em class="gesperrt">gejagt</em>, aber: ich <em class="gesperrt">bin</em> -in der ganzen Stadt <em class="gesperrt">herumgejagt</em>, eine Zeit lang <em class="gesperrt">bin</em> -ich diesem Trugbilde <em class="gesperrt">nachgejagt</em>, wir <em class="gesperrt">haben</em> die halbe -Nacht <em class="gesperrt">getanzt</em>, aber: das Pärchen <em class="gesperrt">war</em> ins Nebenzimmer -<em class="gesperrt">getanzt</em>. Jedermann sagt: <em class="gesperrt">ich bin gereist</em>, nur der -Handlungsreisende nicht, der sagt: ich <em class="gesperrt">habe</em> nun schon zehn -Jahre <em class="gesperrt">gereist</em>, denn das Reisen ist seine<span class="pagenum" id="Seite_60">[S. 60]</span> Beschäftigung!<a id="FNAnker_40" href="#Fussnote_40" class="fnanchor">[40]</a> -Wenn er aber sagt: Ich <em class="gesperrt">bin</em> mit Müller und Kompagnie zehn Jahre -lang <em class="gesperrt">verkehrt</em>, so ist das falsch: auch <em class="gesperrt">verkehren</em> bildet -sein Perfektum mit <em class="gesperrt">haben</em>. Und geradezu entsetzlich ist es, wenn -er seine junge Frau in der Stadt herumführt und ihr ein Haus zeigt -mit den Worten: Hier <em class="gesperrt">bin</em> ich ein Jahr lang <em class="gesperrt">jewohnt</em>! -Richtig unterschieden wird wohl allgemein zwischen: er <em class="gesperrt">ist</em> mir -<em class="gesperrt">gefolgt</em> (nachgegangen) und er <em class="gesperrt">hat</em> mir <em class="gesperrt">gefolgt</em> -(gehorcht), er <em class="gesperrt">ist fortgefahren</em> (im Wagen) und er <em class="gesperrt">hat -fortgefahren</em> (zu lügen).</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Singen_gehoert_oder_singen_hoeren">Singen gehört oder singen hören?</h3> - -</div> - -<p>Eine der eigentümlichsten Erscheinungen unsrer Sprache, die dem -Ausländer, der Deutsch lernen will, viel Kopfzerbrechen macht, wird mit -der Frage berührt, ob es heiße: ich habe dich <em class="gesperrt">singen gehört</em> oder -<em class="gesperrt">singen hören</em>.</p> - -<p>Bei den Hilfszeitwörtern <em class="gesperrt">können</em>, <em class="gesperrt">mögen</em>, <em class="gesperrt">dürfen</em>, -<em class="gesperrt">wollen</em>, <em class="gesperrt">sollen</em> und <em class="gesperrt">müssen</em> und bei einer Reihe -andrer Zeitwörter, die ebenfalls mit dem Infinitiv verbunden werden, -wie <em class="gesperrt">heißen</em>, <em class="gesperrt">lehren</em>, <em class="gesperrt">lernen</em>, <em class="gesperrt">helfen</em>, -<em class="gesperrt">lassen</em> (<em class="gesperrt">lassen</em> in allen seinen Bedeutungen: befehlen, -erlauben und zurücklassen), <em class="gesperrt">machen</em>, <em class="gesperrt">sehen</em>, <em class="gesperrt">hören</em> -und <em class="gesperrt">brauchen</em> (<em class="gesperrt">brauchen</em> im Sinne von <em class="gesperrt">müssen</em> -und <em class="gesperrt">dürfen</em>) ist schon in früher Zeit das Partizipium der -Vergangenheit, namentlich wenn es unmittelbar vor dem abhängigen -Infinitiv stand (der <em class="gesperrt">Rat</em> hat ihn <em class="gesperrt">geheißen gehen</em>), durch -eine Art von Versprechen mit diesem Infinitiv verwechselt und vermengt -worden. In der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts heißt es -bunt durcheinander: man hat ihn <em class="gesperrt">geheißen gehen</em> und <em class="gesperrt">heißen -gehen</em>, und passiv: er ist <em class="gesperrt">geheißen gehen</em>, er ist <em class="gesperrt">heißen -gehen</em>, er ist <em class="gesperrt">geheißen zu gehen</em>, ja sogar er ist <em class="gesperrt">gegangen -heißen</em>. Schließlich drang an der Stelle des Partizips der Infinitiv -vollständig durch,<span class="pagenum" id="Seite_61">[S. 61]</span> namentlich dann, wenn der abhängige Infinitiv -unmittelbar davorstand, und so sagte man nun allgemein: ich habe ihn -<em class="gesperrt">gehen heißen</em>, ich habe ihn <em class="gesperrt">tragen müssen</em>, ich habe ihn -<em class="gesperrt">kommen lassen</em>, ich habe ihn <em class="gesperrt">kennen lernen</em>, ich habe ihn -<em class="gesperrt">laufen sehen</em>, ich habe ihn <em class="gesperrt">rufen hören</em>, er hat viel von -sich <em class="gesperrt">reden machen</em> (Goethe im Faust: ihr habt mich weidlich -<em class="gesperrt">schwitzen</em> machen, der Kasus <em class="gesperrt">macht</em> mich <em class="gesperrt">lachen</em>), -du hättest nicht zu <em class="gesperrt">warten brauchen</em>.<a id="FNAnker_41" href="#Fussnote_41" class="fnanchor">[41]</a> Das merkwürdigste ist, -daß bei vieren von diesen Zeitwörtern der abhängige Infinitiv ebenfalls -erst durch ein Mißverständnis aus dem Partizip entstanden ist, nämlich -bei <em class="gesperrt">hören</em>, <em class="gesperrt">sehen</em>, <em class="gesperrt">machen</em> und <em class="gesperrt">lassen</em>: ich -höre ihn <em class="gesperrt">singen</em>, ich mache ihn <em class="gesperrt">schwitzen</em>, ich lasse ihn -<em class="gesperrt">liegen</em> ist ja entstanden aus: ich höre ihn <em class="gesperrt">singend</em>, -ich mache ihn <em class="gesperrt">schwitzend</em>, ich lasse ihn <em class="gesperrt">liegend</em>.<a id="FNAnker_42" href="#Fussnote_42" class="fnanchor">[42]</a> -In der Verbindung also: ich habe ihn <em class="gesperrt">singen hören</em> sind, so -wunderbar das klingt, zwei Partizipia, eins der Gegenwart und eins der -Vergangenheit, durch bloßes Mißverständnis zu Infinitiven geworden! -Diese merkwürdige Erscheinung ist aber nun durch jahrhundertelangen -Gebrauch in unsrer Sprache so eingebürgert, und sie ist uns so vertraut -und geläufig geworden, daß es gesucht, ungeschickt, ja geradezu -fehlerhaft erscheint, wenn jemand schreibt: ich habe sie auf dem Ball -<em class="gesperrt">kennen gelernt</em> – Dozent auf der Hochschule hatte ich <em class="gesperrt">werden -gewollt</em> (behüt dich Gott! es hat nicht <em class="gesperrt">sein gesollt</em>!) – er -hatte ein Mädchen mit einem Kinde gewissenlos <em class="gesperrt">sitzen gelassen</em> -– wir haben die Situation <em class="gesperrt">kommen gesehen</em> – über diesen -Versuch hat er nie Reue zu <em class="gesperrt">empfinden gebraucht</em> – du hast mir -das Verständnis <em class="gesperrt">erschließen geholfen</em> usw. Wer sich ungesucht -ausdrücken<span class="pagenum" id="Seite_62">[S. 62]</span> will, bleibt beim Infinitiv, ja er dehnt ihn unwillkürlich -gelegentlich noch auf sinnverwandte Zeitwörter aus und schreibt: wir -hätten diese Schuld auch dann noch auf uns <em class="gesperrt">lasten fühlen</em> (statt: -<em class="gesperrt">lasten gefühlt</em>). (Lenau: Drei Zigeuner <em class="gesperrt">fand</em> ich einmal -<em class="gesperrt">liegen</em> an einer Weide.)</p> - -<p>Kommen zwei solche Hilfszeitwörter zusammen, so hilft es nichts, und -wenn sich der Papiermensch noch so sehr darüber entsetzt: es stehn dann -drei Infinitive nebeneinander: wir hätten den Kerl <em class="gesperrt">laufen lassen -sollen</em>, <em class="gesperrt">laufen lassen müssen</em>, <em class="gesperrt">laufen lassen können</em>. -Klingt wundervoll und ist – ganz richtig.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Du_issest_oder_du_isst">Du issest oder du ißt?</h3> - -</div> - -<p>In der Flexion innerhalb der einzelnen Tempora können keine Fehler -gemacht werden und werden auch keine gemacht. Bei Verbalstämmen, die -auf s, ß oder z ausgehen, empfiehlt sichs, im Präsens in der zweiten -Person des Singular das e zu bewahren, das sonst jetzt ausgeworfen -wird: du <em class="gesperrt">reisest</em>, du <em class="gesperrt">liesest</em>, du <em class="gesperrt">hassest</em>, du -<em class="gesperrt">beißest</em>, du <em class="gesperrt">tanzest</em>, du <em class="gesperrt">seufzest</em>. Allgemein üblich -ist freilich: du <em class="gesperrt">mußt</em>, du <em class="gesperrt">läßt</em>, fast allgemein auch: du -<em class="gesperrt">ißt</em>. Aber zu fragen: du <em class="gesperrt">speist</em> doch heute bei mir? wäre -nicht fein; zwischen <em class="gesperrt">speisen</em> und <em class="gesperrt">speien</em> muß man hübsch -unterscheiden. (Vgl. auch <em class="gesperrt">du haust</em> und <em class="gesperrt">du hausest</em>.) -Bei Verbalstämmen dagegen, die auf sch endigen, kann man getrost -sagen: du <em class="gesperrt">naschst</em>, du <em class="gesperrt">wäschst</em>, du <em class="gesperrt">drischst</em>, du -<em class="gesperrt">wünschst</em>, sogar du <em class="gesperrt">rutschst</em>. Auch in der zweiten Person -der Mehrzahl wird das e, wenigstens in Nord- und Mitteldeutschland, -schon längst nicht mehr gesprochen; also hat es auch keinen Sinn, es -zu schreiben. Über Maueranschläge, wie: <em class="gesperrt">Besuchet</em> Augsburg mit -seinen Sehenswürdigkeiten, oder: <em class="gesperrt">Waschet</em> mit Seifenextrakt, -lacht man in Leipzig schon wegen des altmodischen <em class="gesperrt">et</em>. Nur bei -der Abendmahlsfeier läßt man sich gern gefallen: <em class="gesperrt">Nehmet</em> hin und -<em class="gesperrt">esset</em>.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Staende_oder_stuende">Stände oder stünde? Begänne oder begönne?</h3> - -</div> - -<p>Immer größer wird die Unbeholfenheit, den Konjunktiv des Imperfekts -richtig zu bilden. Viele getrauen<span class="pagenum" id="Seite_63">[S. 63]</span> sichs kaum noch, sie umschreiben -ihn womöglich überall durch den sogenannten Konditional (<em class="gesperrt">würde</em> -mit dem Infinitiv), auch da, wo das nach den Regeln der Satzlehre -ganz unzulässig ist (vgl. <a href="#Seite_158">S. 158</a>). Besonders auffällig ist bei -einer Reihe von Zeitwörtern die Unsicherheit über den Umlautsvokal: -soll man ä oder ü gebrauchen? Das Schwanken ist dadurch entstanden, -daß im Mittelhochdeutschen der Pluralvokal im Imperfektum vielfach -anders lautete als der Singularvokal (<span class="antiqua">half</span>, <span class="antiqua">hulfen</span>; -<span class="antiqua">wart</span>, <span class="antiqua">wurden</span>), dieser Unterschied sich aber später -ausglich. Da nun der Konjunktiv immer mit dem Umlaut des Pluralvokals -gebildet wurde, so entstand Streit zwischen ü und ä. Da aber die -ursprünglichen Formen (<em class="gesperrt">hülfe</em>, <em class="gesperrt">stürbe</em>, <em class="gesperrt">verdürbe</em>, -<em class="gesperrt">würbe</em>, <em class="gesperrt">würfe</em>) doch noch lebendig sind, so verdienen sie -auch ohne Zweifel geschützt und den später eingedrungnen <em class="gesperrt">hälfe</em>, -<em class="gesperrt">stärbe</em>, <em class="gesperrt">verdärbe</em>, <em class="gesperrt">wärbe</em>, <em class="gesperrt">wärfe</em> vorgezogen -zu werden. Neben <em class="gesperrt">würde</em> ist die Form mit ä gar nicht aufgekommen. -Von <em class="gesperrt">stehen</em> hieß das Imperfekt ursprünglich überhaupt nicht -<em class="gesperrt">stand</em>, sondern <em class="gesperrt">stund</em>, wie es in Süddeutschland noch heute -heißt; das u ging durch den Singular wie durch den Plural. Folglich -ist auch hier <em class="gesperrt">stünde</em> älter und richtiger als <em class="gesperrt">stände</em>. -Bei einigen Verben, wie bei <em class="gesperrt">beginnen</em>, hat der Streit zwischen -ä und ü im Anschluß an das o des Partizips (<em class="gesperrt">begonnen</em>) im -Konjunktiv des Imperfekts ö in Aufnahme gebracht. Auch diese Formen mit -ö (<em class="gesperrt">beföhle</em>, <em class="gesperrt">begönne</em>, <em class="gesperrt">besönne</em>, <em class="gesperrt">empföhle</em>, -<em class="gesperrt">gewönne</em>, <em class="gesperrt">gölte</em>, <em class="gesperrt">rönne</em>, <em class="gesperrt">schölte</em>, -<em class="gesperrt">schwömme</em>, <em class="gesperrt">spönne</em>, <em class="gesperrt">stöhle</em>) verdienen, da sie den -Formen mit umgewandeltem Pluralvokal entsprechen, den Vorzug vor denen -mit ä.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Kaennte_oder_kennte">Kännte oder kennte?</h3> - -</div> - -<p>Ein Irrtum ist es, wenn man glaubt, aus dem Indikativ <em class="gesperrt">kannte</em> -einen Konjunktiv <em class="gesperrt">kännte</em> bilden zu dürfen. Die sechs -schwachen Zeitwörter: <em class="gesperrt">brennen</em>, <em class="gesperrt">kennen</em>, <em class="gesperrt">nennen</em>, -<em class="gesperrt">rennen</em>, <em class="gesperrt">senden</em> und <em class="gesperrt">wenden</em> haben eigentlich ein a -im Stamm, sind also schon im Präsens umgelautet. Ihr Imperfekt bilden -sie ebenso wie das Partizip der Vergangenheit (durch den sogenannten -Rückumlaut) mit a: <em class="gesperrt">brannte</em>, <em class="gesperrt">gebrannt</em>, <em class="gesperrt">sandte</em>, -<em class="gesperrt">gesandt</em>,<span class="pagenum" id="Seite_64">[S. 64]</span> und da der Konjunktiv bei schwachen Verben nicht -umlautet, so sollte er eigentlich ebenfalls <em class="gesperrt">brannte</em>, -<em class="gesperrt">sandte</em> heißen. Zur Unterscheidung hat man aber (und zwar -ursprünglich nur im Mitteldeutschen) einen Konjunktiv <em class="gesperrt">brennete</em>, -<em class="gesperrt">kennete</em>, <em class="gesperrt">nennete</em>, <em class="gesperrt">rennete</em>, <em class="gesperrt">sendete</em> und -<em class="gesperrt">wendete</em> gebildet. Das e dieser Formen ist nicht etwa ein -jüngerer Umlaut zu dem a des Indikativs, sondern es ist das alte -Umlauts-e, das durch das Präsens dieser Zeitwörter geht. Wirft man -nun, wie es jetzt geschieht, aus <em class="gesperrt">brennete</em>, <em class="gesperrt">kennete</em> das -mittlere e aus, das in <em class="gesperrt">sendete</em> und <em class="gesperrt">wendete</em> beibehalten -wird, so bleibt <em class="gesperrt">brennte</em>, <em class="gesperrt">kennte</em> übrig. In früherer Zeit -gehörten noch andre Verba zu dieser Reihe, z. B. <em class="gesperrt">setzen</em> und -<em class="gesperrt">stellen</em>; der Konjunktiv des Imperfekts heißt hier <em class="gesperrt">setzte</em>, -<em class="gesperrt">stellte</em>, der Indikativ und das Partizipium aber hießen früher: -<em class="gesperrt">sazte</em>, <em class="gesperrt">stalte</em>, <em class="gesperrt">gesazt</em>, <em class="gesperrt">gestalt</em> (das noch in -<em class="gesperrt">wohlgestalt</em>, <em class="gesperrt">mißgestalt</em>, <em class="gesperrt">ungestalt</em> erhalten ist).</p> - -<figure class="figcenter illowe3" id="deko6"> - <img class="w100 padtop1" src="images/deko.png" alt="Deko"> -</figure> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_65">[S. 65]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Zur_Wortbildungslehre">Zur Wortbildungslehre</h2> - -</div> - -<figure class="figcenter illowe3" id="deko7"> - <img class="w100 padtop1" src="images/deko.png" alt="Deko"> -</figure> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_67">[S. 67]</span></p> - -<figure class="figcenter illowe50" id="borduere1d"> - <img class="w100 mtop3" src="images/borduere1.png" alt="Zierband"> -</figure> - -<h3 id="Reformer_und_Protestler">Reformer und Protestler</h3> - -</div> - -<p class="p0"><span class="drop">E</span>rstaunlich ist die Fülle und Mannigfaltigkeit in unsrer Wortbildung, -noch erstaunlicher die Sicherheit des Sprachgefühls, mit der sie doch -im allgemeinen gehandhabt und durch gute und richtige Neubildungen -vermehrt wird. Doch fehlt es auch hier nicht an Mißhandlungen und -Verirrungen.</p> - -<p>Im Volksmund ist es seit alter Zeit üblich, zur Bezeichnung von Männern -dadurch Substantiva zu bilden, daß man an ein Substantiv, das eine -Sache bezeichnet, oder an ein andres Nomen die Endung <em class="gesperrt">er</em> hängt. -In Leipzig sprach man im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert nicht -bloß von <em class="gesperrt">Barfüßern</em>, sondern nannte auch die Insassen der beiden -andern Mönchsklöster kurzweg <em class="gesperrt">Pauler</em> und <em class="gesperrt">Thomasser</em>, -und im siebzehnten Jahrhundert die kurfürstliche Besatzung der -Stadt <em class="gesperrt">Defensioner</em>. Dazu kamen später die <em class="gesperrt">Korrektioner</em> -(die Insassen des Arbeitshauses) und die <em class="gesperrt">Polizeier</em>, und in -neuerer Zeit die <em class="gesperrt">Hundertsiebener</em>, die <em class="gesperrt">Urlauber</em>, die -<em class="gesperrt">Sanitäter</em>, die <em class="gesperrt">Eisenbahner</em> und die <em class="gesperrt">Straßenbahner</em>. -Im Buchhandel spricht man von <em class="gesperrt">Sortimentern</em>, in der gelehrten -Welt von <em class="gesperrt">Naturwissenschaftern</em> und <em class="gesperrt">Sprachwissenschaftern</em>, -in der Malerei von <em class="gesperrt">Landschaftern</em>, und in der Politik von -<em class="gesperrt">Botschaftern</em>, <em class="gesperrt">Reformern</em> und – <em class="gesperrt">Attentätern</em>!<a id="FNAnker_43" href="#Fussnote_43" class="fnanchor">[43]</a> -Da manche dieser Bildungen unleugbar einen etwas niedrigen -Beigeschmack haben, der den von<span class="pagenum" id="Seite_68">[S. 68]</span> Verbalstämmen gebildeten Substantiven -auf er (<em class="gesperrt">Herrscher</em>, <em class="gesperrt">Denker</em>, <em class="gesperrt">Kämpfer</em>) nicht -anhaftet, so sollte man sich mit ihnen recht in acht nehmen. In -<em class="gesperrt">Reformer</em>, das man dem Engländer nachplappert, liegt unleugbar -etwas geringschätziges im Vergleich zu <em class="gesperrt">Reformator</em>; unter -einem <em class="gesperrt">Reformer</em> denkt man sich einen Menschen, der wohl -reformatorische Anwandlungen hat, es aber damit zu nichts bringt. -Noch viel deutlicher liegt nun dieses geringschätzige in den -Bildungen auf <em class="gesperrt">ler</em>, wie <em class="gesperrt">Geschmäckler</em>, <em class="gesperrt">Zünftler</em>, -<em class="gesperrt">Tugendbündler</em>, <em class="gesperrt">Temperenzler</em>, <em class="gesperrt">Abstinenzler</em>, -<em class="gesperrt">Protestler</em>, <em class="gesperrt">Radler</em>, <em class="gesperrt">Sommerfrischler</em>, -<em class="gesperrt">Barfüßler</em>, <em class="gesperrt">Zuchthäusler</em>; deshalb ist es unbegreiflich, -wie manche Leute so geschmacklos sein können, von <em class="gesperrt">Neusprachlern</em> -und von <em class="gesperrt">Naturwissenschaftlern</em> zu reden. Eigentlich gehen -ja die Bildungen auf <em class="gesperrt">ler</em> auf Zeitwörter zurück, die auf -<em class="gesperrt">eln</em> endigen, wie <em class="gesperrt">bummeln</em>, <em class="gesperrt">betteln</em>, <em class="gesperrt">grübeln</em>, -<em class="gesperrt">kritteln</em>, <em class="gesperrt">sticheln</em>, <em class="gesperrt">nörgeln</em>, <em class="gesperrt">kränkeln</em>, -<em class="gesperrt">hüsteln</em>, <em class="gesperrt">frömmeln</em>, <em class="gesperrt">tänzeln</em>, <em class="gesperrt">radeln</em>, -<em class="gesperrt">anbändeln</em>, sich <em class="gesperrt">herumwörteln</em>, <em class="gesperrt">näseln</em>, -<em class="gesperrt">schwäbeln</em>, <em class="gesperrt">französeln</em>. So setzen <em class="gesperrt">Neusprachler</em> und -<em class="gesperrt">Naturwissenschaftler</em> die Zeitwörter <em class="gesperrt">neuspracheln</em> und -<em class="gesperrt">naturwissenschafteln</em> voraus; das wären aber doch Tätigkeiten, -hinter denen kein rechter Ernst wäre, die nur als Spielerei betrieben -würden. An <em class="gesperrt">Künstler</em> haben wir uns freilich ganz gewöhnt, obwohl -<em class="gesperrt">künsteln</em> mit seiner geringschätzigen Bedeutung daneben steht, -auch an <em class="gesperrt">Tischler</em> und <em class="gesperrt">Häusler</em>.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Aerztin_und_Patin">Ärztin und Patin</h3> - -</div> - -<p>Von Substantiven, die einen Mann bezeichnen, werden Feminina auf -<em class="gesperrt">in</em> gebildet: <em class="gesperrt">König, Königin</em> – <em class="gesperrt">Wirt, Wirtin</em> -– <em class="gesperrt">Koch, Köchin</em> – <em class="gesperrt">Berliner, Berlinerin</em> – sogar -<em class="gesperrt">Landsmann, Landsmännin</em> (während sonst natürlich zu <em class="gesperrt">Mann</em> -das Femininum <em class="gesperrt">Weib</em> oder <em class="gesperrt">Frau</em> ist: der <em class="gesperrt">Kehrmann</em>, -das <em class="gesperrt">Waschweib</em>, der <em class="gesperrt">Botenmann</em>, die <em class="gesperrt">Botenfrau</em>). -Von <em class="gesperrt">Arzt</em> hat man in letzter Zeit <em class="gesperrt">Ärztin</em> gebildet. -Manche getrauten sich das anfangs nicht zu sagen und sprachen von -<em class="gesperrt">weiblichen Ärzten</em>, es ist aber gar nichts dagegen einzuwenden, -und es ist abgeschmackt, wenn unsre Zeitungen<span class="pagenum" id="Seite_69">[S. 69]</span> immer von männlichen und -<em class="gesperrt">weiblichen Arbeitern</em>, männlichen und <em class="gesperrt">weiblichen Lehrern</em> -reden statt von Arbeitern und <em class="gesperrt">Arbeiterinnen</em>, Lehrern und -<em class="gesperrt">Lehrerinnen</em> (abgeschmackt auch, wenn es in Polizeiberichten -heißt, daß ein neugebornes <em class="gesperrt">Kind</em> männlichen oder <em class="gesperrt">weiblichen -Geschlechts</em> im Wasser gefunden worden sei, statt ein neugeborner -Knabe oder ein neugebornes <em class="gesperrt">Mädchen</em>). Dagegen ist es nicht gut, -ein Femininum auf <em class="gesperrt">in</em> zu bilden von <em class="gesperrt">Pate</em>, <em class="gesperrt">Kunde</em> -(beim Kaufmann) und <em class="gesperrt">Gast</em>. In der ältern Sprache findet sich -zwar zuweilen auch <em class="gesperrt">Gästin</em>, auf Theaterzetteln konnte man noch -vor gar nicht langer Zeit lesen, daß eine auswärtige Schauspielerin -als <em class="gesperrt">Gastin</em> auftrete, aber wer möchte noch heute eine Frau -oder ein Mädchen seine <em class="gesperrt">Gästin</em> oder <em class="gesperrt">Gastin</em> nennen? Bei -<em class="gesperrt">Pate</em> unterscheidet man <em class="gesperrt">den Paten</em> und <em class="gesperrt">die Pate</em>, -je nachdem ein Knabe oder ein Mädchen gemeint ist, und der Kaufmann -sagt: das ist <em class="gesperrt">ein guter Kunde</em> oder <em class="gesperrt">eine gute Kunde</em> von -mir. Entsetzlich sind die in der Juristensprache üblichen Bildungen: -die <em class="gesperrt">Beklagtin</em>, die <em class="gesperrt">Verwandtin</em> und – das neueste – die -<em class="gesperrt">Beamtin</em>. Von Partizipialsubstantiven – und ein solches ist -auch der <em class="gesperrt">Beamte</em>, d. h. der <em class="gesperrt">Beamtete</em>, der mit einem Amte -versehene – können keine Feminina auf <em class="gesperrt">in</em> gebildet werden; -niemand sagt: meine <em class="gesperrt">Bekanntin</em>, meine <em class="gesperrt">Geliebtin</em>, auch -Juristen nicht.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Tintefass_oder_Tintenfass">Tintefaß oder Tintenfaß?</h3> - -</div> - -<p>Zusammensetzungen aus zwei Substantiven wurden im Deutschen -ursprünglich nur so gebildet, daß der Stamm des ersten Wortes, -des Bestimmungswortes, an das zweite, das bestimmte Wort vorn -angefügt wurde, z. B. <em class="gesperrt">Tage-lohn</em>; das e in Tagelohn ist der -abgeschwächte Stammauslaut. Später sind zusammengesetzte Wörter auch -dadurch entstanden, daß ein vorangehendes Substantiv im Genitiv -mit einem folgenden durch einfaches Aneinanderrücken verschmolz, -z. B. <em class="gesperrt">Gottesdienst</em>, <em class="gesperrt">Sonntagsfeier</em>, <em class="gesperrt">Tageslicht</em>, -<em class="gesperrt">Heeressprache</em>, <em class="gesperrt">Handelskammer</em>. In manchen Fällen sind -jetzt beide Arten der Zusammensetzungen nebeneinander gebräuchlich in -verschiedner Bedeutung, z. B. <em class="gesperrt">Landmann</em> und<span class="pagenum" id="Seite_70">[S. 70]</span> <em class="gesperrt">Landsmann</em>, -<em class="gesperrt">Wassernot</em> und <em class="gesperrt">Wassersnot</em>. Nun endet bei allen schwachen -Femininen der Stamm ursprünglich ebenso wie der Genitiv, beide gehen -eigentlich auf <em class="gesperrt">en</em> aus, und so haben diese schwachen Feminina -eine sehr große Zahl von Zusammensetzungen mit <em class="gesperrt">en</em> gebildet, -auch in das Gebiet der starken Feminina übergegriffen, sodaß <em class="gesperrt">en</em> -zum Hauptbindemittel für Feminina überhaupt geworden ist. Man denke -<em class="gesperrt">nur an Sonnenschein</em>, <em class="gesperrt">Frauenkirche</em> (d. i. die Kirche -unsrer lieben <em class="gesperrt">Frauen</em>, der Jungfrau Maria), <em class="gesperrt">Erdenrund</em>, -<em class="gesperrt">Lindenblatt</em>, <em class="gesperrt">Aschenbecher</em>, <em class="gesperrt">Taschentuch</em>, -<em class="gesperrt">Seifensieder</em>, <em class="gesperrt">Gassenjunge</em>, <em class="gesperrt">Stubentür</em>, -<em class="gesperrt">Laubendach</em>, <em class="gesperrt">Küchenschrank</em>, <em class="gesperrt">Schneckenberg</em>, -<em class="gesperrt">Wochenamt</em>, <em class="gesperrt">Gallenstein</em>, <em class="gesperrt">Kohlenzeichnung</em>, -<em class="gesperrt">Leichenpredigt</em>, <em class="gesperrt">Reihenfolge</em>, <em class="gesperrt">Wiegenlied</em>, -<em class="gesperrt">Längenmaß</em>, <em class="gesperrt">Breitengrad</em>, <em class="gesperrt">Größenwahn</em>, -<em class="gesperrt">Muldental</em>, <em class="gesperrt">Pleißenburg</em>, <em class="gesperrt">Parthendörfer</em>, -<em class="gesperrt">Markthallenstraße</em> u. a. Sogar Lehn- und Fremdwörter haben sich -dieser Zusammensetzung angeschlossen, wie in <em class="gesperrt">Straßenpflaster</em>, -<em class="gesperrt">Tintenfaß</em>, <em class="gesperrt">Kirchendiener</em>, <em class="gesperrt">Lampenschirm</em>, -<em class="gesperrt">Flötenspiel</em>, <em class="gesperrt">Kasernenhof</em>, <em class="gesperrt">Bastillenplatz</em>, -<em class="gesperrt">Visitenkarte</em>, <em class="gesperrt">Toilettentisch</em>, <em class="gesperrt">Promenadenfächer</em>, -<em class="gesperrt">Kolonnadenstraße</em>. Ein reizendes Bild in der Dresdner Galerie ist -das <em class="gesperrt">Schokoladenmädchen</em>.</p> - -<p>Bei dem einfachen Zusammenrücken von Wörtern stellten sich nun -aber Genitive im Plural als erster Teil der Zusammensetzung ein, -und das hat neuerdings zu einer traurigen Verirrung geführt. Man -bildet sich ein, das Binde-<em class="gesperrt">en</em> sei überhaupt nichts andres als -das Plural-<em class="gesperrt">en</em>, man fühlt nicht mehr, daß dieses <em class="gesperrt">en</em> -ebenso gut die Berechtigung hat, einen weiblichen Singular mit -einem folgenden Substantiv zu verbinden, und so schreibt und druckt -man jetzt wahrhaftig aus Angst vor eingebildeten widersinnigen -Pluralen: <em class="gesperrt">Aschebecher</em>, <em class="gesperrt">Aschegrube</em>, <em class="gesperrt">Tintefaß</em>, -<em class="gesperrt">Jauchefaß</em>, <em class="gesperrt">Sahnekäse</em>, <em class="gesperrt">Hefezelle</em>, <em class="gesperrt">Hefepilz</em>, -<em class="gesperrt">Rassepferd</em> und <em class="gesperrt">Rassehund</em>, <em class="gesperrt">Stellegesuch</em>, -<em class="gesperrt">Muldetal</em>, <em class="gesperrt">Pleißeufer</em>, <em class="gesperrt">Parthebrücke</em>, -<em class="gesperrt">Gartenlaubekalender</em>, <em class="gesperrt">Gartenlaubebilderbuch</em>, -<em class="gesperrt">Sparkassebuch</em>, <em class="gesperrt">Visitekarte</em>, <em class="gesperrt">Toiletteseife</em>, -<em class="gesperrt">Serviettering</em>, <em class="gesperrt">Manschetteknopf</em>,<span class="pagenum" id="Seite_71">[S. 71]</span> <em class="gesperrt">Promenadeplatz</em>, -<em class="gesperrt">Schokoladefabrik</em> usw. In allen Bauzeitungen muß man von -<em class="gesperrt">Mansardedach</em> und von <em class="gesperrt">Lageplan</em> lesen (so haben die -Architekten, die erfreulicherweise eifrige Sprachreiniger sind, -<em class="gesperrt">Situationsplan</em> übersetzt), in allen Kunstzeitschriften von -<em class="gesperrt">Kohlezeichnungen</em> und <em class="gesperrt">Kohledrucken</em>, offenbar damit ja -niemand denke, die Zeichnungen oder Drucke wären mit einem Stück Stein- -oder Braunkohle aus dem <em class="gesperrt">Kohlenkasten</em> gemacht – nicht wahr? Wer -nicht fühlt, daß das alles das bare Gestammel ist, der ist aufrichtig -zu bedauern. Es klingt genau, wie wenn kleine Kinder dahlten, -die erst reden lernen und noch nicht alle Konsonanten bewältigen -können. Man setze sich das nur im Geiste weiter fort – was wird die -Folge sein? daß wir in Zukunft auch stammeln: <em class="gesperrt">Sonneschein</em>, -<em class="gesperrt">Taschetuch</em>, <em class="gesperrt">Brilleglas</em>, <em class="gesperrt">Gosestube</em>, -<em class="gesperrt">Zigarrespitze</em>, <em class="gesperrt">Straßepflaster</em>, <em class="gesperrt">Roseduft</em>, -<em class="gesperrt">Seifeblase</em>, <em class="gesperrt">Hülsefrucht</em>, <em class="gesperrt">Laubedach</em>, -<em class="gesperrt">Geigespiel</em>, <em class="gesperrt">Ehrerettung</em>, <em class="gesperrt">Wiegelied</em>, -<em class="gesperrt">Aschebrödel</em> usw.<a id="FNAnker_44" href="#Fussnote_44" class="fnanchor">[44]</a> Sollten einzelne dieser Wörter vor der -Barbarei bewahrt bleiben, so könnte es nur deshalb geschehen, weil man -annähme, ihr Bestimmungswort stehe im Plural, und der sei richtig, also -ein <em class="gesperrt">Taschentuch</em> sei nicht ein Tuch für die Tasche, sondern – -für die Taschen!</p> - -<p>Wo das Binde-<em class="gesperrt">en</em> aus rhythmischen oder andern Gründen nicht -gebraucht wird, bleibt für Feminina nur noch die eine Möglichkeit, -den verkürzten Stamm zu benutzen, der wieder mit dem eigentlichen -Stamm der alten starken Feminina zusammenfällt und dadurch -überhaupt erst in der Zusammensetzung von Femininen aufgekommen -ist. So findet sich in früherer Zeit <em class="gesperrt">Leichpredigt</em> neben -<em class="gesperrt">Leichenpredigt</em>, und so haben wir längst <em class="gesperrt">Mühlgasse</em> -neben <em class="gesperrt">Mühlenstraße</em>, <em class="gesperrt">Erdball</em> und <em class="gesperrt">Erdbeere</em> -neben <em class="gesperrt">Erdenrund</em> und <em class="gesperrt">Erdenkloß</em>, <em class="gesperrt">Kirchspiel</em> und -<em class="gesperrt">Kirchvater</em> neben <em class="gesperrt">Kirchenbuch</em> und <em class="gesperrt">Kirchendiener</em>, -<em class="gesperrt">Elbtal</em>, <em class="gesperrt">Elbufer</em> und <em class="gesperrt">Elbbrücke</em><span class="pagenum" id="Seite_72">[S. 72]</span> neben -<em class="gesperrt">Muldental</em> und <em class="gesperrt">Muldenbett</em>. Vor dreißig Jahren sagte man -<em class="gesperrt">Lokomotivenführer</em>, und das war gut und richtig. Neuerdings -hat die Amtssprache <em class="gesperrt">Lokomotivführer</em> durchgedrückt. Das ist -zwar ganz häßlich, denn nun stoßen zwei Lippenlaute (v und f) -aufeinander, aber es ist ja zur Not auch richtig. Aber ein Wort wie -<em class="gesperrt">Saalezeitung</em> oder <em class="gesperrt">Solebad</em>, wie man auch neuerdings -lallt (das <em class="gesperrt">Solebad</em> Kissingen), ist doch die reine Leimerei. -Bei <em class="gesperrt">Saalzeitung</em> könnte wohl einer an den <em class="gesperrt">Saal</em> denken -statt an die <em class="gesperrt">Saale</em>? Denkt denn beim <em class="gesperrt">Saalkreis</em>, beim -<em class="gesperrt">Saalwein</em> und bei der <em class="gesperrt">Saalbahn</em> jemand dran?<a id="FNAnker_45" href="#Fussnote_45" class="fnanchor">[45]</a> Die -Amtssprache fängt jetzt freilich auch an, vom <em class="gesperrt">Saalekreis</em> zu -stammeln. Als 1747 das erste Rhinozeros nach Deutschland kam, nannten -es die Leute bald <em class="gesperrt">Nashorn</em>, bald <em class="gesperrt">Nasenhorn</em>. Hätte man das -Tier heute zu benennen, man würde es unzweifelhaft <em class="gesperrt">Nasehorn</em> -nennen.<a id="FNAnker_46" href="#Fussnote_46" class="fnanchor">[46]</a> Das Neueste ist, daß sich die Herren von der Presse jetzt -<em class="gesperrt">Pressevertreter</em> nennen und bisweilen ein <em class="gesperrt">Pressefest</em> -oder einen <em class="gesperrt">Presseball</em> veranstalten. Von einem <em class="gesperrt">Preßfest</em> -oder einem <em class="gesperrt">Preßball</em> zu reden fürchten sie sich, offenbar -damit niemand an die <em class="gesperrt">Preßwurst</em> denke! Ein Glück, daß die -Wörter <em class="gesperrt">Preßfreiheit</em>, <em class="gesperrt">Preßgesetz</em>, <em class="gesperrt">Preßvergehen</em>, -<em class="gesperrt">Preßpolizei</em>, <em class="gesperrt">Preßbureau</em> schon in einer Zeit gebildet -worden sind, wo die Herren von der Presse noch deutsch reden konnten!</p> - -<p>Besonders bei der Zusammensetzung mit Namen wird jetzt (z. B. bei -der Taufe neuer Straßen oder Gebäude) fast nur noch in dieser Weise -geleimt. Wer wäre vor<span class="pagenum" id="Seite_73">[S. 73]</span> hundert Jahren imstande gewesen, eine Straße -<em class="gesperrt">Augustastraße</em>, ein Haus <em class="gesperrt">Marthahaus</em>, einen Garten -<em class="gesperrt">Johannapark</em> zu nennen! Da sagte man <em class="gesperrt">Annenkirche</em>, -<em class="gesperrt">Katharinenstraße</em>, <em class="gesperrt">Marienbild</em>, und es fiel doch auch -niemand ein, dabei an eine Mehrzahl von Annen, Katharinen oder Marien -zu denken.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Speisenkarte_oder_Speisekarte">Speisenkarte oder Speisekarte?</h3> - -</div> - -<p>Da haben also wohl die Schenkwirte, die statt der früher allgemein -üblichen <em class="gesperrt">Speisekarte</em> eine <em class="gesperrt">Speisenkarte</em> eingeführt -haben, etwas recht weises getan? Sie haben den guten alten Genitiv -wiederhergestellt? Nein, daran haben sie nicht gedacht, sie haben die -Mehrzahl ausdrücken wollen, denn sie haben sich überlegt: auf meiner -Karte steht doch nicht bloß <em class="gesperrt">eine</em> Speise. Damit sind sie aber -auch wieder gründlich in die Irre geraten. In <em class="gesperrt">Speisekarte</em> ist -die erste Hälfte gar nicht durch das Hauptwort <em class="gesperrt">Speise</em> gebildet, -sondern durch den Verbalstamm von <em class="gesperrt">speisen</em>. Alles, was zum -Speisen gehört: die <em class="gesperrt">Speisekammer</em>, das <em class="gesperrt">Speisezimmer</em>, der -<em class="gesperrt">Speisesaal</em>, das <em class="gesperrt">Speisegeschirr</em>, der <em class="gesperrt">Speisezettel</em> -– alles ist mit diesem Verbalstamm zusammengesetzt. So ist auch die -<em class="gesperrt">Speisekarte</em> nicht die Karte, auf der die Speisen verzeichnet -stehen, sondern die Karte, die man beim Speisen gebraucht, wie -die <em class="gesperrt">Tanzkarte</em> die Karte, die man beim Tanzen gebraucht, -das <em class="gesperrt">Kochbuch</em> das Buch, das man beim Kochen benutzt, die -<em class="gesperrt">Spielregel</em> die Regel, die man beim Spielen beobachtet, die -<em class="gesperrt">Bauordnung</em> die Ordnung, nach der man sich beim Bauen richtet, -der <em class="gesperrt">Fahrplan</em> der Plan, der uns darüber belehrt, wann und -wohin gefahren wird, die <em class="gesperrt">Singweise</em> die Weise, nach der man -singt, das <em class="gesperrt">Stickmuster</em> das Muster, nach dem man stickt, die -<em class="gesperrt">Zählmethode</em> die Methode, nach der man zählt. Alle diese -Wörter sind mit einem Verbalstamm zusammengesetzt. Hätten die -Schenkwirte mit ihrer <em class="gesperrt">Speisenkarte</em> Recht, dann müßten sie -doch auch <em class="gesperrt">Weinekarte</em> sagen.<a id="FNAnker_47" href="#Fussnote_47" class="fnanchor">[47]</a> Glücklicherweise<span class="pagenum" id="Seite_74">[S. 74]</span> läßt sich -der Volksmund nicht irremachen. Niemals hört man in einer Wirtschaft -eine <em class="gesperrt">Speisenkarte</em> verlangen, es wird aber immer nur gedruckt, -entweder auf Verlangen der Wirte, die damit etwas besonders feines -ausgeheckt zu haben glauben, oder auf Drängen der Akzidenzdrucker, -die es den Wirten als etwas besonders feines aufschwatzen. Ganz -lächerlich ist es, wenn manche Wirte einen Unterschied machen wollen: -eine <em class="gesperrt">Speisekarte</em> sei die, auf der ich mir eine Speise aussuchen -könne, eine <em class="gesperrt">Speisenkarte</em> dagegen ein „Menu“, das Verzeichnis -der Speisen bei einem Mahl, wofür man neuerdings auch das schöne Wort -<em class="gesperrt">Speisenfolge</em> eingeführt hat. Die <em class="gesperrt">Speisekarte</em> ist die -Karte, die zum <em class="gesperrt">Speisen</em> gehört, ob ich mir nun etwas darauf -aussuche, oder ob ich sie von oben bis unten abesse.</p> - -<p>Ein Gegenstück zur <em class="gesperrt">Speisenkarte</em> ist die <em class="gesperrt">Fahrrichtung</em>; -an den ehemaligen Leipziger Pferdebahnwagen stand: nur in der -<em class="gesperrt">Fahrrichtung</em> abspringen! Es spricht aber niemand von -<em class="gesperrt">Fließrichtung</em>, <em class="gesperrt">Strömrichtung</em>, <em class="gesperrt">Schießrichtung</em>, -wohl aber von <em class="gesperrt">Flußrichtung</em>, <em class="gesperrt">Stromrichtung</em>, -<em class="gesperrt">Schußrichtung</em>, <em class="gesperrt">Windrichtung</em>, <em class="gesperrt">Strahlrichtung</em>. -Bedenkt man freilich, daß der Volksmund die <em class="gesperrt">Fahrtrichtung</em> -unzweifelhaft sofort zur <em class="gesperrt">Fahrtsrichtung</em> verschönert hätte -(nach <em class="gesperrt">Mietskaserne</em>), so muß man ja eigentlich für die -<em class="gesperrt">Fahrrichtung</em> sehr dankbar sein.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Aepfelwein_oder_Apfelwein">Äpfelwein oder Apfelwein?</h3> - -</div> - -<p>Unnötigen Aufruhr und Streit erregt bisweilen die Frage, ob in -dem Bestimmungswort einer Zusammensetzung die Einzahl oder die -Mehrzahl am Platze sei. Einen Braten, der nur von <em class="gesperrt">einem</em> Rind -geschnitten ist, nennt man in Leipzig <em class="gesperrt">Rinderbraten</em>, eine -Schüssel<span class="pagenum" id="Seite_75">[S. 75]</span> Mus dagegen, die aus einem halben Schock Äpfel bereitet -ist, <em class="gesperrt">Apfelmus</em>. Das ist doch sinnwidrig, heißt es, es kann -doch nur das umgekehrte richtig sein! Nein, es ist beides richtig. -Es kommt in solchen Zusammensetzungen weder auf die Einzahl noch -auf die Mehrzahl an, sondern nur auf den Gattungsbegriff. Im -Numerus herrscht völlige Freiheit; die eine Mundart verfährt so, -die andre so,<a id="FNAnker_48" href="#Fussnote_48" class="fnanchor">[48]</a> und selbst innerhalb der guten Schriftsprache -waltet hier scheinbar die seltsamste Laune und Willkür. Man sagt: -<em class="gesperrt">Bruderkrieg</em>, <em class="gesperrt">Freundeskreis</em>, <em class="gesperrt">Jünglingsverein</em>, -<em class="gesperrt">Ortsverzeichnis</em> (neuerdings leider auch <em class="gesperrt">Namensverzeichnis</em> -und <em class="gesperrt">Offizierskasino</em>!), <em class="gesperrt">Adreßbuch</em>, <em class="gesperrt">Baumschule</em>, -<em class="gesperrt">Fischteich</em>, <em class="gesperrt">Kartoffelernte</em>, <em class="gesperrt">Trüffelwurst</em>, -<em class="gesperrt">Federbett</em>, obwohl hier überall das Bestimmungswort unzweifelhaft -eine Mehrzahl bedeutet; dagegen sagt man <em class="gesperrt">Kinderkopf</em> -(in der Malerei), <em class="gesperrt">Liedervers</em>, <em class="gesperrt">Eierschale</em>, -<em class="gesperrt">Lämmerschwänzchen</em>, <em class="gesperrt">Hühnerei</em>, <em class="gesperrt">Städtename</em>, -<em class="gesperrt">Gänsefeder</em>, obwohl ein Vers nur zu <em class="gesperrt">einem</em> Liede, eine -Schale nur zu <em class="gesperrt">einem</em> Ei gehören kann. Wer näher zusieht, -findet freilich auch hinter dieser scheinbaren Willkür gute Gründe. -<em class="gesperrt">Baumschule</em>, <em class="gesperrt">Bruderkrieg</em> und <em class="gesperrt">Fischteich</em> sind noch -nach der ursprünglichen Zusammensetzungsweise, die nach singularischer -oder pluralischer Bedeutung des Bestimmungswortes nicht fragte, mit dem -bloßen Stamme des ersten Wortes gebildet. <em class="gesperrt">Jünglingsverein</em> und -<em class="gesperrt">Ortsverzeichnis</em> haben das s, das eigentlich nur dem vorgesetzten -maskulinen Genitiv zukommt, aber von da aus weiter gegriffen hat -und zum Bindemittel schlechthin, selbst für pluralisch gemeinte -Substantiva, geworden ist; auch <em class="gesperrt">Freundeskreis</em> ist ein Absenker -dieser Bildungsweise. Und ebenso natürlich erklärt sich die Gruppe mit -scheinbar pluralischer Form und singularischer Bedeutung. In ihr kommen -nur Neutra mit der Pluralendung <em class="gesperrt">er</em> und umgelautete Feminina in -Frage. Aber sowohl der Umlaut der Feminina wie das <em class="gesperrt">er</em> (und der<span class="pagenum" id="Seite_76">[S. 76]</span> -Umlaut) der Neutra gehörte in alter Zeit nicht nur dem Plural, sondern -dem Stamme dieser Wörter an, und daß es sich bei den Zusammensetzungen -mit ihnen um nichts weiter als um den Stamm handelt, können wir bei -einigem guten Willen noch jetzt nachfühlen. Kein Mensch denkt bei dem -Worte <em class="gesperrt">Gänseblume</em> an mehrere Gänse, sondern jeder nur an den -Begriff Gans, so gut wie er bei <em class="gesperrt">Rinderbrust</em> nicht mehrere Rinder -vor Augen hat.</p> - -<p>Trotz alledem ist natürlich <em class="gesperrt">Äpfelwein</em> neben <em class="gesperrt">Apfelwein</em> -nicht zu verurteilen. Der wirklich pluralischen Zusammensetzungen -und der pluralisch gefühlten gibt es zu viel, als daß ihnen -ein Eingreifen in dieses Gebiet der Zusammensetzungen mit -Gattungsbegriffen verwehrt werden könnte. Schwankt man doch auch -in Zusammensetzungen wie <em class="gesperrt">Anwaltstag</em>, <em class="gesperrt">Juristentag</em>, -<em class="gesperrt">Ärztetag</em>, <em class="gesperrt">Bischofkonferenz</em>, <em class="gesperrt">Rektorenkonferenz</em>, -<em class="gesperrt">Gastwirtverein</em>, <em class="gesperrt">Gastwirtstag</em>, <em class="gesperrt">Architektenverein</em> -u. a. Wenn etwas hier bestimmend wäre, so könnte es nur der Wohlklang -sein. Die schwach deklinierten ziehen augenscheinlich den Plural, -die stark deklinierten den Singular vor; zu <em class="gesperrt">Ärztetag</em> hat -man ausnahmsweise gegriffen, weil <em class="gesperrt">Arzttag</em> undeutlich, -<em class="gesperrt">Arztstag</em> unerträglich klingt, während gegen eine -<em class="gesperrt">Arztversammlung</em> niemand etwas einwenden wird, also auch die -<em class="gesperrt">Ärztekammer</em> (statt <em class="gesperrt">Arztkammer</em>) überflüssig war, ebenso -überflüssig wie der <em class="gesperrt">Wirteverein</em>. Höchst ärgerlich aber ist es, -wenn man, nachdem man vierzig Jahre lang von <em class="gesperrt">Kollegienheften</em> hat -sprechen hören, plötzlich an dem Ladenfenster eines Schreibwarenkrämers -<em class="gesperrt">Kolleghefte</em> angepriesen sieht. Aber der gute Mann macht es ja -bloß den Professoren nach, die jetzt keine <em class="gesperrt">Kollegiengelder</em> mehr -beanspruchen, sondern <em class="gesperrt">Kolleggelder</em>!</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Zeichnenbuch_oder_Zeichenbuch">Zeichnenbuch oder Zeichenbuch?</h3> - -</div> - -<p>Die falschen Zusammensetzungen <em class="gesperrt">Zeichnenbuch</em>, -<em class="gesperrt">Zeichnensaal</em>, <em class="gesperrt">Rechnenheft</em> sind in der Schule, wo -sie sich früher auch breitmachten, jetzt wohl überall glücklich -wieder beseitigt; außerhalb der Schule aber spuken sie doch noch -und gelten noch immer manchen<span class="pagenum" id="Seite_77">[S. 77]</span> Leuten für das Richtige. In Wahrheit -sind es Mißbildungen. Wenn in Zusammensetzungen das Bestimmungswort -ein Verbum ist, so kann dieses nur in der Form des Verbalstammes -erscheinen; daher heißt es: <em class="gesperrt">Schreibfeder</em>, <em class="gesperrt">Reißzeug</em>, -<em class="gesperrt">Stimmgabel</em>, <em class="gesperrt">Druckpapier</em>, <em class="gesperrt">Stehpult</em>, -<em class="gesperrt">Rauchzimmer</em>, <em class="gesperrt">Laufbursche</em>, <em class="gesperrt">Spinnstube</em>, -<em class="gesperrt">Trinkhalle</em>, <em class="gesperrt">Springbrunnen</em>, <em class="gesperrt">Zauberflöte</em>, oder -auch mit einem Bindevokal: <em class="gesperrt">Wartesaal</em>, <em class="gesperrt">Singestunde</em>, -<em class="gesperrt">Bindemittel</em>.<a id="FNAnker_49" href="#Fussnote_49" class="fnanchor">[49]</a> Nun gibt es aber Verbalstämme, die auf n -ausgehen, z. B. <em class="gesperrt">zeichen</em>, <em class="gesperrt">rechen</em>, <em class="gesperrt">trocken</em>, -<em class="gesperrt">turn</em>; die Infinitive dazu heißen: <em class="gesperrt">rechnen</em> (eigentlich -<em class="gesperrt">rechenen</em>), <em class="gesperrt">zeichnen</em> (eigentlich <em class="gesperrt">zeichenen</em>), -<em class="gesperrt">trocknen</em>, <em class="gesperrt">turnen</em>. Werden diese in der Zusammensetzung -verwendet, so können natürlich nur Formen entstehen wie -<em class="gesperrt">Rechenstunde</em>, <em class="gesperrt">Zeichensaal</em>, <em class="gesperrt">Trockenplatz</em>, -<em class="gesperrt">Turnhalle</em>. Wäre <em class="gesperrt">Rechnenbuch</em> und <em class="gesperrt">Zeichnensaal</em> -richtig, so müßte man doch auch sagen: <em class="gesperrt">Trocknenplatz</em>, -<em class="gesperrt">Turnenhalle</em>, ja auch <em class="gesperrt">Schreibenfeder</em> und -<em class="gesperrt">Singenstunde</em>.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Das_Binde_s">Das Binde-s</h3> - -</div> - -<p>In ganz unerträglicher Weise greift jetzt das unorganisch eingeschobne -s in zusammengesetzten Wörtern um sich. In <em class="gesperrt">Himmelstor</em>, -<em class="gesperrt">Gotteshaus</em>, <em class="gesperrt">Königstochter</em>, <em class="gesperrt">Gutsbesitzer</em>, -<em class="gesperrt">Feuersnot</em>, <em class="gesperrt">Wolfsmilch</em> kann man ja überall das s als -die Genitivendung des männlichen oder sächlichen Bestimmungswortes -auffassen, wiewohl es auch solche Zusammensetzungen gibt, in denen der -Genitiv keinen Sinn hat, das s also nur als Bindemittel betrachtet -werden kann, z. B. <em class="gesperrt">Rittersmann</em>, <em class="gesperrt">segensreich</em> (Schiller -hat in der Glocke noch richtig <em class="gesperrt">segenreiche Himmelstochter</em> -geschrieben). Aber wie kommt das s an Wörter weiblichen Geschlechts, -die gar keinen Genitiv auf s bilden können? Wie ist man dazu -gekommen, zu bilden: <em class="gesperrt">Liebesdienst</em>, <em class="gesperrt">Hilfslehrer</em>,<span class="pagenum" id="Seite_78">[S. 78]</span> -<em class="gesperrt">Geschichtsforscher</em>, <em class="gesperrt">Bibliotheksordnung</em>, -<em class="gesperrt">Arbeitsliste</em>, <em class="gesperrt">Geburtstag</em>, <em class="gesperrt">Hochzeitsgeschenk</em>, -<em class="gesperrt">Weihnachtsabend</em>, <em class="gesperrt">Fastnachtsball</em>, <em class="gesperrt">Zukunftsmusik</em>, -<em class="gesperrt">Einfaltspinsel</em>, <em class="gesperrt">Zeitungsschreiber</em>, <em class="gesperrt">Hoheitsrecht</em>, -<em class="gesperrt">Sicherheitsnadel</em>, <em class="gesperrt">Wirtschaftsgeld</em>, -<em class="gesperrt">Konstitutionsfest</em>, <em class="gesperrt">Majestätsbeleidigung</em>, -<em class="gesperrt">ausnahmsweise</em>, <em class="gesperrt">rücksichtsvoll</em>, <em class="gesperrt">vorschriftsmäßig</em>?</p> - -<p>Dieses Binde-s stammt ebenso wie das falsche Plural-s (vgl. <a href="#Seite_23">S. 23</a>) -aus dem Niederdeutschen. Dort wird es wirklich aus Verlegenheit -gebraucht, um von artikellosen weiblichen Hauptwörtern einen Genitiv -zu bilden, natürlich immer nur dann, wenn er dem Worte, von dem er -abhängt, voransteht, wie <em class="gesperrt">Mutters</em> Liebling, vor <em class="gesperrt">Schwesters -Tür</em>, <em class="gesperrt">Madames</em> Geschenk (Lessing: <em class="gesperrt">Antworts</em> genug, -über <em class="gesperrt">Naturs</em> Größe), und so ist aus diesem Verlegenheits-s -dann das Binde-s geworden. Es gehört aber erst der neuern Zeit -an. Im Mittelhochdeutschen findet es sich nur vereinzelt, erst im -Neuhochdeutschen ist es eingedrungen, hat sich dann mit großer -Schnelligkeit verbreitet und sucht sich noch immer weiter zu -verbreiten. Schon fängt man an zu sagen: <em class="gesperrt">Doktorsgrad</em>, -<em class="gesperrt">Wertspapiere</em>, <em class="gesperrt">Raumsgestaltung</em>, <em class="gesperrt">Gesteinsmassen</em>, -<em class="gesperrt">Gewebslehre</em>, <em class="gesperrt">Gesangsunterricht</em>, <em class="gesperrt">Kapitalsanlage</em>, -<em class="gesperrt">Inventursaufnahme</em>, <em class="gesperrt">Examensvorbereitung</em>, -<em class="gesperrt">Aufnahmsprüfung</em>, <em class="gesperrt">Einnahmsquelle</em>, <em class="gesperrt">teilnahmslos</em>, -<em class="gesperrt">Niederlagsraum</em>, <em class="gesperrt">Schwadronsbesichtigung</em>, ja in -einzelnen Gegenden Deutschlands, namentlich am Rhein, sogar -schon <em class="gesperrt">Stiefelsknecht</em>, <em class="gesperrt">Erbsmasse</em> (statt Erbmasse), -<em class="gesperrt">Ratshaus</em>, <em class="gesperrt">Stadtsgraben</em>, <em class="gesperrt">Nachtswächter</em>, -<em class="gesperrt">Zweimarksstück</em>, <em class="gesperrt">Schiffsbruch</em>, <em class="gesperrt">Kartoffelsbrei</em> -u. a. In Leipzig sind wir neuerdings mit einem <em class="gesperrt">Kajütsbureau</em> -beglückt worden (!), und die sächsischen Eisenbahnen reden seit -einiger Zeit nur noch von <em class="gesperrt">Zugsverkehr</em>, <em class="gesperrt">Zugsverbindungen</em> -und <em class="gesperrt">Zugsverspätungen</em>. Das widerwärtigste aber wegen ihrer -Häufigkeit sind wohl die Zusammensetzungen mit <em class="gesperrt">Miets-</em> und -<em class="gesperrt">Fabriks-</em>: das <em class="gesperrt">Mietshaus</em>, die <em class="gesperrt">Mietskaserne</em>, der -<em class="gesperrt">Mietsvertrag</em>, der <em class="gesperrt">Mietspreis</em>, der <em class="gesperrt">Fabriksdirektor</em>, -das <em class="gesperrt">Fabriksmädchen</em>, das tollste der in<span class="pagenum" id="Seite_79">[S. 79]</span> rheinischen Städten -übliche <em class="gesperrt">Stehsplatz</em> und der <em class="gesperrt">Verpflegsdienst</em>. Das Binde-s -hinter einem Verbalstamm eingeschmuggelt!</p> - -<p>Nur <em class="gesperrt">eine</em> Wortgattung hat sich des Eindringlings bis jetzt -glücklich erwehrt: die Stoffnamen. Von <em class="gesperrt">Gold</em>, <em class="gesperrt">Silber</em>, -<em class="gesperrt">Wein</em>, <em class="gesperrt">Kaffee</em>, <em class="gesperrt">Mehl</em>, <em class="gesperrt">Zucker</em> usw. wird nie -eine Zusammensetzung mit dem Binde-s gebildet. Nur mit <em class="gesperrt">Tabak</em> hat -man es gewagt: <em class="gesperrt">Tabaksmonopol</em>, <em class="gesperrt">Tabaksmanufaktur</em>, natürlich -durch das verwünschte k verführt. Der <em class="gesperrt">Fabrikstabak</em> und die -<em class="gesperrt">Tabaksfabrik</em> sind einander wert. Die <em class="gesperrt">Tabakspfeife</em> geht -freilich schon weit zurück.</p> - -<p>Wo das falsche s einmal festsitzt, da ist nun freilich jeder Kampf -vergeblich, und das ist der Fall bei allen Zusammensetzungen mit -<em class="gesperrt">Liebe</em>, <em class="gesperrt">Hilfe</em>, <em class="gesperrt">Geschichte</em>, hinter vielen weiblichen -Wörtern, die auf t endigen, ferner bei allen, die mit <em class="gesperrt">ung</em>, -<em class="gesperrt">heit</em>, <em class="gesperrt">keit</em> und <em class="gesperrt">schaft</em> gebildet sind, endlich -bei den Fremdwörtern auf <em class="gesperrt">ion</em> und <em class="gesperrt">tät</em>. Hier jetzt noch -den Versuch zu machen, das s wieder loszuwerden, wäre wohl ganz -aussichtslos.<a id="FNAnker_50" href="#Fussnote_50" class="fnanchor">[50]</a> Wo es sich aber noch nicht festgesetzt hat, wo es -erst einzudringen versucht, wie hinter <em class="gesperrt">Fabrik</em> und <em class="gesperrt">Miete</em>, -da müßte doch der Unterricht alles aufbieten, es fernzuhalten, das -Sprachgefühl für den Fehler wieder zu schärfen.<a id="FNAnker_51" href="#Fussnote_51" class="fnanchor">[51]</a> Es ist das nicht -so schwer, wie es auf den ersten Blick scheint, denn dieses Binde-s -ist ein solcher Wildling, daß es nicht die geringste Folgerichtigkeit -kennt. Warum sagt man <em class="gesperrt">Rindsleder</em>, <em class="gesperrt">Schweinsleder</em>, -<em class="gesperrt">vertragsbrüchig</em>, <em class="gesperrt">inhaltsreich</em>, <em class="gesperrt">beispielsweise</em>, -<em class="gesperrt">hoffnungslos</em>, da man doch <em class="gesperrt">Kalbleder</em>, <em class="gesperrt">Schafleder</em>, -<em class="gesperrt">wortbrüchig</em>, <em class="gesperrt">gehaltreich</em>, <em class="gesperrt">schrittweise</em>, -<em class="gesperrt">gefühllos</em> sagt? Hie und da scheint wieder der Wohllaut im Spiele -zu sein, aber doch nicht immer.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_80">[S. 80]</span></p> - -<p>Nach <em class="gesperrt">Hilfe</em> wird übrigens in der guten Schriftsprache -ein Unterschied beobachtet: man sagt <em class="gesperrt">Hilfsprediger</em>, -<em class="gesperrt">Hilfslehrer</em>, <em class="gesperrt">Hilfsbremser</em>, <em class="gesperrt">hilfsbedürftig</em> -und <em class="gesperrt">hilfsbereit</em>, auch <em class="gesperrt">aushilfsweise</em>, dagegen -<em class="gesperrt">Hilferuf</em> und <em class="gesperrt">Hilfeleistung</em>, weil man bei diesen -beiden das Akkusativverhältnis fühlt, bei den übrigen bloß -die Zusammensetzung. Ähnlich ist es mit <em class="gesperrt">Arbeitgeber</em> im -Gegensatz zu <em class="gesperrt">Arbeitsleistung</em>, <em class="gesperrt">Arbeitsteilung</em>, mit -<em class="gesperrt">staatserhaltend</em> und <em class="gesperrt">vaterlandsliebend</em> im Gegensatz zu -<em class="gesperrt">kriegführend</em>, <em class="gesperrt">rechtsuchend</em>, <em class="gesperrt">betriebstörend</em>. -Niemand redet von <em class="gesperrt">kriegsführenden</em> Mächten, auch nicht von -<em class="gesperrt">Kriegsführung</em>, weil hier die einzelne Handlung vorschwebt -und deshalb der Akkusativ (Krieg) deutlich gefühlt wird, während -<em class="gesperrt">vaterlandsliebend</em> und <em class="gesperrt">staatserhaltend</em> eine dauernde -Gesinnung bezeichnen. Was nützt aber die Freude über diesen feinen -Unterschied? In der nächsten Zeitungsnummer stößt man auf den -<em class="gesperrt">geschäftsführenden</em> Ausschuß, auf die <em class="gesperrt">verkehrshindernde</em> -Barriere und auf die <em class="gesperrt">vertragsschließenden</em> Parteien.<a id="FNAnker_52" href="#Fussnote_52" class="fnanchor">[52]</a></p> - -<div class="section"> - -<h3 id="ig_lich_isch">ig, lich, isch. Adlig, fremdsprachlich, vierwöchig, -zugänglich</h3> - -</div> - -<p>Eigenschaftswörter können im Deutschen von Hauptwörtern auf sehr -verschiedne Arten gebildet werden: mit <em class="gesperrt">ig</em>, <em class="gesperrt">lich</em>, -<em class="gesperrt">isch</em>, <em class="gesperrt">sam</em>, <em class="gesperrt">bar</em>, <em class="gesperrt">haft</em> usw. Zwischen allen -diesen Bildungen waren ursprünglich fühlbare Bedeutungsunterschiede, -die heute vielfach verwischt sind. Doch sind sie auch manchmal noch -deutlich zu erkennen, selbst bei den am häufigsten verwendeten und -deshalb am meisten verblaßten Endungen <em class="gesperrt">ig</em>, <em class="gesperrt">lich</em> und -<em class="gesperrt">isch</em>; man denke nur an <em class="gesperrt">weiblich</em> und <em class="gesperrt">weibisch</em>, -<em class="gesperrt">kindlich</em> und <em class="gesperrt">kindisch</em>, <em class="gesperrt">herrlich</em> und -<em class="gesperrt">herrisch</em>, <em class="gesperrt">launig</em> und <em class="gesperrt">launisch</em>, <em class="gesperrt">traulich</em> -und <em class="gesperrt">mißtrauisch</em>, <em class="gesperrt">göttlich</em> und<span class="pagenum" id="Seite_81">[S. 81]</span> <em class="gesperrt">abgöttisch</em>, -<em class="gesperrt">väterlich</em> und <em class="gesperrt">altväterisch</em>, <em class="gesperrt">gläubig</em> und -<em class="gesperrt">abergläubisch</em> u. a.</p> - -<p>Das von <em class="gesperrt">Adel</em> gebildete Adjektiv soll nach der „neuen -Orthographie“ nun endgiltig <em class="gesperrt">adlig</em> geschrieben werden. Es -schadet aber vielleicht nichts, wenn man sich darüber klar bleibt, -daß das eigentlich falsch ist. <em class="gesperrt">Adlich</em> ist entstanden aus -<em class="gesperrt">adel-lich</em>, es gehört zu <em class="gesperrt">königlich</em>, <em class="gesperrt">fürstlich</em>, -<em class="gesperrt">ritterlich</em>, <em class="gesperrt">männlich</em>, <em class="gesperrt">weiblich</em>, <em class="gesperrt">geistlich</em>, -<em class="gesperrt">weltlich</em>, <em class="gesperrt">fleischlich</em>, aber nicht zu <em class="gesperrt">heilig</em>, -<em class="gesperrt">geistig</em>, <em class="gesperrt">luftig</em>, <em class="gesperrt">fleißig</em>, <em class="gesperrt">steinig</em>, -<em class="gesperrt">ölig</em>, <em class="gesperrt">fettig</em>, <em class="gesperrt">schmutzig</em>. Dieselbe Verwirrung des -Sprachgefühls wie bei <em class="gesperrt">adlig</em> findet sich auch bei <em class="gesperrt">billig</em> -(das noch bis in das siebzehnte Jahrhundert richtig <em class="gesperrt">billich</em> -geschrieben wurde) und bei <em class="gesperrt">unzählig</em> und <em class="gesperrt">untadlig</em>, die -eigentlich <em class="gesperrt">unzählich</em> und <em class="gesperrt">untadlich</em> geschrieben werden -müßten. Nur bei <em class="gesperrt">allmählich</em>, das eine Zeit lang allgemein falsch -<em class="gesperrt">allmählig</em> geschrieben wurde (es ist aus <em class="gesperrt">allgemächlich</em> -entstanden), ist das richtige in neuerer Zeit wiederhergestellt worden, -wohl deshalb, weil hier doch gar zu offenbar ist, daß das l nicht zum -Stamme gehören kann.</p> - -<p>Wenn aus einem Substantiv mit vorhergehendem Eigenschaftswort oder -Zahlwort ein Adjektiv gebildet wird, so geschieht es immer mit -der Endung <em class="gesperrt">ig</em>. Bei <em class="gesperrt">kurzweilig</em>, <em class="gesperrt">langstielig</em>, -<em class="gesperrt">großmäulig</em>, <em class="gesperrt">dickfellig</em>, <em class="gesperrt">gleichschenklig</em>, -<em class="gesperrt">rechtwinklig</em>, <em class="gesperrt">vierzeilig</em> könnte man meinen, sie wären -deshalb auf ig gebildet worden, weil der Stamm auf l endigt; es heißt -aber auch: <em class="gesperrt">fremdartig</em>, <em class="gesperrt">treuherzig</em>, <em class="gesperrt">gutmütig</em>, -<em class="gesperrt">schöngeistig</em>, <em class="gesperrt">freisinnig</em>, <em class="gesperrt">hartnäckig</em>, -<em class="gesperrt">vollblütig</em>, <em class="gesperrt">breitschultrig</em>, <em class="gesperrt">schmalspurig</em>, -<em class="gesperrt">freihändig</em>, <em class="gesperrt">buntscheckig</em>, <em class="gesperrt">eintönig</em>, -<em class="gesperrt">vierprozentig</em> usw.</p> - -<p>Da hat man nun neuerdings <em class="gesperrt">fremdsprachlich</em> und -<em class="gesperrt">neusprachlich</em> gebildet – ist das richtig? Leider Gottes! muß -man sagen. Diese Adjektiva sind nicht etwa entstanden zu denken aus -<em class="gesperrt">fremd</em> und <em class="gesperrt">Sprache</em>, <em class="gesperrt">neu</em> und <em class="gesperrt">Sprache</em> (so -wie <em class="gesperrt">fremdartig</em> aus <em class="gesperrt">fremd</em> und <em class="gesperrt">Art</em>), sondern es -sollen Adjektivbildungen zu <em class="gesperrt">Fremdsprache</em> und <em class="gesperrt">Neusprache</em> -sein. Diese beiden herrlichen Wörter hat man nämlich gebildet, um -nicht mehr von <em class="gesperrt">fremden</em><span class="pagenum" id="Seite_82">[S. 82]</span> und <em class="gesperrt">neuen Sprachen</em> reden zu -müssen; nur die <em class="gesperrt">Altsprachen</em> fehlen noch, aber stillschweigend -vorausgesetzt werden sie auch, denn neben <em class="gesperrt">neusprachlich</em> steht -natürlich <em class="gesperrt">altsprachlich</em>. Und wie man nun nicht mehr von -<em class="gesperrt">Sprachunterricht</em>, sondern nur noch von <em class="gesperrt">sprachlichem</em> -Unterricht redet, so nun auch von <em class="gesperrt">fremdsprachlichem</em>, -<em class="gesperrt">altsprachlichem</em> und <em class="gesperrt">neusprachlichem</em>. Neben diesen -Bildungen gibt es aber auch <em class="gesperrt">fremdsprachig</em>, das nun wirklich -aus <em class="gesperrt">fremd</em> und <em class="gesperrt">Sprache</em> gebildet ist. Während mit -<em class="gesperrt">fremdsprachlich</em> bezeichnet wird, was sich auf eine -fremde Sprache bezieht, bezeichnet <em class="gesperrt">fremdsprachig</em> eine -wirkliche Eigenschaft. Man redet oder kann wenigstens reden von -<em class="gesperrt">fremdsprachigen</em> Völkern, <em class="gesperrt">fremdsprachigen</em> Büchern, einer -<em class="gesperrt">fremdsprachigen</em> Literatur (wie von einer <em class="gesperrt">dreisprachigen</em> -Inschrift und einer <em class="gesperrt">gemischtsprachigen</em> Bevölkerung). -Sogar ein Unterricht kann zugleich <em class="gesperrt">fremdsprachlich</em> und -<em class="gesperrt">fremdsprachig</em> sein, wenn z. B. der Lehrer die Schüler im -Französischen unterrichtet und dabei zugleich französisch spricht. -<em class="gesperrt">Fremdsprachig</em> steht also neben <em class="gesperrt">fremdsprachlich</em> wie -<em class="gesperrt">gleichaltrig</em> (gebildet aus <em class="gesperrt">gleich</em> und <em class="gesperrt">Alter</em>) neben -<em class="gesperrt">mittelalterlich</em> (gebildet von <em class="gesperrt">Mittelalter</em>).</p> - -<p>Streng zu scheiden ist zwischen den Bildungen auf <em class="gesperrt">ig</em> und -denen auf <em class="gesperrt">lich</em> bei den Adjektiven, die von <em class="gesperrt">Jahr</em>, -<em class="gesperrt">Monat</em>, <em class="gesperrt">Tag</em> und <em class="gesperrt">Stunde</em> gebildet werden. Auch hier -bezeichnen die auf <em class="gesperrt">ig</em> eine Eigenschaft, nämlich die Dauer: -<em class="gesperrt">zweijährig</em>, <em class="gesperrt">eintägig</em>, <em class="gesperrt">vierstündig</em>. Bis vor kurzem -konnte man zwar oft von einem <em class="gesperrt">dreimonatlichen Urlaub</em> oder einer -<em class="gesperrt">vierwöchentlichen</em> Reise lesen; jetzt wird erfreulicherweise -fast überall nur noch von einem <em class="gesperrt">dreimonatigen</em> Urlaub und -einer <em class="gesperrt">vierwöchigen</em> Reise gesprochen. Dagegen bezeichnen -<em class="gesperrt">einstündlich</em>, <em class="gesperrt">dreimonatlich</em> so gut wie <em class="gesperrt">jährlich</em>, -<em class="gesperrt">halbjährlich</em>, <em class="gesperrt">vierteljährlich</em>, <em class="gesperrt">monatlich</em>, -<em class="gesperrt">wöchentlich</em>, <em class="gesperrt">täglich</em> und <em class="gesperrt">stündlich</em> den Zeitabstand -von wiederkehrenden Handlungen. Da heißt es: in <em class="gesperrt">dreimonatlichen</em> -Raten zu zahlen, <em class="gesperrt">einstündlich</em> einen Eßlöffel voll zu nehmen, -ebenso wie: nach <em class="gesperrt">vierteljährlicher Kündigung</em>. Unsinn also ist -es, von <em class="gesperrt">halbjährigen</em><span class="pagenum" id="Seite_83">[S. 83]</span> öffentlichen Prüfungen zu reden; es gibt -nur <em class="gesperrt">halbjährliche</em>, das sind solche, die alle halben Jahre -stattfinden, und <em class="gesperrt">halbstündige</em>, das sind solche, die eine halbe -Stunde dauern.</p> - -<p>Falsch ist es auch, von einem <em class="gesperrt">unförmlichen</em> Fleischklumpen zu -reden. <em class="gesperrt">Unförmlich</em> könnte nur als Verneinung von <em class="gesperrt">förmlich</em> -verstanden werden. Das Betragen eines Menschen kann <em class="gesperrt">unförmlich</em> -sein (ohne Förmlichkeit, formlos), ein Fleischklumpen aber nur -<em class="gesperrt">unförmig</em> (gebildet von <em class="gesperrt">Unform</em>; vgl. <em class="gesperrt">unsinnig</em> und -<em class="gesperrt">unsinnlich</em>).</p> - -<p>Genau zu unterscheiden ist endlich auch noch zwischen <em class="gesperrt">abschlägig</em> -(eine <em class="gesperrt">abschlägige</em> Antwort) und <em class="gesperrt">abschläglich</em> (eine -<em class="gesperrt">abschlägliche</em> Zahlung). <em class="gesperrt">Abschlägig</em> ist unmittelbar -aus dem Verbalstamm gebildet, eine <em class="gesperrt">abschlägige</em> Antwort -ist eine abschlagende; <em class="gesperrt">abschläglich</em> dagegen ist von -<em class="gesperrt">Abschlag</em> gebildet, eine <em class="gesperrt">abschlägliche</em> Zahlung -ist eine <em class="gesperrt">Abschlagszahlung</em>. (Vgl. <em class="gesperrt">geschäftig</em> und -<em class="gesperrt">geschäftlich</em>.) Wenn Kaufleute oder Buchhändler neuerdings -davon reden, daß Waren oder Bücher wegen ihres niedrigen Preises den -weitesten Kreisen <em class="gesperrt">zugängig</em> seien, oder eine Zeitung schreibt: -die Kinder müssen so viel Deutsch lernen, daß ihnen die deutsche Kultur -<em class="gesperrt">zugängig</em> ist, oder das „Tuberkulosemerkblatt“ des Kaiserlichen -Gesundheitsamtes als Hauptmittel gegen die Ansteckung eine dem Zutritte -(!) von Luft und Licht <em class="gesperrt">zugängige</em> Wohnung bezeichnet, so ist das -dieselbe Verwechslung. Die Wohnung soll der Luft <em class="gesperrt">zugänglich</em> -sein, d. h. sie soll der Luft <em class="gesperrt">Zugang</em> bieten. <em class="gesperrt">Zugängig</em> -könnte höchstens (aktiv!) etwas bedeuten, was jedermann zugeht, z. B. -die Probenummer einer Zeitung, wie das neumodische <em class="gesperrt">angängig</em> -(für <em class="gesperrt">möglich</em>) doch das bedeuten soll, was angeht. (Vgl. -auch <em class="gesperrt">verständlich</em> und <em class="gesperrt">verständig</em>.) Wenn also amtlich -bekanntgemacht wird, daß die sächsischen Sterbetaler der Allgemeinheit -unmittelbar <em class="gesperrt">zugängig</em> gemacht werden sollen, so könnte ich -mit Recht sagen: Schön, wann wird mir der meinige zugeschickt? Der -Unterschied liegt auf der Hand, und doch hat das dumme <em class="gesperrt">zugängig</em> -in der letzten Zeit mit ungeheurer Schnelligkeit um sich gegriffen.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_84">[S. 84]</span></p> - -<h3 id="Goethe_sch_oder_Goethisch">Goethe’sch oder Goethisch? Bremener oder -Bremer?</h3> - -</div> - -<p>Eine rechte Dummheit ist in der Bildung der Adjektiva auf <em class="gesperrt">isch</em> -eingerissen bei Orts- und Personennamen, die auf e endigen; -man liest nur noch von der <em class="gesperrt">Halle’schen</em> Universität, von -<em class="gesperrt">Goethe’schen</em> und <em class="gesperrt">Heine’schen</em> Gedichten und von der -<em class="gesperrt">Ranke’schen</em> Weltgeschichte. Man übersehe ja den Apostroph nicht; -ohne den Apostroph würde die Sache den Leuten gar keinen Spaß machen. -In dieses Häkchen sind Schulmeister und Professoren ebenso verliebt wie -Setzer und Korrektoren (vgl. <a href="#Seite_8">S. 8</a>).</p> - -<p>Die Adjektivendung <em class="gesperrt">isch</em> muß stets unmittelbar an -den Wortstamm treten. Von <em class="gesperrt">Laune</em> heißt das Adjektiv -<em class="gesperrt">launisch</em>, von <em class="gesperrt">Hölle</em> <em class="gesperrt">höllisch</em>, von <em class="gesperrt">Satire</em> -<em class="gesperrt">satirisch</em>, von <em class="gesperrt">Schwede</em> <em class="gesperrt">schwedisch</em>; niemand -spricht von <em class="gesperrt">laune’schen</em> Menschen, <em class="gesperrt">hölle’schen</em> -Qualen, <em class="gesperrt">satire’schen</em> Bemerkungen oder <em class="gesperrt">schwede’schen</em> -Streichhölzchen. Und sagt oder schreibt wohl ein vernünftiger -Mensch: dieses Gedicht klingt echt <em class="gesperrt">Goethe’sch</em>? oder: mancher -versucht zwar Ranke nachzuahmen, aber seine Darstellung klingt gar -nicht <em class="gesperrt">Ranke’sch</em>? Jeder sagt doch: es klingt <em class="gesperrt">Goethisch</em>, -es klingt <em class="gesperrt">Rankisch</em>. Wenn man aber in der undeklinierten, -prädikativen Form das Adjektiv richtig bildet, warum denn nicht -in der attributiven, deklinierten? Es könnte wohl am Ende einer -denken, der Dichter hieße <em class="gesperrt">Goeth</em> oder <em class="gesperrt">Goethi</em>, wenn man -von <em class="gesperrt">Goethischen</em> Gedichten spricht? Denkt vielleicht bei der -<em class="gesperrt">hansischen</em> Geschichte irgend jemand an einen <em class="gesperrt">Hans</em> oder -<em class="gesperrt">Hansi</em>? August Hermann Francke, der Stifter des <em class="gesperrt">Hallischen</em> -Waisenhauses (noch bis ins achtzehnte Jahrhundert hinein sagte -man sogar mit richtigem Umlaut <em class="gesperrt">hällisch</em>),<a id="FNAnker_53" href="#Fussnote_53" class="fnanchor">[53]</a> würde sich -im Grabe umdrehen, wenn er wüßte, daß seine Stiftung jetzt das -<em class="gesperrt">Halle’sche</em> Waisenhaus genannt wird. Genau so lächerlich aber -sind die <em class="gesperrt">Laube’schen</em> Dramen, die <em class="gesperrt">Raabe’schen</em> Erzählungen, -das <em class="gesperrt">Fichte’sche</em> System,<span class="pagenum" id="Seite_85">[S. 85]</span> die <em class="gesperrt">Heyse’schen</em> Novellen, die -<em class="gesperrt">Stolze’sche</em> Stenographie, der <em class="gesperrt">Grote’sche</em> Verlag, die -<em class="gesperrt">Moltke’sche</em> Strategie und der <em class="gesperrt">Lippe’sche</em> Erbfolgestreit. -Unbegreiflicherweise stammelt man jetzt sogar in Germanistenkreisen von -der <em class="gesperrt">Manesse’schen</em> Handschrift, die doch seit Menschengedenken -die <em class="gesperrt">Manessische</em> geheißen hat.<a id="FNAnker_54" href="#Fussnote_54" class="fnanchor">[54]</a></p> - -<p>Man spricht aber neuerdings auch von dem <em class="gesperrt">Meiningen’schen</em> -Theater (statt vom <em class="gesperrt">Meiningischen</em>), von <em class="gesperrt">rügen’schen</em> -Bauernsöhnen (statt von <em class="gesperrt">rügischen</em>), vom <em class="gesperrt">schonen’schen</em> -Hering (statt vom <em class="gesperrt">schonischen</em>) und von <em class="gesperrt">hohenzollern’schem</em> -Hausbesitz (statt von <em class="gesperrt">hohenzollerischem</em>). Dann wollen wir nur -auch in Zukunft von <em class="gesperrt">thüringen’schen</em> Landgrafen reden, von -der <em class="gesperrt">franken’schen</em> Schweiz, vom <em class="gesperrt">sachsen’schen</em> und vom -<em class="gesperrt">preußen’schen</em> König! Nein, auch hier ist die Bildung unmittelbar -aus dem Wortstamm das einzig richtige. Die Ortsnamen auf <em class="gesperrt">en</em> sind -meist alte Dative im Plural. Wenn ein Adjektiv auf <em class="gesperrt">isch</em> davon -gebildet werden soll, so muß die Endung <em class="gesperrt">en</em> erst weichen. Es kann -also nur heißen: <em class="gesperrt">hohenzollerisch</em>, <em class="gesperrt">meiningisch</em>.</p> - -<p>Derselbe Unsinn wie in <em class="gesperrt">meiningen’sch</em> liegt übrigens auch in -Bildungen wie <em class="gesperrt">Emdener</em>, <em class="gesperrt">Zweibrückener</em>, <em class="gesperrt">Eislebener</em>, -<em class="gesperrt">St. Gallener</em> vor; da ist die Endung <em class="gesperrt">er</em> an die -Endung <em class="gesperrt">en</em> gefügt, statt an den Stamm. In den genannten -Orten selbst, wo man wohl am besten Bescheid wissen wird, wie -es heißen muß, kennt man nur <em class="gesperrt">Emder</em>, <em class="gesperrt">Zweibrücker</em>, -<em class="gesperrt">Eisleber</em>, (das <em class="gesperrt">Eisleber</em> Seminar), <em class="gesperrt">St. Galler</em>, -wie anderwärts <em class="gesperrt">Bremer</em>, <em class="gesperrt">Kempter</em>, <em class="gesperrt">Gießer</em> (meine -<em class="gesperrt">Gießer</em> Studentenjahre), <em class="gesperrt">Barmer</em>. Bei <em class="gesperrt">Bingen</em> ist -das <em class="gesperrt">Binger</em> Loch, und in Emden wird einer sofort als Fremder -erkannt, wenn er von der <em class="gesperrt">Emdener</em> Zeitung redet. Ein wahres -Glück, daß der <em class="gesperrt">Nordhäuser</em> und der <em class="gesperrt">Steinhäger</em> schon -ihre Namen haben! Heute würden sie<span class="pagenum" id="Seite_86">[S. 86]</span> sicherlich <em class="gesperrt">Nordhausener</em> -und <em class="gesperrt">Steinhagener</em> genannt werden: Geben Sie mir einen -<em class="gesperrt">Nordhausener</em>!<a id="FNAnker_55" href="#Fussnote_55" class="fnanchor">[55]</a></p> - -<p>All dieser Unsinn hat freilich eine tiefer sitzende Ursache, er -hängt zusammen mit der traurigen Namenerstarrung, zu der wir erst im -neunzehnten Jahrhundert gekommen sind, und die, wie so manche andre -Erscheinung in unserm heutigen Sprachleben, eine Folge des alles -beherrschenden juristischen Geistes unsrer Zeit ist. Im fünfzehnten, -ja noch im sechzehnten Jahrhundert bedeutete ein Name etwas. Um 1480 -heißt derselbe Mann in Leipziger Urkunden bald <em class="gesperrt">Graue Hänsel</em>, -bald <em class="gesperrt">Graue Henschel</em>, bald <em class="gesperrt">Hänsichen Grau</em>, um 1500 -derselbe Mann bald <em class="gesperrt">Schönwetter</em>, bald <em class="gesperrt">Hellwetter</em>, derselbe -Mann bald <em class="gesperrt">Sporzel</em>, bald <em class="gesperrt">Sperle</em> (Sperling), derselbe -Mann bald <em class="gesperrt">Sachtleben</em>, bald <em class="gesperrt">Sanftleben</em>, derselbe Mann -bald <em class="gesperrt">Meusel</em>, bald <em class="gesperrt">Meusichen</em>, Albrecht Dürer nennt 1521 -in dem Tagebuch seiner niederländischen Reise seinen Schüler <em class="gesperrt">Hans -Baldung</em>, der den Spitznamen der <em class="gesperrt">grüne</em> (mundartlich der -<em class="gesperrt">griene</em>) <em class="gesperrt">Hans</em> führte, nur den <em class="gesperrt">Grünhans</em>,<a id="FNAnker_56" href="#Fussnote_56" class="fnanchor">[56]</a> und -selbst als sich längst bestimmte Familiennamen festgesetzt hatten, -behandelte man sie doch immer noch wie alle andern Nomina, man scherte -sich den Kuckuck um ihre Orthographie, man deklinierte sie, man bildete -frischweg Feminina und Adjektiva davon wie von jedem Appellativum. -Noch Ende des achtzehnten Jahrhunderts berichtete der Leipziger Rat -an die Landesregierung, daß er Gottfried <em class="gesperrt">Langen</em>, Hartmann -<em class="gesperrt">Wincklern</em>, Friedrich <em class="gesperrt">Treitschken</em>, Tobias <em class="gesperrt">Richtern</em> -und Jakob <em class="gesperrt">Bertramen</em> zu Ratsherren gewählt habe. Frau Karsch -hieß bei den besten Schriftstellern die <em class="gesperrt">Karschin</em> (das heute -von „gebildeten“ Leuten wie <em class="gesperrt">Berlin</em> betont wird!), und so<span class="pagenum" id="Seite_87">[S. 87]</span> -war es noch zu Anfange des neunzehnten Jahrhunderts. Heute ist ein -Name vor allen Dingen eine unantastbare Reihe von Buchstaben. Wehe -dem, der sich daran vergreift! Wehe dem, der es wagen wollte, den -großen <em class="gesperrt">Winckelmann</em> jetzt etwa <em class="gesperrt">Winkelmann</em> zu schreiben, -weil man auch den <em class="gesperrt">Winkel</em> nicht mehr mit ck schreibt, oder -<em class="gesperrt">Joachimsthal</em> mit T, weil man auch das <em class="gesperrt">Tal</em> jetzt nicht -mehr mit Th schreibt, oder gar <em class="gesperrt">Goethe</em> mit ö! Er wäre sofort -von der Wissenschaft in Acht und Bann getan. Das alles haben wir -dem grenzenlosen juristischen Genauigkeitsbedürfnis unsrer Zeit zu -danken, das keinen gesunden Menschenverstand kennt und anerkennt, das -alles äußerlich in Buchstaben „festlegen“ muß, und dessen höchster -Stolz es ist, selbst eine Straße mit einem Vornamen, eine Stiftung -mit einem Doktortitel und ein Denkmal mit einem Doktortitel und einem -Vornamen zu schmücken: <em class="gesperrt">Gustav Freytag-Straße</em>, <span class="antiqua">Dr.</span> -<em class="gesperrt">Wünsche-Stiftung</em>, <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Karl Heine-Denkmal</em>.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Hallenser_und_Weimaraner">Hallenser und Weimaraner</h3> - -</div> - -<p>Daß wir Deutschen bei unsrer großen Gelehrsamkeit und -Gewissenhaftigkeit die Bewohner fremder Länder und Städte mit -einer wahren Musterkarte von Namenbildungen versehen, ist zwar -sehr komisch, aber doch immerhin erträglich. Sprechen wir also -auch in Zukunft getrost von Amerika<em class="gesperrt">nern</em>, Mexika<em class="gesperrt">nern</em>, -Neapolita<em class="gesperrt">nern</em>, Parmes<em class="gesperrt">anern</em> und Venezol<em class="gesperrt">anern</em>, -Byzant<em class="gesperrt">inern</em>, Florent<em class="gesperrt">inern</em> und Tarent<em class="gesperrt">inern</em>, -Chine<em class="gesperrt">sen</em> und Japane<em class="gesperrt">sen</em>, Piemont<em class="gesperrt">esen</em> und -Alban<em class="gesperrt">esen</em>, Genu<em class="gesperrt">esern</em>, Bolog<em class="gesperrt">nesern</em> und -Veron<em class="gesperrt">esern</em>, Bethlehem<em class="gesperrt">iten</em> und Sybar<em class="gesperrt">iten</em> (denen -sich als neue Errungenschaft die Sansibar<em class="gesperrt">iten</em> angereiht -haben), Samarit<em class="gesperrt">ern</em> und Moskowit<em class="gesperrt">ern</em>, Asia<em class="gesperrt">ten</em> -und Ravenna<em class="gesperrt">ten</em>, Candi<em class="gesperrt">oten</em> und Hydri<em class="gesperrt">oten</em>, -Franzo<em class="gesperrt">sen</em>, Portugi<em class="gesperrt">esen</em>, Provenz<em class="gesperrt">alen</em>, -Savoy<em class="gesperrt">arden</em> usw. Daß wir aber an deutsche(!) Städtenamen -noch immer lateinische Endungen hängen, ist doch ein Zopf, der -endlich einmal abgeschnitten werden sollte. Die <em class="gesperrt">Athenienser</em> -und die <em class="gesperrt">Carthaginienser</em> sind wir aus den Geschichtsbüchern -glücklich los, aber die <em class="gesperrt">Hallenser</em>, die <em class="gesperrt">Jenenser</em> und die -<em class="gesperrt">Badenser</em>,<span class="pagenum" id="Seite_88">[S. 88]</span> die <em class="gesperrt">Hannoveraner</em> und die <em class="gesperrt">Weimaraner</em> -wollen nicht weichen, auch die <em class="gesperrt">Anhaltiner</em> spuken noch -gelegentlich. Und doch ist nicht einzusehen, weshalb man nicht -ebensogut soll <em class="gesperrt">Jenaer</em> sagen können wie <em class="gesperrt">Gothaer</em>, -<em class="gesperrt">Geraer</em> und <em class="gesperrt">Altonaer</em>,<a id="FNAnker_57" href="#Fussnote_57" class="fnanchor">[57]</a> ebenso gut <em class="gesperrt">Badner</em> -wie <em class="gesperrt">Münchner</em>, <em class="gesperrt">Posner</em> und <em class="gesperrt">Dresdner</em>, ebenso gut -<em class="gesperrt">Haller</em> wie <em class="gesperrt">Celler</em>, <em class="gesperrt">Stader</em> und <em class="gesperrt">Klever</em>, -ebenso gut <em class="gesperrt">Hannoverer</em> und <em class="gesperrt">Weimarer</em> wie <em class="gesperrt">Trierer</em>, -<em class="gesperrt">Speierer</em> und <em class="gesperrt">Colmarer</em>.</p> - -<p>Freilich erstreckt sich die häßliche Sprachmengerei in unsrer -Wortbildung nicht bloß auf geographische Namen, sie ist überhaupt -in unsrer Sprache weit verbreitet; man denke nur an Bildungen -wie <em class="gesperrt">buchstabieren</em>, <em class="gesperrt">halbieren</em>, <em class="gesperrt">hausieren</em>, -<em class="gesperrt">grundieren</em>, <em class="gesperrt">schattieren</em>, <em class="gesperrt">glasieren</em> (im sechzehnten -Jahrhundert sprach man noch von <em class="gesperrt">geglästen</em> Ziegeln und Kacheln), -<em class="gesperrt">amtieren</em>, <em class="gesperrt">Hornist</em>, <em class="gesperrt">Lagerist</em>, <em class="gesperrt">Probist</em>, -<em class="gesperrt">Kursist</em>, <em class="gesperrt">Wagnerianer</em>, <em class="gesperrt">Börsianer</em>, <em class="gesperrt">Goethiana</em>, -<em class="gesperrt">Beethoveniana</em>, <em class="gesperrt">Lieferant</em>, <em class="gesperrt">Stellage</em>, -<em class="gesperrt">Futteral</em>, <em class="gesperrt">Stiefeletten</em>, <em class="gesperrt">Glasur</em>, <em class="gesperrt">schauderös</em>, -<em class="gesperrt">blumistisch</em>, <em class="gesperrt">superklug</em>, <em class="gesperrt">hypergeistreich</em>, -<em class="gesperrt">antideutsch</em> usw. Manches davon stammt aus sehr früher Zeit und -wird wohl nie wieder zu beseitigen sein; vieles aber ließe sich doch -vermeiden, und vor allem sollte es nicht vermehrt werden.</p> - -<figure class="figcenter illowe3" id="deko8"> - <img class="w100 padtop1" src="images/deko.png" alt="Deko"> -</figure> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_89">[S. 89]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Zur_Satzlehre">Zur Satzlehre</h2> - -</div> - -<figure class="figcenter illowe3" id="deko9"> - <img class="w100 padtop1" src="images/deko.png" alt="Deko"> -</figure> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_91">[S. 91]</span></p> - -<figure class="figcenter illowe50" id="borduere1e"> - <img class="w100 mtop3" src="images/borduere1.png" alt="Zierband"> -</figure> - -<h3 id="Unterdrueckung_des_Subjekts">Unterdrückung des Subjekts</h3> - -</div> - -<p class="p0"><span class="drop">D</span>ie meisten Fehler gegen die grammatische Richtigkeit und den guten -Geschmack werden natürlich auf dem schwierigsten Gebiete der Sprache, -auf dem des Satzbaues begangen. Hier sollen zunächst Subjekt und -Prädikat und dann die Tempora und die Modi des Zeitworts in Haupt- und -Nebensätzen besprochen werden.</p> - -<p>Nicht bloß in dem Geschäfts- und Briefstil der Kaufleute, sondern im -Briefstil überhaupt halten es viele für ein besondres Zeichen von -Höflichkeit, das Subjekt ich oder wir zu unterdrücken. Kaufleute -schreiben in ihren Geschäftsanzeigen: Kisten und Tonnen <em class="gesperrt">nehmen</em> -zum Selbstkostenpreise zurück, Zeitungen drucken über ihren -Inseratenteil: Sämtliche Anzeigen <em class="gesperrt">halten</em> der Beachtung unsrer -Leser empfohlen, und Ärzte machen bekannt: <em class="gesperrt">Habe</em> mich hier -niedergelassen, oder: Meine Sprechstunden <em class="gesperrt">halte</em> von heute ab von -acht bis zehn Uhr. Aber auch gebildete Frauen und Mädchen, denen man -etwas Geschmack zutrauen sollte, schreiben: Vorige Woche <em class="gesperrt">habe</em> -mit Papa einen Besuch bei R.s gemacht.</p> - -<p>Wenn man jemand seine Hochachtung unter anderm auch durch die Sprache -bezeugen will, so ist das gar nicht so übel. Aber vernünftigerweise -kann es doch nur dadurch geschehen, daß man die Sprache so sorgfältig -und sauber behandelt wie irgend möglich, aber nicht durch äußerliche -Mittelchen, wie große Anfangsbuchstaben (<em class="gesperrt">Du</em>, <em class="gesperrt">Dein</em>), -gesuchte Wortstellung, bei der man den Angeredeten möglichst weit -vor, sich selbst aber möglichst weit hinter stellt (so <em class="gesperrt">bitte Ew. -Wohlgeboren</em> infolge unsrer mündlichen Verabredung <em class="gesperrt">ich</em> ganz -ergebenst), oder<span class="pagenum" id="Seite_92">[S. 92]</span> gar dadurch, daß man den grammatischen Selbstmord -begeht, wie es Jean Paul genannt hat, <em class="gesperrt">ich</em> oder <em class="gesperrt">wir</em> -wegzulassen. Derartige Scherze schleppen sich aus alten Briefstellern -fort – wer Gelegenheit hätte, in den Briefen des alten Goethe zu -lesen, würde mit Erstaunen sehen, daß sich auch der nie anders -ausgedrückt hat –, sie sollten aber doch endlich einmal überwunden -werden.</p> - -<p>Noch schlimmer freilich als die Unterdrückung von <em class="gesperrt">ich</em> und -<em class="gesperrt">wir</em> ist die Albernheit, wenn man den andern nicht recht -verstanden hat, zu fragen: <em class="gesperrt">Wie meinen?</em> Hier mordet man -grammatisch gar den Angeredeten!</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Die_Ausstattung_war_eine_glaenzende">Die Ausstattung war eine glänzende</h3> - -</div> - -<p>Eine häßliche Gewohnheit, die in unserm Satzbau eingerissen ist, ist -die, das Prädikat, wenn es durch ein Adjektiv gebildet wird, nicht, -wie es doch im Deutschen das richtige und natürliche ist, in der -unflektierten, prädikativen Form hinzuschreiben, z. B.: das Verfahren -ist <em class="gesperrt">sehr einfach</em>, sondern in der flektierten, attributiven Form, -als ob sich der Leser dazu das Subjekt noch einmal ergänzen sollte: das -Verfahren ist <em class="gesperrt">ein sehr einfaches</em> (nämlich Verfahren). Es ist das -nicht bloß ein syntaktischer, sondern auch ein logischer Fehler, und -daß man das gar nicht empfindet, ist das besonders traurige dabei.</p> - -<p>Ein Adjektiv im Prädikat zu flektieren hat nur in einem Falle Sinn, -nämlich wenn das Subjekt durch die Aussage in eine bestimmte Klasse -oder Sorte eingereiht werden soll. Wenn man sagt: die Kirsche, -die du mir gegeben hast, war <em class="gesperrt">eine saure</em> – das Regiment -dort ist <em class="gesperrt">ein preußisches</em> – diese Frage ist <em class="gesperrt">eine</em> -rein <em class="gesperrt">wirtschaftliche</em> – der Genuß davon ist mehr <em class="gesperrt">ein -sinnlicher</em>, <em class="gesperrt">kein</em> rein <em class="gesperrt">geistiger</em> – der Begriff der -Infektionslehre ist <em class="gesperrt">ein moderner</em> – der Hauptzweck der Regierung -war <em class="gesperrt">ein fiskalischer</em> – das Amt des Areopagiten war <em class="gesperrt">ein -lebenslängliches</em> – das Exemplar, das ich bezogen habe, war <em class="gesperrt">ein -gebundnes</em> – das abgelaufne Jahr war für die Geschäftswelt <em class="gesperrt">kein -günstiges</em> – so teilt man die Kirschen, die Regimenter, die Fragen, -die Genüsse usw. in verschiedne Klassen oder Sorten ein und weist das -Subjekt nun einer dieser<span class="pagenum" id="Seite_93">[S. 93]</span> Sorten zu. Es wäre ganz unmöglich, zu sagen: -diese Frage ist rein <em class="gesperrt">ästhetisch</em> oder: das Regiment dort ist -<em class="gesperrt">preußisch</em>. Die Kirsche ist <em class="gesperrt">sauer</em> – das kann man wohl -von einer unreifen Süßkirsche sagen, aber nicht, wenn man ausdrücken -will, daß die Kirsche zu der Gattung der sauern Kirschen gehöre. Das -unflektierte Adjektiv also urteilt, das flektierte sortiert. An ein -Sortieren ist aber doch nicht zu denken, wenn jemand sagt: meine Arbeit -ist <em class="gesperrt">eine vergebliche</em> gewesen. Es fällt dem Schreibenden nicht im -Traume ein, die Arbeiten etwa in erfolgreiche und vergebliche einteilen -und nun die Arbeit, von der er spricht, in die Klasse der vergeblichen -einreihen zu wollen, sondern er will einfach ein Urteil über seine -Arbeit aussprechen. Da genügt es doch, zu sagen: meine Arbeit ist -<em class="gesperrt">vergeblich</em> gewesen.</p> - -<p>In der Unterhaltung sagt denn auch kein Mensch: die Suppe ist <em class="gesperrt">eine -zu heiße</em>, aber <em class="gesperrt">eine sehr gute</em>. Der lebendigen Sprache -ist diese unnötige und häßliche Verbreiterung des Ausdrucks ganz -fremd, sie gehört ausschließlich der Papiersprache an, stellt sich -immer nur bei dem ein, der die Feder in die Hand nimmt, oder bei -dem Gewohnheitsredner, der bereits Papierdeutsch spricht, oder dem -gebildeten Philister, der sich am Biertisch in der Sprache seiner -Leibzeitung unterhält. Die Papiersprache kennt gar keine andern -Prädikate mehr. Man sehe sich um: in zehn Fällen neunmal dieses -schleppende flektierte Adjektiv, im Aktendeutsch durchweg, aber auch -in der wissenschaftlichen Darstellung, im Essay, im Leitartikel, -im Feuilleton. Lächerlicherweise ist das Adjektiv dabei oft durch -ein Adverb gesteigert, sodaß gar kein Zweifel darüber sein kann, -daß ein Urteil ausgesprochen werden soll. Aber es wird nirgends -mehr geurteilt, es wird überall nur noch sortiert: das Befinden der -Königin ist <em class="gesperrt">ein ausgezeichnetes</em> – die Ausstattung war <em class="gesperrt">eine -überaus vornehme</em> – die Organisation ist <em class="gesperrt">eine sehr straffe, -fast militärische</em> – der Andrang war <em class="gesperrt">ein ganz enormer</em> -– der Beifall war <em class="gesperrt">ein wohlverdienter</em> – diese Forderung -ist eine <em class="gesperrt">durchaus gerechtfertigte</em> – die Stellung des neuen -Direktors war <em class="gesperrt">eine außerordentlich schwierige</em> – in einigen -Lieferungen<span class="pagenum" id="Seite_94">[S. 94]</span> ist die Bandbezeichnung <em class="gesperrt">eine falsche</em> – der -Erfolg mußte von vornherein <em class="gesperrt">ein zweifelhafter</em> sein – diese -Anschauung vom Leben der Sprache ist <em class="gesperrt">eine durchaus verkehrte</em> -– die Verfrachtung ist <em class="gesperrt">eine außerordentlich zeitraubende</em> -und <em class="gesperrt">kostspielige</em> – die Beurteilung des Gedichts war <em class="gesperrt">eine -verschiedne</em>, doch <em class="gesperrt">günstige</em> – dieser Standpunkt ist <em class="gesperrt">ein -völlig undurchführbarer</em> – die kirchliche Lage der kleinen -Gemeinden war eine <em class="gesperrt">sehr gedrückte, wenig beneidenswerte</em> – -die Aussicht auf die kommende Session ist <em class="gesperrt">eine sehr trübe</em> – -dieses Gedicht ist <em class="gesperrt">ein</em> dem ganzen deutschen Volke <em class="gesperrt">teures</em> -(!) – allen Verehrern Moltkes dürfte der Besitz dieses Kunstblattes -ein <em class="gesperrt">sehr willkommner</em> (!) sein – die Notwendigkeit einer -Ausdehnung wird schwerlich so bald <em class="gesperrt">eine fühlbare</em> (!) sein usw. -Ebenso dann auch in der Mehrzahl: die Meinungen der Menschen sind -<em class="gesperrt">sehr verschiedne</em> – die Pachtsummen waren schon an und für -sich <em class="gesperrt">hohe</em> – die mythologischen Kenntnisse der Schüler sind -gewöhnlich <em class="gesperrt">ziemlich dürftige</em> – ich glaube nicht, daß die -dortigen Verhältnisse von den unsrigen <em class="gesperrt">so grundverschiedne</em> (!) -seien. Ist das Prädikat verneint, so heißt es natürlich <em class="gesperrt">kein</em> -statt <em class="gesperrt">nicht</em>: die Schwierigkeiten waren <em class="gesperrt">keine geringen</em> -– die Kluft zwischen den einzelnen Ständen war <em class="gesperrt">keine sehr -tiefe</em> – die Rührung ist <em class="gesperrt">keine erkünstelte</em> – die Grenze -ist <em class="gesperrt">keine</em> für alle Zeiten <em class="gesperrt">bestimmte</em> und <em class="gesperrt">keine</em> für -alle Orte <em class="gesperrt">gleiche</em> – bei Goethe und Schiller ist der Abstand -von der Gegenwart <em class="gesperrt">kein so starker</em> mehr. Eine musterhafte -Buchkritik lautet heutzutage so: ist der Inhalt des Lexikons <em class="gesperrt">ein -sehr wertvoller</em> und die Behandlung der einzelnen Punkte <em class="gesperrt">eine -vorzügliche</em>, so hält die Ausstattung gleichen Schritt damit, denn -sie ist <em class="gesperrt">eine sehr gediegne</em>.<a id="FNAnker_58" href="#Fussnote_58" class="fnanchor">[58]</a></p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_95">[S. 95]</span></p> - -<p>Von dem einfachen mit der Kopula gebildeten Prädikat geht aber der -Schwulst nun weiter zu den Verben, die mit doppeltem Akkusativ, einem -Objekts- und einem Prädikatsakkusativ, verbunden werden. Auch da heißt -es nur noch: diesen Kampf kann man nur <em class="gesperrt">einen gehässigen</em> nennen -(statt: <em class="gesperrt">gehässig</em> nennen!) – mehr oder minder sehen wir alle -die Zukunft als <em class="gesperrt">eine ernste</em> an (statt: als <em class="gesperrt">ernst</em> an) – -ich möchte diesen Versuch nicht als <em class="gesperrt">einen durchaus gelungnen</em> -bezeichnen – ich bin weit davon entfernt, diese Untersuchung als -<em class="gesperrt">eine abschließende</em> hinzustellen – das, was uns diese Tage <em class="gesperrt">zu -unvergeßlichen</em> macht (statt: <em class="gesperrt">unvergeßlich</em> macht!) – und -passiv: der angerichtete Schade wird als <em class="gesperrt">ein beträchtlicher</em> -bezeichnet – abhängige Arbeit löst sich los und wird zu <em class="gesperrt">einer -unabhängigen</em> (statt: wird <em class="gesperrt">unabhängig</em>) – bis die Bildung der -Frauen <em class="gesperrt">eine andre</em> und <em class="gesperrt">bessere</em> wird (statt: <em class="gesperrt">anders</em> -und <em class="gesperrt">besser</em> wird) – unsre Kenntnis der japanischen Industrie ist -<em class="gesperrt">eine</em> viel <em class="gesperrt">umfassendere</em> und <em class="gesperrt">gründlichere</em> geworden -– durch diese Nadel ist das Fleischspicken <em class="gesperrt">ein müheloseres</em> (!) -geworden usw.</p> - -<p>Besonders häßlich wird die ganze Erscheinung, wenn statt des -Adjektivs oder neben dem Adjektiv ein aktives Partizip erscheint, -z. B.: das ganze Verfahren ist <em class="gesperrt">ein durchaus</em> den Gesetzen -<em class="gesperrt">widersprechendes</em>. Hier liegt ein doppelter Schwulst vor: -statt des einfachen <span class="antiqua">verbum finitum</span> <em class="gesperrt">widerspricht</em> -ist das Partizip gebraucht: <em class="gesperrt">ist widersprechend</em>, und statt -des unflektierten Partizips auch noch das flektierte: ist <em class="gesperrt">ein -widersprechendes</em>. Aber gerade auch solchen Sätzen begegnet man -täglich: das Ergebnis ist <em class="gesperrt">ein verstimmendes</em> – da die natürliche -Beleuchtung doch immer <em class="gesperrt">eine wechselnde</em> ist – der Anteil war -<em class="gesperrt">ein</em> den vorhandnen männlichen Seelen <em class="gesperrt">entsprechender</em> – -die Mache ist <em class="gesperrt">eine verschiedenartige</em>, der Mangel selbständiger -Forschung aber <em class="gesperrt">ein</em> stets <em class="gesperrt">wiederkehrender</em> – die Stellung -des Richters ist <em class="gesperrt">eine</em> von Jahr zu Jahr <em class="gesperrt">sinkende</em> – das -schließt nicht aus, daß der Inhalt der Sitte <em class="gesperrt">ein verwerflicher</em>, -d. h. dem wahren Besten der Gesellschaft <em class="gesperrt">nicht entsprechender</em> -sei (statt: <em class="gesperrt">verwerflich</em> sei, d. h. <em class="gesperrt">nicht<span class="pagenum" id="Seite_96">[S. 96]</span> entspreche</em>) – -die Armierung ist <em class="gesperrt">eine sehr schwache</em> und absolut <em class="gesperrt">nicht</em> -ins Gewicht <em class="gesperrt">fallende</em> – die Sprache des Buchs ist <em class="gesperrt">eine -klare, einfache</em> und allgemein <em class="gesperrt">verständliche</em>, vom Herzen -<em class="gesperrt">kommende</em> und zum Herzen <em class="gesperrt">gehende</em> – im ganzen ist -das Werk freilich <em class="gesperrt">kein</em> den Gegenstand <em class="gesperrt">erschöpfendes</em> -– und auch hier passiv: der Zweck des Buchs ist ein <em class="gesperrt">durchaus -anzuerkennender</em> (statt: <em class="gesperrt">durchaus anzuerkennen</em>).</p> - -<p>Es ist kein Zweifel, daß diese breitspurig einherstelzenden Prädikate -allgemein für eine besondre Schönheit gehalten werden. Wer aber einmal -auf sie aufmerksam gemacht worden oder von selbst aufmerksam geworden -ist, der müßte doch jeden Rest von Sprachgefühl verloren haben, wenn er -sie nicht so schnell wie möglich abzuschütteln suchte.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Eine_Menge_war_oder_waren">Eine Menge war oder waren?</h3> - -</div> - -<p>Wenn das Subjekt eines Satzes durch ein Wort wie <em class="gesperrt">Zahl</em>, -<em class="gesperrt">Anzahl</em>, <em class="gesperrt">Menge</em>, <em class="gesperrt">Masse</em>, <em class="gesperrt">Fülle</em>, <em class="gesperrt">Haufe</em>, -<em class="gesperrt">Reihe</em>, <em class="gesperrt">Teil</em> und ähnliche gebildet wird, so wird sehr -oft im Prädikat ein Fehler im Numerus gemacht. Zu solchen Wörtern -kann nämlich entweder ein Genitiv treten, der als Genitiv nicht -erkennbar und fühlbar ist, sondern wie ein frei angeschlossener -Nominativ erscheint (eine <em class="gesperrt">Menge Menschen</em>) und deshalb sogar ein -Attribut im Nominativ zu sich nehmen kann (eine <em class="gesperrt">Menge unbedeutende -Menschen</em><a id="FNAnker_59" href="#Fussnote_59" class="fnanchor">[59]</a>), oder ein auf irgendeine Weise erkennbar gemachter -Genitiv (eine <em class="gesperrt">Menge von Menschen</em>, eine <em class="gesperrt">Menge unbedeutender -Menschen</em>); die eine Verbindung ist so gebräuchlich wie die andre. -Nun ist wohl klar, daß in dem ersten Falle das Prädikat in der -Mehrzahl stehn muß; der scheinbare Nominativ <em class="gesperrt">Menschen</em> tritt -da so in den Vordergrund, daß er geradezu zum Subjekt, daher für -die Wahl des Numerus im Prädikat entscheidend wird. Ebenso klar ist -aber doch, daß in dem zweiten Falle das Prädikat nur in der Einzahl -stehn kann, denn der abhängige Genitiv <em class="gesperrt">von<span class="pagenum" id="Seite_97">[S. 97]</span> Menschen</em> bleibt im -Hintergrunde, und entscheidend für den Numerus im Prädikat kann dann -nur der Singular <em class="gesperrt">Menge</em> sein. Man kann zwar zu solchen Begriffen -– nach dem Sinne – das Prädikat auch in die Mehrzahl setzen, aber -doch nur, wenn sie allein stehen; durch den abhängigen deutlichen -Plural-Genitiv wird das zusammenfassende, einheitliche in dem Begriff -<em class="gesperrt">Menge</em> so eindringlich fühlbar gemacht, daß es in hohem Grade -stört, wenn man Sätze lesen muß wie: eine auserlesene <em class="gesperrt">Zahl deutscher -Kunstwerke</em> sind gegenwärtig in Leipzig zu sehen – eine große -<em class="gesperrt">Anzahl seiner Erzählungen beginnen</em> mit dem jugendlichen Alter -des Helden – erfreulich ist es, daß eine große <em class="gesperrt">Anzahl unsrer -Ärzte</em> schon über zehn Jahre ihren Dienst versehen <em class="gesperrt">haben</em> – -die größere <em class="gesperrt">Anzahl</em> der Lieder und Bearbeitungen <em class="gesperrt">sind</em> -nicht frei – eine <em class="gesperrt">Menge abweichender Beispiele dürfen</em> nicht -dazu verleiten, die Regel als ungiltig zu bezeichnen – außer den Seen -<em class="gesperrt">müssen</em> noch eine <em class="gesperrt">Menge kleiner Kanäle</em> benutzt werden – -dem Reichsdeutschen <em class="gesperrt">treten</em> in dem schweizerischen Schriftdeutsch -eine ganze <em class="gesperrt">Menge von Besonderheiten</em> entgegen – von diesem -schönen Unternehmen <em class="gesperrt">liegen</em> nun schon <em class="gesperrt">eine Reihe</em> von -Heften vor – eine <em class="gesperrt">Reihe von Kunstbeilagen ermöglichen</em> dem -Kunsthistoriker weitergehendes Studium – kaum ein halbes <em class="gesperrt">Dutzend -der vorzüglichsten Dramen finden</em> nachhaltige Teilnahme – der -größte <em class="gesperrt">Teil der Grundbesitzer waren</em> gar nicht mehr Eigentümer -– ein ganz geringer <em class="gesperrt">Bruchteil der Stellen sind</em> auskömmlich -bezahlt – mindestens ein <em class="gesperrt">Viertel seiner Lieder stehen</em> in jedem -Gesangbuche – wer da weiß, wie schrecklich unbeholfen die <em class="gesperrt">Mehrzahl -unsrer Knaben sind</em> – dem Erfolge <em class="gesperrt">stehen</em> eine <em class="gesperrt">Fülle von -verschiednen Bedingungen</em> entgegen usw. Alle, die so schreiben, -verraten ein stumpfes Sprachgefühl und lassen sich von dem Krämer -beschämen, der in der Zeitung richtig anzeigt: ein großer <em class="gesperrt">Posten -zurückgesetzter Unterröcke ist</em> billig zu verkaufen. Besonders -beleidigend wird der Fehler, wenn das Zeitwort im Plural unmittelbar -vor dem singularischen Begriff der Menge steht.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_98">[S. 98]</span></p> - -<p>Umgekehrt sind manche geneigt, alle Angaben von Bruchteilen als -Singulare zu behandeln und zu schreiben: bei Aluminium <em class="gesperrt">wird zwei -Drittel</em> des Gewichts erspart – es <em class="gesperrt">wurde nur fünf Prozent</em> -der Masse gerettet. Hier ist der Singular natürlich ebenso anstößig wie -in den vorher angeführten Beispielen der Plural.</p> - -<p>Dem Deutschen eigentümlich ist die Anrede <em class="gesperrt">Sie</em>, eigentlich die -dritte Person der Mehrzahl. Sie ist dadurch entstanden, daß man vor -lauter Höflichkeit den Angeredeten nicht bloß, wie andre Sprachen, -als Mehrzahl, sondern sogar als abwesend hinstellte. Man wagte -gleichsam gar nicht, ihm unter die Augen zu treten und ihn anzublicken. -Das pluralische Prädikat zu diesem <em class="gesperrt">Sie</em> wird aber nun sogar -mit singularischen Subjekten verbunden, wie <em class="gesperrt">Eure Majestät</em>, -<em class="gesperrt">Exzellenz</em>, <em class="gesperrt">der Herr Hofrat</em> (Goethe im Faust: <em class="gesperrt">Herr -Doktor wurden</em> da katechisiert). So unnatürlich das ist, es wird -schwerlich wieder zu beseitigen sein. Die wunderlichste Folge dieser -Spracherscheinung ist wohl ein Satz wie der: Verzeihen Sie, daß ich -<em class="gesperrt">Sie, der Sie</em> ohnehin so beschäftigt <em class="gesperrt">sind</em>, mit dieser -Frage belästige.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Noch_ein_falscher_Plural_im_Praedikat">Noch ein falscher Plural im Prädikat</h3> - -</div> - -<p>Ein Prädikat, das sich auf zwei oder mehr Subjekte bezieht, muß -selbstverständlich im Plural stehen, wenn die Subjekte zu einer -Gruppe zusammengefaßt werden. Das geschieht aber immer, wenn sie -durch das Bindewort <em class="gesperrt">und</em> verbunden sind. Dagegen werden die -Subjekte niemals zu einer Gruppe vereinigt, wenn sie mit trennenden -(disjunktiven) oder gegenüberstellenden Bindewörtern verbunden -werden – eigentlich ein Widerspruch, aber doch nur ein scheinbarer, -denn die Verbindung ist etwas äußerliches, rein syntaktisches, -die Gegenüberstellung ist etwas innerliches, logisches. Zu diesen -Bindewörtern (zum Teil eigentlich mehr Adverbien) gehören: <em class="gesperrt">oder</em>, -<em class="gesperrt">teils – teils</em>, <em class="gesperrt">weder – noch</em>, <em class="gesperrt">wie</em>, <em class="gesperrt">sowie</em>, -<em class="gesperrt">sowohl – wie</em>, <em class="gesperrt">sowohl – als auch</em>. Es ist eins der -unverkennbarsten Zeichen der zunehmenden Unklarheit des Denkens, -daß in solchen Fällen das Prädikat jetzt<span class="pagenum" id="Seite_99">[S. 99]</span> immer öfter in den Plural -gesetzt wird. Verhältnismäßig selten liest man ja so unsinnige Sätze -wie: wenn ein schwacher Vater <em class="gesperrt">oder</em> eine schwache Mutter der -Schule ein Schnippchen <em class="gesperrt">schlagen</em> (<em class="gesperrt">schlägt</em>!) – es -ist sehr fraglich, ob ein roher, trunksüchtiger Mann <em class="gesperrt">oder</em> -eine böse, schlecht wirtschaftende Frau im Hause mehr Schaden -<em class="gesperrt">anrichten</em> (<em class="gesperrt">anrichtet</em>!) – so war es <em class="gesperrt">teils</em> die -Willkür des Geschmacks, <em class="gesperrt">teils</em> die Willkür des Zufalls, die -zu entscheiden <em class="gesperrt">hatten</em> (<em class="gesperrt">hatte</em>!) – oder gar: sein -Milieu, <em class="gesperrt">wenn nicht</em> etwas andres in ihm, <em class="gesperrt">erhalten</em> -(<em class="gesperrt">erhält</em>!) ihn unparteiisch und nüchtern. Aber schon etwas -ganz alltägliches ist der Fehler bei <em class="gesperrt">weder – noch</em>: wenn -<em class="gesperrt">weder</em> der Beklagte <em class="gesperrt">noch</em> er selbst <em class="gesperrt">sich stellen</em> -– während doch sonst <em class="gesperrt">weder</em> Tinte <em class="gesperrt">noch</em> Papier gespart -<em class="gesperrt">werden</em> – da <em class="gesperrt">weder</em> der Vater <em class="gesperrt">noch</em> die Mutter -des Jungen mit uns das geringste zu tun <em class="gesperrt">haben</em> – <em class="gesperrt">weder</em> -die Gräfin <em class="gesperrt">noch</em> ihr Bruder <em class="gesperrt">verfügen</em> über ein größeres -Vermögen – <em class="gesperrt">weder</em> Boccaccio <em class="gesperrt">noch</em> Lafontaine <em class="gesperrt">haben</em> -solche Abweichungen geduldet – <em class="gesperrt">weder</em> Preußen <em class="gesperrt">noch</em> das -junge Reich <em class="gesperrt">waren</em> stark genug, das Zentrum zu überwinden. -Am häufigsten wird der Fehler bei <em class="gesperrt">wie</em>, <em class="gesperrt">sowie</em> und den -verwandten Verbindungen begangen: die vornehme Salondame <em class="gesperrt">wie</em> -die schlichte Hausfrau <em class="gesperrt">stellen</em> an Dienstboten oft unerhörte -Anforderungen – der Verfasser zeigt, wie sich von da an das Heer -<em class="gesperrt">wie</em> das Reich immer mehr <em class="gesperrt">barbarisierten</em> – da der -Rationalismus den Grundzug dieser Religion bildet, so ist es klar, -daß ihr der Gebildete <em class="gesperrt">wie</em> der Ungebildete in gleicher Weise -<em class="gesperrt">anhängen</em> – die Ausbildung der städtischen Verfassung <em class="gesperrt">wie</em> -die Entwicklung der Fürstentümer <em class="gesperrt">zwangen</em> zur Vermehrung der -Beamten – der höchste Gerichtshof <em class="gesperrt">sowie</em> der Rechnungshof des -Reichs <em class="gesperrt">befinden</em> sich nicht in der Reichshauptstadt – Frankreich -<em class="gesperrt">sowohl wie</em> Deutschland <em class="gesperrt">entwickeln sich</em> sozialistisch -– Custine <em class="gesperrt">sowohl wie</em> die französische Regierung <em class="gesperrt">waren</em> -hinlänglich davon unterrichtet – <em class="gesperrt">sowohl</em> der romantische -<em class="gesperrt">als</em> der realistische Meister <em class="gesperrt">hatten</em> der Entwicklung eine -breite Bahn geöffnet – <em class="gesperrt">sowohl</em> der Wortschatz <em class="gesperrt">als auch</em> -die Formenlehre <em class="gesperrt">haben</em> im Verlaufe von hundert Jahren merkliche -Veränderungen<span class="pagenum" id="Seite_100">[S. 100]</span> erfahren – die freundlichen Worte, die <em class="gesperrt">sowohl</em> -der Vizepräsident an mich <em class="gesperrt">als auch</em> der Herr Ministerpräsident -an die Direktoren gerichtet <em class="gesperrt">haben</em>. In allen diesen Sätzen kann -gar kein Zweifel sein, daß nur von einem Singular etwas ausgesagt wird. -Dieser Singular wird einem andern Singular gleichgestellt, von dem -dieselbe Aussage gilt. Aber dadurch wird doch aus den beiden Singularen -noch kein Plural. Wer das Prädikat in den Plural setzen will, muß eben -die Subjekte durch <em class="gesperrt">und</em> verbinden, nicht durch <em class="gesperrt">wie</em>.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Das_Passivum_Es_wurde_sich">Das Passivum. Es wurde sich</h3> - -</div> - -<p>Beim Gebrauche der Zeitwörter kommen in Betracht die Genera (Aktivum -und Passivum), die Tempora und die Modi. Im Gebrauche der Genera -können kaum Fehler vorkommen. Zu warnen ist nur vor der unter -Juristen und Zeitungschreibern weit verbreiteten Gewohnheit, alles -passivisch auszudrücken, z. B.: namentlich muß <em class="gesperrt">von dem</em> obersten -<em class="gesperrt">Leiter</em> der Politik dieser Zustand als eine Erschwerung seines -Amtes <em class="gesperrt">empfunden werden</em> (statt: der oberste Leiter muß empfinden) -– das hat sehr dazu beigetragen, <em class="gesperrt">daß von der Regierung</em> nicht -an den bisher befolgten sozialpolitischen Grundsätzen <em class="gesperrt">festgehalten -worden ist</em> (statt: daß die Regierung nicht festgehalten hat) – -bei einem Pachtverhältnis sollte <em class="gesperrt">von seiten (!) des</em> Verpächters -nicht bloß auf die Höhe der gebotnen Pachtsumme <em class="gesperrt">gesehen werden</em>, -sondern auch die Persönlichkeit des Bewerbers <em class="gesperrt">berücksichtigt</em> und -auf dessen Befähigung Wert <em class="gesperrt">gelegt werden</em> (statt: der Verpächter -sollte berücksichtigen). Das nächstliegende ist doch immer das Aktivum.</p> - -<p>Geschmacklos ist es, ein Passivum von einem reflexiven Zeitwort zu -bilden: es brach ein Gewitter los, und <em class="gesperrt">es wurde sich</em> in ein Haus -<em class="gesperrt">geflüchtet</em> – mit dem Beschlusse des Rats <em class="gesperrt">wurde sich</em> -einverstanden <em class="gesperrt">erklärt</em> – über dieses Thema <em class="gesperrt">ist sich</em> -in pädagogischen Zeitschriften wiederholt <em class="gesperrt">geäußert worden</em>. -Dergleichen Sätze kann man höchstens im Scherz bilden. In gutem Deutsch -müssen sie mit Hilfe des Fürworts <em class="gesperrt">man</em> umschrieben werden.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_101">[S. 101]</span></p> - -<h3 id="Ist_gebeten_oder_wird_gebeten">Ist gebeten oder wird gebeten?</h3> - -</div> - -<p>Zahlreiche Verstöße werden gegen den richtigen Gebrauch der Tempora -begangen. Ganz undeutsch und nichts als eine gedankenlose Nachäfferei -des Französischen, noch dazu eines falsch verstandnen Französisch, ist -es, zu schreiben: die Mitglieder <em class="gesperrt">sind gebeten</em>, pünktlich zu -erscheinen. In dem Augenblicke, wo jemand eine derartige Aufforderung -erhält, <em class="gesperrt">ist</em> er noch nicht gebeten, sondern er <em class="gesperrt">wird</em> es -erst. Man kann wohl sagen: du <em class="gesperrt">bist geladen</em>, d. h. betrachte dich -hiermit als geladen. Aber die Mitteilung einer Bitte, einer Einladung -usw. kann nur durch das Präsens, nicht durch das Perfektum ausgedrückt -werden.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Missbrauch_des_Imperfekts">Mißbrauch des Imperfekts</h3> - -</div> - -<p>Ganz widerwärtig und ein trauriges Zeichen der zunehmenden Abstumpfung -unsers Sprachgefühls ist ein Mißbrauch des Imperfekts, der seit einiger -Zeit mit großer Schnelligkeit um sich gegriffen hat.</p> - -<p>Das Imperfektum ist in gutem Deutsch das Tempus der Erzählung. Was -heißt erzählen?</p> - -<p>Mariandel kommt weinend aus der Kinderstube und klagt: <em class="gesperrt">Wolf hat</em> -mich <em class="gesperrt">geschlagen</em>! Die Mutter nimmt sie auf den Schoß, beruhigt -sie und sagt: erzähle mir einmal, wies zugegangen ist. Und nun erzählt -Mariandel: ich <em class="gesperrt">saß</em> ganz ruhig da und <em class="gesperrt">spielte</em>, da -<em class="gesperrt">kam</em> der böse Wolf und <em class="gesperrt">zupfte</em> mich am Haar usw. Mit dem -Perfektum also hat sie die erste Meldung gemacht; auf die Aufforderung -der Mutter, zu erzählen, springt sie sofort ins Imperfektum über. Da -sehen wir deutlich den Sinn des Imperfekts. Erzählen heißt aufzählen, -herzählen. Das Wesentliche einer Erzählung liegt in dem Eingehen in -Einzelheiten. Weiterhin besteht aber zwischen Imperfekt und Perfekt -auch ein Unterschied in der Zeitstufe: das Imperfekt berichtet früher -geschehene Dinge (man kann sich meist ein <em class="gesperrt">damals</em> dazu denken), -das Perfektum Ereignisse, die sich soeben zugetragen haben, wie der -Schlag, den Mariandel bekommen hat. Wenn ich eine Menschenmasse auf der -Straße laufen sehe und frage:<span class="pagenum" id="Seite_102">[S. 102]</span> was gibts denn? so wird mir geantwortet: -der Blitz <em class="gesperrt">hat eingeschlagen</em>, und am Markt <em class="gesperrt">ist</em> Feuer -<em class="gesperrt">ausgebrochen</em>; d. h. das ist soeben geschehen. Wenn ich dagegen -nach einigen Wochen oder Jahren über den Vorgang berichte, kann ich nur -sagen: der Blitz <em class="gesperrt">schlug ein</em>, und am Markte <em class="gesperrt">brach</em> Feuer -<em class="gesperrt">aus</em>. Nur wenn ich etwas, was mir ein andrer erzählt hat, weiter -erzähle, gebrauche ich das Perfektum; selbst dann, wenn mirs der andre -im Imperfekt erzählt hat, weil ers selbst erlebt, selbst mit angesehen -hatte, kann ich es nur im Perfekt weiter erzählen. Wollte ich auch im -Imperfekt erzählen, so müßte ich auf die Frage gefaßt sein: bist du -denn dabei gewesen?</p> - -<p>Also mit dem Imperfekt wird erzählt, und zwar selbsterlebtes; es -ist daher das durchgehende Tempus aller Romane, aller Novellen, -aller Geschichtswerke, denn sowohl der Geschichtschreiber wie der -Romanschreiber berichtet so, als ob er dabeigewesen wäre und die Dinge -selbst mit angesehen hätte. Das Perfektum ist dagegen das Tempus der -bloßen Meldung, der tatsächlichen Mitteilung. Der Unterschied ist so -handgreiflich, daß man meinen sollte, er könnte gar nicht verwischt -werden.</p> - -<p>Nun sehe man einmal die kurzen Meldungen in unsern Zeitungen an, die -das Neueste vom Tage bringen, unter den telegraphischen Depeschen, -unter den Stadtnachrichten usw. – ist es nicht widerwärtig, wie da -das Imperfekt mißbraucht wird? Da heißt es: Prinz A. <em class="gesperrt">erkrankte</em> -schwer in Venedig; seine Gemahlin <em class="gesperrt">reiste</em> aus München dahin ab -– Bahnhofsinspektor S. in R. <em class="gesperrt">erhielt</em> das Ritterkreuz zweiter -Klasse – in Heidelberg <em class="gesperrt">starb</em> Professor X – Minister Soundso -<em class="gesperrt">reichte</em> seine Entlassung <em class="gesperrt">ein</em> – in Dingsda <em class="gesperrt">wurde</em> -die Sparkasse <em class="gesperrt">erbrochen</em> – ein merkwürdiges Buch <em class="gesperrt">erschien</em> -in Turin. Wann denn? fragte man unwillkürlich, wenn man so etwas liest. -Du willst mir doch eine Neuigkeit mitteilen und drückst dich aus, als -ob du etwas erzähltest, was vor dreihundert Jahren geschehen wäre. Ein -merkwürdiges Buch <em class="gesperrt">erschien</em> in Turin – das klingt doch, als ob -der Satz aus einer Kirchengeschichte Italiens genommen wäre.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_103">[S. 103]</span></p> - -<p>Etwas andres wird es schon, wenn eine Zeitbestimmung der Vergangenheit -hinzutritt, und wäre es nur ein <em class="gesperrt">gestern</em>; dann kann der Satz den -Charakter einer bloßen tatsächlichen Mitteilung verlieren und den der -Erzählung annehmen. Es ist ebenso richtig, zu schreiben: gestern starb -hier nach längerer Krankheit Professor X, wie: <em class="gesperrt">gestern</em> ist hier -nach längerer Krankheit Professor X <em class="gesperrt">gestorben</em>. Im zweiten Falle -melde ich einfach das Ereignis, im ersten Falle erzähle ich. Fehlt aber -jede Zeitangabe, soll das Ereignis schlechthin gemeldet werden, so ist -der Gebrauch des Imperfekts ein Mißbrauch.</p> - -<p>Der Fehler ist aber nicht auf Zeitungsnachrichten beschränkt geblieben; -auch unsre Geschäftsleute schreiben schon in ihren Anzeigen und -Briefen und halten das für eine besondre Feinheit: ich <em class="gesperrt">verlegte</em> -mein Geschäft von der Petersstraße nach der Schillerstraße – ich -<em class="gesperrt">eröffnete</em> am Johannisplatz eine zweite Filiale u. ähnl. Ein -Schuldirektor schreibt einem Schüler ins Zeugnis: M. <em class="gesperrt">besuchte</em> -die hiesige Schule und <em class="gesperrt">trat</em> heute aus. Eine Verlagsbuchhandlung -schreibt in der Ankündigung eines Werkes, dessen Ausgabe bevorsteht: -wir <em class="gesperrt">scheuten</em> kein Opfer, die Illustrationen so prächtig als -möglich auszuführen; den Preis <em class="gesperrt">stellten</em> wir so niedrig, daß -sich unser Unternehmen in den weitesten Kreisen Eingang verschaffen -kann. Wann denn? fragt man unwillkürlich. Sind diese Sätze Bruchstücke -aus einer Selbstbiographie von dir? erzählst du mir etwas aus der -Geschichte deines Geschäfts? über ein Verlagsunternehmen, das du vor -zwanzig Jahren in die Welt geschickt hast? Oder handelt sichs um ein -Buch, das soeben fertig geworden ist? Wenn du das letzte meinst, so -kann es doch nur heißen: wir <em class="gesperrt">haben</em> kein Opfer <em class="gesperrt">gescheut</em>, -den Preis <em class="gesperrt">haben</em> wir so niedrig <em class="gesperrt">gestellt</em> usw. Eine andre -Buchhandlung schreibt auf die Titelblätter ihrer Verlagswerke: den -Buchschmuck <em class="gesperrt">zeichnete</em> Fidus. <em class="gesperrt">Zeichneetee</em>! Wann denn?</p> - -<p>Es kommt aber noch eine weitere Verwirrung hinzu. Das Perfekt hat -auch die Aufgabe, die gegenwärtige Sachlage auszudrücken, die durch -einen Vorgang oder eine Handlung geschaffen worden ist. Auch in -dieser<span class="pagenum" id="Seite_104">[S. 104]</span> Bedeutung wird es jetzt unbegreiflicherweise durch das -Tempus der Erzählung verdrängt. Da heißt es: die soziale Frage ist -das schwierigste Erbteil, das Kaiser Wilhelm von seinen Vorfahren -<em class="gesperrt">erhielt</em> (statt: <em class="gesperrt">erhalten hat</em>, denn er hat es doch -nun!) – auch die vorliegende Arbeit führt nicht zum Ziel, trotz -der großen Mühe, die der Verfasser auf sie <em class="gesperrt">verwandte</em> (statt: -<em class="gesperrt">verwendet hat</em>, denn die Arbeit liegt doch vor!) – da die Ehe -des Herzogs kinderlos <em class="gesperrt">blieb</em> (statt: <em class="gesperrt">geblieben ist</em>) – -folgt ihm sein Neffe in der Regierung – die letzten Wochen haben dazu -beigetragen, daß das Vertrauen in immer weitere Kreise <em class="gesperrt">drang</em> -(statt: <em class="gesperrt">gedrungen ist</em>) – wir beklagen tief, daß sich kein -Ausweg finden <em class="gesperrt">ließ</em> (statt: <em class="gesperrt">hat finden lassen</em>) – kein -Wunder, daß aus den Wahlen solche Ergebnisse <em class="gesperrt">hervorgingen</em> usw. -Der letzte Satz klingt, als wäre er aus irgendeiner geschichtlichen -Darstellung genommen, als wäre etwa von Wahlen zum ersten deutschen -Parlament die Rede. Es sollen aber die letzten Reichstagswahlen damit -gemeint sein, die den gegenwärtigen Reichstag geschaffen haben! Da -muß es doch heißen: kein Wunder, daß aus den Wahlen solche Ergebnisse -<em class="gesperrt">hervorgegangen sind</em>, denn diese Ergebnisse bilden doch die -gegenwärtige Sachlage.</p> - -<p>Es kann wohl kaum ein Zweifel darüber sein, woher der Mißbrauch des -Imperfekts stammt. In Norddeutschland ist er durch Nachäfferei des -Englischen entstanden und mit dem lebhaftern Betriebe der englischen -Sprache aufgekommen. Der Engländer sagt: <span class="antiqua">I <em class="gesperrt">saw</em> him this -morning</span> (ich <em class="gesperrt">habe</em> ihn diesen Morgen <em class="gesperrt">gesehen</em>) – -<span class="antiqua">I <em class="gesperrt">expected</em> you last Thursday</span> (ich <em class="gesperrt">habe</em> Sie -vorigen Donnerstag <em class="gesperrt">erwartet</em>) – <span class="antiqua">Yours I <em class="gesperrt">received</em></span> -(ich <em class="gesperrt">habe</em> Ihr Schreiben <em class="gesperrt">erhalten</em>) – <span class="antiqua">That is the -finest ship I ever <em class="gesperrt">saw</em></span> (das ist das schönste Schiff, das -ich je <em class="gesperrt">gesehen habe</em>) – <span class="antiqua">Sheridan’s Plays, now printed -as he <em class="gesperrt">wrote</em> them</span> (wie er sie <em class="gesperrt">geschrieben hat</em>). -Wahrscheinlich weniger durch nachlässiges Übersetzen aus englischen -Zeitungen als durch schlechten englischen Unterricht, bei dem nicht -genug auf den Unterschied der Sprachen in dem Gebrauche der Tempora -hingewiesen, sondern gedankenlos wörtlich übersetzt wird, ist der -Mißbrauch ins Deutsche<span class="pagenum" id="Seite_105">[S. 105]</span> hereingeschleppt worden. In Leipzig kann man -schon hören, wie ein Geck, der den Tag zuvor aus dem Bade zurückgekehrt -ist, einem andern Gecken auf der Straße zuruft: <em class="gesperrt">Jä, ich käm gestern -zurück</em>, wie ein Geck in Gesellschaft sagt: ich <em class="gesperrt">hatte</em> schon -den Vorzug (ich habe schon die Ehre gehabt). In Süddeutschland aber -kommt dazu noch eine andre Quelle. Dem bayrisch-österreichischen -Volksdialekt fehlt das Imperfektum (mit Ausnahme von <em class="gesperrt">ich war</em>) -gänzlich; er kennt weder ein <em class="gesperrt">hatte</em>, noch ein <em class="gesperrt">ging</em>, noch -ein <em class="gesperrt">sprach</em>, er braucht in der Erzählung immer das Perfekt -(<em class="gesperrt">bin ich gewesen</em> – <em class="gesperrt">hab ich gesagt</em>). Daher hat diese Form -in Süddeutschland und Österreich den Beigeschmack des Vulgären, und -wenn nun der Halbgebildete Schriftdeutsch sprechen will, so gebraucht -er überall, auch da, wo es gar nicht hinpaßt, das Imperfektum, weil -er mit dem Perfekt in den Dialekt zu fallen fürchtet. In großen -Dresdner Pensionaten, wo englische, norddeutsche und österreichische -Kinder zusammen sind, soll man den Einfluß beider Quellen gleichzeitig -beobachten können.</p> - -<p>Ein wunderliches Gegenstück zu dem Mißbrauch des Imperfekts verbreitet -sich in neuern Geschichtsdarstellungen, nämlich die Schrulle, im -Perfektum zu – erzählen! Nicht bloß vereinzelte Sätze werden so -geschrieben, wie: der Enkel <em class="gesperrt">hat</em> ihm eine freundliche und -liebevolle Erinnerung <em class="gesperrt">bewahrt</em> (statt: <em class="gesperrt">bewahrte</em> ihm), -sondern halbe und ganze Seiten lang wird das Imperfekt aufgegeben und -durch das Perfektum ersetzt. Geschmackvoll kann man auch das nicht -nennen.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Worden">Worden</h3> - -</div> - -<p>Ebenso schlimm wie die beiden eben bezeichneten ist aber nun noch eine -dritte Verwirrung, die neuerdings aufgekommen ist und in kurzer Zeit -reißende Fortschritte gemacht hat: die Verwirrung, die sich in dem -Weglassen des Partizips <em class="gesperrt">worden</em> im passiven Perfektum zeigt. Es -handelt sich auch hier um eine Vermengung zweier grundverschiedner -Zeitformen, der beiden, die man in der Grammatik als Perfektum und als -<span class="antiqua">Perfectum praesens</span> bezeichnet.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_106">[S. 106]</span></p> - -<p>Nicht nur in gutem Schriftdeutsch, sondern auch in der gebildeten -Umgangssprache ist noch bis vor kurzem aufs strengste unterschieden -worden zwischen zwei Sätzen wie folgenden: auf dem Königsplatze -<em class="gesperrt">sind</em> junge Linden <em class="gesperrt">angepflanzt worden</em>, und: auf dem -Königsplatze <em class="gesperrt">sind</em> junge Linden <em class="gesperrt">angepflanzt</em>. Der erste -Satz meldet den Vorgang oder die Handlung des Anpflanzens – das ist -das eigentliche und wirkliche Perfektum; der zweite beschreibt den -durch die Handlung des Anpflanzens geschaffnen gegenwärtigen Zustand -– das ist das, was die Grammatik <span class="antiqua">Perfectum praesens</span> nennt. Der -Altarraum <em class="gesperrt">ist</em> mit fünf Gemälden <em class="gesperrt">geschmückt worden</em> – -das ist eine Mitteilung; der Altarraum <em class="gesperrt">ist</em> mit fünf Gemälden -<em class="gesperrt">geschmückt</em> – das ist eine Beschreibung. Wenn mir ein Freund -Lust machen will, mit ihm vierhändig zu spielen, so sagt er: komm, das -Klavier <em class="gesperrt">ist gestimmt</em>! Dann kann ich ihn wohl fragen: so? wann -<em class="gesperrt">ist</em> es denn <em class="gesperrt">gestimmt worden</em>? aber nicht: wann <em class="gesperrt">ist</em> -es denn <em class="gesperrt">gestimmt</em>? denn ich frage nach dem Vorgange. Wenn ein -Maler sagt: mir <em class="gesperrt">sind</em> für das Bild 6000 Mark <em class="gesperrt">geboten</em>, so -heißt das: ich kann das Geld jeden Augenblick bekommen, der Bieter -ist an sein Gebot gebunden. Sagt er aber: mir <em class="gesperrt">sind</em> 6000 Mark -<em class="gesperrt">geboten worden</em>, so kann der Bieter sein Gebot längst wieder -zurückgezogen haben.</p> - -<p>Handelte sichs um einen besonders feinen Unterschied, der schwer -nachzufühlen und deshalb leicht zu verwischen wäre, so wäre es ja nicht -zu verwundern, wenn er mit der Zeit verschwände. Aber der Unterschied -ist so grob und so sinnfällig, daß ihn der Einfältigste begreifen -muß. Und doch dringt der Unsinn, eine Handlung, einen Vorgang, ein -Ereignis als Zustand, als Sachlage hinzustellen, in immer weitere -Kreise und gilt jetzt offenbar für fein. Selbst ältere Leute, denen -es früher nicht eingefallen wäre, so zu reden, glauben die Mode -mitmachen zu müssen und lassen das <em class="gesperrt">worden</em> jetzt weg. Täglich -kann man Mitteilungen lesen wie: <span class="antiqua">Dr.</span> Sch. <em class="gesperrt">ist</em> zum -außerordentlichen Professor an der Universität Leipzig <em class="gesperrt">ernannt</em> -– dem Freiherrn von S. <em class="gesperrt">ist</em> auf sein Gesuch der Abschied -<em class="gesperrt">bewilligt</em> – in H. <em class="gesperrt">ist</em> eine Eisenbahnstation<span class="pagenum" id="Seite_107">[S. 107]</span> feierlich -<em class="gesperrt">eröffnet</em> – oder Sätze wie: über den Begriff der Philologie -<em class="gesperrt">ist</em> viel <em class="gesperrt">herumgestritten</em> – die märkischen Stände -<em class="gesperrt">sind</em> um ihre Zustimmung offenbar nicht <em class="gesperrt">befragt</em> – so -ist die Reformation in Preußen als Volkssache <em class="gesperrt">vollzogen</em> – er -behauptete, daß er in dieser Anstalt wohl <em class="gesperrt">gedrillt</em>, aber nicht -<em class="gesperrt">erzogen sei</em> – die Methode, in der Niebuhr so erfolgreich die -römische Geschichte behandelte, <em class="gesperrt">ist</em> von Ranke auf andre Gebiete -<em class="gesperrt">ausgedehnt</em> – man rühmt sich bei den Nationalliberalen, daß -über 12000 Stimmen von ihnen <em class="gesperrt">abgegeben seien</em> – es kann nicht -geleugnet werden, daß an Verhetzung <em class="gesperrt">geleistet ist</em>, was möglich -war – es ist zu bedauern, daß so viel Fleiß nicht auf eine lohnendere -Aufgabe <em class="gesperrt">verwendet ist</em> – wie hätte die schöne Sammlung zustande -kommen können, wenn nicht mit reichen Mitteln dafür <em class="gesperrt">eingetreten -wäre</em>?</p> - -<p>Doppelt unbegreiflich wird der Unsinn, wenn durch Hinzufügung einer -Zeitangabe noch besonders fühlbar gemacht wird, daß eben der Vorgang -(manchmal sogar ein wiederholter Vorgang) ausgedrückt werden soll, -nicht die durch den Vorgang entstandne Sachlage. Aber gerade auch -diesem Unsinn begegnet man täglich in Zeitungen und neuen Büchern. -Da heißt es: das Verbot der und der Zeitung <em class="gesperrt">ist heute</em> wieder -<em class="gesperrt">aufgehoben</em> (<em class="gesperrt">worden</em>! möchte man immer dem Zeitungschreiber -zurufen) – der österreichische Reichsrat <em class="gesperrt">ist gestern eröffnet</em> -(<em class="gesperrt">worden</em>!) – der Anfang zu dieser Umgestaltung <em class="gesperrt">ist</em> schon -<em class="gesperrt">vor längerer Zeit gemacht</em> (<em class="gesperrt">worden</em>!) – diese Frage -<em class="gesperrt">ist schon einmal aufgeworfen</em> und <em class="gesperrt">damals</em> in verneinendem -Sinne <em class="gesperrt">beantwortet</em> (<em class="gesperrt">worden</em>!) – <em class="gesperrt">vorige Woche ist</em> -ein Flügel angekommen und unter großen Feierlichkeiten im Kursaal -<em class="gesperrt">aufgestellt</em> (<em class="gesperrt">worden</em>!) – <em class="gesperrt">in späterer Zeit sind</em> -an dieser Tracht die mannigfachsten Veränderungen <em class="gesperrt">vorgenommen</em> -(<em class="gesperrt">worden</em>!) – <em class="gesperrt">in gotischer Zeit ist</em> das Schiff der Kirche -äußerlich verlängert und dreiseitig <em class="gesperrt">geschlossen</em> (<em class="gesperrt">worden</em>!) -– an der Stelle, wo Tells Haus gestanden haben soll, <em class="gesperrt">ist</em> 1522 -eine mit seinen Taten bemalte Kapelle <em class="gesperrt">errichtet</em> (<em class="gesperrt">worden</em>!) -– <em class="gesperrt">am Tage darauf</em>, am 25. Januar, <em class="gesperrt">sind</em> noch drei -Statuen <em class="gesperrt">ausgegraben</em> (<em class="gesperrt">worden</em>!) –<span class="pagenum" id="Seite_108">[S. 108]</span> jedenfalls <em class="gesperrt">ist</em> -der Scherz in Karlsbad <em class="gesperrt">bei irgendeiner Gelegenheit aufs Tapet -gebracht</em> (<em class="gesperrt">worden</em>!) – in B. <em class="gesperrt">ist dieser Tage</em> ein -Kunsthändler wegen Betrugs zu sechs Monaten Gefängnis <em class="gesperrt">verurteilt</em> -(<em class="gesperrt">worden</em>!) – diese Dinge sind offenkundig, denn sie <em class="gesperrt">sind -hundertmal besprochen</em> (<em class="gesperrt">worden</em>!) – die Wandlungen der -Mode <em class="gesperrt">sind</em> zu allen Zeiten von Sittenpredigern <em class="gesperrt">bekämpft</em> -(<em class="gesperrt">worden</em>!) – bis 1880 <em class="gesperrt">ist</em> von dieser Befugnis nicht -<em class="gesperrt">ein einzigesmal</em> Gebrauch <em class="gesperrt">gemacht</em> (<em class="gesperrt">worden</em>!).</p> - -<p>Wo der Unsinn hergekommen ist? Er stammt aus dem Niederdeutschen -und hat seine schnelle Verbreitung unzweifelhaft auf dem Wege über -Berlin gefunden. Die Unterscheidung der beiden Perfekta in unsrer -Sprache ist nämlich verhältnismäßig jung, sie ist erst im fünfzehnten -Jahrhundert zustande gekommen, und zwar ganz allmählich. Erst um -die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts fing man an, zu sagen: daß -ein Knecht <em class="gesperrt">geschlagen ist worden</em> (anfangs immer in dieser -Wortstellung). Aber schon im sechzehnten Jahrhundert war die willkommne -Unterscheidung durchgedrungen und unentbehrlich geworden. Nur die -niederdeutsche Vulgärsprache lehnte sie ab und beharrt – noch heute, -nach vierhundert Jahren – dabei. Welche Lächerlichkeit nun, diesen -unvollkommnen Sprachrest, der heute doch lediglich auf der Stufe eines -Provinzialismus steht, aller Vernunft und aller Logik zum Trotz der -gebildeten Schriftsprache wieder aufnötigen zu wollen! Der Unterricht -sollte sich mit aller Macht gegen diesen Rückschritt sträuben.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Wurde_geboren_war_geboren_ist_geboren">Wurde geboren, war geboren, ist -geboren</h3> - -</div> - -<p>Eine biographische Darstellung ist natürlich auch eine Erzählung, kann -sich also in keinem andern Tempus bewegen als im Imperfekt. Aber der -erste Satz, die Geburtsangabe, wie stehts damit? Soll man schreiben: -Lessing <em class="gesperrt">war geboren</em>, Lessing <em class="gesperrt">wurde geboren</em> oder Lessing -<em class="gesperrt">ist geboren</em>? Alle drei Ausdrucksweisen kommen vor. Aber -merkwürdigerweise am häufigsten die falsche! Er <em class="gesperrt">ist geboren</em> – -das kann man doch vernünftigerweise nur von dem sagen, der noch lebt. -Den Lebenden<span class="pagenum" id="Seite_109">[S. 109]</span> fragt man: wann <em class="gesperrt">bist</em> du denn <em class="gesperrt">geboren</em>? Und -dann antwortet er: <em class="gesperrt">ich bin</em> am 23. Mai 1844 <em class="gesperrt">geboren</em>. -Von einem, der nicht mehr lebt, kann man wohl am Schlusse seiner -Lebensbeschreibung sagen: <em class="gesperrt">gestorben ist</em> er am 31. Oktober -1880. Damit fällt man zwar aus der Form der Erzählung heraus in -die der bloßen tatsächlichen Mitteilung; aber die ist dort ganz am -Platze, denn sie drückt die gegenwärtige Sachlage aus. Am Anfang -einer Lebensbeschreibung aber kann es vernünftigerweise nur heißen: -er <em class="gesperrt">war</em> oder er <em class="gesperrt">wurde geboren</em>; mit <em class="gesperrt">wurde</em> versetze -ich mich – was das natürlichste ist – an den Anfang des Lebenslaufs -meines Helden, mit <em class="gesperrt">war</em> versetze ich mich mitten hinein. In -wieviel hundert und tausend Fällen aber wird in Zeitungsaufsätzen, -im Konversationslexikon, in Kunst- und Literaturgeschichten usw. -die Gedankenlosigkeit begangen, daß man von Verstorbnen zu erzählen -anfängt, als ob sie lebten! Den Fehler damit verteidigen zu wollen, daß -man sagte: ein großer Mann lebe eben nach seinem Tode fort, wäre eine -arge Sophisterei. Das Fortleben ist doch immer nur bildlich gemeint, in -der Biographie aber handelt sichs um das wirkliche Leben.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Erzaehlung_und_Inhaltsangabe">Erzählung und Inhaltsangabe</h3> - -</div> - -<p>Wer eine Geschichte erzählt, bedient sich des Imperfekts; alle -Ereignisse; die vor der Geschichte liegen, die erzählt wird, also zu -der sogenannten Vorfabel gehören, müssen im Plusquamperfekt mitgeteilt -werden. Imperfekt und Plusquamperfekt sind die beiden einzigen Tempora, -die in den erzählenden Abschnitten einer Novelle oder eines Romans -vorkommen können. Die Vorfabel braucht nicht am Anfang der Novelle zu -stehen, sie kann mitten in der Novelle nachgetragen, ja selbst auf -mehrere Stellen der Novelle verteilt werden. Immer aber muß das sofort -durch den Tempuswechsel kenntlich gemacht werden. Zieht sich nun die -Vorfabel in die Länge, so wird der Leser bald des Plusquamperfekts -überdrüssig, und der Erzähler muß dann auch für die Vorfabel in das -Imperfekt einzulenken suchen. Das geschickt und fein und<span class="pagenum" id="Seite_110">[S. 110]</span> an der -richtigen Stelle zu machen ist eine Aufgabe, an der viele Erzähler -scheitern.</p> - -<p>Noch schwieriger freilich scheint eine andre Aufgabe zu sein: wenn -Rezensenten den Inhalt eines Romans, eines erzählenden Gedichts, eines -Dramas angeben, so zeigen sie nicht selten eine klägliche Hilflosigkeit -in der Anwendung der Tempora. Man kann Inhaltsangaben lesen, deren -Darstellung zwischen Präsens und Imperfekt, Perfekt und Plusquamperfekt -nur immer so hin und her taumelt. Und doch ist auch diese Aufgabe -eigentlich nicht schwieriger als die andre. Ein Buch, das besprochen -wird, liegt vor. Da hat kein andres Tempus etwas zu suchen als das -Präsens und das Perfektum, das Präsens für die Geschichte selbst, das -Perfektum für die Vorgeschichte. Wer den Inhalt wissen will, fragt -nicht: wie <em class="gesperrt">war</em> denn die Geschichte? sondern: wie <em class="gesperrt">ist</em> -denn die Geschichte? Und anders kann auch der nicht antworten, der den -Inhalt des Buches angibt; er kann nur sagen: die Geschichte <em class="gesperrt">ist -so</em>, und nun fängt er im Präsens an: Auf einem Gut in der Nähe -von Danzig <em class="gesperrt">lebt</em> ein alter Rittmeister; er <em class="gesperrt">hat</em> früher -eine zahlreiche Familie <em class="gesperrt">gehabt</em>, <em class="gesperrt">steht</em> aber jetzt allein -da usw. Auch wer in der Unterhaltung den Inhalt eines Schauspiels -angibt, das er am Abend zuvor im Theater gesehen hat, bedient sich -keines andern Tempus und kann sich keines andern bedienen. Nur manche -Zeitungschreiber scheinen das nicht begreifen zu können.<a id="FNAnker_60" href="#Fussnote_60" class="fnanchor">[60]</a></p> - -<p>Nicht ganz leicht dagegen ist es wieder, in der Erzählung das -sogenannte <span class="antiqua">Praesens historicum</span>, das Präsens der lebhaften, -anschaulichen Schilderung richtig anzuwenden. Genau an der richtigen -Stelle in dieses Präsens einzufallen, genau an der richtigen Stelle -sich wieder ins Imperfekt zurückzuziehen, das glückt nur wenigen. Die -meisten fangen es recht täppisch an.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_111">[S. 111]</span></p> - -<h3 id="Tempusverirrung_beim_Infinitiv">Tempusverirrung beim Infinitiv</h3> - -</div> - -<p>Wenn jemand anstatt: da <em class="gesperrt">muß</em> ich mich <em class="gesperrt">geirrt haben</em> – -sagen wollte: da <em class="gesperrt">mußte</em> ich mich <em class="gesperrt">irren</em> oder: <em class="gesperrt">da -habe</em> ich mich <em class="gesperrt">irren müssen</em>, so würde man ihn wohl sehr -verdutzt ansehen, denn eine solche Tempusverschiebung aus dem -Infinitiv in das regierende Verbum ließe auf eine nicht ganz normale -Geistesverfassung schließen. Der Fehler wird aber gar nicht selten -gemacht, nur daß er nicht immer so verblüffend hervortritt, z. B.: -ich glaube bewiesen zu haben, daß die Verfügung des Oberpräsidenten -an dem Anschwellen der Bewegung nicht schuld <em class="gesperrt">sein konnte</em> -(anstatt: nicht schuld <em class="gesperrt">gewesen sein kann</em>). Nicht besser, eher -noch schlimmer ist es, die Vergangenheit doppelt zu setzen, z. B.: -später <em class="gesperrt">mochten</em> wohl die Arbeiten für den Kurfürsten dem -Künstler nicht mehr die Muße <em class="gesperrt">gelassen haben</em>. Wenn ein Vorgang -aus der Vergangenheit nicht als wirklich, sondern mit Hilfe von -<em class="gesperrt">scheinen</em>, <em class="gesperrt">mögen</em>, <em class="gesperrt">können</em>, <em class="gesperrt">müssen</em> nur als -möglich oder wahrscheinlich hingestellt werden soll, so gehört die -Vergangenheit natürlich nicht in die Form der Aussage, denn die Aussage -geschieht ja in der Gegenwart, sondern sie gehört in den Infinitiv. Es -muß also heißen: <em class="gesperrt">mögen nicht gelassen haben</em>.</p> - -<p>Manche möchten es ja nun gern richtig machen, sind sich aber über die -richtige Form des Infinitivs nicht klar. Wenn z. B. jemand schreibt: -Ludwig <em class="gesperrt">scheint</em> sich durch seine Vorliebe für die Musik etwas -von den Wissenschaften <em class="gesperrt">entfernt zu haben</em> – und sich einbildet, -damit den Satz: Ludwig <em class="gesperrt">hatte</em> sich von den Wissenschaften -<em class="gesperrt">entfernt</em> – in das Gebiet der Wahrscheinlichkeit gerückt zu -haben, so irrt er sich. Die Tempora des Indikativs und des Infinitivs -entsprechen einander in folgender Weise:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>L. <em class="gesperrt">entfernt</em> sich – scheint sich zu <em class="gesperrt">entfernen</em>.</p> - -<p>L. <em class="gesperrt">entfernte</em> sich – scheint sich <em class="gesperrt">entfernt zu haben</em> -(nämlich damals).</p> - -<p>L. <em class="gesperrt">hat</em> sich <em class="gesperrt">entfernt</em> – scheint sich <em class="gesperrt">entfernt zu -haben</em> (nämlich jetzt).</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_112">[S. 112]</span></p> - -<p>L. <em class="gesperrt">hatte</em> sich <em class="gesperrt">entfernt</em> – scheint sich <em class="gesperrt">entfernt -gehabt zu haben</em>.</p> - -<p>L. <em class="gesperrt">wird</em> sich <em class="gesperrt">entfernen</em> – scheint sich <em class="gesperrt">entfernen zu -wollen</em>.</p> -</div> - -<div class="section"> - -<h3 id="Relativsaetze_Welcher_welche_welches">Relativsätze. Welcher, welche, -welches</h3> - -</div> - -<p>Unter den Nebensätzen ist keine Art, in der so viel und so -mannigfaltige Fehler gemacht würden wie in den Relativsätzen. Freilich -sind sie auch die am häufigsten verwendete Art.</p> - -<p>Ein Hauptübel unsrer ganzen Relativsatzbildung liegt zunächst -nicht im Satzbau, sondern in der Verwendung des langweiligen -Relativpronomens <em class="gesperrt">welcher</em>, <em class="gesperrt">welche</em>, <em class="gesperrt">welches</em>. Das -Relativpronomen <em class="gesperrt">welcher</em> gehört, wie so vieles andre, fast -ausschließlich der Papiersprache an, und da sein Umfang und seine -Schwere in gar keinem Verhältnis zu seiner Aufgabe und Leistung -stehen, so trägt es ganz besonders zu der breiten, schleppenden -Ausdrucksweise unsrer Schriftsprache bei. In der ältern Sprache -war <em class="gesperrt">welcher</em> (<span class="antiqua">swelher</span>) durchaus nicht allgemeines -Relativpronomen, sondern nur indefinites Relativ, es bedeutete: -<em class="gesperrt">wer nur irgend</em> (<span class="antiqua">quisquis</span>), <em class="gesperrt">jeder, der</em>, noch bei -Luther: <em class="gesperrt">welchen</em> der Herr lieb hat, den züchtiget er. Erst -seit dem fünfzehnten Jahrhundert ist es allmählich zum gemeinen -Relativum herabgesunken. Aber nur in der Schreibsprache, die sich -so gern breit und wichtig ausdrückt, zuerst in Übersetzungen -aus dem Lateinischen; der lebendigen Sprache ist es immer fremd -geblieben und ist es bis auf den heutigen Tag fremd. Niemand spricht -<em class="gesperrt">welcher</em>, es wird immer nur geschrieben! Man beobachte sich -selbst, man beobachte andre, stundenlang, tagelang, man wird das -vollständig bestätigt finden. Es ist ganz undenkbar, daß sich -in freier, lebendiger Rede, wie sie der Augenblick schafft, das -Relativum <em class="gesperrt">welcher</em> einstellte; jedermann sagt immer und überall: -<em class="gesperrt">der</em>, <em class="gesperrt">die</em>, <em class="gesperrt">das</em>. Es ist undenkbar, daß jemand bei -Tische sagte: die Sorte, <em class="gesperrt">welche</em> wir vorhin getrunken haben, -oder: wir gehen wieder in die Sommerfrische, <em class="gesperrt">in welcher</em> wir<span class="pagenum" id="Seite_113">[S. 113]</span> -voriges Jahr gewesen sind.<a id="FNAnker_61" href="#Fussnote_61" class="fnanchor">[61]</a> In stenographischen Berichten über -öffentliche Versammlungen und Verhandlungen findet man allerdings -oft Relativsätze mit <em class="gesperrt">welcher</em>, aber darauf ist nicht viel zu -geben, diese Berichte werden redigiert, und wer weiß, wie viele -<em class="gesperrt">der</em> dabei erst nachträglich in <em class="gesperrt">welcher</em> verwandelt -werden, weil mans nun einmal so für schriftgemäß hält! Und dann: -Leute, die viel öffentlich reden, sprechen nicht, wie andre Menschen -sprechen, sie sprechen auch, wenn sie am Rednerpulte stehen, anders -als in der Unterhaltung, sie sprechen nicht bloß für die Zeitung, sie -sprechen geradezu Zeitung; alte Gewohnheitsredner, die Tag für Tag -denselben Schalenkorb ausschütten und es gar nicht mehr für der Mühe -wert halten, sich auf eine „Ansprache“ vorzubereiten, suchen auch -mit ihrem <em class="gesperrt">welcher</em> Zeit zu gewinnen, wie andre mit ihrem äh -– äh. Wenn aber ein junger Pfarrer auf der Kanzel Relativsätze mit -<em class="gesperrt">welcher</em> anfängt, so kann man sicher sein, daß er die Predigt -aufgeschrieben und wörtlich auswendig gelernt hat; wenn ein Festredner -aller Augenblicke <em class="gesperrt">welcher</em> sagt, so kann man sicher sein, daß -das Manuskript seiner Festrede schon in der Redaktion des Tageblatts -ist. Wer den Ausdruck im Augenblicke schafft, sagt <em class="gesperrt">der</em>, nicht -<em class="gesperrt">welcher</em>. Darum ist auch <em class="gesperrt">welcher</em> in der Dichtersprache -ganz unmöglich. In Stellen, wie bei Goethe (in den Venezianischen -Epigrammen): <em class="gesperrt">welche</em> verstohlen freundlich mir streifet den Arm -– oder bei Schiller (in Shakespeares Schatten): das große gigantische -Schicksal, <em class="gesperrt">welches</em> den Menschen erhebt, wenn es den Menschen -zermalmt – oder bei Hölty: wunderseliger Mann, <em class="gesperrt">welcher</em> der -Stadt entfloh – oder bei Schikaneder: bei Männern, <em class="gesperrt">welche</em> -Liebe<span class="pagenum" id="Seite_114">[S. 114]</span> fühlen – oder bei Tiedge (in der Urania): mir auch war ein -Leben aufgegangen, <em class="gesperrt">welches</em> reichbekränzte Tage bot – oder bei -Uhland: ihr habt gehört die Kunde vom Fräulein, <em class="gesperrt">welches</em> tief -usw., ist es nichts als ein langweiliges Versfüllsel, eine Strohblume -in einem Rosenstrauß. Darum wird es <em class="gesperrt">ja</em> auch mit Vorliebe in der -Biedermeierpoesie verwendet und wirkt dort so unnachahmlich komisch: -zu beneiden sind die Knaben, <em class="gesperrt">welche</em> einen Onkel haben, oder: -wie z. B. hier von diesen, <em class="gesperrt">welche</em> Max und Moritz hießen. Aber -auch in der dichterischen Prosa, was gäbe man da manchmal drum, wenn -man das <em class="gesperrt">welcher</em> hinauswerfen könnte, wie bei Gottfried Keller -in Romeo und Julia auf dem Dorfe: sie horchten ein Weilchen auf diese -eingebildeten oder wirklichen Töne, <em class="gesperrt">welche</em> von der großen Stille -herrührten, oder <em class="gesperrt">welche</em> sie mit den magischen Wirkungen des -Mondlichtes verwechselten, <em class="gesperrt">welches</em> nah und fern über die grauen -Herbstnebel wallte, <em class="gesperrt">welche</em> tief auf den Gründen lagen!</p> - -<p>Leider lernt man in der Schule als Relativpronomen kaum etwas -andres kennen als <em class="gesperrt">welcher</em>. Man schlage eine Grammatik auf, -<em class="gesperrt">welche</em> (hier ist es am Platze! denn hier heißt es: <em class="gesperrt">welche -auch immer</em>) man will, eine lateinische, eine griechische, eine -französische, eine englische: wie ist das Relativpronomen ins Deutsche -übersetzt? <em class="gesperrt">Welcher</em>, <em class="gesperrt">welche</em>, <em class="gesperrt">welches!</em> Allenfalls -steht <em class="gesperrt">der</em>, <em class="gesperrt">die</em>, <em class="gesperrt">das</em> in Klammern dahinter, als -ob das gelegentlich einmal als Ersatz dafür geduldet werden könnte! -Und sieht man in die Beispielsätze, die zur Übung in die fremde -Sprache übersetzt werden sollen, wie fangen die Relativsätze an? -Mit <em class="gesperrt">welcher</em>, <em class="gesperrt">welche</em>, <em class="gesperrt">welches</em>. Nur ja nicht mit -<em class="gesperrt">der</em>! der Schüler könnte ja einmal irre werden! Daß die lebendige -Sprache eine einzige große Widerlegung dieses Unsinns ist, sieht gar -niemand. Kein Wunder, daß den meisten später das langweilige Wort -in die Feder läuft, sowie sie die Feder in die Hand nehmen. Gerade -umgekehrt müßte es sein. In allen Grammatiken müßte <em class="gesperrt">der</em>, -<em class="gesperrt">die</em>, <em class="gesperrt">das</em> als Relativpronomen stehn, dahinter in Klammern -<em class="gesperrt">welcher</em>, <em class="gesperrt">welche</em>, <em class="gesperrt">welches</em>, denn das ist doch das -traurige Surrogat. Man benutze<span class="pagenum" id="Seite_115">[S. 115]</span> in Gottes Namen <em class="gesperrt">welcher</em> im -Unterricht ein paar Wochen lang als Verständniskrücke; aber sobald der -Junge den Begriff des Relativs gefaßt hat, müßte die Krücke unbedingt -weggeworfen und er wieder auf seine eignen Beine gestellt werden. Wer -einmal auf dieses Verhältnis zwischen <em class="gesperrt">der</em> und <em class="gesperrt">welcher</em> -aufmerksam geworden oder aufmerksam gemacht worden ist, den verfolgt -<em class="gesperrt">welcher</em> förmlich beim Lesen, er sieht es immer gleichsam -gesperrt oder fett gedruckt, und in wenigen Tagen ist es ihm ganz -unerträglich geworden: wenn ers schreiben wollte, käme er sich entweder -ganz schulknabenhaft vor, oder er sähe sich sitzen wie einen alten, -verschleimten Aktuarius mit Vatermördern, Hornbrille und Gänsekiel. -Bisweilen will ihm wohl noch einmal ein <em class="gesperrt">wel</em>– aus der Feder -laufen! aber weiter kommt er nicht, dann streicht ers ohne Gnade durch -und setzt <em class="gesperrt">der</em> darüber.<a id="FNAnker_62" href="#Fussnote_62" class="fnanchor">[62]</a></p> - -<p>Aber gibt es denn nicht Fälle, wo man <em class="gesperrt">welcher</em> gar nicht umgehen -kann, wo man es ganz notwendig braucht, um einen häßlichen Gleichklang -zu vermeiden? Wenn nun unmittelbar auf <em class="gesperrt">der</em> (<span class="antiqua">qui</span> oder -<span class="antiqua">cui</span>) der Artikel <em class="gesperrt">der</em> folgt, unmittelbar auf <em class="gesperrt">die</em> -(<span class="antiqua">quae</span> oder <span class="antiqua">quam</span> oder <span class="antiqua">quos</span> oder <span class="antiqua">quas</span>) der -Artikel <em class="gesperrt">die</em>? Nikolaus, <em class="gesperrt">der der</em> Vater des Andreas gewesen -war – eine Verwandlung, bei <em class="gesperrt">der der</em> große Vorhang nicht fällt -– die Prozessionsstraße, auf <em class="gesperrt">der der</em> Papst zum Lateran zog – -auf der Wiese, durch <em class="gesperrt">die die</em> Straße führt – die Bildwerke, -<em class="gesperrt">die die</em> hehre Göttin verherrlichen – das Tau, <em class="gesperrt">das das</em> -Fahrzeug am Ufer hielt – das sind doch ganz unerträgliche Sätze, nicht -wahr? Mancher Schulmeister behauptets. Es gehört das in das berühmte -Kapitel von den angeblich unschönen Wiederholungen, vor denen der -Unterricht zu warnen pflegt. Die Warnung ist aber ganz überflüssig, -sie stammt nur aus der Anschauung<span class="pagenum" id="Seite_116">[S. 116]</span> des Papiermenschen, der die Sprache -bloß noch schwarz auf weiß, aber nicht mehr mit den Ohren aufzufassen -vermag. Der Papiermensch sieht das doppelte <em class="gesperrt">der der</em> oder <em class="gesperrt">die -die</em>, und das flößt ihm Entsetzen ein. Aber lies doch einmal -solche Sätze laut, lieber Leser, hörst du nichts? Ich denke, es wird -dir aufdämmern, daß es zwei ganz verschiedne Wörter sind, die hier -nebeneinander stehen: ein lang und schwer gesprochnes <em class="gesperrt">der</em> (das -Relativpronomen) und ein kurz und leicht gesprochnes <em class="gesperrt">der</em> (der -Artikel). Was man hört, ist: <em class="gesperrt">deer dr</em>. Jedermann spricht so, -und keinem Menschen fällt es ein, daran Anstoß zu nehmen; warum soll -man nicht so schreiben? Aberglaube, dummer Aberglaube! Und fürchtet -sich denn jemand vor <em class="gesperrt">daß das</em>? Jeder schreibt unbedenklich: wir -wissen, <em class="gesperrt">daß das</em> höchste Gut die Gesundheit ist. Ach so, das -sind wohl zwei verschiedne Wörter? das eine mit ß, das andre mit s? -Nein, es sind keine verschiednen Wörter. Sie klingen gleich, und sie -sind gleich; das Fügewort <em class="gesperrt">daß</em> ist ja nur in der Schrift ganz -willkürlich von dem hinweisenden Fürwort <em class="gesperrt">das</em> unterschieden -worden.<a id="FNAnker_63" href="#Fussnote_63" class="fnanchor">[63]</a></p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Das_und_was">Das und was</h3> - -</div> - -<p>Ein häßlicher Fehler ist es, statt des relativen <em class="gesperrt">das</em> zu -schreiben <em class="gesperrt">was</em>, wenn sich das Relativ auf einen bestimmten -einzelnen Gegenstand bezieht, z. B. <em class="gesperrt">das Haus, was</em> – <em class="gesperrt">das -Buch, was</em> – <em class="gesperrt">das Ziel, was</em>. Nur die niedrige Umgangssprache -drückt sich so aus; in der guten Schriftsprache wie in der feinern -Umgangssprache ist <em class="gesperrt">was</em> als Relativ auf ganz bestimmte Fälle -beschränkt: es wird nur hinter substantivierten Fürwörtern,<span class="pagenum" id="Seite_117">[S. 117]</span> -Zahlwörtern und Eigenschaftswörtern gebraucht, z. B. <em class="gesperrt">das, was</em> -– <em class="gesperrt">dasselbe, was</em> – <em class="gesperrt">etwas, was</em> – <em class="gesperrt">alles, was</em> -– <em class="gesperrt">vieles, was</em> – <em class="gesperrt">das wenige, was</em> – <em class="gesperrt">das einzige, -was</em> – <em class="gesperrt">das erste, was</em> – <em class="gesperrt">das letzte, was</em> – <em class="gesperrt">das -meiste, was</em> – <em class="gesperrt">das Gute, was</em> – <em class="gesperrt">das Beste, was</em>. -Doch ist auch hier, namentlich bei den substantivierten Adjektiven, -wohl zu unterscheiden zwischen solchen Fällen, wo es sich um ein -Allgemeines handelt, und solchen, wo etwas Besondres, Bestimmtes, -Einzelnes vorschwebt. Fälle der zweiten Art sind z. B.: <em class="gesperrt">etwas -Ungeschicktes, das</em> mich in Verlegenheit brachte – <em class="gesperrt">das Bittre, -das</em> zwischen uns getreten ist – <em class="gesperrt">das Besondre, das</em> dem -Allgemeinen untergeordnet ist – <em class="gesperrt">das Schiefe und Hinkende, das</em> -jeder Vergleich hat – <em class="gesperrt">das Moralische, das</em> einem doch nicht -gleichgiltig sein kann – <em class="gesperrt">das Erlernbare, das</em> sich jederzeit -in Büchern wieder auffinden läßt – wenn an <em class="gesperrt">das Gute, das</em> ich -zu tun vermeine, gar zu nah was Schlimmes grenzt (Lessing). Hinter -dem Superlativ von substantivierten Eigenschaftswörtern ist in den -meisten Fällen <em class="gesperrt">was</em> das richtige, aber doch nur deshalb, weil -gewöhnlich ein partitiver Genitiv zu ergänzen ist (<em class="gesperrt">von dem, von -allem</em>), der das <em class="gesperrt">was</em> verlangen würde. Wenn ich sage: <em class="gesperrt">das -Erhabenste, was</em> Beethoven geschaffen hat – so meine ich nicht das -Erhabenste überhaupt, sondern eben das Erhabenste <em class="gesperrt">von dem</em> oder -<em class="gesperrt">von allem, was</em> Beethoven geschaffen hat. Der Superlativ für -sich allein bezeichnet hier noch gar nichts, der Relativsatz ist die -notwendige Ergänzung dazu. Wenn ich dagegen sage: <em class="gesperrt">das Erhabenste, -das</em> wir Gott nennen, so ist gar nichts zu ergänzen, der Relativsatz -kann auch fehlen, es ist das Erhabenste schlechthin gemeint. Beispiele -der ersten Art sind: <em class="gesperrt">das Höchste, was</em> wir erreichen können – -<em class="gesperrt">das Schlimmste, was</em> einem Staate widerfahren kann – <em class="gesperrt">das -Ärgste, was</em> Menschen einander antun können – <em class="gesperrt">das Beste, was</em> -du wissen kannst, darfst du den Buben doch nicht sagen (Faust) – -er preist <em class="gesperrt">das Höchste, das Beste, was</em> das Herz sich wünscht, -<em class="gesperrt">was</em> der Sinn begehrt (Schiller). Hier wird denn auch meist -richtig <em class="gesperrt">was</em> gesetzt. Nach dem Positiv gebrauchen<span class="pagenum" id="Seite_118">[S. 118]</span> aber auch -gute Schriftsteller blindlings bald <em class="gesperrt">das</em>, bald <em class="gesperrt">was</em>. Sieht -man sich die Beispiele näher an, so sieht man, daß sie viel öfter das -Falsche als das Richtige getroffen haben.</p> - -<p>Endlich ist <em class="gesperrt">was</em> für <em class="gesperrt">das</em> auch da notwendig, wo sich -das Relativ auf den Inhalt eines ganzen Satzes bezieht, z. B. der -Mensch, <em class="gesperrt">das Tier</em> mit zwei Händen, <em class="gesperrt">das</em> auch lachen kann, -<em class="gesperrt">was</em> der Affe immer noch nicht fertig bringt. In einem Satze -wie: es ist kein freundliches Bild, <em class="gesperrt">was</em> der Verfasser vor uns -aufrollt – wird nicht deutlich, ob sich was auf Bild beziehen soll; -man kann den Relativsatz auch als Subjektsatz auffassen: <em class="gesperrt">was</em> der -Verfasser vor uns aufrollt, ist kein freundliches Bild. In diesem Falle -wäre natürlich <em class="gesperrt">was</em> richtig, im andern müßte es <em class="gesperrt">das</em> heißen.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Wie_wo_worin_womit_wobei">Wie, wo, worin, womit, wobei</h3> - -</div> - -<p>Daß Präpositionen in Verbindung mit dem Relativpronomen durch die -hübschen relativen Adverbia <em class="gesperrt">worin</em>, <em class="gesperrt">woraus</em>, <em class="gesperrt">womit</em>, -<em class="gesperrt">wobei</em>, <em class="gesperrt">woran</em>, <em class="gesperrt">wofür</em> usw. ersetzt werden können -und in der lebendigen Sprache sehr oft ersetzt werden, wenn sich -das Relativ auf eine Sache (nicht auf eine Person!) zurückbezieht, -daran denken beim Schreiben die wenigsten, und wenn sie daran denken, -so wagen sie nicht, Gebrauch davon zu machen. Am ehesten getrauen -sie sichs noch da, wo sie auch <em class="gesperrt">was</em> statt <em class="gesperrt">das</em> sagen -würden. Aber ein Brief, <em class="gesperrt">worin</em> – eine Fläche, <em class="gesperrt">worauf</em> -– ein Messer, <em class="gesperrt">womit</em> – ein Mittel, <em class="gesperrt">wodurch</em> – eine -Regel, <em class="gesperrt">wobei</em> – ein Geschenk, <em class="gesperrt">worüber</em> – eine Gefahr, -<em class="gesperrt">wovor</em> – (auch: der Grund, <em class="gesperrt">weshalb</em>) – wie wenigen will -das aus der Feder! Sie halten es womöglich gar für falsch. Irgendein -Schulmeister, der sich nicht vom Lateinischen hatte losmachen können, -hat ihnen vielleicht einmal in der Jugend davor bange gemacht, und so -schreiben sie denn: diese beiden Punkte sind es, <em class="gesperrt">an welchen</em> -Grimm aufs strengste festgehalten hat – der innige Zusammenhang, -<em class="gesperrt">in welchem</em> Glaube, Recht und Sitte stehen – das einfache, -schmucklose Gewand, <em class="gesperrt">mit welchem</em> uns die Natur wie eine Mutter -umfängt usw.<span class="pagenum" id="Seite_119">[S. 119]</span> Und doch heißt es in dem Bürgerschen Spruch: Die -schlechtsten Früchte sind es nicht, <em class="gesperrt">woran</em> die Wespen nagen. -Nun gar das einfache <em class="gesperrt">wo</em>: das Gebäude, <em class="gesperrt">wo</em> – ein Gebiet, -<em class="gesperrt">wo</em> – in einer Stadt, <em class="gesperrt">wo</em> – in allen Fällen, <em class="gesperrt">wo</em> -– eine Gelegenheit, <em class="gesperrt">wo</em> – eine Ausgabe, <em class="gesperrt">wo</em> (z. B. der -Sopran die Melodie hat), und vollends dieses einfache <em class="gesperrt">wo</em> von -der Zeit gebraucht: wir gedenken an jene Zeit der Jugend, <em class="gesperrt">wo</em> -wir zuerst auszogen – die Eltern sind genötigt, über den Bildungsgang -ihrer Kinder schon zu einer Zeit Bestimmungen zu treffen, <em class="gesperrt">wo</em> -deren Anlagen noch zu wenig hervorgetreten sind – seit dem 29. März, -<em class="gesperrt">wo</em> die neue Bewegung begann – seit dem Jahre 1866, <em class="gesperrt">wo</em> er -sein Amt niedergelegt hatte – wie wenige wagen das zu schreiben, wie -wenige haben eine Ahnung davon, daß auch das grammatisch ganz richtig -und hundertmal schöner ist als das ungeschickte: seit dem 29. März, -<em class="gesperrt">an welchem Tage</em> – seit 1866, in welchem Jahre usw.<a id="FNAnker_64" href="#Fussnote_64" class="fnanchor">[64]</a> Ist es -nicht kläglich komisch, in einem Manuskript sehen zu müssen, wie der -Verfasser erst geschrieben hat: die Depesche gelangte <em class="gesperrt">an demselben -Tage</em> in seine Hände, <em class="gesperrt">als</em> usw., dann das <em class="gesperrt">als</em> wieder -durchgestrichen und darübergesetzt hat: <em class="gesperrt">an welchem</em>, aber auf -das gute, einfache, natürliche <em class="gesperrt">wo</em> nicht verfallen ist? Und -genau so ist es mit <em class="gesperrt">wie</em>. Die Art und Weise, <em class="gesperrt">wie</em> – in -dem Grade, <em class="gesperrt">wie</em> – in jenem Sinne, <em class="gesperrt">wie</em> – in dem Maße, -<em class="gesperrt">wie</em> – über die Richtung, <em class="gesperrt">wie</em> – wie wenige getrauen sich -das zu schreiben! Die alten Innungen waren Produktivgenossenschaften -in jenem vernünftigen Sinne, <em class="gesperrt">in welchem</em> jeder Staat es ist -– man war im Zweifel über die Art und Weise, <em class="gesperrt">in welcher</em> die -soziale Gesetzgebung vorzugehen habe – ein Bier, das in demselben -Grade ungenießbar wird, <em class="gesperrt">in welchem</em> sich seine Temperatur über -den Gefrierpunkt erhebt – in dem Maße, <em class="gesperrt">in welchem</em> (<em class="gesperrt">wie</em>!) -sich die Partei dem Augenblicke nähert, <em class="gesperrt">in welchem</em> (<em class="gesperrt">wo</em>!) -sie ihr Versprechen erfüllen soll – anders schreibt der Papiermensch -gar nicht.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_120">[S. 120]</span></p> - -<p>Das relative Adverbium <em class="gesperrt">wo</em> bedeutet keineswegs, wie so viele -glauben, nur den Ort, es bedeutet, wie das ihm entsprechende <em class="gesperrt">da</em>, -ebensogut auch die Zeit. Merkwürdigerweise hat man noch eher den Mut, -zu schreiben: die Zeit, <em class="gesperrt">da</em> – als: die Zeit, <em class="gesperrt">wo</em>. Manche -lieben sogar dieses <em class="gesperrt">da</em>, ziehen also hier das Demonstrativ in der -relativen Bedeutung vor, während sie doch sonst immer <em class="gesperrt">welcher</em> -für <em class="gesperrt">der</em> schreiben. Aber <em class="gesperrt">da</em> als Relativ klingt uns heute -doch etwas veraltet (man denke nur an den Bibelspruch: seid Täter des -Worts und nicht Hörer allein, <em class="gesperrt">damit</em> ihr euch selbst betrüget), -es kann auch leicht mit dem kausalen <em class="gesperrt">da</em> verwechselt werden, -z. B. mitten in einer trüben Zeit, <em class="gesperrt">da</em> ihn ein Augenleiden -heimsuchte. Für <em class="gesperrt">in welchem</em> sollte man, wo es irgend angeht, -schreiben <em class="gesperrt">worin</em>; bei <em class="gesperrt">in dem</em> entsteht der Übelstand, daß -es mit dem Fügewort <em class="gesperrt">indem</em> verwechselt werden kann: der Aufsatz, -<em class="gesperrt">in dem</em> ihm vorgeworfen wird, er heuchle Frömmigkeit. Auf dem -Papier natürlich nicht, aber das Papier geht uns auch nichts an; beim -Hören kanns verwechselt werden – das ist die Hauptsache!</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Wechsel_zwischen_der_und_welcher">Wechsel zwischen der und welcher</h3> - -</div> - -<p>Wenn zu einem Worte zwei (oder mehr) Relativsätze zu fügen sind, so -halten es viele für eine besondre Schönheit, mit dem Relativpronomen -abzuwechseln. Es ist das der einzige Fall, wo sie einmal mit Bewußtsein -und Absicht zu dem Relativum <em class="gesperrt">der</em> greifen, während sie sonst, -wie die Schulknaben, immer <em class="gesperrt">welcher</em> schreiben. Jeden Tag kann -man Sätze lesen wie: das Allegro und das Scherzo fanden nicht das Maß -von Beifall, <em class="gesperrt">welches</em> wir erwartet hatten, und <em class="gesperrt">das</em> sie -verdienen – jedes Grundstück, <em class="gesperrt">welches</em> mindestens zu einem -Grundsteuerertrage von 200 Mark eingeschätzt ist, und <em class="gesperrt">das</em> -mindestens einen Taxwert von 1000 Mark hat – lehrreich ist die -Niederschrift durch die Korrekturen, <em class="gesperrt">welche</em> der Komponist -selbst darin vorgenommen hat, und <em class="gesperrt">die</em> sich nicht nur im Ändern -einzelner Noten zeigen – in eine weite Hausflur mündete die Treppe, -<em class="gesperrt">welche</em> in die obern Stockwerke führte, und <em class="gesperrt">die</em> man -gern als Wendeltreppe gestaltete – die ehrwürdigen Denkmäler der -Druckkunst,<span class="pagenum" id="Seite_121">[S. 121]</span> <em class="gesperrt">welche</em> uns der Altmeister selbst hinterlassen -hat, und <em class="gesperrt">die</em> man mit dem Namen Wiegendrucke bezeichnet – es -geht nicht an, daß wir Schäden groß wachsen sehen, <em class="gesperrt">die</em> uns als -schwache Köpfe erscheinen lassen, und auf <em class="gesperrt">welche</em> die Fremden mit -Fingern weisen – es war ein Klang in seinen Worten, <em class="gesperrt">welcher</em> -alle Herzen ergriff, und <em class="gesperrt">dem</em> sie gern weiter gelauscht hätten -– Aufsätze, <em class="gesperrt">welche</em> bereits in verschiednen Zeitschriften -erschienen sind, und <em class="gesperrt">die</em> durch ihre Beziehungen auf Schwaben -zusammengehalten werden. Kein Zweifel: in allen diesen Fällen liegt -ein absichtlicher Wechsel vor; alle, die so schreiben, glauben eine -besondre Feinheit anzubringen.</p> - -<p>Aber das Gegenteil ist der Fall. Abgesehen davon, daß die Wiederholung -des Relativpronomens bisweilen ganz überflüssig ist, weil das -Satzgefüge dasselbe bleibt, ist es auch unbegreiflich, wie jemand in -seinem Sprachgefühl so irre gehen kann. Wenn man an ein Hauptwort -zwei oder mehr Relativsätze anschließt, so stehn doch diese Sätze als -Bauglieder innerhalb des Satzgefüges parallel zueinander, etwa so:</p> - -<table class="satzgefuege_1 s5"> - <tr> - <td colspan="2"> -   - </td> - <td class="bb" colspan="2"> - <div class="left"><span class="mleft1">Erster Relativsatz </span></div> - </td> - <tr> - <td class="bb"> - <div class="center"><span class="mleft1">Hauptsatz </span></div> - </td> - <td class="bb w1em"> - <img class="illowe1" src="images/slash.png" alt="Schrägstrich"> - </td> - <td class="bb w3em"> -   - </td> - <td> -   - </td> - </tr> - <tr> - <td> -   - </td> - <td class="w1em"> - <img class="illowe1" src="images/backslash.png" alt="umgekehrter Schrägstrich"> - </td> - <td class="bb" colspan="2"> - <div class="left"><span class="mleft1">Zweiter Relativsatz </span></div> - </td> - </tr> -</table> - -<p class="p0">Wie kann man da auf den Gedanken kommen, diese beiden parallelstehenden -Sätze verschieden anknüpfen zu wollen! Das natürliche ist es doch, -parallellaufende Sätze auch gleichmäßig anzuknüpfen, ja es ist das -geradezu notwendig, die Abwechslung stört nur und führt irre. Wenn ich -erst <em class="gesperrt">der</em> lese und im nächsten Satze <em class="gesperrt">welcher</em>, so suche ich -unwillkürlich bei dem wechselnden Pronomen auch nach dem wechselnden -Hauptwort und sehe zu spät, daß ich genarrt bin. Mit der vermeintlichen -Schönheitsregel ist es also nichts; auch sie ist nur ein Erzeugnis -der abergläubischen Furcht, kurz hintereinander zweimal dasselbe -Wort – geschrieben zu sehen. Die vernünftige Regel heißt: Parallele -Relativsätze müssen mit demselben Relativpronomen beginnen, also -alle mit <em class="gesperrt">der</em>, <em class="gesperrt">die</em>, <em class="gesperrt">das</em>. Es gibt viele Talente, -<em class="gesperrt">die</em> vielleicht nie selbständig etwas erfinden werden, <em class="gesperrt">die</em> -man daher auf der Akademie zwecklos<span class="pagenum" id="Seite_122">[S. 122]</span> mit Kompositionsaufgaben plagt, -<em class="gesperrt">die</em> aber beweglich genug sind, das in der Kopierschule -erlernte frei umzubilden – das ist gutes Deutsch. <em class="gesperrt">Welcher</em>, -<em class="gesperrt">welche</em>, <em class="gesperrt">welches</em> ist auch hier ganz entbehrlich.</p> - -<p>Etwas andres ist es, wenn auf einen Relativsatz ein zweiter folgt, der -sich an ein neues Hauptwort in dem ersten Relativsatz anschließt, etwa -so:</p> - - -<table class="satzgefuege_2 s5"> - <tr> - <td class="bb"> - <div class="center"><span class="mleft1">Hauptsatz </span></div> - </td> - <td class="bb" colspan="2"> -   - </td> - <td colspan="4"> -   - </td> - </tr> - <tr> - <td> -   - </td> - <td class="w1em"> - <img class="illowe1" src="images/backslash.png" alt="umgekehrter Schrägstrich"> - </td> - <td class="bb w2em"> -   - </td> - <td class="bb" colspan="3"> - <div class="left"><span class="mleft1">Erster Relativsatz </span></div> - </td> - <td> -   - </td> - </tr> - <tr> - <td colspan="3"> -   - </td> - <td> -   - </td> - <td class="w1em"> - <img class="illowe1" src="images/backslash.png" alt="umgekehrter Schrägstrich"> - </td> - <td class="bb w2em"> -   - </td> - <td class="bb"> - <div class="left"><span class="mleft1">Zweiter Relativsatz. </span></div> - </td> -</table> - -<p class="p0">Da wechselt die Beziehung, und da hat es etwas für sich, auch das -Pronomen wechseln zu lassen; die Abwechslung kann da sogar die -richtige Auffassung erleichtern und beschleunigen, wie in folgenden -Sätzen: <em class="gesperrt">Klaviere</em>, <em class="gesperrt">die</em> den <em class="gesperrt">Anforderungen</em> -entsprechen, <em class="gesperrt">welche</em> in Tropengegenden an sie gestellt -werden – <em class="gesperrt">Gesetze</em>, die bestimmte <em class="gesperrt">Organisationen</em> zum -Gegenstande haben, <em class="gesperrt">welche</em> nur bei der katholischen Kirche -vorkommen – die <em class="gesperrt">Bühnen</em>, <em class="gesperrt">die</em> mit einer ständigen Schar -von <em class="gesperrt">Freunden</em> rechnen können, <em class="gesperrt">welche</em> mit liebevollem -Interesse ihrer Entwicklung folgen – <em class="gesperrt">Verbesserungen</em>, <em class="gesperrt">die</em> -der Dichter der <em class="gesperrt">dritten Ausgabe</em> seiner Gedichte zu geben -beabsichtigte, <em class="gesperrt">welche</em> er leider nicht mehr erlebte – Amerika -zerfällt in zwei <em class="gesperrt">Hälften</em>, die nur durch eine verhältnismäßig -schwache <em class="gesperrt">Brücke</em> zusammenhängen, <em class="gesperrt">welche</em> sich nicht zu -einem Handelsweg eignet – in dem <em class="gesperrt">Pakt</em>, <em class="gesperrt">den</em> Faust mit -dem <em class="gesperrt">Geiste</em> der Verneinung schließt, <em class="gesperrt">welcher</em> sich als -der Zwillingsbruder des Todes bekennt – es fehlte bisher an einer -<em class="gesperrt">Darstellung</em>, <em class="gesperrt">die</em> allen <em class="gesperrt">Anforderungen</em> entsprochen -hätte, <em class="gesperrt">welche</em> an Kunstblätter von nationaler Bedeutung zu -stellen sind – es gelang uns, in Beziehung zu den <em class="gesperrt">Stämmen</em> zu -treten, <em class="gesperrt">die</em> die <em class="gesperrt">Artikel</em> produzieren, <em class="gesperrt">welche</em> unsern -Kaufleuten zugehen, und <em class="gesperrt">die</em> zugleich ein weites Absatzgebiet für -unsre Industrie bieten. Dabei empfiehlt sich übrigens (aus rhythmischen -Gründen, der Steigerung wegen), <em class="gesperrt">der</em> immer an die erste, -<em class="gesperrt">welcher</em> an die zweite Stelle zu bringen, nicht umgekehrt! Aber -unbedingt nötig ist der Wechsel auch hier nicht.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_123">[S. 123]</span></p> - -<h3 id="Welch_letzterer_und_welcher_letztere">Welch letzterer und welcher letztere</h3> - -</div> - -<p>An einen ganzen Rattenkönig von Sprachdummheiten rührt man mit der -so beliebten Verbindung: <em class="gesperrt">welcher letztere</em>. Auf die häßliche -unorganische Bildung <em class="gesperrt">ersterer</em> und <em class="gesperrt">letzterer</em> – eine -komparativische Weiterbildung eines Superlativs! – soll dabei gar kein -Gewicht gelegt werden, denn solche Erscheinungen gibt es viele in der -Sprache und in allen Sprachen, wenn es auch nichts schaden kann, daß -man sich einmal das Unorganische dieser Formen durch die Vorstellung -zum Bewußtsein bringt, es wollte jemand der <em class="gesperrt">größtere</em>, der -<em class="gesperrt">kleinstere</em>, der <em class="gesperrt">bestere</em>, der <em class="gesperrt">schönstere</em> bilden. -Viel schlimmer ist ihre unlogische Anwendung.</p> - -<p>Wenn ein Relativsatz nicht auf ein einzelnes Hauptwort, sondern auf -eine Reihe von Hauptwörtern, zwei, drei, vier oder mehr folgt, so -ist es selbstverständlich, daß das Relativ nicht an das letzte Glied -angeschlossen, sondern nur auf die ganze Reihe bezogen werden kann, -also nicht so:</p> - -<table class="satzgefuege_1 s5"> - <tr> - <td class="bb"> - <div class="left"> Erstes Hauptwort</div> - </td> - <td colspan="2"> -   - </td> - </tr> - <tr> - <td class="bb"> - <div class="left"> Zweites Hauptwort</div> - </td> - <td colspan="2"> -   - </td> - </tr> - <tr> - <td class="bb"> - <div class="left"> Drittes Hauptwort</div> - </td> - <td colspan="2"> -   - </td> - </tr> - <tr> - <td> -   - </td> - <td class="w1em"> - <img class="illowe1" src="images/backslash.png" alt="umgekehrter Schrägstrich"> - </td> - <td class="bb"> - <div class="left"> Relativsatz </div> - </td> - </tr> -</table> - -<p class="p0">sondern so:</p> - -<table class="satzgefuege_1 s5"> - <tr> - <td class="bb"> - <div class="left"> Erstes Hauptwort</div> - </td> - <td colspan="2"> -   - </td> - </tr> - <tr> - <td class="bb"> - <div class="left"> Zweites Hauptwort</div> - </td> - <td class="w1em bb"> - <img class="illowe1" src="images/backslash.png" alt="umgekehrter Schrägstrich"> - </td> - <td class="bb"> - <div class="left"> Relativsatz </div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="bb"> - <div class="left"> Drittes Hauptwort</div> - </td> - <td class="w1em"> - <img class="illowe1" src="images/slash.png" alt="Schrägstrich"> - </td> - <td> -   - </td> - </tr> -</table> - -<p class="p0">Die Hauptwörter werden gleichsam zu einer Gruppe, zu einem Bündel -zusammengeschnürt, und der Relativsatz muß an dem ganzen Bündel -hängen. Es kann also nicht heißen: Lessing, Goethe und Schiller, -<em class="gesperrt">der</em>, sondern nur: Lessing, Goethe und Schiller, <em class="gesperrt">die</em>. Das -fühlt auch jeder ohne weiteres. Nun möchte man aber doch manchmal, -nachdem man zwei, drei, vier Dinge aufgezählt hat, gerade über das -zuletzt genannte noch etwas näheres in einem Relativsatz aussagen. -Ein bloßes <em class="gesperrt">welcher</em> – das fühlt jeder – ist unmöglich; es -gehn ja drei voraus! Aber <em class="gesperrt">welcher letztere</em> oder <em class="gesperrt">welch -letzterer</em> – das rettet! Also: das Bild stellt Johannes den -Täufer und<span class="pagenum" id="Seite_124">[S. 124]</span> den Christusknaben dar, <em class="gesperrt">welch letzterer</em> von dem -Täufer in die Welt eingeführt wird – einen Hauptartikel des Landes -bildeten die Landesprodukte, wie Kobalt, Wein, Leinwand und Tuch, -<em class="gesperrt">welch letzteres</em> allerdings dem niederländischen nachstand -– er war Regent der weimarischen, gothaischen und altenburgischen -Lande, <em class="gesperrt">welche letztern</em> ihm aber erst kurz vor seinem Tode -zufielen – die Summe des Intellektuellen im Menschen setzt sich -zusammen aus Geist, Bildung und Kenntnissen, <em class="gesperrt">welchen letztern</em> -auch die Vorstellungen zugezählt werden dürfen – es gibt von dem -Bilde schwarze und braune Abdrücke, <em class="gesperrt">welch letztere</em> aber erst -1784 erschienen sind – den Schluß bildet der Jahresbericht und das -Mitgliederverzeichnis, <em class="gesperrt">welch letzteres</em> eine große Anzahl neuer -Namen enthält – der Neger überflügelt zuerst seine Schulkameraden -weit, besonders in der Mathematik und in den Sprachen, für <em class="gesperrt">welch -letztere</em> seine Begabung erstaunlich ist.</p> - -<p>Dieses <em class="gesperrt">letztere</em> ist ein bequemes, aber sehr häßliches -Auskunftsmittel; ein guter Schriftsteller wird nie seine Zuflucht dazu -nehmen. Es läßt sich auch sehr leicht vermeiden, z. B. indem man das -letzte Glied für sich stellt: das Bild stellt Johannes den Täufer dar -und den <em class="gesperrt">Christusknaben</em>, <em class="gesperrt">der</em> usw., oder indem man statt -des Relativsatzes einen Hauptsatz bildet, worin das letzte Hauptwort -wiederholt wird.</p> - -<p>Noch schlimmer ist es freilich, wenn, wie so oft, <em class="gesperrt">welch -letzterer</em> selbst da geschrieben wird, wo nur ein einziges (!) -Substantivum vorhergeht, eine falsche Beziehung also ganz unmöglich -ist, z. B.: der Plan ist der Wiener Fachschule nachgebildet, <em class="gesperrt">welch -letztere</em> ihn schon seit längerer Zeit hat – der Urkunde ist die -durch den Bischof von Merseburg erteilte Bestätigung beigegeben, -<em class="gesperrt">welche letztere</em> aber nichts besondres enthält – den -gesetzlichen Bestimmungen gemäß scheiden vier Mitglieder aus, <em class="gesperrt">welch -letztere</em> aber wieder wählbar sind – die Menge richtet sich -nach den Beamten, nicht nach dem <em class="gesperrt">Gesetz, welch letzteres</em> sie -selten kennt – überall wechseln üppige Wiesengründe mit stattlichen -Waldungen, <em class="gesperrt">welch letztere</em> namentlich die Bergkuppen und Hänge<span class="pagenum" id="Seite_125">[S. 125]</span> -bedecken – der König nahm in dem <em class="gesperrt">Wagen</em> Platz, <em class="gesperrt">welch -letzterer</em> aber schon nach einer Minute vor dem Hotel hielt. Welch -eine Schwulst! Vier Silben, wo drei Buchstaben genügen!</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Relativsaetze_an_Attributen">Relativsätze an Attributen</h3> - -</div> - -<p>Sehr vorsichtig muß man damit sein, einen Relativsatz hinter ein -Hauptwort zu stellen, das ein Attribut mit einem zweiten Hauptworte -(am häufigsten als abhängigen Genitiv) bei sich hat. Jedes der beiden -Hauptwörter, das erste so gut wie das zweite, kann einen Relativsatz zu -sich nehmen; es kommt nur darauf an, welches von beiden den Ton hat. -Beide zugleich sind nie betont, entweder hat das tragende den Ton, oder -das getragne, das im Attribut steht. Welches von beiden betont ist, -ergibt sich gewöhnlich sofort aus dem Zusammenhange. Nur an das betonte -Hauptwort aber kann sich der Relativsatz anschließen.</p> - -<p>Es ist also nichts einzuwenden gegen Verbindungen wie folgende: mit -zehn Jahren wurde ich in die unterste Klasse <em class="gesperrt">der Kreuzschule</em> -aufgenommen, <em class="gesperrt">der ich</em> dann acht Jahre lang als Schüler angehörte -– bezeichnend ist sein Verhältnis <em class="gesperrt">zum Gelde, das</em> er stets -wie ein armer Mann behandelte. In diesen Fällen ist das Hauptwort -des Attributs betont, der Relativsatz schließt sich also richtig -an. Ob man nicht trotzdem solche Verbindungen lieber meiden sollte, -namentlich dann, wenn die beiden Hauptwörter gleiches Geschlecht haben, -ist eine Frage für sich. Vorsicht ist auch hier zu empfehlen, ein -Mißverständnis manchmal nicht ausgeschlossen. Unbedingt falsch dagegen -ist folgender Satz: auch warne ich vor einer bravourmäßigen Auffassung -der <em class="gesperrt">zweiten Variation, die</em> dort gar nicht am Platze ist. Es ist -von den Variationen in einer Beethovenschen Sonate die Rede; die erste -Variation ist besprochen, nun kommt die zweite an die Reihe. Da ist -es klar, daß der Relativsatz nur heißen kann: <em class="gesperrt">die</em> eine solche -(nämlich eine bravourmäßige Behandlung) gar nicht verträgt.</p> - -<p>Viel öfter kommt aber nun der umgekehrte Fehler vor: daß ein -Relativsatz an das zweite Hauptwort angeschlossen<span class="pagenum" id="Seite_126">[S. 126]</span> wird, obwohl -das erste den Ton hat. In den meisten Fällen – das ist das -Natürliche in jeder logisch fortschreitenden Darstellung – wird -das neu Hinzugekommne, das Unterscheidende, also das zu Betonende -in dem tragenden Hauptworte liegen, nicht in dem Attribut. Wenn -trotzdem an das Attribut ein Relativsatz gehängt wird, so entstehen -störende Verbindungen wie folgende: der <em class="gesperrt">Dichter</em> dieses -Weihnachtsscherzes, <em class="gesperrt">der</em> vortrefflich inszeniert war – der -<em class="gesperrt">Empfang</em> des Fürsten, <em class="gesperrt">der</em> um sieben Uhr eintraf – der -<em class="gesperrt">Tod</em> des trefflichen Mannes, <em class="gesperrt">der</em> eine zahlreiche Familie -hinterläßt – der <em class="gesperrt">Appetit</em> des Kranken, <em class="gesperrt">der</em> allerdings nur -flüssige Nahrungsmittel zu sich nehmen darf – der <em class="gesperrt">linke</em> Arm des -Verschwundnen, <em class="gesperrt">der</em> sich vermutlich herumtreibt – Flüchtigkeiten -erklären sich aus dem <em class="gesperrt">körperlichen Zustande</em> des Verfassers, -<em class="gesperrt">dem</em> es nicht vergönnt war, die letzte Hand an sein Werk zu -legen – die folgenden Radierungen tragen schon den <em class="gesperrt">Namen</em> des -Künstlers, <em class="gesperrt">der</em> inzwischen auch mehrere Bildnisse gemalt hatte -– um den <em class="gesperrt">neuen Lorbeer</em> unsers Freundes, <em class="gesperrt">der</em> einen so -tiefen Blick in das Leben getan hat, mit Champagner zu begießen – eine -<em class="gesperrt">Beschränkung</em> der Korrekturlast, <em class="gesperrt">die</em> wissenschaftlich -gebildete Männer täglich stundenlang bei mechanischer Arbeit festhält -– die <em class="gesperrt">Hochzeitstorte</em> der Prinzessin, <em class="gesperrt">die</em> einen -Untertanen, den Herzog von Fife heiratete – die <em class="gesperrt">Glanznummer</em> der -Wahrsagerin, <em class="gesperrt">die</em> noch eine ziemlich junge Frau ist – nun wurde -das <em class="gesperrt">Dach</em> des Schlosses gerichtet, <em class="gesperrt">das</em> man in wenigen -Jahren zu beziehen hoffte. Bei oberflächlicher Betrachtung wird mancher -meinen, das Störende in diesen Verbindungen liege nur darin, daß die -beiden Hauptwörter dasselbe Geschlecht haben, und deshalb eine falsche -Beziehung des Relativsatzes möglich ist. Das ist aber nicht der Fall: -es sind auch solche Verbindungen nicht gut wie: <em class="gesperrt">das letzte Werk</em> -des russischen Erzählers, <em class="gesperrt">der</em> es seiner Freundin Viardot -in die Feder diktierte – die <em class="gesperrt">lichtvollen Ausführungen</em> des -Redners, <em class="gesperrt">der</em> durch seinen Eifer für die Sache der evangelischen -Vereine bekannt ist – weist nicht der <em class="gesperrt">Ursprung</em> des Gewissens, -<em class="gesperrt">das</em> ein unveräußerliches Erbteil des Menschen ist, auf<span class="pagenum" id="Seite_127">[S. 127]</span> eine -höhere Macht hin? Für wen der Satzbau etwas mehr ist als ein bloßes -äußerliches Zusammenleimen, der wird auch solche Verbindungen meiden.</p> - -<p>Oft sind solche falsch angeschlossene Relativsätze nicht bloß dynamisch -anstößig (der Betonung wegen), sondern auch logisch; sie enthalten -Gedanken, die überhaupt nicht in Relativsätze gehören, beiläufige -Bemerkungen, zu denen man sich das beliebte „übrigens“ hinzudenken -soll, oder Parenthesen, die eigentlich in Hauptsätzen stehen -sollten. Da greifen nun auch hier wieder viele, um Mißverständnissen -vorzubeugen, zu dem bequemen Auskunftsmittel <em class="gesperrt">welcher letztere</em> -und schreiben: die übermäßigen <em class="gesperrt">Aufgaben</em> der <em class="gesperrt">Schauspieler</em>, -<em class="gesperrt">welch letztere</em> an einzelnen Tagen dreimal aufzutreten haben -– diese ausgezeichnete <em class="gesperrt">Landschaftsstudie</em> aus dem Garten -der <em class="gesperrt">Villa Medici</em>, <em class="gesperrt">welch letztere</em> der Künstler eine -Zeit lang bewohnte – er mußte sich mit dem <em class="gesperrt">Anblick</em> des -<em class="gesperrt">Waschschwamms</em> begnügen, <em class="gesperrt">welch letzterer</em> am Fenster in -der Sonne trocknete – eine größere Reihe von <em class="gesperrt">Abbildungen</em> -kirchlicher <em class="gesperrt">Gegenstände</em>, <em class="gesperrt">welch letztere</em> einst im -Besitz der Michaeliskirche waren – <em class="gesperrt">die Freunde</em> der zum -Heere einberufnen <em class="gesperrt">Studenten</em>, <em class="gesperrt">welch letztern</em> dieser -Aufruf nicht zu Gesichte kommt usw. Ein schwächliches Mittel. Eine -Geschmacklosigkeit soll dazu dienen, einen Fehler zu verbergen!</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Einer_der_schwierigsten">Einer der schwierigsten, der oder die?</h3> - -</div> - -<p>Oft wird an einen Genitiv der Mehrzahl, der von dem Zahlwort -<em class="gesperrt">einer</em>, <em class="gesperrt">eine</em>, <em class="gesperrt">eins</em> abhängt, ein Relativsatz -angeschlossen, aber gewöhnlich in folgender falschen Weise: ich -würde das für <em class="gesperrt">einen</em> der härtesten <em class="gesperrt">Unfälle</em> halten, -<em class="gesperrt">der</em> je das Menschengeschlecht <em class="gesperrt">betroffen hat</em> – Leipzig -ist <em class="gesperrt">eine</em> der wenigen <em class="gesperrt">Großstädte</em>, in <em class="gesperrt">der</em> eine -solche Einrichtung noch nicht besteht – das Buch ist <em class="gesperrt">eine</em> -der schönsten <em class="gesperrt">Kriminalgeschichten</em>, <em class="gesperrt">die</em> je geschrieben -<em class="gesperrt">worden ist</em> – das Denkmal ist <em class="gesperrt">eins</em> der <em class="gesperrt">schönsten</em>, -<em class="gesperrt">das</em> bis jetzt ans Tageslicht gebracht <em class="gesperrt">worden ist</em> -– Klopstock ist <em class="gesperrt">einer</em> der <em class="gesperrt">ersten</em>, <em class="gesperrt">der</em> die -Nachahmung des Franzosentums <em class="gesperrt">verwirft</em>. In solchen Sätzen ist -das <em class="gesperrt">einer</em>, <em class="gesperrt">eine</em>, <em class="gesperrt">eins</em> völlig<span class="pagenum" id="Seite_128">[S. 128]</span> tonlos, es ist wie -ein bloßer Henkel für den abhängigen Genitiv, und dieser Genitiv hat -den Ton. Es ist aber auch ein logischer Fehler, den Relativsatz an -<em class="gesperrt">einer</em> anzuschließen; denn der Inhalt des Relativsatzes gilt -doch nicht bloß von dem einen, aus der Menge herausgehobnen, sondern -von allen, aus denen das eine herausgehoben wird. Es kann also nur -heißen: <em class="gesperrt">einer</em> der härtesten <em class="gesperrt">Unfälle</em>, <em class="gesperrt">die</em> je das -Menschengeschlecht betroffen <em class="gesperrt">haben</em> – <em class="gesperrt">eine</em> der wenigen -<em class="gesperrt">Großstädte</em>, <em class="gesperrt">in denen</em> (besser <em class="gesperrt">wo</em>) eine solche -Einrichtung noch nicht besteht usw. Nur scheinbar vermieden wird -der Fehler, wenn jemand schreibt: er war <em class="gesperrt">ein</em> durch und durch -<em class="gesperrt">norddeutscher Charakter</em>, <em class="gesperrt">der</em> nur die Pflicht kennt; -denn hier bezeichnet <em class="gesperrt">ein</em> die ganze Klasse, und <em class="gesperrt">der</em> geht -auf den Einzelnen. Auch hier muß es heißen: er war <em class="gesperrt">einer</em> jener -<em class="gesperrt">norddeutschen Charaktere</em>, <em class="gesperrt">die</em> nur die Pflicht kennen.<a id="FNAnker_65" href="#Fussnote_65" class="fnanchor">[65]</a></p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Falsch_fortgesetzte_Relativsaetze">Falsch fortgesetzte Relativsätze</h3> - -</div> - -<p>Ein gemeiner Fehler, dem man in Relativsätzen unendlich oft begegnet, -ist der, daß an einen Relativsatz ein zweiter Satz mit <em class="gesperrt">und</em>, -<em class="gesperrt">aber</em>, <em class="gesperrt">jedoch</em> angeknüpft wird, worin aus dem Relativ -in das Demonstrativ oder in das Personalpronomen gesprungen oder -sonstwie schludrig fortgefahren wird, z. B. eine Schrift, <em class="gesperrt">die</em> -er auf seine Kosten drucken ließ <em class="gesperrt">und sie</em> umsonst unter seinen -Anhängern austeilte – Redensarten, <em class="gesperrt">die</em> der Schriftsteller -vermeidet, <em class="gesperrt">sie jedoch</em> dem Leser beliebig einzuschalten überläßt -– die vielen Fische, <em class="gesperrt">die</em> er bisweilen selbst füttert <em class="gesperrt">und -ihnen</em> zuschaut, wenn sie nach den Krumen schnappen – ein Bauer, -mit <em class="gesperrt">dem</em> ich über Feuerversicherungsgesellschaften sprach -<em class="gesperrt">und ihm</em> meine Bewundrung dieser trefflichen Einrichtung -ausdrückte – am Schlusse gab Herr W. Erläuterungen über die Vorzüge -der Neuklaviatur, <em class="gesperrt">welch letztere</em> (!) übrigens in<span class="pagenum" id="Seite_129">[S. 129]</span> der -hiesigen Akademie für Tonkunst bereits eingeführt ist <em class="gesperrt">und</em> der -Unterricht <em class="gesperrt">auf derselben</em> (!) mit bestem Erfolge betrieben -wird (das richtige Dummejungendeutsch!) – der Künstler, <em class="gesperrt">der</em> -dem Männergesang zu jener hohen Stelle verhalf und <em class="gesperrt">dieser ihm</em> -die gewaltige Bedeutung verdankte, die er heute einnimmt (ebenso!) -– eine übermächtige Verbindung, <em class="gesperrt">welcher</em> der Herzog schnell -mürbe gemacht wich <em class="gesperrt">und</em> sich zu einer Landesteilung herbeiließ -– dieser Kranke, <em class="gesperrt">an den</em> ich seit zwanzig Jahren gekettet -war <em class="gesperrt">und</em> nicht aufatmen durfte – er entwendete verschiedne -Kleidungsstücke, <em class="gesperrt">die</em> er zu Gelde machte <em class="gesperrt">und</em> sich -<em class="gesperrt">dann</em> heimlich von hier entfernte – sie erhielt Saalfeld, -<em class="gesperrt">wo</em> sie 1492 starb <em class="gesperrt">und</em> in <em class="gesperrt">Weimar</em> begraben wurde – -die <em class="gesperrt">Seuche</em>, <em class="gesperrt">an der</em> zahlreiche Schweine zugrunde gehen -<em class="gesperrt">und dann</em> noch verwendet werden – es geht das aus dem Testament -hervor, <em class="gesperrt">das</em> ich abschriftlich beifüge <em class="gesperrt">und</em> von fernern -Nachforschungen absehen zu können glaube – ein <em class="gesperrt">Augenblick</em>, -<em class="gesperrt">den</em> der Verhaftete benutzte, um zu entweichen, <em class="gesperrt">und</em> bis -zur Stunde noch nicht wieder aufgefunden worden ist.</p> - -<p>Es ist klar, daß durch <em class="gesperrt">und</em> nur gleichartige Nebensätze verbunden -werden können. Geht also ein Relativsatz voraus, so muß auch ein -Relativsatz folgen; die Kraft der relativen Verknüpfung wirkt über das -<em class="gesperrt">und</em> hinaus fort. In den ersten Beispielen muß es also einfach -heißen: <em class="gesperrt">und</em> umsonst austeilte –, <em class="gesperrt">jedoch</em> einzuschalten -überläßt –, in den folgenden: <em class="gesperrt">und denen</em> er zuschaut, <em class="gesperrt">und -dem</em> ich meine Bewundrung ausdrückte. In den letzten Beispielen ist -der Anschluß eines zweiten Relativsatzes überhaupt unmöglich, weil der -Begriff, der im Relativ erscheinen müßte, in dem zweiten Satze gar -nicht wiederkehrt; es kann höchstens heißen: <em class="gesperrt">worauf</em> er sich -entfernte – <em class="gesperrt">sodaß</em> ich absehen zu können glaube.</p> - -<p>Steht das Pronomen der Relativsätze im Genitiv, so ist es ein beliebter -Fehler, in dem zweiten Relativsatz, obwohl das Subjekt dasselbe bleibt, -dieses Subjekt durch ein Relativpronomen zu wiederholen, z. B.: der -<em class="gesperrt">Kaiser</em>, <em class="gesperrt">dessen Interesse</em> für alle Zweige der Technik -bekannt ist, <em class="gesperrt">und das</em> gerade bei der Berliner Ausstellung wieder -klar zutage tritt – das <em class="gesperrt">Sprachgewissen</em>, <em class="gesperrt">dessen<span class="pagenum" id="Seite_130">[S. 130]</span> Stimme</em> -sich nicht überhören läßt, die sich vielmehr geltend macht bei allem, -was wir lesen und schreiben. Ein ebenso beliebtes Gegenstück dazu ist -es dann, einen zweiten Relativsatz, der dem ersten untergeordnet ist, -mit <em class="gesperrt">und</em> anzuknüpfen, z. B.: eine <em class="gesperrt">Ehe</em>, vor <em class="gesperrt">deren</em> -Sündhaftigkeit sie ein wahres <em class="gesperrt">Grauen</em> hat, <em class="gesperrt">und das</em> -sie doch allmählich überwinden muß – er war im Frühling geboren, -<em class="gesperrt">dessen Blumen</em> ihm stets so lieb blieben, <em class="gesperrt">und die</em> er so -gern im Knopfloch trug – er sollte ihr ein Wort ins Ohr flüstern, von -<em class="gesperrt">deren Antlitz</em> sein Herz geträumt hatte, <em class="gesperrt">und von dem</em> es -sich nicht abwenden konnte. In den ersten beiden Sätzen muß das zweite -Relativpronomen weichen, in den drei letzten das <em class="gesperrt">und</em>; der letzte -Satz bleibt freilich auch dann noch Unsinn.</p> - -<p>Ein abscheulicher Fehler ist es, wenn man zwei Relativsätze -miteinander verbindet, ohne das Relativum zu wiederholen, obwohl -das Relativpronomen in dem einen der beiden Sätze Objekt, in dem -andern Subjekt ist, der eine also mit dem Akkusativ, der andre mit -dem Nominativ anfängt, z. B.: ein paar <em class="gesperrt">Kopien</em>, <em class="gesperrt">die ich</em> -schon <em class="gesperrt">vorfand</em> und mir viel Freude <em class="gesperrt">machen</em> – <em class="gesperrt">die -Festschrift</em>, <em class="gesperrt">die</em> Georg Bötticher <em class="gesperrt">verfaßt hat</em> und von -Kleinmichel mit Schildereien <em class="gesperrt">versehen worden ist</em>. – Dieser -Fehler gehört unter die zahlreichen Sprachdummheiten, die dadurch -entstehen, daß man ein Wort nicht als etwas lebendiges, sinn- und -inhaltvolles, sondern bloß als eine Reihe von Buchstaben ansieht, -also – durch die Papiersprache. Ob diese Buchstabenreihe das einemal -Akkusativ, das andremal Nominativ ist, ist dem Papiermenschen ganz -gleichgiltig. Schreibt doch eine Memoirenerzählerin sogar: <em class="gesperrt">Natur</em> -und <em class="gesperrt">Kunst lernten wir</em> lieben und <em class="gesperrt">wurden</em> in unserm Hause -gepflegt!</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Relativsatz_statt_eines_Hauptsatzes">Relativsatz statt eines Hauptsatzes</h3> - -</div> - -<p>Ein schlimmer Fehler endlich, der sehr oft begangen wird, ist -es, wenn ein Relativsatz gebildet wird, wo gar kein Relativsatz -hingehört, sondern entweder eine andre Art von Nebensatz oder – -ein Hauptsatz. Wenn jemand schreibt: Harkort erfreute sich des -Rufes <em class="gesperrt">eines bewährten Geschäftsmannes</em>, der als Mitbegründer<span class="pagenum" id="Seite_131">[S. 131]</span> -der Leipzig-Dresdner Eisenbahn rastlose Energie an den Tag gelegt -hatte – so ist klar, daß der Relativsatz keine Eigenschaft eines -bewährten Geschäftsmannes angibt, sondern den Grund, weshalb Harkort -in diesen Ruf kam; es muß also heißen: <em class="gesperrt">da er</em> als Mitbegründer -usw. Wenn jemand schreibt: das Steigen des Flusses erschwerte <em class="gesperrt">die -Arbeiten</em>, <em class="gesperrt">die</em> mit größter Anstrengung ausgeführt wurden – -so ist klar, daß der Relativsatz keine Eigenschaft der Arbeiten angibt, -sondern eine Folge davon, daß der Fluß steigt; es muß also heißen: -<em class="gesperrt">sodaß</em> sie nur mit größter Anstrengung usw. Nun vollends: machen -Sie <em class="gesperrt">einen Versuch</em> mit dem Werke, der Sie voll befriedigen wird -– kein Mittel vertreibt <em class="gesperrt">den Geruch</em>, der wohl schwächer wird, -aber immer bemerklich bleibt – das ersehnte Glück fand er in <em class="gesperrt">dieser -Verbindung</em> nicht, <em class="gesperrt">die</em> nach drei Jahren wieder gelöst -wurde – wie im Fluge verbreitete sich die Trauerkunde unter <em class="gesperrt">den -Vereinsmitgliedern</em>, <em class="gesperrt">die</em> dem teuern Genossen vollzählig -das letzte Geleit gaben – er widmete sich dem juristischen Studium -ohne <em class="gesperrt">innern Drang</em>, <em class="gesperrt">der</em> ihn zur Literatur und Geschichte -führte – jedes <em class="gesperrt">Konzert</em>, <em class="gesperrt">das</em> er nie versäumte, war ihm -ein Hochgenuß – solche Sätze erscheinen wohl äußerlich in der Gestalt -von Relativsätzen, ihrem Inhalte nach aber sind es Hauptsätze. Es muß -heißen: kein Mittel vertreibt den Geruch; er wird wohl schwächer, -bleibt aber immer bemerklich – das ersehnte Glück fand er in dieser -Verbindung nicht; sie wurde nach drei Jahren wieder gelöst. Noch -fehlerhafter sind folgende Sätze: die Meister sind das <em class="gesperrt">Ein und -Alles</em> der Kunst, <em class="gesperrt">die</em> in ihren Werken und sonst nirgends -niedergelegt und beschlossen ist – oder gar: <em class="gesperrt">das Honorar</em> -beträgt jährlich 360 <em class="gesperrt">Mark</em>, <em class="gesperrt">welches</em> (!) in drei Terminen -zu entrichten ist. Hier ist der Relativsatz nicht bloß an das falsche -Wort angeschlossen, sondern logisch falsch: er muß in einen Hauptsatz -verwandelt werden.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Nachdem_zumal_trotzdem_obzwar">Nachdem – zumal – trotzdem – obzwar</h3> - -</div> - -<p>Verhältnismäßig wenig Fehler kommen in den Nebensätzen vor, die -eine Zeitbestimmung, einen Grund oder ein<span class="pagenum" id="Seite_132">[S. 132]</span> Zugeständnis enthalten -(Temporalsätze, Kausalsätze, Konzessivsätze). In den Kausalsätzen ist -vor allem vor einem Mißbrauch des Fügewortes <em class="gesperrt">nachdem</em> zu warnen. -<em class="gesperrt">Nachdem</em> kann nur Temporalsätze anfangen. Es ist zwar schon -früh auch auf das kausale Gebiet übertragen worden (wie <em class="gesperrt">weil</em> -und <em class="gesperrt">da</em>, die ja auch ursprünglich temporal und lokal sind); -gegenwärtig aber ist das nur noch in Österreich üblich. <em class="gesperrt">Nachdem</em> -der Kaiser keine weitere Verwendung für seine Dienste <em class="gesperrt">hat</em> – -<em class="gesperrt">nachdem</em> für die Anschaffung nur unbedeutende Kosten erwachsen – -<em class="gesperrt">nachdem</em> bei günstigem Wasserstande <em class="gesperrt">sich</em> die Verladungen -lebhaft <em class="gesperrt">entwickeln werden</em> – solche Sätze erscheinen als -auffällige Provinzialismen. Falsch ist es aber auch, <em class="gesperrt">nachdem</em> in -Temporalsätzen mit dem Imperfekt zu verbinden, z. B. der Grund, warum -Lasalle, <em class="gesperrt">nachdem</em> seine Lebensarbeit <em class="gesperrt">zerbrach</em>, doch immer -deutlicher als historische Persönlichkeit hervortritt. <em class="gesperrt">Nachdem</em> -kann nur mit dem Perfekt oder dem Plusquamperfekt verbunden werden.</p> - -<p>Ein andrer Fehler, der jetzt in Kausalsätzen fort und fort begangen -wird, ist der, hinter <em class="gesperrt">zumal</em> das Fügewort <em class="gesperrt">da</em> wegzulassen, -als ob <em class="gesperrt">zumal</em> selber das Fügewort wäre, z. B.: der Zuziehung -von Fachmännern wird es nicht bedürfen, <em class="gesperrt">zumal</em> in der Literatur -einschlägige Werke genug vorhanden sind. <em class="gesperrt">Zumal</em> ist kein -Fügewort, sondern ein Adverb, es bedeutet ungefähr dasselbe wie -<em class="gesperrt">besonders</em>, <em class="gesperrt">namentlich</em>, <em class="gesperrt">hauptsächlich</em>, hat aber -noch eine feine Nebenfarbe, insofern es, ähnlich wie <em class="gesperrt">vollends</em>, -nicht bloß die Hervorhebung aus dem allgemeinen, sondern zugleich -eine Steigerung ausdrückt; der Inhalt des Hauptsatzes wird, wenn -sich ein Nebensatz mit <em class="gesperrt">zumal</em> anschließt, beinahe als etwas -selbstverständliches hingestellt. Soll nun, wie es sehr oft -geschieht, der in einem Nebensatz ausgedrückte Gedanke in dieser -Weise hervorgehoben werden, so muß <em class="gesperrt">zumal</em> einfach davortreten, -sodaß der Nebensatz nun beginnt: <em class="gesperrt">zumal wer</em>, <em class="gesperrt">zumal wo</em>, -<em class="gesperrt">zumal als</em>, <em class="gesperrt">zumal wenn</em>, <em class="gesperrt">zumal weil</em>, <em class="gesperrt">zumal -da</em>, je nachdem es ein Relativsatz, ein Temporalsatz, ein -Bedingungssatz oder ein Kausalsatz ist, z. B.: das wäre die heilige -Aufgabe der Kunst, <em class="gesperrt">zumal seit</em> sie bei den Gebildeten zugleich -die Religion vertreten soll. So wenig<span class="pagenum" id="Seite_133">[S. 133]</span> nun jemand hinter <em class="gesperrt">zumal</em> -das <em class="gesperrt">wer</em>, <em class="gesperrt">wo</em>, <em class="gesperrt">wann</em> oder <em class="gesperrt">als</em> weglassen wird, -so wenig hat es eine Berechtigung, das <em class="gesperrt">da</em> oder <em class="gesperrt">weil</em> -wegzulassen, und es ist eine Nachlässigkeit, zu schreiben: diese -Maßregel erbitterte die Evangelischen, <em class="gesperrt">zumal</em> sie hörten – -schließlich ließ sich die Angelegenheit nicht länger aufschieben, -<em class="gesperrt">zumal</em> sich die Aussicht eröffnete usw. Leider ist diese -Nachlässigkeit schon so beliebt geworden, daß man bald wird lehren -müssen: <em class="gesperrt">zumal</em> ist ein Adverb, aber zugleich ist es ein Fügewort, -das Kausalsätze anfängt.</p> - -<p>Ähnlich wie mit <em class="gesperrt">zumal</em> steht es mit <em class="gesperrt">trotzdem</em>; auch das -möchte man jetzt mit aller Gewalt zum Fügewort pressen. Aber auch -das hat keine Berechtigung. Auch <em class="gesperrt">trotzdem</em> ist ein Adverb, -es bedeutet dasselbe wie <em class="gesperrt">dennoch</em>; soll es zur Bildung eines -Konzessivsatzes dienen, so muß es mit <em class="gesperrt">daß</em> verbunden werden. -Zu schreiben, wie es jetzt geschieht: <em class="gesperrt">trotzdem</em> Camerarius -den Aufgeklärten spielte – <em class="gesperrt">trotzdem</em> die Arbeiten im Innern -des Hauses noch nicht beendigt sind – <em class="gesperrt">trotzdem</em> es an -Festlichkeiten nicht mangelte – ist ebenfalls eine Nachlässigkeit. -Wir haben zur Bildung von Konzessivsätzen eine Fülle von Fügewörtern: -<em class="gesperrt">obgleich</em>, <em class="gesperrt">obwohl</em>, <em class="gesperrt">obschon</em>, <em class="gesperrt">wenngleich</em>, -<em class="gesperrt">wenn auch</em>. Kennt man die gar nicht mehr, daß man sie jetzt alle -dem fehlerhaften <em class="gesperrt">trotzdem</em> zuliebe verschmäht? Sie sind wohl zu -weich, zu geschmeidig, zu verbindlich, nicht wahr? <em class="gesperrt">Trotzdem</em> ist -gröber, „schneidiger“, trotziger, darum gefällts den Leuten.</p> - -<p>Freilich sind alle unsre Fügewörter früher einmal Adverbia gewesen. -Auch <em class="gesperrt">indem</em>, <em class="gesperrt">seitdem</em>, <em class="gesperrt">nachdem</em>, <em class="gesperrt">solange</em>, -<em class="gesperrt">sooft</em>, <em class="gesperrt">nun</em> (<em class="gesperrt">nun</em> die schreckliche Seuche glücklich -erloschen ist) wurden zur Bildung von Nebensätzen anfangs gewöhnlich -mit einem Fügewort gebraucht (<em class="gesperrt">indem daß</em>, <em class="gesperrt">solange als</em>). -Aber warum soll man nicht einen Unterschied bewahren, solange das -Bedürfnis darnach noch von vielen empfunden wird? Wer sorgfältig -schreiben will, wird sich auch nicht mit <em class="gesperrt">insofern</em> begnügen, wenn -er <em class="gesperrt">insofern als</em> meint.</p> - -<p>Eine österreichische Eigentümlichkeit ist es, Konzessivsätze mit -<em class="gesperrt">obzwar</em> anzufangen. In der guten Schriftsprache ist das, wie alle -Austriazismen, unausstehlich.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_134">[S. 134]</span></p> - -<h3 id="Missbrauch_des_Bedingungssatzes">Mißbrauch des Bedingungssatzes</h3> - -</div> - -<p>Das temporale Fügewort <em class="gesperrt">während</em>, das zunächst zwei Vorgänge -als gleichzeitig hinstellt, kommt auf sehr leichte und natürliche -Weise dazu, zwei Handlungen einander entgegenzusetzen. Den Übergang -sieht man an einem Satze wie folgendem: <em class="gesperrt">während</em> ihr euerm -Vergnügen nachgingt, habe ich gearbeitet; das Fügewort kann hier noch -rein temporal aufgefaßt werden, hat aber schon einen Beigeschmack -vom Adversativen. Man muß aber in der Anwendung dieser adversativen -Bedeutung sehr vorsichtig sein, sonst kommt man leicht zu so -lächerlichen Sätzen wie: <em class="gesperrt">während</em> Herr W. die Phantasie von -Vieuxtemps für Violine vortrug, blies Herr L. ein Nocturno für Flöte -von Köhler – der Minister besuchte gestern (!) die Schulen zu -Marienthal und Leubnitz, <em class="gesperrt">während</em> er heute (!) die Besuche in den -hiesigen Schulanstalten fortsetzte – König Albert brachte ein Hoch auf -den Kaiser aus, <em class="gesperrt">während</em> der Kaiser ihm dafür dankte.</p> - -<p>Geradezu ein Unfug aber ist es, Bedingungssätze in adversativem Sinne -zu verwenden. Es scheint das aber jetzt für eine ganz besondre Feinheit -zu gelten. Man schreibt: <em class="gesperrt">wenn</em> bei vielen niedrigen Völkern die -Priester als Träger höherer Bildung zu betrachten sind, <em class="gesperrt">so</em> -ist das bei den Ephenegern nicht der Fall – <em class="gesperrt">wenn</em> Adelung -die Sprache hauptsächlich als Verständigungsmittel behandelt wissen -wollte, <em class="gesperrt">so</em> forderte Herder eine individuelle, schöpferische -Empfindungssprache. Auch vergleichende Nebensätze werden schon, -anstatt mit <em class="gesperrt">wie</em>, mit <em class="gesperrt">wenn</em> gebildet: <em class="gesperrt">wenn</em> Indien -die Geschichte der Philosophie <span class="antiqua">in nuce</span> enthält, <em class="gesperrt">so</em> ist -es an Materialien für die Geschichte der Religion gewiß reicher als -ein andres Land – <em class="gesperrt">wenn</em> bei uns vielfach über den Niedergang -des politischen Lebens geklagt wird, <em class="gesperrt">so</em> ist auch in Amerika, -wo das politische Leben schon bisher nicht sehr hoch stand, ein -solcher Niedergang bemerkbar – <em class="gesperrt">wenn</em> der Verein schon immer -bestrebt war, die reichen Kunstschätze Freibergs zu heben, <em class="gesperrt">so</em> -ist das in besonderm Maße in dem vorliegenden Hefte gelungen – -<em class="gesperrt">war</em> das Handpressenverfahren<span class="pagenum" id="Seite_135">[S. 135]</span> ungeeignet, <em class="gesperrt">so</em> konnte das -Typendruckverfahren hinsichtlich der Güte nicht genügen – <em class="gesperrt">war</em> -das Haus damals recht unbehaglich, <em class="gesperrt">so</em> machten sich auch nach -dem Umbau Übelstände bemerklich. Ebenso Kausalsätze: <em class="gesperrt">wenn</em> die -Macht der Sozialdemokratie in der Organisation liegt, <em class="gesperrt">so</em> müssen -wir uns eben auch organisieren. Ebenso Konzessivsätze: <em class="gesperrt">wenn</em> -die gestellte Aufgabe sich <em class="gesperrt">zwar</em> (aha!) zunächst nur auf die -Untersuchung der Goldlagerstellen bezog, <em class="gesperrt">so</em> war es <em class="gesperrt">doch</em> -nötig, auch andre Minerale in den Kreis der Betrachtung zu ziehen. -Sogar wo einfach zwei Hauptsätze am Platze wären, kommt man mit diesem -<em class="gesperrt">wenn</em> angerückt: <em class="gesperrt">wenn</em> mein Herr Amtsvorgänger vorm Jahre -viel gutes wünschte, <em class="gesperrt">so</em> sind diese Wünsche nicht vergeblich -gewesen – <em class="gesperrt">wenn</em> im frühern Mittelalter die meisten Häuser -einfache Holzhäuser gewesen waren, <em class="gesperrt">so</em> ist man erst später aus -diesem Zustande herausgekommen. Welcher Unsinn!</p> - -<p>Wenn diese Art, sich auszudrücken, weitere Fortschritte macht, so kann -es noch dahin kommen, daß der Bedingungssatz alle andern Arten von -Fügewortsätzen nach und nach auffrißt.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Unterdrueckung_des_Hilfszeitworts">Unterdrückung des Hilfszeitworts</h3> - -</div> - -<p>Sehr verschieden sind merkwürdigerweise von jeher die Ansichten gewesen -über den Gebrauch, das Hilfszeitwort und (was gleich damit verbunden -werden kann) die sogenannte Kopula in Nebensätzen wegzulassen, also zu -schreiben: der Bischof war bestrebt, von dem Einfluß, den er früher -in der Stadt <em class="gesperrt">besessen</em> (nämlich <em class="gesperrt">hatte</em>), möglichst viel -zurückzugewinnen, der Rat dagegen trachtete, die wenigen Rechte, -die ihm noch <em class="gesperrt">geblieben</em> (nämlich <em class="gesperrt">waren</em>), immer mehr zu -beschränken – die Wirkung der Mühlen würde noch erhöht, wenn sie -beständig von Luft <em class="gesperrt">durchstrichen</em> (nämlich <em class="gesperrt">würden</em>) – -seine Briefe blieben frei von Manier, während <em class="gesperrt">sich</em> in seine -spätern Werke etwas davon <em class="gesperrt">eingeschlichen</em> (nämlich <em class="gesperrt">hat</em>) – -die Pallas trug einst einen Helm, wie aus der oben abgeplatteten Form -des Kopfes zu <em class="gesperrt">erkennen</em> (nämlich <em class="gesperrt">ist</em>) – eine Vorstellung -wird um so leichter aufgenommen, je <em class="gesperrt">einfacher</em> ihr sprachlicher -Ausdruck (nämlich <em class="gesperrt">ist</em>) –<span class="pagenum" id="Seite_136">[S. 136]</span> der Ursachen sind mehrere, wenn -sie auch sämtlich auf eine Wurzel <em class="gesperrt">zurückzuführen</em> (nämlich -<em class="gesperrt">sind</em>) – verwundert fragt man, ob denn die Krankheit wirklich -so gefährlich, das Übel gar so heillos <em class="gesperrt">geworden</em> (<em class="gesperrt">ist</em>? -<em class="gesperrt">sei</em>?) – so lautet das Schlagwort, womit das ideale Werk -<em class="gesperrt">begonnen</em> (<em class="gesperrt">ist</em>? <em class="gesperrt">hat</em>?) – sogar: die Lukaspassion -kann nicht, wie allgemein <em class="gesperrt">behauptet</em> (nämlich <em class="gesperrt">wird</em>), von -Bach geschrieben sein.</p> - -<p>Dieser Gebrauch hat eine ungeheure Verbreitung, viele halten ihn -offenbar für eine ganz besondre Schönheit. Manche Romanschriftsteller -schreiben gar nicht anders; aber auch in wissenschaftlichen, -namentlich in Geschichtswerken geschieht es fort und fort. Ja es muß -hie und da geradezu in Schulen gelehrt werden, daß dieses Abwerfen -des Hilfszeitworts eine Zierde der Sprache sei. Wenigstens war -einmal in einem Aufsatz einer Unterrichtszeitschrift verächtlich vom -„Hattewarstil“ die Rede; der Verfasser meinte damit die pedantische -Korrektheit, die das <em class="gesperrt">hatte</em> und <em class="gesperrt">war</em> nicht opfern will. -Von ältern Schriftstellern liebt es namentlich Lessing, aus dessen -Sprache man sich sonst die Muster zu holen pflegt, das Hilfszeitwort -wegzulassen, und Jean Paul empfiehlt es geradezu, diese „abscheulichen -Rattenschwänze der Sprache“ womöglich überall abzuschneiden.</p> - -<p>Halten wir uns, wie immer, an die lebendige Sprache. Tatsache ist, daß -in der unbefangnen Umgangssprache das Hilfszeitwort niemals weggelassen -wird. Es würde als arge Ziererei empfunden werden, wenn jemand sagte: -es ist ein ganzes Jahr her, daß wir uns nicht <em class="gesperrt">gesehen</em>. In der -Sprache der Dichtung dagegen ist die Unterdrückung des Hilfszeitworts -wohl das überwiegende. Man denke sich, daß Chamissos Frauenliebe -und -leben anfinge: seit ich ihn <em class="gesperrt">gesehen habe</em>, glaub ich -blind zu sein! In der Prosa kommt es nun sehr auf die Gattung an. In -poetisch oder rednerisch gehobner Sprache stört es nicht, wenn das -Hilfszeitwort zuweilen unterdrückt wird; in schlichter Prosa, wie sie -die wissenschaftliche Darstellung und im allgemeinen doch auch die -Erzählung, die historische sowohl wie der Roman<span class="pagenum" id="Seite_137">[S. 137]</span> und die Novelle, -erfordert, ist es geradezu unerträglich. Wer das bestreitet, hat -eben kein Sprachgefühl. Wer sich einmal die Mühe nimmt, bei einem -Schriftsteller, der das Hilfszeitwort mechanisch und aus bloßer -Gewohnheit überall wegläßt, nur ein paar Druckseiten lang auf diese -vermeintliche Schönheit zu achten, der wird bald täuschend den Eindruck -haben, als ob er durch einen Tiergarten ginge, wo lauter unglückselige -Bestien mit abgehackten Schwänzen ihres Verlustes sich schämend scheu -um ihn herumliefen.</p> - -<p>Ganz unausstehlich wird das Abwerfen des Hilfszeitworts, wenn das -übrig bleibende Partizip mit dem Indikativ des Präsens oder des -Imperfekts gleich lautet, also ohne das Hilfszeitwort die Tempora -gar nicht voneinander zu unterscheiden sind, z. B.: in unsrer Zeit, -wo der Luxus eine schwindelhafte Höhe <em class="gesperrt">erreicht</em> (nämlich -<em class="gesperrt">hat</em>!) – er ist auch dann strafbar, wenn er sich nur an der -Tat <em class="gesperrt">beteiligt</em> (<em class="gesperrt">hat</em>!) – das, was der Geschichtschreiber -gewissenhaft <em class="gesperrt">durchforscht</em> (<em class="gesperrt">hat</em>!) – er erinnert sich -der Freude, die ihm so mancher gelungne Versuch <em class="gesperrt">verursacht</em> -(<em class="gesperrt">hat</em>!) – einer jener Männer, die, nachdem sie in hohen -Stellungen Eifer und Tatkraft <em class="gesperrt">bewiesen</em> (<em class="gesperrt">haben</em>!), sich -einem müßigen Genußleben hingeben – nachdem 1631 Baner die Stadt -vergeblich <em class="gesperrt">belagert</em> (<em class="gesperrt">hatte</em>!) – er verteilte die Waffen -an die Partei, mit der er sich <em class="gesperrt">befreundet</em> (<em class="gesperrt">hatte</em>!) – -ich kam im Herbstregen an, den mein Kirchdorf lange <em class="gesperrt">ersehnt</em> -(<em class="gesperrt">hatte</em>!) – er schleuderte über die Republik und ihre Behörden -den Bannstrahl, weil sie sich an päpstlichem Gut <em class="gesperrt">vergriffen</em> -(<em class="gesperrt">hatten</em>!) – du stellst in Abrede, daß Vilmar mit dem Buch eine -politische Demonstration <em class="gesperrt">beabsichtigt</em> (<em class="gesperrt">habe</em>!). Oder wenn -es in zwei oder mehr aufeinander folgenden Nebensätzen verschiedne -Hilfszeitwörter sind, die dadurch verloren gehen, <em class="gesperrt">haben</em> und -<em class="gesperrt">sein</em>, z. B.: es war ein glücklicher Gedanke, dort, wo einst -der deutsche Dichterfürst seinen Fuß <em class="gesperrt">hingesetzt</em> (nämlich -<em class="gesperrt">hat</em>), auf dem Boden, der durch seinen Aufenthalt geschichtlich -<em class="gesperrt">geworden</em> (nämlich <em class="gesperrt">ist</em>), eine Kuranstalt zu errichten – -wir wissen, auf welchen Widerstand einst das Interim <em class="gesperrt">gestoßen</em> -(<em class="gesperrt">ist</em>!), und welchen Haß sich Melanchthon durch seine<span class="pagenum" id="Seite_138">[S. 138]</span> -Nachgiebigkeit <em class="gesperrt">zugezogen</em> (<em class="gesperrt">hat</em>!) – da sie das Führen -der Maschine <em class="gesperrt">unterlassen</em> (<em class="gesperrt">hatten</em>!) und auf den Fußwegen -<em class="gesperrt">gefahren</em> (<em class="gesperrt">waren</em>!). Oder endlich wenn gar von zwei -verschiednen Hilfszeitwörtern das erste weggeworfen, das zweite aber -gesetzt wird, sodaß man dieses nun unwillkürlich mit auf den ersten -Satz bezieht, z. B.: als ich die Fastnachtsspiele <em class="gesperrt">durchgelesen</em> -und schließlich zu dem Luzerner Neujahrsspiel <em class="gesperrt">gekommen war</em> -(also auch: <em class="gesperrt">durchgelesen war</em>?) – seitdem die Philosophie exakt -<em class="gesperrt">geworden</em>, seitdem auch sie sich auf die Beobachtung und Sammlung -von Phänomenen <em class="gesperrt">verlegt hat</em> (also auch: <em class="gesperrt">geworden hat</em>?) – -der Verfasser macht Banquo den Vorwurf, daß er nicht für die Rechte -der Söhne Duncans <em class="gesperrt">eingetreten</em>, sondern Macbeth als König -<em class="gesperrt">anerkannt habe</em> (also auch: <em class="gesperrt">eingetreten habe</em>?). Wie jemand -so etwas schön finden kann, ist unbegreiflich.</p> - -<p>Selbst in Fällen, wo der nachfolgende Hauptsatz zufällig mit demselben -Zeitwort anfängt, mit dem der Nebensatz geschlossen hat, ist das -Wegwerfen des Hilfszeitworts häßlich, z. B.: soviel <em class="gesperrt">bekannt</em> -(nämlich <em class="gesperrt">ist</em>), <em class="gesperrt">ist</em> der Vorsitzende der Bürgermeister – -wie der Unglückliche hierher <em class="gesperrt">gelangt</em> (<em class="gesperrt">ist</em>), <em class="gesperrt">ist</em> -rätselhaft – alles, was damit gewonnen <em class="gesperrt">worden</em> (<em class="gesperrt">war</em>), -<em class="gesperrt">war</em> unbedeutend gegen das verlorne – wer diesen Forderungen -Genüge <em class="gesperrt">geleistet</em> (<em class="gesperrt">hatte</em>), <em class="gesperrt">hatte</em> sich dadurch den -Anspruch erworben usw. Zwar nehmen auch solche, die im allgemeinen für -Beibehaltung des Hilfszeitworts sind, hier das Abwerfen in Schutz, aber -doch nur wieder infolge des weitverbreiteten Aberglaubens, daß ein -Wort nicht unmittelbar hintereinander oder kurz hintereinander zweimal -geschrieben werden dürfe. Es ist das eine von den traurigen paar -stilistischen Schönheitsregeln, die sich im Unterricht von Geschlecht -zu Geschlecht fortschleppen. Die lebendige Sprache fragt darnach gar -nichts; da setzt jeder ohne weiteres das Verbum doppelt, und es fällt -nicht im geringsten auf, kann gar nicht auffallen, weil mit dem ersten -Verbum, fast tonlos, der Nebensatz ausklingt, mit dem zweiten, nach -einer kleinen Pause, frisch betont der Hauptsatz anhebt. Sie klingen ja -beide ganz<span class="pagenum" id="Seite_139">[S. 139]</span> verschieden, diese Verba, man traue doch nur seinen Ohren -und lasse sich nicht immer von dem Papiermenschen bange machen!</p> - -<p>Nur in einem Falle empfiehlt sichs zuweilen, das Hilfszeitwort auch in -schlichter Prosa wegzulassen, nämlich dann, wenn in den Nebensatz ein -zweiter Nebensatz eingeschoben ist, der mit demselben Hilfszeitwort -endigen würde, z. B.: bis die Periode, für die der Reichstag -<em class="gesperrt">gewählt worden</em>, <em class="gesperrt">abgelaufen war</em>. Hier würden zwei gleiche -Satzausgänge mit <em class="gesperrt">war</em> nicht angenehm wirken. Wo bei Häufung von -Nebensätzen der Eindruck des Schleppens entsteht, liegt die Schuld -niemals an den Hilfszeitwörtern, sondern immer an dem ungeschickten -Satzbau.</p> - -<p>Die Sitte, das Hilfszeitwort in Nebensätzen gewohnheitsmäßig -abzuwerfen, muß um so mehr als Unsitte bekämpft werden, als sie schon -einen ganz verhängnisvollen Einfluß auf den richtigen Gebrauch der -Modi ausgeübt hat. Daß manche Schriftsteller keine Ahnung mehr davon -haben, wo ein Konjunktiv und wo ein Indikativ hingehört, daß in dem -Gebrauche der Modi eine geradezu grauenvolle Verwilderung und Verrohung -eingerissen ist und täglich weitere Fortschritte macht, daran ist -zum guten Teil die abscheuliche Unsitte schuld, die Hilfszeitwörter -wegzulassen. Wo soll noch Gefühl für die Kraft und Bedeutung eines -Modus herkommen, wenn man jedes <em class="gesperrt">ist</em>, <em class="gesperrt">sei</em>, <em class="gesperrt">war</em>, -<em class="gesperrt">wäre</em>, <em class="gesperrt">hat</em>, <em class="gesperrt">habe</em>, <em class="gesperrt">hatte</em>, <em class="gesperrt">hätte</em> -am Ende eines Nebensatzes unterdrückt und dem Leser nach Belieben -zu ergänzen überläßt? In den meisten Fällen ist die Unterdrückung -des Hilfszeitwortes nichts als ein bequemes Mittel, sein Ungeschick -oder seine Unwissenheit zu verbergen. Freilich ist es sehr bequem, -zu schreiben: daß viele Glieder der ersten Christengemeinde arm -<em class="gesperrt">gewesen</em>, ist zweifellos, daß es alle <em class="gesperrt">gewesen</em>, ist sehr -zu bezweifeln, oder: wenn man nicht annehmen will, daß ihm seine -Genialität <em class="gesperrt">geoffenbart</em>, was andre schon vorher <em class="gesperrt">gefunden</em>, -oder: wir bedauerten, daß sie nicht etwas <em class="gesperrt">getan</em>, was sie in -den Augen unsrer Gespielen recht groß und mächtig <em class="gesperrt">gemacht</em>. -Hätten die, die so geschrieben haben, gewußt,<span class="pagenum" id="Seite_140">[S. 140]</span> das es heißen muß: daß -viele Glieder der ersten Christengemeinde arm <em class="gesperrt">gewesen sind</em>, ist -zweifellos, daß es alle <em class="gesperrt">gewesen seien</em>, ist sehr zu bezweifeln – -wenn man nicht annehmen will, daß ihm seine Genialität <em class="gesperrt">geoffenbart -habe</em>, was andre schon vorher <em class="gesperrt">gefunden hatten</em> – wir -bedauerten, daß sie nicht etwas <em class="gesperrt">getan hatten</em>, was sie in den -Augen unsrer Gespielen recht groß und mächtig <em class="gesperrt">gemacht hätte</em> – -so hätten sie es schon geschrieben. Aber man weiß eben nichts, und da -man seine Unwissenheit durch Hineintappen in den falschen Modus nicht -verraten möchte, so läßt man einfach das Hilfszeitwort weg.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Indikativ_und_Konjunktiv">Indikativ und Konjunktiv</h3> - -</div> - -<p>Sogar in Wunsch- und Absichtssätzen, wo man es kaum für möglich halten -sollte, wird jetzt statt des Konjunktivs der Indikativ geschrieben! -Da liest man: es ist zu wünschen, daß die Nation auch künstlerisch -<em class="gesperrt">zusammensteht</em> – wir wünschen von Herzen, daß das der letzte -Fall eines solchen Verbrechens gewesen <em class="gesperrt">ist</em> – wir hoffen, daß -er sich nach längerer Prüfung davon <em class="gesperrt">wird</em> überzeugen lassen -– wir wollen alle mithelfen, daß es eine gute Ernte <em class="gesperrt">gibt</em> – -die staatliche Gewalt hat darüber zu wachen, daß der Sittlichkeit -kein ernster Schaden zugefügt <em class="gesperrt">wird</em> – als deutscher Fabrikant -habe ich das lebhafteste Interesse daran, daß in deutschen Bureaus -mit deutschen Federn geschrieben <em class="gesperrt">wird</em> – wir bitten um -Erneuerung des Abonnements, damit die Zusendung keine Unterbrechung -<em class="gesperrt">erleidet</em> – wir raten ihm, sich an deutsche Quellen zu halten, -damit er das Deutsche nicht ganz <em class="gesperrt">verlernt</em>. Die schlimmste -Verwirrung des Indikativs und des Konjunktivs ist aber in den Subjekt- -und Objektsätzen (Inhaltsätzen) und in den abhängigen Fragesätzen -eingerissen. Und doch, wie leicht ist es, bei einigem guten Willen auch -hier das Richtige zu treffen!</p> - -<p>Man vergleiche einmal folgende beiden Sätze: Curtius zeigte seinen -Fachgenossen, daß er ihnen auch auf dieses Gebiet zu folgen -<em class="gesperrt">vermöchte</em>, und: Curtius zeigte seinen<span class="pagenum" id="Seite_141">[S. 141]</span> Fachgenossen, daß er -ihnen auch auf dieses Gebiet zu folgen <em class="gesperrt">vermochte</em>. Was ist -der Unterschied? In dem ersten Falle lehne ich, der Redende oder -Schreibende, ein Urteil darüber ab, ob Curtius wirklich seinen -Fachgenossen habe folgen können, ich gebe nur seine eigne Meinung -wieder; im zweiten Falle gebe ich selbst ein Urteil ab, ich stimme ihm -bei, stelle es als Tatsache hin, daß er ihnen habe folgen können. Ein -andres Beispiel: die meisten Menschen trösten sich damit, daß es früher -auch <em class="gesperrt">so war</em>, und: die meisten Menschen trösten sich damit, daß -es früher auch <em class="gesperrt">so gewesen sei</em>. Was ist der Unterschied? In dem -ersten Falle gebe ich über den Trostgrund der Menschen ein Urteil ab, -ich stimme ihnen bei, ich stelle ihren Trostgrund als richtig, als -Tatsache hin; in dem zweiten Falle enthalte ich mich jedes Urteils, ich -gebe nur die Meinung der Menschen wieder. Noch ein Beispiel: ich kann -doch nicht sagen, daß ich krank <em class="gesperrt">bin</em>, und: ich kann doch nicht -sagen, daß ich krank <em class="gesperrt">sei</em>. Der erste Satz bedeutet: ich trage -Bedenken, die Tatsache meiner Erkrankung einzugestehen; der zweite: ich -trage Bedenken, eine Krankheit vorzuspiegeln. Da haben wir deutlich den -Sinn der beiden Modi.</p> - -<p>Darnach ist es klar, weshalb nach Zeitwörtern wie <em class="gesperrt">wissen</em>, -<em class="gesperrt">beweisen</em>, <em class="gesperrt">sehen</em>, <em class="gesperrt">einsehen</em>, <em class="gesperrt">begreifen</em>, -<em class="gesperrt">erkennen</em>, <em class="gesperrt">entdecken</em>, ebenso wie nach den unpersönlichen -Redensarten: <em class="gesperrt">es ist bekannt</em>, <em class="gesperrt">es steht fest</em>, <em class="gesperrt">es ist -sicher</em>, <em class="gesperrt">es ist klar</em>, <em class="gesperrt">es ist kein Zweifel</em>, <em class="gesperrt">es ist -Tatsache</em>, <em class="gesperrt">es läßt sich nicht leugnen</em> usw. der Inhaltsatz -stets im Indikativ steht. In allen diesen Fällen kann das Subjekt -oder Objekt nur eine Tatsache sein; welchen Sinn hätte es da, ein -Urteil darüber abzulehnen? Es ist also ganz richtig, zu sagen: <em class="gesperrt">kann -es geleugnet werden</em>, daß die Erziehung des gemeinen Volks eines -der wichtigsten Mittel <em class="gesperrt">ist</em>, unsre Person und unser Eigentum -zu schützen? Dagegen spricht aus folgenden Sätzen eine völlig -unverständliche Ängstlichkeit: Hamerling hat <em class="gesperrt">bewiesen</em>, daß man -als Atheist ein edler und tüchtiger Mensch sein <em class="gesperrt">könne</em> – die -Besichtigung der Leiche <em class="gesperrt">ergab</em>, daß es sich um einen Raubmord -<em class="gesperrt">handle</em> – schon<span class="pagenum" id="Seite_142">[S. 142]</span> seit Jahren hatte sich <em class="gesperrt">herausgestellt</em>, -daß die Räume unzureichend <em class="gesperrt">seien</em> – als man die Kopfhaut -entfernte, <em class="gesperrt">sah</em> man, daß die Schädeldecke vollständig entzwei -geschnitten <em class="gesperrt">sei</em> – zu meinem Schrecken <em class="gesperrt">entdeckte</em> ich, -daß der junge Graf nicht einmal orthographisch schreiben <em class="gesperrt">könne</em> -– die Sammlung tritt sehr bescheiden auf und läßt <em class="gesperrt">keinen -Zweifel</em> darüber, daß die Zeit des Sturms und Dranges vorüber -<em class="gesperrt">sei</em>. Was bewiesen, gesehen, entdeckt worden ist, sich ergeben, -sich herausgestellt hat, nicht bezweifelt werden kann, das müssen -doch Tatsachen sein. Weshalb soll man sich scheuen, solche Tatsachen -anzuerkennen?</p> - -<p>Dieser Fehler kommt denn auch verhältnismäßig selten vor. Um -so öfter wird der entgegengesetzte Fehler begangen, daß nach -Zeitwörtern, die eine bloße Meinung oder Behauptung ausdrücken, -der Indikativ gesetzt wird, obwohl der Redende oder Schreibende -über die ausgesprochne Meinung oder Behauptung nicht das geringste -Urteil abgeben, sondern sie als bloße Meinung oder Behauptung eines -andern hinstellen will. Die Zeitwörter, hinter denen das geschieht, -sind namentlich: <em class="gesperrt">glauben</em>, <em class="gesperrt">meinen</em>, <em class="gesperrt">fühlen</em>, -<em class="gesperrt">denken</em>, <em class="gesperrt">annehmen</em>, <em class="gesperrt">vermuten</em>, <em class="gesperrt">voraussetzen</em>, -<em class="gesperrt">sich vorstellen</em>, <em class="gesperrt">überzeugt sein</em>, <em class="gesperrt">schließen</em>, -<em class="gesperrt">folgern</em>, <em class="gesperrt">behaupten</em>, <em class="gesperrt">sagen</em>, <em class="gesperrt">lehren</em>, -<em class="gesperrt">erklären</em>, <em class="gesperrt">versichern</em>, <em class="gesperrt">beteuern</em>, <em class="gesperrt">bekennen</em>, -<em class="gesperrt">gestehen</em>, <em class="gesperrt">zugeben</em>, <em class="gesperrt">bezweifeln</em>, <em class="gesperrt">leugnen</em>, -<em class="gesperrt">antworten</em>, <em class="gesperrt">erwidern</em>, <em class="gesperrt">einwenden</em>, <em class="gesperrt">berichten</em>, -<em class="gesperrt">melden</em>, <em class="gesperrt">erzählen</em>, <em class="gesperrt">überliefern</em>, <em class="gesperrt">erfahren</em>, -<em class="gesperrt">vernehmen</em>, <em class="gesperrt">hören</em> u. a. Stehen diese Verba in dem -Tempus der Erzählung, so setzt wohl jeder richtig den Konjunktiv -dahinter, wiewohl sich auch Beispiele finden wie: er kam zu der -<em class="gesperrt">Überzeugung</em>, daß er zu alt <em class="gesperrt">war</em>, sich noch den bildenden -Künsten zu widmen. Aber wie, wenn sie im Präsens oder im Futurum -stehen? Da wird geschrieben: man <em class="gesperrt">glaubt</em>, daß die Diebe -während der Fahrt in den Zug <em class="gesperrt">stiegen</em> – der Ausschuß ist der -<em class="gesperrt">Meinung</em>, daß der Markt der geeignetste Platz für das Denkmal -ist – der Herausgeber ist zu der <em class="gesperrt">Ansicht</em> gekommen, das sich -diese Rede Ciceros nicht für die Schule <em class="gesperrt">eignet</em> – man kann -dem Verfasser darin (d. h. in der <em class="gesperrt">Ansicht</em>) beistimmen,<span class="pagenum" id="Seite_143">[S. 143]</span> daß -sich das Juristendeutsch gegen früher bedeutend gebessert <em class="gesperrt">hat</em> -– jeder wird von einer Privatsammlung, die in den fünfziger Jahren -genannt wurde, <em class="gesperrt">annehmen</em>, daß sie heute nicht mehr <em class="gesperrt">besteht</em> -– man geht von der albernen <em class="gesperrt">Voraussetzung</em> aus, daß Bach -und Händel grobe Klötze gewesen <em class="gesperrt">sind</em> – hier wirkt noch -die alte <em class="gesperrt">Vorstellung</em>, daß das Wesen eines Dinges in seinem -Bilde <em class="gesperrt">steckt</em> – die Rede ist von der <em class="gesperrt">Überzeugung</em> -erfüllt, daß das amerikanische Deutschtum mit der deutschen Sprache -<em class="gesperrt">steht</em> und <em class="gesperrt">fällt</em> – man behauptet, daß das Lateinische -zu schwer <em class="gesperrt">ist</em>, als erste fremde Sprache gelernt zu werden -– die <em class="gesperrt">Behauptung</em>, daß dieser Aufsatz für die Zeitschrift -kein Ruhmesblatt <em class="gesperrt">bildet</em>, wird schwerlich auf Widerspruch -stoßen – Marx <em class="gesperrt">sagt</em>, daß keine neue Gesellschaft ohne die -Geburtshilfe der Gewalt <em class="gesperrt">entsteht</em> – man <em class="gesperrt">sagt</em>, daß er -sich von einem Priester taufen <em class="gesperrt">ließ</em> – der Fremde, der die -Ausstellung besucht, wird <em class="gesperrt">sagen</em>, daß es der Berliner Kunst an -Schwung und Phantasie <em class="gesperrt">gebricht</em> – von glaubwürdiger Seite wird -uns <em class="gesperrt">versichert</em>, daß die Stimmung sehr <em class="gesperrt">flau</em> war – die -Legende <em class="gesperrt">erzählt</em>, daß, als die Greisin noch ein schönes Mädchen -<em class="gesperrt">war</em>, sie eine tiefe Neigung zu einem jungen Krieger <em class="gesperrt">faßte</em> -– die <em class="gesperrt">Meldung</em>, daß Morenga <em class="gesperrt">gefallen ist</em>, wird durch -einen amtlichen Bericht bestätigt – in Berliner Künstlerwerkstätten -gilt noch heute die <em class="gesperrt">Überlieferung</em>, daß Rauch nicht immer der -große Mann <em class="gesperrt">gewesen ist</em>, als den ihn die Nachwelt preist. In -allen diesen Sätzen ist der Indikativ wahrhaft barbarisch. Doppelt -beleidigend wirkt er, wenn in dem regierenden Satze die Meinung -oder Behauptung, die im Nebensatze steht, ausdrücklich verneint -wird, als falsch, als irrtümlich, als übertrieben, als unbewiesen -bezeichnet wird. Und doch muß man täglich auch solche Sätze lesen -wie: ich kann <em class="gesperrt">nicht zugeben</em>, daß diese Satzfügung fehlerhaft -ist – es kann <em class="gesperrt">nicht zugegeben</em> werden, daß der große Zuzug -der Bevölkerung die Ursache der städtischen Wohnungsnot <em class="gesperrt">ist</em> -– wir sind <em class="gesperrt">nicht</em> zu der <em class="gesperrt">Annahme</em> berechtigt, daß er -sich durch die Mitgift der Frau zu der Heirat bewegen <em class="gesperrt">ließ</em> -– aus dieser Tabelle läßt sich <em class="gesperrt">keineswegs</em> der <em class="gesperrt">Schluß</em> -ziehen,<span class="pagenum" id="Seite_144">[S. 144]</span> daß die Kost dürftig <em class="gesperrt">ist</em> – daß der sozialistische -Geschäftsbetrieb in diesen Industrien möglich <em class="gesperrt">ist</em>, hat noch -<em class="gesperrt">niemand bewiesen</em> – ich kann <em class="gesperrt">nicht finden</em>, daß Wagners -Musik <em class="gesperrt">läutert</em> – ich muß aufs entschiedenste <em class="gesperrt">bestreiten</em>, -das es in einem unsrer Schutzgebiete Sklavenmärkte <em class="gesperrt">gibt</em> -– daß das Kreuz erst in christlicher Zeit religiöse Bedeutung -<em class="gesperrt">erhielt</em>, kann man <em class="gesperrt">nicht behaupten</em> – <em class="gesperrt">niemand</em> wird -<em class="gesperrt">behaupten</em>, daß es dem Architekten gleichgiltig sein <em class="gesperrt">kann</em>, -ob sein Ornament langweilig oder geistreich ist – die K. Zeitung -geht <em class="gesperrt">zu weit</em> mit der <em class="gesperrt">Behauptung</em>, daß die beiden vorigen -Sessionen des Landtags unfruchtbar <em class="gesperrt">gewesen sind</em> – es wird -<em class="gesperrt">schwerlich</em> jemand <em class="gesperrt">dafür eintreten</em>, daß die Ausführung -dieses Planes möglich <em class="gesperrt">ist</em> – es ist <em class="gesperrt">nicht wahr</em>, daß man -durch Arbeit und Sparen reich werden <em class="gesperrt">kann</em> – <em class="gesperrt">unwahr</em> -ist, daß Herr B. eine Sühne von 500 M. angeboten <em class="gesperrt">hat</em> – es -ist <em class="gesperrt">falsch</em>, wenn der Verfasser behauptet, daß die Fehlerzahl -den Ausschlag bei der Versetzung der Schüler <em class="gesperrt">gibt</em> – es liegt -<em class="gesperrt">nicht</em> der leiseste <em class="gesperrt">Anhalt</em> vor, daß eine neue Revision -des Gesetzes beabsichtigt <em class="gesperrt">ist</em> – mir ist <em class="gesperrt">nichts</em> davon -<em class="gesperrt">bekannt</em>, daß das ausdrücklich betont worden <em class="gesperrt">ist</em> – -es ist <em class="gesperrt">unzutreffend</em>, daß das Urteil bereits rechtskräftig -geworden <em class="gesperrt">ist</em> – die Volkszeitung hat sich direkt <em class="gesperrt">aus den -Fingern gesogen</em>, daß mich der Minister wegen meines patriotischen -Verhaltens gelobt <em class="gesperrt">hat</em> – ich kann <em class="gesperrt">nicht sagen</em>, daß -ich diese Woche große Freude an der Arbeit <em class="gesperrt">hatte</em> – damit -soll <em class="gesperrt">nicht gesagt</em> sein, daß es der Sammlung ganz an duftigen -Liederblüten <em class="gesperrt">fehlt</em> – es soll damit <em class="gesperrt">nicht gesagt</em> -sein, daß Beethoven je populär werden <em class="gesperrt">kann</em> – wir glauben -<em class="gesperrt">widerlegt</em> zu haben, daß der Schule in diesem Kampfe ein Vorwurf -zu machen <em class="gesperrt">ist</em> – wer <em class="gesperrt">hat bewiesen</em>, daß die sittliche -Höhe eines Künstlers der künstlerischen seiner Werke gleichstehen -<em class="gesperrt">muß</em>? (niemand!) – <em class="gesperrt">ist</em> irgendwo offenbar geworden, -daß der Abgeordnete sich seiner Aufgaben bewußt <em class="gesperrt">gewesen ist</em> -(nein!) usw. Welcher Unsinn, etwas in einem Atem zu leugnen oder zu -bestreiten und zugleich als wirklich hinzustellen! Darauf laufen aber -schließlich alle solche Sätze hinaus. Der Indikativ kann<span class="pagenum" id="Seite_145">[S. 145]</span> in solchen -Fällen geradezu zu Mißverständnissen führen. Wenn einer schreibt: es -ist <em class="gesperrt">falsch</em>, daß die Arbeit ohne jeden Grund eingestellt worden -<em class="gesperrt">ist</em> – so kann man das auch so verstehen: sie ist ohne jeden -Grund eingestellt worden, und das ist sehr dumm gewesen. Will einer -deutlich sagen: sie ist <em class="gesperrt">nicht</em> ohne Grund eingestellt worden, so -muß er schreiben: es ist <em class="gesperrt">falsch</em>, daß die Arbeit ohne jeden Grund -eingestellt worden <em class="gesperrt">sei</em>.</p> - -<p>Gewiß gibt es zwischen den unbedingt nötigen Indikativen und den -unbedingt nötigen Konjunktiven verschiedne Arten von zweifelhaften -Fällen. Es gibt doppelsinnige Verba, wie z. B. <em class="gesperrt">finden</em>, -<em class="gesperrt">sehen</em>, <em class="gesperrt">zeigen</em>, die ebensogut eine Erkenntnis wie eine -Meinung ausdrücken können; darnach hat sich der Modus des Nebensatzes -zu richten. Als der erste Schrecken überwunden war, <em class="gesperrt">sahen</em> die -Römer, daß sich der Aufstand nicht bis zum Rhein <em class="gesperrt">ausdehne</em> – -man erwartet den Indikativ: <em class="gesperrt">ausdehnte</em>; aber der Schreibende -hat mit <em class="gesperrt">sehen</em> vielleicht mehr den Gedankengang, die Erwägung -der Römer ausdrücken wollen. So ist auch <em class="gesperrt">beweisen wollen</em>, -<em class="gesperrt">zu beweisen suchen</em> etwas andres als <em class="gesperrt">beweisen</em>; Hamerling -hat <em class="gesperrt">beweisen wollen</em>, daß man als Atheist auch ein edler und -tüchtiger Mensch sein <em class="gesperrt">könne</em> – das wäre richtig, ebenso wie: -er <em class="gesperrt">will beweisen</em>, daß weiß schwarz <em class="gesperrt">sei</em>. Ein Bigotter -könnte aber auch sagen: beweisen läßt sich alles mögliche; hat nicht -Hamerling sogar <em class="gesperrt">bewiesen</em>, daß ein Atheist ein edler Mensch sein -<em class="gesperrt">könne</em>? Dann wäre der Sinn: trotz seines Beweises glaube ich -es nicht. Und andrerseits kann man wieder sagen: warum <em class="gesperrt">willst</em> -du erst noch <em class="gesperrt">beweisen</em>, daß zwei mal zwei vier <em class="gesperrt">ist</em>? Man -vergleiche noch folgende Sätze: darin geben wir dem Verfasser Recht, -daß es unerklärlich <em class="gesperrt">ist</em>, wie der gütige Gott eine mit Übeln -erfüllte Welt schaffen konnte; aber wir bestreiten, daß es deshalb -logisch geboten <em class="gesperrt">sei</em>, dem Wesen, das die sittliche Norm in sich -enthält, die Weltschöpfung abzusprechen. Auch in dem ersten Satze -ist der Konjunktiv möglich, mancher würde ihn vielleicht auch dort -vorziehen. Bei guten Schriftstellern, bei denen man das angenehme -Gefühl hat, daß sie jedes Wort mit Bedacht hinsetzen, macht es -Vergnügen, solchen Dingen<span class="pagenum" id="Seite_146">[S. 146]</span> nachzugehen. Aber wie oft hat man dieses -Gefühl? Meist lohnt es nicht der Mühe, hinter plumpen Schnitzern nach -besondern Feinheiten zu suchen.</p> - -<p>Wenn das Verbum des Hauptsatzes im Präsens steht und das Subjekt die -erste Person ist, so ist auch nach den Verben des Meinens und Sagens -wohl allgemein der Indikativ üblich und auch durchaus am Platze. Wenn -der Hauptsatz heißt: <em class="gesperrt">ich glaube</em> oder <em class="gesperrt">wir behaupten</em>, so -hätte es keinen Sinn, den Inhalt des Nebensatzes als bloße Vorstellung -hinzustellen und ein Urteil über seine Wirklichkeit abzulehnen, denn -<em class="gesperrt">ich</em> und der Redende sind ja <em class="gesperrt">eine</em> Person. Daher sagt man -am liebsten: ich <em class="gesperrt">glaube</em>, daß du Unrecht <em class="gesperrt">hast</em>. Und sogar -wenn der Hauptsatz verneint ist: ich <em class="gesperrt">glaube nicht</em>, daß sie bei -so rauher Jahreszeit noch in Deutschland <em class="gesperrt">sind</em> – ich <em class="gesperrt">glaube -nicht</em>, daß der freie Wille der Gesellschaft heute schon stark genug -<em class="gesperrt">ist</em> – wir sind <em class="gesperrt">nicht der Ansicht</em>, daß man die bestehende -Welt willkürlich ändern <em class="gesperrt">kann</em>. In den beiden letzten Sätzen würde -vielleicht mancher den Konjunktiv vorziehen; aber schwerlich wird -jemand sagen: <em class="gesperrt">ich glaube nicht</em>, daß sie bei so rauher Jahreszeit -noch in Deutschland <em class="gesperrt">seien</em>. Selbst in Wunsch- und Absichtssätzen -steht in solchen Fällen der Indikativ, zumal in der Umgangssprache. -Jedermann sagt: spann deinen Schirm auf, daß du nicht naß <em class="gesperrt">wirst</em>! -<em class="gesperrt">Werdest</em> würde hier so geziert klingen, daß der andre mit Recht -erwidern könnte: du sprichst ja wie ein Buch. Wenn man aber einen -Bibelspruch anführt, sollte man ihn nicht so anführen: Richte nicht, -damit du nicht gerichtet <em class="gesperrt">wirst</em>!</p> - -<p>Genau so wie mit den Objektsätzen, die mit dem Fügewort <em class="gesperrt">daß</em> -anfangen, verhält sichs mit denen, die die Form eines abhängigen -Fragesatzes haben: sie müssen im Konjunktiv stehen, wenn der Redende -oder Schreibende kein Urteil darüber abgeben kann, ob ihr Inhalt -wirklich sei oder nicht, weil es sich um Dinge handelt, die eben in -Frage stehen, sie können im Indikativ stehen, wenn der Redende ein -solches Urteil abgeben kann und will, sie müssen im Indikativ stehen, -wenn es gar keinen Sinn hätte, ein solches Urteil abzulehnen, weil es -sich<span class="pagenum" id="Seite_147">[S. 147]</span> um eine einfache Tatsache handelt. Richtig sind folgende Sätze: -man darf sich nicht damit begnügen, zu behaupten, etwas sei Recht, -sondern man muß doch wenigstens angeben, weshalb es Recht <em class="gesperrt">sei</em>, -und welches Ziel ein solches Recht <em class="gesperrt">verfolge</em> – nicht darum -handelt sichs in der Politik, ob eine Bewegung revolutionär <em class="gesperrt">sei</em>, -sondern ob sie eine innere Berechtigung <em class="gesperrt">habe</em> – die Frage, ob -der Angeklagte den beleidigenden Sinn eines Schimpfwortes <em class="gesperrt">erkannt -habe</em>, wird meist leicht zu bejahen sein – man sollte sich fragen, -ob man nicht selbst die Mißstände zum Teil <em class="gesperrt">verschuldet habe</em>, -die man beklagt – es sollte nicht gefragt werden, ob die Zölle -überhaupt zweckmäßig <em class="gesperrt">seien</em>, sondern ob im einzelnen Fall ein -Zoll angebracht <em class="gesperrt">sei</em>, und ob damit erreicht <em class="gesperrt">werde</em>, was -erstrebt wird. Liederlich ist es dagegen, zu schreiben: die Verhandlung -hat <em class="gesperrt">keine Klarheit</em> darüber gebracht, ob die Klagen berechtigt -<em class="gesperrt">sind</em> oder nicht. Wie kann man etwas als gewiß hinstellen, wovon -man eben gesagt hat, daß es noch unklar sei? Falsch sind aber auch – -trotz ihres schönen Konjunktivs – folgende Sätze: wie weit das Gebiet -<em class="gesperrt">sei</em>, das K. bearbeitet, <em class="gesperrt">zeigen</em> seine Bücher – ältere -Zuhörer, die mehr oder weniger schon <em class="gesperrt">wissen</em>, wovon die Rede -<em class="gesperrt">sei</em> – es ist vom Schüler zu verlangen, daß er <em class="gesperrt">wisse</em>, was -eine Metapher <em class="gesperrt">sei</em> – es wäre interessant, zu <em class="gesperrt">wissen</em>, was -Goethe mit dieser Bezeichnung gemeint <em class="gesperrt">habe</em>.</p> - -<p>Schuld an der traurigen Verrohung des Sprachgefühls, die sich in den -falschen Indikativen kundgibt, ist zum Teil sicherlich die Unsitte, -die Hilfszeitwörter in den Nebensätzen immer wegzulassen; das stumpft -das Gefühl für die Bedeutung der Modi so ab, daß man sich schließlich -auch dann nicht mehr zu helfen weiß, wenn das Verbum gesetzt werden -muß. Daneben aber ist noch etwas andres schuld, nämlich die unter -dem verwirrenden Einflusse des Englischen immer ärger werdende -Unkenntnis, welche Konjunktive und welche Indikative im Satzbau -einander entsprechen, d. h. in welchen Konjunktiv im abhängigen Satz -ein Indikativ des unabhängigen Satzes verwandelt werden muß; es scheint -das geradezu nicht mehr gelernt zu werden. Man erinnert<span class="pagenum" id="Seite_148">[S. 148]</span> sich wohl -dunkel einer Konjugationstabelle, worin die Indikative und Konjunktive -einander so gegenübergestellt waren:</p> - -<table class="konjunktiv_a"> - <tr> - <td> - <div class="left mright2">ich bin</div> - </td> - <td> - <div class="left">ich sei</div> - </td> - </tr> - <tr> - <td> - <div class="left mright2">ich war</div> - </td> - <td> - <div class="left">ich wäre</div> - </td> - </tr> - <tr> - <td> - <div class="left mright2">ich bin gewesen</div> - </td> - <td> - <div class="left">ich sei gewesen</div> - </td> - </tr> - <tr> - <td> - <div class="left mright2">ich war gewesen</div> - </td> - <td> - <div class="left">ich wäre gewesen</div> - </td> - </tr> -</table> - -<p class="p0">oder:</p> - -<table class="konjunktiv_a"> - <tr> - <td> - <div class="left mright2">ich nehme</div> - </td> - <td> - <div class="left">ich nehme</div> - </td> - </tr> - <tr> - <td> - <div class="left mright2">ich nahm</div> - </td> - <td> - <div class="left">ich nähme</div> - </td> - </tr> - <tr> - <td> - <div class="left mright2">ich habe genommen</div> - </td> - <td> - <div class="left">ich habe genommen</div> - </td> - </tr> - <tr> - <td> - <div class="left mright2">ich hatte genommen</div> - </td> - <td> - <div class="left">ich hätte genommen</div> - </td> - </tr> -</table> - -<p class="p0">Aber daß einem diese Gegenüberstellung aus der Formenlehre für -den Satzbau gar nichts helfen kann, das weiß man nicht. Die -Gegenüberstellung der Modi für die Inhaltssätze sieht so aus:</p> - -<table class="konjunktiv_b"> - <tr> - <td> - <div class="left">er trägt</div> - </td> - <td> -   - </td> - <td> - <div class="left">daß er trage oder: daß er trüge</div> - </td> - </tr> - <tr> - <td> - <div class="left">er trug</div> - </td> - <td class="vam" rowspan="2"> - <img class="kl_re" src="images/geschw_klammer_rechts.png" alt="geschweifte - Klammer rechts"> - </td> - <td class="vam" rowspan="2"> - <div class="left">daß er getragen habe oder: daß er getragen hätte</div> - </td> - </tr> - <tr> - <td> - <div class="left">er hat getragen</div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="padtop0_5"> - <div class="left">ich bin</div> - </td> - <td class="padtop0_5"> -   - </td> - <td class="padtop0_5"> - <div class="left">daß ich sei oder: daß ich wäre</div> - </td> - </tr> - <tr> - <td> - <div class="left">ich war</div> - </td> - <td class="vam" rowspan="2"> - <img class="kl_re" src="images/geschw_klammer_rechts.png" alt="geschweifte - Klammer rechts"> - </td> - <td class="vam" rowspan="2"> - <div class="left">daß ich gewesen sei oder: daß ich gewesen wäre</div> - </td> - </tr> - <tr> - <td> - <div class="left">ich bin gewesen</div> - </td> - </tr> -</table> - -<p class="p0">Daß sich gerade der Indikativ des Imperfekts jetzt so oft findet, -wo ein Konjunktiv des Perfekts oder des Plusquamperfekts hingehört -(Friedmann ist den Beweis dafür schuldig geblieben, daß dieser -Verdacht haltlos und sinnwidrig <em class="gesperrt">war</em>), zeigt deutlich, daß man -einen richtigen Konjunktiv in abhängigen Sätzen zu bilden vollständig -verlernt hat.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="consecutio_temporum">Die sogenannte <span class="antiqua">consecutio -temporum</span></h3> - -</div> - -<p>Daß ich <em class="gesperrt">sei</em> oder: daß ich <em class="gesperrt">wäre</em>! Oder? Was heißt oder? -Ist es gleichgiltig, was von beiden gesetzt wird? oder richtet sich -das nach dem Tempus des regierenden Hauptsatzes? Mit andern Worten: -gibt es nicht auch im Deutschen etwas ähnliches wie eine <span class="antiqua">consecutio -temporum</span>, die vorschreibt, daß auf die Gegenwart im<span class="pagenum" id="Seite_149">[S. 149]</span> Hauptsatz auch -die Gegenwart im Nebensatze, auf die Vergangenheit im Hauptsatz auch -die Vergangenheit im Nebensatze folgen müsse?</p> - -<p>Das Altdeutsche hat seine strenge <span class="antiqua">consecutio temporum</span> gehabt. -Die hat sich aber schon frühzeitig gelockert, und zwar ist in den -nieder- und mitteldeutschen Mundarten der Konjunktiv der Vergangenheit, -in den oberdeutschen der Konjunktiv der Gegenwart bevorzugt worden. -Dort ist die Vergangenheit auch nach Hauptsätzen der Gegenwart, hier -die Gegenwart auch nach Hauptsätzen der Vergangenheit vorgezogen -worden. Eine weitere Entwicklungsstufe, auf der wir noch stehen, -ist die, daß die Eigentümlichkeit der oberdeutschen Mundarten, -die Bevorzugung der Gegenwart, weiter um sich griff und mit der -Eigentümlichkeit der mittel- und niederdeutschen in Kampf geriet. -Schon Luther schreibt (Ev. Joh. 5, 15): der Mensch <em class="gesperrt">ging</em> hin -und <em class="gesperrt">verkündigte</em> es den Juden, es <em class="gesperrt">sei</em> Jesus, der ihn -gesund gemacht <em class="gesperrt">habe</em>. Der gegenwärtige Stand ist der – was -namentlich auch für Ausländer gesagt sein mag –, daß es in allen -Fällen, mag im regierenden Satze die Gegenwart oder die Vergangenheit -stehen, im abhängigen Satze unterschiedslos <em class="gesperrt">sei</em> und <em class="gesperrt">wäre</em>, -<em class="gesperrt">habe</em> und <em class="gesperrt">hätte</em>, <em class="gesperrt">gewesen sei</em> und <em class="gesperrt">gewesen -wäre</em>, <em class="gesperrt">gehabt habe</em> und <em class="gesperrt">gehabt hätte</em> heißen kann. -Es ist ebensogut möglich, zu sagen: er <em class="gesperrt">sagt</em>, er <em class="gesperrt">wäre</em> -krank – er <em class="gesperrt">sagt</em>, er <em class="gesperrt">wäre</em> krank <em class="gesperrt">gewesen</em> – er -<em class="gesperrt">sagte</em>, er <em class="gesperrt">sei</em> krank – er <em class="gesperrt">sagte</em>, er <em class="gesperrt">sei</em> -krank <em class="gesperrt">gewesen</em> – wie: er <em class="gesperrt">sagt</em>, er <em class="gesperrt">sei</em> krank – er -<em class="gesperrt">sagt</em>, er <em class="gesperrt">sei</em> krank <em class="gesperrt">gewesen</em> – er <em class="gesperrt">sagte</em>, -er <em class="gesperrt">wäre</em> <em class="gesperrt">krank</em> – er <em class="gesperrt">sagte</em>, er <em class="gesperrt">wäre</em> krank -<em class="gesperrt">gewesen</em>. In der Schriftsprache ziehen viele in allen Fällen -den Konjunktiv der Gegenwart als das Feinere vor und überlassen den -Konjunktiv der Vergangenheit der Umgangssprache. Wenn sich aber jemand -in allen Fällen lieber des Konjunktivs der Vergangenheit bedient, so -ist auch dagegen nichts ernstliches einzuwenden. Wer vollends durch -die Verwirrung der Tempora in seinem Sprachgefühl verletzt wird, wem -es Bedürfnis ist, eine ordentliche <span class="antiqua">consecutio temporum</span> zu -beobachten, den hindert nichts, das auch jetzt noch zu tun. Das alles -ist nun freilich eine<span class="pagenum" id="Seite_150">[S. 150]</span> Willkür, die ihresgleichen sucht; aber der -tatsächliche Zustand ist so.</p> - -<p>Glücklicherweise hat aber diese Willkür doch gewisse Grenzen, und -daß von diesen Grenzen die wenigsten eine Ahnung haben, ist wieder -ein trauriger Beweis von der fortschreitenden Abstumpfung unsers -Sprachgefühls.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Der_unerkennbare_Konjunktiv">Der unerkennbare Konjunktiv</h3> - -</div> - -<p>Die eine Grenze liegt in der Sprachform unsrer Konjunktive. Der -Konjunktiv der Gegenwart hat nämlich jetzt im Deutschen nur zwei -(oder drei) Formen, in denen er sich von dem Indikativ unterscheidet: -die zweite und die dritte Person der Einzahl (und allenfalls die -zweite Person in der Mehrzahl); in allen übrigen Formen stimmen -beide überein. Nur das Zeitwort <em class="gesperrt">sein</em> macht seine Ausnahme, -und die Hilfszeitwörter <em class="gesperrt">müssen</em>, <em class="gesperrt">dürfen</em>, <em class="gesperrt">können</em>, -<em class="gesperrt">wollen</em>, <em class="gesperrt">mögen</em> und <em class="gesperrt">sollen</em>; die haben einen -durchgeführten Konjunktiv des Präsens: <em class="gesperrt">ich sei</em>, <em class="gesperrt">du seist</em>, -<em class="gesperrt">er sei</em>, <em class="gesperrt">ich müsse</em>, <em class="gesperrt">du müssest</em>, <em class="gesperrt">er -müsse</em>. Im Plural unterscheiden sich aber die beiden Modi auch -bei den Hilfszeitwörtern nicht. Nur in der zweiten Person heißt es -im Indikativ <em class="gesperrt">wollt</em>, <em class="gesperrt">müßt</em>, im Konjunktiv <em class="gesperrt">wollet</em>, -<em class="gesperrt">müsset</em>; eigentlich sind aber auch diese Formen gleich, man hat -nur im Konjunktiv das e bewahrt, das man im Indikativ ausgeworfen -hat. Die Formen nun, in denen der Konjunktiv nicht erkennbar ist, -weil er sich vom Indikativ nicht unterscheidet, haben natürlich nur -theoretischen Wert, sie stehen gleichsam nur als Füllsel in der -Grammatik (um das Konjugationsschema vollzumachen), aber praktische -Bedeutung haben sie nicht, im Satzbau müssen sie durch den Konjunktiv -des Imperfekts ersetzt werden. Das geschieht denn auch in der -lebendigen Sprache ganz regelmäßig, so regelmäßig, daß es beinahe ein -Unsinn ist, wenn unsre Grammatiken lehren: <span class="antiqua">Conj. praes.</span>: <em class="gesperrt">ich -trage</em>, <em class="gesperrt">du tragest</em>, <em class="gesperrt">er trage</em>, <em class="gesperrt">wir tragen</em>, -<em class="gesperrt">ihr traget</em>, <em class="gesperrt">sie tragen</em>. Solche Schattenbilder sollten -gar nicht in der Grammatik stehen, es könnte einfach gelehrt werden: -<span class="antiqua">Conj. praes.</span>: <em class="gesperrt">ich trüge</em>, <em class="gesperrt">du tragest</em>, <em class="gesperrt">er -trage</em>, <em class="gesperrt">wir trügen</em>, <em class="gesperrt">ihr trüget</em>, <em class="gesperrt">sie trügen</em>. -Dieser Gebrauch<span class="pagenum" id="Seite_151">[S. 151]</span> steht schon lange so fest, daß er selbst dann gilt, -wenn das regierende Verbum in der Gegenwart steht, also – gegen die -<span class="antiqua">consecutio temporum</span>. Unsre guten Schriftsteller haben ihn -denn auch fast immer beobachtet. Nicht selten springen sie in einer -längern abhängigen Rede scheinbar willkürlich zwischen dem Konjunktiv -des Präsens und dem des Imperfekts hin und her; sieht man aber -genauer zu, so sieht man, daß das Imperfekt immer nur dazu dient, den -Konjunktiv erkennbar zu machen – ganz wie in der lebendigen Sprache. -Nun unterscheidet sich zwar der Konjunktiv des Imperfekts, zu dem -man seine Zuflucht nimmt, bisweilen auch nicht von dem Indikativ des -Imperfekts. Wenn er aber in der abhängigen Rede zwischen erkennbaren -Konjunktiven der Gegenwart und abwechselnd mit ihnen erscheint, so wird -er eben nicht als Indikativ gefühlt, sondern hier ist er das einzige -Mittel, das Konjunktivgefühl aufrecht zu erhalten. Ganz dasselbe gilt -natürlich von dem Konjunktiv des Perfekts und des Plusquamperfekts; -der erste ist, abgesehen von den zwei erkennbaren Formen: <em class="gesperrt">du habest -gesagt</em>, <em class="gesperrt">er habe gesagt</em>, für die lebendige Sprache so gut wie -nicht vorhanden, er muß überall durch den des Plusquamperfekts ersetzt -werden: <em class="gesperrt">ich hätte gesagt</em>, <em class="gesperrt">wir hätten gesagt</em> usw.</p> - -<p>Nun vergleiche man damit die klägliche Hilflosigkeit unsrer -Papiersprache! Da wird geschrieben: es ist eine Lüge, wenn man -<em class="gesperrt">behauptet</em>, daß wir die Juden nur <em class="gesperrt">angreifen</em>, weil sie -Juden sind. Es muß unbedingt heißen: <em class="gesperrt">angriffen</em>, denn es muß -der Konjunktiv stehen, und das Präsens <em class="gesperrt">angreifen</em> wird nicht -als Konjunktiv gefühlt. Zu folgenden falschen Sätzen mag das richtige -immer gleich in Klammern danebengesetzt werden: es ist ein Irrtum, wenn -behauptet wird, daß sich die Ziele hieraus von selbst <em class="gesperrt">ergeben</em> -(<em class="gesperrt">ergäben</em>!) – wie oft wird geklagt, daß die Diener des Staats -und der Kirche von der Universität nicht die genügende Vorbildung -für ihren Beruf <em class="gesperrt">mitbringen</em> (<em class="gesperrt">mitbrächten</em>!) – von dem -Gedanken, daß in Lothringen ähnliche Verhältnisse <em class="gesperrt">vorliegen</em> -(<em class="gesperrt">vorlägen</em>!) wie in Posen, muß ganz abgesehen werden – es war -eine ausgemachte Sache, daß<span class="pagenum" id="Seite_152">[S. 152]</span> ich in Kriegsdienst zu treten <em class="gesperrt">habe</em> -(<em class="gesperrt">hätte</em>!) – es gibt noch Leute, die ernstlich der Meinung -sind, daß die Nationalliberalen 1866 das Deutsche Reich <em class="gesperrt">haben</em> -(<em class="gesperrt">hätten</em>!) gründen helfen – es wird mir vorgeworfen, daß ich -die ursprüngliche Reihenfolge ohne zureichenden Grund verlassen -<em class="gesperrt">habe</em><a id="FNAnker_66" href="#Fussnote_66" class="fnanchor">[66]</a> (<em class="gesperrt">hätte</em>!) – H. Grimm geht von der Voraussetzung -aus, daß ich den Unterricht in der neuern Kunstgeschichte an der -Berliner Universität bekrittelt <em class="gesperrt">habe</em> (<em class="gesperrt">hätte</em>!) – am -Tage meiner Abreise konnte ich schreiben, daß ich die Taschen voll -gewichtiger Empfehlungen <em class="gesperrt">habe</em> (<em class="gesperrt">hätte</em>!) – da mußte -ich erkennen, daß ich für mein wissenschaftliches Streben nicht -die gehoffte Förderung zu erwarten <em class="gesperrt">habe</em> (<em class="gesperrt">hätte</em>!) – -der Verfasser ist der Meinung, das Verbrechen <em class="gesperrt">müsse</em> als -gesellschaftliche Erscheinung betrachtet und bekämpft werden, zu -seiner Ergründung <em class="gesperrt">müssen</em> (<em class="gesperrt">müßten</em>!) die Ergebnisse der -Gesellschaftswissenschaft berücksichtigt werden – man behauptet, -daß die Lehren des Talmud veraltet <em class="gesperrt">seien</em> und nicht mehr -befolgt <em class="gesperrt">werden</em> (<em class="gesperrt">würden</em>!) – ich schrieb ihm, daß -ich die Verantwortung nicht übernehmen <em class="gesperrt">könne</em>, sondern die -anstößigen Stellen beseitigen <em class="gesperrt">werde</em> (<em class="gesperrt">würde</em>!)<a id="FNAnker_67" href="#Fussnote_67" class="fnanchor">[67]</a> – er -erhebt den Vorwurf gegen uns, daß wir damit ein bloßes Wahlmanöver -<em class="gesperrt">bezwecken</em> (<em class="gesperrt">bezweckten</em>!) – er hatte vor seinem Tode den -Wunsch geäußert, die Soldaten <em class="gesperrt">mögen</em> (<em class="gesperrt">möchten</em>!) nicht -auf<span class="pagenum" id="Seite_153">[S. 153]</span> seinen Kopf zielen – der Verfasser sucht nachzuweisen, daß die -behaupteten Erfolge nicht <em class="gesperrt">bestehen</em> (<em class="gesperrt">bestünden</em>!) – -durch die Städte und Dörfer eilte die Schreckenskunde, daß Haufen -französischer Freischärler den Rhein überschritten <em class="gesperrt">haben</em> -(<em class="gesperrt">hätten</em>!) und sich sengend und brennend über das Land -<em class="gesperrt">ergießen</em> (<em class="gesperrt">ergössen</em>!) – ich hatte ihm bei der letzten -Besprechung gesagt, ich <em class="gesperrt">begreife</em> (<em class="gesperrt">begriffe</em>!) sehr wohl, -daß unser Verhältnis nicht wieder angeknüpft werden könne usw.</p> - -<p>Daß die Verfasser dieser Sätze den Indikativ hätten gebrauchen wollen, -ist nicht anzunehmen; sie haben ohne Zweifel alle die redliche Absicht -gehabt, einen Konjunktiv hinzuschreiben. Aber sie haben alle jenes -Papiergespenst erwischt, das in der Schulgrammatik, um das Kästchen -der Konjugationstabelle zu füllen, als Konjunktiv des Präsens oder des -Perfekts dasteht, aber in der Satzbildung dazu völlig unbrauchbar ist.</p> - -<p>Ganz entsetzlich zu lesen sind Zeitungsberichte über „stattgefundne“ -Versammlungen und die dabei „stattgefundnen“ Debatten. Was die Redner -da gesagt haben, erscheint ja in den Berichten in abhängiger Rede. -Aber von Anfang bis zu Ende wird alles mechanisch in den Konjunktiv -der Gegenwart gesetzt, dazwischen noch so und so viel Indikative. Da -aber mindestens fünfzig von hundert solchen Konjunktiven gar nicht als -solche gefühlt werden können, so taumeln die Berichte nun unausgesetzt -zwischen Konjunktiv und Indikativ hin und her. Auch Protokolle werden -jetzt zum größten Teil so abgefaßt.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Der_Konjunktiv_der_Nichtwirklichkeit">Der Konjunktiv der Nichtwirklichkeit</h3> - -</div> - -<p>Eine zweite, ebenso unüberschreitbare Grenze für die Neigung, überall -den Konjunktiv der Gegenwart vorzuziehen, liegt in einer gewissen -Bedeutung des Konjunktivs der Vergangenheit. Der Indikativ stellt -etwas als wirklich hin, der Konjunktiv nur als gedacht, gleichviel, ob -diesem Gedachten die Wirklichkeit entspricht oder nicht. Es gibt aber -noch einen dritten Fall. Es kann etwas als gedacht hingestellt, aber -zugleich aufs bestimmteste ausgedrückt werden, daß diesem Gedachten<span class="pagenum" id="Seite_154">[S. 154]</span> -die Wirklichkeit <em class="gesperrt">nicht</em> entspreche. Diese Aufgabe kann aber nur -der Konjunktiv der Vergangenheit erfüllen. Das bekannteste Beispiel -dafür und eins, das niemand falsch bildet, sind die sogenannten -irrealen Konditionalsätze oder Bedingungssätze der Nichtwirklichkeit. -Jedermann sagt und schreibt richtig: wenn ich Geld <em class="gesperrt">hätte</em>, -<em class="gesperrt">käme ich</em>, oder: wenn ich Geld <em class="gesperrt">gehabt hätte</em>, <em class="gesperrt">wäre ich -gekommen</em>. Der Sinn ist in dem ersten Falle: ich <em class="gesperrt">habe</em> aber -keins, im zweiten: ich <em class="gesperrt">hatte</em> aber keins, mit andern Worten: -sowohl das Geldhaben als die Folge davon, das Kommen, wird in beiden -Fällen als nichtwirklich, als „irreal“ hingestellt. Die Sprache -verfährt dabei sehr ausdrucksvoll. Sie rückt den Gedanken nicht bloß -aus dem Bereiche der Wirklichkeit (den der Indikativ ausdrücken würde), -sondern versetzt ihn außerdem auch noch in eine größere Zeitferne: -eine irreale Bedingung in der Gegenwart wird durch das Imperfekt (wenn -ich <em class="gesperrt">hätte</em>), eine irreale Bedingung in der Vergangenheit durch -das Plusquamperfekt (wenn ich <em class="gesperrt">gehabt hätte</em>) ausgedrückt. Ein -Schwanken in dem Tempus des Konjunktivs ist hier völlig ausgeschlossen; -Imperfekt und Plusquamperfekt sind in solchen Sätzen unerläßlich.<a id="FNAnker_68" href="#Fussnote_68" class="fnanchor">[68]</a></p> - -<p>Solche Sätze bildet ja nun jeder richtig, wenn er auch vielleicht nie -darüber nachgedacht hat, warum er sie so bildet. Die Bedingungssätze -sind aber keineswegs die einzigen Nebensätze, die irrealen Sinn -haben können. Etwas sehr gewöhnliches sind auch Relativsätze, -Objektsätze, Kausalsätze, Folgesätze mit irrealem Sinn. In allen diesen -Sätzen verfährt die lebendige Sprache genau so wie in den irrealen -Bedingungssätzen, jedermann bildet auch sie in der Umgangssprache ganz -richtig, ohne sich einen Augenblick zu besinnen, und sagt: ich kenne -<em class="gesperrt">keinen</em> Menschen, den ich lieber <em class="gesperrt">hätte</em> als dich – ich -weiß <em class="gesperrt">nichts</em> davon, daß er verreist <em class="gesperrt">gewesen wäre</em> – ich<span class="pagenum" id="Seite_155">[S. 155]</span> -will nicht <em class="gesperrt">sagen</em>, daß ich keine Lust <em class="gesperrt">gehabt hätte</em><a id="FNAnker_69" href="#Fussnote_69" class="fnanchor">[69]</a> -– er ist zu dieser Arbeit nicht zu brauchen, <em class="gesperrt">nicht</em> etwa weil -er zu dumm dazu <em class="gesperrt">wäre</em> – ich bin <em class="gesperrt">nicht</em> so ungeduldig, -daß ich es nicht erwarten <em class="gesperrt">könnte</em> usw. Aber der Papiermensch -getraut sich solche Sätze nicht zu schreiben, er stutzt, zweifelt, -wird irre, schreibt schließlich – den Indikativ, und so laufen -einem denn täglich auch solche Sätze über den Weg wie: ich kenne -<em class="gesperrt">keine</em> zweite Fachzeitschrift auf diesem Gebiete, die so allen -Ansprüchen entgegen<em class="gesperrt">kommt</em> (<em class="gesperrt">käme</em>!) – die Geschichte -kennt <em class="gesperrt">keine</em> Musiker, die auf rein autodidaktischem Wege zur -Bedeutung gelangt <em class="gesperrt">sind</em> (<em class="gesperrt">wären</em>!) – es dürfte heute -<em class="gesperrt">kein</em> Physiker zu ermitteln sein, der an die Möglichkeit -eines absolut leeren Raumes <em class="gesperrt">glaube</em> (<em class="gesperrt">glaubte</em>!) – -bei Shakespeare selbst findet sich <em class="gesperrt">kein</em> Wort, das auf eine -solche Anschauung seines Helden <em class="gesperrt">deutet</em> (<em class="gesperrt">deutete</em>!) – -es gibt <em class="gesperrt">kein</em> Stück Shakespeares, worin die Charaktere klarer -entwickelt <em class="gesperrt">sind</em> (<em class="gesperrt">wären</em>!) – es gibt <em class="gesperrt">kein</em> zweites -Industrieprodukt, das eine derartige Verbreitung gefunden <em class="gesperrt">hat</em> -(<em class="gesperrt">hätte</em>!) – es gibt heute <em class="gesperrt">keine</em> Sängerin von Ruf, die -diese Lieder nicht <em class="gesperrt">singt</em> (<em class="gesperrt">sänge</em>!), kein Publikum, das -sie nicht begeistert <em class="gesperrt">aufnimmt</em> (<em class="gesperrt">aufnähme</em>!) – Wien -ist gegenwärtig <em class="gesperrt">kein</em> Platz, wo goldne Sporen zu verdienen -<em class="gesperrt">sind</em> (<em class="gesperrt">wären</em>!) – es <em class="gesperrt">fehlte</em> bisher an einem Buche, -<em class="gesperrt">das</em> dem Laien verständlich <em class="gesperrt">war</em> (<em class="gesperrt">gewesen wäre</em>!) -und zugleich auf der Höhe der Wissenschaft <em class="gesperrt">stand</em> (<em class="gesperrt">gestanden -hätte</em>!) – es gibt <em class="gesperrt">keinen</em>, <em class="gesperrt">der</em> die Entwicklung -der politischen Verhältnisse <em class="gesperrt">kennt</em> (<em class="gesperrt">kennte</em>!), keinen, -der sagen <em class="gesperrt">kann</em> (<em class="gesperrt">könnte</em>!): morgen wird es so sein – -<em class="gesperrt">nie</em> hat er etwas getan, <em class="gesperrt">was</em> mit seiner Untertanenpflicht -in Widerspruch <em class="gesperrt">stand</em> (<em class="gesperrt">gestanden hätte</em>!) – wir haben -seit langen Jahren <em class="gesperrt">kein</em> Abgeordnetenhaus gehabt, worin diese -Partei so stark vertreten <em class="gesperrt">war</em> (<em class="gesperrt">gewesen wäre</em>!) – wir -hören <em class="gesperrt">nichts</em> davon, daß die weniger betroffnen Gemeinden den -Notleidenden die Hand <em class="gesperrt">boten</em> (<em class="gesperrt">geboten hätten</em>!) – ich<span class="pagenum" id="Seite_156">[S. 156]</span> -gebe diese Auslassung wörtlich wieder, <em class="gesperrt">nicht</em> weil ich sie -für sehr bedeutend <em class="gesperrt">halte</em> (<em class="gesperrt">hielte</em>!), sondern weil usw. -– gewiß sind manche Fehler begangen worden, nicht etwa weil unsre -Vorfahren unverständige Leute <em class="gesperrt">waren</em> (<em class="gesperrt">gewesen wären</em>!) und -ihre Pflicht nicht getan <em class="gesperrt">haben</em> (<em class="gesperrt">hätten</em>!), sondern weil -eine solche Entwicklung nicht vorauszusehen war – wie <em class="gesperrt">selten</em> -sind diese Kenntnisse ein so sichrer Besitz geworden, <em class="gesperrt">daß</em> mit -Freiheit darüber verfügt <em class="gesperrt">wird</em> (<em class="gesperrt">würde</em>!) – die Summe -gewährt ihm <em class="gesperrt">keine</em> genügende Unterstützung, <em class="gesperrt">daß</em> er während -seiner Studentenzeit sorgenfrei leben <em class="gesperrt">kann</em> (<em class="gesperrt">könnte</em>!) -– so dumm sind unsre Schauspieler nicht, <em class="gesperrt">daß</em> man ihnen das -alles haarklein vorschreiben <em class="gesperrt">muß</em> (<em class="gesperrt">müßte</em>!) – die Sache -ist damals beanstandet worden, <em class="gesperrt">ohne daß</em> über den Grund aus den -Akten etwas zu ersehen <em class="gesperrt">ist</em> (<em class="gesperrt">wäre</em>!) – ach, es war eine -schöne Zeit, zu schön, <em class="gesperrt">als daß</em> sie lange dauern <em class="gesperrt">konnte</em> -(<em class="gesperrt">hätte</em> dauern <em class="gesperrt">können</em>!) – zum Glück war ich noch zu -klein, <em class="gesperrt">als daß</em> mir der Inhalt des Buches großen Schaden zufügen -<em class="gesperrt">konnte</em> (<em class="gesperrt">hätte</em> zufügen <em class="gesperrt">können</em>!) – die Hauswirte -lassen lieber die Wohnungen leer stehen, <em class="gesperrt">als daß</em> sie sie billig -<em class="gesperrt">vermieten</em> (<em class="gesperrt">vermieteten</em>!) – <em class="gesperrt">anstatt daß</em> eine -Beruhigung <em class="gesperrt">eintrat</em> (<em class="gesperrt">eingetreten wäre</em>!), bemächtigte sich -vielmehr des ganzen Landes eine tiefe Aufregung.</p> - -<p>In allen diesen Sätzen drückt der Nebensatz etwas Nichtwirkliches -aus. Zu allen diesen Nebensätzen ist gleichsam im Geist ein -irrealer Bedingungssatz zu ergänzen: nie hat er etwas getan, was -mit seiner Untertanenpflicht in Widerspruch <em class="gesperrt">gestanden hätte</em> -(nämlich <em class="gesperrt">wenn er es getan hätte</em>, was eben <em class="gesperrt">nicht</em> -der Fall <em class="gesperrt">war</em>). Also müssen sie auch alle in den Modus der -Nichtwirklichkeit treten. Es würde ganz unbegreiflich sein, wie jemand -solche Nebensätze in den Indikativ setzen kann, wenn nicht, wie so -oft, die leidige Halbwisserei dabei im Spiele wäre. Man ist nicht -unwissend genug, den richtigen Konjunktiv aus der lebendigen Sprache -unangezweifelt zu lassen, aber man ist auch nicht wissend, nicht -unterrichtet genug, den Zweifel niederzuschlagen und das richtige aufs -Papier zu bringen.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_157">[S. 157]</span></p> - -<h3 id="Vergleichungssaetze">Vergleichungssätze. Als wenn, als ob</h3> - -</div> - -<p>Zu diesen Nebensätzen, die sehr oft irrealen Sinn haben, gehören nun -auch die Vergleichungssätze, die mit <em class="gesperrt">als ob</em>, <em class="gesperrt">als wenn</em>, -<em class="gesperrt">wie wenn</em> anfangen. Sehr oft kann oder muß man zu solchen -Sätzen im Geiste den Gedanken ergänzen: was <em class="gesperrt">nicht</em> der Fall -<em class="gesperrt">ist</em> oder: was <em class="gesperrt">nicht</em> der Fall <em class="gesperrt">war</em>, z. B.: er -geht mit dem Gelde um, <em class="gesperrt">als ob</em> er (was nicht der Fall ist) ein -reicher Mann <em class="gesperrt">wäre</em>. Auch diese Sätze werden in der lebendigen -Sprache wie alle andern irrealen Nebensätze behandelt, d. h. in der -Gegenwart stehen sie im Konjunktiv des Imperfekts, in der Vergangenheit -im Konjunktiv des Plusquamperfekts. Auf dem Papier ist aber jetzt -auch hier Verwirrung eingerissen. Man schreibt z. B.: er tut, als -<em class="gesperrt">habe</em> er schon damals diese Absicht gehabt – er sah mich -verwundert an, als ob ich irre <em class="gesperrt">rede</em> oder Fabeln <em class="gesperrt">erzähle</em>. -Es muß heißen: als <em class="gesperrt">hätte</em> er – als ob ich irre <em class="gesperrt">redete</em> -oder Fabeln <em class="gesperrt">erzählte</em> – ganz abgesehen davon, daß sich in -dem zweiten Beispiel die Konjunktive der Gegenwart nicht von den -Indikativen unterscheiden. Die Verwirrung geht so weit, daß solche -Sätze jetzt sogar in den Indikativ gesetzt werden, z. B.: es will uns -scheinen, als ob die mißgünstige Kritik einen sehr durchsichtigen Grund -<em class="gesperrt">hat</em> – es macht den Eindruck, als ob das Stück der Zensurbehörde -<em class="gesperrt">vorlag</em>, aber nicht die Sanktion <em class="gesperrt">erhielt</em> – es war, als ob -seit dem Einzuge der verwitweten Tochter ein unheimlicher Druck auf dem -ganzen Hause <em class="gesperrt">lag</em>.<a id="FNAnker_70" href="#Fussnote_70" class="fnanchor">[70]</a></p> - -<p>Soll nicht angedeutet werden, daß der in dem Vergleichungssatze -stehende Gedanke nicht wirklich sei, so<span class="pagenum" id="Seite_158">[S. 158]</span> kann (nach einem Präsens -im Hauptsatze) natürlich auch im Nebensatze der Konjunktiv der -Gegenwart stehen, z. B.: es <em class="gesperrt">will</em> mir scheinen, <em class="gesperrt">als -ob</em> er geflissentlich die Augen dagegen <em class="gesperrt">verschließe</em> – -es <em class="gesperrt">gewinnt</em> den Anschein, <em class="gesperrt">als wolle</em> der Verfasser -das sittliche Gefühl des Zuschauers absichtlich verletzen – ich -<em class="gesperrt">habe</em> die Empfindung, <em class="gesperrt">als ob</em> ihm die Welt zuweilen recht -verzerrt <em class="gesperrt">erschienen sei</em>.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Wuerde">Würde</h3> - -</div> - -<p>Wieviel zu der herrschenden Unsicherheit im Gebrauche der Modi die -Unsitte beiträgt, die Hilfszeitwörter wegzulassen, ist schon gezeigt -worden (vgl. <a href="#Seite_139">S. 139</a>). Nicht nur der Unterricht sollte darauf halten, -sondern auch jeder Einzelne sich selbst so weit in Zucht nehmen, daß -gerade da, wo ein Zweifel über den Modus entstehen kann, das bequeme -Auskunftsmittel, das Hilfszeitwort zu unterdrücken, verschmäht würde, -der Gedanke stets reinlich und bestimmt zu Ende gebracht würde. Für -den Konjunktiv des Imperfekts aber und seinen richtigen Gebrauch ist -insbesondere noch der Umstand verhängnisvoll geworden, daß man ihn -in Hauptsätzen zu Bedingungssätzen durch den sogenannten Konditional -(<em class="gesperrt">würde</em> mit dem Infinitiv) umschreiben kann (<em class="gesperrt">ich würde -bringen</em> statt: <em class="gesperrt">ich brächte</em>). Das hat nicht nur dazu -geführt, daß sich viele Leute von gewissen Zeitwörtern kaum noch -einen wirklichen Konjunktiv des Imperfekts zu bilden getrauen, daß -sie sich überall da, wo sie zweifeln (vgl. <a href="#Seite_62">S. 62</a>), mit dem kläglichen -<em class="gesperrt">würde</em> behelfen, anstatt sich die Kenntnis der richtigen -Verbalform zu verschaffen, sondern sie hat auch schon eine bedenkliche -Verwirrung im Satzbau angerichtet. Von Süddeutschland und namentlich -von Österreich aus hat sich aus dem fehlerhaften Hochdeutsch der -Halbgebildeten immer mehr die Unsitte verbreitet, den Konditional auch -in Bedingungs- und Relativsätzen, Vergleichungs- und Wunschsätzen -anzuwenden.</p> - -<p>Man schreibt: ich würde mich nicht wundern, wenn ich in einer Zeitung -<em class="gesperrt">lesen würde</em> (<em class="gesperrt">läse</em>!) – von großer Bedeutung wäre -es, wenn sich der Leserkreis des Blattes<span class="pagenum" id="Seite_159">[S. 159]</span> <em class="gesperrt">erweitern würde</em> -(<em class="gesperrt">erweiterte</em>) – wir könnten eine monumentale Sprache -wiedergewinnen, wenn wir unser Denkmalschema <em class="gesperrt">verlassen würden</em> -(<em class="gesperrt">verließen</em>!) – wie schematisch würde eine historische -Darstellung ausfallen, wenn sie immer nur diese Maßstäbe <em class="gesperrt">anlegen -würde</em> (<em class="gesperrt">anlegte</em>!) – weniger Sauberkeit und Regelmäßigkeit -wäre dichterisch wertvoller, wenn sich eine starke Natur, eine -glühende Leidenschaft, ein hoher Sinn <em class="gesperrt">offenbaren würden</em> -(<em class="gesperrt">offenbarten</em>!) – der Christ, der sich <em class="gesperrt">einbilden würde</em> -(<em class="gesperrt">einbildete</em>!), daß seine Religion die Menschen zu Engeln gemacht -habe, wäre ein Utopist – der Stil seiner Abhandlung wird oft so hoch, -als wenn er über Goethe <em class="gesperrt">schreiben würde</em> (<em class="gesperrt">schriebe</em>!) – -hat die Kochstunde geschlagen, so muß das Feuer flackern, als ob es -auf Kommando <em class="gesperrt">gehen würde</em> (<em class="gesperrt">ginge</em>!) – er fuhr mit den -Händen auf und ab, als ob er <em class="gesperrt">buttern würde</em> (<em class="gesperrt">butterte</em>!) – -wenn man diese Arbeit eines Spezialisten auf therapeutischem Gebiete -durchstudiert, so bekommt man den Eindruck, als wenn man das Urteil -eines Richters <em class="gesperrt">lesen würde</em> (<em class="gesperrt">läse</em>!), der in eigner Sache -entscheidet – diese Romane tun, als <em class="gesperrt">würden</em> sie die Laster nur -der Sittlichkeit wegen <em class="gesperrt">schildern</em> (<em class="gesperrt">schilderten</em>!) – es -wäre zu wünschen, er <em class="gesperrt">würde</em> dieser Feier einmal <em class="gesperrt">beiwohnen</em> -(<em class="gesperrt">wohnte bei</em>!) – es wäre dringend erwünscht, daß das Polizeiamt -dieser Anregung Folge <em class="gesperrt">geben würde</em> (<em class="gesperrt">gäbe</em>!) – es gibt -<em class="gesperrt">keine</em> Sphäre des Lebens, deren Anfänge nicht im Unbewußten -<em class="gesperrt">liegen würden</em> (<em class="gesperrt">lägen</em>!) – wenn nur wenigstens -künstlerische Form ihre Darstellung <em class="gesperrt">adeln würde</em> (<em class="gesperrt">adelte</em>!) -– der Engländer ist zu sachlich und zu praktisch, als daß er selber -beleidigend <em class="gesperrt">auftreten würde</em> (<em class="gesperrt">aufträte</em>!) – der Ernst des -militärischen Lebens läßt es sich ab und zu gefallen, daß das Blümlein -Humor an ihm emporwuchert, ohne daß sich dadurch das feste Gefüge der -Disziplin <em class="gesperrt">lockern würde</em> (<em class="gesperrt">lockerte</em>!).</p> - -<p>Ein wahres Wunder, daß wir den Kehrreim bei Mirza Schaffy und -Rubinstein: ach, wenn es doch immer so <em class="gesperrt">bliebe</em>! nicht längst -verschönert haben zu: ach, wenn es doch immer <em class="gesperrt">so bleiben würde</em>! -Ein wahres Wunder, daß wir das alte Volkslied: wenn ich ein Vöglein -<em class="gesperrt">wär</em><span class="pagenum" id="Seite_160">[S. 160]</span> und auch zwei Flüglein <em class="gesperrt">hätt</em>! noch nicht umgestaltet -haben zu: wenn ich ein Vöglein <em class="gesperrt">sein würde</em> und auch zwei Flüglein -<em class="gesperrt">haben würde</em>! Denn so müßte es doch eigentlich in dem schönen -österreichischen Zeitungshochdeutsch heißen! Im Volksdialekt heißt es -freilich ganz richtig: Wann i a Vögerl war (= wär) und a zwoa Flügerln -hätt.</p> - -<p>Nicht zu verwerfen ist es, wenn in Bedingungs- und Wunschsätzen anstatt -des Konjunktivs ein <em class="gesperrt">wollte</em>, <em class="gesperrt">sollte</em> oder <em class="gesperrt">möchte</em> -mit dem Infinitiv erscheint. Der Satz kann hierdurch bisweilen eine -feine Färbung erhalten. Wenn ich mir das <em class="gesperrt">erlauben wollte</em> – ist -etwas andres als das einfache: wenn ich mir das <em class="gesperrt">erlaubte</em>, wenn -er sich so etwas <em class="gesperrt">unterstehen sollte</em> – etwas andres als das -einfache: wenn er sich das <em class="gesperrt">unterstünde</em> – wenn sich doch die -Regierung einmal ernstlich darum <em class="gesperrt">kümmern möchte</em> – etwas andres -als das einfache: wenn sie sich doch einmal darum <em class="gesperrt">kümmerte</em>. -Eine so sinnvolle Verwendung der Hilfszeitwörter ist natürlich mit -dem inhaltlosen, nichtssagenden <em class="gesperrt">würde</em> nicht auf eine Stufe zu -stellen.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Noch_ein_falsches_wuerde">Noch ein falsches würde</h3> - -</div> - -<p>Ein abscheulicher Stilunfug, der jetzt durch unsre gesamte -Erzählungsliteratur geht, ist die Schluderei, die Erzählung durch -eine abhängige (indirekte) Rede zu unterbrechen, ohne ein Zeitwort -des Sagens, Denkens oder Meinens vorauszuschicken oder wenigstens -einzuschalten. Etwa so: Trotz solcher bittern Erfahrungen ließ H. -den Mut nicht sinken. Er <em class="gesperrt">würde</em> nach Berlin gehn, <em class="gesperrt">würde</em> -sich dort Arbeit suchen, und es <em class="gesperrt">würden</em> auch wieder bessere -Zeiten kommen. Jeder, der das liest, glaubt zunächst, der Erzähler -spreche weiter, „Er würde“ sei der Konjunktiv des Imperfekts, und es -werde nun ein Bedingungssatz folgen. Statt dessen ist der Satz als -indirekte Rede dem Helden in den Mund gelegt, und „Er würde“ soll -der Konjunktiv des Futurums sein (in direkter Rede: <em class="gesperrt">ich werde</em> -nach Berlin gehn, <em class="gesperrt">werde</em> mir dort Arbeit suchen, und es werden -auch wieder bessere Zeiten kommen). Ein guter Erzähler hätte etwa so -geschrieben:<span class="pagenum" id="Seite_161">[S. 161]</span> Er <em class="gesperrt">wollte</em> nach Berlin gehn, er <em class="gesperrt">beschloß</em>, -nach Berlin zu gehn, er <em class="gesperrt">hoffte</em>, daß auch wieder bessere Zeiten -kommen würden. Das unvorbereitete Umspringen in die indirekte Rede soll -wohl der Darstellung etwas dramatisch lebendiges geben, es ist aber -eine Liederlichkeit. Leider ist sie in neuern Erzählungen schon so -verbreitet, daß sie dem gewohnheitsmäßigen Romanfresser gar nicht mehr -auffällt. Woher sie stammt? Wie es scheint, aus schlecht übersetzten -Erzählungen aus den skandinavischen Sprachen.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Der_Infinitiv">Der Infinitiv. Zu und um zu</h3> - -</div> - -<p>In den Infinitivsätzen werden mannigfaltige Fehler gemacht. Vor allem -reißt eine immer größere Verwirrung in dem Gebrauch von <em class="gesperrt">zu</em> -und <em class="gesperrt">um zu</em> ein, und zwar so, daß sich <em class="gesperrt">um zu</em> immer öfter -an Stellen drängt, wo nur <em class="gesperrt">zu</em> hingehört. Und doch ist zwischen -beiden ein großer Unterschied. Der Infinitiv mit <em class="gesperrt">um zu</em> -bezeichnet den Zweck einer Handlung; der Infinitiv mit <em class="gesperrt">zu</em> -dagegen dient zur Begriffsergänzung des Hauptworts oder Zeitworts, von -dem er abhängt. In einem Satze wie: die schönen Tage <em class="gesperrt">benutzte</em> -ich, die Gegend <em class="gesperrt">zu durchstreifen</em>, <em class="gesperrt">um</em> meine Gesundheit -<em class="gesperrt">zu kräftigen</em> – ist der Sinn von <em class="gesperrt">zu</em> und <em class="gesperrt">um zu</em> -deutlich zu sehen. Ich benutzte die schönen Tage – das verlangt -eine Ergänzung. Wozu denn? fragt man; das bloße <em class="gesperrt">benutzte</em> -sagt noch nichts. Die notwendige Ergänzung lautet: die Gegend <em class="gesperrt">zu -durchstreifen</em>. Aber das ist kein Zweck; der Zweck wird dann noch -besonders angegeben: <em class="gesperrt">um</em> meine Gesundheit <em class="gesperrt">zu kräftigen</em>.<a id="FNAnker_71" href="#Fussnote_71" class="fnanchor">[71]</a></p> - -<p>Solche ergänzungsbedürftige Begriffe gibt es nun in Menge. Von -Hauptwörtern gehören dazu: <em class="gesperrt">Art und Weise</em>, <em class="gesperrt">Mittel</em>, -<em class="gesperrt">Macht</em>, <em class="gesperrt">Kraft</em>, <em class="gesperrt">Lust</em>, <em class="gesperrt">Absicht</em>, -<em class="gesperrt">Versuch</em>, <em class="gesperrt">Zeit</em>, <em class="gesperrt">Alter</em>, <em class="gesperrt">Geld</em>, -<em class="gesperrt">Gelegenheit</em>, <em class="gesperrt">Ort</em>, <em class="gesperrt">Anlaß</em> usw., von Zeitwörtern: -<em class="gesperrt">imstande sein</em>, <em class="gesperrt">genug</em> (<em class="gesperrt">groß genug</em>, <em class="gesperrt">alt genug</em> -usw.) <em class="gesperrt">sein</em>, <em class="gesperrt">genügen</em>, <em class="gesperrt">hinreichen</em>, <em class="gesperrt">passen</em>, -<em class="gesperrt">geeignet sein</em>, <em class="gesperrt">angetan sein</em>, <em class="gesperrt">dasein</em>, <em class="gesperrt">dazu -gehören</em>, <em class="gesperrt">dienen</em>, <em class="gesperrt">benutzen</em> usw. Auf<span class="pagenum" id="Seite_162">[S. 162]</span> alle diese -Begriffe darf nur der Infinitiv mit <em class="gesperrt">zu</em> folgen.<a id="FNAnker_72" href="#Fussnote_72" class="fnanchor">[72]</a> Dennoch -wird jetzt immer öfter geschrieben: es wurde eine günstige -<em class="gesperrt">Gelegenheit</em> benutzt, <em class="gesperrt">um sich</em> einen Weg durch die Feinde -zu <em class="gesperrt">bahnen</em> – hierin sehen wir das beste <em class="gesperrt">Mittel</em>, <em class="gesperrt">um</em> -einem Mißbrauch der Staatssteuer <em class="gesperrt">vorzubeugen</em> – als er endlich -<em class="gesperrt">Kraft</em> und <em class="gesperrt">Lust</em> fühlte, <em class="gesperrt">um</em> sich an monumentalen -Aufgaben zu <em class="gesperrt">versuchen</em> – sogar eine Übung mit dem Zeitwort muß -den <em class="gesperrt">Anlaß</em> geben, <em class="gesperrt">um</em> den Rachekrieg <em class="gesperrt">zu predigen</em> – -wo ist in der Türkei ein <em class="gesperrt">Mann</em>, <em class="gesperrt">um so</em> umfassende Aufgaben -<em class="gesperrt">durchzuführen</em>? – wenn man wirklich einmal die <em class="gesperrt">Zeit</em> -gewinnt, <em class="gesperrt">um</em> ein aus dem Drange des Herzens geschaffnes Werk -<em class="gesperrt">zu vollenden</em> – nach den Vorbereitungen für die Schule behielt -sie noch <em class="gesperrt">Zeit</em> übrig, <em class="gesperrt">um</em> deutsche Gedichte <em class="gesperrt">zu lesen</em> -– alle waren in dem <em class="gesperrt">Alter</em>, <em class="gesperrt">um</em> die Gefahr <em class="gesperrt">zu -begreifen</em> – wie viele Schulbibliotheken haben kein <em class="gesperrt">Geld</em>, -<em class="gesperrt">um</em> sich Rankes Weltgeschichte <em class="gesperrt">zu kaufen</em>! – er hatte das -nötige <em class="gesperrt">Geld</em>, <em class="gesperrt">um</em> durch Reisen seinen Wissensdurst <em class="gesperrt">zu -befriedigen</em> – es <em class="gesperrt">gehört</em> schon eine bedeutende Einnahme -<em class="gesperrt">dazu</em>, <em class="gesperrt">um</em> sich eine anständige Wohnung <em class="gesperrt">verschaffen zu -können</em> – manche Aufzeichnungen scheinen mir nicht <em class="gesperrt">geeignet</em>, -<em class="gesperrt">um</em> einen Platz in diesen Denkwürdigkeiten <em class="gesperrt">zu finden</em> – -die Zeitlage ist nicht dazu <em class="gesperrt">angetan</em>, <em class="gesperrt">um</em> diese Forderungen -<em class="gesperrt">zu bewilligen</em> – den Aufenthalt in Berlin <em class="gesperrt">benutzte</em> -ich, <em class="gesperrt">um</em> mich auch den ältern Fachgenossen <em class="gesperrt">vorzustellen</em> -– die Arbeiter <em class="gesperrt">sind</em> nur dazu <em class="gesperrt">da</em>, <em class="gesperrt">um</em> den -Hausbesitzern eine möglichst hohe Grundrente <em class="gesperrt">zu sichern</em> – sind -diese Gründe wirklich <em class="gesperrt">genügend</em>, <em class="gesperrt">um</em> das Bestehen einer -solchen Einrichtung <em class="gesperrt">zu rechtfertigen</em>? – ist unsre Sprache noch -<em class="gesperrt">jung genug</em>, <em class="gesperrt">um</em> (!) neue Wörter <em class="gesperrt">zu erzeugen</em>? – -ein Jahrhundert ist <em class="gesperrt">lang genug</em>, <em class="gesperrt">um</em> (!) in der Sprache -erhebliche Änderungen <em class="gesperrt">hervorzurufen</em> – der deutsche Geist war -<em class="gesperrt">stark genug</em> geworden, <em class="gesperrt">um</em>(!) die fremden Ketten <em class="gesperrt">zu -brechen</em> – ich<span class="pagenum" id="Seite_163">[S. 163]</span> muß abwarten, ob ihm mein Wesen <em class="gesperrt">Interesse -genug</em> einflößen wird, <em class="gesperrt">um</em>(!) sich mit mir abzugeben. Eine -Zeitung schreibt: die englische Regierung wird <em class="gesperrt">nichts tun</em>, -<em class="gesperrt">um</em> die Gemeinsamkeit in dem Vorgehen der Mächte <em class="gesperrt">zu -stören</em>. Das kann doch nur heißen: sie wird sich untätig verhalten, -damit sie das gemeinsame Vorgehen der Mächte störe. Es soll aber -heißen: sie wird alles unterlassen, was das gemeinsame Vorgehen stören -könnte. Solches Unheil richtet das dumme <em class="gesperrt">um</em> an!</p> - -<p>Namentlich hinter den Verbindungen mit <em class="gesperrt">genug</em> hat <em class="gesperrt">um zu</em> -gewaltig um sich gegriffen, obwohl sich die lebendige Sprache meist -noch mit dem bloßen zu begnügt, und die Mutter zu ihrem Jungen ganz -richtig sagt: du bist <em class="gesperrt">alt genug</em>, das <em class="gesperrt">zu begreifen</em>! -Vollends verdrängt worden ist aber das ursprüngliche einfache <em class="gesperrt">zu</em> -nach den mit <em class="gesperrt">zu</em> verbundnen Adjektiven: Gott ist <em class="gesperrt">zu hoch</em>, -<em class="gesperrt">um</em> sich um die Kleinigkeiten der Welt <em class="gesperrt">zu kümmern</em> – der -Stoff ist viel <em class="gesperrt">zu umfänglich</em>, <em class="gesperrt">um</em> ihn in öffentlichen -Vorlesungen <em class="gesperrt">zu behandeln</em> – sie haben <em class="gesperrt">zu wenig</em> Bildung, -<em class="gesperrt">um</em> ihre Taktlosigkeiten <em class="gesperrt">zu erkennen</em> – die Mannschaft ist -<em class="gesperrt">zu gering</em>, <em class="gesperrt">um</em> einen festen Stützpunkt für die Schulung -der Rekruten <em class="gesperrt">abzugeben</em>. Auch hier genügt überall das einfache -<em class="gesperrt">zu</em> und hat auch früher genügt. (Freilich heißt es auch schon im -Faust: Ich bin <em class="gesperrt">zu alt</em>, <em class="gesperrt">um</em> nur <em class="gesperrt">zu spielen</em>, <em class="gesperrt">zu -jung</em>, <em class="gesperrt">um</em> ohne Wunsch <em class="gesperrt">zu sein</em>.)</p> - -<p>Wie die angeführten Beispiele zeigen, ist es nicht nötig, daß -das Subjekt des Infinitivsatzes immer dasselbe sei wie das des -Hauptsatzes. Doch ist es gut, dabei vorsichtig zu sein. Es braucht bei -Verschiedenheit des Subjekts nicht immer solcher Unsinn herauszukommen -wie in dem Satze: <em class="gesperrt">ohne Gefahr zu ahnen</em>, <em class="gesperrt">geriet ein</em> -vom Abhange rollender <em class="gesperrt">Stein</em> unter das Vorderrad des Wagens -– es sind auch solche Sätze schlecht wie: die Kurfürstin ließ den -Hofprediger rufen, um sie mit den Tröstungen der Religion <em class="gesperrt">zu -erquicken</em>; hier wird nur der Fehler durch den Gegensatz der -Geschlechter verschleiert. Man setze statt der Kurfürstin den -Kurfürsten, und sofort entsteht Unsinn, sofort müßte der Infinitivsatz -geändert und geschrieben werden, <em class="gesperrt">um sich</em> von ihm mit<span class="pagenum" id="Seite_164">[S. 164]</span> den -Tröstungen der Religion <em class="gesperrt">erquicken zu lassen</em>. Erträglich sind -aber folgende Sätze: der achteckige Aufbau soll wegfallen, <em class="gesperrt">um</em> -Turm und Schiff in größern Einklang <em class="gesperrt">zu bringen</em> – das Fechten -mit der blanken Waffe sollte fleißig geübt werden, <em class="gesperrt">um</em> -nötigenfalls mit der eignen Person <em class="gesperrt">eintreten zu können</em> – -zurzeit liegt die Fregatte im Trockendock, <em class="gesperrt">um</em> sie für die -Winterreise <em class="gesperrt">vorzubereiten</em>. Hier schwebt beim Infinitiv ein -unbestimmtes Subjekt (<em class="gesperrt">man</em>) vor.</p> - -<p>Vorsichtig muß man auch mit einer Anwendung des Infinitivs mit -<em class="gesperrt">um zu</em> sein, die manche sehr lieben, nämlich der, von zwei -aufeinanderfolgenden Vorgängen den zweiten als eine Art von Verhängnis -oder Schicksalsbestimmung hinzustellen und dabei in die Form eines -Absichtssatzes zu kleiden, z. B.: der Herzog kehrte nach F. zurück, -um es nie wieder <em class="gesperrt">zu verlassen</em>. Der Sinn ist: es war ihm -vom Schicksal bestimmt, es nie wieder zu verlassen, während seine -Absicht vielleicht war, es noch recht oft zu verlassen. Man kann -diesen Gebrauch das ironische <em class="gesperrt">um zu</em> nennen. Es entsteht -aber sehr oft ein lächerlicher Sinn dabei, z. B.: er wurde in dem -Kloster Lehnin beigesetzt, <em class="gesperrt">um</em> später in den Dom zu Kölln -an der Spree <em class="gesperrt">überführt</em> (!) <em class="gesperrt">zu werden</em> – er schloß -sich der Emin-Pascha-Expedition an, <em class="gesperrt">um</em> ein trauriges Ende -dabei <em class="gesperrt">zu finden</em> – täglich wird eine Masse von Konzert- und -Theaterberichten geschrieben, <em class="gesperrt">um</em> schnell wieder <em class="gesperrt">vergessen -zu werden</em> – beim Eintreffen der Feuerwehr brannte das Gebäude -bereits vollständig, <em class="gesperrt">um</em> schließlich <em class="gesperrt">einzustürzen</em> – -die Einzeichnungen beginnen im Jahre 1530, <em class="gesperrt">um</em> schon im Jahre -1555 wieder <em class="gesperrt">abzubrechen</em> – vor etwa dreißig Jahren sind die -Niersteiner Quellen versiegt, <em class="gesperrt">um</em> erst neuerdings wieder -<em class="gesperrt">hervorzubrechen</em> – nach einigen Jahren wandte er sich nach -Magdeburg, doch nur, <em class="gesperrt">um</em> dort in noch größere Bedrängnis <em class="gesperrt">zu -geraten</em> – die Schwestern reisten in die Schweiz, wo sie sich -trennten, <em class="gesperrt">um</em> sich nie <em class="gesperrt">wiederzusehen</em>. Das Richtige wären -hier überall zwei Hauptsätze.</p> - -<p>Mit dem Hilfszeitwort <em class="gesperrt">sein</em> verbunden kann der Infinitiv mit -<em class="gesperrt">zu</em> sowohl die Möglichkeit wie die Notwendigkeit<span class="pagenum" id="Seite_165">[S. 165]</span> ausdrücken; das -<em class="gesperrt">ist zu erreichen</em> heißt: das <em class="gesperrt">kann</em> erreicht werden, das -<em class="gesperrt">ist zu beklagen</em> heißt: das <em class="gesperrt">muß</em> beklagt werden. Daher muß -man sich vor Zweideutigkeiten hüten, wie: ein Fräulein sucht Stelle bei -einem geistlichen Herrn; gute Zeugnisse <em class="gesperrt">sind vorzulegen</em>.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Das_Partizipium">Das Partizipium. Die stattgefundne Versammlung</h3> - -</div> - -<p>Partizipia hat unsre Sprache nur zwei: ein aktives in der Gegenwart -(ein <em class="gesperrt">beißender</em> Hund, d. i. ein Hund, der beißt), und ein -passives in der Vergangenheit (ein <em class="gesperrt">gebissener</em> Hund, d. i. ein -Hund, der <em class="gesperrt">gebissen worden</em> ist).<a id="FNAnker_73" href="#Fussnote_73" class="fnanchor">[73]</a> Für die Gegenwart fehlt es -an einem passiven, für die Vergangenheit an einem aktiven Partizipium; -weder ein Hund, der gebissen <em class="gesperrt">wird</em>, noch ein Hund, der gebissen -<em class="gesperrt">hat</em>, kann durch ein Partizip ausgedrückt werden.<a id="FNAnker_74" href="#Fussnote_74" class="fnanchor">[74]</a> Nur -wirkliche Passiva von transitiven Zeitwörtern und im Aktiv solche -Intransitiva, die sich zur Bildung der Vergangenheit des Hilfszeitworts -<em class="gesperrt">sein</em> bedienen (<em class="gesperrt">gehen</em>, <em class="gesperrt">laufen</em>, <em class="gesperrt">sterben</em>), -können ein Partizip der Vergangenheit bilden (<em class="gesperrt">gegangen</em>, -<em class="gesperrt">gelaufen</em>, <em class="gesperrt">gestorben</em>).</p> - -<p>Diese Schranke hat aber nicht immer bestanden. In der ältern Zeit ist -das Partizipium der Gegenwart auch im passiven Sinne gebraucht worden. -Noch im achtzehnten und zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts sagte -man ganz unbedenklich: zu einer <em class="gesperrt">vorhabenden Reise</em>, zu seinem -<em class="gesperrt">vorhabenden</em> neuen <em class="gesperrt">Bau</em>, sein vor dem Tore <em class="gesperrt">besitzendes -Haus</em>, das gegen mich <em class="gesperrt">tragende Vertrauen</em>, laut der in -Händen <em class="gesperrt">habenden Urkunde</em>, die Briefe des sich von meiner -<em class="gesperrt">unterhabenden Kompagnie</em> selbst entleibten (!) Unteroffiziers, -er nahm dem<span class="pagenum" id="Seite_166">[S. 166]</span> Erschlagnen die bei sich <em class="gesperrt">tragenden Pretiosen</em> -ab, wir konnten uns nur mit Mühe den <em class="gesperrt">bedürfenden Bissen</em> Brot -verschaffen usw., ja man sprach sogar von <em class="gesperrt">essender Ware</em> (statt -von <em class="gesperrt">Eßware</em>). Aber diese Erscheinung ist doch nach und nach -durch den Unterricht beseitigt worden. Höchst selten kommt es vor, daß -man in einer Zeitung noch heute einen Satz liest wie: er hatte nichts -eiligeres zu tun, als ihm eine <em class="gesperrt">in der Hand haltende Flasche</em> an -den Kopf zu werfen. Verkehrt aber wäre es, die <em class="gesperrt">fahrende Habe</em> -mit unter diese Ausdrücke zu rechnen, denn hier hat das Partizip -wirklich aktiven Sinn, wie bei dem <em class="gesperrt">fahrenden Volke</em>: der Fuhrmann -<em class="gesperrt">führt</em> die Habe, die Habe aber <em class="gesperrt">wird geführt</em>, oder sie -<em class="gesperrt">fährt</em> (vgl. <a href="#Seite_56">S. 56</a>).</p> - -<p>Andrerseits hat man nach dem Beispiel der intransitiven Partizipia -schon frühzeitig angefangen, auch passive Partizipia von transitiven -Zeitwörtern aktivisch zu verwenden. Einzelne Beispiele davon -haben sich so in der Sprache eingebürgert, daß sie gar nicht mehr -als falsch empfunden werden; man braucht nur an Verbindungen zu -denken wie: ein <em class="gesperrt">geschworner</em> Bote, ein <em class="gesperrt">abgesagter</em> -Feind, ein <em class="gesperrt">gedienter</em> Soldat, ein <em class="gesperrt">gelernter</em> Kellner, -ein <em class="gesperrt">studierter</em> Mann, ein <em class="gesperrt">erfahrner</em> Arzt, ein -<em class="gesperrt">verdienter</em> Schulmann usw. Alle diese Partizipia haben aktive -Bedeutung, auch der <em class="gesperrt">abgesagte</em> Feind, der natürlich ein -Feind ist, der einer Person oder einer Sache <em class="gesperrt">abgesagt</em>, ihr -gleichsam die Absage geschickt <em class="gesperrt">hat</em>; aber sie werden kaum noch -als Partizipia gefühlt, man fühlt und behandelt sie wie Adjektiva. -Auch Verneinungen solcher Partizipia sind gebildet worden, wie -<em class="gesperrt">ungepredigt</em>, <em class="gesperrt">ungefrühstückt</em>: er mußte <em class="gesperrt">ungepredigt</em> -wieder von der Kanzel gehen. Aber auch diese Verirrung ist doch im -Laufe der Zeit durch den Unterricht beseitigt worden, und heute -erscheint es uns unerträglich, zu sagen: der vormals zu diesem Hause -<em class="gesperrt">gehörte</em> Garten, die zwischen den Parteien <em class="gesperrt">gewaltete</em> -Uneinigkeit, eine im vorigen Jahrhundert <em class="gesperrt">obgeschwebte</em> -Rechtssache, durch Dekoration leicht <em class="gesperrt">gelittene</em> Artikel, -die dem Feste <em class="gesperrt">beigewohnten</em> Mitglieder, die an der Feier -<em class="gesperrt">teilgenommenen</em> Offiziere, Nacht verhüllte seinen ihm<span class="pagenum" id="Seite_167">[S. 167]</span> so lange -<em class="gesperrt">gestrahlten</em> Glücksstern,<a id="FNAnker_75" href="#Fussnote_75" class="fnanchor">[75]</a> und nun vollends in Verbindung mit -einem Objekt: die das Zeitliche <em class="gesperrt">gesegneten</em> Mitglieder, das den -Lokomotivführer <em class="gesperrt">betroffne</em> Unglück, eine inzwischen Gesetzeskraft -<em class="gesperrt">erlangte</em> Übereinkunft, die im vorigen Jahre eingerichtete und -sehr günstige Aufnahme <em class="gesperrt">gefundne</em> Auskunftsstelle, trotz ihres -hohen nun schon ein Jahrhundert <em class="gesperrt">überschrittnen</em> Alters. Vor -allem aber unerträglich erscheinen die <em class="gesperrt">stattgehabte</em> und die -<em class="gesperrt">stattgefundne</em> Versammlung. Je häufiger die beiden Zeitwörter -<em class="gesperrt">statthaben</em> und <em class="gesperrt">stattfinden</em> – namentlich das zweite -– ohnehin in unsrer Amts- und Zeitungssprache verwandt werden, je -lebendiger man sie also als Zeitwörter, und zwar als aktive, mit einem -Objekt verbundne Zeitwörter (<em class="gesperrt">Statt finden</em>, d. h. Platz finden) -fühlt, desto widerwärtiger sind für jeden Menschen, der sich noch -etwas Sprachgefühl bewahrt hat, diese zahllosen <em class="gesperrt">stattgefundnen</em> -Versammlungen, Beratungen, Verhandlungen, Wahlen, Prüfungen, -Untersuchungen, Audienzen, Feuersbrünste usw.<a id="FNAnker_76" href="#Fussnote_76" class="fnanchor">[76]</a></p> - -<p>Sie sind aber doch so kurz und bequem, soll man denn immer Nebensätze -bilden? Nein, das soll man nicht; aber man soll ein klein wenig -nachdenken, sich in dem Reichtum unsrer Sprache umsehen und dann -schreiben: die <em class="gesperrt">veranstaltete</em> Feier, die <em class="gesperrt">abgehaltne</em> -Versammlung, die <em class="gesperrt">vorgenommne</em> Abstimmung, die <em class="gesperrt">angestellte</em> -Untersuchung, die <em class="gesperrt">bewilligte</em> Audienz, die <em class="gesperrt">ausgebrochne</em> -Feuersbrunst usw., oder man soll, was in tausend Fällen das -gescheiteste ist, das müßige Partizipium ganz weglassen. Die -<em class="gesperrt">stattgefundne Untersuchung</em> ergab – kann denn eine Untersuchung -etwas<span class="pagenum" id="Seite_168">[S. 168]</span> ergeben, die <em class="gesperrt">nicht</em> stattgefunden hat? In R. ereignete -sich bei einer <em class="gesperrt">stattgehabten Feuersbrunst</em> das Unglück – kann -sich auch ein Unglück ereignen bei einer Feuersbrunst, die nicht -stattgehabt hat? Über den <em class="gesperrt">stattgefundnen Wechsel</em> im Ministerium -sind unsre Leser bereits unterrichtet – können die Leser auch -unterrichtet sein über einen Wechsel, der <em class="gesperrt">nicht</em> stattgefunden -hat?</p> - -<p>Nicht viel besser als die <em class="gesperrt">stattgefundnen</em> Versammlungen sind -aber auch der bei einem Meister in Arbeit <em class="gesperrt">gestandne Geselle</em> -und der seit langer Zeit hier <em class="gesperrt">bestandne Saatmarkt</em>, das -früher <em class="gesperrt">bestandne Hindernis</em> und das lange <em class="gesperrt">bestandne</em> -freundschaftliche <em class="gesperrt">Verhältnis</em>. Freilich sagt man in -Süddeutschland: er <em class="gesperrt">ist gestanden</em> (vgl. <a href="#Seite_59">S. 59</a>), und er <em class="gesperrt">ist -bestanden</em><a id="FNAnker_77" href="#Fussnote_77" class="fnanchor">[77]</a>; aber in der Schriftsprache empfindet man das doch -als Provinzialismus. Es gibt aber sogar Schulräte, die nicht bloß -von <em class="gesperrt">bestandnen Prüfungen</em>, sondern auch von <em class="gesperrt">bestandnen -Kandidaten</em> reden! Dann darf man sich freilich nicht mehr über die -Zeitungschreiber und die Kanzlisten wundern.<a id="FNAnker_78" href="#Fussnote_78" class="fnanchor">[78]</a></p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Das_sich_ereignete_Unglueck">Das sich ereignete Unglück</h3> - -</div> - -<p>Aus dem vorigen ergibt sich von selbst, warum man auch nicht sagen -darf: das <em class="gesperrt">sich gebildete</em> Blatt. Alle reflexiven Zeitwörter -gebrauchen in der Vergangenheit das Hilfszeitwort <em class="gesperrt">haben</em>, -können also kein Partizip der Vergangenheit bilden. Falsch sind -daher alle Verbindungen wie: der <em class="gesperrt">sich ereignete</em> Jagdunfall, -die <em class="gesperrt">sich bewährte</em> Geistesbildung, der von hier <em class="gesperrt">sich -entfernte</em> Lehrer, die <em class="gesperrt">sich davongemachten</em> Zuschauer, der<span class="pagenum" id="Seite_169">[S. 169]</span> -<em class="gesperrt">kürzlich</em> hier <em class="gesperrt">sich niedergelassene</em> Bildhauer, die -<em class="gesperrt">sich</em> zahlreich <em class="gesperrt">eingefundnen</em> Konzertbesucher, die am -9. August <em class="gesperrt">sich</em> (!) <em class="gesperrt">angefangne</em> Woche, das schon längst -<em class="gesperrt">sich</em> fühlbar <em class="gesperrt">gemachte</em> Bedürfnis, das <em class="gesperrt">sich</em> -irrtümlich <em class="gesperrt">eingeschlichne</em> Wort, das ehemals so weit <em class="gesperrt">sich -ausgebreitete</em> Lehrsystem, ein <em class="gesperrt">sich</em> aus den Kinderschuhen -glücklich <em class="gesperrt">herausentwickelter</em> Jüngling, ein in der Mauerritze -<em class="gesperrt">sich eingenisteter</em> Brombeerstrauch. Ein Partizip wäre hier -nur dann möglich, wenn man sagen wollte: der <em class="gesperrt">sich eingenistet -habende</em> Brombeerstrauch, eine Verbindung, die natürlich aus dem -Regen in die Traufe führen würde. Es bleibt auch in solchen Fällen -nichts übrig, als einen Relativsatz zu bilden: ein Brombeerstrauch, -<em class="gesperrt">der sich</em> in der Mauerritze <em class="gesperrt">eingenistet hatte</em>.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Hocherfreut_oder_hoch_erfreut">Hocherfreut oder hoch erfreut?</h3> - -</div> - -<p>Leipziger Geburtsanzeigen werden nie anders gedruckt als: Durch die -glückliche Geburt eines Knaben wurden <em class="gesperrt">hocherfreut</em> usw. – -auch Zeitungen schreiben: das gesamte Personal der Firma ist durch -Jubelgaben <em class="gesperrt">hocherfreut</em> worden – Gutenberg ist dieses Jahr -in vielen deutschen Städten <em class="gesperrt">hochgefeiert</em> worden – und auf -Buchtiteln liest man: in dritter Auflage <em class="gesperrt">neubearbeitet</em> von -usw. Welche Verirrung! Ein Partizip kann Verbalform sein, es kann -auch Nomen sein.<a id="FNAnker_79" href="#Fussnote_79" class="fnanchor">[79]</a> Aber nur dann, wenn es Nomen, also Adjektiv -ist, kann ein hinzugefügtes Adverb damit zu <em class="gesperrt">einem</em> Worte -verwachsen: wie man von <em class="gesperrt">hochadligen Eltern</em> reden kann, so auch -von <em class="gesperrt">hocherfreuten</em> Eltern. Wie soll aber ein Adverb mit dem -Partizip zusammenwachsen, wenn das Partizip Verbalform ist? Wir sind -<em class="gesperrt">hocherfreut worden</em> – so könnte man doch nur schreiben, wenn -es ein Zeitwort <em class="gesperrt">hocherfreuen</em> gäbe: ich <em class="gesperrt">hocherfreue</em>, -du <em class="gesperrt">hocherfreust</em> usw. Dasselbe gilt natürlich vom Infinitiv -und bei intransitiven Zeitwörtern vom <span class="antiqua">Verbum finitum</span>; es<span class="pagenum" id="Seite_170">[S. 170]</span> -ist töricht, wenn Zeitungen schreiben: der Kronprinz ließ das -Brautpaar <em class="gesperrt">hochleben</em>, der Vortrag wird <em class="gesperrt">hochbefriedigen</em>, -<em class="gesperrt">feststeht</em>, daß der Minister nicht zurücktreten wird, denn es -gibt kein Zeitwort: ich <em class="gesperrt">hochlebe</em>, ich <em class="gesperrt">hochbefriedige</em>, ich -<em class="gesperrt">feststehe</em>.</p> - -<p>Ebenso wie mit den Adverbien ist es auch mit den Objekten. Man kann -wohl schreiben: die <em class="gesperrt">notleidende</em> Landwirtschaft, aber falsch ist -es, im Infinitiv zu schreiben: <em class="gesperrt">notleiden</em>; denn es gibt kein -Zeitwort: ich <em class="gesperrt">notleide</em>.</p> - -<p>Es handelt sich hier durchaus nicht bloß um einen „orthographischen“ -Fehler oder gar bloß um eine gleichgiltige orthographische Abweichung, -sondern in der falschen Schreibung verrät sich ein grober Denkfehler.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Partizipium_statt_Neben_oder_Hauptsatz">Partizipium statt eines Neben- oder -Hauptsatzes</h3> - -</div> - -<p>Wie es oft geschieht, daß ein Gedanke, der eigentlich durch einen -Hauptsatz ausgedrückt werden müßte, unlogischerweise in einen -Relativsatz gebracht wird (vgl. <a href="#Seite_130">S. 130</a>), so packt man oft auch einen -Hauptgedanken in ein attributives Partizip und schreibt: hier ist das -bisher noch von keiner Seite <em class="gesperrt">bestätigte</em> Gerücht verbreitet – -die neue Auflage hat die von dem Verfasser getreulich <em class="gesperrt">benutzte</em> -Gelegenheit gegeben, manches nachzutragen – ich sandte ausführliche, -in freundlichster Weise <em class="gesperrt">beantwortete</em> Fragebogen an folgende -Bibliotheken – der Mörder nahm die Nachricht von seiner gestern früh -<em class="gesperrt">erfolgten</em> Hinrichtung gefaßt entgegen – mit klopfendem Herzen -betrat ich das Auditorium, um die in der Bohemia <em class="gesperrt">abgedruckte</em> -Antrittsrede zu halten – die anonym <em class="gesperrt">einzureichenden</em> -Bewerbungsschriften sind in deutscher, lateinischer oder französischer -Sprache zu verfassen. Da fragt man doch: in welcher Sprache sind -denn die nicht anonym einzureichenden zu verfassen? Und war denn die -Antrittsrede wirklich schon gedruckt, als der Verfasser das Auditorium -betrat? Natürlich soll es heißen: um die Antrittsrede zu halten, die -dann in der Bohemia abgedruckt wurde – die Bewerbungsschriften sind -anonym einzureichen und in deutscher Sprache abzufassen.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_171">[S. 171]</span></p> - -<p>Nicht viel besser ist es, wenn ein Partizipsatz statt eines -Hauptsatzes gesetzt wird, z. B.: im Jahre 1850 in den Generalstab -<em class="gesperrt">zurücktretend</em> (<em class="gesperrt">getreten</em>!), <em class="gesperrt">wurde</em> B. 1858 zum -persönlichen Adjutanten des Prinzen Friedrich Karl <em class="gesperrt">ernannt</em> – -er ging zunächst nach Paris, dann nach London, an beiden Plätzen im -Bankfach <em class="gesperrt">arbeitend</em> – oder gar: in der Einleitung <em class="gesperrt">stellt</em> -Friedländer die Entwicklung des deutschen Liedes dar, hierauf (!) eine -übersichtliche Bibliographie <em class="gesperrt">bringend</em> – Jürgen lief in die -Apotheke, nach wenig Augenblicken (!) mit einer großen Medizinflasche -<em class="gesperrt">zurückkehrend</em>. Während in den zuerst angeführten Beispielen -eine Art von Schnelldenkerei vorliegt – die Verfasser haben es -gleichsam nicht erwarten können, zu sagen, was sie sagen wollten –, -handelt sichs in den letzten nur um einen ungeschickten Versuch, in -den Ausdruck Abwechslung zu bringen. Der Sinn verlangt statt dieser -Partizipialsätze Hauptsätze.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Falsch_angeschlossnes_Partizipium">Falsch angeschloßnes Partizipium</h3> - -</div> - -<p>Noch größer als bei Infinitivsätzen mit <em class="gesperrt">um zu</em> ist bei -Partizipialsätzen die Gefahr eines Mißverständnisses, wenn das Partizip -an ein anderes Wort im Satze als an das Subjekt angelehnt wird; das -nächstliegende wird es auch hier immer sein, es auf das Subjekt des -Hauptsatzes zu beziehen. Entschieden schlecht sind also Verbindungen -wie folgende: <em class="gesperrt">angefüllt</em> mit edelm Rheinwein, überreiche ich -Eurer Majestät diesen <em class="gesperrt">Becher</em> – kaum <em class="gesperrt">heimgekehrt</em>, -wandte sich die engherzigste Philisterei gegen <em class="gesperrt">ihn</em> – -einmal <em class="gesperrt">gedruckt</em>, kehre ich <em class="gesperrt">dem Buche</em> den Rücken – -<em class="gesperrt">erhaben</em> über Menschenlob und dessen <em class="gesperrt">nicht bedürftig</em>, -wissen wir, was wir an <em class="gesperrt">unserm Fürsten</em> haben – an der Begründung -unsers Unternehmens wesentlich <em class="gesperrt">beteiligt</em> und während der ganzen -Dauer desselben an der Spitze des Aufsichtsrates <em class="gesperrt">stehend</em>, -verdanken wir der Tatkraft und Geschäftskenntnis des verehrten -<em class="gesperrt">Mannes</em> unendlich viel – <em class="gesperrt">abstoßend</em>, schroff, von der -mildesten Güte, verschlossen und hingebend, konnte man ganz irre an -<em class="gesperrt">ihm</em> werden –<span class="pagenum" id="Seite_172">[S. 172]</span> durch Rotationsdruck <em class="gesperrt">angefertigt</em>, sind wir -in der Lage, das <em class="gesperrt">Verzeichnis</em> zu einem Spottpreis zu liefern – -<em class="gesperrt">mich umdrehend</em> grüßt <em class="gesperrt">mich</em> im Osten Schloß Johannisberg. -Besonders beliebt ist es jetzt, das Partizip <em class="gesperrt">anschließend</em> so -zu verbinden, daß man eine Zeit lang im Satze suchen muß, worauf es -sich eigentlich beziehen soll, z. B.: schon in Ingolstadt hatte er -sich, <em class="gesperrt">anschließend</em> an seine astronomischen Arbeiten, optischen -Studien gewidmet. Das <em class="gesperrt">anschließend</em> soll hier auf Studien gehen: -er schloß die optischen Studien an seine astronomischen Arbeiten an. -Ebenso: <em class="gesperrt">anschließend</em> an diese allgemeine Einführung, dürfte -es zweckmäßig sein, einmal das <em class="gesperrt">Gebiet</em> der Einzelheiten zu -übersehen. Das schlimmste ist es, vor den Hauptsatz ein absolutes -Partizip zu stellen, für das man sich dann vergebens in dem Satze -nach einem Begriff umsieht, auf den es bezogen werden könnte, z. B.: -wiederholt <em class="gesperrt">lächelnd</em> und lebhaft <em class="gesperrt">grüßend</em>, fuhr das -Kriegsschiff vorüber. Die Partizipia sollen sich auf – den Kaiser -beziehen! Es braucht nicht immer ein so lächerlicher Sinn zu entstehen -wie hier, auch so beliebte Partizipia wie: <em class="gesperrt">dies vorausgesetzt</em>, -<em class="gesperrt">dies vorausgeschickt</em>, <em class="gesperrt">dies zugegeben</em> u. ähnl. sind nicht -schön. Ja man kann noch weiter gehen und sagen: das unflektierte -Partizip überhaupt, wenigstens das der Gegenwart (1870 wandte er -sich an Richard Wagner, ihn <em class="gesperrt">fragend</em> – er schlich sich feige -davon, nur ein kurzes Wort des Abschieds <em class="gesperrt">zurücklassend</em> – der -Vorsitzende entbot den Versammelten ein herzliches Willkommen, dankbar -des Erscheinens der Ehrengäste <em class="gesperrt">gedenkend</em> und seiner Freude über -die Zuwendung reicher Preise <em class="gesperrt">Ausdruck gebend</em>), hat im Deutschen -immer etwas unlebendiges, steifes; die Sprache erscheint darin wie halb -erstarrt.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="In_Ergaenzung">In Ergänzung</h3> - -</div> - -<p>Wie Ungeziefer hat sich in den letzten Jahren eine Ausdrucksweise -verbreitet, die die verschiedenartigsten Nebensätze und ganz besonders -auch den Infinitiv und das Partizip ersetzen soll: die Verbindung -von <em class="gesperrt">in</em> mit gewissen Hauptwörtern, namentlich auf <em class="gesperrt">ung</em>. -Den Anfang<span class="pagenum" id="Seite_173">[S. 173]</span> scheinen <em class="gesperrt">in Erwägung</em> und <em class="gesperrt">in Ermanglung</em> -gemacht zu haben<a id="FNAnker_80" href="#Fussnote_80" class="fnanchor">[80]</a>; diese beiden haben aber schon ein ganzes Heer -ähnlicher Verbindungen nach sich gezogen, und das Ende ist noch -nicht abzusehen, jede Woche überrascht uns mit neuen. Briefe von -Beamten und Geschäftsleuten fangen kaum noch anders an als: <em class="gesperrt">in -Beantwortung</em> oder <em class="gesperrt">in Erwiderung</em> Ihres gefälligen Schreibens -vom usw., ein Aufsatz wird geschrieben <em class="gesperrt">in Anlehnung</em> oder -<em class="gesperrt">in Anknüpfung</em> an ein neu erschienenes Buch, ein Abschied wird -bewilligt <em class="gesperrt">in Genehmigung</em> eines Gesuchs, eine Zeitungsmitteilung -wird gemacht <em class="gesperrt">in Ergänzung</em> oder <em class="gesperrt">in Berichtigung</em> einer -frühern Mitteilung oder <em class="gesperrt">in Fortsetzung</em> des gestrigen Artikels, -der Polizeirat vollzieht eine Handlung <em class="gesperrt">in Vertretung</em> oder -<em class="gesperrt">in Stellvertretung</em> des Polizeidirektors, ein Vereinsmitglied -leitet die Verhandlungen <em class="gesperrt">in Behindrung</em> des Vorsitzenden, eine -Auszeichnung wird jemand verliehen <em class="gesperrt">in Anerkennung</em> seiner -Verdienste, ein Mord wird begangen <em class="gesperrt">in Ausführung</em> früherer -Drohungen, eine Bibliothek wird gestiftet <em class="gesperrt">in Beschränkung</em> -auf gewisse Fächer usw.; man schreibt: <em class="gesperrt">in Erledigung</em> Ihres -Auftrags – <em class="gesperrt">in Würdigung</em> der volkswirtschaftlichen Wichtigkeit -des Sparkassenwesens – <em class="gesperrt">in Anspielung</em> auf eine frühere -Reichstagsrede – <em class="gesperrt">in Wahrung</em> meiner Interessen weise ich -jeden solchen Versuch zurück – <em class="gesperrt">in Vervollständigung</em> der -Zirkularnote des Ministeriums – <em class="gesperrt">in Veranlassung</em> des 25jährigen -Geschäftsjubiläums – <em class="gesperrt">in Begründung</em> der Anklage beantragte der -Staatsanwalt – <em class="gesperrt">in Überschätzung</em> dieses Umstandes oder <em class="gesperrt">in -Entstellung</em> des Sachverhalts behauptete er – <em class="gesperrt">in Ausführung</em> von § -14 des Ortsstatuts bringen wir zur Kenntnis – man gebe den Behörden -<em class="gesperrt">in Ausdehnung</em> von § 39 die Befugnis – <em class="gesperrt">in Verfolgung</em> -dieses Zieles hatte Schliemann die obere Schicht zerstört – <em class="gesperrt">in -Befolgung</em> seiner Befehle wurden noch weitere Gebietsteile -unterworfen – die Schauspielkunst hat es, <em class="gesperrt">in Abweichung</em> von -dem<span class="pagenum" id="Seite_174">[S. 174]</span> eben gesagten, mit Gehör und Gesicht zugleich zu tun – <em class="gesperrt">in -Nachahmung</em> einer bei der Kreuzschule bestehenden Einrichtung wurden -zwei Diskantistenstellen begründet – der <em class="gesperrt">in Verlängerung</em> des -Neumarkts durch die Promenade führende Fußweg usw. Vor einigen Jahren -ging sogar eine Anekdote aus den Memoiren der Madame Carette durch die -Zeitungen, wonach Bismarck dieser Dame auf einem Ball am Hofe Napoleons -eine Rose überreicht haben sollte, mit den Worten: wollen Sie diese -Rose annehmen <em class="gesperrt">in Erinnerung</em> an den letzten Walzer, den ich in -meinem Leben getanzt habe.</p> - -<p>Wer ein wenig nachdenkt, sieht, daß hier die verschiedensten logischen -Verhältnisse in ganz mechanischer Weise gleichsam auf eine Formel -gebracht sind, wie sie so recht für denkfaule Leute geschaffen ist. -In einem Teile dieser Verbindungen soll <em class="gesperrt">in</em> den Beweggrund -ausdrücken, der doch nur durch <em class="gesperrt">aus</em> oder <em class="gesperrt">wegen</em> -bezeichnet werden kann; <em class="gesperrt">in Ermanglung</em>, <em class="gesperrt">in Anerkennung</em>, -<em class="gesperrt">in Überschätzung</em>, <em class="gesperrt">in Behindrung</em> – das soll heißen: -<em class="gesperrt">aus Mangel</em>, <em class="gesperrt">aus Anerkennung</em>, <em class="gesperrt">aus Überschätzung</em>, <em class="gesperrt">wegen -Behindrung</em>. Wenn Nebensätze dafür eintreten sollten, so könnten -sie nur lauten: <em class="gesperrt">weil</em> es mangelt, <em class="gesperrt">weil</em> er behindert -ist, <em class="gesperrt">weil</em> wir anerkennen, <em class="gesperrt">weil</em> er überschätzt. In -einem andern Teile soll <em class="gesperrt">in</em> den Zweck bezeichnen, der doch nur -durch <em class="gesperrt">zu</em> ausgedrückt werden kann; <em class="gesperrt">in Ergänzung</em>, <em class="gesperrt">in -Berichtigung</em>, <em class="gesperrt">in Vervollständigung</em>, <em class="gesperrt">in Erinnerung</em> -– das soll heißen: <em class="gesperrt">zur Ergänzung</em>, <em class="gesperrt">zur Berichtigung</em>, -<em class="gesperrt">zur Vervollständigung</em>, <em class="gesperrt">zur Erinnerung</em>. Mit einem -Nebensatze könnte man hier nur sagen: <em class="gesperrt">um zu</em> ergänzen, <em class="gesperrt">um -zu</em> berichtigen, <em class="gesperrt">um zu</em> vervollständigen, <em class="gesperrt">damit Sie</em> -sich erinnern. Wieder in andern Fällen wäre <em class="gesperrt">als</em> am Platze statt -in: ein Weg wird <em class="gesperrt">als</em> Verlängerung des Neumarkts durch die -Promenade geführt, ein Brief wird geschrieben <em class="gesperrt">als</em> Antwort auf -einen andern, der Polizeirat unterschreibt <em class="gesperrt">als</em> Stellvertreter -des Polizeidirektors. Nur in wenigen Fällen bezeichnet das <em class="gesperrt">in</em> -wirklich einen begleitenden Umstand, wie man ihn sonst durch -<em class="gesperrt">indem</em> oder durch das Partizip ausdrückt: ich schreibe einen -Aufsatz, <em class="gesperrt">anknüpfend</em> an ein neues<span class="pagenum" id="Seite_175">[S. 175]</span> Buch, oder <em class="gesperrt">indem</em> ich -an das Buch anknüpfe; dafür ließe sich ja zur Not auch sagen: <em class="gesperrt">in -Anknüpfung</em>, wiewohl auch das nicht gerade schön ist. <em class="gesperrt">Indem</em> -der Staatsanwalt die Anklage begründete, beantragte er das höchste -Strafmaß – auch dafür kann man sagen: in <em class="gesperrt">seiner Begründung</em> -(<em class="gesperrt">seiner</em> darf nicht fehlen).<a id="FNAnker_81" href="#Fussnote_81" class="fnanchor">[81]</a> Aber wie ist es möglich, das -alles in einen Topf zu werfen: Ursache, Grund, Zweck, begleitende -Umstände, vorübergehende oder dauernde Eigenschaften? Wie können wir -uns solchem Reichtum gegenüber freiwillig zu solcher Armut verurteilen? -Es handelt sich hier um nichts als eine Modedummheit, die unter dem -Einflusse des Französischen und des Englischen (<span class="antiqua">en conséquence</span>, -<span class="antiqua">en réponse</span>, <span class="antiqua">in remembrance</span>, <span class="antiqua">in reply</span>, <span class="antiqua">in -answer</span>, <span class="antiqua">in compliance with</span>, <span class="antiqua">in his defence</span> u. ähnl.) -aufgekommen ist, und die nun gedankenlos nachgemacht und dabei immer -weiter ausgedehnt wird. Es wird noch dahin kommen, daß jemand 1000 Mark -erhält <em class="gesperrt">in Bedingung</em> der Rückzahlung oder <em class="gesperrt">in Belohnung</em> -treuer Dienste oder <em class="gesperrt">in Entschädigung</em> für einen Verlust oder -<em class="gesperrt">in Unterstützung</em> seiner Angehörigen; es ist nicht einzusehen, -weshalb nicht auch das alles durch <em class="gesperrt">in</em> und ein Hauptwort auf -<em class="gesperrt">ung</em> sollte ausgedrückt werden können.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Das_Attribut">Das Attribut</h3> - -</div> - -<p>Unter den Erweiterungen, die ein Satzglied erfahren kann, stehen obenan -das Attribut und die Apposition.</p> - -<p>Ein Attribut kann zu einem Hauptwort in vierfacher Form treten: als -Adjektiv (ein <em class="gesperrt">schöner Tod</em>), als abhängiger Genitiv (der <em class="gesperrt">Tod -des Kriegers</em>), als Bestimmungswort einer Zusammensetzung (der -<em class="gesperrt">Heldentod</em>), endlich in Form einer adverbialen Bestimmung (der<span class="pagenum" id="Seite_176">[S. 176]</span> -<em class="gesperrt">Tod auf dem Schlachtfelde</em>, der <em class="gesperrt">Tod fürs Vaterland</em>). Auch -gegen die vierte Art ist, wie ausdrücklich bemerkt werden soll, nichts -einzuwenden; es ist untadliges Deutsch, wenn man sagt: das <em class="gesperrt">Zimmer -oben</em>, eine <em class="gesperrt">Wohnung in der innern Stadt</em>, der <em class="gesperrt">Weg zur -Hölle</em>, die <em class="gesperrt">Tötung im Duell</em>, die preußische <em class="gesperrt">Mobilmachung -im Juni</em> usw. Manche getrauen sich zwar nicht, solche Attribute -zu schreiben, sie meinen immer ein <em class="gesperrt">befindlich</em>, <em class="gesperrt">belegen</em> -(be!), <em class="gesperrt">stattgefunden</em>, <em class="gesperrt">erfolgt</em> oder dgl. dazusetzen zu -müssen; aber das ist eine überflüssige und häßliche Umständlichkeit.</p> - -<p>Bisweilen kann man ja nun zwei solche Attributarten miteinander -vertauschen, ohne daß der Sinn verändert wird, aber durchaus nicht -immer. Auf wenigen Gebieten unsrer Sprache herrscht aber jetzt eine so -grauenvolle Verwirrung wie auf dem der Attributbildung; hier wird jetzt -tatsächlich alles durcheinander gequirlt.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Leipzigerstrasse_oder_Leipziger_Strasse">Leipzigerstraße oder Leipziger -Straße?</h3> - -</div> - -<p>Wie würde man wohl über jemand urteilen, der ein <em class="gesperrt">Fremdenbuch</em> -nicht von einem <em class="gesperrt">fremden Buch</em>, einen <em class="gesperrt">kranken Wärter</em> -nicht von einem <em class="gesperrt">Krankenwärter</em>, eine <em class="gesperrt">Gelehrtenfrau</em> nicht -von einer <em class="gesperrt">gelehrten Frau</em>, <em class="gesperrt">Bekanntenkreise</em> nicht von -<em class="gesperrt">bekannten Kreisen</em>, ein <em class="gesperrt">liebes Lied</em> nicht von einem -<em class="gesperrt">Liebeslied</em>, eine <em class="gesperrt">Hoferstraße</em> (nach Andreas Hofer genannt) -nicht von einer <em class="gesperrt">Hofer Straße</em> (nach der Stadt Hof in Bayern -genannt) unterscheiden könnte? Genau dieselbe Dummheit ist es, wenn -jemand <em class="gesperrt">Leipzigerstraße</em> schreibt statt <em class="gesperrt">Leipziger Straße</em>.</p> - -<p>Die von Ortsnamen (Länder- und Städtenamen) abgeleiteten Bildungen -auf <em class="gesperrt">er</em> sind unzweifelhaft eigentlich Substantiva. -<em class="gesperrt">Österreicher</em> und <em class="gesperrt">Passauer</em> bedeutet ursprünglich einen -Mann aus Österreich oder aus Passau. Als Adjektiva hat die ältere -Sprache solche Bildungen nicht gebraucht, die Adjektiva bildete -sie von Länder- und Städtenamen auf <em class="gesperrt">isch</em>: <em class="gesperrt">meißnisch</em> -(meißnische Gulden), <em class="gesperrt">torgisch</em> (von Torgau, torgisches Bier), -<em class="gesperrt">lündisch</em> (von London, lündisches Tuch), <em class="gesperrt">parisisch</em> -(parisische Schuhe schreibt noch der junge Goethe statt Pariser Fuß). -Nun<span class="pagenum" id="Seite_177">[S. 177]</span> ist freilich zwischen diesen beiden Bildungen schon längst -Verwirrung eingerissen: die Formen auf <em class="gesperrt">er</em> sind schon frühzeitig -auch im adjektivischen Sinne gebraucht worden. Lessing schrieb noch -1768 eine <em class="gesperrt">Hamburgische Dramaturgie</em>, Goethe aber schon 1772 -Rezensionen für die <em class="gesperrt">Frankfurter Gelehrten Anzeigen</em>. Natürlich -sind nun die Bildungen auf <em class="gesperrt">er</em> dadurch, daß sie adjektivisch -gebraucht werden, nicht etwa zu Adjektiven geworden (vgl. <a href="#Seite_38">S. 38</a>); -sie können aber doch vor andern Substantiven wie Adjektiva gefühlt -werden, wie am besten daraus hervorgeht, daß manche Leute Adverbia -dazusetzen, wie <em class="gesperrt">echt Münchner</em> Löwenbräu, statt <em class="gesperrt">echtes -Münchner</em> oder <em class="gesperrt">echt Münchnisches</em> Löwenbräu, <em class="gesperrt">echt Harzer -Sauerbrunnen</em>.<a id="FNAnker_82" href="#Fussnote_82" class="fnanchor">[82]</a> Dennoch haben sich im Laufe der Zeit zwischen den -Bildungen auf <em class="gesperrt">er</em> und denen auf <em class="gesperrt">isch</em> auch wieder gewisse -Grenzen festgesetzt. Von manchen Länder- und Städtenamen gebrauchen wir -noch heute ausschließlich die echt adjektivische Form auf <em class="gesperrt">isch</em>, -von andern ebenso ausschließlich die Bildung auf <em class="gesperrt">er</em>, wieder -von andern beide friedlich nebeneinander. Niemand sagt: der -<em class="gesperrt">Österreicher Finanzminister</em>, der <em class="gesperrt">Römer Papst</em>, aber auch -niemand mehr das <em class="gesperrt">Leipzigische Theater</em>, die <em class="gesperrt">Berlinischen -Bauten</em>. Dagegen sprechen alle Gebildeten noch von <em class="gesperrt">Kölnischem -Wasser</em>, <em class="gesperrt">holländischem Käse</em>, <em class="gesperrt">italienischen Strohhüten</em>, -<em class="gesperrt">persischen Teppichen</em>, <em class="gesperrt">amerikanischen Äpfeln</em>. Warum von -dem einen Namen die Form auf <em class="gesperrt">isch</em>, von dem andern die auf -<em class="gesperrt">er</em> bevorzugt wird, kann niemand sagen; der Sprachgebrauch hat -sich dafür entschieden, und dabei muß man sich beruhigen.</p> - -<p>Nur in gewissen Kreisen, die von dem wirklichen Verhältnis der beiden -Bildungen zueinander und von der Berechtigung des Sprachgebrauchs -keine Ahnung haben, besteht die Neigung, das Gebiet der Bildungen -auf <em class="gesperrt">er</em> mehr und mehr zum Nachteil derer auf <em class="gesperrt">isch</em> zu -erweitern. So empfiehlt mancher Geschäftsmann beharrlich seine -<em class="gesperrt">Amerikaner Öfen</em>, obwohl alle Gebildeten,<span class="pagenum" id="Seite_178">[S. 178]</span> die in seinen Laden -kommen, seine <em class="gesperrt">amerikanischen Öfen</em> zu sehen wünschen. An -einer alten Leipziger Weinhandlung konnte man vor kurzem ein Schild -am Schaufenster liegen sehen: <em class="gesperrt">Italiener Weine</em>! Leipziger -Teppichhandlungen preisen <em class="gesperrt">Perser Teppiche</em>, sogar <em class="gesperrt">echt Perser -Teppiche</em> an! Aber auch <em class="gesperrt">Holländer Austern</em> und <em class="gesperrt">Holländer -Käse</em> werden schon empfohlen, ja sogar <em class="gesperrt">Kölner Wasser</em>, und -der <em class="gesperrt">Kölnischen Zeitung</em> hat man schon mehr als einmal zugemutet, -sich in <em class="gesperrt">Kölner Zeitung</em> umzutaufen – ein törichtes Ansinnen, -dem sie mit Recht nicht nachgegeben hat und hoffentlich nie nachgeben -wird. Auf den echten Adjektivbildungen auf <em class="gesperrt">isch</em> liegt ein feiner -Hauch des Altertümlichen und – des Vornehmen, manche sind wie Stücke -schönen alten Hausrats; die unechten auf <em class="gesperrt">er</em>, namentlich die -neugeprägten, sind so gemein wie Waren aus dem Fünfzigpfennigbasar. -Unbegreiflich ist es, wie sich gebildete, namentlich wissenschaftlich -gebildete Leute solchen unnötigen Neuerungen, die gewöhnlich aus -den Kreisen der Geschäftsleute kommen, gedankenlos fügen können. -Ein deutscher Buchhändler in Athen hat vor kurzem ein Werk über -das <em class="gesperrt">Athener Nationalmuseum</em> herausgegeben! Greulich! Auf der -Leipziger Stadtbibliothek gibt es eine berühmte Handschrift aus dem -Anfange des sechzehnten Jahrhunderts: den <em class="gesperrt">Pirnischen Mönch</em>, -genannt nach der Stadt Pirna (eigentlich Pirn) an der Elbe in -Sachsen. Den nennen jetzt sogar Historiker den <em class="gesperrt">Pirnaer Mönch</em>! -In Plauen im sächsischen Vogtlande gibt es jetzt ein <em class="gesperrt">Plauener -Realgymnasium</em>, einen <em class="gesperrt">Plauener</em> Altertumsverein, man hat -sogar ein <em class="gesperrt">Plauener Stadtbuch</em> veröffentlicht; die gute alte -Adjektivform <em class="gesperrt">Plauisch</em> scheint also dort niemand mehr zu -kennen. Und in neuern Werken über die Befreiungskriege wird in den -Schilderungen der Schlacht bei Leipzig gar von der Erstürmung des -<em class="gesperrt">Grimmaer Tores</em> geredet (statt des <em class="gesperrt">Grimmischen</em>)!<a id="FNAnker_83" href="#Fussnote_83" class="fnanchor">[83]</a> Einem -Leipziger kehrt sich der Magen um, wenn er so etwas liest.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_179">[S. 179]</span></p> - -<p>Nun ist aber doch so viel klar, daß, wenn ein Wort wie <em class="gesperrt">Dresdner</em> -in zwei verschiednen Bedeutungen gebraucht wird, als Hauptwort und -auch als Eigenschaftswort, es nur in seiner Bedeutung als Hauptwort -mit einem andern Hauptworte zusammengesetzt werden kann. Wenn nun -eine Straße in Leipzig die <em class="gesperrt">Dresdner Straße</em> genannt wird, ist -da <em class="gesperrt">Dresdner</em> als Substantiv oder als Adjektiv aufzufassen? Ohne -Zweifel als Adjektiv. Es soll damit dasselbe bezeichnet sein, was -durch <em class="gesperrt">Dresdnische Straße</em> bezeichnet sein würde: die Straße, die -von Dresden kommt oder nach Dresden führt. Sowie man den Bindestrich -dazwischensetzt und schreibt: <em class="gesperrt">Dresdner-Straße</em> oder auch in -<em class="gesperrt">einem</em> Worte: <em class="gesperrt">Dresdnerstraße</em>, so kann <em class="gesperrt">Dresdner</em> -nichts andres bedeuten als Leute aus Dresden, es wird Substantiv, oder -vielmehr es bleibt Substantiv, und die Zusammensetzung rückt auf eine -Stufe mit Bildungen wie <em class="gesperrt">Fleischergasse</em>, <em class="gesperrt">Gerbergasse</em>, -<em class="gesperrt">Böttchergasse</em> und andre Gassennamen, die in alter Zeit nach -den Handwerkern genannt worden sind, die auf den Gassen angesessen -waren. Eine <em class="gesperrt">Dresdnerstraße</em> kann also nichts andres bezeichnen -als eine Straße, auf der Dresdner, womöglich lauter Dresdner wohnen, -ein <em class="gesperrt">Potsdamerplatz</em> nur einen Platz, auf dem sich die Potsdamer -zu versammeln pflegen. Wir haben in Leipzig eine <em class="gesperrt">Paulinerkirche</em> -und eine <em class="gesperrt">Wettinerstraße</em>. Das sind richtige Zusammensetzungen, -denn die Paulinerkirche war wirklich die Kirche der Pauliner, -der ehemaligen Dominikaner Leipzigs, und die Wettinerstraße ist -nicht nach dem Städtchen Wettin genannt, wie die <em class="gesperrt">Berliner -Straße</em> nach der Stadt Berlin, sondern nach den Wettinern, dem -sächsischen Herrschergeschlecht.<a id="FNAnker_84" href="#Fussnote_84" class="fnanchor">[84]</a> Aus demselben Grunde ist der -<em class="gesperrt">Wittelsbacherbrunnen</em><span class="pagenum" id="Seite_180">[S. 180]</span> in München eine richtige Zusammensetzung. -Eine <em class="gesperrt">Berliner Versammlung</em> ist eine Versammlung, die in Berlin -stattfindet, eine <em class="gesperrt">Berlinerversammlung</em> eine Versammlung, zu der -lauter Berliner kommen. Die <em class="gesperrt">Herrnhuter Gemeinde</em> ist die Gemeinde -der Stadt <em class="gesperrt">Herrnhut</em>, eine <em class="gesperrt">Herrnhutergemeinde</em> kann in jeder -beliebigen andern Stadt sein.</p> - -<p>Die Verwechslung der adjektivischen und der substantivischen Bedeutung -der von Ortsnamen abgeleiteten Bildungen auf <em class="gesperrt">er</em> grassiert -gegenwärtig in ganz Deutschland und wird von Tag zu Tag ärger. Sie -beschränkt sich keineswegs, wie man wohl gemeint hat, auf die Gassen- -und Straßennamen, sie geht weiter. Schenkwirte, Kaufleute, Buchhändler, -sogar Gelehrte schreiben: <em class="gesperrt">Wienerschnitzel</em>, <em class="gesperrt">Berlinerblau</em>, -<em class="gesperrt">Solenhoferplatten</em>, <em class="gesperrt">Schweizerfabrikanten</em>, -<em class="gesperrt">Tirolerführer</em>, obwohl hier überall der Ortsname als Adjektiv -verstanden werden soll; denn nicht die Tiroler sollen geführt -werden, sondern die Fremden durch Tirol. Ein Wienerschnitzel aber – -entsetzliche Vorstellung! – kann doch nur ein Stück Fleisch bedeuten, -das man von einem Wiener heruntergeschnitten hat.</p> - -<p>Ganz ähnlich wie mit den Bildungen <em class="gesperrt">Leipziger</em>, <em class="gesperrt">Dresdner</em> -verhält sichs mit den von Zahlwörtern abgeleiteten Bildungen auf -<em class="gesperrt">er</em>: <em class="gesperrt">Dreißiger</em>, <em class="gesperrt">Vierziger</em>, <em class="gesperrt">Achtziger</em>. Auch -das sind natürlich zunächst Hauptwörter; wir reden von einem <em class="gesperrt">hohen -Dreißiger</em>, einem <em class="gesperrt">angehenden Vierziger</em> (vgl. <a href="#Seite_67">S. 67</a>). Aber -auch sie können als Adjektiva gefühlt werden; wir sagen: das war in -den <em class="gesperrt">vierziger Jahren</em>, in den <em class="gesperrt">achtziger Jahren</em>. Auch da -aber druckt man neuerdings: in den<span class="pagenum" id="Seite_181">[S. 181]</span> <em class="gesperrt">Vierzigerjahren</em>, in den -<em class="gesperrt">Achtzigerjahren</em>, ein Ölgemälde aus den <em class="gesperrt">Neunzigerjahren</em>, -als ob von menschlichen Lebensaltern und nicht von dem Jahrzehnt eines -Jahrhunderts die Rede wäre!</p> - -<p>Eine andre Spielart der hier behandelten Verwirrung tritt uns in -Ausdrücken entgegen wie: <em class="gesperrt">Gabelsberger Stenographenverein</em>, -<em class="gesperrt">Meggendorfer Blätter</em>, <em class="gesperrt">Nordheimer Schuhwaren</em> (der -Geschäftsinhaber heißt Nordheimer!). Hier werden umgekehrt -wirkliche Substantiva auf <em class="gesperrt">er</em>, und zwar Personennamen, wie -Adjektiva behandelt. Ein <em class="gesperrt">Gabelsberger</em> Stenographenverein – -das klingt wie ein Verein aus Gabelsberg; natürlich soll es ein -<em class="gesperrt">Gabelsbergerscher</em> sein. Die <em class="gesperrt">Meggendorfer</em> Blätter – das -klingt, als erschienen sie in <em class="gesperrt">Meggendorf</em>; natürlich sollen es -<em class="gesperrt">Meggendorfers</em> oder <em class="gesperrt">Meggendorfersche</em> Blätter sein.</p> - -<p>Aber die Verwirrung geht noch weiter. Wie jede Sprachdummheit, wenn -sie einmal losgelassen ist, wie Feuer um sich frißt, so auch die, kein -Gefühl mehr für den adjektivischen Sinn der Bildungen auf <em class="gesperrt">er</em> -zu haben. Nachdem unsre Geschäftsleute aus der <em class="gesperrt">Dresdner Straße</em> -eine <em class="gesperrt">Dresdnerstraße</em> gemacht haben, schrecken sie auch vor dem -weitern Unsinn nicht zurück, die Bildungen auf <em class="gesperrt">isch</em>, über -deren adjektivische Natur doch wahrhaftig kein Zweifel sein kann, mit -<em class="gesperrt">Straße</em> zu <em class="gesperrt">einem</em> Worte zusammenzusetzen; immer häufiger -schreiben sie <em class="gesperrt">Grimmaischestraße</em>, <em class="gesperrt">Hallischestraße</em> -(oder vielmehr <em class="gesperrt">Halleschestraße</em>!), und um das Maß des Unsinns -voll zu machen, nun auch <em class="gesperrt">Langestraße</em>, <em class="gesperrt">Hohestraße</em> und -<em class="gesperrt">Kurzegasse</em>, und wer in einer solchen Gasse wohnt, der wohnt -natürlich nun <em class="gesperrt">in der Langestraße</em>, <em class="gesperrt">in der Hohestraße</em>, -<em class="gesperrt">in der Kurzegasse</em>.<a id="FNAnker_85" href="#Fussnote_85" class="fnanchor">[85]</a> In frühern Jahrhunderten<span class="pagenum" id="Seite_182">[S. 182]</span> war die -Sprache unsers Volks so voll überquellenden Lebens, daß sich in -den Ortsbezeichnungen die <span class="antiqua">casus obliqui</span> in den Nominativ -drängten; daher die zahllosen Ortsnamen, die eigentlich Dative -sind (<em class="gesperrt">Altenburg</em>, <em class="gesperrt">Weißenfels</em>, <em class="gesperrt">Hohenstein</em>, -<em class="gesperrt">Breitenfeld</em>). Heute ist sie so tot und starr, daß der -Nominativ, dieser langweilige, nichtssagende Geselle, die <span class="antiqua">casus -obliqui</span> verdrängt. Man wohnt <em class="gesperrt">in der Breite Gasse</em>,<a id="FNAnker_86" href="#Fussnote_86" class="fnanchor">[86]</a> und -Sommerwohnungen sind <em class="gesperrt">auf Weißer Hirsch</em> bei Dresden zu vermieten!</p> - -<p>Aber selbst damit ist die Verwirrung noch nicht erschöpft. In Leipzig -gibt es auch Ortsbezeichnungen, bei denen einer Örtlichkeit einfach -der Name des Erbauers oder Besitzers im Genitiv vorangestellt ist, -wie <em class="gesperrt">Auerbachs Keller</em>, <em class="gesperrt">Hohmanns Hof</em>, <em class="gesperrt">Löhrs Platz</em>, -<em class="gesperrt">Tscharmanns Haus</em>, <em class="gesperrt">Czermaks Garten</em>. Bis vor wenig Jahren -hat niemand daran gezweifelt, daß alle diese Bezeichnungen aus je -zwei getrennten Wörtern bestehen, so gut wie <em class="gesperrt">Luthers Werke</em>, -<em class="gesperrt">Goethes Mutter</em>, <em class="gesperrt">Schillers Tell</em>. Jetzt fängt man an, auch -hier den Bindestrich dazwischenzuschieben, den Artikel davorzusetzen -und zu schreiben: <em class="gesperrt">im Auerbachs-Keller</em>, <em class="gesperrt">am Löhrs-Platz</em>, -<em class="gesperrt">im Czermaks-Garten</em>. Man denke sich, daß jemand schreiben wollte: -<em class="gesperrt">in den Luthers-Schriften</em>, <em class="gesperrt">bei der Goethes-Mutter</em>, <em class="gesperrt">im -Schillers-Tell</em>!</p> - -<p>Zum guten Teil tragen die Schuld an der grauenvollen Verwirrung, die -hier herrscht, die Firmenschreiber und die Akzidenzdrucker, die ganz -vernarrt in den Bindestrich sind, aber nie wissen, wo er hingehört, -und wo er nicht hingehört, nie wissen, ob sie ein zusammengesetztes -Wort oder zwei Wörter vor sich haben.<a id="FNAnker_87" href="#Fussnote_87" class="fnanchor">[87]</a> Aber nicht sie allein. -Warum lassen sich die Besteller, Behörden wie Privatleute, den Unsinn -gefallen?</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_183">[S. 183]</span></p> - -<h3 id="Fachliche_Bildung_oder_Fachbildung">Fachliche Bildung oder Fachbildung?</h3> - -</div> - -<p>In beängstigender Weise hat in neuerer Zeit die Neigung zugenommen, -statt des Bestimmungswortes einer Zusammensetzung ein Adjektiv zu -setzen, also z. B. statt <em class="gesperrt">Fachbildung</em> zu sagen: <em class="gesperrt">fachliche -Bildung</em>. Sie hat in kurzer Zeit riesige Fortschritte gemacht, -wie sie sich nur daraus erklären lassen, daß diese Ausdrucksweise -jetzt für besonders schön und vornehm gilt. Früher sprach -man von <em class="gesperrt">Staatsvermögen</em>, <em class="gesperrt">Gesellschaftsordnung</em>, -<em class="gesperrt">Rechtsverhältnis</em>, <em class="gesperrt">Kriegsereignissen</em>, -<em class="gesperrt">Junkerregiment</em>, <em class="gesperrt">Soldatenlaufbahn</em>, <em class="gesperrt">Bürgerpflichten</em>, -<em class="gesperrt">Handwerkstraditionen</em>, <em class="gesperrt">Geschäftsverkehr</em>, -<em class="gesperrt">Verlagstätigkeit</em>, <em class="gesperrt">Sonntagsarbeit</em>, -<em class="gesperrt">Kirchennachrichten</em>, <em class="gesperrt">Kultusordnung</em>, <em class="gesperrt">Gewerbeschulen</em>, -<em class="gesperrt">Betriebseinrichtungen</em>, <em class="gesperrt">Bergbauinteressen</em>, -<em class="gesperrt">Forstunterricht</em>, <em class="gesperrt">Steuerfragen</em>, <em class="gesperrt">Fachausdrücken</em>, -<em class="gesperrt">Berufsbildung</em>, <em class="gesperrt">Amtspflichten</em>, <em class="gesperrt">Schöpferkraft</em>, -<em class="gesperrt">Gedankeninhalt</em>, <em class="gesperrt">Körperpflege</em>, <em class="gesperrt">Lautgesetzen</em>, -<em class="gesperrt">Textbeilagen</em>, <em class="gesperrt">Klangwirkungen</em>, <em class="gesperrt">Gesangvorträgen</em>, -<em class="gesperrt">Frauenchören</em>, <em class="gesperrt">Kunstgenüssen</em>, <em class="gesperrt">Turnübungen</em>, -<em class="gesperrt">Studentenaufführungen</em>, <em class="gesperrt">Farbenstimmung</em>, -<em class="gesperrt">Figurenschmuck</em>, <em class="gesperrt">Winterlandschaft</em>, <em class="gesperrt">Pflanzennahrung</em>, -<em class="gesperrt">Abendbeleuchtung</em>, <em class="gesperrt">Nachtgespenstern</em>, -<em class="gesperrt">Regentagen</em>, <em class="gesperrt">Landaufenthalt</em>, <em class="gesperrt">Gartenanlagen</em>, -<em class="gesperrt">Nachbargrundstücken</em>, <em class="gesperrt">Elternhaus</em>, <em class="gesperrt">Endresultat</em> -usw. Jetzt redet man nur noch von staat<em class="gesperrt">lichem</em> Vermögen, -gesellschaft<em class="gesperrt">licher</em> Ordnung, recht<em class="gesperrt">lichem</em> Verhältnis, -krieger<em class="gesperrt">ischen</em> Ereignissen, junker<em class="gesperrt">lichem</em> Regiment, -soldat<em class="gesperrt">ischer</em> Laufbahn, bürger<em class="gesperrt">lichen</em> Pflichten, -handwerk<em class="gesperrt">lichen</em> Traditionen, geschäft<em class="gesperrt">lichem</em> -Verkehr, verleger<em class="gesperrt">ischer</em> Tätigkeit, sonntäg<em class="gesperrt">licher</em> -Arbeit, kirch<em class="gesperrt">lichen</em> Nachrichten, kult<em class="gesperrt">ischer</em> (!) -Ordnung, gewerb<em class="gesperrt">lichen</em> Schulen, betrieb<em class="gesperrt">licher</em> -Einrichtung, bergbau<em class="gesperrt">lichen</em> Interessen, forst<em class="gesperrt">lichem</em> -Unterricht, steuer<em class="gesperrt">lichen</em> Fragen, fach<em class="gesperrt">lichen</em> -Ausdrücken, beruf<em class="gesperrt">licher</em> Bildung, amt<em class="gesperrt">lichen</em> -Pflichten, schöpfer<em class="gesperrt">ischer</em> Kraft, gedank<em class="gesperrt">lichem</em> -Inhalt, körper<em class="gesperrt">licher</em> Pflege, laut<em class="gesperrt">lichen</em> Gesetzen, -text<em class="gesperrt">lichen</em> Beilagen, klang<em class="gesperrt">lichen</em> Wirkungen, -gesang<em class="gesperrt">lichen</em> Vorträgen, weib<em class="gesperrt">lichen</em> (!) Chören, -künstler<em class="gesperrt">ischen</em> Genüssen, turner<em class="gesperrt">ischen</em> Übungen,<span class="pagenum" id="Seite_184">[S. 184]</span> -student<em class="gesperrt">ischen</em> Aufführungen, farb<em class="gesperrt">licher</em> Stimmung, -figür<em class="gesperrt">lichem</em> Schmuck, winter<em class="gesperrt">licher</em> Landschaft, -pflanz<em class="gesperrt">licher</em> Nahrung, abend<em class="gesperrt">licher</em> Beleuchtung, -nächt<em class="gesperrt">lichen</em> Gespenstern, regner<em class="gesperrt">ischen</em> Tagen, -länd<em class="gesperrt">lichem</em> Aufenthalt, gärtner<em class="gesperrt">ischen</em> Anlagen, -nachbar<em class="gesperrt">lichen</em> Grundstücken, dem elter<em class="gesperrt">lichen</em> Hause, -dem end<em class="gesperrt">lichen</em> (!) Resultat usw. Eine von Offizieren gerittne -Quadrille wird als <em class="gesperrt">reiterliche</em> (!) <em class="gesperrt">Darbietung</em> -gepriesen; statt, wie früher, vernünftige Zusammensetzungen mit -<em class="gesperrt">Volk</em> zu bilden, quält man sich ab, auch davon Adjektiva zu -bilden (die einen sagen <em class="gesperrt">volklich</em>, die andern <em class="gesperrt">völkisch</em>), -die „Pädagogen“ reden sogar von <em class="gesperrt">schulischen</em> Verhältnissen -und unterricht<em class="gesperrt">licher</em> Methode, und in Schulprogrammen -kann man lesen, nicht als schlechten Witz, sondern in vollem -Ernste, daß Herr Kand. X im verflossenen Jahre mit der Schule „in -unterricht<em class="gesperrt">lichem</em> Zusammenhange gestanden“ habe.<a id="FNAnker_88" href="#Fussnote_88" class="fnanchor">[88]</a> Aber auch -da, wo man früher den Genitiv eines Hauptwortes oder eine Präposition -mit einem Hauptwort oder – ein einfaches Wort setzte, drängen sich -jetzt überall diese abgeschmackten Adjektiva ein; man redet von -kronprinz<em class="gesperrt">lichen</em> Kindern, behörd<em class="gesperrt">licher</em> Genehmigung, -erzieh<em class="gesperrt">lichen</em> Aufgaben, gedank<em class="gesperrt">licher</em> Großartigkeit, -gegner<em class="gesperrt">ischen</em> Vorschlägen, zeichner<em class="gesperrt">ischen</em> Mitteln, einer -buchhändler<em class="gesperrt">ischen</em> Verkehrsordnung, gesetzgeber<em class="gesperrt">ischen</em> -Fragen, erstinstanz<em class="gesperrt">lichen</em> (!) Urteilen, stecher<em class="gesperrt">ischer</em> -Technik, gemischtchör<em class="gesperrt">igen</em> Quartetten, stimm<em class="gesperrt">licher</em> -Begabung, text<em class="gesperrt">lichem</em> Inhalt, bau<em class="gesperrt">licher</em> Umgestaltung, -seelsorger<em class="gesperrt">ischer</em> Tätigkeit, wo man früher Kinder des -<em class="gesperrt">Kronprinzen</em>, Genehmigung <em class="gesperrt">der Behörden</em>, Aufgaben -<em class="gesperrt">der Erziehung</em>, Großartigkeit <em class="gesperrt">der Gedanken</em>, Vorschläge -<em class="gesperrt">des Gegners</em>, Mittel <em class="gesperrt">der Zeichnung</em>, Verkehrsordnung -<em class="gesperrt">des Buchhandels</em>, Fragen <em class="gesperrt">der Gesetzgebung</em>, Urteile -der <em class="gesperrt">ersten Instanz</em>, Technik <em class="gesperrt">des Stechers</em>, Quartette -<em class="gesperrt">für gemischten Chor, Stimme, Text,<span class="pagenum" id="Seite_185">[S. 185]</span> Umbau, Seelsorge</em> sagte. -Ein Choralbuch wurde früher zum <em class="gesperrt">Hausgebrauch</em> herausgegeben, -jetzt zum <em class="gesperrt">häuslichen</em> Gebrauch; eine Bildersammlung hatte -früher Wert <em class="gesperrt">für die Kostümkunde</em> oder <em class="gesperrt">Kunstwert</em> -oder <em class="gesperrt">Altertumswert</em>, jetzt kostüm<em class="gesperrt">lichen</em> (!), -künstler<em class="gesperrt">ischen</em> oder altertüm<em class="gesperrt">lichen</em> (!) Wert. Die -Sprachwissenschaft redete früher von dem <em class="gesperrt">Lautleben</em> der Sprache -und vom <em class="gesperrt">Lautwandel</em>, jetzt nur noch von dem laut<em class="gesperrt">lichen</em> -Leben und dem laut<em class="gesperrt">lichen</em> (!) Wandel; die Ärzte sprachen sonst -von Herztönen <em class="gesperrt">des Kindes</em> und von <em class="gesperrt">Gewebe</em>veränderungen, -unsre heutigen medizinischen Journalisten schwatzen von -kind<em class="gesperrt">lichen</em> (!) Herztönen<a id="FNAnker_89" href="#Fussnote_89" class="fnanchor">[89]</a> und geweb<em class="gesperrt">lichen</em> (!) -Veränderungen. Auch Fremdwörter mit fremden Adjektivendungen werden -mit in die alberne Mode hineingezogen; schon heißt es nicht mehr: -<em class="gesperrt">Stilübungen</em>, <em class="gesperrt">Religionsfreiheit</em>, <em class="gesperrt">Kulturaufgabe</em> und -<em class="gesperrt">Kulturfortschritt</em>, <em class="gesperrt">Maschinenbetrieb</em>, <em class="gesperrt">Finanzlage</em>, -<em class="gesperrt">Inselvolk</em>, <em class="gesperrt">Kolonieleitung</em>, <em class="gesperrt">Artilleriegeschosse</em>, -<em class="gesperrt">Infanteriegefechte</em>, <em class="gesperrt">Theaterfragen</em>, <em class="gesperrt">Solo</em>-, -<em class="gesperrt">Chor</em>- und <em class="gesperrt">Orchester</em>kräfte, sondern stilist<em class="gesperrt">ische</em> -Übungen, religi<em class="gesperrt">öse</em> Freiheit, kultur<em class="gesperrt">elles</em> Problem und -kultur<em class="gesperrt">eller</em> Fortschritt (scheußlich!), maschin<em class="gesperrt">eller</em> -Betrieb (scheußlich!), finanzi<em class="gesperrt">elle</em> Lage, insu<em class="gesperrt">lares</em> -Volk, koloni<em class="gesperrt">ale</em> Leitung, artiller<em class="gesperrt">istische</em> Geschosse, -infanter<em class="gesperrt">istische</em> Gefechte (alle Wörter auf <em class="gesperrt">istisch</em> -klingen ja äußerst gelehrt und vornehm), solist<em class="gesperrt">ische</em>, -chor<em class="gesperrt">istische</em> und orchest<em class="gesperrt">rale</em> Kräfte. Auch von -<em class="gesperrt">Alpenflora</em> wird nicht mehr gesprochen, sondern nur noch von -alp<em class="gesperrt">iner</em> (!) Flora. Am Ende kommts noch dahin, daß einer erzählt, -er habe in einer alp<em class="gesperrt">inen</em> Hütte in sommer<em class="gesperrt">lichen</em> Hosen sein -abend<em class="gesperrt">liches</em> Brot nebst einem wurst<em class="gesperrt">lichen</em> Zipfel verzehrt.</p> - -<p>Was soll die Neuerung? Soll sie der Kürze dienen? Einige der -angeführten Beispiele scheinen dafür zu sprechen. Aber die Mehrzahl -spricht doch dagegen; man könnte eher meinen, sie solle den Ausdruck -verbreitern, ein Bestreben, das sich jetzt ja auch in vielen -andern Spracherscheinungen<span class="pagenum" id="Seite_186">[S. 186]</span> zeigt. Man fragt vergebens nach einem -vernünftigen Grunde, durch den sich diese Vorliebe für alle möglichen -und unmöglichen Adjektivbildungen erklären ließe: es ist nichts -als eine dumme Mode. Wenn so etwas in der Luft liegt, so steckt es -heute hier, morgen da an; ob das Neugeschaffne nötig, richtig, schön -sei, danach fragt niemand, wenns nur neu ist! Um der Neuheit willen -schlägt man sogar gelegentlich einmal den entgegengesetzten Weg ein. -Da es bis jetzt <em class="gesperrt">silberne Hochzeit</em> geheißen hat, so finden sich -natürlich nun Narren, die mit Vorliebe von <em class="gesperrt">Silberhochzeit</em> -reden. Dazu gehört natürlich nun auch ein <em class="gesperrt">Silberpaar</em>: der -Bürgermeister schloß mit einem Hoch auf das <em class="gesperrt">Silberpaar</em>.<a id="FNAnker_90" href="#Fussnote_90" class="fnanchor">[90]</a> -In einer Lebensbeschreibung Bismarcks ist gleich das erste Kapitel -überschrieben: Unter dem Zeichen des <em class="gesperrt">Eisenkreuzes</em>. Also aus dem -geschichtlichen <em class="gesperrt">Eisernen Kreuz</em>, das doch für jeden unantastbar -sein sollte, wird ein <em class="gesperrt">Eisenkreuz</em> gemacht – aus bloßer dummer -Neuerungssucht.</p> - -<p>Die Adjektiva auf <em class="gesperrt">lich</em> bedeuten eine Ähnlichkeit; <em class="gesperrt">lich</em> -ist dasselbe wie <em class="gesperrt">Leiche</em>, es bedeutet den Leib, die Gestalt; -daher auch das Adjektivum <em class="gesperrt">gleich</em>, d. i. <em class="gesperrt">geleich</em>, -was dieselbe Gestalt hat. <em class="gesperrt">Königlich</em> ist, was die Gestalt, -die Art oder das Wesen eines Königs hat. Will man nun das mit den -kronprinz<em class="gesperrt">lichen</em> Kindern sagen? Gewiß nicht. Man meint doch die -Kinder des Kronprinzen, und nicht bloß kronprinzenartige Kinder. Was -kann eine Arbeit sonntägliches haben? eine Bewegung körperliches? -eine Wirkung farbliches? eine Pflicht bürgerliches? ein Herzton -kindliches? eine Frage<span class="pagenum" id="Seite_187">[S. 187]</span> theatralisches? Gemeint ist doch wirklich die -Arbeit am Sonntage, die Bewegung des Körpers, die Wirkung der Farben -usw.<a id="FNAnker_91" href="#Fussnote_91" class="fnanchor">[91]</a> Und hat man denn gar kein Ohr für die Häßlichkeit vieler -dieser neugeschaffnen Adjektiva (<em class="gesperrt">fachlich</em>, <em class="gesperrt">beruflich</em>, -<em class="gesperrt">volklich</em>, <em class="gesperrt">farblich</em>, <em class="gesperrt">klanglich</em>, <em class="gesperrt">stimmlich</em>, -<em class="gesperrt">forstlich</em>, <em class="gesperrt">pflanzlich</em>, <em class="gesperrt">prinzlich</em>, -<em class="gesperrt">erziehlich</em>)?</p> - -<p>Hie und da mag ja ein Grund für die Neubildung zu entdecken sein. -So mag zwischen <em class="gesperrt">Regentagen</em> und <em class="gesperrt">regnerischen</em> Tagen -ein Unterschied sein: an Regentagen regnets vielleicht von früh -bis zum Abend, an regnerischen (früher: <em class="gesperrt">regnichten</em>) Tagen -mit Unterbrechungen. Der Chordirektor, der zuerst von einem -Terzett für <em class="gesperrt">weibliche Stimmen</em> anstatt von einem Terzett für -<em class="gesperrt">Frauenstimmen</em> gesprochen hat, hatte sich vielleicht überlegt, -daß unter den Sängerinnen auch junge Mädchen sein könnten. Und der -Ratsgärtner, der seiner Behörde zuerst einen Plan zu <em class="gesperrt">gärtnerischen -Anlagen</em> am Theater vorlegte, hatte wohl daran gedacht, daß -ein eigentlicher Garten, d. h. eine von einem Zaun oder Geländer -umschlossene Anpflanzung nicht geschaffen werden sollte. Aber -bedeutet denn <em class="gesperrt">Frau</em>, wo sichs um die bloße Gegenüberstellung -der Geschlechter handelt, nicht auch das Mädchen? Kann sich wirklich -ein junges Mädchen beleidigt fühlen, wenn es aufgefordert wird, -einen <em class="gesperrt">Frauenchor</em> mitzusingen?<a id="FNAnker_92" href="#Fussnote_92" class="fnanchor">[92]</a> Und können denn nicht -<em class="gesperrt">Gartenanlagen</em> auch Anlagen<span class="pagenum" id="Seite_188">[S. 188]</span> sein, <em class="gesperrt">wie</em> sie in einem Garten -sind? müssen sie immer <em class="gesperrt">in</em> einem Garten sein? <em class="gesperrt">Gärtnerische</em> -Anlagen möchte man einem Jungen wünschen, der Lust hätte, Gärtner zu -werden, wiewohl es auch dann noch besser wäre, wenn er Anlagen <em class="gesperrt">zum -Gärtner</em> hätte. Nun vollends von <em class="gesperrt">gärtnerischen</em> Arbeiten zu -reden statt von <em class="gesperrt">Garten</em>arbeiten (die Rekonvaleszenten der Anstalt -werden mit <em class="gesperrt">gärtnerischen Arbeiten</em> beschäftigt), ist doch die -reine Narrheit.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Erstauffuehrung">Erstaufführung</h3> - -</div> - -<p>Ein Gegenstück zu dem <em class="gesperrt">fachlichen Unterricht</em> bilden die schönen -neumodischen Zusammensetzungen, mit denen man sich jetzt spreizt, wie: -<em class="gesperrt">Fremdsprache</em>, <em class="gesperrt">Fremdkörper</em> und <em class="gesperrt">Falschstück</em> (ein -gefälschtes Geldstück!), <em class="gesperrt">Neuauflage</em>, <em class="gesperrt">Neuerscheinung</em> -und <em class="gesperrt">Neuerwerbung</em> (die <em class="gesperrt">Neuerscheinungen</em> des -Buchhandels und die <em class="gesperrt">Neuerwerbungen</em> der Berliner -Galerie), <em class="gesperrt">Neuerkrankung</em> und <em class="gesperrt">Leichtverwundung</em>, -<em class="gesperrt">Deutschunterricht</em>, <em class="gesperrt">Deutschbewußtsein</em> und -<em class="gesperrt">Deutschgefühl</em>, <em class="gesperrt">Erstaufführung</em>, <em class="gesperrt">Erstausgabe</em> und -<em class="gesperrt">Erstdruck</em>, <em class="gesperrt">Jüngstvergangenheit</em>, <em class="gesperrt">Einzelfall</em>, -<em class="gesperrt">Einzelpersönlichkeit</em> und <em class="gesperrt">Allgemeingesang</em>, -<em class="gesperrt">Mindestmaß</em>, <em class="gesperrt">Mindestpreis</em> und <em class="gesperrt">Mindestgehalt</em>, -<em class="gesperrt">Höchstmaß</em>, <em class="gesperrt">Höchstpreis</em>, <em class="gesperrt">Höchstgehalt</em>, -<em class="gesperrt">Höchstarbeitszeit</em> und – <em class="gesperrt">Höchststundenzahl</em>! Hier leimt -man also einen Adjektivstamm vor das Hauptwort, statt einfach zu sagen: -<em class="gesperrt">fremder Körper</em>, <em class="gesperrt">neue Auflage</em>, <em class="gesperrt">einzelner Fall</em>, -<em class="gesperrt">erste Aufführung</em>, <em class="gesperrt">allgemeiner Gesang</em>, <em class="gesperrt">höchste -Stundenzahl</em> usw.</p> - -<p>Worin liegt das Abgeschmackte solcher Zusammensetzungen? gibt es -nicht längst, ja zum Teil schon seit sehr alter Zeit ähnliche -Wörter, an denen niemand Anstoß nimmt? Gewiß gibt es die, sogar in -großer Fülle. Man denke nur an: <em class="gesperrt">Fremdwort</em>, <em class="gesperrt">Edelstein</em>, -<em class="gesperrt">Schwerspat</em>, <em class="gesperrt">Braunkohle</em>, <em class="gesperrt">Neumond</em>, <em class="gesperrt">Weißwein</em>, -<em class="gesperrt">Kaltschale</em>, <em class="gesperrt">Süßwasser</em>, <em class="gesperrt">Sauerkraut</em>, -<em class="gesperrt">Buntfeuer</em>, <em class="gesperrt">Kurzwaren</em>, <em class="gesperrt">Hohlspiegel</em>, -<em class="gesperrt">Hartgummi</em>, <em class="gesperrt">Trockenplatte</em>, <em class="gesperrt">Schnellzug</em>, -<em class="gesperrt">Glatteis</em>, <em class="gesperrt">Rotkehlchen</em>, <em class="gesperrt">Grünschnabel</em>, -<em class="gesperrt">Freischule</em>, <em class="gesperrt">Vollmacht</em>, <em class="gesperrt">Hochverrat</em>, -<em class="gesperrt">Eigennutz</em>, <em class="gesperrt">Halbbruder</em>, <em class="gesperrt">Breitkopf</em>, -<em class="gesperrt">Rothschild</em>,<span class="pagenum" id="Seite_189">[S. 189]</span> <em class="gesperrt">Warmbrunn</em> und viele andre. Was ist aber das -Eigentümliche solcher Zusammensetzungen? Es sind meist Fachausdrücke -oder Kunstausdrücke aus irgendeinem Gebiete des geistigen Lebens, aus -dem Handel, aus irgendeinem Gewerbe, einer Kunst, einer Wissenschaft, -aus der Rechtspflege, oder es sind – Eigennamen.<a id="FNAnker_93" href="#Fussnote_93" class="fnanchor">[93]</a> Nun stecken aber -dem Deutschen zwei Narrheiten tief im Blute: erstens, sich womöglich -immer auf irgendein Fach hinauszuspielen, mit Fachausdrücken um sich zu -werfen, jeden Quark anscheinend zum Fachausdruck zu stempeln; zweitens, -sich immer den Anschein zu geben, als ob man die Fachausdrücke aller -Fächer und folglich die Fächer auch selbst verstünde. Wenn es ein -paar Buchhändlern beliebt, plötzlich von <em class="gesperrt">Neuauflagen</em> zu reden, -so denkt der junge Privatdozent: aha! <em class="gesperrt">Neuauflage</em> – schöner -neuer Terminus des Buchhandels, will ich mir merken und bei der -nächsten Gelegenheit anbringen. Der Professor der Augenheilkunde nennt -wahrscheinlich ein Eisensplitterchen, das einem ins Auge geflogen ist, -einen <em class="gesperrt">Fremdkörper</em>. Da läßt es dem Geschichtsprofessor keine -Ruhe, er muß doch zeigen, daß er das auch weiß, und so erzählt er denn -bei der nächsten Gelegenheit: die Germanen waren ein <em class="gesperrt">Fremdkörper</em> -im römischen Reiche. Und wenn er Wirtschaftsgeschichte schreibt, dann -redet er nicht von den <em class="gesperrt">fremden Kaufleuten</em>, die ins Land gekommen -seien, sondern von den <em class="gesperrt">Fremdkaufleuten</em>! Wie gelehrt das klingt! -Der gewöhnliche Mensch lernt in der Schule, <em class="gesperrt">Evangelium</em> heiße auf -deutsch: <em class="gesperrt">frohe Botschaft</em>. Der Theolog aber sagt dafür neuerdings -<em class="gesperrt">Frohbotschaft</em>! Wie gelehrt das klingt! Der gewöhnliche Mensch -sehnt sich nach <em class="gesperrt">frischer Luft</em>. Wenn aber ein Techniker eine -Ventilationsanlage macht, so beseitigt er die <em class="gesperrt">Abluft</em> (!) und -sorgt für <em class="gesperrt">Frischluft</em>! Im gewöhnlichen Leben spricht man von -einem <em class="gesperrt">großen Feuer</em>. Das kann aber doch die Feuerwehr nicht tun; -so gut wie sie ihre Spritzen und ihre Helme hat, muß sie auch<span class="pagenum" id="Seite_190">[S. 190]</span> ihre -Wörter haben. Der „Branddirektor“ kennt also nur <em class="gesperrt">Großfeuer</em>. -Sobald das aber der Philister weggekriegt hat, sagt er natürlich -auch am Biertisch: Bitte, meine Herren, sehen Sie mal hinaus, da muß -ein <em class="gesperrt">Großfeuer</em> sein, und der Zeitungschreiber berichtet: Diese -Nacht wurde das Gut des Gutsbesitzers Sch. durch ein <em class="gesperrt">Großfeuer</em> -eingeäschert. So bilden sich denn auch die gewerbsmäßigen -Theaterschreiber ein, mit <em class="gesperrt">Erstaufführung</em> den Begriff der -<em class="gesperrt">ersten Aufführung</em> aus der gewöhnlichen Alltagssprache in die -vornehme Region der Fachbegriffe gehoben zu haben. In Wahrheit ist es -weiter nichts als eine schlechte Übersetzung von <em class="gesperrt">Premiere</em>,<a id="FNAnker_94" href="#Fussnote_94" class="fnanchor">[94]</a> -wie alle die wahrhaft greulichen Zusammensetzungen mit <em class="gesperrt">Höchst</em> -und <em class="gesperrt">Mindest</em> nichts als schlechte Übersetzungen von Wörtern -mit <em class="gesperrt">Maximal</em> und <em class="gesperrt">Minimal</em> sind. Für solches Deutsch -doch lieber keins! Der Katarrh hat den <em class="gesperrt">höchsten Stand</em> -überschritten – das klänge ja ganz laienhaft; den <em class="gesperrt">Höchststand</em> -– das klingt fachmännisch. Wenn aber bei einer Epidemie Ärzte und -Zeitungen berichten, daß an einem Tage hundert <em class="gesperrt">Neuerkrankungen</em> -vorgekommen seien, so kann das geradezu zu Mißverständnissen führen. -Eine <em class="gesperrt">Neuerkrankung</em> würde ich es nennen, wenn jemand, der krank -gewesen und wieder gesund geworden ist, von neuem erkrankt, ebenso wie -eine <em class="gesperrt">Neuordnung</em> voraussetzt, daß die Dinge schon vorher geordnet -gewesen seien. <em class="gesperrt">Erstausgabe!</em> Es ist so unsäglich häßlich; aber -der große Haufe ist ganz versessen auf solche Narrheiten.</p> - -<p>Besonders beliebt ist jetzt der <em class="gesperrt">Altmeister</em>, und eine Zeit lang -war es auch der <em class="gesperrt">Altreichskanzler</em>. Hier ist aber zweierlei zu -unterscheiden. Der <em class="gesperrt">Altreichskanzler</em> stammte aus Süddeutschland -und der Schweiz, wo man den alten, d. h. den ehemaligen, aus dem Amte -geschiednen (<span class="antiqua">ancien</span>) so bezeichnete, und wo man z. B. auch vom -<em class="gesperrt">Altbürgermeister</em> spricht (bei Schiller: <em class="gesperrt">Altlandammann</em>). -<em class="gesperrt">Altmeister</em> dagegen bedeutet wie <em class="gesperrt">Altgesell</em> nicht den -ehemaligen, sondern den ältesten, d. h.<span class="pagenum" id="Seite_191">[S. 191]</span> bejahrtesten unter den -vorhandnen Meistern und Gesellen. Man konnte also wohl Franz Liszt, -solange er lebte, den <em class="gesperrt">Altmeister</em> der deutschen Musik nennen, -aber Johann Sebastian Bach einen <em class="gesperrt">Altmeister</em> zu nennen, wie -es unter den Musikschwätzern jetzt Mode ist, ist Unsinn. Bach ist -ein Meister der alten Zeit, der Vergangenheit; das ist aber ein -<em class="gesperrt">alter Meister</em>, kein <em class="gesperrt">Altmeister</em>. Sehr beliebt sind jetzt -auch Zusammensetzungen wie <em class="gesperrt">Altleipzig</em>, <em class="gesperrt">Altweimar</em>, -<em class="gesperrt">Altheidelberg</em>. Sie haben einen poetischen Beigeschmack, wie man -sofort fühlt, wenn man an <em class="gesperrt">jung Siegfried, jung Roland</em> denkt. -Wie abgeschmackt also, von einem <em class="gesperrt">Junggoethedenkmal</em>, einem -<em class="gesperrt">Jungwilhelmdenkmal</em>, einem <em class="gesperrt">Jungbismarckdenkmal</em> zu reden! -Zu einem logischen Verstoß führen überdies gewisse Zusammensetzungen, -mit denen sich jetzt die Kunstgewerbegelehrten spreizen: <em class="gesperrt">Altmeißner -Porzellan, Altthüringer Porzellan</em>. Denn nicht darauf kommt es an, -daß das Porzellan aus <em class="gesperrt">Altmeißen</em> ist, sondern nur darauf, daß es -aus <em class="gesperrt">Meißen</em> ist, aber <em class="gesperrt">altes</em> Porzellan aus Meißen! Mancher -wird das für Haarspalterei halten, es ist aber ein großer Unterschied.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Sedantag_und_Chinakrieg">Sedantag und Chinakrieg</h3> - -</div> - -<p>Noch überboten an Geschmacklosigkeit werden Zusammensetzungen wie -<em class="gesperrt">Erstaufführung</em> durch die Roheit, mit der man jetzt Eigennamen -(Ortsnamen und noch öfter Personennamen) vor ein Hauptwort leimt, -anstatt aus dem Namen ein Adjektiv zu bilden.</p> - -<p>Die Herkunft einer Sache wurde sonst nie anders bezeichnet als -durch ein von einem Städte- oder Ländernamen gebildetes Adjektiv -oder durch eine Präposition mit dem Namen, z. B.: <em class="gesperrt">sizilische -Märchen</em>, <em class="gesperrt">bengalisches Feuer</em>, <em class="gesperrt">Kölnisches Wasser</em>, -<em class="gesperrt">Berliner Weißbier</em>, <em class="gesperrt">Emser Kränchen</em>, <em class="gesperrt">Dessauer -Marsch</em>, <em class="gesperrt">Motiv aus Capri</em>, <em class="gesperrt">Karte von Europa</em>. Jetzt -redet man aber von <em class="gesperrt">Japanwaren</em>, einer <em class="gesperrt">Chinaausstellung</em>, -<em class="gesperrt">Smyrnateppichen</em>, <em class="gesperrt">Olympiametopen</em>, <em class="gesperrt">Samosausbruch</em>, -<em class="gesperrt">Neapelmotiven</em>, <em class="gesperrt">Romplänen</em> (das sollen Stadtpläne -von Rom sein!), einem <em class="gesperrt">Leipzig-Elbe-Kanal</em> und einer -<em class="gesperrt">Holland-Amerika-Linie</em>.<span class="pagenum" id="Seite_192">[S. 192]</span> Wenn solche Zusammenleimungen auch zu -entschuldigen sein mögen bei Namen, von denen man sich kein Adjektiv -zu bilden getraut, wie <em class="gesperrt">Bordeauxwein</em>, <em class="gesperrt">Jamaikarum</em>, -<em class="gesperrt">Havannazigarren</em>, <em class="gesperrt">Angoraziege</em>, <em class="gesperrt">Chesterkäse</em>, -<em class="gesperrt">Panamahut</em>, <em class="gesperrt">Suezkanal</em>, <em class="gesperrt">Sedantag</em> (in Leipzig -<em class="gesperrt">Seedangtag</em> gesprochen), so ließe sich doch schon eine Bildung -wie <em class="gesperrt">Maltakartoffeln</em> vermeiden, denn niemand spricht von einem -<em class="gesperrt">Maltakreuz</em> oder <em class="gesperrt">Maltarittern</em>. Oder klingt <em class="gesperrt">Malteser</em> -für Kartoffeln zu vornehm? Auch das <em class="gesperrt">Selterser Wasser</em>, wie man -es richtig nannte, als es bekannt wurde, hätte man getrost beibehalten -können und nicht in <em class="gesperrt">Selterswasser</em> (oder gar <em class="gesperrt">Selterwasser</em>! -es ist nach dem nassauischen Dorfe Nieder-<em class="gesperrt">Selters</em> genannt) -umzutaufen brauchen. Aber ganz überflüssig sind doch die angeführten -Neubildungen, denn das Adjektiv <em class="gesperrt">japanisch</em> (oder meinetwegen -<em class="gesperrt">japanesisch</em>!) ist doch wohl allbekannt, jeder Archäolog oder -Kunsthistoriker kennt auch das Adjektiv <em class="gesperrt">olympisch</em>, auch von -<em class="gesperrt">samischem</em> Wein hat man früher lange genug gesprochen, und -auch von <em class="gesperrt">Leipzig</em> und von <em class="gesperrt">Holland</em> wird man sich doch -wohl noch Adjektiva zu bilden getrauen? <em class="gesperrt">Leipzig-Elbe-Kanal</em>! -Es ist ja fürchterlich! Einen Städtenamen so vor einen Flußnamen -zu leimen, der selber nur angeleimt ist! Vor fünfzig Jahren hätte -jeder zehnjährige Junge auf die Frage: wie nennt man einen Kanal, -der von Leipzig nach der Elbe führen soll? richtig geantwortet: -<em class="gesperrt">Leipziger Elbkanal</em>; wie nennt man eine Dampferlinie zwischen -Holland und Amerika? <em class="gesperrt">Holländisch-amerikanische Linie</em>. Und -warum nicht: <em class="gesperrt">Smyrnaer Teppiche</em>? Sagt man doch: <em class="gesperrt">Geraer -Kleiderstoffe</em>. Sachkenner behaupten, die echten nenne man auch so; -nur die unechten, in smyrnischer Technik in Deutschland angefertigten -nenne man <em class="gesperrt">Smyrnateppiche</em>. Mag sein. Aber warum nicht: <em class="gesperrt">Motive -aus Neapel? Japanwaren, Neapelmotive</em> – wer verfällt nur auf -so etwas! Man denke sich, daß jemand <em class="gesperrt">Italienwaren</em> zum Kauf -anbieten oder von <em class="gesperrt">Romruinen</em> reden wollte! Ein Wunder, daß -noch niemand darauf gekommen ist, den <em class="gesperrt">Cyperwein</em> und die -<em class="gesperrt">Cyperkatze</em><span class="pagenum" id="Seite_193">[S. 193]</span> in <em class="gesperrt">Cypernwein</em> und <em class="gesperrt">Cypernkatze</em> -umzutaufen. Die Insel heißt doch <em class="gesperrt">Cypern</em>! Jawohl, aber der -Stamm heißt <em class="gesperrt">Cyper</em> – das ist so gut wie ein Adjektiv, und der -ist zum Glück den plumpen Fäusten unsrer Sprachneuerer bis jetzt -noch entgangen. Die <em class="gesperrt">Italienreisenden</em> haben wir freilich auch, -wie die <em class="gesperrt">Schweizreisenden</em> und die <em class="gesperrt">Afrikareisenden</em> und -neuerdings die <em class="gesperrt">Weimarpilger</em> und den <em class="gesperrt">Chinakrieg</em>. Schön -sind die auch nicht (zu Goethes und Schillers Zeit sprach man von -<em class="gesperrt">italienischen</em>, <em class="gesperrt">Schweizer</em> und <em class="gesperrt">afrikanischen</em> -Reisenden), aber man läßt sie sich zur Not gefallen; der Ortsname -bezeichnet da nicht den Ursprung, die Herkunft, sondern das Land, -auf das sich die Tätigkeit des Reisenden erstreckt. Im allgemeinen -aber kann doch das Bestimmungswort eines zusammengesetzten Wortes -nur ein Appellativ, kein Eigenname sein. Von <em class="gesperrt">Eisenwaren</em>, -<em class="gesperrt">Sandsteinmetopen</em>, <em class="gesperrt">Stadtplänen</em>, <em class="gesperrt">Fluß-</em> und -<em class="gesperrt">Waldmotiven</em> kann man reden, aber nicht von <em class="gesperrt">Japanwaren</em>, -<em class="gesperrt">Olympiametopen</em>, <em class="gesperrt">Romplänen</em> und <em class="gesperrt">Neapelmotiven</em>. Das -ist nicht mehr gesprochen, es ist gestammelt.</p> - -<p>Gestammelt? O nein, es ist ja das schönste Englisch! Der Engländer sagt -ja: <span class="antiqua">the India house</span>, <span class="antiqua">the Oxford Chaucer</span> (das soll heißen: -die Oxforder Ausgabe von Chaucers Werken), <span class="antiqua">the Meier Madonna</span>; -das muß natürlich wieder nachgeplärrt werden. Wir kommen schon auch -noch dahin, daß wir die Weimarische Ausgabe von Goethes Werken den -<em class="gesperrt">Weimar-Goethe</em> nennen oder gar den <em class="gesperrt">Weimar Goethe</em> (ohne -Bindestrich).</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Shakespearedramen">Shakespearedramen, Menzelbilder und -Bismarckbeleidigungen</h3> - -</div> - -<p>Das wäre nicht möglich? Wir haben ja den Unsinn schon! Wird nicht -täglich von Gastwirten <em class="gesperrt">Tucher Bier</em> (so!) empfohlen? Und das soll -Bier aus der Freiherrl. Tucherschen Brauerei in Nürnberg sein!</p> - -<p>Auch Personennamen können nur dann das Bestimmungswort einer -Zusammensetzung bilden, wenn der Begriff ganz äußerlich und lose zu -der Person in Beziehung steht, aber nicht, wenn das Eigentum, die<span class="pagenum" id="Seite_194">[S. 194]</span> -Herkunft, der Ursprung oder eine sonstige engere Beziehung bezeichnet -werden soll; das ist in anständigem Deutsch früher stets durch den -Genitiv<a id="FNAnker_95" href="#Fussnote_95" class="fnanchor">[95]</a> oder ein von dem Personennamen gebildetes Adjektiv -geschehen.</p> - -<p>Wenn, wie es in den letzten Jahrzehnten tausendfach vorgekommen ist, -neue Straßen und Plätze großen Männern zu Ehren getauft und dabei kurz -<em class="gesperrt">Goethestraße</em> oder <em class="gesperrt">Blücherplatz</em> benannt worden sind, so -ist dagegen grammatisch nichts einzuwenden. Auch eine Stiftung, die zu -Ehren eines verdienten Bürgers namens Schumann durch eine Geldsammlung -geschaffen worden ist, mag man getrost eine <em class="gesperrt">Schumannstiftung</em> -nennen, ebenso Gesellschaften und Vereine, die das Studium der -Geisteswerke großer Männer pflegen, <em class="gesperrt">Goethegesellschaft</em> oder -<em class="gesperrt">Bachverein</em>; auch <em class="gesperrt">Beethovenkonzert</em> und <em class="gesperrt">Mozartabend</em> -sind richtig gebildet, wenn sie ein Konzert und einen Abend bezeichnen -sollen, wo nur Werke von Beethoven oder Mozart aufgeführt werden. -Auch die <em class="gesperrt">Schillerhäuser</em> läßt man sich noch gefallen, denn -man meint damit nicht Häuser, die Schillers Eigentum gewesen wären, -sondern Häuser, in denen er einmal gewohnt, verkehrt, gedichtet hat, -und die nur zu seinem Gedächtnis so genannt werden. Bedenklicher -sind schon die <em class="gesperrt">Goethedenkmäler</em>, denn die beziehen sich doch -nicht bloß auf Goethe, sondern stellen ihn wirklich und leibhaftig -dar; noch in den dreißiger und vierziger Jahren des neunzehnten -Jahrhunderts hätte sich niemand so auszudrücken gewagt, da sprach man -in Leipzig nur von <em class="gesperrt">Bachs Denkmal</em>, von <em class="gesperrt">Gellerts Denkmal</em>. -Sind einmal die <em class="gesperrt">Goethedenkmäler</em> richtig, dann sind es auch -die <em class="gesperrt">Goethebildnisse</em>, dann ist es auch die <em class="gesperrt">Goethebüste</em>, -der <em class="gesperrt">Goethekopf</em> und – die <em class="gesperrt">Goethebiographie</em>. Nun aber -das <em class="gesperrt">Goethehaus</em> auf dem Frauenplan in Weimar und die Weimarer -<em class="gesperrt">Goetheausgabe</em> – da meint man doch wirklich Goethes Haus und -die Gesamtausgabe von Goethes Werken. Etwas andres ist es mit einer -<em class="gesperrt">Elzevirausgabe</em>; das soll<span class="pagenum" id="Seite_195">[S. 195]</span> nicht eine Ausgabe der Werke eines -Mannes namens Elzevir sein, sondern eine Ausgabe in dem Format und -der Ausstattung der berühmten holländischen Verlagsbuchhandlung. -Ist die <em class="gesperrt">Goetheausgabe</em> richtig, dann kommen wir schließlich -auch zu den <em class="gesperrt">Goethefreunden</em> (d. h. Goethes Freunden zu seinen -Lebzeiten), den <em class="gesperrt">Goetheeltern</em> und den <em class="gesperrt">Goetheenkeln</em>. Es -ist nicht einzusehen, weshalb man nicht auch so sollte sagen dürfen, -und man sagt es ja auch schon. Stammelt man doch auch schon von einem -<em class="gesperrt">Lutherbecher</em> (einem Becher, den einst Luther besessen hat) und -einem <em class="gesperrt">Veltheimzettel</em> (einem Theaterzettel der Veltheimschen, -richtiger Veltenschen Schauspielertruppe aus dem siebzehnten -Jahrhundert), von einer <em class="gesperrt">Böttgerperiode</em> (der Zeit Böttgers in -der Geschichte des Porzellans!) und einer <em class="gesperrt">Schlüterzeit</em>, von -<em class="gesperrt">Kellerfreunden</em> (Freunden des Dichters Gottfried Keller!) und -<em class="gesperrt">Pilotyschülern</em>, von einem <em class="gesperrt">Grillparzersarg</em> und einem -<em class="gesperrt">Brahmsgrab</em>.</p> - -<p>Noch ärger ist es, wenn man zur Bezeichnung von Schöpfungen, -von Werken einer Person, seien es nun wissenschaftliche oder -Kunstschöpfungen, Entdeckungen oder Methoden, Vereine oder Stiftungen, -Erfindungen oder Fabrikate, den Personennamen in solcher Weise vor -das Hauptwort leimt. In anständigem Deutsch hat man sich in solchen -Fällen früher stets des Genitivs oder der Adjektivbildung auf -<em class="gesperrt">isch</em> bedient. In Dresden ist die <em class="gesperrt">Brühlsche Terrasse</em>, -in Frankfurt das <em class="gesperrt">Städelsche Institut</em>, und noch vor dreißig -Jahren hat jedermann von <em class="gesperrt">Goethischen</em> und <em class="gesperrt">Schillerschen -Gedichten</em> gesprochen. Jetzt wird nur noch gelallt; jetzt -heißt es: <em class="gesperrt">Goethegedichte</em> und <em class="gesperrt">Shakespearedramen</em>, -<em class="gesperrt">Mozartopern</em> und <em class="gesperrt">Dürerzeichnungen</em>, <em class="gesperrt">Bachkantaten</em> -und <em class="gesperrt">Chopinwalzer</em>, <em class="gesperrt">Goethefaust</em> und <em class="gesperrt">Gounodfaust</em>, -<em class="gesperrt">Bismarckreden</em> und <em class="gesperrt">Napoleonbriefe</em>, -<em class="gesperrt">Schopenhauerworte</em> und <em class="gesperrt">Heimburgromane</em>, -<em class="gesperrt">Schweningerkur</em> und <em class="gesperrt">Horneffervorträge</em>. Der von Karl -Riedel gegründete Leipziger Kirchengesangverein, der jahrzehntelang -ganz richtig der <em class="gesperrt">Riedelsche Verein</em> hieß, ist neuerdings zum -<em class="gesperrt">Riedelverein</em> verschönert worden, und wie die Herren Fabrikanten, -diese feinfühligsten<span class="pagenum" id="Seite_196">[S. 196]</span> aller Sprachschöpfer und Sprachneuerer, -hinter allen neuen Sprachdummheiten mit einer Schnelligkeit her -sind, als fürchteten sie damit zu spät zu kommen, so haben sie sich -auch schleunigst dieser Sprachdummheit bemächtigt und preisen nun -stolz ihre <em class="gesperrt">Pfaffnähmaschinen</em> und <em class="gesperrt">Drewsgardinen</em>, ihre -<em class="gesperrt">Jägerpumpen</em> und <em class="gesperrt">Steinmüllerkessel</em>, ihren <em class="gesperrt">Kempfsekt</em> -und ihr <em class="gesperrt">Auergasglühlicht</em>, ihre <em class="gesperrt">Rönischpianos</em> und -<em class="gesperrt">Feurichpianinos</em>, ihre <em class="gesperrt">Langeuhren</em>, <em class="gesperrt">Zeißobjektive</em> -und <em class="gesperrt">Ernemanncameras</em> an, und das verehrte Publikum schwatzt es -nach und streitet sich über die Vorzüge der <em class="gesperrt">Blüthnerflügel</em> -und der <em class="gesperrt">Bechsteinflügel</em>.<a id="FNAnker_96" href="#Fussnote_96" class="fnanchor">[96]</a> In Leipzig nannte eines Tags -eine Bierbrauerei (die Riebeckische) ihr Bier <em class="gesperrt">Riebeckbier</em>. -Flugs kamen die andern hinterdrein und priesen <em class="gesperrt">Ulrichbier</em>, -<em class="gesperrt">Naumannbier</em> und <em class="gesperrt">Sternburgbier</em> an (das nun freilich -eigentlich <em class="gesperrt">Speckbier</em> heißen müßte!). Dieses Schandzeug aus -unsrer Kaufmannssprache habt ihr auf dem Gewissen, ihr Herren, die -ihr die <em class="gesperrt">Shakespearedramen</em> und die <em class="gesperrt">Dürerzeichnungen</em> -erfunden habt! Wenn man in vornehmen Fachzeitschriften von -<em class="gesperrt">Bürgerbriefen</em> (Briefen des Dichters der Lenore!) und -einem <em class="gesperrt">Lenznachlaß</em> (Nachlaß des Dichters Lenz), einem -<em class="gesperrt">Kuglerwerk</em> und einem <em class="gesperrt">Menzelwerk</em>, einem <em class="gesperrt">König -Albert-Bild</em>, einem <em class="gesperrt">Mörike-Schwind-Briefwechsel</em>, einer -<em class="gesperrt">Rudolf Hildebrand-Erinnerung</em> lesen muß, kann man dann – -andern Leuten einen<span class="pagenum" id="Seite_197">[S. 197]</span> Vorwurf machen, wenn sie von <em class="gesperrt">Kathreiners -Kneipp-Malzkaffee</em>, <em class="gesperrt">Junker- und Ruh-Öfen</em> und <em class="gesperrt">August -Lehr-Fahrrädern</em> reden? Alle diese Zusammensetzungen zeugen von -einer Zerrüttung des Denkens, die kaum noch ärger werden kann. Von -<em class="gesperrt">Lichtfreunden</em> kann man reden, von <em class="gesperrt">Naturfreunden</em>, -<em class="gesperrt">Kunstfreunden</em> und <em class="gesperrt">Musikfreunden</em>, von <em class="gesperrt">Zinnsärgen</em> -und <em class="gesperrt">Marmorsärgen</em>, von <em class="gesperrt">Konzertflügeln</em> und -<em class="gesperrt">Stutzflügeln</em>, aber nicht von <em class="gesperrt">Kellerfreunden</em>, -<em class="gesperrt">Grillparzersärgen</em> und <em class="gesperrt">Blüthnerflügeln</em>. Das ist -schlechterdings kein Deutsch.</p> - -<p>Das Unkraut wuchert aber und treibt die unglaublichsten Blüten. -Weißt du, was <em class="gesperrt">Kriegerliteratur</em> ist, lieber Leser? -ein <em class="gesperrt">Senfkatalog</em>? eine <em class="gesperrt">Schleicherskizze</em>? ein -<em class="gesperrt">Pfeilliederabend</em>? Du ahnst es nicht, ich will dirs sagen. -<em class="gesperrt">Kriegerliteratur</em> sind die Schriften über den Komponisten -des siebzehnten Jahrhunderts Adam Krieger, ein <em class="gesperrt">Senfkatalog</em> -ist ein Briefmarkenverzeichnis der Gebrüder Senf in Leipzig, eine -<em class="gesperrt">Schleicherskizze</em> eine Lebensbeschreibung des berühmten -Philologen Schleicher, ein <em class="gesperrt">Pfeilliederabend</em> ein Abendkonzert, -bei dem nur Lieder des Männergesangkomponisten Pfeil gesungen werden. -Was ein <em class="gesperrt">Lenbachaufsatz</em> ist? ein <em class="gesperrt">Holbeinbildnis</em>? Das weiß -ich selber nicht. Es kann ein Aufsatz <em class="gesperrt">von</em> Lenbach sein, es kann -aber auch einer <em class="gesperrt">über</em> ihn sein, ein von Holbein gezeichnetes -Bildnis, aber auch eins, das ihn darstellt. Daß läßt sich in dem -heutigen Deutsch nicht mehr unterscheiden.</p> - -<p>Es braucht übrigens nicht immer ein Eigenname zu sein, der solche -Zusammensetzungen unerträglich macht; sie sind auch dann unerträglich, -wenn an die Stelle eines Eigennamens ein Appellativ tritt, unter dem -eine bestimmte Person verstanden werden soll. Da hat einer, der den -Feldzug von 1870 als Kürassier mitgemacht hat, seine Briefe unter -dem Titel <em class="gesperrt">Kürassierbriefe</em> drucken lassen. Das können aber -niemals Briefe eines bestimmten Kürassiers sein, sondern immer nur -Briefe, wie sie Kürassiere schreiben. In allerjüngster Zeit ist das -neue Wort <em class="gesperrt">Kaiserhoch</em> aufgekommen. Es stammt natürlich aus -der Telegrammsprache. Irgendeiner telegraphierte:<span class="pagenum" id="Seite_198">[S. 198]</span> „Professor Ö. -Festrede Kaiserhoch“; daraus machte ein dummer Zeitungschreiber: -Professor Ö. hielt die Festrede, die in ein <em class="gesperrt">Kaiserhoch</em> -ausklang. Ein Kaiserhoch kann aber auf jeden beliebigen Kaiser -ausgebracht werden, und wenn die Zeitungen vollends statt <em class="gesperrt">ein -Kaiserhoch</em> schreiben <em class="gesperrt">das Kaiserhoch</em> – die Herabwürdigung -einer persönlichen Huldigung, die aus dem Herzen quellen soll, zu einem -gewohnheitsmäßigen Bestandteil jeder beliebigen Esserei oder Trinkerei, -kann gar keinen schlagendern Ausdruck finden. Ähnlich ist es mit der -<em class="gesperrt">Königsbüste</em>. Professor Seffner ist damit beschäftigt, eine -<em class="gesperrt">Königsbüste</em> anzufertigen. Ob von Ramses oder Romulus oder Ludwig -dem Vierzehnten, wird nicht verraten. Das Ärgste dieser Art sind wohl -die <em class="gesperrt">Herrenworte</em> und das <em class="gesperrt">Herrenmahl</em>, das die Theologen -jetzt aufgebracht haben. Das sollen Aussprüche Christi und das heilige -Abendmahl sein! Man denkt doch unwillkürlich an ein <em class="gesperrt">Herrenessen</em>.</p> - -<p>Den Gipfel der Sinnlosigkeit erreichen solche Zusammenleimungen, -wenn das Grundwort ein Verbalsubstantiv ist, gebildet von einem -transitiven Verbum. Solche Zusammensetzungen können schlechterdings -nicht mit Eigennamen vorgenommen werden, sondern nur mit Appellativen; -sie bezeichnen ja nicht eine bestimmte einzelne Handlung, sondern -eine Gattung von Handlungen, Menschen, deren Tätigkeit sich nicht -auf eine bestimmte einzelne Person, sondern wieder nur auf eine -Gattung erstreckt. In den siebziger Jahren erfand ein boshafter -Zeitungschreiber das Wort <em class="gesperrt">Bismarckbeleidigung</em>. Natürlich sollte -es eine höhnische Nachbildung von <em class="gesperrt">Majestätsbeleidigung</em> sein. Wie -viel dumme Zeitungschreiber aber haben das Wort dann im Ernst gebraucht -und sogar <em class="gesperrt">Caprivibeleidigung</em> darnach gebildet! Jetzt redet -man aber auch von <em class="gesperrt">Cäsarmördern</em>, <em class="gesperrt">Richardsonübersetzern</em>, -<em class="gesperrt">Romkennern</em>, <em class="gesperrt">Goethefreunden</em> und <em class="gesperrt">Schillerfeinden</em> -(unter den heute lebenden!), <em class="gesperrt">Beethovenerklärern</em>, -<em class="gesperrt">Wagnerverehrern</em>, <em class="gesperrt">Zolanachahmern</em> und -<em class="gesperrt">Nietzscheanbetern</em>. Entsetzliche Verirrung! Man kann von -<em class="gesperrt">Vatermördern</em>, <em class="gesperrt">Romanübersetzern</em>, <em class="gesperrt">Kunstkennern</em>, -<em class="gesperrt">Frauenverehrern</em>,<span class="pagenum" id="Seite_199">[S. 199]</span> und <em class="gesperrt">Fetischanbetern</em> reden; aber ein -<em class="gesperrt">Wagnerverehrer</em> – das könnte doch nur ein Kerl sein, der -gewerbsmäßig jeden „verehrt“, der Wagner heißt. Wer das nicht fühlt, -der stammle weiter, dem ist nicht zu helfen.<a id="FNAnker_97" href="#Fussnote_97" class="fnanchor">[97]</a></p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Schulze_Naumburg_und_Mueller_Meiningen">Schulze-Naumburg und -Müller-Meiningen</h3> - -</div> - -<p>Eine andre Abgeschmacktheit, auf die nicht bloß Zeitungschreiber, -sondern auch Leute, denen man in Sprachdingen etwas Geschmack zutrauen -sollte, ganz versessen sind, ist die Unsitte, an einen Personennamen -den Wohnort der Person mit Bindestrichen anzuhängen, anstatt ihn durch -die Präposition <em class="gesperrt">in</em> oder <em class="gesperrt">aus</em> damit zu verbinden und so -ein ordentliches Attribut zu schaffen. Den Anfang dazu haben Leute -wie <em class="gesperrt">Schulze-Delitzsch</em>, <em class="gesperrt">Braun-Wiesbaden</em> u. a. gemacht; -die wollten und sollten durch solches Anhängen des Ortsnamens von -einem andern Schulze und einem andern Braun unterschieden werden. -Das waren nun ihrerzeit gefeierte Parlamentsgrößen, und wer möchte -das nicht auch gerne sein! Wenn sich daher im Sommer Gevatter -Schneider und Handschuhmacher zu den üblichen Wanderversammlungen -aufmachen und dort schöne Reden halten, so möchten sie natürlich -auch die Parlamentarier spielen und dann im Zeitungsbericht mit -so einem schönen zusammengesetzten Namen erscheinen, sie möchten -nicht bloß <em class="gesperrt">Müller</em> und <em class="gesperrt">Meyer</em> heißen, sondern Herr -<em class="gesperrt">Müller-Rumpeltskirchen</em> und Herr <em class="gesperrt">Meyer-Cunnewalde</em> – das -klingt so aristokratisch, so ganz wie <em class="gesperrt">Bismarck-Schönhausen</em>, es -könnte im freiherrlichen Taschenbuche stehen; man hats<span class="pagenum" id="Seite_200">[S. 200]</span> ja auch den -geographischen Adel genannt. Der Unsinn geht so weit, daß man sogar -schreibt: Direktor <em class="gesperrt">Wirth-Plötzensee bei Berlin</em>. Was ist denn bei -Berlin? Direktor Wirth-Plötzensee?</p> - -<p>Die ganze dumme Mode ist wieder ein Pröbchen unsers schönen -Papierdeutsch. Man höre nur einmal zu, wenn in einer solchen -Wanderversammlung die sogenannte Präsenzliste verlesen wird: hört -man da je etwas andres als Städtenamen? Man möchte gern wissen, wer -anwesend ist, aber man kann es beim besten Willen nicht erfahren, -denn der Vorlesende betont unwillkürlich – wie man solche traurige -Koppelnamen nur betonen kann –: Herr Stieve-<em class="gesperrt">München</em>, -Herr Prutz-<em class="gesperrt">Königsberg</em>, Herr Ulmann-<em class="gesperrt">Greifswald</em>. Der -Personenname geht vollständig verloren. Wenn dann die Zeitungen -über eine solche Versammlung berichten, so drucken sie zwar den -Personennamen gesperrt oder fett: Herr <em class="gesperrt">Stieve</em>-München oder -Herr <b>Stieve</b>-München. Das hilft aber gar nichts; gesprochen -wird doch: Stieve-<em class="gesperrt">München</em> (<img class="h1em" src="images/rhythmus_1.png" alt="Sprachrhythmus">). Dieser fett gedruckte -und doch unbetonte Personenname, dieser grobe Widerspruch zwischen -Papiersprache und Ohrensprache, ist geradezu ein Hohn auf den gesunden -Menschenverstand. Will man beide Namen betonen, so bleibt nichts -weiter übrig, als eine Pause zu machen, etwa als ob geschrieben -wäre: Herr <em class="gesperrt">Stieve</em> (<em class="gesperrt">München</em>). Dann hat man aber doch -auch Zeit, die Präposition auszusprechen. In neuester Zeit hat -man angefangen, auch Fluß-, Tal- und Bergnamen auf diese Weise -an Ortsnamen anzuleimen; man schreibt: <em class="gesperrt">Halle-Saale</em> (statt -<em class="gesperrt">Halle a. d. Saale</em>), <em class="gesperrt">Frankfurt-Main</em>, <em class="gesperrt">Sils-Engadin</em>, -<em class="gesperrt">Frankenhausen-Kyffhäuser</em>. Und ein Buchhändler in dem -Städtchen Borna bei Leipzig schreibt stolz auf seine Verlagswerke: -<em class="gesperrt">Borna-Leipzig</em>, als ob Leipzig ein unbekannter Vorort von Borna -wäre. Wo ist dabei der mindeste Witz?</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Die_Sammlung_Goeschen">Die Sammlung Göschen</h3> - -</div> - -<p>Während das Vorleimen von Eigennamen unter dem Einflusse des -Englischen um sich gegriffen hat, beruhen andre Verirrungen -unsrer Attributbildung auf Nachäfferei<span class="pagenum" id="Seite_201">[S. 201]</span> der romanischen Sprachen, -namentlich des Französischen, vor allem der abscheuliche, immer -ärger werdende Unfug, Personen- oder Ortsnamen unflektiert und ohne -alle Verbindung hinter ein Hauptwort zu stellen, das eine Sache -bezeichnet, als ob die Sache selbst diesen Personen- oder Ortsnamen -führte, z. B. das <em class="gesperrt">Hotel Hauffe</em>, der <em class="gesperrt">Konkurs Schmidt</em>, -die <em class="gesperrt">Stadtbibliothek Zürich</em> (statt: <em class="gesperrt">Hauffes Hotel</em>, der -<em class="gesperrt">Schmidtsche Konkurs</em>, die <em class="gesperrt">Züricher Stadtbibliothek</em>). Die -Anfänge dieses Mißbrauchs liegen freilich weit zurück, man braucht -nur an Ausdrücke zu denken wie: <em class="gesperrt">Universität Leipzig</em>, <em class="gesperrt">Zirkus -Renz</em>, <em class="gesperrt">Café Bauer</em>; aber seinen gewaltigen Umfang hat er doch -erst in der neuesten Zeit angenommen. In wirklich deutsch gedachter -Form bekommt man einen Eigennamen in Attributen kaum noch zu hören: -alles plärrt, die Franzosen und Italiener nachäffend (<span class="antiqua">librairie -Quantin</span>, <span class="antiqua">chocolat Suchard</span>, <span class="antiqua">rue Bonaparte</span>, <span class="antiqua">casa -Bartholdi</span>, <span class="antiqua">Hera Farnese</span> und ähnl.), von dem <em class="gesperrt">Antrag -Dunger</em>, dem <em class="gesperrt">Fall Löhnig</em>, der <em class="gesperrt">Affäre Lindau</em>, dem -<em class="gesperrt">Ministerium Gladstone</em>, dem <em class="gesperrt">Kabinett Salisbury</em>, dem -<em class="gesperrt">System Jäger</em>, der <em class="gesperrt">Galerie Schack</em>, dem <em class="gesperrt">Papyrus -Ebers</em>, der <em class="gesperrt">Edition Peters</em>, der <em class="gesperrt">Kollektion Spemann</em> -und der <em class="gesperrt">Sammlung Göschen</em>, von <em class="gesperrt">Schokolade Felsche</em> und -<em class="gesperrt">Tee Riquet</em>,<a id="FNAnker_98" href="#Fussnote_98" class="fnanchor">[98]</a> von der <em class="gesperrt">Villa Meyer</em>, dem <em class="gesperrt">Wohnhaus -Fritzen</em>, dem <em class="gesperrt">Grabdenkmal Kube</em>, dem <em class="gesperrt">Erbbegräbnis -Wenzel</em>, dem <em class="gesperrt">Pensionat Neumann</em>, der <em class="gesperrt">Direktion -Stägemann</em>, dem <em class="gesperrt">Patentbureau Sack</em>, dem <em class="gesperrt">Sprachinstitut -Bach</em>, dem <em class="gesperrt">Konzert Friedheim</em>, der <em class="gesperrt">Soiree Buchmayer</em>, -der <em class="gesperrt">Tanzstunde Marquart</em>, dem <em class="gesperrt">Experimentierabend Dähne</em>, -dem <em class="gesperrt">Vortrag Mauerhof</em>, dem <em class="gesperrt">Quartett Udel</em>, der -<em class="gesperrt">Bibliothek Simson</em>, der <em class="gesperrt">Versteigerung Krabbe</em> und dem -<em class="gesperrt">Streit Geyger-Klinger<span class="pagenum" id="Seite_202">[S. 202]</span></em>, von dem <em class="gesperrt">Magistrat Osnabrück</em>, der -<em class="gesperrt">Staatsanwaltschaft Halle</em>, der <em class="gesperrt">Fürstenschule Grimma</em>, dem -Kaiserl. deutschen <em class="gesperrt">Postamt Frankfurt</em>, dem <em class="gesperrt">Schreberverein -Gohlis</em>, der <em class="gesperrt">Mühle Zwenkau</em>, dem <em class="gesperrt">Bundesschießen Mainz</em>, -dem <em class="gesperrt">Löwenbräu München</em> und dem <em class="gesperrt">Migränin Höchst</em>. Sogar der -Dorfwirt will nicht zurückbleiben: er läßt den Firmenschreiber kommen, -die alte Inschrift an seiner Schänke: <em class="gesperrt">Gasthof zu Lindenthal</em> -zupinseln und dafür <em class="gesperrt">Gasthof Lindenthal</em> hinmalen, und der -Dorfpastor kommt sich natürlich nun auch noch einmal so vornehm vor, -wenn er sich auf seine Briefbogen <em class="gesperrt">Pfarrhaus Schmiedeberg</em> hat -drucken lassen. Und was der Franzose nie tut, das bringt der Deutsche -fertig: er setzt auch hier Vornamen und Titel zu diesen angeleimten -Namen und schreibt: die <em class="gesperrt">Galerie Alfred Thieme</em>, die <em class="gesperrt">Kapelle -Günther Coblenz</em>, der <em class="gesperrt">Rezitationsabend Ernst von Possart</em>, die -<em class="gesperrt">Villa <span class="antiqua">Dr.</span> Brüning</em>, das <em class="gesperrt">Signet Galerie Ernst Arnold -Dresden</em> (das soll heißen: Signet der Galerie von Ernst Arnold in -Dresden!). Manchmal weiß man nicht einmal, ob der angefügte Name ein -Orts- oder ein Personenname sein soll. In Leipzig preist man <em class="gesperrt">Gose -Nickau</em> an. Ja, was ist Nickau? Ist es der Ort, wo dieser edle -Trank gebraut wird, oder heißt der Brauer so? Der großherzogliche -<em class="gesperrt">Bahnbauinspektor Waldshut</em> – heißt der Mann Waldshut, oder baut -er in Waldshut eine Eisenbahn?</p> - -<p>Da kämpfen wir nun für Beseitigung der unnützen Fremdwörter in unsrer -Sprache; aber sind denn nicht solche fremde Wortverbindungen viel -schlimmer als alle Fremdwörter? Das Fremdwort entstellt doch die -Sprache nur äußerlich; wirft man es aus dem Satze hinaus und setzt das -deutsche Wort dafür ein, so kann der Satz im übrigen meist unverändert -bleiben. Aber die Nachahmung von syntaktischen Erscheinungen aus -fremden Sprachen, noch dazu von Erscheinungen, die die Sprache in so -heruntergekommenem Zustande zeigen, wie dieses gemeine Aneinanderleimen -– leimen ist noch zuviel gesagt, Aneinanderschieben – von Wörtern -fälscht doch das Wesen unsrer Sprache und zerstört ihren Organismus.<span class="pagenum" id="Seite_203">[S. 203]</span> -Es ist eine Schande, wie wir uns hier an ihr versündigen! Wie stolz mag -der Inhaber der <em class="gesperrt">Auskunftei Schimmelpfeng</em> gewesen sein, als er -das herrliche deutsche Wort <em class="gesperrt">Auskunftei</em> erfunden hatte!<a id="FNAnker_99" href="#Fussnote_99" class="fnanchor">[99]</a> Aber -für die ganz undeutsche Wortzusammenschiebung hat er kein Gefühl gehabt.</p> - -<p>Auch hier handelt sichs um nichts als um eine dumme Mode, die jetzt, -namentlich in den Kreisen der Geschäftsleute und Techniker, für fein -gilt. Wenn es in einer Stadt fünf Kakaofabrikanten gibt, und einer von -den fünfen schreibt plötzlich in seinen Geschäftsanzeigen: <em class="gesperrt">Kakao -Müller</em> (statt <em class="gesperrt">Müllerscher</em> Kakao) und hat nun damit etwas -besondres, so läßt es den vier andern keine Ruhe, bis sie dieselbe -Höhe der Vornehmheit erklommen haben (<em class="gesperrt">Kakao Schulze</em>, <em class="gesperrt">Kakao -Meier</em> usw.). Der fünfte lacht vielleicht die andern vier eine Zeit -lang aus und wartet am längsten; aber schließlich humpelt er doch auch -hinterdrein, während sich der, der mit der Dummheit angefangen hat, -schon wieder eine neue ausdenkt.</p> - -<p>Zu einer ganz besondern Abgeschmacktheit hat die neu erwachte -Liebhaberei geführt, in Büchern ein Bücherzeichen mit dem Namen des -Eigentümers einzukleben. Ein solches Bücherzeichen nennt man ein -Exlibris, und wer sich eins anfertigen läßt, der läßt auch stets -dieses Wort darauf anbringen. Da gibt es aber doch nun bloß zwei -Möglichkeiten. Entweder man versteht das Wort lateinisch und in seiner -eigentlichen Bedeutung (eins von den Büchern); dann kann man auch -nur seinen Namen lateinisch dahinter setzen: <em class="gesperrt"><span class="antiqua">Ex libris Caroli -Schelleri</span></em>. So geschah es im achtzehnten Jahrhundert. Oder man -versteht <span class="antiqua">Ex-Libris</span> „deutsch“ als „Bücherzeichen“; dann kann man -natürlich nur schreiben: <em class="gesperrt">Exlibris Karl Schellers</em>. Das tut aber -von Tausenden nicht einer! Alle setzen hinter Exlibris ihren Namen -im Nominativ: <em class="gesperrt">Exlibris Eugen Reichardt</em>, <em class="gesperrt">Exlibris Adolf von -Groß</em>, <em class="gesperrt">Exlibris<span class="pagenum" id="Seite_204">[S. 204]</span> Carl und Emma Eckhard</em>. Das vernünftigste -wäre ja, weiter nichts als seinen Namen hinzusetzen oder zu schreiben: -<em class="gesperrt">Eigentum Oskar Leuschners</em> oder <em class="gesperrt">Aus der Bibliothek</em> (oder -Bücherei) <em class="gesperrt">Paul Werners</em>. Aber ohne die Worte oder das Wort -Exlibris würde der ganze Sport den Leuten gar keinen Spaß machen. Man -tauscht Exlibris, man tritt in den Exlibrisverein, man hält sich die -Exlibriszeitschrift, und man druckt auf sein Bücherzeichen eine – -Sprachdummheit.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Die_Familie_Nachfolger">Die Familie Nachfolger</h3> - -</div> - -<p>Ebenso einfältig ist noch ein andrer Unfug, der auch auf bloße -Nachäfferei des Französischen und des Englischen zurückzuführen ist. -Der französische Geschäftsstil setzt <span class="antiqua">père</span>, <span class="antiqua">fils</span> und -<span class="antiqua">frères</span>, der englische <span class="antiqua">brothers</span> als Apposition hinter -den Personennamen: <span class="antiqua">Dumas fils</span>, <span class="antiqua">Shakelford brothers</span>. Im -Deutschen ist das ganz unmöglich, wir können nur von dem Wörterbuch -der <em class="gesperrt">Gebrüder Grimm</em> reden, nicht der <em class="gesperrt">Grimm Gebrüder</em>. -Aber unsre Kaufleute müssen natürlich wieder das Fremde nachäffen; -sie nennen sich <em class="gesperrt">Schmidt Gebrüder</em>, <em class="gesperrt">Blembel Gebrüder</em>, -<em class="gesperrt">Ury Gebrüder</em>. Sie gehen aber noch weiter. Während der -Franzose sagt: <span class="antiqua">Veuve Cliquot</span>, schreibt der Deutsche: <em class="gesperrt">M. -D. Schwennicke Witwe</em>, ja selbst wo es sich gar nicht um ein -Verwandtschaftsverhältnis handelt, leimt er ein Appellativ und -einen Personennamen in dieser Weise zusammen, statt ein Attribut -zu bilden; in unsrer Geschäftswelt wimmelt es schon von Firmen, -die alle so aussehen, als ob ihre Inhaber den Familiennamen -<em class="gesperrt">Nachfolger</em> und dabei die seltsamsten Vornamen hätten, wie: -<em class="gesperrt">C. F. Kahnt Nachfolger</em>, <em class="gesperrt">Johann Jakob Huth Nachfolger</em>, -ja sogar <em class="gesperrt">Gebrüder Hinzelmann Nachfolger</em> und <em class="gesperrt">Luise Werner -Nachfolger</em>. In großen Städten findet man kaum noch eine Straße, wo -nicht Mitglieder dieser weitverzweigten Familie säßen. Auch daraus ist -eine richtige dumme Mode geworden. Während früher ein Geschäft, wenn -es den Inhaber wechselte, die alte Firma meist unverändert beibehielt, -um sich deren Ruf zu erhalten – in Leipzig gibt es Firmen, die noch -heute so heißen wie vor<span class="pagenum" id="Seite_205">[S. 205]</span> hundert und mehr als hundert Jahren, und sie -befinden sich nicht schlecht dabei! –, ist jetzt oft ein Geschäft kaum -zwei, drei Jahre alt, und schon prangt der „Nachfolger“ auf der Firma. -Manchen will ja die Dummheit, den Personennamen dabei im Nominativ -stehen zu lassen, nicht recht in den Kopf; man sieht das an der -verschiedenen Art und Weise, wie sie sich quälen, sie hinzuschreiben. -Die meisten schreiben freilich dreist: <em class="gesperrt">Ferdinand Schmidt -Nachfolger</em>. Andre schreiben aber doch mit Komma: <em class="gesperrt">Ferdinand -Schmidt, Nachfolger</em>, was zwischen einem Schneider und einem -Fleischer so aussieht, als ob die Beschäftigung dieses Biedermanns im -Nachfolgen bestünde, andre ganz klein, als ob sie sich ein bißchen -schämten: <em class="gesperrt">Ferdinand Schmidt <span class="smaller">Nachfolger</span></em>. Nur auf das -einzig vernünftige: <em class="gesperrt">Ferdinand Schmidts Nachfolger</em> verfällt -keiner.</p> - -<p>Namentlich auch im deutschen Buchhandel hat das fruchtbare Geschlecht -der Nachfolger schon eine Menge von Vertretern. Einer der wenigen, -die den Mut gehabt haben, der abgeschmackten Mode zum Trotz dem -gesunden Menschenverstande die Ehre zu geben, ist der Verleger der -Gartenlaube: <em class="gesperrt">Ernst Keils Nachfolger</em>. Dagegen überbietet alles -an Sprachzerrüttung die <em class="gesperrt">Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger</em>; das -soll heißen: der Nachfolger der Cottaischen Buchhandlung! In solchem -Deutsch prangt jetzt die Buchhandlung, in der einst Schillers und -Goethes Werke erschienen sind!</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Ersatz_Deutschland">Ersatz Deutschland</h3> - -</div> - -<p>Eine ähnliche Sprachzerrüttung wie in den zuletzt angeführten -Beispielen findet sich nur noch in den Namen neuer Schiffe, von -denen man jetzt öfter in den Zeitungen liest: <em class="gesperrt">Ersatz Preußen</em>, -<em class="gesperrt">Ersatz Leipzig</em>, <em class="gesperrt">Ersatz Deutschland</em>. Was in aller Welt -soll das heißen? Man kann es wohl ungefähr ahnen, aber ausgesprochen -ist es nicht. Soll <em class="gesperrt">Ersatz Preußen</em> aufzufassen sein wie -<em class="gesperrt">Ersatztruppen</em>, <em class="gesperrt">Ersatzknopf</em>, <em class="gesperrt">Ersatzgarnitur</em>, so -müßte es natürlich als zusammengesetztes Wort geschrieben werden: -<em class="gesperrt">Ersatz-Preußen</em>. Soll es aber, was das wahrscheinlichere ist, -heißen: <em class="gesperrt">Ersatz der (!)<span class="pagenum" id="Seite_206">[S. 206]</span> Preußen</em><a id="FNAnker_100" href="#Fussnote_100" class="fnanchor">[100]</a> oder <em class="gesperrt">Ersatz für -die Preußen</em>, so läge in dem Weglassen des Artikels oder der -Präposition eine beispiellose Stammelei. Man könnte dann ebensogut -sagen: <em class="gesperrt">Stellvertreter Direktor</em> und sich einbilden, das -hieße: <em class="gesperrt">Stellvertretender Direktor</em> oder <em class="gesperrt">Stellvertreter des -Direktors</em>. Das mag Chinesisch sein oder Negersprache, Deutsch ist -es nicht. Wahrscheinlich ist es aber – Englisch. Englisch ist ja jetzt -Trumpf, zumal wenn es die Marine betrifft.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Der_grobe_Unfugparagraph">Der grobe Unfugparagraph</h3> - -</div> - -<p>Viel ist schon gespottet worden über Attributbildungen wie: der -<em class="gesperrt">musikalische Instrumentenmacher</em>, der <em class="gesperrt">vierstöckige -Hausbesitzer</em>, der <em class="gesperrt">doppelte Buchhalter</em>, der <em class="gesperrt">wilde -Schweinskopf</em>, die <em class="gesperrt">reitende Artilleriekaserne</em>, die -<em class="gesperrt">geprüfte Lehrerinnenanstalt</em>, die <em class="gesperrt">durchlöcherte -Stuhlsitzfabrik</em>, die <em class="gesperrt">chinesische Feuerzeugfabrik</em>, -der <em class="gesperrt">geräucherte Fischladen</em>, die <em class="gesperrt">verheiratete -Inspektorwohnung</em>, die <em class="gesperrt">gelben Fieberanfälle</em>, das -<em class="gesperrt">einjährig-freiwillige Berechtigungswesen</em> und ähnliche, wo -ein Attribut zu einem zusammengesetzten Worte gestellt ist, während -es sich nur auf das Bestimmungswort der Zusammensetzung, in dem -letzten Falle sogar auf einen dritten, hinzuzudenkenden Begriff -(<em class="gesperrt">Dienst</em>) bezieht. Dennoch wagen sich immer wieder Verbindungen -dieser Art hervor wie: das <em class="gesperrt">alte Thomanerstipendium</em> (das soll -eine Stiftung der alten, d. h. ehemaligen Thomaner sein!), der <em class="gesperrt">grobe -Unfugparagraph</em>, die <em class="gesperrt">transportabeln Beleuchtungszwecke</em>, der -<em class="gesperrt">Vereinigte Staatenstaatssekretär</em>, die <em class="gesperrt">Weiße Damenpartitur</em> -usw.</p> - -<p>Solche Verbindungen werden nur dann erträglich, wenn es möglich -ist, sie durch doppelte Zusammensetzung zu dreigliederigen Wörtern -zu gestalten; wie: <em class="gesperrt">Armesünderglocke</em>, <em class="gesperrt">Liebfrauenmilch</em>, -<em class="gesperrt">Altweibersommer</em>, <em class="gesperrt">Sauregurkenzeit</em> u. dgl.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_207">[S. 207]</span></p> - -<p>Nicht besser, eher noch schlimmer sind solche Fälle, wo das -Attribut, statt durch ein Eigenschaftswort, durch einen Genitiv -oder eine Präposition mit einem Hauptworte gebildet wird wie: der -<em class="gesperrt">Doktor</em>titel der <em class="gesperrt">Philosophie</em>, der <em class="gesperrt">Enthüllungs</em>tag -<em class="gesperrt">des Geibeldenkmals</em>, das <em class="gesperrt">Heil</em>verfahren der -<em class="gesperrt">Diphtheritis</em>, das <em class="gesperrt">Schmerz</em>stillen der <em class="gesperrt">Zähne</em>, -die <em class="gesperrt">Anzeige</em>pflicht der <em class="gesperrt">ansteckenden Krankheiten</em>, -der <em class="gesperrt">Verhaftungs</em>versuch <em class="gesperrt">des Arbeiters</em>, -eine <em class="gesperrt">Fälscher</em>bande <em class="gesperrt">amtlicher Papiere</em>, das -<em class="gesperrt">Übersetzungs</em>recht <em class="gesperrt">in fremde Sprachen</em>, der -<em class="gesperrt">Verpackungs</em>tag <em class="gesperrt">nach Österreich</em>, ein <em class="gesperrt">Reise</em>handbuch -<em class="gesperrt">nach Griechenland</em>, die <em class="gesperrt">Abfahrts</em>zeit <em class="gesperrt">nach -Kassel</em>, eine <em class="gesperrt">Stern</em>gruppe <em class="gesperrt">dritter Größe</em>, eine -<em class="gesperrt">Zucker</em>fabrik <em class="gesperrt">aus Rüben</em>, <em class="gesperrt">Erinnerungs</em>stätte an -<em class="gesperrt">Käthchen Schönkopf</em>, 100 Stück <em class="gesperrt">Kinder</em>hemden <em class="gesperrt">von 2 bis -14 Jahren</em>, und ähnliches.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Die_teilweise_Erneuerung">Die teilweise Erneuerung</h3> - -</div> - -<p>Mit wachsender Schnelligkeit hat sich endlich noch ein Fehler -in der Attributbildung verbreitet, der für einen Menschen von -feinerem Sprachgefühl etwas höchst beleidigendes hat, gegen den -aber die große Masse schon ganz abgestumpft ist: der Fehler, die -mit <em class="gesperrt">weise</em> zusammengesetzten Adverbia wie Adjektiva zu -behandeln. Man schreibt jetzt frischweg, als ob es so ganz in der -Ordnung wäre: die <em class="gesperrt">teilweise Erneuerung</em>, die <em class="gesperrt">stufenweise -Vermehrung</em>, die <em class="gesperrt">ausnahmsweise Erlaubnis</em>, die -<em class="gesperrt">bruchstückweise Veröffentlichung</em>, die <em class="gesperrt">heftweise Ausgabe</em>, -die <em class="gesperrt">stückweise Bezahlung</em>, die <em class="gesperrt">auszugsweise Abschrift</em>, -die <em class="gesperrt">vergleichsweise Erledigung</em>, die <em class="gesperrt">leihweise</em> oder -<em class="gesperrt">schenkungsweise Überlassung</em>, der <em class="gesperrt">glasweise Ausschank</em>, die -<em class="gesperrt">probeweise Anstellung</em>, die <em class="gesperrt">reihenweise Aufstellung</em>, die -<em class="gesperrt">versuchsweise Aufhebung</em>, die <em class="gesperrt">abwechslungsweise Verteilung</em> -usw. Wenn in Leipzig jemand seine Steuern nicht pünktlich bezahlt, -so hat er die <em class="gesperrt">zwangsweise Beitreibung</em> (!) zu gewärtigen; -ja nach einer Dorfversammlung läßt man sogar die Leute in ihre -<em class="gesperrt">beziehungsweisen (!) Behausungen</em> zurückkehren.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_208">[S. 208]</span></p> - -<p>Es wird einem ganz griechisch zumute, wenn man so etwas liest. Die -griechische Sprache ist imstande, das zwischen Artikel und Hauptwort -tretende Attribut auch durch ein Adverb oder einen adverbiellen -Ausdruck zu bilden.<a id="FNAnker_101" href="#Fussnote_101" class="fnanchor">[101]</a> Im Griechischen kann man sagen: das <em class="gesperrt">jetzt -Geschlecht</em> (τὸ νῦν γένος) für: das jetzige Geschlecht, -der <em class="gesperrt">heute Tag</em> für: der heutige Tag, der <em class="gesperrt">jedesmal König</em> -für: der jedesmalige König, die <em class="gesperrt">dazwischen Zeit</em> für: die -dazwischenliegende Zeit, der <em class="gesperrt">zurück Weg</em> für: der zurückführende -Weg, die <em class="gesperrt">allzusehr Freiheit</em> für: die allzu große Freiheit. -Mit unsern Adverbien auf <em class="gesperrt">weise</em> lassen sich im Griechischen -namentlich gewisse mit der Präposition κατά und dem Akkusativ -gebildete Ausdrücke vergleichen wie: κατὰ μικρόν (stückweise), -κατ’ ἐνιαυτόν (jahrweise, alljährlich), καθ’ ἡμέραν -(tageweise), (einer auf einmal), ἡ καθ’ ἡμέραν -τροφή (die tageweise Nahrung). Im Deutschen sind derartige -Verbindungen ganz unmöglich.<a id="FNAnker_102" href="#Fussnote_102" class="fnanchor">[102]</a> Dem, der sie gebraucht, fällt es -auch gar nicht ein, in einer Verbindung wie: die <em class="gesperrt">schrittweise -Vervollkommnung</em> das <em class="gesperrt">schrittweise</em> als Adverb aufzufassen, -er meint, er schreibe wirklich ein Adjektivum hin, er dekliniert -ja auch: die <em class="gesperrt">pfennigweisen Ersparnisse</em>, ein <em class="gesperrt">teilweiser -Erlaß</em>. Das ist aber eben die Verwirrung. Die mit <em class="gesperrt">weise</em> -zusammengesetzten Wörter sind Adverbia, die aus Genitiven entstanden -sind. Man sagte zunächst: <em class="gesperrt">glücklicher Weise</em>, <em class="gesperrt">törichter -Weise</em>, <em class="gesperrt">verkehrter Weise</em>, wie man auch sagte: <em class="gesperrt">gewisser -Maßen</em> (<em class="gesperrt">die</em> Maße hieß es ursprünglich). Dann dachte man -nicht mehr an den Genitiv, sondern wagte auch andre Zusammensetzungen -(<em class="gesperrt">versuchsweise</em> ist eigentlich: <em class="gesperrt">nach</em> oder <em class="gesperrt">auf -Versuchs Weise</em>), und endlich bildete man sich ein, vielleicht -verführt durch den Gleichklang mit <em class="gesperrt">weise</em> (<span class="antiqua">sapiens</span>), -diese Zusammensetzungen wären<span class="pagenum" id="Seite_209">[S. 209]</span> Adjektiva. Das sind sie aber nicht; -man kann wohl etwas <em class="gesperrt">teilweise erneuern</em>, <em class="gesperrt">ausnahmsweise -erlauben</em>, <em class="gesperrt">zwangsweise versteigern</em>, <em class="gesperrt">bruchstückweise -veröffentlichen</em>, man kann sich <em class="gesperrt">schrittweise vervollkommnen</em>, -aber die <em class="gesperrt">schrittweise Vervollkommnung</em> ist eine Verirrung des -Sprachgefühls, die nicht um ein Haar besser ist als das <em class="gesperrt">entzweie -Glas</em>, der <em class="gesperrt">extrae Teller</em>, der <em class="gesperrt">sehre Hunger</em> und die -bisweilen im Scherz gebildeten Ausdrücke, in denen man Präpositionen -wie Adjektiva behandelt: ein <em class="gesperrt">durcher Käse</em>, eine <em class="gesperrt">zue -Droschke</em>, ein <em class="gesperrt">auses Heft</em> (statt: ein ausgeschriebnes).<a id="FNAnker_103" href="#Fussnote_103" class="fnanchor">[103]</a></p> - -<p>Mancher wird einwenden: daß ein Adverbium zum Adjektivum wird, ist -doch kein Unglück, es ist auch sonst geschehen. Mit <em class="gesperrt">zufrieden</em>, -<em class="gesperrt">vorhanden</em>, <em class="gesperrt">ungefähr</em> ist es ebenso gegangen. Erst -sagte man: ich kann mir das <em class="gesperrt">ungefähr vorstellen</em>, dann wagte -man auch: ich habe davon eine <em class="gesperrt">ungefähre Vorstellung</em>. Andre -werden einwenden: dieser Mißbrauch (wenn es einer ist) gewährt -doch unleugbar eine Bequemlichkeit, wo soll man einen Ersatz dafür -hernehmen? Früher sagte man: <em class="gesperrt">partiell</em> (die <em class="gesperrt">partielle -Renovation</em>), <em class="gesperrt">fragmentarisch</em> (die <em class="gesperrt">fragmentarische -Publikation</em>), <em class="gesperrt">exzeptionell</em>, <em class="gesperrt">obligatorisch</em>, -<em class="gesperrt">relativ</em>, <em class="gesperrt">provisorisch</em>. Nun meiden wir die Fremdwörter -und sagen: die <em class="gesperrt">teilweise Erneuerung</em>, die <em class="gesperrt">bruchstückweise -Veröffentlichung</em>, und nun ist es wieder nicht recht.</p> - -<p>Das sind hinfällige Einwände. Wer sich der adverbiellen Natur dieser -Zusammensetzungen bewußt geblieben ist – und solche Menschen -wird es doch wohl noch geben dürfen? –, oder wer sie sich wieder -zum Bewußtsein gebracht hat, was gar nicht schwer ist, der bringt -Ausdrücke wie <em class="gesperrt">teilweise Erneuerung</em> weder über die Lippen noch -aus der Feder.<a id="FNAnker_104" href="#Fussnote_104" class="fnanchor">[104]</a> Einzelne dieser Verbindungen sind ja nichts als -Sprachschwulst oder Ungeschick: für <em class="gesperrt">schenkungsweise Überlassung</em> -eines<span class="pagenum" id="Seite_210">[S. 210]</span> Bauplatzes genügt doch wahrhaftig <em class="gesperrt">Schenkung</em> und -statt: die <em class="gesperrt">teilweise Veröffentlichung</em> der Briefe kann man -doch sagen: die Veröffentlichung <em class="gesperrt">eines Teils</em> oder <em class="gesperrt">von -Teilen</em> der Briefe. Alle aber lassen sich vermeiden, wenn man -sich nur von der Manier freihält oder wieder freimacht, in der unsre -ganze Schriftsprache jetzt befangen ist, der greulichen Manier, zum -Hauptsinnwort eines Satzes immer ein Substantiv zu machen, statt ein -Zeitwort. Wenn wir wieder Verba schreiben lernten, vor allen Dingen -einen Satz wieder mit dem Verbum anfangen lernten, was sich heute kaum -noch jemand getraut, dann würde so mancher andre Unrat auch wieder -verschwinden. Statt zu schreiben: es wurde eine Resolution angenommen, -die die <em class="gesperrt">zeitweise Aufhebung</em> der Kornzölle verlangte – schreibe -man doch: die verlangte, die Kornzölle <em class="gesperrt">zeitweise aufzuheben</em>, -statt: ihre <em class="gesperrt">teilweise Begründung</em> mag diese Gleichgiltigkeit -darin finden – schreibe man doch: <em class="gesperrt">begründet</em> mag diese -Gleichgiltigkeit <em class="gesperrt">zum Teil</em> darin sein – und alles ist in bester -Ordnung.</p> - -<p>Eine nagelneue besondre Abart dieses Fehlers ist das von den -Kleiderfabrikanten aufgebrachte <em class="gesperrt">fußfreie Kleid</em>, dem sich -natürlich schleunigst der <em class="gesperrt">armfreie Lodenmantel</em>, die -<em class="gesperrt">armfreie</em> Betätigung aller Kräfte und die <em class="gesperrt">kniefreien -Wunderkinder</em> angeschlossen haben. Man kann <em class="gesperrt">sich</em> wohl -<em class="gesperrt">fußfrei kleiden</em>, d. h. so, daß die Füße frei bleiben, man kann -sich auch <em class="gesperrt">rückenfrei setzen</em>, aber dann kann weder der Mensch -noch das Kleid fußfrei, weder der Mensch noch der Stuhl rückenfrei -genannt werden.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Der_tiefer_Denkende">Der tiefer Denkende, der Tieferdenkende oder der -tiefer denkende?</h3> - -</div> - -<p>Ein Gegenstück zu der <em class="gesperrt">schrittweisen Vervollkommnung</em>, das -freilich durch eine andre Sprachdummheit entsteht, bilden Verbindungen -wie: das <em class="gesperrt">einzig Richtige</em>, der <em class="gesperrt">tiefer Denkende</em>, der -<em class="gesperrt">mittellos Verstorbne</em>, der <em class="gesperrt">mit ihm Redende</em> u. ähnl. Da -liegt der Fehler nicht im Ausdruck, sondern – in der Schreibung, -nämlich in den törichten großen Anfangsbuchstaben,<span class="pagenum" id="Seite_211">[S. 211]</span> mit denen man ganz -allgemein die Adjektiva und Partizipia solcher Verbindungen schreibt -und druckt.</p> - -<p>Gewöhnlich wird gelehrt, daß Adjektiva und Partizipia, wenn sie kein -Hauptwort bei sich haben, selber zu Hauptwörtern würden und dann mit -großen Anfangsbuchstaben zu schreiben seien, also: die <em class="gesperrt">Grünen</em> -und die <em class="gesperrt">Blauen</em>, alle <em class="gesperrt">Gebildeten</em>. Das läßt sich hören. -Nun geht man aber weiter. Man schreibt solche Adjektiva und Partizipia -auch dann groß, wenn zu dem Adjektiv ein Adverb oder ein Objekt, zu dem -Partizip ein Adverb, ein Prädikat, ein Objekt oder eine adverbielle -Bestimmung tritt, z. B.: so <em class="gesperrt">Schönes</em>, längst <em class="gesperrt">Bekanntes</em>, -etwas ungemein <em class="gesperrt">Elastisches</em>, der minder <em class="gesperrt">Arme</em>, alles -<em class="gesperrt">bloß Technische</em>, das eigentlich <em class="gesperrt">Theatralische</em>, der -wirtschaftlich <em class="gesperrt">Abhängige</em>, das dem Vaterland <em class="gesperrt">Ersprießliche</em> -– ein unglücklich <em class="gesperrt">Liebender</em>, kein billig <em class="gesperrt">Denkender</em>, -der wagehalsig <em class="gesperrt">Spekulierende</em>, das wahrhaft <em class="gesperrt">Seiende</em>, -der früh <em class="gesperrt">Dahingeschiedne</em>, die mäßig <em class="gesperrt">Begüterten</em>, die -bloß <em class="gesperrt">Verschwägerten</em>, der ergebenst <em class="gesperrt">Unterzeichnete</em>, -der sehnlichst <em class="gesperrt">Erwartete</em>, der wahrhaft <em class="gesperrt">Gebildete</em>, das -glücklich <em class="gesperrt">Erreichte</em>, das früher <em class="gesperrt">Versäumte</em>, der hier -<em class="gesperrt">Begrabne</em>, das anderwärts besser <em class="gesperrt">Dargestellte</em> – der -beschaulich <em class="gesperrt">Angelegte</em>, der gefesselt <em class="gesperrt">Daliegende</em>, der -unschuldig <em class="gesperrt">Hingerichtete</em>, das als richtig <em class="gesperrt">Erkannte</em> – die -dem Gemetzel <em class="gesperrt">Entgangnen</em>, die Medizin <em class="gesperrt">Studierenden</em> – die -zu ihm <em class="gesperrt">Geflüchteten</em>, die vom Leben <em class="gesperrt">Abgeschiednen</em>, die bei -der Schaffung des Denkmals <em class="gesperrt">Beteiligten</em>, die an der Aufführung -<em class="gesperrt">Mitwirkenden</em>, die auf die Eröffnung der Kasse <em class="gesperrt">Wartenden</em> -– auch: die von ihm <em class="gesperrt">zu Befördernden</em>, das auf Grund des schon -<em class="gesperrt">Vorhandnen</em> noch <em class="gesperrt">zu Erreichende</em> usw.</p> - -<p>Ist das richtig? Können in solchen Verbindungen die Adjektiva und -Partizipia wirklich als Substantiva angesehen werden? Ein wenig -Nachdenken genügt doch, zu zeigen, daß das unmöglich ist. Wenn ich -sage: der <em class="gesperrt">frühere Geliebte</em>, so ist das Partizip wirklich zum -Substantivum geworden; sage ich aber: der <em class="gesperrt">früher geliebte</em>, so -kann doch von einer Substantivierung keine Rede sein. Welchen Sinn -hat es aber, Wörter äußerlich,<span class="pagenum" id="Seite_212">[S. 212]</span> für das Auge, zu Hauptwörtern zu -stempeln, die gar nicht als Hauptwörter gefühlt werden können? Diese -Fälle sollten im Unterricht dazu benutzt werden, den Unterschied -zwischen einem zum Substantiv gewordnen und einem Partizip gebliebnen -Partizipium klarzumachen! Wäre es richtig, zu schreiben: alles -bisher <em class="gesperrt">Erforschte</em>, alle vernünftig <em class="gesperrt">Denkenden</em>, die im -Elsaß <em class="gesperrt">Reisenden</em>, die zwei Jahre lang <em class="gesperrt">Verbündeten</em>, -die zur Feier von Kaisers Geburtstag <em class="gesperrt">Versammelten</em>, die -durch die Überschwemmung <em class="gesperrt">Beschädigten</em>, die auf preußischen -Universitäten <em class="gesperrt">Studierenden</em>, der wegen einer geringfügigen -Übertretung <em class="gesperrt">Angeklagte</em>, wäre es möglich, alle diese Partizipia -als Substantiva zu fühlen – und nur darauf kommt es an! –, dann -müßte man auch sagen können: alle bisher <em class="gesperrt">Forschung</em>, alle -vernünftig <em class="gesperrt">Denker</em>, die im Elsaß Reise, die zwei Jahre -lang <em class="gesperrt">Verbindung</em>, die zur Feier von Kaisers Geburtstag -<em class="gesperrt">Versammlung</em>, der durch die Überschwemmung <em class="gesperrt">Schade</em>, die -auf preußischen Universitäten <em class="gesperrt">Studenten</em>, die wegen einer -geringfügigen Übertretung <em class="gesperrt">Anklage</em>. Wollte man hier wirklich -eine Substantivierung annehmen und äußerlich vornehmen, so könnte das -nur so geschehen, daß man die ganze Bekleidung mitsubstantivierte -und schriebe: die <em class="gesperrt">Wirklichoderangeblichminderbegabten</em>, jeder -<em class="gesperrt">Tieferindiegoethestudieneingedrungne</em>. So verfährt man ja -wirklich bei kurzen Zusätzen wie: die <em class="gesperrt">Leichtverwundeten</em>, -der <em class="gesperrt">Frühverstorbne</em>, die <em class="gesperrt">Fernerstehenden</em>, die -<em class="gesperrt">Wenigerbegabten</em>.</p> - -<p>Nun könnte man sagen: gut, wir wollen da, wo Adjektiva und Partizipia -allein stehen, sie mit großen Anfangsbuchstaben schreiben; treten -sie mit irgendwelchen Zusätzen auf, so mögen sie mit dem kleinen -Buchstaben zufrieden sein. Was soll aber dann geschehen, wenn beide -Fälle miteinander verbunden sind, was sehr oft geschieht, z. B.: -das <em class="gesperrt">unbedeutende</em>, in der Eile <em class="gesperrt">hingeworfne</em> – etwas -<em class="gesperrt">selbstverständliches</em>, mit Händen <em class="gesperrt">greifbares</em> – etwas -<em class="gesperrt">großes</em>, der ganzen Menschheit <em class="gesperrt">ersprießliches</em> – eine nach -dem <em class="gesperrt">pikanten</em>, noch nicht <em class="gesperrt">dagewesenen</em> haschende Phantasie -– mit Verzicht auf<span class="pagenum" id="Seite_213">[S. 213]</span> das <em class="gesperrt">verlorne</em> und zu unsrer Sicherheit -unbedingt <em class="gesperrt">notwendige</em>? Soll man da abwechseln? das eine klein, -das andre groß schreiben?</p> - -<p>Das vernünftigste wäre ohne Zweifel, man beschränkte die großen -Anfangsbuchstaben überhaupt auf die wirklichen Substantiva und schriebe -alles übrige klein. Aber zu schreiben: das durch redlichen Fleiß -<em class="gesperrt">Gewonnene</em>, und sich und andern einzureden: <em class="gesperrt">Gewonnene</em> -sei hier ein Substantiv, ist doch geradezu ein Verbrechen an der -Logik. Aber auch das <em class="gesperrt">schrittweise Gewonnene</em> ist Unsinn. Denn -wäre <em class="gesperrt">Gewonnene</em> ein Hauptwort, dann könnte <em class="gesperrt">schrittweise</em> -nur ein Eigenschaftswort sein, und das ist es nicht, ist aber -<em class="gesperrt">schrittweise</em> ein Adverbium, dann kann <em class="gesperrt">Gewonnene</em> nur eine -Verbalform sein, und das ist es ebenfalls nicht, sowie man es mit G -schreibt.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Die_Apposition">Die Apposition</h3> - -</div> - -<p>Eine Regel, die schon der Quintaner lernt, lautet: eine Apposition -muß stets in demselben Kasus stehen wie das Hauptwort, zu dem sie -gehört. Das ist so selbstverständlich, daß es ein Kind begreifen kann. -Nun sehe man sich aber einmal um, wie geschrieben wird! Da heißt es: -das Gastspiel <em class="gesperrt">des</em> Herrn R., <em class="gesperrt">erster Tenor</em> an der Skala -in Mailand – der Verfasser <em class="gesperrt">der</em> Sylvia, <em class="gesperrt">ein Buch</em>, das -wir leider nicht kennen – es gilt das namentlich von <em class="gesperrt">dem</em> -mitteldeutschen Hofbau, <em class="gesperrt">die verbreitetste</em> aller deutschen -Bauarten – der First ist <em class="gesperrt">mit</em> freistehenden <em class="gesperrt">Figuren</em>, -Petrus und <em class="gesperrt">die vier Evangelisten</em>, geschmückt – offenbar -hat Trippel von <em class="gesperrt">jener Skulptur</em>, <em class="gesperrt">eine</em> dem Apoll von -Belvedere nicht <em class="gesperrt">allzufernstehende Arbeit</em>, die Anregung erhalten -– in Koblenz war ich ein Stündchen <em class="gesperrt">bei Bädeker</em>, ein recht -<em class="gesperrt">liebenswürdiger, verständiger</em> Mann – das Grab war <em class="gesperrt">mit</em> -Reseda und <em class="gesperrt">Monatsrosen</em> geschmückt, <em class="gesperrt">die Lieblingsblumen</em> -der Verstorbnen – anders verhält es sich mit <em class="gesperrt">dem Sauggasmotor</em>, -<em class="gesperrt">ein Apparat</em>, der das erforderliche Gas selbst erzeugt. Solche -Verbindungen kann man sehr oft lesen; mag der Genitiv, der Dativ, der -Akkusativ vorausgehen, gleichviel: die Apposition wird in den Nominativ -gesetzt. Sie wird behandelt<span class="pagenum" id="Seite_214">[S. 214]</span> wie eine Parenthese, als ob sie gar nicht -zum Satzgefüge gehörte, als ob sie der Schreibende „beiseite“ spräche -oder in den Bart murmelte.</p> - -<p>Auch dieser Fehler ist, wie so manches in unsrer Sprache, durch -Nachäfferei des Französischen entstanden. Nicht daß das Französische -bei seiner strengen Logik eines solchen Unsinns fähig wäre, zu einem -Hauptwort im Genitiv eine Apposition im Nominativ zu setzen. Wenn -der Franzose schreibt: <span class="antiqua">le faîte est orné de statues</span>, <span class="antiqua">St. -Pierre et les quatre évangélistes</span>, so empfindet er natürlich -<span class="antiqua">les évangélistes</span> so gut von de abhängig wie das vorhergehende. -Der Deutsche aber, der ein bißchen Französisch gelernt hat, sieht -nur die unflektierte Form, bildet sich ein, das sei ein Nominativ, -und plumpst nun hinter <em class="gesperrt">des</em> und <em class="gesperrt">dem</em> und <em class="gesperrt">den</em> mit -seinem <em class="gesperrt">der</em> drein. Es ist wie ein Schlag ins Gesicht, ein solcher -Nominativ als Genosse und Begleiter eines <span class="antiqua">casus obliquus</span>.</p> - -<p>Auch wenn die Apposition mit <em class="gesperrt">als</em> angeschlossen wird, muß -sie unbedingt in demselben Kasus stehen wie das Wort, zu dem sie -tritt, z. B.: ein Vortrag über Viktor <em class="gesperrt">Hugo</em> als <em class="gesperrt">politischen -Dichter</em> (nicht <em class="gesperrt">politischer</em>!) – ein Portal mit zwei -gefesselten <em class="gesperrt">Türken</em> als <em class="gesperrt">Schildhaltern</em> (nicht -<em class="gesperrt">Schildhalter</em>!) – eine Zusammenfassung <em class="gesperrt">Schlesiens</em> als -<em class="gesperrt">eines</em> Ganzen (nicht ein <em class="gesperrt">Ganzes</em>!). Nur wenn sie sich an -das besitzanzeigende Adjektiv anschließt, also eigentlich im Genitiv -stehen müßte, nimmt man sich allgemein die Freiheit, zu sagen: -<em class="gesperrt">mein</em> Beruf <em class="gesperrt">als Lehrer</em>, <em class="gesperrt">seine</em> Bedeutung <em class="gesperrt">als -Dichter</em>.</p> - -<p>Nicht zu verwechseln mit der Apposition hinter <em class="gesperrt">als</em> ist das -Prädikatsnomen hinter <em class="gesperrt">als</em> und dem Partizip eines Zeitworts, -wie <em class="gesperrt">gesandt</em>, <em class="gesperrt">berufen</em>, <em class="gesperrt">bekannt</em>, <em class="gesperrt">berühmt</em>, -<em class="gesperrt">gefeiert</em>, <em class="gesperrt">bewährt</em>, <em class="gesperrt">berüchtigt</em> usw. Beim <span class="antiqua">Verbum -finitum</span> steht selbstverständlich ein Prädikatsnomen, das sich -an das Subjekt anschließt, im Nominativ: der <em class="gesperrt">Entschlafne</em> -wurde als <em class="gesperrt">Mensch</em> wie als Politiker gleich hoch geschätzt; -schließt es sich an das Objekt an, so steht es im Akkusativ: ich -habe <em class="gesperrt">den Entschlafnen</em> als <em class="gesperrt">Menschen</em> wie als Politiker -gleich hoch geschätzt. Manche schreiben nun aber auch: die Stadt -hat<span class="pagenum" id="Seite_215">[S. 215]</span> ihr <em class="gesperrt">als ausgezeichneten Verwaltungsbeamten</em> bekanntes -<em class="gesperrt">Oberhaupt</em> verloren. Das ist des Guten zu viel. Beim Partizip -steht das Prädikatsnomen stets im Nominativ, der Kasus, auf den es sich -bezieht, mag sein, welcher er will, z. B.: auf die Vorstellungen <em class="gesperrt">des -als Gesandter</em> an ihn geschickten <em class="gesperrt">Tilo</em> – an die Stelle -<em class="gesperrt">des als Professor</em> nach Aachen versetzten <em class="gesperrt">Baumeisters</em> -– als Nachfolger <em class="gesperrt">des als Gehilfe</em> des Finanzministers nach -Petersburg berufnen <em class="gesperrt">Geheimrats</em> – <em class="gesperrt">dem</em> als vortrefflicher -<em class="gesperrt">Dirigent</em> bekannten <em class="gesperrt">Kapellmeister</em>. Dieser Nominativ -erklärt sich daraus, daß er eben stets hinter dem passiven <span class="antiqua">Verbum -finitum</span> steht, sogar oft im Aktiv bei rückbezüglichen Zeitwörtern, -wie <em class="gesperrt">sich zeigen</em>, <em class="gesperrt">sich beweisen</em>, <em class="gesperrt">sich verraten</em>, -<em class="gesperrt">sich entpuppen</em>, <em class="gesperrt">sich bewähren</em>, wo eigentlich der -Akkusativ am Platze wäre: er hat <em class="gesperrt">sich</em> als <em class="gesperrt">ausgezeichneter -Verwaltungsbeamter</em> bewährt. Hier ist übrigens ein Unterschied -möglich; er zeigte <em class="gesperrt">sich</em> als <em class="gesperrt">feinen</em> Kenner – ist etwas -andres als: er zeigte <em class="gesperrt">sich</em> als <em class="gesperrt">feiner</em> Kenner. Der -Akkusativ entspricht einem Objektsatz im Konjunktiv (er zeigte, daß -er ein feiner Kenner <em class="gesperrt">sei</em>), der Nominativ einem Objektsatz im -Indikativ (er zeigte, daß er ein feiner Kenner <em class="gesperrt">ist</em>). Aber dieser -Unterschied ist so fein, daß ihn die wenigsten nachfühlen werden; die -meisten schreiben unwillkürlich überall den Nominativ.</p> - -<p>Bei <em class="gesperrt">sein lassen</em> und <em class="gesperrt">werden lassen</em> muß ein zum Objekt -gehöriges Prädikat natürlich im Nominativ stehen. Falsch heißt es in -dem Gesangbuchliede: laß du <em class="gesperrt">mich deinen Tempel</em> sein, falsch auch -bei Uhland: laß <em class="gesperrt">du mich deinen Gesellen</em> sein – so annehmbar es -auch zu klingen scheint. Es muß heißen: laß du <em class="gesperrt">mich dein Geselle</em> -sein – laß <em class="gesperrt">ihn ein tüchtiger Künstler</em> werden.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Der_Buchtitelfehler">Der Buchtitelfehler</h3> - -</div> - -<p>Ein besonders häufiges Beispiel einer fehlerhaften Apposition findet -sich auf Buchtiteln. Gewiß auf der Hälfte aller Buchtitel wird jetzt -zum Verfassernamen, der ja immer hinter <em class="gesperrt">von</em>, also im Dativ -steht, das Amt oder der Beruf des Verfassers im Nominativ gesetzt!<span class="pagenum" id="Seite_216">[S. 216]</span> -Noch in den vierziger und fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts -war diese Nachlässigkeit fast unbekannt; da schrieb man noch richtig; -<em class="gesperrt">von</em> Joseph <em class="gesperrt">Freiherrn</em> von Eichendorff, <em class="gesperrt">von</em> H. -Stephan, kgl. preußisch<em class="gesperrt">em</em> Postrat. Jetzt heißt es: <em class="gesperrt">von</em> -C. W. Schneider, Reichstagsabgeordnet<em class="gesperrt">er</em> – <em class="gesperrt">von</em> H. -Brehmer, dirigierend<em class="gesperrt">er</em> Arzt – <em class="gesperrt">von</em> F. Kobeker, kaiserl. -russisch<em class="gesperrt">er</em> Geheimrat – <em class="gesperrt">von</em> Egbert von Frankenberg, -diensttuend<em class="gesperrt">er</em> Kammerherr – <em class="gesperrt">von</em> Havestadt und Contag, -Regierungsbaumeist<em class="gesperrt">er</em> – <em class="gesperrt">von</em> <span class="antiqua">Dr.</span> Leonhard Wolff, -städtisch<em class="gesperrt">er</em> Musikdirektor – <em class="gesperrt">von</em> J. Hartmann, königl. -preußisch<em class="gesperrt">er</em> Generalleutnant z. D. – <em class="gesperrt">von</em> Adolf Zeller, -königlich<em class="gesperrt">er</em> Regierungsbaumeister – <em class="gesperrt">von</em> Adolf Winds, -königl. sächsisch<em class="gesperrt">er</em> Hofschauspieler – <em class="gesperrt">von</em> <span class="antiqua">Dr.</span> -Friedrich Harms, weiland ordentlich<em class="gesperrt">er</em> Professor an der -Universität Berlin – <em class="gesperrt">von</em> L. Schmidt, korrespondierend<em class="gesperrt">es</em> -Mitglied des Vereins usw. Besonders häufig erscheinen der -<em class="gesperrt">Dozent</em>, der <em class="gesperrt">Privatdozent</em> und der <em class="gesperrt">Architekt</em> -in solchen fehlerhaften Appositionen; es ist, als ob die Herren -ganz vergessen hätten, daß sie nach der schwachen Deklination -gehen (<em class="gesperrt">dem</em> Dozent<em class="gesperrt">en</em>, <em class="gesperrt">dem</em> Architekt<em class="gesperrt">en</em>). -Mitunter sind ja die Verfasser so vorsichtig, das Wort, auf das -es ankommt, abzukürzen, z. B.: <em class="gesperrt">von</em> Heinrich Oberländer, -<em class="gesperrt">königl.</em> Schauspieler. Namentlich der <em class="gesperrt">ordentl.</em> und der -<em class="gesperrt">außerordentl.</em> Professor gebrauchen gern diese Vorsicht und -überlassen es dem Leser, sich die Abkürzung nach Belieben zu ergänzen. -Die meisten Leser ergänzen aber sicher falsch.<a id="FNAnker_105" href="#Fussnote_105" class="fnanchor">[105]</a> Hat außerdem noch -der Name des Druckers oder des Verlegers eine Apposition, so kann es -vorkommen, daß auf einem Buchtitel der Fehler zweimal steht, oben beim -Verfassernamen und dann wieder unten am Fuße: Druck <em class="gesperrt">von</em> Gustav -Schenk, königlich<em class="gesperrt">er</em> Hofliefer<em class="gesperrt">ant</em>!</p> - -<p>Aber auch in andern Fällen, nicht bloß wo sich der Verfasser eines -Buches nennt, wird der Fehler oft begangen. Man schreibt auch: -Erinnerungen <em class="gesperrt">an</em> Botho von Hülsen, Generalintend<em class="gesperrt">ant</em> -der königlichen Schauspiele.<span class="pagenum" id="Seite_217">[S. 217]</span> Auf Briefadressen kann man lesen: -<em class="gesperrt">Herrn</em> <span class="antiqua">Dr.</span> Müller, Vorsitzend<em class="gesperrt">er</em> des Vereins usw. Es -ist, als ob alle solche Appositionen, die Amt, Titel, Beruf angeben, -zusammen mit den Personennamen als eine Art von Versteinerungen -betrachtet würden. Daß <em class="gesperrt">von</em> den Dativ, <em class="gesperrt">an</em> den Akkusativ -regiert, dafür scheint hier alles Bewußtsein geschwunden zu sein. Erst -kommt die Präposition, dann der Name, und dann, unflektiert und, wie es -scheint, auch unflektierbar, der Wortlaut der – Visitenkarte.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Frl_Mimi_Schulz_Tochter_usw">Frl. Mimi Schulz, Tochter usw.</h3> - -</div> - -<p>Zu der einen Nachäfferei des Französischen bei der Apposition kommt -aber jetzt noch eine zweite, nämlich die, den Artikel wegzulassen. -In gutem Deutsch ist das nur dann üblich, wenn die Apposition -Amt, Beruf oder Titel bezeichnet, und auch da eigentlich nur in -Unterschriften, wenn man selber seinen Namen und Titel hinschreibt. -Aber abgeschmackt ist es, den Artikel bei Verwandtschaftsbegriffen -wegzulassen, und doch kann man das jetzt ebenso oft in Geschichtswerken -wie in – Verlobungsanzeigen lesen. Historiker und Literarhistoriker -schreiben: die Bekanntschaft mit Körner, <em class="gesperrt">Vater</em> des Dichters -Theodor Körner – die Briefe sind an die Herzogin Dorothee Susanne, -<em class="gesperrt">Gemahlin</em> des Herzogs Johann Wilhelm, gerichtet – Gabriele -von Bülow, <em class="gesperrt">Tochter</em> Wilhelm von Humboldts – sogar: Direktor -Adler, <em class="gesperrt">Pate</em> meiner Schwester – und der Reserveleutnant und -Gymnasialoberlehrer Schmidt zeigt an, daß er sich mit Fräulein Mimi -Schulz, <em class="gesperrt">Tochter</em> des Herrn Kommerzienrat Schulz, verlobt habe. -Diese lapidarische Kürze mag in den Augen des Reserveleutnants der -Größe des Augenblicks angemessen erscheinen – deutsch ist sie nicht. -Hat der Herr Kommerzienrat nur die eine Tochter, so muß es heißen: -<em class="gesperrt">der Tochter</em>, hat er mehrere, so muß es heißen: <em class="gesperrt">einer -Tochter</em>; und warum soll die Welt nicht erfahren, ob er noch -mehr hat? Und wenn der Geschichtschreiber nicht wüßte, oder wenn es -überhaupt unbekannt wäre, ob die Fürstin, von der er erzählt, eine -oder mehrere Töchter gehabt hat, so müßte es immer heißen: <em class="gesperrt">eine -Tochter</em>, denn <em class="gesperrt">eine</em><span class="pagenum" id="Seite_218">[S. 218]</span> Tochter war es auf jeden Fall, ob sie -nun die einzige war oder Schwestern hatte.</p> - -<p>Ebenso falsch ist es natürlich, zu schreiben, der Vorwärts, -<em class="gesperrt">Organ</em> der sozialdemokratischen Partei. Hat die Partei mehrere -„Organe“, so muß es heißen: <em class="gesperrt">ein</em> Organ; hat sie nur das eine, ist -das ihr anerkanntes amtliches „Organ“, so muß es heißen: <em class="gesperrt">das</em> -Organ. <em class="gesperrt">Organ</em> allein könnte höchstens (in dem zweiten Falle) -unter dem Titelkopfe der Zeitung stehen.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Bad_Kissingen_und_Kaiser_Wilhelm_Strasse">Bad-Kissingen und Kaiser -Wilhelm-Straße</h3> - -</div> - -<p>Daß ein Eigenname nicht mit einer vorangestellten Apposition ein -zusammengesetztes Wort bilden kann, darüber ist sich wohl jedermann -klar. <em class="gesperrt">Kaiser Wilhelm</em> – das sind und bleiben zwei Wörter, so -gut wie <em class="gesperrt">Doktor Luther</em>, <em class="gesperrt">Bruder Straubinger</em>, <em class="gesperrt">Inspektor -Bräsig</em>, <em class="gesperrt">Familie Mendelssohn</em>, <em class="gesperrt">Stadt Berlin</em> u. ähnl. -Trotzdem ist neuerdings der Unsinn aufgekommen, namentlich bei -Badeorten die Apposition <em class="gesperrt">Bad</em> durch einen Strich mit dem -Ortsnamen zu verbinden, als ob beides zusammen <em class="gesperrt">ein</em> Wort -bildete. <em class="gesperrt">Bad-Sulza</em>, im Gegensatz dazu dann <em class="gesperrt">Stadt-Sulza</em>, -<em class="gesperrt">Bad-Elster</em>, <em class="gesperrt">Bad-Kissingen</em>, <em class="gesperrt">Bad-Nauheim</em> – -so wird selbst amtlich von der Post und der Eisenbahn z. B. in -Briefstempeln und auf Eisenbahnbilletts gedruckt. Und besucht man dann -einen solchen Badeort, so sieht man, daß dort auch hinter dem Worte -<em class="gesperrt">Villa</em> der Unsinn in üppigster Blüte steht: <em class="gesperrt">Villa-Daheim</em>, -<em class="gesperrt">Villa-Schröter</em>, <em class="gesperrt">Villa-Maria</em>, <em class="gesperrt">Villa-Quisisana</em> – -anders wird gar nicht mehr an die Häuser gemalt, einer machts immer dem -andern nach.<a id="FNAnker_106" href="#Fussnote_106" class="fnanchor">[106]</a></p> - -<p>Mit diesem Unsinn kreuzt sich aber nun ein andrer. Teils infolge des -übertriebnen juristischen Genauigkeitsbedürfnisses, teils infolge -des herrschenden Byzantinismus unsrer Zeit kann man es sich nicht -versagen, da, wo nun wirkliche Zusammensetzungen mit Eigennamen -gebildet werden, auch noch Vornamen, Titel oder<span class="pagenum" id="Seite_219">[S. 219]</span> sonstige Appositionen -davorzusetzen und zu schreiben: <em class="gesperrt">Gustav Freytag-Straße</em>, -<em class="gesperrt">von (!) Falckenstein-Straße</em>, <em class="gesperrt">Kaiserin Augusta-Straße</em>, -<em class="gesperrt">Königin Carola-Gymnasium</em>, <em class="gesperrt">Königin Luisen-Garten</em>, -<em class="gesperrt">Kaiser Friedrich-Quelle</em>, <em class="gesperrt">Generalfeldmarschall Prinz Friedrich -Karl von Preußen-Eiche</em>, <em class="gesperrt">Familie Mendelssohn-Stiftung</em>, -<em class="gesperrt">Baronin Moritz von Cohn-Stiftung</em>, <em class="gesperrt">Philipp Reis-Denkmal</em>, -<em class="gesperrt">Waldemar Meyer-Quartett</em>, <em class="gesperrt">Gustav Frenssen-Abend</em>, -<em class="gesperrt">Arthur Nikisch-Stipendium</em>, <em class="gesperrt">Auguste Schmidt-Haus</em>, <em class="gesperrt">Hugo -Wolff-Nachruf</em> usw. Wenn man früher eine Straße nach dem großen -Preußenkönig, einen Kanal nach dem großen Bayernkönig nannte, so -nannte man sie einfach <em class="gesperrt">Friedrichstraße</em>, <em class="gesperrt">Ludwigskanal</em>. -Eine Stiftung hieß die <em class="gesperrt">Wiedebachsche Stiftung</em>, mochte sie nun -von einem Manne namens Wiedebach, einer Frau namens Wiedebach oder -einer Familie namens Wiedebach herrühren. Auf den Namen kam es an. -Ein Name soll doch eben ein Name sein, aber keine Geschichte, kein -Steckbrief, keine Hofkalenderadresse, keine Visitenkarte. Die heute -beliebten langatmigen Bezeichnungen sind aber alles andre, nur keine -Namen. Dazu kommt aber nun, daß alle solche Worthaufen, die doch -als zusammengesetzte Wörter gelten sollen, vor den Eigennamen ohne -Bindestrich geschrieben werden: <em class="gesperrt">Kaiser Wilhelm-Straße</em>. Das kann -doch nichts andres bedeuten als einen Kaiser, der Wilhelmstraße heißt! -Soll es eine Straße bedeuten, die nach Kaiser Wilhelm genannt ist, so -muß sie unbedingt geschrieben werden: <em class="gesperrt">Kaiser-Wilhelm-Straße</em>. Und -ebenso muß unbedingt geschrieben werden: <em class="gesperrt">Gustav-Adolf-Verein</em>, -<em class="gesperrt">Maria-Stuart-Tragödie</em>, <em class="gesperrt">Baronin-Moritz-von-Cohn-Stiftung</em>, -<em class="gesperrt">Generalfeldmarschall-Prinz-Friedrich-Karl-von-Preußen-Eiche</em>. -Wem das nicht gefällt, der bilde keine solchen Wörter. Es geht aber -schon so weit, daß man eine Schule <em class="gesperrt">Kaiser Wilhelm II. Realschule</em> -genannt hat! Wie soll man das nur aussprechen?</p> - -<p>In der unsinnigen Schreibung solcher Wortungetüme (ohne alle -Bindestriche) offenbart sich wieder der zerrüttende<span class="pagenum" id="Seite_220">[S. 220]</span> Einfluß des -Englischen. Das Englische kennt ja keine Wortzusammensetzungen. Die -Wörter kollern da aufs Papier wie die Pferdeäpfel auf die Straße: -<em class="gesperrt">Original Singer Familien Nähmaschine</em>. Das ist zu schön, das muß -doch wieder nachgemacht werden!</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Der_Dichter_Komponist_und_der_Doktor_Ingenieur">Der Dichter-Komponist und -der Doktor-Ingenieur</h3> - -</div> - -<p>Eine fehlerhafte und abgeschmackte Nachahmung des Französischen und -des Englischen liegt auch in Verbindungen wie <em class="gesperrt">Prinz-Regent</em> -und <em class="gesperrt">Dichter-Komponist</em> vor. Nach deutscher Logik -(vgl. <em class="gesperrt">Chorregent</em>, <em class="gesperrt">Liederkomponist</em>) wäre ein -<em class="gesperrt">Dichterkomponist</em> ein Komponist, der Dichter komponierte, -ein <em class="gesperrt">Prinzregent</em> ein Regent, der einen Prinzen regierte; -das eine soll aber ein Dichter sein, der zugleich komponiert, das -andre ein Prinz, der die Regentschaft führt; das erste Wort soll -also nicht das Bestimmungswort des zweiten, sondern das zweite -eine Art von Apposition zum ersten sein. Das erste Beispiel dieser -Art war wohl der <em class="gesperrt">Bürgergeneral</em>, wie Goethe wörtlich das -französische <span class="antiqua">citoyen-général</span> übersetzt hatte; später kam -der <em class="gesperrt">Prinz-Gemahl</em> dazu (dem englischen <span class="antiqua">prince-consort</span> -nachgebildet). Und nun war kein Halten mehr. Nun folgten -auch die <em class="gesperrt">Herzogin-Mutter</em>, die <em class="gesperrt">Königin-Witwe</em>, -der <em class="gesperrt">Prinz-Regent</em>, der <em class="gesperrt">Fürst-Bischof</em> und der -<em class="gesperrt">Fürst-Reichskanzler</em>, und in andern Lebenskreisen, dem -französischen <span class="antiqua">peintre-graveur</span>, <span class="antiqua">membre-protecteur</span> -und <span class="antiqua">commis-voyageur</span> nachgeäfft, der <em class="gesperrt">Maler-Radierer</em>, -der <em class="gesperrt">Maler-Dichter</em> (z. B. Reinick, Stifter, Fitger), der -<em class="gesperrt">Dichter-Komponist</em> und der <em class="gesperrt">Senior-Chef</em>. Kann man sich -da wundern, wenn die Dienstmädchen nun auch von einem Prinzen, der -in Leipzig studiert, sagen: Dort fährt der <em class="gesperrt">Prinz-Student</em>? -Manche Zeitungen getrauen sich schon nicht mehr, Fürstenkinder -als Söhne und Töchter zu bezeichnen, sondern schreiben stets: die -<em class="gesperrt">Prinzen-Söhne</em>, die <em class="gesperrt">Prinzessinnen-Töchter</em>. In gewissen -sächsischen Zeitungen z. B. hat der König von Sachsen immer nur -<em class="gesperrt">Prinzensöhne</em>. Es fehlt nur noch die <em class="gesperrt">Kaiserin-Großmutter</em> -und die <em class="gesperrt">Königin-Tante</em>. Das neueste der Art ist der -<em class="gesperrt">Doktor-Ingenieur</em>, der lächerlicherweise<span class="pagenum" id="Seite_221">[S. 221]</span> noch dazu <span class="antiqua">Dr. -ing.</span> geschrieben wird, was man doch höchstens <span class="antiqua">Doctor ingenii</span> -lesen kann. Hätte es da nicht näher gelegen und wäre es nicht logischer -gewesen, solche Herren als <span class="antiqua">Dr. techn.</span> zu bezeichnen?</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="In_einer_Zeit_wie_der_unsrigen">In einer Zeit wie der unsrigen</h3> - -</div> - -<p>Keine eigentliche Apposition liegt vor, wenn man sagt: <em class="gesperrt">in einer -Zeit</em> wie <em class="gesperrt">der unsrigen</em>, sondern hier hat ein kurzer -Nebensatz, und zwar ein Attributsatz (<em class="gesperrt">wie die unsrige ist</em>), -sein Zeitwort eingebüßt, und das übrigbleibende Subjekt des Satzes ist -dann unwillkürlich zu dem vorhergehenden Dativ gezogen, „attrahiert“ -worden. Manche wollen von dieser Attraktion nichts wissen; sie ist -aber sehr natürlich und liegt so nahe, daß es pedantisch wäre, sie -zu vermeiden. Gegen Verbindungen wie: in <em class="gesperrt">einem Buche</em> wie dem -vorliegenden, oder: es bedarf <em class="gesperrt">eines Reaktionsstoffes</em> wie <em class="gesperrt">des -Natriums</em> – ist nicht das geringste einzuwenden; es klingt sogar -gesucht und hart, wenn jemand schreibt: <em class="gesperrt">von</em> Perioden wie <em class="gesperrt">die -jetzige</em> kann man sagen – sie wollte ihren Sohn <em class="gesperrt">vor</em> einem -ähnlichen Schicksal wie <em class="gesperrt">das</em> seines Vaters bewahren – wer die -Jugend <em class="gesperrt">zu</em> einem Berufe wie <em class="gesperrt">der ärztliche</em> vorbereiten will -– <em class="gesperrt">solche</em> kleinere Sammlungen wurden <em class="gesperrt">in</em> Werken wie <em class="gesperrt">die -Weingartner Handschrift</em> vereinigt.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Gustav_Fischer_Buchbinderei">Gustav Fischer, Buchbinderei</h3> - -</div> - -<p>Eine Geschmacklosigkeit, die sich in der Sprache unsrer Geschäftsleute -mit großer Schnelligkeit verbreitet hat, besteht darin, zu einem -Personennamen eine Sache als Apposition zu setzen, z. B.: <em class="gesperrt">Gustav -Fischer, Buchbinderei</em> – <em class="gesperrt">Th. Böhme, Schuhmacherartikel und -Schäftefabrik</em> – <em class="gesperrt">B. Fricke, Kartoffelmehl <span class="antiqua">en gros</span></em> – -<em class="gesperrt">Leopold Wallfisch, Leder</em>. Früher sagte man vernünftigerweise: -<em class="gesperrt">Gustav Fischer, Buchbinder</em>, und wer zu verstehen geben -wollte, daß er sein Geschäft nicht allein, sondern mit einer Anzahl -von Gesellen betreibe (jetzt heißt es vornehmer: Gehilfen, obwohl -ein Geselle von damals viel mehr zu bedeuten hatte als so<span class="pagenum" id="Seite_222">[S. 222]</span> ein -moderner „Gehilfe“!), sagte: <em class="gesperrt">Gustav Fischers Buchbinderei</em> oder -<em class="gesperrt">Buchbinderei von Gustav Fischer</em>. Der Unsinn, einen Menschen eine -Buchbinderei zu nennen, ist unsrer Zeit vorbehalten geblieben.</p> - -<p>Man könnte nun einwenden, in solchen Verbindungen solle der -Personenname gar nicht den Mann bedeuten, sondern die Firma, das -Geschäft; in dem Zusatz solle also gar keine Apposition liegen, sondern -mehr eine „Juxtaposition“. In den altmodischen Firmen sei nur der -eine Satz ausgedrückt gewesen: (hier wohnt) <em class="gesperrt">Gustav Fischer</em>; in -den neumodischen Firmen seien zwei Sätze ausgedrückt: (hier wohnt) -<em class="gesperrt">Karl Bellach</em>, (der hat eine) <em class="gesperrt">photographische Anstalt</em>, -oder: (hier hat sein Geschäft) <em class="gesperrt">Siegfried Goldmann</em>, (der -verkauft) <em class="gesperrt">Wolle</em>. Wie steht es denn aber dann, wenn man in einem -Ausstellerverzeichnis lesen muß: Herr <em class="gesperrt">F. A. Barthel, Abteilung</em> -für Metallklammern, oder in einer Verlobungsanzeige: Herr <em class="gesperrt">Max -Schnetger, Rosenzüchterei</em>, mit Fräulein Luise Langbein, oder -in einem Fremdenbuche: <em class="gesperrt">Rudolf Dahme, Kognakbrennerei</em>, mit -Gattin und Tochter, oder in einer Zeitung: Herr <em class="gesperrt">Gustav Böhme jun., -Bureau</em> für Orientreisen, telegraphiert uns? Ist da auch noch die -Firma gemeint?</p> - -<p>Zum Teil ist dieser Unsinn eine Folge der Prahlsucht<a id="FNAnker_107" href="#Fussnote_107" class="fnanchor">[107]</a> -unsrer Geschäftsleute; es will niemand mehr <em class="gesperrt">Gärtner</em> oder -<em class="gesperrt">Brauer</em>, <em class="gesperrt">Tischler</em> oder <em class="gesperrt">Buchbinder</em> sein, sondern -nur noch <em class="gesperrt">Gärtnereibesitzer</em>, <em class="gesperrt">Brauereibesitzer</em>, -<em class="gesperrt">Tischlereibesitzer</em>, <em class="gesperrt">Buchbindereibesitzer</em> – immer -großartig! Da darf natürlich die Buchbind<em class="gesperrt">erei</em> auch in der Firma -nicht fehlen. Zum andern Teil ist er aber doch auch eine Folge der -Verwilderung unsers Sprachgefühls. <em class="gesperrt">W. Spindlers Waschanstalt</em> -und <em class="gesperrt">Gotthelf Kühnes Weinkellereien</em> – das wäre Sprache; -<em class="gesperrt">W. Spindler Färberei und Waschanstalt</em> und <em class="gesperrt">Gotthelf Kühne -Weinkellereien</em> – das ist Gestammel. Man will aber gar nicht mehr -sprechen, man will eben stammeln.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_223">[S. 223]</span></p> - -<h3 id="Die_persoenlichen_Fuerwoerter">Die persönlichen Fürwörter. Der erstere und -der letztere</h3> - -</div> - -<p>Recht vorsichtig sollte man immer in dem Gebrauche der persönlichen -Fürwörter sein. Wer schreibt, der weiß ja, wen er mit einem <em class="gesperrt">er</em> -oder <em class="gesperrt">ihn</em> meint; der Leser aber versteht oft falsch, weil -mehrere Hauptwörter vorhergegangen sind, auf die sich das Fürwort -zurückbeziehen kann, sucht dann nach dem richtigen Wort und wird so in -ärgerlicher Weise aufgehalten. Wo daher ein Mißverständnis möglich ist, -ist es immer besser, statt des Fürworts wieder das Hauptwort zu setzen, -besonders dann, wenn im vorhergehenden zwei Hauptwörter einander -gegenübergestellt worden sind. Leider macht sich auch hier wieder der -törichte Aberglaube breit, daß es unschön sei, kurz hintereinander -mehreremal dasselbe Wort zu gebrauchen.</p> - -<p>Man nehme folgende Sätze: Schon in Goethe, ja schon in dem -musikliebenden Luther findet sich das unbestimmte Vorgefühl einer -solchen Entwicklung; Goethe hatte bekanntlich bis zu seinem vierzigsten -Jahre die ernstliche Absicht, sich der bildenden Kunst zu widmen, -und die Haupttat Luthers, die Bibelübersetzung, ist eine wesentlich -künstlerische Tat.</p> - -<p>Das sind gewiß ein paar gute, tadellose Sätze, so klar, übersichtlich -und wohlklingend, wie man sie nur wünschen kann. Da kommt nun der -Papiermensch drüber und sagt: Entsetzlich! Da steht ja zweimal -hintereinander Goethe und zweimal hintereinander Luther! Jedes zweite -mal ist vom Übel, also weg damit! Es muß heißen: <em class="gesperrt">der eine</em> -und <em class="gesperrt">der andre</em>, oder <em class="gesperrt">jener</em> und <em class="gesperrt">dieser</em>, oder -– und das ist nun das schönste von allem –: <em class="gesperrt">ersterer</em> und -<em class="gesperrt">letzterer</em>. Also: schon in Goethe, ja schon in dem musikliebenden -Luther findet sich das unbestimmte Vorgefühl einer solchen Entwicklung: -<em class="gesperrt">ersterer</em> hatte bekanntlich bis zu seinem vierzigsten Jahre -die ernstliche Absicht, sich der bildenden Kunst zu widmen; und die -Haupttat des <em class="gesperrt">letztern</em>, die Bibelübersetzung, war eine wesentlich -künstlerische Tat.</p> - -<p>Über die häßliche Komparativbildung <em class="gesperrt">ersterer</em> und -<em class="gesperrt">letzterer</em> ist schon bei den Relativsätzen gesprochen<span class="pagenum" id="Seite_224">[S. 224]</span> worden -(vgl. <a href="#Seite_123">S. 123</a>). Wie häßlich ist aber erst – dort wie hier – die -Anwendung! Das angeführte Beispiel ist ja verhältnismäßig einfach, und -da es vorher mit Wiederholung der Namen gebildet worden ist, so sieht -man leicht, worauf sich <em class="gesperrt">ersterer</em> und <em class="gesperrt">letzterer</em> beziehen -soll. Aber welche Qualen kann dem Leser in tausend andern Fällen -ein solches <em class="gesperrt">ersterer</em> und <em class="gesperrt">letzterer</em>, <em class="gesperrt">dieser</em> und -<em class="gesperrt">jener</em> bereiten! Man hat ja, wenn man arglos vor sich hinliest, -keine Ahnung davon, daß sich der Schreibende gewisse Wörter gleichsam -heimlich numeriert, um hinterher plötzlich von dem Leser zu verlangen, -daß der sie sich auch numeriert und – mit der Nummer gemerkt habe. -Auf einmal kommt nun so ein verteufeltes <em class="gesperrt">ersterer</em>. Ja wer war -denn der <em class="gesperrt">erstere</em>? Hastig fliegt das Auge zurück und irrt in den -letzten zwei, drei Zeilen umher, um darnach zu suchen. <em class="gesperrt">Ersterer</em> -– halt, da steht <em class="gesperrt">er</em>: Luther! Also: Luther hatte bekanntlich -bis zu seinem vierzigsten Jahre die ernstliche Absicht, sich der -bildenden Kunst zu widmen. Unsinn! der andre muß es gewesen sein, also -noch einmal suchen! Richtig, hier steht er: Goethe! Also: Goethe hatte -bekanntlich die ernstliche Absicht – Gott sei Dank, jetzt sind wir -wieder im Fahrwasser. Zum Glück verläuft ja in Wirklichkeit dieses -Hinundhergeworfenwerden etwas schneller; aber angenehm ist es nicht, -und doch, wie oft muß mans über sich ergehen lassen!</p> - -<p>Noch ein paar weitere Beispiele: Diskretion ist eine Tugend der -Gesellschaft: <em class="gesperrt">diese</em> kann nicht ohne <em class="gesperrt">jene</em> bestehen – -unerfahrne Kinder und geübte Diplomaten haben das oft blitzartige -Durchschauen von Menschen und Charakteren miteinander gemein, aber -freilich aus verschiednen Gründen: <em class="gesperrt">jene</em> besitzen noch den -Blick für das Ganze, <em class="gesperrt">diese</em> schon den für die Einzelheiten des -menschlichen Seelenlebens – wie Raffael in der Form, ist Rembrandt -in der Farbe nichts weniger als naturwahr; <em class="gesperrt">dieser</em> hat seinen -selbständigen und in gewissem Sinne unnatürlichen Stil gerade so gut -wie <em class="gesperrt">jener</em>; und insofern Rembrandt in seinen Bildern sogar -eine noch intensivere persönliche Handschrift zeigt als Raffael, hat -der <em class="gesperrt">erstere</em> noch mehr Stil als der <em class="gesperrt">letztere</em> – der<span class="pagenum" id="Seite_225">[S. 225]</span> -Gelehrte ist seinem Wesen nach international, der Künstler national; -darauf gründet sich die Überlegenheit des <em class="gesperrt">letztern</em> über den -<em class="gesperrt">erstern</em> – dieser Umschwung ist wieder durch den Egoismus -bewirkt worden, nur daß es diesmal nicht der des Gebers, sondern der -des Nehmers war; <em class="gesperrt">jener</em> hat in <em class="gesperrt">diesem</em> seinen Meister -gefunden; <em class="gesperrt">letzterer</em> das Werk würdig fortgesetzt. Alle solche -Sätze sind eine Qual für den Leser. Wer ist <em class="gesperrt">dieser</em>, wer ist -<em class="gesperrt">jener</em>, wer ist <em class="gesperrt">letzterer</em>? In dem letzten Beispiele sollen -<em class="gesperrt">dieser</em> und <em class="gesperrt">jener</em> der Geber und der Nehmer sein, aber in -welcher Reihenfolge? <em class="gesperrt">Dieser</em> soll sich auf den näherstehenden, -<em class="gesperrt">jener</em> auf den fernerstehenden beziehen, <em class="gesperrt">letzterer</em> -bezieht man unwillkürlich zunächst auf Meister, es ist aber wieder der -Nehmer gemeint. Ist es denn da nicht gescheiter, zu schreiben: dieser -Umschwung ist wieder durch den Egoismus bewirkt worden, nur daß es -diesmal nicht der des Gebers, sondern der des Nehmers war; der Geber -hat im Nehmer seinen Meister gefunden, der Nehmer hat das Werk würdig -fortgesetzt? Das ist sofort verständlich, und alles ängstliche Umkehren -und Suchen fällt weg.</p> - -<p>Ein ganz besondrer Mißbrauch wird noch mit <em class="gesperrt">letzterer</em> allein -getrieben. Viele sind so verliebt in dieses schöne Wort, daß sie es -ganz gedankenlos (für <em class="gesperrt">dieser</em>!) auch da gebrauchen, wo gar keine -Gegenüberstellung von zwei Dingen vorhergegangen ist; sie weisen -damit einfach auf das zuletzt genannte Hauptwort zurück; z. B.: -das Preisgericht hat seinen Spruch getan, <em class="gesperrt">letzterer</em> greift -jedoch der Entscheidung nicht vor – das Pepton wird aus bestem -Fleisch dargestellt, sodaß <em class="gesperrt">letzteres</em> bereits in löslicher -Form dem Magen zugeführt wird – Krüge, Teller und Schüsseln bilden -das Material, dem die dichterischen Ergüsse anvertraut werden; -sind <em class="gesperrt">letztere</em> aber elegischer Natur, so finden wir sie auf -Grabsteinen und Votivtafeln – in der offiziösen Sprache schreibt man -erst dann von gestörten Beziehungen, wenn der Krieg vor der Tür steht, -und daß <em class="gesperrt">letzteres</em> nicht der Fall sei, glauben wir gern – je -weiter entwickelt die Kultur eines Volkes ist, desto empfindlicher ist -<em class="gesperrt">letzteres</em> gegen gewaltsame Eingriffe – die Stellungnahme (!) -des<span class="pagenum" id="Seite_226">[S. 226]</span> Pietismus zu den Kantoreien mußte auf <em class="gesperrt">letztere</em> lähmend -wirken – die Genossen, die ohne Kündigung die Arbeit eingestellt -hatten und <em class="gesperrt">letztere</em> nicht sofort wieder aufnahmen – F. schlug -den Wachtmeister über den Kopf, als <em class="gesperrt">letzterer</em> (der Kopf?) seine -Zelle betrat – diese Aufsätze sind verhaltne lyrische Gedichte, von -<em class="gesperrt">letztern</em> (<em class="gesperrt">solchen</em>!) nur durch die Form verschieden usw. -Wenn solche Gedankenlosigkeit weitere Fortschritte macht, so kommen wir -noch dahin, daß es in lateinisch-deutschen Wörterbüchern heißen muß: -<span class="antiqua">hic</span>, <span class="antiqua">haec</span>, <span class="antiqua">hoc</span>: <em class="gesperrt">letzterer</em>, <em class="gesperrt">letztere</em>, -<em class="gesperrt">letzteres</em> (ebenso wie <span class="antiqua">qui</span>, <span class="antiqua">quae</span>, <span class="antiqua">quod</span>: -<em class="gesperrt">welch letzterer</em>, <em class="gesperrt">welch letztere</em>, <em class="gesperrt">welch letzteres</em>).</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Derselbe_dieselbe_dasselbe">Derselbe, dieselbe, dasselbe</h3> - -</div> - -<p>Zu den entsetzlichsten Erscheinungen unsrer Schriftsprache gehört der -alles Maß übersteigende Mißbrauch, der mit dem Fürwort <em class="gesperrt">derselbe</em>, -<em class="gesperrt">dieselbe</em>, <em class="gesperrt">dasselbe</em> getrieben wird. An der Unnatur und -Steifbeinigkeit unsers ganzen schriftlichen Ausdrucks trägt dieses -Wort die Hälfte aller Schuld. Könnte man unsrer Schriftsprache diesen -Bleiklumpen abnehmen, schon dadurch allein würde sie Flügel zu bekommen -scheinen. Der Mißbrauch dieses Fürworts gehört zu den Hauptkennzeichen -jener Sprache, von der nun schon so viele Beispiele in diesem Buche -angeführt worden sind, und die man so treffend als papiernen Stil -bezeichnet hat.<a id="FNAnker_108" href="#Fussnote_108" class="fnanchor">[108]</a></p> - -<p>Unter hundert Fällen, wo heute <em class="gesperrt">derselbe</em> geschrieben wird, sind -keine fünf, wo das Wort in seiner wirklichen Bedeutung (<span class="antiqua">idem</span>, -<span class="antiqua">le même</span>, <span class="antiqua">the same</span>) stünde. In der lebendigen Sprache -wird es zwar in seiner wirklichen Bedeutung täglich tausendmal -gebraucht, auf dem Papier aber fast gar nicht mehr; da wird es immer -ersetzt durch <em class="gesperrt">ebenderselbe</em> oder <em class="gesperrt">einundderselbe</em> oder -<em class="gesperrt">der nämliche</em> oder <em class="gesperrt">der gleiche</em> (von dem <em class="gesperrt">gleichen</em> -Verfasser erschien in der <em class="gesperrt">gleichen</em> Verlagsbuchhandlung usw.). -Daß zur Gleichheit mindestens zwei gehören, daran denkt man gar nicht. -Zwar so wunderbaren Sätzen wie: Wagner hat <em class="gesperrt">dieselben</em> Quellen -benutzt wie Goethe,<span class="pagenum" id="Seite_227">[S. 227]</span> aber in engerm Anschluß an <em class="gesperrt">dieselben</em> (wo -erst <span class="antiqua">eosdem</span>, dann <span class="antiqua">eos</span> gemeint ist) – fast gleichzeitig -wurde der Roman Werthers Leiden fertig; über <em class="gesperrt">denselben</em> -schreibt Goethe in <em class="gesperrt">demselben</em> Briefe usw., begegnet man selten. -Aber in fünfundneunzig unter hundert Fällen ist <em class="gesperrt">derselbe</em>, -<em class="gesperrt">dieselbe</em>, <em class="gesperrt">dasselbe</em> nichts weiter als <em class="gesperrt">er</em>, -<em class="gesperrt">sie</em>, <em class="gesperrt">es</em> oder <em class="gesperrt">dieser</em>, <em class="gesperrt">diese</em>, <em class="gesperrt">dieses</em>. -Und das ist das ärgerlichste an dem dummen Mißbrauch, daß dabei auch -noch der Unterschied zwischen <em class="gesperrt">er</em> und <em class="gesperrt">dieser</em> verwischt -wird.</p> - -<p>Für das persönliche Fürwort <em class="gesperrt">er</em> steht <em class="gesperrt">derselbe</em> z. B. -in folgenden Sätzen (man kann in wenig Minuten in jedem Buch und -jeder Zeitung die Beispiele schockweise sammeln): wir brauchten -das nur dann zu wissen, wenn die Welt erst noch geschaffen werden -sollte; <em class="gesperrt">dieselbe</em> ist aber bereits fertig – der Hauptsitz der -Rosenkultur ist der Südfuß des Hämus, doch zieht sich <em class="gesperrt">dieselbe</em> -auch in das Mittelgebirge hinein – durch Höhe der Gebäude suchte -man zu ersetzen, was <em class="gesperrt">denselben</em> an Breite und Tiefe abging -– was Erich Schmidt gegen die Glaubwürdigkeit Bretschneiders in -Feld führt, reicht nicht aus, <em class="gesperrt">dieselbe</em> zu erschüttern – -der Fall muß allgemeines Aufsehen erregt haben, da <em class="gesperrt">derselbe</em> -eine Bürgerstochter aus guter Familie betraf – neuerdings hat man -versucht, den Reim durch die Alliteration zu verdrängen; Jordan hat -<em class="gesperrt">dieselbe</em> eingeführt, und R. Wagner hat <em class="gesperrt">dieselbe</em> in freier -Weise verwandt – ich hatte mir gleich anfangs ein Brunnenglas gekauft, -aber <em class="gesperrt">dasselbe</em> blieb jungfräulich – die Gemeinde war allerdings -Besitzer des Bodens, <em class="gesperrt">derselbe</em> wurde aber nicht gemeinschaftlich -bearbeitet – das Manuskript lag halbvergessen in einem Schubfache, bis -mir die Anregung wurde, <em class="gesperrt">dasselbe</em> einer Zeitung zu überlassen -– Versuche, den Verein zu verfolgen, werden <em class="gesperrt">demselben</em> nur -neues Wachstum verleihen – der Inhaber hat die Karte stets bei -sich zu führen und darf <em class="gesperrt">dieselbe</em> an andre Personen nicht -weitergeben – der Nebensatz steht gewöhnlich hinter dem Hauptsatz, -<em class="gesperrt">derselbe</em> kann jedoch auch dem Hauptsatz vorangehen, und endlich -kann <em class="gesperrt">derselbe</em> auch in den Hauptsatz eingeschaltet sein usw. Kein -vernünftiger Mensch spricht so; jeder braucht, um ein<span class="pagenum" id="Seite_228">[S. 228]</span> eben dagewesenes -Hauptwort zu ersetzen, in der lebendigen Sprache das persönliche -Fürwort.</p> - -<p>In folgenden Sätzen wäre <em class="gesperrt">dieser</em> (oder das demonstrative -<em class="gesperrt">der</em>) das richtige: der Wildbach trat aus und wälzte große -Schuttmassen in die Limmat; dadurch wurde <em class="gesperrt">dieselbe</em> in ihrem -Laufe gehemmt – in Königsberg ließ Lenz seine Ode auf Kant drucken, -als <em class="gesperrt">derselbe</em> die Professorwürde erlangte – in jeder Küche -stand früher ein viereckiges Kästchen aus Blech; <em class="gesperrt">dasselbe</em> -enthielt vier Gegenstände, unter anderm eine Masse, die man Zunder -hieß; <em class="gesperrt">dieselbe</em> war hergestellt aus usw. – es finden sich in -der Schrift bisweilen originelle Kombinationen; <em class="gesperrt">dieselben</em> -sind aber doch völlig wertlos – freilich gehört Anlagekapital dazu, -<em class="gesperrt">dasselbe</em> verzinst sich aber gut – für die lokale Feier sind -entsprechende Festlichkeiten in Aussicht genommen; <em class="gesperrt">denselben</em> -werden geistliche Festlichkeiten vorausgehen – das Ergebnis -der Revolution wäre sicher nicht der sozialdemokratische Staat; -<em class="gesperrt">derselbe</em> (<em class="gesperrt">dieser</em>!) verlangt eine solche Umwälzung aller -Anschauungen, daß <em class="gesperrt">sich dieselbe</em> (<em class="gesperrt">sie sich</em>!) nicht von -heute auf morgen vollziehen kann.</p> - -<p>Ein Zeitungschreiber kann heutzutage nicht eine Mitteilung von zwei -Zeilen machen ohne dieses unsinnige <em class="gesperrt">derselbe</em>; erst wenn das -darinsteht, hat die Sache die nötige Wichtigkeit. Der Adjutant des -Sultans ist hier eingetroffen; <em class="gesperrt">derselbe</em> überbrachte dem -Großfürsten vier Pferde. Daß man nur ja nicht etwa denke, es habe -sie ein andrer überbracht! nein nein, es war derselbe! Ach, und -wenn nun erst noch die schöne Inversion dazukommt (der Verdacht -lenkte sich sofort auf den wegen Nachlässigkeit bekannten Hausmann, -<em class="gesperrt">und wurde derselbe</em> in einem Bodenraum erhängt aufgefunden), -und wenn gar die Inversion nur zu dem Zweck angewandt wird, auch -das herrliche <em class="gesperrt">derselbe</em> anbringen zu können (die Zigarren -erheben sich weit über das gewöhnliche Niveau, <em class="gesperrt">und gehören -dieselben</em> zu den besten usw.), oder wenn sich zu <em class="gesperrt">derselbe</em> -noch ein <em class="gesperrt">daselbst</em>, <em class="gesperrt">dortselbst</em>, <em class="gesperrt">hierselbst</em> oder -<em class="gesperrt">woselbst</em> gesellt (denn <em class="gesperrt">da</em>, <em class="gesperrt">dort</em>, <em class="gesperrt">hier</em> -und <em class="gesperrt">wo</em> kennt der Zeitungschreiber auch<span class="pagenum" id="Seite_229">[S. 229]</span> nicht, das ist ihm -viel zu simpel), dann schwillt die stolze Reporterbrust, er weiß, daß -er seinen „bedeutsamen“ Mitteilungen die würdigste Form verliehen -hat. Zur Resolution sprach bei Beginn der Sitzung der Abgeordnete -T.; <em class="gesperrt">derselbe</em> erklärte sich gegen <em class="gesperrt">dieselbe</em> – der Ulan -M. erhielt drei Tage Mittelarrest, weil <em class="gesperrt">derselbe</em> beim Appell -sein Pferd schlecht vorführte, sodaß <em class="gesperrt">dasselbe</em> einen Kameraden -auf den Fuß trat und <em class="gesperrt">denselben</em> verletzte – gestern abend ist -der Herr Justizminister <em class="gesperrt">hierselbst</em> eingetroffen und im Hotel -S. abgestiegen. <em class="gesperrt">Derselbe</em> begab sich heute morgen nach dem -Amtsgerichtsgebäude, nahm <em class="gesperrt">dasselbe</em> eingehend in Augenschein und -wohnte verschiedenen Verhandlungen <em class="gesperrt">daselbst</em> bei – heute wurde -hier eine Windhose beobachtet; <em class="gesperrt">dieselbe</em> erfaßte einen Teil des -auf der Wiese liegenden Heues und drehte <em class="gesperrt">dasselbe</em> turmhoch in -die Luft, <em class="gesperrt">woselbst</em> es dann weiter geführt wurde – die Färbung -der Kreuzotter ist nicht bestimmt anzugeben, da <em class="gesperrt">dieselbe</em> bei -<em class="gesperrt">einunddemselben</em> (!) Individuum (!) wechselt und nach der Häutung -meist heller erscheint als vor <em class="gesperrt">derselben</em>. Das sind Muster -von Zeitungssätzen. Aber auch in wissenschaftlichen Werken und in -Erzählungen, in Bekanntmachungen von Behörden und in Geschäftsanzeigen -– überall verfolgt einen das entsetzliche Wort. Selbst in den kleinen -Scherzgesprächen unter den Bildern der Fliegenden Blätter und in dem -Dialog der neuesten Lustspiele ist man nicht mehr sicher davor. Man -schnellt im Theater von seinem Sitz in die Höhe, wenn auf der Bühne so -ein dummes <em class="gesperrt">derselbe</em> (für <em class="gesperrt">er</em>) gesprochen wird; aber weder -der Schauspieler noch der Regisseur hat es bemerkt und beseitigt! Wie -kommt es nur, liebe B. – heißt es auf einem Reklamebildchen –, daß -deine Kinderchen stets so blühend und gesund sind, während die meinigen -immer bleich und kränklich aussehen? – Wir genießen alle als tägliches -Getränk Kakao von Hartwig und Vogel; <em class="gesperrt">derselbe</em> ist von anerkannt -vorzüglicher Qualität, ergiebig und daher billig. Nein, so spricht die -liebe B. nicht. Ein bekanntes Geschichtchen erzählt, daß der Lehrer in -der Stunde gefragt habe: wieviel Elemente gibt es, und wie heißen<span class="pagenum" id="Seite_230">[S. 230]</span> sie? -und der Schüler geantwortet habe: es gibt vier Elemente, und ich heiße -Müller. Das war die Folge davon, daß sich der Lehrer so gewöhnlich -ausgedrückt hatte! Warum hatte er nicht vornehm gefragt, wie unsre -statistischen Formulare: und wie heißen <em class="gesperrt">dieselben</em>!</p> - -<p>Ein Hochgenuß für den Leser ist es, wenn, wie es tausendfach geschieht, -beide in einem Satz unmittelbar nebeneinander stehen, die herrlichen -Papierpronomina: <em class="gesperrt">derselbe</em> (statt <em class="gesperrt">er</em>) und <em class="gesperrt">welcher</em> -(statt <em class="gesperrt">der</em>)! Zum Verständnis des Parzival ist es nötig, -die beiden Sagenkreise, <em class="gesperrt">welche demselben</em> (<em class="gesperrt">die ihm</em>!) -zugrunde liegen, kennen zu lernen – in Hyrtls Hause befindet sich der -fragliche Schädel (Mozarts), und der Besitzer, <em class="gesperrt">welcher denselben</em> -(<em class="gesperrt">der ihn</em>!) der Stadt Salzburg vermacht hat, zweifelt nicht -an der Echtheit <em class="gesperrt">desselben</em> – Reiskes Briefe kamen in die -Universitätsbibliothek zu Leiden; es sind aufrichtige Verehrer gewesen, -<em class="gesperrt">welche dieselben</em> (<em class="gesperrt">die sie</em>!) jener Bibliothek schenkten, -und sie werden <em class="gesperrt">in derselben</em> als ein Schatz geachtet – das -erwähnte Statut und die Bulle, <em class="gesperrt">welche dasselbe</em> (<em class="gesperrt">die es</em>!) -sanktioniert hatte – bezeichnend für den Geschmack der Direktion -und die Zumutungen, <em class="gesperrt">welche dieselbe</em> (<em class="gesperrt">die sie</em>!) an das -Publikum zu stellen wagt – was für Forderungen an die Gebildeten -gestellt werden, wird je nach dem Zeitalter, <em class="gesperrt">welchem dieselben</em> -(<em class="gesperrt">dem sie</em>!) angehören, verschieden sein – die farbige Aufnahme -des Fensters verdanken wir Herrn E., <em class="gesperrt">welcher dasselbe</em> (<em class="gesperrt">der -es</em>!) restauriert hat – wer spricht so? Kein Mensch. Aber sowie der -Deutsche die Feder in die Tinte taucht, fährt ihm der Registrator oder -der Kanzlist in die Glieder. Im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert -sind Tausende der wichtigsten Urkunden angefangen worden: Wir tun kund -mit diesem Brief allen <em class="gesperrt">denen, die ihn</em> sehen oder hören lesen. -Heute in einem Ehrenbürgerbriefe zu schreiben: Wir ernennen Herrn -X. <em class="gesperrt">wegen</em> der großen Verdienste, <em class="gesperrt">die er sich</em> um unsre -Stadt erworben hat usw. – das wäre ja im höchsten Grade würdelos, so -spricht man wohl, aber so schreibt man doch nicht! Wir ernennen Herrn -<em class="gesperrt">in Anbetracht</em> der großen Verdienste, <em class="gesperrt">welche derselbe</em> um -unsre Stadt <em class="gesperrt">sich</em> erworben<span class="pagenum" id="Seite_231">[S. 231]</span> hat usw. – so klingt es großartig, -feierlich, erhaben! Kaiser Friedrich soll als Kronprinz 1859 zu einer -Deputation gesagt haben: Wenn Gott meinen Sohn am Leben erhält, so wird -es unsre schönste Aufgabe sein, <em class="gesperrt">denselben</em> in den Gesinnungen und -Gefühlen zu erziehen, <em class="gesperrt">welche</em> mich an das Vaterland ketten. Man -kann darauf schwören, daß er nicht so gesagt hat, sondern: <em class="gesperrt">ihn</em> -in den Gesinnungen und Gefühlen zu erziehen, <em class="gesperrt">die</em> mich an das -Vaterland ketten. Aber der Zeitungschreiber hat das natürlich erst aus -dem Menschlichen ins Papierne übersetzen müssen. In der Poesie ist -<em class="gesperrt">derselbe</em> noch viel unmöglicher als <em class="gesperrt">welcher</em>. Nur in dem -alten Studentenliede <span class="antiqua">Ça ça</span> geschmauset! heißt es:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Knaster den gelben</div> - <div class="verse indent0">Hat uns Apolda präpariert</div> - <div class="verse indent0">Und uns <em class="gesperrt">denselben</em></div> - <div class="verse indent0">Rekommandiert.</div> - </div> -</div> -</div> - -<div class="section"> - -<h3 id="Darin_daraus_daran_darauf_usw">Darin, daraus, daran, darauf usw.</h3> - -</div> - -<p>Es sind ja aber nicht bloß die Fürwörter <em class="gesperrt">er</em> und <em class="gesperrt">dieser</em> -(oder <em class="gesperrt">der</em>), die durch den unsinnigen Mißbrauch verdrängt und -vermengt werden; er – wollte sagen „derselbe“ frißt noch weiter, viel -weiter. In der lebendigen Sprache haben wir die leichten, zierlichen -Adverbia: <em class="gesperrt">darin</em>, <em class="gesperrt">daraus</em>, <em class="gesperrt">daran</em>, <em class="gesperrt">darauf</em>, -<em class="gesperrt">dabei</em>, <em class="gesperrt">davor</em>, <em class="gesperrt">dahinter</em>, <em class="gesperrt">damit</em>, -<em class="gesperrt">darum</em>, <em class="gesperrt">dafür</em>, <em class="gesperrt">dazwischen</em> usw.; jeder braucht -sie hundertmal des Tags. Aber sowie einer die Feder ergreift – wehe -den armen! Dann heißt es: <em class="gesperrt">in demselben</em>, <em class="gesperrt">aus demselben</em>, -<em class="gesperrt">an demselben</em>, <em class="gesperrt">auf demselben</em>, <em class="gesperrt">mit demselben</em>, -<em class="gesperrt">bei demselben</em>, <em class="gesperrt">zwischen denselben</em> usw. – auch in -dieser Gestalt storcht das langbeinige Ungetüm überall durch unsre -Schriftsprache. Das Denkmal will alles Prunkvolle vermeiden, nur -das allgemein Menschliche soll <em class="gesperrt">in demselben</em> (<em class="gesperrt">darin</em>!) -betont werden – die Geistlichen hatten ihren eignen Predigtstuhl, -und <em class="gesperrt">in demselben</em> (<em class="gesperrt">darin</em>!) jeder seinen bestimmten Platz -– so sehr ich in diesem Punkte mit dem Verfasser einverstanden bin, -so entschieden muß ich die Forderungen bekämpfen, die er <em class="gesperrt">aus -demselben</em> (<em class="gesperrt">daraus</em>!) ableitet – sie betrachteten<span class="pagenum" id="Seite_232">[S. 232]</span> sich -als die alleinigen Eigentümer des Landes und gestanden andern keinen -Anteil <em class="gesperrt">an demselben</em> (<em class="gesperrt">daran</em>!) zu – obgleich durch -den Regen der Abmarsch des Festzuges verspätet und die Beteiligung -<em class="gesperrt">an demselben</em> (<em class="gesperrt">daran</em>!) beeinträchtigt wurde – die -Entstellungen sind wirkungslos, ein unbefangner Beurteiler wird sich an -<em class="gesperrt">dieselben</em> (<em class="gesperrt">daran</em>!) nicht kehren – im Jahre 1560 wurde -der Turm erhöht und eine Wohnung <em class="gesperrt">auf demselben</em> (<em class="gesperrt">darauf</em>!) -erbaut – die Wiesen waren wieder getrocknet, und bald entwickelte sich -<em class="gesperrt">auf denselben</em> (<em class="gesperrt">darauf</em>!) ein üppiger Graswuchs – 1890 -reichte die Zahl an den Durchschnitt hinan, 1900 blieb sie <em class="gesperrt">hinter -demselben</em> (<em class="gesperrt">dahinter</em>!) zurück – der Boden war überall von so -wunderbarer Beschaffenheit, daß sich kaum die fruchtbarsten Gegenden -Deutschlands <em class="gesperrt">mit demselben</em> (<em class="gesperrt">damit</em>!) vergleichen ließen -– der Holzbau ist ein viel zu überwundner Standpunkt, als daß es der -Mühe lohnte, sich in der Praxis <em class="gesperrt">mit demselben</em> (<em class="gesperrt">damit</em>!) zu -befassen – die Erziehung des Knaben ruhte ausschließlich in den Händen -der Mutter, da sich der Vater, der sich viel auf Reisen befand, nicht -<em class="gesperrt">um dieselbe</em> (<em class="gesperrt">darum</em>!) kümmern konnte – hier bedarf es des -Glaubens an die gute Sache und der Begeisterung <em class="gesperrt">für dieselbe</em> -(<em class="gesperrt">dafür</em>!) – keinem kann dieses Studium erlassen werden, wohl -aber bereitet sich <em class="gesperrt">für dasselbe</em> (<em class="gesperrt">dafür</em>!) ein neuer -Maßstab vor – dieser Gedanke wurde am Mainzer Hofe lebhaft erwogen, -der Kurfürst war ganz <em class="gesperrt">von demselben</em> (<em class="gesperrt">davon</em>!) erfüllt -– die Fürstin wünschte lebhaft, das Bild zu besitzen, aber Angelika -konnte sich <em class="gesperrt">von demselben</em> (<em class="gesperrt">davon</em>!) nicht trennen – in -der Mitte des Schrankes hängt ein mächtiges, reich verziertes Schwert, -<em class="gesperrt">neben demselben</em> (<em class="gesperrt">daneben</em>!) rechts und links zwei kleinere -Schwerter – in diesem Graben fließt eine bedeutende Wassermenge, -deshalb ist auch ein Steg <em class="gesperrt">über denselben</em> (<em class="gesperrt">darüber</em>!) -gelegt – die Presse ist noch nicht einig, ob sie den Vorfall bedauern -oder sich <em class="gesperrt">über denselben</em> (<em class="gesperrt">darüber</em>!) freuen soll – -das Partizip steht hier absolut, ein Komma <em class="gesperrt">hinter demselben</em> -(<em class="gesperrt">dahinter</em>!) würde nur irreführen usw. Anders wird gar nicht -geschrieben.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_233">[S. 233]</span></p> - -<p>Nach einem weit verbreiteten Aberglauben sollen sich die Adverbia -<em class="gesperrt">darin</em>, <em class="gesperrt">darauf</em>, <em class="gesperrt">dafür</em> usw. immer nur auf eine -Handlung, ein Zeitwort, einen ganzen Satz, aber nie auf ein Hauptwort -beziehen können. Es sei also zwar richtig, zu antworten: ich kann -mich nicht <em class="gesperrt">darauf</em> besinnen – wenn gefragt worden sei: -besinnst du dich, <em class="gesperrt">was du</em> mir damals <em class="gesperrt">versprochen hast</em>? -aber nicht, wenn die Frage gelautet habe: besinnst du dich auf den -<em class="gesperrt">Ausdruck</em>, den du damals gebraucht hast? Die angeführten -Beispiele zeigen, wie lächerlich dieser Aberglaube ist. Die lebendige -Sprache setzt die Adverbia überall statt der Präposition in Verbindung -mit einem persönlichen Fürwort. Nur auf Personen können sie sich -nicht beziehen, da muß das persönliche Fürwort stehen. Es gibt zwar -Fälle, wo das Adverb auch bei Sachen etwas ungewöhnlich klingt, -z. B.: wer die hiesigen Universitätsverhältnisse und mein Verhalten -<em class="gesperrt">dazu</em> nicht kennt; aber das liegt nur daran, daß uns das dumme -<em class="gesperrt">derselbe</em> so oft vor die Augen gebracht wird, daß uns schließlich -das Einfache und Natürliche befremdet. Und was hindert denn, auch -hier das persönliche Fürwort zu gebrauchen? Warum sagt man nicht: die -hiesigen Universitätsverhältnisse und mein Verhalten <em class="gesperrt">zu ihnen</em>? -Bei <em class="gesperrt">ohne</em> scheint sowieso nichts andres übrig zu bleiben, denn -ein Adverb <em class="gesperrt">darohne</em> gibt es nicht, obwohl man es zu bilden -versucht hat. Auch bei dem Neutrum es entsteht eine Schwierigkeit. Sie -wollte sich durch das Geld Vorteile verschaffen, auf die sie <em class="gesperrt">ohne -dasselbe</em> nicht rechnen konnte – hier ist doch wohl <em class="gesperrt">dasselbe</em> -ganz unentbehrlich? Soll man schreiben: <em class="gesperrt">ohne es</em>? Jakob Grimm -hätte es getan, er schrieb so, er wollte, daß es nicht anders behandelt -würde als <em class="gesperrt">ihn</em> und <em class="gesperrt">sie</em>, und einige sind ihm darin gefolgt. -Es klingt aber doch seltsam, denn <em class="gesperrt">es</em> ist gewöhnlich tonlos, und -hier müßte es betont werden. Gibt es denn aber wirklich keinen Ersatz -für das fehlende <em class="gesperrt">darohne</em>? Gewiß gibt es einen, und er heißt – -<em class="gesperrt">sonst</em>! Sie wollte sich durch das Geld Vorteile verschaffen, auf -die sie <em class="gesperrt">sonst</em> nicht rechnen konnte. Das ist gutes Deutsch.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_234">[S. 234]</span></p> - -<p>Bisweilen erscheinen in einem Satze zwei gleichklingende persönliche -Fürwörter unmittelbar hintereinander, z. B. <em class="gesperrt">sie</em> als Femininum -und als Plural: Handlungen dieser Art suchte die Gewerbeordnung zu -unterdrücken, indem <em class="gesperrt">sie sie</em> verbot. Etwas schrecklicheres ist -ja nun für die Augen des Papiermenschen nicht denkbar. Da muß es doch -unbedingt heißen: indem <em class="gesperrt">sie dieselben</em> verbot? Nein, auch da -nicht, denn man spricht nicht so, man spricht frischweg <em class="gesperrt">sie sie</em>, -und was gesprochen und gehört nicht mißfällt, ja nicht einmal auffällt, -kann doch auch geschrieben oder gedruckt keinen Anstoß erregen! Wenn -sich in einer Schulklasse die Mädchen gezankt haben, zwei einer dritten -ein Buch weggenommen haben, der Lehrer Frieden stiftet und dann fragt: -habt <em class="gesperrt">ihr ihr ihr</em> Buch wiedergegeben? so ist das doch noch viel -„schlimmer“. Aber wird der Lehrer deshalb fragen: habt <em class="gesperrt">ihr derselben -ihr</em> Buch wiedergegeben?</p> - -<p>Der abhängige Genitiv endlich (<em class="gesperrt">desselben</em> und <em class="gesperrt">derselben</em>) -kann überall durch <em class="gesperrt">sein</em> und <em class="gesperrt">ihr</em> ersetzt werden, denn -daß diese Fürwörter nur im reflexiven Sinne gebraucht werden könnten, -ist doch auch nur Aberglaube.<a id="FNAnker_109" href="#Fussnote_109" class="fnanchor">[109]</a> Als die Kaiserin das <em class="gesperrt">Schloß</em> -besichtigt und die Schönheit <em class="gesperrt">desselben</em> bewundert hatte – -warum nicht: <em class="gesperrt">seine</em> Schönheit? Die Sammlung ist so zeitgemäß, -daß zur Rechtfertigung <em class="gesperrt">derselben</em> kein Wort zu verlieren ist – -warum nicht: zu <em class="gesperrt">ihrer</em> Rechtfertigung? Freilich würden einige -Geschäfte dann eingehen, da die ganze Bedeutung <em class="gesperrt">derselben</em> darin -beruht usw. – warum nicht: <em class="gesperrt">ihre</em> ganze Bedeutung? Auch wer sich -tief in die Eigentümlichkeiten der spanischen Dichtung versenkt hat -und von der lebhaften Bewunderung für die Vorzüge <em class="gesperrt">derselben</em> -durchdrungen ist – warum nicht: für <em class="gesperrt">ihre</em> Vorzüge? Wo eine -Verwechslung, ein Mißverständnis entstehen könnte, da schreibe -man <em class="gesperrt">dessen</em> und <em class="gesperrt">deren</em>, z. B.: es muß dem Biographen -nachgerühmt werden, daß er bei aller Liebe zu <em class="gesperrt">seinem</em> Helden -doch nicht blind für <em class="gesperrt">dessen</em> Schwächen ist. Aber nur nicht<span class="pagenum" id="Seite_235">[S. 235]</span> -<em class="gesperrt">desselben</em>! In den allermeisten Fällen aber – man achte nur -darauf und versuche es! – kann man den Genitiv einfach streichen, -ohne daß der Gedanke im geringsten an Deutlichkeit verlöre. Nicht auf -den Stoff kommt es an, sondern auf die Behandlung <em class="gesperrt">desselben</em> -– über die Aufgaben waren alle einig, nur schlugen sie zur Lösung -<em class="gesperrt">derselben</em> verschiedne Wege ein – die Erklärung des Parteitags -fand so viel Beifall, daß sich die Führer <em class="gesperrt">desselben</em> ermutigt -sahen – Gregor klagte, daß sie die Kirche zerstört und das Material -<em class="gesperrt">derselben</em> zum Bau ihrer Häuser verwendet hätten – zu den -Unregelmäßigkeiten in der äußern Anlage unsrer Dörfer kommt noch die -Unregelmäßigkeit im innern Aufbau <em class="gesperrt">derselben</em> – die steilere -Partie des Berges gehört dem weißen, die mäßig geneigten Ausläufer -<em class="gesperrt">desselben</em> dem braunen Jura an – ich habe die Fachausdrücke -des Deutschen und des Französischen miteinander verglichen und habe -gefunden, daß die Mehrzahl <em class="gesperrt">derselben</em> übereinstimmt – nachdem -die Gäste das Gasthaus verlassen hatten und die Wirtin <em class="gesperrt">desselben</em> -die Tür verschlossen hatte – man streiche überall <em class="gesperrt">desselben</em> -und <em class="gesperrt">derselben</em>: ist irgendwo ein Mißverständnis möglich? Der -Kaiser unternahm heute einen längern Spazierritt und erledigte nach der -Rückkehr <em class="gesperrt">von demselben</em> Regierungsgeschäfte. Ja, wovon soll er -denn sonst zurückgekehrt sein als von – demselben?</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Derjenige_diejenige_dasjenige">Derjenige, diejenige, dasjenige</h3> - -</div> - -<p>Noch in anderm Sinne als <em class="gesperrt">derselbe</em> ist das schöne Kanzleiwort -<em class="gesperrt">derjenige</em> ein Papierpronomen: es ist eigens für die -Papiersprache erfunden worden. <em class="gesperrt">Derjenige</em> ist im sechzehnten -Jahrhundert aus einem vorhergegangnen <em class="gesperrt">der jene</em> entstanden, wie -<em class="gesperrt">derselbige</em>, das zum Glück wieder verschwunden ist, aus <em class="gesperrt">der -selbe</em>. Es hat keinen andern Zweck und keine andre Aufgabe, als das -betonte, lange <em class="gesperrt">der</em> der lebendigen Sprache, das determinative -Fürwort, das vor Relativsätzen und vor abhängigen Genitiven steht, -auf dem Papier zu ersetzen. Den Ton und die Länge kann man ja weder -schreiben noch drucken, wenigstens ist es nicht üblich, <em class="gesperrt">dēr</em> -oder <em class="gesperrt">dér</em><span class="pagenum" id="Seite_236">[S. 236]</span> zu schreiben<a id="FNAnker_110" href="#Fussnote_110" class="fnanchor">[110]</a>; also hilft man sich, so gut man -kann. Der eine läßt das der sperren (wie auch <em class="gesperrt">ein</em>, wenn es -so viel heißen soll wie <em class="gesperrt">ein einziger</em>), ein andrer greift zu -<em class="gesperrt">jener</em>, wie es in Österreich beliebt ist, in der Regel aber -schreibt und druckt man <em class="gesperrt">derjenige</em>. Wenn man spricht, sagt man -zwar: als er endlich <em class="gesperrt">den</em> Weg einschlug, <em class="gesperrt">der</em> zum Ziele -führen mußte; aber drucken läßt man: als er endlich <em class="gesperrt">denjenigen -Weg</em> einschlug, <em class="gesperrt">welcher</em> zum Ziele führen mußte.</p> - -<p>Wenn aber nun <em class="gesperrt">derjenige</em> allein steht, ohne Hauptwort hinter -sich, z. B.: selbst <em class="gesperrt">diejenigen, welche die</em> Schaffung eines -allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches nicht ganz ablehnten – kein -Scharfsinn hätte eine bessere Lösung finden können als <em class="gesperrt">diejenige, -welche die</em> Verhältnisse zuletzt aufzwangen – die größten Menschen -sind <em class="gesperrt">diejenigen, welche die</em> Kultur einer eben dahinsinkenden -Epoche noch einmal zusammenfassend verkörpern – da ist es doch wohl -ganz unentbehrlich? Nun, in der lebendigen Sprache sagt man getrost: -selbst <em class="gesperrt">die, die die</em> Schaffung eines Gesetzbuches nicht ganz -ablehnten – eine bessere Lösung als <em class="gesperrt">die, die die</em> Verhältnisse -zuletzt aufzwangen. Aber das ist ja wieder das Schreckgespenst des -Papiermenschen: nicht zwei-, nein dreimal hintereinander dasselbe -Wort! – Wirklich? dasselbe Wort? Dreimal hintereinander dieselben -drei Buchstaben: d–i–e; aber wer seine Ohren aufmacht, der hört doch -drei verschiedne Wörter: <em class="gesperrt">dieh</em>, <em class="gesperrt">die di</em> – drei Wörter von -ganz verschiedner Länge, und hinter dem ersten eine Pause. Das ist -ja wie Musik, es hüpft und springt ja förmlich. Nun höre man dagegen -dieses Schleppen und Schleichen und Schlurfen: <em class="gesperrt">diejenigen, welche -die</em>!<a id="FNAnker_111" href="#Fussnote_111" class="fnanchor">[111]</a></p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_237">[S. 237]</span></p> - -<p>Nun vollends, daß in der lebendigen Sprache in tausend und aber tausend -Fällen statt <em class="gesperrt">derjenige, welcher</em> einfach <em class="gesperrt">wer</em> gesagt wird -– also drei Laute statt sechs Silben! –, das ist dem Papiermenschen -völlig unbekannt. Er schreibt: <em class="gesperrt">diejenigen, welche</em> die Absicht -haben, Adjuvanten zu werden, lassen sich als Anwärter einschreiben. Ja -er wäre imstande, das Sprichwort: <em class="gesperrt">wer</em> Pech angreift, besudelt -sich – oder den Kinderspruch: <em class="gesperrt">wer</em> meine Gans gestohlen hat, -der ist ein Dieb – oder den Goethischen Vers: nur <em class="gesperrt">wer</em> die -Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide – zu verwandeln in: <em class="gesperrt">derjenige, -welcher</em> Pech angreift – <em class="gesperrt">derjenige, welcher</em> meine Gans -gestohlen hat – nur <em class="gesperrt">derjenige, welcher</em> die Sehnsucht kennt usw.</p> - -<p>Leider liegt hier einmal der Fall vor, daß eine Erscheinung der -Papiersprache sogar in die lebendige Sprache eingedrungen ist, was -gewiß selten geschieht. Aktenmenschen und Gewohnheitsredner bringen -es fertig, in Sitzungen und Verhandlungen in einer Stunde dreißigmal -<em class="gesperrt">derjenige, welcher zu</em> sagen. Selbst in der Unterhaltung der -„Gebildeten“ kann man es hören; sie haben es eben gar zu oft in -ihrer Zeitung gelesen. Aber die lebendige Sprache des Volks kennt es -nicht; wenn es der Mann aus dem Volke in den Mund nimmt, so tut er es -höchstens, um sich darüber lustig zu machen, er spricht es gleichsam -mit Gänsefüßchen. Also du bist <em class="gesperrt">derjenige, welcher</em>? fragt er -höhnisch – na warte, Bursche! Oder er sagt: fällt mir gar nicht ein; -wenn ein Unglück passiert, dann bin ich <em class="gesperrt">derjenige, welcher</em> -(nämlich: blechen muß), und zitiert damit gleichsam das Gesetzbuch oder -die Polizeiverordnung, worin er die beiden Papierwörter auf jeder Seite -gelesen hat.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Jener_jene_jenes">Jener, jene, jenes</h3> - -</div> - -<p>Der Österreicher gebraucht statt <em class="gesperrt">derjenige</em> vor Relativsätzen, -namentlich aber vor einem abhängigen Genitiv <em class="gesperrt">jener</em>; er schreibt: -diese Vorlesungen haben nur einen bedingten Wert für <em class="gesperrt">jenen</em>, der -selber Einsicht genug hat, Dichterwerke ohne Beihilfe zu verstehen. -Das halten manche deutsche Schriftsteller jetzt offenbar für<span class="pagenum" id="Seite_238">[S. 238]</span> eine -besondre Schönheit und machen es nach. In gutem Schriftdeutsch wird -aber <em class="gesperrt">jener</em> nur in die Ferne weisend gebraucht, mit einem bald -stärkern, bald schwächern rhetorischen Beigeschmack: wenn ich an -<em class="gesperrt">jene schöne Zeit</em> zurückdenke usw.</p> - -<p>Ganz unausstehlich für norddeutsche Ohren ist das österreichische -<em class="gesperrt">jener</em> vor einem abhängigen Genitiv, z. B.: der Orden der -Dominikaner und <em class="gesperrt">jener</em> der Franziskaner – wir hoffen, daß sich -die Ausstellung ebenso erfolgreich erweisen werde wie <em class="gesperrt">jene</em> von -1897 – obgleich die Gesamtzahl ihrer Kräfte <em class="gesperrt">jener</em> des Feindes -bedeutend nachstand – ein <span class="antiqua">Ecce homo</span> trägt das Monogramm Ludwig -Krugs, eine Madonna <em class="gesperrt">jenes</em> des Marcantonio Raimondi – so -auffallend erschien dem Tacitus die Art des deutschen Anbaues gegenüber -<em class="gesperrt">jener</em> der romanischen Völker – größere Gebäude wie Kirchen -und Seminare dürfen für die Gesellschaft Jesu nur mit Erlaubnis des -Generals, kleinere mit <em class="gesperrt">jener</em> des Provinzials errichtet werden -– unter den Dienstkrankheiten der Bahnbeamten nehmen <em class="gesperrt">jene</em> der -Verdauungsorgane den breitesten Raum ein – man sucht die Farbe der -Umhüllung meist <em class="gesperrt">jener</em> der Blumen anzupassen usw. In allen diesen -Fällen würde die deutsche Amts- und Zeitungssprache <em class="gesperrt">derjenige</em> -gebrauchen. Die gute Schriftsprache aber kennt vor solchen Genitiven -nur das determinative Fürwort <em class="gesperrt">der</em>, <em class="gesperrt">die</em>, <em class="gesperrt">das</em>: die -Leistungen der Fabriken stehen gegen <em class="gesperrt">die</em> des Handwerks zurück.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Zur_Kasuslehre">Zur Kasuslehre. Ich versichere dir oder dich?</h3> - -</div> - -<p>Verhältnismäßig wenig Verstöße werden gegen die Regeln der Kasuslehre -begangen; im allgemeinen herrscht eine erfreuliche Sicherheit darüber, -welchen Kasus ein Zeitwort oder ein Eigenschaftswort zu sich zu nehmen -hat. Bei einer kleinen Anzahl von Zeitwörtern schwankt aber doch der -Sprachgebrauch: der eine verbindet sie mit dem Dativ, der andre mit -dem Akkusativ. Es sind das namentlich die Zeitwörter <em class="gesperrt">heißen</em>, -<em class="gesperrt">lassen</em>, <em class="gesperrt">lehren</em>, <em class="gesperrt">angehen</em>, <em class="gesperrt">dünken</em>, -<em class="gesperrt">kosten</em> und <em class="gesperrt">nachahmen</em>.</p> - -<p>Mit der berüchtigten Berliner Verwechslung von <em class="gesperrt">mir</em> und -<em class="gesperrt">mich</em> hat dieses Schwanken nichts zu tun,<span class="pagenum" id="Seite_239">[S. 239]</span> sondern es hängt -meist damit zusammen, daß in den Begriff dieser Verba sinnverwandte -Zeitwörter hineinspielen, die teils mit dem Dativ, teils mit dem -Akkusativ verbunden werden. Aber nur in den seltensten Fällen hat -das Schwanken eine Berechtigung. Bei <em class="gesperrt">nachahmen</em> handelt sichs -eigentlich nicht um ein Schwanken, sondern um zwei verschiedne -Bedeutungen des Wortes: es ist ein großer Unterschied, ob man sagt: -ich ahme <em class="gesperrt">dich</em> nach, oder ich ahme <em class="gesperrt">dir</em> nach. Mit dem -Akkusativ bedeutet es <em class="gesperrt">nachmachen</em> (<em class="gesperrt">dich</em>), mit dem Dativ -<em class="gesperrt">nachstreben</em> (<em class="gesperrt">dir</em>). Wenn Schüler <em class="gesperrt">dem</em> Lehrer -nachahmen, so kann das sehr lobenswert sein; wenn sie <em class="gesperrt">den</em> -Lehrer nachahmen, so kann ihnen das unter Umständen eine Stunde Karzer -eintragen.<a id="FNAnker_112" href="#Fussnote_112" class="fnanchor">[112]</a> Schwer ist es, bei <em class="gesperrt">kosten</em> eine Entscheidung -zu treffen; <em class="gesperrt">kosten</em> ist ein Lehnwort, entstanden aus dem -lateinischen <span class="antiqua">constare</span>. Die Verbindung <span class="antiqua">constat mihi</span> ist -aber gar nicht maßgebend, denn <em class="gesperrt">kosten</em> ist ursprünglich im -Sinne von <em class="gesperrt">aufwenden machen</em> gebraucht worden. Der Akkusativ -überwiegt denn auch in der guten Schriftsprache. Bei allen übrigen -der genannten Verba hat der Dativ überhaupt keine Berechtigung. -Sätze wie: laß <em class="gesperrt">mir</em> das einmal sehen – das geht <em class="gesperrt">dir</em> -nichts an u. ähnl. gehören nur der niedrigsten Volkssprache an. -<em class="gesperrt">Heißen</em> verträgt den Dativ der Person nur ausnahmsweise: wer -hat <em class="gesperrt">dir das</em> geheißen? (wie: wer hat dir das <em class="gesperrt">geboten</em>, -<em class="gesperrt">befohlen</em>, <em class="gesperrt">aufgetragen</em>?). Im allgemeinen verlangt es, wie -<em class="gesperrt">lehren</em>, den Akkusativ der Person. Aber gerade für <em class="gesperrt">lehren</em> -und <em class="gesperrt">heißen</em> verliert die ganze Frage mehr und mehr an Bedeutung, -denn in der lebendigen Sprache werden diese Wörter überhaupt kaum noch -in solcher Verbindung gebraucht. In Mitteldeutschland gebraucht das -Volk <em class="gesperrt">lehren</em> mit einem Akkusativ der Person fast gar nicht mehr, -sondern nur <em class="gesperrt">lernen</em>; man sagt nicht bloß: wo hast du <em class="gesperrt">das -gelernt</em>? sondern auch: wer hat <em class="gesperrt">dir das gelernt</em>? Und<span class="pagenum" id="Seite_240">[S. 240]</span> auch -wo man wirklich noch <em class="gesperrt">lehren</em> sagt, setzt man doch den Dativ der -Person dazu. Bei Uhland heißt es noch richtig und sauber: Wer hat -<em class="gesperrt">dich solche Streich’</em> gelehrt? Das Volk aber sagt: Ich werde -<em class="gesperrt">dir Mores</em> lehren. Und in einem Bibelspruche wie: Herr, <em class="gesperrt">lehre -uns bedenken</em>, daß wir sterben müssen – wo <em class="gesperrt">uns</em> natürlich der -Akkusativ ist –, wird es sicherlich jetzt von den meisten als Dativ -gefühlt.</p> - -<p>Ganz lächerlich ist die Unsicherheit und der Streit darüber, ob es -heißen müsse: ich <em class="gesperrt">versichre dir</em> oder: ich <em class="gesperrt">versichre dich</em>, -der Hut <em class="gesperrt">kleidet dich</em>, oder: er <em class="gesperrt">kleidet dir</em>, es <em class="gesperrt">lohnt -der Mühe</em> oder: es <em class="gesperrt">lohnt die Mühe</em>. <em class="gesperrt">Versichern</em> ist -unzweifelhaft ein transitives Zeitwort; man versichert sein Leben, -seinen Hausrat, seine Ernte. Man kann auch sagen: ich <em class="gesperrt">versichre -dich</em> meiner Freundschaft (Goethe: ich fahre fort, <em class="gesperrt">dich</em> -meiner Liebe zu <em class="gesperrt">versichern</em>), wiewohl das schon etwas gesucht -klingt. Aber zu sagen: ich <em class="gesperrt">versichre dich, daß</em> ich nichts davon -gewußt habe – und das für richtig zu halten oder gar zu verteidigen, -kann doch nur einem Sophisten einfallen oder einem Menschen, der -wirklich – <em class="gesperrt">mir</em> und <em class="gesperrt">mich</em> nicht unterscheiden kann. Daß es -schon im achtzehnten Jahrhundert so vorkommt, hat gar nichts zu sagen; -der Akkusativ ist eben vernünftigerweise mehr und mehr gewichen. Wenn -auf <em class="gesperrt">versichern</em> ein Objektsatz folgt, so ist doch der Inhalt -dieses Satzes das Objekt der Versicherung; diese Versicherung aber gebe -ich nicht <em class="gesperrt">dich</em>, sondern gebe sie <em class="gesperrt">dir</em>. <em class="gesperrt">Versichern</em> -tritt dann vollständig in eine Reihe mit <em class="gesperrt">beteuern</em>, -<em class="gesperrt">erklären</em>, <em class="gesperrt">sagen</em>, <em class="gesperrt">melden</em>, <em class="gesperrt">mitteilen</em>, -<em class="gesperrt">berichten</em>,<a id="FNAnker_113" href="#Fussnote_113" class="fnanchor">[113]</a> lauter Zeitwörtern, die mit dem Dativ der Person -und einem Objekt der Sache verbunden werden. Im Passivum fällt es gar -niemand ein zu sagen: <em class="gesperrt">ich bin versichert<span class="pagenum" id="Seite_241">[S. 241]</span> worden, daß</em>, sondern -jeder sagt: <em class="gesperrt">mir ist versichert worden, daß</em>. Also kann auch -im Aktivum das richtige nur sein: <em class="gesperrt">ich versichre dir, daß</em> ich -nichts davon gewußt habe. Wenn neuerdings namentlich in Kreisen, die -für vornehm gelten möchten, mit einer gewissen Absichtlichkeit wieder -der Akkusativ gebraucht wird (ich versichre <em class="gesperrt">Sie</em>), so ist das -eine Modedummheit, durch die sich der gesunde Menschenverstand und ein -natürliches Sprachgefühl nicht werden irremachen lassen.</p> - -<p><em class="gesperrt">Kleiden</em> mit dem Dativ zu verbinden wäre keinem Menschen -eingefallen, wenn nicht die sinnverwandten intransitiven Zeitwörter -<em class="gesperrt">passen</em>, <em class="gesperrt">sitzen</em> und <em class="gesperrt">stehen</em> dazu verführt hätten. -Weil man sagt: der Hut <em class="gesperrt">paßt dir</em>, <em class="gesperrt">sitzt dir</em>, <em class="gesperrt">steht -dir</em>, so sagte man auch: er <em class="gesperrt">kleidet dir</em>. Richtig ist -natürlich nur: er <em class="gesperrt">kleidet dich</em>.</p> - -<p>In der Redensart: es <em class="gesperrt">lohnt der Mühe</em> (oder: es lohnt nicht der -Mühe) ist <em class="gesperrt">der Mühe</em> gar nicht der Dativ, sondern der Genitiv -(statt: <em class="gesperrt">für</em> die Mühe, <em class="gesperrt">wegen</em> der Mühe). Die Redensart hat -etwa denselben Sinn wie: es ist <em class="gesperrt">der Mühe wert</em> (oder: es ist -nicht der Mühe wert). Zu sagen: es <em class="gesperrt">lohnt</em> nicht <em class="gesperrt">die Mühe</em> -– ist also nichts als eine Ausweichung aus Unwissenheit.</p> - -<p>Ganz unsinnig wird jetzt die Redensart <em class="gesperrt">sich Rats erholen</em> -gebraucht, z. B. dort kannst du <em class="gesperrt">dir</em> am besten <em class="gesperrt">Rats -erholen</em>! Das <em class="gesperrt">sich</em> in dieser Redensart ist ebenfalls nicht -der Dativ, sondern der Akkusativ, <em class="gesperrt">Rats</em> ein frei angeschlossener -Genitiv; es heißt: ich <em class="gesperrt">erhole mich Rates</em>. Noch Benedix schreibt -1866 in den Zärtlichen Verwandten richtig: bei mir allein mußt du -<em class="gesperrt">dich Rats erholen</em>. Der Fehler wird auch nicht besser, wenn man -statt <em class="gesperrt">Rats</em> sagt <em class="gesperrt">Rat</em>: in Einzelheiten <em class="gesperrt">erholte ich -mir Rat</em> bei besonders sachkundigen Personen, denn dann hat das -<em class="gesperrt">er</em>holen gar keinen Sinn mehr; es genügt dann, zu sagen: <em class="gesperrt">hole -dir</em> bei mir <em class="gesperrt">Rat</em>, so gut wie: hole dir bei mir Geld. Wenn man -die Redensart nicht mehr versteht und nicht mehr richtig anzuwenden -weiß, warum gebraucht man sie dann noch? (Vgl. auch <em class="gesperrt">dünken</em> -<a href="#Seite_53">S. 53</a>.)</p> - -<p>Ein süddeutscher Provinzialismus ist es, <em class="gesperrt">verdenken</em> so wie -<em class="gesperrt">beneiden</em> zu verbinden: wer kann <em class="gesperrt">ihn darum<span class="pagenum" id="Seite_242">[S. 242]</span> verdenken</em>? In -gutem Deutsch wird es verbunden wie <em class="gesperrt">verargen</em>, <em class="gesperrt">verübeln</em>: -ich kann <em class="gesperrt">dir das</em> nicht <em class="gesperrt">verdenken</em>.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="auf_den_Fuss_getreten">Er hat mir oder er hat mich auf den Fuß getreten?</h3> - -</div> - -<p>Nicht ganz so lächerlich ist der Streit, ob es heißen müsse: er -hat <em class="gesperrt">mir</em> oder er hat <em class="gesperrt">mich</em> auf den Fuß getreten. Jeder -verbindet ohne Besinnen mit dem Akkusativ der Person: <em class="gesperrt">in den Finger -schneiden</em>, <em class="gesperrt">ins Bein beißen</em>, <em class="gesperrt">aufs Maul schlagen</em>, -<em class="gesperrt">auf die Stirn küssen</em> (Luther: du wirst <em class="gesperrt">ihn in die Ferse -stechen</em>). Jeder verbindet eben so sicher mit dem Dativ der Person: -<em class="gesperrt">unter die Arme greifen</em>, <em class="gesperrt">auf die Finger sehen</em>, <em class="gesperrt">auf -den Zahn fühlen</em>, <em class="gesperrt">auf die Schleppe treten.</em> Warum dort der -Akkusativ und hier der Dativ? Was ist der Unterschied zwischen diesen -beiden Gruppen von Redensarten? Worauf kommt es an?</p> - -<p>Zunächst ist klar, daß, wenn die Person im Akkusativ steht, zuerst -die Person im ganzen als von einer Tätigkeit betroffen hingestellt -wird, und dann noch nachträglich der einzelne betroffne Körperteil -hinzugefügt wird. Steht die Person im Dativ, so wird der betroffne -Körperteil in den Vordergrund gerückt und die Person mehr als -beteiligt, in Mitleidenschaft gezogen, nicht als unmittelbar betroffen -hingestellt. Das paßt nun zu den mitgeteilten Beispielen vortrefflich. -Wird jemand nur auf ein Kleidungsstück getreten, so wird sein Körper -gar nicht davon berührt; alle andern Redensarten der zweiten Gruppe -aber sind bildliche Wendungen, bei denen ebenfalls kein wirkliches, -leibliches Angreifen, Ansehen, Anfühlen gemeint ist. So wird es -nun auch leicht verständlich, warum man wohl sagt: er hat <em class="gesperrt">mich -ins Gesicht geschlagen</em>, aber: das <em class="gesperrt">schlägt der Wahrheit ins -Gesicht</em> – der Mörder hatte <em class="gesperrt">ihn mitten ins Herz gestochen</em>, -aber: deine Klagen <em class="gesperrt">schneiden mir ins Herz</em> – der Schmied hat -<em class="gesperrt">das Pferd auf den Schenkel gebrannt</em>, aber: solange nicht -<em class="gesperrt">dem deutschen Michel</em> die <em class="gesperrt">Not auf die Nägel brennt</em> – du -hast <em class="gesperrt">mich</em> mit deinem Stock ins <em class="gesperrt">Auge gestochen</em>, aber: -am Schaufenster <em class="gesperrt">stach mir</em> ein schöner Brillantschmuck <em class="gesperrt">ins -Auge</em>. Erschöpft wird die<span class="pagenum" id="Seite_243">[S. 243]</span> Sache mit dieser Unterscheidung zwar -nicht, aber man kann sich, wenn man sie sich vor Augen hält, auch in -andern Fällen leicht klarmachen, weshalb die Sprache hier den Dativ, -dort den Akkusativ vorzieht oder vorziehen – sollte, weshalb man also -z. B. sagt: <em class="gesperrt">seinem Freund auf die Schulter klopfen</em> (obwohl das -doch wirklich und nicht bildlich geschieht). Bisweilen bedeutet der -Akkusativ der Person mehr das Absichtliche: weshalb <em class="gesperrt">trittst du -mich</em> denn <em class="gesperrt">auf den Fuß</em>? der Dativ mehr das Unabsichtliche: -<em class="gesperrt">mir</em> hat vorhin einer <em class="gesperrt">auf den Fuß getreten</em>, das tut mir -jetzt noch weh.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Zur_Steuerung_des_Notstandes">Zur Steuerung des Notstandes</h3> - -</div> - -<p>Ein persönliches Passivum kann natürlich nur von solchen Zeitwörtern -gebildet werden, die ein direktes Objekt (im Akkusativ) zu sich nehmen: -ich <em class="gesperrt">bestreite die Nachricht</em> – <em class="gesperrt">die Nachricht wird</em> von -mir <em class="gesperrt">bestritten</em>. Von Zeitwörtern, die ein indirektes Objekt -(im Dativ) haben, läßt sich nur ein unpersönliches Passivum bilden: -ich <em class="gesperrt">widerspreche der Behauptung</em> – <em class="gesperrt">der Behauptung</em> -(nicht: <em class="gesperrt">die Behauptung</em>!) wird <em class="gesperrt">von mir widersprochen</em>. -Daher ist es falsch, so, wie es unsre Zeitungen jetzt täglich -tun, von <em class="gesperrt">unwidersprochnen</em> Nachrichten zu reden, oder zu -sagen wie unsre Reichstagsabgeordneten: dieser Artikel darf nicht -<em class="gesperrt">unwidersprochen</em> bleiben, diese Äußerung möchte ich nicht -<em class="gesperrt">unwidersprochen</em> ins Land gehen lassen. <em class="gesperrt">Unwiderlegt</em> – -das wäre richtig, und aufs Widerlegen kommts doch wohl auch viel mehr -an als aufs Widersprechen. Ebenso falsch sind <em class="gesperrt">bedankt</em> und -<em class="gesperrt">unbedankt</em> (nun sei <em class="gesperrt">bedankt</em>, mein lieber Schwan! – der -Vorstand kann Sie an diesem Tage nicht <em class="gesperrt">unbedankt</em> hinweggehen -lassen); denn es heißt nicht: <em class="gesperrt">ich danke dich</em>, sondern ich -<em class="gesperrt">danke dir</em>, oder: ich <em class="gesperrt">bedanke mich bei dir</em>.<a id="FNAnker_114" href="#Fussnote_114" class="fnanchor">[114]</a></p> - -<p>Ebenso kann natürlich ein Objektsgenitiv nur an solche -Verbalsubstantiva gehängt werden, die aus Zeitwörtern mit direktem -Objekt gebildet sind. Falsch und liederlich ist es, zu schreiben: -die <em class="gesperrt">Kündigung der<span class="pagenum" id="Seite_244">[S. 244]</span> Arbeiter</em> (wenn nicht gemeint ist, daß -die Arbeiter kündigen, sondern daß <em class="gesperrt">den Arbeitern gekündigt -wird</em>), ebenso falsch: zur <em class="gesperrt">Steuerung</em> oder zur <em class="gesperrt">Abhilfe -des Notstandes</em> – sie war zur <em class="gesperrt">Hilfeleistung ihrer</em> Mutter -anwesend – denn <em class="gesperrt">gesteuert</em> oder <em class="gesperrt">abgeholfen</em> wird -<em class="gesperrt">dem</em> Notstande, nicht <em class="gesperrt">der</em> Notstand.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Voller_Menschen">Voller Menschen</h3> - -</div> - -<p>Das Adjektivum <em class="gesperrt">voll</em> verbindet wohl jeder richtig mit dem -Genitiv oder, je nachdem, mit der Präposition <em class="gesperrt">von</em>, z. B.: die -Straßen waren <em class="gesperrt">voll geputzter Menschen</em> – er war <em class="gesperrt">deines -Lobes voll</em> – das ganze Haus war <em class="gesperrt">voll von Altertümern</em> und -<em class="gesperrt">Merkwürdigkeiten</em>. Daneben ist noch üblich, das Substantiv -gänzlich unflektiert zu <em class="gesperrt">voll</em> zu setzen: <em class="gesperrt">voll Blut, voll -Rauch, voll Zorn, voll Haß, voll Verlangen</em> usw. Das ist eigentlich -ein Fehler, aber einer, der nicht mehr gefühlt wird. Wenn man <em class="gesperrt">voll -Liebe</em> sagte, so meinte man natürlich ursprünglich auch den Genitiv. -Da dieser aber beim Femininum nicht erkennbar war, verdunkelte sich -allmählich das Gefühl dafür, und so ging er auch bei männlichen und -sächlichen Substantiven verloren. Auf dieselbe Weise sind ja auch -Verbindungen entstanden wie: <em class="gesperrt">ein Stück Brot, ein Glas Wein</em>.</p> - -<p>Nun aber <em class="gesperrt">voller</em> – wie stehts damit? Im Volksmund ist es -ganz gang und gäbe, auch unsre besten Schriftsteller haben es oft -geschrieben, aber heute getraut man sichs doch nicht mehr so recht, -weil man so gelehrt geworden ist, daß man immer grübelt, ob man wohl so -sagen dürfe oder nicht, aber nicht gelehrt genug, die Zweifel wieder zu -bannen. Die Kirche war <em class="gesperrt">voller Menschen</em> – der Kerl ist <em class="gesperrt">voller -Neid</em> – der Garten ist <em class="gesperrt">voller Unkraut</em> – der Himmel hängt -ihm <em class="gesperrt">voller Geigen</em> – der Junge steckt <em class="gesperrt">voller Schnurren</em> -– darf man so schreiben? Ei, gewiß darf mans; jedermann, Hoch und -Niedrig, spricht so, warum soll mans nicht schreiben dürfen?</p> - -<p><em class="gesperrt">Voller</em> ist der erstarrte männliche Singular, der im Prädikat -auf alle drei Geschlechter und auch auf den<span class="pagenum" id="Seite_245">[S. 245]</span> Plural übergegriffen -hat (ganz ebenso wie <em class="gesperrt">selber</em> und ebenso wie <em class="gesperrt">selbst</em>, das -nichts andres als das erstarrte Neutrum <em class="gesperrt">selbs</em> ist). Schon Luther -scheint über diese merkwürdige Spracherscheinung nachgedacht zu haben, -aber zu der Annahme gekommen zu sein, daß <em class="gesperrt">voller</em> aus <em class="gesperrt">voll -der</em> entstanden sei; er gebraucht es gern, aber immer nur – vor dem -Femininum und vor dem Plural. Auf keinen Fall hat die Bildung etwas -niedriges an sich, im Gegenteil etwas trauliches, anheimelndes, und der -guten Schriftsprache ist sie durchaus nicht unwürdig.<a id="FNAnker_115" href="#Fussnote_115" class="fnanchor">[115]</a></p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Zahlwoerter_Erste_Kuenstler">Zahlwörter. Erste Künstler</h3> - -</div> - -<p>In dem Wesen und der Bedeutung des Superlativs liegt es begründet, daß -er eigentlich nur den bestimmten Artikel haben kann: unter hundert -Männern von verschiedner Größe ist einer <em class="gesperrt">der</em> größte. Sind drei -von dieser Größe darunter, so sind diese drei <em class="gesperrt">die</em> größten. -Dann ist aber einer von diesen dreien nicht <em class="gesperrt">ein größter</em> – das -ist undeutsch! –, sondern <em class="gesperrt">einer der größten</em>. Darum ist es -eine Abgeschmacktheit, zu schreiben: Lessings Andenken wird gepflegt -wie <em class="gesperrt">eine seltenste</em> Blume im Treibhause – ein 45jähriger, der -<em class="gesperrt">einer reifsten</em> Zukunft entgegenschreitet. Nur in der Mehrzahl -kann man allenfalls, wie der Kaufmann, von <em class="gesperrt">billigsten Preisen</em> -oder, wie der Philosoph, von <em class="gesperrt">kleinsten Teilen</em> reden.</p> - -<p>Ebenso abgeschmackt ist es, zu sagen: dieses Denkmal wird stets -<em class="gesperrt">einen ersten</em> Rang behaupten – die Politik spielte in -seinem ganzen Leben <em class="gesperrt">eine erste Rolle</em> – und von <em class="gesperrt">ersten -Künstlern</em>, <em class="gesperrt">ersten Opernsängern</em> zu reden oder von <em class="gesperrt">ersten -Firmen</em>, <em class="gesperrt">ersten Häusern</em>, wie es jetzt in den Anpreisungen -der Geschäftsleute täglich geschieht. Gemeint ist weiter nichts als -<em class="gesperrt">bedeutend</em>, <em class="gesperrt">hervorragend</em>, <em class="gesperrt">ausgezeichnet</em> – warum<span class="pagenum" id="Seite_246">[S. 246]</span> -sagt man das nicht?<a id="FNAnker_116" href="#Fussnote_116" class="fnanchor">[116]</a> So ist es auch unlogisch, zu sagen: <em class="gesperrt">ein -letzter</em> Wunsch des Verstorbnen, <em class="gesperrt">eine Hauptursache</em> des -Erfolgs; sorgfältig ausgedrückt muß es heißen: <em class="gesperrt">einer der letzten</em> -Wünsche, <em class="gesperrt">eine der Hauptursachen</em> des Erfolgs, denn auch die -<em class="gesperrt">Hauptursache</em> ist ein superlativischer Begriff von derselben -Bedeutung wie: die <em class="gesperrt">höchste</em>, die <em class="gesperrt">wichtigste</em> Ursache.</p> - -<p>Statt vom <em class="gesperrt">fünfzigsten</em> oder <em class="gesperrt">sechzigsten</em> Geburtstag -redet man jetzt öfter vom <em class="gesperrt">fünfzigjährigen</em>: das Buch ist als -Festschrift zum <em class="gesperrt">fünfzigjährigen Geburtstage</em> Max Klingers -erschienen. Das ist völliger Unsinn. Von einem <em class="gesperrt">fünfzigjährigen</em> -oder <em class="gesperrt">hundertjährigen Jubiläum</em> kann man reden, denn da feiert man -den ganzen Zeitraum, mit dem Geburtstag aber nur den einzelnen Tag.</p> - -<p>Recht unfein klingt es, wie es in militärischen Kreisen üblich ist, -hinter Personennamen die Kardinalzahl zu gebrauchen und von <em class="gesperrt">Fischer -eins</em>, <em class="gesperrt">Meyer sieben</em> zu reden. Vielleicht – soll es unfein -klingen. Oder wollen wir in Zukunft auch von <em class="gesperrt">Otto drei</em> und -<em class="gesperrt">Heinrich acht</em> reden? Wie mag <em class="gesperrt">Wilhelm zwei</em> darüber denken?</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Die_Praepositionen">Die Präpositionen</h3> - -</div> - -<p>Eine grauenvolle Liederlichkeit hat in der niedrigen Geschäftssprache -in der Behandlung der Präpositionen um sich gegriffen. Vor allem -erscheint immer häufiger der Akkusativ hinter Präpositionen, die den -Dativ verlangen. Schweinsknochen <em class="gesperrt">mit Klöße</em>, Spinat <em class="gesperrt">mit -Eier</em>, Kotelette <em class="gesperrt">mit Steinpilze</em>, Sülze <em class="gesperrt">aus Kalbskopf</em> -und <em class="gesperrt">Füße</em> – anders wird auf Leipziger Speisekarten kaum noch -geschrieben. Das ist freilich Kellnerdeutsch, aber wen trifft die -Schande für solche Sprachsudelei? Und ist es nicht eine Beleidigung -der Gäste, wenn ihnen Wirte solches Schanddeutsch vorsetzen? Aber -auch an Schaufenstern kann man lesen: Sohlen <em class="gesperrt">mit Absätze</em> – -Neuvergoldung <em class="gesperrt">von Spiegel</em> – Verkauf<span class="pagenum" id="Seite_247">[S. 247]</span> <em class="gesperrt">von Zauberapparate</em> -– Stühle werden <em class="gesperrt">mit Roßhaare</em> gepolstert – Regentropfen -<em class="gesperrt">auf Hüte</em> werden sofort beseitigt – großes Lager <em class="gesperrt">in -Regenmäntel</em> – Ausstellung <em class="gesperrt">in Damenstiefel</em>; Zeitungen -schreiben: er wurde <em class="gesperrt">zu zwei Monate</em> Gefängnis verurteilt – -und sogar Behörden machen bekannt: die Lieferung <em class="gesperrt">von</em> hundert -Stück <em class="gesperrt">gebrauchte</em> Schwellen – das Abladen <em class="gesperrt">von</em> dreißig -Kubikmeter <em class="gesperrt">Bruchsteine</em> – das Befahren dieses Weges <em class="gesperrt">mit -Lastfuhrwerke</em> usw.<a id="FNAnker_117" href="#Fussnote_117" class="fnanchor">[117]</a></p> - -<p>In andern Fällen drängt sich auf ganz lächerliche Weise der Genitiv -an die Stelle des Dativs. In Leipzig kann man von Halbgebildeten -hören: <em class="gesperrt">unter meines Beiseins</em> – <em class="gesperrt">nach meines Erachtens</em>; -aber auch Gebildete schreiben: <em class="gesperrt">dank dieses Umstands</em> – -<em class="gesperrt">dank des</em> mir von allen Seiten entgegengebrachten ehrenvollen -<em class="gesperrt">Vertrauens</em> – <em class="gesperrt">dank dieser Eindrücke</em> meiner Jugendzeit -– <em class="gesperrt">dank seines</em> ins einzelste gehenden <em class="gesperrt">Verständnisses</em> – -<em class="gesperrt">dank des</em> reichen und neuartigen <em class="gesperrt">Programms</em> – <em class="gesperrt">dank -der Geschenke</em> der Offiziere und <em class="gesperrt">andrer</em> Zuwendungen. Wie in -aller Welt ist eine solche Verirrung möglich? Man könnte glauben, den -Leuten schwebe bei ihrem <em class="gesperrt">dank</em> mit dem Genitiv etwas ähnliches -vor wie: <em class="gesperrt">kraft meines Amts</em>, <em class="gesperrt">laut deines Briefs</em>, <em class="gesperrt">statt -eines Auftrags</em>; <em class="gesperrt">kraft</em>, <em class="gesperrt">laut</em> und <em class="gesperrt">statt</em> werden -mit Recht mit dem Genitiv verbunden, denn ursprünglich hieß es: -<em class="gesperrt">in Kraft</em> (oder: <em class="gesperrt">durch Kraft</em>), <em class="gesperrt">nach Laut</em>, <em class="gesperrt">an -Statt</em>. Aber <em class="gesperrt">dank</em> ist doch einfach <em class="gesperrt">Dank</em>, es hat nie -eine Präposition vor sich gehabt, es verlangt also auch unbedingt -den Dativ: <em class="gesperrt">dank deinem Fleiße</em>, <em class="gesperrt">dank deinen Bemühungen</em> -ist es gelungen usw. Die wunderlichen Beispiele: <em class="gesperrt">unter meines -Beiseins</em> und <em class="gesperrt">nach meines Erachtens</em> zeigen, wie der falsche -Genitiv zustande kommt: er entsteht durch Verwechslung des Dativs mit -dem Genitiv im Femininum. <em class="gesperrt">Nach meiner Meinung</em>, <em class="gesperrt">unter<span class="pagenum" id="Seite_248">[S. 248]</span> meiner -Mitwirkung</em>, <em class="gesperrt">dank deiner Bemühung</em> – das klingt den Leuten -wie ein Genitiv, und so sagen sie nun auch fröhlich: <em class="gesperrt">dank dieses -Umstands</em>. Man kann hier einmal die Entstehung einer Sprachdummheit -an ihrer Quelle beobachten. Genau so ist es mit <em class="gesperrt">trotz</em> gegangen: -da sind wir jetzt glücklich so weit, daß der richtige Dativ für -einen Fehler und der falsche Genitiv für das Richtige erklärt wird. -Vielleicht kommt es auch noch mit <em class="gesperrt">dank</em> dahin, und wenn wir -uns rechte Mühe geben, auch mit <em class="gesperrt">nach</em>, <em class="gesperrt">unter</em> und – -<em class="gesperrt">gemäß</em>; denn schon schreibt man auch: die Arbeiter sind <em class="gesperrt">gemäß -ihres</em> Beschlusses heute früh wieder in der Fabrik erschienen.</p> - -<p>Die Redensart <em class="gesperrt">sich an etwas halten</em> – verlangt sie nach -<em class="gesperrt">an</em> den Dativ oder den Akkusativ? In äußerlicher, sinnlicher -Bedeutung unzweifelhaft den Dativ: man <em class="gesperrt">hält sich an einer Stange, -an einem Seile</em> (an). In übertragner Bedeutung hat man früher -geschwankt (Goethe: wer klug ist, wird sich <em class="gesperrt">am Zugänglichen</em> -halten). Heute ist – unter dem Einflusse sinnverwandter Wendungen wie: -<em class="gesperrt">sich wenden an, sich stützen auf</em>, <em class="gesperrt">sich verlassen auf</em> – -nur noch der Akkusativ üblich: wenn er mich nicht bezahlt, so halte ich -mich <em class="gesperrt">an dich</em> – ich halte mich lieber <em class="gesperrt">ans Gewisse</em> als -<em class="gesperrt">ans Ungewisse</em>.</p> - -<p>Die allerneuesten Präpositionen sind <em class="gesperrt">ungerechnet</em> und -<em class="gesperrt">unerwartet</em>. Sie werden beide mit dem Genitiv verbunden: -<em class="gesperrt">unerwartet des Beitritts</em> andrer Eisenbahnverwaltungen – -es hatten vierhundert Händler feil, <em class="gesperrt">ungerechnet derer</em>, die -in den Höfen standen. Beide sind natürlich dem eben so schönen -<em class="gesperrt">ungeachtet</em> nachgebildet, das schon älter ist: <em class="gesperrt">ungeachtet -seines Widerspruchs</em>. Auch hier sieht man eine Sprachdummheit an der -Quelle. Ursprünglich hieß es: <em class="gesperrt">ungeachtet seinen Widerspruch</em>; das -war aber ein absolutes Partizip im Akkusativ.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Noerdlich_suedlich_rechts_links_unweit">Nördlich, südlich, rechts, links, unweit</h3> - -</div> - -<p>Alle Präpositionen sind ursprünglich einmal Adverbia gewesen. -Auch die häßlichen, langatmigen Modepräpositionen unsrer Amts- -und Zeitungssprache: <em class="gesperrt">anläßlich</em>, <em class="gesperrt">gelegentlich</em>, -<em class="gesperrt">inhaltlich</em>, <em class="gesperrt">antwortlich</em>, was sind sie<span class="pagenum" id="Seite_249">[S. 249]</span> zunächst anders -als Adverbia? Neuerdings soll nun aber noch eine Anzahl weiterer -Adverbia mit aller Gewalt zu Präpositionen gepreßt werden, nämlich: -<em class="gesperrt">rechts</em>, <em class="gesperrt">links</em>, <em class="gesperrt">nördlich</em>, <em class="gesperrt">südlich</em>, -<em class="gesperrt">östlich</em>, <em class="gesperrt">westlich</em> und <em class="gesperrt">seitlich</em> (das letzte ein -recht überflüssiges Wort). Niemand wird bestreiten, daß auch diese -Wörter Adverbia sind. Um anzugeben, im Vergleich womit etwas rechts -oder links, nördlich oder südlich sei, haben wir denn auch bis vor -kurzem immer die Präposition <em class="gesperrt">von</em> zu Hilfe genommen und gesagt: -<em class="gesperrt">rechts von</em> der Straße, <em class="gesperrt">nördlich von</em> den Alpen. Da haben -nun offenbar manche Leute geglaubt, <em class="gesperrt">von</em> sei hier, wie so oft, -eine bloße Umschreibung des Genitivs, und da sei es doch gescheiter, -lieber gleich den Genitiv zu setzen. Und so hat sich denn immer mehr -der Fehler verbreitet, zu schreiben: <em class="gesperrt">rechts</em> und <em class="gesperrt">links der -Szene</em>, <em class="gesperrt">nördlich des Viktoriasees</em>, <em class="gesperrt">südlich der Kirche</em>, -<em class="gesperrt">seitlich des Altars</em>, ja neuerdings sogar <em class="gesperrt">abseits aller -Parteien</em> und <em class="gesperrt">ringsum des Marktes</em>. Namentlich Architekten, -Techniker oder Geographen schreiben gar nicht mehr anders, aber -auch der gebildete Philister am Biertisch sagt schon: Meißen liegt -doch <em class="gesperrt">links der Elbe</em>. Ein Fehler ist es aber doch, wenigstens -solange es noch Menschen gibt, die so altväterisch sind, zu glauben, -<em class="gesperrt">rechts</em> und <em class="gesperrt">links</em>, <em class="gesperrt">nördlich</em> und <em class="gesperrt">südlich</em> -seien Adverbia, und solange – die Schule ihre Schuldigkeit tut.</p> - -<p>Ebenso verhält sichs mit den verneinten Adverbien <em class="gesperrt">unfern</em> und -<em class="gesperrt">unweit</em>. Auch sie können von Rechts wegen nur als Adverbia -gebraucht werden: <em class="gesperrt">unweit von</em> dem Dorfe; aber auch sie hat man -zu Präpositionen zu pressen gesucht, und weiß nun nicht, ob man sie -mit dem Genitiv oder, wie das gleichbedeutende <em class="gesperrt">nahe</em>, mit dem -Dativ verbinden soll; die einen schreiben: <em class="gesperrt">unfern des Bodensees</em>, -<em class="gesperrt">unweit des Flusses</em>, andre: <em class="gesperrt">unfern dem Schlosse</em>, -<em class="gesperrt">unweit dem Tore</em>. Und das hat wieder zur Folge gehabt, daß man -sogar bei <em class="gesperrt">nahe</em> irre geworden ist und zu schreiben anfängt: -<em class="gesperrt">nahe Leipzigs</em>! Auch <em class="gesperrt">nahe</em> ist keine Präposition, sondern -ein Adverbium (<em class="gesperrt">nahe bei</em>, <em class="gesperrt">nahe an</em>), und als Adjektiv -kann es unzweifelhaft nur den Dativ haben; <em class="gesperrt">unfern</em><span class="pagenum" id="Seite_250">[S. 250]</span> aber und -<em class="gesperrt">unweit</em> könnte man sich doch ganz ersparen; sie sind gesucht (wie -<em class="gesperrt">unschwer</em>; vgl. <a href="#Seite_273">S. 273</a>) und der lebendigen Sprache fremd.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Im_oder_in_dem">Im oder in dem? zum oder zu dem?</h3> - -</div> - -<p>Große Unsicherheit herrscht darüber, in welchen Fällen der bestimmte -Artikel mit der Präposition verschmolzen werden darf, und in welchen -Fällen nicht, wann es also heißen darf: <em class="gesperrt">im</em>, <em class="gesperrt">vom</em>, -<em class="gesperrt">zur</em>, <em class="gesperrt">aufs</em>, <em class="gesperrt">ins</em> (oder, wenn jemand ohne Apostroph -nicht leben kann, <em class="gesperrt">auf’s</em>, <em class="gesperrt">in’s</em>, vielleicht auch -<em class="gesperrt">i’m</em>, <em class="gesperrt">zu’r</em>?), und wann: <em class="gesperrt">in dem</em>, <em class="gesperrt">von dem</em>, -<em class="gesperrt">auf das</em> usw. Dennoch ist die Sache sehr einfach und eigentlich -selbstverständlich.</p> - -<p>Der bestimmte Artikel <em class="gesperrt">der</em>, <em class="gesperrt">die</em>, <em class="gesperrt">das</em> hat -ursprünglich demonstrativen oder determinativen Sinn, er bedeutet -dasselbe wie <em class="gesperrt">dieser</em>, <em class="gesperrt">diese</em>, <em class="gesperrt">dieses</em>, oder -wie das schöne Kanzleiwort <em class="gesperrt">derjenige</em>, <em class="gesperrt">diejenige</em>, -<em class="gesperrt">dasjenige</em>. In dieser Bedeutung wird er ja auch noch täglich -gebraucht, er wird dann gedehnt gesprochen und betont: <em class="gesperrt">deer</em>, -<em class="gesperrt">deem</em>, <em class="gesperrt">deen</em> (man nehme nur seine Ohren zu Hilfe, nicht -immer bloß die Augen!), während er als bloßer Artikel unbetont bleibt -und kurz gesprochen wird. Nun ist es doch klar, daß die Verschmelzung -mit der Präposition nur da eintreten kann, wo wirklich der bloße -Artikel vorliegt. Verschlungen oder verschluckt werden kann immer -nur ein Wort, das keinen Ton hat. Es ist also richtig, zu sagen: du -wirst schon noch <em class="gesperrt">zur Einsicht</em> kommen, wenn gemeint ist: zur -Einsicht überhaupt, zur Einsicht schlechthin, oder: ich habe <em class="gesperrt">im -guten Glauben</em> gehandelt. Sowie aber durch einen nachfolgenden -Nebensatz eine bestimmte Einsicht, ein bestimmter guter Glaube -bezeichnet wird, so ist eben so klar, daß dann der Artikel einen -Rest seiner ursprünglichen demonstrativen oder determinativen Kraft -bewahrt hat, und dann kann von einer Verschlingung mit der Präposition -keine Rede sein. Es kann also nur heißen: als er nach Jahren <em class="gesperrt">zu -der Einsicht</em> kam, <em class="gesperrt">daß</em> er nicht zum Künstler geboren sei -– ich habe <em class="gesperrt">in dem guten Glauben</em> gehandelt, <em class="gesperrt">daß</em> ich -in meinem Rechte wäre. Dennoch muß man fort und fort so fehlerhafte -Sätze lesen wie: die Bauern kamen <em class="gesperrt">zum Bewußtsein,<span class="pagenum" id="Seite_251">[S. 251]</span> daß</em> sie auf -weitere Schenkung von Grund und Boden nicht rechnen dürften – im -<em class="gesperrt">Bewußtsein, daß</em> es der Reichshauptstadt an einem Mittelpunkte -künstlerischer Bestrebungen <em class="gesperrt">fehle</em> – er kam <em class="gesperrt">zur Überzeugung, -daß</em> alles Suchen vergeblich sei – die Vergleichung seiner -Landsleute mit den Deutschen von ehemals führte Melanchthon <em class="gesperrt">zur -Erklärung, daß</em> die Deutschen leider ihren Vorfahren unähnlich -geworden seien – folgende Erwägung führt <em class="gesperrt">zur Vermutung, daß</em> -die Ohnmacht Gretchens einem geschichtlichen Fall nachgebildet sei – -vielleicht wird die praktische Beschäftigung <em class="gesperrt">zur Erkenntnis</em> -gelangen, daß die Rückkehr zum historischen Ausgangspunkte geboten -sei – er sah sich <em class="gesperrt">zum Geständnis</em> genötigt, <em class="gesperrt">daß</em> er sich -getäuscht habe – das Komitee empfahl seinen Kandidaten im festen -<em class="gesperrt">Vertrauen, daß</em> ein paar Schlagwörter genügen würden. In allen -diesen Sätzen ist die Verschmelzung der Präposition mit dem Artikel -ein grober Fehler. Es ist unbegreiflich, wie jemand dafür das Gefühl -verlieren kann.</p> - -<p>Die nähere Bestimmung kann aber auch durch einen Infinitiv mit -<em class="gesperrt">zu</em>, durch einen Relativsatz, durch ein Attribut ausgedrückt -werden – auch dann darf der Artikel nicht verschlungen werden. Also -auch folgende Sätze sind falsch: er stand <em class="gesperrt">im Rufe</em>, es mit der -klerikalen Partei <em class="gesperrt">zu halten</em> – er starb <em class="gesperrt">im Bewußtsein</em>, -die teuersten Güter des Vaterlandes verteidigt <em class="gesperrt">zu haben</em> – -unter Eigentum verstehen wir die volle Herrschaft über eine Sache -bis <em class="gesperrt">zur Befugnis</em>, sie <em class="gesperrt">zu vernichten</em> – er hielt <em class="gesperrt">am -Gedanken</em> fest, <em class="gesperrt">sich</em> sobald als möglich von dieser Last -<em class="gesperrt">zu befreien</em> – er stand <em class="gesperrt">im Verdacht</em>, einem verbotnen -Verein <em class="gesperrt">anzugehören</em> – er wurde <em class="gesperrt">vom Verdacht</em>, ein -preußischer Spion <em class="gesperrt">zu sein</em>, freigesprochen – er war <em class="gesperrt">vom -reinsten Willen</em> erfüllt, Versöhnung mit Gott <em class="gesperrt">zu finden</em> -– <em class="gesperrt">im Augenblick, wo</em> er mich sah – Goethe schlug den Hans -Sachsischen Ton auch <em class="gesperrt">zur Zeit</em> an, <em class="gesperrt">wo</em> er sich sonst meist -der neueren Formen bediente – er ist nicht sparsam <em class="gesperrt">im Lobe, das</em> -den polnischen Pferden gebührt – <em class="gesperrt">im Deutschen, das</em> heute -geschrieben wird (<em class="gesperrt">in dem Deutsch, das</em>!) – sie<span class="pagenum" id="Seite_252">[S. 252]</span> tranken fleißig -<em class="gesperrt">vom Weine, der</em> auf der reichbesetzten Tafel stand – diese Arie -gehört <em class="gesperrt">zum Besten, was</em> Verdi geschrieben hat – Vischer hat es -nie <em class="gesperrt">zur Volkstümlichkeit Scheffels</em> gebracht – ein unbewachter -Augenblick stürzte <em class="gesperrt">ihn vom Thron seiner Tugendgröße</em> – <em class="gesperrt">im -Alter von</em> 60 Jahren – <em class="gesperrt">zum</em> ermäßigten <em class="gesperrt">Preise von</em> 15 -Mark – <em class="gesperrt">vom Streit um</em> Kleinigkeiten – <em class="gesperrt">im Bande über</em> -Leibniz – <em class="gesperrt">im Essay über</em> Auerbach – <em class="gesperrt">im Hause</em> Berliner -Straße Nr. 70 usw. <em class="gesperrt">Im Augenblicke</em> und <em class="gesperrt">zurzeit</em> können nur -allein stehen, beides bedeutet dann soviel wie <em class="gesperrt">jetzt</em>; ebenso -auch: <em class="gesperrt">im Alter</em>, <em class="gesperrt">im Hause</em>. Auch <em class="gesperrt">im Essay</em> kann -nur allein stehen, der Essay wäre dann als Gattung etwa dem Roman -gegenübergestellt: dergleichen kann man sich wohl <em class="gesperrt">im Roman</em> -erlauben, aber nicht <em class="gesperrt">im Essay</em>; von einem bestimmten Essay aber -kann es nur heißen: <em class="gesperrt">in dem Essay</em> über Auerbach. Ja es gibt sogar -Fälle, wo gar kein Zusatz hinter dem Hauptwort zu stehen braucht und -doch die Verschmelzung des Artikels mit der Präposition ein Fehler -wäre: wenn nämlich nach dem ganzen Zusammenhange nicht das Ding an -sich, sondern ein bestimmtes Ding gemeint ist. So ist z. B. falsch: die -Beziehungen, in denen Otto Ludwig <em class="gesperrt">zur Stadt</em> und ihren Bewohnern -stand – wenn Leipzig unter der Stadt gemeint ist; es muß heißen: <em class="gesperrt">zu -der Stadt</em> und ihren Bewohnern. <em class="gesperrt">Zur Stadt</em> könnte nur im -Gegensatz zum Lande gesagt sein.<a id="FNAnker_118" href="#Fussnote_118" class="fnanchor">[118]</a></p> - -<p>Eine Unsitte ist es daher auch, zu schreiben, wie es immer mehr Mode -wird: <em class="gesperrt">im selben</em> Augenblick – die <em class="gesperrt">vom selben</em> Verlag -ausgegebnen Kupferstiche – die<span class="pagenum" id="Seite_253">[S. 253]</span> Erfüllung dieser Aufgaben kann <em class="gesperrt">beim -selben</em> Objekt verschieden erreicht werden. Wer sorgfältig schreiben -will, kann nur schreiben: <em class="gesperrt">in demselben</em> Augenblick, <em class="gesperrt">von -demselben</em> Verlag, <em class="gesperrt">bei demselben</em> Objekt.</p> - -<p>Wo wirklich der bloße Artikel vorliegt, da sollte aber auch nun überall -die Verschmelzung vorgenommen werden; nicht bloß in der lebendigen -Sprache – da fehlts ja nicht daran –, sondern auch auf dem Papier. -Welche Ziererei, zu schreiben: Alle diese schönen Pläne sind <em class="gesperrt">in -das</em> Wasser gefallen! Kein Mensch sagt: <em class="gesperrt">an das Land</em> steigen, -der Kampf <em class="gesperrt">um das Dasein</em>, eine Anstalt <em class="gesperrt">in das Leben</em> rufen, -einen Vorgang <em class="gesperrt">an das Licht</em> ziehen, einen <em class="gesperrt">hinter das Licht</em> -führen, eine Sache <em class="gesperrt">über das Knie</em> brechen, <em class="gesperrt">in das Auge</em> -fallen, einem <em class="gesperrt">in das Gesicht</em> sehen, etwas <em class="gesperrt">in das Werk</em> -setzen, eine Sache <em class="gesperrt">in das Reine</em> bringen, sich <em class="gesperrt">auf das hohe -Pferd</em> setzen, sich <em class="gesperrt">auf das beste</em>, <em class="gesperrt">auf das bequemste</em> -einrichten, sondern: <em class="gesperrt">ans Land</em>, <em class="gesperrt">ums Dasein</em>, <em class="gesperrt">ins -Leben</em>, <em class="gesperrt">ans Licht</em>, <em class="gesperrt">aufs beste</em>, <em class="gesperrt">aufs bequemste</em> -(wie: <em class="gesperrt">aufs neue</em>). Also schreibe und drucke man auch so. Dagegen -ist wieder falsch: sich <em class="gesperrt">aufs hohe Pferd des Sittenrichters</em> -setzen – denn hier ist ein bestimmtes hohes Pferd gemeint. Ebenso ist -zu unterscheiden: <em class="gesperrt">im öffentlichen Leben</em> eine Rolle spielen und: -<em class="gesperrt">in dem öffentlichen Leben Deutschlands</em> eine Rolle spielen.</p> - -<p>Wenn von einer Präposition mehrere Substantiva abhängen und beim -ersten die Präposition mit dem Artikel verschmolzen worden ist, so ist -es sehr anstößig, bei den folgenden Substantiven den Artikel aus der -Verschmelzung wieder herauszureißen und mit Weglassung der Präposition -zu schreiben: in gewisser Entfernung <em class="gesperrt">vom</em> Brandplatz oder -<em class="gesperrt">dem</em> Platze des sonstigen Unglücksfalles – von Platos realen -Begriffen bis <em class="gesperrt">zur</em> Goldmacherkunst und <em class="gesperrt">der</em> Telepathie – -Geschichte <em class="gesperrt">vom</em> braven Kasperl und <em class="gesperrt">dem</em> schönen Annerl -(Brentano). Die Verschmelzung <em class="gesperrt">vom</em> wirkt im Sprachgefühl fort -auf das folgende Wort: man hört also unwillkürlich: <em class="gesperrt">vom dem</em> -Platze. In solchen Fällen ist es unbedingt nötig, entweder auch die -Präposition zu wiederholen, also: in<span class="pagenum" id="Seite_254">[S. 254]</span> gewisser Entfernung <em class="gesperrt">vom</em> -Brandplatz oder <em class="gesperrt">vom</em> Platze des sonstigen Unglücksfalles, oder -von vornherein die Verschmelzung zu unterlassen und zu schreiben: -<em class="gesperrt">von dem</em> Brandplatze oder <em class="gesperrt">dem</em> Platze des sonstigen -Unglücksfalles. Ebenso verhält sichs bei der Apposition. Es ist eine -Nachlässigkeit, zu schreiben: <em class="gesperrt">im</em> Süden, <em class="gesperrt">dem</em> taurischen -Gouvernement – <em class="gesperrt">am</em> 12. Januar 1888, <em class="gesperrt">dem</em> dreihundertsten -Geburtstage Riberas; auch bei der Apposition muß es wieder <em class="gesperrt">im</em> -und <em class="gesperrt">am</em> heißen. Doppelt anstößig wird der Fehler, wenn die -Substantiva im Geschlecht oder in der Zahl verschieden sind, z. B. -<em class="gesperrt">im</em> Berliner Tageblatt und <em class="gesperrt">der</em> geistesverwandten Presse – -das <em class="gesperrt">am</em> Ananias und <em class="gesperrt">der</em> Saphira vollzogne Strafwunder – -die <em class="gesperrt">vom</em> Anarchismus und <em class="gesperrt">der</em> Sozialdemokratie drohenden -Gefahren – von der Universität herab bis <em class="gesperrt">zur</em> Volksschule und -<em class="gesperrt">dem</em> Kindergarten – das hängt <em class="gesperrt">vom</em> guten Willen und -<em class="gesperrt">der</em> Zahlungsfähigkeit der Untertanen ab – Eingang <em class="gesperrt">zum</em> -Garten und <em class="gesperrt">der</em> Kegelbahn. Auch hier muß überall die Präposition -wiederholt werden. Der Gipfel der Nachlässigkeit ist es, die -Wiederholung der Präposition dann zu unterlassen, wenn der bestimmte -Artikel mit der artikellosen Form wechselt: z. B. <em class="gesperrt">zur</em> Annahme -von Bestellungen und direkt<em class="gesperrt">er</em> Erledigung derselben; es muß -heißen: <em class="gesperrt">zur</em> Annahme und <em class="gesperrt">zu</em> direkt<em class="gesperrt">er</em> Erledigung.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Aus_Die_Grenzboten">Aus: „Die Grenzboten“</h3> - -</div> - -<p>Zu den größten irdischen Freuden des Papiermenschen gehören die -sogenannten Gänsefüßchen. Der Schulmeister, der auf Verständnis -rechnen kann, wenn er dem Achtjährigen zum erstenmal in die Feder -diktiert: der Vater fragte – Doppelpunkt – Gänsefüßchen unten – -wo bist du gewesen, Max – Fragezeichen – Gänsefüßchen oben –, hat -das stolze Gefühl, daß er seinen Zögling zu einer der wichtigsten -Entwicklungsstufen seiner Geistesbildung emporgeführt habe. Aber -nicht bloß Schulmeister und Schulknaben, auch andre Leute, z. B. -Romanschriftsteller, haben an diesen Strichelchen eine kindische -Freude; es gibt Romane, in denen man vor lauter Gänsefüßchen fast -nichts vom Dialog sieht. Ein Hochgenuß beim Lesen<span class="pagenum" id="Seite_255">[S. 255]</span> ist es, wenn Er -immer mit zweien („–“), Sie immer mit vieren („„–““) erscheint; dann -flimmert es einem förmlich vor den Augen.</p> - -<p>Die Gänsefüßchen sind, wie der Apostroph (vgl. <a href="#Seite_8">S. 8</a>), eine jener -nichtsnutzigen Spielereien, die – es steht nicht fest, ob durch den -Schulmeister oder durch den Druckereikorrektor – eigens für die -Papiersprache erfunden worden sind. Wenn jemand einen Roman vorliest, -so kann er doch die Gänsefüßchen nicht mitlesen, und doch versteht ihn -der Zuhörer. Wozu schreibt und druckt man sie also? Einen Zweck haben -sie nur da, wo man Wörter oder Redensarten ironisch gebraucht (um sie -lächerlich zu machen), oder wo man mitten in seine eigne Darstellung -eine Stelle aus der Darstellung eines andern einflicht.<a id="FNAnker_119" href="#Fussnote_119" class="fnanchor">[119]</a> Aber auch -da sind sie überflüssig, wenn diese Stelle in fremder Sprache oder in -Versen ist, sich also schon durch die Schriftgattung (Antiqua, Kursiv, -Petit) von dem übrigen Text genügend abhebt. Ebenso überflüssig aber -und nichts als eine Spielerei sind sie bei Namen und bei Überschriften -und Titeln von Büchern, Schauspielen, Opern, Gedichten usw. Wenn man -sagt: der Kaiser hatte eine Reise <em class="gesperrt">auf der Hohenzollern</em> gemacht -– so versteht das doch jedermann, und ebenso wenn man sagt: der -Vers ist <em class="gesperrt">aus Goethes Iphigenie</em>. Manche Lehrer behaupten zwar, -die Iphigenie ohne Gänsefüßchen sei die Person des Schauspiels, die -Iphigenie mit Gänsefüßchen sei das Schauspiel selbst; kann man aber in -der lebendigen Sprache diese Unterscheidung machen?</p> - -<p>Das ärgste aber ist es und eine der abgeschmacktesten Erscheinungen -der Papiersprache, wenn Titel und Überschriften wie Versteinerungen -behandelt werden, und geschrieben wird: die Redaktion <em class="gesperrt">des</em> -„Wiener Fremden<em class="gesperrt">blatt</em>“, <em class="gesperrt">des</em> „Berliner Tage<em class="gesperrt">blatt</em>“ -und ebenso nach Präpositionen: Vorspiel <em class="gesperrt">zu</em> „<em class="gesperrt">Die</em> -Meistersinger“ – Ouverture <em class="gesperrt">zu</em>: „<em class="gesperrt">Die</em> Fledermaus“ – -einzelne Bilder<span class="pagenum" id="Seite_256">[S. 256]</span> <em class="gesperrt">aus</em> „<em class="gesperrt">Der</em> neue Pausias“ – Bemerkungen -zu Goethes „<em class="gesperrt">Der</em> getreue Eckardt“ – erweiterter Separatabdruck -<em class="gesperrt">aus</em> „<em class="gesperrt">Der</em> praktische Schulmann“ – diese Aufsätze haben -zuerst <em class="gesperrt">in</em> „<em class="gesperrt">Die</em> Grenzboten“ gestanden usw. Jedermann -sagt: ich bin gestern abend <em class="gesperrt">in der</em> Fledermaus gewesen, der Vers -ist <em class="gesperrt">aus dem</em> Neuen Pausias, ich habe das <em class="gesperrt">im</em> Praktischen -Schulmann gelesen, die Aufsätze haben <em class="gesperrt">in den</em> Grenzboten -gestanden. Versteht man das nicht? Wenn mans aber mit den Ohren -versteht, warum denn nicht mit den Augen?</p> - -<p>Einige Verlegenheit bereiten ja die jetzt so beliebten Zeitungs- und -Büchertitel, die, anstatt aus einem Hauptwort, aus einer adverbiellen -Bestimmung bestehen, wie: <em class="gesperrt">Aus unsern vier Wänden</em>, <em class="gesperrt">Vom Fels -zum Meer</em>, <em class="gesperrt">Zur guten Stunde</em> u. ähnl. Jedes natürliche -Sprachgefühl sträubt sich doch dagegen zu sagen: ich habe das <em class="gesperrt">in -Vom</em> Fels zum Meer gelesen. Aber immer dazuzusetzen: in dem Buche, -in der Zeitschrift – was schließlich das einzige Rettungsmittel ist – -ist doch langweilig.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Nach_dort">Nach dort</h3> - -</div> - -<p>Statt <em class="gesperrt">hin</em> und <em class="gesperrt">her</em> schreiben unsre Kaufleute jetzt in -ihren Geschäftsbriefen <em class="gesperrt">nach dort</em> und <em class="gesperrt">nach hier</em>: kommen -Sie nicht in den nächsten Wochen einmal <em class="gesperrt">nach hier</em>? Wenn nicht, -so komme ich vielleicht einmal <em class="gesperrt">nach dort</em>. Auch die Zeitungen -berichten: Herr M. ist als Bauinspektor <em class="gesperrt">nach hier</em> versetzt -worden. Und wenn ein paar Handlungsreisende bei kühlem Wetter in einem -Biergarten sitzen, fragen sie sich sogar: Wollen wir uns nicht lieber -<em class="gesperrt">nach drin</em> setzen? Diese neumodische schöne Ortsbestimmung ist -freilich nicht ohne Beispiel: schon längst hat man zur Bezeichnung -einer Richtung, statt die auf die Frage wohin? antwortenden -Ortsadverbien zu gebrauchen, die Präposition <em class="gesperrt">nach</em> mit -Ortsadverbien verbunden, die auf die Frage wo? antworten, z. B. <em class="gesperrt">nach -vorn</em>, <em class="gesperrt">nach hinten</em>, <em class="gesperrt">nach oben</em>, <em class="gesperrt">nach unten</em>, -statt: <em class="gesperrt">vor</em>, <em class="gesperrt">hinter</em>, <em class="gesperrt">hinauf</em>, <em class="gesperrt">herunter</em>. -Auch Schiller sagt im Taucher: Doch es war mir zum Heil, er riß mich -<em class="gesperrt">nach oben</em>. Und ebenso hat man auf die Frage woher? geantwortet: -<em class="gesperrt">von vorn</em>, <em class="gesperrt">von hinten</em>, <em class="gesperrt">von oben</em>, <em class="gesperrt">von<span class="pagenum" id="Seite_257">[S. 257]</span> unten</em>, -sogar <em class="gesperrt">von hier</em>, <em class="gesperrt">von dort</em>. Nur <em class="gesperrt">nach hier</em>, <em class="gesperrt">nach -dort</em> und <em class="gesperrt">nach drin</em> hatte noch niemand zu sagen gewagt. Aber -warum eigentlich nicht? Offenbar aus reiner Feigheit. Wir können also -dem kaufmännischen Geschäftsstil für seinen sprachschöpferischen Mut -nur dankbar sein. Schade, daß Goethe das Lied der Mignon nicht mehr -ändern kann; das müßte doch nun auch am Schlusse heißen: <em class="gesperrt">nach dort, -nach dort</em> möcht’ ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn!<a id="FNAnker_120" href="#Fussnote_120" class="fnanchor">[120]</a></p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Bis">Bis</h3> - -</div> - -<p>Viel Nachlässigkeiten und Dummheiten werden in den Zeitangaben -begangen. Ein Ausdruck wie: <em class="gesperrt">vom 16. bis 18. Oktober</em> soll dabei -noch nicht einmal angefochten werden, wiewohl, wer sorgfältig schreiben -will, hinter <em class="gesperrt">bis</em> die Präposition nie weglassen, sondern -schreiben wird: <em class="gesperrt">bis zum 18. Oktober</em>. Denn <em class="gesperrt">bis</em> ist zwar -selbst eine Präposition, es ist aber auch eine Konjunktion, es ist -ein Mittelding zwischen beiden, und bei Ortsbestimmungen verlangt es -noch ein <em class="gesperrt">an</em>, <em class="gesperrt">auf</em>, <em class="gesperrt">in</em>, <em class="gesperrt">zu</em>, <em class="gesperrt">nach</em>, nur -vor Städte- und Ländernamen kann es allein stehen, aber doch auch nur -dann, wenn eine Strecke, eine Ausdehnung, aber nicht, wenn ein Ziel -angegeben wird. Man kann also wohl sagen: <em class="gesperrt">bis morgen</em>, <em class="gesperrt">bis -Montag</em>, <em class="gesperrt">bis Ostern</em>, sogar: <em class="gesperrt">bis nächste Woche</em>, auch -<em class="gesperrt">bis Berlin</em>, aber nicht: <em class="gesperrt">bis Haus</em>, <em class="gesperrt">bis Tür</em>. Nur wer -in den Straßenbahnwagen gestiegen ist, antwortet maulfaul auf die Frage -des Schaffners: wie weit? <em class="gesperrt">Bis Kirche</em>. Eine ganz unzweifelhafte -Nachlässigkeit aber ist es, zu schreiben: von Nikolaus I. <em class="gesperrt">bis -Gregor VII</em>. Denn wie soll man das lesen? <em class="gesperrt">Bis</em> Gregor <em class="gesperrt">den -Siebenten</em>? <em class="gesperrt">bis den</em>? Wenn das richtig wäre, dann könnte man -auch sagen:<span class="pagenum" id="Seite_258">[S. 258]</span> wenn wir vom Großvater noch weiter zurückgehen <em class="gesperrt">bis den -Urgroßvater</em>. Ebenso nachlässig ist es, zu schreiben: Ausgewählte -Texte <em class="gesperrt">des 4. bis 15. Jahrhunderts</em>, deutsche Liederdichter -<em class="gesperrt">des 12. bis 14. Jahrhunderts</em> oder mit einem Strich, den man -bis lesen soll: <em class="gesperrt">des 12.-14. Jahrhunderts</em>,<a id="FNAnker_121" href="#Fussnote_121" class="fnanchor">[121]</a> Flugschriften -<em class="gesperrt">des 16. bis 18. Jahrhunderts</em>, Kulturbilder aus <em class="gesperrt">dem 15. -bis 18. Jahrhundert</em>. Da hört man erst den Singular <em class="gesperrt">des</em>, -<em class="gesperrt">dem</em>, und dann kommen drei oder vier Jahrhunderte hinterher. Wie -kann denn <em class="gesperrt">ein</em> Jahrhundert das 4. bis 15. sein! Und doch muß man -den Fehler täglich lesen, oft gleich auf Titelblättern neuer Bücher. -Wer sorgfältig schreiben will, wird schreiben: Flugschriften <em class="gesperrt">des -16., des 17. und des 18. Jahrhunderts</em> – oder wenigstens: <em class="gesperrt">des -16., 17. und 18. Jahrhunderts</em> – oder: <em class="gesperrt">aus der Zeit vom 16. bis -zum 18. Jahrhundert</em>. Das ist zwar etwas umständlich, aber es geht -nicht anders. Wir schrecken ja sonst vor umständlicher Ausdrucksweise -nicht zurück, können uns oft gar nicht breit und umständlich genug -ausdrücken. Warum denn gerade da, wo sie einmal angebracht ist?</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="In_1870">In 1870</h3> - -</div> - -<p>Wie mit <em class="gesperrt">nach hier</em> und <em class="gesperrt">nach dort</em>, verhält sichs auch -mit <em class="gesperrt">in</em> 1870, das man neuerdings öfter lesen kann. Jede andre -Präposition kann man so vor die Jahreszahl setzen, man kann sagen: -<em class="gesperrt">vor</em> 1870, <em class="gesperrt">nach</em> 1870, <em class="gesperrt">bis</em> 1870 – aber nicht: -<em class="gesperrt">in</em> 1870. Warum nicht? Weils nicht deutsch ist. Es ist eine -willkürliche Nachäfferei des Französischen und des Englischen. Deutsch -ist auf die Frage wann? entweder die bloße Jahreszahl ohne jede -Präposition, oder: <em class="gesperrt">im Jahre</em> 1870.</p> - -<p>Bei den Angaben der Monate und der Jahreszeiten scheinen es manche -jetzt für geistreich zu halten, <em class="gesperrt">in</em> ganz<span class="pagenum" id="Seite_259">[S. 259]</span> wegzulassen und zu -schreiben: das geschah <em class="gesperrt">Dezember</em> 1774 – ich wurde <em class="gesperrt">Herbst</em> -1874 immatrikuliert. Auch das ist undeutsch; die Monatsnamen wie die -Namen der Jahreszeiten verlangen unbedingt die Präposition, denn bei -ihnen ebenso wie bei dem ganzen Jahre hat man deutlich die Vorstellung -eines Zeitraums, in dessen Innerm sich ein Ereignis zuträgt.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Alle_vier_Wochen">Alle vier Wochen oder aller vier Wochen?</h3> - -</div> - -<p>Bei periodisch wiederkehrenden Handlungen antwortet auf die Frage: wie -oft? der Genitiv von <em class="gesperrt">alle</em> mit einem Zahlwort, z. B.: <em class="gesperrt">aller -vierzehn Tage</em>, <em class="gesperrt">aller vier Wochen</em>, <em class="gesperrt">aller zwei Stunden</em>, -<em class="gesperrt">aller halben Jahre</em>, <em class="gesperrt">aller Vierteljahre</em>, <em class="gesperrt">aller -hundert Jahre</em>, ja sogar ohne Zahlwort: <em class="gesperrt">aller Augenblicke</em>. -Wenigstens in Mitteldeutschland, namentlich in Sachsen und Thüringen, -ist dieser Genitiv allgemein, bei Hoch und Niedrig, im Gebrauch. -Nicht bloß die Leipziger Straßenjugend spottete von der Leipziger -Pferdebahn: und <em class="gesperrt">aller fünf Minuten</em>, da bleibt de Karre stehn -– auch die gebildete Mutter sagt zu ihrem Kinde: bleib doch nicht -<em class="gesperrt">aller zehn Schritte</em> stehen, oder: du bleibst <em class="gesperrt">ja aller drei -Zeilen hängen</em>, oder: so was kommt nur <em class="gesperrt">aller Jubeljahre</em> -einmal vor (wobei der Zahlbegriff in <em class="gesperrt">Jubel</em> steckt: 25, 50, -100), ja sogar: komm doch nicht <em class="gesperrt">aller Nasen lang</em> gelaufen, -oder: du störst mich <em class="gesperrt">aller Augenblicke</em>, und der Arzt schreibt -auf das Rezept: <em class="gesperrt">aller zwei Stunden</em> einen Eßlöffel voll zu -nehmen. Mit dem Akkusativ, wie er in Nord- und Süddeutschland üblich -ist, erscheint uns nicht das Periodische, die Wiederkehr der Handlung -in gleichen Zeitabständen, ausgedrückt. Wenn ich sage: das kann ich -<em class="gesperrt">alle Augenblicke</em> tun, oder von einem geladnen Geschoß: geh -zurück! es kann <em class="gesperrt">alle Augenblicke</em> losgehen, so heißt das nichts -andres als: <em class="gesperrt">jeden Augenblick</em>, <em class="gesperrt">jederzeit</em>, <em class="gesperrt">sogleich</em>, -<em class="gesperrt">sofort</em>. Sage ich dagegen: es blitzt <em class="gesperrt">aller Augenblicke</em>, -so heißt das (natürlich mit einer starken Übertreibung): es blitzt -in regelmäßigen Abständen von je einem Augenblick. Wenn sich jemand -beklagt, er habe vierzehn Tage an einem langweiligen<span class="pagenum" id="Seite_260">[S. 260]</span> Badeorte sitzen -müssen, so kann ich ihn fragen: bist du denn <em class="gesperrt">alle vierzehn Tage</em> -dort gewesen? Das ist eine Zeitdauer, keine Wiederholung. Wenn sich -aber die Landpfarrer in regelmäßigen Zwischenräumen von je vierzehn -Tagen zu einer Konferenz in der Stadt zusammenfinden, so kommen sie -nicht <em class="gesperrt">alle</em>, sonder <em class="gesperrt">aller vierzehn Tage</em>. Eine Berliner -Zeitschrift verspricht ihren Lesern auf dem Umschlag <em class="gesperrt">alle sieben -Tage</em> ein Heft. Sie hält aber ihr Versprechen nicht, denn sie bringt -nur <em class="gesperrt">aller sieben Tage</em> eins. Wenn ich sage: ich reise <em class="gesperrt">alle -Jahre</em> nach Italien, so kann ich das einemal im März, das andremal -im Mai, das drittemal im Oktober reisen. Will ich dagegen sagen, daß -ich die Reise in genauen Abständen von je einem Jahre mache, so würde -ich zwar nicht sagen: <em class="gesperrt">aller Jahre</em> (das ist nicht gebräuchlich), -wohl aber, wo es auf eine genaue Bestimmung einer periodisch -wiederkehrenden Handlung ankommt: <em class="gesperrt">aller zwölf Monate</em>.<a id="FNAnker_122" href="#Fussnote_122" class="fnanchor">[122]</a></p> - -<p>Da es sich bei diesem eigentümlich gefärbten „distributiven“ Genitiv, -wie man ihn treffend genannt hat, keineswegs um einen niedrigen -Provinzialismus handelt, sondern um eine mundartliche Feinheit, deren -das Norddeutsche wie das Süddeutsche entbehrt, so kann es uns niemand -verdenken, wenn wir ihn nicht dem unklaren, doppelsinnigen Akkusativ -zuliebe fallen lassen. Wir bleiben fest bei unserm <em class="gesperrt">aller vier -Wochen</em>!</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Donnerstag_und_Donnerstags">Donnerstag und Donnerstags – nachmittag und -nachmittags</h3> - -</div> - -<p>Auch auf die Frage: wann? muß bei periodisch wiederkehrenden -Handlungen stets der Genitiv stehen. Auf die Frage: wann ist der -Eintritt ins Museum frei? kann nur geantwortet werden: <em class="gesperrt">Montags -und Donnerstags</em>, wenn damit gesagt sein soll, daß es<span class="pagenum" id="Seite_261">[S. 261]</span> jeden -Montag und jeden Donnerstag so sei. Ebenso bezeichnet <em class="gesperrt">morgens</em>, -<em class="gesperrt">mittags</em>, <em class="gesperrt">vormittags</em>, <em class="gesperrt">nachmittags</em>, <em class="gesperrt">abends</em> -Handlungen, die jeden Morgen, jeden Mittag usw. geschehen. Die -einmalige Handlung dagegen wird durch den Akkusativ ausgedrückt. Aber -auch hier herrscht jetzt Verwirrung. Genitive wie <em class="gesperrt">Sonntags</em>, -<em class="gesperrt">Montags</em> gelten jetzt lächerlicherweise manchen beim Schreiben -für unfein, und umgekehrt drängt sich wieder der Genitiv dahin, -wo er nicht hingehört. In der Umgangssprache wird er schon ganz -anstandslos auch von einmaligen Handlungen gebraucht: kommst du -<em class="gesperrt">mittags</em> zurück? Nein, ich komme erst <em class="gesperrt">abends</em> zurück. -Es muß heißen: <em class="gesperrt">zu Mittag</em> und <em class="gesperrt">am Abend</em> oder mit dem -bloßen Akkusativ: <em class="gesperrt">Mittag</em>, <em class="gesperrt">Abend</em>. Also: ich bin heute -<em class="gesperrt">mittag</em> in Berlin, aber heute abend schon wieder in Leipzig; -dagegen: ich bin <em class="gesperrt">mittags</em> stets in Berlin, <em class="gesperrt">abends</em> stets -in Leipzig.<a id="FNAnker_123" href="#Fussnote_123" class="fnanchor">[123]</a> Ganz abscheulich ist es, zu schreiben: <em class="gesperrt">anfangs -April</em>, <em class="gesperrt">anfangs Dezember</em>, <em class="gesperrt">anfangs der</em> fünfziger Jahre, -<em class="gesperrt">anfangs der Spielzeit</em>, es muß unbedingt heißen: <em class="gesperrt">Anfang -April</em>, <em class="gesperrt">Anfang Dezember</em>, wie <em class="gesperrt">Mitte Dezember</em>, <em class="gesperrt">Ende -Dezember</em>. Auch <em class="gesperrt">Anfang</em>, <em class="gesperrt">Mitte</em>, <em class="gesperrt">Ende</em> sind -hier Akkusative, <em class="gesperrt">Dezember</em> ein (natürlich schlechter!) Genitiv -(vgl. <a href="#Seite_8">S. 8</a>). <em class="gesperrt">Anfangs</em> kann immer nur allein als Adverbium -stehen, im Gegensatze zu <em class="gesperrt">dann</em>, <em class="gesperrt">später</em>, <em class="gesperrt">endlich</em> -(<em class="gesperrt">anfangs</em> wollt ich fast verzagen).</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Drei_Monate">Drei Monate – durch drei Monate – während dreier Monate</h3> - -</div> - -<p>Ein widerwärtiger Mißbrauch, der aber auch neuerdings für vornehm -gilt – natürlich! es klingt ja französisch –, ist der Gebrauch, auf -die Frage: <em class="gesperrt">wie lange</em>? mit <em class="gesperrt">während</em> zu antworten: wir -waren <em class="gesperrt">während dreier Monate</em> in der Schweiz – dieses Geräusch<span class="pagenum" id="Seite_262">[S. 262]</span> -blieb <em class="gesperrt">während einiger Minuten</em> hörbar – man sprach <em class="gesperrt">während -einiger Wochen</em> von nichts als von dieser Unternehmung – die -Prüfungskommission, der Gottfried Kinkel <em class="gesperrt">während einer Reihe</em> -von Jahren angehört hat – die Lehren, die <em class="gesperrt">während achtzehn -Jahrhunderten</em> als die Grundlage rechtgläubigen Christentums -angesehen worden sind – der Clavigo wurde <em class="gesperrt">während weniger Tage</em> -in einem Gusse geschaffen – die Naturaldienste wurden nur <em class="gesperrt">während -weniger Tage</em> im Jahre geleistet.</p> - -<p>Während kann nie auf die Frage: wielange? antworten, sondern immer -nur auf die Frage: wann? Vielleicht ist es nicht allen Lesern in der -Erinnerung, wie die Präposition <em class="gesperrt">während</em> entstanden ist. Noch -im achtzehnten Jahrhundert schrieb man <em class="gesperrt">währendes Frühlings</em>, -<em class="gesperrt">währendes Krieges</em>. Allmählich wurde dieser absolute Genitiv -mißverstanden, eine Zeit lang wußte man nicht recht, ob man -<em class="gesperrt">währendes</em> oder <em class="gesperrt">während des</em> hörte, und schließlich sprang -der Partizipialstamm von der Endung ab und wurde – tatsächlich also -durch ein Mißverständnis, durch eine Sprachdummheit – zu einer -Präposition. Trotzdem erhielt sich bei richtiger Anwendung der -ursprüngliche Sinn: es wird ein Vorgang zusammengestellt mit einem -andern Vorgange, mit dem er entweder ganz oder teilweise zeitlich -zusammenfällt; er lag <em class="gesperrt">während des Kriegs</em> im Lazarett – -<em class="gesperrt">während des Vortrags</em> darf nicht geraucht werden – <em class="gesperrt">während -des Gewitters</em> waren wir unter Dach und Fach. Der Krieg, der -Vortrag, das Gewitter sind Vorgänge, Ereignisse. Aber ein Tag, ein -Monat, ein Jahr, ein Jahrhundert sind bloße Zeitabschnitte oder -Zeitmaße. Er lag <em class="gesperrt">während dreier Monate</em> im Lazarett – ist -völliger Unsinn, denn drei Monate sind kein Ereignis, womit der -Aufenthalt im Lazarett zeitlich verglichen würde, sondern sie bedeuten -einfach die Zeitdauer; diese kann aber nur ausgedrückt werden durch -den Akkusativ <em class="gesperrt">drei Monate</em> oder <em class="gesperrt">drei Monate lang</em>. Der -Clavigo wurde nicht <em class="gesperrt">während weniger Tage</em>, sondern <em class="gesperrt">in wenigen -Tagen</em> geschaffen. Aber kann man denn nicht sagen: <em class="gesperrt">während des -Tags</em>? Gewiß kann man das; aber dann<span class="pagenum" id="Seite_263">[S. 263]</span> ist <em class="gesperrt">Tag</em> nicht als -Zeitmaß gebraucht, sondern als Erscheinung der Nacht gegenübergestellt: -<em class="gesperrt">während des Tags</em> scheint die Sonne. Die Sonne hat nur <em class="gesperrt">während -eines Tags</em> geschienen – das ist Unsinn; die Sonne hat <em class="gesperrt">während -meiner Ferien nur einen Tag</em> geschienen – das hat Sinn. Aber -alle Romanschreiber und besonders alle Romanschreiberinnen spreizen -sich jetzt mit diesem albernen, dem französischen <span class="antiqua">pendant</span> -nachgeäfften Mißbrauch.</p> - -<p><em class="gesperrt">Durch fünfzehn Monate</em> endlich, <em class="gesperrt">durch lange Zeit</em>, <em class="gesperrt">durch -fünf Minuten</em>, wie die Zeitungen jetzt auch gern auf die Frage: -wielange? schreiben (die heldenmütigen Frauen, die <em class="gesperrt">durch fünfzehn -Monate</em> mit ihren Kindern im Buschwalde umherirrten – dieses Gefühl -war <em class="gesperrt">durch lange Zeit</em> künstlich genährt worden – das Publikum -lärmte und applaudierte <em class="gesperrt">durch</em> wenigstens <em class="gesperrt">fünf Minuten</em>), -ist ganz undeutsch. Es ist ein gedankenlos dem Lateinischen -nachgebildeter Austriazismus, der aus österreichischen Zeitungen in -unsre Sprache geschleppt worden ist.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Am_Donnerstag_den_13_Februar">Am (!) Donnerstag den (!) 13. Februar</h3> - -</div> - -<p>Ein abscheulicher Fehler, der wieder recht ein Zeichen der immer -mehr zunehmenden Verrohung unsers Sprachgefühls ist, ist die gemeine -Zusammenkoppelung des Dativs und des Akkusativs, die neuerdings bei -Datenangaben aufgekommen ist und mit unbegreiflicher Schnelligkeit -um sich gegriffen hat. Fast alle Behörden, alle Berichterstatter, -alle Programme, alle Einladungen schreiben: <em class="gesperrt">am</em> Donnerstag, -<em class="gesperrt">den</em> 13. Februar. Sogar die amtlichen stenographischen Berichte -des Reichstags sind so überschrieben!</p> - -<p>Jede von beiden Konstruktionen für sich allein wäre richtig. Auf -die Frage: wann ist das Konzert? kann ebensogut mit dem bloßen -Akkusativ geantwortet werden: <em class="gesperrt">den</em> Donnerstag, wie mit an und -dem Dativ: <em class="gesperrt">am</em> Donnerstag.<a id="FNAnker_124" href="#Fussnote_124" class="fnanchor">[124]</a> Aber beide Konstruktionen -zusammenzukoppeln,<span class="pagenum" id="Seite_264">[S. 264]</span> einen Akkusativ als Apposition zu einem Dativ zu -setzen, ist greulich. Fühlt man das gar nicht? Was glaubt man denn, daß -es für ein Kasus sei, wenn auf die Frage: wann wird er zurückkehren? -geantwortet wird: <em class="gesperrt">Donnerstag</em>. Ist man so stumpfsinnig geworden, -daß man hier den Akkusativ nicht mehr fühlt, auch wenn der Artikel -nicht dabeisteht? wenn bloß geschrieben wird: <em class="gesperrt">Donnerstag</em>, den -13. Februar? Nun meinen ja manche den Fehler zu vermeiden und ihre -Sache sehr gut zu machen, wenn sie schreiben: <em class="gesperrt">am</em> Donnerstag, -<em class="gesperrt">dem</em> 13. Februar. Aber da kommen sie aus dem Regen in die Traufe! -(vgl. <a href="#Seite_253">S. 253</a>). Nein nein, es gibt nur <em class="gesperrt">ein</em> Heilmittel: man lasse -das dumme am wieder weg, und alles ist in Ordnung.</p> - -<p>Man schreibt aber auch schon: <em class="gesperrt">vom Ende</em> Februar, <em class="gesperrt">vom</em> -Dienstag, <em class="gesperrt">den</em> 6. dieses Monats ab. Das ist fast noch -abscheulicher. Die Akkusative <em class="gesperrt">Ende</em> Februar, <em class="gesperrt">Dienstag, den</em> -6. gelten für den Satzbau genau so viel wie jedes Adverbium der Zeit, -das auf die Frage wann? antwortet, wie <em class="gesperrt">gestern</em>, <em class="gesperrt">heute</em>, -<em class="gesperrt">morgen</em> usw. Ebenso nun wie auf die Fragen: von wann? und bis -wann? geantwortet wird: <em class="gesperrt">von heute bis morgen</em>, ebenso muß auch -geantwortet werden: <em class="gesperrt">von Ende Februar</em>, <em class="gesperrt">von Dienstag, den 6. -bis Donnerstag, den 8. April</em>. Denn nicht <em class="gesperrt">Ende</em> oder der -Artikel <em class="gesperrt">den</em> hängt von der Präposition <em class="gesperrt">von</em> ab, sondern die -ganze, wie ein Adverbium der Zeit aufzufassende Formel: <em class="gesperrt">Dienstag, -den 6</em>.</p> - -<p>Derselbe Fall kommt auch bei Ortsbestimmungen vor. <em class="gesperrt">Zuhause</em>, -das auf die Frage wo? antwortet, wird für die Konstruktion ganz zum -Ortsadverbium, wie <em class="gesperrt">hier</em>, <em class="gesperrt">dort</em>, <em class="gesperrt">oben</em>, <em class="gesperrt">unten</em> -u. a. Auf die Frage: wo kommst du her? ist es also durchaus nicht -falsch, zu antworten: <em class="gesperrt">von zuhause</em>. Wir in Mitteldeutschland -sagen immer so (nicht wie der Norddeutsche sagt: <em class="gesperrt">von Hause</em>, -das uns fremdartig und geziert klingt), ebenso wie wir auch sagen: -er spricht viel <em class="gesperrt">von zuhause</em>, er denkt den ganzen Tag <em class="gesperrt">an -zuhause</em>. (Goethe: ich freue mich recht <em class="gesperrt">auf nachhause</em>!)</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_265">[S. 265]</span></p> - -<h3 id="Bindewoerter_Und">Bindewörter. Und</h3> - -</div> - -<p>Auch der Gebrauch der Bindewörter hält sich jetzt nicht frei von -Fehlern und namentlich nicht frei von Geschmacklosigkeiten, die sich -aber natürlich gerade deshalb, weil sie so geschmacklos sind, besondrer -Beliebtheit erfreuen. Richtig angewandt werden ja im allgemeinen die -geläufigen Verbindungen: <em class="gesperrt">nicht nur – sondern auch</em>, <em class="gesperrt">sowohl -– als auch</em>, <em class="gesperrt">entweder – oder</em>, <em class="gesperrt">weder – noch</em>; doch -kann man bisweilen auch Sätze lesen, wo falsch <em class="gesperrt">nicht nur – aber -auch</em> gegenübergestellt sind. Feiner und weniger geläufig ist die -Verbindung <em class="gesperrt">nicht sowohl – als vielmehr</em>. Bei den vorhergehenden -Verbindungen sind entweder beide Glieder bejahend oder beide -verneinend; hier ist das erste verneinend und das zweite bejahend. -Mit dieser Verbindung wissen manche nicht recht umzugehn; sie möchten -sich aber doch auch gern damit zieren und schreiben dann: <em class="gesperrt">nicht -sowohl</em> was die Anzahl, <em class="gesperrt">sondern mehr</em> was die Bedeutung der -Stücke betrifft.</p> - -<p>Aber selbst bei dem einfachen <em class="gesperrt">und</em> werden Fehler gemacht. Ein -sehr gewöhnlicher Fehler entsteht dadurch, daß sich der Schreibende -nicht genügend klar darüber ist, wieviel Glieder er vor sich hat. -Da schreibt z. B. einer – gleich auf dem Titelblatt eines Buches! -–: Geschichte <em class="gesperrt">der Seuchen, Hungers- und Kriegsnot</em> im -Dreißigjährigen Kriege. Wieviel Glieder sind das, zwei oder drei? Der -Schreibende hat es für drei gehalten, es sind aber nur zwei. Das erste -Glied ist <em class="gesperrt">Seuchen</em>, das zweite ist <em class="gesperrt">Hungers- und Kriegsnot</em>, -und dieses besteht selber wieder aus zwei Gliedern. Folglich fehlt -die Verbindung zwischen dem ersten und dem zweiten Gliede. Vielleicht -fürchtet man sich vor einem doppelten <em class="gesperrt">und</em> – es spielt da -wieder der Aberglaube herein, daß man nicht kurz hintereinander -zweimal dasselbe Wort gebrauchen dürfe! –, aber die Logik verlangt -es hier unbedingt. Beseitigen wir noch den zweiten groben Fehler, daß -der Plural <em class="gesperrt">der</em> vor <em class="gesperrt">Seuchen</em> zugleich als Singular auf -<em class="gesperrt">Hungersnot</em> bezogen ist, so lautet das Ganze richtig: Geschichte -<em class="gesperrt">der Seuchen und der Hungers- und<span class="pagenum" id="Seite_266">[S. 266]</span> Kriegsnot</em> usw. Ähnliche -Beispiele, wo überall ein <em class="gesperrt">und</em> fehlt – wo? deuten die Klammern -an –, sind folgende: <span class="antiqua">Ex-Libris</span>, Zeitschrift für Bücherzeichen- -[] Bibliothekskunde <em class="gesperrt">und</em> Gelehrtengeschichte – die Beziehungen -zum Hofe von Alexandrien [] zur alexandrinischen Kunst <em class="gesperrt">und</em> -Wissenschaft – das Material entnimmt er seinen eignen Erinnerungen -[] Aufzeichnungen <em class="gesperrt">und</em> Briefen aus dem schleswig-holsteinischen -Archiv – ein gemeinsames Münz-, Maß- [] Gewichtssystem [] Patent- -<em class="gesperrt">und</em> Markenschutzrecht – Hundegeschirre, Hand- [] Kinderwagen -<em class="gesperrt">und</em> Rollstühle – ein Gärtchen, in dem er Gemüse baute [] Blumen -<em class="gesperrt">und</em> Bienen pflegte – das schlechte Essen [] Trinken <em class="gesperrt">und</em> -die lästigen Fliegen – wer lesen, schreiben [] rechnen kann <em class="gesperrt">und</em> -täglich seine Zeitung liest. In allen diesen Fällen liegen nur zwei -(oder drei) Glieder vor, von denen aber das eine selbst wieder aus -zwei oder mehr Gliedern besteht, und in den meisten Fällen fehlt das -<em class="gesperrt">und</em> gerade da, wo die beiden Hauptglieder miteinander verbunden -werden müssen. Es ist genau so, wie wenn jemand schreiben wollte: -die Räuber, Kabale und Liebe anstatt: die Räuber <em class="gesperrt">und</em> Kabale -und Liebe. Derselbe Fehler findet sich auch bei <em class="gesperrt">oder</em>: z. B. -die Beeinträchtigung eines künstlerisch bedeutungsvollen Platzes [], -Straßen- <em class="gesperrt">oder</em> Stadtbildes. Hier muß auch hinter <em class="gesperrt">Platzes</em> -unbedingt noch ein <em class="gesperrt">oder</em> stehen.</p> - -<p>Eine rechte Dummheit ist es, wenn auf Buchtiteln, in -Buchhändleranzeigen, auf Konzertprogrammen usw. von zwei Männern, die, -entweder gleichzeitig oder nacheinander, der eine vielleicht nach dem -Tode des andern, an einem Werke gearbeitet haben, die Namen durch -Bindestriche miteinander verbunden werden, z. B.: kritische Ausgabe -<em class="gesperrt">von Lachmann-Muncker</em>, Quellenkunde von <em class="gesperrt">Dahlmann-Waitz</em>, -Phantasie <em class="gesperrt">von Schubert-Liszt</em>, der Denkmalsentwurf von -<em class="gesperrt">Schmitz-Geiger</em>. Zwei Namen so zu verbinden hat allenfalls -Sinn, wenn der Mann zu seinem Namen den der Frau oder (wie in der -Theaterwelt) die Frau zu dem ihrigen den des Mannes fügt. Aber zwei (!) -Personen durch einen solchen Doppel- und Koppelnamen zu bezeichnen ist -doch sinnwidrig.<span class="pagenum" id="Seite_267">[S. 267]</span> Warum denn nicht: kritische Ausgabe von <em class="gesperrt">Lachmann -und Muncker</em>? Wozu solches Telegrammgestammel, wo es gar nicht nötig -ist? Aber die Franzosen reden doch auch von <em class="gesperrt">Erckmann-Chatrian</em>. -Das wars! das muß doch wieder nachgemacht werden. Aber es ist wieder -nur gedankenlose Nachäfferei, denn diese beiden <em class="gesperrt">wollten</em> doch den -Schein erwecken, daß sie nur <em class="gesperrt">eine</em> Person wären!<a id="FNAnker_125" href="#Fussnote_125" class="fnanchor">[125]</a></p> - -<p>Dieselbe Dummheit – einen Bindestrich statt <em class="gesperrt">und</em> zu schreiben -– ist aber auch sonst noch verbreitet, namentlich in den beliebten -Verbindungen: <em class="gesperrt">kritisch-historisch</em>, <em class="gesperrt">historisch-kritisch</em>, -<em class="gesperrt">religiös-sittlich</em>, <em class="gesperrt">religiös-sozial</em>, -<em class="gesperrt">sozial-wirtschaftlich</em>, <em class="gesperrt">sozial-ethisch</em>, -<em class="gesperrt">technisch-konstruktiv</em>, <em class="gesperrt">wirtschaftlich-technisch</em>, -<em class="gesperrt">hygienisch-therapeutisch</em> usw. Welche Unklarheit und Verwirrung -haben diese törichten Koppelwörter schon in den Köpfen angerichtet! -Kann es einen größern Unsinn geben als <em class="gesperrt">religiös-sittlich</em>? -Religion und Sittlichkeit sind doch zwei ganz verschiedne Gebiete. -Kann es einen größern Unsinn geben als <em class="gesperrt">historisch-kritische</em> -Anmerkungen? Eine historische Anmerkung ist doch keine kritische, und -eine kritische keine historische.</p> - -<p>Sehr beliebt ist jetzt auch die Abgeschmacktheit – sie stammt aus -Österreich –, statt <em class="gesperrt">und zwar so</em> zu schreiben: <em class="gesperrt">so zwar</em>, -z. B.: entscheidend sind die Leistungen im Deutschen, <em class="gesperrt">so zwar</em>, -daß ein Schüler, der im Deutschen nicht genügt, für nicht bestanden (!) -erklärt wird. Wer logisch denkt, wird hinter <em class="gesperrt">so zwar</em> stets noch -ein zweites Glied erwarten: <em class="gesperrt">aber doch auch so</em>, daß usw.</p> - -<p>Eine ganz neue Dummheit ist es, auf Quittungen, Wechseln u. dgl. in -der Angabe der Geldsumme statt<span class="pagenum" id="Seite_268">[S. 268]</span> <em class="gesperrt">und</em> zu schreiben auch: 75 Mark -<em class="gesperrt">auch</em> 20 Pfennige. Das ist schwedisch, aber nicht deutsch: -<span class="antiqua">utan svafvel <em class="gesperrt">och</em> fosfor</span>.</p> - -<p>Falsch ist es, einen Satz mit <em class="gesperrt">denn</em> an einen untergeordneten -Nebensatz anzuknüpfen, z. B.: leider ist der Brief <em class="gesperrt">nicht so -bekannt geworden</em>, wie er es verdiente, <em class="gesperrt">denn</em> er ist für den -Entwicklungsgang des Künstlers von großer Wichtigkeit. Man erwartet: -<em class="gesperrt">denn</em> er ist an einer sehr versteckten Stelle abgedruckt. -An einen untergeordneten Nebensatz kann sich nie ein bei- oder -nebengeordneter anschließen.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Als_wie_denn_beim_Vergleich">Als, wie, denn beim Vergleich</h3> - -</div> - -<p>Ob es richtiger sei, zu sagen: <em class="gesperrt">größer als</em> oder <em class="gesperrt">größer -wie</em>, läßt sich am besten mit Hilfe der Sprachgeschichte -beantworten. In der Anwendung der drei vergleichenden Bindewörter -<em class="gesperrt">als</em>, <em class="gesperrt">wie</em> und <em class="gesperrt">denn</em> ist im Laufe der Zeit eine -Verschiebung vor sich gegangen. Im Althochdeutschen und noch im -Mittelhochdeutschen stand (wie noch heute im Englischen) hinter dem -Komparativ stets <span class="antiqua">danne</span>, <span class="antiqua">dan</span>, <span class="antiqua">denne</span>, z. B.: -<span class="antiqua">wîzer dan ein snê</span> (weißer <em class="gesperrt">denn</em> Schnee). <em class="gesperrt">Denn</em> -bezeichnete also die Ungleichheit. Hinter dem Positiv stand damals -stets <span class="antiqua">alsô</span> (d. h. ganz so), <span class="antiqua">alse</span>, <span class="antiqua">als</span>, z. B.: -<span class="antiqua">wîz als ein swan</span> (weiß <em class="gesperrt">als</em> ein Schwan). <em class="gesperrt">Als</em> -bezeichnete also die Gleichheit, und zwar nicht nur hinter dem Positiv, -sondern auch bei andern Vergleichungen, wie bei Luther: wer nicht -das Reich Gottes empfängt <em class="gesperrt">als</em> ein Kind – du sollst deinen -Nächsten lieben <em class="gesperrt">als</em> dich selbst – und auch in vergleichenden -Zwischensätzen: <em class="gesperrt">als</em> sich gebührt. Wie endlich, althochdeutsch -<span class="antiqua">hwêo</span> oder <span class="antiqua">hwio</span>, war ursprünglich überhaupt keine -vergleichende Konjunktion, sondern nur Fragewort.</p> - -<p>Allmählich erweiterte sich aber das Gebiet von <em class="gesperrt">als</em> so, daß es -nicht bloß bei der Gleichheit, sondern auch bei der Ungleichheit, -hinter dem Komparativ verwendet wurde und dort das alte <em class="gesperrt">denn</em> -verdrängte. Dafür wurde aber <em class="gesperrt">wie</em> zur Vergleichungspartikel -und fing nun seinerseits an, das alte <em class="gesperrt">als</em> da zu verdrängen, -wo dieses<span class="pagenum" id="Seite_269">[S. 269]</span> früher die Gleichheit bezeichnet hatte, ja es drang sogar -noch weiter vor, bis an die Stelle von <em class="gesperrt">denn</em> und bezeichnete -nun ebenfalls auch die Ungleichheit (<em class="gesperrt">größer wie</em>). Diese -Verschiebung, die schon im sechzehnten Jahrhundert beginnt, ist im -siebzehnten und achtzehnten in vollem Gange und ist eigentlich auch -jetzt noch nicht ganz, aber doch ziemlich abgeschlossen. Daß sie noch -nicht ganz abgeschlossen ist, daher stammt eben das Schwanken.</p> - -<p>Wenn man also auch nicht behaupten kann, es sei falsch, zu sagen: <em class="gesperrt">so -weiß als</em> Schnee, es dürfe nur heißen: so <em class="gesperrt">weiß wie</em> Schnee, -so trifft man doch ungefähr das richtige, wenn man sagt: <em class="gesperrt">denn</em> -als Vergleichungspartikel ist veraltet (nur in gewissen Verbindungen -wie: mehr <em class="gesperrt">denn je</em> ist es noch üblich), <em class="gesperrt">als</em> bezeichnet die -Ungleichheit (<em class="gesperrt">anders als</em>) und gehört hinter den Komparativ (wie -lat. <span class="antiqua">quam</span>, franz. <span class="antiqua">que</span>, engl. <span class="antiqua">than</span>), <em class="gesperrt">wie</em> -bezeichnet die Gleichheit und gehört hinter den Positiv (wie lat. -<span class="antiqua">ut</span>, franz. <span class="antiqua">comme</span>, engl. <span class="antiqua">as</span>). Es könnte nichts -schaden, wenn der Unterricht in diesem Sinne etwas nachhülfe und -dadurch dem Schwanken ein Ende machte. <em class="gesperrt">Wie</em> auch hinter dem -Komparativ zu gebrauchen (er sieht ganz <em class="gesperrt">anders</em> aus <em class="gesperrt">wie</em> -die üblichen Sterblichen), müßte dann natürlich der Gassensprache -überlassen bleiben. Leider verbreitet es sich neuerdings wieder mehr -und mehr auch in der Schriftsprache (<em class="gesperrt">besser wie</em>, <em class="gesperrt">mehr wie -je</em>), wo es dann unsäglich gemein wirkt.</p> - -<p>Erhalten hat sich noch die ursprüngliche Bedeutung von <em class="gesperrt">als</em> im -Sinne der Übereinstimmung bei den Appositionen hinter <em class="gesperrt">als</em>: -<em class="gesperrt">als Knabe</em>, <em class="gesperrt">als Mann</em>, <em class="gesperrt">als König</em>, <em class="gesperrt">als Gast</em>, -<em class="gesperrt">als Fremder</em>. Da kommt es nun nicht selten vor, daß dieses -<em class="gesperrt">als</em> unmittelbar hinter ein <em class="gesperrt">als</em> beim Komparativ tritt, -z. B.: er betrachtete und behandelte den jungen Mann mehr als Freund, -<em class="gesperrt">als als</em> Untergebnen. In diesem Falle pflegt – nach dem alten, -nun schon oft bekämpften Aberglauben – gelehrt zu werden, es müsse -heißen: <em class="gesperrt">denn als</em> Untergebnen; das Wort <em class="gesperrt">als</em> dürfe nicht -zweimal hintereinander stehen. Und so schreibt man denn auch meist -ängstlich: die Trennung der Christenheit hat sich eher als Gewinn<span class="pagenum" id="Seite_270">[S. 270]</span> -<em class="gesperrt">denn als</em> Schädigung erwiesen – Bismarck fühlte sich weniger -als deutscher Staatsmann <em class="gesperrt">denn als</em> der ergebne Diener des -Hauses Hohenzollern – manche Gymnasiallehrer stellen sich lieber als -Reserveoffiziere <em class="gesperrt">denn als</em> Bildner der Jugend vor. Es fragt sich -aber doch sehr, was anstößiger sei: das doppelte <em class="gesperrt">als</em> oder das -auffällige, gesuchte, veraltete <em class="gesperrt">denn</em>, das sonst niemand mehr in -diesem Sinne gebraucht. Die Umgangssprache, auch die der Gebildeten, -setzt unbefangen ein doppeltes <em class="gesperrt">als</em>: mir hat Lewinsky besser als -Shylock <em class="gesperrt">als als</em> Mohr gefallen. Ein feiner Satz ist: Friedrich -Wilhelm der Vierte haßte die Revolution nicht bloß <em class="gesperrt">wie</em>, sondern -<em class="gesperrt">als</em> die Sünde. Hier sieht man deutlich hinter <em class="gesperrt">wie</em> die -Vergleichung, hinter <em class="gesperrt">als</em> die Übereinstimmung.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Die_Verneinungen">Die Verneinungen</h3> - -</div> - -<p>In dem Gebrauche der Verneinungen ist es zunächst eine häßliche -Gewohnheit der Amts- und Zeitungssprache, statt <em class="gesperrt">keiner</em> und -<em class="gesperrt">nichts</em> immer zu sagen: <em class="gesperrt">einer nicht</em>, <em class="gesperrt">etwas nicht</em>, -z. B. dieser Orden wird auch an solche Personen verliehen, die -<em class="gesperrt">einen</em> Hofrang <em class="gesperrt">nicht</em> besitzen – diesem Unterschied -ist <em class="gesperrt">eine</em> größere Tragweite <em class="gesperrt">nicht</em> beizumessen – wenn -nachgewiesen wird, daß dieser Versuch <em class="gesperrt">einen</em> günstigen Erfolg -<em class="gesperrt">nicht</em> gehabt hat – von der Opposition hatte sich <em class="gesperrt">ein</em> -Redner, um diese scharfen Angriffe zurückzuweisen, <em class="gesperrt">nicht</em> -gemeldet – das Patent schließt sich der Ansicht an, daß in dem -vorgelegten Maschinenteil <em class="gesperrt">eine</em> wesentliche, zur Erleichterung -der Anwendung beitragende neue Erfindung <em class="gesperrt">nicht</em> gemacht sei – -den auf die Tagesordnung zu stellenden Vorträgen wird <em class="gesperrt">eine</em> -Erörterung <em class="gesperrt">nicht</em> folgen – die Deputation fand gegen alles -dieses <em class="gesperrt">etwas nicht</em> einzuwenden – durch die neuerlichen (!) -Bestimmungen wird im übrigen an den bestehenden Einrichtungen <em class="gesperrt">etwas -nicht</em> geändert (was mag dieses Etwas sein?). Eine solche Trennung -– eine Nachahmung des Lateinischen – ist nur dann am Platze, wenn -das Hauptwort betont und einem andern Hauptworte gegenübergestellt -wird, z. B.: <em class="gesperrt">ein Erfolg</em> ist bis jetzt <em class="gesperrt">nicht</em> zu beobachten -gewesen – wo<span class="pagenum" id="Seite_271">[S. 271]</span> <em class="gesperrt">Erfolg</em> vorangestellt und vielleicht den vorher -besprochnen Bemühungen gegenübergestellt ist.<a id="FNAnker_126" href="#Fussnote_126" class="fnanchor">[126]</a></p> - -<p>Eine doppelte Verneinung gilt jetzt fast allgemein in der guten -Schriftsprache als Bejahung. Es ist das aber – dessen wollen wir -uns bewußt bleiben – eine ziemlich junge „Errungenschaft“ des -Unterrichts. In der älteren Sprache bestand, wenn auch nicht geradezu -die Regel, so doch weit und breit die Gewohnheit, daß man den Begriff -der Verneinung, um ihn zu verstärken, verdoppelte, ja verdreifachte. -Diese Gewohnheit hat sich, auch bei den besten Schriftstellern, bis -weit in das achtzehnte Jahrhundert erhalten, und der Volksmund übt -sie zum Teil noch heute. Nicht bloß Luther schreibt: ich habe -<em class="gesperrt">keinem nie kein</em> Leid getan,<a id="FNAnker_127" href="#Fussnote_127" class="fnanchor">[127]</a> auch Lessing schreibt noch: -<em class="gesperrt">keinen</em> wirklichen Nebel sahe Achilleus <em class="gesperrt">nicht</em>, auch -Goethe noch: man sieht, daß er an <em class="gesperrt">nichts keinen</em> Anteil nimmt, -auch Schiller noch: <em class="gesperrt">nirgends kein</em> Dank für diese unendliche -Arbeit, und der Volksmund fragt noch heute: hat <em class="gesperrt">keener kee</em> -Streichhelzchen <em class="gesperrt">nich</em>? Wir mögen es bedauern, daß unter dem -Einflusse der lateinischen Grammatik diese – falsche darf man nicht -sagen, sondern nur andre Art, zu denken, ganz verdrängt worden ist, -auch in der Volksschule, die hier ebenfalls unter dem Banne der -lateinischen Grammatik steht; aber nachdem das einmal geschehen ist, -und die doppelte Verneinung fast allgemein wie im Lateinischen (<span class="antiqua">nemo -non</span>) als Bejahung empfunden wird, ist es auch<span class="pagenum" id="Seite_272">[S. 272]</span> unmöglich, sie -noch in der alten Weise zu verwenden. Das gilt besonders auch bei den -Nebensätzen, die mit <em class="gesperrt">ehe</em>, <em class="gesperrt">bevor</em>, <em class="gesperrt">bis</em> und <em class="gesperrt">ohne -daß</em> anfangen, und bei Infinitivsätzen nach einem verneinten -Hauptsatze. Es ist also entschieden anstößig, zu schreiben, wie es -so oft geschieht: die Hauptfrage kann <em class="gesperrt">nicht</em> erledigt werden, -ehe <em class="gesperrt">nicht</em> (oder: bis <em class="gesperrt">nicht</em>) die Vorfrage erledigt ist -(<em class="gesperrt">wenn nicht</em> oder <em class="gesperrt">solange nicht</em> wäre richtig) – es -gehört <em class="gesperrt">keine</em> große Menschenkenntnis dazu, das <em class="gesperrt">nicht</em> auf -den ersten Blick zu sehen. Namentlich hinter <em class="gesperrt">warnen</em> erscheint -ein verneinter Infinitiv, wie in den bekannten Zeitungsanzeigen: ich -<em class="gesperrt">warne</em> hiermit jedermann, meiner Frau <em class="gesperrt">nichts</em> zu borgen -u. dgl., unsinnig, denn <em class="gesperrt">warnen</em>, d. h. abraten, abmahnen, enthält -ja schon den Begriff der Verneinung.</p> - -<p>Daß eine Verneinung eines mit <em class="gesperrt">un</em> zusammengesetzten -Hauptworts oder Eigenschaftsworts (<em class="gesperrt">kein Un</em>mensch, -<em class="gesperrt">nicht un</em>gewöhnlich, <em class="gesperrt">nicht un</em>möglich, <em class="gesperrt">nicht -un</em>wahrscheinlich) nur eine Bejahung, und zwar eine eigentümlich -gefärbte vorsichtige Bejahung ausdrücken kann, darüber ist sich wohl -jedermann klar. Man sollte aber mit dieser doppelten Verneinung, der -sogenannten Litotes (Einfachheit), wie man sie mit einem Ausdrucke der -griechischen Grammatik bezeichnet, recht sparsam sein. Es gibt Gelehrte -– es sind dieselben, die auf jeder Seite zwei-, dreimal <em class="gesperrt">meines -Erachtens</em> lispeln, als ob nicht alles, was sie sagen, bloß ihr -„Erachten“ wäre! –, die nicht den Mut haben, auch nur eine einzige -Behauptung, ein einziges Urteil fest und bestimmt hinzustellen, sondern -sich um alles mit dem ängstlichen <em class="gesperrt">nicht un</em>– herumdrücken. -Es gibt aber auch Leute, die so in diese Litotes verliebt sind, daß -sie sie gedankenlos sogar da brauchen, wo sie die Verneinung meinen, -z. B.: das wirkt <em class="gesperrt">nicht unübel</em> – dieser Effekt war ein von -dem Juden <em class="gesperrt">nicht un</em>erwarteter – endlich fand sich ein Tag, an -welchem (wo!) <em class="gesperrt">keiner</em> der drei Herren <em class="gesperrt">un</em>behindert war – -es ist das <em class="gesperrt">kein unverächtlicher</em> Zug – die Leistungen zeigen -eine <em class="gesperrt">nicht ungewöhnliche</em> Begabung – ein gewisser <em class="gesperrt">Mangel an -Nichtachtung</em> des Lehrerstandes und ähnl. Ist es doch sogar einem -so scharfen Denker<span class="pagenum" id="Seite_273">[S. 273]</span> wie Lessing begegnet, daß er in der Emilia Galotti -geschrieben hat: <em class="gesperrt">nicht ohne Miß</em>fallen (wo er schreiben wollte: -<em class="gesperrt">nicht ohne</em> Wohlgefallen, oder: <em class="gesperrt">nicht</em> mit Mißfallen). -Sehr häufig, viel häufiger, als es bei unserm heutigen hastigen -und gedankenlosen Lesen bemerkt wird, findet sich namentlich die -törichte Verbindung <em class="gesperrt">nicht unschwer</em>: der Leser wird <em class="gesperrt">nicht -unschwer</em> erkennen – es wird das <em class="gesperrt">nicht unschwer</em> zu beweisen -sein – man wird sich <em class="gesperrt">nicht unschwer</em> vorstellen können. Schon -<em class="gesperrt">unschwer</em> allein ist ein dummes Wort, wie alle solche unnötig -gekünstelten Verneinungen.<a id="FNAnker_128" href="#Fussnote_128" class="fnanchor">[128]</a> Nun vollends <em class="gesperrt">nicht unschwer</em>! -Und das soll heißen: <em class="gesperrt">leicht</em>! Erscheint nicht ein solches -Hineinfallen in einen logischen Fehler wie eine gerechte Strafe für -törichte Sprachziererei? Auch wenn jemand schreibt: der Besitzer sieht -in dieser Bronze <em class="gesperrt">nichts weniger</em> als ein Werk des Lysipp, es -ist aber nur eine römische Nachahmung – so schreibt er gerade das -Gegenteil von dem, was er sagen will; er will sagen: der Besitzer -sieht in der Bronze <em class="gesperrt">nichts geringeres</em> als ein Werk des Lysipp, -es ist aber <em class="gesperrt">nichts weniger</em> als das, es ist nur eine römische -Nachahmung. Auch wenn man gespreizt sagt: das ist <em class="gesperrt">nicht zum -geringsten Teile</em> der Tätigkeit unsers Vereins zu danken (anstatt -einfach: <em class="gesperrt">zum größten Teile</em>), kann man sich nicht beschweren, -wenn ein Schalk das Gegenteil von dem heraushört, was man sagen will.</p> - -<p>Wenn von zwei Verneinungen die zweite gesteigert werden soll, so -geschieht das durch <em class="gesperrt">geschweige denn</em>, z. B. der Bau kann in vier -Jahren nicht ausgeführt werden, <em class="gesperrt">geschweige denn</em> in zweien. -Ist das erste Glied positiv, so kann <em class="gesperrt">geschweige denn</em> nicht -angewendet werden. Falsch ist also folgender Satz: diese Bestrebungen -können <em class="gesperrt">nur</em> mit universalgeschichtlichen Kenntnissen gepflegt, -<em class="gesperrt">geschweige denn</em> gefördert werden. Hier muß es entweder statt -<em class="gesperrt">geschweige denn</em> heißen: und <em class="gesperrt">vollends</em> -(vgl. <a href="#Seite_132">S. 132</a>), -oder das erste Glied muß ebenfalls negativ<span class="pagenum" id="Seite_274">[S. 274]</span> eingekleidet werden: -diese Bestrebungen können ohne universalgeschichtliche Kenntnisse -<em class="gesperrt">nicht</em> gepflegt, <em class="gesperrt">geschweige denn</em> gefördert werden.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Besondere_Fehler_Der_Schwund_des_Artikels">Besondere Fehler. Der Schwund -des Artikels</h3> - -</div> - -<p>Im Niederdeutschen ist es gebräuchlich, bei -Verwandtschaftsbezeichnungen den Artikel wegzulassen wie bei -Personennamen und zu sagen: <em class="gesperrt">Vater</em> hats erlaubt, <em class="gesperrt">Mutter</em> -ist verreist, <em class="gesperrt">Tante</em> ist dagewesen. Wenn das neuerdings auch -in Mitteldeutschland viele nachmachen, weil es aus Berlin kommt, so -ist das Geschmacksache; schön ist es nicht, nicht einmal traulich. -Eine widerwärtige Unsitte aber ist es, diese niederdeutsche -Gewohnheit auszudehnen auf Wörter wie: der <em class="gesperrt">Verfasser</em>, der -<em class="gesperrt">Berichterstatter</em>, der <em class="gesperrt">Referent</em>, der <em class="gesperrt">Rezensent</em>, -der <em class="gesperrt">Angeklagte</em>, der <em class="gesperrt">Kläger</em>, der <em class="gesperrt">Redner</em>, -der <em class="gesperrt">Vorredner</em> (!), der <em class="gesperrt">Vorsitzende</em> usw. Es wird -aber jetzt fast allgemein geschrieben: in dieser Schrift bietet -<em class="gesperrt">Verfasser</em> eine Anthologie aus den Hauptwerken der Klassiker -der Staatswissenschaft – die Veröffentlichung dieses Buchs hat für -<em class="gesperrt">Referenten</em> ein besondres Interesse gehabt (für alle Referenten?) -– <em class="gesperrt">Berichterstatter</em> bekennt gern, daß er eine solche Bemerkung -nie zu hören bekommen hat – <em class="gesperrt">Schreiber</em> dieser Zeilen hat das -selbst beobachtet.</p> - -<p>Einen zweiten Fall, wo der Artikel jetzt unberechtigterweise -weggelassen wird, vergegenwärtigen Ausdrücke wie: Denkmale <em class="gesperrt">deutscher -Tonkunst</em>, die erste Blütezeit <em class="gesperrt">französischer Plastik</em>, eine -ältere Epoche <em class="gesperrt">deutscher Geschichte</em>, Fragen <em class="gesperrt">auswärtiger -Politik</em>, die Freude an <em class="gesperrt">heimischer Vergangenheit</em>, eine -Tat <em class="gesperrt">evangelischen Bekenntnisses</em>. Sind denn die deutsche -Tonkunst und die französische Plastik früherer Zeiten Dinge wie -französischer Rotwein und deutscher Käse, die unaufhörlich vertilgt -und neu fabriziert werden? Es sind doch ganz bestimmt umgrenzte Mengen -dauernder Erzeugnisse der menschlichen Geistestätigkeit. Welcher -Unsinn, denen den bestimmten Artikel zu rauben! Man denke sich, -daß Overbeck seine Geschichte der griechischen Plastik Geschichte -<em class="gesperrt">griechischer Plastik</em> genannt hätte!</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_275">[S. 275]</span></p> - -<p>Ein dritter Fall endlich – ungefähr von derselben Art – ist die -Geschmacklosigkeit, den bestimmten Artikel in Überschriften von -Aufsätzen und in Buchtiteln wegzulassen. Aber auch das ist jetzt -sehr beliebt. Man nimmt eine Monatsschrift zur Hand und findet im -Inhaltsverzeichnis: <em class="gesperrt">Ballade</em>. Von X. Ei der tausend! denkt -man, ist dein guter Freund X unter die Balladendichter gegangen? -und schlägt begierig auf. Was findet man? Einen Aufsatz über die -Geschichte der Ballade! Der kann aber doch vernünftigerweise nur -überschrieben werden: <em class="gesperrt">Die Ballade</em>. Ein bekannter Kunstsammler -hat über seine Schätze ein Prachtwerk veröffentlicht unter dem Titel: -<em class="gesperrt">Sammlung Schubart</em>. Ja, so konnte er ins Treppenhaus über die -Tür seines Museums schreiben, aber der Buchtitel kann nur lauten: -<em class="gesperrt">Die Sammlung Schubart</em> (wenn durchaus französelt sein muß!). -Namentlich Romane, Schauspiele und Zeitschriften werden jetzt gern mit -solchen artikellosen Titeln versehen (<em class="gesperrt">Heimat</em>, <em class="gesperrt">Jugend</em>, -<em class="gesperrt">Sonntagskind</em> u. ähnl.), aber auch andre Werke, wie: <em class="gesperrt">Stammbaum -Becker-Glauch</em> (das soll heißen: der Stammbaum der Familien Becker -und Glauch!). Ein bekanntes Werk von Guhl und Koner hat fünf Auflagen -lang <em class="gesperrt">das Leben der Griechen und Römer</em> geheißen; der neue -Herausgeber der sechsten hat es wahrhaftig verschönert zu: <em class="gesperrt">Leben der -Griechen und Römer</em>. Zu einer wahren Seuche ist dieses Weglassen des -Artikels in den sogenannten „Spitzmarken“ der Zeitungen ausgeartet: -<em class="gesperrt">Frecher Diebstahl</em>, <em class="gesperrt">Aufgefundener Leichnam</em>, <em class="gesperrt">Fahrrad -gestohlen</em>, <em class="gesperrt">Mädchen vermißt</em>.<a id="FNAnker_129" href="#Fussnote_129" class="fnanchor">[129]</a></p> - -<p>In formelhaften Verbindungen wie: <em class="gesperrt">Haus und Hof</em>, <em class="gesperrt">Land und -Leute</em>, <em class="gesperrt">Frau und Kinder</em> bleibt der Artikel stets weg, aber -nur dann, wenn die beiden so<span class="pagenum" id="Seite_276">[S. 276]</span> verbundnen Hauptwörter gar keinen -Zusatz haben. Falsch ist es, zu sagen, wie es jetzt oft geschieht: -der Verunglückte hinterläßt <em class="gesperrt">Frau und drei unmündige Kinder</em>. Er -hinterläßt <em class="gesperrt">Frau</em> – das ist kein Deutsch, denn niemand sagt: -<em class="gesperrt">ich habe Frau, hast du Frau</em>?</p> - -<p>Es gibt aber auch Fälle, wo der Artikel gesetzt wird, obwohl er nicht -hingehört. Gleich unausstehlich sind zwei Anwendungen des Artikels -– das einemal des unbestimmten, das andremal des bestimmten – bei -Personennamen. Für Leute von Geschmack bedarf es wohl nur folgender -Beispiele, um ihren ganzen Abscheu zu erregen: Heyse hat nie die -ruhige Größe <em class="gesperrt">eines Goethe</em> erreicht – welcher unsrer großen -Schriftsteller, selbst <em class="gesperrt">ein Lessing</em> und <em class="gesperrt">ein Goethe</em>, wäre -von Fehlern freizusprechen! – und: von den Franzosen kamen <em class="gesperrt">die -Dumas Sohn</em> und Genossen herüber – die Neigung und Schätzung -<em class="gesperrt">der Haupt, Jahn und Mommsen</em> – die tiefeindringende Ästhetik -<em class="gesperrt">der Hebbel und Ludwig</em>. Der zweite Fall ist ja ein gemeiner -Latinismus; den ersten aber sollte man dem Untersekundaner überlassen, -der seinen ersten deutschen Aufsatz über ein literargeschichtliches -Thema schreibt, ja nicht einmal dem, denn wie soll er sonst seinen -Ungeschmack loswerden?</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Natuerliches_und_grammatisches_Geschlecht">Natürliches und grammatisches -Geschlecht</h3> - -</div> - -<p>Viel Kopfzerbrechen hat schon manchem die Frage gemacht, ob man -auf Wörter wie <em class="gesperrt">Weib</em>, <em class="gesperrt">Mädchen</em>, <em class="gesperrt">Fräulein</em>, -<em class="gesperrt">Mütterchen</em> mit <em class="gesperrt">es</em>, <em class="gesperrt">das</em> und <em class="gesperrt">sein</em> -zurückweisen müsse, oder auch mit <em class="gesperrt">sie, die</em> und <em class="gesperrt">ihr</em> -zurückweisen dürfe, mit andern Worten: ob bei solchen Wörtern das -grammatische oder das natürliche Geschlecht vorgehe. Auch bei -<em class="gesperrt">Backfisch</em> kann die Frage entstehen. Nun, um das Ob braucht -man sich nicht zu sorgen, es ist eins so richtig wie das andre; die -Schwierigkeit liegt nur in dem Wo und Wie, und hierüber läßt sich -keine allgemeine Regel geben, es muß das dem natürlichen Gefühl des -Schreibenden überlassen bleiben. Klar ist, daß das grammatische Subjekt -solcher Wörter um so eher festgehalten werden darf, je dichter das -Fürwort auf das Hauptwort folgt, also besonders bei dem relativen -Fürwort,<span class="pagenum" id="Seite_277">[S. 277]</span> das sich unmittelbar an das Hauptwort anschließt, ebenso, -wenn beide sonst nahe beieinander in demselben Satze stehen, z. B.: -<em class="gesperrt">das Mädchen</em> hatte frühzeitig <em class="gesperrt">seine</em> Eltern verloren. Es -ist aber auch nicht das geringste dagegen einzuwenden, wenn jemand -schreibt: die Dekoration stand <em class="gesperrt">dem Mütterchen</em> Moskau gut zu -<em class="gesperrt">ihrem</em> alten Gesicht. Auch bei Goethe heißt es: dienen lerne -beizeiten <em class="gesperrt">das Weib</em> nach <em class="gesperrt">seiner</em> Bestimmung, denn durch -Dienen allein gelangt <em class="gesperrt">sie</em> endlich zum Herrschen. Je später das -Fürwort auf das Hauptwort folgt, desto mehr schwächt sich die Kraft -des grammatischen Geschlechts ab, und die Vorstellung des natürlichen -Geschlechts verstärkt sich. Deshalb ist es auch abgeschmackt zu -schreiben: die jüngere Tochter ist <em class="gesperrt">ein Ausbund</em> von Anmut und -Gescheitheit, um <em class="gesperrt">den</em> sich die tanzenden Herren förmlich reißen, -wenn <em class="gesperrt">er</em> in der Gesellschaft erscheint. Namentlich in einer -längeren Reihe von Sätzen hintereinander das grammatische Geschlecht -solcher Wörter pedantisch festzuhalten, kann unerträglich werden.</p> - -<p>Die Frage, ob es heißen müsse: <em class="gesperrt">Ihr Fräulein Tochter</em> -(<em class="gesperrt">Schwester</em>, <em class="gesperrt">Braut</em>) oder <em class="gesperrt">Ihre Fräulein Tochter</em>, -ist sehr leicht zu beantworten. Das besitzanzeigende Adjektivum gehört -in diesen Verbindungen nicht zu <em class="gesperrt">Fräulein</em>, sondern natürlich zu -<em class="gesperrt">Tochter</em>, <em class="gesperrt">Schwester</em>, <em class="gesperrt">Braut</em>, wozu <em class="gesperrt">Fräulein</em>, -gleichsam in Klammern, als bloßer Höflichkeitszusatz tritt (vgl. <a href="#Fussnote_10">S. 15</a> -die Herren Mitglieder). Es darf also nur heißen: <em class="gesperrt">Ihre [Fräulein] -Braut</em> – empfehlen Sie mich <em class="gesperrt">Ihrer [Fräulein] Tochter</em>!</p> - -<p>Seitdem die Universitäten den Titel „Doktor“ (als ob er eine -Versteinerung wäre, von der kein Femininum gebildet werden könnte!) -an Damen verleihen, liest man auf Büchertiteln: <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Hedwig -Michaelson</em>. Setzt man davor noch <em class="gesperrt">Fräulein</em>, so hat man -glücklich drei Geschlechter nebeneinander: <em class="gesperrt">Fräulein</em> (sächlich) -<em class="gesperrt">Doktor</em> (männlich) <em class="gesperrt">Hedwig</em> (weiblich). Freilich ist dabei -eigentlich nichts verwunderliches. Die Verschrobenheit der Sprache ist -ja nur das Abbild von der Verschrobenheit der Sache. Vielleicht druckt -man auch noch: Fräulein <span class="antiqua">Studiosus medicinae</span> Klara Schulze.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_278">[S. 278]</span></p> - -<h3 id="Misshandelte_Redensarten">Mißhandelte Redensarten</h3> - -</div> - -<p>Für eine große Anzahl von Tätigkeitsbegriffen fehlt es im Deutschen -an einem geeigneten Zeitwort; wir können sie nur durch Redensarten -ausdrücken, die aus einem Zeitwort und einem Hauptwort bestehen. -Oft ist aber auch ein geeignetes Zeitwort vorhanden, und doch -geben viele, weil sie die Neigung haben, sich breit auszudrücken, -einer umschreibenden Redensart den Vorzug. Solche Redensarten – -unentbehrliche und entbehrliche – sind z. B.: <em class="gesperrt">Fühlung haben</em>, -<em class="gesperrt">Gebrauch machen</em>, <em class="gesperrt">Klage führen</em>, <em class="gesperrt">Rechenschaft -ablegen</em>, <em class="gesperrt">Kenntnis nehmen</em>, <em class="gesperrt">Platz greifen</em>, <em class="gesperrt">Wandel -schaffen</em>, <em class="gesperrt">Lärm schlagen</em>, <em class="gesperrt">Dank wissen</em>, <em class="gesperrt">in Kenntnis -setzen</em>, <em class="gesperrt">zur Verfügung stellen</em> und hundert andre.</p> - -<p>Diese Redensarten haben nun meist etwas formelhaftes. Da sie einfache -Verbalbegriffe ersetzen, so werden sie auch wie einfache Verba gefühlt. -Daraus folgt aber mit Notwendigkeit zweierlei: erstens, daß sie in -passivischen Sätzen und in Nebensätzen, wo das Zeitwort am Ende steht, -nicht zerrissen werden dürfen; zweitens, daß sie, ebenso wie wirkliche -Verba, nur mit Adverbien bekleidet werden können. Gegen beide Gesetze -wird fort und fort verstoßen.</p> - -<p>Da schreibt man z. B.: er wurde <em class="gesperrt">in Kenntnis</em> von dem Geschehenen -<em class="gesperrt">gesetzt</em>. Falsch! Es muß heißen: er wurde von dem Geschehenen -<em class="gesperrt">in Kenntnis gesetzt</em>, denn die Redensart <em class="gesperrt">in Kenntnis -setzen</em> vertritt ein einfaches Verbum und darf nicht zerrissen -werden. Andre Beispiele solches gefühllosen Zerreißens sind: wenn eine -der brennenden Fragen <em class="gesperrt">in Beziehung</em> zur technischen Hochschule -<em class="gesperrt">gesetzt wurde</em> – es ist nicht mehr als billig, daß wir <em class="gesperrt">einen -Begriff</em> von Talenten wie Kjelland <em class="gesperrt">erhalten</em> – weil die -Regierung nicht <em class="gesperrt">die Hand</em> zu einer dauernden Spaltung in den -Münchner Künstlerkreisen <em class="gesperrt">bieten</em> wollte – wenn auch dieser -Realismus <em class="gesperrt">die Brücke</em> zwischen der Dichterin und der großen -Menge <em class="gesperrt">schlug</em> – wer sich <em class="gesperrt">eine Vorstellung</em> von der -eigentümlichen Persönlichkeit Stiers <em class="gesperrt">machen</em> will. Der Fehler ist -um so störender, als durch das Zerreißen der<span class="pagenum" id="Seite_279">[S. 279]</span> Redensart der Ton von -dem Hauptwort auf das Zeitwort verlegt wird (die Hand b<b>ie</b>ten, anstatt: -die H<b>a</b>nd bieten – die Brücke schl<b>u</b>g, anstatt: die Br<b>ü</b>cke schlug), auf -das Zeitwort, das meist ziemlich bedeutungslos und nur ein äußerliches -Hilfsmittel zur Bildung der Redensart ist. Läßt man die Redensart -zusammen, so bleibt auch der Ton an der richtigen Stelle.</p> - -<p>Die andre Art, solche Redensarten zu mißhandeln, besteht darin, daß man -das Hauptwort herausreißt und mit einem Attribut bekleidet, anstatt -die Redensart zusammenzulassen und sie als Ganzes mit einem Adverb -oder einem adverbiellen Ausdruck zu bekleiden. Der häufigste Fall ist -der, daß man zu dem Hauptwort ein Adjektiv setzt, z. B. es ist sehr -zu befürchten, daß er dabei <em class="gesperrt">ernstlichen Schaden nehmen werde</em>. -<em class="gesperrt">Schaden nehmen</em> ist eine Redensart, die einen einfachen passiven -Verbalbegriff vertritt (geschädigt werden, beschädigt werden). Man -kann nicht <em class="gesperrt">ernstlichen</em>, man kann nur <em class="gesperrt">ernstlich</em> Schaden -nehmen, wie man nur <em class="gesperrt">ernstlich</em> geschädigt werden kann. Mit andern -Worten: nicht der Schade ist ernstlich, sondern das Schadennehmen, -der ganze Begriff. Der Minister <em class="gesperrt">nahm</em> von den Einrichtungen der -Schule <em class="gesperrt">eingehende Kenntnis</em> – derselbe Fehler! <em class="gesperrt">Kenntnis -nehmen</em> ist eine Redensart, die einen einfachen aktiven oder -passiven Verbalbegriff vertritt (kennen lernen, belehrt werden, -unterrichtet werden). Man kann von einer Sache weder eingehende, noch -gründliche, noch flüchtige, noch oberflächliche Kenntnis nehmen, -man kann nur <em class="gesperrt">eingehend</em>, <em class="gesperrt">gründlich</em>, <em class="gesperrt">flüchtig</em>, -<em class="gesperrt">oberflächlich</em> Kenntnis nehmen. In folgenden Beispielen soll -das Richtige immer gleich in Klammern hinzugesetzt werden: <em class="gesperrt">bittere -Klagen führen</em> (<em class="gesperrt">bitter</em> Klage führen) – <em class="gesperrt">gebührende -Notiz nehmen</em> (<em class="gesperrt">gebührend</em> Notiz nehmen) – seiner Abneigung -<em class="gesperrt">unverhohlenen Ausdruck geben</em> (<em class="gesperrt">unverhohlen</em> Ausdruck -geben) – wir werden sein Andenken stets <em class="gesperrt">in hohen Ehren halten</em> -(<em class="gesperrt">hoch</em> in Ehren halten) – sie <em class="gesperrt">nahm</em> immer noch -<em class="gesperrt">einen merkwürdigen Anteil</em> an dem Herrn (<em class="gesperrt">merkwürdig</em> -Anteil) – der Rat wolle zu diesem Plane <em class="gesperrt">wohlwollende Stellung -nehmen</em> (<em class="gesperrt">wohlwollend</em><span class="pagenum" id="Seite_280">[S. 280]</span> Stellung nehmen) – es ist -nicht leicht, zu dieser Frage <em class="gesperrt">richtige Stellung</em> zu nehmen -(<em class="gesperrt">richtig</em> Stellung zu nehmen) – gegen das Rabattwesen wurde -<em class="gesperrt">scharfe Stellung genommen</em> (<em class="gesperrt">scharf</em> Stellung genommen) – -der König besuchte das Geschäft, um die Geschenke in <em class="gesperrt">kritischen -Augenschein zu nehmen</em> (<em class="gesperrt">kritisch</em> in Augenschein zu nehmen) -– von seinen literarischen Arbeiten <em class="gesperrt">legen</em> die Briefe -<em class="gesperrt">ausgiebige</em> Rechenschaft ab (<em class="gesperrt">ausgiebig</em>) – sie denken -nicht daran, mit diesen Hirngespinsten <em class="gesperrt">ernsthafte Politik zu -treiben</em> (<em class="gesperrt">ernsthaft</em> Politik zu treiben) – über meine -Tätigkeit war <em class="gesperrt">ein entstellender Bericht erstattet</em> worden -(<em class="gesperrt">entstellend</em> Bericht erstattet worden) – die ausgestellten -Gegenstände <em class="gesperrt">kommen</em> nicht <em class="gesperrt">zu rechter Geltung</em> (<em class="gesperrt">recht</em> -zur Geltung) – die Stimme des Unmuts im Lande soll nicht <em class="gesperrt">zu -weiterm Ausdruck</em> (<em class="gesperrt">weiter</em> zum Ausdruck) kommen – wir können -diesen Gerüchten <em class="gesperrt">keinen rechten Glauben schenken</em> (<em class="gesperrt">nicht -recht</em> Glauben schenken) – allen gröbern Ausschreitungen muß <em class="gesperrt">ein -energisches Halt geboten werden</em> (<em class="gesperrt">energisch</em> Halt geboten) -– die gegnerische Presse hat <em class="gesperrt">gewaltigen Lärm geschlagen</em> -(<em class="gesperrt">gewaltig</em> Lärm geschlagen) – das Gottesgnadentum hatte unter -seinem Vater <em class="gesperrt">trostlosen Schiffbruch gelitten</em> (<em class="gesperrt">trostlos</em> -Schiffbruch gelitten) – hier wäre Grund vorhanden, <em class="gesperrt">bessernde -Hand anzulegen</em> (<em class="gesperrt">bessernd</em> Hand anzulegen) – die Zeit -<em class="gesperrt">schafft</em> oft unerwartet <em class="gesperrt">schnellen Wandel</em> (<em class="gesperrt">schnell</em> -Wandel) – er <em class="gesperrt">brachte</em> die Angelegenheit <em class="gesperrt">zum ausführlichen -Vortrag</em> (<em class="gesperrt">ausführlich</em> zum Vortrag) – ich erlaube mir, -meinen schönen Garten mit Kolonnaden <em class="gesperrt">in empfehlende Erinnerung zu -bringen</em> (<em class="gesperrt">empfehlend</em> in Erinnerung zu bringen).</p> - -<p>Ebensowenig wie Eigenschaftswörter dürfen natürlich Zahlwörter oder -besitzanzeigende Adjektiva in solche Redensarten eingefügt werden. -Da schreibt einer über die Tagespresse: man muß <em class="gesperrt">zwischen ihren -Zeilen lesen</em>. Unsinn! Man muß <em class="gesperrt">bei ihr zwischen den Zeilen -lesen</em>! Denn <em class="gesperrt">zwischen den Zeilen lesen</em> ist eine formelhafte, -unveränderliche Redensart, die nur durch einen adverbiellen Zusatz -(<em class="gesperrt">bei ihr</em>) näher bestimmt<span class="pagenum" id="Seite_281">[S. 281]</span> werden kann. Ein andrer schreibt: -der <em class="gesperrt">erste Sturm</em> sollte gegen das Großkapital <em class="gesperrt">gelaufen</em> -werden. Doppelter Unsinn! Erstens weil der Sturm gezählt, zweitens -weil die Redensart zerrissen ist. Es muß heißen: <em class="gesperrt">zuerst</em> sollte -gegen das Großkapital <em class="gesperrt">Sturm gelaufen werden</em>. Ebenso ist -doppelt fehlerhaft: wir müssen <em class="gesperrt">fleißigern Gebrauch</em> von der -Rute <em class="gesperrt">machen</em> (richtig: wir müssen <em class="gesperrt">fleißiger</em> von der Rute -<em class="gesperrt">Gebrauch machen</em>) – die Zeit, wo der Fürst noch <em class="gesperrt">unmittelbare -Fühlung</em> mit dem Volke <em class="gesperrt">hatte</em> (richtig: <em class="gesperrt">unmittelbar</em> -mit dem Volke <em class="gesperrt">Fühlung hatte</em>) – <em class="gesperrt">besonderen Dank</em> wird -der Leser dem Herausgeber für die kurzen Einleitungen <em class="gesperrt">wissen</em> -(richtig: <em class="gesperrt">besonders</em> wird der Leser dem Herausgeber für die -kurzen Einleitungen <em class="gesperrt">Dank wissen</em>) – <em class="gesperrt">besondre Obacht</em> mußte -darauf <em class="gesperrt">gegeben werden</em>, daß sich keiner der Buße entzog (richtig: -<em class="gesperrt">besonders</em> mußte darauf <em class="gesperrt">Obacht gegeben werden</em>) – von -konservativer Seite wird <em class="gesperrt">laute Klage</em> über die antisemitischen -Demagogen <em class="gesperrt">geführt</em> (richtig: wird <em class="gesperrt">laut</em> über die -antisemitischen Demagogen <em class="gesperrt">Klage geführt</em>).<a id="FNAnker_130" href="#Fussnote_130" class="fnanchor">[130]</a></p> - -<p>Ein Attribut kann ja aber auch in der Form eines abhängigen Genitivs -erscheinen; auch in dieser Form kommt der Fehler sehr oft vor. Da -schreibt man: die Ärzte müssen die ganze Nacht <em class="gesperrt">zur Verfügung der -Wache stehen</em> – sämtliche Verhafteten wurden <em class="gesperrt">zur Verfügung -des</em> französischen <em class="gesperrt">Botschafters</em> gestellt – wenn <em class="gesperrt">sich</em> -die Kammer <em class="gesperrt">zur Verfügung der</em> größten <em class="gesperrt">Schwindelei</em> -des Jahrhunderts stellt (muß heißen: der Wache <em class="gesperrt">zur Verfügung -stehen</em> usw.) – die Streitfragen, <em class="gesperrt">die auf der Tagesordnung ihrer -Wissenschaft stehen</em> (muß heißen: <em class="gesperrt">in ihrer Wissenschaft auf der -Tagesordnung stehen</em>) – es sollen ganz bestimmte Gegenstände <em class="gesperrt">zur -Beratung der Konferenz gestellt werden</em> – (muß heißen: <em class="gesperrt">der -Konferenz zur Beratung gestellt werden</em>) – die Dame, <em class="gesperrt">in deren -Mund</em> die Erzählung <em class="gesperrt">gelegt ist</em> (muß heißen: der die Erzählung -<em class="gesperrt">in den Mund gelegt ist</em>). Auch in diesen<span class="pagenum" id="Seite_282">[S. 282]</span> Fällen wird überdies -die Redensart zerrissen, in den meisten entsteht ein Gallizismus -(<span class="antiqua">mettre à la disposition de quelqu’un</span>).</p> - -<p>Sowenig aber das Hauptwort einer solchen formelhaften Redensart mit -einem Attribut bekleidet werden kann, so wenig kann es endlich mit -einem Relativsatz behängt werden. Auch ein Relativsatz kann sich -immer nur an den Gesamtbegriff der Redensart, aber nicht an den -Bestandteil anschließen, den das Hauptwort bildet. Aber auch dieser -Fehler, der große Unbeholfenheit verrät, ist etwas sehr gewöhnliches, -wie folgende Beispiele zeigen: die Versuche <em class="gesperrt">blieben nicht ohne -Eindruck, der</em> (!) aber durch die nachfolgenden Ereignisse bald -wieder verwischt wurde – namentlich <em class="gesperrt">waren</em> die Schöpfungen der -Pariser Architektur auf ihn <em class="gesperrt">von Einfluß, der</em> (!) bis zu seinen -letzten Werken nachhaltend geblieben ist – ein solches Unternehmen muß -in Einzelheiten <em class="gesperrt">Widerspruch hervorrufen</em>, <em class="gesperrt">der</em> (!) dann -auch auf die Beratung des Ganzen Einfluß übt – da <em class="gesperrt">stand er</em> nun -in <em class="gesperrt">Verlegenheit, an die</em> (!) er gar nicht gedacht hatte – auf -seine Bitten erhielt er in dieser Sprache <em class="gesperrt">Unterricht, den</em> (!) -er selbst so anziehend geschildert hat – die Scheune <em class="gesperrt">geriet in -Brand, der</em> (!) erst nach einer Stunde gelöscht wurde – Vischer -<em class="gesperrt">redet sich</em> alle Galle <em class="gesperrt">vom Herzen, das</em> (!) im deutschen -Bruderkriege 1866 blutete.</p> - -<p>Etwas erträglicher wird der Fehler, wenn man das Hauptwort der -Redensart mit einer Art von Anaphora wiederholt, z. B.: man hat den -Eindruck, daß beide in dem Augenblick der Entscheidung <em class="gesperrt">Friede -gemacht haben, einen Frieden</em>, der auch dem unterliegenden Teile -zugute kommt. Schwache Gemüter können hier zugleich rein äußerlich -sehen, worauf es ankommt: in der Redensart erscheint das Hauptwort -ohne Artikel, in der Anaphora mit Artikel; bezeichnend ist dabei der -Unterschied, den der Schreibende (unwillkürlich?) zwischen der ältern -und der jüngern Form <em class="gesperrt">Friede</em> und <em class="gesperrt">Frieden</em> gemacht hat. Oft -berühren sich nämlich solche unveränderliche formelhafte Redensarten -nahe mit andern Wendungen, die nichts formelhaftes haben, sondern -im<span class="pagenum" id="Seite_283">[S. 283]</span> Augenblick gebildet sind und jeden Augenblick anders gebildet -werden können. Die sind aber dann von formelhaften Wendungen leicht zu -unterscheiden, äußerlich gewöhnlich schon dadurch, daß in der Formel -das Hauptwort keinen Artikel hat. Eine zweifellos formelhafte Redensart -ist: <em class="gesperrt">zu Ohren kommen</em>. Daher wird niemand sagen: es ist <em class="gesperrt">zu -meinen Ohren gekommen</em>, oder es ist <em class="gesperrt">zu Ohren des Ministers</em> -gekommen, sondern: es ist <em class="gesperrt">mir zu Ohren gekommen</em>, es ist <em class="gesperrt">dem -Minister zu Ohren gekommen</em>. Zweifeln kann man dagegen, ob auch -<em class="gesperrt">zur Kenntnis kommen</em> formelhaft sei. Der Vorgang kam <em class="gesperrt">zu meiner -Kenntnis</em> oder <em class="gesperrt">zur Kenntnis des großen Publikums</em> dürfte -ebensogut sein wie: er kam <em class="gesperrt">mir zur Kenntnis</em> oder <em class="gesperrt">dem Publikum -zur Kenntnis</em>. Die Grenze ist hier manchmal schwer zu ziehen; wer -Sprachgefühl hat, wird meist ohne weiteres das Richtige treffen, wer -keins hat, wird auch bei aller Belehrung danebentappen.</p> - -<p>Das Tollste ist es, das Hauptwort aus einer solchen Redensart -herauszunehmen und in einem besondern Satze zu verwenden. Aber auch das -geschieht. Da schreibt z. B. einer: rührend war der <em class="gesperrt">Abschied</em>, -der <em class="gesperrt">genommen wurde</em>, ein andrer: wichtig war für meine spätern -Neigungen <em class="gesperrt">die Bekanntschaft</em> mit den Zeitungen, die <em class="gesperrt">ich</em> -schon in meinen Kinderjahren <em class="gesperrt">machte</em>. Das soll heißen: rührend -war es, als <em class="gesperrt">Abschied genommen wurde</em>, wichtig war, <em class="gesperrt">daß ich</em> -schon in meinen Kinderjahren mit den Zeitungen <em class="gesperrt">Bekanntschaft -machte</em>. Solche Sätze liegen schon dicht an dem Wege, der zu den -bekannten Späßen Wippchens führt, wie: gebt mir <em class="gesperrt">einen Haufen</em>, -damit ich den Feind <em class="gesperrt">darüberwerfen</em> kann.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Vertauschung_des_Hauptworts_und_des_Fuerworts">Vertauschung des Hauptworts -und des Fürworts – ein schwieriger Fall</h3> - -</div> - -<p>Einen eigentümlichen Fehler, dem man sehr oft begegnet, zeigen -in zwei verschiednen Spielarten folgende Beispiele (das Richtige -soll wieder gleich in Klammern danebengesetzt werden): die Lage -<em class="gesperrt">Deutschlands</em> inmitten seiner wahrscheinlichen Gegner mache es -<em class="gesperrt">ihm</em> zur Pflicht<span class="pagenum" id="Seite_284">[S. 284]</span> (<em class="gesperrt">seine</em> Lage macht es <em class="gesperrt">Deutschland</em> -zur Pflicht) – das Zartgefühl <em class="gesperrt">des Fürsten</em> erlaubte <em class="gesperrt">ihm</em> -nicht die Annahme des Opfers (<em class="gesperrt">sein</em> Zartgefühl erlaubte <em class="gesperrt">dem -Fürsten</em> nicht) – leider hat die enge Begabung <em class="gesperrt">des Dichters -ihm</em> nicht ermöglicht (leider hat <em class="gesperrt">seine</em> enge Begabung -<em class="gesperrt">dem Dichter</em>) – der Haß <em class="gesperrt">des Berichterstatters</em> gegen -Textor hat <em class="gesperrt">ihn</em> zu Übertreibungen geführt (<em class="gesperrt">sein</em> Haß hat -<em class="gesperrt">den Berichterstatter</em>) – die Krankheit des <em class="gesperrt">Papstes</em> -hat <em class="gesperrt">ihn</em> zu einer andern Lebensweise veranlaßt (<em class="gesperrt">seine</em> -Krankheit hat <em class="gesperrt">den Papst</em>) – man hatte gleich nach dem ersten -Auftreten <em class="gesperrt">Raimunds ihn</em> verdächtigt (man hatte gleich nach -<em class="gesperrt">seinem</em> ersten Auftreten <em class="gesperrt">Raimund</em> verdächtigt) – es stellt -sich dabei heraus, daß die eignen Kenntnisse <em class="gesperrt">des Kritikers ihn</em> -zu diesen Angriffen nicht berechtigen (daß seine eignen Kenntnisse -<em class="gesperrt">den Kritiker</em>) – die Romanschreiber, die im Vertrauen auf die -Dummheit <em class="gesperrt">der Gesellschaft dieser</em> den Spiegel vorhalten (die -<em class="gesperrt">der Gesellschaft</em> im Vertrauen auf <em class="gesperrt">deren</em> Dummheit) – -nach ältern Beschreibungen <em class="gesperrt">des Kodex</em> war <em class="gesperrt">er</em> früher in -roten Sammet gebunden (nach ältern Beschreibungen war <em class="gesperrt">der Kodex</em>) -– die Begleiter <em class="gesperrt">des Kranken</em> vermochten <em class="gesperrt">ihn</em> nicht zu -überwältigen (die Begleiter vermochten <em class="gesperrt">den Kranken</em>) – zur -Zeit der Ausweisung <em class="gesperrt">des Ordens aus</em> dem Deutschen <em class="gesperrt">Reiche</em> -zählte er innerhalb <em class="gesperrt">desselben</em> sechzehn Niederlassungen -(zweimal der Fehler in <em class="gesperrt">einem</em> Satze! es muß heißen: zur Zeit -<em class="gesperrt">seiner</em> Ausweisung zählte der <em class="gesperrt">Orden</em> innerhalb des -Deutschen <em class="gesperrt">Reichs</em> usw.) – angesichts der Macht <em class="gesperrt">dieser Gesetze -dieselben</em> (!) auf ihre Annehmbarkeit zu prüfen ist dem Gesetzgeber -nicht eingefallen (angesichts <em class="gesperrt">ihrer</em> Macht <em class="gesperrt">diese Gesetze</em> -zu prüfen) – wie war es möglich, daß der Besitzer <em class="gesperrt">dieses Schatzes -denselben</em> so geheim hielt (der Besitzer <em class="gesperrt">diesen Schatz</em>) – -man wollte trotz der von den Gehilfen beschlossenen Kündigung <em class="gesperrt">des -Tarifs</em> an <em class="gesperrt">letzterm</em> (!) festhalten (trotz der beschlossenen -Kündigung an <em class="gesperrt">dem Tarif</em> festhalten) – wir betrauern den -Heimgang des liebenswürdigen Kollegen, der seit Gründung <em class="gesperrt">der -Ärztekammer derselben</em> angehört (der <em class="gesperrt">der Ärztekammer</em> seit -<em class="gesperrt">ihrer Gründung</em> angehört) – wegen Reinigung <em class="gesperrt">der großen -Ratsstube</em><span class="pagenum" id="Seite_285">[S. 285]</span> bleibt <em class="gesperrt">dieselbe</em> (!) nächsten Montag geschlossen -(wegen Reinigung bleibt die <em class="gesperrt">große Ratsstube</em>) – wegen Neubaues -der Schleuse <em class="gesperrt">in der Zentralstraße</em> bleibt <em class="gesperrt">letztere</em> (!) -für den Fahrverkehr gesperrt (wegen Neubaus der Schleuse bleibt <em class="gesperrt">die -Zentralstraße</em>) – sie heiratet darauf den Grafen Tr., <em class="gesperrt">dessen</em> -Frau <em class="gesperrt">ihm</em> kurz vorher durchgegangen ist (<em class="gesperrt">dem seine Frau</em>) -– der Bedauernswerte, <em class="gesperrt">dessen</em> Eltern <em class="gesperrt">ihm</em> gestern einen -Besuch zugedacht hatten (<em class="gesperrt">dem seine</em> Eltern) – der Vorwurf trifft -nur den, <em class="gesperrt">dessen</em> Männerstolz <em class="gesperrt">ihm</em> nicht gestattet (<em class="gesperrt">dem -sein</em> Männerstolz) – der Verfasser, <em class="gesperrt">dessen</em> Bescheidenheit -<em class="gesperrt">ihn</em> bis in sein Greisenalter zögern ließ, seine Arbeit zu -veröffentlichen (<em class="gesperrt">den seine</em> Bescheidenheit) – Scharnhorst ist -einer jener schicksalvollen Männer, <em class="gesperrt">deren</em> Genius <em class="gesperrt">sie</em> zu -Dolmetschern eines ganzen Volkes gemacht hat (<em class="gesperrt">die ihr</em> Genius) – -es wird das auch von solchen bestätigt, <em class="gesperrt">deren</em> Auftrag <em class="gesperrt">sie</em> -zu möglichst gründlicher Prüfung verpflichtet (<em class="gesperrt">die ihr</em> Auftrag) -– Menschen, <em class="gesperrt">deren</em> Halbbildung <em class="gesperrt">sie</em> unempfänglich macht -(<em class="gesperrt">die ihre</em> Halbbildung) – die Italiener, <em class="gesperrt">deren</em> Freude an -der farbigen Oberfläche der Dinge <em class="gesperrt">sie</em> abhält, in den Chor der -Naturalisten einzustimmen (<em class="gesperrt">die ihre</em> Freude).</p> - -<p>In allen diesen Sätzen ist ein Begriff doppelt da: das einemal in Form -eines Hauptworts (in den zuletzt angeführten Relativsätzen in Form -eines relativen Fürworts), das andremal in Form eines persönlichen -Fürworts (wozu hier auch <em class="gesperrt">derselbe</em> und <em class="gesperrt">letzterer</em> gerechnet -werden müssen). Der Fehler liegt nun darin, daß beide am falschen -Platze stehen: sie müssen ihre Plätze wechseln, wenn der Satz richtig -werden soll. Warum? Weil das Hauptwort in allen diesen Sätzen nur in -einem Attribut (meist in einem abhängigen Genitiv) und damit gleichsam -im Hintergrunde, im Schatten, das persönliche Fürwort dagegen als -Subjekt oder Objekt im Vordergrunde, im vollen Lichte des Satzes steht. -Gerade umgekehrt muß es sein: das Hauptwort gehört in den Vordergrund, -der bloße Ersatz dafür, das Fürwort, in den Hintergrund. Nicht selten -kann nach dem Platzwechsel das Fürwort ganz wegfallen. Wer lebendiges -Sprachgefühl hat, bildet solche Sätze von selber richtig, ohne zu -wissen, warum.<span class="pagenum" id="Seite_286">[S. 286]</span> Andern wird die Sache vielleicht auch durch diese -Erklärung nicht deutlich geworden sein. Es ist wirklich ein etwas -schwieriger Fall.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Die_fehlerhafte_Zusammenziehung">Die fehlerhafte Zusammenziehung</h3> - -</div> - -<p>Ein Fehler, der die mannigfachsten Spielarten zeigt, obwohl er im -Grunde immer derselbe ist, entsteht durch jene äußerliche Auffassung -der Sprache, die nicht nach Sinn und Bedeutung, sondern nur nach -dem Lautbilde der Wörter fragt. Kehrt dasselbe Lautbild wieder, so -glaubt es der Papiermensch das zweitemal ohne weiteres unterdrücken -zu dürfen, obwohl es dieses zweitemal vielleicht einen ganz andern -Sinn hat als das erstemal. Eine Abart dieses Fehlers ist schon -früher besprochen worden: die Vernachlässigung des Kasuswechsels -beim Relativpronomen (<a href="#Seite_130">S. 130</a>). Hierher gehört es aber auch, wenn man -einen Fügewortsatz oder Fragesatz zugleich als Objekt und als Subjekt -verwendet, z. B.: daß der Verfasser ein Jurist ist, <em class="gesperrt">kann man</em> -mit Händen greifen, <em class="gesperrt">hält ihn</em> jedoch nicht ab – ob das Wort -schon früher in Gebrauch war, <em class="gesperrt">können wir</em> nicht feststellen, -<em class="gesperrt">ist</em> auch ohne Belang. Oder wenn man ein Zeitwort gleichzeitig -als selbständiges Zeitwort (oder Kopula) und als Hilfszeitwort -verwendet und schreibt: er <em class="gesperrt">hatte sich</em> aus kleinen Verhältnissen -<em class="gesperrt">emporgearbeitet</em> und wirklich <em class="gesperrt">das Zeug</em> zu einem tüchtigen -Künstler – er <em class="gesperrt">war</em> vor kurzem erst ins Dorf <em class="gesperrt">gezogen</em> -und ein <em class="gesperrt">kleiner</em>, kugelrunder <em class="gesperrt">Mann</em> – er <em class="gesperrt">wurde</em> -später sächsischer <em class="gesperrt">Minister</em> und in den Freiherrnstand -<em class="gesperrt">erhoben</em> – jeden Morgen, wenn der Kaiser <em class="gesperrt">rasiert</em> und der -<em class="gesperrt">Kopf</em> Habys am Fenster <em class="gesperrt">sichtbar wird</em> – oder gar: wenn -ein Grenzstein <em class="gesperrt">verrückt</em> oder <em class="gesperrt">unkenntlich geworden</em> ist -(anstatt: <em class="gesperrt">verrückt worden</em> oder <em class="gesperrt">unkenntlich geworden</em>) – -glauben Sie nicht, daß eine Errungenschaft darin liegen würde, wenn -Frauen medizinisch <em class="gesperrt">gebildet</em> und <em class="gesperrt">praktizieren würden</em>? -(anstatt: <em class="gesperrt">gebildet würden</em> und <em class="gesperrt">praktizierten</em>)<a id="FNAnker_131" href="#Fussnote_131" class="fnanchor">[131]</a>. -Ferner wenn man ein<span class="pagenum" id="Seite_287">[S. 287]</span> persönliches Fürwort zugleich als Dativ und als -Akkusativ verwendet, z. B.: <em class="gesperrt">sich</em> stets betastend und die Hände -reichend – die Gelegenheit, <em class="gesperrt">sich</em> kennen zu lernen, bzw. (!) -näher zu treten – kurz alle Fälle, wo ein Wort gleichzeitig in zwei -verschiednen Auffassungen gebraucht wird, also auch z. B.: in Halle -<em class="gesperrt">ist</em> er <em class="gesperrt">gestorben</em> und <em class="gesperrt">begraben</em> (wo das Perfektum -das einemal einen Vorgang, das andremal einen Zustand bezeichnet) – -die Pferde stürzten so unglücklich, daß <em class="gesperrt">die Deichsel brach</em>, das -eine Pferd aber <em class="gesperrt">den Oberschenkel</em> – er war darauf angewiesen, -sein <em class="gesperrt">Leben</em>, an das er große <em class="gesperrt">Ansprüche machte</em>, durch -erbitterten Kampf gegen die Konkurrenz zu <em class="gesperrt">gewinnen</em> (wo -<em class="gesperrt">Leben</em> das einemal als <em class="gesperrt">Lebensweise</em>, das andremal als -<em class="gesperrt">Lebensunterhalt</em> gemeint ist).</p> - -<p>Eine der häufigsten, aber auch widerwärtigsten Spielarten dieses -groben logischen Fehlers ist es, ein Femininum und einen Plural unter -demselben Artikel, Fürwort oder Adjektivum zusammenzukoppeln (vgl. -englisch: <span class="antiqua">the life and times</span>) und zu schreiben: <em class="gesperrt">die Höhe -und Formen</em> des Gitters – <em class="gesperrt">die Umrahmung und Seitenflügel</em> -des Altarbildes – <em class="gesperrt">die Metalle und Spektralanalyse</em> – <em class="gesperrt">die -Verbreitung und Ursachen</em> der Lungenschwindsucht – <em class="gesperrt">die -Stellung und Ansprüche</em> des Zentrums – die Sicherung <em class="gesperrt">der Post -und Transporte</em> – die Analyse <em class="gesperrt">der Gestalten und Kunst</em> -Shakespeares – Handbuch <em class="gesperrt">der Staatswissenschaften und Politik</em> -– das Gebiet <em class="gesperrt">der Mathematik und Naturwissenschaften</em> – die -Angaben <em class="gesperrt">der Bevölkerungsdichtigkeit und Temperaturverhältnisse</em> -– <em class="gesperrt">seine Reue und Gewissensbisse</em> – im Kreise <em class="gesperrt">seiner Frau -und drei Kinder</em> – durch <em class="gesperrt">ihre Taten und Hingebung</em> – eine -Darstellung ihrer <em class="gesperrt">Schicksale und Bauart</em> – die Bühne, die -<em class="gesperrt">keine Dekoration und Kulissen</em> kannte – die Gegner <em class="gesperrt">der -deutschen Landwirtschaft und Getreidezölle</em> – zur Erforschung -<em class="gesperrt">vaterländischer Sprache und Altertümer</em> – trotz <em class="gesperrt">der -papistischen Gesinnung und Bestrebungen</em> des Herzogs usw.<a id="FNAnker_132" href="#Fussnote_132" class="fnanchor">[132]</a></p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_288">[S. 288]</span></p> - -<p>Aber auch da, wo Geschlecht und Numerus zweier Begriffe dieselben -sind, ist es eine grobe Nachlässigkeit, sie unter einem Artikel -unterzubringen und zu schreiben: die Zustimmung <em class="gesperrt">des Bundesrats -und Reichskanzlers</em> – der Direktor <em class="gesperrt">der Bürger- oder -Bezirksschule</em> – eine Sitzung <em class="gesperrt">des Bau-, Ökonomie- und -Finanzausschusses</em> – ein Ausflug <em class="gesperrt">nach dem Süßen und Salzigen -See</em> – <em class="gesperrt">der Rote und Schwarze Kocher</em> – <em class="gesperrt">das alte und neue -Buchhändlerhaus</em> – <em class="gesperrt">die katholische und evangelische Kirche</em> -– <em class="gesperrt">der Renaissance- und Barockstil</em> – <em class="gesperrt">das sächsische und -schlesische Gebirge</em> – <em class="gesperrt">die religiöse und weltliche Poesie</em> -der Juden – <em class="gesperrt">die weiße und rote Rose</em> – <em class="gesperrt">das Sol- und -Seebad</em> – der Wert <em class="gesperrt">der klassischen und modernen Sprachen</em> -– die Knochen waren nicht die Überreste <em class="gesperrt">eines Frauen- und -Kinderskeletts</em>, sondern <em class="gesperrt">eines Ferkel- und Kaninchengerippes</em>! -Auch in diesen Fällen muß der Artikel unbedingt wiederholt werden; -wird er nur <em class="gesperrt">ein</em>mal gesetzt, so erweckt das die Vorstellung, -als ob sichs nur um <em class="gesperrt">einen</em> Begriff handelte. Niemand kann -erraten, daß der <em class="gesperrt">Bau-, Ökonomie- und Finanzausschuß</em> drei -verschiedne Ausschüsse sind. <em class="gesperrt">Der König von Preußen und Kaiser von -Deutschland</em> – das ist richtig, denn beides ist dieselbe Person; -<em class="gesperrt">das belgische und deutsche Herrscherpaar</em> – das ist falsch, denn -das sind zwei verschiedene Paare.</p> - -<p>Die Nachlässigkeit wird um so störender, wenn durch das im Plural -stehende Prädikat oder auf irgendeine andre Weise noch besonders -deutlich fühlbar gemacht wird, daß es sich um mehrere Begriffe handelt, -z. B.: der deutsche Handel war bedeutender als <em class="gesperrt">der englische und -amerikanische zusammen</em> – <em class="gesperrt">der Nominativ und Vokativ sind</em> -eigentlich keine Kasus – <em class="gesperrt">die erste und letzte Strophe zerfallen</em> -in zwei Hälften – <em class="gesperrt">der lyrische und epische Dichter bedürfen</em> -dieses Mittels nicht – 1830 <em class="gesperrt">starben der Bruder und Vater</em> – -westlich davon <em class="gesperrt">stehen die Thomas- und Matthäikirche</em> – an der -Nordseite <em class="gesperrt">befinden sich der Dresdner, Magdeburger und Thüringer<span class="pagenum" id="Seite_289">[S. 289]</span> -Bahnhof</em> – die Anlage, die <em class="gesperrt">die Mit- und Nachwelt</em> an -Bismarck zu bewundern alle Ursache <em class="gesperrt">haben</em> – <em class="gesperrt">zwischen (!) -dem</em> 13. <em class="gesperrt">und</em> 15. Grade südlicher Breite – der Unterschied -<em class="gesperrt">zwischen (!) den staatlichen und kirchlichen</em> Einrichtungen – -wo ist die Grenze <em class="gesperrt">zwischen (!) der Wahrheit</em>, die man mitteilen, -und [<em class="gesperrt">der</em>!], die man nicht mitteilen darf – die deutsche -Umgangssprache schwankt <em class="gesperrt">zwischen dem Extrem barscher Kürze und -bedientenhafter Redseligkeit</em> – das Zentrum möchte einen Keil -treiben <em class="gesperrt">zwischen den rechten und linken Flügel</em> des Blocks. Wie -kann etwas „zwischen“ einem Grade liegen, „zwischen“ einem Extrem -schwanken, „zwischen“ einen Flügel getrieben werden?</p> - -<p>Bei mehr als zwei Gliedern kann die sorgfältige Wiederholung des -Artikels freilich etwas schleppendes bekommen, und wo mehr aufgereiht -als gegenübergestellt wird, da schreibe man getrost: mit <em class="gesperrt">den -Geruchs-, Geschmacks- und Gefühlsnerven</em>, die Gewohnheiten <em class="gesperrt">des -Fastens, Beichtens und Betens</em>, ein Schatz <em class="gesperrt">des Wahren, Guten -und Schönen</em>. Wo aber unterschieden und gegenübergestellt wird, -da muß auch der Artikel wiederholt werden. Darum steht auch auf dem -Titelblatte dieses Buches: Grammatik <em class="gesperrt">des Zweifelhaften, des Falschen -und des Häßlichen</em>, denn jeder dieser drei Begriffe bezeichnet -eine andre Art von Fällen. Manche glauben genug zu tun, wenn sie den -Artikel bei einem Wechsel des Geschlechts wiederholen, und schreiben: -die Gelübde <em class="gesperrt">der Armut, Keuschheit</em> und <em class="gesperrt">des Gehorsams</em>. Ganz -irrig! Die Gleichmäßigkeit verlangt den Artikel bei jedem Gliede der -Reihe.</p> - -<p>Kein grammatischer, aber ein grober Denkfehler liegt vor in -Verbindungen wie: Lager von <em class="gesperrt">Schneider- und Schuhartikeln</em> – -Fabrik von <em class="gesperrt">Bambus-, Luxus- und Rohrmöbeln</em>. Der Schneider kann -nicht den Schuhen, Bambus oder Rohr nicht dem Luxus gegenübergestellt -werden, denn Bambus und Rohr geben den Stoff an, Luxus den Zweck (oder -die Zwecklosigkeit). Man könnte ebensogut <em class="gesperrt">Kaffee-, Porzellan- und -Teetassen</em> verbinden.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_290">[S. 290]</span></p> - -<h3 id="Tautologie_und_Pleonasmus">Tautologie und Pleonasmus</h3> - -</div> - -<p>Während die fehlerhafte Zusammenziehung aus einem irregeleiteten -Streben nach Kürze entsteht, beruht ein andrer Fehler auf dem Streben -nach Breite und Wortreichtum: der Fehler, einen Begriff doppelt oder -gar dreifach auszudrücken. Man bezeichnet ihn mit Ausdrücken der -griechischen Grammatik als Tautologie (Dasselbesagung) oder Pleonasmus -(Überfluß).</p> - -<p>In den seltensten Fällen will man durch die Verdopplung etwa -den Ausdruck verstärken,<a id="FNAnker_133" href="#Fussnote_133" class="fnanchor">[133]</a> gewöhnlich fällt man aus bloßer -Gedankenlosigkeit hinein. Zu den üblichsten Tautologien gehören: -<em class="gesperrt">bereits schon</em>, ich <em class="gesperrt">pflege gewöhnlich</em>, <em class="gesperrt">einander -gegenseitig</em> oder gar <em class="gesperrt">sich einander gegenseitig</em>.<a id="FNAnker_134" href="#Fussnote_134" class="fnanchor">[134]</a> Aber -es gibt ihrer von den verschiedensten Arten. Auch in Verbindungen -wie: <em class="gesperrt">schon gleich</em> (die Bedenken fangen schon gleich beim -Lesen der ersten Seite an), <em class="gesperrt">auch selbst</em>, <em class="gesperrt">nach abwärts</em>, -<em class="gesperrt">nach dieser Richtung</em> (statt: <em class="gesperrt">nach</em> dieser <em class="gesperrt">Seite</em> -oder <em class="gesperrt">in</em> dieser <em class="gesperrt">Richtung</em>), <em class="gesperrt">nach</em> verschiednen -<em class="gesperrt">Richtungen</em> (!), <em class="gesperrt">unsre Gegenwart</em> (statt: unsre -<em class="gesperrt">Zeit</em> oder <em class="gesperrt">die</em> Gegenwart), <em class="gesperrt">unsre deutsche</em> Jugend, -<em class="gesperrt">unser deutsches</em> Vaterland, <em class="gesperrt">mein mir übertragnes</em> Amt, -<em class="gesperrt">rückvergüten</em>, <em class="gesperrt">gemeinschaftliches Zusammenwirken</em>, etwas -<em class="gesperrt">näher bei Lichte</em> besehen, nicht <em class="gesperrt">ganz</em> ohne <em class="gesperrt">jede</em> -gute Regung, Personen beider<em class="gesperrt">lei Geschlechts</em> (statt <em class="gesperrt">beider -Geschlechter</em>), Hilfeleistungen <em class="gesperrt">weiblicher Schwestern</em>, es -<em class="gesperrt">kann möglich sein</em>, <em class="gesperrt">ich darf mit Recht</em> beanspruchen, -das Lob, das ihm <em class="gesperrt">mit Recht gebührt</em>,<span class="pagenum" id="Seite_291">[S. 291]</span> man <em class="gesperrt">muß</em> von -einem Geschichtschreiber <em class="gesperrt">verlangen</em>, die <em class="gesperrt">Forderung</em> ist -<em class="gesperrt">unerläßlich</em>, er hat <em class="gesperrt">Anspruch</em> auf <em class="gesperrt">gebührende</em> -Beachtung, ehe das Einschreiten zur <em class="gesperrt">zwingenden Notwendigkeit</em> -wird, die Innung <em class="gesperrt">geht</em> mehr und mehr dem <em class="gesperrt">Rückgange -entgegen</em>, die Übung der Denkkraft, die <em class="gesperrt">angeblich</em> durch -die Mathematik erzielt werden <em class="gesperrt">soll</em> – überall ist hier -ein Begriff ganz unnötigerweise doppelt da. Es genügt, zu sagen -entweder: <em class="gesperrt">mein</em> Amt oder: das <em class="gesperrt">mir übertragne</em> Amt, -entweder: man kann von einem Geschichtschreiber <em class="gesperrt">verlangen</em>, -oder: ein Geschichtschreiber <em class="gesperrt">muß</em>, entweder: die Übung, die -<em class="gesperrt">angeblich</em> erzielt <em class="gesperrt">wird</em>, oder: die erzielt werden -<em class="gesperrt">soll</em>. In Leipzig werden immer noch Dinge <em class="gesperrt">meistbietend -versteigert</em> – das soll heißen: an den, der das Meiste bietet, -was doch schon in dem Begriffe des Versteigerns liegt –, und dann -natürlich gegen <em class="gesperrt">sofortige Barzahlung</em>! Auch Zusammensetzungen -wie <em class="gesperrt">Rückerinnerung</em>, <em class="gesperrt">vollfüllen</em> und <em class="gesperrt">loslösen</em> -sind nichts als Pleonasmen; ebenso die beliebten Partizipzusätze, -die zum Teil aus schlechtem lateinischem Unterricht stammen: -auf <em class="gesperrt">erhaltnen</em> mündlichen Befehl – nach <em class="gesperrt">gehaltner</em> -Frühpredigt – die <em class="gesperrt">erfahrne</em> unwürdige Behandlung – ohne -<em class="gesperrt">vorhergehende</em> Beschaffung geeigneter Verkehrsmittel – nach -einer <em class="gesperrt">vorhergehenden</em> Fermate – bis zur <em class="gesperrt">getroffnen</em> -Entscheidung – die <em class="gesperrt">angestellte</em> Untersuchung ergab – meine -Erörterung gründet sich auf <em class="gesperrt">schon gemachte</em> Erfahrungen – -die Aussteller sind in der Reihe ihrer <em class="gesperrt">erfolgten</em> Anmeldung -aufgeführt. Man streiche die Partizipia, und der Sinn bleibt derselbe, -der Ausdruck aber wird knapper und sauberer (vgl. auch, was <a href="#Seite_167">S. 167</a> über -<em class="gesperrt">stattgefunden</em> und <em class="gesperrt">stattgehabt</em> gesagt ist).</p> - -<p>Der häufigste Pleonasmus aber und der, der nachgerade zu einer -dauernden Geschwulst am Leibe unsrer Sprache zu werden droht und -trotzdem allgemein als Schönheit, ja als eine Art von Bedürfnis -empfunden zu werden scheint, ist der, nach den Begriffen der -Möglichkeit und der Erlaubnis, der Notwendigkeit und der Absicht beim -Infinitiv diese Begriffe durch die Hilfszeitwörter <em class="gesperrt">können</em>, -<em class="gesperrt">dürfen</em>, <em class="gesperrt">wollen</em>, <em class="gesperrt">sollen</em>, <em class="gesperrt">müssen</em><span class="pagenum" id="Seite_292">[S. 292]</span> zu -wiederholen, also zu schreiben: niemand schien <em class="gesperrt">geeigneter</em> als -Ranke, dieses Werk zur Vollendung bringen zu <em class="gesperrt">können</em> – die -<em class="gesperrt">Leichtigkeit</em>, die gepriesensten Punkte Süditaliens erreichen -zu <em class="gesperrt">können</em> – die <em class="gesperrt">Möglichkeit</em>, die Sozialdemokratie mit -gleichen Waffen bekämpfen zu <em class="gesperrt">können</em> – auf diese Weise ist es -<em class="gesperrt">möglich</em>, während des Umbaus den Verkehr aufrecht erhalten zu -<em class="gesperrt">können</em> – die <em class="gesperrt">Fähigkeit</em>, über sich selbst lachen zu -<em class="gesperrt">können</em> – die <em class="gesperrt">Mittel</em>, an Ort und Stelle mit Nachdruck -auftreten zu <em class="gesperrt">können</em> – es ist <em class="gesperrt">Gelegenheit</em> gegeben, -auch am Polytechnikum Vorlesungen hören zu <em class="gesperrt">können</em> – er hatte -<em class="gesperrt">genügendes</em> Kapital, etwas ausführen zu <em class="gesperrt">können</em> – die -Finanzwirtschaft ist gar nicht <em class="gesperrt">imstande</em>, das Kreditwesen des -Staates entbehren zu <em class="gesperrt">können</em> – ich <em class="gesperrt">getraute</em> mir nicht, -das Gespräch mit ihm aufrecht erhalten zu <em class="gesperrt">können</em> – wenn es mir -<em class="gesperrt">gelingen</em> sollte, hierdurch meine Verehrung an den Tag legen -zu <em class="gesperrt">können</em> – es ist zu beklagen, daß so aufrichtige Naturen -sich nicht anders zur Kirche stellen zu <em class="gesperrt">können vermögen</em> (!) -– der Thronfolger kann von Glück sagen, wenn es ihm <em class="gesperrt">erspart</em> -bleibt, seine Herrscherautorität <em class="gesperrt">nicht</em> erst durch die -Schärfe des Schwerts erkämpfen zu <em class="gesperrt">brauchen</em><a id="FNAnker_135" href="#Fussnote_135" class="fnanchor">[135]</a> – es sei -mir <em class="gesperrt">gestattet</em>, einen Irrtum berichtigen zu <em class="gesperrt">dürfen</em> -– der Biograph hat das schöne <em class="gesperrt">Recht</em>, Enthusiast sein zu -<em class="gesperrt">dürfen</em> – eine Stellung, die ihm <em class="gesperrt">erlaubte</em>, ohne Frage -nach dem augenblicklichen Erfolg produzieren zu <em class="gesperrt">dürfen</em> – -einer Deputation war es <em class="gesperrt">vergönnt</em>, Glückwünsche darbringen zu -<em class="gesperrt">dürfen</em> – die <em class="gesperrt">Freiheit</em>, seiner innern Eingebung folgen -zu <em class="gesperrt">dürfen</em> – der <em class="gesperrt">Anspruch</em>, Universalgeschichte sein -zu <em class="gesperrt">wollen</em> – er sprach seine <em class="gesperrt">Bereitwilligkeit</em> aus, -auf diesem Wege vorgehen zu <em class="gesperrt">wollen</em> – die <em class="gesperrt">Absicht</em>, -blenden oder über ihre Verhältnisse leben zu <em class="gesperrt">wollen</em> – er -hat <em class="gesperrt">versprochen</em>, in den ruhmreichen Bahnen seines Großvaters -fortwandeln zu <em class="gesperrt">wollen</em> – die <em class="gesperrt">Aufgabe</em>, die Akademie -reformieren zu <em class="gesperrt">sollen</em> – es gehört zu den schönsten -<em class="gesperrt">Aufgaben</em>, das Leben eines Zeitgenossen beschreiben<span class="pagenum" id="Seite_293">[S. 293]</span> zu -<em class="gesperrt">wollen</em> (!) – die <em class="gesperrt">Zumutung</em>, Gott ohne Bilder anbeten zu -<em class="gesperrt">sollen</em> – ein Volk, das sich dazu <em class="gesperrt">erwählt</em> glaubt, große -Dinge erfüllen zu <em class="gesperrt">müssen</em> – die Verhältnisse <em class="gesperrt">zwangen</em> den -König, auf die Führung seines Heeres verzichten zu <em class="gesperrt">müssen</em>.</p> - -<p>Statt in Nebensätzen die Hilfszeitwörter <em class="gesperrt">sein</em> und <em class="gesperrt">haben</em> -wegzulassen, wo sie oft ganz unentbehrlich sind (vgl. <a href="#Seite_137">S. 137</a>), bekämpfe -man lieber diese abscheuliche Gewohnheit; die unnützen <em class="gesperrt">können</em>, -<em class="gesperrt">dürfen</em>, <em class="gesperrt">wollen</em>, <em class="gesperrt">sollen</em> und <em class="gesperrt">müssen</em> sind -wirklich wie garstige Rattenschwänze.<a id="FNAnker_136" href="#Fussnote_136" class="fnanchor">[136]</a></p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Die_Bildervermengung">Die Bildervermengung</h3> - -</div> - -<p>Bei dem Worte Bildervermengung denkt wohl jeder an Wendungen wie: -das ist wie ein <em class="gesperrt">Tropfen</em> auf einen <em class="gesperrt">hohlen Stein</em>, oder: -er wurde an den <em class="gesperrt">Rand des Bettelstabes</em> gebracht, oder: der -<em class="gesperrt">Zahn der Zeit</em>, der schon so manche <em class="gesperrt">Träne getrocknet</em> hat, -wird auch über dieser <em class="gesperrt">Wunde Gras wachsen</em> lassen – und meint, -dergleichen werde wohl beim Unterricht als abschreckendes Beispiel -vorgeführt, komme aber in Wirklichkeit nicht vor. Zeitungen und Bücher -leisten aber fast täglich ähnliches; gilt es doch für geistreich, -möglichst viel in Bildern zu schreiben! Oder wäre es nicht ebenso -lächerlich, wenn von einer Nachricht gesagt wird, daß sie wie ein -<em class="gesperrt">Donnerschlag</em> ins <em class="gesperrt">Pulverfaß</em> gewirkt habe, wenn in einem -Aufsatz über das Theater von <em class="gesperrt">gaumenkitzelnden Trikotanzügen</em> -gesprochen wird, oder wenn es in einem Börsenberichte heißt: der -<em class="gesperrt">Verkehr wickelte sich</em> in <em class="gesperrt">ruhigem Tone</em> ab, in dem Bericht -über eine Kunstausstellung: was bei den Russen zum <em class="gesperrt">Zerrbilde</em> des -Fanatismus geworden ist, leuchtet bei den Spaniern als<span class="pagenum" id="Seite_294">[S. 294]</span> <em class="gesperrt">Flamme</em> -der Begeisterung, oder wenn gar geschrieben wird: wo finden wir einen -<em class="gesperrt">roten Faden</em>, der uns aus diesem <em class="gesperrt">Labyrinth</em> hinausführt? -– das politische <em class="gesperrt">Knochengerüst</em>, über dessen <em class="gesperrt">Nacktheit</em> -durch eine schöne <em class="gesperrt">Verbrämung</em> hinweggetäuscht werden soll -– der Zauber seiner Persönlichkeit teilt sich dem Leser in einem -<em class="gesperrt">bestrickenden Fluidum</em> mit – unsre Universitäten sind wie -<em class="gesperrt">rohe Eier</em>: sobald man sie antastet, <em class="gesperrt">stellen sie sich auf die -Hinterbeine</em> – der bureaukratische Staat <em class="gesperrt">schert</em> (!) alles -<em class="gesperrt">über einen Leisten</em> – <em class="gesperrt">pilzartig</em> schossen die Lust-, -Schau- und Trauerspiele seiner Feder <em class="gesperrt">ins Kraut</em> – alle diese -Mitteilungen <em class="gesperrt">schweben in der Luft</em>, aus der sie <em class="gesperrt">geschnappt</em> -sind (in der Luft schweben, aus der Luft greifen, nach Luft schnappen -– drei Bilder vermengt!) – das ist eins jener <em class="gesperrt">Kolumbuseier</em>, -deren der Genius Shakespeares verschiedne <em class="gesperrt">ausgebrütet</em> hat – das -sind vom nationalökonomischen <em class="gesperrt">Gesichtswinkel</em> aus in <em class="gesperrt">kargem -Gerippe</em> die geistreich variierten <em class="gesperrt">Grundzüge</em> seiner Lehre -– die Millionen <em class="gesperrt">fliegen zum Fenster hinaus</em> und leeren das -<em class="gesperrt">Reichsfaß</em> bis zum Boden – natürlich muß das <em class="gesperrt">Pflaster</em> -auf die verschiednen <em class="gesperrt">kalten Wasserstrahlen</em> gegen ihre Eitelkeit -ein wenig <em class="gesperrt">gekitzelt</em> werden – dieses <em class="gesperrt">Schreckgespenst</em> -ist schon <em class="gesperrt">so abgedroschen</em>, daß nur noch ein politisches -<em class="gesperrt">Wickelkind</em> darauf <em class="gesperrt">herumreiten</em> kann – um ihrem -geschwächten Parteimagen <em class="gesperrt">neue Nahrung</em> zuzuführen, <em class="gesperrt">angeln</em> -sie in dem Wasser des Bauernbundes nach <em class="gesperrt">faulen Fischen</em> – die -lauteste <em class="gesperrt">Trommel</em> bei dieser Hetze <em class="gesperrt">blasen</em> natürlich die -Geistlichen – wenn man den Herren einen <em class="gesperrt">Floh</em> ins Ohr setzt, -wird sofort ein <em class="gesperrt">Elefant</em> daraus gemacht und dann auch noch -öffentlich <em class="gesperrt">breitgetreten</em>.<a id="FNAnker_137" href="#Fussnote_137" class="fnanchor">[137]</a></p> - -<p>Dergleichen erregt ja nun die Heiterkeit auch des gedankenlosesten -Lesers. Ein Berliner Schriftsteller hat sich sogar (unter dem Namen -Wippchen) jahrelang planmäßig dem Anbau dieses Sprachunkrauts gewidmet -und großen Erfolg damit gehabt. Es gibt aber auch zahlreiche<span class="pagenum" id="Seite_295">[S. 295]</span> -Bildervermengungen, die genau so schlimm sind, und die doch von -Tausenden von Lesern, auch von denkenden, gar nicht bemerkt werden, -weil sie nicht so zutage liegen, sondern etwas verschleiert sind. -Unsre Sprache ist überreich an bildlichen Ausdrücken, über deren -ursprüngliche Bedeutung man sich oft gar keine Rechenschaft mehr gibt. -Schon wenn jemand schreibt: die Sache machte keinen <em class="gesperrt">durchschlagenden -Eindruck</em> – so lesen sicher unzählige darüber weg, denn <em class="gesperrt">Eindruck -machen</em> und ein <em class="gesperrt">durchschlagender Erfolg</em> sind so abgebrauchte -Bilder, daß man sich ihres ursprünglichen Sinnes kaum noch bewußt -ist. Und doch liegt hier eine lächerliche Bildervermengung vor, denn -einen <em class="gesperrt">Eindruck machen</em> und <em class="gesperrt">durchschlagen</em> schließen -einander aus; wenn man das Kalbfell einer Pauke durchschlägt, so ist -es mit dem Eindruckmachen vorbei. Ebenso ist es, wenn ein Kritiker -von Leistungen eines Schriftstellers redet, die nicht den vollen -<em class="gesperrt">Umfang</em> seiner Fähigkeiten <em class="gesperrt">erschöpfen</em>, denn beim Umfang -denkt man an ein Längenmaß, schöpfen kann man aber nur mit einem -Hohlmaß. In solchen mehr oder weniger verschleierten Bildervermengungen -wird sehr viel gesündigt. Man schreibt: die kleinen Staaten werden -von der <em class="gesperrt">Wucht</em> ganz Deutschlands <em class="gesperrt">getragen</em> – er hatte -sich in eine solche Schulden<em class="gesperrt">last gestürzt</em> – diese Maßregel -ist von sehr ungünstigem <em class="gesperrt">Einfluß begleitet</em> gewesen – als -die auf die Hebung der Hundezucht abzielende <em class="gesperrt">Bewegung</em> feste -<em class="gesperrt">Wurzeln geschlagen</em> hatte – bis sie ihm die <em class="gesperrt">Unterlage</em> -für Börsenspekulationen <em class="gesperrt">eröffnet</em> hatten – wer nicht <em class="gesperrt">mit der -Herde läuft</em>, muß sich hüten, daß er nicht <em class="gesperrt">scheitere</em> usw.<a id="FNAnker_138" href="#Fussnote_138" class="fnanchor">[138]</a></p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Vermengung_zweier_Konstruktionen">Vermengung zweier Konstruktionen</h3> - -</div> - -<p>Wie zwei verschiedne Bilder, so werden oft auch zwei verschiedne -Konstruktionen miteinander vermengt. Da<span class="pagenum" id="Seite_296">[S. 296]</span> wird z. B. die erste Person -mit der dritten vermengt und geschrieben: die Verlobung <em class="gesperrt">unsrer</em> -Tochter (statt: <em class="gesperrt">ihrer</em> Tochter!) beehren sich anzuzeigen – -um Rückgabe der von <em class="gesperrt">mir</em> (statt: von <em class="gesperrt">ihm</em>!) entliehenen -Biergläser bittet – <em class="gesperrt">meiner</em> Mutter (statt: <em class="gesperrt">ihrer</em> -Mutter!) gewidmet von der Verfasserin. Oder es wird an <em class="gesperrt">hoffen</em> -ein Nebensatz angeschlossen, als ob <em class="gesperrt">wünschen</em> vorherginge: -ich <em class="gesperrt">hoffe</em> sehr, daß ich das nie wieder erleben <em class="gesperrt">möge</em> -(<em class="gesperrt">erlebe</em>!) – wir <em class="gesperrt">hoffen</em>, daß dergleichen nicht wieder -vorkommen <em class="gesperrt">möge</em> (<em class="gesperrt">werde</em>!) – ich übergebe diese Arbeit -der Öffentlichkeit in der <em class="gesperrt">Hoffnung</em>, daß sie dazu beitragen -<em class="gesperrt">möge</em> (beitragen <em class="gesperrt">werde</em>!) – er <em class="gesperrt">hoffe</em>, daß andre -Forscher glücklicher operieren <em class="gesperrt">möchten</em> (<em class="gesperrt">würden</em>!). Es -wird <em class="gesperrt">weil</em> geschrieben, wo es <em class="gesperrt">daß</em> heißen muß: er hat -seinen Namen <em class="gesperrt">davon, weil</em> er – die fürstliche Ehe war dem Volke -besonders <em class="gesperrt">dadurch</em> teuer, <em class="gesperrt">weil</em> ihr eine reiche Zahl -von Prinzen entsprossen war; dagegen <em class="gesperrt">daß</em>, wo es <em class="gesperrt">als</em> -heißen muß: Thomsen ist nur <em class="gesperrt">insofern</em> original, <em class="gesperrt">daß</em> -er die Grundrente als unrechtmäßige Abzahlung betrachtet – meinem -Arbeitsfelde liegen diese Untersuchungen nur <em class="gesperrt">insofern</em> nahe, -<em class="gesperrt">daß</em> ich daraus belehrt worden bin usw. Oder es wird geschrieben: -da manche Erörterung die Untersuchung <em class="gesperrt">eher</em> erschwert, -<em class="gesperrt">statt</em> sie zu vereinfachen – wo entweder das <em class="gesperrt">eher</em> -wegfallen, oder fortgefahren werden muß: <em class="gesperrt">als daß</em> sie sie -vereinfachte.</p> - -<p>Sehr häufig ist der Fehler, daß man auf das Adverbium <em class="gesperrt">so</em> einen -Infinitiv mit <em class="gesperrt">um zu</em> folgen läßt statt eines Folgesatzes mit -<em class="gesperrt">daß</em>, z. B.: Aristoteles sagt, daß eine Stadt <em class="gesperrt">so</em> gebaut -sein müsse, <em class="gesperrt">um</em> die Menschen zugleich sicher und glücklich -<em class="gesperrt">zu</em> machen – behauptet jemand, daß der Zucker <em class="gesperrt">so</em> belastet -sei, <em class="gesperrt">um</em> weitere Lasten nicht <em class="gesperrt">zu</em> ertragen – er hatte -gerade noch <em class="gesperrt">so</em> viel Zeit, <em class="gesperrt">um</em> sich in das Dickicht -<em class="gesperrt">zu</em> schleichen – die Verhältnisse haben sich <em class="gesperrt">so</em> weit -geordnet, <em class="gesperrt">um</em> der Nation eine andre Haltung <em class="gesperrt">zu</em> ermöglichen -– dieses Licht läßt uns gerade <em class="gesperrt">so</em> viel sehen, <em class="gesperrt">um</em> dem -Ewigen und Rätselhaften seine Launen ab<em class="gesperrt">zu</em>lauschen – wenn man -nur <em class="gesperrt">so</em> viel Freiheit des Geistes hat, <em class="gesperrt">um</em> sich über die -Macht der Gewohnheit empor<em class="gesperrt">zu</em>schwingen – die Realien waren noch -nicht <em class="gesperrt">so</em> weit in sich gefestigt, <em class="gesperrt">um</em> als Bildungsmittel<span class="pagenum" id="Seite_297">[S. 297]</span> -Verwendung <em class="gesperrt">zu</em> finden – wir müssen das Reinlichkeitsbedürfnis -in uns <em class="gesperrt">so</em> entwickeln, <em class="gesperrt">um</em> schmutzige Literatur -fern<em class="gesperrt">zu</em>halten – <em class="gesperrt">so</em> einfach sind denn doch diese Fragen -nicht, <em class="gesperrt">um</em> sie spielend mit einem Worte <em class="gesperrt">zu</em> erledigen -– die Herren sind nicht <em class="gesperrt">so</em> dumm, <em class="gesperrt">um</em> auf diesen Leim -<em class="gesperrt">zu</em> gehen. In einigen der angeführten Beispiele mag wohl das -Bestreben, nicht zwei Nebensätze hintereinander – einen Objektsatz -und einen Folgesatz – mit <em class="gesperrt">daß</em> anzufangen (für manche Leute ein -entsetzlicher Gedanke!), zu dem Fehler verleitet haben. Dem läßt sich -aber doch leicht dadurch aus dem Wege gehen, daß man den Objektsatz -ohne <em class="gesperrt">daß</em> bildet: behauptet jemand, der Zucker sei <em class="gesperrt">so</em> -belastet, <em class="gesperrt">daß</em> er usw.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Falsche_Wortstellung">Falsche Wortstellung</h3> - -</div> - -<p>Ein völlig vernachlässigtes Kapitel der deutschen Grammatik ist die -Lehre von der Wortstellung. Die meisten haben kaum eine Ahnung davon, -daß es Gesetze für die Wortstellung in unsrer Sprache gibt. Gewöhnlich -besteht die gesamte Weisheit, die dem Schüler oder dem Ausländer, -der Deutsch lernen möchte, eingeflößt wird, in der Regel, daß in -Nebensätzen das Zeitwort am Ende, in Hauptsätzen in der Mitte zu stehen -pflege; im übrigen, meint man, herrsche in unsrer Wortstellung die -„größte Freiheit“.</p> - -<p>Ein Glück, daß das natürliche Sprachgefühl noch immer so lebendig ist, -daß die Gesetze der Wortstellung, wie sie sich teils aus dem Sinne, -teils aus rhythmischem Bedürfnis, teils aus der Art der Darstellung -(schlichte Prosa, Dichtersprache oder Rednersprache) ergeben, trotz -der angeblichen „Freiheit“ im allgemeinen richtig beobachtet werden. -Dennoch gibt es auch eine Reihe von argen Verstößen dagegen, die -sehr verbreitet und beliebt sind. Auf Abgeschmacktheiten, wie die -des niedrigen Geschäftsstils, bei Preisangaben von <em class="gesperrt">Mark 50</em> zu -reden, statt, wie jeder vernünftige Mensch sagt, von <em class="gesperrt">50 Mark</em>, -oder auf Briefadressen zu schreiben, wie man es neuerdings, natürlich -wieder die Engländer nachäffend, tut: <em class="gesperrt">20 Königsstraße Leipzig</em>, -statt, wie jeder vernünftige Mensch sagt: <em class="gesperrt">Leipzig, Königsstraße -20</em>, soll dabei<span class="pagenum" id="Seite_298">[S. 298]</span> gar nicht geachtet werden; ebensowenig auf die -Ziererei mancher Schriftsteller, in schlichter Prosa einen Genitiv -immer vor das Hauptwort zu stellen, von dem er abhängt.<a id="FNAnker_139" href="#Fussnote_139" class="fnanchor">[139]</a> Auch der -häßliche Latinismus, den manche so lieben: <em class="gesperrt">Goethe, nachdem er</em> -(vgl. <span class="antiqua">Caesar, cum</span>), soll nur beiläufig erwähnt werden. Ein -Nebensatz, der mit einem Fügewort anfängt, und ein Infinitivsatz können -in einen Hauptsatz nur dann eingeschoben werden, wenn das Zeitwort des -Hauptsatzes bereits ausgesprochen ist. Eine Wortstellung wie in dem -Fibelverse: <em class="gesperrt">die Gans, wenn sie</em> gebraten ist, wird mit der Gabel -angespießt, oder: <em class="gesperrt">dem Hunde, wenn</em> er gut gezogen, ist auch ein -weiser Mann gewogen – ist wohl dem Dichter erlaubt, aber in Prosa sind -Satzgefüge wie folgende undeutsch: <em class="gesperrt">die Pflanzen, um zu gedeihen</em>, -bedürfen des wärmenden Sonnenlichts – die <em class="gesperrt">katholische Kirche, wie -sie</em> sich gern der Siebenzahl freut, zählt auch sieben Werke der -Barmherzigkeit – alle <em class="gesperrt">andern Parteien, wenn sie</em> im übrigen noch -so bedenkliche Grundsätze haben, erkennen doch den Staat als notwendig -an – der <em class="gesperrt">Verband der Sattler, obwohl</em> er erst ein Jahr besteht, -umfaßt bereits 37 Vereine. Entweder muß es heißen: der Verband der -Sattler <em class="gesperrt">umfaßt, obwohl er</em> – oder der Nebensatz muß mit dem -Hauptworte vorangestellt werden: <em class="gesperrt">obwohl der Verband</em> der Sattler -usw., <em class="gesperrt">so umfaßt er doch</em>. Auch der Fehler, der in Satzgefügen -wie folgenden liegt: um die Reisekosten, die er auf andre Weise nicht -beschaffen konnte, <em class="gesperrt">aufzutreiben</em> – auf einem der schönsten -Plätze der Welt, der zugleich ein Hauptkreuzungspunkt städtischen und -vorstädtischen Verkehrs ist, <em class="gesperrt">gelegen</em> – M. ist nun auch unter -die Novellisten, wohl mehr der Mode folgend als dem innern Drange, -<em class="gesperrt">gegangen</em> – mir liegt das Stammbuch eines Holsteiners, der um -1750 in Helmstedt studierte, <em class="gesperrt">vor</em> – sieht man von der kurzen -Würdigung, die Waldberg 1889 in der Allgemeinen Deutschen Biographie -gegeben hat, <em class="gesperrt">ab</em> – am Neumarkte rissen gestern zwei vor einen<span class="pagenum" id="Seite_299">[S. 299]</span> -Korbwagen gespannte Pferde eine Frau, die auf der Straße stand und -sich mit einer andern Frau unterhielt, <em class="gesperrt">um</em> – der Redner brach, -da die Zeit inzwischen längst die zulässige Frist von zehn Minuten -überschritten hatte und noch ein andrer Redner zu Worte kommen wollte, -auf die Aufforderung des Vorsitzenden, mit der Bemerkung, daß er noch -viel zu sagen habe, <em class="gesperrt">ab</em> – auch dieser Fehler soll hier nur -gestreift werden. Die Fälle brauchen nicht immer so lächerlich zu -sein wie der letzte; ein eingeschobnes Satzglied muß zusammen mit dem -Gliede, in das es eingeschoben wird, immer folgende Gestalt ergeben, -wenn die Verbindung angenehm wirken soll:</p> - -<p class="center">[————[————]————]</p> - -<p class="p0">Sehen sie zusammen so aus:</p> - -<p class="center">[———————[————]—]</p> - -<p class="p0">so ist der Bau verfehlt, und es ist dann besser, die Einschiebung -lieber ganz zu unterlassen, die Glieder so zu ordnen:</p> - -<p class="center">[——————] [——————]</p> - -<p class="p0">und zu schreiben: M. ist nun auch unter die Novellisten gegangen, wohl -mehr der Mode folgend als dem innern Drange.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Die_alte_gute_Zeit">Die alte gute Zeit oder die gute alte Zeit?</h3> - -</div> - -<p>Ein Verstoß gegen die Gesetze der Wortstellung, der sehr oft -vorkommt und nicht gerade von scharfem Denken zeugt, ist der, daß -zwei Adjektiva (oder ein Adjektiv und ein Partizip oder Zahlwort) in -verkehrter Reihenfolge zu einem Substantiv gesetzt werden, z. B.: ein -<em class="gesperrt">sächsischer junger</em> Leutnant – die <em class="gesperrt">ausländische gesamte</em> -Medizin – <em class="gesperrt">westfälische mittelalterliche</em> Volkslieder – -man schöpfte mit <em class="gesperrt">hölzernen großen</em> Kannen – wenn die Sonne -schien, wurden die <em class="gesperrt">seidnen verblaßten</em> Vorhänge zugezogen -– da wollte auf dem Boden des Handwerks nicht einmal mehr das -<em class="gesperrt">tägliche kärgliche</em> Brot wachsen – die Turnübungen finden in -der <em class="gesperrt">städtischen geräumigen</em> Turnhalle statt – die Bestrebungen, -den Arbeiterfamilien <em class="gesperrt">eigne behagliche</em><span class="pagenum" id="Seite_300">[S. 300]</span> Wohnungen zu schaffen – -die Bildung <em class="gesperrt">künftiger maßgebender</em> Staatsbeamten – in Zeiten -<em class="gesperrt">wirtschaftlicher</em> schroff aufeinander <em class="gesperrt">stoßender</em> Gegensätze -– eine <em class="gesperrt">chronische</em> mit Geduld <em class="gesperrt">ertragne</em> Krankheit – ein -<em class="gesperrt">sittlicher angeborner</em> Defekt usw. In allen diesen Fällen ist das -Eigenschaftswort, das unmittelbar vor dem Hauptworte stehen müßte, weil -es mit diesem zusammen <em class="gesperrt">einen</em> Begriff bildet, durch ein zweites -Eigenschaftswort, das dem Schreibenden nachträglich noch eingefallen -ist, von dem Hauptworte getrennt; soll die Darstellung logisch richtig -werden, so müssen die beiden Eigenschaftswörter überall ihre Plätze -wechseln. Das ärgste dieser Art ist die <em class="gesperrt">alte gute Zeit</em>, der -<em class="gesperrt">alte gute Taler</em>, wie man jetzt auch zu schreiben anfängt. Die -<em class="gesperrt">alte Zeit</em> ist <em class="gesperrt">ein</em> Begriff (die Vergangenheit); tritt -zu diesem Begriff das Eigenschaftswort <em class="gesperrt">gut</em>, so darf er nicht -zerrissen werden, sondern es muß heißen: die <em class="gesperrt">gute alte Zeit</em>. -Man muß sich also immer klarmachen, welches von den beiden Adjektiven -das wesentliche ist; dies gehört dann unmittelbar vor das Hauptwort. -Bezeichnet eins der beiden Adjektiva einen Stoff (<em class="gesperrt">hölzern</em>, -<em class="gesperrt">seiden</em>) oder die Herkunft (<em class="gesperrt">sächsisch</em>, <em class="gesperrt">ausländisch</em>, -<em class="gesperrt">westfälisch</em>), so gehört dieses in der Regel unmittelbar vor -das Hauptwort: <em class="gesperrt">mit großen hölzernen</em> Kannen, ein <em class="gesperrt">junger -sächsischer Leutnant</em>. Natürlich ist es auch möglich, daß das -andre Adjektiv mit dem Substantiv zusammen einen Begriff bildet -oder wenigstens – bilden soll; dann muß die Ortsbezeichnung von -dem Hauptwort entfernt werden, z. B.: <em class="gesperrt">Leipziger elektrische</em> -Straßenbahn – <em class="gesperrt">Münchner neueste</em> Nachrichten – <em class="gesperrt">englische -historische</em> Romane – die <em class="gesperrt">sächsische zweite</em> Kammer – -die <em class="gesperrt">Straßburger katholische</em> Fakultät – seine <em class="gesperrt">Nürnberger -gelehrten</em> Freunde usw. Sage ich: der <em class="gesperrt">höchste Leipziger</em> -Turm, so stelle ich mir alle Leipziger Türme vor und greife dann den -höchsten heraus; bei den <em class="gesperrt">Leipziger neuesten</em> Nachrichten dagegen -soll ich mir alle Zeitungen vorstellen, die Neueste Nachrichten heißen, -und soll dann die Leipziger herausgreifen. So ist auch der <em class="gesperrt">letzte -schwere</em> Tag der letzte einer Reihe von schweren Tagen,<span class="pagenum" id="Seite_301">[S. 301]</span> z. B. einer -Examenwoche, dagegen der <em class="gesperrt">schwere letzte</em> Tag der Todestag.</p> - -<p>Grundfalsch ist also auch, was man fast in allen antiquarischen -Bücherverzeichnissen lesen muß: <em class="gesperrt">erste seltne</em> Ausgabe. Es klingt -das, als ob es von dem Buche mehrere seltne Ausgaben gäbe, und die -jetzt verkäufliche die erste davon wäre. Die Antiquare wollen aber -sagen, es sei überhaupt die erste Ausgabe, die Originalausgabe, die -<span class="antiqua">editio princeps</span>, und diese sei selten. Das kann nur heißen: -<em class="gesperrt">seltne erste Ausgabe</em>. Anders verhält sichs mit der <em class="gesperrt">zweiten, -verbesserten</em> Ausgabe. Hier ist <em class="gesperrt">verbessert</em> ein nachträglicher -Zusatz, wie schon das Komma zeigt, das hier nicht fehlen darf, aber auf -Büchertiteln leider sehr oft fehlt; der Sinn ist: <em class="gesperrt">zweite</em>, (und -zwar) <em class="gesperrt">verbesserte</em> Auflage. Läßt man das Komma weg, so erweckt -das die Vorstellung, als ob schon eine <em class="gesperrt">erste verbesserte</em> Auflage -vorhergegangen, die vorliegende also im ganzen die dritte wäre. Manchem -wird das als unnötige Diftelei erscheinen, es handelt sich aber um -einen ganz groben, handgreiflichen Unterschied.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Hoehenkurort_fuer_Nervenschwache_ersten_Ranges">Höhenkurort für -Nervenschwache ersten Ranges</h3> - -</div> - -<p>Mit großer Schnelligkeit, bazillusartig, wie immer, hat sich seit -einiger Zeit ein Fehler in der Wortstellung verbreitet, der noch -vor fünfzig Jahren ganz undenkbar gewesen wäre, der Fehler, der in -Verbindungen liegt, wie den folgenden: <em class="gesperrt">der Direktor Hittenkofer -des Technikums zu Strelitz</em> – <em class="gesperrt">das Töchterchen Alice des -Herrn Hofhotelier Baumann</em> – <em class="gesperrt">die Sektion Sterzing des -österreichischen Touristenklubs</em>. Hier sind zwei Konstruktionen -in- und durcheinandergeschoben. Richtig ist es, zu sagen: <em class="gesperrt">der -Direktor Hittenkofer</em>; hier ist der Name <em class="gesperrt">Hittenkofer</em> das -Hauptwort, und <em class="gesperrt">der Direktor</em> eine Apposition dazu. Richtig ist -es auch, zu sagen: <em class="gesperrt">der Direktor des Technikums</em>; hier ist <em class="gesperrt">der -Direktor</em> das Hauptwort, und <em class="gesperrt">des Technikums</em> ein Attribut -dazu. Aber falsch ist es, beide Konstruktionen so miteinander zu -verbinden, wie es in den angeführten Beispielen geschehen ist; denn<span class="pagenum" id="Seite_302">[S. 302]</span> -dann ist <em class="gesperrt">Hittenkofer</em> das Hauptwort zu der Apposition <em class="gesperrt">der -Direktor</em>, und gleichzeitig der <em class="gesperrt">Direktor</em> das Hauptwort zu -dem Attribut <em class="gesperrt">des Technikums</em>. Will man beide Konstruktionen -verbinden, so kann es nur heißen: <em class="gesperrt">der Direktor des Technikums zu -Strelitz Hittenkofer</em>. Dann ist <em class="gesperrt">Hittenkofer</em> das Hauptwort, -<em class="gesperrt">der Direktor</em> die Apposition dazu, und <em class="gesperrt">des Technikums</em> das -Attribut zur Apposition. Wer ein wenig Sprachgefühl hat, für den wird -es dieser langen Auseinandersetzung gar nicht bedurft haben. Man denke -sich, daß jemand sagen wollte: <em class="gesperrt">die Ballade Erlkönig Goethes</em> – -<em class="gesperrt">der Doktor Meurer der Medizin</em> – <em class="gesperrt">der Minister von Dallwitz -des Innern</em> – <em class="gesperrt">der Begründer Ritter der wissenschaftlichen -Erdkunde</em> – <em class="gesperrt">das Mitglied Eugen Richter des Reichstags</em> – -jeder würde das für lächerlich und ganz unmöglich halten, und doch -wären das ganz ähnliche Verbindungen.<a id="FNAnker_140" href="#Fussnote_140" class="fnanchor">[140]</a></p> - -<p>Wer sich den logischen Verstoß, der in solchen Ineinanderschiebungen -liegt, nicht klarmachen kann, der müßte doch wenigstens stutzig werden, -wenn er den abhängigen Genitiv, der sonst immer unmittelbar auf das -Wort folgt, von dem er abhängt, hier durch ein dazwischengeschobnes -Wort davon getrennt sieht! Es wird aber niemand stutzig; man -schreibt ruhig: <em class="gesperrt">der Redakteur</em> Küchling des Leipziger -<em class="gesperrt">Tageblatts</em>, <em class="gesperrt">der Direktorialassistent</em> Prof. Vogel -des städtischen <em class="gesperrt">Museums</em>, der <em class="gesperrt">Sekondeleutnant</em> von -Guttenberg <em class="gesperrt">des Infanterieleibregiments</em>, <em class="gesperrt">der Prokurist</em> -Hermann Becker <em class="gesperrt">der Firma</em> Schimmel und Ko., <em class="gesperrt">der Insasse</em> -Körner <em class="gesperrt">des</em> hiesigen <em class="gesperrt">Arbeitshauses</em>, <em class="gesperrt">der Mönch</em> -Bernardus <em class="gesperrt">des Klosters</em> St. Stephan, <em class="gesperrt">der Roman</em>anfang -„Waldrauschen“ der <em class="gesperrt">Gartenlaube</em>, <em class="gesperrt">das Segelboot</em> Undine -<em class="gesperrt">des Prinzen</em> Demidoff, <em class="gesperrt">der Passagierdampfer</em> Großer -Kurfürst <em class="gesperrt">des Norddeutschen Lloyd</em>, <em class="gesperrt">das Pferd</em> Lippspringe -<em class="gesperrt">des Freiherrn</em> von Reitzenstein, <em class="gesperrt">die Komödie</em> Hans Pfriem -<em class="gesperrt">des Martin Hayneccius</em>,<span class="pagenum" id="Seite_303">[S. 303]</span> <em class="gesperrt">die Marmorbüste</em> Die Verdammnis -<em class="gesperrt">des</em> kurfürstl. sächs. <em class="gesperrt">Hofbildhauers</em> Permoser, <em class="gesperrt">der -Bezirksverband</em> Sachsen <em class="gesperrt">des deutschen Schmiedeverbandes</em>, -<em class="gesperrt">die Ortsgruppe</em> Zeitz <em class="gesperrt">des</em> Allgemeinen deutschen -<em class="gesperrt">Schulvereins</em>, <em class="gesperrt">der Zweigverein</em> Berlin-Charlottenburg -<em class="gesperrt">des</em> Allgemeinen deutschen <em class="gesperrt">Sprachvereins</em> (!), <em class="gesperrt">die -Haltestelle</em> Zwischenbrücken <em class="gesperrt">der</em> Plagwitzer <em class="gesperrt">Eisenbahn</em>, -<em class="gesperrt">die Strecke</em> Faido-Lavorgo <em class="gesperrt">der Gotthardbahn</em> und (das -Neueste!): <em class="gesperrt">die Königin</em> Wilhelmine <em class="gesperrt">der Niederlande</em>, <em class="gesperrt">der -Prinz</em> Heinrich <em class="gesperrt">der Niederlande</em> und <em class="gesperrt">die Königin-Mutter</em> -Emma <em class="gesperrt">der Niederlande</em>. Und die angeführten Beispiele zeigen, daß -der Fehler keineswegs bloß in Zeitungen grassiert, sondern auch in -wissenschaftlichen Werken spukt.</p> - -<p>Unleugbar hat der Fehler etwas bequemes, und das Bestreben, ihn -zu vermeiden, manchmal etwas unbequemes. Aber wird er dadurch -erträglicher? Wem es nicht gefällt, zu sagen: <em class="gesperrt">die Ortsgruppe des -Allgemeinen deutschen Schulvereins Zeitz</em> (natürlich ist das -häßlich, aber doch nicht wegen der Wortstellung, sondern weil einer -„Ortsgruppe“ frischweg ein Städtename beigelegt wird), der sage doch: -<em class="gesperrt">die Zeitzer Ortsgruppe</em> des Allgemeinen deutschen Schulvereins. -Das ist deutsch.</p> - -<p>Streng genommen ist es natürlich auch falsch, zu sagen: <em class="gesperrt">der -Wetterbericht</em> Nr. 200 <em class="gesperrt">des Meteorologischen Instituts</em>. -Hier drängt sich <em class="gesperrt">Nr. 200</em> eben so störend zwischen die beiden -untrennbaren Glieder wie in den vorher angeführten Beispielen -die Eigennamen; deutsch wäre: <em class="gesperrt">der 200. Wetterbericht des -Meteorologischen Instituts</em>. Ganz falsch ist: eine <em class="gesperrt">Stiftung</em> -von 7000 Mark <em class="gesperrt">des Landgerichtsrat</em> N. – eine <em class="gesperrt">Handschrift</em> -von 240 Blatt <em class="gesperrt">der Münchner Hof- und Staatsbibliothek</em> – <em class="gesperrt">die -Abteilung</em> für Kriegsgeschichte <em class="gesperrt">des Großen Generalstabs</em> -– <em class="gesperrt">die Adreßbücher</em> für 1906 <em class="gesperrt">der Städte Berlin, Bremen -und Breslau</em> – <em class="gesperrt">der Oberarzt</em> für Hautkrankheiten <em class="gesperrt">des -städtischen Krankenhauses</em> – <em class="gesperrt">Höhenkurort</em> für Nervenschwache -<em class="gesperrt">ersten Ranges</em> – <em class="gesperrt">Friseurgeschäft</em> für Herren und Damen -<em class="gesperrt">ersten Ranges</em> – <em class="gesperrt">der Entwurf</em><span class="pagenum" id="Seite_304">[S. 304]</span> zu einem Brunnen -<em class="gesperrt">des Herrn Werner Stein</em> – <em class="gesperrt">das Promemoria</em> an die -kurfürstliche Bücherkommission <em class="gesperrt">des Professors Ernesti</em> – -<em class="gesperrt">der Mangel</em> an Selbstbewußtsein und Selbständigkeit <em class="gesperrt">der -deutschen Mädchen</em> – eine öffentliche <em class="gesperrt">Vorlesung</em> gegen -Entree <em class="gesperrt">der</em> am beifälligsten begrüßten <em class="gesperrt">Produktionen</em> – -ein großes <em class="gesperrt">Konzert</em> mit darauffolgendem Ball <em class="gesperrt">der</em> ganzen -<em class="gesperrt">Kapelle</em> des Füsilierregiments Nr. 36 usw. Auch hier sind -überall zwei Konstruktionen, und zwar beidemal ein Hauptwort mit -Attribut (z. B. <em class="gesperrt">der Oberarzt des städtischen Krankenhauses</em> -und der <em class="gesperrt">Oberarzt für Hautkrankheiten</em>), in unerträglicher -Weise ineinander geschoben, unerträglich deshalb, weil dadurch -der Genitiv von dem Worte weggerissen ist, zu dem er gehört. -Freilich läßt sich auch in solchen Fällen nicht immer durch bloße -Umstellung helfen. Schreibt man: <em class="gesperrt">der Oberarzt des städtischen -Krankenhauses für Hautkrankheiten</em>, so ist zwar die unsinnige -Verbindung: <em class="gesperrt">Hautkrankheiten des städtischen Krankenhauses</em> -beseitigt; aber dafür wird nun das Mißverständnis möglich, daß es -ein besondres Krankenhaus für Hautkrankheiten gebe. In solchen -Fällen bleibt nichts übrig, als ein Partizip zu Hilfe zu nehmen und -zu schreiben: der an dem städtischen Krankenhaus <em class="gesperrt">angestellte</em> -Oberarzt für Hautkrankheiten. Solche Partizipia werden so oft ganz -überflüssigerweise hinzugesetzt (vgl. <a href="#Seite_291">S. 291</a>), daß man auch einmal eins -hinzusetzen kann, wo es notwendig ist.</p> - -<p>Besonders schlimm sind aber nun drei Verstöße gegen die Gesetze der -Wortstellung, die zum Teil schon seit alter Zeit, zum Teil auch erst in -neuerer Zeit für besondre Feinheiten und Schönheiten gehalten werden -und deshalb nicht eindringlich genug bekämpft werden können. Der erste -ist:</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Die_sogenannte_Inversion_nach_und">Die sogenannte Inversion nach und</h3> - -</div> - -<p>Als Inversion (Umkehrung, Umstellung) bezeichnet man es in der -deutschen Grammatik, wenn in Hauptsätzen das Prädikat vor das Subjekt -gestellt wird. Mit Inversion werden alle direkten Fragesätze gebildet, -aber auch Bedingungssätze, wenn sie kein Fügewort haben<span class="pagenum" id="Seite_305">[S. 305]</span> (<em class="gesperrt">hätte -ich dich</em> gesehen), und Wunsch- und Aufforderungssätze. Aber auch -Aussagesätze müssen die Inversion haben, sobald sie mit dem Objekt, mit -einem Adverbium oder einer adverbialen Bestimmung anfangen; es heißt: -<em class="gesperrt">den Vater haben wir</em> – <em class="gesperrt">dem Himmel haben wir</em> – <em class="gesperrt">gestern -haben wir</em> – <em class="gesperrt">dort haben wir</em> – <em class="gesperrt">schon oft haben wir</em> -– <em class="gesperrt">aus diesem Grunde haben wir</em> – <em class="gesperrt">trotzdem haben wir</em> – -<em class="gesperrt">zwar haben wir</em> – <em class="gesperrt">freilich haben wir</em> – <em class="gesperrt">auch haben -wir</em> usw., nicht (wie im Französischen und im Englischen) <em class="gesperrt">gestern -wir haben</em>. Ebenso ist die Inversion in Aussagesätzen am Platze -bei dem begründenden <em class="gesperrt">doch</em>: <em class="gesperrt">habe ich es doch</em> selber mit -angesehen! Dagegen ist die Inversion völlig ausgeschlossen hinter -Bindewörtern; es heißt: <em class="gesperrt">oder wir haben</em>, <em class="gesperrt">aber wir haben</em>, -<em class="gesperrt">sondern wir haben</em>, <em class="gesperrt">denn wir haben</em>. Nur hinter <em class="gesperrt">und</em>, -das doch unzweifelhaft ein Bindewort ist, halten es viele nicht bloß -für möglich, sondern sogar für eine besondre Schönheit, die Inversion -anzubringen und zu schreiben: <em class="gesperrt">und haben wir</em>. Der Amtsstil, der -Zeitungsstil, der Geschäftsstil, sie wimmeln von solchen Inversionen -nach <em class="gesperrt">und</em>, viele halten sie für einen solchen Schmuck der Rede, -daß sie selbst da, wo zwei Aussagesätze dasselbe Subjekt haben, es also -genügte, zu sagen: die erste <em class="gesperrt">Lieferung</em> ist soeben <em class="gesperrt">erschienen -und liegt</em> in allen Buchhandlungen zur Ansicht aus – nur um die -Inversion anbringen zu können (!), das Subjekt wiederholen, und -zwar in der Gestalt des schönen <em class="gesperrt">derselbe</em>, und schreiben: die -erste Lieferung ist soeben erschienen, <em class="gesperrt">und liegt dieselbe</em> in -allen Buchhandlungen zur Ansicht aus – die <em class="gesperrt">Fluchtlinie</em> und -das <em class="gesperrt">Straßenniveau werden</em> vom Rate <em class="gesperrt">vorgeschrieben, und sind -dieselben</em> dieser Vorschrift entsprechend auszuführen. Bedarf es -noch weiterer Beispiele? Wohl nicht. Sie stehen dutzendweise in jeder -Zeitung. Der Beginn der Vorstellung ist auf sechs Uhr festgesetzt, -<em class="gesperrt">und wollen wir</em> nicht unterlassen, darauf aufmerksam zu machen -– der Verein hat sich in diesem Jahre außerordentlich günstig -entwickelt, <em class="gesperrt">und finden die Bestrebungen</em> desselben allgemeine -Anerkennung – die alte Orgel war sehr baufällig geworden,<span class="pagenum" id="Seite_306">[S. 306]</span> <em class="gesperrt">und -wurde die Reparatur</em> dem Orgelbaumeister Herrn G. übertragen – -der Austernfang ist in letzter Zeit sehr ergiebig gewesen, <em class="gesperrt">und -wurden</em> am Dienstag wieder 10000 Stück in die Stadt gebracht – -sämtliche Stoffe sind von mir für Leipzig engagiert, <em class="gesperrt">und können</em> -daher <em class="gesperrt">dieselben Muster</em> nicht von andrer Seite geboten werden -– die Ruine ist in zehn Minuten zu erreichen, <em class="gesperrt">und bietet sich</em> -unterhalb derselben <em class="gesperrt">ein herrliches Panorama</em> – heute findet ein -nochmaliges Ochsenbraten statt, <em class="gesperrt">und können wir</em> den Besuch des -Restaurants nur empfehlen – anders wird gar nicht geschrieben. Prof. -X ist hier eingetroffen, <em class="gesperrt">und fand</em> – na, was fand er denn? eine -begeisterte Aufnahme? Gott bewahre! – <em class="gesperrt">und fand</em> ihm zu Ehren -<em class="gesperrt">ein Festmahl</em> statt. Es gibt aber auch Frauen und Mädchen, die -imstande sind, auf einer Postkarte zwei Inversionen anzubringen und -damit Wunder was für ein feines Briefchen gedrechselt zu haben glauben: -Nun sind die schönen Tage in Dresden bald vorüber, <em class="gesperrt">und sende ich -Ihnen</em> herzliche Grüße; mein Auftreten ist gut gelungen, <em class="gesperrt">und -freue ich mich</em> nun wieder auf unsre gemütlichen Abende usw.</p> - -<p>Einigermaßen erträglich wird die Inversion nach <em class="gesperrt">und</em>, wenn an -der Spitze des ersten Satzes eine adverbielle Bestimmung steht, die -sich zugleich auf den zweiten Satz bezieht, z. B.: <em class="gesperrt">hier</em> hört -das Rostocker Stadtrecht auf <em class="gesperrt">und fängt</em> die gesunde Vernunft -an – <em class="gesperrt">so</em> werden unsre Reichen mit Wintergemüse versorgt -<em class="gesperrt">und wird</em> die Zahl der Genußmittel um einige überflüssige -vermehrt – <em class="gesperrt">zum Glück</em> gibt es noch anständige Meister <em class="gesperrt">und -nehmen</em> die Fabriken einen großen Teil der jungen Leute auf – -<em class="gesperrt">selbstverständlich</em> gehört Freigebigkeit gegen die Priester zu -den Hauptbestandteilen der Frömmigkeit <em class="gesperrt">und ist Geiz</em> gegen sie -die größte aller Sünden – <em class="gesperrt">zur Pflege der Geselligkeit</em> fand -im Januar eine Christbescherung statt <em class="gesperrt">und wurden</em> im Laufe des -Sommers mehrere Ausflüge unternommen – <em class="gesperrt">wo Hindernisse im Wege -stehen</em> (Adverbsatz), pflegt sich die Menge innerhalb des ersten -Kreises zu halten <em class="gesperrt">und kommt</em> die Überschreitung des zweiten -nur selten vor.<span class="pagenum" id="Seite_307">[S. 307]</span> Man hat diesen Fall besonders die „Inversion nach -Spitzenbestimmung“ genannt.</p> - -<p>Auf keinem Kunstgebiete kann es ein so schlagendes Beispiel für die -Verschiedenheit des Geschmacks geben wie auf dem Gebiete der Sprache -die Inversion nach <em class="gesperrt">und</em>. Der Beamte, der Zeitungschreiber, -der Kaufmann hält sie für die größte Zierde der Rede; für den -sprachfühlenden Menschen ist sie der größte Greuel, der unsre Sprache -verunstaltet, sie geht ihm noch über <em class="gesperrt">seitens</em>, über bzw., -über <em class="gesperrt">selbstredend</em>, über <em class="gesperrt">diesbezüglich</em>, sie erregt ihm -geradezu Brechreiz. Sie ist ihm so zuwider, daß er sie auch nach der -„Spitzenbestimmung“ nicht schreibt; selbst da gibt er lieber, um jeden -Anklang an die widerwärtige Verbindung zu vermeiden, die Inversion, -die der erste Satz mit Recht hat, im zweiten auf und schreibt: -<em class="gesperrt">übrigens</em> hatte diese Ordnung nichts puritanisches an sich, -<em class="gesperrt">und das Joch</em> der Sittenzucht <em class="gesperrt">war</em> nicht übermäßig schwer -(statt: <em class="gesperrt">und war das Joch</em>).</p> - -<p>Das Widerwärtige der Inversion liegt nicht nur in dem grammatischen -Verstoß, sondern vor allem in der logischen Lüge: die Inversion sucht -den Schein engerer, ja engster Gedankenverbindung zu erwecken, und -doch haben die beiden Sätze, die so verbunden werden, inhaltlich -gewöhnlich gar nichts miteinander zu tun. Darum ist auch die Inversion -nur selten dadurch zu verbessern, daß man die beiden Hauptsätze in -Haupt- und Nebensatz verwandelt, noch seltner dadurch, daß man Subjekt -und Prädikat hinter <em class="gesperrt">und</em> in die richtige Stellung bringt, -sondern meist dadurch, daß man den Rat befolgt, den schon der junge -Leipziger Student Goethe (offenbar nach einer Vorschrift aus Gellerts -Kolleg über deutschen Stil) seiner Schwester Cornelia gab, wenn sie in -ihren Briefen Inversionen geschrieben hatte: einen Punkt zu setzen, -das <em class="gesperrt">und</em> zu streichen und mit einem großen Anfangsbuchstaben -fortzufahren.</p> - -<p>Die Inversion ist aber auch eins der merkwürdigsten Beispiele des -wunderlichen Standpunkts, den manche Sprachgelehrten zu der Frage über -Richtigkeit und Schönheit der Sprache einnehmen. Es gibt Germanisten, -die sagen: mir persönlich (!) ist die Inversion auch unsympathisch<span class="pagenum" id="Seite_308">[S. 308]</span> -(!), aber „eigentlich falsch“ kann man sie nicht nennen, denn sie -ist doch sehr alt, sie findet sich schon im Althochdeutschen, -im Mittelhochdeutschen, bei Luther, sehr oft im siebzehnten und -achtzehnten Jahrhundert, und ihre große Beliebtheit gibt ihr doch ein -gewisses Recht. Als ob eine häßliche Spracherscheinung dadurch schöner -würde, daß sie jahrhundertealt ist!<a id="FNAnker_141" href="#Fussnote_141" class="fnanchor">[141]</a> Wer hat denn zu entscheiden, -was richtig und schön sei in der Sprache: der sprachkundige, -sprachgebildete, mit feinem und lebendigem Sprachgefühl begabte -Schriftsteller, oder der Kanzlist, der Reporter und der „Konfektionär“? -Ein Schriftsteller, der die Inversion nach <em class="gesperrt">und</em> aufs strengste -vermieden hat, ist Lessing. Ich denke, der wird genügen.<a id="FNAnker_142" href="#Fussnote_142" class="fnanchor">[142]</a></p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Die_Stellung_der_persoenlichen_Fuerwoerter">Die Stellung der persönlichen -Fürwörter</h3> - -</div> - -<p>Der zweite Verstoß betrifft die Stellung der persönlichen Fürwörter. Es -handelt sich da wieder um eine Spracherscheinung, die äußerst häßlich -ist und doch allgemein für eine Schönheit gehalten wird (vgl. <a href="#Fussnote_63">S. 116 -Anm.</a>). Um die Sache deutlich zu machen, soll zunächst der häufigste und -auffälligste Fall besprochen werden.</p> - -<p>Wenn das Zeitwort eines Satzes ein Reflexivum ist, gleichviel ob das -reflexive Verhältnis den Dativ oder den Akkusativ hat (<em class="gesperrt">sich</em> -entschließen, <em class="gesperrt">sich</em> einbilden), so erscheint in der lebendigen -Sprache das reflexive Fürwort <em class="gesperrt">sich</em> stets so zeitig wie -möglich im Satze. In Nebensätzen wird es stets unmittelbar hinter -das erste Wort gestellt, hinter das Relativ, hinter das Fügewort -usw. (<em class="gesperrt">der sich</em>, <em class="gesperrt">wo sich</em>, <em class="gesperrt">wobei sich</em>, <em class="gesperrt">da -sich</em>, <em class="gesperrt">obgleich<span class="pagenum" id="Seite_309">[S. 309]</span> sich</em>, <em class="gesperrt">als sich</em>, <em class="gesperrt">daß sich</em>, -<em class="gesperrt">wenn sich</em>, <em class="gesperrt">als ob sich</em>, <em class="gesperrt">je mehr sich</em> usw.); -erst dann folgt das Subjekt des Satzes. Nur wenn das Subjekt selbst -ein persönliches Fürwort ist, geht dieses dem <em class="gesperrt">sich</em> voran -(<em class="gesperrt">da es sich</em>, <em class="gesperrt">wenn sie sich</em>, <em class="gesperrt">die er sich</em>). In -Hauptsätzen steht das <em class="gesperrt">sich</em> stets unmittelbar hinter dem Verbum -(<em class="gesperrt">hat sich</em>, <em class="gesperrt">zeigt sich</em>, <em class="gesperrt">wird sich finden</em>); in -Infinitivsätzen steht es ganz an der Spitze, mag das Verbum noch so -reich mit Objekten, adverbiellen Bestimmungen u. dgl. bekleidet sein. -Man beobachte sich selbst, man beobachte andre, wie sie reden, man wird -höchst selten einer Abweichung von diesem Gesetze begegnen.</p> - -<p>Nun vergleiche man damit, wie geschrieben wird, ganz allgemein -geschrieben wird, und sehe, wo da das <em class="gesperrt">sich</em> hingesetzt wird; -die Stelle, wo es hingehört, soll jedesmal durch Klammern bezeichnet -werden. Da heißt es in Hauptsätzen: selten <em class="gesperrt">hat</em> [] eine -Darstellung so rasch in der Literatur <em class="gesperrt">sich eingebürgert</em> – durch -die neue Ordnung <em class="gesperrt">glaubte</em> [] namentlich die Universität <em class="gesperrt">sich -verletzt</em> – diese <em class="gesperrt">hielten</em> [] ohne Erlaubnis der Regierung -in diesen Gegenden <em class="gesperrt">sich auf</em> – der heftige Seelenschmerz -<em class="gesperrt">löste</em> [] in ein krampfhaftes Schluchzen <em class="gesperrt">sich auf</em> – -eventuell (!) <em class="gesperrt">behält</em> [] der Verkäufer das Rückkaufsrecht <em class="gesperrt">sich -vor</em> – als Porträtmaler <em class="gesperrt">schließt</em> [] Hausmann unmittelbar -an Hoyer <em class="gesperrt">sich an</em>. Beim Infinitiv: nur einmal <em class="gesperrt">scheinen</em> -[] die beiden <em class="gesperrt">sich gesprochen</em> zu haben – die Photographie -<em class="gesperrt">scheint</em> [] in Rom wirklich bis an die Grenze echter Kunst -<em class="gesperrt">sich zu erheben</em> – bald <em class="gesperrt">begannen</em> [] Menschen in dem Walde -<em class="gesperrt">sich anzusammeln</em> – der Name <em class="gesperrt">dürfte</em> [] auf den ganzen -Gebirgszug <em class="gesperrt">sich beziehen</em> – man <em class="gesperrt">mußte</em> [] in entsetzlichen -Postkarren, von Ungeziefer halb verzehrt, unter Hunger und Durst, in -jene schönen Gegenden <em class="gesperrt">sich durcharbeiten</em> – es ist leicht, -[] diese Kenntnis <em class="gesperrt">sich anzueignen</em> – das Recht, [] an der -friedlichen Kulturarbeit frei <em class="gesperrt">sich zu beteiligen</em>. In Nebensätzen -endlich: die Verdienste, <em class="gesperrt">welche</em> (!) [] Eure Durchlaucht um das -deutsche Vaterland <em class="gesperrt">sich erworben haben</em> – es ist das eine der -schwierigsten Aufgaben, <em class="gesperrt">die</em> [] der menschliche Geist <em class="gesperrt">sich -stellen kann</em> – bei dieser Lage der<span class="pagenum" id="Seite_310">[S. 310]</span> Dinge, <em class="gesperrt">die</em> [] binnen -wenigen Monaten zu einer ganz unerträglichen <em class="gesperrt">sich ausbildete</em> – -der geistige Zustand, <em class="gesperrt">in dem</em> [] die deutsche Jugend in der Zeit -der französischen Invasion <em class="gesperrt">sich befand</em> – der Modegeschmack, -<em class="gesperrt">der</em> [] namentlich auf dem Gebiete des Romans so rasch <em class="gesperrt">sich -ändert</em> – die Philosophie, <em class="gesperrt">die</em> [] doch nur dem an das -Denken gewöhnten Höhergebildeten <em class="gesperrt">sich erschließt</em> – ein Mann, -<em class="gesperrt">der</em> [] bei allem Eifer für die katholische Sache doch einen -warmen Patriotismus <em class="gesperrt">sich bewahrt hatte</em> – im Militärwaisenhaus, -<em class="gesperrt">das</em> [] nach dem Willen des Königs zu einer möglichst großartigen -Anlage <em class="gesperrt">sich gestalten soll</em> – die Schlagwörter, <em class="gesperrt">mit denen</em> -[] die sozialdemokratischen Lehren <em class="gesperrt">sich zu schmücken lieben</em> – -in Fällen, <em class="gesperrt">wo</em> [] das Bedürfnis dazu <em class="gesperrt">sich herausstellt</em> -– der erste Akt versetzt uns in die Welt des Waldes, wo [] Roseggers -Phantasie am meisten <em class="gesperrt">sich heimisch fühlt</em> – in Bonn, wo [] -die ganze Rheinstraße mit ihren Denkmälern zu Exkursionen <em class="gesperrt">sich -anbietet</em> – die Verbrecher treiben allerlei Ulk, <em class="gesperrt">wobei</em> [] -ihre wahre Natur <em class="gesperrt">sich äußert</em> – die Schicksale, aus <em class="gesperrt">deren</em> -Zusammenwirken [] erst die eigenartige Entwicklung von Hoffmanns -Persönlichkeit <em class="gesperrt">sich erklären läßt</em> – unter der Bedingung, -<em class="gesperrt">daß er</em> [] auf eine bestimmte Probezeit des Wilderns <em class="gesperrt">sich -enthalte</em> – die Gegenwart beweist, <em class="gesperrt">daß</em> [] der kleine Betrieb -dem Großkapital gegenüber <em class="gesperrt">sich</em> nicht <em class="gesperrt">halten kann</em> – der -einzelne darf nicht verkennen, <em class="gesperrt">daß er</em> [] unter solchen Umständen -zu Nutz und Frommen seiner Mitmenschen eine Selbstbeschränkung <em class="gesperrt">sich -auferlegen muß</em> – <em class="gesperrt">als</em> [] fast sämtliche Klöster wieder -mit den geistlichen Orden <em class="gesperrt">sich gefüllt hatten</em> – es wird noch -geraume Zeit vergehen, <em class="gesperrt">ehe</em> [] ihr Ideal vollständig <em class="gesperrt">sich -verwirklichen kann</em> – <em class="gesperrt">seitdem</em> [] das große, für die Kultur -so folgenreiche Weltereignis der Entdeckung Amerikas durch Christoph -Kolumbus <em class="gesperrt">sich ergab</em> – die Aufhebung des Gesetzes können -wir nicht beklagen, <em class="gesperrt">da es</em> [] im Laufe der Jahre immer mehr -als unbrauchbar <em class="gesperrt">sich erwiesen hat</em> – <em class="gesperrt">da er</em> [] gerade -jetzt in der Lage <em class="gesperrt">sich befindet</em>, Zahlung leisten zu können – -<em class="gesperrt">weil er</em> [] diese Eigenschaften bis in sein hohes Alter <em class="gesperrt">sich -bewahrt hat</em> –<span class="pagenum" id="Seite_311">[S. 311]</span> <em class="gesperrt">nachdem</em> [] die ursprüngliche Bedeutung -im Sprachbewußtsein <em class="gesperrt">sich verdunkelt hatte</em> – <em class="gesperrt">nachdem</em> -[] die Wogen freundlicher und feindlicher Erregung, die das Buch -hervorrief, <em class="gesperrt">sich gelegt haben</em> – <em class="gesperrt">wenn er</em> [] zuweilen -zu religiösem Pathos <em class="gesperrt">sich erhob</em> – <em class="gesperrt">wenn</em> der Kurfürst -abreist und [] auf einen seiner Landsitze <em class="gesperrt">sich begibt</em> – ich -würde untröstlich sein, <em class="gesperrt">wenn</em> Sie [] durch mich in Ihrer alten -Ordnung <em class="gesperrt">sich stören ließen</em> – <em class="gesperrt">wenn</em> [] neuerdings die -Unternehmer und Arbeitgeber zur Wahrung ihrer gerechten Interessen -<em class="gesperrt">sich zusammenschließen</em> – die Namen der Künstler sind so -bezeichnet, <em class="gesperrt">wie</em> sie [] auf den Blättern <em class="gesperrt">sich finden</em> – -<em class="gesperrt">als ob er</em> [] die größten Verdienste um das deutsche Vaterland -<em class="gesperrt">sich erworben hätte</em> – <em class="gesperrt">je mehr</em> [] Frankreichs Stellung am -Mittelmeere <em class="gesperrt">sich behauptet</em> usw.</p> - -<p>Wir stehen da wieder vor einer Erscheinung, die recht eigentlich in -das Kapitel vom papiernen Stil gehört. Der lebendigen Sprache gänzlich -fremd, stellt sie sich immer nur da ein, wo jemand die Feder in -die Hand nimmt, aber auch da nicht sofort, sondern erst dann, wenn -er zu künsteln anfängt.<a id="FNAnker_143" href="#Fussnote_143" class="fnanchor">[143]</a> Man könnte ja nun meinen, es sei doch -unnatürlich, das reflexive Fürwort von seinem Verbum zu trennen und so -weit vor, an den Anfang des Satzes zu rücken. Aber diese Trennung ist -der Sprache offenbar etwas unwesentliches. Das wesentliche ist ihr die -enge Verbindung, die erst infolge dieser Trennung eingegangen werden -kann: die Verbindung mit dem voranstehenden andern Pronomen oder mit -dem Fügewort (<em class="gesperrt">der sich</em>, <em class="gesperrt">wenn sich</em>). Diese Verbindung -ist der lebendigen Sprache wichtiger als die mit dem<span class="pagenum" id="Seite_312">[S. 312]</span> Verbum, denn -durch sie wird der Satz wie mit eisernen Klammern umschlossen. -Wenn ich das <em class="gesperrt">sich</em> unmittelbar nach <em class="gesperrt">da</em>, <em class="gesperrt">wo</em>, -<em class="gesperrt">wenn</em>, <em class="gesperrt">seitdem</em> bringe, so erfährt der Hörer schon, daß am -Ende des Satzes ein reflexives Zeitwort folgen wird, die Hälfte des -Verbalbegriffs klingt ihm gleichsam schon im Ohre. Daß sich auf diese -Weise der Satz fester zusammenschließt als auf die andre, liegt auf -der Hand. Wenn einer mit <em class="gesperrt">wenn</em> oder <em class="gesperrt">daß</em> anfängt, und erst -nachdem er zwanzig oder dreißig Worte dazwischengeschoben hat, endlich -mit <em class="gesperrt">sich begab</em> oder <em class="gesperrt">sich befindet</em> schließt, so möchte man -immer fragen: So viel Zeit hast du gebraucht, dich auf das Zeitwort zu -besinnen? dich zu besinnen, daß du ein reflexives Verbum gebrauchen -willst?</p> - -<p>Es ist ja aber keineswegs bloß das <em class="gesperrt">sich</em>, das jetzt in dieser -Weise verstellt wird, es geschieht das mit dem rückbezüglichen Fürwort -überhaupt. Man schreibt auch: darüber gedenke ich [] später einmal -in diesen Blättern <em class="gesperrt">mich auszulassen</em> – wenn wir [] auch mit -voller Seele an der Jubelfeier <em class="gesperrt">uns beteiligen</em> – daß wir [] -in unsern nationalen Lebensformen ungehindert <em class="gesperrt">uns entwickeln</em> -können – wenn wir [] überhaupt von Gott eine Vorstellung <em class="gesperrt">uns -machen</em> wollen usw. Ja die Krankheit hat sich noch viel weiter -verbreitet, sie hat auch das ganze persönliche Fürwort ergriffen. In -der lebendigen Sprache wird das persönliche Fürwort genau so gestellt -wie das reflexive. Wie aber wird geschrieben? Das war es bloß, wozu [] -mein väterlicher Freund <em class="gesperrt">mich bewegen</em> wollte – wie willst du den -Widerspruch lösen, den [] eine verehrte Autorität <em class="gesperrt">dir aufdrängt</em>? -– als Goethe seine Reise antrat, <em class="gesperrt">war</em> [] Rom <em class="gesperrt">ihm</em> nicht -<em class="gesperrt">fremd</em> – man kann den Fortgang voraussehen, soweit [] nicht -unberechenbare äußere Störungen <em class="gesperrt">ihn hemmen</em> – die Mängel des -Gedächtnisses kommen weniger zur Geltung, wenn [] das Nachdenken <em class="gesperrt">ihm -Zeit läßt</em> – der Bischof verzichtete auf den Segen, den [] sein -Konfrater in Trier <em class="gesperrt">ihm anpries</em> – können wir einen Dichter -nennen, der [] an Mannigfaltigkeit, an beherrschender Sicherheit <em class="gesperrt">ihm -gleichkäme</em>? – er würde [] gewiß auch diesmal nicht ohne Not -<em class="gesperrt">sie warten lassen</em> – die<span class="pagenum" id="Seite_313">[S. 313]</span> Menge geht dahin, wohin [] der Zar -und die Kirche <em class="gesperrt">sie treibt</em> – sie wissen viel zu gut, was [] das -erreichte Ziel <em class="gesperrt">sie gekostet hat</em> – die Arbeiter stehen schon so -tief, daß [] ein weiterer Druck <em class="gesperrt">sie arbeitsunfähig machen würde</em> -– wenn [] die Zeit <em class="gesperrt">es erlaubt</em> – wer [] in unsern Tagen noch -<em class="gesperrt">es wagt</em> – wie [] der Drang seines Herzens <em class="gesperrt">es gebot</em> -– eine unzulängliche Einrichtung, wie [] das Duell <em class="gesperrt">es ist</em> -– abgesehen davon hatten [] die Bewohner des Hauses <em class="gesperrt">es nicht -schlecht</em> – wenn [] die Gegner des Sozialistengesetzes <em class="gesperrt">es</em> -als einen Vorteil <em class="gesperrt">preisen</em> – unter diesem Feldgeschrei hatte -man [] in den katholisch-deutschen Ländern <em class="gesperrt">es dahin gebracht</em> -– es genügt uns nicht, [] bei dieser allgemeinen Schilderung seines -Wesens <em class="gesperrt">es bewenden zu lassen</em> – wir müssen tragen, was [] unser -Geschick <em class="gesperrt">uns auferlegt</em> – die praktische Aufgabe, die [] unsre -religiöse Gefahr <em class="gesperrt">uns stellt</em> – wir halten das für die einzig -mögliche Erklärung, weil [] keine andre <em class="gesperrt">uns begreiflich ist</em> -– wenn [] sein Auge so ernst und mild <em class="gesperrt">uns anblickt</em> – wäre -er nicht das große Genie gewesen, so würde [] der Name Rembrandt -<em class="gesperrt">uns</em> unbekannt <em class="gesperrt">geblieben</em> sein – am 19. Mai <em class="gesperrt">hat</em> [] -der Tod wieder einen der hervorragendsten Künstler <em class="gesperrt">uns entrissen</em> -– nun galt es, [] mit Rat und Tat <em class="gesperrt">ihnen beizustehen</em> – sie -warfen mit lateinischen Brocken um sich, sodaß [] kein andrer in -der Gesellschaft <em class="gesperrt">ihnen zu folgen vermochte</em> – er berichtete -gewissenhaft die Geschichte, wie [] [] sein alter Schulkamerad <em class="gesperrt">sie -ihm erzählt hatte</em> – es ist das ein großes Stück Wehrkraft, -worin [] [] die Nachbarn im Osten und Westen <em class="gesperrt">es uns</em> nicht -<em class="gesperrt">gleichtun können</em>. Überall ein ängstliches, schulknabenhaftes -Voranstellen der Subjekte vor die Objekte, überall das gequälte -Aufsparen der Fürwörter bis unmittelbar vor das Zeitwort!<a id="FNAnker_144" href="#Fussnote_144" class="fnanchor">[144]</a> In -einem Roman heißt es: während<span class="pagenum" id="Seite_314">[S. 314]</span> die Stämme ihre kahlen Äste <em class="gesperrt">uns -entgegenstreckten</em>, als wollten sie mit ihren Armen <em class="gesperrt">unserer (!) -sich erwehren</em>. Das soll heißen: <em class="gesperrt">während uns</em> die Stämme ihre -kahlen Äste entgegenstreckten, als wollten <em class="gesperrt">sie sich unser</em> mit -ihren Armen erwehren! Am fürchterlichsten ist es, wenn das unbetonte -<em class="gesperrt">es</em>, vollends das proleptische, das nur einen Inhalts- oder -einen Infinitivsatz vorbereitet, und das nur dann erträglich ist, wenn -es sich so viel wie möglich versteckt und möglichst flüchtig durch -den Satz huscht – wenn das mit solchem Elefantentritt an möglichst -unpassender Stelle in den Satz hineintappt: trotz des Widerwillens des -Vaters setzte [] der Knabe unter dem Beistande der guten Mutter <em class="gesperrt">es -durch</em>, daß er usw.</p> - -<p>Möglich ist ja eine solche Stellung der Fürwörter auch, falsch ist sie -nicht, es fragt sich nur, ob sie schön sei. Wie müssen sich oft die -Fürwörter und die Wörter überhaupt in Versen herumwerfen lassen! Wie -die Kegel, wenn die Kugel dazwischenfährt. Da <em class="gesperrt">senkte sich</em> aus -der Höhe ein lichter Engel – nicht wahr, ganz gewöhnliche Prosa?</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Da <em class="gesperrt">senkte</em> aus der Höhe</div> - <div class="verse indent0">Ein lichter Engel <em class="gesperrt">sich</em> –</div> - </div> -</div> -</div> - -<p class="p0">auf einmal „Poesie“! Das hat aber doch auch seine Grenzen. Poetischer -als ein Vers wie der:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Wie <em class="gesperrt">soll</em> aus diesem Zwiespalt <em class="gesperrt">ich</em> retten <em class="gesperrt">mich</em>?</div> - </div> -</div> -</div> - -<p class="p0">klingt doch unzweifelhaft die schlichte „Prosa“: Wie <em class="gesperrt">soll ich mich -aus</em> diesem Zwiespalt retten?</p> - -<p>Von Gellerts Fabeln hat man geringschätzig gesagt, sie wären die reine -Prosa. Von dem Ausdruck trifft das gar nicht zu, der ist dazu viel zu -fein und gewählt. Wenn es sich aber darauf beziehen soll, daß ihre -Wortstellung ganz so ist, wie sie in guter Prosa sein würde, so wäre -das ja das höchste Lob! Es ist das, was Friedrich der Große mit den -Worten sagte: Er hat so etwas Coulantes in seinen Versen.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="In_fast_allen_oder_fast_in_allen">In fast allen oder fast in allen?</h3> - -</div> - -<p>Der dritte Verstoß betrifft die Stellung der Präpositionen. Durch alle -gebildeten Sprachen geht das Gesetz,<span class="pagenum" id="Seite_315">[S. 315]</span> daß die Präpositionen (<em class="gesperrt">an</em>, -<em class="gesperrt">bei</em>, <em class="gesperrt">nach</em>, <em class="gesperrt">für</em>, <em class="gesperrt">in</em>, <em class="gesperrt">vor</em>, <em class="gesperrt">mit</em> -usw.) unmittelbar vor dem Worte stehen müssen, das sie regieren. Das -ist so natürlich und selbstverständlich wie irgend etwas, es kann -gar nicht anders sein. In der griechischen Grammatik spricht man von -<span class="antiqua">Procliticae</span> (d. h. vorn angelehnten).<a id="FNAnker_145" href="#Fussnote_145" class="fnanchor">[145]</a> Man versteht darunter -gewisse einsilbige Wörtchen, die, weil sie eben einsilbig sind und für -sich allein noch nichts bedeuten, keinen eignen Ton haben, sondern -– wie durch magnetische Kraft – an das Wort gezogen werden, das -ihnen folgt. Dazu gehören auch einige einsilbige Präpositionen. Das -ist aber durchaus keine Eigentümlichkeit der griechischen Sprache, -sondern solche Wörter gibt es in allen Sprachen, auch im Deutschen, -und zu ihnen gehören auch im Deutschen die Präpositionen. Weil diese -aber solche <span class="antiqua">Procliticae</span> sind, die mit dem Worte, das von -ihnen abhängt, innig verwachsen, so ist es unnatürlich, zwischen -die Präposition und das abhängige Wort (Eigenschaftswort, Fürwort, -Zahlwort) ein Adverb zu stopfen.<a id="FNAnker_146" href="#Fussnote_146" class="fnanchor">[146]</a> Auch dieses Gesetz geht durch -alle Sprachen, denn es ist in der Natur der Präpositionen begründet.</p> - -<p>Da ist aber nun der große Logiker drüber gekommen und hat sich -überlegt: <em class="gesperrt">fast in allen Fällen</em> – das kann doch nicht richtig -sein! das <em class="gesperrt">fast</em> gehört doch nicht zu <em class="gesperrt">in</em>, es gehört ja zu -<em class="gesperrt">allen</em>! Also muß es heißen: <em class="gesperrt">in fast allen</em> Fällen. Und so -wird denn wirklich seit einiger Zeit immer häufiger geschrieben: die -<em class="gesperrt">von fast</em> allen Grammatikern gerügte Gewohnheit – es geht eine -Bewegung <em class="gesperrt">durch fast</em> sämtliche Kulturstaaten – <em class="gesperrt">mit fast</em> -gar keinen Vorkenntnissen – <em class="gesperrt">mit nur</em> echten Spitzen – das Stück -besteht <em class="gesperrt">aus nur</em> drei Szenen – wir haben es <em class="gesperrt">mit nur</em> -wenigen Lehrstunden zu tun – wir fuhren <em class="gesperrt">durch meist</em> anmutige -Gegend – die Kritik, die <em class="gesperrt">in meist</em> schlechten Händen ist – es -waren <em class="gesperrt">gegen etwa</em> vierzig Mann – mit einer Besatzung <em class="gesperrt">von -oft</em> sechs bis acht Mann – <em class="gesperrt">in bald</em> einfacherer, <em class="gesperrt">bald</em><span class="pagenum" id="Seite_316">[S. 316]</span> -prächtigerer Ausstattung – das Buch ist <em class="gesperrt">in wohl</em> sämtliche -europäische Sprachen übersetzt – andre Kritiker <em class="gesperrt">von freilich</em> -geringerer Autorität – <em class="gesperrt">nach genau</em> einem Jahrhundert – <em class="gesperrt">in -genau</em> derselben Form – <em class="gesperrt">mit genau</em> derselben Geschwindigkeit -– <em class="gesperrt">nach längstens</em> zwei Jahren – <em class="gesperrt">für wenigstens</em> -ein paar Wochen – Unterricht <em class="gesperrt">in wenigstens</em> einer zweiten -lebenden Sprache – die ordnungsliebendern Elemente sehen sich <em class="gesperrt">zu -wenigstens</em> tatsächlicher Achtung vor dem Gesetze gezwungen – -die Kosten belaufen sich <em class="gesperrt">auf mindestens</em> tausend Pfund – die -Schulden müssen <em class="gesperrt">mit mindestens</em> einem Prozent jährlich abgetragen -werden – fünf Präpositionen <em class="gesperrt">mit jedesmal</em> verschiedner Funktion -– eine Anfrage würde das <em class="gesperrt">in vielleicht</em> überraschendem Maße -bestätigen – überall ist die Technik <em class="gesperrt">auf annähernd</em> gleicher -Höhe – er wurde <em class="gesperrt">auf zunächst</em> sechs Jahre zum Stadtrat gewählt -– <em class="gesperrt">mit sozusagen</em> absolutem Maßstabe – <em class="gesperrt">mit allerdings nur</em> -geringer Hoffnung auf Erfolg – Japan war mit <em class="gesperrt">alles in allem</em> -vier Artikeln vertreten – er stand mit ihm <em class="gesperrt">in so gut wie</em> keiner -Verbindung – sie sind <em class="gesperrt">um zusammen etwa</em> vier Millionen Mark -betrogen worden; sogar: ein besondrer Anstrich <em class="gesperrt">von erst</em> Farbe -<em class="gesperrt">und dann</em> Lack wird vermieden.</p> - -<p>Es ist eine Barbarei, so zu schreiben. Man hat das Gefühl, als wollte -einem jemand in den Ellbogen oder zwischen zwei Fingerglieder einen -Holzkeil treiben, wenn man so etwas liest, ja es ist, als müßte es der -Präposition selber wehtun, wenn sie auf solche Weise von dem Worte, -mit dem sie doch zusammenwachsen möchte, abgerissen wird. Was ist eine -Logik wert, die zu solcher Unnatur führt! Man versuche es einmal, man -setze in all den angeführten Beispielen das Adverb an die richtige -Stelle, nämlich vor die Präposition: <em class="gesperrt">meist durch</em> anmutige -Gegend – <em class="gesperrt">wohl in</em> sämtliche Sprachen – <em class="gesperrt">wenigstens für</em> -ein paar Wochen – <em class="gesperrt">annähernd auf</em> gleicher Höhe – <em class="gesperrt">zunächst -auf</em> sechs Jahre usw., empfindet wohl jemand die geringste logische -Störung?<a id="FNAnker_147" href="#Fussnote_147" class="fnanchor">[147]</a></p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_317">[S. 317]</span></p> - -<p>Nur die kurzen Adverbia, die zur Steigerung der Adjektiva dienen: -<em class="gesperrt">so</em>, <em class="gesperrt">sehr</em>, <em class="gesperrt">viel</em>, <em class="gesperrt">weit</em>, stehen hinter der -Präposition: <em class="gesperrt">mit so</em> großem Erfolg – <em class="gesperrt">in sehr</em> vielen -Fällen – <em class="gesperrt">mit viel</em> geringern Mitteln – <em class="gesperrt">nach weit</em> -gründlichern Vorbereitungen. Bei allen Adverbien aber, die den -Adjektivbegriff einschränken, herabsetzen oder sonstwie bestimmen, ist -die Stellung hinter der Präposition unnatürlich.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Zwei_Praepositionen_nebeneinander">Zwei Präpositionen nebeneinander</h3> - -</div> - -<p>Doppelt häßlich wird das Wegreißen der Präposition von dem abhängigen -Worte dann, wenn das Einschiebsel nicht ein einfaches Adverb, sondern -ein Satzglied ist, das selbst wieder aus einer Präposition und einem -davon abhängigen Worte besteht; dann entsteht der Fall, daß zwei -Präpositionen unmittelbar hintereinander geraten – für jeden Menschen -von feinerm Gefühl eine der beleidigendsten Spracherscheinungen. -Und doch wird auch so jetzt fortwährend geschrieben! Da heißt es: -<em class="gesperrt">in im</em> Ratsdepositorium befindlichen Dokumenten – <em class="gesperrt">in -zur</em> Zeit nicht zu verwirklichenden Gedanken – <em class="gesperrt">durch vom</em> -Kriege unberührtes Land – <em class="gesperrt">durch von</em> beiden Teilen erwählte -Schiedsrichter – <em class="gesperrt">durch für</em> ein weiches Gemüt empfindlichen -Tadel – <em class="gesperrt">mit in</em> Tränen erstickender Stimme – <em class="gesperrt">mit vor</em> -Freude strahlendem Gesicht – <em class="gesperrt">mit vor</em> keinem Hindernis -zurückschreckender Energie – <em class="gesperrt">mit auf</em> die Wand aufgelegtem -Papier – <em class="gesperrt">mit für</em> die Umgebung störendem Geräusch – <em class="gesperrt">mit -nach</em> außen kräftigen Institutionen – <em class="gesperrt">mit über</em> die ganze -Provinz verteilten Zweigvereinen – <em class="gesperrt">mit mit</em> (!) schwarzem Krepp -umwundnen Fahnen – <em class="gesperrt">bei nach</em> fürstlichen Personen benannten -Gegenständen – das Sammeln <em class="gesperrt">von an</em> sich wertlosen Dingen – -die Frucht <em class="gesperrt">von durch</em> Jahrtausende fortgesetzten Erfahrungen – -eine große Anzahl <em class="gesperrt">von in</em> einzelnen Fächern weiter ausgebildeten -jungen Männern –<span class="pagenum" id="Seite_318">[S. 318]</span> die Schülerzahl stieg <em class="gesperrt">von über</em> zwei- gleich -<em class="gesperrt">auf über</em> sechshundert – die Falter werden <em class="gesperrt">mittelst auf -mit</em> (!) Öl begossene Teller gestellter Gläser gefangen usw. Man -kann also solche Zusammenstöße sehr leicht vermeiden, und zwar auf -die verschiedenste Weise; entweder durch einen Nebensatz: <em class="gesperrt">durch -Land, das</em> vom Kriege noch unberührt geblieben war – oder durch -einen wirklichen Genitiv statt <em class="gesperrt">von</em>: das Sammeln an sich -<em class="gesperrt">wertloser</em> Dinge – oder durch einen Ausdruck, der dasselbe -sagt wie die Präposition: <em class="gesperrt">von mehr als</em> zweihundert (statt -<em class="gesperrt">von über</em>) oder durch ein zusammengesetztes Wort: <em class="gesperrt">mit -freudestrahlendem</em> Gesicht usw. Aber alle diese Mittel werden -verschmäht, lieber versetzt man dem Leser den stilistischen Rippenstoß, -unmittelbar hinter einer Präposition noch eine zweite zu bringen!<a id="FNAnker_148" href="#Fussnote_148" class="fnanchor">[148]</a></p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Zur_Interpunktion">Zur Interpunktion</h3> - -</div> - -<p>Eine feine und schwierige Kunst ist es, gut zu interpungieren. Hier -können nur einige Winke darüber gegeben werden.</p> - -<p>Die Interpunktion verfolgt zwei verschiedne Zwecke: erstens die -Satzgliederung zu unterstützen und die Übersicht über den Satzbau -zu erleichtern, zweitens die Pausen und die Betonung der lebendigen -Sprache in der Schrift auszudrücken. Oft fallen beide Zwecke zusammen, -aber nicht immer. Wenn z. B. geschrieben wird: die Berliner Künstler -haben den französischen Bildern stets die besten Plätze eingeräumt -<em class="gesperrt">und, wenn</em> diese nicht reichten, andre Räume gemietet – oder: -wer die Tagespresse kritiklos liest <em class="gesperrt">und, ohne</em> es zu wissen -und zu wollen, die dargebotnen Anschauungen in sich aufnimmt – so -schließt sich zwar die Interpunktion genau dem Satzbau an, steht aber -in auffälligem Widerspruch zur lebendigen Sprache: niemand wird bis zu -<em class="gesperrt">und</em> (oder <em class="gesperrt">oder</em>) sprechen und hinter <em class="gesperrt">und</em> eine Pause -machen, jeder wird vor <em class="gesperrt">und</em> abbrechen. Daher empfiehlt es sich, -das Komma hier lieber vor <em class="gesperrt">und</em> zu setzen – gegen den Satzbau – -und<span class="pagenum" id="Seite_319">[S. 319]</span> zu schreiben: da die Frauen mit Vorliebe männliche Verhüllungen -wählen, <em class="gesperrt">und</em> wenn sie ihren Vornamen nicht ausschreiben, auch die -Handschrift sie nicht immer verrät – sie glaubte, <em class="gesperrt">oder</em> wie es -von ihrem Standpunkt aus wohl richtiger heißen muß, sie hoffte – daß -Dichter wie Keller und Storm, <em class="gesperrt">oder</em> um einige weniger berühmte -zu nennen, Vischer und Riehl gesund blieben – die Elemente des -Anschauungs- und Gestaltungsvermögens, <em class="gesperrt">oder</em> anders ausgedrückt, -des Einbildungs- und des Ausbildungsvermögens.<a id="FNAnker_149" href="#Fussnote_149" class="fnanchor">[149]</a></p> - -<p>Dem ersten Zwecke dienen nun vor allem die drei üblichen Zeichen: -Punkt, Semikolon (;) und Komma. Über die Bedeutung von Punkt und -Komma besteht kein Zweifel; sie werden im allgemeinen auch richtig -angewandt. Der Punkt schließt ab, das Komma gliedert; der Punkt -trennt größere oder kleinere selbständige Gedankengruppen, das Komma -scheidet die einzelnen Bestandteile dieser Gruppen, es tritt vor jeden -Nebensatz, auch vor Partizipial- und Infinitivsätze. Jeder Satz hat -nur einen Punkt; die Zahl der Kommata im Satze ist unbeschränkt. Das -Semikolon endlich ist stärker als das Komma, aber schwächer als der -Punkt. Es ist überall da am Platze, wo zwei Hauptsätze – mögen sie -nun allein stehen oder jeder wieder von einem Nebensatze begleitet -sein – einander gegenübergestellt werden, wo also der eine der beiden -Hauptsätze nur die Hälfte des Gedankens enthält und den andern zu -seiner Ergänzung verlangt, z. B.: hättest du dich an den Buchstaben -des Gesetzes gehalten, so träfe dich kein Vorwurf; da du aber -eigenmächtig vorgegangen bist, so hast du nun auch die Verantwortung -zu tragen. Das Semikolon trennt also und vereinigt zugleich, es -scheidet und verbindet. Sehr fein hat es daher David Strauß die Taille -des Satzes genannt<a id="FNAnker_150" href="#Fussnote_150" class="fnanchor">[150]</a> und auf Lessing hingewiesen als den, der den -richtigen Gebrauch davon gemacht habe. In<span class="pagenum" id="Seite_320">[S. 320]</span> der Tat ist das Semikolon -für den, der damit umzugehen weiß, eins der ausdrucksfähigsten -Interpunktionszeichen, es wird nur noch vom Kolon übertroffen. Aber wie -ungeschickt wird es oft behandelt! Besonders beliebt ist es jetzt, wenn -vor einen Hauptsatz eine größere Anzahl gleichartiger Nebensätze tritt, -z. B. drei, vier, fünf Bedingungssätze, diese alle durch Semikolon -voneinander zu trennen – eine sehr geschmacklose Anwendung. Zwischen -Haupt- und Nebensatz ist einzig und allein das Komma am Platze; folgen -mehrere gleichartige Nebensätze aufeinander, so kann hinter jedem immer -wieder nur ein Komma stehen. Wie der Punkt, so kann auch das Semikolon -in einem gut gegliederten Satze nur <em class="gesperrt">einmal</em> vorkommen; ein Satz, -der mehr als <em class="gesperrt">ein</em> Semikolon enthält, ist immer entweder schlecht -interpungiert oder schlecht gegliedert.</p> - -<p>Aber auch in dem Gebrauche des Kommas werden mancherlei Fehler -gemacht. Wenn vor ein Hauptwort mehrere Eigenschaftswörter treten, -so gilt im allgemeinen die Regel, diese Eigenschaftswörter durch -Kommata voneinander zu trennen. Manche wollen zwar neuerdings davon -nichts wissen, sie schreiben: ein <em class="gesperrt">guter treuer anhänglicher -zuverlässiger Mensch</em>; aber das verstößt gegen die Betonung der -lebendigen Sprache, die bei solchen längern Attributreihen hinter -jedem Attribut eine fühlbare kleine Pause macht, und vor allem: man -beraubt sich damit sehr notwendiger Unterscheidungen. Es ist ein großer -Unterschied, ob ich schreibe: er hatte eine <em class="gesperrt">tiefe, staatsmännische -Einsicht</em> oder: eine <em class="gesperrt">tiefe staatsmännische Einsicht</em> – -hier schließt der <em class="gesperrt">erste, historische Abschnitt</em> oder: der -<em class="gesperrt">erste historische Abschnitt</em> des Buches. Im ersten Falle stehen -die beiden Attribute parallel zueinander, das zweite erläutert das -erste: er hatte eine tiefe, (wahrhaft oder echt) staatsmännische -Einsicht – hier schließt der erste, (nämlich) historische Abschnitt -des Buches. Im zweiten Falle bildet das zweite Attribut mit dem -Hauptwort einen einzigen Begriff, sodaß tatsächlich nur <em class="gesperrt">ein</em> -Attribut übrig bleibt: er hatte staatsmännische Einsicht, und diese -war tief – das Buch hat mehrere historische Abschnitte, und hier<span class="pagenum" id="Seite_321">[S. 321]</span> -schließt der erste davon (vgl. <a href="#Seite_301">S. 301</a>). Auf solche Weise kann sogar -ein drittes Attribut wieder dem zweiten übergeordnet werden. Es darf -also kein Komma stehen in folgenden Verbindungen: ein <em class="gesperrt">starker -demokratischer Zug</em>, eine <em class="gesperrt">liebenswürdige alte Jungfer</em>, -die <em class="gesperrt">nackteste persönliche Herrschsucht</em>, das <em class="gesperrt">jahrelange -geistliche Eifern</em>, der <em class="gesperrt">unvermeidliche tragische Ausgang</em>, -nach <em class="gesperrt">überstandnem sturmvollem Leben</em>, von <em class="gesperrt">gewissen hohen -österreichischen Offizieren</em>, die <em class="gesperrt">ganze vielgepriesene englische -Kirchlichkeit</em>. Ebenso muß ohne Komma geschrieben werden: das -<em class="gesperrt">andre der klassischen Richtung angehörige Drama</em> – wenn der -betreffende Dichter mehrere der klassischen Richtung angehörige Dramen -geschrieben hat, wogegen das Komma nicht fehlen dürfte, wenn er nur -zwei Dramen geschrieben hätte, eins, das der modernen, und eins, das -der klassischen Richtung angehört.</p> - -<p>Wenn zwei Hauptsätze oder auch zwei Nebensätze durch <em class="gesperrt">und</em> -verbunden werden, so gilt im allgemeinen die verständige Regel, daß vor -<em class="gesperrt">und</em> ein Komma stehen müsse, wenn hinter <em class="gesperrt">und</em> ein neues -Subjekt folgt, dagegen das Komma wegbleiben müsse, wenn das Subjekt -dasselbe bleibt. Natürlich ist dabei unter Subjekt das grammatische -Subjekt zu verstehen, nicht das logische. Seinem Begriffe nach mag -das zweite Subjekt dasselbe sein wie das erste: sowie es grammatisch -durch ein Fürwort (<em class="gesperrt">er</em>, <em class="gesperrt">dieser</em>) erneuert wird, darf -auch das Komma nicht fehlen. Dagegen wird niemand vor <em class="gesperrt">und</em> ein -Komma setzen, wo <em class="gesperrt">und</em> nur zwei Wörter verbindet. Doch sind -Ausnahmefälle denkbar, z. B.: er welkt, <em class="gesperrt">und</em> blüht nicht mehr – -in Leipzig, wo man so viel, <em class="gesperrt">und</em> so viel gute Musik hören kann -– er war unfähig als Heerführer, <em class="gesperrt">und</em> als Mensch unbedeutend -und wenig sympathisch. Er blüht <em class="gesperrt">und</em> duftet nicht mehr – da -wäre das Komma überflüssig. In solchen Fällen tritt der zweite Zweck -der Interpunktion in seine Rechte: die Pausen und die Betonung der -lebendigen Sprache auszudrücken, selbst abweichend von dem ersten, die -Gliederung des Satzbaus zu unterstützen.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_322">[S. 322]</span></p> - -<p>Auch vor einem Infinitiv mit <em class="gesperrt">zu</em> ist es wohl allgemein üblich, -ein Komma zu setzen. Manche lassen es zwar hier jetzt weg, namentlich -wenn der Infinitiv ganz unbekleidet ist; sie halten es für überflüssig, -ein so kurzes, nur aus zwei Wörtern bestehendes Glied durch ein -besondres Zeichen abzutrennen. Es empfiehlt sich aber doch, es zu -setzen, da sonst leicht Zweifel oder Mißverständnisse entstehen können. -Wenn jemand schreibt: es ist <em class="gesperrt">schwer zu verstehen</em> – so kann -der Sinn nur sein: es ist zu verstehen, aber schwer. Wenn man aber -ausdrücken will: es bereitet Schwierigkeiten, es zu verstehen? Das kann -nur durch ein Komma deutlich gemacht werden. Man muß also unterscheiden -zwischen: <em class="gesperrt">es ist nicht gut, zu verlangen</em> und: <em class="gesperrt">es ist nicht -gut zu verlangen</em> – es war <em class="gesperrt">ein Fest, zu sehen</em> und: es -war <em class="gesperrt">ein Fest zu sehen</em>. Aber auch in Sätzen wie: er befahl -<em class="gesperrt">ihm Gläser zu bringen</em> – die ultramontane Presse <em class="gesperrt">verstand -es bald</em> allerlei Mißverständnisse <em class="gesperrt">aufzufinden</em> – entsteht -der Zweifel: wozu gehört <em class="gesperrt">ihm</em>? wozu gehört <em class="gesperrt">bald</em>? zu -<em class="gesperrt">verstehen</em> oder zu <em class="gesperrt">auffinden</em>? Ein Komma hebt sofort den -Zweifel.</p> - -<p>Nur in einem Falle ist es nicht nur überflüssig, sondern geradezu -störend, vor den Infinitiv mit <em class="gesperrt">zu</em> ein Komma zu setzen, nämlich -dann, wenn der Infinitiv ein Objekt oder ein Adverb bei sich hat, und -dieses vor dem regierenden Verbum steht, von dem der Infinitiv abhängt, -z. B.: <em class="gesperrt">diesen Gedanken</em> könnte man <em class="gesperrt">versucht sein</em>, mit -Wallenstein herzlich dumm <em class="gesperrt">zu nennen</em>. Diesen Gedanken könnte man -versucht sein – das ist nur ein Satzbruchstück ohne allen Sinn, was -soll da das Komma? Es ist aber auch durch die lebendige Sprache hier -nicht gerechtfertigt, denn niemand wird hinter <em class="gesperrt">versucht sein</em> im -Sprechen anhalten, alles drängt zu dem Infinitiv, der erst das Objekt -verständlich macht, das vorläufig noch in der Luft schwebt. Es ist also -richtiger, ohne Komma zu schreiben: bares Geld gelang es ihm nicht -sich anzueignen – tatsächliche Irrtümer dürfte es schwer sein in dem -bändereichen Werke aufzustöbern – was bemüht man sich mit dem Worte -Sozialismus zu<span class="pagenum" id="Seite_323">[S. 323]</span> benennen? – alle Abfälle hatte sie sich ausgebeten -ihm bringen zu dürfen – auf die Erhaltung des Waldes war die Behörde -geneigt das entscheidende Gewicht zu legen – gegen diese Szene liegt -es uns fern uns hier zu ereifern – ich gebe dir keinen Rat, den ich -nicht bereit wäre selber zu befolgen – die Anforderungen, die wir -uns gewöhnt haben an eine solche Ausgabe zu stellen – der Wust von -Aberglauben, den der Vorgänger sich rühmte ausgefegt zu haben – der -Unterschied, den der Offizier gewohnt ist zwischen seiner Stellung als -solcher und der als Gentleman zu machen – die Oberamtsrichter, denen -manche geneigt sind die Rektoren gleichzustellen – seine Verwandten, -für die es vor allem seine Pflicht wäre zu sorgen.</p> - -<p>Unbegreiflich ist es, daß man die beiden verschiednen <em class="gesperrt">ja</em>, die -es gibt, das beteuernde und das steigernde, nie richtig unterschieden -findet, und doch sind sie durch die Interpunktion so leicht zu -unterscheiden. Ein Komma gehört nur hinter das beteuernde <em class="gesperrt">ja</em>, -denn nur hinter diesem wird beim Sprechen eine Pause gemacht: -<em class="gesperrt">ja</em>, es waren herrliche Tage! Das steigernde <em class="gesperrt">ja</em> dagegen -wird mit dem folgenden Worte fast in eins verschmolzen: sie duldete -diese Mißhandlungen, <em class="gesperrt">ja sie</em> schien sie zu verlangen – es ist -wünschenswert, <em class="gesperrt">ja</em> geradezu unerläßlich – hinter Frankreich -liegt der Atlantische Ozean, <em class="gesperrt">ja man</em> kann sagen die ganze andre -Welt. Was soll da ein Komma? Ebenso töricht ist es, ein doppeltes -<em class="gesperrt">ja</em> (<em class="gesperrt">ja ja</em>), ein doppeltes <em class="gesperrt">nein</em> (<em class="gesperrt">nein nein</em>), -<em class="gesperrt">ei ei!</em> <em class="gesperrt">na na</em> oder gar das <em class="gesperrt">ha ha!</em>, das das Lachen -ausdrücken soll, durch Kommata zu trennen, wie man es in Erzählungen -und Schauspielen überall gedruckt lesen muß. Man spricht doch nicht -<em class="gesperrt">ja</em> (Pause), <em class="gesperrt">ja</em>, sondern <em class="gesperrt">jajjah</em>, <em class="gesperrt">neinnein</em>, -als ob es nur <em class="gesperrt">ein</em> Wort wäre. Und vollends <em class="gesperrt">ha</em> (Komma) -<em class="gesperrt">ha</em>! Wer lacht so?</p> - -<p>Ganz verkehrt wird von vielen das Kolon (:) angewandt: sie setzen -es statt des Semikolons (;) und stören damit den, der die Bedeutung -der Satzzeichen kennt, auf ärgerliche Weise. Das Semikolon schließt -ab wie der Punkt; das Kolon schließt – auf, es hat vorbereitenden,<span class="pagenum" id="Seite_324">[S. 324]</span> -spannungerweckenden, aussichteröffnenden Sinn, ein gut gesetztes -Kolon wirkt, wie wenn eine Tür geöffnet, ein Vorhang weggezogen wird. -Daher steht es vor allem vor jeder direkten Rede (vor die indirekte -gehört das Komma!); es ist aber auch überall da am Platze, wo es so -viel bedeutet wie <em class="gesperrt">nämlich</em>, z. B.: der Verfasser hat mehr getan -als diesen Wunsch erfüllt: er hat die Aufsätze vielfach erweitert -und ergänzt – oder wo es dazu dient, die Folgen, das Ergebnis, -das erwartete oder unerwartete Ergebnis des vorhergeschilderten -einzuleiten, z. B.: wir baten, flehten, schmollten: er blieb ungerührt -und sprach von etwas anderm.</p> - -<p>Geschmacklos ist es, die der Betonung dienenden Zeichen, das -Fragezeichen und das Ausrufezeichen, zu verdoppeln, zu verdreifachen -oder miteinander zu verbinden: ??, !!!, ?! Dergleichen schreit -den Leser förmlich an, und das darf man sich doch verbitten. Eine -Abgeschmacktheit ohnegleichen aber ist es, halbe oder ganze Zeilen mit -Punkten oder Gedankenstrichen zu füllen, wie es unsre Romanschreiber -und Feuilletonisten jetzt lieben. Das soll geistreich aussehen, den -Schein erwecken, als ob der Verfasser vor Gedanken und Bildern beinahe -platzte, sie gar nicht alle aussprechen oder ausführen könnte, sondern -dem Leser sich auszumalen überlassen müßte. Es ist aber meistens nur -Wind; wer etwas zu sagen hat, der sagt es schon. Nur <em class="gesperrt">eine</em> -Abgeschmacktheit kommt dieser noch gleich, die neueste Zierde des -Feuilletonstils: eine Menge kleiner Nebensätze jeden mit einem Punkt -abzuschließen, sodaß die aus Hauptsatz und Nebensätzen bestehende -Periode dem Leser in lauter Brocken vorgesetzt wird. Auch das soll -geistreich aussehen, den Schein höchster dramatischer Lebendigkeit der -Gedankenerzeugung und -einkleidung erregen. In Wahrheit ist es eine -krasse Stillosigkeit, eine abgeschmackte Manier.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Fliessender_Stil">Fließender Stil</h3> - -</div> - -<p>Man spricht so viel von fließendem Stil, beneidet wohl auch den und -jenen um seinen fließenden Stil.<span class="pagenum" id="Seite_325">[S. 325]</span> Ist das Sache der Begabung, oder ist -es etwas erlernbares?</p> - -<p>Zum Teil beruht das, was man fließenden Stil nennt, unzweifelhaft -auf der Klarheit des Denkens und der Folgerichtigkeit der -Gedankenentwicklung – nur wer sich selbst über eine Sache völlig -klar geworden ist, kann sie auch andern klarmachen –, zum Teil -auch auf Rhythmus und Wohllaut – es wird viel zu viel stumm -geschrieben, während man doch nichts drucken lassen sollte, was man -sich nicht selber laut vorgelesen hat!<a id="FNAnker_151" href="#Fussnote_151" class="fnanchor">[151]</a> –, zum größten Teil -aber beruht es auf gewissen technischen Handgriffen beim Satzbau – -Handwerksvorteilchen möchte ich sagen –, die man eben kennen muß, um -sie anwenden zu können. Unbewußt und unwillkürlich wendet sie niemand -an. Es gibt zwar auch einen Naturburschenstil, der den Leser durch eine -gewisse Gewandtheit ein paar Seiten lang täuschen kann; dann kommt -aber plötzlich ein Satz, der deutlich verrät, daß der Verfasser nur -zufällig, nicht mit Bewußtsein fließend geschrieben hat.</p> - -<p>Den angenehmen Eindruck, daß jemand fließend schreibe, hat man -dann, wenn beim Lesen das Verständnis, die geistige Auffassung des -Geschriebnen immer gleichen Schritt hält mit der sinnlichen Auffassung, -die durch das Auge vor sich geht. Ist das nicht der Fall, ist man öfter -genötigt, stehen zu bleiben, mit den Augen wieder zurückzukehren, einen -ganzen Satz, einen halben Satz oder auch nur ein paar Worte noch einmal -zu lesen,<span class="pagenum" id="Seite_326">[S. 326]</span> weil man sieht, daß man das Gelesene falsch verstanden hat, -so spricht man von holprigem oder höckrigem Stil. Solch ärgerliches -Mißverständnis kann aber die verschiedensten Ursachen haben. Wer diese -Ursachen zu vermeiden weiß, wer den Leser jederzeit <em class="gesperrt">zwingt</em>, -gleich beim ersten Lesen richtig zu verstehen, der schreibt einen -fließenden Stil. Das ist das ganze Geheimnis. Im folgenden sollen -einige Haupthindernisse eines fließenden Stils zusammengestellt werden.</p> - -<p>Vor allem gehört zu ihnen die leider in unsrer Sprache weitverbreitete, -ungemein beliebte und doch das Verständnis, namentlich dem Ausländer, -aber auch dem Deutschen selbst überaus erschwerende Unsitte (so, wie es -hier soeben geschehen ist!), zwischen den Artikel und das zugehörige -Hauptwort langatmige Attribute einzuschieben, statt diese Attribute -in Nebensätzen nachzubringen. Dergleichen Verbindungen sind eine -Qual für den Leser. Man sieht einen Artikel: <em class="gesperrt">die</em>. Dann folgt -eine ganze Reihe von Bestimmungen, von denen man zunächst gar nicht -weiß, worauf sie sich beziehen: <em class="gesperrt">verbreitete</em>, <em class="gesperrt">beliebte</em>, -<em class="gesperrt">erschwerende</em>. Endlich kommt das erlösende Hauptwort: -<em class="gesperrt">Unsitte</em>! Während also das Auge weiter gleitet, weiter irrt, -wird unmittelbar hinter dem Artikel der Strom der geistigen Auffassung -unterbrochen, es entsteht eine Lücke, und der Strom schließt sich -erst wieder, wenn endlich das Hauptwort kommt. Dann ist es aber zu -spät, man hat die Übersicht über das Eingeschobne längst verloren, -muß wieder umkehren und das Ganze noch einmal lesen. Eine solche -Unterbrechung tritt zwar bei jedem eingeschobnen Attribut ein, aber -bei kurzen Attributen doch in so geringem Maße, daß man sie gar nicht -fühlt. Je länger das Attribut ist, desto empfindlicher und störender -wirkt die Lücke. Nur ein guter Schriftsteller hat ein richtiges und -feines Gefühl dafür, was er dem Leser in dieser Beziehung zumuten -darf. Unsre Kanzlisten und Zeitungschreiber haben meist keine Ahnung -davon; sie schreiben seelenvergnügt, indem sie immer ein Attribut ins -andre schachteln: das Gericht wolle erkennen, der Geklagte (!) sei -schuldig, mir für <em class="gesperrt">die</em> von<span class="pagenum" id="Seite_327">[S. 327]</span> mir an <em class="gesperrt">die</em> in <em class="gesperrt">dem</em> -von ihm zur Bearbeitung übernommenen <em class="gesperrt">Steinbruch</em> beschäftigten -<em class="gesperrt">Arbeiter</em> vorgeschossenen <em class="gesperrt">Arbeitslöhne</em> Ersatz zu -leisten – oder: von <em class="gesperrt">einer</em> durch <em class="gesperrt">einen</em> in <em class="gesperrt">einer -Umwälzung</em> in den wichtigsten Einrichtungen aller Kulturstaaten -bestehenden <em class="gesperrt">Vorteil</em> ausgezeichneten <em class="gesperrt">Erfindung</em> sind einige -Gewinnanteile zu verkaufen – oder: mit <em class="gesperrt">einem</em> von <em class="gesperrt">dem</em> -auf <em class="gesperrt">der</em> nach <em class="gesperrt">dem Wasser</em> zu gelegnen <em class="gesperrt">Veranda</em> -aufgestellten <em class="gesperrt">Musikkorps</em> des ersten Gardedragonerregiments -geblasenen <em class="gesperrt">Choral</em> wurde die Feierlichkeit eröffnet.</p> - -<p>Ein zweites Haupthindernis eines fließenden Stils ist schon früher -besprochen worden und soll hier nur noch einmal kurz erwähnt werden: -es ist der unvorsichtige Gebrauch der Fürwörter (vgl. <a href="#Seite_224">S. 224</a>). Wie -ärgerlich wird man beim Lesen aufgehalten durch ein <em class="gesperrt">er</em>, -<em class="gesperrt">sie</em>, <em class="gesperrt">ihm</em>, <em class="gesperrt">ihn</em>, <em class="gesperrt">sein</em>, <em class="gesperrt">ihr</em>, -<em class="gesperrt">diesem</em>, wenn man nicht sofort sieht, auf wen oder was es sich -bezieht! Wo irgendein Mißverständnis möglich ist, sollte immer statt -des Fürworts wieder das Hauptwort gesetzt werden.</p> - -<p>Eine dritte Unsitte, die das Verständnis alles Deutschgeschriebnen in -neuerer Zeit in der peinlichsten Weise erschwert, besteht darin, daß -man das eigentliche und wirkliche Hauptwort des Satzes, nämlich das -Verbum, immer in ein Substantiv verwandelt, entweder in ein wirkliches -Substantiv oder in einen substantivierten Infinitiv. Da wird z. B. -geschrieben: der <em class="gesperrt">Zuhilfenahme</em> eines besondern Rechts der -Persönlichkeit bedarf es nicht (statt: ein besondres Recht zu Hilfe -zu nehmen ist nicht nötig) – beim <em class="gesperrt">Unterbleiben</em> einer baldigen -<em class="gesperrt">Inangriffnahme</em> des Projekts (statt: wenn das Projekt nicht -bald in Angriff genommen wird) – nach <em class="gesperrt">Umarbeitung</em> eines Teils -der Lieder zum Zwecke der <em class="gesperrt">Herstellung</em> ihrer <em class="gesperrt">Sangbarkeit</em> -für Männerchöre an höhern Schulen (statt: nachdem ein Teil der Lieder -umgearbeitet worden ist, um sie sangbar zu machen) – aus Gründen -der <em class="gesperrt">Zugänglichmachung</em> dieses Vorteils für das große Publikum -– (statt: um diesen Vorteil zugänglich zu machen) – im Interesse -der <em class="gesperrt">Vermeidung</em> von Wiederholungen (statt: um Wiederholungen -zu vermeiden) –<span class="pagenum" id="Seite_328">[S. 328]</span> trotz der seitens des Vorsitzenden erfolgten -<em class="gesperrt">Ablehnung</em> des Antrags des Angeklagten auf <em class="gesperrt">Vorladung</em> des -Kellners (statt: obgleich der Vorsitzende den Antrag des Angeklagten -ablehnte, den Kellner vorzuladen) – das <em class="gesperrt">Mißlingen</em> des Versuchs -muß natürlich sein <em class="gesperrt">Aufgeben</em> zur <em class="gesperrt">Folge</em> haben (statt: -wenn der Versuch mißlingt, muß er natürlich aufgegeben werden) – -für die <em class="gesperrt">Mehrzahl</em> der Reisenden hat die <em class="gesperrt">Erweiterung</em> des -Gesichtskreises aufgehört der <em class="gesperrt">Reisezweck</em> zu sein (statt: die -meisten reisen nicht mehr, um ihren Gesichtskreis zu erweitern) – die -<em class="gesperrt">Voraussetzung</em> für die <em class="gesperrt">Patentierung</em> eines Advokaten bildet -eine mehrjährige <em class="gesperrt">Hilfsarbeiterschaft</em> in einem Bureau (statt: -wer als Advokat patentiert sein will, muß mehrere Jahre Hilfsarbeiter -gewesen sein) – es gibt eine Grenze, bei deren <em class="gesperrt">Überschreitung</em> -die <em class="gesperrt">Vermehrung</em> der <em class="gesperrt">Bevölkerung</em> nicht zur <em class="gesperrt">Erhöhung</em>, -sondern zur <em class="gesperrt">Verminderung</em> des Wohlstandes führt (statt: das -Wachstum der Bevölkerung hat eine Grenze; wird diese überschritten, -so wird der Volkswohlstand nicht vermehrt, sondern vermindert). -Es gibt Schriftsteller, bei denen diese Art, sich auszudrücken, -vollständig zur Manier geworden ist; sie haben sich so hinein verrannt, -daß sie nicht wieder davon loskommen. Jeder Gedanke, der vor ihrer -Seele auftaucht, nimmt sofort die Gestalt eines Substantivs an, -jeder Hauptsatz, jeder Nebensatz gerinnt ihnen zu einem Substantiv. -<em class="gesperrt">Erweitern</em> – das können sie gar nicht mehr denken, sie denken -nur noch <em class="gesperrt">Erweiterung</em>.<a id="FNAnker_152" href="#Fussnote_152" class="fnanchor">[152]</a> Statt <em class="gesperrt">um zu</em>, <em class="gesperrt">weil</em>, -<em class="gesperrt">so daß</em>, <em class="gesperrt">wenn</em> schwebt ihnen sofort <em class="gesperrt">Zweck</em>, -<em class="gesperrt">Grund</em>, <em class="gesperrt">Interesse</em>, <em class="gesperrt">Folge</em>, <em class="gesperrt">Voraussetzung</em> vor. -Wenn ein gewissenhafter Redakteur mit solchen Mitarbeitern zu tun hat, -so bleibt ihm gar nichts weiter übrig, als Satz für<span class="pagenum" id="Seite_329">[S. 329]</span> Satz die harten -Substantivschalen entzweizuschlagen und überall den weichen Verbalkern -herauszuholen, mit andern Worten: Satz für Satz umzuschreiben, aus -der Substantivsprache in die Verbalsprache zu übersetzen. Verba -erhalten den Satzbau geschmeidig und flüssig, sie lassen sich in -der mannigfaltigsten Weise bekleiden, ohne daß die Sätze beschwert -werden und dadurch schleppend werden. Sowie man aber den Verbalbegriff -substantiviert, entstehen nicht nur so häßliche Bildungen wie: -<em class="gesperrt">Zuhilfenahme</em>, <em class="gesperrt">Inangriffnahme</em>, <em class="gesperrt">Inanspruchnahme</em>, -<em class="gesperrt">Beiseiteschiebung</em>, <em class="gesperrt">Zugänglichmachung</em>, -<em class="gesperrt">Zurannahmebringung</em>, <em class="gesperrt">Inanklagestandversetzung</em>, sondern -diese zähen Verbalextrakte müssen nun auch erst wieder durch -irgendeinen wässerigen, gehaltlosen Zusatz wie <em class="gesperrt">stattfinden</em>, -<em class="gesperrt">erfolgen</em>, <em class="gesperrt">bewirken</em> in den flüssigen Zustand -zurückversetzt werden, der für den Satzbau notwendig ist. Außerdem -verbaut man sich durch solche Substantivierung selbst den Weg, verfitzt -sich den Satz, und adverbielle Bestimmungen geraten in die Gefahr, -falsch bezogen zu werden, wie in folgenden Sätzen: Seine Majestät -<em class="gesperrt">gab das Zeichen</em> zum Beginn der Feier <em class="gesperrt">durch Absingung</em> -eines Chorals (statt: durch Absingung <em class="gesperrt">zu beginnen</em>) – man -<em class="gesperrt">verzichtete</em> auf die Beantwortung einer Thronrede <em class="gesperrt">durch eine -Adresse</em> (statt: durch eine Adresse <em class="gesperrt">zu beantworten</em>) – -K. wurde der Körperverletzung <em class="gesperrt">mittels eines schweren Werkzeuges -angeklagt</em> (statt: mittels eines schweren Werkzeuges <em class="gesperrt">verletzt -zu haben</em>) – ein Expedient wurde wegen Unterschlagung von 750 -Mark <em class="gesperrt">zum Nachteil seines Prinzipals verhaftet</em> (statt: weil -er zum Nachteil seines Prinzipals oder einfach: seinem Prinzipal -<em class="gesperrt">unterschlagen hatte</em>) – die Fischerinnung hat das Befahren der -Flüsse innerhalb der Stadtflur <em class="gesperrt">mit Booten und Kähnen verboten</em> -(statt: mit Booten und Kähnen <em class="gesperrt">zu befahren</em>). Eine adverbielle -Bestimmung gehört, wie ihr Name sagt, zunächst zum Verbum; wird -dieses Verbum substantiviert, so flüchtet sie eben zu einem andern -Verbum, und der Unsinn ist fertig. Namentlich in unsrer Gesetz- und -Verordnungssprache spielt dieser<span class="pagenum" id="Seite_330">[S. 330]</span> Fehler eine große Rolle; Tausende von -Bekanntmachungen, Verordnungen, Warnungen und Verboten, aber auch die -einzelnen Punkte von Tagesordnungen und Protokollen fangen gewöhnlich -gleich mit einem Verbalsubstantiv oder einem substantivierten Infinitiv -an und quälen dann sich und die Leser mit allem, was darauf folgt.</p> - -<p>Ein vierter, sehr häufiger Fehler, aus dem das gerade Gegenteil -eines fließenden Stils entspringt, besteht darin, daß ein <span class="antiqua">casus -obliquus</span> eines Hauptworts so im Satze gestellt wird, daß er beim -ersten Lesen entweder nicht erkannt wird oder falsch bezogen werden -muß. Sehr gewöhnlich ist es z. B., daß ein Satz mit einem Akkusativ -angefangen wird, der, weil er ein Femininum, ein Neutrum oder ein -Plural ist oder keinen Artikel hat, nicht eher als Akkusativ erkannt -wird, als bis – oft ziemlich spät – das Subjekt folgt<a id="FNAnker_153" href="#Fussnote_153" class="fnanchor">[153]</a>; bis -dahin hält ihn jeder Leser für den Nominativ, also für das Subjekt des -Satzes, z. B.: <em class="gesperrt">die Pflege</em> und die Wartung des jüngsten Kindes -besorgt die Hausfrau selbst – <em class="gesperrt">die Frage</em>, ob es richtig war, -auch die schon seit längerer Zeit ansässigen Einwandrer auszuweisen, -untersuche ich hier nicht – <em class="gesperrt">seine Erziehung</em> hatte bisher -nach der allgemeinen Gewohnheit in hochadligen Familien ein Priester -geleitet – die beste <em class="gesperrt">Schilderung</em> Corneliens, zugleich ein -herrliches Denkmal dankbarer Liebe, haben wir in Wahrheit und Dichtung -– die <em class="gesperrt">harmlose Geselligkeit</em> der anständigen Restaurationen -will der Ankläger nicht gemeint haben – <em class="gesperrt">die Einreihung</em> der -nicht teuern Bände in jede Familienbibliothek befürworte ich aufs -wärmste – <em class="gesperrt">das Orchester</em> führte schneidig und mit Umsicht Herr -Kapellmeister P. – <em class="gesperrt">das große Pferd</em>, dessen mythologische -Bedeutung schon durch die Statue auf der Säule nahegelegt wird, hat -Thausing als Herkules gedeutet – <em class="gesperrt">das geistige Leben</em> beherrscht -auf der einen Seite die bald in scholastischer<span class="pagenum" id="Seite_331">[S. 331]</span> Erstarrung erstickende -lutherische Theologie, auf der andern der Jesuitismus – <em class="gesperrt">anerkannte -Namen</em> von bestem Klange wie aufstrebende neue Talente hat unsre -Mitarbeiterliste aufzuweisen – des Kaisers <em class="gesperrt">Sieg</em> bei Mühlberg, -nach dem die Tage des Evangeliums gezählt schienen, feierte Agricola -durch einen Dankgottesdienst – <em class="gesperrt">die Herren</em>, die sich an unserm -Fortbildungskursus beteiligen wollen, ersuchen wir usw. Aber auch -andre Fälle solcher falscher Beziehungen kommen vor, wie folgende -Beispiele zeigen (das Mißverständnis, in das jeder Leser zunächst -verfällt, soll durch den Druck hervorgehoben werden): <em class="gesperrt">diese volle -Unabhängigkeit</em> fordernde Stelle – <em class="gesperrt">in einem Ende</em> November -1862 an das Ministerium gerichteten Schreiben – die Sozialdemokratie -besteht noch <em class="gesperrt">in dem Staate</em> gefahrdrohender Weise – der -Staatsbetrug der Armeelieferanten ist mir lieber als <em class="gesperrt">der der -Staatsteile</em> verschachernden Fürsten – es handelt sich um <em class="gesperrt">eine -sehr weite</em> Kreise interessierende Angelegenheit – um sie <em class="gesperrt">zu -allen Anforderungen</em> entsprechenden Soldaten zu machen – die -Absicht, den Platz <em class="gesperrt">mit dem Festzweck</em> entsprechenden Dauerbauten -zu versehen – sie hat ihm <em class="gesperrt">zu seinem Aufsehen</em> erregenden -Mädchenbilde gesessen – mit Rücksicht <em class="gesperrt">auf die Befähigten</em> -zu erteilende Ausbildung – das nationale Gefühl ist <em class="gesperrt">durch -Jahrhunderte</em> lange Trennung geschwächt – die beiden Täler werden -<em class="gesperrt">von Steinforellen</em> enthaltenden Bächen durchflossen – diese -Konglomerate von <em class="gesperrt">kleinlichen, detaillierten Spezialforderungen</em> -anzupassenden Verwaltungsräumen – <em class="gesperrt">es traten sich mühsam</em> mit -der Gitarre begleitende Sängerinnen auf usw. In allen diesen Sätzen -verbindet man im ersten Augenblicke falsch; im nächsten Augenblicke -sieht man natürlich die richtige Verbindung, aber seinen Rippenstoß hat -man weg.</p> - -<p>Viele Druckseiten könnten hier mit Beispielen der verschiedensten -Art gefüllt werden, die alle darauf hinauslaufen, daß der Leser beim -ersten Lesen falsch versteht, an einer gewissen Stelle merkt, daß er -falsch verstanden hat, und deshalb umkehren und das Gelesene gleichsam<span class="pagenum" id="Seite_332">[S. 332]</span> -umdenken muß. Sehr häufig ist der Fall, daß dem Schreibenden bei -einem Fürwort, einem Partizip, einem Adverb ein erst später folgendes -Hauptwort oder Zeitwort vorschwebt, während es der Leser, der das nicht -wissen kann, auf ein schon dagewesenes bezieht. Welche Störung dann! -Da wird z. B. geschrieben: in Berlin gelang es <em class="gesperrt">Bandel</em> nicht, -festen Fuß zu fassen; mit der brutalen Deutlichkeit, die <em class="gesperrt">ihm</em> -eigen war, erklärte ihm <em class="gesperrt">Schadow</em> usw. (hier wird jeder Leser -<em class="gesperrt">ihm</em> zunächst auf Bandel beziehen, während es auf Schadow gehen -soll) – die Gedichte wurden meine Einführungsbriefe bei den Dichtern -Münchens, die ich fast alle in diesen Jahren im Hause meines Vaters -kennen lernte; als <em class="gesperrt">Glied des Leseausschusses</em>, als Regisseur, -als Träger der Heldenrollen und wahrlich nicht am wenigsten als -einsichtsvoller und wohlwollender Berater, als ein in allen Stücken -prächtiger Mann war <em class="gesperrt">er</em> von den Herren gar eifrig gesucht (hier -bezieht der Leser alle die schönen Prädikate des zweiten Satzes -auf <em class="gesperrt">ich</em>, bis er zuletzt merkt, daß sie sich auf <em class="gesperrt">er</em> -beziehen) – wie sehr unsre Landsleute am Vaterlande hängen, bewies -die reiche <em class="gesperrt">Spende</em>, die sie zum Bismarckdenkmal herübersandten. -In herrlichem Gartengrün <em class="gesperrt">verborgen, umgeben</em> von tropischer -Blumenpracht, hat der deutsche Verein in Honolulu sein <em class="gesperrt">eignes -Heim</em> (hier versucht man, die Partizipia <em class="gesperrt">verborgen</em> und -<em class="gesperrt">umgeben</em> zunächst auf <em class="gesperrt">Spende</em> zu beziehen, bis man endlich -merkt, daß sie zu <em class="gesperrt">Heim</em> gehören sollen) – diese Idee <em class="gesperrt">kam</em> -von außen, <em class="gesperrt">aus</em> der römisch gebildeten <em class="gesperrt">Umgebung</em> des Königs -und aus den Bedürfnissen des römischen Papsttums <em class="gesperrt">erwuchs sie</em> -(hier merkt man erst, daß man das zweite <em class="gesperrt">aus</em>, und was darauf -folgt, fälschlich mit <em class="gesperrt">kam</em> verbunden hat) – obgleich ich nicht -wußte, ob ich sitzen bleiben dürfte oder mich zurückziehen müßte, blieb -ich doch <em class="gesperrt">sitzen</em>. <em class="gesperrt">So sehr</em> hatte mich die bewundernswerte -Persönlichkeit des Grafen gefangen genommen, daß ich selbst die -gewöhnlichsten Gesellschaftsregeln <em class="gesperrt">außer acht ließ</em> (hier -bezieht man <em class="gesperrt">so sehr</em> zunächst auf das vorhergehende <em class="gesperrt">sitzen -bleiben</em>, es soll aber den kommenden Folgesatz<span class="pagenum" id="Seite_333">[S. 333]</span> vorbereiten) – -das ist zum erstenmal der volle, unvergleichliche <em class="gesperrt">Beethoven</em>; -und angesichts dieser Stelle kann man es nur mit der Eile, mit der -<em class="gesperrt">er</em> schrieb, entschuldigen, daß <em class="gesperrt">Berlioz</em> in dieser -Sinfonie nur Haydnsche Musik gesehen hat (hier bezieht jeder Leser das -<em class="gesperrt">er</em>, womit Berlioz gemeint ist, zunächst auf Beethoven). Auch -wenn geschrieben wird: diese Urkunden <em class="gesperrt">ändern</em> das Bild, das man -sich von jenen Sekten und von der zu ihrer Vertilgung eingesetzten -Inquisition gemacht hatte, <em class="gesperrt">nicht wesentlich</em> – die jetzige -ritterschaftliche Vertretung besitzt in ihrer Mehrheit das nötige -Verständnis für die Aufgaben ihrer Zeit <em class="gesperrt">nicht</em> – Wien <em class="gesperrt">hat den -Ruhm</em>, unter allen deutschen Hauptstädten zuerst eine Pflegstätte -für das musikalische Lustspiel, die idyllische, bürgerliche und -lyrisch-romantische Oper zu besitzen, <em class="gesperrt">nicht lange genossen</em> – so -liegt derselbe Fehler vor. Daß Wien den Ruhm nicht lange genossen hat, -erfährt der Leser zu spät; bis dahin hat er glauben müssen, es hätte -ihn überhaupt.</p> - -<p>Abzuhelfen ist solchen Anstößen, wie man sieht, auf die verschiedenste -Weise, aber immer sehr leicht: ein denkender Schriftsteller wird -sich überall schnell zu helfen wissen, sobald er nur – den Anstoß -bemerkt. Aber das ist eben das schlimme, daß der Schriftsteller selber -gewöhnlich solche Anstöße <em class="gesperrt">nicht</em> bemerkt, nur der Leser bemerkt -sie. Wie dem abzuhelfen sei? Vor allem dadurch, daß man sich beim -Lesen dessen, was andre geschrieben haben, überall da, wo man hängen -bleibt, darüber Rechenschaft gibt, warum man hängen bleibt, und dann -dergleichen vermeidet. Man kann es darin bei einigem guten Willen sehr -bald zu einer gewissen Fertigkeit bringen. Ein andres, sehr einfaches -Mittel ist, daß man nichts naß in die Druckerei gibt, sondern alles, -was man geschrieben hat, wenn auch nicht <span class="antiqua">nonum in annum</span>, so doch -einige Tage lang beiseite legt und dann wieder vornimmt. In dieser -Zwischenzeit ist es einem gewöhnlich so fremd geworden, daß man von all -den Anstößen, die jeden andern Leser verletzen würden, selber verletzt -wird, sie also noch rechtzeitig beseitigen kann.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_334">[S. 334]</span></p> - -<p>Auf jeden Fall sollten folgende stilistische Haus- und Lebensregeln -beobachtet werden: 1. schreibe Zeitwörter, nicht Hauptwörter! 2. -schreibe Hauptwörter, nicht Fürwörter! 3. schachtle nicht, sondern -schreibe Nebensätze! 4. schreibe laut! schreibe nicht immer bloß für -die Augen, sondern vor allem auch für die Ohren! Mit der Beobachtung -dieser Regeln und Ratschläge wird man freilich noch lange kein großer -Schriftsteller, aber ohne sie auch nicht. Die Schriftstellerei ist eine -Kunst, und jede Kunst hat ihre Technik, die gelehrt und gelernt werden -kann. Wie der Maler malen, so muß der Schriftsteller schreiben können, -und der geistvollste Schriftsteller kann sich um alle Wirkung bringen, -wenn er seine Leser aller Augenblicke durch Ungeschicklichkeiten und -lumpige technische Schnitzer stört und ärgert.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_335">[S. 335]</span></p> - -<h2 class="nobreak padtop5" id="Zum_Wortschatz_und_zur_Wortbedeutung">Zum -Wortschatz und zur Wortbedeutung</h2> - -</div> - -<figure class="figcenter illowe3" id="deko10"> - <img class="w100 padtop1" src="images/deko.png" alt="Deko"> -</figure> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_337">[S. 337]</span></p> - -<figure class="figcenter illowe50" id="borduere1f"> - <img class="w100 mtop3" src="images/borduere1.png" alt="Zierband"> -</figure> - -<h3 id="Die_Stoffnamen">Die Stoffnamen</h3> - -</div> - -<p class="p0"><span class="drop">Z</span>ahllose Fehler und Geschmacklosigkeiten werden in der Wahl und der -Anwendung der Wörter begangen.</p> - -<p>Alle Stoffnamen wie: <em class="gesperrt">Wein</em>, <em class="gesperrt">Bier</em>, <em class="gesperrt">Blut</em>, -<em class="gesperrt">Eisen</em>, können von Rechts wegen nur im Singular gebraucht werden, -und so priesen denn auch früher unsre Kaufleute nur ihren guten -<em class="gesperrt">Lack</em> oder <em class="gesperrt">Firnis</em> an, auch wenn sie noch so viel Sorten -hatten. Von einigen solchen Wörtern hatte man aber doch gewagt, den -Plural zu bilden, um die Mehrzahl der Sorten zu bezeichnen, und wir -haben uns allmählich daran gewöhnt. Schon das sechzehnte Jahrhundert -kannte die Plurale: <em class="gesperrt">die Bier</em>, <em class="gesperrt">die Wein</em>, im Faust heißt -es: ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden, doch ihre -<em class="gesperrt">Weine</em> trinkt er gern, und die Chemie und die Technologie reden -schon lange von <em class="gesperrt">Ölen</em> und <em class="gesperrt">Fetten</em>. Neuerdings wird aber -doch diese Pluralbildung in unerträglicher Weise ausgedehnt; man -empfiehlt nicht nur <em class="gesperrt">Lacke</em>, <em class="gesperrt">Firnisse</em>, <em class="gesperrt">Öle</em> und -<em class="gesperrt">Seifen</em>, sondern auch <em class="gesperrt">Mehle</em>, <em class="gesperrt">Grieße</em>, <em class="gesperrt">Essige</em>, -<em class="gesperrt">Salate</em>, <em class="gesperrt">Honige</em>, <em class="gesperrt">Tabake</em>, <em class="gesperrt">Zwirne</em>, -<em class="gesperrt">Garne</em>, <em class="gesperrt">Wollen</em> (Strick- und Häkelwollen!), <em class="gesperrt">Tuche</em>, -<em class="gesperrt">Seiden</em>, <em class="gesperrt">Flanelle</em>, <em class="gesperrt">Plüsche</em>, <em class="gesperrt">Tülle</em>, -<em class="gesperrt">Battiste</em>, <em class="gesperrt">Kattune</em>, <em class="gesperrt">Damaste</em>, <em class="gesperrt">Barchente</em> – -<em class="gesperrt">Tees</em>, <em class="gesperrt">Kaffees</em>, <em class="gesperrt">Kakaos</em>, <em class="gesperrt">Buckskins</em> usw. -Diese Formen, die die immer rücksichtsloser werdende Reklamesprache -unsrer Kaufleute geschaffen hat, haben etwas stammelndes, sie klingen -wirklich wie Kindergelall. Wenn auf diesem Wege weitergegangen würde, -müßte man in Zukunft auch <em class="gesperrt">Wachse</em>, <em class="gesperrt">Leime</em>, <em class="gesperrt">Kalke</em>, -<em class="gesperrt">Porzellane</em>, ja sogar <em class="gesperrt">Fleische</em>, <em class="gesperrt">Wurste</em>, -<em class="gesperrt">Korne</em>, <em class="gesperrt">Glase</em>, <em class="gesperrt">Stahle</em> anpreisen können.<span class="pagenum" id="Seite_338">[S. 338]</span> Denn -<em class="gesperrt">Würste</em>, <em class="gesperrt">Körner</em>, <em class="gesperrt">Gläser</em>, <em class="gesperrt">Stähle</em> (Plättstähle -sagt man in Leipzig) sind doch etwas andres, sie bezeichnen die -einzelnen Stücke, aber nicht die Sorten; ähnlich die <em class="gesperrt">Kälke</em>, -von denen die Gerber früher sprachen. Die Geologen reden bereits -von <em class="gesperrt">Sanden</em> und <em class="gesperrt">Tonen</em>, statt von Sand- und Tonarten. -Wo ist die Grenze? Und wie will man überhaupt eine Mehrzahl bilden -von <em class="gesperrt">Schiefer</em>, <em class="gesperrt">Zucker</em>, <em class="gesperrt">Obst</em>, <em class="gesperrt">Milch</em>, -<em class="gesperrt">Butter</em>, <em class="gesperrt">Käse</em>, <em class="gesperrt">Leinwand</em>, <em class="gesperrt">Flachs</em>, -<em class="gesperrt">Spiritus</em>, <em class="gesperrt">Petroleum</em>? Das Bedürfnis, die verschiednen -Sorten auszudrücken, ist doch bei diesen Dingen gewiß ebenso stark wie -bei andern. An der Firma einer Leipziger Handlung steht: <em class="gesperrt">Stahl aller -Art</em>. Wie vornehm klingt das! Man freut sich jedesmal, wenn man -vorbeigeht. Wie dumm dagegen ist die Mehrzahl <em class="gesperrt">Abfallseifen</em>! Wenn -es irgend etwas gibt, was man nicht in den Plural setzen kann, so ist -es doch das Sammelsurium, daß man als „Abfallseife“ bezeichnet.</p> - -<p>Ein wunderliches Gegenstück zu diesen anstößigen Pluralen ist es, daß -von manchen Wörtern die Mehrzahl jetzt auffällig vermieden wird. Von -den schönen <em class="gesperrt">Haaren</em> einer Frau zu sprechen, gilt nicht für fein; -nur daß sie schönes <em class="gesperrt">Haar</em> habe, hört sie gern. Und beim Schneider -bestellt man sich nicht mehr neue <em class="gesperrt">Hosen</em> – das wäre ja ganz -plebejisch! –, nein, eine neue <em class="gesperrt">Hose</em>. Was will man denn aber -mit <em class="gesperrt">einer</em> Hose? Man hat doch zwei Beine, also wird man auch -immer ein Paar <em class="gesperrt">Hosen</em> brauchen. <em class="gesperrt">Hose</em> bedeutet doch nur -die zylinderförmige Hülse für <em class="gesperrt">ein</em> Bein. Vornehme Leute haben -allerdings auch keine Beine mehr, sondern nur noch Füße. Ich habe mich -an den Fuß gestoßen, sagt die feine Dame; wenn man sie aber nach der -Stelle fragt, zeigt sie – auf den Oberschenkel.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Verwechselte_Woerter">Verwechselte Wörter</h3> - -</div> - -<p>Nicht bloß Kindern, auch Erwachsenen, oft sogar recht „gebildeten“ -Erwachsenen begegnet es, daß sie ein Wort in falschem Sinne gebrauchen -oder zwei Wörter oder Redensarten miteinander verwechseln oder -vermengen. Es fehlt ihnen dann an der nötigen Spracherfahrung. -Sie haben die Wörter noch nicht oft genug<span class="pagenum" id="Seite_339">[S. 339]</span> gehört, oder sie haben -nicht scharf genug auf den Zusammenhang geachtet, worin ihnen die -Wörter vorgekommen sind, und so verbinden sie nun einen falschen -Sinn damit. Es gibt Bücher über Shakespeares, Goethes, Schillers -<em class="gesperrt">Frauengestalten</em>. Darunter hat wohl noch niemand etwas andres -verstanden als die Frauen in den Werken der drei Dichter. Vor kurzem -ist aber ein Buch erschienen: <em class="gesperrt">Lenaus Frauengestalten</em>. Das -behandelt „diejenigen (!) Frauen, welche (!) bedeutsam (!) in das -Leben und Werden (!) Lenaus eingegriffen haben“. Wenn eine solche -Begriffsverwechslung einem Schriftsteller begegnet, dann kann man -den Schenkwirten keinen Vorwurf machen, wenn sie neuerdings mit -Vorliebe auf die <em class="gesperrt">kleinen Preise</em> ihrer Speisekarte aufmerksam -machen. Zwischen <em class="gesperrt">Preis</em> (<span class="antiqua">praemium</span>) und <em class="gesperrt">Preis</em> -(<span class="antiqua">pretium</span>) ist ein Unterschied. Große und <em class="gesperrt">kleine Preise</em> -gibt es bei Preisausschreiben und Preisverteilungen; im Handel aber -gibt es nur hohe und <em class="gesperrt">niedrige</em> oder <em class="gesperrt">billige</em> oder <em class="gesperrt">mäßige -Preise</em>. Man scheint zu glauben, daß man durch <em class="gesperrt">niedrige</em> -Preise das Publikum beleidige; Sängerinnen veranstalten schon Konzerte -zu <em class="gesperrt">volkstümlichen</em>, sogar <em class="gesperrt">populären</em> Preisen.<a id="FNAnker_154" href="#Fussnote_154" class="fnanchor">[154]</a> In -den Zeitungen kann man jeden Tag lesen, daß ein Erkrankter oder ein -Verunglückter in das oder jenes Krankenhaus <em class="gesperrt">eingeliefert</em> -worden sei. Welche Roheit! Ein Verbrecher wird ins Gefängnis -<em class="gesperrt">eingeliefert</em>, nachdem er verhaftet worden ist, aber doch nicht -ein armer Kranker!</p> - -<p>Oft verwechselt werden jetzt von Hauptwörtern: <em class="gesperrt">Neuheit</em> und -<em class="gesperrt">Neuigkeit</em>, <em class="gesperrt">Wirkung</em> und <em class="gesperrt">Wirksamkeit</em>, <em class="gesperrt">Folge</em> -und <em class="gesperrt">Erfolg</em>, von Zeitwörtern: <em class="gesperrt">zeigen</em>, <em class="gesperrt">zeichnen</em>, -<em class="gesperrt">bezeichnen</em> und <em class="gesperrt">kennzeichnen</em>, <em class="gesperrt">verlauten</em> und -<em class="gesperrt">verlautbaren</em> u. a., von Adverbien: <em class="gesperrt">regelmäßig</em> und -<em class="gesperrt">in der Regel</em>, <em class="gesperrt">anscheinend</em>, <em class="gesperrt">scheinbar</em> und -<em class="gesperrt">augenscheinlich</em>, <em class="gesperrt">voran</em> und <em class="gesperrt">vorwärts</em>, <em class="gesperrt">zumal</em> -und <em class="gesperrt">besonders</em>.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_340">[S. 340]</span></p> - -<p><em class="gesperrt">Neuheiten</em> liegen in dem Schaufenster des Modewarenhändlers; -in dem des Buchhändlers liegen <em class="gesperrt">Neuigkeiten</em>. Bis vor kurzem -wenigstens ist dieser Unterschied stets beobachtet und von -literarischen Erzeugnissen dasselbe Wort gebraucht worden wie von -neuen Nachrichten: <em class="gesperrt">Neuigkeit</em>. Es hat einen geistigern Inhalt -als <em class="gesperrt">Neuheit</em>, und die Schriftsteller sollten es sich verbitten, -daß man ihre Erzeugnisse mit demselben Worte bezeichnet wie die des -Schneiders.</p> - -<p>Von der <em class="gesperrt">Wirksamkeit</em> des Saxlehnerschen Bitterwassers zu reden -ist ebenso verkehrt, wie zu sagen: diese Maßregel verliert auf die -Dauer ihre <em class="gesperrt">Wirksamkeit</em>. Der Pfarrer wirkt in seinem Amte, eine -Maßregel wirkt vielleicht im Verkehr, und das Bitterwasser wirkt in den -Gedärmen; aber nur der Pfarrer hat eine <em class="gesperrt">Wirksamkeit</em>, die beiden -andern haben eine <em class="gesperrt">Wirkung</em>.</p> - -<p>Ebenso sinnwidrig ist es von dem <em class="gesperrt">Erfolg</em> zu knapper Mittel zu -reden, statt von den <em class="gesperrt">Folgen</em>, denn ein <em class="gesperrt">Erfolg</em> ist etwas -positives, erfreuliches, zu knappe Mittel sind etwas negatives, -unerfreuliches.</p> - -<p><em class="gesperrt">Kennzeichnen</em> ist sehr beliebt geworden, seitdem man es -als Ersatz für das Fremdwort <em class="gesperrt">charakterisieren</em> gebraucht. -Es wird aber oft ganz gedankenlos verwendet. Wenn geschrieben -wird: welche Stellung er zur Revolution einnahm, ist schon oben -kurz <em class="gesperrt">gekennzeichnet</em> worden – durch ihre Aussprüche -<em class="gesperrt">kennzeichnen</em> sie ihre Zugehörigkeit zur stillen Gemeinde – -wir haben das Buch als das <em class="gesperrt">gekennzeichnet</em>, was es ist: als -eine Tendenzschrift – der ungeheure Verbrauch von Offizieren muß -als ein Luxus <em class="gesperrt">gekennzeichnet</em> werden – der Hauptraum, der als -Halle oder Kapelle <em class="gesperrt">gekennzeichnet</em> werden kann – die ganze -Kläglichkeit der heutigen Handwerkspolitik hat Stieda trefflich -<em class="gesperrt">gekennzeichnet</em> – so liegt auf der Hand, daß in den ersten drei -Sätzen <em class="gesperrt">zeigen</em> (andeuten, verraten, nachweisen), in den zwei -nächsten <em class="gesperrt">bezeichnen</em>, in dem letzten einfach <em class="gesperrt">zeichnen</em> -(schildern) gemeint ist.</p> - -<p><em class="gesperrt">Verlauten</em> ist ein intransitives Zeitwort und bedeutet: -<em class="gesperrt">laut werden</em>. Es <em class="gesperrt">verlautet</em> etwas – heißt: man -erzählt es, man spricht davon. <em class="gesperrt">Verlautbaren</em><span class="pagenum" id="Seite_341">[S. 341]</span> dagegen (ein -entsetzliches Kanzleiwort!) ist transitiv und bedeutet: <em class="gesperrt">laut -aussprechen</em>, bekanntmachen. Ganz verkehrt ist es also, zu sagen: es -<em class="gesperrt">verlautbart</em> etwas.<a id="FNAnker_155" href="#Fussnote_155" class="fnanchor">[155]</a></p> - -<p>Sehr gern verwechselt werden auch <em class="gesperrt">erhalten</em> und <em class="gesperrt">empfangen</em>: -er <em class="gesperrt">empfing</em> die Nachricht, daß sein Freund bankrott sei – -wenige Stunden später <em class="gesperrt">empfing</em> Delbrück abermals ein Telegramm -Bismarcks. Wenn man Besuch <em class="gesperrt">erhält</em>, so kann man ihn natürlich -auch <em class="gesperrt">empfangen</em>, entweder freundlich oder höflich oder feierlich; -aber Nachrichten, Briefe, Telegramme, Geld usw. <em class="gesperrt">erhält</em> man, wenn -es auch üblich ist, hinterher den richtigen <em class="gesperrt">Empfang</em> anzuzeigen.</p> - -<p>Falsch ist es auch, aber trotzdem sehr beliebt, reflexive -Zeitwörter, wie: <em class="gesperrt">sich erheben</em>, <em class="gesperrt">sich anschließen</em>, ihres -rückbezüglichen Fürworts zu berauben, sie als Intransitiva zu behandeln -und zu schreiben: ein Festaktus in der Aula mit <em class="gesperrt">anschließendem</em> -Rundgange durch das Gebäude – die Versammlung bezeugte ihre Teilnahme -durch <em class="gesperrt">Erheben</em> von den Plätzen. Man erhebt <em class="gesperrt">sich</em>, oder -einfach: man – <em class="gesperrt">steht auf</em>!</p> - -<p><em class="gesperrt">Regelmäßig</em> ist dasselbe wie <em class="gesperrt">immer</em>; <em class="gesperrt">in der Regel</em> -aber ist nicht dasselbe wie <em class="gesperrt">immer</em>. Wer regelmäßig früh um fünf -Uhr aufsteht, leistet mehr, als wer es bloß in der Regel tut. Die Regel -leidet eine Ausnahme, die Regelmäßigkeit leidet keine.</p> - -<p>Wenn eine Zeitung schreibt: die Herren verlebten einen <em class="gesperrt">scheinbar</em> -ganz köstlichen Abend – so ist das etwas ganz andres, als was der -Zeitungschreiber sagen will. Mit <em class="gesperrt">scheinbar</em> wird ein Anschein -gleich für falsch erklärt, mit <em class="gesperrt">augenscheinlich</em> wird er gleich -für richtig erklärt, mit <em class="gesperrt">anscheinend</em> wird gar kein Urteil -ausgesprochen. Er verzichtet <em class="gesperrt">scheinbar</em> auf einen Gewinn -– heißt: in Wahrheit ist er ganz gierig darnach; er verzichtet -<em class="gesperrt">anscheinend</em> – heißt: es kann sein, daß er verzichtet, es kann -auch nicht sein; er verzichtet <em class="gesperrt">augenscheinlich</em> – heißt: er -verzichtet offenbar.</p> - -<p><em class="gesperrt">Voran</em> bezeichnet einen Platz, und zwar den ersten<span class="pagenum" id="Seite_342">[S. 342]</span> Platz, -die Spitze, <em class="gesperrt">vorwärts</em> dagegen eine Richtung. Es ist also -Gedankenlosigkeit oder Ziererei, wenn jemand schreibt: Max Müller hat -die Forschung in der Sprachwissenschaft in keinem Punkte <em class="gesperrt">voran</em> -gebracht. Gemeint ist: <em class="gesperrt">vorwärts</em>gebracht oder <em class="gesperrt">gefördert</em>.</p> - -<p>Durch <em class="gesperrt">zumal</em> erfährt eine Behauptung eine in der Sache selbst -liegende, also selbstverständliche Steigerung z. B.: die Urkunden -sind schwer lesbar, <em class="gesperrt">zumal</em> im siebzehnten Jahrhundert (wo man -überhaupt schlecht schrieb – ist der Sinn) – du solltest dich doch -sehr in acht nehmen, <em class="gesperrt">zumal</em> im Winter. Ganz unangebracht ist es -dagegen in folgendem Satze: als ich die Quellen zur Geschichte des -Bistums durcharbeitete, stieß ich, <em class="gesperrt">zumal</em> in zwei Handschriften -des fünfzehnten Jahrhunderts, auf zahlreiche Aktenstücke. Hier kann es -nur <em class="gesperrt">besonders</em> oder <em class="gesperrt">namentlich</em> heißen.</p> - -<p>Keine Verwechslung, sondern bloße Ziererei ist es, für <em class="gesperrt">erstens</em> -zu schreiben <em class="gesperrt">einmal</em>: ich muß das aus verschiednen Gründen -ablehnen, <em class="gesperrt">einmal</em> weil, <em class="gesperrt">sodann</em> weil usw. Wer darauf -aufmerksam gemacht worden ist, unterläßt das; es ist wirklich eine -Abgeschmacktheit.</p> - -<p>Nicht verwechselt, aber vermengt werden neuerdings fortwährend die -beiden Redensarten <em class="gesperrt">einig sein</em> und <em class="gesperrt">sich klar sein</em>. -<em class="gesperrt">Einig sein</em> über etwas können immer nur mehrere; <em class="gesperrt">sich -klar sein</em> kann auch ein einzelner. Ganz sinnlos aber ist das -aus beiden zusammengeknetete <em class="gesperrt">sich einig sein</em>, das man jetzt -täglich lesen muß: Protestanten und Katholiken sind <em class="gesperrt">sich</em> in -diesem Punkte <em class="gesperrt">einig</em> – darin waren <em class="gesperrt">sich</em> zwei Männer -von so verschiedner Art wie Freytag und Treitschke <em class="gesperrt">einig</em> – -die Völker andrer Zonen sind <em class="gesperrt">sich</em> darüber <em class="gesperrt">einig</em> – die -Ärzte sind <em class="gesperrt">sich</em> schon lange darüber <em class="gesperrt">einig</em> – in dieser -Wahlparole sind <em class="gesperrt">sich</em> heute alle völlig <em class="gesperrt">einig</em> – die -Reichsregierung ist <em class="gesperrt">sich</em> über die Höhe der Forderungen noch -nicht <em class="gesperrt">einig</em> – es handelt sich um Maßnahmen, über die wohl die -überwiegende Mehrheit <em class="gesperrt">sich einig</em> ist – vor kurzem noch war man -<em class="gesperrt">sich</em> in Kunstgelehrtenkreisen darüber <em class="gesperrt">einig</em> – offenbar -ist man <em class="gesperrt">sich</em> über gewisse Personenfragen noch nicht <em class="gesperrt">einig</em> -– in der Forderung einer amtlichen, unanfechtbaren Darstellung des -Falles<span class="pagenum" id="Seite_343">[S. 343]</span> wird man <em class="gesperrt">sich</em> wohl überall <em class="gesperrt">einig</em> sein. Wenige -Sprachdummheiten haben sich in den letzten Jahren so seuchenartig -verbreitet wie dieses <em class="gesperrt">sich einig sein</em>. Fort wieder mit dem -törichten <em class="gesperrt">sich</em>!<a id="FNAnker_156" href="#Fussnote_156" class="fnanchor">[156]</a></p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Hingebung_und_Hingabe">Hingebung und Hingabe. Aufregung und -Aufgeregtheit</h3> - -</div> - -<p>Von manchen wird ein lebhafter Kampf gegen die Wörter auf <em class="gesperrt">ung</em> -geführt. Sie klängen häßlich, heißt es, ja sie seien geradezu eine -Verunstaltung unsrer Sprache. Im Unterricht wird gelehrt, man solle -sie möglichst vermeiden. Irgend jemand hat sogar die witzige Bemerkung -gemacht, unsre Sprache mit ihren vielen <em class="gesperrt">ung-ung-ung</em> klinge wie -lauter Unkenrufe.</p> - -<p>Das ist zunächst eine Übertreibung. Die Endung <em class="gesperrt">ung</em> ist tonlos -und fällt nicht so ins Gehör, daß sie, in kurzen Zwischenräumen -wiederholt, stören könnte. Wenn in dem heutigen Deutsch das Ohr durch -nicht schlimmeres verletzt würde als durch die Endung <em class="gesperrt">ung</em>, so -wäre es gut. Ein Satz wie folgender: über die <em class="gesperrt">Voraussetzungen</em> zu -einer <em class="gesperrt">Schließung</em> des Reichstags enthält die <em class="gesperrt">Verfassung</em> -keine ausdrückliche <em class="gesperrt">Bestimmung</em> – hat gar nichts anstößiges. In -lebendiger Rede hört man es kaum, daß hier kurz hintereinander vier -Wörter auf <em class="gesperrt">ung</em> stehen. Hebt man freilich die Endung auffällig -hervor, so kann es wohl lächerlich klingen; aber auf diese Weise könnte -man auch hundert andre Spracherscheinungen lächerlich machen.</p> - -<p>Nicht die Wörter auf <em class="gesperrt">ung</em> muß man bekämpfen, sondern eine immer -mehr um sich greifende garstige Gewohnheit, die dazu verleitet, eine -Menge wirklich häßlicher Wörter auf <em class="gesperrt">ung</em> zu bilden, darunter -Ungetüme wie: <em class="gesperrt">Inbetriebsetzung</em>, <em class="gesperrt">Außerachtlassung</em>, -<em class="gesperrt">Inwegfallbringung</em>, <em class="gesperrt">Zurdispositionstellung</em>, -<em class="gesperrt">Außerdienststellung</em> u. a., die Gewohnheit, eine Handlung oder -einen Vorgang nicht durch ein Zeitwort auszudrücken, sondern durch -ein Substantiv in Verbindung mit irgendeinem farblosen Zeitwort des -Geschehens<span class="pagenum" id="Seite_344">[S. 344]</span> (mit Vorliebe <em class="gesperrt">stattfinden</em> oder <em class="gesperrt">erfolgen</em>). -Da ist es aber nicht die Endung <em class="gesperrt">ung</em>, die stört, sondern das -schleppende Wortungetüm, das damit gebildet ist, und der ganze -unlebendige Gedankenausdruck (vgl. <a href="#Seite_328">S. 328</a>). Wir haben vielmehr allen -Anlaß, die Endung <em class="gesperrt">ung</em> zu schützen, ja zu verteidigen gegen -törichte Neubildungen, die sich ihr an die Seite drängen wollen.</p> - -<p>Die Wörter auf <em class="gesperrt">ung</em> bezeichnen zunächst eine Handlung, einen -Vorgang; <em class="gesperrt">Bildung</em>, <em class="gesperrt">Erziehung</em>, <em class="gesperrt">Aufklärung</em>, -<em class="gesperrt">Einrichtung</em> bedeuten zunächst die Handlung, die Tätigkeit -des Bildens, des Erziehens, des Aufklärens, des Einrichtens. Aus -dieser Bedeutung entwickelt sich aber eine weitere, nämlich die -des Ergebnisses, das die Handlung hat, des Zustandes, der durch -sie herbeigeführt worden ist; <em class="gesperrt">Bildung</em>, <em class="gesperrt">Erziehung</em>, -<em class="gesperrt">Aufklärung</em> bedeuten auch den Zustand des Gebildetseins, -des Erzogenseins, des Aufgeklärtseins, <em class="gesperrt">Einrichtung</em> auch -das Eingerichtete selbst. Vielfach hat nun die Sprache, um den -Unterschied zwischen der Handlung und ihrem Ergebnis zu bezeichnen, -neben dem Wort auf <em class="gesperrt">ung</em> noch ein kürzeres, meist mit Ablaut, -unmittelbar aus dem Stamme geschaffen, also eine starke Bildung neben -der schwachen. So haben wir <em class="gesperrt">Anlage</em> neben <em class="gesperrt">Anlegung</em>, -<em class="gesperrt">Vorlage</em> neben <em class="gesperrt">Vorlegung</em> und können geradezu reden -von der <em class="gesperrt">Anlegung</em> von Gas- und Wasser<em class="gesperrt">anlagen</em>, der -<em class="gesperrt">Vorlegung</em> von Zeichen<em class="gesperrt">vorlagen</em>. Da besteht nun schon seit -alter Zeit die Neigung, die Bildung auf <em class="gesperrt">ung</em> ganz zu beseitigen -und ihre Aufgabe der kürzern Form mit zu übertragen. So sind die -Wörter <em class="gesperrt">Kaufung</em> und <em class="gesperrt">Verkaufung</em> ganz verschwunden; heute -bedeutet <em class="gesperrt">Kauf</em> und <em class="gesperrt">Verkauf</em> auch die Handlung des Kaufens -und Verkaufens. Noch um 1800 sprach man von <em class="gesperrt">Einführung</em> und -<em class="gesperrt">Ausführung</em> von Waren, und wenn man mit etwas nicht einverstanden -war, machte man eine <em class="gesperrt">Einwendung</em>; heute heißt es: <em class="gesperrt">Einfuhr</em>, -<em class="gesperrt">Ausfuhr</em>, <em class="gesperrt">Einwand</em>. Und diese Neigung ist gegenwärtig -sehr stark verbreitet: obwohl die Sprache eine Unterscheidung an -die Hand gibt, es ermöglicht, einen Unterschied zu machen (wieder -ein Beispiel: <em class="gesperrt">Unterscheidung</em> und <em class="gesperrt">Unterschied</em>!), -verschmäht man ihn und redet von<span class="pagenum" id="Seite_345">[S. 345]</span> <em class="gesperrt">Hingabe</em>, <em class="gesperrt">Freigabe</em>, -<em class="gesperrt">Erwerb</em> (in jedem Bande stand auf dem Titelblatte das Datum -des <em class="gesperrt">Erwerbs</em>!), <em class="gesperrt">Gewinn</em>, <em class="gesperrt">Bezug</em>, <em class="gesperrt">Vollzug</em>, -<em class="gesperrt">Entscheid</em>, <em class="gesperrt">Entsatz</em>, <em class="gesperrt">Ersatz</em>, <em class="gesperrt">Vergleich</em>, -<em class="gesperrt">Ausgleich</em>, <em class="gesperrt">Aufgebot</em>, <em class="gesperrt">Freispruch</em> (des Angeklagten), -<em class="gesperrt">Zusammenschluß</em>, wo <em class="gesperrt">Hingebung</em>, <em class="gesperrt">Freigebung</em> (der -Sonntagsarbeit), <em class="gesperrt">Erwerbung</em> (eines Grundstücks oder der -Staatsangehörigkeit), <em class="gesperrt">Gewinnung</em> (Schlesiens), <em class="gesperrt">Beziehung</em>, -<em class="gesperrt">Vollziehung</em>, <em class="gesperrt">Entscheidung</em>, <em class="gesperrt">Entsetzung</em> (Emin -Paschas), <em class="gesperrt">Ersetzung</em>, <em class="gesperrt">Vergleichung</em>, <em class="gesperrt">Aufbietung</em> -(aller Kräfte), <em class="gesperrt">Zusammenschließung</em> das Richtige wäre, weil -eine Handlung gemeint ist. Vor dem letzten Einzug des Königs in -Leipzig schilderte ein Zeitungschreiber, wieviel fleißige Hände mit -dem <em class="gesperrt">Ausschmuck</em> der Straßen beschäftigt wären. In den nächsten -Tagen plapperten das dumme Wort alle Leipziger Zeitungen nach!<a id="FNAnker_157" href="#Fussnote_157" class="fnanchor">[157]</a> -Andrerseits: da, wo die Sprache wirklich beides, Handlung und Zustand, -mit demselben Worte, und zwar auf <em class="gesperrt">ung</em>, ausgedrückt hat, -schafft man künstlich einen Unterschied durch häßliche Neubildungen -auf <em class="gesperrt">heit</em> (sie schießen wie Pilze aus der Erde!) und läßt -die Menschen aus <em class="gesperrt">Geneigtheit</em> oder <em class="gesperrt">Abgeneigtheit</em>, -in der <em class="gesperrt">Zerstreutheit</em>, in der <em class="gesperrt">Verzücktheit</em>, in der -<em class="gesperrt">Verstimmtheit</em>, in der <em class="gesperrt">Aufgeregtheit</em>, in der ersten -<em class="gesperrt">Überraschtheit</em>, mit <em class="gesperrt">Gefaßtheit</em>, unter Merkmalen von -<em class="gesperrt">Geistesgestörtheit</em> oder gar <em class="gesperrt">geistiger Gestörtheit</em> -tun, was sie früher aus <em class="gesperrt">Neigung</em> oder <em class="gesperrt">Abneigung</em>, -in der <em class="gesperrt">Zerstreuung</em>, in der <em class="gesperrt">Verzückung</em>, in der -<em class="gesperrt">Verstimmung</em>, in der <em class="gesperrt">Aufregung</em>, in der ersten -<em class="gesperrt">Überraschung</em>, mit <em class="gesperrt">Fassung</em>, in einem Anfalle von -<em class="gesperrt">Geistesstörung</em> taten. Ja man redet sogar von künstlerischer -<em class="gesperrt">Abgeklärtheit</em>, von religiöser <em class="gesperrt">Aufgeklärtheit</em>, von der -<em class="gesperrt">Isoliertheit</em> eines Gebäudes, von der <em class="gesperrt">Vertiertheit</em> -des Proletariats und sieht mit <em class="gesperrt">Gespanntheit</em> den kommenden -Ereignissen entgegen. Hier überall gilt es, die Bildung auf -<em class="gesperrt">ung</em> vor der häßlichen Nebenbildung auf <em class="gesperrt">heit</em> zu -schützen und das einschlummernde<span class="pagenum" id="Seite_346">[S. 346]</span> Sprachgefühl wieder zu wecken. -Der Straf<em class="gesperrt">vollzug</em>, von dem die Juristen immer reden, ist ein -Greuel, der doch aus unsrer Sprache wieder hinauszubringen sein müßte; -ebenso die innige <em class="gesperrt">Hingabe</em>.<a id="FNAnker_158" href="#Fussnote_158" class="fnanchor">[158]</a> Wird jemand <em class="gesperrt">Anziehung</em> -und <em class="gesperrt">Anzug</em> oder <em class="gesperrt">Abtretung</em> und <em class="gesperrt">Abtritt</em> oder -<em class="gesperrt">Eingebung</em> und <em class="gesperrt">Eingabe</em> verwechseln und sagen: er tat -das aus göttlicher <em class="gesperrt">Eingabe</em>? Das fürchterlichste ist wohl der -<em class="gesperrt">Bezug</em>. Früher kannte man <em class="gesperrt">Bezüge</em> nur an Bettkissen, -Stuhlpolstern und Regenschirmen. Jetzt steht <em class="gesperrt">Bezug</em> überall für -<em class="gesperrt">Beziehung</em>, und da nun die, die das Wort so gebrauchen, die -Bedeutung der Handlung dabei doch nicht recht fühlen, was haben sie -gemacht? Sie haben das herrliche Wort <em class="gesperrt">Bezugnahme</em> erfunden. Das -kann man doch bequemer haben: was mühselig durch das zusammengesetzte -Wort <em class="gesperrt">Bezugnahme</em> ausgedrückt werden soll, das liegt ja in dem -einfachen Worte <em class="gesperrt">Beziehung</em>!</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Vertauschung_der_Hilfszeitwoerter">Vertauschung der Hilfszeitwörter</h3> - -</div> - -<p>Eine vollständige Verschiebung scheinen manche jetzt unter den -Hilfszeitwörtern (<em class="gesperrt">können</em>, <em class="gesperrt">mögen</em>, <em class="gesperrt">wollen</em>, -<em class="gesperrt">dürfen</em>, <em class="gesperrt">sollen</em>, <em class="gesperrt">müssen</em>) durchsetzen zu wollen. Und -<em class="gesperrt">warum</em>? Aus bloßer Ziererei, nur, um es einmal anders zu machen, -als es bisher gemacht worden ist. Da schreibt einer: es <em class="gesperrt">mag</em> -für ältere Mitglieder von Interesse sein die Mitgliederliste kennen -zu lernen. Nun denkt man, er werde fortfahren: aber für die jüngern -hat es kein Interesse, und darum teile ich sie nicht mit. Nein, -er teilt sie mit! Er hat also sagen wollen: die Liste <em class="gesperrt">kann</em> -oder <em class="gesperrt">wird vielleicht</em> von Interesse sein, darum will ich sie -mitteilen. Eine Zeitschrift macht bekannt: Abonnenten <em class="gesperrt">wollen</em> -die Fortsetzung bei der Expedition bestellen – ein Realschuldirektor -schreibt: Neuphilologisch geschulte Bewerber <em class="gesperrt">wollen</em> ihre -Gesuche bis zum 1. Dezember einreichen. Das ist doch nichts als -Nachäfferei<span class="pagenum" id="Seite_347">[S. 347]</span> des Französischen (<span class="antiqua">veuillez</span>); deutsch kann es -nur heißen: <em class="gesperrt">mögen</em> sie einreichen, oder wenn das nicht höflich -genug scheint, <em class="gesperrt">werden gebeten</em>, <em class="gesperrt">werden ersucht</em>, sie -einzureichen. Noch alberner ist es, ein solches <em class="gesperrt">wollen</em> mit dem -Passivum zu verbinden: die Redaktion <em class="gesperrt">wolle</em> angewiesen werden -(statt: es wird gebeten, die Redaktion anzuweisen) – das Testament -<em class="gesperrt">wolle</em> in Verwahrung genommen werden – das Öffnen der Fenster -<em class="gesperrt">wolle</em> den Schaffnern aufgetragen werden – es <em class="gesperrt">wolle</em> -sich gefälligst des Tabakrauchens enthalten werden. Sehr beliebt ist -es auch jetzt, zu schreiben: ich <em class="gesperrt">darf</em> endlich noch hinzufügen -– hier <em class="gesperrt">darf</em> zum Schluß noch angeführt werden usw. Darf? Wer -erlaubt es denn? Der Schreibende erlaubt es sich doch selber, er nimmt -es sich heraus. Er kann also doch nur sagen: hier <em class="gesperrt">darf wohl</em> -zum Schluß noch angeführt werden; mit dem <em class="gesperrt">wohl</em> sucht man sich -höflich der Zustimmung des Lesers zu versichern. Ganz abgeschmackt -ist der Mißbrauch, der jetzt mit <em class="gesperrt">sollen</em> getrieben wird. Da -wird geschrieben: eines nähern Eingehens auf diese Punkte glaube ich -mich enthalten zu <em class="gesperrt">sollen</em> – wir glauben, diesen Satz auf das -ganze Werk ausdehnen zu <em class="gesperrt">sollen</em> – der Heilige Vater glaubt dich -ermuntern zu <em class="gesperrt">sollen</em>, in der begonnenen Arbeit fortzufahren – -wir glaubten die Eröffnung <em class="gesperrt">nicht</em> vornehmen zu <em class="gesperrt">sollen</em>, -ohne die maßgebenden Persönlichkeiten dazu einzuladen – im Interesse -des Publikums hat die Behörde geglaubt, den Betrieb <em class="gesperrt">nicht</em> in -städtische Regie nehmen zu <em class="gesperrt">sollen</em>. <em class="gesperrt">Sollen</em> bezeichnet -einen Befehl, einen Auftrag. In den angeführten Beispielen aber handelt -sichs entweder um eine Möglichkeit oder eine Notwendigkeit. Weshalb -also nicht <em class="gesperrt">können</em>, <em class="gesperrt">müssen</em>, <em class="gesperrt">dürfen</em>? Es ist nichts -als dumme Ziererei.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Der_Dritte_und_der_Andre">Der Dritte und der Andre</h3> - -</div> - -<p>Viele Menschen können jetzt tatsächlich nicht mehr „bis drei -zählen“, sondern lassen auf den Ersten gleich den Dritten folgen. -Sie schreiben: bei allem, was ich unternommen habe, hat mich nichts -verleiten können, das Recht eines <em class="gesperrt">Dritten</em> zu verletzen – -an einer neuen<span class="pagenum" id="Seite_348">[S. 348]</span> Entdeckung ging er gleichgiltig vorbei; sobald sie -aber durch einen <em class="gesperrt">Dritten</em> verballhornt war, erhob er den Kopf -– mein Bauplan würde ganz umsonst gemacht sein, wenn dann ein -<em class="gesperrt">Dritter</em> den Bauplatz bekäme – bei einer solchen Verpachtung -würde die Stadtgemeinde das Eigentumsrecht behalten und nur auf eine -Reihe von Jahren einem <em class="gesperrt">Dritten</em> ein Benutzungsrecht einräumen -– auch der Künstler, der aus innerm Drange schafft, wird früher oder -später erlahmen, wenn er fortwährend zusehen muß, wie <em class="gesperrt">Dritte</em> -den ihm zukommenden Ruhm genießen – die juristische Wissenschaft -zeigt dem Verwaltungsbeamten die Schranken, die seinem Handeln -durch entgegenstehende Rechte <em class="gesperrt">Dritter</em> gesetzt sind – ich -hätte die Aufgabe ohne die freundliche Hilfe <em class="gesperrt">Dritter</em> nicht -bewältigen können – das Mißtrauen in (!) seine Begabung, unter dem -er durch <em class="gesperrt">Dritte</em> zu leiden hatte – die Anerkennung, die sich -als Ausbeutung seines geistigen Eigentums seitens (!) <em class="gesperrt">Dritter</em> -darstellt – die sekundäre Art der Komposition, über Themen -<em class="gesperrt">Dritter</em> zu phantasieren – Akten über innere Verwaltungssachen -und Verträge mit <em class="gesperrt">Dritten</em> werden nicht mitgeteilt – da die -Mitglieder entfernt wohnen, so lag es nahe, ihre Befugnisse auf -<em class="gesperrt">dritte</em> Personen zu übertragen – wegen des Zeitverlustes, den -mir die Arbeit an <em class="gesperrt">dritter</em> Stelle machen würde, bitte ich mir -die Bücher in meine Wohnung zu senden. Ein Lokalrichter macht bekannt, -er habe Waren im Auftrage eines <em class="gesperrt">Dritten</em> zu versteigern – eine -Zeitung berichtet, daß ein Klempner von einem Baugerüst gefallen, ein -Verschulden <em class="gesperrt">Dritter</em> an dem Unglücksfall aber ausgeschlossen sei -– eine andre erzählt: der junge Mann besuchte darauf ein Restaurant, -wo möglicherweise <em class="gesperrt">dritte</em> Personen von seinem Gelde Kenntnis -erlangten.</p> - -<p>Der Unsinn stammt natürlich aus Juristenkreisen. Die Herren Juristen -sind so daran gewöhnt, mit zwei Parteien zu tun zu haben, zu denen -dann irgend ein „Dritter“ kommt, daß ihnen schließlich der Dritte auch -da in die Feder läuft, wo gar nicht von zweien die Rede gewesen ist; -er vertritt schon vollständig die Stelle des Andern. Und andre Leute -machen es gedankenlos nach.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_349">[S. 349]</span></p> - -<h3 id="Verwechslung_von_Praepositionen">Verwechslung von Präpositionen</h3> - -</div> - -<p>Mancherlei Verwirrung herrscht auch auf dem Gebiete der Präpositionen. -So werden z. B. sehr oft <em class="gesperrt">durch</em> und <em class="gesperrt">wegen</em> verwechselt, -obwohl sie doch so leicht auseinanderzuhalten wären, denn <em class="gesperrt">durch</em> -gibt das Mittel, <em class="gesperrt">wegen</em> den Grund an. Da wird z. B. geschrieben: -das Buch ist <em class="gesperrt">durch</em> seine prachtvolle Ausstattung ein wertvolles -Geschenk – die Marienkirche enthält viele <em class="gesperrt">durch</em> Kunst und -Geschichte bemerkenswerte Sehenswürdigkeiten – der Streit ist -<em class="gesperrt">durch</em> seine lange Dauer von mehr als bloß örtlicher Bedeutung -gewesen – <em class="gesperrt">durch</em> die verkehrte Methode seines Lehrers machte -er lange Zeit keine Fortschritte – Falb, der <em class="gesperrt">durch</em> seine -kritischen Tage vielgenannte Wetterprophet – die Mißernten bleiben -dann nur noch <em class="gesperrt">durch</em> Regen zu fürchten – <em class="gesperrt">durch</em> -körperliches Leiden ist als sicher anzunehmen, daß sie sich ein Leid -angetan hat – <em class="gesperrt">durch</em> sein liebenswürdiges und aufrichtiges -Wesen werden wir stets seiner in Ehren gedenken. In allen diesen -Sätzen muß es <em class="gesperrt">wegen</em> heißen, denn man fragt hier nicht: wodurch? -sondern weshalb oder warum? Ebenso werden <em class="gesperrt">für</em> und <em class="gesperrt">vor</em>, -<em class="gesperrt">für</em> und <em class="gesperrt">zu</em>, <em class="gesperrt">für</em> und <em class="gesperrt">über</em> oft vertauscht. -Früher hatte man Liebe <em class="gesperrt">zu</em> jemand, faßte Neigung <em class="gesperrt">zu</em> -jemand, hegte Achtung <em class="gesperrt">vor</em> etwas, hatte Sinn, Gefühl, Interesse -<em class="gesperrt">für</em> etwas; jetzt gilt es <em class="gesperrt">für</em> fein, das alles durch -<em class="gesperrt">für</em> zu erledigen: daher seine merkwürdige <em class="gesperrt">Neigung für</em> -alle Verkommnen und Gescheiterten – wir haben <em class="gesperrt">Achtung für</em> den -realistischen Geist – der Sozialismus hat wenig <em class="gesperrt">Achtung für</em> -rein geistige Arbeit. Eine Stadtgemeinde gibt Verwaltungsberichte -heraus <em class="gesperrt">für</em> das abgelaufene Jahr. Nein, Kalender und Adreßbücher -druckt man <em class="gesperrt">für</em> ein Jahr, Berichte schreibt man <em class="gesperrt">über</em> ein -Jahr. Früher sagte man: <em class="gesperrt">von</em> heute <em class="gesperrt">an</em>. Jetzt liest man -nur noch: <em class="gesperrt">von</em> heute <em class="gesperrt">ab</em>, <em class="gesperrt">von</em> Montag <em class="gesperrt">ab</em>, -<em class="gesperrt">vom</em> 1. Januar <em class="gesperrt">ab</em>. Warum denn <em class="gesperrt">ab</em>? Man bildet sich -doch nicht etwa ein, <em class="gesperrt">ab</em> könne hier in dem Sinne stehen wie auf -den Eisenbahnfahrplänen, wo es den Ausgangspunkt bezeichnet? Nein, -es bedeutet die Richtung. <em class="gesperrt">Von</em> Kindesbeinen <em class="gesperrt">an</em> – das -will sagen, daß<span class="pagenum" id="Seite_350">[S. 350]</span> der Weg von der Kindheit in die Höhe führe (vgl. -<em class="gesperrt">hinan</em>, <em class="gesperrt">bergan</em>); noch deutlicher sagt es: <em class="gesperrt">von</em> -Jugend <em class="gesperrt">auf</em>. Bei dem neumodischen <em class="gesperrt">von</em> – <em class="gesperrt">ab</em> hat man -immer die Vorstellung, als ob alles, was jetzt unternommen wird, von -Anfang an dazu verurteilt wäre, bergab zu gehen.</p> - -<p>Besonders anstößig ist es, wie oft sich – offenbar unter dem Einflusse -des Lateinischen – die Präposition <em class="gesperrt">in</em> an Stellen drängt, wo sie -nicht hingehört. In gutem Deutsch hat man Vertrauen <em class="gesperrt">zu</em> jemand, -Hoffnung <em class="gesperrt">auf</em> jemand und Mißtrauen <em class="gesperrt">gegen</em> jemand. Das wird -jetzt alles durch <em class="gesperrt">in</em> besorgt: man hat Vertrauen <em class="gesperrt">in</em> die -Kriegsleitung (scheußlich!), verliert die Zuversicht <em class="gesperrt">in</em> sich -selbst, ist ohne jedes persönliche Mißtrauen <em class="gesperrt">in</em> die Behörden -und setzt seine Hoffnung <em class="gesperrt">in</em> die Zukunft. Ja die Juristen reden -sogar von einer Vollstreckung <em class="gesperrt">in</em> verschuldeten Besitz, einer -Zwangsvollstreckung <em class="gesperrt">in</em> Liegenschaften und verurteilen einen -Angeklagten <em class="gesperrt">in</em> die Kosten. Das alles ist schlechterdings -kein Deutsch, es ist das offenbarste Latein. Früher ging man auch -<em class="gesperrt">auf</em> einem Wege vorwärts, und nur wenn einen auf diesem Wege -jemand hinderte, sagte man: er tritt mir <em class="gesperrt">in</em> den Weg, er steht -mir <em class="gesperrt">im</em> Wege, er mag mir <em class="gesperrt">aus</em> dem Wege gehen. Unsre -Juristen aber möchten nur noch <em class="gesperrt">im Wege</em> vorwärtsgehen oder -vielmehr „vorschreiten“, sei es nun <em class="gesperrt">im Wege</em> der Gesetzgebung -oder <em class="gesperrt">im Wege</em> der Polizeiverordnung oder <em class="gesperrt">im Wege</em> der -einstweiligen Verfügung oder <em class="gesperrt">im Wege</em> des Vergleichs oder -<em class="gesperrt">im Wege</em> der Güte oder <em class="gesperrt">im Wege</em> der Anregung. Man denkt -sich die Herren unwillkürlich in einer Schlucht oder einem Hohlwege -stehen, „rings von Felsen eingeschlossen“, wenn sie so „im Wege -vorschreiten“. In der Juristensprache bedeutet aber doch wenigstens -das Wort den eingeschlagnen Weg, das Verfahren; der Jurist beschreitet -ja auch den <em class="gesperrt">Klageweg</em> oder verweist einen Klienten auf den -<em class="gesperrt">Beschwerdeweg</em>. Wenn aber gar eine Bibliothek berichtet, daß -ihr Bücher zugegangen seien <em class="gesperrt">im Wege</em> der Schenkung, des Tauschs -oder des Kaufs, so ist das doch völlig abgeschmackt, denn da ist doch -nur von der Art und Weise die Rede: die Bücher sind ihr <em class="gesperrt">durch</em> -Schenkung, Tausch oder Kauf zugegangen.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_351">[S. 351]</span></p> - -<p>Im Buchdruck und Buchhandel, wo man sich gegenwärtig durch -Absonderlichkeiten aller Art zu überbieten sucht – in der Wahl -der Schriften, in der Einrichtung der Kolumnen, in der Fassung und -Anordnung der Titel, in der Angabe des Verlags –, müssen auch die -Präpositionen mit herhalten: ein Buch wird nicht mehr <em class="gesperrt">von</em> jemand -herausgegeben und verlegt, sondern herausgegeben wird es <em class="gesperrt">durch</em> -jemand (herausgegeben <em class="gesperrt">durch</em> Hans Helmolt) und verlegt wird es -<em class="gesperrt">bei</em> jemand (verlegt <em class="gesperrt">bei</em> Eugen Diederichs). Gedruckt -<em class="gesperrt">bei</em> – das hat Sinn. Aber verlegt <em class="gesperrt">bei</em> – da fragt -man doch: verlegt es denn der Herr nicht selbst? wer sind denn die -Hintermänner, die es <em class="gesperrt">bei</em> ihm verlegen?</p> - -<p>Zu den neuesten Dummheiten gehört es auch, daß man die Präposition -<em class="gesperrt">nach</em> gebraucht in einem Falle, wo sie nicht hingehört, und sie -nicht gebraucht in einem Falle, wo sie hingehört. Man schreibt nicht -mehr: <em class="gesperrt">nach</em> der und der Zeitung oder dem und dem Telegramm ist -das und das geschehen, sondern: <em class="gesperrt">zufolge</em> (!) der Zeitung oder -des Telegramms, als ob die Zeitung oder das Telegramm die Ursache, die -Veranlassung des Ereignisses wäre. Da ist hier eine Ministerkrisis -ausgebrochen, dort ein Luftschiffer verunglückt, hier beim Rennen ein -Pferd gestürzt, dort ein Leprafall vorgekommen, alles <em class="gesperrt">zufolge</em> -von Zeitungen! Es ist zu dumm. Man kann es aber alle Tage lesen. -Andrerseits geht man aber nicht mehr <em class="gesperrt">zu</em> Schulze, sondern <em class="gesperrt">nach -Schulze</em>, ja man schreibt sogar <em class="gesperrt">nach Schulze</em> und schickt -einen Brief <em class="gesperrt">nach Schulze</em> (statt: <em class="gesperrt">an Schulze</em>). In meiner -Kindheit ging man noch <em class="gesperrt">zu Hause</em>, so gut wie man <em class="gesperrt">zu Tische</em> -und <em class="gesperrt">zu Bette</em> ging, und wie der Krug so lange <em class="gesperrt">zu Wasser</em> -geht, bis er bricht. Dann hieß es auf einmal: <em class="gesperrt">zu Hause</em> auf -die Frage wohin? sei nicht fein, man müsse sagen: <em class="gesperrt">nach Hause</em>. -Vielleicht wird auch <em class="gesperrt">nach Schulze</em> noch fein. Feine Leute -schicken aber auch ihre Kinder nicht mehr <em class="gesperrt">in</em> die Schule, sondern -<em class="gesperrt">zur</em> Schule. Geht Ihre Kleine schon <em class="gesperrt">zur</em> Schule? heißt es. -Da wird sie nicht viel lernen, wenn sie bloß <em class="gesperrt">zur</em> Schule geht; -sie muß hineingehen!</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_352">[S. 352]</span></p> - -<h3 id="Hin_und_her">Hin und her</h3> - -</div> - -<p>Auch für den Unterschied von <em class="gesperrt">hin</em> und <em class="gesperrt">her</em> scheinen nur -wenig Menschen noch ein Gefühl zu haben; daß <em class="gesperrt">hin</em> die Richtung, -die Bewegung von mir weg nach einem andern Orte, <em class="gesperrt">her</em> die -Richtung, die Bewegung von einem andern Orte auf mich zu bedeutet – -man vergleiche <em class="gesperrt">geh hin!</em> mit <em class="gesperrt">komm her!</em> –, wie wenige -wissen das noch! In ihrem Sprachgebrauch wenigstens, dem mündlichen -wie dem schriftlichen, wird <em class="gesperrt">hinein</em> und <em class="gesperrt">herein</em>, -<em class="gesperrt">hinaus</em> und <em class="gesperrt">heraus</em>, <em class="gesperrt">hinan</em> und <em class="gesperrt">heran</em>, -<em class="gesperrt">hinauf</em> und <em class="gesperrt">herauf</em> fortwährend zusammengeworfen. Ein -klassisches Beispiel dieser Verwirrung ist die gemeine Redensart: er -ist <em class="gesperrt">reingefallen</em>. Daß jemand in eine Grube <em class="gesperrt">hereingefallen</em> -sei, kann man doch nur sagen, wenn man selber schon drinliegt. Die -aber, die mit Vorliebe diese Redensart im Munde führen, fühlen sich -doch stolz als draußen stehend, sie stehen oben am Rande der Grube -und blicken schadenfroh auf das Opfer, das unten liegt. Das Opfer -ist also <em class="gesperrt">hinein</em>gefallen oder <em class="gesperrt">nein</em>gefallen. Wer auf -der Straße bleibt, kann nur sagen: <em class="gesperrt">Geh hinauf</em> und wirf mir -den Schlüssel <em class="gesperrt">herunter</em>! Wer oben am Fenster steht, kann nur -fragen: Willst du <em class="gesperrt">heraufkommen</em>, oder soll ich dir den Schlüssel -<em class="gesperrt">hinunter werfen</em>? Aber der Volksmund, auch der der Gebildeten, -drückt jetzt beides durch <em class="gesperrt">rauf</em> und <em class="gesperrt">runter</em> aus, es gilt -das jetzt offenbar für feiner als <em class="gesperrt">nauf</em> und <em class="gesperrt">nunter</em>. -Wenn auch niemand drin ist, ich will doch mal <em class="gesperrt">rein</em>sehen – so -sagen auch gebildete Leute. Wenn zwei an einem Graben stehen, der -eine hüben, der andre drüben, so kann jeder von beiden fragen: Willst -du <em class="gesperrt">herüber</em>springen, oder soll ich <em class="gesperrt">hinüber</em>springen? -Heute springen beide nur noch <em class="gesperrt">rüber</em>: Willst <em class="gesperrt">du</em> -rüberspringen, oder soll <em class="gesperrt">ich</em> rüberspringen? Die Herren von -der Feder aber machens nicht besser, auch sie verwechseln <em class="gesperrt">hin</em> -und <em class="gesperrt">her</em>. Nicht bloß der Zeitungschreiber schreibt: bis in die -jüngste Zeit <em class="gesperrt">hinein</em>, auch der Historiker: auf die Sturm- und -Drangzeit folgte die klassische Periode, die in unser Jahrhundert -<em class="gesperrt">hinein</em>ragt. Jeder ist aber doch drin in seinem Jahrhundert! In -einem Raum oder<span class="pagenum" id="Seite_353">[S. 353]</span> Zeitraum, worin wir uns befinden, kann doch etwas nur -<em class="gesperrt">hereinragen</em>. Etwas andres ist es, wenn von einer Erscheinung des -sechzehnten Jahrhunderts gesagt wird, sie lasse sich bis ins siebzehnte -Jahrhundert <em class="gesperrt">hinein</em> verfolgen; das ist richtig, denn wir sind -nicht drin im siebzehnten Jahrhundert. Umgekehrt aber wird geschrieben: -wir fragen nicht, was in das Bild alles <em class="gesperrt">herein</em>geheimnist ist -(<em class="gesperrt">hinein</em>!) – über das Zellensystem kommt der Architekt nun -einmal nicht <em class="gesperrt">heraus</em> (<em class="gesperrt">hinaus</em>!) usw.</p> - -<p>Nun ist es freilich eine merkwürdige Erscheinung, daß bei allen -Zeitwörtern mit übertragner Bedeutung, bei denen man die Vorstellung -einer äußern Richtung nur noch undeutlich oder gar nicht mehr hat, -<em class="gesperrt">hin</em> vollständig durch <em class="gesperrt">her</em> verdrängt worden ist; man sagt -z. B.: sich <em class="gesperrt">herab</em>lassen, mit Verachtung <em class="gesperrt">herab</em>blicken, -den Preis <em class="gesperrt">herab</em>setzen, ein Buch <em class="gesperrt">heraus</em>geben, in seinen -Vermögensverhältnissen <em class="gesperrt">herunter</em>kommen u. a. Die Neigung, -<em class="gesperrt">her</em> dem <em class="gesperrt">hin</em> vorzuziehen, ist also augenscheinlich in -der Sprache vorhanden. Man sollte aber doch meinen, daß überall -da, wo noch deutlich eine äußere Richtung ausgedrückt wird, eine -Verwechslung unmöglich sei. Wie kann man also sagen, daß die Steuern -<em class="gesperrt">herauf</em>geschraubt werden? Wir stehen doch unten und möchten auch -gern unten bleiben; also werden die Steuern <em class="gesperrt">hinauf</em>geschraubt. -Wir erhielten Befehl, an den Feind <em class="gesperrt">heran</em>zureiten – wer kann so -schreiben? Der Feind kann wohl an uns <em class="gesperrt">heran</em>reiten, wir aber an -den Feind doch nur <em class="gesperrt">hinan</em>. Eine bittre Pille oder einen Vorwurf -– schluckt man sie <em class="gesperrt">herunter</em> oder <em class="gesperrt">hinunter</em>? Da man sein -Ich lieber im Kopfe denkt als im Magen, so kann man sie doch nur -<em class="gesperrt">hinunter</em>schlucken. Er sah zu mir <em class="gesperrt">hinauf</em> – Unsinn! Ich -und mein Kopf, wir sind doch oben.</p> - -<p>Auch sonst, nicht bloß bei <em class="gesperrt">hin</em> und <em class="gesperrt">her</em>, wird der örtliche -Gegensatz jetzt oft verwischt. <em class="gesperrt">Hüben</em> und <em class="gesperrt">drüben</em> wird -allenfalls noch unterschieden, aber <em class="gesperrt">haußen</em> und <em class="gesperrt">hinnen</em> -getraut sich kaum noch jemand zu schreiben; jetzt heißt es: sie holen -von <em class="gesperrt">draußen</em>, was <em class="gesperrt">drinnen</em> fehlt. Aber wo bin ich denn, der -Schreibende? Irgendwo muß ich mich doch denken!</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_354">[S. 354]</span></p> - -<h3 id="Ge_be_ver_ent_er">Ge, be, ver, ent, er</h3> - -</div> - -<p>Wenn auf solche Weise Wörter mißverstanden und miteinander -verwechselt werden können, deren Sinn und Bedeutung man sich mit -ein wenig Nachdenken noch klarmachen kann, um wieviel mehr sind -Wörter dem Mißverständnis und dem Mißbrauch ausgesetzt, wie die -kleinen Präfixe <em class="gesperrt">ge</em>, <em class="gesperrt">be</em>, <em class="gesperrt">ver</em>, <em class="gesperrt">ent</em>, -<em class="gesperrt">er</em>, deren Bedeutung nicht mehr klar zutage liegt, sondern -nur noch mehr oder weniger dunkel gefühlt wird! Wie oft wird -<em class="gesperrt">brauchen</em> und <em class="gesperrt">gebrauchen</em> verwechselt! Und doch heißt das -eine <em class="gesperrt">nötig haben</em>, das andre <em class="gesperrt">anwenden</em>. Wie oft liest -man das dumme <em class="gesperrt">belegen</em> sein (ein Haus ist in der oder der -Straße <em class="gesperrt">belegen</em>), wie oft das gespreizte <em class="gesperrt">beheben</em> (die -Hindernisse werden sich hoffentlich <em class="gesperrt">beheben</em> lassen), wie oft das -widersinnige <em class="gesperrt">beeidigen</em> (die Zeugen wurden <em class="gesperrt">beeidigt</em>)! Man -kann eine Aussage <em class="gesperrt">beeidigen</em>, aber nicht einen <em class="gesperrt">Zeugen</em>. Im -gewöhnlichen Leben sagt man: hier wird Trottoir <em class="gesperrt">gelegt</em>; sowie -es aber eine Tiefbauverwaltung besorgt, dann wird es <em class="gesperrt">verlegt</em>. -Warum denn <em class="gesperrt">ver</em>? Was man <em class="gesperrt">verlegt</em> hat, das findet man -doch nicht wieder. Wie oft muß man das lächerliche <em class="gesperrt">entnüchtern</em> -lesen (statt <em class="gesperrt">ernüchtern</em>), auch schon <em class="gesperrt">entwehren</em> (statt -<em class="gesperrt">erwehren</em>)! Wird jemand <em class="gesperrt">entledigen</em> und <em class="gesperrt">erledigen</em> -verwechseln? Wie abgeschmackt ist der Gebrauch von <em class="gesperrt">entfallen</em> -und <em class="gesperrt">entlohnen</em>, mit dem sich jetzt täglich die Zeitungen -spreizen! Fabrikarbeiter werden ja nicht mehr bezahlt, sie werden -nur noch <em class="gesperrt">entlohnt</em>, der deutsche Lehrerstand hat stets die -Ideale treu gepflegt trotz kärglicher <em class="gesperrt">Entlohnung</em>, und von -der Fernsprechstelle Berlin-Wien, die 660 Kilometer beträgt, -<em class="gesperrt">entfallen</em> 430 auf österreichisches und 230 auf deutsches Gebiet. -Warum denn <em class="gesperrt">ent</em>? Wem <em class="gesperrt">entfallen</em> sie denn? Es wird aber -auch nichts mehr <em class="gesperrt">gehofft</em>, sondern alles nur <em class="gesperrt">erhofft</em> -(der <em class="gesperrt">erhoffte</em> Erfolg blieb aus.) Das allerschönste aber ist -<em class="gesperrt">erbringen</em>, das in keiner Zeitungsnummer fehlt. Beweise und -Nachweise, die früher <em class="gesperrt">gebracht</em> oder <em class="gesperrt">geliefert</em> wurden -und im Volksmunde noch jetzt <em class="gesperrt">gebracht</em> werden, in der Zeitung -werden sie nur noch <em class="gesperrt">erbracht</em>. Ja selbst Tatsachen werden schon -<em class="gesperrt">erbracht</em> (die neue Verhandlung hat eine<span class="pagenum" id="Seite_355">[S. 355]</span> ganze Reihe neuer -Tatsachen <em class="gesperrt">erbracht</em>), Beispiele (Koschat <em class="gesperrt">erbringt</em> dafür -ein lebendes Beispiel – schreibt der Musikschwätzer), Erträge (die -Staatsforsten <em class="gesperrt">erbringen</em> einen Ertrag von einer Million Mark) -und sogar Spuren (von einem Sinken des Richterstandes ist bis jetzt -noch keine Spur <em class="gesperrt">erbracht</em>). Warum denn <em class="gesperrt">er</em>? was heißt denn -<em class="gesperrt">er</em>?</p> - -<p>Er ist verwandt mit <em class="gesperrt">ur</em>, wie <em class="gesperrt">erlauben</em> neben <em class="gesperrt">Urlaub</em> -zeigt, und beide bedeuteten <em class="gesperrt">aus</em>. Diese ursprüngliche Bedeutung -von <em class="gesperrt">er</em> ist in vielen zusammengesetzten Zeitwörtern noch sehr -gut zu fühlen: gewöhnlich bedeuten sie den Anfang oder das Ende -einer Handlung, wie auch das Wort <em class="gesperrt">ausgehen</em> beides bedeutet -(vgl. wir sind davon <em class="gesperrt">ausgegangen</em>, und: die Sache ist übel -<em class="gesperrt">ausgegangen</em>). Den Anfang einer Handlung bezeichnet <em class="gesperrt">er</em> -z. B. in <em class="gesperrt">erblühen</em>, den Endpunkt dagegen in <em class="gesperrt">erlangen</em>, -<em class="gesperrt">erreichen</em>, <em class="gesperrt">erfinden</em>, <em class="gesperrt">erfüllen</em>, <em class="gesperrt">ertrinken</em>, -<em class="gesperrt">ersticken</em>. Weislingen im Götz sagt mit bewußter Unterscheidung: -ich <em class="gesperrt">sterbe</em> und kann nicht <em class="gesperrt">ersterben</em>. Was da -<em class="gesperrt">erhoffen</em> bedeuten soll, ist unverständlich; es könnte doch nur -heißen: so lange auf etwas hoffen, bis es eintritt. Jedenfalls ist es -ein Widerspruch, zu sagen: der <em class="gesperrt">erhoffte</em> Erfolg blieb aus, es -genügt der <em class="gesperrt">gehoffte</em>. Auch ein Brief kann nicht <em class="gesperrt">eröffnet</em> -werden, wie die Post sagt (amtlich <em class="gesperrt">eröffnet</em>!), sondern einfach -<em class="gesperrt">geöffnet</em>; eine Aussicht wird mir <em class="gesperrt">eröffnet</em>, ein Beschluß -der Behörde, auch ein neues Geschäft; dann wird es aber jeden Morgen -nur <em class="gesperrt">geöffnet</em>. Auch weshalb die Eisenbahndirektion Sonntags -einen Sonderzug <em class="gesperrt">erstellt</em>, ist nicht einzusehen; man ist doch -schon zufrieden, wenn sie ihn <em class="gesperrt">stellt</em>. Das törichtste aber -sind die <em class="gesperrt">erbrachten</em> Beweise, Nachweise, Belege, Beispiele, -Erträge und Spuren. Einen Beweis oder Nachweis <em class="gesperrt">erbringen</em> -könnte zur Not einen Sinn haben, wenn man damit den durchgeführten, -bis aufs letzte Tüpfelchen gelungnen Beweis im Gegensatz zu dem bloß -versuchten bezeichnen wollte. Aber daran ist in den seltensten Fällen -zu denken, <em class="gesperrt">erbringen</em> wird mit ganz gedankenlosem Gespreiz -für <em class="gesperrt">bringen</em> gesagt. In <em class="gesperrt">bringen</em> liegt ja schon der -Begriff des Vollendens, des Beendigens; <em class="gesperrt">bringen</em><span class="pagenum" id="Seite_356">[S. 356]</span> verhält sich -zu <em class="gesperrt">tragen</em> wie <em class="gesperrt">treffen</em> zu <em class="gesperrt">werfen</em>. Man könnte -schließlich auch sagen: Kellner, <em class="gesperrt">erbringen</em> Sie mir ein Glas Bier!</p> - -<p><em class="gesperrt">Ent</em> (urverwandt mit dem lateinischen <span class="antiqua">ante</span> und dem -griechischen ἀντί, vgl. Antlitz, Antwort) bedeutet -eigentlich <em class="gesperrt">vor</em>, <em class="gesperrt">gegen</em>, <em class="gesperrt">gegenüber</em>. Mit -Zeitwörtern zusammengesetzt, drückt es daher zunächst aus, daß sich -von einem Ganzen ein Teil ablöst und ihm als ein selbständiges -Ganze gegenübertritt, so in <em class="gesperrt">entstehen</em>, <em class="gesperrt">entspringen</em>. -Daraus entwickelt sich dann überhaupt der Begriff der Trennung, -Lösung, Befreiung und auch Beraubung, wie in <em class="gesperrt">entkommen</em>, -<em class="gesperrt">entfliehen</em>, <em class="gesperrt">entwenden</em>, <em class="gesperrt">entlehnen</em>, -<em class="gesperrt">entkleiden</em>, <em class="gesperrt">enthüllen</em>, <em class="gesperrt">entblättern</em>, -<em class="gesperrt">entkräften</em>, <em class="gesperrt">entthronen</em>, <em class="gesperrt">entfesseln</em>, -<em class="gesperrt">entlarven</em>, und endlich, bei gänzlicher Verblassung der -eigentlichen Bedeutung, eine bloße Verstärkung des Verbalbegriffs, -wie in <em class="gesperrt">entlassen</em>, <em class="gesperrt">enttäuschen</em>, <em class="gesperrt">entfremden</em>. Wenn -man neuerdings <em class="gesperrt">entrechten</em> und <em class="gesperrt">enthaften</em> gebildet hat, -so ist dagegen nichts weiter einzuwenden, als daß das zweite Wort -recht überflüssig ist. <em class="gesperrt">Entlohnen</em> aber kann doch nur heißen: -einem seinen Lohn wegnehmen (wahrscheinlich hat der Schöpfer des -Wortes zugleich an <em class="gesperrt">lohnen</em> und <em class="gesperrt">entlassen</em> gedacht) und -<em class="gesperrt">entnüchtern</em> nur: einen betrunken machen, und was das <em class="gesperrt">ent</em> -in einem Satze wie: auf den Quadratkilometer <em class="gesperrt">entfallen</em> 200 -Seelen – bedeuten soll, ist gänzlich unverständlich. Man könnte -ebensogut sagen: auf den Quadratkilometer <em class="gesperrt">entkommen</em> 200 -Seelen.<a id="FNAnker_159" href="#Fussnote_159" class="fnanchor">[159]</a> Auch wenn Bibliotheken um gütige <em class="gesperrt">Entleihung</em> oder -<em class="gesperrt">Entlehnung</em> eines Buches gebeten werden, so ist das sinnwidrig; -die Bibliothek <em class="gesperrt">verleiht</em> ihre Bücher, der Leser aber <em class="gesperrt">leiht</em> -oder <em class="gesperrt">entleiht</em> sie.</p> - -<p>Lebhafter Streit ist darüber geführt worden, ob es richtig sei, zu -sagen: er <em class="gesperrt">entblödete sich nicht</em>. Das Grimmische Wörterbuch -erklärt die Verneinung bei <em class="gesperrt">sich entblöden</em> für falsch. In der -Tat liegt es auch am nächsten, <em class="gesperrt">sich entblöden</em> mit Zeitwörtern -wie <em class="gesperrt">entbehren</em>, <em class="gesperrt">enthüllen</em>, <em class="gesperrt">entschuldigen</em>, -<em class="gesperrt">entführen</em>,<span class="pagenum" id="Seite_357">[S. 357]</span> <em class="gesperrt">entwischen</em> zu vergleichen, sodaß es bedeuten -würde: <em class="gesperrt">die Blödigkeit</em> (d. h. Schüchternheit) <em class="gesperrt">ablegen</em>, -<em class="gesperrt">sich erdreisten</em>, <em class="gesperrt">sich erfrechen</em>. Dann wäre natürlich -die Verneinung falsch, denn <em class="gesperrt">sich erdreisten</em> – das will man -ja gerade mit <em class="gesperrt">sich nicht entblöden</em> sagen. Neuerdings ist -aber darauf aufmerksam gemacht worden, daß die Vorsilbe <em class="gesperrt">ent</em> -hier gar nicht verneinenden (privativen) Sinn habe, sondern wie -in <em class="gesperrt">entschlafen</em>, <em class="gesperrt">entbrennen</em>, <em class="gesperrt">entzünden</em>, -<em class="gesperrt">entblößen</em> das Eintreten in einen Zustand bezeichne, sodaß -sich <em class="gesperrt">entblöden</em> bedeuten würde: <em class="gesperrt">sich schämen</em>, <em class="gesperrt">sich -scheuen</em>, und die Verneinung davon: <em class="gesperrt">sich erdreisten</em>. Die -Unsicherheit über die eigentliche Bedeutung des Wortes bestand schon im -achtzehnten Jahrhundert. Wieland schreibt bald: Verwegner, darfst du -<em class="gesperrt">dich entblöden</em> (d. h. dich erfrechen), bald: du solltest <em class="gesperrt">dich -entblöden</em> (d. h. dich schämen). Das Klügste wäre, man gebrauchte -eine Redensart überhaupt nicht mehr, die so veraltet und in ihrer -Bedeutung so verblichen ist, daß ihr niemand mehr unmittelbar anfühlt, -ob sie mit oder ohne Verneinung das ausdrückt, was man ausdrücken will.</p> - -<p><em class="gesperrt">Ver</em> gibt dem Zeitwort meist einen schlimmen Sinn, es bezeichnet, -daß gleichsam ein Riegel vor eine Sache geschoben ist, daß sie -nicht wieder rückgängig gemacht werden kann, und schließlich auch, -da man doch manche eben gern wieder rückgängig machen möchte, daß -sie falsch gemacht worden ist. Man denke an: <em class="gesperrt">versichern</em>, -<em class="gesperrt">versprechen</em>, <em class="gesperrt">verbinden</em>, <em class="gesperrt">verpflichten</em>, -<em class="gesperrt">verkaufen</em>, <em class="gesperrt">verpfänden</em>, sich <em class="gesperrt">verlieben</em>, sich -<em class="gesperrt">verloben</em>, sich <em class="gesperrt">verheiraten</em>, <em class="gesperrt">verstellen</em>, -<em class="gesperrt">verdrehen</em>, <em class="gesperrt">verrücken</em>, <em class="gesperrt">verlieren</em>, <em class="gesperrt">verderben</em>, -<em class="gesperrt">vergiften</em>, <em class="gesperrt">verschwinden</em>, <em class="gesperrt">verschlimmern</em>, -<em class="gesperrt">versauern</em> (allerdings auch: <em class="gesperrt">verbessern</em>, -<em class="gesperrt">vergrößern</em>, <em class="gesperrt">verfeinern</em>, <em class="gesperrt">verschönern</em>, -<em class="gesperrt">veredeln</em>, <em class="gesperrt">versüßen</em>). Für <em class="gesperrt">meinen</em> also zu sagen -<em class="gesperrt">vermeinen</em>, wie es der Amtsstil liebt, wäre eigentlich nur -dann am Platze, wenn die Meinung als irrig bezeichnet werden sollte -(vgl. <em class="gesperrt">vermeintlich</em>), und von jemand, der einfach seine Wohnung -oder seinen Aufenthalt gewechselt hat, zu sagen: er ist nach Dresden -<em class="gesperrt">verzogen</em>, ist geradezu lächerlich, denn es klingt das, als<span class="pagenum" id="Seite_358">[S. 358]</span> ob -er damit verschwunden und gänzlich unauffindbar geworden wäre. Ebenso -unverständlich aber ist es, warum, wie in Leipzig, Trottoirplatten, -Straßenbahngleise und elektrische Kabel immer <em class="gesperrt">verlegt</em> werden, -oder, wie in Hamburg, Kaffee <em class="gesperrt">verlesen</em> wird, oder, wie in -Magdeburg, Rüben <em class="gesperrt">verzogen</em> werden. Es genügt doch, wenn sie -<em class="gesperrt">gelegt</em>, <em class="gesperrt">gelesen</em> und <em class="gesperrt">gezogen</em> werden.</p> - -<p>Am meisten verblaßt ist die Bedeutung von <em class="gesperrt">be</em> und <em class="gesperrt">ge</em>. -<em class="gesperrt">Be</em> ist aus <em class="gesperrt">bei</em> abgeschwächt; <em class="gesperrt">ge</em>, in der ältern -Sprache <span class="antiqua">ga</span> (wie noch in <em class="gesperrt">Gastein</em>), ist urverwandt mit -dem lateinischen <span class="antiqua">con</span> und bedeutet einen Zusammenhang, eine -Vereinigung. Am deutlichsten ist sein Sinn noch in Bildungen wie -<em class="gesperrt">gerinnen</em>, <em class="gesperrt">gefrieren</em>, <em class="gesperrt">Gedicht</em>, <em class="gesperrt">Gebüsch</em>, -<em class="gesperrt">Gehölz</em>, <em class="gesperrt">Gewölk</em>, <em class="gesperrt">Gebirge</em>, <em class="gesperrt">Gerippe</em>, -<em class="gesperrt">Gefühl</em>, <em class="gesperrt">Gehör</em>, <em class="gesperrt">Gewissen</em> (vgl. <span class="antiqua">scientia</span> -und <span class="antiqua">conscientia</span>). Aber wenn sich auch die ursprüngliche -Bedeutung noch so sehr abgeschwächt hat, so kann man doch immer -noch durch umsichtige Vergleichung dahinterkommen, weshalb es -unnötig ist, zu sagen: einem die Möglichkeit <em class="gesperrt">benehmen</em>, -Geld zu <em class="gesperrt">beschaffen</em>, oder: ein Haus <em class="gesperrt">beheizen</em>, wie -unsre Techniker jetzt sagen (sie meinen wohl: <em class="gesperrt">beöfnen</em>, mit -Öfen versehen), oder: die bei Goslar <em class="gesperrt">belegnen</em> geistlichen -Stiftungen, weshalb es lächerlich ist, wenn Schmerzen, Krankheiten, -Hindernisse immer <em class="gesperrt">behoben</em> werden (statt <em class="gesperrt">gehoben</em>). Auch -für <em class="gesperrt">gründen</em> wird jetzt oft unnötigerweise <em class="gesperrt">begründen</em> -gesagt: die <em class="gesperrt">Begründung</em> des Deutschen Reiches. Nein, -<em class="gesperrt">begründet</em> werden nur Meinungen, Behauptungen, Urteile; aber -Reiche, Staaten, Städte, Anstalten, Schulen, Geschäfte, Zeitungen -werden <em class="gesperrt">gegründet</em>. Befremdlich klingt es auch, wenn Juristen -davon reden, daß ein Zeuge <em class="gesperrt">beeidigt</em> werden müsse, oder wenn -Berichterstatter über Gerichtsverhandlungen einen <em class="gesperrt">Beklagten</em> -auftreten lassen. Ein Zeuge kann seine Aussage <em class="gesperrt">beeidigen</em> (vgl. -<em class="gesperrt">beschwören</em>), aber er selbst kann nur <em class="gesperrt">vereidigt</em> werden -(vgl. <em class="gesperrt">verpflichten</em>). <em class="gesperrt">Beklagen</em> kann man aber nur den, dem -ein Unglück zugestoßen ist; vor Gericht kann einer nur <em class="gesperrt">verklagt</em> -oder <em class="gesperrt">angeklagt</em> werden. Wer <em class="gesperrt">angeklagt</em> wird, kommt vor -den Strafrichter, wer <em class="gesperrt">verklagt</em> wird, vor den Richter in<span class="pagenum" id="Seite_359">[S. 359]</span> -bürgerlichen Streitigkeiten. Und ebenso läßt sich endlich recht gut -fühlen, weshalb es unnötig ist, zu sagen, die 1883 gebornen haben sich -heuer zu <em class="gesperrt">gestellen</em>.<a id="FNAnker_160" href="#Fussnote_160" class="fnanchor">[160]</a></p> - -<p>Groß in solchen Verschiebungen und Vertauschungen sind namentlich -die Kanzleimenschen und die Techniker. Sie suchen etwas darin, und -sie verblüffen auch wirklich die große Masse mit diesem wohlfeilen -Mittelchen.<a id="FNAnker_161" href="#Fussnote_161" class="fnanchor">[161]</a></p> - -<p>Der Unterricht kann sehr viel tun, das abgestorbne Sprachgefühl in -solchen Fällen wieder zu beleben. Wem die Bedeutung von <em class="gesperrt">ent</em> und -<em class="gesperrt">er</em> einmal auseinandergesetzt worden ist, der wird nie wieder -<em class="gesperrt">entnüchtern</em> statt <em class="gesperrt">ernüchtern</em> schreiben, er wird aber auch -bald alle die Leute auslachen, die sich immer mit <em class="gesperrt">entfallen</em> und -<em class="gesperrt">erbringen</em> spreizen.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Neue_Woerter">Neue Wörter</h3> - -</div> - -<p>Kein Tag vergeht, ohne daß einem in Büchern oder Zeitungen neue Wörter -entgegenträten. Nun wird niemand so töricht sein, ein neues Wort -deshalb anzufechten, weil es neu ist. Jedes Wort ist zu irgendeiner -Zeit<span class="pagenum" id="Seite_360">[S. 360]</span> einmal neu gewesen; von vielen Wörtern, die uns jetzt so geläufig -sind, daß wir sie uns gar nicht mehr aus der Sprache wegdenken können, -läßt sich nachweisen, wann und wie sie ältern Wörtern an die Seite -getreten sind, bis sie diese allmählich ganz verdrängten. Wohl aber -darf man neuen Wörtern gegenüber fragen: sind sie nötig? und sind sie -richtig gebildet?</p> - -<p>Neue Gegenstände, neue Vorstellungen und Begriffe verlangen unbedingt -auch neue Wörter. Ein neu erfundnes Gerät, ein neu ersonnener -Kleiderstoff, eine neu entdeckte chemische Verbindung, eine neu -beobachtete Krankheit, eine neu entstandne politische Partei – wie -sollte man sie mit den bisher üblichen Wörtern bezeichnen können? -Sie alle verlangen und erhalten auch alsbald ihre neuen Namen. Aber -auch alte Dinge fordern bisweilen neue Bezeichnungen. Wörter sind wie -Münzen im Verkehr: sie greifen sich mit der Zeit ab und verlieren -ihr scharfes Gepräge. Ist dieser Vorgang so weit fortgeschritten, -daß das Gepräge beinahe unkenntlich geworden ist, so entsteht von -selbst das Bedürfnis, die abgenutzten Wörter gegen neue umzutauschen. -Und wie bei abgegriffnen Münzen leicht Täuschungen entstehen, so -auch bei vielbenutzten Wörtern; sehr leicht verschiebt sich nämlich -ihre ursprüngliche Bedeutung. Hat sich aber eine solche Verschiebung -vollzogen, dann ist für den alten Begriff, der durch das alte Wort -nun nicht mehr völlig gedeckt wird, gleichfalls ein neues Wort -nötig. In vielen Fällen büßen die Wörter, ebenso wie die Münzen, -durch den fortwährenden Gebrauch geradezu an Wert ein, sie erhalten -einen niedrigen, gemeinen Nebensinn. Dieser „pessimistische“ Zug, -wie man ihn genannt hat, ist gerade im Deutschen weit verbreitet -und hat mit der Zeit eine große Masse von Wörtern ergriffen; man -denke an <em class="gesperrt">Pfaffe</em>, <em class="gesperrt">Schulmeister</em>, <em class="gesperrt">Komödiant</em>, -<em class="gesperrt">Literat</em>, <em class="gesperrt">Magd</em>, <em class="gesperrt">Dirne</em>, <em class="gesperrt">Mensch</em> (<em class="gesperrt">das</em> -Mensch, Küchenmensch, Kammermensch), <em class="gesperrt">Elend</em>, <em class="gesperrt">Schimpf</em>, -<em class="gesperrt">Hoffart</em>, <em class="gesperrt">Gift</em>, <em class="gesperrt">List</em>, <em class="gesperrt">gemein</em>, -<em class="gesperrt">schlecht</em>, <em class="gesperrt">frech</em>, <em class="gesperrt">erbärmlich</em>. Ihnen allen ist -ursprünglich der verächtliche Nebensinn fremd, der im Laufe der Zeit -hineingelegt worden ist. Sobald sie aber einmal damit behaftet waren, -mußten sie, wenn<span class="pagenum" id="Seite_361">[S. 361]</span> der frühere Sinn ohne Beigeschmack wieder ausgedrückt -werden sollte, durch andre Wörter ersetzt werden. So wurden sie -verdrängt durch <em class="gesperrt">Geistlicher</em>, <em class="gesperrt">Lehrer</em>, <em class="gesperrt">Schauspieler</em>, -<em class="gesperrt">Schriftsteller</em>, <em class="gesperrt">Mädchen</em>, <em class="gesperrt">Fremde</em>, <em class="gesperrt">Scherz</em>, -<em class="gesperrt">Hochherzigkeit</em>, <em class="gesperrt">Gabe</em>, <em class="gesperrt">Klugheit</em>, <em class="gesperrt">allgemein</em>, -<em class="gesperrt">schlicht</em>, <em class="gesperrt">kühn</em>, <em class="gesperrt">barmherzig</em>.</p> - -<p>Die andre Forderung, die man an ein neu aufkommendes Wort stellen darf, -ist die, daß es regelrecht, gesetzmäßig gebildet sei, und daß es mit -einleuchtender Deutlichkeit wirklich das ausdrücke, was es auszudrücken -vorgibt. Diese Forderung ist so wesentlich, daß man, wo sie erfüllt -ist, selbst davon absieht, die Bedürfnisfrage zu betonen. Verrät -sich in einem neu gebildeten Wort ein besonders geschickter Griff, -zeigt es etwas besonders schlagendes, überzeugendes, eine besondre -Anschaulichkeit, und das alles noch verbunden mit gefälligem Klang, so -heißt man es auch dann willkommen, wenn es überflüssig ist; man läßt es -sich als eine glückliche Bereicherung des Wortschatzes gefallen.</p> - -<p>Aber wie wenige von den neuen Wörtern, mit denen unsre Sprache jetzt -überschwemmt wird, erfüllen diese Forderungen! Die meisten werden aus -Eitelkeit oder aus – Langerweile gebildet. Schopenhauer hat einmal mit -schlagender Kürze ausgesprochen, was er von einem guten Schriftsteller -verlange: er gebrauche gewöhnliche Wörter und sage ungewöhnliche Dinge! -Heute machen es die meisten umgekehrt und hoffen, der Leser werde -so dumm sein, zu glauben, sie hätten etwas neues gesagt. Wie quälen -sich unsre ästhetischen Schwätzer, ihren Trivialitäten den Schein des -Geistreichen zu geben, indem sie sich neue Wörter aussinnen! Eine Art -von „Jugendstil“ möchten sie auch in die Sprache einführen. Wie quälen -sich unsre Musik- und Theaterschreiber, den tausendmal gesagten Quark -einmal mit andern Worten zu sagen! Wie quälen sich die Geschäftsleute -in ihren Anzeigen, dem „Konkurrenten“ durch neue Wörter und Wendungen -den Rang abzulaufen!</p> - -<p>Jahrzehntelang hat man von <em class="gesperrt">Zeitungsnachrichten</em> gesprochen; jetzt -heißt es: <em class="gesperrt">Blättermeldungen</em>! Das eine verhält sich zum andern -ungefähr wie der <em class="gesperrt">Essenkehrer</em><span class="pagenum" id="Seite_362">[S. 362]</span> zum <em class="gesperrt">Schornsteinfeger</em> oder -der <em class="gesperrt">Korkzieher</em> zum <em class="gesperrt">Pfropfenheber</em>. Verfallen sein kann -auf <em class="gesperrt">Blättermeldung</em> nur einer, dem <em class="gesperrt">Zeitungsnachricht</em> zu -langweilig geworden war. Was soll <em class="gesperrt">Jetztzeit</em>? Es ist schlecht -gebildet, denn unsre Sprache kennt keine Zusammensetzungen aus einem -Umstandswort und einem Hauptwort,<a id="FNAnker_162" href="#Fussnote_162" class="fnanchor">[162]</a> es klingt auch schlecht mit -seinem tztz und ist ganz überflüssig, denn <em class="gesperrt">Gegenwart</em> hat weder -etwas von seiner alten Kraft eingebüßt noch seine Bedeutung verschoben. -<em class="gesperrt">Gepflogenheit</em> hat man gebildet, um eine Schattierung von -<em class="gesperrt">Gewohnheit</em> zu haben; ist aber nicht <em class="gesperrt">Brauch</em> so ziemlich -dasselbe? Ein abscheuliches Wort ist <em class="gesperrt">Einakter</em> (für einaktiges -Schauspiel). Freilich haben wir auch <em class="gesperrt">Einhufer</em>, <em class="gesperrt">Dreimaster</em> -und <em class="gesperrt">Vierpfünder</em>; würde aber wohl jemand ein Distichon einen -<em class="gesperrt">Zweizeiler</em> nennen? Um für <em class="gesperrt">Lehrer</em> und <em class="gesperrt">Lehrerin</em> ein -gemeinschaftliches Wort zu haben, hat man <em class="gesperrt">Lehrperson</em> gebildet – -eine gräßliche Geschmacklosigkeit. Den <em class="gesperrt">Arbeiter</em> nennt man jetzt -<em class="gesperrt">Arbeitnehmer</em> in plumpem Gegensatz zum <em class="gesperrt">Arbeitgeber</em>! Statt -<em class="gesperrt">voriges Jahr</em> sagt man jetzt <em class="gesperrt">Vorjahr</em>; alle Jahresberichte -spreizen sich damit. Man hat das aus dem Adjektivum <em class="gesperrt">vorjährig</em> -gebildet, wie man auch aus <em class="gesperrt">alltäglich</em> und <em class="gesperrt">vormärzlich</em> -gedankenloserweise <em class="gesperrt">Alltag</em> und <em class="gesperrt">Vormärz</em> (!) gemacht -hat, aus <em class="gesperrt">freisinnig</em> eine Partei, die man <em class="gesperrt">den Freisinn</em> -nennt, und neuerdings gar aus <em class="gesperrt">überseeisch</em> <em class="gesperrt">Übersee</em>: -aus Europa und <em class="gesperrt">Übersee</em> (<em class="gesperrt">die</em> Übersee oder <em class="gesperrt">das</em> -Übersee?) – die Briefe gehen <em class="gesperrt">nach Übersee</em> (warum denn nicht -einfach und vernünftig: <em class="gesperrt">über See</em>?). Vorjahr ist aber auch dem -Sinne nach anstößig. Die mit <em class="gesperrt">Vor</em> zusammengesetzten Hauptwörter -bedeuten (wenn es nicht Verbalsubstantiva sind, wie <em class="gesperrt">Vorsteher</em>, -<em class="gesperrt">Vorreiter</em>, <em class="gesperrt">Vorsänger</em>, <em class="gesperrt">Vorbeter</em>) ein Ding, das -einem andern Dinge als Vorbereitung vorhergeht, wie <em class="gesperrt">Vorspiel</em>, -<em class="gesperrt">Vorrede</em>, <em class="gesperrt">Vorgeschichte</em>, <em class="gesperrt">Vorfrühling</em>, -<em class="gesperrt">Voressen</em>, <em class="gesperrt">Vorgeschmack</em>. Die Leipziger Messe hatte sonst -eine <em class="gesperrt">Vorwoche</em>, die der Hauptwoche vorausging. Wie kann man also -jedes beliebige Jahr das<span class="pagenum" id="Seite_363">[S. 363]</span> <em class="gesperrt">Vorjahr</em> des folgenden Jahres nennen! -Dann könnte auch der Lehrer im Unterricht fragen: Was haben wir in -der <em class="gesperrt">Vorstunde</em> behandelt? Mit dem <em class="gesperrt">Vortag</em> fängt man aber -auch schon an: trotz des schlechten Wetters am <em class="gesperrt">Vortage</em> – das -Befinden des Monarchen war diese Woche besser als am <em class="gesperrt">Vortage</em>. -Ebenso verfehlt wie das <em class="gesperrt">Vorjahr</em> ist natürlich der -<em class="gesperrt">Vorredner</em> – man vergleiche ihn nur mit dem <em class="gesperrt">Vorsänger</em> und -dem <em class="gesperrt">Vorbeter</em>. Wenn ein Schiff eine Reise antritt, so nennt man -das jetzt nicht mehr <em class="gesperrt">abreisen</em>, sondern <em class="gesperrt">ausreisen</em>: der Tag -der <em class="gesperrt">Ausreise</em> rückte heran. War das Wort wirklich nötig, das so -lächerlich an <em class="gesperrt">ausreißen</em> anklingt? Für die zeichnenden Künste hat -neuerdings jemand das schöne Wort <em class="gesperrt">Griffelkunst</em> erfunden, das die -Kunstschreiber schon fleißig nachgebrauchen. Nun verstand man ja unter -den zeichnenden Künsten auch den Kupferstich und die Radierung, die mit -dem Griffel arbeiten. Unter der <em class="gesperrt">Griffelkunst</em> aber soll man nun -auch die Bleistift-, die Feder- und die Tuschzeichnung verstehen, die -nicht mit dem Griffel arbeiten. Was ist also gewonnen? Und wollen wir -die Malerei vielleicht nun <em class="gesperrt">Pinselkunst</em> nennen?</p> - -<p>Zu recht verunglückten Bildungen hat neuerdings öfter das Streben -geführt, einen Ersatz für Fremdwörter zu schaffen. Dazu gehören -z. B. der <em class="gesperrt">Fehlbetrag</em> (Defizit), die <em class="gesperrt">Begleiterscheinung</em> -(Symptom), der <em class="gesperrt">Werdegang</em> (Genesis) und die <em class="gesperrt">Straftat</em> -(Delikt). Auch das <em class="gesperrt">Lebewesen</em> kann mit angereiht werden. Ein -Verbalstamm als Bestimmungswort einer Zusammensetzung bedeutet meist -den Zweck des Dinges (vgl. <em class="gesperrt">Leitfaden</em>, <em class="gesperrt">Trinkglas</em>, -<em class="gesperrt">Schießpulver</em> und <a href="#Seite_73">S. 73</a>).<a id="FNAnker_163" href="#Fussnote_163" class="fnanchor">[163]</a> Ein <em class="gesperrt">Fehlbetrag</em> ist -aber doch nicht ein Betrag, der den Zweck hat, zu fehlen, sondern -es soll ein <em class="gesperrt">fehlender</em><span class="pagenum" id="Seite_364">[S. 364]</span> Betrag sein (ganz anders gebildet -sind <em class="gesperrt">Fehlbitte</em>, <em class="gesperrt">Fehltritt</em>, <em class="gesperrt">Fehlschuß</em>, -<em class="gesperrt">Fehlschluß</em>; hier ist fehl nicht der Verbalstamm, sondern -das Adverbium), ebenso soll <em class="gesperrt">Lebewesen</em> ein <em class="gesperrt">lebendes</em> -Wesen, <em class="gesperrt">Begleiterscheinung</em> eine <em class="gesperrt">begleitende</em> Erscheinung -bedeuten. In <em class="gesperrt">Werdegang</em> vollends soll der Verbalstamm den Genitiv -ersetzen (Gang <em class="gesperrt">des Werdens</em>); es scheint nach <em class="gesperrt">Lehrgang</em> -gebildet zu sein, aber es scheint nur so, denn <em class="gesperrt">Lehrgang</em> ist -mit <em class="gesperrt">Lehre</em> zusammengesetzt. Überdies wird es lächerlicherweise -auch schon für <em class="gesperrt">Geschichte</em> gebraucht; man redet nicht bloß -von dem <em class="gesperrt">Werdegang</em> einer Kellnerin, sondern auch von dem -<em class="gesperrt">Werdegang</em> der mittelalterlichen Pergamenthandschriften! Die -verunglückteste Bildung ist wohl <em class="gesperrt">Straftat</em> – wer mag die auf -dem Gewissen haben! Das Wort ist gebildet, um eine gemeinschaftliche -Bezeichnung für <em class="gesperrt">Vergehen</em> und <em class="gesperrt">Verbrechen</em> zu haben. Was -soll man sich aber dabei unter <em class="gesperrt">Straf</em>- denken? das Hauptwort -oder den Verbalstamm? Eins ist so unmöglich wie das andre. Im ersten -Falle würde das Wort auf einer Stufe stehen mit <em class="gesperrt">Freveltat</em>, -<em class="gesperrt">Gewalttat</em>, <em class="gesperrt">Greueltat</em>, <em class="gesperrt">Schandtat</em>, <em class="gesperrt">Wundertat</em>. -Alle diese Zusammensetzungen bezeichnen eine Eigenschaft der Tat und -zugleich des Täters; in <em class="gesperrt">Straftat</em> aber würde – die Folge der -Tat bezeichnet sein! Im zweiten Falle würde es auf einer Stufe stehen -mit <em class="gesperrt">Trinkwasser</em>, und das wäre der helle Unsinn, denn dann wäre -es eine Tat, die den Zweck hätte, bestraft zu werden! Freilich sind -solche ungeschickte Wörter auch früher schon als Übersetzung von -Fremdwörtern „von plumpen Puristenfäusten geknetet“ worden, man denke -nur an <em class="gesperrt">Beweggrund</em> (für Motiv), <em class="gesperrt">Fahrgast</em> (für Passagier) -und ähnliche.</p> - -<p>Unter den Eigenschaftswörtern sind ebenso geschmacklose wie -überflüssige Neubildungen: <em class="gesperrt">erhältlich</em> (in allen Apotheken -erhältlich), <em class="gesperrt">erstklassig</em> (ein erstklassiges Etablissement, -ein erstklassiges Restaurant, ein erstklassiges Pensionat, eine -erstklassige Firma, erstklassiges Personal, erstklassige Spezialitäten -usw.), <em class="gesperrt">erststellig</em> und <em class="gesperrt">zweitstellig</em> (eine erststellige -Beleihung, eine zweitstellige Hypothek), <em class="gesperrt">innerpolitisch</em> -(die innerpolitische Lage), <em class="gesperrt">treffsicher</em> (eine treffsichere -Charakteristik), <em class="gesperrt">parteilos</em> (für<span class="pagenum" id="Seite_365">[S. 365]</span> unparteiisch), <em class="gesperrt">lateinlos</em> -(die lateinlose Realschule!); unter den Adverbien: <em class="gesperrt">fraglos</em>, -<em class="gesperrt">debattelos</em> (es wurde <em class="gesperrt">debattelos</em> genehmigt), -<em class="gesperrt">verdachtlos</em> (ein Fahrrad wurde <em class="gesperrt">verdachtlos</em> gestohlen – -abgesehen davon, daß hier weder das grammatische Subjekt, das Fahrrad, -noch das logische Subjekt, der Dieb, einen Verdacht haben kann). Nach -<em class="gesperrt">jahrein jahraus</em> hat man <em class="gesperrt">tagein tagaus</em> gebildet – ganz -töricht! Das Jahr ist ein großer Ring oder Kreis, in den tritt man ein -und wieder aus; die kurzen Tage aber gleichen einzelnen Schritten, -darum sagt man richtiger: <em class="gesperrt">Tag für Tag</em>, wie <em class="gesperrt">Schritt für -Schritt</em>.</p> - -<p>Besonders gern werfen die Techniker unnötige neue Wörter in die -Sprache. Wenn man auf einen Gegenstand Licht fallen läßt, so nannte -man das früher <em class="gesperrt">beleuchten</em>. Das hat aber den Photographen nicht -genügt, sie haben sich das schöne Wort <em class="gesperrt">belichten</em> ausgedacht. Ein -Ding, womit man ein Zimmer heizt, nannte man früher einen <em class="gesperrt">Ofen</em>, -und ein Ding, womit man ein Zimmer beleuchtet, einen <em class="gesperrt">Leuchter</em> -(Armleuchter, Kronleuchter) oder eine <em class="gesperrt">Lampe</em>. Jetzt nennt man -das eine <em class="gesperrt">Heizkörper</em>, das andre <em class="gesperrt">Beleuchtungskörper</em>. -<em class="gesperrt">Lehrperson</em> und <em class="gesperrt">Heizkörper</em> – eins immer schöner als das -andre! Denen, die sich für Krematorien begeistern, will doch das Wort -<em class="gesperrt">Leichenverbrennung</em> nicht gefallen, obwohl es die Sache schlicht -und ehrlich bezeichnet. Daher haben sie zur <em class="gesperrt">Einäscherung</em> -ihre Zuflucht genommen, oder gar zur <em class="gesperrt">Feuerbestattung</em>, ja sie -reden sogar davon, daß jemand <em class="gesperrt">feuerbestattet</em> worden sei. Nur -schade, daß bei der Leichenverbrennung der Verstorbne eben nicht -<em class="gesperrt">bestattet</em>, d. h. mit einer <em class="gesperrt">Grabstätte</em> versehen wird, -und daß man wohl von <em class="gesperrt">Gasbeleuchtung</em> und <em class="gesperrt">Wasserheizung</em> -sprechen, aber nicht sagen kann: ich <em class="gesperrt">gasbeleuchte</em>, du -<em class="gesperrt">wasserheizest</em>.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Modewoerter">Modewörter</h3> - -</div> - -<p>Verbreitet werden neue Wörter namentlich durch die Jugend und durch die -Ungebildeten, die keine Spracherfahrung haben, die nicht wissen, ob ein -Wort alt oder neu, gebräuchlich oder ungebräuchlich ist; dann werden -sie oft in kurzer Zeit zu Modewörtern. Daß es Sprachmoden<span class="pagenum" id="Seite_366">[S. 366]</span> gibt so gut -wie Kleidermoden, und Modewörter so gut wie Modekleider, Modefarben, -Modefrisuren und Modesitten, darüber kann gar kein Zweifel sein. In -meiner Kinderzeit fragte man, wenn man jemand nicht verstanden hatte: -<em class="gesperrt">Was?</em> Dazu war natürlich zu ergänzen: hast du gesagt? Dann hieß -es plötzlich: <em class="gesperrt">Was</em> sei grob, man müsse fragen: <em class="gesperrt">Wie?</em> Dazu -sollte man ergänzen: meinen Sie? In neuerer Zeit kamen dann dafür -die schönen Fragen auf: <em class="gesperrt">Wie meinen?</em> (vgl. <a href="#Seite_92">S. 92</a>) und <em class="gesperrt">Wie -beliebt?</em> (was immer wie <em class="gesperrt">Bibeli</em> klingt), und das Allerneueste -ist, daß man den andern zärtlich von der Seite anblickt, das Ohr -hinhält und fragt: <em class="gesperrt">Bötte?</em></p> - -<p>Nun kommt ja unleugbar auch bisweilen eine hübsche Kleidermode auf, -aber im allgemeinen wird doch die Mode gemacht von Leuten, die -nicht den besten Geschmack haben. Oft ist sie so dumm, daß man sich -ihre Entstehung kaum anders erklären kann, als daß man annimmt, -der Fabrikant habe absichtlich etwas recht dummes unter die Leute -geworfen, um zu sehen, ob sie darauf hineinfallen würden. Aber immer -fällt die ganze große Masse darauf hinein, denn Geschmack ist, wie -Verstand, „stets bei wenigen nur gewesen“. Ähnlich ist es mit den -Modesitten. Kann es etwas dümmeres, lächerlicheres geben, als den -Stock in die Rocktasche zu stecken oder ans Knopfloch zu hängen? -etwas unritterlicheres, ja roheres, als daß der Mann auf der Straße -die Frau nicht mehr führt, sondern sich bei ihr einhakt und sich von -ihr schleppen läßt oder sie vor sich herschiebt? Aber mindestens -neunzig von hundert Frauen sind darauf hineingefallen. Zuletzt, wenn -eine Mode so gemein (d. h. allgemein) geworden ist, daß sie auch dem -Beschränktesten als das erscheint, was sie für den Einsichtigen von -Anfang an gewesen ist, als gemein (d. h. niedrig), verschwindet sie -wieder, um einer andern Platz zu machen, die dann denselben Lauf nimmt. -Vornehme Menschen halten sich stets von der Mode fern. Es gibt Frauen -und Mädchen, die in ihrer Kleidung alles verschmähen, was an die -jeweilig herrschende Mode streift; und doch ist nichts in ihrem Äußern, -was man absonderlich oder gar altmodisch nennen könnte, sie erscheinen -so modern<span class="pagenum" id="Seite_367">[S. 367]</span> wie möglich und dabei so vornehm, daß alle Modegänschen sie -darum beneiden könnten.</p> - -<p>Genau so geht es mit gewissen Wörtern und Redensarten. Man hört oder -liest ein Wort – entweder ein neugebildetes oder, was noch öfter -geschieht, ein bereits vorhandnes in neuer Bedeutung! – irgendwo zum -erstenmal, bald darauf zum zweiten, dann kommt es öfter und öfter, -und endlich führt es alle Welt im Munde, es wird so gemein, daß es -selbst denen, die es eine Zeit lang mit Vergnügen mitgebraucht haben, -widerwärtig wird, sie anfangen, sich darüber lustig zu machen, es -gleichsam nur noch mit Gänsefüßchen gebrauchen, bis sie es endlich -wieder fallen lassen. Aber es gibt immer auch eine kleine Anzahl von -Leuten, die, sowie ein solches Wort auftaucht, von einem unbesiegbaren -Widerwillen dagegen ergriffen werden, es nicht über die Lippen, nicht -aus der Feder bringen. Und da ist auch gar kein Zweifel möglich; wer -überhaupt die Fähigkeit hat, solche Wörter zu erkennen, erkennt sie -sofort und erkennt sie alle. Er sagt sich sofort: das Wort nimmst -du nie in den Mund, denn das wird Mode. Und wenn zwei oder drei -zusammenkommen, die den Modewörterabscheu teilen, und sie vergleichen -ihre Liste, so zeigt sich, daß sie genau dieselben Wörter darauf -haben – ein Beweis, daß es an den Wörtern liegt und nicht an den -Menschen, wenn manche Menschen manche Wörter unausstehlich finden. -Ihrer Ausdrucksweise merkt aber trotzdem niemand an, daß sie die Wörter -vermeiden, die klingt so modern wie möglich, niemand vermißt die -Modewörter darin. Gewiß gibt es auch unter den Modewörtern einzelne, -die an sich nicht übel sind. Aber das Widerwärtige daran ist, daß es -eben Modewörter sind, daß sie eine Menge andrer guter Wörter, die -bisher im Gebrauch waren, verdrängen, schließlich sogar in völlig -unpassendem Sinn angewandt werden und doch das bißchen Reiz, daß sie im -Anfange hatten, sehr schnell verlieren.</p> - -<p>Im folgenden sollen einige Wörter zusammengestellt werden, die -entweder überhaupt oder doch in der Bedeutung, in der sie jetzt fast -ausschließlich angewandt werden, unzweifelhaft Modewörter sind. Die -meisten<span class="pagenum" id="Seite_368">[S. 368]</span> davon stehen jetzt in vollster Blüte; einige haben zwar ihre -Blütezeit schon hinter sich, sollen aber doch nicht übergegangen -werden, weil sie am besten zeigen können, wie schnell dergleichen -veraltet.</p> - -<p><em class="gesperrt">Darbietung.</em> Als solche wird jetzt alles bezeichnet, was in -einem Konzert oder an einem Vereinsabend geredet, gespielt oder -gesungen wird: die gelungenste <em class="gesperrt">Darbietung</em> des Abends – die -<em class="gesperrt">Darbietungen</em> des diesjährigen Pensionsfondskonzerts – das -Programm enthielt auch einige solistische <em class="gesperrt">Darbietungen</em> – die -literarischen <em class="gesperrt">Darbietungen</em> im Stil der freien Bühne usw.</p> - -<p><em class="gesperrt">Ehrung.</em> Für <em class="gesperrt">Ehrenbezeigung</em> oder <em class="gesperrt">Auszeichnung</em>. In -<em class="gesperrt">Ehrungen</em> wird jetzt ungemein viel geleistet.</p> - -<p><em class="gesperrt">Note.</em> Wofür? Ja, wer das sagen könnte! man schwatzt von einer -eignen, einer besondern, einer persönlichen, einer intimen <em class="gesperrt">Note</em>: -das Leipziger Barock besitzt eine eigne <em class="gesperrt">Note</em> – was dem Buche -noch eine besondre <em class="gesperrt">Note</em> gibt, ist, daß es ein späterer Papst -geschrieben hat – ein Haus gibt seine intime <em class="gesperrt">Note</em> an ein andres -Haus weiter – wenn auch die Sammlung meist Kunstwerke enthält, so -fehlt doch auch die <em class="gesperrt">Note</em> des Absonderlichen nicht – mit dem -fußfreien Rock hat die Modedame ihre Erscheinung auf die <em class="gesperrt">Note</em> -des Mädchenhaften gestimmt. Das letzte Beispiel ist völliger Unsinn, -denn hier ist außerdem noch <em class="gesperrt">Note</em> mit <em class="gesperrt">Ton</em> verwechselt.</p> - -<p><em class="gesperrt">Prozent</em> oder <em class="gesperrt">Prozentsatz</em>. Für <em class="gesperrt">Teil</em>. Aus der -Sprache der Statistik. Man sagt nicht mehr: über die <em class="gesperrt">Hälfte</em> -aller Arbeiter, sondern: über <em class="gesperrt">fünfzig Prozent</em> aller Arbeiter, -nicht mehr: ein ganz geringer <em class="gesperrt">Teil</em> der Künstler, sondern: -ein ganz geringer <em class="gesperrt">Prozentsatz</em> der Künstler darf hoffen, als -Bildhauer oder Maler vorwärts zu kommen. Man sagt nicht: ein großer -<em class="gesperrt">Teil</em> der Studenten ist faul, sondern man klagt über den Unfleiß -(!) eines großen <em class="gesperrt">Prozentsatzes</em> der „Studierenden“.</p> - -<p><em class="gesperrt">Rückschluß</em>, <em class="gesperrt">Rückschlag</em> und <em class="gesperrt">Rückwirkung</em>. Für -<em class="gesperrt">Schluß</em>, <em class="gesperrt">Einfluß</em> und <em class="gesperrt">Wirkung</em>. <em class="gesperrt">Schlüsse</em> und -<em class="gesperrt">Wirkungen</em> gibt es nicht mehr, nur noch <em class="gesperrt">Rückschlüsse</em> und -<em class="gesperrt">Rückwirkungen</em>. Von <em class="gesperrt">Rück</em>- ist aber meist gar nicht die -Rede.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_369">[S. 369]</span></p> - -<p><em class="gesperrt">Unstimmigkeit.</em> Törichte Neubildung für <em class="gesperrt">Widerspruch</em>, -<em class="gesperrt">Meinungsverschiedenheit</em>, <em class="gesperrt">Mißhelligkeit</em>. Es gibt -<em class="gesperrt">einstimmige</em> und <em class="gesperrt">vierstimmige</em> Lieder, es gibt auch -<em class="gesperrt">Einstimmigkeit</em> bei Abstimmungen, aber es gibt weder -<em class="gesperrt">Stimmigkeit</em> noch <em class="gesperrt">Unstimmigkeit</em>.</p> - -<p><em class="gesperrt">Verfehlung.</em> Mattherzig bemäntelndes Wort für <em class="gesperrt">Verbrechen</em>, -<em class="gesperrt">Vergehen</em>. Für Betrügereien, Unterschlagungen, Fälschungen, -Bilanzverschleierungen, betrügerische Bankerotte, Ehebrüche u. dgl. -sehr beliebt.</p> - -<p><em class="gesperrt">Bedeutsam.</em> Aufs unsinnigste mißbrauchtes Wort. Goethe sagt in -seiner Beschreibung von dem Selbstbildnis des jungen Dürer, der Maler -halte das Blümlein Mannstreu <em class="gesperrt">bedeutsam</em> in der Hand. Das heißt so -viel wie <em class="gesperrt">bedeutungsvoll</em>: der Maler habe damit sinnbildlich oder -symbolisch etwas andeuten wollen. Von dieser schönen ursprünglichen -Bedeutung des Wortes ist heute nicht der leiseste Hauch mehr zu spüren. -Kein zweites Wort ist binnen wenigen Jahren so heruntergebracht, so -scheußlich entwertet worden wie dieses schöne Wort. Für alles mögliche -muß es herhalten, für <em class="gesperrt">groß</em>, <em class="gesperrt">wichtig</em>, <em class="gesperrt">bedeutend</em>, -<em class="gesperrt">hervorragend</em>, <em class="gesperrt">wertvoll</em>, <em class="gesperrt">brauchbar</em> usw. Wenn -man über eine Sache nichts, gar nichts zu sagen weiß, so nennt man -sie <em class="gesperrt">bedeutsam</em>. Man schreibt: der Verfasser hat auch über -Luther, Kant, Fichte und Hegel <em class="gesperrt">bedeutsame</em> Bücher geschrieben -– diese Zusammenstellung ist nicht bloß sprachgeschichtlich, -sondern auch kulturgeschichtlich <em class="gesperrt">bedeutsam</em> – das Buch wird -der Erkenntnis Bahn brechen, daß die Bildhauerei des damaligen -Deutschlands eine (!) <em class="gesperrt">bedeutsame</em> war – für den Buchstaben G -lagen schon aus Hildebrands Nachlaß <em class="gesperrt">bedeutsame</em> Ergänzungen -vor – auch in dem Holzschnittwerk des Meisters findet sich eine -<em class="gesperrt">bedeutsame</em> Nummer – in Amerika sind für die deutsche Sprache -<em class="gesperrt">bedeutsame</em> Ereignisse zu verzeichnen – die Thronrede -mußte um so <em class="gesperrt">bedeutsamer</em> wirken, als Österreich jetzt im -Brennpunkt des Interesses steht – daß diese Gedanken von einer Frau -ausgesprochen wurden, schien dem Herausgeber <em class="gesperrt">bedeutsam</em> genug, -um (!) sie hier mitzuteilen. Man schwatzt von <em class="gesperrt">bedeutsamen</em> -Bekanntschaften, Erfolgen, Aufgaben, Funden,<span class="pagenum" id="Seite_370">[S. 370]</span> Kunstwerken, von -einer für die Kulturgeschichte <em class="gesperrt">bedeutsamen</em> Veröffentlichung, -von einer <em class="gesperrt">bedeutsamen</em> Umgestaltung des Schulwesens, von -dem <em class="gesperrt">bedeutsamsten</em> Teil der Wettinischen Lande, von einem -<em class="gesperrt">bedeutsamen</em> Hinweis auf Pflanzenstudien, von <em class="gesperrt">bedeutsamen</em> -Probeleistungen einer Kunstgewerbeschule, von <em class="gesperrt">bedeutsamen</em> -politischen Momenten (was mag das sein?), ja sogar von einem -<em class="gesperrt">bedeutsamen</em> Mozartinterpreten (!), von kunstvollen, bzw. (!) -durch (!) die Namen ihrer einstigen Besitzer <em class="gesperrt">bedeutsamen</em> -Armbrüsten und von der <em class="gesperrt">bedeutsamen</em> Stellung, die in der -Kundschaft der Fleischer die Schänkwirte einnehmen. Jammerschade um das -einst so sinnvolle, gehaltvolle Wort!</p> - -<p><em class="gesperrt">Belangreich</em> und <em class="gesperrt">belanglos</em>. Zwei herrliche Wörter, -obgleich kein Mensch sagen kann, was <em class="gesperrt">Belang</em> ist, und ob es -<em class="gesperrt">der</em> Belang oder <em class="gesperrt">das</em> Belang heißt.</p> - -<p><em class="gesperrt">Besser.</em> Wird jetzt mit Vorliebe nicht mehr als positive -Steigerung von <em class="gesperrt">gut</em>, sondern als negative Steigerung von -<em class="gesperrt">schlecht</em> gebraucht, also in dem Sinne von <em class="gesperrt">weniger -schlecht</em>. Herrschaften suchen täglich in den Zeitungen -<em class="gesperrt">bessere</em> Mädchen, und Mädchen natürlich nun auch <em class="gesperrt">bessere</em> -Herrschaften oder auch, wenn sie sich verheiraten wollen, -<em class="gesperrt">bessere</em> Herren. Ein Zeitungsverleger versichert, daß seine -Zeitung in allen <em class="gesperrt">bessern</em> Hotels und Cafés ausliege, und ein -Geheimmittelfabrikant, daß sein Fabrikat in allen <em class="gesperrt">bessern</em> -Apotheken und Drogengeschäften „erhältlich“ sei. Folglich ist -<em class="gesperrt">gut</em> jetzt besser als <em class="gesperrt">besser</em>.</p> - -<p><em class="gesperrt">Eigenartig.</em> Äußerst beliebt als Ersatz für das Fremdwort -<em class="gesperrt">originell</em> und zugleich für <em class="gesperrt">eigentümlich</em>, worunter man -jetzt nur noch so viel wie <em class="gesperrt">wunderlich</em> oder <em class="gesperrt">seltsam</em> zu -verstehen scheint. Oft auch bloßer Schwulst für <em class="gesperrt">eigen</em> -(vgl. <a href="#Seite_400">S. 400</a>): ein <em class="gesperrt">eigenartiger</em> Reiz, ein <em class="gesperrt">eigenartiger</em> Zauber, -eine <em class="gesperrt">eigenartige</em> Weihe usw.</p> - -<p><em class="gesperrt">Einwandfrei.</em> Schöner neuer Ersatz für <em class="gesperrt">tadellos</em> und -zugleich für <em class="gesperrt">unanfechtbar</em>: gesunde, frische, <em class="gesperrt">einwandfreie</em> -Milch – ein sittlich <em class="gesperrt">einwandfreier</em> Priester – eine -absolut <em class="gesperrt">einwandfreie</em> Berliner Familie. Daß man nur von -Dingen <em class="gesperrt">frei</em> sein kann, die einem auch anhaften können (vgl. -<em class="gesperrt">fehlerfrei</em>, <em class="gesperrt">fieberfrei</em>), daran wird gar nicht gedacht.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_371">[S. 371]</span></p> - -<p><em class="gesperrt">Erheblich.</em> Altes Kanzleiwort, das man schon für tot und -begraben gehalten hatte, das aber seit einiger Zeit wieder -hervorgesucht und nun, als Adjektiv wie als Adverb, zum Lieblingswort -aller Juristen, Beamten und Zeitungschreiber geworden ist (für -<em class="gesperrt">groß</em>, <em class="gesperrt">wichtig</em>, <em class="gesperrt">bedeutend</em>, <em class="gesperrt">wesentlich</em>). -Es gibt nichts in der Welt, was nicht entweder <em class="gesperrt">erheblich</em> oder -<em class="gesperrt">unerheblich</em> oder – <em class="gesperrt">nicht unerheblich</em> wäre: eine Wunde, -ein Schadenfeuer, eine Gehaltsverbesserung, eine Verkehrsstörung, -alles ist <em class="gesperrt">erheblich</em>. So heißt es auch vor Komparativen nicht -mehr <em class="gesperrt">viel</em>, sondern nur noch <em class="gesperrt">erheblich</em>: <em class="gesperrt">erheblich</em> -besser, <em class="gesperrt">erheblich</em> größer usw.</p> - -<p><em class="gesperrt">Froh</em> und viele Zusammensetzungen damit: <em class="gesperrt">arbeitsfroh</em>, -<em class="gesperrt">bildungsfroh</em>, <em class="gesperrt">genußfroh</em>, <em class="gesperrt">sangesfroh</em>, -<em class="gesperrt">kunstfroh</em>, <em class="gesperrt">farbenfroh</em>, <em class="gesperrt">fleischfroh</em> (der -<em class="gesperrt">fleischfrohe</em> Rubens!), <em class="gesperrt">wirklichkeitsfroh</em>, namentlich -in der Kunstschreiberei jetzt äußerst beliebt. Wir leben in einer -<em class="gesperrt">kunstfrohen</em> Zeit, in der es viele <em class="gesperrt">novitätenfrohe</em> -Kunstfreunde gibt.</p> - -<p><em class="gesperrt">Glatt.</em> Modewort von der mannigfachsten Bedeutung: <em class="gesperrt">leicht</em>, -<em class="gesperrt">schnell</em>, <em class="gesperrt">sicher</em>, <em class="gesperrt">offenbar</em> usw.: der Verkehr -wickelte sich <em class="gesperrt">glatt</em> ab – er fiel mit seinem Antrage -<em class="gesperrt">glatt</em> ab – es steht zu hoffen, daß die Heilung der Wunde -<em class="gesperrt">glatt</em> erfolgen wird – es liegt ein ganz <em class="gesperrt">glatter</em> -Betrug vor – sogar: das liegt auf <em class="gesperrt">glatter</em> Hand (statt: auf -<em class="gesperrt">flacher</em>)!</p> - -<p><em class="gesperrt">Großzügig.</em> Neues Glanzwort, das alle Welt berauscht oder -wenigstens berauschen soll. Wenn man sich früher bei einer Darstellung -auf <em class="gesperrt">große Züge</em> beschränkte, so wurde sie gewöhnlich -oberflächlich. Nun kann man ja in anderm Sinne auch von den <em class="gesperrt">großen -Zügen</em> (Linien) einer Gebirgslandschaft, also allenfalls auch -von einer <em class="gesperrt">großzügigen</em> Gebirgslandschaft reden. Was soll man -sich aber darunter denken, wenn es heißt: ein <em class="gesperrt">großzügiges</em> -Regierungsprogramm wird aufgerollt (!) – es fehlt dem Wahlkampf -an einer <em class="gesperrt">großzügigen</em> Bewegung – einen Zufall gibt es für -diesen Standpunkt (!) <em class="gesperrt">großzügiger</em> Auffassung nicht – die -protestantischen Völker verfolgen <em class="gesperrt">großzügig</em> ihre Ziele – seiner -<em class="gesperrt">großzügigen</em> Persönlichkeit entsprechend hat Begas sein Lehramt<span class="pagenum" id="Seite_372">[S. 372]</span> -ohne Pedanterie verwaltet – das Denkmal ist eine <em class="gesperrt">großzügige</em> -deutsche Tat, auf die Leipzig stolz sein kann – G. verrät in seinen -Porträtköpfen eine <em class="gesperrt">großzügige</em> Eigenart – zeichnerische -Genialität und malerische Kraft paaren sich mit <em class="gesperrt">großzügigem</em> -Realismus? Was soll man sich unter einer <em class="gesperrt">großzügigen</em> -Stadtverwaltung, unter <em class="gesperrt">großzügigen</em> Straßennetzen, -Bebauungsplänen und Bauschöpfungen, einem <em class="gesperrt">großzügig</em> redigierten -Familienblatt, unter der <em class="gesperrt">großzügigen</em> Formensprache des Barock -und der imposanten <em class="gesperrt">Großzügigkeit</em> seiner Fassaden vorstellen? -Was sind das für „Züge“, an die man dabei denken soll? Gemeint ist -bald einfach <em class="gesperrt">groß</em> oder <em class="gesperrt">großartig</em>, bald <em class="gesperrt">reich</em>, -<em class="gesperrt">kräftig</em> oder <em class="gesperrt">schwungvoll</em>, bald <em class="gesperrt">geistreich</em> oder -<em class="gesperrt">geistvoll</em>, bald <em class="gesperrt">weitherzig</em> oder <em class="gesperrt">weitblickend</em>. -Das alles soll jetzt das alberne <em class="gesperrt">großzügig</em> ausdrücken! Es -ist ein ganz infames Klingklangwort, ohne allen Sinn und Inhalt, so -recht für die gedankenlose, groß–mäulige Schwätzerei unsrer Tage -ersonnen, namentlich für die Kunstschwätzerei, aus deren Kreisen es -höchstwahrscheinlich auch stammt.</p> - -<p><em class="gesperrt">Hochgradig.</em> Für <em class="gesperrt">hoch</em> oder <em class="gesperrt">groß</em>; aus der Sprache -der Ärzte: <em class="gesperrt">hochgradiges</em> Fieber. Dann auch <em class="gesperrt">hochgradige</em> -Erregung, <em class="gesperrt">hochgradige</em> Erbitterung usw.</p> - -<p><em class="gesperrt">Jugendlich.</em> Modeersatz für <em class="gesperrt">jung</em>, das vollständig in -Verruf gekommen ist. Hat namentlich seit der Thronbesteigung des -jetzigen Kaisers um sich gegriffen. Den wagte man nicht <em class="gesperrt">jung</em> zu -nennen – wahrscheinlich hielt man das für eine Majestätsbeleidigung -–, man sagte immer: unser <em class="gesperrt">jugendlicher</em> Kaiser, und genau so -ging es dann wieder mit dem <em class="gesperrt">jugendlichen</em> Kronprinzen. Welch -großer Unterschied zwischen <em class="gesperrt">jung</em> und <em class="gesperrt">jugendlich</em> ist, -welch erfreuliche Erscheinung z. B. ein <em class="gesperrt">jugendlicher Greis</em>, -welch klägliche ein <em class="gesperrt">junger Greis</em> ist, dafür hat man gar kein -Gefühl mehr, fort und fort redet man von <em class="gesperrt">jugendlichen</em> Arbeitern, -<em class="gesperrt">jugendlichen</em> Übeltätern, Verbrechern, Dieben, Brandstiftern, -einer <em class="gesperrt">jugendlichen</em> Sängerschar, sogar <em class="gesperrt">jugendlichen</em>, unter -sechzehn Jahren alten Mädchen; den siebenjährigen Knaben Mozart nennt -man den <em class="gesperrt">jugendlichen</em> Mozart<span class="pagenum" id="Seite_373">[S. 373]</span> und den sechzehnjährigen Studenten -Goethe den <em class="gesperrt">jugendlichen</em> Goethe und betont das <em class="gesperrt">jugendliche -Alter</em>, in dem er die Universität bezog! Überall ist <em class="gesperrt">jung</em> -gemeint, und <em class="gesperrt">jugendlich</em> wird gesagt und geschrieben.</p> - -<p><em class="gesperrt">Minderwertig.</em> Verhüllender Ausdruck für <em class="gesperrt">schlecht</em>, -<em class="gesperrt">wertlos</em>, <em class="gesperrt">unbrauchbar</em>. Irgendeinen Menschen oder -eine Sache <em class="gesperrt">schlecht</em> zu nennen, hat man nicht mehr den -Mut; man spricht nur noch von <em class="gesperrt">minderwertigem</em> Fleisch, -<em class="gesperrt">minderwertigen</em> Kartoffeln, <em class="gesperrt">minderwertigen</em> Existenzen, -sogar von <em class="gesperrt">minderwertigen</em> Referendaren.</p> - -<p><em class="gesperrt">Offensichtlich.</em> Lieblingswort der Zeitungschreiber, -zusammengebraut aus <em class="gesperrt">sichtlich</em> und <em class="gesperrt">offenbar</em>: die -<em class="gesperrt">offensichtliche</em> Gefahr, <em class="gesperrt">offensichtliche</em> Mängel, mit -<em class="gesperrt">offensichtlichem</em> Stolz usw.</p> - -<p><em class="gesperrt">Schneidig.</em> Blühendes Modewort zur Bezeichnung der eigentümlichen -Verbindung von äußerlicher Schniepelei und innerlicher Roheit, -Fatzkentum und Landsknechtswesen, in der sich ein Teil unsrer jungen -Männerwelt jetzt gefällt. Zum Glück im Rückgange begriffen.</p> - -<p><em class="gesperrt">Selbstlos.</em> Kühne Bildung. Eine Zeit lang sehr beliebt -zur Bezeichnung des höchsten Grades von Uneigennützigkeit und -Opferwilligkeit. Hat aber auch schon ziemlich abgewirtschaftet.</p> - -<p><em class="gesperrt">Tiefgründig.</em> Neues Modewort. Man spricht von -<em class="gesperrt">tiefgründiger</em>, das soll heißen: in die Tiefe gehender -Arbeit und Forschung, aber auch von <em class="gesperrt">tiefgründigen</em>, das -soll heißen geheimnisvollen Kunstwerken: Klingers Werke sind viel -zu <em class="gesperrt">tiefgründig</em> (!), um dem unvorbereiteten Betrachter -schnell ihren Gehalt zu offenbaren – endlich aber auch schon von -<em class="gesperrt">tiefgründiger</em> (statt <em class="gesperrt">tiefer</em>!) Vaterlandsliebe.</p> - -<p><em class="gesperrt">Tunlich</em> und <em class="gesperrt">angängig</em>. Lieblingswörter der Kanzleisprache -für <em class="gesperrt">möglich</em>: mit <em class="gesperrt">tunlichster</em> Bälde.</p> - -<p><em class="gesperrt">Uferlos</em>, für endlos: <em class="gesperrt">uferlose</em> Debatten, die Darstellung -verliert sich in <em class="gesperrt">uferlose</em> Breite. Ja ja, wir sind ein -seefahrendes Volk geworden.</p> - -<p><em class="gesperrt">Unerfindlich.</em> Für <em class="gesperrt">unbegreiflich</em> oder -<em class="gesperrt">unverständlich</em>. Verfehlt gebildet, da <em class="gesperrt">erfinden</em> in -dem Sinne, wie es in <em class="gesperrt">unerfindlich</em> verstanden werden soll,<span class="pagenum" id="Seite_374">[S. 374]</span> -ungebräuchlich ist. Trotzdem eine Zeit lang sehr beliebt, jetzt im -Rückgange.</p> - -<p><em class="gesperrt">Ungezählt.</em> Sehr beliebte neue Modedummheit für <em class="gesperrt">unzählig</em>, -<em class="gesperrt">zahllos</em>, ja sogar für <em class="gesperrt">zahlreich</em>. Napoleon stand -einer Streitmacht <em class="gesperrt">ungezählter</em> Kosaken gegenüber – die -Stadtchronik berichtet von <em class="gesperrt">ungezählten</em> Festen – dieser -Schrank birgt <em class="gesperrt">ungezählte</em> Zinnkannen – die Atmosphäre ist -mit <em class="gesperrt">ungezählten</em> Kohlenteilchen erfüllt – Messel hat im -Wertheimpalast Normen geschaffen, die bestimmend für <em class="gesperrt">ungezählte</em> -Warenhäuser wurden – eine <em class="gesperrt">ungezählte</em> Menge drängte sich nach -dem Unglücksplatz – <em class="gesperrt">ungezählte</em> Deutsche feiern heute den -Geburtstag des großen Kanzlers – der Roman erlebte <em class="gesperrt">ungezählte</em> -Auflagen. Ob eine Menge gezählt worden ist, darauf kommt es doch gar -nicht an, sondern darauf, ob sie gezählt werden konnte! Die Auflagen -eines Buches aber werden wirklich gezählt.</p> - -<p><em class="gesperrt">Verläßlich.</em> Modewort für <em class="gesperrt">zuverlässig</em>. Wunderliche -Verirrung! <em class="gesperrt">Zuverlässig</em> ist ein schönes, kräftiges Wort; wer -<em class="gesperrt">zuverlässig</em> ist, auf den kann man sich wirklich verlassen. Einem -<em class="gesperrt">Verläßlichen</em> würde ich nicht über den Weg trauen; das Wort hat -gleich so etwas widerwärtig weichliches.</p> - -<p><em class="gesperrt">Vornehm.</em> Im Superlativ ausschließlicher Ersatz für alle -Zusammensetzungen, die früher mit <em class="gesperrt">Haupt</em>- gebildet wurden. -Für <em class="gesperrt">Haupt</em>ursache, <em class="gesperrt">Haupt</em>bedingung, <em class="gesperrt">Haupt</em>zweck, -<em class="gesperrt">Haupt</em>aufgabe heißt es nur noch: die <em class="gesperrt">vornehmste</em> Ursache, -die <em class="gesperrt">vornehmste</em> Bedingung, der <em class="gesperrt">vornehmste</em> Zweck, die -<em class="gesperrt">vornehmste</em> Aufgabe. Je öfter man <em class="gesperrt">vornehm</em> schreibt, desto -vornehmer kommt man sich selber vor.</p> - -<p><em class="gesperrt">Zielbewußt.</em> Von der sozialdemokratischen Presse in Umlauf -gesetzt und eine Zeit lang von ihr mit blutigem Ernst gebraucht. -Heute nur noch mit Gänsefüßchen möglich: ein „zielbewußter“ -Autographensammler u. ähnl.</p> - -<p><em class="gesperrt">Abstürzen.</em> Für <em class="gesperrt">herabstürzen</em> oder <em class="gesperrt">hinabstürzen</em>; -namentlich von den Alpenfexen verbreitet. In den Zeitungen -<em class="gesperrt">stürzen</em> aber schon nicht mehr bloß Bergkletterer <em class="gesperrt">ab</em>, -sondern auch Steinblöcke in Steinbrüchen, Turner<span class="pagenum" id="Seite_375">[S. 375]</span> vom Reck, Kinder vom -Straßenbahnwagen usw. Man setze <em class="gesperrt">fallen</em> für <em class="gesperrt">stürzen</em>, und -man wird die Lächerlichkeit fühlen! Ab mit Zeitwörtern zusammengesetzt -bedeutet ja die Trennung, die Entfernung; vgl. <em class="gesperrt">abfallen</em>, -<em class="gesperrt">abgehen</em>, <em class="gesperrt">abfahren</em>, <em class="gesperrt">absenden</em>, <em class="gesperrt">abspringen</em>, -<em class="gesperrt">abnehmen</em>, <em class="gesperrt">abreißen</em>, <em class="gesperrt">abhauen</em>, <em class="gesperrt">abschneiden</em> -usw.</p> - -<p><em class="gesperrt">Anschneiden</em> und <em class="gesperrt">aufrollen</em>. Eine Frage, ein Thema wird -nicht mehr <em class="gesperrt">berührt</em>, <em class="gesperrt">angeregt</em> – das ist viel zu fein –, -sondern entweder werden sie <em class="gesperrt">angeschnitten</em>, wie eine Blutwurst, -oder sie werden <em class="gesperrt">aufgerollt</em>, wie ein Treppenläufer oder eine -Linoleumrolle. Das ist die Bildersprache der Gegenwart! Und wenn eine -Frage dann <em class="gesperrt">aufgerollt</em> oder <em class="gesperrt">angeschnitten</em> ist, dann -kommt es darauf an, sich ein tüchtiges Stück <em class="gesperrt">abzuschneiden</em>. -Gelingt einem das, dann hat man <em class="gesperrt">gut abgeschnitten</em>, das soll -heißen: man ist gut dabei weggekommen. Wie wird Deutschland dabei -<em class="gesperrt">abschneiden</em>?</p> - -<p><em class="gesperrt">Auslösen.</em> Für <em class="gesperrt">erregen</em>, <em class="gesperrt">wecken</em>, <em class="gesperrt">hervorrufen</em>, -<em class="gesperrt">veranlassen</em>. Aus der Mechanik, wo es so viel bedeutet, wie durch -Beseitigung einer Hemmung irgend etwas in Bewegung oder Tätigkeit -setzen: der Dichter will uns nicht seine Gedanken aufnötigen, sondern -unsre eignen Gedanken <em class="gesperrt">auslösen</em> – ein Wort, das gerade in -diesem Zusammenhange eigentümliche Empfindungen <em class="gesperrt">auslösen</em> mußte -– ob ein Unlustgefühl eine Handlung <em class="gesperrt">auszulösen</em> imstande ist -– Eindrücke, die leicht pathologische Reize <em class="gesperrt">auslösen</em> – -durch frische Luft wird körperliches Wohlbefinden <em class="gesperrt">ausgelöst</em> -– allgemeine Heiterkeit <em class="gesperrt">löste</em> folgender Vorfall <em class="gesperrt">aus</em>. -Aber auch: manche lyrische Gedichte Goethes lassen sich in der -Musik nicht voll (!) <em class="gesperrt">auslösen</em> – in den ersten Monaten -seiner Universitätszeit <em class="gesperrt">löste sich</em> (!) bei ihm eine kräftige -Fuchsenstimmung <em class="gesperrt">aus</em>. Schön gesagt!</p> - -<p><em class="gesperrt">Ausschalten.</em> Für <em class="gesperrt">beseitigen</em>, <em class="gesperrt">fernhalten</em>, -<em class="gesperrt">vermeiden</em>, <em class="gesperrt">unnötig machen</em>, <em class="gesperrt">aufgeben</em> usw.: der -Einfluß des Charakters kann natürlich nicht <em class="gesperrt">ausgeschaltet</em> -werden – nachdem alle andern Projekte <em class="gesperrt">ausgeschaltet</em> sind – um -sprachliche Erklärungen des Textes von vornherein <em class="gesperrt">auszuschalten</em>. -Man muß doch zeigen,<span class="pagenum" id="Seite_376">[S. 376]</span> daß man mit dem Telephon und dem elektrischen -Licht Bescheid weiß.</p> - -<p><em class="gesperrt">Bedeuten.</em> Gespreizter Ersatz für <em class="gesperrt">sein</em>, für die ganz -einfache „Kopula“: sein Tod <em class="gesperrt">bedeutet</em> für die gesamte Kunst -einen schweren Verlust – eine dreiköpfige Leitung würde eine äußerst -bedenkliche Einrichtung <em class="gesperrt">bedeuten</em> – die Schülerfahrt nach Weimar -soll für jeden Teilnehmer ein unvergeßliches Erlebnis <em class="gesperrt">bedeuten</em> -– welche Ermäßigung das gegenüber dem jetzigen Tarif <em class="gesperrt">bedeuten</em> -würde, mag folgendes Beispiel zeigen – diese Art der Einordnung -<em class="gesperrt">bedeutet</em> einen willkürlichen Anachronismus – Gobineaus letzte -Lebensjahre <em class="gesperrt">bedeuten</em> den Schlußakt eines erschütternden -Trauerspiels – der Tod der Königin <em class="gesperrt">bedeutete</em> für Southampton -das Ende der Kerkerhaft. (Vgl. <em class="gesperrt">darstellen</em>.)</p> - -<p><em class="gesperrt">Begrüßen.</em> Neuerdings sehr beliebt statt: <em class="gesperrt">willkommen -heißen</em>. <em class="gesperrt">Begrüßen</em> ist aber ein neutraler Begriff; man -kann etwas mit Freuden, mit Jubel, dankbar, aber auch kühl, -gleichgiltig, mit sauersüßer Miene begrüßen. Es ist also nichtssagend, -wenn geschrieben wird: es wäre zu <em class="gesperrt">begrüßen</em>, wenn solche -Untersuchungen weiter angestellt würden – daß Bach mit Chorälen -vertreten ist, kann man nur <em class="gesperrt">begrüßen</em> – wir müssen es immer -<em class="gesperrt">begrüßen</em>, wenn ein Mann der Wissenschaft die Gabe volkstümlicher -Darstellung besitzt (!).</p> - -<p><em class="gesperrt">Bekannt geben.</em> Für <em class="gesperrt">bekannt machen</em>, weil <em class="gesperrt">machen</em> -nicht mehr für fein gilt. Freilich wird ein bißchen viel -<em class="gesperrt">gemacht</em>: ein Mädchen <em class="gesperrt">macht</em> sich erst die Haare, dann -<em class="gesperrt">macht</em> sie die Betten, dann <em class="gesperrt">macht</em> sie Feuer usw. Sonntags -<em class="gesperrt">macht</em> der Leipziger sogar nach Dresden. Trotzdem ist <em class="gesperrt">bekannt -geben</em> eine Abgeschmacktheit.</p> - -<p><em class="gesperrt">Sich beziffern.</em> Statt <em class="gesperrt">betragen</em>, <em class="gesperrt">sich belaufen</em>. -Aus der Statistik, die ja keine <em class="gesperrt">Zahlen</em> kennt, sondern -nur <em class="gesperrt">Ziffern</em> (obwohl sich Ziffer zu Zahl verhält wie -Buchstabe zu Laut und Note zu Ton): Bevölkerungs<em class="gesperrt">ziffer</em>, -Durchschnitts<em class="gesperrt">ziffer</em> – ich kann Ihnen noch einige <em class="gesperrt">Ziffern</em> -vorlegen – das Personal <em class="gesperrt">beziffert sich</em> auf hundert Köpfe – der -Verlust <em class="gesperrt">beziffert sich</em> auf 30000 Mann usw.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_377">[S. 377]</span></p> - -<p><em class="gesperrt">Darstellen.</em> Schauderhaft gespreizter Ersatz für <em class="gesperrt">bilden</em> in -dem Sinne von <em class="gesperrt">sein</em> (vgl. <em class="gesperrt">bedeuten</em>). Schon <em class="gesperrt">bilden</em> -war überflüssige Ziererei, wenn man an seine eigentliche Bedeutung -denkt. Nun vollends <em class="gesperrt">darstellen</em>! Und doch wird jetzt nur -noch geschrieben: ein Staatspapier, wie es unsre Konsols bisher -<em class="gesperrt">darstellten</em> – der Jahresbericht, den die zweite Lieferung des -Buches <em class="gesperrt">darstellt</em> – das Geschwader <em class="gesperrt">stellt</em> eine bedeutende -Streitmacht <em class="gesperrt">dar</em> – die Zusammenkünfte sollen ein kollegiales -Bindemittel <em class="gesperrt">darstellen</em> – diese Bahn <em class="gesperrt">stellt</em> den nächsten -Landweg von Mitteleuropa nach Indien <em class="gesperrt">dar</em> – diese Beschäftigung -<em class="gesperrt">stellt</em> keine ausreichende Tätigkeit <em class="gesperrt">dar</em> – die -Menschheit, die trotz aller Mängel doch nicht bloß eine Schar von armen -Sündern <em class="gesperrt">darstellt</em> – Bücherschätze, die ein herrliches Zeugnis -für die Freigebigkeit früherer Jahrhunderte <em class="gesperrt">darstellen</em> – die -Akademie <em class="gesperrt">stellt</em> einen zusammenhängenden Organismus <em class="gesperrt">dar</em> -– ein Gebiet, das an dem großen Baume des Kunstgewerbes nur einen Ast -<em class="gesperrt">darstellt</em> – ein Unternehmen, bei dem die hochtönenden Namen -offenbar die Hauptsache <em class="gesperrt">darstellen</em> – das Fleisch der Seefische -<em class="gesperrt">stellt</em> auch für den Arbeiter ein vollwertiges Nahrungsmittel -<em class="gesperrt">dar</em> – unterliegt ein Volk seinem Gegner, so bleibt nur der -Schluß, daß es einen weniger lebensfähigen Typ (!) repräsentiert (!), -als ihn der Sieger <em class="gesperrt">darstellt</em> (d. h. nicht so lebensfähig ist wie -der Sieger!). Kann es einen alberneren Sprachschwulst geben?</p> - -<p><em class="gesperrt">Einschätzen.</em> Es wird nichts mehr <em class="gesperrt">geschätzt</em>, -<em class="gesperrt">beurteilt</em>, für etwas <em class="gesperrt">gehalten</em>, sondern alles wird -<em class="gesperrt">eingeschätzt</em>: ein Buch, das der Kritiker dieses Blattes <em class="gesperrt">hoch -einschätzt</em> – ein Parteifreund, der die ultramontane Gefahr minder -hoch <em class="gesperrt">einschätzt</em> – man muß sich selbst beobachten und studieren, -um seine Fähigkeiten richtig <em class="gesperrt">einzuschätzen</em> – sie nahm zu einem -Manne ihre Zuflucht, dessen Charakter sie falsch <em class="gesperrt">einschätzte</em> -– auch die <em class="gesperrt">Einschätzung</em> der künstlerischen Tätigkeit ist dem -Wechsel der Zeiten unterworfen – 1849 gab es nicht einen Menschen, -der Goethes Wert richtig <em class="gesperrt">einschätzte</em> – das Buch ermöglicht uns -eine richtige <em class="gesperrt">Einschätzung</em> der Verhältnisse unsers Grenznachbars -–<span class="pagenum" id="Seite_378">[S. 378]</span> ein Diplomat, der die Gewähr bietet, daß er Stimmungen und -Personen aus eigner Anschauung <em class="gesperrt">einzuschätzen</em> weiß – sein -Idealismus <em class="gesperrt">schätzte</em> den Opfermut seiner Landsleute zu hoch, die -Schwierigkeiten zu niedrig <em class="gesperrt">ein</em> – Zöllners Musik zur Versunknen -Glocke ist höher <em class="gesperrt">einzuschätzen</em> als seine Faustmusik. Warum -denn <em class="gesperrt">ein</em>-? <em class="gesperrt">Eingeschätzt</em> wird man bei der Steuer, sonst -nirgends. Dort hat das <em class="gesperrt">ein</em>- seinen guten Sinn, denn man wird -durch die Schätzung in eine bestimmte Steuerklasse gesetzt, und daran -hängt die Verpflichtung, eine bestimmte Steuer zu bezahlen. Irgendein -dummer Kerl hat das Wort für <em class="gesperrt">schätzen</em>, <em class="gesperrt">beurteilen</em> -gebraucht, und die gescheitesten Leute sind darauf hineingefallen. -Hat man gar kein Gefühl mehr für die Bedeutung eines Wortes, daß man -solchen Unsinn sagt, wie hohe <em class="gesperrt">Einschätzung</em> der Kunst? Muß man -denn auf Schritt und Tritt an den Steuerzettel erinnert werden?</p> - -<p><em class="gesperrt">Einsetzen.</em> Seit einigen Jahren großartiges Modewort für -<em class="gesperrt">anfangen</em> und <em class="gesperrt">beginnen</em>, und gleichfalls eins der -schlagendsten Beispiele von der Gedankenlosigkeit, mit der solche -Wörter nachgeplärrt werden. Das Wort ist von den Musikschreibern in -die Mode gebracht worden. In einer Fuge <em class="gesperrt">setzen</em> die einzelnen -Stimmen hintereinander <em class="gesperrt">ein</em>, jede Stimme nämlich in das, was -die vorhergehende schon singt. Das hat guten Sinn. Aber die erste -Stimme – <em class="gesperrt">setzt</em> die auch <em class="gesperrt">ein</em>? Nein, die <em class="gesperrt">beginnt</em> -oder <em class="gesperrt">fängt an</em>, denn sie ist eben die erste. Und das ist nun -der Blödsinn, und diesen Blödsinn haben die Musikschreiber selbst -aufgebracht, daß <em class="gesperrt">einsetzen</em> als Modewort ausschließlich für -das wirkliche <em class="gesperrt">anfangen</em> oder <em class="gesperrt">beginnen</em> gebraucht wird, -außerdem aber noch für viele andre Wörter, auf die man zu faul ist -sich zu besinnen. Bücher und Zeitungen wimmeln von Beispielen: die -Untersuchungen über die Grenzen der Instrumentalmusik <em class="gesperrt">setzen</em> -erst nach Beethoven <em class="gesperrt">ein</em> – die Festspiele haben Mittwoch -mit Don Juan unter sehr günstigem Stern <em class="gesperrt">eingesetzt</em> – ihre -greifbarste Gestalt haben diese Bestrebungen in dem <em class="gesperrt">Einsetzen</em> -(Entstehung, Gründung) der deutschen Liedertafeln – die -Verhandlungen <em class="gesperrt">setzten</em> sehr ruhig <em class="gesperrt">ein</em> – überaus -heftig <em class="gesperrt">setzte</em><span class="pagenum" id="Seite_379">[S. 379]</span> alsbald die Kritik <em class="gesperrt">ein</em> – groß und -vielversprechend <em class="gesperrt">setzt</em> Klingers Schaffen <em class="gesperrt">ein</em> – die -Kampftage waren vorüber, das Strafgericht <em class="gesperrt">setzte</em> mit alter -Herzlosigkeit <em class="gesperrt">ein</em> – die Romantik <em class="gesperrt">setzt</em> in Dresden -früh und mit Entschiedenheit <em class="gesperrt">ein</em> – damit hat Uhlfeldt sein -Schicksal besiegelt, und die fallende Handlung <em class="gesperrt">setzt ein</em> – -die Kunst kann erst <em class="gesperrt">einsetzen</em>, wenn dem Schauspieler die -Seele der dargestellten Person in Fleisch und Blut übergegangen ist -– die Mode, bei Abendgesellschaften farbige Schuhe zu tragen, hat -schon <em class="gesperrt">eingesetzt</em> – hier hört der Historiker auf, und der -Theolog <em class="gesperrt">setzt ein</em> – Paul Krügers Memoiren <em class="gesperrt">setzen</em> mit -seiner Jugend <em class="gesperrt">ein</em> – die aufbewahrten Schreiben von Freytags -Hand <em class="gesperrt">setzen</em> mit dem Jahre 1854 <em class="gesperrt">ein</em> – die heutige -Verhandlung <em class="gesperrt">setzte</em> mit einem Briefe Schmidts <em class="gesperrt">ein</em> – -dogmatische Spekulation <em class="gesperrt">setzte</em> schon zur Zeit der Entstehung -der Evangelien <em class="gesperrt">ein</em> – in dieser Zeit scheinen seine Bemühungen -um eine Professur <em class="gesperrt">einzusetzen</em> – die Scheidung der Mundarten -hat bereits im sechzehnten Jahrhundert <em class="gesperrt">eingesetzt</em> – der -wirtschaftliche Niedergang <em class="gesperrt">setzte</em> im Jahre 1901 <em class="gesperrt">ein</em> -– im Frühjahr <em class="gesperrt">setzt</em> regelmäßig eine stärkere Bautätigkeit -<em class="gesperrt">ein</em> – das Erdbeben <em class="gesperrt">setzte</em> 5 Uhr 30 Minuten <em class="gesperrt">ein</em> -– die schon früh <em class="gesperrt">einsetzende</em> Dunkelheit erhöht die Gefahr -– als ob die Brauchbarkeit der Halle bewiesen werden sollte, -<em class="gesperrt">setzte</em> am Nachmittag ein gelinder Regen <em class="gesperrt">ein</em> – ja sogar: -für die diesjährige Saison haben die Fabrikanten mit billigen Preisen -<em class="gesperrt">eingesetzt</em> (!) – die Diskussion in der Presse <em class="gesperrt">beginnt</em> -(!) bereits <em class="gesperrt">einzusetzen</em> – es <em class="gesperrt">beginnt</em> (!) hier eine -Entwicklung <em class="gesperrt">einzusetzen</em>, die möglicherweise zu irrigen Schlüssen -führen könnte. Wem diese Beispiele den Appetit noch nicht verdorben -haben, der sammle in den nächsten drei Tagen selber weiter, bis ihm der -Appetit vergeht. Vernünftigen Sinn hat es, wenn man schreibt: Hier muß -die Wissenschaft <em class="gesperrt">einsetzen</em>, wenn sie zu einer befriedigenden -Lösung der Frage kommen will; denn hier schwebt ein ganz andres Bild -vor, nämlich das vom Einsetzen oder Ansetzen des Hebels. Aber Unsinn -ist es wieder, zu schreiben: Hier will mein Buch <em class="gesperrt">einsetzen</em> (für -<em class="gesperrt">eingreifen</em>, <em class="gesperrt">einspringen</em>, <em class="gesperrt">in die Lücke treten</em>).</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_380">[S. 380]</span></p> - -<p><em class="gesperrt">Einstellen.</em> Aus der Sprache des Photographen, der die -Camera einstellt: der Blick, die Aufmerksamkeit muß auf diesen -Punkt <em class="gesperrt">eingestellt</em> werden. Warum denn nicht: <em class="gesperrt">gelenkt</em>, -<em class="gesperrt">gerichtet</em>, <em class="gesperrt">geleitet</em>?</p> - -<p><em class="gesperrt">Entgegennehmen.</em> Spreizwort für <em class="gesperrt">annehmen</em>. Anfangs nahm -bloß der Kaiser das Beglaubigungsschreiben des Botschafters eines -auswärtigen Souveräns <em class="gesperrt">entgegen</em>. Das <em class="gesperrt">entgegen</em> malte das -Zeremoniell der feierlichen Handlung. Jetzt werden auch Geldbeiträge -für öffentliche Sammlungen, Blumenspenden für Begräbnisse, Anmeldungen -neuer Schüler, Inserate für die nächste Nummer, Bestellungen auf das -nächste Quartal nur noch <em class="gesperrt">entgegengenommen</em> – immer feierlich, -herablassend. Sogar die Kürschnergesellen nehmen ihren Jahresbericht -<em class="gesperrt">entgegen</em>, und der Angeklagte <em class="gesperrt">nimmt</em> das Todesurteil -gefaßt, das Publikum aber <em class="gesperrt">nimmt</em> es mit tiefem Schweigen -<em class="gesperrt">entgegen</em>.</p> - -<p><em class="gesperrt">Erübrigen</em> und <em class="gesperrt">sich erübrigen</em>. Ein schlagendes Beispiel -dafür, welche Verwirrung durch überflüssige und halbverstandne -Neubildungen angerichtet werden kann. <em class="gesperrt">Erübrigen</em> war bisher -ein transitives Zeitwort und bedeutete so viel wie <em class="gesperrt">sparen</em>, -<em class="gesperrt">zurücklegen</em>: ich habe mir schon ein hübsches Sümmchen -<em class="gesperrt">erübrigt</em>. Das hat man neuerdings angefangen intransitiv zu -gebrauchen in dem Sinne von <em class="gesperrt">übrig bleiben</em>: es <em class="gesperrt">erübrigt</em> -noch, allen denen meinen Dank auszusprechen – es <em class="gesperrt">erübrigt</em> -nur noch, besonders darauf hinzuweisen usw. Andre aber, die das Wort -wohl hatten klingen hören, aber nicht auf den Zusammenhang geachtet -hatten, fingen gleichzeitig an, es in dem Sinne von <em class="gesperrt">überflüssig -sein</em> zu gebrauchen: auf die ganze Tagesordnung <em class="gesperrt">erübrigt</em> -es heute einzugehen – hier <em class="gesperrt">erübrigt</em> jedes weitere Wort – es -<em class="gesperrt">erübrigt</em> für mich jede weitere Bemerkung – ein ausdrücklicher -Verzicht <em class="gesperrt">erübrigt</em> von selbst. Noch andre endlich machten -das Wort in der zweiten Anwendung zum Reflexiv und schrieben: die -Ratschläge, deren Wiedergabe <em class="gesperrt">sich erübrigt</em> – alle weitern -Schritte <em class="gesperrt">erübrigen sich</em> hierdurch – es <em class="gesperrt">erübrigt sich</em> -wohl, noch besonders darauf hinzuweisen – es <em class="gesperrt">erübrigt sich</em>, -auch nur ein Wort darüber zu verlieren. In solchen Quatsch gerät<span class="pagenum" id="Seite_381">[S. 381]</span> man, -wenn man vor lauter Modenarrheit zwei guten, deutlichen Ausdrücken wie -<em class="gesperrt">übrig bleiben</em> und <em class="gesperrt">überflüssig sein</em> aus dem Wege geht.</p> - -<p><em class="gesperrt">Erzielen.</em> Ausschließlicher Ersatz für <em class="gesperrt">erreichen</em>. -<em class="gesperrt">Erreicht</em> wird nichts mehr; Nutzen, Gewinn, Vorteil, Ergebnisse, -Erfolge, alles wird <em class="gesperrt">erzielt</em>.</p> - -<p><em class="gesperrt">Führen.</em> Statt <em class="gesperrt">hervorragen</em>, <em class="gesperrt">Bahn brechen</em>, <em class="gesperrt">den -Ton angeben</em>. Man spricht nur noch von <em class="gesperrt">führenden</em> Geistern, -Denkern, Persönlichkeiten, Kunstschriftstellern, Chirurgen, von der -<em class="gesperrt">führenden</em> Presse, von Leuten, die eine <em class="gesperrt">führende</em> Stelle -oder Stellung einnehmen, eine <em class="gesperrt">führende</em> Rolle spielen, und -Henckell Trocken ist die <em class="gesperrt">führende</em> Marke! Bei <em class="gesperrt">hervorragen</em> -sah man gleichsam eine stillstehende Reihe oder Gruppe vor sich; bei -<em class="gesperrt">führen</em> sieht man die ganze Bande marschieren, und zwar im -Gänsemarsch.</p> - -<p><em class="gesperrt">Im Gefolge haben.</em> Modephrase für: <em class="gesperrt">zur Folge haben</em>. Bisher -hatte nur ein Fürst ein Gefolge; jetzt heißt es: die Not <em class="gesperrt">hat</em> -Unzufriedenheit <em class="gesperrt">im Gefolge</em> – Reformen, die die Schmälerung des -Profits <em class="gesperrt">im Gefolge haben</em> könnten – anarchistische Bestrebungen, -die reaktionäre Maßregeln <em class="gesperrt">im Gefolge haben</em> – der Fall -<em class="gesperrt">hatte</em> eine fünfjährige Freiheitsstrafe <em class="gesperrt">im Gefolge</em> – -es ist nicht zu verkennen, daß die Preßfreiheit auch schwere Schäden -<em class="gesperrt">im Gefolge hatte</em>. Man überlege sich nur, was für Unsinn man da -hinschreibt!</p> - -<p><em class="gesperrt">Gestatten.</em> Feiner Ersatz für <em class="gesperrt">erlauben</em>, das ganz ins -alte Eisen geworfen ist. Hat aber seine Laufbahn ziemlich rasch -zurückgelegt. Auch der Handlanger sagt schon, ehe er einem auf die Füße -tritt: <em class="gesperrt">Gestatten!</em> so gut wie er schon die Zigarette nachlässig -zwischen den Lippen hängen hat. Wo bleibt nun die Feinheit?</p> - -<p><em class="gesperrt">Landen für ankommen.</em> Anfangs als Scherz, jetzt aber in vollem -Ernst geschrieben: als Schiffbrüchiger <em class="gesperrt">landete</em> er in Rom – -1842 war Wagner nach langer Wanderung in Dresden <em class="gesperrt">gelandet</em> -(wahrscheinlich kam er mit dem Schandauer Dampfschiff).</p> - -<p><em class="gesperrt">Rechnung tragen.</em> Beliebte Phrase des Kanzleistils und bequemer -Ersatz für alle möglichen Zeitwörter<span class="pagenum" id="Seite_382">[S. 382]</span> und Redensarten: wir sind bemüht, -diesen Beschwerden <em class="gesperrt">Rechnung zu tragen</em> (<em class="gesperrt">abzuhelfen</em>!) – -Ihrem Wunsche, den Gebrauch der Fremdwörter einzuschränken, werden -wir gern <em class="gesperrt">Rechnung tragen</em> (<em class="gesperrt">erfüllen</em>!) – es finden sich -Bearbeitungen von den einfachsten bis zu den schwierigsten, sodaß allen -Vereinen <em class="gesperrt">Rechnung getragen</em> ist (<em class="gesperrt">Rücksicht genommen</em>!) -– es war zu erwarten, daß das Volk durch eine Landestrauer seinen -Gefühlen <em class="gesperrt">Rechnung tragen</em> würde (<em class="gesperrt">Ausdruck geben</em>!) -– dieser Auffassung haben wir auch <em class="gesperrt">Rechnung getragen</em> -(<em class="gesperrt">bestätigt</em>!) – wie wenig die Verwaltung diesem Grundsatz -<em class="gesperrt">Rechnung getragen</em> hat (<em class="gesperrt">gefolgt ist</em>!).</p> - -<p><em class="gesperrt">Schreiten</em>, <em class="gesperrt">beschreiten</em>, <em class="gesperrt">verschreiten</em>. Für -<em class="gesperrt">gehen</em> oder <em class="gesperrt">sich wenden</em>. Man <em class="gesperrt">schreitet</em>, oder -noch lieber: man <em class="gesperrt">verschreitet</em> zur Wahl, zur Abstimmung, zur -Veröffentlichung, zur Operation, ja sogar zum Aufgießen des Tees. -Fürsten <em class="gesperrt">gehen</em> nie, sie <em class="gesperrt">schreiten</em> immer: der Kaiser -<em class="gesperrt">schritt</em> zunächst durch die Sammlung der Musikinstrumente. Aber -auch: die Maori <em class="gesperrt">schreiten</em> unaufhaltsam ihrem Untergang entgegen -– immer mit gehobnen und gestreckten Beinen, wie die Rekruten auf dem -Drillplatze.</p> - -<p><em class="gesperrt">Tragen.</em> Feierlicher Ersatz für <em class="gesperrt">bringen</em>: wir <em class="gesperrt">tragen</em> -dem Kaiser Liebe und Vertrauen <em class="gesperrt">entgegen</em>. Nur schade, daß -man einem nur etwas in den Händen oder auf einem Präsentierteller -<em class="gesperrt">entgegentragen</em> kann, in seinem Innern aber doch nur -<em class="gesperrt">entgegenbringen</em>. Ganz besonders aber ist <em class="gesperrt">getragen sein</em> -jetzt beliebtes Spreizwort für <em class="gesperrt">erfüllt sein</em>: von künstlerischer -Überzeugung <em class="gesperrt">getragen</em> – von patriotischer Wärme <em class="gesperrt">getragen</em> -– von religiöser Gläubigkeit <em class="gesperrt">getragen</em> – von wissenschaftlichem -Ernst <em class="gesperrt">getragen</em> – von düsterm Pessimismus <em class="gesperrt">getragen</em> – -eine von hoher Begeisterung <em class="gesperrt">getragene</em> Rede – eine fesselnde, -von staunenswerter Belesenheit <em class="gesperrt">getragene</em> Darstellung – eine von -froher Geselligkeit <em class="gesperrt">getragene</em> Veranstaltung – die geräuschlose, -von warmer Fürsorge für die Jugend <em class="gesperrt">getragene</em> Arbeit – der -Kommers nahm einen von echt studentischem Geiste <em class="gesperrt">getragenen</em> -Verlauf – der Empfang des<span class="pagenum" id="Seite_383">[S. 383]</span> Kaisers war von herzlicher Begeisterung -<em class="gesperrt">getragen</em> usw. Man muß immer an einen Luftballon denken.</p> - -<p><em class="gesperrt">Treten.</em> Ebenso beliebt wie <em class="gesperrt">schreiten</em>. Einer Frage -wird näher <em class="gesperrt">getreten</em>, das Ministerium ist zu einer Beratung -zusammen<em class="gesperrt">getreten</em>, und besonders gern wird in etwas -<em class="gesperrt">eingetreten</em>: Arbeiter <em class="gesperrt">treten</em> in einen Streik, sogar -in einen Ausstand <em class="gesperrt">ein</em>, eine Versammlung <em class="gesperrt">tritt</em> in eine -Verhandlung <em class="gesperrt">ein</em>, der Reichskanzler ist in ernstliche Erwägungen -<em class="gesperrt">eingetreten</em>, und der Gelehrte schreibt: ich will auf dieses -Gebiet hier nicht näher <em class="gesperrt">eintreten</em> – ich mag hier nicht in den -Streit über die Bedeutung Hamerlings <em class="gesperrt">eintreten</em>. Das schönste -aber ist: <em class="gesperrt">in die Erscheinung treten</em> (statt <em class="gesperrt">erscheinen</em> -oder <em class="gesperrt">zur Erscheinung kommen</em>): es ist bei dieser Gelegenheit -scharf (!) <em class="gesperrt">in die Erscheinung getreten</em> (es hat sich deutlich -gezeigt) – dabei <em class="gesperrt">tritt</em> das Gesetz <em class="gesperrt">in die Erscheinung</em> -(dabei kann man beobachten) – es zeigten sich Krankheitssymptome, -die immer intensiver <em class="gesperrt">in die Erscheinung traten</em> – der Zustand -der Herzschwäche <em class="gesperrt">trat</em> vermindert <em class="gesperrt">in die Erscheinung</em> -– es handelt sich um eine Krankheit des modernen Lebens, die hier -in besonders krasser Weise <em class="gesperrt">in die Erscheinung tritt</em> – -Unregelmäßigkeiten <em class="gesperrt">treten</em> um so mehr <em class="gesperrt">in die Erscheinung</em>, -je kleiner das Beobachtungsfeld ist – hier <em class="gesperrt">tritt</em> nie eine so -starke territoriale Zersplitterung <em class="gesperrt">in die Erscheinung</em> – das -Gesamtleben des Reichs <em class="gesperrt">tritt</em> in der Hauptstadt konzentriert -<em class="gesperrt">in die Erscheinung</em> – das Nachtleben <em class="gesperrt">tritt</em> in Berlin weit -auffälliger <em class="gesperrt">in die Erscheinung</em> – ja sogar der neue Spielplan -wird zu Neujahr <em class="gesperrt">in die Erscheinung treten</em>. Wie vornehm glauben -sich die Leute mit diesem ewigen Getrete auszudrücken, und – wie -albern ist es!</p> - -<p><em class="gesperrt">Vertrauen.</em> Mit nachfolgendem Objektsatz (!), statt -<em class="gesperrt">hoffen</em>, <em class="gesperrt">glauben</em>, <em class="gesperrt">überzeugt sein</em>: das Ministerium -<em class="gesperrt">vertraut, daß</em> der eingerissene Mißbrauch bald wieder abgestellt -sein werde – die Leser können <em class="gesperrt">vertrauen, daß</em> wir bei der -Feststellung des Textes die größte Vorsicht haben walten lassen.</p> - -<p><em class="gesperrt">Vorbestrafen.</em> Lieblingswort aller Polizeireporter und -aller Berichterstatter über Gerichtsverhandlungen:<span class="pagenum" id="Seite_384">[S. 384]</span> ein schon -zehnmal <em class="gesperrt">vorbestrafter</em> Kellner – ein schon fünfzehnmal -<em class="gesperrt">vorbestrafter</em> Riemergeselle – ein schon vielfach, sogar mit -Zuchthaus, <em class="gesperrt">vorbestraftes</em> Subjekt. Als ob nicht <em class="gesperrt">bestraft</em> -genügte! Müssen denn nicht, wenn einer „schon oft“ bestraft worden ist, -diese Strafen <em class="gesperrt">vor</em> der liegen, die ihn jetzt erwartet! Der Unsinn -ist aber nicht auszurotten. Vielleicht schreibt man nächstens auch -noch: eine bisher noch <em class="gesperrt">unvorbestrafte</em> Verkäuferin.</p> - -<p><em class="gesperrt">Vorsehen</em>, nicht als reflexives, sondern als transitives -Zeitwort: <em class="gesperrt">etwas vorsehen.</em> Binnen wenigen Jahren mit ungeheurer -Schnelligkeit in der Kanzlei- und Zeitungssprache verbreitet, für -denkfaule Leute wieder ein willkommner Ersatz für alle möglichen -Zeitwörter. Auf dem Gymnasium wird man im lateinischen Unterricht -ermahnt, <span class="antiqua">providere</span> ja nicht mit <em class="gesperrt">vorsehen</em> zu übersetzen, -es sei das ein gemeiner Latinismus; gut übersetzt heiße es: für etwas -<em class="gesperrt">sorgen</em>, <em class="gesperrt">Fürsorge</em> oder <em class="gesperrt">Vorsorge treffen</em>, etwas -<em class="gesperrt">vorbereiten</em>. Dieser „gemeine Latinismus“ ist der neueste Stolz -der Kanzlei- und Zeitungssprache: Sache der Übungsbücher ist es, eine -geordnete Folge von Übungen <em class="gesperrt">vorzusehen</em> – zur Erhöhung der -Beamtengehalte sind für das Jahr 1904 keine Mittel <em class="gesperrt">vorgesehen</em> -– die Erstaufführung (!) ist für die Saison 1903 am Leipziger -Stadttheater <em class="gesperrt">vorgesehen</em> – als Verbindung zwischen beiden -Straßen ist eine Allee <em class="gesperrt">vorgesehen</em> – für die Rasenrabatten -ist die übliche niedrige Einfassung <em class="gesperrt">vorgesehen</em> – für den -Speisesaal ist Rokoko <em class="gesperrt">vorgesehen</em> – die Selbstregierung, die -das Friedensinstrument <em class="gesperrt">vorsieht</em> – die zu einer Ferienreise -<em class="gesperrt">vorgesehenen</em> Ersparnisse der Schulkinder – das Richtfest der -hiesigen Kirche ist auf Sonnabend den 5. November <em class="gesperrt">vorgesehen</em> – -für den Besuch Sr. Majestät in der Handelsschule ist folgendes Programm -<em class="gesperrt">vorgesehen</em> – für den Abend ist ein Fackelzug <em class="gesperrt">vorgesehen</em> -usw. Also <em class="gesperrt">sorgen</em>, <em class="gesperrt">beabsichtigen</em>, <em class="gesperrt">planen</em>, -<em class="gesperrt">bestimmen</em>, <em class="gesperrt">festsetzen</em> – alles wird mit diesem aus reiner -Dummheit dem Lateinischen nachgeäfften <em class="gesperrt">vorsehen</em> ausgedrückt!</p> - -<p><em class="gesperrt">In die Wege leiten.</em> Herrliche neue Modephrase der Amts- und -Zeitungssprache für – ja, wofür?<span class="pagenum" id="Seite_385">[S. 385]</span> Eigentlich für gar nichts. Anstatt -einfach zu sagen: es wurde eine starke Seemacht <em class="gesperrt">geschaffen</em> – -er hat mancherlei Technisches <em class="gesperrt">unternommen</em> – die Veranstaltung -wird schon jetzt <em class="gesperrt">vorbereitet</em> – es wäre zu wünschen, daß ein -solches Amt <em class="gesperrt">eingerichtet</em> würde – heißt es: die Schaffung -einer starken Seemacht wurde <em class="gesperrt">in die Wege geleitet</em> – er hat -mancherlei technische Unternehmungen <em class="gesperrt">in die Wege geleitet</em> -– die Vorbereitungen zu der Anstalt werden bereits <em class="gesperrt">in die Wege -geleitet</em> – es wäre zu wünschen, daß die Organisation eines solchen -Amtes <em class="gesperrt">in die Wege geleitet</em> würde. Und ein Unterbeamter schreibt -an den andern: ich bitte, das Weitere baldgefälligst (!) <em class="gesperrt">in die Wege -leiten</em> zu wollen.</p> - -<p><em class="gesperrt">Werten</em> und <em class="gesperrt">bewerten</em>. Neben <em class="gesperrt">einschätzen</em> -(vgl. <a href="#Seite_377">S. 377</a>) seit kurzem äußerst beliebte Spreizwörter für <em class="gesperrt">schätzen</em>, -<em class="gesperrt">beurteilen</em>, <em class="gesperrt">für etwas ansehen</em> oder <em class="gesperrt">halten</em>. Bisher -kannte man nur <em class="gesperrt">verwerten</em> und <em class="gesperrt">entwerten</em>. Jetzt wird -aber alles <em class="gesperrt">gewertet</em> oder <em class="gesperrt">bewertet</em>: in Schlesien weiß -man die Kraft, die aus der Muttererde strömt, wohl zu <em class="gesperrt">werten</em> -– diese Luxusausgaben werden im Handel bereits hoch <em class="gesperrt">bewertet</em> -– seine Schriften verraten eine selten (!) hohe <em class="gesperrt">Wertung</em> der -Ehe – es drängt sich die Frage auf, wie ein sächsischer Offizier -einem preußischen gegenüber zu <em class="gesperrt">bewerten</em> sei – wir können -diese Urteile nicht als Urteile eines ernsthaften Journalisten -<em class="gesperrt">bewerten</em> – diese Abweichung von der Regel dürfte als nicht -ganz sachgemäß <em class="gesperrt">bewertet</em> werden – man muß die Ausdrucksweise -einer Zeit kennen, wenn man ihre Freundschaften und Liebschaften -<em class="gesperrt">bewerten</em> will – die Monarchenzusammenkunft wird in der N. A. -Z. mit folgenden Worten <em class="gesperrt">gewertet</em> – beide, er wie sie, wollen -selbständig <em class="gesperrt">gewertet</em> werden – bei der wissenschaftlichen -<em class="gesperrt">Wertung</em> des Problems tut vor allem Nüchternheit not – man muß -die juristische <em class="gesperrt">Bewertung</em> des Falles abwarten – ja sogar: die -<em class="gesperrt">Bewertung</em> und <em class="gesperrt">Beurteilung</em> (!) dieser Bilder wird neu -festzustellen und zu modifizieren sein – was eine Südländerin von -Temperament als Lebensforderung <em class="gesperrt">einschätzt</em> und <em class="gesperrt">wertet</em> -(!) – und das Neueste und Schönste<span class="pagenum" id="Seite_386">[S. 386]</span> von allem: baugeschichtliche -Feststellungen geben uns die Möglichkeit, die Entstehungsbedingungen -dieser Baukunst sicher <em class="gesperrt">einzuwerten</em> (also aus <em class="gesperrt">werten</em> -und <em class="gesperrt">einschätzen</em> ein drittes Wort zusammengeknetet!). Woher -stammen die herrlichen Wörter? Aus der Börsensprache, die von der -<em class="gesperrt">Bewertung</em> des umlaufenden Edelmetalls spricht? Oder von -Nietzsche?</p> - -<p><em class="gesperrt">Zeitigen.</em> Für <em class="gesperrt">hervorbringen</em>, <em class="gesperrt">schaffen</em>: es ist eine -armselige Literatur, wie sie noch keine Periode der Musikgeschichte -<em class="gesperrt">gezeitigt</em> hat.</p> - -<p><em class="gesperrt">Zubilligen.</em> Für <em class="gesperrt">bewilligen</em> oder <em class="gesperrt">zugestehen</em>: -den Arbeitern wurde eine Unterredung <em class="gesperrt">zugebilligt</em> – jeder -höhern Lehranstalt sind für Bibliothekzwecke jährlich tausend Mark -<em class="gesperrt">zugebilligt</em> – die Hinterbliebenen haben mir das Recht der -Veröffentlichung <em class="gesperrt">zugebilligt</em>.</p> - -<p><em class="gesperrt">Zukommen</em>, auf etwas. Beliebtes neues Ersatzwort des sächsischen -Kanzleistils für alles mögliche, für: an etwas <em class="gesperrt">denken</em>, etwas -<em class="gesperrt">ins Auge fassen</em>, etwas <em class="gesperrt">beschließen</em>, <em class="gesperrt">sich</em> zu -etwas <em class="gesperrt">entschließen</em>, <em class="gesperrt">sich</em> auf etwas <em class="gesperrt">einlassen</em>: -wenn man auf die Ausführung dieses Gedankens <em class="gesperrt">zukommen</em> wollte, -so wäre jetzt der geeignete Augenblick – es kann kein Zweifel -darüber bestehen, daß auf einen Aufbau der Türme <em class="gesperrt">zuzukommen</em> -sei – wann wird man an den höhern Schulen auf eine Verminderung der -Unterrichtszeiten <em class="gesperrt">zukommen</em>.</p> - -<p><em class="gesperrt">Bislang.</em> Für <em class="gesperrt">bisher</em>. Provinzialismus aus Hannover, nach -1866 stark verbreitet, heute ziemlich vergessen.</p> - -<p><em class="gesperrt">Da und dort.</em> Modeverbindung für <em class="gesperrt">hie und da</em>: unter den -technischen Schwierigkeiten klingt doch <em class="gesperrt">da und dort</em> ein tieferer -musikalischer Sinn heraus.</p> - -<p><em class="gesperrt">Erstmals.</em> Neues Spreizwort für <em class="gesperrt">zuerst</em> oder <em class="gesperrt">zum -erstenmal</em>: eine Fülle von Material ist in diesem Buche -<em class="gesperrt">erstmals</em> erschlossen. (Vgl. -<em class="gesperrt">erstmalig</em> <a href="#Seite_407">S. 407</a>)</p> - -<p><em class="gesperrt">Hoch.</em> Einzig gebräuchliches Adverb zur Begriffssteigerung -folgender Adjektiva: <em class="gesperrt">fein</em>, <em class="gesperrt">elegant</em>, <em class="gesperrt">modern</em>, -<em class="gesperrt">herrschaftlich</em>, <em class="gesperrt">gebildet</em>, <em class="gesperrt">gelehrt</em>, -<em class="gesperrt">verdient</em>, <em class="gesperrt">bedeutend</em>, <em class="gesperrt">bedeutsam</em>, <em class="gesperrt">wichtig</em>, -<em class="gesperrt">ernst</em>, <em class="gesperrt">feierlich</em>, <em class="gesperrt">tragisch</em>, <em class="gesperrt">komisch</em>, -<em class="gesperrt">romantisch</em>, <em class="gesperrt">poetisch</em>, <em class="gesperrt">interessant</em>, -<em class="gesperrt">erfreulich</em>, <em class="gesperrt">befriedigend</em>, <em class="gesperrt">willkommen</em>,<span class="pagenum" id="Seite_387">[S. 387]</span> -<em class="gesperrt">achtbar</em>, <em class="gesperrt">adlich</em>, <em class="gesperrt">konservativ</em>, <em class="gesperrt">kirchlich</em>, -<em class="gesperrt">offiziell</em>. Das wird genügen.</p> - -<p><em class="gesperrt">Indes</em> oder <em class="gesperrt">indessen</em>. Sehr beliebtes Spreizwort für -<em class="gesperrt">aber</em>, <em class="gesperrt">doch</em>, <em class="gesperrt">jedoch</em>: heute wurden hier starke -Erdstöße verspürt, die <em class="gesperrt">indessen</em> keinen Schaden anrichteten – -es kam zu Zwistigkeiten, die <em class="gesperrt">indes</em> einen günstigen Verlauf -nahmen – er hatte das Stück schon vor Jahren verfaßt, <em class="gesperrt">indessen</em> -unterblieb damals die Aufführung – der Graf wanderte in den Tower; -lange dauerte <em class="gesperrt">indes</em> seine Haft nicht – bei näherer Prüfung -<em class="gesperrt">indessen</em> stellt sich R. als interessante Persönlichkeit dar.</p> - -<p><em class="gesperrt">Nahezu.</em> Modewort für <em class="gesperrt">fast</em> oder <em class="gesperrt">beinahe</em>.</p> - -<p><em class="gesperrt">Naturgemäß.</em> Aus Berlin (<em class="gesperrt">naturjemäß</em>). Hat sich mit -lächerlicher Schnelligkeit an die Stelle von <em class="gesperrt">natürlich</em> (d. h. -<em class="gesperrt">selbstverständlich</em>) gedrängt, sodaß man sich, wo es einmal -in seiner wirklichen Bedeutung erscheint (die soziale Bewegung ist -<em class="gesperrt">naturgemäß</em> erwachsen), erst förmlich besinnen muß, daß es -ja diese Bedeutung auch noch haben kann. Sonst heißt es nur noch: -wir beginnen <em class="gesperrt">naturgemäß</em> mit den preisgekrönten Entwürfen – -<em class="gesperrt">naturgemäß</em> ist die Studentenzeit zum Lernen bestimmt – die -Wiedergabe durch Lichtdruck läßt <em class="gesperrt">naturgemäß</em> manches unklar -– die Sorge beginnt <em class="gesperrt">naturgemäß</em> gleich bei der Aufnahme der -Lehrlinge – <em class="gesperrt">naturgemäß</em> konnte die Stadtbahn nicht durch den -glänzendsten Teil der Hauptstadt gelegt werden – <em class="gesperrt">naturgemäß</em> ist -der Grund der Unsicherheit nicht in allen Fällen der gleiche – die -Unbilligkeit verstärkt sich <em class="gesperrt">naturgemäß</em> mit jedem Jahre usw. Man -redet aber auch schon von einer <em class="gesperrt">vernunftgemäßen</em> (!) Auswahl der -Schreibfeder, statt von einer <em class="gesperrt">vernünftigen</em> – und da nun einmal -<em class="gesperrt">gemäß</em> Mode ist, so führt auch der Kaufmann <em class="gesperrt">wunschgemäß</em> -seine Bestellungen aus, und der Unterbeamte erledigt alles mit großem -Eifer <em class="gesperrt">auftraggemäß</em>.</p> - -<p><em class="gesperrt">Rund.</em> Dem Englischen nachgeäfft. Wird jetzt vor alle Zahlen -gesetzt, die, wie der Zusammenhang zeigt, selbstverständlich nur runde -Zahlen sein können und sollen: der Kandidat der Ordnungsparteien -erhielt <em class="gesperrt">rund</em> 3200 Stimmen gegen <em class="gesperrt">rund</em> 360 Stimmen der -Sozialdemokraten<span class="pagenum" id="Seite_388">[S. 388]</span> – der Ertrag der Sammlung bezifferte sich (!) auf -<em class="gesperrt">rund</em> 5000 Mark. Ohne <em class="gesperrt">rund</em> bekommt man eine Zahl mit -Nullen am Ende kaum mehr zu lesen.</p> - -<p><em class="gesperrt">Reichlich.</em> Seit kurzem äußerst beliebt für <em class="gesperrt">sehr</em>, aber -immer nur da, wo es nicht hinpaßt, nämlich in tadelnden Bemerkungen: du -kommst <em class="gesperrt">reichlich spät</em>, der Kerl ist <em class="gesperrt">reichlich dumm</em>. Es -fehlt nur noch, daß gesagt würde: er hat <em class="gesperrt">reichlich wenig</em> gegeben.</p> - -<p><em class="gesperrt">Selten.</em> Beliebtes Adverb zur Steigerung von Eigenschaftswörtern -(in dem Sinne von <em class="gesperrt">ungewöhnlich</em>, <em class="gesperrt">außerordentlich</em>, <em class="gesperrt">in -seltnem Grade</em>), z. B.: ein Mädchen von <em class="gesperrt">selten gutem</em> -Charakter – eine <em class="gesperrt">selten frische</em> Witwe – ein <em class="gesperrt">selten -schönes</em> Familienleben – eine <em class="gesperrt">selten günstige</em> Kapitalanlage -– wir haben <em class="gesperrt">selten schönes</em> Wetter gehabt – dieser Weizen -gedeiht auf leichtem Boden und liefert <em class="gesperrt">selten hohe</em> Erträge – -besonders hebe ich die <em class="gesperrt">selten naturgetreuen</em> farbigen Abbildungen -hervor – die Inhaber dieser Bauernhöfe sind <em class="gesperrt">selten fleißige</em> -und <em class="gesperrt">tüchtige</em> Wirte usw. Nur schade, daß <em class="gesperrt">selten</em> eben vor -allen Dingen <em class="gesperrt">selten</em> bedeutet, und nicht <em class="gesperrt">in seltnem Grade</em>, -und daß infolgedessen stets das Gegenteil von dem herauskommt, was die -Leute meinen. Darüber ist denn auch schon viel gespottet worden, so -viel, daß endlich doch auch dem Harmlosesten ein Licht aufgehen müßte.</p> - -<p><em class="gesperrt">Unentwegt.</em> Lächerlicher schweizerischer Provinzialismus für -<em class="gesperrt">fest</em>, <em class="gesperrt">beharrlich</em>. Hat seine Rolle ziemlich ausgespielt.</p> - -<p><em class="gesperrt">Vielmehr.</em> Ausschließlicher Ersatz für <em class="gesperrt">sondern</em>: diese -Preisbewegung ist nicht bloß dem Getreide eigentümlich, sie stimmt -<em class="gesperrt">vielmehr</em> mit den übrigen Ackerbauerzeugnissen überein – der -Leser wird nicht mit einem Ballast von Erläuterungen überschüttet, -<em class="gesperrt">vielmehr</em> halten die Anmerkungen das rechte Maß ein.</p> - -<p><em class="gesperrt">Voll und ganz.</em> Modephrase ersten Ranges, die aber ihren Weg -wohl bald „voll und ganz“ zurückgelegt haben wird.<a id="FNAnker_164" href="#Fussnote_164" class="fnanchor">[164]</a> Sehr beliebt -ist es jetzt, <em class="gesperrt">voll</em> allein zu<span class="pagenum" id="Seite_389">[S. 389]</span> gebrauchen (für <em class="gesperrt">ganz</em> -oder <em class="gesperrt">vollständig</em>): dieser Auffassung kann ich <em class="gesperrt">voll</em> -beipflichten – überall deckt der Ausdruck <em class="gesperrt">voll</em> den Gedanken – -um die Tiefe seiner Auffassung <em class="gesperrt">voll</em> zu würdigen – Künstler, -die diese Bedingung <em class="gesperrt">voll</em> erfüllen können – die deutschen -Gemälde hielten den Vergleich mit den französischen <em class="gesperrt">voll</em> aus -usw. Auch Zusammensetzungen mit <em class="gesperrt">Voll</em>- als Bestimmungswort -schießen wie Pilze aus der Erde: <em class="gesperrt">Vollbild</em>, <em class="gesperrt">Vollmilch</em>, -<em class="gesperrt">Vollgymnasium</em>, sogar <em class="gesperrt">vollinhaltlich</em>: ich kann das -<em class="gesperrt">vollinhaltlich</em> bestätigen – er mußte das Leben der Gefangnen -<em class="gesperrt">vollinhaltlich</em> mitleben.</p> - -<p><em class="gesperrt">Vorab</em> und <em class="gesperrt">vornehmlich</em>. Beide gleich beliebter Ersatz -für <em class="gesperrt">besonders</em>, <em class="gesperrt">namentlich</em> und <em class="gesperrt">hauptsächlich</em>. Das -sechzehnte, <em class="gesperrt">vorab</em> das siebzehnte Jahrhundert – die Künstler -<em class="gesperrt">vorab</em> hatten sein herzliches Wohlwollen erfahren – Briefe -Wielands, <em class="gesperrt">vornehmlich</em> an Sophie La Roche – <em class="gesperrt">vornehmlich</em> -habe ich die Syntax von Grund aus umgestaltet. (Vgl. <em class="gesperrt">vornehm</em> -<a href="#Seite_374">S. 374</a>).</p> - -<p><em class="gesperrt">Weitaus.</em> Modezusatz zum Superlativ: <em class="gesperrt">weitaus</em> der beste – -in <em class="gesperrt">weitaus</em> den meisten Fällen.</p> - -<p>Außer solchen allgemein gebräuchlichen Modewörtern und Modephrasen gibt -es aber noch eine Masse andrer, die auf einzelne Kreise beschränkt -sind. In der Sprache der Geschäftsleute, der Zeitungschreiber, wohin -man<span class="pagenum" id="Seite_390">[S. 390]</span> blickt: Mode, nichts als Mode. Kaufleute reden nicht mehr von -<em class="gesperrt">Preisen</em>, sondern nur noch von <em class="gesperrt">Preislagen</em>, an die -Stelle der frühern <em class="gesperrt">Sorten</em> sind die <em class="gesperrt">Qualitäten</em>, die -<em class="gesperrt">Marken</em> und die – <em class="gesperrt">Genres</em> getreten (bitte, probieren -Sie meine <em class="gesperrt">Spezialmarke</em>!). Wer einen kleinen Laden gemietet -und ein Geschäftchen darin eröffnet hat, nennt das jetzt ein -<em class="gesperrt">Haus</em>; der eine hat ein <em class="gesperrt">Schokoladenhaus</em>, der andre -ein <em class="gesperrt">Porzellanhaus</em>, ein dritter ein <em class="gesperrt">Havannahaus</em>, ein -<em class="gesperrt">Seidenhaus</em>, ein <em class="gesperrt">Leinwandhaus</em>, ein <em class="gesperrt">Lodenhaus</em>. -Vor etlichen Jahren fiel es einem Schneider in Leipzig ein, -über seine Ladentür statt <em class="gesperrt">Schneidermeister</em> zu schreiben: -<em class="gesperrt">Herrenmoden</em>. Das war natürlich fürchterlicher Unsinn, denn -ein Schneider ist keine Mode und fertigt auch keine Moden, sondern -Kleider. Als das aber die andern Schneider gesehen hatten, da kam -für die Firmenschreiber gute Zeit. Sämtliche Schneider ließen -ihre Schilder ändern, und heute gibt es in ganz Leipzig keinen -Schneidermeister mehr. Der kleinste Flickschneider im Hinterhause -vier Treppen hoch hat vorn an der Haustür sein Schildchen prangen: -Wilhelm Benedix, <em class="gesperrt">Herrenmoden</em>! Vor etlichen Jahren fiel es -auch einmal einem Bierwirt in Leipzig ein, von einem Militärkonzert -anzukündigen, daß es <em class="gesperrt">unter persönlicher Leitung</em> des Herrn -Musikdirektors X stattfinden würde – als ob in andre Wirtschaften -der Herr Musikdirektor seinen Stiefelputzer schickte. Große Aufregung -unter den Bierwirten! Binnen vier Wochen fanden alle Konzerte -<em class="gesperrt">unter persönlicher Leitung</em> statt. Aus nichts als Modewörtern -und Modephrasen ist die Sprache der Reporter zusammengesetzt. Da ist -eine Gesellschaft stets <em class="gesperrt">illustre</em> (wenigstens in Leipzig), ein -Kapellmeister stets <em class="gesperrt">genial</em>, ein Geschenk stets <em class="gesperrt">sinnig</em>, -Orgelspiel stets <em class="gesperrt">weihevoll</em>. Wird irgendwo ein Vortrag gehalten, -so wird er von musikalischen und gesanglichen <em class="gesperrt">Darbietungen -umrahmt</em>; von einer Festlichkeit wird stets versichert, sie -habe <em class="gesperrt">einen würdigen (!) Verlauf</em> genommen. Ein Revolverschuß -wird stets <em class="gesperrt">abgegeben</em>, und flieht der Täter, so wird sofort -<em class="gesperrt">die Verfolgung aufgenommen</em>; sich selbst aber schießt man eine -Kugel niemals zum Vergnügen<span class="pagenum" id="Seite_391">[S. 391]</span> sondern immer <em class="gesperrt">in selbstmörderischer -Absicht</em> in den Kopf. Wenn es in einer Familie oder zwischen einem -Liebespaar zu Zank und Streit, Mord und Totschlag gekommen ist, so -heißt das ein <em class="gesperrt">Familiendrama</em> oder eine <em class="gesperrt">Liebestragödie</em>. -Wer ein Jubiläum feiert, <em class="gesperrt">kann</em> stets <em class="gesperrt">auf eine</em> 25jährige -oder 50jährige <em class="gesperrt">Tätigkeit zurückblicken</em>, und ist es ein Verein, -so <em class="gesperrt">blickt</em> er <em class="gesperrt">auf ein</em> 25jähriges <em class="gesperrt">Bestehen zurück</em>; -wer pensioniert wird, tritt in den <em class="gesperrt">wohlverdienten Ruhestand</em>, und -stirbt er, so werden an seinem Sarge Lorbeerkränze <em class="gesperrt">niedergelegt</em>. -Wenn einer von einem Dache herabstürzt, so <em class="gesperrt">bleibt</em> er <em class="gesperrt">tot</em> -(als ob er es schon vorher gewesen wäre!). Leichen von Verunglückten -werden nicht <em class="gesperrt">gefunden</em>, sondern stets <em class="gesperrt">geborgen</em> (hätte -man die Lebenden besser „geborgen“, so wären sie nicht verunglückt!), -und wenn sie im Wasser gelegen haben, so werden sie <em class="gesperrt">geländet</em>; -wird aber einer glücklich noch lebend aus dem Wasser gezogen, so wird -er <em class="gesperrt">dem nassen Element entrissen</em>. Kommt ein Fürst zu Besuch, -so steigt er nicht aus dem Wagen, sondern er <em class="gesperrt">ent(!)steigt</em> -dem <em class="gesperrt">Waggon</em> und <em class="gesperrt">schreitet</em> dann, und zwar stets -<em class="gesperrt">elastischen Schrittes</em>, die Front der Ehrenkompagnie <em class="gesperrt">ab</em>. -Man begreift nicht, warum nicht die Zeitungen für gewisse besonders -oft wiederkehrende wichtige Ereignisse, wie die Ankunft eines Fürsten, -die Eröffnung einer Ausstellung, die Enthüllung eines Denkmals, das -Jubiläum eines Geschäfts, das Begräbnis eines Kommerzienrats und -dergleichen, für ihre Berichterstatter Formulare drucken lassen, worin -sie dann bloß Tag, Stunde und Namen auszufüllen hätten.</p> - -<p>Aber auch die niedrige Umgangssprache ist voll von Modewörtern, die -immer wechseln. Man könnte sie die Gassenhauer der Sprache nennen. -Zu ihnen gehört das schöne <em class="gesperrt">selbstredend</em>, das eine Reihe von -Jahren für <em class="gesperrt">selbstverständlich</em> gesagt wurde (übrigens stets -falsch betont: <em class="gesperrt">selbstrédend</em>, wie auch <em class="gesperrt">tats<b>ä</b>chlich</em>, -<em class="gesperrt">wunderbár</em>, <em class="gesperrt">ekelháft</em>, <em class="gesperrt">tadellós</em>). Neuerdings -ist wieder <em class="gesperrt">selbstverständlich</em> durchgedrungen (aber auch -das wieder falsch betont: <em class="gesperrt">selbstverst<b>ä</b>ndlich</em>). -Augenblicklich ist der beliebteste Gassenhauer: <em class="gesperrt">ausgeschlossen</em>, -<em class="gesperrt">ganz ausgeschlossen</em>, <em class="gesperrt">völlig ausgeschlossen</em>. -<em class="gesperrt">Unwahrscheinlich</em>,<span class="pagenum" id="Seite_392">[S. 392]</span> <em class="gesperrt">unmöglich</em>, <em class="gesperrt">undenkbar</em>, sogar -<em class="gesperrt">unnötig</em> – das alles gibt es nicht mehr. <em class="gesperrt">Ausgeschlossen</em> -– bums! fertig! In der Unterhaltung am Biertisch hört man nichts -weiter als: <em class="gesperrt">selbstverständlich</em> (für <em class="gesperrt">ja</em>) und: -<em class="gesperrt">ausgeschlossen</em> (für <em class="gesperrt">nein</em>). Andre neue Gassenhauer -sind: <em class="gesperrt">totsicher</em>, <em class="gesperrt">totschick</em>, <em class="gesperrt">Ton</em> (für -<em class="gesperrt">Wort</em>): er hat mir nicht einen <em class="gesperrt">Ton</em> davon gesagt –, auf -Wieder<em class="gesperrt">schaun</em>, und <em class="gesperrt">ausgerechnet</em> (für <em class="gesperrt">gerade</em>, -<em class="gesperrt">genau</em> oder dgl.): das muß <em class="gesperrt">ausgerechnet</em> Bebel begegnen!</p> - -<p>Eine feine Nase für Modewörter hat gewöhnlich der Student. Die -Studentensprache wimmelt von Modewörtern; sowie ein neues aufkommt, -wird es ihr sofort „einverleibt“. Aber der Student spricht sie fast -alle mit Gänsefüßchen, er macht sich lustig über sie, während er sie -gebraucht. Die Sache hat nur nicht bloß eine lustige, sie hat auch -eine sehr ernste Seite. Jedes neu aufkommende Modewort verdrängt eine -Anzahl sinnverwandter Wörter mit ihren fein abgetönten Unterschieden, -und schließlich wird es gedankenlos auch für Wörter gebraucht, die -einen ganz andern Sinn haben. So ist mit jedem neuen Modewort eine -zunehmende Verarmung der Sprache und eine zunehmende Oberflächlichkeit -und Unklarheit des Denkens verbunden.</p> - -<p>Wie alle Modedummheiten haben aber auch die Sprachmoden ihre Zeit. -Sie verschwinden alle wieder, die einen früher, die andern später. -Darum ist ein Kampf gegen sie eigentlich überflüssig.<a id="FNAnker_165" href="#Fussnote_165" class="fnanchor">[165]</a> Verteidigt -werden sie immer nur von solchen, die darauf hineingefallen sind, ohne -es zu merken; die ärgern sich dann über den, der es gemerkt hat, und -bestreiten die Berechtigung seiner Angriffe. Jeder gute Schriftsteller -aber wird sich vor ihnen hüten. Denn jeder gute Schriftsteller hat doch -den Wunsch, nicht gar zu schnell zu veralten. Dazu gehört aber, daß -das, was er schreibt, nicht bloß einen dauerhaften Inhalt, sondern auch -eine dauerhafte Form habe.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_393">[S. 393]</span></p> - -<h3 id="Der_Gesichtspunkt_und_der_Standpunkt">Der Gesichtspunkt und der -Standpunkt</h3> - -</div> - -<p>Ein Modewort, mit dem ein ganz törichter Mißbrauch getrieben -wird, der zu einer Unmasse von Bildervermengungen führt, ist -<em class="gesperrt">Gesichtspunkt</em>. Das Wort bedeutet den Punkt, von dem aus man -etwas ansieht, wie <em class="gesperrt">Standpunkt</em> den Punkt, auf den man sich -gestellt hat, um etwas anzusehen. Beides ist so ziemlich dasselbe. -Man sollte doch nun meinen, das Bild, das in diesen Ausdrücken liegt, -wäre so klar und deutlich, daß es gar nicht vergessen werden könnte: -<em class="gesperrt">Standpunkt</em> und <em class="gesperrt">Gesichtspunkt</em> bedeuten durchaus etwas -räumliches, einen Punkt im Raume. Da ist es nun schon verkehrt, -wie es manche sehr lieben, von <em class="gesperrt">großen</em> oder <em class="gesperrt">allgemeinen -Gesichtspunkten</em> zu reden. Man kann sich weder unter einem großen -noch unter einem allgemeinen Punkt etwas denken. Offenbar wird hier der -Gesichts<em class="gesperrt">punkt</em> mit dem Gesichts<em class="gesperrt">kreise</em> verwechselt. Wenn -ich mich hoch aufstelle und die Dinge von oben betrachte, so überblicke -ich mehr, als wenn ich unten mitten unter den Dingen stehe. Es ändert -sich dann auch der Maßstab der Betrachtung: was mir unten groß, im -übertragnen Sinne wichtig, bedeutend erschien, schrumpft zusammen, ja -verschwindet vielleicht ganz, wenn ich es von oben betrachte. Man kann -also wohl von <em class="gesperrt">hohen</em> und <em class="gesperrt">niedrigen</em> Gesichtspunkten reden, -aber nicht von <em class="gesperrt">großen</em> und <em class="gesperrt">kleinen</em>. Der Geist ist klein, -der sich nicht zu höhern Gesichtspunkten aufschwingen kann, auch der -Gesichtskreis eines solchen Geistes ist klein, aber ein Punkt ist und -bleibt – ein Punkt, er kann weder klein noch groß sein.</p> - -<p>Was muß sich aber der Gesichtspunkt sonst noch alles gefallen lassen! -Er wird nicht nur <em class="gesperrt">berührt</em>, <em class="gesperrt">dargelegt</em>, <em class="gesperrt">ausgeführt</em>, -er wird auch <em class="gesperrt">beachtet</em>, <em class="gesperrt">ins Auge gefaßt</em>, <em class="gesperrt">betont</em>, -<em class="gesperrt">hervorgehoben</em>, <em class="gesperrt">geltend gemacht</em>, <em class="gesperrt">aufgestellt</em>, -<em class="gesperrt">herausgestellt</em>, <em class="gesperrt">in den Vordergrund<span class="pagenum" id="Seite_394">[S. 394]</span> gestellt</em>, <em class="gesperrt">zur -Diskussion gestellt</em>, <em class="gesperrt">verworfen</em>, er <em class="gesperrt">wird eröffnet</em>, -<em class="gesperrt">zugrunde gelegt</em>, <em class="gesperrt">gewonnen</em>, er wird <em class="gesperrt">in die Wagschale -geworfen</em>, und zwar so, daß er <em class="gesperrt">ins Gewicht fällt</em>, er ist -<em class="gesperrt">maßgebend</em>, er <em class="gesperrt">berührt sich</em> mit etwas, man tut etwas -<em class="gesperrt">unter</em> ihm, es wird etwas von ihm <em class="gesperrt">abgeleitet</em>, es -<em class="gesperrt">entspringt</em> ihm etwas usw. Der Leser schüttelt den Kopf? Hier -sind die Beispiele: zum Schluß möchte ich noch zwei <em class="gesperrt">Gesichtspunkte -berühren</em> – er <em class="gesperrt">legte die Gesichtspunkte dar</em>, die den -Ausschuß veranlaßt hätten, die Versammlung zu berufen – es würde mich -zu weit führen, wenn ich den angedeuteten <em class="gesperrt">Gesichtspunkt</em> näher -<em class="gesperrt">ausführen</em> wollte – die Prügelstrafe ist nicht nur brutal, -sie ist auch ehrenrührig, und diesen wichtigen <em class="gesperrt">Gesichtspunkt</em> -muß man vor allen Dingen <em class="gesperrt">beachten</em> – diesen <em class="gesperrt">Gesichtspunkt -faßte</em> Kurfürst August jetzt <em class="gesperrt">ins Auge</em> – als der Redner -diesen <em class="gesperrt">Gesichtspunkt</em> scharf <em class="gesperrt">betonte</em> – erfreulich ist es, -daß der Herzog für das Gefühl vaterländischer Ehre empfänglich ist und -bei der Berücksichtigung der Muttersprache diesen <em class="gesperrt">Gesichtspunkt</em> -besonders <em class="gesperrt">hervorhebt</em> – neue <em class="gesperrt">Gesichtspunkte</em> wurden in der -Debatte nicht <em class="gesperrt">geltend gemacht</em> – es sind hier <em class="gesperrt">Gesichtspunkte -aufgestellt</em>, die in der Tat <em class="gesperrt">zur Diskussion gestellt</em> -werden müssen – er wußte immer sofort die höhern <em class="gesperrt">Gesichtspunkte -herauszustellen</em> – man kann den Mittelstand sehr verschieden -abgrenzen, <em class="gesperrt">je</em> nach den <em class="gesperrt">Gesichtspunkten</em>, die man <em class="gesperrt">in -den Vordergrund stellt</em> – auch der <em class="gesperrt">Gesichtspunkt</em>, daß (!) -man mit einer stattlichen Schrift dem Auslande imponieren müsse, -ist nicht <em class="gesperrt">zu verwerfen</em> – diese Bestimmung <em class="gesperrt">eröffnet</em> -für die Geschichte der Innung einen neuen <em class="gesperrt">Gesichtspunkt</em> – -überhaupt möchten wir auf den <em class="gesperrt">Gesichtspunkt</em> hinweisen, den alle -Gerichte ihren Rechtsprechungen auf diesem Gebiete <em class="gesperrt">zugrunde zu -legen</em> haben – ich hoffe, daß sich aus meiner Darlegung gesunde -(!) <em class="gesperrt">Gesichtspunkte</em> werden <em class="gesperrt">gewinnen lassen</em> – hier -<em class="gesperrt">fallen</em> finanzielle (!) <em class="gesperrt">Gesichtspunkte</em> schwer <em class="gesperrt">ins -Gewicht</em> – diese Frage bildet den <em class="gesperrt">maßgebenden Gesichtspunkt</em>, -von dem aus wir dem Problem näher treten – dieser <em class="gesperrt">Gesichtspunkt</em> -der Theaterdirektion<span class="pagenum" id="Seite_395">[S. 395]</span> <em class="gesperrt">berührt sich</em> in mannigfacher Beziehung mit -dem Interesse des Publikums – der Theologie wandte er nur <em class="gesperrt">unter -dem Gesichtspunkte</em>, jederzeit brauchbare Kirchendiener zu haben, -seine Fürsorge zu – die allgemeinen <em class="gesperrt">Gesichtspunkte</em>, aus denen -sich der kritische Vorrang der Originaldrucke lutherischer Schriften -<em class="gesperrt">ableiten läßt</em>, sind folgende – eine innere Kolonisation, -die den oben gekennzeichneten <em class="gesperrt">Gesichtspunkten entspringt</em> -usw. In allen diesen Sätzen ist von dem Bilde, das in dem Worte -<em class="gesperrt">Gesichtspunkt</em> liegt, keine Spur mehr zu finden. Es bedeutet -etwas ganz andres, es steht für <em class="gesperrt">Umstand</em>, <em class="gesperrt">Tatsache</em>, -<em class="gesperrt">Grund</em>, <em class="gesperrt">Ansicht</em>, <em class="gesperrt">Gedanke</em>, ja bisweilen steht es -für – gar nichts, es wird als bloßes Klingklangwort gebraucht. Oder -bedeutet der Satz: neue <em class="gesperrt">Gesichtspunkte</em> wurden nicht geltend -gemacht – irgend etwas andres als: neue <em class="gesperrt">Gedanken</em> wurden -nicht vorgebracht? der Satz: zum Schluß möchte ich noch <em class="gesperrt">zwei -Gesichtspunkte</em> berühren – irgend etwas andres als: zum Schluß -möchte ich noch <em class="gesperrt">zweierlei</em> berühren? Das völkerpsychologische -<em class="gesperrt">Moment</em> (!) ist für ihn der <em class="gesperrt">maßgebende Gesichtspunkt</em> – -kann man einen einfachen und einfach auszudrückenden Gedanken in einen -unsinnigern Wortschwall einhüllen? Von solchen Sätzen wimmelt es aber -jetzt in Büchern, Broschüren und Aufsätzen; Tausende lesen darüber weg, -haben das dumpfe Gefühl, irgend etwas gelesen zu haben, aber denken -können sie sich gar nichts dabei.</p> - -<p>Infolge des fortwährenden Mißbrauchs ist es geradezu dahin gekommen, -daß dieses gute Wort, das ein so klares und deutliches Bild enthält, -und das bisweilen gar nicht zu entbehren ist, einen lächerlichen -Beigeschmack angenommen hat, sodaß man es in der Unterhaltung kaum noch -anders als spöttisch gebrauchen kann. Eine weitere Folge ist, daß nun -gewisse Leute, um das Wort zu vermeiden, es durch <em class="gesperrt">Gesichtswinkel</em> -ersetzt haben, das freilich gleich von vornherein mit Recht dem Spott -verfallen ist.</p> - -<p>Derselbe Unfug wie mit dem <em class="gesperrt">Gesichtspunkt</em> hat aber neuerdings -nun auch mit dem <em class="gesperrt">Standpunkt</em> begonnen. Niemand hat mehr eine -<em class="gesperrt">Ansicht</em> oder eine<span class="pagenum" id="Seite_396">[S. 396]</span> <em class="gesperrt">Meinung</em>, alle Welt hat nur noch -einen <em class="gesperrt">Standpunkt</em>. Eine Meinung kann man ändern, eine Ansicht -berichtigen – das ist nichts. Aber ein Standpunkt – alle Hochachtung! -– das ist etwas. Ein Standpunkt ist unverrückbar, der kommt gleich -nach der Weltanschauung. Man <em class="gesperrt">steht</em> auf einem <em class="gesperrt">Standpunkt</em>, -<em class="gesperrt">stellt sich</em> auf einen <em class="gesperrt">Standpunkt</em>, <em class="gesperrt">vertritt</em> einen -<em class="gesperrt">Standpunkt</em> usw., und das schönste dabei ist, daß man von dem -Worte <em class="gesperrt">Standpunkt</em> (ganz so wie früher von <em class="gesperrt">Meinung</em>) einen -Objektsatz abhängig macht, ja sogar einen Infinitiv, als ob es soviel -bedeutete wie <em class="gesperrt">Regel</em> oder <em class="gesperrt">Grundsatz</em>, und schreibt: -ich stehe auf dem <em class="gesperrt">Standpunkte, daß</em> man dieses Verbot wieder -aufheben sollte – ich stehe auf dem <em class="gesperrt">Standpunkte, daß</em> man -zwischen Leipzig und Berlin ohne umzusteigen fahren können müßte – die -Gesellschaft steht auf dem <em class="gesperrt">Standpunkte, daß</em> die Stadtgemeinde -berechtigt sei, unentgeltliche Abtretung der Straßenfläche zu -verlangen – der <em class="gesperrt">Standpunkt, daß</em> ein Reisender, der auf -derselben Linie zurückfährt, durch eine Preisermäßigung belohnt -werden müsse, ist ein (!) völlig antiquierter – wir haben stets -den <em class="gesperrt">Standpunkt</em> vertreten, <em class="gesperrt">daß</em> zwischen Deutschland -und England kein vernünftiger Grund zur Feindschaft vorliege – man -findet heute oft den <em class="gesperrt">Standpunkt</em> vertreten, <em class="gesperrt">daß</em> das -Kleinbürgerhaus eine überwundne Form bedeute (sei!) – wir stellen -uns auf den gewiß empfehlenswerten <em class="gesperrt">Standpunkt</em>, in schwankenden -Fällen das überflüssige Binde-s zu vermeiden. Man sieht: auch -der <em class="gesperrt">Standpunkt</em> ist nahe daran, zum Gassenhauer zu werden; -in Vereinssitzungen wie in öffentlichen Versammlungen ergreift -niemand das Wort, der nicht sofort erklärte, daß er auf irgendeinem -<em class="gesperrt">Standpunkt</em> stehe.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Das_Koennen_und_das_Fuehlen">Das Können und das Fühlen</h3> - -</div> - -<p>Eine richtige Modenarrheit ist es, gewisse Hauptwörter immer durch -einen substantivierten Infinitiv zu umschreiben – wenns nicht manchmal -bloßes Ungeschick ist! Und bloßes Ungeschick ist wohl anzunehmen, wenn -jemand statt <em class="gesperrt">Ende</em> schreibt: <em class="gesperrt">das Aufhören</em>, oder statt -<em class="gesperrt">Mangel</em>: <em class="gesperrt">das Fehlen</em>. Eine Modenarrheit aber liegt<span class="pagenum" id="Seite_397">[S. 397]</span> ohne -Zweifel in der Art, wie jetzt <em class="gesperrt">das Wissen</em>, <em class="gesperrt">das Können</em>, -<em class="gesperrt">das Wollen</em>, <em class="gesperrt">das Fühlen</em> und <em class="gesperrt">das Empfinden</em> -gebraucht wird – Wörter wie <em class="gesperrt">Kenntnis</em>, <em class="gesperrt">Fähigkeit</em>, -<em class="gesperrt">Fertigkeit</em>, <em class="gesperrt">Geschick</em>, <em class="gesperrt">Absicht</em>, <em class="gesperrt">Gefühl</em>, -<em class="gesperrt">Empfindung</em> scheinen ganz vergessen zu sein. Den Anfang hatte -wohl <em class="gesperrt">das Streben</em> gemacht,<a id="FNAnker_166" href="#Fussnote_166" class="fnanchor">[166]</a> dann kam <em class="gesperrt">das Wissen</em>: er -hat ein ganz <em class="gesperrt">hervorragendes Wissen</em>. Jetzt spricht man aber auch -von dichterischem <em class="gesperrt">Wollen</em>: anfangs ein Dorfgeschichtenerzähler, -wurde Rosegger allmählich ein Poet von <em class="gesperrt">großem Wollen</em> – auch -diese Kompositionen zeigen die künstlerische Zielbewußtheit (!) -seines <em class="gesperrt">Wollens</em>. Und in höchster Blüte steht <em class="gesperrt">das Können</em> -und <em class="gesperrt">das Fühlen</em>: folgendes Gedicht mag das <em class="gesperrt">Können</em> des -Dichters veranschaulichen – das Konzert lieferte einen glänzenden -Beweis für das <em class="gesperrt">künstlerische (!) Können</em> des Vereins – Beethoven -widmete ihr die <span class="antiqua">Cis-moll</span>-Sonate, kein geringes Zeugnis für -das <em class="gesperrt">musikalische Können</em> der Angebeteten – die Dame hat sich -unter dieser vortrefflichen Leitung bereits ein <em class="gesperrt">achtunggebietendes -Können</em> angeeignet – die Schüler sollen mit einem <em class="gesperrt">solchen -Können</em> des Deutschen aus der Schule gehen – Herr W. hat damit -eine neue Probe seines bedeutenden <em class="gesperrt">gärtnerischen (!) Könnens</em> -gegeben (es handelt sich um ein Teppichbeet) – die Gedichte zeigen -ein gesundes, <em class="gesperrt">ursprüngliches Fühlen</em> – in allen Briefen gibt -er nur dem <em class="gesperrt">einen Fühlen</em> Ausdruck – Tilgner hat den Geist (!) -des <em class="gesperrt">österreichischen Empfindens</em> am besten zum Ausdruck gebracht -– zu der Verehrung für das große <em class="gesperrt">Wollen</em> und <em class="gesperrt">Können</em> -des Meisters gesellt sich das Mitleid mit dem leidenden Menschen -– die Pyramiden der Ägypter erzählen uns von dem <em class="gesperrt">Fühlen</em> -und <em class="gesperrt">Wollen</em> ihrer Erbauer und deren Zeitepoche (!). Das -Neueste aber ist das <em class="gesperrt">Erinnern</em>, das <em class="gesperrt">Erleben</em> und das -<em class="gesperrt">Verstehen</em>: er bewahrte ihm ein <em class="gesperrt">dankbares Erinnern</em> – -für uns moderne Menschen pflegt Italien das <em class="gesperrt">größte Erleben</em> -unsers Daseins zu sein – ein Mann, in dessen <em class="gesperrt">Erleben</em> sich ein -ganzes<span class="pagenum" id="Seite_398">[S. 398]</span> Stück deutscher Geschichte spiegelt – Böcklin konnte von dem -<em class="gesperrt">künstlerischen Erleben</em> abstrahieren, bei Klinger erschließt -erst die Persönlichkeit das Geheimnis (!) seiner Werke – das Buch ist -von <em class="gesperrt">tiefem Verstehen</em> für den geheimnisvollen (!) künstlerischen -Trieb des Meisters durchtränkt – sie erfreute ihn durch <em class="gesperrt">warmes</em> -geistiges <em class="gesperrt">Verstehen</em> – nimm dieses Buch in dein <em class="gesperrt">treues und -zartes Verstehen</em> auf! Es kann einem ganz schlimm und übel dabei -werden.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Bedingen">Bedingen</h3> - -</div> - -<p>Wie unter den Hauptwörtern das Wort <em class="gesperrt">Gesichtspunkt</em>, so ist -unter den Zeitwörtern das am unsinnigsten mißbrauchte Modewort jetzt -<em class="gesperrt">bedingen</em>.<a id="FNAnker_167" href="#Fussnote_167" class="fnanchor">[167]</a> Der erste Band von Grimms Wörterbuch (1854) -erklärt <em class="gesperrt">bedingen</em> durch <em class="gesperrt">aushalten</em>, <em class="gesperrt">bestimmen</em>, -<em class="gesperrt">ausnehmen</em>. Im Sandersschen Wörterbuche (1860) sind -folgende Bedeutungen aufgezählt und belegt: <em class="gesperrt">verpflichten</em>, -<em class="gesperrt">festsetzen</em>, <em class="gesperrt">ausmachen</em>, <em class="gesperrt">beschränken</em>, von etwas -<em class="gesperrt">abhängig machen</em>, außerdem eine Anwendung, die bei Grimm noch -fehlt: eine Sache <em class="gesperrt">bedingt</em> die andre, oder passiv: eine Sache -<em class="gesperrt">ist</em> oder <em class="gesperrt">wird</em> durch die andre <em class="gesperrt">bedingt</em>; das Aktivum -erklärt Sanders hier durch <em class="gesperrt">notwendig machen</em>, <em class="gesperrt">erheischen</em>, -<em class="gesperrt">erfordern</em>, das Passivum durch <em class="gesperrt">abhängig sein</em> von etwas.</p> - -<p>Nun vergleiche man damit den heutigen Sprachgebrauch (der Sinn, -in dem das Wort gebraucht ist, soll stets in Klammern hinzugefügt -werden). Da schreiben die einen: eine Laufbahn, die akademische -Vorbildung <em class="gesperrt">bedingt</em> (voraussetzt, verlangt, erfordert, erheischt, -notwendig macht) – der große Aufwand, den die Aufführung dieser Oper -<em class="gesperrt">bedingt</em> (ebenso) – die angegebnen Preise <em class="gesperrt">bedingen</em> die -Abnahme des ganzen Werkes (machen zur Pflicht) – die Ausgaben für -Saalmiete, Beleuchtung und Annoncen <em class="gesperrt">bedingen</em> einen Berg von -Kosten (verursachen) – unsre ganzen Zeitverhältnisse<span class="pagenum" id="Seite_399">[S. 399]</span> <em class="gesperrt">bedingen</em> -den zurückgegangnen Theaterbesuch (sind die Ursache, bringen mit -sich, sind schuld an) – die Lage der Bergarbeiter zu studieren, -ist es nötig, auch die Verhältnisse zu berühren, die diese Lage -<em class="gesperrt">bedingen</em> (schaffen, hervorbringen, hervorrufen, erzeugen) – -der Sand- und Lehmboden <em class="gesperrt">bedingt</em> eine besondre Flora (ebenso) – -dieses Korsett <em class="gesperrt">bedingt</em> eleganten Sitz (!) des Kleides (schafft, -bewirkt) – der humanistische Charakter des akademischen Studiums -<em class="gesperrt">bedingt</em> das ganze Wesen unsrer Universitäten (ist von Einfluß -auf) – bei Lessing <em class="gesperrt">bedingte</em> stets die kritische Einsicht das -dichterische Schaffen (ebenso) – Tatsache ist, daß gewisse Affekte -den Eintritt des Stotteranfalls <em class="gesperrt">bedingen</em> (herbeiführen) – -die Stellung der Türen in den Wänden <em class="gesperrt">bedingt</em> wesentlich -die Nutzbarkeit der Räume (von ihr hängt ab) – nur körperliches -Leiden (Laokoongruppe!) <em class="gesperrt">bedingt</em> eine so gewaltsame Anspannung -aller Muskeln (macht erklärlich, macht begreiflich) – dieser Zweck -<em class="gesperrt">bedingt</em> sowohl die Mängel als die Vorzüge des Werkes (aus ihm -erklären sich) usw.</p> - -<p>Nun der passive Gebrauch. Da wird geschrieben: die hohen Ränder des -Sees und der dadurch <em class="gesperrt">bedingte</em> Reichtum malerischer Wirkungen -(geschaffne) – diese durch die Lage Englands <em class="gesperrt">bedingte</em> Gunst des -Glückes (ebenso) – durch die Verkehrserleichterungen ist ein Rückgang -des Kommissionsgeschäfts <em class="gesperrt">bedingt</em> worden (bewirkt worden, -herbeigeführt worden) – die durch die Großstadt <em class="gesperrt">bedingte</em> -Vermehrung der Arbeitsgelegenheit (bewirkte, verursachte) – rascher -Fortschritt wird durch zahlreiche Mitarbeiter <em class="gesperrt">bedingt</em> (entsteht) -– der Ausfall der Wahlen ist durch unzählige nicht in der Macht der -Regierung liegende Verhältnisse <em class="gesperrt">bedingt</em> (hängt ab von) – die -Zulassung zur Fakultät war durch den Nachweis des philosophischen -Magistergrades <em class="gesperrt">bedingt</em> (hing ab von) – der Erfolg des Mittels -war durch die Zuverlässigkeit der Leute <em class="gesperrt">bedingt</em> (ebenso) – -die Überholung Leipzigs durch Berlin ist durch die Macht der äußern -Verhältnisse <em class="gesperrt">bedingt</em> (ist die Folge) – diese Aussichtslosigkeit -war durch die seit drei Jahren gemachte Erfahrung <em class="gesperrt">bedingt</em> (war -entstanden, war die<span class="pagenum" id="Seite_400">[S. 400]</span> Folge) – Glück wird durch Leistungsfähigkeit -<em class="gesperrt">bedingt</em> (entsteht) – die Gefahr für den innern Frieden ist -durch den Gegensatz zwischen Besitz und Besitzlosigkeit <em class="gesperrt">bedingt</em> -(liegt in, beruht auf, entsteht aus) – die durch den Reichtum -<em class="gesperrt">bedingten</em> Lebensgenüsse (ermöglichten) usw.</p> - -<p>Überblicken wir die angeführten Beispiele, so ergibt sich folgendes. -Die einen gebrauchen <em class="gesperrt">bedingen</em> in dem Sinne von: <em class="gesperrt">zur -Voraussetzung haben</em>. <em class="gesperrt">A bedingt B</em> – das heißt: <em class="gesperrt">A hat B -zur Voraussetzung</em>, A hängt von B ab, A ist undenkbar, wenn nicht -B ist, A <em class="gesperrt">verlangt</em> also, <em class="gesperrt">erheischt</em>, <em class="gesperrt">erfordert</em> B. -Das ist die vernünftige und berechtigte Anwendung des Wortes: aus -ihr erklärt sich das Wort <em class="gesperrt">Bedingung</em>. Die Aufführung der Oper -<em class="gesperrt">bedingt</em> großen Aufwand – das versteht jedermann; es heißt: die -Oper ist ohne großen Aufwand nicht aufführbar, der Aufwand ist die -Voraussetzung, die Bedingung einer guten Aufführung.</p> - -<p>Nun gebrauchen aber andre das Wort in dem Sinne von <em class="gesperrt">bewirken</em> -und den zahlreichen sinnverwandten Wörtern (<em class="gesperrt">schaffen</em>, -<em class="gesperrt">erzeugen</em>, <em class="gesperrt">hervorbringen</em>, <em class="gesperrt">hervorrufen</em>, -<em class="gesperrt">verursachen</em>, <em class="gesperrt">zur Folge haben</em>). A <em class="gesperrt">bedingt</em> B – -das heißt dann: A <em class="gesperrt">ist die Ursache</em> von B. B <em class="gesperrt">wird</em> durch -A <em class="gesperrt">bedingt</em> heißt: B <em class="gesperrt">ist die Folge</em> von A. Wie dieser -Bedeutungswandel möglich sein soll, ist unverständlich, es ist -schlechterdings nicht einzusehen, wie der Begriff der Voraussetzung zu -dem der Hervorbringung soll werden können.</p> - -<p>Es wird aber noch ein weiterer Schritt getan, namentlich in der -passivischen Anwendung des Wortes. B <em class="gesperrt">wird</em> durch A <em class="gesperrt">bedingt</em> -– das heißt nicht bloß: B <em class="gesperrt">wird</em> durch A <em class="gesperrt">bewirkt</em>, -sondern B wird <em class="gesperrt">nur</em> (!) durch A <em class="gesperrt">bewirkt</em>, es kann -durch nichts andres entstehen als durch A, also mit andern Worten: -B <em class="gesperrt">hat</em> A <em class="gesperrt">zur Voraussetzung</em>. Und da wären wir denn -glücklich bei der vollständigen Verrücktheit angelangt. Denn wenn es -ganz gleichgiltig ist, ob jemand sagt: A hat B zur Voraussetzung, -oder B hat A zur Voraussetzung, B ist die Voraussetzung von A, oder -A ist die Voraussetzung von B, wenn das beides (!) mit dem Satze -ausgedrückt<span class="pagenum" id="Seite_401">[S. 401]</span> werden kann: A bedingt B (oder passiv: B wird durch A -bedingt), mit andern Worten: wenn es ganz gleichgiltig ist, ob jemand -sagt <em class="gesperrt">bedingen</em> oder <em class="gesperrt">bedingt werden</em>, so ist das doch -die vollständige Verrücktheit. Auf diesem Punkte stehen wir aber -jetzt. Geschrieben wird: Glück <em class="gesperrt">wird</em> durch Leistungsfähigkeit -<em class="gesperrt">bedingt</em> – die Zulassung zur Fakultät <em class="gesperrt">wurde</em> durch den -Magistergrad <em class="gesperrt">bedingt</em>, also aktiv ausgedrückt: Leistungsfähigkeit -<em class="gesperrt">bedingt</em> Glück – der Magistergrad <em class="gesperrt">bedingte</em> die Zulassung -zur Fakultät. Gemeint ist aber: Glück <em class="gesperrt">bedingt</em> (d. h. ist -nicht denkbar ohne) Leistungsfähigkeit – die Zulassung zur Fakultät -<em class="gesperrt">bedingte</em> (d. h. war nicht zu erlangen ohne) den Magistergrad.</p> - -<p>Man übertreibt nicht, wenn man den gegenwärtigen Gebrauch von -<em class="gesperrt">bedingen</em> etwa so bezeichnet: wenn der Deutsche eine dunkle -Ahnung davon hat, daß zwei Dinge in irgendeinem ursächlichen -Zusammenhange stehen, aber weder Neigung noch Fähigkeit, sich und -andern diesen Zusammenhang klarzumachen, so sagt er: das eine Ding -<em class="gesperrt">bedingt</em> das andre. In welcher Reihenfolge er dabei die Dinge -nennt, ober sagt: Kraft <em class="gesperrt">bedingt</em> Wärme oder: Wärme <em class="gesperrt">bedingt</em> -Kraft, ist ganz gleichgiltig; der Leser wird sich schon irgend etwas -dabei denken.</p> - -<p>Soll man sich denn aber nicht darüber freuen, daß dieses Wort eine -so bewundernswürdige Verwandlungsfähigkeit erlangt hat? Wenn es -vor fünfzig Jahren, wie die Wörterbücher zeigen, nur einen kleinen -Bruchteil der zahlreichen Bedeutungen hatte, die es heute hat, so ist -das doch ein Beweis für die wunderbare Triebkraft, die noch in unsrer -Sprache lebt. Aus einem einzigen Wort entfaltet sie noch jetzt einen -solchen Reichtum! – Die Sache ist doch wohl anders anzusehen. Wenn -zwanzig sinn- und lebensvolle Wörter und Wendungen, die zur Verfügung -stehen, und die die feinste Schattierung des Gedankens ermöglichen, -verschmäht werden einem hohlen, ausgeblasnen Wortbalg wie diesem -<em class="gesperrt">bedingen</em> zuliebe, so ist das weder Reichtum noch Triebkraft, -sondern nur eine alberne Mode und zugleich ein trauriges Zeichen von -der zunehmenden Verschwommenheit unsers Denkens.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_402">[S. 402]</span></p> - -<h3 id="Richtigstellen_und_klarlegen">Richtigstellen und klarlegen</h3> - -</div> - -<p>Höchst merkwürdig ist es, daß man gleichzeitig mit <em class="gesperrt">bedingen</em>, -diesem abstraktesten aller Zeitwörter, jetzt Ausdrücke mit möglichst -sinnlicher, handgreiflicher Bedeutung liebt. Die Fähigkeit, sich -etwas vorzustellen (die Phantasie), ist zurückgegangen; alles will -man sehen, alles betasten, alles mit Händen greifen. Nur so erklärt -sich die außerordentliche Vorliebe für die Zusammensetzungen mit -<em class="gesperrt">stellen</em> und <em class="gesperrt">legen</em>, die jetzt statt früherer Abstrakta -Mode geworden sind. Stellen und legen – dazu braucht man keine -geistige Anstrengung, das macht man mit den Händen. So wird denn jetzt -niemand mehr <em class="gesperrt">befriedigt</em>, sondern <em class="gesperrt">zufriedengestellt</em>, -nichts mehr <em class="gesperrt">vollendet</em>, <em class="gesperrt">berichtigt</em>, <em class="gesperrt">gesichert</em>, -<em class="gesperrt">geklärt</em>, sondern alles wird <em class="gesperrt">fertiggestellt</em>, -<em class="gesperrt">richtiggestellt</em>, <em class="gesperrt">sichergestellt</em>, <em class="gesperrt">klargestellt</em>, -<em class="gesperrt">klargelegt</em>, <em class="gesperrt">festgelegt</em> usw. Der Nervenarzt spricht sogar -von <em class="gesperrt">Ruhigstellung</em> des Gehirns, statt von <em class="gesperrt">Beruhigung</em>. Oder -soll das Gehirn in dem Sinne <em class="gesperrt">ruhig gestellt</em> werden, wie die -Suppe <em class="gesperrt">warm</em> und der Wein <em class="gesperrt">kalt gestellt</em> wird?</p> - -<p>Auf den ersten Blick scheint es ja, als ob sich die Wörter durch eine -gewisse Anschaulichkeit empföhlen. Bei <em class="gesperrt">richtigstellen</em> soll man -wohl nicht an die Zeiger der Uhr denken, sondern eher an ein Bild, -das falsch beleuchtet gewesen ist und nun in die richtige Beleuchtung -gestellt wird, oder an Gerätschaften im Zimmer, die durcheinander -geraten sind und wieder auf ihren Platz gestellt werden; ähnlich, -kann man sagen, werden Tatsachen, die verschoben sind, zurechtgerückt -oder ins rechte Licht gestellt. Das läßt sich hören. Aber was soll -<em class="gesperrt">fertigstellen</em> sein? Das Wort kann doch vernünftigerweise nichts -andres bedeuten, als eine Sache so lange hin und her rücken, so lange -an ihr gleichsam herumstellen, bis sie – steht. Das will man aber -doch gar nicht sagen, das Wort wird einfach für <em class="gesperrt">fertigmachen</em>, -<em class="gesperrt">beendigen</em> oder <em class="gesperrt">vollenden</em> gebraucht; von einem -Romanmanuskript, einem Gemälde oder einem Antikenmuseum so gut wie -von einem Denkmal oder einem<span class="pagenum" id="Seite_403">[S. 403]</span> Straßenpflaster heißt es: es ist -<em class="gesperrt">fertiggestellt</em>.<a id="FNAnker_168" href="#Fussnote_168" class="fnanchor">[168]</a> Ganz törichte Wörter sind <em class="gesperrt">klarlegen</em> -und <em class="gesperrt">klarstellen</em>. Klar kann in sinnlicher Bedeutung nur von -der Luft und von Flüssigkeiten gebraucht werden.<a id="FNAnker_169" href="#Fussnote_169" class="fnanchor">[169]</a> Wie soll man -die auf eine feste Unterlage <em class="gesperrt">legen</em> oder <em class="gesperrt">stellen</em>? -Beide Wörter sind gedankenlos gebildet nach <em class="gesperrt">freistellen</em> -und <em class="gesperrt">bloßstellen</em>, <em class="gesperrt">freilegen</em>, <em class="gesperrt">bloßlegen</em> und -<em class="gesperrt">lahmlegen</em>. Gerade diese aber können den Unterschied zeigen: wie -richtig sind <em class="gesperrt">sie</em> gebildet! Wie anschaulich wird gesagt: den Dom -<em class="gesperrt">freilegen</em> (nämlich durch Wegreißen der Nachbarhäuser), oder: -einen Schaden <em class="gesperrt">bloßlegen</em> – unwillkürlich denkt man an den Arzt, -der Haut und Muskeln auf die Seite legt, bis der verletzte Knochen -<em class="gesperrt">bloßliegt</em>, oder: einen in seiner Tätigkeit <em class="gesperrt">lahmlegen</em> -– denn wer gelähmt ist, der ist ja zum <em class="gesperrt">Liegen</em> verurteilt! -Besser ist <em class="gesperrt">festlegen</em> gebildet; man redet z. B. davon, daß -die Ostertage <em class="gesperrt">festgelegt</em> werden sollen. Bisher hatten wir -nur <em class="gesperrt">feststellen</em> und <em class="gesperrt">festsetzen</em>, aber beides drückt -doch das nicht recht aus, was man sagen will: etwas bewegliches -gleichsam aufschrauben, daß es sich nicht mehr rühren kann, etwa wie -die Pfote eines Hündchens bei der Vivisektion. Gräßliches Bild! Aber -man geht vielleicht nicht fehl damit, wenn man nach der Herkunft -von <em class="gesperrt">festlegen</em> sucht. Das Neueste ist – <em class="gesperrt">leerstellen</em> -und <em class="gesperrt">offenstellen</em>. Ein Leipziger Baubeamter schreibt: den -Bewohnern ist schon gekündigt; sowie die Gebäude <em class="gesperrt">leergestellt</em> -sein werden, sollen sie <em class="gesperrt">zum Abbruch gebracht</em> (!) werden. -Und ein Zeitungschreiber berichtet: Fabrikbesitzer haben Gärten -für ihre Arbeiter geschaffen, aber auch für die übrigen Bewohner -<em class="gesperrt">offen gestellt</em>. Natürlich, die guten Wörter <em class="gesperrt">räumen</em> und -<em class="gesperrt">öffnen</em> sind den Leuten nicht eingefallen; aber sie haben einmal -davon gehört, daß ein Haus <em class="gesperrt">leer steht</em> und ein Garten <em class="gesperrt">offen -steht</em>, da muß man sie doch auch <em class="gesperrt">leer stellen</em><span class="pagenum" id="Seite_404">[S. 404]</span> und <em class="gesperrt">offen -stellen</em> können. Und so wird die Stellerei wohl fröhlich weitergehen.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Fort_oder_weg">Fort oder weg?</h3> - -</div> - -<p>Nichts weiter als eine Modeziererei ist es auch, daß man das Adverbium -<em class="gesperrt">weg</em> zu verdrängen und überall <em class="gesperrt">fort</em> an seine Stelle -zu setzen sucht. Die Mode stammt aus dem Niederdeutschen, hat sich -zunächst in das Berliner Deutsch eingedrängt und dann von da aus -weitergefressen.</p> - -<p>Unleugbar gibt es eine Anzahl von Zeitwörtern, bei denen es keinen -fühlbaren Unterschied macht, ob sie mit <em class="gesperrt">weg</em> oder mit <em class="gesperrt">fort</em> -zusammengesetzt werden. Aber ebenso sicher gibt es eine Anzahl andrer, -bei denen bisher in der Anwendung von <em class="gesperrt">weg</em> und <em class="gesperrt">fort</em> -nicht bloß ein feiner, sondern ein ziemlich grober Unterschied -gemacht worden ist, den alle guten Schriftsteller beobachtet haben -und noch beobachten. <em class="gesperrt">Fort</em> nämlich (verwandt mit <em class="gesperrt">vor</em> und -<em class="gesperrt">vorn</em>) steht in dem Sinne von <em class="gesperrt">vorwärts</em>, wobei stets ein -bestimmtes Ziel vorschwebt, wenn es auch nicht genannt ist; es wird -überdies nicht bloß vom Raume, sondern auch von der Zeit gebraucht. -<em class="gesperrt">Weg</em> dagegen (dasselbe wie <em class="gesperrt">Weg</em>) wird nur räumlich -gebraucht und bedeutet: <em class="gesperrt">aus dem Wege</em>, <em class="gesperrt">auf die Seite</em>, -wobei man nicht an ein Ziel, sondern an ein Verschwinden denkt. Wer -verreisen will, kann sagen: mein Koffer ist glücklich <em class="gesperrt">fort</em>, -in einer Stunde fahre ich; es kann aber auch vorkommen, daß er sagen -muß: ich kann nicht fahren, mein Koffer ist <em class="gesperrt">weg</em>. In einer -Volksmasse wird jemand mit <em class="gesperrt">fortgerissen</em>, d. h. in die Strömung -hinein, auch von Begeisterung wird jemand <em class="gesperrt">fortgerissen</em>, -z. B. dem hohen Ziele zu, zu dem uns der Künstler führen will; aber -eine Mauer, ein Haus, ein Damm wird <em class="gesperrt">weggerissen</em>. Wer aus der -großen Stadt auf ein einsames Dorf zieht, kommt sich anfangs wie -<em class="gesperrt">weggesetzt</em> vor, aber nicht wie <em class="gesperrt">fortgesetzt</em>. Der Bruder -sagt zur Schwester: <em class="gesperrt">setze</em> deine Malerei (das Malgerät) jetzt -<em class="gesperrt">weg</em>, wir wollen Klavier spielen: nach einer Stunde aber: es ist -genug, <em class="gesperrt">setze</em> deine Malerei (das Malen) nun <em class="gesperrt">fort</em>. Wenn -ich ein Bild abzeichne, auf dem auch ein Sperling<span class="pagenum" id="Seite_405">[S. 405]</span> dargestellt ist, so -kann ich den Sperling <em class="gesperrt">weglassen</em>; wenn ich aber einen lebendigen -Sperling in der Hand habe, so kann ich ihn <em class="gesperrt">fortlassen</em>. Auf -sumpfiger Landstraße kann man schlecht <em class="gesperrt">fortkommen</em>, aber bei -einem gewagten Geschäft kann man schlecht <em class="gesperrt">wegkommen</em>. Von zwei -Hunden, die aus <em class="gesperrt">einem</em> Napfe saufen sollten, kann ich sagen: -der große hat dem kleinen alles <em class="gesperrt">weggesoffen</em>; ein bekannter § -11 aber lautet: es wird <em class="gesperrt">fortgesoffen</em>. Wie jemand das Bedürfnis -nach diesen Unterscheidungen verlieren kann, ist unbegreiflich. Aber -die Zahl derer, die sich einbilden, <em class="gesperrt">weg</em> sei gemein, <em class="gesperrt">fort</em> -sei fein, wird immer größer; man sagt nur noch: die beiden letzten -Sätze der Symphonie wurden <em class="gesperrt">fortgelassen</em> – wo wurden sie denn -hingelassen? die Mauern auf der Akropolis sind <em class="gesperrt">fortgebrochen</em> -worden – wo sind sie denn hingebrochen worden? Sie hatte das Bild -<em class="gesperrt">fortgeschlossen</em> – der Damm wurde durch Überschwemmung -<em class="gesperrt">fortgerissen</em> – es ist eine nicht <em class="gesperrt">fortzuleugnende</em> (!) -Tatsache – ich habe darüber <em class="gesperrt">fortgelesen</em> (!) – meine Bleistifte -<em class="gesperrt">kommen</em> mir immer <em class="gesperrt">fort</em> (!) – er hat mir meine Mütze -<em class="gesperrt">fortgenommen</em> (!) – so ist es richtig Berlinisch, und wer ein -feiner Mann sein will, der schwatzt es nach. Vielleicht <em class="gesperrt">setzt</em> -man <em class="gesperrt">sich</em> auch noch über einen schweren Verlust <em class="gesperrt">fort</em> oder -spricht sich <em class="gesperrt">fortwerfend</em> über jemand aus, und in den Berliner -Gymnasien singt man vielleicht nächstens in Uhlands Gutem Kameraden: -ihn hat es <em class="gesperrt">fortjerissen</em>, er liegt mir vor den Füßen.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Schwulst">Schwulst</h3> - -</div> - -<p>Daß die Sprachmode wie die Kleidermode auch den Schwulst liebt, ist -kein Wunder. Schon die bisherigen Beispiele haben es zum Teil gezeigt, -aber es gibt noch viele andre. Auch die Sprache hat ihre Reifröcke, -ihre Schinkenärmel, ihre Schleppen; die Sucht, sich möglichst breit -auszudrücken, geht durch unsre ganze Schriftsprache. Wo für einen -Begriff zwei Wörter zur Verfügung stehen, ein kurzes und ein langes, -da wird gewiß das lange vorgezogen. Man schreibt nicht <em class="gesperrt">sein</em>, -<em class="gesperrt">haben</em>, <em class="gesperrt">können</em>, <em class="gesperrt">kommen</em>, <em class="gesperrt">geben</em>, <em class="gesperrt">sehen</em>, -sondern <em class="gesperrt">sich befinden</em> (z. B. in großer Verlegenheit), -<em class="gesperrt">besitzen</em>, <em class="gesperrt">vermögen</em> (die<span class="pagenum" id="Seite_406">[S. 406]</span> Hälfte der Bevölkerung -<em class="gesperrt">vermag</em> weder zu lesen noch zu schreiben), <em class="gesperrt">gelangen</em>, -<em class="gesperrt">verleihen</em> (Ausdruck wird immer <em class="gesperrt">verliehen</em>, nicht -<em class="gesperrt">gegeben</em>), <em class="gesperrt">erblicken</em>. Und doch, wie unpassend ist das oft! -<em class="gesperrt">Erblicken</em> z. B. bezeichnet ja den Augenblick, wo ich etwas zu -sehen anfange (vgl. <a href="#Seite_355">S. 355</a>), wo mir etwas ins Auge fällt, mag ich es -nun vorher gesucht haben oder nicht: eine Stunde lang hatte ich mich -in dem Menschengewühl nach ihm umgesehen, endlich <em class="gesperrt">erblickte</em> ich -ihn. Aber: ich <em class="gesperrt">erblicke</em> darin einen großen Fehler, oder: darin -ist ein großer Fortschritt zu <em class="gesperrt">erblicken</em> – wie jetzt immer -geschrieben wird –, oder: die meisten haben sich verleiten lassen, in -dem Märchen eine Verherrlichung des Freimaurertums zu <em class="gesperrt">erblicken</em> -– ist doch sinnwidrig; denn hier handelt sichs ja um eine dauernde -Ansicht, und die kann nur durch das schlichte, einfache <em class="gesperrt">sehen</em> -ausgedrückt werden.</p> - -<p>Zahllos sind die Fälle, wo ein einfaches Verbum ganz unnötigerweise -durch eine Redensart umschrieben wird, wie <em class="gesperrt">Folge leisten</em>, -<em class="gesperrt">Verzicht leisten</em>, <em class="gesperrt">Abbitte leisten</em> u. ähnl., oder -durch eine schleppende Weiterbildung verdrängt wird. Geld wird -nicht mehr <em class="gesperrt">eingenommen</em> und <em class="gesperrt">ausgegeben</em>, sondern nur -noch <em class="gesperrt">vereinnahmt</em> und <em class="gesperrt">verausgabt</em>. Die Kosten einer -Sache werden nicht mehr so und so hoch <em class="gesperrt">angeschlagen</em>, sondern -<em class="gesperrt">veranschlagt</em>. Prozente werden nicht <em class="gesperrt">abgezogen</em>, -sondern <em class="gesperrt">verabzugt</em>, Porto wird nicht <em class="gesperrt">ausgelegt</em>, -sondern <em class="gesperrt">verauslagt</em>, und ein kluger, aufgeweckter Junge heißt -nicht mehr glücklich <em class="gesperrt">angelegt</em>, sondern <em class="gesperrt">beanlagt</em> oder -<em class="gesperrt">veranlagt</em>. Lauter fürchterliche Wörter – aus dem Zeitwort -ist ein Hauptwort gebildet, und aus dem Hauptwort dann wieder ein -Zeitwort! Freilich sind sie nicht schlimmer als <em class="gesperrt">beauftragt</em>, -<em class="gesperrt">beaufsichtigt</em> (vgl. <em class="gesperrt">Aufseher</em>), <em class="gesperrt">beansprucht</em> (statt -<em class="gesperrt">angesprochen</em>), <em class="gesperrt">bevorzugt</em> (statt <em class="gesperrt">vorgezogen</em>), -<em class="gesperrt">beeinflußt</em>, <em class="gesperrt">bewerkstelligt</em> (man überlege sich einmal, -was <em class="gesperrt">Werkstelle</em> heißt!), Wörter, an die wir uns längst gewöhnt -haben, und die bei ihrem ersten Auftauchen für feinfühligere -Ohren gewiß ebenso fürchterlich gewesen sind wie für uns heute -<em class="gesperrt">vereinnahmt</em> und <em class="gesperrt">verauslagt</em>; aber es ist doch gut, sich -des Schwulstes bewußt<span class="pagenum" id="Seite_407">[S. 407]</span> zu werden. Auch in der Häufung der Präfixe -und Präpositionen vor den Zeitwörtern können sich manche nicht -genug tun. Da wird ein Stipendium nicht <em class="gesperrt">ausgezahlt</em>, sondern -<em class="gesperrt">ausbezahlt</em>, da werden <em class="gesperrt">anlangen</em> und <em class="gesperrt">betreffen</em> -beide zu <em class="gesperrt">anbelangen</em> und <em class="gesperrt">anbetreffen</em> verlängert, -man <em class="gesperrt">lebt sich</em> in einen Gedanken <em class="gesperrt">hinein</em> (statt -<em class="gesperrt">ein</em>), man führt ein Musikwerk <em class="gesperrt">mit Hinweglassung</em> -des Chors auf (statt: <em class="gesperrt">ohne</em> Chor), vor allen Dingen aber -<em class="gesperrt">bildet sich</em> nichts mehr <em class="gesperrt">aus</em>, sondern alles bildet -sich <em class="gesperrt">heraus</em>: schon lange vor Einführung der Buchdruckerkunst -hatte sich bei der Kirche die Sitte <em class="gesperrt">herausgebildet</em> usw. -Woherrraus denn? Der Ausdruck hat etwas so gewaltsames, daß man -die Sitte wie aus einem Krater hervorbrodeln sieht. Am Ende werden -noch Trinksprüche <em class="gesperrt">hinausgebracht</em> und einem ein paar Hiebe -<em class="gesperrt">hinaufgezählt</em>. Und welcher Schwulst, wenn jedes <em class="gesperrt">auch</em> -durch <em class="gesperrt">ebenfalls</em> oder <em class="gesperrt">gleichfalls</em>, jedes <em class="gesperrt">viel</em> -durch <em class="gesperrt">zahlreich</em>, jedes <em class="gesperrt">oft</em> durch <em class="gesperrt">häufig</em>, jedes -<em class="gesperrt">nur</em> durch <em class="gesperrt">lediglich</em>, jedes <em class="gesperrt">viel</em> vor dem Komparativ -(<em class="gesperrt">viel</em> weniger) durch <em class="gesperrt">bedeutend</em>, <em class="gesperrt">unvergleichlich</em>, -<em class="gesperrt">unverhältnismäßig</em> oder womöglich gar <em class="gesperrt">unendlich</em> -ersetzt, jedes <em class="gesperrt">sehr</em> und <em class="gesperrt">mehr</em> umschrieben wird durch: -<em class="gesperrt">in hohem Grade</em>, <em class="gesperrt">in ausgedehntem Maße</em>, <em class="gesperrt">in höherm -Grade</em>, <em class="gesperrt">in erhöhtem Maße</em>, jedes <em class="gesperrt">so</em> durch: <em class="gesperrt">auf -diese Art und Weise</em>, wenn für <em class="gesperrt">näher</em>, <em class="gesperrt">weiter</em>, -<em class="gesperrt">länger</em>, <em class="gesperrt">breiter</em>, <em class="gesperrt">öfter</em> immer geschrieben wird: -<em class="gesperrt">des nähern</em> (oder gar <em class="gesperrt">näheren</em>), <em class="gesperrt">des weitern</em>, -<em class="gesperrt">des längern</em>, <em class="gesperrt">des breitern</em>, <em class="gesperrt">des öftern</em>, oder wenn -jemand Bericht erstattet nicht <em class="gesperrt">als</em> Rektor oder Vorsitzender, -sondern <em class="gesperrt">in seiner Eigenschaft als</em> Rektor, <em class="gesperrt">in seiner -Eigenschaft als</em> Vorsitzender, wenn <em class="gesperrt">schwere</em> Bedenken oder -Vorwürfe zu <em class="gesperrt">schwerwiegenden</em> Bedenken und Vorwürfen, eine -<em class="gesperrt">schwere</em> Aufgabe zu einer <em class="gesperrt">mit Schwierigkeiten verbundnen</em>, -eine <em class="gesperrt">erste</em> Aufführung und eine <em class="gesperrt">erste</em> Einrichtung zu -<em class="gesperrt">erstmaligen</em> gemacht werden (die <em class="gesperrt">erstmalige</em> Zusammenkunft -der deutschen Architekten fand 1842 in Leipzig statt),<a id="FNAnker_170" href="#Fussnote_170" class="fnanchor">[170]</a> oder wenn -immer von<span class="pagenum" id="Seite_408">[S. 408]</span> <em class="gesperrt">Vorahnung</em>, <em class="gesperrt">Voranschlag</em>, <em class="gesperrt">Vorbedingung</em>, -<em class="gesperrt">Rückerinnerung</em>, <em class="gesperrt">Beihilfe</em>, <em class="gesperrt">Herabminderung</em> geredet -wird, als ob man Bedingungen auch hinterher stellen, sich an ein -Erlebnis auch voraus erinnern oder einen Aufwand hinaufmindern könnte! -Wie der Schwulst immer mehr zunimmt, mag folgendes Beispiel zeigen: -der Fall <em class="gesperrt">ist</em> sehr verwickelt – der Fall <em class="gesperrt">liegt</em> sehr -verwickelt – der Fall <em class="gesperrt">ist</em> sehr verwickelt <em class="gesperrt">gelagert</em> -– die <em class="gesperrt">Lagerung</em> des Falls <em class="gesperrt">ist</em> sehr verwickelt – die -<em class="gesperrt">Lagerung</em> des Falls <em class="gesperrt">ist eine</em> sehr verwickelte. Weiter -gehts nicht! In solchem Deutsch spricht man aber jetzt mit Vorliebe -in Vereinsversammlungen, schreibt man in Jahresberichten, ja man -unterhält sich darin schon am Biertisch, denn so schreiben die -Leitartikelschreiber und die Reporter des Lokalblatts, und das sind ja -die Lehrmeister des Volks auch in Sprachdingen.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Ruecksichtnahme_und_Verzichtleistung">Rücksichtnahme und -Verzichtleistung</h3> - -</div> - -<p>Erzeugnisse des Sprachschwulstes sind unter den Substantiven besonders -die Zusammensetzungen mit <em class="gesperrt">nahme</em>, die in neuerer Zeit so -beliebt geworden sind: <em class="gesperrt">Parteinahme</em>, <em class="gesperrt">Stellungnahme</em>, -<em class="gesperrt">Rücksichtnahme</em>, <em class="gesperrt">Einsichtnahme</em>, <em class="gesperrt">Anteilnahme</em>, -<em class="gesperrt">Abschriftnahme</em>, sogar <em class="gesperrt">Einflußnahme</em> und <em class="gesperrt">Rachenahme</em>! -Einige dieser Bildungen sind ganz überflüssig. Oder könnte es -wirklich mißverstanden werden, wenn jemand sagt: er handelte -ohne <em class="gesperrt">Rücksicht</em> auf seine Freunde – lege mir die Papiere -zur <em class="gesperrt">Einsicht</em> vor – ich erhielt von ihm die Tafeln zur -<em class="gesperrt">Abschrift</em>? Wozu das -<em class="gesperrt">nahme</em>? Offenbar soll es die -Handlung ausdrücken. Aber die liegt doch schon in <em class="gesperrt">Rücksicht</em>, -<em class="gesperrt">Einsicht</em> und <em class="gesperrt">Abschrift</em>, fühlt man das gar nicht mehr? -Recht töricht ist <em class="gesperrt">Einflußnahme</em>, denn Einfluß hat man entweder, -oder man gewinnt ihn, man kann ihn auch zu gewinnen suchen, sich ihn -sogar anmaßen, aber man „nimmt“ ihn nicht. <em class="gesperrt">Anteilnahme</em> (in -Leipzig <em class="gesperrt">Ahnteilnahme</em> ausgesprochen) ist nichts als eine häßliche -Verbreiterung von <em class="gesperrt">Teilnahme</em>. Man scheint sich jetzt einzubilden, -<em class="gesperrt">Teilnahme</em> sei auf traurige Ereignisse, Unglücksfälle, -Todesfälle u. dgl. zu beschränken, in allen andern Fällen müsse<span class="pagenum" id="Seite_409">[S. 409]</span> es -<em class="gesperrt">Anteilnahme</em> heißen. Ein vernünftiger Grund zu einer solchen -Unterscheidung liegt nicht vor. Es wäre doch lächerlich, wenn nicht -auch bei einem freudigen Ereignis meine <em class="gesperrt">Teilnahme</em> genügte; -<em class="gesperrt">Parteinahme</em> und <em class="gesperrt">Stellungnahme</em> scheinen auf den ersten -Blick unentbehrlich zu sein, aber doch nur deshalb, weil man immer in -ein Substantiv zusammenquetschen zu müssen glaubt, was man mit dem -Verbum sagen sollte.</p> - -<p>Wie mit <em class="gesperrt">Rücksichtnahme</em> aber verhält sichs auch mit -<em class="gesperrt">Hilfeleistung</em> und <em class="gesperrt">Verzichtleistung</em>; <em class="gesperrt">Hilfe</em> und -<em class="gesperrt">Verzicht</em> sagen genau dasselbe.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Anders_andersartig_und_anders_geartet">Anders, andersartig und anders -geartet</h3> - -</div> - -<p>Ein entsetzlicher Schwulst greift neuerdings unter gewissen -Eigenschaftswörtern um sich: man fühlt nicht mehr oder tut so, als -ob man nicht mehr fühlte, daß diese Eigenschaftswörter eben die -Art, die Eigenschaft eines Dinges bezeichnen, sondern glaubt, das -noch besonders ausdrücken zu müssen, indem man das Wort <em class="gesperrt">Art</em> -zu Hilfe nimmt. Bildungen wie <em class="gesperrt">gutartig</em>, <em class="gesperrt">bösartig</em> und -<em class="gesperrt">großartig</em> sind ja schon alt und haben mit der Zeit einen Sinn -angenommen, der sich von dem einfachen <em class="gesperrt">gut</em>, <em class="gesperrt">böse</em> und -<em class="gesperrt">groß</em> unterscheidet, wiewohl zwischen einem <em class="gesperrt">bösen</em> Hund -und einem <em class="gesperrt">bösartigen</em> Hund, einer <em class="gesperrt">großen</em> Auffassung und -einer <em class="gesperrt">großartigen</em> Auffassung ein recht geringer Unterschied -ist. Aber schon <em class="gesperrt">fremdartig</em> und <em class="gesperrt">verschiedenartig</em> ist -doch oft nichts als eine überflüssige Verbreiterung von <em class="gesperrt">fremd</em> -und <em class="gesperrt">verschieden</em>. Oder wäre es wirklich nicht mehr deutlich, -wenn man sagt: es ist dem innersten Wesen des Deutschen <em class="gesperrt">fremd</em> -– oder wenn man Gaslicht und elektrisches Licht <em class="gesperrt">verschiednes</em> -Licht nennt? Vollends unnötiger Schwulst aber ist in den meisten -Fällen das neumodische <em class="gesperrt">andersartig</em> für <em class="gesperrt">anders</em>. Oder ist -es etwa nicht mehr zu verstehen, wenn jemand sagt: die Befriedigung, -die wir aus der Kunst schöpfen, ist eine ganz <em class="gesperrt">andre</em> als die, -die uns die Natur gewährt? (Vgl., was <a href="#Seite_370">S. 370</a> über <em class="gesperrt">eigen</em> und -<em class="gesperrt">eigenartig</em> gesagt ist.)</p> - -<p>Man begnügt sich aber schon nicht mehr mit den Zusammensetzungen von -<em class="gesperrt">artig</em> – es scheint das noch<span class="pagenum" id="Seite_410">[S. 410]</span> nicht schwülstig genug zu sein -–, sondern hat das herrliche Partizip <em class="gesperrt">geartet</em> erfunden und -schreibt nun nicht bloß von einer <em class="gesperrt">anders gearteten</em> Zeit und -<em class="gesperrt">anders gearteten</em> Verhältnissen, sondern auch von einer <em class="gesperrt">so -gearteten</em> Begabung (statt von einer <em class="gesperrt">solchen</em>), von <em class="gesperrt">ähnlich -gearteten</em> Unternehmungen (statt von <em class="gesperrt">ähnlichen</em>) usw. Ist der -heutige Sextaner <em class="gesperrt">anders geartet</em> als der frühere? – man sah der -Ausführung zwar mit <em class="gesperrt">anders gearteter</em>, aber nicht geringerer -Spannung entgegen – wären alle Deutschen Österreichs <em class="gesperrt">so geartet</em> -wie die Siebenbürger Sachsen – das Schöffengericht hat in einem ganz -<em class="gesperrt">ähnlich gearteten</em> Falle auf Freisprechung erkannt (vgl. <a href="#Seite_408">S. 408</a> -den <em class="gesperrt">gelagerten</em> Fall!) – mit der besondern Veranlassung war auch -eine <em class="gesperrt">besonders geartete</em> Zuhörerschaft gegeben – so spreizt man -sich, und dabei ist man womöglich noch stolz auf seinen Scharfsinn, -der den Unterschied zwischen <em class="gesperrt">ähnlich</em> und <em class="gesperrt">ähnlich geartet</em> -ausgediftelt hat.</p> - -<p>Vielleicht erleben wirs noch, daß auch <em class="gesperrt">anders geartet</em> nicht mehr -genügt, daß man sagt: die Befriedigung, welche (!) wir aus der Kunst -schöpfen, ist eine ganz <em class="gesperrt">andersartig geartete</em> als diejenige, -welche (!) uns die Natur gewährt. Breiter könnte dann der Ausdruck beim -besten Willen nicht genudelt werden.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Haben_und_besitzen">Haben und besitzen</h3> - -</div> - -<p>Wohin es führt, wenn man ein kurzes Zeitwort immer gedankenlos und aus -bloßer Neigung zur Breite durch ein längeres ersetzt, zeigt am besten -der heutige Mißbrauch von <em class="gesperrt">besitzen</em> für <em class="gesperrt">haben</em>. Auch er -ist, wie der Mißbrauch des Zeitworts <em class="gesperrt">bedingen</em> (vgl. -<a href="#Seite_398">S. 398</a>), zu völliger Verrücktheit ausgeartet.</p> - -<p>Die Grundbedeutung von <em class="gesperrt">haben</em> ist <em class="gesperrt">halten</em>, <em class="gesperrt">in der Hand -haben</em>. Aus ihr hat sich dann leicht die des Eigentums, des Besitzes -entwickelt, wie sie deutlich in <em class="gesperrt">Habe</em> vorliegt. Aber damit ist -die Anwendung des Wortes nicht erschöpft: mit <em class="gesperrt">haben</em> läßt sich -fast jeder denkbare Zusammenhang, jedes denkbare Verhältnis zwischen -zwei Dingen ausdrücken. <em class="gesperrt">Besitzen</em> dagegen bedeutet ursprünglich -<em class="gesperrt">auf etwas sitzen</em>. Das erste,<span class="pagenum" id="Seite_411">[S. 411]</span> was der Mensch „besaß“, war -unzweifelhaft der Grund und Boden, auf dem er saß. Noch im siebzehnten -Jahrhundert „besaß“ der Richter die Bank, der Reiter das Pferd, die -brütende Henne die Eier. Vom Grund und Boden ist das Wort dann auf -andre Dinge übertragen worden, die unser Eigentum sind, vor allem auf -das Haus, das auf dem Grund und Boden errichtet ist – auch dieses -„besitzt“ man noch im eigentlichen Sinne des Wortes, man sitzt darin, -man ist Insasse des Hauses –, dann auch auf alle fahrende Habe, auf -allen Hausrat und endlich auf das liebe Geld. Damit ist aber die -sinngemäße Anwendung des Wortes erschöpft.</p> - -<p>Bedenklich ist es schon, Kinder als Besitztum der Eltern zu bezeichnen: -er <em class="gesperrt">besaß</em> vier <em class="gesperrt">Kinder</em>, zwei Söhne und zwei Töchter. -Eltern <em class="gesperrt">haben</em> Kinder, aber sie <em class="gesperrt">besitzen</em> sie nicht. -Dasselbe gilt von dem Verhältnis des Herrn zum Diener, des Herrschers -zu den Untertanen, des Freundes zum Freunde. Es ist abgeschmackt, zu -schreiben: er hatte viele sympathische Züge, und doch <em class="gesperrt">besaß</em> er -keinen <em class="gesperrt">Freund</em>. Wer die Abgeschmacktheit nicht fühlen sollte, -der kehre sich die Verhältnisse um; wenn Eltern Kinder, ein Herrscher -Untertanen „besitzt“, dann „besitzen“ auch Kinder Eltern und Untertanen -einen Herrscher. In der Tat schrickt man auch vor solchem Unsinn -schon nicht mehr zurück; man schreibt: er <em class="gesperrt">besaß Eltern</em>, die -töricht genug gewesen waren, in seinen Kinderjahren die Keime der -Genußsucht in seinem Herzen zu pflegen – Tycho Brahe <em class="gesperrt">besaß</em> -auch entfernte <em class="gesperrt">Verwandte</em> in Schweden – wir <em class="gesperrt">besitzen</em> in -unsrer Verwandtschaft einen berühmten <em class="gesperrt">Astronomen</em> – Preußen -<em class="gesperrt">besitzt</em> in den Hohenzollern ein <em class="gesperrt">Herrschergeschlecht</em>, um -das es jedes andre Land beneiden kann. Ist das richtig, dann kann man -schließlich auch einen Onkel, einen Großvater, einen Gönner, einen -Widersacher „besitzen“, eine Stadt kann einen Bürgermeister, eine -Kompagnie einen Hauptmann „besitzen“.<a id="FNAnker_171" href="#Fussnote_171" class="fnanchor">[171]</a></p> - -<p>Ebenso bedenklich ist es, einen Teil unsers eignen Selbst, also -entweder den Körper oder den Geist oder<span class="pagenum" id="Seite_412">[S. 412]</span> einen Teil des Körpers als -unser Besitztum zu bezeichnen und zu schreiben: er <em class="gesperrt">besaß</em> einen -kräftigen, wohlgebauten <em class="gesperrt">Körper</em> – sie <em class="gesperrt">besaß</em> eine feine, -schmale, wohlgepflegte <em class="gesperrt">Hand</em> (in Romanen sehr beliebt!) – ein -Kind, das ganz normal entwickelt ist, aber leider keine <em class="gesperrt">Augen -besitzt</em> – ich habe dir treu gedient, ohne daß du ein <em class="gesperrt">Auge</em> -dafür <em class="gesperrt">besaßest</em> – er <em class="gesperrt">besaß</em> ein <em class="gesperrt">Ohr</em> für den -Pulsschlag der Zeit – die Soldaten möchten bedenken, daß die Schwarzen -auch ein <em class="gesperrt">Herz besäßen</em>. Derselbe Fall ist es, wenn Bestandteile -einer Sache als Besitztum der Sache bezeichnet werden, z. B.: die -Peterskirche <em class="gesperrt">besitzt</em> eine Menge kleiner <em class="gesperrt">Türmchen</em> – -der Turm <em class="gesperrt">besitzt</em> auf jeder Seite eine <em class="gesperrt">Uhr</em> – das Stück -<em class="gesperrt">besitzt</em> fünf <em class="gesperrt">Akte</em> – das Werk <em class="gesperrt">besitzt</em> über 100 -<em class="gesperrt">Abbildungen</em> – die spanisch-maurischen Fayencen <em class="gesperrt">besaßen</em> -eine <em class="gesperrt">Zinnglasur</em> – das Buschweidenröschen <em class="gesperrt">besitzt</em> einen -unterirdischen wurzelartigen <em class="gesperrt">Stengel</em> – diese Schaftstiefel -<em class="gesperrt">besitzen</em> <em class="gesperrt">Doppelsohlen</em>, oben von Leder, unten von Blech -– wir reden von Fensterscheiben, die doch meist vier <em class="gesperrt">Ecken -besitzen</em>.</p> - -<p>Unzählig aber sind nun die Fälle, wo gar äußere oder innere -Eigenschaften einer Person oder Sache, Zustände, Empfindungen, -Geistestätigkeiten und ähnliches unsinnigerweise als Besitztum der -Person oder Sache hingestellt werden. Da schreibt man z. B: dieser -Orden wird auch an solche Leute verliehen, die keinen <em class="gesperrt">Hofrang -besitzen</em> – er <em class="gesperrt">besaß</em> eine auskömmliche <em class="gesperrt">Stellung</em> -– Herr R. <em class="gesperrt">besaß</em> damals ein <em class="gesperrt">Engagement</em> in Leipzig – -so wenig wird man begriffen, wenn man die <em class="gesperrt">Eigenschaften</em> des -Künstlers <em class="gesperrt">besitzt</em> – K. <em class="gesperrt">besitzt</em> dazu weder das reife, -ruhige <em class="gesperrt">Urteil</em>, noch die nötige <em class="gesperrt">Sachlichkeit</em>, ja auch -die nötige <em class="gesperrt">Wahrheitsliebe</em> – unsre Juden <em class="gesperrt">besitzen</em> -nicht die <em class="gesperrt">Feinheit</em> der Empfindung, vor dieser deutlichen -Ablehnung zurückzutreten – einige Tanzweisen der nordischen Völker -<em class="gesperrt">besitzen</em> mit denen der alten Deutschen große <em class="gesperrt">Ähnlichkeit</em> -– der hochgeehrte Rat wolle die <em class="gesperrt">Güte besitzen</em>, unser Gesuch -wohlwollend in Erwägung zu ziehen – das moderne Theater <em class="gesperrt">besitzt</em> -einen ganz bestimmten <em class="gesperrt">Charakter</em> – entscheidend ist die -Frage, ob die bedeutendern Künstler<span class="pagenum" id="Seite_413">[S. 413]</span> diese <em class="gesperrt">Kennzeichen</em> des -Klassizismus <em class="gesperrt">besitzen</em> oder nicht – die <em class="gesperrt">Bedeutung</em>, die -in der Entwicklung Englands die normannische Eroberung <em class="gesperrt">besitzt</em> -– die Reise des Kaisers nach London scheint eine politische -<em class="gesperrt">Bedeutung</em> zu <em class="gesperrt">besitzen</em> – fast alle englischen Offiziere -<em class="gesperrt">besitzen Spitznamen</em> – beide Bauten <em class="gesperrt">besitzen</em> einen -langgestreckten, rechteckigen <em class="gesperrt">Grundriß</em> – diese epochemachende -Camera <em class="gesperrt">besitzt</em> folgende <em class="gesperrt">Einrichtung</em> – der Mann -<em class="gesperrt">besitzt</em> die stattliche <em class="gesperrt">Größe</em> von 2,26 Metern – die -Passage <em class="gesperrt">besitzt</em> eine <em class="gesperrt">Länge</em> von dreiundvierzig Metern -– die Zigarre <em class="gesperrt">besitzt</em> einen schönen, angenehmen <em class="gesperrt">Brand</em> -– dieser Fleischextrakt <em class="gesperrt">besitzt</em> den <em class="gesperrt">Wohlgeschmack</em> -des frischen Fleisches – diese Sprachen <em class="gesperrt">besaßen</em> nur die -<em class="gesperrt">Stellung</em> von Mundarten – man muß sich bewußt bleiben, daß diese -Unterscheidung keinen theoretischen, sondern nur einen praktischen -<em class="gesperrt">Wert besitzt</em> – der Name dieses Künstlers <em class="gesperrt">besitzt</em> für -uns alle einen vertrauten <em class="gesperrt">Klang</em> – das Genie <em class="gesperrt">besitzt</em> -eine <em class="gesperrt">Verwandtschaft</em> mit dem Wahnsinn – priesterlicher Gesang -kann nicht die <em class="gesperrt">Töne besitzen</em>, aus denen das leise Erzittern des -frommen Herzens spricht – für die moderne Revolution <em class="gesperrt">besitzen</em> -Dichter und Denker kaum eine geringere <em class="gesperrt">Bedeutung</em> als die Männer -der Tat – man <em class="gesperrt">besitzt</em> in Preußen volles <em class="gesperrt">Verständnis</em> -für den sächsischen Standpunkt – wir <em class="gesperrt">besitzen</em> an einer -Vermehrung der Streitkräfte unsrer Nachbarn nicht das geringste -<em class="gesperrt">Interesse</em> – die Landstreicher zerfallen (!) in solche, deren -Streben darauf gerichtet ist, bald wieder Arbeit zu finden, und -solche, die dieses <em class="gesperrt">Streben</em> nicht <em class="gesperrt">besitzen</em> – die meisten -Menschen <em class="gesperrt">besitzen</em> den sehnlichen <em class="gesperrt">Wunsch</em>, möglichst -lange zu leben – die Behörden <em class="gesperrt">besaßen</em> keine <em class="gesperrt">Ahnung</em> -von den ihnen obliegenden Pflichten – wer mit dem Volksleben nicht -die geringste persönliche <em class="gesperrt">Fühlung besitzt</em> – er <em class="gesperrt">besaß</em> -die moralische <em class="gesperrt">Überzeugung</em> von ihrer Unschuld – er hatte die -Kühnheit, eine eigne <em class="gesperrt">Meinung</em> zu <em class="gesperrt">besitzen</em> (warum nicht -auch: er <em class="gesperrt">besaß</em> die <em class="gesperrt">Kühnheit</em>?) – zu dem praktischen -Blick seiner Mutter <em class="gesperrt">besaß</em> er unbedingtes <em class="gesperrt">Vertrauen</em> – -die Neuberin <em class="gesperrt">besaß</em> jedenfalls mehr <em class="gesperrt">Begeisterung</em> für die -Kunst als Pollini – jeder Preuße,<span class="pagenum" id="Seite_414">[S. 414]</span> der die <em class="gesperrt">Befähigung</em> zu den -Gemeindewahlen <em class="gesperrt">besitzt</em> – die Erde <em class="gesperrt">besitzt Raum</em> genug -für den Wettkampf der zwei germanischen Völker (Schiller: <em class="gesperrt">Raum</em> -für alle <em class="gesperrt">hat</em> die Erde!) – Leute, die gern Konjekturen -machen, <em class="gesperrt">besitzen</em> hier ein ergiebiges <em class="gesperrt">Arbeitsfeld</em> – -wir <em class="gesperrt">besitzen</em> hier einen zuverlässigen <em class="gesperrt">Ausgangspunkt</em> – -nun erst <em class="gesperrt">besaßen</em> die Künstler den <em class="gesperrt">Malgrund</em>, auf dem -sie bequem arbeiten konnten – da er keine Beweise vorgebracht hat, -muß man annehmen, daß er keine <em class="gesperrt">Beweise besaß</em> – gegen die -Diphtheritis <em class="gesperrt">besitzen</em> die Naturärzte eine <em class="gesperrt">Behandlung</em> von -ausgezeichnetem Heilerfolg – der Entschlafne <em class="gesperrt">besitzt</em> ein volles -<em class="gesperrt">Anrecht</em> darauf, daß wir ihn durch Worte dankbarer Erinnerung -ehren – die Fortbildungsschüler müssen noch eine Menge Dinge lernen, -in denen sie schon <em class="gesperrt">Übung besitzen</em> sollten – das Konsistorium -wird hoffentlich die <em class="gesperrt">Konsequenz besitzen</em> (so konsequent sein!), -ebenfalls aus dem Amte zu scheiden – es traten Persönlichkeiten auf, -die zum Klagen nicht den geringsten <em class="gesperrt">Grund besaßen</em>. In Leipzig -kann man sogar schon auf der Straße hören: Nee, so ’ne <em class="gesperrt">Frechheet</em> -zu <em class="gesperrt">besitzen</em>!</p> - -<p>Ein Recht auf eine Sache kann gewiß unter Umständen als eine Art -wertvollen Besitztums aufgefaßt werden. Dasselbe gilt von Kenntnissen -und Fertigkeiten. Aber das meinen doch die gar nicht, die gedankenlos -so etwas hinschreiben, wie daß der Entschlafne (!) ein Anrecht auf -dankbare Erinnerung „besitze“. <em class="gesperrt">Haben</em> kann auch ein Entschlafner -noch alles mögliche, <em class="gesperrt">besitzen</em> kann er schlechterdings nichts -mehr. Aber auch der Lebende kann alle die andern schönen Dinge, wie -Begeisterung, Streben, Interesse, Verständnis, Vertrauen, Kühnheit, -„Frechheet“, wohl haben, aber nicht besitzen. <em class="gesperrt">Güte haben</em> ist ja -nur eine verbreiternde Umschreibung von <em class="gesperrt">gut sein</em>, <em class="gesperrt">Ähnlichkeit -haben</em> eine Umschreibung von <em class="gesperrt">ähnlich sein</em>. Das sind aber -Eigenschaften, keine Besitztümer.</p> - -<p>Vollends lächerlich ist es, wenn Eigenschaften oder Zustände, die einen -Schaden oder Mangel bilden, als Besitztümer bezeichnet werden. Und -doch wird auch geschrieben: das <em class="gesperrt">Leiden</em>, das <em class="gesperrt">er besaß</em>, -war eine Blasenfistel<span class="pagenum" id="Seite_415">[S. 415]</span> – beim Verhör stellte sich heraus, daß er -eine tiefe <em class="gesperrt">Wunde</em> am Jochbein sowie eine <em class="gesperrt">Schußwunde</em> -oberhalb der Herzgegend <em class="gesperrt">besaß</em>. Ja sogar Schulden werden als -Besitztum hingestellt: das Reich und die Einzelstaaten <em class="gesperrt">besitzen</em> -gegenwärtig etwas über zehn Milliarden <em class="gesperrt">Staatsschulden</em>. Nettes -Besitztum!</p> - -<p>Aber auch das bloße Dasein, Vorhandensein, Bestehen einer Sache -an irgendeinem Orte, in einem bestimmten örtlichen Umkreis oder -sonstigen Bereich läßt sich wohl mit <em class="gesperrt">haben</em> ausdrücken, aber -nicht mit <em class="gesperrt">besitzen</em>. In Leipzig <em class="gesperrt">sind</em> sechs Bahnhöfe, -oder: in Leipzig <em class="gesperrt">gibt es</em> sechs Bahnhöfe – dafür kann man auch -sagen: Leipzig <em class="gesperrt">hat</em> sechs Bahnhöfe. Aber zu schreiben: Leipzig -<em class="gesperrt">besitzt</em> sechs <em class="gesperrt">Bahnhöfe</em> – ist Unsinn. Leipzig besitzt -eine Anzahl Waldungen, Rittergüter, auch öffentliche Gebäude, aber -seine sechs Bahnhöfe <em class="gesperrt">hat</em> es nur. Auf die Spitze getrieben -erscheint der Unsinn, wenn die Angabe des Ortes wegfällt und nur gesagt -werden soll, daß eine Sache überhaupt da sei. Anstatt: es ist das die -älteste <em class="gesperrt">Nachricht</em>, die es hierüber <em class="gesperrt">gibt</em> – kann man -auch sagen: es ist das die älteste <em class="gesperrt">Nachricht</em>, die wir hierüber -<em class="gesperrt">haben</em>, wir, nämlich alle, die sich mit der Sache beschäftigen. -Welch törichtes Gespreiz aber, dafür zu schreiben: es ist das die -älteste <em class="gesperrt">Nachricht</em>, die wir darüber <em class="gesperrt">besitzen</em> – Weltrichs -Buch ist die beste wissenschaftliche <em class="gesperrt">Biographie</em> Schillers, die -wir <em class="gesperrt">besitzen</em> – Minors Kommentar bedeutet (!) das Beste, was wir -bis jetzt über den Faust <em class="gesperrt">besitzen</em>.</p> - -<p>Die Neigung, <em class="gesperrt">besitzen</em> zu schreiben, wo <em class="gesperrt">haben</em> gemeint -ist, ist freilich nicht von heute und gestern, sie findet sich schon -im achtzehnten Jahrhundert. Man denke nur an die Worte des Schülers im -Faust:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Denn was man schwarz auf weiß <em class="gesperrt">besitzt</em>,</div> - <div class="verse indent0">Kann man getrost nach Hause tragen,</div> - </div> -</div> -</div> - -<p class="p0">oder an den Goethischen Spruch:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Wer Wissenschaft und Kunst <em class="gesperrt">besitzt</em>,</div> - <div class="verse indent0"><em class="gesperrt">Hat</em> auch Religion;</div> - <div class="verse indent0">Wer jene beiden nicht <em class="gesperrt">besitzt</em>,</div> - <div class="verse indent0">Der <em class="gesperrt">habe</em> Religion.</div> - </div> -</div> -</div> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_416">[S. 416]</span></p> - -<p class="p0">Sieht man sich aber die Stellen, wo so geschrieben ist, näher an, -so sieht man, daß es meist mit Absicht geschehen ist, weil eben die -Sache, um die sichs handelt, als eine Art von Besitztum hingestellt -werden soll, oder es ist der Abwechslung, des Reims, des Rhythmus -wegen geschehen.<a id="FNAnker_172" href="#Fussnote_172" class="fnanchor">[172]</a> Zur gedankenlosen Mode ist es erst in unsrer -Zeit ausgeartet. Nun hat es aber auch so um sich gegriffen, daß man -auf alles gefaßt sein muß. Es ist gar nicht undenkbar, daß wir noch -dahin kommen, daß einer auch Recht oder Unrecht, Glück oder Unglück -<em class="gesperrt">besitzt</em>, eine Pflicht oder Verpflichtung <em class="gesperrt">besitzt</em>, Zeit -zu einer Arbeit, Lust zu einer Reise <em class="gesperrt">besitzt</em>, Hunger oder Durst -<em class="gesperrt">besitzt</em>, schlechte Laune <em class="gesperrt">besitzt</em>, das Scharlachfieber -<em class="gesperrt">besitzt</em>, einen Floh <em class="gesperrt">besitzt</em> usw.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Verbalsurrogate">Verbalsurrogate</h3> - -</div> - -<p>Zum Sprachschwulst gehört auch die immer weiter fressende, kaum -noch irgendeinen Tätigkeitsbegriff verschonende Umschreibung -einfacher Zeitwörter durch <em class="gesperrt">ziehen</em> und <em class="gesperrt">bringen</em> im -Aktiv, <em class="gesperrt">gezogen</em> oder <em class="gesperrt">gebracht werden</em>, <em class="gesperrt">kommen</em>, -<em class="gesperrt">gelangen</em> und <em class="gesperrt">finden</em> im Passiv. Nichts wird mehr -<em class="gesperrt">erwogen</em>, <em class="gesperrt">überlegt</em>, <em class="gesperrt">erörtert</em>, <em class="gesperrt">betrachtet</em>, -<em class="gesperrt">berücksichtigt</em>, sondern alles wird <em class="gesperrt">in Erwägung</em>, <em class="gesperrt">in -Überlegung</em>, <em class="gesperrt">in Erörterung</em>, <em class="gesperrt">in Betracht</em>, <em class="gesperrt">in -Berücksichtigung gezogen</em>. Nichts wird mehr <em class="gesperrt">vorgelegt</em>, -<em class="gesperrt">vorgetragen</em>, <em class="gesperrt">aufgeführt</em>, <em class="gesperrt">dargestellt</em>, -<em class="gesperrt">wiederhergestellt</em>, <em class="gesperrt">ausgeführt</em>, <em class="gesperrt">durchgeführt</em>, -<em class="gesperrt">angeregt</em>, <em class="gesperrt">angerechnet</em>, <em class="gesperrt">vorgeschlagen</em>, -<em class="gesperrt">angezeigt</em>, <em class="gesperrt">verkauft</em>, <em class="gesperrt">verteilt</em>, <em class="gesperrt">versandt</em>, -<em class="gesperrt">ausgegeben</em>, <em class="gesperrt">angewandt</em>, <em class="gesperrt">erledigt</em>, -<em class="gesperrt">entschieden</em>, <em class="gesperrt">erfüllt</em>, sondern alles wird <em class="gesperrt">zur Vorlage -gebracht</em>, <em class="gesperrt">zum Vortrag gebracht</em>, <em class="gesperrt">zur Aufführung</em> oder -<em class="gesperrt">zur Darstellung gebracht</em>, <em class="gesperrt">zur Ausführung</em> oder <em class="gesperrt">zur -Durchführung gebracht</em>, <em class="gesperrt">in Anregung</em>, <em class="gesperrt">in Anrechnung</em>, -<em class="gesperrt">in Vorschlag gebracht</em>, <em class="gesperrt">zur Anzeige</em>, <em class="gesperrt">zum Verkauf</em>, -<em class="gesperrt">zur Verteilung</em>, <em class="gesperrt">zur Versendung gebracht</em>, <em class="gesperrt">zur -Ausgabe</em>, <em class="gesperrt">zur Anwendung</em>, <em class="gesperrt">zur Erledigung</em>, <em class="gesperrt">zur -Entscheidung</em>, <em class="gesperrt">zur Erfüllung<span class="pagenum" id="Seite_417">[S. 417]</span> gebracht</em>, oder es <em class="gesperrt">kommt</em> -oder <em class="gesperrt">gelangt zum Vortrag</em>, <em class="gesperrt">zur Aufführung</em>, <em class="gesperrt">zur -Wiederherstellung</em>, <em class="gesperrt">in Vorschlag</em>, <em class="gesperrt">zur Anzeige</em>, -es <em class="gesperrt">findet Anwendung</em>, <em class="gesperrt">Erledigung</em>. Ein Personenzug -<em class="gesperrt">kommt zur Ablassung</em>, ein Buch <em class="gesperrt">gelangt zum Druck</em>, -und dann <em class="gesperrt">gelangt es zur Ausgabe</em>, das Kommißbrot <em class="gesperrt">gelangt -zum Verzehr</em> (!). Eine Bürgermeisterstelle wird nicht -<em class="gesperrt">ausgeschrieben</em>, sondern zur <em class="gesperrt">Ausschreibung gebracht</em>; -selbst von Häusern, die infolge einer Überschwemmung <em class="gesperrt">eingestürzt</em> -sind, heißt es, sie seien <em class="gesperrt">zum Einsturz gebracht</em> worden. Die -Train-Depot-Offiziere <em class="gesperrt">fallen</em> nicht <em class="gesperrt">weg</em>, sondern sie -<em class="gesperrt">gelangen zum Fortfall</em> (!). Grund und Boden <em class="gesperrt">gelangt zur -Aufforstung</em>, alte Schiffe <em class="gesperrt">gelangen zur Außerdienststellung</em>, -Rinder und Schweine <em class="gesperrt">gelangen zur Schlachtung</em>, eine -Stadtkassenrechnung <em class="gesperrt">gelangt</em> bei den Stadtverordneten zur -<em class="gesperrt">Richtigsprechung</em>, ja sogar eine Ratsvorlage zur <em class="gesperrt">Ablehnung</em> -(als ob es Ziel und Bestimmung der Ratsvorlagen wäre, abgelehnt zu -werden), und wenn die Straßenbahndirektion ihren Fahrpreis herabsetzt, -so macht sie bekannt: Wir <em class="gesperrt">bringen</em> hiermit <em class="gesperrt">zur Kenntnis</em>, -daß der seither giltige Fahrpreis von 15 Pfennigen <em class="gesperrt">in Wegfall -kommt</em> und der neue Tarifsatz von 10 Pfennigen <em class="gesperrt">zur Erhebung -gelangt</em>.</p> - -<p>Zum Schwulst gesellt sich aber hier noch etwas andres: die höchst -bedenkliche Neigung, den Verbalreichtum der Sprache gleichsam auf ein -paar Formeln abzuziehen, die alles Flektieren überflüssig machen. -Wer von diesen sechs oder sieben Verbalsurrogaten glücklich noch ein -Tempus und einen Modus bilden kann, der braucht sich nicht mehr mit -Ablautreihen und schwankenden Konjunktivformen zu plagen. Wie sich das -Französische für das Futurum ein Surrogat geschaffen hat in seinem -<span class="antiqua">avoir</span> mit dem Infinitiv, wie das Deutsche auf dem besten Wege -ist, sich für den Konjunktiv des Imperfekts ein Surrogat zu schaffen in -<em class="gesperrt">würde</em> mit dem Infinitiv, so ersetzen wir vielleicht in hundert -Jahren das Verbum überhaupt durch <em class="gesperrt">bringen</em> und <em class="gesperrt">gelangen</em> -mit einem Substantiv und sagen: <span class="antiqua">propono</span>, ich <em class="gesperrt">bringe</em> in -Vorschlag – <span class="antiqua">proponor</span>, ich <em class="gesperrt">komme</em> in Vorschlag.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_418">[S. 418]</span></p> - -<h3 id="Vermittelst_mit_Zuhilfenahme_von">Vermittelst, mit Zuhilfenahme von</h3> - -</div> - -<p>Unrettbar dem Schwulst verfallen sind unsre Präpositionen. Als -Präpositionen gebrauchte man früher eine Menge kleiner Wörtchen, die -aus zwei, drei, vier Buchstaben bestanden. In unsern Grammatiken -findet man sie auch jetzt noch verzeichnet, dieses lustige kleine -Gesindel: <em class="gesperrt">in</em>, <em class="gesperrt">an</em>, <em class="gesperrt">zu</em>, <em class="gesperrt">aus</em>, <em class="gesperrt">von</em>, -<em class="gesperrt">auf</em>, <em class="gesperrt">mit</em>, <em class="gesperrt">bei</em>, <em class="gesperrt">vor</em>, <em class="gesperrt">nach</em>, -<em class="gesperrt">durch</em> usw.; in unserm Amts- und Zeitungsdeutsch aber fristen -sie nur noch ein kümmerliches Dasein, da sind sie verdrängt und -werden immer mehr verdrängt durch schwerfällige, schleppende Ungetüme -wie: <em class="gesperrt">betreffs</em>, <em class="gesperrt">behufs</em>, <em class="gesperrt">zwecks</em>, <em class="gesperrt">seitens</em>, -<em class="gesperrt">angesichts</em>, <em class="gesperrt">mittelst</em>, <em class="gesperrt">vermittelst</em>, <em class="gesperrt">vermöge</em>, -<em class="gesperrt">bezüglich</em>, <em class="gesperrt">hinsichtlich</em>, <em class="gesperrt">rücksichtlich</em>, -<em class="gesperrt">einschließlich</em>, <em class="gesperrt">ausschließlich</em>, <em class="gesperrt">anläßlich</em>, -<em class="gesperrt">gelegentlich</em>, <em class="gesperrt">inhaltlich</em>, <em class="gesperrt">ausweislich</em>, -<em class="gesperrt">antwortlich</em>, <em class="gesperrt">abzüglich</em>, <em class="gesperrt">zuzüglich</em>, -<em class="gesperrt">zusätzlich</em>, <em class="gesperrt">vorbehältlich</em> usw. Wie lange wird es dauern, -so wird in unsern Grammatiken auch der Abschnitt über die Präpositionen -vollständig umgestaltet werden müssen; alle diese Ungetüme werden als -unsre eigentlichen Präpositionen verzeichnet, die alten, wirklichen -Präpositionen in die Sprachgeschichte verwiesen werden müssen.</p> - -<p>Früher wurde einer, der <em class="gesperrt">mit</em> einem Messer gestochen worden -war, <em class="gesperrt">mit</em> einer Droschke ins Krankenhaus gebracht; so wird -auch heute noch – gesagt. In der Zeitung geschieht es aber nur noch -<em class="gesperrt">vermittelst</em> eines Messers und <em class="gesperrt">vermittelst</em> einer Droschke. -Ein herrliches Wort, dieses <em class="gesperrt">vermittelst</em>! Dem Anschein nach -eine Superlativbildung, aber wovon? Ein Adjektivum <em class="gesperrt">vermittel</em> -gibt es nicht, nur ein Zeitwort <em class="gesperrt">vermitteln</em>. Daran ist aber -doch bei <em class="gesperrt">vermittelst</em> nicht zu denken. Offenbar ist das Wort in -schauderhafter Weise verdorben aus <em class="gesperrt">mittels</em>,<a id="FNAnker_173" href="#Fussnote_173" class="fnanchor">[173]</a> dem Genitiv von -<em class="gesperrt">Mittel</em>, der in ähnlicher Weise zur Präposition gepreßt worden -ist wie <em class="gesperrt">behufs</em> und <em class="gesperrt">betreffs</em>, zu denen sich neuerdings -noch <em class="gesperrt">zwecks</em>, <em class="gesperrt">mangels</em> und <em class="gesperrt">namens</em> gesellt haben -– lauter<span class="pagenum" id="Seite_419">[S. 419]</span> herrliche Erfindungen.<a id="FNAnker_174" href="#Fussnote_174" class="fnanchor">[174]</a> Das Zwischenglied wäre dann -<em class="gesperrt">mittelst</em>, das es ja auch gibt; fürstliche Personen reisen -stets <em class="gesperrt">mittelst</em> Sonderzugs, und ein „Etablissement“, das früher -<em class="gesperrt">mit</em> oder <em class="gesperrt">durch</em> Gas erleuchtet wurde, wird jetzt natürlich -<em class="gesperrt">mittelst</em> Elektrizität erleuchtet, Handelsartikel, die früher -<em class="gesperrt">mit</em> der Hand hergestellt wurden, werden jetzt <em class="gesperrt">mittelst</em> -Maschinen gewonnen; ja es kommt sogar vor, daß ausgediente Mannschaften -<em class="gesperrt">mittelst Musik</em> auf den Bahnhof gebracht werden!</p> - -<p>Daß <em class="gesperrt">zu</em> unter anderm auch den Zweck bezeichnet, ist dem Beamten -und dem Zeitungschreiber gänzlich unbekannt. Früher verstand man es -sehr gut, wenn einer sagte: er ist der Polizeibehörde <em class="gesperrt">zur</em> -Einsperrung überwiesen worden – die Nummern sind <em class="gesperrt">zur</em> -Registrierung beigefügt; jetzt heißt es nur noch: <em class="gesperrt">behufs</em> -oder noch lieber <em class="gesperrt">zwecks</em> Einsperrung, <em class="gesperrt">zwecks</em> (oder -<em class="gesperrt">zum Zwecke</em>) der Registrierung, <em class="gesperrt">zwecks</em> Feststellung der -Krankenkassenbeiträge, <em class="gesperrt">zwecks</em> Stellungnahme usw. <em class="gesperrt">Behufs</em> -Bildung einer Berufsgenossenschaft – <em class="gesperrt">behufs</em> Wahrung des -Prestiges der italienischen Flagge – ein Bündnis Englands mit -Rußland <em class="gesperrt">zwecks</em> Niederhaltung Deutschlands – die Leiche wurde -<em class="gesperrt">zwecks</em> Verbrennung nach Gotha überführt (!) – die Bank hat -<em class="gesperrt">zwecks</em> Erweiterung ihrer Räume das Nachbarhaus angekauft – -die Schülerinnen sollen <em class="gesperrt">zwecks</em> Schonung ihrer Augen acht Tage -vom Unterricht dispensiert werden und dann <em class="gesperrt">zwecks</em> erneuter -Untersuchung sich wieder in der Schule einfinden – so hufst und -zweckeckeckst es durch die Spalten unsrer Zeitungen.</p> - -<p>Einen Brief fing man früher an: <em class="gesperrt">auf</em> dein Schreiben vom 17. teile -ich dir mit –; jetzt heißt es nur noch: <em class="gesperrt">antwortlich</em> (oder in -<em class="gesperrt">Beantwortung</em> oder <em class="gesperrt">Erwiderung</em>) deines Schreibens -(vgl. <a href="#Seite_173">S. 173</a>). Früher verstand es jedermann, wenn man sagte: <em class="gesperrt">nach</em> der -Betriebsordnung oder <em class="gesperrt">nach</em> den Bestimmungen der Bauordnung,<span class="pagenum" id="Seite_420">[S. 420]</span> -<em class="gesperrt">nach</em> dem Standesamtsregister, <em class="gesperrt">nach</em> Paragraph 5; -das Volk spricht auch heute noch so. In den Bekanntmachungen der -Behörden aber heißt es nur: <em class="gesperrt">auf Grund</em> der Betriebsordnung, -<em class="gesperrt">inhaltlich</em> der Bestimmungen der Bauordnung, <em class="gesperrt">ausweislich</em> -des Standesamtsregisters, und was das Allerschönste ist: <em class="gesperrt">in -Gemäßheit von</em> Paragraph 5, <em class="gesperrt">in Gemäßheit</em> des Beschlusses -der Stadtverordneten. Also statt einer einsilbigen Präposition ein -so fürchterliches Wort wie <em class="gesperrt">Gemäßheit</em>, flankiert von zwei -Präpositionen, <em class="gesperrt">in</em> und <em class="gesperrt">von</em>! Früher sagte man: <em class="gesperrt">nach</em> -seinen Kräften, <em class="gesperrt">bei</em> der herrschenden Verwirrung, <em class="gesperrt">durch</em> -den billigen Zinsfuß – jetzt heißt es: <em class="gesperrt">nach Maßgabe</em> seiner -Kräfte, <em class="gesperrt">angesichts</em> der herrschenden Verwirrung, <em class="gesperrt">vermöge</em> -des billigen Zinsfußes. Eine Festschrift erschien früher <em class="gesperrt">zum</em> -Geburtstag eines Gelehrten, <em class="gesperrt">beim</em> Jubiläum eines Rektors, -<em class="gesperrt">zur</em> Enthüllung eines Denkmals, jetzt nur noch <em class="gesperrt">aus Anlaß</em> -oder <em class="gesperrt">anläßlich</em> des Geburtstags, <em class="gesperrt">gelegentlich</em> des -Jubiläums, <em class="gesperrt">bei Gelegenheit</em> der Enthüllung. <em class="gesperrt">Bei</em> dem -Auftreten der Influenza hat sich gezeigt – <em class="gesperrt">in</em> den Verhandlungen -<em class="gesperrt">über</em> den Entwurf wurde bemerkt – <em class="gesperrt">auf</em> der Weltausstellung -in Sydney traten diese Bestrebungen zuerst hervor – versteht das -niemand mehr? Es scheint so, denn jetzt heißt es: <em class="gesperrt">gelegentlich</em> -des Auftretens der Influenza – <em class="gesperrt">gelegentlich</em> der über den -Entwurf gepflognen (!) Verhandlungen – <em class="gesperrt">bei Gelegenheit</em> der -Weltausstellung in Sydney. Für <em class="gesperrt">wegen</em> wird <em class="gesperrt">aus Anlaß</em> -gesagt: der Botschafter X hat sich <em class="gesperrt">aus Anlaß</em> einer ernsten -Erkrankung seiner Gemahlin nach B. begeben. Für <em class="gesperrt">über</em> heißt es -<em class="gesperrt">betreffs</em> oder <em class="gesperrt">bezüglich</em>: das letzte Wort <em class="gesperrt">betreffs</em> -der Expedition ist noch nicht gesprochen – die Mitteilung der -Theaterdirektion <em class="gesperrt">bezüglich</em> der Neueinstudierung des Don Juan -war verfrüht. Früher verstand es jeder, wenn gesagt wurde: <em class="gesperrt">mit</em> -der heutigen Versammlung sind dieses Jahr zehn Versammlungen gewesen, -<em class="gesperrt">ohne</em> die heutige neun; jetzt heißt es: <em class="gesperrt">einschließlich</em> der -heutigen Versammlung, <em class="gesperrt">ausschließlich</em> der heutigen Versammlung. -Unsre Kaufleute reden sogar davon, was eine Ware zu stehen komme, -<em class="gesperrt">zuzüglich</em><span class="pagenum" id="Seite_421">[S. 421]</span> der Transportkosten, <em class="gesperrt">abzüglich</em> der Fracht oder -<em class="gesperrt">zusätzlich</em> der Differenz, statt: <em class="gesperrt">mit</em> den Transportkosten, -<em class="gesperrt">ohne</em> die Fracht, <em class="gesperrt">samt</em> der Differenz, was man doch auch -verstehen würde, und ein Verein macht bekannt, daß er den Jahresbeitrag -<em class="gesperrt">zuzüglich</em> der dadurch entstehenden Kosten durch Postauftrag -erheben werde, statt <em class="gesperrt">samt</em> oder <em class="gesperrt">nebst</em> den Kosten. -Ein Betrüger ist <em class="gesperrt">mit</em> 10000 Mark entflohen – ist das nicht -deutlich? Der Zeitungschreiber sagt: <em class="gesperrt">unter Mitnahme von</em> 10000 -Mark! Endlich: <em class="gesperrt">mit Zuhilfenahme von</em>, <em class="gesperrt">unter Zugrundelegung -von</em>, <em class="gesperrt">in der Richtung nach</em>, <em class="gesperrt">in Höhe von</em>, <em class="gesperrt">an der -Hand von</em> (jetzt sehr beliebt: <em class="gesperrt">an der Hand</em> der Statistik), -was sind alle diese Wendungen anders als breitspurige Umschreibungen -einfacher Präpositionen, zu denen man greift, weil man die Kraft und -Wirkung der Präpositionen nicht mehr fühlt oder nicht mehr fühlen will. -<em class="gesperrt">Ohne Zuhilfenahme von</em> fremdem Material – was heißt das anders -als: <em class="gesperrt">ohne</em> fremdes Material? Der Staatsanwalt machte <em class="gesperrt">an der -Hand</em> einer Reihe von Straftaten (!) die Schuld des Angeklagten -wahrscheinlich – was heißt das anders als: <em class="gesperrt">mit</em> oder <em class="gesperrt">an</em> -einer Reihe? Ist es nötig, daß in Bekanntmachungen einer Behörde -geschrieben wird, daß ein gewisser Unternehmer eine Kaution <em class="gesperrt">in Höhe -von</em> 1000 Mark zu erlegen habe, daß eine Straße neu gepflastert -werden solle <em class="gesperrt">in ihrer Ausdehnung von</em> der Straße A <em class="gesperrt">bis zur</em> -Straße B? Sind wir so schwachsinnig geworden, daß wir eine Kaution -<em class="gesperrt">von</em> 1000 Mark nicht mehr verstehen, uns bei dem einfachen -<em class="gesperrt">von – bis</em> keine Strecke mehr vorstellen können? Muß das alles -besonders ausgequetscht werden? Rührend ist es, wenn der „Portier“ auf -dem Bahnhof ausruft: Abfahrt <em class="gesperrt">in der Richtung nach</em> Altenburg, -Plauen, Hof, Bamberg, Nürnberg usw. Der Bureaumensch, der <em class="gesperrt">das</em> -ausgeheckt hat, verdiente zum Geheimen Regierungsrat ernannt zu werden! -Er wird es längst sein. Bei einem bloßen <em class="gesperrt">nach</em> könnte sich ja ein -Reisender beschweren und sagen: Ich wollte nach Gaschwitz, das ist aber -nicht mit ausgerufen worden, nun bin ich sitzen geblieben. Aber <em class="gesperrt">in -der Richtung nach</em> – da kann sich niemand beschweren.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_422">[S. 422]</span></p> - -<h3 id="Seitens">Seitens</h3> - -</div> - -<p>Der größte Greuel aber auf dem Gebiete unsers ganzen heutigen -Präpositionenschwulstes ist wohl das Wort <em class="gesperrt">seitens</em>; es ist zu -einer wahren Krankheit am Leibe unsrer Sprache geworden.</p> - -<p>Zunächst ist es schon eine garstige Bildung. In den vierziger und -fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts schrieben die Beamten und -Zeitungschreiber beim passiven Verbum mit Vorliebe <em class="gesperrt">von Seiten</em> -statt des einfachen <em class="gesperrt">von</em> (ebenso <em class="gesperrt">auf Seiten</em> statt -<em class="gesperrt">bei</em>). Das war natürlich unnötiger Schwulst, aber es war doch -wenigstens richtig, ja man konnte sich sogar über den schwachen -Dativ <em class="gesperrt">Seiten</em> freuen, den sich heute niemand mehr zu bilden -getrauen würde. Mit der Zeit wurde aber doch selbst den Kanzlei- -und Zeitungsmenschen dieses ewige <em class="gesperrt">von Seiten</em> zu viel. Statt -nun das einzig vernünftige zu tun und wieder zu dem einfachen -<em class="gesperrt">von</em> zurückzukehren, ließ man das <em class="gesperrt">von</em> weg und sagte nur -noch <em class="gesperrt">seiten</em>. Aber das dauerte auch nicht lange. Kaum war die -Neubildung fertig, so wurde sie einer abermaligen Umbildung unterzogen, -man hängte gedankenlos, verführt durch Genitive wie <em class="gesperrt">behufs</em>, -<em class="gesperrt">betreffs</em>, ein unorganisches s an den schwachen Dativ,<a id="FNAnker_175" href="#Fussnote_175" class="fnanchor">[175]</a> -und so entstand nun dieses Jammerbild einer Präposition, das heute -das Leib- und Lieblingswort unsrer Amts- und Zeitungssprache ist. -Sowie man eine Zeitung in die Hand nimmt, das erste Wort, das einem -in die Augen fällt, ist: <em class="gesperrt">seitens</em>. Die kleinen Pfennignotizen -der Lokalreporter fangen gewöhnlich gleich damit an; wenn nicht, -dann stehts gewiß auf<span class="pagenum" id="Seite_423">[S. 423]</span> der zweiten oder dritten Zeile. Da es die -Zeitungssprache immer mehr verlernt, ein Ereignis im Aktivum -mitzuteilen, da sie mit Vorliebe im Passivum erzählt, sodaß das Objekt -zum grammatischen Subjekt und das logische Subjekt zum äußerlichen -Agens wird, <em class="gesperrt">von</em> beim Passiv ihr aber gänzlich unbekannt -geworden ist, so kann sie tatsächlich nicht die kleinste Mitteilung -mehr machen ohne <em class="gesperrt">seitens</em>. Die Regierung, der Bundesrat, das -Ministerium, das Gericht, der Magistrat, die Polizeidirektion, -das Stadtverordnetenkollegium – sie alle <em class="gesperrt">tun</em> nichts mehr, -sondern alles <em class="gesperrt">wird</em> getan, alles geschieht, erfolgt, findet -statt <em class="gesperrt">seitens</em> der Regierung, <em class="gesperrt">seitens</em> des Bundesrats, -<em class="gesperrt">seitens</em> des Ministeriums, <em class="gesperrt">seitens</em> des Gerichts, -<em class="gesperrt">seitens</em> des Magistrats, <em class="gesperrt">seitens</em> der Polizeidirektion -usw. Dem fortschrittlichen Kandidaten konnte <em class="gesperrt">seitens</em> der Gegner -nichts nachgesagt werden – die Maschinen können <em class="gesperrt">seitens</em> der -Interessenten jederzeit besichtigt werden – gegen solche Unart -muß endlich einmal mit Ernst vorgegangen werden, <em class="gesperrt">seitens</em> -der Schule, <em class="gesperrt">seitens</em> der Polizei, aber auch <em class="gesperrt">seitens</em> -des Publikums – es liegt darin etwas verletzendes, auch wenn dies -weder <em class="gesperrt">seitens</em> des Dichters, noch <em class="gesperrt">seitens</em> der Darsteller -beabsichtigt sein sollte; das Stück wurde <em class="gesperrt">seitens</em> des Publikums -einstimmig abgelehnt – anders wird nicht geschrieben. Aber auch -bei aktiven Verben heißt es: zahlreiche Klagen sind <em class="gesperrt">seitens</em> -(!) einflußreicher Personen eingelaufen – <em class="gesperrt">seitens</em> des Herrn -Polizeipräsidenten ist uns nachstehende Bekanntmachung zugegangen – -<em class="gesperrt">seitens</em> der Kurie hat man (!) sich noch nicht schlüssig gemacht -– <em class="gesperrt">seitens</em> der Regierung gibt man (!) sich der bestimmten -Hoffnung hin. Und hier wird <em class="gesperrt">seitens</em> auch für <em class="gesperrt">bei</em> -gebraucht: dabei stieß er <em class="gesperrt">seitens</em> des Gouverneurs auf große -Schwierigkeiten (statt: <em class="gesperrt">bei</em> dem Gouverneur!) – wie er denn -auch vielfache Anerkennung <em class="gesperrt">seitens</em> der wissenschaftlichen -Welt (<em class="gesperrt">bei</em> der wissenschaftlichen Welt!) gefunden hat – er -erfreute sich des größten Vertrauens <em class="gesperrt">seitens</em> seines Chefs -(<em class="gesperrt">bei</em> seinem Chef!) – das Werk wird dadurch an Teilnahme -und Gunst <em class="gesperrt">seitens</em> der Berliner (<em class="gesperrt">bei</em> den Berlinern!) -nichts einbüßen. Für den garstigen Gleichklang, der entsteht, wenn -hinter<span class="pagenum" id="Seite_424">[S. 424]</span> <em class="gesperrt">seitens</em> nun immer wieder Genitive auf s kommen, für -dieses unaufhörliche Gezisch hat der Papiermensch kein Ohr. Will -er ja einmal abwechseln, auf das einfache, vernünftige <em class="gesperrt">von</em> -oder gar auf das Aktivum verfällt er gewiß nicht; dann schreibt -er lieber: <em class="gesperrt">englischerseits</em>, <em class="gesperrt">staatlicherseits</em>, -<em class="gesperrt">kirchlicherseits</em>, <em class="gesperrt">päpstlicherseits</em>, -<em class="gesperrt">ministeriellerseits</em>, <em class="gesperrt">landwirtschaftlicherseits</em>, ja -sogar <em class="gesperrt">unterrichteterseits</em> oder: <em class="gesperrt">regierungsseitig</em>, -<em class="gesperrt">eisenbahnseitig</em>, <em class="gesperrt">gerichtsseitig</em>, <em class="gesperrt">prinzipalseitig</em>: -die Gehilfenschaft hatte die Frage in ein Gleis gebracht, an dem -sich <em class="gesperrt">prinzipalseitig</em> nichts aussetzen ließ! Ein Tierarzt -macht darauf aufmerksam – die Judenfeinde behaupten – wie simpel! -Der Zeitungschreiber sagt: <em class="gesperrt">tierärztlicherseits</em> wird darauf -aufmerksam gemacht – <em class="gesperrt">antisemitischerseits</em> (<img class="h0_4em" src="images/rhythmus_2.png" alt="Sprachrhythmus: Mark">) wird -behauptet. So klingts vornehm!</p> - -<p>Damit ist aber die Anwendung des garstigen Wortes noch nicht -erschöpft. <em class="gesperrt">Seitens</em> wird nicht nur mit Verben, es wird auch -mit Verbalsubstantiven verbunden. Da schreibt man: die Beiträge -zur Unfallversicherung <em class="gesperrt">seitens</em> der Arbeitsherren – die -Vorführung eines Spritzenzugs <em class="gesperrt">seitens</em> des Branddirektors – -die Behandlung der Frauen <em class="gesperrt">seitens</em> der Männer – die Aufnahme -des Gesandten <em class="gesperrt">seitens</em> des Königs – die Abneigung gegen die -Angestellten <em class="gesperrt">seitens</em> der Einwohnerschaft – der Übergang über -die Parthe <em class="gesperrt">seitens</em> der Nordarmee – die allgemeine Benutzung -der Lebensversicherung <em class="gesperrt">seitens</em> der ärmern Klassen – ein Opfer -von 3000 Mark <em class="gesperrt">seitens</em> der Stadt – die Besitznahme dieses -Küstengebiets <em class="gesperrt">seitens</em> der Franzosen – die Unsitte des Trampelns -im Theater <em class="gesperrt">seitens</em> der Studenten – der schädigende Einfluß der -Verletzung der Glaubenspflichten <em class="gesperrt">seitens</em> eines Kirchenmitgliedes -– das Dementi der Nachricht von der Audienz des Herrn H. beim Kaiser -<em class="gesperrt">seitens</em> der Konservativen Korrespondenz – Zeitungen wie Bücher -sind voll von solchen Verbindungen! Wie soll man sie aber vermeiden? -in allen diesen Beispielen ist doch ohne <em class="gesperrt">seitens</em> gar nicht -auszukommen. Nun, wie ist man denn früher ohne das Wort ausgekommen? -Entweder durch vernünftige Wortstellung: die Beiträge <em class="gesperrt">der</em> -Arbeitsherren<span class="pagenum" id="Seite_425">[S. 425]</span> zur Unfallversicherung – der Übergang <em class="gesperrt">der</em> -Nordarmee über die Parthe – ein Opfer <em class="gesperrt">der</em> Stadt von 3000 Mark; -oder dadurch, daß man Sätze bildete, anstatt, wie es jetzt geschieht, -ganze Sätze immer in Substantiva zusammenzuquetschen. Zu einem Zeitwort -kann man ein halbes Dutzend näherer Bestimmungen setzen, da hat man -immer freie Bahn und kommt leicht vorwärts; sowie man aber das flüssige -Zeitwort in das starre Hauptwort verwandelt, verbaut man sich selbst -den Weg, und dann werden solche Angstverbindungen fertig wie: mit der -Beherrschung von Raum und Kraft <em class="gesperrt">seitens</em> der Menschen wäre es zu -Ende (statt: die Menschen würden Raum und Kraft nicht mehr beherrschen) -– der redliche Erwerb (!) der Kleidungsstücke <em class="gesperrt">seitens</em> des -Angeklagten ließ sich zum Glück nachweisen (statt: daß er sie redlich -erworben hatte).</p> - -<p>Nun aber das Tollste: diese Angstverbindungen von Substantiven mit -<em class="gesperrt">seitens</em> sind den Leuten schon so geläufig geworden, und man -ist so vernarrt in das schöne Wort, daß man es auch da anwendet, wo -gar keine Nötigung dazu vorliegt, daß man geradezu – den Genitiv -damit umschreibt! Man sagt nicht mehr: der Besuch des Publikums, die -Anregung des Vorstandes, eine Erklärung des Wirts, die freiwillige -Pflichterfüllung eines Einzelnen, sondern: der Besuch <em class="gesperrt">seitens</em> -des Publikums, die Anregung <em class="gesperrt">seitens</em> des Vorstandes, eine -Erklärung <em class="gesperrt">seitens</em> des Wirts, die freiwillige Pflichterfüllung -<em class="gesperrt">seitens</em> eines Einzelnen. Überall laufen einem jetzt solche -Genitive über den Weg, man braucht nur zuzugreifen: ich wollte damit -etwaigen Einreden <em class="gesperrt">seitens</em> der Gegner vorbeugen – der glänzende -Erfolg, den der Verfasser dem ausgezeichneten Vortrage <em class="gesperrt">seitens</em> -des Rezitators zu danken hat – ein ähnliches Beispiel einer starken -Willkür <em class="gesperrt">seitens</em> eines Herausgebers – er wurde die Zielscheibe -vieler Angriffe <em class="gesperrt">seitens</em> der Klerikalen – ein höherer Gehilfe -kann nicht ohne Vertrauen <em class="gesperrt">seitens</em> des Handelsherrn angestellt -werden – die Frau war wegen fortgesetzter Roheiten <em class="gesperrt">seitens</em> -ihres Mannes ins Elternhaus zurückgekehrt – der Gesandte hatte die -Stirn, zu fragen, ob man denn auch des Friedensbruchs <em class="gesperrt">seitens</em><span class="pagenum" id="Seite_426">[S. 426]</span> -Frankreichs gewiß sei – es fehlt ihm die Anerkennung <em class="gesperrt">seitens</em> -der Großmächte – das Urteil klingt hart, beruht aber auf sorgfältiger -Prüfung <em class="gesperrt">seitens</em> eines Unbefangnen – es bedarf nur der -Aufforderung <em class="gesperrt">seitens</em> eines geeigneten Mannes – sie wählten -diese Wohnungen, um sich gegen Überraschungen <em class="gesperrt">seitens</em> ihrer -Feinde zu sichern – ohne die freundliche Unterstützung <em class="gesperrt">seitens</em> -zahlreicher Bibliotheksverwaltungen würde es nicht gelungen sein – -es trifft ihn die Verachtung <em class="gesperrt">seitens</em> seiner Mitmenschen – es -kostete große Anstrengungen <em class="gesperrt">seitens</em> der bekümmerten Verwandten -– an der Tafel fehlte es nicht an herzlichen Reden und Gegenreden -<em class="gesperrt">seitens</em> der Arbeiter und Prinzipale – der Straßenhandel hat -zu Beschwerden <em class="gesperrt">seitens</em> der Einwohnerschaft geführt – eine -Trauung, bei der es an aufrichtig frommer Gesinnung <em class="gesperrt">seitens</em> -der Brautleute fehlte. Für einzelne dieser Beispiele scheint es ja -einen Schimmer von Entschuldigung zu geben. Das Hauptwort, von dem -der Genitiv abhängen würde, ist meist ein Verbalsubstantiv, und da -kann der Zweifel entstehen, ob man die Handlung, die es ausdrückt, als -aktiv oder als passiv auffassen soll. Der Besuch des Publikums – das -könnte ja auch heißen, das Publikum sei besucht <em class="gesperrt">worden</em>; der -Besuch <em class="gesperrt">seitens</em> des Publikums – das ist nicht mißzuverstehen, -da <em class="gesperrt">hat</em> das Publikum besucht. Angriffe der Klerikalen – da -könnte man auch denken, die Klerikalen wären angegriffen <em class="gesperrt">worden</em>; -Angriffe <em class="gesperrt">seitens</em> der Klerikalen – da <em class="gesperrt">haben</em> sie -natürlich angegriffen. Die Untersuchung des Arztes – da könnte man -ja denken, der Arzt wäre untersucht <em class="gesperrt">worden</em>; die Untersuchung -<em class="gesperrt">seitens</em> des Arztes – nun <em class="gesperrt">hat</em> der Arzt untersucht. Sollte -es aber wirklich Leser geben, die so beschränkt wären, dergleichen -mißzuverstehen?</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Bez_beziehungsweise_bezw">Bez. beziehungsweise bezw.</h3> - -</div> - -<p>Ein Juwel unsrer Papiersprache endlich, der Stolz aller Kanzlisten -und Reporter, der höchste Triumph der Bildungsphilisterlogik ist das -Bindewort <em class="gesperrt">bez.</em> oder <em class="gesperrt">bezw.</em></p> - -<p>Vor fünfzig Jahren gab es noch im Deutschen das schöne Wort -<em class="gesperrt">respektive</em>, geschrieben: <em class="gesperrt">resp.</em>; man sagte<span class="pagenum" id="Seite_427">[S. 427]</span> z. B.: -der <em class="gesperrt">Vater resp. Vormund</em> – der <em class="gesperrt">Rektor</em> der Schule, -<em class="gesperrt">resp.</em> dessen <em class="gesperrt">Stellvertreter</em> – <em class="gesperrt">nachlässige, resp. -rohe</em> Eltern. Was wollte man mit dem Worte? Warum sagte man nicht: -der <em class="gesperrt">Vater oder Vormund</em>? Hätte man das nicht verstanden? I nun, -der gesunde Menschenverstand des Volks hätte es schon verstanden; -aber der große Logiker, der Kanzleimensch, sagte sich: ein Kind kann -doch nicht zugleich einen Vater und einen Vormund haben, es kann doch -nur entweder einen Vater oder (oder aber! sagte der Kanzleimensch) -einen Vormund haben. Dieses Verhältnis kann man nicht mit dem bloßen -<em class="gesperrt">oder</em> ausdrücken, für dieses feine, bedingte <em class="gesperrt">oder</em>: der -<em class="gesperrt">Vater oder</em> (<em class="gesperrt">wenn</em> nämlich das Kind keinen Vater mehr haben -sollte!) <em class="gesperrt">Vormund</em> gibt es im Deutschen überhaupt kein Wort, das -läßt sich nur durch – <em class="gesperrt">respektive</em> sagen, dadurch aber auch „voll -und ganz“.</p> - -<p>Als man nun auch im Kanzleistil den Fremdwörterzopf abzuschneiden -anfing, erfand man als Übersetzung von <em class="gesperrt">respektive</em> das -herrliche Wort <em class="gesperrt">beziehentlich</em> oder <em class="gesperrt">beziehungsweise</em>: -<em class="gesperrt">be-zieh-ungs-wei-se</em>! Das war natürlich etwas zu lang, es immer -zu schreiben und zu drucken, und so wurde es denn zu <em class="gesperrt">bez.</em> -„beziehungsweise“ <em class="gesperrt">bezw.</em> abgekürzt. Daß das Wörtchen <em class="gesperrt">oder</em> -auch nur vier Buchstaben hat und dabei ein wirkliches Wort ist, kein -bloßer Wortstummel wie <em class="gesperrt">bezw.</em>, auf diesen naheliegenden Gedanken -verfiel merkwürdigerweise niemand. Und doch, was bedeutet in folgenden -Beispielen das <em class="gesperrt">bezw.</em> anders als <em class="gesperrt">oder</em>: in einer Zeit, -wo man alles den einzelnen <em class="gesperrt">Kreisen bezw. Staaten</em> überließ – -alles weitere ist <em class="gesperrt">Spezialsache bezw. Aufgabe</em> der spätern Jahre -– über den <em class="gesperrt">Mord bezw. Raubmord</em> in R. ist noch immer nichts -genaues festgestellt – Windschirme mit japanischer <em class="gesperrt">Malerei bezw. -Stickerei</em> – der Zusammenschluß zu einem <em class="gesperrt">genossenschaftlichen -bezw. landschaftlichen</em> Kreisverbande – die <em class="gesperrt">wieder bezw. neu</em> -gewählten Stadtverordneten – ein <em class="gesperrt">angebornes bezw.</em> durch -Überlieferung <em class="gesperrt">geschultes</em> Geschick – die Bänder haben Wert als -<em class="gesperrt">geschichtliche bezw. kulturgeschichtliche</em> Erinnerungsstücke -– <em class="gesperrt">nicht benutzte bezw. nicht abgeholte</em> Bücher werden wieder<span class="pagenum" id="Seite_428">[S. 428]</span> -eingestellt – es wird mit dem <em class="gesperrt">Kellergeschoß bezw. Erdgeschoß</em> -angefangen – zwei Dachstuben von je drei Meter Breite und <em class="gesperrt">drei -bezw. vier</em> Meter Länge – jede Serie umfaßt <em class="gesperrt">15 bezw. 12</em> -Hefte – die Bemerkung befindet sich in dem <em class="gesperrt">Vor- bezw. Nachwort</em> -der Ausgabe – W. A. Lippert, welcher <em class="gesperrt">flüchtig ist bezw. sich -verborgen hält</em> – da die Anstalt nur solche Kinder <em class="gesperrt">aufnimmt -bezw. behält</em>, die eine Besserung erwarten lassen – wo Jahnsdorf -<em class="gesperrt">liegt bezw. gelegen hat</em>, ist ungewiß – viele Personen sind -außerstande, selbst bei langsamem Gange des Wagens <em class="gesperrt">auf- bezw. -abzuspringen</em> – jeder Fachmann wird die Schrift <em class="gesperrt">beiseite bezw. -in den Papierkorb</em> werfen – es ist anziehend, zu sehen, wie -sich dieser Kreis im Laufe der Sprachentwicklung <em class="gesperrt">verengert bezw. -erweitert</em> – die Weigerung der Prinzessin ist <em class="gesperrt">hauptsächlich -bezw. ausschließlich</em> auf diesen Umstand zurückzuführen. Und -in folgenden Beispielen, was bedeutet da <em class="gesperrt">bezw.</em> anders als -<em class="gesperrt">und</em>: ein Haus an der <em class="gesperrt">Beethoven- bezw. Rhodestraße</em> – -französische <em class="gesperrt">Bonnen bezw. Gouvernanten</em> haben seit Jahrhunderten -in Deutschland eine Rolle gespielt – zwei Kinder im Alter von <em class="gesperrt">fünf -bezw. drei</em> Jahren – K. und T. wurden zu <em class="gesperrt">viermonatiger bezw. -zweimonatiger</em> Gefängnisstrafe verurteilt – später verfaßte er -<em class="gesperrt">pädagogische bezw. Schulbücher</em> – alle <em class="gesperrt">Bestellzettel bezw. -Quittungsformulare</em> sind mit Tinte auszufüllen – <em class="gesperrt">Anfragen bezw. -Anmeldungen</em> sind an den Vorstand des Kunstvereins zu richten – zur -<em class="gesperrt">Rechten bezw. Linken</em> des Kaisers saßen der Reichskanzler und der -Staatssekretär – die Zinsen werden zu <em class="gesperrt">Ostern bezw. zu Michaeli</em> -bezahlt – großen Einfluß auf die Zahl der <em class="gesperrt">Dissertationen bezw. -Promotionen</em> über den pekuniären Anforderungen, die die einzelnen -<em class="gesperrt">Universitäten bezw. Fakultäten</em> stellen – wann die noch -übrigen Befestigungsreste der <em class="gesperrt">Burg bezw. Stadt</em> entstanden -sind, läßt sich nicht mit Sicherheit angeben – der König tritt eine -mehrwöchige Reise nach <em class="gesperrt">München bezw. Stuttgart</em> an – die -Zehnpfennigmarken und die Fünfpfennigmarken sind von <em class="gesperrt">roter bezw. -grüner</em> Farbe – in A.<span class="pagenum" id="Seite_429">[S. 429]</span> sind letzte Nacht zwei Personen, ein Maler -und ein Strumpfwirker, die in einem <em class="gesperrt">Schuppen bezw. einem Stalle</em> -nächtigten, erfroren.</p> - -<p>Der große Logiker, der so schreibt, denkt natürlich wenn er <em class="gesperrt">und</em> -gebrauche, so könnte ihn jemand auch so verstehen, als ob „sowohl“ die -Zehnpfennigmarken „als auch“ die Fünfpfennigmarken zweifarbig wären, -nämlich beide Arten rot und grün, als ob „sowohl“ der Maler „als auch“ -der Strumpfwirker in zwei Räumlichkeiten, nämlich gleichzeitig in -einem Schuppen und in einem Stalle genächtigt hätte. Solchen Gefahren -wird natürlich durch <em class="gesperrt">bezw.</em> vorgebeugt; nun weiß man genau, -daß die Zehnpfennigmarken rot und die Fünfpfennigmarken grün sind, -daß der Maler in einem Schuppen, der Strumpfwirker in einem Stalle -genächtigt hat. Maler: Schuppen = Strumpfwirker: Stall – darin liegt -die tiefe Bedeutung von <em class="gesperrt">bezw.</em>! Ein unübertreffliches Beispiel -ist folgender Zeitungssatz: alle <em class="gesperrt">Musik- bezw. Trompeterkorps</em> und -alle Spielmannszüge <em class="gesperrt">bliesen bezw. schlugen</em> den Präsentiermarsch -<em class="gesperrt">bezw.</em> die Paradepost.</p> - -<p>Aber damit ist der große Logiker noch nicht auf dem Gipfel seines -Scharfsinns angelangt. Sein schlauestes Gesicht steckt er auf, wenn er -schreibt: <em class="gesperrt">und (!) bezw.</em> <em class="gesperrt">Die Besitzer und bezw. Pächter</em> -der Grundstücke werden darauf aufmerksam gemacht – die <em class="gesperrt">Eltern -und bezw. Erzieher</em> der schulpflichtigen Kinder werden hiermit -aufgefordert – ich bitte mir angeben zu wollen, ob diese Ausgabe -<em class="gesperrt">und beziehungsweise oder</em> (!) andre Ausgaben auf der Bibliothek -vorhanden sind usw. Sogar solche Dummheiten werden jetzt geschrieben -„und bezw.“ gedruckt, und die, die sie leisten, bilden sich dabei noch -ein, sie hätten sich wunder wie fein und scharf ausgedrückt! Leider ist -das widerwärtige Wort, das übrigens neuerdings oft mit <em class="gesperrt">bezüglich</em> -vermengt wird,<a id="FNAnker_176" href="#Fussnote_176" class="fnanchor">[176]</a> aus der Papiersprache bereits in die lebendige -Sprache eingedrungen. Nicht nur in Sitzungen und Verhandlungen muß -man es hören, es ertönt auch immer häufiger<span class="pagenum" id="Seite_430">[S. 430]</span> auf Kathedern, und da es -der Professor gebraucht, gebrauchts natürlich der Student mit, und -selbst der Kaufmannsdiener sagt schon am Biertische: Sie erhalten -Sonnabend abend <em class="gesperrt">beziehentlich</em> (oder <em class="gesperrt">bezüglich</em>!) Sonntag -früh Nachricht. Schließlich wird noch der Herr Assessor, der für seine -Kinder zu Weihnachten Spielzeug eingekauft hat, zur Frau Assessorin -sagen: ich habe für Fritz und Mariechen <em class="gesperrt">eine Schachtel Soldaten -beziehungsweise eine Puppe</em> mitgebracht!</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Provinzialismen">Provinzialismen</h3> - -</div> - -<p>Für Provinzialismen ist in der guten Schriftsprache kein Raum, -mögen sie stammen, woher sie wollen. Man spricht jetzt viel davon, -daß unser Sprachvorrat aus den Mundarten aufgefrischt, verjüngt, -bereichert, befruchtet werden könnte. O ja, wenn es mit Maß und Takt -geschähe, warum nicht? Überzeugende Proben davon hat man aber noch -nicht viel gesehen. Ein böses Mißverständnis wäre es, wenn man jeden -beliebigen Provinzialismus für geeignet hielte, unsern Sprachvorrat -zu „bereichern“. Meist liegt kein Bedürfnis darnach vor, man legt -sich dergleichen aus Eitelkeit zu, um Aufmerksamkeit zu erregen, etwa -wie irgend ein Hansnarr zu einem gut bürgerlichen Anzug einen Tiroler -Lodenhut mit Hahnenfeder aufsetzt.</p> - -<p>Namentlich sind es österreichische Ausdrücke und Wendungen -(Austriazismen), die jetzt durch wörtlichen Abdruck aus -österreichischen Zeitungen in unsre Schriftsprache hereingeschleppt, -dann aber auch nachgebraucht werden.</p> - -<p>Für <em class="gesperrt">brauchen</em> z. B. sagt der Österreicher <em class="gesperrt">benötigen</em>, -für <em class="gesperrt">benachrichtigen</em> <em class="gesperrt">verständigen</em> (<em class="gesperrt">jemand -verständigen</em>, während sich in gutem Deutsch nur zwei oder mehr -<em class="gesperrt">untereinander verständigen</em> können); beides kann man jetzt -auch in deutschen Zeitungen lesen. In der Studentensprache ist das -schöne Wort <em class="gesperrt">unterfertigen</em> Mode (statt <em class="gesperrt">unterzeichnen</em>); -das ist nichts als eine lächerliche, halb(!)-österreichische -Bastardbildung. Der Österreicher sagt: der <em class="gesperrt">Gefertigte</em>. Das ist -dem deutschen Studenten, der sich zuerst damit spreizen wollte, mit -dem <em class="gesperrt">Unterzeichneten</em> in eine Mischform zusammengeronnen,<span class="pagenum" id="Seite_431">[S. 431]</span> und -seitdem erfüllt fast in allen akademischen Vereinigungen beim „Ableben“ -eines Mitgliedes der <em class="gesperrt">unterfertigte</em> Schriftführer „die traurige -Pflicht, die geehrten a. H. a. H. und a.  o. M. a. o. M. geziemend (!) -in Kenntnis zu setzen“.</p> - -<p>Unerträglich in gutem Schriftdeutsch ist das süddeutsche <em class="gesperrt">gestanden -sein</em> und <em class="gesperrt">gesessen sein</em>: die Personen, mit denen er in -näherm Verkehr <em class="gesperrt">gestanden war</em> – es lebten noch Männer, die in -der Paulskirche <em class="gesperrt">gesessen waren</em> (vgl. <a href="#Seite_59">S. 59</a>); ganz unerträglich -ferner die österreichischen Verbindungen: <em class="gesperrt">an etwas vergessen</em>, -<em class="gesperrt">auf etwas vergessen</em> und <em class="gesperrt">auf etwas erinnern</em>: heute schien -die Schar ihrer Verehrer <em class="gesperrt">auf sie vergessen</em> zu haben – <em class="gesperrt">auf -die Einzelheiten</em> des Stückes konnte ich nicht mehr <em class="gesperrt">erinnern</em> -u. ähnl.</p> - -<p>Eine ganze Reihe von Eigenheiten hat der Österreicher im Gebrauche der -Adverbia. Er sagt: <em class="gesperrt">im vorhinein</em> statt <em class="gesperrt">von vornherein</em>, -<em class="gesperrt">rückwärts</em> statt <em class="gesperrt">hinten</em>, <em class="gesperrt">beiläufig</em> (bailaifig) -statt <em class="gesperrt">ungefähr</em> (bis zur höchsten Spitze ist es <em class="gesperrt">beiläufig</em> -6000 Fuß – dies ist <em class="gesperrt">beiläufig</em> der Inhalt des hübschen Buches – -der zweite Band erscheint in <em class="gesperrt">beiläufig</em> gleicher Stärke), während -in gutem Deutsch <em class="gesperrt">beiläufig</em> nur bedeutet: <em class="gesperrt">nebenbei</em>, im -<em class="gesperrt">Vorbeigehen</em> (<em class="gesperrt">beiläufig</em> will ich bemerken). Für <em class="gesperrt">nur -noch</em> heißt es in München wie in Wien: <em class="gesperrt">nur mehr</em>: z. B. -leidenschaftliche Gedichte von <em class="gesperrt">nur mehr</em> geschichtlichem Wert -– ein Ausspruch, der uns heute <em class="gesperrt">nur mehr</em> grotesk anmutet – -alle Bemühungen sind jetzt <em class="gesperrt">nur mehr</em> darauf gerichtet – auf -die Christlich-Sozialen fielen heute <em class="gesperrt">nur mehr</em> acht Stimmen -usw. <em class="gesperrt">Neuerdings</em>, das gut deutsch nichts andres heißt als: -<em class="gesperrt">in neuerer Zeit</em> (<em class="gesperrt">neuerdings</em> ist der Apparat noch -wesentlich vervollkommnet worden), wird in Österreich in dem Sinne von -<em class="gesperrt">wiederum</em>, <em class="gesperrt">nochmals</em>, <em class="gesperrt">abermals</em>, <em class="gesperrt">aufs neue</em>, -<em class="gesperrt">von neuem</em> gebraucht, z. B.: es kommt mir nicht darauf an, oft -gesagtes <em class="gesperrt">neuerdings</em> zu wiederholen – er hat mich hierdurch -<em class="gesperrt">neuerdings</em> zu Dank verpflichtet – eine Reise führte ihn -<em class="gesperrt">neuerdings</em> mit der Künstlerin zusammen – in diesem Vertrage -wird <em class="gesperrt">neuerdings</em> die Frage untersucht – es kam eine Schrift zur -Verlesung,<span class="pagenum" id="Seite_432">[S. 432]</span> worin B. <em class="gesperrt">neuerdings</em> für seine Überzeugung eintrat -– die Geneigtheit der Kurie muß bei jedem Wahlgange <em class="gesperrt">neuerdings</em> -erkauft werden.<a id="FNAnker_177" href="#Fussnote_177" class="fnanchor">[177]</a> Man möchte wirklich annehmen, daß mancher deutsche -Zeitungsredakteur von all diesen Gebrauchsunterschieden gar keine -Ahnung habe, denn sonst könnte er doch solche Sätze nicht unverändert -in seiner Zeitung nachdrucken, er müßte doch jedesmal den Austriazismus -erst ins Deutsche übersetzen, damit der deutsche Leser nicht falsch -verstehe!</p> - -<p>Nichts als ein Provinzialismus, den man aber in neuern Erzählungen oft -lesen kann, ist es auch, bei dem reflexiven <em class="gesperrt">sich finden</em> mit -Angabe einer Richtung (sich nach Hause finden, sich hinfinden, sich -zurückfinden, sich zurechtfinden) das <em class="gesperrt">sich</em> wegzulassen und zu -schreiben: den sichern Boden, zu dem er <em class="gesperrt">zurückfand</em> – er konnte -nicht <em class="gesperrt">nach Hause finden</em> u. dgl.</p> - -<p>Eine Schrulle des niedrigen Geschäftsstils ist es, wenn jetzt -angezeigt wird, daß Kohlen <em class="gesperrt">ab Zwickau</em> oder <em class="gesperrt">ab Werke</em> -(!) oder <em class="gesperrt">ab Bahnhof</em> oder <em class="gesperrt">ab Lager</em> zu haben seien, Heu -<em class="gesperrt">ab Wiese</em> verkauft, Flaschenbier <em class="gesperrt">ab Brauerei</em> oder <em class="gesperrt">ab -Kellerei</em>, Mineralwasser <em class="gesperrt">ab Quelle</em> geliefert werde, daß -eine Konzertgesellschaft <em class="gesperrt">ab Sonntag</em> den 7. Juni auftrete, -oder daß eine Wohnung <em class="gesperrt">ab 1. Oktober</em> zu vermieten sei. Ab als -selbständige Präposition vor Substantiven (vgl. <em class="gesperrt">abhanden</em>, -d. i. <em class="gesperrt">ab Handen</em>) ist schon seit dem siebzehnten Jahrhundert -vollständig durch <em class="gesperrt">von</em> verdrängt. Nur in Süddeutschland und -namentlich in der Schweiz wird es noch gebraucht, dort sagt man noch -<em class="gesperrt">ab dem Hause</em>, <em class="gesperrt">ab dem Lande</em>. Aber was soll uns dieser -Provinzialismus? und noch dazu in solcher Stammelform: <em class="gesperrt">ab Werke</em>, -von der man nicht weiß, ob es der Dativ der Einzahl oder vielleicht -gar der Akkusativ der Mehrzahl sein soll? Es ist übrigens doch -zweifelhaft, ob die Geschäftsleute, die sich neuerdings damit spreizen, -wirklich das alte deutsche <em class="gesperrt">ab</em> meinen, und nicht vielmehr das -lateinische <em class="gesperrt"><span class="antiqua">ab</span></em>. Zuzutrauen wäre es ihnen, wenigstens wenn -man <em class="gesperrt"><span class="antiqua">pro</span> Jahr</em>, <em class="gesperrt"><span class="antiqua">pro</span> Kopf</em>,<span class="pagenum" id="Seite_433">[S. 433]</span> <em class="gesperrt"><span class="antiqua">per</span> -sofort</em>, <em class="gesperrt"><span class="antiqua">per</span> bald</em>, <em class="gesperrt"><span class="antiqua">per</span> Weihnachten</em> und -ähnlichen Unsinn damit vergleicht.<a id="FNAnker_178" href="#Fussnote_178" class="fnanchor">[178]</a></p> - -<p>Ein gemeiner Berolinismus, der aber immer mehr um sich greift und schon -in Lustspielen von der Bühne herab zu hören ist, ist die Anwendung von -<em class="gesperrt">bloß</em> für <em class="gesperrt">nur</em> in ungeduldigen Fragen und Aufforderungen: -Was hat er <em class="gesperrt">bloß</em>? Was will er <em class="gesperrt">bloß</em>? Komm doch <em class="gesperrt">bloß</em> -mal her!</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Fremdwoerter">Fremdwörter</h3> - -</div> - -<p>Auch unsre Fremdwörter sind zum großen Teil Modewörter. Bei dem Kampfe -gegen die Fremdwörter, der seit einiger Zeit wieder in Deutschland -entbrannt ist, handelt sichs natürlich nicht um die große Zahl zum -Teil internationaler technischer Ausdrücke, sondern vor allem um -die verhältnismäßig kleine Zahl ganz entbehrlicher Fremdwörter, die -namentlich unsre Umgangssprache und die Sprache der Gelehrten, der -Beamten, der Geschäftsleute, der Zeitungschreiber entstellen.</p> - -<p>Zwar haben sich die Bemühungen der Sprachreiniger auch auf die -technischen Ausdrücke einzelner Berufe und Tätigkeitsgebiete erstreckt, -wie des Militärs, des Post- und Eisenbahnwesens, des Handels, der -Küche, des Spiels, auch einzelner Wissenschaften und Künste, wie der -Grammatik, der Mathematik, der Baukunst, der Musik, des Tanzes. Was -aber vorgeschlagen worden ist, hat selten Beifall gefunden. Schlimm -und verdächtig ist es immer schon, wenn einfache Fremdwörter durch -Wortzusammensetzungen verdeutscht werden sollen: einige Beispiele -solcher Art sind schon früher angeführt worden (<a href="#Seite_363">S. 363</a>). Gewöhnlich -sind das gar keine Übersetzungen, sondern Umschreibungen oder -Begriffserklärungen. So hat man <em class="gesperrt">Redakteur</em> und <em class="gesperrt">Redaktion</em> -durch <em class="gesperrt">Schriftleiter</em> und <em class="gesperrt">Schriftleitung</em> „übersetzt“, -und einzelne Zeitungen und Zeitschriften haben das angenommen<span class="pagenum" id="Seite_434">[S. 434]</span> -(dann auch <em class="gesperrt">Geschäftsstelle</em> für <em class="gesperrt">Expedition</em>). Diese -Verdeutschungen geben nicht entfernt den Begriff des Fremdworts -wieder. Unter <em class="gesperrt">Schrift</em> kann dreierlei verstanden werden: die -Handschrift, ein Schriftstück und die Lettern der Druckerei. An die -erste und die dritte Bedeutung ist hier natürlich nicht zu denken, -nur die zweite kann gemeint sein. Aufgabe eines Redakteurs ist es, -die eingegangnen Schriftstücke auf ihren Inhalt zu prüfen, sie in -anständiges Deutsch zu bringen, eine sorgfältige Druckkorrektur zu -lesen und den Inhalt der einzelnen Zeitungsnummern zu bestimmen -und anzuordnen. Das alles stellen wir uns wohl bei dem Worte -<em class="gesperrt">Redakteur</em> vor, aber nicht bei dem mühselig ausgeklügelten -Worte <em class="gesperrt">Schriftleiter</em>. Die Zeitung selbst wird <em class="gesperrt">geleitet</em>, -aber nicht ihre Schriftstücke. Wenn es damals, als es im Deutschen -noch keine Fremdwörter gab, schon Zeitungen gegeben hätte, ich weiß, -wie man den Redakteur genannt hätte: <em class="gesperrt">Zeitungmeister</em>! Im -Eisenbahnverkehr hat man uns die <em class="gesperrt">Fahrkarte</em> und das fürchterliche -<em class="gesperrt">Abteil</em> aufgenötigt (statt <em class="gesperrt">Billett</em> und <em class="gesperrt">Coupé</em>). -Das kurze, leichte <em class="gesperrt">Billett</em> war – man spreche es nur deutsch -aus! – fast schon zum Lehnwort geworden. In Leipzig hieß schon im -sechzehnten Jahrhundert die Kupfermarke, die sich der Brauerbe auf -dem Rathause holen mußte, wenn er Bier brauen wollte, <em class="gesperrt">Bollet</em>. -Was für ein langstieliger Ersatz dafür sind unsre <em class="gesperrt">Fahrkarten</em>, -<em class="gesperrt">Eintrittskarten</em>, <em class="gesperrt">Teilnehmerkarten</em> usw.! Und ist etwa -<em class="gesperrt">Karte</em> ein deutsches Wort? Eine wirkliche Übersetzung von -<em class="gesperrt">Coupé</em> wäre <em class="gesperrt">Fach</em> gewesen, das in dem ältern Deutsch jede -Abteilung eines Raums bedeutete, nicht bloß in einem Schrank oder -Kasten, sondern auch im Hause (vgl. <em class="gesperrt">Dach und Fach</em>). Sogar eine -Straße, die in einen Fahrweg, einen Fußweg und einen Reitweg geteilt -war, hieß im achtzehnten Jahrhundert eine Straße in <em class="gesperrt">drei Fachen</em>. -Das <em class="gesperrt">Abteil</em> und die <em class="gesperrt">Fahrkarte</em> werden sich schwerlich -einbürgern. Die Schaffner sind ja dazu verurteilt, die Wörter zu -gebrauchen, aber das Publikum gebraucht lachend die Fremdwörter weiter. -Etwas ganz komisches – wenigstens nach meinem Gefühl – ist bei der -Übersetzung der militärischen Fachausdrücke<span class="pagenum" id="Seite_435">[S. 435]</span> mit untergelaufen: die -Wiedergabe von <em class="gesperrt">Terrain</em> durch <em class="gesperrt">Gelände</em>. <em class="gesperrt">Gelände</em> war -früher ein poetisches Wort, und zwar ein Wort der höchsten Poesie. -Man denke nur an Schillers Berglied: da tut sich ein <em class="gesperrt">lachend -Gelände</em> hervor – und vor allem an Goethes herrlichen Spruch: -Gottes ist der Orient, Gottes ist der Occident, Nord- und <em class="gesperrt">südliches -Gelände</em> ruht im Frieden seiner Hände. Einem solchen Wort jetzt -in den Manöverberichten der Zeitungen zu begegnen ist doch gar zu -komisch. In der Musik möchte man jetzt die Wörter <em class="gesperrt">komponieren</em> -und <em class="gesperrt">Komposition</em> abschaffen, und durch <em class="gesperrt">vertonen</em> und -<em class="gesperrt">Vertonung</em> ersetzen. Gräßliche Geschmacklosigkeit! Von einem -<em class="gesperrt">vertonten</em> (<em class="gesperrt">ver</em>!) Liede kann man doch nur mit Bedauern -sprechen, denn das könnte doch nur eins sein, das ungeschickt, falsch, -fehlerhaft komponiert, durch die musikalische Zutat verdorben worden -wäre (vgl. <a href="#Seite_357">S. 357</a>). Die Architekten vermeiden jetzt erfreulicherweise -das überflüssige Fremdwort <em class="gesperrt">Dimension</em>, nur sollten sie es nicht -immer durch <em class="gesperrt">Abmessung</em> übersetzen, was meist gar keinen Sinn -gibt (denn Abmessung bedeutet eine Handlung, keine Eigenschaft!), -sondern einfach durch <em class="gesperrt">Maß</em> oder – es ganz weglassen. Denn ist -ein Gebäude von <em class="gesperrt">riesigen Abmessungen</em> etwas andres als ein -<em class="gesperrt">riesiges</em> Gebäude? Und welcher Schwulst, zu schreiben: der -Baumeister ist verpflichtet, Irrtümer im Voranschlag in bescheidnen -<em class="gesperrt">Abmessungen</em> auftreten zu lassen! Wenn vollends allgemein -angenommene und geläufige alte Kunstausdrücke einzelner Wissenschaften -„übersetzt“ werden, wie man es den Kindern der Volksschule zuliebe -in der Grammatik, auch in der Arithmetik versucht hat, so ist das -Ergebnis meist ganz unerfreulich. Wenn man ein Buch oder einen Aufsatz -mit solchen Verdeutschungen liest, so hat man immer das unbehagliche -Gefühl, als ginge man auf einem Wege, wo aller zwanzig Schritt ein Loch -gegraben und ein paar wacklige Bretter darüber gelegt wären.</p> - -<p>Am ehesten darf man vielleicht hoffen, daß die Fremdwörter aus der -Umgangssprache verschwinden werden, denn hier wirkt fast nur die -Mode. Die Fremdwörter unsrer Umgangssprache stammen zum Teil noch aus -dem<span class="pagenum" id="Seite_436">[S. 436]</span> siebzehnten Jahrhundert, andre sind im achtzehnten, noch andre -erst in der Franzosenzeit zu Anfange des neunzehnten Jahrhunderts -eingedrungen. Aber sie kommen eins nach dem andern wieder aus der Mode. -Viele, die vor fünfzig Jahren noch für fein galten, fristen heute -nur noch in den untersten Volksschichten ein kümmerliches Dasein! -man denke an <em class="gesperrt">Madame</em>, <em class="gesperrt">Logis</em>, <em class="gesperrt"><span class="antiqua">vis-à-vis</span></em>, -<em class="gesperrt"><span class="antiqua">peu-à-peu</span></em> (in Leipzig <em class="gesperrt">beeabeeh</em> gesprochen), -<em class="gesperrt">retour</em>, <em class="gesperrt">charmant</em>, <em class="gesperrt">mechant</em>, <em class="gesperrt">inkommodieren</em>, -<em class="gesperrt">sich revanchieren</em> und viele andre. In den Befreiungskriegen gab -es nur <em class="gesperrt">Blessierte</em>; wer hat 1870 noch von <em class="gesperrt">Blessierten</em> -gesprochen? Wer <em class="gesperrt">amüsiert</em> sich noch? anständige Leute nicht -mehr; die haben längst wieder angefangen, sich zu <em class="gesperrt">vergnügen</em>. -Auch <em class="gesperrt">existieren</em>, <em class="gesperrt">passieren</em> (für <em class="gesperrt">geschehen</em> -oder <em class="gesperrt">begegnen</em>: es ist ein Unglück <em class="gesperrt">passiert</em>, mir -ist etwas Unangenehmes <em class="gesperrt">passiert</em>), <em class="gesperrt">sich genieren</em> -sind so heruntergekommen, daß man sie anständigerweise kaum -noch gebrauchen kann. Vor dreißig Jahren gab es noch vereinzelt -Schneider<em class="gesperrt">mamsellen</em>; jetzt wird jedes Dienstmädchen in der -Markthalle mit <em class="gesperrt">Fräulein</em> angeredet, wofür die Bürgerstochter -freilich zum <em class="gesperrt">gnädigen Fräulein</em> aufgerückt ist. Und wo ist das -<em class="gesperrt">Parapluie</em> geblieben, das doch auch einmal fein war, und wie fein!</p> - -<p>Leider tauchen nur an Stelle veraltender Fremdwörter immer auch wieder -neue auf. Wer hat vor dreißig Jahren etwas von <em class="gesperrt">Milieu</em> gewußt? -Als es aufkam, mußten auch gebildete Leute das Wörterbuch aufschlagen, -um sich zu belehren, was eigentlich damit gemeint sei. Und was war -es schließlich? Weiter nichts, als was man bis dahin als Hintergrund -(einer Handlung, einer Erzählung) bezeichnet hatte. Neue Schiffe -werden jetzt nicht mehr nach einem Muster gebaut, sondern nur noch -nach einem <em class="gesperrt">Typ</em>, ebenso auch schon Automobile und Orgeln. Unsre -Frauen und Mädchen tragen keine Kleider oder Anzüge mehr, sondern -nur noch <em class="gesperrt">Kostüme</em>, die es früher nur auf dem Theater oder auf -Maskenbällen gab. Wagen wurden bisher in eine <em class="gesperrt">Remise</em> gestellt; -die Automobile müssen natürlich etwas besondres haben, sie werden in -die <em class="gesperrt">Garage</em> gebracht; aber auch<span class="pagenum" id="Seite_437">[S. 437]</span> das ist nichts weiter als ein -Schuppen. Ein neues Eigenschaftswort, das man seit kurzem täglich hört -und liest, ist <em class="gesperrt">markant</em>: eine <em class="gesperrt">markante</em> Erscheinung, ein -<em class="gesperrt">markanter</em> Unterschied, eine <em class="gesperrt">markante</em> Persönlichkeit, die -<em class="gesperrt">markanteste</em> Linie des Gesichts. Eine feine, leicht auf der Zunge -zergehende Schokolade heißt im Französischen <span class="antiqua">chocolat fondant</span>; -<span class="antiqua">fondre</span> heißt <em class="gesperrt">schmelzen</em>. Was haben die deutschen -Fabrikanten daraus gemacht? <em class="gesperrt">Fondantschokolade</em>! Warum denn -nicht <em class="gesperrt">Schmelzschokolade</em>? Wer hat vor dreißig Jahren etwas von -<em class="gesperrt">chic</em> gewußt? Es ist nichts andres als unser <em class="gesperrt">geschickt</em>, -das nach Frankreich gegangen und in der Form <em class="gesperrt">chic</em> zurückgekehrt -ist und nun für <em class="gesperrt">fein</em>, <em class="gesperrt">hübsch</em>, <em class="gesperrt">nett</em> gebraucht -wird. Der Plural davon wird von unsern Geschäftsleuten <em class="gesperrt">chice</em> -geschrieben: <em class="gesperrt">chice</em> Hüte, <em class="gesperrt">chice</em> Kleider, <em class="gesperrt">chice</em> -Schuhe, was man wohl <em class="gesperrt">schicke</em> aussprechen soll, aber doch -nur <em class="gesperrt">schitze</em> aussprechen kann (vgl. <em class="gesperrt">Vice</em>). Zum Glück -ist es neuerdings schon wieder aus der Mode gekommen. Zu einem -greulichen Modewort dagegen ist <em class="gesperrt">eventuell</em> geworden. Es -bedeutet ja: <em class="gesperrt">vorkommendenfalls</em>, ferner <em class="gesperrt">nötigenfalls</em> -oder <em class="gesperrt">möglichenfalls</em>, je nachdem, dann immer mehr verblassend: -<em class="gesperrt">möglicherweise</em>, <em class="gesperrt">vielleicht</em>, <em class="gesperrt">etwa</em>, <em class="gesperrt">wohl</em> -und endlich: gar nichts. Es gibt aber eine Menge Leute, die heute -kaum noch einen Satz sagen können, worin nicht <em class="gesperrt">eventuell</em> -vorkäme: wir könnens ja <em class="gesperrt">eventuell</em> auch so machen – ich kann -<em class="gesperrt">eventuell</em> schon um sieben kommen. Wenn man auf der Straße aus -der Unterhaltung Vorübergehender zehn Worte aufschnappt, das Wort -<em class="gesperrt">eventuell</em> ist sicher darunter. Aber auch der Musikschreiber -sagt: etwas mehr Fülle des Tons hätte <em class="gesperrt">eventuell</em> den Vortrag noch -mehr unterstützt; ein Buchhändler schreibt: umstehenden Bestellzettel -bitten wir <em class="gesperrt">eventuell</em> direkt an die Verlagsbuchhandlung -gelangen zu lassen, und Zeitungen schreiben: ein Mensch, der eine -Volksschule und <em class="gesperrt">eventuell</em> eine höhere Schule besucht hat – -der Kreuzer X erhielt Befehl, sich <em class="gesperrt">eventuell</em> zur Ausreise (!) -bereit zu halten – die Regierung hat alle Maßregeln getroffen, um -für einen <em class="gesperrt">eventuellen</em> (!) Streik gerüstet zu sein – es war -Schutzmannschaft aufgestellt,<span class="pagenum" id="Seite_438">[S. 438]</span> um einen <em class="gesperrt">eventuellen</em> Tumult zu -verhüten – der Platz soll zur <em class="gesperrt">eventuellen</em> (!) Bebauung liegen -bleiben. Fast überall kann man <em class="gesperrt">eventuell</em> streichen, und der Sinn -bleibt genau derselbe. Eine ganz neue Aufgabe erfüllt das Zeitwort -<em class="gesperrt">interpretieren</em>. Aus der Sprache der Philologie, wo es immer -mehr zurückgegangen ist, ist es in die der Musik- und Theaterschreiber -eingedrungen. Eine Rolle auf der Bühne wird nicht mehr gespielt, ein -Musikstück nicht vorgetragen, ein Lied nicht gesungen – es wird -alles <em class="gesperrt">interpretiert</em>: Strauß wird die Lieder selbst dirigieren, -Frau B. wird <em class="gesperrt">Interpretin</em> sein – der Künstler hat durch die -<em class="gesperrt">Interpretation</em> dieses Liedes einen Beweis seines hervorragenden -Könnens (!) erbracht(!) usw. An Stelle der <em class="gesperrt">Sensationen</em> sind -neuerdings die <em class="gesperrt">Attraktionen</em> getreten, das Konzertprogramm -hat man zwar in <em class="gesperrt">Vortragsordnung</em> „übersetzt“, aber in dieser -„Vortragsordnung“ erscheint nun statt des ehemaligen <em class="gesperrt">Potpourris</em> -die <em class="gesperrt">Selektion</em>, und dafür hat man den guten Theater<em class="gesperrt">zettel</em> -in Theater<em class="gesperrt">programm</em> verwandelt, wenigstens in Leipzig, wo die -Jungen jetzt abends am Theater ausrufen: <em class="gesperrt">Deeaderbroogramm</em> -gefällig? Kunst- und Kunstgewerbemuseen veranstalten jetzt mit Vorliebe -<em class="gesperrt">retrospektive</em> Ausstellungen. Wieviele Leute, die in solche -Ausstellungen laufen, mögen wissen, was <em class="gesperrt">retrospektiv</em> heißt? Ein -Friedhof hat in Sachsen seit einiger Zeit keine Leichenhalle mehr, -sondern eine <em class="gesperrt">Parentationshalle</em>! Wieviel Leute, auch gelehrte -Leute, mögen wissen, was <span class="antiqua">parentare</span> und <span class="antiqua">parentatio</span> heißt, -wissen, daß das heidnische Begriffe sind, die auf unsre Friedhöfe gar -nicht passen?</p> - -<p>Ganz widerwärtig ist es, wie unsre Sprache neuerdings mit -englischen Sprachbrocken überschüttet wird. Da wird das kleine -Kind <em class="gesperrt">Baby</em> genannt, und die Bedürfnisse für kleine Kinder -kauft man im <em class="gesperrt">Babybasar</em>, ja im zoologischen Garten ist -sogar ein Elefanten<em class="gesperrt">baby</em> zu sehen! Ein Frauenkleid, das der -Schneider gemacht hat, wird als <span class="antiqua">tailor-made</span> bezeichnet, -eine Schauspielerin oder Sängerin, die Aufsehen erregt, wird als -<em class="gesperrt">Star</em> gefeiert, Buchhändler reden von <em class="gesperrt">Standard</em>-Werken, -unsre Schuhe werden aus <em class="gesperrt">Boxcalf</em> gemacht (wenn nicht noch<span class="pagenum" id="Seite_439">[S. 439]</span> -lieber aus <em class="gesperrt">Chevreau</em>), an allen Mauern, Wänden und Schaufenstern -schreit uns das Wort <em class="gesperrt">Sunlight-Seife</em> entgegen, das die -Fabrikanten den deutschen Dienstmädchen zuliebe neuerdings sogar -in <em class="gesperrt">Sunlicht-Seife</em> (!) geändert haben, ein andrer Fabrikant -preist seine <em class="gesperrt">Safety</em>-Füllfedern an, und an den Anschlagsäulen -heißt es, daß in dem oder jenem Tingeltangel <span class="antiqua">fife sisters</span> oder -<span class="antiqua">fife brothers</span> auftreten werden. Und dabei rühmt eine bekannte -Fabrik von Teegebäck in Hannover, daß ihr Fabrikat <em class="gesperrt">der (!) beste -Buttercakes</em> sei! Eine deutsche Mutter sollte sich schämen, ihr Kind -<em class="gesperrt">Baby</em> zu nennen. Was würden unsre guten Freunde, die Engländer, -sagen, wenn ein englischer Fabrikant wagen wollte, <span class="antiqua">Sonnenlicht -Soap</span> anzupreisen!</p> - -<p>Unsre Kanzleisprache hat sich im Laufe eines Jahrhunderts -gewaltig gereinigt. Noch 1810 konnte ein deutsches Stadtgericht -an das andre schreiben: „Ew. Wohlgeboren werden <span class="antiqua">in subsidium -juris et sub oblatione ad reciproca</span> ergebenst ersucht, die -anliegende <span class="antiqua">Edictalcitation</span> in Sachen des Kaufmanns R. -daselbst <span class="antiqua">loco consueto affigiren</span> zu lassen und selbige -<span class="antiqua">effluxo termino cum documentis aff- et refixionis</span> gegen -die Gebühr zu <span class="antiqua">remittiren</span>.“ Heute hat sich, wenigstens -unter den höhergebildeten Beamten, doch fast allgemein -die Einsicht Bahn gebrochen, daß das beste und vornehmste -Amtsdeutsch das sei, das die wenigsten Fremdwörter enthält. Nur -der kleine Unterbeamte, der <em class="gesperrt">Folium</em> und <em class="gesperrt">Volumen</em>, -<em class="gesperrt">Repositorium</em> und <em class="gesperrt">Repertorium</em> nicht unterscheiden -kann, der eine Empfangsbescheinigung eine <em class="gesperrt">Rezepisse</em> nennt -und vom <em class="gesperrt">Makulatieren</em> der Akten redet, weil er einmal von -<em class="gesperrt">Makulatur</em> gehört hat, tut sich noch etwas zugute auf ein -<span class="antiqua">sub</span> oder <span class="antiqua">ad</span> (das gehört <em class="gesperrt">unter</em> <span class="antiqua">sub A</span>, -sagt er), auf ein <span class="antiqua">a. c.</span> (<span class="antiqua">anni currentis</span>), ein <span class="antiqua">eodem -die</span>, ein <span class="antiqua">s. p. r.</span> (<span class="antiqua">sub petito remissonis</span>), ein <span class="antiqua">cf. -pg.</span> (<span class="antiqua">confer paginam</span>) u. dgl.; er fühlt sich gehoben, wenn er -solche geheimnisvolle Zeichen in die Akten hineinmalen kann.</p> - -<p>Wundern muß man sich, daß die Männer der Wissenschaft, bei denen man -doch die größte Einsicht voraussetzen sollte, fast alle noch in dem -Wahne befangen sind, daß sie durch Fremdwörter ihrer Sache Glanz -und Bedeutung geben könnten. Auf den Universitätskathedern<span class="pagenum" id="Seite_440">[S. 440]</span> und in -der fachwissenschaftlichen Literatur, da steht die Fremdwörterei -noch in voller Blüte. Der deutsche Professor glaubt immer noch, -daß er sich mit <em class="gesperrt"><span class="antiqua">editio princeps</span></em>, <em class="gesperrt"><span class="antiqua">terra -incognita</span></em>, <em class="gesperrt"><span class="antiqua">eo ipso</span></em>, <em class="gesperrt"><span class="antiqua">bona fide</span></em>, -<em class="gesperrt">Publikation</em>, <em class="gesperrt">Argumentation</em>, <em class="gesperrt">Modifikation</em>, -<em class="gesperrt">Akquisition</em>, <em class="gesperrt">Kontroverse</em>, <em class="gesperrt">Resultat</em>, -<em class="gesperrt">Analogie</em>, <em class="gesperrt">intellektuell</em>, <em class="gesperrt">individuell</em>, -<em class="gesperrt">identisch</em>, <em class="gesperrt">irrelevant</em>, <em class="gesperrt">adäquat</em>, <em class="gesperrt">edieren</em>, -<em class="gesperrt">dokumentieren</em>, <em class="gesperrt">polemisieren</em>, <em class="gesperrt">modifizieren</em>, -<em class="gesperrt">identifizieren</em>, <em class="gesperrt">verifizieren</em> vornehmer ausdrücke als mit -den entsprechenden deutschen Wörtern. Er fühlt sich wunderlicherweise -auch gehoben (wie der kleine Rats- und Gerichtsbeamte), wenn er -<em class="gesperrt">lexikalisches Material</em> sagt statt <em class="gesperrt">Wortschatz</em>, wenn -er von <em class="gesperrt">heterogenen Elementen</em>, <em class="gesperrt">intensiven Impulsen</em>, -<em class="gesperrt">prägnanten Kontrasten</em>, <em class="gesperrt">approximativen Fixierungen</em> -oder einer <em class="gesperrt">aggressiven Tendenz</em>, einem <em class="gesperrt">intellektuellen</em> -oder <em class="gesperrt">moralischen Defekt</em>, einem <em class="gesperrt">Produkt destruktiver -Tendenzen</em> redet, wenn er eine <em class="gesperrt">Idee ventiliert</em>, statt einen -<em class="gesperrt">Gedanken</em> zu <em class="gesperrt">erörtern</em>, wenn er von einem <em class="gesperrt">Produkt</em> -der <em class="gesperrt">Textilkunst</em> die <em class="gesperrt">Provenienz konstatiert</em>, statt -von einem <em class="gesperrt">Erzeugnis</em> der <em class="gesperrt">Weberei</em> die <em class="gesperrt">Herkunft -nachzuweisen</em>, wenn er schreibt: es kommt fast nie vor, daß -gutartige Polypen <em class="gesperrt">recidivieren</em> (statt: wiederkehren) – die -<em class="gesperrt">Autopsie konstatierte</em> die <em class="gesperrt">Existenz</em> eines <em class="gesperrt">sanguinolent -tingierten Serums</em> im <em class="gesperrt">Perikardium</em> (statt: bei der Öffnung -der Leiche zeigte sich, daß der Herzbeutel blutig gefärbte Flüssigkeit -enthielt).<a id="FNAnker_179" href="#Fussnote_179" class="fnanchor">[179]</a> Und der Student macht es ihm leider meist gedankenlos -nach; die wenigsten haben die geistige Überlegenheit, sich darüber -zu erheben. In der Sprache aller Wissenschaften gibt es ja gewisse -Freimaurerhändedrücke, an denen sich die Leute von der Zunft erkennen. -Wie stolz ist der Student der Kunstgeschichte, wenn er zum erstenmale -<em class="gesperrt">Cinquecento</em> sagen kann! Zwei Semester lang tut er, als ob -er <em class="gesperrt">sechzehntes Jahrhundert</em> gar nicht mehr verstünde.<span class="pagenum" id="Seite_441">[S. 441]</span> Wie -stolz ist er, wenn er das Wort <em class="gesperrt">konventionell</em> begriffen hat! -Mit der größten Verachtung blickt er auf die gesamte Kunst aller -Zeiten und Völker herab, denn mit Ausnahme der Kunst der letzten drei -Jahre ist ja alles – <em class="gesperrt">konventionell</em>. Und wenn er dann sein -Dissertatiönchen baut, wie freut es ihn, wenn er alle die schönen -vom Katheder aufgeschnappten Wörter und Redensarten darin anbringen -kann! Man kennt den Rummel, man ist ja selber einmal so kindisch -gewesen. Dabei begegnet es aber auch sehr gelehrten Herren, daß sie -die Verneinung von <em class="gesperrt">normal</em> frischweg <em class="gesperrt">anormal</em> bilden, -also das sogenannte <span class="antiqua">Alpha privativum</span> des Griechischen vor ein -lateinisches Wort leimen, statt <em class="gesperrt">anomal</em> (griechisch!) oder -<em class="gesperrt">abnorm</em> (lateinisch!) zu sagen. Was ist in der letzten Zeit von -<em class="gesperrt">anormalem</em> Denken, <em class="gesperrt">anormalem</em> Empfinden, <em class="gesperrt">anormalen</em> -Trieben geschwafelt worden! Es begegnet auch sehr gelehrten Herren, daß -sie von <em class="gesperrt">Prozent</em> ein Eigenschaftswort <em class="gesperrt">prozentuell</em> bilden -(als ob <span class="antiqua">centum</span> „nach der vierten“ ginge, einen <span class="antiqua">u</span>-Stamm -hätte wie <span class="antiqua">accentus</span>!), statt <em class="gesperrt">prozentisch</em> zu sagen, daß -sie <em class="gesperrt">indifferent</em> schreiben, wo sie <em class="gesperrt">undifferenziert</em> meinen -u. dgl.</p> - -<p>Besonders stolz auf ihre Fremdwörterkenntnis sind gewöhnlich die -Herren „Pädagogen“, d. h. die Volksschullehrer, die sich nicht mit dem -Seminar begnügt, sondern nachträglich noch ein paar Semester an den -Brüsten der <span class="antiqua">Alma mater</span> gesogen haben. Schon daß sie sich immer -<em class="gesperrt">Pädagogen</em> nennen, ist bezeichnend. <em class="gesperrt">Lehrer</em> klingt ihnen -nicht wichtig genug. Daß ein Pädagog etwas ganz andres ist als ein -Lehrer, daran denken sie gar nicht. Wenn so ein Pädagog einen Vortrag -hält oder einen Aufsatz schreibt über die Aufgaben oder vielmehr die -<em class="gesperrt">Probleme</em> (!) des Unterrichts in der Klippschule, dann regnet -es nur so von <em class="gesperrt">exakt</em>, <em class="gesperrt">theoretisch</em>, <em class="gesperrt">empirisch</em>, -<em class="gesperrt">empiristisch</em>, <em class="gesperrt">didaktisch</em>, <em class="gesperrt">psychisch</em>, -<em class="gesperrt">psychologisch</em>, <em class="gesperrt">ethisch</em>, <em class="gesperrt">Lustrum</em>, <em class="gesperrt">Dezennium</em>, -<em class="gesperrt">Koedukation</em> usw. Aus diesen Kreisen ist dann auch in andre -Kreise der Unsinn verpflanzt worden, von <em class="gesperrt">Klavier-</em> und -<em class="gesperrt">Gesangpädagogen</em> zu reden. Wieck, der Vater der Klara Schumann, -der bekanntlich in Leipzig Klavierstunden gab, wird stets „der -hervorragende Klavierpädagog“<span class="pagenum" id="Seite_442">[S. 442]</span> genannt. Vielleicht erleben wir auch -noch <em class="gesperrt">Geigen-</em>, <em class="gesperrt">Posaunen-</em> und <em class="gesperrt">Fagottpädagogen</em>.</p> - -<p>Weniger zu verwundern ist der Massenverbrauch von Fremdwörtern bei den -Geschäftsleuten. Sie stecken infolge ihrer Halbbildung am tiefsten in -dem Wahne, daß ein Fremdwort stets vornehmer sei als das entsprechende -deutsche Wort. Weil auf sie selbst ein Fremdwort einen so gewaltigen -Eindruck macht, so meinen sie, es müsse diesen Eindruck auf alle -Menschen machen. Ein Kapitel, das von Jahr zu Jahr beschämender für -unser Volk wird, bilden die Warennamen, die, wohl meist von den -Fabrikanten der Waren oder von ebenso unfähigen Helfern ersonnen, uns -täglich in Zeitungen und Wochenblättern anschreien. Namentlich auf dem -Gebiete der Arznei- und Toilettenmittel, aber auch auf andern Gebieten, -wie dem der Beleuchtungsmittel, der Kraftfahrzeuge, der Musikmaschinen, -der photographischen Artikel, der „alkoholfreien“ Getränke usw., -wimmelt es davon. Von vernünftigen Sprachgesetzen, nach denen sich -doch auch solche Namen bilden ließen, ist gar keine Rede mehr. Die -Zeiten, wo ein Chemiker oder ein Techniker, der einen neuen Namen -brauchte, einen Philologen zu Rate zog, sind längst vorüber. Jeder -Fabrikant hält sich heute für berechtigt und befähigt, solche Namen zu -bilden; er nimmt ein paar – Stämme oder Wurzeln, kann man gar nicht -sagen, sondern Stammsplitter oder Wurzelfetzen – von irgendwelchen -griechischen oder lateinischen Wörtern und leimt sie aneinander, -klebt auch vielleicht noch eine der aus der Chemie bekannten oder -sonst beliebten Endungen daran (ol, il, it, in usw.), und der Name -ist fertig. Man denke nur an Wörter wie <em class="gesperrt">Odol</em>, <em class="gesperrt">Pektol</em>, -<em class="gesperrt">Javol</em>, <em class="gesperrt">Virisanol</em>, <em class="gesperrt">Antirheumol</em>, <em class="gesperrt">Pomeril</em>, -<em class="gesperrt">Frutil</em>, <em class="gesperrt">Fortisin</em>, <em class="gesperrt">Antinervin</em>, <em class="gesperrt">Bioferrin</em>, -<em class="gesperrt">Hämoglobin</em>, <em class="gesperrt">Sanatogen</em>, <em class="gesperrt">Kantophon</em>, -<em class="gesperrt">Solvolith</em>, <em class="gesperrt">Photonox</em>, <em class="gesperrt">Humidophor</em>, <em class="gesperrt">Pianola</em>, -nicht zu reden von solchen Albernheiten wie <em class="gesperrt">Velotrab</em>, -<em class="gesperrt">Biomalz</em>, <em class="gesperrt">Abrador</em>, <em class="gesperrt">Waschifix</em> u. a.<a id="FNAnker_180" href="#Fussnote_180" class="fnanchor">[180]</a><span class="pagenum" id="Seite_443">[S. 443]</span> Die -Verrücktheit geht so weit, daß man sogar die Namen der Orte zu -Hilfe nimmt, wo die Waren fabriziert werden, und Namen bildet wie -<em class="gesperrt">Thürpil</em> (Thüringer Pillen!), ja daß man die Anfangsbuchstaben -des in der Regel ja sehr breitspurigen Namens der Anstalt oder Fabrik, -aus der die Ware hervorgeht, oder anderer beliebiger Wörter zu einem -scheinbaren Wort aufreiht, das in Wahrheit nichts als ein bloßer -Lauthaufe ist, ja daß man sogar aus ganz beliebigen Lauten solche -Lauthaufen bildet! <span class="antiqua">Tet roia aga simi dalli perco aok degea ohno -pilo agfi wuk afpi tita maggi oxo ciba pebeco densos</span> – klingt das -nicht wie Sprache der Herero oder der Wahehe? Das alles sind deutsche -Warennamen! Ein Glück, daß die meisten nur ein kurzes Dasein fristen. -Sie flackern zu irgendeiner Zeit plötzlich auf, verlöschen aber bald -wieder wie Lämpchen, denen das nötige Öl fehlt. Leider drängen sich -aber an die Stelle jedes verschwindenden sofort wieder zwei oder drei -neue. Man kann nur hoffen, daß der ganze Blödsinn schließlich einmal an -sich selber zugrunde gehen werde.</p> - -<p>Eine Menge Fremdwörter schleppen sich in der Zeitungssprache fort. In -der Zeit der Befreiungskriege redete man viel von <em class="gesperrt">Monarchen</em>; bei -Leipzig erinnert noch der <em class="gesperrt">Monarchenhügel</em> daran. Heute dient der -<em class="gesperrt">Monarch</em> nur noch dem Zeitungschreiber zur Abwechselung und als -Ersatz für das persönliche Fürwort <em class="gesperrt">er</em>, das er sich von einem -gekrönten Haupte nicht zu gebrauchen getraut: heute vormittag empfing -der Kaiser den Prinzen X; bald darauf stattete der <em class="gesperrt">Monarch</em> -dem Prinzen einen Gegenbesuch ab – der Katarrh des Kaisers ist noch -im Zunehmen begriffen, doch ist das Befinden des <em class="gesperrt">Monarchen</em> -befriedigend – es steht jetzt fest, daß die angedeutete Besprechung -des Königs nicht stattgefunden hat, der <em class="gesperrt">Monarch</em> also gar nicht -in der Lage gewesen ist, sich zu äußern – der König nahm heute an -der Familientafel teil, nach der Tafel besuchte der <em class="gesperrt">Monarch</em> -die Gartenbauausstellung – der König wurde aufs Rathaus geleitet, -wo der Bürgermeister den <em class="gesperrt">Monarchen</em> erwartete – Frl. R. -überreichte dem König ein Bukett, wofür der <em class="gesperrt">Monarch</em> freundlich -dankte.<span class="pagenum" id="Seite_444">[S. 444]</span> Lieblingswörter der Zeitungssprache sind: <em class="gesperrt">Individuum</em>, -<em class="gesperrt">Panik</em>, <em class="gesperrt">Affäre</em>, <em class="gesperrt">Katastrophe</em>. Wenn ein Kerl einen -Mordversuch gemacht hat, heißt er stets ein <em class="gesperrt">Individuum</em>. Ein -großer Schrecken in einer Volksmasse oder im Theater wird stets als -<em class="gesperrt">Panik</em> bezeichnet; ob der Zeitungschreiber wohl eine Ahnung -davon hat, woher das Wort stammt? Einen großen Unglücksfall nennt -er stets eine <em class="gesperrt">Katastrophe</em>: da gibt es <em class="gesperrt">Eisenbahn-</em>, -<em class="gesperrt">Schiffs-</em> und <em class="gesperrt">Bootskatastrophen</em>, <em class="gesperrt">Erdbeben-</em> -oder <em class="gesperrt">Vulkankatastrophen</em>, <em class="gesperrt">Brandkatastrophen</em>, -<em class="gesperrt">Überschwemmungskatastrophen</em>, <em class="gesperrt">Grubenkatastrophen</em>, -sogar <em class="gesperrt">Unglückskatastrophen</em>! Er redet auch stets von -einer <em class="gesperrt">Duellaffäre</em>, einer <em class="gesperrt">Säbelaffäre</em>, einer -<em class="gesperrt">Messeraffäre</em>, einer <em class="gesperrt">Giftmordaffäre</em>. Einen gemeinen -Betrüger bezeichnet er vornehm als <em class="gesperrt">Defraudanten</em>. Wenn sich einer -in einem Hotel erschießt, so gibt das stets eine <em class="gesperrt">Detonation</em>, -dann findet man das <em class="gesperrt">Projektil</em>, das <em class="gesperrt">Motiv</em> der Tat -ist aber gewöhnlich unbekannt. Gerade gegenwärtig schwelgen die -Zeitungschreiber wieder – im Leitartikel wie im Feuilleton – ärger -denn je in Fremdwörtern. Es ist, als ob es ihnen förmlich Spaß machte, -die Puristen zu ärgern und ihnen zu zeigen: wir scheren uns den Kuckuck -um eure Bestrebungen! Der Kohlen<em class="gesperrt">konsum</em> <em class="gesperrt">figuriert</em> bei der -<em class="gesperrt">Rentabilität</em> als <em class="gesperrt">Bagatelle</em> – von solchen Sätzen sind die -Zeitungen wieder voll. Es war schon einmal besser geworden.</p> - -<p>Könnte man doch nur den Aberglauben loswerden, daß das Fremdwort -vornehmer sei als das deutsche Wort, das <em class="gesperrt">momentan</em> vornehmer -klinge als <em class="gesperrt">augenblicklich</em>, <em class="gesperrt">transpirieren</em> vornehmer als -<em class="gesperrt">schwitzen</em> (der Hufschmied bei seiner Arbeit <em class="gesperrt">schwitzt</em> -bekanntlich, aber der Herr im Ballsaal <em class="gesperrt">transpiriert</em>!), -<em class="gesperrt">professioneller Vagabund</em> vornehmer als <em class="gesperrt">gewerbsmäßiger -Landstreicher</em>, ein <em class="gesperrt">elegant möbliertes Garçonlogis</em> vornehmer -als ein <em class="gesperrt">fein ausgestattetes Herrenzimmer</em>, <em class="gesperrt">konsequent -ignorieren</em> vornehmer als <em class="gesperrt">beharrlich unbeachtet lassen</em>, -daß ein <em class="gesperrt">Eleve</em> etwas vornehmeres sei als ein <em class="gesperrt">Lehrling</em> -(Apotheker, Banken usw. suchen stets Eleven!), ein <em class="gesperrt">Collier</em> etwas -vornehmeres<span class="pagenum" id="Seite_445">[S. 445]</span> als ein <em class="gesperrt">Halsband</em> oder eine <em class="gesperrt">Halskette</em>!<a id="FNAnker_181" href="#Fussnote_181" class="fnanchor">[181]</a> -Schon der Umstand, daß wir für niedrige, gemeine Dinge so oft zum -Fremdwort greifen, sollte uns von diesem Aberglauben befreien. -Oder wäre <em class="gesperrt">perfid</em>, <em class="gesperrt">frivol</em>, <em class="gesperrt">anonymer Denunziant</em> -nicht zehnmal gemeiner als <em class="gesperrt">treulos</em>, <em class="gesperrt">leichtfertig</em>, -<em class="gesperrt">ungenannter Ankläger</em>? Und stehen <em class="gesperrt">noble Passionen</em> -nicht tief unter <em class="gesperrt">edeln Leidenschaften</em>? Um etwas niedriges zu -bezeichnen, dazu sollte uns das Fremdwort gerade gut genug sein.<a id="FNAnker_182" href="#Fussnote_182" class="fnanchor">[182]</a></p> - -<p>Aber auch unklar, verschwommen, vieldeutig sind oft die -Fremdwörter. Was wird nicht alles durch <em class="gesperrt">konstatieren</em> -ausgedrückt! <em class="gesperrt">Feststellen</em>, <em class="gesperrt">behaupten</em>, <em class="gesperrt">erklären</em>, -<em class="gesperrt">wahrnehmen</em>, <em class="gesperrt">beobachten</em>, <em class="gesperrt">nachweisen</em> – alles legt -man in dieses alberne Wort! Da ist wieder etwas überraschendes zu -<em class="gesperrt">konstatieren</em> – was heißt das anders als: da macht man wieder -eine überraschende <em class="gesperrt">Wahrnehmung</em> oder <em class="gesperrt">Beobachtung</em>?<a id="FNAnker_183" href="#Fussnote_183" class="fnanchor">[183]</a> -Was soll <em class="gesperrt">intensiv</em> nicht alles bedeuten: <em class="gesperrt">groß</em>, -<em class="gesperrt">stark</em>, <em class="gesperrt">lebhaft</em>, <em class="gesperrt">heftig</em>, <em class="gesperrt">eifrig</em>, -<em class="gesperrt">kräftig</em>, <em class="gesperrt">genau</em>, <em class="gesperrt">scharf</em>, <em class="gesperrt">straff</em>! Man -nutzt die Zeit <em class="gesperrt">intensiv</em> aus, lernt ein Volk <em class="gesperrt">intensiv</em> -kennen, bespricht eine Rechenaufgabe <em class="gesperrt">intensiv</em> usw. Was soll -<em class="gesperrt">direkt</em> nicht alles bedeuten! Bald <em class="gesperrt">unmittelbar</em> (die -<em class="gesperrt">direkte</em> Umgebung von Leipzig, eine Ware wird <em class="gesperrt">direkt</em> -bezogen, einer ist der <em class="gesperrt">direkte</em> Schüler des andern, ein Aufsatz -wird unter <em class="gesperrt">direkter</em> Beteiligung des Kanzlers geschrieben), bald -<em class="gesperrt">gleich</em> (sie gingen <em class="gesperrt">direkt</em> von der Arbeit ins Wirtshaus), -bald <em class="gesperrt">dicht</em> oder <em class="gesperrt">nahe</em> (der Gasthof liegt <em class="gesperrt">direkt</em> -am Bahnhof), bald <em class="gesperrt">gerade</em><span class="pagenum" id="Seite_446">[S. 446]</span> (die Straße führt <em class="gesperrt">direkt</em> -nach der Ausstellung), bald <em class="gesperrt">geradezu</em> (die Verschiedenheit der -Darstellung wird als <em class="gesperrt">direkt</em> störend empfunden – die Stelle -wirkt in dieser Fassung <em class="gesperrt">direkt</em> erschütternd – die Dichtung ist -in ihrer Art <em class="gesperrt">direkt</em> klassisch – die evangelische Kirche ist -hier in <em class="gesperrt">direkt</em> falschem Licht dargestellt), bald <em class="gesperrt">genau</em> -(soll ich denn <em class="gesperrt">direkt</em> um sieben kommen?), bald <em class="gesperrt">wirklich</em> -(bist du in Berlin gewesen, <em class="gesperrt">direkt</em> in Berlin?), bald <em class="gesperrt">nur</em> -(Ihre Bibliothek hat also <em class="gesperrt">direkt</em> wissenschaftliche Werke?). -Eine Berlinerin ist imstande, zu ihrem ungezognen Bengel zu sagen: was -hast du da gemacht? das ist <em class="gesperrt">direkt</em> ein Fettfleck! oder: wirst -du <em class="gesperrt">direkt</em> folgen? wirst dus <em class="gesperrt">direkt</em> wieder aufheben? Was -für ein unklares Wort ist <em class="gesperrt">Konsequenz</em>! Bald soll es <em class="gesperrt">Folge</em> -heißen (die Konsequenzen tragen), bald <em class="gesperrt">Folgerung</em> (die -Konsequenzen ziehen). Was für ein unklares Wort ist <em class="gesperrt">Tendenz</em>! -Bald soll es <em class="gesperrt">Bestrebung</em> bedeuten, bald <em class="gesperrt">Absicht</em>, bald -<em class="gesperrt">Richtung</em>, bald <em class="gesperrt">Neigung</em>. Was für ein unklares Wort ist -<em class="gesperrt">System</em>! Man spricht von einem <em class="gesperrt">philosophischen System</em> -und meint eine <em class="gesperrt">Lehre</em> oder ein <em class="gesperrt">Lehrgebäude</em>, von einem -<em class="gesperrt">Röhrensystem</em> und meint ein <em class="gesperrt">Röhrennetz</em>, von einem -<em class="gesperrt">Festungssystem</em> und meint einen <em class="gesperrt">Festungsgürtel</em>, von -einem <em class="gesperrt">Achsensystem</em> und meint ein <em class="gesperrt">Achsenkreuz</em>, von -einem <em class="gesperrt">Sternsystem</em> und meint eine <em class="gesperrt">Sterngruppe</em>, von -einem <em class="gesperrt">Verwaltungssystem</em> und meint die <em class="gesperrt">Grundsätze</em> der -Verwaltung, von einem Sprengwagen <em class="gesperrt">System Eckert</em> und meint die -<em class="gesperrt">Bauweise</em>, ja man kann nicht ein Hemd auf den Leib ziehen, -ohne mit einem <em class="gesperrt">System</em> in Berührung zu kommen, entweder dem -<em class="gesperrt">System Prof. <span class="antiqua">Dr.</span> Jäger</em> (!) oder dem <em class="gesperrt">System Lahmann</em> -oder dem <em class="gesperrt">System Kneipp</em> – was mag sich die Verkäuferin im -Wolladen unter all diesen Systemen denken? Man sagt: hier fehlt es an -<em class="gesperrt">System</em>, und meint <em class="gesperrt">Ordnung</em> oder <em class="gesperrt">Plan</em>, man spricht -von <em class="gesperrt">systematischem</em> Vorgehen und meint <em class="gesperrt">planmäßiges</em>. Dazu -wird System fort und fort verwechselt mit <em class="gesperrt">Prinzip</em> und mit -<em class="gesperrt">Methode</em> (auf derselben Seite spricht derselbe Schriftsteller -bald von Germanisierungssystem, bald von Germanisierungsmethode). Wie -kann man den Reichtum des Deutschen<span class="pagenum" id="Seite_447">[S. 447]</span> so gegen die Armut des Fremden -vertauschen! Das Erstaunlichste von Vieldeutigkeit und infolgedessen -völliger Inhaltlosigkeit sind wohl die Wörter <em class="gesperrt">Interesse</em>, -<em class="gesperrt">interessant</em> und <em class="gesperrt">interessieren</em>. Vor kurzem hat jemand -in einer großen Tabelle alle möglichen Übersetzungen dieser Wörter -zusammengestellt. Da zeigte sich, daß es kaum ein deutsches Adjektiv -gibt, das nicht durch <em class="gesperrt">interessant</em> übersetzt werden könnte! Ein -so nichtssagendes „Bummelwort“ sollte doch anständigerweise in keinem -Buche und keinem Aufsatze mehr vorkommen.</p> - -<p>Aus der Unklarheit, die durch die Fremdwörter großgezogen wird, -entspringen dann auch so alberne Verbindungen wie: <em class="gesperrt">vorübergehende -Passanten</em>, <em class="gesperrt">dekorativer Schmuck</em>, <em class="gesperrt">neu renovierter Saal</em>, -<em class="gesperrt">Grundprinzip</em>, <em class="gesperrt">Einzelindividuum</em>, <em class="gesperrt">Attentatsversuch</em>, -<em class="gesperrt">defensive Abwehr</em>, <em class="gesperrt">numerische Anzahl</em>, <em class="gesperrt">gemeinsame -Solidarität</em>, <em class="gesperrt">charakteristisches Gepräge</em> (in der Kunst -und Literaturschreiberei äußerst beliebt!), <em class="gesperrt">ausschlaggebendes -Moment</em> u. ähnl. Nicht einmal richtig geschrieben werden manche -Fremdwörter. Wir Deutschen lassen uns keine Gelegenheit entgehen, -über den Fremden zu spotten, der ein deutsches Wort falsch schreibt. -Aber machen wir es denn besser? Nicht bloß der kleine Handwerker -setzt uns eine <em class="gesperrt">Vetterage</em> oder eine <em class="gesperrt">Lamperie</em> auf die -Rechnung statt einer <em class="gesperrt">Vitrage</em> oder eines <em class="gesperrt">Lambris</em>, sondern -auch der Zeitungschreiber schreibt beharrlich <em class="gesperrt">Plebiscit</em>, -<em class="gesperrt">Diaspora</em>, <em class="gesperrt">Atmosphäre</em> (sogar <em class="gesperrt">Athmosphäre</em>), -<em class="gesperrt">Proſelyten</em> statt <em class="gesperrt">Plebiſcit</em>, <em class="gesperrt">Diaſpora</em>, -<em class="gesperrt">Atmoſphäre</em>, <em class="gesperrt">Proselyten</em>. Wer Griechisch versteht, -dem kommt doch <em class="gesperrt">Diaspora</em> und <em class="gesperrt">Proſelyten</em> so vor, wie -wenn einer <em class="gesperrt">Schnürstiefel</em> und <em class="gesperrt">Halſtuch</em> schriebe! Auf -Leipziger Ladenschildern liest man in zehn Fällen kaum einmal richtig -<em class="gesperrt">Email</em>, überall steht <em class="gesperrt">Emaille</em>, ein Wort, das es gar nicht -gibt! <em class="gesperrt">Drogue</em> und <em class="gesperrt">Droguerie</em> werden sogar amtlich in der -„neuen Orthographie“ <em class="gesperrt">Droge</em> und <em class="gesperrt">Drogerie</em> geschrieben, als -ob sie wie <em class="gesperrt">Loge</em> und <em class="gesperrt">Eloge</em> ausgesprochen werden sollten; -man ließe sich noch <em class="gesperrt">Drogerei</em> gefallen, aber -<em class="gesperrt">erie</em> ist -doch eine französische Endung! Wie lange wird man noch <em class="gesperrt">posthum</em><span class="pagenum" id="Seite_448">[S. 448]</span> -mit dem törichten h schreiben! Man kann darauf wetten, daß die meisten -dabei nicht an <span class="antiqua">postumus</span>, sondern an <span class="antiqua">humus</span> denken. Ganz -glücklich sind die Leute, wenn sie in einem Fremdwort ein y anbringen -können; gewöhnlich tun sies aber gerade an der falschen Stelle, wie in -<em class="gesperrt">Sphynx</em>, <em class="gesperrt">Syphon</em>, <em class="gesperrt">Logogryph</em> usw.</p> - -<p>Manche Fremdwörter berauschen die Menschen offenbar durch ihren -Klang, wie <em class="gesperrt">glorreich</em> (in Leipziger Festreden <em class="gesperrt">chlorreich</em> -gesprochen), <em class="gesperrt">historisch</em>, <em class="gesperrt">Material</em>, <em class="gesperrt">Element</em>, -<em class="gesperrt">Moment</em>, <em class="gesperrt">Faktor</em>, <em class="gesperrt">Charakter</em>, <em class="gesperrt">Epoche</em> -und die zahlreichen Wörter auf <em class="gesperrt">ion</em>. <em class="gesperrt">Material</em> wird -in ganz abscheulicher Weise gebraucht: man redet nicht bloß von -<em class="gesperrt">Pferdematerial</em>, sondern auch von <em class="gesperrt">Menschenmaterial</em>, -<em class="gesperrt">Kolonistenmaterial</em>, sogar <em class="gesperrt">Referendarmaterial</em>! Streicht -man das <em class="gesperrt">Material</em>, so bleibt der Sinn derselbe und der Ausdruck -verliert zwar seine klangvolle Breite, aber auch seinen ganz unnötig -geringschätzigen Nebensinn. Zu den nichtsnutzigsten Klingklangwörtern -gehören <em class="gesperrt">Element</em>, <em class="gesperrt">Moment</em> (<em class="gesperrt">das</em> Moment!) und -<em class="gesperrt">Faktor</em>, sie werden ganz sinnlos mißbraucht. Es sind ja -eigentlich lateinische Wörter (<span class="antiqua">elementum</span>, <span class="antiqua">momentum</span>, -<span class="antiqua">factor</span>); wenn man aber einen Satz, worin eins von ihnen -vorkommt, in wirkliches Latein übersetzen wollte, könnte man meist -gar nichts besseres tun, als die Wörter einfach – weglassen. -Liberale <em class="gesperrt">Elemente</em>, bedenkliche, unzuverlässige, gefährliche -<em class="gesperrt">Elemente</em> – das ist doch nichts andres als Männer, Menschen, -<em class="gesperrt">Leute</em>. Glücklicherweise bildeten die anständigen <em class="gesperrt">Elemente</em> -die <em class="gesperrt">Majorität</em> – das heißt doch nichts weiter als: die -anständigen <em class="gesperrt">Leute</em> bildeten die <em class="gesperrt">Mehrheit</em>. <em class="gesperrt">Moment</em> -wie <em class="gesperrt">Faktor</em> aber bedeutet in den meisten Fällen weiter nichts -als <span class="antiqua">res</span>, <span class="antiqua">aliquid</span>, und auch mit <em class="gesperrt">Element</em> ist es -oft nicht anders. Da will einer sagen: trotz aller Erfahrungen im -Seekrieg ist der Torpedo noch immer <em class="gesperrt">etwas neues</em>. Das drückt -er so aus: trotz aller Erfahrungen im Seekrieg ist der Torpedo noch -immer ein <em class="gesperrt">neues Element</em> oder ein <em class="gesperrt">neues Moment</em> oder ein -<em class="gesperrt">neuer Faktor</em> – nun klingt es! Hier sind <em class="gesperrt">drei Momente</em> -zu berücksichtigen, oder hier wirken <em class="gesperrt">drei Faktoren</em> zusammen -– bei Lichte besehen ist es<span class="pagenum" id="Seite_449">[S. 449]</span> weiter nichts als: <em class="gesperrt">dreierlei</em> -(<span class="antiqua">tria</span>). Das wichtigste <em class="gesperrt">Moment</em> – es ist schlechterdings -nichts andres als das <em class="gesperrt">Wichtigste</em>. Der Stock hat von jeher Freud -und Leid mit den Menschen geteilt: dies <em class="gesperrt">Moment</em> findet in der -Glocke einen ergreifenden Ausdruck – wenn diejenigen <em class="gesperrt">Momente</em> -in den Vordergrund gestellt werden, die für die Technik von Wert -und Interesse sind – die Feinhörigkeit ist von osteologischen -<em class="gesperrt">Momenten</em> abhängig – die Studentenauffahrt mit ihren bunten, -malerischen <em class="gesperrt">Momenten</em> entrollte ein interessantes akademisches -(!) Bild – die gestrige Stadtverordnetensitzung bot verschiedne -interessante <em class="gesperrt">Momente</em> – bei jedem entstehenden Reichtum ist -die Arbeit ein mitwirkender <em class="gesperrt">Faktor</em> – sind nicht <em class="gesperrt">Moment</em> -und <em class="gesperrt">Faktor</em> hier ganz taube, inhaltleere Wörter? Bisweilen -kann man wohl <em class="gesperrt">Moment</em> durch <em class="gesperrt">Umstand</em>, <em class="gesperrt">Tatsache</em>, -<em class="gesperrt">Zug</em>, <em class="gesperrt">Seite</em> wiedergeben, ebenso <em class="gesperrt">Faktor</em> bisweilen -durch <em class="gesperrt">Macht</em>, <em class="gesperrt">Kraft</em>, <em class="gesperrt">Mittel</em>, aber in den meisten -Fällen ist es nichts als: <em class="gesperrt">etwas</em>; ein <em class="gesperrt">beunruhigendes -Moment</em>, ein <em class="gesperrt">differenzierendes Moment</em> – es sind doch nur -gespreizte wichtigtuerische Umschreibungen von <em class="gesperrt">Beunruhigung</em> und -<em class="gesperrt">Unterschied</em>.<a id="FNAnker_184" href="#Fussnote_184" class="fnanchor">[184]</a> Nicht viel anders ist es mit <em class="gesperrt">Charakter</em>. -Diese Festlichkeiten haben deshalb einen wertvollen und interessanten -<em class="gesperrt">Charakter</em> – was bedeutet das anders als: sie sind deshalb -wertvoll? Die Raumbildung ist der wesentlichste <em class="gesperrt">Faktor</em>, -der dem Architekten zur Verfügung steht. Daneben ist ein zweiter, -sehr wichtiger <em class="gesperrt">Faktor</em>, um (!) einem Raum <em class="gesperrt">individuellen -Charakter</em> zu geben, die Art seiner Beleuchtung. Das dritte -<em class="gesperrt">Charakterisierungsmoment</em>, das dem Architekten zur Verfügung -steht, ist die Farbengebung. In solch albernem Schwulst wird jetzt der -einfache Gedanke ausgedrückt: der Architekt wirkt durch drei Mittel: -Raum, Licht und Farbe! <em class="gesperrt">Historisch</em> (d. h. <em class="gesperrt">geschichtlich</em> -oder<span class="pagenum" id="Seite_450">[S. 450]</span> <em class="gesperrt">geschichtswissenschaftlich</em>) wird jetzt unsinnigerweise -für <em class="gesperrt">alt</em> oder <em class="gesperrt">altertümlich</em> gebraucht. Man gibt Konzerte -mit <em class="gesperrt">historischen</em> Blasinstrumenten (zu dumm!), schießt auf -der Schützenwiese mit <em class="gesperrt">historischen</em> Armbrüsten, bildet -Fanfarenbläser in <em class="gesperrt">historischer</em> Tracht ab, schwärmt von der -<em class="gesperrt">alten, historischen</em> Markgrafenstadt Meißen und preist die -<em class="gesperrt">althistorischen</em> Sehenswürdigkeiten von Augsburg an. Ganz -arg ist auch der Mißbrauch, der mit <em class="gesperrt">Epoche</em> getrieben wird, -namentlich in den Schriften neuerer Geschichtschreiber. <em class="gesperrt">Epoche</em> -(ἐποχή) bedeutet Haltepunkt, in der Geschichte ein Ereignis, das einen -wichtigen Wendepunkt gebildet hat. So brauchen noch unsre Klassiker -bisweilen das Wort. Schiller nennt noch ganz richtig die Geburt Christi -eine <em class="gesperrt">Epoche</em>, das Ereignis selbst, nicht etwa die Zeit des -Ereignisses! Die <em class="gesperrt">Epoche</em> der Weltliteratur ist an der <em class="gesperrt">Zeit</em> -– sagte Goethe zu Eckermann. Daher stammt ja auch die Verbindung -<em class="gesperrt">epochemachend</em>, d. h. einen Wendepunkt bezeichnend. Das Wort ist -dann auf die Zeit selbst übertragen worden – worin allerdings schon -der alte Goethe erkleckliches geleistet hat –, und heute bezeichnet -man jeden beliebigen Zeitabschnitt, klein oder groß, wichtig oder -unwichtig, als <em class="gesperrt">Epoche</em>. Für Zeit kennen unsre Geschichtschreiber -gar kein andres Wort mehr, sie verwechseln es auch fortwährend mit -<em class="gesperrt">Periode</em>,<a id="FNAnker_185" href="#Fussnote_185" class="fnanchor">[185]</a> reden sogar von <em class="gesperrt">Zeitepoche</em>, unaufhörlich -pochpochpocht es durch ihre Darstellungen! Aber auch die Jahre, in -denen ein tüchtiger Rektor eine Schule geleitet hat, werden schon -eine der inhaltreichsten <em class="gesperrt">Epochen</em> der Schule genannt! Auch -<em class="gesperrt">Generation</em> hats den Leuten angetan, obwohl es zu den zahlreichen -unklaren Fremdwörtern gehört, denn es bedeutet ja <em class="gesperrt">Geschlecht</em> -und auch <em class="gesperrt">Menschenalter</em>; man kann zuweilen geradezu lesen von -der <em class="gesperrt">Generation</em>, die vor drei <em class="gesperrt">Generationen</em> gelebt hat! -Aber es klingt, und das ist die Hauptsache. Wenn sich bei einer -großen Festtafel nach dem zweiten Gange, wo der Wein schon zu wirken -anfängt, einer<span class="pagenum" id="Seite_451">[S. 451]</span> erhebt, und nachdem er einigemal mit <em class="gesperrt">glorreiche -Epoche</em>, <em class="gesperrt">Moment</em>, <em class="gesperrt">Faktor</em>, <em class="gesperrt">zielbewußt</em>, -<em class="gesperrt">unentwegt</em> um sich geworfen hat, schließlich, ehe er „in diesem -Sinne“ sein Glas leert, noch einmal donnert: von <em class="gesperrt">Generatiooon</em> -zu <em class="gesperrt">Generatiooon</em>! so muß ja alles auf dem Kopfe stehen vor -Entzücken. <em class="gesperrt">Von Geschlecht zu Geschlecht</em> – damit tut man keine -Wirkung.</p> - -<p>Im Grunde ist die Fremdwörterfrage eine Frage der Bildung und des -guten Geschmacks. Man könnte mit Rücksicht auf den Gebrauch unnötiger -Fremdwörter die Deutschen in drei Bildungsklassen einteilen: die -unterste Klasse gebraucht die Fremdwörter falsch, die mittlere -gebraucht sie richtig, die oberste gebraucht sie – gar nicht. Daneben -gibts natürlich Misch- und Zwischenklassen, aber die Hauptklassen sind -doch diese drei.</p> - -<p>Der gewöhnliche Mann aus dem Volke weiß in den meisten Fällen gar -nicht, daß er Fremdwörter gebraucht. Woher sollte ers auch wissen? In -eine fremde Sprache hat er nie hineingeblickt, über seinen Wortschatz -macht er sich keine Gedanken, entweder versteht er ein Wort, oder er -versteht es nicht – die Fremdwörter versteht er meist nicht; ob die -Wörter, die er gebraucht, deutsch sind oder einer fremden Sprache -angehören, vermag er nicht zu beurteilen. In Leipzig ist z. B. dem -kleinen Handwerker und Krämer, dem untern Beamten, dem Kutscher, dem -Packträger, dem Kellner das Wort <em class="gesperrt">zurück</em> fast unbekannt. Wenns -ers gedruckt liest, versteht ers wohl, aber seinem Wortschatze gehört -es nicht an, er kennt nur das Wort <em class="gesperrt">reduhr</em> (<em class="gesperrt">retour</em>), das -ist für ihn deutsch! Er sagt: ich kriege zehn Fennche <em class="gesperrt">reduhr</em> – -schiebe mal de Karre <em class="gesperrt">reduhr</em> – um zehne fahrmer <em class="gesperrt">reduhr</em> -– Müller is in seinem Jeschäfte <em class="gesperrt">redur</em>jekommen (denn auch in -Leipzig wird jetzt vielfach <em class="gesperrt">jesehen</em>, <em class="gesperrt">jekommen</em> gesagt). So -gibt es noch eine Menge von Fremdwörtern aus dem täglichen Leben, die -er ganz richtig gebraucht, die aber eben für ihn so gut wie deutsche -Wörter sind, wie <em class="gesperrt">Gongerrenz</em> (Konkurrenz), <em class="gesperrt">degerieren</em> -(dekorieren), <em class="gesperrt">mummendahn</em>, <em class="gesperrt">orchinell</em> u. a. Die meisten -aber gebraucht er falsch oder halbfalsch: entweder er verdirbt oder -verstümmelt ihre<span class="pagenum" id="Seite_452">[S. 452]</span> Form, oder er wendet sie in falscher Bedeutung an, -oder er verwechselt zwei miteinander: er sagt <em class="gesperrt">absorbieren</em>, wo er -<em class="gesperrt">absolvieren</em> meint (meine Tochter hat die höhere Töchterschule -<em class="gesperrt">absorbiert</em>), er fordert <em class="gesperrt">Reduzierung</em> der Arbeitslöhne -(statt <em class="gesperrt">Regulierung</em>) und erbietet sich, wenn er eine Stelle -sucht, <em class="gesperrt">Primadifferenzen</em> vorzulegen, spricht von <em class="gesperrt">rabiater</em> -Geschwindigkeit (statt von <em class="gesperrt">rapider</em>) und von der Gefahr, die es -hat, wenn ein Schlaganfall <em class="gesperrt">repartiert</em> (statt <em class="gesperrt">repetiert</em>), -verwechselt <em class="gesperrt">luxuriös</em> und <em class="gesperrt">lukrativ</em> (wir können nicht so -<em class="gesperrt">lukrativ</em> bauen wie die reichen Leute), versteht <em class="gesperrt">intakt</em> -als <em class="gesperrt">in Takt</em>, gebraucht <em class="gesperrt">irritieren</em> in dem Sinne von -<em class="gesperrt">irre machen</em>, <em class="gesperrt">stören</em>, leitet <em class="gesperrt">affektiert</em> von -<em class="gesperrt">Affe</em> ab, bringt überall ein bißchen „französische“ Aussprache -an: <em class="gesperrt">Orschester</em>, <em class="gesperrt">Sanktimeter</em>, <em class="gesperrt">Parangthese</em>, -<em class="gesperrt">Deelephong</em>, <em class="gesperrt">Biweh</em> (Büfett!), <em class="gesperrt">Serwih</em> (Service), -<em class="gesperrt">Dabbeldooh</em> und prophezeit von einem neuen Konzertsaal: wenn er -ene gute <em class="gesperrt">Renässangs</em> (Resonanz) kriegt, kriegt er ooch ene gute -<em class="gesperrt">Augustik</em> (Akustik).</p> - -<p>Nun die mittlere Klasse. Das sind die, die sich so viel Kenntnis -fremder Sprachen angeeignet haben, daß sie von einer großen Anzahl von -Fremdwörtern die Ableitung, die eigentliche Bedeutung kennen, auf diese -Wissenschaft (wenn sie sich mit den unter ihnen stehenden vergleichen, -die <em class="gesperrt">Gratifikation</em> und <em class="gesperrt">Gravitation</em> verwechseln) sehr -stolz sind und ihre hohe Bildung nun durch möglichst häufigen Gebrauch -von Fremdwörtern an den Tag zu legen suchen. Das ist die gefährliche -Klasse. Sie werfen sich in die Brust und meinen, sie hätten wunder -was gesagt, wenn sie von <em class="gesperrt">lokalem Konsum</em> reden, statt von -<em class="gesperrt">örtlichem Verbrauch</em>.</p> - -<p>Über dieser aber gibt es noch eine dritte Klasse. Es ist ein Zeichen -höchster und vornehmster Bildung, wenn man durch die Erlernung fremder -Sprachen zugleich seine Muttersprache so hat beherrschen lernen, daß -man die fremden Flicken und Lappen entbehren, daß man wirklich deutsch -reden kann.</p> - -<figure class="figcenter illowe3" id="deko11"> - <img class="w100 padtop1" src="images/deko.png" alt="Deko"> -</figure> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_453">[S. 453]</span></p> - -<figure class="figcenter illowe50" id="borduere1g"> - <img class="w100 mtop3" src="images/borduere1.png" alt="Zierband"> -</figure> - -<h2 class="nopad" id="Alphabetisches_Wortregister">Alphabetisches Wortregister</h2> -</div> - -<div class="inx"> - -<ul class="index"> - -<li class="ifrst">ab statt von <a href="#Seite_432">432</a></li> - -<li class="indx">abdecken <a href="#Seite_359">359</a></li> - -<li class="indx">abend und abends <a href="#Seite_261">261</a></li> - -<li class="indx">Abmessung <a href="#Seite_435">435</a></li> - -<li class="indx">abpflastern <a href="#Seite_359">359</a></li> - -<li class="indx">abschlägig und abschläglich <a href="#Seite_83">83</a></li> - -<li class="indx">abstürzen <a href="#Seite_374">374</a></li> - -<li class="indx">Abteil <a href="#Seite_434">434</a></li> - -<li class="indx">abzüglich <a href="#Seite_421">421</a></li> - -<li class="indx">Achtung für oder vor <a href="#Seite_349">349</a></li> - -<li class="indx">adlig und adlich <a href="#Seite_81">81</a></li> - -<li class="indx">Affäre <a href="#Seite_444">444</a></li> - -<li class="indx">Afrikareisender <a href="#Seite_193">193</a></li> - -<li class="indx">Aktiengesellschaft <a href="#Seite_199">199</a></li> - -<li class="indx">alle <a href="#Seite_31">31</a></li> - -<li class="indx">alle oder aller vier Wochen <a href="#Seite_259">259</a></li> - -<li class="indx">allmählich <a href="#Seite_81">81</a></li> - -<li class="indx">Alltag <a href="#Seite_362">362</a></li> - -<li class="indx">alpine Flora <a href="#Seite_185">185</a></li> - -<li class="indx">als beim Komparativ <a href="#Seite_268">268</a></li> - -<li class="indx">als ob, als wenn <a href="#Seite_157">157</a></li> - -<li class="indx">altbacken <a href="#Seite_59">59</a></li> - -<li class="indx">Altheidelberg, Altweimar <a href="#Seite_191">191</a></li> - -<li class="indx">Altmeister <a href="#Seite_190">190</a></li> - -<li class="indx">Altmeißner Porzellan <a href="#Seite_191">191</a></li> - -<li class="indx">anbelangen, anbetreffen <a href="#Seite_407">407</a></li> - -<li class="indx">anders <a href="#Seite_47">47</a></li> - -<li class="indx">anderthalb <a href="#Seite_49">49</a></li> - -<li class="indx">andersartig <a href="#Seite_409">409</a></li> - -<li class="indx">andres, ein <a href="#Seite_48">48</a></li> - -<li class="indx">Anfang und Anfangs <a href="#Seite_261">261</a></li> - -<li class="indx">angängig <a href="#Seite_373">373</a></li> - -<li class="indx">angehen <a href="#Seite_239">239</a></li> - -<li class="indx">Angehöriger <a href="#Seite_34">34</a></li> - -<li class="indx">Angel <a href="#Seite_19">19</a></li> - -<li class="indx">Anhaltspunkt <a href="#Seite_73">73</a></li> - -<li class="indx">anklagen, beklagen, verklagen <a href="#Seite_358">358</a></li> - -<li class="indx">Anlage und Anlegung <a href="#Seite_344">344</a></li> - -<li class="indx">anläßlich <a href="#Seite_420">420</a></li> - -<li class="indx">anliefern <a href="#Seite_359">359</a></li> - -<li class="indx">anormal <a href="#Seite_441">441</a></li> - -<li class="indx">anscheinend <a href="#Seite_341">341</a></li> - -<li class="indx">anschneiden, eine Frage <a href="#Seite_375">375</a></li> - -<li class="indx">anschließen, sich <a href="#Seite_341">341</a></li> - -<li class="indx">Anteilnahme <a href="#Seite_408">408</a></li> - -<li class="indx">antideutsch <a href="#Seite_88">88</a></li> - -<li class="indx">antwortlich <a href="#Seite_419">419</a></li> - -<li class="indx">Anwaltstag <a href="#Seite_76">76</a></li> - -<li class="indx">Anzahl <a href="#Seite_96">96</a></li> - -<li class="indx">Apfelwein <a href="#Seite_74">74</a></li> - -<li class="indx">Apostel <a href="#Seite_19">19</a></li> - -<li class="indx">Arbeitgeber <a href="#Seite_80">80</a></li> - -<li class="indx">Arbeitnehmer <a href="#Seite_362">362</a></li> - -<li class="indx">Arm <a href="#Seite_16">16</a></li> - -<li class="indx">Armesünderglocke <a href="#Seite_206">206</a></li> - -<li class="indx">Aschenbecher <a href="#Seite_70">70</a></li> - -<li class="indx">Ärztetag <a href="#Seite_70">70</a></li> - -<li class="indx">Ärztin <a href="#Seite_68">68</a></li> - -<li class="indx">Attentäter <a href="#Seite_67">67</a></li> - -<li class="indx">auf Festung, auf Jagd <a href="#Seite_275">275</a></li> - -<li class="indx">aufliefern <a href="#Seite_359">359</a></li> - -<li class="indx">Aufregung und Aufgeregtheit <a href="#Seite_345">345</a></li> - -<li class="indx">aufrollen, eine Frage <a href="#Seite_375">375</a></li> - -<li class="indx">auftraggemäß <a href="#Seite_387">387</a></li> - -<li class="indx">augenscheinlich <a href="#Seite_341">341</a></li> - -<li class="indx">Aurikel <a href="#Seite_19">19</a></li> - -<li class="indx">ausbezahlen <a href="#Seite_407">407</a></li> - -<li class="indx"><span class="pagenum" id="Seite_454">[S. 454]</span> - Ausfuhr u. Ausführung <a href="#Seite_344">344</a></li> - -<li class="indx">Ausgabe, erste seltene <a href="#Seite_301">301</a></li> - -<li class="indx">ausgehen <a href="#Seite_355">355</a></li> - -<li class="indx">ausgeschlossen <a href="#Seite_391">391</a></li> - -<li class="indx">Auskunftei Schimmelpfeng <a href="#Seite_203">203</a></li> - -<li class="indx">auslösen <a href="#Seite_375">375</a></li> - -<li class="indx">Ausreise <a href="#Seite_363">363</a></li> - -<li class="indx">ausschließlich <a href="#Seite_420">420</a></li> - -<li class="indx">Ausschmuck <a href="#Seite_345">345</a></li> - -<li class="indx">ausschalten <a href="#Seite_375">375</a></li> - -<li class="indx">Autograph <a href="#Seite_18">18</a></li> - -<li class="ifrst">Baby <a href="#Seite_438">438</a></li> - -<li class="indx">Bachkantate <a href="#Seite_195">195</a></li> - -<li class="indx">baden <a href="#Seite_56">56</a></li> - -<li class="indx">Bad-Kissingen <a href="#Seite_218">218</a></li> - -<li class="indx">baldgefälligst <a href="#Seite_43">43</a></li> - -<li class="indx">Bande, Bände, Bänder <a href="#Seite_20">20</a></li> - -<li class="indx">Beamter <a href="#Seite_33">33</a></li> - -<li class="indx">Beamtin <a href="#Seite_69">69</a></li> - -<li class="indx">bedanken <a href="#Seite_243">243</a></li> - -<li class="indx">bedeuten statt sein <a href="#Seite_376">376</a></li> - -<li class="indx">bedeutsam <a href="#Seite_369">369</a></li> - -<li class="indx">bedingen <a href="#Seite_398">398</a></li> - -<li class="indx">beföhle <a href="#Seite_63">63</a></li> - -<li class="indx">Begleiterscheinung <a href="#Seite_363">363</a></li> - -<li class="indx">begönne <a href="#Seite_63">63</a></li> - -<li class="indx">begründen und gründen <a href="#Seite_358">358</a></li> - -<li class="indx">begrüßen <a href="#Seite_376">376</a></li> - -<li class="indx">behufs <a href="#Seite_418">418</a></li> - -<li class="indx">bei statt von <a href="#Seite_351">351</a></li> - -<li class="indx">beide <a href="#Seite_37">37</a></li> - -<li class="indx">beiderlei Geschlechts <a href="#Seite_290">290</a></li> - -<li class="indx">beiläufig <a href="#Seite_431">431</a></li> - -<li class="indx">bekannt als, berühmt als <a href="#Seite_214">214</a></li> - -<li class="indx">bekannt geben <a href="#Seite_376">376</a></li> - -<li class="indx">beklagen, anklagen, verklagen <a href="#Seite_358">358</a></li> - -<li class="indx">Beklagtin <a href="#Seite_69">69</a></li> - -<li class="indx">belanglos, belangreich <a href="#Seite_370">370</a></li> - -<li class="indx">beheben <a href="#Seite_354">354</a></li> - -<li class="indx">belegen sein <a href="#Seite_354">354</a>. <a href="#Seite_358">358</a></li> - -<li class="indx">Beleuchtungskörper <a href="#Seite_365">365</a></li> - -<li class="indx">belichten <a href="#Seite_365">365</a></li> - -<li class="indx">benötigen <a href="#Seite_430">430</a></li> - -<li class="indx">bereits schon <a href="#Seite_290">290</a></li> - -<li class="indx">Bergmann <a href="#Seite_4">4</a></li> - -<li class="indx">Bericht erstatten <a href="#Seite_280">280</a></li> - -<li class="indx">berichten <a href="#Seite_240">240</a></li> - -<li class="indx">besitzen statt haben <a href="#Seite_410">410</a></li> - -<li class="indx">besönne <a href="#Seite_63">63</a></li> - -<li class="indx">besser statt gut <a href="#Seite_370">370</a></li> - -<li class="indx">bewähren, sich, als <a href="#Seite_215">215</a></li> - -<li class="indx">bewerten <a href="#Seite_385">385</a></li> - -<li class="indx">beziffern sich <a href="#Seite_376">376</a></li> - -<li class="indx">Beziehung, Bezug, Bezugnahme <a href="#Seite_345">345</a></li> - -<li class="indx">beziehentlich, beziehungsweise <a href="#Seite_426">426</a></li> - -<li class="indx">Biere <a href="#Seite_337">337</a></li> - -<li class="indx">bilden statt sein <a href="#Seite_377">377</a></li> - -<li class="indx">billig <a href="#Seite_81">81</a></li> - -<li class="indx">bis <a href="#Seite_257">257</a></li> - -<li class="indx">bislang <a href="#Seite_386">386</a></li> - -<li class="indx">Bismarckbeleidigung <a href="#Seite_198">198</a></li> - -<li class="indx">Blatt und Blätter <a href="#Seite_24">24</a></li> - -<li class="indx">Blättermeldung <a href="#Seite_361">361</a></li> - -<li class="indx">Blau, das, und das Blaue <a href="#Seite_35">35</a></li> - -<li class="indx">blumistisch <a href="#Seite_88">88</a></li> - -<li class="indx">Blüthnerflügel <a href="#Seite_196">196</a></li> - -<li class="indx">Boden <a href="#Seite_16">16</a></li> - -<li class="indx">Bogen <a href="#Seite_16">16</a></li> - -<li class="indx">Boot <a href="#Seite_16">16</a></li> - -<li class="indx">brauchen oder gebraucht <a href="#Seite_61">61</a></li> - -<li class="indx">brauchen mit Infinitiv <a href="#Seite_292">292</a></li> - -<li class="indx">brauchen und gebrauchen <a href="#Seite_354">354</a></li> - -<li class="indx">bringen, zur Aufführung <a href="#Seite_416">416</a></li> - -<li class="indx">Brot <a href="#Seite_16">16</a></li> - -<li class="indx">Buckel <a href="#Seite_19">19</a></li> - -<li class="ifrst">Café Bauer <a href="#Seite_201">201</a></li> - -<li class="indx">Charakter <a href="#Seite_449">449</a></li> - -<li class="indx">chic <a href="#Seite_437">437</a></li> - -<li class="indx">Cypernwein <a href="#Seite_192">192</a></li> - -<li class="ifrst">da und dort <a href="#Seite_386">386</a></li> - -<li class="indx">dabei, dafür, darin <a href="#Seite_231">231</a></li> - -<li class="indx">dank <a href="#Seite_247">247</a></li> - -<li class="indx">Darbietung <a href="#Seite_368">368</a></li> - -<li class="indx"><span class="pagenum" id="Seite_455">[S. 455]</span> - Darlehen <a href="#Seite_4">4</a></li> - -<li class="indx">darstellen statt sein oder bilden <a href="#Seite_377">377</a></li> - -<li class="indx">das und was <a href="#Seite_116">116</a></li> - -<li class="indx">denkbar beim Superlativ <a href="#Seite_43">43</a></li> - -<li class="indx">Denkmal <a href="#Seite_20">20</a></li> - -<li class="indx">denn beim Komparativ <a href="#Seite_268">268</a></li> - -<li class="indx">der der, die die, das das <a href="#Seite_115">115</a></li> - -<li class="indx">der, die, das als Relativpronomen <a href="#Seite_112">112</a></li> - -<li class="indx">deren <a href="#Seite_40">40</a></li> - -<li class="indx">deren und derer <a href="#Seite_45">45</a></li> - -<li class="indx">derem und dessem <a href="#Seite_45">45</a></li> - -<li class="indx">derjenige, welcher <a href="#Seite_235">235</a></li> - -<li class="indx">derselbe <a href="#Seite_226">226</a></li> - -<li class="indx">derselbige <a href="#Seite_235">235</a></li> - -<li class="indx">dessen <a href="#Seite_40">40</a></li> - -<li class="indx">Deutsch, das, und das Deutsche <a href="#Seite_35">35</a></li> - -<li class="indx">Deutsche, wir, und wir Deutschen <a href="#Seite_36">36</a></li> - -<li class="indx">Dichter-Komponist <a href="#Seite_220">220</a></li> - -<li class="indx">Ding <a href="#Seite_21">21</a></li> - -<li class="indx">direkt <a href="#Seite_445">445</a></li> - -<li class="indx">Doktor-Ingenieur <a href="#Seite_220">220</a></li> - -<li class="indx"><span class="antiqua">Dr.</span>, weiblich <a href="#Seite_277">277</a></li> - -<li class="indx">drängen <a href="#Seite_53">53</a></li> - -<li class="indx">draußen, drinnen <a href="#Seite_353">353</a></li> - -<li class="indx">dreimonatig und dreimonatlich <a href="#Seite_82">82</a></li> - -<li class="indx">dringen <a href="#Seite_53">53</a></li> - -<li class="indx">Dritte, der, statt der Andre <a href="#Seite_347">347</a></li> - -<li class="indx">drittehalb <a href="#Seite_49">49</a></li> - -<li class="indx">Droguerie <a href="#Seite_447">447</a></li> - -<li class="indx">drüben und hüben <a href="#Seite_353">353</a></li> - -<li class="indx">dünken <a href="#Seite_53">53</a></li> - -<li class="indx">durch statt von <a href="#Seite_351">351</a></li> - -<li class="indx">durch von der Zeit <a href="#Seite_263">263</a></li> - -<li class="indx">durch und wegen <a href="#Seite_349">349</a></li> - -<li class="indx">durchwegs <a href="#Seite_422">422</a></li> - -<li class="indx">Dürerzeichnung <a href="#Seite_195">195</a></li> - -<li class="indx">dürfen <a href="#Seite_347">347</a></li> - -<li class="indx">dürfen mit Recht <a href="#Seite_290">290</a></li> - -<li class="ifrst">Edition Peters <a href="#Seite_201">201</a></li> - -<li class="indx">Effekt <a href="#Seite_18">18</a></li> - -<li class="indx">ehe nicht <a href="#Seite_272">272</a></li> - -<li class="indx">Ehrung <a href="#Seite_368">368</a></li> - -<li class="indx">eigenartig <a href="#Seite_370">370</a></li> - -<li class="indx">ein andres <a href="#Seite_48">48</a></li> - -<li class="indx">Einakter <a href="#Seite_362">362</a></li> - -<li class="indx">einander gegenseitig <a href="#Seite_290">290</a></li> - -<li class="indx">eindecken <a href="#Seite_359">359</a></li> - -<li class="indx">einer nicht statt keiner <a href="#Seite_270">270</a></li> - -<li class="indx">eines, einem, einen <a href="#Seite_46">46</a></li> - -<li class="indx">ein Goethe <a href="#Seite_276">276</a></li> - -<li class="indx">einige <a href="#Seite_31">31</a></li> - -<li class="indx">einig sein, sich <a href="#Seite_342">342</a></li> - -<li class="indx">einliefern <a href="#Seite_339">339</a></li> - -<li class="indx">ein Maler drei, ein Stücker drei <a href="#Seite_245">245</a></li> - -<li class="indx">einmal statt erstens <a href="#Seite_342">342</a></li> - -<li class="indx">Einnahmsquelle <a href="#Seite_78">78</a></li> - -<li class="indx">einschätzen <a href="#Seite_377">377</a></li> - -<li class="indx">einschließlich <a href="#Seite_420">420</a></li> - -<li class="indx">einsetzen <a href="#Seite_378">378</a></li> - -<li class="indx">Einsichtnahme <a href="#Seite_408">408</a></li> - -<li class="indx">einstellen <a href="#Seite_380">380</a></li> - -<li class="indx">einundderselbe <a href="#Seite_46">46</a>. <a href="#Seite_226">226</a></li> - -<li class="indx">einwandfrei <a href="#Seite_370">370</a></li> - -<li class="indx">einwerten <a href="#Seite_386">386</a></li> - -<li class="indx">einzig <a href="#Seite_44">44</a></li> - -<li class="indx">Eisenbahner <a href="#Seite_67">67</a></li> - -<li class="indx">Element <a href="#Seite_448">448</a></li> - -<li class="indx">Eltern <a href="#Seite_29">29</a></li> - -<li class="indx">Email <a href="#Seite_447">447</a></li> - -<li class="indx">empfangen und erhalten <a href="#Seite_341">341</a></li> - -<li class="indx">empföhle <a href="#Seite_63">63</a></li> - -<li class="indx">empor <a href="#Seite_257">257</a></li> - -<li class="indx">entblöden, sich <a href="#Seite_356">356</a></li> - -<li class="indx">entfallen statt fallen <a href="#Seite_354">354</a>. <a href="#Seite_356">356</a></li> - -<li class="indx">entgegennehmen <a href="#Seite_380">380</a></li> - -<li class="indx">entleihen <a href="#Seite_356">356</a></li> - -<li class="indx">entlohnen <a href="#Seite_354">354</a>. <a href="#Seite_356">356</a></li> - -<li class="indx">entnüchtern, ernüchtern <a href="#Seite_359">359</a></li> - -<li class="indx">Entscheid <a href="#Seite_345">345</a></li> - -<li class="indx">Epoche <a href="#Seite_450">450</a></li> - -<li class="indx">erblicken <a href="#Seite_406">406</a></li> - -<li class="indx">erbringen <a href="#Seite_354">354</a></li> - -<li class="indx"><span class="pagenum" id="Seite_456">[S. 456]</span> - Erfolg <a href="#Seite_340">340</a></li> - -<li class="indx">erfolgen <a href="#Seite_344">344</a></li> - -<li class="indx">erhalten und empfangen <a href="#Seite_341">341</a></li> - -<li class="indx">erhältlich <a href="#Seite_364">364</a></li> - -<li class="indx">erheben, sich <a href="#Seite_341">341</a></li> - -<li class="indx">erheblich <a href="#Seite_371">371</a></li> - -<li class="indx">erholen, sich, Rats <a href="#Seite_241">241</a></li> - -<li class="indx">erhoffen <a href="#Seite_354">354</a></li> - -<li class="indx">erinnern, auf etwas <a href="#Seite_431">431</a></li> - -<li class="indx">erlauben <a href="#Seite_355">355</a></li> - -<li class="indx">Erleben, das <a href="#Seite_397">397</a></li> - -<li class="indx">eröffnen <a href="#Seite_355">355</a></li> - -<li class="indx">Erscheinung, in die, treten <a href="#Seite_383">383</a></li> - -<li class="indx">erschrecken <a href="#Seite_51">51</a></li> - -<li class="indx">Erstaufführung <a href="#Seite_188">188</a></li> - -<li class="indx">Erstausgabe, Erstdruck <a href="#Seite_188">188</a></li> - -<li class="indx">erstbeste <a href="#Seite_43">43</a></li> - -<li class="indx">erste Künstler <a href="#Seite_245">245</a></li> - -<li class="indx">erstellen <a href="#Seite_355">355</a></li> - -<li class="indx">ersterer <a href="#Seite_223">223</a></li> - -<li class="indx">erstklassig <a href="#Seite_364">364</a></li> - -<li class="indx">erstmalig <a href="#Seite_407">407</a></li> - -<li class="indx">erstmals <a href="#Seite_386">386</a></li> - -<li class="indx">erübrigen statt übrig bleiben <a href="#Seite_380">380</a></li> - -<li class="indx">erübrigen, sich, statt überflüssig sein <a href="#Seite_380">380</a></li> - -<li class="indx">Erwerb und Erwerbung <a href="#Seite_345">345</a></li> - -<li class="indx">erzielen <a href="#Seite_381">381</a></li> - -<li class="indx">essen <a href="#Seite_62">62</a></li> - -<li class="indx">Essen-Ruhr <a href="#Seite_200">200</a></li> - -<li class="indx"><span class="antiqua">et</span>, & 267</li> - -<li class="indx">Etikett, das <a href="#Seite_23">23</a></li> - -<li class="indx">etwas andres <a href="#Seite_48">48</a></li> - -<li class="indx">etwas nicht statt nichts <a href="#Seite_270">270</a></li> - -<li class="indx">euer und eurer <a href="#Seite_44">44</a></li> - -<li class="indx">Eure Majestät <a href="#Seite_45">45</a></li> - -<li class="indx">eventuell <a href="#Seite_437">437</a></li> - -<li class="indx">existieren <a href="#Seite_436">436</a></li> - -<li class="indx">Exlibris <a href="#Seite_203">203</a></li> - -<li class="ifrst">Fabriksmädchen <a href="#Seite_78">78</a></li> - -<li class="indx">Façon, das <a href="#Seite_23">23</a></li> - -<li class="indx">fahren und führen <a href="#Seite_56">56</a>. <a href="#Seite_166">166</a></li> - -<li class="indx">Fahrkarte <a href="#Seite_434">434</a></li> - -<li class="indx">Fahrrichtung <a href="#Seite_74">74</a></li> - -<li class="indx">Faktor <a href="#Seite_449">449</a></li> - -<li class="indx">Falschstück <a href="#Seite_188">188</a></li> - -<li class="indx">falten <a href="#Seite_56">56</a></li> - -<li class="indx">Fehlbetrag <a href="#Seite_363">363</a></li> - -<li class="indx">Fels und Felsen <a href="#Seite_5">5</a></li> - -<li class="indx">fertigstellen <a href="#Seite_402">402</a></li> - -<li class="indx">Feste, die <a href="#Seite_34">34</a></li> - -<li class="indx">festlegen <a href="#Seite_403">403</a></li> - -<li class="indx">Feuerbestattung <a href="#Seite_365">365</a></li> - -<li class="indx">finden, sich <a href="#Seite_432">432</a></li> - -<li class="indx">Firma, das <a href="#Seite_23">23</a></li> - -<li class="indx">folgender <a href="#Seite_27">27</a></li> - -<li class="indx">forstlich <a href="#Seite_185">185</a></li> - -<li class="indx">fort <a href="#Seite_404">404</a></li> - -<li class="indx">fragen <a href="#Seite_54">54</a></li> - -<li class="indx">Frauenkirche <a href="#Seite_70">70</a></li> - -<li class="indx">Frau und Kinder <a href="#Seite_276">276</a></li> - -<li class="indx">Fräulein, das oder die <a href="#Seite_276">276</a></li> - -<li class="indx">Fräulein Braut, Tochter <a href="#Seite_277">277</a></li> - -<li class="indx">Freisinn <a href="#Seite_362">362</a></li> - -<li class="indx">Fremder <a href="#Seite_33">33</a></li> - -<li class="indx">Fremdsprache <a href="#Seite_188">188</a></li> - -<li class="indx">fremdsprachig und fremdsprachlich <a href="#Seite_81">81</a></li> - -<li class="indx">Friede <a href="#Seite_5">5</a></li> - -<li class="indx">Frischluft <a href="#Seite_189">189</a></li> - -<li class="indx">froh in Zusammensetzungen (arbeitsfroh) 371</li> - -<li class="indx">Fühlen, das <a href="#Seite_396">396</a></li> - -<li class="indx">führende Geister <a href="#Seite_381">381</a></li> - -<li class="indx">fünfzig und funfzig <a href="#Seite_49">49</a></li> - -<li class="indx">fünfzigjähriger Geburtstag <a href="#Seite_246">246</a></li> - -<li class="indx">Funke <a href="#Seite_5">5</a></li> - -<li class="indx">für und über <a href="#Seite_349">349</a></li> - -<li class="indx">für und zu <a href="#Seite_349">349</a></li> - -<li class="indx">Fürst <a href="#Seite_4">4</a></li> - -<li class="indx">fußfrei <a href="#Seite_210">210</a></li> - -<li class="ifrst">Ganzes oder Ganze <a href="#Seite_25">25</a>. <a href="#Seite_33">33</a></li> - -<li class="indx">Garage <a href="#Seite_436">436</a></li> - -<li class="indx">Garne <a href="#Seite_337">337</a></li> - -<li class="indx">Gartenlaubekalender <a href="#Seite_70">70</a></li> - -<li class="indx"><span class="pagenum" id="Seite_457">[S. 457]</span> - Gastwirtstag, Gastwirtsverein <a href="#Seite_76">76</a></li> - -<li class="indx">Gau <a href="#Seite_4">4</a></li> - -<li class="indx">geartet <a href="#Seite_409">409</a></li> - -<li class="indx">geboren werden, geboren sein <a href="#Seite_108">108</a></li> - -<li class="indx">gebrauchen und brauchen <a href="#Seite_354">354</a></li> - -<li class="indx">Geburtstag <a href="#Seite_16">16</a>. <a href="#Seite_246">246</a></li> - -<li class="indx">Gedanke <a href="#Seite_5">5</a></li> - -<li class="indx">gedienter Soldat <a href="#Seite_166">166</a></li> - -<li class="indx">Gefalle <a href="#Seite_5">5</a></li> - -<li class="indx">gefeiert als <a href="#Seite_214">214</a></li> - -<li class="indx">Gefertigte, der <a href="#Seite_430">430</a></li> - -<li class="indx">Gefolge, im – haben <a href="#Seite_381">381</a></li> - -<li class="indx">Gehalte und Gehälter <a href="#Seite_20">20</a>. <a href="#Seite_22">22</a></li> - -<li class="indx">Geistlicher <a href="#Seite_33">33</a></li> - -<li class="indx">gelagerter Fall <a href="#Seite_408">408</a></li> - -<li class="indx">Gelände <a href="#Seite_435">435</a></li> - -<li class="indx">gelangen, zur Aufführung <a href="#Seite_416">416</a></li> - -<li class="indx">gelegentlich <a href="#Seite_420">420</a></li> - -<li class="indx">Gelehrter <a href="#Seite_33">33</a></li> - -<li class="indx">gelernter Kellner <a href="#Seite_166">166</a></li> - -<li class="indx">gemäß <a href="#Seite_248">248</a></li> - -<li class="indx">Gemäßheit, in <a href="#Seite_420">420</a></li> - -<li class="indx">General <a href="#Seite_17">17</a></li> - -<li class="indx">Generation <a href="#Seite_450">450</a></li> - -<li class="indx">Gepflogenheit <a href="#Seite_362">362</a></li> - -<li class="indx">Gesangpädagog <a href="#Seite_442">442</a></li> - -<li class="indx">geschaffen, geschafft <a href="#Seite_52">52</a></li> - -<li class="indx">Geschäft <a href="#Seite_21">21</a></li> - -<li class="indx">geschleift, geschliffen <a href="#Seite_52">52</a></li> - -<li class="indx">Geschmack <a href="#Seite_22">22</a></li> - -<li class="indx">geschweige denn <a href="#Seite_273">273</a></li> - -<li class="indx">gesessen sein, gesessen haben <a href="#Seite_59">59</a></li> - -<li class="indx">Gesichte und Gesichter <a href="#Seite_20">20</a></li> - -<li class="indx">Gesichtspunkt <a href="#Seite_393">393</a></li> - -<li class="indx">gesinnt, gesonnen <a href="#Seite_52">52</a></li> - -<li class="indx">gestanden sein, gestanden haben <a href="#Seite_59">59</a>. <a href="#Seite_168">168</a></li> - -<li class="indx">gestatten <a href="#Seite_381">381</a></li> - -<li class="indx">getragen <a href="#Seite_382">382</a></li> - -<li class="indx">Gewand <a href="#Seite_20">20</a></li> - -<li class="indx">Gewerk und Gewerke <a href="#Seite_4">4</a></li> - -<li class="indx">Gewinn <a href="#Seite_21">21</a></li> - -<li class="indx">Gewölbe <a href="#Seite_21">21</a></li> - -<li class="indx">gewönne <a href="#Seite_63">63</a></li> - -<li class="indx">glasieren <a href="#Seite_88">88</a></li> - -<li class="indx">glatt <a href="#Seite_371">371</a></li> - -<li class="indx">Glaube <a href="#Seite_5">5</a></li> - -<li class="indx">gleiche, der <a href="#Seite_226">226</a></li> - -<li class="indx">Goethebiographie, Goethedenkmal <a href="#Seite_194">194</a></li> - -<li class="indx">gölte <a href="#Seite_63">63</a></li> - -<li class="indx">Griffelkunst <a href="#Seite_363">363</a></li> - -<li class="indx">Großfeuer <a href="#Seite_189">189</a></li> - -<li class="indx">großzügig <a href="#Seite_371">371</a></li> - -<li class="indx">größtmöglichst <a href="#Seite_43">43</a></li> - -<li class="indx">Grund und Boden <a href="#Seite_46">46</a></li> - -<li class="indx">gründen und begründen <a href="#Seite_358">358</a></li> - -<li class="ifrst">Haar, Haare <a href="#Seite_338">338</a></li> - -<li class="indx">Hader <a href="#Seite_19">19</a></li> - -<li class="indx">Halle-Saale <a href="#Seite_200">200</a></li> - -<li class="indx">hangen und hängen <a href="#Seite_51">51</a></li> - -<li class="indx">Hannoveraner <a href="#Seite_88">88</a></li> - -<li class="indx">Haufe <a href="#Seite_5">5</a></li> - -<li class="indx">Haus <a href="#Seite_390">390</a></li> - -<li class="indx">Hause, nach <a href="#Seite_351">351</a></li> - -<li class="indx">hausbacken <a href="#Seite_59">59</a></li> - -<li class="indx">haußen, hinnen <a href="#Seite_353">353</a></li> - -<li class="indx">Heiliger <a href="#Seite_33">33</a></li> - -<li class="indx">heißen <a href="#Seite_239">239</a></li> - -<li class="indx">heißen oder geheißen <a href="#Seite_60">60</a></li> - -<li class="indx">-heit, Wörter auf <a href="#Seite_345">345</a></li> - -<li class="indx">Heizkörper <a href="#Seite_365">365</a></li> - -<li class="indx">Held <a href="#Seite_4">4</a></li> - -<li class="indx">helfen oder geholfen <a href="#Seite_61">61</a></li> - -<li class="indx">her und hin <a href="#Seite_352">352</a></li> - -<li class="indx">herab, heran, herunter <a href="#Seite_353">353</a></li> - -<li class="indx">Herabminderung <a href="#Seite_408">408</a></li> - -<li class="indx">herauf und hinauf, herein und hinein <a href="#Seite_352">352</a></li> - -<li class="indx">herausbilden <a href="#Seite_407">407</a></li> - -<li class="indx">Herbstzeitlose <a href="#Seite_34">34</a></li> - -<li class="indx">Herr <a href="#Seite_14">14</a></li> - -<li class="indx">Herrenmoden <a href="#Seite_390">390</a></li> - -<li class="indx">Herzog <a href="#Seite_17">17</a></li> - -<li class="indx">Hilferuf, Hilfeleistung <a href="#Seite_80">80</a></li> - -<li class="indx">Hilfslehrer, Hilfsprediger <a href="#Seite_80">80</a></li> - -<li class="indx">hin und her <a href="#Seite_352">352</a></li> - -<li class="indx"><span class="pagenum" id="Seite_458">[S. 458]</span> - hinab, hinan, hinunter <a href="#Seite_353">353</a></li> - -<li class="indx">hinauf <a href="#Seite_257">257</a></li> - -<li class="indx">Hingabe und Hingebung <a href="#Seite_343">343</a></li> - -<li class="indx">Hirt <a href="#Seite_4">4</a></li> - -<li class="indx">historisch <a href="#Seite_450">450</a></li> - -<li class="indx">historisch-kritisch <a href="#Seite_267">267</a></li> - -<li class="indx">hocherfreut und hoch erfreut <a href="#Seite_169">169</a></li> - -<li class="indx">hochfein, hochmodern <a href="#Seite_386">386</a></li> - -<li class="indx">hochgradig <a href="#Seite_372">372</a></li> - -<li class="indx">hoch kommen <a href="#Seite_257">257</a></li> - -<li class="indx">hochleben <a href="#Seite_170">170</a></li> - -<li class="indx">Höchstgehalt, Höchstmaß <a href="#Seite_188">188</a></li> - -<li class="indx">hochverehrtest <a href="#Seite_42">42</a></li> - -<li class="indx">hoffen und wünschen, verwechselt <a href="#Seite_296">296</a></li> - -<li class="indx">Holbeinbildnis <a href="#Seite_197">197</a></li> - -<li class="indx">Holländer Austern <a href="#Seite_178">178</a></li> - -<li class="indx">hören oder gehört <a href="#Seite_60">60</a></li> - -<li class="indx">Hose, Hosen <a href="#Seite_338">338</a></li> - -<li class="indx">hüben und drüben <a href="#Seite_353">353</a></li> - -<li class="indx">hülfe <a href="#Seite_63">63</a></li> - -<li class="indx">Hummer <a href="#Seite_19">19</a></li> - -<li class="indx">hundertunderste <a href="#Seite_49">49</a></li> - -<li class="ifrst">im Begriff <a href="#Seite_252">252</a></li> - -<li class="indx">im Wege <a href="#Seite_350">350</a></li> - -<li class="indx">in <a href="#Seite_187">187</a>0 258</li> - -<li class="indx">in statt auf oder gegen <a href="#Seite_350">350</a></li> - -<li class="indx">indes, indessen <a href="#Seite_387">387</a></li> - -<li class="indx">in Ergänzung, Fortsetzung, Veranlassung <a href="#Seite_172">172</a></li> - -<li class="indx">inhaltlich <a href="#Seite_420">420</a></li> - -<li class="indx">Inneres oder Innere <a href="#Seite_33">33</a></li> - -<li class="indx">insofern als <a href="#Seite_133">133</a></li> - -<li class="indx">insofern, daß <a href="#Seite_296">296</a></li> - -<li class="indx">instandsetzen <a href="#Seite_252">252</a></li> - -<li class="indx">intensiv <a href="#Seite_445">445</a></li> - -<li class="indx">interessant <a href="#Seite_447">447</a></li> - -<li class="indx">interpretieren <a href="#Seite_438">438</a></li> - -<li class="indx">-ismus, Wörter auf <a href="#Seite_12">12</a></li> - -<li class="ifrst">ja, das beteuernde und das steigernde <a href="#Seite_323">323</a></li> - -<li class="indx">ja ja <a href="#Seite_323">323</a></li> - -<li class="indx">jagen <a href="#Seite_59">59</a></li> - -<li class="indx">Jaquet <a href="#Seite_19">19</a></li> - -<li class="indx">jeder <a href="#Seite_26">26</a></li> - -<li class="indx">jemand <a href="#Seite_47">47</a></li> - -<li class="indx">jemand anders <a href="#Seite_47">47</a></li> - -<li class="indx">jener <a href="#Seite_237">237</a></li> - -<li class="indx">Jetztzeit <a href="#Seite_362">362</a></li> - -<li class="indx">Jubiläum <a href="#Seite_246">246</a></li> - -<li class="indx">jugendlich statt jung <a href="#Seite_372">372</a></li> - -<li class="indx">Jungens <a href="#Seite_23">23</a></li> - -<li class="indx">Jünger <a href="#Seite_33">33</a></li> - -<li class="indx">Jungwilhelmdenkmal <a href="#Seite_191">191</a></li> - -<li class="ifrst">Kaiserhoch <a href="#Seite_197">197</a></li> - -<li class="indx">Kajütsbureau <a href="#Seite_78">78</a></li> - -<li class="indx">kännte und kennte <a href="#Seite_63">63</a></li> - -<li class="indx">Kapital, Kapitäl <a href="#Seite_17">17</a></li> - -<li class="indx">Kasten <a href="#Seite_16">16</a></li> - -<li class="indx">Katastrophe <a href="#Seite_444">444</a></li> - -<li class="indx">kein <a href="#Seite_31">31</a>. <a href="#Seite_270">270</a></li> - -<li class="indx">kennen lernen oder gelernt <a href="#Seite_61">61</a></li> - -<li class="indx">Kenntnis, zur, kommen <a href="#Seite_283">283</a></li> - -<li class="indx">Kenntnis nehmen <a href="#Seite_279">279</a></li> - -<li class="indx">kennzeichnen <a href="#Seite_340">340</a></li> - -<li class="indx">Kiefer <a href="#Seite_19">19</a></li> - -<li class="indx">Klage führen <a href="#Seite_281">281</a></li> - -<li class="indx">klarlegen, klarstellen <a href="#Seite_402">402</a></li> - -<li class="indx">klar sein, sich <a href="#Seite_342">342</a></li> - -<li class="indx">kleiden <a href="#Seite_240">240</a></li> - -<li class="indx">Klein, das <a href="#Seite_35">35</a></li> - -<li class="indx">Kloß <a href="#Seite_21">21</a></li> - -<li class="indx">kneipen <a href="#Seite_52">52</a></li> - -<li class="indx">Kohlezeichnung <a href="#Seite_71">71</a></li> - -<li class="indx">Kolleggeld <a href="#Seite_76">76</a></li> - -<li class="indx">Kollegienhefte <a href="#Seite_76">76</a></li> - -<li class="indx">Kollegs <a href="#Seite_23">23</a></li> - -<li class="indx">kommen, zur Aufführung <a href="#Seite_416">416</a></li> - -<li class="indx">Königsbüste <a href="#Seite_198">198</a></li> - -<li class="indx">Können, das <a href="#Seite_396">396</a></li> - -<li class="indx">konstatieren <a href="#Seite_445">445</a></li> - -<li class="indx">Kork <a href="#Seite_19">19</a></li> - -<li class="indx">Korset <a href="#Seite_19">19</a></li> - -<li class="indx">kosten <a href="#Seite_239">239</a></li> - -<li class="indx">Kostüm <a href="#Seite_436">436</a></li> - -<li class="indx">Kragen <a href="#Seite_16">16</a></li> - -<li class="indx"><span class="pagenum" id="Seite_459">[S. 459]</span> - kriegführend <a href="#Seite_80">80</a></li> - -<li class="indx">kulturell <a href="#Seite_185">185</a></li> - -<li class="indx">Kunde <a href="#Seite_69">69</a></li> - -<li class="indx">Künstler <a href="#Seite_68">68</a></li> - -<li class="ifrst">laden <a href="#Seite_53">53</a></li> - -<li class="indx">Lage <a href="#Seite_293">293</a></li> - -<li class="indx">Lageplan <a href="#Seite_71">71</a></li> - -<li class="indx">Lager <a href="#Seite_16">16</a></li> - -<li class="indx">Lande und Länder <a href="#Seite_20">20</a></li> - -<li class="indx">landen <a href="#Seite_381">381</a></li> - -<li class="indx">lang, drei Monate <a href="#Seite_262">262</a></li> - -<li class="indx">längeren, des <a href="#Seite_407">407</a></li> - -<li class="indx">lassen <a href="#Seite_238">238</a></li> - -<li class="indx">lassen oder gelassen <a href="#Seite_60">60</a></li> - -<li class="indx">lateinlos <a href="#Seite_365">365</a></li> - -<li class="indx">lauten <a href="#Seite_56">56</a></li> - -<li class="indx">leerstellen <a href="#Seite_403">403</a></li> - -<li class="indx">Lehen <a href="#Seite_4">4</a></li> - -<li class="indx">lehren <a href="#Seite_239">239</a></li> - -<li class="indx">Lehrperson <a href="#Seite_362">362</a></li> - -<li class="indx">Leipzig-Elbe-Kanal <a href="#Seite_192">192</a></li> - -<li class="indx">leisten, Folge, Verzicht <a href="#Seite_406">406</a></li> - -<li class="indx">letzterer <a href="#Seite_223">223</a></li> - -<li class="indx">Lichte und Lichter <a href="#Seite_20">20</a></li> - -<li class="indx">liebedienerisch <a href="#Seite_80">80</a></li> - -<li class="indx">Liebesdienst <a href="#Seite_77">77</a></li> - -<li class="indx">Liebfrauenmilch <a href="#Seite_72">72</a>. <a href="#Seite_206">206</a></li> - -<li class="indx">Linke, die <a href="#Seite_34">34</a></li> - -<li class="indx">links <a href="#Seite_248">248</a></li> - -<li class="indx">Lohn <a href="#Seite_22">22</a></li> - -<li class="indx">lohnen, der Mühe <a href="#Seite_241">241</a></li> - -<li class="indx">Lokomotivführer <a href="#Seite_72">72</a></li> - -<li class="indx">löschen <a href="#Seite_51">51</a></li> - -<li class="ifrst">Mädels <a href="#Seite_23">23</a></li> - -<li class="indx">Magen <a href="#Seite_16">16</a></li> - -<li class="indx">Maler-Dichter <a href="#Seite_220">220</a></li> - -<li class="indx">man <a href="#Seite_46">46</a></li> - -<li class="indx">Mann <a href="#Seite_4">4</a></li> - -<li class="indx">manche <a href="#Seite_31">31</a></li> - -<li class="indx">mangels <a href="#Seite_418">418</a></li> - -<li class="indx">Mansardedach <a href="#Seite_71">71</a></li> - -<li class="indx">markant <a href="#Seite_437">437</a></li> - -<li class="indx">Maß <a href="#Seite_21">21</a></li> - -<li class="indx">maschinell <a href="#Seite_185">185</a></li> - -<li class="indx">Material <a href="#Seite_448">448</a></li> - -<li class="indx">mehrere <a href="#Seite_32">32</a></li> - -<li class="indx">mehrere und mehr <a href="#Seite_41">41</a></li> - -<li class="indx">mein, dein, sein <a href="#Seite_32">32</a></li> - -<li class="indx">Menge <a href="#Seite_96">96</a></li> - -<li class="indx">Mietshaus, Mietspreis, Mietsvertrag <a href="#Seite_74">74</a>. <a href="#Seite_78">78</a></li> - -<li class="indx">Milieu <a href="#Seite_436">436</a></li> - -<li class="indx">minderwertig <a href="#Seite_373">373</a></li> - -<li class="indx">Mindestpreis <a href="#Seite_188">188</a></li> - -<li class="indx">mißbrauchen, mißfallen, mißhandeln <a href="#Seite_58">58</a></li> - -<li class="indx">Mittwoch <a href="#Seite_261">261</a></li> - -<li class="indx">Möbel <a href="#Seite_19">19</a></li> - -<li class="indx">mögen für können <a href="#Seite_346">346</a></li> - -<li class="indx">möglichst und womöglich <a href="#Seite_43">43</a></li> - -<li class="indx">Moment <a href="#Seite_448">448</a></li> - -<li class="indx">Monarch <a href="#Seite_443">443</a></li> - -<li class="indx">monatlich <a href="#Seite_82">82</a></li> - -<li class="indx">Motor <a href="#Seite_18">18</a></li> - -<li class="indx">Muff <a href="#Seite_19">19</a></li> - -<li class="ifrst">nachahmen <a href="#Seite_239">239</a></li> - -<li class="indx">nachdem <a href="#Seite_131">131</a></li> - -<li class="indx">nach dort, nach hier <a href="#Seite_256">256</a></li> - -<li class="indx">nach Hause, zu Hause <a href="#Seite_351">351</a></li> - -<li class="indx">nach meines Erachtens <a href="#Seite_247">247</a></li> - -<li class="indx">nach oben <a href="#Seite_256">256</a></li> - -<li class="indx">Nachrichten, Neueste Leipziger <a href="#Seite_300">300</a></li> - -<li class="indx">nahe <a href="#Seite_249">249</a></li> - -<li class="indx">näheren, des <a href="#Seite_407">407</a></li> - -<li class="indx">nahezu <a href="#Seite_387">387</a></li> - -<li class="indx">Name <a href="#Seite_5">5</a></li> - -<li class="indx">namens <a href="#Seite_418">418</a></li> - -<li class="indx">Namensverzeichnis <a href="#Seite_75">75</a></li> - -<li class="indx">naturgemäß <a href="#Seite_387">387</a></li> - -<li class="indx">Naturwissenschaftler <a href="#Seite_68">68</a></li> - -<li class="indx">Neigung und Geneigtheit <a href="#Seite_345">345</a></li> - -<li class="indx">nein nein <a href="#Seite_323">323</a></li> - -<li class="indx">Neuauflage, Neuerscheinung <a href="#Seite_188">188</a></li> - -<li class="indx">neubacken <a href="#Seite_59">59</a></li> - -<li class="indx"><span class="pagenum" id="Seite_460">[S. 460]</span> - neuerdings <a href="#Seite_431">431</a></li> - -<li class="indx">Neuheit und Neuigkeit <a href="#Seite_340">340</a></li> - -<li class="indx">Neusprachler <a href="#Seite_68">68</a></li> - -<li class="indx">neusprachlich <a href="#Seite_81">81</a></li> - -<li class="indx">nicht ohne <a href="#Seite_273">273</a></li> - -<li class="indx">nichts <a href="#Seite_270">270</a></li> - -<li class="indx">nicht un – 272</li> - -<li class="indx">Niederlagsraum <a href="#Seite_78">78</a></li> - -<li class="indx">Niederlande, Königin Wilhelmine der <a href="#Seite_303">303</a></li> - -<li class="indx">niemand <a href="#Seite_47">47</a></li> - -<li class="indx">nördlich <a href="#Seite_248">248</a></li> - -<li class="indx">notleiden <a href="#Seite_170">170</a></li> - -<li class="indx">Note, intime <a href="#Seite_368">368</a></li> - -<li class="ifrst">oben gehen <a href="#Seite_257">257</a></li> - -<li class="indx">obzwar <a href="#Seite_133">133</a></li> - -<li class="indx">oder <a href="#Seite_98">98</a></li> - -<li class="indx">offenstellen <a href="#Seite_403">403</a></li> - -<li class="indx">öffnen und eröffnen <a href="#Seite_355">355</a></li> - -<li class="indx">offensichtlich <a href="#Seite_373">373</a></li> - -<li class="indx">Offert, das <a href="#Seite_23">23</a></li> - -<li class="indx">Offizierskasino <a href="#Seite_75">75</a></li> - -<li class="indx">öfters <a href="#Seite_422">422</a></li> - -<li class="indx">Ohren, zu, kommen <a href="#Seite_283">283</a></li> - -<li class="indx">Orte und Örter <a href="#Seite_22">22</a></li> - -<li class="indx">Ortsverzeichnis <a href="#Seite_75">75</a></li> - -<li class="ifrst">Pädagog <a href="#Seite_441">441</a></li> - -<li class="indx">Pantoffel <a href="#Seite_19">19</a></li> - -<li class="indx">Papierverein <a href="#Seite_199">199</a></li> - -<li class="indx">Paragraph <a href="#Seite_18">18</a></li> - -<li class="indx">Parteinahme <a href="#Seite_408">408</a></li> - -<li class="indx">passieren <a href="#Seite_436">436</a></li> - -<li class="indx">Pate <a href="#Seite_69">69</a></li> - -<li class="indx">Perser Teppiche <a href="#Seite_178">178</a></li> - -<li class="indx">Pfennig, Pfennige <a href="#Seite_24">24</a></li> - -<li class="indx">Porto, Porti <a href="#Seite_24">24</a></li> - -<li class="indx">posthum <a href="#Seite_447">447</a></li> - -<li class="indx">Preise, kleine <a href="#Seite_339">339</a></li> - -<li class="indx">Preislage <a href="#Seite_390">390</a></li> - -<li class="indx">Presseball, Pressefest <a href="#Seite_72">72</a></li> - -<li class="indx">Prinz <a href="#Seite_4">4</a></li> - -<li class="indx">Prinzensöhne <a href="#Seite_220">220</a></li> - -<li class="indx">prinzlich <a href="#Seite_185">185</a></li> - -<li class="indx">Prinzregent <a href="#Seite_220">220</a></li> - -<li class="indx">prozentual <a href="#Seite_441">441</a></li> - -<li class="indx">Prozentsatz <a href="#Seite_368">368</a></li> - -<li class="ifrst">radebrechen <a href="#Seite_53">53</a></li> - -<li class="indx">Rassepferd <a href="#Seite_70">70</a></li> - -<li class="indx">Rechenstunde <a href="#Seite_77">77</a></li> - -<li class="indx">Rechnung tragen <a href="#Seite_381">381</a></li> - -<li class="indx">Rechte, die <a href="#Seite_34">34</a></li> - -<li class="indx">rechts <a href="#Seite_248">248</a></li> - -<li class="indx">Redakteur <a href="#Seite_433">433</a></li> - -<li class="indx">reichlich <a href="#Seite_388">388</a></li> - -<li class="indx">Reihe <a href="#Seite_96">96</a></li> - -<li class="indx">reisen <a href="#Seite_59">59</a></li> - -<li class="indx">religiös-sittlich <a href="#Seite_267">267</a></li> - -<li class="indx">Rest <a href="#Seite_21">21</a></li> - -<li class="indx">retour <a href="#Seite_451">451</a></li> - -<li class="indx">retrospektiv <a href="#Seite_438">438</a></li> - -<li class="indx">richtig stellen <a href="#Seite_402">402</a></li> - -<li class="indx">Richtung, in der <a href="#Seite_421">421</a></li> - -<li class="indx">Rindsleder <a href="#Seite_79">79</a></li> - -<li class="indx">Rittersmann <a href="#Seite_77">77</a></li> - -<li class="indx">Rohr <a href="#Seite_16">16</a></li> - -<li class="indx">rönne <a href="#Seite_63">63</a></li> - -<li class="indx">rückenfrei <a href="#Seite_210">210</a></li> - -<li class="indx">Rückerinnerung <a href="#Seite_291">291</a>. <a href="#Seite_408">408</a></li> - -<li class="indx">Rücksichtnahme <a href="#Seite_408">408</a></li> - -<li class="indx">Rückwirkung, Rückschluß <a href="#Seite_368">368</a></li> - -<li class="indx">rund <a href="#Seite_387">387</a></li> - -<li class="ifrst">Saalezeitung <a href="#Seite_72">72</a></li> - -<li class="indx">Same <a href="#Seite_5">5</a></li> - -<li class="indx">sämtliche <a href="#Seite_31">31</a></li> - -<li class="indx">Sand <a href="#Seite_338">338</a></li> - -<li class="indx">Sauregurkenzeit <a href="#Seite_206">206</a></li> - -<li class="indx">Schade und schade <a href="#Seite_5">5</a></li> - -<li class="indx">schaffen <a href="#Seite_52">52</a></li> - -<li class="indx">scheinbar <a href="#Seite_341">341</a></li> - -<li class="indx">Scheit <a href="#Seite_22">22</a></li> - -<li class="indx">Schilde und Schilder <a href="#Seite_21">21</a></li> - -<li class="indx">Schillerfeind <a href="#Seite_198">198</a></li> - -<li class="indx">schleifen <a href="#Seite_52">52</a></li> - -<li class="indx">Schlüssel <a href="#Seite_19">19</a></li> - -<li class="indx">schmelzen <a href="#Seite_51">51</a></li> - -<li class="indx">schneidig <a href="#Seite_373">373</a></li> - -<li class="indx"><span class="pagenum" id="Seite_461">[S. 461]</span> - schölte <a href="#Seite_63">63</a></li> - -<li class="indx">Schönen, die <a href="#Seite_34">34</a></li> - -<li class="indx">Schreibepapier <a href="#Seite_77">77</a></li> - -<li class="indx">schreiten <a href="#Seite_382">382</a></li> - -<li class="indx">Schriftleiter <a href="#Seite_433">433</a></li> - -<li class="indx">schrittweise <a href="#Seite_207">207</a></li> - -<li class="indx">Schule, zur <a href="#Seite_351">351</a></li> - -<li class="indx">schulisch <a href="#Seite_184">184</a></li> - -<li class="indx">schwerwiegend <a href="#Seite_41">41</a></li> - -<li class="indx">schwömme <a href="#Seite_63">63</a></li> - -<li class="indx">segensreich <a href="#Seite_77">77</a></li> - -<li class="indx">sehen oder gesehen <a href="#Seite_60">60</a></li> - -<li class="indx">Seiner Majestät Schiff <a href="#Seite_40">40</a></li> - -<li class="indx">sein lassen <a href="#Seite_215">215</a></li> - -<li class="indx">seitens <a href="#Seite_422">422</a></li> - -<li class="indx">-seitig, -seits <a href="#Seite_424">424</a></li> - -<li class="indx">selber, selbst <a href="#Seite_245">245</a></li> - -<li class="indx">selbstlos <a href="#Seite_373">373</a></li> - -<li class="indx">selbstredend, selbstverständlich <a href="#Seite_391">391</a></li> - -<li class="indx">selten <a href="#Seite_388">388</a></li> - -<li class="indx">Shakespearedramen <a href="#Seite_195">195</a></li> - -<li class="indx">Silberhochzeit <a href="#Seite_186">186</a></li> - -<li class="indx">singen hören oder gehört <a href="#Seite_60">60</a></li> - -<li class="indx">sinnen <a href="#Seite_52">52</a></li> - -<li class="indx">solcher <a href="#Seite_27">27</a></li> - -<li class="indx">Solebad <a href="#Seite_72">72</a></li> - -<li class="indx">sollen für müssen <a href="#Seite_346">346</a></li> - -<li class="indx">Solo, Soli <a href="#Seite_24">24</a></li> - -<li class="indx">sonst <a href="#Seite_233">233</a></li> - -<li class="indx">sowie <a href="#Seite_98">98</a></li> - -<li class="indx">sowohl als auch <a href="#Seite_98">98</a></li> - -<li class="indx">so zwar <a href="#Seite_267">267</a></li> - -<li class="indx">spalten <a href="#Seite_56">56</a></li> - -<li class="indx">Speisekarte <a href="#Seite_73">73</a></li> - -<li class="indx">speisen <a href="#Seite_62">62</a></li> - -<li class="indx">Spielmann <a href="#Seite_4">4</a></li> - -<li class="indx">spönne <a href="#Seite_63">63</a></li> - -<li class="indx">Standpunkt <a href="#Seite_395">395</a></li> - -<li class="indx">stände, stünde <a href="#Seite_62">62</a></li> - -<li class="indx">stattfinden <a href="#Seite_344">344</a></li> - -<li class="indx">stattgefunden und stattgehabt <a href="#Seite_167">167</a></li> - -<li class="indx">stecken <a href="#Seite_52">52</a></li> - -<li class="indx">Stellung nehmen <a href="#Seite_279">279</a></li> - -<li class="indx">Stellungnahme <a href="#Seite_408">408</a></li> - -<li class="indx">Steuer <a href="#Seite_19">19</a></li> - -<li class="indx">Stiefel <a href="#Seite_19">19</a></li> - -<li class="indx">Straftat <a href="#Seite_363">363</a></li> - -<li class="indx">Straßenbahner <a href="#Seite_67">67</a></li> - -<li class="indx">Strauß <a href="#Seite_21">21</a></li> - -<li class="indx">stückweise <a href="#Seite_207">207</a></li> - -<li class="indx">studierter Mann <a href="#Seite_166">166</a></li> - -<li class="indx">stürbe <a href="#Seite_63">63</a></li> - -<li class="indx">Stutz <a href="#Seite_19">19</a></li> - -<li class="indx">südlich <a href="#Seite_248">248</a></li> - -<li class="indx">Sunlightseife <a href="#Seite_439">439</a></li> - -<li class="indx">System <a href="#Seite_446">446</a></li> - -<li class="ifrst">Tabaksmonopol <a href="#Seite_79">79</a></li> - -<li class="indx">tagein, tagaus <a href="#Seite_365">365</a></li> - -<li class="indx">Tale und Täler <a href="#Seite_20">20</a></li> - -<li class="indx">Taler <a href="#Seite_24">24</a></li> - -<li class="indx">teils – teils <a href="#Seite_98">98</a></li> - -<li class="indx">teilweise <a href="#Seite_207">207</a></li> - -<li class="indx">Tendenz <a href="#Seite_446">446</a></li> - -<li class="indx">tiefgefühltest <a href="#Seite_42">42</a></li> - -<li class="indx">tiefgehend <a href="#Seite_41">41</a></li> - -<li class="indx">tiefgründig <a href="#Seite_373">373</a></li> - -<li class="indx">Tintenfaß <a href="#Seite_70">70</a></li> - -<li class="indx">Titel <a href="#Seite_19">19</a></li> - -<li class="indx">todsicher <a href="#Seite_392">392</a></li> - -<li class="indx">Toiletteseife <a href="#Seite_70">70</a></li> - -<li class="indx">Ton <a href="#Seite_338">338</a></li> - -<li class="indx">Ton für Wort <a href="#Seite_392">392</a></li> - -<li class="indx">tragen <a href="#Seite_382">382</a></li> - -<li class="indx">treffsicher <a href="#Seite_364">364</a></li> - -<li class="indx">treten <a href="#Seite_383">383</a></li> - -<li class="indx">trotzdem und trotzdem daß <a href="#Seite_133">133</a></li> - -<li class="indx">Trümmer <a href="#Seite_19">19</a></li> - -<li class="indx">Tucher Bier <a href="#Seite_192">192</a></li> - -<li class="indx">tunlich <a href="#Seite_373">373</a></li> - -<li class="indx">Typ <a href="#Seite_436">436</a></li> - -<li class="ifrst">überfahren <a href="#Seite_57">57</a></li> - -<li class="indx">überführen <a href="#Seite_56">56</a></li> - -<li class="indx">überlegen <a href="#Seite_57">57</a></li> - -<li class="indx">Übersee <a href="#Seite_362">362</a></li> - -<li class="indx">übersetzen <a href="#Seite_57">57</a></li> - -<li class="indx"><span class="pagenum" id="Seite_462">[S. 462]</span> - übersiedeln <a href="#Seite_58">58</a></li> - -<li class="indx">uferlos <a href="#Seite_373">373</a></li> - -<li class="indx">um zu <a href="#Seite_161">161</a>. <a href="#Seite_296">296</a></li> - -<li class="indx">und, fehlendes <a href="#Seite_265">265</a></li> - -<li class="indx">unentwegt <a href="#Seite_388">388</a></li> - -<li class="indx">unerfindlich <a href="#Seite_373">373</a></li> - -<li class="indx">unerheblich <a href="#Seite_371">371</a></li> - -<li class="indx">unerwartet <a href="#Seite_248">248</a></li> - -<li class="indx">unförmig und unförmlich <a href="#Seite_83">83</a></li> - -<li class="indx">ungeachtet <a href="#Seite_248">248</a></li> - -<li class="indx">ungefähr <a href="#Seite_209">209</a></li> - -<li class="indx">ungezählt statt unzählig <a href="#Seite_374">374</a></li> - -<li class="indx">Universität Leipzig <a href="#Seite_201">201</a></li> - -<li class="indx">unschwer, nicht unschwer <a href="#Seite_273">273</a></li> - -<li class="indx">unser und unsrer <a href="#Seite_44">44</a></li> - -<li class="indx">unsre Gegenwart <a href="#Seite_290">290</a></li> - -<li class="indx">Unstimmigkeit <a href="#Seite_369">369</a></li> - -<li class="indx">untadlig <a href="#Seite_81">81</a></li> - -<li class="indx">unterbreiten <a href="#Seite_57">57</a></li> - -<li class="indx">Unterfertigte, der <a href="#Seite_431">431</a></li> - -<li class="indx">unterhalten <a href="#Seite_57">57</a></li> - -<li class="indx">unterrichtlich <a href="#Seite_184">184</a></li> - -<li class="indx">unterschlagen <a href="#Seite_57">57</a></li> - -<li class="indx">Untertan <a href="#Seite_33">33</a></li> - -<li class="indx">unverhohlen <a href="#Seite_54">54</a></li> - -<li class="indx">unweit <a href="#Seite_249">249</a></li> - -<li class="indx">unwidersprochen <a href="#Seite_243">243</a></li> - -<li class="indx">unzählig <a href="#Seite_81">81</a></li> - -<li class="indx">Urlaub <a href="#Seite_355">355</a></li> - -<li class="ifrst">vaterlandsliebend <a href="#Seite_80">80</a></li> - -<li class="indx">veranschlagen <a href="#Seite_406">406</a></li> - -<li class="indx">verausgaben <a href="#Seite_406">406</a></li> - -<li class="indx">verdenken <a href="#Seite_241">241</a></li> - -<li class="indx">verderben <a href="#Seite_51">51</a></li> - -<li class="indx">Verdienst <a href="#Seite_22">22</a></li> - -<li class="indx">verdürbe <a href="#Seite_63">63</a></li> - -<li class="indx">Verein Berliner Künstler <a href="#Seite_39">39</a></li> - -<li class="indx">vereinnahmen <a href="#Seite_406">406</a></li> - -<li class="indx">Verfehlung <a href="#Seite_369">369</a></li> - -<li class="indx">Verfügung, zur, stehen und stellen <a href="#Seite_281">281</a></li> - -<li class="indx">vergessen, auf etwas <a href="#Seite_431">431</a></li> - -<li class="indx">Verkauf und Verkaufung <a href="#Seite_344">344</a></li> - -<li class="indx">verkehren <a href="#Seite_60">60</a></li> - -<li class="indx">verläßlich statt zuverlässig <a href="#Seite_374">374</a></li> - -<li class="indx">verlautbaren u. verlauten <a href="#Seite_341">341</a></li> - -<li class="indx">verlegen statt legen <a href="#Seite_354">354</a></li> - -<li class="indx">vermeinen <a href="#Seite_357">357</a></li> - -<li class="indx">vermittelst <a href="#Seite_418">418</a></li> - -<li class="indx">vernunftgemäß <a href="#Seite_387">387</a></li> - -<li class="indx">verraten, sich, als <a href="#Seite_215">215</a></li> - -<li class="indx">verschreiten <a href="#Seite_382">382</a></li> - -<li class="indx">verschroben <a href="#Seite_54">54</a></li> - -<li class="indx">versichern <a href="#Seite_240">240</a></li> - -<li class="indx">verständigen <a href="#Seite_430">430</a></li> - -<li class="indx">Verstehen, das <a href="#Seite_397">397</a></li> - -<li class="indx">vertonen <a href="#Seite_435">435</a></li> - -<li class="indx">vertrauen <a href="#Seite_383">383</a></li> - -<li class="indx">Verwandter <a href="#Seite_33">33</a></li> - -<li class="indx">Verwandtin <a href="#Seite_69">69</a></li> - -<li class="indx">Verzichtleistung <a href="#Seite_408">408</a></li> - -<li class="indx">verziehen <a href="#Seite_357">357</a></li> - -<li class="indx">viele <a href="#Seite_32">32</a></li> - -<li class="indx">vielmehr <a href="#Seite_388">388</a></li> - -<li class="indx">vierwöchig und vierwöchentlich <a href="#Seite_82">82</a></li> - -<li class="indx">Villa-Daheim <a href="#Seite_218">218</a></li> - -<li class="indx">Visitekarte <a href="#Seite_70">70</a></li> - -<li class="indx">volklich, völkisch <a href="#Seite_184">184</a></li> - -<li class="indx">voll und ganz <a href="#Seite_388">388</a></li> - -<li class="indx">vollends <a href="#Seite_273">273</a></li> - -<li class="indx">voller <a href="#Seite_244">244</a></li> - -<li class="indx">Vollziehung und Vollzug <a href="#Seite_345">345</a></li> - -<li class="indx">von – ab, von – an <a href="#Seite_349">349</a></li> - -<li class="indx">von Ende oder vom Ende <a href="#Seite_264">264</a></li> - -<li class="indx">von Hause, von zuhause <a href="#Seite_264">264</a></li> - -<li class="indx">vorab <a href="#Seite_389">389</a></li> - -<li class="indx">voran und vorwärts <a href="#Seite_341">341</a></li> - -<li class="indx">vorbestrafen <a href="#Seite_383">383</a></li> - -<li class="indx">vorhanden <a href="#Seite_209">209</a></li> - -<li class="indx">vorhinein, im <a href="#Seite_431">431</a></li> - -<li class="indx">Vorjahr <a href="#Seite_362">362</a></li> - -<li class="indx">Vormärz <a href="#Seite_362">362</a></li> - -<li class="indx">vornehm statt Haupt- 374</li> - -<li class="indx">vornehmlich <a href="#Seite_389">389</a></li> - -<li class="indx">Vorredner <a href="#Seite_362">362</a></li> - -<li class="indx">vorsehen <a href="#Seite_384">384</a></li> - -<li class="indx"><span class="pagenum" id="Seite_463">[S. 463]</span> - Wagen <a href="#Seite_163">163</a></li> - -<li class="indx">wägen <a href="#Seite_51">51</a></li> - -<li class="indx">Wagnerverehrer <a href="#Seite_198">198</a></li> - -<li class="indx">während <a href="#Seite_14">14</a>. <a href="#Seite_261">261</a></li> - -<li class="indx">weder – noch <a href="#Seite_98">98</a></li> - -<li class="indx">weg <a href="#Seite_404">404</a></li> - -<li class="indx">Wege, im <a href="#Seite_350">350</a></li> - -<li class="indx">Wege, in die – leiten <a href="#Seite_384">384</a></li> - -<li class="indx">wegen und durch <a href="#Seite_349">349</a></li> - -<li class="indx">Weimaraner <a href="#Seite_88">88</a></li> - -<li class="indx">Wein <a href="#Seite_337">337</a></li> - -<li class="indx">weise <a href="#Seite_207">207</a></li> - -<li class="indx">Weiser <a href="#Seite_33">33</a></li> - -<li class="indx">Weiße, die <a href="#Seite_49">49</a></li> - -<li class="indx">weitaus <a href="#Seite_38">38</a></li> - -<li class="indx">weitgehend <a href="#Seite_413">413</a></li> - -<li class="indx">welcher <a href="#Seite_27">27</a>. <a href="#Seite_112">112</a></li> - -<li class="indx">welch letzterer <a href="#Seite_123">123</a></li> - -<li class="indx">Werdegang <a href="#Seite_360">360</a></li> - -<li class="indx">werden lassen <a href="#Seite_215">215</a></li> - -<li class="indx">werten <a href="#Seite_385">385</a></li> - -<li class="indx">wie beim Komparativ <a href="#Seite_268">268</a></li> - -<li class="indx">Wie meinen? 366</li> - -<li class="indx">wiegen <a href="#Seite_51">51</a></li> - -<li class="indx">Wild, das <a href="#Seite_35">35</a></li> - -<li class="indx">Wille <a href="#Seite_5">5</a></li> - -<li class="indx">willfahren <a href="#Seite_53">53</a></li> - -<li class="indx">wir Deutschen <a href="#Seite_36">36</a></li> - -<li class="indx">Wirksamkeit und Wirkung <a href="#Seite_340">340</a></li> - -<li class="indx">wo, wobei, womit, worin <a href="#Seite_118">118</a></li> - -<li class="indx">wöchentlich <a href="#Seite_82">82</a></li> - -<li class="indx">Wolle <a href="#Seite_337">337</a></li> - -<li class="indx">Wollen, das <a href="#Seite_397">397</a></li> - -<li class="indx">worden <a href="#Seite_105">105</a></li> - -<li class="indx">Wort, Worte, Wörter <a href="#Seite_20">20</a></li> - -<li class="indx">wunschgemäß <a href="#Seite_387">387</a></li> - -<li class="indx">wünschen und hoffen verwechselt <a href="#Seite_296">296</a></li> - -<li class="indx">würbe <a href="#Seite_63">63</a></li> - -<li class="indx">würde statt des Konjunktivs <a href="#Seite_158">158</a></li> - -<li class="indx">würfe <a href="#Seite_63">63</a></li> - -<li class="ifrst">Zeichenbuch <a href="#Seite_76">76</a></li> - -<li class="indx">zeigen, sich, als <a href="#Seite_215">215</a></li> - -<li class="indx">Zeit, die gute alte <a href="#Seite_209">209</a></li> - -<li class="indx">zeitigen <a href="#Seite_386">386</a></li> - -<li class="indx">Zelt <a href="#Seite_21">21</a></li> - -<li class="indx">Zerstreuung und Zerstreutheit <a href="#Seite_345">345</a></li> - -<li class="indx">Zettel <a href="#Seite_18">18</a></li> - -<li class="indx">Ziegel <a href="#Seite_19">19</a></li> - -<li class="indx">zielbewußt <a href="#Seite_374">374</a></li> - -<li class="indx">zu und um zu <a href="#Seite_161">161</a></li> - -<li class="indx">zubilligen <a href="#Seite_386">386</a></li> - -<li class="indx">zufolge statt nach <a href="#Seite_351">351</a></li> - -<li class="indx">zufrieden <a href="#Seite_209">209</a></li> - -<li class="indx">zufriedenstellen <a href="#Seite_402">402</a></li> - -<li class="indx">zugängig und zugänglich <a href="#Seite_83">83</a></li> - -<li class="indx">Zugsverbindung <a href="#Seite_78">78</a></li> - -<li class="indx">zuhause <a href="#Seite_264">264</a></li> - -<li class="indx">Zuhilfenahme <a href="#Seite_421">421</a></li> - -<li class="indx">zukommen, auf etwas <a href="#Seite_386">386</a></li> - -<li class="indx">zumal <a href="#Seite_342">342</a></li> - -<li class="indx">zumal und zumal da <a href="#Seite_132">132</a></li> - -<li class="indx">zuzüglich <a href="#Seite_421">421</a></li> - -<li class="indx">zwangsweise <a href="#Seite_207">207</a></li> - -<li class="indx">zwar, so <a href="#Seite_267">267</a></li> - -<li class="indx">zwecks <a href="#Seite_418">418</a></li> - -<li class="indx">zween, zwo, zwei <a href="#Seite_49">49</a></li> - -<li class="indx">zwischen <a href="#Seite_258">258</a></li> - -</ul> - -</div> - -<figure class="figcenter illowe3" id="deko12"> - <img class="w100 padtop1" src="images/deko.png" alt="Deko"> -</figure> - -<p class="s5 center padtop5 break-before" id="buchwerbung"><span class="btt bbt">Druck von Carl -Marquart in Leipzig</span></p> - -<hr class="full x-ebookmaker-drop"> - -<div class="schmal"> - -<div class="section"> - -<p class="s4 center mtop3"><span class="bbt">Verlag von KARL J. TRÜBNER in -Straßburg.</span></p> - -</div> - -<p class="s1 center"><b>Walther von der Vogelweide</b></p> - -<p class="center">Von</p> - -<p class="s3 center"><b>Rudolf Wustmann</b></p> - -<hr class="r10"> - -<p class="center">Kl. 8°. V, 103 S. 1912. Mit 3 Tafeln.<br> -Geheftet <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 2.—, gebunden <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 2.40.</p> - -<hr class="r10"> - -<p class="s5 center mtop1"><em class="gesperrt">Vorwort des Verfassers</em>:</p> - -<p>„Dies Büchlein zu schreiben hat mich schon lange gedrängt. Walther -von der Vogelweide verdient in unserer allgemeinen Bildung einen -besseren Platz, als ihm die meisten deutschen Hoch- und Mittelschulen -zuteil werden lassen. Sein Charakterbild steht im großen und ganzen -fest, so vieles auch an seinem Lebensbilde noch undeutlich ist. Daß -ich nun auch etwas von Walthers Musik mit vorlegen kann, macht mir -besondere Freude.“</p> - -<hr class="r100"> - -<p class="s1 center">Shakspere</p> - -<p class="s3 center">Fünf Vorlesungen aus dem Nachlaß</p> - -<p class="center">von</p> - -<p class="s4 center"><b>Bernhard ten Brink</b></p> - -<p class="s4 center">Mit dem Medaillonbildnis des Verfassers in Lichtdruck</p> - -<p class="center"><b>Dritte durchgesehene Auflage</b></p> - -<p class="center">Klein 8°. VII, 149 S. 1907. <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 2.—, gebunden <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 2.50.</p> - -<figure class="figcenter illowe6" id="borduere2"> - <img class="w100" src="images/borduere2.png" alt="Deko"> -</figure> - -<p class="s5 hang1_5">Inhalt: Erste Vorlesung: Der Dichter und der Mensch. – Zweite -Vorlesung: Die Zeitfolge von Shaksperes Werken. – Dritte Vorlesung: -Shakspere als Dramatiker. – Vierte Vorlesung: Shakspere als -komischer Dichter. – Fünfte Vorlesung: Shakspere als Tragiker.</p> - -</div> - -<hr class="full x-ebookmaker-drop"> - -<div class="schmal"> - -<div class="section"> - -<p class="s4 center mtop3"><span class="bbt">Verlag von KARL J. TRÜBNER in -Straßburg.</span></p> - -</div> - -<p class="s1 center"><b><span class="s6">Deutsches</span><br> -Fremdwörterbuch</b></p> - -<p class="center">Von</p> - -<p class="s3 center"><b>Hans Schulz</b></p> - -<p class="s5 center">Privatdozent an der Universität Freiburg i. Br.</p> - -<p class="s4 center">Erste bis vierte Lieferung: A-Kampagne</p> - -<p class="center">Lex. 8°. je 5 Bogen. Subskriptionspreis für die Lieferung <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 1.50.<br> -Das Werk wird etwa 10 Lieferungen von je 5 Bogen Lex. 8° umfassen.</p> - -<p class="s5">Das Buch versucht zum ersten Male eine lexikalische Behandlung der -in unsere Sprache aufgenommenen Fremdwörter nach den Grundsätzen der -modernen Wortforschung. Der Verfasser hat es sich zur Aufgabe gemacht, -für jedes Wort die Quelle und die Zeit der Entlehnung zu ermitteln, -seinen ursprünglichen Geltungsbereich festzustellen und unter Darlegung -des historischen Belegmaterials seine Entwicklung im deutschen -Sprachgebrauch zu veranschaulichen. Besonderer Wert wurde darauf -gelegt, die lebende und allgemein gebräuchliche Sprache zu fassen und -eingehend zu behandeln.</p> - -<p class="s5">„Das lang ersehnte geschichtliche Fremdwörterbuch tritt endlich -in Erscheinung, nicht im Zusammenarbeiten mehrerer, nicht als Ertrag -einer langen Lebensarbeit, sondern dank der Tatkraft, dem mutigen -Zugreifen eines jugendfrischen Mannes. Schulz will allerdings nicht -ein Seitenstück zum Deutschen Wörterbuch bieten, seine Arbeit ist -vielmehr auf ein einbändiges Werk berechnet. Es sollen nur die wirklich -lebendigen Fremdwörter behandelt werden und nur die, die der allgemein -gebräuchlichen Sprache angehören; Veraltetes, wie das große Heer der -technischen Ausdrücke, scheidet also aus. Was Schulz innerhalb dieser -Grenzen geleistet hat, ist ganz vortrefflich. Auswahl, Anordnung, -Darstellung sind durchaus zweckentsprechend und geschickt; musterhafte -Knappheit verbindet sich mit großem Reichtum ... Die Ausstattung des -Buches ist durchaus erfreulich. Hoffentlich liegt das Ganze recht bald -vollendet vor uns.“</p> - -<p class="s5 center"><i>Prof. Dr. O. Behaghel im Literaturblatt für germanische und -romanische Philologie XXII. Jahrgang 1911, Nr. 1.</i></p> - -</div> - -<hr class="full x-ebookmaker-drop"> - -<div class="schmal"> - -<div class="section"> - -<p class="s4 center mtop3"><span class="bbt">Verlag von KARL J. TRÜBNER in -Straßburg.</span></p> - -</div> - -<p class="s1 center"><b>Etymologisches Wörterbuch<br> -<span class="s6">der deutschen Sprache</span></b></p> - -<p class="s5 center">von</p> - -<p class="s3 center"><b>Friedrich Kluge</b></p> - -<p class="s5 center">ord. Professor der deutschen Sprache an der Universität -Freiburg i. Br.</p> - -<hr class="r10"> - -<p class="s4 center"><b>Siebente verbesserte und vermehrte Auflage</b></p> - -<hr class="r10"> - -<p class="s5 center">Lex. 8°. XVI, 519 S. 1910. Geheftet <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 9.—, in Leinwand geb. <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 10.20, -in Halbfranz geb. <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 11.—.</p> - -<hr class="r10"> - -<p class="s5"><b>Kluges Wörterbuch</b> ist im Jahre 1883 erstmals erschienen; es -hat also im Jahre 1908 sein 25jähriges Jubiläum feiern können. Der -Erfolg der bis jetzt erschienenen sieben Auflagen und die Anerkennung, -welche dem Buche zu Teil geworden, haben gezeigt, wie richtig der -Gedanke war, die Ergebnisse des anziehendsten und wertvollsten Teiles -der wissenschaftlichen Wortforschung, den über die Entstehung und -Geschichte der einzelnen Wörter unseres Sprachschatzes, in knapper -lexikalischer Darstellung zusammenzufassen.</p> - -<p class="s5">Der Verfasser hat es sich zur Aufgabe gemacht, Form und Bedeutung -jedes Wortes bis zu seiner Quelle zu verfolgen, die Beziehungen -zu den klassischen Sprachen in gleichem Maße betonend wie das -Verwandtschaftsverhältnis zu den übrigen germanischen und den -romanischen Sprachen; auch die entfernteren orientalischen, -sowie die keltischen und die slavischen Sprachen sind in allen -Fällen herangezogen, wo die Forschung eine sichere Verwandtschaft -festzustellen vermag.</p> - -<p class="s5">Die vorliegende neue Auflage, die auf jeder Seite Besserungen und -Zusätze aufweist, hält an dem früheren Programm des Werkes fest, -strebt aber wiederum nach einer Vertiefung und Erweiterung der -wortgeschichtlichen Probleme und ist auch diesmal bemüht, den -neuesten Fortschritten der etymologischen Wortforschung gebührende -Rechnung zu tragen. Am besten aber veranschaulichen einige Zahlen die -Vervollständigung des Werkes seit seinem ersten Erscheinen: die Zahl -der Stichworte hat sich von der ersten zur siebenten Auflage vermehrt -im Buchstaben A: von 130 auf 346 (6. Aufl. 280); B: von 378 auf 608 (6. -Aufl. 520); D: von 137 auf 238 (6. Aufl. 200); E: von 100 auf 202 (6. -Aufl. 160); F: von 236 auf 454 (6. Aufl. 329). Diese Vermehrung ist in -gleicher Weise auch bei den übrigen Buchstaben angestrebt worden.</p> - -</div> - -<hr class="full x-ebookmaker-drop"> - -<div class="schmal"> - -<div class="section"> - -<p class="s4 center mtop3"><span class="bbt">Verlag von KARL J. TRÜBNER in -Straßburg.</span></p> - -</div> - -<p class="s1 center"><b>Wörterbuch-Bibliothek.</b></p> - -<p class="hang1_5"><b class="s4">Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache.</b> Von -<em class="gesperrt">Friedrich Kluge</em>, Professor an der Universität Freiburg i. Br. -Siebente verbesserte und vermehrte Auflage. Lex. 8°. XVI, 519 S. -1910. Geh. <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 9.—, in Leinw. geb. <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 10.20, in Halbfranz geb. <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 11.—</p> - -<p class="hang1_5"><b class="s4">Deutsches Fremdwörterbuch.</b> Von <em class="gesperrt">Hans Schulz</em>, -Privatdozent an der Universität Freiburg i. Br. 1.-4. Lieferung: -A-Kampagne. Subskriptionspreis für die Lieferung <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 1.50. Das Werk -wird etwa 10 Lieferungen von je 5 Bogen Lex. 8°. umfassen.</p> - -<p class="hang1_5"><b class="s4">Wörterbuch der deutschen Kaufmannssprache.</b> Auf -geschichtlichen Grundlagen. Mit einer systematischen Einleitung. Von -<i>Alfred Schirmer</i>. Lex. 8°. LI, 218 S. 1911. Geh. <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 6.50, geb. <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 7.50</p> - -<p class="hang1_5"><b class="s4">Die deutsche Druckersprache.</b> Von <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Heinrich -Klenz</em>. 8°. XV, 128 S. 1900. Geh. <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 2.50, geb. <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 3.50</p> - -<p class="hang1_5"><b class="s4">Schlagwörterbuch.</b> Von <em class="gesperrt">Otto Ladendorf</em>. 8°. XXIV, 365 S. -1906. Geh. <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 6.—, in Leinwand geb. <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 7.—</p> - -<p class="hang1_5"><b class="s4">Pennälersprache.</b> Entwicklung, Wortschatz und Wörterbuch. Von -<em class="gesperrt">Rudolf Eilenberger</em>. 8°. VIII, 68 S. 1910. Geh. <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 1.80, in -Leinwand geb. <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 2.30</p> - -<p class="hang1_5"><b class="s4">Schelten-Wörterbuch.</b> Die Berufs-, besonders Handwerkerschelten -und Verwandtes. Von <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Heinrich Klenz</em>. 8°. VIII, 159 -S. 1910. Geh. <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 4.—, geb. <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 5.—</p> - -<p class="hang1_5"><b class="s4">Rotwelsch.</b> <em class="gesperrt">Quellen und Wortschatz der Gaunersprache</em> -und der verwandten Geheimsprachen. Von <em class="gesperrt">Friedrich Kluge</em>. I. -Rotwelsches Quellenbuch. Gr. 8°. XVI, 495 S. 1901. <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 14.—</p> - -</div> - -<hr class="full x-ebookmaker-drop"> - -<div class="schmal"> - -<div class="section"> - -<p class="s4 center mtop3"><span class="bbt">Verlag von KARL J. TRÜBNER in -Straßburg.</span></p> - -</div> - -<p class="s1 center"><b><span class="s6">Allgemeine</span><br> -Bücherkunde<br> -<span class="s7">zur neueren deutschen Literaturgeschichte</span></b></p> - -<p class="center">Von</p> - -<p class="s3 center"><b>Robert F. Arnold</b></p> - -<p class="s5 center">a. o. Univ.-Prof., Kustos der k. k. Hofbibliothek in Wien.</p> - -<p class="s4 center">8°. XIX, 354 S. 1910.</p> - -<p class="s4 center">Geheftet <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 8.—, in Leinwand geb. <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 9.—.</p> - -<p class="s5 mtop1">Dieses Werk gehört zu den Büchern, die wirklich einmal eine -vorhandene Lücke ausfüllen und den Bestand unserer Hilfsmittel um -ein höchst nützliches Glied erweitern. Aus der Praxis erwachsen, ist -es auch in besonderem Sinne praktisch gestaltet worden, zumal der -Verfasser reiche bibliothekarische Erfahrung mit literarhistorischer -Kritik aufs glücklichste vereinigte ... Alles in allem erscheint der -Inhalt des Buches so wohlerwogen und so gewissenhaft überprüft, ist -die Anordnung und der Druck so klar und übersichtlich, daß es den -zu stellenden Anforderungen aufs beste entspricht ... Und wenn der -Verfasser die mühevolle Arbeit mit einem Seufzer der Erleichterung -beschließt, so mag in das Bewußtsein trösten, durch sein schönes Buch -den Nachstrebenden wie den Fachgenossen einen guten Dienst geleistet zu -haben.“</p> - -<p class="right"><i>Dr. Otto Ladendorf in Zeitschr. f. d. dt. Unterricht, 24. -Jahrg., Heft 11.</i></p> - -<p class="s5 mtop1">„<span class="antiqua">Für das Gebiet der deutschen Literatur, den bevorzugten Tummelplatz -unserer Bibliophilen, liefert der bekannte, als Bibliograph der neueren -Theatergeschichte bewährte Wiener Literaturhistoriker und Bibliothekar -Arnold eine überaus nützliche Einführung, indem er streng gegliedert -die gesamte eingeschlagene Literatur vorführt. Das System ist praktisch -und zumal durch das ausführliche Register auch für Laien leicht -benutzbar. Für jedes Gebiet wird eine Art historischer Entwicklung -an der Hand der älteren Bücher und Zeitschriften gegeben; knappe, -sichere Urteile, Anweisungen für den Gebrauch von Sammelwerken und -Nachschlagebüchern gewähren namentlich dem Anfänger die nützlichste -Unterstützung</span> ...“</p> - -<p class="right"><i>Prof. Dr. G. Witkowski in der Zeitschr. f. Bücherfreunde, -Januar-Heft 1911.</i></p> - -</div> - -<hr class="full x-ebookmaker-drop"> - -<div class="schmal"> - -<div class="section"> - -<p class="s4 center mtop3"><span class="bbt">Verlag von KARL J. TRÜBNER in -Straßburg.</span></p> - -</div> - -<p class="s1 center"><b>Die Renaissance</b></p> - -<p class="s4 center">Historische Szenen</p> - -<p class="center">vom</p> - -<p class="s3 center"><b>Grafen Gobineau</b></p> - -<p class="center"><em class="gesperrt">Deutsch von Ludwig Schemann</em></p> - -<p class="center">Ausgabe letzter Hand mit den aus der Handschrift erstmalig -übertragenen</p> - -<p class="s4 center"><b>Originaleinleitungen Gobineaus.</b></p> - -<p class="center">8°. LXXXV, 387 S. 1912.</p> - -<hr class="r10"> - -<p class="center">Preis: Geheftet <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 4.—, geb. in Leinwand <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 5.—, in -Ganzlederband <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 6.—.</p> - -<hr class="r10"> - -<p class="s4">Der Wert und die Bedeutung der neuen Auflage wird besonders dadurch -erhöht, daß in ihr <b>zum ersten Male</b> und <b>allein in ihr die -Einleitungen, die Gobineau selbst zur Renaissance</b> geschrieben -hat, veröffentlicht werden. „Diese Einleitungen, deren Charakter -und Bedeutung auf den ersten Blick erhellt, bringen einerseits eine -Art <b>Vorgeschichte der Renaissance</b>, eine knappe, lichtvolle -kulturgeschichtliche Übersicht über das Mittelalter, als die -eigentliche Grundlage und Voraussetzung jener großen Zeit; anderseits -aber Einzelcharakteristiken von Personen und Ereignissen, welche -die des Hauptwerkes zum Teil zusammenfassen, zum Teil ergänzen -und durch neue Züge bereichern; endlich noch einzelne besondere -geschichtsphilosophische Ausblicke und Erörterungen. <b>Das Ganze -bildet eine schwungvolle Parallele</b>, die der Kulturhistoriker dem -Dichter geliefert hat.“</p> - -</div> - -<hr class="full x-ebookmaker-drop"> - -<div class="schmal"> - -<div class="section"> - -<p class="s4 center mtop3"><span class="bbt">Verlag von KARL J. TRÜBNER in -Straßburg.</span></p> - -</div> - -<p class="s3 center"><i>DAS GESAMTE GEBIET DER NATURWISSENSCHAFTEN IN ZEHN -BÄNDCHEN.</i></p> - -<p class="s4 center">Chemie – Physik – Astronomie – Physikalische Geographie – -Geologie – Tierkunde – Botanik – Mineralogie – Physiologie – Allgemeine -Einführung in die Naturwissenschaften</p> - -<p>vereinigt die bekannte von bedeutenden Gelehrten verfaßte Sammlung</p> - -<p class="s2 center mbot1"><b>Naturwissenschaftliche Elementarbücher.</b></p> - -<hr class="r10"> - -<p class="mtop2">Ihren durchschlagenden Erfolg haben die Bändchen dieser Serie dem -Umstand zu danken, daß hier zum erstenmal die Wissenschaft durch ihre -allerersten Vertreter dem Elementar-Unterricht direkt dienstbar gemacht -ist; sie wollen „die Schuljugend zur Beobachtung, zum Nachdenken über -die alltäglichen Erscheinungen der Außenwelt anleiten und sie so mit -der Natur, in der wir wurzeln, vertraut machen. Nie zuvor sind unserer -Schule so gediegene Hilfsmittel dargeboten worden, in denen unter -der einfachsten und verständlichsten, zugleich das Gemüt erfreuenden -Einkleidung die Resultate der Wissenschaften durchblicken“. – Die -schöne klare Sprache machen die Bändchen auch in hervorragendem Maße -zum Selbststudium und ersten Einführung gut geeignet.</p> - -<p class="center"><em class="gesperrt">Gute Ausstattung</em> (klarer Druck, weißes starkes Papier). — -<em class="gesperrt">Zahlreiche gute Abbildungen.</em> —</p> - -<figure class="figcenter illowp100" id="borduere3" style="max-width: 121.125em;"> - <img class="w100" src="images/borduere3.png" alt="Zierbordüre"> -</figure> - -<table class="naturwissenschaften"> - <tr> - <td> - <div class="left">Preis pro Bändchen:</div> - </td> - <td> - <div class="right">in Schulband</div> - </td> - <td> - <div class="left"><img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> —.80,</div> - </td> - </tr> - <tr> - <td colspan="2"> - <div class="right">in gediegenem Leinenband</div> - <td> - <div class="left"><img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 1.—.</div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="padtop0_5"> - <div class="left"><i>Die ganze Serie zusammen</i>:</div> - </td> - <td class="padtop0_5"> - <div class="right"><i>in Schulband</i></div> - </td> - <td class="padtop0_5"> - <div class="left"><i><img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 8.—,</i></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td colspan="2"> - <div class="right"><i>gebunden in Leinen in elegantem Karton</i></div> - <td> - <div class="left"><i><img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 10.—.</i></div> - </td> - </tr> -</table> - -</div> - -<hr class="full x-ebookmaker-drop"> - -<div class="schmal"> - -<div class="section"> - -<p class="s4 center mtop3"><span class="bbt">Verlag von KARL J. TRÜBNER in -Straßburg.</span></p> - -</div> - -<p class="s1 center"><span class="s7">Kurzes Lehrbuch der</span><br> -Physikalischen Geographie</p> - -<p class="center">von</p> - -<p class="s3 center"><b>A. Geikie</b></p> - -<p class="s5 center">Professor an der Universität Edinburg.</p> - -<p class="s3 center">Autorisierte Deutsche Ausgabe</p> - -<p class="center">von</p> - -<p class="s4 center">Prof. Dr. Bruno Weigand.</p> - -<p class="s4 center">Mit einer Einführung von Prof. Dr. Erich von Drygalski.</p> - -<hr class="r10"> - -<p class="s4 center">Zweite verbesserte und vermehrte Auflage.</p> - -<p class="s4 center">Mit 77 Holzschnitten, 5 Vollbildern und 13 Karten.</p> - -<hr class="r10"> - -<p class="s4 center">8°. X, 386 S. 1908.</p> - -<p class="s4 center">Geheftet <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 4.50, in Leinwand gebunden <img class="h1em" src="images/mark.png" alt="Währungssymbol: Mark"> 5.20.</p> - -<hr class="r10"> - -<p class="center"><em class="gesperrt">Inhalt</em>: 1. Die Erde als Planet. – 2. Die Luft. – 3. Das -Meer. – 4. Das Festland. – 5. Das Leben.</p> - -<hr class="r10"> - -<p class="s5 mtop1">„... Wer die kleine „physikalische Geographie“ und „Geologie“ -Geikies kennt, die als Nr. 4 und 5 der „Naturwissenschaftlichen -Elementarbücher“ (im selben Verlage) erschienen sind, der wird mit -großer Spannung an Geikies Lehrbuch herantreten. Und diese wächst mit -der Lektüre jeder Seite. Denn es spricht ein Meister und ein Künstler -der Sprache zu uns. Da ist alles knapp, einfach, klar und präzise -ausgedrückt ...“</p> - -<p class="s5 right"><i>Blätter für die Fortbildung des Lehrers und der Lehrerin -1908, Heft 23.</i></p> - -<p class="s5 mtop1">„... In seiner Klarheit, Allseitigkeit, strengen Begründung und -doch leichten Faßlichkeit ist das Buch dem Lehrer das beste Werk zum -Selbststudium, dem Unterricht ein treffliches Hilfsmittel und der -reifen Jugend eine anregende Lektüre.“</p> - -<p class="s5 right"><i>Bayerische Lehrerzeitung 1908, Heft 41.</i></p> - -</div> - -<div class="footnotes"> - -<p class="s3 center padtop1"><b>Fußnoten:</b></p> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_1" href="#FNAnker_1" class="label">[1]</a> Die Bezeichnungen starke und schwache Deklination sind -ebenso wie das Wort Umlaut von Jakob Grimm gebildet.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_2" href="#FNAnker_2" class="label">[2]</a> Einige Wörter, wie <em class="gesperrt">Auge</em>, <em class="gesperrt">Bett</em> u. a., werden -in der Einzahl stark, in der Mehrzahl schwach dekliniert. Diese faßt -man als gemischte Deklination zusammen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_3" href="#FNAnker_3" class="label">[3]</a> Mit Ausnahme von <em class="gesperrt">Friede</em> und <em class="gesperrt">Gedanke</em>, die -im Mittelhochdeutschen (<span class="antiqua">vride</span>, <span class="antiqua">gedanc</span>) zur starken -Deklination gehörten.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_4" href="#FNAnker_4" class="label">[4]</a> Auch der Nominativ <em class="gesperrt">Felsen</em> neben <em class="gesperrt">Fels</em> -ist auf diese Weise entstanden; das Wort gehört ursprünglich der -starken Deklination an, daher ist gegen die Dativ- und Akkusativform -<em class="gesperrt">Fels</em> (<em class="gesperrt">Vom Fels</em> zum Meer) nichts einzuwenden.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_5" href="#FNAnker_5" class="label">[5]</a> Etwas andres ist es in Fällen, wo die falsche Form die -alte, richtige aus dem Sprachbewußtsein schon ganz verdrängt hat, -wie bei <em class="gesperrt">Braten</em>, <em class="gesperrt">Hopfen</em>, <em class="gesperrt">Kuchen</em>, <em class="gesperrt">Rücken</em>, -<em class="gesperrt">Schinken</em> u. a., die im Mittelhochdeutschen noch <span class="antiqua">brate</span>, -<span class="antiqua">hopfe</span> usw. hießen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_6" href="#FNAnker_6" class="label">[6]</a> Der Apostroph sollte nur da angewandt werden, wo er eine -Verwechslung verhüten kann, z. B. zwischen dem Präsens <em class="gesperrt">rauscht</em> -und dem Imperfektum <em class="gesperrt">rauscht’</em> (Das Wasser <em class="gesperrt">rauscht’</em>, das -Wasser schwoll), oder zwischen der Einzahl <em class="gesperrt">Berg</em> und der Mehrzahl -<em class="gesperrt">Berg’</em> (über <em class="gesperrt">Berg’</em> und Täler). Hier bedeutet er wirklich -etwas, und hier kann man ihn bei gutem Vorlesen sogar – hören!</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_7" href="#FNAnker_7" class="label">[7]</a> Diese schwache oder aus schwacher und starker gemischte -Deklination der Eigennamen war früher noch viel weiter verbreitet. -Nicht bloß <em class="gesperrt">Schwarz</em> und <em class="gesperrt">Schütz</em> wurden dekliniert -<em class="gesperrt">Schwarzens</em>, <em class="gesperrt">Schwarzen</em>, <em class="gesperrt">Schützens</em>, <em class="gesperrt">Schützen</em>, -weshalb man aus den <span class="antiqua">casus obliqui</span> nie entnehmen kann, ob -sich der Mann <em class="gesperrt">Schwarz</em> oder <em class="gesperrt">Schwarze</em> nannte; auch von -<em class="gesperrt">Christ</em>, <em class="gesperrt">Weck</em>, <em class="gesperrt">Frank</em>, <em class="gesperrt">Fritsch</em> bildete man -<em class="gesperrt">Christens</em>, <em class="gesperrt">Christen</em>, <em class="gesperrt">Weckens</em>, <em class="gesperrt">Wecken</em>, -<em class="gesperrt">Frankens</em>, <em class="gesperrt">Franken</em>, <em class="gesperrt">Fritschens</em>, <em class="gesperrt">Fritschen</em> -(Leipzig, bei Thomas Fritschen). Daher findet man in antiquarischen -Katalogen Christs Buch „Anzeige und Auslegung der <span class="antiqua">Monogrammatum</span>“ -meist unter dem falschen Namen <em class="gesperrt">Christen</em>, Wecks Beschreibung -von Dresden meist unter dem falschen Namen <em class="gesperrt">Wecken</em> aufgeführt; -auf den Titelblättern steht wirklich: <em class="gesperrt">von Christen</em>, <em class="gesperrt">von -Wecken</em>. Die berühmte Leipziger Gelehrtenfamilie der <em class="gesperrt">Mencke</em>, -aus der Bismarcks Mutter abstammte, war durch ihre <span class="antiqua">casus obliqui</span> -so irre geworden, daß sie schließlich selber nicht mehr wußte, wie -sie hieß; deutsch schrieben sie sich <em class="gesperrt">Mencke</em>, aber latinisiert -<span class="antiqua">Menckenius</span>. Aber auch bei solchen Genitiven auf <em class="gesperrt">ens</em> -richtet der Apostroph oft Unheil an. An <em class="gesperrt">Stieglitzens</em> Hof -am Markt in Leipzig steht über dem Eingang in goldner Schrift: -<em class="gesperrt">Stieglitzen’s</em> Hof – als ob der Erbauer <em class="gesperrt">Stieglitzen</em> -geheißen hätte. Und welche Überraschung, wenn einem der Buchbinder -auf einen schönen Halbfranzband gedruckt hat: Hans <em class="gesperrt">Sachsen’s</em> -Dichtungen!</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_8" href="#FNAnker_8" class="label">[8]</a> Wie lange soll übrigens noch in der deutschen Schrift der -Zopf der römischen Ziffern weitergeschleppt werden? Warum druckt man -nicht <em class="gesperrt">Heinrichs 8.</em>, <em class="gesperrt">Ludwigs XIV.</em>? Auch in andern Fällen -werden die römischen Ziffern ganz unnötigerweise verwandt. Warum nicht -das <em class="gesperrt">12. Armeekorps</em>, warum immer das <em class="gesperrt">XII. Armeekorps</em>? Fast -alle unsre Historiker scheinen zu glauben, es klinge gelehrter, wenn -sie schreiben: im <em class="gesperrt">XVIII. Jahrhundert</em>. Eigentlich sollte man im -Druck überhaupt Ziffern nur für das Datum und für rechnungsmäßige, -z. B. statistische, finanzielle, astronomische Angaben verwenden, also -nicht drucken: Unser Leben währet 70 Jahre. Vornehme Druckereien haben -sich auch früher so etwas nie erlaubt. Von den Zifferblättern unsrer -Uhren verschwinden erfreulicherweise die römischen Ziffern immer mehr.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_9" href="#FNAnker_9" class="label">[9]</a> Daher schreibt man auch auf Büchertiteln: <em class="gesperrt">Von -Pfarrer</em> Hansjakob, <em class="gesperrt">von Prof.</em> A. Schneider (statt <em class="gesperrt">von -dem</em> Professor), wo bloß der Titel gemeint ist.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_10" href="#FNAnker_10" class="label">[10]</a> Geschmacklos ist es, vor derartige Appositionen, wo -sie wirklich den Beruf, das Amt, die Tätigkeit bedeuten, noch das -Wort <em class="gesperrt">Herr</em> zu setzen: der <em class="gesperrt">Herr Reichskanzler</em>, der -<em class="gesperrt">Herr Erste(!) Staatsanwalt</em>, der <em class="gesperrt">Herr Bürgermeister</em>, -der <em class="gesperrt">Herr Stadtverordnete</em>, der <em class="gesperrt">Herr Vorsitzende</em>, der -<em class="gesperrt">Herr Direktor</em>, der <em class="gesperrt">Herr Lehrer</em> (die <em class="gesperrt">Herren Lehrer</em> -sind während der Unterrichtsstunden nicht zu sprechen), der <em class="gesperrt">Herr -Königliche Oberförster</em>, der <em class="gesperrt">Herr Organist</em>, der <em class="gesperrt">Herr -Hilfsgeistliche</em>, sogar der <em class="gesperrt">Herr Aufseher</em>, der <em class="gesperrt">Herr -Expedient</em>, die <em class="gesperrt">Herren Beamten</em> usw. Wenn das <em class="gesperrt">Herr</em> -durchaus zur Erhöhung der Würde dabeistehen soll, so gehört es -unmittelbar vor den Namen: der <em class="gesperrt">Abgeordnete Herr Götz</em>, der -<em class="gesperrt">Organist Herr Schneider</em>, der <em class="gesperrt">Hilfsgeistliche Herr Richter</em> -usw. Fühlt man denn aber nicht, daß <em class="gesperrt">der Reichskanzler</em>, <em class="gesperrt">der -Bürgermeister</em> und <em class="gesperrt">der Direktor</em> viel vornehmere Leute sind -als der <em class="gesperrt">Herr Reichskanzler</em>, der <em class="gesperrt">Herr Bürgermeister</em> und -der <em class="gesperrt">Herr Direktor</em>? Wie vornehm klangen die Theaterzettel der -Meininger, wie lächerlich klingt eine Liste der Prediger des nächsten -Sonntags, wenn sie alle vom Superintendenten bis herab zum letzten -Kandidaten als <em class="gesperrt">Herren</em> aufgeführt sind! Das allerlächerlichste -sind wohl die <em class="gesperrt">Herren Mitglieder</em>. Wie heißt denn davon die -Einzahl? <em class="gesperrt">der</em> Herr Mitglied? oder <em class="gesperrt">das</em> Herr Mitglied?</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_11" href="#FNAnker_11" class="label">[11]</a> Obwohl sich schon im fünfzehnten Jahrhundert in Urkunden -findet: das Haus, das <em class="gesperrt">Peter von Dubins</em> (Peters von Düben) oder -das <em class="gesperrt">Nickel von Pirnes</em> (Nickels von Pirne) gewest, als das Gefühl -für den Ortsnamen noch viel lebendiger war als bei unsern heutigen -Adelsnamen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_12" href="#FNAnker_12" class="label">[12]</a> In München und in Wien <em class="gesperrt">fahrt</em> man in <em class="gesperrt">Wägen</em>! -Die <em class="gesperrt">Nägel</em>, die <em class="gesperrt">Gärten</em> u. a. sind freilich schon längst -durchgedrungen, während es im sechzehnten Jahrhundert noch hieß: <em class="gesperrt">die -Nagel</em>, <em class="gesperrt">die Garten</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_13" href="#FNAnker_13" class="label">[13]</a> Ausgenommen sind nur <em class="gesperrt">Mutter</em> und <em class="gesperrt">Tochter</em>, -die zur starken, und <em class="gesperrt">Bauer</em>, <em class="gesperrt">Vetter</em> und <em class="gesperrt">Gevatter</em>, die -zur gemischten Deklination gehören. In der Sprache der Technik aber, wo -<em class="gesperrt">Mutter</em> mehrfach im übertragnen Sinne gebraucht wird, bildet man -unbedenklich die <em class="gesperrt">Muttern</em> (die <em class="gesperrt">Schraubenmuttern</em>).</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_14" href="#FNAnker_14" class="label">[14]</a> Vereinzelt ist auch in Fachkreisen die alte Form lebendig -geblieben. Der Leipziger Zimmermann sagt noch heute: <em class="gesperrt">die Bret</em>, -<em class="gesperrt">die Fach</em>, nicht <em class="gesperrt">die Bretter</em>, <em class="gesperrt">die Fächer</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_15" href="#FNAnker_15" class="label">[15]</a> Als die <em class="gesperrt">Schlösser</em> aufkamen, müssen Menschen von -feinerem Sprachgefühl etwa dasselbe gefühlt haben, was man heute fühlen -würde, wenn jemand von <em class="gesperrt">Rössern</em> reden wollte.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_16" href="#FNAnker_16" class="label">[16]</a> Faß e mal das Ding an den Dingern hier an, daß die Dinger -drinne nich gedrückt werden. D. h. fasse den Korb an den Henkeln hier -an, daß die Hüte drin nicht gedrückt werden.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_17" href="#FNAnker_17" class="label">[17]</a> Auch bei <em class="gesperrt">Lohn</em> sind seit alter Zeit beide -Geschlechter üblich: aber auch hier hat das Neutrum jetzt einen -niedrigen Beigeschmack. Dienstmädchen verlangen <em class="gesperrt">hohes Lohn</em>, -Gesellen <em class="gesperrt">höheres Macherlohn</em> oder <em class="gesperrt">Arbeitslohn</em>; aber jede -gute Tat hat <em class="gesperrt">ihren</em> schönsten <em class="gesperrt">Lohn</em> in sich selbst.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_18" href="#FNAnker_18" class="label">[18]</a> Wenn ein Hauptwort in seinem Geschlecht schwankt, so hat -das Neutrum nicht selten etwas gemeines. Es hängt das damit zusammen, -daß nicht bloß der ungebildete Fremde, der des Deutschen nicht mächtig -ist, alle deutschen Hauptwörter im Zweifelfalle sächlich behandelt -(<em class="gesperrt">das Bruder</em>, <em class="gesperrt">das Offizier</em>, <em class="gesperrt">das Kutscher</em>), sondern -auch der ungebildete Deutsche ebenso mit Fremdwörtern verfährt. Man -denke nur an die unausstehlichen Neutra unsrer Handlungsreisenden, -Ladendiener, und Ladenmädchen: <em class="gesperrt">das Firma</em>, <em class="gesperrt">das Fasson</em>, -<em class="gesperrt">das Etikett</em>, <em class="gesperrt">das Offert</em>, <em class="gesperrt">das Makulatur</em>! Das -neueste ist <em class="gesperrt">das Meter</em>, das die Handlungsdiener und Ladenmädchen -doch wahrhaftig nicht dem griechischen μέτρον zuliebe plötzlich als -Neutrum behandeln!</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_19" href="#FNAnker_19" class="label">[19]</a> Vielleicht ist es dort über die Niederlande aus dem -Französischen eingedrungen; dann würde es schließlich auch auf die -romanische Quelle zurückgehen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_20" href="#FNAnker_20" class="label">[20]</a> Von Wörtern weiblichen Geschlechts wird immer der Plural -gebildet: <em class="gesperrt">zwei Mandeln</em> Eier, <em class="gesperrt">drei Ellen</em> Band, <em class="gesperrt">sechs -Flaschen</em> Wein, <em class="gesperrt">zehn Klaftern</em> Holz, <em class="gesperrt">vier Wochen</em> alt.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_21" href="#FNAnker_21" class="label">[21]</a> Wenn aber ein Antiquar in einem Katalog von einem -wertvollen alten Druck sagt: <em class="gesperrt">Sechs Blatt</em> sind stockfleckig, so -ist das natürlich falsch.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_22" href="#FNAnker_22" class="label">[22]</a> Genau genommen wird freilich auch nicht <em class="gesperrt">vereiteln</em>, -<em class="gesperrt">verändern</em> gesprochen, sondern <em class="gesperrt">vereitln, verändrn</em>, l -und r werden gleichsam vokalisiert. Aber gemeint ist doch mit dieser -Aussprache <em class="gesperrt">eln</em>, <em class="gesperrt">ern</em>, nicht <em class="gesperrt">len</em>, <em class="gesperrt">ren</em>. -Eigentlich gehören auch noch die Wortstämme auf <em class="gesperrt">en</em> hierher, wie -<em class="gesperrt">rechen</em>, <em class="gesperrt">zeichen</em>, <em class="gesperrt">orden</em>, <em class="gesperrt">offen</em>, <em class="gesperrt">eben</em>, -<em class="gesperrt">eigen</em>, <em class="gesperrt">regen</em> (vgl. <em class="gesperrt">Rechenschaft</em>, <em class="gesperrt">Eigentum</em>, -<em class="gesperrt">Offenbarung</em>). Die Infinitive können da natürlich nur -<em class="gesperrt">rechnen</em>, <em class="gesperrt">ordnen</em>, <em class="gesperrt">eignen</em> lauten; die flektierten -Formen aber, die wir jetzt leider allgemein <em class="gesperrt">zeichnet</em>, -<em class="gesperrt">zeichnete</em>, <em class="gesperrt">öffnete</em>, <em class="gesperrt">gerechnet</em>, <em class="gesperrt">geordnet</em>, -<em class="gesperrt">geeignet</em> schreiben, lauteten im sechzehnten und siebzehnten -Jahrhundert noch überall schöner: <em class="gesperrt">zeichent</em>, <em class="gesperrt">gerechent</em>, -<em class="gesperrt">geordent</em>, <em class="gesperrt">geeigent</em>. Der Volksmund spricht auch heute noch -so, selbst der Gebildete sagt – er mag sich nur richtig beobachten -–: <em class="gesperrt">es regent</em>, es <em class="gesperrt">regente</em>, es hat <em class="gesperrt">geregent</em> (genau -genommen freilich auch hier wieder <em class="gesperrt">regnt</em>, <em class="gesperrt">geregnt</em>, mit -vokalisiertem n). Nur wer sich ziert, wer „wie gedruckt“ redet, sagt: -<em class="gesperrt">ausgezeichnet</em>! <em class="gesperrt">Net</em>, womöglich <em class="gesperrt">nett</em>! Man muß -ja förmlich eine Pause machen und Kraft sammeln, um das <em class="gesperrt">net</em> -herauszubringen! Unsre besten und hervorragendsten Zeitschriften -brauchten nur einmal die vernünftigen Formen <em class="gesperrt">zeichent</em>, -<em class="gesperrt">öffent</em>, <em class="gesperrt">zeichente</em>, <em class="gesperrt">öffente</em>, <em class="gesperrt">gezeichent</em>, -<em class="gesperrt">geöffent</em> eine Reihe von Jahren beharrlich drucken zu lassen, so -wären sie wieder durchgedrückt. In <em class="gesperrt">atmen</em> (Stamm <em class="gesperrt">atem</em>) -hat natürlich das Stamm-e ausgeworfen werden müssen, weil <em class="gesperrt">atemn</em> -niemand sprechen kann; für <em class="gesperrt">atmet</em> hört man aber im Volksmunde -auch oft genug <em class="gesperrt">atent</em>, wie denn auch schon in der ältern Sprache -<em class="gesperrt">Aten</em> neben <em class="gesperrt">Atem</em> erscheint, (und wie auch <span class="antiqua">bodem</span>, -<span class="antiqua">gadem</span>, <span class="antiqua">besem</span>, <span class="antiqua">busem</span> zu <em class="gesperrt">Boden</em>, <em class="gesperrt">Gaden</em>, -<em class="gesperrt">Besen</em>, <em class="gesperrt">Busen</em> geworden sind).</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_23" href="#FNAnker_23" class="label">[23]</a> Auch wenn ein Schriftsteller die schönen, kräftig -klingenden Formen geschrieben hat, werden ihm in den Druckereien stets -die garstigen weichlichen Formen oder gar die Formen mit zwei e daraus -gemacht, die gar niemand spricht (<em class="gesperrt">anderen</em>, <em class="gesperrt">unseren</em>). Die -Schriftsteller sollten sich das nur ernstlich verbitten, dann würde dem -Schlendrian schon ein Ende gemacht werden. Zu Schillers und Goethes -Zeit waren in allen Druckereien noch die Formen mit vollem Wortstamm -das selbstverständliche.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_24" href="#FNAnker_24" class="label">[24]</a> Früher hat man freilich auch so gesagt. Im siebzehnten -Jahrhundert: nach <em class="gesperrt">gepflogner reifen</em> Beratschlagung; Lessing: aus -<em class="gesperrt">eigner sorgfältigen</em> Lesung.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_25" href="#FNAnker_25" class="label">[25]</a> Das vernünftigste wäre natürlich, man setzte den Artikel -und sagte: <em class="gesperrt">Verein der Berliner Künstler</em>. Es brauchten doch -deshalb nicht alle dabei zu sein. Wer nicht mittun will, läßts bleiben.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_26" href="#FNAnker_26" class="label">[26]</a> Der Fehler ist, wie die ganze Phrase und wie so vieles -andre heute in unsrer Sprache, eine Nachäfferei des Englischen. Im -Englischen wird <span class="antiqua">on board</span> mit dem Akkusativ verbunden (<span class="antiqua">to go -on board a ship</span> – <span class="antiqua">on board Her Majesty’s ship Albert</span>). Aber -was geht das uns an?</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_27" href="#FNAnker_27" class="label">[27]</a> Beim Dichter läßt man sich gefallen: drum komme, wem -der Mai gefällt, und freue sich der schönen Welt und <em class="gesperrt">Gottes -Vatergüte</em> (statt <em class="gesperrt">der Vatergüte Gottes</em>).</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_28" href="#FNAnker_28" class="label">[28]</a> Völlig unsinnig ist natürlich: es gibt kein <em class="gesperrt">leicht -verdaulicheres</em> Mehl als Rademanns Kindermehl.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_29" href="#FNAnker_29" class="label">[29]</a> Aus diesen Genitiven sind dann, indem man sie als -Nominative auffaßte (<em class="gesperrt">mein</em> wie <em class="gesperrt">klein</em>) und nun aufs neue -deklinierte, die besitzanzeigenden Eigenschaftswörter <em class="gesperrt">mein</em>, -<em class="gesperrt">dein</em>, <em class="gesperrt">sein</em>, <em class="gesperrt">unser</em>, <em class="gesperrt">euer</em>, <em class="gesperrt">ihr</em> -entstanden. Früher nahm man an, daß auch in den Anfangsworten des -<em class="gesperrt">Vaterunsers</em> das <em class="gesperrt">unser</em> der nachgestellte Genitiv von -<em class="gesperrt">wir</em> sei (nach dem griechischen πάτερ ἡμῶν). Wahrscheinlicher -ist, daß es hier doch das besitzanzeigende Eigenschaftswort ist (nach -dem lateinischen <span class="antiqua">Pater noster</span>), das in der ältern Sprache auch -nachgestellt werden konnte (in der gotischen Bibelübersetzung: <span class="antiqua">atta -unsar</span>).</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_30" href="#FNAnker_30" class="label">[30]</a> Genitiv und Dativ von <em class="gesperrt">Eure Majestät</em>, <em class="gesperrt">Eure -Exzellenz</em> heißen natürlich <em class="gesperrt">Eurer Majestät</em>, <em class="gesperrt">Eurer -Exzellenz</em>. Völliger Unsinn aber ist, was man darnach gebildet hat: -<em class="gesperrt">Eurer Hochwohlgeboren</em>!</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_31" href="#FNAnker_31" class="label">[31]</a> Das Dativ-m hat Ungebildeten immer großen Respekt -eingeflößt. Schrieb und druckte man doch sogar im achtzehnten -Jahrhundert in Leipzig: der Gasthof <em class="gesperrt">zum drei Schwanen</em>, der Riß -<em class="gesperrt">zum Schlachthöfen</em>. Man meinte natürlich <em class="gesperrt">zun</em> d. i. <em class="gesperrt">zu -den</em>, getraute sich das aber nicht zu schreiben.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_32" href="#FNAnker_32" class="label">[32]</a> Leute, die altertümlich schreiben möchten, z. B. -Verfasser historischer Romane oder Schauspiele, greifen gern zu -<em class="gesperrt">zween</em> und <em class="gesperrt">zwo</em>, haben aber gewöhnlich keine Ahnung von dem -Unterschied der Geschlechter und machen sich deshalb lächerlich. -Darum wohl gemerkt: <em class="gesperrt">zween</em> war männlich, <em class="gesperrt">zwo</em> weiblich, -<em class="gesperrt">zwei</em> sächlich.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_33" href="#FNAnker_33" class="label">[33]</a> Auch diese Ausdrücke stammen von Jakob Grimm.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_34" href="#FNAnker_34" class="label">[34]</a> Andre wollen es auf das Rädern, die Tätigkeit des -Henkers, zurückführen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_35" href="#FNAnker_35" class="label">[35]</a> Das Niederdeutsche hat auch <em class="gesperrt">jug</em> gebildet von -<em class="gesperrt">jagen</em>. Doch wird ein Unterschied gemacht. Bismarcks Vater -brauchte <em class="gesperrt">jagte</em> von der Jagd, <em class="gesperrt">jug</em> von schneller Bewegung, -z. B. schnellem Fahren. In Hannover sagt der gemeine Mann: ehe der -Polizist die Nummer merken konnte, <em class="gesperrt">jug</em> der Bengel um die Ecke.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_36" href="#FNAnker_36" class="label">[36]</a> Viel zu ihrer Verbreitung haben wohl Scheffel und Freytag -beigetragen, die sie beide sehr lieben.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_37" href="#FNAnker_37" class="label">[37]</a> Die Grenzboten veröffentlichten 1882 ein hübsches Sonett -aus Süddeutschland, das sich über das Vordringen der falschen Formen -lustig machte. Es begann mit der Strophe:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Ich <em class="gesperrt">frug</em> mich manchmal in den letzten Tagen:</div> - <div class="verse indent0">Woher stammt wohl die edle Form: er <em class="gesperrt">frug</em>?</div> - <div class="verse indent0">Wer war der Kühne, der zuerst sie <em class="gesperrt">wug</em>?</div> - <div class="verse indent0">So <em class="gesperrt">frug</em> ich mich, so hab ich mich <em class="gesperrt">gefragen</em>.</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Eine Anzahl von Zeitungen brachte dann elende Gegensonette, aus denen -nichts weiter hervorging, als daß die Verfasser keine Ahnung von den -Anfangsgründen der deutschen Grammatik hatten, und daß ihnen die -falschen Formen schon so in Fleisch und Blut übergegangen waren, daß -sie für das Richtige alles Gefühl verloren hatten.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_38" href="#FNAnker_38" class="label">[38]</a> Wenn freilich Kindern, die im Elternhause noch richtig -<em class="gesperrt">fragt</em> und fragte gelernt haben, in der Schule das dumme -<em class="gesperrt">frug</em> in die Arbeiten hinein„korrigiert“ wird, dann ist nichts zu -hoffen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_39" href="#FNAnker_39" class="label">[39]</a> Als eine Merkwürdigkeit mag erwähnt sein, daß die -Leipziger Buchbinder sagen: das Buch wird bloß <em class="gesperrt">geheftet</em>, dagegen -die Leipziger Schneider: der Ärmel ist erst <em class="gesperrt">gehoften</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_40" href="#FNAnker_40" class="label">[40]</a> Diese Unterscheidung sitzt im Sprachgefühl so fest, daß -mir sogar ein vierjähriges Kind auf meine bedauernde Frage: Du bist -wohl gefallen? seelenvergnügt erwiderte: Ich bin nich gefallen, ich -<em class="gesperrt">hab gehuppt</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_41" href="#FNAnker_41" class="label">[41]</a> Bei <em class="gesperrt">brauchen</em> darf natürlich <em class="gesperrt">zu</em> beim -Infinitiv nicht fehlen. Das hättest du ja nicht <em class="gesperrt">sagen brauchen</em> -– ist Gassendeutsch.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_42" href="#FNAnker_42" class="label">[42]</a> Ebenso bei <em class="gesperrt">bleiben</em> und <em class="gesperrt">haben</em>: er -ist <em class="gesperrt">sitzen geblieben</em> (eigentlich: <em class="gesperrt">sitzend</em>) – ich -<em class="gesperrt">habe</em> tausend Mark auf dem Hause <em class="gesperrt">stehen</em> (eigentlich: -<em class="gesperrt">stehend</em>) – hat keiner einen Bleistift <em class="gesperrt">einstecken</em>? -(eigentlich: <em class="gesperrt">einsteckend</em>). In der ältern Zeit schrieb man -sogar: ein Büchlein, das man in Kirchen <em class="gesperrt">gebrauchen ist</em> (statt -<em class="gesperrt">gebrauchend</em>) – wir <em class="gesperrt">sind</em> euch dafür <em class="gesperrt">danken</em> (statt -<em class="gesperrt">dankend</em>).</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_43" href="#FNAnker_43" class="label">[43]</a> <em class="gesperrt">Apotheker</em> und, was man im Volke auch hören kann, -<em class="gesperrt">Bibliotheker</em> ist anders entstanden, es ist verstümmelt aus -<span class="antiqua">apothecarius</span> und <span class="antiqua">biliothecarius</span>. <em class="gesperrt">Attentäter</em> wurde -anfangs nur als schlechter Witz gebildet (es hätte auch <em class="gesperrt">Täter</em> -genügt); aber törichte Zeitungschreiber haben es dann in vollem Ernst -nachgebraucht.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_44" href="#FNAnker_44" class="label">[44]</a> <em class="gesperrt">Kreidezeichnung</em>, <em class="gesperrt">Höhepunkt</em> und -<em class="gesperrt">Blütezeit</em> haben wir ja schon längst, und doch wurden auch sie -anfangs richtig gebildet: <em class="gesperrt">Kreidenstrich</em>, <em class="gesperrt">Höhenpunkt</em>, -<em class="gesperrt">Blütenzeit</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_45" href="#FNAnker_45" class="label">[45]</a> Ein Jammer ist es, auf Weinkarten und Weinflaschen jetzt -<em class="gesperrt">Liebfraumilch</em> lesen zu müssen! Wahrscheinlich zur Entschädigung -dafür schmuggelt man dann das <em class="gesperrt">en</em> in den <em class="gesperrt">Niersteiner</em> -ein und nennt ihn – höchst verdächtig! – <em class="gesperrt">Nierensteiner</em> -(Nierstein ist nach dem Kaiser Nero genannt). <em class="gesperrt">Visitekarte</em>, -<em class="gesperrt">Manschetteknopf</em>, <em class="gesperrt">Toiletteseife</em> soll vielleicht -<em class="gesperrt">Visittkarte</em>, <em class="gesperrt">Manschettknopf</em>, <em class="gesperrt">Toilettseife</em> -gesprochen werden – gehört habe ichs noch nicht, man siehts ja immer -nur gedruckt; aber wozu die französische Aussprache?</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_46" href="#FNAnker_46" class="label">[46]</a> Freilich finden sich auch solche Zusammenleimungen -schon früh. Schon im fünfzehnten Jahrhundert kommt in Leipziger -Urkunden die <em class="gesperrt">Parthenmühle</em> als <span class="antiqua">Pardemöl</span> vor. Im Harz -spricht man allgemein und wohl schon lange vom <em class="gesperrt">Bodetal</em> und vom -<em class="gesperrt">Ilsetal</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_47" href="#FNAnker_47" class="label">[47]</a> Ähnlich verhält sichs mit dem neuen Modewort -<em class="gesperrt">Anhaltspunkt</em>. Früher sagte man: ich finde keinen -<em class="gesperrt">Anhaltepunkt</em>, d. h. keinen Punkt, wo ich mich anhalten könnte -(vgl. <em class="gesperrt">Siedepunkt</em>, <em class="gesperrt">Gefrierpunkt</em>). Daneben hatte man -in demselben Sinne das Substantiv <em class="gesperrt">Anhalt</em>; man sagte: dafür -fehlt es mir an jedem <em class="gesperrt">Anhalt</em>. Aus beiden aber nun einen -<em class="gesperrt">Anhaltspunkt</em> zu bilden, war doch wirklich überflüssig. -Wahrscheinlich hat man geglaubt, damit einen feinen Unterschied zu -schaffen zu den <em class="gesperrt">Anhaltepunkten</em> auf den Eisenbahnen. Als ob -<em class="gesperrt">Anhaltepunkt</em> nicht ebensogut die Stelle bedeuten könnte, wo man -<em class="gesperrt">sich anhält</em>, wie die, wo man <em class="gesperrt">anhält</em>!</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_48" href="#FNAnker_48" class="label">[48]</a> In Leipzig hält man sich ein <em class="gesperrt">Kindermädchen</em>, auch -wenn man nur ein Kind hat, in Wien eine <em class="gesperrt">Kinds</em>magd, auch wenn man -<em class="gesperrt">sechs</em> Kinder hat.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_49" href="#FNAnker_49" class="label">[49]</a> Wofür man in Süddeutschland auch <em class="gesperrt">Wartsaal</em>, -<em class="gesperrt">Singstunde</em> sagt, wie neben <em class="gesperrt">Bindemittel</em> auch -<em class="gesperrt">Bindfaden</em> steht. <em class="gesperrt">Schreibpapier</em> und <em class="gesperrt">Schreibpult</em> -spricht sich schwer aus, weil b und p zusammentreffen; man hört -immer nur: <em class="gesperrt">Schreipapier</em>. Darum ist wohl <em class="gesperrt">Schreibepapier</em> -vorzuziehen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_50" href="#FNAnker_50" class="label">[50]</a> Jean Paul hat schon 1817 einmal den Versuch gemacht, -diese s-Krätze, wie er es nannte, zu bekämpfen, merzte auch aus einer -neuen Auflage seines Siebenkäs alle falschen s aus. Es ist aber -vergeblich gewesen. Und ebenso vergeblich wird es sein, daß es jetzt -der Herausgeber der in Berlin erscheinenden Wochenschrift Die Zukunft -wieder versucht. Die Mitarbeiter sollten sich das einfach verbitten.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_51" href="#FNAnker_51" class="label">[51]</a> Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt die greulichen -Zusammensetzungen nicht.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_52" href="#FNAnker_52" class="label">[52]</a> Unter den Hunderten mit Liebe gebildeten -Zusammensetzungen haben nur wenige das s nicht: <em class="gesperrt">liebreich</em>, -<em class="gesperrt">liebevoll</em>, <em class="gesperrt">liebeglühend</em>, <em class="gesperrt">liebetrunken</em>, -<em class="gesperrt">liebedienerisch</em>, <em class="gesperrt">Liebedienerei</em>, einige wohl deshalb, weil -hier mehr ein dativisches Verhältnis gefühlt wird.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_53" href="#FNAnker_53" class="label">[53]</a> Wie man auch das Haus eines Mannes, der <em class="gesperrt">Plank</em> -hieß, das <em class="gesperrt">Plänkische Haus</em> nannte, die Mühle in dem Dorfe -<em class="gesperrt">Wahren</em> die <em class="gesperrt">Währische Mühle</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_54" href="#FNAnker_54" class="label">[54]</a> Daneben freilich auch schon vom <em class="gesperrt">Manesse-Kodex</em>! -Es wird immer besser. Vielleicht wird nächstens auch noch der -<em class="gesperrt">Farnesische Herkules</em> in einen <em class="gesperrt">Farnese’schen</em> verwandelt, -und der <em class="gesperrt">Borghesische</em> Fechter in einen <em class="gesperrt">Borghese’schen</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_55" href="#FNAnker_55" class="label">[55]</a> Auch die guten Pfefferkuchen, die <em class="gesperrt">Aachner Printen</em>, -sollen früher in Aachen selbst <em class="gesperrt">Aacher Printen</em> geheißen haben. In -vielen ursprünglich undeutschen (lateinischen, slawischen) Ortsnamen -gehört das n zum Stamm; die bilden dann natürlich richtig Bozner, -Dresdner, Meißner, Posner usw. Aber die guten <em class="gesperrt">Gießer</em> hätten -sich keine <em class="gesperrt">Gießener Neuesten Nachrichten</em> aufnötigen zu lassen -brauchen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_56" href="#FNAnker_56" class="label">[56]</a> Woraus die Kunsthistoriker „Hans Baldung, genannt Grien“, -gemacht haben.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_57" href="#FNAnker_57" class="label">[57]</a> Freilich sind Formen wie <em class="gesperrt">Jenaer</em> und -<em class="gesperrt">Geraer</em> auch nicht besonders schön, so wenig wie die in -Sachsen in der Schriftsprache beliebten Adjektivbildungen auf -<em class="gesperrt">aisch</em>: <em class="gesperrt">Grimmaisch</em>, <em class="gesperrt">Tauchaisch</em>, <em class="gesperrt">Bornaisch</em>, -<em class="gesperrt">Pirnaisch</em>. In diesen Bildungen ist eine deutsche Endung an eine -ganz unvolkstümliche, künstlich gemachte lateinische Endung gehängt. -Der Volksmund kennt noch heutigestags nur die Städte <em class="gesperrt">Grimme</em>, -<em class="gesperrt">Tauche</em>, <em class="gesperrt">Borne</em>, <em class="gesperrt">Pirne</em> und so auch nur die -Adjektivbildungen <em class="gesperrt">Grimmisch</em>, <em class="gesperrt">Tauchisch</em>, <em class="gesperrt">Bornisch</em>, -<em class="gesperrt">Pirnisch</em>, und es wäre zu wünschen, daß sich die amtliche -Schreibung dem wieder anschlösse. So gut wie sich zu irgendeiner -Zeit das Falsche amtlich hat einführen lassen, ließe sich doch auch -das Richtige amtlich wieder einführen. Man pflegt jetzt eifrig die -„Volkskunde“, sucht überall die Reste volkstümlicher alter Sitten und -Gebräuche zu retten und zu erhalten. Gehört dazu nicht vor allem die -Sprache des Volks?</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_58" href="#FNAnker_58" class="label">[58]</a> Der Unsinn geht so weit, daß man sogar feststehende -formelhafte Verbindungen, wie: eine <em class="gesperrt">offne Frage</em>, ein -<em class="gesperrt">zweifelhaftes Lob</em>, ein <em class="gesperrt">frommer Wunsch</em>, <em class="gesperrt">blinder -Lärm</em>, auseinanderreißt, das Prädikat zum Subjekt macht und -schreibt: <em class="gesperrt">die Frage</em>, ob das Werk fortgesetzt werden sollte, -war lange Zeit <em class="gesperrt">eine offne</em> – <em class="gesperrt">dieses Lob</em> ist doch <em class="gesperrt">ein -sehr zweifelhaftes</em> – <em class="gesperrt">dieser Wunsch</em> wird wohl ewig <em class="gesperrt">ein -frommer</em> (!) bleiben – <em class="gesperrt">der Lärm</em> war zum Glück nur <em class="gesperrt">ein -blinder</em> (!).</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_59" href="#FNAnker_59" class="label">[59]</a> Vgl. ein <em class="gesperrt">Schock frische</em> Eier – ein <em class="gesperrt">Dutzend -neue</em> Hemden – eine <em class="gesperrt">Flasche guter</em> Wein – mit <em class="gesperrt">ein -paar guten</em> Freunden – mit ein <em class="gesperrt">bißchen fremdländischem</em> -Sprachflitter.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_60" href="#FNAnker_60" class="label">[60]</a> Den Inhalt eines Dramas kurz anzugeben, gehört zu -den beliebtesten Aufgaben für deutsche Aufsätze in den oberen -Gymnasialklassen. Es ist auch wirklich eine Aufgabe, bei der viel -gelernt werden kann. Wie viel ärgerliche Korrektur aber könnte sich -der Lehrer ersparen, wenn er bei der Vorbesprechung immer auch diese -Tempusfrage mit den Jungen gründlich erörterte!</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_61" href="#FNAnker_61" class="label">[61]</a> Nur in Süddeutschland und Österreich wird <em class="gesperrt">welcher</em> -auch gesprochen, aber immer nur von Leuten, die sich „gebildet“ -ausdrücken möchten. In deren falschem, halbgebildetem Hochdeutsch – -da grassiert es. In Wien und München, dort sagen es nicht bloß die -Professoren in Gesellschaft, sondern auch schon die Droschkenkutscher, -wenn sie zusammengekommen sind, um zu einem neuen Tarif „Stellung zu -nehmen“. Ja sogar der norddeutsche Professor spricht, wenn er nach Wien -berufen worden ist, nach einigen Jahren „bloß mehr“ <em class="gesperrt">welcher</em>. In -Mittel- und Norddeutschland aber spricht es niemand.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_62" href="#FNAnker_62" class="label">[62]</a> Um <em class="gesperrt">welcher</em> zu verteidigen, hat man neuerdings -ausgezählt, wie oft es unsre klassischen Schriftsteller schreiben, -und hat gefunden, daß sie es – sehr oft schreiben. Aber was wird -damit bewiesen? Doch weiter nichts, als daß auch unsre klassischen -Schriftsteller von Kindesbeinen an im Banne der Papiersprache gestanden -haben. Das braucht aber nicht erst bewiesen zu werden, das wissen wir -längst.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_63" href="#FNAnker_63" class="label">[63]</a> Wenn man nicht <em class="gesperrt">der der</em> oder <em class="gesperrt">die die</em> -schreiben dürfte, dann dürfte man auch nicht schreiben: <em class="gesperrt">an -an</em>drer Stelle, <em class="gesperrt">ein ein</em>zigesmal, <em class="gesperrt">bei bei</em>den -Gelegenheiten, <em class="gesperrt">mit mit</em>leidiger Miene. Sehr oft entsteht -übrigens die so gefürchtete Doppelung nur durch falsche Wortstellung: -ein persönliches oder reflexives Fürwort, das zwischen die beiden -<em class="gesperrt">der</em> oder <em class="gesperrt">die</em> oder <em class="gesperrt">das</em> gehört, wird verschoben und -erst beim Verbum nachgebracht: <em class="gesperrt">alle</em> Änderungen, <em class="gesperrt">die die</em> -Schule <em class="gesperrt">sich</em> hat gefallen lassen – die Grundsätze, an <em class="gesperrt">die -die</em> Revision <em class="gesperrt">sich</em> gebunden hat – die Aufgaben, <em class="gesperrt">die -die</em> wirtschaftlichen Bedürfnisse der Zeit <em class="gesperrt">uns</em> stellen. Man -bringe das persönliche Fürwort an die richtige Stelle, und das Gespenst -ist verschwunden: alle Änderungen, <em class="gesperrt">die sich die</em> Schule hat -gefallen lassen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_64" href="#FNAnker_64" class="label">[64]</a> Hier ist eine Apposition, die vor dem Relativpronomen -stehen müßte, in den Relativsatz versetzt. Das ist vollends undeutsch, -es ist ganz dem Lateinischen nachgeahmt.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_65" href="#FNAnker_65" class="label">[65]</a> Nicht zu verwechseln hiermit ist natürlich ein Fall -wie folgender: <em class="gesperrt">eine</em> der größten <em class="gesperrt">Schwierigkeiten</em> für -das Verständnis unsrer Vorzeit, <em class="gesperrt">die</em> meist gar nicht gewürdigt -<em class="gesperrt">wird</em>. Hier muß es <em class="gesperrt">wird</em> heißen, denn hier bezieht sich -der Relativsatz wirklich auf <em class="gesperrt">eine</em>; der Sinn ist: und zwar -<em class="gesperrt">eine</em>, <em class="gesperrt">die</em> meist gar nicht gewürdigt wird.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_66" href="#FNAnker_66" class="label">[66]</a> <em class="gesperrt">Habe</em> wäre ja ein Eingeständnis, daß der Vorwurf -berechtigt sei, denn es kann eben nur als Indikativ gefühlt werden. -Manchen Süddeutschen will das nicht in den Kopf, weil sie (in Schwaben) -den dialektischen Konjunktiv des Präsens haben: <em class="gesperrt">ich häbe</em>, -<em class="gesperrt">wir häben</em>, <em class="gesperrt">sie häben</em> und daher den Konjunktiv <em class="gesperrt">ich -habe</em>, <em class="gesperrt">wir haben</em>, <em class="gesperrt">sie haben</em>, wo sie ihn gedruckt -sehen, unwillkürlich als <em class="gesperrt">häbe</em> verstehen und vielleicht auch so -– aussprechen. Die mögen dann nichts davon wissen, <em class="gesperrt">habe</em> durch -<em class="gesperrt">hätte</em> zu ersetzen, und behaupten, sie könnten <em class="gesperrt">hätte</em> nur -als Konditional fühlen. Mag sein. Wir in Mittel- und Norddeutschland -fühlen eben anders.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_67" href="#FNAnker_67" class="label">[67]</a> Im Konjunktiv Futuri von <em class="gesperrt">werden</em> zu <em class="gesperrt">würden</em> -auszuweichen ist freilich nicht möglich, wenn der Hauptsatz im Präsens -steht, weil dann <em class="gesperrt">würden</em> als Konditional gefühlt werden würde, -z. B. ein geschlagnes Ministerium kann dem Herrscher raten, das -Parlament aufzulösen, in der Hoffnung, daß die Wähler eine seinen -Ansichten günstige Mehrheit von Abgeordneten entsenden <em class="gesperrt">werden</em>. -In solchen Fällen kann man sich aber leicht dadurch helfen, daß man zum -Singular greift: daß die Wählerschaft entsenden <em class="gesperrt">werde</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_68" href="#FNAnker_68" class="label">[68]</a> Der Volksmund liebt es, eine irreale Bedingung in der -Vergangenheit durch den – Indikativ des Imperfekts auszudrücken: wenn -ich Geld <em class="gesperrt">hatte</em>, <em class="gesperrt">kam</em> ich. Das klingt aber der Angabe einer -wiederholten Handlung in der Wirklichkeit (<em class="gesperrt">jedesmal</em>, <em class="gesperrt">wenn</em> -ich Geld <em class="gesperrt">hatte</em>, <em class="gesperrt">kam</em> ich) so ähnlich, daß man es in der -guten Schriftsprache besser vermeidet.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_69" href="#FNAnker_69" class="label">[69]</a> Auch oft verkürzt, ohne Hauptsatz: daß ich <em class="gesperrt">nicht -wüßte</em> – <em class="gesperrt">nicht</em> daß es dem Vater an trefflichen Eigenschaften -<em class="gesperrt">gefehlt hätte</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_70" href="#FNAnker_70" class="label">[70]</a> In einem der schönsten Brahmsschen Lieder, -Feldeinsamkeit, das H. Allmers gedichtet hat, heißt es: die schönen, -weißen Wolken ziehn dahin – durchs tiefe Blau wie schöne stille -Träume; – mir ist, <em class="gesperrt">als ob</em> ich längst gestorben <em class="gesperrt">bin</em> (!) -– und <em class="gesperrt">ziehe</em> (!) selig mit durch ewge Räume. Das bringt man -doch beim Singen kaum über die Lippen. – Natürlich kann ein Vergleich -auch als wirklich hingestellt werden, z. B. hörten wir ein Geräusch, -<em class="gesperrt">wie wenn</em> in regelmäßigen Zwischenräumen ein großer Wassertropfen -auf ein Brett <em class="gesperrt">fällt</em>, d. h. wie man es hört, <em class="gesperrt">wenn</em> ein -Wassertropfen <em class="gesperrt">fällt</em> (Schiller im Taucher: <em class="gesperrt">wie wenn</em> Wasser -mit Feuer <em class="gesperrt">sich mengt</em>). Hier ist selbstverständlich der Indikativ -am Platze.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_71" href="#FNAnker_71" class="label">[71]</a> In der älteren Zeit ist auch der Zweck, die Absicht durch -das bloße <em class="gesperrt">zu</em> ausgedrückt worden; die Ausdrucksweise mit <em class="gesperrt">um -zu</em> ist die jüngere.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_72" href="#FNAnker_72" class="label">[72]</a> An ein Hauptwort kann ein Infinitivsatz mit <em class="gesperrt">um zu</em> -niemals angeschlossen werden, selbst nicht an einen substantivierten -Infinitiv. Wenn auf Konzertprogrammen steht: <em class="gesperrt">Das Belegen</em> der -Plätze, <em class="gesperrt">um</em> solche Späterkommenden <em class="gesperrt">zu sichern</em>, ist streng -untersagt – so ist das ein Schnitzer.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_73" href="#FNAnker_73" class="label">[73]</a> Außerdem die partizipähnlichen passiven Formen: <em class="gesperrt">zu -hoffend</em>, <em class="gesperrt">zu fürchtend</em>, <em class="gesperrt">anzuerkennend</em>, die durch -Anhängen eines unorganischen d aus dem Infinitiv mit <em class="gesperrt">zu</em> -entstanden sind.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_74" href="#FNAnker_74" class="label">[74]</a> Nur in einzelnen Fällen kann das passive Partizip die -Gegenwart bedeuten, z. B. das von mir <em class="gesperrt">bewohnte</em> Haus (d. i. das -Haus, das von mir <em class="gesperrt">bewohnt wird</em>). Eine Anzeige also wie die -folgende: die von dem verstorbenen Rentier Sch. <em class="gesperrt">bewohnte</em> Wohnung -ist zu Ostern anderweit zu vermieten – kann einem geradezu gruselig -machen; hier muß es heißen: die <em class="gesperrt">bewohnt gewesene</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_75" href="#FNAnker_75" class="label">[75]</a> Zur Verzierung von Leipziger Wäschschränken wurde eine -Zeit lang mit Vorliebe der Spruch gestickt:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0"><em class="gesperrt">Geblüht</em> im Sommerwinde,</div> - <div class="verse indent0"><em class="gesperrt">Gebleicht</em> auf grüner Au,</div> - <div class="verse indent0">Ruht still es nun im Spinde</div> - <div class="verse indent0">Zum Stolz der deutschen Frau.</div> - </div> -</div> -</div> - -<p><em class="gesperrt">Gebleicht</em> ist richtig; aber daß das <em class="gesperrt">geblüht</em> den Stolz der -deutschen Frau nicht verletzte, war zu verwundern.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_76" href="#FNAnker_76" class="label">[76]</a> In Bibliotheksbekanntmachungen liest man gelegentlich -sogar von demnächst <em class="gesperrt">stattzufindenden</em> Revisionen, und in -Kunstausstellungsprogrammen von einer aus sechs Mitgliedern <em class="gesperrt">zu -bestehenden</em> Jury!</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_77" href="#FNAnker_77" class="label">[77]</a> Und auch in Mittel- und Norddeutschland spricht man von -<em class="gesperrt">gestandnem Wasser</em> (im Gegensatz zu frischem).</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_78" href="#FNAnker_78" class="label">[78]</a> Vor einiger Zeit hatte ich an mehrere hundert Personen -eine Zuschrift abzufassen, auf die ebenso viel hundert teils -ablehnende, teils zustimmende Antworten eingingen. Ich beauftragte -einen Schreiber mit der Durchsicht und Ordnung der eingelaufenen -Antworten. Als er fertig war, legte er mir zwei Mappen vor, und -auf der einen stand: <em class="gesperrt">abgelehnte Schreiben</em>, auf der andern: -<em class="gesperrt">angenommene Schreiben</em>. Ich fragte ihn, was das heißen solle. -Nun, das hier sagte er, sind die Schreiben, die angenommen haben, und -das hier die, die abgelehnt haben.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_79" href="#FNAnker_79" class="label">[79]</a> Daher hat es ja seinen Namen. Partizipium kommt her -von <span class="antiqua">particeps</span>, d. h. Anteil habend; es ist davon genannt, daß -es zugleich am Verbum und am Nomen Anteil hat, zwischen beiden ein -Mittelding ist. Darum hat man es ja auch in der Volksschulgrammatik -durch Mittelwort übersetzt.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_80" href="#FNAnker_80" class="label">[80]</a> <em class="gesperrt">In Ermanglung</em> ist mir immer so vorgekommen, als ob -sichs einer als schlechten Witz ausgedacht hätte, um den Aktenstil zu -verhöhnen, um zu probieren, ob es ihm wohl einer nachmachen würde.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_81" href="#FNAnker_81" class="label">[81]</a> Übrigens fehlt es auch nicht an Beispielen, wo noch dazu -das Hauptwort auf <em class="gesperrt">ung</em> von einem Zeitwort gebildet ist, das -den Dativ regiert, also eigentlich gar keinen Objektsgenitiv zu sich -nehmen kann, wie: der Zinsfuß wird herabgesetzt <em class="gesperrt">in Entsprechung</em> -eines Gesuchs (vgl. <a href="#Seite_243">S. 243</a>). Eine Behörde schreibt: <em class="gesperrt">In Begegnung -von</em> (!) an (!) andern Orten sich ereignet habenden (!) Vorgängen -wird hierdurch bekanntgemacht; das soll heißen: <em class="gesperrt">um</em> Vorgängen -<em class="gesperrt">zu begegnen</em> (vorzubeugen), wie sie sich an andern Orten ereignet -haben.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_82" href="#FNAnker_82" class="label">[82]</a> In Leipzig empfiehlt man freilich auch <em class="gesperrt">echt -Madeirahandarbeiten</em>, <em class="gesperrt">echt Gose</em> und <em class="gesperrt">echt Bütten</em> -(nämlich <em class="gesperrt">-papier</em>)!</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_83" href="#FNAnker_83" class="label">[83]</a> Manche Leute sind in diese Formen auf <em class="gesperrt">er</em> so -vernarrt, daß sie sie sogar von Wörtern bilden, die gar keine -wirklichen Ortsnamen sind. So redeten die Leipziger Förster früher -vom <em class="gesperrt">Rosentäler</em>, vom <em class="gesperrt">Kuhturmer</em> und vom <em class="gesperrt">Burgauer</em> -Revier, statt vom <em class="gesperrt">Rosentalrevier</em>, <em class="gesperrt">Kuhturmrevier</em>, -<em class="gesperrt">Burgauenrevier</em>. Ob sies auch heute noch tun, weiß ich nicht.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_84" href="#FNAnker_84" class="label">[84]</a> Über die Bedeutung mancher von unsern Straßennamen -herrscht ohnehin in den Köpfen der Masse eine solche Unklarheit, -daß man sie nicht noch durch fehlerhafte Schreibung zu steigern -braucht. Unter den Straßen Leipzigs, die nach den Helden der -Freiheitskriege genannt sind, ist auch eine <em class="gesperrt">Lützowstraße</em>, eine -<em class="gesperrt">Schenkendorfstraße</em>, eine <em class="gesperrt">Gneisenaustraße</em>. Was machen die -Kinder daraus, die kleinen wie die großen Kinder? Eine <em class="gesperrt">Lützower -Straße</em>, eine <em class="gesperrt">Schenkendorfer Straße</em>, eine <em class="gesperrt">Gneisenauer -Straße</em>! Wir haben ferner eine <em class="gesperrt">Senefelderstraße</em>. Auch die -wird im Volksmunde als <em class="gesperrt">Senefelder Straße</em> verstanden. Freilich -gibt es bei Leipzig kein Senefeld, kein Schenkendorf, kein Gneisenau, -kein Lützow. Aber das Volk, namentlich das ewig zu- und abfließende -niedrige Volk, weiß doch von der Umgebung Leipzigs ebensowenig etwas -wie von dem Erfinder der Lithographie und den großen Männern der -Freiheitskriege. Wurde doch auch die <em class="gesperrt">Fichtestraße</em>, als sie neu -war, sofort als <em class="gesperrt">Fichtenstraße</em> verstanden, und ein unternehmender -Schenkwirt eröffnete dort schleunigst ein „Restaurant zur Fichte“!</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_85" href="#FNAnker_85" class="label">[85]</a> Als vor einigen Jahren die Firma August Scherl den Verlag -des Leipziger Adreßbuchs an sich gebracht hatte, beliebte es ihr, -alle Leipziger Straßennamen über einen Kamm zu scheren und sie alle -als zusammengesetzte Wörter drucken zu lassen: <em class="gesperrt">Dresdnerstraße</em>, -<em class="gesperrt">Grimmaischestraße</em>, <em class="gesperrt">Hohestraße</em> usw., obwohl in allen -amtlichen Veröffentlichungen und an allen Straßenecken zwischen -zusammengesetzten und nicht zusammensetzbaren Namen streng geschieden -wird, auch das frühere Adreßbuch dazwischen streng geschieden hatte. -Zum Glück griff sofort die Behörde ein und zwang den Verleger, vom -nächsten Jahrgang an die Namen wieder richtig zu drucken. Geschadet -hat aber doch das böse Beispiel ungeheuer. Der Verlag der bekannten -Leipziger Illustrierten Zeitung befindet sich noch heute auf <em class="gesperrt">der -Reudnitzerstraße</em>!</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_86" href="#FNAnker_86" class="label">[86]</a> Freilich findet sich auch schon in Leipziger Urkunden des -fünfzehnten Jahrhunderts: <span class="antiqua">uf der nuwestrasse</span> (auf der <em class="gesperrt">Neuen -Straße</em>).</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_87" href="#FNAnker_87" class="label">[87]</a> Auf der einen Seite schreiben sie: <em class="gesperrt">Kaiser -Park</em>, <em class="gesperrt">Hôtel Eingang</em>, hier werden <em class="gesperrt">Kinder</em> und -<em class="gesperrt">Damenschuhe</em> gemacht, auf der andern Seite: <em class="gesperrt">Grüne-Waren</em>, -<em class="gesperrt">Täglich-frei-Konzert</em> u. ähnl.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_88" href="#FNAnker_88" class="label">[88]</a> Nachdem die <em class="gesperrt">Sprachdummheiten</em> erschienen waren, -redeten auch andre von <em class="gesperrt">Sprachsünden</em>, <em class="gesperrt">Sprachleben</em>, -<em class="gesperrt">Sprachgefühl</em> usw. Wären die <em class="gesperrt">Sprachdummheiten</em> -nicht vorangegangen, so kann man sicher sein, daß die andern -von sprach<em class="gesperrt">lichen</em> Sünden, sprach<em class="gesperrt">lichem</em> Leben, -sprach<em class="gesperrt">lichem</em> Gefühl geredet hätten.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_89" href="#FNAnker_89" class="label">[89]</a> Es handelt sich um Beobachtungen an dem noch ungebornen -Kinde!</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_90" href="#FNAnker_90" class="label">[90]</a> Fühlt man denn gar nicht, daß bei der <em class="gesperrt">silbernen</em> -und der <em class="gesperrt">goldnen Hochzeit</em> das <em class="gesperrt">silbern</em> und <em class="gesperrt">golden</em> -nur ein schönes Gleichnis ist, wie beim <em class="gesperrt">silbernen</em> und <em class="gesperrt">goldnen -Zeitalter</em>? und daß dieses Gleichnis durch <em class="gesperrt">Silber</em>hochzeit -sofort zerstört und die Vorstellung in plumper Weise auf das -Metall gelenkt wird, das dem Jubelpaar in Gestalt von Bechern, -Tafelaufsätzen u. dgl. winkt? Oder wollen wir in Zukunft auch von -der <em class="gesperrt">Goldhochzeit</em> und vom <em class="gesperrt">Goldzeitalter</em> reden? Wir -reden von einem <em class="gesperrt">Bronzezeitalter</em>, aber in wie anderm Sinne! -Daß schon Goethe einmal das Wort <em class="gesperrt">Silberhochzeit</em> gebraucht – -in einem Brief an Schiller nennt er Gedichte Wielands „Schoßkinder -seines Alters, Produkte einer Silberhochzeit“ –, auch Rückert einmal -(in trochäischen Versen, wo <em class="gesperrt">silberne Hochzeit</em> gar nicht -unterzubringen gewesen wäre), will gar nichts sagen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_91" href="#FNAnker_91" class="label">[91]</a> Darum gehört auch die Behandlung dieses Fehlers nicht, -wie manche wohl meinen könnten, in die Wortbildungslehre, sondern sie -gehört in die Satzlehre. Der Fehler liegt nicht in der Bildung der -Adjektiva – gebildet sind sie ja richtig –, sondern in ihrer falschen -Anwendung.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_92" href="#FNAnker_92" class="label">[92]</a> Zu welcher Geschmacklosigkeit sich manche Leute -verirren vor lauter Angst, mißverstanden zu werden, dafür noch ein -Beispiel. Ein Zeichenlehrer wollte einen Unterrichtskursus für Damen -ankündigen. Aber das Wort <em class="gesperrt">Damen</em> wollte er als Fremdwort -nicht gebrauchen, <em class="gesperrt">Frauen</em> auch nicht, denn dann wären am Ende -die Mädchen ausgeblieben, auf die ers besonders abgesehen hatte, -<em class="gesperrt">Frauen und Mädchen</em> aber auch nicht, denn dann wären vielleicht -Schulmädchen mitgekommen, die er nicht haben wollte. Was kündigte -er also an? Zeichenunterricht für <em class="gesperrt">erwachsene Personen weiblichen -Geschlechts</em>!</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_93" href="#FNAnker_93" class="label">[93]</a> Auch sie hat es übrigens nicht immer gegeben. Noch im -siebzehnten Jahrhundert erteilte, wer mit seinem <em class="gesperrt">halben Bruder</em> -im Streite lag, einem Anwalt <em class="gesperrt">volle Macht</em>, den Prozeß zu führen, -noch 1820 wurde auf der Leipziger Messe von <em class="gesperrt">kurzen Waren</em> -gesprochen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_94" href="#FNAnker_94" class="label">[94]</a> Neuerdings hat man es durch <em class="gesperrt">Uraufführung</em> ersetzt, -kein glücklicher Ersatz.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_95" href="#FNAnker_95" class="label">[95]</a> Daher Ortsnamen wie <em class="gesperrt">Karlsruhe</em>, <em class="gesperrt">Ludwigsburg</em>, -<em class="gesperrt">Wilhelmshaven</em>, die ja nichts andres sind als <em class="gesperrt">Karls Ruhe</em> -usw.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_96" href="#FNAnker_96" class="label">[96]</a> Das Haarsträubendste, was auf diesem Gebiete geleistet -worden ist, sind wohl die Ausdrücke, die einem täglich in den Zeitungen -entgegenschreien: <em class="gesperrt">Henckell Trocken</em>, <em class="gesperrt">Kupferberg Gold</em> -u. ähnl. Als vernünftiger Mensch möchte man sich doch hierbei gern -etwas denken und fragt: Was sind denn das für Waren: <em class="gesperrt">Trocken</em> -und <em class="gesperrt">Gold</em>? Es sind gar keine Waren, die Bezeichnung der Ware -fehlt hier ganz! Gemeint ist <em class="gesperrt">Henckellscher Schaumwein</em>, -<em class="gesperrt">Kupferbergscher Schaumwein</em>. Aber keiner der beiden Fabrikanten -sagt das, sondern der eine schreibt statt der Ware eine Eigenschaft der -Ware hin (<span class="antiqua">sec</span>, <span class="antiqua">dry</span>), aber mit großem Anfangsbuchstaben, -sodaß sie jeder denkende Mensch für die Bezeichnung der Ware selbst -halten muß, der andre die Art der Ausstattung, denn <em class="gesperrt">Gold</em> soll -sich doch wohl auf die Farbe der Kapsel beziehen? Die Sprache mancher -afrikanischen Wilden ist gebildeter und fortgeschrittner als solches -Fabrikantendeutsch.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_97" href="#FNAnker_97" class="label">[97]</a> Überhaupt kann man nicht, um eine nähere Bestimmung -zu schaffen, mechanisch alles mit allem zusammensetzen; es kommt -doch sehr auf Sinn und Bedeutung der beiden Glieder an. Bei -<em class="gesperrt">Gesellschaft</em> und <em class="gesperrt">Verein</em> z. B. liegt der Gedanke an die -Personen, die den Verein bilden, so nahe, daß es mindestens etwas -kühn erscheint, eine Anzahl Geldleute eine <em class="gesperrt">Aktiengesellschaft</em> -oder eine <em class="gesperrt">Immobiliengesellschaft</em>, eine Gesellschaft von -Schlittschuhläufern einen <em class="gesperrt">Eisverein</em> und eine Vereinigung von -Förstern einen <em class="gesperrt">Forstverein</em> zu nennen. Noch gewagter ist es, -daß sich die deutschen Papierhändler zu einem <em class="gesperrt">Papierverein</em> -zusammengetan haben. Mit demselben Recht und demselben guten Geschmack -könnte sich schließlich auch eine Fleischergesellschaft einen -<em class="gesperrt">Fleischverein</em> nennen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_98" href="#FNAnker_98" class="label">[98]</a> <em class="gesperrt">Schokolade</em> und <em class="gesperrt">Tee</em> – deutsch geschrieben! -Manche verbinden die beiden Wörter gar noch durch einen Bindestrich, -wie <em class="gesperrt">Atelier-Strauß</em>, <em class="gesperrt">Tee-Meßmer</em>, was doch nur Männer -bezeichnen kann (der Atelier-Strauß, der Tee-Meßmer). In Sachsen gibt -es wirklich Geschäftsleute, die sich mit solchen Namen bezeichnen -und sich dadurch selber lächerlich machen, wie: <em class="gesperrt">Butter-Bader</em>, -<em class="gesperrt">Gold-Richter</em>, <em class="gesperrt">Fahrrad-Klarner</em>, <em class="gesperrt">Zigarren-Krause</em>, -<em class="gesperrt">Schokoladen-Hering</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_99" href="#FNAnker_99" class="label">[99]</a> Man könnte ebensogut eine Abfahrthalle auf dem Bahnhof -die <em class="gesperrt">Abfahrtei</em> nennen oder die Kopierstube im Amtsgericht die -<em class="gesperrt">Abschriftei</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_100" href="#FNAnker_100" class="label">[100]</a> Unsre Schiffe werden bekanntlich, wenn sie einen Länder- -oder Städtenamen tragen, als Weiber betrachtet: <em class="gesperrt">die</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_101" href="#FNAnker_101" class="label">[101]</a> Die englische in einzelnen Fällen, wie: <span class="antiqua">the now -king</span>, <span class="antiqua">the then ministry</span>, <span class="antiqua">the above rule</span>, die aber -nicht von allen englischen Grammatikern gebilligt werden.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_102" href="#FNAnker_102" class="label">[102]</a> Wenn geschrieben wird: das Bild zeigt den Kaiser <em class="gesperrt">in -fast Lebensgröße</em>, so liegt wohl nur eine verkehrte Wortstellung vor -(<em class="gesperrt">in fast</em> statt <em class="gesperrt">fast in</em>).</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_103" href="#FNAnker_103" class="label">[103]</a> Im Stephansdom in Wien ist etwas bei <em class="gesperrt">sogleicher -Wegweisung</em> verboten.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_104" href="#FNAnker_104" class="label">[104]</a> Heinrich von Treitschke, ein Meister in der Kunst, -deutsch zu schreiben, haßte sie aus tiefster Seele.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_105" href="#FNAnker_105" class="label">[105]</a> Nicht besser, eher schlimmer wird die Sache, wenn man -die Apposition voranstellt: <em class="gesperrt">von Privatdozent</em> <span class="antiqua">Dr.</span> Albert -Schmidt, <em class="gesperrt">von ordentl. Professor</em> E. Max, was doch unzweifelhaft -<em class="gesperrt">von ordentlicher</em> (!) Professor gelesen werden soll.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_106" href="#FNAnker_106" class="label">[106]</a> In Leipzig fängt man jetzt gar an, zwischen Vornamen -und Familiennamen einen Bindestrich zu setzen: <em class="gesperrt">Horst-Schulze</em>, -<em class="gesperrt">Hermann-Könnecke</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_107" href="#FNAnker_107" class="label">[107]</a> Der Deutsche sagt dafür <em class="gesperrt">Renommage</em>, ein Wort, das -es im Französischen gar nicht gibt!</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_108" href="#FNAnker_108" class="label">[108]</a> O. Schroeder, Vom papiernen Stil. 7. Aufl. Leipzig, -1908.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_109" href="#FNAnker_109" class="label">[109]</a> Beim Übersetzen aus dem Lateinischen z. B. sollte streng -darauf gehalten werden, daß kein <span class="antiqua">ejus</span> und <span class="antiqua">eorum</span> mit -<em class="gesperrt">desselben</em> und <em class="gesperrt">derselben</em> übersetzt werde.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_110" href="#FNAnker_110" class="label">[110]</a> Es ist auch nicht nötig; spricht und betont doch jeder -richtig <em class="gesperrt">der</em>artig, <em class="gesperrt">der</em>maßen, <em class="gesperrt">der</em>gestalt usw.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_111" href="#FNAnker_111" class="label">[111]</a> Bei einer Leichenfeier in der Universitätskirche in -Leipzig sagte der Prediger, ein bedeutender Kanzelredner, in der -gehobensten und feierlichsten Sprache: selbst <em class="gesperrt">die, die die</em> -wissenschaftliche Bedeutung des Mannes nicht zu beurteilen wußten usw. -Ich bin fest überzeugt, daß außer mir kein Mensch die drei <em class="gesperrt">die</em> -gehört hat, obwohl Hunderte von Menschen in der Kirche saßen. Mir waren -sie ein Labsal, weil sie Natur sind. Ob sie auch gedruckt worden sind, -weiß ich nicht.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_112" href="#FNAnker_112" class="label">[112]</a> In der Dichtersprache wird auch <em class="gesperrt">rufen</em> noch wie -im alten Deutsch bisweilen mit dem Dativ verbunden (Goethe im Faust: -Wer ruft <em class="gesperrt">mir</em>? Gellert: <em class="gesperrt">Er ruft der Sonn’</em>, er schafft den -Mond). Auch hier ist aber dann ein Bedeutungsunterschied; <em class="gesperrt">rufen</em> -steht hier im Sinne von <em class="gesperrt">zurufen</em>, <em class="gesperrt">gebieten</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_113" href="#FNAnker_113" class="label">[113]</a> In der ältern Sprache hatte auch <em class="gesperrt">berichten</em> den -Akkusativ der Person mit nachfolgendem Objektsatz bei sich, z. B. ob -sie gleich den <em class="gesperrt">Kurfürsten</em> mit Lügen <em class="gesperrt">berichteten</em>, die -hohe Schule zu Wittenberg wäre die studentenreichste. Heute ist das -einzige sinnverwandte Zeitwort, das mit einem Akkusativ der Person und -einem Objektsatze verbunden werden kann, das verhältnismäßig junge -<em class="gesperrt">benachrichtigen</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_114" href="#FNAnker_114" class="label">[114]</a> Nur mit den Bildungen auf <em class="gesperrt">bar</em> nimmt man es nicht -so genau, wie <em class="gesperrt">unentrinnbar</em> zeigt.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_115" href="#FNAnker_115" class="label">[115]</a> Eine ähnlich merkwürdige Bildung wie <em class="gesperrt">voller</em> -ist <em class="gesperrt">Maler</em>, <em class="gesperrt">Stücker</em>, <em class="gesperrt">Tager</em>, <em class="gesperrt">Jahrer</em> in -Verbindungen wie: <em class="gesperrt">ein Maler drei</em>, <em class="gesperrt">ein Stücker drei</em>, -<em class="gesperrt">ein Jahrer fünf</em>, <em class="gesperrt">ein Tager sechs</em> u. ähnl. Hier ist das -<em class="gesperrt">er</em> der Rest eines rasch und nachlässig gesprochnen <em class="gesperrt">oder</em>: -<em class="gesperrt">ein Stück oder drei</em>. Diese Verbindungen würden sich aber doch in -der guten Schriftsprache recht seltsam ausnehmen, sie gehören nur noch -der Umgangssprache an.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_116" href="#FNAnker_116" class="label">[116]</a> Nur in Verbindungen wie: ein Kaffee <em class="gesperrt">erster Sorte</em>, -ein Künstler <em class="gesperrt">zweiten Ranges</em>, ein Wagen <em class="gesperrt">dritter Klasse</em>, -ein Stern <em class="gesperrt">vierter Größe</em> bleibt der bestimmte Artikel vor den -Ordinalzahlen weg.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_117" href="#FNAnker_117" class="label">[117]</a> Hierher gehört auch der beliebte Fehler: <em class="gesperrt">aus</em> -aller Herrn <em class="gesperrt">Länder</em>, der dem Wohllaut zuliebe entstanden ist: -das doppelte <em class="gesperrt">ern</em> schien unerträglich. Aber noch unerträglicher -ist doch der Akkusativ hinter <em class="gesperrt">aus</em>, man schreibe nur, wie sichs -gehört: <em class="gesperrt">aus</em> aller Herr<em class="gesperrt">en</em> Länd<em class="gesperrt">ern</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_118" href="#FNAnker_118" class="label">[118]</a> Nur bei vielgebrauchten Redensarten, an deren -eigentliche Bedeutung niemand mehr denkt, wie: <em class="gesperrt">im Stande</em>, <em class="gesperrt">im -Begriff</em>, <em class="gesperrt">im Interesse</em>, <em class="gesperrt">im Sinne</em>, <em class="gesperrt">im Lichte</em>, -<em class="gesperrt">im Spiegel</em>, <em class="gesperrt">zum Besten</em>, ist im Dativ die Verschmelzung -vollständig durchgedrungen. Niemand sagt: die Heimat der Indogermanen -<em class="gesperrt">in dem Lichte</em> der urgeschichtlichen Forschung – Napoleons Tod -<em class="gesperrt">in dem Spiegel</em> zeitgenössischer Dichtung – wir sind <em class="gesperrt">in -dem Begriff</em>, abzureisen – ich bin nicht <em class="gesperrt">in dem Stande</em>, -einen Bissen zu essen. Dagegen läßt sich wohl unterscheiden: das -Haus ist wieder <em class="gesperrt">in Stand</em> gesetzt worden, und: der Verfasser -will uns <em class="gesperrt">in den Stand</em> setzen, selbst an der Forschung -<em class="gesperrt">teilzunehmen</em>. Bei dem bloßen <em class="gesperrt">in Stand</em> (d. h. in’n Stand) -ist der Artikel verschlungen (vgl. <em class="gesperrt">in Händen</em> haben, <em class="gesperrt">in -Kauf</em> nehmen).</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_119" href="#FNAnker_119" class="label">[119]</a> An den Leipziger Pferdebahnwagen war am Hintertritt -folgender Satz mit Gänsefüßchen (!) angeschrieben: „Dieser Platz des -Hinterperrons bleibt frei.“ Offenbar war der Satz ein Zitat. Aber -woher? Büchmann gibt keine Auskunft.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_120" href="#FNAnker_120" class="label">[120]</a> Ein gemeiner Provinzialismus (aus Berlin?), der aber -neuerdings rasch Fortschritte macht, ist der Gebrauch von <em class="gesperrt">hoch</em> -für <em class="gesperrt">oben</em> und zugleich für <em class="gesperrt">hinauf</em>, <em class="gesperrt">herauf</em>, -<em class="gesperrt">empor</em>, <em class="gesperrt">in die Höhe</em>, z. B. <em class="gesperrt">hoch kommen</em>, <em class="gesperrt">hoch -gehen</em>, <em class="gesperrt">hoch holen</em> (eine Flasche aus dem Keller); wenn ich -einmal <em class="gesperrt">hoch bin</em>, dann geh ich nicht gleich wieder runter; -ein ebenso gemeiner (aus Wien?) der Gebrauch von <em class="gesperrt">oben</em> für -<em class="gesperrt">hinauf</em>, z. B. <em class="gesperrt">oben gehen</em>. In anständigem Deutsch geht man -weder <em class="gesperrt">hoch</em> noch <em class="gesperrt">oben</em>, sondern <em class="gesperrt">hinauf</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_121" href="#FNAnker_121" class="label">[121]</a> Dieser dumme Strich hat es mit sich gebracht, daß nun -auch geschrieben wird: <em class="gesperrt">zwischen 1670 bis 1710</em>. Offenbar hatte -einer geschrieben: <em class="gesperrt">zwischen</em> 1670–1710, ein andrer schrieb das -ab und wollte ein Wort aus dem Striche machen. Hier hätte er aber den -Strich als <em class="gesperrt">und</em> lesen sollen! Besser, man macht keine Striche, -sondern schreibt Wörter.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_122" href="#FNAnker_122" class="label">[122]</a> Wenn Wolfgang Müller von der Wunderblume singt: Sie -blüht nur <em class="gesperrt">einmal alle hundert Jahr</em>, so heißt das nur, daß sie im -Verlaufe von hundert Jahren <em class="gesperrt">einmal</em> blühe. Soll aber ausgedrückt -werden, daß sie in regelmäßigen Zwischenräumen von hundert Jahren -blühe, so ist das <em class="gesperrt">einmal</em> ganz überflüssig; dann genügt es, -sagen: sie blüht <em class="gesperrt">aller hundert Jahr</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_123" href="#FNAnker_123" class="label">[123]</a> Ich hatte einmal eine Zeit lang in regelmäßigen -Zwischenräumen in der Zeitung bekanntzumachen, daß <em class="gesperrt">nächste Mittwoch -Abend 8 Uhr</em> eine gewisse Versammlung abgehalten werde (ich gehöre -nämlich zu den altmodischen Leuten, die <em class="gesperrt">Mittwoch</em> noch für -ein Wort weiblichen Geschlechts halten). Regelmäßig hatte mir der -Zeitungsetzer, der es natürlich besser wußte, <em class="gesperrt">nächste Mittwoch -Abends</em> daraus gemacht, bis ich mirs endlich verbat.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_124" href="#FNAnker_124" class="label">[124]</a> Bei Handlungen, die noch bevorstehen, wird die erste -Verbindung vorgezogen, bei Handlungen, die vorüber sind, die zweite. -Wann wird er zurückkehren? (<em class="gesperrt">Den</em>) Donnerstag. Wann ist er -zurückgekehrt? <em class="gesperrt">Am</em> Donnerstag.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_125" href="#FNAnker_125" class="label">[125]</a> Zu den nicht auszurottenden Scherzen der -Geschäftssprache gehört das sogenannte „Undzeichen“ &, das angeblich -zur Abkürzung des Wörtchens <em class="gesperrt">und</em> gebraucht wird. Es ist aber gar -kein Undzeichen, sondern es ist weiter nichts als das verschnörkelte -lateinische Wörtchen <span class="antiqua">et</span>. Aber alle Geschäftsleute und -Firmenschreiber sind glückselig, wenn sie schreiben können: <em class="gesperrt">Calw -<span class="antiqua">et</span> Stuttgart</em>, <em class="gesperrt">Max <span class="antiqua">et</span> Johann Schneider</em>, -<em class="gesperrt">Tricotagen <span class="antiqua">et</span> Strumpfwaren</em>, <em class="gesperrt">Conditorei <span class="antiqua">et</span> -Café</em>, Schnitzel mit <em class="gesperrt">Schoten <span class="antiqua">et</span> Karotten</em>. Als ob nicht -und eben so kurz wäre!</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_126" href="#FNAnker_126" class="label">[126]</a> Durch falsche Stellung oder Beziehung der Negation -kann der Sinn eines Satzes vollständig verschoben werden. Es ist ein -großer Unterschied, ob ich sage: <em class="gesperrt">Nicht alle</em> Bücher dieses -Verzeichnisses sind eingebunden, oder: <em class="gesperrt">Alle</em> Bücher dieses -Verzeichnisses sind <em class="gesperrt">nicht eingebunden</em>. Auf den Programmen der -Leipziger Gewandhauskonzerte steht: Für die Aufführung sämtlicher -Nummern dieses Programms wird keine Gewähr übernommen, d. h.: es ist -möglich, daß das <em class="gesperrt">ganze</em> Programm <em class="gesperrt">nicht aufgeführt</em> wird – -eine schöne Aussicht! Die Direktion will aber sagen: es ist möglich, -daß <em class="gesperrt">nicht das ganze</em> Programm <em class="gesperrt">aufgeführt</em> wird. Das hätte -sie auf ihre Weise so ausdrücken müssen: Dafür, daß sämtliche Nummern -dieses Programms aufgeführt werden, wird keine Gewähr übernommen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_127" href="#FNAnker_127" class="label">[127]</a> Freilich war <em class="gesperrt">kein</em> ursprünglich gar kein -verneinendes, sondern ein unbestimmtes Fürwort (<em class="gesperrt">irgend ein</em>). -Luther hat es sicherlich noch so gefühlt.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_128" href="#FNAnker_128" class="label">[128]</a> Es gibt jetzt Schriftsteller, die vor lauter Ziererei -nicht mehr <em class="gesperrt">traurig</em> sagen, sondern <em class="gesperrt">unfroh</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_129" href="#FNAnker_129" class="label">[129]</a> In der Schiffersprache geht man <em class="gesperrt">in See</em>, <em class="gesperrt">an -Land</em>, <em class="gesperrt">an Bord</em>, <em class="gesperrt">auf Deck</em>, und der Soldat zieht -<em class="gesperrt">auf Wache</em>. Neuerdings ist es aber auch fein geworden, nicht -mehr <em class="gesperrt">auf die Jagd</em> zu gehen, sondern <em class="gesperrt">auf Jagd</em> (oder -vielmehr <em class="gesperrt">auf Jacht</em>, natürlich nachdem man vorher ein Stück -„mitm <em class="gesperrt">Zuch</em> jefahren is“), und der junge Leutnant wird <em class="gesperrt">auf -Festung</em> kommandiert oder geht <em class="gesperrt">auf Kriegsschule</em>. Schließlich -geht man vielleicht auch noch <em class="gesperrt">auf Universität</em>, setzt sich <em class="gesperrt">auf -Stuhl</em> und klettert <em class="gesperrt">auf Baum</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_130" href="#FNAnker_130" class="label">[130]</a> Falsch ist es natürlich auch, das Hauptwort solcher -Redensarten in die Mehrzahl zu setzen: hierüber <em class="gesperrt">sind</em> neuerdings -<em class="gesperrt">Klagen geführt</em> worden. Man führt nur <em class="gesperrt">Klage</em>, aber nicht -<em class="gesperrt">Klagen</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_131" href="#FNAnker_131" class="label">[131]</a> Solche Zusammenziehungen stehen ungefähr auf derselben -Stufe wie die bekannten scherzhaften Wortverbindungen: <em class="gesperrt">geo- -und arithmetisch</em> – teils <em class="gesperrt">aus Frömmig-</em>, teils <em class="gesperrt">zum -Zeitvertreib</em> – der heutige Tag wird mir ewig <em class="gesperrt">denk-</em> und -<em class="gesperrt">gegenwärtig</em> bleiben.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_132" href="#FNAnker_132" class="label">[132]</a> Vollends arg sind Zusammenziehungen wie: <em class="gesperrt">unsre</em> -Arbeit und <em class="gesperrt">Streben</em>. Über solche Sudelei ist natürlich kein Wort -zu verlieren; für sie gibt es auch keinen Schein von Entschuldigung.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_133" href="#FNAnker_133" class="label">[133]</a> Das geschieht z. B. bei der Verdopplung einer -Präposition wie: an diese Jugendarbeit schlossen sich mehrere Dramen -<em class="gesperrt">an</em> – sie traten <em class="gesperrt">aus</em> der Landeskirche <em class="gesperrt">aus</em> – man -warf ihn <em class="gesperrt">aus</em> dem Zimmer <em class="gesperrt">hinaus</em> – das Gymnasium geriet -<em class="gesperrt">in</em> einen innern Widerspruch <em class="gesperrt">hinein</em> – dieser Gedanke -zieht sich wie ein roter Faden <em class="gesperrt">durch</em> das Gesetz <em class="gesperrt">hindurch</em> -– wir können uns schlechterdings nicht <em class="gesperrt">darum herumdrücken</em>. -Gegen solche Verdopplungen ist nichts einzuwenden.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_134" href="#FNAnker_134" class="label">[134]</a> Von einem Leipziger Bankier erzählt man, daß er auf die -Frage, ob er eine gewisse ausländische Geldsorte beschaffen könne, mit -der Gegenfrage geantwortet habe: muß es denn <em class="gesperrt">jetzt alleweile gleich -in demselben Momente</em> sein? Ein Schaubudenbesitzer macht bekannt: -„Morgen Eintritt <em class="gesperrt">ausschließlich nur allein</em> für Damen.“</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_135" href="#FNAnker_135" class="label">[135]</a> Dabei hier noch der gemeine Provinzialismus, daß -<em class="gesperrt">brauchen</em> mit dem bloßen Infinitiv verbunden ist! (Vgl. <a href="#Seite_61">S. 61</a>.)</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_136" href="#FNAnker_136" class="label">[136]</a> Ein neutraler Begriff ist <em class="gesperrt">Lage</em>. Ich bin <em class="gesperrt">in -der Lage</em> – kann ebensogut heißen: ich habe die Möglichkeit, -wie: ich bin genötigt. Hier muß die besondre Art der Lage durch -ein <em class="gesperrt">können</em> oder <em class="gesperrt">müssen</em> näher bezeichnet werden. -Dagegen ist es natürlich überflüssig, zu schreiben: er wird in die -<em class="gesperrt">Zwangslage</em> gebracht, sich mit einer Stellung zweiten Ranges -begnügen zu <em class="gesperrt">müssen</em>. Vereinzelt wird übrigens auch der umgekehrte -Fehler gemacht, nämlich das Hilfszeitwort weggelassen, wo es ganz -notwendig ist, z. B.: wir erklärten, <em class="gesperrt">dazubleiben</em> – wo es heißen -muß: dableiben zu <em class="gesperrt">wollen</em>, denn in <em class="gesperrt">erklären</em> liegt noch -nicht der Begriff der Absicht.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_137" href="#FNAnker_137" class="label">[137]</a> Alle diese Beispiele sind, wie ausdrücklich bemerkt -werden mag, nicht erfunden!</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_138" href="#FNAnker_138" class="label">[138]</a> Übrigens kann ein Bild auch ohne Vermengung mit andern -geschmacklos wirken, nämlich dann, wenn es zu sehr ausgetitscht -wird; so, wenn es von den Arbeiten, die ein Schriftsteller seinem -Verleger einsandte, heißt: jede <em class="gesperrt">jährliche Ernte</em> seines Fleißes -und Talentes hat er <em class="gesperrt">in den Hof</em> des befreundeten Hauses -<em class="gesperrt">eingefahren</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_139" href="#FNAnker_139" class="label">[139]</a> Mit dem Voranstellen des abhängigen Genitivs muß -man überdies vorsichtig sein. Vor kurzem ist ein Buch erschienen: -<em class="gesperrt">Lichtenbergs Mädchen</em>. Da fragt doch der Leser sofort: <em class="gesperrt">das</em> -oder <em class="gesperrt">die</em>?</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_140" href="#FNAnker_140" class="label">[140]</a> <em class="gesperrt">Das Mitglied Eugen Richter des Reichstags</em> habe -ich wirklich gedruckt gelesen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_141" href="#FNAnker_141" class="label">[141]</a> Die Inversion findet sich in der ältern Zeit auch nach -<em class="gesperrt">denn</em> und <em class="gesperrt">nämlich</em>; wird das heute jemand nachmachen -wollen? Vortrefflich schließt O. Erdmann einen Aufsatz über die -Geschichte der Inversion mit den Worten: „Das historische Studium des -ältern Sprachgebrauchs soll einem vernünftigen und kräftigen Streben -nach Regelrichtigkeit des gegenwärtigen und künftigen nicht hinderlich, -sondern förderlich werden.“</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_142" href="#FNAnker_142" class="label">[142]</a> Ein Meister des deutschen Stils, Otto Gildemeister, -schrieb einem jungen Neffen, als dieser in einem Brief an ihn -eine Inversion gebraucht hatte: So schreiben Kommis und schlechte -Journalisten, aber kein edler deutscher Jüngling. Diese Inversion ist -so schlimm wie mit dem Messer essen. Tu es nicht wieder!</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_143" href="#FNAnker_143" class="label">[143]</a> Tausendmal habe ich bei der Durcharbeitung von -Manuskripten das <em class="gesperrt">sich</em> heraufgeholt an die richtige Stelle, und -niemals haben die Verfasser, wenn sie die Druckkorrektur bekamen, -etwas davon gemerkt; alle haben darüber weggelesen, als ob sie selber -so geschrieben hätten. Und hundertmal ist mir in Manuskripten der -Fall begegnet, daß der Verfasser bei der ersten Niederschrift das -<em class="gesperrt">sich</em> an die richtige Stelle gesetzt, aber beim Wiederdurchlesen -dort ausgestrichen und dann hinten, unmittelbar vor dem Verbum, -hineingeflickt hatte – niemals das umgekehrte! Damit ist schlagend -bewiesen, daß die Voranstellung des <em class="gesperrt">sich</em> das natürliche ist und -das, was jedem, der unbefangen schreibt, aus der lebendigen Sprache -zunächst in die Feder läuft; erst wenn das Drechseln und Feilen -beginnt, entsteht die Unnatur.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_144" href="#FNAnker_144" class="label">[144]</a> Nur wo ein Mißverständnis, eine Verwechslung von Subjekt -und Objekt möglich ist, hat es einen Sinn, das Subjekt in dieser -ängstlichen Weise vor das Fürwort zu stellen, z. B. Vater und Mutter -müssen sich darein finden, daß <em class="gesperrt">die Kinder sie</em> verlassen. Aber -ist etwa ein Mißverständnis möglich, wenn man sagt: Tatsachen machen -sich geltend, gleichviel ob <em class="gesperrt">sie die Juristen</em> definieren können -oder nicht? Wird hier jemand <em class="gesperrt">die Juristen</em> für das Objekt halten?</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_145" href="#FNAnker_145" class="label">[145]</a> Der Ausdruck ist von Gottfried Hermann gebildet.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_146" href="#FNAnker_146" class="label">[146]</a> Der Volksmund vermeidet das sogar zuweilen bei dem -unbestimmten Artikel und dem unbestimmten Fürwort und sagt: das ist -<em class="gesperrt">gar ein</em> merkwürdiger Mensch, das ist <em class="gesperrt">ganz was</em> feines.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_147" href="#FNAnker_147" class="label">[147]</a> Tausendmal habe ich in Manuskripten auch diese häßliche -Wortstellung beseitigt, und niemals haben die Verfasser, wenn sie -ihre Druckkorrektur erhielten, von der Änderung etwas gemerkt, immer -haben sie ohne Anstoß darüber weggelesen, also offenbar geglaubt, sie -hätten selber so geschrieben! Wenn es wirklich ein so starkes logisches -Bedürfnis wäre, das Adverb einzuschieben, so hätte doch einmal einer -Anstoß nehmen und seine ursprüngliche Fassung wiederherstellen müssen!</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_148" href="#FNAnker_148" class="label">[148]</a> Ein harmloses Menschenkind, dem die zwei Präpositionen -hintereinander doch wider den Strich gingen, schrieb: <em class="gesperrt">mit -Zumherunterlassen</em> eingerichteten Fenstern!</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_149" href="#FNAnker_149" class="label">[149]</a> Ähnlich: der Dichter begnügt sich mit einer Skizze, -<em class="gesperrt">da wo</em> wir ein ausgeführtes Bild erwarten. Nach dem Satzbau: der -Dichter begnügt sich mit einer Skizze <em class="gesperrt">da, wo</em> wir usw.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_150" href="#FNAnker_150" class="label">[150]</a> In dem hübschen Scherz: Der Papierreisende (Gesammelte -Schriften, Bd. 2).</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_151" href="#FNAnker_151" class="label">[151]</a> Bedingungssätze statt mit <em class="gesperrt">wenn</em> mit dem -Verbum anzufangen ist an sich nicht übel, nur darf das Verbum dann -nicht unmittelbar hinter dem des Hauptsatzes stehen, z. B. ich muß -<em class="gesperrt">eilen, will</em> ich den Zug nicht versäumen – ein gewissenhafter -Mann <em class="gesperrt">darf, will</em> er seinen Ruf nicht gefährden – es ist -manches verschwiegen, was gesagt werden <em class="gesperrt">müßte, sollte</em> die -Veröffentlichung überhaupt Berechtigung haben. Wer laut schreibt, -wird so etwas nie schreiben. Die beiden Verba platzen aufeinander -wie ein paar Lokomotiven. Schreibt man <em class="gesperrt">wenn</em>, so mündet der -Nebensatz leicht und natürlich ein wie ein Nebenflüßchen, das den -Fluß des Hauptsatzes beschleunigt. Hüten muß man sich vor der Häufung -einsilbiger Wörter. Doch kann auch eine lange Reihe einsilbiger -Wörter ganz fließend klingen, wenn sie durch den Akzent zu Gruppen -zusammengefaßt werden, z. B.: ein Umstand, wie es ihn | bis jetzt | -noch fast gar nicht | gegeben hat.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_152" href="#FNAnker_152" class="label">[152]</a> Sehr komisch ist es, wenn unwillkürlich einmal die -gesunde Natur durch die Manier durchbricht, wo es zu spät ist. Dann -entstehen Sätze wie: es ist zu bedauern, was für ein <em class="gesperrt">Aufwand</em> von -Zeit und Mühe darauf <em class="gesperrt">verwendet</em> worden ist – die Erfahrungen, -die man in Dresden mit dieser Einrichtung gemacht hat, dürften den -<em class="gesperrt">Beweis</em> für die Notwendigkeit derselben genügend <em class="gesperrt">bewiesen</em> -haben – eine telegraphische Nachricht, wonach die <em class="gesperrt">Möglichkeit</em> -einer persönlichen Begegnung für <em class="gesperrt">möglich</em> erachtet wurde.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_153" href="#FNAnker_153" class="label">[153]</a> Schon als Knaben haben mich die Verse nachdenklich -gemacht: Ritter, <em class="gesperrt">treue Schwesterliebe</em> widmet euch dies Herz. -Dann heißt es weiter: <em class="gesperrt">fordert</em> keine andre Liebe – wo mir wieder -<em class="gesperrt">fordert</em> wie ein zweites Prädikat zu <em class="gesperrt">Schwesterliebe</em> -erschien.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_154" href="#FNAnker_154" class="label">[154]</a> Wenn aber Sigismund Breslauer anzeigt, daß er für alte -Kleider <em class="gesperrt">staunend hohe</em> Preise bezahle, und Sigismund Cohn, daß -er zu <em class="gesperrt">staunend niedrigen</em> Preisen verkaufe, so ist das natürlich -wieder eine Verwechslung; sie meinen <em class="gesperrt">erstaunlich hohe</em> und -<em class="gesperrt">niedrige</em> Preise.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_155" href="#FNAnker_155" class="label">[155]</a> In Leipzig wird ein Hauskauf nicht ins Grundbuch -geschrieben, sondern <em class="gesperrt">grundbücherlich</em> (so!) <em class="gesperrt">verlautbart</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_156" href="#FNAnker_156" class="label">[156]</a> Das niedrige Volk sagt jetzt auch: <em class="gesperrt">da hört sich -alles</em> auf! offenbar, indem es die Redensart: <em class="gesperrt">das gehört sich</em> -– damit zusammenwirft.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_157" href="#FNAnker_157" class="label">[157]</a> Im Friseurladen redet man jetzt von amerikanischer -Kopf<em class="gesperrt">wäsche</em>. Wenn jemand im Neuen Testament von Jesu -Fuß<em class="gesperrt">wäsche</em> reden wollte!</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_158" href="#FNAnker_158" class="label">[158]</a> Im sechzehnten Jahrhundert sprach man noch von -<em class="gesperrt">Unterrichtung</em>. Als dafür <em class="gesperrt">Unterricht</em> aufkam (anfangs -gewiß auf der letzten Silbe betont), muß sprachfühlenden Leuten -ähnlich zumute gewesen sein wie uns heute beim <em class="gesperrt">Vollzug</em> und beim -<em class="gesperrt">Entscheid</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_159" href="#FNAnker_159" class="label">[159]</a> Bei dem jetzt so beliebten <em class="gesperrt">entfallen</em> mag wohl das -lateinische <span class="antiqua">dis</span> vorgeschwebt haben, das in <span class="antiqua">distrahere</span> die -Trennung, in <span class="antiqua">distribuere</span> die Verteilung bedeutet.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_160" href="#FNAnker_160" class="label">[160]</a> Ein Fehler ist es übrigens, diese Präfixe abzutrennen -und zu betonen, wie <em class="gesperrt">An-</em> und <em class="gesperrt">Ver</em>kauf, <em class="gesperrt">be</em>- und -<em class="gesperrt">ent</em>laden, <em class="gesperrt">Be</em>- und <em class="gesperrt">Ent</em>wässerung. Getrennt und -betont werden können immer nur echte Präpositionen: <em class="gesperrt">auf</em>- und -<em class="gesperrt">ab</em>steigen, <em class="gesperrt">Ab</em>- und <em class="gesperrt">Zu</em>gang; dagegen <em class="gesperrt">An</em>kauf -und <em class="gesperrt">Verkauf</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_161" href="#FNAnker_161" class="label">[161]</a> Auch mit den Präpositionen springen sie in derselben -Weise um wie mit den Präfixen. In der Sprache des gewöhnlichen Lebens -wird ein neues Haus <em class="gesperrt">gedeckt</em>, eine neue Kirche <em class="gesperrt">gewölbt</em>, -eine Straße <em class="gesperrt">gepflastert</em>, Sandsteinfiguren werden an einem -Hause <em class="gesperrt">angebracht</em>, Bilder werden <em class="gesperrt">eingerahmt</em>, und -wenn man eine Stube tapezieren läßt, so werden die Möbel vorher -<em class="gesperrt">zugedeckt</em>; sowie aber der Architekt davon spricht, wird das -Haus <em class="gesperrt">eingedeckt</em>, die Kirche <em class="gesperrt">eingewölbt</em>, die Straße -<em class="gesperrt">abgepflastert</em>, die Figuren werden <em class="gesperrt">aufgebracht</em>, die -Bilder <em class="gesperrt">gerahmt</em>, und die Möbel – <em class="gesperrt">abgedeckt</em>! Gewöhnlich -werden Farben <em class="gesperrt">gemischt</em>, und zu einer Lotterie werden auch -die Lose <em class="gesperrt">gemischt</em>. Der Farbenfabrikant aber empfiehlt seine -<em class="gesperrt">Ausmischungen</em> sämtlicher Farbentöne, und die Lotteriedirektion -spricht von der <em class="gesperrt">Einmischung</em> der Lose. Gewöhnlich wird ein Vogel -von der Stange <em class="gesperrt">abgeschossen</em>, und unnütze Sperlinge werden -<em class="gesperrt">weggeschossen</em>; sowie aber der Herr Landrat davon spricht, werden -die Sperlinge <em class="gesperrt">abgeschossen</em>. Der gewöhnliche Mensch begnügt sich -damit, etwas zu <em class="gesperrt">liefern</em>. Im Bauwesen aber werden Steine, Kalk, -Ziegel <em class="gesperrt">angeliefert</em>, und bei der Post werden Briefe, Postkarten, -Pakete, Zeitungen sogar <em class="gesperrt">aufgeliefert</em>! Der gewöhnliche Mensch -<em class="gesperrt">beschneidet</em> in seinem Garten einen Trieb, der Gärtner aber -<em class="gesperrt">kürzt</em> ihn <em class="gesperrt">ein</em> usw.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_162" href="#FNAnker_162" class="label">[162]</a> Höchstens <em class="gesperrt">Wollust</em> und <em class="gesperrt">Jawort</em> ließen sich -vergleichen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_163" href="#FNAnker_163" class="label">[163]</a> Auch Wörter wie <em class="gesperrt">Pflegemutter</em>, -<em class="gesperrt">Betschwester</em>, <em class="gesperrt">Schreihals</em>, <em class="gesperrt">Singvogel</em>, -<em class="gesperrt">Stechapfel</em>, <em class="gesperrt">Stinktier</em> machen nur scheinbar eine Ausnahme, -auch <em class="gesperrt">Beißkorb</em> und <em class="gesperrt">Klapperdeckchen</em>, denn sie bezeichnen -Dinge, die den Zweck haben, Beißen und Klappern zu verhüten. Nur -<em class="gesperrt">Bratheringe</em>, <em class="gesperrt">Röstkartoffeln</em> und <em class="gesperrt">Schlagsahne</em> haben -ihren Zweck schon erfüllt, sie sind schon gebraten, geröstet und -geschlagen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_164" href="#FNAnker_164" class="label">[164]</a> Die früheste Anwendung von <em class="gesperrt">voll und ganz</em>, -freilich in gehaltvollerem Sinne als in Parlaments- und Festreden, -wiewohl auch schon ein wenig als Lückenbüßer, steht in Tiecks -Übersetzung von Shakespeares Antonius und Kleopatra (I, 3):</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Der Zeiten strenger Zwang heischt unsern Dienst</div> - <div class="verse indent0">Für eine Weile; meines Herzens Summe</div> - <div class="verse indent0">Bleibt dein hier <em class="gesperrt">voll und ganz</em>.</div> - <div class="verse indent0">(<span class="antiqua">The strong necessity of time commands</span></div> - <div class="verse indent0"><span class="antiqua">Our services a while; but my full heart</span></div> - <div class="verse indent0"><span class="antiqua">Remains in use with you.</span>)</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Dingelstedt gebraucht es 1851 in seinem Gedicht „Christnacht“, worin er -den Heiland des Jahrhunderts herbeiwünscht, aber nicht als Kind,</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Nein, groß und fertig, <em class="gesperrt">voll und ganz</em></div> - <div class="verse indent0">Entsteig’ er unsern Dämmerungen –</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>schon ironisch. In einer Erinnerung an Gottfried Keller (Berliner -Tageblatt vom 13. April 1891) wird erzählt, Keller habe, als in der -Unterhaltung mit ihm jemand <em class="gesperrt">voll und ganz</em> gebraucht habe, -ausgerufen: „Voll und ganz! Hm, hm! Da sieht man, was ihr für Patrone -seid! Phrase, nichts als Phrase! Voll und ganz ist das charakterloseste -Wort, das es gibt, trotz seiner Fülle!“</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_165" href="#FNAnker_165" class="label">[165]</a> Als der junge Goethe 1773 seine kecke Schrift „Von -deutscher Baukunst“ hatte drucken lassen, schrieb der wackere kurf. -sächsische Hofbaumeister Krubsacius eine Kritik darüber. Darin spricht -er auch von der „neumodischen Schreibart“, die schon so vielfältig -ausgespottet worden sei und trotzdem immer weiter um sich gegriffen -habe. Daran knüpft er die wahrhaft klassischen Worte: „Ein Mißbrauch -wird nicht anders als durch sich selbst ausgerottet, wenn er nämlich zu -einer solchen Höhe anwächst, daß ein jeder, der nicht zu stumpfe Sinne -hat, das Ungeheure davon gewahr werden kann.“</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_166" href="#FNAnker_166" class="label">[166]</a> Abgesehen natürlich von Infinitiven, die ganz -zu Substantiven geworden sind, wie <em class="gesperrt">Leben</em>, <em class="gesperrt">Essen</em>, -<em class="gesperrt">Vergnügen</em>, <em class="gesperrt">Vermögen</em>, <em class="gesperrt">Wohlwollen</em> u. a.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_167" href="#FNAnker_167" class="label">[167]</a> Seitdem dieses Kapitel veröffentlicht worden ist, -ist der Mißbrauch erfreulicherweise bedeutend zurückgegangen. -Trotzdem mag es unverändert hier wieder abgedruckt werden – als -sprachgeschichtliches Zeugnis.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_168" href="#FNAnker_168" class="label">[168]</a> Neuerdings wird das Wort sogar für <em class="gesperrt">anfertigen</em>, -<em class="gesperrt">schaffen</em> gebraucht: er hat sich ein Paar neue Stiefel -<em class="gesperrt">fertigstellen</em> lassen – eine Sonate ist mit weniger Zeit und -Mühe <em class="gesperrt">fertigzustellen</em> als eine Symphonie!</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_169" href="#FNAnker_169" class="label">[169]</a> Von festen Körpern nur in dem Sinne von -<em class="gesperrt">zerkleinert</em>; <em class="gesperrt">klarer</em> Zucker, <em class="gesperrt">klares</em> Holz.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_170" href="#FNAnker_170" class="label">[170]</a> Soll vielleicht auch weiter gezählt werden: die -<em class="gesperrt">zweitmalige</em>, <em class="gesperrt">drittmalige</em> usw.?</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_171" href="#FNAnker_171" class="label">[171]</a> Eine Leipziger Zeitung schrieb neulich: das Rathaus -<em class="gesperrt">besitzt</em> denselben Baumeister wie die Pleißenburg!</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_172" href="#FNAnker_172" class="label">[172]</a> Anders in „Künstlers Erdewallen“, wo es von dem -Kunstschatz des Reichen heißt: „Und er <em class="gesperrt">besitzt</em> dich nicht, er -<em class="gesperrt">hat</em> dich nur.“</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_173" href="#FNAnker_173" class="label">[173]</a> Das t ist dasselbe unorganische Anhängsel wie in -<em class="gesperrt">jetzt</em>, <em class="gesperrt">selbst</em> und <em class="gesperrt">Obst</em>. In Leipzig sagt das Volk -auch <em class="gesperrt">anderst</em>, <em class="gesperrt">Rußt</em>, <em class="gesperrt">Harzt</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_174" href="#FNAnker_174" class="label">[174]</a> Früher hieß es <em class="gesperrt">im Namen</em> des Königs, <em class="gesperrt">aus -Mangel</em> an genügendem Angebot, jetzt nur noch <em class="gesperrt">namens</em> des -Königs – <em class="gesperrt">mangels</em> genügenden Angebots. Schon der häßliche -Gleichklang, der ganz unnötigerweise durch die Häufung der Genitiv-s -entsteht, hätte von solchen Bildungen abhalten sollen. Aber die -Leute sind ganz vernarrt in solche Genitive; man denke auch an: -<em class="gesperrt">anfangs</em> (!) Oktober (vgl. <a href="#Seite_8">S. 8</a>).</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_175" href="#FNAnker_175" class="label">[175]</a> Ein solches s drängt sich freilich gar zu gern -ein, man denke an <em class="gesperrt">vollends</em>, <em class="gesperrt">bereits</em>, <em class="gesperrt">öfters</em>, -<em class="gesperrt">nirgends</em>, <em class="gesperrt">zusehends</em>, <em class="gesperrt">durchgehends</em>, -<em class="gesperrt">allerdings</em>, <em class="gesperrt">schlechterdings</em> (um 1700 noch aller -<em class="gesperrt">Dinge</em>, <em class="gesperrt">schlechter Dinge</em>), „neuerdings“ auch -<em class="gesperrt">folgends</em>. Bei den meisten dieser Wörter fühlen wir gar nicht -mehr das Unorganische des s, höchstens noch bei <em class="gesperrt">öfters</em>. Wir -fühlen es aber sofort wieder, wenn wir das häßliche süddeutsche und -österreichische <em class="gesperrt">weiters</em> und <em class="gesperrt">durchwegs</em> hören: ein -selbständiges, <em class="gesperrt">durchwegs</em> auf Erfahrung begründetes Urteil – -oder wenn wir <em class="gesperrt">unversehens</em> und <em class="gesperrt">unbesehens</em> lesen: der -Zuhörer steht <em class="gesperrt">unversehens</em> vor dem Dämonischen – er hätte dieses -Argument nicht so <em class="gesperrt">unbesehens</em> hinnehmen sollen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_176" href="#FNAnker_176" class="label">[176]</a> <em class="gesperrt">Bezüglich</em> ist Präposition und bedeutet dasselbe -wie <em class="gesperrt">hinsichtlich</em>, <em class="gesperrt">rücksichtlich</em>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_177" href="#FNAnker_177" class="label">[177]</a> -Auf einige häßliche Austriazismen ist schon in der Formenlehre und in der -Satzlehre hingewiesen worden. Vgl. <a href="#Seite_17">S. 17</a> und <a href="#Seite_58">58</a>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_178" href="#FNAnker_178" class="label">[178]</a> Manche Kaufleute behaupten, in dem <em class="gesperrt">ab</em> liege ein -besondrer Sinn; es solle ausdrücken, daß der Übergang einer Ware aus -dem Besitz des Kaufmanns in den des Käufers an der angegebnen Stelle -(<em class="gesperrt">ab Bahnhof</em>, <em class="gesperrt">ab Lager</em>) geschehe; der Bahnhof, das Lager -sei der „Erfüllungsort“. Davon hat aber doch der harmlose Käufer, der -so etwas in der Zeitung liest, keine Ahnung.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_179" href="#FNAnker_179" class="label">[179]</a> Unsre Professoren lachen heute, wenn sie in einem -Buche des achtzehnten Jahrhunderts lesen: die <span class="antiqua">iniquitaet</span> ist -<span class="antiqua">manifest</span> oder: wir müssen diese <span class="antiqua">difficultaeten superiren</span>. -Mache sie es denn aber um ein Haar besser?</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_180" href="#FNAnker_180" class="label">[180]</a> Freilich gehen Technik und Wissenschaft mit -bösem Beispiel voran. Vgl. <em class="gesperrt">Taxameter</em>, <em class="gesperrt">Automobil</em>, -<em class="gesperrt">homosexuell</em> (dessen erste Hälfte auch „gebildete“ Leute für das -lateinische <span class="antiqua">homo</span> halten!), <em class="gesperrt">Telefunken</em> u. ähnl.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_181" href="#FNAnker_181" class="label">[181]</a> Sehr bitter spottete einmal darüber ein junger -französischer Student in Leipzig. Die deutschen Mädchen, sagte er, -glauben, sie müßten <em class="gesperrt">Colliers</em> tragen, weil jeder Hund ein -<em class="gesperrt">Halsband</em> trägt. In Paris trägt aber doch jeder Hund ein -<em class="gesperrt">Collier</em>!</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_182" href="#FNAnker_182" class="label">[182]</a> Ein vortrefflicher deutscher Schriftsteller, -August Apel, nennt (1815) einen eingebildeten Kunstkenner einen -<em class="gesperrt">Connaisseur</em> und fügt hinzu: Ich liebe fremde Worte, um die -affektierende Abart zu bezeichnen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_183" href="#FNAnker_183" class="label">[183]</a> Weiß der Leser, wie <em class="gesperrt">konstatieren</em> entstanden ist? -Durch Anhängen der Endung -<em class="gesperrt">ieren</em> an das lateinische Impersonale -<span class="antiqua">constat</span>. Fast unglaublich, aber Tatsache. Und dabei ist in -999 von 1000 Fällen <em class="gesperrt">konstatieren</em> nichts weiter als ein ganz -überflüssiger Henkel für einen Aussagesatz. Man sagt nicht: der Hund -hat einen Schwanz, sondern man <em class="gesperrt">konstatiert</em>, daß der Hund einen -Schwanz hat.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_184" href="#FNAnker_184" class="label">[184]</a> In einem längern Aufsatze, worin <em class="gesperrt">Moment</em> und -<em class="gesperrt">Faktor</em> jedes etwa ein Dutzend mal vorkamen, machte ich mir -den Spaß, sie regelmäßig miteinander zu vertauschen. Als ich die -Druckkorrektur des Verfassers erhielt, sah ich, daß er nicht das -Geringste davon gemerkt hatte. Was müssen das für Wörter sein, mit -denen man sich solche Scherze erlauben kann! Ein rechtes Kreuz sind -die <em class="gesperrt">gesetzgebenden Faktoren</em>; könnte man die doch irgendwie los -werden!</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_185" href="#FNAnker_185" class="label">[185]</a> Schon Schiller schreibt 1797 an Goethe: Sie müssen eine -<em class="gesperrt">Epoche</em> gehabt haben, die ich Ihre analytische <em class="gesperrt">Periode</em> -nennen möchte.</p> - -</div> -</div> - -<div lang='en' xml:lang='en'> -<div style='display:block; margin-top:4em'>*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK <span lang='de' xml:lang='de'>ALLERHAND SPRACHDUMMHEITEN</span> ***</div> -<div style='text-align:left'> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Updated editions will replace the previous one—the old editions will -be renamed. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg™ electronic works -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg™ -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all -the terms of this agreement, you must cease using and return or -destroy all copies of Project Gutenberg™ electronic works in your -possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a -Project Gutenberg™ electronic work and you do not agree to be bound -by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the person -or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.B. “Project Gutenberg” is a registered trademark. 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Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread -public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine-readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To SEND -DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state -visit <a href="https://www.gutenberg.org/donate/">www.gutenberg.org/donate</a>. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Please check the Project Gutenberg web pages for current donation -methods and addresses. Donations are accepted in a number of other -ways including checks, online payments and credit card donations. To -donate, please visit: www.gutenberg.org/donate -</div> - -<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> -Section 5. General Information About Project Gutenberg™ electronic works -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Professor Michael S. Hart was the originator of the Project -Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be -freely shared with anyone. For forty years, he produced and -distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of -volunteer support. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Project Gutenberg™ eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in -the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not -necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper -edition. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Most people start at our website which has the main PG search -facility: <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -This website includes information about Project Gutenberg™, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. -</div> - -</div> -</div> -</body> -</html> diff --git a/old/69894-h/images/backslash.png b/old/69894-h/images/backslash.png Binary files differdeleted file mode 100644 index 0bcf183..0000000 --- a/old/69894-h/images/backslash.png +++ /dev/null diff --git a/old/69894-h/images/borduere1.png b/old/69894-h/images/borduere1.png Binary files differdeleted file mode 100644 index 39c8fde..0000000 --- a/old/69894-h/images/borduere1.png +++ /dev/null diff --git a/old/69894-h/images/borduere2.png b/old/69894-h/images/borduere2.png Binary files differdeleted file mode 100644 index 43328c1..0000000 --- a/old/69894-h/images/borduere2.png +++ /dev/null diff --git a/old/69894-h/images/borduere3.png b/old/69894-h/images/borduere3.png Binary files differdeleted file mode 100644 index 0eff8d4..0000000 --- a/old/69894-h/images/borduere3.png +++ /dev/null diff --git a/old/69894-h/images/cover.jpg b/old/69894-h/images/cover.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index dc18e7e..0000000 --- a/old/69894-h/images/cover.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/69894-h/images/deko.png b/old/69894-h/images/deko.png Binary files differdeleted file mode 100644 index 955913a..0000000 --- a/old/69894-h/images/deko.png +++ /dev/null diff --git a/old/69894-h/images/geschw_klammer_rechts.png b/old/69894-h/images/geschw_klammer_rechts.png Binary files differdeleted file mode 100644 index 959ee34..0000000 --- a/old/69894-h/images/geschw_klammer_rechts.png +++ /dev/null diff --git a/old/69894-h/images/mark.png b/old/69894-h/images/mark.png Binary files differdeleted file mode 100644 index 4603b33..0000000 --- a/old/69894-h/images/mark.png +++ /dev/null diff --git a/old/69894-h/images/rhythmus_1.png b/old/69894-h/images/rhythmus_1.png Binary files differdeleted file mode 100644 index 9640189..0000000 --- a/old/69894-h/images/rhythmus_1.png +++ /dev/null diff --git a/old/69894-h/images/rhythmus_2.png b/old/69894-h/images/rhythmus_2.png Binary files differdeleted file mode 100644 index 7117a07..0000000 --- a/old/69894-h/images/rhythmus_2.png +++ /dev/null diff --git a/old/69894-h/images/signet.png b/old/69894-h/images/signet.png Binary files differdeleted file mode 100644 index 4b22d77..0000000 --- a/old/69894-h/images/signet.png +++ /dev/null diff --git a/old/69894-h/images/slash.png b/old/69894-h/images/slash.png Binary files differdeleted file mode 100644 index 4186cbc..0000000 --- a/old/69894-h/images/slash.png +++ /dev/null |
