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-The Project Gutenberg eBook of Der Moskauer Prozeß gegen die
-Sozialrevolutionäre 1922. Revolution und Konterrevolution, by Kurt
-Kersten
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and
-most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms
-of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
-www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you
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-using this eBook.
-
-Title: Der Moskauer Prozeß gegen die Sozialrevolutionäre 1922.
- Revolution und Konterrevolution
- Außenseiter der Gesellschaft. Die Verbrechen der Gegenwart. Band
- 12
-
-Author: Kurt Kersten
-
-Editor: Rudolf Leonhard
-
-Release Date: January 14, 2023 [eBook #69795]
-
-Language: German
-
-Produced by: Jens Sadowski and the Online Distributed Proofreading Team
- at https://www.pgdp.net. This book was produced from images
- made available by the HathiTrust Digital Library.
-
-*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER MOSKAUER PROZESS GEGEN
-DIE SOZIALREVOLUTIONÄRE 1922. REVOLUTION UND KONTERREVOLUTION ***
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- AUSSENSEITER DER GESELLSCHAFT
- – DIE VERBRECHEN DER GEGENWART –
-
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- AUSSENSEITER
- DER GESELLSCHAFT
- – DIE VERBRECHEN DER GEGENWART –
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- HERAUSGEGEBEN VON
- RUDOLF LEONHARD
-
- BAND 12
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- VERLAG DIE SCHMIEDE
- BERLIN
-
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- DER MOSKAUER PROZESS
- GEGEN DIE SOZIALREVOLUTIONÄRE
- 1922.
- REVOLUTION UND KONTERREVOLUTION
-
-
- VON
- KURT KERSTEN
-
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- VERLAG DIE SCHMIEDE
- BERLIN
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- EINBANDENTWURF
- GEORG SALTER
- BERLIN
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- Copyright 1925 by Verlag Die Schmiede Berlin
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-
-An der Bahnlinie Moskau-Saratow liegt mitten im Kiefernwald die kleine
-Datsche eines reichen Kaufmannes; grün und blau schimmern die Holzwände
-durch den Sommermorgen eines furchtbaren Jahres; als der Streckenwächter
-früh vorüberkam, fiel ihm auf, daß Garten- und Haustür offenstanden; der
-Rasen war zertrampelt – der Mann in der hellen Russenbluse stutzte, ging
-scheu in den Garten, zögerte noch einen Augenblick, bevor er die
-Treppenstufen hinaufging – plötzlich stieß er einen Schrei aus, wandte
-sich um und lief davon – „Mord – Mord –“ brüllte er durch den Wald –
-
-Nach einer Weile kehrte er mit einem jungen Sanitätssoldaten zurück,
-beide hielten den Revolver schußfertig in der Hand und gingen zögernd
-die Treppe hinauf, ihnen entgegen gähnte ein dunkler Flur – gerade vor
-der Öffnung lag ein dicker Mann im Nachthemd – mit starren, weit
-geöffneten Augen, blutigem, vertrocknetem Schaum vor dem schwarzen Mund
-– der Sanitäter bückte sich, entblößte eine zottige Brust, horchte,
-befühlte – erhob sich nach einer Weile, zuckte die Achseln: „Herzschlag
-–“ Der Wächter setzte scheu den Fuß über den Leichnam hinweg – eine
-Zimmertür stand offen – Spinde, Wandschrank schienen durchwühlt, auf der
-Erde lag ein Bankkontobuch; sämtliche Schubfächer des altertümlichen
-Vertikos waren erbrochen – Akten, Briefe aber unberührt – es schien den
-Tätern nur am baren Gelde gelegen zu sein.
-
-Alle Nachforschungen nach den Tätern blieben erfolglos.
-
-Das Reich war in Aufruhr und Menschenleben billig; seit vier Jahren
-wütete Krieg in der ganzen Welt, seit einem halben Jahr herrschten die
-Arbeiter und Bauern in Rußland – eben noch erstreckte sich ihre Macht
-auf die Weichbilder von Moskau und Petrograd, von der Wolga rückten
-tschechoslowakische Söldner unter Führung von Ententeoffizieren gegen
-Kasan und berannten die Stadt, in Kiew wehte die schwarz-weiß-rote
-Fahne, in Archangelsk landeten Amerikaner und Engländer, vom Ural, vom
-Dongebiet her breiteten sich Kosakenschwärme unter der Führung
-zaristischer Generale weit übers Land aus, Gutshöfe brannten, Bauern
-wurden von Offiziersbataillonen grausam zu Tode gemartert, in den
-Städten traute keiner dem andern – Einbrüche am hellen Tage waren keine
-Seltenheit, staatliche Ämter wurden mit Einverständnis der Beamten
-ausgeraubt, eben erst war ein vergeblicher Versuch in Moskau gemacht
-worden, den feuerfesten Schrank des Gouvernements-Ernährungskomitees zu
-sprengen, offenbar war den Tätern der Sauerstoff ausgegangen, das Schloß
-war zur Hälfte geschmolzen; einige Tage später drangen am hellen Tage
-fünf vermummte Männer in das Postgebäude an der Twerskaja, der
-belebtesten Straße Moskaus, ein, hatten die Eingangstür verriegelt,
-riefen den Beamten und Kunden „Hände hoch“ zu, schwangen Handgranaten,
-zückten Messer, hielten den Finger am Revolverhahn und plünderten die
-Kasse – entnahmen ihr über 100000 Rubel – entfernten sich dann, und ehe
-sich noch jemand vom Schreck erholt hatte und auf die Straße lief, waren
-die Banditen längst verschwunden.
-
-Einige Tage später las man in der Presse der ganzen Welt: „Ausraubung
-eines Postamtes am hellen Tage in Moskau – Die Täter entkommen – Das
-russische Chaos – Nieder mit den Bolschewiki.“
-
- * * * * *
-
-In denselben Tagen finden in den Städten neue Sowjetwahlen statt. Die
-Wahlagitation ist im heftigsten Gange; in Petersburg herrscht ungestörte
-Pressefreiheit, einer der eifrigsten Agitatoren in den Fabriken ist der
-junge Wolodarski – eben 27 Jahre alt, gebürtig aus Wolhynien, seit
-frühster Jugend in der revolutionären Bewegung: der Vierzehnjährige
-arbeitet schon in illegalen Organisationen, der Siebzehnjährige sitzt
-bereits als „Politischer“ im Gefängnis – drei Jahre später verbannt ihn
-das zaristische Gericht nach Archangelsk, 1913 flieht er nach Amerika,
-bei Kriegsausbruch redigiert er mit Bucharin in New-York eine Zeitung
-„Neue Welt“ – immer führt er ein wahres Hundeleben, immer sind ihm
-Spitzel auf den Fersen, immer machen sich Provokateure an ihn heran,
-auch in den U. S. A. sieht er Kerkermauern – endlich wehen in Rußland
-rote Fahnen; einige Monate nach Kerenskis Aufstieg arbeitet Wolodarski
-schon in Petersburg, macht innerhalb kurzer Frist schwindelnd Karriere:
-eben noch Agitator des Peterhofer Bezirks, sitzt er nun schon im
-Petersburger Sowjet, kommt ins Exekutivkomitee, wird ein glühender,
-hinreißender Sprecher, alle Bezirke telephonieren:
-
-„Schickt uns Wolodarski“ – „Schickt uns Wolodarski.“ –
-
-Nach dem Oktoberumsturz wird Wolodarski Volkskommissar für Presse und
-Agitation. Im Frühjahr 1918 ist er Chefredakteur der „Roten Zeitung“. Im
-Juni finden die Wahlen statt – Wolodarski arbeitet an hervorragender
-Stelle – er ist es, der Pressefreiheit gibt – am nächsten Tage liest man
-in einer Petersburger Zeitung: „Es gibt im Smolny zwei besonders
-unangenehme Juden – Sinowjew und Wolodarski.“ Einen Tag später wird
-gewählt – Resultat:
-
- Bolschewiki: 72.
- Linke S.R.: 9.
- Parteilose: 4.
-
-Am Abend sprach Wolodarski in einer Versammlung der Eisenbahner der
-Nikolajew-Bahn, noch umtoste ihn der Beifall der proletarischen Masse,
-als er schon im Auto saß, um in eine Maschinenfabrik zu fahren und eine
-zweite Rede zu halten.
-
-In der Farforstraße hält plötzlich sein Auto.
-
-„Was ist los?“
-
-„Kein Benzin.“
-
-Wolodarski steigt aus, will einen Laden suchen – vielleicht kann man
-irgendwo etwas Benzin auftreiben – kaum ist er zehn Schritte gegangen,
-da eilt ihm ein Mann entgegen, Wolodarski beachtet ihn nicht, da ein
-Knall, ein Schlag gegen die Brust, er taumelt, fällt zu Boden – eben
-noch sieht er den Täter enteilen, über einen Zaun hinwegklettern – dann
-noch eine Detonation – ein Sausen und Wimmern durch die Lüfte – noch
-einige Revolverschüsse – schon kniet Grischa Sinowjew neben dem
-sterbenden Wolodarski.
-
-Man bahrt den Leichnam im Taurischen Palais auf; das Proletariat von
-Petersburg defiliert am Sarg in langen, langen Zügen vorüber, alle
-Fabriken halten Meetings ab, geschlossen rücken die Belegschaften der
-großen Fabriken an, eine alte Arbeiterin küßt die bleiche Stirn des
-Toten, eine Arbeiterfrau führt ihr Kind an den Sarg: „Siehe – für dich
-ist er gestorben.“ –
-
- * * * * *
-
-Der Mörder ist entkommen, in den Zeitungen der sowjetfeindlichen Presse
-erscheinen beunruhigte Artikel, am Tage nach der Ermordung liest man
-befremdenderweise im Zentralorgan der Sozialrevolutionäre eine
-Erklärung:
-
-„Das Petrograder Bureau des Zentralkomitees der Partei der
-Sozialrevolutionäre erklärt, daß _keine_ Organisation der Partei zu der
-Ermordung des Kommissars für Pressewesen, Wolodarski, in irgend welcher
-Beziehung steht.“
-
-Niemand hatte sie beschuldigt, niemand mit Fingern nach ihnen gezeigt,
-weshalb regen sie sich, weshalb wehren sie ab? Wundern sie sich, wenn
-zwei Tage später Sinowjew in einer Sitzung des Petrograder Sowjets
-ausruft: „Wir wissen nicht, wer der Mörder ist, doch es wäre
-wünschenswert, wenn von den Sozialrevolutionären am Begräbnis des
-Genossen Wolodarski niemand teilnehmen würde.“
-
-Wundern sie sich? Sie schweigen.
-
-Einige Wochen später fällt der alte Genosse Uritzki einem Attentat zum
-Opfer; als Täter kommt ein „Volkssozialist“ in Betracht. Indessen sind
-die Tschechoslowaken schon auf halbem Wege nach Nishni-Nowgorod, immer
-enger wird der furchtbare Ring, in Jaroslaw bricht ein grauenhafter
-Bürgerkrieg aus, die ganze Stadt ist nach fünf Tagen ein Trümmerhaufen,
-die Ermordung Mirbachs und Eichhorns versteift die Beziehungen zu
-Deutschland, man gelangt durch Zufall in den Besitz von Papieren, die
-unwiderleglich von einer engen Verbindung zwischen bürgerlichen
-Verbänden und der französischen Militärkommission zeugen, der
-französische Botschafter Noulens hatte in Wologda sein Archiv verloren –
-– dann versuchen die linken S.R. in Moskau zu putschen – die
-Herrlichkeit dauert einen knappen Tag – der Wirrwarr wird größer – die
-„Rote Garde“ ist schlecht bewaffnet, in Lumpen gekleidet, der Hunger
-quält in den Augen – an allen Fronten entbrennt der Kampf – innerhalb
-des Kreises züngeln die Flammen – und mitten in dieser verzweifelten
-Situation schießt eine kleine Jüdin einen Revolver ab – eines Abends in
-den ersten Septembertagen – die Schüsse treffen Wladimir Iljitsch Lenin.
-Das ganze Land ist erschüttert. Ein Stöhnen entringt sich der russischen
-Arbeiterschaft: Lenin schwer verwundet.
-
-Diesmal kennt man kein Zögern mehr. Jetzt erst geht man zur Gegenwehr
-über. Noch in dieser Nacht verhaftet man 500 Offiziere, erschießt sie am
-frühen Morgen. Und die nächsten Septembertage erleben im ganzen Land,
-soweit die Macht der Bolschewiken reicht, Hausuntersuchungen,
-Verhaftungen, Verhöre – in den ersten Morgenstunden hört man immer
-Salven knattern – und einige Tage später zieht Trotzki in Kasan ein,
-treiben Budjenis „Rote Reiter“ die Tschechoslowaken und Kosaken vor sich
-her, langsam fällt die Weiße Flut, langsam drängt man Entente- und
-Zarengenerale über die Wolga und an die Gestade des Eismeeres zurück –
-wenige Wochen später bricht die kaiserliche deutsche Armee zusammen, die
-roten Fahnen wehen in Riga und Kiew. Langsam sieht Lenin seiner Genesung
-entgegen.
-
-Und wer hatte auf ihn geschossen? Wer hatte in ihm das Land getroffen?
-
-Fanny Kaplan – Mitglied der Sozialrevolutionären Partei.
-
- * * * * *
-
-Im Laufe der nächsten Jahre verdichten sich Anklagen und Beweise wider
-diese Partei; allmählich gelingt es, zahlreiche Führer zu verhaften,
-Gerüchte zu bestätigen, da erscheint im Herbst 1921 in Berlin
-eine russische Broschüre eines G. Ssemjonow, Die Partei der
-Sozial-Revolutionäre in den Jahren 1917-1918. (Ihre Kampftätigkeit und
-militärischen Aktionen.) Die Broschüre erregt in der gesamten
-Emigrantenpresse ein ungeheures Aufsehen; Auszüge erscheinen in
-deutschen Zeitungen, zwischen Emigrantenorganen entspinnen sich
-Pressefehden, Presseprozesse. In derselben Zeit wird bekannt, daß ein
-Prozeß gegen 34 Mitglieder der S.R. in Moskau stattfinden wird. Und was
-enthält jene staubaufwirbelnde Broschüre?
-
-Ich Ssemjonow – ehemaliges Mitglied der S.R., Führer der
-Kampforganisation – habe Attentate, Sprengungen und Expropriationen
-vollführt – ich habe mit meinen Leuten das Postamt in der
-Kammerherrengasse am hellichten Tage ausgeplündert, ich bin mit
-Gefährten in die Datsche eines Kaufmannes eingebrochen, der vor Schreck
-tot zusammenbrach, als er uns sah, ich habe das Attentat auf Wolodarski
-inszeniert, ich habe Attentate auf Lenin und Trotzki vorbereitet, ich
-weiß von der Verbindung unserer Partei mit der Entente, Deutschland und
-bürgerlichen Organisationen. Existierten bloße Verbindungen? Von dort
-erhielten wir Gelder, Aufträge, Material, im Einverständnis mit der
-Entente, in ihrem Auftrag mordeten, plünderten, sprengten wir. Sämtliche
-Maßnahmen, die ich im Interesse der Partei ergriffen habe, erfolgten im
-Einverständnis mit dem Zentralkomitee unserer Partei; die
-hervorragendsten Männer gaben uns die Lizenz. Dabei herrschte innerhalb
-der Partei völlige Plan- und Kopflosigkeit; aus reiner Verzweiflung
-schien jedes Mittel recht – erst nach langer Haft kam mir zum
-Bewußtsein, von welchen haltlosen Menschen wir mißbraucht wurden, daß
-wir nicht im Interesse der arbeitenden Klasse handelten, sondern gegen
-ihre Interessen. – Alle Angaben Ssemjonows wurden einige Wochen später
-von einer gewissen Lydia Konoplewa bestätigt – ja sie verstärkte noch
-den Verdacht gegen das Z.K. der Partei, das seine Genehmigung zu
-sämtlichen Attentaten gegeben habe.
-
- * * * * *
-
-[Illustration: Der Verteidiger Murawiew unterhält sich mit den
-Angeklagten, Mitglieder der sozialrevolutionären Partei: Gotz,
-Hendelmann, Tatareew u. a.]
-
-Im Frühjahr hatte sich das Material gegen die verhafteten S.R. bereits
-so verdichtet, daß auf der Berliner Konferenz der II., II½. und III.
-Internationale die Vertreter der II. und II½. Internationale von der
-III. Internationale das Versprechen zu ertrotzen suchten, kein
-Todesurteil über die S.R. zu verhängen, die Zulassung ausländischer
-Verteidiger zu befürworten – man geriet in ernste Besorgnis; hatte man
-früher immer und immer wieder geschrien: weshalb laßt ihr diese Leute so
-lange in Untersuchungshaft sitzen – weshalb laßt ihr sie nicht frei –
-schlug man jetzt einen anderen Weg ein: man suchte zu verschleppen, zu
-bemänteln, verschwieg die Tatsachen, ging über die eigentlichen
-Anschuldigungen hinweg, vermied überhaupt sie zu erwähnen, klammerte
-sich an reine Formalitäten, und schrie und schrie und gab keine Antwort,
-wenn man fragte: „Und wie verhält es sich mit den Fakten“? –
-
-Sonntagnachmittag im Juni 1922. Als das Flugzeug von Moskau eben auf dem
-großen Flugplatz in Kowno, den die deutsche Armee im Weltkrieg angelegt
-hatte, gelandet war, und die Passagiere der Kabine entstiegen, rief
-ihnen schon von weitem der deutsche Flugplatzführer der Derutra zu:
-„Rathenau ist ermordet“ – „Der Dollar 375.“ „Die Nationalisten“ – Der
-junge Schriftsteller konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. „Dollar,
-Mord und Nation – deutsche Atmosphäre.“ Und während man sich noch rings
-um ihn ernst unterhielt, ob der Dollar noch weiter fallen würde, dachte
-er: „Wird man die Täter ergreifen? Wird man ihnen den Prozeß machen?
-Wird man vor allem den Hintergrund enthüllen, die wahren treibenden
-Kräfte feststellen?“ Und er gedachte jenes seltsamen Prozesses, dem er
-soeben in Moskau beigewohnt hatte, er gedachte jener doppelt seltsamen
-Demonstration im Gerichtssaal, die am vierten Jahrestag der Ermordung
-Wolodarskis stattgefunden hatte. Und während das Flugzeug wieder
-startete und bald über Deutschland hinschwebte, vergegenwärtigte sich
-der junge Schriftsteller lebhaft noch einmal die Erlebnisse der
-vergangenen Woche, des 20. Juni.
-
-Am vierten Jahrestag der Ermordung Wolodarskis zogen schon am frühen
-Morgen aus allen Bezirken die Arbeiter ins Innere der Stadt, um die
-Mittagsstunde füllten Hunderttausende den Roten Platz vor dem Kreml. An
-den Gräbern der gefallenen Revolutionäre zogen die Belegschaften aller
-Moskauer Betriebe vorüber. Und auf der Rednertribüne erschien ein großer
-blonder Mann – erschien der Vorsitzende des Obersten Tribunals Pjatakow
-und erklärte den demonstrierenden Arbeitern: „Das Urteil wird gerecht,
-wird erbarmungslos sein. Noch ist es nicht an der Zeit, es zu fällen.“
-
-Und einen langen Sommertag über zogen die Massen russischer Arbeiter
-durch die Iberische Pforte hinab zum Swerdlowplatz, an einem barocken
-Säulenbau vorüber, jede Belegschaft hielt einen Augenblick an, und einer
-ihrer Sprecher rief nach jenem Hause Worte der Rache hinüber – die ganze
-Stadt dröhnte vom Schritte der Arbeiterbataillone, die ganze Stadt
-hallte vom Gesang der Internationale.
-
-Und als der Abend hereinbrach, und die Massen sich langsam entfernt
-hatten, passierte der junge Schriftsteller die Postenketten des
-Prunkgebäudes, betrat die weiten unteren Räume des Hauses, in denen eine
-Kompagnie des Tschekaregimentes untergebracht war; breite Marmortreppen
-führten in den ersten Stock. Wieder forderten Soldaten in braunen
-Uniformen mit breiten roten Querstreifen auf der Brust den Ausweis, die
-Wände spiegelten ein reges Treiben, weithin erstreckten sich
-Wandelhallen, und in einem Seitenraum war eine Ausstellung von Bildern
-und Dokumenten – grauenhaften Urkunden der Scheußlichkeiten des
-Bürgerkrieges; da hingen die Proklamationen der Partei der S.R., die
-Aufrufe zum Sturz der Sowjets, da hingen Flugschriften und
-Proklamationen, Reden Awxentijews, Artikel Tschernows und unzählige
-Photographien – Photographien der Generale des Zaren, Photographien von
-Führern der S.R., Bilder gesprengter Brücken und Stationen,
-Photographien langer Reihen von Särgen und Massengräbern, Bilder der 26
-Bolschewiken, die in Baku von den S.R. hingerichtet wurden,
-Photographien schauderhaft zugerichteter Leichen – und dann Bilder
-Wolodarskis, Uritzkis, Bilder vieler, vieler Kinder, vieler Waisen,
-deren Eltern Koltschak hinrichten ließ.
-
-Und als der junge Schriftsteller erschüttert diese Kammer der Seufzer
-und Tränen, der Lügen und Heuchelei verließ, öffnete er eine kleine Tür
-und befand sich plötzlich in einem gewaltigen Saal – Säulenreihen zogen
-sich zur Linken und Rechten, mächtige Leuchter hingen von der hohen
-Decke herab – am anderen Ende des Saales saßen und standen auf einem
-Podium zahlreiche Männer und einige Frauen – zwischen mächtigen Säulen
-waren gewaltige rote Tücher gespannt, große Lettern verkündeten: „Das
-Proletariat ist der Schutzschild der Revolution.“
-
-An einem Tische mitten auf dem Podium sitzen die Richter – und in ihrer
-Mitte sehen wir wieder Pjatakow. Rechts scharen sich hinter einer Sperre
-dicht hinter- und nebeneinander in zwei Gruppen getrennt 34 Angeklagte,
-vor ihnen sitzen an langen Tischen die Verteidiger; hart an der Rampe
-steht ein kleiner Tisch – vor ihm sitzt der Ankläger Krylenko – neben
-ihm ein langer Tisch, an dem drei andere Ankläger sitzen: Lunatscharski,
-der Historiker Pokrowski, die greise Klara Zetkin. Die Reihen der
-Angeklagten umspannt ein Kordon jener Soldaten in braunen Uniformen mit
-den breiten Litzen, sie tragen die spitzen Helme der Krieger Iwans des
-Schrecklichen, das Gewehr mit aufgepflanztem Seitengewehr bei Fuß. Zur
-Rechten öffnet sich eine breite Tür – herein tritt eine Deputation
-Moskauer Arbeiter – eine ältere Frau ist unter ihnen, sie durchschreiten
-den überfüllten Zuschauerraum, in dem wohl 2000 Menschen sitzen, und
-steigen langsam die Treppen zum Tribunal hinauf. Und unter tiefem
-Schweigen begannen die Arbeiter zu reden – junge und alte –
-leidenschaftlich brach es aus ihnen los – Anklagen und wieder Anklagen –
-Ein Arbeiter von Kasan erzählte erregt von den Grausamkeiten der S.R. in
-Kasan, es sprach jener Arbeiter, der die Fanny Kaplan nach ihrem
-Attentat auf Lenin festgenommen hatte, und ein langer, breiter Mann mit
-einer fürchterlichen Stimme erzählte noch einmal vom Eindruck, den der
-junge Wolodarski auf sie gemacht hatte; wie aus einem Krater brodelten
-Anklagen, Verwünschungen los – „Rache für Wolodarski“ schrie es durch
-den Raum – und die Männer hinter der Barriere saßen mit gesenkten
-Häuptern festgebannt da – ohne die Möglichkeit der Flucht, allen Blicken
-preisgegeben, gerichtet, geächtet, gestraft.
-
-Niemals zuvor in der Weltgeschichte wird die Stimme der Masse so
-vernehmlich, so eindrucksvoll gesprochen haben wie in dieser Sommernacht
-zu Moskau im Prunksaale des ehemaligen Adelsklubs.
-
- * * * * *
-
-Zehn Tage währte nun schon dieser Prozeß. Am 10. Juni hatte er begonnen;
-einige Tage zuvor waren die ausländischen Verteidiger in Moskau
-eingetroffen, vor dem Bahnhof hatte sie die Arbeiterschaft mit Pfiffen
-begrüßt. Am Tage der Eröffnung hatte der Führer der II. Internationale,
-Vandervelde, vor dem Tribunal das Mißgeschick, als Justizminister S.
-Majestät des Königs der Belgier verhöhnt zu werden, weil er sich im
-Westlerdünkel erhaben fühlte über die Justizmethoden der
-Arbeiterrepublik.
-
-Die 34 Angeklagten trennten sich in zwei Lager – zur Linken saßen 25
-Männer und Frauen – die Offiziere der Partei:
-
- Gotz, Abram Rafalowitsch
- Donskoi, Dmitri Dmitrijewitsch
- Gerstein, Lew Jakowlewitsch
- Lichatsch, Michail Alexandrowitsch
- Iwanow, Nikolai Nikolajewitsch
- Ratner-Eljkind, Jewgenija Moisjewna
- Rakow, Dmitrij Fedorowitsch
- Fedorowitsch, Florian Florianowitsch
- Wedenjapin, Michail Alexandrowitsch
- Gendeljmann-Grabowski, Michail Jakowlewitsch
- Morosow, Sergej Wladimirowitsch
- Artemjew, Nikolai Iwanowitsch
- Ratner, Grigoric Moisjewitsch
- Timofejew, Jewgenij Michajlowitsch.
-
-Gotz, Donskoi, Wedenjapin und Gendeljmann, Gerstein, Lichatsch, Iwanow,
-Ratner-Eljkind, Ratner, Fedorowitsch, Timofejew saßen seit 1917 im
-Zentralkomitee der Partei; Artemjew, Morosow und Ratner waren Mitglieder
-des Moskauer Bureaus des Zentralkomitees.
-
-Diese 14 Personen werden angeklagt, ihre Partei so geleitet zu haben, um
-den Sturz der von der proletarischen Revolution eroberten Macht der
-Arbeiter- und Bauernräte herbeizuführen. Sie haben alle Mittel und
-Kräfte der Partei zu diesem Zwecke verwandt.
-
-Man beschuldigt sie:
-
-1. Der Vorbereitung bewaffneter Aufstände gegen die Sowjetmacht in
-Petrograd und Moskau. Bildung militärischer Stäbe und besonderer
-Kampforganisationen. Sie unterhielten Verbindung mit anderen
-konterrevolutionären Organisationen und nahmen ihre finanzielle Hilfe in
-Anspruch; gemeinsam mit ihnen organisierten sie technische Organe,
-Stäbe, Stadtkommandos für bewaffnete Aufstände.
-
-2. Im Namen der Partei traten sie in Verbindung mit den Vertretern des
-internationalen Kapitals – mit den offiziellen Vertretern der
-kapitalistischen Ententestaaten zur Zeit, als diese sich im
-Kriegszustande mit der R.S.F.S.R. befanden. Sie halfen diesen Staaten
-das Gebiet der Sowjetrepublik besetzen, verschafften ihnen Nachrichten
-und informierten sie über die innere Lage des Landes. Sie nahmen die
-militärische, finanzielle und technische Hilfe dieser Staaten in
-Anspruch.
-
-3. Verbindung mit weißgardischen Heeresleitungen, mit den Generalen
-Krasnow, Alexejew und Denikin, mit den in den Randgebieten der
-R.S.F.S.R. entstandenen bürgerlich-nationalistischen gegenrevolutionären
-Zentren, den sogenannten Regierungen der Ukraine, des Kuban und
-Dongebietes. Sie haben mit allen Mitteln unter dem Namen der „Regierung,
-der Mitglieder der Konstituante“ zur Befestigung der entstehenden
-gegenrevolutionären Zentren beigetragen, besonders in Samara, im Norden,
-in Ufa und Omsk. Sie halfen diesen gegenrevolutionären Zentren in ihrem
-bewaffneten Kampfe gegen die Sowjetregierung durch Hochverrat und
-Spionage.
-
-4. Organisation von Kampfgruppen zwecks Verübung terroristischer Akte
-gegen die Funktionäre der Sowjetmacht Sprengung von Eisenbahngeleisen,
-Ausraubung von Sowjetinstitutionen. Sie leiteten die Tätigkeit dieser
-Gruppen. Und benutzten die auf diese Weise erlangten Mittel für die
-Fortsetzung ihrer gegenrevolutionären Arbeit.
-
-Gegen einzelne Angeklagte wird noch besondere Anklage erhoben:
-
- 1. _Gotz_ (Mitglied des Z.K.P.S.R.): Agitation unter den Truppen
- nach dem Oktoberumsturz, Aufforderung auf Meetings zum bewaffneten
- Widerstand, Vorbereitung und Leitung des Junkeraufstandes am 29.
- Oktober. Teilnahme an den Sitzungen der Militärkommissionen der
- bürgerlichen Verbände. Teilnahme an den Akten des individuellen
- Terrors.
-
- 2. _Donskoi_ (Mitglied des Z.K.P.S.R.): Leiter der Militärkommission
- nach Auflösung der Konstituante; in konspirativer Verbindung mit den
- bürgerlichen Organisationen Filonenko und Iwanow, Teilnahme an
- Konferenzen mit Offizieren des Generals Alexejew, erteilte
- Genehmigung zu terroristischen Akten und war mit Anschlägen auf
- Lenin und Trotzki einverstanden. Er war der eigentliche Inspirator
- aller Unternehmungen Ssemjonows, er ermutigte zu Expropriationen und
- Sprengungen, er stellte die Verbindung zur französischen
- Militärmission her.
-
- 3. _Iwanow_: Aus eigener Initiative schlug Iwanow dem Z.K.
- terroristische Akte vor, rechtfertigte sie und erteilte Ssemjonow
- Aufträge.
-
- 4. _Gerstein_: Leiter der militärischen Propaganda, sanktionierte
- den Empfang der Gelder von bürgerlichen Organisationen, betätigte
- sich in der Ukraine, leitete Verhandlungen mit der französischen
- Mission.
-
- 5. _Timofejew_: unterhielt Verbindungen zur französischen Mission,
- entsandte Offiziere in die Wolgaprovinzen, war über die Tätigkeit
- der Terrorgruppen informiert und gab seine Einwilligung zu ihren
- Plänen.
-
- 6. _Wedenjapin_: war der Beauftragte des Z.K. der S.R. in Samara,
- stand in Verbindung mit den Tschechoslowaken, war über die
- terroristische Tätigkeit informiert, unterstützte Mitglieder der
- Terrorgruppen durch Geld.
-
- 7. _Lichatsch_: war bevollmächtigter Leiter der Militärabteilung des
- Z.K., nahm an gemeinsamen Sitzungen konterrevolutionärer Verbände
- teil, erhielt Gelder aus englischen Quellen, war Mitglied der
- „Nordregierung“ in Wologda und Archangelsk.
-
- 8. _Morosow_, 9. _Artemjew_: Konspirative Tätigkeit in Moskau.
- Vorbereiter des Aufstandes in der Wolgagegend.
-
- 10. _Ratner-Elkind_: Erhielt als Kassiererin des Z.K. der S.R. die
- aus Expropriationen stammenden Gelder von Ssemjonow und war über
- ihre Herkunft unterrichtet.
-
- 11. _Ratner_, Gregor: Mitglied der Militärgruppe. War unterrichtet
- über die terroristische Tätigkeit.
-
- 12. _Rakow_: Erhielt von Ssemjonow geraubte Gelder.
-
- 13. _Fedorowitsch_: Konspirative Tätigkeit, stand in Verbindung mit
- Savinkow.
-
- 14. _Gendelmann_: stand in Verbindung mit Ententekommissionen, war
- im Wolgagebiet aktiv, Teilnehmer der Ufakonferenz.
-
-Gegen andere 20 Mitglieder der Partei der S.R. wurde weiter Anklage
-erhoben; als Mitglieder der P.S.R. hatten sie nach den Direktiven des
-Z.K. der S.R. konterrevolutionäre Aktionen vollführt, die auf den Sturz
-der Sowjetmacht hinzielten.
-
- 1. _Agapow_, Wladimir Wladimirowitsch: Mitglied einer Sprengkolonne,
- Verbindungsmann zwischen Donskoi und der Kolonne.
-
- 2. _Altowski_, Arkadi Iwanowitsch: Wegen Teilnahme an militärischen
- Organisationen und allgemeiner konspirativer Tätigkeit.
-
- 3. _Utgoff-Deruschinski_: Wegen Teilnahme an militärischen
- Organisationen und allgemeiner konspirativer Tätigkeit.
-
- 4. _Liberow_, Alexander Wassiljewitsch: Wegen Teilnahme an
- militärischen Organisationen und allgemeiner konspirativer
- Tätigkeit.
-
- 5. _Slobin_: Wegen Teilnahme an militärischen Organisationen und
- allgemeiner konspirativer Tätigkeit.
-
- 6. _Gorkow-Dobroljubow_: Wegen Teilnahme an militärischen
- Organisationen und allgemeiner konspirativer Tätigkeit.
-
- 7. _Iwanowa-Iwanowa_: Als Mitglied der Zentralen Kampforganisation,
- nahm an den Vorbereitungen eines Attentates auf Lenin teil,
- beobachtete Wolodarski und Trotzki, traf Vorbereitungen, um einen
- Zug in die Luft zu sprengen, in dem Trotzki fuhr.
-
- 8. _Ssemjonow_, Grigori Iwanowitsch: Organisator einer militärischen
- Spezialorganisation, deren Aufgabe in der Vorbereitung und
- Ausführung terroristischer Akte und Expropriationen bestand. Ihre
- Tätigkeit war vom Z.K. sanktioniert. Diese Organisation vollführte
- den Mord an Wolodarski, plante Attentate gegen Sinowjew und Uritzki,
- bereitete Attentate gegen Lenin und Trotzki vor. Sie bereitete
- ferner Expropriationen vor und führte sie aus.
-
- 9. _Daschewski_: Teilnehmer an Expropriationen und Vorbereitungen
- terroristischer Akte.
-
- 10. _Konoplewa_: Mitglied der Organisation Ssemjonow. Trieb
- Propaganda im Landheer und in der Marine. War an den Vorbereitungen
- von Attentaten beteiligt. Erbot sich, auf Lenin zu schießen und
- verständigte sich mit dem Z.K. Beteiligt an Expropriationen.
-
- 11. _Jefimow_: Mitglied der Terrorgruppe; Komplize der Konoplewa.
- Teilnehmer von Expropriationen.
-
- 12. _Usow_: War als Attentäter Lenins designiert; nahm an den
- Vorbereitungen der Attentate gegen Trotzki und Lenin teil;
- beteiligte sich an Expropriationen. Mitglied einer Sprengkolonne.
-
- 13. _Fjedorow-Koslow_: Am Attentat gegen Wolodarski beteiligt.
- Sollte auf Lenin schießen. Helfershelfer bei Expropriationen.
-
- 14. _Subkow_: Mitglied der Kampforganisation und Terrorgruppe,
- beteiligt an Vorbereitungen von Attentaten gegen Lenin und Trotzki.
- Helfershelfer bei Expropriationen.
-
- 15. _Pelewin_: Nahm an Vorbereitungen von Attentaten teil;
- beteiligte sich an Expropriationen; stand mit einem
- Kriminalverbrecher in Verbindung, dem er einen besonderen Apparat
- zur Schmelzung von Tresoren abkaufte, und der sich an der
- Expropriation im Landhaus an der Eisenbahn Moskau-Saratow
- beteiligte.
-
- 16. _Ljwow_: Mitglied der Kampforganisation; bei Expropriationen
- behilflich.
-
- 17. _Moratschewski_: Organisierte Gruppen, beherbergte den Mörder
- Wolodarskis.
-
- 18. _Stawskaja_: (Fanni Jefremowna) Mitglied der Kampforganisation;
- nahm an Vorbereitungen von terroristischen Akten teil, war im
- Wolgagebiet tätig.
-
- 19. _Berg_: Nahm an Vorbereitungen des bewaffneten Aufstandes teil.
-
- 20. _Ignatiew_: Mitglied des Z.K. der Partei der Volkssozialisten.
- War im „Verband zur Rettung des Vaterlandes und der Revolution“.
- Unterhielt Verbindung zu bürgerlichen Organisationen, übermittelte
- Gelder, stand in Beziehung zu fremden Militärmissionen.
-
- * * * * *
-
-34 Männer und Frauen standen vor dem Obersten Revolutionstribunal, 34
-Männer und Frauen verkörperten die leidenschaftlichen Anstrengungen, der
-Novemberrevolution den Garaus zu machen, ihre Wurzeln wieder
-auszureißen, vor keinem Mittel zurückzuschrecken, keine Verbindung zu
-scheuen, rastlos zu arbeiten, das durch Kriegswirren an den Rand des
-Abgrunds gebrachte Land nicht zur Ruhe kommen, vielmehr alle Künste
-spielen zu lassen, die eine jahrzehntelange Erfahrung in konspirativer
-Tätigkeit unter dem Zarismus gezüchtet, verfeinert hatte. Es gab kein
-Verbrechen, dessen sie nicht fähig waren, sie kannten keine Skrupel,
-dachten dabei nie an ihre eigene Person, sie setzten sich restlos ein
-und waren Meister ihres Faches geworden, Terror, Expropriationen,
-Sprengungen waren ihnen zur Kunst geworden, der Tod war ihr steter
-Gefährte, wie unsichtbar war bleiches Totengebein ihr ständiger
-Begleiter – es gab in dieser Partei längst eine Psychologie des
-politischen Mörders, es gab Analysen seiner Seelenstimmung; ehedem –
-nach der fünfer Revolution hatte Savinkow in seinen Büchern diese
-Stimmungen geschildert, er hatte das zwiespältige Wesen dieser Menschen
-geschildert, er hatte ihr Grauen, ihre seelische Nacht gemalt, ihre
-Fragen gestellt, ihre Unruhe, ihre Unrast in Worten festgehalten. Sie
-waren alle Romantiker, Abenteurer, längst losgerissen von jeden
-Beziehungen zur bürgerlichen Welt; die revolutionäre konspirative
-Tätigkeit war ihnen zum Selbstzweck geworden; die Konspiration war ihr
-Beruf, die Negation ihre einzige Antwort, die Ratlosigkeit ihr ständiges
-Grundgefühl. Die Sozialrevolutionäre waren die Erben der alten
-Narodniki: jener Männer und Frauen, die Turgenjew zuerst geschildert
-hat, deren Urtyp Bassarow war, den man heute ganz fälschlich immer zum
-Urbild Lenins macht. In der „Neuen Generation“ findet man eine solche
-echte Sozialrevolutionärin: konspirativ, längst verzichtend auf alle
-Geschenke des Lebens und jedes Wohlleben, immer gehetzt und immer im
-Zuge. Die Männer und Frauen, die Alexander II. hinrichteten, waren
-solche Narodniki – sie waren die Vorkämpfer der Revolution in den
-Jahren, als es in Rußland noch kein Industrieproletariat gab. Und es ist
-typisch, daß alle diese Narodniki Intellektuelle waren, dem Bürgertum
-entsprangen und in Fehde mit ihrer Klasse lebten. „Ins Volk gehen“ hieß
-jener Terminus, den man auch bei Turgenjew so oft findet. Ins dumpfe,
-unterdrückte Volk, das noch wie im Halbschlummer lag und wohl wußte, daß
-es ihm nicht gut ging, aber nicht wußte, wie es sich befreien sollte.
-
- [Illustration: Gesamtansicht des Saales im Vereinshaus]
-
-Die Lehre vom „individuellen Terror“ war ein Fundament des Programms der
-S.R. geworden; sie konnte nur mit einer solchen unwiderstehlichen Macht
-in einer Partei um sich greifen, die früher nie mehr als eine Sekte sein
-wollte und sein konnte. Erst aus dem Zusammenschluß zahlreicher „Sekten“
-hat sich 1900 jenes Gebilde der S.R.P. ergeben, die gar keine straffe
-Einheit darstellte, und deren eigentlichstes Rückgrat immer nur
-„Kampforganisationen“ gewesen sind, die mit unerhörter Kühnheit und
-seltenem Raffinement, mit grenzenloser Todesverachtung und fanatischem
-Enthusiasmus beinahe ein volles Jahrzehnt Attentat auf Attentat gegen
-die Vertreter des Zarismus verübten. Und fast alle diese Richter und
-Rächer des Volkes sind in den Tod gegangen. Sie ließen sich festnehmen,
-sie wurden zuweilen gefoltert, sie erlitten die grausamen Methoden einer
-ruchlosen Justiz, sie erlitten Schmähungen, manche erfuhren noch – mit
-dem Strick um den Hals – daß man nicht einmal unter diesem verrotteten
-Regime zu hängen verstand. Kibaltschisch wurde viermal gehängt, Kalajew
-zweimal ...
-
-Ein seltsamer mystischer Zauber hat alle diese Menschen umfangen. Von
-Kalajew, dem Attentäter des Großfürsten Sergius, werden die Worte
-überliefert: „Ich will für meine Sache sterben“ – Worte, die schon ein
-Sektierer, ein Märtyrer im Rausch gesprochen haben könnte. Andere
-schritten unter dem Gesang ihrer Revolutionshymne zum Galgen, bevor sie
-in die ewige Nacht hinüberschwebten. Sie haben ihr eigenstes Ich bis in
-jene Sphären zu steigern vermocht, in denen längst die Stimme der
-Erkenntnis schwieg.
-
-Sie hatten es immer mit dem „Ich“ zu tun. Sie sahen immer nur die
-Persönlichkeit, sie sind in Wahrheit Persönlichkeitsfanatiker gewesen,
-die letzten fernen Nachgeborenen der Renaissance.
-
-Personen waren ihre Feinde. Personen sahen sie auf Rußlands Thron, in
-Rußlands Ämtern, auf Personen warfen sie die Bomben, Personen lauerten
-sie wochen-, oft monatelang auf – ach Wilhelm Tell – dieser Urtyp eines
-Sozialrevolutionärs, hatte es leicht hinter seinem Holunderstrauch.
-
-Man kann hier schon fast von einer Systematik des politischen Mordes
-sprechen. Savinkow hat eine ganze Schule ausgebildet. Junge Menschen
-liefen zu Tschernow wie zu einem Heiligen, um sich von ihm theoretisch
-über die Berechtigung des individuellen Terrors unterweisen zu lassen.
-
-Und so fruchtlos im Grunde alle diese Attentate gewesen sind, auf die
-große Masse hat diese Sekte von Frauen und Männern, die mit dem Tode
-vertrauter schienen als gewöhnlich, eine faszinierende Wirkung ausgeübt.
-Ein dunkel strahlender Schimmer von Romantik umgab diese Helden; er war
-stärker als das Dämmerlicht der engen Gelehrtenstube Lenins.
-
-Aber die Geschichte hat es weniger mit Personen als mit Verhältnissen zu
-tun. Und auch der Tod ist nur eine individuelle Angelegenheit. Der
-vornehmste Unterschied zwischen den S.R. und den Bolschewiki ruht gerade
-in dieser verschiedenen Auffassung von Personen und Verhältnissen.
-
-Als der Zar und die ganze alte Autokratie im Frühjahr 1917 gestürzt
-wurde, war es natürlich, daß die Bauern und auch zahlreiche Arbeiter in
-ungeheuren Scharen zur S.R. übergingen. Die S.R. wurden zur eigenen
-Überraschung eine Massenpartei, ihnen vertraute die unterdrückte
-Bauernschaft, für die nicht nur erst der Krieg grausame Folgen gehabt
-hatte – sie wollten ihr Land haben, sie wollten der Lasten ledig sein,
-mit denen sie der Grundbesitz beschwert hatte, sie wollten vor allem das
-Ende des aussichtslosen Krieges, der ihnen ihre Söhne raubte. Die
-„Provisorische Regierung“ Kerenskis setzte sich aus Vertretern der
-Großindustrie, des Großgrundbesitzes und der Kleinbürger zusammen. Sie
-war fest entschlossen, den Krieg an der Seite der Entente
-weiterzuführen, sie unterstrich jetzt den Charakter des
-Befreiungskrieges gegen den deutschen Imperialismus, aber sie gab
-bereits viele Forderungen des Zarismus preis: die Kuppel der Hagia
-Sophia entschwand in unsichtbare Fernen. Die Entente aber hat einen
-eisernen Druck auf die „Provisorische Regierung“ ausgeübt, weil sie die
-russische Hilfe gegen die Mittelmächte nicht zu entbehren glaubte, weil
-ihr das Geld leid tat, das sie für die Ausrüstung des russischen Heeres
-hergegeben hatte. Man brauchte Rußland. Und trieb es bis an den
-äußersten Abgrund. Die fremden Botschafter und Militärmissionen ließen
-alle ihre Künste spielen, die II. Internationale entsandte ihre
-Vertreter, um Kerenski an der Stange zu halten. Dabei mußte der
-russische Generalstabschef Gurko erklären, im Laufe des Jahres 1917
-bedürfe das russische Heer unbedingt der Ruhe. Den fremden Botschaftern
-blieb die Lage weder in den Städten noch auf dem Lande verborgen. Die
-Bewegung gegen den Krieg wurde immer stärker. Die Julioffensive an der
-deutschen Front brach nach Teilerfolgen zusammen, noch wurde ein
-Aufstandsversuch der Bolschewiki mühsam abgewehrt, inzwischen wechselten
-die Minister; die Front geriet in Zersetzung, die Deutschen machten
-erfolgreiche Vorstöße, die Offensive der Alliierten im Westen kam trotz
-ungeheurer Opfer nicht vom Fleck. In den Städten wuchs die Not. Die
-Bauern sahen bald, daß der Sturz des Zarismus an ihrer Lage nichts
-geändert hatte; die S.R. Minister gaben eitle Versprechungen und waren
-völlig ohnmächtig, setzten nichts in ihren Ressorts durch; überall
-herrschte Sabotage und offene Brüskierung. Tschernow ging. Und Kerenski
-redete.
-
-Eine Weile schien sogar eine Militärdiktatur zu drohen, der General
-Kornilow marschierte gegen Petrograd, um „Ordnung“ zu schaffen –
-Kerenski schien mit ihm zu verhandeln, ja sogar mit ihm im Einvernehmen
-zu stehen – die Arbeiter von Petrograd haben Kornilow davongejagt. Und
-dann brach plötzlich das ganze Gebäude kläglich zusammen, als die Partei
-der Bolschewiki geschlossen und entschlossen vorstieß, den alten
-Staatsapparat völlig zertrümmerte, den Bauern das Land gab, der Armee
-den Frieden, den Arbeitern die ökonomische Freiheit und die Herrschaft.
-
-Die Bolschewiki schufen die Einheit Rußlands. Arbeiter, Soldaten, Bauern
-– die werktätigen Schichten wurden zusammengeschlossen. Die Bolschewiki
-vermochten ihren sämtlichen Forderungen zu genügen.
-
-Gegen sie standen die Fremden – die Fremden aller Art: die Klasse der
-Großindustriellen und Großgrundbesitzer, die ohne Privilegien nicht mehr
-zu leben vermochten, die fremden Botschafter und Militärmissionen, die
-Parteiführer, die seit dem März 1917 Rußland regiert und Rußland nicht
-verstanden hatten; nun war ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen,
-sie verloren nicht nur alle materiellen Grundlagen, sie verloren vor
-allem auch die Bindung mit der Gesamtheit der Nation, sie waren nicht
-mehr Rußland. Sie waren Außenseiter einer Gesellschaft geworden, die
-nach neuen ökonomischen Gesetzen ihr Dasein zu formen bestrebt war.
-
-Mitten in das Chaos des Krieges verkündeten die Bolschewiki _ihre_
-Kriegslosung gegen das Kapital. Sie verließen die Schützengräben der
-Nation und warfen die Schützengräben zwischen den Klassen auf. Die S.R.
-aber zögerten nicht einen Augenblick und harrten in den Schützengräben
-der Nation aus, obschon einer der ihren – Tschernow – Teilnehmer der
-Zimmerwalder Konferenz gewesen war.
-
- * * * * *
-
-In den Verhandlungen gaben die Angeklagten zu, den Kampf mit allen
-Mitteln gegen die Bolschewiki geführt zu haben, und unumwunden rief
-Timofejew aus: „Wir werden nie aufhören, euch zu bekämpfen, wir stehen
-zu unseren Taten.“
-
-So erweiterte sich das Tribunal über den Gerichtshof hinaus, so
-vollendete sich in diesem Saale das Schicksal der russischen Revolution.
-Der Prozeß war der dramatisch bewegte Schlußakt des Bürgerkrieges in
-Rußland. Über zwei Monate zogen sich die Redeschlachten hin, die
-Angeklagten genossen vollste Redefreiheit, manche ergingen sich in
-stundenlangen Ausführungen, nie wurde einem Redner das Wort entzogen,
-zuweilen kam es zu Beifallsäußerungen im Saale, die der Vorsitzende
-ruhig aber bestimmt rügte. Die gewandtesten Sprecher Rußlands lieferten
-sich Gefechte. Nie wurden Ankläger oder Vorsitzende im Ton kleinlich und
-gehässig; nirgends hat man in einem bürgerlichen Staate erlebt, daß
-Angeklagte so menschlich, so unpersönlich behandelt wurden. Die S.R.
-haben diesen Prozeß selbst verlangt, sie fürchteten sich nicht vor dem
-Ende an der Mauer; als die ausländischen Verteidiger ihnen im Gefängnis
-eröffneten, daß man Garantien besitze, die Todesstrafe würde nicht
-verhängt werden, lächelten sie – darauf komme es nicht an, viel mehr
-liege ihnen daran, sprechen zu dürfen. Da ihre Partei zerschlagen, ihre
-Presse verboten war, bot sich jetzt die einzige Möglichkeit, noch einmal
-für die alten demokratischen Ideen, für das Ideal der Volksgemeinschaft
-zu werben – in aller Öffentlichkeit.
-
-Die Bolschewiki haben diesen Prozeß in aller Öffentlichkeit geführt vor
-dem Angesicht Europas, um die S.R. in ihrer Stellung zur arbeitenden
-Klasse zu entlarven. Sie luden den greisen Anatole France nach Moskau
-ein, sie brauchten seine Skepsis nicht zu scheuen. Anatole France ist
-nicht gekommen.
-
-Damals begannen die Wellen der Revolution zu verebben, der Faszismus
-blühte in Deutschland, die Möglichkeit der Weltrevolution rückte in die
-Ferne, die Wirtschaftspolitik Rußlands mußte jene neue Richtung
-erfahren, die unter dem Namen NEP bekannt geworden ist. Der Staat war
-bemüht, unter allen Umständen den Wirtschaftsapparat fest in der Hand zu
-behalten, der Privatwirtschaft und dem Auslandskapital nur die
-notwendigsten Zugeständnisse zu machen. So kam es darauf an, diesen
-Unterschied zwischen dem Staatssozialismus der Bolschewiki und dem
-Wirtschaftsanarchismus der S.R. zu unterstreichen. Und jede Anklage
-gegen die S.R. bedeutete zugleich eine Verteidigung des eigenen Systems.
-Hatten die S.R. mit ihren Methoden die Arbeiter und Bauern zugunsten der
-Besitzenden preisgegeben, so versuchten die Bolschewiki alle
-Konzessionen nur im Interesse der Arbeiter und Bauern zu machen.
-Zentralisation hier, und Dezentralisation dort. Den Arbeitern der Welt
-sollte gezeigt werden, wie sich die S.R. so völlig im Gegensatz zu den
-Bolschewiki den imperialistischen Mächten angeboten hatten. Die
-unüberbrückbaren Gegensätze zwischen Bourgeoisie und Proletariat sollten
-aufgezeigt werden, und überall bemühte man sich, den Charakter der S.R.
-zu enthüllen, die einen Volksstaat, aber keinen proletarischen Staat zu
-errichten gedachten. Der Prozeß war eine in der Weltgeschichte unerhörte
-Demonstration aggressiven Charakters gegen die Parteien der Erde, die
-versuchten, Gegensätze zu überbrücken, statt zu verschärfen. Der Beweis
-sollte erbracht werden, daß die S.R. Außenseiter der neuen
-Gesellschaftsordnung waren. Und so läßt sich bei der Eröffnung
-internationaler Perspektiven das Erscheinen deutscher und belgischer
-Advokaten vor dem Tribunal erklären: Vandervelde, Liebknecht, Wauters,
-Rosenfeld. Man empfing sie höhnisch beim Betreten des sowjetrussischen
-Gebietes, Moskauer Arbeiter pfiffen sie bei ihrer Ankunft aus, und im
-großen Demonstrationszug sah man die Karikaturen dieser Männer, die als
-Politiker aus einer verlorenen Sache eine Sache der Märtyrer zu machen
-gedachten und davonliefen, als man ihnen nicht zugestehen wollte, daß
-ihre Stenogramme offiziellen Charakter trügen. Vandervelde offenbarte
-sein völliges Mißverständnis für die proletarische Struktur des
-russischen Staates, als er die belgische Justiz rühmte – höhnisch rief
-man ihm, dem „Proletarierführer“, zu: Minister Seiner Majestät. War er
-nicht noch im Kriege sogar als Beauftragter dieses Königs erschienen, um
-dem Zaren seine Reverenz zu machen und auf russische Arbeiterführer im
-Sinne des „Durchhaltens“ einzuwirken? Der Name „Liebknecht“ hatte unter
-den russischen Arbeitern besonderen Klang, in jeder Stadt geht man heute
-durch eine „Karl-Liebknecht-Straße“ – nun erschien der Bruder des
-ermordeten Karl, um Männer zu verteidigen, die angeklagt waren, auf
-Lenin, Trotzki, Sinowjew Attentate geplant, Wolodarski ermordet zu
-haben! Die Masse des russischen Proletariats war in ihrem tiefsten
-Innern aufgewühlt – sie fühlte sich selbst zum Richter über Männer
-berufen, die ihre eigensten Interessen gefährdet hatten. So waren
-Angeklagten- und Verteidigerbänke nicht mehr zu trennen, Verteidiger
-wurden zu Angeklagten. Sie konnten nicht anders entrinnen als durch
-Einsprüche gegen formale Verletzungen, endlich durch die Flucht.
-
- * * * * *
-
-Die erste Gruppe der Angeklagten hat in diesen Monaten kein eigentliches
-Geständnis gemacht; ihre Taktik lief stets darauf hinaus, durch den
-Angriff die Anklagen zu parieren, dabei verwickelten sie sich ständig in
-Widersprüche; ihre Lage war um so gefährdeter, da die Werkzeuge der
-Methoden ihrer Politik sich gegen sie wandten. Sie gaben zu, den
-Junkeraufstand organisiert und Truppen in Marsch von Gatschina gegen
-Petrograd gesetzt zu haben, sie konnten nicht leugnen, mit den
-Militärmissionen in Verbindung gestanden zu haben, sie vermochten
-natürlich nicht ihre Teilnahme an der Konstituante von Samara zu
-bestreiten. Ihre ganze Haltung gegen die Sowjets versuchten sie ja
-gerade durch ihr Festhalten an der Konstituante, an den
-parlamentarischen Regierungsformen zu erklären; damit wurde das ganze
-Problem „Demokratie“ und „Diktatur“ aufgeworfen; alle ihre Schritte
-begründeten sie mit diesem Kampf für die Konstituante, jenes Parlament,
-das nur einen einzigen Tag zusammentreten durfte, in dem die S.R. die
-Mehrheit hatten, deren Präsident Tschernow gewesen war. Die Wahlen zur
-Konstituante waren monatelang verzögert worden; die „Provisorische
-Regierung“ ist eigentlich nur eine Art Direktorium gewesen; niemand
-wünschte den Zusammentritt des Parlamentes, das die Schwierigkeiten nur
-noch erhöhen konnte. Erst als die Sowjets die Macht an sich gerissen
-hatten, versuchten die S.R. _ihre_ Konstituante auszuspielen, zu ihrem
-Schutz bewaffnete Demonstrationen zu veranstalten. Aber Zeugen,
-Mitglieder der S.R., bekundeten, daß sich niemand fand, der für die
-Konstituante sein Leben eingesetzt hatte, die militärischen
-Organisationen versagten völlig – und in der späten Abendstunde des 5.
-Januar 1918 genügte die Aufforderung eines einzigen Mannes, eines
-Matrosen: die Konstituante wurde aufgelöst – „Alle Macht den Räten“ –
-den unmittelbar aus den Betrieben hervorgegangenen Deputierten.
-
-Der II. Rätekongreß hatte bereits drei Tage nach der Machtergreifung
-durch die bolschewistische Partei die neue Regierung bestätigt; man war
-sich des rein proletarischen Charakters dieser Regierung bewußt, vor
-allem aber ihrer radikalen Einstellung gegen die Bourgeoisie in allen
-ihren Schattierungen. Die S.R.P. befand sich in völliger Auflösung und
-Verwirrung; ihre Führer versuchten sich sofort einiger Regimenter zu
-versichern; aber Gotz wurde ausgelacht, Tschernow hatte den Kopf
-verloren, Kerenski zog sich um und verschwand bei Nacht und Nebel. In
-dieser verzweifelten Lage knüpfte Gotz sofort Verbindungen mit
-bürgerlichen Organisationen an, aber vergebens brachte man bewaffnete
-Organisationen zusammen, – es existierten nur noch Stäbe ohne Soldaten.
-In Petrograd schlugen sich die Junker tapfer zwei Tage lang – Gotz
-leugnet nicht, als Mitglied eines Militärstabes gemeinsam mit
-bürgerlichen Elementen diese Revolte der jungen Bourgeoisie organisiert
-zu haben. Er muß zugeben, daß auf der Seite der Junker keine Arbeiter
-gekämpft haben; für das Tribunal war diese Gemeinschaft der Führer der
-S.R. mit Vertretern der Bourgeoisie von entscheidender Bedeutung. Und
-mit derselben Genugtuung wurde festgestellt, daß sich an den Umzügen für
-die Konstituante in der Mehrheit Damen und Herren, aber fast keine
-Arbeiter beteiligt hatten.
-
-Damals saßen noch in Rußland die Botschafter und Militärmissionen der
-Entente, denen über Nacht die Aufgabe erwuchs, die Interessen jener
-Kapitalisten wahrzunehmen, die große Kapitalien in der russischen
-Industrie angelegt hatten. Der Sturz der Kerenskiregierung hatte die
-Entente eines Bundesgenossen beraubt, der zwar nicht mehr imstande
-schien, der deutschen Front einen entscheidenden Schlag zu versetzen,
-aber mindestens zahlreiche Kräfte zu fesseln vermochte, die eine
-Offensive der Deutschen im Westen unmöglich machten. Die Botschafter
-hatten bereits längst den Zusammenbruch Rußlands vorausgesehen; die
-Entente war ferner unzweifelhaft nicht imstande, Rußland mit
-Kriegsmaterial so ausreichend zu versorgen, um weiter als ernstlicher
-Gegner Deutschlands in Betracht zu kommen. Es mußte der Entente nach dem
-Zusammenbruch der russischen Front vor allem daran gelegen sein, vor der
-sozialen Revolution zu retten, was nur irgend möglich war. Paléologue
-hat bereits seit dem Kriegsausbruch argwöhnisch die Arbeiterbewegung
-beobachtet und verzweifelt die Mißerfolge der Kerenskiregierung
-verfolgt. Ungeheure Kapitalien waren in der russischen Industrie
-fundiert. Die Nationalisierung der Betriebe war vor allem ein Schlag
-gegen das ausländische Kapital. Notwendig mußte sich bei solcher Lage
-ein enges Bündnis zwischen allen besitzenden Schichten und den
-Ententevertretern ergeben. Und die Demokratie, die das Eigentum
-unbedingt anerkannte und die Freiheit des Individuums postulierte, mußte
-die Staatsform sein, zu der sich diese Koalition bekannte. In den S.R.
-sah man dank ihres moralischen Einflusses auf breite Massen die
-geeigneten Männer, einer solchen Politik Dienste zu leisten.
-
- * * * * *
-
-Am achten Verhandlungstage erschien vor dem Obersten Tribunal ein
-merkwürdiger, schwarzgekleideter Mann mit hagerem, hartem
-Gesichtsausdruck, dunklen, unbeweglichen, unerbittlichen Augen; seine
-Sprache verriet französischen Akzent, seine Aussagen erfolgten mit
-großer Bestimmtheit und Energie. Der Mann erinnerte eher an einen
-strengen Asketen einer mittelalterlichen Sekte, er hatte etwas
-Mönchisches in seiner kalten Unnahbarkeit und Geschlossenheit.
-
-Es war der ehemalige Offizier der französischen Republik – Pierre
-Pascal, der vor dem Tribunal die Beziehungen zwischen den
-Ententevertretern und der sozialrevolutionären Partei schilderte.
-
-Pascal war an der Westfront verwundet worden, da er nicht mehr
-felddiensttauglich war, wurde er der französischen Militärmission in
-Rußland überwiesen. Beim Ausbruch der Oktoberrevolution sympathisierte
-Pascal mit den Bolschewiki; als die Militärmission Rußland verlassen
-mußte, blieb Pascal zurück und arbeitete für die russische
-kommunistische Partei. Er war ein Kamerad jenes Hauptmanns Sadoul, der
-im Frühjahr 1925 vom Kriegsgericht zu Orleans wegen Hochverrat
-freigesprochen wurde.
-
-In seinen Aussagen erklärte Pascal:
-
-„Als Angestellter der französischen Mission hatte ich verschiedene
-Arbeiten zu verrichten. Eine Zeit lang wurde ich mit der Dechiffrierung
-und mit der Redaktion der für die Kommandanten der Mission, die Generäle
-Lavergne und Niessel bestimmten Berichte betraut. _Die französische
-militärische Mission unterhielt ständig enge Verbindung mit den S.R._
-Das Ziel der Tätigkeit der französischen Mission in der Periode vom
-Oktoberumsturz bis zum Brest-Litowsker Frieden war, Rußland zu _zerlegen
-und zu schwächen_.
-
-Zum Zwecke der politischen Schwächung teilten die Verbündeten Rußland in
-Einflußsphären. Frankreich wurde der Süden zugeteilt, die Krim und ein
-Teil des Kaukasus inbegriffen. Der andere Teil des Kaukasus kam in die
-englische Einflußsphäre. Repräsentant des Einflusses in der südlichen,
-Frankreich zugeteilten Sphäre war General Berthelot, der sich damals in
-Rumänien befand. Zum Zwecke der wirtschaftlichen Schwächung Rußlands hat
-Frankreich damals die Streiks unterstützt, besonders den Streik der
-Staatsangestellten und Beamten. Außerordentliche Aufmerksamkeit hat es
-dem Streik im Kommissariat für die Volksernährung gewidmet. „_Dieser
-Streik_,“ erklärte der Chef der Mission, „_wird eine große Bedeutung_
-haben.“ Die Streikenden vernichteten alle Vorräte. Moskau blieb ohne
-Zufuhr von Nahrungsmitteln. Das Geld für die Streikenden gaben die
-Banken, besonders die _Russisch-Asiatische Bank_, die ganz unter dem
-Einfluß der französischen Mission stand.
-
-Die politische Arbeit der französischen Mission leitete der französische
-Gesandte Noulens. Er hielt sich damals in Wologda auf, wo er den _Stab
-der Konterrevolution_ schuf. Dort wurde ein genauer Plan einer
-bewaffneten Eroberung von Sowjetrußland ausgearbeitet. Es wurde
-beschlossen, die Basis für den späteren Aufmarsch der Konterrevolution
-an verschiedenen Punkten der Peripherie Sowjetrußlands zu schaffen.
-Tschechoslowakische, elsässische, serbische, polnische Legionen wurden
-organisiert. Im Interesse der konterrevolutionären Arbeit wurden in die
-größeren Städte Rußlands legale französische Konsuln geschickt. Die
-Aufstände der Tschechoslowaken und in Jaroslaw wurden unter der aktiven
-und unmittelbaren Teilnahme der französischen militärischen Mission und
-des gewesenen französischen Gesandten Noulens entfacht.
-
-Nach dem Aufstand der Tschechoslowaken entfaltete die französische
-Mission eine noch lebhaftere Tätigkeit. Es wurde ein Plan ausgearbeitet,
-Moskau in einem engen Kreise zu umzingeln. Man beschloß, Jaroslaw,
-Nishnij-Nowgorod, Tambow und andere im Kreise um Moskau liegende Städte
-zu besetzen. Ziel dieser Umzingelung war, Moskau und Zentralrußland zu
-isolieren, die Zufuhr der Nahrungsmittel zu verhindern und in der
-Hauptstadt Hungersnot hervorzurufen. Aus diesem Grunde wurden die
-Aufstände in Jaroslaw, Tambow und anderen Städten angezettelt.
-
-Als die Aktion der Tschechoslowaken und der Aufstand in den Provinzen
-nicht zum Erfolg führten, ging die französische Mission zu einer anderen
-Art von Tätigkeit über. Ich _selbst habe ein chiffriertes Telegramm
-gelesen, in dem über Terror gesprochen wurde. Ich kann bestimmt sagen,
-die französische Mission hat sich mit Aufforderungen zum Terror befaßt.
-Sie hat darauf spekuliert, der Terror werde blutige Repressalien_ der
-Sowjetregierung hervorrufen. Die _Repressalien_ würden die Empörung
-_wecken und so die Zahl_ der Gegner der Sowjetregierung vermehren. Als
-ich am _zweiten_ Tag nach dem _Attentat auf Lenin_ in die Mission kam,
-hat mich der Chef der Mission, Lavergne, mit der Frage empfangen: „Haben
-Sie gelesen, was sie über uns schreiben? Als ob wir an dem Attentat an
-Lenin beteiligt wären ...“ Als ich schwieg, sagte General Lavergne: „Ich
-weiß nicht, wie weit Lockart (der ehemalige englische Gesandte in
-Moskau) beteiligt ist; _ich_ bin nicht beteiligt.“ Dies sagte er so, daß
-ich den Eindruck hatte, _General Lavergne müsse_ an dem _Attentat_
-beteiligt sein.“
-
-Auf die Frage des Verteidigers Murawjew, welche politischen Ziele die
-französische Mission verfolgt habe, ob sie die Sowjets stürzen wollte
-oder für den Kampf mit Deutschland zu gewinnen suchte, antwortete
-Pascal: „Meiner Ansicht nach war das letzte, eigentliche Ziel der
-französischen Regierung, die Regierung der Sowjets zu stürzen.“
-
-„Was waren die Pläne der französischen Mission?“ fragte Krylenko den
-Zeugen.
-
-„Die Sowjetmacht zu stürzen. Zuerst scheinbar eine Koalitionsregierung
-zu bilden, dann aber sich von den sozialistischen Elementen zu befreien,
-und eine Kadettenregierung zu bilden.“
-
-„Wie war das Verhältnis der französischen Mission zu den russischen
-Arbeitermassen?“ ... „Das verächtlichste!“ erwiderte Pascal.
-
-„Glauben Sie, daß die französische Mission eine Partei unterstützt
-hätte, die den Sturz der Sowjetmacht nicht anstrebte?“
-
-„Noulens hätte es nicht getan,“ erwiderte Pascal kurz und mit Nachdruck.
-
-„Wie war das persönliche Verhältnis Noulens’ zu den Russen?“ „Ich wies
-darauf schon hin, daß alle, angefangen vom Chef der Mission, bis zum
-letzten französischen Offizier, von den Russen mit der größten
-Verachtung sprachen ...“ – Eines Tages kehrte Pascal im Zuge mit Noulens
-nach Moskau zurück. Der Zufall wollte es, daß er mit einem russischen
-Soldaten in einem Wagen übernachten mußte. Als Noulens davon Kenntnis
-erhielt, sprach er seine Mißbilligung darüber aus, daß Pascal mit einem
-Bolschewiken zusammen war. Pascal bemerkte, es wäre kein „Bolschewik“,
-sondern ein gewöhnlicher russischer Soldat. Darauf erwiderte Noulens:
-„Ganz egal, ich will nicht, daß ein Russe in meinem Zuge übernachtet.“
-
-Der Verteidiger Schubin interessiert sich für die Frage: Wie hätte sich
-die französische Regierung zu einem Kriege der Sowjetmacht gegen
-Deutschland verhalten.
-
-Pascal erwidert:
-
-„Der Haß der französischen Regierung gegen die Bolschewiki war so groß,
-daß sie kaum die ruhige Existenz dieser Macht zugelassen haben würde.“
-
-„Wurde die östliche Front letzten Endes doch geschaffen?“ fragten den
-Zeugen die Verteidiger der zweiten Gruppe der Angeklagten.
-
-„Ja, es wurde eine antisowjetistische, aber nicht eine antideutsche
-Front gebildet,“ erwidert Pascal.
-
-Krylenko kommt auf die Frage der Subventionen der verschiedenen
-antisowjetistischen Organisationen durch die französische Mission zu
-sprechen.
-
-Pascal erklärte, daß alle diese Organisationen der Sowjetmacht feindlich
-gesinnt waren und aus französischen Staatsmitteln unterstützt wurden.
-Der Sekretär Petit habe Pascal selbst mitgeteilt, welche Gruppen von den
-Franzosen Gelder empfingen.
-
-Der Verteidiger Tager ersucht Pascal, auszusagen, welche terroristischen
-Akte die S.R. mit moralischer Billigung der Entente zur Ausführung
-gebracht hätten. Pascal weist auf die Verwundung Lenins, den Mord
-Wolodarskis hin.
-
-Die Aussagen Pascals machten einen sehr starken Eindruck, der noch durch
-Aussagen anderer Franzosen verstärkt wurde.
-
-_Frossard_, der Sekretär der Kommunistischen Partei Frankreichs wurde
-drei Stunden lang über die Beziehungen der französischen Regierung zu
-sowjetfeindlichen Organisationen vernommen. Seine Aussage ergab: Die
-Politik der französischen Regierung baute sich von 1917 bis 1922 auf
-ununterbrochenen Interventionen auf. Die französische Regierung dachte
-nicht daran, die Macht in Rußland einer _sozialistischen Regierung zu
-übergeben, denn sie betrachtete als feste Regierungsform für Rußland die
-konstitutionelle Monarchie und unterstützte alle auf einen Sturz der
-Bolschewisten zielenden Versuche, gleichviel, von wem sie ausgingen_.
-Die Ententebotschafter hätten alle Mittel aufgeboten, den
-konterrevolutionären Versuchen im Innern des Landes Vorschub geleistet
-und Anschläge gegen einzelne Vertreter der Sowjetmacht angestiftet.
-Diese Aktionen haben der französischen Republik monatlich 50 Millionen
-Francs gekostet; die Gesamtkosten aller Interventionen kamen dem
-französischen Volke auf etwa 1 Milliarde Francs zu stehen.
-
-Der Angeklagte _Timofejew_ bemüht sich, den Beweis zu führen, die S.R.
-wären Gegner jeder Intervention gewesen. Aber kann er bestreiten, daß
-die Tschechoslowaken von französischen und englischen Offizieren geführt
-wurden und als Elitetruppe der Regierung von Samara galten? daß die S.R.
-im Wolgagebiet gemeinsam mit diesen Truppen gekämpft haben? Kann er
-bestreiten, daß er selbst Verhandlungen mit der Entente geführt hat?
-Krylenko legt ihm Dokumente vor, aus denen das engste Einvernehmen der
-S.R. mit den Ententetruppen im Murmangebiet erhellt, die Entente hat
-dort sogar ohne jeden russischen Einfluß völlig selbständig operiert; es
-gab ein alliiertes Oberkommando, von dem die S.R. Vertreter Befehle
-empfingen! Timofjejew versucht noch einmal einzuwenden, es habe sich nur
-um die Wiederaufrichtung der Front gegen das imperialistische
-Deutschland gehandelt – noch einmal greift Pascal ein und wiederholt
-seine Aussagen über die Einstellung der Entente zur Sowjetregierung – es
-kam in erster Linie darauf an, die Diktatur des Proletariats zu stürzen
-und der kapitalistischen Ordnung zur Macht zu verhelfen. Das war der
-ganze Sinn des Kampfes gegen die Sowjets.
-
-Einige Tage später eröffnete _René Marchand_ dieselben Perspektiven; er
-kann konkrete Angaben über die direkten Beziehungen der Ententemissionen
-zu den S.R. machen. _In seiner Gegenwart erhielt das Mitglied der
-Mission, Ehrlich, 50000 Rubel für die S.R. von der Mission. Über andere
-Anweisungen der Mission habe er noch vom Kassierer der Mission erfahren.
-Nach Abfahrt der französischen Mission wurden die Gelder für
-Unterstützung der S.R. dem dänischen Konsulat übergeben, mit dem der
-S.R. Elias Minor in Verbindung gestanden habe._
-
-Der ehemalige Kriegsminister _Werchowski_ bestätigt die Gelderhergabe
-der Entente an weißgardistische Organisationen, der Name eines Generals
-_Suwarow_ taucht auf, der von der französischen Mission Gelder empfing
-und an Organisationen weiterleitete. Dieser Suwarow war Mitglied eines
-Militärstabes, dem Vertreter verschiedener bürgerlicher Parteien
-angehörten; aber auch der S.R. _Gotz_ war Mitglied des Stabes; er
-bestreitet es nicht.
-
-Die Aussagen dieser Zeugen haben im Frühjahr 1925 in Orleans eine
-Bestätigung durch den _Major Laurent_ erfahren, dessen Name bereits im
-Moskauer Prozeß aufgetaucht war: René Marchand hatte ausgesagt, daß
-dieser Laurent mit den S.R. verhandelt hätte, um militärische
-Organisationen vorzubereiten, man hatte besonders lange darüber beraten,
-wie man S.R. in die Rote Armee als Kommandeure einschmuggelte.
-
-Laurent ist in Orleans persönlich erschienen und erklärte unter seinem
-Eid vor dem bürgerlichen Gericht, daß man terroristische Akte gegen die
-Führer der Sowjets nicht nur moralisch gebilligt, sondern selbst solche
-Attentate gegen Trotzki und andere Führer der Sowjetrepublik geplant
-hätte ...
-
-Man hat immer versucht, die Beziehungen der S.R. zur Entente zu
-verschleiern, Semjonow, der vor Gericht keineswegs im Mittelpunkt stand,
-wurde als einziger Zeuge dargestellt; da er den S.R. den Rücken gewandt
-und ihre Machenschaften preisgegeben hatte, war es ein leichtes, ihn als
-Provokateur hinzustellen. Aber dabei verschwieg man, daß dieser Semjonow
-immer eine große Rolle in den Kampforganisationen gespielt hatte und auf
-dem Parteitag der S.R. zum führenden Mitglied des Stabes der
-Kampforganisation der S.R. ernannt worden war; er hatte nie eine geringe
-Rolle gespielt; ihm war die gesamte terroristische Tätigkeit in den
-Reihen der Sowjettruppen anvertraut, als die Samararegierung auf allen
-Fronten gegen Moskau vorrückte. Semjonow hatte sein Leben in die Schanze
-geschlagen. Vor Gericht erblickte man einen mittelgroßen, etwas
-schmächtigen Mann von einigen 30 Jahren, er erinnerte eher an einen
-Menschen, der aus einem Bureau kam, als an einen Terroristen; hellblond,
-bleich, immer etwas übernächtigt, offenbar schwer in innere Kämpfe
-verstrickt, äußerst nervös, nur während seiner Aussagen stets
-gleichmütig, ganz ohne jede Pose – war er in diesen Verhandlungen am
-meisten exponiert – er – als Renegat – war leicht anzugreifen, dabei
-trafen seine eigenen Angriffe immer die wundesten Stellen. Wenn
-Schwierigkeiten entstanden, so infolge der Zwiespältigkeit und Halbheit
-der S.R. überhaupt; ihr Schwanken und Schillern, ihre Halbheit und
-Unschlüssigkeit erschwerte die einfache, klare Feststellung der
-Vorgänge. Die S.R. Partei war nie ein festes Gefüge – sie war es erst
-recht nicht im Bürgerkriege, in der Zeit der Illegalität. Es konnte sehr
-leicht möglich sein, daß die Mitglieder der Zentralkomitees durchaus
-nicht derselben Meinung waren, und daß jener billigte, was dieser
-verwarf. Es gab eine Instanz, die für alles Geschehen verantwortlich
-war: eben das Zentralkomitee – aber es gab im Grunde keine Personen, die
-verantwortlich sein wollten – es gab Meinungen von Personen. Und jemand
-konnte schon individuell seinem Standpunkt Ausdruck gegeben haben – war
-es für die Partei als Ganzes unbequem, so leugnete man später ab. Es gab
-keine Führung, kein Programm, niemand gab Direktiven, weil alle sich
-berufen fühlten. Semjonow, ein altes Mitglied der Partei, holte sich für
-alle seine Unternehmungen die Genehmigung des Z.K. Da er rührig,
-umsichtig und verwegen war, schien er wertvoll – man ließ ihn deshalb
-gewähren, gab ausweichende Antworten, wollte bestimmte Akte geschehen
-lassen und zauderte wieder, sie zu genehmigen. Eine Weile ließ sich das
-Spiel der halben Zusage, des Nein-Ja-Sagens schon an; aber als sehr
-ernste Taten geschehen waren, und die Mitglieder der Partei verlangten,
-die Partei solle zu diesen Taten stehen, wich das Z.K. scheu zurück; der
-Mord auf Wolodarski hätte eine Steigerung verlangt – wenn nicht gerade
-den offenen Aufstand – so doch die offene Erklärung gegen die
-proletarische Regierung – aber da nun die S.R.P. eine Arbeiterpartei
-sein wollte, bedeutete solche Erklärung eine Kampfansage ans Proletariat
-– Lenin war längst ein den Arbeitern teurer Name, welche Partei, die
-auch nur mit der Arbeiterschaft sympathisierte, hätte ein solches
-Attentat gutheißen können! Also wich man aus und gab die Täter, die ihr
-Leben eingesetzt hatten, preis. Wundert man sich, daß die Täter endlich
-das Lager verließen, in dem man ihnen nie den Rücken deckte? Mußten sie
-nicht allmählich gewiß sein, daß diese Partei gar nicht wußte, was sie
-wollte, wohin ihr Weg führte. Semjonow schreckte zurück, von
-bürgerlichen Organisationen Gelder zu empfangen – Donskoi, Mitglied des
-Z.K., erklärte höhnisch: „Non olet.“ Eine Weile schien es noch, als
-könnten die S.R. eine selbständige Politik treiben; dann aber ballte
-sich eine mächtige Front zusammen, die Bürger vor allem erwachten aus
-ihrer Betäubung, die Entente bot alle Kräfte auf, ließ alle Minen
-springen – die weißen Generale drängten von allen Seiten ins Land, die
-S.R. wurden in die zweite Linie gestoßen, den Bürgern, den Generalen,
-den fremden Missionen war offenbar, daß die Parolen der S.R. nirgends
-mehr verfingen; der Kampf ließ sich nur noch mit brutalsten Mitteln
-führen, das Gerede von der Demokratie sollte ein Ende haben,
-rücksichtslos schob man alle Kulissen beiseite: auf offener Bühne
-erschien der weiße Schrecken; die S.R. verhandelten mit dem
-französischen Botschafter Noulens über die Zusammensetzung einer neuen
-Regierung im Falle des Sieges der Samarafront. Die S.R. designierten
-Tschernow: „Genug von sozialistischen Experimenten. Ich will nichts von
-Tschernow wissen,“ erklärte Noulens barsch, damals einer der wahren
-Herrn des weißen Rußlands. Die S.R. standen plötzlich verlassen da. Man
-mag zur Beleuchtung der Lage die Memoiren weißer Generale nachlesen: sie
-strotzen von Verachtung für die S.R. Je heftiger der Bürgerkrieg tobte,
-desto geringer wurde der Einfluß der S.R. Sie hätten die Reihen der
-Konterrevolution verlassen können – aber nachdem sie sogar eine ganze
-Front der „Konstituante“ formiert hatten, war es unmöglich, diesen
-Bankrott einzugestehen, ohne – mit blutbefleckten Händen – dem Fluche
-der Lächerlichkeit, der Verachtung preisgegeben zu sein. Die Partei als
-Ganzes mußte schon weiter vegetieren; aber ihr nie festgefügter Bau
-zitterte in allen Gründen – die Mitglieder sprangen ab – so erklärt sich
-Semjonows Abfall, seiner Komplizin Konopleva Reue, der anderen Bußgang –
-je heftiger der Bürgerkrieg tobte, desto schärfer erkannte der S.R., wer
-auf der Barrikade neben ihm stand – nicht der Arbeitsmann aus dem
-Betrieb, nicht der Bauer, sondern der weiße Offizier, der Beamte, der
-Student. Zu wessen Gunsten sollte Lenin fallen?!
-
- * * * * *
-
-Sawinkow hat 1924 in jener aufregenden Nachtsitzung vor dem Tribunal die
-grauenhaft erniedrigenden Gefühle geschildert, die er in den Vorzimmern
-der Ententeminister empfand. Er schildert sein Entsetzen, als Churchill
-auf eine Karte wies und ihm „unser“ Rußland zeigte – diesen Ekel
-Sawinkows sollte Semjonow nicht empfunden haben? Oder jener andere
-Ignatiew, der auch zur 2. Gruppe der Angeklagten gehörte und sich vor
-allem im Gebiete von Archangelsk betätigte?! Ignatiew schilderte, wie
-die Ententetruppen im Norden gehaust hatten, Sondergerichte einsetzten,
-Stäbe ernannten, denen die Russen untergeordnet waren. Immer wieder
-durchtönte dieselbe Melodie dieses Trauerepos: wir wurden verächtlich
-behandelt, man benutzte uns, die Besetzung von Archangelsk erfolgte nur
-im Interesse der großindustriellen Machthaber. Ignatiew schilderte die
-Taten der Weißen – immer waren die Arbeiter nur die Opfer, immer
-richtete sich alles gegen das Proletariat. Der Blick auf den Nebenmann
-war für den argwöhnischen, schwankenden Beobachter erschütternde
-Erkenntnis.
-
-Da saß unter den Angeklagten der 2. Gruppe ein hellblondes, mittelgroßes
-Geschöpf – Lydia Konoplewa; erinnerte an ein Bauernmädchen, das sich
-„hochgearbeitet“ hatte, vielleicht Lehrerin geworden war (die
-kleinbürgerliche Physiognomie war überhaupt ein auffallendes Merkmal
-aller dieser Typen); sie war ein guter Soldat der S.R. geworden,
-sicherlich ohne eigene Gedankenwelt, aber vom festen Willen erfüllt, für
-die Unterdrückten zu kämpfen; verwegen, erfinderisch, losgerissen von
-jeder Tradition und den Formen der alten Gesellschaft, bereit, ihr Leben
-zu opfern. Für sie hatte die Haltlosigkeit der S.R. die größte
-Enttäuschung bedeutet; von ihr existiert ein Brief an Tschernow, in dem
-sie sich auf Unterredungen mit ihm beruft, in deren Verlauf er sich
-entrüstet über die ausweichende Haltung ihrer Auftraggeber ausgesprochen
-und den Terror gebilligt habe. Aus dem Briefe spricht das Gefühl der
-tief enttäuschten, verlassenen Kreatur, die man noch obendrein verhöhnt,
-weil sie den Rückweg in die Gesellschaft, diesmal in die Gemeinschaft
-des Proletariats, zurückfinden wollte. Diese Angeklagten der II. Gruppe
-wollten keine Außenseiter sein, sie sind nicht die Führer der Partei
-gewesen, vielleicht wird man sagen, sie hätten deshalb nicht draußen
-bleiben können; aber sie waren irregeleitete, ausgenützte Geschöpfe –
-sollten sie, da sie Reue empfanden und bekannten, die neue proletarische
-Gemeinschaft nicht aufnehmen, gegen die sie ehedem die Hand erhoben
-hatten, die jäh herniederfiel, als plötzlich die Erkenntnis zuckte:
-_für_ wen erhebe ich die Hand?!
-
-Die wahren S.R., die Führer der Partei, die Offiziere und Auftraggeber
-kämpften noch vor dem Tribunal um diese isolierte Partei als um ein
-Ganzes. Ein tragischer Schatten huschte zuweilen über ihr Geschick. Ihre
-Anhänger im Lande hatten sie längst verlassen. Die Ruinen von Jaroslaw
-waren ein furchtbares Memento. Die S.R. hatten die Macht gehabt, und die
-Probe nicht bestanden. Die Bolschewiki hatten in vielen Stücken ihr
-Programm ausgeführt – das warf man ihnen vor – „ihr habt uns bestohlen“.
-Aber die Bolschewiki hatten es ausgeführt.
-
-Die Führer kämpften vor dem Angesicht Europas; sie wichen in die weiten
-Wüsteneien ihrer Zersplitterung und Haltlosigkeit zurück, wenn man sie
-festhalten wollte; im Grunde waren sie echte Russen, wahre
-Kutosowrussen, aber 1812 hat diese Methode des Ausweichens Rußland
-gerettet; die Leute, die sich jetzt ins Weite verloren, gaben ihre
-Partei preis, ihren ganzen Kampf um die Demokratie. Sie verwickelten
-sich in unlösbare Widersprüche: sie waren gegen Interventionen, aber sie
-waren überall mit den intervenierenden Mächten verbunden, sie waren
-gegen die Bourgeoisie, aber sie standen mit bürgerlichen Organisationen
-in engster Verbindung und empfingen sogar Gelder von ihnen, sie wollten
-die Front gegen Deutschland errichten, aber sie waren bereit, Boten ins
-deutsche Hauptquartier zu senden, sie scheuten den Terror, aber sie
-haben in ihren Zeitungen nach geschehener Tat gejubelt, sie wollten
-verhindern, daß Geld an Deutschland abgeliefert würde, aber sie wollten
-den Zug unbewacht stehen lassen, wenn die Sprengung geschehen war ...
-Sie wollten eine Partei der Arbeiter sein, aber nach der
-Oktoberrevolution organisierten sie zuerst eine Erhebung der
-Offiziersschüler. Sie waren nicht gegen die Sowjets, aber für die
-Konstituante, sie hatten den Zusammentritt der Konstituante nicht
-beschleunigt, obschon sie es vermocht hätten; aber sie erhoben die
-Konstituante zum unantastbaren Heiligtum, nachdem die Konstituante
-längst nicht mehr dem Willen des Volkes entsprach. Man fand einen Brief
-von Gotz, in dem es von dunklen Anspielungen wimmelte; u. a. kam auch
-der bekannte Satz, der alte Wahrspruch der S.R.P., vor: „Im Kampf wirst
-du dein Recht erwerben!“ Wundert man sich, wenn Gotz umwunden erklärte,
-dieser Ausdruck beziehe sich nur auf den Kampf _um_ die Konstituante,
-nicht aber um den Kampf _gegen_ die Sowjets?!
-
-Die Führer versuchten sich durch solche Methoden des Ausweichens zu
-retten, aber gerade diese Taktik wurde ihnen zum Verhängnis, um so
-kräftiger stieß das Tribunal nach und plötzlich entlarvte sich eine
-Partei, die gar kein festes Gefüge, keine straffe Organisation war,
-sondern eher wirkte wie ein Schwarm zusammengelaufener ratloser,
-verärgerter Menschen. Wie imposant richtete sich im Gegensatz dazu das
-eherne Gebäude der bolschewistischen Partei auf!
-
- * * * * *
-
-Die Haltung der S.R. zu den terroristischen Akten offenbarte ihre ganze
-Schwäche als Partei, die sich vor Gericht zugleich als ihre Stärke
-erwies. Niemand hat gezweifelt, und niemand konnte Einspruch erheben,
-daß die Attentate auf Lenin, Trotzki und Wolodarski von Mitgliedern der
-Partei vorbereitet und ausgeführt waren. Fanny Kaplan, die Lenin schwer
-verwundet hatte, war eine Sozialrevolutionärin; Semjonow und die
-Mitglieder seiner Kampforganisationen gehörten zur Partei. Der Prozeß
-rollte nicht die Frage der Täterschaft auf; sie war längst entschieden.
-Dem Tribunal kam es vielmehr darauf an, in den Hintergrund einzudringen,
-die Zusammenhänge zwischen den Offizieren und Soldaten festzustellen,
-das Z.K. als eine Mordzentrale zu entlarven, die Partei zu überführen,
-daß sie zu Attentaten auf Arbeiterführer angestiftet hätte. Bewiesen war
-längst, daß die Ententemissionen Attentate auf bolschewistische Führer
-moralisch billigten; bewiesen konnte aber nicht werden, daß zwischen den
-Missionen und dem Z.K. Verabredungen für bestimmte Attentate bestanden
-haben. Möglich ist es schon; gelegen war den Missionen an solchen
-Attentaten. Die Führer des Z.K. konnten nicht bestreiten, daß sie um die
-Absichten von Attentaten gewußt haben; Semjonow hat sowohl Gotz wie
-Donskoi von seinen Plänen benachrichtigt; beide konnten dieser Aussage
-nicht widersprechen, sie bestritten energisch, Semjonow ermuntert zu
-haben, Gotz will ausdrücklich Semjonow geraten haben „_er möchte noch
-mit der Ausführung warten_.“ Aber ein striktes Verbot des individuellen
-Terrors seitens der Partei ist _nie_ ergangen, nach vollbrachter Tat
-rückte das Z.K. öffentlich von den Tätern ab, aber in Gebieten, wo die
-Bolschewiki nicht die Macht besaßen, jubelte die Presse der S.R. auf.
-Eine moralische Verurteilung der Täter seitens der Partei ist _nie_
-erfolgt, geschweige daß man die Täter etwa ausgeschlossen hätte. Als
-Wolodarski ermordet wurde, spielte sich folgende merkwürdige Szene ab,
-die Tschernow in einer Emigrantenzeitung geschildert hat:
-
-„Das Mitglied der Partei der Sozialrevolutionäre S. M. Postnikow hat mir
-über diesen Fall wörtlich folgendes mitgeteilt:
-
-„Der Mord an Wolodarski erfolgte in der Hitze der Wahlkampagne zum
-Petrograder Sowjet. Plötzlich kommt die unerwartete Nachricht:
-Wolodarski durch einen Schuß getötet. Natürlich nutzten die
-Bolschewisten dies sofort aus, um die Zeitung zu schließen und durch die
-schärfsten Repressalien unsere ganzen Wahlerfolge zu annullieren. Ich
-lief sofort zu Gotz und fragte ihn, was los sei. Er antwortete: ein
-Arbeiter, seiner Überzeugung nach Sozialrevolutionär, der einen ernsten
-Parteiauftrag hatte, war Zeuge, wie das Automobil Wolodarskis eine Panne
-erlitt; er konnte sich nicht zurückhalten und schoß auf ihn, da er ihn
-für den Urheber der in Petrograd unter dem Regime Sinowjews begangenen
-Grausamkeiten hielt. „Wissen Sie, wenn wir in einer anderen Lage wären –
-fügte Gotz hinzu, – wie wir dann nach unseren Traditionen verfahren
-müßten? Wie man solches eigenmächtiges Handeln an einem Mitglied, das
-auf einem ihm anvertrauten revolutionären Posten steht, bestrafen
-müßte?“
-
-Diese Erklärung Tschernows spielte vor Gericht eine große Rolle. Man
-fragte Gotz vergebens, welchen „ernsthaften Parteiauftrag“ hatte dieser
-S.R.? Merkwürdig, daß er sich gerade jetzt „nicht zurückhalten“ konnte,
-merkwürdig, daß Gotz an der Handlung nur auszusetzen hatte, daß sie
-„eigenmächtig“ erfolgte! Und wie seltsam kontrastierte zu diesem
-Gespräch die Weisung Gotz’ an Semjonow, man sollte noch warten. Und was
-wußte Tschernow zu Semjonows Angaben zu sagen? Sie sind eine ...
-„verräterische Denunziation.“ Lydia Konoplewa hat in einem öffentlichen
-Brief an Tschernow eine Frage gerichtet, ohne je eine Antwort erhalten
-zu haben:
-
-„Sie stützen sich auf die Erzählung S. P. Postnikows über seine
-Unterhaltung mit Gotz nach der Ermordung Wolodarskis: „Ich lief sofort
-zu A. R. Gotz und fragte ihn, was los sei. Er antwortete: ein Arbeiter,
-Sozialrevolutionär seiner Überzeugung nach, der einen wichtigen
-Parteiauftrag hatte, war Zeuge, wie das Automobil Wolodarskis eine Panne
-erlitt –, er konnte sich nicht zurückhalten und schoß auf ihn ...“
-
-Halten Sie es nicht für möglich, Viktor Michailowitsch, daß Gotz die
-Wahrheit vor Postnikow verbarg, wie sie den meisten Mitgliedern der
-Partei der Sozialrevolutionäre verborgen blieb? – Postnikow hatte, wie
-Sie selbst wissen müssen, nicht die geringste Beziehung zur
-militärischen Arbeit und der Kampfarbeit in der damaligen Zeit.
-
-Doch selbst diese so zweifelhafte „Zeugenaussage“ brauchen Sie nicht
-vorsichtig genug.
-
-Was ist das für ein „ernster Parteiauftrag“, den Sergejew hatte? – Es
-ist etwas seltsam, daß das mit „einem ernsten Parteiauftrag“ versehene
-Mitglied der Partei der Sozialrevolutionäre sich gerade in diesem
-günstigen Augenblick in der Nähe Wolodarskis befand und überdies noch
-mit einem Revolver und einer Handgranate in der Hand.“
-
-Im Prozeß wiederholte Semjonow sein Bekenntnis in der Broschüre: er habe
-sich Mitte Mai 1918 an _Donskoi_ gewandt und ihm den Vorschlag gemacht,
-zu terroristischen Aktionen überzugehen. _Donskoi freute sich über
-diesen Vorschlag_ sehr. Bald darauf traf Semjonow auch mit Gotz
-zusammen, mit dem er eine Unterredung über die Organisierung
-terroristischer Aktionen hatte. _Gotz wies darauf hin_, daß in erster
-Linie gegen _Sinowjew und Wolodarski Attentate verübt werden_ müßten.
-_Nachdem er die Zustimmung des Zentralkomitees_ erhalten hatte, begann
-Semjonow mit der Organisierung einer „Kampfabteilung“, die die geplanten
-Attentate verüben sollte. Die Beobachtung Sinowjews und Wolodarskis
-wurde der Iwanowa übertragen. Sie stellte fest, daß es am leichtesten
-wäre, auf Wolodarski ein Attentat zu verüben, der häufig Meetings zu
-besuchen pflegte. Als Tatort wurde der zu der Obuchowschen Fabrik
-führende Weg, den Wolodarski mit dem Auto öfters passierte, ausersehen.
-Als die Vorbereitungen zur Ermordung Wolodarskis getroffen waren,
-erstattete Semjonow dann Gotz Bericht. Gotz gab jedoch Semjonow den Rat,
-mit der Ausführung seines Vorhabens zu warten. Dies fand Semjonow sehr
-merkwürdig, da sich das _Zentralkomitee der Partei der S.R. doch bereits
-prinzipiell mit dem Attentat auf Wolodarski einverstanden erklärt
-hatte_. Am nächsten Tage begab sich Sergejew an den Tatort, um sich zu
-überzeugen, wie dieser von dem Auto Wolodarskis passiert werde. Von
-seinem Wagen aus fragte Sergejew den Semjonow noch, wie er sich zu
-verhalten habe, wenn die Gelegenheit günstig sei, um auf Wolodarski zu
-schießen. _Semjonow antwortete_, daß in solchem Falle eben gehandelt
-werden müsse. Zufällig blieb das Auto Wolodarskis nicht weit von dem als
-Tatort ausersehenen Platze stehen. Wolodarski verließ sein Automobil und
-ging Sergejew entgegen, der mehrere Schüsse auf Wolodarski abgab und ihn
-tötete. Es gelang Sergejew zu entfliehen. Am Abend des gleichen Tages
-begab er sich in die Wohnung Semjonows, wo er Unterkunft fand. 2 bis 3
-Tage blieb Sergejew in Petersburg, dann wurde er von Semjonow nach
-Moskau geschafft. Am Tage nach der Ermordung Wolodarskis erschien eine
-Erklärung des Zentralkomitees der Partei der S.R., die Partei der S.R.
-habe mit diesem Morde nichts zu schaffen. Semjonow betonte, daß diese
-Erklärung für ihn und die anderen Mitglieder der Kampforganisation ein
-furchtbarer Schlag gewesen wäre. Bald darauf erschien der
-Bevollmächtigte des Zentralkomitees, Rabinowitsch, der Semjonow
-erklärte, er habe kein Recht gehabt, das Attentat zu verüben, er hätte
-vielmehr die Einwilligung Gotz’ abwarten müssen. Eine Weile später
-machte Rabinowitsch Semjonow den Vorschlag, mit ihm ein Meeting zu
-besuchen, und um alle Zweifel Semjonows zu zerstreuen, sagte er ihm, daß
-die Sache der Terroraktionen gut stehe, und alle Spuren verwischt seien,
-so daß Semjonow ruhig zu dem Meeting gehen könne.
-
-Kurz nach der Ermordung Wolodarskis hatte Gotz eine Zusammenkunft mit
-Semjonow, in deren Verlauf Gotz erklärt haben will, er sei zu seiner
-großen Überraschung vor eine vollendete Tatsache gestellt worden.
-Vielleicht entspricht diese Angabe von Gotz der Wahrheit; aber fest
-steht, daß man Semjonow nicht in die Arme fiel, als er weitere Attentate
-organisierte. Gotz gab offen zu, die Ermordung Wolodarskis habe das Z.K.
-moralisch gebilligt; man habe nie in Erwägung gezogen, den Attentätern
-ihre Parteirechte zu entziehen. So kann man ohne Zweifel resultieren,
-daß das Z.K. durch Gotz ausweichende Bescheide gab, die Tat geschehen
-wissen, aber sie nicht inspiriert haben wollte. Und als man sah, welche
-tiefe Erregung in den breiten Massen der Tod Wolodarskis auslöste,
-schreckte man erst recht zurück und veranlaßte die Übersiedlung der
-Kampforganisation Semjonow von Petrograd nach Moskau.
-
-In Moskau hat die Gruppe sofort wieder ihre Tätigkeit aufgenommen.
-Diesmal wollte man Lenin selbst treffen. Semjonow hat der Fanny Kaplan
-Munition und Gift verschafft, Donskoi wurde von Semjonow informiert; die
-Angeklagte Stawskaja bekundet, Donskoi sei über die Vorbereitungen zu
-dem Attentat auf Lenin genau unterrichtet gewesen, das Mitglied der Z.K.
-Timofjejew machte als Einwand gegen terroristische Akte nur geltend, man
-dürfe die Bolschewiki nicht zu Märtyrern machen. Aber hat nicht die
-Angeklagte Eugenie Ratner bereits erklärt, die Partei lasse sehr wohl
-Terrorakte gegen die Bolschewiki gelten? und stand Eugenie Ratner dem
-Z.K. nicht sehr nahe? Und war nicht außer jenem Attentat der Fanny
-Kaplan noch ein zweites Attentat auf Lenin geplant gewesen, in das Lydia
-Konoplewa verwickelt war, die im Februar 1918 B. N. Rabinowitsch den
-Vorschlag machte, W. I. Lenin zu töten. „Ich schlug vor, dies in Form
-eines individuellen Aktes auszuführen, um die Partei keinen Repressalien
-auszusetzen, hielt es jedoch für notwendig, die prinzipielle Stellung
-des Zentralkomitees zu dieser Frage festzustellen. Aus diesem Anlaß
-führte ich Unterhandlungen mit dem Mitglied des Zentralkomitees A. R.
-Gotz. – Gotz pflichtete mir bei und holte die Meinung des Büros des
-Zentralkomitees ein, das sich damals in Moskau befand. Speziell zu
-diesem Zweck fuhr Rabinowitsch nach Moskau. Die Sanktion des Büros des
-Zentralkomitees für den individuellen Akt wurde erteilt. Außerdem gab
-uns das Büro als Führer der terroristischen Gruppe das Mitglied des
-Zentralkomitees W. Richter bei.“
-
-Aus dem Attentat wurde nichts; Gotz hat selbst später die Vorbereitungen
-inhibiert.
-
- * * * * *
-
-Ein Attentatsversuch gegen Trotzki mißlang, weil Trotzkis Zug von einem
-anderen Bahnhof abfuhr. Die Teilnehmer erzählen von einer merkwürdigen
-Nachtwanderung am Eisenbahndamm, und während sämtliche Beteiligte ihr
-Vorhaben eingestehen, behauptet die Angeklagte Iwanowa, sie habe die
-Bombe in jener Nacht nur mit sich herumgeschleppt, um sie auf die
-Wachtmannschaften, nicht aber auf Trotzki zu werfen ...
-
-_„Die S.R. Partei hatte prinzipiell nichts gegen die Attentate
-einzuwenden,“ gestand Timofejew._ Er erzählt, daß Semjonow, von
-Gewissensbissen getrieben, bei ihm erschienen wäre und _das Anerbieten
-stellte, Koltschak und Denikin zu töten. Und Timofjejew willigte in das
-Attentat gegen Koltschak ein. Das Attentat gegen Denikin verbot er, da
-Denikin die Konstituante nicht auseinandergejagt hätte und auf dem
-Territorium seiner Herrschaft die S.R. Organisationen nicht auflösen
-ließ_.
-
-Im Saale herrschte eine tiefe furchtbare Stille, als Timofjejew diese
-Aussage machte.
-
-„Welche Gewissensbisse haben Semjonow zu diesem Entschluß veranlaßt?“
-fragt Krylenko.
-
-_„Semjonow hatte das Gefühl, daß er sich mit der Organisation von
-Attentaten gegen die Revolution versündigt hat. Semenow fühlte damals
-Reue über seine blutigen Taten, die er gegen die Revolution verbrochen
-hat,“ antwortete Timofjejew._
-
-„Welche Taten meinen Sie?“ fragt Krylenko.
-
-„_Jene terroristischen Akte im Jahre 1918_,“ lautet die Antwort
-Timofjejews.
-
-„_Sie hatten also Kenntnis von diesen?_“ fragt Krylenko.
-
-„_Ich hatte von ihnen Kenntnis_,“ antwortet Timofjejew.
-
-Aber hat es im Z.K. der S.R. eine einheitliche Stellung zum
-individuellen Terror gegeben? Die Frage ist nicht geklärt worden. Zwei
-ehemalige S.R. sagten als Zeugen über eine Sitzung des Z.K. aus, in der
-man sich über die Frage des individuellen Terrors schlüssig werden
-wollte. Tschernow und ein großer Teil der Anwesenden habe für den Terror
-gestimmt, ein ebenso großer Teil habe ihn verworfen – und zuletzt sei
-man auseinandergegangen, ohne einen endgültigen Beschluß gefaßt zu
-haben. In diesem ausweichenden, unentschiedenen Verhalten enthüllt sich
-der ganze schwankende Charakter der S.R. Fühlten sie eine gewisse Scham,
-die Hand gegen Arbeiterführer zu erheben? Wollten sie keine Märtyrer
-machen? Mußten sie nicht noch vielmehr jetzt im Prozeß alle Rednerkünste
-aufbieten, um die Hintergründe zu verschleiern und sich nicht vor einem
-Arbeiterpublikum, im Arbeiterrußland als Arbeitermörder zu bekennen?! Es
-spielte sich ein erbitterter Kampf um die Hintergründe, um die
-Feststellung der wahren Antreiber zu Meuchelmorden ab. Die S.R. Partei
-war empfindlich getroffen, wenn der klare Beweis geführt werden konnte,
-daß es eine Mörderzentrale im Z.K. gab. Der klare Beweis ist nicht
-erbracht worden. Festgestellt wurden nur die Uneinigkeit im
-Zentralkomitee und seine Mitwisserschaft; festgestellt wurden die
-moralische Billigung und der Versuch, die Terrorgruppen zu schützen. Und
-durch die Aussagen Pascals konnte der Beweis geführt werden, daß die
-Mordtaten der S.R. im Lager der Entente Gefühle hoher Befriedigung
-auslösten. Man hat nie feststellen können, wie sich die Verhandlungen
-zwischen den S.R. und der Ententemissionen in Details abspielten. Den
-Unterredungen hat niemand beigewohnt, es existiert kein Stenogramm, kein
-Dokument. Aber als Lenin schwer verwundet aufs Lager hingestreckt wurde,
-jubelte die S.R. Presse, atmete man in den Missionen auf, und der
-französische Offizier Laurent grübelte mit seinen Kumpanen nach: Wie
-töten wir Trotzki? ... Draußen vor den Toren Moskaus stand an einer
-Eisenbahnbrücke eine hohe weibliche Gestalt: Iwanowa. Das Umschlagtuch
-barg eine Bombe. Und die brennenden Augen bohrten sich fiebernd in die
-schwüle Nacht: blinkten noch immer nicht die Lichter von Trotzkis Zug?
-
- * * * * *
-
-Die Expropriationen und Sprengungen hat man zugegeben. Darüber wurde
-nicht lange gestritten. Man gestand, Material von den Franzosen erhalten
-zu haben, um Eisenbahnzüge zum Entgleisen zu bringen, Brücken zu
-sprengen. Donskoi hat keine Ausflüchte gemacht. Das waren
-„Kriegsoperationen“ der Front der Konstituante. Auch die
-Expropriationen, die Bestechungen von Beamten, die Einbrüche ins Post-
-und Telegraphenamt an der Ecke Twerskaja-Kammerherrengasse, in
-staatliche Lebensmittellager gab man zu. Von dem Tode des reichen
-Kaufmannes wußte das Z.K. nichts; diese Tat hat Semjonow nicht
-berichtet. Es berührt schon merkwürdig, daß man sich nicht über diese
-Einbrüche und Diebstähle erregte – es waren Bagatellen – nachdem man als
-Mörder entlarvt war.
-
- * * * * *
-
-Die Aufstände in Archangelsk, im Murmangebiet, die Errichtung der
-Wolgaregierung, der Aufruhr in der Ukraine und alle diese offenen
-Kampfhandlungen der S.R. gegen die Sowjets haben nicht so sehr im
-Mittelpunkt des Interesses gestanden, wie jene terroristischen
-Handlungen. Die Bolschewiki haben den individuellen Terror nie gebilligt
-und ihn schon zur Zarenzeit verurteilt. Sie waren dank ihrer
-marxistischen Schulung überzeugt, daß der Erfolg der Revolution nur
-einer Massenbewegung zu verdanken ist. Und immer hatte sich schon im
-Gegensatz zwischen individuellem und Massenterror am auffälligsten der
-Unterschied zwischen den beiden Parteien enthüllt. Der individuelle
-Terror entsprang nicht nur einer völlig verzweifelten Stimmung und einer
-ausgesprochenen persönlichen Einstellung; er konnte nur in Kreisen zum
-Prinzip erhoben werden, in denen man davon überzeugt war, daß Menschen,
-einzelne Personen die Geschichte machen. Die Bolschewiki wußten, daß
-jeder revolutionäre Fortschritt einer Umwälzung der Verhältnisse, der
-Produktionsmethoden entspringen muß. Nur Massenbewegungen konnten nach
-Ansicht der Bolschewiken zur Eroberung der Macht führen. Die Geschichte
-hat ihnen Recht gegeben. Die Oktoberrevolution 1917 ist eine solche
-unwiderstehliche Massenbewegung gewesen, der die bolschewistische Partei
-Richtung und Ziel gewiesen hat. Und die verzweifelten Aktionen der S.R.
-nach der Oktoberrevolution beweisen, wie sehr ihnen die Leitung der
-Massen entglitten war. Und wie ungeheuerlich erschienen dem russischen
-Arbeiter die terroristischen Akte gegen seine Führer, die niemandem
-frommten als dem Großgrundbesitz und dem Großkapital, hinter denen die
-Entente als Antreiberin stand. Unzweifelhaft haben nationale Elemente
-eine gewisse Rolle gespielt – die bolschewistische Revolution war eine
-Umwälzung der ökonomischen Besitzverhältnisse, aber die proletarische
-Revolutionsidee verschmolz zugleich mit einem starken nationalen
-Selbstbewußtsein – der Arbeiter empfand zum ersten Male, daß er ein
-Vaterland hatte – ein Begriff, der für die Vertreter des Kapitals
-niemals mehr als eine Kulisse gewesen ist, die man je nach der
-Konjunktur hin- und herschob. Die Tätigkeit der S.R. erschien deshalb in
-einem noch schlimmeren Lichte, als gegen Ende des Prozesses sich auf den
-Tischen des Tribunals Berge von Dokumenten häuften, durch die der Partei
-nachgewiesen wurde, daß sie bis tief in die jüngste Zeit hinein sich mit
-dem Ausland verbunden hatte, um die Sowjets zu stürzen. Man muß sich in
-jene Tage zurückversetzen, in denen Sowjetrußland erst von wenigen
-Staaten anerkannt war, von der gesamten Bourgeoisie geächtet war, und
-Flutwellen der Verleumdung sich über das Gesicht Rußland ergossen. Auch
-Rußland hatte gegen eine Welt von Feinden gekämpft und geblutet, an
-allen Fronten des Reiches hatten die Heere der Arbeiter und Bauern die
-von den Westmächten, Deutschland und Amerika ausgerüsteten weißen Armeen
-aufgehalten; im Innern hatten die S.R. durch ihre terroristischen Akte
-die Moral und Widerstandskraft zu schwächen gesucht, Hunger, Not,
-Entbehrungen, Kälte, Epidemien suchten das ungeheure Reich heim, das der
-imperialistische Krieg schon genug mitgenommen hatte. Die Heere der
-Arbeiter und Bauern hatten den Feind nicht nur aufgehalten, sondern
-besiegt; der Freiheitskampf dieses Volkes wird vielleicht in seiner
-ganzen gewaltigen heroischen Größe erst späteren Geschlechtern offenbar
-werden; vielleicht wird man ihm Genugtuung widerfahren lassen. Die Heere
-der Fremden und Weißen wurden von expropriierten Kapitalisten vorwärts
-gejagt, von den Bankherren der City und Wallstreet, die
-keine Möglichkeit mehr sahen, ihre Kapitalien in russischen
-Industrieunternehmungen anzulegen – und sehr günstig bei den niedrigen
-Löhnen und der relativen Bedürfnislosigkeit der russischen Arbeiter, die
-von den Kosaken des Zaren jahrzehntelang immer wieder trotz tapferer
-Gegenwehr zur Arbeit getrieben waren. Die Herrschaft des Proletariats in
-Rußland bedeutete für das ausländische Kapital die Versperrung von
-Ausbeutungsmöglichkeiten, bedeutete den Ausfall Rußlands als Kolonie.
-Und da sich dem Expansionsdrang des Kapitals bis zum heutigen Tage in
-Rußland unüberwindbare Widerstände entgegensetzen, das Kapital aber auf
-Rußland angewiesen ist, erscheint dieser Konflikt unlösbar, so lange der
-proletarische Staat besteht. Aus solchem Gegensatz erwächst der
-Weltkonflikt der nächsten Jahrzehnte.
-
-An einem der letzten Prozeßtage wurde dem Angeklagten Timofjejew ein
-Dokument mit der Frage: „Kennen Sie diese Unterschrift?“ überreicht.
-„Sensinow?“ – „Ja.“ „Und erkennen Sie diese Unterschrift als echt an?“
-Der Angeklagte zögerte eine Weile und sagte dann: „Ja!“ Und diesem
-Dokument folgten unzählige andere Schriftstücke, aus denen hervorging,
-daß die Partei der S.R. in engster Abhängigkeit von ausländischen
-Regierungen stand. Sensinow, ein alter Sozialrevolutionär, hatte in der
-Regierung der Konstituante von Samara gesessen, war nach dem
-Zusammenbruch der Front ins Ausland geflohen und hatte in Frankreich ein
-„_Administratives Zentrum_“ gebildet, dem die bekanntesten Führer der
-S.R. beigetreten waren: Kerenski, Awxentijew, Bruschwit, Tschernow,
-Machin und einige andere! Das Pariser Geheimarchiv dieser ausländischen
-Geheimorganisation war in die Hände der Sowjetregierung gefallen, das
-Material belastete die S.R. aufs Schwerste. Unter den Dokumenten
-befanden sich Briefe, aus denen hervorging, daß die Partei im Jahre 1921
-von der französischen und tschechoslowakischen Regierung, ferner von
-Weißgardisten Gelder empfangen hatte, um Aufstände in Rußland zu
-organisieren. In einem Briefe Sensinows an das Mitglied des
-„Administrativen Zentrums“, Rogowski, heißt es:
-
-„_Gestern hatte ich eine Unterredung mit Benesch, die 50 Minuten
-dauerte. Er war wie immer liebenswürdig und entgegenkommend; ich denke,
-er ist auch aufrichtig. Ich berührte im Gespräch unsere Möglichkeiten
-und unsere tatsächliche Lage._ Ich schilderte ihm das Bild des Ganzen.
-‚Wir halten eure Arbeit für nützlich und notwendig, sowohl für Rußland,
-wie auch für uns. Wir werden es daher nicht dazu kommen lassen, daß eure
-Arbeit aufgegeben wird; _vom Januar an werdet ihr wöchentlich 50000
-Kronen bekommen, ich (Benesch) werde persönlich dafür Sorge tragen, daß
-dieser Betrag auf 60000-65000 Kronen erhöht wird_‘.“ (_Benesch ist der
-Premierminister der Tschechoslowakei_.) Am 21. Dezember berichtet
-Sensinow an Rogowski: „_Vor vier Tagen erhielt ich 80000 Kronen; dieses
-Geld wurde uns ohne jede Mahnung von unserer Seite ausgezahlt._“
-
-Als nächster Geldgeber erscheint der ehemalige russische Botschafter
-Bachmetjew, in dessen Händen sich auch heute noch bedeutende Summen aus
-dem russischen Staatsschatz befinden. Am 12. April 1921 sendet Kerenski
-an Bachmetjew über die tschechoslowakische Gesandtschaft in Paris
-folgendes chiffrierte Telegramm: „Ich erhielt aus Rußland die Bitte um
-eine äußerste Kräfteanstrengung. Das von Ihnen geschickte Geld gewährte
-eine wirkliche Hilfe am Bestimmungsorte. Es ist notwendig, die Hilfe
-ohne Verzug sofort fortzusetzen. Die unaufschiebbare Geldnot verlangt
-meine schleunige Abreise nach Amerika.“ Im Brief vom 13. März teilt
-Sensinow an Kerenski mit: „Gestern erhielten wir von Ihnen aus Paris
-eine Anweisung auf 50000 Francs und von Bachmetjew telegraphisch 25000
-Dollars.“
-
-Als Geldgeber fungiert ferner der weiße General Bitscherachow. Die S.R.
-erhielten von ihm während der Jahre 1918/19 20000 Francs und im Jahre
-1920 einige hundert Pfund Sterling. Woher stammen diese Gelder? Darüber
-schreibt am 21. März 1921 der S.R. Ter-Pogosian an den S.R. Minor: „Die
-Gelder im Besitze L. Bitscherachows stammen aus zwei Quellen. Nach der
-Auflösung der persischen Front durch die Bolschewiki organisierte
-Bitscherachow eine Freischärlerabteilung. Die Engländer zahlten ihm
-monatlich einen bestimmten Betrag für die Unterhaltung dieser Truppe.
-Die englischen Subsidien überstiegen die Ausgaben, so daß bei
-Bitscherachow Reste blieben. Außerdem hatte er noch Gelder aus jenen
-Beträgen, die nach dem Umsturz und der Beseitigung der bolschewistischen
-Regierung in Baku und Petrowsk in den Besitz der Bakuschen weißen
-Diktatur kamen. Hauptsächlich die Gelder der Staatsbahnen, folglich also
-Staatsgelder ... In Anbetracht dessen hatten wir Grund, diese Summen
-nicht als Bitscherachow persönlich gehörig aufzufassen, ihre
-Bereitstellung für soziale und politische Zwecke erscheint als völlig
-gerechtfertigt.“
-
-Endlich gaben die russischen Industriellen selbst große Summen. Zur Zeit
-des Kronstadter Aufstandes öffneten sie ihre Portefeuilles.
-
-Ein Teil der Dokumente beleuchtete die engen Beziehungen zwischen den
-S.R. und der französischen Regierung. Kerenski hat verschiedene Male mit
-Berthelot, dem Direktor des französischen Außenministeriums, und mit
-Briand selbst korrespondiert und mündlich verhandelt.
-
-Im Besitz solcher Mittel und Beziehungen legten die S.R. ein
-Spionagenetz an, das von Konstantinopel bis Reval reichte, sie schickten
-Sendboten ins Innere des Landes, trieben militärische Spionage und
-sondierten die Kommandeure der Roten Armee. Ein Oberst Machin ist der
-Leiter dieses militärischen Spionagedienstes; aus einem Briefe geht
-hervor, daß Machin sich in Reval mit französischen Offizieren in
-Verbindung zu setzen hatte. Kerenski entsandte einen Oberst nach
-Konstantinopel und gab ihm einen Brief an den französischen
-Militärvertreter mit, den General Pellet. Die Minister der Randstaaten
-empfingen die Boten der S.R., und wenn den S.R. der Empfang zu kühl
-schien, versuchten sie durch englische Vermittlung einen Druck ausüben
-zu lassen. In allen Hauptstädten Europas entfalteten die S.R. eine
-fieberhafte Tätigkeit; sie hielten verschiedene Zeitungen, bauten ihren
-Apparat aus, saßen in den Vorzimmern der Minister und Bankiers,
-versuchten die Errichtung einer großen weißen Front, schüchterten die
-Kleinstaaten durch die Großmächte ein, nutzten sämtliche Verbindungen
-aus, verbreiteten Märchen über Rußland und ließen kein Mittel
-unversucht, um dem neuen Staate zu schaden. Dies alles vollzog sich mit
-der Skrupellosigkeit, dem Raffinement, der Hartnäckigkeit und dem Haß
-des Unterlegenen und Verdrängten, dessen Zeit vorüber ist, und der eine
-rastlose Tätigkeit zu entfalten sucht, um sich zu betäuben und der Welt
-zugleich seine Brauchbarkeit zu beweisen.
-
-Im Januar 1921 schien der Same aufzugehen. In Kronstadt brach eine
-Meuterei aus; über das Eis der Newa drangen die Truppen der Sowjets und
-nahmen mit stürmender Hand die Seefestung. Der Aufruhr ist unzweifelhaft
-von den S.R. entfacht worden. Damals weilte Tschernow in Reval und
-schickte Telegramme nach Kronstadt; andere bemühten sich um Proviant und
-Munition für die aufständige Festung. In einem Flugblatt des
-„Revolutionären Rußland“ schreibt Tschernow:
-
-„Kronstadt hat sich erhoben. Durch sein heroisches, aufopferndes
-Beispiel ruft es ganz Rußland zu dem langersehnten Befreiungswerke.
-Petrograd hat den Generalstreik erklärt. Ihr aber, Tyrannen und
-Despoten, laßt es Euch gesagt sein, daß die Tage Eurer, dem gesamten
-Volke verhaßt gewordenen Herrschaft gezählt sind. Wenn Ihr um Euer Leben
-bangt, wenn Ihr am Leben hängt, verschwindet aus dem Wege. Das Volk
-kommt, es wird Euch richten.“
-
-Im Laufe des Jahres versuchte man im Kaukasus eine Bewegung zu
-entfachen; das „Administrative Zentrum“ hielt verschiedene Sitzungen ab,
-in denen die Vorbereitungen zu Aufständen beraten wurden. Es existiert
-das Protokoll einer solchen Sitzung, in der Machin die finanzielle und
-ökonomische Vorbereitung „zum Aufstande und Sturze der Bolschewisten“
-verlangt. Bruschwit spricht von der Notwendigkeit, „Militärkaders
-vorzubereiten und eine starke, leistungsfähige militärpolitische
-Organisation zu haben.“ Kerenski erklärt: Wir haben unsere Fachleute und
-unsere Leiter in den bestehenden Organisationen in Rußland und verlangen
-ihre Unterschrift als Garantie ihres politischen und militärischen
-Lebenswandels.
-
-Im November 1921 wird sogar schon wieder eine „terroristische
-Kampfgruppe“ gegründet. Ihre Haupttätigkeit aber entfalten jetzt die
-S.R. im Kaukasus, man gründet im Inneren Geheimorganisationen, erbittet
-und erhält von den Franzosen materielle Unterstützung und erklärt sich
-bereit im Falle eines Fehlschlages die eingegangenen Schulden durch
-Übermittlung von Nachrichten an die französische Konterspionage
-abzutragen.
-
-Bis ins Jahr 1922 hinein reichten die schriftlichen Beweise dieser
-konspirativen Tätigkeit der S.R. Die Angeklagten in Moskau waren an
-diesen Unternehmungen aktiv nicht beteiligt. Man legte ihnen sämtliche
-Dokumente vor. Man stellte ihnen die Frage: billigt ihr diese Methoden
-der Auslandsdelegation eurer Partei, im Bunde mit der großen und kleinen
-Entente neue Interventionskriege herbeizuführen, dank materieller
-Unterstützung der Westmächte das Land mit einem Netz von
-Geheimorganisationen zu überziehen und Rußland in neues unsagbares Elend
-zu stürzen. Die Angeklagten wichen aus. Die Methoden ihrer Kameraden im
-Auslande schienen ihnen verwerflich; aber im Angesicht ihres eigenen
-Todes weigerten sie sich, von ihren Parteigenossen abzurücken. „Also
-billigt ihr, was jene tun?“ „Wir sind, wie am ersten Tage eurer
-Herrschaft, gegen euch und werden euch mit _allen_ Mitteln bekämpfen.“
-
- * * * * *
-
-Nach fünfzig Sitzungstagen, nach einer Vernehmung von etwa 100 Zeugen
-und der Verlesung einer Fülle von Dokumenten begannen die Plaidoyers.
-Die Vertreter des Arbeiter- und Bauernrußlands erhielten zuerst das
-Wort; dann sprachen die Vertreter der III. Internationale: Klara Zetkin,
-der Tscheche Mune, der Ungar Bokanyi. Auf die Angeklagten hat die Rede
-Klara Zetkins einen niederschmetternden Eindruck gemacht. Der Name
-dieser tapferen, unermüdlich im Dienste der Sache des Proletariats
-tätigen Frau, die immer in der vordersten Front stand, noch als Greisin
-in die Kerker des deutschen Kaiserreiches wanderte, war auch für die
-S.R. ein – man muß schon sagen – heiliger Name. Sie wußten, daß diese
-Frau die letzte war, die sich beeinflussen ließ. Diese Frau erhob ihre
-Anklage ganz gewiß aus eigenster innerster Überzeugung, die Reinheit
-ihres Willens und Denkens war unantastbar. Erhob sich auch diese Frau
-gegen sie, so fühlten sie sich in ihrem Innersten schuldig. Es ist
-verbürgt, daß das Auftreten der Klara Zetkin die Angeklagten außer
-Fassung brachte, sie haben es selbst gestanden.
-
-Klara Zetkin hielt den S.R. vor, es handele sich nicht um die Wege und
-Mittel, deren sich eine Partei bediene, es handele sich vielmehr um die
-Ziele, in deren Interesse diese Mittel angewendet wurden. Die S.R.
-wollten das Proletariat wieder der Bourgeoisie unterwerfen, deren Joch
-es durch den heldenhaften Kampf der russischen Arbeiter und Bauern
-abgeschüttelt hatte. Die S.R.P. habe alles getan, um die Revolution zu
-untergraben: „Ein Verbrechen, mit dem man nicht einmal den Mord von
-Hunderten, den Mord von Tausenden, den Mord von Millionen vergleichen
-kann.“ Die S.R. stehen vor dem Gericht der russischen Arbeiter und
-Bauern, vor dem Gericht des proletarischen Staates. Es ist wahr, daß sie
-vor einem Klassengericht stehen. Aber wo gibt es ein Gericht, das über
-den Klassen steht? Es gibt zwei Arten von Klassengerichten: das
-bürgerliche und das proletarische Klassengericht. Das revolutionäre
-Gericht der Arbeiter ist eine mächtige Waffe in den Händen des
-Proletariats im Kampfe gegen die Bourgeoisie.
-
-Die russischen Arbeiter begannen die Weltrevolution. Die S.R. haben
-alles getan, um ihren Weg aufzuhalten, sie behaupten, daß sie gegen
-Usurpatoren kämpfen, aber es gibt keine Usurpatoren, die ohne Massen die
-Macht behaupten können. Die S.R. sind das beste Beispiel: sie ergriffen
-die Macht, ohne Massen hinter sich zu haben – mit Hilfe des Auslandes.
-
-Die S.R. berufen sich auf ihre revolutionäre Vergangenheit – ja, sie
-haben den Zarismus tapfer bekämpft. Aber als sie selbst an der Macht
-waren, stellten sie sich, statt die Revolution im Bunde mit dem
-Proletariat fortzusetzen, auf die Seite der Bourgeoisie; in ihrer
-äußeren Politik waren sie abhängig von der internationalen Bourgeoisie,
-in ihrer inneren von der russischen Bourgeoisie. Die S.R. nannten sich
-eine Bauernpartei, aber sie haben auf dem Lande mit den Waffen in der
-Hand den Kampf der Bauern gegen die Gutsbesitzer unterdrückt. In der
-äußeren Politik haben sie den imperialistischen Krieg fortgeführt.
-
-Die S.R. haben durch ihren Kampf gegen die Sowjets den Wiederaufbau des
-russischen Wirtschaftslebens verhindert; sie haben in diesem Kampfe
-gegen die Sowjetmacht alle möglichen Mittel angewendet: Bündnis mit dem
-Ausland, Bündnis mit der Reaktion, den Terror.
-
-Klara Zetkin setzte sich dann für die geständigen, reuigen Angeklagten
-der II. Gruppe ein, die geglaubt hatten, für die Revolution zu kämpfen,
-aber später erkannten, daß sie gegen die Revolution gekämpft hatten. Sie
-gerieten in einen tragischen Konflikt, und standen vor der Frage: Wie
-können wir unsere Verbrechen sühnen? Sie fanden nur den einen Weg:
-Offenes Geständnis. So sühnten sie ihre Schuld. „Die Arbeiter, Bauern
-und das Oberste Tribunal sind sich dieser Beichte bewußt und werden
-Milde walten lassen. Aber die Stimme des Gewissen wird sie bis zum Tod
-wegen ihrer Verbrechen am Proletariat verfolgen. Und das ist für sie
-Strafe genug!“
-
-Die Verteidiger, die aus dem Auslande den S.R. zu Hilfe eilten, haben
-nie daran gedacht, Arbeiter in ihren eigenen Ländern zu verteidigen.
-Vandervelde war als Justizminister Seiner Majestät der höchste Richter
-in jenen Prozessen, die von der belgischen Bourgeoisie gegen die
-flämischen Autonomisten und Anarchisten geführt wurden. 1500 Menschen
-wurden in die Zuchthäuser gesteckt, viele wurden zum Tode verurteilt.
-Und niemals haben die Vertreter der 2. und 2½. Internationale zu
-protestieren gewagt, nur jetzt erscheinen sie plötzlich auf dem Plan.
-Klara Zetkin verweist auf die Justiz in Deutschland, in dessen Kerkern
-6000 politische Gefangene schmachten, für die kein Vertreter der II.
-Internationale seine Stimme erhoben hat.
-
-„Im Namen der III. Internationale gebe ich der Überzeugung Ausdruck, daß
-das Gericht es verstehen wird, die Errungenschaften des Proletariats zu
-schützen und die notwendigen Mittel zu finden!“
-
-Der Ungar Bokanyi, der Volkskommissar der ungarischen Räterepublik,
-erinnert an seine eigene Kerkerzeit nach dem Sieg der Horthys: „Damals
-kam uns Vandervelde nicht zu Hilfe!“ Er vergleicht die weiße und die
-rote Justiz, er spricht aus eigensten Erfahrungen und schließt: „Das
-Oberste Tribunal kann auf seine Unparteiischkeit und Objektivität stolz
-sein. Das Oberste Tribunal wird ein Urteil fällen, das den Interessen
-des Proletariats entspricht!“
-
-Der Tscheche Muna hatte zweimal in den Kerkern der tschechischen
-Republik gesessen, im Weltkrieg war er in russische Gefangenschaft
-geraten, aber er hatte sich nicht jenen tschechischen Legionen
-angeschlossen, die unter Führung von Ententeoffizieren und im Bunde mit
-den S.R. den Kampf gegen das Rote Moskau geführt hatten. Muna schildert
-die Lage der tschechischen Legion, ihren Kampf im Interesse der
-besitzenden Klasse, er schildert das reaktionäre tschechische
-Offizierkorps, weist auf Zeugnisse tschechischer Offiziere hin, aus
-denen klar hervorgeht, daß sie die Verbindung mit den S.R. suchten und
-gemeinsam mit weißen Offizieren arbeiteten. Er führt die belastenden
-Aussagen der Prozeßzeugen Pascal, Mariski und Dworschets an. Der Zeuge
-Dworschets hatte bekundet, daß die S.R. nur mit Hilfe der
-Tschechoslowaken in Samara ihre Macht behaupten konnten. Die S.R. Partei
-war mit Hilfe der Tschechoslowaken der Kernpunkt, um den sich die ganze
-russische Gegenrevolution sammelte. Infolgedessen trägt die S.R. Partei
-die volle Verantwortung für alle Opfer des Bürgerkrieges; für das Blut
-der Arbeiter und Bauern, für das Blut der Rotarmisten, das an allen
-Fronten des Bürgerkrieges vergossen wurde. Die gegenrevolutionäre
-Haltung der S.R. Partei nützten auch die Sozialpatrioten der
-westeuropäischen Staaten aus, und nur mit ihrer Hilfe gelang es der
-Bourgeoisie Westeuropas, die durch den Krieg erschütterte
-kapitalistische Ordnung vorübergehend zu befestigen.
-
-Ich werde mich nicht auf irgendeinen Gesetzesparagraphen berufen, indem
-ich die Bestrafung der Angeklagten fordere, da ja die Arbeiterklasse
-Rußlands und das revolutionäre Proletariat Europas bereits sein Urteil
-fällte, ohne das Urteil des Obersten Revolutionären Tribunals
-abzuwarten.
-
-Das Urteil des revolutionären Proletariats lautet: „Vollständiger
-politischer Tod der S.R. Partei!“ Wie immer das Urteil des Obersten
-Tribunals ausfallen sollte, es kann nicht so streng werden, als das
-bereits gefällte Urteil des revolutionären Proletariats aller Länder.
-
-Die S.R. Partei hat sich mit ihren Handlungen ein tiefes Grab
-geschaufelt. Das internationale Proletariat stößt sie mit seinem Urteil
-in dieses Grab, und dem Obersten Tribunal bleibt nichts übrig, als über
-dem Leichnam der S.R. Partei das Grabmal zu errichten.
-
-Am nächsten Tage begründet Krylenko als „Oberster Ankläger“ in einer
-ununterbrochenen zehnstündigen Rede sämtliche Anklagepunkte: Das
-proletarische Gericht hat die Aufgabe, den Arbeiterstaat gegen
-verbrecherische und gefährliche Handlungen zu verteidigen. Dieser Prozeß
-ist nicht da, um Rache zu üben, sondern um Verbrechen zu sühnen, zu
-unterbinden, zu verhüten. Einige Angeklagte haben selbst erklärt, daß
-sie auf das Recht, Aufstände gegen die Sowjetmacht zu organisieren,
-nicht verzichten werden. Vom Standpunkte des revolutionären Rechtes aus
-hätte das Gericht nach dieser Erklärung sofort den Prozeß abbrechen und
-die Frage umgehender Anwendung sozialer Schutzmaßregeln in Erwägung
-ziehen können.
-
-Krylenko hält es für bewiesen, daß die S.R. schon in den ersten Tagen
-der Oktoberrevolution in den vordersten Reihen der bürgerlichen
-Bataillone standen; er hält es für bewiesen, daß die S.R. Gelder von der
-Entente erhielten, und beruft sich auf das Geständnis des Angeklagten
-Lichatsch, er hält ihnen die konspirative Verbindung mit bürgerlichen
-Verbänden vor, die Zersetzungsversuche in der Roten Armee und ruft
-erregt aus: „Die Arbeiter und Bauern Rußlands werden Ihnen schon ihre
-Rechnung vorlegen! Wir werden mit Ihnen nicht scherzen! Es handelt sich
-um den Schutz und die Verteidigung des proletarischen Staates, für den
-so viel Blut geflossen ist, und für den wir alle unser Leben eingesetzt
-haben!“
-
-Die Verbindung mit der Entente erstrebte den Sturz des neuen Staates;
-die S.R. stellten mit Vertretern der Entente gemeinsame Programme auf:
-Die Entente sendet Offiziere und Techniker und liefert Sprengmittel. Die
-S.R. sprengen Brücken, Eisenbahnen; organisieren den Terror. Krylenko
-schildert die Aufstände der S.R. in Samara, Archangelsk und in der
-Ukraine, im Don- und Kubangebiet, er verweist auf die Dokumente des
-„Administrativen Zentrums,“ aus denen hervorgeht, daß die Partei bis in
-die letzte Zeit hinein am Sturz der Sowjetmacht gearbeitet hat.
-
-„Ich stelle jetzt die Fragen, ob die Angeklagten eine für die
-Sowjetrepublik gefährliche Tätigkeit ausgeübt haben oder nicht, und ob
-ihnen gegenüber die Maßnahmen angewendet werden sollen, die gegen
-Personen, die die Sicherheit des Staates bedrohen, vorgesehen sind.“
-
-Beide Fragen beantwortet Krylenko mit Ja.
-
-Er geht dann zur terroristischen Tätigkeit der Partei der S.R. über, und
-stellt an Hand von Dokumenten und Zeugenaussagen fest, daß die
-Mitglieder des Zentralkomitees der Partei der S.R. für die
-terroristische Tätigkeit der Partei voll verantwortlich sind.
-
-Für die Angeklagten der ersten Gruppe – mit Ausnahme von drei
-Angeklagten – fordert Krylenko die Anwendung des höchsten Strafausmaßes.
-„Das Revolutionstribunal ist ein Organ des Klassenkampfes der
-Arbeiterklasse, das gegen die Feinde des Proletariats gerichtet ist, und
-aus diesem Grunde kann es für die Angeklagten der ersten Gruppe, mit
-Ausnahme jener, die ich schon genannt habe, nur eine Strafe geben: den
-Tod durch Erschießen. Für alles Blut, alle Schrecken, alle Leiden, die
-wir in Laufe von fünf Jahren erdulden mußten, und die von ihnen
-wissentlich verursacht wurden. Die Angeklagten haben hier erklärt, daß
-sie auch in Zukunft alle ihre Kräfte darauf richten wollen, jenes Werk,
-für das wir nun schon fünf Jahre lang kämpfen, zu vernichten. Wir haben
-das Recht auf Selbstschutz und Selbstverteidigung.“
-
- * * * * *
-
-Die Angeklagten erheben sich zum letzten Waffengang. Fast ein jeder
-ergeht sich in stundenlangen, sehr eingehenden Ausführungen; vielleicht
-zum letzten Male bietet sich ihnen Gelegenheit, in aller Öffentlichkeit
-mit ihren Feinden abzurechnen, im Saale sitzen Verwandte und Freunde,
-sie haben ein kleines Publikum, das mit ihnen sympathisiert und ihr
-Testament weiterverkünden wird. Sie verteidigen noch einmal ihre
-Positionen, die von ihnen in der Februarrevolution so leicht erobert
-wurden, wie sie ihnen wieder verloren gingen. Sie vermeiden es, sich
-allzu sehr in Einzelheiten zu verlieren und schieben den Kampf mit ihren
-Gegnern auf die Plattform der großen Auseinandersetzung zwischen
-Demokratie und Diktatur, zwischen Klassenausgleich und Klassenkampf. Sie
-leugnen nie, daß sie Feinde dieses Staates sind, vor dessen Gericht sie
-stehen müssen, und dem sie nur Rede stehen, weil sie ihrer Partei dienen
-zu können glauben.
-
-Hendelmann, ehedem Rechtsanwalt, der im Prozeß Anklägern und Tribunal
-oft Schwierigkeiten bereitet hatte, erhebt nochmals prozessuale
-Einwände, schützt das Zentralkomitee vor der Anklage, daß es den Terror
-sanktioniert habe – im Gegenteil: die Partei habe stets den
-Massenaufstand propagiert, das geplante Attentat auf den Zug Trotzkis
-wäre eine „bloße Demonstration“ gewesen, mit der Organisierung eines
-Attentats auf Lenin hätte sich die Konoplewa nur wichtig machen wollen,
-Wolodarskis Ermordung sei ein rein individueller Akt der
-Kampforganisation Semjonow gewesen; in der Frage der Expropriationen
-kann Hendelmann nichts bestreiten, er versucht den Eindruck nur
-abzuschwächen: es habe sich nur um ... simulierte Expropriationen
-gehandelt; den Einbruch ins Postamt habe man mißbilligt ... Krylenko
-unterbricht Hendelmann mit der Frage: „Weshalb habt ihr das Verbot des
-Terrors und der Expropriationen nicht in aller Öffentlichkeit
-kundgegeben, weshalb habt ihr Semjonows Gruppe nicht aufgelöst?“ Und
-Hendelmann weicht aus.
-
-„Ich ersuche das Tribunal, über sämtliche Mitglieder der ersten Gruppe
-dasselbe Urteil zu fällen, denn keiner wünscht den anderen zu
-überleben!“
-
-Der Angeklagte Lichatsch, Organisator des Aufstandes im Gebiet von
-Archangelsk, verzichtet aufs Wort.
-
-Timofejew eröffnet seine Rede mit einer Erklärung:
-
-„Ich erkläre kategorisch, daß Ihr von uns weder Reue noch Versöhnung
-noch Lossagung von unserer Vergangenheit erwarten sollt. Krylenko
-bezeichnete uns als Rückfällige. Ja, wir sind rückfällig von Eurem
-Gesichtspunkte. Wir bestehen auf unserem früheren Standpunkte, und in
-dieser Hinsicht sind wir reuelose Rückfällige.“
-
-Die Verhandlungen mit Ententevertretern gibt er zu, den Empfang von
-Geldern bestreitet er. Aber: „Die Landung der Verbündeten in Archangelsk
-war uns willkommen! Denn ihr Ziel war die Fortsetzung des Krieges gegen
-Deutschland, und nur aus diesem Grunde traten wir mit der Entente in
-Verbindung. Wir haben nichts zu bereuen, wir leugnen unsere
-Vergangenheit nicht.“
-
-Gotz gibt einen historischen Abriß der russischen Revolution und
-beleuchtet von Fall zu Fall die Niederlage der S.R. Die
-Verteidigungsrede von Gotz schildert das Fiasko der ganzen Partei: Wir
-hatten keine Kräfte in entscheidenden Augenblicken, das Militär war
-nicht für uns, die Massen waren nicht auf unserer Seite. „Wir haben eine
-richtige Politik geführt, und künftig werden wir ebenso arbeiten wie
-bisher ...“
-
-Eugenie Ratner versucht die Partei von dem Vorwurf des Kleinbürgertums
-zu befreien, Rakow wehrt sich gegen die Behauptung, die Partei habe die
-Interessen der Großbourgeoisie wahrgenommen, er rühmt die Haltung der
-Partei gegen Koltschak und bestreitet die Verbindung mit dem
-Banditenführer Antonow im Gouvernement Tambow.
-
- * * * * *
-
-Als erster Verteidiger erscheint der junge Advokat Tschlenow,
-Verteidiger der Konoplewa und Daschewkis, die zur zweiten Gruppe der
-Angeklagten gehörten.
-
-Seine Aufgabe bestehe darin, seine Klienten vom Vorwurf der Provokateure
-und Verräter zu befreien.
-
-Die erste Gruppe stellt eine kollektive Einheit dar, repräsentiert das
-Z.K. der Partei. Dies Z.K. veröffentlichte in den Zeitungen, daß keine
-einheitliche Parteiorganisation zu den terroristischen Akten Beziehungen
-hatte. Kann man unter solchen Umständen Aussagen erwarten, durch die sie
-feststellen würden, daß das Z.K. lügt? In dieser Frage sind sie alle
-gebunden und werden die Wahrheit um so weniger sagen, da sie das
-Tribunal als ihre Feinde betrachten.
-
-Sie selbst machten vor dem Prozeß keine Aussagen, und hier handeln sie
-geschlossen nach den Direktiven des Z.K.; deshalb ist es
-selbstverständlich, daß in ihren eigenen Aussagen keine Widersprüche
-erscheinen können. Um so schlimmer, wenn man einige Widersprüche in
-ihren Aussagen findet.
-
-So kann man sich auf E. Iwanowa berufen. Sie benahm sich recht
-lächerlich, aber sie benahm sich so, weil es die Interessen der Partei
-erfordern. Sie hat schon einmal eine Aussage vor der Tscheka abgegeben.
-Was hat sie dort ausgesagt? Parteizugehörigkeit: Sie gehöre keiner
-Partei an. Ferner: Bitte mich nicht zu verhören, da ich nicht normal
-bin. Endlich: Ich bin eine Anhängerin der Sowjetmacht, aber habe in
-manchen Beziehungen andere Ansichten, als die Kommunisten.
-
-So muß angenommen werden, daß die Angeklagten als Parteimitglieder alle
-Tatsachen ableugnen, die ihnen unangenehm sind. Daher stammt die
-Theorie: Wer ein anständiges Parteimitglied sein will, der darf keine
-unangenehmen Aussagen machen; wer aber solche Aussagen macht, ist ein
-Verräter. „In diesem Falle dürfen Sie aber nicht verlangen, daß das
-Tribunal Ihnen Glauben schenken soll. Und wenn sich einige in Ihrer
-Partei enttäuscht fühlten und zu den Kommunisten übergingen, wie sollten
-sie Unwahres aussagen, wenn sie damit beginnen, daß sie die schwersten
-Verbrechen auf sich nehmen.“
-
-Angenommen aber, daß Semjonow und Konoplewa nicht die Wahrheit gesagt
-hätten, könnte Hendelmann auch in diesem Falle nicht behaupten, daß die
-terroristischen Akte ohne Billigung des Z.K. durchgeführt wurden.
-
-Die kriegerischen Reden Tschernows und der Eugenia Ratner auf dem
-Vierten Parteikongreß und der dort veröffentlichte Brief Gotz’, in dem
-er für den Fall der Auflösung der Konstituante mit der Anwendung „der
-alterprobten Taktik“ droht, sind natürlich noch kein Beweis dafür, daß
-der Vierte Kongreß der Sowjetmacht den terroristischen Krieg erklärt
-hat. Aber diese Drohung mit dem Terror hatte in den Reihen der
-Parteimitglieder eine terroristische Stimmung hervorgerufen. Es waren
-keine Beschlüsse über den Terror da, aber die einzelnen Mitglieder des
-Z.K. haben sich so benommen, daß in den aktivsten Elementen der Partei
-die tiefe Überzeugung erweckt wurde, der Terror wäre nützlich und vom
-Z.K. gebilligt.
-
-In den Statuten der Kampforganisation heißt es: daß die
-Kampforganisation den bereits begonnenen terroristischen Akt auch gegen
-das Verbot des Z.K. durchführen könne, und daß der Führer sich nur mit
-einem Z.K.-Mitglied und nicht mit allen Z.K.-Mitgliedern ins
-Einverständnis zu setzen brauche. Deshalb war es nicht notwendig, daß
-Semjonow den Fall außer mit Gotz noch mit anderen besprach.
-
-Die Untersuchung stellte fest, daß mehrere Z.K.-Mitglieder, wie Iwanow,
-Tschernow und Gotz, den Terror gegen die Vertreter der Sowjetmacht
-prinzipiell anerkannt haben.
-
-Sehr interessant ist die Geschichte des Verbesserungsantrages Zumgins
-zur Resolution Tschernows über den Terror. Merkwürdigerweise erinnern
-sich dessen alle angeklagten Mitglieder des Z.K. nicht, obwohl dieser
-Fall durch Burewitschs Aussagen festgestellt wurde.
-
-Nach Annahme der Tschernowschen Resolution wird sie nicht
-veröffentlicht. Und als man die Angeklagten über die Ursache dieser
-Verheimlichung fragte, antwortete Gotz, daß es auch Sachen gebe, die das
-Gericht nicht zu wissen brauchte. Hendelmann gab eine andere Antwort:
-Die Parteimitglieder waren nicht terroristisch gestimmt, deshalb lag
-kein Grund zur Veröffentlichung der Resolution vor. Wenn aber eine
-solche Resolution angenommen wurde, so beweist das doch, daß eine solche
-Stimmung vorhanden war.
-
-Nehmen wir das erste Attentat auf Lenin. Da wurde nach Aussagen Jefimows
-und Rabinowitschs das Moskauer Büro des Z.K. befragt. Dieses Attentat
-versuchten die Angeklagten als eine Operette hinzustellen. Die
-Mitglieder des Z.K. erklären, daß sich sehr viele Parteimitglieder an
-sie wandten, mit dem Vorschlag, terroristische Aktionen zu organisieren.
-
-Und wenn das Z.K. von einer solchen Stimmung nichts wußte, hätte es sich
-nach der Ermordung Wolodarskis und nach dem Attentat auf Lenin von ihrem
-Vorhandensein überzeugen können. Man schoß. Es gab Opfer. Kann man von
-Stimmungen sprechen? Es handelt sich um Tatsachen. Den Terror offen zu
-erklären, war nicht erwünscht, aber wenn jemand einen terroristischen
-Akt durchführte, mit dem das Z.K. sich nicht solidarisch zu erklären
-brauchte, so war das dem Z.K. sehr angenehm.
-
-Aus dem Vergleich der Aussage Rabinowitschs mit den Aussagen Gotz und
-Semjonows geht klar hervor, daß die Ermordung Wolodarskis mit Kenntnis
-des Z.K. durchgeführt wurde, obwohl zu einer äußerst ungelegenen Zeit,
-da sie die Wahlkampagne der S.R. sehr ungünstig beeinträchtigte.
-
-Auch das zweite Attentat auf Lenin wurde mit Kenntnis und Einverständnis
-des Z.K. unternommen. Usow, Fedorow, Kozlow, Subkow und anderen waren
-die Sanktionen des Z.K. bekannt. Und zwar nicht nur durch Semjonow,
-sondern auch durch E. Iwanowa. Besonders Iwanowa überredete Usow, daß er
-auf Lenin schießen solle. Dem Z.K. schien es besonders notwendig, das
-Attentat später als Symptom des Volkszornes hinstellen zu können. Die
-Angeklagten Gotz, Hendelmann und andere wundern sich, weshalb Semjonow
-die terroristischen Akte mit Donskoj und Gotz und nicht auch mit
-Timofejew besprochen habe. Das ist nicht verwunderlich. Nicht alle
-Mitglieder des Z.K. waren Anhänger des Terrors; nur einige. Und die
-Anhänger des Terrors verbargen ihre terroristischen Bestrebungen vor den
-übrigen Mitgliedern und handelten hinter ihrem Rücken. Timofejew war
-Gegner des Terrors. Deshalb hat man ihm die terroristischen Pläne nicht
-mitgeteilt. Deshalb hat man Semjonow nicht zu ihm gelassen. Semjonow war
-ein Werkzeug in den Händen derjenigen Mitglieder des Z.K., die für den
-Terror waren. Diese Mitglieder dachten: Gelingt es nicht, kann man es
-ableugnen, und der Partei wird kein Schaden erwachsen. Gelingt es aber –
-die Sieger verurteilt man nicht.
-
-Auf die Uneinigkeit in den Reihen der S.R. weist der Verteidiger
-Semjonows, Schubin, hin. Auch er erklärt die Verdunkelungsversuche in
-der Terrorfrage ähnlich wie Tschlenow: _Das Z.K. war in der Frage des
-Terrors nicht einig. Ein Teil war für, der andere gegen den Terror._ Die
-Anhänger des Terrors handelten selbständig, ohne die Gegner des Terrors
-in ihre terroristischen Pläne einzuweihen.
-
-Noch ein charakteristischer Umstand. _Weshalb zog Timofejew Semjonow
-nicht zu den Sprengungsarbeiten heran, sondern organisierte die
-Spezialabteilung Davidows? Weil die Kampforganisation eigene Aufgaben –
-die terroristischen Aktionen – gehabt hat._ Außerdem mußte die
-Sprengungsabteilung mit den Verbündeten in Verbindung treten, und
-_Semenow war offensichtlich kein Anhänger der Beziehungen zu den
-Verbündeten, besonders war er kein Anhänger des Geldempfangens von
-ihnen_. Die _angeklagten_ Z.K.-Mitglieder berufen sich selbst auf das
-Buch Semjonows und anerkennen alles das, was man nicht mehr ableugnen
-kann. Sie gestehen die _Expropriationen in Buja_ und die _ganze
-Kriegstätigkeit_. Aber das, was _ihnen_ unangenehm ist, und was _man_
-ableugnen _kann_, _verwerfen_ sie. Die objektive Logik der Dinge sagt
-uns aber, daß die angeklagten Z.K.-Mitglieder die Lossagung vom zweiten
-_Teil der Semjonow-Broschüre_ nicht _begründen_ können.
-
-Hendelmann erklärte in seiner Verteidigungsrede, daß die in der
-Semjonowschen Broschüre angeführten Tatsachen der Sowjetmacht schon
-längst vor der Herausgabe der Broschüre bekannt waren, daß sie es aber
-nicht für möglich hielt, die Angaben Semjonows auszunützen, und gegen
-die S.R. Partei eine Gerichtsverhandlung zu eröffnen. Diese Erklärung
-Hendelmanns ist Unsinn. Es ist doch nicht denkbar, daß die Sowjetmacht,
-die über die Beteiligung bestimmter Personen an terroristischen Aktionen
-gegen Wolodarski, Lenin und Trotzki unterrichtet gewesen wäre, die
-Attentäter auf freiem Fuß gelassen hätte, ohne gegen sie gerichtlich
-einzuschreiten.
-
-Weshalb schrieb Semjonow seine Broschüre? Er war im Auslande, er sah,
-wie das administrative Zentrum gegen die Sowjetmacht arbeitet, und
-welchen Schaden es der Revolution bereitet. Diese Tätigkeit wollte
-Semjonow durch seine Enthüllungen verhindern.
-
-Vor dem Obersten Tribunal sitzt derselbe Semjonow, der Wolodarski
-ermordet, der auf Lenin geschossen hat. Wenn in ihm der alte Semjonow
-nicht vernichtet ist, dann muß der auf der Anklagebank sitzende Semjonow
-vernichtet werden. Wenn aber der alte Semjonow sich selbst vernichtet
-hat, und vor uns hier ein neuer Semjonow sitzt, dann muß diesem neuen
-Semjonow das Leben erhalten werden, da die Revolution dessen Leben
-bedarf.
-
- * * * * *
-
-_Stawskaja_ war die Tochter eines unteren Beamten, ein hübsches,
-schlankes Mädchen mit kleinem lieblichen Gesicht und schwarzen Haaren.
-Die Achtjährige muß schon ihr Brot selbst verdienen. Die Fünfzehnjährige
-ist Mitglied der S.R. Partei. Und mit 18 Jahren versucht sie den
-zaristischen Gouverneur von Jekaterinoslaw zu erschießen, man macht ihr
-den Prozeß, sperrt sie drei Jahre lang in den Kerker, „begnadigt“ sie zu
-zwanzigjähriger Zwangsarbeit. Erst die Februarrevolution schenkt ihr die
-Freiheit wieder, sie fährt in die Krim, folgt den Parolen der S.R.,
-tritt aus Empörung über den Brester Vertrag in die Kampforganisation
-Semjonows, vollführt seine Befehle. Aber auf die Kunde des Verhaltens
-der S.R. Partei zu den terroristischen Anschlägen bekennt sie sich: Dies
-ist nicht mein Weg. Und da ist _Usow_, dessen Familie seit Jahren eng
-mit den S.R. verwachsen ist. Mit 16 Jahren ist er Mitglied der Partei,
-und außer der Partei hat für ihn nichts mehr existiert. Er war Arbeiter,
-von Mißtrauen gegen die Intellektuellen erfüllt, ihm wollte man den
-Revolver in die Hand drücken, um auf Lenin zu schießen – er konnte es
-nicht und brach zusammen – er, der Arbeiter, konnte nie und nimmer auf
-Lenin schießen, obschon es die Intellektuellen verlangten. Er verließ
-die Partei, kehrte unter die Masse zurück, arbeitete in der Fabrik und
-wollte büßen. Hernach ist er Rotarmist, Mitglied der R.K.P., aber erst
-nach der Publikation von Semjonows Broschüre macht er sein Geständnis.
-Er kann nicht schweigen.
-
-Der alte polnische Sozialist Felix Kon, ein hagerer Hüne mit wallenden
-weißen Haaren und einer gewaltigen Stimme, verteidigt diese beiden
-Menschen, schilderte ihre Herkunft, ihre Tragik und forderte
-Freisprechung, denn „Ihr müßt ihnen durch Euer Urteil nicht nur das
-Leben, sondern auch ihre revolutionäre Ehre zurückgeben.“ Der Georgier
-Katanjan sprach für den Terroristen Jefimow, der vor langen Jahren mit
-Gotz in Zwangsarbeit gewesen war. Gotz kennt Jefimow sehr gut, er hält
-ihn für einen ehrlichen Menschen. Katanjan bemüht sich, den Beweis zu
-führen, daß Jefimow die Wahrheit gesagt hat. Er war Mitglied einer
-Terrorgruppe, aber als er die Richtung erkannte, in der sich die Politik
-der S.R. bewegte, trat er aus der Partei aus. Katanjan plädiert für
-Freispruch.
-
-Nun der blonde, bewegliche Bucharin: klein von Gestalt, aber immer
-geladen mit Energien, so daß man zu glauben scheint, jeden Augenblick
-wird eine Bombe explodieren; immer im Angriff, verschwenderisch in
-seiner Satire, seiner Laune, seinem Hohn und seiner Boshaftigkeit. Er
-war der „Allgemeine Verteidiger“ der zweiten Gruppe der Angeklagten. In
-seiner Rede führte er in großen Zügen aus, was die S.R. und Bolschewiki
-unterscheidet, es ist ein Sondergericht über die ganze Politik der S.R.
-Partei, die nach Bucharin vom Ausbruche des Weltkrieges an durch Verrat
-gekennzeichnet ist. Ihm liegt daran, zu beweisen, auf welchen Stühlen
-vor Gericht die wahren Verräter sitzen.
-
-„Es kam mir gelegen, daß Eugenia Ratner hier die Zimmerwalder und
-Kientaler Konferenzen erwähnt hat, denen auch Victor Tschernow
-beiwohnte. Auf der Zimmerwalder und Kientaler Konferenz wurden zwei
-Grundsätze angenommen: erstens keine Abstimmung für Kriegskredite und
-zweitens keine Teilnahme an einer bürgerlichen Regierung.
-
-Die anwesenden Vertreter der S.R. Partei schlossen sich diesen
-Resolutionen an. Folglich: wenn eine Parteiorganisation sich
-sozialistisch nennt, und auf der Zimmerwalder Konferenz erklärt, daß sie
-an keiner bürgerlichen Regierung teilnehmen und in der Periode des
-imperialistischen Krieges für keine Kriegskredite stimmen wird – wenn
-eine solche Parteiorganisation dies später dennoch tut, so ist sie ein
-Verräter am Sozialismus.
-
-Bürgerin Ratner! Sie müssen zugeben, daß Ihre Partei, kaum einige Monate
-nach der Zimmerwalder Konferenz, beide Punkte auf die beschämendste
-Weise verraten hat. Ihre Partei nahm bei der erstbesten Gelegenheit an
-einer Koalitionsregierung teil. Ihre Partei nahm an einer
-imperialistischen Regierung teil, deren imperialistischer Charakter von
-niemandem bestritten werden kann. Dadurch habt Ihr den einen Punkt der
-Resolution verraten.
-
-Und wenn Ihr jetzt sagen wollt, daß Ihr keine formelle Erklärung, keine
-formelle Abstimmung bezüglich der Kriegskredite abgegeben habt, so wird
-dieser Umstand durch die Junioffensive aufgehoben, zu der Euch Mister
-Buchanan gezwungen hat. Wenn Ihr dabei nicht vom bösen Willen geleitet,
-sondern einfach gefoppt wurdet, so habt auch den Mut, das hier offen zu
-gestehen.“
-
-Weshalb fühlen die S.R. sich der II. Internationale so sehr verbunden?
-Hat Tschernow nicht erklärt, die II. Internationale sei tot und werde
-nie wieder auferstehen? weshalb erklärt hier Timofejew, sie ist wieder
-auferstanden? Die II. Internationale hat Berge von Verbrechen an der
-Arbeiterklasse aufeinander getürmt. Vielleicht besteht Eurer Meinung
-nach die Korrektur der Stellungnahme der II. Internationale darin, daß
-ihr Vertreter, Bürger Vandervelde, den niederträchtigsten
-Friedensvertrag der Geschichte, den Versailler Vertrag unterzeichnet
-hat, bei dessen Anblick man vor Scham vergehen muß. Oder erblickt Ihr
-vielleicht den Glorienschein über dem Haupte der II. Internationale
-darin, daß die Regierung der deutschen Sozialdemokratie, eine der
-wichtigsten Organisationen der II. Internationale, Rosa Luxemburg
-ermordet hat?
-
-Nein, es wird Euch nicht gelingen zu beweisen, daß die II.
-Internationale ihre Stellung auch nur um ein Haar geändert hat. Im
-Gegenteil, ihre Handlungen seit Kriegsende sind noch viel
-niederträchtiger, noch viel schmutziger, tausendmal verbrecherischer als
-ihr Verrat bei Kriegsausbruch.
-
-Werfen wir jetzt einen Blick auf die inneren Verhältnisse der Partei.
-Eugenia Ratner hat uns den General Krasnow, diese schöne Figur der
-russischen Gegenrevolution geschildert: Ich kann sagen, daß die Welt
-einen solchen Terror gegen das Proletariat und hauptsächlich gegen das
-Bauerntum, wie es der Terror Krasnows in Rostow und Umgebung war, noch
-nie gesehen hat. Und jetzt bitte ich Euch, Genossen Richter, Euch dessen
-zu erinnern, daß es derselbe Krasnow war, mit dem Gotz seinen Feldzug
-zur Erwürgung der revolutionären Arbeiter Petrograds führen ließ. Bürger
-Gotz hat mit dem Krasnowschen Heer die größten und fortgeschrittensten
-revolutionären Kräfte angegriffen, die sich auf dem Gebiete des frühern
-russischen Imperiums befanden. Diese Aktion ist die beste Charakteristik
-der S.R. Partei.
-
-Was die „äußere Politik“ – wir nennen sie einfach Spionage – der S.R.
-Partei betrifft, so sehen wir hier die S.R. Partei an einem Tische mit
-Dumas, mit Ehrlich und anderen Vertretern des französischen
-Imperialismus, die die S.R. Organisationen mit Geld und Sprengmaterial
-versorgt haben.
-
-Als den S.R. hier vorgeschlagen wurde, die Tätigkeit des Administrativen
-Zentrums entweder anzuerkennen oder aber zu verurteilen, erklärte Gotz,
-daß sie sich unter Drohungen nicht lossagen können. Und der Angeklagte
-Hendelmann gab seinem Zweifel an der Echtheit der Dokumente Ausdruck und
-berief sich auf den Kölner Kommunistenprozeß. Dort erklärten aber die
-Kommunisten kategorisch, daß die Londoner Dokumente Fälschungen seien.
-Sie gaben nicht ablehnende und zweideutige Erklärungen ab. Dasselbe
-sollten auch die Angeklagten des Prozesses tun.
-
-Es gibt hier nur drei Möglichkeiten: Entweder sind die Dokumente falsch,
-dann müssen es die Angeklagten gerade heraus, kategorisch erklären, um
-die Falschheit derselben zu beweisen. Wenn aber die Dokumente echt sind,
-dann müssen sie entweder ihre Solidarität mit diesen Dokumenten ehrlich
-erklären oder aber sich offen auf den Standpunkt stellen, daß sie mit
-den in diesen Dokumenten figurierenden Personen nichts gemein haben, daß
-daher also diese Personen als einfache Provokateure zu betrachten sind.
-Und wenn ein Teil der Dokumente echt, ein anderer Teil falsch ist, dann
-müssen die Angeklagten erklären, daß sie den echten Teil der Dokumente
-entweder anerkennen oder sich von ihm lossagen und beweisen, daß der
-andere Teil der Dokumente tatsächlich falsch sei.
-
-Die Angeklagten aber haben weder das eine, noch das andere getan. Weder
-anerkannten sie die Dokumente, noch sagten sie sich von ihnen los.
-Anzuerkennen wagten sie diese Dokumente nicht, sich von ihnen lossagen
-konnten sie nicht, da sie noch bis heute mit dem Administrativen Zentrum
-in Verbindung stehen.
-
-Es ist festgestellt worden, daß das Moskauer Zentralbüro der S.R. Partei
-mit dem Administrativen Zentrum in Verbindung steht und von ihm Geld
-erhält. Wenn sie sich also lossagen wollten, so hätten sie sich vom
-_ganzen übrigen Teil der eigenen Partei lossagen müssen_.
-
-Von dem Standpunkte jenes Kriteriums, das der Zimmerwalder und Kientaler
-Konferenz zum Ausgangspunkt diente, hat sich die S.R. Partei sowohl in
-ihrer inneren, wie auch in ihrer äußeren Politik als systematische
-Verräterin der Interessen der Arbeiterklasse und des Sozialismus
-erwiesen. Und wenn sich in dieser Partei einige Leute befinden, die auf
-Grund ihrer sozialen Abstammung mit diesem systematischen Verrat eine
-Zeitlang sympathisierten, im Laufe ihrer weiteren Entwicklung aber die
-Verräter preisgaben, so haben sie ein nützliches Werk geleistet.
-
-Wenn eine bestimmte Gruppe, nachdem sie aus der S.R. Partei austrat, den
-Verrat enthüllte, veröffentlichte und ihre Führer an den Pranger
-stellte, so ist das ein historisches Verdienst. Vom Standpunkte der
-moralischen Rehabilitation könnt Ihr denken, was Ihr wollt. _Uns
-interessiert nur, was vom Standpunkte der internationalen Revolution und
-der revolutionären Arbeiterklasse nützlich und richtig ist._
-
-Seit der Oktoberrevolution wart Ihr unter dem Pseudonym „Komitee zur
-Rettung des Vaterlandes und der Revolution“, dann als „Verband der
-Wiedergeburt“ und schließlich als „Komitee der Konstituante“ tätig. Nach
-der Auflösung der Konstituante kam es so, daß jede zwei S.R., die zwei
-Tage lang Mitglied der Konstituante waren, hier und da eine Macht
-gründeten und sich für eine Staatsmacht hielten, für die die Partei
-keine Verantwortung trägt. Es ist ganz natürlich, daß, sobald in letzter
-Zeit die Möglichkeit unter fremdem Namen in Rußland aufzutreten schwand,
-Ihr Euch im Auslande ein Pseudonym schaffen mußtet und Ihr habt es Euch
-geschaffen. Es verblieb Euch die merkwürdige „Pariser Konstituante“ und
-das „Administrative Zentrum“.
-
-Bei einer flüchtigen Analyse der S.R.-Spitzen muß eine besondere
-Tatsache in die Augen fallen: In keiner revolutionären oder
-pseudo-revolutionären Gruppierung kann man unter den führenden Kreisen
-soviel Millionäre finden wie in der S.R. Partei. Vandervelde ist auch
-ein Millionär und sprach hier vor dem Gericht im Namen seiner Millionen
-und nicht im Namen von Millionen Arbeitern. Was die S.R. Partei
-betrifft, so ist _Gotz Inhaber einer Handels- und Industrie-Firma,
-Gunakow macht in Brillanten, Rabinowitsch war Inhaber einer Pelzfirma,
-während Semjonow Eigentümer großer Teeplantagen ist_ usw. usw. Der
-Kernbestand der S.R. Parteiführer geht nicht einfach aus den Familien
-der demokratischen Intelligenz, sondern aus den Familien des
-Großkapitals hervor. Der Umstand, daß in die S.R. Partei auch Arbeiter
-und Bauern eingetreten sind, bedeutet nichts anderes, als daß in einer
-bestimmten geschichtlichen Periode die Handels- und Industriebourgeoisie
-und andere bürgerliche Gruppierungen versuchen, mit den Massen in
-Verbindung zu treten. Während des Kampfes gegen den Zarismus versuchten
-diese Gruppierungen einerseits die Intelligenz auszunützen, andererseits
-sich auf das Bauerntum und teilweise auch auf die Arbeiterklasse zu
-stützen. Als Resultat entstand eine ihrem sozialen Bestande nach aus
-verschiedenen Elementen zusammengesetzte Gruppierung, die sich S.R.
-Partei nennt. Es war ganz richtig, als sie Bürger Vandervelde hier mit
-den Girondisten verglich, da ja die Girondisten eben eine
-_großbürgerliche Gruppierung_ und nicht eine _Kleinbürger- und
-Bauerngruppe_ waren. Unsere _russischen Girondisten stützen sich_ auf
-dieselbe soziale Basis, und es war nur natürlich, daß sie während der
-proletarischen Revolution ihr eigenes Gesicht gezeigt haben.
-
-Timofejew legt es den Kommunisten zur Last, daß sie als erste den
-Bürgerkrieg begonnen haben. Erinnert Ihr Euch, wie wir in die Revolution
-eingetreten sind? Ihr habt über den ganzen Apparat der Staatsmacht und
-über die ganze Armee verfügt, wir aber waren nur ein kleines Häuflein –
-wie Ihr Euch ausdrückt – deutscher Spione. Wenn man die Lage, von Eurem
-Gesichtspunkte, von dem Gesichtspunkte der freien Konkurrenz, der für
-die Massenorganisation kämpfenden Faktoren aus betrachtet, so waren alle
-Vorteile dieses Kampfes auf Eurer Seite. Trotzdem wurdet Ihr geschlagen.
-Und wenn wir dann, als wir an der Macht waren, die Euch verhaßte Tscheka
-gegründet haben, so geschah das erst später. In dieser ungeheueren
-Gärung hat nur diejenige Kraft das Recht zur geschichtlichen Existenz,
-die in der gegeebenen historischen Phase das Land _organisieren, über
-das Land regieren kann. Weder Nikolaus II. noch Ihr, noch die
-Bourgeoisie konnten regieren._
-
-Ich erlaube mir, einen Freispruch für die ganze zweite Gruppe zu
-fordern, schon aus dem Grunde, weil Ihr, Mitglieder des Revolutionären
-Tribunals, ja selbst erklärt habt, daß für Euch der Wille des
-organisierten Proletariats nicht gleichgültig ist. Und das zu fordern,
-beauftragte mich – wenn auch nicht formell – die Masse der organisierten
-Arbeiter. Die Demonstration vom 20. Juni gab mir dieses Mandat. Ich
-wandte mich damals an die Masse der demonstrierenden Arbeiter mit der
-Frage, ob sie es für richtig halte, daß wir diese und diese Leute
-verteidigen, und diese proletarische Riesenmasse antwortete: „Ja, Ihr
-seid verpflichtet, es zu tun.“
-
-Und nun im Namen dieser Arbeitermassen, die unsere Stellungnahme
-billigen, fordere ich einen Freispruch für alle meine Klienten ohne
-Ausnahme.“
-
-Nach einer kurzen Rede von Sadoul, der für ein mildes Urteil plädiert,
-folgt eine Replik des Staatsanklägers Lunatscharskis, in der er auf
-verschiedene Einwände der Angeklagten eingeht und besonders ausführlich
-auf den Vorwurf Gotz’ zu sprechen kommt, die Absicht wäre, durch diesen
-Prozeß die S.R. Partei zu vernichten: „Gotz sagt: Ihr wollt unsere
-Partei ermorden!“ Ja, ja, wir wollen es! Dieser Prozeß verfolgt dies
-Ziel. Wir werden die Partei vernichten! Denn sie ist schädlich,
-abscheulich und lächerlich, ihre Unreife und Unerfahrenheit, wie jede
-kleinbürgerliche Schichtung, wie jeder Zwerg, der gegen elementare
-Kräfte zu kämpfen gedenkt.
-
-Krylenko hebt in seiner Replik den Unterschied zwischen alter und neuer
-Rechtsauffassung hervor:
-
-„Hendelmann rollte hier die Frage der prinzipiellen, individuellen und
-kollektiven Verantwortlichkeit im strafrechtlichen Sinne auf. Hendelmann
-erwähnte das richtige Prinzip, daß in Strafsachen jeder nur für sich die
-Verantwortung tragen kann. Ein solches Prinzip war in den alten
-zaristischen Gesetzen tatsächlich durchgeführt worden. In unserer
-Strafgesetzgebung existiert aber dieses Prinzip nicht. Im gegenwärtigen
-Prozeß muß die Frage in folgender Weise gestellt werden: _wenn eine
-gewisse führende Körperschaft, die die Tätigkeit aller lokalen
-Organisationen leitet, erklärt, daß sie für die Tätigkeit aller dieser
-Organisationen die Verantwortung trägt, so unterliegen ihre Mitglieder
-einer kollektiven Verantwortung_.
-
-Auf alle kategorischen Aussagen der zweiten Angeklagtengruppe antworten
-die Angeklagten der ersten Gruppe: „Davon ist nichts wahr, das habt Ihr
-alles nur erfunden.“ Ich frage Euch nun, aus welchem moralischen,
-logischen oder politischen Grunde könnt Ihr behaupten, daß sie lügen?
-... Auf die Fragen, die Euch unangenehm sind, antwortet Ihr nicht.
-
-Ich muß noch einmal auf die bereits in meiner ersten Rede behandelte
-Frage des Strafausmaßes zurückgreifen. Ich gehe ausschließlich vom
-Standpunkte der Nützlichkeit oder Gefährlichkeit der betreffenden Bürger
-aus. Mir scheint, daß diese Frage bereits klar vor uns stehen kann. Es
-liegen uns die Erklärungen Gotz, Hendelmanns und Timofejews vor. Gotz
-erklärte: „Wir sterben, aber wenn wir sterben, so sterben wir mutig, und
-wenn wir leben werden, so werden wir so handeln, wie wir bisher
-gehandelt haben.“ Timofejew sagte: „Weder Lossagung noch Reue werdet Ihr
-von diesen Bänken hören.“ Und Hendelmann schloß seine Rede mit der
-Erklärung, daß sie uns tot und lebendig gefährlich sein werden.
-
-Wie sollen wir uns diesen Erklärungen gegenüber verhalten? müssen wir
-oder müssen wir nicht das höchste Strafausmaß anwenden? Kann denn diese
-Frage im Interesse der Staatszweckmäßigkeit anders gestellt werden?
-Nein! Wenn wir um uns blicken, was in der Vergangenheit geschah, so
-sehen wir: Petrograd – Junkeraufstand – Blut; Moskau – Oktoberaufstand –
-Blut. Bei allen Bewegungen in Petrograd wurde Blut vergossen. Ferner:
-die Epoche von Archangelsk, wo während eines ganzen Jahres die
-englischen Kapitalisten herrschten. Auch dort – Blut und Blut. Samara,
-Sibirien, Südrußland – Blut und Blut. Tambow – Blut und Blut. Kronstadt
-– wiederum nur Blut und Blut. Überall, wo die S.R. nur auftraten, war
-nichts anderes als Blut und Blut. Deshalb können wir hier mit einer
-vollständigen Seelenruhe sagen: „Damit in der Zukunft kein Blut oder
-weniger Blut fließe, muß hier Blut vergossen werden.
-
- * * * * *
-
-Die Angeklagten ergreifen – jeder Einzelne – nochmals das Wort zu
-längeren Ausführungen, die sich einen vollen Tag hinziehen; die
-Angeklagten der ersten Gruppe beharren auf ihrer gegnerischen
-Einstellung, bestreiten noch einmal die Sanktionierung des Terrors durch
-das Z.K., verklären die demokratische Idee und bekennen, den Kampf gegen
-die Sowjets nicht ruhen zu lassen. Die Angeklagten der zweiten Gruppe
-bekennen sich nochmals zu ihren Verbrechen an der Revolution und der
-Arbeiterschaft, gestehen ihre Reue und als letzter spricht Semjonow:
-„Meine Verbrechen lassen sich weder rechtfertigen noch wieder gutmachen.
-Mein revolutionäres Gewissen hat mich bereits verurteilt.“
-
- * * * * *
-
-Nach fünftägiger Beratung wird am 8. August 1922 das Urteil des Obersten
-Tribunals des Allrussischen Zentralexekutivkomitees, bestehend aus dem
-Vorsitzenden, Genossen G. L. Pjatakow und den Mitgliedern, Genossen O.
-J. Karklin und A. W. Galkin verlesen.
-
-Man führt die Namen der 34 Angeklagten auf, bemerkenswert ist die Angabe
-der Klassenzugehörigkeit eines jeden Angeklagten, unter den 34
-Angeklagten befinden sich 29 Personen, die bürgerlichen Verhältnissen
-entstammen, Hochschulbildung genossen, in der Marine oder im Heer des
-Zaren gedient haben; einige Personen sind vom Adel, der Angeklagte
-Utgoff ist der Sohn eines Gendarmerieoffiziers, bei Gotz wird
-ausdrücklich vermerkt: Kaufmannssohn, Donskoi, Hendelmann sind die Söhne
-von Ärzten, Semjonow ist der Sohn eines Beamten, L. Konoplewa stammt aus
-einer Lehrerfamilie. Pelewin ist Bauer, nur Usow, Kozlow und Subkow sind
-Arbeiter. Der bürgerliche Charakter der S.R. Partei wird auf diese Weise
-noch einmal besonders grell hervorgehoben. Die Arbeiter und Bauern, für
-die vielleicht die S.R. Partei durch ihre Tradition noch immer von einem
-Schimmer heroischer revolutionärer Tapferkeit umstrahlt war, sollten
-wissen, aus welchen Kreisen diese Führer stammten; das Ziel war
-Entlarvung der S.R. Partei als einer bürgerlichen Partei, die die
-Arbeiterbewegung ins Schlepptau zu nehmen sucht. Immer wieder findet man
-mit allem Nachdruck hervorgehoben: die Bewegung richtete sich gegen die
-Arbeiter.
-
-Das Urteil gibt zunächst eine längere marxistische Analyse der
-revolutionären Bewegung. In den Vordergrund wird der Kampf um den
-Staatsapparat gestellt, dessen sich das Proletariat im Oktober 1917
-bemächtigte. Ihre Vollmacht erhielt die proletarische Regierung vom 2.
-Allrussischen Rätekongreß der Arbeiter- und Bauerndelegierten, er
-bestätigte am 27. Oktober die durch den Aufstand zur Macht gelangte
-Arbeiter- und Bauernregierung. Als ihre erste Aufgabe erblickte sie die
-Vernichtung des Widerstandes der Bourgeoisie, das Ziel war: die
-Vernichtung der Klassenunterschiede durch Änderung der ökonomischen
-Verhältnisse. Die Entscheidungsfrage lautete: Mit der Bourgeoisie oder
-gegen sie? Kampf für oder gegen die Sowjetmacht?
-
-Die S.R. boten alles auf, um die Sowjetmacht zu stürzen. So arbeiteten
-sie im Interesse der Bourgeoisie, und im Bunde mit ihr. Das Urteil geht
-auf die einzelnen Aktionen ausführlich ein, die sich gegen den Staat,
-der zugleich den Vertreter der Interesse der Arbeiter und Bauern
-repräsentierte, richteten.
-
-Schon einen Tag nach der Bestätigung der Sowjetregierung durch den
-Rätekongreß marschiert der S.R. Kerenski im Bunde mit dem General
-Krasnow gegen Petrograd. In der Stadt selbst erheben sich die Junker
-unter Führung eines Stabes, dem der S.R. Gotz angehört, der persönlich
-wieder mit Krasnow in Verbindung steht. Krasnow und die Junker werden
-geschlagen. Nach ihrer ersten Niederlage versuchen die S.R. einen
-technischen Apparat zu organisieren. Für den Tag der Eröffnung der
-Konstituante wird der Aufstand geplant, der als Farce endet. Das Gericht
-sieht als erwiesen an, daß die S.R. in verschiedenen Regimentern
-arbeiteten. Aber die Massen waren nicht zu gewinnen. Das Zentralkomitee
-gab seinen Plan auf. Zweiter Mißerfolg. Nach der Auflösung der
-Konstituante beginnt die geheime, die konspirative Tätigkeit der S.R.
-Eine militärische Organisation arbeitet unter den Soldaten der Roten
-Armee. Das Z.K. selbst nimmt Verbindung mit bürgerlichen Verbänden auf
-und erhält von ihnen Gelder; man scheut sich sogar nicht mit einer
-Organisation Fühlung zu nehmen, die Fäden zum deutschen
-Hauptquartier-Ost gesponnen hat. Ein Mitglied der S.R., der Oberst
-Postnikow, soll sogar ins deutsche Hauptquartier fahren, um mit dem
-Vertreter Ludendorffs zu verhandeln. In Moskau bestehen engste
-Beziehungen zu Bürgerwehren und Verbänden der Bischöfe. Die
-Spionagetätigkeit in der Armee wurde fortgesetzt, die betreffenden
-Organisationen ausgebaut; dabei wurde auf den Oberst Machin hingewiesen,
-der als Mitglied der S.R. Partei und im Auftrag des Z.K. einen hohen
-Posten in der Roten Armee bekleidete und im Kampf mit der Ufaregierung
-zum Feinde überging.
-
-Der 8. Parteitag im Mai 1918 beschließt den Kampf mit der
-Sowjetregierung auf allen Fronten und mit allen Mitteln aufzunehmen. Im
-Wolgagebiet, in Archangelsk und Wologda kommt es zu erbitterten Kämpfen.
-In Verbindung mit der französischen Mission gewinnt die S.R. die
-tschechoslowakische Legion, die unter Führung französischer Offiziere
-offenen Krieg mit den Sowjets führt. Die Tschechoslowaken werden die
-Elitetruppe der Regierung von Samara, die sich unter Führung der S.R.
-bildet. An der Regierung beteiligen sich Vertreter des Großgrundbesitzes
-und der Industrie. In Archangelsk operieren die S.R. in engster Fühlung
-mit den Ententetruppen und der russischen Bourgeoisie. In diesen Kämpfen
-fiel den S.R. die entscheidende politisch organisatorische Rolle zu,
-während die militärische Führung in den Händen der Ententegenerale und
-russischer Weißgardisten lag.
-
-In der Ukraine, in Kuban und am Don bestanden Verbindungen zwischen den
-S.R. und den dortigen sowjetfeindlichen Regierungsorganen. In der
-bürgerlichen ukrainischen Rada sanktionierte die S.R. Fraktion die
-Okkupation der Ukraine durch den deutschen und österreichischen
-Imperialismus. Direkt oder indirekt erhielt die Partei finanzielle
-Unterstützung von den Missionen der Verbündeten. Ferner bestand eine
-direkte organisatorisch-persönliche Verbindung des Z.K. mit Vertretern
-der Entente. Außerdem bestand eine enge Verbindung mit bürgerlichen
-Organisationen; genannt werden die Organisation Filonenko, Iwanow und
-der „Verband der Wiedergeburt“, dem Kadetten und weiter rechtsstehende
-Vertreter angehören. Es kam zur Bildung einer zukünftigen russischen
-Regierung, dem „Allrussischen Direktorium“, in dem Führer der S.R.
-saßen.
-
-Nach dem Siege der Roten Armee 1919 vollzog sich ein Umschwung. Einige
-Mitglieder der Konstituante von Samara gaben eine Erklärung ab, in der
-sie auf den bewaffneten Kampf gegen die Sowjetmacht verzichteten. Aber
-das Plenum des Z.K. spricht sich gegen jede Versöhnung mit den Sowjets
-aus und veranlaßt sogar eine Untersuchung gegen die versöhnlichen
-Mitglieder des Z.K. Diese Wendung hat den Austritt verschiedener
-Mitglieder zur Folge. Um so entschiedener wird die Haltung der
-Unversöhnlichen. Eine Resolution des Z.K., von Gotz, Helene Ratner und
-Timofejew unterzeichnet, erklärt:
-
-„Die S.R. Partei darf ihre alten Positionen nicht verlassen und nicht
-für einen einzigen Moment auf den bewaffneten Angriff verzichten. Wenn
-die Bewegung ... gegen die Bolschewiki im gegebenen Augenblick nicht
-erneuert werden kann, so wird die Aufgabe unserer Partei in der weiteren
-Vorbereitung der Massen und Zusammenfassung der Elemente der Demokratie
-bestehen, dort, wo diese Elemente sich noch erhalten haben.“
-
-Am 13. Mai 1920 erläßt das Z.K. ein Rundschreiben, das einen bestimmten
-Arbeitsplan der S.R. auf dem flachen Lande enthält: 1. Befestigung der
-organisatorischen Position der S.R. Partei unter den sowjetfeindlichen
-Elementen des Dorfes; 2. Provozierung bewaffneter Zusammenstöße der
-Bauern mit der Sowjetmacht.
-
-Eine Folge dieses Zirkulars sieht das Urteil in der Bauernrebellion in
-Tambow unter Führung des Banditen Antonow. 1921 versuchten die S.R. eine
-ähnliche Bewegung in Sibirien zu organisieren. Für die Teilnahme der
-S.R. an Unruhen in den Küstengebieten des Schwarzen Meeres wird ein
-Aufsatz des Oberst Machin herangezogen; ferner gilt als Beweis ein
-Aufsatz Tschernows, in dem die Taktik der S.R. gerühmt wird, endlich
-Akten des „Administrativen Zentrums“. Der Oberst Woronowitsch wurde zu
-den Aufständigen entsandt.
-
-Das „Administrative Zentrum“ beauftragt Woronowitsch in einem Briefe vom
-19. August 1921, gezeichnet vom Sekretär der S.R. Partei, Fabrikant,
-„mit der Bauernorganisation am Schwarzen Meer, mit dem Obersten Stab der
-Bauernwehr usw. Verbindungen herzustellen.“
-
-Die Septemberkonferenz der S.R. im Jahre 1920 beschloß in einer
-Resolution den „bewaffneten Sturz der bolschewistischen Diktatur“.
-Darauf senden die in Haft befindlichen Mitglieder der S.R. Partei Gotz,
-Hendelmann, Wedenjapin, Donskoj, Lichatsch, Morosow, Rakow, H. Ratner,
-Timofejew und Zeitlin anläßlich jener Resolution einen Brief an das
-neugewählte Z.K., in dem es heißt: „Mit Freude erfuhren wir den
-günstigen Ausgang der 10. Konferenz. Die 10. Konferenz erkennt
-vollkommen richtig, daß die Hauptaufgabe der Partei in der Liquidierung
-der Diktatur der gegenwärtig herrschenden Regierung besteht.“
-
-Der Kronstadter Aufstand im Jahre 1921 ist von den S.R. gefördert
-worden. Hinweise auf Telegramme und Artikel Tschernows, Akten des
-„Administrativen Zentrums“.
-
-Einen breiten Raum nehmen im Urteil die Feststellungen des Obersten
-Tribunals hinsichtlich der terroristischen Akte, Expropriationen und
-Sprengungen ein.
-
-1. Wird auf eine Erklärung der S.R. Gotz, Ratner und Tschernow
-hingewiesen, in der terroristische Akte gebilligt wurden. Dieser
-Erklärung wurde nicht widersprochen.
-
-2. Im Februar 1918 fand eine Aussprache über den Terror im Z.K. statt.
-Das Urteil stellt folgendes fest: Bei der Erwägung der Frage im Z.K.
-kamen zwei Ansichten zum Ausdruck. Es gelang dem Gerichte nicht, den
-Text des Z.K.-Beschlusses festzustellen. Es wurde nur festgestellt, daß
-in der Motivierung die Mitglieder des Z.K. nicht einig waren. Eine
-Motivierung wurde nicht angenommen, der Berichtigungsantrag des
-Z.K.-Mitgliedes Zuntin (eines Gegners des Terrors) wurde abgelehnt; die
-Resolution Tschernows (Anhänger des Terrors) wurde angenommen. Zuntin
-trat aus dem Z.K. aus. Der Beschluß des Z.K. wurde nicht nur nicht in
-weiteren Kreisen veröffentlicht, sondern war nicht einmal den
-verantwortlichen Parteifunktionären bekannt, wie z. B. dem Leiter der
-Militärkommission beim Z.K., Daschewski. Als Tschernow auf die
-Enthüllungen Semjonows und Konopljewas hin die terroristische Tätigkeit
-der S.R. Partei in Abrede stellte, hat er nicht ein einziges Mal diesen
-Beschluß erwähnt.
-
-3. Hinweis auf die Terrorgruppe Semjonow, die von Z.K.-Mitgliedern
-Aufträge erhielt.
-
-4. Als erwiesen wird angesehen, daß diese Gruppe von den
-Z.K.-Mitgliedern Gotz und Donskoi Weisungen erhielt und auf Befehl des
-Z.K. oder einer Gruppe von Z.K.-Mitgliedern handelte.
-
-5. Die Z.K.-Mitglieder Gotz, Donskoj, Gerstejn und der Bevollmächtigte
-des Z.K. Rabinowitsch nahmen an der Organisation terroristischer
-Aktionen, Expropriationen und Sprengungen teil. Die Z.K.-Mitglieder
-Timofejew, Iwanow, H. Ratner und Wedenjapin hatten wenigstens teilweise
-von dieser Tätigkeit Kenntnis.
-
-6. Die Ermordung des Genossen Wolodarski, das Attentat auf den Genossen
-Lenin, das Attentat auf den Eisenbahnzug des Genossen Trotzki wurde
-durch die Kampforganisation der Partei organisiert. Der Mörder des
-Genossen Wolodarski, Sergejew und die Attentäterin auf den Genossen
-Lenin, F. Kaplan, waren Mitglieder dieser Organisation und der S.R.
-Partei.
-
-7. Diese Kampforganisation beging eine Reihe von Expropriationen, das
-auf der Station Buij von Angestellten des Ernährungskommissariats
-entnommene Geld im Betrage von ungefähr einer Million Rubel wurde auf
-Beschluß des Z.K. in seine Kasse eingezahlt.
-
-8. Der Agent der französischen Mission für Sprengungen, Henry Virtimon,
-stand mit dem Z.K. und mit Timofejew in enger Verbindung und erwies der
-Sprengungsgruppe des Z.K. eine materielle Unterstützung. Timofejew hielt
-die Annahme dieser Unterstützung für unbedenklich.
-
-9. Die Teilnahme aller Mitglieder des Z.K. an dieser verbrecherischen
-Tätigkeit ist bewiesen worden. Die Teilnahme der Z.K.-Mitglieder und
-anderer Parteimitglieder an den terroristischen Aktionen,
-Expropriationen und an der Sprengungsarbeit wird in bezug auf jeden
-Angeklagten einzeln festgestellt.
-
-Das Tribunal kam für die einzelnen Angeklagten zu folgenden
-Feststellungen:
-
-Gotz, Wedenjapin, Hendelmann, Donskoi, Gerstein, Lichatsch, Iwanow,
-Ratner-Elkind, Rakow, Federowitsch, Timofejew waren Mitglieder des Z.K.
-der S.R. Partei, deren Ziel der Sturz der Arbeiter- und Bauernregierung
-war, die Hochverrat im Bunde mit fremden Mächten beging, Verträge
-verletzte, die die Sowjetrepublik abgeschlossen hatte, und Gebiete von
-der Republik abzutrennen suchte. Gotz, Donskoi und Gerstein leiteten die
-Tätigkeit terroristischer Terrorgruppen, die Attentate auf Lenin und
-Trotzki planten und Wolodarski töteten. Timofjejew, Iwanow, H. Ratner,
-Wedenjapin sind als Mitwisser zu verurteilen; ferner empfingen sie
-Gelder, die in einem staatlichen Büro geraubt waren. Donskoi war
-Anstifter dieses Raubes. Endlich unterhielten sie Beziehungen zu
-ausländischen Staaten, die sich mit der Sowjetrepublik im Kriegszustand
-befanden! Sie leiteten Sprengungsarbeiten.
-
-Artemjew, Morosow und G. Ratner waren Mitglieder des Moskauer Büros der
-Z.K. und führten mit einigen Mitgliedern des Z.K. die ganze Tätigkeit
-der Partei auf dem Gebiete der Arbeiter- und Bauernregierung. Sie haben
-von der Existenz der Semjonowschen Kampfgruppe Kenntnis gehabt.
-
-Agapow, Altowski, Liberow, Gorkow, Lwow, Berg, Slobin, H. Iwanowa und
-Utgoff waren Mitglieder verschiedener führender Organe der S.R. Partei
-und vollzogen die Direktiven ihres Zentralkomitees; außerdem leitete
-Agapow die Sprengungsgruppe des Z.K., die für Sprengungen,
-Brandstiftungen und Zerstörung der Verkehrswege zu gegenrevolutionären
-Zwecken organisiert wurde.
-
-Semjonow, Konopljewa, H. Iwanowa, Ussow, Subkow, Fedorow-Koslow,
-Jefimow, Pelewin nahmen an der Tätigkeit der Kampfgruppe des Z.K. teil,
-die terroristische Aktionen gegen die Führer der proletarischen
-Revolution, bewaffnete Überfälle und bewaffnete Plünderungen zugunsten
-der S.R. Partei ausführte, wobei Semjonow der Führer dieser Gruppe war,
-und Semjonow, Konopljewa und Iwanowa für ihre Verbindung mit dem Z.K.
-sorgten. Stawskaja trat später in die erwähnte Gruppe ein, nahm aber an
-ihrer Tätigkeit keinen tatsächlichen Anteil.
-
-Daschewski leitete die militärische Organisation der S.R. Partei, wofür
-er amnestiert wurde; außerdem aber half er der Ausführerin des
-Attentates auf Genossen Lenin, dem Mitglied der S.R. Partei, Fanny
-Kaplan, bei ihrem Eintritt in die Semjonowsche Kampfgruppe und hatte von
-der Existenz dieser Gruppe Kenntnis.
-
-Ignatjew war Mitglied des Z.K. der Volkssozialistischen Partei und
-handelte in unmittelbarer Verbindung mit den Mitgliedern des Z.K. der
-S.R. Partei; nahm bis zu seiner Verhaftung an der gegenrevolutionären
-Tätigkeit zum Sturze der Sowjetmacht teil, trat dem Komitee zur „Rettung
-des Vaterlandes und der Revolution“ bei, beteiligte sich an der
-Tätigkeit dieser Organisation gegen die Sowjetmacht, setzte sich mit den
-gegenrevolutionären Organisationen Filonenkos und Iwanows und mit der
-militärischen Kommission der S.R. Partei in Verbindung, trat in den
-Kriegsstab des Verbandes der Wiedergeburt ein, wohnte den Sitzungen des
-politischen Zentrums des Verbandes der Wiedergeburt bei und leitete die
-gegenrevolutionären Aktionen in Wologda. Er setzte sich außerdem mit den
-Vertretern der verbündeten Missionen und weißgardistischen
-Organisationen in Verbindung, um die Sowjetmacht zu stürzen.
-
-Demzufolge verfügt das Tribunal:
-
-1. G. M. Ratner freizusprechen.
-
-2. J. W. Moratschewski wegen Mangel an Beweisen freizusprechen.
-
-3. Die Schuld der Angeklagten F. J. Stawskaja gemäß Paragraph 213 des
-Strafgesetzbuches (Kriegsspionage) als unbewiesen zu betrachten.
-
-Das Tribunal verurteilt:
-
-4. P. W. Slobin, in Anbetracht des unbedeutenden Umfanges seiner
-gegenrevolutionären Tätigkeit, seiner Nichtteilnahme an der illegalen
-Tätigkeit der S.R. Partei während der letzten Zeit, seiner gutgesinnten
-Arbeit in den Sowjetbehörden, auf Grund des Paragraphen 60 des
-Strafgesetzbuches mit Anwendung des Paragraphen 28 zu zwei Jahren
-Kerkerstrafe bei strenger Einzelhaft und Zwangsarbeit unter Anrechnung
-der Untersuchungshaft.
-
-5. G. R. Gorkow-Dobrolubow, in Anbetracht des unbedeutenden Umfanges
-seiner gegenrevolutionären Tätigkeit und seiner prinzipiell ablehnenden
-Haltung zum bewaffneten Kampfe, auf Grund des Paragraphen 60 mit
-Anwendung des Paragraphen 28 zu drei Jahren Kerkerstrafe bei strenger
-Einzelhaft, Zwangsarbeit, unter Anrechnung der Untersuchungshaft.
-
-6. W. R. Utgoff-Deruschinski, J. S. Berg und M. L. Lwow auf Grund des
-Paragraphen 16, aber in Anbetracht des unbedeutenden Umfanges ihrer
-gegenrevolutionären Handlungen, zu fünf Jahren Kerkerstrafe bei strenger
-Einzelhaft und Zwangsarbeit, unter Anrechnung der Untersuchungshaft.
-
-7. P. N. Pelewin auf Grund der Paragraphen 76 und 68 zu drei Jahren
-Kerkerstrafe bei strenger Einzelhaft und Zwangsarbeit unter Anrechnung
-der Untersuchungshaft.
-
-8. K. A. Usow, F. W. Subkow und F. F. Federow-Koslow auf Grund der
-Paragraphen 64, 76 und 68, Subkow außerdem auch auf Grund des
-Paragraphen 65, in Anbetracht der Größe ihres Verbrechens, aber mit
-Rücksicht darauf, daß sie keine führende Rolle gespielt haben und mit
-Rücksicht auf ihre proletarische Abstammung zu fünf Jahren Kerkerstrafe
-bei strenger Einzelhaft und Zwangsarbeit unter Anrechnung der
-Untersuchungshaft.
-
-9. P. T. Jefimow auf Grund der Paragraphen 64, 76 und 68 zu zehn Jahren
-Kerkerstrafe bei strenger Einzelhaft und Zwangsarbeit, unter Anrechnung
-der Untersuchungshaft.
-
-10. A. W. Liberow und N. I. Artemjew auf Grund des Paragraphen 60 zu
-zehn Jahren Kerkerstrafe bei strenger Einzelhaft und Zwangsarbeit, unter
-Anrechnung der Untersuchungshaft.
-
-11. D. F. Rakow, F. F. Federowitsch und M. A. Wedenjapin auf Grund der
-Paragraphen 57, 58, 60, 62 und 65, ungeachtet dessen, daß sie Mitglieder
-des Z.K. sind, mit Rücksicht auf ihr Schlußwort, zu zehn Jahren
-Kerkerstrafe bei strenger Einzelhaft und Zwangsarbeit unter Anrechnung
-der Untersuchungshaft.
-
-12. A. R. Gotz, D. D. Donskoj, B. J. Gerstejn, M. J.
-Hendelmann-Grabowski, M. A. Lichatsch, N. N. Iwanow, E. M.
-Ratner-Elkind, E. M. Timofejew, S. W. Morosow, W. W. Agapow, A. I.
-Altowski, W. I. Ignatjew, G. I. Semenow, L. W. Konopljewa, E. A.
-Iwanowa-Iwanowa – zum Tode durch Erschießen.
-
-In Anbetracht dessen jedoch, daß Ignatjew sich von seiner
-gegenrevolutionären Vergangenheit unwiderruflich lossagte, der
-Sowjetmacht dient und als sozial-ungefährliches Element zu betrachten
-ist, wendet sich das Tribunal auf Grund des Punktes 3 des Paragraphen
-330 der Strafprozeßordnung an das Präsidium des Allrussischen
-Zentral-Exekutivkomitees mit dem Ersuchen, Ignatjew von der Strafe zu
-befreien.
-
-Bezüglich Semjonow, Konopljewa, Jefimow, Usow, Subkow, Federow-Koslow,
-Pelewin, Stawskaja und Daschewski stellt das Tribunal fest: diese
-Angeklagten haben sich beim Begehen ihrer schweren Verbrechen
-wohlmeinend irreführen lassen und nahmen an, daß sie im Interesse der
-Revolution kämpften; als sie aber die gegenrevolutionäre Rolle der S.R.
-Partei begriffen, traten sie aus der Partei und verließen das Lager der
-Feinde der Arbeiterklasse, in das sie durch einen tragischen Zufall
-geraten sind. Die genannten Angeklagten haben den ganzen Umfang der
-Ungeheuerlichkeit ihrer Verbrechen erkannt. Das Tribunal ist überzeugt,
-daß sie in den Reihen der Arbeiterklasse mannhaft und selbstlos für die
-Sowjetmacht gegen alle ihre Feinde kämpfen werden, und ersucht auf Grund
-des Punktes 3 des Paragraphen 330 der Strafprozeßordnung das Präsidium
-des Zentral-Exekutivkomitees um volles Erlassen ihrer Strafe.
-
-Auf Grund des Paragraphen 42 des Strafgesetzbuches verurteilt das
-Tribunal außerdem die Angeklagten Artemjew, Wedenjapin, Gorkow, Slobin,
-Lwow, Rokow, Federowitsch, Utgow, Liberow, Berg zum Verlust ihrer
-bürgerlichen Rechte, und zwar auf Grund der Punkte a, b und c des
-Paragraphen 40 des Strafgesetzbuches, auf die Dauer von fünf Jahren.
-
-Das Tribunal ordnet die Verhaftung der Angeklagten Ignatjew, Konopljewa,
-Stawskaja, Semjonow und Usow an.
-
-Die Beweisgegenstände und Dokumente sind dem Archiv der
-Oktoberrevolution zu übergeben. Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens
-trägt die Staatskasse.
-
- Der Vorsitzende des Tribunals: G. P. Pjatakow.
- Mitglieder: O. Karklin, A. Galkin.
-
-Noch am gleichen Tage erscheint eine Verfügung des Allrussischen
-Zentral-Exekutivkomitees, in der es heißt:
-
-1. Das Urteil des Obersten Tribunals bezüglich der Angeklagten Gotz,
-Donskoj, Gerstein, Hendelmann-Grabowski, Lichatsch, H. Iwanow, E.
-Ratner-Elkind, Timofejew, Morosow, Agapow, Altowsky und E.
-Iwanow-Iwanowa wird bestätigt, der Vollzug der Strafe ist jedoch
-aufzuschieben.
-
-Wenn die Partei der Sozialrevolutionäre ihre
-unterirdisch-verschwörerische, terroristische, aufständische und
-Kriegsspionage-Tätigkeit gegen die Sowjetmacht auch in der Tat
-einstellt, wird sie dadurch auch jene ihre führenden Mitglieder von der
-Todesstrafe befreien, die in der Vergangenheit diese Tätigkeit leiteten
-und selbst am Prozeß die Absicht aussprachen, diese Tätigkeit auch in
-der Zukunft fortzusetzen.
-
-Die Anwendung der Methoden des bewaffneten Kampfes gegen die Arbeiter
-und Bauernmacht durch die Partei der Sozialrevolutionäre hingegen wird
-das unvermeidliche Erschießen der verurteilten Aufwiegler und
-Organisatoren gegenrevolutionärer Terroraktionen und Aufstände nach sich
-ziehen.
-
-Sowohl die zum Tode Verurteilten, wie auch die zu langfristiger
-Kerkerstrafe Verurteilten verbleiben in strenger Haft.
-
-2. Bezüglich Semjonow, Konopljewa, Jefimow, Usow, Fedorow-Koslow,
-Pelewin, Stawskaja, Daschewski und Ignatjew beschloß das Präsidium des
-Allrussischen Zentral-Exekutiv-Komitees, dem Ersuchen des Obersten
-Tribunals über das völlige Erlassen ihrer Strafe stattzugeben.
-
-Moskau, den 8. August 1922.
-
- Vorsitzender des Allrussischen Zentral-Exekutiv-Komitees:
- Gez. M. Kalinin.
-
- Sekretär des Allrussischen Zentral-Exekutiv-Komitees:
- Gez. A. Enukidze.
-
-Wenige Monate später wird das Todesurteil überhaupt zurückgezogen, als
-Strafe fünfzehnjährige Haft festgesetzt. 1924 wurde das Urteil endgültig
-auf 5 Jahre Haft beschränkt. Im Jahre 1927 sind sämtliche Angeklagten in
-Freiheit, wenn nicht zuvor ein internationaler Austausch der politischen
-Gefangenen erfolgt ist. Es hängt von den westeuropäischen Regierungen
-ab, ob diese Aktion durchgeführt wird!
-
- * * * * *
-
-Dies Urteil ist ein Friedensvertrag heutiger Zeit. Mit seiner
-Ratifikation schließt eine große Periode russischer Geschichte ab, die
-jedoch nicht nur die Geschichte der revolutionären Bewegung des
-Proletariats geworden ist, sondern zugleich auch die Geschichte der
-Eroberung des Staatsapparates durch das Proletariat. Erst seit diesem
-Prozeß ist ein einheitliches proletarisches Rußland geschaffen; die S.R.
-Partei hat nach diesem Prozeß in Rußland jeden Boden verloren und ihre
-illegale konspirative Tätigkeit eingestellt. Außenpolitisch haben die
-Interventionsversuche vorläufig einen Abschluß gefunden. Soweit bekannt
-geworden ist, beschränkt sich die S.R.-Presse der Emigranten auf den
-Papierkrieg gegen Sowjetrußland. Der russischen Arbeiterregierung blieb
-eine Atempause, in der sie ihren Staat ausbauen konnte.
-
-So war dieser Prozeß mehr als ein politischer Prozeß kriminellen
-Charakters. Nur so läßt sich auch die tiefe Erregung erklären, die seine
-Verhandlungen in Europa auslösten. Noch einmal standen sich die Mächte
-der Vergangenheit und Gegenwart gegenüber, allerdings mit ungleichen
-Waffen. Nie ist so klar geschieden worden: Vertreter des Proletariats –
-Verführer des Proletariats. Der S.R.-Prozeß war der Abschluß einer
-großen historischen Epoche, aber er war zugleich eine erste große
-öffentliche gerichtliche Abrechnung jener Vertreter des
-Proletariats, die die Souveränität des Proletariats forderten, die
-Klassenkampfauffassung bis in ihre letzten Konsequenzen verfochten,
-während die S.R. eine Volksgemeinschaft nach westeuropäischen Prinzipien
-verlangten, in der die Klassengegensätze verwischt werden. Der neue
-Staat schloß diese Männer aus seiner Gemeinschaft aus, für ihn waren sie
-Außenseiter, für jene aber wie für die bürgerliche Welt waren die
-Vertreter jenes Staatsprinzips Außenseiter. So bekämpften sich zwei
-Welten. Die Tragik der S.R. ruht in ihrer Halbheit, ihrem Schwanken.
-
-Wir müssen noch einmal auf den Terror zu sprechen kommen. Das Gericht
-gewann die Überzeugung, daß die Partei einen gemeinsamen Beschluß nicht
-gefaßt hat, es gab Strömungen für und wider den Terror. Aber selbst wenn
-man annehmen wollte, das Gericht hätte sich geirrt und Gotz oder Donskoi
-hätten wirklich nicht ihre Sanktion gegeben, oder sie nur als
-Privatpersonen erteilt, bleibt immer wieder die Frage offen: aber
-weshalb rückte das Z.K. nicht von der Terrorgruppe ab, weshalb erfolgte
-keine Mißbilligung dieser Taten, weshalb gab man nur öffentlich die
-Erklärung ab, die Partei sei an den Taten nicht beteiligt?! Wie anders
-verhielten sich die S.R. in der Zarenzeit! Da verteilte man Flugblätter
-und verkündete das Todesurteil öffentlich, da ging man vor Gericht und
-zur Hinrichtung wie ein Märtyrer, ein Bote der Freiheit. Weshalb jetzt
-diese Unklarheiten, diese Unaufrichtigkeit, dies Leugnen, diese
-Widersprüche? Weil man mit sich selbst im Hader lag und nicht mehr an
-seinen Sieg glaubte. Gotz konnte kein vernichtenderes Geständnis machen,
-als er das Resumé der Tätigkeit seiner Partei zog: „Wir hatten die
-Massen nicht hinter uns!“
-
- * * * * *
-
-Es ist immer gesagt worden, die Sowjetrepublik hatte nicht das Recht,
-über die S.R. zu Gericht zu sitzen; sie hatte durch die „Neue
-ökonomische Politik“ das Recht verwirkt, über Konterrevolutionäre zu
-richten. Der Prozeß fand in einem Zeitpunkt statt, in dem der
-Kriegskommunismus aufgegeben und zu einer Art Staatssozialismus
-übergegangen wurde. Aber gerade in dieser Zeit war die Sowjetrepublik
-verpflichtet, die Grenzen zwischen sich selbst und den Vertretern der
-Demokratie scharf zu ziehen. Und bis zum heutigen Tage sieht die
-kapitalistische Welt im Außenhandelsmonopol das schwerste Hindernis
-ihrer Expansions- und Kolonisationsbestrebungen in Rußland, ein
-Hindernis, das Austen Chamberlain nicht anders als durch einen neuen
-„Heiligen Krieg“ überwinden zu können glaubt. Die Republik hatte kein
-Recht, sich gegen eine Partei zu wehren, die bis zum Tage der
-Verhandlungseröffnung alle Hebel in Bewegung setzte, um die Republik zu
-stürzen und dem europäischen Proletariat, das immer stärker in die
-Defensive gedrängt wurde, den letzten Rückhalt zu rauben?! Der Staat
-sollte sich nicht gegen seine erbittertsten Feinde wehren, deren
-Schlußwort noch vor dem Tribunal lautete: „Wir werden euch mit allen
-Mitteln bekämpfen!“?
-
- * * * * *
-
-Auch die deutsche Republik hat Prozesse gegen ihre Feinde führen müssen.
-Wir brauchen hier nicht auseinanderzusetzen, wie der Prozeß gegen
-Hitler, wie er gegen die sogenannte Tscheka geführt wurde. Zwischen
-Extremen schwankt die deutsche Justiz, nach Willkür, nach Zeit; sie
-scheint subjektiv. In denselben Tagen, in denen Rathenau ermordet wurde,
-verhandelte man in Moskau gegen die S.R. Im Rathenau-Prozeß wurde an die
-Drahtzieher nicht gerührt, nie wurde versucht, die Geldgeber
-festzustellen, nie wurde das Netz von Verschwörercliquen zerstört, nie
-wagte man sich an die wahren Auftraggeber heran. Im S.R.-Prozeß spielten
-die Attentäter die geringere Rolle – man drang in die Hinterzimmer vor,
-man stieg in die Abgründe und entdeckte die Auftraggeber in den
-Kabinetten der Ententemissionen, in den geheimnisvollen
-Absteigequartieren der Mitglieder des Z.K. der S.R. Im Hitler-Prozeß
-sind nie gewisse Verbindungen zwischen Parteiführern und Hitler enthüllt
-worden, die Geldgeber blieben diskret hinter dem Vorhang – Geld spielt
-in der bürgerlichen Welt eine diskrete Rolle. Wie anders im S.R.-Prozeß!
-Die ganze Front der Gegenrevolution wird entlarvt, geheime Verbindungen
-werden ans Licht gezogen, illegale Organisationen festgestellt – es gab
-kein Geheimnis, vor dessen Enträtselung man zurückschreckte, nirgends
-ein Vertuschungsmanöver, nirgends ein Versuch zu verschweigen, zu
-beschönigen. Die Republik hatte ihre Feinde erkannt, entlarvt, sie
-wollte sie vernichten.
-
-Das Oberste Tribunal war ein Klassengericht. Daraus wurde kein Hehl
-gemacht. Der Staatsgerichtshof der Deutschen Republik tat sich etwas
-zugute auf seine Objektivität und fällte seine Urteile im Interesse der
-mächtigsten Klasse. Das Oberste Tribunal hatte die Interessen der
-Schichten im Auge, die der Staat repräsentierte. Der Staatsgerichtshof
-entschied im Interesse der Mächte, die den Staatsapparat wieder fest in
-ihre Hand zu gewinnen suchten. Das Oberste Tribunal wollte ein
-Klassengericht sein, der Staatsgerichtshof ist es. Man braucht nicht
-immer erst zu bekennen, was man ist. Man ist, was man ist. Das Wesen der
-Staatsform deckt sich nicht immer mit den Interessen der stärksten
-Mächte im Staate, in einer Demokratie, der biegsamsten Form, nun schon
-gar nicht, ja _sie_ gerade liefert heterogensten Machtgruppen je nach
-den Umständen die besten Werkzeuge, so lange man nicht wagt an den
-ökonomischen Grundlagen zu rütteln. Die Bolschewiki haben diese
-Grundlagen revolutioniert und eine Einheit zwischen Staatsform und
-Klasseninteresse geschaffen, die sich nicht je nach den Umständen
-maskieren läßt.
-
- * * * * *
-
-„Anfangs trat Mitjä dicht an Aljoscha heran, und plötzlich küßte er ihn.
-Seine Augen brannten.
-
-..., Aljoscha, ich habe in diesen zwei letzten Monaten einen neuen
-Menschen in mir entdeckt ... Dieser Mensch war immer in mir verborgen,
-doch es wäre mir nie zum Bewußtsein gekommen, daß ich ihn in mir trug,
-wenn Gott nicht dieses Gewitter geschickt. Unheimlich ist das Leben! ...
-Man kann auch dort in den Erzgruben Sibiriens neben sich in genau solch
-einem Zwangsarbeiter und Mörder ein menschliches Herz finden ... Und
-ihrer gibt es so viele dort unter der Erde, Hunderte, und wir alle haben
-schuld an ihnen! ... Denn alle sind für alle schuldig ... Und so gehe
-ich denn für alle, denn irgend jemand muß doch für alle gehen! Ich habe
-meinen Vater nicht erschlagen, aber ich muß hingehen. Ich nehme es auf
-mich!“
-
- * * * * *
-
-Gotz und Donskoi und Timofejew und die anderen haben Wolodarski
-erschlagen lassen, sie wollten die Revolution töten, aber sie nahmen es
-nicht auf sich. Ihre Freunde im Ausland schlossen sich zu konspirativen
-Umtrieben zusammen, und als vor Gericht den Angeklagten die Dokumente
-unterbreitet wurden, nahmen sie es wieder nicht auf sich. Aus falscher
-Solidarität, mehr noch vielleicht aus Unvermögen, einen furchtbaren
-Konflikt lösen zu können. „Sind die Dokumente echt?“ fragten zweifelnd,
-zögernd die Gotz und Timofejew. Lag nicht in dieser Frage schon ein
-Geständnis? rückten sie nicht mit ihr schon von den Auslandsdelegierten
-ihrer Partei ab? Und dennoch zögerten sie, ein entscheidendes Wort zu
-sagen. Die bürgerliche Meinung hätte ihnen zugeschrien: Feiglinge,
-Verräter. Vielleicht war diese Zwangslage für die Angeklagten der ersten
-Gruppe der furchtbarste seelische Konflikt. Das Material belastete die
-Partei vor den russischen Arbeitern und Bauern am stärksten. Nun stand
-ihre Partei so offensichtlich als die Partei der Interventionsmethoden
-da – im Bunde mit dem Ausland, den Mächten des Versailler Vertrags, den
-erbittertsten Feinden der Sowjetrepublik. Wer dachte nicht noch
-schaudernd der Bürgerkriege, der gräßlichen Kämpfe mit den Weißen auf
-allen Fronten; und hatte nicht gerade dieser siegreiche Kampf gegen
-Entente und Weiße die Masse des Volkes geeint? Und nun war diese S.R.
-Partei im Begriff, das Verbrechen wider die Nation zu erneuern? und
-diese Angeklagten rückten nicht von solchen Methoden ab?! „Wir sind
-nicht für diese Umtriebe verantwortlich, wir sitzen seit Jahr und Tag in
-Haft.“ „Doch, ihr seid verantwortlich nach den Grundsätzen der
-Kollektivität, nach der Auffassung, daß die Geschichte der Menschheit
-eine Geschichte der Klassenkämpfe ist. Steht ihr diesseits oder jenseits
-der Barrikade?“
-
-Und im bitteren Konflikt entschieden sich die Angeklagten für ihren
-Untergang – vielleicht waren sie dann „moralisch“ gerettet, hatten sie
-moralisch gesiegt. So nahmen sie es nicht auf sich.
-
- * * * * *
-
-Es gibt noch eine Stelle in den „Brüdern Karamasoff“. Aljoscha verläßt
-Mitjä und sucht Iwan auf, der es auf sich nahm und sich als Mörder
-fühlte.
-
-„Iwan Fedorowitsch blieb plötzlich stehen.
-
-‚Wer ist denn deiner Meinung nach der Mörder?‘ fragte er kalt, und es
-klang ein hochmütiger Ton in seiner Frage.
-
-‚Du weißt es selbst, wer,‘ entgegnete Aljoscha leise und ruhig ...
-
-Aljoscha fühlte, wie er plötzlich am ganzen Körper zitterte.
-
-‚Du weißt es selbst, wer,‘ kam es kraftlos aus ihm heraus. Er konnte
-kaum atmen.
-
-‚Aber wer denn, wer?‘ schrie ihn Iwan wild auffahrend an. Seine ganze
-Zurückhaltung war plötzlich verschwunden.
-
-‚Ich weiß nur das eine,‘ sagte Aljoscha immer noch im selben kraftlosen
-betäubten Flüsterton: ‚– _nicht du_ hast den Vater erschlagen.‘
-
-‚Nicht du!‘ Was heißt das, ‚nicht du?‘ Iwan stand wie erstarrt vor
-seinem Bruder.
-
-‚Nicht du hast den Vater erschlagen, nicht _du_, _nicht du_!‘
-wiederholte Aljoscha fest.
-
-Sie schwiegen. Lange dauerte das Schweigen.
-
-‚Ich weiß es doch selbst, daß nicht ich es getan habe, redest du im
-Fieber?‘ sprach schließlich Iwan, und er lächelte ein bleiches,
-verzerrtes Lächeln.
-
-Er hatte sich mit den Blicken gleichsam festgesogen an den Bruder. Sie
-standen sich beide wieder bei einer Straßenlaterne gegenüber.
-
-‚Nein, Iwan, du hast dir selbst wiederholt gesagt, daß du der Mörder
-seiest!‘
-
-‚Wann habe ich es gesagt? ... Ich war in Moskau ... Wann habe ich es
-gesagt?!‘ stotterte Iwan mit abirrendem Blick ...
-
-... ‚Du hast dich beschuldigt und hast dir gesagt, daß der Mörder kein
-anderer sein könne als du. Aber nicht du hast ihn erschlagen ...‘“
-
- * * * * *
-
-Der andere tragische Konflikt entspann sich im Kampf zwischen den
-Angeklagten der ersten und zweiten Gruppe. Die erste Gruppe
-repräsentierte die Partei, wollte sie retten, mußte sie retten, stand
-für sie. Um die Partei ging der Kampf, um diese geschlagene, sterbende,
-ja schon verwesende Partei. Deshalb scheues Zurückziehen ins Zwielicht
-von Höhlen, deshalb Zagen, Schwanken, Widersprüche. Es ging im Grunde
-nie um Personen, immer um Parteien. Die anderen fühlten sich verraten,
-geopfert, mißbraucht, irregeleitet. Sie waren überfahren worden und
-wollten wieder aufstehen. Sie waren immer die Aktiveren,
-Entschlosseneren gewesen, ja sie hatten die Partei vorwärts gedrängt,
-ihr Impulse ins Blut gejagt, sie waren der eigentliche handelnde Körper,
-dessen Seele zermürbt und hoffnungslos war. Ihre Einstellung gegen die
-Sowjets war vor allem durch den Abschluß des Brester Friedens bestimmt,
-der ja selbst in den Reihen der Bolschewiki eine tiefgehende Krisis
-gezeitigt hatte, die nur die Parteidisziplin wieder überwand. Wir
-wissen, wie die Demütigung der Nation die Gemüter bedrückt und verwirrt.
-Der Brester Vertrag mußte doppelt schwer empfunden werden: denn er war
-nicht nur die Demütigung einer Nation durch die andere; er war die
-Demütigung einer Klasse durch die Klasse, die man eben im eigenen Lande
-erst besiegt hatte – zum ersten Male in der ganzen Geschichte der
-Menschheit – so entscheidend, so wuchtig. Und nun stürzte man wieder in
-den Abgrund.
-
-So läßt sich begreifen, weshalb alte Parteigenossen sich von der Parole
-des Z.K. locken ließen. Aber als immer deutlicher wurde, in welche
-Abhängigkeit das Z.K. von der Entente geriet, welche Ziele die Entente
-vor allem in Rußland selbst verfolgte, gingen jene „Einfachen“ mit sich
-zu Rate und verließen ihre Partei: Diese Krisen und Wandlungen lassen
-sich nicht mit „Gesinnungswechsel“ bezeichnen. Die Russen stehen nicht
-so rasch auf dem Boden der Tatsachen. Die europäische Flinkheit und
-demokratische Geschäftigkeit ist für den Russen unbegreiflich. Wer mit
-der Macht der Finsternis ringt, kämpft lange mit sich selbst, bevor der
-neue Mensch aus dem Chaos heraustritt. Im Grunde tauchen alle Probleme
-der russischen Literatur auf, wenn wir an diesen Wandlungsprozeß der
-Angeklagten der zweiten Gruppe denken. Sie fallen in Zweifel, sie hadern
-mit sich selbst, sie beichten und werden „neue Menschen“. Der Kampf
-zwischen den Angeklagtengruppen nahm oft erbitterte Formen an, aber
-nicht ein Mal ist dieser Kampf zur Gemeinheit entartet; man würde im
-Westen sofort bei ähnlichen Fällen beobachten, wie man versuchen würde,
-die Schuld abzuwälzen, sich nur als den Verführten hinzustellen und im
-Gassenjungentone zu schreien: „Ich bin es nicht gewesen“ – vielleicht
-würde man sofort eine Dolchstoßlegende erfinden.
-
-Die Angeklagten der zweiten Gruppe haben nie ihre eigene Schuld in
-Abrede gestellt: Wir haben gefehlt, wir haben getötet, wir haben uns an
-der Revolution versündigt, straft uns.
-
-Die neue Gemeinschaft nahm sie auf. Es ist eines ihrer schönsten und
-erhabensten Prinzipien, den ehrlich Reuigen aufzunehmen. Sie übte diesen
-Grundsatz vom ersten Tage ihrer Herrschaft. Der General Krasnow hat
-solches Vertrauen bitter enttäuscht. Semjonow, Ratner, Ignatiew, die
-Männer aus dem Volke nicht.
-
- * * * * *
-
-Dieser Prozeß war die große Abrechnung mit der Konterrevolution; er
-schied scharf zwischen den Strömen, die noch die heutige Menschheit
-durchfließen. Das Tribunal war ganz bewußt das Organ einer siegreichen
-Klasse. Der Prozeß erscheint deshalb so kompliziert, weil es sich um
-eine Partei handelte, die zwischen den Linien stand, und deren
-tragischer Auflösungsprozeß in Europa die Teilnahme aller Kreise und
-Parteien erregte, die mißtrauisch, furchtsam, unsicher und zermürbt
-nicht die Spannkraft besaßen, mit tausendjährigen Traditionen zu
-brechen, die sogar schon den Instinkt überwuchert und infiziert haben.
-Auch der Besitzlose unterliegt derselben Stimme der Verführung, die den
-Besitzenden immer aufs Neue lockt, zur Macht herausfordert und die wahre
-Gemeinschaft unmöglich macht. Wie einst die Jakobiner den Girondisten
-den Prozeß machten, weil sie Feudalismus und Bourgeoisie zu versöhnen
-suchten, standen sich jetzt Bolschewiki und Sozialrevolutionäre
-gegenüber. Parteien und Menschen, die sich um Ausgleiche bemühen, um den
-Weg nicht zu Ende gehen zu müssen, verstricken sich in alle Wirrnisse,
-die Verhältnisse dem Menschen bereiten können. So erzeugt das Bündnis
-von Neigung und Idee endlich sogar das kriminelle Verbrechen, weil
-Tradition, Fehlschläge und Minderwertigkeitsgefühle der Tat nicht mehr
-das reine Antlitz zu verleihen mögen. Die Bombe, die Alexander II.
-zerriß, wurde nicht vom Mann mit gleichem Bewußtsein geworfen, wie es
-jener besaß, der auf Wolodarski schoß. Der Held wird zum Verbrecher, die
-Partei ist gerichtet, und die Einheit der werktätigen Masse unter
-zielbewußter Führung ist geschaffen.
-
- * * * * *
-
-Alle Konflikte und Fragen, die seit 1914 die Welt bewegten und aus den
-Fugen brachten, wirbelte der Prozeß auf: die Tendenzen der
-imperialistischen Mächte, ihre Absichten, Rußland zur Kolonie zu machen
-– also das ganze Problem der Akkumulation des Kapitals. Lenins These,
-der Weltkrieg müsse unbedingt in die soziale Revolution umschlagen und
-mit der Eroberung des Staatsapparates durch das Proletariat enden. Die
-Frage: Demokratie oder Diktatur, Parlament oder Räte. Die Frage: Masse
-und Partei, Masse und Revolution. Die Haltung des Kleinbürgertums. Die
-lavierenden arbeiterfreundlichen Parteien. Die Legitimität einer
-revolutionären Regierung. Die Mittel und Methoden des revolutionären
-Kampfes: individueller oder Massenterror.
-
-Es war bezeichnend: Die bürgerliche Gesellschaft empfand diesen Prozeß
-als eine Provokation und einen Schlag ins Gesicht. Sie sprach schon dem
-Staate des Proletariats jede Existenzberechtigung ab; da er nun
-existierte, nach fünf Jahren, trotz aller Interventionen und
-Verleumdungskampagnen immer noch existierte, während die revolutionäre
-Bewegung in den bürgerlichen Ländern vom Wellenkamm immer tiefer hinab
-fiel, versuchte man zähneknirschend die Rechtsformalitäten zu
-kritisieren und sprach dem Staate des Proletariats jede Berechtigung ab,
-sich nicht nur überhaupt zu verteidigen, sondern auch zu richten. Der
-alte warnende Satz, „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet!“
-wurde wutschnaubend von der ohnmächtigen bürgerlichen Presse
-hervorgestoßen. So kam es, daß sachliche Meldungen über den
-Verhandlungsstoff als solchen überhaupt nicht in die bürgerliche
-Öffentlichkeit drangen. Man lehnte das Gericht ab, man fühlte sich mit
-den S.R. verbunden, sah in ihnen Bundesgenossen, Sachwalter, Märtyrer.
-Wie hätte man über ihre „Verbrechen“ sprechen können, die in den Augen
-der bürgerlichen Gesellschaft Heldentaten gewesen waren. Die bürgerliche
-Gesellschaft aber rechtfertigte durch ihre Sympathiebeweise nun erst
-recht die Strenge des Gerichts. Das Oberste Tribunal hat zuletzt nicht
-einmal so sehr die Mittel verurteilt, deren sich die S.R. in ihrem Kampf
-gegen die Sowjets bedient hatten. Es kam vielmehr auf das Ziel an. Und
-das Ziel der S.R. war die Erhaltung der bürgerlichen Gesellschaft, der
-elastischen demokratischen Staatsform, der kapitalistischen ökonomischen
-Verhältnisse; für die Bolschewiki aber galten noch jene Worte, die
-Wilhelm Liebknecht ein Jahr vor seinem Tode geschrieben hat: „Ein
-Sozialist, der in eine Bourgeoisieregierung eintritt, geht entweder zum
-Feind über oder er gibt sich in die Gewalt des Feindes. Er mag sich für
-einen Sozialisten halten, ist es aber nicht mehr; er kann von seiner
-Ehrlichkeit überzeugt sein, aber dann hat er nicht das Wesen des
-Klassenkampfes begriffen – nicht begriffen, daß der Sozialismus den
-Klassenkampf zur Grundlage hat.“ Gotz hatte in seiner letzten Rede vor
-dem Tribunal behauptet, im Oktober hätten Arbeiter auf beiden Seiten der
-Barrikade gekämpft. Wilhelm Liebknecht hätte ihm entgegengehalten: „Ich
-bin für die Einheit der Partei – aber es muß die Einheit des Sozialismus
-und der Sozialisten sein. Die Einheit mit Gegnern, mit Leuten, die
-andere Ziele und andere Interessen haben, ist keine sozialistische
-Einheit. Die Internationale Arbeiter-Assoziation hat deshalb den
-Arbeitern gepredigt: Die Befreiung der Arbeiterklasse kann nur das Werk
-der Arbeiter selbst sein.“
-
-
-
-
- ANHANG.
-
-
- Überblick über die Tätigkeit der S.R. in den Jahren 1917-1922.
-
-Nach der Abdankung Nikolaus’ II. gelangen die S.R. zur Macht. Kerenski
-ist ein S.R. Der Landwirtschaftsminister der Provisorischen Regierung –
-Viktor Michailowitsch Tschernow – ist einer der bekanntesten Führer und
-Theoretiker der S.R. Die Provisorische Regierung setzt den Krieg gegen
-Deutschland fort, trotzdem Tschernow an der Zimmerwalder Konferenz
-teilgenommen hatte. Am 7. November 1917 wird die Kerenski-Regierung
-durch die Bolschewiki gestürzt.
-
-Im Augenblick _der Oktoberumwälzung gibt_ in Moskau die
-Stadtverordnetenversammlung, die eine starke S.R.-Mehrheit hatte, den
-Offiziersschülern den Befehl: _Mit den Waffen in der Hand gegen die
-Arbeiter! Nach der Niederlage der Offiziersaspiranten in Petersburg sind
-es die S.R. Gotz und Kerenski, die die Kosakenschwadronen des
-Zarengenerals Krasnow gegen die Hauptstadt der Revolution anrücken
-lassen._
-
-_Im selben Jahre 1917 treten die S.R. in Verbindung mit einer
-Weißgardisten-Organisation (Filonenko). Gleichzeitig agitieren die S.R.
-unter den städtischen kleinbürgerlichen Schichten für die Sabotage der
-Sowjetmacht in den Betrieben und Fabriken und für Streiks._
-
-
- 1918.
-
-_Am 5. Januar 1918 eröffnete die Konstituierende_ Versammlung ihre
-Session; über _die Hälfte der Mitglieder waren S.R._ Am 8. Januar wurde
-der dritte allrussische _Rätekongreß_, mit einer überwiegenden Mehrheit
-von _Bolschewiki_ (_Kommunisten_), eröffnet. Die der Arbeiter- und
-Bauernregierung feindlich gesinnte Konstituierende Versammlung wird
-aufgelöst. Die _S.R. beginnen den bewaffneten Kampf_ gegen die
-Sowjetmacht. In diese Zeit fällt die Hilfe der S.R. für General Krasnow,
-ferner bricht in diesem Jahre der Aufstand der tschechoslowakischen
-Truppen (der ehemaligen Kriegsgefangenen des Zarenheeres) aus, mit denen
-zwei S.R.-„Regierungen“ – die fern-ostasiatische und die westsibirische
-durch Vermittlung des englischen Obersten Hodgson, durch den General
-Horvat und durch japanische Diplomaten Verhandlungen führten, um die
-Revolution zu zertreten.
-
-Dann organisierten die S.R. die Rumpf-„Nationalversammlung“ in Samara.
-Auf Befehl des französischen Botschafters am Zarenhof, Noulens, zahlte
-die französische Botschaft an die S.R. Gotz, Timofejew und andere Gelder
-zur Aushaltung der Samaraer „Konstituante“.
-
-Die Sozialrevolutionärin Kaplan verwundet Lenin schwer mit einer
-vergifteten Kugel.
-
-Der S.R. Ssergejew erschießt Wolodarskij.
-
-Die Kampforganisation der S.R. organisiert Attentate auf Trotzki und
-Sinowjew.
-
-Von der Militärorganisation der S.R. wird in den Reihen der Roten Armee
-Spionage getrieben. Die S.R. führten „Expropriationen“ aus. In
-Petersburg wurde das Volksernährungskommissariat beraubt, in Moskau das
-Postamt Nr. 9, in Kaluga (südlich Moskau) wurde die Beraubung des
-Gouvernements-Ernährungskomitees versucht usw.
-
-Als General Denikin nahe vor Tula (unweit Moskau im Süden) stand und
-Koltschak auf Tjümenj (Ostural) rückte, erläßt das Zentralkomitee der
-S.R. einen Aufruf an die Arbeiter, daß Denikin auf der Spitze seiner
-Schwerter die Reaktion gegen die Arbeiter trage usw. In Wirklichkeit
-bevollmächtigt das Z.K. gleichzeitig seine Mitglieder, Donskoj und
-Daschjewskij, mit Denikin in Unterhandlungen zu treten.
-
-_Außerdem verbreitet die Zentrale der S.R. Partei in den Reihen der
-Rotarmisten eine Proklamation, mit der Aufforderung, die Kampffronten
-gegen Denikin und Koltschak zu verlassen._
-
-
- 1920.
-
-Im Jahre 1920 organisieren die S.R. einen „Bund der werktätigen
-Bauernschaft“, sie organisieren einen Bauernaufstand im Bezirk Tambow
-(südöstlich Moskau), an dessen Spitze der Bandenführer Antonow steht;
-Aufstände in Sibirien und an der Schwarzen Meer-Küste.
-
-
- 1921.
-
-_In Paris organisierten die S.R. Tschernow, Kerenski, Awksentiew
-gemeinsam mit den Kadetten das „Komitee der Mitglieder der
-Konstituante“._
-
-Der Aufstand in Kronstadt wird von den S.R. mit allen Mitteln
-unterstützt.
-
-Tätigkeit des „Administrativen Zentrums“; Gründung von
-Geheimorganisationen; Vorbereitungen im Kaukasus.
-
-
-
-
- In der Sammlung
- AUSSENSEITER DER GESELLSCHAFT
- – DIE VERBRECHEN DER GEGENWART –
- sind bis jetzt folgende Bände erschienen:
-
-
- Band 1:
-
- ALFRED DÖBLIN
- DIE BEIDEN FREUNDINNEN UND IHR GIFTMORD
-
- Band 2:
-
- EGON ERWIN KISCH
- DER FALL DES GENERALSTABSCHEFS REDL
-
- Band 3:
-
- EDUARD TRAUTNER
- DER MORD AM POLIZEIAGENTEN BLAU
-
- Band 4:
-
- ERNST WEISS
- DER FALL VUKOBRANKOVICS
-
- Band 5:
-
- IWAN GOLL
- GERMAINE BERTON
- DIE ROTE JUNGFRAU
-
- Band 6:
-
- THEODOR LESSING
- HAARMANN, DIE GESCHICHTE EINES WERWOLFS
-
- Band 7:
-
- KARL OTTEN
- DER FALL STRAUSS
-
- Band 8:
-
- ARTHUR HOLITSCHER
- DER FALL RAVACHOL
-
- Band 9:
-
- LEO LANIA
- DER HITLER-LUDENDORFF-PROZESS
-
- Band 10:
-
- FRANZ THEODOR CSOKOR
- SCHUSS INS GESCHAEFT
- DER FALL OTTO EISSLER
-
- Band 11:
-
- THOMAS SCHRAMEK
- FREIHERR VON EGLOFFSTEIN
- Mit einem Vorwort von ALBERT EHRENSTEIN
-
- Band 12:
-
- KURT KERSTEN
- DER MOSKAUER PROZESS GEGEN DIE SOZIALREVOLUTIONÄRE 1922
-
- Band 13:
-
- KARL FEDERN
- DER PROZESS MURRI-BONMARTINI
-
- Band 14:
-
- HERMANN UNGAR
- DIE ERMORDUNG DES HAUPTMANNS HANIKA
-
- Ferner erscheinen noch Bände von:
-
- HENRI BARBUSSE, MARTIN BERADT, MAX BROD, E. I. GUMBEL, WALTER
- HASENCLEVER, GEORG KAISER, OTTO KAUS, THOMAS MANN, LEO
- MATTHIAS, EUGEN ORTNER, JOSEPH ROTH, RENE SCHICKELE, JAKOB
- WASSERMANN, ALFRED WOLFENSTEIN.
-
-
- OHLENROTH’SCHE BUCHDRUCKEREI ERFURT
-
-
- Anmerkungen zur Transkription
-
-Die kräftig variierende Transliteration russischer Namen wurde
-beibehalten. Der Name Семёнов kann so z. B. als Semjonow, Ssemjonow oder
-Semenow auftauchen. Hier ist eine Liste der am häufigsten gefundenen
-Varianten:
-
- Altowski, Altowsky
- Awksentijew, Awksentiew, Awxentijew
- Daschewski, Daschjewskij
- Dobroljubow, Dobrolubow
- Donskoj, Donskoi
- Elkind, Eljkind
- Eugenia, Eugenie
- Fanny, Fanni
- Fedorowitsch, Federowitsch
- Fjedorow, Fedorow, Federow
- Gerstejn, Gerstein
- Grigorij, Grigori
- Ignatjew, Ignatiew
- Konoplewa, Konopleva, Konopljewa
- Koslow, Kozlow
- Lew, Lev
- Michailowitsch, Michajlowitsch
- Murawjew, Murawiew
- Nishnij, Nishni
- Sawinkow, Savinkow
- Semjonow, Ssemjonow, Semenow
- Sergejew, Ssergejew
- Timofejew, Timofjejew
- Utgow, Utgoff
- Wolodarskij, Wolodarski
-
-Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Weitere
-Änderungen sind hier aufgeführt (vorher/nachher):
-
- [S. 132]:
- ... wurde abgelehnt; die Resolution Tschernow ...
- ... wurde abgelehnt; die Resolution Tschernows ...
-
-
-*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER MOSKAUER PROZESS GEGEN DIE
-SOZIALREVOLUTIONÄRE 1922. REVOLUTION UND KONTERREVOLUTION ***
-
-Updated editions will replace the previous one--the old editions will
-be renamed.
-
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-
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-Archive Foundation
-
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-<p style='text-align:center; font-size:1.2em; font-weight:bold'>The Project Gutenberg eBook of <span lang='de' xml:lang='de'>Der Moskauer Prozeß gegen die Sozialrevolutionäre 1922. Revolution und Konterrevolution</span>, by Kurt Kersten</p>
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-
-<p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:0; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Title: <span lang='de' xml:lang='de'>Der Moskauer Prozeß gegen die Sozialrevolutionäre 1922. Revolution und Konterrevolution</span></p>
-<p style='display:block; margin-left:2em; text-indent:0; margin-top:0; margin-bottom:1em;'><span lang='de' xml:lang='de'>Außenseiter der Gesellschaft. Die Verbrechen der Gegenwart. Band 12</span></p>
-<p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:0; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Author: Kurt Kersten</p>
-<p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:0; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Editor: Rudolf Leonhard</p>
-<p style='display:block; text-indent:0; margin:1em 0'>Release Date: January 14, 2023 [eBook #69795]</p>
-<p style='display:block; text-indent:0; margin:1em 0'>Language: German</p>
- <p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:0; margin-left:2em; text-indent:-2em; text-align:left'>Produced by: Jens Sadowski and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net. This book was produced from images made available by the HathiTrust Digital Library.</p>
-<div style='margin-top:2em; margin-bottom:4em'>*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK <span lang='de' xml:lang='de'>DER MOSKAUER PROZESS GEGEN DIE SOZIALREVOLUTIONÄRE 1922. REVOLUTION UND KONTERREVOLUTION</span> ***</div>
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-<div class="frontmatter chapter">
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-<div class="frontmatter chapter">
-<p class="ser">
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-
-<p class="ed">
-HERAUSGEGEBEN VON<br />
-RUDOLF LEONHARD
-</p>
-
-<p class="vol">
-BAND 12
-</p>
-
-<div class="centerpic logo2">
-<img src="images/logo2.jpg" alt="" /></div>
-
-<p class="pub">
-VERLAG DIE SCHMIEDE<br />
-BERLIN
-</p>
-
-</div>
-
-<div class="frontmatter chapter">
-<h1 class="title">
-DER MOSKAUER PROZESS<br />
-GEGEN DIE SOZIALREVOLUTIONÄRE<br />
-1922.<br />
-REVOLUTION UND KONTERREVOLUTION
-</h1>
-
-<p class="aut">
-VON<br />
-KURT KERSTEN
-</p>
-
-<div class="centerpic logo2">
-<img src="images/logo2.jpg" alt="" /></div>
-
-<p class="pub">
-VERLAG DIE SCHMIEDE<br />
-BERLIN
-</p>
-
-</div>
-
-<div class="frontmatter chapter">
-<p class="designer">
-EINBANDENTWURF<br />
-GEORG SALTER<br />
-BERLIN
-</p>
-
-<p class="cop">
-Copyright 1925 by Verlag Die Schmiede Berlin
-</p>
-
-</div>
-
-<div class="chapter">
-
-<h2 class="chapter blank" id="part-1" title="Der Moskauer Prozeß gegen die Sozialrevolutionäre">
-<a id="page-7" class="pagenum" title="7"></a>
-</h2>
-
-</div>
-
-<p class="first">
-An der Bahnlinie Moskau-Saratow liegt
-mitten im Kiefernwald die kleine Datsche
-eines reichen Kaufmannes; grün und blau
-schimmern die Holzwände durch den Sommermorgen
-eines furchtbaren Jahres; als
-der Streckenwächter früh vorüberkam, fiel
-ihm auf, daß Garten- und Haustür offenstanden;
-der Rasen war zertrampelt – der
-Mann in der hellen Russenbluse stutzte, ging
-scheu in den Garten, zögerte noch einen
-Augenblick, bevor er die Treppenstufen
-hinaufging – plötzlich stieß er einen Schrei
-aus, wandte sich um und lief davon –
-„Mord – Mord –“ brüllte er durch den
-Wald –
-</p>
-
-<p>
-Nach einer Weile kehrte er mit einem
-jungen Sanitätssoldaten zurück, beide hielten
-den Revolver schußfertig in der Hand und
-gingen zögernd die Treppe hinauf, ihnen
-entgegen gähnte ein dunkler Flur – gerade
-vor der Öffnung lag ein dicker Mann im
-Nachthemd – mit starren, weit geöffneten
-Augen, blutigem, vertrocknetem Schaum vor
-dem schwarzen Mund – der Sanitäter
-bückte sich, entblößte eine zottige Brust,
-<a id="page-8" class="pagenum" title="8"></a>
-horchte, befühlte – erhob sich nach einer
-Weile, zuckte die Achseln: „Herzschlag –“
-Der Wächter setzte scheu den Fuß über den
-Leichnam hinweg – eine Zimmertür stand
-offen – Spinde, Wandschrank schienen durchwühlt,
-auf der Erde lag ein Bankkontobuch;
-sämtliche Schubfächer des altertümlichen
-Vertikos waren erbrochen – Akten, Briefe
-aber unberührt – es schien den Tätern nur
-am baren Gelde gelegen zu sein.
-</p>
-
-<p>
-Alle Nachforschungen nach den Tätern
-blieben erfolglos.
-</p>
-
-<p>
-Das Reich war in Aufruhr und Menschenleben
-billig; seit vier Jahren wütete Krieg in
-der ganzen Welt, seit einem halben Jahr
-herrschten die Arbeiter und Bauern in Rußland
-– eben noch erstreckte sich ihre Macht
-auf die Weichbilder von Moskau und Petrograd,
-von der Wolga rückten tschechoslowakische
-Söldner unter Führung von Ententeoffizieren
-gegen Kasan und berannten die
-Stadt, in Kiew wehte die schwarz-weiß-rote
-Fahne, in Archangelsk landeten Amerikaner
-und Engländer, vom Ural, vom Dongebiet
-her breiteten sich Kosakenschwärme unter
-der Führung zaristischer Generale weit übers
-Land aus, Gutshöfe brannten, Bauern wurden
-von Offiziersbataillonen grausam zu Tode
-gemartert, in den Städten traute keiner dem
-andern – Einbrüche am hellen Tage waren
-<a id="page-9" class="pagenum" title="9"></a>
-keine Seltenheit, staatliche Ämter wurden
-mit Einverständnis der Beamten ausgeraubt,
-eben erst war ein vergeblicher Versuch in
-Moskau gemacht worden, den feuerfesten
-Schrank des Gouvernements-Ernährungskomitees
-zu sprengen, offenbar war den Tätern
-der Sauerstoff ausgegangen, das Schloß war
-zur Hälfte geschmolzen; einige Tage später
-drangen am hellen Tage fünf vermummte
-Männer in das Postgebäude an der Twerskaja,
-der belebtesten Straße Moskaus, ein,
-hatten die Eingangstür verriegelt, riefen den
-Beamten und Kunden „Hände hoch“ zu,
-schwangen Handgranaten, zückten Messer,
-hielten den Finger am Revolverhahn und
-plünderten die Kasse – entnahmen ihr
-über 100000 Rubel – entfernten sich dann,
-und ehe sich noch jemand vom Schreck erholt
-hatte und auf die Straße lief, waren die
-Banditen längst verschwunden.
-</p>
-
-<p>
-Einige Tage später las man in der Presse
-der ganzen Welt: „Ausraubung eines Postamtes
-am hellen Tage in Moskau – Die
-Täter entkommen – Das russische Chaos –
-Nieder mit den Bolschewiki.“
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-In denselben Tagen finden in den Städten
-neue Sowjetwahlen statt. Die Wahlagitation
-ist im heftigsten Gange; in Petersburg
-herrscht ungestörte Pressefreiheit, einer der
-<a id="page-10" class="pagenum" title="10"></a>
-eifrigsten Agitatoren in den Fabriken ist der
-junge Wolodarski – eben 27 Jahre alt, gebürtig
-aus Wolhynien, seit frühster Jugend
-in der revolutionären Bewegung: der Vierzehnjährige
-arbeitet schon in illegalen Organisationen,
-der Siebzehnjährige sitzt bereits
-als „Politischer“ im Gefängnis – drei Jahre
-später verbannt ihn das zaristische Gericht
-nach Archangelsk, 1913 flieht er nach Amerika,
-bei Kriegsausbruch redigiert er mit
-Bucharin in New-York eine Zeitung „Neue
-Welt“ – immer führt er ein wahres Hundeleben,
-immer sind ihm Spitzel auf den Fersen,
-immer machen sich Provokateure an ihn
-heran, auch in den U. S. A. sieht er Kerkermauern
-– endlich wehen in Rußland rote
-Fahnen; einige Monate nach Kerenskis Aufstieg
-arbeitet Wolodarski schon in Petersburg,
-macht innerhalb kurzer Frist schwindelnd
-Karriere: eben noch Agitator des
-Peterhofer Bezirks, sitzt er nun schon im
-Petersburger Sowjet, kommt ins Exekutivkomitee,
-wird ein glühender, hinreißender
-Sprecher, alle Bezirke telephonieren:
-</p>
-
-<p>
-„Schickt uns Wolodarski“ – „Schickt uns
-Wolodarski.“ –
-</p>
-
-<p>
-Nach dem Oktoberumsturz wird Wolodarski
-Volkskommissar für Presse und Agitation.
-Im Frühjahr 1918 ist er Chefredakteur
-der „Roten Zeitung“. Im Juni finden
-<a id="page-11" class="pagenum" title="11"></a>
-die Wahlen statt – Wolodarski arbeitet an
-hervorragender Stelle – er ist es, der Pressefreiheit
-gibt – am nächsten Tage liest man
-in einer Petersburger Zeitung: „Es gibt im
-Smolny zwei besonders unangenehme Juden
-– Sinowjew und Wolodarski.“ Einen Tag
-später wird gewählt – Resultat:
-</p>
-
-<div class="table">
-<table class="table011" summary="">
-<tbody>
- <tr>
- <td class="col1">Bolschewiki:</td>
- <td class="col2">72.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">Linke S.R.:</td>
- <td class="col2">9.</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">Parteilose:</td>
- <td class="col2">4.</td>
- </tr>
-</tbody>
-</table>
-</div>
-
-<p class="noindent">
-Am Abend sprach Wolodarski in einer
-Versammlung der Eisenbahner der Nikolajew-Bahn,
-noch umtoste ihn der Beifall der
-proletarischen Masse, als er schon im Auto
-saß, um in eine Maschinenfabrik zu fahren
-und eine zweite Rede zu halten.
-</p>
-
-<p>
-In der Farforstraße hält plötzlich sein Auto.
-</p>
-
-<p>
-„Was ist los?“
-</p>
-
-<p>
-„Kein Benzin.“
-</p>
-
-<p>
-Wolodarski steigt aus, will einen Laden
-suchen – vielleicht kann man irgendwo
-etwas Benzin auftreiben – kaum ist er zehn
-Schritte gegangen, da eilt ihm ein Mann
-entgegen, Wolodarski beachtet ihn nicht, da
-ein Knall, ein Schlag gegen die Brust, er
-taumelt, fällt zu Boden – eben noch sieht
-er den Täter enteilen, über einen Zaun hinwegklettern
-– dann noch eine Detonation
-– ein Sausen und Wimmern durch die
-<a id="page-12" class="pagenum" title="12"></a>
-Lüfte – noch einige Revolverschüsse –
-schon kniet Grischa Sinowjew neben dem
-sterbenden Wolodarski.
-</p>
-
-<p>
-Man bahrt den Leichnam im Taurischen
-Palais auf; das Proletariat von Petersburg
-defiliert am Sarg in langen, langen Zügen
-vorüber, alle Fabriken halten Meetings ab,
-geschlossen rücken die Belegschaften der
-großen Fabriken an, eine alte Arbeiterin küßt
-die bleiche Stirn des Toten, eine Arbeiterfrau
-führt ihr Kind an den Sarg: „Siehe – für
-dich ist er gestorben.“ –
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Der Mörder ist entkommen, in den Zeitungen
-der sowjetfeindlichen Presse erscheinen
-beunruhigte Artikel, am Tage nach der
-Ermordung liest man befremdenderweise im
-Zentralorgan der Sozialrevolutionäre eine
-Erklärung:
-</p>
-
-<p>
-„Das Petrograder Bureau des Zentralkomitees
-der Partei der Sozialrevolutionäre
-erklärt, daß <em>keine</em> Organisation der Partei
-zu der Ermordung des Kommissars für Pressewesen,
-Wolodarski, in irgend welcher Beziehung
-steht.“
-</p>
-
-<p>
-Niemand hatte sie beschuldigt, niemand
-mit Fingern nach ihnen gezeigt, weshalb
-regen sie sich, weshalb wehren sie ab? Wundern
-sie sich, wenn zwei Tage später Sinowjew
-in einer Sitzung des Petrograder Sowjets
-<a id="page-13" class="pagenum" title="13"></a>
-ausruft: „Wir wissen nicht, wer der Mörder
-ist, doch es wäre wünschenswert, wenn von
-den Sozialrevolutionären am Begräbnis des
-Genossen Wolodarski niemand teilnehmen
-würde.“
-</p>
-
-<p>
-Wundern sie sich? Sie schweigen.
-</p>
-
-<p>
-Einige Wochen später fällt der alte Genosse
-Uritzki einem Attentat zum Opfer;
-als Täter kommt ein „Volkssozialist“ in Betracht.
-Indessen sind die Tschechoslowaken
-schon auf halbem Wege nach Nishni-Nowgorod,
-immer enger wird der furchtbare
-Ring, in Jaroslaw bricht ein grauenhafter
-Bürgerkrieg aus, die ganze Stadt ist nach
-fünf Tagen ein Trümmerhaufen, die Ermordung
-Mirbachs und Eichhorns versteift die
-Beziehungen zu Deutschland, man gelangt
-durch Zufall in den Besitz von Papieren, die
-unwiderleglich von einer engen Verbindung
-zwischen bürgerlichen Verbänden und der
-französischen Militärkommission zeugen, der
-französische Botschafter Noulens hatte in
-Wologda sein Archiv verloren – – dann
-versuchen die linken S.R. in Moskau zu
-putschen – die Herrlichkeit dauert einen
-knappen Tag – der Wirrwarr wird größer –
-die „Rote Garde“ ist schlecht bewaffnet, in
-Lumpen gekleidet, der Hunger quält in den
-Augen – an allen Fronten entbrennt der
-Kampf – innerhalb des Kreises züngeln die
-<a id="page-14" class="pagenum" title="14"></a>
-Flammen – und mitten in dieser verzweifelten
-Situation schießt eine kleine Jüdin
-einen Revolver ab – eines Abends in den
-ersten Septembertagen – die Schüsse treffen
-Wladimir Iljitsch Lenin. Das ganze Land
-ist erschüttert. Ein Stöhnen entringt sich
-der russischen Arbeiterschaft: Lenin schwer
-verwundet.
-</p>
-
-<p>
-Diesmal kennt man kein Zögern mehr.
-Jetzt erst geht man zur Gegenwehr über.
-Noch in dieser Nacht verhaftet man 500 Offiziere,
-erschießt sie am frühen Morgen. Und
-die nächsten Septembertage erleben im ganzen
-Land, soweit die Macht der Bolschewiken
-reicht, Hausuntersuchungen, Verhaftungen,
-Verhöre – in den ersten Morgenstunden hört
-man immer Salven knattern – und einige
-Tage später zieht Trotzki in Kasan ein,
-treiben Budjenis „Rote Reiter“ die Tschechoslowaken
-und Kosaken vor sich her,
-langsam fällt die Weiße Flut, langsam drängt
-man Entente- und Zarengenerale über die
-Wolga und an die Gestade des Eismeeres zurück
-– wenige Wochen später bricht die
-kaiserliche deutsche Armee zusammen, die
-roten Fahnen wehen in Riga und Kiew.
-Langsam sieht Lenin seiner Genesung entgegen.
-</p>
-
-<p>
-Und wer hatte auf ihn geschossen? Wer
-hatte in ihm das Land getroffen?
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-15" class="pagenum" title="15"></a>
-Fanny Kaplan – Mitglied der Sozialrevolutionären
-Partei.
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Im Laufe der nächsten Jahre verdichten
-sich Anklagen und Beweise wider diese Partei;
-allmählich gelingt es, zahlreiche Führer
-zu verhaften, Gerüchte zu bestätigen, da erscheint
-im Herbst 1921 in Berlin eine russische
-Broschüre eines G. Ssemjonow, Die
-Partei der Sozial-Revolutionäre in den Jahren
-1917-1918. (Ihre Kampftätigkeit und
-militärischen Aktionen.) Die Broschüre erregt
-in der gesamten Emigrantenpresse ein
-ungeheures Aufsehen; Auszüge erscheinen in
-deutschen Zeitungen, zwischen Emigrantenorganen
-entspinnen sich Pressefehden, Presseprozesse.
-In derselben Zeit wird bekannt,
-daß ein Prozeß gegen 34 Mitglieder der S.R.
-in Moskau stattfinden wird. Und was enthält
-jene staubaufwirbelnde Broschüre?
-</p>
-
-<p>
-Ich Ssemjonow – ehemaliges Mitglied der
-S.R., Führer der Kampforganisation –
-habe Attentate, Sprengungen und Expropriationen
-vollführt – ich habe mit meinen
-Leuten das Postamt in der Kammerherrengasse
-am hellichten Tage ausgeplündert, ich
-bin mit Gefährten in die Datsche eines Kaufmannes
-eingebrochen, der vor Schreck tot
-zusammenbrach, als er uns sah, ich habe das
-Attentat auf Wolodarski inszeniert, ich habe
-<a id="page-16" class="pagenum" title="16"></a>
-Attentate auf Lenin und Trotzki vorbereitet,
-ich weiß von der Verbindung unserer Partei
-mit der Entente, Deutschland und bürgerlichen
-Organisationen. Existierten bloße
-Verbindungen? Von dort erhielten wir Gelder,
-Aufträge, Material, im Einverständnis
-mit der Entente, in ihrem Auftrag mordeten,
-plünderten, sprengten wir. Sämtliche Maßnahmen,
-die ich im Interesse der Partei ergriffen
-habe, erfolgten im Einverständnis mit
-dem Zentralkomitee unserer Partei; die hervorragendsten
-Männer gaben uns die Lizenz.
-Dabei herrschte innerhalb der Partei völlige
-Plan- und Kopflosigkeit; aus reiner Verzweiflung
-schien jedes Mittel recht – erst
-nach langer Haft kam mir zum Bewußtsein,
-von welchen haltlosen Menschen wir mißbraucht
-wurden, daß wir nicht im Interesse
-der arbeitenden Klasse handelten, sondern
-gegen ihre Interessen. – Alle Angaben
-Ssemjonows wurden einige Wochen später
-von einer gewissen Lydia Konoplewa bestätigt
-– ja sie verstärkte noch den Verdacht
-gegen das Z.K. der Partei, das seine
-Genehmigung zu sämtlichen Attentaten gegeben
-habe.
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<div class="centerpic">
-<img src="images/i016a.jpg" alt="" />
-<p class="cap">
-Der Verteidiger Murawiew unterhält sich mit den Angeklagten, Mitglieder der sozialrevolutionären
-Partei: Gotz, Hendelmann, Tatareew u. a.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-Im Frühjahr hatte sich das Material gegen
-die verhafteten S.R. bereits so verdichtet,
-daß auf der Berliner Konferenz der II., II½.
-<a id="page-17" class="pagenum" title="17"></a>
-und III. Internationale die Vertreter der
-II. und II½. Internationale von der III. Internationale
-das Versprechen zu ertrotzen
-suchten, kein Todesurteil über die S.R. zu
-verhängen, die Zulassung ausländischer Verteidiger
-zu befürworten – man geriet in
-ernste Besorgnis; hatte man früher immer
-und immer wieder geschrien: weshalb laßt
-ihr diese Leute so lange in Untersuchungshaft
-sitzen – weshalb laßt ihr sie nicht frei –
-schlug man jetzt einen anderen Weg ein:
-man suchte zu verschleppen, zu bemänteln,
-verschwieg die Tatsachen, ging über die
-eigentlichen Anschuldigungen hinweg, vermied
-überhaupt sie zu erwähnen, klammerte
-sich an reine Formalitäten, und schrie und
-schrie und gab keine Antwort, wenn man
-fragte: „Und wie verhält es sich mit den
-Fakten“? –
-</p>
-
-<p>
-Sonntagnachmittag im Juni 1922. Als
-das Flugzeug von Moskau eben auf dem
-großen Flugplatz in Kowno, den die deutsche
-Armee im Weltkrieg angelegt hatte, gelandet
-war, und die Passagiere der Kabine entstiegen,
-rief ihnen schon von weitem der
-deutsche Flugplatzführer der Derutra zu:
-„Rathenau ist ermordet“ – „Der Dollar 375.“
-„Die Nationalisten“ – Der junge Schriftsteller
-konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.
-„Dollar, Mord und Nation –
-<a id="page-18" class="pagenum" title="18"></a>
-deutsche Atmosphäre.“ Und während man
-sich noch rings um ihn ernst unterhielt, ob der
-Dollar noch weiter fallen würde, dachte er:
-„Wird man die Täter ergreifen? Wird man
-ihnen den Prozeß machen? Wird man vor
-allem den Hintergrund enthüllen, die wahren
-treibenden Kräfte feststellen?“ Und er gedachte
-jenes seltsamen Prozesses, dem er
-soeben in Moskau beigewohnt hatte, er gedachte
-jener doppelt seltsamen Demonstration
-im Gerichtssaal, die am vierten Jahrestag
-der Ermordung Wolodarskis stattgefunden
-hatte. Und während das Flugzeug wieder
-startete und bald über Deutschland hinschwebte,
-vergegenwärtigte sich der junge
-Schriftsteller lebhaft noch einmal die Erlebnisse
-der vergangenen Woche, des 20.
-Juni.
-</p>
-
-<p>
-Am vierten Jahrestag der Ermordung
-Wolodarskis zogen schon am frühen Morgen
-aus allen Bezirken die Arbeiter ins Innere der
-Stadt, um die Mittagsstunde füllten Hunderttausende
-den Roten Platz vor dem Kreml.
-An den Gräbern der gefallenen Revolutionäre
-zogen die Belegschaften aller Moskauer Betriebe
-vorüber. Und auf der Rednertribüne
-erschien ein großer blonder Mann – erschien
-der Vorsitzende des Obersten Tribunals Pjatakow
-und erklärte den demonstrierenden
-Arbeitern: „Das Urteil wird gerecht, wird
-<a id="page-19" class="pagenum" title="19"></a>
-erbarmungslos sein. Noch ist es nicht an der
-Zeit, es zu fällen.“
-</p>
-
-<p>
-Und einen langen Sommertag über zogen
-die Massen russischer Arbeiter durch die
-Iberische Pforte hinab zum Swerdlowplatz,
-an einem barocken Säulenbau vorüber, jede
-Belegschaft hielt einen Augenblick an, und
-einer ihrer Sprecher rief nach jenem Hause
-Worte der Rache hinüber – die ganze Stadt
-dröhnte vom Schritte der Arbeiterbataillone,
-die ganze Stadt hallte vom Gesang der Internationale.
-</p>
-
-<p>
-Und als der Abend hereinbrach, und die
-Massen sich langsam entfernt hatten, passierte
-der junge Schriftsteller die Postenketten
-des Prunkgebäudes, betrat die weiten
-unteren Räume des Hauses, in denen eine
-Kompagnie des Tschekaregimentes untergebracht
-war; breite Marmortreppen führten in
-den ersten Stock. Wieder forderten Soldaten
-in braunen Uniformen mit breiten roten
-Querstreifen auf der Brust den Ausweis, die
-Wände spiegelten ein reges Treiben, weithin
-erstreckten sich Wandelhallen, und
-in einem Seitenraum war eine Ausstellung
-von Bildern und Dokumenten – grauenhaften
-Urkunden der Scheußlichkeiten des Bürgerkrieges;
-da hingen die Proklamationen der
-Partei der S.R., die Aufrufe zum Sturz der
-Sowjets, da hingen Flugschriften und Proklamationen,
-<a id="page-20" class="pagenum" title="20"></a>
-Reden Awxentijews, Artikel
-Tschernows und unzählige Photographien –
-Photographien der Generale des Zaren, Photographien
-von Führern der S.R., Bilder gesprengter
-Brücken und Stationen, Photographien
-langer Reihen von Särgen und
-Massengräbern, Bilder der 26 Bolschewiken,
-die in Baku von den S.R. hingerichtet wurden,
-Photographien schauderhaft zugerichteter
-Leichen – und dann Bilder Wolodarskis,
-Uritzkis, Bilder vieler, vieler Kinder,
-vieler Waisen, deren Eltern Koltschak hinrichten
-ließ.
-</p>
-
-<p>
-Und als der junge Schriftsteller erschüttert
-diese Kammer der Seufzer und Tränen, der
-Lügen und Heuchelei verließ, öffnete er eine
-kleine Tür und befand sich plötzlich in einem
-gewaltigen Saal – Säulenreihen zogen sich
-zur Linken und Rechten, mächtige Leuchter
-hingen von der hohen Decke herab – am anderen
-Ende des Saales saßen und standen auf
-einem Podium zahlreiche Männer und einige
-Frauen – zwischen mächtigen Säulen waren
-gewaltige rote Tücher gespannt, große Lettern
-verkündeten: „Das Proletariat ist der
-Schutzschild der Revolution.“
-</p>
-
-<p>
-An einem Tische mitten auf dem Podium
-sitzen die Richter – und in ihrer Mitte sehen
-wir wieder Pjatakow. Rechts scharen sich
-hinter einer Sperre dicht hinter- und nebeneinander
-<a id="page-21" class="pagenum" title="21"></a>
-in zwei Gruppen getrennt 34 Angeklagte,
-vor ihnen sitzen an langen Tischen
-die Verteidiger; hart an der Rampe steht ein
-kleiner Tisch – vor ihm sitzt der Ankläger
-Krylenko – neben ihm ein langer Tisch,
-an dem drei andere Ankläger sitzen: Lunatscharski,
-der Historiker Pokrowski, die greise
-Klara Zetkin. Die Reihen der Angeklagten
-umspannt ein Kordon jener Soldaten in
-braunen Uniformen mit den breiten Litzen,
-sie tragen die spitzen Helme der Krieger
-Iwans des Schrecklichen, das Gewehr mit aufgepflanztem
-Seitengewehr bei Fuß. Zur
-Rechten öffnet sich eine breite Tür – herein
-tritt eine Deputation Moskauer Arbeiter –
-eine ältere Frau ist unter ihnen, sie durchschreiten
-den überfüllten Zuschauerraum, in
-dem wohl 2000 Menschen sitzen, und steigen
-langsam die Treppen zum Tribunal hinauf.
-Und unter tiefem Schweigen begannen die
-Arbeiter zu reden – junge und alte – leidenschaftlich
-brach es aus ihnen los – Anklagen
-und wieder Anklagen – Ein Arbeiter von
-Kasan erzählte erregt von den Grausamkeiten
-der S.R. in Kasan, es sprach jener
-Arbeiter, der die Fanny Kaplan nach ihrem
-Attentat auf Lenin festgenommen hatte, und
-ein langer, breiter Mann mit einer fürchterlichen
-Stimme erzählte noch einmal vom
-Eindruck, den der junge Wolodarski auf sie
-<a id="page-22" class="pagenum" title="22"></a>
-gemacht hatte; wie aus einem Krater brodelten
-Anklagen, Verwünschungen los – „Rache
-für Wolodarski“ schrie es durch den Raum –
-und die Männer hinter der Barriere saßen mit
-gesenkten Häuptern festgebannt da – ohne
-die Möglichkeit der Flucht, allen Blicken
-preisgegeben, gerichtet, geächtet, gestraft.
-</p>
-
-<p>
-Niemals zuvor in der Weltgeschichte wird
-die Stimme der Masse so vernehmlich, so
-eindrucksvoll gesprochen haben wie in dieser
-Sommernacht zu Moskau im Prunksaale des
-ehemaligen Adelsklubs.
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Zehn Tage währte nun schon dieser Prozeß.
-Am 10. Juni hatte er begonnen; einige Tage
-zuvor waren die ausländischen Verteidiger
-in Moskau eingetroffen, vor dem Bahnhof
-hatte sie die Arbeiterschaft mit Pfiffen begrüßt.
-Am Tage der Eröffnung hatte der
-Führer der II. Internationale, Vandervelde,
-vor dem Tribunal das Mißgeschick, als
-Justizminister S. Majestät des Königs der
-Belgier verhöhnt zu werden, weil er sich im
-Westlerdünkel erhaben fühlte über die Justizmethoden
-der Arbeiterrepublik.
-</p>
-
-<p>
-Die 34 Angeklagten trennten sich in zwei
-Lager – zur Linken saßen 25 Männer und
-Frauen – die Offiziere der Partei:
-</p>
-
-<p class="list">
-Gotz, Abram Rafalowitsch<br />
-Donskoi, Dmitri Dmitrijewitsch<br />
-<a id="page-23" class="pagenum" title="23"></a>
-Gerstein, Lew Jakowlewitsch<br />
-Lichatsch, Michail Alexandrowitsch<br />
-Iwanow, Nikolai Nikolajewitsch<br />
-Ratner-Eljkind, Jewgenija Moisjewna<br />
-Rakow, Dmitrij Fedorowitsch<br />
-Fedorowitsch, Florian Florianowitsch<br />
-Wedenjapin, Michail Alexandrowitsch<br />
-Gendeljmann-Grabowski, Michail Jakowlewitsch<br />
-Morosow, Sergej Wladimirowitsch<br />
-Artemjew, Nikolai Iwanowitsch<br />
-Ratner, Grigoric Moisjewitsch<br />
-Timofejew, Jewgenij Michajlowitsch.
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Gotz, Donskoi, Wedenjapin und Gendeljmann,
-Gerstein, Lichatsch, Iwanow, Ratner-Eljkind,
-Ratner, Fedorowitsch, Timofejew
-saßen seit 1917 im Zentralkomitee der Partei;
-Artemjew, Morosow und Ratner waren Mitglieder
-des Moskauer Bureaus des Zentralkomitees.
-</p>
-
-<p>
-Diese 14 Personen werden angeklagt, ihre
-Partei so geleitet zu haben, um den Sturz der
-von der proletarischen Revolution eroberten
-Macht der Arbeiter- und Bauernräte herbeizuführen.
-Sie haben alle Mittel und Kräfte der
-Partei zu diesem Zwecke verwandt.
-</p>
-
-<p>
-Man beschuldigt sie:
-</p>
-
-<p>
-1. Der Vorbereitung bewaffneter Aufstände
-gegen die Sowjetmacht in Petrograd
-<a id="page-24" class="pagenum" title="24"></a>
-und Moskau. Bildung militärischer Stäbe
-und besonderer Kampforganisationen. Sie
-unterhielten Verbindung mit anderen konterrevolutionären
-Organisationen und nahmen
-ihre finanzielle Hilfe in Anspruch; gemeinsam
-mit ihnen organisierten sie technische Organe,
-Stäbe, Stadtkommandos für bewaffnete Aufstände.
-</p>
-
-<p>
-2. Im Namen der Partei traten sie in Verbindung
-mit den Vertretern des internationalen
-Kapitals – mit den offiziellen Vertretern
-der kapitalistischen Ententestaaten
-zur Zeit, als diese sich im Kriegszustande mit
-der R.S.F.S.R. befanden. Sie halfen diesen
-Staaten das Gebiet der Sowjetrepublik besetzen,
-verschafften ihnen Nachrichten und
-informierten sie über die innere Lage des
-Landes. Sie nahmen die militärische, finanzielle
-und technische Hilfe dieser Staaten in
-Anspruch.
-</p>
-
-<p>
-3. Verbindung mit weißgardischen Heeresleitungen,
-mit den Generalen Krasnow,
-Alexejew und Denikin, mit den in den Randgebieten
-der R.S.F.S.R. entstandenen bürgerlich-nationalistischen
-gegenrevolutionären
-Zentren, den sogenannten Regierungen der
-Ukraine, des Kuban und Dongebietes. Sie
-haben mit allen Mitteln unter dem Namen
-der „Regierung, der Mitglieder der Konstituante“
-zur Befestigung der entstehenden
-<a id="page-25" class="pagenum" title="25"></a>
-gegenrevolutionären Zentren beigetragen, besonders
-in Samara, im Norden, in Ufa und
-Omsk. Sie halfen diesen gegenrevolutionären
-Zentren in ihrem bewaffneten Kampfe gegen
-die Sowjetregierung durch Hochverrat und
-Spionage.
-</p>
-
-<p>
-4. Organisation von Kampfgruppen zwecks
-Verübung terroristischer Akte gegen die
-Funktionäre der Sowjetmacht Sprengung von
-Eisenbahngeleisen, Ausraubung von Sowjetinstitutionen.
-Sie leiteten die Tätigkeit dieser
-Gruppen. Und benutzten die auf diese Weise
-erlangten Mittel für die Fortsetzung ihrer
-gegenrevolutionären Arbeit.
-</p>
-
-<p>
-Gegen einzelne Angeklagte wird noch besondere
-Anklage erhoben:
-</p>
-
-<div class="block">
-<p>
-1. <em>Gotz</em> (Mitglied des Z.K.P.S.R.):
-Agitation unter den Truppen nach dem
-Oktoberumsturz, Aufforderung auf Meetings
-zum bewaffneten Widerstand, Vorbereitung
-und Leitung des Junkeraufstandes
-am 29. Oktober. Teilnahme an den
-Sitzungen der Militärkommissionen der
-bürgerlichen Verbände. Teilnahme an den
-Akten des individuellen Terrors.
-</p>
-
-<p>
-2. <em>Donskoi</em> (Mitglied des Z.K.P.S.R.):
-Leiter der Militärkommission nach Auflösung
-der Konstituante; in konspirativer
-Verbindung mit den bürgerlichen Organisationen
-Filonenko und Iwanow, Teilnahme
-<a id="page-26" class="pagenum" title="26"></a>
-an Konferenzen mit Offizieren des
-Generals Alexejew, erteilte Genehmigung
-zu terroristischen Akten und war mit Anschlägen
-auf Lenin und Trotzki einverstanden.
-Er war der eigentliche Inspirator
-aller Unternehmungen Ssemjonows, er ermutigte
-zu Expropriationen und Sprengungen,
-er stellte die Verbindung zur französischen
-Militärmission her.
-</p>
-
-<p>
-3. <em>Iwanow</em>: Aus eigener Initiative
-schlug Iwanow dem Z.K. terroristische
-Akte vor, rechtfertigte sie und erteilte
-Ssemjonow Aufträge.
-</p>
-
-<p>
-4. <em>Gerstein</em>: Leiter der militärischen
-Propaganda, sanktionierte den Empfang
-der Gelder von bürgerlichen Organisationen,
-betätigte sich in der Ukraine, leitete
-Verhandlungen mit der französischen Mission.
-</p>
-
-<p>
-5. <em>Timofejew</em>: unterhielt Verbindungen
-zur französischen Mission, entsandte Offiziere
-in die Wolgaprovinzen, war über die
-Tätigkeit der Terrorgruppen informiert und
-gab seine Einwilligung zu ihren Plänen.
-</p>
-
-<p>
-6. <em>Wedenjapin</em>: war der Beauftragte
-des Z.K. der S.R. in Samara, stand in
-Verbindung mit den Tschechoslowaken,
-war über die terroristische Tätigkeit informiert,
-unterstützte Mitglieder der Terrorgruppen
-durch Geld.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-27" class="pagenum" title="27"></a>
-7. <em>Lichatsch</em>: war bevollmächtigter
-Leiter der Militärabteilung des Z.K., nahm
-an gemeinsamen Sitzungen konterrevolutionärer
-Verbände teil, erhielt Gelder aus
-englischen Quellen, war Mitglied der „Nordregierung“
-in Wologda und Archangelsk.
-</p>
-
-<p>
-8. <em>Morosow</em>, 9. <em>Artemjew</em>: Konspirative
-Tätigkeit in Moskau. Vorbereiter des
-Aufstandes in der Wolgagegend.
-</p>
-
-<p>
-10. <em>Ratner-Elkind</em>: Erhielt als Kassiererin
-des Z.K. der S.R. die aus Expropriationen
-stammenden Gelder von Ssemjonow
-und war über ihre Herkunft unterrichtet.
-</p>
-
-<p>
-11. <em>Ratner</em>, Gregor: Mitglied der Militärgruppe.
-War unterrichtet über die terroristische
-Tätigkeit.
-</p>
-
-<p>
-12. <em>Rakow</em>: Erhielt von Ssemjonow geraubte
-Gelder.
-</p>
-
-<p>
-13. <em>Fedorowitsch</em>: Konspirative Tätigkeit,
-stand in Verbindung mit Savinkow.
-</p>
-
-<p>
-14. <em>Gendelmann</em>: stand in Verbindung
-mit Ententekommissionen, war im Wolgagebiet
-aktiv, Teilnehmer der Ufakonferenz.
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-Gegen andere 20 Mitglieder der Partei der
-S.R. wurde weiter Anklage erhoben; als
-Mitglieder der P.S.R. hatten sie nach den
-Direktiven des Z.K. der S.R. konterrevolutionäre
-Aktionen vollführt, die auf den Sturz
-der Sowjetmacht hinzielten.
-</p>
-
-<div class="block">
-<a id="page-28" class="pagenum" title="28"></a>
-<p>
-1. <em>Agapow</em>, Wladimir Wladimirowitsch:
-Mitglied einer Sprengkolonne, Verbindungsmann
-zwischen Donskoi und der Kolonne.
-</p>
-
-<p>
-2. <em>Altowski</em>, Arkadi Iwanowitsch:
-Wegen Teilnahme an militärischen Organisationen
-und allgemeiner konspirativer
-Tätigkeit.
-</p>
-
-<p>
-3. <em>Utgoff-Deruschinski</em>: Wegen Teilnahme
-an militärischen Organisationen
-und allgemeiner konspirativer Tätigkeit.
-</p>
-
-<p>
-4. <em>Liberow</em>, Alexander Wassiljewitsch:
-Wegen Teilnahme an militärischen Organisationen
-und allgemeiner konspirativer
-Tätigkeit.
-</p>
-
-<p>
-5. <em>Slobin</em>: Wegen Teilnahme an militärischen
-Organisationen und allgemeiner
-konspirativer Tätigkeit.
-</p>
-
-<p>
-6. <em>Gorkow-Dobroljubow</em>: Wegen Teilnahme
-an militärischen Organisationen und
-allgemeiner konspirativer Tätigkeit.
-</p>
-
-<p>
-7. <em>Iwanowa-Iwanowa</em>: Als Mitglied
-der Zentralen Kampforganisation, nahm
-an den Vorbereitungen eines Attentates
-auf Lenin teil, beobachtete Wolodarski und
-Trotzki, traf Vorbereitungen, um einen
-Zug in die Luft zu sprengen, in dem Trotzki
-fuhr.
-</p>
-
-<p>
-8. <em>Ssemjonow</em>, Grigori Iwanowitsch: Organisator
-einer militärischen Spezialorganisation,
-deren Aufgabe in der Vorbereitung
-<a id="page-29" class="pagenum" title="29"></a>
-und Ausführung terroristischer Akte
-und Expropriationen bestand. Ihre Tätigkeit
-war vom Z.K. sanktioniert. Diese
-Organisation vollführte den Mord an Wolodarski,
-plante Attentate gegen Sinowjew
-und Uritzki, bereitete Attentate gegen
-Lenin und Trotzki vor. Sie bereitete ferner
-Expropriationen vor und führte sie aus.
-</p>
-
-<p>
-9. <em>Daschewski</em>: Teilnehmer an Expropriationen
-und Vorbereitungen terroristischer
-Akte.
-</p>
-
-<p>
-10. <em>Konoplewa</em>: Mitglied der Organisation
-Ssemjonow. Trieb Propaganda im
-Landheer und in der Marine. War an den
-Vorbereitungen von Attentaten beteiligt.
-Erbot sich, auf Lenin zu schießen und verständigte
-sich mit dem Z.K. Beteiligt an
-Expropriationen.
-</p>
-
-<p>
-11. <em>Jefimow</em>: Mitglied der Terrorgruppe;
-Komplize der Konoplewa. Teilnehmer
-von Expropriationen.
-</p>
-
-<p>
-12. <em>Usow</em>: War als Attentäter Lenins
-designiert; nahm an den Vorbereitungen
-der Attentate gegen Trotzki und Lenin
-teil; beteiligte sich an Expropriationen.
-Mitglied einer Sprengkolonne.
-</p>
-
-<p>
-13. <em>Fjedorow-Koslow</em>: Am Attentat
-gegen Wolodarski beteiligt. Sollte auf
-Lenin schießen. Helfershelfer bei Expropriationen.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-30" class="pagenum" title="30"></a>
-14. <em>Subkow</em>: Mitglied der Kampforganisation und Terrorgruppe,
-beteiligt an Vorbereitungen von
-Attentaten gegen Lenin und Trotzki. Helfershelfer
-bei Expropriationen.
-</p>
-
-<p>
-15. <em>Pelewin</em>: Nahm an Vorbereitungen
-von Attentaten teil; beteiligte sich an
-Expropriationen; stand mit einem Kriminalverbrecher
-in Verbindung, dem er einen
-besonderen Apparat zur Schmelzung von
-Tresoren abkaufte, und der sich an der
-Expropriation im Landhaus an der Eisenbahn
-Moskau-Saratow beteiligte.
-</p>
-
-<p>
-16. <em>Ljwow</em>: Mitglied der Kampforganisation;
-bei Expropriationen behilflich.
-</p>
-
-<p>
-17. <em>Moratschewski</em>: Organisierte Gruppen,
-beherbergte den Mörder Wolodarskis.
-</p>
-
-<p>
-18. <em>Stawskaja</em>: (Fanni Jefremowna)
-Mitglied der Kampforganisation; nahm an
-Vorbereitungen von terroristischen Akten
-teil, war im Wolgagebiet tätig.
-</p>
-
-<p>
-19. <em>Berg</em>: Nahm an Vorbereitungen des
-bewaffneten Aufstandes teil.
-</p>
-
-<p>
-20. <em>Ignatiew</em>: Mitglied des Z.K. der
-Partei der Volkssozialisten. War im „Verband
-zur Rettung des Vaterlandes und der
-Revolution“. Unterhielt Verbindung zu
-<a id="page-31" class="pagenum" title="31"></a>
-bürgerlichen Organisationen, übermittelte
-Gelder, stand in Beziehung zu fremden
-Militärmissionen.
-</p>
-
-</div>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-34 Männer und Frauen standen vor dem
-Obersten Revolutionstribunal, 34 Männer
-und Frauen verkörperten die leidenschaftlichen
-Anstrengungen, der Novemberrevolution
-den Garaus zu machen, ihre Wurzeln
-wieder auszureißen, vor keinem Mittel zurückzuschrecken,
-keine Verbindung zu
-scheuen, rastlos zu arbeiten, das durch Kriegswirren
-an den Rand des Abgrunds gebrachte
-Land nicht zur Ruhe kommen, vielmehr alle
-Künste spielen zu lassen, die eine jahrzehntelange
-Erfahrung in konspirativer Tätigkeit
-unter dem Zarismus gezüchtet, verfeinert
-hatte. Es gab kein Verbrechen, dessen sie
-nicht fähig waren, sie kannten keine Skrupel,
-dachten dabei nie an ihre eigene Person, sie
-setzten sich restlos ein und waren Meister
-ihres Faches geworden, Terror, Expropriationen,
-Sprengungen waren ihnen zur Kunst
-geworden, der Tod war ihr steter Gefährte,
-wie unsichtbar war bleiches Totengebein ihr
-ständiger Begleiter – es gab in dieser Partei
-längst eine Psychologie des politischen Mörders,
-es gab Analysen seiner Seelenstimmung;
-<a id="page-32" class="pagenum" title="32"></a>
-ehedem – nach der fünfer Revolution hatte
-Savinkow in seinen Büchern diese Stimmungen
-geschildert, er hatte das zwiespältige
-Wesen dieser Menschen geschildert, er hatte
-ihr Grauen, ihre seelische Nacht gemalt,
-ihre Fragen gestellt, ihre Unruhe, ihre Unrast
-in Worten festgehalten. Sie waren alle
-Romantiker, Abenteurer, längst losgerissen
-von jeden Beziehungen zur bürgerlichen
-Welt; die revolutionäre konspirative Tätigkeit
-war ihnen zum Selbstzweck geworden;
-die Konspiration war ihr Beruf, die Negation
-ihre einzige Antwort, die Ratlosigkeit ihr
-ständiges Grundgefühl. Die Sozialrevolutionäre
-waren die Erben der alten Narodniki:
-jener Männer und Frauen, die Turgenjew
-zuerst geschildert hat, deren Urtyp
-Bassarow war, den man heute ganz fälschlich
-immer zum Urbild Lenins macht. In der
-„Neuen Generation“ findet man eine solche
-echte Sozialrevolutionärin: konspirativ,
-längst verzichtend auf alle Geschenke des
-Lebens und jedes Wohlleben, immer gehetzt
-und immer im Zuge. Die Männer und Frauen,
-die Alexander II. hinrichteten, waren solche
-Narodniki – sie waren die Vorkämpfer der
-Revolution in den Jahren, als es in Rußland
-noch kein Industrieproletariat gab. Und es
-ist typisch, daß alle diese Narodniki Intellektuelle
-waren, dem Bürgertum entsprangen
-<a id="page-33" class="pagenum" title="33"></a>
-und in Fehde mit ihrer Klasse lebten. „Ins
-Volk gehen“ hieß jener Terminus, den man
-auch bei Turgenjew so oft findet. Ins dumpfe,
-unterdrückte Volk, das noch wie im Halbschlummer
-lag und wohl wußte, daß es ihm
-nicht gut ging, aber nicht wußte, wie es sich
-befreien sollte.
-</p>
-
-<div class="centerpic">
-<img src="images/i032b.jpg" alt="" />
-<p class="cap">
-Gesamtansicht des Saales im Vereinshaus
-</p>
-
-</div>
-
-<p>
-Die Lehre vom „individuellen Terror“ war
-ein Fundament des Programms der S.R.
-geworden; sie konnte nur mit einer solchen
-unwiderstehlichen Macht in einer Partei um
-sich greifen, die früher nie mehr als eine
-Sekte sein wollte und sein konnte. Erst aus
-dem Zusammenschluß zahlreicher „Sekten“
-hat sich 1900 jenes Gebilde der S.R.P. ergeben,
-die gar keine straffe Einheit darstellte,
-und deren eigentlichstes Rückgrat immer nur
-„Kampforganisationen“ gewesen sind, die
-mit unerhörter Kühnheit und seltenem Raffinement,
-mit grenzenloser Todesverachtung
-und fanatischem Enthusiasmus beinahe ein
-volles Jahrzehnt Attentat auf Attentat gegen
-die Vertreter des Zarismus verübten. Und
-fast alle diese Richter und Rächer des Volkes
-sind in den Tod gegangen. Sie ließen sich
-festnehmen, sie wurden zuweilen gefoltert,
-sie erlitten die grausamen Methoden einer
-ruchlosen Justiz, sie erlitten Schmähungen,
-manche erfuhren noch – mit dem Strick um
-den Hals – daß man nicht einmal unter
-<a id="page-34" class="pagenum" title="34"></a>
-diesem verrotteten Regime zu hängen verstand.
-Kibaltschisch wurde viermal gehängt,
-Kalajew zweimal ...
-</p>
-
-<p>
-Ein seltsamer mystischer Zauber hat alle
-diese Menschen umfangen. Von Kalajew,
-dem Attentäter des Großfürsten Sergius,
-werden die Worte überliefert: „Ich will für
-meine Sache sterben“ – Worte, die schon
-ein Sektierer, ein Märtyrer im Rausch gesprochen
-haben könnte. Andere schritten
-unter dem Gesang ihrer Revolutionshymne
-zum Galgen, bevor sie in die ewige Nacht
-hinüberschwebten. Sie haben ihr eigenstes
-Ich bis in jene Sphären zu steigern vermocht,
-in denen längst die Stimme der Erkenntnis
-schwieg.
-</p>
-
-<p>
-Sie hatten es immer mit dem „Ich“ zu tun.
-Sie sahen immer nur die Persönlichkeit, sie
-sind in Wahrheit Persönlichkeitsfanatiker gewesen,
-die letzten fernen Nachgeborenen der
-Renaissance.
-</p>
-
-<p>
-Personen waren ihre Feinde. Personen
-sahen sie auf Rußlands Thron, in Rußlands
-Ämtern, auf Personen warfen sie die Bomben,
-Personen lauerten sie wochen-, oft monatelang
-auf – ach Wilhelm Tell – dieser Urtyp
-eines Sozialrevolutionärs, hatte es leicht hinter
-seinem Holunderstrauch.
-</p>
-
-<p>
-Man kann hier schon fast von einer Systematik
-des politischen Mordes sprechen. Savinkow
-<a id="page-35" class="pagenum" title="35"></a>
-hat eine ganze Schule ausgebildet.
-Junge Menschen liefen zu Tschernow wie zu
-einem Heiligen, um sich von ihm theoretisch
-über die Berechtigung des individuellen
-Terrors unterweisen zu lassen.
-</p>
-
-<p>
-Und so fruchtlos im Grunde alle diese
-Attentate gewesen sind, auf die große Masse
-hat diese Sekte von Frauen und Männern, die
-mit dem Tode vertrauter schienen als gewöhnlich,
-eine faszinierende Wirkung ausgeübt.
-Ein dunkel strahlender Schimmer von
-Romantik umgab diese Helden; er war stärker
-als das Dämmerlicht der engen Gelehrtenstube
-Lenins.
-</p>
-
-<p>
-Aber die Geschichte hat es weniger mit
-Personen als mit Verhältnissen zu tun. Und
-auch der Tod ist nur eine individuelle Angelegenheit.
-Der vornehmste Unterschied
-zwischen den S.R. und den Bolschewiki
-ruht gerade in dieser verschiedenen Auffassung
-von Personen und Verhältnissen.
-</p>
-
-<p>
-Als der Zar und die ganze alte Autokratie
-im Frühjahr 1917 gestürzt wurde, war es
-natürlich, daß die Bauern und auch zahlreiche
-Arbeiter in ungeheuren Scharen zur S.R.
-übergingen. Die S.R. wurden zur eigenen
-Überraschung eine Massenpartei, ihnen vertraute
-die unterdrückte Bauernschaft, für
-die nicht nur erst der Krieg grausame Folgen
-gehabt hatte – sie wollten ihr Land haben,
-<a id="page-36" class="pagenum" title="36"></a>
-sie wollten der Lasten ledig sein, mit denen sie
-der Grundbesitz beschwert hatte, sie wollten
-vor allem das Ende des aussichtslosen Krieges,
-der ihnen ihre Söhne raubte. Die „Provisorische
-Regierung“ Kerenskis setzte sich aus
-Vertretern der Großindustrie, des Großgrundbesitzes
-und der Kleinbürger zusammen.
-Sie war fest entschlossen, den Krieg an der
-Seite der Entente weiterzuführen, sie unterstrich
-jetzt den Charakter des Befreiungskrieges
-gegen den deutschen Imperialismus,
-aber sie gab bereits viele Forderungen des
-Zarismus preis: die Kuppel der Hagia Sophia
-entschwand in unsichtbare Fernen. Die Entente
-aber hat einen eisernen Druck auf die
-„Provisorische Regierung“ ausgeübt, weil sie
-die russische Hilfe gegen die Mittelmächte
-nicht zu entbehren glaubte, weil ihr das Geld
-leid tat, das sie für die Ausrüstung des russischen
-Heeres hergegeben hatte. Man
-brauchte Rußland. Und trieb es bis an den
-äußersten Abgrund. Die fremden Botschafter
-und Militärmissionen ließen alle ihre Künste
-spielen, die II. Internationale entsandte ihre
-Vertreter, um Kerenski an der Stange zu
-halten. Dabei mußte der russische Generalstabschef
-Gurko erklären, im Laufe des
-Jahres 1917 bedürfe das russische Heer unbedingt
-der Ruhe. Den fremden Botschaftern
-blieb die Lage weder in den Städten
-<a id="page-37" class="pagenum" title="37"></a>
-noch auf dem Lande verborgen. Die Bewegung
-gegen den Krieg wurde immer
-stärker. Die Julioffensive an der deutschen
-Front brach nach Teilerfolgen zusammen,
-noch wurde ein Aufstandsversuch der Bolschewiki
-mühsam abgewehrt, inzwischen wechselten
-die Minister; die Front geriet in Zersetzung,
-die Deutschen machten erfolgreiche
-Vorstöße, die Offensive der Alliierten im
-Westen kam trotz ungeheurer Opfer nicht
-vom Fleck. In den Städten wuchs die Not.
-Die Bauern sahen bald, daß der Sturz des
-Zarismus an ihrer Lage nichts geändert hatte;
-die S.R. Minister gaben eitle Versprechungen
-und waren völlig ohnmächtig, setzten
-nichts in ihren Ressorts durch; überall
-herrschte Sabotage und offene Brüskierung.
-Tschernow ging. Und Kerenski redete.
-</p>
-
-<p>
-Eine Weile schien sogar eine Militärdiktatur
-zu drohen, der General Kornilow marschierte
-gegen Petrograd, um „Ordnung“ zu
-schaffen – Kerenski schien mit ihm zu verhandeln,
-ja sogar mit ihm im Einvernehmen
-zu stehen – die Arbeiter von Petrograd
-haben Kornilow davongejagt. Und dann
-brach plötzlich das ganze Gebäude kläglich
-zusammen, als die Partei der Bolschewiki
-geschlossen und entschlossen vorstieß, den
-alten Staatsapparat völlig zertrümmerte, den
-Bauern das Land gab, der Armee den Frieden,
-<a id="page-38" class="pagenum" title="38"></a>
-den Arbeitern die ökonomische Freiheit
-und die Herrschaft.
-</p>
-
-<p>
-Die Bolschewiki schufen die Einheit Rußlands.
-Arbeiter, Soldaten, Bauern – die
-werktätigen Schichten wurden zusammengeschlossen.
-Die Bolschewiki vermochten ihren
-sämtlichen Forderungen zu genügen.
-</p>
-
-<p>
-Gegen sie standen die Fremden – die
-Fremden aller Art: die Klasse der Großindustriellen
-und Großgrundbesitzer, die ohne
-Privilegien nicht mehr zu leben vermochten,
-die fremden Botschafter und Militärmissionen,
-die Parteiführer, die seit dem März 1917
-Rußland regiert und Rußland nicht verstanden
-hatten; nun war ihnen der Boden
-unter den Füßen weggezogen, sie verloren
-nicht nur alle materiellen Grundlagen, sie
-verloren vor allem auch die Bindung mit der
-Gesamtheit der Nation, sie waren nicht mehr
-Rußland. Sie waren Außenseiter einer Gesellschaft
-geworden, die nach neuen ökonomischen
-Gesetzen ihr Dasein zu formen bestrebt
-war.
-</p>
-
-<p>
-Mitten in das Chaos des Krieges verkündeten
-die Bolschewiki <em>ihre</em> Kriegslosung
-gegen das Kapital. Sie verließen die Schützengräben
-der Nation und warfen die Schützengräben
-zwischen den Klassen auf. Die
-S.R. aber zögerten nicht einen Augenblick
-und harrten in den Schützengräben der
-<a id="page-39" class="pagenum" title="39"></a>
-Nation aus, obschon einer der ihren –
-Tschernow – Teilnehmer der Zimmerwalder
-Konferenz gewesen war.
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-In den Verhandlungen gaben die Angeklagten
-zu, den Kampf mit allen Mitteln
-gegen die Bolschewiki geführt zu haben, und
-unumwunden rief Timofejew aus: „Wir werden
-nie aufhören, euch zu bekämpfen, wir
-stehen zu unseren Taten.“
-</p>
-
-<p>
-So erweiterte sich das Tribunal über den
-Gerichtshof hinaus, so vollendete sich in
-diesem Saale das Schicksal der russischen
-Revolution. Der Prozeß war der dramatisch
-bewegte Schlußakt des Bürgerkrieges in
-Rußland. Über zwei Monate zogen sich die
-Redeschlachten hin, die Angeklagten genossen
-vollste Redefreiheit, manche ergingen
-sich in stundenlangen Ausführungen, nie
-wurde einem Redner das Wort entzogen, zuweilen
-kam es zu Beifallsäußerungen im
-Saale, die der Vorsitzende ruhig aber bestimmt
-rügte. Die gewandtesten Sprecher
-Rußlands lieferten sich Gefechte. Nie wurden
-Ankläger oder Vorsitzende im Ton kleinlich
-und gehässig; nirgends hat man in einem
-bürgerlichen Staate erlebt, daß Angeklagte
-so menschlich, so unpersönlich behandelt
-<a id="page-40" class="pagenum" title="40"></a>
-wurden. Die S.R. haben diesen Prozeß
-selbst verlangt, sie fürchteten sich nicht vor
-dem Ende an der Mauer; als die ausländischen
-Verteidiger ihnen im Gefängnis eröffneten,
-daß man Garantien besitze, die
-Todesstrafe würde nicht verhängt werden,
-lächelten sie – darauf komme es nicht an,
-viel mehr liege ihnen daran, sprechen zu
-dürfen. Da ihre Partei zerschlagen, ihre
-Presse verboten war, bot sich jetzt die einzige
-Möglichkeit, noch einmal für die alten demokratischen
-Ideen, für das Ideal der Volksgemeinschaft
-zu werben – in aller Öffentlichkeit.
-</p>
-
-<p>
-Die Bolschewiki haben diesen Prozeß in
-aller Öffentlichkeit geführt vor dem Angesicht
-Europas, um die S.R. in ihrer Stellung
-zur arbeitenden Klasse zu entlarven. Sie
-luden den greisen Anatole France nach
-Moskau ein, sie brauchten seine Skepsis
-nicht zu scheuen. Anatole France ist nicht
-gekommen.
-</p>
-
-<p>
-Damals begannen die Wellen der Revolution
-zu verebben, der Faszismus blühte in
-Deutschland, die Möglichkeit der Weltrevolution
-rückte in die Ferne, die Wirtschaftspolitik
-Rußlands mußte jene neue Richtung
-erfahren, die unter dem Namen NEP bekannt
-geworden ist. Der Staat war bemüht,
-unter allen Umständen den Wirtschaftsapparat
-<a id="page-41" class="pagenum" title="41"></a>
-fest in der Hand zu behalten, der
-Privatwirtschaft und dem Auslandskapital
-nur die notwendigsten Zugeständnisse zu
-machen. So kam es darauf an, diesen Unterschied
-zwischen dem Staatssozialismus der
-Bolschewiki und dem Wirtschaftsanarchismus
-der S.R. zu unterstreichen. Und jede
-Anklage gegen die S.R. bedeutete zugleich
-eine Verteidigung des eigenen Systems. Hatten
-die S.R. mit ihren Methoden die Arbeiter
-und Bauern zugunsten der Besitzenden preisgegeben,
-so versuchten die Bolschewiki alle
-Konzessionen nur im Interesse der Arbeiter
-und Bauern zu machen. Zentralisation hier,
-und Dezentralisation dort. Den Arbeitern
-der Welt sollte gezeigt werden, wie sich die
-S.R. so völlig im Gegensatz zu den Bolschewiki
-den imperialistischen Mächten angeboten
-hatten. Die unüberbrückbaren Gegensätze
-zwischen Bourgeoisie und Proletariat
-sollten aufgezeigt werden, und überall bemühte
-man sich, den Charakter der S.R.
-zu enthüllen, die einen Volksstaat, aber keinen
-proletarischen Staat zu errichten gedachten.
-Der Prozeß war eine in der Weltgeschichte
-unerhörte Demonstration aggressiven
-Charakters gegen die Parteien der Erde,
-die versuchten, Gegensätze zu überbrücken,
-statt zu verschärfen. Der Beweis sollte erbracht
-werden, daß die S.R. Außenseiter
-<a id="page-42" class="pagenum" title="42"></a>
-der neuen Gesellschaftsordnung waren. Und
-so läßt sich bei der Eröffnung internationaler
-Perspektiven das Erscheinen deutscher und
-belgischer Advokaten vor dem Tribunal erklären:
-Vandervelde, Liebknecht, Wauters,
-Rosenfeld. Man empfing sie höhnisch beim
-Betreten des sowjetrussischen Gebietes, Moskauer
-Arbeiter pfiffen sie bei ihrer Ankunft
-aus, und im großen Demonstrationszug sah
-man die Karikaturen dieser Männer, die als
-Politiker aus einer verlorenen Sache eine
-Sache der Märtyrer zu machen gedachten und
-davonliefen, als man ihnen nicht zugestehen
-wollte, daß ihre Stenogramme offiziellen
-Charakter trügen. Vandervelde offenbarte
-sein völliges Mißverständnis für die proletarische
-Struktur des russischen Staates, als
-er die belgische Justiz rühmte – höhnisch
-rief man ihm, dem „Proletarierführer“, zu:
-Minister Seiner Majestät. War er nicht noch
-im Kriege sogar als Beauftragter dieses
-Königs erschienen, um dem Zaren seine
-Reverenz zu machen und auf russische
-Arbeiterführer im Sinne des „Durchhaltens“
-einzuwirken? Der Name „Liebknecht“ hatte
-unter den russischen Arbeitern besonderen
-Klang, in jeder Stadt geht man heute durch
-eine „Karl-Liebknecht-Straße“ – nun erschien
-der Bruder des ermordeten Karl, um
-Männer zu verteidigen, die angeklagt waren,
-<a id="page-43" class="pagenum" title="43"></a>
-auf Lenin, Trotzki, Sinowjew Attentate geplant,
-Wolodarski ermordet zu haben! Die
-Masse des russischen Proletariats war in
-ihrem tiefsten Innern aufgewühlt – sie
-fühlte sich selbst zum Richter über Männer
-berufen, die ihre eigensten Interessen gefährdet
-hatten. So waren Angeklagten- und
-Verteidigerbänke nicht mehr zu trennen,
-Verteidiger wurden zu Angeklagten. Sie konnten
-nicht anders entrinnen als durch Einsprüche
-gegen formale Verletzungen, endlich
-durch die Flucht.
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Die erste Gruppe der Angeklagten hat in
-diesen Monaten kein eigentliches Geständnis
-gemacht; ihre Taktik lief stets darauf hinaus,
-durch den Angriff die Anklagen zu parieren,
-dabei verwickelten sie sich ständig in Widersprüche;
-ihre Lage war um so gefährdeter,
-da die Werkzeuge der Methoden ihrer Politik
-sich gegen sie wandten. Sie gaben zu, den
-Junkeraufstand organisiert und Truppen in
-Marsch von Gatschina gegen Petrograd gesetzt
-zu haben, sie konnten nicht leugnen, mit
-den Militärmissionen in Verbindung gestanden
-zu haben, sie vermochten natürlich nicht
-ihre Teilnahme an der Konstituante von
-Samara zu bestreiten. Ihre ganze Haltung
-gegen die Sowjets versuchten sie ja gerade
-durch ihr Festhalten an der Konstituante,
-<a id="page-44" class="pagenum" title="44"></a>
-an den parlamentarischen Regierungsformen
-zu erklären; damit wurde das ganze Problem
-„Demokratie“ und „Diktatur“ aufgeworfen;
-alle ihre Schritte begründeten sie mit diesem
-Kampf für die Konstituante, jenes Parlament,
-das nur einen einzigen Tag zusammentreten
-durfte, in dem die S.R. die Mehrheit
-hatten, deren Präsident Tschernow gewesen
-war. Die Wahlen zur Konstituante waren
-monatelang verzögert worden; die „Provisorische
-Regierung“ ist eigentlich nur eine
-Art Direktorium gewesen; niemand wünschte
-den Zusammentritt des Parlamentes, das
-die Schwierigkeiten nur noch erhöhen konnte.
-Erst als die Sowjets die Macht an sich
-gerissen hatten, versuchten die S.R. <em>ihre</em>
-Konstituante auszuspielen, zu ihrem Schutz
-bewaffnete Demonstrationen zu veranstalten.
-Aber Zeugen, Mitglieder der S.R., bekundeten,
-daß sich niemand fand, der für die Konstituante
-sein Leben eingesetzt hatte, die militärischen
-Organisationen versagten völlig –
-und in der späten Abendstunde des 5. Januar
-1918 genügte die Aufforderung eines einzigen
-Mannes, eines Matrosen: die Konstituante
-wurde aufgelöst – „Alle Macht den Räten“
-– den unmittelbar aus den Betrieben hervorgegangenen
-Deputierten.
-</p>
-
-<p>
-Der II. Rätekongreß hatte bereits drei
-Tage nach der Machtergreifung durch die
-<a id="page-45" class="pagenum" title="45"></a>
-bolschewistische Partei die neue Regierung
-bestätigt; man war sich des rein proletarischen
-Charakters dieser Regierung bewußt,
-vor allem aber ihrer radikalen Einstellung
-gegen die Bourgeoisie in allen ihren Schattierungen.
-Die S.R.P. befand sich in völliger
-Auflösung und Verwirrung; ihre Führer versuchten
-sich sofort einiger Regimenter zu
-versichern; aber Gotz wurde ausgelacht,
-Tschernow hatte den Kopf verloren, Kerenski
-zog sich um und verschwand bei Nacht und
-Nebel. In dieser verzweifelten Lage knüpfte
-Gotz sofort Verbindungen mit bürgerlichen
-Organisationen an, aber vergebens brachte
-man bewaffnete Organisationen zusammen,
-– es existierten nur noch Stäbe ohne Soldaten.
-In Petrograd schlugen sich die Junker
-tapfer zwei Tage lang – Gotz leugnet nicht,
-als Mitglied eines Militärstabes gemeinsam
-mit bürgerlichen Elementen diese Revolte
-der jungen Bourgeoisie organisiert zu haben.
-Er muß zugeben, daß auf der Seite der Junker
-keine Arbeiter gekämpft haben; für das
-Tribunal war diese Gemeinschaft der Führer
-der S.R. mit Vertretern der Bourgeoisie von
-entscheidender Bedeutung. Und mit derselben
-Genugtuung wurde festgestellt, daß
-sich an den Umzügen für die Konstituante in
-der Mehrheit Damen und Herren, aber fast
-keine Arbeiter beteiligt hatten.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-46" class="pagenum" title="46"></a>
-Damals saßen noch in Rußland die Botschafter
-und Militärmissionen der Entente,
-denen über Nacht die Aufgabe erwuchs, die
-Interessen jener Kapitalisten wahrzunehmen,
-die große Kapitalien in der russischen Industrie
-angelegt hatten. Der Sturz der
-Kerenskiregierung hatte die Entente eines
-Bundesgenossen beraubt, der zwar nicht
-mehr imstande schien, der deutschen Front
-einen entscheidenden Schlag zu versetzen,
-aber mindestens zahlreiche Kräfte zu fesseln
-vermochte, die eine Offensive der Deutschen
-im Westen unmöglich machten. Die Botschafter
-hatten bereits längst den Zusammenbruch
-Rußlands vorausgesehen; die Entente
-war ferner unzweifelhaft nicht imstande,
-Rußland mit Kriegsmaterial so ausreichend
-zu versorgen, um weiter als ernstlicher
-Gegner Deutschlands in Betracht zu kommen.
-Es mußte der Entente nach dem Zusammenbruch
-der russischen Front vor allem
-daran gelegen sein, vor der sozialen Revolution
-zu retten, was nur irgend möglich war.
-Paléologue hat bereits seit dem Kriegsausbruch
-argwöhnisch die Arbeiterbewegung beobachtet
-und verzweifelt die Mißerfolge der
-Kerenskiregierung verfolgt. Ungeheure Kapitalien
-waren in der russischen Industrie
-fundiert. Die Nationalisierung der Betriebe
-war vor allem ein Schlag gegen das ausländische
-<a id="page-47" class="pagenum" title="47"></a>
-Kapital. Notwendig mußte sich bei
-solcher Lage ein enges Bündnis zwischen
-allen besitzenden Schichten und den Ententevertretern
-ergeben. Und die Demokratie, die
-das Eigentum unbedingt anerkannte und die
-Freiheit des Individuums postulierte, mußte
-die Staatsform sein, zu der sich diese Koalition
-bekannte. In den S.R. sah man dank
-ihres moralischen Einflusses auf breite Massen
-die geeigneten Männer, einer solchen Politik
-Dienste zu leisten.
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Am achten Verhandlungstage erschien vor
-dem Obersten Tribunal ein merkwürdiger,
-schwarzgekleideter Mann mit hagerem, hartem
-Gesichtsausdruck, dunklen, unbeweglichen,
-unerbittlichen Augen; seine Sprache
-verriet französischen Akzent, seine Aussagen
-erfolgten mit großer Bestimmtheit und Energie.
-Der Mann erinnerte eher an einen strengen
-Asketen einer mittelalterlichen Sekte,
-er hatte etwas Mönchisches in seiner kalten
-Unnahbarkeit und Geschlossenheit.
-</p>
-
-<p>
-Es war der ehemalige Offizier der französischen
-Republik – Pierre Pascal, der vor dem
-Tribunal die Beziehungen zwischen den Ententevertretern
-und der sozialrevolutionären
-Partei schilderte.
-</p>
-
-<p>
-Pascal war an der Westfront verwundet
-worden, da er nicht mehr felddiensttauglich
-<a id="page-48" class="pagenum" title="48"></a>
-war, wurde er der französischen Militärmission
-in Rußland überwiesen. Beim Ausbruch
-der Oktoberrevolution sympathisierte
-Pascal mit den Bolschewiki; als die Militärmission
-Rußland verlassen mußte, blieb
-Pascal zurück und arbeitete für die russische
-kommunistische Partei. Er war ein Kamerad
-jenes Hauptmanns Sadoul, der im Frühjahr
-1925 vom Kriegsgericht zu Orleans wegen
-Hochverrat freigesprochen wurde.
-</p>
-
-<p>
-In seinen Aussagen erklärte Pascal:
-</p>
-
-<p>
-„Als Angestellter der französischen Mission
-hatte ich verschiedene Arbeiten zu verrichten.
-Eine Zeit lang wurde ich mit der Dechiffrierung
-und mit der Redaktion der für die
-Kommandanten der Mission, die Generäle
-Lavergne und Niessel bestimmten Berichte
-betraut. <em>Die französische militärische
-Mission unterhielt ständig enge Verbindung
-mit den S.R.</em> Das Ziel der Tätigkeit
-der französischen Mission in der Periode
-vom Oktoberumsturz bis zum Brest-Litowsker
-Frieden war, Rußland zu <em>zerlegen
-und zu schwächen</em>.
-</p>
-
-<p>
-Zum Zwecke der politischen Schwächung
-teilten die Verbündeten Rußland in Einflußsphären.
-Frankreich wurde der Süden zugeteilt,
-die Krim und ein Teil des Kaukasus inbegriffen.
-Der andere Teil des Kaukasus kam
-in die englische Einflußsphäre. Repräsentant
-<a id="page-49" class="pagenum" title="49"></a>
-des Einflusses in der südlichen, Frankreich
-zugeteilten Sphäre war General Berthelot,
-der sich damals in Rumänien befand. Zum
-Zwecke der wirtschaftlichen Schwächung
-Rußlands hat Frankreich damals die Streiks
-unterstützt, besonders den Streik der Staatsangestellten
-und Beamten. Außerordentliche
-Aufmerksamkeit hat es dem Streik im Kommissariat
-für die Volksernährung gewidmet.
-„<em>Dieser Streik</em>,“ erklärte der Chef der
-Mission, „<em>wird eine große Bedeutung</em>
-haben.“ Die Streikenden vernichteten alle
-Vorräte. Moskau blieb ohne Zufuhr von Nahrungsmitteln.
-Das Geld für die Streikenden
-gaben die Banken, besonders die <em>Russisch-Asiatische
-Bank</em>, die ganz unter dem Einfluß
-der französischen Mission stand.
-</p>
-
-<p>
-Die politische Arbeit der französischen
-Mission leitete der französische Gesandte
-Noulens. Er hielt sich damals in Wologda
-auf, wo er den <em>Stab der Konterrevolution</em>
-schuf. Dort wurde ein genauer Plan
-einer bewaffneten Eroberung von Sowjetrußland
-ausgearbeitet. Es wurde beschlossen,
-die Basis für den späteren Aufmarsch der
-Konterrevolution an verschiedenen Punkten
-der Peripherie Sowjetrußlands zu schaffen.
-Tschechoslowakische, elsässische, serbische,
-polnische Legionen wurden organisiert. Im
-Interesse der konterrevolutionären Arbeit
-<a id="page-50" class="pagenum" title="50"></a>
-wurden in die größeren Städte Rußlands
-legale französische Konsuln geschickt. Die
-Aufstände der Tschechoslowaken und in
-Jaroslaw wurden unter der aktiven und unmittelbaren
-Teilnahme der französischen militärischen
-Mission und des gewesenen französischen
-Gesandten Noulens entfacht.
-</p>
-
-<p>
-Nach dem Aufstand der Tschechoslowaken
-entfaltete die französische Mission eine noch
-lebhaftere Tätigkeit. Es wurde ein Plan ausgearbeitet,
-Moskau in einem engen Kreise zu
-umzingeln. Man beschloß, Jaroslaw, Nishnij-Nowgorod,
-Tambow und andere im Kreise
-um Moskau liegende Städte zu besetzen.
-Ziel dieser Umzingelung war, Moskau und
-Zentralrußland zu isolieren, die Zufuhr der
-Nahrungsmittel zu verhindern und in der
-Hauptstadt Hungersnot hervorzurufen. Aus
-diesem Grunde wurden die Aufstände in
-Jaroslaw, Tambow und anderen Städten angezettelt.
-</p>
-
-<p>
-Als die Aktion der Tschechoslowaken und
-der Aufstand in den Provinzen nicht zum
-Erfolg führten, ging die französische Mission
-zu einer anderen Art von Tätigkeit über. Ich
-<em>selbst habe ein chiffriertes Telegramm
-gelesen, in dem über Terror gesprochen
-wurde. Ich kann bestimmt sagen, die
-französische Mission hat sich mit Aufforderungen
-zum Terror befaßt. Sie
-<a id="page-51" class="pagenum" title="51"></a>
-hat darauf spekuliert, der Terror
-werde blutige Repressalien</em> der Sowjetregierung
-hervorrufen. Die <em>Repressalien</em>
-würden die Empörung <em>wecken und so die
-Zahl</em> der Gegner der Sowjetregierung vermehren.
-Als ich am <em>zweiten</em> Tag nach dem
-<em>Attentat auf Lenin</em> in die Mission kam,
-hat mich der Chef der Mission, Lavergne, mit
-der Frage empfangen: „Haben Sie gelesen,
-was sie über uns schreiben? Als ob wir an
-dem Attentat an Lenin beteiligt wären ...“
-Als ich schwieg, sagte General Lavergne:
-„Ich weiß nicht, wie weit Lockart (der ehemalige
-englische Gesandte in Moskau) beteiligt
-ist; <em>ich</em> bin nicht beteiligt.“ Dies sagte
-er so, daß ich den Eindruck hatte, <em>General
-Lavergne müsse</em> an dem <em>Attentat</em> beteiligt
-sein.“
-</p>
-
-<p>
-Auf die Frage des Verteidigers Murawjew,
-welche politischen Ziele die französische
-Mission verfolgt habe, ob sie die Sowjets
-stürzen wollte oder für den Kampf mit
-Deutschland zu gewinnen suchte, antwortete
-Pascal: „Meiner Ansicht nach war das letzte,
-eigentliche Ziel der französischen Regierung,
-die Regierung der Sowjets zu stürzen.“
-</p>
-
-<p>
-„Was waren die Pläne der französischen
-Mission?“ fragte Krylenko den Zeugen.
-</p>
-
-<p>
-„Die Sowjetmacht zu stürzen. Zuerst
-scheinbar eine Koalitionsregierung zu bilden,
-<a id="page-52" class="pagenum" title="52"></a>
-dann aber sich von den sozialistischen Elementen
-zu befreien, und eine Kadettenregierung
-zu bilden.“
-</p>
-
-<p>
-„Wie war das Verhältnis der französischen
-Mission zu den russischen Arbeitermassen?“
-... „Das verächtlichste!“ erwiderte Pascal.
-</p>
-
-<p>
-„Glauben Sie, daß die französische Mission
-eine Partei unterstützt hätte, die den Sturz
-der Sowjetmacht nicht anstrebte?“
-</p>
-
-<p>
-„Noulens hätte es nicht getan,“ erwiderte
-Pascal kurz und mit Nachdruck.
-</p>
-
-<p>
-„Wie war das persönliche Verhältnis Noulens’
-zu den Russen?“ „Ich wies darauf schon
-hin, daß alle, angefangen vom Chef der
-Mission, bis zum letzten französischen Offizier,
-von den Russen mit der größten Verachtung
-sprachen ...“ – Eines Tages kehrte
-Pascal im Zuge mit Noulens nach Moskau
-zurück. Der Zufall wollte es, daß er mit einem
-russischen Soldaten in einem Wagen übernachten
-mußte. Als Noulens davon Kenntnis
-erhielt, sprach er seine Mißbilligung darüber
-aus, daß Pascal mit einem Bolschewiken zusammen
-war. Pascal bemerkte, es wäre kein
-„Bolschewik“, sondern ein gewöhnlicher russischer
-Soldat. Darauf erwiderte Noulens:
-„Ganz egal, ich will nicht, daß ein Russe in
-meinem Zuge übernachtet.“
-</p>
-
-<p>
-Der Verteidiger Schubin interessiert sich
-für die Frage: Wie hätte sich die französische
-<a id="page-53" class="pagenum" title="53"></a>
-Regierung zu einem Kriege der Sowjetmacht
-gegen Deutschland verhalten.
-</p>
-
-<p>
-Pascal erwidert:
-</p>
-
-<p>
-„Der Haß der französischen Regierung
-gegen die Bolschewiki war so groß, daß sie
-kaum die ruhige Existenz dieser Macht zugelassen
-haben würde.“
-</p>
-
-<p>
-„Wurde die östliche Front letzten Endes
-doch geschaffen?“ fragten den Zeugen die
-Verteidiger der zweiten Gruppe der Angeklagten.
-</p>
-
-<p>
-„Ja, es wurde eine antisowjetistische, aber
-nicht eine antideutsche Front gebildet,“ erwidert
-Pascal.
-</p>
-
-<p>
-Krylenko kommt auf die Frage der Subventionen
-der verschiedenen antisowjetistischen
-Organisationen durch die französische
-Mission zu sprechen.
-</p>
-
-<p>
-Pascal erklärte, daß alle diese Organisationen
-der Sowjetmacht feindlich gesinnt
-waren und aus französischen Staatsmitteln
-unterstützt wurden. Der Sekretär Petit habe
-Pascal selbst mitgeteilt, welche Gruppen von
-den Franzosen Gelder empfingen.
-</p>
-
-<p>
-Der Verteidiger Tager ersucht Pascal, auszusagen,
-welche terroristischen Akte die
-S.R. mit moralischer Billigung der Entente
-zur Ausführung gebracht hätten. Pascal
-weist auf die Verwundung Lenins, den Mord
-Wolodarskis hin.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-54" class="pagenum" title="54"></a>
-Die Aussagen Pascals machten einen sehr
-starken Eindruck, der noch durch Aussagen
-anderer Franzosen verstärkt wurde.
-</p>
-
-<p>
-<em>Frossard</em>, der Sekretär der Kommunistischen
-Partei Frankreichs wurde drei Stunden
-lang über die Beziehungen der französischen
-Regierung zu sowjetfeindlichen Organisationen
-vernommen. Seine Aussage ergab:
-Die Politik der französischen Regierung
-baute sich von 1917 bis 1922 auf ununterbrochenen
-Interventionen auf. Die französische
-Regierung dachte nicht daran, die
-Macht in Rußland einer <em>sozialistischen
-Regierung zu übergeben, denn sie betrachtete
-als feste Regierungsform
-für Rußland die konstitutionelle Monarchie
-und unterstützte alle auf einen
-Sturz der Bolschewisten zielenden
-Versuche, gleichviel, von wem sie
-ausgingen</em>. Die Ententebotschafter hätten
-alle Mittel aufgeboten, den konterrevolutionären
-Versuchen im Innern des Landes Vorschub
-geleistet und Anschläge gegen einzelne
-Vertreter der Sowjetmacht angestiftet. Diese
-Aktionen haben der französischen Republik
-monatlich 50 Millionen Francs gekostet; die
-Gesamtkosten aller Interventionen kamen
-dem französischen Volke auf etwa 1 Milliarde
-Francs zu stehen.
-</p>
-
-<p>
-Der Angeklagte <em>Timofejew</em> bemüht
-<a id="page-55" class="pagenum" title="55"></a>
-sich, den Beweis zu führen, die S.R. wären
-Gegner jeder Intervention gewesen. Aber
-kann er bestreiten, daß die Tschechoslowaken
-von französischen und englischen Offizieren
-geführt wurden und als Elitetruppe der Regierung
-von Samara galten? daß die S.R.
-im Wolgagebiet gemeinsam mit diesen Truppen
-gekämpft haben? Kann er bestreiten,
-daß er selbst Verhandlungen mit der Entente
-geführt hat? Krylenko legt ihm Dokumente
-vor, aus denen das engste Einvernehmen
-der S.R. mit den Ententetruppen im Murmangebiet
-erhellt, die Entente hat dort sogar
-ohne jeden russischen Einfluß völlig selbständig
-operiert; es gab ein alliiertes Oberkommando,
-von dem die S.R. Vertreter Befehle
-empfingen! Timofjejew versucht noch
-einmal einzuwenden, es habe sich nur um die
-Wiederaufrichtung der Front gegen das imperialistische
-Deutschland gehandelt – noch
-einmal greift Pascal ein und wiederholt seine
-Aussagen über die Einstellung der Entente
-zur Sowjetregierung – es kam in erster Linie
-darauf an, die Diktatur des Proletariats zu
-stürzen und der kapitalistischen Ordnung zur
-Macht zu verhelfen. Das war der ganze Sinn
-des Kampfes gegen die Sowjets.
-</p>
-
-<p>
-Einige Tage später eröffnete <em>René Marchand</em>
-dieselben Perspektiven; er kann
-konkrete Angaben über die direkten Beziehungen
-<a id="page-56" class="pagenum" title="56"></a>
-der Ententemissionen zu den S.R.
-machen. <em>In seiner Gegenwart erhielt
-das Mitglied der Mission, Ehrlich, 50000
-Rubel für die S.R. von der Mission.
-Über andere Anweisungen der Mission
-habe er noch vom Kassierer der Mission
-erfahren. Nach Abfahrt der französischen
-Mission wurden die Gelder für
-Unterstützung der S.R. dem dänischen
-Konsulat übergeben, mit dem der S.R.
-Elias Minor in Verbindung gestanden
-habe.</em>
-</p>
-
-<p>
-Der ehemalige Kriegsminister <em>Werchowski</em>
-bestätigt die Gelderhergabe der Entente
-an weißgardistische Organisationen, der Name
-eines Generals <em>Suwarow</em> taucht auf, der
-von der französischen Mission Gelder empfing
-und an Organisationen weiterleitete.
-Dieser Suwarow war Mitglied eines Militärstabes,
-dem Vertreter verschiedener bürgerlicher
-Parteien angehörten; aber auch der
-S.R. <em>Gotz</em> war Mitglied des Stabes; er bestreitet
-es nicht.
-</p>
-
-<p>
-Die Aussagen dieser Zeugen haben im
-Frühjahr 1925 in Orleans eine Bestätigung
-durch den <em>Major Laurent</em> erfahren, dessen
-Name bereits im Moskauer Prozeß aufgetaucht
-war: René Marchand hatte ausgesagt,
-daß dieser Laurent mit den S.R. verhandelt
-hätte, um militärische Organisationen vorzubereiten,
-<a id="page-57" class="pagenum" title="57"></a>
-man hatte besonders lange darüber
-beraten, wie man S.R. in die Rote Armee
-als Kommandeure einschmuggelte.
-</p>
-
-<p>
-Laurent ist in Orleans persönlich erschienen
-und erklärte unter seinem Eid vor dem bürgerlichen
-Gericht, daß man terroristische
-Akte gegen die Führer der Sowjets nicht nur
-moralisch gebilligt, sondern selbst solche
-Attentate gegen Trotzki und andere Führer
-der Sowjetrepublik geplant hätte ...
-</p>
-
-<p>
-Man hat immer versucht, die Beziehungen
-der S.R. zur Entente zu verschleiern, Semjonow,
-der vor Gericht keineswegs im Mittelpunkt
-stand, wurde als einziger Zeuge dargestellt;
-da er den S.R. den Rücken gewandt
-und ihre Machenschaften preisgegeben
-hatte, war es ein leichtes, ihn als Provokateur
-hinzustellen. Aber dabei verschwieg
-man, daß dieser Semjonow immer eine große
-Rolle in den Kampforganisationen gespielt
-hatte und auf dem Parteitag der S.R. zum
-führenden Mitglied des Stabes der Kampforganisation
-der S.R. ernannt worden war;
-er hatte nie eine geringe Rolle gespielt; ihm
-war die gesamte terroristische Tätigkeit in
-den Reihen der Sowjettruppen anvertraut, als
-die Samararegierung auf allen Fronten gegen
-Moskau vorrückte. Semjonow hatte sein
-Leben in die Schanze geschlagen. Vor Gericht
-erblickte man einen mittelgroßen, etwas
-<a id="page-58" class="pagenum" title="58"></a>
-schmächtigen Mann von einigen 30 Jahren,
-er erinnerte eher an einen Menschen, der aus
-einem Bureau kam, als an einen Terroristen;
-hellblond, bleich, immer etwas übernächtigt,
-offenbar schwer in innere Kämpfe verstrickt,
-äußerst nervös, nur während seiner Aussagen
-stets gleichmütig, ganz ohne jede Pose
-– war er in diesen Verhandlungen am
-meisten exponiert – er – als Renegat –
-war leicht anzugreifen, dabei trafen seine
-eigenen Angriffe immer die wundesten Stellen.
-Wenn Schwierigkeiten entstanden, so infolge
-der Zwiespältigkeit und Halbheit der
-S.R. überhaupt; ihr Schwanken und Schillern,
-ihre Halbheit und Unschlüssigkeit erschwerte
-die einfache, klare Feststellung der
-Vorgänge. Die S.R. Partei war nie ein
-festes Gefüge – sie war es erst recht nicht
-im Bürgerkriege, in der Zeit der Illegalität.
-Es konnte sehr leicht möglich sein, daß die
-Mitglieder der Zentralkomitees durchaus nicht
-derselben Meinung waren, und daß jener
-billigte, was dieser verwarf. Es gab eine
-Instanz, die für alles Geschehen verantwortlich
-war: eben das Zentralkomitee – aber es
-gab im Grunde keine Personen, die verantwortlich
-sein wollten – es gab Meinungen
-von Personen. Und jemand konnte schon
-individuell seinem Standpunkt Ausdruck
-gegeben haben – war es für die Partei als
-<a id="page-59" class="pagenum" title="59"></a>
-Ganzes unbequem, so leugnete man später
-ab. Es gab keine Führung, kein Programm,
-niemand gab Direktiven, weil alle sich berufen
-fühlten. Semjonow, ein altes Mitglied
-der Partei, holte sich für alle seine Unternehmungen
-die Genehmigung des Z.K. Da
-er rührig, umsichtig und verwegen war,
-schien er wertvoll – man ließ ihn deshalb gewähren,
-gab ausweichende Antworten, wollte
-bestimmte Akte geschehen lassen und zauderte
-wieder, sie zu genehmigen. Eine Weile
-ließ sich das Spiel der halben Zusage, des
-Nein-Ja-Sagens schon an; aber als sehr
-ernste Taten geschehen waren, und die Mitglieder
-der Partei verlangten, die Partei solle
-zu diesen Taten stehen, wich das Z.K. scheu
-zurück; der Mord auf Wolodarski hätte eine
-Steigerung verlangt – wenn nicht gerade den
-offenen Aufstand – so doch die offene Erklärung
-gegen die proletarische Regierung –
-aber da nun die S.R.P. eine Arbeiterpartei
-sein wollte, bedeutete solche Erklärung eine
-Kampfansage ans Proletariat – Lenin war
-längst ein den Arbeitern teurer Name,
-welche Partei, die auch nur mit der Arbeiterschaft
-sympathisierte, hätte ein solches Attentat
-gutheißen können! Also wich man aus
-und gab die Täter, die ihr Leben eingesetzt
-hatten, preis. Wundert man sich, daß die
-Täter endlich das Lager verließen, in dem
-<a id="page-60" class="pagenum" title="60"></a>
-man ihnen nie den Rücken deckte? Mußten
-sie nicht allmählich gewiß sein, daß diese
-Partei gar nicht wußte, was sie wollte, wohin
-ihr Weg führte. Semjonow schreckte zurück,
-von bürgerlichen Organisationen Gelder zu
-empfangen – Donskoi, Mitglied des Z.K.,
-erklärte höhnisch: „Non olet.“ Eine Weile
-schien es noch, als könnten die S.R. eine
-selbständige Politik treiben; dann aber ballte
-sich eine mächtige Front zusammen, die
-Bürger vor allem erwachten aus ihrer Betäubung,
-die Entente bot alle Kräfte auf,
-ließ alle Minen springen – die weißen Generale
-drängten von allen Seiten ins Land, die
-S.R. wurden in die zweite Linie gestoßen,
-den Bürgern, den Generalen, den fremden
-Missionen war offenbar, daß die Parolen der
-S.R. nirgends mehr verfingen; der Kampf
-ließ sich nur noch mit brutalsten Mitteln
-führen, das Gerede von der Demokratie sollte
-ein Ende haben, rücksichtslos schob man alle
-Kulissen beiseite: auf offener Bühne erschien
-der weiße Schrecken; die S.R. verhandelten
-mit dem französischen Botschafter Noulens
-über die Zusammensetzung einer neuen Regierung
-im Falle des Sieges der Samarafront.
-Die S.R. designierten Tschernow: „Genug
-von sozialistischen Experimenten. Ich will
-nichts von Tschernow wissen,“ erklärte
-Noulens barsch, damals einer der wahren
-<a id="page-61" class="pagenum" title="61"></a>
-Herrn des weißen Rußlands. Die S.R. standen
-plötzlich verlassen da. Man mag zur Beleuchtung
-der Lage die Memoiren weißer
-Generale nachlesen: sie strotzen von Verachtung
-für die S.R. Je heftiger der Bürgerkrieg
-tobte, desto geringer wurde der Einfluß
-der S.R. Sie hätten die Reihen der Konterrevolution
-verlassen können – aber nachdem
-sie sogar eine ganze Front der „Konstituante“
-formiert hatten, war es unmöglich, diesen
-Bankrott einzugestehen, ohne – mit blutbefleckten
-Händen – dem Fluche der Lächerlichkeit,
-der Verachtung preisgegeben zu
-sein. Die Partei als Ganzes mußte schon weiter
-vegetieren; aber ihr nie festgefügter Bau
-zitterte in allen Gründen – die Mitglieder
-sprangen ab – so erklärt sich Semjonows
-Abfall, seiner Komplizin Konopleva Reue,
-der anderen Bußgang – je heftiger der
-Bürgerkrieg tobte, desto schärfer erkannte
-der S.R., wer auf der Barrikade neben ihm
-stand – nicht der Arbeitsmann aus dem Betrieb,
-nicht der Bauer, sondern der weiße
-Offizier, der Beamte, der Student. Zu wessen
-Gunsten sollte Lenin fallen?!
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Sawinkow hat 1924 in jener aufregenden
-Nachtsitzung vor dem Tribunal die grauenhaft
-erniedrigenden Gefühle geschildert, die
-er in den Vorzimmern der Ententeminister
-<a id="page-62" class="pagenum" title="62"></a>
-empfand. Er schildert sein Entsetzen, als
-Churchill auf eine Karte wies und ihm „unser“
-Rußland zeigte – diesen Ekel Sawinkows
-sollte Semjonow nicht empfunden haben?
-Oder jener andere Ignatiew, der auch zur
-2. Gruppe der Angeklagten gehörte und sich
-vor allem im Gebiete von Archangelsk betätigte?!
-Ignatiew schilderte, wie die Ententetruppen
-im Norden gehaust hatten,
-Sondergerichte einsetzten, Stäbe ernannten,
-denen die Russen untergeordnet waren. Immer
-wieder durchtönte dieselbe Melodie dieses
-Trauerepos: wir wurden verächtlich behandelt,
-man benutzte uns, die Besetzung von
-Archangelsk erfolgte nur im Interesse der
-großindustriellen Machthaber. Ignatiew
-schilderte die Taten der Weißen – immer
-waren die Arbeiter nur die Opfer, immer
-richtete sich alles gegen das Proletariat. Der
-Blick auf den Nebenmann war für den argwöhnischen,
-schwankenden Beobachter erschütternde
-Erkenntnis.
-</p>
-
-<p>
-Da saß unter den Angeklagten der 2.
-Gruppe ein hellblondes, mittelgroßes Geschöpf
-– Lydia Konoplewa; erinnerte an ein
-Bauernmädchen, das sich „hochgearbeitet“
-hatte, vielleicht Lehrerin geworden war (die
-kleinbürgerliche Physiognomie war überhaupt
-ein auffallendes Merkmal aller dieser
-Typen); sie war ein guter Soldat der S.R.
-<a id="page-63" class="pagenum" title="63"></a>
-geworden, sicherlich ohne eigene Gedankenwelt,
-aber vom festen Willen erfüllt, für die
-Unterdrückten zu kämpfen; verwegen, erfinderisch,
-losgerissen von jeder Tradition und
-den Formen der alten Gesellschaft, bereit,
-ihr Leben zu opfern. Für sie hatte die Haltlosigkeit
-der S.R. die größte Enttäuschung
-bedeutet; von ihr existiert ein Brief an
-Tschernow, in dem sie sich auf Unterredungen
-mit ihm beruft, in deren Verlauf er sich entrüstet
-über die ausweichende Haltung ihrer
-Auftraggeber ausgesprochen und den Terror
-gebilligt habe. Aus dem Briefe spricht das
-Gefühl der tief enttäuschten, verlassenen
-Kreatur, die man noch obendrein verhöhnt,
-weil sie den Rückweg in die Gesellschaft, diesmal
-in die Gemeinschaft des Proletariats,
-zurückfinden wollte. Diese Angeklagten der
-II. Gruppe wollten keine Außenseiter sein,
-sie sind nicht die Führer der Partei gewesen,
-vielleicht wird man sagen, sie hätten deshalb
-nicht draußen bleiben können; aber sie waren
-irregeleitete, ausgenützte Geschöpfe – sollten
-sie, da sie Reue empfanden und bekannten,
-die neue proletarische Gemeinschaft
-nicht aufnehmen, gegen die sie ehedem die
-Hand erhoben hatten, die jäh herniederfiel,
-als plötzlich die Erkenntnis zuckte: <em>für</em> wen
-erhebe ich die Hand?!
-</p>
-
-<p>
-Die wahren S.R., die Führer der Partei,
-<a id="page-64" class="pagenum" title="64"></a>
-die Offiziere und Auftraggeber kämpften
-noch vor dem Tribunal um diese isolierte
-Partei als um ein Ganzes. Ein tragischer
-Schatten huschte zuweilen über ihr Geschick.
-Ihre Anhänger im Lande hatten sie längst
-verlassen. Die Ruinen von Jaroslaw waren
-ein furchtbares Memento. Die S.R. hatten
-die Macht gehabt, und die Probe nicht bestanden.
-Die Bolschewiki hatten in vielen
-Stücken ihr Programm ausgeführt – das
-warf man ihnen vor – „ihr habt uns bestohlen“.
-Aber die Bolschewiki hatten es
-ausgeführt.
-</p>
-
-<p>
-Die Führer kämpften vor dem Angesicht
-Europas; sie wichen in die weiten Wüsteneien
-ihrer Zersplitterung und Haltlosigkeit zurück,
-wenn man sie festhalten wollte; im
-Grunde waren sie echte Russen, wahre
-Kutosowrussen, aber 1812 hat diese Methode
-des Ausweichens Rußland gerettet; die Leute,
-die sich jetzt ins Weite verloren, gaben
-ihre Partei preis, ihren ganzen Kampf um die
-Demokratie. Sie verwickelten sich in unlösbare
-Widersprüche: sie waren gegen Interventionen,
-aber sie waren überall mit den
-intervenierenden Mächten verbunden, sie
-waren gegen die Bourgeoisie, aber sie standen
-mit bürgerlichen Organisationen in engster
-Verbindung und empfingen sogar Gelder von
-ihnen, sie wollten die Front gegen Deutschland
-<a id="page-65" class="pagenum" title="65"></a>
-errichten, aber sie waren bereit, Boten
-ins deutsche Hauptquartier zu senden, sie
-scheuten den Terror, aber sie haben in ihren
-Zeitungen nach geschehener Tat gejubelt,
-sie wollten verhindern, daß Geld an Deutschland
-abgeliefert würde, aber sie wollten
-den Zug unbewacht stehen lassen, wenn die
-Sprengung geschehen war ... Sie wollten
-eine Partei der Arbeiter sein, aber nach der
-Oktoberrevolution organisierten sie zuerst
-eine Erhebung der Offiziersschüler. Sie waren
-nicht gegen die Sowjets, aber für die Konstituante,
-sie hatten den Zusammentritt der
-Konstituante nicht beschleunigt, obschon sie
-es vermocht hätten; aber sie erhoben die
-Konstituante zum unantastbaren Heiligtum,
-nachdem die Konstituante längst nicht mehr
-dem Willen des Volkes entsprach. Man fand
-einen Brief von Gotz, in dem es von dunklen
-Anspielungen wimmelte; u. a. kam auch
-der bekannte Satz, der alte Wahrspruch der
-S.R.P., vor: „Im Kampf wirst du dein
-Recht erwerben!“ Wundert man sich, wenn
-Gotz umwunden erklärte, dieser Ausdruck
-beziehe sich nur auf den Kampf <em>um</em> die Konstituante,
-nicht aber um den Kampf <em>gegen</em>
-die Sowjets?!
-</p>
-
-<p>
-Die Führer versuchten sich durch solche
-Methoden des Ausweichens zu retten, aber
-gerade diese Taktik wurde ihnen zum Verhängnis,
-<a id="page-66" class="pagenum" title="66"></a>
-um so kräftiger stieß das Tribunal
-nach und plötzlich entlarvte sich eine Partei,
-die gar kein festes Gefüge, keine straffe
-Organisation war, sondern eher wirkte wie
-ein Schwarm zusammengelaufener ratloser,
-verärgerter Menschen. Wie imposant richtete
-sich im Gegensatz dazu das eherne Gebäude
-der bolschewistischen Partei auf!
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Die Haltung der S.R. zu den terroristischen
-Akten offenbarte ihre ganze Schwäche
-als Partei, die sich vor Gericht zugleich als
-ihre Stärke erwies. Niemand hat gezweifelt,
-und niemand konnte Einspruch erheben, daß
-die Attentate auf Lenin, Trotzki und Wolodarski
-von Mitgliedern der Partei vorbereitet
-und ausgeführt waren. Fanny Kaplan, die
-Lenin schwer verwundet hatte, war eine
-Sozialrevolutionärin; Semjonow und die Mitglieder
-seiner Kampforganisationen gehörten
-zur Partei. Der Prozeß rollte nicht die Frage
-der Täterschaft auf; sie war längst entschieden.
-Dem Tribunal kam es vielmehr darauf
-an, in den Hintergrund einzudringen, die Zusammenhänge
-zwischen den Offizieren und
-Soldaten festzustellen, das Z.K. als eine
-Mordzentrale zu entlarven, die Partei zu
-überführen, daß sie zu Attentaten auf Arbeiterführer
-angestiftet hätte. Bewiesen war
-längst, daß die Ententemissionen Attentate
-<a id="page-67" class="pagenum" title="67"></a>
-auf bolschewistische Führer moralisch billigten;
-bewiesen konnte aber nicht werden, daß
-zwischen den Missionen und dem Z.K. Verabredungen
-für bestimmte Attentate bestanden
-haben. Möglich ist es schon; gelegen
-war den Missionen an solchen Attentaten.
-Die Führer des Z.K. konnten nicht bestreiten,
-daß sie um die Absichten von Attentaten
-gewußt haben; Semjonow hat sowohl Gotz
-wie Donskoi von seinen Plänen benachrichtigt;
-beide konnten dieser Aussage nicht
-widersprechen, sie bestritten energisch, Semjonow
-ermuntert zu haben, Gotz will ausdrücklich
-Semjonow geraten haben „<em>er
-möchte noch mit der Ausführung warten</em>.“
-Aber ein striktes Verbot des individuellen
-Terrors seitens der Partei ist <em>nie</em> ergangen,
-nach vollbrachter Tat rückte das
-Z.K. öffentlich von den Tätern ab, aber in
-Gebieten, wo die Bolschewiki nicht die Macht
-besaßen, jubelte die Presse der S.R. auf.
-Eine moralische Verurteilung der Täter seitens
-der Partei ist <em>nie</em> erfolgt, geschweige
-daß man die Täter etwa ausgeschlossen hätte.
-Als Wolodarski ermordet wurde, spielte sich
-folgende merkwürdige Szene ab, die Tschernow
-in einer Emigrantenzeitung geschildert hat:
-</p>
-
-<p>
-„Das Mitglied der Partei der Sozialrevolutionäre
-S. M. Postnikow hat mir über diesen
-Fall wörtlich folgendes mitgeteilt:
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-68" class="pagenum" title="68"></a>
-„Der Mord an Wolodarski erfolgte in der
-Hitze der Wahlkampagne zum Petrograder
-Sowjet. Plötzlich kommt die unerwartete
-Nachricht: Wolodarski durch einen Schuß
-getötet. Natürlich nutzten die Bolschewisten
-dies sofort aus, um die Zeitung zu schließen
-und durch die schärfsten Repressalien unsere
-ganzen Wahlerfolge zu annullieren. Ich lief
-sofort zu Gotz und fragte ihn, was los sei. Er
-antwortete: ein Arbeiter, seiner Überzeugung
-nach Sozialrevolutionär, der einen ernsten
-Parteiauftrag hatte, war Zeuge, wie das Automobil
-Wolodarskis eine Panne erlitt; er konnte
-sich nicht zurückhalten und schoß auf ihn, da
-er ihn für den Urheber der in Petrograd unter
-dem Regime Sinowjews begangenen Grausamkeiten
-hielt. „Wissen Sie, wenn wir in einer
-anderen Lage wären – fügte Gotz hinzu, –
-wie wir dann nach unseren Traditionen verfahren
-müßten? Wie man solches eigenmächtiges
-Handeln an einem Mitglied, das
-auf einem ihm anvertrauten revolutionären
-Posten steht, bestrafen müßte?“
-</p>
-
-<p>
-Diese Erklärung Tschernows spielte vor
-Gericht eine große Rolle. Man fragte Gotz
-vergebens, welchen „ernsthaften Parteiauftrag“
-hatte dieser S.R.? Merkwürdig, daß
-er sich gerade jetzt „nicht zurückhalten“
-konnte, merkwürdig, daß Gotz an der Handlung
-nur auszusetzen hatte, daß sie „eigenmächtig“
-<a id="page-69" class="pagenum" title="69"></a>
-erfolgte! Und wie seltsam kontrastierte
-zu diesem Gespräch die Weisung
-Gotz’ an Semjonow, man sollte noch warten.
-Und was wußte Tschernow zu Semjonows
-Angaben zu sagen? Sie sind eine ... „verräterische
-Denunziation.“ Lydia Konoplewa
-hat in einem öffentlichen Brief an Tschernow
-eine Frage gerichtet, ohne je eine Antwort
-erhalten zu haben:
-</p>
-
-<p>
-„Sie stützen sich auf die Erzählung S. P.
-Postnikows über seine Unterhaltung mit
-Gotz nach der Ermordung Wolodarskis: „Ich
-lief sofort zu A. R. Gotz und fragte ihn, was
-los sei. Er antwortete: ein Arbeiter, Sozialrevolutionär
-seiner Überzeugung nach, der
-einen wichtigen Parteiauftrag hatte, war
-Zeuge, wie das Automobil Wolodarskis eine
-Panne erlitt –, er konnte sich nicht zurückhalten
-und schoß auf ihn ...“
-</p>
-
-<p>
-Halten Sie es nicht für möglich, Viktor
-Michailowitsch, daß Gotz die Wahrheit vor
-Postnikow verbarg, wie sie den meisten Mitgliedern
-der Partei der Sozialrevolutionäre
-verborgen blieb? – Postnikow hatte, wie
-Sie selbst wissen müssen, nicht die geringste
-Beziehung zur militärischen Arbeit und der
-Kampfarbeit in der damaligen Zeit.
-</p>
-
-<p>
-Doch selbst diese so zweifelhafte „Zeugenaussage“
-brauchen Sie nicht vorsichtig
-genug.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-70" class="pagenum" title="70"></a>
-Was ist das für ein „ernster Parteiauftrag“,
-den Sergejew hatte? – Es ist etwas seltsam,
-daß das mit „einem ernsten Parteiauftrag“
-versehene Mitglied der Partei der Sozialrevolutionäre
-sich gerade in diesem günstigen
-Augenblick in der Nähe Wolodarskis befand
-und überdies noch mit einem Revolver und
-einer Handgranate in der Hand.“
-</p>
-
-<p>
-Im Prozeß wiederholte Semjonow sein Bekenntnis
-in der Broschüre: er habe sich Mitte
-Mai 1918 an <em>Donskoi</em> gewandt und ihm den
-Vorschlag gemacht, zu terroristischen Aktionen
-überzugehen. <em>Donskoi freute sich
-über diesen Vorschlag</em> sehr. Bald darauf
-traf Semjonow auch mit Gotz zusammen, mit
-dem er eine Unterredung über die Organisierung
-terroristischer Aktionen hatte. <em>Gotz
-wies darauf hin</em>, daß in erster Linie gegen
-<em>Sinowjew und Wolodarski Attentate
-verübt werden</em> müßten. <em>Nachdem er die
-Zustimmung des Zentralkomitees</em> erhalten
-hatte, begann Semjonow mit der Organisierung
-einer „Kampfabteilung“, die die
-geplanten Attentate verüben sollte. Die Beobachtung
-Sinowjews und Wolodarskis wurde
-der Iwanowa übertragen. Sie stellte fest, daß
-es am leichtesten wäre, auf Wolodarski ein
-Attentat zu verüben, der häufig Meetings zu
-besuchen pflegte. Als Tatort wurde der zu der
-Obuchowschen Fabrik führende Weg, den
-<a id="page-71" class="pagenum" title="71"></a>
-Wolodarski mit dem Auto öfters passierte,
-ausersehen. Als die Vorbereitungen zur Ermordung
-Wolodarskis getroffen waren, erstattete
-Semjonow dann Gotz Bericht. Gotz
-gab jedoch Semjonow den Rat, mit der Ausführung
-seines Vorhabens zu warten. Dies
-fand Semjonow sehr merkwürdig, da sich das
-<em>Zentralkomitee der Partei der S.R.
-doch bereits prinzipiell mit dem Attentat
-auf Wolodarski einverstanden erklärt
-hatte</em>. Am nächsten Tage begab sich
-Sergejew an den Tatort, um sich zu überzeugen,
-wie dieser von dem Auto Wolodarskis
-passiert werde. Von seinem Wagen aus fragte
-Sergejew den Semjonow noch, wie er sich zu
-verhalten habe, wenn die Gelegenheit günstig
-sei, um auf Wolodarski zu schießen. <em>Semjonow
-antwortete</em>, daß in solchem Falle
-eben gehandelt werden müsse. Zufällig blieb
-das Auto Wolodarskis nicht weit von dem
-als Tatort ausersehenen Platze stehen. Wolodarski
-verließ sein Automobil und ging Sergejew
-entgegen, der mehrere Schüsse auf
-Wolodarski abgab und ihn tötete. Es gelang
-Sergejew zu entfliehen. Am Abend des gleichen
-Tages begab er sich in die Wohnung
-Semjonows, wo er Unterkunft fand. 2 bis 3
-Tage blieb Sergejew in Petersburg, dann
-wurde er von Semjonow nach Moskau geschafft.
-Am Tage nach der Ermordung Wolodarskis
-<a id="page-72" class="pagenum" title="72"></a>
-erschien eine Erklärung des Zentralkomitees
-der Partei der S.R., die Partei der
-S.R. habe mit diesem Morde nichts zu
-schaffen. Semjonow betonte, daß diese Erklärung
-für ihn und die anderen Mitglieder
-der Kampforganisation ein furchtbarer
-Schlag gewesen wäre. Bald darauf erschien der
-Bevollmächtigte des Zentralkomitees, Rabinowitsch,
-der Semjonow erklärte, er habe kein
-Recht gehabt, das Attentat zu verüben, er
-hätte vielmehr die Einwilligung Gotz’ abwarten
-müssen. Eine Weile später machte
-Rabinowitsch Semjonow den Vorschlag, mit
-ihm ein Meeting zu besuchen, und um alle
-Zweifel Semjonows zu zerstreuen, sagte er
-ihm, daß die Sache der Terroraktionen gut
-stehe, und alle Spuren verwischt seien, so daß
-Semjonow ruhig zu dem Meeting gehen könne.
-</p>
-
-<p>
-Kurz nach der Ermordung Wolodarskis
-hatte Gotz eine Zusammenkunft mit Semjonow,
-in deren Verlauf Gotz erklärt haben
-will, er sei zu seiner großen Überraschung vor
-eine vollendete Tatsache gestellt worden.
-Vielleicht entspricht diese Angabe von Gotz
-der Wahrheit; aber fest steht, daß man
-Semjonow nicht in die Arme fiel, als er
-weitere Attentate organisierte. Gotz gab
-offen zu, die Ermordung Wolodarskis habe
-das Z.K. moralisch gebilligt; man habe
-nie in Erwägung gezogen, den Attentätern
-<a id="page-73" class="pagenum" title="73"></a>
-ihre Parteirechte zu entziehen. So kann man
-ohne Zweifel resultieren, daß das Z.K. durch
-Gotz ausweichende Bescheide gab, die Tat
-geschehen wissen, aber sie nicht inspiriert
-haben wollte. Und als man sah, welche tiefe
-Erregung in den breiten Massen der Tod
-Wolodarskis auslöste, schreckte man erst
-recht zurück und veranlaßte die Übersiedlung
-der Kampforganisation Semjonow von
-Petrograd nach Moskau.
-</p>
-
-<p>
-In Moskau hat die Gruppe sofort wieder
-ihre Tätigkeit aufgenommen. Diesmal wollte
-man Lenin selbst treffen. Semjonow hat
-der Fanny Kaplan Munition und Gift verschafft,
-Donskoi wurde von Semjonow informiert;
-die Angeklagte Stawskaja bekundet,
-Donskoi sei über die Vorbereitungen zu dem
-Attentat auf Lenin genau unterrichtet gewesen,
-das Mitglied der Z.K. Timofjejew
-machte als Einwand gegen terroristische Akte
-nur geltend, man dürfe die Bolschewiki nicht
-zu Märtyrern machen. Aber hat nicht die
-Angeklagte Eugenie Ratner bereits erklärt,
-die Partei lasse sehr wohl Terrorakte gegen
-die Bolschewiki gelten? und stand Eugenie
-Ratner dem Z.K. nicht sehr nahe? Und war
-nicht außer jenem Attentat der Fanny
-Kaplan noch ein zweites Attentat auf Lenin
-geplant gewesen, in das Lydia Konoplewa
-verwickelt war, die im Februar 1918 B. N.
-<a id="page-74" class="pagenum" title="74"></a>
-Rabinowitsch den Vorschlag machte, W. I.
-Lenin zu töten. „Ich schlug vor, dies in
-Form eines individuellen Aktes auszuführen,
-um die Partei keinen Repressalien auszusetzen,
-hielt es jedoch für notwendig, die
-prinzipielle Stellung des Zentralkomitees zu
-dieser Frage festzustellen. Aus diesem Anlaß
-führte ich Unterhandlungen mit dem Mitglied
-des Zentralkomitees A. R. Gotz. –
-Gotz pflichtete mir bei und holte die Meinung
-des Büros des Zentralkomitees ein, das sich
-damals in Moskau befand. Speziell zu diesem
-Zweck fuhr Rabinowitsch nach Moskau. Die
-Sanktion des Büros des Zentralkomitees für
-den individuellen Akt wurde erteilt. Außerdem
-gab uns das Büro als Führer der terroristischen
-Gruppe das Mitglied des Zentralkomitees
-W. Richter bei.“
-</p>
-
-<p>
-Aus dem Attentat wurde nichts; Gotz
-hat selbst später die Vorbereitungen inhibiert.
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Ein Attentatsversuch gegen Trotzki mißlang,
-weil Trotzkis Zug von einem anderen
-Bahnhof abfuhr. Die Teilnehmer erzählen
-von einer merkwürdigen Nachtwanderung am
-Eisenbahndamm, und während sämtliche Beteiligte
-ihr Vorhaben eingestehen, behauptet
-die Angeklagte Iwanowa, sie habe die Bombe
-in jener Nacht nur mit sich herumgeschleppt,
-<a id="page-75" class="pagenum" title="75"></a>
-um sie auf die Wachtmannschaften, nicht
-aber auf Trotzki zu werfen ...
-</p>
-
-<p>
-<em>„Die S.R. Partei hatte prinzipiell
-nichts gegen die Attentate einzuwenden,“
-gestand Timofejew.</em> Er erzählt,
-daß Semjonow, von Gewissensbissen getrieben,
-bei ihm erschienen wäre und <em>das Anerbieten
-stellte, Koltschak und Denikin
-zu töten. Und Timofjejew willigte in
-das Attentat gegen Koltschak ein. Das
-Attentat gegen Denikin verbot er, da
-Denikin die Konstituante nicht auseinandergejagt
-hätte und auf dem
-Territorium seiner Herrschaft die S.R.
-Organisationen nicht auflösen ließ</em>.
-</p>
-
-<p>
-Im Saale herrschte eine tiefe furchtbare
-Stille, als Timofjejew diese Aussage machte.
-</p>
-
-<p>
-„Welche Gewissensbisse haben Semjonow
-zu diesem Entschluß veranlaßt?“ fragt Krylenko.
-</p>
-
-<p>
-<em>„Semjonow hatte das Gefühl, daß er
-sich mit der Organisation von Attentaten
-gegen die Revolution versündigt
-hat. Semenow fühlte damals Reue über
-seine blutigen Taten, die er gegen die
-Revolution verbrochen hat,“ antwortete
-Timofjejew.</em>
-</p>
-
-<p>
-„Welche Taten meinen Sie?“ fragt Krylenko.
-</p>
-
-<p>
-„<em>Jene terroristischen Akte im Jahre
-1918</em>,“ lautet die Antwort Timofjejews.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-76" class="pagenum" title="76"></a>
-„<em>Sie hatten also Kenntnis von diesen?</em>“
-fragt Krylenko.
-</p>
-
-<p>
-„<em>Ich hatte von ihnen Kenntnis</em>,“ antwortet
-Timofjejew.
-</p>
-
-<p>
-Aber hat es im Z.K. der S.R. eine einheitliche
-Stellung zum individuellen Terror
-gegeben? Die Frage ist nicht geklärt worden.
-Zwei ehemalige S.R. sagten als Zeugen über
-eine Sitzung des Z.K. aus, in der man sich
-über die Frage des individuellen Terrors
-schlüssig werden wollte. Tschernow und ein
-großer Teil der Anwesenden habe für den
-Terror gestimmt, ein ebenso großer Teil habe
-ihn verworfen – und zuletzt sei man auseinandergegangen,
-ohne einen endgültigen
-Beschluß gefaßt zu haben. In diesem ausweichenden,
-unentschiedenen Verhalten enthüllt
-sich der ganze schwankende Charakter
-der S.R. Fühlten sie eine gewisse Scham, die
-Hand gegen Arbeiterführer zu erheben?
-Wollten sie keine Märtyrer machen? Mußten
-sie nicht noch vielmehr jetzt im Prozeß alle
-Rednerkünste aufbieten, um die Hintergründe
-zu verschleiern und sich nicht vor einem Arbeiterpublikum,
-im Arbeiterrußland als Arbeitermörder
-zu bekennen?! Es spielte sich ein
-erbitterter Kampf um die Hintergründe, um
-die Feststellung der wahren Antreiber zu
-Meuchelmorden ab. Die S.R. Partei war
-empfindlich getroffen, wenn der klare Beweis
-<a id="page-77" class="pagenum" title="77"></a>
-geführt werden konnte, daß es eine Mörderzentrale
-im Z.K. gab. Der klare Beweis ist
-nicht erbracht worden. Festgestellt wurden
-nur die Uneinigkeit im Zentralkomitee und
-seine Mitwisserschaft; festgestellt wurden die
-moralische Billigung und der Versuch, die
-Terrorgruppen zu schützen. Und durch die
-Aussagen Pascals konnte der Beweis geführt
-werden, daß die Mordtaten der S.R. im
-Lager der Entente Gefühle hoher Befriedigung
-auslösten. Man hat nie feststellen können,
-wie sich die Verhandlungen zwischen den
-S.R. und der Ententemissionen in Details
-abspielten. Den Unterredungen hat niemand
-beigewohnt, es existiert kein Stenogramm,
-kein Dokument. Aber als Lenin schwer verwundet
-aufs Lager hingestreckt wurde,
-jubelte die S.R. Presse, atmete man in den
-Missionen auf, und der französische Offizier
-Laurent grübelte mit seinen Kumpanen nach:
-Wie töten wir Trotzki? ... Draußen vor den
-Toren Moskaus stand an einer Eisenbahnbrücke
-eine hohe weibliche Gestalt: Iwanowa.
-Das Umschlagtuch barg eine Bombe. Und die
-brennenden Augen bohrten sich fiebernd in die
-schwüle Nacht: blinkten noch immer nicht
-die Lichter von Trotzkis Zug?
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-<a id="page-78" class="pagenum" title="78"></a>
-Die Expropriationen und Sprengungen hat
-man zugegeben. Darüber wurde nicht lange
-gestritten. Man gestand, Material von den
-Franzosen erhalten zu haben, um Eisenbahnzüge
-zum Entgleisen zu bringen, Brücken zu
-sprengen. Donskoi hat keine Ausflüchte gemacht.
-Das waren „Kriegsoperationen“ der
-Front der Konstituante. Auch die Expropriationen,
-die Bestechungen von Beamten,
-die Einbrüche ins Post- und Telegraphenamt
-an der Ecke Twerskaja-Kammerherrengasse,
-in staatliche Lebensmittellager gab man zu.
-Von dem Tode des reichen Kaufmannes wußte
-das Z.K. nichts; diese Tat hat Semjonow
-nicht berichtet. Es berührt schon merkwürdig,
-daß man sich nicht über diese Einbrüche
-und Diebstähle erregte – es waren
-Bagatellen – nachdem man als Mörder entlarvt
-war.
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Die Aufstände in Archangelsk, im Murmangebiet,
-die Errichtung der Wolgaregierung,
-der Aufruhr in der Ukraine und alle
-diese offenen Kampfhandlungen der S.R.
-gegen die Sowjets haben nicht so sehr im
-Mittelpunkt des Interesses gestanden, wie
-jene terroristischen Handlungen. Die Bolschewiki
-haben den individuellen Terror nie gebilligt
-und ihn schon zur Zarenzeit verurteilt.
-Sie waren dank ihrer marxistischen Schulung
-<a id="page-79" class="pagenum" title="79"></a>
-überzeugt, daß der Erfolg der Revolution
-nur einer Massenbewegung zu verdanken
-ist. Und immer hatte sich schon im
-Gegensatz zwischen individuellem und Massenterror
-am auffälligsten der Unterschied
-zwischen den beiden Parteien enthüllt. Der
-individuelle Terror entsprang nicht nur einer
-völlig verzweifelten Stimmung und einer ausgesprochenen
-persönlichen Einstellung; er
-konnte nur in Kreisen zum Prinzip erhoben
-werden, in denen man davon überzeugt war,
-daß Menschen, einzelne Personen die Geschichte
-machen. Die Bolschewiki wußten,
-daß jeder revolutionäre Fortschritt einer Umwälzung
-der Verhältnisse, der Produktionsmethoden
-entspringen muß. Nur Massenbewegungen
-konnten nach Ansicht der Bolschewiken
-zur Eroberung der Macht führen.
-Die Geschichte hat ihnen Recht gegeben.
-Die Oktoberrevolution 1917 ist eine solche
-unwiderstehliche Massenbewegung gewesen,
-der die bolschewistische Partei Richtung und
-Ziel gewiesen hat. Und die verzweifelten
-Aktionen der S.R. nach der Oktoberrevolution
-beweisen, wie sehr ihnen die Leitung der
-Massen entglitten war. Und wie ungeheuerlich
-erschienen dem russischen Arbeiter die
-terroristischen Akte gegen seine Führer, die
-niemandem frommten als dem Großgrundbesitz
-und dem Großkapital, hinter denen
-<a id="page-80" class="pagenum" title="80"></a>
-die Entente als Antreiberin stand. Unzweifelhaft
-haben nationale Elemente eine gewisse
-Rolle gespielt – die bolschewistische Revolution
-war eine Umwälzung der ökonomischen
-Besitzverhältnisse, aber die proletarische Revolutionsidee
-verschmolz zugleich mit einem
-starken nationalen Selbstbewußtsein – der
-Arbeiter empfand zum ersten Male, daß er
-ein Vaterland hatte – ein Begriff, der für die
-Vertreter des Kapitals niemals mehr als eine
-Kulisse gewesen ist, die man je nach der
-Konjunktur hin- und herschob. Die Tätigkeit
-der S.R. erschien deshalb in einem noch
-schlimmeren Lichte, als gegen Ende des Prozesses
-sich auf den Tischen des Tribunals
-Berge von Dokumenten häuften, durch die
-der Partei nachgewiesen wurde, daß sie bis
-tief in die jüngste Zeit hinein sich mit dem
-Ausland verbunden hatte, um die Sowjets zu
-stürzen. Man muß sich in jene Tage zurückversetzen,
-in denen Sowjetrußland erst von
-wenigen Staaten anerkannt war, von der gesamten
-Bourgeoisie geächtet war, und Flutwellen
-der Verleumdung sich über das Gesicht
-Rußland ergossen. Auch Rußland hatte
-gegen eine Welt von Feinden gekämpft und
-geblutet, an allen Fronten des Reiches hatten
-die Heere der Arbeiter und Bauern die von
-den Westmächten, Deutschland und Amerika
-ausgerüsteten weißen Armeen aufgehalten;
-<a id="page-81" class="pagenum" title="81"></a>
-im Innern hatten die S.R. durch ihre terroristischen
-Akte die Moral und Widerstandskraft
-zu schwächen gesucht, Hunger, Not,
-Entbehrungen, Kälte, Epidemien suchten das
-ungeheure Reich heim, das der imperialistische
-Krieg schon genug mitgenommen hatte.
-Die Heere der Arbeiter und Bauern hatten
-den Feind nicht nur aufgehalten, sondern besiegt;
-der Freiheitskampf dieses Volkes wird
-vielleicht in seiner ganzen gewaltigen heroischen
-Größe erst späteren Geschlechtern
-offenbar werden; vielleicht wird man ihm
-Genugtuung widerfahren lassen. Die Heere
-der Fremden und Weißen wurden von expropriierten
-Kapitalisten vorwärts gejagt, von
-den Bankherren der City und Wallstreet, die
-keine Möglichkeit mehr sahen, ihre Kapitalien
-in russischen Industrieunternehmungen
-anzulegen – und sehr günstig bei den
-niedrigen Löhnen und der relativen Bedürfnislosigkeit
-der russischen Arbeiter, die von
-den Kosaken des Zaren jahrzehntelang immer
-wieder trotz tapferer Gegenwehr zur
-Arbeit getrieben waren. Die Herrschaft des
-Proletariats in Rußland bedeutete für das
-ausländische Kapital die Versperrung von
-Ausbeutungsmöglichkeiten, bedeutete den
-Ausfall Rußlands als Kolonie. Und da sich
-dem Expansionsdrang des Kapitals bis zum
-heutigen Tage in Rußland unüberwindbare
-<a id="page-82" class="pagenum" title="82"></a>
-Widerstände entgegensetzen, das Kapital
-aber auf Rußland angewiesen ist, erscheint
-dieser Konflikt unlösbar, so lange der proletarische
-Staat besteht. Aus solchem Gegensatz
-erwächst der Weltkonflikt der nächsten
-Jahrzehnte.
-</p>
-
-<p>
-An einem der letzten Prozeßtage wurde
-dem Angeklagten Timofjejew ein Dokument
-mit der Frage: „Kennen Sie diese Unterschrift?“
-überreicht. „Sensinow?“ – „Ja.“
-„Und erkennen Sie diese Unterschrift als
-echt an?“ Der Angeklagte zögerte eine Weile
-und sagte dann: „Ja!“ Und diesem Dokument
-folgten unzählige andere Schriftstücke,
-aus denen hervorging, daß die Partei der S.R.
-in engster Abhängigkeit von ausländischen
-Regierungen stand. Sensinow, ein alter
-Sozialrevolutionär, hatte in der Regierung
-der Konstituante von Samara gesessen, war
-nach dem Zusammenbruch der Front ins
-Ausland geflohen und hatte in Frankreich
-ein „<em>Administratives Zentrum</em>“ gebildet,
-dem die bekanntesten Führer der S.R. beigetreten
-waren: Kerenski, Awxentijew, Bruschwit,
-Tschernow, Machin und einige andere!
-Das Pariser Geheimarchiv dieser ausländischen
-Geheimorganisation war in die Hände
-der Sowjetregierung gefallen, das Material
-belastete die S.R. aufs Schwerste. Unter den
-Dokumenten befanden sich Briefe, aus denen
-<a id="page-83" class="pagenum" title="83"></a>
-hervorging, daß die Partei im Jahre 1921
-von der französischen und tschechoslowakischen
-Regierung, ferner von Weißgardisten
-Gelder empfangen hatte, um Aufstände in
-Rußland zu organisieren. In einem Briefe
-Sensinows an das Mitglied des „Administrativen
-Zentrums“, Rogowski, heißt es:
-</p>
-
-<p>
-„<em>Gestern hatte ich eine Unterredung
-mit Benesch, die 50 Minuten dauerte.
-Er war wie immer liebenswürdig und
-entgegenkommend; ich denke, er ist
-auch aufrichtig. Ich berührte im Gespräch
-unsere Möglichkeiten und unsere
-tatsächliche Lage.</em> Ich schilderte
-ihm das Bild des Ganzen. ‚Wir halten eure
-Arbeit für nützlich und notwendig, sowohl
-für Rußland, wie auch für uns. Wir werden
-es daher nicht dazu kommen lassen, daß eure
-Arbeit aufgegeben wird; <em>vom Januar an
-werdet ihr wöchentlich 50000 Kronen
-bekommen, ich (Benesch) werde
-persönlich dafür Sorge tragen, daß
-dieser Betrag auf 60000-65000 Kronen
-erhöht wird</em>‘.“ (<em>Benesch ist der Premierminister
-der Tschechoslowakei</em>.) Am
-21. Dezember berichtet Sensinow an Rogowski:
-„<em>Vor vier Tagen erhielt ich 80000
-Kronen; dieses Geld wurde uns ohne
-jede Mahnung von unserer Seite ausgezahlt.</em>“
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-84" class="pagenum" title="84"></a>
-Als nächster Geldgeber erscheint der ehemalige
-russische Botschafter Bachmetjew, in
-dessen Händen sich auch heute noch bedeutende
-Summen aus dem russischen Staatsschatz
-befinden. Am 12. April 1921 sendet
-Kerenski an Bachmetjew über die tschechoslowakische
-Gesandtschaft in Paris folgendes
-chiffrierte Telegramm: „Ich erhielt aus Rußland
-die Bitte um eine äußerste Kräfteanstrengung.
-Das von Ihnen geschickte Geld
-gewährte eine wirkliche Hilfe am Bestimmungsorte.
-Es ist notwendig, die Hilfe ohne
-Verzug sofort fortzusetzen. Die unaufschiebbare
-Geldnot verlangt meine schleunige Abreise
-nach Amerika.“ Im Brief vom 13. März
-teilt Sensinow an Kerenski mit: „Gestern
-erhielten wir von Ihnen aus Paris eine Anweisung
-auf 50000 Francs und von Bachmetjew
-telegraphisch 25000 Dollars.“
-</p>
-
-<p>
-Als Geldgeber fungiert ferner der weiße
-General Bitscherachow. Die S.R. erhielten
-von ihm während der Jahre 1918/19 20000
-Francs und im Jahre 1920 einige hundert
-Pfund Sterling. Woher stammen diese Gelder?
-Darüber schreibt am 21. März 1921 der
-S.R. Ter-Pogosian an den S.R. Minor:
-„Die Gelder im Besitze L. Bitscherachows
-stammen aus zwei Quellen. Nach der Auflösung
-der persischen Front durch die Bolschewiki
-organisierte Bitscherachow eine Freischärlerabteilung.
-<a id="page-85" class="pagenum" title="85"></a>
-Die Engländer zahlten
-ihm monatlich einen bestimmten Betrag für
-die Unterhaltung dieser Truppe. Die englischen
-Subsidien überstiegen die Ausgaben,
-so daß bei Bitscherachow Reste blieben.
-Außerdem hatte er noch Gelder aus jenen Beträgen,
-die nach dem Umsturz und der Beseitigung
-der bolschewistischen Regierung
-in Baku und Petrowsk in den Besitz der
-Bakuschen weißen Diktatur kamen. Hauptsächlich
-die Gelder der Staatsbahnen, folglich
-also Staatsgelder ... In Anbetracht
-dessen hatten wir Grund, diese Summen
-nicht als Bitscherachow persönlich gehörig
-aufzufassen, ihre Bereitstellung für soziale
-und politische Zwecke erscheint als völlig gerechtfertigt.“
-</p>
-
-<p>
-Endlich gaben die russischen Industriellen
-selbst große Summen. Zur Zeit des Kronstadter
-Aufstandes öffneten sie ihre Portefeuilles.
-</p>
-
-<p>
-Ein Teil der Dokumente beleuchtete die
-engen Beziehungen zwischen den S.R. und
-der französischen Regierung. Kerenski hat
-verschiedene Male mit Berthelot, dem Direktor
-des französischen Außenministeriums, und
-mit Briand selbst korrespondiert und mündlich
-verhandelt.
-</p>
-
-<p>
-Im Besitz solcher Mittel und Beziehungen
-legten die S.R. ein Spionagenetz an, das von
-<a id="page-86" class="pagenum" title="86"></a>
-Konstantinopel bis Reval reichte, sie schickten
-Sendboten ins Innere des Landes, trieben
-militärische Spionage und sondierten die
-Kommandeure der Roten Armee. Ein Oberst
-Machin ist der Leiter dieses militärischen
-Spionagedienstes; aus einem Briefe geht
-hervor, daß Machin sich in Reval mit französischen
-Offizieren in Verbindung zu setzen
-hatte. Kerenski entsandte einen Oberst nach
-Konstantinopel und gab ihm einen Brief an
-den französischen Militärvertreter mit, den
-General Pellet. Die Minister der Randstaaten
-empfingen die Boten der S.R., und wenn den
-S.R. der Empfang zu kühl schien, versuchten
-sie durch englische Vermittlung einen Druck
-ausüben zu lassen. In allen Hauptstädten
-Europas entfalteten die S.R. eine fieberhafte
-Tätigkeit; sie hielten verschiedene Zeitungen,
-bauten ihren Apparat aus, saßen in den Vorzimmern
-der Minister und Bankiers, versuchten
-die Errichtung einer großen weißen
-Front, schüchterten die Kleinstaaten durch
-die Großmächte ein, nutzten sämtliche Verbindungen
-aus, verbreiteten Märchen über
-Rußland und ließen kein Mittel unversucht,
-um dem neuen Staate zu schaden. Dies alles
-vollzog sich mit der Skrupellosigkeit, dem
-Raffinement, der Hartnäckigkeit und dem
-Haß des Unterlegenen und Verdrängten,
-dessen Zeit vorüber ist, und der eine rastlose
-<a id="page-87" class="pagenum" title="87"></a>
-Tätigkeit zu entfalten sucht, um sich zu betäuben
-und der Welt zugleich seine Brauchbarkeit
-zu beweisen.
-</p>
-
-<p>
-Im Januar 1921 schien der Same aufzugehen.
-In Kronstadt brach eine Meuterei aus;
-über das Eis der Newa drangen die Truppen
-der Sowjets und nahmen mit stürmender
-Hand die Seefestung. Der Aufruhr ist unzweifelhaft
-von den S.R. entfacht worden.
-Damals weilte Tschernow in Reval und
-schickte Telegramme nach Kronstadt; andere
-bemühten sich um Proviant und Munition
-für die aufständige Festung. In einem Flugblatt
-des „Revolutionären Rußland“ schreibt
-Tschernow:
-</p>
-
-<p>
-„Kronstadt hat sich erhoben. Durch sein
-heroisches, aufopferndes Beispiel ruft es ganz
-Rußland zu dem langersehnten Befreiungswerke.
-Petrograd hat den Generalstreik erklärt.
-Ihr aber, Tyrannen und Despoten,
-laßt es Euch gesagt sein, daß die Tage Eurer,
-dem gesamten Volke verhaßt gewordenen
-Herrschaft gezählt sind. Wenn Ihr um Euer
-Leben bangt, wenn Ihr am Leben hängt,
-verschwindet aus dem Wege. Das Volk
-kommt, es wird Euch richten.“
-</p>
-
-<p>
-Im Laufe des Jahres versuchte man im
-Kaukasus eine Bewegung zu entfachen; das
-„Administrative Zentrum“ hielt verschiedene
-Sitzungen ab, in denen die Vorbereitungen zu
-<a id="page-88" class="pagenum" title="88"></a>
-Aufständen beraten wurden. Es existiert das
-Protokoll einer solchen Sitzung, in der Machin
-die finanzielle und ökonomische Vorbereitung
-„zum Aufstande und Sturze der Bolschewisten“
-verlangt. Bruschwit spricht von der
-Notwendigkeit, „Militärkaders vorzubereiten
-und eine starke, leistungsfähige militärpolitische
-Organisation zu haben.“ Kerenski erklärt:
-Wir haben unsere Fachleute und unsere
-Leiter in den bestehenden Organisationen in
-Rußland und verlangen ihre Unterschrift als
-Garantie ihres politischen und militärischen
-Lebenswandels.
-</p>
-
-<p>
-Im November 1921 wird sogar schon wieder
-eine „terroristische Kampfgruppe“ gegründet.
-Ihre Haupttätigkeit aber entfalten jetzt
-die S.R. im Kaukasus, man gründet im
-Inneren Geheimorganisationen, erbittet und
-erhält von den Franzosen materielle Unterstützung
-und erklärt sich bereit im Falle
-eines Fehlschlages die eingegangenen Schulden
-durch Übermittlung von Nachrichten an
-die französische Konterspionage abzutragen.
-</p>
-
-<p>
-Bis ins Jahr 1922 hinein reichten die
-schriftlichen Beweise dieser konspirativen
-Tätigkeit der S.R. Die Angeklagten in
-Moskau waren an diesen Unternehmungen
-aktiv nicht beteiligt. Man legte ihnen sämtliche
-Dokumente vor. Man stellte ihnen die
-Frage: billigt ihr diese Methoden der Auslandsdelegation
-<a id="page-89" class="pagenum" title="89"></a>
-eurer Partei, im Bunde mit
-der großen und kleinen Entente neue Interventionskriege
-herbeizuführen, dank materieller
-Unterstützung der Westmächte das
-Land mit einem Netz von Geheimorganisationen
-zu überziehen und Rußland in neues unsagbares
-Elend zu stürzen. Die Angeklagten
-wichen aus. Die Methoden ihrer Kameraden
-im Auslande schienen ihnen verwerflich;
-aber im Angesicht ihres eigenen Todes weigerten
-sie sich, von ihren Parteigenossen abzurücken.
-„Also billigt ihr, was jene tun?“
-„Wir sind, wie am ersten Tage eurer Herrschaft,
-gegen euch und werden euch mit
-<em>allen</em> Mitteln bekämpfen.“
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Nach fünfzig Sitzungstagen, nach einer
-Vernehmung von etwa 100 Zeugen und der
-Verlesung einer Fülle von Dokumenten begannen
-die Plaidoyers. Die Vertreter des
-Arbeiter- und Bauernrußlands erhielten zuerst
-das Wort; dann sprachen die Vertreter
-der III. Internationale: Klara Zetkin, der
-Tscheche Mune, der Ungar Bokanyi. Auf
-die Angeklagten hat die Rede Klara Zetkins
-einen niederschmetternden Eindruck gemacht.
-Der Name dieser tapferen, unermüdlich
-im Dienste der Sache des Proletariats
-tätigen Frau, die immer in der vordersten
-Front stand, noch als Greisin in die Kerker
-<a id="page-90" class="pagenum" title="90"></a>
-des deutschen Kaiserreiches wanderte, war
-auch für die S.R. ein – man muß schon
-sagen – heiliger Name. Sie wußten, daß diese
-Frau die letzte war, die sich beeinflussen ließ.
-Diese Frau erhob ihre Anklage ganz gewiß
-aus eigenster innerster Überzeugung, die
-Reinheit ihres Willens und Denkens war unantastbar.
-Erhob sich auch diese Frau gegen
-sie, so fühlten sie sich in ihrem Innersten
-schuldig. Es ist verbürgt, daß das Auftreten
-der Klara Zetkin die Angeklagten außer
-Fassung brachte, sie haben es selbst gestanden.
-</p>
-
-<p>
-Klara Zetkin hielt den S.R. vor, es handele
-sich nicht um die Wege und Mittel, deren
-sich eine Partei bediene, es handele sich vielmehr
-um die Ziele, in deren Interesse diese
-Mittel angewendet wurden. Die S.R. wollten
-das Proletariat wieder der Bourgeoisie unterwerfen,
-deren Joch es durch den heldenhaften
-Kampf der russischen Arbeiter und Bauern
-abgeschüttelt hatte. Die S.R.P. habe alles
-getan, um die Revolution zu untergraben:
-„Ein Verbrechen, mit dem man nicht einmal
-den Mord von Hunderten, den Mord von
-Tausenden, den Mord von Millionen vergleichen
-kann.“ Die S.R. stehen vor dem
-Gericht der russischen Arbeiter und Bauern,
-vor dem Gericht des proletarischen Staates.
-Es ist wahr, daß sie vor einem Klassengericht
-<a id="page-91" class="pagenum" title="91"></a>
-stehen. Aber wo gibt es ein Gericht, das über
-den Klassen steht? Es gibt zwei Arten von
-Klassengerichten: das bürgerliche und das
-proletarische Klassengericht. Das revolutionäre
-Gericht der Arbeiter ist eine mächtige
-Waffe in den Händen des Proletariats im
-Kampfe gegen die Bourgeoisie.
-</p>
-
-<p>
-Die russischen Arbeiter begannen die Weltrevolution.
-Die S.R. haben alles getan, um
-ihren Weg aufzuhalten, sie behaupten, daß
-sie gegen Usurpatoren kämpfen, aber es gibt
-keine Usurpatoren, die ohne Massen die
-Macht behaupten können. Die S.R. sind das
-beste Beispiel: sie ergriffen die Macht, ohne
-Massen hinter sich zu haben – mit Hilfe des
-Auslandes.
-</p>
-
-<p>
-Die S.R. berufen sich auf ihre revolutionäre
-Vergangenheit – ja, sie haben den Zarismus
-tapfer bekämpft. Aber als sie selbst an der
-Macht waren, stellten sie sich, statt die Revolution
-im Bunde mit dem Proletariat fortzusetzen,
-auf die Seite der Bourgeoisie; in ihrer
-äußeren Politik waren sie abhängig von der
-internationalen Bourgeoisie, in ihrer inneren
-von der russischen Bourgeoisie. Die S.R.
-nannten sich eine Bauernpartei, aber sie haben
-auf dem Lande mit den Waffen in der Hand
-den Kampf der Bauern gegen die Gutsbesitzer
-unterdrückt. In der äußeren Politik haben
-sie den imperialistischen Krieg fortgeführt.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-92" class="pagenum" title="92"></a>
-Die S.R. haben durch ihren Kampf gegen
-die Sowjets den Wiederaufbau des russischen
-Wirtschaftslebens verhindert; sie haben in
-diesem Kampfe gegen die Sowjetmacht alle
-möglichen Mittel angewendet: Bündnis mit
-dem Ausland, Bündnis mit der Reaktion, den
-Terror.
-</p>
-
-<p>
-Klara Zetkin setzte sich dann für die geständigen,
-reuigen Angeklagten der II. Gruppe
-ein, die geglaubt hatten, für die Revolution
-zu kämpfen, aber später erkannten, daß sie
-gegen die Revolution gekämpft hatten. Sie
-gerieten in einen tragischen Konflikt, und
-standen vor der Frage: Wie können wir
-unsere Verbrechen sühnen? Sie fanden nur
-den einen Weg: Offenes Geständnis. So
-sühnten sie ihre Schuld. „Die Arbeiter,
-Bauern und das Oberste Tribunal sind sich
-dieser Beichte bewußt und werden Milde
-walten lassen. Aber die Stimme des Gewissen
-wird sie bis zum Tod wegen ihrer Verbrechen
-am Proletariat verfolgen. Und das
-ist für sie Strafe genug!“
-</p>
-
-<p>
-Die Verteidiger, die aus dem Auslande den
-S.R. zu Hilfe eilten, haben nie daran gedacht,
-Arbeiter in ihren eigenen Ländern zu
-verteidigen. Vandervelde war als Justizminister
-Seiner Majestät der höchste Richter
-in jenen Prozessen, die von der belgischen
-Bourgeoisie gegen die flämischen Autonomisten
-<a id="page-93" class="pagenum" title="93"></a>
-und Anarchisten geführt wurden.
-1500 Menschen wurden in die Zuchthäuser
-gesteckt, viele wurden zum Tode verurteilt.
-Und niemals haben die Vertreter der 2. und
-2½. Internationale zu protestieren gewagt,
-nur jetzt erscheinen sie plötzlich auf dem
-Plan. Klara Zetkin verweist auf die Justiz
-in Deutschland, in dessen Kerkern 6000 politische
-Gefangene schmachten, für die kein
-Vertreter der II. Internationale seine Stimme
-erhoben hat.
-</p>
-
-<p>
-„Im Namen der III. Internationale gebe
-ich der Überzeugung Ausdruck, daß das Gericht
-es verstehen wird, die Errungenschaften
-des Proletariats zu schützen und die notwendigen
-Mittel zu finden!“
-</p>
-
-<p>
-Der Ungar Bokanyi, der Volkskommissar
-der ungarischen Räterepublik, erinnert an
-seine eigene Kerkerzeit nach dem Sieg der
-Horthys: „Damals kam uns Vandervelde
-nicht zu Hilfe!“ Er vergleicht die weiße und
-die rote Justiz, er spricht aus eigensten Erfahrungen
-und schließt: „Das Oberste Tribunal
-kann auf seine Unparteiischkeit und
-Objektivität stolz sein. Das Oberste Tribunal
-wird ein Urteil fällen, das den Interessen des
-Proletariats entspricht!“
-</p>
-
-<p>
-Der Tscheche Muna hatte zweimal in den
-Kerkern der tschechischen Republik gesessen,
-im Weltkrieg war er in russische Gefangenschaft
-<a id="page-94" class="pagenum" title="94"></a>
-geraten, aber er hatte sich nicht
-jenen tschechischen Legionen angeschlossen,
-die unter Führung von Ententeoffizieren und
-im Bunde mit den S.R. den Kampf gegen
-das Rote Moskau geführt hatten. Muna
-schildert die Lage der tschechischen Legion,
-ihren Kampf im Interesse der besitzenden
-Klasse, er schildert das reaktionäre tschechische
-Offizierkorps, weist auf Zeugnisse tschechischer
-Offiziere hin, aus denen klar hervorgeht,
-daß sie die Verbindung mit den S.R.
-suchten und gemeinsam mit weißen Offizieren
-arbeiteten. Er führt die belastenden Aussagen
-der Prozeßzeugen Pascal, Mariski und
-Dworschets an. Der Zeuge Dworschets hatte
-bekundet, daß die S.R. nur mit Hilfe der
-Tschechoslowaken in Samara ihre Macht behaupten
-konnten. Die S.R. Partei war mit
-Hilfe der Tschechoslowaken der Kernpunkt,
-um den sich die ganze russische Gegenrevolution
-sammelte. Infolgedessen trägt die S.R.
-Partei die volle Verantwortung für alle Opfer
-des Bürgerkrieges; für das Blut der Arbeiter
-und Bauern, für das Blut der Rotarmisten,
-das an allen Fronten des Bürgerkrieges vergossen
-wurde. Die gegenrevolutionäre Haltung
-der S.R. Partei nützten auch die Sozialpatrioten
-der westeuropäischen Staaten aus,
-und nur mit ihrer Hilfe gelang es der Bourgeoisie
-Westeuropas, die durch den Krieg
-<a id="page-95" class="pagenum" title="95"></a>
-erschütterte kapitalistische Ordnung vorübergehend
-zu befestigen.
-</p>
-
-<p>
-Ich werde mich nicht auf irgendeinen Gesetzesparagraphen
-berufen, indem ich die
-Bestrafung der Angeklagten fordere, da ja
-die Arbeiterklasse Rußlands und das revolutionäre
-Proletariat Europas bereits sein
-Urteil fällte, ohne das Urteil des Obersten
-Revolutionären Tribunals abzuwarten.
-</p>
-
-<p>
-Das Urteil des revolutionären Proletariats
-lautet: „Vollständiger politischer Tod der
-S.R. Partei!“ Wie immer das Urteil des
-Obersten Tribunals ausfallen sollte, es kann
-nicht so streng werden, als das bereits gefällte
-Urteil des revolutionären Proletariats
-aller Länder.
-</p>
-
-<p>
-Die S.R. Partei hat sich mit ihren Handlungen
-ein tiefes Grab geschaufelt. Das internationale
-Proletariat stößt sie mit seinem
-Urteil in dieses Grab, und dem Obersten
-Tribunal bleibt nichts übrig, als über dem
-Leichnam der S.R. Partei das Grabmal zu
-errichten.
-</p>
-
-<p>
-Am nächsten Tage begründet Krylenko
-als „Oberster Ankläger“ in einer ununterbrochenen
-zehnstündigen Rede sämtliche
-Anklagepunkte: Das proletarische Gericht
-hat die Aufgabe, den Arbeiterstaat gegen
-verbrecherische und gefährliche Handlungen
-zu verteidigen. Dieser Prozeß ist nicht da,
-<a id="page-96" class="pagenum" title="96"></a>
-um Rache zu üben, sondern um Verbrechen
-zu sühnen, zu unterbinden, zu verhüten.
-Einige Angeklagte haben selbst erklärt, daß
-sie auf das Recht, Aufstände gegen die
-Sowjetmacht zu organisieren, nicht verzichten
-werden. Vom Standpunkte des revolutionären
-Rechtes aus hätte das Gericht nach
-dieser Erklärung sofort den Prozeß abbrechen
-und die Frage umgehender Anwendung
-sozialer Schutzmaßregeln in Erwägung
-ziehen können.
-</p>
-
-<p>
-Krylenko hält es für bewiesen, daß die
-S.R. schon in den ersten Tagen der Oktoberrevolution
-in den vordersten Reihen der
-bürgerlichen Bataillone standen; er hält es
-für bewiesen, daß die S.R. Gelder von der
-Entente erhielten, und beruft sich auf das
-Geständnis des Angeklagten Lichatsch, er
-hält ihnen die konspirative Verbindung mit
-bürgerlichen Verbänden vor, die Zersetzungsversuche
-in der Roten Armee und ruft erregt
-aus: „Die Arbeiter und Bauern Rußlands
-werden Ihnen schon ihre Rechnung vorlegen!
-Wir werden mit Ihnen nicht scherzen!
-Es handelt sich um den Schutz und die Verteidigung
-des proletarischen Staates, für den
-so viel Blut geflossen ist, und für den wir alle
-unser Leben eingesetzt haben!“
-</p>
-
-<p>
-Die Verbindung mit der Entente erstrebte
-den Sturz des neuen Staates; die S.R.
-<a id="page-97" class="pagenum" title="97"></a>
-stellten mit Vertretern der Entente gemeinsame
-Programme auf: Die Entente sendet
-Offiziere und Techniker und liefert Sprengmittel.
-Die S.R. sprengen Brücken, Eisenbahnen;
-organisieren den Terror. Krylenko
-schildert die Aufstände der S.R. in Samara,
-Archangelsk und in der Ukraine, im Don- und
-Kubangebiet, er verweist auf die Dokumente
-des „Administrativen Zentrums,“ aus denen
-hervorgeht, daß die Partei bis in die letzte
-Zeit hinein am Sturz der Sowjetmacht gearbeitet
-hat.
-</p>
-
-<p>
-„Ich stelle jetzt die Fragen, ob die Angeklagten
-eine für die Sowjetrepublik gefährliche
-Tätigkeit ausgeübt haben oder nicht,
-und ob ihnen gegenüber die Maßnahmen angewendet
-werden sollen, die gegen Personen,
-die die Sicherheit des Staates bedrohen, vorgesehen
-sind.“
-</p>
-
-<p>
-Beide Fragen beantwortet Krylenko mit
-Ja.
-</p>
-
-<p>
-Er geht dann zur terroristischen Tätigkeit
-der Partei der S.R. über, und stellt an Hand
-von Dokumenten und Zeugenaussagen fest,
-daß die Mitglieder des Zentralkomitees der
-Partei der S.R. für die terroristische Tätigkeit
-der Partei voll verantwortlich sind.
-</p>
-
-<p>
-Für die Angeklagten der ersten Gruppe –
-mit Ausnahme von drei Angeklagten – fordert
-Krylenko die Anwendung des höchsten
-<a id="page-98" class="pagenum" title="98"></a>
-Strafausmaßes. „Das Revolutionstribunal
-ist ein Organ des Klassenkampfes
-der Arbeiterklasse, das gegen die
-Feinde des Proletariats gerichtet ist, und aus
-diesem Grunde kann es für die Angeklagten
-der ersten Gruppe, mit Ausnahme jener, die
-ich schon genannt habe, nur eine Strafe
-geben: den Tod durch Erschießen. Für alles
-Blut, alle Schrecken, alle Leiden, die wir in
-Laufe von fünf Jahren erdulden mußten, und
-die von ihnen wissentlich verursacht wurden.
-Die Angeklagten haben hier erklärt, daß sie
-auch in Zukunft alle ihre Kräfte darauf
-richten wollen, jenes Werk, für das wir nun
-schon fünf Jahre lang kämpfen, zu vernichten.
-Wir haben das Recht auf Selbstschutz
-und Selbstverteidigung.“
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Die Angeklagten erheben sich zum letzten
-Waffengang. Fast ein jeder ergeht sich in
-stundenlangen, sehr eingehenden Ausführungen;
-vielleicht zum letzten Male bietet sich
-ihnen Gelegenheit, in aller Öffentlichkeit mit
-ihren Feinden abzurechnen, im Saale sitzen
-Verwandte und Freunde, sie haben ein kleines
-Publikum, das mit ihnen sympathisiert
-und ihr Testament weiterverkünden wird.
-Sie verteidigen noch einmal ihre Positionen,
-die von ihnen in der Februarrevolution so
-leicht erobert wurden, wie sie ihnen wieder
-<a id="page-99" class="pagenum" title="99"></a>
-verloren gingen. Sie vermeiden es, sich allzu
-sehr in Einzelheiten zu verlieren und schieben
-den Kampf mit ihren Gegnern auf die Plattform
-der großen Auseinandersetzung zwischen
-Demokratie und Diktatur, zwischen
-Klassenausgleich und Klassenkampf. Sie
-leugnen nie, daß sie Feinde dieses Staates
-sind, vor dessen Gericht sie stehen müssen,
-und dem sie nur Rede stehen, weil sie ihrer
-Partei dienen zu können glauben.
-</p>
-
-<p>
-Hendelmann, ehedem Rechtsanwalt, der
-im Prozeß Anklägern und Tribunal oft
-Schwierigkeiten bereitet hatte, erhebt nochmals
-prozessuale Einwände, schützt das
-Zentralkomitee vor der Anklage, daß es den
-Terror sanktioniert habe – im Gegenteil: die
-Partei habe stets den Massenaufstand propagiert,
-das geplante Attentat auf den Zug
-Trotzkis wäre eine „bloße Demonstration“ gewesen,
-mit der Organisierung eines Attentats
-auf Lenin hätte sich die Konoplewa nur wichtig
-machen wollen, Wolodarskis Ermordung sei
-ein rein individueller Akt der Kampforganisation
-Semjonow gewesen; in der Frage der
-Expropriationen kann Hendelmann nichts
-bestreiten, er versucht den Eindruck nur abzuschwächen:
-es habe sich nur um ... simulierte
-Expropriationen gehandelt; den Einbruch
-ins Postamt habe man mißbilligt ...
-Krylenko unterbricht Hendelmann mit der
-<a id="page-100" class="pagenum" title="100"></a>
-Frage: „Weshalb habt ihr das Verbot des
-Terrors und der Expropriationen nicht in
-aller Öffentlichkeit kundgegeben, weshalb
-habt ihr Semjonows Gruppe nicht aufgelöst?“
-Und Hendelmann weicht aus.
-</p>
-
-<p>
-„Ich ersuche das Tribunal, über sämtliche
-Mitglieder der ersten Gruppe dasselbe Urteil
-zu fällen, denn keiner wünscht den anderen
-zu überleben!“
-</p>
-
-<p>
-Der Angeklagte Lichatsch, Organisator des
-Aufstandes im Gebiet von Archangelsk, verzichtet
-aufs Wort.
-</p>
-
-<p>
-Timofejew eröffnet seine Rede mit einer
-Erklärung:
-</p>
-
-<p>
-„Ich erkläre kategorisch, daß Ihr von uns
-weder Reue noch Versöhnung noch Lossagung
-von unserer Vergangenheit erwarten
-sollt. Krylenko bezeichnete uns als Rückfällige.
-Ja, wir sind rückfällig von Eurem
-Gesichtspunkte. Wir bestehen auf unserem
-früheren Standpunkte, und in dieser Hinsicht
-sind wir reuelose Rückfällige.“
-</p>
-
-<p>
-Die Verhandlungen mit Ententevertretern
-gibt er zu, den Empfang von Geldern bestreitet
-er. Aber: „Die Landung der Verbündeten
-in Archangelsk war uns willkommen!
-Denn ihr Ziel war die Fortsetzung
-des Krieges gegen Deutschland, und nur
-aus diesem Grunde traten wir mit der Entente
-in Verbindung. Wir haben nichts zu
-<a id="page-101" class="pagenum" title="101"></a>
-bereuen, wir leugnen unsere Vergangenheit
-nicht.“
-</p>
-
-<p>
-Gotz gibt einen historischen Abriß der
-russischen Revolution und beleuchtet von
-Fall zu Fall die Niederlage der S.R. Die
-Verteidigungsrede von Gotz schildert das
-Fiasko der ganzen Partei: Wir hatten keine
-Kräfte in entscheidenden Augenblicken, das
-Militär war nicht für uns, die Massen
-waren nicht auf unserer Seite. „Wir haben
-eine richtige Politik geführt, und künftig
-werden wir ebenso arbeiten wie bisher ...“
-</p>
-
-<p>
-Eugenie Ratner versucht die Partei von
-dem Vorwurf des Kleinbürgertums zu befreien,
-Rakow wehrt sich gegen die Behauptung,
-die Partei habe die Interessen der Großbourgeoisie
-wahrgenommen, er rühmt die
-Haltung der Partei gegen Koltschak und
-bestreitet die Verbindung mit dem Banditenführer
-Antonow im Gouvernement Tambow.
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Als erster Verteidiger erscheint der junge
-Advokat Tschlenow, Verteidiger der Konoplewa
-und Daschewkis, die zur zweiten
-Gruppe der Angeklagten gehörten.
-</p>
-
-<p>
-Seine Aufgabe bestehe darin, seine Klienten
-vom Vorwurf der Provokateure und Verräter
-zu befreien.
-</p>
-
-<p>
-Die erste Gruppe stellt eine kollektive Einheit
-dar, repräsentiert das Z.K. der Partei.
-<a id="page-102" class="pagenum" title="102"></a>
-Dies Z.K. veröffentlichte in den Zeitungen,
-daß keine einheitliche Parteiorganisation zu
-den terroristischen Akten Beziehungen hatte.
-Kann man unter solchen Umständen Aussagen
-erwarten, durch die sie feststellen
-würden, daß das Z.K. lügt? In dieser Frage
-sind sie alle gebunden und werden die Wahrheit
-um so weniger sagen, da sie das Tribunal
-als ihre Feinde betrachten.
-</p>
-
-<p>
-Sie selbst machten vor dem Prozeß keine
-Aussagen, und hier handeln sie geschlossen
-nach den Direktiven des Z.K.; deshalb ist
-es selbstverständlich, daß in ihren eigenen
-Aussagen keine Widersprüche erscheinen können.
-Um so schlimmer, wenn man einige
-Widersprüche in ihren Aussagen findet.
-</p>
-
-<p>
-So kann man sich auf E. Iwanowa berufen.
-Sie benahm sich recht lächerlich, aber sie benahm
-sich so, weil es die Interessen der Partei
-erfordern. Sie hat schon einmal eine Aussage
-vor der Tscheka abgegeben. Was hat sie dort
-ausgesagt? Parteizugehörigkeit: Sie gehöre
-keiner Partei an. Ferner: Bitte mich nicht
-zu verhören, da ich nicht normal bin. Endlich:
-Ich bin eine Anhängerin der Sowjetmacht,
-aber habe in manchen Beziehungen andere
-Ansichten, als die Kommunisten.
-</p>
-
-<p>
-So muß angenommen werden, daß die Angeklagten
-als Parteimitglieder alle Tatsachen
-ableugnen, die ihnen unangenehm sind. Daher
-<a id="page-103" class="pagenum" title="103"></a>
-stammt die Theorie: Wer ein anständiges
-Parteimitglied sein will, der darf keine unangenehmen
-Aussagen machen; wer aber solche
-Aussagen macht, ist ein Verräter. „In diesem
-Falle dürfen Sie aber nicht verlangen, daß das
-Tribunal Ihnen Glauben schenken soll. Und
-wenn sich einige in Ihrer Partei enttäuscht
-fühlten und zu den Kommunisten übergingen,
-wie sollten sie Unwahres aussagen,
-wenn sie damit beginnen, daß sie die schwersten
-Verbrechen auf sich nehmen.“
-</p>
-
-<p>
-Angenommen aber, daß Semjonow und
-Konoplewa nicht die Wahrheit gesagt hätten,
-könnte Hendelmann auch in diesem Falle
-nicht behaupten, daß die terroristischen Akte
-ohne Billigung des Z.K. durchgeführt wurden.
-</p>
-
-<p>
-Die kriegerischen Reden Tschernows und
-der Eugenia Ratner auf dem Vierten Parteikongreß
-und der dort veröffentlichte Brief
-Gotz’, in dem er für den Fall der Auflösung
-der Konstituante mit der Anwendung „der
-alterprobten Taktik“ droht, sind natürlich
-noch kein Beweis dafür, daß der Vierte
-Kongreß der Sowjetmacht den terroristischen
-Krieg erklärt hat. Aber diese Drohung mit
-dem Terror hatte in den Reihen der Parteimitglieder
-eine terroristische Stimmung hervorgerufen.
-Es waren keine Beschlüsse über den
-Terror da, aber die einzelnen Mitglieder des
-<a id="page-104" class="pagenum" title="104"></a>
-Z.K. haben sich so benommen, daß in den
-aktivsten Elementen der Partei die tiefe
-Überzeugung erweckt wurde, der Terror wäre
-nützlich und vom Z.K. gebilligt.
-</p>
-
-<p>
-In den Statuten der Kampforganisation
-heißt es: daß die Kampforganisation den
-bereits begonnenen terroristischen Akt auch
-gegen das Verbot des Z.K. durchführen
-könne, und daß der Führer sich nur mit einem
-Z.K.-Mitglied und nicht mit allen Z.K.-Mitgliedern
-ins Einverständnis zu setzen brauche.
-Deshalb war es nicht notwendig, daß Semjonow
-den Fall außer mit Gotz noch mit anderen
-besprach.
-</p>
-
-<p>
-Die Untersuchung stellte fest, daß mehrere
-Z.K.-Mitglieder, wie Iwanow, Tschernow und
-Gotz, den Terror gegen die Vertreter der Sowjetmacht
-prinzipiell anerkannt haben.
-</p>
-
-<p>
-Sehr interessant ist die Geschichte des Verbesserungsantrages
-Zumgins zur Resolution
-Tschernows über den Terror. Merkwürdigerweise
-erinnern sich dessen alle angeklagten
-Mitglieder des Z.K. nicht, obwohl dieser
-Fall durch Burewitschs Aussagen festgestellt
-wurde.
-</p>
-
-<p>
-Nach Annahme der Tschernowschen Resolution
-wird sie nicht veröffentlicht. Und als
-man die Angeklagten über die Ursache dieser
-Verheimlichung fragte, antwortete Gotz, daß
-es auch Sachen gebe, die das Gericht nicht zu
-<a id="page-105" class="pagenum" title="105"></a>
-wissen brauchte. Hendelmann gab eine andere
-Antwort: Die Parteimitglieder waren nicht
-terroristisch gestimmt, deshalb lag kein
-Grund zur Veröffentlichung der Resolution
-vor. Wenn aber eine solche Resolution angenommen
-wurde, so beweist das doch, daß eine
-solche Stimmung vorhanden war.
-</p>
-
-<p>
-Nehmen wir das erste Attentat auf Lenin.
-Da wurde nach Aussagen Jefimows und Rabinowitschs
-das Moskauer Büro des Z.K.
-befragt. Dieses Attentat versuchten die Angeklagten
-als eine Operette hinzustellen. Die
-Mitglieder des Z.K. erklären, daß sich sehr
-viele Parteimitglieder an sie wandten, mit
-dem Vorschlag, terroristische Aktionen zu
-organisieren.
-</p>
-
-<p>
-Und wenn das Z.K. von einer solchen
-Stimmung nichts wußte, hätte es sich nach
-der Ermordung Wolodarskis und nach dem
-Attentat auf Lenin von ihrem Vorhandensein
-überzeugen können. Man schoß. Es gab
-Opfer. Kann man von Stimmungen sprechen?
-Es handelt sich um Tatsachen. Den
-Terror offen zu erklären, war nicht erwünscht,
-aber wenn jemand einen terroristischen Akt
-durchführte, mit dem das Z.K. sich nicht
-solidarisch zu erklären brauchte, so war das
-dem Z.K. sehr angenehm.
-</p>
-
-<p>
-Aus dem Vergleich der Aussage Rabinowitschs
-mit den Aussagen Gotz und Semjonows
-<a id="page-106" class="pagenum" title="106"></a>
-geht klar hervor, daß die Ermordung
-Wolodarskis mit Kenntnis des Z.K. durchgeführt
-wurde, obwohl zu einer äußerst ungelegenen
-Zeit, da sie die Wahlkampagne der
-S.R. sehr ungünstig beeinträchtigte.
-</p>
-
-<p>
-Auch das zweite Attentat auf Lenin wurde
-mit Kenntnis und Einverständnis des Z.K.
-unternommen. Usow, Fedorow, Kozlow, Subkow
-und anderen waren die Sanktionen
-des Z.K. bekannt. Und zwar nicht nur durch
-Semjonow, sondern auch durch E. Iwanowa.
-Besonders Iwanowa überredete Usow, daß
-er auf Lenin schießen solle. Dem Z.K. schien
-es besonders notwendig, das Attentat später
-als Symptom des Volkszornes hinstellen zu
-können. Die Angeklagten Gotz, Hendelmann
-und andere wundern sich, weshalb Semjonow
-die terroristischen Akte mit Donskoj und Gotz
-und nicht auch mit Timofejew besprochen
-habe. Das ist nicht verwunderlich. Nicht alle
-Mitglieder des Z.K. waren Anhänger des
-Terrors; nur einige. Und die Anhänger des
-Terrors verbargen ihre terroristischen Bestrebungen
-vor den übrigen Mitgliedern und
-handelten hinter ihrem Rücken. Timofejew
-war Gegner des Terrors. Deshalb hat man
-ihm die terroristischen Pläne nicht mitgeteilt.
-Deshalb hat man Semjonow nicht zu
-ihm gelassen. Semjonow war ein Werkzeug
-in den Händen derjenigen Mitglieder des
-<a id="page-107" class="pagenum" title="107"></a>
-Z.K., die für den Terror waren. Diese Mitglieder
-dachten: Gelingt es nicht, kann man
-es ableugnen, und der Partei wird kein Schaden
-erwachsen. Gelingt es aber – die Sieger
-verurteilt man nicht.
-</p>
-
-<p>
-Auf die Uneinigkeit in den Reihen der
-S.R. weist der Verteidiger Semjonows, Schubin,
-hin. Auch er erklärt die Verdunkelungsversuche
-in der Terrorfrage ähnlich wie
-Tschlenow: <em>Das Z.K. war in der Frage
-des Terrors nicht einig. Ein Teil war
-für, der andere gegen den Terror.</em> Die
-Anhänger des Terrors handelten selbständig,
-ohne die Gegner des Terrors in ihre terroristischen
-Pläne einzuweihen.
-</p>
-
-<p>
-Noch ein charakteristischer Umstand. <em>Weshalb
-zog Timofejew Semjonow nicht
-zu den Sprengungsarbeiten heran, sondern
-organisierte die Spezialabteilung
-Davidows? Weil die Kampforganisation
-eigene Aufgaben – die terroristischen
-Aktionen – gehabt hat.</em> Außerdem
-mußte die Sprengungsabteilung mit den
-Verbündeten in Verbindung treten, und
-<em>Semenow war offensichtlich kein Anhänger
-der Beziehungen zu den Verbündeten,
-besonders war er kein Anhänger des
-Geldempfangens von ihnen</em>.
-Die <em>angeklagten</em> Z.K.-Mitglieder berufen
-sich selbst auf das Buch Semjonows und anerkennen
-<a id="page-108" class="pagenum" title="108"></a>
-alles das, was man nicht mehr ableugnen
-kann. Sie gestehen die <em>Expropriationen
-in Buja</em> und die <em>ganze Kriegstätigkeit</em>.
-Aber das, was <em>ihnen</em> unangenehm
-ist, und was <em>man</em> ableugnen <em>kann</em>, <em>verwerfen</em>
-sie. Die objektive Logik der Dinge
-sagt uns aber, daß die angeklagten Z.K.-Mitglieder
-die Lossagung vom zweiten <em>Teil
-der Semjonow-Broschüre</em> nicht <em>begründen</em>
-können.
-</p>
-
-<p>
-Hendelmann erklärte in seiner Verteidigungsrede,
-daß die in der Semjonowschen
-Broschüre angeführten Tatsachen der Sowjetmacht
-schon längst vor der Herausgabe der
-Broschüre bekannt waren, daß sie es aber nicht
-für möglich hielt, die Angaben Semjonows auszunützen,
-und gegen die S.R. Partei eine Gerichtsverhandlung
-zu eröffnen. Diese Erklärung
-Hendelmanns ist Unsinn. Es ist
-doch nicht denkbar, daß die Sowjetmacht,
-die über die Beteiligung bestimmter Personen
-an terroristischen Aktionen gegen Wolodarski,
-Lenin und Trotzki unterrichtet gewesen
-wäre, die Attentäter auf freiem Fuß
-gelassen hätte, ohne gegen sie gerichtlich einzuschreiten.
-</p>
-
-<p>
-Weshalb schrieb Semjonow seine Broschüre?
-Er war im Auslande, er sah, wie das administrative
-Zentrum gegen die Sowjetmacht
-arbeitet, und welchen Schaden es der Revolution
-<a id="page-109" class="pagenum" title="109"></a>
-bereitet. Diese Tätigkeit wollte Semjonow
-durch seine Enthüllungen verhindern.
-</p>
-
-<p>
-Vor dem Obersten Tribunal sitzt derselbe
-Semjonow, der Wolodarski ermordet, der auf
-Lenin geschossen hat. Wenn in ihm der alte
-Semjonow nicht vernichtet ist, dann muß der
-auf der Anklagebank sitzende Semjonow vernichtet
-werden. Wenn aber der alte Semjonow
-sich selbst vernichtet hat, und vor uns hier
-ein neuer Semjonow sitzt, dann muß diesem
-neuen Semjonow das Leben erhalten werden,
-da die Revolution dessen Leben bedarf.
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-<em>Stawskaja</em> war die Tochter eines unteren
-Beamten, ein hübsches, schlankes Mädchen
-mit kleinem lieblichen Gesicht und schwarzen
-Haaren. Die Achtjährige muß schon ihr
-Brot selbst verdienen. Die Fünfzehnjährige
-ist Mitglied der S.R. Partei. Und mit
-18 Jahren versucht sie den zaristischen
-Gouverneur von Jekaterinoslaw zu erschießen,
-man macht ihr den Prozeß, sperrt sie
-drei Jahre lang in den Kerker, „begnadigt“
-sie zu zwanzigjähriger Zwangsarbeit. Erst
-die Februarrevolution schenkt ihr die Freiheit
-wieder, sie fährt in die Krim, folgt den Parolen
-der S.R., tritt aus Empörung über den
-Brester Vertrag in die Kampforganisation
-<a id="page-110" class="pagenum" title="110"></a>
-Semjonows, vollführt seine Befehle. Aber
-auf die Kunde des Verhaltens der S.R.
-Partei zu den terroristischen Anschlägen bekennt
-sie sich: Dies ist nicht mein Weg. Und
-da ist <em>Usow</em>, dessen Familie seit Jahren eng
-mit den S.R. verwachsen ist. Mit 16 Jahren
-ist er Mitglied der Partei, und außer der Partei
-hat für ihn nichts mehr existiert. Er war
-Arbeiter, von Mißtrauen gegen die Intellektuellen
-erfüllt, ihm wollte man den Revolver
-in die Hand drücken, um auf Lenin zu
-schießen – er konnte es nicht und brach zusammen
-– er, der Arbeiter, konnte nie und
-nimmer auf Lenin schießen, obschon es die
-Intellektuellen verlangten. Er verließ die
-Partei, kehrte unter die Masse zurück, arbeitete
-in der Fabrik und wollte büßen. Hernach
-ist er Rotarmist, Mitglied der R.K.P., aber
-erst nach der Publikation von Semjonows
-Broschüre macht er sein Geständnis. Er
-kann nicht schweigen.
-</p>
-
-<p>
-Der alte polnische Sozialist Felix Kon, ein
-hagerer Hüne mit wallenden weißen Haaren
-und einer gewaltigen Stimme, verteidigt diese
-beiden Menschen, schilderte ihre Herkunft,
-ihre Tragik und forderte Freisprechung, denn
-„Ihr müßt ihnen durch Euer Urteil nicht nur
-das Leben, sondern auch ihre revolutionäre
-Ehre zurückgeben.“ Der Georgier Katanjan
-sprach für den Terroristen Jefimow, der vor
-<a id="page-111" class="pagenum" title="111"></a>
-langen Jahren mit Gotz in Zwangsarbeit gewesen
-war. Gotz kennt Jefimow sehr gut, er
-hält ihn für einen ehrlichen Menschen. Katanjan
-bemüht sich, den Beweis zu führen,
-daß Jefimow die Wahrheit gesagt hat. Er war
-Mitglied einer Terrorgruppe, aber als er die
-Richtung erkannte, in der sich die Politik der
-S.R. bewegte, trat er aus der Partei aus.
-Katanjan plädiert für Freispruch.
-</p>
-
-<p>
-Nun der blonde, bewegliche Bucharin:
-klein von Gestalt, aber immer geladen mit
-Energien, so daß man zu glauben scheint,
-jeden Augenblick wird eine Bombe explodieren;
-immer im Angriff, verschwenderisch
-in seiner Satire, seiner Laune, seinem Hohn
-und seiner Boshaftigkeit. Er war der „Allgemeine
-Verteidiger“ der zweiten Gruppe der
-Angeklagten. In seiner Rede führte er in
-großen Zügen aus, was die S.R. und Bolschewiki
-unterscheidet, es ist ein Sondergericht
-über die ganze Politik der S.R. Partei,
-die nach Bucharin vom Ausbruche des
-Weltkrieges an durch Verrat gekennzeichnet
-ist. Ihm liegt daran, zu beweisen, auf welchen
-Stühlen vor Gericht die wahren Verräter
-sitzen.
-</p>
-
-<p>
-„Es kam mir gelegen, daß Eugenia Ratner
-hier die Zimmerwalder und Kientaler Konferenzen
-erwähnt hat, denen auch Victor
-Tschernow beiwohnte. Auf der Zimmerwalder
-<a id="page-112" class="pagenum" title="112"></a>
-und Kientaler Konferenz wurden zwei
-Grundsätze angenommen: erstens keine Abstimmung
-für Kriegskredite und zweitens
-keine Teilnahme an einer bürgerlichen Regierung.
-</p>
-
-<p>
-Die anwesenden Vertreter der S.R. Partei
-schlossen sich diesen Resolutionen an. Folglich:
-wenn eine Parteiorganisation sich sozialistisch
-nennt, und auf der Zimmerwalder
-Konferenz erklärt, daß sie an keiner bürgerlichen
-Regierung teilnehmen und in der
-Periode des imperialistischen Krieges für
-keine Kriegskredite stimmen wird – wenn
-eine solche Parteiorganisation dies später
-dennoch tut, so ist sie ein Verräter am
-Sozialismus.
-</p>
-
-<p>
-Bürgerin Ratner! Sie müssen zugeben, daß
-Ihre Partei, kaum einige Monate nach der
-Zimmerwalder Konferenz, beide Punkte auf
-die beschämendste Weise verraten hat. Ihre
-Partei nahm bei der erstbesten Gelegenheit
-an einer Koalitionsregierung teil. Ihre Partei
-nahm an einer imperialistischen Regierung
-teil, deren imperialistischer Charakter von
-niemandem bestritten werden kann. Dadurch
-habt Ihr den einen Punkt der Resolution
-verraten.
-</p>
-
-<p>
-Und wenn Ihr jetzt sagen wollt, daß Ihr
-keine formelle Erklärung, keine formelle Abstimmung
-bezüglich der Kriegskredite abgegeben
-<a id="page-113" class="pagenum" title="113"></a>
-habt, so wird dieser Umstand durch
-die Junioffensive aufgehoben, zu der Euch
-Mister Buchanan gezwungen hat. Wenn Ihr
-dabei nicht vom bösen Willen geleitet, sondern
-einfach gefoppt wurdet, so habt auch
-den Mut, das hier offen zu gestehen.“
-</p>
-
-<p>
-Weshalb fühlen die S.R. sich der II.
-Internationale so sehr verbunden? Hat
-Tschernow nicht erklärt, die II. Internationale
-sei tot und werde nie wieder auferstehen?
-weshalb erklärt hier Timofejew, sie
-ist wieder auferstanden? Die II. Internationale
-hat Berge von Verbrechen an der Arbeiterklasse
-aufeinander getürmt. Vielleicht
-besteht Eurer Meinung nach die Korrektur
-der Stellungnahme der II. Internationale darin,
-daß ihr Vertreter, Bürger Vandervelde,
-den niederträchtigsten Friedensvertrag der
-Geschichte, den Versailler Vertrag unterzeichnet
-hat, bei dessen Anblick man vor
-Scham vergehen muß. Oder erblickt Ihr
-vielleicht den Glorienschein über dem Haupte
-der II. Internationale darin, daß die Regierung
-der deutschen Sozialdemokratie, eine
-der wichtigsten Organisationen der II. Internationale,
-Rosa Luxemburg ermordet hat?
-</p>
-
-<p>
-Nein, es wird Euch nicht gelingen zu beweisen,
-daß die II. Internationale ihre Stellung
-auch nur um ein Haar geändert hat. Im
-Gegenteil, ihre Handlungen seit Kriegsende
-<a id="page-114" class="pagenum" title="114"></a>
-sind noch viel niederträchtiger, noch viel
-schmutziger, tausendmal verbrecherischer als
-ihr Verrat bei Kriegsausbruch.
-</p>
-
-<p>
-Werfen wir jetzt einen Blick auf die inneren
-Verhältnisse der Partei. Eugenia Ratner hat
-uns den General Krasnow, diese schöne Figur
-der russischen Gegenrevolution geschildert:
-Ich kann sagen, daß die Welt einen solchen
-Terror gegen das Proletariat und hauptsächlich
-gegen das Bauerntum, wie es der
-Terror Krasnows in Rostow und Umgebung
-war, noch nie gesehen hat. Und jetzt bitte
-ich Euch, Genossen Richter, Euch dessen zu
-erinnern, daß es derselbe Krasnow war, mit
-dem Gotz seinen Feldzug zur Erwürgung der
-revolutionären Arbeiter Petrograds führen
-ließ. Bürger Gotz hat mit dem Krasnowschen
-Heer die größten und fortgeschrittensten revolutionären
-Kräfte angegriffen, die sich auf
-dem Gebiete des frühern russischen Imperiums
-befanden. Diese Aktion ist die beste
-Charakteristik der S.R. Partei.
-</p>
-
-<p>
-Was die „äußere Politik“ – wir nennen sie
-einfach Spionage – der S.R. Partei betrifft,
-so sehen wir hier die S.R. Partei an einem
-Tische mit Dumas, mit Ehrlich und anderen
-Vertretern des französischen Imperialismus,
-die die S.R. Organisationen mit Geld
-und Sprengmaterial versorgt haben.
-</p>
-
-<p>
-Als den S.R. hier vorgeschlagen wurde, die
-<a id="page-115" class="pagenum" title="115"></a>
-Tätigkeit des Administrativen Zentrums entweder
-anzuerkennen oder aber zu verurteilen,
-erklärte Gotz, daß sie sich unter Drohungen
-nicht lossagen können. Und der Angeklagte
-Hendelmann gab seinem Zweifel an
-der Echtheit der Dokumente Ausdruck und
-berief sich auf den Kölner Kommunistenprozeß.
-Dort erklärten aber die Kommunisten
-kategorisch, daß die Londoner Dokumente
-Fälschungen seien. Sie gaben nicht
-ablehnende und zweideutige Erklärungen ab.
-Dasselbe sollten auch die Angeklagten des
-Prozesses tun.
-</p>
-
-<p>
-Es gibt hier nur drei Möglichkeiten: Entweder
-sind die Dokumente falsch, dann
-müssen es die Angeklagten gerade heraus,
-kategorisch erklären, um die Falschheit derselben
-zu beweisen. Wenn aber die Dokumente
-echt sind, dann müssen sie entweder
-ihre Solidarität mit diesen Dokumenten ehrlich
-erklären oder aber sich offen auf den
-Standpunkt stellen, daß sie mit den in diesen
-Dokumenten figurierenden Personen nichts
-gemein haben, daß daher also diese Personen
-als einfache Provokateure zu betrachten sind.
-Und wenn ein Teil der Dokumente echt, ein
-anderer Teil falsch ist, dann müssen die Angeklagten
-erklären, daß sie den echten Teil
-der Dokumente entweder anerkennen oder
-sich von ihm lossagen und beweisen, daß der
-<a id="page-116" class="pagenum" title="116"></a>
-andere Teil der Dokumente tatsächlich falsch
-sei.
-</p>
-
-<p>
-Die Angeklagten aber haben weder das eine,
-noch das andere getan. Weder anerkannten
-sie die Dokumente, noch sagten sie sich von
-ihnen los. Anzuerkennen wagten sie diese
-Dokumente nicht, sich von ihnen lossagen
-konnten sie nicht, da sie noch bis heute mit
-dem Administrativen Zentrum in Verbindung
-stehen.
-</p>
-
-<p>
-Es ist festgestellt worden, daß das Moskauer
-Zentralbüro der S.R. Partei mit dem
-Administrativen Zentrum in Verbindung
-steht und von ihm Geld erhält. Wenn sie sich
-also lossagen wollten, so hätten sie sich vom
-<em>ganzen übrigen Teil der eigenen Partei
-lossagen müssen</em>.
-</p>
-
-<p>
-Von dem Standpunkte jenes Kriteriums,
-das der Zimmerwalder und Kientaler Konferenz
-zum Ausgangspunkt diente, hat sich die
-S.R. Partei sowohl in ihrer inneren, wie auch
-in ihrer äußeren Politik als systematische
-Verräterin der Interessen der Arbeiterklasse
-und des Sozialismus erwiesen. Und wenn sich
-in dieser Partei einige Leute befinden, die auf
-Grund ihrer sozialen Abstammung mit diesem
-systematischen Verrat eine Zeitlang
-sympathisierten, im Laufe ihrer weiteren
-Entwicklung aber die Verräter preisgaben,
-so haben sie ein nützliches Werk geleistet.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-117" class="pagenum" title="117"></a>
-Wenn eine bestimmte Gruppe, nachdem sie
-aus der S.R. Partei austrat, den Verrat enthüllte,
-veröffentlichte und ihre Führer an den
-Pranger stellte, so ist das ein historisches
-Verdienst. Vom Standpunkte der moralischen
-Rehabilitation könnt Ihr denken, was
-Ihr wollt. <em>Uns interessiert nur, was vom
-Standpunkte der internationalen Revolution
-und der revolutionären Arbeiterklasse
-nützlich und richtig ist.</em>
-</p>
-
-<p>
-Seit der Oktoberrevolution wart Ihr unter
-dem Pseudonym „Komitee zur Rettung des
-Vaterlandes und der Revolution“, dann als
-„Verband der Wiedergeburt“ und schließlich
-als „Komitee der Konstituante“ tätig. Nach
-der Auflösung der Konstituante kam es so,
-daß jede zwei S.R., die zwei Tage lang Mitglied
-der Konstituante waren, hier und da
-eine Macht gründeten und sich für eine
-Staatsmacht hielten, für die die Partei keine
-Verantwortung trägt. Es ist ganz natürlich,
-daß, sobald in letzter Zeit die Möglichkeit
-unter fremdem Namen in Rußland aufzutreten
-schwand, Ihr Euch im Auslande ein
-Pseudonym schaffen mußtet und Ihr habt es
-Euch geschaffen. Es verblieb Euch die merkwürdige
-„Pariser Konstituante“ und das „Administrative
-Zentrum“.
-</p>
-
-<p>
-Bei einer flüchtigen Analyse der S.R.-Spitzen
-muß eine besondere Tatsache in die
-<a id="page-118" class="pagenum" title="118"></a>
-Augen fallen: In keiner revolutionären oder
-pseudo-revolutionären Gruppierung kann
-man unter den führenden Kreisen soviel
-Millionäre finden wie in der S.R. Partei.
-Vandervelde ist auch ein Millionär und sprach
-hier vor dem Gericht im Namen seiner Millionen
-und nicht im Namen von Millionen Arbeitern.
-Was die S.R. Partei betrifft, so ist
-<em>Gotz Inhaber einer Handels- und Industrie-Firma,
-Gunakow macht in
-Brillanten, Rabinowitsch war Inhaber
-einer Pelzfirma, während Semjonow
-Eigentümer großer Teeplantagen ist</em>
-usw. usw. Der Kernbestand der S.R. Parteiführer
-geht nicht einfach aus den Familien
-der demokratischen Intelligenz, sondern aus
-den Familien des Großkapitals hervor. Der
-Umstand, daß in die S.R. Partei auch Arbeiter
-und Bauern eingetreten sind, bedeutet
-nichts anderes, als daß in einer bestimmten
-geschichtlichen Periode die Handels- und Industriebourgeoisie
-und andere bürgerliche
-Gruppierungen versuchen, mit den Massen
-in Verbindung zu treten. Während des
-Kampfes gegen den Zarismus versuchten
-diese Gruppierungen einerseits die Intelligenz
-auszunützen, andererseits sich auf das Bauerntum
-und teilweise auch auf die Arbeiterklasse
-zu stützen. Als Resultat entstand eine
-ihrem sozialen Bestande nach aus verschiedenen
-<a id="page-119" class="pagenum" title="119"></a>
-Elementen zusammengesetzte Gruppierung,
-die sich S.R. Partei nennt. Es war
-ganz richtig, als sie Bürger Vandervelde hier
-mit den Girondisten verglich, da ja die Girondisten
-eben eine <em>großbürgerliche Gruppierung</em>
-und nicht eine <em>Kleinbürger-
-und Bauerngruppe</em> waren. Unsere <em>russischen
-Girondisten stützen sich</em> auf dieselbe
-soziale Basis, und es war nur natürlich,
-daß sie während der proletarischen Revolution
-ihr eigenes Gesicht gezeigt haben.
-</p>
-
-<p>
-Timofejew legt es den Kommunisten zur
-Last, daß sie als erste den Bürgerkrieg begonnen
-haben. Erinnert Ihr Euch, wie wir
-in die Revolution eingetreten sind? Ihr habt
-über den ganzen Apparat der Staatsmacht
-und über die ganze Armee verfügt, wir aber
-waren nur ein kleines Häuflein – wie Ihr
-Euch ausdrückt – deutscher Spione. Wenn
-man die Lage, von Eurem Gesichtspunkte,
-von dem Gesichtspunkte der freien Konkurrenz,
-der für die Massenorganisation kämpfenden
-Faktoren aus betrachtet, so waren
-alle Vorteile dieses Kampfes auf Eurer Seite.
-Trotzdem wurdet Ihr geschlagen. Und wenn
-wir dann, als wir an der Macht waren, die
-Euch verhaßte Tscheka gegründet haben, so
-geschah das erst später. In dieser ungeheueren
-Gärung hat nur diejenige Kraft das
-Recht zur geschichtlichen Existenz, die in der
-<a id="page-120" class="pagenum" title="120"></a>
-gegeebenen historischen Phase das Land <em>organisieren,
-über das Land regieren kann.
-Weder Nikolaus II. noch Ihr, noch die
-Bourgeoisie konnten regieren.</em>
-</p>
-
-<p>
-Ich erlaube mir, einen Freispruch für die
-ganze zweite Gruppe zu fordern, schon aus
-dem Grunde, weil Ihr, Mitglieder des Revolutionären
-Tribunals, ja selbst erklärt habt,
-daß für Euch der Wille des organisierten
-Proletariats nicht gleichgültig ist. Und das
-zu fordern, beauftragte mich – wenn auch
-nicht formell – die Masse der organisierten
-Arbeiter. Die Demonstration vom 20. Juni
-gab mir dieses Mandat. Ich wandte mich damals
-an die Masse der demonstrierenden
-Arbeiter mit der Frage, ob sie es für richtig
-halte, daß wir diese und diese Leute verteidigen,
-und diese proletarische Riesenmasse
-antwortete: „Ja, Ihr seid verpflichtet, es zu
-tun.“
-</p>
-
-<p>
-Und nun im Namen dieser Arbeitermassen,
-die unsere Stellungnahme billigen, fordere
-ich einen Freispruch für alle meine Klienten
-ohne Ausnahme.“
-</p>
-
-<p>
-Nach einer kurzen Rede von Sadoul, der
-für ein mildes Urteil plädiert, folgt eine
-Replik des Staatsanklägers Lunatscharskis, in
-der er auf verschiedene Einwände der Angeklagten
-eingeht und besonders ausführlich
-auf den Vorwurf Gotz’ zu sprechen kommt,
-<a id="page-121" class="pagenum" title="121"></a>
-die Absicht wäre, durch diesen Prozeß die
-S.R. Partei zu vernichten: „Gotz sagt: Ihr
-wollt unsere Partei ermorden!“ Ja, ja, wir
-wollen es! Dieser Prozeß verfolgt dies Ziel.
-Wir werden die Partei vernichten! Denn sie
-ist schädlich, abscheulich und lächerlich, ihre
-Unreife und Unerfahrenheit, wie jede kleinbürgerliche
-Schichtung, wie jeder Zwerg, der
-gegen elementare Kräfte zu kämpfen gedenkt.
-</p>
-
-<p>
-Krylenko hebt in seiner Replik den Unterschied
-zwischen alter und neuer Rechtsauffassung
-hervor:
-</p>
-
-<p>
-„Hendelmann rollte hier die Frage der
-prinzipiellen, individuellen und kollektiven
-Verantwortlichkeit im strafrechtlichen Sinne
-auf. Hendelmann erwähnte das richtige
-Prinzip, daß in Strafsachen jeder nur für
-sich die Verantwortung tragen kann. Ein solches
-Prinzip war in den alten zaristischen Gesetzen
-tatsächlich durchgeführt worden. In
-unserer Strafgesetzgebung existiert aber dieses
-Prinzip nicht. Im gegenwärtigen Prozeß
-muß die Frage in folgender Weise gestellt
-werden: <em>wenn eine gewisse führende
-Körperschaft, die die Tätigkeit aller
-lokalen Organisationen leitet, erklärt,
-daß sie für die Tätigkeit aller dieser
-Organisationen die Verantwortung
-trägt, so unterliegen ihre Mitglieder
-einer kollektiven Verantwortung</em>.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-122" class="pagenum" title="122"></a>
-Auf alle kategorischen Aussagen der zweiten
-Angeklagtengruppe antworten die Angeklagten
-der ersten Gruppe: „Davon ist nichts
-wahr, das habt Ihr alles nur erfunden.“ Ich
-frage Euch nun, aus welchem moralischen,
-logischen oder politischen Grunde könnt Ihr
-behaupten, daß sie lügen? ... Auf die Fragen,
-die Euch unangenehm sind, antwortet
-Ihr nicht.
-</p>
-
-<p>
-Ich muß noch einmal auf die bereits in
-meiner ersten Rede behandelte Frage des
-Strafausmaßes zurückgreifen. Ich gehe ausschließlich
-vom Standpunkte der Nützlichkeit
-oder Gefährlichkeit der betreffenden
-Bürger aus. Mir scheint, daß diese Frage bereits
-klar vor uns stehen kann. Es liegen uns
-die Erklärungen Gotz, Hendelmanns und
-Timofejews vor. Gotz erklärte: „Wir sterben,
-aber wenn wir sterben, so sterben wir mutig,
-und wenn wir leben werden, so werden wir so
-handeln, wie wir bisher gehandelt haben.“
-Timofejew sagte: „Weder Lossagung noch
-Reue werdet Ihr von diesen Bänken hören.“
-Und Hendelmann schloß seine Rede mit der
-Erklärung, daß sie uns tot und lebendig gefährlich
-sein werden.
-</p>
-
-<p>
-Wie sollen wir uns diesen Erklärungen
-gegenüber verhalten? müssen wir oder müssen
-wir nicht das höchste Strafausmaß anwenden?
-Kann denn diese Frage im Interesse
-<a id="page-123" class="pagenum" title="123"></a>
-der Staatszweckmäßigkeit anders gestellt
-werden? Nein! Wenn wir um uns blicken,
-was in der Vergangenheit geschah, so sehen
-wir: Petrograd – Junkeraufstand – Blut;
-Moskau – Oktoberaufstand – Blut. Bei
-allen Bewegungen in Petrograd wurde Blut
-vergossen. Ferner: die Epoche von Archangelsk,
-wo während eines ganzen Jahres die
-englischen Kapitalisten herrschten. Auch
-dort – Blut und Blut. Samara, Sibirien,
-Südrußland – Blut und Blut. Tambow –
-Blut und Blut. Kronstadt – wiederum nur
-Blut und Blut. Überall, wo die S.R. nur auftraten,
-war nichts anderes als Blut und Blut.
-Deshalb können wir hier mit einer vollständigen
-Seelenruhe sagen: „Damit in der Zukunft
-kein Blut oder weniger Blut fließe, muß
-hier Blut vergossen werden.
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Die Angeklagten ergreifen – jeder Einzelne
-– nochmals das Wort zu längeren Ausführungen,
-die sich einen vollen Tag hinziehen;
-die Angeklagten der ersten Gruppe
-beharren auf ihrer gegnerischen Einstellung,
-bestreiten noch einmal die Sanktionierung
-des Terrors durch das Z.K., verklären die
-demokratische Idee und bekennen, den Kampf
-gegen die Sowjets nicht ruhen zu lassen. Die
-Angeklagten der zweiten Gruppe bekennen
-sich nochmals zu ihren Verbrechen an der
-<a id="page-124" class="pagenum" title="124"></a>
-Revolution und der Arbeiterschaft, gestehen
-ihre Reue und als letzter spricht Semjonow:
-„Meine Verbrechen lassen sich weder rechtfertigen
-noch wieder gutmachen. Mein revolutionäres
-Gewissen hat mich bereits verurteilt.“
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Nach fünftägiger Beratung wird am 8. August
-1922 das Urteil des Obersten Tribunals
-des Allrussischen Zentralexekutivkomitees,
-bestehend aus dem Vorsitzenden, Genossen
-G. L. Pjatakow und den Mitgliedern,
-Genossen O. J. Karklin und A. W. Galkin
-verlesen.
-</p>
-
-<p>
-Man führt die Namen der 34 Angeklagten
-auf, bemerkenswert ist die Angabe
-der Klassenzugehörigkeit eines jeden Angeklagten,
-unter den 34 Angeklagten befinden
-sich 29 Personen, die bürgerlichen Verhältnissen
-entstammen, Hochschulbildung genossen,
-in der Marine oder im Heer des Zaren
-gedient haben; einige Personen sind vom
-Adel, der Angeklagte Utgoff ist der Sohn
-eines Gendarmerieoffiziers, bei Gotz wird ausdrücklich
-vermerkt: Kaufmannssohn, Donskoi,
-Hendelmann sind die Söhne von Ärzten,
-Semjonow ist der Sohn eines Beamten, L.
-Konoplewa stammt aus einer Lehrerfamilie.
-Pelewin ist Bauer, nur Usow, Kozlow und Subkow
-<a id="page-125" class="pagenum" title="125"></a>
-sind Arbeiter. Der bürgerliche Charakter
-der S.R. Partei wird auf diese Weise noch
-einmal besonders grell hervorgehoben. Die
-Arbeiter und Bauern, für die vielleicht die
-S.R. Partei durch ihre Tradition noch immer
-von einem Schimmer heroischer revolutionärer
-Tapferkeit umstrahlt war, sollten wissen,
-aus welchen Kreisen diese Führer stammten;
-das Ziel war Entlarvung der S.R. Partei
-als einer bürgerlichen Partei, die die Arbeiterbewegung
-ins Schlepptau zu nehmen sucht.
-Immer wieder findet man mit allem Nachdruck
-hervorgehoben: die Bewegung richtete
-sich gegen die Arbeiter.
-</p>
-
-<p>
-Das Urteil gibt zunächst eine längere
-marxistische Analyse der revolutionären Bewegung.
-In den Vordergrund wird der
-Kampf um den Staatsapparat gestellt, dessen
-sich das Proletariat im Oktober 1917 bemächtigte.
-Ihre Vollmacht erhielt die proletarische
-Regierung vom 2. Allrussischen
-Rätekongreß der Arbeiter- und Bauerndelegierten,
-er bestätigte am 27. Oktober die
-durch den Aufstand zur Macht gelangte
-Arbeiter- und Bauernregierung. Als ihre
-erste Aufgabe erblickte sie die Vernichtung
-des Widerstandes der Bourgeoisie, das Ziel
-war: die Vernichtung der Klassenunterschiede
-durch Änderung der ökonomischen Verhältnisse.
-Die Entscheidungsfrage lautete: Mit
-<a id="page-126" class="pagenum" title="126"></a>
-der Bourgeoisie oder gegen sie? Kampf für
-oder gegen die Sowjetmacht?
-</p>
-
-<p>
-Die S.R. boten alles auf, um die Sowjetmacht
-zu stürzen. So arbeiteten sie im Interesse
-der Bourgeoisie, und im Bunde mit ihr.
-Das Urteil geht auf die einzelnen Aktionen
-ausführlich ein, die sich gegen den Staat, der
-zugleich den Vertreter der Interesse der Arbeiter
-und Bauern repräsentierte, richteten.
-</p>
-
-<p>
-Schon einen Tag nach der Bestätigung der
-Sowjetregierung durch den Rätekongreß
-marschiert der S.R. Kerenski im Bunde mit
-dem General Krasnow gegen Petrograd. In
-der Stadt selbst erheben sich die Junker
-unter Führung eines Stabes, dem der S.R.
-Gotz angehört, der persönlich wieder mit
-Krasnow in Verbindung steht. Krasnow und
-die Junker werden geschlagen. Nach ihrer
-ersten Niederlage versuchen die S.R. einen
-technischen Apparat zu organisieren. Für
-den Tag der Eröffnung der Konstituante
-wird der Aufstand geplant, der als Farce
-endet. Das Gericht sieht als erwiesen an,
-daß die S.R. in verschiedenen Regimentern
-arbeiteten. Aber die Massen waren nicht zu
-gewinnen. Das Zentralkomitee gab seinen
-Plan auf. Zweiter Mißerfolg. Nach der Auflösung
-der Konstituante beginnt die geheime,
-die konspirative Tätigkeit der S.R. Eine
-militärische Organisation arbeitet unter den
-<a id="page-127" class="pagenum" title="127"></a>
-Soldaten der Roten Armee. Das Z.K. selbst
-nimmt Verbindung mit bürgerlichen Verbänden
-auf und erhält von ihnen Gelder; man
-scheut sich sogar nicht mit einer Organisation
-Fühlung zu nehmen, die Fäden zum
-deutschen Hauptquartier-Ost gesponnen hat.
-Ein Mitglied der S.R., der Oberst Postnikow,
-soll sogar ins deutsche Hauptquartier fahren,
-um mit dem Vertreter Ludendorffs zu verhandeln.
-In Moskau bestehen engste Beziehungen
-zu Bürgerwehren und Verbänden
-der Bischöfe. Die Spionagetätigkeit in der
-Armee wurde fortgesetzt, die betreffenden
-Organisationen ausgebaut; dabei wurde auf
-den Oberst Machin hingewiesen, der als Mitglied
-der S.R. Partei und im Auftrag des
-Z.K. einen hohen Posten in der Roten Armee
-bekleidete und im Kampf mit der Ufaregierung
-zum Feinde überging.
-</p>
-
-<p>
-Der 8. Parteitag im Mai 1918 beschließt
-den Kampf mit der Sowjetregierung auf allen
-Fronten und mit allen Mitteln aufzunehmen.
-Im Wolgagebiet, in Archangelsk und Wologda
-kommt es zu erbitterten Kämpfen. In Verbindung
-mit der französischen Mission gewinnt
-die S.R. die tschechoslowakische
-Legion, die unter Führung französischer
-Offiziere offenen Krieg mit den Sowjets führt.
-Die Tschechoslowaken werden die Elitetruppe
-der Regierung von Samara, die sich unter
-<a id="page-128" class="pagenum" title="128"></a>
-Führung der S.R. bildet. An der Regierung
-beteiligen sich Vertreter des Großgrundbesitzes
-und der Industrie. In Archangelsk
-operieren die S.R. in engster Fühlung mit
-den Ententetruppen und der russischen Bourgeoisie.
-In diesen Kämpfen fiel den S.R. die
-entscheidende politisch organisatorische Rolle
-zu, während die militärische Führung in den
-Händen der Ententegenerale und russischer
-Weißgardisten lag.
-</p>
-
-<p>
-In der Ukraine, in Kuban und am Don bestanden
-Verbindungen zwischen den S.R.
-und den dortigen sowjetfeindlichen Regierungsorganen.
-In der bürgerlichen ukrainischen
-Rada sanktionierte die S.R. Fraktion
-die Okkupation der Ukraine durch den
-deutschen und österreichischen Imperialismus.
-Direkt oder indirekt erhielt die Partei
-finanzielle Unterstützung von den Missionen
-der Verbündeten. Ferner bestand eine direkte
-organisatorisch-persönliche Verbindung des
-Z.K. mit Vertretern der Entente. Außerdem
-bestand eine enge Verbindung mit bürgerlichen
-Organisationen; genannt werden die
-Organisation Filonenko, Iwanow und der
-„Verband der Wiedergeburt“, dem Kadetten
-und weiter rechtsstehende Vertreter angehören.
-Es kam zur Bildung einer zukünftigen
-russischen Regierung, dem „Allrussischen
-Direktorium“, in dem Führer der S.R. saßen.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-129" class="pagenum" title="129"></a>
-Nach dem Siege der Roten Armee 1919
-vollzog sich ein Umschwung. Einige Mitglieder
-der Konstituante von Samara gaben
-eine Erklärung ab, in der sie auf den bewaffneten
-Kampf gegen die Sowjetmacht
-verzichteten. Aber das Plenum des Z.K.
-spricht sich gegen jede Versöhnung mit den
-Sowjets aus und veranlaßt sogar eine Untersuchung
-gegen die versöhnlichen Mitglieder
-des Z.K. Diese Wendung hat den Austritt
-verschiedener Mitglieder zur Folge. Um so
-entschiedener wird die Haltung der Unversöhnlichen.
-Eine Resolution des Z.K., von
-Gotz, Helene Ratner und Timofejew unterzeichnet,
-erklärt:
-</p>
-
-<p>
-„Die S.R. Partei darf ihre alten Positionen
-nicht verlassen und nicht für einen einzigen
-Moment auf den bewaffneten Angriff verzichten.
-Wenn die Bewegung ... gegen die
-Bolschewiki im gegebenen Augenblick nicht
-erneuert werden kann, so wird die Aufgabe
-unserer Partei in der weiteren Vorbereitung
-der Massen und Zusammenfassung der Elemente
-der Demokratie bestehen, dort, wo
-diese Elemente sich noch erhalten haben.“
-</p>
-
-<p>
-Am 13. Mai 1920 erläßt das Z.K. ein
-Rundschreiben, das einen bestimmten Arbeitsplan
-der S.R. auf dem flachen Lande
-enthält: 1. Befestigung der organisatorischen
-Position der S.R. Partei unter den sowjetfeindlichen
-<a id="page-130" class="pagenum" title="130"></a>
-Elementen des Dorfes; 2. Provozierung
-bewaffneter Zusammenstöße der
-Bauern mit der Sowjetmacht.
-</p>
-
-<p>
-Eine Folge dieses Zirkulars sieht das Urteil
-in der Bauernrebellion in Tambow unter
-Führung des Banditen Antonow. 1921 versuchten
-die S.R. eine ähnliche Bewegung in
-Sibirien zu organisieren. Für die Teilnahme
-der S.R. an Unruhen in den Küstengebieten
-des Schwarzen Meeres wird ein Aufsatz des
-Oberst Machin herangezogen; ferner gilt als
-Beweis ein Aufsatz Tschernows, in dem die
-Taktik der S.R. gerühmt wird, endlich
-Akten des „Administrativen Zentrums“. Der
-Oberst Woronowitsch wurde zu den Aufständigen
-entsandt.
-</p>
-
-<p>
-Das „Administrative Zentrum“ beauftragt
-Woronowitsch in einem Briefe vom 19. August
-1921, gezeichnet vom Sekretär der S.R.
-Partei, Fabrikant, „mit der Bauernorganisation
-am Schwarzen Meer, mit dem Obersten
-Stab der Bauernwehr usw. Verbindungen
-herzustellen.“
-</p>
-
-<p>
-Die Septemberkonferenz der S.R. im
-Jahre 1920 beschloß in einer Resolution den
-„bewaffneten Sturz der bolschewistischen Diktatur“.
-Darauf senden die in Haft befindlichen
-Mitglieder der S.R. Partei Gotz, Hendelmann,
-Wedenjapin, Donskoj, Lichatsch,
-Morosow, Rakow, H. Ratner, Timofejew und
-<a id="page-131" class="pagenum" title="131"></a>
-Zeitlin anläßlich jener Resolution einen Brief
-an das neugewählte Z.K., in dem es heißt:
-„Mit Freude erfuhren wir den günstigen Ausgang
-der 10. Konferenz. Die 10. Konferenz
-erkennt vollkommen richtig, daß die Hauptaufgabe
-der Partei in der Liquidierung der
-Diktatur der gegenwärtig herrschenden Regierung
-besteht.“
-</p>
-
-<p>
-Der Kronstadter Aufstand im Jahre 1921
-ist von den S.R. gefördert worden. Hinweise
-auf Telegramme und Artikel Tschernows,
-Akten des „Administrativen Zentrums“.
-</p>
-
-<p>
-Einen breiten Raum nehmen im Urteil die
-Feststellungen des Obersten Tribunals hinsichtlich
-der terroristischen Akte, Expropriationen
-und Sprengungen ein.
-</p>
-
-<p>
-1. Wird auf eine Erklärung der S.R. Gotz,
-Ratner und Tschernow hingewiesen, in der
-terroristische Akte gebilligt wurden. Dieser
-Erklärung wurde nicht widersprochen.
-</p>
-
-<p>
-2. Im Februar 1918 fand eine Aussprache
-über den Terror im Z.K. statt. Das Urteil
-stellt folgendes fest: Bei der Erwägung der
-Frage im Z.K. kamen zwei Ansichten zum
-Ausdruck. Es gelang dem Gerichte nicht,
-den Text des Z.K.-Beschlusses festzustellen.
-Es wurde nur festgestellt, daß in der Motivierung
-die Mitglieder des Z.K. nicht einig
-waren. Eine Motivierung wurde nicht angenommen,
-der Berichtigungsantrag des Z.K.-Mitgliedes
-<a id="page-132" class="pagenum" title="132"></a>
-Zuntin (eines Gegners des Terrors)
-wurde abgelehnt; die Resolution <a id="corr-70"></a>Tschernows
-(Anhänger des Terrors) wurde angenommen.
-Zuntin trat aus dem Z.K. aus. Der Beschluß
-des Z.K. wurde nicht nur nicht in
-weiteren Kreisen veröffentlicht, sondern war
-nicht einmal den verantwortlichen Parteifunktionären
-bekannt, wie z. B. dem Leiter
-der Militärkommission beim Z.K., Daschewski.
-Als Tschernow auf die Enthüllungen
-Semjonows und Konopljewas hin die
-terroristische Tätigkeit der S.R. Partei in
-Abrede stellte, hat er nicht ein einziges Mal
-diesen Beschluß erwähnt.
-</p>
-
-<p>
-3. Hinweis auf die Terrorgruppe Semjonow,
-die von Z.K.-Mitgliedern Aufträge
-erhielt.
-</p>
-
-<p>
-4. Als erwiesen wird angesehen, daß diese
-Gruppe von den Z.K.-Mitgliedern Gotz und
-Donskoi Weisungen erhielt und auf Befehl
-des Z.K. oder einer Gruppe von Z.K.-Mitgliedern
-handelte.
-</p>
-
-<p>
-5. Die Z.K.-Mitglieder Gotz, Donskoj, Gerstejn
-und der Bevollmächtigte des Z.K.
-Rabinowitsch nahmen an der Organisation
-terroristischer Aktionen, Expropriationen und
-Sprengungen teil. Die Z.K.-Mitglieder Timofejew,
-Iwanow, H. Ratner und Wedenjapin
-hatten wenigstens teilweise von dieser
-Tätigkeit Kenntnis.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-133" class="pagenum" title="133"></a>
-6. Die Ermordung des Genossen Wolodarski,
-das Attentat auf den Genossen Lenin,
-das Attentat auf den Eisenbahnzug des Genossen
-Trotzki wurde durch die Kampforganisation
-der Partei organisiert. Der Mörder des
-Genossen Wolodarski, Sergejew und die
-Attentäterin auf den Genossen Lenin, F.
-Kaplan, waren Mitglieder dieser Organisation
-und der S.R. Partei.
-</p>
-
-<p>
-7. Diese Kampforganisation beging eine
-Reihe von Expropriationen, das auf der
-Station Buij von Angestellten des Ernährungskommissariats
-entnommene Geld im
-Betrage von ungefähr einer Million Rubel
-wurde auf Beschluß des Z.K. in seine Kasse
-eingezahlt.
-</p>
-
-<p>
-8. Der Agent der französischen Mission für
-Sprengungen, Henry Virtimon, stand mit
-dem Z.K. und mit Timofejew in enger Verbindung
-und erwies der Sprengungsgruppe
-des Z.K. eine materielle Unterstützung.
-Timofejew hielt die Annahme dieser Unterstützung
-für unbedenklich.
-</p>
-
-<p>
-9. Die Teilnahme aller Mitglieder des Z.K.
-an dieser verbrecherischen Tätigkeit ist bewiesen
-worden. Die Teilnahme der Z.K.-Mitglieder
-und anderer Parteimitglieder an
-den terroristischen Aktionen, Expropriationen
-und an der Sprengungsarbeit wird in bezug
-auf jeden Angeklagten einzeln festgestellt.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-134" class="pagenum" title="134"></a>
-Das Tribunal kam für die einzelnen Angeklagten
-zu folgenden Feststellungen:
-</p>
-
-<p>
-Gotz, Wedenjapin, Hendelmann, Donskoi,
-Gerstein, Lichatsch, Iwanow, Ratner-Elkind,
-Rakow, Federowitsch, Timofejew waren Mitglieder
-des Z.K. der S.R. Partei, deren Ziel
-der Sturz der Arbeiter- und Bauernregierung
-war, die Hochverrat im Bunde mit fremden
-Mächten beging, Verträge verletzte, die die
-Sowjetrepublik abgeschlossen hatte, und Gebiete
-von der Republik abzutrennen suchte.
-Gotz, Donskoi und Gerstein leiteten die
-Tätigkeit terroristischer Terrorgruppen, die
-Attentate auf Lenin und Trotzki planten und
-Wolodarski töteten. Timofjejew, Iwanow,
-H. Ratner, Wedenjapin sind als Mitwisser zu
-verurteilen; ferner empfingen sie Gelder, die
-in einem staatlichen Büro geraubt waren.
-Donskoi war Anstifter dieses Raubes. Endlich
-unterhielten sie Beziehungen zu ausländischen
-Staaten, die sich mit der Sowjetrepublik
-im Kriegszustand befanden! Sie
-leiteten Sprengungsarbeiten.
-</p>
-
-<p>
-Artemjew, Morosow und G. Ratner waren
-Mitglieder des Moskauer Büros der Z.K. und
-führten mit einigen Mitgliedern des Z.K. die
-ganze Tätigkeit der Partei auf dem Gebiete
-der Arbeiter- und Bauernregierung. Sie
-haben von der Existenz der Semjonowschen
-Kampfgruppe Kenntnis gehabt.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-135" class="pagenum" title="135"></a>
-Agapow, Altowski, Liberow, Gorkow,
-Lwow, Berg, Slobin, H. Iwanowa und Utgoff
-waren Mitglieder verschiedener führender
-Organe der S.R. Partei und vollzogen die
-Direktiven ihres Zentralkomitees; außerdem
-leitete Agapow die Sprengungsgruppe des
-Z.K., die für Sprengungen, Brandstiftungen
-und Zerstörung der Verkehrswege zu gegenrevolutionären
-Zwecken organisiert wurde.
-</p>
-
-<p>
-Semjonow, Konopljewa, H. Iwanowa, Ussow,
-Subkow, Fedorow-Koslow, Jefimow, Pelewin
-nahmen an der Tätigkeit der Kampfgruppe
-des Z.K. teil, die terroristische Aktionen
-gegen die Führer der proletarischen Revolution,
-bewaffnete Überfälle und bewaffnete
-Plünderungen zugunsten der S.R. Partei ausführte,
-wobei Semjonow der Führer dieser
-Gruppe war, und Semjonow, Konopljewa und
-Iwanowa für ihre Verbindung mit dem Z.K.
-sorgten. Stawskaja trat später in die erwähnte
-Gruppe ein, nahm aber an ihrer Tätigkeit
-keinen tatsächlichen Anteil.
-</p>
-
-<p>
-Daschewski leitete die militärische Organisation
-der S.R. Partei, wofür er amnestiert
-wurde; außerdem aber half er der Ausführerin
-des Attentates auf Genossen Lenin, dem
-Mitglied der S.R. Partei, Fanny Kaplan, bei
-ihrem Eintritt in die Semjonowsche Kampfgruppe
-und hatte von der Existenz dieser
-Gruppe Kenntnis.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-136" class="pagenum" title="136"></a>
-Ignatjew war Mitglied des Z.K. der Volkssozialistischen
-Partei und handelte in unmittelbarer
-Verbindung mit den Mitgliedern
-des Z.K. der S.R. Partei; nahm bis zu seiner
-Verhaftung an der gegenrevolutionären Tätigkeit
-zum Sturze der Sowjetmacht teil, trat
-dem Komitee zur „Rettung des Vaterlandes
-und der Revolution“ bei, beteiligte sich an
-der Tätigkeit dieser Organisation gegen die
-Sowjetmacht, setzte sich mit den gegenrevolutionären
-Organisationen Filonenkos und
-Iwanows und mit der militärischen Kommission
-der S.R. Partei in Verbindung, trat
-in den Kriegsstab des Verbandes der Wiedergeburt
-ein, wohnte den Sitzungen des politischen
-Zentrums des Verbandes der Wiedergeburt
-bei und leitete die gegenrevolutionären
-Aktionen in Wologda. Er setzte sich außerdem
-mit den Vertretern der verbündeten
-Missionen und weißgardistischen Organisationen
-in Verbindung, um die Sowjetmacht
-zu stürzen.
-</p>
-
-<p>
-Demzufolge verfügt das Tribunal:
-</p>
-
-<p>
-1. G. M. Ratner freizusprechen.
-</p>
-
-<p>
-2. J. W. Moratschewski wegen Mangel an
-Beweisen freizusprechen.
-</p>
-
-<p>
-3. Die Schuld der Angeklagten F. J.
-Stawskaja gemäß Paragraph 213 des Strafgesetzbuches
-(Kriegsspionage) als unbewiesen
-zu betrachten.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-137" class="pagenum" title="137"></a>
-Das Tribunal verurteilt:
-</p>
-
-<p>
-4. P. W. Slobin, in Anbetracht des unbedeutenden
-Umfanges seiner gegenrevolutionären
-Tätigkeit, seiner Nichtteilnahme an
-der illegalen Tätigkeit der S.R. Partei während
-der letzten Zeit, seiner gutgesinnten
-Arbeit in den Sowjetbehörden, auf Grund des
-Paragraphen 60 des Strafgesetzbuches mit
-Anwendung des Paragraphen 28 zu zwei
-Jahren Kerkerstrafe bei strenger Einzelhaft
-und Zwangsarbeit unter Anrechnung der
-Untersuchungshaft.
-</p>
-
-<p>
-5. G. R. Gorkow-Dobrolubow, in Anbetracht
-des unbedeutenden Umfanges seiner
-gegenrevolutionären Tätigkeit und seiner
-prinzipiell ablehnenden Haltung zum bewaffneten
-Kampfe, auf Grund des Paragraphen
-60 mit Anwendung des Paragraphen
-28 zu drei Jahren Kerkerstrafe bei strenger
-Einzelhaft, Zwangsarbeit, unter Anrechnung
-der Untersuchungshaft.
-</p>
-
-<p>
-6. W. R. Utgoff-Deruschinski, J. S. Berg
-und M. L. Lwow auf Grund des Paragraphen
-16, aber in Anbetracht des unbedeutenden
-Umfanges ihrer gegenrevolutionären Handlungen,
-zu fünf Jahren Kerkerstrafe bei
-strenger Einzelhaft und Zwangsarbeit, unter
-Anrechnung der Untersuchungshaft.
-</p>
-
-<p>
-7. P. N. Pelewin auf Grund der Paragraphen
-76 und 68 zu drei Jahren Kerkerstrafe
-<a id="page-138" class="pagenum" title="138"></a>
-bei strenger Einzelhaft und Zwangsarbeit
-unter Anrechnung der Untersuchungshaft.
-</p>
-
-<p>
-8. K. A. Usow, F. W. Subkow und F. F.
-Federow-Koslow auf Grund der Paragraphen
-64, 76 und 68, Subkow außerdem auch auf
-Grund des Paragraphen 65, in Anbetracht
-der Größe ihres Verbrechens, aber mit Rücksicht
-darauf, daß sie keine führende Rolle gespielt
-haben und mit Rücksicht auf ihre proletarische
-Abstammung zu fünf Jahren Kerkerstrafe
-bei strenger Einzelhaft und Zwangsarbeit
-unter Anrechnung der Untersuchungshaft.
-</p>
-
-<p>
-9. P. T. Jefimow auf Grund der Paragraphen
-64, 76 und 68 zu zehn Jahren Kerkerstrafe
-bei strenger Einzelhaft und Zwangsarbeit,
-unter Anrechnung der Untersuchungshaft.
-</p>
-
-<p>
-10. A. W. Liberow und N. I. Artemjew auf
-Grund des Paragraphen 60 zu zehn Jahren
-Kerkerstrafe bei strenger Einzelhaft und
-Zwangsarbeit, unter Anrechnung der Untersuchungshaft.
-</p>
-
-<p>
-11. D. F. Rakow, F. F. Federowitsch und
-M. A. Wedenjapin auf Grund der Paragraphen
-57, 58, 60, 62 und 65, ungeachtet
-dessen, daß sie Mitglieder des Z.K. sind, mit
-Rücksicht auf ihr Schlußwort, zu zehn Jahren
-Kerkerstrafe bei strenger Einzelhaft und
-<a id="page-139" class="pagenum" title="139"></a>
-Zwangsarbeit unter Anrechnung der Untersuchungshaft.
-</p>
-
-<p>
-12. A. R. Gotz, D. D. Donskoj, B. J. Gerstejn,
-M. J. Hendelmann-Grabowski, M. A.
-Lichatsch, N. N. Iwanow, E. M. Ratner-Elkind,
-E. M. Timofejew, S. W. Morosow,
-W. W. Agapow, A. I. Altowski, W. I. Ignatjew,
-G. I. Semenow, L. W. Konopljewa,
-E. A. Iwanowa-Iwanowa – zum Tode durch
-Erschießen.
-</p>
-
-<p>
-In Anbetracht dessen jedoch, daß Ignatjew
-sich von seiner gegenrevolutionären Vergangenheit
-unwiderruflich lossagte, der Sowjetmacht
-dient und als sozial-ungefährliches
-Element zu betrachten ist, wendet sich das
-Tribunal auf Grund des Punktes 3 des Paragraphen
-330 der Strafprozeßordnung an das
-Präsidium des Allrussischen Zentral-Exekutivkomitees
-mit dem Ersuchen, Ignatjew von
-der Strafe zu befreien.
-</p>
-
-<p>
-Bezüglich Semjonow, Konopljewa, Jefimow,
-Usow, Subkow, Federow-Koslow, Pelewin,
-Stawskaja und Daschewski stellt das Tribunal
-fest: diese Angeklagten haben sich beim
-Begehen ihrer schweren Verbrechen wohlmeinend
-irreführen lassen und nahmen an,
-daß sie im Interesse der Revolution kämpften;
-als sie aber die gegenrevolutionäre Rolle
-der S.R. Partei begriffen, traten sie aus der
-Partei und verließen das Lager der Feinde
-<a id="page-140" class="pagenum" title="140"></a>
-der Arbeiterklasse, in das sie durch einen
-tragischen Zufall geraten sind. Die genannten
-Angeklagten haben den ganzen Umfang der
-Ungeheuerlichkeit ihrer Verbrechen erkannt.
-Das Tribunal ist überzeugt, daß sie in den
-Reihen der Arbeiterklasse mannhaft und
-selbstlos für die Sowjetmacht gegen alle ihre
-Feinde kämpfen werden, und ersucht auf
-Grund des Punktes 3 des Paragraphen 330
-der Strafprozeßordnung das Präsidium des
-Zentral-Exekutivkomitees um volles Erlassen
-ihrer Strafe.
-</p>
-
-<p>
-Auf Grund des Paragraphen 42 des Strafgesetzbuches
-verurteilt das Tribunal außerdem
-die Angeklagten Artemjew, Wedenjapin,
-Gorkow, Slobin, Lwow, Rokow, Federowitsch,
-Utgow, Liberow, Berg zum Verlust
-ihrer bürgerlichen Rechte, und zwar auf
-Grund der Punkte a, b und c des Paragraphen
-40 des Strafgesetzbuches, auf die Dauer von
-fünf Jahren.
-</p>
-
-<p>
-Das Tribunal ordnet die Verhaftung der
-Angeklagten Ignatjew, Konopljewa, Stawskaja,
-Semjonow und Usow an.
-</p>
-
-<p>
-Die Beweisgegenstände und Dokumente
-sind dem Archiv der Oktoberrevolution zu
-übergeben. Die Kosten des gerichtlichen
-Verfahrens trägt die Staatskasse.
-</p>
-
-<p class="sign">
-Der Vorsitzende des Tribunals: G. P. Pjatakow.<br />
-Mitglieder: O. Karklin, A. Galkin.
-</p>
-
-<p class="noindent">
-<a id="page-141" class="pagenum" title="141"></a>
-Noch am gleichen Tage erscheint eine Verfügung
-des Allrussischen Zentral-Exekutivkomitees,
-in der es heißt:
-</p>
-
-<p>
-1. Das Urteil des Obersten Tribunals bezüglich
-der Angeklagten Gotz, Donskoj, Gerstein,
-Hendelmann-Grabowski, Lichatsch,
-H. Iwanow, E. Ratner-Elkind, Timofejew,
-Morosow, Agapow, Altowsky und E. Iwanow-Iwanowa
-wird bestätigt, der Vollzug der
-Strafe ist jedoch aufzuschieben.
-</p>
-
-<p>
-Wenn die Partei der Sozialrevolutionäre
-ihre unterirdisch-verschwörerische, terroristische,
-aufständische und Kriegsspionage-Tätigkeit
-gegen die Sowjetmacht auch in der
-Tat einstellt, wird sie dadurch auch jene ihre
-führenden Mitglieder von der Todesstrafe befreien,
-die in der Vergangenheit diese Tätigkeit
-leiteten und selbst am Prozeß die Absicht
-aussprachen, diese Tätigkeit auch in
-der Zukunft fortzusetzen.
-</p>
-
-<p>
-Die Anwendung der Methoden des bewaffneten
-Kampfes gegen die Arbeiter und
-Bauernmacht durch die Partei der Sozialrevolutionäre
-hingegen wird das unvermeidliche
-Erschießen der verurteilten Aufwiegler
-und Organisatoren gegenrevolutionärer Terroraktionen
-und Aufstände nach sich ziehen.
-</p>
-
-<p>
-Sowohl die zum Tode Verurteilten, wie
-auch die zu langfristiger Kerkerstrafe Verurteilten
-verbleiben in strenger Haft.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-142" class="pagenum" title="142"></a>
-2. Bezüglich Semjonow, Konopljewa, Jefimow,
-Usow, Fedorow-Koslow, Pelewin,
-Stawskaja, Daschewski und Ignatjew beschloß
-das Präsidium des Allrussischen Zentral-Exekutiv-Komitees,
-dem Ersuchen des
-Obersten Tribunals über das völlige Erlassen
-ihrer Strafe stattzugeben.
-</p>
-
-<p>
-Moskau, den 8. August 1922.
-</p>
-
-<p class="sign">
-Vorsitzender des Allrussischen Zentral-Exekutiv-Komitees:<br />
-Gez. M. Kalinin.
-</p>
-
-<p class="sign">
-Sekretär des Allrussischen Zentral-Exekutiv-Komitees:<br />
-Gez. A. Enukidze.
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Wenige Monate später wird das Todesurteil
-überhaupt zurückgezogen, als Strafe
-fünfzehnjährige Haft festgesetzt. 1924 wurde
-das Urteil endgültig auf 5 Jahre Haft beschränkt.
-Im Jahre 1927 sind sämtliche Angeklagten
-in Freiheit, wenn nicht zuvor ein
-internationaler Austausch der politischen Gefangenen
-erfolgt ist. Es hängt von den westeuropäischen
-Regierungen ab, ob diese Aktion
-durchgeführt wird!
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Dies Urteil ist ein Friedensvertrag heutiger
-Zeit. Mit seiner Ratifikation schließt eine
-große Periode russischer Geschichte ab, die
-<a id="page-143" class="pagenum" title="143"></a>
-jedoch nicht nur die Geschichte der revolutionären
-Bewegung des Proletariats geworden
-ist, sondern zugleich auch die Geschichte der
-Eroberung des Staatsapparates durch das
-Proletariat. Erst seit diesem Prozeß ist ein
-einheitliches proletarisches Rußland geschaffen;
-die S.R. Partei hat nach diesem
-Prozeß in Rußland jeden Boden verloren und
-ihre illegale konspirative Tätigkeit eingestellt.
-Außenpolitisch haben die Interventionsversuche
-vorläufig einen Abschluß gefunden.
-Soweit bekannt geworden ist, beschränkt
-sich die S.R.-Presse der Emigranten
-auf den Papierkrieg gegen Sowjetrußland.
-Der russischen Arbeiterregierung blieb
-eine Atempause, in der sie ihren Staat ausbauen
-konnte.
-</p>
-
-<p>
-So war dieser Prozeß mehr als ein politischer
-Prozeß kriminellen Charakters. Nur so
-läßt sich auch die tiefe Erregung erklären,
-die seine Verhandlungen in Europa auslösten.
-Noch einmal standen sich die Mächte
-der Vergangenheit und Gegenwart gegenüber,
-allerdings mit ungleichen Waffen. Nie ist so
-klar geschieden worden: Vertreter des Proletariats
-– Verführer des Proletariats. Der S.R.-Prozeß
-war der Abschluß einer großen historischen
-Epoche, aber er war zugleich eine
-erste große öffentliche gerichtliche Abrechnung
-jener Vertreter des Proletariats, die die
-<a id="page-144" class="pagenum" title="144"></a>
-Souveränität des Proletariats forderten, die
-Klassenkampfauffassung bis in ihre letzten
-Konsequenzen verfochten, während die S.R.
-eine Volksgemeinschaft nach westeuropäischen
-Prinzipien verlangten, in der die
-Klassengegensätze verwischt werden. Der
-neue Staat schloß diese Männer aus seiner
-Gemeinschaft aus, für ihn waren sie Außenseiter,
-für jene aber wie für die bürgerliche
-Welt waren die Vertreter jenes Staatsprinzips
-Außenseiter. So bekämpften sich zwei Welten.
-Die Tragik der S.R. ruht in ihrer
-Halbheit, ihrem Schwanken.
-</p>
-
-<p>
-Wir müssen noch einmal auf den Terror
-zu sprechen kommen. Das Gericht gewann
-die Überzeugung, daß die Partei einen gemeinsamen
-Beschluß nicht gefaßt hat, es gab
-Strömungen für und wider den Terror. Aber
-selbst wenn man annehmen wollte, das Gericht
-hätte sich geirrt und Gotz oder Donskoi
-hätten wirklich nicht ihre Sanktion gegeben,
-oder sie nur als Privatpersonen erteilt,
-bleibt immer wieder die Frage offen:
-aber weshalb rückte das Z.K. nicht von der
-Terrorgruppe ab, weshalb erfolgte keine Mißbilligung
-dieser Taten, weshalb gab man nur
-öffentlich die Erklärung ab, die Partei sei an
-den Taten nicht beteiligt?! Wie anders verhielten
-sich die S.R. in der Zarenzeit! Da
-verteilte man Flugblätter und verkündete das
-<a id="page-145" class="pagenum" title="145"></a>
-Todesurteil öffentlich, da ging man vor Gericht
-und zur Hinrichtung wie ein Märtyrer,
-ein Bote der Freiheit. Weshalb jetzt diese
-Unklarheiten, diese Unaufrichtigkeit, dies
-Leugnen, diese Widersprüche? Weil man mit
-sich selbst im Hader lag und nicht mehr an
-seinen Sieg glaubte. Gotz konnte kein vernichtenderes
-Geständnis machen, als er das
-Resumé der Tätigkeit seiner Partei zog: „Wir
-hatten die Massen nicht hinter uns!“
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Es ist immer gesagt worden, die Sowjetrepublik
-hatte nicht das Recht, über die S.R.
-zu Gericht zu sitzen; sie hatte durch die
-„Neue ökonomische Politik“ das Recht verwirkt,
-über Konterrevolutionäre zu richten.
-Der Prozeß fand in einem Zeitpunkt statt,
-in dem der Kriegskommunismus aufgegeben
-und zu einer Art Staatssozialismus übergegangen
-wurde. Aber gerade in dieser Zeit war
-die Sowjetrepublik verpflichtet, die Grenzen
-zwischen sich selbst und den Vertretern der
-Demokratie scharf zu ziehen. Und bis zum
-heutigen Tage sieht die kapitalistische Welt
-im Außenhandelsmonopol das schwerste Hindernis
-ihrer Expansions- und Kolonisationsbestrebungen
-in Rußland, ein Hindernis, das
-Austen Chamberlain nicht anders als durch
-einen neuen „Heiligen Krieg“ überwinden zu
-können glaubt. Die Republik hatte kein
-<a id="page-146" class="pagenum" title="146"></a>
-Recht, sich gegen eine Partei zu wehren, die
-bis zum Tage der Verhandlungseröffnung alle
-Hebel in Bewegung setzte, um die Republik
-zu stürzen und dem europäischen Proletariat,
-das immer stärker in die Defensive gedrängt
-wurde, den letzten Rückhalt zu rauben?!
-Der Staat sollte sich nicht gegen seine erbittertsten
-Feinde wehren, deren Schlußwort
-noch vor dem Tribunal lautete: „Wir werden
-euch mit allen Mitteln bekämpfen!“?
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Auch die deutsche Republik hat Prozesse
-gegen ihre Feinde führen müssen. Wir brauchen
-hier nicht auseinanderzusetzen, wie der
-Prozeß gegen Hitler, wie er gegen die sogenannte
-Tscheka geführt wurde. Zwischen
-Extremen schwankt die deutsche Justiz, nach
-Willkür, nach Zeit; sie scheint subjektiv. In
-denselben Tagen, in denen Rathenau ermordet
-wurde, verhandelte man in Moskau
-gegen die S.R. Im Rathenau-Prozeß wurde
-an die Drahtzieher nicht gerührt, nie wurde
-versucht, die Geldgeber festzustellen, nie
-wurde das Netz von Verschwörercliquen zerstört,
-nie wagte man sich an die wahren Auftraggeber
-heran. Im S.R.-Prozeß spielten die
-Attentäter die geringere Rolle – man drang
-in die Hinterzimmer vor, man stieg in die Abgründe
-und entdeckte die Auftraggeber in
-<a id="page-147" class="pagenum" title="147"></a>
-den Kabinetten der Ententemissionen, in den
-geheimnisvollen Absteigequartieren der Mitglieder
-des Z.K. der S.R. Im Hitler-Prozeß
-sind nie gewisse Verbindungen zwischen Parteiführern
-und Hitler enthüllt worden, die
-Geldgeber blieben diskret hinter dem Vorhang
-– Geld spielt in der bürgerlichen Welt
-eine diskrete Rolle. Wie anders im S.R.-Prozeß!
-Die ganze Front der Gegenrevolution
-wird entlarvt, geheime Verbindungen werden
-ans Licht gezogen, illegale Organisationen
-festgestellt – es gab kein Geheimnis,
-vor dessen Enträtselung man zurückschreckte,
-nirgends ein Vertuschungsmanöver, nirgends
-ein Versuch zu verschweigen, zu beschönigen.
-Die Republik hatte ihre Feinde erkannt, entlarvt,
-sie wollte sie vernichten.
-</p>
-
-<p>
-Das Oberste Tribunal war ein Klassengericht.
-Daraus wurde kein Hehl gemacht.
-Der Staatsgerichtshof der Deutschen Republik
-tat sich etwas zugute auf seine Objektivität
-und fällte seine Urteile im Interesse der
-mächtigsten Klasse. Das Oberste Tribunal
-hatte die Interessen der Schichten im Auge,
-die der Staat repräsentierte. Der Staatsgerichtshof
-entschied im Interesse der Mächte,
-die den Staatsapparat wieder fest in ihre
-Hand zu gewinnen suchten. Das Oberste
-Tribunal wollte ein Klassengericht sein, der
-Staatsgerichtshof ist es. Man braucht nicht
-<a id="page-148" class="pagenum" title="148"></a>
-immer erst zu bekennen, was man ist. Man
-ist, was man ist. Das Wesen der Staatsform
-deckt sich nicht immer mit den Interessen
-der stärksten Mächte im Staate, in einer
-Demokratie, der biegsamsten Form, nun
-schon gar nicht, ja <em>sie</em> gerade liefert heterogensten
-Machtgruppen je nach den Umständen
-die besten Werkzeuge, so lange man
-nicht wagt an den ökonomischen Grundlagen
-zu rütteln. Die Bolschewiki haben
-diese Grundlagen revolutioniert und eine
-Einheit zwischen Staatsform und Klasseninteresse
-geschaffen, die sich nicht je nach
-den Umständen maskieren läßt.
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-„Anfangs trat Mitjä dicht an Aljoscha
-heran, und plötzlich küßte er ihn. Seine
-Augen brannten.
-</p>
-
-<p>
-..., Aljoscha, ich habe in diesen zwei
-letzten Monaten einen neuen Menschen in
-mir entdeckt ... Dieser Mensch war immer
-in mir verborgen, doch es wäre mir nie zum
-Bewußtsein gekommen, daß ich ihn in mir
-trug, wenn Gott nicht dieses Gewitter geschickt.
-Unheimlich ist das Leben! ... Man
-kann auch dort in den Erzgruben Sibiriens
-neben sich in genau solch einem Zwangsarbeiter
-und Mörder ein menschliches Herz
-finden ... Und ihrer gibt es so viele dort unter
-<a id="page-149" class="pagenum" title="149"></a>
-der Erde, Hunderte, und wir alle haben
-schuld an ihnen! ... Denn alle sind für alle
-schuldig ... Und so gehe ich denn für alle,
-denn irgend jemand muß doch für alle gehen!
-Ich habe meinen Vater nicht erschlagen,
-aber ich muß hingehen. Ich nehme es auf
-mich!“
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Gotz und Donskoi und Timofejew und die
-anderen haben Wolodarski erschlagen lassen,
-sie wollten die Revolution töten, aber sie
-nahmen es nicht auf sich. Ihre Freunde im
-Ausland schlossen sich zu konspirativen Umtrieben
-zusammen, und als vor Gericht den
-Angeklagten die Dokumente unterbreitet
-wurden, nahmen sie es wieder nicht auf sich.
-Aus falscher Solidarität, mehr noch vielleicht
-aus Unvermögen, einen furchtbaren Konflikt
-lösen zu können. „Sind die Dokumente
-echt?“ fragten zweifelnd, zögernd die Gotz
-und Timofejew. Lag nicht in dieser Frage
-schon ein Geständnis? rückten sie nicht mit
-ihr schon von den Auslandsdelegierten ihrer
-Partei ab? Und dennoch zögerten sie, ein
-entscheidendes Wort zu sagen. Die bürgerliche
-Meinung hätte ihnen zugeschrien: Feiglinge,
-Verräter. Vielleicht war diese Zwangslage
-für die Angeklagten der ersten Gruppe
-der furchtbarste seelische Konflikt. Das
-<a id="page-150" class="pagenum" title="150"></a>
-Material belastete die Partei vor den russischen
-Arbeitern und Bauern am stärksten.
-Nun stand ihre Partei so offensichtlich als die
-Partei der Interventionsmethoden da – im
-Bunde mit dem Ausland, den Mächten des
-Versailler Vertrags, den erbittertsten Feinden
-der Sowjetrepublik. Wer dachte nicht noch
-schaudernd der Bürgerkriege, der gräßlichen
-Kämpfe mit den Weißen auf allen Fronten;
-und hatte nicht gerade dieser siegreiche
-Kampf gegen Entente und Weiße die Masse
-des Volkes geeint? Und nun war diese S.R.
-Partei im Begriff, das Verbrechen wider die
-Nation zu erneuern? und diese Angeklagten
-rückten nicht von solchen Methoden ab?!
-„Wir sind nicht für diese Umtriebe verantwortlich,
-wir sitzen seit Jahr und Tag in
-Haft.“ „Doch, ihr seid verantwortlich nach
-den Grundsätzen der Kollektivität, nach der
-Auffassung, daß die Geschichte der Menschheit
-eine Geschichte der Klassenkämpfe ist.
-Steht ihr diesseits oder jenseits der Barrikade?“
-</p>
-
-<p>
-Und im bitteren Konflikt entschieden sich
-die Angeklagten für ihren Untergang – vielleicht
-waren sie dann „moralisch“ gerettet,
-hatten sie moralisch gesiegt. So nahmen sie
-es nicht auf sich.
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-<a id="page-151" class="pagenum" title="151"></a>
-Es gibt noch eine Stelle in den „Brüdern
-Karamasoff“. Aljoscha verläßt Mitjä und
-sucht Iwan auf, der es auf sich nahm und sich
-als Mörder fühlte.
-</p>
-
-<p>
-„Iwan Fedorowitsch blieb plötzlich stehen.
-</p>
-
-<p>
-‚Wer ist denn deiner Meinung nach der
-Mörder?‘ fragte er kalt, und es klang ein hochmütiger
-Ton in seiner Frage.
-</p>
-
-<p>
-‚Du weißt es selbst, wer,‘ entgegnete Aljoscha
-leise und ruhig ...
-</p>
-
-<p>
-Aljoscha fühlte, wie er plötzlich am ganzen
-Körper zitterte.
-</p>
-
-<p>
-‚Du weißt es selbst, wer,‘ kam es kraftlos
-aus ihm heraus. Er konnte kaum atmen.
-</p>
-
-<p>
-‚Aber wer denn, wer?‘ schrie ihn Iwan wild
-auffahrend an. Seine ganze Zurückhaltung
-war plötzlich verschwunden.
-</p>
-
-<p>
-‚Ich weiß nur das eine,‘ sagte Aljoscha
-immer noch im selben kraftlosen betäubten
-Flüsterton: ‚– <em>nicht du</em> hast den Vater erschlagen.‘
-</p>
-
-<p>
-‚Nicht du!‘ Was heißt das, ‚nicht du?‘
-Iwan stand wie erstarrt vor seinem Bruder.
-</p>
-
-<p>
-‚Nicht du hast den Vater erschlagen, nicht
-<em>du</em>, <em>nicht du</em>!‘ wiederholte Aljoscha fest.
-</p>
-
-<p>
-Sie schwiegen. Lange dauerte das Schweigen.
-</p>
-
-<p>
-‚Ich weiß es doch selbst, daß nicht ich es
-getan habe, redest du im Fieber?‘ sprach
-schließlich Iwan, und er lächelte ein bleiches,
-verzerrtes Lächeln.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-152" class="pagenum" title="152"></a>
-Er hatte sich mit den Blicken gleichsam
-festgesogen an den Bruder. Sie standen
-sich beide wieder bei einer Straßenlaterne
-gegenüber.
-</p>
-
-<p>
-‚Nein, Iwan, du hast dir selbst wiederholt
-gesagt, daß du der Mörder seiest!‘
-</p>
-
-<p>
-‚Wann habe ich es gesagt? ... Ich war in
-Moskau ... Wann habe ich es gesagt?!‘
-stotterte Iwan mit abirrendem Blick ...
-</p>
-
-<p>
-... ‚Du hast dich beschuldigt und hast dir
-gesagt, daß der Mörder kein anderer sein
-könne als du. Aber nicht du hast ihn erschlagen ...‘“
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Der andere tragische Konflikt entspann
-sich im Kampf zwischen den Angeklagten der
-ersten und zweiten Gruppe. Die erste Gruppe
-repräsentierte die Partei, wollte sie retten,
-mußte sie retten, stand für sie. Um die Partei
-ging der Kampf, um diese geschlagene, sterbende,
-ja schon verwesende Partei. Deshalb
-scheues Zurückziehen ins Zwielicht von
-Höhlen, deshalb Zagen, Schwanken, Widersprüche.
-Es ging im Grunde nie um Personen,
-immer um Parteien. Die anderen
-fühlten sich verraten, geopfert, mißbraucht,
-irregeleitet. Sie waren überfahren worden
-und wollten wieder aufstehen. Sie waren
-immer die Aktiveren, Entschlosseneren gewesen,
-<a id="page-153" class="pagenum" title="153"></a>
-ja sie hatten die Partei vorwärts gedrängt,
-ihr Impulse ins Blut gejagt, sie waren
-der eigentliche handelnde Körper, dessen
-Seele zermürbt und hoffnungslos war. Ihre
-Einstellung gegen die Sowjets war vor allem
-durch den Abschluß des Brester Friedens
-bestimmt, der ja selbst in den Reihen der
-Bolschewiki eine tiefgehende Krisis gezeitigt
-hatte, die nur die Parteidisziplin wieder überwand.
-Wir wissen, wie die Demütigung der
-Nation die Gemüter bedrückt und verwirrt.
-Der Brester Vertrag mußte doppelt schwer
-empfunden werden: denn er war nicht nur die
-Demütigung einer Nation durch die andere;
-er war die Demütigung einer Klasse durch
-die Klasse, die man eben im eigenen Lande
-erst besiegt hatte – zum ersten Male in der
-ganzen Geschichte der Menschheit – so entscheidend,
-so wuchtig. Und nun stürzte man
-wieder in den Abgrund.
-</p>
-
-<p>
-So läßt sich begreifen, weshalb alte Parteigenossen
-sich von der Parole des Z.K. locken
-ließen. Aber als immer deutlicher wurde, in
-welche Abhängigkeit das Z.K. von der
-Entente geriet, welche Ziele die Entente vor
-allem in Rußland selbst verfolgte, gingen
-jene „Einfachen“ mit sich zu Rate und verließen
-ihre Partei: Diese Krisen und Wandlungen
-lassen sich nicht mit „Gesinnungswechsel“
-bezeichnen. Die Russen stehen
-<a id="page-154" class="pagenum" title="154"></a>
-nicht so rasch auf dem Boden der Tatsachen.
-Die europäische Flinkheit und demokratische
-Geschäftigkeit ist für den Russen unbegreiflich.
-Wer mit der Macht der Finsternis ringt,
-kämpft lange mit sich selbst, bevor der neue
-Mensch aus dem Chaos heraustritt. Im
-Grunde tauchen alle Probleme der russischen
-Literatur auf, wenn wir an diesen Wandlungsprozeß
-der Angeklagten der zweiten Gruppe
-denken. Sie fallen in Zweifel, sie hadern mit
-sich selbst, sie beichten und werden „neue
-Menschen“. Der Kampf zwischen den Angeklagtengruppen
-nahm oft erbitterte Formen
-an, aber nicht ein Mal ist dieser Kampf
-zur Gemeinheit entartet; man würde im
-Westen sofort bei ähnlichen Fällen beobachten,
-wie man versuchen würde, die Schuld
-abzuwälzen, sich nur als den Verführten
-hinzustellen und im Gassenjungentone zu
-schreien: „Ich bin es nicht gewesen“ – vielleicht
-würde man sofort eine Dolchstoßlegende
-erfinden.
-</p>
-
-<p>
-Die Angeklagten der zweiten Gruppe haben
-nie ihre eigene Schuld in Abrede gestellt: Wir
-haben gefehlt, wir haben getötet, wir haben
-uns an der Revolution versündigt, straft uns.
-</p>
-
-<p>
-Die neue Gemeinschaft nahm sie auf. Es
-ist eines ihrer schönsten und erhabensten
-Prinzipien, den ehrlich Reuigen aufzunehmen.
-Sie übte diesen Grundsatz vom ersten
-<a id="page-155" class="pagenum" title="155"></a>
-Tage ihrer Herrschaft. Der General Krasnow
-hat solches Vertrauen bitter enttäuscht.
-Semjonow, Ratner, Ignatiew, die Männer aus
-dem Volke nicht.
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Dieser Prozeß war die große Abrechnung
-mit der Konterrevolution; er schied scharf
-zwischen den Strömen, die noch die heutige
-Menschheit durchfließen. Das Tribunal war
-ganz bewußt das Organ einer siegreichen
-Klasse. Der Prozeß erscheint deshalb so
-kompliziert, weil es sich um eine Partei handelte,
-die zwischen den Linien stand, und
-deren tragischer Auflösungsprozeß in Europa
-die Teilnahme aller Kreise und Parteien erregte,
-die mißtrauisch, furchtsam, unsicher
-und zermürbt nicht die Spannkraft besaßen,
-mit tausendjährigen Traditionen zu brechen,
-die sogar schon den Instinkt überwuchert und
-infiziert haben. Auch der Besitzlose unterliegt
-derselben Stimme der Verführung, die
-den Besitzenden immer aufs Neue lockt, zur
-Macht herausfordert und die wahre Gemeinschaft
-unmöglich macht. Wie einst die
-Jakobiner den Girondisten den Prozeß machten,
-weil sie Feudalismus und Bourgeoisie zu
-versöhnen suchten, standen sich jetzt Bolschewiki
-und Sozialrevolutionäre gegenüber. Parteien
-und Menschen, die sich um Ausgleiche
-<a id="page-156" class="pagenum" title="156"></a>
-bemühen, um den Weg nicht zu Ende gehen
-zu müssen, verstricken sich in alle Wirrnisse,
-die Verhältnisse dem Menschen bereiten
-können. So erzeugt das Bündnis von Neigung
-und Idee endlich sogar das kriminelle Verbrechen,
-weil Tradition, Fehlschläge und
-Minderwertigkeitsgefühle der Tat nicht mehr
-das reine Antlitz zu verleihen mögen. Die
-Bombe, die Alexander II. zerriß, wurde nicht
-vom Mann mit gleichem Bewußtsein geworfen,
-wie es jener besaß, der auf Wolodarski
-schoß. Der Held wird zum Verbrecher, die
-Partei ist gerichtet, und die Einheit der werktätigen
-Masse unter zielbewußter Führung
-ist geschaffen.
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Alle Konflikte und Fragen, die seit 1914 die
-Welt bewegten und aus den Fugen brachten,
-wirbelte der Prozeß auf: die Tendenzen der
-imperialistischen Mächte, ihre Absichten, Rußland
-zur Kolonie zu machen – also das ganze
-Problem der Akkumulation des Kapitals.
-Lenins These, der Weltkrieg müsse unbedingt in
-die soziale Revolution umschlagen und mit der
-Eroberung des Staatsapparates durch das
-Proletariat enden. Die Frage: Demokratie
-oder Diktatur, Parlament oder Räte. Die
-Frage: Masse und Partei, Masse und Revolution.
-Die Haltung des Kleinbürgertums. Die
-<a id="page-157" class="pagenum" title="157"></a>
-lavierenden arbeiterfreundlichen Parteien.
-Die Legitimität einer revolutionären Regierung.
-Die Mittel und Methoden des revolutionären
-Kampfes: individueller oder Massenterror.
-</p>
-
-<p>
-Es war bezeichnend: Die bürgerliche Gesellschaft
-empfand diesen Prozeß als eine
-Provokation und einen Schlag ins Gesicht.
-Sie sprach schon dem Staate des Proletariats
-jede Existenzberechtigung ab; da er
-nun existierte, nach fünf Jahren, trotz aller
-Interventionen und Verleumdungskampagnen
-immer noch existierte, während die revolutionäre
-Bewegung in den bürgerlichen
-Ländern vom Wellenkamm immer tiefer
-hinab fiel, versuchte man zähneknirschend
-die Rechtsformalitäten zu kritisieren und
-sprach dem Staate des Proletariats jede
-Berechtigung ab, sich nicht nur überhaupt
-zu verteidigen, sondern auch zu
-richten. Der alte warnende Satz, „Richtet
-nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet!“
-wurde wutschnaubend von der ohnmächtigen
-bürgerlichen Presse hervorgestoßen. So kam
-es, daß sachliche Meldungen über den Verhandlungsstoff
-als solchen überhaupt nicht in
-die bürgerliche Öffentlichkeit drangen. Man
-lehnte das Gericht ab, man fühlte sich mit
-den S.R. verbunden, sah in ihnen Bundesgenossen,
-Sachwalter, Märtyrer. Wie hätte
-<a id="page-158" class="pagenum" title="158"></a>
-man über ihre „Verbrechen“ sprechen können,
-die in den Augen der bürgerlichen Gesellschaft
-Heldentaten gewesen waren. Die
-bürgerliche Gesellschaft aber rechtfertigte
-durch ihre Sympathiebeweise nun erst recht
-die Strenge des Gerichts. Das Oberste
-Tribunal hat zuletzt nicht einmal so sehr die
-Mittel verurteilt, deren sich die S.R. in
-ihrem Kampf gegen die Sowjets bedient
-hatten. Es kam vielmehr auf das Ziel an.
-Und das Ziel der S.R. war die Erhaltung der
-bürgerlichen Gesellschaft, der elastischen
-demokratischen Staatsform, der kapitalistischen
-ökonomischen Verhältnisse; für die
-Bolschewiki aber galten noch jene Worte, die
-Wilhelm Liebknecht ein Jahr vor seinem
-Tode geschrieben hat: „Ein Sozialist, der in
-eine Bourgeoisieregierung eintritt, geht entweder
-zum Feind über oder er gibt sich in die
-Gewalt des Feindes. Er mag sich für einen
-Sozialisten halten, ist es aber nicht mehr; er
-kann von seiner Ehrlichkeit überzeugt sein,
-aber dann hat er nicht das Wesen des Klassenkampfes
-begriffen – nicht begriffen, daß
-der Sozialismus den Klassenkampf zur Grundlage
-hat.“ Gotz hatte in seiner letzten Rede
-vor dem Tribunal behauptet, im Oktober
-hätten Arbeiter auf beiden Seiten der Barrikade
-gekämpft. Wilhelm Liebknecht hätte
-ihm entgegengehalten: „Ich bin für die Einheit
-<a id="page-159" class="pagenum" title="159"></a>
-der Partei – aber es muß die Einheit des
-Sozialismus und der Sozialisten sein. Die
-Einheit mit Gegnern, mit Leuten, die andere
-Ziele und andere Interessen haben, ist keine
-sozialistische Einheit. Die Internationale
-Arbeiter-Assoziation hat deshalb den Arbeitern
-gepredigt: Die Befreiung der Arbeiterklasse
-kann nur das Werk der Arbeiter selbst
-sein.“
-</p>
-
-<div class="chapter">
-
-<h2 class="appendix" id="part-2">
-<a id="page-160" class="pagenum" title="160"></a>
-ANHANG.
-</h2>
-
-</div>
-
-<h3 class="section" id="chapter-2-1">
-Überblick über die Tätigkeit der S.R. in
-den Jahren 1917-1922.
-</h3>
-
-<p class="noindent">
-Nach der Abdankung Nikolaus’ II. gelangen
-die S.R. zur Macht. Kerenski ist ein
-S.R. Der Landwirtschaftsminister der Provisorischen
-Regierung – Viktor Michailowitsch
-Tschernow – ist einer der bekanntesten
-Führer und Theoretiker der S.R. Die
-Provisorische Regierung setzt den Krieg
-gegen Deutschland fort, trotzdem Tschernow
-an der Zimmerwalder Konferenz teilgenommen
-hatte. Am 7. November 1917 wird die
-Kerenski-Regierung durch die Bolschewiki
-gestürzt.
-</p>
-
-<p>
-Im Augenblick <em>der Oktoberumwälzung
-gibt</em> in Moskau die Stadtverordnetenversammlung,
-die eine starke S.R.-Mehrheit
-hatte, den Offiziersschülern den Befehl: <em>Mit
-den Waffen in der Hand gegen die Arbeiter!
-Nach der Niederlage der Offiziersaspiranten
-in Petersburg sind es
-die S.R. Gotz und Kerenski, die die
-<a id="page-161" class="pagenum" title="161"></a>
-Kosakenschwadronen des Zarengenerals
-Krasnow gegen die Hauptstadt der
-Revolution anrücken lassen.</em>
-</p>
-
-<p>
-<em>Im selben Jahre 1917 treten die S.R.
-in Verbindung mit einer Weißgardisten-Organisation
-(Filonenko). Gleichzeitig
-agitieren die S.R. unter den städtischen
-kleinbürgerlichen Schichten für
-die Sabotage der Sowjetmacht in
-den Betrieben und Fabriken und für
-Streiks.</em>
-</p>
-
-<h3 class="section" id="chapter-2-2">
-1918.
-</h3>
-
-<p class="noindent">
-<em>Am 5. Januar 1918 eröffnete die Konstituierende</em>
-Versammlung ihre Session;
-über <em>die Hälfte der Mitglieder waren
-S.R.</em> Am 8. Januar wurde der dritte allrussische
-<em>Rätekongreß</em>, mit einer überwiegenden
-Mehrheit von <em>Bolschewiki</em> (<em>Kommunisten</em>),
-eröffnet. Die der Arbeiter- und
-Bauernregierung feindlich gesinnte Konstituierende
-Versammlung wird aufgelöst. Die
-<em>S.R. beginnen den bewaffneten Kampf</em>
-gegen die Sowjetmacht. In diese Zeit fällt die
-Hilfe der S.R. für General Krasnow, ferner
-bricht in diesem Jahre der Aufstand der
-tschechoslowakischen Truppen (der ehemaligen
-Kriegsgefangenen des Zarenheeres) aus,
-mit denen zwei S.R.-„Regierungen“ – die
-<a id="page-162" class="pagenum" title="162"></a>
-fern-ostasiatische und die westsibirische
-durch Vermittlung des englischen Obersten
-Hodgson, durch den General Horvat und
-durch japanische Diplomaten Verhandlungen
-führten, um die Revolution zu zertreten.
-</p>
-
-<p>
-Dann organisierten die S.R. die Rumpf-„Nationalversammlung“
-in Samara. Auf Befehl
-des französischen Botschafters am Zarenhof,
-Noulens, zahlte die französische Botschaft
-an die S.R. Gotz, Timofejew und andere
-Gelder zur Aushaltung der Samaraer
-„Konstituante“.
-</p>
-
-<p>
-Die Sozialrevolutionärin Kaplan verwundet
-Lenin schwer mit einer vergifteten Kugel.
-</p>
-
-<p>
-Der S.R. Ssergejew erschießt Wolodarskij.
-</p>
-
-<p>
-Die Kampforganisation der S.R. organisiert
-Attentate auf Trotzki und Sinowjew.
-</p>
-
-<p>
-Von der Militärorganisation der S.R. wird
-in den Reihen der Roten Armee Spionage
-getrieben. Die S.R. führten „Expropriationen“
-aus. In Petersburg wurde das Volksernährungskommissariat
-beraubt, in Moskau
-das Postamt Nr. 9, in Kaluga (südlich
-Moskau) wurde die Beraubung des Gouvernements-Ernährungskomitees
-versucht usw.
-</p>
-
-<p>
-Als General Denikin nahe vor Tula (unweit
-Moskau im Süden) stand und Koltschak auf
-Tjümenj (Ostural) rückte, erläßt das Zentralkomitee
-der S.R. einen Aufruf an die Arbeiter,
-daß Denikin auf der Spitze seiner
-<a id="page-163" class="pagenum" title="163"></a>
-Schwerter die Reaktion gegen die Arbeiter
-trage usw. In Wirklichkeit bevollmächtigt
-das Z.K. gleichzeitig seine Mitglieder, Donskoj
-und Daschjewskij, mit Denikin in Unterhandlungen
-zu treten.
-</p>
-
-<p>
-<em>Außerdem verbreitet die Zentrale
-der S.R. Partei in den Reihen der Rotarmisten
-eine Proklamation, mit der
-Aufforderung, die Kampffronten gegen
-Denikin und Koltschak zu verlassen.</em>
-</p>
-
-<h3 class="section" id="chapter-2-3">
-1920.
-</h3>
-
-<p class="noindent">
-Im Jahre 1920 organisieren die S.R. einen
-„Bund der werktätigen Bauernschaft“, sie
-organisieren einen Bauernaufstand im Bezirk
-Tambow (südöstlich Moskau), an dessen
-Spitze der Bandenführer Antonow steht;
-Aufstände in Sibirien und an der Schwarzen
-Meer-Küste.
-</p>
-
-<h3 class="section" id="chapter-2-4">
-1921.
-</h3>
-
-<p class="noindent">
-<em>In Paris organisierten die S.R.
-Tschernow, Kerenski, Awksentiew gemeinsam
-mit den Kadetten das „Komitee
-der Mitglieder der Konstituante“.</em>
-</p>
-
-<p>
-Der Aufstand in Kronstadt wird von den
-S.R. mit allen Mitteln unterstützt.
-</p>
-
-<p>
-Tätigkeit des „Administrativen Zentrums“;
-Gründung von Geheimorganisationen; Vorbereitungen
-im Kaukasus.
-</p>
-
-<div class="ads chapter">
-<p class="ser">
-<span class="line1">In der Sammlung</span><br />
-<span class="line2">AUSSENSEITER DER GESELLSCHAFT</span><br />
-<span class="line3">– DIE VERBRECHEN DER GEGENWART –</span><br />
-<span class="line4">sind bis jetzt folgende Bände erschienen:</span>
-</p>
-
- <div class="table">
- <div class="volumes">
- <div class="r">
-<p class="v">
-Band 1:
-</p>
-
-<p class="t">
-<span class="line1">ALFRED DÖBLIN</span><br />
-<span class="line2">DIE BEIDEN FREUNDINNEN UND IHR GIFTMORD</span>
-</p>
-
- </div>
- <div class="r">
-<p class="v">
-Band 2:
-</p>
-
-<p class="t">
-<span class="line1">EGON ERWIN KISCH</span><br />
-<span class="line2">DER FALL DES GENERALSTABSCHEFS REDL</span>
-</p>
-
- </div>
- <div class="r">
-<p class="v">
-Band 3:
-</p>
-
-<p class="t">
-<span class="line1">EDUARD TRAUTNER</span><br />
-<span class="line2">DER MORD AM POLIZEIAGENTEN BLAU</span>
-</p>
-
- </div>
- <div class="r">
-<p class="v">
-Band 4:
-</p>
-
-<p class="t">
-<span class="line1">ERNST WEISS</span><br />
-<span class="line2">DER FALL VUKOBRANKOVICS</span>
-</p>
-
- </div>
- <div class="r">
-<p class="v">
-Band 5:
-</p>
-
-<p class="t">
-<span class="line1">IWAN GOLL</span><br />
-<span class="line2">GERMAINE BERTON</span><br />
-<span class="line3">DIE ROTE JUNGFRAU</span>
-</p>
-
- </div>
- <div class="r">
-<p class="v">
-Band 6:
-</p>
-
-<p class="t">
-<span class="line1">THEODOR LESSING</span><br />
-<span class="line2">HAARMANN, DIE GESCHICHTE EINES WERWOLFS</span>
-</p>
-
- </div>
- <div class="r">
-<p class="v">
-Band 7:
-</p>
-
-<p class="t">
-<span class="line1">KARL OTTEN</span><br />
-<span class="line2">DER FALL STRAUSS</span>
-</p>
-
- </div>
- <div class="r">
-<p class="v">
-Band 8:
-</p>
-
-<p class="t">
-<span class="line1">ARTHUR HOLITSCHER</span><br />
-<span class="line2">DER FALL RAVACHOL</span>
-</p>
-
- </div>
- <div class="r">
-<p class="v">
-Band 9:
-</p>
-
-<p class="t">
-<span class="line1">LEO LANIA</span><br />
-<span class="line2">DER HITLER-LUDENDORFF-PROZESS</span>
-</p>
-
- </div>
- <div class="r">
-<p class="v">
-Band 10:
-</p>
-
-<p class="t">
-<span class="line1">FRANZ THEODOR CSOKOR</span><br />
-<span class="line2">SCHUSS INS GESCHAEFT</span><br />
-<span class="line3">DER FALL OTTO EISSLER</span>
-</p>
-
- </div>
- <div class="r">
-<p class="v">
-Band 11:
-</p>
-
-<p class="t">
-<span class="line1">THOMAS SCHRAMEK</span><br />
-<span class="line2">FREIHERR VON EGLOFFSTEIN</span><br />
-<span class="line3">Mit einem Vorwort von ALBERT EHRENSTEIN</span>
-</p>
-
- </div>
- <div class="r">
-<p class="v">
-Band 12:
-</p>
-
-<p class="t">
-<span class="line1">KURT KERSTEN</span><br />
-<span class="line2">DER MOSKAUER PROZESS GEGEN DIE SOZIALREVOLUTIONÄRE 1922</span>
-</p>
-
- </div>
- <div class="r">
-<p class="v">
-Band 13:
-</p>
-
-<p class="t">
-<span class="line1">KARL FEDERN</span><br />
-<span class="line2">DER PROZESS MURRI-BONMARTINI</span>
-</p>
-
- </div>
- <div class="r">
-<p class="v">
-Band 14:
-</p>
-
-<p class="t">
-<span class="line1">HERMANN UNGAR</span><br />
-<span class="line2">DIE ERMORDUNG DES HAUPTMANNS HANIKA</span>
-</p>
-
- </div>
- </div>
- </div>
-<p class="s c">
-Ferner erscheinen noch Bände von:
-</p>
-
-<p class="c">
-HENRI BARBUSSE, MARTIN BERADT, MAX BROD,
-E. I. GUMBEL, WALTER HASENCLEVER, GEORG
-KAISER, OTTO KAUS, THOMAS MANN, LEO MATTHIAS,
-EUGEN ORTNER, JOSEPH ROTH, RENE
-SCHICKELE, JAKOB WASSERMANN, ALFRED
-WOLFENSTEIN.
-</p>
-
-</div>
-
-<div class="frontmatter chapter">
-<p class="printer">
-OHLENROTH’SCHE BUCHDRUCKEREI ERFURT
-</p>
-
-</div>
-
-<div class="trnote chapter">
-<p class="transnote">
-Anmerkungen zur Transkription
-</p>
-
-<p class="skip_in_txt">
-Das Cover wurde vom Bearbeiter den ursprünglichen
-Bucheinbänden der Serie nachempfunden und der <i>public domain</i> zur Verfügung gestellt.
-</p>
-
-<p>
-Die kräftig variierende Transliteration russischer Namen wurde beibehalten. Der Name
-Семёнов kann so z. B. als Semjonow, Ssemjonow oder Semenow auftauchen. Hier ist eine
-Liste der am häufigsten gefundenen Varianten:
-</p>
-
-<p class="list">
-Altowski, Altowsky<br />
-Awksentijew, Awksentiew, Awxentijew<br />
-Daschewski, Daschjewskij<br />
-Dobroljubow, Dobrolubow<br />
-Donskoj, Donskoi<br />
-Elkind, Eljkind<br />
-Eugenia, Eugenie<br />
-Fanny, Fanni<br />
-Fedorowitsch, Federowitsch<br />
-Fjedorow, Fedorow, Federow<br />
-Gerstejn, Gerstein<br />
-Grigorij, Grigori<br />
-Ignatjew, Ignatiew<br />
-Konoplewa, Konopleva, Konopljewa<br />
-Koslow, Kozlow<br />
-Lew, Lev<br />
-Michailowitsch, Michajlowitsch<br />
-Murawjew, Murawiew<br />
-Nishnij, Nishni<br />
-Sawinkow, Savinkow<br />
-Semjonow, Ssemjonow, Semenow<br />
-Sergejew, Ssergejew<br />
-Timofejew, Timofjejew<br />
-Utgow, Utgoff<br />
-Wolodarskij, Wolodarski
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert.
-Weitere Änderungen sind hier aufgeführt (vorher/nachher):
-</p>
-
-
-
-<ul>
-
-<li>
-... wurde abgelehnt; die Resolution <span class="underline">Tschernow</span> ...<br />
-... wurde abgelehnt; die Resolution <a href="#corr-70"><span class="underline">Tschernows</span></a> ...<br />
-</li>
-</ul>
-</div>
-
-
-<div lang='en' xml:lang='en'>
-<div style='display:block; margin-top:4em'>*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK <span lang='de' xml:lang='de'>DER MOSKAUER PROZESS GEGEN DIE SOZIALREVOLUTIONÄRE 1922. REVOLUTION UND KONTERREVOLUTION</span> ***</div>
-<div style='text-align:left'>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Updated editions will replace the previous one&#8212;the old editions will
-be renamed.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright
-law means that no one owns a United States copyright in these works,
-so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United
-States without permission and without paying copyright
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-</div>
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-electronic works. See paragraph 1.E below.
-</div>
-
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-</div>
-
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-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg:
-</div>
-
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-Defect you cause.
-</div>
-
-<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'>
-Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg&#8482;
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Project Gutenberg&#8482; is synonymous with the free distribution of
-electronic works in formats readable by the widest variety of
-computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
-exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
-from people in all walks of life.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Volunteers and financial support to provide volunteers with the
-assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg&#8482;&#8217;s
-goals and ensuring that the Project Gutenberg&#8482; collection will
-remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
-Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
-and permanent future for Project Gutenberg&#8482; and future
-generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
-Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org.
-</div>
-
-<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'>
-Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit
-501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
-state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
-Revenue Service. The Foundation&#8217;s EIN or federal tax identification
-number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
-U.S. federal laws and your state&#8217;s laws.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-The Foundation&#8217;s business office is located at 809 North 1500 West,
-Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up
-to date contact information can be found at the Foundation&#8217;s website
-and official page at www.gutenberg.org/contact
-</div>
-
-<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'>
-Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Project Gutenberg&#8482; depends upon and cannot survive without widespread
-public support and donations to carry out its mission of
-increasing the number of public domain and licensed works that can be
-freely distributed in machine-readable form accessible by the widest
-array of equipment including outdated equipment. Many small donations
-($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
-status with the IRS.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-The Foundation is committed to complying with the laws regulating
-charities and charitable donations in all 50 states of the United
-States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
-considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
-with these requirements. We do not solicit donations in locations
-where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
-DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state
-visit <a href="https://www.gutenberg.org/donate/">www.gutenberg.org/donate</a>.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-While we cannot and do not solicit contributions from states where we
-have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
-against accepting unsolicited donations from donors in such states who
-approach us with offers to donate.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-International donations are gratefully accepted, but we cannot make
-any statements concerning tax treatment of donations received from
-outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Please check the Project Gutenberg web pages for current donation
-methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
-ways including checks, online payments and credit card donations. To
-donate, please visit: www.gutenberg.org/donate
-</div>
-
-<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'>
-Section 5. General Information About Project Gutenberg&#8482; electronic works
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
-Gutenberg&#8482; concept of a library of electronic works that could be
-freely shared with anyone. For forty years, he produced and
-distributed Project Gutenberg&#8482; eBooks with only a loose network of
-volunteer support.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Project Gutenberg&#8482; eBooks are often created from several printed
-editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
-the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
-necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
-edition.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Most people start at our website which has the main PG search
-facility: <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-This website includes information about Project Gutenberg&#8482;,
-including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
-subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
-</div>
-
-</div>
-</div>
-</body>
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