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-The Project Gutenberg EBook of Fuxloh, by Hans Watzlik
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
-other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of
-the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
-www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have
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-
-
-
-Title: Fuxloh
- oder Die Taten und Anschläge des Kasper Dullhäubel
-
-Author: Hans Watzlik
-
-Release Date: May 19, 2020 [EBook #62178]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: UTF-8
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK FUXLOH ***
-
-
-
-
-Produced by The Online Distributed Proofreading Team at
-https://www.pgdp.net
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- Anmerkungen zur Transkription
-
-
- Das Original ist in Fraktur gesetzt. Im Original gesperrter Text
- ist _so ausgezeichnet_. Im Original in Antiqua gesetzter Text ist
- ~so markiert~. Im Original fetter Text ist =so dargestellt=.
-
- Weitere Anmerkungen zur Transkription befinden sich am Ende des
- Buches.
-
-
-
-
- HANS WATZLIK
-
- Fuxloh
-
- oder
-
- Die Taten und Anschläge des
- Kasper Dullhäubel
-
- *
-
- Ein Schelmenroman
-
- [Illustration]
-
- L. STAACKMANN VERLAG / LEIPZIG
-
- 1922
-
-
-
-
-Alle Rechte, besonders das der Übersetzung, vorbehalten.
-
-Für Amerika:
-
-~Copyright 1922 by L. Staackmann Verlag, Leipzig~.
-
-
-Gedruckt bei Dr. Kurt Säuberlich in Leipzig
-
-
-
-
-Das grüne Holz.
-
-
-Fuxloh lag ganz hinten in der Welt zwischen den Örtern Blaustauden und
-Grillenöd, abseits von den breiten Straßen duckte es sich verloren in
-den Wäldern, ein gar rauhes Dorf voller Tannen. Obst trug dort nur ein
-einziger Mostbirnbaum, der über hundert Jahre alt war, doch waren seine
-Birnen so grausam herb, daß man schreien mußte, wenn man hineinbiß.
-Sonst gediehen nur noch ein paar Vogelbeerbäume und Elexstauden
-droben an den felsigen Wegen. Aber in ihrem Schatten blühte die
-weltentlegenste Einfalt in tausend Blumen aus.
-
-Heute findet man das Dorf nimmer, die Wälder sind darüber gewachsen.
-
-Der Fuxloher Wind blies scharf und brannte den Bauern den Schlund aus.
-Drum war in dem Ort der Durst daheim. Besonders vorzeiten blieben die
-Männer oft wochenlang auf der Wirtsbank, sie knöpften sich den Latz
-vom Hosenboden ab und saßen auf dem rohen Fleisch, um das Hirschleder
-zu schonen. Am Samstag brachten ihnen die Weiber frische Hemden ins
-Wirtshaus. Und hie und da banden sich die Säufer mit Stierketten
-aneinander, daß keiner sich heimlich von der nassen Mette wegschleiche
-und sie alle gemeinsam in des Rausches Elend fuhren.
-
-Dazumal waren die Fuxloher als grobe Schelme, Wilderer und Raufer
-verrufen, im Lauf der Zeiten aber verloren sie allmählich den übeln
-Leumund. Es geschah kaum mehr, daß einer den Grenzstein in des Nachbarn
-Acker rückte, Rösser wurden überhaupt nimmer gestohlen, und selten nur
-weckte einen nachts das alte Raubschützenblut aus der Rast, daß er
-aufsprang und an der bayrischen Grenze irgendwo auf einer Waldschneise
-einen Bock niederknallte.
-
-Nur im Dullhäubelhof hatte sich die alte Art der Fuxloher treulich
-erhalten.
-
-In einer Schlucht am Wolfsbach, wohin die Bauern vom Dorf herab immer
-die Gänse trieben, daß sie schwimmen lernten, lag das Gehöft mit dem
-moosgrünen Schopfdach, darunter an die Mauer ein verschmitztes Gesicht
-gemalt war mit dem Spruch:
-
- Gott, gib jedem Lumpenhund
- zehnmal mehr, als er mir gunnt!
-
-Vor langer Zeit, als die ungarische Königin Resel mit dem Preußen Krieg
-führte, hauste der Pankraz Dullhäubel auf dem Hof. Bei dem kehrte der
-Reichtum ein. Den Kopf deckte er sich allweil mit einem dreieckigen
-Hut, an seinem Rock glänzten mehr Knöpfe, als Tage im Jahr waren. Er
-ließ das Geld springen und hatte die nötige Münze dazu, denn er war ein
-Werber, und damals, wo Soldaten gegen Preuß und Türk sein mußten, da
-lohnte sich sein falsches Gewerb. Manch armen Schlucker fing er, der
-sich über die Grenze herüber verirrt hatte, und der wurde ohne Erbarmen
-ins Regiment gestoßen, und viele hatte der Pankraz am Gewissen, die im
-Krieg auf der blutigen Fleischbank verdarben.
-
-Dazumal kam auch ein Erdspiegel ins Haus, der Pankraz handelte ihn
-einem wallischen Juden ab, und die Fuxloher fürchteten jetzt den Bauer,
-der das zauberische Gerät verborgen hielt und dadurch Macht gewann über
-alle andern.
-
-Aber einmal fing er mit seinen Helfershelfern einen Handwerksburschen
-und kettete ihm die Hände, und als er ihn gen Hirschenbrunn führte, um
-ihn dort zu stellen, mußte er sich unterwegs bücken, die Schuhschnalle
-zu schließen, die ihm aufgesprungen war. Den Augenblick nutzte der
-Gefangene aus, er schlug dem Werber die Fesseln auf den Schädel, daß er
-hin war.
-
-Ein arger Vogel legt ein arges Ei.
-
-Der Nachkömmling des Pankraz war der Servaz Dullhäubel. Der trieb sich
-in grünen Jahren in den Wäldern des Lusens umher und schoß die stolzen
-Hirsche und die starken Bären. Das Wildern fiel ihm leicht, da er sich
-dazu himmlische Hilfe zu sichern wußte: er schaffte oft des Nachts ein
-Wildbret in die Blaustaudner Pfarrküche, und dafür schloß der damalige
-Geistliche ihn und seine Wege täglich ins Meßgebet ein.
-
-Als dem Servaz einmal von einem Jäger der Fuß krumm geschossen wurde,
-mußte er das freie Wildschützleben lassen, aber sein zorniges Blut
-gab ihm keine Ruhe, und er wurde der wildeste Raufer waldauf und
-waldab. Wenn er zum Kirchweihtanz ging, gab ihm die Bäurin immer sein
-Totenhemd mit. Die Haut war ihm von Messern zerstochen, der Schädel
-zerschrammt von splitternden Krügen, das eine Ohr abgebissen, die Zähne
-eingeschlagen. Mit heraushängenden Därmen schleppte er sich einst von
-Fuxloh nach Blaustauden zum Balbierer, dort schob er fein lind das
-Gedärm zurück in seine alte Stätte, steckte Speck in das Loch und nähte
-es sich selber mit des Balbierers Nadel zu. Die Naht hielt hernach noch
-dreißig Jahre.
-
-Er rühmte sich oft, der Richter solle ihm in seinem Buch ein Gesetzlein
-vorweisen, danach er noch nicht abgestraft wäre. Kurz vor seinem
-Absterben noch erschlug er auf der Kegelbahn den Waldheger von Daxloh
-mit einem Kegel.
-
-Der Apfel rollt nicht weit vom Baum.
-
-Der Nachkömmling des Servaz war der Bonifaz Dullhäubel. Der hatte es
-wiederum auf das Bier und den groben Bauernwein abgesehen und soff und
-schlampampte, daß es ihm schier zu den Ohren herausrann. Fuhr er mit
-dem Rössel in die Stadt, so schob er dort Kegel auf volle Flaschen
-und streute das Geld den Kellnerinnen hin. Bei jedem Krug, der ihm
-vorgesetzt wurde, tat er einen von den fünfundzwanzig Gupfknöpfen an
-seinem Brustfleck auf; war die Weste ganz offen, so zahlte er seine
-Schuld, knöpfelte wieder zu und hub von frischem an. So wurde er auch
-in der größten Zeche nicht irr. Wenn er keinen Trunk mehr bewältigen
-konnte, so bahrten Wirt und Hausknecht ihn auf seinem Wagen auf, das
-Rössel zog an und trabte mit dem Schlafenden durch Wald und Sternschein
-heim. Doch hielt es vor jedem Wirtshaus an, beim grünen Kuckuck, beim
-Posthorn, bei der Siebenkittelwirtin, bei der Mausfalle, beim blauen
-Mondschein, und wie die Einkehrstätten alle hießen, und der Trunkene
-reckte sich aus dem Schlaf und gröhlte: »He, Wirt, füll nach!«
-
-Ein anderes Anwesen wäre unter den Hammer gekommen, der Dullhäubelhof
-aber hielt den Säufer aus. Viel Grund und Boden und Holz und Vieh
-gehörten dazu, und die Bauern hätten noch viel reicher sein können,
-wenn es sie darnach gelüstet hätte. Denn der Pankraz, der Guckähnel,
-hatte einen schönen Schimmel im Stall stehen, und der Waldfürst hätte
-das schneeblührieselweiße Roß gar gern geritten und dafür den ganzen
-weitmächtigen Wald bis zum Lusen hingegeben. Der Pankraz aber hätte
-nimmer getauscht, und wenn der Fürst vor ihm auf den Knieen gerutscht
-wäre.
-
-Wie gelebt, so gestorben. Vor lauter Gesundheittrinken kam der Bonifaz
-Dullhäubel um die Gesundheit.
-
-Die Fuxloher mähten gerade die Wiesen, da kroch der Bonifaz in der
-Scheuer des Wirtes »zum pfalzenden Hahn« ins Heu, seinen schweren
-Rausch zu verschlafen, und die Mäher verschütteten ihn aus Übermut
-unter dem Heu. Sie vergaßen ihn aber hernach in ihrer heißen Arbeit und
-erinnerten sich erst, als die Bäurin ins Dorf kam und nach dem Bonifaz
-fragte. Schnell räumten sie das Heu weg; da lag der Vergrabene mit
-lustigem Gesicht, aber erstickt. Weil die Burschen den Weg zum Gericht
-scheuten, so halfen sie sich, wie sie es verstanden: sie schlugen einen
-Haken in die Scheuer, wo sie am finstersten war, hängten den Toten dran
-und drückten ihm seinen breiten filzenen Scheibenhut in die Stirn. Dann
-schrieen sie das Unglück im Dorf aus: »Leut, Leut, der Bonifaz hat sich
-aufgehängt!« Und weil eben ein Sturm anfing, glaubten die Fuxloher
-ihnen gern und sahen mit Grausen, wie der Strick sich dem Bonifaz um
-Hals und Bart schnürte, und der Totengräber in Blaustauden drunten grub
-das Grab um drei Schuh tiefer als sonst, daß der Bonifaz nimmer heraus
-und umgehen könne.
-
-Die Bäurin gab ihm den Scheibenhut mit in die Truhe. Sie meinte, in
-der Ewigkeit sei es hübsch lüftig, und der Selige sei allweil heikel
-gewesen auf den Zugwind. Auch steckte sie ihm die Pfeife ins Maul, er
-möge sich jenseits etwas vorqualmen, daß ihm Zeit und Ewigkeit besser
-vergingen. Sie war ein fürsorgliches Weib, die Sodonia.
-
-Wie die alten Vögel pfeifen, so stümpern die jungen.
-
-Der Nachkömmling des Bonifaz war der Isidor Dullhäubel. Der schlug
-sich, als er zur Mannheit kam, mit einem Stein die vordersten Zähne
-aus, womit die Soldaten das Papier von den Patronen reißen, daß das
-Pulver ins Gewehr rinne. So blieb der Isidor vor dem Krieg verschont.
-
-Der neue Bauer meinte, ein richtiger Mann müsse neun Kinder zeugen,
-und da mußte nicht bloß seine Bäurin daran glauben, sondern auch alle
-Mägde, die auf dem Hofe dienten. Die Kinder außerhalb der Ehe wuchsen
-frisch und fröhlich heran, die eheleiblichen aber wurden nicht alt.
-Sein Weib, die Sanna, sorgte sich nicht um die Brut, sie schlief gern
-und schlief allweil ein, wenn sie säugte, und der Säugling fiel ihr
-dabei oft aus dem Schoß. So blieben ihr, ein einziges ausgenommen,
-keine Kinder, trotzdem daß sie sehr fruchtbar war und nur Zwillinge und
-Drillinge gebären konnte.
-
-Sie grämte sich nicht um die Liebschaften des Bauers. Doch die Sodonia,
-die Altbäurin, war ob der heidnischen Vielweiberei ihres Sohnes schwer
-bekümmert. Aber wenn ihm wieder einmal ein Staudenkind auf die Welt kam
-und die Sodonia ihm es als Sünde heftig verwies, lachte er nur: »Fürs
-Lebendigmachen ist noch keiner gestraft worden.«
-
-Der Isidor Dullhäubel führte allzeit sein Tabakglas mit, und weit
-und breit tat es ihm keiner gleich im Schnupfen. Nicht einmal der
-Blaustaudner Schulmeister, der, selbst wenn er die Orgel zum Hochamt
-schlug, den Tabak nicht völlig entbehren konnte und darum auch beim
-Spiel allweil ein braunes Häuflein auf dem Handrücken trug und die Nase
-oft und oft inbrünstig dazu niederstoßen ließ und mitten in Gottes
-Lobpreisung andächtig hineinschnupfte.
-
-Als der Isidor noch frommer war, schnupfte er in den Fasten nicht, so
-sehr es ihn auch lüstete; er tat sich einen Abbruch, um Gott wohl zu
-gefallen. Erst am letzten Kartag, wenn der Pfarrer sang: »Christ ist
-erstanden!«, da nahm er sich wieder das erste Schnüpflein. Als aber
-am Auferstehungstag einmal der Geistliche kein Ende fand und Gebet
-an Gebet, Litanei an Litanei knüpfte und nimmer in den Erlösungsruf
-ausbrach, schlug sich der Isidor ungestüm den Tabak auf die Hand:
-»Ob der Herrgott auferstanden ist oder nit, -- ich schnupf!« Seither
-fastete seine Nase nimmer, und wenn ihm einer dies als Laster
-vorrückte, wehrte er sich: »Das Schnupfen ist keine Sünd. Der Pfarrer
-Eusebius hat seine Tabakdose sogar auf dem heiligen Kelch zum Altar
-getragen. Freilich hat der mit seiner geistlichen Nase nur Spaniol
-mögen, und ich schnupf brasilianischen Tabak. Aber unser Herrgott kennt
-keinen Unterschied.«
-
-Dazumal, als sie den alten Bonifaz vom Nagel herunternahmen, lümmelte
-der Isidor mit seinem Nachbar, dem Mußmüller, im »pfalzenden Hahn«,
-ließ sich von ihm über den Tod seines Vaters trösten und lüpfte eifrig
-den Krug.
-
-»Sei froh, daß er hin ist,« redete der Müller. »Es ist dein Glück,
-daß er im Ausgeding gesessen ist, er hätt dir sonst den ganzen Hof
-versoffen.«
-
-Der Isidor schaute finster. »Soviel kann keiner versaufen, als ich hab.
-Und vergönn es ihm, neid es ihm nit in die Grube nach!«
-
-»Dullhäubel,« der Müller hob beschwörend die Stimme, »Dullhäubel, ich
-weiß es: der Durst schluckt den Bach samt der Mühl.«
-
-»Deinen Bach freilich, Gori, der hat kein Wasser,« grinste der Bauer.
-»In aller Früh gehst du aus, schlagst mit der Stange den Tau von den
-Erlen, daß du Wasser aufs Rad kriegst.«
-
-In des Mußmüllers Stirn schnitten sich zwei scharfe senkrechte Falten,
-er packte das Stutzenglas und hieb es dem Isidor auf den Schädel, daß
-die Scherben flogen. Jetzt hob auch der Bauer sein Glas und trümmerte
-es dem Müller auf das Hirn. Das alles geschah ohne sonderlichen Lärm.
-
-Derweil der Wirt neue Gläser holte, saßen sie blutig und lachten.
-
-»Nix für ungut, Müllner.«
-
-»Tu her ein Schnöpflein, Isidor, daß wir einen andern Sinn kriegen!«
-
-Der Bauer zog von dem blauen, geschliffenen Tabakglas den Stöpsel weg,
-den er aus Weiberhaaren geflochten hatte, und die zwei kräftigten sich
-an dem scharfen Brasil.
-
-Der Wirt stolperte in die Stube. »Dullhäubel, dein Weib hat sich ein
-ungeschicktes Wochenbett ausgesucht. Gerad vor der Kapelle hat die
-Wehstund sie angepackt.«
-
-Der Bauer pfiff halblaut vor sich hin; die Hand, die sich mit einem
-Schnöpflein heben wollte, sank ihm.
-
-»Sie ist über den Erhängten zu stark erschrocken,« redete die Wirtin
-zum Fenster herein.
-
-Der Müller riet: »Nachbar, drück die Knie zusamm, daß sie leichter
-niederkommt!«
-
-»Bei der Kapelle?« besann sich der Bauer. »Das ist kein ungeschickter
-Ort, Wirt. Da springt der heilige Blaumantel heraus und steht ihr bei.«
-
-»Wir Weiber helfen uns schon selber,« schwätzte die Wirtin. »Ich für
-mein Teil komm um einen weißen Laib Brot nieder, ich geh dreimal in der
-Stube hin und her und beutel das Kind ab.«
-
-Der Isidor blähte sich auf. »Studieren muß er, der Bub. Ein hoher Herr
-soll er werden; Steuern soll er einmal ausschreiben, den Müllnern und
-den Wirtsleuten!« lächelte er mit pfiffigem Querblick.
-
-»Was? Mir neue Steuern?« brauste der Gori. »Jetzt, wo wir Müllner so
-schwer geschädigt sind von den neuen Zeiten? Alle Gerechtigkeit haben
-sie uns genommen. Früher haben wir im Bach fischen dürfen, so weit
-unsereiner den Hammer hat werfen können. Heut nimmer. Früher ist meine
-Mühl eine Zwangmühl gewesen; heut schafft ein jeder sein Korn nach
-Trippstrill und Schlampampen.«
-
-»Dullhäubel, drei Buben!« rief die Wirtin in die Stube.
-
-»Sakerment, wie viel?« Der Bauer hielt wie schwerhörig die Hand ans Ohr.
-
-»Drei Buben. Bis jetzt.«
-
-Der Dullhäubel faltete die Hände. »O Herr, halt ein mit deinem Segen!«
-
-Die Tür knarrte, und auf der Schwelle stand die Hebamme mit einem
-mächtigen Wickelpolster, drin zwei Büblein kläglich winselten. Eine
-Magd trug das dritte Kind.
-
-»Drei Buben, Bauer!« meldete die Hebamme. »Eine harte Geburt! Gerad vor
-der Kapelle.«
-
-Der Isidor Dullhäubel ergrimmte. »Hat er ihr also nit geholfen, der
-Blaumantel? Da steht er schon so lang auf meinem Grund, und jetzt, wo
-meine Buben anrücken, jetzt rührt und ruckt er sich nit. Jetzt reicht
-er keine Hand.«
-
-»Er ist halt ein Heiliger und keine Hebmutter,« beschwichtigte ihn der
-Müller.
-
-Aber der Bauer eiferte: »Ist doch schon die Muttergottes selber aus
-ihrem silbernen Gewölk gestiegen und den Weibern beigesprungen in ihrer
-Stund! Hätt nit der Tropf auch aus seiner Kapelle treten können?!«
-
-»Wischt euch das Blut ab, Männer,« sagte die Hebamme, »und geht gleich
-mit zur Taufe, daß die Würmer nit als Heiden absterben. Daß sie ins
-Engelreich kommen und drüben einen Namen tragen. Der ist traurig dran,
-der keinen Namen führt. Und die Drillinge werden nit lang leben, es
-sind Siebenmonatkinder.«
-
-Die zwei Männer standen auf und wankten mürrisch den Weibern nach ins
-Pfarrdorf Blaustauden hinunter.
-
-Dort in der Kirche legte die Hebfrau ihr Paar dem Müller in die Arme,
-derweil der Bauer den einschichtigen Sprößling hielt. So traten sie zu
-dem Taufstein.
-
-Der Pfarrer ließ nicht lange warten.
-
-»Hollah, drei auf einem Schub!« lachte er. »Die drei Eismänner haben
-schon auf deinem Hof gehaust, sind wunderliche Heilige gewesen,
-Dullhäubel. Taufen wir die da nach den drei Königen!«
-
-Und er taufte sie Kasper, Melcher und Balthauser. Die Büblein hielten
-sich mäuselstill, und erst, als bei der Taufe des Kasper, den der Bauer
-selber hielt, der geistliche Herr fragte: »Widersagst du dem Teufel?«
-da schrie der Bub gar mörderlich auf, als sei er von dem besessen, dem
-er absagen sollte, und sei mit der Taufe gar nicht einverstanden.
-
-»Halt das Maul, Kerl, oder ich schlag dir die Zähne ein!« drohte der
-Pfarrer.
-
-»Segnet ihn mir gut ein, Hochwürden, den Kasper!« bat der Bauer. »Spart
-kein Wasser nit!«
-
-Als die Männer den Weibern wieder die Täuflinge überließen, merkten
-sie, daß der Melcher und der Balthauser kein Schnäuferlein mehr
-taten. Der Müller mochte sie wohl ein wenig zu fest an sich gedrückt
-haben, und es war ungewiß, ob sie getauft oder heidnisch ins Jenseits
-eingefahren waren.
-
-Der Bauer aber freute sich an dem Kasper. Der hielt die lebendigen
-Augen offen und sah scharf darein. »Der hat gescheite Augen,«
-frohlockte der Alte, »das ist ein Kreuzköpfel.«
-
-»Er ist zu früh auf die Welt gekommen, der Spitzbub,« sagte die
-Hebamme. »Ich will ihn auf der Schaufel dreimal in den Backofen
-schieben, dann geratet er. Und gespieben hat er auch schon. Speibendes
-Kind, bleibendes Kind!«
-
-Der Isidor ließ im Wirtshaus noch einen gezuckerten Wein auftragen,
-wie ihn die Weiber gern mögen, hernach schickte er die zwei mit dem
-Lebendigen und den Toten heim.
-
-Er selber trollte erst spät seinem Hof zu.
-
-Vor der Kapelle rastete er. Der Mond lugte glashell hinein.
-
-»Blaumantel, ob du schon schlafst?«
-
-Der hölzerne Heilige drin redete nicht und deutete nicht.
-
-»Geh, reck die Nase her und schnupf, heiliger Blaumantel!« spottete
-Isidor. Er tappte sich zu dem Heiligen hin und schüttete ihm das
-Tabakglas in den Bart.
-
-Da nieste es auf einmal so schrecklich auf, daß die Kapelle zitterte.
-Mit schlotternden Knieen floh der Bauer. Und eine grobe Stimme schrie
-hinter ihm her: »Du wirst deine Schnutel, deine Schnufel nimmer lang
-tragen!«
-
-Was der beleidigte Heilige geweissagt hatte, das geschah. In ein paar
-Jahren starb dem Isidor Dullhäubel die Nase am lebendigen Leib ab, wie
-eine Blume an der grünen Staude verwelkt, und weil er hörte, daß die
-alten Ritter, wenn ihnen die Hand abgehauen worden war, sich für die
-fleischene eine eiserne an den Arm hatten schnallen lassen, so suchte
-er einen Kupferschmied heim, und der setzte ihm eine kupferne Nase
-zwischen die Augen.
-
-Doch das Leben freute ihn nimmer, seit er nimmer schnupfen konnte, und
-er vergaß es dem Blaumantel nicht, daß er ihn um das eindringlichste
-Ergötzen seines Lebens betrogen hatte; schimpfend stampfte er an ihm
-vorbei und rückte den Hut nimmer.
-
-Als der Kasper so hoch wie der Stubentisch war, und sich schon selber
-die Tür auftun konnte und ganz listig schon aus den engen Augen
-herauslugte, da stellte der Bauer ihn vor die Kapelle und schalt
-unflätig hinein. So keimte in dem kleinen Kasper ein Widerwille auf,
-und der wuchs, als die Altbäurin Sodonia dem Buben, wenn er etwas
-Schlechtes getan, mit dem Zorn des Heiligen drohte und diesen als
-Vorbild eines wohlgefälligen Wandels hinstellte.
-
-Die Alte rüstete den Heiligen mit der Pracht der wunderlichsten Wunder
-aus und dichtete ihm alle Gewalt über Himmel, Hölle und Welt zu, so daß
-der Herrgott, an ihm gemessen, nur ein ohnmächtiger Schatten schien.
-Vor seinem Zauber wurde der Gichtbruch tanzend und wanderte der Lahme,
-versiegte alles Gebrest; Stumme lobsangen ihn, Blinde wurden geheilt an
-dem Schimmer seines blauen Mantels.
-
-Der Kasper lehnte oft vor der Kapelle und staunte voll Angst und Trutz
-hinein.
-
-Am Bach, in dem gemauerten Häuslein, hinter der Gittertür geborgen vor
-Regen und Schnee, hatte der Heilige seinen Unterschlupf. Mit krausem,
-rotem Schädel, mit strengen, quellenden Augen und langer Nase stand er
-drin, das Haupt geneigt unter der Last des Heiligenscheines, am Kinn
-angeleimt einen fuchsfarbenen Bart aus Menschenhaar, den Mund weit
-offen und die Arme abwehrend von sich gestreckt, als seufze er: »Gott,
-hüt mich frommen Bruder vor dieser Welt!«
-
-»Dein Guckähnel hat ihm einmal frevelmütig den Bart gestutzt, aber
-gleich ist er ihm wieder nachgewachsen, dem Heiligen,« erzählte die
-Sodonia dem Buben.
-
-»Warum ist er denn heilig?«
-
-»Weil er in einem Felsenloch gehaust hat sein Lebtag.«
-
-»Da ist der Fuchs auch ein heiliger Mann, der schlaft auch in einem
-Steinriegel hinter der Mühl.«
-
-»Ein Vieh ist nit heilig,« sagte die Altbäurin verdrossen.
-
-Der Kasper faltete die Stirn. »Woher ist der Blaumantel gekommen? Hat
-er sich die Kapelle selber gebaut?«
-
-Sie zog den Buben auf den Schoß und erzählte: »Gar überlang ist es
-schon her, da haben die Hirten den hölzernen Heiligen in einem hohlen
-Baum gefunden, da auf der Stelle, wo er jetzt steht. Sie haben ihn
-nach Blaustauden geschafft und dort auf den Altar gestellt, aber er
-ist davon und wieder zurück in seinen Baum. Jetzt haben sie ihn in die
-Stadt gebracht, daß er nit in einen so langweiligen Einöd trauern müßt,
-sondern ein paar ansehnliche Heilige um sich hätt, und daß er sich dran
-gewöhnt, haben sie ihn in der ersten Nacht in eine Truhe unter Schloß
-und Eisenband gelegt, und der Pfarrer und der Meßner haben sich darauf
-gesetzt, daß der Vogel nit ausfliegt. Aber der Blaumantel hat die Truhe
-gesprengt, Pfarrer und Meßner über den Haufen geworfen, und ist wieder
-zurück in die Heimat. Er hat wollen in der Wildnis geehrt werden, wo er
-gebetet und gebüßt hat. Da hat man über ihn die Kapelle gebaut.«
-
-Der Kasper schielte mit den verzwinkerten Äuglein hinauf. »Mir hat aber
-der Vater gesagt, die Fuxloher hätten den sakrischen Blaumantel auf der
-Wallfahrt gestohlen, daß sie einen wohlfeilen Heiligen hätten. In einem
-Sack hätten sie ihn daher gebracht.«
-
-»Sei still, Bub,« warnte die Altbäurin, »sonst straft er dich auch.
-Denk an dem Bauer seine Nase!«
-
-»Meiner Nase darf er nix tun,« trotzte der Kasper.
-
-»Still, still! Sonst kommt gar der Gankerl, steckt dich in den rußigen
-Kessel, bratet dich, frißt dich.«
-
-Es war, als würde dem Buben die kecke Rede vergolten, denn nach ein
-paar Tagen wuchs ihm auf der Nasenspitze eine Warze, die ihm gar nicht
-gut zu Gesicht stand. Das wurmte die Altbäurin, der an des Kasper
-Sauberkeit gelegen war, aber das Hörnlein blieb, wie oft es auch mit
-Wolfsmilch und mit Warzenkraut betupft, mit Fensterschweiß gewaschen
-und mit Roßhaar gedrosselt wurde. Es frommte nicht heißes Schusterpech,
-und als die Sodonia den Mißwuchs gar mit Zunder wegbrennen wollte,
-brüllte der Bub entsetzlich und ließ keinen mehr an sich heran.
-
-Da kam die Ulla daher, ein buckliges Bettelweiblein mit einem
-kleinwinzigen Kopf, drin ein Hirn kaum Platz zu haben schien. Ihr
-spitzes, haariges Kinn schlotterte, geschäftig drehte sie sich in der
-Stube hin und her und knüpfte mit einem Faden fünf Knoten über der
-Warze des Kasper, der sich wie verhext unter dem sonderbaren Tun des
-Weibleins duckte. Nachher betete sie fünf Vaterunser und murmelte
-noch ein Heimliches in sich hinein, daß den Buben ein Grausen anflog.
-Schließlich humpelte sie hinters Haus, und wo die Tropfen vom Dach in
-die Erde schlugen und eine Rinne gegraben hatten, dort verscharrte sie
-den Faden.
-
-Als der Mond neu wurde, war die Warze verschwunden, und der Kasper war
-ein sauberer Bub mit blühroten Wangen, großem, kugelrundem Kopf und
-flinken Füßen.
-
-Die Ulla aber fürchtete er noch mehr als den Erdspiegel, der im Keller
-unzugänglich verschlossen lag. Oft stahl er sich zu der verfallenen
-Hütte der Alten und belauschte sie, wie sie zwischen den Felsen wilde
-Kräuter brockte und eintrug, wie sie mit den Raben redete und den
-Schlangen oder einer Staude etwas sagte oder gar einem Stein.
-
-Sonst war er ein Waghals. Er ritt auf den Ochsen und Rössern, kletterte
-auf die Tannen hinauf bis zur höchsten Spitze, rannte über den
-Dachfirst, wo der Hauslauch grünte, und niemals stieß ihm ein Unglück
-zu.
-
-Nur einmal blieb ihm eine Bohne in der Nase stecken, sie wollte nicht
-heraus und keimte schon.
-
-»Sie wachst dir ins Hirn, Kasper,« jammerte die Altbäurin. »Der
-Blaumantel wird dich ganz gewiß an der Nase verderben lassen. Ich seh
-dich schon verkupfert.«
-
-Der Bauer aber klemmte den Kasper zwischen die Kniee und drückte ihm
-das Gesicht in eine Hand voll Tabak hinein. Da riß es dem Buben den
-Kopf in die Höhe, er nieste sprühend, und die Bohne flog aus der Nase
-an die Wand.
-
-Jetzt haßte der Kasper den Blaumantel. Den heilsamen Tabak aber
-begehrte er, und bald wußte er sich aus des Vaters ungenütztem Vorrat
-den bräunlichen Staub zu verschaffen, der das Hirn so lieblich kitzelt
-und erfrischt und das ganze Blut riegelt, wenn der Niesreiz von
-inwendig her an die Nase herankriecht und schallend zerstäubt.
-
-Weil der Kasper gar so waghalsig und ungebärdig aufwuchs und von den
-Wipfeln schier nimmer herunter zu kriegen war, wo er die Krähennester
-ausraubte, sorgte sich die Sodonia um des Enkels leibliches Wohl und
-Seelenheil und fürchtete, er schlage allzusehr in die Art der Vorfahrer
-am Dullhäubelhof.
-
-Drum meinte sie zur Bäurin: »Du, Sanna, wir müssen den Daumen mehr auf
-den Buben halten, daß er nit ausartet. Er hat nit Rast, nit Ruh, wie
-aus Schlangenschwänzen ist er zusammgesetzt. Er zerreißt zu viel Hosen.«
-
-Die Bäurin gähnte: »Das tut nix. Der Schneider bittet auch ums tägliche
-Brot.«
-
-Die Alte ließ nicht nach. »Der Kasper hat ein gutes Gemerk, wir sollten
-ihm einen Schulmeister halten. Der Brunnkressenhannes wär ein gelehrter
-Mann.« --
-
-Da fand sich der Brunnkressenhannes im Hof ein.
-
-Er war ein magerer, krummhälsiger Gesell, der den Bauern gegen einen
-Jahrlohn das Vieh hütete. Auch bekam er alljährlich von der Gemeinde
-ein neues Kuhhorn, und er prahlte oft, zu seinem Begräbnis brauche er
-keine Musikanten, da würden alle Hirten aus dem Gebirg kommen und auf
-den Hörnern, die in seiner Kammer hingen, ihm zu Grabe blasen.
-
-Jetzt aber fragte ihn der Isidor Dullhäubel: »Hannes, kannst du
-schreiben und lesen und rechnen?«
-
-»Und singen auch,« nickte der Hannes stolz.
-
-»Du sollst das alles unserm Kasper in den Kopf bringen. Triffst du das?«
-
-Der Hirt bäumte sich auf. »Das vermag ich wohl. Ich hätt schier selber
-in der Stadt die Schulmeisterprüfung hingelegt.«
-
-»Warum hast du es nit getan?«
-
-»Ei, da haben mich die Herren von der Schulmeisterschul gefragt,
-was ich vom Specht wüßt. Ich hab langmächtig hin und her gedacht,
-und zuletzt hab ich zugeben müssen, daß mir derselbige Specht ganz
-unbekannt ist und daß ich ihnen überhaupt nix davon erzählen kann,
-und wenn sie mich erschlagen. Da hat mich einer erschrecklich scharf
-durch die Augengläser angeschaut und hat auf die Tür gedeutet. ›Behüt
-Gott! Ich geh gern,‹ sag ich. Und wie ich glücklich draußen bin, steht
-einer dort, der ist aus der Blaustaudner Pfarrei gewesen. ›Du,‹ sag
-ich, ›hörst, jetzt gesteh mir auf dem Fleck, was ist denn das -- ein
-Specht?‹ ›O du lieber Landsmann,‹ schreit der, ›du wirst doch schon
-einmal einen Baumhackel gesehen haben?!‹ Nein, Dullhäubel, wenn ich
-gewußt hätt, daß der Baumhackel in der Stadt sich Specht schreiben
-laßt, den ganzen Tag hätt ich den studierten Herren davon erzählen
-können.«
-
-Der Dullhäubel holte den Hirschenbrunner Volkskalender vom
-Fensterbrett, schlug ihn vorn auf und hielt ihn dem Hirten hin. »Jetzt
-will ich mich überzeugen, ob du gut lesen kannst.«
-
-Der Brunnkressenhannes holte aus der Brusttasche eine Brille herfür,
-rüstete sich damit und setzte ein gelehrtes Gesicht auf.
-
-»Mit Brillen lesen, ist keine Kunst,« rief der Bauer. »Das trifft ein
-jeder.«
-
-Der Hannes kehrte sich nicht dran und las langsam und gewichtig: »Sankt
-Kilian stellt die Mäher an. Wann Maria im Regen übers Gebirg geht, dann
-geht sie im Regen wieder zurück.«
-
-Schnell deutete der Dullhäubel auf eine Eintragung, die auf der andern
-Seite stand. »Ob du die Schrift auch verstehst?«
-
-Der Brunnkreßner wischte mit dem Ärmel über die Nase und las: »Am
-Montag nach Mariä Himmelfahrt ist der Kasper auf die Welt kommen. Den
-Tag hernach ist unsere gelbfleckete Kuh, die Docke, beim Stier gewesen.«
-
-»Selbes ist wahr,« freute sich der Bauer, »meine Mutter hat das
-geschrieben. Die Zeit stimmt.«
-
-Nun schlug er den Kalender hinten auf und hielt ihn lauernd dem Hirten
-hin.
-
-Der las: »Viehmärkte in Hirschenbrunn sind zu Georgi, am Tag vor Peter
-und Pauli, zu Ägidi und zu Martini.«
-
-Der Isidor wunderte sich über die Maßen. »Sakerment, wahr ist es,
-vorn und hinten kann er lesen. Aber, Hannes, ich muß dich noch mehr
-versuchen.«
-
-Er rannte davon und kam nach einer hübschen Weile mit einem andern
-Kalender zurück.
-
-»Den hat mir der Mußmüllner geliehen, es ist ein Linzer Stadtkalender.
-Ob du den auch verstehst?«
-
-»Das wär nit schlecht.«
-
-Der Hannes las, worauf des Dullhäubel derber Finger zeigte: »Ein Bauer
-begehrte einen Viehpaß. Der Schreiber fragte: ›Auf wieviel Ochsen?‹ --
-›Auf Zwei‹. -- ›Und der dritte treibt sie‹, lachte der Schreiber. --
-›Und der vierte schreibt sie‹, lachte der Bauer.«
-
-»Sakerment, ist das eine schöne, kurze Geschichte. Und ist sie auch
-wahr? Und steht das wirklich so drin?« staunte der Dullhäubel.
-
-»Ganz genau, ich beschwör dir es. Tausend Schwüre leg ich darauf ab in
-einer Viertelstund!«
-
-»So kannst du also einen jeden Kalender lesen vorn und hinten?«
-
-»Oben und unten, geschrieben und gedruckt,« sagte der Hirt.
-
-»Sakerment, wenn du jetzt noch die Gitarr zupfen könntest, du könntest
-um die größte Schul einreichen,« meinte der Bauer.
-
-Damit war der Brunnkressenhannes als Schulmeister aufgenommen. --
-
-Am andern Tag hütete der Hannes auf der Weide vor dem Vogeltänd das
-Vieh. Das Kuhhorn im Gürtel, saß er auf einem Stein, und vor seinen
-Zehen brannten die feurigen Nägelblumen. Rings graste das Vieh, ein
-rotblümetes Stierlein scherzte, ein Heuschreck hüpfte aus dem Gras auf.
-Am Himmel glänzte eine linde Wolke.
-
-Da brachte der Isidor Dullhäubel seinen Schüler daher.
-
-»Er wird bei mir Zucht lernen,« rief der Brunnkressenhannes. »Gute
-Zucht tragt gute Frucht. Da setz dich her zu meinen Füßen, Kasper!«
-
-Er räusperte sich und fing an: »Zuerst müssen wir von der Welt lernen.
-Drum merk auf, und sag es mir dreimal nach: Die Welt ist eine Kugel.«
-
-»Oha!« schrie der Bauer, der zuhörte. »Weitaus gefehlt! Die Welt ist
-ein Teller.«
-
-Der Hannes bog den krummen Hals und sah den Dullhäubel scheel an.
-Nachher begann er wieder: »Du kannst es mir glauben, Kasper! Die Welt
-ist so rund wie dein Schädel.«
-
-Betroffen tastete der Bub seinen Kopf ab, als wolle er den rechten
-Begriff von der Gestalt der Erde gewinnen.
-
-Derweil widerstritt der Bauer: »Alles ist gerad und eben. Wo sieht man
-es denn, daß die Welt kugelrund ist? Wenn es so wär, müßt man ja auf
-der Seite hinunterfallen. Bucklet ist die Welt, aber rund nit.«
-
-»Die Welt ist rund wie eine Kegelkugel und dreht sich,« sagte der
-Brunnkressenhannes scharf und unwillig. »Schwätz mir nix drein, Bauer!«
-
-Der Isidor erwiderte: »Wenn die Welt sich dreht, müßt einmal das Wasser
-aus dem Brunn fallen, du Aff du! Und mit dem Kopf nach unten müßt man
-zeitweilig gehen, du Aff du! Stell dich einmal auf die Stubendecke
-hinauf, du Aff du, und fall nit herunter!«
-
-Der Hirt ward hitzig. »Und dennoch dreht sich die Erde um die Sonne!«
-
-Da holte der Bauer weit aus und reichte dem Hannes einen schallenden
-Hieb. »Ich vertrag viel, aber so arg laß ich mich nit narren, du
-falscher Lügenteufel. Hab ich es doch erst heut wieder gesehen, wie
-die Sonn aus der Erd heraus gerodelt ist! Und die Sonn steht nit, sie
-geht; doppelt so geschwind geht sie wie ein Mensch.«
-
-Der Hannes rieb sich die Wange. »Du bist ein grobes Wetter, Bauer.
-Aber es hilft dir nix. Und die Gelehrten wissen allerhand, was dir
-seltsam ist, und sie haben recht. Wie könnten sie sonst die Stund genau
-ansagen, wo sich der Mondschein verfinstert?«
-
-»Das nehmen sie ja aus dem Hirschenbrunner Kalender, du Narr!«
-
-»Und wer macht denn den Kalender, he?«
-
-»Den Kalender hat es allweil gegeben, du Narr. Hör mir auf mit deinen
-neugescheiten Gelehrten! Die wissen am End gar, wann Gott die Welt
-erschaffen hat.«
-
-»Jawohl, Bauer, am dreizehnten März.«
-
-Da schlug der Isidor Dullhäubel ein Kreuz, daß er sich dabei schier die
-kupferne Nase aus dem Gesicht gerissen hätte, und ging und überließ den
-Kasper seinem Schulmeister.
-
-Der hob den Finger. »Jetzt, Bub, mußt du einen Spruch lernen. Sag mir
-ihn nach!
-
- Kind, horch, was dein Gewissen spricht
- und handle so, dann fehlst du nicht!
- Die innre Stimme ruft uns zu:
- Böses meide! Gutes tu!«
-
-Zeile um Zeile drillte er dem Schüler ein, und der konnte es bald
-auswendig.
-
-»So, jetzt lernen wir Lieder singen!«
-
-Der Hannes zog das Maul schief, sah ins Gras und begann mit meckernden,
-hohen Lauten:
-
- »Morgens, wenn die Sonn aufgeht
- und der Tau im Gras da steht,
- treib ich mit verliebtem Schall
- meine Viehlein aus dem Stall
- auf die grüne Hutweid hin,
- ob ich gleich ein Hirt nur bin.«
-
-»Nun, Kasper, wie gefallt dir das Lied? Es hat eine recht sittsame
-Weis.«
-
-»Gar nit gefallt es mir,« rief das Bauernbüblein.
-
-»Du Lump, du fauler, du geringschätziger!« tadelte gekränkt der Hannes.
-»Du wirst auch einmal so ein Bauer werden, der alle Tag Sonntag und
-alle Sonntag Kirchweih hat und nix tut, als an den Zäunen lehnen. Weißt
-du vielleicht ein schöneres Lied?«
-
-Der Bub ließ es sich nicht schaffen und gellte aus höchstem Hals:
-
- »Ich schrei hü,
- ich schrei ho,
- ich schrei allweil
- hüstaho!«
-
-»Da loset dem jungen Dullhäubel zu, der braucht keinen Schulmeister
-nimmer,« sagte der Hirt bissig.
-
-Er kramte einen messingenen Ring heraus, das war seine Sonnenuhr,
-stellte sie gegen das Licht und sah nach der Stunde.
-
-»Bub,« meinte er, »meine Zeit ist da, mich schläfert. Nimm derweil das
-Vieh in acht!«
-
-Er unterwies den Kasper noch, wie er sich als Hirt zu halten habe,
-verblümelte dabei seine Rede mit vielerlei nutzbaren Sprüchen, sank
-dann auf einmal steif und mit gläsernen Augen ins Gras zurück und
-schlief.
-
-Der Kasper kümmerte sich nicht um das Vieh, sondern kitzelte die
-Grillen aus ihren Nestern, und hernach fing er ein paar Bienen, sperrte
-sie in ein Schachtel, und die war der Stall, dort sollten sie Honig
-melken. Dann grub er ein tiefes Hummelnest aus. Eine Hummel entkam
-ihm und irrte herum wie ein fliegendes Baßgeiglein, eine andere aber
-ertappte er und steckte sie zu den Bienen, denen sollte sie der Weisel
-sein. Auch die Hummelzellen gab er ihnen in den Stall, sie sollten
-sich ihrer als Schüsseln und Bratscherben bedienen.
-
-Bald war sein unruhiger Sinn des stillen Spieles überdrüssig, und er
-schlich sich zu zwei weidenden Kühen hin und knüpfte ihnen die Schwänze
-zusammen, und als er hernach böse zu summen anhob wie eine Blutfliege,
-wurden die zwei Tiere vor Angst irr, sie wollten fliehen und konnten
-nicht, sie versuchten sich zu scheiden, und es gelang nicht, das eine
-zerrte hin, das andere zog her, sie sprangen immer närrischer.
-
-Der Kasper ergötzte sich daran, und daß seine Lust noch höher steige,
-stahl er dem Hirten das Horn und stieß mit aller Wut seines Atems
-darein.
-
-Der Brunnkressenhannes taumelte auf. Er sah, wie die Kühe mit
-verknüpften Schwänzen, die eine rechts, die andere links, einen jungen
-Ahorn schier umrissen. Verzweifelt griff er sich ins Haar, das so karg
-stand wie der armen Leute Hafer.
-
-»Herrgott von Blaustauden, laß nur die Schwänze nit reißen!« Mit diesem
-und noch manch anderem Stoßgebet rannte er den Kühen zu Hilfe.
-
-Da tauchte der Meßner Grazian aus einer Staude, ein spitzköpfiger,
-einseitiger Mann; die eine Achsel stand ihm höher als die andere. Er
-deutete mit krummem Finger auf den Kasper. »Das ist ein liederlicher
-Bursche. Der wird es zu nix bringen.«
-
-Der Bub blies mißtönig auf dem Stengel einer Ringelblume und schaute,
-kalt bis ins mittelste Herz, zu, wie der Hannes die ungeduldigen Kühe
-auseinander tat.
-
-»Dem liederlichen Burschen wird es einmal schlecht gehen,« weissagte
-der Meßner Grazian, »der wird noch einmal Mäus und Grillen fressen.«
-
-Indes hatte der Hirt sein umständliches Amt vollbracht und fiel nun
-mit einem heimtückischen Sprung über den Kasper her, lieh sich dessen
-Ohrwäschlein aus, tappte ihm nach dem Schopf und riß ihm eine dicken
-Schübel Haare aus. Dabei keuchte er: »Dank hab die Rut, sie macht das
-Knäblein gut!« und der Kasper sollte den Spruch wiederholen. Der aber
-stampfte und strodelte unter den Krallen seines Meisters und krähte wie
-ein junger Rabe, der aus dem Nest gefallen ist.
-
-Der Grazian hingegen predigte aus der Staude heraus: »Der liederliche
-Bursche rennt dem Galgen zu, er kann ihn nimmer erwarten. Hau zu,
-Hannes! Hau so viel Ruten an ihm ab, als auf einem Joch wachsen!« --
-
-Damals endete das kurze Schulmeistertum des Brunnkreßners.
-
-Der Isidor Dullhäubel nahm seinen Buben her. »Kasper, du wirst ein
-großer Bauer wie ich. Du wirst einmal Vieh und Felder und Holz haben.
-Holz macht die Erde stolz, und du kannst einmal stolz den Kopf heben,
-und die andern Fuxloher Bauern werden nur Notleider gegen dich sein.
-Lernen sollst du nit viel, es ist nit gesund. Wer viel weiß, wird nit
-feist.«
-
-»Zum Hannes geh ich nimmer,« trotzte der Bub.
-
-»Du brauchst auch nit, Bub. Die richtige Meinung über die Welt bring
-ich dir bei, und lesen und schreiben lernst du von der Altbäurin.«
-
-Es war die lustigste Lehrzeit, die der Kasper bei seinem Vater
-verlebte. Weil der Bauer glaubte, das Gedächtnis sei die wichtigste
-Arbeit des Gehirns, so mußte der Bub die scheckigsten Lügenmärlein
-auswendig lernen, davon die Geschichte vom brennenden Wasser, das mit
-Feuer gelöscht worden ist, und von der papierenen Kapelle, drin der
-hölzerne Pfarrer eine haselne Messe liest, noch am glaubwürdigsten
-war. Hernach brachte der Dullhäubel seinem Schüler, der lebhaft wie
-ein Hirschlein darein sah, manchen Spottreim und manchen spitzigen
-Stichelschwank bei und erzählte ihm die Streiche, derer die Dörfer
-diesseits und jenseits des Gebirges bezichtigt wurden, und bald wußte
-der Kasper jedem Ort ein Narrenglöckel anzuhängen, und er spottete über
-die Bärnloher, denen einmal ein Ochs auf den Kirchturm hinaufgestiegen
-war, und über die Daxloher, wo die Kühe so bitterlich hungern, daß eine
-der andern den Schwanz abfrißt. Quackten im Mai die Frösche, so lachte
-der Kasper: »Die Grillnöder singen!« Und wenn die Blaustaudner Glocken
-über den Wald herauf klangen, sang er:
-
- »Die Blaustaudner läuten,
- sie läuten vor Not,
- sie fangen den Bettelmann
- und nehmen ihm's Brot.«
-
-Der Bub konnte auch bald so kunstvoll mit der Peitsche schnalzen wie
-ein alter Fuhrknecht. Er schob die Finger ins Maul und pfiff schrill,
-daß es den ganzen Wald Vogeltänd durchdrang und die Krähen in den
-Nestern sich duckten.
-
-Weil er den Großen und den Kleinen seine Sprüche und Stichelnamen
-anhängte, traute sich schier niemand am Dullhäubelhof vorüber, und der
-Kasper war von allen gefürchtet wie ein bissiger Enterich. Drum fand
-er auch zu seinen Spielen keinen Gesellen.
-
-Nur des Mußmüllers Gid, ein stämmiger, vertrotzter Bub, vertrug
-sich mit ihm, und die zwei bauten Wasserräder in den Wolfsbach,
-durchstöberten die Felder nach gesprenkelten Rebhuhneiern und die
-Wipfel nach Nestern, fingen Schnerrer und Kranwitvögel, brieten und
-fraßen sie, fischten und krebsten, schopften und prügelten sich
-weidlich und söhnten sich wieder aus.
-
-Die Nachbarsbuben waren bald nimmer zu trennen. Und kam einmal der
-Gid nicht früh genug aus dem Haus, so stellte sich der Kasper vor des
-Müllers Tür und lockte mit seiner feinsten Kehle durchs Schlüsselloch
-hinein: »Müllnerin, wenn du den alten Mostbirnbaum magst, mein Vater
-laßt dir ihn ausgraben. Ist der Gid nit daheim?«
-
-Er tat so fein und so schmeichelnd, weil die Mühle der einzige Ort auf
-der Welt war, der ihm unheimlich schien. Denn der Müller Gori drohte
-oft den unbändigen Buben: »Ich laß den Wassermann los, er liegt in der
-Kuchel im Ofenloch an der Kette.« Und sprang gar der schwarze Hund
-Zikan, den einmal böhmische Komödianten zurückgelassen hatten, hinter
-dem Ofen hervor und fletschte den Kasper an, da verzog er sich schnell
-und blieb eine kleine Weile artig.
-
-Aber das Blut der Buben verlangte allmählich nach verwegeneren Dingen,
-und die vererbte Rauflust regte sich. So zogen sie oft an die Gemarkung
-des Dorfes und forderten schreiend die Widersacher heraus.
-
- »Salz in der Butten,
- Mehl in der Gruben,
- die Grillnöder sind
- Hagbutzelbuben.«
-
-Die Grillnöder Buben litten den Schimpf nicht, und sie trauten sich
-über die Schmäher, und so kam es zu zerkratzten Gesichtern, verbeulten
-Schädeln und blutigen Häuten, wobei aber der Kasper meist gesund
-davonging, denn er hielt sich zur rechten Zeit zurück und überließ den
-Hauptanteil an dem Streit dem Gid.
-
-Der Müllerbub war auch weitaus stärker als Kasper. Nur im Gedächtnis
-fehlte es ihm.
-
-Einmal schickte der Mußmüller seinen Gid zum Schuster, und dort
-richtete der Bub den Auftrag ganz verkehrt aus. »Gelobt sei Jesus
-Christus, Schuster,« sagte er, »da schickt dir der Schuh ein paar
-Müllner, er laßt dich gar schön doppeln, daß du ihn bitten tätst, und
-daß du ihm morgen die Schuh machst, er will sie heut noch anlegen.«
-
-Als der Kasper das erfuhr, kannte er die verdrehte Rede gleich
-auswendig, und er schonte den eigenen Freund nicht und sagte sie ihm
-allweil wieder ins Gesicht, so daß oft bitterer Unfriede wurde zwischen
-den Buben und zwischen den Vätern, denn keiner, der Dullhäubel nicht
-und der Mußmüller nicht, ließ etwas über seinen Sprößling kommen.
-
-Bald traute sich der Kasper mit seinen Schwänken an die großen Leute.
-
-So saß einmal der Schmied mit seinem Gesellen beim Mittag, die Suppe
-rauchte, und das Weib schnittelte Brot in den Topf. Da sprang der
-Kasper in die Stube und schrie: »Schmied, helft, helft, euer Brunn
-brennt!« Hurtig rannten Meister und Meisterin und Gesell hinaus zum
-Brunnen, und als die Genarrten zurück kamen und alle Sakermenter
-schalten, stand ein Ochs in der Stube, der hatte die Suppe ausgesoffen
-und leckte sich noch die Nasenlöcher. »Den Hammer her!« brüllte der
-Schmied. Er hätte das Bürschlein mit den Ohren vor seine Werkstatt
-genagelt, wenn es nicht gar so entsetzlich um Erbarmen gebettelt hätte.
-
-Der Kasper lernte dazumal, daß die Leute alles und auch das
-Unglaublichste glauben, man braucht es ihnen nur zu sagen.
-
-Derlei Unfug trieb er noch viel. Der Bauer litt es und nahm lachend den
-Missetäter in Schutz. Ein einziges Mal nur vergriff er sich an ihm.
-
-Die Grillnöder Buben brachten dem Kasper einen seltsamen Schimpf auf.
-»Erdspiegelbub! Erdspiegelbub!« kreischten sie und zeigten auf ihn. Er
-konnte sich nicht wehren, weil er nicht wußte, was das Wort bedeutete.
-
-Der Brunnkressenhannes sagte ihm hernach, daß im Dullhäubelhof in
-einem schauerlichen Loch neben dem Krautkeller der Spiegel aufbewahrt
-sei, drin alles offenbar werde, und in dessen Glas jeder Dieb und
-Räubersknecht sich zeigen müsse, wenn es der Bauer verlange.
-
-Er erzählte: »Vor alter Zeit ist mein Ähnel einmal durchs Gehölz
-gefahren. Plötzlich geht der Wagen nimmer vom Fleck. Die Ochsen legen
-sich ins Joch, daß sie züngeln und der Schweiß ihnen rinnt wie ein
-Bach, der Ähnel haut mit dem Geißelstecken auf das arme Vieh los,
-umsonst, der Wagen steht wie angefroren. Da nimmt er vor lauter Zorn
-die Axt und haut sie ins Hinterrad. Gleich rollt der Wagen wieder
-fort, als ob nix gewesen wär. Wie der Ähnel hernach zum Dullhäubelhof
-kommt, hört er es drin ächzen. Er schaut nach. Da liegt der Servaz
-Dullhäubel blutig im Keller bei dem Erdspiegel und sein Fuß abgehackt
-neben ihm. Der Servaz hat in dem Glas meinen Ähnel fahren sehen, hat
-ihm einen Possen tun wollen und den Fuß aufs hintere Rad in den Spiegel
-gestellt. Und wie mein Vorfahr dreingehaut hat, hat er dem Servaz den
-Fuß abgehackt. Er soll hernach krumm gegangen sein, der Servaz.«
-
-Der Kasper schlich sich am selben Tag noch in den Keller. Aber die
-Tür zum Erdspiegel war vernagelt, und als er sie aufsprengen wollte,
-ertappte der Bauer den neugierigen Buben und legte ihn übers Knie.
-
-Das war das erste und letzte Mal, daß der Kasper des Vaters Faust
-spürte.
-
-Als die Sodonia den Enkel in solchen Ränken und Schwänken aufwachsen
-sah, kränkte sie sich arg. Sie machte sich wunderliche Gedanken über
-ihn und fürchtete sogar eine Zeitlang, der Kasper sei ein Wechselbalg
-und in der Wiege vertauscht worden, und darum habe er auch einen gar
-so großen Kopf und ein so boshaftes Gemüt, und sie bereute, daß sie ihm
-nicht gleich nach der Geburt Märzhasenaugen um den Hals gehängt hatte,
-den höllischen Tausch zu hindern.
-
-Nun wollte sie seinem Übermut stauen, indem sie ihm die ewigen Leiden
-vorhielt. Sie blätterte mit ihm durch des Kapuziners Cochem »Goldenen
-Himmelsschlüssel« und wies ihm drin die Bilder, wie die Sünder am
-Bratspieß des Teufels gespickt wurden und ihnen der Leibhafte mit
-feuriger Axt das Fleisch vom Bein metzgerte und das Glied aus dem
-Gelenk riß, wie Nattern mit giftigen Zungen die Verdammten mitten ins
-Herz stachen und schleimige Kröten ihnen ins Maul krochen, und wie ein
-derart gepeinigter Mensch sich nicht helfen und nicht wehren konnte,
-zumal da er durch den Bauch an den Erdboden genagelt war.
-
-In des Vaters Cochem Höllenspiegel gilbten dürre, duftende Nußblätter.
-Die Sodonia ließ den Buben oft daran riechen und sagte dazu traurig:
-»Die Blätter wachsen nit in Fuxloh, sie wachsen in einem Land, wo die
-Leut milder sind.« Die Alte hatte aus einem fernen Dorf aus dem Vorland
-des Gebirges herauf geheiratet.
-
-Obschon der Kasper sich in der Nacht abergläubisch fürchtete, am
-lichten Tag schreckte ihn der Ahnin Warnung nicht, daß auch er einmal
-in den Höllenkessel hinabquirlen und drunten brennen und braten
-müsse. Er wurde im Gegenteil immer begieriger, die marterlichsten und
-verwickeltsten Peinen des Satans kennen zu lernen, als wolle er diesem
-einstmals als gelernter Gesell behilflich sein. Das merkte die Sodonia
-mit blutendem Herzen, und sie hakte bald den Höllenspiegel zu und malte
-den Teufel nimmer an die Mauer.
-
-Der Kasper schlief in ihrer Kammer, und wenn er nachts aufkam, sagte
-sie mit ihm das Einmaleins auf, um ihn von bösen Gedanken abzuhalten,
-und lehrte ihn kopfrechnen. Auch die Schrift brachte sie ihm bei, und
-beim Lesen zeigte er sich recht anstellig, dabei aber geschah der große
-Fehler, daß das abgegriffene Buch, darin er lesen lernte, »Die lustigen
-Streiche des Till Eulenspiegel« hieß.
-
-Die einzige Hoffnung der Sodonia war, daß der mißratene Mensch sich
-schon geraderecken werde, wenn er einmal die Lehren des Glaubens aus
-berufenem Mund hören werde.
-
-Und es kam die Zeit, da versammelte der Pfarrer Sebastian Knaupler die
-Fuxloher Kinder vor der Kapelle des Blaumantels, um sie für die erste
-Beicht würdig vorzubereiten. Er lehrte sie die himmelschreienden und
-die lässigen Sünden hersagen, erzählte ihnen die biblischen Geschichten
-und münzte, was er da an geistlichen Dingen vorbrachte, in fröhlichen
-und handgreiflichen Augenschein um.
-
-Also hob er, als er von der Sündflut erzählte, die Kutte immer höher
-und höher, damit das steigende Wasser recht anschaulich den Kindern
-ans Herz schwölle, kletterte schließlich, von den Buben gehoben, auf
-die Kapelle, das wachsende Meer zu verdeutschen, und rang droben die
-Hände. Dem Häuflein drunten ward angst, mit weiten Augen schauten sie
-zu dem geistlichen Herrn auf und in ihren Hirnen dämmerte der Umfang
-des Strafgerichtes.
-
-Da riß ein Lärm die kleine Gemeinde aus den Schauernder Sündflut in das
-alltägliche Fuxloh zurück.
-
-Der Brunnkressenhannes, der dem Pfarrer Sebastian Knaupler das
-schulmeisterliche Amt neidete, sah von der Viehweide nieder, tutete und
-näselte:
-
- »Auf der Wies und auch am Klee
- ich so lange umher geh,
- bis sich laßt ein Brünnlein finden,
- daß mein Vieh daraus kann trinken,
- allda setz ich mich in Ruh,
- nehm die Schwegel, pfeif dazu.«
-
-Wie neugierige Gänse reckten die Kinder die Hälse und lauschten dem
-Störer. Der Pfarrer drohte: »Da alter Grillenkitzler, jetzt halt schon
-einmal das Maul!«
-
-Um die Sinne der Kinder wieder an sich zu reißen und die
-bergüberschwellende Flut in einem verwogenen Bild auszulegen, packte
-er den Ast über sich und schwang sich in die Föhre. Er glitt aber
-dabei aus und stürzte. Zum Glück verhängte er sich mit den Füßen in
-eine Astgabel, die Kutte sank ihm über den Kopf verhüllend nieder und
-entblößte zwei dünne, borstige Beine, die von einem kurzen Lederhöslein
-nur spärlich bedeckt waren. Aus der Kutte heraus flehte er gedämpft um
-Hilfe.
-
-Die Kinder meinten, das gehöre alles zu der biblischen Geschichte,
-drum rührten sie sich nicht, warteten und staunten. Schließlich kam
-der Hannes mit einer Leiter gelaufen und erlöste den Herrn Sebastian
-Knaupler aus seinem absalomischen Zustand.
-
-Der Pfarrer wischte sich den Schweiß. »Kinder, für heut ist es genug.
-Habt ihr alles begriffen?«
-
-Der Kasper hob die Finger in die Höhe. »Ich begreif nit alles.«
-
-»So mußt du mich fragen, kleine Seele!«
-
-Hellauf rief der Bub: »Was für eine Himmelssünd ist das, die
-Unkeuschheit?«
-
-»Die Unkeuschheit,« brummte der Geistliche, »das ist, wenn einer die
-Hosen verkehrt anzieht. Und frag nit zuviel, Bengel, und bet zu deinem
-Schutzengel, er soll dich nit verlassen!«
-
-»An den Schutzengel glaub ich nit,« sagte der Kasper keck.
-
-»Warum nit?«
-
-»Wenn ich einen Schutzengel hätt, so hätt er mir helfen raufen, wie
-mich der Schmied in der Beiz gehabt hat.«
-
-Da fiel der Pfarrer über den Buben her und rüttelte ihn beim Kragen.
-»Du frevelhafter Teufel, wirst du gleich an deinen Schutzengel
-glauben!« --
-
-In der Woche vor dem Freudensonntag beichtete der Kasper zum erstenmal.
-Der Pfarrer spitzte seine Ohren scharf, und der Sünderling wispelte
-hurtig hinein: »Bei der Mußmühl weiß ich ein Nest, sind fünf Eierlein
-drin, fliegt allweil eine Bachstelze hin. Dir sag ich es. Daß du es
-aber niemanden sagst, Pfarrer!«
-
-Der Herr Sebastian Knaupler zog das Schneuztuch heraus und schneuzte
-sich lange. Dann schlug er ein ellenlanges Kreuz in die Luft und
-segnete. »Geh hin, o Mensch, deine Sünden sind dir vergeben!«
-
- * * * * *
-
-Der Kasper ging hin und wuchs sich gemächlich zu einem stämmigen
-Burschen aus, stark und gelenkig. Sein Kopf war noch größer geworden,
-nur die Augen blieben winzig und die Stimme hoch und dünn und kichernd,
-wie er sie als Kind gehabt hatte.
-
-Er plagte sich nicht, mit seiner Arbeit hätte er sich kaum das
-tägliche Brot verdient. Viel lieber schlüffelte er im Dorf umher und
-lauschte überall hin mit offenem Maul und verschlagenem, flinkem
-Blick. Hemdärmlig stand er auf der Kegelstatt und wog und warf die
-Scheibkugel, daß es donnerte.
-
-Die Sodonia verwarnte ihn oft und rieb ihm vor, wie Müßiggang bösen
-Ausgang nehme, besonders bei einer Bauernwirtschaft, er aber pfiff sich
-ein Lied lustiger als das andere, rückte sich den Hut schief und sang:
-
- »Und ein bissel bin ich bucklet,
- und ein bissel bin ich krump,
- und ein bissel bin ich tilltapp,
- und ein bissel bin ich Lump.«
-
-Weil er in der Rede gut beschlagen war und keinem die rechte Antwort
-schuldig blieb, und weil er schier aus lauter schönen Spitzbübereien
-zusammengesetzt war, wählten ihn die Burschen, die im Fasching vermummt
-durch die Dörfer reisten, zu ihrem Hanswurst, und in diesem Amt trug er
-einen strohenen Dreschflegel, einen Spitzhut und ein Kleid, aus hundert
-bunten Flecken närrisch zusammengewürfelt wie seine Seele.
-
-Der Müllergid ging als der Hauptmann voran, ein gefranstes Handtuch als
-Schärpe vor der Brust, auf der Achsel einen Spieß, der sich unter dem
-Speck bog, den sein tolles Gesindel aus den Rauchfängen der lachenden
-Bauern heimste.
-
-Und der Kasper stürzte jäh ins Knie, hob die Hände auf und schrie
-kläglich: »Ihr lieben Daxloher, ich bitt euch um Gottes willen, gebt
-her ein Pfund Teufelsspeck! Leugnet es nit, vor Dreikönig habt ihr
-den Teufel abgestochen und in den Rauch gehängt. Und ich bitt euch
-gar schön um eine kuhwarme Blutwurst, so lang muß sie sein, daß sie
-sich neunmal um den Blaustaudner Turm wickeln laßt und dreimal um eure
-Bürgermeisterin.«
-
-Dann sprang er wie ein Heuschreck auf und schlug sich mit dem
-Strohflegel eine Gasse durch die Gaffer, und während seine Gesellen
-am Dorfanger tanzten und der Pritschenmeister einen der Zuschauer auf
-die Bank legen ließ und ihm fünfundzwanzig auf die Hinterlandschaft
-maß, durchstöberte der Kasper die Speckkammern und Ofenröhren der
-unbewachten Gehöfte, und kam dann üppig beladen zurück zu seiner Bande
-und jauchzte: »Die ganze Welt ist ein Fasching, juchu!«
-
-In Blaustauden trieb der Kasper einen verreckten Geißbock auf. Sein
-Gesindel grub hinterm Dorf ein Loch und senkte den Bock hinunter. Der
-Kasper hielt die Grabrede: »Unser lieber, guter Herr Burgermeister ist
-tot.« Und einer kniete neben ihm, als Wittib verkleidet und jammerte,
-daß es einem das Herz zerspaltete und den Weibern rings das Wasser
-aus den Augen sprang. »Ein guter Hausvater ist dahin,« hub der Kasper
-wieder an, »ein braver Ehemann. Ihr Jungfern von Blaustauden, ich
-wünsch euch allen einen so eifrigen Mann.«
-
-Der Meßner Grazian aber, der unter den Leuten stand, begehrte auf. »Ich
-laß den Blaustaudner Jungfern ihre Ehre nit angreifen,« schrie er und
-drängte sich scharf zu dem Redner hin.
-
-Gleich wurden die Köpfe rot, ein Knäuel ballte sich zusammen, Fäuste
-reckten sich, und der Meßner lag auf einmal in der Grube auf dem
-Geißbock.
-
-Es wäre zu blutigen Schlägen gekommen, wenn nicht der neue
-Pfarrer Nonatus Hurneyßl eingegriffen hätte, ein aufrichtiger
-und entschlossener Mann. Mit dem Regenschirm jagte er die Leute
-auseinander, verfolgte damit den Kasper, der sich mit dem Strohflegel
-nur schwach wehren konnte, zum Ort hinaus und half schließlich mit dem
-nämlichen Schirm seinem Meßner aus der Grube.
-
-In der Nacht vor dem Fastensonntag trommelte es dem Grazian ans
-Fenster. Der Grazian, in der Meinung, es gelte, einen Kranken zu
-versehen, tat den Laden auf, und blitzschnell wurde etwas Gehörntes,
-Fürchterliches, an eine Stange Gebundenes in die Stube gestoßen, und
-das roch abscheulich.
-
-»Der Teufel ist es, er stinkt nach Schwefel!« schrie die Meßnerin und
-fiel aus einer Schwäche in die andere.
-
-Der Grazian dachte gleich an seine Höllenfahrt und kroch plärrend
-unters Bett.
-
-Als die aufgeschreckten Nachbarn in die Stube leuchteten, fanden sie
-einen halbverwesten Geißbock.
-
-Der Grazian wollte sich den Fastenbraten und den daran hängenden Spott
-nicht gefallen lassen und übergab die Sache dem Gericht. Der Täter aber
-kam nicht auf, trotzdem daß alles mit den Fingern auf ihn hätte weisen
-können.
-
-Damals geigte die Sodonia dem Kasper tüchtig die Wahrheit, und es
-schien, als ginge der Bursch in sich und verabscheue seinen Wandel, der
-die Leute ärgerte.
-
-Er stellte sich Tauben ein, züchtete sie und handelte damit und redete
-von nichts mehr als von Schopf- und Kropf- und Trommeltauben, von
-rotgesudelten und schwarzgesudelten, spiegelnden und rauhfüßeten Tauben
-und pfiff den Vögeln den ganzen Tag und lockte sie, die über den First
-des väterlichen Hauses trippelten.
-
-Und in der Zeit dieser zärtlichen, weichen, sehnsüchtigen Pfiffe, und
-während er die Spiele und Scherze der Vögel betrachtete, wie der Tauber
-sein Weiblein umtanzte und girrend scharwenzelte und sie am Schnabel
-zog, und wie die beiden beleidigt und dann wieder schön mit einander
-taten, da wurde das Blut des Kasper ganz wunderlich, und er konnte sich
-selber nicht begreifen.
-
-Und einmal, der Mond blinkte in die Stube, wo Bauer und Bäurin in dem
-breiten Himmelbett schliefen, da tappte sich der Kasper zur Tür. Aber
-er stieß an einen Stuhl, und der Bauer fuhr auf und sah den Burschen
-schleichen.
-
-»Wohin denn, Bub?«
-
-»Vater, heiraten möcht ich,« lallte der Kasper halb im Schlaf.
-
-»Du hast recht. Heut noch nit, aber morgen, Bub. Und jetzt leg dich nur
-wieder!«
-
-Folgsam kehrte der Kasper um und schlief weiter. --
-
-Seit jener Mondscheinnacht lachte der junge Dullhäubel den Dirnen in
-die Augen. Und um sich vor ihnen ein Ansehen zu geben, handelte er sich
-vom Krämer eine Tabakspfeife mit buntem Kopf ein, die steckte er in die
-einwendige Brusttasche, daß das Mundstück herausguckte. Auch putzte er
-sich mit einem blauen Hut, grasgrünen Hosenträgern und einer breiten
-Uhrkette auf und ließ sich unter der Nase einen fuchsfeuerroten Schnurz
-wachsen. Und seine Schultern wurden breiter, seine Hände fester und
-griffiger. Nur die Stimme blieb ihm hoch und kindisch schrill.
-
-Einmal saß die Sodonia nachts im Bett auf, weil sie sich den Schlaf
-nicht erzwingen konnte. Da hörte sie es wie mit Diebestritten das Haus
-umspüren und bald hernach den Kasper draußen halblaut singen:
-
- »Dirndel, tu auf
- und laß mich zu dir,
- bin ein armer Kaplan,
- sollst beten mit mir!«
-
-Die Alte witterte neuen Unfug, und sie wollte die Hand über des
-Burschen Unschuld halten. Denn seine Mutter, die Sanna, kümmerte sich
-nicht um ihn, sie lag den halben Tag hinter der Scheuer unter der
-Hollerstaude, und die Stalldirn fing ihr die Läuse.
-
-Die Sodonia wurde wachsam, und bald darnach merkte sie, wie sich der
-Kasper nach dem Essen davon zog und auch die Geißdirn verschwunden
-war. Schleunig suchte sie Dachboden, Stall und Stadel durch, bis sie
-schließlich zu einem alten, von Brombeergebüsch verwucherten Backofen
-kam, dort sah sie vier Füße heraus stehen. Sie packte das eine Paar
-kräftig an und zog den Kasper heraus.
-
-Scheltend führte sie ihn zum Bauer. Aber der lachte unbändig und freute
-sich über den Ort, wo die Verliebten ihre Zuflucht gefunden hatten.
-
-Es war zum letztenmal, daß der Isidor Dullhäubel sich freute. Er
-verfiel auf einmal, sein Gesicht wurde käsweiß, die kupferne Nase
-überzog sich mit Grünspan, und er behauptete, sie täte ihm weh. Die
-Kraft ging ihm aus.
-
-Zu Mariä Geburt rief er den Kasper zu sich in die Stube. Er zog sich
-die hirschlederne Hose aus, die von den Vorfahrern überkommen war, warf
-sie dem Burschen hin und murrte: »Da!« Auf dem Tisch schillerten sieben
-Tabakgläser, darin die Namen der Wochentage geschliffen waren, und das
-Sonntagsglas glühte rot wie ein brennendes Herz. Der Bauer deutete
-darauf und ächzte: »Da!« Hernach ließ er sich matt ins Himmelbett
-fallen und starrte zu dem Spiegel hinauf, der darüber als Decke hing,
-und sah droben das kalkige Gesicht und die grüne Nase und seufzte.
-
-So wich der alte Bauer dem jungen. --
-
-Am Kirchweihsonntag schleppte sich der Isidor Dullhäubel zum letztenmal
-in den »pfalzenden Hahn«. Und als er mitternachts toll und voll
-heimkehrte, weckte er seine Bäurin und sagte fröhlich: »Heut hab ich
-die Krankheit versoffen.«
-
-Der Kasper schwenkte noch am grauen Morgen die Dirnen im Tanz, als sein
-Knecht ganz außer Atem daher kam. »Kasper, heimgehen sollst du. Der
-Bauer ist gestorben.«
-
-»Hast du mich erschreckt!« antwortete der Kasper. »Ich hab schon
-gemeint, der rotblassete Tauber wär hin.«
-
- * * * * *
-
-Der neue Bauer schaffte dem Toten ein schönes Begräbnis an. Die
-kupferne Nase nahm er ihm, als er in der Truhe lag, weg, sie konnte dem
-Isidor beim Jüngsten Gericht mehr schaden als nützen. Der Kasper band
-sie an den Senkel der Stubenuhr, die schon längst ein stärkeres Gewicht
-gebraucht hatte. So hing ihm allzeit ein Andenken an den Verewigten vor
-Augen.
-
-Die Musikanten bliesen, der Pfarrer spritzte den Weihbrunn über die
-Truhe und betete um das immerwährende Licht und um die ewige Rast, und
-der Kasper heulte am Grab des Isidor Dullhäubel und begehrte, man solle
-ihn gleich mit dem Alten einscharren.
-
-Hernach ließ er sich nach ewigem Dorfbrauch ins Wirtshaus spielen,
-und dort ging es feucht und lustig her, daß der junge Dullhäubel beim
-Abschied schluchzend zu den Musikanten sagte: »Mein Vater hat jetzt
-eine schöne Leich gehabt. Wenn wir leben und gesund sind, müßt ihr mir
-bei meinem Begräbnis auch so schön aufspielen.« --
-
-Der Mond war schon schlohweiß unterwegs, als sich der Trunkene
-heimtrollte.
-
-In der Blaumantelkapelle war es hellicht. Der Kasper Dullhäubel stierte
-hinein. Ihm schien es, der Heilige beutle unwillig den Kopf und hebe
-die Handteller gegen ihn, als greine er: »Fahr ab, du Sündenlümmel!«
-
-»Du bist ein Lümmel, nit ich!« antwortete der Bauer. »Und meine Nase
-nimmst du mir nit, die ist kerngesund. Schau nit so scheinheilig drein!
-Wer weiß, wer du gewesen bist bei Lebzeiten.«
-
-Der Heilige glotzte mit offenem Mund, der Mond verlieh ihm Leben.
-
-»Dir verdank ich meinen roten Bart,« knurrte der Dullhäubel. »In dich
-hat sich meine Mutter verschaut, wie sie mich getragen hat. Wir zwei
-rechnen noch einmal ab miteinander. Und red nit so grob mit mir! Jetzt
-bin ich der Dullhäubel.« --
-
-Tags darauf bat er die Altbäurin, sie möge ihm ein altes Heiligenbuch
-leihen, das er einmal in ihrer Truhe gesehen hatte.
-
-Die Sodonia freute sich. »Das Buch schenk ich dir, Bauer. Das ist
-recht, daß du jetzt einkehrst bei dir und das Leben der Heiligen lesen
-willst, daß du ein Beispiel vor dir hast. Und so wachst in deiner
-Frömmigkeit ein gutes Blümel aus deinem Vater seinem Grab.«
-
-»Sind alle Heiligen drin?« fragte er kurz.
-
-»Alle! Alle!« Sie nickte feierlich.
-
-Eine Woche lang buchstabierte er sich durch das andächtige Buch,
-daß er das Leben des Blaumantels kennen lerne. Er hoffte, in der
-Erdenwallfahrt des heiligen Nachbarn einen schwarzen Fleck zu finden,
-wie ja die stolzesten Heiligen oft die größten Sünder gewesen sind.
-Vielleicht hat der Blaumantel einen Bauer im Roßhandel betrogen oder
-es mit einem leichtfertigen Weibsbild gehalten oder gar irgendwo auf
-der Straße einen Wegfahrer abgegurgelt. Es gibt gar wunderliche Brüder
-unter den Heiligen. Und wenn der Dullhäubel den Fleck des hochfährtigen
-Heiligen aufgedeckt hat, wird er ihm ein paar schöne Strahlen aus dem
-Heiligenschein zupfen und ihm gehörig heimgeigen, wenn der Blaumantel
-ihm noch einmal ins Gewissen reden sollte.
-
-Doch wie scharf der Bauer auch die Buchstaben ins Auge nahm und
-wie mißtrauisch sein Finger über die Zeilen tappte, daß ihm nichts
-entwische, er fand in dem Buch nicht einmal den Namen des Heiligen.
-
-»O du Duckmauser, wer weiß, was für einer du bist?« grinste der Kasper
-Dullhäubel. »Jetzt will ich dir erst recht nachspüren.«
-
-Er suchte den hochwürdigen Herrn Nonatus Hurneyßl heim.
-
-Der Pfarrer lehnte gerad im Predigtstuhl, der ein großes, nach oben
-offenes Schneckenhaus war, und erzählte die Marter des heiligen
-Sebastian.
-
-»Was gilt es, du kriegst den Pfeil in die Gurgel!« rief er. »Was gilt
-es, du kriegst den Schuß in den Nabel! Bums, sitzt dir der Pfeil im
-Schienbein! Ja, meine lieben Seelen, da sperrt ihr euer Maul auf
-und loset. He, du alte Zipfelhaube im dritten Stuhl am Eck, schlaf
-nit! Greift dich denn die Marter gar nit an? He, du Bürgermeister
-von Grillenöd, räusper dich nit so laut! He, Mausfallenwirt, lach
-nit so mit den Stockzähnen! Versuch es, laß du dir einmal von einem
-gottschändlichen Buben mit der Schindelbüchse einen Nagel in den
-geschwollenen Magen schießen!«
-
-Da knarrte das Kirchtor, der Kasper Dullhäubel stand da und tappte
-demütig in den Weihbrunnkessel.
-
-»Gehorsamster Diener, Dullhäubel!« grüßte der Herr Nonatus Hurneyßl
-grimmig. »Hast du den Weg verfehlt? Oder regnet es draußen, weil du
-da herein kommst? Kannst du nit zur Zeit da sein? Mußt du mich in den
-schönsten Martergeschichten stören? Hast du vielleicht einem Geißbock
-die letzte Ölung geben müssen? Das möcht ich wissen, was du heut von
-unserm Herrgott verlangst. Herrgott im Altar, trau dem Dullhäubel nit!
-Ja ja, schnupf nur, und tröst deine Nase! Der Teufel wartet auf dich,
-er bekränzt schon die große Bratröhre, wo er dich dünsten wird. Amen.«
-
-Die Gemeinde murmelte: »Vergelts Gott!« und der Pfarrer stieg
-schwerfällig von der Schneckenkanzel herab.
-
-Nach der Messe schob sich der Dullhäubel in die Kanzlei des geistlichen
-Herrn.
-
-Der rief leutselig: »Ei, was für ein Wind tragt den Dullhäubel daher?
-Willst du gar schon heiraten? Das wär ratsam. Deine Wirtschaft braucht
-ein Weib.«
-
-»Mich druckt ein besonderes Anliegen,« entgegnete der Bauer. »Sag
-mir, Hochwürden, woher stammt denn unser guter Schutzheiliger, der
-Blaumantel? Und was für Martern hat er erlitten, eh die Fuxloher ihn
-in die Kapelle gesperrt haben?«
-
-»Meine liebe Seele, ich kann dir darüber nit viel Auskunft geben.
-Euer Heiliger schreibt sich eigentlich Sankt Aurazian, so steht es in
-unserm Kirchenbuch zu lesen. Sonst ist über ihn nirgends ein Wort zu
-lesen, so viel ich auch die Heiligengeschichte nachgeblättert hab. Mein
-Vorgänger, der Pfarrer Sebastian Knaupler, hat in selbiger Sache einen
-Brief an die päpstliche Kanzlei in Rom geschrieben, aber auch die haben
-nix gewußt vom heiligen Aurazian. Er muß ein gar bescheidener Mann
-gewesen sein, weil er nix von sich hinterlassen hat als seinen Namen.«
-
-Der Dullhäubel dankte und ging. Bei der Siebenkittelwirtin kehrte er
-ein und trank, bis er strotzte, und erst, als er keinen Trunk mehr
-vermochte, besann er sich auf den Heimweg.
-
-Die Nacht war schwarz, kalter Regen schlug durch den Wald. Der Steig
-war voll Gerill und Geröll und voll lauernder, tückischer, schlüpfriger
-Wurzeln, so daß der Bauer oft hinstürzte.
-
-Vor der Kapelle zündete er sich die Pfeife an und beleuchtete den
-Heiligen. Der wehrte mit den Armen ab, als wolle er keinen Teil haben
-an dem Dullhäubel und als grause ihm vor dessen trunkenen Wandel.
-
-»Herr Auraz Blaumantel, jetzt red du selber, wer du bist,« gröhlte der
-Bauer. »Gelt, du staunst, daß ich deinen Taufnamen weiß? Ich komm dir
-schon hinter die Schliche. Red, wer du bist! Du hast das Maul allweil
-offen und kannst nit giges und nit goges sagen.«
-
-Schärfer schlug der Regen nieder, der Wind bog die Bäume, der Wolfsbach
-sauste.
-
-»Von dir weiß nit einmal der Papst in Rom, woher du bist, du
-zugereister Heiliger. Aber ich bin der Dullhäubel aus Fuxloh!«
-
-Und er kroch in die Kapelle, rollte den Blaumantel in den Regen hinaus,
-legte sich an seine Statt und schlief ein. --
-
-In aller Frühe stapfte der Holzhacker Longinus Spucht mit seinem Weib
-daher, zwei Leute, eines kleiner als das andre. Sie wollten weit in den
-Lusenwald hinein, Bäume schneiden, und hörten es jetzt in der Kapelle
-drin schnaufen und rasseln und gurgeln.
-
-»Um teufelswillen, Weib, der Blaumantel schlaft hart,« wisperte der
-Spucht.
-
-»O du Batzenlippel,« spottete sie, »wie kann denn ein Hölzerner so
-schnaufen?!«
-
-»Also ist es ein Bär,« stammelte er.
-
-»Schau hin, ob niemand in der Kapelle liegt!« befahl sie.
-
-Er tat ein paar verzagte Schritte und rief: »Ist niemand in der
-Kapelle?«
-
-Da kreischte drin eine greuliche Stimme: »Was, bin ich jetzt auf einmal
-der Niemand? Ein großer Herr bin ich, auf der Welt gibt es keinen
-größern. Ich bin der -- --«
-
-Weiter hörten die zwei nichts, sie rannten in einem Saus dem Wald zu. --
-
-Die alte Ulla hob hernach den obdachlosen Heiligen wieder in seine alte
-Heimstatt und wusch ihm den blauen Mantel, der arg beschmutzt war.
-
-Im Gau des Lusens ging bald das Gerücht um, der Heilige habe mit zwei
-armen Holzhackern ein frommes Gespräch geführt.
-
-Der Dullhäubel aber prahlte sich, er habe die ganze Nacht mit dem
-Blaumantel im »pfalzenden Hahn« gesoffen und Karten gespielt und habe
-schließlich den trunkenen Heiligen heimschaffen müssen.
-
- * * * * *
-
-Das Frühjahr kam, die Tage nahmen auf.
-
-Da tändelten die Vögel, der Birkhahn krudelte, der Kiebitz tanzte um
-seine Frau, der Fuchs lief der Füchsin nach und der Has der Häsin.
-
-Und wie die Sterne so zierlich leuchteten und der breite Bauernmond
-über den Fuxloher Heustadeln hing, stieg der Dullhäubel auf
-halsbrecherischen Waldsteigen übers Gebirg hinüber ins Bayernland
-der Einöd Kaltenherberg zu. Der Lugausbauer dort hatte eine mächtige
-Tochter.
-
-Das Gehöft lag schon finster.
-
-Der Dullhäubel klopfte an.
-
-Drin meldete sich der alte Lugaus. Er trat ans Fenster und spähte in
-die weiße Nacht heraus.
-
-»Bist du der Bauer?« fragte der Dullhäubel.
-
-»Der bin ich.«
-
-»Tu auf! Heiraten möcht ich. Deine Tochter möcht ich.«
-
-»Hoho, wer bist denn du? Der Lugaus gibt sein Mensch nit dem ersten
-besten, der in der Nacht daher reitet. Wir Bauern auf der Einöd sind
-dumm, aber zum Narren haltet uns keiner.«
-
-»Dem Mußmüllner aus Fuxloh sein Bub bin ich. Hast du noch nie nix
-gehört von der Mußmühl?«
-
-»Ei freilich! Komm nur herein! Bist herzlich gern gesehen.«
-
-Der Alte riegelte die Tür auf, dann stieg er im Vorhaus die Stiege ein
-paar Staffeln hinauf und rief in die Bodenluke hinein: »Ogath, heb
-dich! Heb dich schleunig! Der Mußmüllnerbub ist da. Schlupf in den
-Kittel! Leg an dein seidenes Gewand!«
-
-Der Dullhäubel setzte sich auf eine mit Rosenstöcken reichlich bemalte
-Truhe und ließ die Füße baumeln.
-
-Die alte Bäurin gab ihm die Hand und kicherte und nickte unablässig.
-Der Lugaus brannte einen Span an und steckte ihn in den Leuchter am
-Ofen, hernach ließ er sich am Tisch nieder und schmunzelte übers ganze
-stoppelige, faltige Gesicht.
-
-»Gesehen hab ich dich noch nit, Müllnerbub,« sagte er. »Ich bin nur
-ein einziges Mal drüben gewesen in Fuxloh. Der Weg her ist gar wild,
-voller Steinfelsen und Gewurz. Dazumal bin ich mit dem Leiterwagen
-herübergefahren von Fuxloh. Den Weg hab ich dersider verschworen
-und verredet. Wie ich die Ochsen so antreib, verlier ich zuerst die
-Leitern, hernach das linke Hinterrad, hernach das rechte, hernach das
-linke Vorderrad, hernach das rechte, schließlich den Hinterwagen, und
-wie ich daheim war, waren nur mehr die Ochsen da mit der Deichsel.«
-
-Die Ogath trat herein, eine starke, große Dirne. Über Achsel und Brust
-hing ihr ein haselbrauner Zopf; ein ganz kleines, feines Bärtlein wuchs
-ihr über der Lippe, es stand ihr gar nicht schlecht.
-
-»Da setz dich zu ihm hin,« sagte der Lugaus. »Heiraten sollst du!«
-
-Halb schläfrig, halb verschämt ließ sie sich auf die Truhe nieder
-und schmiegte sich an den Dullhäubel. Die alte Schwieger nickte und
-kicherte.
-
-»Die Ogath ist für dich, Müllnerbub, die kriegst du,« fing der Lugaus
-wieder an. »Schau sie nur an, wie sie gestellt ist! Wie hochbrüstig
-sie ist! Ja, meine Menscher haben Schmalz. Drei hab ich schon
-ausgeheiratet, leicht hab ich sie angebracht. Die Ogath ist jetzt die
-letzte.«
-
-»Schön ist sie wie ein Nägleinstock,« kicherte die Lugausin.
-
-Der Bursch tat den Arm um das volle, noch von Bett und Schlaf warme
-Weib, und sie schielte heimlich zu ihm hinüber.
-
-»So red ihm doch schön zu, Ogath!« drängte die Alte. »Bist denn du eine
-Stummin?«
-
-»Nach Fuxloh geb ich das Mensch gern, Fuxloh ist ein schönes Ort,«
-sagte der Lugaus.
-
-Die Junge erwiderte mit tiefer, lachender Stimme: »Herzlich gern geh
-ich fort aus der Einöd.«
-
-Der Dullhäubel gab ihr recht. »Eure Einöd gilt bei uns nit viel. Der
-Isidor Dullhäubel, Gott schenk ihm das ewige Licht, hat gespottet, bei
-euch täten sie den Mittag mit dem Kleiensack ausläuten.«
-
-»Der Dullhäubel hätt über seinen kupfernen Kumpf spotten sollen!« fuhr
-der Alte auf. »Wie man hört, hat den Hof jetzt wieder genau so ein
-Spitzbub wie alle seine Vorfahrer.«
-
-»Ich bin aber der Mußmüllnerbub,« redete der Dullhäubel flugs darein.
-
-»Ein Müllner ist mir recht. Den nimmst du, Ogath! In einer Mühl staubt
-es das ganze Jahr ein kleines Geld und ein großes auch. Freilich« --
-dabei kniff der Lugaus listig ein Auge zu -- »Diebe sind die Müllner
-alle.«
-
-Die Schwieger rieb sich die hageren Hände, sie huschte emsig hin und
-her, zupfte an der Ogath ihren Kittel, brachte dann einen Laib Brot und
-nötigte den Hochzeitswerber zum Tisch.
-
-»Du kommst in eine gute Freundschaft, Müllner,« sprach der Einöder.
-»Mein Bub ist auch recht, der ist ein Herrgottelschnitzer in Straubing.
-Den Kopf hat er von mir, die Füße sind wie Stangen, und einen Hund hat
-er auch.«
-
-»Sei nit so verstockt, Ogath! Red mit ihm!« riet die Alte.
-
-Und die Dirne sprach: »Rot solltest du nit sein, Müllner! Ein roter
-Bart steht selten auf einem guten Ort. Aber für sein Auswendiges kann
-der Mensch nix. Sonst gefallst du mir.«
-
-Der Lugaus und die Lugausin zischelten eifrig aufeinander ein und
-winkten und lächelten sich zu. Die zwei Leute glichen sich sehr, die
-breiten, runzlichen Stirnen, die kleinen, wackelnden Kinne, die langen
-Nasen, dünnen Lippen und gutmütigen Augen ähnelten einander derart, daß
-man nicht gewußt hätte, wer der Bauer und wer die Bäurin sei, wenn er
-nicht die Hosen und sie nicht den Kittel angehabt hätte.
-
-»Lugaus, wie hast du denn dein Weib kennen gelernt?« fragte der
-Dullhäubel lustig.
-
-»Ich bin zum Häusel hinein, und sie zum Häusel heraus, da haben wir uns
-begegnet,« lachte der Alte. »Und zwischen Sommer und Winter ist es
-gewesen: wie ich zu ihr gangen bin, ist die Welt grün gewesen, und wie
-ich von ihr heim bin, hat es geschneit, alles in einer Nacht.«
-
-»Und was ist es mit dem Heiratsgut, Bauer?«
-
-»Ich laß mich nit lumpen. Einen Strumpf voller Silber kriegt meine
-Tochter mit, zwei Küh und eine funkelneue Bettstatt. Und ein schönes
-Spinnrad laß ich ihr drechseln.«
-
-»Sie taugt überall hin, die Ogath,« eiferte die Alte, »in jeder Kuchel
-kann sie stehen. Sie kann zwei Brühen kochen, eine süß, die andre
-sauer. Und gerichtet ist sie auch gut, sie hat zwei Schürzen, eine
-schwarztibetene und eine rottibene.«
-
-»Bauer, Bäurin, das alles müßt ihr mir verschreiben,« begehrte der
-Dullhäubel.
-
-»Du sollst es schriftlich haben. Gleich setzen wir miteinander den
-Heiratsbrief auf. Bäurin, bring Tinte, Feder und Papier, daß wir die
-Sach in Gang und Schwang bringen.«
-
-Die Alte stellte ein Fläschlein rußiges Wasser hin. Aber weil sie die
-Gänse im Stall nicht aufstören wollte, gebrach es an einer Feder, und
-Papier fand sie nicht vor.
-
-Da wandte der Lugaus die Tischplatte um. »Das ist jetzt das Papier.«
-Er reichte dem Dullhäubel einem Halm Kümmelstroh. »Da tauch ein,
-Müllner, in die Tinte und schreib! Ich und mein Weib sind keine
-Schriftgelehrten, zu unserer Zeit ist weit und breit keine Schul
-gewesen.«
-
-Der Alte schaffte jetzt an, und der Dullhäubel kratzte emsig mit dem
-Stroh seine hagebuchenen Buchstaben auf den Tisch.
-
-»Schreib hin, Müllner! ›Und die Ogath kriegt tausend Taler mit und
-einen Kammerwagen voll Zeug und unsere Küh Köpfel und Prinzel. Der Name
-des Herrn sein gelobt!‹« Hernach setzte der Lugaus drei Kreuze unter
-den Heiratsbrief und drehte die Tischplatte wieder auf die alte Seite,
-daß die Schrift nicht verwischt werde.
-
-»Jetzt knie dich nieder, Ogath, daß ich dir den väterlichen Segen geb!«
-
-Sie zierte sich ein wenig, dann fiel sie polternd auf ihre starken
-Kniescheiben hin, die Bäurin schneuzte sich in den Unterkittel, der
-Lugaus breitete wie ein Pfarrer über sie die Hände aus und sagte: »Sei
-froh, Ogath, daß du keine alte Jungfer wirst, du brauchst nach dem Tod
-nit im Moos die Kiebitze hüten!«
-
-»Hör zu, Schwäher! Die zwei Küh tät ich mir gern anschauen,« bat der
-Dullhäubel.
-
-Der Lugaus leuchtete mit dem Span in den Stall, wo das Vieh lag und
-atmete. Mit gekrümmtem Fuß trieb er die verbrieften Kühe auf. Sie
-schauten sich mürrisch um und zogen das Maul scheel.
-
-»He, Köpfel, auf, du mußt nach Fuxloh! Prinzel, du auch. Fuxloh ist ein
-schönes Ort. Du kannst sie dir gleich mitnehmen, Müllner, die Küh.«
-
-»Heut ist der Weg zu finster, Schwäher. Aber wann soll uns der Pfarrer
-zusamm binden?«
-
-»Meinetwegen heut noch,« kicherte der Lugaus.
-
-»Schwäher, ich hätt der Ogath noch was heimlich zu sagen.«
-
-Der Alte blinzelte schelmisch: »Geh nur zu mit ihr, Müllner, und sag
-ihr es deutlich!«
-
-Da ging der Dullhäubel mit der Ogath aus dem Gehöft in den Wald hinein.
-Ein mondsüchtiges Füchslein gellte, lau strich die Luft durch die
-Stämme, und Nacht und Himmel waren spiegelheiter.
-
-Mit seinen läppischen Händen tappte er nach ihr.
-
-»Laß mich aus!« schalt sie und entrang sich ihm.
-
-Als er sie dennoch mit zangenden Fingern packte, kerbte sie ihm die
-Nägel ins Gesicht.
-
-Er ließ murrend ab. »Stutzig und trutzig bist du wie eine
-Kranwitstaude!«
-
-»Du kannst mich einmal genug anrühren,« tröstete sie, »heut wär es noch
-zu früh. Aber jetzt geh ich mit dir, ich will die Mühl rauschen hören,
-wo ich einmal die Müllnerin bin.«
-
-Dem Dullhäubel schoß das Blut bis zum Schopf hinauf. Da hatte er sich
-eine saubere Suppe eingebrockt! Wie die Dirne so ruhig und fest wie ein
-Felsen vor ihm stand! Die gibt nimmer nach.
-
-»Ich kann dich nit mitnehmen,« stotterte er. »Es paßt sich nit. Was
-täten die Leut dazu sagen?«
-
-»Die Leut sollen reden! In drei Wochen sind wir Mann und Weib.«
-
-Sie faßte mit festem Griff seine Hand und schlug mit ihm den Weg über
-die Grenze ein.
-
-Es war still worden, der Fuchs klagte nimmer. Der Mond stand im
-Vollschein.
-
-»Bist du allweil so einsilbig?« fragte sie.
-
-»Ich red oft ein ganzes Jahr nit,« stieß er heraus. Er stolperte
-unwirsch dahin und dachte, wie er sie vertreiben und die Gefahr
-abwenden könnte, die gäh wie ein Waldgewitter über ihn aufdrohte.
-
-Im dicksten Tann blieb er plötzlich stehen und schaute sich ratlos um.
-»Jetzt haben wir uns vergangen. Ich weiß keinen Weg.«
-
-Sie lachte. »Wir steigen ins Tal. Drunten in den Schluchten hebt der
-Bach an, der leitet uns gewiß zu deiner Mühl.«
-
-Sie zog ihn den Waldsteig hinab; es war, sie rieche den rechten Weg.
-Dem Dullhäubel ward unheimlich.
-
-Wenn der Gid den Streich erfährt, dann weh!
-
-Der Kasper Dullhäubel nahm sich vor, sich närrisch zu stellen, daß er
-die felsenfeste Braut verscheuche.
-
-Droben am Ast schrie ein Schuhu.
-
-Der Bursch hielt an und zischte hastig: »Horch, wie schön der
-Vigelvogel pfeift!«
-
-»Du spassiger Bub du!« sagte sie ruhig.
-
-Er langte nach einem Ast und wollte sich daran hinauf schwingen. Sie
-hielt ihn zurück.
-
-»Willst du hinauf, deinem Vigelvogel singen helfen?«
-
-»Ich bin gefährlich«, knurrte er. »Der Mond zieht mich alle Nacht in
-die Höh. Gestern bin ich aufgewacht, wie der Mond schwarz worden ist,
-da bin ich in Blaustauden auf dem Turmknopf gesessen.«
-
-»Der Mond nimmt mir dich nit, mein Müllner. Zieht er dich an, so häng
-ich mich dran. Und ich bin gewichtig.«
-
-»Ich bin gefährlich,« murmelte er. »Ich hab schon mehr als einen
-umgebracht.«
-
-»Das glaub ich nit,« sprach sie.
-
-Er stierte sie finster an, lange, lange, bis ihr schauerlich zu Mut
-wurde. Er fing auf einmal ohne Ursache grausig zu lachen an und sang
-unverständliches Zeug: »Schön knieweit, schön dachslet, unten lauter
-Leut, oben wie eine Tirolerin!«
-
-»Müllnersbub, ist dir das Rädel laufend worden?« rief die Ogath
-erschrocken.
-
-»Weh, weh, weh! Das Mühlrad dreht sich mir im Kopf!« flüsterte er,
-duckte sich und schlug einen Purzelbaum.
-
-»Du hast ein Fieber, Bub.«
-
-»Die Liebe zerwirrt mich, Dirn.« Er jauchzte hellauf, kniete dann vor
-eine Rotkröpfelstaude hin und betete ein Vaterunser.
-
-Sie riß ihn stark in die Höhe. »Entweder bist du unrichtig im Hirn,
-oder feindet dich der höllische Geist an,« sagte sie. »Jetzt darf ich
-dich nit verlassen, ich muß dich in die Mühl bringen und deinen Leuten
-übergeben.«
-
-Der Dullhäubel verzweifelte an seinem Glück, dumm und stumm ließ er
-sich führen, und sie redete ihm tröstlich zu und betete still vor sich
-hin, Gott möge seinen Verstand wieder hell werden lassen.
-
-Je näher sie Fuxloh kamen, desto glühender ward dem Schelm der Weg
-unter den Fersen. Er mußte die Ogath verscheuchen, sonst fiel ein Berg
-von Unheil und Spott über ihn.
-
-Er schluchzte auf einmal kläglich auf. »Ogath, ich verdien dich gar
-nit. Kehr um, kehr um beizeiten! Ich könnt dein Unglück sein.«
-
-»Ja warum denn?«
-
-»O die Leut reden schlecht von mir! Aber es ist alles, alles nit wahr.
-Die Ehr schneiden sie mir ab ellenlang. O die Welt ist grundverdorben!«
-
-»Gar so schlimm werden sie dir doch nit nachreden, Bub. Und ein wenig
-verzeih ich dir schon.«
-
-»Ich schäm mich soviel,« plärrte er, und die Tränen rollten ihm übers
-Gesicht. »Die Leut sagen, daß ich -- daß ich -- schwanger bin.«
-
-Er riß blitzschnell das Messer heraus, stieß es in eine Fichte, hängte
-den Hut daran und sprang in hohen Sätzen davon.
-
-Ihr war um das schöne blaue Hütlein und um das blanke Messer leid, sie
-raffte die Sachen an sich und rannte ihm nach, und weil sie gar flink
-auf ihren rüstigen Beinen war, holte sie ihn ein, als er keuchend bei
-der Blaumantelkapelle rastete und bei dem Heiligen Hilfe zu suchen
-schien wie ein gehetzter Hirsch beim Einsiedel.
-
-»Bub, Bub,« beschwor sie ihn, »wenn du so arg heuchelst, soll dich
-der Herrgott strafen. Schwör mir bei dem Heiligen da, daß du mich nit
-narrst. Der Heilige hat das Maul offen, steck die Hand hinein. Wenn du
-falsch schwörst, beißt er sie dir ab.«
-
-Aber der Dullhäubel entriß ihr das Messer und fuchtelte damit irrsinnig
-im Wind herum. Taub gegen ihren Jammer, kniete er am Weg hin zu einem
-dürren Kuhfladen, zerschnitt ihn und reichte ihr schluchzend die
-Hälfte. »Ogath, nimm es an und trag es um den Hals zum Andenken!«
-
-»Mein Herr und mein Gott!« rief sie aus und kehrte traurig um. Denn da
-war nimmer zu helfen. --
-
-Daheim drehte sie die Tischplatte um, zu sehen, was der Bräutigam
-geschrieben hatte. Anstatt des Heiratsbriefes las sie einen Reim.
-
- Drunt im wilden Moos
- liegt ein totes Roß,
- vorn und hint offen,
- ist der Schwäher draus gschloffen.
-
-Die Ogath rieb den Schandspruch mit einer Bürste ab. In ihrem Hirn
-blieb er brennen.
-
-Sie schluckte den Zorn hinunter und schwieg Vater und Mutter gegenüber.
-Doch den falschen Buben wollte sie heimsuchen und ihm ein schweres
-Donnerwetter anheben.
-
- * * * * *
-
-Am Aller-Wetter-Herrentag ging die Ogath übers Gebirg nach Fuxloh, wo
-sie sich den Weg zur Mußmühle weisen ließ.
-
-Dort vor der Tür auf einem eingegrabenen Mühlstein stand der Gid und
-zündete sich die Pfeife an. Zuerst rieb er das blauköpfige Zündholz
-hinten am Sitzfleck, hernach am Knie und an der Schuhsohle, schließlich
-spreizte er die Beine, bückte sich zu dem Mühlsteinpflaster und
-streifte daran, und als auch das kein Feuer gab, schleuderte er
-fluchend das Hölzlein weg.
-
-Da stand die Ogath vor ihm. »Das Glöckel läutet, Mühlbursch. Schütt
-Korn zu, statt daß du da so langweilig spielst.«
-
-Der Gid staunte die starke fremde Dirne an, dann meinte er spöttisch:
-»Hoho, da kommt eine daher gelaufen und will mir was schaffen.«
-
-Sie antwortete stolz: »Ich reit nit auf der Geiß daher. Ich weiß, wer
-ich bin und was ich hab, und ich weiß, wem ich angehör.«
-
-Der junge Müller lachte. »Du kannst die Kaiserin selber sein, mir hast
-du nix zu sagen. In der Mußmühl bin allweil ich der Herr.«
-
-Da fühlte die Ogath einen brennenden Stich im Herzen und merkte, daß
-sie von dem bösen Nachtbuben zwiefach betrogen worden war. Aber sie
-ließ die Zähren, die ihr die Augen schwimmen machten, nicht übers Ufer
-treten, und weil sie sich einmal die Mühle in den Kopf gesetzt hatte
-und ihr der staubige, finsteräugige Bursch auf dem Mühlstein besser
-gefiel als der fuchsbärtige Freier, und weil sie es daheim in der Einöd
-nimmer freute, so wollte sie versuchen, ob sie da in dem brausenden
-Haus ihr Bleiben könnte haben.
-
-Und das Blut schlug ihr auf einmal so hart in der Ader, als sie sagte:
-»Wenn du der Müllner bist, so frag ich dich, ob dein Weib keine Dirn
-braucht?«
-
-»Ich bin ledig,« antwortete er, »aber die Mutter hätt eine Hilf not,
-sie ist nit gesund.«
-
-Sie trat näher. »So ding mich auf. Stark bin ich. Da greif mir den Arm
-an. Deine Mehlsäck heb ich leicht.« Und jäh umschlang sie den jungen
-Müller bei den Knieen, und ehe er sich ihrer erwehren konnte, hob sie
-ihn in die Höhe.
-
-Als er verwirrt und schier taumelnd wieder Boden faßte, stammelte er:
-»Du hebst einen Mühlstein. Du hast Kraft wie ein stürzendes Wasser. Du
-bist zu brauchen.«
-
-Er dingte sie auf, und sie half ihm in der Mühle, rannte die bestäubten
-Stiegen auf und ab, goß das Korn in den Trichter und warf sich spielend
-die Mehlsäcke über die Schulter, als wären sie mit Federn gefüllt.
-Sie lernte die Schleusen öffnen und die Mühlsteine schärfen mit dem
-Kieshammer und die Pfannen der Räder schmieren und besorgte das Vieh
-im Stall und den Mittag am Tisch und die gichtische Müllerin im Bett.
-So gewann sie bald das Herz der Alten, und die schwarzen Augen des Gid
-flogen ihren schnellen und kräftigen Bewegungen allzeit nach.
-
-Einmal abends saßen sie beisammen. Der Alte hatte die Stirn gerunzelt,
-er starrte in die Milchsuppe wie in einen Spiegel und vergaß zu essen.
-
-»Die Suppe kühlt dir aus,« mahnte die Müllerin. »Ärger dich nit über
-das, was nit zu ändern ist!«
-
-Der Alte drehte die trübe Stirn der Ogath zu. »Ja, Ogath, vormals hat
-es eine schöne Gerechtigkeit für uns gegeben: meine Vorfahrer haben
-von jedem Sack Getreid einen Zins einheben dürfen, und wenn ihn auch
-die Fuxloher in der Kuckucksmühl, in der Grillenmühl oder in der
-Samstagmühl haben mahlen lassen.«
-
-»Heut sind die guten Gesetze abgeschafft,« tadelte der Gid. »Alle
-Ordnung ist zerfallen. Das wurmt mich.«
-
-Die Ogath redete wie ein tröstlicher Geist. »Männer, den Stein, den man
-nit heben kann, laßt man liegen. Die Mußmühl wirft genug Geld ab und
-hat genug zu mahlen; sie könnt sich noch einmal so geschwind drehen,
-die Arbeit tät nit abreißen.«
-
-»Es ist nit das allein, was mich betrübt,« raunte der Alte. »Aber jetzt
-rührt sich der Mühlteufel wieder. Bei jeder vierten Brut meldet er
-sich. Zuletzt ist er bei meinem Ähnel gewesen, -- jetzt kommt er zu
-dir, Gid.«
-
-Die Gichtische erhob sich ängstlich im Bett. »Hast du ihn gehört?«
-
-»Jeden Samstag hör ich ihn, Weib, da plätschert er im Wasser unterm
-Mühlrad.«
-
-»Du irrst dich, Vater,« sprach der Gid. »Es rauscht und saust nur der
-Bach so seltsam.«
-
-»Ich hör ihn schon seit drei Samstagen,« beharrte der Alte.
-
-Die Angst schüttelte die Bettlägrige wie ein Frost. »Hast du ihm am
-letzten Nikolaitag was zu essen in die Radstube hinunter geschüttet?«
-
-»Das hab ich besorgt, Weib. Und einen Filzhut hab ich ihm auch hinunter
-geworfen, daß er sich ihn auf das grüne Haar setzt und uns den Frieden
-laßt fürs ganze Jahr. Und jetzt ist er trotzdem da.«
-
-»Wie schaut er denn aus?« lächelte die Ogath.
-
-»Zwischen den Fingern hat er Häute wie ein Fischotter, und im Wasser
-wird er nit naß. Im Wasser ist er stark wie neun Rösser, man kann ihn
-nit überwinden; am Land ist er nit kräftiger als neun Fliegen. Wie der
-Ähnel noch auf der Mühl gewesen ist, hat der Wassermann häufig in der
-Nacht geklagt wie eine Seel, die die Seligkeit nit findet.«
-
-»Ich leid ihn nit im Haus,« grollte der Gid, »ich richt ihm die
-Otterfalle auf.« --
-
-Von jetzt an blieb es in den Samstagnächten immer still unter dem
-Mühlrad, wie atemlos auch die zwei Müller hinunterlosten.
-
-Doch einmal, als der Gid den Vater aus dem Haus und die Ogath bei der
-siechen Mutter wußte, da hörte er es durch das Brausen des Mühlrades
-seltsam planschen und rauschen.
-
-Der junge Mensch lauschte fieberisch.
-
-Badet wirklich einer drunten mit schilfgrünem Schopf und spitzem Gebiß
-und langen Krallen? Zählt er die Seelen der Ertrunkenen, die er unter
-gläsernen Töpfen drunten gefangen hält?
-
-Den Gid übermannte es, mit dem Unhold, der ihm die Werkstatt unheimlich
-machte, auf Leben und Sterben zu raufen. Wild riß er die Tür zur
-Radstube auf. In der schäumenden Traufe des Mühlrades, in wirbelnden,
-stoßenden Wassern, im Dämmer sah er es schneeweiß leuchten, er hörte
-einen weichen, entsetzten Schrei und stürzte sich hinab ins Wasser und
-hielt den wunderkühlen, starken Leib seiner Magd Ogath in den Armen.
-
- * * * * *
-
-Ehe der Mond sich wieder füllte, hielten die zwei Hochzeit.
-
-Die ganze Freundschaft von Fuxloh und Grillenöd und jenhalb des
-Gebirges rückte an, die Männer mit Myrtensträußen in den schwarzen
-Röcklein, die Bäurinnen schwarzseiden vom Kopftuch bis zum Kittel, die
-Jungfern schillernd in braunen und rötlichen Kleidern.
-
-Der Hochzeitslader jauchzte und wünschte dem Bräutigam einen Stall
-voller Ochsen und viel Körner im Kasten und einen Beutel voller Geld,
-der schickt sich in die Welt. Der Braut herentgegen wünschte er den
-Stall voller Kühe, davon eine mehr Milch gibt als dem Nachbarn seine
-neun Stiere, und wünschte ihr in sechs Jahren sieben Kinder und zuletzt
-einen rotschädligen Buben.
-
-Da wies der Gid in die Weite: »Dort kommt endlich der Brautführer
-daher, und der ist mein bester Freund, der Kasper Dullhäubel.«
-
-Die Ogath war nicht wenig verdutzt, als sie den falschen Burschen daher
-schlendern sah, der in der Nacht um sie gefreit. Er hatte sich zwar den
-roten Schnurrbart weggeschabt, doch sie erkannte ihn an dem großen,
-runden Kopf und den winzigen Zwinkeraugen gleich wieder. Sie tat aber,
-als wäre er ihr fremd.
-
-Der Dullhäubel hatte sich mit Maschen und Sträußlein fein
-herausgeputzt, sein Brustfleck war mit doppelt aufgereihten
-Silberzwanzigern verknöpfelt, und an der geschmiedeten Silberkette
-klingelte ein silbernes Rössel und ein halbes Dutzend Frauentaler. Und
-als die Brautschar gen Blaustauden ging und die Bauern jauchzend die
-runden Hütlein schwangen, da warf der Dullhäubel seinen Hut am höchsten
-und er schnackelte mit den Fingern und schnalzte mit der Zunge, und
-keiner tat es ihm gleich.
-
-Über den Wald herauf winkte der Turm mit dem Schindeldach, der
-Wildtauber ruchzte im Tann, gelbe Schnäbel schwätzten, das Laub
-spielte, Blumen liebäugelten auf der Wiese.
-
-In ihren knisternden Schuhen trat die Braut stolz daher, ihr
-lichtgrauer Seidenrock hatte tausend Falten und stand über die vielen
-Unterkittel also breit gesträubt, daß sie kaum zur Kirchtür hinein
-konnte. Im Haar saß ihr ein künstlicher Myrtenkranz, der vorn über der
-stattlichen, ernsten Stirn wie eine Krone geflochten war und, sich über
-dem Scheitel teilend, weit über den Nacken herabhing.
-
-Mitten durch die in langhalsiger Neugier erstarrten Blaustaudner
-führte der Dullhäubel die Braut zum Altar, und er konnte es sich nicht
-versagen und wisperte ihr zu: »He, tragst du den Kranz mit Recht?«
-
-Sie sah ihm groß in die fuchsschiefen Augen und antwortete: »O du
-hundsschlechter Kerl!«
-
-»Du hast mich also nit vergessen, Ogath. Schau, das freut mich.«
-
-»Verschwunden bist du wie der Teufel, wenn man ihn mit Weihwasser
-abspritzt,« murmelte sie zornig und kehrte sich ab.
-
-Er zog sein Rubinglas aus dem Sack und tröstete sich mit
-brasilianischem Tabak.
-
-»Pfui Teufel,« sagte sie laut, »jetzt hab ich einen schnupfenden
-Brautführer!«
-
-Er schaute scheinheilig zur Orgel hinauf. »Ich freue mich schon auf die
-schöne Musik,« flüsterte er. »Du wirst schauen, Ogath, wie zärtlich
-unser Schulmeister orgelt. Das Wasser wird dir in die Augen schießen.«
-
-Der Pfarrer Nonatus Hurneyßl schritt zum Altar und gab die Brautleute
-zusammen. Es war ein Paar, wie es die Blaustaudner Kirche noch nie
-überwölbt hatte, der starke, finsterschauende Mann Gid und die große,
-schöne und stille Ogath.
-
-Doch als der Orgler das Brautamt begann, hub ein derart wüster Mißklang
-an, daß die Leute erschraken, der Schulmeister mußte einhalten, er
-sprang wie besessen von der Orgelbank und fluchte, der Balgentreter
-horchte in die Windkammer hinein, ob nicht der Leibhafte drin knotze,
-und endlich kamen die Musikanten dahinter, daß ein verwogener Schelm in
-der Nacht vorher die Orgelpfeifen unter einander vertauscht hatte.
-
- * * * * *
-
-Das Hochzeitsmahl war im »pfalzenden Hahn« gerüstet.
-
-Die Ogath saß schweigsam und blaß zwischen dem Gid und der Igelbäurin,
-die als erfahrene Brautmutter sorgte, daß die alten Bräuche geübt
-wurden.
-
-Auf den Tellern dampfte Rindssuppe und Kuttelfleck und Bäuschel;
-mit Zuckersachen besteckter Reis ward aufgetragen und Kaffee in
-ansehnlichen, bunten Töpfen und dazu Gugelhupf und leckerer Kuchen.
-Die Gäste packten sich Schweinsbraten und fette Würste in Bündel zum
-Heimtragen ein. Als die Ehstandsbrühe, drinnen Rindfleisch schwamm, auf
-den langen Tisch gesetzt wurde, sagte die Brautmutter mit bedächtiger
-Würde zu den Brautleuten: »Nit süß und nit sauer, gerade recht, so wie
-der Ehstand ist.«
-
-Der Dullhäubel spießte einen Knödel auf, biß hinein und sprach kauend
-über den Tisch hinüber zur Ogath: »Ob du schon weißt, warum bei eurer
-Mühl keine Scheuer ist?«
-
-Sie merkte, wie sich ihres Mannes Stirn verfinsterte, und wich der
-Frage aus: »Ich weiß nix und will nix wissen.«
-
-Der Dullhäubel aber kröpfte den Knödel hinunter und erzählte: »Da ist
-in der Mühl einmal der Korbflicker auf der Stör, und die Müllnerin
-stellt ihm eine Eierbrüh hin mit Knödeln. Der Mann will mit dem Löffel
-einen Knödel auseinander zwingen, aber es geht nit. Jetzt setzt er
-gewaltig an. Der Knödel weicht ab, haut das Fenster durch, doppelt
-durch, springt draußen an einen Stein, daß das Licht davon fliegt,
-schlagt an die Scheuer, die Scheuer fallt um. Da hat der Korbflicker
-drein geschaut!«
-
-Der Gid reckte sich und zückte die Gabel. »Kasper, du willst mich heut
-an meinem Ehrentag spotten?!«
-
-Die Ogath zog ihn auf die Bank zurück. »Du sollst doch einen Spaß
-verstehen, Gid!«
-
-Der junge Müller stocherte wütend ins Kraut hinein.
-
-Der Dullhäubel grinste. »Selbigesmal, wie die Müllnerin, die die
-steinernen Knödel hat kochen können, geheiratet hat, da ist es weit
-gemütlicher gewesen als heut. Damals haben sie so kräftig getanzt, daß
-der Fußboden durchgebrochen ist, und allsamt sind sie in den Stall
-hinuntergepurzelt. Die Braut ist zwiespältig auf den Stier zu sitzen
-kommen.«
-
-Der Gid schlug auf den Tisch, daß die Ehstandsbrühe aushüpfte. »Du
-lügst mehr, als ein roter Hund rennen kann, Kasper.«
-
-Der alte Müller beugte sich zum Dullhäubel hin. »Du plauderst allerhand
-Dummes über unsere Mühl, du Springinges mit deinem gelben Schnabel, und
-ist doch die Mußmühl weitaus die fürnehmste Mühl gewesen. Die Fuxloher
-Bauern haben bei uns mahlen müssen. Das Recht hab ich noch schriftlich
-daheim, du kannst es lesen. Die alten Fürsten haben ihren Namen drunter
-gesetzt. Heut haltet sich keiner mehr darnach, es ist eine untreue
-Zeit. Jeder fahrt mit seinem Malter, wohin er will. Der Mühlzwang hätt
-nit abgeschafft werden sollen. Das ist nit recht.«
-
-Der Gid ward rot wie ein Feuer. »Die alte Pflicht muß wieder
-aufkommen,« sagte er heiser. »Ich leid es nit anders. Allsamt wie ihr
-da sitzt, Fuxloher, müßt ihr das Korn bei mir aufschütten. Ich setz es
-durch.«
-
-»Meinem Vater haben sie das Recht abgezwungen,« rief der Alte, »ins
-fürstliche Schloß haben sie ihn geladen und haben ihn dort so lange
-gehaut, bis er zu allem Ja und Amen gesagt hat. Jetzt gehen viele
-Gaukelmühlen an unserem Bach, hat aber kein Müller ein rechtes Geschäft
-und keiner recht zu fressen.«
-
-»Das riegelt mir die Galle,« schrie der Gid.
-
-»Am Papier haben wir es schwarz auf weiß, der Fürst hat es bestätigt.
-Und was geschrieben ist, bleibt geschrieben. Ganz Fuxloh muß in die
-Mußmühl!«
-
-»Ich nit,« trotzte der Dullhäubel.
-
-Mit einem Blick wie ein Stichmesser tappte der Gid über den Tisch, und
-der alte Müller hielt den Dullhäubel schon an der Gurgel.
-
-Im rechten Augenblick noch fuhr der Meßner Grazian darein, die
-schneidende Stimme erhob er: »Lasset uns ein andächtiges Vaterunser
-beten für die verstorbene Freundschaft des Bräutigams und der Braut!«
-
-Da verstummte die Zwietracht, und alle Stimmen vermischten sich in
-einem eintönigen Gebet für die verschollenen Seelen der Vorfahren.
-
-Hernach spielten die Musikanten hellauf, daß in allen das Waldblut
-zu zucken und zu springen anhub, und der Hochzeitslader schrie: »Das
-Brautpaar soll vivat leben!«
-
-Der Dullhäubel trat vor die Igelbäurin hin und begehrte als Brautführer
-von ihr als sein Recht den ersten Tanz mit der Braut.
-
-Die Brautmutter richtete sich hoch auf. »Erst bring mir eine Kerze, die
-Tag und Nacht brennt!«
-
-Jauchzend schwang sich der Dullhäubel zum Fenster in den Garten hinaus,
-rannte um den Zaun herum und kam mit einer Brennessel wieder, und die
-steckte er der Iglin in das Bierglas.
-
-»Brenn dich nit an der Kerze, Brautmutter. Und jetzt laß mich mit ihr
-landlerisch tanzen!«
-
-»Brautweiser, erst bring mir sechs Lichter, ein jedes muß anders
-brennen.«
-
-Der Dullhäubel verschwand in der Kuchel und trug nach kurzer Weile ein
-Brett daher, darauf glühten sechs kleine Stengelgläser mit Kirschgeist
-und Kümmel und anderen roten, gelben und lichten Schnäpsen.
-
-»Kostet den goldnen, Brautmutter!« lockte er und bot ihr ein Stämplein
-dar, »das ist ein süßer Trunk, wie ihn die Weiber gern mögen. Du bist
-ja genäschig wie eine Geiß.«
-
-Die Iglin zierte sich ein wenig, griff dann schämig nach dem gelben
-Schnaps, spitzte den Mund und kostete lächelnd. Im Hui ward ihr Gesicht
-sauer, und es schüttelte sie am ganzen Leib. »Der Spitzbub hat mir
-einen Essig gegeben,« schalt sie.
-
-Hernach begehrte sie: »Eh ich dich tanzen laß mit der Jungfer Braut,
-zeig mir ein Bett, drin neun Jungfern schlafen, keine in der Mitte,
-keine am End!«
-
-Der Dullhäubel kratzte sich hinterm Ohr und meinte, das errate der
-Kuckuck. Aber er stieg auf den Dachboden und brachte ein Spinnrad daher
-und drehte es, daß die neun Speichen lustig wirbelten.
-
-»Du kannst gut raten,« lobte die Iglin. »Jetzt trag mir noch einen
-lebendigen Braten auf!«
-
-Während der Dullhäubel den Braten holte, kroch der Lukas Schellnober,
-der bei der Musik den Baß blies und als der stärkste Mann in der Gegend
-galt, unbemerkt unter den Tisch und packte die Ogath beim Fuß. Sie
-kreischte und strampelte, und die Brautmutter half ihr und raufte den
-Mann unbarmherzig bei den Haaren, und schließlich gab ihm die Braut
-selber einen Schlag auf die Wange, daß es wie ein Schuß knallte. Doch
-der Riese zog ihr, unbekümmert um alles, was da über ihn niederging,
-den Schuh aus, kroch schnaufend unter dem Tisch herfür und trottete zur
-Tür hinaus. Als er wiederkam, stellte er den Schuh mit Nelken und Rosen
-und Stiefmütterlein gefüllt vor die Braut hin.
-
-»Wirt, gib dem Grobian einen Krug Wein!« befahl die Iglin. »Den Fuß
-hätt er ihr schier ausgerissen.«
-
-Der Schuhräuber setzte sich auf ein Faß. »Die Ogath hat Kraft,«
-staunte er, »die hat mir einen feinen Hieb gegeben. Einen Hieb, den
-Gemeindestier schlaget er nieder. Einen Hieb, als wenn das Wetter
-einschlaget.«
-
-Vor lauter Freude an dieser Kraft vergaß er den Schmerz, der ihm im
-Schädel summte.
-
-Der Dullhäubel stellte derweil eine verdeckte Schüssel auf den Tisch.
-»So, da wär der lebendige Braten.« Er hob den Deckel, und eine Maus
-schlüpfte heraus, die hatte eine blaue Masche um den Hals.
-
-Die Weiber kreischten, rafften die Kittel zusammen und stiegen auf die
-Stühle und Bänke. Verwirrt jagte das Tierlein auf dem Tisch hin und
-her, warf die Stengelgläser um, daß es ein feines Geklingel gab, und
-wagte endlich den Sprung auf den Fußboden.
-
-Die Iglin wurde jetzt feierlich. »Brautweiser, jetzt bau der Braut eine
-silberne Brücke und nimm sie zum Tanz!«
-
-Der Dullhäubel holte einen Geldstrumpf und legte zwei Reihen
-Silbergulden von einem Tischeck zum andern, und die Ogath trat zaghaft
-darauf und schwankte den silbernen Steig dahin und sank hinab in die
-Arme des Dullhäubel, die Spielleute setzten an, und die zwei tanzten so
-wild, daß der lange lose Myrtenkranz vom Haar der Braut weithin wehte.
-
-Draußen vorm Wirtshaus saß die alte Ulla auf einem Stein. »Sie werden
-doch drin nit auf mich vergessen,« raunte sie.
-
-Eine Hand schob sich zur Tür heraus und warf ihr einen Kuchen in den
-Schoß.
-
-Sie lächelte. »Mir ist es ganz ein Ding, ob ich ein schwarzes Brot
-krieg oder ein weißes. Das weiße eß ich lieber, nur wegen der Farbe.«
-
-Drin am Tisch saß die Braut, der Ernst ihrer Stirn verging nicht, und
-kein Lächeln erhellte ihr Gesicht, wie arge Späße auch der Dullhäubel
-trieb.
-
-Am meisten zielte sein Übermut nach dem Bräutigam.
-
-»Zeig her, Gid, den Arm,« rief er, »ob dir das Haar dran bergan wachst!«
-
-»Warum bergan?« fragte der Gid mißtrauisch.
-
-»Weil ihr Müllner den andern Leuten in den Mehlsack greift.«
-
-»Du heißt mich also ins Gesicht einen Dieb?« brauste der junge Müller.
-
-Die Ogath beschwichtigte ihn. »Scher dich nit um solche Reden! Du
-brauchst viel Mehl, wenn du alle bösen Mäuler verkleiben wolltest.«
-
-»Ein jeder Sack raucht, wenn man drauf schlagt,« schrie der Gid. »Soll
-ich allein mir alles gefallen lassen?«
-
-Die Gäste murrten, daß der Dullhäubel Unfried stifte, und als dieser
-merkte, daß sich der Groll wie ein dumpfes Gewölk um ihn zusammen zog,
-da lenkte er ein und fing an, lustige Lügen zu erzählen über Leute,
-die nicht da waren, und unterhaltliche Lieder zu singen, darin er sich
-selbst ein Klämpflein anhängte, oder er streute sich Tabak auf die
-linke und die rechte Achsel, drehte den Kopf wie ein Wendehals darnach
-und schnupfte ihn mit der ausgiebigen Nase links und rechts weg.
-
-Ob solcher Schnacken söhnten sich die Gäste wieder mit ihm aus. »Man
-kann ihm nit feind sein, dem Faxenmacher,« lachten sie.
-
-Als der Gid und die Ogath hernach zum erstenmal in der Brautkammer
-lagen und die Mühle rastete, hörten die zwei die halbe Nacht draußen im
-Garten die Pumpe ächzen.
-
-Der Dullhäubel pumpte vor lauter Eifersucht den Brunnen aus.
-
- * * * * *
-
-Die Jahre verwichen.
-
-Der Dullhäubel wirtschaftete mit der Altbäurin und mit Knecht und Magd
-auf seinem Hof. Die Mutter zählte nicht mit, die schlief stehend und
-gehend ein.
-
-Er selber mühte sich auch nicht sonderlich, es behagte ihm viel mehr,
-den Fuxlohern allerhand Possen zu spielen, Land und Leute gen einander
-zu hetzen, auf den Wirtstisch fest aufzutrumpfen und ein Leben zu
-führen wie seine Vorfahrer.
-
-Immer mehr wandte sich der Blaumantel hinter seinem Gitter von der Welt
-ab, immer saurer sah er darein, wenn der Dullhäubel vorübertrollte,
-und schließlich bildete sich der Bauer ein, der Heilige wisse um all
-seine Schwänke und verrate sie vor Gottes Stuhl im Himmel. Drum besann
-er sich viel, wie er den unliebsamen Widersacher wegschaffen könnte.
-
-Einmal, am Simonjudastag, als das Kraut gehobelt und im Faß eingetreten
-war, schleppte er den Heiligen heimlich in den Keller, und stellte ihn
-statt eines Steines auf das Krautfaß, um es zu beschweren. »Jetzt bist
-du beschäftigt, du Müßiggänger,« spottete er.
-
-Doch seit der Hölzerne unterirdisch als Krautheiliger waltete, plagten
-den Dullhäubel bergschwere Träume und vergällten ihm den Schlaf.
-
-Ihm träumte, dem Blaumantel wüchsen Haar und Bart, und er, der Bauer,
-müsse ihn scheren und stutzen. Zunächst setzte er ihm einen Topf auf
-den Schädel, und was darunter an Haar hervorkringelte, schnitt er
-ab. Es war aber steif wie Eisendraht und kaum zu bewältigen. Hernach
-striegelte er ihn mit einem Igel, ein Kamm hätte den abscheulich
-verfilzten Schopf nicht durchrütten können. Er schnitt ihm den Bart vom
-Kinn und aus den Wangengruben und Nasenlöchern, schob ihm einen Löffel
-in das Maul, daß sich die Haut daran straffe, seifte und schäumte ihn
-ein und balbierte die Stoppeln mit einer Dachschindel. Der Bart aber
-wuchs augenblicklich wieder nach, und so wurde das Balbieren zu einer
-schrecklichen Mühe ohne Ende. Dabei glotzte der Blaumantel seinen
-Schaber höllisch an, und der Löffelstiel stand ihm gräßlich aus den
-grellroten Lefzen. Hundsmüd und zerknirscht fuhr der Dullhäubel aus dem
-Schlaf, an seinem Hemd war kein trockener Faden.
-
-Noch mehr quälte ein anderer Traum, der allnächtlich wiederkehrte. Der
-Heilige im Krautkeller wuchs, wuchs durchs Gewölb in die Schlafkammer
-des entsetzten Dullhäubel, wuchs durch den Boden zum Dach hinaus, daß
-die Balken sich bogen und die Schindeln flogen und das Haus wankte
-und schier stürzte. Nur die Kutte wuchs ihm nicht, und der Dullhäubel
-mußte ihm hinten und vorn Schürzen und Leintücher vorhängen von
-wegen der Schamhaftigkeit. Droben überm Dach zuckte und flammte der
-Heiligenschein und drohte, Wald und Korn zu zünden. Da preßte der Bauer
-einen Schrei aus der Brust, er schrie den Fuxlohern um Hilfe, aber
-alle Fuxloher Männer vermochten den verwilderten Blaumantel nicht zu
-überwinden, den sonst zwei zarte Jungfern stundenweit getragen auf der
-Wallfahrt nach Maria Dorn.
-
-Der Dullhäubel hörte aus diesen Träumen sein zerrissenes Gewissen
-schreien, und als ihn der Blaumantel einmal wieder wie eine Trud
-drückte, keuchte er aus dem Bett in den Keller hinab, stürzte den
-Quälgeist kopfüber in einen Buckelkorb und schleppte ihn zur Kapelle.
-
-Der Mond ging eben ab. Etwas Gespenstisches meckerte im finstern Moor.
-Ein Hund schrie Mord über ein blaues Irrlicht. Ein griesgrämiger Rabe
-hüstelte im Schlaf.
-
-Der im Buckelkorb schien sich zu rühren und ward immer schwerer und
-schwerer; der Dullhäubel meinte, Himmel und Erde müsse er tragen.
-Vielleicht war das Schnitzbild überhaupt kein Heiliger, vielleicht
-funkelte es hinter seinem Genick im Korb und war ein Bild des
-Gottseibeiuns selber, das sich ein Zauberer und Götzenknecht geschnitzt
-hatte in böser Absicht, und vielleicht springt der heidnische Kerl gar
-aus dem Korb und schleudert den Bauer selber hinein und schleppt ihn --
-Gott verhüt es! -- zum höllischen Backofen.
-
-Dem Dullhäubel schnürte sich die Gurgel zu, sein Atem klemmte sich.
-Vor Angst betete er laut und untertänig, und er stellte seinen blauen
-Feind unter Bittreimen und Stoßseufzern wieder in die Nische.
-
-Nach diesem Nachtgang lebte er gottesfürchtig und eingezogen, und
-das um so lieber, als ihm die Fuxloher auflauerten, deren Heiligen
-er mißbraucht hatte. Auch nahm er sich fest vor, jeden Gottestag die
-Predigt zu hören und seinen Groschen zu opfern zur Ehre der Kirche und
-zum eigenen irdischen und himmlischen Vorteil.
-
-Doch der Teufel wacht und zieht dem bußfertigen Sünder gern eine
-Sperrkette über den Weg. Also geschah es auch dem Dullhäubel, als er
-sich wieder einmal dem Herrgott von Blaustauden zeigen und in aller
-Bescheidenheit ganz hinten am Kirchtor hatte lehnen wollen.
-
-Er stieg in die hirschledernen Hosen hinein, legte den Sonntagsrock an
-und steckte das rubinene Glas zu sich. Im Hof trat er noch einmal zum
-Saustall, den er sich ganz klein hatte zimmern lassen und redete durch
-das Futtertürlein dem Vieh gütlich zu: »Friß nur, Sau, daß du einen
-Leib aufnimmst! Oder hast du keine Ehr in dir?«
-
-Wie er jetzt so treuherzig und in der besten Absicht bergab trabte und
-der Wind über die Zäune strich und die Wiesen rauchten, sprang ihm
-ein hitziger Mensch in den Weg, packte wie ein Straßenräuber ihn beim
-Brustfleck und schrie: »Gerad will ich dich heimsuchen. Ich hab gehört,
-du verkaufst eine Sau.«
-
-»Meine Sau ist speckfeist. Ob ich sie dir geb, ist nit gewiß.« Und der
-Dullhäubel vergaß schnöd des Herrgotts und kehrte mit dem Fleischhacker
-schnurstracks um.
-
-Die Sau wog gering. Weil sie aber kläglich in den winzigen Stall
-gestellt war, so füllte sie ihn aus und erschien gar mächtig.
-
-»Um wieviel ist sie dir feil, Bauer?«
-
-»Um dreißig Gulden, Fleischhacker.«
-
-Der Sauhändler prallte erschrocken zurück, machte Augen wie Pflugräder
-und drohte, ins Knie zu fallen. »Dreißig Gulden?! Du bist närrisch
-worden, Kasper.«
-
-»Dreißig Gulden,« sagte der Bauer eintönig.
-
-»Was wiegt die Sau?«
-
-»Schätz sie ab, Luitel!«
-
-»Dreißig Pfund wiegt sie. Kein Lot mehr.«
-
-»Dreißig Pfund?! O du Raubersbub! Jetzt willst du mich betrügen, wo ich
-dir so weit entgegen kommen bin mit dem Preis? Dreißig Pfund wiegt
-eine ausgezogene Katz. Schau sie genau an, die Sau, sie geht schier nit
-in den Stall hinein. Dreimal so viel wiegt sie zum mindesten!«
-
-»Daß ich nit lach, Kasper! Neunzig Pfund hat sie nit einmal samt dem
-Saustall.«
-
-»Luitel, greif meine Ehr nit an!« drohte der Dullhäubel.
-
-Der Händler sparte nicht mit seiner Verachtung. »He, das soll eine Sau
-sein?« rief er empört. »Gib sie her um zwanzig Gulden!«
-
-»Dreißig kostet sie. Das ist schandenwohlfeil.«
-
-»Was tust du mir an?« stöhnte der Luitel. »So manches Jahr sind wir
-treue Freunde gewesen. Und jetzt willst du mir das Blut aussaugen?
-Dullhäubel, laß nach! Dullhäubel!! Dullhäubel!!!«
-
-»Dreißig Gulden.«
-
-»Hinwerden soll ich in fünf Minuten, wenn du von mir einen Kreuzer mehr
-kriegst als zwanzig Gulden,« schwor der Fleischhacker.
-
-Der Dullhäubel zog die Sackuhr. »In fünf Minuten? O Freund, da mußt du
-dich hübsch fleißen!«
-
-»Du spottest noch? Kasper, denk an deine letzte Stund! So ein elendes
-Krepierlein! Die Knochen stehen ihm hinten und vorn heraus. Dem
-Schinder hast du die Sau gestohlen. Gib sie her um fünfundzwanzig
-Gulden!«
-
-»Dreißig.«
-
-»Lauter rothaarige Menscher soll dein Weib einmal kriegen!« fluchte der
-Luitel. »Die Sau soll dir die Nase abfressen, daß du nimmer schnupfen
-kannst!«
-
-Der Dullhäubel ward blaß, tastete nach der Nase und trat einen Schritt
-zurück. Die Verwünschung griff ihn an, und schier hätte er nachlassen.
-Aber er erfing sich wieder und sagte sanft: »Dreißig Gulden.«
-
-Der Luitel heulte auf. »Er treibt mich in die Verzweiflung Hast du
-ein Herz im Leib, Kasper? Bist du ein Christ? Gib her die Sau um
-achtundzwanzig Gulden! Reck her die Hand! Schlag ein!«
-
-Er versuchte immer wieder in die Hand des Bauern einzuschlagen, die wie
-tot hing. Er winselte, beschwor, fluchte, verwünschte.
-
-Der Dullhäubel blieb kalt. »Geh heim, Fleischhacker! Du bist ja nit
-verheiratet mit meiner Sau.«
-
-»Tu sie her um achtundzwanzig Gulden fünfzig Kreuzer,« schluchzte der
-Luitel, »und nimm dir die Sünd mit in die Ewigkeit!«
-
-Jetzt seufzte der Dullhäubel wehmütig auf: »Ich will dich nit
-unglücklich machen, und weil du mein Freund bist seit jeher, so gehört
-dir die Sau um den Preis, den du jetzt selber geboten hast. Aber nit
-gern laß ich dir sie. Sie ist meine einzige Freud gewesen; ich hab sie
-aufgefüttert und wachsen sehen und zunehmen --.« Er wischte sich über
-die Augen, seine Stimme erstickte.
-
-Da schlugen die zwei ein. Der Handel war geschlossen.
-
-Der Luitel blätterte die schmierige Brieftasche auf und zahlte.
-Bedächtig zählte der Bauer das Geld nach, und als er es verwahrt hatte,
-half er dem Händler das widerspenstige Tier bei den Ohren aus dem Stall
-ziehen.
-
-»O verflucht, ist die Sau gering!« stammelte der Luitel, als er sie im
-hellen Taglicht sah.
-
-Und als er sie gar durch das große Hoftor zerrte, wurde es ihm durch
-den Vergleich recht augenscheinlich, wie winzig die Sau war. Vor Wut
-ächzte er auf und drohte mit der Faust zurück.
-
-Der Dullhäubel aber schüttelte das Geld und frohlockte laut: »Den hab
-ich angeschmiert, daß ihm die Augen tropfen.« --
-
-So übervorteilte er jeden, der sich mit ihm im Handel messen wollte.
-
-Trieb er eine Kuh auf den Markt, so rührte er ihr im letzten Wirtshaus,
-wo er einkehrte, eine kräftig gesalzene Mehlsuppe an, darauf durstete
-das Vieh gar sehr und es soff wie ein dürrer Rasen Wasser in sich, bis
-es die Wampe voll hatte. Dann stand es stattlich da und freute sich
-eines guten Gewichtes, und der Dullhäubel schlug sie mit erklecklichem
-Gewinn los.
-
-Derlei Kniffe und Pfiffe hatte er einen ganzen Heuwagen voll.
-
-Ein ganz besonderer Segen lag auf seinem Hof, trotzdem daß er seine
-Hände schonte und die schönste Zeit beim Bier verlümmelte. Mit
-glänzenden Fellen stand ihm das Vieh im Stall, seine Kühe kälberten
-eifrig, seine Geißen kitzten dreifach und vierfach, seine Hennen legten
-Eier mit zwei Dottern. Kein Reif sengte ihm die Erdäpfelblühe, kein
-Schauer knickte sein Korn, sein Heu kam räuspendürr unters Dach.
-
-Und mancher Fuxloher ward deswegen in dem gerechten Herrgott irr.
-
- * * * * *
-
-Dem jungen Mußmüller wich der Dullhäubel aus, er scheute ihn. Der Gid
-wurde immer hitziger und rauflustiger und stritt mit allen Leuten, weil
-er das altverbriefte Recht wieder durchsetzen wollte. Auch sonst störte
-ihm mancherlei das Glück, besonders aber, daß in der Mühle die Wiege
-leer blieb.
-
-Einmal stach den Dullhäubel der Kitzel, und er schlich sich den Bach
-entlang, den mürrischen Nachbar ein wenig aus dem Häuslein zu bringen.
-
-Die Vögel wuschen sich, am Zaun blühten die Hollerstauden. Die Mühle
-rumpelte verschlafen, und das Rad knarrte verdrießlich: »Soll -- ich --
-denn -- noch einmal -- umgehn?«
-
-Mit unwirscher Stirn lehnte der Gid am Türstock. Es hatte schon lange
-nicht geregnet, und wenig Wasser fiel aufs Rad. Die Ogath saß auf der
-Sonnenbank und flickte.
-
-Da rief der Dullhäubel hinter einer Erlenstaude: »Wie die sieben dürren
-Jahr schaust du drein, Gid. Geht dir die staubige Mühl zu langsam?«
-
-Die Eheleute schraken auf wie Hennen, wenn der Fuchs durch den Zaun
-blinzt.
-
-Der Nachbar setzte sich gemächlich auf einen Grenzstein jenseits
-des Baches und fragte: »Strickst du den Geiferlatz für den neuen
-Müllnerbuben, Ogath? Wann wirft der Krähvogel ihn euch in den
-Rauchfang? Er laßt sich Zeit.«
-
-»Du Daunderlaun, wir sind ohne Kinder auch lustig,« speiste sie ihn ab.
-
-Er höhnte weiter: »Wer ist denn schuld daran, du oder der Mann?
-Müllner, du mußt sie über neun Zäune tragen und schreien, die Nachbarn
-sollen dir helfen.«
-
-Er achtete nicht des Mühlrades, das bedächtig und schier drohend
-brummte: »Juckt -- dich -- der -- Buckel? Juckt -- dich -- der --
-Buckel?«
-
-»Ich helf mir selbst,« grollte der Gid, »und dich brauch ich am
-wenigsten. Du bist derselbe Lump wie deine Ähnel.«
-
-»Der Apfel fallt nit weit vom Birnbaum,« entgegnete der Dullhäubel.
-»Wenn ich ihr nur meine Pudelhaube hinwerfet, gleich krieget sie einen
-Buben, die Ogath.«
-
-»Ja, weil du der rotbartet Kasper bist,« knirschte der Gid. »Das muß
-ich mir ins Gesicht sagen lassen, Ogath. Dran bist du schuld.«
-
-»Ich geh wallfahrten gen Maria-Dorn,« seufzte sie bang. »Vielleicht
-nutzt es.«
-
-»Geh hin, wohin du willst! Ein Bub muß her.«
-
-»Geh nacket in die Kindelkapelle, Ogath!« kicherte der Dullhäubel.
-
-Der Müller wurde schneeweiß und packte einen Hammer, der auf der
-Türschwelle lag. »Ich erschlag dich, ich bin Gott einen Toten
-schuldig,« zischte er und sprang über den Bach.
-
-Er war flinker als der Nachbar, und als er ihn gestellt hatte, schlug
-er mit dem Hammer blind auf ihn los und traf ihn auf die Achsel, daß er
-hin in die Binsen fiel.
-
-Das Mühlrad ging auf einmal viel lustiger und spottete: »Hat dich der
-Buckel gejuckt? Hat dich der Buckel gejuckt?«
-
-Beruhigten Blutes kehrte der Gid zu seinem Weib zurück. »Den Grenzstein
-will ich heut noch mit Kalk frisch überweißen, weil ein schlechter Kerl
-drauf gesessen ist. Und ein Bub muß her, und wenn wir zwei solange drum
-wallfahren müssen, daß uns bei jedem Schritt ein Blutstropfen von der
-Ferse fällt!«
-
-Indes raffte sich der Dullhäubel mit allerhand Gedanken an Schergen,
-Gericht und Zuchthaus aus der Wiese auf, tappte nach der wehen Achsel
-und schielte bös zur Mühle hinüber. »Blut ich, so klag ich; blut ich
-nit, so klag ich nit.«
-
- * * * * *
-
-Im Volk ging die Rede, daß einst von Gesetz wegen in der Mußmühle
-kein Weib habe hausen dürfen. In Wahrheit verhielt es sich so, daß
-unter jenem Dach nur wenig Kinder geboren wurden. Während es in den
-Bauernstuben wimmelte, zogen die jeweiligen Müllersleute immer nur
-einen einschichtigen, vertrotzten Buben als Samenstengel auf.
-
-Der Ogath lag es wie ein Mühlstein am Herzen, daß sie Jahr für
-Jahr galt ging. Sie hätte alles drum gegeben, und nicht nur ihres
-verfinsterten Mannes wegen, wenn sie ein Kind gehabt hätte, und weil
-alles Gebet, alle Sehnsucht und Traurigkeit fruchtlos blieb, so dachte
-sie immer heißer an Wunderkräfte, die ihr den Segen aufschlössen.
-
-Was ihr der Dullhäubel in seiner Verruchtheit geraten, ging ihr nimmer
-aus dem Sinn.
-
-Weit drin in der Wildnis des Lusens ist die Kindelkapelle. Dort hat
-schon manches Mutterverlangen sich hingekehrt und ist erhört worden.
-Doch die große Gnade kann nur durch ein großes Opfer herbei gelenkt
-werden: nackt muß das Weib wallfahren zu jenem Gnadenursprung, in
-letzter Blöße muß sie schreiten durch die Wälder, ehe ihr das Wunder
-zuteil wird.
-
-Von Woche zu Woche nahm sich die Ogath die seltsame Wallfahrt vor, doch
-immer wieder schrak sie in Scham davor zurück, bis ihr Wunsch endlich
-so gewaltig aufbrannte und alles andere davor verglomm.
-
-Zu Mariä Heimsuchung fuhr der Müller in die Stadt ins Schloß, dort
-wollte er noch einmal wegen des abgeschafften Mühlrechtes verhandeln.
-
-Da schlich die Ogath barfuß in das Vogeltänd, das war der Wald,
-der hinter der Mühle aufstieg und den Steig beschattete, der zur
-Kindelkapelle führte.
-
-Vor einer Steinhöhle hielt sie an. Ihre Brust ging hoch, angstvoll flog
-ihr Blick durch die Bäume, sie trat aus dem Sonnenlicht in den tieferen
-Schatten einer niedergreifenden Tanne. Zitternd band sie sich die blaue
-Schürze los und legte sie in den Steinriß, sie tat die Joppe ab und den
-Rock und die drei barchentenen Unterkittel und verbarg sie. Jetzt stand
-sie im Hemd und lauschte todängstlich hinein in das Vogeltänd.
-
-Nichts regte sich. Nur eine Drossel pfiff.
-
-Sie wartete, bis der Vogel sich versungen hatte. Dann warf sie das Hemd
-ab und war nackt.
-
-Ihr schauderte.
-
-Mit gefalteten Händen, mit fallenden Zähren begann sie die leidvolle
-Wallfahrt.
-
-Anfangs schien es ihr öfters, es halle der dumpfe Tritt eines Wandrers
-ihr entgegen, und sie floh mit verhaltenem Atem hinter eine Staude und
-lauschte lange und traurig.
-
-Das Blut brannte ihr in den Wangen den weiten Weg. Sie schämte sich vor
-den lustigen, spiegelnden Quellwassern, die sie überschreiten mußte,
-sie schämte sich vor dem flüsternden Laub, das sie zu beschwätzen
-schien, und vor den rauhen Felsen sogar, denn alles hatte heute Gesicht
-und Augen. Jeder Stein am Steig, jede Wurzel am Hang, alles, alles
-kehrte sich ihrer sündigen Nacktheit zu.
-
-Der grüne Baumhackel lachte schrill, der Krummschnabel glotzte vom Ast,
-spöttisch knickste das Rotschwänzel. Das Hirngrillein, der Guckauf, der
-Nußhackel, die Spottvögel alle, die Schlangen am Weg, der verzagte Has,
-der Hirsch, der unter der Berghollerstaude rastete und hinauf fraß, sie
-alle schauten sie an, die da gläubig in ihrer schmerzlichen Keuschheit
-dahin wallte.
-
-»Vögel, berget die Äuglein im Gefieder!« bat sie. »Wend ab die Augen,
-Wendehals! Ihr Blumen, verschließt euch und schaut mich nit so an! Zeig
-mir mein Bild nit, du stiller Bach!«
-
-Immer älter und verworrener wurde der Wald, schreckhaft verbogene Bäume
-schickten die Wurzeln wie Nattern und Tatzelwürmer aus, Felsen trugen
-tiefes, feuchtes Moos und trieften, Geier jagten schreiend über den
-finster geschlossenen Wipfeln.
-
-Mitten in diesen Schrecknissen ragte das Wunderkirchlein auf.
-
-Es lag so mutterseligallein, so verhuscht und verborgen vor aller Welt,
-so recht geeignet, daß ein armes Mutterherz oder eine betrübte Magd
-oder ein reuiger Sünder oder, wer immer den Herzwurm hat, sich in aller
-Geheime ausweinen konnte.
-
-Die Ogath trat in das wetterverschlissene Bethäuslein. Das Herz ward
-ihr sonnenlicht, als sie den Altar sah.
-
-Da saß die Maria, die heilige Kindelbetterin, weiß wie ein Lilienblatt,
-schlicht und einfältig, und neben ihr beugte sich der Zimmermann mit
-dem eisgrauen Bart, ein uralter Tattel, über die Krippe, darin ganz
-nackt und bloß das Himmelskind schlief, und zwei Eheleute schauten
-furchtsam drein, denn die Könige waren gekommen, den Heiland im
-kalten Stroh zu grüßen, der Kasper, schwarz wie ein Kohlenbrenner,
-der Melcher, der Weihrauchkönig, reitend auf dem Kameltier, und der
-Balthauser, der mit dem silbernen Stern tanzte. Ganz hinten, durch
-zierliche Heiligenscheine aus ihrer Demut erhöht, knieten das Öchsel
-und der ägyptische Esel.
-
-Vor dem Altar stand eine große, leere Wiege.
-
-Die Ogath aber redete mit der hohen Gnadenfrau: »Die Mußmüllnerin bin
-ich, und es ist eine Sünd und eine Schand, wie ich da vor dir steh.
-Aber deine Augen sind so still, und du schaust mir ins Herz bis auf den
-Grund. Du siehst nix Schlechtes drin. Und ich bitt dich, trag meinen
-Wunsch hin, wo man ihn hört. Mit gesegnetem Leib möcht ich gehen wie
-die anderen Weiber, und so bitter gern tät ich am Anger vor der Mühl
-Windeln bleichen, tät Hosen flicken für ein schlimmes Büblein, oder
-wenn es ein Dirnlein sein sollt, wollt ich es gern zöpfeln und es hegen
-und pflegen, und alles Herzleid tät ich willig tragen, was so ein Kind
-bringt.«
-
-Weiter fand sie keine Worte.
-
-Sie kniete zur Wiege hin, legte ihren schmerzlichen Wunsch hinein
-und wiegte still und versunken in den Anblick der heiligen Leute und
-gläubig, daß das Wunder geschehe an der Frau, die es wagt, nackt zu
-wallfahren.
-
-Sie wiegte, bis die Sonne tief im Bergwald versunken war und die
-Kapelle sich mit grauen Schatten füllte.
-
-Im Dämmer ging sie heim, erbangend, wenn das Gras zischte oder der
-Wind flüsterte, verzagend vor jedem Gebüsch. Denn selten gibt es eine
-Staude, drin nicht ein Auge ist.
-
-Die Raben kehrten in den Fichten ein zur nächtlichen Rast. Wie
-stockende Geister leuchteten die weißen Grenzsteine. Droben tat sich
-der Sternhimmel auf und funkelte durch die Wipfel nieder und silberte
-Zweig und Laub.
-
-Lichter aber schimmerte der Leib der Wallfahrerin, und die Blendnis
-ihres Fleisches lockte und schrie durch die Nacht.
-
-»Ich bin wie eine Latern,« klagte sie.
-
-Der Wald ward sanfter, gangbarer der Weg. Durch die Stille hörte sie
-schon die Mühle. Fern über den Bäumen sah sie hin und wieder das
-Gebirg in schwarzen Klumpen dunkeln. Sie wanderte und wanderte im
-Glanz ihres Leibes hin.
-
-Als sie den Steinriß erreichte, wo sie das Gewand versteckt hatte,
-huschte ein Mann aus den Felsen herfür und griff nach ihr.
-
-Sie schloß die Augen und ließ willenlos alles geschehen.
-
-Es mußte so sein.
-
- * * * * *
-
-Als der Gid erfuhr, wie die Ogath wallfahren gegangen war, prügelte er
-sie unbarmherzig, daß sie blau und blutig wurde, und das starke, stolze
-Weib ließ sich schlagen und wehrte sich nicht.
-
-Tags darauf kam der Zusch, ein närrischer Mann, zum Müller und lallte:
-»Der Dullhäubel schickt mich. Du sollst ihm Haut und Haar von deinem
-Weib schicken. Du hast gestern geschlagen.«
-
-Der Gid jagte ihn davon. --
-
-Im Frühjahr gebar die Ogath ein Dirnlein mit dickem, rotem Haar.
-
-Der Müller zerbiß sich die Lippen, er hatte einen Buben begehrt.
-
-»Woher hat sie das rote Haar?« murrte er.
-
-Er versperrte sich immer mehr in sich selbst. Seine Augen flogen scheu,
-die kargen Worte, die er redete, zauderten undeutlich an seinen
-Lippen. Oft brütete er stundenlang über dem Brief, der den Vorfahren
-Zins und Kundschaft verbürgt hatte, und sann auf Wege und Schliche und
-Gewaltsamkeiten, sich wieder ins alte Recht zu setzen.
-
-Einmal saß er am Fenster und quälte sich, eine Bittschrift an den
-Kaiser aufzusetzen. Denn im fürstlichen Schloß hatte man ihm gesagt,
-der Kaiser selber habe die Zwangmühlen abgeschafft. Er wollte mit der
-Schrift nach Wien reisen und dort, wenn es nicht anders ginge, einen
-Fußfall tun.
-
-Da holperte draußen auf der Straße ein Wagen daher, der Fuhrmann pfiff
-gell und knallte ohne Aufhör mit der Geißel. Der Gid riß das Fenster
-auf und schaute hinaus. Es war der Dullhäubel. Seine Ochsen wollten den
-mit Kornsäcken beladenen Wagen vorüberziehen.
-
-Aufsprang der Gid, packte die Urkunde und rannte hinaus.
-
-Er trat dem Fuhrwerk in den Weg und hielt die Ochsen an, die Augen
-flirrten ihm.
-
-»Kasper, wohin?«
-
-»In die Mußmühl nit, in die Grillenmühl,« sagte der keck.
-
-»Das ist gegen das Gesetz,« lechzte der Gid. »Da siehst du die Schrift.
-Schwarz auf weiß steht drin, daß du bei mir mahlen mußt. Dein Hof steht
-drin aufgeschrieben mit Tinte und Feder. Mir ist es nit ums Mahlgeld,
-mir ist es ums Recht.«
-
-»Ich mahl bei dem groben Müllner nit, der mit dem Hammer die Leut
-erschlagt.«
-
-»Gelt, Kasper, du fahrst an meiner Mühl vorbei, weil du weißt, was mir
-ein Spieß ins Aug ist! Heut laß ich dich nit vorüber. Recht muß Recht
-bleiben. Übers Recht gibt es keinen Weg.«
-
-»Speib Gift, speib Gall!« sagte der Dullhäubel kalt. »Deine Red hat
-keinen Kopf und keinen Fuß. Steck ein den Wisch Papier und fuchtel nit
-so vor den Ochsen herum! Du zerrüttest sie mir.«
-
-»O du grundschlechter Kasper, genau so wie deine Vorfahrer peinigst du
-die Leut. Mit Bluthunden haben sie den jungen Burschen nachgespürt, das
-lebendige Menschenblut haben sie um einen Judaslohn verraten!« spritzte
-der Gid dem Dullhäubel ins Gesicht.
-
-Der antwortete gelassen: »Du steigst mir auf den Buckel! Und es bleibt
-dabei, der Grillenmüllner und kein andrer schrotet mir das Korn.«
-
-Blutrot sprang der Müller den Bauer an. Diesmal aber war der Dullhäubel
-gerüstet. Er riß eine Ochsensenne aus dem Wagen und schlug schrecklich
-auf den Feind los.
-
-Der Gid keuchte in sein Haus. Im Flur stand der alte Müller.
-
-Der Gid faßte eine Hacke. »Reichlich hat er mich gehaut,« schnaubte
-er. »Vater, du stellst dich hinter die Tür. Du packst ihn von hinten.
-Gleich ist er da. Droben am Steinbühel graben wir ihn ein.«
-
-Atemlos warteten die zwei.
-
-Der Dullhäubel aber führte sein Korn schon weit und sang sein Leiblied.
-
- »Ich schrei hü,
- ich schrei ho,
- ich schrei allweil
- hüstaho.«
-
- * * * * *
-
-Als dem Müller die Blutrünste und blauen Flecken vergangen waren,
-steckte ihm der Bote einen Brief zu, und damit wurde er vors Gericht
-beschieden.
-
-Der Dullhäubel hatte geklagt, der Gid habe ihn auf hellichter Straße
-überfallen, ihn und seine Vorfahrer geschmäht und verschändet und ihn
-schließlich mit einer Ochsensenne halb erschlagen.
-
-»O der falsche Fuchs!« schrie der Gid. »Erst haut er mich grün und
-gelb, hernach zieht er mich vors Gericht. Auf der Stell klag ich ihn
-auch.« --
-
-Der Dullhäubel rüstete sich indes emsig für den Gerichtstag. Er wollte
-den lieben Mußmüller so weit bringen, daß er kniefällig um Verzeihung
-heulte.
-
-In der Scheuer übte er seine Rede ein. Vorerst neigte er sich nach
-allen Seiten, denn er dachte sich den Gerichtshof rund wie einen Kreis
-und rings lauter Richter und Schergen und sich selber in der Mitte.
-
-»Gnädigster, allerstrengster Herr Gerichtshof!« hub er an. »Indem daß
-der Herr Ägid Wilfinger, Müllnermeister in Fuxloh, mich, den Herrn
-Kasper Dullhäubel, ehrengeachteten Bauern daselbst und eheleiblichen
-Sohn und Nachfolger des Herrn Isidor Dullhäubel, indem daß derselbe
-denselben und seine Ochsen auf freier Straße angepackt hat und mich
-hat zwingen wollen, daß ich in seiner Mühl mahl, wo doch schon der
-Herr Kaiser Josef im Jahr achtundvierzig alle Zwangmühlen verboten
-hat, und weil ich selbem Müllner nit zu Willen war, hat er mich und
-meine gottseligen Vorfahrer mit boshaften Wörtern verunehrt und hat
-insbesonders mir -- mit Verlaub zu sagen -- geschafft, ich soll ihm auf
-den Buckel steigen. Nachdem dies geschehen war, hat er mich mit einer
-Ochsensenne so kläglich genotnötigt, daß ich vierzehn Tag meine Arbeit
-hab versäumen müssen und Hand und Fuß nit rühren können. So, jetzt hat
-der Widersacher das Wort.«
-
-Damit ging der Dullhäubel in die Ecke der Scheuer, wo spinnverwebt
-die Putzmühle stand, und drehte sie fünf Vaterunser lang, daß sie
-rumpelte und fauchte, und deutete also die Rede an, womit der Gid sich
-verteidigte.
-
-Als der Bauer an der Putzmühle in einen gelinden, warmen Schweiß
-geraten war, setzte er ab und sprach wiederum in der eigenen Sache.
-
-»Allerhöchster und ehrbarer Herr Gerichtshof! Indem daß der Ägid
-Wilfinger sich gar so lügenhaft verteidigt und mit seinen Spitzfünden
-der Wahrheit unverschämt ins Gesicht schlagt und behauptet, es hätte
-sich alles umgekehrt zugetragen und ich hätte ihm mit einer Ochsensenne
-leibgefährlich und schandbar zugesetzt, daß er schleunig in der
-Mühl habe seine Zuflucht holen müssen: so verschwör ich mich mit
-dem härtesten Schwur, daß der Müllner jetzt abscheulich gelogen und
-getrogen hat. Gott soll mich strafen, wie ich da steh, wenn nur ein
-einziges Wort nit wahr ist!«
-
-Jetzt ließ er wieder die Putzmühle lärmen, und dies bedeutete wieder
-die Antwort des Gid.
-
-Hernach schloß er die Verhandlung und sagte: »Indem daß der Müllner von
-seinem halssteifen Leugnen nit ablaßt und in ohrenblaserischer Weis
-mich, seinen Nachbarn und vormals treuen Freund ins Zuchthaus bringen
-will, so trag ich alleruntertänigst seine gerechte Bestrafung an. Ich
-bitt euch, sperrt den Herrn Ägid Wilfinger drei oder vier Jahr bei
-Wasser und Brot ein, daß mir mein Recht geschieht und er hernach als
-ein verbesserter Müllner wieder auf die Welt kommt.«
-
-Er verneigte sich nach allen Winden und ging aus der Scheuer, seiner
-Sache sicher. --
-
-Am Gerichtstag putzte sich der Dullhäubel wie ein Pfingstelreiter
-heraus: er schirrte sich in die grasgrünen Hosenhalfter und steckte
-einen Häherspiegel in den blauen Hut, die Silberknöpfe glänzten am
-Brustfleck, und so trat er getrost aus dem Haus.
-
-Als die Sodonia über ihn ein Kreuz schlug, sagte er: »Heut wird es ein
-Rausch, ob ich gewinn oder verlier.«
-
-Vor seinem Hof aber hockte die Ulla, sie ließ ihr zahnlücketes Lächeln
-spielen und grüßte: »Guten Morgen in aller Fruh, Bauer!«
-
-Das alte Weib deutete er als übles Vorzeichen. Fluchend rannte er
-in die Stube zurück, tauchte alle fünf Finger in den Weihbrunn und
-besprengte sich kräftig, daß alles Gelüst des Teufel zu schanden werde.
-Dann schlich er zur Hintertür davon und ging in einem weiten Ring um
-das Bettelweib. --
-
-Der Gerichtshof schaute ganz anders aus, als wie der Dullhäubel
-geträumt hatte. Es war eine sonnige Stube, drin auf grünem Tisch
-zwischen zwei Kerzen das Kreuz mit dem angenagelten Herrgott stand.
-
-Der Richter hatte einen breiten Goldbart, eine rötliche Nase und graue,
-scharfe Augen, die einen durch Mark und Bein schauten.
-
-Der Schreiber, dem zwischen den Augenbrauen eine mächtige Warze saß,
-zog eben den Pfropf aus einem Tintenfläschlein. Neben ihm glänzte eine
-schneeweiße Gansfeder.
-
-Als der Dullhäubel in die Stube trat, war der Müller schon drin.
-»Holla, gefehlt ist es,« dachte der Bauer, »jetzt ist mir der Kerl
-zuvor kommen!« Doch hoffte er die Scharte auszuwetzen, und er grüßte
-artig: »Gelobt sei Jesus Christus, Herr Gerichtshof und Herr Schreiber!«
-
-Er wollte auch den Mann neben der schneeweißen Gansfeder ehren, denn
-wie leicht konnte der ein Wörtlein in seine Schrift rinnen lassen, das
-einem das Genick brach.
-
-Der Goldbart murrte etwas und deutete ungeduldig auf einen Sessel.
-Doch der Dullhäubel hielt es an der Zeit, seinen Trumpf auszuspielen,
-er holte das Tabakglas herfür und bot es mit zwinkerndem Blick auf die
-rötliche Nase dem Richter hin.
-
-»Was unterstehen Sie sich?« brüllte dieser.
-
-Der Dullhäubel legte die Hand demütig aufs Herz. »Herr Gerichtshof, ich
-bin halt ein dummer Bauer.«
-
-Er knickte auf den Sessel nieder, der blaue Hut fiel ihm auf den
-Fußboden. »Holla,« dachte er, »jetzt hab ich mich verrechnet. Aber
-meine Red muß mich herausreißen.«
-
-Die Stimme des strengen Mannes kam auf einmal ganz unglaublich mild und
-zart aus dem Goldbart heraus, die starken Augen wurden ihm feucht, er
-zupfte an seiner Nase.
-
-»Leutlein, euch hat der Herrgott nachbarlich hingesetzt in das schöne,
-friedliche Tal am Wolfsbach, und ihr steht jetzt in dieser Stube euch
-gegenüber wie zwei Waldratten, die sonst nichts mehr zu fressen haben
-als eins das andere. Was verklagt ihr euch wegen ein paar überflüssiger
-Hiebe und ein paar lustiger Wörter? Besinnt euch, ihr strittigen
-Männer! Es kann kein gut tun, wenn einer von euch wegen des andern
-abgestraft wird. Es wächst Haß daraus, und der Haß glost weiter in Kind
-und Kindeskind und schlägt allweil wieder giftig aus der Asche. Denkt
-an den Frieden eurer Enkel! Söhnt euch aus! Gebt euch die Hände!«
-
-»Ich will mein Recht,« trotzte der Müller.
-
-»Ich auch,« rief der Dullhäubel.
-
-Das graue Auge des Richters verfinsterte sich, mit langen Schritten
-ging er von Wand zu Wand.
-
-»Es ist gut,« sagte er. »Und jetzt erzählen Sie mir den Vorfall,
-Wilfinger!«
-
-Der Gid stellte sich kerzengerad hin wie ein Soldat und begann rauh:
-»Ich komm aus der Mühl. Der Kasper steht auf der Straße. Ich zeig ihm
-unsern Freibrief. Wir reden nit lang, da reißt er die Ochsensenne aus
-dem Wagen. Wenn ich nit renn, erschlagt er mich.«
-
-»Umgekehrt ist es gewesen!« kreischte der Dullhäubel.
-
-»Ruhig!« knurrte der Richter. »Ägid Wilfinger, beschwören Sie Ihre
-Aussage!«
-
-Die Kerzen flackerten unheimlich, und der Gid reckte den Arm steif auf
-bis schier zur Decke und stammelte nach, was der Richter vorsprach.
-
-»Falsch hat er geschworen, der staubige Teufel!« schalt der Dullhäubel.
-»Dir wasch ich noch einmal die Kutteln.«
-
-»Du elendiger Bauerntrumpf!« grollte der Gid. »Erwisch ich dich noch
-einmal, ich hämmer dich hin, daß du nimmer aufstehst!«
-
-Der Richter rieb sich die Fäuste. »Das ist ein spitzer Handel, Männer,«
-reizte er die zwei. »Redet euch nur die Leber frei!« Der Bart zitterte
-ihm unter dem lachenden Mund. Lachend riß er das Fenster auf.
-
-Das Geschrei der zwei Fuxloher versammelte drunten am Markt die
-Stadtleute. Sie horchten und lachten.
-
-Der Dullhäubel war rot wie ein Truthahn. »Müllnerdieb, Müllnerdieb!«
-zeterte er. Ihm fiel nichts anderes ein.
-
-Der Gid hatte keine Farbe im Gesicht. »Du abgefeimter Fuchs,« sprühte
-er, »du drehst dem Teufel einen Knopf in den Schweif.«
-
-Sie wüteten gen einander wie zwei leer laufende Mühlsteine, mit bösen
-Reden stachen sie auf sich ein, vergangene Zeiten öffneten sie und
-rissen die verweste Schande der Voreltern heraus.
-
-»Du Lump!« brauste der Gid. »Und allsamt seid ihr Lumpen gewesen auf
-euerm Hof. Der Vater sauft sich zu Tod, der Ähnel sucht die letzte Rast
-am Strick, dem Guckähnel wird der Hirnschädel eingehaut, und wer weiß,
-wie viel von deiner Brut am Galgen gezappelt haben!«
-
-Der Dullhäubel blieb nichts schuldig. »Du ehrlicher Müllner, dein
-Vater ein ehrlicher Mann, dein Ähnel, dein Urähnel, dein Guckähnel,
-lauter redliche Müllner! Kein Körnlein ist euch stecken blieben im
-Fingernagel, kein Stäublein Mehl ist haften blieben an euern Schürzen,
-keinen Sand habt ihr gemischt --.«
-
-»Was? Du willst an meinem ehrlichen Gewerb schnipfeln?« Der Gid langte
-hinüber, wie der Bär nach Reiner dem Fuchs greift.
-
-Schnell barg der Schreiber das Tintenfaß und sah sich nach der Tür um.
-
-Dem Richter schien es genug. Er brüllte, daß die Scheiben klirrten:
-»Ruhe! Sonst laß ich euch dingfest machen und ins Zuchthaus schmeißen!«
-
-Der Dullhäubel aber bäumte sich auf: »Hat der Gid geschworen, muß man
-mich auch schwören lassen!« Er schwang die rechte Hand in die Höhe
-und spreizte die Finger, die linke ließ er mit zur Erde gereckten
-Schwurfingern hängen; er glaubte, so müsse der Schwur ohne Schaden
-durch den Leib gehen, auch wenn er nicht ganz echt sei.
-
-Der Goldbärtige schaute ihn mit einem Blick an, der ihm den Arm lähmte,
-und sagte halblaut: »Ihr zwei versteckten Lümmeln, augenblicklich
-versöhnt ihr euch, sonst laß ich euch krumm schließen, daß euch die
-Knochen brechen! Glaubt ihr, ich hab die Zeit gestohlen, daß ich
-mit einem groben Müller und einem spitzfindigen Schelm, der da kalt
-schwören will, herumschlage? Im Hui vergleicht euch! Und dann hinaus
-mit euch!«
-
-Die Widersacher schauten verdutzt drein, der Richter aber winkte
-entschlossen hinab auf den Marktplatz, dort stand ein riesiger Mann mit
-einem Säbel.
-
-Den zweien wurde ängstig.
-
-Der Säbel klapperte draußen die Stiege herauf. Der Dullhäubel langte
-sich nach dem Hals, als würge ihn etwas. Dem Müller war, eine Sense
-fahre ihm durch die Kniee.
-
-»Gid, verzeih!« ächzte der eine.
-
-»Kasper, vergiß!« murmelte der andere.
-
-Der Mann mit dem Säbel trat herein. Sein Gesicht war ernst, als müsse
-er in die Feldschlacht gehen. Er wischte sich links und rechts über den
-Schnurrbart.
-
-Der Richter sprach zu ihm: »Sie, Herr Notnagel, rennen Sie gleich zum
-Postmeister hinüber! Er soll nicht aufs Kegelscheiben vergessen. Im
-Wirtshaus zum Blumenstöckel.« --
-
-Die zwei Fuxloher atmeten auf, als sie draußen auf dem Gang standen.
-
-Der Gang war weitläufig und finster, und drum verirrten sie sich und
-gerieten an eine eisenbeschlagene Tür, die halboffen stand.
-
-Der Dullhäubel spähte hinein.
-
-In der Kammer drin war nichts zu sehen als ein vergittertes Fenster
-und eine hölzerne Liegerstatt. An die Wände hatten die Leute, die
-hier einschichtig über den Lauf der Welt nachgedacht hatten, allerlei
-Ergötzliches gezeichnet. Neben dem Bild eines mit Raben und baumelnden
-Schuften wohlversehenen Galgens waren Gesicht und Brüste eines üppigen
-Zigeunerkindes zu schauen, Schergen mit Säbeln und Hahnenbüschen auf
-dem Hut starrten von der Mauer nieder, unbekümmerte Sprüche luden zur
-Besinnung ein; auch mancher Reim war verzeichnet, der ein artiges Gemüt
-verletzt hätte, und mit blauem Stift stand steif und groß hingemalt:
-»Ade, du trauter Ort! Ich bin da gesessen ein paar schöne Wochen.«
-
-Dem Dullhäubel wurde ganz heimlich in der Kammer. Die Sonne zeichnete
-das Gitter gar lustig auf die Liegerstatt hin und zierte die Spinnweben
-im Winkel mit regenbogenen Farben. Eine Maus kroch aus ihrem Loch und
-stellte ein Männlein.
-
-Ungern verließ der Dullhäubel die Stätte. Er deutete mit dem Daumen
-zurück und sagte zu dem Müller: »Wenn mir das alte Bettelweib nit
-begegnet wär, du säßest jetzt da drin. Schad drum!«
-
- * * * * *
-
-Die Ulla wohnte am Vogeltänd neben einem Felsen. Ihre zerrissene
-Hütte war mit Stangen und Stecken kläglich gestützt, Türsäulen und
-Fensterstöcke waren morsch, die Scheiben zerbrochen und mit Papier
-verklebt. Die Schindeln faulten am Dach und waren zum Teil durch
-Baumrinden ersetzt. Doch darauf glänzten Steine mit schönen glasigen
-Gebilden, so daß es auf all der Armseligkeit wunderlich blitzte.
-
-Im Fenster wuchs in einer Scherbe kümmerlich die Blume Zagelhintaus.
-Ein Kienbaum verschattete die Hütte, ihm wucherte im Gezweig ein
-Hexenbesen, kraus verwachsen wie das Nest eines verrufenen Vogels.
-
-Es war morgens. Der Guckauf lockte hell.
-
-Die Waldkräutlerin brockte vor ihrer Tür einen struppigen Schlafapfel
-aus dem Dorn, sie wollte ihn abends ins Bett legen, weil sie nimmer gut
-schlief.
-
-Zu dem winzigen Fenster meckerte die Geiß heraus. Die Ulla humpelte hin
-und spaßte: »Gib mir ein Bussel, Geiß!«
-
-Als wär er aus dem Felsen gesprungen, stand der Dullhäubel da.
-
-»Du hast die Geiß gern, Ulla. Du brauchst sie wohl Zum Reiten? Reitest
-du auf den Lusen tanzen? Das ist ein hoher Berg.«
-
-Die Alte nickte gutmütig mit dem kleinen Vogelkopf. »Du bist heut gut
-aufgelegt, Bauer. Dir hab ich einmal eine Warze besprochen. Weißt du
-es noch? Jetzt bist du ein schöner Mann worden. Geh, schenk mir was!
-Schau, wie armselig meine Heimat dasteht!«
-
-Sie deutete auf die Tür, die müd in den Angeln hing.
-
-»Die Tür ist schlecht,« sagte der Bauer, »aber du brauchst sie nit
-besser, du reitest ja zum Rauchfang ein und aus.«
-
-Die Geiß stand jetzt in der Tür, die Vorderbeine gespreizt, und horchte
-neugierig zu.
-
-»O mein liebes Vieh, der Bauer macht uns zwei schlecht. Du bist ein
-Schwänkmacher, Dullhäubel. Freilich geht es mir schlecht. Wenn nur
-genug Brot wär, drei Zähne hab ich schon noch,« kicherte sie kläglich.
-»Ach ja, die Not ist mein Kuchelmensch und Schmalhans der Meister.«
-
-»Aber Milch hast du genug?« fragte der Bauer scharf.
-
-»Nit viel, gar nit viel. Was halt die Geiß hergibt.«
-
-»Alte, du weißt, daß in meinem Hof der Erdspiegel ist. Drin seh ich
-alles auf der Welt. Wie ich gestern abends hinein schau, seh ich dich
-den Wegzeiger gegen Grillenöd melken. Zur gleichen Zeit hebt meine
-beste Kuh, die schwarzrückete Stallmeisterin, gottskläglich an zu
-plärren. Ich schau nach, da steht sie im Stall, zittert am ganzen Leib
-und schwitzt, als wenn sie einer geritten hätt. Ich hab sie gleich
-melken wollen, da hat sie nit ein bißlein Milch gegeben, nur ein
-Tropfen Blut ist ihr aus dem Euter geronnen. He, was hast du meine Kuh
-verzaubert, Hex?« rannte er.
-
-Sie rang die dürren Hände. »Das ist nit wahr, der Erdspiegel lügt. Ich
-bin ein frommes Weib und keine Schlangenköchin.«
-
-Er fuhr fort: »Im ersten Zorn bin ich in das Vogeltänd gelaufen, hab
-dir die Milch vom Ofen wegreißen wollen. Da seh ich durch die Luft
-einen Strohwisch schießen, in deinen Rauchfang schießt er hinein, er
-sprüht vor lauter Feuer. Ist das nit dein Liebhaber gewesen, Hex?«
-
-Sie starrte ihn mit den blöden Augen an. »Du irrst dich, Dullhäubel, du
-irrst dich dreimal. Es wird nur ein Sternlein in den Rauchfang gefallen
-sein. O weh, wie redest du so schrecklich von mir armem Weib! Ich tu
-ja niemand nix, ich tu nur beten, allweil hab ich die Nase im Betbuch,
-wenn ich auch nit lesen kann.«
-
-»Jetzt weiß ich, Ulla, wer mir im Stadel die Mäus wachsen laßt und im
-Haus das Unziefer. Jetzt weiß ich, wer den Nebel her winkt und das
-schwarze Wetter. Du bist es, Hex!«
-
-»Ich hab ja gar keine Kraft,« jammerte sie, »wie könnt ich das tun? Es
-ist ja alles nit wahr, nit wahr.«
-
-Unbarmherzig redete er: »Aus deiner Geiß springt die Milch wie der
-Brunnen aus der Erd, die Milch rinnt dir ums Haus nach, Ulla. Zum Lusen
-bist du auf einem Besen geflogen, der hinter dir gebrannt hat. Du
-zauberst und zinzelst und zanzelst und machst Weiber und Küh galt.«
-
-»O du Unfang, du bodenloser, was bringst du mich in Kummer? Deine üble
-Nachred wird mir schaden, niemand wird mir eine Gabe schenken wollen.
-Aber jetzt geh ich hin und laß dich am Gericht verklagen.«
-
-»Der Richter ist mein bester Freund, der tut mir nix,« lachte der
-Schelm. »Und wenn die armen Leut klagen, so gilt es nit. Und wer steht
-gegen mich auf? Ich bin der Dullhäubel aus Fuxloh!«
-
-»Das ist eine bitterliche Wahrheit,« lispelte sie, »an der Armut wischt
-ein jeder seinen Schuh. Aber, lieber Kasper, ich bin keine Hex.«
-
-»Du bist es. Dein ganzer Leib legt Zeugenschaft dafür ab: deine Finger
-sind wie Krallen, dein Kinnbein ist dürr und krumm, dein Gesicht ist
-runzlig, als ob die Hennen drin gekratzt hätten. Die Augen rinnen dir
-aus.«
-
-»Ich bin ja alt! Alt bin ich!« wimmerte sie. »Blut könnt ich weinen. Du
-wirst mich verschreien in ganz Fuxloh.«
-
-»Wenn du ein gerades Weib wärst, die Augen frisch, die Wangen weiß und
-rot und glatt,« der Dullhäubel schnalzte, »und wenn du sonst am Leib
-schön fest und dick wärst, da könnt der Erdspiegel zehnmal sagen, daß
-du hexest. Niemand tät ihm glauben.«
-
-»Das laßt sich nimmer ändern,« sprach sie traurig. »Und wenn ich noch
-so gut essen könnt, mein Leib ist alt und laßt sich nimmer frisch
-aufbauen.«
-
-Da flüsterte er: »Und doch weiß ich einen Rat. Geh in die
-Altweibermühl!«
-
-Wie Abendsonnenlicht glitt es über die enge Stirn der Ulla. »Ja, die
-Altweibermühl! Ich hab schon davon reden hören. Aber sie ist weit,
-meine Füß ergehen den Weg nimmer.«
-
-»Geh in die Mußmühl! Der Gid mahlt dich blitzsauber und blutjung.
-Zweifelst du? Ich lüg dich nit an. Du könntest mich sonst mit einem
-Buschen Haberstroh erschießen in der Thomasnacht.«
-
-Lachend trollte er sich.
-
-Die Alte stand wie verzaubert. Noch einmal jung werden, Kraft haben in
-Händen und Füßen, klar und stark sein im Hirn, von den Leuten geehrt
-werden, tanzen und springen können, und es noch einmal und besser und
-schlauer versuchen mit dem Leben!
-
-Sie ging im Ring um diesen lichten Wunsch, sie bestaunte ihn von allen
-Seiten und lugte scheu hin, wie ein Bettelkind durch die Zaunstecken
-in einen fremden, feinen Garten lugt voll edler Lilien und lieber
-Rosenstauden und Bäume mit gelbem Obst.
-
-Sie glaubte es gern, daß es ein Mühlrad gebe, das die Alten wieder jung
-mahle. Wie hätten denn sonst die Leute davon reden können!
-
-Sie packte vor Freude die Geiß bei den Füßen, hob sie auf und schwenkte
-und schleifte mit dem glotzenden Tier einen gelinden Tanz. --
-
-Als sie am dritten Tag das Herz nimmer bezwang, nahm sie ihren Stecken
-und ging in die Mußmühle.
-
-Den Weg hin pflasterte sie mit vielen Träumen, die holder glitzerten
-als der Tau an den Gräsern. Und die Vögel pfiffen die kreuz und
-die quer, der Baumhackel jauchzte wie ein Hochzeiter, der Himmel
-droben war glasblau, und die Erde war zart und freundlich wie ein
-Kränzelgarten.
-
-Die Ulla wanderte die Erlen und Weiden entlang bis zum grünen Weiher,
-darein der Bach sich sammelnd und verrastend mündete.
-
-Der Gid schleppte eben dem Glöckelbauer die Säcke in die Mühle.
-
-»Bin ich da recht in der Altweibermühl?« fragte sie, und das Herz
-schlug ihr hellauf.
-
-Der Gid ließ den Sack von der Achsel gleiten und schaute sie wild an.
-
-»Die bringt der Mußmühl einen neuen Namen auf,« lachte der Glöckelbauer.
-
-»Jung sollst du mich mahlen,« redete sie ein wenig scheuer. »Der
-Dullhäubel schickt mich her.«
-
-»Zu Trutz und Neid tut er mir alles!« rief der Gid in weinerlicher Wut.
-Und er rollte sie an: »Komm mit!«
-
-Sie beschwichtigte ihn. »Sei nit bös! Ich bin halt ein armes Fürwitzel.«
-
-»Zum Altweibermahlen täten die Fuxloher freilich meine Mühl kennen, da
-fahret keiner vorbei.« Er stapfte grimmig voraus.
-
-Im Vorderhaus standen einige Holzschuhe. Da schmeichelte die Ulla, den
-Zornigen zu begüten: »Ihr habt aber viel Holzschuh, da kommen gewiß
-auf jeden zwei.«
-
-Er führte sie durch das zitternde Haus, und auf einmal weilte sie
-verwirrt an einem Ort voll staubiger Stiegen und Leitern, der Wellbaum
-drehte sich, die Gänge klapperten, volle Säcke lehnten aneinander,
-weiße Mehlhaufen waren aufgeschüttet.
-
-Unheimlich rührte sich das Haus, belebt vom stürzenden Wasser, das
-das Wesen eines Geistes hatte. Unsichtbar irgendwo schwang sich das
-Mühlrad, vom Geschäufel zischte und fiel es. Die Aufschüttkasten
-schüttelten und rüttelten sich ruhelos, gespenstisch regte sich das
-Beutelwerk. Immer tosender schlapperte und klapperte alles, und der
-Ulla Herz schlotterte immer banger.
-
-Eine Mehltruhe stand halb offen, und das Weiblein fürchtete, ein grauer
-Kobold könne herauskriechen und ihr ein Leides tun.
-
-Und auf einmal schoß ihr eine gewaltige Angst vor dem Jungwerden ins
-Knie.
-
-Soll sie die bittere Welt noch einmal durchreisen, jetzt, wo sie der
-Ewigkeit und ihrem Frieden schon so nahe ist? Sie sollte sich doch ihr
-Alter nicht so hart bekümmern lassen!
-
-Und die Geiß daheim, die wird die Ulla nimmer erkennen, wenn sie jung
-und fremd dahertanzt. Die gute Geiß wird den Bart traurig hangen lassen.
-
-Sie schrak auf. In dem Gebraus hatte sie den Müller vergessen.
-
-Der packte sie grob und schwang sie über den Mühltrichter. »Soll ich
-dich fallen lassen?«
-
-Sie schrie auf. Sie fühlte sich verschlungen, zermalmt unter den
-harten Steinen. Wild krampfte sie sich in des Müllers Rock. »Heilige
-Muttergottes, hilf! Breit deinen Reifrock aus! Ich will nimmer jung
-werden.«
-
-Die Sinne vergingen ihr. --
-
-Als sie wieder zu sich kam, lag sie am Weiher. Die Mühle brauste
-gedämpft, Mücken schwirrten.
-
-Sie besann sich lange. Hernach wisperte sie: »Gott, wie geht es zu in
-deiner Welt!«
-
-Voller Angst und Neugier kroch sie zum Teich hin, schlupfte durch die
-Felberstauden und schaute in den stillen, grünen Spiegel: da nickte ein
-altes, verschrumpftes Schwesterlein herauf.
-
-Die Ulla hüpfte vor Freuden auf und bat die im Wasser um Verzeihung,
-daß sie sie schier um ihre grauen Haare und vertrauten Runzeln und
-ehrwürdigen Hände gebracht hätte. Ein Muttergotteswunder, so glaubte
-sie, habe den Frevel verhütet.
-
-Als sie heim ging, lag der Dullhäubel vor seinem Hof am Wasen und
-reckte die Arme faul von sich.
-
-»Der Müllner hat grob gemahlen,« spottete er. »Jetzt mußt du halt
-Wolkenschieben gehen auf den Hötschenberg in Tirol.«
-
- * * * * *
-
-Im »pfalzenden Hahn« ging es hoch und hell her. Der Kirchweihtanz
-dauerte schon die zweite Nacht.
-
-Enganeinander hockten die Musikanten auf ihrer Bühne. Der starke
-Lukas Schellnober blies den Baß, der Aumichel griff die Klarinette,
-der Spielmannfranz und seine Buben geigten. Und wenn die Musikanten
-rasteten, zirpte der Kanari, der aus dem Vogelhaus dem Treiben
-zuschaute.
-
-Die Bauernsohlen stampften die altbairischen Tänze. Der Glöckelbauer
-schwang die Iglin, der Igelbauer die Glöckelbäurin; der Holzhacker
-Longinus Spucht drehte wie besessen des Meßners Weib, derweil der
-Grazian gottergeben und mit niedergeschlagenen Augen die Spuchtin weit
-von sich hielt. Der Burgermeister tanzte mit der Burgermeisterin, der
-Müller mit der Müllerin. Der Dorfnarr sprang in Holzschuhen durch die
-Stube; zuweilen schlug er eine Blechstürze schallend an die Wand und
-schrie: »Ich bin ein Steirer!«
-
-Der Dullhäubel drängte eine junge Dirne in die Ecke.
-
-»Deine Zähne glanzen, Stasel,« schmeichelte er.
-
-»Mit Zinnkraut hab ich sie geputzt, Kasper.«
-
-»Du bist süß wie ein Zuckerstock, Stasel. Komm mit mir vors Haus und
-laß mich schlecken!«
-
-»Nein, nein, Bauer, draußen ist es mir zu finster, ich könnt mich wo
-anstoßen. Und du bist mir zu wenig treu.«
-
-»Ich hab ein kugelrundes Herz, es rollt von einer zur andern, Stasel.
-Heut zu dir.«
-
-»Ich dank schön,« sagte sie schnippisch, »ich bin kein Apfelbaum an der
-Straße, wo ein jeder Bub hinaufsteigt.«
-
-Die Fuxloher hatten ihre Bäurinnen ausgeführt, und auch aus Blaustauden
-und Grillenöd waren Gäste da, und sie sprangen und trampelten,
-schleiften und jauchzten und sangen grell durcheinander.
-
-»Musikanten, spielt die ›Sommerblume‹!« schaffte der Müller an.
-
-»Nein, das ›Wintergrün‹ will ich tanzen,« begehrte der Dullhäubel.
-
-Die Ausgedingler mischten in der Kuchel die Karten und spielten ein
-Spiel, das kroch so faul und endlos um den Tisch, daß die Sage recht
-haben mochte, einmal seien dabei vier Männer erfroren.
-
-Neben der Bodenstiege im Vorhaus schenkte der Wirt aus, vor ihm auf
-einem langen Tisch standen die Krüge der Tänzer.
-
-Alles drehte sich eben, niemand war im Vorhaus. Mit eiligen Augen nahm
-der Wirt den Vorteil wahr: er packte einen Maßkrug nach dem andern und
-goß das Bier durch den Trichter ins Faß zurück. Hernach lehnte er sich
-träumerisch mit überschlagenen Beinen und verschränkten Armen an die
-Stiege und wartete.
-
-Die Tänzer kamen mit den erhitzten Tänzerinnen und wollten trinken.
-
-Der Müller schrie:» Verflucht, da hat mir schon wieder einer das Bier
-ausgesoffen!«
-
-Der Lippenlix aus Blaustauden murrte bös: »Gerad ist mein Krug voll
-gewesen, und jetzt ist er leer. Wirt, das geht nit mit rechten Dingen
-zu.«
-
-Der Dullhäubel ließ sich frisch einschenken. Er kostete und spie aus:
-»Wirt, dein Bier ist abscheulich warm. Pfui Teufel!«
-
-»Geduldet euch,« tröstete der Wirt, »gleich wird frisch angezapft.
-Jetzt kommt das Faß, wo die schwarze Katz drauf sitzt.«
-
-Der Longinus Spucht stimmte das Rinaldinilied an. Er hatte einen
-rauhen, grimmigen Hals. Sein stockfinsterer Bart deckte die Brust weit
-hinunter, so daß er keinen Brustfleck brauchte. Wegen des finsteren
-Bartes war schon mancher Wandersmann umgekehrt, der den Spucht von
-weitem im Wald sah.
-
-Der Brunnkressenhannes setzte sich zum Dullhäubel hin. »Mein lieber
-Freund,« sagte er, »in der guten alten Zeit ist es anders gewesen. Ich
-wünsch mir nix mehr, als daß wieder ein so kräftiges Bier gebraut wird
-wie vormals. Wenn man das Glas ausgetrunken hat, ist der Boden noch
-schneeweiß gewesen vor lauter Faum. So kräftig ist es gewesen. Heut
-bringt kein Bräuer mehr einen rechten Faum zusammen.«
-
-Der Dullhäubel tat, als höre er nicht und kehrte sich ab. Da stupfte
-ihn der Hannes mit dem Ellbogen an. »Bauer, tu her ein Schnüpflein.
-Der Tabak ist ein magnetisches Pulver, das zieht die Nase an.«
-
-»Setz dich nit an meinen Tisch,« antwortete der Bauer grob. »Du bist
-nur ein Häuselmann mit einer Kuh.«
-
-»Lausig bin ich nit, daß du wegruckst von mir.« Der Hannes stand auf
-und trug beleidigt seinen Krug davon. »Freilich muß einer stolz sein,
-wenn er einen so großen Hof hat wie der Dullhäubel. Der Ofen allein ist
-dort so groß, daß der Bauer drei Paar Ochsen einspannen muß, wenn er
-die Bratschüssel aus der Röhre ziehen will.«
-
-»Ihr werdet wieder solang wörteln, bis ihr rauft,« mahnte der Wirt
-scharf.
-
-Der Longinus Spucht hub ein anderes Räuberlied an.
-
- »'s gibt kein schönres Leben auf Erden
- in der weit und breiten Welt,
- als ein Straßenrauber werden,
- morden um das liebe Geld.«
-
-Die Musikanten setzten an, und Jauchzen und Gepolter verdeckten seine
-grobe Stimme. Alles drängte zum Tanz.
-
-Als sich der Wirt wieder allein spürte, hob er gemächlich den
-Holzschlägel, womit er sonst die Piepe in die Fässer trieb, und schlug
-ihn dreimal dröhnend an die Bodenstiege. Dann gellte er in die Stube:
-»Leut, frisch angezapft hab ich!« und schenkte wieder aus dem alten Faß.
-
-Der Grazian huschte heran und trank. »Jetzt ist das Bier viel besser.«
-
-Der Spucht wischte sich erquickt den feuchten Bart. »Das Bier hat
-Kraft,« lobte er, »es raucht einem zur Nase heraus.«
-
-»Wirt, bring eine Zange her!« begehrte der Igelbauer. »Am Türstock
-steht ein Nagel heraus, die Burgermeisterin hat sich dran den Kittel
-zerrissen.«
-
-Doch der Lukas Schellnober hüpfte von seinem hohen Sitz herab und riß
-den Nagel mit den blanken Zähnen so gründlich heraus, daß schier der
-Türstock mitging.
-
-Alle staunten über die Gewalt, und der Lukas Schellnober stand da,
-stark wie ein Hebebaum.
-
-Nur der Dullhäubel winkte geringschätzig. »Mein Ähnel hat eine
-Pflugschar auseinander gebrochen und einen eisernen Haken mit dem
-kleinen Finger in die Mauer getrieben.«
-
-Da packte der starke Bläser den Prahler samt seinem Stuhl und hob
-ihn auf den Tisch, daß er zappelnd droben saß, und alle lachten und
-gönnten es ihm.
-
-Wütend kroch er herunter. Doch wußte er sich gleich wieder ein Ansehen
-zu schaffen, er zündete sich die Pfeife mit einem Guldenzettel an,
-schob sich den Hut ins Genick und schloß hochmütig die Augen. »Soll mir
-das einer nachtun in Fuxloh!«
-
-Die Leute hatten nicht lange Zeit, über den verbrannten Gulden zu
-staunen, denn der Spucht und der Grazian waren wegen ihrer Weiber in
-Streit geraten, und alles scharte sich um die zwei.
-
-Der Spucht war eifersüchtig worden und behauptete, der Meßner stoße
-beim Tanz häufig mit dem Knie an das Knie der Spuchtin. »Ich hau dich,
-Grazian, daß dir das Maul auf die Seite hängt,« drohte er und spickte
-die Drohung mit seinen finsteren Blicken.
-
-»Hau her!« trotzte der Grazian.
-
-»Hau erst du her!« begehrte der Spucht und wich einen Schritt zurück.
-Sein Bart sträubte sich.
-
-Dem Meßner schwoll das Herz. »Hast du eine Schneid, so wag dich an
-mich!« Er hob einen Stuhl auf und brüllte. Der Spucht duckte sich.
-
-Vom Faß her rief der Wirt: »Grazian, wenn du raufen willst, räum ich
-dich hinaus.«
-
-Der Narr tanzte täppisch zwischen die Streiter und sang die Worte:
-»Hofacker, Krautacker!« Ein anderes Lied konnte er nicht.
-
-»Recht hast du, Zusch, stift Frieden!« lobte ihn der Burgermeister.
-
-»Komm her, Narr, trink!« Der Dullhäubel hob das abgestandene Traufbier
-unter dem Faß weg und schwenkte es. Der Zusch trank mit stieren Augen.
-
-Dann spreizte der Dullhäubel die Beine auseinander. »Jetzt bedank dich,
-Narr, und schlief durch.«
-
-Da ließ sich der Zusch auf alle vier nieder und kroch durch.
-
-Seine Mutter kam in die Stube. »Wo mag denn mein armer Narr sein?«
-fragte sie betrübt. »Ich such ihn schon die halbe Nacht.«
-
-Als sie ihn dem Bauer durch die Beine kriechen sah, weinte sie in die
-Schürze und zog den Narren mit sich fort.
-
-»Den Kasper soll man hauen, bis er nach Feuer stinkt,« schalt der
-Müller.
-
-Der Dullhäubel aber mischte sich keck in den Tanz. Dabei sprang er wie
-ein Heuschreck, schaffte sich unbekümmert Platz und stieß die andern
-aus dem Weg.
-
-Den Lippenlix aus Blaustauden faßte er beim Knopf. »Du Schönbart bist
-mir auf die Zehen getreten, das Weh schießt mir bis zum Ellbogen
-herauf.«
-
-Mit einem Schlag stand eine Rotte Blaustaudner Burschen hinter dem
-Lippenlix bereit. Der zwirbelte sich den langmächtigen Schnurrbart und
-lauerte, er war ein stößiger Mensch, mit dem keiner gern anband.
-
-Der Dullhäubel schmeckte die Gefahr. »Nix für ungut!« schmeichelte er.
-»Was stellt ihr euch gegen mich? Reibt euch an dem Müllner! Der sagt
-allweil, in Blaustauden sind lauter rotaugige Menscher.«
-
-»Traut dem Kasper nit, er hat zwei Zungen in der Gosche,« warnte der
-Öchseltreiber Mathes aus Grillenöd.
-
-»Die Grillnöder rühren sich,« spottete der Dullhäubel. »Ist das wahr,
-Mathes, daß bei euch alle stehlen, nur der heilige Sebastian in der
-Kapelle nit? Der ist angebunden.«
-
-Der Bauer hatte die Lacher auf seiner Seite. Und der Lippenlix
-zwirbelte den schönen Bart und bekräftigte: »Die Grillnöder sind
-bekannt. Wenn sie Kirchweih haben, müssen sie in den andern Dörfern den
-Stall zusperren.«
-
-»Der Kasper setzt den Hut auf, wie der Wind hergeht, einmal so, einmal
-anders,« greinte der Öchseltreiber, fand aber kein Gehör.
-
-»Sing uns das Fuxloher Lied, Kasper!« verlangten die aus Blaustauden.
-
-Da krähte der Dullhäubel den Spott über sein Dorf.
-
- »Von hint bin ich fürher,
- vom schwarzen Laib Brot,
- kein weißes Brot eß ich nit,
- da brennt mich der Sod.«
-
-Dem Burgermeister schlug die Röte in den Kopf. »Du bist wie der
-Wiedehopf, Kasper, der beschmeißt auch das eigene Nest.«
-
-»Dreiunddreißig Menscher hab ich,« rief der Dullhäubel, »alle Jungfern
-von Fuxloh gehören mir, und alle Weiber sind mein gewesen.«
-
-»Jetzt haltst du das Maul!« schnarchte ihn der Igelbauer an.
-
-»Du willst mir was schaffen?« höhnte der Dullhäubel. »Wer bist du, und
-wer bin ich? Du treibst dreizehn Mäus auf den Markt. Einen Fleck Grund
-hast du, nit größer als ein Hosentürlein, und schon laßt du dich einen
-Bauer heißen.«
-
-Die Musikanten fingen schnell einen Ländler an und überlärmten die
-Schandrede des Dullhäubel.
-
-Den Ländler hatte der Müller bestellt und bezahlt, und er und die
-Ogath tanzten ihn allein, derweil die andern im Ring herum standen und
-zuschauten.
-
-»Der Gid reckt sich auf über uns alle,« stichelte der Dullhäubel. »Das
-ist keine Kunst, er hat das Geld, er stiehlt uns alle ab, uns Bauern.«
-
-»Dein Tanz hat keinen Schmiß, Müllner,« nörgelte der Lippenlix.
-
-»Er kann leicht das Geld ausstreuen,« spottete der Dullhäubel. »Seine
-Vorfahrer sind klug gewesen, sie haben ihren Kühen den vordern Leib
-abgehackt, der nur gefressen hat; den hintern Teil haben sie weiter
-leben lassen. Wegen der Milch und dem Dung.«
-
-»Hör nit auf seine Lügen und sein Plauderwerk, Gid!« bat die Ogath.
-»Und gehen wir heim!«
-
-Er schnitt ein Gesicht wie ein Gewitter und schwieg.
-
-Der Spucht saß im Flur beim Wirt, sein Deckelglas hinter dem dicken
-Bart versteckt, daß es die Spuchtin nicht merke. »Jetzt wird es erst
-schön,« freute er sich, »jetzt streiten sie gewiß.« Die kohlfinsteren
-Augen glühten ihm.
-
-»O die Jähköpfe!« klagte der Wirt. »Heut setzt es ein Unglück.«
-
-Drin in der Stube fing der Lippenlix an, dem Müller in den Weg zu
-tanzen, er taumelte plump vor ihm her, der Messergriff stand ihm zum
-Sack hinaus.
-
-Der Gid stellte ihn. »Begehrst du was?«
-
-»Von dir am letzten!«
-
-Da rief der Müller laut: »Wirt, die Halbe Bier sollt einen Zwanziger
-kosten, daß nit ein jeder Lauser sich eins kaufen kann, der es nit
-vertragt.«
-
-»Ich stürz dich um, Gid,« krächzte der Lippenlix.
-
-Der Wirt sprang zwischen die Männer. »Du Blaustaudner Schurimuri, braus
-nit so daher. Rauf dich daheim aus, wenn dich die Kraft juckt! Du
-unbändiger Stier du!«
-
-Der Lippenlix schob sich mürrisch zur Tür hinaus. Seine Spießgesellen
-rückten an einem Tisch zusammen und brüllten grobe, rauflustige Lieder.
-
-»Jetzt gehst du heim!« herrschte der Müller sein Weib an.
-
-»Du gehst mit, Gid!«
-
-Er zog die schweren Brauen zusammen. Da ging sie allein. --
-
-Draußen vorm Wirtshaus zischelte einer auf den Lippenlix ein. »Da
-steigt er drin auf und ab wie der Hahn in den Gerstenhalmen, der Gid.
-Und uns laßt er nix gelten. Nur nix gefallen lassen, nur nit langmütig
-sein, Lix! Der Langmut zieht den Übermut ins Haus.«
-
-»Die Gall gießt sich mir aus,« stöhnte der andere.
-
-»Sei nit verzagt, Lix, und geh den stolzen Müllner an! Steif dich nur
-auf mich! Ich verlaß dich nit. Da schnupf einmal! Das ist ein Tabak aus
-den heißen Ländern, der hitzt und kräftigt. He, Bruder, wie heißt der
-Spruch? Erst schnupfen, dann hupfen, erst saufen, dann raufen.«
-
-Der Brunnkressenhannes wankte aus dem Haus und besang sich mit hoher
-Hirtenstimme schwermütig den Heimweg.
-
- »Wird mir dann die Zeit zu lang,
- sing ich einen Waldgesang,
- und verkriech mich in den Hecken,
- lehn mich an den Hirtenstecken
- und ergreif die Feldschalmei,
- dieses macht mich sorgenfrei.« --
-
-Drin in der Stube rief der Dullhäubel: »Spielt auf, Spielleut, daß
-es schnalzt! Ihr dürft euch dafür den höchsten Baum in meinem Wald
-umschneiden. Aber der Herr Ägid Wilfinger darf nimmer mittun, der hat
-schon genug allein getanzt. Andre Leut sind auch noch da.«
-
-Da stoben die Weiber türaus, der Wirbel ordnete sich, und
-augenblicklich standen sich die Männer mit feurigen Augen und fertiger
-Faust in zwei Haufen gegenüber. Um den Dullhäubel sammelten sich die
-Blaustaudner und ein paar Fuxloher, die der Gid wegen des Mühlzwanges
-beleidigt hatte.
-
-Alles lauerte. Alles erwartete den ersten Wetterschlag.
-
-Nur die Musikanten blieben gleichgültig. Die Geiger tranken und
-schmierten den Fiedelbogen, der Klarinetter dudelte tiefsinnig für sich
-hin, und der starke Lukas Schellnober war schnarchend auf seinen Stuhl
-zurückgesunken.
-
-Der Lippenlix hub an. »Müllner, du bist rauschig, du kannst die Zung
-nimmer heben. Geh heim, leg dich nieder zu deinem Weib!« Und fauchend
-stieß er sein Messer durch den Tisch.
-
-»Müllner, du bist der Gescheitere, ich bitt dich, gib nach!« bettelte
-der Wirt.
-
-Der Gid vergilbte, als hätte er die Gallensucht. »Das ist noch
-nie geschehen, seit die Welt steht, daß sich hätt ein Mußmüllner
-heimschicken lassen wie ein Hütbub. Da grab ich mich eher lebendig ein.«
-
-»Er schneidet ein Gesicht wie neun Pfund Teufel,« hetzte der
-Dullhäubel. »Lix, laß ihm den Darm heraus!«
-
-Da klingelte es. Ein Stein flog aus der Nacht splitternd zum Fenster
-herein, er traf die Klarinette, und sie fuhr dem Aumichel in das Maul
-und stieß ihm einen Zahn aus.
-
-Das war das Zeichen. Jäh hoben sich die Fäuste. Der Burgermeister
-stürzte sich keifend zwischen die Raufer.
-
-Das Vogelhaus fiel von der Wand und zerbrach. Eilig tappte der Wirt
-nach dem Kanari und verwahrte ihn in der Bratröhre des Ofens. Über ihn
-schlug es wie ein wildes Wasser zusammen.
-
-Die Wirtin stieg auf einen Tisch und sprengte jammernd Weihwasser über
-den Kampf; aber die Tropfen halfen nichts, es hätte einer Feuerspritze
-bedurft. Alles packte zu. Worte flogen hin und zurück, spitz und
-scharf, wie wenn Stahl in den Stein beißt. Die Kartenspieler hatten
-ihre Trümpfe weggeworfen und tauchten in dem Wirbel unter.
-
-Der Dullhäubel trank indes im Vorhaus ruhig seinen Krug aus, wischte
-sich den Schnauzbart und ging, ohne zu zahlen, heim.
-
-Der Müller faßte den Lippenlix und drückte ihn ins Knie. »Ich schwing
-dich, ich lupf dich!« keuchte er.
-
-»Blut mußt du rotzen!« trotzte der Lix.
-
-Ein Stuhl krachte auf einen Schädel. Krüge wurden geschwungen, flogen,
-trafen, splitterten. Aus den Knäueln, die sich auf der Erde wälzten,
-tauchten Beine auf und strampelten. Einer schrie immer wieder: »Das ist
-heut eine Hetz! Das ist eine Hetz!«
-
-»Alle miteinander jag ich euch auf den Baum hinauf!« drohte der Spucht
-und floh zum Haus hinaus.
-
-»Ich hol den Schergen,« weinte, kreischte, brüllte, winselte der Wirt.
-Seine heiseren Schreie gingen unter.
-
-Die Spielleute sprangen von der Bühne in die Schlacht hinab und taten
-mit. Nur der riesige Baßbläser schlief seelenruhig und entrückt auf
-seiner Höhe.
-
-Das Getümmel wälzte sich hin und her, die Streiter redeten nimmer.
-Auf einmal wuchs der Lippenlix aus dem Wirrwarr heraus, mit
-dem Bierschlägel schlug er die Lampe von der Decke. Da war es
-stockhimmelfinster.
-
-Der Streit ging in der Finsternis weiter. Niemand suchte mehr einen
-Feind, jeder nahm den, der ihm in den Griff kam. Alles tobte. Keiner
-feierte.
-
-Der Longinus Spucht schrie zu dem zerbrochenen Fenster herein:
-»Himmelsakerment, wenn ihr nit bald aufhört, rauf ich auch noch mit!
-Das müßt mit schlechten Dingen zugehen, wenn ich nit ein paar umbrächt!«
-
-In höchster Not tappte sich der Wirt an der Bühne hinauf, er rüttelte
-den schlafenden Bläser. »Lukas! Still die Leut ab! Stift Frieden! Hau
-zu!«
-
-Der Lukas Schellnober fuhr schwerschlachtig auf, trunken vom Schlaf.
-»Wohin soll ich denn hauen?«
-
-»Hau gradaus! Hau, wohin du willst! Du triffst keinen Unrechten.«
-
-Der Riese riß das Mundstück von seinem Baßhorn und ließ sich in die
-tümmelnde Finsternis hinab. Er teilte mit dem Mundstück Hiebe nach
-links und rechts aus und schrie: »Hui aus! Hui aus!«
-
-Es war als käme eine Mauer daher. Heulend meldete sich, wen der Lukas
-mit seiner greulichen Kraft traf. Täumlig und toll suchten sie die Tür,
-fluchend, wimmernd quetschten sie sich hinaus. Bald war der untümliche
-Mann allein in der Stube.
-
-Der Wirt kam und leuchtete mit einer Kerze die Verwüstung an. Scherben
-und Blutlachen spiegelten, Bänke und Stühle lagen zertrümmert oder mit
-ausgerissenen Füßen, Öl stank. Durch die zerschlagenen Fenster stieß
-der Nachtwind herein.
-
-Die Musikanten fanden sich wieder ein. Der Lukas Schellnober saß ruhig
-droben auf der Bühne und putzte mit einem Holz das Blut und die Haare
-aus dem Mundstück. Dann schraubte er es wieder an den Baß, führte es zu
-den Lippen, und seine Gesellen stimmten ein und machten wieder zum Tanz
-lüstern.
-
-Zerschrammt und blutrünstig, struppig und zerfetzt, doch auch abgekühlt
-von der Nachtluft, befreit und friedsam kamen die Raufer wieder, die
-Weiber und die Dirnen blieben nicht aus, die Wirtin fegte die Stube
-rein, und bald drehten sich wieder alle in schönster Eintracht. --
-
-Draußen kroch der Müller auf Händen und Füßen heim, mit zornzerrissenen
-Lippen, qualvoll, ohne Laut. Er hörte fern die Geigen und die
-Klarinette summen und den Baß stoßweise murren.
-
-Der Mond verschien, der Wald ward grau. Das Wichtel rief, der
-Totenvogel.
-
-Drei fürchterliche Stunden kroch er.
-
-Frühgeläut erklang. Die Sonne ging auf, sie schwamm wie ein gräßlicher
-Blutfleck im Dunst.
-
-Die Ogath kam aus der Mühle. Die Zunge ward ihr steif vor Schreck, als
-sie den Mann vor sich liegen sah, das Gesicht verfallen, die Stirn
-aschfahl, blutig.
-
-»Den Fuß hat mir einer mit dem Bierschlägel abgeschlagen,« raunte er.
-
-»Wer?«
-
-»Ich verrat ihn nit.«
-
-»O wärst du heimgangen mit mir, Gid! Reut dich denn deine Gesundheit
-nit?« schluchzte sie.
-
-»Ich reu mich um nix.«
-
-»O das ist ein Wehtag! O mein lieber Müllner, was haben sie mit dir
-angefangen?!«
-
-»Das tut nix,« sagte er gleichmütig. »Hätt ich den Bierschlägel gehabt,
-ich hätt ihm dasselbe getan.«
-
- * * * * *
-
-Nach langem Krankenlager ward der Gid vom Wundarzt wieder hergestellt.
-Aber er ging krumm.
-
-Auch sein Herz war verdüstert. Immer eigenköpfiger, immer wunderlicher
-wurde er, mürrisch hinkte er durch die Mühle. Dem rothaarigen Dirnlein,
-das um ihn aufwuchs, sah er mit argen Augen nach. Sein Weib redete er
-kaum mehr an. Es war schwer, mit ihm zu hausen.
-
-Den Gerechtigkeitsbrief hatte er sich ans Tor genagelt: alle Welt
-sollte sehen, daß er in seinem Recht gekränkt wurde. Aber die Welt
-kehrte sich nicht daran und schaffte ihr Malter zum Grillenmüller, der
-war ein lachender Mann.
-
-Im Wirtshaus kam es zu einem wilden Streit zwischen den Müllern.
-
-Der Grill schrie: »Fahrt ihm die alten Weiber hin, dem Gid! Das soll
-erzwungen werden, eine solche Zwangmühl brauchen wir.«
-
-»Dein Weib mahl ich zuerst, die hat es am nötigsten,« antwortete der
-Gid.
-
-»Die Ulla hat deine Mühl verhext, Gid,« spottete der Teufelmüller, »es
-fallt lauter Ratzendreck aus den Steinen heraus.«,
-
-Der Mußmüller grollte: »Red nur du nix von Zauberei! Deine Mühl hat der
-Teufel am Buckel daher gebracht. Kein guter Christ soll drin mahlen
-lassen. Und eure Mühlen sind nur Gaukelmühlen gegen die meine, mit
-einer Hand halt ich sie auf. Mit einer Hand, alle zwei auf einmal!«
-
-»Versuch es!« schrien die andern. --
-
-In jener Nacht blieb die Grillenmühle stehen. Unterm Mühlrad lag der
-Gid mit zermalmtem Arm und zerdrückter Brust. Er hatte sein Wort
-gehalten.
-
-Sie legten den Leichnam auf eine Stubentür und trugen ihn heim zu
-seinem Weib.
-
- * * * * *
-
-Die Altbäurin Sodonia konnte nimmer.
-
-Man mußte sie speisen wie ein kleines Kind. Das Fleisch ward ihr
-offen vor lauter Liegen. Und weil sie nimmer schaffen und nimmer
-den Dienstboten nachgehen konnte, so wartete sie ungeduldig auf die
-Erlösung.
-
-Als ihre Stunde kam, stand der Dullhäubel demütig an dem Bettfuß.
-
-»Kasper, ich sterb,« seufzte sie. »Was wird aus dem Hof, wenn ich
-nimmer bin? Ich hab gespart. Wenn der Geier mir eine Henne erstoßen
-hat, bin ich ihm bis in den Wald nach. Ich bin geizig gewesen, keine
-Nuß hat man mir von unsern Haselstauden brechen dürfen. Ich bin ein
-Weib gewesen wie ein Sporn. Den Hof hab ich gehalten.«
-
-»Das weiß ich, Altbäurin,« wisperte er, »und ich dank dir dafür.«
-
-»Aber deine Mutter taugt nix,« tadelte die Alte. »Sie kann nur so weit
-zählen und rechnen, als ihr die Finger zu Hilf kommen. Am liebsten
-schlaft sie. Ordnung kennt sie nit. Mein Gott, wo soll sie denn die
-Ordnung gelernt haben?! Sie stammt aus einem Haus her, das ist mit
-Kuhfladen gedeckt. Ich bin allweil gegen die Heirat gewesen, aber der
-Isidor hat mir nit gefolgt. In der Seligkeit drüben werf ich ihm es
-noch vor, wenn ich ihn dort find. O es ist mir leid um den schönen Hof!«
-
-»Ich werd mich schon kümmern,« schluchzte er, »ich versprech es dir.«
-
-»Ach du!« winkte sie verächtlich. »Du hast die Faulheit von deiner
-Mutter geerbt. Allweil lehnst du in der Sonn umher und tust keinen
-Handstreich. Die Gurgel taufen und die Leut narren, das triffst du.
-Dein Leben stößt dich in Schulden. Schämst du dich nit vor den Leuten?«
-
-»Mich gehen die Leut nix an,« trotzte er.
-
-»So fürcht unsern Herrgott!«
-
-»Nach Fuxloh sieht er nit. Fuxloh liegt hinter dem Herrgott seinem
-Buckel.«
-
-»Du irrst dich, Kasper. Der Teufel äugt wie ein Stoßvogel. Hüt dich!
-Und tracht, daß du einmal am Himmelstisch essen darfst und trinken und
-des höllischen Feindes spottest. Ich will dich droben in der Seligkeit
-erwarten, und du mußt mir Rechenschaft legen über den Hof. Aber was
-nutzt meine Red? Du beutelst dich ab wie ein nasser Hund.«
-
-»Ich will mich verbessern,« sprach er zerknirscht.
-
-»Und noch eins, Kasper. Du bist jetzt ein gestandener Mann. Ein Weib
-tut dir not. Mit Schmerzen hab ich dir im Sommer zugeschaut, wie du
-den Graserinnen keine Ruh gegeben hast. Leugn es nit! Ich rat dir,
-nimm dir ein gutes Weib, die hausen kann! Wähl nit zu lang! Wer gar zu
-lang unter den Schaffen umgreift, erwischt zuletzt das Dreckschaff.
-Heirat nit so eine Flankin, die sich aufputzt und aufstutzt und sich am
-Werktag Löcklein und Schnecklein dreht! Nimm dir eine wie dem Mußmüller
-seine Wittib! Versprich mir es um des Hofes willen!«
-
-Er reichte ihr die Hand, und dicke Zähren rollten nieder auf seine
-hirschledernen Hosen. »Ich versprech es dir. Alles Gute versprech ich
-dir.«
-
-»Was heunst du denn?« beschwichtigte sie ihn. »Ich hab mir mit drei
-Dullhäubeln genug ausgestanden. Vergönn es mir, daß ich abgestandenes
-Weib aus Zeit und Leid in die ewige Freud hinfahr!«
-
-An einem glasheitern Herbsttag, die elftausend Jungfern spannen im
-Himmel die Altsommerseide, und gelbes Laub mengte sich in das müde
-Grün, da legte man die Altbäurin ins Grab.
-
- * * * * *
-
-Jetzt ging es auf dem Hof nimmer schön zu. Der Dullhäubel sorgte sich
-um nichts und führte seinen schlechten Wandel weiter. Knechte und
-Dirnen wurden säumig, da sie die Augen der Altbäurin unterm Rasen
-wußten. Das Vieh röhrte vergeblich um Futter, der Stall wurde nicht
-ausgemistet, das Korn nicht gedroschen, das Haus war voll Schmutz.
-
-Die Sanna, die Mutter des Bauern, wärmte sich den Rücken an dem grünen
-Kachelofen, schlief und aß und schlief wieder ein. Das Schicksal des
-Hofes rührte nicht an ihre schläfrige Seele.
-
-An einem Wintertag sagte sie zum Dullhäubel: »Bub, jetzt bin ich
-vierzig Jahr in der Fremd, jetzt verlang ich wieder heim zu meinen
-Leuten.«
-
-»Warum, Mutter? Es fehlt dir ja nix bei mir.«
-
-»Ich hab mich in euer Leben da nie recht eingewöhnt. Und ich will mich
-von der Fremd ausrasten. Am Sonntag führst du mich heim.«
-
-Sie ließ sich nicht halten, und er hielt sie nicht. --
-
-Am Tag Pauli Bekehrung zog sich der Dullhäubel die Pelzhaube über die
-Ohren und schirrte das Roß vor den Schlitten. Darauf packte er Gewand
-und Federbett der Mutter und setzte sie warm darein. Nun fuhren sie
-bergan.
-
-Hoch noch über dem hochgelegenen Grillenöd mitten in Geröllhalden und
-struppigen Wäldern war die Heimat der Sanna, das Siebenschläferhaus
-geheißen, die einsamste Einschicht im Gebirg.
-
-Der Dullhäubel deutete mit der Peitsche hinauf. »Wird es dir nit zu
-rauh droben sein, Mutter? Droben ist es so kalt, daß sie am Tag vor
-der Sonnwend zum letztenmal und am Tag nach der Sonnwend zum erstenmal
-heizen.«
-
-Der Hagbutzdorn brannte im blanken Schnee, schlohweißer Nebel wob in
-den Tälern drunten. In den Ebereschen schnabulierten bunte Pestvögel,
-und Elstern schätterten durch die gläserne Stille.
-
-An einem Bildstock war zu lesen, daß an selber Stelle im Hochsommer ein
-Kohlenbrenner erfroren war. --
-
-Der Siebenschläferhof war schwer verschneit. Keine Menschenspur führte
-hin, nur hie und da eine Hasenfährte oder ein Fuchsentritt. Die Fenster
-waren unter den angeflogenen Flocken erblindet.
-
-»Der Hof ist ausgestorben,« murmelte der Dullhäubel. »Kehren wir um!«
-
-Doch die Sanna deutete auf den Rauchfang. Ein ganz dünner, schier
-luftblauer Rauch stieg gleich schüchternem Atem auf und meldete Leben.
-
-Der Bauer klopfte an die Tür, an die Fenster. »Auf, der Dullhäubel ist
-da!«
-
-Es rührte sich nichts.
-
-Schließlich trommelte er mit einem Prügel an die Tür, daß der Wald
-rings hallte.
-
-Endlich schlurfte es drinnen im Flur.
-
-Die Tür wurde aufgeriegelt. Ein zottiger, graubärtiger Mann, die Augen
-voll Schlaf, trat auf die Schwelle und fragte: »Was -- was kommst du
-daher in dem stumpfen Wetter? Was -- was willst du mitten im Winter?«
-
-»Darf man dich nur im Sommer heimsuchen, Vetter?«
-
-Der Alte gähnte: »Schlaft der Igel, -- schlaft der Bär, - schlaft der
-Ratz. Die rechten Leut -- schlafen -- im Winter.«
-
-Drin in der Stube schliefen sie im Bett, auf dem Ofen, auf Bank und
-Truhe, die Bäurin und die Kinder.
-
-»Grüß dich Gott, Bruder!« sagte die Sanna.
-
-»Dich -- dich auch!« antwortete er und legte sich auf die Ofenbank. Die
-Erinnerung arbeitete schwerfällig in seinem Hirn.
-
-»Vierzig Jahr haben wir uns nimmer gesehen,« meinte sie, »das ist lang.«
-
-»Das -- das ist lang,« wiederholte er träumerisch.
-
-»Mein Bauer ist gestorben. Der da ist mein Bub, der Kasper.«
-
-»Der -- der Kasper,« kam der Widerhall.
-
-»Jetzt frag ich, ob ihr mich daheim laßt bei euch,« sagte die Sanna.
-
-Der Alte wies auf eine leere Truhe. »Leg -- leg dich nur nieder!«
-
-Der Dullhäubel wurde ungeduldig und schrie: »Ihr habt einen seltsamen
-Hausbrauch. Steht auf, Freundschaft! Kocht auf! Uns hungert. Und
-schlafen wollen wir nit.«
-
-Da regten sich die Schläfer, sie hoben die wirrhaarigen Köpfe und
-sperrten tölpisch den Mund auf.
-
-»Ist -- ist der Sommer da, weil -- weil der Star so hell pfigerzt?«
-lallte einer der Buben.
-
-Die Muhme kroch aus dem Bett und schob einige Knorren ins Feuer, da
-wachte auch der Ofen auf und murmelte in sich hinein.
-
-»Schlafen sie denn den ganzen Winter, Mutter?« staunte der Dullhäubel.
-
-»Was sollen sie Schöneres tun, wenn das Dreschen vorbei ist und sie die
-andere Arbeit vollbracht haben?« antwortete die Sanna.
-
-Die Muhme schob einen Topf auf die Platte und nickte. »Jetzt -- jetzt
-ist die ruhsame Zeit.«
-
-Die aufgeschossenen Burschen und die stämmigen Dirnen fletschten
-lachend die Zähne, stießen sich an und deuteten mit den Fingern auf den
-Dullhäubel.
-
-Er fragte die zwei Jungfern nach den Namen.
-
-»Bi -- bi -- bibiana,« stammelte die eine.
-
-»Ju -- ju -- juliana,« die andere.
-
-»Und wie schreibt ihr euch, Buben?«
-
-»Zy -- zy -- Zyprian.«
-
-»Bartholo -- mä -- mä.«
-
-»Ihr -- ihr -- habt eure schönen Namen noch nit gut eingelernt,«
-spottete der Vetter aus Fuxloh.
-
-Die Muhme entschuldigte ihre Brut. »Es -- es handelt sich alleweil
-nur ums erste Wörtel, um -- um den Anlauf. Magst -- magst du keine
-heiraten, Kasper, von -- von meinen Menschern?«
-
-Das Gewölk der heißen Suppe flatterte über den Tisch, daran die
-Siebenschläferleute mit breiten Ellbogen lümmelten. Sie holten die
-Blechlöffel hervor, die unter der Tischplatte an Riemen hingen, und
-dann lallte die ganze stotternde Sippe den Engelgruß. Die Alte fuhr mit
-einer zweizinkigen Gabel in die Schüssel und rührte um, während die
-andern die Suppe so ungestüm kalt bliesen, daß sie über den Rand wallte.
-
-Dem Dullhäubel kam ein zorniges Grausen an, er stand vom Tisch auf und
-ging zu seinem Schimmel hinaus und schaute ihm zu, wie artig er sein
-Heu fraß.
-
-Erst als er meinte, daß drinnen die Mahlzeit verschlungen sei, traute
-er sich wieder hinein.
-
-Die Siebenschläferleute leckten eben die Löffel ab, trockneten sie am
-Ärmel und hängten sie wieder unter den Tisch.
-
-»Jetzt -- jetzt schlafen wir weiter,« murmelte der Vetter.
-
-»Mutter, bleibst du wirklich da?« fragte der Dullhäubel.
-
-Sie nickte gähnend.
-
-Er griff nach der Tür. »Also gute Nacht, Freundschaft! Schlaft euch gut
-aus! In vierzig Jahren such ich euch wieder heim.«
-
-Und er sprang in den Schlitten und schnalzte mit der Geißel. »Renn,
-Schimmel, renn zu!«
-
- * * * * *
-
-Es war Feierabend.
-
-Der Schmied Sulpiz Schlagendrauf hämmerte noch dreimal auf den leeren
-Amboß, hernach räumte er sein Werkzeug auf, blies die Laterne aus,
-die von der gewölbten Decke hing, und reckte wohlig die langen,
-ausgearbeiteten Arme.
-
-Da stand der Dullhäubel im Mondschein an der Tür.
-
-Der Schmied mochte ihn nicht leiden. Als er einmal mit seinem Weib
-gestritten hatte, war der Dullhäubel wetterläuten gerannt.
-
-»Du könntest auch bei Taglicht kommen,« greinte der Sulpiz, »Soll ich
-dir den Schimmel beschlagen? Oder das Hirn?«
-
-»Plaudern möcht ich mit dir.« Der Bauer redete süß wie eine Flöte. »Nur
-plaudern. Die Zeit wird mir zu lang in der Finsterweil. Und von dir
-lernt man was. Du bist ein gewitzigter Mann, hast schon drei Weiber
-begraben.«
-
-»An die Wand hab ich sie gemalt, die Gespenster, zum ewigen Andenken,«
-lachte der Schmied und trat den Blasbalg. In der Esse loderte es auf
-und erhellte das Gewölb. Drei greuliche Weiber waren mit Ruß an die
-Mauer gezeichnet: sie hatten Krallen an den Fingern und Fangzähne im
-Maul, glotzende, schlimme Augen und zerstrüpptes Haar. Es war ein übler
-Anblick.
-
-»Mit welcher von den dreien hast du es am schönsten gehabt?« fragte der
-Dullhäubel.
-
-Der Sulpiz Schlagendrauf griff auf ein Mäuerlein und brachte drei
-Holzäpfel.
-
-»Beiß in den hinein!«
-
-Der Bauer kostete. »Pfui Teufel, ist der sauer! Den Atem nimmt es mir.«
-
-Der Schmied hielt den zweiten Apfel hin. »Versuch den!«
-
-»Das Maul reißt es mir auseinander, den Schlund zerschneidet es mir!«
-fluchte der Dullhäubel.
-
-»Friß den dritten!«
-
-»Gelts Gott tausendmal, Sulpiz! Ich kann nimmer. Ich mag mich nit
-vergiften.«
-
-»Verstehst du jetzt, Junggesell, wie es mir notgedrungenem Ehemann
-dreimal ergangen ist? Die erste ist lang und hager gewesen, die zweite
-kurz und dick, die dritte nit klein, nit groß, nit dick, nit dünn. Es
-ist aber ein Teufel wie der andere gewesen. Das bravste Weib heißt
-Luder, den andern ihre Namen darf ich nit verraten, sonst zerreißen sie
-mich.«
-
-Ein altes Männlein schlüpfte in die Werkstatt herein.
-
-»Grüß Gott, Hammer und Amboß! Ich hab gerad jetzt dein Feuer
-aufleuchten sehen. Eine Bitt hab ich.« Er knöpfte den Brustfleck auf
-und zog einen Ziegel herfür. »Wärme mir ihn, Schmied! Ich trag allweil
-den lauwarmen Ziegel am Bauch, das tut mir so gut für mein inwendiges
-Leiden.«
-
-Der Sulpiz Schlagendrauf legte den Ziegel an die Glut. Und wieder in
-die alten Zeiten versunken, brummte er: »Das größte Leiden ist ein
-Weib. Es ist ein Höllhaken, es zischt wie das Fegfeuer.«
-
-Das Männlein luchste hin. »Willst du wieder heiraten, Meister Ruß? Oder
-du, Dullhäubel?«
-
-»Ich nit,« ächzte der Schmied.
-
-»Ich schon gar nit, Didelmann!« rief der Dullhäubel.
-
-»Kasper, dich juckt es,« redete der Sulpiz. »Aber hör auf mich! Es
-gibt keinen Mann, der das Heiraten nit tausendmal bereut. Der Pfarrer
-Hurneyßl selber hat gepredigt, daß so mancher bei seiner Hochzeit
-glaubt, er greift nach der Zuckerbüchse, aber derweil erwischt er die
-Pfefferbüchse.«
-
-»Der Pfarrer hat leicht schelten,« antwortete der Dullhäubel, »der hat
-eine steinrabenalte Köchin bei sich.«
-
-»Kasper, du bist ein lediger Bursch, du kennst die Weiberleut nit. Die
-kennst du erst, wenn du mit ihnen verheiratet bist. Vor der Hochzeit
-ist eine jede wie eine zugedeckte Schüssel.«
-
-Der Didelmann nahm den Ziegel vom Feuer, schob ihn wieder unter den
-Brustfleck und erzählte dabei: »Anno eins, wie der große Wind gegangen
-ist, haben wir einen Bären gefangen. Der hat uns viel Schaden getan,
-drum haben wir uns beraten, was die grausamste Straf für das Vieh wär.
-Da ist ein uralter Mann aufgestanden, Irg Kolroß hat er sich geheißen,
-und der hat gesagt: ›Laßt den Bären heiraten!‹ Der Alte ist nit der
-Dümmere gewesen.«
-
-Kichernd schlüpfte der Didelmann aus dem Gewölb.
-
-»Der eine redet hü, der andere hott,« seufzte der Dullhäubel, »ich kenn
-mich nit aus mit dem Heiraten.« --
-
-Das Frühjahr kam, die Bauern legten die Fäustlinge ab und schnitten das
-Moos von den Bäumen. Das Gras nahm zu. Da rannen die Maibrünnlein, der
-Hahn balzte und krugelte, der Wendehals rief schmachtend »woid, woid«
-und verrenkte sich vor Verliebtheit schier den Kragen. Der Guckauf
-raufte und hochzeitete. Lau wurden die Nächte, und der Mond schaute
-scheinheilig drein.
-
-Wenn der Dullhäubel nachts auf den Schemel stieg, das hochgerüstete
-Bett zu erklettern, seufzte er: »Das Himmelbett ist mir viel zu breit.«
-Er wälzte sich ohne Schlaf, und das Blut zuckte ihm. --
-
-Einmal ging die Spuchtin an seinem Hof vorbei, sie schleppte einen Korb
-Klaubholz aus dem Vogeltänd.
-
-Der Dullhäubel stürzte ihr nach, den Atem verschlug es ihm schier.
-»Holzhackerin, komm heut noch einmal in den Wald, ich schenk dir einen
-dürren Baum. Komm aber allein! Ich helf dir ihn abschneiden.«
-
-Sie sah ihn mitleidig an. »Bauer, ich dank schön für den Baum. Ich hol
-ihn morgen mit meinem Mann. Aber du, Bauer, brauchst eine, die dir
-das Bett schön macht und emsig und zutätig deine Wirtschaft zusammen
-haltet. Heirat bald! Dann wachst dir ein nagelneues Herz.«
-
-»Ich weiß mir keine,« sprach er betrübt.
-
-»Nimm die Ogath!« --
-
-Der Dullhäubel träumte wieder schwer. Ein sagenhafter Urvater erschien
-ihm, auf dem Kopf eine kleine rote Haube mit einer baumelnden Dulle
-daran, und der gebot ihm, das Geschlecht der Dullhäubel schleunig
-fortzupflanzen.
-
-Und wenn der Bauer nächtens heimkam und der Mond im Vollschein stand,
-da war ihm, es stünden auf dem Lichtboden des Gehöftes die verstorbenen
-Vorfahrer Pankraz, Servaz und Bonifaz, die Bärte bereift wie die
-Eismänner, und der Isidor mit der kupfernen Nase, und sie drohten herab
-auf den unfruchtbaren Nachkömmling.
-
- * * * * *
-
-Die Ogath verlebte trübe Zeiten.
-
-Der alte Müller war jetzt Herr im Haus. Mit kalten Augen, mürrischem
-Maul schlich er durch die Mühle und raunzte den lieben Tag über Wind
-und Wetter, es mochte heiter sein oder trüb. Und immer härter geizte
-er, sie und ihr Kind sollten nur Erdäpfel essen und sauere Milch, und
-wenn sie im Winter die eisige Stube heizen wollte, riß er ihr das
-Scheitlein Brennholz aus der Hand.
-
-Die Mühle ging immer öder und grämlicher, ewig gleich hob sich das
-Geschäufel aus der Tiefe, mühselig, in schwerfälliger Gewalt, grünlich
-triefend, und versank wieder.
-
-Immer öder kamen und sanken der Ogath die Tage. Sie wurde des Lebens
-verdrossen.
-
-Als sie dem Alten einmal vorwarf, er lasse sie und das Kind hungern,
-lachte er hämisch. »Seltsam, seltsam, wie malefizblond dein Dirnlein
-ist! Schier wie dem Dullhäubel sein Bart.«
-
-Da ward sie still und schaute das Kind lange in Gedanken an.
-
-Am selben Tag noch machte sie sich gegen Kaltenherberg auf, sie wollte
-sich mit den Eltern beraten. In der Mühle hielt sie es nimmer aus.
-
-Am Weg begegnete ihr der Narr. Eine bunte Schürze, die er um den Hals
-gebunden hatte, hing ihm am Rücken nieder. Er breitete die Arme aus wie
-der Pfarrer am Altar und sang lateinisch.
-
-Die Ogath duckte sich hinter einer Kranwitstaude. Sie wußte, daß er
-kürzlich seine Mutter gezwungen hatte, in den Kleiderkasten zu steigen,
-den Kasten hatte er dann umgeworfen und die Frau drin besungen wie
-eine Leiche im Sarg.
-
-Doch seine gefährlichen Augen hatten die Ogath schon erspäht. Mit ein
-paar lächerlichwilden Sprüngen stand er vor ihr und krächzte: »Knie
-dich hinein in den Dorn, Maria!«
-
-Zitternd folgte sie ihm. Sie fürchtete die flackernde Unruhe in seinem
-Blick. Und als sie mitten im stechenden Busch kniete, raunte er: »Jetzt
-bin ich der Erzengel. Ich will dich segnen unter den Weibern. Aber
-zuerst schneid ich dir das sündhafte Haar ab.«
-
-Er wetzte sein Messer am Knie.
-
-Furchtbar schrie sie auf vor Angst. Was mochte der irre Mensch vorhaben?
-
-Da kam der Dullhäubel den Hang vom Vogeltänd herunter gelaufen. Von
-weitem schrie er: »Stocknarr, ich erschlag dich!«
-
-Der Zusch warf sich ihm zu Füßen und winselte, er möge ihn leben lassen.
-
-Totenblaß kroch das Weib aus dem Strauch. »Händ und Knie sind mir wund,
-der Kittel ist zerrissen,« weinte sie. »Alle Bitternis muß man sich
-gefallen lassen, wenn man keinen Mann mehr hat. Fallt ein Stein vom
-Himmel, so fallt er auf eine Wittibin.«
-
-Der Dullhäubel senkte die Augen. »Wie geht es dir, Ogath? Ich hab dich
-schon lang nimmer gesehen.«
-
-»Es ist redlich drei Jahr her, daß ich im Wittibstuhl sitz,« erzählte
-sie. »Dem Alten muß ich den Mühlknecht machen, und in der Nacht kann
-ich nit schlafen, so arg treiben es die Ratzen. Ich will davon, mit
-Zähren feucht ich meinen Weg. Zu meinem Bruder will ich, will das
-Herrgottelschnitzen lernen.«
-
-Verlegen striegelte sich der Bauer durchs Haar, er schrumpfte fast
-zusammen vor dem großen, ernsten Weib. Er stammelte: »Heut wär mir
-schier die Scheuer abgebrannt, die Dirn hat die glühende Asche
-hinausgeworfen. Ogath, mein Hof braucht eine Bäurin.«
-
-»Willst du wieder einen Heiratsbrief schreiben?« antwortete sie herb.
-
-Sie kehrte zur Mühle zurück, in zerrissenem Gewand wollte sie nicht vor
-die Ihren treten. Der Bauer schlich neben ihr her und redete nichts.
-
-Über den Steg kam ihr das Dirnlein entgegen.
-
-Die Ogath atmete schwer auf, als sie den roten Zopf ihres Kindes
-glänzen sah. »Dullhäubel,« sagte sie, »nur einmal in deinem Leben red
-die Wahrheit! Ist das dein Kind?«
-
-»Ja!« wisperte er zerknirscht.
-
-»Die Schand muß zugedeckt werden,« sprach sie. »In drei Wochen heiraten
-wir.«
-
-[Illustration]
-
-
-
-
-Der graue Sünder.
-
-
-Der Dullhäubel hatte die Ogath heimgeführt. Sie war fleißig und ernst,
-hielt den Hof fest in der Hand und gebar ihm zu dem ersten Dirnlein
-noch elf andere, allesamt rothaarig.
-
-Er war ein Mann in den besten Jahren worden. Das Haar hing ihm tief
-in die pfiffig gerunzelte Stirn, über den kleinen Augen hafteten die
-Brauen wie rote, borstige Raupen, der Fuchsbart deckte ihm Kinn und
-Lippen. Die Nase war ein wenig schief gebogen. Denn er schnupfte weit
-eifriger als früher, und der Tabak, wie er ihn vormals genossen,
-schmeckte ihm nimmer, er war ihm zu mild. Drum mischte er ihn jetzt
-nicht nur mit Schmalz, daß er sich binde und nicht so leicht zerstäube,
-sondern er rieb auch Glasscherben drein, daß er die Nase schärfer
-angreife und das Hirn aufrüttle.
-
-Der also verstärkte Schmalzler scheuchte ihm die Sorgen, die ihm seine
-Schelmenstücke eintrugen, und tröstete ihn, wenn ihm die Bäurin das
-Gewissen riegelte, oder wenn ihn der Blaumantel mit seinem höllischen
-Blick durchbohrte.
-
-Denn trotz seiner Jahre kam der Dullhäubel nicht aus der Bubenhaut
-heraus, sein Kopf wimmelte voll schabernackischer Pläne, und die
-Lust, dem lieben Nächsten ein Schwänklein und Schwänzlein anzubinden,
-verringerte sich ihm nicht.
-
- * * * * *
-
-Einmal schlachteten sie im Dullhäubelhof eine Sau. Da wollte sich der
-Bauer von der Arbeit wegschrauben und meinte, er habe in der Stadt
-zu tun, er müsse dort in die Steuerstube schauen und dem Marktpreis
-nachfragen, und am Heimweg wolle er das Kalb mitbringen, das die Bäurin
-in Blaustauden gekauft hatte.
-
-In Hirschenbrunn kehrte er in jedem Haus ein, wo der Herrgott den Arm
-herausstreckte, horchte scheinheilig den Reden der Stadtleute zu und
-ließ sich erzählen, was in den Zeitungen gedruckt war.
-
-Eine hübsche Weile stand er vor einem Arzneiladen und überlegte.
-Hernach trat er ein, den Schmalzler auf dem Handrücken, schaute sich
-lange um, starrte einfältig das Krokodil an, das, an die Decke
-gekettet, scheußlich nach ihm herabfletschte, schnupfte ausgiebig,
-schaute sich wieder um und wackelte tölpisch mit dem Kopf.
-
-Geschäftig fragte der Apotheker: »Was begehrt Ihr? Dachsschmalz?
-Regenwurmöl? Mausohrsaft? Pfefferminz?«
-
-»Du hast es wohl nit, Wurzelkrämer,« sagte der Bauer schüchtern und
-drehte den Hut in der Hand.
-
-»Wollt Ihr Schwefel? Kupferwasser? Ein Quintel Weinsteinöl? Salniter?
-Salarmoniak? Eine Wagenschmiere? Eine Handsalbe?«
-
-Der Dullhäubel sah den Apotheker tiefsinnig an. »Ich krieg es wohl nit
-da herin,« murmelte er.
-
-»Besinnt Euch, Vetter! Hat Euch der Doktor einen Giftzettel
-geschrieben? Braucht Ihr eine Kropfschmiere? Eine Laussalbe? Ein
-Windsäftlein fürs Kind?« sprudelte der Mann hinterm Ladentisch.
-
-Der Dullhäubel horchte ihm ehrfürchtig zu, und als dem Apotheker der
-Atem ausging, faßte er die Klinke, schnitt ein Koboldsgesicht und
-sagte: »Also behüt dich Gott, Wurzler! Einen Peitschenstecken hätt ich
-gebraucht.« --
-
-Gemächlich ging er heim.
-
-In Blaustauden suchte er den Burgermeister auf, von dem hatte die Ogath
-ein Kalb, dessen braunscheckiges Fell ihr wohl gefiel, zur Aufzucht
-erstanden.
-
-Als der Mittag ausgeläutet ward, zog der Dullhäubel, den Burgermeister
-am Arm und das Kalb leitend, durchs Dorf. Auf der Brücke hielt er an
-und begann grell zu singen:
-
- »Die Blaustaudner läuten,
- sie läuten vor Not,
- sie fangen den Bettelmann
- und nehmen ihm 's Brot.«
-
-Der Burgermeister vermahnte ihn: »Sing das nit, Freund! Sing ein
-anderes! Und überleg dir, mit wem du gehst! Ist dir nix heilig?«
-
-Dem Dullhäubel war nichts heilig. Er packte das Kalb am Ohr und redete
-ihm hinein: »Merk auf, Burgermeisterlein! Wie der Teufel den Heiland
-versucht hat, hat er ihn auf den Lusen geführt, und von dem Berg aus
-hat er ihm die ganze Welt gezeigt. Aber Blaustauden ist ihm zu rußig
-gewesen, das hat er verstecken wollen und hat geschwind seinen Schweif
-darauf gelegt.«
-
-Da schellte der Burgermeister dem Spottvogel eins hinter die Ohren, daß
-dem der Hut in den Bach flog, und lief schleunig davon. Der Dullhäubel
-stand da, das Kalb am Strick, und mußte den Widersacher rennen und den
-Hut schwimmen lassen.
-
-Als er am Freithof vorüber trieb, stieg gerade der Totengräber aus
-einem Grab. Der versuchte, einen breitkrempigen Filzhut auf den Kopf zu
-setzen, aber der Hut war ihm zu weit und sank ihm bis zum Maul herunter.
-
-»Staches, zu dem Hut mußt du dir einen größern Schädel anschaffen!«
-riet der Dullhäubel.
-
-»Ich hab den Filz jetzt gefunden,« sagte der Staches, »in deinem Ähnel
-seiner Grube ist er gelegen. Ja, der Bonifaz muß heraus, er hat lang
-genug gerastet. Unserm Rauchfangkehrer muß er Platz machen.«
-
-Der Bauer band das Kalb an einen Stein, darein das Bild einer
-Pfarrersköchin gemeißelt war, den Kochlöffel in der Hand.
-
-Aus dem geöffneten Grab grinste der Schädel des Bonifaz herauf, die
-Pfeife war ihm noch unverwest ins falsche Gebiß geklemmt, das der Ähnel
-selber sich aus einem Rindsknochen geschnitzt hatte.
-
-Der Dullhäubel setzte den Hut auf, der der Verwesung so tapfer
-widerstanden, und er paßte ihm wie angemessen. »Der Alte braucht ihn
-nimmer,« sagte er, »ich nehm ihn mit. Die Pfeife drunten aber kannst du
-dir nehmen, Staches.«
-
-Dem Totengräber grauste. »Vergelts Gott, ich trag kein Verlangen
-darnach.«
-
-Der Bauer zerrte das Kalb weiter, und oft tappte er nach dem Hut, den
-ihm der Ähnel zur gelegenen Zeit aus der Ewigkeit geschickt hatte.
-
-Ein Haus sperrte ihm den Weg, das trug den einladenden Spruch überm Tor:
-
- Das ist das Wirtshaus an der Straßen;
- wer einen Durst hat, kann hier einen lassen.
-
-Und weil der Dullhäubel himmelblau gelaunt war, zog er das Kalb mit
-sich in die Stube und band es an den Tischfuß.
-
-Die Wirtin saß gerade beim Nähzeug und riß die Augen auf ob der
-seltsamen Gäste.
-
-»Siebenkittelwirtin, schenk ein! Dem Zöpfel da,« der Bauer deutete auf
-das Kalb, »gibst du einen Kirschgeist!«
-
-Auf der Bank unter dem schräg vorhängenden Spiegel lungerte der
-Lippenlix und strich sich den stolzen Schnurrbart. »Sitz her, Kasper!«
-sagte er. »Geld hab ich wie ein Sautreiber. Spiel mir es ab!«
-
-»Ich mag nit, Schönbart.«
-
-»Wirtin, schaff Karten her!« begehrte der Lix. »Spielen wir
-Grünoberfangen um drei Zündhölzer! Oder willst du färbeln? Oder
-lampeln?«
-
-Er fuhr ganz wild über die Karten her, mischte sie, ließ abheben und
-gab aus.
-
-Sie trumpften auf den Tisch. »Und da hast du eine Eichel!« »Und da friß
-den König!« »Und heraus mit der Schellensau!« So flog es hin und zurück.
-
-Die Karten aber, die der Lix wie einen Fächer in der Hand faltete,
-malten sich in dem Spiegel ab, der über ihm sanft geneigt hing, und der
-Dullhäubel luchste heimlich empor und sah droben alle Trümpfe, die der
-andere in der Hand hielt, und gewann darum Spiel auf Spiel.
-
-»Wie geht das heut zu?« staunte der Lix. »Aber ich hör nit auf, und
-wenn ich meine hundshäutenen Hosen ausziehen und nacket heimrennen muß.«
-
-Es wurde finster. Die Wirtin zündete die Kerze an. Das Kalb wurde
-unruhig und blökte.
-
-Der Lix setzte das letzte Sechserlein dran und verlor. Er schalt Gott
-und alle Heiligen. »Du Raubersknecht, keinen zerbrochenen Groschen hast
-du mir lassen, das ganze Geld schatzt du mir ab. Der Teufel soll dich
-vom Abtritt wegholen! Es ist Zauberei dahinter. Gib das Kalb weg, oder
-ich erstech es!«
-
-»Dem Zöpfel tust du nix, Schönbart,« sagte der Dullhäubel und strich
-den Gewinst ein. »Ich bin satt. Ich geh heim.«
-
-»Oho, weil ich jetzt gewinnen könnt, gehst du davon, du Fuchs aus
-Fuxloh? Noch einmal spiel mit mir! Die Haut zieh mir auch noch ab!
-Wirtin, streck Geld für!«
-
-»Dir nit,« schnippte sie.
-
-Er setzte seine Uhr ein samt der Kette. Unwillig tickte sie am Tisch.
-Das Kalb plärrte, der Dullhäubel gewann.
-
-Der Lix ließ das Maul hangen. Auf einmal starrte er wild unter den
-Tisch. »Hast du nit einen Roßfuß? Du gewinnst ja wie der Teufel
-selberst. Und noch einmal spielen wir. Meinen Bart setz ich ein, es ist
-niemanden in der Pfarre ein schönerer gewachsen.«
-
-Mit zitternden Fingern mischte er. Herz war Trumpf.
-
-Der Dullhäubel hielt alle Trümpfe in den Händen und warf sie kichernd
-auf den Tisch. Dann griff er in das Nähzeug der Wirtin um die Schere.
-
-Der Lix riß die Augen auf wie eine gestochene Geiß. »He, willst du
-meinen Leib schänden, jetzt, wo du mich ausgeraubt hast?«
-
-Der Dullhäubel ergriff den schönen Schnurrbart. »Halt dich, Lix!
-Zahl deine Schuld! Zahlen bringt Frieden.« Und ehe sich der Lix aus
-seiner Versteinerung erholte, hatte er ihm den Bart links und rechts
-weggeschnitten und ins Kerzenlicht gehalten, wo das Haar mit übelm
-Geruch verbrannte.
-
-Jetzt heulte der Verstümmelte auf und ward inne, was er verloren hatte.
-
-Der Dullhäubel war mit dem Kalb schon an der Luft, und weil er ein
-wenig schwankte, riß er einen Stecken aus dem Zaun und stützte sich
-darauf.
-
-Hoher Sommer war es. Der Hundsstern ging auf, verschlafen schaute der
-Mond in die Welt.
-
-Im Wald drin rastete der Bauer, er stieß den Stecken in den Grund und
-band das Zöpfel dran. Dann warf er sich neben dem Weg ins Moos.
-
-Er mochte wohl ein wenig eingenickt sein, als er aufschrak. Eine Dirne
-kam daher, jung und flink wie ein Wiesenwasser.
-
-»Wohin denn in aller Nacht, du Allerschönste?« fragte er.
-
-»Zum Bader um einen Blutegel,« erwiderte sie. »Ist das der richtige
-Weg?«
-
-»Schleun dich nit so! Wer ist denn krank?«
-
-»Dem Vater schwärt der Zahn. Du wirst ihn ja kennen, den Lukas. Ein
-Musikant ist er. Er haltet es nimmer aus vor Weh.«
-
-»Der Lukas soll zum Fuxloher Schmied gehen, der reißt ihm zwei Zähne
-mit einem Griff,« riet der Bauer.
-
-»Mein Vater hat schon alles versucht. Mit einem glühenden Nagel hat er
-sich den Zahn ausgebrannt. Es hat nit genutzt. Den Bart hat er sich
-wachsen lassen gegen das Weh. Mit einem Strick hat er den Zahn dem
-Stier an den Schweif gebunden; der Zahn hat sich nicht geruckt, eher
-wär dem Vieh der Schweif abgerissen.«
-
-»Setz dich her, Dirn!« lud er sie ein. »Wie heißt du denn?«
-
-Sie ließ sich zu ihm ins Moos hin, sittsam deckte sie die Füße mit dem
-Kittel zu. Der Mond lugte ihr in das derbe, frische Gesicht.
-
-»Müd bin ich,« sagte sie, »übers Gebirg hab ich müssen. Mechel heißen
-sie mich daheim, der Schulmeister hat mich Mathilde Schellnober
-geschrieben. Und wer bist denn du?«
-
-Er dachte ein wenig nach. Dann sagte er unschuldig: »Aus Blaustauden
-bin ich. Ein Tischlergesell. Franz bin ich getauft. Nach dem heiligen
-Franziskus.«
-
-Er tastete nach ihrer Hand, sie zuckte nicht zurück.
-
-»Bist du brav, Tischler?« fragte sie.
-
-»Freilich. Bei Tag und Nacht bin ich brav. Nur mit den Weibern bin ich
-ungeschickt. Ich kann nit lügen, drum mag mich keine.« So redete er
-sanft und traurig.
-
-»Das ist kein Fehler,« tröstete sie.
-
-»Mein Geschäft braucht ein Weib, ich möcht mich selbständig machen.
-Weißt du mir keine, Mechel?«
-
-»Ich wüßt genug, aber ich sag dir sie nit.«
-
-»Warum denn nit, Mechel?« Er drehte den Kopf wie ein girrender Tauber
-und schmeichelte: »Du bist so sauber, dein Bild will ich auf alle
-Truhen malen.«
-
-»Es sind schon noch schönere Dirnen im Wald,« antwortete sie kurz.
-Unruhig rückte sie hin und her.
-
-Schnell legte er ihr den Arm um die Hüfte.
-
-Sie stieß ihn von sich. »Ich muß zum Bader. Sonst verzieht sich der Weg
-hoch in die Nacht. Und das hab ich von der Mutter sagen hören, daß die
-Mannsleut alle falsch sind. Du drehst dich um und liebst eine andere.«
-
-Er legte die Hand auf den Brustfleck. »O, du kennst mich nit. Ich bin
-treu wie der Tauber der Tauberin.«
-
-Sie musterte ihn scharf. »Ganz jung bist du nimmer,« sprach sie.
-
-»Im besten Saft steh ich, Mechel. Schön bin ich nit, aber heikel.«
-
-»Mein Heiratsgut ist gering, Tischler,« meinte sie zaghaft. »Der Vater
-ist ein Musikant; was er verdient, vertut er.«
-
-»Wenn du nur eine buchsbaumene Bettstatt mitbringst!« spaßte er. Das
-Kopftuch zog er ihr herab und krauelte ihr lind das krause Haar.
-
-»Meine Zöpfe sind gelb,« lächelte sie, »ich wasch sie jedes Frühjahr
-mit Märzenschnee.«
-
-Er packte das baumfrische Kind fester. »Mechel, spreiz dich nit!«
-bettelte er.
-
-»Du bist aber hitzig, Franz,« lispelte sie verschämt.
-
-Schneidiger griff er nach ihr. Da blitzte das Mondlicht an seinem
-Finger.
-
-Sie schnellte schreiend auf. »Tischler du tragst einen Ehring!«
-
-Er wurde demütig, seine Stirne krauste sich. »Im Witstand bin ich,
-Mechel, im Witstand. Der Herrgott hat sie mir hingenommen. Niemand
-kocht mir, niemand macht mir das Bett.« Die Stimme knickte ihm.
-
-Sie wurde neugierig. »Woran ist sie gestorben?«
-
-»Ich hab gehört, am Rotlauf.«
-
-»Hast du gut mit ihr gelebt?«
-
-»Ich hab nit bei ihr liegen wollen, sie hat kalte Füße gehabt. Ja, ein
-Wittiber bin ich, und das ist mein einziger Tadel.«
-
-Die lieben, dummbraunen Augen der Mechel glänzten voll Mitleid. Und er
-merkte es und riß sie zu sich hin und herzte und halste sie, bis sie
-ganz wirr bat: »Tischler, hör auf! Du bringst mich in die Lieb, und ich
-bin noch zu jung dazu.«
-
-Droben schoß ein Stern über den Himmel, Johanniskühlein flogen glimmend.
-
-»Laß ab, Tischler! Die Buben werden mir einen ströhernen Mann aufs Dach
-setzen. Die Schand begehr ich nit. -- Und wenn einer daherkommt!«
-
-»Wer wird denn gerad jetzt unterwegs sein!« tröstete er. »Es rührt und
-reibt sich nix.«
-
-Sie rang mit versagender Kraft gegen ihn.
-
-»Ich heirat dich ja. Und wenn du mich gern hast, der Himmel fallt nit
-ein,« zischte er.
-
-Da stapfte es den mondverdämmerten Weg daher, Steine rollten, ein
-Stecken klang an einen Fels.
-
-Die Mechel sprang auf und rauschte wie eine gehetzte Hirschkuh ins
-Gebüsch.
-
-Die alte Ulla humpelte mit der Geiß daher.
-
-»Verdammte Nachthex!« brauste der Dullhäubel sie an.
-
-»Verspätet hab ich mich. Die Geiß hab ich zum Bock geführt,« sagte sie
-bang.
-
-»Geh geschwind heim, dein Kater will gemolken sein. Er gibt dir täglich
-zwölf Seidel Milch, dir Nachthex.«
-
-»Bauer, du machst mich schwarz,« flehte sie. »Die Kinder spotten mir
-schon nach ›Hex! Hex!‹ Die Leut speuzen aus vor mir und verriegeln die
-Tür, wenn ich betteln komm. Und ich bin doch nur ein überständiges Weib
-und kann nimmer essen, nimmer schlafen.«
-
-»Aber hexen kannst du,« rief er unbarmherzig.
-
-»O du gar schlimmer Mann, was feindest du mich an? Unschuldig bin ich,
-der Blaumantel kann es mir bezeugen. O die Welt ist voller Angst und
-Nöten! Und man kann sich kaum aufrecken bei der teuern Zeit, kaum
-schnaufen kann man.«
-
-Ein toller Schwank war dem Dullhäubel durch den Kopf geschossen. »Hexen
-kannst du,« bestand er. »Du verzauberst den heiligen Blaumantel selber.
-Ruf ihn um die Mitternacht. Dann stürzt er dir ins Haus. Versuch es!«
-
-Er rannte in das mondscheinige Gebüsch der Mechel nach. Sie war nimmer
-zu finden. --
-
-Als er zur Kapelle kam, räusperte es sich droben im Föhrenbaum. Zwei
-dürre Beine schlotterten vom Ast.
-
-Der Dullhäubel schlug ein Kreuz. »Wer sitzt da droben?«
-
-»Ein Schlaghäusel richt ich auf für den Mondschein,« erwiderte es. Es
-war der Narr.
-
-Der Bauer atmete auf. »Gehustet hast du wie ein krowatischer Schuster,
-Zusch.«
-
-»Ich bin Rudolf von Habsburg, der Sohn Josefs des Zweiten,« sagte der
-Narr feierlich.
-
-»Steig herunter, Zusch, du erschlagst dich!«
-
-»Ich sterb nit. Ich werd hundertfünfundzwanzig Jahr alt und fahr dann
-gleich ins Himmelreich, weil ich eine reine Jungfrau blieben bin.«
-
-»Die Nacht ist nit warm,« hub der Dullhäubel listig an, »sogar dem
-Blaumantel scheppern die Zähne vor Kälte.«
-
-Der Narr fuhr wie ein Eichkater von der Föhre herab. »Ich zünd ihm
-die Kapelle an, dem Heiligen, daß er sich die Händ wärmt,« murmelte
-er. Stumpf lagerte der Blödsinn auf seiner Stirn, doch seine Augen
-zündelten.
-
-»Große Hitz tut dem Blaumantel nit gut,« lenkte der Schelm ein. »Trag
-ihn lieber, wenn der Nachtwächter zwölf schreit, der Ulla in die Hütte
-und leg ihn zu ihr ins Bett, dort erwärmt er sich gewiß.«
-
-Der Besessene nickte und kletterte in die Kapelle.
-
-Da lachte sich der Bauer in die Faust und ging ins Dorf hinauf und
-klopfte den Wirt wach. Der tat ihm mürrisch auf, stellte ihm einen
-gesalzenen Fisch und ein paar Flaschen Bier hin und legte sich wieder
-ins Stroh.
-
-Der Dullhäubel trank allein im Mondschein. --
-
-Indessen hatte die Ulla ihr armseliges Bett bereitet. Sie lag ohne
-Ruhe, die Reden des Bauern hatten ihr das kleine Hirn ganz gar
-und verwirrt. War sie vielleicht doch, ohne es zu wissen, eine
-Gabelreiterin?
-
-Sie dachte mühselig nach, ob ihr nie etwas zugestoßen, was nicht
-geheuer gewesen. Aber ihr enges Leben lag schlicht und ohne Rätsel vor
-ihr.
-
-Lang quälte sie sich ab und flüchtete schließlich vor sich selber in
-den Schlaf.
-
-Da träumt ihr, sie flöge über das Land hin. Tief unten lagen Kirchturm
-und Freithof, Häuser und grasendes Vieh. Über den Wald flog sie und
-hob die Knie hoch, daß sie sich nicht an den Tannenspitzen stoße. An
-den Nestern streifte sie vorbei, drin die Rabenhennen gluckten, einem
-hohen Berg zu, und der trug ein Feuer. Mitten im Wald drunten stand ein
-zerbrochenes Häusel, aus seinem Rauchfang ritt ein rußiges Weib auf
-einem Schürhaken heraus und ritt neben ihr her, und als die Ulla die
-andere scharf anschaute, so war sie es selber. Schaudernd schlug sie
-ein Kreuz. Da stürzte sie strahlenschnell in die Tiefe, schlug auf und
-erwachte.
-
-Sie besann sich des Traumes. Es war doch lustig gewesen, so ohne
-Beschwernis zu fliegen und so weit in die Welt hinein zu schauen.
-Könnte man nur ganz kleinwunderwenig die Hexenkunst treiben, wie viel
-leichter würde doch das bittere Leben! Ach, sie wollte ja nur der Geiß
-eine Raufe voll Futter hexen und ein paar Scheiter Holz in den Ofen,
-wenn der harte Winter draußen stürmt und die Hohlwege zudeckt!
-
-Ein fernes Wachthorn blies vom Dorf her Mitternacht.
-
-Da lüstete es die Ulla, jetzt schnell einmal, nur einmal die Kunst und
-die Kraft zu versuchen, die ihr der Dullhäubel andichtete, und weil
-ihr in der Eile nichts anderes einfiel, rief sie einen Spruch, den
-sie vorzeiten vergeblich gebetet: »Heiliger Antoni, schick mir den
-Bräutigam in die Kammer!«
-
-Und schon trampelte es draußen. Und ob sie es auch entsetzt mit
-den Händen abwehrte und den freveln Spruch widerrief, die Tür ward
-aufgestoßen, ein schwarzer Kerl sprang herein, wälzte ihr etwas
-Schweres ins Bett und verschwand.
-
-Der Ulla setzte der Herzschlag aus.
-
-Der Teufel hatte sie beschenkt. Also war sie doch eine Hexe. So viele
-Jahre hatte sie fromm gelebt, und jetzt verfiel sie der Hölle. O was
-hatte sie getan?!
-
-Ein Schuhu höhnte draußen, der Wind murmelte unheimlich ums Haus.
-
-In ihr schrie es um Hilfe. Ihre Seele hatte ein dünnes, verzagtes,
-windverwehtes Stimmlein und führte eine unbeholfene Rede.
-
-Alter Leute Seele ist so matt wie ihre Hände. Und das Gebet der Ulla
-hatte gebrochene Flügel. Ihr war, es dringe nicht zu Gott, es steige
-nicht über die Tannen hinaus, es falle wie ein Stein schwer und
-schmerzhaft zurück in ihr Herz.
-
-Neben ihr lag das Sündige, Schreckhafte, Unbekannte, der Zeuge ihres
-Hexentums. Das Fieber glühte in ihren Fingern, doch sie wagte nicht
-hinzugreifen.
-
-Der Mond rückte und spiegelte in dem weißen Haar der Greisin. Auf
-einmal leuchtete er voll über das Bett.
-
-Der heilige Blaumantel lag mit wachen, weit offenen Augen neben ihr.
-
-»O weh, der Dullhäubel hat nit gelogen,« seufzte sie, »Ich bin eine
-Hex!«
-
-Schwerfällig tickte die Uhr, und da ihr Zeiger immer wieder zurücksank,
-wußte das Weib nicht, ob der Morgen schon nahe sei. Furchtsam schaute
-sie den an, der ihr Bett teilte.
-
-Als es graute, spannte sie die Geiß vor ein Wägelein, lud den Heiligen
-auf und schaffte ihn zurück in die Kapelle. -- -- --
-
-Der Mond grinste.
-
-Um den Dullhäubel drehte sich die Welt wie ein Rad. Er lehnte sich an
-einen Baum und horchte. Irgendwo quackten die Frösche.
-
-»Ihr Grillnöder, was singt ihr?« schrie er. »Ihr könnt es ja nit.« Er
-fing an zu quacken, die Frösche ein Besseres zu lehren. Doch sie ließen
-sich nicht schulmeistern.
-
-Dann heulte er auf wie ein Mondscheinhund und weckte alle Kläffer
-und Köter rings in den Einschichten, daß sie zornig bellten oder in
-gezogenem Geheul klagten und die Leute in den Betten ängstigten.
-
-Die Kapelle war leer. Da johlte der Trunkene: »Herrgott, schau
-herunter! Dein Heiliger schlaft bei einem alten Weib.«
-
-Der Wendehals auf der Fähre drehte den Kopf nach dem kreisenden Himmel.
-Ein Schuhu kreischte. Ohne Rast gurgelte der Wolfsbach.
-
-Wie der Dullhäubel neben dem Wasser dahintaumelte, rutschte er aus und
-plumpste hinein. Die kühle Flut wusch ihm den Kopf und ernüchterte
-ihn. Er blies, ächzte und schnaubte und kroch ans Ufer, den Blaumantel
-verwünschend, dem er das Unglück zuschrieb.
-
-Als er sich wieder auf den Füßen fühlte, war sein erster Gedanke: »Heut
-hau ich einmal mein Weib!«
-
-Er kam heim und tappte durch den Hof ins Vorhaus. Die Stubentür aber
-war versperrt; ein Strohsack lag davor, der schien für ihn bereitet.
-
-Der Dullhäubel rüttelte. »Ogath, ich sag dir es im guten, tu auf!«
-
-Drin rührte sich nichts.
-
-»Bäurin, tu auf! Tu auf, Bäurin! Ich bin es. Der Dullhäubel ist es.
-Dein Kasper,« schmeichelte er. »Weib, laß dir sagen, riegel auf!«
-
-Er drängte das Ohr ans Schlüsselloch. Kein Hauch war zu hören.
-
-Da kam ihm die Hitze. »Tu auf, Weib, sonst hol ich die Hacke und spreng
-die Tür auf!«
-
-Drin meldete es sich ruhig: »Wag es! Den Kittel schlag ich dir um den
-Schädel, solang ein Fetzen dran ist. Draußen hast du den Strohsack.«
-
-»Laß mich doch nit zugrund gehen!« schluchzte er. »In den Bach bin ich
-gefallen, waschelnaß bin ich.«
-
-»Warum bist du nit ersoffen?« sagte sie aufgebracht. »O mein
-gottseliger Mann, der Gid, ist tausendmal besser gewesen als du! Das
-ganze Geld versäst du im Saufhaus.«
-
-»Herr, erbarm dich meiner!« murmelte er wie bei einer Litanei.
-
-»Den Hof versaufst du, deine Kinder werden einmal nacket gehen!«
-
-»Herr, erbarm dich meiner!« antwortete er dumpf.
-
-»Die Kellnerinnen reißt und rumpfst du herum.«
-
-»Herr, erbarm dich meiner!«
-
-»Nacht für Nacht reitest du die Zung in die Schwemm,« eiferte sie.
-»Vertu nit alles, daß du einmal ein anständiges Begräbnis kriegst!«
-
-»Begraben muß ich werden. Das hab ich noch nie gehört, daß einer
-eingeackert worden ist.«
-
-»Schäm dich! Der Dunst und Dampf redet aus deinem Hirn.«
-
-»Ich schäm mich in den Kniebug hinein, da sieht es niemand.«
-
-»Hast du das Kalb in den Stall eingestellt? Hast du es nit verjuxt?«
-
-»Jesmaria, das Kalb hab ich im Wald vergessen!« rief er erschrocken.
-»An den Zaunstecken steht es gebunden.«
-
-»Himmlischer Vater, da haben wir wieder den Schaden! O wenn das mein
-Gottseliger erlebt hätt!«
-
-Die häufige Mahnung an den Gottseligen verdroß ihn. Er wollte überhaupt
-für heute die Zwiesprache enden. Drum sagte er: »Weib, ich bet jetzt.
-Stör mich nit! Du begehst eine Todsünd.«
-
-»Du und beten?!« spottete sie. »Ja sausen und brausen laßt du es,
-dein Gut verstreust du. Und ich muß mich mit den zwölf Menschern
-durchfretten.«
-
-Er richtete sich auf. »Weib, reiz mich nit! Wenn ich wild bin, ist der
-Zorn auch gleich da. Wer macht uns arm? Du mit deiner Fruchtbarkeit.
-Was du treibst, ist zuviel. Und nit einen einzigen Buben, lauter
-Menscher! Die kannst du dir nit genug kriegen, zu Dreikönig eins, zu
-Allerheiligen wieder eins.«
-
-»Du Schandvogel!« schalt und schelmte sie. »Du Rabenseel!«
-
-Er blieb nichts schuldig. »Du Truchtel, sei still!«
-
-Ein Schimpf rankte sich in den andern.
-
-»Du Flank du, du Schlank du!«
-
-»Du Runzel, du Schlunzel!«
-
-»Du Sauftümpel, du Galgenbraten!«
-
-»Du Zahnraffel, du Schürhaken!«
-
-»Du Abfaum, du alter Schepperer!«
-
-»Du Schebrelle, du Rabatsche!«
-
-»Du lasterhaftes Bockfell!«
-
-Er gab nach. »Weib, wie einen Pudelhund beutelt es mich vor Kälte.
-Erbarm ich dir nit? O an dir erleb ich keine Freud, jeden Schluck in
-die Gurgel zählst du mir!«
-
-Murrend warf er sich auf den Strohsack.
-
-Der reichliche Trunk wirkte, und der Dullhäubel schlief ein.
-
-Kaum hatte er die Augen zu, so beugte sich der Blaumantel über sein
-Bett, daß ihm der hölzerne Leib krachte.
-
-»Dullhäubel,« wispelte er, »ich bleib nimmer in der Einöd. Es sind mir
-zu viel Narren und Diebe da.«
-
-»Ich trag dich nach Blaustauden,« stöhnte dienstwillig der Träumer.
-
-»Zu den hochnasigen Heiligen in die Kirche will ich nit,« erwiderte der
-Blaumantel, »die Goldenen und Silbernen verachten meine hölzerne Kutte.
-Schieb mich ins Dorf! Neben dem ›pfalzenden Hahn‹ will ich sein.«
-
-Gleich stand der Dullhäubel hinter der Kapelle und schob an und stemmte
-sich daran, es war eine schwere Plage, aber die Kapelle rückte nicht
-vom Ort, und der Bauer schnaufte und ein scharfer Durst peinigte ihm
-Zunge und Gaumen und brannte ihm tief in den Schlund hinab, und sogar
-Magen und Gedärme dürsteten ihm und lechzten nach einem Trunk. Und
-wieder warf sich der Dullhäubel gegen die Mauer, drängte und schob. Den
-Schweiß, der ihm von den Brauen tropfte, fing er mit dem Maul auf, um
-sich zu erquicken. Doch die Kapelle saß wie ein Fels in der Erde. Da
-bleckte der Blaumantel wild lachend die Zähne, schwang sich aufs Dach
-und ritt droben wie ein Reiter auf dem Roß und schrie: »Wieh!« Jetzt
-rührte sich die Kapelle und fuhr wie ein schneller Wagen bergan.
-
-Der Dullhäubel erwachte, staunend und blöd hockte er auf dem Strohsack.
-
-Den peinigenden Durst zu löschen, richtete er sich auf und tappte
-in den Keller, wo auf einer Bank die Milchtöpfe standen, ergriff
-einen davon und soff. Er mußte saufen, süß oder sauer, Kuhmilch oder
-Geißmilch, es galt ihm gleich. Er soff wie ein glühender Stein. In
-endlosem Zug schlampte er den Ton bis auf das Neiglein aus, wischte
-sich schnaufend den Bart und taumelte satt hin aufs Stroh. --
-
-Der Hahn krähte, der Tag graute an. Schon rumorte die Bäurin in der
-Stube.
-
-Mit einem schrecklichen Druck im Magen erwachte der Dullhäubel. Er
-stützte sich ächzend, riß das Maul auf, und ein wilder Blutguß schoß
-auf das Pflaster des Vorhauses.
-
-»Bäurin! Bäurin!« winselte er. »Zu Hilf, schnell! Aus ist es! Dahin
-geht es!«
-
-Als sie aus der Stube kam, brach ihm wieder das Blut in dickem Strahl
-aus dem Hals. Sein Auge stierte, Bart und Brust und Hände, Strohsack
-und Estrich, alles war rot besudelt.
-
-Die Ogath rang die Hände über dem Kopf. »Himmlischer Vater, er hat den
-Blutsturz!«
-
-»Rühr dich!« stöhnte er. »Den Pfarrer hol, den Bader! O mir ist
-hundselend! Den Pfarrer schickt mir, ich bin ein großer Sünder. O, daß
-ich gar so viel Blut hab!«
-
-»Den Bauch reib ich dir mit Kampferöl,« rief sie. »Ich koch dir ein
-Helfkräutel, einen Tausendguldenkrauttee, der hilft.«
-
-»Nix hilft,« schrie er ungeduldig, »den Geistlichen hol!«
-
-Sie rannte die Bodenstiege hinauf und weckte die Kinder. »Wabel,
-Reigel, Rosel, Portiunkel, Stasel, Kathel, Liesel, Urschel, Mariandel,
-Kundel, Luzel, Stanzel! Geschwind, der Bauer geht ein!«
-
-Die zwei ältesten Töchter liefen nach Blaustauden.
-
-Die Wabel klopfte das Pfarrhaus wach. »Hochwürden, der Vater hat Blut
-lassen. Die Mutter laßt bitten, Ihr sollt ihm die Seel aussegnen. Den
-Flederwisch nehmt auch gleich mit, daß Ihr den Bauer besprengt!«
-
-»Wenn es den letzten Schnapper giebt, kommen sie daher,« zürnte der
-Geistliche. »Sonst sieht man manchen nit in der Kirche. Es stehen in
-der Meß oft mehr Heilige als Leut umeinander.«
-
-»Rennt, Pfarrer! Das Blut schießt ihm heraus wie gestern der
-abgestochenen Sau.«
-
-Der Herr Nonatus war ein seeleneifriger Mann. Er sagte: »Ich geh gleich
-mit. Der größte Sünder ist mir am allerliebsten, und der Dullhäubel
-zahlt sich aus. Meßner, läut das Speisglöckel!«
-
-Die Reigel weckte den Bader.
-
-Der bärbeißige Wundarzt Gottfried Mehlstäubl nahm gleich eine Flasche
-Blutegel mit.
-
-»Was ist denn los mit dem Dullhäubel?« fragte er. »Hat er wieder einen
-Kapuzinerrausch heimgebracht? Hat er sich die Wampe überfressen? Ist
-ihm der Darm auseinander gesprungen?«
-
-»Blutkrank ist er,« weinte die Reigel. »Einen ganzen Zuber voll Blut
-hat er gespieben. Jetzt lechzt er.«
-
-»Heul nit, Dirndel, ich helf ihm. Ich hab schon andern Leuten geholfen.
-Unserm Burgermeister hab ich den Bandwurm abgetrieben, fünfzig Ellen
-lang.« --
-
-Derweilen lag der Dullhäubel blutig im Stroh. Er hörte in der Ferne
-das Glöckel, dessen Geläut den Weg des Pfarrers begleitete. Er betete:
-»Heiliger Blaumantel, liebreicher Fürbitter im Himmel, steh zu mir!
-Wenn ich wieder gesund bin, stift ich dir eine Kerze, so lang wie eine
-Deichsel, vor deiner Kapelle soll sie brennen Sommer und Winter, Tag
-und Nacht.«
-
-Der Grazian, der wegen seines Alters als Meßner abgedankt worden war,
-fand sich ein, und nicht ungern sah er die letzte Stunde des Schelmen
-nahe. Denn die verweste Geiß stank ihm noch immer aus dem Magen, und er
-hatte den Streich nie verwinden können.
-
-»Schau, schau, Dullhäubel,« sagte er, »gestern hast du noch
-heimgejodelt von der Siebenkittelwirtin, und heut gehst du auf dem
-letzten Gras. ›Gestern im Trab, heut ins Grab‹, heißt es. Du schaust
-aus wie der linke Schächer.«
-
-Der Bauer griff an die Brust, die Zunge schlotterte ihm. »Mir wird ganz
-herzschlächtig.«
-
-»Zieh die Strumpf und die Schuh aus, Dullhäubel, und renn der Höll zu!
-Wart nit auf die heilige Wegzehrung, sie hilft dir nimmer. Ja, den Tod
-betrügst du nit, du Sündenbock, du Leutfopper, du Bauchbruder, du Trost
-dem Teufel! Dahin mußt du mit deinen Rieben und Ränken. Ich seh dich
-schon schneeweiß in der Truhe.«
-
-»Ich sterb nit,« kreischte der Dullhäubel auf.
-
-»Rümpf dich und wind dich, du kommst ihm nit aus, dem Sensenwetzer. Im
-Sündenstank fahrst du hin.«
-
-»Jedes Haar wirft seinen Schatten,« wehrte sich der Bauer. »Warum soll
-denn gerad ich keinen Fehler haben?!«
-
-Unbarmherzig predigte der Meßner: »Jetzt liegst du auf der Streu, jetzt
-schießt das Blut heraus, das wilde Dullhäubelblut, das kein gut getan
-hat sein Lebtag. In einer kurzen Weil tümmelt der Teufel vor der Tür
-und zerrt dich davon bei den Füßen. In die Höll strudelst du hinab.«
-
-»Laß mich aus, Grazian, verschon meine Sterbensnot!«
-
-»Ja, mein lieber Freund, jedem wird gelohnt nach seinen Werken. Wenn
-der Teufel herwürgt mit offenem Schlund und hernach deine Seel zwischen
-den Zähnen hintragt, ich trau mir es gar nit zu sagen, wohin! Ja, mein
-lieber Freund, wenn der ganze Himmel papieren wär, und auf jedem Stern
-säß ein Schreibersknecht, sie könnten allsamt gar nit beschreiben, was
-eine Seel leidet im ewigen Pech.«
-
-»Meßner, das weiß ich. Ich dank dir.« Der Schweiß brach dem Bauer aus.
-
-Die Ogath trat aus der Stalltür. »Der Didelmann hat uns das Kalb daher
-gebracht, gottlob,« sagte sie, »es ist ganz wild.«
-
-Wieder hub der Grazian an: »Es ist schad, Dullhäubel, daß Gott dich mit
-so einem guten, wirtschaftlichen Weib versorgt hat!«
-
-»Bäurin, ich will gut tun, wenn ich wieder aufkomm,« gelobte der
-Dullhäubel.
-
-»Ja, wenn die Zaunstecken blühen,« sprach sie unwirsch. »Du tätst es
-wieder treiben wie ehmals, die Händ schonen, die Weiber verfolgen, Vieh
-und Leut foppen. Ausgestanden hab ich genug mit dir. Ein Selbstler bist
-du gewesen, hast an Weib und Kind nit gedacht und an die Gemeinde nit,
-nur an dich und allweil nur an dich. Und eine lederne Röhre hast du im
-Hals, die brennt und muß feucht gehalten werden. So, jetzt hab ich dir
-es gesagt.«
-
-»Gelts Gott, Bäurin, gelts Gott! Du hast die Wahrheit geredet,«
-wispelte er. Die Augen fielen ihm zu.
-
-»Heilige Mutter Anna,« schrie der Grazian, »er wird schon blau! Der
-Teufel schreit juchhe.« Er stieß ein Gebet aus. »Lasset uns beten zu
-den heiligen drei Königen, sie sollen ihm den Weg weisen, er muß in die
-Ewigkeit wandern.«
-
-Jetzt kam der Pfarrer mit dem Bader daher, und die Dirnlein drängten
-nach, neugierig und furchtsam.
-
-Der Bauer tat die glasigen Augen auf und röchelte: »Pfarrer, Bader, der
-Tod geht mir zu.«
-
-Der Wundarzt Gottfried Mehlstäubl staunte: »Sakerlot, du hast
-unglaublich viel Blut gekotzt! Mensch, mußt du vollblütig sein! Wo
-fehlt es denn? Hast du ein kaltes Fieber oder ein glosendes? Schüttelt
-es dich? Reißt es dich? Kratzt dich der Hals? Ist dir das Zäpflein
-gefallen?«
-
-Der Kranke deutete auf den Magen. »Da in der Herzgrube tut es weh.«
-
-»Hast du den Stuhl offen?« forschte der Arzt. »Hast du dich nit
-überfressen, Schlauch? Ja, der Fraß wühlt sich mit dem eigenen Rüssel
-das Grab auf. Die Runstadern sind dir geschwollen. Tu das Maul auf und
-zeig her deinen Schlung!«
-
-»Im Bauch rumpelt es mir,« flüsterte der Bauer.
-
-Der Bader entschied: »Du hast es auf der Leber. Eine jede Krankheit
-rührt von der Leber her. Du hast wohl einen kalten Trunk getan, he?«
-
-»Bader, gib mir was ein, ein Pulver, einen Saft, daß ich am Leben
-bleib!« klagte der Dullhäubel.
-
-»Halt das Maul, Wehdarm! Ich muß auch einmal sterben,« antwortete der
-Gottfried Mehlstäubl.
-
-»Da schau meine unversorgten Kinder an und hilf!« Der Bauer deutete mit
-Kinn und Bart auf die zwölf Dirnlein.
-
-»Kinder hast du in allen Größen wie eine Bodenstiege. Aber was nutzt
-das alles, wenn sich eine giftige Sucht einschleicht. Ich schätz, du
-überlebst die Stund nimmer.«
-
-»Herr Pfarrer,« lallte der Dullhäubel, »richt mich her -- für die
-Ewigkeit!«
-
-Da drückte ihm der Grazian einen geweihten Rosenkranz in die Hand, die
-Ogath wischte mit dem Fürtuch über die Augen, die Kinder weinten.
-
-»Gottlob, daß du dich nit in Halsstörrigkeit verhärtest, Dullhäubel,«
-begann der Pfarrer. »So tu Reu und Leid, mein lieber Christ!«
-
-Des Baders Neugier war noch nicht gestillt. »Und wo fehlt es denn sonst
-noch, Bauer? Plagen dich die Würmer? Bläht dich der Wind?«
-
-Doch der Dullhäubel räusperte und rächste sich, fuhr jäh auf, gurgelte,
-und wieder schoß das Blut heraus. Alle wichen zurück, die Bäurin
-scheuchte die Kinder hinaus. Blaß und matt sank der Bauer zurück.
-
-Der Gottfried Mehlstäubl krauste die Stirn. »Seltsam! Seltsam! Vetter,
-die Reih ist an dir. Hättest du mir alle Jahr deinen Brunn schauen
-lassen, wie der Grazian da, tät ich mich in deinem Leib besser
-auskennen.«
-
-»Der Tod zeichnet ihn,« sagte der Pfarrer. »Laßt uns allein, daß ich
-ihn geschwind noch auströste!«
-
-Da gingen alle hinaus.
-
-»Öl mich ein, Hochwürden, öl mich! Richt mich zusamm -- fein sauber --
-für den Weg!« drängte der Bauer.
-
-»Jetzt, Dullhäubel, häut dich!« begann der Herr Nonatus Hurneyßl. »Tu
-ab das Gewand deiner Sünden! Wann und wo bist du das letztemal beichten
-gewesen? Bei mir nit.«
-
-»Den zweiten Sonntag nach Ostern -- hab ich gebeichtigt -- in Bärnloh.«
-
-»So, so, in einer fremden Pfarre, bei dem schwerhörigen Pater, und an
-dem Tag, wo die Roßdieb beichten gehen? Eine saubere Seel! Aber jetzt
-her mit deinen Sünden!«
-
-Der Dullhäubel bekannte: »Öfter hab ich mich versündigt als Steine im
-Bach sind und Bäume im Wald.«
-
-»Sieben Straßen laufen zur Höll, das sind die Todsünden. Hast du eine
-begangen?« forschte der Pfarrer.
-
-Der Sünder sprudelte: »Gefressen hab ich, gesoffen, gerauft,
-gescholten, geschworen, gelogen und betrogen, die Weiber nit in ihren
-Ehren lassen, mit den Jungfern gescherzt, am Freitag bin ich fensterln
-gangen, den Leumund hab ich den Leuten genommen, verfrevelt hab ich
-mich gegen den heiligen Blaumantel. Jetzt weiß ich nix mehr.«
-
-Dem Pfarrer wirbelte das Hirn. »Ein Gewissen magst du haben wie ein
-Scheuertor,« staunte er.
-
-»Der Teufel hat mich im Schlund, reiß mich heraus, Hochwürden!« zeterte
-der Dullhäubel. »Bind mich los, bind mir die Sünden ab und öl mich!«
-
-»Nur langsam, Dullhäubel, und hübsch eins nach dem andern. Hast du
-nit gejuchzt und gejodelt und gegalmt zur Unzeit und unzüchtige
-Rockenlieder gesungen?«
-
-»Das hab ich alles getan, Pfarrer. Bind mich los!«
-
-»Ich will dich nit dem Teufel zuteil werden lassen. Aber sag mir, hast
-du ein einzigesmal im Leben ein gutes Werk verrichtet?«
-
-»Freilich, Pfarrer. Die Feiertage hab ich emsig gehalten, die
-abgeschafften auch. Und zwölf Christen hab ich in die Welt gesetzt.«
-
-Der rüstige Beichtvater sah ihn verdutzt an. »Ah, so bist du gesotten?
-Du willst unsern Gott und unsern Teufel überlisten?« Und er holte aus
-und reichte dem Sünder eins auf den Schädel. »Dafür erlaß ich dir die
-Bußgebete, du alter Spaßvogel.«
-
-»Das ist mir lieb,« sagte der Dullhäubel erleichtert.
-
-»Jetzt geratest du halt ins Fegfeuer, Bauer, und das ist eine scharfe
-Lauge. Wasch dich drin, reib dir die Seel unverdrossen ab! Und
-fahrst du hernach in den Himmel, so führ dich gut auf, daß du meinem
-Pfarrsprengel keine Schand antust.«
-
-»Ich werd mich doch nit zu dem höllischen Bären verirren?« verzagte der
-Kranke. »Ist es drunten wirklich so heiß?«
-
-Der Pfarrer schaute den Dullhäubel ernsthaft an. »In der Höll ist es
-so heiß, daß die gepeinigte Seel, die den Kniffen und Kunstgriffen
-des Satans erlegen ist, gar kläglich herausschreit: ›Gebt mir ein
-Schmiedfeuer, daß ich mich dran kühl!‹ So kalt ist das irdische Feuer
-dagegen.«
-
-»Ich riech schon lauter Brand,« wimmerte der Bauer. »O wär ich gesund,
-ich wollt anders leben! Einen Sack tät ich anziehen und wallfahren
-gen Maria-Dorn. Sterb ich aber,« seine Stimme versiegte schier, »so
-stift ich eine ewige Meß meiner Seel zum Trost, und dem Blaumantel,
-meinem Fürbitter, soll ein Wachsstock brennen hundert Jahr. O weh, wie
-schlecht wird mir jetzt!«
-
-»Was ist, Dullhäubel, was ist?«
-
-»Der Schleim steigt mir im Hals, ich erstick, ich krieg den
-Schleimschlag! O weh, von der Welt scheid ich, in die Höll spring ich.«
-Er rülpste, und das Blut sprudelte ihm wieder gräßlich aus dem Hals.
-
-»Leut, er stirbt!« schrie der Pfarrer.
-
-Der Bader, der Grazian, der Knecht und die Kinder liefen herein.
-
-Schrecklich schaute der Bauer aus, weiß wie Kalk lag er dort, die
-Lippen voller Blut.
-
-Die Ogath trug die brennende Sterbekerze daher und drückte sie ihm in
-die Hand. Er aber verdrehte die Augen grausam und fluchte: »Sakerment,
-bin ich noch nit hin?!« Er röchelte.
-
-»Bäurin,« meinte er auf einmal, »es ist wunderlich, jetzt mitten im
-Sterben lüstet mich nach einem Schnupftabak. Geh, tu mir die Lieb an!
-Es ist das Letzte, was ich von dir begehr.«
-
-»Jetzt ist ausgeschnupft,« sagte sie kurz. »Jetzt halt die Herren nit
-auf und schau zu, daß du einmal stirbst!«
-
-»Ich sterb, und keines tut einen Schrei,« sprach er wehmütig, »keins
-weint einen Tropfen, keinen Seufziger druckt es euch aus.«
-
-Der Kopf sank ihm auf die Seite, das Kinn hing ihm.
-
-»Jetzt erklenkt ihn der Satan,« rief der Grazian.
-
-»Macht Tür und Fenster auf, sonst reißt seine Seel ein Loch durchs
-Dach!«
-
-»Ihm stehen schon die Augen,« nickte der Bader.
-
-»Er ist am Weg,« flüsterte der Pfarrer.
-
-Der Sterbende hauchte noch einmal: »Mein letzter Wille! Meine Töchter
--- dürfen nur auf einen Hof -- hinheiraten, wo ein Glöckelturm drauf
-ist. Ich bin ein großer Bauer -- gewesen.«
-
-Jetzt lag er blaß und still.
-
-Die kleinen Dirnlein klammerten sich weinend an den Kittel der Mutter,
-und sie zog tief Atem: »Jetzt bin ich wieder eine Wittfrau.«
-
-Plötzlich erhob sich im Keller ein großes Geschrei. Die Wabel, die
-älteste Tochter, kam die Staffeln herauf, einen leeren Topf in der Hand.
-
-»Mutter, ich weiß, was dem Bauer fehlt!« Sie lachte, daß ihr die Zähren
-rannen, sie lachte, daß sie den Atem verlor und schier in einem Husten
-erstickte.
-
-Der Gottfried Mehlstäubl nickte. »Sie ist närrisch worden.«
-
-»Was lachst du jetzt, wo dein Vater vor das ewige Gericht hintritt?«
-verwies sie der Pfarrer streng.
-
-Die Wabel schwenkte den Topf. »Blut hat er gespieben,« brüllte sie
-vor Lachen, »Blut, aber nit sein eigenes. Gestern haben wir eine Sau
-getötet, das Blut haben wir ihr abgelassen, in den Keller haben wir
-es gestellt. Der Vater hat in seinem Rausch -- das ganze Saublut
-ausgesoffen.«
-
-»Herrgott von Blaustauden,« schrie die Bäurin, »das ganze Saublut? Heut
-hab ich es backen wollen.«
-
-Leben und Röte kehrten in die Wangen des Dullhäubel zurück, er tat die
-Augen ganz schmal auf und lallte: »Liebe Freunde, es ist nit unmöglich.«
-
-Des Pfarrers Hals verfiel in einen Krampf.
-
-Der Bader hielt sich den Bauch. »Gespieben hast du wie ein
-Hochzeitshund, Dullhäubel. Du könntest die Wissenschaft irr führen! Du
-hast aber auch einen sauberen Hinfahrtsfraß genossen. Gelt, die Suppe
-ist dir zu feist gewesen? Jetzt steh auf, nimm dein Bett und geh!«
-
-Der Herr Nonatus Hurneyßl hatte sich wieder beruhigt. »Bauer,« sagte
-er, »der Herrgott hat dir heut einen Spiegel vorgehalten. Fang ein
-neues Leben an!«
-
-Der Dullhäubel drückte pfiffig ein Auge zu. »Bader, ich bin allweil
-schnell gesund worden. Einmal hab ich mir beim Holzhacken eine
-Hand wurzweg abgehaut. In vierzehn Tagen ist sie mir wieder sauber
-nachgewachsen. Heut weiß ich nimmer, ist es die linke gewesen oder die
-rechte. Und jetzt, Ogath, gib den Tabak her! Das ist die beste Arznei.«
-
-Er schnupfte, legte sich dann zurück, schnarchte wie eine Brettmühle
-und überließ die um sein Sterbebett Versammelten ihren Betrachtungen.
-
- * * * * *
-
-Blitzblau lugten die Schlehstauden drein, und die letzte Bauernrose
-brannte im Gärtlein. Die Luft hing voll zarter Fäden, die alten Weiber
-hatten ihren Sommertag.
-
-Im Stadel drosch die Ogath mit ihren ältesten Töchtern das Rüttstroh,
-sie wollte damit die Betten frisch füllen. Fröhlich klangen die drei
-prallenden Flegel, und der Dullhäubel legte dem Dreischlag die Worte
-unter: »Schind die Katz!« und schlich sich hinter den Stauden davon, um
-der Tenne auszuweichen.
-
-Die Kapelle umging er in einem Bogen: des Blaumantels Blick vertrug
-er nimmer, weil er ihm die Kerze nicht opferte, die er ihm in der
-Sterbensangst gelobt hatte.
-
-Vom Dorf klingelte der Schmiedhammer.
-
-Beim Sulpiz gab es immer Gesellschaft, Köhler brachten die hölzerne
-Kohle, Fuhrleute ließen die Rösser beschlagen, die Bauern ließen sich
-die Axt schärfen, Kundschaft kam mit zerbrochenem Eisengerät, und
-manchen trieb andere Not hin.
-
-Heute suchte der Lukas Schellnober in dem rußigen Gewölbe Hilfe.
-»Schmied,« redete er, »du bist die letzte Zuflucht. Der Zahn tut mir
-arg weh, ich könnt mir das Kinnbein vom Schädel reißen.«
-
-»Sieh ihm den Zahn, Sulpiz!« meinte der Dullhäubel. »Speib in die Händ,
-der riesige Mann hat Zähne wie eine Wildsau.«
-
-Der Sulpiz Schlagendrauf beeilte sich nicht. Er trug eine glühende
-Stange zum Amboß. Bevor er drauf schlug, reckte er sie jeden von seinen
-drei Weibern hin, die er an die Wand gerußt hatte, und gröhlte: »Leck!
-Leck! Leck!« und dann fuhr er jäh und heimtückisch damit dem Dullhäubel
-unter die Nase: »Schmeck! Schmeck!«
-
-Der Bauer fuhr zurück bis zur Tür.
-
-Zornig hämmerte der Meister auf das Eisen los. Es war nicht zu
-verwundern, daß die Kinder von Fuxloh den wilden Mann mit dem
-verworrenen Rußbart für den Teufel hielten.
-
-»Hau zu, Schwarzer,« neckte der Dullhäubel aus wohlabgemessener Ferne,
-»hau zu und denk, du hast dein viertes Weib unter dir!«
-
-Der Sulpiz schüttelte den Hammer. »Halt das Maul oder ich zerschmied
-dich! Was stehst du da wie eine Martersäul? Hast du daheim keine
-Arbeit? Was begehrst du?«
-
-»Die Feuerzang sollst du mir leihen, daß ich meine Bäurin wieder einmal
-angreifen kann.«
-
-Das gefiel dem Schmied. Er tauchte die Stange ins Wasser, daß sie
-zischte, und deutete auf eines von den Rußbildern. »Die erste dort,
-die Luzel ist es. Einmal fahrt sie zur Kirchweih nach Bärnloh, ich
-bin allein im Haus. Um Mitternacht klopft es an die Tür, steht ein
-Kohlschwarzer draußen, die Augen glosen ihm. Ich soll ihm den Rappen
-beschlagen. Ich schau das Roß an. Es hat zwei schwarze Zöpf geflochten
-wie die Luzel. Die zwei wilden Augen schauen mich an wie die Luzel,
-wann sie mit mir gerauft hat. Ich beschlag das Roß auf allen vier
-Hufen. Der Kerl springt drauf, sagt kein Geltsgott, und reitet dahin.
-In der Früh liegt mein Weib neben mir im Bett mit Hufeisen an Händen
-und Füßen.«
-
-Der Sulpiz lachte, daß das Eisen in der Werkstatt klirrte.
-
-»Du kannst leicht lachen, Schmied, dich martert nix,« sagte der
-Zahnwehmann und hielt sich den verbundenen Kopf.
-
-»Schäm dich, Musikant,« tadelte der Rußige. »Du bist so stark wie ein
-Felsenbaum und dabei so ungesund.«
-
-»Wer ist heutigentags gesund?« greinte der Lukas. »Ja, vormals haben
-die Leut mehr ausgehalten. Mein Vater zum Beispiel hat Glas gefressen,
-das Blut ist ihm aus dem Maul geronnen, er hat Bier darüber gegossen,
-und gut ist es gewesen. Bis er einmal so ein neuartiges Lampenglas
-gegessen hat, da ist er magenkrank worden. Das neumodische Teufelswerk
-ist nix nutz, das altwäldlerische Glas ist viel milder gewesen.« Und er
-wimmerte auf: »Weh und weh, mein Zahn!«
-
-Der Schmied ließ sich auf den Amboß hin: »Duck dich her, Lukas!«
-
-Da kauerte der Musikant auf die Erde, der Sulpiz klemmte den
-verbundenen Kopf zwischen seine Kniee und zog einen Schlüssel aus der
-Tasche.
-
-»Tu das Maul auf! Welcher Zahn ist es?«
-
-Ächzend deutete der Leidensmann in sich hinein. Der Schmied griff zu
-und drehte, daß ihm die Adern am Arm schwollen, indes der Geklemmte die
-vierzehn Nothelfer anschrie.
-
-»Der Stockzahn rührt sich nit, der Teufel!« schalt der Sulpiz. Er fuhr
-dem Gepeinigten noch einmal ins Gebiß, und mit einem Ruck, daß schier
-der Amboß wankte, riß er einen mächtigen Zahn heraus.
-
-»Du hast den falschen erwischt,« rief der Lukas, »das gilt nit!«
-
-»Die Hauptsach ist, daß das böse Blut abgeht,« tröstete der
-Zahnbrecher. »Jetzt geh zum Misthaufen und speib das Blut aus!«
-
-Der Musikant legte ein Sechserlein auf den Amboß. »Wenn es besser wird,
-trag ich den Zahn nach Maria-Dorn und häng ihn der Muttergottes mit
-einem seidenen Band um den Hals,« gelobte er.
-
-»Und du lümmelst noch allweil da?« schnauzte der Schmied den Dullhäubel
-an. »Ich verdien Geld, und du versäumst dein Geschäft.«
-
-»Ich kann nix versäumen, Meister.«
-
-»Eine junge Dirn ist da gewesen und hat nach deinem Hof gefragt. Sie
-will in den Erdspiegel schauen.«
-
-Hastig nahm der Dullhäubel den Weg unter die Füße.
-
-Es war zum erstenmal, daß ihn jemand um den Erdspiegel anging. Die
-Leute waren schon zu klug. Zu des Ähnels Zeiten trug der Spiegel viel
-mehr ein als der Opferstock in der Kirche, die Bittsteller kamen aus
-aller Weite; wer ihnen das Roß gestohlen oder den Stall verhext,
-wollten sie wissen und wollten allerhand Heimliches ausfindig machen.
-Das war vorbei.
-
-Der Bauer sann nach, wie er den Erdspiegel wieder in Schwang und Ruf
-bringen könne. Heute schien sich eine gute Gelegenheit zu bieten. Er
-nahm sich vor, die Dirne erst um ihr Anliegen zu fragen, dann wollte
-er sich in den Keller sperren, als ob er Hokuspokus triebe, und dort
-würde ihm schon die rechte Antwort einfallen.
-
-In seinem Hof droschen die drei immer noch, und die kleinen Dirnlein
-spielten vor der Scheuer, eines kitzelte die andern auf die nackten
-Sohlen und rief: »Wer schmunzt, wer lacht, wer die Zähn für reckt, der
-gibt ein Pfand.«
-
-Als der Dullhäubel die Stube leer fand, schwante ihm Schlimmes, und er
-lief in den Keller.
-
-Die Tür zum Erdspiegel war aufgerissen.
-
-Ins Halbdämmer des Raumes brach durch ein Guckloch ein Strahl und traf
-den runden Spiegel, der auf einem Felsblock lag. Eine junge Dirne
-beugte sich drüber und rätselte an den Zeichen, die auf das Wunderglas
-gemalt waren: eines glich der Ziffer vier, ein anderes führte drei
-Zinken wie eine Mistgabel, das dritte trug einen Ring mit zwei Hörnlein.
-
-Der Bauer erkannte im Halblicht die Fremde nicht. »Was sprengst du mir
-die Tür?« schalt er. »Bist du eine Räuberin?«
-
-»In meiner Verzagtheit hab ich es getan,« antwortete sie. »Verzeih mir,
-Spiegelmann!«
-
-Er schob sie weg und schaute lange und ernst hinein in das Glas. Dann
-sagte er geheimnisvoll: »Ich seh es, du kommst wegen einer Liebschaft.«
-
-»Siehst du meinen Schatz auch?« rief sie heftig. »Er ist mir verloren
-gegangen. Wo find ich ihn?«
-
-Er starrte in den Spiegel und sann auf eine hübsche Lüge.
-
-»Merkst du was?« fragte sie voll Neugier. »Ich hab nur den Dreizahn
-gesehen und den Hörnerbock und den Vierer.«
-
-»Das sind die Zeichen der drei Heidengötter,« flüsterte er. »Weiberleut
-sehen nur das im Erdspiegel. Und dann, bist du noch eine Jungfer, he?
-Bist du nit schon einmal über das sechste Gebot gestolpert?«
-
-»Aber hingefallen bin ich noch nit.« Sie kehrte sich verschämt ab.
-
-»Es ist, als ob heut der Spiegel rauchig wär,« redete der Dullhäubel in
-das Glas hinein. »Hätt ich nur das Zauberbuch nit verlegt, ich könnt
-dir gleich verraten, wo sich dein Liebhaber herumtreibt.«
-
-Da versuchte auch sie hineinzuspähen, und da sich ihr junger Leib dabei
-derb an den Bauer schmiegte, ließ er sie gewähren.
-
-Plötzlich schrie sie hell auf: »Da schaut er heraus, der Tischler
-Franz, der mit mir hat Adam und Eva spielen wollen!« Und jäh sich
-besinnend, starrte sie den Dullhäubel neben sich an und packte ihn beim
-Bart. »Du bist es gewesen, Erdspiegler, der mir die Heirat versprochen
-hat!«
-
-Es war die Mechel Schellnober.
-
-Er begehrte auf. »So kommst du mir? Mir, dem Dullhäubel? Ich kenn dich
-nit. Ich bin ein verheirateter Mann. Willst du Unfried stiften in
-meinem Haus? Gleich fahr ab, du Lügenwachtel, sonst schrei ich um den
-Schergen!«
-
-»Lügst du aber keck!« staunte sie. »Und du bist es gewesen, und wenn
-du auch leugnest wie ein Spitzbub. Ich kenn dich an dem kugelrunden
-Schädel, an dem roten Bart, an dem kurzen Hals. Denselben Filzhut mit
-derselben Schnalle hast du aufgehabt. Komm einmal ans Licht hinauf! Du
-willst dich weiß brennen, willst tun, als ob du die nackete Unschuld
-selber wärst.«
-
-»Das bin ich auch. Und den Hut hab ich mir erst gestern gekauft, du
-zottige Gretel. Beweisen kann mir keiner nix. Und ans Licht geh ich
-just nit, mir ist warm, und im Keller ist es schön kühl.«
-
-»So steig ich allein hinauf, Erdspiegler, und klag es deinem Weib.«
-
-Da stieß er sie zurück und sprang ihr voran die Stiege hinauf, lief
-vors Haus und schrie: »Bäurin! Wabel, Reigel, Rosel! Kinder, kommt
-schnell! Stasel, Kathel, Liesel! Sakerment, mir fallen die Namen nit
-ein!«
-
-Die Mechel erschrak, als sie auf einmal mitten in einem Ring von
-Jungfern und Dirnlein stand.
-
-Mit dem Finger deutete der Dullhäubel auf sie. »Weib, Kinder, die
-mannsleutnärrische Schnudel da ist mir in den Keller nach, ganz
-putipharisch hat sie nach meiner Unschuld begehrt. Aber ich bin ihr nit
-ins Eisen gegangen.«
-
-»Gibt es denn keine Wahrheit mehr auf der Welt? Hat der Schauer alle
-guten Leut erschlagen?« weinte die Mechel. »Erdspiegler, du stellst
-mich her, daß kein Hund mehr ein Bröckel Brot von mir frißt. Und du
-hast mir versprochen --.«
-
-Er ließ sie nicht ausreden. »Sie hat die Bubensucht; sie lügt, ich hätt
-ihr die Heirat versprochen. Kinder, den Vater will sie euch nehmen, und
-dir, liebes Weib, den Ehmann!«
-
-»Sie soll dich nur mitnehmen,« sagte die Ogath.
-
-»Was? Das wollt ihr euch gefallen lassen?« Seine Stimme verstieg sich.
-»Und ihr jagt sie nit aus dem Hof?«
-
-»Ich zeig dir schon, was es heißt, einen neuen Trieb kriegen,«
-lachte die Bäurin wunderlich. Und sie fiel mit den Töchtern über den
-Dullhäubel her wie Hündinnen über einen Bären, im Hui wälzte er sich,
-die Hiebe fielen wie ein Schlossenschauer über ihn, er konnte sich
-ihrer nicht erwehren.
-
-»Blaumantel, hilf! Die Mannsleut müssen zusamm halten,« rief er.
-
-»So, jetzt nimm dir ihn mit,« sagte die Bäurin zur Mechel, »wir
-schenken dir ihn herzlich gern.«
-
-»Ich mag ihn nit,« antwortete die Fremde. »Und zu wegen seiner wird aus
-mir keine Klosterfrau. Die Welt ist kein Krautgarten, mein Glück wachst
-überall.«
-
-Mit trotzigen Schritten ging sie davon. --
-
-Der Dullhäubel wurde durch die Schläge nicht gebessert. Am selben Abend
-noch tat er dem Grazian Schande und Spott an.
-
-Er spielte mit einem fremden Sautreiber im Wirtshaus bis spät in die
-Nacht Karten. Der Meßner trank ihnen eifrig zu, denn der Sautreiber
-zahlte ihm die Zeche, aber auf einmal lag er mit der Stirn auf dem
-Tisch und schlief. Da löschte der Dullhäubel die Lampe, versperrte
-die Fensterladen und tat mit seinem Spießgesellen in der stichdunkeln
-Stube, als spielten sie weiter. Als die zwei immer wilder schrieen und
-immer fester mit der Faust in den Tisch schlugen, erwachte der Grazian.
-Er hörte sie die Trümpfe ausschreien und Farbe bekennen, und als er
-nichts sah, stammelte er mit zitternder Stimme: »Leut, ich bin blind.
-Ich hab mich blind gesoffen.«
-
-Der Dullhäubel ließ ihn eine ganze Stunde in der entsetzlichen Meinung,
-und am nächsten Tag lachte ganz Fuxloh über den blinden Grazian.
-
- * * * * *
-
-Der Mai blühte aus.
-
-Die Fuxloher hielten am Pfingstmontag abends vor der Kapelle eine
-Andacht. Der abgedankte Meßner Grazian hatte den Weibern ein neues
-Lied beigebracht, und sie sangen es, und der Bach sauste darein, der
-geschwollen war, weil ein Wetter niedergegangen übers Gebirg.
-
- »Der Tag ist vergangen,
- der Abend ist hier,
- gute Nacht, o Maria,
- bleib ewig bei mir!«
-
-Wie das Lied so herzerheblich hinüberflog über die Wiesen zum Wald,
-daß alle, die da sangen, ihre Freude hatten, watete der Dullhäubel
-durchs Gras daher, brachte einen Schemel mit und setzte sich abseits
-den andern darauf. Und als die frommen Stimmen der Weiber sich in die
-höchsten Höhen erflogen, stimmte er überlaut sein eigenes Lied an.
-
- »Wer will mit mir wallfahrten gehn,
- muß tragen ein Paar Schuh,
- muß Käs und Brot mitnehmen,
- muß aufstehn in der Fruh.«
-
-Da wurden die andern in ihrem Lied langsam irr, eine Stimme nach der
-andern verzagte und hörte auf, bis zuletzt nur des Dullhäubel traurig
-gezogene Weise sich behauptete.
-
-»Was irrst du uns?« schalt der Grazian betrübt.
-
-Die Weiber redeten erbost auf den Störenfried ein. Der aber sagte: »Ich
-sitz auf meiner Wies, und auf meinem Grund sing ich, was mir gefallt.
-Ihr habt wie die Nattern gesungen. Was braucht ihr das neumodische
-Schnaderhüpfel? Mein Lied ist allweil gesungen worden, seit die Kapelle
-steht, und bleiben soll es, wie es bräuchlich gewesen ist.«
-
-Da konnten die Fuxloher nichts dawider reden, sie verzichteten auf
-den neuen Gesang, und der Grazian hub eine Litanei an. Doch auch sie
-stockte bald, und besonders die Weiber wurden verwirrt und des Betens
-überdrüssig, weil der Dullhäubel mit starrem Blick sie anschaute, als
-wolle er sie verzaubern. Es wurde ihnen angst.
-
-Schließlich begehrte der Grazian auf, dem die ganze Andacht verdorben
-war: »Was schaust du so unsinnig her?«
-
-»Mein Schemel ist aus neunerlei Holz,« sagte der Schelm.
-
-»Ist das eine Antwort auf meine Frag? Wie steht es mit deinem Hirn?«
-
-»Wer auf einem Schemel aus neunerlei Holz sitzt, sieht alle Hexen.«
-
-Die Weiber fuhren auf wie gestörte Wespen. »Er beleidigt uns alle!«
-schrie die Burgermeisterin.
-
-»Du sei still,« warnte der Dullhäubel, »ich schau auf deinem Kopf ein
-Krähennest.«
-
-»Dem Kaiser soll man schreiben, daß er den Böswicht abschafft,« sagte
-die Iglin.
-
-»An deiner Nase hängt eine Fledermaus, Iglin. Grins nur her und zahn
-mich an! Ich fürcht mich nit.«
-
-Jetzt wagte keine mehr zu schimpfen, um des Dullhäubel Bosheit nicht
-auf sich zu ziehen. Nur die Spuchtin rief: »Ist denn keiner unter euch
-Mannsleuten, der sich unser annimmt und ihm den Herrn zeigt?«
-
-Der Longinus Spucht duckte sich hinter dem breiten Schmied, und der
-Schmied seufzte schwermütig: »Ach ja, alte Weiber gibt es genug auf der
-Welt!«
-
-Der Dullhäubel frohlockte: »Mein Guckähnel hat sieben Weiber gehabt,
-und alle sieben hat er erschlagen. Zuletzt haben ihn tausend Engel in
-den Himmel gehoben.«
-
-Die Weiber standen auf und gingen, die Männer verliefen sich, und den
-Grazian hörte man noch fern im Wald schimpfen.
-
-Jetzt war der Dullhäubel mit dem Heiligen allein.
-
-Dem hatten sie den welken Kranz aus Hagebutten, Silberdisteln und Heide
-mit frischen Maiblumen ersetzt.
-
-Der Wald nachtete ein, Mondlicht flunkerte in den Stauden, in der Wiese
-knarrte der Wachtelkönig.
-
-Der Dullhäubel riß den Heiligen aus der Kapelle. »Eine Kerze hab ich
-dir versprochen, so lang wie eine Deichsel. Der Wachszieher aber bietet
-solche nit feil, und so kann ich mein Wort nit lösen. Und du verdienst
-es auch nit, Blaumantel. Wie oft ich dich anruf, du hilfst mir nit. Da
-rinn den alten Weibern nach!« Er warf ihn in den Wolfsbach.
-
-Da war ihm, der Blaumantel werde in dem angeschwollenen Bach lebendig
-und drehe teuflisch den Kopf nach ihm zurück, rühre die Arme und
-schlage Räder im Wasser.
-
- * * * * *
-
-Am andern Abend, der Mond hing dürr und krumm und armselig überm
-Vogeltänd, da kam die Wabel aus dem Dorf herunter gelechzt: »Bauer, ein
-ganzer Schober Leut rennt daher, den Blaumantel begehren sie von dir,
-Gabeln und Drischeln tragen sie und wollen dich erschlagen.«
-
-»Du hast in ein Wespennest gestriegelt, Bauer,« sagte die Ogath.
-
-Dem Dullhäubel rann es kalt über die Haut. »Verrammelt das Tor!« rief
-er.
-
-Seine Leute schleppten Eggen und Pflüge herbei und sperrten das Tor mit
-Ketten, Wagen und Wiesbäumen. Die Fenster waren durch eiserne Gitter
-gesichert.
-
-Der Bauer selber stand am Dachboden und hielt zum Guckloch den
-Schießprügel hinaus, womit die Erzväter gewildert hatten. Sein Weib
-betete drunten, betete um einen glücklichen Ausgang, die Kinder knieten
-totenblaß um sie.
-
-Schon trampelten die Feinde den Waldweg daher, wie die Wölfe im Winter
-kamen sie. Sie läuteten mit Kuhglocken, bliesen und lärmten.
-
-Dreschflegel ragten über sie hinaus, Sensen, Hellebarden und abgedankte
-Spieße. Die Gesichter waren berußt oder mit Moosbärten verhüllt, ein
-tückischer Mummenschanz. Immer stärker wurde ihr Geschrei: »Hin muß er
-werden! Haar und Kopf muß er lassen, der Schelmenbub!«
-
-Jetzt stauten sie sich vor dem Gehöft, und der Dullhäubel sah sie
-genauer. Es wimmelte und wibelte drunten. Die Hüte hatten sie mit
-Reisig besteckt, die Röcke verkehrt, Männer hatten Weiberkittel an.
-Einer hatte ein Hirschgeweih vor die Stirn gebunden, andere deckten
-sich hinter hölzernen Larven oder trugen alte Kriegshelme oder stülpten
-sich Körbe über den Kopf. Einer trug sogar einen Schnabel, die eiserne
-Unzier, wie sie böse Weiber vorzeiten hatten tragen müssen am Pranger.
-
-Der Dullhäubel meldete sich, ehe sie ihm das Haus stürmten. Vom
-Guckloch rief er hinab: »Guten Abend miteinander!«
-
-Da hoben sich die verlarvten Gesichter, uralte Faustbüchsen zielten
-herauf, sie schrieen, pfiffen, läuteten mit eisernen Töpfen, und einer
-blies wahnwitzig in ein Kuhhorn.
-
-Auf einmal war es still. Ein kurzer Mann trat vor, Maul und Kinn
-gedeckt mit einem wüsten Baumbart, und forderte aus verstelltem Hals:
-»Gib uns den Blaumantel zurück, du hast ihn im Moos versenkt!«
-
-»Meiner Seel, ich hab ihn nit!«
-
-»Wo ist er dann? Du weißt es.«
-
-»Der Blaumantel? Der schalanzt wo im Land herum. Traut ihm nit,
-Fuxloher! Er kann sich nit ausweisen, nit einmal in der römischen
-Kanzlei kennen sie ihn.«
-
-»Wo der Heilige ist?« klang es wilder.
-
-»Er ist zum Himmel aufgeflogen. Oder hat er sich eine bessere Kapelle
-ausgesucht. Was weiß ich? Laßt mich in Ruh!«
-
-Stimmen gellten: »Er spottet noch, der Schlechtling! Bis ins Schienbein
-hinein ist er verwahrlost! Stecht ihm eine Lucke! Erstechen soll man
-ihn! Erstechen!« Ein Spieß erhob sich steif aus dem Haufen.
-
-»Wollt ihr mich auch verkrüppeln wie meinen liebsten Freund, Gott hab
-ihn selig, den Müllner?« klagte der Dullhäubel. »Oder wollt ihr mich
-umbringen? Leut, vergeßt euch nit! Geht hin, woher ihr gekommen seid!
-Eure Weiber haben euch aufgehetzt.«
-
-»Röhr nit, Fuchs! Uns kriegst du nimmer dran. Heut rechnen wir ab,«
-stieg es aus der Tiefe.
-
-»Was kommt ihr mit den Waffen daher? Ich bin ein friedlicher Mann.«
-
-»Einen Igel fangt man mit eisernen Handschuhen,« antwortete es.
-
-»Hütet euch!« beschwor er sie. »Ich hab den Erdspiegel, der ist im
-Zeichen des Skorpions gegossen worden.«
-
-»Den Spiegel zerschlagen wir dir. Abrechnen müssen wir!« scholl es wirr
-durcheinander. »Wem von uns hast du noch nix angetan, du Schnittlauch
-auf allen Suppen?«
-
-»Liebe Landsleut, hört mir zu! Habt ihr schon einen Galgen gesehen? In
-der Kriminalstube ist einer aufgemalt, zwanzig Schuh hoch, eine Leiter
-dran, ganz blutig. Liebe Landsleut, habt ihr schon einen nacketen Sabel
-gesehen? Der Scherg hat einen umgebunden, der Herr Anton Zinkinker,
-ihr kennt ihn alle. Wie wird euch ums Herz sein, wenn er euch ins Haus
-kommt mit dem Spieß am Gewehr, mit dem Federbusch am Hut, wenn er euch
-die Hand auflegt und schreit« -- der Dullhäubel brüllte -- »wenn er
-schreit: Im Namen des Gesetzes!!?«
-
-»Wir fürchten uns nit. Es weiß keiner, wer wir sind,« scholl es. »Du
-tanzt uns nimmer lang am Buckel. Wir legen dich kalt.«
-
-Einer schrie: »Teufel, halt den Sack auf, diesmal ist der Kasper
-zeitig.«
-
-»Du bist der abgedankte Meßner.« Der Dullhäubel deutete hinab. »Deine
-Stimme kenn ich. Und deine schelchen Achseln.«
-
-»Du irrst dich,« antwortete der drunten, »ich bin heut gar nit da.«
-
-Drunten wurden sie still, sie reckten die Köpfe zusammen und hielten
-Rat. Es war die unheimliche Ruhe vor dem Donnerschlag. Dem Dullhäubel
-rann der kalte Schweiß. Er wußte, jetzt müsse er den Fuxlohern anders
-kommen, ehe es zu spät war.
-
-»Der Kalender ist mir gebrochen,« kicherte er hinunter. »Ich weiß nit,
-ist heut aller Narren Kirchfahrt oder der blinde Irtag. Geht heim und
-legt euch ein ehrliches Gewand an, ihr verzweifelten Buben!«
-
-Da rüttelten sie schon am Tor, daß das Haus bebte.
-
-Der Dullhäubel reckte eine brennende Kerze zum Guckloch hinaus.
-Verdutzt hielten die drunten ein.
-
-»Sippschaft,« schrie er mit seiner grellen Stimme, »das ist eine
-Kaiserkerze!«
-
-»Blas sie aus! Sie geht uns nix an,« erwiderte ein Männlein, das die
-Nase in einem Wetzsteinkumpf stecken hatte, so daß sie gespenstisch
-lang erschien.
-
-»Mein Ähnel hat sie am Schlachtfeld gekriegt, die Kerze,« sagte der
-Bauer, »der Kaiser selber hat sie geweiht.«
-
-Der Mann mit dem Kumpf aber rief hitzig: »Der Kaiser soll
-uns -- -- --!« Kurzum, er tat, mit Ehren zu melden, eine landläufige
-Rede, die sonst gar niemanden Wunder genommen hätte und die ihm auch
-von keinem verübelt worden wäre. Aber der Dullhäubel fischte sie auf.
-
-»Leut,« schrie er, »jetzt hat einer von euch den Kaiser beleidigt.
-Drauf steht die härteste Straf, der Tod durch Pulver und Blei. Der
-mit dem langen Schnabel dort und mit dem dicken Bart, der Longinus
-Spucht ist es gewesen, der dem Kaiser die Arbeit geschafft hat.
-Und du, Glöckelbauer, Burgermeister von Fuxloh, hast dazu mit dem
-Kopf beifällig genickt, hast ihm Recht gegeben. Wenn der Kaiser das
-erfahrt?! Und ihr andern, ihr steht da und habt es gehört und schlagt
-den nit gleich auf dem Fleck nieder, der das kaiserliche Erzhaus
-derartig beleidigt?«
-
-Die Fuxloher wichen vor dem Spucht zurück wie vor einem Gezeichneten.
-Ihnen hingen zerknirscht die Köpfe, die wilden Vorsätze waren aus dem
-Geleis gesprungen. Ratlos schielten sie nach dem Burgermeister.
-
-Der Schelm droben schmiedete sein Eisen. »Spucht, du weißt, was dir
-bevorsteht: Pulver und Blei! Du tust mir leid.«
-
-»Du wirst doch den Spucht nit dem Schergen angeben?!« sagte der
-Glöckelbauer kleinlaut. »Das Angeben ist eine Schand, der Angeber steht
-gleich hinter dem Totschläger.«
-
-Eine kleine Gestalt mit langer Nase löste sich von dem Schwarm und
-rannte in den Wald hinein.
-
-Der Burgermeister meinte, er habe mit der Sache nichts mehr zu
-schaffen, und verschwand. Einer nach dem andern verzog sich, und bald
-war der Anger vor dem Hof leer, und die Dullhäubelleute räumten die
-Verschanzung weg.
-
-»Die Bockmelker, die Nebelschieber, die Heiligenfresser! Mit der
-Feuerspritze gehen sie gegen den Mond los,« lachte der Schelm aus dem
-Guckloch. »Meiner Seel, wenn ein Narr vom Himmel fallt, soll er auf
-Fuxloh fallen, bei uns findet er die richtige Gemeinde.«
-
- * * * * *
-
-Der Longinus Spucht rannte so scharf und rastlos durch den Vogeltänd,
-daß ihm das Herz unbändig schlug und er fürchtete, es springe ihm aus
-dem Maul heraus.
-
-Seither wurde er nimmer gesehen. Sein Weib suchte ihn eine Woche lang
-umsonst.
-
-In wenigen Tagen umspannen wilde Gerüchte den verschwundenen Mann. Sein
-schwarzer, zottiger Bart, die unruhigen, stechenden Augen und besonders
-die verwegenen Räuberlieder, die er immer gesungen, verschafften ihm,
-der ansonst ein wohlberüchtigter Mann gewesen, bald den Ruf eines
-Weglauerers und Räuberhauptmanns.
-
-Uralte Waldgeschichten vom Räuber Schierling tauchten wieder auf,
-der den Leuten den Geldbeutel abgeschreckt und sie auf die Bäume
-hinaufgejagt und schließlich heruntergeschossen hatte wie Kranwitvögel,
-und vom bayrischen Hiesel, der von den Wanderern die Zunge als Maut
-genommen und hernach sich das Messer gestrichen hatte an den Hosen. Gar
-bald war auch der Spucht der Mittelkern solch gefährlicher Sagen, die
-von einigen zufälligen Geschehnissen genährt wurden.
-
-So gingen einmal die Dirnlein des Dullhäubel um Beeren und kamen weit
-in die Wälder hinein. Da ward der kleinen Luzel bang vor der lautlosen
-Öde, sie weinte, und um sie zu stillen, erzählte ihr die Stasel ein
-Märlein. Ach, es fiel ihr gerade ein gar schauriges ein, daß ihr selbst
-davor angst wurde!
-
-Sie erzählte: »Und die zwei Kinder sind in einen Wald kommen,
-und allweil tiefer und tiefer sind sie hinein, und der Wald ist
-stockfinster worden vor lauter wildem Laub und krummen Ästen, und
-noch immer hat der Wald kein End genommen. Auf einmal steht vor ihnen
--- -- -- das Räuberhaus.« Sie flüsterte dieses Wort, ins Herz davor
-erschaudernd.
-
-Im gleichen Augenblick standen die Kinder vor einer verwurzelten
-Höhle, drin schlief der Spucht, eine Pistole in der Hand. Die Kleinen
-rannten über Rain und Stein davon und sprengten hernach schreckliche
-Geschichten im Dorf aus.
-
-Bald darauf fand der Burgermeister, als er in aller Frühe vors Haus
-trat, einen Zettel auf dem Zaun stecken. Es war ein Brandbrief.
-
-Am Dorfanger berieten sich die Fuxloher. Sie sahen sich schon
-als Abbrändler mit einem Bittgesuch von Haus zu Haus gehen. Der
-Brunnkressenhannes, der am schönsten lesen konnte, las den in
-bauchiger, derber Schrift geschriebenen Brief mit schauriger Stimme vor.
-
-»Ihr Fuxloher Haderlumpen, Am Tag Medardi Brennt Dem Igelbauer Sein
-Stadel. Wer Löschen Hilft, Dem Zünd Ich Auch Unter. Willst Du Wissen,
-Wer Ich Bin? Schmecks.«
-
-»Den Brief hinterlegen wir beim Gericht,« entschied der Burgermeister.
-
-»Was hilft mir das?« klagte der Igel. »Wenn es lichterloh aus dem Dach
-schlagt, was nutzt das Gericht? Der Nachtwächter muß die ganze Nacht um
-meine Scheuer herum gehen.«
-
-»Da müssen ein paar tapfere Leut bei mir sein,« wehrte sich der
-Nachtwächter, »ich setz das Leben nit allein aufs Spiel.«
-
-Der Grazian rief auf einmal: »Der Teufel schickt seinen Vorreiter
-daher, der weiß euch Rat.«
-
-Schon von fern winkte der Dullhäubel. »Leut, brennen wird es! Unsere
-rote Henne hat gekräht.«
-
-»Da habt ihr es,« greinte der Igel.
-
-Der Dullhäubel zog die Nase hoch. »Brändelt es nit schon?«
-
-Alle Augen richteten sich gen den Berghang, wo des Igelbauers
-Wirtschaft war. Aber sie lagerte friedlich, und nur ein linder Qualm
-hing über dem Rauchfang.
-
-»Dullhäubel, spaß nit!« mahnte der Glöckelbauer. »Der Schrecken ist mir
-ins Knie gefahren.«
-
-Der Brunnkreßner legte den Brandbrief zusammen. »Der Schreiber ist in
-keine gute Schul gangen,« sagte er mißbilligend, »jedes Wort hat er mit
-einem großen Buchstaben angefangen. Das ist falsch.«
-
-»Ganz recht ist es,« stritt der Dullhäubel. »In einem Brief schreibt
-man alles groß, daß keine Beleidigung geschieht.« --
-
-Die Fuxloher forschten nicht nach, wer den Zettel geschrieben. Aber die
-Brandwächter, die nachts um des Igels Scheuer lungerten, hielten die
-Schießprügel fest und warteten, und der Nachtwächter sagte halblaut:
-»Der Spucht, der rennt einem ohne weiters das Messer hinein. Er hat ein
-kaltes Herz.« --
-
-Der verrufene Mann irrte indes auf Diebssteigen in den Wäldern des
-Lusens, fraß Krauselbeeren und hauste in einem umwurzelten, umknorrten
-Loch, eine Eiche hatte dort die Fänge eingeschlagen. Er spürte hinter
-jeder Staude Schergen und kaiserliche Reiter und sah den Himmel voller
-Galgen.
-
-Nur wenn ihn der Hunger gar zu hart peinigte, traute er sich an eine
-Einschicht heran und half den Leuten, die den Mann mit dem wilden Bart
-nicht kannten, das Gras mähen und verlangte dafür Suppe und Brot. »O
-weh,« seufzte er oft, »wenn die einöden Leut hören, daß ich den Kaiser
-geschändet hab, sie werden mir nix mehr geben, und ich kann Holzobst
-fressen wie die wilden Säu!«
-
-Er führte eine ungeladene, zerbrochene Pistole bei sich und wäre arg
-verlegen gewesen, wenn er damit ein wildes Tier hätte abwehren müssen.
-
-Er ward schwermütig. Er dachte, jetzt käme er nimmer heim zu seinem
-Weib und nach Fuxloh. Und Eisen und Zuchthaus warteten auf ihn. Pulver
-und Blei!
-
-Am schlimmsten war ihm in der Nacht, wenn die Eulen wimmerten, finstere
-Bäche unheimlich für sich hin redeten, schwarze Bügel flogen und
-Gespenster schwärmten. Da nahm der Spucht oft vor der eigenen Angst
-Reißaus und geriet in fremde, abseitige Schluchten und fremdes Gestrüpp
-und Gesträuß und fand lange nicht zurück in die bekannte Gegend.
-
-Einmal ging er nachts auf einem fremden Holzsteig, der war so
-unheimlich, als ob der Teufel dort herumstinke. Der feurige Mond
-leuchtete, hinter finstern Stauden brummte ein Hirsch, verzagte
-Wacholderstöcke standen karg und schaudernd im Wind. Und wie der Spucht
-so einschichtig durch die Wildnis strich, sah er auf einmal am Weg
-einen Mann, der schien zu lauern.
-
-»Halt, Longinus, das gilt dir!« dachte der Spucht. Die Ohren sausten
-ihm.
-
-Der Mond verkappte sich hinter einer dicken Wolke. Die Moosgeiß rief
-gespenstisch wie eine verirrte Kuh, und entsetzt rannte ein Bach aus
-dem finstern Wald. Fern leuchtete eine Einschicht auf.
-
-Der Spucht nahm sein Herz in die Hand, ging auf den scheulichen
-Kerl los, nahm den Hut ab und sagte gar erbärmlich: »Ich bitt um
-Verzeihung, Herr, ich hab mich verirrt. Wie heißt denn der Wald da?«
-
-»Totenkopf.«
-
-»Und der Bach da?«
-
-»Mörderbach.«
-
-Nach der Einschicht fragte er nimmer, denn der Bösewicht hätte gewiß
-geschrieen, sie heiße »Stichzu!« und wäre mit einem langen Messer
-hergesprungen.
-
-Der Spucht kehrte sich um und stotterte ein Schutzgebet: »Gott, steure
-mich ins Himmelreich!« Die Zähne schepperten ihm, er meinte, jetzt
-pfeife ihm eine Kugel in den Rücken. Er rannte, bis er mit dem Bart in
-einer Dornstaude hängen blieb.
-
-Die Einöd ist des Menschen Feind. In der Einöd ist alles zu fürchten.
-
-Dort steht ein Wald, brandig und dürr bis in den letzten Wipfel hinauf,
-geisterhaft rieseln die roten Nadeln nieder. Das Gespenst eines
-Holzknechtes, den ein stürzender Baum erschlagen, erwürgt diesen Wald.
-
-Dort ist ein Gehölz, und geht man nächtens dort, da fragt vom Wipfel
-ein Unbekannter herunter: »Wohin?«
-
-Dort in der Schlucht ist ein Jäger für immer verschollen. Oft schreit
-sein Geist drin auf.
-
-Der Spucht starb jede Nacht vor Furcht. Und mancher Baum reckte ihm die
-festen Äste hin und knarrte: »Häng dich auf, Spucht!«
-
-Von Heimweh getrieben, schlotterte er schließlich gen Fuxloh.
-
-Die Bäume verdüsterten sich schon, als er durch den Vogeltänd huschte.
-Es wurde wieder unheimlich. Eine Unke läutete im Moor, sie rief
-wie eine verlassene Wittib. Ein Dämmervogel strich. »Es ist eine
-Schneiderseel,« flüsterte der Spucht und bekreuzte sich.
-
-Mitten im zerfahrenen Hohlweg lauerte ein Mann genau so wie der im
-Totenkopfwald am Mörderbach bei der Einschicht Stichzu. Oder war es
-gar ein Spießwächter? Wird er nicht jetzt wie ein brennender Löwe
-herspringen, den Scheuchhund neben sich?
-
-Alles war karthäuserisch still. Der Wind rührte nur einen einzigen Ast,
-und der knarrte. Ein Klagweiblein schwang sich in die Luft, flatterte
-und schrie.
-
-Der Spucht faßte Mut und schrie: »Ich schieß dich nieder, Hund, daß
-du meckerst! Ich laß dir das Messer hinein, daß es dir hinten wieder
-hinaus steht!«
-
-Der im Hohlweg aber lachte grausig.
-
-Da schrie der Spucht: »Bist du geheuer oder nit?«
-
-Der Dullhäubel stand wie der Teufel da. »Wo nebelst du herum, Longinus?
-Zieht dich das Gewissen her?«
-
-»Bauer, Gnad und Erbarmen! Verrat mich nit!« flehte der Spucht.
-
-»Die Soldaten suchen dich, Longinus, zwölfhundert Mann mit einer Kanon,
-der Feldmarschall Laudon führt sie an. Der Kaiser darf sich den Schimpf
-nit gefallen lassen.«
-
-»Ich renn über die bayrische Grenz,« stöhnte der Spucht.
-
-»Dann wird ein Kriegsfall draus; der Laudon verlangt, daß du
-ausgeliefert wirst.«
-
-»Mein Gott, soll unschuldiges Blut auch noch rinnen! Und ich hab es ja
-nit bös gemeint. Was soll ich tun? Bauer, sag mir einen Ausweg!«
-
-»Stell dich reumütig dem Richter!«
-
-Und der Dullhäubel stolperte davon und jodelte:
-
- »Ich bin mit dem Kaiser
- von Östreich in Stritt,
- der Scherg will mich fangen,
- er hat mich noch nit.« --
-
- * * * * *
-
-Frühtags stand der Spucht wie ein Schlottergeist in der Amtsstube des
-Landschergen Anton Zinkinker in Blaustauden.
-
-Der Scherge legte sich gerade in der Kammer daneben das
-kaiserlich-königliche Gewand an. Inzwischen schaute sich der Spucht in
-der Stube um.
-
-Verweisend blickte das Bild des Kaisers von der Mauer herab, und
-darunter drohten ein Schleppsäbel und eine Doppelflinte. Über dem
-Schreibtisch in geschnitztem Rahmen hing ein Schriftstück, darauf waren
-Gewehre und Säbel, gekreuzte Pistolen und kriegerisch gefiederte Hüte
-aufgemalt, und es flog den Spucht geradezu ein Frost an, als er die
-blutgierigen Dinge so hart bei einander sah. Und über all dem wilden
-Werkzeug stand geschrieben:
-
-
- Belobungszeugniß
-
- Uiber Antrag der k. k. Bezirkshauptmannschaft Hirschenbrunn
- wird dem Landschergen Anton Zinkinker für die mit unermüdlichem
- Eifer und besonderer Ausdauer bewirkte Zustandebringung
- des flüchtigen Dieben Franz Netachlo hiermit die belobende
- Anerkennung ausgesprochen.
-
-Die Unterschrift war nicht zu lesen, aber so dick und so groß durfte
-sich gewiß nur der Kaiser unterschreiben. Der Spucht knickte zusammen,
-und seine Schuld erschien ihm bodenlos.
-
-Der Landscherge trat herein. Er hatte denselben Bart wie der Kaiser am
-Bild. Den Säbel riß er von der Wand, gürtete ihn um und fuhr den Spucht
-grob und kurz an: »Was wollen Sie?«
-
-»Die Waffen liefer ich aus,« stotterte der und legte seine Pistole auf
-den Tisch. »Und ich bitt, führen Sie mich vors Kriegsgericht. Sonst
-erdruckt mich das Gewissen.«
-
-Der Anton Zinkinker rollte ihn an: »Was haben Sie verbrochen?«
-
-»Ich bin der Longinus Spucht aus Fuxloh. Ist denn in der Zeitung nix
-von mir gestanden? Wegen der kaiserlichen Beleidigung?«
-
-»Ich weiß nix«, brummte der Scherge. »Wenn Sie aber durchaus im
-Zuchthaus Spinnen und Fliegen fangen wollen, so kommen Sie mit. Ich hab
-sowieso in der Stadt zu tun. Reden Sie dort mit dem Richter!«
-
-Er schulterte das Gewehr, auf seinem Hut nickte der kriegerische
-Hahnenschwanz, und er ging stolz und steif, die Brust heraus, und
-schaute nicht rechts und nicht links. Neben ihm trippelte der
-Armesünder mit geknickten Knieen, als führe sein Weg schnurstracks zum
-Galgen.
-
-Die Leute, die ihnen begegneten, freuten sich. Sie sagten: »Es ist gut,
-daß sie den Raubmörder einführen. An dem Bart sieht man es ihm an, was
-er Blutiges imstand ist.« Oder: »Dem Spucht hab ich es oft gesagt,
-daß wir uns im Zuchthaus sehen werden. Ein verwogener Raufer ist er
-gewesen, überall dabei.«
-
-Er nahm alles zerknirscht hin.
-
-In Hirschenbrunn rannten ihm die Kinder nach und deuteten auf seinen
-wildmächtigen Bart.
-
-Als er ins Gerichtshaus trat, war ihm, er müsse tot umfallen. Er sah
-sich noch einmal um und wisperte: »Blaue Luft und grünes Gras, behüt
-euch Gott! Berg und Wald und Hirsch und Reh und Weib und Kind, ich seh
-euch nimmer. Mein Lohn ist Pulver und Blei.«
-
-In einer Kanzlei empfing ihn ein alter Herr, sein Bart war weiß wie
-Rauhfrost, doch die Augen funkelten ihm scharf und jung.
-
-Er ließ ihn hart an: »Sie sind also der berüchtigte Räuberhauptmann
-Spucht?«
-
-»Taglöhner und Holzhacker bin ich, sonst nix, Euer Gnaden,« stammelte
-der Spucht.
-
-»Wieviel Menschen haben Sie ermordet?«
-
-»Keinen, um Gotteschristi willen, keinen!« schwur er entsetzt.
-
-»Warum haben Sie den türkischen Kaiser beleidigt, Sie Grobian? Hat er
-Ihnen etwas getan?«
-
-»Ei, gibt es einen zweiten Kaiser auch noch?« Der Spucht ließ das Maul
-offen vor Verwunderung.
-
-»Weh Ihnen, wenn ich noch einmal etwas Ähnliches von Ihnen erfahre!
-Dann kenn ich keine Gnade mehr,« drohte der Richter. »Und nun kehren
-Sie in den Schoß der Gemeinde Fuxloh zurück! Vorerst aber lassen
-Sie sich vom Balbierer nebenan auf meine Kosten den Bart stutzen.
-Verstanden? Hinaus!!«
-
- * * * * *
-
-Die Fuxloher wollten wallfahrten gehen.
-
-Sühnen wollten sie, daß einer von ihnen sich an dem Heiligen
-vergriffen; sie wollten verhindern, daß ob dieses Frevels der Himmel
-mit schwarzen Wettern auf Saat und Frucht niederschlage, die der
-verschollene Blaumantel nimmer schützte. Und weil die Not kein Gesetz
-kennt, wollten sie an überheiligem Ort bitten, daß der Erzschelm
-Kasper Dullhäubel bald von der Erde weggeräumt und der Hölle
-überliefert werde, die er sich reichlich verdient hatte.
-
-Der Meßner Grazian wurde frühzeitlich von dem Uhrgewicht geweckt, das
-von der Höhe herab mählich auf seine Stirn gesunken war. Er lugte zum
-Fenster hinaus, wie der Wind gehe und ob kein gefährliches Gewölk
-hänge zwischen den Bergen Rachel und Lusen. Doch stand der Himmel hell
-gespannt über dem Land, und das Wetterglas stieg. Da stiefelte er sich
-festlich, knüpfte sich ein rotes Halstuch unter dem Adamsapfel, band
-grobes Geld ins Schneuztuch und weckte den Brunnkressenhannes.
-
-Der Hannes blies gewaltig ins Kuhhorn, und droben im Dachreiter des
-Glöckelbauern rührte sich das Geläut. Jedes Gehöft sandte seine
-Leute zur Wallfahrt aus; Alte und Kinder, die ansehnlichsten und die
-mindesten Fuxloher kamen daher, denn es gab schier keinen im Ort, dem
-der Dullhäubel nicht einmal eine Schalkheit angetan hätte.
-
-Bald waren sie wegfertig.
-
-Vier schwangere Bäurinnen holten aus der Kammer des Grazian eine
-geschnitzte heilige Walburga. Der Igelbauer trug auf einer Stange den
-heiligen Kölbel, der die Wallfahrer schützt auf ihrer staubigen Reise;
-der Brunnkressenhannes schwenkte die Männerfahne, der Spucht lenkte die
-Weiberfahne, und der Hahnenwirt ging mit dem gekreuzigten Herrgott.
-
-Die Dirnen hatten die Zöpfe mit Myrten und holden Zaunblumen geziert,
-und auch die uralte Ulla ging mit, das silberne Haar hatte sie gelöst
-und sie durfte es so tragen, weil sie eine Jungfrau war.
-
-Sie trugen Zehrung in Zwilchsäcken mit und in Bündeln, mancher hatte
-sich weislich mit einem Regenschirm versehen.
-
-Als die Kreuzschar singend auszog, lag der Dullhäubel auf einem Bühel.
-»Ich kann nit mitgehen,« schrie er ihnen nach, »auf der Ferse wachst
-mir ein Hühneraug, so groß wie eine wallische Nuß.«
-
-Der Grazian schüttelte den Schirm. »Spott zu! Du hast bald
-ausgespottet!«
-
-»Wie meinst du das, du Vaterunsermühl? Willst du vielleicht gar bitten,
-daß ich bald hin werd, du Weihbrunnkrug? Haltest du unsern Herrgott für
-einen Schuft, der sich kaufen laßt, du augendreherischer Meßner? Geh
-zu und verricht dein kniebeuglerisches Geschäft!«
-
-»Rennen wir, sonst wirft er uns ein paar unschöne Wörter nach!« drängte
-der Hannes.
-
-Der Schelm am Bühel näselte, den Grazian nachahmend, der eilenden
-Kreuzschar seinen Spott nach.
-
- »Die schönste Zeit ist eingetroffen,
- die Einkehrhäuser stehen offen,
- singt, Wallfahrer, sauft nur zu,
- schnürt euch die Schuh mit dem Strohhalm zu!«
-
-Der Schmied Sulpiz Schlagendrauf wollte gegen den Sänger losgehen, doch
-der Grazian hielt ihn beim Rock. »Herr, vergib ihm!« seufzte er mit dem
-Blick nach oben.
-
-Der Dullhäubel lachte und schalt: »Ihr Nothälse, ihr habt alle nix,
-müßt euch die Schuh mit Rotz schmieren! Ihr Zipfelhaubenbauern, ihr
-Waldesel, stehlt euch nur wieder einen buchsbaumenen Heiligen!«
-
-Knirschend zog die Kreuzschar davon. --
-
-Der schwänkische Mann schlenderte vergnügt heim, weil er den
-Wallfahrern den rechten Segen mit auf den Weg gegeben hatte.
-
-Aber als er zur Kapelle kam, war ihm, der helle Donnerstrahl schlage
-vor ihm nieder: der Blaumantel stand wieder drin, mit hellen Farben
-neu bemalt, den Kinnbart reichlich vermehrt und verlängert, den Blick
-weit greller und stechender als früher.
-
-»Der Teufel blendet mich!« krächzte der Dullhäubel.
-
-Doch der Teufel äffte ihn nicht, sondern munkelte ihm ins Ohr. Da
-schaute der Schelm sich pfiffig um, und als er nichts Lebendiges merkte
-als einen Vogel, der auf einem Tannenspitz rastete, und nichts hörte,
-als ein paar Dompfaffen und Teufelsmeßner im Wald, nahm er den Heiligen
-beim Genick und schleifte ihn auf heimlichem Steig zu dem alten
-Backofen, dort schob er ihn hinein und zündete ihm höllisch unter, und
-der Blaumantel fing an zu prasseln und zu knallen und sang wie die drei
-Jünglinge im Feuerofen.
-
-Mit leichtem Gewissen ging der Dullhäubel zum »pfalzenden Hahn«.
-
-Wirt und Wirtin waren auf der Wallfahrt. Das Dorf war wie ausgestorben,
-nur das Vieh hörte man glöckeln auf den Hutweiden.
-
-Da stieg der Dullhäubel durchs Fenster in die Stube, legte ein paar
-Guldenzettel auf den Tisch und stach sich ein Faß an. »Jetzt, Seel,
-spring aufs Geripp, sonst ersaufst du!« lachte er und zechte gewaltig
-und ebenbürtig den Vorfahrern, die im Jahr nur zwölfmal aus dem
-Wirtshaus heimgekommen waren.
-
-Erst als das Abendglöckel läutete und der Fuchs im Steinriegel den
-Hühnersegen betete, taumelte er heim vom Leichentrunk des Blaumantels
-und stieg, der Ogath nicht in die Hände zu fallen, ganz sacht auf den
-Heuboden und wühlte sich dort ein. --
-
-Der Spucht schwenkte die schleißige Fahne, darauf die Notburg gemalt
-war, wie sie die Sichel an den Lichtstrahl hängte.
-
-»Ewig leid ist mir um den Blaumantel,« seufzte der Grazian, »der ist
-auch ein starker Himmelsfreund gewesen, hat einen Nagel in den Nebel
-geschlagen und die Stiefel dran gehängt.«
-
-Er lugte durch die messingenen Brillen, die er aufgesetzt hatte, die
-Wallfahrt zu verschönern, ins Gebetbuch; die Wangen glühten ihm,
-weil er sich heute wichtiger wußte als die andern Fuxloher, den
-Burgermeister mit einbegriffen, eine Litanei nach der andern näselte
-er der Kreuzschar vor und hörte nimmer auf. Er hatte sich gelobt, den
-Dullhäubel tot zu wallfahren.
-
-Bergan ging es, alle stapften stumm, der Berg nahm ihnen den Atem.
-Nur als sie zu einem hochgelegenen, wenig ergiebigen Acker kamen, der
-zum »pfalzenden Hahn« gehörte, da hielt der Wirt das Kreuz, das er
-trug, darüber, schüttelte es zornig und schrie: »Da schau dir ihn an,
-Herrgott! Ist das ein Hafer?«
-
-Oben auf der Schneide, wo man den letzten Blick über Fuxloh genießt,
-ehe es hinter Berg und Baum versinkt, da kehrten die vier Weiber mit
-der Walburga um, und der Grazian rief seiner Schar zu: »Da schaut hin,
-da seht ihr noch einmal euer liebes Vaterland!«
-
-Sie wallfahrteten von Staude zu Staude, talnieder und bergauf durch den
-blauen Sommer, wateten durch die seichten, felsklaren Bäche, die krumm
-und weitläufig daher rannen, schritten über wackelnde Stege und feste
-Brücken; übermütig flatterten die Fahnen. Helle und dumpfe, reine und
-krähende Stimmen sangen dem Vorsänger die Weise nach und beteten aus
-morschen Büchern, daß die Wälder erschollen, die Scheuern widerhallten
-und die Dörfer, die sie durchwallten.
-
-Die Ulla, die ihr Lebtag noch nicht viel weiter als über die
-Dachtropfen ihrer Hütte hinausgekommen war, wunderte sich ein über das
-andere Mal: »Leut und Kinder, ist die Welt aber groß! Jetzt steht dort
-droben auch noch ein Haus!«
-
-Barfuß ging sie dahin, die Schuhe am Stecken über die Achsel gehängt.
-
-Und der alte Didelmann hüpfte hin und wieder behend in eine Einschicht,
-um sich den Ziegel wärmen zu lassen, den er am Bauch trug.
-
-Wie an einem weißen Band waren die Dörfer an der Straße aufgereiht,
-und wo die Kreuzschar zog, schwangen sich die Glocken in den kropfigen
-Türmen und schlanken Dachreitern, lenkten und schwenkten und senkten
-der Brunnkreßner und der Spucht die Fahnen, trug der Hahnenwirt den
-Herrgott und der Igel seinen Stangenkölbel um die Kirchen und traten
-singend hinein, dem heiligen Wolfgangi und dem Isidori und dem Prokopi
-einen kurzen Gruß zu bieten, und hernach wanderten sie den Weg weiter,
-der hübsch krumm talein, talaus sich schlängelte gen Maria-Dorn.
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-Stauden grünten am Steig, es hingen rote Blumen drin, der Tau flocht
-Rosenkränze, ein zarter Wind rührte scheu an Korn und Wald, Vögel
-schwätzten und wirbelten, der Specht, der Holzknecht, hackte lustig den
-Tann an, und über dem allen gewölbt hing der muttergottesblaue Himmel.
-
-Bäche schossen daher aus Klüften und Gründen, verborgene Mühlen
-murmelten in den Schluchten, und vom Turm des heiligen Bartholomä, der
-das dreieckige Fenster hatte, das die Kinder das Auge Gottes hießen,
-von dem Turm rief neckisch die Glocke immer wieder: »Klingeleisen,
-Bügeleisen!«
-
-An einer zerfallenen Burg wallten sie vorbei, drin nach der Sage ein
-verwunschener Schnapphahn geisterte. Die Buben riefen in den Keller
-hinein: »Zinnspanner, komm heraus!« und huschten wie gescheuchte
-Hirschlein davon.
-
-Mit leisem Schauder schritt die Schar an dem Pesthügel vorbei. Und
-manch sonderbarer Heiliger wartete am Weg und wollte lobsungen sein
-und ein blaues oder buntes Kränzel empfangen. Die Muttergottesfahrer
-kannten meist den Namen und die Geschichte dieser Heiligen nicht,
-sie deuteten und benannten sie aus ihrer Einfallt heraus, wie sie es
-verstanden oder einmal hatten erzählen hören.
-
-Im Schatten seiner rostigen Strahlenscheibe stand auf einem Bein ein
-solch namenloser Himmelsmann; das andere Bein, das er an sich gezogen
-hielt, mochte ihn schon schmerzen. Doch schnitt er trotz seiner Marter
-ein vergnügliches Gesicht. Dreißig Jahre soll er nicht gesessen noch
-gelegen sein und habe mit dieser Peinigung das Himmelreich an sich
-gerissen.
-
-»Nehmt euch ein Beispiel an ihm, Fuxloher!« sagte der Grazian und
-versuchte ein wenig auf einem seiner spandünnen Beine zu stehen. Und
-alle drängten zu dem steinernen Weihbrunn hin und besprengten sich
-eifrig.
-
-Vor dem Wermutdörflein -- so hießen sie den Ort, weil im Wiesental
-rings soviel Wermut blühte -- vor dem Dörflein stand das Hasenmarterl.
-Darauf freuten sich die Kinder schon den ganzen Weg, und die Mütter
-trösteten die müden Kleinen damit.
-
-Der Grazian erzählte, ein Bauer habe einmal Sonntags so hitzig einen
-Hasen gejagt, daß er die Messe versäumte, und drum habe er zur Sühne
-die winzige Kapelle gestiftet.
-
-Drin saß nun das heilige Kind mitten unter tanzenden Hasen, und die
-Kreuzschar lachte hinein und ergötzte sich an dem drolligen Tanz, und
-die Kinder wollten schier nimmer weiter und wollten immer wieder die
-Hasen sehen.
-
-Doch der Meßner drängte, und sie folgten ihm. Er betete ein Gebet nach
-dem andern und rief immer aus, wem es gelte. »Wollen wir ein Vaterunser
-beten für unsere schwertragenden Weiber!« forderte er, und sie beteten
-mit klaren und hohlen Stimmen. Und weiter rief er: »Ein Vaterunser für
-solche, die auf hohen Wassern fahren! Und noch eins, daß Kraut und
-Hafer gedeihen in der Gemeinde Fuxloh!«
-
-Hernach zog er einen pfiffigen Mund und sprach: »Jetzt wollen wir ein
-Vaterunser aufopfern für alle, die gern mitgegangen wären! -- Und eins
-für die, die nit haben mitgehen können! -- Und eins für die, die nit
-haben mitgehen wollen!«
-
-Er goß einen Schluck kornenen Branntwein in sich, und da eben ein
-urwinziges, weißes Wölklein aufstieg, rief er: »Jetzt wollen wir beten,
-daß wir in einem trockenen Regen gehen!«
-
-Doch oft hob er stark und geheimnisvoll die Stimme: »Aber jetzt beten
-wir recht inbrünstig und herzhaft für den guten Ausgang einer gewissen
-Sache!« Da sah er schon vor dem gesammelten Stoß der Gebete den
-verruchten Dullhäubel hintaumeln auf den Totenschragen und überliefert
-den gespreizten Krallen der Hölle.
-
-Da setzte die Gemeinde gewaltig ein, und es klang wie eine sonderbar
-wirre Orgel. Doch galt alle Inbrunst dieses namenlosen Gebetes nicht
-dem Tod des Schelmen, sondern jeglichem glühte ein anderes Anliegen im
-Herzen.
-
-Der Brunnkressenhannes wünschte sich den Wurm weg, der ihm im Finger
-tobte; der Didelmann wollte sein inneres Leiden erleichtern, und die
-Glöckelbäurin wollte ihren Zopf aufhängen am Arm der Muttergottes,
-die Haare waren ihr ausgefallen in schwerer Krankheit; der Lukas
-Schellnober trug seinen Stockzahn gen Maria-Dorn, und die Mechel
-wollte dort um einen Mann bitten, nur um keinen rotköpfigen. Der eine
-wallfahrtete wegen des Mausfraßes, der andere seinem kranken Roß, der
-dritte seiner trächtigen Kuh zulieb. Die Ulla schleppte ihr schweres
-Herz mit, das sie in verfluchtem Hexentum verloren wähnte.
-
-Der Lippenlix ging auch mit, weil ihm der Dullhäubel den Bart
-geschändet hatte. Er war ein solcher Spielteufel, daß er selbst im
-Gehen mit seinesgleichen Karten spielte, und nicht eher ließ er davon
-ab, bis ihm der Lukas Schellnober die Eichelsau aus der Hand schlug.
-
-Weiter ging es.
-
-Sankt Peter, der Wettermacher, grüßte aus seinem blauesten Fenster. Auf
-den Blockhalden glühten schlanke Weidenröslein, Stauden einsiedelten
-auf traulicher Heide, die Wiesen lagen rot und weiß und gelb
-gesprenkelt, und ihre tausend Tauäuglein glühten. Lerchenträchtig war
-der Himmel. Hasen reckten die Löffel aus Klee und Ginster, Spechte
-spähten, die Eichkatze staunte aus dem föhrenen Wald, der Grill
-lauschte im Gras auf, wenn die Bittfahrer vorübersangen. Bienen und
-schöne goldige Fliegen sumsten heimlich die Marienweisen mit.
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-Gar als der Kuckuck vom Berg jauchzte, da rief die Ulla, der sich die
-Welt auf einmal gar so unheimlich weit auftat, freudvoll aus: »Der
-Fuxloher Guckauf ist mit auf der Wallfahrt, ich kenn ihn am Schrei!«
-
-An einem Hang voll gelber Rainblumen hoch oben auf einer Säule stand
-ein Steinmann, mit den Füßen mitten drin in einem Strahlenkranz.
-Ihn hießen sie den heiligen Grobian, weil er der Straße und ihren
-Wandersleuten den Rücken kehrte.
-
-»Das ist eine Wundersäule,« sagte der Grazian, »sie dreht sich
-langsam.«
-
-Der Didelmann, der der älteste Mann von Fuxloh war, erzählte: »Vor
-fünfzig Jahren, ich denk es noch, hat der heilige Grobian mit dem
-Gesicht noch auf die Straße geschaut. Ganz langsam dreht er sich, alle
-Jahr gibt es ihm einen geringen Ruck. Merkt auf, Kinder, wenn ihr in
-fünfzig Jahren wieder da vorüber geht!«
-
-Die Ulla aber redete: »Ihr sollt ihn nit den Grobian schelten! Wer
-weiß, ob derselbige nit durch sein Blut hat ins Himmelreich schwimmen
-müssen? Wer weiß, ob die schlimmen Heiden ihn nit mit Blei, Öl und Pech
-begossen haben?«
-
-Da graute allen, und sie knieten reuig vor dem gescholtenen Heiligen
-hin. Nur der Brunnkressenhannes nicht, denn seine Filzhosen waren so
-dick, daß er drin die Kniee nicht biegen konnte.
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-Der Spucht schneuzte sich gerührt in den Hut.
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-Durch Drosselwälder und über Kuckucksberge wallend, stießen sie auf
-eine abgebrannte Florianikapelle; sie war nimmer aufgebaut worden, weil
-man den heiligen Feuerherrn nicht mehr traute, der das eigene Haus
-nicht beschützt hatte.
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-Vor mancher Bildsäule warf sich die Kreuzschar in die Kniee.
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-Da war der selige Simandel. Der hieß so, weil er gar erbärmlich geduckt
-stand, als fürchte er eines scharfen Weibes Angriff. Vielleicht hatte
-er in einem demütigen Ehestand die Marterpalme errungen.
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-Einmal führte der Grazian seine Herde zu einem Felsen und zeigte ihnen
-darauf ein Loch, das hatte der Bischof Wolfgang auf der Reise mit
-seinen Füßen hinein getreten.
-
-Er wies ihnen einen hohlen Stein, der war der Sessel der glorreichen
-Frau gewesen auf der Flucht, bis sie ein Geißhirt davon vertrieb mit
-rauhem Schelten und Geißelknall.
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-Er führte sie zu einem wunderbar riechenden Dornbusch. Dort hatte einst
-ein Bittfahrer ein geweihtes Gottesbrot erbrochen, und an selbem Fleck
-war hernach die Staude gewachsen. Jetzt steckten die Fuxloher andächtig
-schnüffelnd die Nasen darein, stumpfe und spitze, weiße, rote und blaue.
-
-Einen Heiligen trafen sie, der rastete mit durchbohrtem Leib mitten in
-hohen Disteln drin, verzückt in sein Leid. Ein Stieglitz wiegte sich
-auf einem der vielen Distelköpfe und letzte sich dran.
-
-Die Kinder wollten wissen, warum der Marterer den Spieß im Bauch habe;
-niemand konnte es ihnen deuten.
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-Ein Hirt lagerte unter einem nahen Haselnußbaum, der rief: »Der
-Herrgott hat unserm Heiligen zwei Zungen gegeben, daß er ihn besser
-loben kann.«
-
-Den Grazian verdroß die Prahlerei arg, und er knurrte: »Unser
-Blaumantel hat drei Zungen gehabt. Ich bin ein steifgläubiger Mann,
-aber gegen unsern Heiligen gilt euer Distelbub einen Pfifferling.«
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-Der Hirt raffte sich neugierig auf. »So seid ihr die Fuxloher, die die
-Heiligen stehlen? Bei euch sollen ja mehr Spitzbuben als gestutzte Hund
-sein.«
-
-Das ergrimmte den Hahnenwirt, und er schlug mit dem gekreuzigten
-Herrgott auf den Spötter los, der aber wehrte sich verbissen mit
-seinem krummen Stecken. Der Lukas Schellnober tat schließlich die zwei
-auseinander.
-
-»Dazuland sind die Hirten grob, das ist wahr,« schimpfte der Grazian,
-als sie schon weit von dem Distelgarten waren. »Kein Wunder, wenn die
-Muttergottes davon rennt! Setzt dem Teufel eine Säul her!«
-
-Mit hellen Augen sah die Ulla all die fremden Kapellen und Bilder der
-Heiligen, die auch nach dem Tod nicht ermüdeten, Wunder zu wirken, und
-sie konnte sich vor lauter Ehrfurcht nicht genug tun, und als vor einem
-jähen Straßenabsturz eine Säule stand, die Fuhrleute zu erinnern, daß
-sie hier den eisernen Schuh unter das Rad zwängen sollten, da ließ sich
-das Weiblein es nicht nehmen, sie kniete hin und betete gläubig hinauf
-zur Gibachtsäule.
-
-»Heiliger Radschuh, das sollt der Dullhäubel sehen!« lachte der rauhe
-Schmied.
-
-Unter einer breiten Linde, in deren Laub es sommerlich summte, rastete
-die Schar.
-
-Der Longinus Spucht lehnte das Notburgisfähnlein an den Baum und setzte
-sich auf eine Wurzel. Er hatte himmelblaue Hosen an und rote Strümpfe,
-er starrte auf die brennenden Waden und dachte zurück an die wilden
-Nächte am Lusen, während sein Weib am nahen Feld viereckigen Klee
-suchte, daß sie Glück habe.
-
-Die Kirchfahrer holten ihr Brot hervor, schmierten Schmalz darauf oder
-häuteten eine Wurst. Die Mütter zöpften die Dirnlein, die sich das Haar
-an den Stauden zerrauft hatten.
-
-Die Ulla fand ein paar Silberdisteln, sie schnitt den fleischigen Boden
-davon ab und aß ihn. »Das ist kein schlechtes Obst,« dachte sie.
-
-Sie strich wunderlich erregt in der Nähe der Raststatt herum. Sie fing
-einen bunten Weinfalter, der gar nicht scheu war und der Menschen
-Arglist nicht ahnte, und tat ihn in ein Schächtlein; sie zupfte
-Dornblumen ab und zierte sich den verrunzelten Kopf. Und als sie eine
-dichte Staude auseinander bog, erschrak sie bis ins innerste Herz:
-da lag verborgen der Marterheiland, kraftlos niedergesunken an der
-Geißelsäule, ein grauer Stein. Und halblaut sang die Uralte:
-
- »Unser Herrgott liegt im Moos
- gepeinigt und zerschunden,
- zählt die fünf bittern Wunden,
- und sein Schmerz ist groß.
- Kann nit sitzen, kann nit stehn,
- kann nit auf und weiter gehn,
- liegt in Dorn und Schleh,
- die fünf Wunden tun ihm weh.«
-
-Hernach ließ sie die Staude wieder sanft zusammenschlagen und schlich
-weg. Sie verriet keinem den heimlichen Herrgott.
-
-»Lüpft euch auf!« rief der Grazian. »Wir müssen weiter.«
-
-Verschollene, bemooste Gebete klangen wieder, oft ein Gemisch von
-Frömmigkeit und Unsinn, in alten halbvergessenen Formeln, den Betern
-selber unverständlich. Doch sie zerbrachen sich darüber das Hirn nicht
-und glaubten, Gott werde es sich schon auszudeutschen wissen. Wenn die
-Wellen der Gebete gar zu hoch schwollen, da reckte der Grazian den
-Finger auf: »Gebt nit alle Kraft her! Spart sie der Maria auf im Dorn!«
-
-Sie traten aus dem Gebirg heraus in ein freundliches Liebfrauenland
-voll sanfter Hügel, deren einige grüne Wälderhauben aufhatten; gelbe
-Felder wogten, Wiesenhalden lachten.
-
-Sie wanderten bald auf breiten, ebenen Straßen, bald gingen sie eines
-hinter dem andern einen dünnen Steig durch hohes Korn, sie verschwanden
-drin, und nur die Fahnen ragten drüber hinaus und kündeten von ihrer
-Wanderung.
-
-Ob des endlosen Getreides verzagten die Kinder, sie fürchteten, das
-Kornweib greife aus den Halmen und verschleppe sie in die knisternde
-Wildnis.
-
-Der Mittag flirrte über dem Land, immer glüher ward die Sonne, immer
-müder die Kreuzschar. Sie spannten die roten und grünen Schirme wider
-das ungestüme Licht. Staub stieg. Die Kinder trippelten an den Händen
-der Mütter, greinten und weinten oder begehrten ungeduldig heim. Viele
-ließen sich tragen.
-
-Der Didelmann seufzte: »Der Ziegel ist noch hübsch warm, aber die Nägel
-hab ich mir von den Zehen gerannt.«
-
-»Steinmüd bin ich,« klagte der Igel. »Der Sommer haut heuer über die
-Schnur. Für den Kornschnitt ist es recht.«
-
-»Der Weg wird sauer,« flüsterte der Grazian, »aber nachlassen dürfen
-wir nit.«
-
-Der Burgermeister lugte auf die Sackuhr und sagte: »Der Weg zieht sich,
-wir haben noch eine harte Stund vor uns.«
-
-»Hör auf mit deiner Uhr,« neckte ihn der Sulpiz, »sie geht nach dem
-Fuxloher Mondschein.«
-
-Und der Brunnkressenhannes seufzte: »Wenn nur der afrikanische Wind nit
-wehen tät!«
-
-Glänzte irgendwo ein Wiesenbrunn auf, so stürzten sie darüber her und
-tranken. An den Bächen wuschen sie sich die staubigen Stirnen. Erlöst
-atmeten sie, wenn ein Hain seine Kühle über die Straße warf.
-
-Einmal bildete sich der Grazian ein, er habe sich die Füße ausgekegelt.
-Er legte sich ins Gras, streckte die dünnen Beine in die Höhe und
-flehte: »Spucht, zieh an, aus Leibeskräften zieh an!«
-
-Der Spucht ließ sich nicht bitten und rüttelte ihm die Gliedmaßen.
-
-»Weh, du reißt mir den Fuß aus!« jammerte der Meßner. Er sprang auf und
-hinkte weiter.
-
-Die Ulla aber hatte ihre Traurigkeit vergessen. Sie hub ein helles
-Lied an, das sonst niemand kannte, und drum blieb ihre spinnwebfeine
-Stimme einsam. Vor den halbgeschlossenen Augen schaute sie die heilige
-Frau, der ihr Kittel war aus Sonnenschein, und gegürtet war sie mit dem
-Regenbogen. Und die Ulla fügte lustige Triller und jähe Jodler in ihre
-Weise, sie konnte nicht anders als fröhlich singen, verstummt war die
-Qual des Gewissens, und das Herz schlug ihr hellauf vor glücklicher
-Erwartung.
-
- »Wer hat denn nur das Lied erdacht?
- Droben aus der Höh
- es habens drei Engel vom Himmel gebracht.
- Mariafrau, juchhe!«
-
-»Hört der Ulla zu!« brummte der Schmied. »Ja, wenn die alten Weiber
-tanzen, hernach fliegt der Staub hoch.«
-
-Sie trabten eine kühle Waldstraße hin. Örterweise warteten Kapellen,
-drin des gebundenen Heilands Leidensrast und Weg zur Schädelstätte gar
-wild und lebendig abgebildet war.
-
-Die Sonne ermüdete und senkte sich aus der Höhe.
-
-»Leut, verzagt nit!« feuerte der Grazian seine Schar an. »Wir haben
-nimmer weit zum goldenen Haus.«
-
-Er fing eine Litanei an und betete sie genau mit derselben singenden
-und nachhallenden Stimme wie sein verstorbener Pfarrer Sebastian
-Knaupler, so daß mancher erschrocken auffuhr und meinte, den Verewigten
-selber zu hören.
-
-Der Meßner betete vor: »Von der heimlichen Nachstellung des bösen
-Feindes --.«
-
-Die Kreuzschar fiel ein: »Erlöse uns, o Herr!«
-
-»Von Pestilenz und Krankheit --.«
-
-»Erlöse uns, o Herr!«
-
-»Von Blitz und Ungewitter --.«
-
-»Erlöse uns, o Herr!«
-
-»Von den bösen Werken und Anschlägen des Kasper Dullhäubel --.«
-
-Da jauchzte die Ulla auf und deutete.
-
-Über den Wald stiegen die Turmspitzen der Muttergottes, die in den
-Dornstauden gefunden worden war, und funkelten mit blanken Knöpfen, und
-die Bittfahrer jubelten, und der Meßner schwenkte den Gupfhut.
-
-»Die Turmknöpf sind großmächtig,« sagte der Hahnenwirt, »ein jeder
-faßt einen ganzen Eimer Wein. Und das Uhrgewicht im Turm ist ein
-versteinerter Laib Brot.«
-
-Aus hohem Kreisfenster lugten die Glöcknerbuben, und schon läutete eine
-Glocke voll und schwer und himmlisch aus dem Getürm, es war ein Klang,
-als grüße die Herrgottin selber mit goldener Troststimme das Häuflein,
-das mit irdisch kläglichem Anliegen zu ihr kam, zur Muttergottes, die
-alle Gebresten wandelt in eitel Gesundheit, alle Schwäche verkehrt in
-blanke Kraft, alle Verzagtheit und Angst stillt, zur gewaltigen Frau,
-aus deren Schoß das Heil in die Welt gedrungen.
-
-Andere Glocken gesellten sich der goldenen Hochfrauenstimme, und ein
-Glöckel war darunter aus lauterem Silber, vor vielen Jahren hatten
-es die Fuxloher gestiftet, aus den silbernen Knöpfen der Bauern war
-es gegossen, und die Burgermeisterin selber hatte eine Schürze voll
-Laubtaler in die kochende Glockenspeise geschüttet. Nun klang das
-Glöckel lieb und herzlich, als sänge eine junge Bauerndirne, und als
-wüßte es, wer jetzt zu Besuch käme.
-
-»Die Fuxloherin läutet,« freuten sich alle, das Wasser zitterte ihnen
-in den Augen ob der Heimatstimme, die rosenkranzumstrickten Hände hoben
-sich.
-
-Der Wald tat sich auf: da lag die Gnadenstätte vor ihnen, hoch und
-mächtig.
-
-Ein Rausch ergriff die Kreuzschar, die Fahnen bauschten sich, die
-Quasten baumelten.
-
-Der Ulla war, jetzt müßten die Heiligen in der Kirche von den Simsen
-springen und ihnen entgegengehen, und sie selber trat einher gleich
-einer Hochzeiterin, das aufgelöste, bekränzte Haar wehte ihr wie ein
-silberner Schleier, ihre Augen waren heiß und selig aufgetan. Da
-schauten alle Wallfahrer die Ulla an und wurden von dunkler Ehrfurcht
-bewegt.
-
-Dann wurden die Fahnen geschwenkt und geneigt, Gesang stieg aus dem
-Wegstaub, die zarten und die groben Stimmen griffen ineinander.
-
- »Über Berg und über Tal
- und mit freudenreichem Schall,
- über Wald und grüne Au
- reisen wir zur Lieben Frau.«
-
-Immer brünstiger, gläubiger, wilder sangen sie, vergessen war der müde
-Leib, die Herzen schlugen, die Stirnen brannten, die Kinder taten die
-Augen wundergroß auf.
-
-Funkelnd trat der Pfarrherr aus dem Tor, die Sonne gleißte in der
-erhobenen Monstranz. Die Altarbuben schwangen die Schellen.
-
-Alles warf sich vor der Blendnis nieder, schüttete sich hin vor
-dem Segen, der sie grüßte, jeder schlug an die Brust und wagte vor
-Unwürdigkeit nicht, seinen Gott zu schauen, der aus der Monstranz
-glühte.
-
-Die Kirche empfing sie mit feierlicher Kühle.
-
-Die Orgel donnerte. Weiße Säulen, wie Schlangen gewunden, trugen den
-Hochaltar, und dort, umflattert von blauem Weihrauch, umkränzt mit
-schimmernden Heiligen, herrschte Maria, die Fürbitterin, die erste Frau
-im Himmel und auf Erden. Perlenstarrend, in gelben Locken, mit goldnen
-Ketten behangen, im Arm das Krönleinkind, erwartete sie die Menschen.
-Ihres blauen Sternenkleides Falten flossen hin wie ein geackertes
-Feld. Engel hielten eine Krone über sie. Große, gewundene Wachskerzen
-flackerten, und hoch droben glitzerte das gestirnte Gewölb tausendmal
-schöner als der Himmel der Nacht.
-
-Gestalten in verzückten Gebärden leuchteten an der Wand, ganze Kitten
-himmlischen Geflügels gaukelten wie Falter im Himmelsgarten. Kanzel,
-Altar, Rahmen, Leuchter, Lampen, alles funkelte, wie es sich für das
-Schloß der Königin ziemt, die die höllische Schlange überwunden und
-unter ihre Ferse gebracht hat. Rings lehnten Krücken und Stecken, die
-die Geheilten abgelegt hatten, die vormals so erbärmlich lahm gewesen,
-daß sie hatten weder kriechen noch gehen können. Eine wächserne Zunge
-hing dort, von einer Frau gestiftet, der die Zunge ans Zahnfleisch
-gewachsen war und sich hernach gelöst hatte. Auf Tafeln und Widmungen
-war geschrieben und gemalt, wie die göttliche Dornstaudnerin den
-Stummen die Rede geschenkt und den Rasenden die Vernunft, wie dem
-Blinden der Schein, dem Tauben das Ohr offen wurde, wie Geschwulst und
-Rotlauf vergingen, Wunden sich schlossen, Menschen wunderbar errettet
-wurden aus wilder Gefahr.
-
-Die Fuxloher bestaunten alles, nickten der Göttlichen zu und warfen ihr
-kupfernes Geld in den Opferstock.
-
-Die Kerzen knisterten am Altar, die Ulla starrte darein und staunte:
-»Reiche Welt!« Sie sah die Perlen glühen an der Gnadenfrau, Perlen
-größer als die Haselnüsse am Vogeltänd, hellblaue, pechschwarze,
-veilchenfarbne Perlen. Alles gloste von Gold und Silber und
-wunderschönem Glas.
-
-Doch der flimmernde Muttergottestand ängstigte die Alte, sie wagte kaum
-den hochlobpreislichen Namen zu wispeln, und hätte doch gar zu gern
-ihren weißen Kopf gelegt in Marias Schoß. Die droben am Altar war ihr
-zu stolz und zu reich. »Sie wird die armen Leut nit kennen wollen,«
-seufzte die Ulla.
-
-Jetzt reckte der Grazian den Hals und flüsterte eindringlich: »Leut,
-es ist an der Zeit, vergeßt nit, warum wir den weiten Weg gangen sind!
-Sagt es fein der Dornstaudnerin, warum wir heut ihren Freund, den
-Blaumantel, nit mittragen!«
-
-Da murrte die Schar ein dumpfes, hartes Gebet wider den Erzschelmen und
-Landschaden Kasper Dullhäubel.
-
-Die Ulla aber stahl sich mit bekümmertem Blick hinaus aus dem Glanz und
-irrte traurig und verlassen um die Kirche.
-
-Da fand sie eine Kapelle, drin raunte und sprudelte es traulich, und
-über dem rinnenden Brunnen war die Gottesmutter auf ein Brett gemalt,
-die lächelte lieb und grüßte mit den schlichten Augen das Weib; auf dem
-Schoß zappelte ihr das Kind, es tappte gerad nach einem Gimpel, und der
-Vogel drehte den Kopf und biß den Buben in den Finger.
-
-»Ei, da ist fröhlich hausen,« dachte die Ulla und kniete mit müden
-Knieen auf die Betstaffel hin vor das Bild und schaute sehnlich empor.
-Sie, die heimatlos war wie ein Fläumlein in den Lüften, das nicht
-fallen kann und nimmer steigen, hier fühlte sie sich daheim.
-
-Sie ließ den bunten Weinfalter frei, den sie gefangen hatte.
-»Marienkind,« schmeichelte sie scheu zu dem jungen Herrgott hinauf,
-»dir bring ich ein schönes, ein wunderschönes Sommervöglein.«
-
-Auf einmal dachte sie an ihr Herz, das sie voll Sünden wähnte, und sie
-betete still: »Maria, lichter als die Lilien hinterm Zaun, roter als
-die Nelken am Rain, ich grüß dich soviel tausendmal, als Sandkörner
-liegen auf den Straßen, als Laub wachst am Wald, als Sterne scheinen
-vom Himmelreich. Geweint hab ich viel, eine Zähre hat die andere
-gefeuchtet. Zu dir komm ich, dir vertrau ich, Maria. Durch deinen
-keuschen Namen bitt ich dich, du sollst mir sagen, ob ich eine Hex bin.«
-
-Der Heiligen froher Blick fiel auf den alten Heilbrunn. Da beugte sich
-die Ulla drüber und schaute ins Wasser, bis sie die eigenen Augen drin
-sah, und diese schauten so fromm und gut heraus, daß ihr wunderfriedsam
-unter dem gespiegelten Blick wurde, und sie wußte, daß es keine
-Hexenaugen waren.
-
-Hernach trank sie von dem fallenden Wasser. Der Marienbrunn sang
-vertraut, und draußen im Laub meldete sich ein Rotkröpfel.
-
-Hier war gut sein.
-
-Weit weg von der Welt kniete die Ulla und betete herzlich für Tote und
-Lebende, für alle, die sie kannte und die ihr Gutes getan oder Übles.
-
- * * * * *
-
-Am andern Tag gingen die Fuxloher heim. Sie wünschten sich herzlich
-wieder in die kleine Heimat zurück aus der Welt, die sie sich so weit
-und so breit gar nicht gedacht hatten.
-
-Wieder kürzten sie sich den Weg mit Lied und Litanei und ergötzten
-sich an den geweihten Andenken, die sie mit trugen, meist Bildern
-des Gnadenortes, mit gereimten Sprüchen bedruckt. Den Kindern hatte
-man auf dem Schleckmarkt etwas Gezuckertes gekauft, der Spucht
-hatte eine wächserne Nepomukszunge erstanden, der Grazian gar einen
-gläsernen heiligen Geist, und er trug die Taube in der spiegelnden
-Kugel zaghaft an einem Schnürlein, wich vorsichtig jedem Stein am Weg
-aus, und niemand durfte ihm in die Nähe. Wenn sie rasteten, hängte er
-sein gläsernes Glück an eine Staude und ließ es an einem Schnürlein
-schaukeln und im Licht glitzern.
-
-Allen, die da aus dem hochgoldenen Haus der Herrgottin heimkehrten
-in das dürftige Dorf, allen war, sie hätten als Gottes Gäste ein
-himmlisches Märlein erlebt, und jeder glaubte, daß jetzt die hohe
-Dornenstaudnerin seinen Wunsch auf einem wundergläsernen Teller in den
-himmlischen Saal tragen werde.
-
-Die alte Ulla trabte frisch dahin, sie fühlte sich leicht und über Erde
-und Leben erhoben wie die weißen Wolken droben.
-
-Der Schmied rief ihr zu: »Heut lachst du daher, Ulla, als ob du statt
-von der Muttergottes vom Altweibermüllner kämst.«
-
-»Einmal werd ich wieder jung,« antwortete sie. »Im Himmel sind wir alle
-gleich alt, dreiunddreißig Jahr, wie der Herrgott beim Sterben.«
-
-»Wer hat dir das erzählt?« zweifelte der Schmied. »Ist einer von
-Jenseits die Leiter wieder herab gestiegen?«
-
-Sie schüttelte ernst den Kopf. »Es darf keiner zurück, daß nix
-ausgeredet wird von oben. Es muß geheim bleiben.«
-
-Der Grazian seufzte: »Es muß ein harter Weg sein -- dorthin.«
-
-Je näher sie gen Fuxloh kamen, desto eifriger betete der Meßner.
-Allweil wieder rief er aus: »Gott, schenk uns einen feuchten, warmen
-Regen über Schlösselwald, Hundshaberstift und Leimgrub!« In diesen
-Orten hatte er seine Töchter verheiratet.
-
-Als die Kreuzschar auf der Bergschneide hielt, von wo der Blick wieder
-auf Fuxloh fiel, rief der Grazian: »Leut, kniet euch nieder, da seht
-ihr euer Vaterland wieder!«
-
-Der Fleischhacker Luitel rannte ihnen entgegen. »Männer, schwingt den
-Hut in die Höh,« keuchte er, »der Dullhäubel ist gestorben.«
-
-Da fuhr es den Kirchfahrern kalt durchs Hirn und eisig durch den ganzen
-Leib, und das Gewissen bäumte sich ihnen auf, weil ihre Bittfahrt so
-jähe Frucht gezeitigt hatte. Aber sie faßten sich bald wieder.
-
-»Der Herrgott hat diesmal leicht begriffen,« lachte der Wirt, »wir
-haben ihm es auch deutlich genug gesagt. Gelobt seist du, Maria!«
-
-»Er hat es verrichtet, der Dullhäubel,« seufzte die Iglin. »Hoffentlich
-ist er christlich entschlafen.«
-
-Dem Meßner Grazian erschlaffte im ersten Freudenschreck die Hand, das
-gläserne Gut entfiel ihm und zersplitterte. Da rief er kläglich: »Jetzt
-hab ich den heiligen Geist den weiten Weg hergetragen wie ein krankes
-Kind, und jetzt ist er beim Teufel!«
-
-Das Dorfglöckel läutete der Schar entgegen. Kinder kamen und erzählten
-von dem Leichnam des Dullhäubel.
-
-»Ganz schwarz ist er im Gesicht,« sagten sie.
-
-Der Grazian runzelte nachdenklich das Hirn. »O weh, das ist ein übles
-Vorzeichen! Ohne Weih und Segen, ohne Pfarrer und Meßner werden wir ihn
-begraben müssen. Lasset uns beten für die arme Seel!«
-
- * * * * *
-
-Die Ogath hatte den halben Tag über ihren Bauer gesucht und nirgends
-gefunden, schließlich stieg sie in schwerer Ahnung auf den Heuboden
-hinauf, dort griff sie blindlings ins Heu und spürte ein eiskaltes Knie.
-
-Mit einem einzigen Sprung war sie wieder drunten auf der Tenne.
-
-Sie schrie den Kindern: »Am Heuboden liegt er. Der Schlag hat ihn
-getroffen, er ist ein vollblütiger Mann gewesen. Die Leich ist schon
-kalt.«
-
-»Jesmaria,« plärrte die Wabel, »jetzt ist er gestorben und hat heut
-noch das Gesott[1] nit geschnitten!«
-
- [1] Häcksel.
-
-Die Töchter flogen zu den Nachbarn und Befreundeten in die Dörfer und
-zum Pfarrer, die Leiche anzusagen. Die Bäurin selber fuhr mit dem
-Schubkarren zum Tischler, der Totentruhen vorrätig hatte.
-
-Sie begegnete den Wallfahrern. »Der Bauer hat verlebt,« meldete sie,
-»übermorgen ist das Begräbnis.«
-
-Als sie abends mit der Truhe heimkam, saß der Dullhäubel vorm Haus,
-kerngesund, die Wangen blührot, und schnupfte.
-
-»Um Gottes willen, du lebst schon wieder?« stammelte sie.
-
-»Ich bin kreuzwohlauf,« grinste er. »Du hast dich gefleißt mit der
-Truhe. Hast du auch um den Pfarrer geschickt, daß er mir lateinisch und
-schlapperteinisch redet und seine Blimblamblorium macht?«
-
-»Aber du bist ja schon kalt gewesen, wie ich dich beim Knie erwischt
-hab?!«
-
-Er nickte tiefsinnig. »Eine hirschlederne Hose greift sich halt allweil
-kalt an,« sagte er.
-
- * * * * *
-
-Weil der Dullhäubel den Seinen verboten hatte, die Leiche abzusagen, so
-wußten nur wenige, daß er noch lebte. Die Leute, die nun zu des Bauers
-Begräbnis angewandert kamen, lächelten säuerlich, als er selber sie
-treuherzig begrüßte und ihnen ein Schnüpflein antrug.
-
-»Die Bosheit wuchert weiter, und die Gerechtigkeit ist übers Meer
-gefahren,« verzweifelte der Grazian.
-
-Hernach saßen alle im »pfalzenden Hahn,« und weil sich dort gerade auch
-drei böhmische, drei österreichische und drei bayrische Musikanten
-zusammen fanden, ging es bald hoch her, und man söhnte sich leichter
-mit dem verhinderten Begräbnis aus.
-
-Lange betrachtete der Dullhäubel seine Totentruhe. »Zweispännig wär sie
-mir lieber,« meinte er, »daß eine saubere Dirn mit mir drin übernachten
-könnt.«
-
-Er nutzte die Truhe ans, indem er Schloß und Band dran nageln ließ und
-sich drin Selchfleisch und manchen Leckerbissen versperrte, den er vor
-seiner genäschigen Sippe nicht sicher wußte.
-
- * * * * *
-
-Der Dullhäubel kam zu Glück und hohen Jahren.
-
-Seine Töchter misteten den Stall, schnitten das Gesott, rechelten die
-Streu, striegelten die Ochsen, ackerten, säten, ernteten, droschen. Er
-tat nichts.
-
-Die Wabel, die Reigel, die Rosel, die Portiunkel, die Stasel, die
-Kathel und die Liesel verheiratete er Bauern, die Glöckelstühle auf dem
-Dach hatten.
-
-Er ließ sich sein schelmisches Wesen nicht verkümmern, auch dann nicht,
-als er der Burgermeister von Fuxloh wurde, und die Leute starben nicht
-aus, die ihm den Galgen auf den Hals wünschten.
-
-Einmal nach der Kirchweih, als er sich weidlich angegessen hatte,
-setzte er sich vors Haus, nahm das Rubinglas und schlug sich eine
-erkleckliche Menge Tabak auf die Hand. Zuerst füllte er sich in
-behaglicher Andacht das rechte Nasenloch, und als er das andere
-befriedigen wollte und dabei schon das linke Auge wollüstig zudrückte,
-fiel ihm der Tod sanft in den Arm. Die Hand sank still, ungenützt
-flatterte das braune Häuflein herab auf die hirschledernen Hosen. Der
-Kasper Dullhäubel war nimmer.
-
-»Jetzt hat er den schönsten Tod auch noch, der Lump, der das Eingraben
-nit wert ist!« schalt der Meßner.
-
-»Ja ja, so geht einer nach dem andern dahin,« sagte der Schmied und
-ließ einen groben Wind streichen.
-
-Nur wenige gingen mit bedächtigem Bauernschritt hinter dem Sarg her;
-viele waren daheim geblieben, sie meinten, der Schelm sei unsterblich
-und könne nicht begraben werden.
-
-Der Filzhut des Ähnels und das Rubinglas wurden ihm mitgegeben, das
-hatte er sich ausbedungen.
-
-Als die Leiche in die Grube gelassen wurde, riß der Strick, die Truhe
-polterte hinunter und brach auf, und der Dullhäubel schaute noch einmal
-fröhlich die heulende Schar der Hinterlassenen an.
-
-»Schaufelt zu, schaufelt zu!« schrie der Grazian. Und alle, wie sie ums
-Grab standen, warfen schnell mit Händen und Füßen Erde hinab, daß der
-Erzschelm nicht noch einmal an den Tag käme. --
-
-Als der Grazian an dem nämlichen Abend am Dullhäubelhof vorüber ging,
-tat er einen harten Schrei. Er behauptete, der Verstorbene habe aus
-dem Dachfenster die Zunge auf ihn gereckt. Da zündete die Ogath eine
-Laterne an und durchsuchte alle Winkel des Bodens. »Dem schwänkischen
-Mann trau ich alles zu,« meinte sie.
-
- * * * * *
-
-Der Dullhäubel fuhr schnurgerade zum Himmelstor auf.
-
-Der heilige Peter stand davor, am Gürtel die beinernen Schlüssel, und
-schrieb mit einer hohen Pfaufeder in einem Buch. Als er den Schelm
-mit dem breiten Filzhut durchs Gewölk daher waten sah, hakte er das
-silberne Schloß des Buches zu und fragte: »Wer bist du? Gib Auskunft!«
-
-»Der Dullhäubel bin ich, Bauer aus Fuxloh«, antwortete der
-Himmelfahrer. »Gelobt sei Jesus Christus!«
-
-»Dein Nam ist mir verdächtig. Reck her deine Seel!«
-
-»Da wird halt der Blaumantel seine Sach fürgebracht haben. Es ist ihm
-aber nit alles zu glauben, dem Bruder, dem scheinheiligen.«
-
-»Schilt nit!« brummte der Peter. »Und einen Blaumantel gibt es bei uns
-nit.«
-
-»Es muß einer da sein,« bestand der Dullhäubel. »Schau nur gleich nach
-in dem dicken Buch!«
-
-Der Torwärtel raunzte: »Es ist ja möglich, daß früher einmal einer da
-heroben gewesen ist, der sich so geschrieben hat. Vielleicht ist er
-hinuntergefallen. Ich müßt den Herrgott fragen, der hat ein scharfes
-Gedächtnis.«
-
-Jetzt zog der Dullhäubel aus der hinteren Schößeltasche seine Seele
-heraus, blies ein Stäublein Tabak davon weg und zeigte sie ängstlich
-vor.
-
-Der Heilige rückte die Brille, schnüffelte an der Seele und krauste die
-Stirn. »Mein Lieber, du hast dich ganz und gar verirrt. Du gehörst wo
-anders hin. Schab deinen Weg!«
-
-Dem Dullhäubel stand der Schopf geberg. An des Kapuziners Cochem
-abscheuliches Bilderbuch erinnerte er sich, an den höllischen Ofen, wo
-die Zerknirschten heulten und Pech spieen und ihnen der siedende Geifer
-aus den Lefzen spritzte.
-
-Der himmlische Torwärtel tat eine Falltür auf, da ging der Höllensteig
-hinunter hundert Klafter tief, und des Dullhäubels Vorväter saßen ohne
-Ausnahme tief drunten auf einer glühenden Bank, den Hosenlatz hinten
-abgeknöpft, mit nacktem Sitz nach altem Erdenbrauch, und der Schwefel,
-den sie saufen mußten, rauchte ihnen greulich wieder aus der Nase
-heraus. Der Teufel kletterte eine brennende Leiter herauf und bellte:
-»Wau, wau!«
-
-»Mach die schwarze Tür zu, Peter!« hüstelte der Dullhäubel, der
-höllische Schwefel kitzelte ihn in der Nase.
-
-Doch der heilige Mann antwortete: »Bind dir die Seel fest ins
-Schneuztuch und steig hinunter! Sie warten schon.«
-
-Dem armen Schelm ward blau und grün vor den Augen. Aber er gab das
-Spiel nicht verloren. Das Rubinglas nahm er herfür. »Da schnupf, Peter,
-daß du einen andern Sinn kriegst!«
-
-Der Torwärtel liebäugelte mit dem Glas. »Der Tabak tät mir wohl. Da
-heroben wird keiner verschleißt, und wenn nix zu schnupfen ist, so ist
-das eine kleine Krankheit.«
-
-»Du solltest mich doch in den Himmel lassen, nur ein Vaterunser lang,«
-begehrte der Dullhäubel. »Vor dem Blaumantel will ich einen Fußfall
-tun.«
-
-Der heilige Peter nahm sich seine mannbare Nase voll. »Wundersam
-schmeckt der Tabak, der fehlt mir noch zur Seligkeit. Ich hab ihn mein
-Lebtag gern gehabt. Hau mir noch einen her auf die Hand! Anlehnen muß
-man sich schier, wenn man den da schnupft, sonst reißt er einen um.«
-Er blinzelte schalkhaft. »Was für ein Tabak ist es denn? Ein königlich
-bayrischer? Ein gepaschter, he?«
-
-»Nur hineinschauen laß mich ins Paradeis, Schlüsselmann!« bettelte der
-Dullhäubel.
-
-Den Heiligen hatte der brasilische Tabak ganz verwirrt, die Augen
-glosten ihm, und er tat das Tor auf.
-
-Jetzt stand der Dullhäubel im himmlischen Glanz.
-
-Da saßen alle die heiligen Bauernfreunde beisammen, der Wendel, der
-Liendel, der Isidor und der Steffel, und dengelten silberne Sensen, daß
-es wie ein vierfaches Glöckelspiel lieblich anzuhören war, und die Magd
-Notburga jätete in einem Krautgärtlein. Der Märtel und der Jörg ritten
-auf Milchschimmeln, die fraßen an dem fetten Wasen, der auf den Wolken
-wuchs. Andere Heilige stolzierten in seidenen Meßgewändern mit hohen
-Krummstäben auf der Sternstraße auf und ab, ein nackter Martersmann,
-dem silberne Pfeile in Stirn und Brust und Knie staken, lustwandelte
-lachend unter ihnen. Alle waren bloßköpfig, nur der heilige Rochus und
-der Dullhäubel nicht, die hatten den Hut auf.
-
-Engel rauschten mit schneeweißen Flügeln. Die himmlische Regenbogenfrau
-schaffte am Spinnrad, einen goldgrünen Käfer im Gefältel ihres Kittels,
-und daneben spielte das Herrgottsbüblein Ball mit dem Weltapfel.
-
-Der Himmelsgarten war umzäunt, auf jedem Zaunstecken saß und sang ein
-bunter Vogel, und das waren lauter selige Seelen.
-
-In der Mitte aber in wunderbarem, hohem Betstuhl saß Gottvater selber,
-in seinem Mantel war mit Perlen und Kleinoden der ganze Sternhimmel
-gestickt, auf seiner Brust zückte die Sonne ihre Strahlen.
-
-Der Dullhäubel senkte die Augen, daß er nicht erblinde, und schaute
-sich auf den Fuß.
-
-Über dem Herrgott war ein goldener Taubenkobel, der heilige Geist
-umflog ihn und gurrte wild herab.
-
-»Ei tausend,« staunte der Herrgott, »da kommt ja der Dullhäubel daher
-aus meinem guten Dorf Fuxloh! Was begehrst denn du da heroben?«
-
-Jetzt nahm der Schelm den Hut ab und stammelte: »Den Herrn Blaumantel
-such ich. Er soll sich auch Aurazian schreiben. Ich will ihn abbitten
--- zu wegen meiner Schlechtigkeit.«
-
-Der Herrgott sann nach. »Ich weiß alles. Aber einen Aurazian Blaumantel
-kenn ich im Himmel nit. Das ist ein Irrtum.«
-
-»Alsdann, Eure Heiligkeit -- --.« Der Dullhäubel stockte, er wußte
-nicht, wie er den Herrn hätte richtig anreden sollen.
-
-»Nenn mich nur Herr Gott!« meinte der Himmelvater. »Du bist dein Lebtag
-mit mir auf du und du gewesen (wenn du auch recht sparsam mit mir
-geplaudert hast), drum sag mir jetzt auch du!«
-
-»Alsdann, wenn es keinen Blaumantel da heroben nit gibt, dann ist meine
-Schuld weitaus geringer,« seufzte der Dullhäubel auf.
-
-»Und was begehrst du noch? Und was schaust du allweil auf deinen Fuß?«
-
-»Er möcht halt auch selig werden,« sagte halblaut der heilige Peter.
-
-Der Herrgott fuhr aus dem Betstuhl auf. »Was?! Der Spitzbub?!«
-
-Doch das himmlische Fräulein am Spinnrocken faltete die Hände. »Geh,
-lieber Gott, verstoß ihn nit! Laß ihn abwiegen!«
-
-Da schmunzelte der Gottvater, daß ihm der breite Bart auseinander ging,
-und winkte mit der Hand.
-
-Den Kometen wie eine Straußfeder am Hut, sprang der Riese Michel zur
-Tür herein, er trug eine großmächtige Wage. Den Bauer lüpfte er beim
-Kragen und setzte ihn in die eine Wagschale, in die andere legte er
-große Steine und Gewichte, das waren die Sünden und Schalksstreiche des
-Dullhäubel, und darunter war auch der Mühlstein vor der Mußmühle.
-
-Jetzt hob der Engel Michel die Wage. Die Schale mit dem Sünder
-schnellte hoch empor, und der Dullhäubel verzweifelte an seiner
-Seligkeit, zumal da sich an die andere Schale noch der Teufel mit
-kohlrackerschwarzen Rabenflügeln und einem langen, rauhen Schwanz
-gekrallt hielt.
-
-»O weh, o weh,« winselte der Sünder, »jetzt muß ich in der Höll
-knirschen auf ewig.«
-
-Aber auf einmal senkte sich die Schale, drin er hockte, langsam und
-stetig.
-
-»Schau hinunter auf die Welt, Dullhäubel, wer dir hilft!« sagte die
-Jungfrau Maria.
-
-Da sah er tief, tief drunten im grünen Fuxloh vor der Kapelle ein
-uraltes Weiblein hocken, das betete mit seinem Hagebuttenrosenkranz für
-die arme Seele des Dullhäubel. Es war die Ulla.
-
-Nun stand die Wage auf gleich.
-
-»Ich darf nit zu leicht befunden werden,« ächzte der Dullhäubel, der
-helle Schweiß rann ihm von der Stirn.
-
-In seiner Not langte er hinüber nach des Teufels Schwanz, und ob der
-Satan ihn auch mit der gespaltenen Zunge anlechzte und die rotfeurigen
-Augen abscheulich glühen ließ, der Dullhäubel packte des höllischen
-Widersachers Schwanzquaste und legte sie in die eigene Schale, und sie
-senkte sich um eines Härleins Breite tiefer als die andere.
-
-Da fing unser lieber Herrgott an, sich langsam den Bart zu streichen
-und auf einmal lachte er dröhnend auf, und der heilige Peter fiel wie
-besessen lachend auf die Pauke hin, worauf man sonst Gewitter und
-Donnerschlag wirbelt, und die Muttergottes und alle heiligen Leute
-konnten sich nicht helfen vor lauter Lachen, und nur der Teufel rupfte
-sich den rußigen Schopf, spie und ließ die Schale los und sprang in die
-Hölle.
-
-Vor dem breiten Herrgottsgelächter aber sank die Schale des Schelmes
-völlig herab, und er stieg aus und war gerettet.
-
-Doch der heilige Peter besann sich und murrte: »In der Welt drunten
-gibt es einen Spruch, und der ist wahr.
-
- Je ärger der Schalk, je besser sein Glück,
- je größer der Dieb, je kleiner der Strick.
-
-Herrgott, paßt denn der Bauerntrumpf da, der nixnutzige, der Tod und
-Teufel zum Narren gehalten hat, in deine lautere Seligkeit herein?«
-
-Der Herrgott warnte mit dem Finger. »Peter, Peter, geh mit unserm
-Dullhäubel nit zu streng ins Gericht! Es müssen auch andere Leut um
-mich sein, nit nur lauter Heilige. Die Heiligen sind mir oft ein wenig
-peinlich gewesen.«
-
-Und während der Herr mit seinem Knecht also sprach, trat einer auf den
-Dullhäubel zu und gab ihm derb die Hand. Der fremde Gesell trug einen
-altertümlich groben Bauernrock und Bundschuhe, und ein Spiegel hing
-ihm im Gurt; seine lichtblauen Augen funkelten mutwillig, sein Haar
-war gelb wie Stroh und darauf saß ihm statt des Hutes ein ruppiger,
-glotzender, krummschnabliger Ohrenvogel.
-
-»Ich sollt dich kennen,« sagte der Dullhäubel und dachte nach.
-
-»Du kennst mich,« kicherte der andere, »ich bin ja dein Bruder, der
-heilige Eulenspiegel.«
-
-Er hielt dem Dullhäubel den blanken Spiegel vor. Der lugte hinein und
-sah sich drin rosig leuchten, und über seinem Scheitel hing ein runder,
-lustiger Heiligenschein.
-
-Der Herrgott richtete jetzt die grauen, frohen Augen auf ihn.
-»Dullhäubel, was willst du im Himmel anfangen?«
-
-Der schalkhafte Mann leckte sich die Lippen und hob den listigen
-Bauernblick. »O Herr, wenn ich es wünschen darf, will ich im Sommer
-Schnee schaufeln und im Winter das Vieh hüten.«
-
-»Zu meiner Rechten darfst du nit sitzen,« lachte der Herrgott, »du bist
-heut noch nit viel wert. Jetzt führ dich gut auf und laß dir einen
-milden, süßen Most einschenken.«
-
-Das war dem Dullhäubel recht. Und er sagte zu der Himmelsfrau: »Liebe
-Fürbitterin, du schnupfst nit? Für deine wehleidige Jungfernnase ist
-meine Mischung zu scharf. Aber uns schmeckt es, gelt, Gottvater!«
-
-Er schüttelte das rubinene Glas und ließ den Tabak rieseln auf des
-Herrgotts strahlende Hand.
-
- * * * * *
-
-Also hat unser Herrgott an einem gelungenen Schelm mehr Freude als
-an neunundneunzig Gerechten. Und so findet die Geschichte vom Kasper
-Dullhäubel jetzt ihr
-
- _Ende_.
-
-
-
-
-Von demselben Verfasser erschienen vorher im gleichen Verlag:
-
-
-Aus wilder Wurzel
-
-Ein Roman
-
-Einbandzeichnung von Oswald Weise. 10. Tausend
-
-_Münchner Allgemeine Zeitung_: »Das vorliegende Buch ist des Dichters
-beste und reichste Schöpfung und läßt noch ausgereiftere, kostbarere
-Früchte erwarten. Hart, eisern, von knirschendem Willen durchzuckt ist
-dieser Bericht, der von den mutig-zagen Bauern zu erzählen weiß, die es
-auf sich genommen, die furchtbare Baumwildnis der Eisensteiner Berge
-im endlosen Böhmerwalde der Scholle dienstbar zu machen. Watzliks Buch
-wird zu den bleibenden unseres Literaturschatzes gehören.«
-
-
-Der Alp
-
-Ein Roman
-
-Einbandzeichnung von Richard Birnstengel. 6. Tausend
-
-_Paul Grabein_ im Düsseld. Generalanz.: »... Der Wert des Buches
-besteht in der ganz prachtvollen, realistischen und doch wieder
-poetisch überhauchten Schilderung der Natur und Menschen des
-Böhmerwaldes. Eine Fülle von Gestalten zieht an uns vorüber, jede
-scharf umrissen in ihrer Erscheinung. Die künstlerische Wirkung
-Watzliks wird noch gehoben durch die eigenartige Schönheit und
-Bildkraft seiner Sprache ...«
-
-
-Im Ring des Ossers
-
-Erzählungen aus der Vergangenheit des Böhmerwaldes
-
-10. Tausend
-
-_Die Wage_, Wien: »... In wohlgepflegter Sprache, die stellenweis wie
-wundervoll gestimmte Glocken klingt, läßt er des Urwalds Schimmer
-und geheimnisvoll durchbrauste, zauberische Wildnis farbengolden vor
-uns erstehn. In einigen Skizzen arbeitet er mit allen Kunststücken,
-Schönheiten und Klängen des Wortes, daß die Seele erschauert,
-beglückt und berauscht von der übertönenden und überstürzenden Kraft
-poesievoller Schilderung ...«
-
-
-O Böhmen!
-
-Roman. Einbandzeichnung von G. Gelbke. 11. Tausend
-
-_Deutschnationales Jahrbuch 1919_: »Ein Heimatroman, der den Kampf
-der Deutschen Böhmens um ihre Heimatscholle, deutsches und slawisches
-Leben mit solcher Farbenpracht und so glutvoller Innigkeit schildert,
-wie kein zweites Buch. Jeder Satz darin ist Poesie, und wir dürfen
-den Dichter mit immer größerem Recht zu den ersten Deutschösterreichs
-zählen.«
-
-
-Phönix
-
-Ein Roman aus der Wiedergeburtszeit Böhmens
-
-6. Tausend
-
-_Kölnische Zeitung_: »Wildromantische Ereignisse werden mit großer
-Farbenpracht durchgeführt, daneben aber macht sich die zartere Romantik
-eines innigen Naturgefühles liebenswürdig geltend. Ein spannend
-erzählter, an starken Wirkungen reicher Roman, der auch große poetische
-Werte besitzt. Man hat es in dem Buch mit dem Erzeugnis einer hohen
-dichterischen Begabung zu tun.«
-
-
-Ferner erschien im Verlag Gebr. Stiepel in Reichenberg:
-
-
-Wermuter
-
-Eine Novelle. Mit Bildern von Artur Ressel. 4. Tausend
-
-
-=Schloß Weltfern.= Ein Roman. 5. Tausend
-
-
-Der flammende Garten
-
-Gedichte. Mit Bildern von Viktor Eichler. 2. Tausend
-
-
-=Firleifanz.= Ein Bilderbuch
-
-
-=Einöder.= Ein Novellenbuch
-
-
-Die Abenteuer des Florian Regenbogner
-
-Liebhaberausgabe mit Bildern von Ferdinand Staeger 2. Tausend
-
-
-
-
- Weitere Anmerkungen zur Transkription
-
-
- Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Der
- Schmutztitel wurde entfernt.
-
- Korrekturen:
-
- S. 295 lustwandete → lustwandelte
- {lustwandelte} lachend unter ihnen
-
-
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-End of the Project Gutenberg EBook of Fuxloh, by Hans Watzlik
-
-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK FUXLOH ***
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- The Project Gutenberg eBook of Fuxloh, by Hans Watzlik.
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-<body>
-
-
-<pre>
-
-The Project Gutenberg EBook of Fuxloh, by Hans Watzlik
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
-other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of
-the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
-www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have
-to check the laws of the country where you are located before using this ebook.
-
-
-
-Title: Fuxloh
- oder Die Taten und Anschläge des Kasper Dullhäubel
-
-Author: Hans Watzlik
-
-Release Date: May 19, 2020 [EBook #62178]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: UTF-8
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK FUXLOH ***
-
-
-
-
-Produced by The Online Distributed Proofreading Team at
-https://www.pgdp.net
-
-
-
-
-
-
-</pre>
-
-
-<div class="transnote">
-<p class="h2">Anmerkungen zur Transkription</p>
-
-<p>Das Original ist in Fraktur gesetzt.
-Im Original gesperrter Text ist <em class="gesperrt">so ausgezeichnet</em>.
-Im Original in Antiqua gesetzter Text ist <em class="antiqua">so markiert</em>.
-</p>
-
-<p>Weitere Anmerkungen zur Transkription befinden sich
-am <a href="#tnextra">Ende des Buches</a>.</p>
-</div>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/cover.jpg" alt="Cover" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<p class="center bold">HANS WATZLIK</p>
-
-<h1>Fuxloh</h1>
-
-<p class="center smaller">oder</p>
-
-<p class="center gesperrt">Die Taten und Anschläge des
-Kasper Dullhäubel</p>
-
-<p class="center">*</p>
-
-<p class="center">Ein Schelmenroman</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/signet.jpg" alt="Signet" />
-</div>
-
-<p class="center bold">L. STAACKMANN VERLAG / LEIPZIG</p>
-
-<p class="center">1922
-</p>
-<hr class="chap" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<p class="center">Alle Rechte, besonders das der Übersetzung, vorbehalten.</p>
-
-<p class="center">Für Amerika:</p>
-
-<p class="center"><em class="antiqua">Copyright 1922 by L. Staackmann Verlag, Leipzig</em>.</p>
-
-<p class="center p2">Gedruckt bei Dr. Kurt Säuberlich in Leipzig</p>
-<hr class="chap" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_5">[5]</a></span></p>
-
-<h2 id="Das_grune_Holz">Das grüne Holz.</h2>
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_7">[7]</a></span></p>
-</div>
-<div><img class="drop" src="images/drop-f.png" alt="" /></div>
-<p class="drop">Fuxloh lag ganz hinten in der Welt zwischen den
-Örtern Blaustauden und Grillenöd, abseits von
-den breiten Straßen duckte es sich verloren in den
-Wäldern, ein gar rauhes Dorf voller Tannen.
-Obst trug dort nur ein einziger Mostbirnbaum, der
-über hundert Jahre alt war, doch waren seine Birnen
-so grausam herb, daß man schreien mußte, wenn
-man hineinbiß. Sonst gediehen nur noch ein paar
-Vogelbeerbäume und Elexstauden droben an den
-felsigen Wegen. Aber in ihrem Schatten blühte
-die weltentlegenste Einfalt in tausend Blumen aus.</p>
-
-<p>Heute findet man das Dorf nimmer, die Wälder
-sind darüber gewachsen.</p>
-
-<p>Der Fuxloher Wind blies scharf und brannte den
-Bauern den Schlund aus. Drum war in dem Ort
-der Durst daheim. Besonders vorzeiten blieben die
-Männer oft wochenlang auf der Wirtsbank, sie
-knöpften sich den Latz vom Hosenboden ab und saßen
-auf dem rohen Fleisch, um das Hirschleder zu schonen.<span class="pagenum"><a id="Page_8">[8]</a></span>
-Am Samstag brachten ihnen die Weiber frische
-Hemden ins Wirtshaus. Und hie und da banden
-sich die Säufer mit Stierketten aneinander, daß keiner
-sich heimlich von der nassen Mette wegschleiche und
-sie alle gemeinsam in des Rausches Elend fuhren.</p>
-
-<p>Dazumal waren die Fuxloher als grobe Schelme,
-Wilderer und Raufer verrufen, im Lauf der Zeiten
-aber verloren sie allmählich den übeln Leumund.
-Es geschah kaum mehr, daß einer den Grenzstein in
-des Nachbarn Acker rückte, Rösser wurden überhaupt
-nimmer gestohlen, und selten nur weckte einen nachts
-das alte Raubschützenblut aus der Rast, daß er
-aufsprang und an der bayrischen Grenze irgendwo
-auf einer Waldschneise einen Bock niederknallte.</p>
-
-<p>Nur im Dullhäubelhof hatte sich die alte Art
-der Fuxloher treulich erhalten.</p>
-
-<p>In einer Schlucht am Wolfsbach, wohin die
-Bauern vom Dorf herab immer die Gänse trieben,
-daß sie schwimmen lernten, lag das Gehöft mit dem
-moosgrünen Schopfdach, darunter an die Mauer ein
-verschmitztes Gesicht gemalt war mit dem Spruch:</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">Gott, gib jedem Lumpenhund<br /></span>
-<span class="i0">zehnmal mehr, als er mir gunnt!<br /></span>
-</div></div>
-
-<p>Vor langer Zeit, als die ungarische Königin Resel
-mit dem Preußen Krieg führte, hauste der Pankraz<span class="pagenum"><a id="Page_9">[9]</a></span>
-Dullhäubel auf dem Hof. Bei dem kehrte der Reichtum
-ein. Den Kopf deckte er sich allweil mit einem dreieckigen
-Hut, an seinem Rock glänzten mehr Knöpfe,
-als Tage im Jahr waren. Er ließ das Geld springen
-und hatte die nötige Münze dazu, denn er war ein
-Werber, und damals, wo Soldaten gegen Preuß
-und Türk sein mußten, da lohnte sich sein falsches
-Gewerb. Manch armen Schlucker fing er, der sich
-über die Grenze herüber verirrt hatte, und der
-wurde ohne Erbarmen ins Regiment gestoßen, und
-viele hatte der Pankraz am Gewissen, die im Krieg
-auf der blutigen Fleischbank verdarben.</p>
-
-<p>Dazumal kam auch ein Erdspiegel ins Haus, der
-Pankraz handelte ihn einem wallischen Juden ab,
-und die Fuxloher fürchteten jetzt den Bauer, der
-das zauberische Gerät verborgen hielt und dadurch
-Macht gewann über alle andern.</p>
-
-<p>Aber einmal fing er mit seinen Helfershelfern
-einen Handwerksburschen und kettete ihm die Hände,
-und als er ihn gen Hirschenbrunn führte, um ihn
-dort zu stellen, mußte er sich unterwegs bücken, die
-Schuhschnalle zu schließen, die ihm aufgesprungen
-war. Den Augenblick nutzte der Gefangene aus,
-er schlug dem Werber die Fesseln auf den Schädel,
-daß er hin war.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_10">[10]</a></span></p>
-
-<p>Ein arger Vogel legt ein arges Ei.</p>
-
-<p>Der Nachkömmling des Pankraz war der Servaz
-Dullhäubel. Der trieb sich in grünen Jahren in den
-Wäldern des Lusens umher und schoß die stolzen
-Hirsche und die starken Bären. Das Wildern fiel
-ihm leicht, da er sich dazu himmlische Hilfe zu
-sichern wußte: er schaffte oft des Nachts ein Wildbret
-in die Blaustaudner Pfarrküche, und dafür schloß
-der damalige Geistliche ihn und seine Wege täglich
-ins Meßgebet ein.</p>
-
-<p>Als dem Servaz einmal von einem Jäger der
-Fuß krumm geschossen wurde, mußte er das freie
-Wildschützleben lassen, aber sein zorniges Blut gab
-ihm keine Ruhe, und er wurde der wildeste Raufer
-waldauf und waldab. Wenn er zum Kirchweihtanz
-ging, gab ihm die Bäurin immer sein Totenhemd
-mit. Die Haut war ihm von Messern zerstochen,
-der Schädel zerschrammt von splitternden
-Krügen, das eine Ohr abgebissen, die Zähne eingeschlagen.
-Mit heraushängenden Därmen schleppte
-er sich einst von Fuxloh nach Blaustauden zum
-Balbierer, dort schob er fein lind das Gedärm zurück
-in seine alte Stätte, steckte Speck in das Loch
-und nähte es sich selber mit des Balbierers Nadel
-zu. Die Naht hielt hernach noch dreißig Jahre.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_11">[11]</a></span></p>
-
-<p>Er rühmte sich oft, der Richter solle ihm in
-seinem Buch ein Gesetzlein vorweisen, danach er
-noch nicht abgestraft wäre. Kurz vor seinem Absterben
-noch erschlug er auf der Kegelbahn den
-Waldheger von Daxloh mit einem Kegel.</p>
-
-<p>Der Apfel rollt nicht weit vom Baum.</p>
-
-<p>Der Nachkömmling des Servaz war der Bonifaz
-Dullhäubel. Der hatte es wiederum auf das
-Bier und den groben Bauernwein abgesehen und
-soff und schlampampte, daß es ihm schier zu den
-Ohren herausrann. Fuhr er mit dem Rössel
-in die Stadt, so schob er dort Kegel auf volle
-Flaschen und streute das Geld den Kellnerinnen
-hin. Bei jedem Krug, der ihm vorgesetzt wurde,
-tat er einen von den fünfundzwanzig Gupfknöpfen
-an seinem Brustfleck auf; war die Weste ganz
-offen, so zahlte er seine Schuld, knöpfelte wieder
-zu und hub von frischem an. So wurde er auch
-in der größten Zeche nicht irr. Wenn er keinen
-Trunk mehr bewältigen konnte, so bahrten Wirt
-und Hausknecht ihn auf seinem Wagen auf, das
-Rössel zog an und trabte mit dem Schlafenden
-durch Wald und Sternschein heim. Doch hielt es
-vor jedem Wirtshaus an, beim grünen Kuckuck,
-beim Posthorn, bei der Siebenkittelwirtin, bei der<span class="pagenum"><a id="Page_12">[12]</a></span>
-Mausfalle, beim blauen Mondschein, und wie die
-Einkehrstätten alle hießen, und der Trunkene reckte
-sich aus dem Schlaf und gröhlte: »He, Wirt,
-füll nach!«</p>
-
-<p>Ein anderes Anwesen wäre unter den Hammer
-gekommen, der Dullhäubelhof aber hielt den Säufer
-aus. Viel Grund und Boden und Holz und Vieh
-gehörten dazu, und die Bauern hätten noch viel
-reicher sein können, wenn es sie darnach gelüstet hätte.
-Denn der Pankraz, der Guckähnel, hatte einen
-schönen Schimmel im Stall stehen, und der Waldfürst
-hätte das schneeblührieselweiße Roß gar gern
-geritten und dafür den ganzen weitmächtigen Wald
-bis zum Lusen hingegeben. Der Pankraz aber
-hätte nimmer getauscht, und wenn der Fürst vor
-ihm auf den Knieen gerutscht wäre.</p>
-
-<p>Wie gelebt, so gestorben. Vor lauter Gesundheittrinken
-kam der Bonifaz Dullhäubel um die
-Gesundheit.</p>
-
-<p>Die Fuxloher mähten gerade die Wiesen, da
-kroch der Bonifaz in der Scheuer des Wirtes
-»zum pfalzenden Hahn« ins Heu, seinen schweren
-Rausch zu verschlafen, und die Mäher verschütteten
-ihn aus Übermut unter dem Heu. Sie vergaßen
-ihn aber hernach in ihrer heißen Arbeit und erinnerten<span class="pagenum"><a id="Page_13">[13]</a></span>
-sich erst, als die Bäurin ins Dorf kam
-und nach dem Bonifaz fragte. Schnell räumten
-sie das Heu weg; da lag der Vergrabene mit
-lustigem Gesicht, aber erstickt. Weil die Burschen
-den Weg zum Gericht scheuten, so halfen sie sich,
-wie sie es verstanden: sie schlugen einen Haken in
-die Scheuer, wo sie am finstersten war, hängten
-den Toten dran und drückten ihm seinen breiten
-filzenen Scheibenhut in die Stirn. Dann schrieen
-sie das Unglück im Dorf aus: »Leut, Leut, der
-Bonifaz hat sich aufgehängt!« Und weil eben ein
-Sturm anfing, glaubten die Fuxloher ihnen gern
-und sahen mit Grausen, wie der Strick sich dem
-Bonifaz um Hals und Bart schnürte, und der
-Totengräber in Blaustauden drunten grub das
-Grab um drei Schuh tiefer als sonst, daß der
-Bonifaz nimmer heraus und umgehen könne.</p>
-
-<p>Die Bäurin gab ihm den Scheibenhut mit in die
-Truhe. Sie meinte, in der Ewigkeit sei es hübsch
-lüftig, und der Selige sei allweil heikel gewesen
-auf den Zugwind. Auch steckte sie ihm die Pfeife
-ins Maul, er möge sich jenseits etwas vorqualmen,
-daß ihm Zeit und Ewigkeit besser vergingen. Sie
-war ein fürsorgliches Weib, die Sodonia.</p>
-
-<p>Wie die alten Vögel pfeifen, so stümpern die jungen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_14">[14]</a></span></p>
-
-<p>Der Nachkömmling des Bonifaz war der Isidor
-Dullhäubel. Der schlug sich, als er zur Mannheit
-kam, mit einem Stein die vordersten Zähne aus,
-womit die Soldaten das Papier von den Patronen
-reißen, daß das Pulver ins Gewehr rinne. So
-blieb der Isidor vor dem Krieg verschont.</p>
-
-<p>Der neue Bauer meinte, ein richtiger Mann
-müsse neun Kinder zeugen, und da mußte nicht
-bloß seine Bäurin daran glauben, sondern auch
-alle Mägde, die auf dem Hofe dienten. Die
-Kinder außerhalb der Ehe wuchsen frisch und fröhlich
-heran, die eheleiblichen aber wurden nicht alt.
-Sein Weib, die Sanna, sorgte sich nicht um die
-Brut, sie schlief gern und schlief allweil ein, wenn
-sie säugte, und der Säugling fiel ihr dabei oft
-aus dem Schoß. So blieben ihr, ein einziges
-ausgenommen, keine Kinder, trotzdem daß sie sehr
-fruchtbar war und nur Zwillinge und Drillinge
-gebären konnte.</p>
-
-<p>Sie grämte sich nicht um die Liebschaften des
-Bauers. Doch die Sodonia, die Altbäurin, war
-ob der heidnischen Vielweiberei ihres Sohnes
-schwer bekümmert. Aber wenn ihm wieder einmal
-ein Staudenkind auf die Welt kam und die Sodonia
-ihm es als Sünde heftig verwies, lachte er nur:<span class="pagenum"><a id="Page_15">[15]</a></span>
-»Fürs Lebendigmachen ist noch keiner gestraft
-worden.«</p>
-
-<p>Der Isidor Dullhäubel führte allzeit sein Tabakglas
-mit, und weit und breit tat es ihm keiner
-gleich im Schnupfen. Nicht einmal der Blaustaudner
-Schulmeister, der, selbst wenn er die
-Orgel zum Hochamt schlug, den Tabak nicht völlig
-entbehren konnte und darum auch beim Spiel allweil
-ein braunes Häuflein auf dem Handrücken
-trug und die Nase oft und oft inbrünstig dazu
-niederstoßen ließ und mitten in Gottes Lobpreisung
-andächtig hineinschnupfte.</p>
-
-<p>Als der Isidor noch frommer war, schnupfte er
-in den Fasten nicht, so sehr es ihn auch lüstete;
-er tat sich einen Abbruch, um Gott wohl zu gefallen.
-Erst am letzten Kartag, wenn der Pfarrer sang:
-»Christ ist erstanden!«, da nahm er sich wieder
-das erste Schnüpflein. Als aber am Auferstehungstag
-einmal der Geistliche kein Ende fand und Gebet
-an Gebet, Litanei an Litanei knüpfte und nimmer
-in den Erlösungsruf ausbrach, schlug sich der Isidor
-ungestüm den Tabak auf die Hand: »Ob der Herrgott
-auferstanden ist oder nit, &ndash; ich schnupf!«
-Seither fastete seine Nase nimmer, und wenn ihm
-einer dies als Laster vorrückte, wehrte er sich:<span class="pagenum"><a id="Page_16">[16]</a></span>
-»Das Schnupfen ist keine Sünd. Der Pfarrer
-Eusebius hat seine Tabakdose sogar auf dem heiligen
-Kelch zum Altar getragen. Freilich hat der mit
-seiner geistlichen Nase nur Spaniol mögen, und
-ich schnupf brasilianischen Tabak. Aber unser Herrgott
-kennt keinen Unterschied.«</p>
-
-<p>Dazumal, als sie den alten Bonifaz vom Nagel
-herunternahmen, lümmelte der Isidor mit seinem
-Nachbar, dem Mußmüller, im »pfalzenden Hahn«,
-ließ sich von ihm über den Tod seines Vaters
-trösten und lüpfte eifrig den Krug.</p>
-
-<p>»Sei froh, daß er hin ist,« redete der Müller.
-»Es ist dein Glück, daß er im Ausgeding gesessen
-ist, er hätt dir sonst den ganzen Hof versoffen.«</p>
-
-<p>Der Isidor schaute finster. »Soviel kann keiner
-versaufen, als ich hab. Und vergönn es ihm, neid
-es ihm nit in die Grube nach!«</p>
-
-<p>»Dullhäubel,« der Müller hob beschwörend die
-Stimme, »Dullhäubel, ich weiß es: der Durst
-schluckt den Bach samt der Mühl.«</p>
-
-<p>»Deinen Bach freilich, Gori, der hat kein Wasser,«
-grinste der Bauer. »In aller Früh gehst du aus,
-schlagst mit der Stange den Tau von den Erlen,
-daß du Wasser aufs Rad kriegst.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_17">[17]</a></span></p>
-
-<p>In des Mußmüllers Stirn schnitten sich zwei
-scharfe senkrechte Falten, er packte das Stutzenglas
-und hieb es dem Isidor auf den Schädel, daß
-die Scherben flogen. Jetzt hob auch der Bauer
-sein Glas und trümmerte es dem Müller auf das
-Hirn. Das alles geschah ohne sonderlichen Lärm.</p>
-
-<p>Derweil der Wirt neue Gläser holte, saßen sie
-blutig und lachten.</p>
-
-<p>»Nix für ungut, Müllner.«</p>
-
-<p>»Tu her ein Schnöpflein, Isidor, daß wir einen
-andern Sinn kriegen!«</p>
-
-<p>Der Bauer zog von dem blauen, geschliffenen
-Tabakglas den Stöpsel weg, den er aus Weiberhaaren
-geflochten hatte, und die zwei kräftigten sich
-an dem scharfen Brasil.</p>
-
-<p>Der Wirt stolperte in die Stube. »Dullhäubel,
-dein Weib hat sich ein ungeschicktes Wochenbett
-ausgesucht. Gerad vor der Kapelle hat die Wehstund
-sie angepackt.«</p>
-
-<p>Der Bauer pfiff halblaut vor sich hin; die Hand,
-die sich mit einem Schnöpflein heben wollte, sank ihm.</p>
-
-<p>»Sie ist über den Erhängten zu stark erschrocken,«
-redete die Wirtin zum Fenster herein.</p>
-
-<p>Der Müller riet: »Nachbar, drück die Knie zusamm,
-daß sie leichter niederkommt!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_18">[18]</a></span></p>
-
-<p>»Bei der Kapelle?« besann sich der Bauer. »Das
-ist kein ungeschickter Ort, Wirt. Da springt der
-heilige Blaumantel heraus und steht ihr bei.«</p>
-
-<p>»Wir Weiber helfen uns schon selber,« schwätzte
-die Wirtin. »Ich für mein Teil komm um einen
-weißen Laib Brot nieder, ich geh dreimal in der
-Stube hin und her und beutel das Kind ab.«</p>
-
-<p>Der Isidor blähte sich auf. »Studieren muß er,
-der Bub. Ein hoher Herr soll er werden; Steuern
-soll er einmal ausschreiben, den Müllnern und den
-Wirtsleuten!« lächelte er mit pfiffigem Querblick.</p>
-
-<p>»Was? Mir neue Steuern?« brauste der Gori.
-»Jetzt, wo wir Müllner so schwer geschädigt sind
-von den neuen Zeiten? Alle Gerechtigkeit haben sie
-uns genommen. Früher haben wir im Bach fischen
-dürfen, so weit unsereiner den Hammer hat werfen
-können. Heut nimmer. Früher ist meine Mühl
-eine Zwangmühl gewesen; heut schafft ein jeder
-sein Korn nach Trippstrill und Schlampampen.«</p>
-
-<p>»Dullhäubel, drei Buben!« rief die Wirtin in
-die Stube.</p>
-
-<p>»Sakerment, wie viel?« Der Bauer hielt wie
-schwerhörig die Hand ans Ohr.</p>
-
-<p>»Drei Buben. Bis jetzt.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_19">[19]</a></span></p>
-
-<p>Der Dullhäubel faltete die Hände. »O Herr,
-halt ein mit deinem Segen!«</p>
-
-<p>Die Tür knarrte, und auf der Schwelle stand
-die Hebamme mit einem mächtigen Wickelpolster,
-drin zwei Büblein kläglich winselten. Eine Magd
-trug das dritte Kind.</p>
-
-<p>»Drei Buben, Bauer!« meldete die Hebamme.
-»Eine harte Geburt! Gerad vor der Kapelle.«</p>
-
-<p>Der Isidor Dullhäubel ergrimmte. »Hat er
-ihr also nit geholfen, der Blaumantel? Da steht
-er schon so lang auf meinem Grund, und jetzt,
-wo meine Buben anrücken, jetzt rührt und ruckt
-er sich nit. Jetzt reicht er keine Hand.«</p>
-
-<p>»Er ist halt ein Heiliger und keine Hebmutter,«
-beschwichtigte ihn der Müller.</p>
-
-<p>Aber der Bauer eiferte: »Ist doch schon die
-Muttergottes selber aus ihrem silbernen Gewölk
-gestiegen und den Weibern beigesprungen in ihrer
-Stund! Hätt nit der Tropf auch aus seiner
-Kapelle treten können?!«</p>
-
-<p>»Wischt euch das Blut ab, Männer,« sagte die
-Hebamme, »und geht gleich mit zur Taufe, daß
-die Würmer nit als Heiden absterben. Daß sie
-ins Engelreich kommen und drüben einen Namen
-tragen. Der ist traurig dran, der keinen Namen<span class="pagenum"><a id="Page_20">[20]</a></span>
-führt. Und die Drillinge werden nit lang leben,
-es sind Siebenmonatkinder.«</p>
-
-<p>Die zwei Männer standen auf und wankten
-mürrisch den Weibern nach ins Pfarrdorf Blaustauden
-hinunter.</p>
-
-<p>Dort in der Kirche legte die Hebfrau ihr Paar
-dem Müller in die Arme, derweil der Bauer den
-einschichtigen Sprößling hielt. So traten sie zu
-dem Taufstein.</p>
-
-<p>Der Pfarrer ließ nicht lange warten.</p>
-
-<p>»Hollah, drei auf einem Schub!« lachte er. »Die
-drei Eismänner haben schon auf deinem Hof
-gehaust, sind wunderliche Heilige gewesen, Dullhäubel.
-Taufen wir die da nach den drei Königen!«</p>
-
-<p>Und er taufte sie Kasper, Melcher und Balthauser.
-Die Büblein hielten sich mäuselstill, und
-erst, als bei der Taufe des Kasper, den der
-Bauer selber hielt, der geistliche Herr fragte:
-»Widersagst du dem Teufel?« da schrie der Bub
-gar mörderlich auf, als sei er von dem besessen,
-dem er absagen sollte, und sei mit der Taufe gar
-nicht einverstanden.</p>
-
-<p>»Halt das Maul, Kerl, oder ich schlag dir die
-Zähne ein!« drohte der Pfarrer.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_21">[21]</a></span></p>
-
-<p>»Segnet ihn mir gut ein, Hochwürden, den
-Kasper!« bat der Bauer. »Spart kein Wasser nit!«</p>
-
-<p>Als die Männer den Weibern wieder die Täuflinge
-überließen, merkten sie, daß der Melcher und
-der Balthauser kein Schnäuferlein mehr taten.
-Der Müller mochte sie wohl ein wenig zu fest
-an sich gedrückt haben, und es war ungewiß, ob
-sie getauft oder heidnisch ins Jenseits eingefahren
-waren.</p>
-
-<p>Der Bauer aber freute sich an dem Kasper. Der
-hielt die lebendigen Augen offen und sah scharf
-darein. »Der hat gescheite Augen,« frohlockte der
-Alte, »das ist ein Kreuzköpfel.«</p>
-
-<p>»Er ist zu früh auf die Welt gekommen, der
-Spitzbub,« sagte die Hebamme. »Ich will ihn
-auf der Schaufel dreimal in den Backofen schieben,
-dann geratet er. Und gespieben hat er auch schon.
-Speibendes Kind, bleibendes Kind!«</p>
-
-<p>Der Isidor ließ im Wirtshaus noch einen gezuckerten
-Wein auftragen, wie ihn die Weiber
-gern mögen, hernach schickte er die zwei mit dem
-Lebendigen und den Toten heim.</p>
-
-<p>Er selber trollte erst spät seinem Hof zu.</p>
-
-<p>Vor der Kapelle rastete er. Der Mond lugte
-glashell hinein.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_22">[22]</a></span></p>
-
-<p>»Blaumantel, ob du schon schlafst?«</p>
-
-<p>Der hölzerne Heilige drin redete nicht und
-deutete nicht.</p>
-
-<p>»Geh, reck die Nase her und schnupf, heiliger
-Blaumantel!« spottete Isidor. Er tappte sich zu
-dem Heiligen hin und schüttete ihm das Tabakglas
-in den Bart.</p>
-
-<p>Da nieste es auf einmal so schrecklich auf, daß
-die Kapelle zitterte. Mit schlotternden Knieen floh
-der Bauer. Und eine grobe Stimme schrie hinter
-ihm her: »Du wirst deine Schnutel, deine Schnufel
-nimmer lang tragen!«</p>
-
-<p>Was der beleidigte Heilige geweissagt hatte,
-das geschah. In ein paar Jahren starb dem
-Isidor Dullhäubel die Nase am lebendigen Leib
-ab, wie eine Blume an der grünen Staude verwelkt,
-und weil er hörte, daß die alten Ritter,
-wenn ihnen die Hand abgehauen worden war,
-sich für die fleischene eine eiserne an den Arm
-hatten schnallen lassen, so suchte er einen Kupferschmied
-heim, und der setzte ihm eine kupferne
-Nase zwischen die Augen.</p>
-
-<p>Doch das Leben freute ihn nimmer, seit er
-nimmer schnupfen konnte, und er vergaß es dem
-Blaumantel nicht, daß er ihn um das eindringlichste<span class="pagenum"><a id="Page_23">[23]</a></span>
-Ergötzen seines Lebens betrogen hatte;
-schimpfend stampfte er an ihm vorbei und rückte
-den Hut nimmer.</p>
-
-<p>Als der Kasper so hoch wie der Stubentisch
-war, und sich schon selber die Tür auftun konnte
-und ganz listig schon aus den engen Augen herauslugte,
-da stellte der Bauer ihn vor die Kapelle
-und schalt unflätig hinein. So keimte in dem
-kleinen Kasper ein Widerwille auf, und der wuchs,
-als die Altbäurin Sodonia dem Buben, wenn er
-etwas Schlechtes getan, mit dem Zorn des Heiligen
-drohte und diesen als Vorbild eines wohlgefälligen
-Wandels hinstellte.</p>
-
-<p>Die Alte rüstete den Heiligen mit der Pracht
-der wunderlichsten Wunder aus und dichtete ihm
-alle Gewalt über Himmel, Hölle und Welt zu,
-so daß der Herrgott, an ihm gemessen, nur ein ohnmächtiger
-Schatten schien. Vor seinem Zauber
-wurde der Gichtbruch tanzend und wanderte der
-Lahme, versiegte alles Gebrest; Stumme lobsangen
-ihn, Blinde wurden geheilt an dem Schimmer
-seines blauen Mantels.</p>
-
-<p>Der Kasper lehnte oft vor der Kapelle und
-staunte voll Angst und Trutz hinein.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_24">[24]</a></span></p>
-
-<p>Am Bach, in dem gemauerten Häuslein, hinter
-der Gittertür geborgen vor Regen und Schnee,
-hatte der Heilige seinen Unterschlupf. Mit krausem,
-rotem Schädel, mit strengen, quellenden Augen und
-langer Nase stand er drin, das Haupt geneigt
-unter der Last des Heiligenscheines, am Kinn angeleimt
-einen fuchsfarbenen Bart aus Menschenhaar,
-den Mund weit offen und die Arme abwehrend
-von sich gestreckt, als seufze er: »Gott,
-hüt mich frommen Bruder vor dieser Welt!«</p>
-
-<p>»Dein Guckähnel hat ihm einmal frevelmütig
-den Bart gestutzt, aber gleich ist er ihm wieder
-nachgewachsen, dem Heiligen,« erzählte die Sodonia
-dem Buben.</p>
-
-<p>»Warum ist er denn heilig?«</p>
-
-<p>»Weil er in einem Felsenloch gehaust hat sein
-Lebtag.«</p>
-
-<p>»Da ist der Fuchs auch ein heiliger Mann, der
-schlaft auch in einem Steinriegel hinter der Mühl.«</p>
-
-<p>»Ein Vieh ist nit heilig,« sagte die Altbäurin
-verdrossen.</p>
-
-<p>Der Kasper faltete die Stirn. »Woher ist der
-Blaumantel gekommen? Hat er sich die Kapelle
-selber gebaut?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_25">[25]</a></span></p>
-
-<p>Sie zog den Buben auf den Schoß und erzählte:
-»Gar überlang ist es schon her, da haben die
-Hirten den hölzernen Heiligen in einem hohlen
-Baum gefunden, da auf der Stelle, wo er jetzt
-steht. Sie haben ihn nach Blaustauden geschafft
-und dort auf den Altar gestellt, aber er ist davon
-und wieder zurück in seinen Baum. Jetzt haben
-sie ihn in die Stadt gebracht, daß er nit in einen
-so langweiligen Einöd trauern müßt, sondern ein
-paar ansehnliche Heilige um sich hätt, und daß er
-sich dran gewöhnt, haben sie ihn in der ersten
-Nacht in eine Truhe unter Schloß und Eisenband
-gelegt, und der Pfarrer und der Meßner haben
-sich darauf gesetzt, daß der Vogel nit ausfliegt.
-Aber der Blaumantel hat die Truhe gesprengt,
-Pfarrer und Meßner über den Haufen geworfen,
-und ist wieder zurück in die Heimat. Er hat wollen
-in der Wildnis geehrt werden, wo er gebetet und gebüßt
-hat. Da hat man über ihn die Kapelle gebaut.«</p>
-
-<p>Der Kasper schielte mit den verzwinkerten Äuglein
-hinauf. »Mir hat aber der Vater gesagt,
-die Fuxloher hätten den sakrischen Blaumantel auf
-der Wallfahrt gestohlen, daß sie einen wohlfeilen
-Heiligen hätten. In einem Sack hätten sie ihn
-daher gebracht.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_26">[26]</a></span></p>
-
-<p>»Sei still, Bub,« warnte die Altbäurin, »sonst
-straft er dich auch. Denk an dem Bauer seine
-Nase!«</p>
-
-<p>»Meiner Nase darf er nix tun,« trotzte der Kasper.</p>
-
-<p>»Still, still! Sonst kommt gar der Gankerl, steckt
-dich in den rußigen Kessel, bratet dich, frißt dich.«</p>
-
-<p>Es war, als würde dem Buben die kecke Rede
-vergolten, denn nach ein paar Tagen wuchs ihm
-auf der Nasenspitze eine Warze, die ihm gar nicht
-gut zu Gesicht stand. Das wurmte die Altbäurin,
-der an des Kasper Sauberkeit gelegen war, aber
-das Hörnlein blieb, wie oft es auch mit Wolfsmilch
-und mit Warzenkraut betupft, mit Fensterschweiß
-gewaschen und mit Roßhaar gedrosselt
-wurde. Es frommte nicht heißes Schusterpech,
-und als die Sodonia den Mißwuchs gar mit
-Zunder wegbrennen wollte, brüllte der Bub entsetzlich
-und ließ keinen mehr an sich heran.</p>
-
-<p>Da kam die Ulla daher, ein buckliges Bettelweiblein
-mit einem kleinwinzigen Kopf, drin ein
-Hirn kaum Platz zu haben schien. Ihr spitzes,
-haariges Kinn schlotterte, geschäftig drehte sie sich
-in der Stube hin und her und knüpfte mit einem
-Faden fünf Knoten über der Warze des Kasper,
-der sich wie verhext unter dem sonderbaren Tun<span class="pagenum"><a id="Page_27">[27]</a></span>
-des Weibleins duckte. Nachher betete sie fünf
-Vaterunser und murmelte noch ein Heimliches in
-sich hinein, daß den Buben ein Grausen anflog.
-Schließlich humpelte sie hinters Haus, und wo
-die Tropfen vom Dach in die Erde schlugen und
-eine Rinne gegraben hatten, dort verscharrte sie
-den Faden.</p>
-
-<p>Als der Mond neu wurde, war die Warze verschwunden,
-und der Kasper war ein sauberer Bub
-mit blühroten Wangen, großem, kugelrundem Kopf
-und flinken Füßen.</p>
-
-<p>Die Ulla aber fürchtete er noch mehr als den
-Erdspiegel, der im Keller unzugänglich verschlossen
-lag. Oft stahl er sich zu der verfallenen Hütte der
-Alten und belauschte sie, wie sie zwischen den Felsen
-wilde Kräuter brockte und eintrug, wie sie mit den
-Raben redete und den Schlangen oder einer Staude
-etwas sagte oder gar einem Stein.</p>
-
-<p>Sonst war er ein Waghals. Er ritt auf den
-Ochsen und Rössern, kletterte auf die Tannen
-hinauf bis zur höchsten Spitze, rannte über den
-Dachfirst, wo der Hauslauch grünte, und niemals
-stieß ihm ein Unglück zu.</p>
-
-<p>Nur einmal blieb ihm eine Bohne in der Nase
-stecken, sie wollte nicht heraus und keimte schon.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_28">[28]</a></span></p>
-
-<p>»Sie wachst dir ins Hirn, Kasper,« jammerte
-die Altbäurin. »Der Blaumantel wird dich ganz
-gewiß an der Nase verderben lassen. Ich seh dich
-schon verkupfert.«</p>
-
-<p>Der Bauer aber klemmte den Kasper zwischen
-die Kniee und drückte ihm das Gesicht in eine Hand
-voll Tabak hinein. Da riß es dem Buben den
-Kopf in die Höhe, er nieste sprühend, und die
-Bohne flog aus der Nase an die Wand.</p>
-
-<p>Jetzt haßte der Kasper den Blaumantel. Den
-heilsamen Tabak aber begehrte er, und bald wußte
-er sich aus des Vaters ungenütztem Vorrat den
-bräunlichen Staub zu verschaffen, der das Hirn so
-lieblich kitzelt und erfrischt und das ganze Blut
-riegelt, wenn der Niesreiz von inwendig her an
-die Nase herankriecht und schallend zerstäubt.</p>
-
-<p>Weil der Kasper gar so waghalsig und ungebärdig
-aufwuchs und von den Wipfeln schier nimmer
-herunter zu kriegen war, wo er die Krähennester
-ausraubte, sorgte sich die Sodonia um des Enkels
-leibliches Wohl und Seelenheil und fürchtete, er
-schlage allzusehr in die Art der Vorfahrer am
-Dullhäubelhof.</p>
-
-<p>Drum meinte sie zur Bäurin: »Du, Sanna,
-wir müssen den Daumen mehr auf den Buben halten,<span class="pagenum"><a id="Page_29">[29]</a></span>
-daß er nit ausartet. Er hat nit Rast, nit Ruh,
-wie aus Schlangenschwänzen ist er zusammgesetzt.
-Er zerreißt zu viel Hosen.«</p>
-
-<p>Die Bäurin gähnte: »Das tut nix. Der
-Schneider bittet auch ums tägliche Brot.«</p>
-
-<p>Die Alte ließ nicht nach. »Der Kasper hat ein
-gutes Gemerk, wir sollten ihm einen Schulmeister
-halten. Der Brunnkressenhannes wär ein gelehrter
-Mann.«&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Da fand sich der Brunnkressenhannes im Hof ein.</p>
-
-<p>Er war ein magerer, krummhälsiger Gesell, der
-den Bauern gegen einen Jahrlohn das Vieh hütete.
-Auch bekam er alljährlich von der Gemeinde ein
-neues Kuhhorn, und er prahlte oft, zu seinem Begräbnis
-brauche er keine Musikanten, da würden
-alle Hirten aus dem Gebirg kommen und auf den
-Hörnern, die in seiner Kammer hingen, ihm zu
-Grabe blasen.</p>
-
-<p>Jetzt aber fragte ihn der Isidor Dullhäubel:
-»Hannes, kannst du schreiben und lesen und rechnen?«</p>
-
-<p>»Und singen auch,« nickte der Hannes stolz.</p>
-
-<p>»Du sollst das alles unserm Kasper in den Kopf
-bringen. Triffst du das?«</p>
-
-<p>Der Hirt bäumte sich auf. »Das vermag ich wohl.<span class="pagenum"><a id="Page_30">[30]</a></span>
-Ich hätt schier selber in der Stadt die Schulmeisterprüfung
-hingelegt.«</p>
-
-<p>»Warum hast du es nit getan?«</p>
-
-<p>»Ei, da haben mich die Herren von der Schulmeisterschul
-gefragt, was ich vom Specht wüßt. Ich
-hab langmächtig hin und her gedacht, und zuletzt
-hab ich zugeben müssen, daß mir derselbige Specht
-ganz unbekannt ist und daß ich ihnen überhaupt nix
-davon erzählen kann, und wenn sie mich erschlagen.
-Da hat mich einer erschrecklich scharf durch die Augengläser
-angeschaut und hat auf die Tür gedeutet.
-›Behüt Gott! Ich geh gern,‹ sag ich. Und wie ich
-glücklich draußen bin, steht einer dort, der ist aus
-der Blaustaudner Pfarrei gewesen. ›Du,‹ sag ich,
-›hörst, jetzt gesteh mir auf dem Fleck, was ist denn
-das &ndash; ein Specht?‹ ›O du lieber Landsmann,‹
-schreit der, ›du wirst doch schon einmal einen Baumhackel
-gesehen haben?!‹ Nein, Dullhäubel, wenn
-ich gewußt hätt, daß der Baumhackel in der Stadt
-sich Specht schreiben laßt, den ganzen Tag hätt
-ich den studierten Herren davon erzählen können.«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel holte den Hirschenbrunner Volkskalender
-vom Fensterbrett, schlug ihn vorn auf und
-hielt ihn dem Hirten hin. »Jetzt will ich mich überzeugen,
-ob du gut lesen kannst.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_31">[31]</a></span></p>
-
-<p>Der Brunnkressenhannes holte aus der Brusttasche
-eine Brille herfür, rüstete sich damit und setzte
-ein gelehrtes Gesicht auf.</p>
-
-<p>»Mit Brillen lesen, ist keine Kunst,« rief der
-Bauer. »Das trifft ein jeder.«</p>
-
-<p>Der Hannes kehrte sich nicht dran und las langsam
-und gewichtig: »Sankt Kilian stellt die Mäher
-an. Wann Maria im Regen übers Gebirg geht,
-dann geht sie im Regen wieder zurück.«</p>
-
-<p>Schnell deutete der Dullhäubel auf eine Eintragung,
-die auf der andern Seite stand. »Ob
-du die Schrift auch verstehst?«</p>
-
-<p>Der Brunnkreßner wischte mit dem Ärmel über
-die Nase und las: »Am Montag nach Mariä
-Himmelfahrt ist der Kasper auf die Welt kommen.
-Den Tag hernach ist unsere gelbfleckete Kuh, die
-Docke, beim Stier gewesen.«</p>
-
-<p>»Selbes ist wahr,« freute sich der Bauer,
-»meine Mutter hat das geschrieben. Die Zeit
-stimmt.«</p>
-
-<p>Nun schlug er den Kalender hinten auf und hielt
-ihn lauernd dem Hirten hin.</p>
-
-<p>Der las: »Viehmärkte in Hirschenbrunn sind zu
-Georgi, am Tag vor Peter und Pauli, zu Ägidi
-und zu Martini.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_32">[32]</a></span></p>
-
-<p>Der Isidor wunderte sich über die Maßen.
-»Sakerment, wahr ist es, vorn und hinten kann
-er lesen. Aber, Hannes, ich muß dich noch mehr
-versuchen.«</p>
-
-<p>Er rannte davon und kam nach einer hübschen
-Weile mit einem andern Kalender zurück.</p>
-
-<p>»Den hat mir der Mußmüllner geliehen, es ist
-ein Linzer Stadtkalender. Ob du den auch verstehst?«</p>
-
-<p>»Das wär nit schlecht.«</p>
-
-<p>Der Hannes las, worauf des Dullhäubel derber
-Finger zeigte: »Ein Bauer begehrte einen Viehpaß.
-Der Schreiber fragte: ›Auf wieviel Ochsen?‹
-&ndash; ›Auf Zwei‹. &ndash; ›Und der dritte treibt sie‹, lachte
-der Schreiber. &ndash; ›Und der vierte schreibt sie‹, lachte
-der Bauer.«</p>
-
-<p>»Sakerment, ist das eine schöne, kurze Geschichte.
-Und ist sie auch wahr? Und steht das wirklich so
-drin?« staunte der Dullhäubel.</p>
-
-<p>»Ganz genau, ich beschwör dir es. Tausend
-Schwüre leg ich darauf ab in einer Viertelstund!«</p>
-
-<p>»So kannst du also einen jeden Kalender lesen
-vorn und hinten?«</p>
-
-<p>»Oben und unten, geschrieben und gedruckt,«
-sagte der Hirt.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_33">[33]</a></span></p>
-
-<p>»Sakerment, wenn du jetzt noch die Gitarr
-zupfen könntest, du könntest um die größte Schul
-einreichen,« meinte der Bauer.</p>
-
-<p>Damit war der Brunnkressenhannes als Schulmeister
-aufgenommen.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Am andern Tag hütete der Hannes auf der
-Weide vor dem Vogeltänd das Vieh. Das Kuhhorn
-im Gürtel, saß er auf einem Stein, und vor
-seinen Zehen brannten die feurigen Nägelblumen.
-Rings graste das Vieh, ein rotblümetes Stierlein
-scherzte, ein Heuschreck hüpfte aus dem Gras auf.
-Am Himmel glänzte eine linde Wolke.</p>
-
-<p>Da brachte der Isidor Dullhäubel seinen Schüler
-daher.</p>
-
-<p>»Er wird bei mir Zucht lernen,« rief der Brunnkressenhannes.
-»Gute Zucht tragt gute Frucht.
-Da setz dich her zu meinen Füßen, Kasper!«</p>
-
-<p>Er räusperte sich und fing an: »Zuerst müssen wir
-von der Welt lernen. Drum merk auf, und sag
-es mir dreimal nach: Die Welt ist eine Kugel.«</p>
-
-<p>»Oha!« schrie der Bauer, der zuhörte. »Weitaus
-gefehlt! Die Welt ist ein Teller.«</p>
-
-<p>Der Hannes bog den krummen Hals und sah
-den Dullhäubel scheel an. Nachher begann er<span class="pagenum"><a id="Page_34">[34]</a></span>
-wieder: »Du kannst es mir glauben, Kasper! Die
-Welt ist so rund wie dein Schädel.«</p>
-
-<p>Betroffen tastete der Bub seinen Kopf ab, als
-wolle er den rechten Begriff von der Gestalt der
-Erde gewinnen.</p>
-
-<p>Derweil widerstritt der Bauer: »Alles ist gerad
-und eben. Wo sieht man es denn, daß die Welt
-kugelrund ist? Wenn es so wär, müßt man ja
-auf der Seite hinunterfallen. Bucklet ist die Welt,
-aber rund nit.«</p>
-
-<p>»Die Welt ist rund wie eine Kegelkugel und
-dreht sich,« sagte der Brunnkressenhannes scharf
-und unwillig. »Schwätz mir nix drein, Bauer!«</p>
-
-<p>Der Isidor erwiderte: »Wenn die Welt sich
-dreht, müßt einmal das Wasser aus dem Brunn
-fallen, du Aff du! Und mit dem Kopf nach unten
-müßt man zeitweilig gehen, du Aff du! Stell dich
-einmal auf die Stubendecke hinauf, du Aff du,
-und fall nit herunter!«</p>
-
-<p>Der Hirt ward hitzig. »Und dennoch dreht sich
-die Erde um die Sonne!«</p>
-
-<p>Da holte der Bauer weit aus und reichte dem
-Hannes einen schallenden Hieb. »Ich vertrag viel,
-aber so arg laß ich mich nit narren, du falscher
-Lügenteufel. Hab ich es doch erst heut wieder gesehen,<span class="pagenum"><a id="Page_35">[35]</a></span>
-wie die Sonn aus der Erd heraus gerodelt
-ist! Und die Sonn steht nit, sie geht; doppelt so
-geschwind geht sie wie ein Mensch.«</p>
-
-<p>Der Hannes rieb sich die Wange. »Du bist
-ein grobes Wetter, Bauer. Aber es hilft dir nix.
-Und die Gelehrten wissen allerhand, was dir seltsam
-ist, und sie haben recht. Wie könnten sie sonst
-die Stund genau ansagen, wo sich der Mondschein
-verfinstert?«</p>
-
-<p>»Das nehmen sie ja aus dem Hirschenbrunner
-Kalender, du Narr!«</p>
-
-<p>»Und wer macht denn den Kalender, he?«</p>
-
-<p>»Den Kalender hat es allweil gegeben, du Narr.
-Hör mir auf mit deinen neugescheiten Gelehrten!
-Die wissen am End gar, wann Gott die Welt erschaffen
-hat.«</p>
-
-<p>»Jawohl, Bauer, am dreizehnten März.«</p>
-
-<p>Da schlug der Isidor Dullhäubel ein Kreuz,
-daß er sich dabei schier die kupferne Nase aus
-dem Gesicht gerissen hätte, und ging und überließ
-den Kasper seinem Schulmeister.</p>
-
-<p>Der hob den Finger. »Jetzt, Bub, mußt du
-einen Spruch lernen. Sag mir ihn nach!</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">Kind, horch, was dein Gewissen spricht<br /></span>
-<span class="i0">und handle so, dann fehlst du nicht!<br /></span><span class="pagenum"><a id="Page_36">[36]</a></span>
-<span class="i0">Die innre Stimme ruft uns zu:<br /></span>
-<span class="i0">Böses meide! Gutes tu!«<br /></span>
-</div></div>
-
-<p>Zeile um Zeile drillte er dem Schüler ein, und
-der konnte es bald auswendig.</p>
-
-<p>»So, jetzt lernen wir Lieder singen!«</p>
-
-<p>Der Hannes zog das Maul schief, sah ins Gras
-und begann mit meckernden, hohen Lauten:</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">»Morgens, wenn die Sonn aufgeht<br /></span>
-<span class="i0">und der Tau im Gras da steht,<br /></span>
-<span class="i0">treib ich mit verliebtem Schall<br /></span>
-<span class="i0">meine Viehlein aus dem Stall<br /></span>
-<span class="i0">auf die grüne Hutweid hin,<br /></span>
-<span class="i0">ob ich gleich ein Hirt nur bin.«<br /></span>
-</div></div>
-
-<p>»Nun, Kasper, wie gefallt dir das Lied? Es
-hat eine recht sittsame Weis.«</p>
-
-<p>»Gar nit gefallt es mir,« rief das Bauernbüblein.</p>
-
-<p>»Du Lump, du fauler, du geringschätziger!«
-tadelte gekränkt der Hannes. »Du wirst auch
-einmal so ein Bauer werden, der alle Tag Sonntag
-und alle Sonntag Kirchweih hat und nix tut,
-als an den Zäunen lehnen. Weißt du vielleicht
-ein schöneres Lied?«</p>
-
-<p>Der Bub ließ es sich nicht schaffen und gellte
-aus höchstem Hals:</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_37">[37]</a></span></p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">»Ich schrei hü,<br /></span>
-<span class="i0">ich schrei ho,<br /></span>
-<span class="i0">ich schrei allweil<br /></span>
-<span class="i0">hüstaho!«<br /></span>
-</div></div>
-
-<p>»Da loset dem jungen Dullhäubel zu, der braucht
-keinen Schulmeister nimmer,« sagte der Hirt bissig.</p>
-
-<p>Er kramte einen messingenen Ring heraus, das
-war seine Sonnenuhr, stellte sie gegen das Licht
-und sah nach der Stunde.</p>
-
-<p>»Bub,« meinte er, »meine Zeit ist da, mich
-schläfert. Nimm derweil das Vieh in acht!«</p>
-
-<p>Er unterwies den Kasper noch, wie er sich als
-Hirt zu halten habe, verblümelte dabei seine Rede
-mit vielerlei nutzbaren Sprüchen, sank dann auf
-einmal steif und mit gläsernen Augen ins Gras
-zurück und schlief.</p>
-
-<p>Der Kasper kümmerte sich nicht um das Vieh,
-sondern kitzelte die Grillen aus ihren Nestern,
-und hernach fing er ein paar Bienen, sperrte sie
-in ein Schachtel, und die war der Stall, dort sollten
-sie Honig melken. Dann grub er ein tiefes
-Hummelnest aus. Eine Hummel entkam ihm und
-irrte herum wie ein fliegendes Baßgeiglein, eine
-andere aber ertappte er und steckte sie zu den
-Bienen, denen sollte sie der Weisel sein. Auch die<span class="pagenum"><a id="Page_38">[38]</a></span>
-Hummelzellen gab er ihnen in den Stall, sie sollten
-sich ihrer als Schüsseln und Bratscherben bedienen.</p>
-
-<p>Bald war sein unruhiger Sinn des stillen
-Spieles überdrüssig, und er schlich sich zu zwei
-weidenden Kühen hin und knüpfte ihnen die
-Schwänze zusammen, und als er hernach böse zu
-summen anhob wie eine Blutfliege, wurden die
-zwei Tiere vor Angst irr, sie wollten fliehen und
-konnten nicht, sie versuchten sich zu scheiden, und
-es gelang nicht, das eine zerrte hin, das andere
-zog her, sie sprangen immer närrischer.</p>
-
-<p>Der Kasper ergötzte sich daran, und daß seine
-Lust noch höher steige, stahl er dem Hirten das Horn
-und stieß mit aller Wut seines Atems darein.</p>
-
-<p>Der Brunnkressenhannes taumelte auf. Er sah,
-wie die Kühe mit verknüpften Schwänzen, die
-eine rechts, die andere links, einen jungen Ahorn
-schier umrissen. Verzweifelt griff er sich ins Haar,
-das so karg stand wie der armen Leute Hafer.</p>
-
-<p>»Herrgott von Blaustauden, laß nur die Schwänze
-nit reißen!« Mit diesem und noch manch anderem
-Stoßgebet rannte er den Kühen zu Hilfe.</p>
-
-<p>Da tauchte der Meßner Grazian aus einer
-Staude, ein spitzköpfiger, einseitiger Mann; die eine
-Achsel stand ihm höher als die andere. Er deutete<span class="pagenum"><a id="Page_39">[39]</a></span>
-mit krummem Finger auf den Kasper. »Das ist ein
-liederlicher Bursche. Der wird es zu nix bringen.«</p>
-
-<p>Der Bub blies mißtönig auf dem Stengel
-einer Ringelblume und schaute, kalt bis ins mittelste
-Herz, zu, wie der Hannes die ungeduldigen
-Kühe auseinander tat.</p>
-
-<p>»Dem liederlichen Burschen wird es einmal
-schlecht gehen,« weissagte der Meßner Grazian,
-»der wird noch einmal Mäus und Grillen fressen.«</p>
-
-<p>Indes hatte der Hirt sein umständliches Amt
-vollbracht und fiel nun mit einem heimtückischen
-Sprung über den Kasper her, lieh sich dessen
-Ohrwäschlein aus, tappte ihm nach dem Schopf
-und riß ihm eine dicken Schübel Haare aus. Dabei
-keuchte er: »Dank hab die Rut, sie macht das
-Knäblein gut!« und der Kasper sollte den Spruch
-wiederholen. Der aber stampfte und strodelte unter
-den Krallen seines Meisters und krähte wie ein
-junger Rabe, der aus dem Nest gefallen ist.</p>
-
-<p>Der Grazian hingegen predigte aus der Staude
-heraus: »Der liederliche Bursche rennt dem Galgen
-zu, er kann ihn nimmer erwarten. Hau zu, Hannes!
-Hau so viel Ruten an ihm ab, als auf einem
-Joch wachsen!«&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_40">[40]</a></span></p>
-
-<p>Damals endete das kurze Schulmeistertum des
-Brunnkreßners.</p>
-
-<p>Der Isidor Dullhäubel nahm seinen Buben her.
-»Kasper, du wirst ein großer Bauer wie ich. Du
-wirst einmal Vieh und Felder und Holz haben.
-Holz macht die Erde stolz, und du kannst einmal
-stolz den Kopf heben, und die andern Fuxloher
-Bauern werden nur Notleider gegen dich sein.
-Lernen sollst du nit viel, es ist nit gesund. Wer
-viel weiß, wird nit feist.«</p>
-
-<p>»Zum Hannes geh ich nimmer,« trotzte der Bub.</p>
-
-<p>»Du brauchst auch nit, Bub. Die richtige Meinung
-über die Welt bring ich dir bei, und lesen
-und schreiben lernst du von der Altbäurin.«</p>
-
-<p>Es war die lustigste Lehrzeit, die der Kasper
-bei seinem Vater verlebte. Weil der Bauer glaubte,
-das Gedächtnis sei die wichtigste Arbeit des Gehirns,
-so mußte der Bub die scheckigsten Lügenmärlein
-auswendig lernen, davon die Geschichte
-vom brennenden Wasser, das mit Feuer gelöscht
-worden ist, und von der papierenen Kapelle, drin
-der hölzerne Pfarrer eine haselne Messe liest, noch
-am glaubwürdigsten war. Hernach brachte der
-Dullhäubel seinem Schüler, der lebhaft wie ein
-Hirschlein darein sah, manchen Spottreim und<span class="pagenum"><a id="Page_41">[41]</a></span>
-manchen spitzigen Stichelschwank bei und erzählte
-ihm die Streiche, derer die Dörfer diesseits und
-jenseits des Gebirges bezichtigt wurden, und bald
-wußte der Kasper jedem Ort ein Narrenglöckel
-anzuhängen, und er spottete über die Bärnloher,
-denen einmal ein Ochs auf den Kirchturm hinaufgestiegen
-war, und über die Daxloher, wo die
-Kühe so bitterlich hungern, daß eine der andern
-den Schwanz abfrißt. Quackten im Mai die Frösche,
-so lachte der Kasper: »Die Grillnöder singen!«
-Und wenn die Blaustaudner Glocken über den
-Wald herauf klangen, sang er:</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">»Die Blaustaudner läuten,<br /></span>
-<span class="i0">sie läuten vor Not,<br /></span>
-<span class="i0">sie fangen den Bettelmann<br /></span>
-<span class="i0">und nehmen ihm's Brot.«<br /></span>
-</div></div>
-
-<p>Der Bub konnte auch bald so kunstvoll mit der
-Peitsche schnalzen wie ein alter Fuhrknecht. Er
-schob die Finger ins Maul und pfiff schrill, daß
-es den ganzen Wald Vogeltänd durchdrang und
-die Krähen in den Nestern sich duckten.</p>
-
-<p>Weil er den Großen und den Kleinen seine
-Sprüche und Stichelnamen anhängte, traute sich
-schier niemand am Dullhäubelhof vorüber, und der
-Kasper war von allen gefürchtet wie ein bissiger<span class="pagenum"><a id="Page_42">[42]</a></span>
-Enterich. Drum fand er auch zu seinen Spielen
-keinen Gesellen.</p>
-
-<p>Nur des Mußmüllers Gid, ein stämmiger, vertrotzter
-Bub, vertrug sich mit ihm, und die zwei
-bauten Wasserräder in den Wolfsbach, durchstöberten
-die Felder nach gesprenkelten Rebhuhneiern und
-die Wipfel nach Nestern, fingen Schnerrer und
-Kranwitvögel, brieten und fraßen sie, fischten und
-krebsten, schopften und prügelten sich weidlich und
-söhnten sich wieder aus.</p>
-
-<p>Die Nachbarsbuben waren bald nimmer zu
-trennen. Und kam einmal der Gid nicht früh genug
-aus dem Haus, so stellte sich der Kasper vor des
-Müllers Tür und lockte mit seiner feinsten Kehle
-durchs Schlüsselloch hinein: »Müllnerin, wenn du
-den alten Mostbirnbaum magst, mein Vater laßt
-dir ihn ausgraben. Ist der Gid nit daheim?«</p>
-
-<p>Er tat so fein und so schmeichelnd, weil die Mühle
-der einzige Ort auf der Welt war, der ihm unheimlich
-schien. Denn der Müller Gori drohte oft
-den unbändigen Buben: »Ich laß den Wassermann
-los, er liegt in der Kuchel im Ofenloch an der
-Kette.« Und sprang gar der schwarze Hund Zikan,
-den einmal böhmische Komödianten zurückgelassen
-hatten, hinter dem Ofen hervor und fletschte den<span class="pagenum"><a id="Page_43">[43]</a></span>
-Kasper an, da verzog er sich schnell und blieb eine
-kleine Weile artig.</p>
-
-<p>Aber das Blut der Buben verlangte allmählich
-nach verwegeneren Dingen, und die vererbte Rauflust
-regte sich. So zogen sie oft an die Gemarkung
-des Dorfes und forderten schreiend die Widersacher
-heraus.</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">»Salz in der Butten,<br /></span>
-<span class="i0">Mehl in der Gruben,<br /></span>
-<span class="i0">die Grillnöder sind<br /></span>
-<span class="i0">Hagbutzelbuben.«<br /></span>
-</div></div>
-
-<p class="noind">Die Grillnöder Buben litten den Schimpf nicht,
-und sie trauten sich über die Schmäher, und so
-kam es zu zerkratzten Gesichtern, verbeulten Schädeln
-und blutigen Häuten, wobei aber der Kasper meist
-gesund davonging, denn er hielt sich zur rechten
-Zeit zurück und überließ den Hauptanteil an dem
-Streit dem Gid.</p>
-
-<p>Der Müllerbub war auch weitaus stärker als
-Kasper. Nur im Gedächtnis fehlte es ihm.</p>
-
-<p>Einmal schickte der Mußmüller seinen Gid zum
-Schuster, und dort richtete der Bub den Auftrag
-ganz verkehrt aus. »Gelobt sei Jesus Christus,
-Schuster,« sagte er, »da schickt dir der Schuh ein
-paar Müllner, er laßt dich gar schön doppeln, daß<span class="pagenum"><a id="Page_44">[44]</a></span>
-du ihn bitten tätst, und daß du ihm morgen die
-Schuh machst, er will sie heut noch anlegen.«</p>
-
-<p>Als der Kasper das erfuhr, kannte er die verdrehte
-Rede gleich auswendig, und er schonte den
-eigenen Freund nicht und sagte sie ihm allweil
-wieder ins Gesicht, so daß oft bitterer Unfriede
-wurde zwischen den Buben und zwischen den Vätern,
-denn keiner, der Dullhäubel nicht und der Mußmüller
-nicht, ließ etwas über seinen Sprößling
-kommen.</p>
-
-<p>Bald traute sich der Kasper mit seinen Schwänken
-an die großen Leute.</p>
-
-<p>So saß einmal der Schmied mit seinem Gesellen
-beim Mittag, die Suppe rauchte, und das Weib
-schnittelte Brot in den Topf. Da sprang der Kasper
-in die Stube und schrie: »Schmied, helft, helft,
-euer Brunn brennt!« Hurtig rannten Meister und
-Meisterin und Gesell hinaus zum Brunnen, und
-als die Genarrten zurück kamen und alle Sakermenter
-schalten, stand ein Ochs in der Stube, der
-hatte die Suppe ausgesoffen und leckte sich noch
-die Nasenlöcher. »Den Hammer her!« brüllte der
-Schmied. Er hätte das Bürschlein mit den Ohren
-vor seine Werkstatt genagelt, wenn es nicht gar so
-entsetzlich um Erbarmen gebettelt hätte.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_45">[45]</a></span></p>
-
-<p>Der Kasper lernte dazumal, daß die Leute alles
-und auch das Unglaublichste glauben, man braucht
-es ihnen nur zu sagen.</p>
-
-<p>Derlei Unfug trieb er noch viel. Der Bauer
-litt es und nahm lachend den Missetäter in Schutz.
-Ein einziges Mal nur vergriff er sich an ihm.</p>
-
-<p>Die Grillnöder Buben brachten dem Kasper
-einen seltsamen Schimpf auf. »Erdspiegelbub!
-Erdspiegelbub!« kreischten sie und zeigten auf ihn.
-Er konnte sich nicht wehren, weil er nicht wußte,
-was das Wort bedeutete.</p>
-
-<p>Der Brunnkressenhannes sagte ihm hernach, daß
-im Dullhäubelhof in einem schauerlichen Loch neben
-dem Krautkeller der Spiegel aufbewahrt sei, drin
-alles offenbar werde, und in dessen Glas jeder
-Dieb und Räubersknecht sich zeigen müsse, wenn
-es der Bauer verlange.</p>
-
-<p>Er erzählte: »Vor alter Zeit ist mein Ähnel
-einmal durchs Gehölz gefahren. Plötzlich geht der
-Wagen nimmer vom Fleck. Die Ochsen legen sich
-ins Joch, daß sie züngeln und der Schweiß ihnen
-rinnt wie ein Bach, der Ähnel haut mit dem
-Geißelstecken auf das arme Vieh los, umsonst, der
-Wagen steht wie angefroren. Da nimmt er vor
-lauter Zorn die Axt und haut sie ins Hinterrad.<span class="pagenum"><a id="Page_46">[46]</a></span>
-Gleich rollt der Wagen wieder fort, als ob nix
-gewesen wär. Wie der Ähnel hernach zum Dullhäubelhof
-kommt, hört er es drin ächzen. Er
-schaut nach. Da liegt der Servaz Dullhäubel
-blutig im Keller bei dem Erdspiegel und sein Fuß
-abgehackt neben ihm. Der Servaz hat in dem
-Glas meinen Ähnel fahren sehen, hat ihm einen
-Possen tun wollen und den Fuß aufs hintere Rad
-in den Spiegel gestellt. Und wie mein Vorfahr
-dreingehaut hat, hat er dem Servaz den Fuß abgehackt.
-Er soll hernach krumm gegangen sein,
-der Servaz.«</p>
-
-<p>Der Kasper schlich sich am selben Tag noch in
-den Keller. Aber die Tür zum Erdspiegel war
-vernagelt, und als er sie aufsprengen wollte, ertappte
-der Bauer den neugierigen Buben und legte
-ihn übers Knie.</p>
-
-<p>Das war das erste und letzte Mal, daß der
-Kasper des Vaters Faust spürte.</p>
-
-<p>Als die Sodonia den Enkel in solchen Ränken
-und Schwänken aufwachsen sah, kränkte sie sich
-arg. Sie machte sich wunderliche Gedanken über
-ihn und fürchtete sogar eine Zeitlang, der Kasper
-sei ein Wechselbalg und in der Wiege vertauscht
-worden, und darum habe er auch einen gar<span class="pagenum"><a id="Page_47">[47]</a></span>
-so großen Kopf und ein so boshaftes Gemüt,
-und sie bereute, daß sie ihm nicht gleich nach der
-Geburt Märzhasenaugen um den Hals gehängt
-hatte, den höllischen Tausch zu hindern.</p>
-
-<p>Nun wollte sie seinem Übermut stauen, indem
-sie ihm die ewigen Leiden vorhielt. Sie blätterte
-mit ihm durch des Kapuziners Cochem »Goldenen
-Himmelsschlüssel« und wies ihm drin die Bilder,
-wie die Sünder am Bratspieß des Teufels gespickt
-wurden und ihnen der Leibhafte mit feuriger
-Axt das Fleisch vom Bein metzgerte und das
-Glied aus dem Gelenk riß, wie Nattern mit
-giftigen Zungen die Verdammten mitten ins Herz
-stachen und schleimige Kröten ihnen ins Maul
-krochen, und wie ein derart gepeinigter Mensch sich
-nicht helfen und nicht wehren konnte, zumal da er
-durch den Bauch an den Erdboden genagelt war.</p>
-
-<p>In des Vaters Cochem Höllenspiegel gilbten
-dürre, duftende Nußblätter. Die Sodonia ließ den
-Buben oft daran riechen und sagte dazu traurig:
-»Die Blätter wachsen nit in Fuxloh, sie wachsen
-in einem Land, wo die Leut milder sind.« Die
-Alte hatte aus einem fernen Dorf aus dem Vorland
-des Gebirges herauf geheiratet.</p>
-
-<p>Obschon der Kasper sich in der Nacht abergläubisch<span class="pagenum"><a id="Page_48">[48]</a></span>
-fürchtete, am lichten Tag schreckte ihn der
-Ahnin Warnung nicht, daß auch er einmal in den
-Höllenkessel hinabquirlen und drunten brennen und
-braten müsse. Er wurde im Gegenteil immer begieriger,
-die marterlichsten und verwickeltsten Peinen
-des Satans kennen zu lernen, als wolle er diesem
-einstmals als gelernter Gesell behilflich sein. Das
-merkte die Sodonia mit blutendem Herzen, und sie
-hakte bald den Höllenspiegel zu und malte den
-Teufel nimmer an die Mauer.</p>
-
-<p>Der Kasper schlief in ihrer Kammer, und wenn
-er nachts aufkam, sagte sie mit ihm das Einmaleins
-auf, um ihn von bösen Gedanken abzuhalten,
-und lehrte ihn kopfrechnen. Auch die Schrift brachte
-sie ihm bei, und beim Lesen zeigte er sich recht anstellig,
-dabei aber geschah der große Fehler, daß
-das abgegriffene Buch, darin er lesen lernte, »Die
-lustigen Streiche des Till Eulenspiegel« hieß.</p>
-
-<p>Die einzige Hoffnung der Sodonia war, daß
-der mißratene Mensch sich schon geraderecken werde,
-wenn er einmal die Lehren des Glaubens aus berufenem
-Mund hören werde.</p>
-
-<p>Und es kam die Zeit, da versammelte der Pfarrer
-Sebastian Knaupler die Fuxloher Kinder vor der
-Kapelle des Blaumantels, um sie für die erste<span class="pagenum"><a id="Page_49">[49]</a></span>
-Beicht würdig vorzubereiten. Er lehrte sie die
-himmelschreienden und die lässigen Sünden hersagen,
-erzählte ihnen die biblischen Geschichten und
-münzte, was er da an geistlichen Dingen vorbrachte,
-in fröhlichen und handgreiflichen Augenschein um.</p>
-
-<p>Also hob er, als er von der Sündflut erzählte,
-die Kutte immer höher und höher, damit das
-steigende Wasser recht anschaulich den Kindern ans
-Herz schwölle, kletterte schließlich, von den Buben
-gehoben, auf die Kapelle, das wachsende Meer zu
-verdeutschen, und rang droben die Hände. Dem
-Häuflein drunten ward angst, mit weiten Augen
-schauten sie zu dem geistlichen Herrn auf und in
-ihren Hirnen dämmerte der Umfang des Strafgerichtes.</p>
-
-<p>Da riß ein Lärm die kleine Gemeinde aus den
-Schauernder Sündflut in das alltägliche Fuxloh
-zurück.</p>
-
-<p>Der Brunnkressenhannes, der dem Pfarrer Sebastian
-Knaupler das schulmeisterliche Amt neidete,
-sah von der Viehweide nieder, tutete und näselte:</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">»Auf der Wies und auch am Klee<br /></span>
-<span class="i0">ich so lange umher geh,<br /></span>
-<span class="i0">bis sich laßt ein Brünnlein finden,<br /></span>
-<span class="i0">daß mein Vieh daraus kann trinken,<br /></span><span class="pagenum"><a id="Page_50">[50]</a></span>
-<span class="i0">allda setz ich mich in Ruh,<br /></span>
-<span class="i0">nehm die Schwegel, pfeif dazu.«<br /></span>
-</div></div>
-
-<p>Wie neugierige Gänse reckten die Kinder die
-Hälse und lauschten dem Störer. Der Pfarrer
-drohte: »Da alter Grillenkitzler, jetzt halt schon
-einmal das Maul!«</p>
-
-<p>Um die Sinne der Kinder wieder an sich zu
-reißen und die bergüberschwellende Flut in einem
-verwogenen Bild auszulegen, packte er den Ast über
-sich und schwang sich in die Föhre. Er glitt aber
-dabei aus und stürzte. Zum Glück verhängte er
-sich mit den Füßen in eine Astgabel, die Kutte
-sank ihm über den Kopf verhüllend nieder und entblößte
-zwei dünne, borstige Beine, die von einem
-kurzen Lederhöslein nur spärlich bedeckt waren. Aus
-der Kutte heraus flehte er gedämpft um Hilfe.</p>
-
-<p>Die Kinder meinten, das gehöre alles zu der
-biblischen Geschichte, drum rührten sie sich nicht,
-warteten und staunten. Schließlich kam der Hannes
-mit einer Leiter gelaufen und erlöste den Herrn Sebastian
-Knaupler aus seinem absalomischen Zustand.</p>
-
-<p>Der Pfarrer wischte sich den Schweiß. »Kinder,
-für heut ist es genug. Habt ihr alles begriffen?«</p>
-
-<p>Der Kasper hob die Finger in die Höhe. »Ich
-begreif nit alles.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_51">[51]</a></span></p>
-
-<p>»So mußt du mich fragen, kleine Seele!«</p>
-
-<p>Hellauf rief der Bub: »Was für eine Himmelssünd
-ist das, die Unkeuschheit?«</p>
-
-<p>»Die Unkeuschheit,« brummte der Geistliche, »das
-ist, wenn einer die Hosen verkehrt anzieht. Und
-frag nit zuviel, Bengel, und bet zu deinem Schutzengel,
-er soll dich nit verlassen!«</p>
-
-<p>»An den Schutzengel glaub ich nit,« sagte der
-Kasper keck.</p>
-
-<p>»Warum nit?«</p>
-
-<p>»Wenn ich einen Schutzengel hätt, so hätt er
-mir helfen raufen, wie mich der Schmied in der
-Beiz gehabt hat.«</p>
-
-<p>Da fiel der Pfarrer über den Buben her und
-rüttelte ihn beim Kragen. »Du frevelhafter Teufel,
-wirst du gleich an deinen Schutzengel glauben!«&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>In der Woche vor dem Freudensonntag beichtete
-der Kasper zum erstenmal. Der Pfarrer spitzte
-seine Ohren scharf, und der Sünderling wispelte
-hurtig hinein: »Bei der Mußmühl weiß ich ein
-Nest, sind fünf Eierlein drin, fliegt allweil eine
-Bachstelze hin. Dir sag ich es. Daß du es aber
-niemanden sagst, Pfarrer!«</p>
-
-<p>Der Herr Sebastian Knaupler zog das Schneuztuch
-heraus und schneuzte sich lange. Dann schlug<span class="pagenum"><a id="Page_52">[52]</a></span>
-er ein ellenlanges Kreuz in die Luft und segnete.
-»Geh hin, o Mensch, deine Sünden sind dir vergeben!«</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<div class="chapter">
-<p>Der Kasper ging hin und wuchs sich gemächlich
-zu einem stämmigen Burschen aus, stark und gelenkig.
-Sein Kopf war noch größer geworden, nur
-die Augen blieben winzig und die Stimme hoch und
-dünn und kichernd, wie er sie als Kind gehabt hatte.</p>
-</div>
-
-<p>Er plagte sich nicht, mit seiner Arbeit hätte er
-sich kaum das tägliche Brot verdient. Viel lieber
-schlüffelte er im Dorf umher und lauschte überall
-hin mit offenem Maul und verschlagenem, flinkem
-Blick. Hemdärmlig stand er auf der Kegelstatt und
-wog und warf die Scheibkugel, daß es donnerte.</p>
-
-<p>Die Sodonia verwarnte ihn oft und rieb ihm
-vor, wie Müßiggang bösen Ausgang nehme, besonders
-bei einer Bauernwirtschaft, er aber pfiff sich ein
-Lied lustiger als das andere, rückte sich den Hut
-schief und sang:</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">»Und ein bissel bin ich bucklet,<br /></span>
-<span class="i0">und ein bissel bin ich krump,<br /></span>
-<span class="i0">und ein bissel bin ich tilltapp,<br /></span>
-<span class="i0">und ein bissel bin ich Lump.«<br /></span>
-</div></div>
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_53">[53]</a></span></p>
-<p>Weil er in der Rede gut beschlagen war und
-keinem die rechte Antwort schuldig blieb, und weil
-er schier aus lauter schönen Spitzbübereien zusammengesetzt
-war, wählten ihn die Burschen, die im Fasching
-vermummt durch die Dörfer reisten, zu ihrem Hanswurst,
-und in diesem Amt trug er einen strohenen
-Dreschflegel, einen Spitzhut und ein Kleid, aus
-hundert bunten Flecken närrisch zusammengewürfelt
-wie seine Seele.</p>
-
-<p>Der Müllergid ging als der Hauptmann voran,
-ein gefranstes Handtuch als Schärpe vor der Brust,
-auf der Achsel einen Spieß, der sich unter dem Speck
-bog, den sein tolles Gesindel aus den Rauchfängen
-der lachenden Bauern heimste.</p>
-
-<p>Und der Kasper stürzte jäh ins Knie, hob die
-Hände auf und schrie kläglich: »Ihr lieben Daxloher,
-ich bitt euch um Gottes willen, gebt her ein
-Pfund Teufelsspeck! Leugnet es nit, vor Dreikönig
-habt ihr den Teufel abgestochen und in den Rauch
-gehängt. Und ich bitt euch gar schön um eine kuhwarme
-Blutwurst, so lang muß sie sein, daß sie
-sich neunmal um den Blaustaudner Turm wickeln
-laßt und dreimal um eure Bürgermeisterin.«</p>
-
-<p>Dann sprang er wie ein Heuschreck auf und schlug
-sich mit dem Strohflegel eine Gasse durch die Gaffer,<span class="pagenum"><a id="Page_54">[54]</a></span>
-und während seine Gesellen am Dorfanger tanzten
-und der Pritschenmeister einen der Zuschauer auf die
-Bank legen ließ und ihm fünfundzwanzig auf die
-Hinterlandschaft maß, durchstöberte der Kasper die
-Speckkammern und Ofenröhren der unbewachten
-Gehöfte, und kam dann üppig beladen zurück zu
-seiner Bande und jauchzte: »Die ganze Welt ist
-ein Fasching, juchu!«</p>
-
-<p>In Blaustauden trieb der Kasper einen verreckten
-Geißbock auf. Sein Gesindel grub hinterm Dorf
-ein Loch und senkte den Bock hinunter. Der Kasper
-hielt die Grabrede: »Unser lieber, guter Herr
-Burgermeister ist tot.« Und einer kniete neben ihm,
-als Wittib verkleidet und jammerte, daß es einem
-das Herz zerspaltete und den Weibern rings das
-Wasser aus den Augen sprang. »Ein guter Hausvater
-ist dahin,« hub der Kasper wieder an, »ein
-braver Ehemann. Ihr Jungfern von Blaustauden,
-ich wünsch euch allen einen so eifrigen Mann.«</p>
-
-<p>Der Meßner Grazian aber, der unter den Leuten
-stand, begehrte auf. »Ich laß den Blaustaudner
-Jungfern ihre Ehre nit angreifen,« schrie er und
-drängte sich scharf zu dem Redner hin.</p>
-
-<p>Gleich wurden die Köpfe rot, ein Knäuel ballte<span class="pagenum"><a id="Page_55">[55]</a></span>
-sich zusammen, Fäuste reckten sich, und der Meßner
-lag auf einmal in der Grube auf dem Geißbock.</p>
-
-<p>Es wäre zu blutigen Schlägen gekommen,
-wenn nicht der neue Pfarrer Nonatus Hurneyßl
-eingegriffen hätte, ein aufrichtiger und entschlossener
-Mann. Mit dem Regenschirm jagte er die Leute
-auseinander, verfolgte damit den Kasper, der sich
-mit dem Strohflegel nur schwach wehren konnte,
-zum Ort hinaus und half schließlich mit dem
-nämlichen Schirm seinem Meßner aus der Grube.</p>
-
-<p>In der Nacht vor dem Fastensonntag trommelte
-es dem Grazian ans Fenster. Der Grazian, in
-der Meinung, es gelte, einen Kranken zu versehen,
-tat den Laden auf, und blitzschnell wurde etwas
-Gehörntes, Fürchterliches, an eine Stange Gebundenes
-in die Stube gestoßen, und das roch
-abscheulich.</p>
-
-<p>»Der Teufel ist es, er stinkt nach Schwefel!«
-schrie die Meßnerin und fiel aus einer Schwäche
-in die andere.</p>
-
-<p>Der Grazian dachte gleich an seine Höllenfahrt
-und kroch plärrend unters Bett.</p>
-
-<p>Als die aufgeschreckten Nachbarn in die Stube
-leuchteten, fanden sie einen halbverwesten Geißbock.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_56">[56]</a></span></p>
-
-<p>Der Grazian wollte sich den Fastenbraten und
-den daran hängenden Spott nicht gefallen lassen
-und übergab die Sache dem Gericht. Der Täter
-aber kam nicht auf, trotzdem daß alles mit den
-Fingern auf ihn hätte weisen können.</p>
-
-<p>Damals geigte die Sodonia dem Kasper tüchtig
-die Wahrheit, und es schien, als ginge der Bursch
-in sich und verabscheue seinen Wandel, der die
-Leute ärgerte.</p>
-
-<p>Er stellte sich Tauben ein, züchtete sie und handelte
-damit und redete von nichts mehr als von Schopf-
-und Kropf- und Trommeltauben, von rotgesudelten
-und schwarzgesudelten, spiegelnden und rauhfüßeten
-Tauben und pfiff den Vögeln den ganzen Tag
-und lockte sie, die über den First des väterlichen
-Hauses trippelten.</p>
-
-<p>Und in der Zeit dieser zärtlichen, weichen, sehnsüchtigen
-Pfiffe, und während er die Spiele und
-Scherze der Vögel betrachtete, wie der Tauber
-sein Weiblein umtanzte und girrend scharwenzelte
-und sie am Schnabel zog, und wie die beiden beleidigt
-und dann wieder schön mit einander taten,
-da wurde das Blut des Kasper ganz wunderlich,
-und er konnte sich selber nicht begreifen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_57">[57]</a></span></p>
-
-<p>Und einmal, der Mond blinkte in die Stube,
-wo Bauer und Bäurin in dem breiten Himmelbett
-schliefen, da tappte sich der Kasper zur Tür. Aber
-er stieß an einen Stuhl, und der Bauer fuhr auf
-und sah den Burschen schleichen.</p>
-
-<p>»Wohin denn, Bub?«</p>
-
-<p>»Vater, heiraten möcht ich,« lallte der Kasper
-halb im Schlaf.</p>
-
-<p>»Du hast recht. Heut noch nit, aber morgen,
-Bub. Und jetzt leg dich nur wieder!«</p>
-
-<p>Folgsam kehrte der Kasper um und schlief weiter.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Seit jener Mondscheinnacht lachte der junge Dullhäubel
-den Dirnen in die Augen. Und um sich
-vor ihnen ein Ansehen zu geben, handelte er sich
-vom Krämer eine Tabakspfeife mit buntem Kopf
-ein, die steckte er in die einwendige Brusttasche,
-daß das Mundstück herausguckte. Auch putzte er
-sich mit einem blauen Hut, grasgrünen Hosenträgern
-und einer breiten Uhrkette auf und ließ
-sich unter der Nase einen fuchsfeuerroten Schnurz
-wachsen. Und seine Schultern wurden breiter, seine
-Hände fester und griffiger. Nur die Stimme blieb
-ihm hoch und kindisch schrill.</p>
-
-<p>Einmal saß die Sodonia nachts im Bett auf,
-weil sie sich den Schlaf nicht erzwingen konnte.<span class="pagenum"><a id="Page_58">[58]</a></span>
-Da hörte sie es wie mit Diebestritten das Haus
-umspüren und bald hernach den Kasper draußen
-halblaut singen:</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">»Dirndel, tu auf<br /></span>
-<span class="i0">und laß mich zu dir,<br /></span>
-<span class="i0">bin ein armer Kaplan,<br /></span>
-<span class="i0">sollst beten mit mir!«<br /></span>
-</div></div>
-
-<p>Die Alte witterte neuen Unfug, und sie wollte
-die Hand über des Burschen Unschuld halten. Denn
-seine Mutter, die Sanna, kümmerte sich nicht um
-ihn, sie lag den halben Tag hinter der Scheuer
-unter der Hollerstaude, und die Stalldirn fing ihr
-die Läuse.</p>
-
-<p>Die Sodonia wurde wachsam, und bald darnach
-merkte sie, wie sich der Kasper nach dem Essen
-davon zog und auch die Geißdirn verschwunden
-war. Schleunig suchte sie Dachboden, Stall und
-Stadel durch, bis sie schließlich zu einem alten,
-von Brombeergebüsch verwucherten Backofen kam,
-dort sah sie vier Füße heraus stehen. Sie packte
-das eine Paar kräftig an und zog den Kasper
-heraus.</p>
-
-<p>Scheltend führte sie ihn zum Bauer. Aber der
-lachte unbändig und freute sich über den Ort, wo
-die Verliebten ihre Zuflucht gefunden hatten.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_59">[59]</a></span></p>
-
-<p>Es war zum letztenmal, daß der Isidor Dullhäubel
-sich freute. Er verfiel auf einmal, sein Gesicht
-wurde käsweiß, die kupferne Nase überzog
-sich mit Grünspan, und er behauptete, sie täte ihm
-weh. Die Kraft ging ihm aus.</p>
-
-<p>Zu Mariä Geburt rief er den Kasper zu sich
-in die Stube. Er zog sich die hirschlederne Hose
-aus, die von den Vorfahrern überkommen war,
-warf sie dem Burschen hin und murrte: »Da!«
-Auf dem Tisch schillerten sieben Tabakgläser, darin
-die Namen der Wochentage geschliffen waren, und
-das Sonntagsglas glühte rot wie ein brennendes
-Herz. Der Bauer deutete darauf und ächzte:
-»Da!« Hernach ließ er sich matt ins Himmelbett
-fallen und starrte zu dem Spiegel hinauf, der
-darüber als Decke hing, und sah droben das
-kalkige Gesicht und die grüne Nase und seufzte.</p>
-
-<p>So wich der alte Bauer dem jungen.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Am Kirchweihsonntag schleppte sich der Isidor
-Dullhäubel zum letztenmal in den »pfalzenden
-Hahn«. Und als er mitternachts toll und voll
-heimkehrte, weckte er seine Bäurin und sagte fröhlich:
-»Heut hab ich die Krankheit versoffen.«</p>
-
-<p>Der Kasper schwenkte noch am grauen Morgen
-die Dirnen im Tanz, als sein Knecht ganz außer<span class="pagenum"><a id="Page_60">[60]</a></span>
-Atem daher kam. »Kasper, heimgehen sollst du.
-Der Bauer ist gestorben.«</p>
-
-<p>»Hast du mich erschreckt!« antwortete der Kasper.
-»Ich hab schon gemeint, der rotblassete Tauber
-wär hin.«</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Der neue Bauer schaffte dem Toten ein schönes
-Begräbnis an. Die kupferne Nase nahm er ihm,
-als er in der Truhe lag, weg, sie konnte dem
-Isidor beim Jüngsten Gericht mehr schaden als
-nützen. Der Kasper band sie an den Senkel der
-Stubenuhr, die schon längst ein stärkeres Gewicht
-gebraucht hatte. So hing ihm allzeit ein Andenken
-an den Verewigten vor Augen.</p>
-
-<p>Die Musikanten bliesen, der Pfarrer spritzte den
-Weihbrunn über die Truhe und betete um das
-immerwährende Licht und um die ewige Rast, und
-der Kasper heulte am Grab des Isidor Dullhäubel
-und begehrte, man solle ihn gleich mit dem Alten
-einscharren.</p>
-
-<p>Hernach ließ er sich nach ewigem Dorfbrauch
-ins Wirtshaus spielen, und dort ging es feucht
-und lustig her, daß der junge Dullhäubel beim
-Abschied schluchzend zu den Musikanten sagte:
-»Mein Vater hat jetzt eine schöne Leich gehabt.<span class="pagenum"><a id="Page_61">[61]</a></span>
-Wenn wir leben und gesund sind, müßt ihr mir
-bei meinem Begräbnis auch so schön aufspielen.«&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Der Mond war schon schlohweiß unterwegs, als
-sich der Trunkene heimtrollte.</p>
-
-<p>In der Blaumantelkapelle war es hellicht. Der
-Kasper Dullhäubel stierte hinein. Ihm schien es,
-der Heilige beutle unwillig den Kopf und hebe
-die Handteller gegen ihn, als greine er: »Fahr ab,
-du Sündenlümmel!«</p>
-
-<p>»Du bist ein Lümmel, nit ich!« antwortete der
-Bauer. »Und meine Nase nimmst du mir nit, die
-ist kerngesund. Schau nit so scheinheilig drein!
-Wer weiß, wer du gewesen bist bei Lebzeiten.«</p>
-
-<p>Der Heilige glotzte mit offenem Mund, der
-Mond verlieh ihm Leben.</p>
-
-<p>»Dir verdank ich meinen roten Bart,« knurrte
-der Dullhäubel. »In dich hat sich meine Mutter
-verschaut, wie sie mich getragen hat. Wir zwei
-rechnen noch einmal ab miteinander. Und red nit
-so grob mit mir! Jetzt bin ich der Dullhäubel.«&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Tags darauf bat er die Altbäurin, sie möge ihm
-ein altes Heiligenbuch leihen, das er einmal in
-ihrer Truhe gesehen hatte.</p>
-
-<p>Die Sodonia freute sich. »Das Buch schenk ich
-dir, Bauer. Das ist recht, daß du jetzt einkehrst<span class="pagenum"><a id="Page_62">[62]</a></span>
-bei dir und das Leben der Heiligen lesen willst,
-daß du ein Beispiel vor dir hast. Und so wachst
-in deiner Frömmigkeit ein gutes Blümel aus
-deinem Vater seinem Grab.«</p>
-
-<p>»Sind alle Heiligen drin?« fragte er kurz.</p>
-
-<p>»Alle! Alle!« Sie nickte feierlich.</p>
-
-<p>Eine Woche lang buchstabierte er sich durch das
-andächtige Buch, daß er das Leben des Blaumantels
-kennen lerne. Er hoffte, in der Erdenwallfahrt
-des heiligen Nachbarn einen schwarzen Fleck zu
-finden, wie ja die stolzesten Heiligen oft die größten
-Sünder gewesen sind. Vielleicht hat der Blaumantel
-einen Bauer im Roßhandel betrogen oder
-es mit einem leichtfertigen Weibsbild gehalten oder
-gar irgendwo auf der Straße einen Wegfahrer
-abgegurgelt. Es gibt gar wunderliche Brüder
-unter den Heiligen. Und wenn der Dullhäubel
-den Fleck des hochfährtigen Heiligen aufgedeckt
-hat, wird er ihm ein paar schöne Strahlen aus
-dem Heiligenschein zupfen und ihm gehörig heimgeigen,
-wenn der Blaumantel ihm noch einmal
-ins Gewissen reden sollte.</p>
-
-<p>Doch wie scharf der Bauer auch die Buchstaben
-ins Auge nahm und wie mißtrauisch sein Finger
-über die Zeilen tappte, daß ihm nichts entwische,<span class="pagenum"><a id="Page_63">[63]</a></span>
-er fand in dem Buch nicht einmal den Namen
-des Heiligen.</p>
-
-<p>»O du Duckmauser, wer weiß, was für einer
-du bist?« grinste der Kasper Dullhäubel. »Jetzt
-will ich dir erst recht nachspüren.«</p>
-
-<p>Er suchte den hochwürdigen Herrn Nonatus
-Hurneyßl heim.</p>
-
-<p>Der Pfarrer lehnte gerad im Predigtstuhl, der
-ein großes, nach oben offenes Schneckenhaus war,
-und erzählte die Marter des heiligen Sebastian.</p>
-
-<p>»Was gilt es, du kriegst den Pfeil in die
-Gurgel!« rief er. »Was gilt es, du kriegst den
-Schuß in den Nabel! Bums, sitzt dir der Pfeil
-im Schienbein! Ja, meine lieben Seelen, da
-sperrt ihr euer Maul auf und loset. He, du alte
-Zipfelhaube im dritten Stuhl am Eck, schlaf nit!
-Greift dich denn die Marter gar nit an? He,
-du Bürgermeister von Grillenöd, räusper dich nit
-so laut! He, Mausfallenwirt, lach nit so mit den
-Stockzähnen! Versuch es, laß du dir einmal von
-einem gottschändlichen Buben mit der Schindelbüchse
-einen Nagel in den geschwollenen Magen
-schießen!«</p>
-
-<p>Da knarrte das Kirchtor, der Kasper Dullhäubel
-stand da und tappte demütig in den Weihbrunnkessel.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_64">[64]</a></span></p>
-
-<p>»Gehorsamster Diener, Dullhäubel!« grüßte der
-Herr Nonatus Hurneyßl grimmig. »Hast du den
-Weg verfehlt? Oder regnet es draußen, weil du
-da herein kommst? Kannst du nit zur Zeit da
-sein? Mußt du mich in den schönsten Martergeschichten
-stören? Hast du vielleicht einem Geißbock
-die letzte Ölung geben müssen? Das möcht
-ich wissen, was du heut von unserm Herrgott verlangst.
-Herrgott im Altar, trau dem Dullhäubel
-nit! Ja ja, schnupf nur, und tröst deine Nase!
-Der Teufel wartet auf dich, er bekränzt schon die
-große Bratröhre, wo er dich dünsten wird. Amen.«</p>
-
-<p>Die Gemeinde murmelte: »Vergelts Gott!« und
-der Pfarrer stieg schwerfällig von der Schneckenkanzel
-herab.</p>
-
-<p>Nach der Messe schob sich der Dullhäubel in die
-Kanzlei des geistlichen Herrn.</p>
-
-<p>Der rief leutselig: »Ei, was für ein Wind tragt
-den Dullhäubel daher? Willst du gar schon heiraten?
-Das wär ratsam. Deine Wirtschaft braucht
-ein Weib.«</p>
-
-<p>»Mich druckt ein besonderes Anliegen,« entgegnete
-der Bauer. »Sag mir, Hochwürden, woher stammt
-denn unser guter Schutzheiliger, der Blaumantel?<span class="pagenum"><a id="Page_65">[65]</a></span>
-Und was für Martern hat er erlitten, eh die Fuxloher
-ihn in die Kapelle gesperrt haben?«</p>
-
-<p>»Meine liebe Seele, ich kann dir darüber nit
-viel Auskunft geben. Euer Heiliger schreibt sich
-eigentlich Sankt Aurazian, so steht es in unserm
-Kirchenbuch zu lesen. Sonst ist über ihn nirgends
-ein Wort zu lesen, so viel ich auch die Heiligengeschichte
-nachgeblättert hab. Mein Vorgänger,
-der Pfarrer Sebastian Knaupler, hat in selbiger
-Sache einen Brief an die päpstliche Kanzlei in
-Rom geschrieben, aber auch die haben nix gewußt
-vom heiligen Aurazian. Er muß ein gar bescheidener
-Mann gewesen sein, weil er nix von sich hinterlassen
-hat als seinen Namen.«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel dankte und ging. Bei der
-Siebenkittelwirtin kehrte er ein und trank, bis er
-strotzte, und erst, als er keinen Trunk mehr vermochte,
-besann er sich auf den Heimweg.</p>
-
-<p>Die Nacht war schwarz, kalter Regen schlug
-durch den Wald. Der Steig war voll Gerill und
-Geröll und voll lauernder, tückischer, schlüpfriger
-Wurzeln, so daß der Bauer oft hinstürzte.</p>
-
-<p>Vor der Kapelle zündete er sich die Pfeife an
-und beleuchtete den Heiligen. Der wehrte mit den
-Armen ab, als wolle er keinen Teil haben an dem<span class="pagenum"><a id="Page_66">[66]</a></span>
-Dullhäubel und als grause ihm vor dessen trunkenen
-Wandel.</p>
-
-<p>»Herr Auraz Blaumantel, jetzt red du selber,
-wer du bist,« gröhlte der Bauer. »Gelt, du staunst,
-daß ich deinen Taufnamen weiß? Ich komm dir
-schon hinter die Schliche. Red, wer du bist! Du
-hast das Maul allweil offen und kannst nit giges
-und nit goges sagen.«</p>
-
-<p>Schärfer schlug der Regen nieder, der Wind
-bog die Bäume, der Wolfsbach sauste.</p>
-
-<p>»Von dir weiß nit einmal der Papst in Rom,
-woher du bist, du zugereister Heiliger. Aber ich
-bin der Dullhäubel aus Fuxloh!«</p>
-
-<p>Und er kroch in die Kapelle, rollte den Blaumantel
-in den Regen hinaus, legte sich an seine
-Statt und schlief ein.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>In aller Frühe stapfte der Holzhacker Longinus
-Spucht mit seinem Weib daher, zwei Leute, eines
-kleiner als das andre. Sie wollten weit in den
-Lusenwald hinein, Bäume schneiden, und hörten
-es jetzt in der Kapelle drin schnaufen und rasseln
-und gurgeln.</p>
-
-<p>»Um teufelswillen, Weib, der Blaumantel schlaft
-hart,« wisperte der Spucht.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_67">[67]</a></span></p>
-
-<p>»O du Batzenlippel,« spottete sie, »wie kann denn
-ein Hölzerner so schnaufen?!«</p>
-
-<p>»Also ist es ein Bär,« stammelte er.</p>
-
-<p>»Schau hin, ob niemand in der Kapelle liegt!«
-befahl sie.</p>
-
-<p>Er tat ein paar verzagte Schritte und rief: »Ist
-niemand in der Kapelle?«</p>
-
-<p>Da kreischte drin eine greuliche Stimme: »Was,
-bin ich jetzt auf einmal der Niemand? Ein großer
-Herr bin ich, auf der Welt gibt es keinen größern.
-Ich bin der&nbsp;&ndash;&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>Weiter hörten die zwei nichts, sie rannten in
-einem Saus dem Wald zu.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Die alte Ulla hob hernach den obdachlosen
-Heiligen wieder in seine alte Heimstatt und wusch
-ihm den blauen Mantel, der arg beschmutzt war.</p>
-
-<p>Im Gau des Lusens ging bald das Gerücht
-um, der Heilige habe mit zwei armen Holzhackern
-ein frommes Gespräch geführt.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel aber prahlte sich, er habe die
-ganze Nacht mit dem Blaumantel im »pfalzenden
-Hahn« gesoffen und Karten gespielt und habe
-schließlich den trunkenen Heiligen heimschaffen
-müssen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_68">[68]</a></span></p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Das Frühjahr kam, die Tage nahmen auf.</p>
-
-<p>Da tändelten die Vögel, der Birkhahn krudelte,
-der Kiebitz tanzte um seine Frau, der Fuchs lief der
-Füchsin nach und der Has der Häsin.</p>
-
-<p>Und wie die Sterne so zierlich leuchteten und der
-breite Bauernmond über den Fuxloher Heustadeln
-hing, stieg der Dullhäubel auf halsbrecherischen Waldsteigen
-übers Gebirg hinüber ins Bayernland der
-Einöd Kaltenherberg zu. Der Lugausbauer dort hatte
-eine mächtige Tochter.</p>
-
-<p>Das Gehöft lag schon finster.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel klopfte an.</p>
-
-<p>Drin meldete sich der alte Lugaus. Er trat ans
-Fenster und spähte in die weiße Nacht heraus.</p>
-
-<p>»Bist du der Bauer?« fragte der Dullhäubel.</p>
-
-<p>»Der bin ich.«</p>
-
-<p>»Tu auf! Heiraten möcht ich. Deine Tochter
-möcht ich.«</p>
-
-<p>»Hoho, wer bist denn du? Der Lugaus gibt sein
-Mensch nit dem ersten besten, der in der Nacht daher
-reitet. Wir Bauern auf der Einöd sind dumm, aber
-zum Narren haltet uns keiner.«</p>
-
-<p>»Dem Mußmüllner aus Fuxloh sein Bub bin
-ich. Hast du noch nie nix gehört von der Mußmühl?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_69">[69]</a></span></p>
-
-<p>»Ei freilich! Komm nur herein! Bist herzlich gern
-gesehen.«</p>
-
-<p>Der Alte riegelte die Tür auf, dann stieg er im
-Vorhaus die Stiege ein paar Staffeln hinauf und
-rief in die Bodenluke hinein: »Ogath, heb dich!
-Heb dich schleunig! Der Mußmüllnerbub ist da.
-Schlupf in den Kittel! Leg an dein seidenes Gewand!«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel setzte sich auf eine mit Rosenstöcken
-reichlich bemalte Truhe und ließ die Füße
-baumeln.</p>
-
-<p>Die alte Bäurin gab ihm die Hand und kicherte
-und nickte unablässig. Der Lugaus brannte einen
-Span an und steckte ihn in den Leuchter am Ofen,
-hernach ließ er sich am Tisch nieder und schmunzelte
-übers ganze stoppelige, faltige Gesicht.</p>
-
-<p>»Gesehen hab ich dich noch nit, Müllnerbub,«
-sagte er. »Ich bin nur ein einziges Mal drüben
-gewesen in Fuxloh. Der Weg her ist gar wild,
-voller Steinfelsen und Gewurz. Dazumal bin ich
-mit dem Leiterwagen herübergefahren von Fuxloh.
-Den Weg hab ich dersider verschworen und verredet.
-Wie ich die Ochsen so antreib, verlier ich zuerst die
-Leitern, hernach das linke Hinterrad, hernach das
-rechte, hernach das linke Vorderrad, hernach das<span class="pagenum"><a id="Page_70">[70]</a></span>
-rechte, schließlich den Hinterwagen, und wie ich daheim
-war, waren nur mehr die Ochsen da mit der Deichsel.«</p>
-
-<p>Die Ogath trat herein, eine starke, große Dirne.
-Über Achsel und Brust hing ihr ein haselbrauner
-Zopf; ein ganz kleines, feines Bärtlein wuchs ihr
-über der Lippe, es stand ihr gar nicht schlecht.</p>
-
-<p>»Da setz dich zu ihm hin,« sagte der Lugaus.
-»Heiraten sollst du!«</p>
-
-<p>Halb schläfrig, halb verschämt ließ sie sich auf
-die Truhe nieder und schmiegte sich an den Dullhäubel.
-Die alte Schwieger nickte und kicherte.</p>
-
-<p>»Die Ogath ist für dich, Müllnerbub, die kriegst
-du,« fing der Lugaus wieder an. »Schau sie nur
-an, wie sie gestellt ist! Wie hochbrüstig sie ist!
-Ja, meine Menscher haben Schmalz. Drei hab
-ich schon ausgeheiratet, leicht hab ich sie angebracht.
-Die Ogath ist jetzt die letzte.«</p>
-
-<p>»Schön ist sie wie ein Nägleinstock,« kicherte
-die Lugausin.</p>
-
-<p>Der Bursch tat den Arm um das volle, noch
-von Bett und Schlaf warme Weib, und sie schielte
-heimlich zu ihm hinüber.</p>
-
-<p>»So red ihm doch schön zu, Ogath!« drängte
-die Alte. »Bist denn du eine Stummin?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_71">[71]</a></span></p>
-
-<p>»Nach Fuxloh geb ich das Mensch gern, Fuxloh
-ist ein schönes Ort,« sagte der Lugaus.</p>
-
-<p>Die Junge erwiderte mit tiefer, lachender
-Stimme: »Herzlich gern geh ich fort aus der
-Einöd.«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel gab ihr recht. »Eure Einöd
-gilt bei uns nit viel. Der Isidor Dullhäubel,
-Gott schenk ihm das ewige Licht, hat gespottet,
-bei euch täten sie den Mittag mit dem Kleiensack
-ausläuten.«</p>
-
-<p>»Der Dullhäubel hätt über seinen kupfernen
-Kumpf spotten sollen!« fuhr der Alte auf. »Wie
-man hört, hat den Hof jetzt wieder genau so ein
-Spitzbub wie alle seine Vorfahrer.«</p>
-
-<p>»Ich bin aber der Mußmüllnerbub,« redete der
-Dullhäubel flugs darein.</p>
-
-<p>»Ein Müllner ist mir recht. Den nimmst du,
-Ogath! In einer Mühl staubt es das ganze Jahr
-ein kleines Geld und ein großes auch. Freilich«
-&ndash; dabei kniff der Lugaus listig ein Auge zu &ndash;
-»Diebe sind die Müllner alle.«</p>
-
-<p>Die Schwieger rieb sich die hageren Hände,
-sie huschte emsig hin und her, zupfte an der Ogath
-ihren Kittel, brachte dann einen Laib Brot und
-nötigte den Hochzeitswerber zum Tisch.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_72">[72]</a></span></p>
-
-<p>»Du kommst in eine gute Freundschaft, Müllner,«
-sprach der Einöder. »Mein Bub ist auch
-recht, der ist ein Herrgottelschnitzer in Straubing.
-Den Kopf hat er von mir, die Füße sind wie
-Stangen, und einen Hund hat er auch.«</p>
-
-<p>»Sei nit so verstockt, Ogath! Red mit ihm!«
-riet die Alte.</p>
-
-<p>Und die Dirne sprach: »Rot solltest du nit sein,
-Müllner! Ein roter Bart steht selten auf einem
-guten Ort. Aber für sein Auswendiges kann der
-Mensch nix. Sonst gefallst du mir.«</p>
-
-<p>Der Lugaus und die Lugausin zischelten eifrig
-aufeinander ein und winkten und lächelten sich zu.
-Die zwei Leute glichen sich sehr, die breiten, runzlichen
-Stirnen, die kleinen, wackelnden Kinne, die
-langen Nasen, dünnen Lippen und gutmütigen
-Augen ähnelten einander derart, daß man nicht
-gewußt hätte, wer der Bauer und wer die Bäurin
-sei, wenn er nicht die Hosen und sie nicht den
-Kittel angehabt hätte.</p>
-
-<p>»Lugaus, wie hast du denn dein Weib kennen
-gelernt?« fragte der Dullhäubel lustig.</p>
-
-<p>»Ich bin zum Häusel hinein, und sie zum Häusel
-heraus, da haben wir uns begegnet,« lachte der
-Alte. »Und zwischen Sommer und Winter ist es<span class="pagenum"><a id="Page_73">[73]</a></span>
-gewesen: wie ich zu ihr gangen bin, ist die Welt
-grün gewesen, und wie ich von ihr heim bin, hat
-es geschneit, alles in einer Nacht.«</p>
-
-<p>»Und was ist es mit dem Heiratsgut, Bauer?«</p>
-
-<p>»Ich laß mich nit lumpen. Einen Strumpf
-voller Silber kriegt meine Tochter mit, zwei Küh
-und eine funkelneue Bettstatt. Und ein schönes
-Spinnrad laß ich ihr drechseln.«</p>
-
-<p>»Sie taugt überall hin, die Ogath,« eiferte die
-Alte, »in jeder Kuchel kann sie stehen. Sie kann
-zwei Brühen kochen, eine süß, die andre sauer.
-Und gerichtet ist sie auch gut, sie hat zwei Schürzen,
-eine schwarztibetene und eine rottibene.«</p>
-
-<p>»Bauer, Bäurin, das alles müßt ihr mir verschreiben,«
-begehrte der Dullhäubel.</p>
-
-<p>»Du sollst es schriftlich haben. Gleich setzen
-wir miteinander den Heiratsbrief auf. Bäurin,
-bring Tinte, Feder und Papier, daß wir die Sach
-in Gang und Schwang bringen.«</p>
-
-<p>Die Alte stellte ein Fläschlein rußiges Wasser
-hin. Aber weil sie die Gänse im Stall nicht aufstören
-wollte, gebrach es an einer Feder, und
-Papier fand sie nicht vor.</p>
-
-<p>Da wandte der Lugaus die Tischplatte um.
-»Das ist jetzt das Papier.« Er reichte dem Dullhäubel<span class="pagenum"><a id="Page_74">[74]</a></span>
-einem Halm Kümmelstroh. »Da tauch ein,
-Müllner, in die Tinte und schreib! Ich und mein
-Weib sind keine Schriftgelehrten, zu unserer Zeit
-ist weit und breit keine Schul gewesen.«</p>
-
-<p>Der Alte schaffte jetzt an, und der Dullhäubel
-kratzte emsig mit dem Stroh seine hagebuchenen
-Buchstaben auf den Tisch.</p>
-
-<p>»Schreib hin, Müllner! ›Und die Ogath kriegt
-tausend Taler mit und einen Kammerwagen voll
-Zeug und unsere Küh Köpfel und Prinzel. Der
-Name des Herrn sein gelobt!‹« Hernach setzte der
-Lugaus drei Kreuze unter den Heiratsbrief und
-drehte die Tischplatte wieder auf die alte Seite,
-daß die Schrift nicht verwischt werde.</p>
-
-<p>»Jetzt knie dich nieder, Ogath, daß ich dir den
-väterlichen Segen geb!«</p>
-
-<p>Sie zierte sich ein wenig, dann fiel sie polternd
-auf ihre starken Kniescheiben hin, die Bäurin
-schneuzte sich in den Unterkittel, der Lugaus breitete
-wie ein Pfarrer über sie die Hände aus und
-sagte: »Sei froh, Ogath, daß du keine alte Jungfer
-wirst, du brauchst nach dem Tod nit im Moos
-die Kiebitze hüten!«</p>
-
-<p>»Hör zu, Schwäher! Die zwei Küh tät ich mir
-gern anschauen,« bat der Dullhäubel.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_75">[75]</a></span></p>
-
-<p>Der Lugaus leuchtete mit dem Span in den
-Stall, wo das Vieh lag und atmete. Mit gekrümmtem
-Fuß trieb er die verbrieften Kühe auf.
-Sie schauten sich mürrisch um und zogen das
-Maul scheel.</p>
-
-<p>»He, Köpfel, auf, du mußt nach Fuxloh!
-Prinzel, du auch. Fuxloh ist ein schönes Ort.
-Du kannst sie dir gleich mitnehmen, Müllner,
-die Küh.«</p>
-
-<p>»Heut ist der Weg zu finster, Schwäher. Aber
-wann soll uns der Pfarrer zusamm binden?«</p>
-
-<p>»Meinetwegen heut noch,« kicherte der Lugaus.</p>
-
-<p>»Schwäher, ich hätt der Ogath noch was heimlich
-zu sagen.«</p>
-
-<p>Der Alte blinzelte schelmisch: »Geh nur zu mit
-ihr, Müllner, und sag ihr es deutlich!«</p>
-
-<p>Da ging der Dullhäubel mit der Ogath aus
-dem Gehöft in den Wald hinein. Ein mondsüchtiges
-Füchslein gellte, lau strich die Luft durch
-die Stämme, und Nacht und Himmel waren spiegelheiter.</p>
-
-<p>Mit seinen läppischen Händen tappte er nach ihr.</p>
-
-<p>»Laß mich aus!« schalt sie und entrang sich ihm.</p>
-
-<p>Als er sie dennoch mit zangenden Fingern packte,
-kerbte sie ihm die Nägel ins Gesicht.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_76">[76]</a></span></p>
-
-<p>Er ließ murrend ab. »Stutzig und trutzig bist
-du wie eine Kranwitstaude!«</p>
-
-<p>»Du kannst mich einmal genug anrühren,« tröstete
-sie, »heut wär es noch zu früh. Aber jetzt geh
-ich mit dir, ich will die Mühl rauschen hören, wo ich
-einmal die Müllnerin bin.«</p>
-
-<p>Dem Dullhäubel schoß das Blut bis zum
-Schopf hinauf. Da hatte er sich eine saubere
-Suppe eingebrockt! Wie die Dirne so ruhig und
-fest wie ein Felsen vor ihm stand! Die gibt
-nimmer nach.</p>
-
-<p>»Ich kann dich nit mitnehmen,« stotterte er.
-»Es paßt sich nit. Was täten die Leut dazu sagen?«</p>
-
-<p>»Die Leut sollen reden! In drei Wochen sind
-wir Mann und Weib.«</p>
-
-<p>Sie faßte mit festem Griff seine Hand und schlug
-mit ihm den Weg über die Grenze ein.</p>
-
-<p>Es war still worden, der Fuchs klagte nimmer.
-Der Mond stand im Vollschein.</p>
-
-<p>»Bist du allweil so einsilbig?« fragte sie.</p>
-
-<p>»Ich red oft ein ganzes Jahr nit,« stieß er
-heraus. Er stolperte unwirsch dahin und dachte,
-wie er sie vertreiben und die Gefahr abwenden
-könnte, die gäh wie ein Waldgewitter über ihn
-aufdrohte.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_77">[77]</a></span></p>
-
-<p>Im dicksten Tann blieb er plötzlich stehen und schaute
-sich ratlos um. »Jetzt haben wir uns vergangen.
-Ich weiß keinen Weg.«</p>
-
-<p>Sie lachte. »Wir steigen ins Tal. Drunten
-in den Schluchten hebt der Bach an, der leitet
-uns gewiß zu deiner Mühl.«</p>
-
-<p>Sie zog ihn den Waldsteig hinab; es war, sie
-rieche den rechten Weg. Dem Dullhäubel ward
-unheimlich.</p>
-
-<p>Wenn der Gid den Streich erfährt, dann weh!</p>
-
-<p>Der Kasper Dullhäubel nahm sich vor, sich
-närrisch zu stellen, daß er die felsenfeste Braut
-verscheuche.</p>
-
-<p>Droben am Ast schrie ein Schuhu.</p>
-
-<p>Der Bursch hielt an und zischte hastig: »Horch,
-wie schön der Vigelvogel pfeift!«</p>
-
-<p>»Du spassiger Bub du!« sagte sie ruhig.</p>
-
-<p>Er langte nach einem Ast und wollte sich daran
-hinauf schwingen. Sie hielt ihn zurück.</p>
-
-<p>»Willst du hinauf, deinem Vigelvogel singen
-helfen?«</p>
-
-<p>»Ich bin gefährlich«, knurrte er. »Der Mond
-zieht mich alle Nacht in die Höh. Gestern bin ich
-aufgewacht, wie der Mond schwarz worden ist, da
-bin ich in Blaustauden auf dem Turmknopf gesessen.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_78">[78]</a></span></p>
-
-<p>»Der Mond nimmt mir dich nit, mein Müllner.
-Zieht er dich an, so häng ich mich dran. Und ich
-bin gewichtig.«</p>
-
-<p>»Ich bin gefährlich,« murmelte er. »Ich hab
-schon mehr als einen umgebracht.«</p>
-
-<p>»Das glaub ich nit,« sprach sie.</p>
-
-<p>Er stierte sie finster an, lange, lange, bis ihr
-schauerlich zu Mut wurde. Er fing auf einmal ohne
-Ursache grausig zu lachen an und sang unverständliches
-Zeug: »Schön knieweit, schön dachslet, unten
-lauter Leut, oben wie eine Tirolerin!«</p>
-
-<p>»Müllnersbub, ist dir das Rädel laufend worden?«
-rief die Ogath erschrocken.</p>
-
-<p>»Weh, weh, weh! Das Mühlrad dreht sich mir
-im Kopf!« flüsterte er, duckte sich und schlug einen
-Purzelbaum.</p>
-
-<p>»Du hast ein Fieber, Bub.«</p>
-
-<p>»Die Liebe zerwirrt mich, Dirn.« Er jauchzte
-hellauf, kniete dann vor eine Rotkröpfelstaude hin
-und betete ein Vaterunser.</p>
-
-<p>Sie riß ihn stark in die Höhe. »Entweder bist
-du unrichtig im Hirn, oder feindet dich der höllische
-Geist an,« sagte sie. »Jetzt darf ich dich nit verlassen,
-ich muß dich in die Mühl bringen und deinen
-Leuten übergeben.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_79">[79]</a></span></p>
-
-<p>Der Dullhäubel verzweifelte an seinem Glück,
-dumm und stumm ließ er sich führen, und sie redete
-ihm tröstlich zu und betete still vor sich hin, Gott
-möge seinen Verstand wieder hell werden lassen.</p>
-
-<p>Je näher sie Fuxloh kamen, desto glühender ward
-dem Schelm der Weg unter den Fersen. Er mußte
-die Ogath verscheuchen, sonst fiel ein Berg von Unheil
-und Spott über ihn.</p>
-
-<p>Er schluchzte auf einmal kläglich auf. »Ogath, ich
-verdien dich gar nit. Kehr um, kehr um beizeiten!
-Ich könnt dein Unglück sein.«</p>
-
-<p>»Ja warum denn?«</p>
-
-<p>»O die Leut reden schlecht von mir! Aber es ist
-alles, alles nit wahr. Die Ehr schneiden sie mir ab
-ellenlang. O die Welt ist grundverdorben!«</p>
-
-<p>»Gar so schlimm werden sie dir doch nit nachreden,
-Bub. Und ein wenig verzeih ich dir schon.«</p>
-
-<p>»Ich schäm mich soviel,« plärrte er, und die Tränen
-rollten ihm übers Gesicht. »Die Leut sagen,
-daß ich &ndash; daß ich &ndash; schwanger bin.«</p>
-
-<p>Er riß blitzschnell das Messer heraus, stieß es in
-eine Fichte, hängte den Hut daran und sprang in
-hohen Sätzen davon.</p>
-
-<p>Ihr war um das schöne blaue Hütlein und um
-das blanke Messer leid, sie raffte die Sachen an sich<span class="pagenum"><a id="Page_80">[80]</a></span>
-und rannte ihm nach, und weil sie gar flink auf
-ihren rüstigen Beinen war, holte sie ihn ein, als er
-keuchend bei der Blaumantelkapelle rastete und bei
-dem Heiligen Hilfe zu suchen schien wie ein gehetzter
-Hirsch beim Einsiedel.</p>
-
-<p>»Bub, Bub,« beschwor sie ihn, »wenn du so arg
-heuchelst, soll dich der Herrgott strafen. Schwör mir
-bei dem Heiligen da, daß du mich nit narrst. Der
-Heilige hat das Maul offen, steck die Hand hinein.
-Wenn du falsch schwörst, beißt er sie dir ab.«</p>
-
-<p>Aber der Dullhäubel entriß ihr das Messer und
-fuchtelte damit irrsinnig im Wind herum. Taub
-gegen ihren Jammer, kniete er am Weg hin zu
-einem dürren Kuhfladen, zerschnitt ihn und reichte
-ihr schluchzend die Hälfte. »Ogath, nimm es an
-und trag es um den Hals zum Andenken!«</p>
-
-<p>»Mein Herr und mein Gott!« rief sie aus und kehrte
-traurig um. Denn da war nimmer zu helfen.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Daheim drehte sie die Tischplatte um, zu sehen,
-was der Bräutigam geschrieben hatte. Anstatt des
-Heiratsbriefes las sie einen Reim.</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">Drunt im wilden Moos<br /></span>
-<span class="i0">liegt ein totes Roß,<br /></span>
-<span class="i0">vorn und hint offen,<br /></span>
-<span class="i0">ist der Schwäher draus gschloffen.<br /></span>
-</div></div>
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_81">[81]</a></span></p>
-<p>Die Ogath rieb den Schandspruch mit einer
-Bürste ab. In ihrem Hirn blieb er brennen.</p>
-
-<p>Sie schluckte den Zorn hinunter und schwieg
-Vater und Mutter gegenüber. Doch den falschen
-Buben wollte sie heimsuchen und ihm ein schweres
-Donnerwetter anheben.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Am Aller-Wetter-Herrentag ging die Ogath
-übers Gebirg nach Fuxloh, wo sie sich den Weg
-zur Mußmühle weisen ließ.</p>
-
-<p>Dort vor der Tür auf einem eingegrabenen
-Mühlstein stand der Gid und zündete sich die Pfeife an.
-Zuerst rieb er das blauköpfige Zündholz hinten am
-Sitzfleck, hernach am Knie und an der Schuhsohle,
-schließlich spreizte er die Beine, bückte sich zu dem
-Mühlsteinpflaster und streifte daran, und als auch
-das kein Feuer gab, schleuderte er fluchend das
-Hölzlein weg.</p>
-
-<p>Da stand die Ogath vor ihm. »Das Glöckel
-läutet, Mühlbursch. Schütt Korn zu, statt daß du
-da so langweilig spielst.«</p>
-
-<p>Der Gid staunte die starke fremde Dirne an,
-dann meinte er spöttisch: »Hoho, da kommt eine
-daher gelaufen und will mir was schaffen.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_82">[82]</a></span></p>
-
-<p>Sie antwortete stolz: »Ich reit nit auf der Geiß
-daher. Ich weiß, wer ich bin und was ich hab,
-und ich weiß, wem ich angehör.«</p>
-
-<p>Der junge Müller lachte. »Du kannst die
-Kaiserin selber sein, mir hast du nix zu sagen.
-In der Mußmühl bin allweil ich der Herr.«</p>
-
-<p>Da fühlte die Ogath einen brennenden Stich
-im Herzen und merkte, daß sie von dem bösen
-Nachtbuben zwiefach betrogen worden war. Aber
-sie ließ die Zähren, die ihr die Augen schwimmen
-machten, nicht übers Ufer treten, und weil sie sich
-einmal die Mühle in den Kopf gesetzt hatte und
-ihr der staubige, finsteräugige Bursch auf dem
-Mühlstein besser gefiel als der fuchsbärtige Freier,
-und weil sie es daheim in der Einöd nimmer
-freute, so wollte sie versuchen, ob sie da in dem
-brausenden Haus ihr Bleiben könnte haben.</p>
-
-<p>Und das Blut schlug ihr auf einmal so hart in
-der Ader, als sie sagte: »Wenn du der Müllner
-bist, so frag ich dich, ob dein Weib keine Dirn
-braucht?«</p>
-
-<p>»Ich bin ledig,« antwortete er, »aber die Mutter
-hätt eine Hilf not, sie ist nit gesund.«</p>
-
-<p>Sie trat näher. »So ding mich auf. Stark
-bin ich. Da greif mir den Arm an. Deine Mehlsäck<span class="pagenum"><a id="Page_83">[83]</a></span>
-heb ich leicht.« Und jäh umschlang sie den
-jungen Müller bei den Knieen, und ehe er sich
-ihrer erwehren konnte, hob sie ihn in die Höhe.</p>
-
-<p>Als er verwirrt und schier taumelnd wieder
-Boden faßte, stammelte er: »Du hebst einen Mühlstein.
-Du hast Kraft wie ein stürzendes Wasser.
-Du bist zu brauchen.«</p>
-
-<p>Er dingte sie auf, und sie half ihm in der Mühle,
-rannte die bestäubten Stiegen auf und ab, goß
-das Korn in den Trichter und warf sich spielend
-die Mehlsäcke über die Schulter, als wären sie
-mit Federn gefüllt. Sie lernte die Schleusen
-öffnen und die Mühlsteine schärfen mit dem Kieshammer
-und die Pfannen der Räder schmieren und
-besorgte das Vieh im Stall und den Mittag am
-Tisch und die gichtische Müllerin im Bett. So
-gewann sie bald das Herz der Alten, und die
-schwarzen Augen des Gid flogen ihren schnellen
-und kräftigen Bewegungen allzeit nach.</p>
-
-<p>Einmal abends saßen sie beisammen. Der Alte
-hatte die Stirn gerunzelt, er starrte in die Milchsuppe
-wie in einen Spiegel und vergaß zu essen.</p>
-
-<p>»Die Suppe kühlt dir aus,« mahnte die
-Müllerin. »Ärger dich nit über das, was nit zu
-ändern ist!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_84">[84]</a></span></p>
-
-<p>Der Alte drehte die trübe Stirn der Ogath zu.
-»Ja, Ogath, vormals hat es eine schöne Gerechtigkeit
-für uns gegeben: meine Vorfahrer haben von
-jedem Sack Getreid einen Zins einheben dürfen,
-und wenn ihn auch die Fuxloher in der Kuckucksmühl,
-in der Grillenmühl oder in der Samstagmühl
-haben mahlen lassen.«</p>
-
-<p>»Heut sind die guten Gesetze abgeschafft,« tadelte
-der Gid. »Alle Ordnung ist zerfallen. Das
-wurmt mich.«</p>
-
-<p>Die Ogath redete wie ein tröstlicher Geist.
-»Männer, den Stein, den man nit heben kann,
-laßt man liegen. Die Mußmühl wirft genug Geld
-ab und hat genug zu mahlen; sie könnt sich noch
-einmal so geschwind drehen, die Arbeit tät nit
-abreißen.«</p>
-
-<p>»Es ist nit das allein, was mich betrübt,« raunte
-der Alte. »Aber jetzt rührt sich der Mühlteufel
-wieder. Bei jeder vierten Brut meldet er sich.
-Zuletzt ist er bei meinem Ähnel gewesen, &ndash; jetzt
-kommt er zu dir, Gid.«</p>
-
-<p>Die Gichtische erhob sich ängstlich im Bett. »Hast
-du ihn gehört?«</p>
-
-<p>»Jeden Samstag hör ich ihn, Weib, da plätschert
-er im Wasser unterm Mühlrad.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_85">[85]</a></span></p>
-
-<p>»Du irrst dich, Vater,« sprach der Gid. »Es
-rauscht und saust nur der Bach so seltsam.«</p>
-
-<p>»Ich hör ihn schon seit drei Samstagen,« beharrte
-der Alte.</p>
-
-<p>Die Angst schüttelte die Bettlägrige wie ein
-Frost. »Hast du ihm am letzten Nikolaitag was zu
-essen in die Radstube hinunter geschüttet?«</p>
-
-<p>»Das hab ich besorgt, Weib. Und einen Filzhut
-hab ich ihm auch hinunter geworfen, daß er
-sich ihn auf das grüne Haar setzt und uns den
-Frieden laßt fürs ganze Jahr. Und jetzt ist er
-trotzdem da.«</p>
-
-<p>»Wie schaut er denn aus?« lächelte die Ogath.</p>
-
-<p>»Zwischen den Fingern hat er Häute wie ein
-Fischotter, und im Wasser wird er nit naß. Im
-Wasser ist er stark wie neun Rösser, man kann
-ihn nit überwinden; am Land ist er nit kräftiger
-als neun Fliegen. Wie der Ähnel noch auf der
-Mühl gewesen ist, hat der Wassermann häufig in
-der Nacht geklagt wie eine Seel, die die Seligkeit
-nit findet.«</p>
-
-<p>»Ich leid ihn nit im Haus,« grollte der Gid,
-»ich richt ihm die Otterfalle auf.«&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Von jetzt an blieb es in den Samstagnächten<span class="pagenum"><a id="Page_86">[86]</a></span>
-immer still unter dem Mühlrad, wie atemlos auch
-die zwei Müller hinunterlosten.</p>
-
-<p>Doch einmal, als der Gid den Vater aus dem
-Haus und die Ogath bei der siechen Mutter wußte,
-da hörte er es durch das Brausen des Mühlrades
-seltsam planschen und rauschen.</p>
-
-<p>Der junge Mensch lauschte fieberisch.</p>
-
-<p>Badet wirklich einer drunten mit schilfgrünem
-Schopf und spitzem Gebiß und langen Krallen?
-Zählt er die Seelen der Ertrunkenen, die er unter
-gläsernen Töpfen drunten gefangen hält?</p>
-
-<p>Den Gid übermannte es, mit dem Unhold, der
-ihm die Werkstatt unheimlich machte, auf Leben
-und Sterben zu raufen. Wild riß er die Tür zur
-Radstube auf. In der schäumenden Traufe des
-Mühlrades, in wirbelnden, stoßenden Wassern, im
-Dämmer sah er es schneeweiß leuchten, er hörte
-einen weichen, entsetzten Schrei und stürzte sich
-hinab ins Wasser und hielt den wunderkühlen,
-starken Leib seiner Magd Ogath in den Armen.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Ehe der Mond sich wieder füllte, hielten die zwei
-Hochzeit.</p>
-
-<p>Die ganze Freundschaft von Fuxloh und Grillenöd
-und jenhalb des Gebirges rückte an, die Männer<span class="pagenum"><a id="Page_87">[87]</a></span>
-mit Myrtensträußen in den schwarzen Röcklein, die
-Bäurinnen schwarzseiden vom Kopftuch bis zum
-Kittel, die Jungfern schillernd in braunen und rötlichen
-Kleidern.</p>
-
-<p>Der Hochzeitslader jauchzte und wünschte dem
-Bräutigam einen Stall voller Ochsen und viel
-Körner im Kasten und einen Beutel voller Geld,
-der schickt sich in die Welt. Der Braut herentgegen
-wünschte er den Stall voller Kühe, davon
-eine mehr Milch gibt als dem Nachbarn seine
-neun Stiere, und wünschte ihr in sechs Jahren
-sieben Kinder und zuletzt einen rotschädligen Buben.</p>
-
-<p>Da wies der Gid in die Weite: »Dort kommt
-endlich der Brautführer daher, und der ist mein
-bester Freund, der Kasper Dullhäubel.«</p>
-
-<p>Die Ogath war nicht wenig verdutzt, als sie
-den falschen Burschen daher schlendern sah, der in
-der Nacht um sie gefreit. Er hatte sich zwar den
-roten Schnurrbart weggeschabt, doch sie erkannte
-ihn an dem großen, runden Kopf und den winzigen
-Zwinkeraugen gleich wieder. Sie tat aber, als
-wäre er ihr fremd.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel hatte sich mit Maschen und
-Sträußlein fein herausgeputzt, sein Brustfleck war
-mit doppelt aufgereihten Silberzwanzigern verknöpfelt,<span class="pagenum"><a id="Page_88">[88]</a></span>
-und an der geschmiedeten Silberkette
-klingelte ein silbernes Rössel und ein halbes Dutzend
-Frauentaler. Und als die Brautschar gen Blaustauden
-ging und die Bauern jauchzend die runden
-Hütlein schwangen, da warf der Dullhäubel seinen
-Hut am höchsten und er schnackelte mit den Fingern
-und schnalzte mit der Zunge, und keiner tat es
-ihm gleich.</p>
-
-<p>Über den Wald herauf winkte der Turm mit
-dem Schindeldach, der Wildtauber ruchzte im Tann,
-gelbe Schnäbel schwätzten, das Laub spielte, Blumen
-liebäugelten auf der Wiese.</p>
-
-<p>In ihren knisternden Schuhen trat die Braut
-stolz daher, ihr lichtgrauer Seidenrock hatte tausend
-Falten und stand über die vielen Unterkittel also
-breit gesträubt, daß sie kaum zur Kirchtür hinein
-konnte. Im Haar saß ihr ein künstlicher Myrtenkranz,
-der vorn über der stattlichen, ernsten Stirn
-wie eine Krone geflochten war und, sich über dem
-Scheitel teilend, weit über den Nacken herabhing.</p>
-
-<p>Mitten durch die in langhalsiger Neugier erstarrten
-Blaustaudner führte der Dullhäubel die Braut zum
-Altar, und er konnte es sich nicht versagen und
-wisperte ihr zu: »He, tragst du den Kranz mit
-Recht?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_89">[89]</a></span></p>
-
-<p>Sie sah ihm groß in die fuchsschiefen Augen
-und antwortete: »O du hundsschlechter Kerl!«</p>
-
-<p>»Du hast mich also nit vergessen, Ogath. Schau,
-das freut mich.«</p>
-
-<p>»Verschwunden bist du wie der Teufel, wenn
-man ihn mit Weihwasser abspritzt,« murmelte sie
-zornig und kehrte sich ab.</p>
-
-<p>Er zog sein Rubinglas aus dem Sack und tröstete
-sich mit brasilianischem Tabak.</p>
-
-<p>»Pfui Teufel,« sagte sie laut, »jetzt hab ich einen
-schnupfenden Brautführer!«</p>
-
-<p>Er schaute scheinheilig zur Orgel hinauf. »Ich
-freue mich schon auf die schöne Musik,« flüsterte
-er. »Du wirst schauen, Ogath, wie zärtlich unser
-Schulmeister orgelt. Das Wasser wird dir in die
-Augen schießen.«</p>
-
-<p>Der Pfarrer Nonatus Hurneyßl schritt zum Altar
-und gab die Brautleute zusammen. Es war ein
-Paar, wie es die Blaustaudner Kirche noch nie
-überwölbt hatte, der starke, finsterschauende Mann
-Gid und die große, schöne und stille Ogath.</p>
-
-<p>Doch als der Orgler das Brautamt begann, hub
-ein derart wüster Mißklang an, daß die Leute erschraken,
-der Schulmeister mußte einhalten, er sprang
-wie besessen von der Orgelbank und fluchte, der<span class="pagenum"><a id="Page_90">[90]</a></span>
-Balgentreter horchte in die Windkammer hinein,
-ob nicht der Leibhafte drin knotze, und endlich kamen
-die Musikanten dahinter, daß ein verwogener
-Schelm in der Nacht vorher die Orgelpfeifen
-unter einander vertauscht hatte.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Das Hochzeitsmahl war im »pfalzenden Hahn«
-gerüstet.</p>
-
-<p>Die Ogath saß schweigsam und blaß zwischen
-dem Gid und der Igelbäurin, die als erfahrene
-Brautmutter sorgte, daß die alten Bräuche geübt
-wurden.</p>
-
-<p>Auf den Tellern dampfte Rindssuppe und Kuttelfleck
-und Bäuschel; mit Zuckersachen besteckter Reis
-ward aufgetragen und Kaffee in ansehnlichen,
-bunten Töpfen und dazu Gugelhupf und leckerer
-Kuchen. Die Gäste packten sich Schweinsbraten
-und fette Würste in Bündel zum Heimtragen ein.
-Als die Ehstandsbrühe, drinnen Rindfleisch schwamm,
-auf den langen Tisch gesetzt wurde, sagte die Brautmutter
-mit bedächtiger Würde zu den Brautleuten:
-»Nit süß und nit sauer, gerade recht, so wie der
-Ehstand ist.«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel spießte einen Knödel auf, biß<span class="pagenum"><a id="Page_91">[91]</a></span>
-hinein und sprach kauend über den Tisch hinüber
-zur Ogath: »Ob du schon weißt, warum bei eurer
-Mühl keine Scheuer ist?«</p>
-
-<p>Sie merkte, wie sich ihres Mannes Stirn verfinsterte,
-und wich der Frage aus: »Ich weiß nix
-und will nix wissen.«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel aber kröpfte den Knödel hinunter
-und erzählte: »Da ist in der Mühl einmal der
-Korbflicker auf der Stör, und die Müllnerin stellt
-ihm eine Eierbrüh hin mit Knödeln. Der Mann
-will mit dem Löffel einen Knödel auseinander
-zwingen, aber es geht nit. Jetzt setzt er gewaltig
-an. Der Knödel weicht ab, haut das Fenster durch,
-doppelt durch, springt draußen an einen Stein,
-daß das Licht davon fliegt, schlagt an die Scheuer,
-die Scheuer fallt um. Da hat der Korbflicker
-drein geschaut!«</p>
-
-<p>Der Gid reckte sich und zückte die Gabel. »Kasper,
-du willst mich heut an meinem Ehrentag spotten?!«</p>
-
-<p>Die Ogath zog ihn auf die Bank zurück. »Du
-sollst doch einen Spaß verstehen, Gid!«</p>
-
-<p>Der junge Müller stocherte wütend ins Kraut
-hinein.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel grinste. »Selbigesmal, wie die
-Müllnerin, die die steinernen Knödel hat kochen<span class="pagenum"><a id="Page_92">[92]</a></span>
-können, geheiratet hat, da ist es weit gemütlicher gewesen
-als heut. Damals haben sie so kräftig getanzt,
-daß der Fußboden durchgebrochen ist, und allsamt
-sind sie in den Stall hinuntergepurzelt. Die Braut
-ist zwiespältig auf den Stier zu sitzen kommen.«</p>
-
-<p>Der Gid schlug auf den Tisch, daß die Ehstandsbrühe
-aushüpfte. »Du lügst mehr, als ein roter
-Hund rennen kann, Kasper.«</p>
-
-<p>Der alte Müller beugte sich zum Dullhäubel
-hin. »Du plauderst allerhand Dummes über unsere
-Mühl, du Springinges mit deinem gelben Schnabel,
-und ist doch die Mußmühl weitaus die fürnehmste
-Mühl gewesen. Die Fuxloher Bauern haben bei
-uns mahlen müssen. Das Recht hab ich noch
-schriftlich daheim, du kannst es lesen. Die alten
-Fürsten haben ihren Namen drunter gesetzt. Heut
-haltet sich keiner mehr darnach, es ist eine untreue
-Zeit. Jeder fahrt mit seinem Malter, wohin er
-will. Der Mühlzwang hätt nit abgeschafft werden
-sollen. Das ist nit recht.«</p>
-
-<p>Der Gid ward rot wie ein Feuer. »Die alte
-Pflicht muß wieder aufkommen,« sagte er heiser.
-»Ich leid es nit anders. Allsamt wie ihr da
-sitzt, Fuxloher, müßt ihr das Korn bei mir aufschütten.
-Ich setz es durch.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_93">[93]</a></span></p>
-
-<p>»Meinem Vater haben sie das Recht abgezwungen,«
-rief der Alte, »ins fürstliche Schloß
-haben sie ihn geladen und haben ihn dort so lange
-gehaut, bis er zu allem Ja und Amen gesagt hat.
-Jetzt gehen viele Gaukelmühlen an unserem Bach,
-hat aber kein Müller ein rechtes Geschäft und
-keiner recht zu fressen.«</p>
-
-<p>»Das riegelt mir die Galle,« schrie der Gid.</p>
-
-<p>»Am Papier haben wir es schwarz auf weiß,
-der Fürst hat es bestätigt. Und was geschrieben
-ist, bleibt geschrieben. Ganz Fuxloh muß in die
-Mußmühl!«</p>
-
-<p>»Ich nit,« trotzte der Dullhäubel.</p>
-
-<p>Mit einem Blick wie ein Stichmesser tappte der
-Gid über den Tisch, und der alte Müller hielt
-den Dullhäubel schon an der Gurgel.</p>
-
-<p>Im rechten Augenblick noch fuhr der Meßner
-Grazian darein, die schneidende Stimme erhob er:
-»Lasset uns ein andächtiges Vaterunser beten für
-die verstorbene Freundschaft des Bräutigams und
-der Braut!«</p>
-
-<p>Da verstummte die Zwietracht, und alle Stimmen
-vermischten sich in einem eintönigen Gebet für die
-verschollenen Seelen der Vorfahren.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_94">[94]</a></span></p>
-
-<p>Hernach spielten die Musikanten hellauf, daß in
-allen das Waldblut zu zucken und zu springen
-anhub, und der Hochzeitslader schrie: »Das Brautpaar
-soll vivat leben!«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel trat vor die Igelbäurin hin
-und begehrte als Brautführer von ihr als sein
-Recht den ersten Tanz mit der Braut.</p>
-
-<p>Die Brautmutter richtete sich hoch auf. »Erst
-bring mir eine Kerze, die Tag und Nacht brennt!«</p>
-
-<p>Jauchzend schwang sich der Dullhäubel zum
-Fenster in den Garten hinaus, rannte um den
-Zaun herum und kam mit einer Brennessel wieder,
-und die steckte er der Iglin in das Bierglas.</p>
-
-<p>»Brenn dich nit an der Kerze, Brautmutter.
-Und jetzt laß mich mit ihr landlerisch tanzen!«</p>
-
-<p>»Brautweiser, erst bring mir sechs Lichter, ein
-jedes muß anders brennen.«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel verschwand in der Kuchel und
-trug nach kurzer Weile ein Brett daher, darauf
-glühten sechs kleine Stengelgläser mit Kirschgeist
-und Kümmel und anderen roten, gelben und lichten
-Schnäpsen.</p>
-
-<p>»Kostet den goldnen, Brautmutter!« lockte er
-und bot ihr ein Stämplein dar, »das ist ein süßer<span class="pagenum"><a id="Page_95">[95]</a></span>
-Trunk, wie ihn die Weiber gern mögen. Du bist
-ja genäschig wie eine Geiß.«</p>
-
-<p>Die Iglin zierte sich ein wenig, griff dann
-schämig nach dem gelben Schnaps, spitzte den
-Mund und kostete lächelnd. Im Hui ward ihr
-Gesicht sauer, und es schüttelte sie am ganzen Leib.
-»Der Spitzbub hat mir einen Essig gegeben,«
-schalt sie.</p>
-
-<p>Hernach begehrte sie: »Eh ich dich tanzen laß
-mit der Jungfer Braut, zeig mir ein Bett, drin
-neun Jungfern schlafen, keine in der Mitte, keine
-am End!«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel kratzte sich hinterm Ohr und
-meinte, das errate der Kuckuck. Aber er stieg auf
-den Dachboden und brachte ein Spinnrad daher und
-drehte es, daß die neun Speichen lustig wirbelten.</p>
-
-<p>»Du kannst gut raten,« lobte die Iglin. »Jetzt
-trag mir noch einen lebendigen Braten auf!«</p>
-
-<p>Während der Dullhäubel den Braten holte,
-kroch der Lukas Schellnober, der bei der Musik
-den Baß blies und als der stärkste Mann in der
-Gegend galt, unbemerkt unter den Tisch und packte
-die Ogath beim Fuß. Sie kreischte und strampelte,
-und die Brautmutter half ihr und raufte den Mann
-unbarmherzig bei den Haaren, und schließlich gab<span class="pagenum"><a id="Page_96">[96]</a></span>
-ihm die Braut selber einen Schlag auf die Wange,
-daß es wie ein Schuß knallte. Doch der Riese
-zog ihr, unbekümmert um alles, was da über ihn
-niederging, den Schuh aus, kroch schnaufend unter
-dem Tisch herfür und trottete zur Tür hinaus.
-Als er wiederkam, stellte er den Schuh mit Nelken
-und Rosen und Stiefmütterlein gefüllt vor die
-Braut hin.</p>
-
-<p>»Wirt, gib dem Grobian einen Krug Wein!«
-befahl die Iglin. »Den Fuß hätt er ihr schier
-ausgerissen.«</p>
-
-<p>Der Schuhräuber setzte sich auf ein Faß. »Die
-Ogath hat Kraft,« staunte er, »die hat mir einen
-feinen Hieb gegeben. Einen Hieb, den Gemeindestier
-schlaget er nieder. Einen Hieb, als wenn das
-Wetter einschlaget.«</p>
-
-<p>Vor lauter Freude an dieser Kraft vergaß er
-den Schmerz, der ihm im Schädel summte.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel stellte derweil eine verdeckte
-Schüssel auf den Tisch. »So, da wär der lebendige
-Braten.« Er hob den Deckel, und eine Maus
-schlüpfte heraus, die hatte eine blaue Masche um
-den Hals.</p>
-
-<p>Die Weiber kreischten, rafften die Kittel zusammen
-und stiegen auf die Stühle und Bänke.<span class="pagenum"><a id="Page_97">[97]</a></span>
-Verwirrt jagte das Tierlein auf dem Tisch hin
-und her, warf die Stengelgläser um, daß es ein
-feines Geklingel gab, und wagte endlich den Sprung
-auf den Fußboden.</p>
-
-<p>Die Iglin wurde jetzt feierlich. »Brautweiser,
-jetzt bau der Braut eine silberne Brücke und nimm
-sie zum Tanz!«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel holte einen Geldstrumpf und
-legte zwei Reihen Silbergulden von einem Tischeck
-zum andern, und die Ogath trat zaghaft darauf
-und schwankte den silbernen Steig dahin und sank
-hinab in die Arme des Dullhäubel, die Spielleute
-setzten an, und die zwei tanzten so wild, daß der
-lange lose Myrtenkranz vom Haar der Braut
-weithin wehte.</p>
-
-<p>Draußen vorm Wirtshaus saß die alte Ulla
-auf einem Stein. »Sie werden doch drin nit auf
-mich vergessen,« raunte sie.</p>
-
-<p>Eine Hand schob sich zur Tür heraus und warf
-ihr einen Kuchen in den Schoß.</p>
-
-<p>Sie lächelte. »Mir ist es ganz ein Ding, ob
-ich ein schwarzes Brot krieg oder ein weißes. Das
-weiße eß ich lieber, nur wegen der Farbe.«</p>
-
-<p>Drin am Tisch saß die Braut, der Ernst ihrer<span class="pagenum"><a id="Page_98">[98]</a></span>
-Stirn verging nicht, und kein Lächeln erhellte ihr
-Gesicht, wie arge Späße auch der Dullhäubel trieb.</p>
-
-<p>Am meisten zielte sein Übermut nach dem
-Bräutigam.</p>
-
-<p>»Zeig her, Gid, den Arm,« rief er, »ob dir das
-Haar dran bergan wachst!«</p>
-
-<p>»Warum bergan?« fragte der Gid mißtrauisch.</p>
-
-<p>»Weil ihr Müllner den andern Leuten in den
-Mehlsack greift.«</p>
-
-<p>»Du heißt mich also ins Gesicht einen Dieb?«
-brauste der junge Müller.</p>
-
-<p>Die Ogath beschwichtigte ihn. »Scher dich nit
-um solche Reden! Du brauchst viel Mehl, wenn
-du alle bösen Mäuler verkleiben wolltest.«</p>
-
-<p>»Ein jeder Sack raucht, wenn man drauf schlagt,«
-schrie der Gid. »Soll ich allein mir alles gefallen
-lassen?«</p>
-
-<p>Die Gäste murrten, daß der Dullhäubel Unfried
-stifte, und als dieser merkte, daß sich der Groll
-wie ein dumpfes Gewölk um ihn zusammen zog,
-da lenkte er ein und fing an, lustige Lügen zu erzählen
-über Leute, die nicht da waren, und unterhaltliche
-Lieder zu singen, darin er sich selbst ein
-Klämpflein anhängte, oder er streute sich Tabak
-auf die linke und die rechte Achsel, drehte den<span class="pagenum"><a id="Page_99">[99]</a></span>
-Kopf wie ein Wendehals darnach und schnupfte
-ihn mit der ausgiebigen Nase links und rechts weg.</p>
-
-<p>Ob solcher Schnacken söhnten sich die Gäste
-wieder mit ihm aus. »Man kann ihm nit feind
-sein, dem Faxenmacher,« lachten sie.</p>
-
-<p>Als der Gid und die Ogath hernach zum erstenmal
-in der Brautkammer lagen und die Mühle
-rastete, hörten die zwei die halbe Nacht draußen
-im Garten die Pumpe ächzen.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel pumpte vor lauter Eifersucht
-den Brunnen aus.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<div class="chapter">
-<p>Die Jahre verwichen.</p>
-</div>
-
-<p>Der Dullhäubel wirtschaftete mit der Altbäurin
-und mit Knecht und Magd auf seinem Hof. Die
-Mutter zählte nicht mit, die schlief stehend und
-gehend ein.</p>
-
-<p>Er selber mühte sich auch nicht sonderlich, es behagte
-ihm viel mehr, den Fuxlohern allerhand Possen
-zu spielen, Land und Leute gen einander zu
-hetzen, auf den Wirtstisch fest aufzutrumpfen und
-ein Leben zu führen wie seine Vorfahrer.</p>
-
-<p>Immer mehr wandte sich der Blaumantel hinter
-seinem Gitter von der Welt ab, immer saurer sah<span class="pagenum"><a id="Page_100">[100]</a></span>
-er darein, wenn der Dullhäubel vorübertrollte,
-und schließlich bildete sich der Bauer ein, der Heilige
-wisse um all seine Schwänke und verrate sie
-vor Gottes Stuhl im Himmel. Drum besann er
-sich viel, wie er den unliebsamen Widersacher wegschaffen
-könnte.</p>
-
-<p>Einmal, am Simonjudastag, als das Kraut gehobelt
-und im Faß eingetreten war, schleppte er
-den Heiligen heimlich in den Keller, und stellte ihn
-statt eines Steines auf das Krautfaß, um es zu
-beschweren. »Jetzt bist du beschäftigt, du Müßiggänger,«
-spottete er.</p>
-
-<p>Doch seit der Hölzerne unterirdisch als Krautheiliger
-waltete, plagten den Dullhäubel bergschwere
-Träume und vergällten ihm den Schlaf.</p>
-
-<p>Ihm träumte, dem Blaumantel wüchsen Haar
-und Bart, und er, der Bauer, müsse ihn scheren
-und stutzen. Zunächst setzte er ihm einen Topf auf
-den Schädel, und was darunter an Haar hervorkringelte,
-schnitt er ab. Es war aber steif wie Eisendraht
-und kaum zu bewältigen. Hernach striegelte
-er ihn mit einem Igel, ein Kamm hätte den abscheulich
-verfilzten Schopf nicht durchrütten können.
-Er schnitt ihm den Bart vom Kinn und aus den
-Wangengruben und Nasenlöchern, schob ihm einen<span class="pagenum"><a id="Page_101">[101]</a></span>
-Löffel in das Maul, daß sich die Haut daran straffe,
-seifte und schäumte ihn ein und balbierte die Stoppeln
-mit einer Dachschindel. Der Bart aber wuchs
-augenblicklich wieder nach, und so wurde das Balbieren
-zu einer schrecklichen Mühe ohne Ende. Dabei
-glotzte der Blaumantel seinen Schaber höllisch
-an, und der Löffelstiel stand ihm gräßlich aus den
-grellroten Lefzen. Hundsmüd und zerknirscht fuhr
-der Dullhäubel aus dem Schlaf, an seinem Hemd
-war kein trockener Faden.</p>
-
-<p>Noch mehr quälte ein anderer Traum, der allnächtlich
-wiederkehrte. Der Heilige im Krautkeller
-wuchs, wuchs durchs Gewölb in die Schlafkammer
-des entsetzten Dullhäubel, wuchs durch den Boden
-zum Dach hinaus, daß die Balken sich bogen und
-die Schindeln flogen und das Haus wankte und
-schier stürzte. Nur die Kutte wuchs ihm nicht,
-und der Dullhäubel mußte ihm hinten und vorn
-Schürzen und Leintücher vorhängen von wegen
-der Schamhaftigkeit. Droben überm Dach zuckte
-und flammte der Heiligenschein und drohte, Wald
-und Korn zu zünden. Da preßte der Bauer einen
-Schrei aus der Brust, er schrie den Fuxlohern
-um Hilfe, aber alle Fuxloher Männer vermochten
-den verwilderten Blaumantel nicht zu überwinden,<span class="pagenum"><a id="Page_102">[102]</a></span>
-den sonst zwei zarte Jungfern stundenweit getragen
-auf der Wallfahrt nach Maria Dorn.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel hörte aus diesen Träumen sein
-zerrissenes Gewissen schreien, und als ihn der Blaumantel
-einmal wieder wie eine Trud drückte, keuchte
-er aus dem Bett in den Keller hinab, stürzte den
-Quälgeist kopfüber in einen Buckelkorb und schleppte
-ihn zur Kapelle.</p>
-
-<p>Der Mond ging eben ab. Etwas Gespenstisches
-meckerte im finstern Moor. Ein Hund schrie Mord
-über ein blaues Irrlicht. Ein griesgrämiger Rabe
-hüstelte im Schlaf.</p>
-
-<p>Der im Buckelkorb schien sich zu rühren und
-ward immer schwerer und schwerer; der Dullhäubel
-meinte, Himmel und Erde müsse er tragen. Vielleicht
-war das Schnitzbild überhaupt kein Heiliger, vielleicht
-funkelte es hinter seinem Genick im Korb und
-war ein Bild des Gottseibeiuns selber, das sich ein
-Zauberer und Götzenknecht geschnitzt hatte in böser
-Absicht, und vielleicht springt der heidnische Kerl
-gar aus dem Korb und schleudert den Bauer selber
-hinein und schleppt ihn &ndash; Gott verhüt es! &ndash; zum
-höllischen Backofen.</p>
-
-<p>Dem Dullhäubel schnürte sich die Gurgel zu,
-sein Atem klemmte sich. Vor Angst betete er laut<span class="pagenum"><a id="Page_103">[103]</a></span>
-und untertänig, und er stellte seinen blauen Feind
-unter Bittreimen und Stoßseufzern wieder in die
-Nische.</p>
-
-<p>Nach diesem Nachtgang lebte er gottesfürchtig
-und eingezogen, und das um so lieber, als ihm
-die Fuxloher auflauerten, deren Heiligen er mißbraucht
-hatte. Auch nahm er sich fest vor, jeden
-Gottestag die Predigt zu hören und seinen Groschen
-zu opfern zur Ehre der Kirche und zum eigenen
-irdischen und himmlischen Vorteil.</p>
-
-<p>Doch der Teufel wacht und zieht dem bußfertigen
-Sünder gern eine Sperrkette über den Weg. Also
-geschah es auch dem Dullhäubel, als er sich wieder
-einmal dem Herrgott von Blaustauden zeigen und
-in aller Bescheidenheit ganz hinten am Kirchtor
-hatte lehnen wollen.</p>
-
-<p>Er stieg in die hirschledernen Hosen hinein, legte
-den Sonntagsrock an und steckte das rubinene Glas
-zu sich. Im Hof trat er noch einmal zum Saustall,
-den er sich ganz klein hatte zimmern lassen
-und redete durch das Futtertürlein dem Vieh gütlich
-zu: »Friß nur, Sau, daß du einen Leib aufnimmst!
-Oder hast du keine Ehr in dir?«</p>
-
-<p>Wie er jetzt so treuherzig und in der besten
-Absicht bergab trabte und der Wind über die Zäune<span class="pagenum"><a id="Page_104">[104]</a></span>
-strich und die Wiesen rauchten, sprang ihm ein hitziger
-Mensch in den Weg, packte wie ein Straßenräuber
-ihn beim Brustfleck und schrie: »Gerad will ich
-dich heimsuchen. Ich hab gehört, du verkaufst eine
-Sau.«</p>
-
-<p>»Meine Sau ist speckfeist. Ob ich sie dir geb,
-ist nit gewiß.« Und der Dullhäubel vergaß schnöd
-des Herrgotts und kehrte mit dem Fleischhacker
-schnurstracks um.</p>
-
-<p>Die Sau wog gering. Weil sie aber kläglich
-in den winzigen Stall gestellt war, so füllte sie
-ihn aus und erschien gar mächtig.</p>
-
-<p>»Um wieviel ist sie dir feil, Bauer?«</p>
-
-<p>»Um dreißig Gulden, Fleischhacker.«</p>
-
-<p>Der Sauhändler prallte erschrocken zurück, machte
-Augen wie Pflugräder und drohte, ins Knie zu
-fallen. »Dreißig Gulden?! Du bist närrisch worden,
-Kasper.«</p>
-
-<p>»Dreißig Gulden,« sagte der Bauer eintönig.</p>
-
-<p>»Was wiegt die Sau?«</p>
-
-<p>»Schätz sie ab, Luitel!«</p>
-
-<p>»Dreißig Pfund wiegt sie. Kein Lot mehr.«</p>
-
-<p>»Dreißig Pfund?! O du Raubersbub! Jetzt
-willst du mich betrügen, wo ich dir so weit entgegen
-kommen bin mit dem Preis? Dreißig Pfund<span class="pagenum"><a id="Page_105">[105]</a></span>
-wiegt eine ausgezogene Katz. Schau sie genau an,
-die Sau, sie geht schier nit in den Stall hinein.
-Dreimal so viel wiegt sie zum mindesten!«</p>
-
-<p>»Daß ich nit lach, Kasper! Neunzig Pfund hat
-sie nit einmal samt dem Saustall.«</p>
-
-<p>»Luitel, greif meine Ehr nit an!« drohte der
-Dullhäubel.</p>
-
-<p>Der Händler sparte nicht mit seiner Verachtung.
-»He, das soll eine Sau sein?« rief er empört.
-»Gib sie her um zwanzig Gulden!«</p>
-
-<p>»Dreißig kostet sie. Das ist schandenwohlfeil.«</p>
-
-<p>»Was tust du mir an?« stöhnte der Luitel. »So
-manches Jahr sind wir treue Freunde gewesen.
-Und jetzt willst du mir das Blut aussaugen?
-Dullhäubel, laß nach! Dullhäubel!! Dullhäubel!!!«</p>
-
-<p>»Dreißig Gulden.«</p>
-
-<p>»Hinwerden soll ich in fünf Minuten, wenn du
-von mir einen Kreuzer mehr kriegst als zwanzig
-Gulden,« schwor der Fleischhacker.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel zog die Sackuhr. »In fünf
-Minuten? O Freund, da mußt du dich hübsch
-fleißen!«</p>
-
-<p>»Du spottest noch? Kasper, denk an deine letzte
-Stund! So ein elendes Krepierlein! Die Knochen
-stehen ihm hinten und vorn heraus. Dem Schinder<span class="pagenum"><a id="Page_106">[106]</a></span>
-hast du die Sau gestohlen. Gib sie her um fünfundzwanzig
-Gulden!«</p>
-
-<p>»Dreißig.«</p>
-
-<p>»Lauter rothaarige Menscher soll dein Weib einmal
-kriegen!« fluchte der Luitel. »Die Sau soll
-dir die Nase abfressen, daß du nimmer schnupfen
-kannst!«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel ward blaß, tastete nach der
-Nase und trat einen Schritt zurück. Die Verwünschung
-griff ihn an, und schier hätte er nachlassen.
-Aber er erfing sich wieder und sagte sanft:
-»Dreißig Gulden.«</p>
-
-<p>Der Luitel heulte auf. »Er treibt mich in die
-Verzweiflung Hast du ein Herz im Leib, Kasper?
-Bist du ein Christ? Gib her die Sau um achtundzwanzig
-Gulden! Reck her die Hand! Schlag ein!«</p>
-
-<p>Er versuchte immer wieder in die Hand des
-Bauern einzuschlagen, die wie tot hing. Er winselte,
-beschwor, fluchte, verwünschte.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel blieb kalt. »Geh heim, Fleischhacker!
-Du bist ja nit verheiratet mit meiner Sau.«</p>
-
-<p>»Tu sie her um achtundzwanzig Gulden fünfzig
-Kreuzer,« schluchzte der Luitel, »und nimm dir die
-Sünd mit in die Ewigkeit!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_107">[107]</a></span></p>
-
-<p>Jetzt seufzte der Dullhäubel wehmütig auf: »Ich
-will dich nit unglücklich machen, und weil du mein
-Freund bist seit jeher, so gehört dir die Sau um
-den Preis, den du jetzt selber geboten hast. Aber
-nit gern laß ich dir sie. Sie ist meine einzige
-Freud gewesen; ich hab sie aufgefüttert und wachsen
-sehen und zunehmen&nbsp;&ndash;.« Er wischte sich über die
-Augen, seine Stimme erstickte.</p>
-
-<p>Da schlugen die zwei ein. Der Handel war
-geschlossen.</p>
-
-<p>Der Luitel blätterte die schmierige Brieftasche
-auf und zahlte. Bedächtig zählte der Bauer das
-Geld nach, und als er es verwahrt hatte, half er
-dem Händler das widerspenstige Tier bei den Ohren
-aus dem Stall ziehen.</p>
-
-<p>»O verflucht, ist die Sau gering!« stammelte
-der Luitel, als er sie im hellen Taglicht sah.</p>
-
-<p>Und als er sie gar durch das große Hoftor
-zerrte, wurde es ihm durch den Vergleich recht
-augenscheinlich, wie winzig die Sau war. Vor
-Wut ächzte er auf und drohte mit der Faust zurück.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel aber schüttelte das Geld und
-frohlockte laut: »Den hab ich angeschmiert, daß ihm
-die Augen tropfen.«&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_108">[108]</a></span></p>
-
-<p>So übervorteilte er jeden, der sich mit ihm im
-Handel messen wollte.</p>
-
-<p>Trieb er eine Kuh auf den Markt, so rührte er
-ihr im letzten Wirtshaus, wo er einkehrte, eine
-kräftig gesalzene Mehlsuppe an, darauf durstete
-das Vieh gar sehr und es soff wie ein dürrer
-Rasen Wasser in sich, bis es die Wampe voll hatte.
-Dann stand es stattlich da und freute sich eines
-guten Gewichtes, und der Dullhäubel schlug sie
-mit erklecklichem Gewinn los.</p>
-
-<p>Derlei Kniffe und Pfiffe hatte er einen ganzen
-Heuwagen voll.</p>
-
-<p>Ein ganz besonderer Segen lag auf seinem Hof,
-trotzdem daß er seine Hände schonte und die schönste
-Zeit beim Bier verlümmelte. Mit glänzenden Fellen
-stand ihm das Vieh im Stall, seine Kühe kälberten
-eifrig, seine Geißen kitzten dreifach und vierfach,
-seine Hennen legten Eier mit zwei Dottern. Kein
-Reif sengte ihm die Erdäpfelblühe, kein Schauer
-knickte sein Korn, sein Heu kam räuspendürr
-unters Dach.</p>
-
-<p>Und mancher Fuxloher ward deswegen in dem
-gerechten Herrgott irr.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_109">[109]</a></span></p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Dem jungen Mußmüller wich der Dullhäubel
-aus, er scheute ihn. Der Gid wurde immer hitziger
-und rauflustiger und stritt mit allen Leuten, weil
-er das altverbriefte Recht wieder durchsetzen wollte.
-Auch sonst störte ihm mancherlei das Glück, besonders
-aber, daß in der Mühle die Wiege
-leer blieb.</p>
-
-<p>Einmal stach den Dullhäubel der Kitzel, und er
-schlich sich den Bach entlang, den mürrischen Nachbar
-ein wenig aus dem Häuslein zu bringen.</p>
-
-<p>Die Vögel wuschen sich, am Zaun blühten die
-Hollerstauden. Die Mühle rumpelte verschlafen,
-und das Rad knarrte verdrießlich: »Soll &ndash; ich &ndash;
-denn &ndash; noch einmal &ndash; umgehn?«</p>
-
-<p>Mit unwirscher Stirn lehnte der Gid am Türstock.
-Es hatte schon lange nicht geregnet, und
-wenig Wasser fiel aufs Rad. Die Ogath saß auf
-der Sonnenbank und flickte.</p>
-
-<p>Da rief der Dullhäubel hinter einer Erlenstaude:
-»Wie die sieben dürren Jahr schaust du
-drein, Gid. Geht dir die staubige Mühl zu
-langsam?«</p>
-
-<p>Die Eheleute schraken auf wie Hennen, wenn
-der Fuchs durch den Zaun blinzt.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_110">[110]</a></span></p>
-
-<p>Der Nachbar setzte sich gemächlich auf einen
-Grenzstein jenseits des Baches und fragte: »Strickst
-du den Geiferlatz für den neuen Müllnerbuben,
-Ogath? Wann wirft der Krähvogel ihn euch in
-den Rauchfang? Er laßt sich Zeit.«</p>
-
-<p>»Du Daunderlaun, wir sind ohne Kinder auch
-lustig,« speiste sie ihn ab.</p>
-
-<p>Er höhnte weiter: »Wer ist denn schuld daran,
-du oder der Mann? Müllner, du mußt sie über
-neun Zäune tragen und schreien, die Nachbarn
-sollen dir helfen.«</p>
-
-<p>Er achtete nicht des Mühlrades, das bedächtig
-und schier drohend brummte: »Juckt &ndash; dich &ndash; der
-&ndash; Buckel? Juckt &ndash; dich &ndash; der &ndash; Buckel?«</p>
-
-<p>»Ich helf mir selbst,« grollte der Gid, »und dich
-brauch ich am wenigsten. Du bist derselbe Lump
-wie deine Ähnel.«</p>
-
-<p>»Der Apfel fallt nit weit vom Birnbaum,«
-entgegnete der Dullhäubel. »Wenn ich ihr nur
-meine Pudelhaube hinwerfet, gleich krieget sie einen
-Buben, die Ogath.«</p>
-
-<p>»Ja, weil du der rotbartet Kasper bist,« knirschte
-der Gid. »Das muß ich mir ins Gesicht sagen
-lassen, Ogath. Dran bist du schuld.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_111">[111]</a></span></p>
-
-<p>»Ich geh wallfahrten gen Maria-Dorn,« seufzte
-sie bang. »Vielleicht nutzt es.«</p>
-
-<p>»Geh hin, wohin du willst! Ein Bub muß her.«</p>
-
-<p>»Geh nacket in die Kindelkapelle, Ogath!«
-kicherte der Dullhäubel.</p>
-
-<p>Der Müller wurde schneeweiß und packte einen
-Hammer, der auf der Türschwelle lag. »Ich erschlag
-dich, ich bin Gott einen Toten schuldig,«
-zischte er und sprang über den Bach.</p>
-
-<p>Er war flinker als der Nachbar, und als er
-ihn gestellt hatte, schlug er mit dem Hammer
-blind auf ihn los und traf ihn auf die Achsel, daß
-er hin in die Binsen fiel.</p>
-
-<p>Das Mühlrad ging auf einmal viel lustiger und
-spottete: »Hat dich der Buckel gejuckt? Hat dich
-der Buckel gejuckt?«</p>
-
-<p>Beruhigten Blutes kehrte der Gid zu seinem
-Weib zurück. »Den Grenzstein will ich heut noch
-mit Kalk frisch überweißen, weil ein schlechter Kerl
-drauf gesessen ist. Und ein Bub muß her, und
-wenn wir zwei solange drum wallfahren müssen,
-daß uns bei jedem Schritt ein Blutstropfen von
-der Ferse fällt!«</p>
-
-<p>Indes raffte sich der Dullhäubel mit allerhand
-Gedanken an Schergen, Gericht und Zuchthaus<span class="pagenum"><a id="Page_112">[112]</a></span>
-aus der Wiese auf, tappte nach der wehen Achsel
-und schielte bös zur Mühle hinüber. »Blut ich,
-so klag ich; blut ich nit, so klag ich nit.«</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Im Volk ging die Rede, daß einst von Gesetz
-wegen in der Mußmühle kein Weib habe hausen
-dürfen. In Wahrheit verhielt es sich so, daß unter
-jenem Dach nur wenig Kinder geboren wurden.
-Während es in den Bauernstuben wimmelte, zogen
-die jeweiligen Müllersleute immer nur einen einschichtigen,
-vertrotzten Buben als Samenstengel auf.</p>
-
-<p>Der Ogath lag es wie ein Mühlstein am Herzen,
-daß sie Jahr für Jahr galt ging. Sie hätte
-alles drum gegeben, und nicht nur ihres verfinsterten
-Mannes wegen, wenn sie ein Kind gehabt hätte,
-und weil alles Gebet, alle Sehnsucht und Traurigkeit
-fruchtlos blieb, so dachte sie immer heißer an
-Wunderkräfte, die ihr den Segen aufschlössen.</p>
-
-<p>Was ihr der Dullhäubel in seiner Verruchtheit
-geraten, ging ihr nimmer aus dem Sinn.</p>
-
-<p>Weit drin in der Wildnis des Lusens ist die
-Kindelkapelle. Dort hat schon manches Mutterverlangen
-sich hingekehrt und ist erhört worden. Doch
-die große Gnade kann nur durch ein großes Opfer<span class="pagenum"><a id="Page_113">[113]</a></span>
-herbei gelenkt werden: nackt muß das Weib wallfahren
-zu jenem Gnadenursprung, in letzter Blöße
-muß sie schreiten durch die Wälder, ehe ihr das
-Wunder zuteil wird.</p>
-
-<p>Von Woche zu Woche nahm sich die Ogath die
-seltsame Wallfahrt vor, doch immer wieder schrak
-sie in Scham davor zurück, bis ihr Wunsch endlich
-so gewaltig aufbrannte und alles andere davor verglomm.</p>
-
-<p>Zu Mariä Heimsuchung fuhr der Müller in die
-Stadt ins Schloß, dort wollte er noch einmal wegen
-des abgeschafften Mühlrechtes verhandeln.</p>
-
-<p>Da schlich die Ogath barfuß in das Vogeltänd,
-das war der Wald, der hinter der Mühle aufstieg
-und den Steig beschattete, der zur Kindelkapelle
-führte.</p>
-
-<p>Vor einer Steinhöhle hielt sie an. Ihre Brust
-ging hoch, angstvoll flog ihr Blick durch die Bäume,
-sie trat aus dem Sonnenlicht in den tieferen Schatten
-einer niedergreifenden Tanne. Zitternd band sie
-sich die blaue Schürze los und legte sie in den
-Steinriß, sie tat die Joppe ab und den Rock und
-die drei barchentenen Unterkittel und verbarg sie.
-Jetzt stand sie im Hemd und lauschte todängstlich
-hinein in das Vogeltänd.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_114">[114]</a></span></p>
-
-<p>Nichts regte sich. Nur eine Drossel pfiff.</p>
-
-<p>Sie wartete, bis der Vogel sich versungen hatte.
-Dann warf sie das Hemd ab und war nackt.</p>
-
-<p>Ihr schauderte.</p>
-
-<p>Mit gefalteten Händen, mit fallenden Zähren
-begann sie die leidvolle Wallfahrt.</p>
-
-<p>Anfangs schien es ihr öfters, es halle der
-dumpfe Tritt eines Wandrers ihr entgegen, und
-sie floh mit verhaltenem Atem hinter eine Staude
-und lauschte lange und traurig.</p>
-
-<p>Das Blut brannte ihr in den Wangen den
-weiten Weg. Sie schämte sich vor den lustigen,
-spiegelnden Quellwassern, die sie überschreiten
-mußte, sie schämte sich vor dem flüsternden Laub,
-das sie zu beschwätzen schien, und vor den rauhen
-Felsen sogar, denn alles hatte heute Gesicht und
-Augen. Jeder Stein am Steig, jede Wurzel am
-Hang, alles, alles kehrte sich ihrer sündigen Nacktheit
-zu.</p>
-
-<p>Der grüne Baumhackel lachte schrill, der Krummschnabel
-glotzte vom Ast, spöttisch knickste das Rotschwänzel.
-Das Hirngrillein, der Guckauf, der
-Nußhackel, die Spottvögel alle, die Schlangen am
-Weg, der verzagte Has, der Hirsch, der unter der
-Berghollerstaude rastete und hinauf fraß, sie alle<span class="pagenum"><a id="Page_115">[115]</a></span>
-schauten sie an, die da gläubig in ihrer schmerzlichen
-Keuschheit dahin wallte.</p>
-
-<p>»Vögel, berget die Äuglein im Gefieder!« bat
-sie. »Wend ab die Augen, Wendehals! Ihr Blumen,
-verschließt euch und schaut mich nit so an! Zeig
-mir mein Bild nit, du stiller Bach!«</p>
-
-<p>Immer älter und verworrener wurde der Wald,
-schreckhaft verbogene Bäume schickten die Wurzeln
-wie Nattern und Tatzelwürmer aus, Felsen trugen
-tiefes, feuchtes Moos und trieften, Geier jagten
-schreiend über den finster geschlossenen Wipfeln.</p>
-
-<p>Mitten in diesen Schrecknissen ragte das Wunderkirchlein
-auf.</p>
-
-<p>Es lag so mutterseligallein, so verhuscht und verborgen
-vor aller Welt, so recht geeignet, daß ein
-armes Mutterherz oder eine betrübte Magd oder
-ein reuiger Sünder oder, wer immer den Herzwurm
-hat, sich in aller Geheime ausweinen konnte.</p>
-
-<p>Die Ogath trat in das wetterverschlissene Bethäuslein.
-Das Herz ward ihr sonnenlicht, als sie
-den Altar sah.</p>
-
-<p>Da saß die Maria, die heilige Kindelbetterin,
-weiß wie ein Lilienblatt, schlicht und einfältig, und
-neben ihr beugte sich der Zimmermann mit dem eisgrauen
-Bart, ein uralter Tattel, über die Krippe,<span class="pagenum"><a id="Page_116">[116]</a></span>
-darin ganz nackt und bloß das Himmelskind
-schlief, und zwei Eheleute schauten furchtsam drein,
-denn die Könige waren gekommen, den Heiland
-im kalten Stroh zu grüßen, der Kasper, schwarz
-wie ein Kohlenbrenner, der Melcher, der Weihrauchkönig,
-reitend auf dem Kameltier, und der
-Balthauser, der mit dem silbernen Stern tanzte.
-Ganz hinten, durch zierliche Heiligenscheine aus
-ihrer Demut erhöht, knieten das Öchsel und der
-ägyptische Esel.</p>
-
-<p>Vor dem Altar stand eine große, leere Wiege.</p>
-
-<p>Die Ogath aber redete mit der hohen Gnadenfrau:
-»Die Mußmüllnerin bin ich, und es ist eine
-Sünd und eine Schand, wie ich da vor dir steh.
-Aber deine Augen sind so still, und du schaust
-mir ins Herz bis auf den Grund. Du siehst nix
-Schlechtes drin. Und ich bitt dich, trag meinen
-Wunsch hin, wo man ihn hört. Mit gesegnetem
-Leib möcht ich gehen wie die anderen Weiber,
-und so bitter gern tät ich am Anger vor der
-Mühl Windeln bleichen, tät Hosen flicken für ein
-schlimmes Büblein, oder wenn es ein Dirnlein
-sein sollt, wollt ich es gern zöpfeln und es hegen
-und pflegen, und alles Herzleid tät ich willig
-tragen, was so ein Kind bringt.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_117">[117]</a></span></p>
-
-<p>Weiter fand sie keine Worte.</p>
-
-<p>Sie kniete zur Wiege hin, legte ihren schmerzlichen
-Wunsch hinein und wiegte still und versunken in
-den Anblick der heiligen Leute und gläubig, daß
-das Wunder geschehe an der Frau, die es wagt,
-nackt zu wallfahren.</p>
-
-<p>Sie wiegte, bis die Sonne tief im Bergwald versunken
-war und die Kapelle sich mit grauen Schatten
-füllte.</p>
-
-<p>Im Dämmer ging sie heim, erbangend, wenn das
-Gras zischte oder der Wind flüsterte, verzagend vor
-jedem Gebüsch. Denn selten gibt es eine Staude,
-drin nicht ein Auge ist.</p>
-
-<p>Die Raben kehrten in den Fichten ein zur nächtlichen
-Rast. Wie stockende Geister leuchteten die
-weißen Grenzsteine. Droben tat sich der Sternhimmel
-auf und funkelte durch die Wipfel nieder
-und silberte Zweig und Laub.</p>
-
-<p>Lichter aber schimmerte der Leib der Wallfahrerin,
-und die Blendnis ihres Fleisches lockte und schrie
-durch die Nacht.</p>
-
-<p>»Ich bin wie eine Latern,« klagte sie.</p>
-
-<p>Der Wald ward sanfter, gangbarer der Weg.
-Durch die Stille hörte sie schon die Mühle. Fern
-über den Bäumen sah sie hin und wieder das Gebirg<span class="pagenum"><a id="Page_118">[118]</a></span>
-in schwarzen Klumpen dunkeln. Sie wanderte
-und wanderte im Glanz ihres Leibes hin.</p>
-
-<p>Als sie den Steinriß erreichte, wo sie das Gewand
-versteckt hatte, huschte ein Mann aus den Felsen
-herfür und griff nach ihr.</p>
-
-<p>Sie schloß die Augen und ließ willenlos alles
-geschehen.</p>
-
-<p>Es mußte so sein.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Als der Gid erfuhr, wie die Ogath wallfahren
-gegangen war, prügelte er sie unbarmherzig, daß
-sie blau und blutig wurde, und das starke, stolze
-Weib ließ sich schlagen und wehrte sich nicht.</p>
-
-<p>Tags darauf kam der Zusch, ein närrischer Mann,
-zum Müller und lallte: »Der Dullhäubel schickt mich.
-Du sollst ihm Haut und Haar von deinem Weib
-schicken. Du hast gestern geschlagen.«</p>
-
-<p>Der Gid jagte ihn davon.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Im Frühjahr gebar die Ogath ein Dirnlein
-mit dickem, rotem Haar.</p>
-
-<p>Der Müller zerbiß sich die Lippen, er hatte
-einen Buben begehrt.</p>
-
-<p>»Woher hat sie das rote Haar?« murrte er.</p>
-
-<p>Er versperrte sich immer mehr in sich selbst.
-Seine Augen flogen scheu, die kargen Worte, die<span class="pagenum"><a id="Page_119">[119]</a></span>
-er redete, zauderten undeutlich an seinen Lippen.
-Oft brütete er stundenlang über dem Brief, der
-den Vorfahren Zins und Kundschaft verbürgt hatte,
-und sann auf Wege und Schliche und Gewaltsamkeiten,
-sich wieder ins alte Recht zu setzen.</p>
-
-<p>Einmal saß er am Fenster und quälte sich, eine
-Bittschrift an den Kaiser aufzusetzen. Denn im
-fürstlichen Schloß hatte man ihm gesagt, der Kaiser
-selber habe die Zwangmühlen abgeschafft. Er wollte
-mit der Schrift nach Wien reisen und dort, wenn
-es nicht anders ginge, einen Fußfall tun.</p>
-
-<p>Da holperte draußen auf der Straße ein Wagen
-daher, der Fuhrmann pfiff gell und knallte ohne
-Aufhör mit der Geißel. Der Gid riß das Fenster
-auf und schaute hinaus. Es war der Dullhäubel.
-Seine Ochsen wollten den mit Kornsäcken beladenen
-Wagen vorüberziehen.</p>
-
-<p>Aufsprang der Gid, packte die Urkunde und
-rannte hinaus.</p>
-
-<p>Er trat dem Fuhrwerk in den Weg und hielt
-die Ochsen an, die Augen flirrten ihm.</p>
-
-<p>»Kasper, wohin?«</p>
-
-<p>»In die Mußmühl nit, in die Grillenmühl,«
-sagte der keck.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_120">[120]</a></span></p>
-
-<p>»Das ist gegen das Gesetz,« lechzte der Gid.
-»Da siehst du die Schrift. Schwarz auf weiß
-steht drin, daß du bei mir mahlen mußt. Dein
-Hof steht drin aufgeschrieben mit Tinte und Feder.
-Mir ist es nit ums Mahlgeld, mir ist es ums
-Recht.«</p>
-
-<p>»Ich mahl bei dem groben Müllner nit, der
-mit dem Hammer die Leut erschlagt.«</p>
-
-<p>»Gelt, Kasper, du fahrst an meiner Mühl vorbei,
-weil du weißt, was mir ein Spieß ins Aug ist!
-Heut laß ich dich nit vorüber. Recht muß Recht
-bleiben. Übers Recht gibt es keinen Weg.«</p>
-
-<p>»Speib Gift, speib Gall!« sagte der Dullhäubel
-kalt. »Deine Red hat keinen Kopf und keinen
-Fuß. Steck ein den Wisch Papier und fuchtel nit
-so vor den Ochsen herum! Du zerrüttest sie mir.«</p>
-
-<p>»O du grundschlechter Kasper, genau so wie
-deine Vorfahrer peinigst du die Leut. Mit Bluthunden
-haben sie den jungen Burschen nachgespürt,
-das lebendige Menschenblut haben sie um einen
-Judaslohn verraten!« spritzte der Gid dem Dullhäubel
-ins Gesicht.</p>
-
-<p>Der antwortete gelassen: »Du steigst mir auf
-den Buckel! Und es bleibt dabei, der Grillenmüllner
-und kein andrer schrotet mir das Korn.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_121">[121]</a></span></p>
-
-<p>Blutrot sprang der Müller den Bauer an.
-Diesmal aber war der Dullhäubel gerüstet. Er
-riß eine Ochsensenne aus dem Wagen und schlug
-schrecklich auf den Feind los.</p>
-
-<p>Der Gid keuchte in sein Haus. Im Flur stand
-der alte Müller.</p>
-
-<p>Der Gid faßte eine Hacke. »Reichlich hat er
-mich gehaut,« schnaubte er. »Vater, du stellst dich
-hinter die Tür. Du packst ihn von hinten. Gleich
-ist er da. Droben am Steinbühel graben wir
-ihn ein.«</p>
-
-<p>Atemlos warteten die zwei.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel aber führte sein Korn schon
-weit und sang sein Leiblied.</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">»Ich schrei hü,<br /></span>
-<span class="i0">ich schrei ho,<br /></span>
-<span class="i0">ich schrei allweil<br /></span>
-<span class="i0">hüstaho.«<br /></span>
-</div></div>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Als dem Müller die Blutrünste und blauen
-Flecken vergangen waren, steckte ihm der Bote
-einen Brief zu, und damit wurde er vors Gericht
-beschieden.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel hatte geklagt, der Gid habe ihn
-auf hellichter Straße überfallen, ihn und seine<span class="pagenum"><a id="Page_122">[122]</a></span>
-Vorfahrer geschmäht und verschändet und ihn
-schließlich mit einer Ochsensenne halb erschlagen.</p>
-
-<p>»O der falsche Fuchs!« schrie der Gid. »Erst
-haut er mich grün und gelb, hernach zieht er mich
-vors Gericht. Auf der Stell klag ich ihn auch.«&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Der Dullhäubel rüstete sich indes emsig für den
-Gerichtstag. Er wollte den lieben Mußmüller so
-weit bringen, daß er kniefällig um Verzeihung
-heulte.</p>
-
-<p>In der Scheuer übte er seine Rede ein. Vorerst
-neigte er sich nach allen Seiten, denn er dachte
-sich den Gerichtshof rund wie einen Kreis und
-rings lauter Richter und Schergen und sich selber
-in der Mitte.</p>
-
-<p>»Gnädigster, allerstrengster Herr Gerichtshof!«
-hub er an. »Indem daß der Herr Ägid Wilfinger,
-Müllnermeister in Fuxloh, mich, den Herrn Kasper
-Dullhäubel, ehrengeachteten Bauern daselbst und
-eheleiblichen Sohn und Nachfolger des Herrn
-Isidor Dullhäubel, indem daß derselbe denselben
-und seine Ochsen auf freier Straße angepackt hat und
-mich hat zwingen wollen, daß ich in seiner Mühl
-mahl, wo doch schon der Herr Kaiser Josef im
-Jahr achtundvierzig alle Zwangmühlen verboten
-hat, und weil ich selbem Müllner nit zu<span class="pagenum"><a id="Page_123">[123]</a></span>
-Willen war, hat er mich und meine gottseligen
-Vorfahrer mit boshaften Wörtern verunehrt und
-hat insbesonders mir &ndash; mit Verlaub zu sagen &ndash;
-geschafft, ich soll ihm auf den Buckel steigen. Nachdem
-dies geschehen war, hat er mich mit einer
-Ochsensenne so kläglich genotnötigt, daß ich vierzehn
-Tag meine Arbeit hab versäumen müssen und Hand
-und Fuß nit rühren können. So, jetzt hat der
-Widersacher das Wort.«</p>
-
-<p>Damit ging der Dullhäubel in die Ecke der
-Scheuer, wo spinnverwebt die Putzmühle stand,
-und drehte sie fünf Vaterunser lang, daß sie
-rumpelte und fauchte, und deutete also die Rede
-an, womit der Gid sich verteidigte.</p>
-
-<p>Als der Bauer an der Putzmühle in einen gelinden,
-warmen Schweiß geraten war, setzte er ab
-und sprach wiederum in der eigenen Sache.</p>
-
-<p>»Allerhöchster und ehrbarer Herr Gerichtshof!
-Indem daß der Ägid Wilfinger sich gar so lügenhaft
-verteidigt und mit seinen Spitzfünden der
-Wahrheit unverschämt ins Gesicht schlagt und behauptet,
-es hätte sich alles umgekehrt zugetragen
-und ich hätte ihm mit einer Ochsensenne leibgefährlich
-und schandbar zugesetzt, daß er schleunig
-in der Mühl habe seine Zuflucht holen müssen: so<span class="pagenum"><a id="Page_124">[124]</a></span>
-verschwör ich mich mit dem härtesten Schwur, daß der
-Müllner jetzt abscheulich gelogen und getrogen hat.
-Gott soll mich strafen, wie ich da steh, wenn nur
-ein einziges Wort nit wahr ist!«</p>
-
-<p>Jetzt ließ er wieder die Putzmühle lärmen, und
-dies bedeutete wieder die Antwort des Gid.</p>
-
-<p>Hernach schloß er die Verhandlung und sagte:
-»Indem daß der Müllner von seinem halssteifen
-Leugnen nit ablaßt und in ohrenblaserischer Weis
-mich, seinen Nachbarn und vormals treuen Freund
-ins Zuchthaus bringen will, so trag ich alleruntertänigst
-seine gerechte Bestrafung an. Ich bitt euch,
-sperrt den Herrn Ägid Wilfinger drei oder vier
-Jahr bei Wasser und Brot ein, daß mir mein
-Recht geschieht und er hernach als ein verbesserter
-Müllner wieder auf die Welt kommt.«</p>
-
-<p>Er verneigte sich nach allen Winden und ging
-aus der Scheuer, seiner Sache sicher.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Am Gerichtstag putzte sich der Dullhäubel wie
-ein Pfingstelreiter heraus: er schirrte sich in die
-grasgrünen Hosenhalfter und steckte einen Häherspiegel
-in den blauen Hut, die Silberknöpfe glänzten
-am Brustfleck, und so trat er getrost aus dem Haus.</p>
-
-<p>Als die Sodonia über ihn ein Kreuz schlug, sagte er:
-»Heut wird es ein Rausch, ob ich gewinn oder verlier.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_125">[125]</a></span></p>
-
-<p>Vor seinem Hof aber hockte die Ulla, sie ließ ihr
-zahnlücketes Lächeln spielen und grüßte: »Guten
-Morgen in aller Fruh, Bauer!«</p>
-
-<p>Das alte Weib deutete er als übles Vorzeichen.
-Fluchend rannte er in die Stube zurück, tauchte
-alle fünf Finger in den Weihbrunn und besprengte
-sich kräftig, daß alles Gelüst des Teufel zu schanden
-werde. Dann schlich er zur Hintertür davon und
-ging in einem weiten Ring um das Bettelweib.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Der Gerichtshof schaute ganz anders aus, als
-wie der Dullhäubel geträumt hatte. Es war eine
-sonnige Stube, drin auf grünem Tisch zwischen
-zwei Kerzen das Kreuz mit dem angenagelten
-Herrgott stand.</p>
-
-<p>Der Richter hatte einen breiten Goldbart, eine
-rötliche Nase und graue, scharfe Augen, die einen
-durch Mark und Bein schauten.</p>
-
-<p>Der Schreiber, dem zwischen den Augenbrauen
-eine mächtige Warze saß, zog eben den Pfropf aus
-einem Tintenfläschlein. Neben ihm glänzte eine
-schneeweiße Gansfeder.</p>
-
-<p>Als der Dullhäubel in die Stube trat, war der
-Müller schon drin. »Holla, gefehlt ist es,« dachte
-der Bauer, »jetzt ist mir der Kerl zuvor kommen!«
-Doch hoffte er die Scharte auszuwetzen, und er<span class="pagenum"><a id="Page_126">[126]</a></span>
-grüßte artig: »Gelobt sei Jesus Christus, Herr
-Gerichtshof und Herr Schreiber!«</p>
-
-<p>Er wollte auch den Mann neben der schneeweißen
-Gansfeder ehren, denn wie leicht konnte der ein
-Wörtlein in seine Schrift rinnen lassen, das einem
-das Genick brach.</p>
-
-<p>Der Goldbart murrte etwas und deutete ungeduldig
-auf einen Sessel. Doch der Dullhäubel
-hielt es an der Zeit, seinen Trumpf auszuspielen,
-er holte das Tabakglas herfür und bot es mit
-zwinkerndem Blick auf die rötliche Nase dem
-Richter hin.</p>
-
-<p>»Was unterstehen Sie sich?« brüllte dieser.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel legte die Hand demütig aufs
-Herz. »Herr Gerichtshof, ich bin halt ein dummer
-Bauer.«</p>
-
-<p>Er knickte auf den Sessel nieder, der blaue Hut
-fiel ihm auf den Fußboden. »Holla,« dachte er,
-»jetzt hab ich mich verrechnet. Aber meine Red muß
-mich herausreißen.«</p>
-
-<p>Die Stimme des strengen Mannes kam auf einmal
-ganz unglaublich mild und zart aus dem Goldbart
-heraus, die starken Augen wurden ihm feucht,
-er zupfte an seiner Nase.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_127">[127]</a></span></p>
-
-<p>»Leutlein, euch hat der Herrgott nachbarlich hingesetzt
-in das schöne, friedliche Tal am Wolfsbach,
-und ihr steht jetzt in dieser Stube euch gegenüber
-wie zwei Waldratten, die sonst nichts mehr zu fressen
-haben als eins das andere. Was verklagt ihr euch
-wegen ein paar überflüssiger Hiebe und ein paar
-lustiger Wörter? Besinnt euch, ihr strittigen Männer!
-Es kann kein gut tun, wenn einer von euch wegen
-des andern abgestraft wird. Es wächst Haß daraus,
-und der Haß glost weiter in Kind und Kindeskind
-und schlägt allweil wieder giftig aus der Asche.
-Denkt an den Frieden eurer Enkel! Söhnt euch
-aus! Gebt euch die Hände!«</p>
-
-<p>»Ich will mein Recht,« trotzte der Müller.</p>
-
-<p>»Ich auch,« rief der Dullhäubel.</p>
-
-<p>Das graue Auge des Richters verfinsterte sich,
-mit langen Schritten ging er von Wand zu Wand.</p>
-
-<p>»Es ist gut,« sagte er. »Und jetzt erzählen Sie
-mir den Vorfall, Wilfinger!«</p>
-
-<p>Der Gid stellte sich kerzengerad hin wie ein Soldat
-und begann rauh: »Ich komm aus der Mühl.
-Der Kasper steht auf der Straße. Ich zeig ihm
-unsern Freibrief. Wir reden nit lang, da reißt er
-die Ochsensenne aus dem Wagen. Wenn ich nit
-renn, erschlagt er mich.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_128">[128]</a></span></p>
-
-<p>»Umgekehrt ist es gewesen!« kreischte der Dullhäubel.</p>
-
-<p>»Ruhig!« knurrte der Richter. »Ägid Wilfinger,
-beschwören Sie Ihre Aussage!«</p>
-
-<p>Die Kerzen flackerten unheimlich, und der Gid
-reckte den Arm steif auf bis schier zur Decke und
-stammelte nach, was der Richter vorsprach.</p>
-
-<p>»Falsch hat er geschworen, der staubige Teufel!«
-schalt der Dullhäubel. »Dir wasch ich noch einmal
-die Kutteln.«</p>
-
-<p>»Du elendiger Bauerntrumpf!« grollte der Gid.
-»Erwisch ich dich noch einmal, ich hämmer dich hin,
-daß du nimmer aufstehst!«</p>
-
-<p>Der Richter rieb sich die Fäuste. »Das ist ein
-spitzer Handel, Männer,« reizte er die zwei. »Redet
-euch nur die Leber frei!« Der Bart zitterte ihm
-unter dem lachenden Mund. Lachend riß er das
-Fenster auf.</p>
-
-<p>Das Geschrei der zwei Fuxloher versammelte drunten
-am Markt die Stadtleute. Sie horchten und
-lachten.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel war rot wie ein Truthahn.
-»Müllnerdieb, Müllnerdieb!« zeterte er. Ihm fiel
-nichts anderes ein.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_129">[129]</a></span></p>
-
-<p>Der Gid hatte keine Farbe im Gesicht. »Du
-abgefeimter Fuchs,« sprühte er, »du drehst dem
-Teufel einen Knopf in den Schweif.«</p>
-
-<p>Sie wüteten gen einander wie zwei leer laufende
-Mühlsteine, mit bösen Reden stachen sie auf sich
-ein, vergangene Zeiten öffneten sie und rissen die
-verweste Schande der Voreltern heraus.</p>
-
-<p>»Du Lump!« brauste der Gid. »Und allsamt
-seid ihr Lumpen gewesen auf euerm Hof. Der
-Vater sauft sich zu Tod, der Ähnel sucht die letzte
-Rast am Strick, dem Guckähnel wird der Hirnschädel
-eingehaut, und wer weiß, wie viel von
-deiner Brut am Galgen gezappelt haben!«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel blieb nichts schuldig. »Du
-ehrlicher Müllner, dein Vater ein ehrlicher Mann,
-dein Ähnel, dein Urähnel, dein Guckähnel, lauter
-redliche Müllner! Kein Körnlein ist euch stecken
-blieben im Fingernagel, kein Stäublein Mehl ist
-haften blieben an euern Schürzen, keinen Sand
-habt ihr gemischt&nbsp;&ndash;.«</p>
-
-<p>»Was? Du willst an meinem ehrlichen Gewerb
-schnipfeln?« Der Gid langte hinüber, wie der Bär
-nach Reiner dem Fuchs greift.</p>
-
-<p>Schnell barg der Schreiber das Tintenfaß und
-sah sich nach der Tür um.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_130">[130]</a></span></p>
-
-<p>Dem Richter schien es genug. Er brüllte, daß
-die Scheiben klirrten: »Ruhe! Sonst laß ich euch
-dingfest machen und ins Zuchthaus schmeißen!«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel aber bäumte sich auf: »Hat
-der Gid geschworen, muß man mich auch schwören
-lassen!« Er schwang die rechte Hand in die Höhe
-und spreizte die Finger, die linke ließ er mit zur
-Erde gereckten Schwurfingern hängen; er glaubte,
-so müsse der Schwur ohne Schaden durch den
-Leib gehen, auch wenn er nicht ganz echt sei.</p>
-
-<p>Der Goldbärtige schaute ihn mit einem Blick
-an, der ihm den Arm lähmte, und sagte halblaut:
-»Ihr zwei versteckten Lümmeln, augenblicklich versöhnt
-ihr euch, sonst laß ich euch krumm schließen,
-daß euch die Knochen brechen! Glaubt ihr, ich hab
-die Zeit gestohlen, daß ich mit einem groben Müller
-und einem spitzfindigen Schelm, der da kalt schwören
-will, herumschlage? Im Hui vergleicht euch! Und
-dann hinaus mit euch!«</p>
-
-<p>Die Widersacher schauten verdutzt drein, der
-Richter aber winkte entschlossen hinab auf den
-Marktplatz, dort stand ein riesiger Mann mit
-einem Säbel.</p>
-
-<p>Den zweien wurde ängstig.</p>
-
-<p>Der Säbel klapperte draußen die Stiege herauf.<span class="pagenum"><a id="Page_131">[131]</a></span>
-Der Dullhäubel langte sich nach dem Hals, als
-würge ihn etwas. Dem Müller war, eine Sense
-fahre ihm durch die Kniee.</p>
-
-<p>»Gid, verzeih!« ächzte der eine.</p>
-
-<p>»Kasper, vergiß!« murmelte der andere.</p>
-
-<p>Der Mann mit dem Säbel trat herein. Sein
-Gesicht war ernst, als müsse er in die Feldschlacht
-gehen. Er wischte sich links und rechts über den
-Schnurrbart.</p>
-
-<p>Der Richter sprach zu ihm: »Sie, Herr Notnagel,
-rennen Sie gleich zum Postmeister hinüber!
-Er soll nicht aufs Kegelscheiben vergessen. Im
-Wirtshaus zum Blumenstöckel.«&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Die zwei Fuxloher atmeten auf, als sie draußen
-auf dem Gang standen.</p>
-
-<p>Der Gang war weitläufig und finster, und
-drum verirrten sie sich und gerieten an eine eisenbeschlagene
-Tür, die halboffen stand.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel spähte hinein.</p>
-
-<p>In der Kammer drin war nichts zu sehen als
-ein vergittertes Fenster und eine hölzerne Liegerstatt.
-An die Wände hatten die Leute, die hier einschichtig
-über den Lauf der Welt nachgedacht hatten, allerlei
-Ergötzliches gezeichnet. Neben dem Bild eines mit
-Raben und baumelnden Schuften wohlversehenen<span class="pagenum"><a id="Page_132">[132]</a></span>
-Galgens waren Gesicht und Brüste eines üppigen
-Zigeunerkindes zu schauen, Schergen mit Säbeln
-und Hahnenbüschen auf dem Hut starrten von der
-Mauer nieder, unbekümmerte Sprüche luden zur
-Besinnung ein; auch mancher Reim war verzeichnet,
-der ein artiges Gemüt verletzt hätte, und mit
-blauem Stift stand steif und groß hingemalt:
-»Ade, du trauter Ort! Ich bin da gesessen ein
-paar schöne Wochen.«</p>
-
-<p>Dem Dullhäubel wurde ganz heimlich in der
-Kammer. Die Sonne zeichnete das Gitter gar
-lustig auf die Liegerstatt hin und zierte die Spinnweben
-im Winkel mit regenbogenen Farben. Eine
-Maus kroch aus ihrem Loch und stellte ein
-Männlein.</p>
-
-<p>Ungern verließ der Dullhäubel die Stätte. Er
-deutete mit dem Daumen zurück und sagte zu dem
-Müller: »Wenn mir das alte Bettelweib nit begegnet
-wär, du säßest jetzt da drin. Schad drum!«</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Die Ulla wohnte am Vogeltänd neben einem
-Felsen. Ihre zerrissene Hütte war mit Stangen
-und Stecken kläglich gestützt, Türsäulen und Fensterstöcke
-waren morsch, die Scheiben zerbrochen und
-mit Papier verklebt. Die Schindeln faulten am<span class="pagenum"><a id="Page_133">[133]</a></span>
-Dach und waren zum Teil durch Baumrinden ersetzt.
-Doch darauf glänzten Steine mit schönen glasigen
-Gebilden, so daß es auf all der Armseligkeit
-wunderlich blitzte.</p>
-
-<p>Im Fenster wuchs in einer Scherbe kümmerlich
-die Blume Zagelhintaus. Ein Kienbaum verschattete
-die Hütte, ihm wucherte im Gezweig ein Hexenbesen,
-kraus verwachsen wie das Nest eines verrufenen
-Vogels.</p>
-
-<p>Es war morgens. Der Guckauf lockte hell.</p>
-
-<p>Die Waldkräutlerin brockte vor ihrer Tür einen
-struppigen Schlafapfel aus dem Dorn, sie wollte
-ihn abends ins Bett legen, weil sie nimmer gut
-schlief.</p>
-
-<p>Zu dem winzigen Fenster meckerte die Geiß
-heraus. Die Ulla humpelte hin und spaßte: »Gib
-mir ein Bussel, Geiß!«</p>
-
-<p>Als wär er aus dem Felsen gesprungen, stand
-der Dullhäubel da.</p>
-
-<p>»Du hast die Geiß gern, Ulla. Du brauchst
-sie wohl Zum Reiten? Reitest du auf den Lusen
-tanzen? Das ist ein hoher Berg.«</p>
-
-<p>Die Alte nickte gutmütig mit dem kleinen Vogelkopf.
-»Du bist heut gut aufgelegt, Bauer. Dir
-hab ich einmal eine Warze besprochen. Weißt du<span class="pagenum"><a id="Page_134">[134]</a></span>
-es noch? Jetzt bist du ein schöner Mann worden.
-Geh, schenk mir was! Schau, wie armselig meine
-Heimat dasteht!«</p>
-
-<p>Sie deutete auf die Tür, die müd in den
-Angeln hing.</p>
-
-<p>»Die Tür ist schlecht,« sagte der Bauer, »aber
-du brauchst sie nit besser, du reitest ja zum Rauchfang
-ein und aus.«</p>
-
-<p>Die Geiß stand jetzt in der Tür, die Vorderbeine
-gespreizt, und horchte neugierig zu.</p>
-
-<p>»O mein liebes Vieh, der Bauer macht uns
-zwei schlecht. Du bist ein Schwänkmacher, Dullhäubel.
-Freilich geht es mir schlecht. Wenn nur
-genug Brot wär, drei Zähne hab ich schon noch,«
-kicherte sie kläglich. »Ach ja, die Not ist mein
-Kuchelmensch und Schmalhans der Meister.«</p>
-
-<p>»Aber Milch hast du genug?« fragte der Bauer
-scharf.</p>
-
-<p>»Nit viel, gar nit viel. Was halt die Geiß
-hergibt.«</p>
-
-<p>»Alte, du weißt, daß in meinem Hof der Erdspiegel
-ist. Drin seh ich alles auf der Welt. Wie
-ich gestern abends hinein schau, seh ich dich den
-Wegzeiger gegen Grillenöd melken. Zur gleichen
-Zeit hebt meine beste Kuh, die schwarzrückete<span class="pagenum"><a id="Page_135">[135]</a></span>
-Stallmeisterin, gottskläglich an zu plärren. Ich
-schau nach, da steht sie im Stall, zittert am ganzen
-Leib und schwitzt, als wenn sie einer geritten hätt.
-Ich hab sie gleich melken wollen, da hat sie nit
-ein bißlein Milch gegeben, nur ein Tropfen Blut
-ist ihr aus dem Euter geronnen. He, was hast
-du meine Kuh verzaubert, Hex?« rannte er.</p>
-
-<p>Sie rang die dürren Hände. »Das ist nit
-wahr, der Erdspiegel lügt. Ich bin ein frommes
-Weib und keine Schlangenköchin.«</p>
-
-<p>Er fuhr fort: »Im ersten Zorn bin ich in das
-Vogeltänd gelaufen, hab dir die Milch vom Ofen
-wegreißen wollen. Da seh ich durch die Luft einen
-Strohwisch schießen, in deinen Rauchfang schießt
-er hinein, er sprüht vor lauter Feuer. Ist das
-nit dein Liebhaber gewesen, Hex?«</p>
-
-<p>Sie starrte ihn mit den blöden Augen an. »Du
-irrst dich, Dullhäubel, du irrst dich dreimal. Es
-wird nur ein Sternlein in den Rauchfang gefallen
-sein. O weh, wie redest du so schrecklich von mir
-armem Weib! Ich tu ja niemand nix, ich tu nur
-beten, allweil hab ich die Nase im Betbuch, wenn
-ich auch nit lesen kann.«</p>
-
-<p>»Jetzt weiß ich, Ulla, wer mir im Stadel die
-Mäus wachsen laßt und im Haus das Unziefer.<span class="pagenum"><a id="Page_136">[136]</a></span>
-Jetzt weiß ich, wer den Nebel her winkt und das
-schwarze Wetter. Du bist es, Hex!«</p>
-
-<p>»Ich hab ja gar keine Kraft,« jammerte sie,
-»wie könnt ich das tun? Es ist ja alles nit wahr,
-nit wahr.«</p>
-
-<p>Unbarmherzig redete er: »Aus deiner Geiß springt
-die Milch wie der Brunnen aus der Erd, die Milch
-rinnt dir ums Haus nach, Ulla. Zum Lusen bist du
-auf einem Besen geflogen, der hinter dir gebrannt
-hat. Du zauberst und zinzelst und zanzelst und machst
-Weiber und Küh galt.«</p>
-
-<p>»O du Unfang, du bodenloser, was bringst du
-mich in Kummer? Deine üble Nachred wird mir
-schaden, niemand wird mir eine Gabe schenken wollen.
-Aber jetzt geh ich hin und laß dich am Gericht
-verklagen.«</p>
-
-<p>»Der Richter ist mein bester Freund, der tut mir
-nix,« lachte der Schelm. »Und wenn die armen
-Leut klagen, so gilt es nit. Und wer steht gegen
-mich auf? Ich bin der Dullhäubel aus Fuxloh!«</p>
-
-<p>»Das ist eine bitterliche Wahrheit,« lispelte sie,
-»an der Armut wischt ein jeder seinen Schuh. Aber,
-lieber Kasper, ich bin keine Hex.«</p>
-
-<p>»Du bist es. Dein ganzer Leib legt Zeugenschaft
-dafür ab: deine Finger sind wie Krallen, dein Kinnbein<span class="pagenum"><a id="Page_137">[137]</a></span>
-ist dürr und krumm, dein Gesicht ist runzlig,
-als ob die Hennen drin gekratzt hätten. Die Augen
-rinnen dir aus.«</p>
-
-<p>»Ich bin ja alt! Alt bin ich!« wimmerte sie.
-»Blut könnt ich weinen. Du wirst mich verschreien
-in ganz Fuxloh.«</p>
-
-<p>»Wenn du ein gerades Weib wärst, die Augen
-frisch, die Wangen weiß und rot und glatt,« der
-Dullhäubel schnalzte, »und wenn du sonst am Leib
-schön fest und dick wärst, da könnt der Erdspiegel
-zehnmal sagen, daß du hexest. Niemand tät ihm
-glauben.«</p>
-
-<p>»Das laßt sich nimmer ändern,« sprach sie traurig.
-»Und wenn ich noch so gut essen könnt, mein Leib
-ist alt und laßt sich nimmer frisch aufbauen.«</p>
-
-<p>Da flüsterte er: »Und doch weiß ich einen Rat.
-Geh in die Altweibermühl!«</p>
-
-<p>Wie Abendsonnenlicht glitt es über die enge Stirn
-der Ulla. »Ja, die Altweibermühl! Ich hab schon
-davon reden hören. Aber sie ist weit, meine Füß
-ergehen den Weg nimmer.«</p>
-
-<p>»Geh in die Mußmühl! Der Gid mahlt dich
-blitzsauber und blutjung. Zweifelst du? Ich lüg dich
-nit an. Du könntest mich sonst mit einem Buschen
-Haberstroh erschießen in der Thomasnacht.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_138">[138]</a></span></p>
-
-<p>Lachend trollte er sich.</p>
-
-<p>Die Alte stand wie verzaubert. Noch einmal jung
-werden, Kraft haben in Händen und Füßen, klar
-und stark sein im Hirn, von den Leuten geehrt werden,
-tanzen und springen können, und es noch einmal
-und besser und schlauer versuchen mit dem Leben!</p>
-
-<p>Sie ging im Ring um diesen lichten Wunsch,
-sie bestaunte ihn von allen Seiten und lugte scheu
-hin, wie ein Bettelkind durch die Zaunstecken in
-einen fremden, feinen Garten lugt voll edler Lilien
-und lieber Rosenstauden und Bäume mit gelbem
-Obst.</p>
-
-<p>Sie glaubte es gern, daß es ein Mühlrad gebe,
-das die Alten wieder jung mahle. Wie hätten
-denn sonst die Leute davon reden können!</p>
-
-<p>Sie packte vor Freude die Geiß bei den Füßen,
-hob sie auf und schwenkte und schleifte mit dem
-glotzenden Tier einen gelinden Tanz.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Als sie am dritten Tag das Herz nimmer bezwang,
-nahm sie ihren Stecken und ging in die
-Mußmühle.</p>
-
-<p>Den Weg hin pflasterte sie mit vielen Träumen,
-die holder glitzerten als der Tau an den Gräsern.
-Und die Vögel pfiffen die kreuz und die quer,
-der Baumhackel jauchzte wie ein Hochzeiter, der<span class="pagenum"><a id="Page_139">[139]</a></span>
-Himmel droben war glasblau, und die Erde war
-zart und freundlich wie ein Kränzelgarten.</p>
-
-<p>Die Ulla wanderte die Erlen und Weiden entlang
-bis zum grünen Weiher, darein der Bach
-sich sammelnd und verrastend mündete.</p>
-
-<p>Der Gid schleppte eben dem Glöckelbauer die
-Säcke in die Mühle.</p>
-
-<p>»Bin ich da recht in der Altweibermühl?«
-fragte sie, und das Herz schlug ihr hellauf.</p>
-
-<p>Der Gid ließ den Sack von der Achsel gleiten
-und schaute sie wild an.</p>
-
-<p>»Die bringt der Mußmühl einen neuen Namen
-auf,« lachte der Glöckelbauer.</p>
-
-<p>»Jung sollst du mich mahlen,« redete sie ein
-wenig scheuer. »Der Dullhäubel schickt mich her.«</p>
-
-<p>»Zu Trutz und Neid tut er mir alles!« rief
-der Gid in weinerlicher Wut. Und er rollte sie
-an: »Komm mit!«</p>
-
-<p>Sie beschwichtigte ihn. »Sei nit bös! Ich bin
-halt ein armes Fürwitzel.«</p>
-
-<p>»Zum Altweibermahlen täten die Fuxloher freilich
-meine Mühl kennen, da fahret keiner vorbei.«
-Er stapfte grimmig voraus.</p>
-
-<p>Im Vorderhaus standen einige Holzschuhe. Da
-schmeichelte die Ulla, den Zornigen zu begüten:<span class="pagenum"><a id="Page_140">[140]</a></span>
-»Ihr habt aber viel Holzschuh, da kommen gewiß
-auf jeden zwei.«</p>
-
-<p>Er führte sie durch das zitternde Haus, und
-auf einmal weilte sie verwirrt an einem Ort voll
-staubiger Stiegen und Leitern, der Wellbaum
-drehte sich, die Gänge klapperten, volle Säcke
-lehnten aneinander, weiße Mehlhaufen waren aufgeschüttet.</p>
-
-<p>Unheimlich rührte sich das Haus, belebt vom
-stürzenden Wasser, das das Wesen eines Geistes
-hatte. Unsichtbar irgendwo schwang sich das Mühlrad,
-vom Geschäufel zischte und fiel es. Die
-Aufschüttkasten schüttelten und rüttelten sich ruhelos,
-gespenstisch regte sich das Beutelwerk. Immer
-tosender schlapperte und klapperte alles, und der
-Ulla Herz schlotterte immer banger.</p>
-
-<p>Eine Mehltruhe stand halb offen, und das Weiblein
-fürchtete, ein grauer Kobold könne herauskriechen
-und ihr ein Leides tun.</p>
-
-<p>Und auf einmal schoß ihr eine gewaltige Angst
-vor dem Jungwerden ins Knie.</p>
-
-<p>Soll sie die bittere Welt noch einmal durchreisen,
-jetzt, wo sie der Ewigkeit und ihrem Frieden
-schon so nahe ist? Sie sollte sich doch ihr Alter
-nicht so hart bekümmern lassen!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_141">[141]</a></span></p>
-
-<p>Und die Geiß daheim, die wird die Ulla nimmer
-erkennen, wenn sie jung und fremd dahertanzt. Die
-gute Geiß wird den Bart traurig hangen lassen.</p>
-
-<p>Sie schrak auf. In dem Gebraus hatte sie den
-Müller vergessen.</p>
-
-<p>Der packte sie grob und schwang sie über den
-Mühltrichter. »Soll ich dich fallen lassen?«</p>
-
-<p>Sie schrie auf. Sie fühlte sich verschlungen,
-zermalmt unter den harten Steinen. Wild krampfte
-sie sich in des Müllers Rock. »Heilige Muttergottes,
-hilf! Breit deinen Reifrock aus! Ich will nimmer
-jung werden.«</p>
-
-<p>Die Sinne vergingen ihr.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Als sie wieder zu sich kam, lag sie am Weiher.
-Die Mühle brauste gedämpft, Mücken schwirrten.</p>
-
-<p>Sie besann sich lange. Hernach wisperte sie:
-»Gott, wie geht es zu in deiner Welt!«</p>
-
-<p>Voller Angst und Neugier kroch sie zum Teich
-hin, schlupfte durch die Felberstauden und schaute
-in den stillen, grünen Spiegel: da nickte ein altes,
-verschrumpftes Schwesterlein herauf.</p>
-
-<p>Die Ulla hüpfte vor Freuden auf und bat die
-im Wasser um Verzeihung, daß sie sie schier um
-ihre grauen Haare und vertrauten Runzeln und
-ehrwürdigen Hände gebracht hätte. Ein Muttergotteswunder,<span class="pagenum"><a id="Page_142">[142]</a></span>
-so glaubte sie, habe den Frevel
-verhütet.</p>
-
-<p>Als sie heim ging, lag der Dullhäubel vor
-seinem Hof am Wasen und reckte die Arme faul
-von sich.</p>
-
-<p>»Der Müllner hat grob gemahlen,« spottete er.
-»Jetzt mußt du halt Wolkenschieben gehen auf den
-Hötschenberg in Tirol.«</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<div class="chapter">
-<p>Im »pfalzenden Hahn« ging es hoch und hell
-her. Der Kirchweihtanz dauerte schon die zweite
-Nacht.</p>
-</div>
-
-<p>Enganeinander hockten die Musikanten auf ihrer
-Bühne. Der starke Lukas Schellnober blies den
-Baß, der Aumichel griff die Klarinette, der Spielmannfranz
-und seine Buben geigten. Und wenn
-die Musikanten rasteten, zirpte der Kanari, der aus
-dem Vogelhaus dem Treiben zuschaute.</p>
-
-<p>Die Bauernsohlen stampften die altbairischen
-Tänze. Der Glöckelbauer schwang die Iglin, der
-Igelbauer die Glöckelbäurin; der Holzhacker
-Longinus Spucht drehte wie besessen des Meßners
-Weib, derweil der Grazian gottergeben und
-mit niedergeschlagenen Augen die Spuchtin weit<span class="pagenum"><a id="Page_143">[143]</a></span>
-von sich hielt. Der Burgermeister tanzte mit
-der Burgermeisterin, der Müller mit der Müllerin.
-Der Dorfnarr sprang in Holzschuhen durch die
-Stube; zuweilen schlug er eine Blechstürze schallend
-an die Wand und schrie: »Ich bin ein Steirer!«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel drängte eine junge Dirne in
-die Ecke.</p>
-
-<p>»Deine Zähne glanzen, Stasel,« schmeichelte er.</p>
-
-<p>»Mit Zinnkraut hab ich sie geputzt, Kasper.«</p>
-
-<p>»Du bist süß wie ein Zuckerstock, Stasel. Komm
-mit mir vors Haus und laß mich schlecken!«</p>
-
-<p>»Nein, nein, Bauer, draußen ist es mir zu
-finster, ich könnt mich wo anstoßen. Und du bist
-mir zu wenig treu.«</p>
-
-<p>»Ich hab ein kugelrundes Herz, es rollt von
-einer zur andern, Stasel. Heut zu dir.«</p>
-
-<p>»Ich dank schön,« sagte sie schnippisch, »ich bin
-kein Apfelbaum an der Straße, wo ein jeder
-Bub hinaufsteigt.«</p>
-
-<p>Die Fuxloher hatten ihre Bäurinnen ausgeführt,
-und auch aus Blaustauden und Grillenöd waren
-Gäste da, und sie sprangen und trampelten, schleiften
-und jauchzten und sangen grell durcheinander.</p>
-
-<p>»Musikanten, spielt die ›Sommerblume‹!« schaffte
-der Müller an.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_144">[144]</a></span></p>
-
-<p>»Nein, das ›Wintergrün‹ will ich tanzen,« begehrte
-der Dullhäubel.</p>
-
-<p>Die Ausgedingler mischten in der Kuchel die
-Karten und spielten ein Spiel, das kroch so faul
-und endlos um den Tisch, daß die Sage recht
-haben mochte, einmal seien dabei vier Männer
-erfroren.</p>
-
-<p>Neben der Bodenstiege im Vorhaus schenkte der
-Wirt aus, vor ihm auf einem langen Tisch standen
-die Krüge der Tänzer.</p>
-
-<p>Alles drehte sich eben, niemand war im Vorhaus.
-Mit eiligen Augen nahm der Wirt den Vorteil
-wahr: er packte einen Maßkrug nach dem andern
-und goß das Bier durch den Trichter ins Faß
-zurück. Hernach lehnte er sich träumerisch mit überschlagenen
-Beinen und verschränkten Armen an
-die Stiege und wartete.</p>
-
-<p>Die Tänzer kamen mit den erhitzten Tänzerinnen
-und wollten trinken.</p>
-
-<p>Der Müller schrie:» Verflucht, da hat mir schon
-wieder einer das Bier ausgesoffen!«</p>
-
-<p>Der Lippenlix aus Blaustauden murrte bös:
-»Gerad ist mein Krug voll gewesen, und jetzt ist
-er leer. Wirt, das geht nit mit rechten Dingen zu.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_145">[145]</a></span></p>
-
-<p>Der Dullhäubel ließ sich frisch einschenken. Er
-kostete und spie aus: »Wirt, dein Bier ist abscheulich
-warm. Pfui Teufel!«</p>
-
-<p>»Geduldet euch,« tröstete der Wirt, »gleich wird
-frisch angezapft. Jetzt kommt das Faß, wo die
-schwarze Katz drauf sitzt.«</p>
-
-<p>Der Longinus Spucht stimmte das Rinaldinilied
-an. Er hatte einen rauhen, grimmigen Hals.
-Sein stockfinsterer Bart deckte die Brust weit
-hinunter, so daß er keinen Brustfleck brauchte. Wegen
-des finsteren Bartes war schon mancher Wandersmann
-umgekehrt, der den Spucht von weitem im
-Wald sah.</p>
-
-<p>Der Brunnkressenhannes setzte sich zum Dullhäubel
-hin. »Mein lieber Freund,« sagte er, »in
-der guten alten Zeit ist es anders gewesen. Ich
-wünsch mir nix mehr, als daß wieder ein so
-kräftiges Bier gebraut wird wie vormals. Wenn
-man das Glas ausgetrunken hat, ist der Boden
-noch schneeweiß gewesen vor lauter Faum. So
-kräftig ist es gewesen. Heut bringt kein Bräuer
-mehr einen rechten Faum zusammen.«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel tat, als höre er nicht und
-kehrte sich ab. Da stupfte ihn der Hannes mit
-dem Ellbogen an. »Bauer, tu her ein Schnüpflein.<span class="pagenum"><a id="Page_146">[146]</a></span>
-Der Tabak ist ein magnetisches Pulver, das zieht
-die Nase an.«</p>
-
-<p>»Setz dich nit an meinen Tisch,« antwortete der
-Bauer grob. »Du bist nur ein Häuselmann mit
-einer Kuh.«</p>
-
-<p>»Lausig bin ich nit, daß du wegruckst von mir.«
-Der Hannes stand auf und trug beleidigt seinen
-Krug davon. »Freilich muß einer stolz sein, wenn
-er einen so großen Hof hat wie der Dullhäubel.
-Der Ofen allein ist dort so groß, daß der Bauer
-drei Paar Ochsen einspannen muß, wenn er die
-Bratschüssel aus der Röhre ziehen will.«</p>
-
-<p>»Ihr werdet wieder solang wörteln, bis ihr
-rauft,« mahnte der Wirt scharf.</p>
-
-<p>Der Longinus Spucht hub ein anderes Räuberlied
-an.</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">»'s gibt kein schönres Leben auf Erden<br /></span>
-<span class="i0">in der weit und breiten Welt,<br /></span>
-<span class="i0">als ein Straßenrauber werden,<br /></span>
-<span class="i0">morden um das liebe Geld.«<br /></span>
-</div></div>
-
-<p>Die Musikanten setzten an, und Jauchzen und
-Gepolter verdeckten seine grobe Stimme. Alles
-drängte zum Tanz.</p>
-
-<p>Als sich der Wirt wieder allein spürte, hob er
-gemächlich den Holzschlägel, womit er sonst die<span class="pagenum"><a id="Page_147">[147]</a></span>
-Piepe in die Fässer trieb, und schlug ihn dreimal
-dröhnend an die Bodenstiege. Dann gellte er in die
-Stube: »Leut, frisch angezapft hab ich!« und schenkte
-wieder aus dem alten Faß.</p>
-
-<p>Der Grazian huschte heran und trank. »Jetzt
-ist das Bier viel besser.«</p>
-
-<p>Der Spucht wischte sich erquickt den feuchten
-Bart. »Das Bier hat Kraft,« lobte er, »es raucht
-einem zur Nase heraus.«</p>
-
-<p>»Wirt, bring eine Zange her!« begehrte der
-Igelbauer. »Am Türstock steht ein Nagel heraus,
-die Burgermeisterin hat sich dran den Kittel zerrissen.«</p>
-
-<p>Doch der Lukas Schellnober hüpfte von seinem
-hohen Sitz herab und riß den Nagel mit den
-blanken Zähnen so gründlich heraus, daß schier der
-Türstock mitging.</p>
-
-<p>Alle staunten über die Gewalt, und der Lukas
-Schellnober stand da, stark wie ein Hebebaum.</p>
-
-<p>Nur der Dullhäubel winkte geringschätzig. »Mein
-Ähnel hat eine Pflugschar auseinander gebrochen
-und einen eisernen Haken mit dem kleinen Finger
-in die Mauer getrieben.«</p>
-
-<p>Da packte der starke Bläser den Prahler samt
-seinem Stuhl und hob ihn auf den Tisch, daß er<span class="pagenum"><a id="Page_148">[148]</a></span>
-zappelnd droben saß, und alle lachten und gönnten
-es ihm.</p>
-
-<p>Wütend kroch er herunter. Doch wußte er sich
-gleich wieder ein Ansehen zu schaffen, er zündete
-sich die Pfeife mit einem Guldenzettel an, schob
-sich den Hut ins Genick und schloß hochmütig die
-Augen. »Soll mir das einer nachtun in Fuxloh!«</p>
-
-<p>Die Leute hatten nicht lange Zeit, über den verbrannten
-Gulden zu staunen, denn der Spucht und
-der Grazian waren wegen ihrer Weiber in Streit
-geraten, und alles scharte sich um die zwei.</p>
-
-<p>Der Spucht war eifersüchtig worden und behauptete,
-der Meßner stoße beim Tanz häufig
-mit dem Knie an das Knie der Spuchtin. »Ich
-hau dich, Grazian, daß dir das Maul auf die
-Seite hängt,« drohte er und spickte die Drohung
-mit seinen finsteren Blicken.</p>
-
-<p>»Hau her!« trotzte der Grazian.</p>
-
-<p>»Hau erst du her!« begehrte der Spucht und
-wich einen Schritt zurück. Sein Bart sträubte sich.</p>
-
-<p>Dem Meßner schwoll das Herz. »Hast du eine
-Schneid, so wag dich an mich!« Er hob einen
-Stuhl auf und brüllte. Der Spucht duckte sich.</p>
-
-<p>Vom Faß her rief der Wirt: »Grazian, wenn
-du raufen willst, räum ich dich hinaus.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_149">[149]</a></span></p>
-
-<p>Der Narr tanzte täppisch zwischen die Streiter
-und sang die Worte: »Hofacker, Krautacker!« Ein
-anderes Lied konnte er nicht.</p>
-
-<p>»Recht hast du, Zusch, stift Frieden!« lobte ihn
-der Burgermeister.</p>
-
-<p>»Komm her, Narr, trink!« Der Dullhäubel
-hob das abgestandene Traufbier unter dem Faß
-weg und schwenkte es. Der Zusch trank mit
-stieren Augen.</p>
-
-<p>Dann spreizte der Dullhäubel die Beine auseinander.
-»Jetzt bedank dich, Narr, und schlief
-durch.«</p>
-
-<p>Da ließ sich der Zusch auf alle vier nieder und
-kroch durch.</p>
-
-<p>Seine Mutter kam in die Stube. »Wo mag
-denn mein armer Narr sein?« fragte sie betrübt.
-»Ich such ihn schon die halbe Nacht.«</p>
-
-<p>Als sie ihn dem Bauer durch die Beine kriechen
-sah, weinte sie in die Schürze und zog den Narren
-mit sich fort.</p>
-
-<p>»Den Kasper soll man hauen, bis er nach Feuer
-stinkt,« schalt der Müller.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel aber mischte sich keck in den
-Tanz. Dabei sprang er wie ein Heuschreck, schaffte<span class="pagenum"><a id="Page_150">[150]</a></span>
-sich unbekümmert Platz und stieß die andern aus
-dem Weg.</p>
-
-<p>Den Lippenlix aus Blaustauden faßte er beim
-Knopf. »Du Schönbart bist mir auf die Zehen
-getreten, das Weh schießt mir bis zum Ellbogen
-herauf.«</p>
-
-<p>Mit einem Schlag stand eine Rotte Blaustaudner
-Burschen hinter dem Lippenlix bereit. Der zwirbelte
-sich den langmächtigen Schnurrbart und lauerte, er
-war ein stößiger Mensch, mit dem keiner gern
-anband.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel schmeckte die Gefahr. »Nix
-für ungut!« schmeichelte er. »Was stellt ihr euch
-gegen mich? Reibt euch an dem Müllner! Der
-sagt allweil, in Blaustauden sind lauter rotaugige
-Menscher.«</p>
-
-<p>»Traut dem Kasper nit, er hat zwei Zungen
-in der Gosche,« warnte der Öchseltreiber Mathes
-aus Grillenöd.</p>
-
-<p>»Die Grillnöder rühren sich,« spottete der
-Dullhäubel. »Ist das wahr, Mathes, daß bei euch
-alle stehlen, nur der heilige Sebastian in der
-Kapelle nit? Der ist angebunden.«</p>
-
-<p>Der Bauer hatte die Lacher auf seiner Seite.
-Und der Lippenlix zwirbelte den schönen Bart<span class="pagenum"><a id="Page_151">[151]</a></span>
-und bekräftigte: »Die Grillnöder sind bekannt.
-Wenn sie Kirchweih haben, müssen sie in den
-andern Dörfern den Stall zusperren.«</p>
-
-<p>»Der Kasper setzt den Hut auf, wie der Wind
-hergeht, einmal so, einmal anders,« greinte der
-Öchseltreiber, fand aber kein Gehör.</p>
-
-<p>»Sing uns das Fuxloher Lied, Kasper!« verlangten
-die aus Blaustauden.</p>
-
-<p>Da krähte der Dullhäubel den Spott über
-sein Dorf.</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">»Von hint bin ich fürher,<br /></span>
-<span class="i0">vom schwarzen Laib Brot,<br /></span>
-<span class="i0">kein weißes Brot eß ich nit,<br /></span>
-<span class="i0">da brennt mich der Sod.«<br /></span>
-</div></div>
-
-<p>Dem Burgermeister schlug die Röte in den Kopf.
-»Du bist wie der Wiedehopf, Kasper, der beschmeißt
-auch das eigene Nest.«</p>
-
-<p>»Dreiunddreißig Menscher hab ich,« rief der Dullhäubel,
-»alle Jungfern von Fuxloh gehören mir,
-und alle Weiber sind mein gewesen.«</p>
-
-<p>»Jetzt haltst du das Maul!« schnarchte ihn der
-Igelbauer an.</p>
-
-<p>»Du willst mir was schaffen?« höhnte der Dullhäubel.
-»Wer bist du, und wer bin ich? Du
-treibst dreizehn Mäus auf den Markt. Einen Fleck<span class="pagenum"><a id="Page_152">[152]</a></span>
-Grund hast du, nit größer als ein Hosentürlein,
-und schon laßt du dich einen Bauer heißen.«</p>
-
-<p>Die Musikanten fingen schnell einen Ländler an
-und überlärmten die Schandrede des Dullhäubel.</p>
-
-<p>Den Ländler hatte der Müller bestellt und bezahlt,
-und er und die Ogath tanzten ihn allein,
-derweil die andern im Ring herum standen und
-zuschauten.</p>
-
-<p>»Der Gid reckt sich auf über uns alle,« stichelte
-der Dullhäubel. »Das ist keine Kunst, er hat das
-Geld, er stiehlt uns alle ab, uns Bauern.«</p>
-
-<p>»Dein Tanz hat keinen Schmiß, Müllner,«
-nörgelte der Lippenlix.</p>
-
-<p>»Er kann leicht das Geld ausstreuen,« spottete
-der Dullhäubel. »Seine Vorfahrer sind klug gewesen,
-sie haben ihren Kühen den vordern Leib
-abgehackt, der nur gefressen hat; den hintern Teil
-haben sie weiter leben lassen. Wegen der Milch
-und dem Dung.«</p>
-
-<p>»Hör nit auf seine Lügen und sein Plauderwerk,
-Gid!« bat die Ogath. »Und gehen wir heim!«</p>
-
-<p>Er schnitt ein Gesicht wie ein Gewitter und schwieg.</p>
-
-<p>Der Spucht saß im Flur beim Wirt, sein Deckelglas
-hinter dem dicken Bart versteckt, daß es die
-Spuchtin nicht merke. »Jetzt wird es erst schön,«<span class="pagenum"><a id="Page_153">[153]</a></span>
-freute er sich, »jetzt streiten sie gewiß.« Die kohlfinsteren
-Augen glühten ihm.</p>
-
-<p>»O die Jähköpfe!« klagte der Wirt. »Heut setzt
-es ein Unglück.«</p>
-
-<p>Drin in der Stube fing der Lippenlix an, dem
-Müller in den Weg zu tanzen, er taumelte plump
-vor ihm her, der Messergriff stand ihm zum Sack
-hinaus.</p>
-
-<p>Der Gid stellte ihn. »Begehrst du was?«</p>
-
-<p>»Von dir am letzten!«</p>
-
-<p>Da rief der Müller laut: »Wirt, die Halbe
-Bier sollt einen Zwanziger kosten, daß nit ein jeder
-Lauser sich eins kaufen kann, der es nit vertragt.«</p>
-
-<p>»Ich stürz dich um, Gid,« krächzte der Lippenlix.</p>
-
-<p>Der Wirt sprang zwischen die Männer. »Du
-Blaustaudner Schurimuri, braus nit so daher.
-Rauf dich daheim aus, wenn dich die Kraft juckt!
-Du unbändiger Stier du!«</p>
-
-<p>Der Lippenlix schob sich mürrisch zur Tür hinaus.
-Seine Spießgesellen rückten an einem Tisch zusammen
-und brüllten grobe, rauflustige Lieder.</p>
-
-<p>»Jetzt gehst du heim!« herrschte der Müller sein
-Weib an.</p>
-
-<p>»Du gehst mit, Gid!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_154">[154]</a></span></p>
-
-<p>Er zog die schweren Brauen zusammen. Da
-ging sie allein.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Draußen vorm Wirtshaus zischelte einer auf den
-Lippenlix ein. »Da steigt er drin auf und ab wie
-der Hahn in den Gerstenhalmen, der Gid. Und
-uns laßt er nix gelten. Nur nix gefallen lassen,
-nur nit langmütig sein, Lix! Der Langmut zieht
-den Übermut ins Haus.«</p>
-
-<p>»Die Gall gießt sich mir aus,« stöhnte der andere.</p>
-
-<p>»Sei nit verzagt, Lix, und geh den stolzen
-Müllner an! Steif dich nur auf mich! Ich verlaß
-dich nit. Da schnupf einmal! Das ist ein Tabak
-aus den heißen Ländern, der hitzt und kräftigt.
-He, Bruder, wie heißt der Spruch? Erst schnupfen,
-dann hupfen, erst saufen, dann raufen.«</p>
-
-<p>Der Brunnkressenhannes wankte aus dem Haus
-und besang sich mit hoher Hirtenstimme schwermütig
-den Heimweg.</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">»Wird mir dann die Zeit zu lang,<br /></span>
-<span class="i0">sing ich einen Waldgesang,<br /></span>
-<span class="i0">und verkriech mich in den Hecken,<br /></span>
-<span class="i0">lehn mich an den Hirtenstecken<br /></span>
-<span class="i0">und ergreif die Feldschalmei,<br /></span>
-<span class="i0">dieses macht mich sorgenfrei.«&nbsp;&ndash;<br /></span>
-</div></div>
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_155">[155]</a></span></p>
-<p>Drin in der Stube rief der Dullhäubel: »Spielt
-auf, Spielleut, daß es schnalzt! Ihr dürft euch
-dafür den höchsten Baum in meinem Wald umschneiden.
-Aber der Herr Ägid Wilfinger darf
-nimmer mittun, der hat schon genug allein getanzt.
-Andre Leut sind auch noch da.«</p>
-
-<p>Da stoben die Weiber türaus, der Wirbel ordnete
-sich, und augenblicklich standen sich die Männer
-mit feurigen Augen und fertiger Faust in zwei
-Haufen gegenüber. Um den Dullhäubel sammelten
-sich die Blaustaudner und ein paar Fuxloher, die
-der Gid wegen des Mühlzwanges beleidigt hatte.</p>
-
-<p>Alles lauerte. Alles erwartete den ersten Wetterschlag.</p>
-
-<p>Nur die Musikanten blieben gleichgültig. Die
-Geiger tranken und schmierten den Fiedelbogen,
-der Klarinetter dudelte tiefsinnig für sich hin, und
-der starke Lukas Schellnober war schnarchend auf
-seinen Stuhl zurückgesunken.</p>
-
-<p>Der Lippenlix hub an. »Müllner, du bist rauschig,
-du kannst die Zung nimmer heben. Geh heim, leg
-dich nieder zu deinem Weib!« Und fauchend stieß
-er sein Messer durch den Tisch.</p>
-
-<p>»Müllner, du bist der Gescheitere, ich bitt dich,
-gib nach!« bettelte der Wirt.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_156">[156]</a></span></p>
-
-<p>Der Gid vergilbte, als hätte er die Gallensucht.
-»Das ist noch nie geschehen, seit die Welt steht,
-daß sich hätt ein Mußmüllner heimschicken lassen wie
-ein Hütbub. Da grab ich mich eher lebendig ein.«</p>
-
-<p>»Er schneidet ein Gesicht wie neun Pfund Teufel,«
-hetzte der Dullhäubel. »Lix, laß ihm den Darm
-heraus!«</p>
-
-<p>Da klingelte es. Ein Stein flog aus der Nacht
-splitternd zum Fenster herein, er traf die Klarinette,
-und sie fuhr dem Aumichel in das Maul und stieß
-ihm einen Zahn aus.</p>
-
-<p>Das war das Zeichen. Jäh hoben sich die
-Fäuste. Der Burgermeister stürzte sich keifend
-zwischen die Raufer.</p>
-
-<p>Das Vogelhaus fiel von der Wand und zerbrach.
-Eilig tappte der Wirt nach dem Kanari
-und verwahrte ihn in der Bratröhre des Ofens.
-Über ihn schlug es wie ein wildes Wasser zusammen.</p>
-
-<p>Die Wirtin stieg auf einen Tisch und sprengte
-jammernd Weihwasser über den Kampf; aber die
-Tropfen halfen nichts, es hätte einer Feuerspritze
-bedurft. Alles packte zu. Worte flogen hin und
-zurück, spitz und scharf, wie wenn Stahl in den
-Stein beißt. Die Kartenspieler hatten ihre Trümpfe
-weggeworfen und tauchten in dem Wirbel unter.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_157">[157]</a></span></p>
-
-<p>Der Dullhäubel trank indes im Vorhaus ruhig
-seinen Krug aus, wischte sich den Schnauzbart und
-ging, ohne zu zahlen, heim.</p>
-
-<p>Der Müller faßte den Lippenlix und drückte ihn
-ins Knie. »Ich schwing dich, ich lupf dich!« keuchte er.</p>
-
-<p>»Blut mußt du rotzen!« trotzte der Lix.</p>
-
-<p>Ein Stuhl krachte auf einen Schädel. Krüge
-wurden geschwungen, flogen, trafen, splitterten. Aus
-den Knäueln, die sich auf der Erde wälzten, tauchten
-Beine auf und strampelten. Einer schrie immer
-wieder: »Das ist heut eine Hetz! Das ist eine Hetz!«</p>
-
-<p>»Alle miteinander jag ich euch auf den Baum
-hinauf!« drohte der Spucht und floh zum Haus
-hinaus.</p>
-
-<p>»Ich hol den Schergen,« weinte, kreischte, brüllte,
-winselte der Wirt. Seine heiseren Schreie gingen
-unter.</p>
-
-<p>Die Spielleute sprangen von der Bühne in die
-Schlacht hinab und taten mit. Nur der riesige Baßbläser
-schlief seelenruhig und entrückt auf seiner Höhe.</p>
-
-<p>Das Getümmel wälzte sich hin und her, die
-Streiter redeten nimmer. Auf einmal wuchs der
-Lippenlix aus dem Wirrwarr heraus, mit dem
-Bierschlägel schlug er die Lampe von der Decke.
-Da war es stockhimmelfinster.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_158">[158]</a></span></p>
-
-<p>Der Streit ging in der Finsternis weiter. Niemand
-suchte mehr einen Feind, jeder nahm den, der ihm
-in den Griff kam. Alles tobte. Keiner feierte.</p>
-
-<p>Der Longinus Spucht schrie zu dem zerbrochenen
-Fenster herein: »Himmelsakerment, wenn ihr nit
-bald aufhört, rauf ich auch noch mit! Das müßt
-mit schlechten Dingen zugehen, wenn ich nit ein
-paar umbrächt!«</p>
-
-<p>In höchster Not tappte sich der Wirt an der
-Bühne hinauf, er rüttelte den schlafenden Bläser.
-»Lukas! Still die Leut ab! Stift Frieden! Hau zu!«</p>
-
-<p>Der Lukas Schellnober fuhr schwerschlachtig auf,
-trunken vom Schlaf. »Wohin soll ich denn hauen?«</p>
-
-<p>»Hau gradaus! Hau, wohin du willst! Du triffst
-keinen Unrechten.«</p>
-
-<p>Der Riese riß das Mundstück von seinem Baßhorn
-und ließ sich in die tümmelnde Finsternis hinab.
-Er teilte mit dem Mundstück Hiebe nach links und
-rechts aus und schrie: »Hui aus! Hui aus!«</p>
-
-<p>Es war als käme eine Mauer daher. Heulend
-meldete sich, wen der Lukas mit seiner greulichen
-Kraft traf. Täumlig und toll suchten sie die Tür,
-fluchend, wimmernd quetschten sie sich hinaus. Bald
-war der untümliche Mann allein in der Stube.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_159">[159]</a></span></p>
-
-<p>Der Wirt kam und leuchtete mit einer Kerze die
-Verwüstung an. Scherben und Blutlachen spiegelten,
-Bänke und Stühle lagen zertrümmert oder mit
-ausgerissenen Füßen, Öl stank. Durch die zerschlagenen
-Fenster stieß der Nachtwind herein.</p>
-
-<p>Die Musikanten fanden sich wieder ein. Der
-Lukas Schellnober saß ruhig droben auf der Bühne
-und putzte mit einem Holz das Blut und die
-Haare aus dem Mundstück. Dann schraubte er es
-wieder an den Baß, führte es zu den Lippen, und
-seine Gesellen stimmten ein und machten wieder
-zum Tanz lüstern.</p>
-
-<p>Zerschrammt und blutrünstig, struppig und
-zerfetzt, doch auch abgekühlt von der Nachtluft, befreit
-und friedsam kamen die Raufer wieder, die
-Weiber und die Dirnen blieben nicht aus, die
-Wirtin fegte die Stube rein, und bald drehten
-sich wieder alle in schönster Eintracht.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Draußen kroch der Müller auf Händen und
-Füßen heim, mit zornzerrissenen Lippen, qualvoll,
-ohne Laut. Er hörte fern die Geigen und die
-Klarinette summen und den Baß stoßweise murren.</p>
-
-<p>Der Mond verschien, der Wald ward grau.
-Das Wichtel rief, der Totenvogel.</p>
-
-<p>Drei fürchterliche Stunden kroch er.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_160">[160]</a></span></p>
-
-<p>Frühgeläut erklang. Die Sonne ging auf, sie
-schwamm wie ein gräßlicher Blutfleck im Dunst.</p>
-
-<p>Die Ogath kam aus der Mühle. Die Zunge
-ward ihr steif vor Schreck, als sie den Mann vor
-sich liegen sah, das Gesicht verfallen, die Stirn
-aschfahl, blutig.</p>
-
-<p>»Den Fuß hat mir einer mit dem Bierschlägel
-abgeschlagen,« raunte er.</p>
-
-<p>»Wer?«</p>
-
-<p>»Ich verrat ihn nit.«</p>
-
-<p>»O wärst du heimgangen mit mir, Gid! Reut
-dich denn deine Gesundheit nit?« schluchzte sie.</p>
-
-<p>»Ich reu mich um nix.«</p>
-
-<p>»O das ist ein Wehtag! O mein lieber Müllner,
-was haben sie mit dir angefangen?!«</p>
-
-<p>»Das tut nix,« sagte er gleichmütig. »Hätt ich
-den Bierschlägel gehabt, ich hätt ihm dasselbe getan.«</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Nach langem Krankenlager ward der Gid vom
-Wundarzt wieder hergestellt. Aber er ging krumm.</p>
-
-<p>Auch sein Herz war verdüstert. Immer eigenköpfiger,
-immer wunderlicher wurde er, mürrisch
-hinkte er durch die Mühle. Dem rothaarigen Dirnlein,
-das um ihn aufwuchs, sah er mit argen<span class="pagenum"><a id="Page_161">[161]</a></span>
-Augen nach. Sein Weib redete er kaum mehr an.
-Es war schwer, mit ihm zu hausen.</p>
-
-<p>Den Gerechtigkeitsbrief hatte er sich ans Tor
-genagelt: alle Welt sollte sehen, daß er in seinem
-Recht gekränkt wurde. Aber die Welt kehrte sich
-nicht daran und schaffte ihr Malter zum Grillenmüller,
-der war ein lachender Mann.</p>
-
-<p>Im Wirtshaus kam es zu einem wilden Streit
-zwischen den Müllern.</p>
-
-<p>Der Grill schrie: »Fahrt ihm die alten Weiber
-hin, dem Gid! Das soll erzwungen werden, eine
-solche Zwangmühl brauchen wir.«</p>
-
-<p>»Dein Weib mahl ich zuerst, die hat es am
-nötigsten,« antwortete der Gid.</p>
-
-<p>»Die Ulla hat deine Mühl verhext, Gid,«
-spottete der Teufelmüller, »es fallt lauter Ratzendreck
-aus den Steinen heraus.«,</p>
-
-<p>Der Mußmüller grollte: »Red nur du nix von
-Zauberei! Deine Mühl hat der Teufel am Buckel
-daher gebracht. Kein guter Christ soll drin mahlen
-lassen. Und eure Mühlen sind nur Gaukelmühlen
-gegen die meine, mit einer Hand halt ich sie auf.
-Mit einer Hand, alle zwei auf einmal!«</p>
-
-<p>»Versuch es!« schrien die andern.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_162">[162]</a></span></p>
-
-<p>In jener Nacht blieb die Grillenmühle stehen.
-Unterm Mühlrad lag der Gid mit zermalmtem
-Arm und zerdrückter Brust. Er hatte sein Wort
-gehalten.</p>
-
-<p>Sie legten den Leichnam auf eine Stubentür
-und trugen ihn heim zu seinem Weib.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Die Altbäurin Sodonia konnte nimmer.</p>
-
-<p>Man mußte sie speisen wie ein kleines Kind.
-Das Fleisch ward ihr offen vor lauter Liegen.
-Und weil sie nimmer schaffen und nimmer den
-Dienstboten nachgehen konnte, so wartete sie ungeduldig
-auf die Erlösung.</p>
-
-<p>Als ihre Stunde kam, stand der Dullhäubel
-demütig an dem Bettfuß.</p>
-
-<p>»Kasper, ich sterb,« seufzte sie. »Was wird aus
-dem Hof, wenn ich nimmer bin? Ich hab gespart.
-Wenn der Geier mir eine Henne erstoßen hat, bin
-ich ihm bis in den Wald nach. Ich bin geizig
-gewesen, keine Nuß hat man mir von unsern Haselstauden
-brechen dürfen. Ich bin ein Weib gewesen
-wie ein Sporn. Den Hof hab ich gehalten.«</p>
-
-<p>»Das weiß ich, Altbäurin,« wisperte er, »und
-ich dank dir dafür.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_163">[163]</a></span></p>
-
-<p>»Aber deine Mutter taugt nix,« tadelte die Alte.
-»Sie kann nur so weit zählen und rechnen, als
-ihr die Finger zu Hilf kommen. Am liebsten schlaft
-sie. Ordnung kennt sie nit. Mein Gott, wo soll
-sie denn die Ordnung gelernt haben?! Sie stammt
-aus einem Haus her, das ist mit Kuhfladen gedeckt.
-Ich bin allweil gegen die Heirat gewesen,
-aber der Isidor hat mir nit gefolgt. In der Seligkeit
-drüben werf ich ihm es noch vor, wenn ich
-ihn dort find. O es ist mir leid um den schönen
-Hof!«</p>
-
-<p>»Ich werd mich schon kümmern,« schluchzte er,
-»ich versprech es dir.«</p>
-
-<p>»Ach du!« winkte sie verächtlich. »Du hast die
-Faulheit von deiner Mutter geerbt. Allweil lehnst
-du in der Sonn umher und tust keinen Handstreich.
-Die Gurgel taufen und die Leut narren, das
-triffst du. Dein Leben stößt dich in Schulden.
-Schämst du dich nit vor den Leuten?«</p>
-
-<p>»Mich gehen die Leut nix an,« trotzte er.</p>
-
-<p>»So fürcht unsern Herrgott!«</p>
-
-<p>»Nach Fuxloh sieht er nit. Fuxloh liegt hinter
-dem Herrgott seinem Buckel.«</p>
-
-<p>»Du irrst dich, Kasper. Der Teufel äugt wie
-ein Stoßvogel. Hüt dich! Und tracht, daß du<span class="pagenum"><a id="Page_164">[164]</a></span>
-einmal am Himmelstisch essen darfst und trinken
-und des höllischen Feindes spottest. Ich will dich
-droben in der Seligkeit erwarten, und du mußt
-mir Rechenschaft legen über den Hof. Aber was
-nutzt meine Red? Du beutelst dich ab wie ein
-nasser Hund.«</p>
-
-<p>»Ich will mich verbessern,« sprach er zerknirscht.</p>
-
-<p>»Und noch eins, Kasper. Du bist jetzt ein gestandener
-Mann. Ein Weib tut dir not. Mit
-Schmerzen hab ich dir im Sommer zugeschaut,
-wie du den Graserinnen keine Ruh gegeben hast.
-Leugn es nit! Ich rat dir, nimm dir ein gutes
-Weib, die hausen kann! Wähl nit zu lang! Wer
-gar zu lang unter den Schaffen umgreift, erwischt
-zuletzt das Dreckschaff. Heirat nit so eine Flankin,
-die sich aufputzt und aufstutzt und sich am Werktag
-Löcklein und Schnecklein dreht! Nimm dir eine
-wie dem Mußmüller seine Wittib! Versprich mir
-es um des Hofes willen!«</p>
-
-<p>Er reichte ihr die Hand, und dicke Zähren rollten
-nieder auf seine hirschledernen Hosen. »Ich versprech
-es dir. Alles Gute versprech ich dir.«</p>
-
-<p>»Was heunst du denn?« beschwichtigte sie ihn.
-»Ich hab mir mit drei Dullhäubeln genug ausgestanden.
-Vergönn es mir, daß ich abgestandenes<span class="pagenum"><a id="Page_165">[165]</a></span>
-Weib aus Zeit und Leid in die ewige Freud
-hinfahr!«</p>
-
-<p>An einem glasheitern Herbsttag, die elftausend
-Jungfern spannen im Himmel die Altsommerseide,
-und gelbes Laub mengte sich in das müde Grün,
-da legte man die Altbäurin ins Grab.</p>
-
-<hr class="tb" />
-<div class="chapter">
-<p>Jetzt ging es auf dem Hof nimmer schön zu.
-Der Dullhäubel sorgte sich um nichts und führte
-seinen schlechten Wandel weiter. Knechte und Dirnen
-wurden säumig, da sie die Augen der Altbäurin
-unterm Rasen wußten. Das Vieh röhrte
-vergeblich um Futter, der Stall wurde nicht ausgemistet,
-das Korn nicht gedroschen, das Haus
-war voll Schmutz.</p>
-</div>
-
-<p>Die Sanna, die Mutter des Bauern, wärmte
-sich den Rücken an dem grünen Kachelofen, schlief
-und aß und schlief wieder ein. Das Schicksal des
-Hofes rührte nicht an ihre schläfrige Seele.</p>
-
-<p>An einem Wintertag sagte sie zum Dullhäubel:
-»Bub, jetzt bin ich vierzig Jahr in der Fremd,
-jetzt verlang ich wieder heim zu meinen Leuten.«</p>
-
-<p>»Warum, Mutter? Es fehlt dir ja nix bei mir.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_166">[166]</a></span></p>
-
-<p>»Ich hab mich in euer Leben da nie recht eingewöhnt.
-Und ich will mich von der Fremd ausrasten.
-Am Sonntag führst du mich heim.«</p>
-
-<p>Sie ließ sich nicht halten, und er hielt sie nicht.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Am Tag Pauli Bekehrung zog sich der Dullhäubel
-die Pelzhaube über die Ohren und schirrte
-das Roß vor den Schlitten. Darauf packte er
-Gewand und Federbett der Mutter und setzte sie
-warm darein. Nun fuhren sie bergan.</p>
-
-<p>Hoch noch über dem hochgelegenen Grillenöd
-mitten in Geröllhalden und struppigen Wäldern
-war die Heimat der Sanna, das Siebenschläferhaus
-geheißen, die einsamste Einschicht im Gebirg.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel deutete mit der Peitsche hinauf.
-»Wird es dir nit zu rauh droben sein, Mutter?
-Droben ist es so kalt, daß sie am Tag vor der
-Sonnwend zum letztenmal und am Tag nach der
-Sonnwend zum erstenmal heizen.«</p>
-
-<p>Der Hagbutzdorn brannte im blanken Schnee,
-schlohweißer Nebel wob in den Tälern drunten.
-In den Ebereschen schnabulierten bunte Pestvögel,
-und Elstern schätterten durch die gläserne Stille.</p>
-
-<p>An einem Bildstock war zu lesen, daß an selber
-Stelle im Hochsommer ein Kohlenbrenner erfroren
-war.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_167">[167]</a></span></p>
-
-<p>Der Siebenschläferhof war schwer verschneit. Keine
-Menschenspur führte hin, nur hie und da eine Hasenfährte
-oder ein Fuchsentritt. Die Fenster waren
-unter den angeflogenen Flocken erblindet.</p>
-
-<p>»Der Hof ist ausgestorben,« murmelte der Dullhäubel.
-»Kehren wir um!«</p>
-
-<p>Doch die Sanna deutete auf den Rauchfang.
-Ein ganz dünner, schier luftblauer Rauch stieg gleich
-schüchternem Atem auf und meldete Leben.</p>
-
-<p>Der Bauer klopfte an die Tür, an die Fenster.
-»Auf, der Dullhäubel ist da!«</p>
-
-<p>Es rührte sich nichts.</p>
-
-<p>Schließlich trommelte er mit einem Prügel an
-die Tür, daß der Wald rings hallte.</p>
-
-<p>Endlich schlurfte es drinnen im Flur.</p>
-
-<p>Die Tür wurde aufgeriegelt. Ein zottiger, graubärtiger
-Mann, die Augen voll Schlaf, trat auf
-die Schwelle und fragte: »Was &ndash; was kommst
-du daher in dem stumpfen Wetter? Was &ndash; was
-willst du mitten im Winter?«</p>
-
-<p>»Darf man dich nur im Sommer heimsuchen,
-Vetter?«</p>
-
-<p>Der Alte gähnte: »Schlaft der Igel, &ndash; schlaft
-der Bär, - schlaft der Ratz. Die rechten Leut
-&ndash; schlafen &ndash; im Winter.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_168">[168]</a></span></p>
-
-<p>Drin in der Stube schliefen sie im Bett, auf
-dem Ofen, auf Bank und Truhe, die Bäurin und
-die Kinder.</p>
-
-<p>»Grüß dich Gott, Bruder!« sagte die Sanna.</p>
-
-<p>»Dich &ndash; dich auch!« antwortete er und legte
-sich auf die Ofenbank. Die Erinnerung arbeitete
-schwerfällig in seinem Hirn.</p>
-
-<p>»Vierzig Jahr haben wir uns nimmer gesehen,«
-meinte sie, »das ist lang.«</p>
-
-<p>»Das &ndash; das ist lang,« wiederholte er träumerisch.</p>
-
-<p>»Mein Bauer ist gestorben. Der da ist mein
-Bub, der Kasper.«</p>
-
-<p>»Der &ndash; der Kasper,« kam der Widerhall.</p>
-
-<p>»Jetzt frag ich, ob ihr mich daheim laßt bei euch,«
-sagte die Sanna.</p>
-
-<p>Der Alte wies auf eine leere Truhe. »Leg &ndash; leg
-dich nur nieder!«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel wurde ungeduldig und schrie:
-»Ihr habt einen seltsamen Hausbrauch. Steht auf,
-Freundschaft! Kocht auf! Uns hungert. Und schlafen
-wollen wir nit.«</p>
-
-<p>Da regten sich die Schläfer, sie hoben die wirrhaarigen
-Köpfe und sperrten tölpisch den Mund auf.</p>
-
-<p>»Ist &ndash; ist der Sommer da, weil &ndash; weil der Star
-so hell pfigerzt?« lallte einer der Buben.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_169">[169]</a></span></p>
-
-<p>Die Muhme kroch aus dem Bett und schob einige
-Knorren ins Feuer, da wachte auch der Ofen auf
-und murmelte in sich hinein.</p>
-
-<p>»Schlafen sie denn den ganzen Winter, Mutter?«
-staunte der Dullhäubel.</p>
-
-<p>»Was sollen sie Schöneres tun, wenn das Dreschen
-vorbei ist und sie die andere Arbeit vollbracht haben?«
-antwortete die Sanna.</p>
-
-<p>Die Muhme schob einen Topf auf die Platte und
-nickte. »Jetzt &ndash; jetzt ist die ruhsame Zeit.«</p>
-
-<p>Die aufgeschossenen Burschen und die stämmigen
-Dirnen fletschten lachend die Zähne, stießen sich an
-und deuteten mit den Fingern auf den Dullhäubel.</p>
-
-<p>Er fragte die zwei Jungfern nach den Namen.</p>
-
-<p>»Bi &ndash; bi &ndash; bibiana,« stammelte die eine.</p>
-
-<p>»Ju &ndash; ju &ndash; juliana,« die andere.</p>
-
-<p>»Und wie schreibt ihr euch, Buben?«</p>
-
-<p>»Zy &ndash; zy &ndash; Zyprian.«</p>
-
-<p>»Bartholo &ndash; mä &ndash; mä.«</p>
-
-<p>»Ihr &ndash; ihr &ndash; habt eure schönen Namen noch
-nit gut eingelernt,« spottete der Vetter aus Fuxloh.</p>
-
-<p>Die Muhme entschuldigte ihre Brut. »Es &ndash; es
-handelt sich alleweil nur ums erste Wörtel, um &ndash;
-um den Anlauf. Magst &ndash; magst du keine heiraten,
-Kasper, von &ndash; von meinen Menschern?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_170">[170]</a></span></p>
-
-<p>Das Gewölk der heißen Suppe flatterte über
-den Tisch, daran die Siebenschläferleute mit breiten
-Ellbogen lümmelten. Sie holten die Blechlöffel
-hervor, die unter der Tischplatte an Riemen hingen,
-und dann lallte die ganze stotternde Sippe den Engelgruß.
-Die Alte fuhr mit einer zweizinkigen Gabel
-in die Schüssel und rührte um, während die andern
-die Suppe so ungestüm kalt bliesen, daß sie über
-den Rand wallte.</p>
-
-<p>Dem Dullhäubel kam ein zorniges Grausen an,
-er stand vom Tisch auf und ging zu seinem Schimmel
-hinaus und schaute ihm zu, wie artig er sein Heu fraß.</p>
-
-<p>Erst als er meinte, daß drinnen die Mahlzeit verschlungen
-sei, traute er sich wieder hinein.</p>
-
-<p>Die Siebenschläferleute leckten eben die Löffel ab,
-trockneten sie am Ärmel und hängten sie wieder
-unter den Tisch.</p>
-
-<p>»Jetzt &ndash; jetzt schlafen wir weiter,« murmelte
-der Vetter.</p>
-
-<p>»Mutter, bleibst du wirklich da?« fragte der
-Dullhäubel.</p>
-
-<p>Sie nickte gähnend.</p>
-
-<p>Er griff nach der Tür. »Also gute Nacht, Freundschaft!
-Schlaft euch gut aus! In vierzig Jahren
-such ich euch wieder heim.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_171">[171]</a></span></p>
-
-<p>Und er sprang in den Schlitten und schnalzte
-mit der Geißel. »Renn, Schimmel, renn zu!«</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Es war Feierabend.</p>
-
-<p>Der Schmied Sulpiz Schlagendrauf hämmerte
-noch dreimal auf den leeren Amboß, hernach räumte
-er sein Werkzeug auf, blies die Laterne aus, die
-von der gewölbten Decke hing, und reckte wohlig
-die langen, ausgearbeiteten Arme.</p>
-
-<p>Da stand der Dullhäubel im Mondschein an
-der Tür.</p>
-
-<p>Der Schmied mochte ihn nicht leiden. Als er
-einmal mit seinem Weib gestritten hatte, war der
-Dullhäubel wetterläuten gerannt.</p>
-
-<p>»Du könntest auch bei Taglicht kommen,«
-greinte der Sulpiz, »Soll ich dir den Schimmel
-beschlagen? Oder das Hirn?«</p>
-
-<p>»Plaudern möcht ich mit dir.« Der Bauer
-redete süß wie eine Flöte. »Nur plaudern. Die
-Zeit wird mir zu lang in der Finsterweil. Und
-von dir lernt man was. Du bist ein gewitzigter
-Mann, hast schon drei Weiber begraben.«</p>
-
-<p>»An die Wand hab ich sie gemalt, die Gespenster,
-zum ewigen Andenken,« lachte der Schmied
-und trat den Blasbalg. In der Esse loderte<span class="pagenum"><a id="Page_172">[172]</a></span>
-es auf und erhellte das Gewölb. Drei greuliche
-Weiber waren mit Ruß an die Mauer gezeichnet:
-sie hatten Krallen an den Fingern und Fangzähne
-im Maul, glotzende, schlimme Augen und zerstrüpptes
-Haar. Es war ein übler Anblick.</p>
-
-<p>»Mit welcher von den dreien hast du es am
-schönsten gehabt?« fragte der Dullhäubel.</p>
-
-<p>Der Sulpiz Schlagendrauf griff auf ein Mäuerlein
-und brachte drei Holzäpfel.</p>
-
-<p>»Beiß in den hinein!«</p>
-
-<p>Der Bauer kostete. »Pfui Teufel, ist der sauer!
-Den Atem nimmt es mir.«</p>
-
-<p>Der Schmied hielt den zweiten Apfel hin.
-»Versuch den!«</p>
-
-<p>»Das Maul reißt es mir auseinander, den
-Schlund zerschneidet es mir!« fluchte der Dullhäubel.</p>
-
-<p>»Friß den dritten!«</p>
-
-<p>»Gelts Gott tausendmal, Sulpiz! Ich kann
-nimmer. Ich mag mich nit vergiften.«</p>
-
-<p>»Verstehst du jetzt, Junggesell, wie es mir notgedrungenem
-Ehemann dreimal ergangen ist? Die
-erste ist lang und hager gewesen, die zweite kurz
-und dick, die dritte nit klein, nit groß, nit dick,
-nit dünn. Es ist aber ein Teufel wie der andere<span class="pagenum"><a id="Page_173">[173]</a></span>
-gewesen. Das bravste Weib heißt Luder, den
-andern ihre Namen darf ich nit verraten, sonst
-zerreißen sie mich.«</p>
-
-<p>Ein altes Männlein schlüpfte in die Werkstatt
-herein.</p>
-
-<p>»Grüß Gott, Hammer und Amboß! Ich hab
-gerad jetzt dein Feuer aufleuchten sehen. Eine
-Bitt hab ich.« Er knöpfte den Brustfleck auf und
-zog einen Ziegel herfür. »Wärme mir ihn,
-Schmied! Ich trag allweil den lauwarmen Ziegel
-am Bauch, das tut mir so gut für mein inwendiges
-Leiden.«</p>
-
-<p>Der Sulpiz Schlagendrauf legte den Ziegel an
-die Glut. Und wieder in die alten Zeiten versunken,
-brummte er: »Das größte Leiden ist ein
-Weib. Es ist ein Höllhaken, es zischt wie das
-Fegfeuer.«</p>
-
-<p>Das Männlein luchste hin. »Willst du wieder
-heiraten, Meister Ruß? Oder du, Dullhäubel?«</p>
-
-<p>»Ich nit,« ächzte der Schmied.</p>
-
-<p>»Ich schon gar nit, Didelmann!« rief der
-Dullhäubel.</p>
-
-<p>»Kasper, dich juckt es,« redete der Sulpiz.
-»Aber hör auf mich! Es gibt keinen Mann, der
-das Heiraten nit tausendmal bereut. Der Pfarrer<span class="pagenum"><a id="Page_174">[174]</a></span>
-Hurneyßl selber hat gepredigt, daß so mancher bei
-seiner Hochzeit glaubt, er greift nach der Zuckerbüchse,
-aber derweil erwischt er die Pfefferbüchse.«</p>
-
-<p>»Der Pfarrer hat leicht schelten,« antwortete
-der Dullhäubel, »der hat eine steinrabenalte Köchin
-bei sich.«</p>
-
-<p>»Kasper, du bist ein lediger Bursch, du kennst
-die Weiberleut nit. Die kennst du erst, wenn du
-mit ihnen verheiratet bist. Vor der Hochzeit ist
-eine jede wie eine zugedeckte Schüssel.«</p>
-
-<p>Der Didelmann nahm den Ziegel vom Feuer,
-schob ihn wieder unter den Brustfleck und erzählte
-dabei: »Anno eins, wie der große Wind gegangen
-ist, haben wir einen Bären gefangen. Der hat
-uns viel Schaden getan, drum haben wir uns
-beraten, was die grausamste Straf für das Vieh
-wär. Da ist ein uralter Mann aufgestanden, Irg
-Kolroß hat er sich geheißen, und der hat gesagt:
-›Laßt den Bären heiraten!‹ Der Alte ist nit der
-Dümmere gewesen.«</p>
-
-<p>Kichernd schlüpfte der Didelmann aus dem
-Gewölb.</p>
-
-<p>»Der eine redet hü, der andere hott,« seufzte
-der Dullhäubel, »ich kenn mich nit aus mit dem
-Heiraten.«&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_175">[175]</a></span></p>
-
-<p>Das Frühjahr kam, die Bauern legten die
-Fäustlinge ab und schnitten das Moos von den
-Bäumen. Das Gras nahm zu. Da rannen die
-Maibrünnlein, der Hahn balzte und krugelte, der
-Wendehals rief schmachtend »woid, woid« und verrenkte
-sich vor Verliebtheit schier den Kragen. Der
-Guckauf raufte und hochzeitete. Lau wurden die
-Nächte, und der Mond schaute scheinheilig drein.</p>
-
-<p>Wenn der Dullhäubel nachts auf den Schemel
-stieg, das hochgerüstete Bett zu erklettern, seufzte
-er: »Das Himmelbett ist mir viel zu breit.« Er
-wälzte sich ohne Schlaf, und das Blut zuckte ihm.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Einmal ging die Spuchtin an seinem Hof vorbei,
-sie schleppte einen Korb Klaubholz aus dem
-Vogeltänd.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel stürzte ihr nach, den Atem
-verschlug es ihm schier. »Holzhackerin, komm heut
-noch einmal in den Wald, ich schenk dir einen
-dürren Baum. Komm aber allein! Ich helf dir
-ihn abschneiden.«</p>
-
-<p>Sie sah ihn mitleidig an. »Bauer, ich dank
-schön für den Baum. Ich hol ihn morgen mit
-meinem Mann. Aber du, Bauer, brauchst eine, die
-dir das Bett schön macht und emsig und zutätig<span class="pagenum"><a id="Page_176">[176]</a></span>
-deine Wirtschaft zusammen haltet. Heirat bald!
-Dann wachst dir ein nagelneues Herz.«</p>
-
-<p>»Ich weiß mir keine,« sprach er betrübt.</p>
-
-<p>»Nimm die Ogath!«&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Der Dullhäubel träumte wieder schwer. Ein
-sagenhafter Urvater erschien ihm, auf dem Kopf
-eine kleine rote Haube mit einer baumelnden Dulle
-daran, und der gebot ihm, das Geschlecht der
-Dullhäubel schleunig fortzupflanzen.</p>
-
-<p>Und wenn der Bauer nächtens heimkam und
-der Mond im Vollschein stand, da war ihm, es
-stünden auf dem Lichtboden des Gehöftes die verstorbenen
-Vorfahrer Pankraz, Servaz und Bonifaz,
-die Bärte bereift wie die Eismänner, und der
-Isidor mit der kupfernen Nase, und sie drohten
-herab auf den unfruchtbaren Nachkömmling.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Die Ogath verlebte trübe Zeiten.</p>
-
-<p>Der alte Müller war jetzt Herr im Haus. Mit
-kalten Augen, mürrischem Maul schlich er durch die
-Mühle und raunzte den lieben Tag über Wind
-und Wetter, es mochte heiter sein oder trüb. Und
-immer härter geizte er, sie und ihr Kind sollten
-nur Erdäpfel essen und sauere Milch, und wenn<span class="pagenum"><a id="Page_177">[177]</a></span>
-sie im Winter die eisige Stube heizen wollte, riß
-er ihr das Scheitlein Brennholz aus der Hand.</p>
-
-<p>Die Mühle ging immer öder und grämlicher,
-ewig gleich hob sich das Geschäufel aus der Tiefe,
-mühselig, in schwerfälliger Gewalt, grünlich triefend,
-und versank wieder.</p>
-
-<p>Immer öder kamen und sanken der Ogath die
-Tage. Sie wurde des Lebens verdrossen.</p>
-
-<p>Als sie dem Alten einmal vorwarf, er lasse sie
-und das Kind hungern, lachte er hämisch. »Seltsam,
-seltsam, wie malefizblond dein Dirnlein ist! Schier
-wie dem Dullhäubel sein Bart.«</p>
-
-<p>Da ward sie still und schaute das Kind lange
-in Gedanken an.</p>
-
-<p>Am selben Tag noch machte sie sich gegen Kaltenherberg
-auf, sie wollte sich mit den Eltern beraten.
-In der Mühle hielt sie es nimmer aus.</p>
-
-<p>Am Weg begegnete ihr der Narr. Eine bunte
-Schürze, die er um den Hals gebunden hatte, hing
-ihm am Rücken nieder. Er breitete die Arme aus
-wie der Pfarrer am Altar und sang lateinisch.</p>
-
-<p>Die Ogath duckte sich hinter einer Kranwitstaude.
-Sie wußte, daß er kürzlich seine Mutter gezwungen
-hatte, in den Kleiderkasten zu steigen, den Kasten<span class="pagenum"><a id="Page_178">[178]</a></span>
-hatte er dann umgeworfen und die Frau drin besungen
-wie eine Leiche im Sarg.</p>
-
-<p>Doch seine gefährlichen Augen hatten die Ogath
-schon erspäht. Mit ein paar lächerlichwilden
-Sprüngen stand er vor ihr und krächzte: »Knie
-dich hinein in den Dorn, Maria!«</p>
-
-<p>Zitternd folgte sie ihm. Sie fürchtete die
-flackernde Unruhe in seinem Blick. Und als sie mitten
-im stechenden Busch kniete, raunte er: »Jetzt bin
-ich der Erzengel. Ich will dich segnen unter den
-Weibern. Aber zuerst schneid ich dir das sündhafte
-Haar ab.«</p>
-
-<p>Er wetzte sein Messer am Knie.</p>
-
-<p>Furchtbar schrie sie auf vor Angst. Was mochte
-der irre Mensch vorhaben?</p>
-
-<p>Da kam der Dullhäubel den Hang vom Vogeltänd
-herunter gelaufen. Von weitem schrie er:
-»Stocknarr, ich erschlag dich!«</p>
-
-<p>Der Zusch warf sich ihm zu Füßen und winselte,
-er möge ihn leben lassen.</p>
-
-<p>Totenblaß kroch das Weib aus dem Strauch.
-»Händ und Knie sind mir wund, der Kittel ist
-zerrissen,« weinte sie. »Alle Bitternis muß man
-sich gefallen lassen, wenn man keinen Mann mehr<span class="pagenum"><a id="Page_179">[179]</a></span>
-hat. Fallt ein Stein vom Himmel, so fallt er auf
-eine Wittibin.«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel senkte die Augen. »Wie geht es
-dir, Ogath? Ich hab dich schon lang nimmer
-gesehen.«</p>
-
-<p>»Es ist redlich drei Jahr her, daß ich im Wittibstuhl
-sitz,« erzählte sie. »Dem Alten muß ich den
-Mühlknecht machen, und in der Nacht kann ich
-nit schlafen, so arg treiben es die Ratzen. Ich
-will davon, mit Zähren feucht ich meinen Weg.
-Zu meinem Bruder will ich, will das Herrgottelschnitzen
-lernen.«</p>
-
-<p>Verlegen striegelte sich der Bauer durchs Haar,
-er schrumpfte fast zusammen vor dem großen,
-ernsten Weib. Er stammelte: »Heut wär mir schier
-die Scheuer abgebrannt, die Dirn hat die glühende
-Asche hinausgeworfen. Ogath, mein Hof braucht
-eine Bäurin.«</p>
-
-<p>»Willst du wieder einen Heiratsbrief schreiben?«
-antwortete sie herb.</p>
-
-<p>Sie kehrte zur Mühle zurück, in zerrissenem Gewand
-wollte sie nicht vor die Ihren treten. Der
-Bauer schlich neben ihr her und redete nichts.</p>
-
-<p>Über den Steg kam ihr das Dirnlein entgegen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_180">[180]</a></span></p>
-
-<p>Die Ogath atmete schwer auf, als sie den roten
-Zopf ihres Kindes glänzen sah. »Dullhäubel,« sagte
-sie, »nur einmal in deinem Leben red die Wahrheit!
-Ist das dein Kind?«</p>
-
-<p>»Ja!« wisperte er zerknirscht.</p>
-
-<p>»Die Schand muß zugedeckt werden,« sprach sie.
-»In drei Wochen heiraten wir.«</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-180.png" alt="Dekoration" />
-</div>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_181">[181]</a></span></p>
-
-<h2 id="Der_graue_Sunder">Der graue Sünder.</h2>
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_183">[183]</a></span></p>
-</div>
-
-<div><img class="drop" src="images/drop-d.png" alt="" /></div>
-<p class="drop">Der Dullhäubel hatte die Ogath heimgeführt.
-Sie war fleißig und ernst, hielt den Hof fest in
-der Hand und gebar ihm zu dem ersten Dirnlein
-noch elf andere, allesamt rothaarig.</p>
-
-<p>Er war ein Mann in den besten Jahren worden.
-Das Haar hing ihm tief in die pfiffig gerunzelte
-Stirn, über den kleinen Augen hafteten die
-Brauen wie rote, borstige Raupen, der Fuchsbart
-deckte ihm Kinn und Lippen. Die Nase war ein
-wenig schief gebogen. Denn er schnupfte weit
-eifriger als früher, und der Tabak, wie er ihn
-vormals genossen, schmeckte ihm nimmer, er war
-ihm zu mild. Drum mischte er ihn jetzt nicht
-nur mit Schmalz, daß er sich binde und nicht so
-leicht zerstäube, sondern er rieb auch Glasscherben
-drein, daß er die Nase schärfer angreife und das
-Hirn aufrüttle.</p>
-
-<p>Der also verstärkte Schmalzler scheuchte ihm
-die Sorgen, die ihm seine Schelmenstücke eintrugen,<span class="pagenum"><a id="Page_184">[184]</a></span>
-und tröstete ihn, wenn ihm die Bäurin das Gewissen
-riegelte, oder wenn ihn der Blaumantel
-mit seinem höllischen Blick durchbohrte.</p>
-
-<p>Denn trotz seiner Jahre kam der Dullhäubel
-nicht aus der Bubenhaut heraus, sein Kopf wimmelte
-voll schabernackischer Pläne, und die Lust, dem
-lieben Nächsten ein Schwänklein und Schwänzlein
-anzubinden, verringerte sich ihm nicht.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Einmal schlachteten sie im Dullhäubelhof eine
-Sau. Da wollte sich der Bauer von der Arbeit
-wegschrauben und meinte, er habe in der Stadt zu
-tun, er müsse dort in die Steuerstube schauen und
-dem Marktpreis nachfragen, und am Heimweg
-wolle er das Kalb mitbringen, das die Bäurin in
-Blaustauden gekauft hatte.</p>
-
-<p>In Hirschenbrunn kehrte er in jedem Haus ein,
-wo der Herrgott den Arm herausstreckte, horchte
-scheinheilig den Reden der Stadtleute zu und ließ
-sich erzählen, was in den Zeitungen gedruckt war.</p>
-
-<p>Eine hübsche Weile stand er vor einem Arzneiladen
-und überlegte. Hernach trat er ein, den
-Schmalzler auf dem Handrücken, schaute sich lange
-um, starrte einfältig das Krokodil an, das,<span class="pagenum"><a id="Page_185">[185]</a></span>
-an die Decke gekettet, scheußlich nach ihm herabfletschte,
-schnupfte ausgiebig, schaute sich wieder
-um und wackelte tölpisch mit dem Kopf.</p>
-
-<p>Geschäftig fragte der Apotheker: »Was begehrt
-Ihr? Dachsschmalz? Regenwurmöl? Mausohrsaft?
-Pfefferminz?«</p>
-
-<p>»Du hast es wohl nit, Wurzelkrämer,« sagte
-der Bauer schüchtern und drehte den Hut in der
-Hand.</p>
-
-<p>»Wollt Ihr Schwefel? Kupferwasser? Ein
-Quintel Weinsteinöl? Salniter? Salarmoniak?
-Eine Wagenschmiere? Eine Handsalbe?«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel sah den Apotheker tiefsinnig an.
-»Ich krieg es wohl nit da herin,« murmelte er.</p>
-
-<p>»Besinnt Euch, Vetter! Hat Euch der Doktor
-einen Giftzettel geschrieben? Braucht Ihr eine
-Kropfschmiere? Eine Laussalbe? Ein Windsäftlein
-fürs Kind?« sprudelte der Mann hinterm Ladentisch.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel horchte ihm ehrfürchtig zu, und
-als dem Apotheker der Atem ausging, faßte er die
-Klinke, schnitt ein Koboldsgesicht und sagte: »Also
-behüt dich Gott, Wurzler! Einen Peitschenstecken
-hätt ich gebraucht.«&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Gemächlich ging er heim.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_186">[186]</a></span></p>
-
-<p>In Blaustauden suchte er den Burgermeister auf,
-von dem hatte die Ogath ein Kalb, dessen braunscheckiges
-Fell ihr wohl gefiel, zur Aufzucht erstanden.</p>
-
-<p>Als der Mittag ausgeläutet ward, zog der Dullhäubel,
-den Burgermeister am Arm und das Kalb
-leitend, durchs Dorf. Auf der Brücke hielt er an
-und begann grell zu singen:</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">»Die Blaustaudner läuten,<br /></span>
-<span class="i0">sie läuten vor Not,<br /></span>
-<span class="i0">sie fangen den Bettelmann<br /></span>
-<span class="i0">und nehmen ihm 's Brot.«<br /></span>
-</div></div>
-
-<p>Der Burgermeister vermahnte ihn: »Sing das
-nit, Freund! Sing ein anderes! Und überleg dir,
-mit wem du gehst! Ist dir nix heilig?«</p>
-
-<p>Dem Dullhäubel war nichts heilig. Er packte
-das Kalb am Ohr und redete ihm hinein: »Merk
-auf, Burgermeisterlein! Wie der Teufel den Heiland
-versucht hat, hat er ihn auf den Lusen geführt,
-und von dem Berg aus hat er ihm die
-ganze Welt gezeigt. Aber Blaustauden ist ihm zu
-rußig gewesen, das hat er verstecken wollen und
-hat geschwind seinen Schweif darauf gelegt.«</p>
-
-<p>Da schellte der Burgermeister dem Spottvogel
-eins hinter die Ohren, daß dem der Hut in den<span class="pagenum"><a id="Page_187">[187]</a></span>
-Bach flog, und lief schleunig davon. Der Dullhäubel
-stand da, das Kalb am Strick, und mußte
-den Widersacher rennen und den Hut schwimmen
-lassen.</p>
-
-<p>Als er am Freithof vorüber trieb, stieg gerade
-der Totengräber aus einem Grab. Der versuchte,
-einen breitkrempigen Filzhut auf den Kopf zu setzen,
-aber der Hut war ihm zu weit und sank ihm bis
-zum Maul herunter.</p>
-
-<p>»Staches, zu dem Hut mußt du dir einen größern
-Schädel anschaffen!« riet der Dullhäubel.</p>
-
-<p>»Ich hab den Filz jetzt gefunden,« sagte der
-Staches, »in deinem Ähnel seiner Grube ist er gelegen.
-Ja, der Bonifaz muß heraus, er hat lang
-genug gerastet. Unserm Rauchfangkehrer muß er
-Platz machen.«</p>
-
-<p>Der Bauer band das Kalb an einen Stein,
-darein das Bild einer Pfarrersköchin gemeißelt
-war, den Kochlöffel in der Hand.</p>
-
-<p>Aus dem geöffneten Grab grinste der Schädel
-des Bonifaz herauf, die Pfeife war ihm noch unverwest
-ins falsche Gebiß geklemmt, das der Ähnel
-selber sich aus einem Rindsknochen geschnitzt hatte.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel setzte den Hut auf, der der
-Verwesung so tapfer widerstanden, und er paßte<span class="pagenum"><a id="Page_188">[188]</a></span>
-ihm wie angemessen. »Der Alte braucht ihn nimmer,«
-sagte er, »ich nehm ihn mit. Die Pfeife drunten
-aber kannst du dir nehmen, Staches.«</p>
-
-<p>Dem Totengräber grauste. »Vergelts Gott, ich
-trag kein Verlangen darnach.«</p>
-
-<p>Der Bauer zerrte das Kalb weiter, und oft
-tappte er nach dem Hut, den ihm der Ähnel zur
-gelegenen Zeit aus der Ewigkeit geschickt hatte.</p>
-
-<p>Ein Haus sperrte ihm den Weg, das trug den
-einladenden Spruch überm Tor:</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">Das ist das Wirtshaus an der Straßen;<br /></span>
-<span class="i0">wer einen Durst hat, kann hier einen lassen.<br /></span>
-</div></div>
-
-<p class="noind">Und weil der Dullhäubel himmelblau gelaunt war,
-zog er das Kalb mit sich in die Stube und band
-es an den Tischfuß.</p>
-
-<p>Die Wirtin saß gerade beim Nähzeug und riß
-die Augen auf ob der seltsamen Gäste.</p>
-
-<p>»Siebenkittelwirtin, schenk ein! Dem Zöpfel
-da,« der Bauer deutete auf das Kalb, »gibst du
-einen Kirschgeist!«</p>
-
-<p>Auf der Bank unter dem schräg vorhängenden
-Spiegel lungerte der Lippenlix und strich sich den
-stolzen Schnurrbart. »Sitz her, Kasper!« sagte er.
-»Geld hab ich wie ein Sautreiber. Spiel mir es ab!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_189">[189]</a></span></p>
-
-<p>»Ich mag nit, Schönbart.«</p>
-
-<p>»Wirtin, schaff Karten her!« begehrte der Lix.
-»Spielen wir Grünoberfangen um drei Zündhölzer!
-Oder willst du färbeln? Oder lampeln?«</p>
-
-<p>Er fuhr ganz wild über die Karten her, mischte
-sie, ließ abheben und gab aus.</p>
-
-<p>Sie trumpften auf den Tisch. »Und da hast du
-eine Eichel!« »Und da friß den König!« »Und
-heraus mit der Schellensau!« So flog es hin
-und zurück.</p>
-
-<p>Die Karten aber, die der Lix wie einen Fächer
-in der Hand faltete, malten sich in dem Spiegel
-ab, der über ihm sanft geneigt hing, und der Dullhäubel
-luchste heimlich empor und sah droben alle
-Trümpfe, die der andere in der Hand hielt, und
-gewann darum Spiel auf Spiel.</p>
-
-<p>»Wie geht das heut zu?« staunte der Lix. »Aber
-ich hör nit auf, und wenn ich meine hundshäutenen
-Hosen ausziehen und nacket heimrennen muß.«</p>
-
-<p>Es wurde finster. Die Wirtin zündete die Kerze
-an. Das Kalb wurde unruhig und blökte.</p>
-
-<p>Der Lix setzte das letzte Sechserlein dran und
-verlor. Er schalt Gott und alle Heiligen. »Du
-Raubersknecht, keinen zerbrochenen Groschen hast
-du mir lassen, das ganze Geld schatzt du mir ab.<span class="pagenum"><a id="Page_190">[190]</a></span>
-Der Teufel soll dich vom Abtritt wegholen! Es
-ist Zauberei dahinter. Gib das Kalb weg, oder
-ich erstech es!«</p>
-
-<p>»Dem Zöpfel tust du nix, Schönbart,« sagte der
-Dullhäubel und strich den Gewinst ein. »Ich bin
-satt. Ich geh heim.«</p>
-
-<p>»Oho, weil ich jetzt gewinnen könnt, gehst du
-davon, du Fuchs aus Fuxloh? Noch einmal spiel
-mit mir! Die Haut zieh mir auch noch ab! Wirtin,
-streck Geld für!«</p>
-
-<p>»Dir nit,« schnippte sie.</p>
-
-<p>Er setzte seine Uhr ein samt der Kette. Unwillig
-tickte sie am Tisch. Das Kalb plärrte, der
-Dullhäubel gewann.</p>
-
-<p>Der Lix ließ das Maul hangen. Auf einmal
-starrte er wild unter den Tisch. »Hast du nit einen
-Roßfuß? Du gewinnst ja wie der Teufel selberst.
-Und noch einmal spielen wir. Meinen Bart setz
-ich ein, es ist niemanden in der Pfarre ein schönerer
-gewachsen.«</p>
-
-<p>Mit zitternden Fingern mischte er. Herz war
-Trumpf.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel hielt alle Trümpfe in den
-Händen und warf sie kichernd auf den Tisch.<span class="pagenum"><a id="Page_191">[191]</a></span>
-Dann griff er in das Nähzeug der Wirtin um
-die Schere.</p>
-
-<p>Der Lix riß die Augen auf wie eine gestochene
-Geiß. »He, willst du meinen Leib schänden, jetzt,
-wo du mich ausgeraubt hast?«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel ergriff den schönen Schnurrbart.
-»Halt dich, Lix! Zahl deine Schuld! Zahlen bringt
-Frieden.« Und ehe sich der Lix aus seiner Versteinerung
-erholte, hatte er ihm den Bart links
-und rechts weggeschnitten und ins Kerzenlicht gehalten,
-wo das Haar mit übelm Geruch verbrannte.</p>
-
-<p>Jetzt heulte der Verstümmelte auf und ward
-inne, was er verloren hatte.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel war mit dem Kalb schon an
-der Luft, und weil er ein wenig schwankte, riß er
-einen Stecken aus dem Zaun und stützte sich darauf.</p>
-
-<p>Hoher Sommer war es. Der Hundsstern ging
-auf, verschlafen schaute der Mond in die Welt.</p>
-
-<p>Im Wald drin rastete der Bauer, er stieß den
-Stecken in den Grund und band das Zöpfel dran.
-Dann warf er sich neben dem Weg ins Moos.</p>
-
-<p>Er mochte wohl ein wenig eingenickt sein, als
-er aufschrak. Eine Dirne kam daher, jung und
-flink wie ein Wiesenwasser.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_192">[192]</a></span></p>
-
-<p>»Wohin denn in aller Nacht, du Allerschönste?«
-fragte er.</p>
-
-<p>»Zum Bader um einen Blutegel,« erwiderte sie.
-»Ist das der richtige Weg?«</p>
-
-<p>»Schleun dich nit so! Wer ist denn krank?«</p>
-
-<p>»Dem Vater schwärt der Zahn. Du wirst ihn
-ja kennen, den Lukas. Ein Musikant ist er. Er
-haltet es nimmer aus vor Weh.«</p>
-
-<p>»Der Lukas soll zum Fuxloher Schmied gehen,
-der reißt ihm zwei Zähne mit einem Griff,« riet
-der Bauer.</p>
-
-<p>»Mein Vater hat schon alles versucht. Mit
-einem glühenden Nagel hat er sich den Zahn ausgebrannt.
-Es hat nit genutzt. Den Bart hat er
-sich wachsen lassen gegen das Weh. Mit einem
-Strick hat er den Zahn dem Stier an den Schweif
-gebunden; der Zahn hat sich nicht geruckt, eher
-wär dem Vieh der Schweif abgerissen.«</p>
-
-<p>»Setz dich her, Dirn!« lud er sie ein. »Wie heißt
-du denn?«</p>
-
-<p>Sie ließ sich zu ihm ins Moos hin, sittsam deckte
-sie die Füße mit dem Kittel zu. Der Mond lugte
-ihr in das derbe, frische Gesicht.</p>
-
-<p>»Müd bin ich,« sagte sie, »übers Gebirg hab ich
-müssen. Mechel heißen sie mich daheim, der Schulmeister<span class="pagenum"><a id="Page_193">[193]</a></span>
-hat mich Mathilde Schellnober geschrieben.
-Und wer bist denn du?«</p>
-
-<p>Er dachte ein wenig nach. Dann sagte er unschuldig:
-»Aus Blaustauden bin ich. Ein Tischlergesell.
-Franz bin ich getauft. Nach dem heiligen
-Franziskus.«</p>
-
-<p>Er tastete nach ihrer Hand, sie zuckte nicht zurück.</p>
-
-<p>»Bist du brav, Tischler?« fragte sie.</p>
-
-<p>»Freilich. Bei Tag und Nacht bin ich brav. Nur
-mit den Weibern bin ich ungeschickt. Ich kann nit
-lügen, drum mag mich keine.« So redete er sanft
-und traurig.</p>
-
-<p>»Das ist kein Fehler,« tröstete sie.</p>
-
-<p>»Mein Geschäft braucht ein Weib, ich möcht mich
-selbständig machen. Weißt du mir keine, Mechel?«</p>
-
-<p>»Ich wüßt genug, aber ich sag dir sie nit.«</p>
-
-<p>»Warum denn nit, Mechel?« Er drehte den Kopf
-wie ein girrender Tauber und schmeichelte: »Du
-bist so sauber, dein Bild will ich auf alle Truhen
-malen.«</p>
-
-<p>»Es sind schon noch schönere Dirnen im Wald,«
-antwortete sie kurz. Unruhig rückte sie hin und her.</p>
-
-<p>Schnell legte er ihr den Arm um die Hüfte.</p>
-
-<p>Sie stieß ihn von sich. »Ich muß zum Bader.
-Sonst verzieht sich der Weg hoch in die Nacht.<span class="pagenum"><a id="Page_194">[194]</a></span>
-Und das hab ich von der Mutter sagen hören, daß
-die Mannsleut alle falsch sind. Du drehst dich um
-und liebst eine andere.«</p>
-
-<p>Er legte die Hand auf den Brustfleck. »O, du
-kennst mich nit. Ich bin treu wie der Tauber der
-Tauberin.«</p>
-
-<p>Sie musterte ihn scharf. »Ganz jung bist du
-nimmer,« sprach sie.</p>
-
-<p>»Im besten Saft steh ich, Mechel. Schön bin
-ich nit, aber heikel.«</p>
-
-<p>»Mein Heiratsgut ist gering, Tischler,« meinte sie
-zaghaft. »Der Vater ist ein Musikant; was er verdient,
-vertut er.«</p>
-
-<p>»Wenn du nur eine buchsbaumene Bettstatt mitbringst!«
-spaßte er. Das Kopftuch zog er ihr herab
-und krauelte ihr lind das krause Haar.</p>
-
-<p>»Meine Zöpfe sind gelb,« lächelte sie, »ich wasch
-sie jedes Frühjahr mit Märzenschnee.«</p>
-
-<p>Er packte das baumfrische Kind fester. »Mechel,
-spreiz dich nit!« bettelte er.</p>
-
-<p>»Du bist aber hitzig, Franz,« lispelte sie verschämt.</p>
-
-<p>Schneidiger griff er nach ihr. Da blitzte das
-Mondlicht an seinem Finger.</p>
-
-<p>Sie schnellte schreiend auf. »Tischler du tragst
-einen Ehring!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_195">[195]</a></span></p>
-
-<p>Er wurde demütig, seine Stirne krauste sich.
-»Im Witstand bin ich, Mechel, im Witstand. Der
-Herrgott hat sie mir hingenommen. Niemand kocht
-mir, niemand macht mir das Bett.« Die Stimme
-knickte ihm.</p>
-
-<p>Sie wurde neugierig. »Woran ist sie gestorben?«</p>
-
-<p>»Ich hab gehört, am Rotlauf.«</p>
-
-<p>»Hast du gut mit ihr gelebt?«</p>
-
-<p>»Ich hab nit bei ihr liegen wollen, sie hat
-kalte Füße gehabt. Ja, ein Wittiber bin ich, und
-das ist mein einziger Tadel.«</p>
-
-<p>Die lieben, dummbraunen Augen der Mechel
-glänzten voll Mitleid. Und er merkte es und riß
-sie zu sich hin und herzte und halste sie, bis sie
-ganz wirr bat: »Tischler, hör auf! Du bringst
-mich in die Lieb, und ich bin noch zu jung dazu.«</p>
-
-<p>Droben schoß ein Stern über den Himmel,
-Johanniskühlein flogen glimmend.</p>
-
-<p>»Laß ab, Tischler! Die Buben werden mir
-einen ströhernen Mann aufs Dach setzen. Die
-Schand begehr ich nit. &ndash; Und wenn einer daherkommt!«</p>
-
-<p>»Wer wird denn gerad jetzt unterwegs sein!«
-tröstete er. »Es rührt und reibt sich nix.«</p>
-
-<p>Sie rang mit versagender Kraft gegen ihn.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_196">[196]</a></span></p>
-
-<p>»Ich heirat dich ja. Und wenn du mich gern
-hast, der Himmel fallt nit ein,« zischte er.</p>
-
-<p>Da stapfte es den mondverdämmerten Weg
-daher, Steine rollten, ein Stecken klang an einen
-Fels.</p>
-
-<p>Die Mechel sprang auf und rauschte wie eine gehetzte
-Hirschkuh ins Gebüsch.</p>
-
-<p>Die alte Ulla humpelte mit der Geiß daher.</p>
-
-<p>»Verdammte Nachthex!« brauste der Dullhäubel
-sie an.</p>
-
-<p>»Verspätet hab ich mich. Die Geiß hab ich
-zum Bock geführt,« sagte sie bang.</p>
-
-<p>»Geh geschwind heim, dein Kater will gemolken
-sein. Er gibt dir täglich zwölf Seidel Milch, dir
-Nachthex.«</p>
-
-<p>»Bauer, du machst mich schwarz,« flehte sie.
-»Die Kinder spotten mir schon nach ›Hex! Hex!‹
-Die Leut speuzen aus vor mir und verriegeln die
-Tür, wenn ich betteln komm. Und ich bin doch
-nur ein überständiges Weib und kann nimmer
-essen, nimmer schlafen.«</p>
-
-<p>»Aber hexen kannst du,« rief er unbarmherzig.</p>
-
-<p>»O du gar schlimmer Mann, was feindest du mich
-an? Unschuldig bin ich, der Blaumantel kann es
-mir bezeugen. O die Welt ist voller Angst und<span class="pagenum"><a id="Page_197">[197]</a></span>
-Nöten! Und man kann sich kaum aufrecken bei der
-teuern Zeit, kaum schnaufen kann man.«</p>
-
-<p>Ein toller Schwank war dem Dullhäubel durch den
-Kopf geschossen. »Hexen kannst du,« bestand er. »Du
-verzauberst den heiligen Blaumantel selber. Ruf
-ihn um die Mitternacht. Dann stürzt er dir ins
-Haus. Versuch es!«</p>
-
-<p>Er rannte in das mondscheinige Gebüsch der
-Mechel nach. Sie war nimmer zu finden.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Als er zur Kapelle kam, räusperte es sich droben
-im Föhrenbaum. Zwei dürre Beine schlotterten
-vom Ast.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel schlug ein Kreuz. »Wer sitzt
-da droben?«</p>
-
-<p>»Ein Schlaghäusel richt ich auf für den Mondschein,«
-erwiderte es. Es war der Narr.</p>
-
-<p>Der Bauer atmete auf. »Gehustet hast du wie ein
-krowatischer Schuster, Zusch.«</p>
-
-<p>»Ich bin Rudolf von Habsburg, der Sohn Josefs
-des Zweiten,« sagte der Narr feierlich.</p>
-
-<p>»Steig herunter, Zusch, du erschlagst dich!«</p>
-
-<p>»Ich sterb nit. Ich werd hundertfünfundzwanzig
-Jahr alt und fahr dann gleich ins Himmelreich,
-weil ich eine reine Jungfrau blieben bin.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_198">[198]</a></span></p>
-
-<p>»Die Nacht ist nit warm,« hub der Dullhäubel
-listig an, »sogar dem Blaumantel scheppern die
-Zähne vor Kälte.«</p>
-
-<p>Der Narr fuhr wie ein Eichkater von der Föhre
-herab. »Ich zünd ihm die Kapelle an, dem Heiligen,
-daß er sich die Händ wärmt,« murmelte er.
-Stumpf lagerte der Blödsinn auf seiner Stirn,
-doch seine Augen zündelten.</p>
-
-<p>»Große Hitz tut dem Blaumantel nit gut,«
-lenkte der Schelm ein. »Trag ihn lieber, wenn
-der Nachtwächter zwölf schreit, der Ulla in die
-Hütte und leg ihn zu ihr ins Bett, dort erwärmt
-er sich gewiß.«</p>
-
-<p>Der Besessene nickte und kletterte in die Kapelle.</p>
-
-<p>Da lachte sich der Bauer in die Faust und
-ging ins Dorf hinauf und klopfte den Wirt wach.
-Der tat ihm mürrisch auf, stellte ihm einen
-gesalzenen Fisch und ein paar Flaschen Bier hin
-und legte sich wieder ins Stroh.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel trank allein im Mondschein.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Indessen hatte die Ulla ihr armseliges Bett
-bereitet. Sie lag ohne Ruhe, die Reden des
-Bauern hatten ihr das kleine Hirn ganz gar und
-verwirrt. War sie vielleicht doch, ohne es zu
-wissen, eine Gabelreiterin?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_199">[199]</a></span></p>
-
-<p>Sie dachte mühselig nach, ob ihr nie etwas zugestoßen,
-was nicht geheuer gewesen. Aber ihr
-enges Leben lag schlicht und ohne Rätsel vor ihr.</p>
-
-<p>Lang quälte sie sich ab und flüchtete schließlich
-vor sich selber in den Schlaf.</p>
-
-<p>Da träumt ihr, sie flöge über das Land hin.
-Tief unten lagen Kirchturm und Freithof, Häuser und
-grasendes Vieh. Über den Wald flog sie und
-hob die Knie hoch, daß sie sich nicht an den Tannenspitzen
-stoße. An den Nestern streifte sie vorbei,
-drin die Rabenhennen gluckten, einem hohen Berg
-zu, und der trug ein Feuer. Mitten im Wald
-drunten stand ein zerbrochenes Häusel, aus seinem
-Rauchfang ritt ein rußiges Weib auf einem Schürhaken
-heraus und ritt neben ihr her, und als die
-Ulla die andere scharf anschaute, so war sie es
-selber. Schaudernd schlug sie ein Kreuz. Da
-stürzte sie strahlenschnell in die Tiefe, schlug auf
-und erwachte.</p>
-
-<p>Sie besann sich des Traumes. Es war doch
-lustig gewesen, so ohne Beschwernis zu fliegen
-und so weit in die Welt hinein zu schauen. Könnte
-man nur ganz kleinwunderwenig die Hexenkunst
-treiben, wie viel leichter würde doch das bittere
-Leben! Ach, sie wollte ja nur der Geiß eine Raufe<span class="pagenum"><a id="Page_200">[200]</a></span>
-voll Futter hexen und ein paar Scheiter Holz in
-den Ofen, wenn der harte Winter draußen stürmt
-und die Hohlwege zudeckt!</p>
-
-<p>Ein fernes Wachthorn blies vom Dorf her
-Mitternacht.</p>
-
-<p>Da lüstete es die Ulla, jetzt schnell einmal, nur
-einmal die Kunst und die Kraft zu versuchen, die
-ihr der Dullhäubel andichtete, und weil ihr in der
-Eile nichts anderes einfiel, rief sie einen Spruch,
-den sie vorzeiten vergeblich gebetet: »Heiliger Antoni,
-schick mir den Bräutigam in die Kammer!«</p>
-
-<p>Und schon trampelte es draußen. Und ob sie es
-auch entsetzt mit den Händen abwehrte und den
-freveln Spruch widerrief, die Tür ward aufgestoßen,
-ein schwarzer Kerl sprang herein, wälzte ihr etwas
-Schweres ins Bett und verschwand.</p>
-
-<p>Der Ulla setzte der Herzschlag aus.</p>
-
-<p>Der Teufel hatte sie beschenkt. Also war sie doch
-eine Hexe. So viele Jahre hatte sie fromm gelebt, und
-jetzt verfiel sie der Hölle. O was hatte sie getan?!</p>
-
-<p>Ein Schuhu höhnte draußen, der Wind murmelte
-unheimlich ums Haus.</p>
-
-<p>In ihr schrie es um Hilfe. Ihre Seele hatte ein
-dünnes, verzagtes, windverwehtes Stimmlein und
-führte eine unbeholfene Rede.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_201">[201]</a></span></p>
-
-<p>Alter Leute Seele ist so matt wie ihre Hände.
-Und das Gebet der Ulla hatte gebrochene Flügel.
-Ihr war, es dringe nicht zu Gott, es steige nicht
-über die Tannen hinaus, es falle wie ein Stein
-schwer und schmerzhaft zurück in ihr Herz.</p>
-
-<p>Neben ihr lag das Sündige, Schreckhafte, Unbekannte,
-der Zeuge ihres Hexentums. Das Fieber
-glühte in ihren Fingern, doch sie wagte nicht hinzugreifen.</p>
-
-<p>Der Mond rückte und spiegelte in dem weißen
-Haar der Greisin. Auf einmal leuchtete er voll über
-das Bett.</p>
-
-<p>Der heilige Blaumantel lag mit wachen, weit
-offenen Augen neben ihr.</p>
-
-<p>»O weh, der Dullhäubel hat nit gelogen,« seufzte
-sie, »Ich bin eine Hex!«</p>
-
-<p>Schwerfällig tickte die Uhr, und da ihr Zeiger
-immer wieder zurücksank, wußte das Weib nicht,
-ob der Morgen schon nahe sei. Furchtsam schaute
-sie den an, der ihr Bett teilte.</p>
-
-<p>Als es graute, spannte sie die Geiß vor ein
-Wägelein, lud den Heiligen auf und schaffte ihn
-zurück in die Kapelle.&nbsp;&ndash;&nbsp;&ndash;&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Der Mond grinste.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_202">[202]</a></span></p>
-
-<p>Um den Dullhäubel drehte sich die Welt wie
-ein Rad. Er lehnte sich an einen Baum und horchte.
-Irgendwo quackten die Frösche.</p>
-
-<p>»Ihr Grillnöder, was singt ihr?« schrie er. »Ihr
-könnt es ja nit.« Er fing an zu quacken, die Frösche
-ein Besseres zu lehren. Doch sie ließen sich nicht
-schulmeistern.</p>
-
-<p>Dann heulte er auf wie ein Mondscheinhund
-und weckte alle Kläffer und Köter rings in den
-Einschichten, daß sie zornig bellten oder in gezogenem
-Geheul klagten und die Leute in den Betten ängstigten.</p>
-
-<p>Die Kapelle war leer. Da johlte der Trunkene:
-»Herrgott, schau herunter! Dein Heiliger schlaft
-bei einem alten Weib.«</p>
-
-<p>Der Wendehals auf der Fähre drehte den Kopf
-nach dem kreisenden Himmel. Ein Schuhu kreischte.
-Ohne Rast gurgelte der Wolfsbach.</p>
-
-<p>Wie der Dullhäubel neben dem Wasser dahintaumelte,
-rutschte er aus und plumpste hinein. Die
-kühle Flut wusch ihm den Kopf und ernüchterte ihn.
-Er blies, ächzte und schnaubte und kroch ans Ufer,
-den Blaumantel verwünschend, dem er das Unglück
-zuschrieb.</p>
-
-<p>Als er sich wieder auf den Füßen fühlte, war sein
-erster Gedanke: »Heut hau ich einmal mein Weib!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_203">[203]</a></span></p>
-
-<p>Er kam heim und tappte durch den Hof ins
-Vorhaus. Die Stubentür aber war versperrt;
-ein Strohsack lag davor, der schien für ihn bereitet.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel rüttelte. »Ogath, ich sag dir
-es im guten, tu auf!«</p>
-
-<p>Drin rührte sich nichts.</p>
-
-<p>»Bäurin, tu auf! Tu auf, Bäurin! Ich bin
-es. Der Dullhäubel ist es. Dein Kasper,« schmeichelte
-er. »Weib, laß dir sagen, riegel auf!«</p>
-
-<p>Er drängte das Ohr ans Schlüsselloch. Kein
-Hauch war zu hören.</p>
-
-<p>Da kam ihm die Hitze. »Tu auf, Weib, sonst
-hol ich die Hacke und spreng die Tür auf!«</p>
-
-<p>Drin meldete es sich ruhig: »Wag es! Den
-Kittel schlag ich dir um den Schädel, solang ein
-Fetzen dran ist. Draußen hast du den Strohsack.«</p>
-
-<p>»Laß mich doch nit zugrund gehen!« schluchzte
-er. »In den Bach bin ich gefallen, waschelnaß
-bin ich.«</p>
-
-<p>»Warum bist du nit ersoffen?« sagte sie aufgebracht.
-»O mein gottseliger Mann, der Gid, ist
-tausendmal besser gewesen als du! Das ganze Geld
-versäst du im Saufhaus.«</p>
-
-<p>»Herr, erbarm dich meiner!« murmelte er wie bei
-einer Litanei.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_204">[204]</a></span></p>
-
-<p>»Den Hof versaufst du, deine Kinder werden
-einmal nacket gehen!«</p>
-
-<p>»Herr, erbarm dich meiner!« antwortete er dumpf.</p>
-
-<p>»Die Kellnerinnen reißt und rumpfst du herum.«</p>
-
-<p>»Herr, erbarm dich meiner!«</p>
-
-<p>»Nacht für Nacht reitest du die Zung in die
-Schwemm,« eiferte sie. »Vertu nit alles, daß du
-einmal ein anständiges Begräbnis kriegst!«</p>
-
-<p>»Begraben muß ich werden. Das hab ich noch
-nie gehört, daß einer eingeackert worden ist.«</p>
-
-<p>»Schäm dich! Der Dunst und Dampf redet
-aus deinem Hirn.«</p>
-
-<p>»Ich schäm mich in den Kniebug hinein, da sieht
-es niemand.«</p>
-
-<p>»Hast du das Kalb in den Stall eingestellt?
-Hast du es nit verjuxt?«</p>
-
-<p>»Jesmaria, das Kalb hab ich im Wald vergessen!«
-rief er erschrocken. »An den Zaunstecken steht es
-gebunden.«</p>
-
-<p>»Himmlischer Vater, da haben wir wieder den
-Schaden! O wenn das mein Gottseliger erlebt hätt!«</p>
-
-<p>Die häufige Mahnung an den Gottseligen verdroß
-ihn. Er wollte überhaupt für heute die Zwiesprache
-enden. Drum sagte er: »Weib, ich bet jetzt.
-Stör mich nit! Du begehst eine Todsünd.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_205">[205]</a></span></p>
-
-<p>»Du und beten?!« spottete sie. »Ja sausen und
-brausen laßt du es, dein Gut verstreust du. Und
-ich muß mich mit den zwölf Menschern durchfretten.«</p>
-
-<p>Er richtete sich auf. »Weib, reiz mich nit! Wenn
-ich wild bin, ist der Zorn auch gleich da. Wer
-macht uns arm? Du mit deiner Fruchtbarkeit.
-Was du treibst, ist zuviel. Und nit einen einzigen
-Buben, lauter Menscher! Die kannst du dir nit
-genug kriegen, zu Dreikönig eins, zu Allerheiligen
-wieder eins.«</p>
-
-<p>»Du Schandvogel!« schalt und schelmte sie.
-»Du Rabenseel!«</p>
-
-<p>Er blieb nichts schuldig. »Du Truchtel, sei still!«</p>
-
-<p>Ein Schimpf rankte sich in den andern.</p>
-
-<p>»Du Flank du, du Schlank du!«</p>
-
-<p>»Du Runzel, du Schlunzel!«</p>
-
-<p>»Du Sauftümpel, du Galgenbraten!«</p>
-
-<p>»Du Zahnraffel, du Schürhaken!«</p>
-
-<p>»Du Abfaum, du alter Schepperer!«</p>
-
-<p>»Du Schebrelle, du Rabatsche!«</p>
-
-<p>»Du lasterhaftes Bockfell!«</p>
-
-<p>Er gab nach. »Weib, wie einen Pudelhund
-beutelt es mich vor Kälte. Erbarm ich dir nit?
-O an dir erleb ich keine Freud, jeden Schluck in
-die Gurgel zählst du mir!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_206">[206]</a></span></p>
-
-<p>Murrend warf er sich auf den Strohsack.</p>
-
-<p>Der reichliche Trunk wirkte, und der Dullhäubel
-schlief ein.</p>
-
-<p>Kaum hatte er die Augen zu, so beugte sich
-der Blaumantel über sein Bett, daß ihm der
-hölzerne Leib krachte.</p>
-
-<p>»Dullhäubel,« wispelte er, »ich bleib nimmer in
-der Einöd. Es sind mir zu viel Narren und
-Diebe da.«</p>
-
-<p>»Ich trag dich nach Blaustauden,« stöhnte dienstwillig
-der Träumer.</p>
-
-<p>»Zu den hochnasigen Heiligen in die Kirche will
-ich nit,« erwiderte der Blaumantel, »die Goldenen
-und Silbernen verachten meine hölzerne Kutte.
-Schieb mich ins Dorf! Neben dem ›pfalzenden
-Hahn‹ will ich sein.«</p>
-
-<p>Gleich stand der Dullhäubel hinter der Kapelle
-und schob an und stemmte sich daran, es war eine
-schwere Plage, aber die Kapelle rückte nicht vom
-Ort, und der Bauer schnaufte und ein scharfer Durst
-peinigte ihm Zunge und Gaumen und brannte
-ihm tief in den Schlund hinab, und sogar Magen
-und Gedärme dürsteten ihm und lechzten nach
-einem Trunk. Und wieder warf sich der Dullhäubel
-gegen die Mauer, drängte und schob. Den Schweiß,<span class="pagenum"><a id="Page_207">[207]</a></span>
-der ihm von den Brauen tropfte, fing er mit dem
-Maul auf, um sich zu erquicken. Doch die Kapelle
-saß wie ein Fels in der Erde. Da bleckte der
-Blaumantel wild lachend die Zähne, schwang sich
-aufs Dach und ritt droben wie ein Reiter auf
-dem Roß und schrie: »Wieh!« Jetzt rührte sich
-die Kapelle und fuhr wie ein schneller Wagen
-bergan.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel erwachte, staunend und blöd
-hockte er auf dem Strohsack.</p>
-
-<p>Den peinigenden Durst zu löschen, richtete er
-sich auf und tappte in den Keller, wo auf einer
-Bank die Milchtöpfe standen, ergriff einen davon
-und soff. Er mußte saufen, süß oder sauer, Kuhmilch
-oder Geißmilch, es galt ihm gleich. Er soff
-wie ein glühender Stein. In endlosem Zug
-schlampte er den Ton bis auf das Neiglein aus,
-wischte sich schnaufend den Bart und taumelte satt
-hin aufs Stroh.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Der Hahn krähte, der Tag graute an. Schon
-rumorte die Bäurin in der Stube.</p>
-
-<p>Mit einem schrecklichen Druck im Magen erwachte
-der Dullhäubel. Er stützte sich ächzend, riß das
-Maul auf, und ein wilder Blutguß schoß auf das
-Pflaster des Vorhauses.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_208">[208]</a></span></p>
-
-<p>»Bäurin! Bäurin!« winselte er. »Zu Hilf,
-schnell! Aus ist es! Dahin geht es!«</p>
-
-<p>Als sie aus der Stube kam, brach ihm wieder
-das Blut in dickem Strahl aus dem Hals. Sein
-Auge stierte, Bart und Brust und Hände, Strohsack
-und Estrich, alles war rot besudelt.</p>
-
-<p>Die Ogath rang die Hände über dem Kopf.
-»Himmlischer Vater, er hat den Blutsturz!«</p>
-
-<p>»Rühr dich!« stöhnte er. »Den Pfarrer hol, den
-Bader! O mir ist hundselend! Den Pfarrer schickt
-mir, ich bin ein großer Sünder. O, daß ich gar
-so viel Blut hab!«</p>
-
-<p>»Den Bauch reib ich dir mit Kampferöl,« rief
-sie. »Ich koch dir ein Helfkräutel, einen Tausendguldenkrauttee,
-der hilft.«</p>
-
-<p>»Nix hilft,« schrie er ungeduldig, »den Geistlichen
-hol!«</p>
-
-<p>Sie rannte die Bodenstiege hinauf und weckte
-die Kinder. »Wabel, Reigel, Rosel, Portiunkel,
-Stasel, Kathel, Liesel, Urschel, Mariandel, Kundel,
-Luzel, Stanzel! Geschwind, der Bauer geht ein!«</p>
-
-<p>Die zwei ältesten Töchter liefen nach Blaustauden.</p>
-
-<p>Die Wabel klopfte das Pfarrhaus wach. »Hochwürden,
-der Vater hat Blut lassen. Die Mutter
-laßt bitten, Ihr sollt ihm die Seel aussegnen. Den<span class="pagenum"><a id="Page_209">[209]</a></span>
-Flederwisch nehmt auch gleich mit, daß Ihr den
-Bauer besprengt!«</p>
-
-<p>»Wenn es den letzten Schnapper giebt, kommen
-sie daher,« zürnte der Geistliche. »Sonst sieht man
-manchen nit in der Kirche. Es stehen in der Meß
-oft mehr Heilige als Leut umeinander.«</p>
-
-<p>»Rennt, Pfarrer! Das Blut schießt ihm heraus
-wie gestern der abgestochenen Sau.«</p>
-
-<p>Der Herr Nonatus war ein seeleneifriger Mann.
-Er sagte: »Ich geh gleich mit. Der größte Sünder
-ist mir am allerliebsten, und der Dullhäubel zahlt
-sich aus. Meßner, läut das Speisglöckel!«</p>
-
-<p>Die Reigel weckte den Bader.</p>
-
-<p>Der bärbeißige Wundarzt Gottfried Mehlstäubl
-nahm gleich eine Flasche Blutegel mit.</p>
-
-<p>»Was ist denn los mit dem Dullhäubel?«
-fragte er. »Hat er wieder einen Kapuzinerrausch
-heimgebracht? Hat er sich die Wampe überfressen?
-Ist ihm der Darm auseinander gesprungen?«</p>
-
-<p>»Blutkrank ist er,« weinte die Reigel. »Einen
-ganzen Zuber voll Blut hat er gespieben. Jetzt
-lechzt er.«</p>
-
-<p>»Heul nit, Dirndel, ich helf ihm. Ich hab schon
-andern Leuten geholfen. Unserm Burgermeister hab<span class="pagenum"><a id="Page_210">[210]</a></span>
-ich den Bandwurm abgetrieben, fünfzig Ellen
-lang.«&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Derweilen lag der Dullhäubel blutig im Stroh.
-Er hörte in der Ferne das Glöckel, dessen Geläut
-den Weg des Pfarrers begleitete. Er betete:
-»Heiliger Blaumantel, liebreicher Fürbitter im
-Himmel, steh zu mir! Wenn ich wieder gesund
-bin, stift ich dir eine Kerze, so lang wie eine Deichsel,
-vor deiner Kapelle soll sie brennen Sommer und
-Winter, Tag und Nacht.«</p>
-
-<p>Der Grazian, der wegen seines Alters als
-Meßner abgedankt worden war, fand sich ein, und
-nicht ungern sah er die letzte Stunde des Schelmen
-nahe. Denn die verweste Geiß stank ihm noch
-immer aus dem Magen, und er hatte den Streich
-nie verwinden können.</p>
-
-<p>»Schau, schau, Dullhäubel,« sagte er, »gestern
-hast du noch heimgejodelt von der Siebenkittelwirtin,
-und heut gehst du auf dem letzten Gras. ›Gestern
-im Trab, heut ins Grab‹, heißt es. Du schaust
-aus wie der linke Schächer.«</p>
-
-<p>Der Bauer griff an die Brust, die Zunge
-schlotterte ihm. »Mir wird ganz herzschlächtig.«</p>
-
-<p>»Zieh die Strumpf und die Schuh aus, Dullhäubel,
-und renn der Höll zu! Wart nit auf die<span class="pagenum"><a id="Page_211">[211]</a></span>
-heilige Wegzehrung, sie hilft dir nimmer. Ja, den
-Tod betrügst du nit, du Sündenbock, du Leutfopper,
-du Bauchbruder, du Trost dem Teufel! Dahin
-mußt du mit deinen Rieben und Ränken. Ich seh
-dich schon schneeweiß in der Truhe.«</p>
-
-<p>»Ich sterb nit,« kreischte der Dullhäubel auf.</p>
-
-<p>»Rümpf dich und wind dich, du kommst ihm
-nit aus, dem Sensenwetzer. Im Sündenstank
-fahrst du hin.«</p>
-
-<p>»Jedes Haar wirft seinen Schatten,« wehrte
-sich der Bauer. »Warum soll denn gerad ich keinen
-Fehler haben?!«</p>
-
-<p>Unbarmherzig predigte der Meßner: »Jetzt liegst
-du auf der Streu, jetzt schießt das Blut heraus,
-das wilde Dullhäubelblut, das kein gut getan hat
-sein Lebtag. In einer kurzen Weil tümmelt der
-Teufel vor der Tür und zerrt dich davon bei den
-Füßen. In die Höll strudelst du hinab.«</p>
-
-<p>»Laß mich aus, Grazian, verschon meine
-Sterbensnot!«</p>
-
-<p>»Ja, mein lieber Freund, jedem wird gelohnt
-nach seinen Werken. Wenn der Teufel herwürgt
-mit offenem Schlund und hernach deine Seel
-zwischen den Zähnen hintragt, ich trau mir es gar nit
-zu sagen, wohin! Ja, mein lieber Freund, wenn der<span class="pagenum"><a id="Page_212">[212]</a></span>
-ganze Himmel papieren wär, und auf jedem Stern
-säß ein Schreibersknecht, sie könnten allsamt gar nit
-beschreiben, was eine Seel leidet im ewigen Pech.«</p>
-
-<p>»Meßner, das weiß ich. Ich dank dir.« Der
-Schweiß brach dem Bauer aus.</p>
-
-<p>Die Ogath trat aus der Stalltür. »Der Didelmann
-hat uns das Kalb daher gebracht, gottlob,«
-sagte sie, »es ist ganz wild.«</p>
-
-<p>Wieder hub der Grazian an: »Es ist schad,
-Dullhäubel, daß Gott dich mit so einem guten,
-wirtschaftlichen Weib versorgt hat!«</p>
-
-<p>»Bäurin, ich will gut tun, wenn ich wieder aufkomm,«
-gelobte der Dullhäubel.</p>
-
-<p>»Ja, wenn die Zaunstecken blühen,« sprach sie
-unwirsch. »Du tätst es wieder treiben wie ehmals,
-die Händ schonen, die Weiber verfolgen, Vieh und
-Leut foppen. Ausgestanden hab ich genug mit dir.
-Ein Selbstler bist du gewesen, hast an Weib und
-Kind nit gedacht und an die Gemeinde nit, nur
-an dich und allweil nur an dich. Und eine lederne
-Röhre hast du im Hals, die brennt und muß feucht
-gehalten werden. So, jetzt hab ich dir es gesagt.«</p>
-
-<p>»Gelts Gott, Bäurin, gelts Gott! Du hast die
-Wahrheit geredet,« wispelte er. Die Augen fielen
-ihm zu.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_213">[213]</a></span></p>
-
-<p>»Heilige Mutter Anna,« schrie der Grazian, »er
-wird schon blau! Der Teufel schreit juchhe.« Er
-stieß ein Gebet aus. »Lasset uns beten zu den
-heiligen drei Königen, sie sollen ihm den Weg weisen,
-er muß in die Ewigkeit wandern.«</p>
-
-<p>Jetzt kam der Pfarrer mit dem Bader daher,
-und die Dirnlein drängten nach, neugierig und
-furchtsam.</p>
-
-<p>Der Bauer tat die glasigen Augen auf und
-röchelte: »Pfarrer, Bader, der Tod geht mir zu.«</p>
-
-<p>Der Wundarzt Gottfried Mehlstäubl staunte:
-»Sakerlot, du hast unglaublich viel Blut gekotzt!
-Mensch, mußt du vollblütig sein! Wo fehlt es denn?
-Hast du ein kaltes Fieber oder ein glosendes? Schüttelt
-es dich? Reißt es dich? Kratzt dich der Hals?
-Ist dir das Zäpflein gefallen?«</p>
-
-<p>Der Kranke deutete auf den Magen. »Da in der
-Herzgrube tut es weh.«</p>
-
-<p>»Hast du den Stuhl offen?« forschte der Arzt.
-»Hast du dich nit überfressen, Schlauch? Ja, der
-Fraß wühlt sich mit dem eigenen Rüssel das Grab
-auf. Die Runstadern sind dir geschwollen. Tu das
-Maul auf und zeig her deinen Schlung!«</p>
-
-<p>»Im Bauch rumpelt es mir,« flüsterte der Bauer.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_214">[214]</a></span></p>
-
-<p>Der Bader entschied: »Du hast es auf der Leber.
-Eine jede Krankheit rührt von der Leber her. Du
-hast wohl einen kalten Trunk getan, he?«</p>
-
-<p>»Bader, gib mir was ein, ein Pulver, einen Saft,
-daß ich am Leben bleib!« klagte der Dullhäubel.</p>
-
-<p>»Halt das Maul, Wehdarm! Ich muß auch einmal
-sterben,« antwortete der Gottfried Mehlstäubl.</p>
-
-<p>»Da schau meine unversorgten Kinder an und
-hilf!« Der Bauer deutete mit Kinn und Bart auf
-die zwölf Dirnlein.</p>
-
-<p>»Kinder hast du in allen Größen wie eine Bodenstiege.
-Aber was nutzt das alles, wenn sich eine
-giftige Sucht einschleicht. Ich schätz, du überlebst
-die Stund nimmer.«</p>
-
-<p>»Herr Pfarrer,« lallte der Dullhäubel, »richt mich
-her &ndash; für die Ewigkeit!«</p>
-
-<p>Da drückte ihm der Grazian einen geweihten
-Rosenkranz in die Hand, die Ogath wischte mit dem
-Fürtuch über die Augen, die Kinder weinten.</p>
-
-<p>»Gottlob, daß du dich nit in Halsstörrigkeit verhärtest,
-Dullhäubel,« begann der Pfarrer. »So tu
-Reu und Leid, mein lieber Christ!«</p>
-
-<p>Des Baders Neugier war noch nicht gestillt.
-»Und wo fehlt es denn sonst noch, Bauer? Plagen
-dich die Würmer? Bläht dich der Wind?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_215">[215]</a></span></p>
-
-<p>Doch der Dullhäubel räusperte und rächste sich,
-fuhr jäh auf, gurgelte, und wieder schoß das Blut
-heraus. Alle wichen zurück, die Bäurin scheuchte
-die Kinder hinaus. Blaß und matt sank der Bauer
-zurück.</p>
-
-<p>Der Gottfried Mehlstäubl krauste die Stirn.
-»Seltsam! Seltsam! Vetter, die Reih ist an dir.
-Hättest du mir alle Jahr deinen Brunn schauen
-lassen, wie der Grazian da, tät ich mich in deinem
-Leib besser auskennen.«</p>
-
-<p>»Der Tod zeichnet ihn,« sagte der Pfarrer. »Laßt
-uns allein, daß ich ihn geschwind noch auströste!«</p>
-
-<p>Da gingen alle hinaus.</p>
-
-<p>»Öl mich ein, Hochwürden, öl mich! Richt mich
-zusamm &ndash; fein sauber &ndash; für den Weg!« drängte
-der Bauer.</p>
-
-<p>»Jetzt, Dullhäubel, häut dich!« begann der Herr
-Nonatus Hurneyßl. »Tu ab das Gewand deiner
-Sünden! Wann und wo bist du das letztemal
-beichten gewesen? Bei mir nit.«</p>
-
-<p>»Den zweiten Sonntag nach Ostern &ndash; hab ich
-gebeichtigt &ndash; in Bärnloh.«</p>
-
-<p>»So, so, in einer fremden Pfarre, bei dem schwerhörigen
-Pater, und an dem Tag, wo die Roßdieb<span class="pagenum"><a id="Page_216">[216]</a></span>
-beichten gehen? Eine saubere Seel! Aber jetzt
-her mit deinen Sünden!«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel bekannte: »Öfter hab ich mich
-versündigt als Steine im Bach sind und Bäume
-im Wald.«</p>
-
-<p>»Sieben Straßen laufen zur Höll, das sind
-die Todsünden. Hast du eine begangen?« forschte
-der Pfarrer.</p>
-
-<p>Der Sünder sprudelte: »Gefressen hab ich, gesoffen,
-gerauft, gescholten, geschworen, gelogen und
-betrogen, die Weiber nit in ihren Ehren lassen,
-mit den Jungfern gescherzt, am Freitag bin ich
-fensterln gangen, den Leumund hab ich den Leuten
-genommen, verfrevelt hab ich mich gegen den heiligen
-Blaumantel. Jetzt weiß ich nix mehr.«</p>
-
-<p>Dem Pfarrer wirbelte das Hirn. »Ein Gewissen
-magst du haben wie ein Scheuertor,« staunte er.</p>
-
-<p>»Der Teufel hat mich im Schlund, reiß mich
-heraus, Hochwürden!« zeterte der Dullhäubel.
-»Bind mich los, bind mir die Sünden ab und
-öl mich!«</p>
-
-<p>»Nur langsam, Dullhäubel, und hübsch eins
-nach dem andern. Hast du nit gejuchzt und gejodelt
-und gegalmt zur Unzeit und unzüchtige
-Rockenlieder gesungen?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_217">[217]</a></span></p>
-
-<p>»Das hab ich alles getan, Pfarrer. Bind mich los!«</p>
-
-<p>»Ich will dich nit dem Teufel zuteil werden
-lassen. Aber sag mir, hast du ein einzigesmal im
-Leben ein gutes Werk verrichtet?«</p>
-
-<p>»Freilich, Pfarrer. Die Feiertage hab ich emsig
-gehalten, die abgeschafften auch. Und zwölf Christen
-hab ich in die Welt gesetzt.«</p>
-
-<p>Der rüstige Beichtvater sah ihn verdutzt an.
-»Ah, so bist du gesotten? Du willst unsern Gott
-und unsern Teufel überlisten?« Und er holte aus
-und reichte dem Sünder eins auf den Schädel.
-»Dafür erlaß ich dir die Bußgebete, du alter
-Spaßvogel.«</p>
-
-<p>»Das ist mir lieb,« sagte der Dullhäubel erleichtert.</p>
-
-<p>»Jetzt geratest du halt ins Fegfeuer, Bauer,
-und das ist eine scharfe Lauge. Wasch dich drin,
-reib dir die Seel unverdrossen ab! Und fahrst du
-hernach in den Himmel, so führ dich gut auf, daß
-du meinem Pfarrsprengel keine Schand antust.«</p>
-
-<p>»Ich werd mich doch nit zu dem höllischen
-Bären verirren?« verzagte der Kranke. »Ist es
-drunten wirklich so heiß?«</p>
-
-<p>Der Pfarrer schaute den Dullhäubel ernsthaft
-an. »In der Höll ist es so heiß, daß die gepeinigte
-Seel, die den Kniffen und Kunstgriffen des Satans<span class="pagenum"><a id="Page_218">[218]</a></span>
-erlegen ist, gar kläglich herausschreit: ›Gebt mir
-ein Schmiedfeuer, daß ich mich dran kühl!‹ So
-kalt ist das irdische Feuer dagegen.«</p>
-
-<p>»Ich riech schon lauter Brand,« wimmerte der
-Bauer. »O wär ich gesund, ich wollt anders leben!
-Einen Sack tät ich anziehen und wallfahren gen
-Maria-Dorn. Sterb ich aber,« seine Stimme versiegte
-schier, »so stift ich eine ewige Meß meiner
-Seel zum Trost, und dem Blaumantel, meinem
-Fürbitter, soll ein Wachsstock brennen hundert Jahr.
-O weh, wie schlecht wird mir jetzt!«</p>
-
-<p>»Was ist, Dullhäubel, was ist?«</p>
-
-<p>»Der Schleim steigt mir im Hals, ich erstick, ich
-krieg den Schleimschlag! O weh, von der Welt
-scheid ich, in die Höll spring ich.« Er rülpste, und das
-Blut sprudelte ihm wieder gräßlich aus dem Hals.</p>
-
-<p>»Leut, er stirbt!« schrie der Pfarrer.</p>
-
-<p>Der Bader, der Grazian, der Knecht und die
-Kinder liefen herein.</p>
-
-<p>Schrecklich schaute der Bauer aus, weiß wie
-Kalk lag er dort, die Lippen voller Blut.</p>
-
-<p>Die Ogath trug die brennende Sterbekerze daher
-und drückte sie ihm in die Hand. Er aber verdrehte
-die Augen grausam und fluchte: »Sakerment, bin
-ich noch nit hin?!« Er röchelte.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_219">[219]</a></span></p>
-
-<p>»Bäurin,« meinte er auf einmal, »es ist wunderlich,
-jetzt mitten im Sterben lüstet mich nach einem
-Schnupftabak. Geh, tu mir die Lieb an! Es ist
-das Letzte, was ich von dir begehr.«</p>
-
-<p>»Jetzt ist ausgeschnupft,« sagte sie kurz. »Jetzt
-halt die Herren nit auf und schau zu, daß du
-einmal stirbst!«</p>
-
-<p>»Ich sterb, und keines tut einen Schrei,« sprach
-er wehmütig, »keins weint einen Tropfen, keinen
-Seufziger druckt es euch aus.«</p>
-
-<p>Der Kopf sank ihm auf die Seite, das Kinn
-hing ihm.</p>
-
-<p>»Jetzt erklenkt ihn der Satan,« rief der Grazian.</p>
-
-<p>»Macht Tür und Fenster auf, sonst reißt seine
-Seel ein Loch durchs Dach!«</p>
-
-<p>»Ihm stehen schon die Augen,« nickte der Bader.</p>
-
-<p>»Er ist am Weg,« flüsterte der Pfarrer.</p>
-
-<p>Der Sterbende hauchte noch einmal: »Mein
-letzter Wille! Meine Töchter &ndash; dürfen nur auf
-einen Hof &ndash; hinheiraten, wo ein Glöckelturm drauf
-ist. Ich bin ein großer Bauer &ndash; gewesen.«</p>
-
-<p>Jetzt lag er blaß und still.</p>
-
-<p>Die kleinen Dirnlein klammerten sich weinend
-an den Kittel der Mutter, und sie zog tief Atem:
-»Jetzt bin ich wieder eine Wittfrau.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_220">[220]</a></span></p>
-
-<p>Plötzlich erhob sich im Keller ein großes Geschrei.
-Die Wabel, die älteste Tochter, kam die Staffeln
-herauf, einen leeren Topf in der Hand.</p>
-
-<p>»Mutter, ich weiß, was dem Bauer fehlt!« Sie
-lachte, daß ihr die Zähren rannen, sie lachte, daß
-sie den Atem verlor und schier in einem Husten
-erstickte.</p>
-
-<p>Der Gottfried Mehlstäubl nickte. »Sie ist närrisch
-worden.«</p>
-
-<p>»Was lachst du jetzt, wo dein Vater vor das
-ewige Gericht hintritt?« verwies sie der Pfarrer
-streng.</p>
-
-<p>Die Wabel schwenkte den Topf. »Blut hat er
-gespieben,« brüllte sie vor Lachen, »Blut, aber nit
-sein eigenes. Gestern haben wir eine Sau getötet,
-das Blut haben wir ihr abgelassen, in den Keller
-haben wir es gestellt. Der Vater hat in seinem
-Rausch &ndash; das ganze Saublut ausgesoffen.«</p>
-
-<p>»Herrgott von Blaustauden,« schrie die Bäurin,
-»das ganze Saublut? Heut hab ich es backen wollen.«</p>
-
-<p>Leben und Röte kehrten in die Wangen des Dullhäubel
-zurück, er tat die Augen ganz schmal auf
-und lallte: »Liebe Freunde, es ist nit unmöglich.«</p>
-
-<p>Des Pfarrers Hals verfiel in einen Krampf.</p>
-
-<p>Der Bader hielt sich den Bauch. »Gespieben<span class="pagenum"><a id="Page_221">[221]</a></span>
-hast du wie ein Hochzeitshund, Dullhäubel. Du
-könntest die Wissenschaft irr führen! Du hast aber
-auch einen sauberen Hinfahrtsfraß genossen. Gelt,
-die Suppe ist dir zu feist gewesen? Jetzt steh auf,
-nimm dein Bett und geh!«</p>
-
-<p>Der Herr Nonatus Hurneyßl hatte sich wieder
-beruhigt. »Bauer,« sagte er, »der Herrgott hat dir
-heut einen Spiegel vorgehalten. Fang ein neues
-Leben an!«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel drückte pfiffig ein Auge zu.
-»Bader, ich bin allweil schnell gesund worden.
-Einmal hab ich mir beim Holzhacken eine Hand
-wurzweg abgehaut. In vierzehn Tagen ist sie mir
-wieder sauber nachgewachsen. Heut weiß ich nimmer,
-ist es die linke gewesen oder die rechte. Und jetzt,
-Ogath, gib den Tabak her! Das ist die beste Arznei.«</p>
-
-<p>Er schnupfte, legte sich dann zurück, schnarchte
-wie eine Brettmühle und überließ die um sein
-Sterbebett Versammelten ihren Betrachtungen.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<div class="chapter">
-<p>Blitzblau lugten die Schlehstauden drein, und
-die letzte Bauernrose brannte im Gärtlein. Die
-Luft hing voll zarter Fäden, die alten Weiber
-hatten ihren Sommertag.</p>
-</div>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_222">[222]</a></span></p>
-
-<p>Im Stadel drosch die Ogath mit ihren ältesten
-Töchtern das Rüttstroh, sie wollte damit die Betten
-frisch füllen. Fröhlich klangen die drei prallenden
-Flegel, und der Dullhäubel legte dem Dreischlag
-die Worte unter: »Schind die Katz!« und schlich
-sich hinter den Stauden davon, um der Tenne
-auszuweichen.</p>
-
-<p>Die Kapelle umging er in einem Bogen: des
-Blaumantels Blick vertrug er nimmer, weil er
-ihm die Kerze nicht opferte, die er ihm in der
-Sterbensangst gelobt hatte.</p>
-
-<p>Vom Dorf klingelte der Schmiedhammer.</p>
-
-<p>Beim Sulpiz gab es immer Gesellschaft, Köhler
-brachten die hölzerne Kohle, Fuhrleute ließen die
-Rösser beschlagen, die Bauern ließen sich die Axt
-schärfen, Kundschaft kam mit zerbrochenem Eisengerät,
-und manchen trieb andere Not hin.</p>
-
-<p>Heute suchte der Lukas Schellnober in dem
-rußigen Gewölbe Hilfe. »Schmied,« redete er,
-»du bist die letzte Zuflucht. Der Zahn tut mir
-arg weh, ich könnt mir das Kinnbein vom Schädel
-reißen.«</p>
-
-<p>»Sieh ihm den Zahn, Sulpiz!« meinte der Dullhäubel.
-»Speib in die Händ, der riesige Mann
-hat Zähne wie eine Wildsau.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_223">[223]</a></span></p>
-
-<p>Der Sulpiz Schlagendrauf beeilte sich nicht.
-Er trug eine glühende Stange zum Amboß. Bevor
-er drauf schlug, reckte er sie jeden von seinen
-drei Weibern hin, die er an die Wand gerußt
-hatte, und gröhlte: »Leck! Leck! Leck!« und dann
-fuhr er jäh und heimtückisch damit dem Dullhäubel
-unter die Nase: »Schmeck! Schmeck!«</p>
-
-<p>Der Bauer fuhr zurück bis zur Tür.</p>
-
-<p>Zornig hämmerte der Meister auf das Eisen
-los. Es war nicht zu verwundern, daß die Kinder
-von Fuxloh den wilden Mann mit dem verworrenen
-Rußbart für den Teufel hielten.</p>
-
-<p>»Hau zu, Schwarzer,« neckte der Dullhäubel aus
-wohlabgemessener Ferne, »hau zu und denk, du
-hast dein viertes Weib unter dir!«</p>
-
-<p>Der Sulpiz schüttelte den Hammer. »Halt das
-Maul oder ich zerschmied dich! Was stehst du da
-wie eine Martersäul? Hast du daheim keine
-Arbeit? Was begehrst du?«</p>
-
-<p>»Die Feuerzang sollst du mir leihen, daß ich
-meine Bäurin wieder einmal angreifen kann.«</p>
-
-<p>Das gefiel dem Schmied. Er tauchte die Stange
-ins Wasser, daß sie zischte, und deutete auf eines
-von den Rußbildern. »Die erste dort, die Luzel ist
-es. Einmal fahrt sie zur Kirchweih nach Bärnloh,<span class="pagenum"><a id="Page_224">[224]</a></span>
-ich bin allein im Haus. Um Mitternacht klopft
-es an die Tür, steht ein Kohlschwarzer draußen,
-die Augen glosen ihm. Ich soll ihm den Rappen
-beschlagen. Ich schau das Roß an. Es hat zwei
-schwarze Zöpf geflochten wie die Luzel. Die zwei
-wilden Augen schauen mich an wie die Luzel, wann
-sie mit mir gerauft hat. Ich beschlag das Roß
-auf allen vier Hufen. Der Kerl springt drauf,
-sagt kein Geltsgott, und reitet dahin. In der
-Früh liegt mein Weib neben mir im Bett mit
-Hufeisen an Händen und Füßen.«</p>
-
-<p>Der Sulpiz lachte, daß das Eisen in der Werkstatt
-klirrte.</p>
-
-<p>»Du kannst leicht lachen, Schmied, dich martert
-nix,« sagte der Zahnwehmann und hielt sich den
-verbundenen Kopf.</p>
-
-<p>»Schäm dich, Musikant,« tadelte der Rußige.
-»Du bist so stark wie ein Felsenbaum und dabei
-so ungesund.«</p>
-
-<p>»Wer ist heutigentags gesund?« greinte der
-Lukas. »Ja, vormals haben die Leut mehr ausgehalten.
-Mein Vater zum Beispiel hat Glas gefressen,
-das Blut ist ihm aus dem Maul geronnen,
-er hat Bier darüber gegossen, und gut ist es gewesen.
-Bis er einmal so ein neuartiges Lampenglas<span class="pagenum"><a id="Page_225">[225]</a></span>
-gegessen hat, da ist er magenkrank worden.
-Das neumodische Teufelswerk ist nix nutz, das
-altwäldlerische Glas ist viel milder gewesen.« Und
-er wimmerte auf: »Weh und weh, mein Zahn!«</p>
-
-<p>Der Schmied ließ sich auf den Amboß hin:
-»Duck dich her, Lukas!«</p>
-
-<p>Da kauerte der Musikant auf die Erde, der
-Sulpiz klemmte den verbundenen Kopf zwischen
-seine Kniee und zog einen Schlüssel aus der Tasche.</p>
-
-<p>»Tu das Maul auf! Welcher Zahn ist es?«</p>
-
-<p>Ächzend deutete der Leidensmann in sich hinein.
-Der Schmied griff zu und drehte, daß ihm die
-Adern am Arm schwollen, indes der Geklemmte
-die vierzehn Nothelfer anschrie.</p>
-
-<p>»Der Stockzahn rührt sich nit, der Teufel!«
-schalt der Sulpiz. Er fuhr dem Gepeinigten noch
-einmal ins Gebiß, und mit einem Ruck, daß schier
-der Amboß wankte, riß er einen mächtigen Zahn
-heraus.</p>
-
-<p>»Du hast den falschen erwischt,« rief der Lukas,
-»das gilt nit!«</p>
-
-<p>»Die Hauptsach ist, daß das böse Blut abgeht,«
-tröstete der Zahnbrecher. »Jetzt geh zum Misthaufen
-und speib das Blut aus!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_226">[226]</a></span></p>
-
-<p>Der Musikant legte ein Sechserlein auf den
-Amboß. »Wenn es besser wird, trag ich den Zahn
-nach Maria-Dorn und häng ihn der Muttergottes
-mit einem seidenen Band um den Hals,« gelobte er.</p>
-
-<p>»Und du lümmelst noch allweil da?« schnauzte
-der Schmied den Dullhäubel an. »Ich verdien
-Geld, und du versäumst dein Geschäft.«</p>
-
-<p>»Ich kann nix versäumen, Meister.«</p>
-
-<p>»Eine junge Dirn ist da gewesen und hat nach
-deinem Hof gefragt. Sie will in den Erdspiegel
-schauen.«</p>
-
-<p>Hastig nahm der Dullhäubel den Weg unter die
-Füße.</p>
-
-<p>Es war zum erstenmal, daß ihn jemand um den
-Erdspiegel anging. Die Leute waren schon zu klug.
-Zu des Ähnels Zeiten trug der Spiegel viel mehr
-ein als der Opferstock in der Kirche, die Bittsteller
-kamen aus aller Weite; wer ihnen das Roß gestohlen
-oder den Stall verhext, wollten sie wissen
-und wollten allerhand Heimliches ausfindig machen.
-Das war vorbei.</p>
-
-<p>Der Bauer sann nach, wie er den Erdspiegel
-wieder in Schwang und Ruf bringen könne. Heute
-schien sich eine gute Gelegenheit zu bieten. Er
-nahm sich vor, die Dirne erst um ihr Anliegen<span class="pagenum"><a id="Page_227">[227]</a></span>
-zu fragen, dann wollte er sich in den Keller sperren,
-als ob er Hokuspokus triebe, und dort würde ihm
-schon die rechte Antwort einfallen.</p>
-
-<p>In seinem Hof droschen die drei immer noch,
-und die kleinen Dirnlein spielten vor der Scheuer,
-eines kitzelte die andern auf die nackten Sohlen
-und rief: »Wer schmunzt, wer lacht, wer die Zähn
-für reckt, der gibt ein Pfand.«</p>
-
-<p>Als der Dullhäubel die Stube leer fand, schwante
-ihm Schlimmes, und er lief in den Keller.</p>
-
-<p>Die Tür zum Erdspiegel war aufgerissen.</p>
-
-<p>Ins Halbdämmer des Raumes brach durch ein
-Guckloch ein Strahl und traf den runden Spiegel,
-der auf einem Felsblock lag. Eine junge Dirne
-beugte sich drüber und rätselte an den Zeichen, die
-auf das Wunderglas gemalt waren: eines glich der
-Ziffer vier, ein anderes führte drei Zinken wie
-eine Mistgabel, das dritte trug einen Ring mit
-zwei Hörnlein.</p>
-
-<p>Der Bauer erkannte im Halblicht die Fremde
-nicht. »Was sprengst du mir die Tür?« schalt er.
-»Bist du eine Räuberin?«</p>
-
-<p>»In meiner Verzagtheit hab ich es getan,« antwortete
-sie. »Verzeih mir, Spiegelmann!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_228">[228]</a></span></p>
-
-<p>Er schob sie weg und schaute lange und ernst
-hinein in das Glas. Dann sagte er geheimnisvoll:
-»Ich seh es, du kommst wegen einer Liebschaft.«</p>
-
-<p>»Siehst du meinen Schatz auch?« rief sie heftig.
-»Er ist mir verloren gegangen. Wo find ich ihn?«</p>
-
-<p>Er starrte in den Spiegel und sann auf eine
-hübsche Lüge.</p>
-
-<p>»Merkst du was?« fragte sie voll Neugier. »Ich
-hab nur den Dreizahn gesehen und den Hörnerbock
-und den Vierer.«</p>
-
-<p>»Das sind die Zeichen der drei Heidengötter,«
-flüsterte er. »Weiberleut sehen nur das im Erdspiegel.
-Und dann, bist du noch eine Jungfer, he?
-Bist du nit schon einmal über das sechste Gebot
-gestolpert?«</p>
-
-<p>»Aber hingefallen bin ich noch nit.« Sie kehrte
-sich verschämt ab.</p>
-
-<p>»Es ist, als ob heut der Spiegel rauchig wär,«
-redete der Dullhäubel in das Glas hinein. »Hätt
-ich nur das Zauberbuch nit verlegt, ich könnt dir
-gleich verraten, wo sich dein Liebhaber herumtreibt.«</p>
-
-<p>Da versuchte auch sie hineinzuspähen, und da
-sich ihr junger Leib dabei derb an den Bauer
-schmiegte, ließ er sie gewähren.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_229">[229]</a></span></p>
-
-<p>Plötzlich schrie sie hell auf: »Da schaut er heraus,
-der Tischler Franz, der mit mir hat Adam und
-Eva spielen wollen!« Und jäh sich besinnend,
-starrte sie den Dullhäubel neben sich an und packte
-ihn beim Bart. »Du bist es gewesen, Erdspiegler,
-der mir die Heirat versprochen hat!«</p>
-
-<p>Es war die Mechel Schellnober.</p>
-
-<p>Er begehrte auf. »So kommst du mir? Mir,
-dem Dullhäubel? Ich kenn dich nit. Ich bin ein
-verheirateter Mann. Willst du Unfried stiften in
-meinem Haus? Gleich fahr ab, du Lügenwachtel,
-sonst schrei ich um den Schergen!«</p>
-
-<p>»Lügst du aber keck!« staunte sie. »Und du bist
-es gewesen, und wenn du auch leugnest wie ein
-Spitzbub. Ich kenn dich an dem kugelrunden Schädel,
-an dem roten Bart, an dem kurzen Hals. Denselben
-Filzhut mit derselben Schnalle hast du aufgehabt.
-Komm einmal ans Licht hinauf! Du willst
-dich weiß brennen, willst tun, als ob du die nackete
-Unschuld selber wärst.«</p>
-
-<p>»Das bin ich auch. Und den Hut hab ich mir
-erst gestern gekauft, du zottige Gretel. Beweisen kann
-mir keiner nix. Und ans Licht geh ich just nit, mir
-ist warm, und im Keller ist es schön kühl.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_230">[230]</a></span></p>
-
-<p>»So steig ich allein hinauf, Erdspiegler, und klag
-es deinem Weib.«</p>
-
-<p>Da stieß er sie zurück und sprang ihr voran die
-Stiege hinauf, lief vors Haus und schrie: »Bäurin!
-Wabel, Reigel, Rosel! Kinder, kommt schnell! Stasel,
-Kathel, Liesel! Sakerment, mir fallen die Namen
-nit ein!«</p>
-
-<p>Die Mechel erschrak, als sie auf einmal mitten
-in einem Ring von Jungfern und Dirnlein stand.</p>
-
-<p>Mit dem Finger deutete der Dullhäubel auf sie.
-»Weib, Kinder, die mannsleutnärrische Schnudel
-da ist mir in den Keller nach, ganz putipharisch
-hat sie nach meiner Unschuld begehrt. Aber ich bin
-ihr nit ins Eisen gegangen.«</p>
-
-<p>»Gibt es denn keine Wahrheit mehr auf der
-Welt? Hat der Schauer alle guten Leut erschlagen?«
-weinte die Mechel. »Erdspiegler, du stellst
-mich her, daß kein Hund mehr ein Bröckel Brot von
-mir frißt. Und du hast mir versprochen&nbsp;&ndash;.«</p>
-
-<p>Er ließ sie nicht ausreden. »Sie hat die Bubensucht;
-sie lügt, ich hätt ihr die Heirat versprochen.
-Kinder, den Vater will sie euch nehmen, und dir,
-liebes Weib, den Ehmann!«</p>
-
-<p>»Sie soll dich nur mitnehmen,« sagte die Ogath.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_231">[231]</a></span></p>
-
-<p>»Was? Das wollt ihr euch gefallen lassen?«
-Seine Stimme verstieg sich. »Und ihr jagt sie
-nit aus dem Hof?«</p>
-
-<p>»Ich zeig dir schon, was es heißt, einen neuen
-Trieb kriegen,« lachte die Bäurin wunderlich. Und
-sie fiel mit den Töchtern über den Dullhäubel her
-wie Hündinnen über einen Bären, im Hui wälzte
-er sich, die Hiebe fielen wie ein Schlossenschauer über
-ihn, er konnte sich ihrer nicht erwehren.</p>
-
-<p>»Blaumantel, hilf! Die Mannsleut müssen zusamm
-halten,« rief er.</p>
-
-<p>»So, jetzt nimm dir ihn mit,« sagte die Bäurin
-zur Mechel, »wir schenken dir ihn herzlich gern.«</p>
-
-<p>»Ich mag ihn nit,« antwortete die Fremde. »Und
-zu wegen seiner wird aus mir keine Klosterfrau.
-Die Welt ist kein Krautgarten, mein Glück wachst
-überall.«</p>
-
-<p>Mit trotzigen Schritten ging sie davon.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Der Dullhäubel wurde durch die Schläge nicht
-gebessert. Am selben Abend noch tat er dem Grazian
-Schande und Spott an.</p>
-
-<p>Er spielte mit einem fremden Sautreiber im
-Wirtshaus bis spät in die Nacht Karten. Der
-Meßner trank ihnen eifrig zu, denn der Sautreiber
-zahlte ihm die Zeche, aber auf einmal lag er mit<span class="pagenum"><a id="Page_232">[232]</a></span>
-der Stirn auf dem Tisch und schlief. Da löschte
-der Dullhäubel die Lampe, versperrte die Fensterladen
-und tat mit seinem Spießgesellen in der stichdunkeln
-Stube, als spielten sie weiter. Als die zwei
-immer wilder schrieen und immer fester mit der Faust
-in den Tisch schlugen, erwachte der Grazian. Er
-hörte sie die Trümpfe ausschreien und Farbe bekennen,
-und als er nichts sah, stammelte er mit
-zitternder Stimme: »Leut, ich bin blind. Ich hab
-mich blind gesoffen.«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel ließ ihn eine ganze Stunde in
-der entsetzlichen Meinung, und am nächsten Tag
-lachte ganz Fuxloh über den blinden Grazian.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Der Mai blühte aus.</p>
-
-<p>Die Fuxloher hielten am Pfingstmontag abends
-vor der Kapelle eine Andacht. Der abgedankte
-Meßner Grazian hatte den Weibern ein neues Lied
-beigebracht, und sie sangen es, und der Bach sauste
-darein, der geschwollen war, weil ein Wetter niedergegangen
-übers Gebirg.</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">»Der Tag ist vergangen,<br /></span>
-<span class="i0">der Abend ist hier,<br /></span>
-<span class="i0">gute Nacht, o Maria,<br /></span>
-<span class="i0">bleib ewig bei mir!«<br /></span>
-</div></div>
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_233">[233]</a></span></p>
-<p>Wie das Lied so herzerheblich hinüberflog über
-die Wiesen zum Wald, daß alle, die da sangen,
-ihre Freude hatten, watete der Dullhäubel durchs
-Gras daher, brachte einen Schemel mit und setzte
-sich abseits den andern darauf. Und als die frommen
-Stimmen der Weiber sich in die höchsten Höhen
-erflogen, stimmte er überlaut sein eigenes Lied an.</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">»Wer will mit mir wallfahrten gehn,<br /></span>
-<span class="i0">muß tragen ein Paar Schuh,<br /></span>
-<span class="i0">muß Käs und Brot mitnehmen,<br /></span>
-<span class="i0">muß aufstehn in der Fruh.«<br /></span>
-</div></div>
-
-<p>Da wurden die andern in ihrem Lied langsam
-irr, eine Stimme nach der andern verzagte und
-hörte auf, bis zuletzt nur des Dullhäubel traurig
-gezogene Weise sich behauptete.</p>
-
-<p>»Was irrst du uns?« schalt der Grazian betrübt.</p>
-
-<p>Die Weiber redeten erbost auf den Störenfried
-ein. Der aber sagte: »Ich sitz auf meiner Wies,
-und auf meinem Grund sing ich, was mir gefallt.
-Ihr habt wie die Nattern gesungen. Was braucht
-ihr das neumodische Schnaderhüpfel? Mein Lied ist
-allweil gesungen worden, seit die Kapelle steht, und
-bleiben soll es, wie es bräuchlich gewesen ist.«</p>
-
-<p>Da konnten die Fuxloher nichts dawider reden,
-sie verzichteten auf den neuen Gesang, und der Grazian<span class="pagenum"><a id="Page_234">[234]</a></span>
-hub eine Litanei an. Doch auch sie stockte bald,
-und besonders die Weiber wurden verwirrt und des
-Betens überdrüssig, weil der Dullhäubel mit starrem
-Blick sie anschaute, als wolle er sie verzaubern.
-Es wurde ihnen angst.</p>
-
-<p>Schließlich begehrte der Grazian auf, dem die
-ganze Andacht verdorben war: »Was schaust du
-so unsinnig her?«</p>
-
-<p>»Mein Schemel ist aus neunerlei Holz,« sagte
-der Schelm.</p>
-
-<p>»Ist das eine Antwort auf meine Frag? Wie
-steht es mit deinem Hirn?«</p>
-
-<p>»Wer auf einem Schemel aus neunerlei Holz
-sitzt, sieht alle Hexen.«</p>
-
-<p>Die Weiber fuhren auf wie gestörte Wespen.
-»Er beleidigt uns alle!« schrie die Burgermeisterin.</p>
-
-<p>»Du sei still,« warnte der Dullhäubel, »ich schau
-auf deinem Kopf ein Krähennest.«</p>
-
-<p>»Dem Kaiser soll man schreiben, daß er den
-Böswicht abschafft,« sagte die Iglin.</p>
-
-<p>»An deiner Nase hängt eine Fledermaus, Iglin.
-Grins nur her und zahn mich an! Ich fürcht mich nit.«</p>
-
-<p>Jetzt wagte keine mehr zu schimpfen, um des
-Dullhäubel Bosheit nicht auf sich zu ziehen. Nur
-die Spuchtin rief: »Ist denn keiner unter euch<span class="pagenum"><a id="Page_235">[235]</a></span>
-Mannsleuten, der sich unser annimmt und ihm den
-Herrn zeigt?«</p>
-
-<p>Der Longinus Spucht duckte sich hinter dem
-breiten Schmied, und der Schmied seufzte schwermütig:
-»Ach ja, alte Weiber gibt es genug auf
-der Welt!«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel frohlockte: »Mein Guckähnel
-hat sieben Weiber gehabt, und alle sieben hat er
-erschlagen. Zuletzt haben ihn tausend Engel in den
-Himmel gehoben.«</p>
-
-<p>Die Weiber standen auf und gingen, die Männer
-verliefen sich, und den Grazian hörte man noch
-fern im Wald schimpfen.</p>
-
-<p>Jetzt war der Dullhäubel mit dem Heiligen allein.</p>
-
-<p>Dem hatten sie den welken Kranz aus Hagebutten,
-Silberdisteln und Heide mit frischen Maiblumen
-ersetzt.</p>
-
-<p>Der Wald nachtete ein, Mondlicht flunkerte in
-den Stauden, in der Wiese knarrte der Wachtelkönig.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel riß den Heiligen aus der Kapelle.
-»Eine Kerze hab ich dir versprochen, so lang wie
-eine Deichsel. Der Wachszieher aber bietet solche
-nit feil, und so kann ich mein Wort nit lösen. Und
-du verdienst es auch nit, Blaumantel. Wie oft ich<span class="pagenum"><a id="Page_236">[236]</a></span>
-dich anruf, du hilfst mir nit. Da rinn den alten
-Weibern nach!« Er warf ihn in den Wolfsbach.</p>
-
-<p>Da war ihm, der Blaumantel werde in dem
-angeschwollenen Bach lebendig und drehe teuflisch
-den Kopf nach ihm zurück, rühre die Arme und
-schlage Räder im Wasser.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Am andern Abend, der Mond hing dürr und
-krumm und armselig überm Vogeltänd, da kam
-die Wabel aus dem Dorf herunter gelechzt: »Bauer,
-ein ganzer Schober Leut rennt daher, den Blaumantel
-begehren sie von dir, Gabeln und Drischeln
-tragen sie und wollen dich erschlagen.«</p>
-
-<p>»Du hast in ein Wespennest gestriegelt, Bauer,«
-sagte die Ogath.</p>
-
-<p>Dem Dullhäubel rann es kalt über die Haut.
-»Verrammelt das Tor!« rief er.</p>
-
-<p>Seine Leute schleppten Eggen und Pflüge herbei
-und sperrten das Tor mit Ketten, Wagen und
-Wiesbäumen. Die Fenster waren durch eiserne
-Gitter gesichert.</p>
-
-<p>Der Bauer selber stand am Dachboden und
-hielt zum Guckloch den Schießprügel hinaus, womit
-die Erzväter gewildert hatten. Sein Weib<span class="pagenum"><a id="Page_237">[237]</a></span>
-betete drunten, betete um einen glücklichen Ausgang,
-die Kinder knieten totenblaß um sie.</p>
-
-<p>Schon trampelten die Feinde den Waldweg daher,
-wie die Wölfe im Winter kamen sie. Sie läuteten
-mit Kuhglocken, bliesen und lärmten.</p>
-
-<p>Dreschflegel ragten über sie hinaus, Sensen,
-Hellebarden und abgedankte Spieße. Die Gesichter
-waren berußt oder mit Moosbärten verhüllt, ein
-tückischer Mummenschanz. Immer stärker wurde
-ihr Geschrei: »Hin muß er werden! Haar und
-Kopf muß er lassen, der Schelmenbub!«</p>
-
-<p>Jetzt stauten sie sich vor dem Gehöft, und der
-Dullhäubel sah sie genauer. Es wimmelte und
-wibelte drunten. Die Hüte hatten sie mit Reisig besteckt,
-die Röcke verkehrt, Männer hatten Weiberkittel
-an. Einer hatte ein Hirschgeweih vor die
-Stirn gebunden, andere deckten sich hinter hölzernen
-Larven oder trugen alte Kriegshelme oder
-stülpten sich Körbe über den Kopf. Einer trug sogar
-einen Schnabel, die eiserne Unzier, wie sie böse
-Weiber vorzeiten hatten tragen müssen am Pranger.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel meldete sich, ehe sie ihm das
-Haus stürmten. Vom Guckloch rief er hinab: »Guten
-Abend miteinander!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_238">[238]</a></span></p>
-
-<p>Da hoben sich die verlarvten Gesichter, uralte
-Faustbüchsen zielten herauf, sie schrieen, pfiffen, läuteten
-mit eisernen Töpfen, und einer blies wahnwitzig
-in ein Kuhhorn.</p>
-
-<p>Auf einmal war es still. Ein kurzer Mann trat
-vor, Maul und Kinn gedeckt mit einem wüsten
-Baumbart, und forderte aus verstelltem Hals: »Gib
-uns den Blaumantel zurück, du hast ihn im Moos
-versenkt!«</p>
-
-<p>»Meiner Seel, ich hab ihn nit!«</p>
-
-<p>»Wo ist er dann? Du weißt es.«</p>
-
-<p>»Der Blaumantel? Der schalanzt wo im Land
-herum. Traut ihm nit, Fuxloher! Er kann sich nit
-ausweisen, nit einmal in der römischen Kanzlei
-kennen sie ihn.«</p>
-
-<p>»Wo der Heilige ist?« klang es wilder.</p>
-
-<p>»Er ist zum Himmel aufgeflogen. Oder hat er
-sich eine bessere Kapelle ausgesucht. Was weiß
-ich? Laßt mich in Ruh!«</p>
-
-<p>Stimmen gellten: »Er spottet noch, der Schlechtling!
-Bis ins Schienbein hinein ist er verwahrlost!
-Stecht ihm eine Lucke! Erstechen soll man ihn!
-Erstechen!« Ein Spieß erhob sich steif aus dem
-Haufen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_239">[239]</a></span></p>
-
-<p>»Wollt ihr mich auch verkrüppeln wie meinen
-liebsten Freund, Gott hab ihn selig, den Müllner?«
-klagte der Dullhäubel. »Oder wollt ihr mich umbringen?
-Leut, vergeßt euch nit! Geht hin, woher
-ihr gekommen seid! Eure Weiber haben euch
-aufgehetzt.«</p>
-
-<p>»Röhr nit, Fuchs! Uns kriegst du nimmer
-dran. Heut rechnen wir ab,« stieg es aus der Tiefe.</p>
-
-<p>»Was kommt ihr mit den Waffen daher? Ich
-bin ein friedlicher Mann.«</p>
-
-<p>»Einen Igel fangt man mit eisernen Handschuhen,«
-antwortete es.</p>
-
-<p>»Hütet euch!« beschwor er sie. »Ich hab den
-Erdspiegel, der ist im Zeichen des Skorpions gegossen
-worden.«</p>
-
-<p>»Den Spiegel zerschlagen wir dir. Abrechnen
-müssen wir!« scholl es wirr durcheinander. »Wem
-von uns hast du noch nix angetan, du Schnittlauch
-auf allen Suppen?«</p>
-
-<p>»Liebe Landsleut, hört mir zu! Habt ihr schon
-einen Galgen gesehen? In der Kriminalstube ist
-einer aufgemalt, zwanzig Schuh hoch, eine Leiter
-dran, ganz blutig. Liebe Landsleut, habt ihr schon
-einen nacketen Sabel gesehen? Der Scherg hat
-einen umgebunden, der Herr Anton Zinkinker, ihr<span class="pagenum"><a id="Page_240">[240]</a></span>
-kennt ihn alle. Wie wird euch ums Herz sein,
-wenn er euch ins Haus kommt mit dem Spieß
-am Gewehr, mit dem Federbusch am Hut, wenn
-er euch die Hand auflegt und schreit« &ndash; der Dullhäubel
-brüllte &ndash; »wenn er schreit: Im Namen des
-Gesetzes!!?«</p>
-
-<p>»Wir fürchten uns nit. Es weiß keiner, wer
-wir sind,« scholl es. »Du tanzt uns nimmer lang
-am Buckel. Wir legen dich kalt.«</p>
-
-<p>Einer schrie: »Teufel, halt den Sack auf, diesmal
-ist der Kasper zeitig.«</p>
-
-<p>»Du bist der abgedankte Meßner.« Der Dullhäubel
-deutete hinab. »Deine Stimme kenn ich.
-Und deine schelchen Achseln.«</p>
-
-<p>»Du irrst dich,« antwortete der drunten, »ich
-bin heut gar nit da.«</p>
-
-<p>Drunten wurden sie still, sie reckten die Köpfe
-zusammen und hielten Rat. Es war die unheimliche
-Ruhe vor dem Donnerschlag. Dem Dullhäubel
-rann der kalte Schweiß. Er wußte, jetzt
-müsse er den Fuxlohern anders kommen, ehe es
-zu spät war.</p>
-
-<p>»Der Kalender ist mir gebrochen,« kicherte er
-hinunter. »Ich weiß nit, ist heut aller Narren
-Kirchfahrt oder der blinde Irtag. Geht heim und<span class="pagenum"><a id="Page_241">[241]</a></span>
-legt euch ein ehrliches Gewand an, ihr verzweifelten
-Buben!«</p>
-
-<p>Da rüttelten sie schon am Tor, daß das Haus
-bebte.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel reckte eine brennende Kerze zum
-Guckloch hinaus. Verdutzt hielten die drunten ein.</p>
-
-<p>»Sippschaft,« schrie er mit seiner grellen Stimme,
-»das ist eine Kaiserkerze!«</p>
-
-<p>»Blas sie aus! Sie geht uns nix an,« erwiderte
-ein Männlein, das die Nase in einem Wetzsteinkumpf
-stecken hatte, so daß sie gespenstisch lang
-erschien.</p>
-
-<p>»Mein Ähnel hat sie am Schlachtfeld gekriegt,
-die Kerze,« sagte der Bauer, »der Kaiser selber
-hat sie geweiht.«</p>
-
-<p>Der Mann mit dem Kumpf aber rief hitzig:
-»Der Kaiser soll uns&nbsp;&ndash;&nbsp;&ndash;&nbsp;&ndash;!« Kurzum, er tat,
-mit Ehren zu melden, eine landläufige Rede, die
-sonst gar niemanden Wunder genommen hätte und
-die ihm auch von keinem verübelt worden wäre.
-Aber der Dullhäubel fischte sie auf.</p>
-
-<p>»Leut,« schrie er, »jetzt hat einer von euch den
-Kaiser beleidigt. Drauf steht die härteste Straf,
-der Tod durch Pulver und Blei. Der mit dem
-langen Schnabel dort und mit dem dicken Bart,<span class="pagenum"><a id="Page_242">[242]</a></span>
-der Longinus Spucht ist es gewesen, der dem Kaiser
-die Arbeit geschafft hat. Und du, Glöckelbauer,
-Burgermeister von Fuxloh, hast dazu mit dem Kopf
-beifällig genickt, hast ihm Recht gegeben. Wenn
-der Kaiser das erfahrt?! Und ihr andern, ihr steht
-da und habt es gehört und schlagt den nit gleich
-auf dem Fleck nieder, der das kaiserliche Erzhaus
-derartig beleidigt?«</p>
-
-<p>Die Fuxloher wichen vor dem Spucht zurück
-wie vor einem Gezeichneten. Ihnen hingen zerknirscht
-die Köpfe, die wilden Vorsätze waren aus
-dem Geleis gesprungen. Ratlos schielten sie nach
-dem Burgermeister.</p>
-
-<p>Der Schelm droben schmiedete sein Eisen. »Spucht,
-du weißt, was dir bevorsteht: Pulver und Blei!
-Du tust mir leid.«</p>
-
-<p>»Du wirst doch den Spucht nit dem Schergen
-angeben?!« sagte der Glöckelbauer kleinlaut. »Das
-Angeben ist eine Schand, der Angeber steht gleich
-hinter dem Totschläger.«</p>
-
-<p>Eine kleine Gestalt mit langer Nase löste sich
-von dem Schwarm und rannte in den Wald hinein.</p>
-
-<p>Der Burgermeister meinte, er habe mit der
-Sache nichts mehr zu schaffen, und verschwand.
-Einer nach dem andern verzog sich, und bald war<span class="pagenum"><a id="Page_243">[243]</a></span>
-der Anger vor dem Hof leer, und die Dullhäubelleute
-räumten die Verschanzung weg.</p>
-
-<p>»Die Bockmelker, die Nebelschieber, die Heiligenfresser!
-Mit der Feuerspritze gehen sie gegen den
-Mond los,« lachte der Schelm aus dem Guckloch.
-»Meiner Seel, wenn ein Narr vom Himmel fallt,
-soll er auf Fuxloh fallen, bei uns findet er die
-richtige Gemeinde.«</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Der Longinus Spucht rannte so scharf und
-rastlos durch den Vogeltänd, daß ihm das Herz
-unbändig schlug und er fürchtete, es springe ihm aus
-dem Maul heraus.</p>
-
-<p>Seither wurde er nimmer gesehen. Sein Weib
-suchte ihn eine Woche lang umsonst.</p>
-
-<p>In wenigen Tagen umspannen wilde Gerüchte
-den verschwundenen Mann. Sein schwarzer, zottiger
-Bart, die unruhigen, stechenden Augen und besonders
-die verwegenen Räuberlieder, die er immer gesungen,
-verschafften ihm, der ansonst ein wohlberüchtigter
-Mann gewesen, bald den Ruf eines Weglauerers
-und Räuberhauptmanns.</p>
-
-<p>Uralte Waldgeschichten vom Räuber Schierling
-tauchten wieder auf, der den Leuten den<span class="pagenum"><a id="Page_244">[244]</a></span>
-Geldbeutel abgeschreckt und sie auf die Bäume
-hinaufgejagt und schließlich heruntergeschossen hatte
-wie Kranwitvögel, und vom bayrischen Hiesel, der
-von den Wanderern die Zunge als Maut genommen
-und hernach sich das Messer gestrichen hatte an
-den Hosen. Gar bald war auch der Spucht der
-Mittelkern solch gefährlicher Sagen, die von einigen
-zufälligen Geschehnissen genährt wurden.</p>
-
-<p>So gingen einmal die Dirnlein des Dullhäubel
-um Beeren und kamen weit in die Wälder hinein.
-Da ward der kleinen Luzel bang vor der lautlosen
-Öde, sie weinte, und um sie zu stillen, erzählte
-ihr die Stasel ein Märlein. Ach, es fiel ihr gerade
-ein gar schauriges ein, daß ihr selbst davor angst
-wurde!</p>
-
-<p>Sie erzählte: »Und die zwei Kinder sind in
-einen Wald kommen, und allweil tiefer und tiefer
-sind sie hinein, und der Wald ist stockfinster worden
-vor lauter wildem Laub und krummen Ästen, und
-noch immer hat der Wald kein End genommen.
-Auf einmal steht vor ihnen &ndash;&nbsp;&ndash;&nbsp;&ndash; das Räuberhaus.«
-Sie flüsterte dieses Wort, ins Herz davor
-erschaudernd.</p>
-
-<p>Im gleichen Augenblick standen die Kinder vor
-einer verwurzelten Höhle, drin schlief der Spucht,<span class="pagenum"><a id="Page_245">[245]</a></span>
-eine Pistole in der Hand. Die Kleinen rannten
-über Rain und Stein davon und sprengten hernach
-schreckliche Geschichten im Dorf aus.</p>
-
-<p>Bald darauf fand der Burgermeister, als er in
-aller Frühe vors Haus trat, einen Zettel auf dem
-Zaun stecken. Es war ein Brandbrief.</p>
-
-<p>Am Dorfanger berieten sich die Fuxloher. Sie
-sahen sich schon als Abbrändler mit einem Bittgesuch
-von Haus zu Haus gehen. Der Brunnkressenhannes,
-der am schönsten lesen konnte, las
-den in bauchiger, derber Schrift geschriebenen Brief
-mit schauriger Stimme vor.</p>
-
-<p>»Ihr Fuxloher Haderlumpen, Am Tag Medardi
-Brennt Dem Igelbauer Sein Stadel. Wer Löschen
-Hilft, Dem Zünd Ich Auch Unter. Willst Du
-Wissen, Wer Ich Bin? Schmecks.«</p>
-
-<p>»Den Brief hinterlegen wir beim Gericht,« entschied
-der Burgermeister.</p>
-
-<p>»Was hilft mir das?« klagte der Igel. »Wenn
-es lichterloh aus dem Dach schlagt, was nutzt das
-Gericht? Der Nachtwächter muß die ganze Nacht
-um meine Scheuer herum gehen.«</p>
-
-<p>»Da müssen ein paar tapfere Leut bei mir
-sein,« wehrte sich der Nachtwächter, »ich setz das
-Leben nit allein aufs Spiel.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_246">[246]</a></span></p>
-
-<p>Der Grazian rief auf einmal: »Der Teufel
-schickt seinen Vorreiter daher, der weiß euch Rat.«</p>
-
-<p>Schon von fern winkte der Dullhäubel. »Leut,
-brennen wird es! Unsere rote Henne hat gekräht.«</p>
-
-<p>»Da habt ihr es,« greinte der Igel.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel zog die Nase hoch. »Brändelt
-es nit schon?«</p>
-
-<p>Alle Augen richteten sich gen den Berghang,
-wo des Igelbauers Wirtschaft war. Aber sie lagerte
-friedlich, und nur ein linder Qualm hing über dem
-Rauchfang.</p>
-
-<p>»Dullhäubel, spaß nit!« mahnte der Glöckelbauer.
-»Der Schrecken ist mir ins Knie gefahren.«</p>
-
-<p>Der Brunnkreßner legte den Brandbrief zusammen.
-»Der Schreiber ist in keine gute Schul
-gangen,« sagte er mißbilligend, »jedes Wort hat
-er mit einem großen Buchstaben angefangen. Das
-ist falsch.«</p>
-
-<p>»Ganz recht ist es,« stritt der Dullhäubel. »In
-einem Brief schreibt man alles groß, daß keine
-Beleidigung geschieht.«&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Die Fuxloher forschten nicht nach, wer den Zettel
-geschrieben. Aber die Brandwächter, die nachts
-um des Igels Scheuer lungerten, hielten die
-Schießprügel fest und warteten, und der Nachtwächter<span class="pagenum"><a id="Page_247">[247]</a></span>
-sagte halblaut: »Der Spucht, der rennt einem
-ohne weiters das Messer hinein. Er hat ein kaltes
-Herz.«&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Der verrufene Mann irrte indes auf Diebssteigen
-in den Wäldern des Lusens, fraß Krauselbeeren
-und hauste in einem umwurzelten, umknorrten Loch,
-eine Eiche hatte dort die Fänge eingeschlagen. Er
-spürte hinter jeder Staude Schergen und kaiserliche
-Reiter und sah den Himmel voller Galgen.</p>
-
-<p>Nur wenn ihn der Hunger gar zu hart peinigte,
-traute er sich an eine Einschicht heran und half den
-Leuten, die den Mann mit dem wilden Bart nicht
-kannten, das Gras mähen und verlangte dafür
-Suppe und Brot. »O weh,« seufzte er oft, »wenn
-die einöden Leut hören, daß ich den Kaiser geschändet
-hab, sie werden mir nix mehr geben, und
-ich kann Holzobst fressen wie die wilden Säu!«</p>
-
-<p>Er führte eine ungeladene, zerbrochene Pistole
-bei sich und wäre arg verlegen gewesen, wenn er
-damit ein wildes Tier hätte abwehren müssen.</p>
-
-<p>Er ward schwermütig. Er dachte, jetzt käme er
-nimmer heim zu seinem Weib und nach Fuxloh.
-Und Eisen und Zuchthaus warteten auf ihn. Pulver
-und Blei!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_248">[248]</a></span></p>
-
-<p>Am schlimmsten war ihm in der Nacht, wenn die
-Eulen wimmerten, finstere Bäche unheimlich für sich
-hin redeten, schwarze Bügel flogen und Gespenster
-schwärmten. Da nahm der Spucht oft vor der
-eigenen Angst Reißaus und geriet in fremde, abseitige
-Schluchten und fremdes Gestrüpp und Gesträuß
-und fand lange nicht zurück in die bekannte
-Gegend.</p>
-
-<p>Einmal ging er nachts auf einem fremden Holzsteig,
-der war so unheimlich, als ob der Teufel dort
-herumstinke. Der feurige Mond leuchtete, hinter
-finstern Stauden brummte ein Hirsch, verzagte
-Wacholderstöcke standen karg und schaudernd im
-Wind. Und wie der Spucht so einschichtig durch
-die Wildnis strich, sah er auf einmal am Weg einen
-Mann, der schien zu lauern.</p>
-
-<p>»Halt, Longinus, das gilt dir!« dachte der Spucht.
-Die Ohren sausten ihm.</p>
-
-<p>Der Mond verkappte sich hinter einer dicken
-Wolke. Die Moosgeiß rief gespenstisch wie eine
-verirrte Kuh, und entsetzt rannte ein Bach aus dem
-finstern Wald. Fern leuchtete eine Einschicht auf.</p>
-
-<p>Der Spucht nahm sein Herz in die Hand, ging
-auf den scheulichen Kerl los, nahm den Hut ab und
-sagte gar erbärmlich: »Ich bitt um Verzeihung,<span class="pagenum"><a id="Page_249">[249]</a></span>
-Herr, ich hab mich verirrt. Wie heißt denn der
-Wald da?«</p>
-
-<p>»Totenkopf.«</p>
-
-<p>»Und der Bach da?«</p>
-
-<p>»Mörderbach.«</p>
-
-<p>Nach der Einschicht fragte er nimmer, denn der
-Bösewicht hätte gewiß geschrieen, sie heiße »Stichzu!«
-und wäre mit einem langen Messer hergesprungen.</p>
-
-<p>Der Spucht kehrte sich um und stotterte ein
-Schutzgebet: »Gott, steure mich ins Himmelreich!«
-Die Zähne schepperten ihm, er meinte, jetzt pfeife
-ihm eine Kugel in den Rücken. Er rannte, bis er
-mit dem Bart in einer Dornstaude hängen blieb.</p>
-
-<p>Die Einöd ist des Menschen Feind. In der
-Einöd ist alles zu fürchten.</p>
-
-<p>Dort steht ein Wald, brandig und dürr bis in
-den letzten Wipfel hinauf, geisterhaft rieseln die roten
-Nadeln nieder. Das Gespenst eines Holzknechtes,
-den ein stürzender Baum erschlagen, erwürgt diesen
-Wald.</p>
-
-<p>Dort ist ein Gehölz, und geht man nächtens dort,
-da fragt vom Wipfel ein Unbekannter herunter:
-»Wohin?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_250">[250]</a></span></p>
-
-<p>Dort in der Schlucht ist ein Jäger für immer
-verschollen. Oft schreit sein Geist drin auf.</p>
-
-<p>Der Spucht starb jede Nacht vor Furcht. Und
-mancher Baum reckte ihm die festen Äste hin und
-knarrte: »Häng dich auf, Spucht!«</p>
-
-<p>Von Heimweh getrieben, schlotterte er schließlich
-gen Fuxloh.</p>
-
-<p>Die Bäume verdüsterten sich schon, als er durch
-den Vogeltänd huschte. Es wurde wieder unheimlich.
-Eine Unke läutete im Moor, sie rief wie eine
-verlassene Wittib. Ein Dämmervogel strich. »Es
-ist eine Schneiderseel,« flüsterte der Spucht und
-bekreuzte sich.</p>
-
-<p>Mitten im zerfahrenen Hohlweg lauerte ein Mann
-genau so wie der im Totenkopfwald am Mörderbach
-bei der Einschicht Stichzu. Oder war es gar
-ein Spießwächter? Wird er nicht jetzt wie ein
-brennender Löwe herspringen, den Scheuchhund
-neben sich?</p>
-
-<p>Alles war karthäuserisch still. Der Wind rührte
-nur einen einzigen Ast, und der knarrte. Ein Klagweiblein
-schwang sich in die Luft, flatterte und schrie.</p>
-
-<p>Der Spucht faßte Mut und schrie: »Ich schieß
-dich nieder, Hund, daß du meckerst! Ich laß dir das
-Messer hinein, daß es dir hinten wieder hinaus steht!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_251">[251]</a></span></p>
-
-<p>Der im Hohlweg aber lachte grausig.</p>
-
-<p>Da schrie der Spucht: »Bist du geheuer oder nit?«</p>
-
-<p>Der Dullhäubel stand wie der Teufel da. »Wo
-nebelst du herum, Longinus? Zieht dich das Gewissen
-her?«</p>
-
-<p>»Bauer, Gnad und Erbarmen! Verrat mich nit!«
-flehte der Spucht.</p>
-
-<p>»Die Soldaten suchen dich, Longinus, zwölfhundert
-Mann mit einer Kanon, der Feldmarschall
-Laudon führt sie an. Der Kaiser darf sich den
-Schimpf nit gefallen lassen.«</p>
-
-<p>»Ich renn über die bayrische Grenz,« stöhnte
-der Spucht.</p>
-
-<p>»Dann wird ein Kriegsfall draus; der Laudon
-verlangt, daß du ausgeliefert wirst.«</p>
-
-<p>»Mein Gott, soll unschuldiges Blut auch noch
-rinnen! Und ich hab es ja nit bös gemeint. Was
-soll ich tun? Bauer, sag mir einen Ausweg!«</p>
-
-<p>»Stell dich reumütig dem Richter!«</p>
-
-<p>Und der Dullhäubel stolperte davon und jodelte:</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">»Ich bin mit dem Kaiser<br /></span>
-<span class="i0">von Östreich in Stritt,<br /></span>
-<span class="i0">der Scherg will mich fangen,<br /></span>
-<span class="i0">er hat mich noch nit.«&nbsp;&ndash;<br /></span>
-</div></div>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_252">[252]</a></span></p>
-
-<p>Frühtags stand der Spucht wie ein Schlottergeist
-in der Amtsstube des Landschergen Anton
-Zinkinker in Blaustauden.</p>
-
-<p>Der Scherge legte sich gerade in der Kammer
-daneben das kaiserlich-königliche Gewand an. Inzwischen
-schaute sich der Spucht in der Stube um.</p>
-
-<p>Verweisend blickte das Bild des Kaisers von
-der Mauer herab, und darunter drohten ein Schleppsäbel
-und eine Doppelflinte. Über dem Schreibtisch
-in geschnitztem Rahmen hing ein Schriftstück,
-darauf waren Gewehre und Säbel, gekreuzte
-Pistolen und kriegerisch gefiederte Hüte aufgemalt,
-und es flog den Spucht geradezu ein Frost an,
-als er die blutgierigen Dinge so hart bei einander
-sah. Und über all dem wilden Werkzeug stand geschrieben:</p>
-
-<div class="letter">
-<p class="center">
-Belobungszeugniß
-</p>
-
-<p>Uiber Antrag der k. k. Bezirkshauptmannschaft
-Hirschenbrunn wird dem Landschergen Anton Zinkinker
-für die mit unermüdlichem Eifer und besonderer
-Ausdauer bewirkte Zustandebringung des flüchtigen
-Dieben Franz Netachlo hiermit die belobende Anerkennung
-ausgesprochen.</p></div>
-
-<p>Die Unterschrift war nicht zu lesen, aber so
-dick und so groß durfte sich gewiß nur der Kaiser<span class="pagenum"><a id="Page_253">[253]</a></span>
-unterschreiben. Der Spucht knickte zusammen, und
-seine Schuld erschien ihm bodenlos.</p>
-
-<p>Der Landscherge trat herein. Er hatte denselben
-Bart wie der Kaiser am Bild. Den Säbel
-riß er von der Wand, gürtete ihn um und fuhr
-den Spucht grob und kurz an: »Was wollen Sie?«</p>
-
-<p>»Die Waffen liefer ich aus,« stotterte der und
-legte seine Pistole auf den Tisch. »Und ich bitt,
-führen Sie mich vors Kriegsgericht. Sonst erdruckt
-mich das Gewissen.«</p>
-
-<p>Der Anton Zinkinker rollte ihn an: »Was haben
-Sie verbrochen?«</p>
-
-<p>»Ich bin der Longinus Spucht aus Fuxloh.
-Ist denn in der Zeitung nix von mir gestanden?
-Wegen der kaiserlichen Beleidigung?«</p>
-
-<p>»Ich weiß nix«, brummte der Scherge. »Wenn
-Sie aber durchaus im Zuchthaus Spinnen und
-Fliegen fangen wollen, so kommen Sie mit.
-Ich hab sowieso in der Stadt zu tun. Reden
-Sie dort mit dem Richter!«</p>
-
-<p>Er schulterte das Gewehr, auf seinem Hut nickte
-der kriegerische Hahnenschwanz, und er ging stolz
-und steif, die Brust heraus, und schaute nicht
-rechts und nicht links. Neben ihm trippelte der<span class="pagenum"><a id="Page_254">[254]</a></span>
-Armesünder mit geknickten Knieen, als führe sein
-Weg schnurstracks zum Galgen.</p>
-
-<p>Die Leute, die ihnen begegneten, freuten sich.
-Sie sagten: »Es ist gut, daß sie den Raubmörder
-einführen. An dem Bart sieht man es ihm an,
-was er Blutiges imstand ist.« Oder: »Dem
-Spucht hab ich es oft gesagt, daß wir uns im
-Zuchthaus sehen werden. Ein verwogener Raufer
-ist er gewesen, überall dabei.«</p>
-
-<p>Er nahm alles zerknirscht hin.</p>
-
-<p>In Hirschenbrunn rannten ihm die Kinder nach
-und deuteten auf seinen wildmächtigen Bart.</p>
-
-<p>Als er ins Gerichtshaus trat, war ihm, er
-müsse tot umfallen. Er sah sich noch einmal um
-und wisperte: »Blaue Luft und grünes Gras,
-behüt euch Gott! Berg und Wald und Hirsch
-und Reh und Weib und Kind, ich seh euch nimmer.
-Mein Lohn ist Pulver und Blei.«</p>
-
-<p>In einer Kanzlei empfing ihn ein alter Herr,
-sein Bart war weiß wie Rauhfrost, doch die
-Augen funkelten ihm scharf und jung.</p>
-
-<p>Er ließ ihn hart an: »Sie sind also der berüchtigte
-Räuberhauptmann Spucht?«</p>
-
-<p>»Taglöhner und Holzhacker bin ich, sonst nix,
-Euer Gnaden,« stammelte der Spucht.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_255">[255]</a></span></p>
-
-<p>»Wieviel Menschen haben Sie ermordet?«</p>
-
-<p>»Keinen, um Gotteschristi willen, keinen!« schwur
-er entsetzt.</p>
-
-<p>»Warum haben Sie den türkischen Kaiser beleidigt,
-Sie Grobian? Hat er Ihnen etwas getan?«</p>
-
-<p>»Ei, gibt es einen zweiten Kaiser auch noch?«
-Der Spucht ließ das Maul offen vor Verwunderung.</p>
-
-<p>»Weh Ihnen, wenn ich noch einmal etwas
-Ähnliches von Ihnen erfahre! Dann kenn ich
-keine Gnade mehr,« drohte der Richter. »Und
-nun kehren Sie in den Schoß der Gemeinde
-Fuxloh zurück! Vorerst aber lassen Sie sich vom
-Balbierer nebenan auf meine Kosten den Bart
-stutzen. Verstanden? Hinaus!!«</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<div class="chapter">
-<p>Die Fuxloher wollten wallfahrten gehen.</p>
-</div>
-
-<p>Sühnen wollten sie, daß einer von ihnen sich
-an dem Heiligen vergriffen; sie wollten verhindern,
-daß ob dieses Frevels der Himmel mit schwarzen
-Wettern auf Saat und Frucht niederschlage, die
-der verschollene Blaumantel nimmer schützte. Und
-weil die Not kein Gesetz kennt, wollten sie an
-überheiligem Ort bitten, daß der Erzschelm Kasper<span class="pagenum"><a id="Page_256">[256]</a></span>
-Dullhäubel bald von der Erde weggeräumt und
-der Hölle überliefert werde, die er sich reichlich
-verdient hatte.</p>
-
-<p>Der Meßner Grazian wurde frühzeitlich von
-dem Uhrgewicht geweckt, das von der Höhe herab
-mählich auf seine Stirn gesunken war. Er lugte
-zum Fenster hinaus, wie der Wind gehe und ob
-kein gefährliches Gewölk hänge zwischen den Bergen
-Rachel und Lusen. Doch stand der Himmel hell
-gespannt über dem Land, und das Wetterglas
-stieg. Da stiefelte er sich festlich, knüpfte sich ein
-rotes Halstuch unter dem Adamsapfel, band grobes
-Geld ins Schneuztuch und weckte den Brunnkressenhannes.</p>
-
-<p>Der Hannes blies gewaltig ins Kuhhorn, und
-droben im Dachreiter des Glöckelbauern rührte
-sich das Geläut. Jedes Gehöft sandte seine Leute
-zur Wallfahrt aus; Alte und Kinder, die ansehnlichsten
-und die mindesten Fuxloher kamen daher,
-denn es gab schier keinen im Ort, dem der Dullhäubel
-nicht einmal eine Schalkheit angetan hätte.</p>
-
-<p>Bald waren sie wegfertig.</p>
-
-<p>Vier schwangere Bäurinnen holten aus der
-Kammer des Grazian eine geschnitzte heilige Walburga.
-Der Igelbauer trug auf einer Stange den<span class="pagenum"><a id="Page_257">[257]</a></span>
-heiligen Kölbel, der die Wallfahrer schützt auf
-ihrer staubigen Reise; der Brunnkressenhannes
-schwenkte die Männerfahne, der Spucht lenkte die
-Weiberfahne, und der Hahnenwirt ging mit dem
-gekreuzigten Herrgott.</p>
-
-<p>Die Dirnen hatten die Zöpfe mit Myrten und
-holden Zaunblumen geziert, und auch die uralte
-Ulla ging mit, das silberne Haar hatte sie gelöst
-und sie durfte es so tragen, weil sie eine Jungfrau
-war.</p>
-
-<p>Sie trugen Zehrung in Zwilchsäcken mit und
-in Bündeln, mancher hatte sich weislich mit einem
-Regenschirm versehen.</p>
-
-<p>Als die Kreuzschar singend auszog, lag der
-Dullhäubel auf einem Bühel. »Ich kann nit mitgehen,«
-schrie er ihnen nach, »auf der Ferse wachst
-mir ein Hühneraug, so groß wie eine wallische
-Nuß.«</p>
-
-<p>Der Grazian schüttelte den Schirm. »Spott
-zu! Du hast bald ausgespottet!«</p>
-
-<p>»Wie meinst du das, du Vaterunsermühl?
-Willst du vielleicht gar bitten, daß ich bald hin
-werd, du Weihbrunnkrug? Haltest du unsern Herrgott
-für einen Schuft, der sich kaufen laßt, du<span class="pagenum"><a id="Page_258">[258]</a></span>
-augendreherischer Meßner? Geh zu und verricht
-dein kniebeuglerisches Geschäft!«</p>
-
-<p>»Rennen wir, sonst wirft er uns ein paar unschöne
-Wörter nach!« drängte der Hannes.</p>
-
-<p>Der Schelm am Bühel näselte, den Grazian nachahmend,
-der eilenden Kreuzschar seinen Spott nach.</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">»Die schönste Zeit ist eingetroffen,<br /></span>
-<span class="i0">die Einkehrhäuser stehen offen,<br /></span>
-<span class="i0">singt, Wallfahrer, sauft nur zu,<br /></span>
-<span class="i0">schnürt euch die Schuh mit dem Strohhalm zu!«<br /></span>
-</div></div>
-
-<p>Der Schmied Sulpiz Schlagendrauf wollte
-gegen den Sänger losgehen, doch der Grazian
-hielt ihn beim Rock. »Herr, vergib ihm!« seufzte
-er mit dem Blick nach oben.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel lachte und schalt: »Ihr Nothälse,
-ihr habt alle nix, müßt euch die Schuh
-mit Rotz schmieren! Ihr Zipfelhaubenbauern, ihr
-Waldesel, stehlt euch nur wieder einen buchsbaumenen
-Heiligen!«</p>
-
-<p>Knirschend zog die Kreuzschar davon.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Der schwänkische Mann schlenderte vergnügt
-heim, weil er den Wallfahrern den rechten Segen
-mit auf den Weg gegeben hatte.</p>
-
-<p>Aber als er zur Kapelle kam, war ihm, der
-helle Donnerstrahl schlage vor ihm nieder: der<span class="pagenum"><a id="Page_259">[259]</a></span>
-Blaumantel stand wieder drin, mit hellen Farben
-neu bemalt, den Kinnbart reichlich vermehrt und
-verlängert, den Blick weit greller und stechender
-als früher.</p>
-
-<p>»Der Teufel blendet mich!« krächzte der Dullhäubel.</p>
-
-<p>Doch der Teufel äffte ihn nicht, sondern munkelte
-ihm ins Ohr. Da schaute der Schelm sich pfiffig
-um, und als er nichts Lebendiges merkte als einen
-Vogel, der auf einem Tannenspitz rastete, und
-nichts hörte, als ein paar Dompfaffen und Teufelsmeßner
-im Wald, nahm er den Heiligen beim
-Genick und schleifte ihn auf heimlichem Steig zu
-dem alten Backofen, dort schob er ihn hinein und
-zündete ihm höllisch unter, und der Blaumantel
-fing an zu prasseln und zu knallen und sang wie
-die drei Jünglinge im Feuerofen.</p>
-
-<p>Mit leichtem Gewissen ging der Dullhäubel
-zum »pfalzenden Hahn«.</p>
-
-<p>Wirt und Wirtin waren auf der Wallfahrt.
-Das Dorf war wie ausgestorben, nur das Vieh
-hörte man glöckeln auf den Hutweiden.</p>
-
-<p>Da stieg der Dullhäubel durchs Fenster in die
-Stube, legte ein paar Guldenzettel auf den Tisch
-und stach sich ein Faß an. »Jetzt, Seel, spring<span class="pagenum"><a id="Page_260">[260]</a></span>
-aufs Geripp, sonst ersaufst du!« lachte er und
-zechte gewaltig und ebenbürtig den Vorfahrern,
-die im Jahr nur zwölfmal aus dem Wirtshaus
-heimgekommen waren.</p>
-
-<p>Erst als das Abendglöckel läutete und der Fuchs
-im Steinriegel den Hühnersegen betete, taumelte
-er heim vom Leichentrunk des Blaumantels und
-stieg, der Ogath nicht in die Hände zu fallen,
-ganz sacht auf den Heuboden und wühlte sich dort
-ein.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Der Spucht schwenkte die schleißige Fahne, darauf
-die Notburg gemalt war, wie sie die Sichel
-an den Lichtstrahl hängte.</p>
-
-<p>»Ewig leid ist mir um den Blaumantel,« seufzte
-der Grazian, »der ist auch ein starker Himmelsfreund
-gewesen, hat einen Nagel in den Nebel
-geschlagen und die Stiefel dran gehängt.«</p>
-
-<p>Er lugte durch die messingenen Brillen, die er
-aufgesetzt hatte, die Wallfahrt zu verschönern, ins
-Gebetbuch; die Wangen glühten ihm, weil er sich
-heute wichtiger wußte als die andern Fuxloher,
-den Burgermeister mit einbegriffen, eine Litanei
-nach der andern näselte er der Kreuzschar vor und
-hörte nimmer auf. Er hatte sich gelobt, den Dullhäubel
-tot zu wallfahren.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_261">[261]</a></span></p>
-
-<p>Bergan ging es, alle stapften stumm, der Berg
-nahm ihnen den Atem. Nur als sie zu einem
-hochgelegenen, wenig ergiebigen Acker kamen, der
-zum »pfalzenden Hahn« gehörte, da hielt der Wirt
-das Kreuz, das er trug, darüber, schüttelte es
-zornig und schrie: »Da schau dir ihn an, Herrgott!
-Ist das ein Hafer?«</p>
-
-<p>Oben auf der Schneide, wo man den letzten
-Blick über Fuxloh genießt, ehe es hinter Berg
-und Baum versinkt, da kehrten die vier Weiber
-mit der Walburga um, und der Grazian rief
-seiner Schar zu: »Da schaut hin, da seht ihr
-noch einmal euer liebes Vaterland!«</p>
-
-<p>Sie wallfahrteten von Staude zu Staude, talnieder
-und bergauf durch den blauen Sommer,
-wateten durch die seichten, felsklaren Bäche, die
-krumm und weitläufig daher rannen, schritten über
-wackelnde Stege und feste Brücken; übermütig
-flatterten die Fahnen. Helle und dumpfe, reine
-und krähende Stimmen sangen dem Vorsänger
-die Weise nach und beteten aus morschen Büchern,
-daß die Wälder erschollen, die Scheuern widerhallten
-und die Dörfer, die sie durchwallten.</p>
-
-<p>Die Ulla, die ihr Lebtag noch nicht viel weiter
-als über die Dachtropfen ihrer Hütte hinausgekommen<span class="pagenum"><a id="Page_262">[262]</a></span>
-war, wunderte sich ein über das andere
-Mal: »Leut und Kinder, ist die Welt aber groß!
-Jetzt steht dort droben auch noch ein Haus!«</p>
-
-<p>Barfuß ging sie dahin, die Schuhe am Stecken
-über die Achsel gehängt.</p>
-
-<p>Und der alte Didelmann hüpfte hin und wieder
-behend in eine Einschicht, um sich den Ziegel
-wärmen zu lassen, den er am Bauch trug.</p>
-
-<p>Wie an einem weißen Band waren die Dörfer
-an der Straße aufgereiht, und wo die Kreuzschar
-zog, schwangen sich die Glocken in den kropfigen
-Türmen und schlanken Dachreitern, lenkten und
-schwenkten und senkten der Brunnkreßner und der
-Spucht die Fahnen, trug der Hahnenwirt den
-Herrgott und der Igel seinen Stangenkölbel um
-die Kirchen und traten singend hinein, dem heiligen
-Wolfgangi und dem Isidori und dem Prokopi
-einen kurzen Gruß zu bieten, und hernach wanderten
-sie den Weg weiter, der hübsch krumm talein,
-talaus sich schlängelte gen Maria-Dorn.</p>
-
-<p>Stauden grünten am Steig, es hingen rote
-Blumen drin, der Tau flocht Rosenkränze, ein
-zarter Wind rührte scheu an Korn und Wald,
-Vögel schwätzten und wirbelten, der Specht, der
-Holzknecht, hackte lustig den Tann an, und über<span class="pagenum"><a id="Page_263">[263]</a></span>
-dem allen gewölbt hing der muttergottesblaue
-Himmel.</p>
-
-<p>Bäche schossen daher aus Klüften und Gründen,
-verborgene Mühlen murmelten in den Schluchten,
-und vom Turm des heiligen Bartholomä, der
-das dreieckige Fenster hatte, das die Kinder das
-Auge Gottes hießen, von dem Turm rief neckisch
-die Glocke immer wieder: »Klingeleisen, Bügeleisen!«</p>
-
-<p>An einer zerfallenen Burg wallten sie vorbei,
-drin nach der Sage ein verwunschener Schnapphahn
-geisterte. Die Buben riefen in den Keller
-hinein: »Zinnspanner, komm heraus!« und huschten
-wie gescheuchte Hirschlein davon.</p>
-
-<p>Mit leisem Schauder schritt die Schar an dem
-Pesthügel vorbei. Und manch sonderbarer Heiliger
-wartete am Weg und wollte lobsungen sein und
-ein blaues oder buntes Kränzel empfangen. Die
-Muttergottesfahrer kannten meist den Namen und
-die Geschichte dieser Heiligen nicht, sie deuteten
-und benannten sie aus ihrer Einfallt heraus, wie
-sie es verstanden oder einmal hatten erzählen hören.</p>
-
-<p>Im Schatten seiner rostigen Strahlenscheibe
-stand auf einem Bein ein solch namenloser Himmelsmann;
-das andere Bein, das er an sich gezogen<span class="pagenum"><a id="Page_264">[264]</a></span>
-hielt, mochte ihn schon schmerzen. Doch schnitt er
-trotz seiner Marter ein vergnügliches Gesicht.
-Dreißig Jahre soll er nicht gesessen noch gelegen
-sein und habe mit dieser Peinigung das Himmelreich
-an sich gerissen.</p>
-
-<p>»Nehmt euch ein Beispiel an ihm, Fuxloher!«
-sagte der Grazian und versuchte ein wenig auf
-einem seiner spandünnen Beine zu stehen. Und
-alle drängten zu dem steinernen Weihbrunn hin
-und besprengten sich eifrig.</p>
-
-<p>Vor dem Wermutdörflein &ndash; so hießen sie den
-Ort, weil im Wiesental rings soviel Wermut blühte
-&ndash; vor dem Dörflein stand das Hasenmarterl.
-Darauf freuten sich die Kinder schon den ganzen
-Weg, und die Mütter trösteten die müden Kleinen
-damit.</p>
-
-<p>Der Grazian erzählte, ein Bauer habe einmal
-Sonntags so hitzig einen Hasen gejagt, daß er die
-Messe versäumte, und drum habe er zur Sühne
-die winzige Kapelle gestiftet.</p>
-
-<p>Drin saß nun das heilige Kind mitten unter
-tanzenden Hasen, und die Kreuzschar lachte hinein
-und ergötzte sich an dem drolligen Tanz, und die
-Kinder wollten schier nimmer weiter und wollten
-immer wieder die Hasen sehen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_265">[265]</a></span></p>
-
-<p>Doch der Meßner drängte, und sie folgten ihm.
-Er betete ein Gebet nach dem andern und rief
-immer aus, wem es gelte. »Wollen wir ein Vaterunser
-beten für unsere schwertragenden Weiber!«
-forderte er, und sie beteten mit klaren und hohlen
-Stimmen. Und weiter rief er: »Ein Vaterunser
-für solche, die auf hohen Wassern fahren! Und
-noch eins, daß Kraut und Hafer gedeihen in der
-Gemeinde Fuxloh!«</p>
-
-<p>Hernach zog er einen pfiffigen Mund und sprach:
-»Jetzt wollen wir ein Vaterunser aufopfern für
-alle, die gern mitgegangen wären! &ndash; Und eins für
-die, die nit haben mitgehen können! &ndash; Und eins
-für die, die nit haben mitgehen wollen!«</p>
-
-<p>Er goß einen Schluck kornenen Branntwein in
-sich, und da eben ein urwinziges, weißes Wölklein
-aufstieg, rief er: »Jetzt wollen wir beten, daß wir
-in einem trockenen Regen gehen!«</p>
-
-<p>Doch oft hob er stark und geheimnisvoll die
-Stimme: »Aber jetzt beten wir recht inbrünstig und
-herzhaft für den guten Ausgang einer gewissen Sache!«
-Da sah er schon vor dem gesammelten Stoß der
-Gebete den verruchten Dullhäubel hintaumeln auf
-den Totenschragen und überliefert den gespreizten
-Krallen der Hölle.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_266">[266]</a></span></p>
-
-<p>Da setzte die Gemeinde gewaltig ein, und es
-klang wie eine sonderbar wirre Orgel. Doch galt
-alle Inbrunst dieses namenlosen Gebetes nicht dem
-Tod des Schelmen, sondern jeglichem glühte ein
-anderes Anliegen im Herzen.</p>
-
-<p>Der Brunnkressenhannes wünschte sich den Wurm
-weg, der ihm im Finger tobte; der Didelmann
-wollte sein inneres Leiden erleichtern, und die Glöckelbäurin
-wollte ihren Zopf aufhängen am Arm der
-Muttergottes, die Haare waren ihr ausgefallen in
-schwerer Krankheit; der Lukas Schellnober trug
-seinen Stockzahn gen Maria-Dorn, und die Mechel
-wollte dort um einen Mann bitten, nur um keinen
-rotköpfigen. Der eine wallfahrtete wegen des
-Mausfraßes, der andere seinem kranken Roß, der
-dritte seiner trächtigen Kuh zulieb. Die Ulla
-schleppte ihr schweres Herz mit, das sie in verfluchtem
-Hexentum verloren wähnte.</p>
-
-<p>Der Lippenlix ging auch mit, weil ihm der
-Dullhäubel den Bart geschändet hatte. Er war
-ein solcher Spielteufel, daß er selbst im Gehen
-mit seinesgleichen Karten spielte, und nicht eher
-ließ er davon ab, bis ihm der Lukas Schellnober
-die Eichelsau aus der Hand schlug.</p>
-
-<p>Weiter ging es.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_267">[267]</a></span></p>
-
-<p>Sankt Peter, der Wettermacher, grüßte aus
-seinem blauesten Fenster. Auf den Blockhalden
-glühten schlanke Weidenröslein, Stauden einsiedelten
-auf traulicher Heide, die Wiesen lagen rot und
-weiß und gelb gesprenkelt, und ihre tausend Tauäuglein
-glühten. Lerchenträchtig war der Himmel.
-Hasen reckten die Löffel aus Klee und Ginster,
-Spechte spähten, die Eichkatze staunte aus dem
-föhrenen Wald, der Grill lauschte im Gras auf,
-wenn die Bittfahrer vorübersangen. Bienen und
-schöne goldige Fliegen sumsten heimlich die Marienweisen
-mit.</p>
-
-<p>Gar als der Kuckuck vom Berg jauchzte, da
-rief die Ulla, der sich die Welt auf einmal gar so
-unheimlich weit auftat, freudvoll aus: »Der Fuxloher
-Guckauf ist mit auf der Wallfahrt, ich kenn ihn
-am Schrei!«</p>
-
-<p>An einem Hang voll gelber Rainblumen hoch
-oben auf einer Säule stand ein Steinmann, mit
-den Füßen mitten drin in einem Strahlenkranz.
-Ihn hießen sie den heiligen Grobian, weil er der
-Straße und ihren Wandersleuten den Rücken kehrte.</p>
-
-<p>»Das ist eine Wundersäule,« sagte der Grazian,
-»sie dreht sich langsam.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_268">[268]</a></span></p>
-
-<p>Der Didelmann, der der älteste Mann von
-Fuxloh war, erzählte: »Vor fünfzig Jahren, ich
-denk es noch, hat der heilige Grobian mit dem
-Gesicht noch auf die Straße geschaut. Ganz langsam
-dreht er sich, alle Jahr gibt es ihm einen
-geringen Ruck. Merkt auf, Kinder, wenn ihr in
-fünfzig Jahren wieder da vorüber geht!«</p>
-
-<p>Die Ulla aber redete: »Ihr sollt ihn nit den
-Grobian schelten! Wer weiß, ob derselbige nit durch
-sein Blut hat ins Himmelreich schwimmen müssen?
-Wer weiß, ob die schlimmen Heiden ihn nit mit
-Blei, Öl und Pech begossen haben?«</p>
-
-<p>Da graute allen, und sie knieten reuig vor dem
-gescholtenen Heiligen hin. Nur der Brunnkressenhannes
-nicht, denn seine Filzhosen waren so dick,
-daß er drin die Kniee nicht biegen konnte.</p>
-
-<p>Der Spucht schneuzte sich gerührt in den Hut.</p>
-
-<p>Durch Drosselwälder und über Kuckucksberge
-wallend, stießen sie auf eine abgebrannte Florianikapelle;
-sie war nimmer aufgebaut worden, weil
-man den heiligen Feuerherrn nicht mehr traute,
-der das eigene Haus nicht beschützt hatte.</p>
-
-<p>Vor mancher Bildsäule warf sich die Kreuzschar
-in die Kniee.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_269">[269]</a></span></p>
-
-<p>Da war der selige Simandel. Der hieß so,
-weil er gar erbärmlich geduckt stand, als fürchte
-er eines scharfen Weibes Angriff. Vielleicht hatte
-er in einem demütigen Ehestand die Marterpalme
-errungen.</p>
-
-<p>Einmal führte der Grazian seine Herde zu einem
-Felsen und zeigte ihnen darauf ein Loch, das hatte
-der Bischof Wolfgang auf der Reise mit seinen
-Füßen hinein getreten.</p>
-
-<p>Er wies ihnen einen hohlen Stein, der war
-der Sessel der glorreichen Frau gewesen auf der
-Flucht, bis sie ein Geißhirt davon vertrieb mit
-rauhem Schelten und Geißelknall.</p>
-
-<p>Er führte sie zu einem wunderbar riechenden
-Dornbusch. Dort hatte einst ein Bittfahrer ein
-geweihtes Gottesbrot erbrochen, und an selbem
-Fleck war hernach die Staude gewachsen. Jetzt
-steckten die Fuxloher andächtig schnüffelnd die
-Nasen darein, stumpfe und spitze, weiße, rote
-und blaue.</p>
-
-<p>Einen Heiligen trafen sie, der rastete mit durchbohrtem
-Leib mitten in hohen Disteln drin, verzückt
-in sein Leid. Ein Stieglitz wiegte sich auf einem
-der vielen Distelköpfe und letzte sich dran.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_270">[270]</a></span></p>
-
-<p>Die Kinder wollten wissen, warum der Marterer
-den Spieß im Bauch habe; niemand konnte es
-ihnen deuten.</p>
-
-<p>Ein Hirt lagerte unter einem nahen Haselnußbaum,
-der rief: »Der Herrgott hat unserm Heiligen
-zwei Zungen gegeben, daß er ihn besser loben kann.«</p>
-
-<p>Den Grazian verdroß die Prahlerei arg, und
-er knurrte: »Unser Blaumantel hat drei Zungen
-gehabt. Ich bin ein steifgläubiger Mann, aber
-gegen unsern Heiligen gilt euer Distelbub einen
-Pfifferling.«</p>
-
-<p>Der Hirt raffte sich neugierig auf. »So seid
-ihr die Fuxloher, die die Heiligen stehlen? Bei euch
-sollen ja mehr Spitzbuben als gestutzte Hund sein.«</p>
-
-<p>Das ergrimmte den Hahnenwirt, und er schlug
-mit dem gekreuzigten Herrgott auf den Spötter
-los, der aber wehrte sich verbissen mit seinem
-krummen Stecken. Der Lukas Schellnober tat
-schließlich die zwei auseinander.</p>
-
-<p>»Dazuland sind die Hirten grob, das ist wahr,«
-schimpfte der Grazian, als sie schon weit von dem
-Distelgarten waren. »Kein Wunder, wenn die
-Muttergottes davon rennt! Setzt dem Teufel eine
-Säul her!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_271">[271]</a></span></p>
-
-<p>Mit hellen Augen sah die Ulla all die fremden
-Kapellen und Bilder der Heiligen, die auch nach
-dem Tod nicht ermüdeten, Wunder zu wirken, und
-sie konnte sich vor lauter Ehrfurcht nicht genug tun,
-und als vor einem jähen Straßenabsturz eine
-Säule stand, die Fuhrleute zu erinnern, daß sie
-hier den eisernen Schuh unter das Rad zwängen
-sollten, da ließ sich das Weiblein es nicht nehmen,
-sie kniete hin und betete gläubig hinauf zur
-Gibachtsäule.</p>
-
-<p>»Heiliger Radschuh, das sollt der Dullhäubel
-sehen!« lachte der rauhe Schmied.</p>
-
-<p>Unter einer breiten Linde, in deren Laub es
-sommerlich summte, rastete die Schar.</p>
-
-<p>Der Longinus Spucht lehnte das Notburgisfähnlein
-an den Baum und setzte sich auf eine
-Wurzel. Er hatte himmelblaue Hosen an und
-rote Strümpfe, er starrte auf die brennenden
-Waden und dachte zurück an die wilden Nächte
-am Lusen, während sein Weib am nahen Feld
-viereckigen Klee suchte, daß sie Glück habe.</p>
-
-<p>Die Kirchfahrer holten ihr Brot hervor, schmierten
-Schmalz darauf oder häuteten eine Wurst. Die
-Mütter zöpften die Dirnlein, die sich das Haar
-an den Stauden zerrauft hatten.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_272">[272]</a></span></p>
-
-<p>Die Ulla fand ein paar Silberdisteln, sie schnitt
-den fleischigen Boden davon ab und aß ihn. »Das
-ist kein schlechtes Obst,« dachte sie.</p>
-
-<p>Sie strich wunderlich erregt in der Nähe der
-Raststatt herum. Sie fing einen bunten Weinfalter,
-der gar nicht scheu war und der Menschen Arglist
-nicht ahnte, und tat ihn in ein Schächtlein; sie
-zupfte Dornblumen ab und zierte sich den verrunzelten
-Kopf. Und als sie eine dichte Staude
-auseinander bog, erschrak sie bis ins innerste Herz:
-da lag verborgen der Marterheiland, kraftlos
-niedergesunken an der Geißelsäule, ein grauer Stein.
-Und halblaut sang die Uralte:</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">»Unser Herrgott liegt im Moos<br /></span>
-<span class="i0">gepeinigt und zerschunden,<br /></span>
-<span class="i0">zählt die fünf bittern Wunden,<br /></span>
-<span class="i0">und sein Schmerz ist groß.<br /></span>
-<span class="i0">Kann nit sitzen, kann nit stehn,<br /></span>
-<span class="i0">kann nit auf und weiter gehn,<br /></span>
-<span class="i0">liegt in Dorn und Schleh,<br /></span>
-<span class="i0">die fünf Wunden tun ihm weh.«<br /></span>
-</div></div>
-
-<p class="noind">Hernach ließ sie die Staude wieder sanft zusammenschlagen
-und schlich weg. Sie verriet keinem den
-heimlichen Herrgott.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_273">[273]</a></span></p>
-
-<p>»Lüpft euch auf!« rief der Grazian. »Wir
-müssen weiter.«</p>
-
-<p>Verschollene, bemooste Gebete klangen wieder,
-oft ein Gemisch von Frömmigkeit und Unsinn, in
-alten halbvergessenen Formeln, den Betern selber
-unverständlich. Doch sie zerbrachen sich darüber
-das Hirn nicht und glaubten, Gott werde es sich
-schon auszudeutschen wissen. Wenn die Wellen
-der Gebete gar zu hoch schwollen, da reckte der
-Grazian den Finger auf: »Gebt nit alle Kraft her!
-Spart sie der Maria auf im Dorn!«</p>
-
-<p>Sie traten aus dem Gebirg heraus in ein
-freundliches Liebfrauenland voll sanfter Hügel,
-deren einige grüne Wälderhauben aufhatten; gelbe
-Felder wogten, Wiesenhalden lachten.</p>
-
-<p>Sie wanderten bald auf breiten, ebenen Straßen,
-bald gingen sie eines hinter dem andern einen
-dünnen Steig durch hohes Korn, sie verschwanden
-drin, und nur die Fahnen ragten drüber hinaus
-und kündeten von ihrer Wanderung.</p>
-
-<p>Ob des endlosen Getreides verzagten die Kinder,
-sie fürchteten, das Kornweib greife aus den Halmen
-und verschleppe sie in die knisternde Wildnis.</p>
-
-<p>Der Mittag flirrte über dem Land, immer glüher
-ward die Sonne, immer müder die Kreuzschar.<span class="pagenum"><a id="Page_274">[274]</a></span>
-Sie spannten die roten und grünen Schirme wider
-das ungestüme Licht. Staub stieg. Die Kinder
-trippelten an den Händen der Mütter, greinten
-und weinten oder begehrten ungeduldig heim.
-Viele ließen sich tragen.</p>
-
-<p>Der Didelmann seufzte: »Der Ziegel ist noch
-hübsch warm, aber die Nägel hab ich mir von
-den Zehen gerannt.«</p>
-
-<p>»Steinmüd bin ich,« klagte der Igel. »Der
-Sommer haut heuer über die Schnur. Für den
-Kornschnitt ist es recht.«</p>
-
-<p>»Der Weg wird sauer,« flüsterte der Grazian,
-»aber nachlassen dürfen wir nit.«</p>
-
-<p>Der Burgermeister lugte auf die Sackuhr und
-sagte: »Der Weg zieht sich, wir haben noch eine
-harte Stund vor uns.«</p>
-
-<p>»Hör auf mit deiner Uhr,« neckte ihn der Sulpiz,
-»sie geht nach dem Fuxloher Mondschein.«</p>
-
-<p>Und der Brunnkressenhannes seufzte: »Wenn
-nur der afrikanische Wind nit wehen tät!«</p>
-
-<p>Glänzte irgendwo ein Wiesenbrunn auf, so
-stürzten sie darüber her und tranken. An den
-Bächen wuschen sie sich die staubigen Stirnen.
-Erlöst atmeten sie, wenn ein Hain seine Kühle
-über die Straße warf.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_275">[275]</a></span></p>
-
-<p>Einmal bildete sich der Grazian ein, er habe
-sich die Füße ausgekegelt. Er legte sich ins Gras,
-streckte die dünnen Beine in die Höhe und flehte:
-»Spucht, zieh an, aus Leibeskräften zieh an!«</p>
-
-<p>Der Spucht ließ sich nicht bitten und rüttelte
-ihm die Gliedmaßen.</p>
-
-<p>»Weh, du reißt mir den Fuß aus!« jammerte
-der Meßner. Er sprang auf und hinkte weiter.</p>
-
-<p>Die Ulla aber hatte ihre Traurigkeit vergessen.
-Sie hub ein helles Lied an, das sonst niemand
-kannte, und drum blieb ihre spinnwebfeine Stimme
-einsam. Vor den halbgeschlossenen Augen schaute
-sie die heilige Frau, der ihr Kittel war aus
-Sonnenschein, und gegürtet war sie mit dem
-Regenbogen. Und die Ulla fügte lustige Triller
-und jähe Jodler in ihre Weise, sie konnte nicht
-anders als fröhlich singen, verstummt war die
-Qual des Gewissens, und das Herz schlug ihr
-hellauf vor glücklicher Erwartung.</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">»Wer hat denn nur das Lied erdacht?<br /></span>
-<span class="i0">Droben aus der Höh<br /></span>
-<span class="i0">es habens drei Engel vom Himmel gebracht.<br /></span>
-<span class="i0">Mariafrau, juchhe!«<br /></span>
-</div></div>
-
-<p>»Hört der Ulla zu!« brummte der Schmied.<span class="pagenum"><a id="Page_276">[276]</a></span>
-»Ja, wenn die alten Weiber tanzen, hernach fliegt
-der Staub hoch.«</p>
-
-<p>Sie trabten eine kühle Waldstraße hin. Örterweise
-warteten Kapellen, drin des gebundenen
-Heilands Leidensrast und Weg zur Schädelstätte
-gar wild und lebendig abgebildet war.</p>
-
-<p>Die Sonne ermüdete und senkte sich aus der
-Höhe.</p>
-
-<p>»Leut, verzagt nit!« feuerte der Grazian seine
-Schar an. »Wir haben nimmer weit zum goldenen
-Haus.«</p>
-
-<p>Er fing eine Litanei an und betete sie genau
-mit derselben singenden und nachhallenden Stimme
-wie sein verstorbener Pfarrer Sebastian Knaupler,
-so daß mancher erschrocken auffuhr und meinte,
-den Verewigten selber zu hören.</p>
-
-<p>Der Meßner betete vor: »Von der heimlichen
-Nachstellung des bösen Feindes&nbsp;&ndash;.«</p>
-
-<p>Die Kreuzschar fiel ein: »Erlöse uns, o Herr!«</p>
-
-<p>»Von Pestilenz und Krankheit&nbsp;&ndash;.«</p>
-
-<p>»Erlöse uns, o Herr!«</p>
-
-<p>»Von Blitz und Ungewitter&nbsp;&ndash;.«</p>
-
-<p>»Erlöse uns, o Herr!«</p>
-
-<p>»Von den bösen Werken und Anschlägen des
-Kasper Dullhäubel&nbsp;&ndash;.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_277">[277]</a></span></p>
-
-<p>Da jauchzte die Ulla auf und deutete.</p>
-
-<p>Über den Wald stiegen die Turmspitzen der
-Muttergottes, die in den Dornstauden gefunden
-worden war, und funkelten mit blanken Knöpfen,
-und die Bittfahrer jubelten, und der Meßner
-schwenkte den Gupfhut.</p>
-
-<p>»Die Turmknöpf sind großmächtig,« sagte der
-Hahnenwirt, »ein jeder faßt einen ganzen Eimer
-Wein. Und das Uhrgewicht im Turm ist ein versteinerter
-Laib Brot.«</p>
-
-<p>Aus hohem Kreisfenster lugten die Glöcknerbuben,
-und schon läutete eine Glocke voll und
-schwer und himmlisch aus dem Getürm, es war
-ein Klang, als grüße die Herrgottin selber mit
-goldener Troststimme das Häuflein, das mit irdisch
-kläglichem Anliegen zu ihr kam, zur Muttergottes,
-die alle Gebresten wandelt in eitel Gesundheit,
-alle Schwäche verkehrt in blanke Kraft, alle Verzagtheit
-und Angst stillt, zur gewaltigen Frau,
-aus deren Schoß das Heil in die Welt gedrungen.</p>
-
-<p>Andere Glocken gesellten sich der goldenen Hochfrauenstimme,
-und ein Glöckel war darunter aus
-lauterem Silber, vor vielen Jahren hatten es die
-Fuxloher gestiftet, aus den silbernen Knöpfen der
-Bauern war es gegossen, und die Burgermeisterin<span class="pagenum"><a id="Page_278">[278]</a></span>
-selber hatte eine Schürze voll Laubtaler in die
-kochende Glockenspeise geschüttet. Nun klang das
-Glöckel lieb und herzlich, als sänge eine junge Bauerndirne,
-und als wüßte es, wer jetzt zu Besuch käme.</p>
-
-<p>»Die Fuxloherin läutet,« freuten sich alle, das
-Wasser zitterte ihnen in den Augen ob der Heimatstimme,
-die rosenkranzumstrickten Hände hoben sich.</p>
-
-<p>Der Wald tat sich auf: da lag die Gnadenstätte
-vor ihnen, hoch und mächtig.</p>
-
-<p>Ein Rausch ergriff die Kreuzschar, die Fahnen
-bauschten sich, die Quasten baumelten.</p>
-
-<p>Der Ulla war, jetzt müßten die Heiligen in der
-Kirche von den Simsen springen und ihnen entgegengehen,
-und sie selber trat einher gleich einer Hochzeiterin,
-das aufgelöste, bekränzte Haar wehte ihr wie ein
-silberner Schleier, ihre Augen waren heiß und selig
-aufgetan. Da schauten alle Wallfahrer die Ulla
-an und wurden von dunkler Ehrfurcht bewegt.</p>
-
-<p>Dann wurden die Fahnen geschwenkt und geneigt,
-Gesang stieg aus dem Wegstaub, die zarten
-und die groben Stimmen griffen ineinander.</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">»Über Berg und über Tal<br /></span>
-<span class="i0">und mit freudenreichem Schall,<br /></span>
-<span class="i0">über Wald und grüne Au<br /></span>
-<span class="i0">reisen wir zur Lieben Frau.«<br /></span>
-</div></div>
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_279">[279]</a></span></p>
-<p class="noind">Immer brünstiger, gläubiger, wilder sangen sie,
-vergessen war der müde Leib, die Herzen schlugen,
-die Stirnen brannten, die Kinder taten die Augen
-wundergroß auf.</p>
-
-<p>Funkelnd trat der Pfarrherr aus dem Tor, die
-Sonne gleißte in der erhobenen Monstranz. Die
-Altarbuben schwangen die Schellen.</p>
-
-<p>Alles warf sich vor der Blendnis nieder, schüttete
-sich hin vor dem Segen, der sie grüßte, jeder
-schlug an die Brust und wagte vor Unwürdigkeit
-nicht, seinen Gott zu schauen, der aus der Monstranz
-glühte.</p>
-
-<p>Die Kirche empfing sie mit feierlicher Kühle.</p>
-
-<p>Die Orgel donnerte. Weiße Säulen, wie
-Schlangen gewunden, trugen den Hochaltar, und
-dort, umflattert von blauem Weihrauch, umkränzt
-mit schimmernden Heiligen, herrschte Maria, die
-Fürbitterin, die erste Frau im Himmel und auf
-Erden. Perlenstarrend, in gelben Locken, mit
-goldnen Ketten behangen, im Arm das Krönleinkind,
-erwartete sie die Menschen. Ihres blauen
-Sternenkleides Falten flossen hin wie ein geackertes
-Feld. Engel hielten eine Krone über sie. Große,
-gewundene Wachskerzen flackerten, und hoch droben<span class="pagenum"><a id="Page_280">[280]</a></span>
-glitzerte das gestirnte Gewölb tausendmal schöner
-als der Himmel der Nacht.</p>
-
-<p>Gestalten in verzückten Gebärden leuchteten an
-der Wand, ganze Kitten himmlischen Geflügels
-gaukelten wie Falter im Himmelsgarten. Kanzel,
-Altar, Rahmen, Leuchter, Lampen, alles funkelte,
-wie es sich für das Schloß der Königin ziemt, die
-die höllische Schlange überwunden und unter ihre
-Ferse gebracht hat. Rings lehnten Krücken und
-Stecken, die die Geheilten abgelegt hatten, die vormals
-so erbärmlich lahm gewesen, daß sie hatten
-weder kriechen noch gehen können. Eine wächserne
-Zunge hing dort, von einer Frau gestiftet, der die
-Zunge ans Zahnfleisch gewachsen war und sich
-hernach gelöst hatte. Auf Tafeln und Widmungen
-war geschrieben und gemalt, wie die göttliche Dornstaudnerin
-den Stummen die Rede geschenkt und
-den Rasenden die Vernunft, wie dem Blinden der
-Schein, dem Tauben das Ohr offen wurde, wie
-Geschwulst und Rotlauf vergingen, Wunden sich
-schlossen, Menschen wunderbar errettet wurden aus
-wilder Gefahr.</p>
-
-<p>Die Fuxloher bestaunten alles, nickten der Göttlichen
-zu und warfen ihr kupfernes Geld in den
-Opferstock.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_281">[281]</a></span></p>
-
-<p>Die Kerzen knisterten am Altar, die Ulla starrte
-darein und staunte: »Reiche Welt!« Sie sah die
-Perlen glühen an der Gnadenfrau, Perlen größer
-als die Haselnüsse am Vogeltänd, hellblaue, pechschwarze,
-veilchenfarbne Perlen. Alles gloste von
-Gold und Silber und wunderschönem Glas.</p>
-
-<p>Doch der flimmernde Muttergottestand ängstigte
-die Alte, sie wagte kaum den hochlobpreislichen
-Namen zu wispeln, und hätte doch gar zu gern
-ihren weißen Kopf gelegt in Marias Schoß. Die
-droben am Altar war ihr zu stolz und zu reich.
-»Sie wird die armen Leut nit kennen wollen,«
-seufzte die Ulla.</p>
-
-<p>Jetzt reckte der Grazian den Hals und flüsterte
-eindringlich: »Leut, es ist an der Zeit, vergeßt nit,
-warum wir den weiten Weg gangen sind! Sagt
-es fein der Dornstaudnerin, warum wir heut ihren
-Freund, den Blaumantel, nit mittragen!«</p>
-
-<p>Da murrte die Schar ein dumpfes, hartes
-Gebet wider den Erzschelmen und Landschaden
-Kasper Dullhäubel.</p>
-
-<p>Die Ulla aber stahl sich mit bekümmertem Blick
-hinaus aus dem Glanz und irrte traurig und
-verlassen um die Kirche.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_282">[282]</a></span></p>
-
-<p>Da fand sie eine Kapelle, drin raunte und
-sprudelte es traulich, und über dem rinnenden
-Brunnen war die Gottesmutter auf ein Brett
-gemalt, die lächelte lieb und grüßte mit den schlichten
-Augen das Weib; auf dem Schoß zappelte ihr
-das Kind, es tappte gerad nach einem Gimpel,
-und der Vogel drehte den Kopf und biß den
-Buben in den Finger.</p>
-
-<p>»Ei, da ist fröhlich hausen,« dachte die Ulla und
-kniete mit müden Knieen auf die Betstaffel hin
-vor das Bild und schaute sehnlich empor. Sie,
-die heimatlos war wie ein Fläumlein in den
-Lüften, das nicht fallen kann und nimmer steigen,
-hier fühlte sie sich daheim.</p>
-
-<p>Sie ließ den bunten Weinfalter frei, den sie
-gefangen hatte. »Marienkind,« schmeichelte sie
-scheu zu dem jungen Herrgott hinauf, »dir bring
-ich ein schönes, ein wunderschönes Sommervöglein.«</p>
-
-<p>Auf einmal dachte sie an ihr Herz, das sie voll
-Sünden wähnte, und sie betete still: »Maria, lichter
-als die Lilien hinterm Zaun, roter als die Nelken
-am Rain, ich grüß dich soviel tausendmal, als
-Sandkörner liegen auf den Straßen, als Laub
-wachst am Wald, als Sterne scheinen vom Himmelreich.
-Geweint hab ich viel, eine Zähre hat die<span class="pagenum"><a id="Page_283">[283]</a></span>
-andere gefeuchtet. Zu dir komm ich, dir vertrau
-ich, Maria. Durch deinen keuschen Namen bitt
-ich dich, du sollst mir sagen, ob ich eine Hex bin.«</p>
-
-<p>Der Heiligen froher Blick fiel auf den alten
-Heilbrunn. Da beugte sich die Ulla drüber und
-schaute ins Wasser, bis sie die eigenen Augen drin
-sah, und diese schauten so fromm und gut heraus,
-daß ihr wunderfriedsam unter dem gespiegelten
-Blick wurde, und sie wußte, daß es keine Hexenaugen
-waren.</p>
-
-<p>Hernach trank sie von dem fallenden Wasser.
-Der Marienbrunn sang vertraut, und draußen im
-Laub meldete sich ein Rotkröpfel.</p>
-
-<p>Hier war gut sein.</p>
-
-<p>Weit weg von der Welt kniete die Ulla und
-betete herzlich für Tote und Lebende, für alle, die
-sie kannte und die ihr Gutes getan oder Übles.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Am andern Tag gingen die Fuxloher heim. Sie
-wünschten sich herzlich wieder in die kleine Heimat
-zurück aus der Welt, die sie sich so weit und so
-breit gar nicht gedacht hatten.</p>
-
-<p>Wieder kürzten sie sich den Weg mit Lied und
-Litanei und ergötzten sich an den geweihten Andenken,<span class="pagenum"><a id="Page_284">[284]</a></span>
-die sie mit trugen, meist Bildern des
-Gnadenortes, mit gereimten Sprüchen bedruckt.
-Den Kindern hatte man auf dem Schleckmarkt
-etwas Gezuckertes gekauft, der Spucht hatte eine
-wächserne Nepomukszunge erstanden, der Grazian
-gar einen gläsernen heiligen Geist, und er trug
-die Taube in der spiegelnden Kugel zaghaft an
-einem Schnürlein, wich vorsichtig jedem Stein am
-Weg aus, und niemand durfte ihm in die Nähe.
-Wenn sie rasteten, hängte er sein gläsernes Glück
-an eine Staude und ließ es an einem Schnürlein
-schaukeln und im Licht glitzern.</p>
-
-<p>Allen, die da aus dem hochgoldenen Haus der
-Herrgottin heimkehrten in das dürftige Dorf, allen
-war, sie hätten als Gottes Gäste ein himmlisches
-Märlein erlebt, und jeder glaubte, daß jetzt die
-hohe Dornenstaudnerin seinen Wunsch auf einem
-wundergläsernen Teller in den himmlischen Saal
-tragen werde.</p>
-
-<p>Die alte Ulla trabte frisch dahin, sie fühlte sich
-leicht und über Erde und Leben erhoben wie die
-weißen Wolken droben.</p>
-
-<p>Der Schmied rief ihr zu: »Heut lachst du daher,
-Ulla, als ob du statt von der Muttergottes
-vom Altweibermüllner kämst.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_285">[285]</a></span></p>
-
-<p>»Einmal werd ich wieder jung,« antwortete sie.
-»Im Himmel sind wir alle gleich alt, dreiunddreißig
-Jahr, wie der Herrgott beim Sterben.«</p>
-
-<p>»Wer hat dir das erzählt?« zweifelte der Schmied.
-»Ist einer von Jenseits die Leiter wieder herab
-gestiegen?«</p>
-
-<p>Sie schüttelte ernst den Kopf. »Es darf keiner
-zurück, daß nix ausgeredet wird von oben. Es muß
-geheim bleiben.«</p>
-
-<p>Der Grazian seufzte: »Es muß ein harter Weg
-sein &ndash; dorthin.«</p>
-
-<p>Je näher sie gen Fuxloh kamen, desto eifriger
-betete der Meßner. Allweil wieder rief er aus:
-»Gott, schenk uns einen feuchten, warmen Regen
-über Schlösselwald, Hundshaberstift und Leimgrub!«
-In diesen Orten hatte er seine Töchter verheiratet.</p>
-
-<p>Als die Kreuzschar auf der Bergschneide hielt,
-von wo der Blick wieder auf Fuxloh fiel, rief der
-Grazian: »Leut, kniet euch nieder, da seht ihr
-euer Vaterland wieder!«</p>
-
-<p>Der Fleischhacker Luitel rannte ihnen entgegen.
-»Männer, schwingt den Hut in die Höh,« keuchte
-er, »der Dullhäubel ist gestorben.«</p>
-
-<p>Da fuhr es den Kirchfahrern kalt durchs Hirn
-und eisig durch den ganzen Leib, und das Gewissen<span class="pagenum"><a id="Page_286">[286]</a></span>
-bäumte sich ihnen auf, weil ihre Bittfahrt
-so jähe Frucht gezeitigt hatte. Aber sie faßten sich
-bald wieder.</p>
-
-<p>»Der Herrgott hat diesmal leicht begriffen,«
-lachte der Wirt, »wir haben ihm es auch deutlich
-genug gesagt. Gelobt seist du, Maria!«</p>
-
-<p>»Er hat es verrichtet, der Dullhäubel,« seufzte
-die Iglin. »Hoffentlich ist er christlich entschlafen.«</p>
-
-<p>Dem Meßner Grazian erschlaffte im ersten
-Freudenschreck die Hand, das gläserne Gut entfiel
-ihm und zersplitterte. Da rief er kläglich: »Jetzt
-hab ich den heiligen Geist den weiten Weg hergetragen
-wie ein krankes Kind, und jetzt ist er
-beim Teufel!«</p>
-
-<p>Das Dorfglöckel läutete der Schar entgegen.
-Kinder kamen und erzählten von dem Leichnam
-des Dullhäubel.</p>
-
-<p>»Ganz schwarz ist er im Gesicht,« sagten sie.</p>
-
-<p>Der Grazian runzelte nachdenklich das Hirn.
-»O weh, das ist ein übles Vorzeichen! Ohne Weih
-und Segen, ohne Pfarrer und Meßner werden
-wir ihn begraben müssen. Lasset uns beten für
-die arme Seel!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_287">[287]</a></span></p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Die Ogath hatte den halben Tag über ihren
-Bauer gesucht und nirgends gefunden, schließlich
-stieg sie in schwerer Ahnung auf den Heuboden
-hinauf, dort griff sie blindlings ins Heu und spürte
-ein eiskaltes Knie.</p>
-
-<p>Mit einem einzigen Sprung war sie wieder
-drunten auf der Tenne.</p>
-
-<p>Sie schrie den Kindern: »Am Heuboden liegt
-er. Der Schlag hat ihn getroffen, er ist ein vollblütiger
-Mann gewesen. Die Leich ist schon kalt.«</p>
-
-<p>»Jesmaria,« plärrte die Wabel, »jetzt ist er gestorben
-und hat heut noch das Gesott<a id="FNanchor_1_1"></a><a href="#Footnote_1_1" class="fnanchor">1</a> nit geschnitten!«</p>
-
-<div class="footnotes">
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Footnote_1_1"></a><a href="#FNanchor_1_1"><span class="label">1</span></a> Häcksel.</p></div>
-</div>
-
-<p>Die Töchter flogen zu den Nachbarn und Befreundeten
-in die Dörfer und zum Pfarrer, die Leiche
-anzusagen. Die Bäurin selber fuhr mit dem Schubkarren
-zum Tischler, der Totentruhen vorrätig hatte.</p>
-
-<p>Sie begegnete den Wallfahrern. »Der Bauer
-hat verlebt,« meldete sie, »übermorgen ist das Begräbnis.«</p>
-
-<p>Als sie abends mit der Truhe heimkam, saß
-der Dullhäubel vorm Haus, kerngesund, die Wangen
-blührot, und schnupfte.</p>
-
-<p>»Um Gottes willen, du lebst schon wieder?«
-stammelte sie.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_288">[288]</a></span></p>
-
-<p>»Ich bin kreuzwohlauf,« grinste er. »Du hast
-dich gefleißt mit der Truhe. Hast du auch um den
-Pfarrer geschickt, daß er mir lateinisch und schlapperteinisch
-redet und seine Blimblamblorium macht?«</p>
-
-<p>»Aber du bist ja schon kalt gewesen, wie ich dich
-beim Knie erwischt hab?!«</p>
-
-<p>Er nickte tiefsinnig. »Eine hirschlederne Hose
-greift sich halt allweil kalt an,« sagte er.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Weil der Dullhäubel den Seinen verboten hatte,
-die Leiche abzusagen, so wußten nur wenige, daß
-er noch lebte. Die Leute, die nun zu des Bauers
-Begräbnis angewandert kamen, lächelten säuerlich,
-als er selber sie treuherzig begrüßte und ihnen ein
-Schnüpflein antrug.</p>
-
-<p>»Die Bosheit wuchert weiter, und die Gerechtigkeit
-ist übers Meer gefahren,« verzweifelte der
-Grazian.</p>
-
-<p>Hernach saßen alle im »pfalzenden Hahn,« und
-weil sich dort gerade auch drei böhmische, drei
-österreichische und drei bayrische Musikanten zusammen
-fanden, ging es bald hoch her, und
-man söhnte sich leichter mit dem verhinderten Begräbnis
-aus.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_289">[289]</a></span></p>
-
-<p>Lange betrachtete der Dullhäubel seine Totentruhe.
-»Zweispännig wär sie mir lieber,« meinte
-er, »daß eine saubere Dirn mit mir drin übernachten
-könnt.«</p>
-
-<p>Er nutzte die Truhe ans, indem er Schloß und
-Band dran nageln ließ und sich drin Selchfleisch
-und manchen Leckerbissen versperrte, den er vor
-seiner genäschigen Sippe nicht sicher wußte.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Der Dullhäubel kam zu Glück und hohen Jahren.</p>
-
-<p>Seine Töchter misteten den Stall, schnitten das
-Gesott, rechelten die Streu, striegelten die Ochsen,
-ackerten, säten, ernteten, droschen. Er tat nichts.</p>
-
-<p>Die Wabel, die Reigel, die Rosel, die Portiunkel,
-die Stasel, die Kathel und die Liesel verheiratete
-er Bauern, die Glöckelstühle auf dem Dach hatten.</p>
-
-<p>Er ließ sich sein schelmisches Wesen nicht verkümmern,
-auch dann nicht, als er der Burgermeister
-von Fuxloh wurde, und die Leute starben nicht
-aus, die ihm den Galgen auf den Hals wünschten.</p>
-
-<p>Einmal nach der Kirchweih, als er sich weidlich angegessen
-hatte, setzte er sich vors Haus, nahm das
-Rubinglas und schlug sich eine erkleckliche Menge
-Tabak auf die Hand. Zuerst füllte er sich in behaglicher<span class="pagenum"><a id="Page_290">[290]</a></span>
-Andacht das rechte Nasenloch, und als er
-das andere befriedigen wollte und dabei schon das
-linke Auge wollüstig zudrückte, fiel ihm der Tod
-sanft in den Arm. Die Hand sank still, ungenützt
-flatterte das braune Häuflein herab auf die hirschledernen
-Hosen. Der Kasper Dullhäubel war
-nimmer.</p>
-
-<p>»Jetzt hat er den schönsten Tod auch noch, der
-Lump, der das Eingraben nit wert ist!« schalt
-der Meßner.</p>
-
-<p>»Ja ja, so geht einer nach dem andern dahin,«
-sagte der Schmied und ließ einen groben Wind
-streichen.</p>
-
-<p>Nur wenige gingen mit bedächtigem Bauernschritt
-hinter dem Sarg her; viele waren daheim
-geblieben, sie meinten, der Schelm sei unsterblich
-und könne nicht begraben werden.</p>
-
-<p>Der Filzhut des Ähnels und das Rubinglas
-wurden ihm mitgegeben, das hatte er sich ausbedungen.</p>
-
-<p>Als die Leiche in die Grube gelassen wurde,
-riß der Strick, die Truhe polterte hinunter und
-brach auf, und der Dullhäubel schaute noch einmal
-fröhlich die heulende Schar der Hinterlassenen an.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_291">[291]</a></span></p>
-
-<p>»Schaufelt zu, schaufelt zu!« schrie der Grazian.
-Und alle, wie sie ums Grab standen, warfen schnell
-mit Händen und Füßen Erde hinab, daß der Erzschelm
-nicht noch einmal an den Tag käme.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Als der Grazian an dem nämlichen Abend am
-Dullhäubelhof vorüber ging, tat er einen harten
-Schrei. Er behauptete, der Verstorbene habe aus
-dem Dachfenster die Zunge auf ihn gereckt. Da
-zündete die Ogath eine Laterne an und durchsuchte
-alle Winkel des Bodens. »Dem schwänkischen
-Mann trau ich alles zu,« meinte sie.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Der Dullhäubel fuhr schnurgerade zum Himmelstor
-auf.</p>
-
-<p>Der heilige Peter stand davor, am Gürtel die
-beinernen Schlüssel, und schrieb mit einer hohen
-Pfaufeder in einem Buch. Als er den Schelm
-mit dem breiten Filzhut durchs Gewölk daher waten
-sah, hakte er das silberne Schloß des Buches zu
-und fragte: »Wer bist du? Gib Auskunft!«</p>
-
-<p>»Der Dullhäubel bin ich, Bauer aus Fuxloh«,
-antwortete der Himmelfahrer. »Gelobt sei Jesus
-Christus!«</p>
-
-<p>»Dein Nam ist mir verdächtig. Reck her deine
-Seel!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_292">[292]</a></span></p>
-
-<p>»Da wird halt der Blaumantel seine Sach fürgebracht
-haben. Es ist ihm aber nit alles zu glauben,
-dem Bruder, dem scheinheiligen.«</p>
-
-<p>»Schilt nit!« brummte der Peter. »Und einen
-Blaumantel gibt es bei uns nit.«</p>
-
-<p>»Es muß einer da sein,« bestand der Dullhäubel.
-»Schau nur gleich nach in dem dicken Buch!«</p>
-
-<p>Der Torwärtel raunzte: »Es ist ja möglich, daß
-früher einmal einer da heroben gewesen ist, der
-sich so geschrieben hat. Vielleicht ist er hinuntergefallen.
-Ich müßt den Herrgott fragen, der hat
-ein scharfes Gedächtnis.«</p>
-
-<p>Jetzt zog der Dullhäubel aus der hinteren
-Schößeltasche seine Seele heraus, blies ein Stäublein
-Tabak davon weg und zeigte sie ängstlich vor.</p>
-
-<p>Der Heilige rückte die Brille, schnüffelte an der
-Seele und krauste die Stirn. »Mein Lieber, du
-hast dich ganz und gar verirrt. Du gehörst wo
-anders hin. Schab deinen Weg!«</p>
-
-<p>Dem Dullhäubel stand der Schopf geberg. An
-des Kapuziners Cochem abscheuliches Bilderbuch
-erinnerte er sich, an den höllischen Ofen, wo die
-Zerknirschten heulten und Pech spieen und ihnen
-der siedende Geifer aus den Lefzen spritzte.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_293">[293]</a></span></p>
-
-<p>Der himmlische Torwärtel tat eine Falltür auf,
-da ging der Höllensteig hinunter hundert Klafter
-tief, und des Dullhäubels Vorväter saßen ohne
-Ausnahme tief drunten auf einer glühenden Bank,
-den Hosenlatz hinten abgeknöpft, mit nacktem Sitz
-nach altem Erdenbrauch, und der Schwefel, den
-sie saufen mußten, rauchte ihnen greulich wieder
-aus der Nase heraus. Der Teufel kletterte eine
-brennende Leiter herauf und bellte: »Wau, wau!«</p>
-
-<p>»Mach die schwarze Tür zu, Peter!« hüstelte der Dullhäubel,
-der höllische Schwefel kitzelte ihn in der Nase.</p>
-
-<p>Doch der heilige Mann antwortete: »Bind dir
-die Seel fest ins Schneuztuch und steig hinunter!
-Sie warten schon.«</p>
-
-<p>Dem armen Schelm ward blau und grün vor
-den Augen. Aber er gab das Spiel nicht verloren.
-Das Rubinglas nahm er herfür. »Da schnupf,
-Peter, daß du einen andern Sinn kriegst!«</p>
-
-<p>Der Torwärtel liebäugelte mit dem Glas. »Der
-Tabak tät mir wohl. Da heroben wird keiner
-verschleißt, und wenn nix zu schnupfen ist, so ist
-das eine kleine Krankheit.«</p>
-
-<p>»Du solltest mich doch in den Himmel lassen,
-nur ein Vaterunser lang,« begehrte der Dullhäubel.
-»Vor dem Blaumantel will ich einen Fußfall tun.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_294">[294]</a></span></p>
-
-<p>Der heilige Peter nahm sich seine mannbare
-Nase voll. »Wundersam schmeckt der Tabak, der
-fehlt mir noch zur Seligkeit. Ich hab ihn mein
-Lebtag gern gehabt. Hau mir noch einen her auf
-die Hand! Anlehnen muß man sich schier, wenn
-man den da schnupft, sonst reißt er einen um.«
-Er blinzelte schalkhaft. »Was für ein Tabak ist
-es denn? Ein königlich bayrischer? Ein gepaschter,
-he?«</p>
-
-<p>»Nur hineinschauen laß mich ins Paradeis,
-Schlüsselmann!« bettelte der Dullhäubel.</p>
-
-<p>Den Heiligen hatte der brasilische Tabak ganz
-verwirrt, die Augen glosten ihm, und er tat das
-Tor auf.</p>
-
-<p>Jetzt stand der Dullhäubel im himmlischen Glanz.</p>
-
-<p>Da saßen alle die heiligen Bauernfreunde beisammen,
-der Wendel, der Liendel, der Isidor und
-der Steffel, und dengelten silberne Sensen, daß es
-wie ein vierfaches Glöckelspiel lieblich anzuhören
-war, und die Magd Notburga jätete in einem
-Krautgärtlein. Der Märtel und der Jörg ritten
-auf Milchschimmeln, die fraßen an dem fetten
-Wasen, der auf den Wolken wuchs. Andere Heilige
-stolzierten in seidenen Meßgewändern mit hohen
-Krummstäben auf der Sternstraße auf und ab, ein<span class="pagenum"><a id="Page_295">[295]</a></span>
-nackter Martersmann, dem silberne Pfeile in Stirn
-und Brust und Knie staken, <span id="corr295">lustwandelte</span> lachend unter
-ihnen. Alle waren bloßköpfig, nur der heilige Rochus
-und der Dullhäubel nicht, die hatten den Hut auf.</p>
-
-<p>Engel rauschten mit schneeweißen Flügeln. Die
-himmlische Regenbogenfrau schaffte am Spinnrad,
-einen goldgrünen Käfer im Gefältel ihres Kittels,
-und daneben spielte das Herrgottsbüblein Ball
-mit dem Weltapfel.</p>
-
-<p>Der Himmelsgarten war umzäunt, auf jedem
-Zaunstecken saß und sang ein bunter Vogel, und
-das waren lauter selige Seelen.</p>
-
-<p>In der Mitte aber in wunderbarem, hohem
-Betstuhl saß Gottvater selber, in seinem Mantel
-war mit Perlen und Kleinoden der ganze Sternhimmel
-gestickt, auf seiner Brust zückte die Sonne
-ihre Strahlen.</p>
-
-<p>Der Dullhäubel senkte die Augen, daß er nicht
-erblinde, und schaute sich auf den Fuß.</p>
-
-<p>Über dem Herrgott war ein goldener Taubenkobel,
-der heilige Geist umflog ihn und gurrte
-wild herab.</p>
-
-<p>»Ei tausend,« staunte der Herrgott, »da kommt
-ja der Dullhäubel daher aus meinem guten Dorf
-Fuxloh! Was begehrst denn du da heroben?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_296">[296]</a></span></p>
-
-<p>Jetzt nahm der Schelm den Hut ab und
-stammelte: »Den Herrn Blaumantel such ich. Er
-soll sich auch Aurazian schreiben. Ich will ihn
-abbitten &ndash; zu wegen meiner Schlechtigkeit.«</p>
-
-<p>Der Herrgott sann nach. »Ich weiß alles. Aber
-einen Aurazian Blaumantel kenn ich im Himmel
-nit. Das ist ein Irrtum.«</p>
-
-<p>»Alsdann, Eure Heiligkeit&nbsp;&ndash;&nbsp;&ndash;.« Der Dullhäubel
-stockte, er wußte nicht, wie er den Herrn
-hätte richtig anreden sollen.</p>
-
-<p>»Nenn mich nur Herr Gott!« meinte der Himmelvater.
-»Du bist dein Lebtag mit mir auf du und
-du gewesen (wenn du auch recht sparsam mit mir
-geplaudert hast), drum sag mir jetzt auch du!«</p>
-
-<p>»Alsdann, wenn es keinen Blaumantel da heroben
-nit gibt, dann ist meine Schuld weitaus geringer,«
-seufzte der Dullhäubel auf.</p>
-
-<p>»Und was begehrst du noch? Und was schaust
-du allweil auf deinen Fuß?«</p>
-
-<p>»Er möcht halt auch selig werden,« sagte halblaut
-der heilige Peter.</p>
-
-<p>Der Herrgott fuhr aus dem Betstuhl auf.
-»Was?! Der Spitzbub?!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_297">[297]</a></span></p>
-
-<p>Doch das himmlische Fräulein am Spinnrocken
-faltete die Hände. »Geh, lieber Gott, verstoß ihn
-nit! Laß ihn abwiegen!«</p>
-
-<p>Da schmunzelte der Gottvater, daß ihm der
-breite Bart auseinander ging, und winkte mit
-der Hand.</p>
-
-<p>Den Kometen wie eine Straußfeder am Hut,
-sprang der Riese Michel zur Tür herein, er trug
-eine großmächtige Wage. Den Bauer lüpfte er
-beim Kragen und setzte ihn in die eine Wagschale,
-in die andere legte er große Steine und Gewichte,
-das waren die Sünden und Schalksstreiche des
-Dullhäubel, und darunter war auch der Mühlstein
-vor der Mußmühle.</p>
-
-<p>Jetzt hob der Engel Michel die Wage. Die
-Schale mit dem Sünder schnellte hoch empor,
-und der Dullhäubel verzweifelte an seiner Seligkeit,
-zumal da sich an die andere Schale noch der
-Teufel mit kohlrackerschwarzen Rabenflügeln und
-einem langen, rauhen Schwanz gekrallt hielt.</p>
-
-<p>»O weh, o weh,« winselte der Sünder, »jetzt
-muß ich in der Höll knirschen auf ewig.«</p>
-
-<p>Aber auf einmal senkte sich die Schale, drin er
-hockte, langsam und stetig.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Page_298">[298]</a></span></p>
-
-<p>»Schau hinunter auf die Welt, Dullhäubel,
-wer dir hilft!« sagte die Jungfrau Maria.</p>
-
-<p>Da sah er tief, tief drunten im grünen Fuxloh
-vor der Kapelle ein uraltes Weiblein hocken, das
-betete mit seinem Hagebuttenrosenkranz für die
-arme Seele des Dullhäubel. Es war die Ulla.</p>
-
-<p>Nun stand die Wage auf gleich.</p>
-
-<p>»Ich darf nit zu leicht befunden werden,« ächzte
-der Dullhäubel, der helle Schweiß rann ihm von
-der Stirn.</p>
-
-<p>In seiner Not langte er hinüber nach des
-Teufels Schwanz, und ob der Satan ihn auch
-mit der gespaltenen Zunge anlechzte und die rotfeurigen
-Augen abscheulich glühen ließ, der Dullhäubel
-packte des höllischen Widersachers Schwanzquaste
-und legte sie in die eigene Schale, und sie
-senkte sich um eines Härleins Breite tiefer als die
-andere.</p>
-
-<p>Da fing unser lieber Herrgott an, sich langsam
-den Bart zu streichen und auf einmal lachte er
-dröhnend auf, und der heilige Peter fiel wie besessen
-lachend auf die Pauke hin, worauf man
-sonst Gewitter und Donnerschlag wirbelt, und die
-Muttergottes und alle heiligen Leute konnten sich
-nicht helfen vor lauter Lachen, und nur der Teufel<span class="pagenum"><a id="Page_299">[299]</a></span>
-rupfte sich den rußigen Schopf, spie und ließ die
-Schale los und sprang in die Hölle.</p>
-
-<p>Vor dem breiten Herrgottsgelächter aber sank
-die Schale des Schelmes völlig herab, und er
-stieg aus und war gerettet.</p>
-
-<p>Doch der heilige Peter besann sich und murrte:
-»In der Welt drunten gibt es einen Spruch, und
-der ist wahr.</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">Je ärger der Schalk, je besser sein Glück,<br /></span>
-<span class="i0">je größer der Dieb, je kleiner der Strick.<br /></span>
-</div></div>
-
-<p class="noind">Herrgott, paßt denn der Bauerntrumpf da, der
-nixnutzige, der Tod und Teufel zum Narren gehalten
-hat, in deine lautere Seligkeit herein?«</p>
-
-<p>Der Herrgott warnte mit dem Finger. »Peter,
-Peter, geh mit unserm Dullhäubel nit zu streng
-ins Gericht! Es müssen auch andere Leut um
-mich sein, nit nur lauter Heilige. Die Heiligen
-sind mir oft ein wenig peinlich gewesen.«</p>
-
-<p>Und während der Herr mit seinem Knecht also
-sprach, trat einer auf den Dullhäubel zu und gab
-ihm derb die Hand. Der fremde Gesell trug einen
-altertümlich groben Bauernrock und Bundschuhe,
-und ein Spiegel hing ihm im Gurt; seine lichtblauen
-Augen funkelten mutwillig, sein Haar war
-gelb wie Stroh und darauf saß ihm statt des<span class="pagenum"><a id="Page_300">[300]</a></span>
-Hutes ein ruppiger, glotzender, krummschnabliger
-Ohrenvogel.</p>
-
-<p>»Ich sollt dich kennen,« sagte der Dullhäubel
-und dachte nach.</p>
-
-<p>»Du kennst mich,« kicherte der andere, »ich bin
-ja dein Bruder, der heilige Eulenspiegel.«</p>
-
-<p>Er hielt dem Dullhäubel den blanken Spiegel
-vor. Der lugte hinein und sah sich drin rosig
-leuchten, und über seinem Scheitel hing ein runder,
-lustiger Heiligenschein.</p>
-
-<p>Der Herrgott richtete jetzt die grauen, frohen
-Augen auf ihn. »Dullhäubel, was willst du im
-Himmel anfangen?«</p>
-
-<p>Der schalkhafte Mann leckte sich die Lippen und
-hob den listigen Bauernblick. »O Herr, wenn ich
-es wünschen darf, will ich im Sommer Schnee
-schaufeln und im Winter das Vieh hüten.«</p>
-
-<p>»Zu meiner Rechten darfst du nit sitzen,« lachte
-der Herrgott, »du bist heut noch nit viel wert.
-Jetzt führ dich gut auf und laß dir einen milden,
-süßen Most einschenken.«</p>
-
-<p>Das war dem Dullhäubel recht. Und er sagte
-zu der Himmelsfrau: »Liebe Fürbitterin, du
-schnupfst nit? Für deine wehleidige Jungfernnase<span class="pagenum"><a id="Page_301">[301]</a></span>
-ist meine Mischung zu scharf. Aber uns schmeckt
-es, gelt, Gottvater!«</p>
-
-<p>Er schüttelte das rubinene Glas und ließ den
-Tabak rieseln auf des Herrgotts strahlende Hand.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Also hat unser Herrgott an einem gelungenen
-Schelm mehr Freude als an neunundneunzig
-Gerechten. Und so findet die Geschichte vom
-Kasper Dullhäubel jetzt ihr</p>
-
-<p class="center"><em class="gesperrt">Ende</em>.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<p class="center">Von demselben Verfasser erschienen vorher
-im gleichen Verlag:</p>
-</div>
-
-<p class="h2">Aus wilder Wurzel</p>
-
-<p class="center">Ein Roman<br />
-Einbandzeichnung von Oswald Weise. 10. Tausend</p>
-
-<p class="smaller"><em class="gesperrt">Münchner Allgemeine Zeitung</em>: »Das vorliegende Buch ist des
-Dichters beste und reichste Schöpfung und läßt noch ausgereiftere, kostbarere
-Früchte erwarten. Hart, eisern, von knirschendem Willen durchzuckt ist dieser
-Bericht, der von den mutig-zagen Bauern zu erzählen weiß, die es auf sich
-genommen, die furchtbare Baumwildnis der Eisensteiner Berge im endlosen
-Böhmerwalde der Scholle dienstbar zu machen. Watzliks Buch wird zu den
-bleibenden unseres Literaturschatzes gehören.«</p>
-
-<p class="h2">Der Alp</p>
-
-<p class="center">Ein Roman<br />
-Einbandzeichnung von Richard Birnstengel. 6. Tausend</p>
-
-<p class="smaller"><em class="gesperrt">Paul Grabein</em> im Düsseld. Generalanz.: »…&nbsp;Der Wert des Buches
-besteht in der ganz prachtvollen, realistischen und doch wieder poetisch überhauchten
-Schilderung der Natur und Menschen des Böhmerwaldes. Eine
-Fülle von Gestalten zieht an uns vorüber, jede scharf umrissen in ihrer Erscheinung.
-Die künstlerische Wirkung Watzliks wird noch gehoben durch die
-eigenartige Schönheit und Bildkraft seiner Sprache&nbsp;…«</p>
-
-<p class="h2">Im Ring des Ossers</p>
-
-<p class="center">Erzählungen aus der Vergangenheit des Böhmerwaldes<br />
-10. Tausend</p>
-
-<p class="smaller"><em class="gesperrt">Die Wage</em>, Wien: »…&nbsp;In wohlgepflegter Sprache, die stellenweis
-wie wundervoll gestimmte Glocken klingt, läßt er des Urwalds Schimmer
-und geheimnisvoll durchbrauste, zauberische Wildnis farbengolden vor uns
-erstehn. In einigen Skizzen arbeitet er mit allen Kunststücken, Schönheiten
-und Klängen des Wortes, daß die Seele erschauert, beglückt und berauscht
-von der übertönenden und überstürzenden Kraft poesievoller Schilderung&nbsp;…«</p>
-
-<p class="h2">O Böhmen!</p>
-
-<p class="center">Roman. Einbandzeichnung von G. Gelbke. 11. Tausend</p>
-
-<p class="smaller"><em class="gesperrt">Deutschnationales Jahrbuch 1919</em>: »Ein Heimatroman, der den
-Kampf der Deutschen Böhmens um ihre Heimatscholle, deutsches und slawisches
-Leben mit solcher Farbenpracht und so glutvoller Innigkeit schildert, wie kein
-zweites Buch. Jeder Satz darin ist Poesie, und wir dürfen den Dichter mit
-immer größerem Recht zu den ersten Deutschösterreichs zählen.«</p>
-
-<p class="h2">Phönix</p>
-
-<p class="center">Ein Roman aus der Wiedergeburtszeit Böhmens<br />
-6. Tausend</p>
-
-<p class="smaller"><em class="gesperrt">Kölnische Zeitung</em>: »Wildromantische Ereignisse werden mit großer
-Farbenpracht durchgeführt, daneben aber macht sich die zartere Romantik
-eines innigen Naturgefühles liebenswürdig geltend. Ein spannend erzählter,
-an starken Wirkungen reicher Roman, der auch große poetische Werte besitzt.
-Man hat es in dem Buch mit dem Erzeugnis einer hohen dichterischen Begabung
-zu tun.«</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p class="center p2 gesperrt">Ferner erschien im Verlag Gebr. Stiepel
-in Reichenberg:</p>
-
-<p class="center bold">Wermuter</p>
-
-<p class="center">Eine Novelle. Mit Bildern von Artur Ressel. 4. Tausend</p>
-
-<p class="center"><b>Schloß Weltfern.</b> Ein Roman. 5. Tausend</p>
-
-<p class="center bold">Der flammende Garten</p>
-
-<p class="center">Gedichte. Mit Bildern von Viktor Eichler. 2. Tausend</p>
-
-<p class="center"><b>Firleifanz.</b> Ein Bilderbuch</p>
-
-<p class="center"><b>Einöder.</b> Ein Novellenbuch</p>
-
-<p class="center bold">Die Abenteuer des Florian Regenbogner</p>
-
-<p class="center">Liebhaberausgabe mit Bildern von Ferdinand Staeger
-2. Tausend</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="transnote chapter" id="tnextra">
-
-<p class="h2">Weitere Anmerkungen zur Transkription</p>
-
-<p>Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert.
-Der Schmutztitel wurde entfernt.</p>
-<p>Korrekturen:</p>
-
-<div class="corr">
-<p>
-S. 295 lustwandete → lustwandelte<br />
-<a href="#corr295">lustwandelte</a> lachend unter ihnen</p>
-</div>
-</div>
-
-
-
-
-
-
-
-
-<pre>
-
-
-
-
-
-End of the Project Gutenberg EBook of Fuxloh, by Hans Watzlik
-
-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK FUXLOH ***
-
-***** This file should be named 62178-h.htm or 62178-h.zip *****
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-and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
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-
-Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
-Foundation
-
-The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
-501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
-state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
-Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
-number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg
-Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
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-Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
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-contact links and up to date contact information can be found at the
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-Literary Archive Foundation
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-
-Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
-works.
-
-Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm
-concept of a library of electronic works that could be freely shared
-with anyone. For forty years, he produced and distributed Project
-Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
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