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If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - - - -Title: Fuxloh - oder Die Taten und Anschläge des Kasper Dullhäubel - -Author: Hans Watzlik - -Release Date: May 19, 2020 [EBook #62178] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK FUXLOH *** - - - - -Produced by The Online Distributed Proofreading Team at -https://www.pgdp.net - - - - - - - - - - Anmerkungen zur Transkription - - - Das Original ist in Fraktur gesetzt. Im Original gesperrter Text - ist _so ausgezeichnet_. Im Original in Antiqua gesetzter Text ist - ~so markiert~. Im Original fetter Text ist =so dargestellt=. - - Weitere Anmerkungen zur Transkription befinden sich am Ende des - Buches. - - - - - HANS WATZLIK - - Fuxloh - - oder - - Die Taten und Anschläge des - Kasper Dullhäubel - - * - - Ein Schelmenroman - - [Illustration] - - L. STAACKMANN VERLAG / LEIPZIG - - 1922 - - - - -Alle Rechte, besonders das der Übersetzung, vorbehalten. - -Für Amerika: - -~Copyright 1922 by L. Staackmann Verlag, Leipzig~. - - -Gedruckt bei Dr. Kurt Säuberlich in Leipzig - - - - -Das grüne Holz. - - -Fuxloh lag ganz hinten in der Welt zwischen den Örtern Blaustauden und -Grillenöd, abseits von den breiten Straßen duckte es sich verloren in -den Wäldern, ein gar rauhes Dorf voller Tannen. Obst trug dort nur ein -einziger Mostbirnbaum, der über hundert Jahre alt war, doch waren seine -Birnen so grausam herb, daß man schreien mußte, wenn man hineinbiß. -Sonst gediehen nur noch ein paar Vogelbeerbäume und Elexstauden -droben an den felsigen Wegen. Aber in ihrem Schatten blühte die -weltentlegenste Einfalt in tausend Blumen aus. - -Heute findet man das Dorf nimmer, die Wälder sind darüber gewachsen. - -Der Fuxloher Wind blies scharf und brannte den Bauern den Schlund aus. -Drum war in dem Ort der Durst daheim. Besonders vorzeiten blieben die -Männer oft wochenlang auf der Wirtsbank, sie knöpften sich den Latz -vom Hosenboden ab und saßen auf dem rohen Fleisch, um das Hirschleder -zu schonen. Am Samstag brachten ihnen die Weiber frische Hemden ins -Wirtshaus. Und hie und da banden sich die Säufer mit Stierketten -aneinander, daß keiner sich heimlich von der nassen Mette wegschleiche -und sie alle gemeinsam in des Rausches Elend fuhren. - -Dazumal waren die Fuxloher als grobe Schelme, Wilderer und Raufer -verrufen, im Lauf der Zeiten aber verloren sie allmählich den übeln -Leumund. Es geschah kaum mehr, daß einer den Grenzstein in des Nachbarn -Acker rückte, Rösser wurden überhaupt nimmer gestohlen, und selten nur -weckte einen nachts das alte Raubschützenblut aus der Rast, daß er -aufsprang und an der bayrischen Grenze irgendwo auf einer Waldschneise -einen Bock niederknallte. - -Nur im Dullhäubelhof hatte sich die alte Art der Fuxloher treulich -erhalten. - -In einer Schlucht am Wolfsbach, wohin die Bauern vom Dorf herab immer -die Gänse trieben, daß sie schwimmen lernten, lag das Gehöft mit dem -moosgrünen Schopfdach, darunter an die Mauer ein verschmitztes Gesicht -gemalt war mit dem Spruch: - - Gott, gib jedem Lumpenhund - zehnmal mehr, als er mir gunnt! - -Vor langer Zeit, als die ungarische Königin Resel mit dem Preußen Krieg -führte, hauste der Pankraz Dullhäubel auf dem Hof. Bei dem kehrte der -Reichtum ein. Den Kopf deckte er sich allweil mit einem dreieckigen -Hut, an seinem Rock glänzten mehr Knöpfe, als Tage im Jahr waren. Er -ließ das Geld springen und hatte die nötige Münze dazu, denn er war ein -Werber, und damals, wo Soldaten gegen Preuß und Türk sein mußten, da -lohnte sich sein falsches Gewerb. Manch armen Schlucker fing er, der -sich über die Grenze herüber verirrt hatte, und der wurde ohne Erbarmen -ins Regiment gestoßen, und viele hatte der Pankraz am Gewissen, die im -Krieg auf der blutigen Fleischbank verdarben. - -Dazumal kam auch ein Erdspiegel ins Haus, der Pankraz handelte ihn -einem wallischen Juden ab, und die Fuxloher fürchteten jetzt den Bauer, -der das zauberische Gerät verborgen hielt und dadurch Macht gewann über -alle andern. - -Aber einmal fing er mit seinen Helfershelfern einen Handwerksburschen -und kettete ihm die Hände, und als er ihn gen Hirschenbrunn führte, um -ihn dort zu stellen, mußte er sich unterwegs bücken, die Schuhschnalle -zu schließen, die ihm aufgesprungen war. Den Augenblick nutzte der -Gefangene aus, er schlug dem Werber die Fesseln auf den Schädel, daß er -hin war. - -Ein arger Vogel legt ein arges Ei. - -Der Nachkömmling des Pankraz war der Servaz Dullhäubel. Der trieb sich -in grünen Jahren in den Wäldern des Lusens umher und schoß die stolzen -Hirsche und die starken Bären. Das Wildern fiel ihm leicht, da er sich -dazu himmlische Hilfe zu sichern wußte: er schaffte oft des Nachts ein -Wildbret in die Blaustaudner Pfarrküche, und dafür schloß der damalige -Geistliche ihn und seine Wege täglich ins Meßgebet ein. - -Als dem Servaz einmal von einem Jäger der Fuß krumm geschossen wurde, -mußte er das freie Wildschützleben lassen, aber sein zorniges Blut -gab ihm keine Ruhe, und er wurde der wildeste Raufer waldauf und -waldab. Wenn er zum Kirchweihtanz ging, gab ihm die Bäurin immer sein -Totenhemd mit. Die Haut war ihm von Messern zerstochen, der Schädel -zerschrammt von splitternden Krügen, das eine Ohr abgebissen, die Zähne -eingeschlagen. Mit heraushängenden Därmen schleppte er sich einst von -Fuxloh nach Blaustauden zum Balbierer, dort schob er fein lind das -Gedärm zurück in seine alte Stätte, steckte Speck in das Loch und nähte -es sich selber mit des Balbierers Nadel zu. Die Naht hielt hernach noch -dreißig Jahre. - -Er rühmte sich oft, der Richter solle ihm in seinem Buch ein Gesetzlein -vorweisen, danach er noch nicht abgestraft wäre. Kurz vor seinem -Absterben noch erschlug er auf der Kegelbahn den Waldheger von Daxloh -mit einem Kegel. - -Der Apfel rollt nicht weit vom Baum. - -Der Nachkömmling des Servaz war der Bonifaz Dullhäubel. Der hatte es -wiederum auf das Bier und den groben Bauernwein abgesehen und soff und -schlampampte, daß es ihm schier zu den Ohren herausrann. Fuhr er mit -dem Rössel in die Stadt, so schob er dort Kegel auf volle Flaschen -und streute das Geld den Kellnerinnen hin. Bei jedem Krug, der ihm -vorgesetzt wurde, tat er einen von den fünfundzwanzig Gupfknöpfen an -seinem Brustfleck auf; war die Weste ganz offen, so zahlte er seine -Schuld, knöpfelte wieder zu und hub von frischem an. So wurde er auch -in der größten Zeche nicht irr. Wenn er keinen Trunk mehr bewältigen -konnte, so bahrten Wirt und Hausknecht ihn auf seinem Wagen auf, das -Rössel zog an und trabte mit dem Schlafenden durch Wald und Sternschein -heim. Doch hielt es vor jedem Wirtshaus an, beim grünen Kuckuck, beim -Posthorn, bei der Siebenkittelwirtin, bei der Mausfalle, beim blauen -Mondschein, und wie die Einkehrstätten alle hießen, und der Trunkene -reckte sich aus dem Schlaf und gröhlte: »He, Wirt, füll nach!« - -Ein anderes Anwesen wäre unter den Hammer gekommen, der Dullhäubelhof -aber hielt den Säufer aus. Viel Grund und Boden und Holz und Vieh -gehörten dazu, und die Bauern hätten noch viel reicher sein können, -wenn es sie darnach gelüstet hätte. Denn der Pankraz, der Guckähnel, -hatte einen schönen Schimmel im Stall stehen, und der Waldfürst hätte -das schneeblührieselweiße Roß gar gern geritten und dafür den ganzen -weitmächtigen Wald bis zum Lusen hingegeben. Der Pankraz aber hätte -nimmer getauscht, und wenn der Fürst vor ihm auf den Knieen gerutscht -wäre. - -Wie gelebt, so gestorben. Vor lauter Gesundheittrinken kam der Bonifaz -Dullhäubel um die Gesundheit. - -Die Fuxloher mähten gerade die Wiesen, da kroch der Bonifaz in der -Scheuer des Wirtes »zum pfalzenden Hahn« ins Heu, seinen schweren -Rausch zu verschlafen, und die Mäher verschütteten ihn aus Übermut -unter dem Heu. Sie vergaßen ihn aber hernach in ihrer heißen Arbeit und -erinnerten sich erst, als die Bäurin ins Dorf kam und nach dem Bonifaz -fragte. Schnell räumten sie das Heu weg; da lag der Vergrabene mit -lustigem Gesicht, aber erstickt. Weil die Burschen den Weg zum Gericht -scheuten, so halfen sie sich, wie sie es verstanden: sie schlugen einen -Haken in die Scheuer, wo sie am finstersten war, hängten den Toten dran -und drückten ihm seinen breiten filzenen Scheibenhut in die Stirn. Dann -schrieen sie das Unglück im Dorf aus: »Leut, Leut, der Bonifaz hat sich -aufgehängt!« Und weil eben ein Sturm anfing, glaubten die Fuxloher -ihnen gern und sahen mit Grausen, wie der Strick sich dem Bonifaz um -Hals und Bart schnürte, und der Totengräber in Blaustauden drunten grub -das Grab um drei Schuh tiefer als sonst, daß der Bonifaz nimmer heraus -und umgehen könne. - -Die Bäurin gab ihm den Scheibenhut mit in die Truhe. Sie meinte, in -der Ewigkeit sei es hübsch lüftig, und der Selige sei allweil heikel -gewesen auf den Zugwind. Auch steckte sie ihm die Pfeife ins Maul, er -möge sich jenseits etwas vorqualmen, daß ihm Zeit und Ewigkeit besser -vergingen. Sie war ein fürsorgliches Weib, die Sodonia. - -Wie die alten Vögel pfeifen, so stümpern die jungen. - -Der Nachkömmling des Bonifaz war der Isidor Dullhäubel. Der schlug -sich, als er zur Mannheit kam, mit einem Stein die vordersten Zähne -aus, womit die Soldaten das Papier von den Patronen reißen, daß das -Pulver ins Gewehr rinne. So blieb der Isidor vor dem Krieg verschont. - -Der neue Bauer meinte, ein richtiger Mann müsse neun Kinder zeugen, -und da mußte nicht bloß seine Bäurin daran glauben, sondern auch alle -Mägde, die auf dem Hofe dienten. Die Kinder außerhalb der Ehe wuchsen -frisch und fröhlich heran, die eheleiblichen aber wurden nicht alt. -Sein Weib, die Sanna, sorgte sich nicht um die Brut, sie schlief gern -und schlief allweil ein, wenn sie säugte, und der Säugling fiel ihr -dabei oft aus dem Schoß. So blieben ihr, ein einziges ausgenommen, -keine Kinder, trotzdem daß sie sehr fruchtbar war und nur Zwillinge und -Drillinge gebären konnte. - -Sie grämte sich nicht um die Liebschaften des Bauers. Doch die Sodonia, -die Altbäurin, war ob der heidnischen Vielweiberei ihres Sohnes schwer -bekümmert. Aber wenn ihm wieder einmal ein Staudenkind auf die Welt kam -und die Sodonia ihm es als Sünde heftig verwies, lachte er nur: »Fürs -Lebendigmachen ist noch keiner gestraft worden.« - -Der Isidor Dullhäubel führte allzeit sein Tabakglas mit, und weit -und breit tat es ihm keiner gleich im Schnupfen. Nicht einmal der -Blaustaudner Schulmeister, der, selbst wenn er die Orgel zum Hochamt -schlug, den Tabak nicht völlig entbehren konnte und darum auch beim -Spiel allweil ein braunes Häuflein auf dem Handrücken trug und die Nase -oft und oft inbrünstig dazu niederstoßen ließ und mitten in Gottes -Lobpreisung andächtig hineinschnupfte. - -Als der Isidor noch frommer war, schnupfte er in den Fasten nicht, so -sehr es ihn auch lüstete; er tat sich einen Abbruch, um Gott wohl zu -gefallen. Erst am letzten Kartag, wenn der Pfarrer sang: »Christ ist -erstanden!«, da nahm er sich wieder das erste Schnüpflein. Als aber -am Auferstehungstag einmal der Geistliche kein Ende fand und Gebet -an Gebet, Litanei an Litanei knüpfte und nimmer in den Erlösungsruf -ausbrach, schlug sich der Isidor ungestüm den Tabak auf die Hand: -»Ob der Herrgott auferstanden ist oder nit, -- ich schnupf!« Seither -fastete seine Nase nimmer, und wenn ihm einer dies als Laster -vorrückte, wehrte er sich: »Das Schnupfen ist keine Sünd. Der Pfarrer -Eusebius hat seine Tabakdose sogar auf dem heiligen Kelch zum Altar -getragen. Freilich hat der mit seiner geistlichen Nase nur Spaniol -mögen, und ich schnupf brasilianischen Tabak. Aber unser Herrgott kennt -keinen Unterschied.« - -Dazumal, als sie den alten Bonifaz vom Nagel herunternahmen, lümmelte -der Isidor mit seinem Nachbar, dem Mußmüller, im »pfalzenden Hahn«, -ließ sich von ihm über den Tod seines Vaters trösten und lüpfte eifrig -den Krug. - -»Sei froh, daß er hin ist,« redete der Müller. »Es ist dein Glück, -daß er im Ausgeding gesessen ist, er hätt dir sonst den ganzen Hof -versoffen.« - -Der Isidor schaute finster. »Soviel kann keiner versaufen, als ich hab. -Und vergönn es ihm, neid es ihm nit in die Grube nach!« - -»Dullhäubel,« der Müller hob beschwörend die Stimme, »Dullhäubel, ich -weiß es: der Durst schluckt den Bach samt der Mühl.« - -»Deinen Bach freilich, Gori, der hat kein Wasser,« grinste der Bauer. -»In aller Früh gehst du aus, schlagst mit der Stange den Tau von den -Erlen, daß du Wasser aufs Rad kriegst.« - -In des Mußmüllers Stirn schnitten sich zwei scharfe senkrechte Falten, -er packte das Stutzenglas und hieb es dem Isidor auf den Schädel, daß -die Scherben flogen. Jetzt hob auch der Bauer sein Glas und trümmerte -es dem Müller auf das Hirn. Das alles geschah ohne sonderlichen Lärm. - -Derweil der Wirt neue Gläser holte, saßen sie blutig und lachten. - -»Nix für ungut, Müllner.« - -»Tu her ein Schnöpflein, Isidor, daß wir einen andern Sinn kriegen!« - -Der Bauer zog von dem blauen, geschliffenen Tabakglas den Stöpsel weg, -den er aus Weiberhaaren geflochten hatte, und die zwei kräftigten sich -an dem scharfen Brasil. - -Der Wirt stolperte in die Stube. »Dullhäubel, dein Weib hat sich ein -ungeschicktes Wochenbett ausgesucht. Gerad vor der Kapelle hat die -Wehstund sie angepackt.« - -Der Bauer pfiff halblaut vor sich hin; die Hand, die sich mit einem -Schnöpflein heben wollte, sank ihm. - -»Sie ist über den Erhängten zu stark erschrocken,« redete die Wirtin -zum Fenster herein. - -Der Müller riet: »Nachbar, drück die Knie zusamm, daß sie leichter -niederkommt!« - -»Bei der Kapelle?« besann sich der Bauer. »Das ist kein ungeschickter -Ort, Wirt. Da springt der heilige Blaumantel heraus und steht ihr bei.« - -»Wir Weiber helfen uns schon selber,« schwätzte die Wirtin. »Ich für -mein Teil komm um einen weißen Laib Brot nieder, ich geh dreimal in der -Stube hin und her und beutel das Kind ab.« - -Der Isidor blähte sich auf. »Studieren muß er, der Bub. Ein hoher Herr -soll er werden; Steuern soll er einmal ausschreiben, den Müllnern und -den Wirtsleuten!« lächelte er mit pfiffigem Querblick. - -»Was? Mir neue Steuern?« brauste der Gori. »Jetzt, wo wir Müllner so -schwer geschädigt sind von den neuen Zeiten? Alle Gerechtigkeit haben -sie uns genommen. Früher haben wir im Bach fischen dürfen, so weit -unsereiner den Hammer hat werfen können. Heut nimmer. Früher ist meine -Mühl eine Zwangmühl gewesen; heut schafft ein jeder sein Korn nach -Trippstrill und Schlampampen.« - -»Dullhäubel, drei Buben!« rief die Wirtin in die Stube. - -»Sakerment, wie viel?« Der Bauer hielt wie schwerhörig die Hand ans Ohr. - -»Drei Buben. Bis jetzt.« - -Der Dullhäubel faltete die Hände. »O Herr, halt ein mit deinem Segen!« - -Die Tür knarrte, und auf der Schwelle stand die Hebamme mit einem -mächtigen Wickelpolster, drin zwei Büblein kläglich winselten. Eine -Magd trug das dritte Kind. - -»Drei Buben, Bauer!« meldete die Hebamme. »Eine harte Geburt! Gerad vor -der Kapelle.« - -Der Isidor Dullhäubel ergrimmte. »Hat er ihr also nit geholfen, der -Blaumantel? Da steht er schon so lang auf meinem Grund, und jetzt, wo -meine Buben anrücken, jetzt rührt und ruckt er sich nit. Jetzt reicht -er keine Hand.« - -»Er ist halt ein Heiliger und keine Hebmutter,« beschwichtigte ihn der -Müller. - -Aber der Bauer eiferte: »Ist doch schon die Muttergottes selber aus -ihrem silbernen Gewölk gestiegen und den Weibern beigesprungen in ihrer -Stund! Hätt nit der Tropf auch aus seiner Kapelle treten können?!« - -»Wischt euch das Blut ab, Männer,« sagte die Hebamme, »und geht gleich -mit zur Taufe, daß die Würmer nit als Heiden absterben. Daß sie ins -Engelreich kommen und drüben einen Namen tragen. Der ist traurig dran, -der keinen Namen führt. Und die Drillinge werden nit lang leben, es -sind Siebenmonatkinder.« - -Die zwei Männer standen auf und wankten mürrisch den Weibern nach ins -Pfarrdorf Blaustauden hinunter. - -Dort in der Kirche legte die Hebfrau ihr Paar dem Müller in die Arme, -derweil der Bauer den einschichtigen Sprößling hielt. So traten sie zu -dem Taufstein. - -Der Pfarrer ließ nicht lange warten. - -»Hollah, drei auf einem Schub!« lachte er. »Die drei Eismänner haben -schon auf deinem Hof gehaust, sind wunderliche Heilige gewesen, -Dullhäubel. Taufen wir die da nach den drei Königen!« - -Und er taufte sie Kasper, Melcher und Balthauser. Die Büblein hielten -sich mäuselstill, und erst, als bei der Taufe des Kasper, den der Bauer -selber hielt, der geistliche Herr fragte: »Widersagst du dem Teufel?« -da schrie der Bub gar mörderlich auf, als sei er von dem besessen, dem -er absagen sollte, und sei mit der Taufe gar nicht einverstanden. - -»Halt das Maul, Kerl, oder ich schlag dir die Zähne ein!« drohte der -Pfarrer. - -»Segnet ihn mir gut ein, Hochwürden, den Kasper!« bat der Bauer. »Spart -kein Wasser nit!« - -Als die Männer den Weibern wieder die Täuflinge überließen, merkten -sie, daß der Melcher und der Balthauser kein Schnäuferlein mehr -taten. Der Müller mochte sie wohl ein wenig zu fest an sich gedrückt -haben, und es war ungewiß, ob sie getauft oder heidnisch ins Jenseits -eingefahren waren. - -Der Bauer aber freute sich an dem Kasper. Der hielt die lebendigen -Augen offen und sah scharf darein. »Der hat gescheite Augen,« -frohlockte der Alte, »das ist ein Kreuzköpfel.« - -»Er ist zu früh auf die Welt gekommen, der Spitzbub,« sagte die -Hebamme. »Ich will ihn auf der Schaufel dreimal in den Backofen -schieben, dann geratet er. Und gespieben hat er auch schon. Speibendes -Kind, bleibendes Kind!« - -Der Isidor ließ im Wirtshaus noch einen gezuckerten Wein auftragen, -wie ihn die Weiber gern mögen, hernach schickte er die zwei mit dem -Lebendigen und den Toten heim. - -Er selber trollte erst spät seinem Hof zu. - -Vor der Kapelle rastete er. Der Mond lugte glashell hinein. - -»Blaumantel, ob du schon schlafst?« - -Der hölzerne Heilige drin redete nicht und deutete nicht. - -»Geh, reck die Nase her und schnupf, heiliger Blaumantel!« spottete -Isidor. Er tappte sich zu dem Heiligen hin und schüttete ihm das -Tabakglas in den Bart. - -Da nieste es auf einmal so schrecklich auf, daß die Kapelle zitterte. -Mit schlotternden Knieen floh der Bauer. Und eine grobe Stimme schrie -hinter ihm her: »Du wirst deine Schnutel, deine Schnufel nimmer lang -tragen!« - -Was der beleidigte Heilige geweissagt hatte, das geschah. In ein paar -Jahren starb dem Isidor Dullhäubel die Nase am lebendigen Leib ab, wie -eine Blume an der grünen Staude verwelkt, und weil er hörte, daß die -alten Ritter, wenn ihnen die Hand abgehauen worden war, sich für die -fleischene eine eiserne an den Arm hatten schnallen lassen, so suchte -er einen Kupferschmied heim, und der setzte ihm eine kupferne Nase -zwischen die Augen. - -Doch das Leben freute ihn nimmer, seit er nimmer schnupfen konnte, und -er vergaß es dem Blaumantel nicht, daß er ihn um das eindringlichste -Ergötzen seines Lebens betrogen hatte; schimpfend stampfte er an ihm -vorbei und rückte den Hut nimmer. - -Als der Kasper so hoch wie der Stubentisch war, und sich schon selber -die Tür auftun konnte und ganz listig schon aus den engen Augen -herauslugte, da stellte der Bauer ihn vor die Kapelle und schalt -unflätig hinein. So keimte in dem kleinen Kasper ein Widerwille auf, -und der wuchs, als die Altbäurin Sodonia dem Buben, wenn er etwas -Schlechtes getan, mit dem Zorn des Heiligen drohte und diesen als -Vorbild eines wohlgefälligen Wandels hinstellte. - -Die Alte rüstete den Heiligen mit der Pracht der wunderlichsten Wunder -aus und dichtete ihm alle Gewalt über Himmel, Hölle und Welt zu, so daß -der Herrgott, an ihm gemessen, nur ein ohnmächtiger Schatten schien. -Vor seinem Zauber wurde der Gichtbruch tanzend und wanderte der Lahme, -versiegte alles Gebrest; Stumme lobsangen ihn, Blinde wurden geheilt an -dem Schimmer seines blauen Mantels. - -Der Kasper lehnte oft vor der Kapelle und staunte voll Angst und Trutz -hinein. - -Am Bach, in dem gemauerten Häuslein, hinter der Gittertür geborgen vor -Regen und Schnee, hatte der Heilige seinen Unterschlupf. Mit krausem, -rotem Schädel, mit strengen, quellenden Augen und langer Nase stand er -drin, das Haupt geneigt unter der Last des Heiligenscheines, am Kinn -angeleimt einen fuchsfarbenen Bart aus Menschenhaar, den Mund weit -offen und die Arme abwehrend von sich gestreckt, als seufze er: »Gott, -hüt mich frommen Bruder vor dieser Welt!« - -»Dein Guckähnel hat ihm einmal frevelmütig den Bart gestutzt, aber -gleich ist er ihm wieder nachgewachsen, dem Heiligen,« erzählte die -Sodonia dem Buben. - -»Warum ist er denn heilig?« - -»Weil er in einem Felsenloch gehaust hat sein Lebtag.« - -»Da ist der Fuchs auch ein heiliger Mann, der schlaft auch in einem -Steinriegel hinter der Mühl.« - -»Ein Vieh ist nit heilig,« sagte die Altbäurin verdrossen. - -Der Kasper faltete die Stirn. »Woher ist der Blaumantel gekommen? Hat -er sich die Kapelle selber gebaut?« - -Sie zog den Buben auf den Schoß und erzählte: »Gar überlang ist es -schon her, da haben die Hirten den hölzernen Heiligen in einem hohlen -Baum gefunden, da auf der Stelle, wo er jetzt steht. Sie haben ihn -nach Blaustauden geschafft und dort auf den Altar gestellt, aber er -ist davon und wieder zurück in seinen Baum. Jetzt haben sie ihn in die -Stadt gebracht, daß er nit in einen so langweiligen Einöd trauern müßt, -sondern ein paar ansehnliche Heilige um sich hätt, und daß er sich dran -gewöhnt, haben sie ihn in der ersten Nacht in eine Truhe unter Schloß -und Eisenband gelegt, und der Pfarrer und der Meßner haben sich darauf -gesetzt, daß der Vogel nit ausfliegt. Aber der Blaumantel hat die Truhe -gesprengt, Pfarrer und Meßner über den Haufen geworfen, und ist wieder -zurück in die Heimat. Er hat wollen in der Wildnis geehrt werden, wo er -gebetet und gebüßt hat. Da hat man über ihn die Kapelle gebaut.« - -Der Kasper schielte mit den verzwinkerten Äuglein hinauf. »Mir hat aber -der Vater gesagt, die Fuxloher hätten den sakrischen Blaumantel auf der -Wallfahrt gestohlen, daß sie einen wohlfeilen Heiligen hätten. In einem -Sack hätten sie ihn daher gebracht.« - -»Sei still, Bub,« warnte die Altbäurin, »sonst straft er dich auch. -Denk an dem Bauer seine Nase!« - -»Meiner Nase darf er nix tun,« trotzte der Kasper. - -»Still, still! Sonst kommt gar der Gankerl, steckt dich in den rußigen -Kessel, bratet dich, frißt dich.« - -Es war, als würde dem Buben die kecke Rede vergolten, denn nach ein -paar Tagen wuchs ihm auf der Nasenspitze eine Warze, die ihm gar nicht -gut zu Gesicht stand. Das wurmte die Altbäurin, der an des Kasper -Sauberkeit gelegen war, aber das Hörnlein blieb, wie oft es auch mit -Wolfsmilch und mit Warzenkraut betupft, mit Fensterschweiß gewaschen -und mit Roßhaar gedrosselt wurde. Es frommte nicht heißes Schusterpech, -und als die Sodonia den Mißwuchs gar mit Zunder wegbrennen wollte, -brüllte der Bub entsetzlich und ließ keinen mehr an sich heran. - -Da kam die Ulla daher, ein buckliges Bettelweiblein mit einem -kleinwinzigen Kopf, drin ein Hirn kaum Platz zu haben schien. Ihr -spitzes, haariges Kinn schlotterte, geschäftig drehte sie sich in der -Stube hin und her und knüpfte mit einem Faden fünf Knoten über der -Warze des Kasper, der sich wie verhext unter dem sonderbaren Tun des -Weibleins duckte. Nachher betete sie fünf Vaterunser und murmelte -noch ein Heimliches in sich hinein, daß den Buben ein Grausen anflog. -Schließlich humpelte sie hinters Haus, und wo die Tropfen vom Dach in -die Erde schlugen und eine Rinne gegraben hatten, dort verscharrte sie -den Faden. - -Als der Mond neu wurde, war die Warze verschwunden, und der Kasper war -ein sauberer Bub mit blühroten Wangen, großem, kugelrundem Kopf und -flinken Füßen. - -Die Ulla aber fürchtete er noch mehr als den Erdspiegel, der im Keller -unzugänglich verschlossen lag. Oft stahl er sich zu der verfallenen -Hütte der Alten und belauschte sie, wie sie zwischen den Felsen wilde -Kräuter brockte und eintrug, wie sie mit den Raben redete und den -Schlangen oder einer Staude etwas sagte oder gar einem Stein. - -Sonst war er ein Waghals. Er ritt auf den Ochsen und Rössern, kletterte -auf die Tannen hinauf bis zur höchsten Spitze, rannte über den -Dachfirst, wo der Hauslauch grünte, und niemals stieß ihm ein Unglück -zu. - -Nur einmal blieb ihm eine Bohne in der Nase stecken, sie wollte nicht -heraus und keimte schon. - -»Sie wachst dir ins Hirn, Kasper,« jammerte die Altbäurin. »Der -Blaumantel wird dich ganz gewiß an der Nase verderben lassen. Ich seh -dich schon verkupfert.« - -Der Bauer aber klemmte den Kasper zwischen die Kniee und drückte ihm -das Gesicht in eine Hand voll Tabak hinein. Da riß es dem Buben den -Kopf in die Höhe, er nieste sprühend, und die Bohne flog aus der Nase -an die Wand. - -Jetzt haßte der Kasper den Blaumantel. Den heilsamen Tabak aber -begehrte er, und bald wußte er sich aus des Vaters ungenütztem Vorrat -den bräunlichen Staub zu verschaffen, der das Hirn so lieblich kitzelt -und erfrischt und das ganze Blut riegelt, wenn der Niesreiz von -inwendig her an die Nase herankriecht und schallend zerstäubt. - -Weil der Kasper gar so waghalsig und ungebärdig aufwuchs und von den -Wipfeln schier nimmer herunter zu kriegen war, wo er die Krähennester -ausraubte, sorgte sich die Sodonia um des Enkels leibliches Wohl und -Seelenheil und fürchtete, er schlage allzusehr in die Art der Vorfahrer -am Dullhäubelhof. - -Drum meinte sie zur Bäurin: »Du, Sanna, wir müssen den Daumen mehr auf -den Buben halten, daß er nit ausartet. Er hat nit Rast, nit Ruh, wie -aus Schlangenschwänzen ist er zusammgesetzt. Er zerreißt zu viel Hosen.« - -Die Bäurin gähnte: »Das tut nix. Der Schneider bittet auch ums tägliche -Brot.« - -Die Alte ließ nicht nach. »Der Kasper hat ein gutes Gemerk, wir sollten -ihm einen Schulmeister halten. Der Brunnkressenhannes wär ein gelehrter -Mann.« -- - -Da fand sich der Brunnkressenhannes im Hof ein. - -Er war ein magerer, krummhälsiger Gesell, der den Bauern gegen einen -Jahrlohn das Vieh hütete. Auch bekam er alljährlich von der Gemeinde -ein neues Kuhhorn, und er prahlte oft, zu seinem Begräbnis brauche er -keine Musikanten, da würden alle Hirten aus dem Gebirg kommen und auf -den Hörnern, die in seiner Kammer hingen, ihm zu Grabe blasen. - -Jetzt aber fragte ihn der Isidor Dullhäubel: »Hannes, kannst du -schreiben und lesen und rechnen?« - -»Und singen auch,« nickte der Hannes stolz. - -»Du sollst das alles unserm Kasper in den Kopf bringen. Triffst du das?« - -Der Hirt bäumte sich auf. »Das vermag ich wohl. Ich hätt schier selber -in der Stadt die Schulmeisterprüfung hingelegt.« - -»Warum hast du es nit getan?« - -»Ei, da haben mich die Herren von der Schulmeisterschul gefragt, -was ich vom Specht wüßt. Ich hab langmächtig hin und her gedacht, -und zuletzt hab ich zugeben müssen, daß mir derselbige Specht ganz -unbekannt ist und daß ich ihnen überhaupt nix davon erzählen kann, -und wenn sie mich erschlagen. Da hat mich einer erschrecklich scharf -durch die Augengläser angeschaut und hat auf die Tür gedeutet. ›Behüt -Gott! Ich geh gern,‹ sag ich. Und wie ich glücklich draußen bin, steht -einer dort, der ist aus der Blaustaudner Pfarrei gewesen. ›Du,‹ sag -ich, ›hörst, jetzt gesteh mir auf dem Fleck, was ist denn das -- ein -Specht?‹ ›O du lieber Landsmann,‹ schreit der, ›du wirst doch schon -einmal einen Baumhackel gesehen haben?!‹ Nein, Dullhäubel, wenn ich -gewußt hätt, daß der Baumhackel in der Stadt sich Specht schreiben -laßt, den ganzen Tag hätt ich den studierten Herren davon erzählen -können.« - -Der Dullhäubel holte den Hirschenbrunner Volkskalender vom -Fensterbrett, schlug ihn vorn auf und hielt ihn dem Hirten hin. »Jetzt -will ich mich überzeugen, ob du gut lesen kannst.« - -Der Brunnkressenhannes holte aus der Brusttasche eine Brille herfür, -rüstete sich damit und setzte ein gelehrtes Gesicht auf. - -»Mit Brillen lesen, ist keine Kunst,« rief der Bauer. »Das trifft ein -jeder.« - -Der Hannes kehrte sich nicht dran und las langsam und gewichtig: »Sankt -Kilian stellt die Mäher an. Wann Maria im Regen übers Gebirg geht, dann -geht sie im Regen wieder zurück.« - -Schnell deutete der Dullhäubel auf eine Eintragung, die auf der andern -Seite stand. »Ob du die Schrift auch verstehst?« - -Der Brunnkreßner wischte mit dem Ärmel über die Nase und las: »Am -Montag nach Mariä Himmelfahrt ist der Kasper auf die Welt kommen. Den -Tag hernach ist unsere gelbfleckete Kuh, die Docke, beim Stier gewesen.« - -»Selbes ist wahr,« freute sich der Bauer, »meine Mutter hat das -geschrieben. Die Zeit stimmt.« - -Nun schlug er den Kalender hinten auf und hielt ihn lauernd dem Hirten -hin. - -Der las: »Viehmärkte in Hirschenbrunn sind zu Georgi, am Tag vor Peter -und Pauli, zu Ägidi und zu Martini.« - -Der Isidor wunderte sich über die Maßen. »Sakerment, wahr ist es, -vorn und hinten kann er lesen. Aber, Hannes, ich muß dich noch mehr -versuchen.« - -Er rannte davon und kam nach einer hübschen Weile mit einem andern -Kalender zurück. - -»Den hat mir der Mußmüllner geliehen, es ist ein Linzer Stadtkalender. -Ob du den auch verstehst?« - -»Das wär nit schlecht.« - -Der Hannes las, worauf des Dullhäubel derber Finger zeigte: »Ein Bauer -begehrte einen Viehpaß. Der Schreiber fragte: ›Auf wieviel Ochsen?‹ -- -›Auf Zwei‹. -- ›Und der dritte treibt sie‹, lachte der Schreiber. -- -›Und der vierte schreibt sie‹, lachte der Bauer.« - -»Sakerment, ist das eine schöne, kurze Geschichte. Und ist sie auch -wahr? Und steht das wirklich so drin?« staunte der Dullhäubel. - -»Ganz genau, ich beschwör dir es. Tausend Schwüre leg ich darauf ab in -einer Viertelstund!« - -»So kannst du also einen jeden Kalender lesen vorn und hinten?« - -»Oben und unten, geschrieben und gedruckt,« sagte der Hirt. - -»Sakerment, wenn du jetzt noch die Gitarr zupfen könntest, du könntest -um die größte Schul einreichen,« meinte der Bauer. - -Damit war der Brunnkressenhannes als Schulmeister aufgenommen. -- - -Am andern Tag hütete der Hannes auf der Weide vor dem Vogeltänd das -Vieh. Das Kuhhorn im Gürtel, saß er auf einem Stein, und vor seinen -Zehen brannten die feurigen Nägelblumen. Rings graste das Vieh, ein -rotblümetes Stierlein scherzte, ein Heuschreck hüpfte aus dem Gras auf. -Am Himmel glänzte eine linde Wolke. - -Da brachte der Isidor Dullhäubel seinen Schüler daher. - -»Er wird bei mir Zucht lernen,« rief der Brunnkressenhannes. »Gute -Zucht tragt gute Frucht. Da setz dich her zu meinen Füßen, Kasper!« - -Er räusperte sich und fing an: »Zuerst müssen wir von der Welt lernen. -Drum merk auf, und sag es mir dreimal nach: Die Welt ist eine Kugel.« - -»Oha!« schrie der Bauer, der zuhörte. »Weitaus gefehlt! Die Welt ist -ein Teller.« - -Der Hannes bog den krummen Hals und sah den Dullhäubel scheel an. -Nachher begann er wieder: »Du kannst es mir glauben, Kasper! Die Welt -ist so rund wie dein Schädel.« - -Betroffen tastete der Bub seinen Kopf ab, als wolle er den rechten -Begriff von der Gestalt der Erde gewinnen. - -Derweil widerstritt der Bauer: »Alles ist gerad und eben. Wo sieht man -es denn, daß die Welt kugelrund ist? Wenn es so wär, müßt man ja auf -der Seite hinunterfallen. Bucklet ist die Welt, aber rund nit.« - -»Die Welt ist rund wie eine Kegelkugel und dreht sich,« sagte der -Brunnkressenhannes scharf und unwillig. »Schwätz mir nix drein, Bauer!« - -Der Isidor erwiderte: »Wenn die Welt sich dreht, müßt einmal das Wasser -aus dem Brunn fallen, du Aff du! Und mit dem Kopf nach unten müßt man -zeitweilig gehen, du Aff du! Stell dich einmal auf die Stubendecke -hinauf, du Aff du, und fall nit herunter!« - -Der Hirt ward hitzig. »Und dennoch dreht sich die Erde um die Sonne!« - -Da holte der Bauer weit aus und reichte dem Hannes einen schallenden -Hieb. »Ich vertrag viel, aber so arg laß ich mich nit narren, du -falscher Lügenteufel. Hab ich es doch erst heut wieder gesehen, wie -die Sonn aus der Erd heraus gerodelt ist! Und die Sonn steht nit, sie -geht; doppelt so geschwind geht sie wie ein Mensch.« - -Der Hannes rieb sich die Wange. »Du bist ein grobes Wetter, Bauer. -Aber es hilft dir nix. Und die Gelehrten wissen allerhand, was dir -seltsam ist, und sie haben recht. Wie könnten sie sonst die Stund genau -ansagen, wo sich der Mondschein verfinstert?« - -»Das nehmen sie ja aus dem Hirschenbrunner Kalender, du Narr!« - -»Und wer macht denn den Kalender, he?« - -»Den Kalender hat es allweil gegeben, du Narr. Hör mir auf mit deinen -neugescheiten Gelehrten! Die wissen am End gar, wann Gott die Welt -erschaffen hat.« - -»Jawohl, Bauer, am dreizehnten März.« - -Da schlug der Isidor Dullhäubel ein Kreuz, daß er sich dabei schier die -kupferne Nase aus dem Gesicht gerissen hätte, und ging und überließ den -Kasper seinem Schulmeister. - -Der hob den Finger. »Jetzt, Bub, mußt du einen Spruch lernen. Sag mir -ihn nach! - - Kind, horch, was dein Gewissen spricht - und handle so, dann fehlst du nicht! - Die innre Stimme ruft uns zu: - Böses meide! Gutes tu!« - -Zeile um Zeile drillte er dem Schüler ein, und der konnte es bald -auswendig. - -»So, jetzt lernen wir Lieder singen!« - -Der Hannes zog das Maul schief, sah ins Gras und begann mit meckernden, -hohen Lauten: - - »Morgens, wenn die Sonn aufgeht - und der Tau im Gras da steht, - treib ich mit verliebtem Schall - meine Viehlein aus dem Stall - auf die grüne Hutweid hin, - ob ich gleich ein Hirt nur bin.« - -»Nun, Kasper, wie gefallt dir das Lied? Es hat eine recht sittsame -Weis.« - -»Gar nit gefallt es mir,« rief das Bauernbüblein. - -»Du Lump, du fauler, du geringschätziger!« tadelte gekränkt der Hannes. -»Du wirst auch einmal so ein Bauer werden, der alle Tag Sonntag und -alle Sonntag Kirchweih hat und nix tut, als an den Zäunen lehnen. Weißt -du vielleicht ein schöneres Lied?« - -Der Bub ließ es sich nicht schaffen und gellte aus höchstem Hals: - - »Ich schrei hü, - ich schrei ho, - ich schrei allweil - hüstaho!« - -»Da loset dem jungen Dullhäubel zu, der braucht keinen Schulmeister -nimmer,« sagte der Hirt bissig. - -Er kramte einen messingenen Ring heraus, das war seine Sonnenuhr, -stellte sie gegen das Licht und sah nach der Stunde. - -»Bub,« meinte er, »meine Zeit ist da, mich schläfert. Nimm derweil das -Vieh in acht!« - -Er unterwies den Kasper noch, wie er sich als Hirt zu halten habe, -verblümelte dabei seine Rede mit vielerlei nutzbaren Sprüchen, sank -dann auf einmal steif und mit gläsernen Augen ins Gras zurück und -schlief. - -Der Kasper kümmerte sich nicht um das Vieh, sondern kitzelte die -Grillen aus ihren Nestern, und hernach fing er ein paar Bienen, sperrte -sie in ein Schachtel, und die war der Stall, dort sollten sie Honig -melken. Dann grub er ein tiefes Hummelnest aus. Eine Hummel entkam -ihm und irrte herum wie ein fliegendes Baßgeiglein, eine andere aber -ertappte er und steckte sie zu den Bienen, denen sollte sie der Weisel -sein. Auch die Hummelzellen gab er ihnen in den Stall, sie sollten -sich ihrer als Schüsseln und Bratscherben bedienen. - -Bald war sein unruhiger Sinn des stillen Spieles überdrüssig, und er -schlich sich zu zwei weidenden Kühen hin und knüpfte ihnen die Schwänze -zusammen, und als er hernach böse zu summen anhob wie eine Blutfliege, -wurden die zwei Tiere vor Angst irr, sie wollten fliehen und konnten -nicht, sie versuchten sich zu scheiden, und es gelang nicht, das eine -zerrte hin, das andere zog her, sie sprangen immer närrischer. - -Der Kasper ergötzte sich daran, und daß seine Lust noch höher steige, -stahl er dem Hirten das Horn und stieß mit aller Wut seines Atems -darein. - -Der Brunnkressenhannes taumelte auf. Er sah, wie die Kühe mit -verknüpften Schwänzen, die eine rechts, die andere links, einen jungen -Ahorn schier umrissen. Verzweifelt griff er sich ins Haar, das so karg -stand wie der armen Leute Hafer. - -»Herrgott von Blaustauden, laß nur die Schwänze nit reißen!« Mit diesem -und noch manch anderem Stoßgebet rannte er den Kühen zu Hilfe. - -Da tauchte der Meßner Grazian aus einer Staude, ein spitzköpfiger, -einseitiger Mann; die eine Achsel stand ihm höher als die andere. Er -deutete mit krummem Finger auf den Kasper. »Das ist ein liederlicher -Bursche. Der wird es zu nix bringen.« - -Der Bub blies mißtönig auf dem Stengel einer Ringelblume und schaute, -kalt bis ins mittelste Herz, zu, wie der Hannes die ungeduldigen Kühe -auseinander tat. - -»Dem liederlichen Burschen wird es einmal schlecht gehen,« weissagte -der Meßner Grazian, »der wird noch einmal Mäus und Grillen fressen.« - -Indes hatte der Hirt sein umständliches Amt vollbracht und fiel nun -mit einem heimtückischen Sprung über den Kasper her, lieh sich dessen -Ohrwäschlein aus, tappte ihm nach dem Schopf und riß ihm eine dicken -Schübel Haare aus. Dabei keuchte er: »Dank hab die Rut, sie macht das -Knäblein gut!« und der Kasper sollte den Spruch wiederholen. Der aber -stampfte und strodelte unter den Krallen seines Meisters und krähte wie -ein junger Rabe, der aus dem Nest gefallen ist. - -Der Grazian hingegen predigte aus der Staude heraus: »Der liederliche -Bursche rennt dem Galgen zu, er kann ihn nimmer erwarten. Hau zu, -Hannes! Hau so viel Ruten an ihm ab, als auf einem Joch wachsen!« -- - -Damals endete das kurze Schulmeistertum des Brunnkreßners. - -Der Isidor Dullhäubel nahm seinen Buben her. »Kasper, du wirst ein -großer Bauer wie ich. Du wirst einmal Vieh und Felder und Holz haben. -Holz macht die Erde stolz, und du kannst einmal stolz den Kopf heben, -und die andern Fuxloher Bauern werden nur Notleider gegen dich sein. -Lernen sollst du nit viel, es ist nit gesund. Wer viel weiß, wird nit -feist.« - -»Zum Hannes geh ich nimmer,« trotzte der Bub. - -»Du brauchst auch nit, Bub. Die richtige Meinung über die Welt bring -ich dir bei, und lesen und schreiben lernst du von der Altbäurin.« - -Es war die lustigste Lehrzeit, die der Kasper bei seinem Vater -verlebte. Weil der Bauer glaubte, das Gedächtnis sei die wichtigste -Arbeit des Gehirns, so mußte der Bub die scheckigsten Lügenmärlein -auswendig lernen, davon die Geschichte vom brennenden Wasser, das mit -Feuer gelöscht worden ist, und von der papierenen Kapelle, drin der -hölzerne Pfarrer eine haselne Messe liest, noch am glaubwürdigsten -war. Hernach brachte der Dullhäubel seinem Schüler, der lebhaft wie -ein Hirschlein darein sah, manchen Spottreim und manchen spitzigen -Stichelschwank bei und erzählte ihm die Streiche, derer die Dörfer -diesseits und jenseits des Gebirges bezichtigt wurden, und bald wußte -der Kasper jedem Ort ein Narrenglöckel anzuhängen, und er spottete über -die Bärnloher, denen einmal ein Ochs auf den Kirchturm hinaufgestiegen -war, und über die Daxloher, wo die Kühe so bitterlich hungern, daß eine -der andern den Schwanz abfrißt. Quackten im Mai die Frösche, so lachte -der Kasper: »Die Grillnöder singen!« Und wenn die Blaustaudner Glocken -über den Wald herauf klangen, sang er: - - »Die Blaustaudner läuten, - sie läuten vor Not, - sie fangen den Bettelmann - und nehmen ihm's Brot.« - -Der Bub konnte auch bald so kunstvoll mit der Peitsche schnalzen wie -ein alter Fuhrknecht. Er schob die Finger ins Maul und pfiff schrill, -daß es den ganzen Wald Vogeltänd durchdrang und die Krähen in den -Nestern sich duckten. - -Weil er den Großen und den Kleinen seine Sprüche und Stichelnamen -anhängte, traute sich schier niemand am Dullhäubelhof vorüber, und der -Kasper war von allen gefürchtet wie ein bissiger Enterich. Drum fand -er auch zu seinen Spielen keinen Gesellen. - -Nur des Mußmüllers Gid, ein stämmiger, vertrotzter Bub, vertrug -sich mit ihm, und die zwei bauten Wasserräder in den Wolfsbach, -durchstöberten die Felder nach gesprenkelten Rebhuhneiern und die -Wipfel nach Nestern, fingen Schnerrer und Kranwitvögel, brieten und -fraßen sie, fischten und krebsten, schopften und prügelten sich -weidlich und söhnten sich wieder aus. - -Die Nachbarsbuben waren bald nimmer zu trennen. Und kam einmal der -Gid nicht früh genug aus dem Haus, so stellte sich der Kasper vor des -Müllers Tür und lockte mit seiner feinsten Kehle durchs Schlüsselloch -hinein: »Müllnerin, wenn du den alten Mostbirnbaum magst, mein Vater -laßt dir ihn ausgraben. Ist der Gid nit daheim?« - -Er tat so fein und so schmeichelnd, weil die Mühle der einzige Ort auf -der Welt war, der ihm unheimlich schien. Denn der Müller Gori drohte -oft den unbändigen Buben: »Ich laß den Wassermann los, er liegt in der -Kuchel im Ofenloch an der Kette.« Und sprang gar der schwarze Hund -Zikan, den einmal böhmische Komödianten zurückgelassen hatten, hinter -dem Ofen hervor und fletschte den Kasper an, da verzog er sich schnell -und blieb eine kleine Weile artig. - -Aber das Blut der Buben verlangte allmählich nach verwegeneren Dingen, -und die vererbte Rauflust regte sich. So zogen sie oft an die Gemarkung -des Dorfes und forderten schreiend die Widersacher heraus. - - »Salz in der Butten, - Mehl in der Gruben, - die Grillnöder sind - Hagbutzelbuben.« - -Die Grillnöder Buben litten den Schimpf nicht, und sie trauten sich -über die Schmäher, und so kam es zu zerkratzten Gesichtern, verbeulten -Schädeln und blutigen Häuten, wobei aber der Kasper meist gesund -davonging, denn er hielt sich zur rechten Zeit zurück und überließ den -Hauptanteil an dem Streit dem Gid. - -Der Müllerbub war auch weitaus stärker als Kasper. Nur im Gedächtnis -fehlte es ihm. - -Einmal schickte der Mußmüller seinen Gid zum Schuster, und dort -richtete der Bub den Auftrag ganz verkehrt aus. »Gelobt sei Jesus -Christus, Schuster,« sagte er, »da schickt dir der Schuh ein paar -Müllner, er laßt dich gar schön doppeln, daß du ihn bitten tätst, und -daß du ihm morgen die Schuh machst, er will sie heut noch anlegen.« - -Als der Kasper das erfuhr, kannte er die verdrehte Rede gleich -auswendig, und er schonte den eigenen Freund nicht und sagte sie ihm -allweil wieder ins Gesicht, so daß oft bitterer Unfriede wurde zwischen -den Buben und zwischen den Vätern, denn keiner, der Dullhäubel nicht -und der Mußmüller nicht, ließ etwas über seinen Sprößling kommen. - -Bald traute sich der Kasper mit seinen Schwänken an die großen Leute. - -So saß einmal der Schmied mit seinem Gesellen beim Mittag, die Suppe -rauchte, und das Weib schnittelte Brot in den Topf. Da sprang der -Kasper in die Stube und schrie: »Schmied, helft, helft, euer Brunn -brennt!« Hurtig rannten Meister und Meisterin und Gesell hinaus zum -Brunnen, und als die Genarrten zurück kamen und alle Sakermenter -schalten, stand ein Ochs in der Stube, der hatte die Suppe ausgesoffen -und leckte sich noch die Nasenlöcher. »Den Hammer her!« brüllte der -Schmied. Er hätte das Bürschlein mit den Ohren vor seine Werkstatt -genagelt, wenn es nicht gar so entsetzlich um Erbarmen gebettelt hätte. - -Der Kasper lernte dazumal, daß die Leute alles und auch das -Unglaublichste glauben, man braucht es ihnen nur zu sagen. - -Derlei Unfug trieb er noch viel. Der Bauer litt es und nahm lachend den -Missetäter in Schutz. Ein einziges Mal nur vergriff er sich an ihm. - -Die Grillnöder Buben brachten dem Kasper einen seltsamen Schimpf auf. -»Erdspiegelbub! Erdspiegelbub!« kreischten sie und zeigten auf ihn. Er -konnte sich nicht wehren, weil er nicht wußte, was das Wort bedeutete. - -Der Brunnkressenhannes sagte ihm hernach, daß im Dullhäubelhof in -einem schauerlichen Loch neben dem Krautkeller der Spiegel aufbewahrt -sei, drin alles offenbar werde, und in dessen Glas jeder Dieb und -Räubersknecht sich zeigen müsse, wenn es der Bauer verlange. - -Er erzählte: »Vor alter Zeit ist mein Ähnel einmal durchs Gehölz -gefahren. Plötzlich geht der Wagen nimmer vom Fleck. Die Ochsen legen -sich ins Joch, daß sie züngeln und der Schweiß ihnen rinnt wie ein -Bach, der Ähnel haut mit dem Geißelstecken auf das arme Vieh los, -umsonst, der Wagen steht wie angefroren. Da nimmt er vor lauter Zorn -die Axt und haut sie ins Hinterrad. Gleich rollt der Wagen wieder -fort, als ob nix gewesen wär. Wie der Ähnel hernach zum Dullhäubelhof -kommt, hört er es drin ächzen. Er schaut nach. Da liegt der Servaz -Dullhäubel blutig im Keller bei dem Erdspiegel und sein Fuß abgehackt -neben ihm. Der Servaz hat in dem Glas meinen Ähnel fahren sehen, hat -ihm einen Possen tun wollen und den Fuß aufs hintere Rad in den Spiegel -gestellt. Und wie mein Vorfahr dreingehaut hat, hat er dem Servaz den -Fuß abgehackt. Er soll hernach krumm gegangen sein, der Servaz.« - -Der Kasper schlich sich am selben Tag noch in den Keller. Aber die -Tür zum Erdspiegel war vernagelt, und als er sie aufsprengen wollte, -ertappte der Bauer den neugierigen Buben und legte ihn übers Knie. - -Das war das erste und letzte Mal, daß der Kasper des Vaters Faust -spürte. - -Als die Sodonia den Enkel in solchen Ränken und Schwänken aufwachsen -sah, kränkte sie sich arg. Sie machte sich wunderliche Gedanken über -ihn und fürchtete sogar eine Zeitlang, der Kasper sei ein Wechselbalg -und in der Wiege vertauscht worden, und darum habe er auch einen gar -so großen Kopf und ein so boshaftes Gemüt, und sie bereute, daß sie ihm -nicht gleich nach der Geburt Märzhasenaugen um den Hals gehängt hatte, -den höllischen Tausch zu hindern. - -Nun wollte sie seinem Übermut stauen, indem sie ihm die ewigen Leiden -vorhielt. Sie blätterte mit ihm durch des Kapuziners Cochem »Goldenen -Himmelsschlüssel« und wies ihm drin die Bilder, wie die Sünder am -Bratspieß des Teufels gespickt wurden und ihnen der Leibhafte mit -feuriger Axt das Fleisch vom Bein metzgerte und das Glied aus dem -Gelenk riß, wie Nattern mit giftigen Zungen die Verdammten mitten ins -Herz stachen und schleimige Kröten ihnen ins Maul krochen, und wie ein -derart gepeinigter Mensch sich nicht helfen und nicht wehren konnte, -zumal da er durch den Bauch an den Erdboden genagelt war. - -In des Vaters Cochem Höllenspiegel gilbten dürre, duftende Nußblätter. -Die Sodonia ließ den Buben oft daran riechen und sagte dazu traurig: -»Die Blätter wachsen nit in Fuxloh, sie wachsen in einem Land, wo die -Leut milder sind.« Die Alte hatte aus einem fernen Dorf aus dem Vorland -des Gebirges herauf geheiratet. - -Obschon der Kasper sich in der Nacht abergläubisch fürchtete, am -lichten Tag schreckte ihn der Ahnin Warnung nicht, daß auch er einmal -in den Höllenkessel hinabquirlen und drunten brennen und braten -müsse. Er wurde im Gegenteil immer begieriger, die marterlichsten und -verwickeltsten Peinen des Satans kennen zu lernen, als wolle er diesem -einstmals als gelernter Gesell behilflich sein. Das merkte die Sodonia -mit blutendem Herzen, und sie hakte bald den Höllenspiegel zu und malte -den Teufel nimmer an die Mauer. - -Der Kasper schlief in ihrer Kammer, und wenn er nachts aufkam, sagte -sie mit ihm das Einmaleins auf, um ihn von bösen Gedanken abzuhalten, -und lehrte ihn kopfrechnen. Auch die Schrift brachte sie ihm bei, und -beim Lesen zeigte er sich recht anstellig, dabei aber geschah der große -Fehler, daß das abgegriffene Buch, darin er lesen lernte, »Die lustigen -Streiche des Till Eulenspiegel« hieß. - -Die einzige Hoffnung der Sodonia war, daß der mißratene Mensch sich -schon geraderecken werde, wenn er einmal die Lehren des Glaubens aus -berufenem Mund hören werde. - -Und es kam die Zeit, da versammelte der Pfarrer Sebastian Knaupler die -Fuxloher Kinder vor der Kapelle des Blaumantels, um sie für die erste -Beicht würdig vorzubereiten. Er lehrte sie die himmelschreienden und -die lässigen Sünden hersagen, erzählte ihnen die biblischen Geschichten -und münzte, was er da an geistlichen Dingen vorbrachte, in fröhlichen -und handgreiflichen Augenschein um. - -Also hob er, als er von der Sündflut erzählte, die Kutte immer höher -und höher, damit das steigende Wasser recht anschaulich den Kindern -ans Herz schwölle, kletterte schließlich, von den Buben gehoben, auf -die Kapelle, das wachsende Meer zu verdeutschen, und rang droben die -Hände. Dem Häuflein drunten ward angst, mit weiten Augen schauten sie -zu dem geistlichen Herrn auf und in ihren Hirnen dämmerte der Umfang -des Strafgerichtes. - -Da riß ein Lärm die kleine Gemeinde aus den Schauernder Sündflut in das -alltägliche Fuxloh zurück. - -Der Brunnkressenhannes, der dem Pfarrer Sebastian Knaupler das -schulmeisterliche Amt neidete, sah von der Viehweide nieder, tutete und -näselte: - - »Auf der Wies und auch am Klee - ich so lange umher geh, - bis sich laßt ein Brünnlein finden, - daß mein Vieh daraus kann trinken, - allda setz ich mich in Ruh, - nehm die Schwegel, pfeif dazu.« - -Wie neugierige Gänse reckten die Kinder die Hälse und lauschten dem -Störer. Der Pfarrer drohte: »Da alter Grillenkitzler, jetzt halt schon -einmal das Maul!« - -Um die Sinne der Kinder wieder an sich zu reißen und die -bergüberschwellende Flut in einem verwogenen Bild auszulegen, packte -er den Ast über sich und schwang sich in die Föhre. Er glitt aber -dabei aus und stürzte. Zum Glück verhängte er sich mit den Füßen in -eine Astgabel, die Kutte sank ihm über den Kopf verhüllend nieder und -entblößte zwei dünne, borstige Beine, die von einem kurzen Lederhöslein -nur spärlich bedeckt waren. Aus der Kutte heraus flehte er gedämpft um -Hilfe. - -Die Kinder meinten, das gehöre alles zu der biblischen Geschichte, -drum rührten sie sich nicht, warteten und staunten. Schließlich kam -der Hannes mit einer Leiter gelaufen und erlöste den Herrn Sebastian -Knaupler aus seinem absalomischen Zustand. - -Der Pfarrer wischte sich den Schweiß. »Kinder, für heut ist es genug. -Habt ihr alles begriffen?« - -Der Kasper hob die Finger in die Höhe. »Ich begreif nit alles.« - -»So mußt du mich fragen, kleine Seele!« - -Hellauf rief der Bub: »Was für eine Himmelssünd ist das, die -Unkeuschheit?« - -»Die Unkeuschheit,« brummte der Geistliche, »das ist, wenn einer die -Hosen verkehrt anzieht. Und frag nit zuviel, Bengel, und bet zu deinem -Schutzengel, er soll dich nit verlassen!« - -»An den Schutzengel glaub ich nit,« sagte der Kasper keck. - -»Warum nit?« - -»Wenn ich einen Schutzengel hätt, so hätt er mir helfen raufen, wie -mich der Schmied in der Beiz gehabt hat.« - -Da fiel der Pfarrer über den Buben her und rüttelte ihn beim Kragen. -»Du frevelhafter Teufel, wirst du gleich an deinen Schutzengel -glauben!« -- - -In der Woche vor dem Freudensonntag beichtete der Kasper zum erstenmal. -Der Pfarrer spitzte seine Ohren scharf, und der Sünderling wispelte -hurtig hinein: »Bei der Mußmühl weiß ich ein Nest, sind fünf Eierlein -drin, fliegt allweil eine Bachstelze hin. Dir sag ich es. Daß du es -aber niemanden sagst, Pfarrer!« - -Der Herr Sebastian Knaupler zog das Schneuztuch heraus und schneuzte -sich lange. Dann schlug er ein ellenlanges Kreuz in die Luft und -segnete. »Geh hin, o Mensch, deine Sünden sind dir vergeben!« - - * * * * * - -Der Kasper ging hin und wuchs sich gemächlich zu einem stämmigen -Burschen aus, stark und gelenkig. Sein Kopf war noch größer geworden, -nur die Augen blieben winzig und die Stimme hoch und dünn und kichernd, -wie er sie als Kind gehabt hatte. - -Er plagte sich nicht, mit seiner Arbeit hätte er sich kaum das -tägliche Brot verdient. Viel lieber schlüffelte er im Dorf umher und -lauschte überall hin mit offenem Maul und verschlagenem, flinkem -Blick. Hemdärmlig stand er auf der Kegelstatt und wog und warf die -Scheibkugel, daß es donnerte. - -Die Sodonia verwarnte ihn oft und rieb ihm vor, wie Müßiggang bösen -Ausgang nehme, besonders bei einer Bauernwirtschaft, er aber pfiff sich -ein Lied lustiger als das andere, rückte sich den Hut schief und sang: - - »Und ein bissel bin ich bucklet, - und ein bissel bin ich krump, - und ein bissel bin ich tilltapp, - und ein bissel bin ich Lump.« - -Weil er in der Rede gut beschlagen war und keinem die rechte Antwort -schuldig blieb, und weil er schier aus lauter schönen Spitzbübereien -zusammengesetzt war, wählten ihn die Burschen, die im Fasching vermummt -durch die Dörfer reisten, zu ihrem Hanswurst, und in diesem Amt trug er -einen strohenen Dreschflegel, einen Spitzhut und ein Kleid, aus hundert -bunten Flecken närrisch zusammengewürfelt wie seine Seele. - -Der Müllergid ging als der Hauptmann voran, ein gefranstes Handtuch als -Schärpe vor der Brust, auf der Achsel einen Spieß, der sich unter dem -Speck bog, den sein tolles Gesindel aus den Rauchfängen der lachenden -Bauern heimste. - -Und der Kasper stürzte jäh ins Knie, hob die Hände auf und schrie -kläglich: »Ihr lieben Daxloher, ich bitt euch um Gottes willen, gebt -her ein Pfund Teufelsspeck! Leugnet es nit, vor Dreikönig habt ihr -den Teufel abgestochen und in den Rauch gehängt. Und ich bitt euch -gar schön um eine kuhwarme Blutwurst, so lang muß sie sein, daß sie -sich neunmal um den Blaustaudner Turm wickeln laßt und dreimal um eure -Bürgermeisterin.« - -Dann sprang er wie ein Heuschreck auf und schlug sich mit dem -Strohflegel eine Gasse durch die Gaffer, und während seine Gesellen -am Dorfanger tanzten und der Pritschenmeister einen der Zuschauer auf -die Bank legen ließ und ihm fünfundzwanzig auf die Hinterlandschaft -maß, durchstöberte der Kasper die Speckkammern und Ofenröhren der -unbewachten Gehöfte, und kam dann üppig beladen zurück zu seiner Bande -und jauchzte: »Die ganze Welt ist ein Fasching, juchu!« - -In Blaustauden trieb der Kasper einen verreckten Geißbock auf. Sein -Gesindel grub hinterm Dorf ein Loch und senkte den Bock hinunter. Der -Kasper hielt die Grabrede: »Unser lieber, guter Herr Burgermeister ist -tot.« Und einer kniete neben ihm, als Wittib verkleidet und jammerte, -daß es einem das Herz zerspaltete und den Weibern rings das Wasser -aus den Augen sprang. »Ein guter Hausvater ist dahin,« hub der Kasper -wieder an, »ein braver Ehemann. Ihr Jungfern von Blaustauden, ich -wünsch euch allen einen so eifrigen Mann.« - -Der Meßner Grazian aber, der unter den Leuten stand, begehrte auf. »Ich -laß den Blaustaudner Jungfern ihre Ehre nit angreifen,« schrie er und -drängte sich scharf zu dem Redner hin. - -Gleich wurden die Köpfe rot, ein Knäuel ballte sich zusammen, Fäuste -reckten sich, und der Meßner lag auf einmal in der Grube auf dem -Geißbock. - -Es wäre zu blutigen Schlägen gekommen, wenn nicht der neue -Pfarrer Nonatus Hurneyßl eingegriffen hätte, ein aufrichtiger -und entschlossener Mann. Mit dem Regenschirm jagte er die Leute -auseinander, verfolgte damit den Kasper, der sich mit dem Strohflegel -nur schwach wehren konnte, zum Ort hinaus und half schließlich mit dem -nämlichen Schirm seinem Meßner aus der Grube. - -In der Nacht vor dem Fastensonntag trommelte es dem Grazian ans -Fenster. Der Grazian, in der Meinung, es gelte, einen Kranken zu -versehen, tat den Laden auf, und blitzschnell wurde etwas Gehörntes, -Fürchterliches, an eine Stange Gebundenes in die Stube gestoßen, und -das roch abscheulich. - -»Der Teufel ist es, er stinkt nach Schwefel!« schrie die Meßnerin und -fiel aus einer Schwäche in die andere. - -Der Grazian dachte gleich an seine Höllenfahrt und kroch plärrend -unters Bett. - -Als die aufgeschreckten Nachbarn in die Stube leuchteten, fanden sie -einen halbverwesten Geißbock. - -Der Grazian wollte sich den Fastenbraten und den daran hängenden Spott -nicht gefallen lassen und übergab die Sache dem Gericht. Der Täter aber -kam nicht auf, trotzdem daß alles mit den Fingern auf ihn hätte weisen -können. - -Damals geigte die Sodonia dem Kasper tüchtig die Wahrheit, und es -schien, als ginge der Bursch in sich und verabscheue seinen Wandel, der -die Leute ärgerte. - -Er stellte sich Tauben ein, züchtete sie und handelte damit und redete -von nichts mehr als von Schopf- und Kropf- und Trommeltauben, von -rotgesudelten und schwarzgesudelten, spiegelnden und rauhfüßeten Tauben -und pfiff den Vögeln den ganzen Tag und lockte sie, die über den First -des väterlichen Hauses trippelten. - -Und in der Zeit dieser zärtlichen, weichen, sehnsüchtigen Pfiffe, und -während er die Spiele und Scherze der Vögel betrachtete, wie der Tauber -sein Weiblein umtanzte und girrend scharwenzelte und sie am Schnabel -zog, und wie die beiden beleidigt und dann wieder schön mit einander -taten, da wurde das Blut des Kasper ganz wunderlich, und er konnte sich -selber nicht begreifen. - -Und einmal, der Mond blinkte in die Stube, wo Bauer und Bäurin in dem -breiten Himmelbett schliefen, da tappte sich der Kasper zur Tür. Aber -er stieß an einen Stuhl, und der Bauer fuhr auf und sah den Burschen -schleichen. - -»Wohin denn, Bub?« - -»Vater, heiraten möcht ich,« lallte der Kasper halb im Schlaf. - -»Du hast recht. Heut noch nit, aber morgen, Bub. Und jetzt leg dich nur -wieder!« - -Folgsam kehrte der Kasper um und schlief weiter. -- - -Seit jener Mondscheinnacht lachte der junge Dullhäubel den Dirnen in -die Augen. Und um sich vor ihnen ein Ansehen zu geben, handelte er sich -vom Krämer eine Tabakspfeife mit buntem Kopf ein, die steckte er in die -einwendige Brusttasche, daß das Mundstück herausguckte. Auch putzte er -sich mit einem blauen Hut, grasgrünen Hosenträgern und einer breiten -Uhrkette auf und ließ sich unter der Nase einen fuchsfeuerroten Schnurz -wachsen. Und seine Schultern wurden breiter, seine Hände fester und -griffiger. Nur die Stimme blieb ihm hoch und kindisch schrill. - -Einmal saß die Sodonia nachts im Bett auf, weil sie sich den Schlaf -nicht erzwingen konnte. Da hörte sie es wie mit Diebestritten das Haus -umspüren und bald hernach den Kasper draußen halblaut singen: - - »Dirndel, tu auf - und laß mich zu dir, - bin ein armer Kaplan, - sollst beten mit mir!« - -Die Alte witterte neuen Unfug, und sie wollte die Hand über des -Burschen Unschuld halten. Denn seine Mutter, die Sanna, kümmerte sich -nicht um ihn, sie lag den halben Tag hinter der Scheuer unter der -Hollerstaude, und die Stalldirn fing ihr die Läuse. - -Die Sodonia wurde wachsam, und bald darnach merkte sie, wie sich der -Kasper nach dem Essen davon zog und auch die Geißdirn verschwunden -war. Schleunig suchte sie Dachboden, Stall und Stadel durch, bis sie -schließlich zu einem alten, von Brombeergebüsch verwucherten Backofen -kam, dort sah sie vier Füße heraus stehen. Sie packte das eine Paar -kräftig an und zog den Kasper heraus. - -Scheltend führte sie ihn zum Bauer. Aber der lachte unbändig und freute -sich über den Ort, wo die Verliebten ihre Zuflucht gefunden hatten. - -Es war zum letztenmal, daß der Isidor Dullhäubel sich freute. Er -verfiel auf einmal, sein Gesicht wurde käsweiß, die kupferne Nase -überzog sich mit Grünspan, und er behauptete, sie täte ihm weh. Die -Kraft ging ihm aus. - -Zu Mariä Geburt rief er den Kasper zu sich in die Stube. Er zog sich -die hirschlederne Hose aus, die von den Vorfahrern überkommen war, warf -sie dem Burschen hin und murrte: »Da!« Auf dem Tisch schillerten sieben -Tabakgläser, darin die Namen der Wochentage geschliffen waren, und das -Sonntagsglas glühte rot wie ein brennendes Herz. Der Bauer deutete -darauf und ächzte: »Da!« Hernach ließ er sich matt ins Himmelbett -fallen und starrte zu dem Spiegel hinauf, der darüber als Decke hing, -und sah droben das kalkige Gesicht und die grüne Nase und seufzte. - -So wich der alte Bauer dem jungen. -- - -Am Kirchweihsonntag schleppte sich der Isidor Dullhäubel zum letztenmal -in den »pfalzenden Hahn«. Und als er mitternachts toll und voll -heimkehrte, weckte er seine Bäurin und sagte fröhlich: »Heut hab ich -die Krankheit versoffen.« - -Der Kasper schwenkte noch am grauen Morgen die Dirnen im Tanz, als sein -Knecht ganz außer Atem daher kam. »Kasper, heimgehen sollst du. Der -Bauer ist gestorben.« - -»Hast du mich erschreckt!« antwortete der Kasper. »Ich hab schon -gemeint, der rotblassete Tauber wär hin.« - - * * * * * - -Der neue Bauer schaffte dem Toten ein schönes Begräbnis an. Die -kupferne Nase nahm er ihm, als er in der Truhe lag, weg, sie konnte dem -Isidor beim Jüngsten Gericht mehr schaden als nützen. Der Kasper band -sie an den Senkel der Stubenuhr, die schon längst ein stärkeres Gewicht -gebraucht hatte. So hing ihm allzeit ein Andenken an den Verewigten vor -Augen. - -Die Musikanten bliesen, der Pfarrer spritzte den Weihbrunn über die -Truhe und betete um das immerwährende Licht und um die ewige Rast, und -der Kasper heulte am Grab des Isidor Dullhäubel und begehrte, man solle -ihn gleich mit dem Alten einscharren. - -Hernach ließ er sich nach ewigem Dorfbrauch ins Wirtshaus spielen, -und dort ging es feucht und lustig her, daß der junge Dullhäubel beim -Abschied schluchzend zu den Musikanten sagte: »Mein Vater hat jetzt -eine schöne Leich gehabt. Wenn wir leben und gesund sind, müßt ihr mir -bei meinem Begräbnis auch so schön aufspielen.« -- - -Der Mond war schon schlohweiß unterwegs, als sich der Trunkene -heimtrollte. - -In der Blaumantelkapelle war es hellicht. Der Kasper Dullhäubel stierte -hinein. Ihm schien es, der Heilige beutle unwillig den Kopf und hebe -die Handteller gegen ihn, als greine er: »Fahr ab, du Sündenlümmel!« - -»Du bist ein Lümmel, nit ich!« antwortete der Bauer. »Und meine Nase -nimmst du mir nit, die ist kerngesund. Schau nit so scheinheilig drein! -Wer weiß, wer du gewesen bist bei Lebzeiten.« - -Der Heilige glotzte mit offenem Mund, der Mond verlieh ihm Leben. - -»Dir verdank ich meinen roten Bart,« knurrte der Dullhäubel. »In dich -hat sich meine Mutter verschaut, wie sie mich getragen hat. Wir zwei -rechnen noch einmal ab miteinander. Und red nit so grob mit mir! Jetzt -bin ich der Dullhäubel.« -- - -Tags darauf bat er die Altbäurin, sie möge ihm ein altes Heiligenbuch -leihen, das er einmal in ihrer Truhe gesehen hatte. - -Die Sodonia freute sich. »Das Buch schenk ich dir, Bauer. Das ist -recht, daß du jetzt einkehrst bei dir und das Leben der Heiligen lesen -willst, daß du ein Beispiel vor dir hast. Und so wachst in deiner -Frömmigkeit ein gutes Blümel aus deinem Vater seinem Grab.« - -»Sind alle Heiligen drin?« fragte er kurz. - -»Alle! Alle!« Sie nickte feierlich. - -Eine Woche lang buchstabierte er sich durch das andächtige Buch, -daß er das Leben des Blaumantels kennen lerne. Er hoffte, in der -Erdenwallfahrt des heiligen Nachbarn einen schwarzen Fleck zu finden, -wie ja die stolzesten Heiligen oft die größten Sünder gewesen sind. -Vielleicht hat der Blaumantel einen Bauer im Roßhandel betrogen oder -es mit einem leichtfertigen Weibsbild gehalten oder gar irgendwo auf -der Straße einen Wegfahrer abgegurgelt. Es gibt gar wunderliche Brüder -unter den Heiligen. Und wenn der Dullhäubel den Fleck des hochfährtigen -Heiligen aufgedeckt hat, wird er ihm ein paar schöne Strahlen aus dem -Heiligenschein zupfen und ihm gehörig heimgeigen, wenn der Blaumantel -ihm noch einmal ins Gewissen reden sollte. - -Doch wie scharf der Bauer auch die Buchstaben ins Auge nahm und -wie mißtrauisch sein Finger über die Zeilen tappte, daß ihm nichts -entwische, er fand in dem Buch nicht einmal den Namen des Heiligen. - -»O du Duckmauser, wer weiß, was für einer du bist?« grinste der Kasper -Dullhäubel. »Jetzt will ich dir erst recht nachspüren.« - -Er suchte den hochwürdigen Herrn Nonatus Hurneyßl heim. - -Der Pfarrer lehnte gerad im Predigtstuhl, der ein großes, nach oben -offenes Schneckenhaus war, und erzählte die Marter des heiligen -Sebastian. - -»Was gilt es, du kriegst den Pfeil in die Gurgel!« rief er. »Was gilt -es, du kriegst den Schuß in den Nabel! Bums, sitzt dir der Pfeil im -Schienbein! Ja, meine lieben Seelen, da sperrt ihr euer Maul auf -und loset. He, du alte Zipfelhaube im dritten Stuhl am Eck, schlaf -nit! Greift dich denn die Marter gar nit an? He, du Bürgermeister -von Grillenöd, räusper dich nit so laut! He, Mausfallenwirt, lach -nit so mit den Stockzähnen! Versuch es, laß du dir einmal von einem -gottschändlichen Buben mit der Schindelbüchse einen Nagel in den -geschwollenen Magen schießen!« - -Da knarrte das Kirchtor, der Kasper Dullhäubel stand da und tappte -demütig in den Weihbrunnkessel. - -»Gehorsamster Diener, Dullhäubel!« grüßte der Herr Nonatus Hurneyßl -grimmig. »Hast du den Weg verfehlt? Oder regnet es draußen, weil du -da herein kommst? Kannst du nit zur Zeit da sein? Mußt du mich in den -schönsten Martergeschichten stören? Hast du vielleicht einem Geißbock -die letzte Ölung geben müssen? Das möcht ich wissen, was du heut von -unserm Herrgott verlangst. Herrgott im Altar, trau dem Dullhäubel nit! -Ja ja, schnupf nur, und tröst deine Nase! Der Teufel wartet auf dich, -er bekränzt schon die große Bratröhre, wo er dich dünsten wird. Amen.« - -Die Gemeinde murmelte: »Vergelts Gott!« und der Pfarrer stieg -schwerfällig von der Schneckenkanzel herab. - -Nach der Messe schob sich der Dullhäubel in die Kanzlei des geistlichen -Herrn. - -Der rief leutselig: »Ei, was für ein Wind tragt den Dullhäubel daher? -Willst du gar schon heiraten? Das wär ratsam. Deine Wirtschaft braucht -ein Weib.« - -»Mich druckt ein besonderes Anliegen,« entgegnete der Bauer. »Sag -mir, Hochwürden, woher stammt denn unser guter Schutzheiliger, der -Blaumantel? Und was für Martern hat er erlitten, eh die Fuxloher ihn -in die Kapelle gesperrt haben?« - -»Meine liebe Seele, ich kann dir darüber nit viel Auskunft geben. -Euer Heiliger schreibt sich eigentlich Sankt Aurazian, so steht es in -unserm Kirchenbuch zu lesen. Sonst ist über ihn nirgends ein Wort zu -lesen, so viel ich auch die Heiligengeschichte nachgeblättert hab. Mein -Vorgänger, der Pfarrer Sebastian Knaupler, hat in selbiger Sache einen -Brief an die päpstliche Kanzlei in Rom geschrieben, aber auch die haben -nix gewußt vom heiligen Aurazian. Er muß ein gar bescheidener Mann -gewesen sein, weil er nix von sich hinterlassen hat als seinen Namen.« - -Der Dullhäubel dankte und ging. Bei der Siebenkittelwirtin kehrte er -ein und trank, bis er strotzte, und erst, als er keinen Trunk mehr -vermochte, besann er sich auf den Heimweg. - -Die Nacht war schwarz, kalter Regen schlug durch den Wald. Der Steig -war voll Gerill und Geröll und voll lauernder, tückischer, schlüpfriger -Wurzeln, so daß der Bauer oft hinstürzte. - -Vor der Kapelle zündete er sich die Pfeife an und beleuchtete den -Heiligen. Der wehrte mit den Armen ab, als wolle er keinen Teil haben -an dem Dullhäubel und als grause ihm vor dessen trunkenen Wandel. - -»Herr Auraz Blaumantel, jetzt red du selber, wer du bist,« gröhlte der -Bauer. »Gelt, du staunst, daß ich deinen Taufnamen weiß? Ich komm dir -schon hinter die Schliche. Red, wer du bist! Du hast das Maul allweil -offen und kannst nit giges und nit goges sagen.« - -Schärfer schlug der Regen nieder, der Wind bog die Bäume, der Wolfsbach -sauste. - -»Von dir weiß nit einmal der Papst in Rom, woher du bist, du -zugereister Heiliger. Aber ich bin der Dullhäubel aus Fuxloh!« - -Und er kroch in die Kapelle, rollte den Blaumantel in den Regen hinaus, -legte sich an seine Statt und schlief ein. -- - -In aller Frühe stapfte der Holzhacker Longinus Spucht mit seinem Weib -daher, zwei Leute, eines kleiner als das andre. Sie wollten weit in den -Lusenwald hinein, Bäume schneiden, und hörten es jetzt in der Kapelle -drin schnaufen und rasseln und gurgeln. - -»Um teufelswillen, Weib, der Blaumantel schlaft hart,« wisperte der -Spucht. - -»O du Batzenlippel,« spottete sie, »wie kann denn ein Hölzerner so -schnaufen?!« - -»Also ist es ein Bär,« stammelte er. - -»Schau hin, ob niemand in der Kapelle liegt!« befahl sie. - -Er tat ein paar verzagte Schritte und rief: »Ist niemand in der -Kapelle?« - -Da kreischte drin eine greuliche Stimme: »Was, bin ich jetzt auf einmal -der Niemand? Ein großer Herr bin ich, auf der Welt gibt es keinen -größern. Ich bin der -- --« - -Weiter hörten die zwei nichts, sie rannten in einem Saus dem Wald zu. -- - -Die alte Ulla hob hernach den obdachlosen Heiligen wieder in seine alte -Heimstatt und wusch ihm den blauen Mantel, der arg beschmutzt war. - -Im Gau des Lusens ging bald das Gerücht um, der Heilige habe mit zwei -armen Holzhackern ein frommes Gespräch geführt. - -Der Dullhäubel aber prahlte sich, er habe die ganze Nacht mit dem -Blaumantel im »pfalzenden Hahn« gesoffen und Karten gespielt und habe -schließlich den trunkenen Heiligen heimschaffen müssen. - - * * * * * - -Das Frühjahr kam, die Tage nahmen auf. - -Da tändelten die Vögel, der Birkhahn krudelte, der Kiebitz tanzte um -seine Frau, der Fuchs lief der Füchsin nach und der Has der Häsin. - -Und wie die Sterne so zierlich leuchteten und der breite Bauernmond -über den Fuxloher Heustadeln hing, stieg der Dullhäubel auf -halsbrecherischen Waldsteigen übers Gebirg hinüber ins Bayernland -der Einöd Kaltenherberg zu. Der Lugausbauer dort hatte eine mächtige -Tochter. - -Das Gehöft lag schon finster. - -Der Dullhäubel klopfte an. - -Drin meldete sich der alte Lugaus. Er trat ans Fenster und spähte in -die weiße Nacht heraus. - -»Bist du der Bauer?« fragte der Dullhäubel. - -»Der bin ich.« - -»Tu auf! Heiraten möcht ich. Deine Tochter möcht ich.« - -»Hoho, wer bist denn du? Der Lugaus gibt sein Mensch nit dem ersten -besten, der in der Nacht daher reitet. Wir Bauern auf der Einöd sind -dumm, aber zum Narren haltet uns keiner.« - -»Dem Mußmüllner aus Fuxloh sein Bub bin ich. Hast du noch nie nix -gehört von der Mußmühl?« - -»Ei freilich! Komm nur herein! Bist herzlich gern gesehen.« - -Der Alte riegelte die Tür auf, dann stieg er im Vorhaus die Stiege ein -paar Staffeln hinauf und rief in die Bodenluke hinein: »Ogath, heb -dich! Heb dich schleunig! Der Mußmüllnerbub ist da. Schlupf in den -Kittel! Leg an dein seidenes Gewand!« - -Der Dullhäubel setzte sich auf eine mit Rosenstöcken reichlich bemalte -Truhe und ließ die Füße baumeln. - -Die alte Bäurin gab ihm die Hand und kicherte und nickte unablässig. -Der Lugaus brannte einen Span an und steckte ihn in den Leuchter am -Ofen, hernach ließ er sich am Tisch nieder und schmunzelte übers ganze -stoppelige, faltige Gesicht. - -»Gesehen hab ich dich noch nit, Müllnerbub,« sagte er. »Ich bin nur -ein einziges Mal drüben gewesen in Fuxloh. Der Weg her ist gar wild, -voller Steinfelsen und Gewurz. Dazumal bin ich mit dem Leiterwagen -herübergefahren von Fuxloh. Den Weg hab ich dersider verschworen -und verredet. Wie ich die Ochsen so antreib, verlier ich zuerst die -Leitern, hernach das linke Hinterrad, hernach das rechte, hernach das -linke Vorderrad, hernach das rechte, schließlich den Hinterwagen, und -wie ich daheim war, waren nur mehr die Ochsen da mit der Deichsel.« - -Die Ogath trat herein, eine starke, große Dirne. Über Achsel und Brust -hing ihr ein haselbrauner Zopf; ein ganz kleines, feines Bärtlein wuchs -ihr über der Lippe, es stand ihr gar nicht schlecht. - -»Da setz dich zu ihm hin,« sagte der Lugaus. »Heiraten sollst du!« - -Halb schläfrig, halb verschämt ließ sie sich auf die Truhe nieder -und schmiegte sich an den Dullhäubel. Die alte Schwieger nickte und -kicherte. - -»Die Ogath ist für dich, Müllnerbub, die kriegst du,« fing der Lugaus -wieder an. »Schau sie nur an, wie sie gestellt ist! Wie hochbrüstig -sie ist! Ja, meine Menscher haben Schmalz. Drei hab ich schon -ausgeheiratet, leicht hab ich sie angebracht. Die Ogath ist jetzt die -letzte.« - -»Schön ist sie wie ein Nägleinstock,« kicherte die Lugausin. - -Der Bursch tat den Arm um das volle, noch von Bett und Schlaf warme -Weib, und sie schielte heimlich zu ihm hinüber. - -»So red ihm doch schön zu, Ogath!« drängte die Alte. »Bist denn du eine -Stummin?« - -»Nach Fuxloh geb ich das Mensch gern, Fuxloh ist ein schönes Ort,« -sagte der Lugaus. - -Die Junge erwiderte mit tiefer, lachender Stimme: »Herzlich gern geh -ich fort aus der Einöd.« - -Der Dullhäubel gab ihr recht. »Eure Einöd gilt bei uns nit viel. Der -Isidor Dullhäubel, Gott schenk ihm das ewige Licht, hat gespottet, bei -euch täten sie den Mittag mit dem Kleiensack ausläuten.« - -»Der Dullhäubel hätt über seinen kupfernen Kumpf spotten sollen!« fuhr -der Alte auf. »Wie man hört, hat den Hof jetzt wieder genau so ein -Spitzbub wie alle seine Vorfahrer.« - -»Ich bin aber der Mußmüllnerbub,« redete der Dullhäubel flugs darein. - -»Ein Müllner ist mir recht. Den nimmst du, Ogath! In einer Mühl staubt -es das ganze Jahr ein kleines Geld und ein großes auch. Freilich« -- -dabei kniff der Lugaus listig ein Auge zu -- »Diebe sind die Müllner -alle.« - -Die Schwieger rieb sich die hageren Hände, sie huschte emsig hin und -her, zupfte an der Ogath ihren Kittel, brachte dann einen Laib Brot und -nötigte den Hochzeitswerber zum Tisch. - -»Du kommst in eine gute Freundschaft, Müllner,« sprach der Einöder. -»Mein Bub ist auch recht, der ist ein Herrgottelschnitzer in Straubing. -Den Kopf hat er von mir, die Füße sind wie Stangen, und einen Hund hat -er auch.« - -»Sei nit so verstockt, Ogath! Red mit ihm!« riet die Alte. - -Und die Dirne sprach: »Rot solltest du nit sein, Müllner! Ein roter -Bart steht selten auf einem guten Ort. Aber für sein Auswendiges kann -der Mensch nix. Sonst gefallst du mir.« - -Der Lugaus und die Lugausin zischelten eifrig aufeinander ein und -winkten und lächelten sich zu. Die zwei Leute glichen sich sehr, die -breiten, runzlichen Stirnen, die kleinen, wackelnden Kinne, die langen -Nasen, dünnen Lippen und gutmütigen Augen ähnelten einander derart, daß -man nicht gewußt hätte, wer der Bauer und wer die Bäurin sei, wenn er -nicht die Hosen und sie nicht den Kittel angehabt hätte. - -»Lugaus, wie hast du denn dein Weib kennen gelernt?« fragte der -Dullhäubel lustig. - -»Ich bin zum Häusel hinein, und sie zum Häusel heraus, da haben wir uns -begegnet,« lachte der Alte. »Und zwischen Sommer und Winter ist es -gewesen: wie ich zu ihr gangen bin, ist die Welt grün gewesen, und wie -ich von ihr heim bin, hat es geschneit, alles in einer Nacht.« - -»Und was ist es mit dem Heiratsgut, Bauer?« - -»Ich laß mich nit lumpen. Einen Strumpf voller Silber kriegt meine -Tochter mit, zwei Küh und eine funkelneue Bettstatt. Und ein schönes -Spinnrad laß ich ihr drechseln.« - -»Sie taugt überall hin, die Ogath,« eiferte die Alte, »in jeder Kuchel -kann sie stehen. Sie kann zwei Brühen kochen, eine süß, die andre -sauer. Und gerichtet ist sie auch gut, sie hat zwei Schürzen, eine -schwarztibetene und eine rottibene.« - -»Bauer, Bäurin, das alles müßt ihr mir verschreiben,« begehrte der -Dullhäubel. - -»Du sollst es schriftlich haben. Gleich setzen wir miteinander den -Heiratsbrief auf. Bäurin, bring Tinte, Feder und Papier, daß wir die -Sach in Gang und Schwang bringen.« - -Die Alte stellte ein Fläschlein rußiges Wasser hin. Aber weil sie die -Gänse im Stall nicht aufstören wollte, gebrach es an einer Feder, und -Papier fand sie nicht vor. - -Da wandte der Lugaus die Tischplatte um. »Das ist jetzt das Papier.« -Er reichte dem Dullhäubel einem Halm Kümmelstroh. »Da tauch ein, -Müllner, in die Tinte und schreib! Ich und mein Weib sind keine -Schriftgelehrten, zu unserer Zeit ist weit und breit keine Schul -gewesen.« - -Der Alte schaffte jetzt an, und der Dullhäubel kratzte emsig mit dem -Stroh seine hagebuchenen Buchstaben auf den Tisch. - -»Schreib hin, Müllner! ›Und die Ogath kriegt tausend Taler mit und -einen Kammerwagen voll Zeug und unsere Küh Köpfel und Prinzel. Der Name -des Herrn sein gelobt!‹« Hernach setzte der Lugaus drei Kreuze unter -den Heiratsbrief und drehte die Tischplatte wieder auf die alte Seite, -daß die Schrift nicht verwischt werde. - -»Jetzt knie dich nieder, Ogath, daß ich dir den väterlichen Segen geb!« - -Sie zierte sich ein wenig, dann fiel sie polternd auf ihre starken -Kniescheiben hin, die Bäurin schneuzte sich in den Unterkittel, der -Lugaus breitete wie ein Pfarrer über sie die Hände aus und sagte: »Sei -froh, Ogath, daß du keine alte Jungfer wirst, du brauchst nach dem Tod -nit im Moos die Kiebitze hüten!« - -»Hör zu, Schwäher! Die zwei Küh tät ich mir gern anschauen,« bat der -Dullhäubel. - -Der Lugaus leuchtete mit dem Span in den Stall, wo das Vieh lag und -atmete. Mit gekrümmtem Fuß trieb er die verbrieften Kühe auf. Sie -schauten sich mürrisch um und zogen das Maul scheel. - -»He, Köpfel, auf, du mußt nach Fuxloh! Prinzel, du auch. Fuxloh ist ein -schönes Ort. Du kannst sie dir gleich mitnehmen, Müllner, die Küh.« - -»Heut ist der Weg zu finster, Schwäher. Aber wann soll uns der Pfarrer -zusamm binden?« - -»Meinetwegen heut noch,« kicherte der Lugaus. - -»Schwäher, ich hätt der Ogath noch was heimlich zu sagen.« - -Der Alte blinzelte schelmisch: »Geh nur zu mit ihr, Müllner, und sag -ihr es deutlich!« - -Da ging der Dullhäubel mit der Ogath aus dem Gehöft in den Wald hinein. -Ein mondsüchtiges Füchslein gellte, lau strich die Luft durch die -Stämme, und Nacht und Himmel waren spiegelheiter. - -Mit seinen läppischen Händen tappte er nach ihr. - -»Laß mich aus!« schalt sie und entrang sich ihm. - -Als er sie dennoch mit zangenden Fingern packte, kerbte sie ihm die -Nägel ins Gesicht. - -Er ließ murrend ab. »Stutzig und trutzig bist du wie eine -Kranwitstaude!« - -»Du kannst mich einmal genug anrühren,« tröstete sie, »heut wär es noch -zu früh. Aber jetzt geh ich mit dir, ich will die Mühl rauschen hören, -wo ich einmal die Müllnerin bin.« - -Dem Dullhäubel schoß das Blut bis zum Schopf hinauf. Da hatte er sich -eine saubere Suppe eingebrockt! Wie die Dirne so ruhig und fest wie ein -Felsen vor ihm stand! Die gibt nimmer nach. - -»Ich kann dich nit mitnehmen,« stotterte er. »Es paßt sich nit. Was -täten die Leut dazu sagen?« - -»Die Leut sollen reden! In drei Wochen sind wir Mann und Weib.« - -Sie faßte mit festem Griff seine Hand und schlug mit ihm den Weg über -die Grenze ein. - -Es war still worden, der Fuchs klagte nimmer. Der Mond stand im -Vollschein. - -»Bist du allweil so einsilbig?« fragte sie. - -»Ich red oft ein ganzes Jahr nit,« stieß er heraus. Er stolperte -unwirsch dahin und dachte, wie er sie vertreiben und die Gefahr -abwenden könnte, die gäh wie ein Waldgewitter über ihn aufdrohte. - -Im dicksten Tann blieb er plötzlich stehen und schaute sich ratlos um. -»Jetzt haben wir uns vergangen. Ich weiß keinen Weg.« - -Sie lachte. »Wir steigen ins Tal. Drunten in den Schluchten hebt der -Bach an, der leitet uns gewiß zu deiner Mühl.« - -Sie zog ihn den Waldsteig hinab; es war, sie rieche den rechten Weg. -Dem Dullhäubel ward unheimlich. - -Wenn der Gid den Streich erfährt, dann weh! - -Der Kasper Dullhäubel nahm sich vor, sich närrisch zu stellen, daß er -die felsenfeste Braut verscheuche. - -Droben am Ast schrie ein Schuhu. - -Der Bursch hielt an und zischte hastig: »Horch, wie schön der -Vigelvogel pfeift!« - -»Du spassiger Bub du!« sagte sie ruhig. - -Er langte nach einem Ast und wollte sich daran hinauf schwingen. Sie -hielt ihn zurück. - -»Willst du hinauf, deinem Vigelvogel singen helfen?« - -»Ich bin gefährlich«, knurrte er. »Der Mond zieht mich alle Nacht in -die Höh. Gestern bin ich aufgewacht, wie der Mond schwarz worden ist, -da bin ich in Blaustauden auf dem Turmknopf gesessen.« - -»Der Mond nimmt mir dich nit, mein Müllner. Zieht er dich an, so häng -ich mich dran. Und ich bin gewichtig.« - -»Ich bin gefährlich,« murmelte er. »Ich hab schon mehr als einen -umgebracht.« - -»Das glaub ich nit,« sprach sie. - -Er stierte sie finster an, lange, lange, bis ihr schauerlich zu Mut -wurde. Er fing auf einmal ohne Ursache grausig zu lachen an und sang -unverständliches Zeug: »Schön knieweit, schön dachslet, unten lauter -Leut, oben wie eine Tirolerin!« - -»Müllnersbub, ist dir das Rädel laufend worden?« rief die Ogath -erschrocken. - -»Weh, weh, weh! Das Mühlrad dreht sich mir im Kopf!« flüsterte er, -duckte sich und schlug einen Purzelbaum. - -»Du hast ein Fieber, Bub.« - -»Die Liebe zerwirrt mich, Dirn.« Er jauchzte hellauf, kniete dann vor -eine Rotkröpfelstaude hin und betete ein Vaterunser. - -Sie riß ihn stark in die Höhe. »Entweder bist du unrichtig im Hirn, -oder feindet dich der höllische Geist an,« sagte sie. »Jetzt darf ich -dich nit verlassen, ich muß dich in die Mühl bringen und deinen Leuten -übergeben.« - -Der Dullhäubel verzweifelte an seinem Glück, dumm und stumm ließ er -sich führen, und sie redete ihm tröstlich zu und betete still vor sich -hin, Gott möge seinen Verstand wieder hell werden lassen. - -Je näher sie Fuxloh kamen, desto glühender ward dem Schelm der Weg -unter den Fersen. Er mußte die Ogath verscheuchen, sonst fiel ein Berg -von Unheil und Spott über ihn. - -Er schluchzte auf einmal kläglich auf. »Ogath, ich verdien dich gar -nit. Kehr um, kehr um beizeiten! Ich könnt dein Unglück sein.« - -»Ja warum denn?« - -»O die Leut reden schlecht von mir! Aber es ist alles, alles nit wahr. -Die Ehr schneiden sie mir ab ellenlang. O die Welt ist grundverdorben!« - -»Gar so schlimm werden sie dir doch nit nachreden, Bub. Und ein wenig -verzeih ich dir schon.« - -»Ich schäm mich soviel,« plärrte er, und die Tränen rollten ihm übers -Gesicht. »Die Leut sagen, daß ich -- daß ich -- schwanger bin.« - -Er riß blitzschnell das Messer heraus, stieß es in eine Fichte, hängte -den Hut daran und sprang in hohen Sätzen davon. - -Ihr war um das schöne blaue Hütlein und um das blanke Messer leid, sie -raffte die Sachen an sich und rannte ihm nach, und weil sie gar flink -auf ihren rüstigen Beinen war, holte sie ihn ein, als er keuchend bei -der Blaumantelkapelle rastete und bei dem Heiligen Hilfe zu suchen -schien wie ein gehetzter Hirsch beim Einsiedel. - -»Bub, Bub,« beschwor sie ihn, »wenn du so arg heuchelst, soll dich -der Herrgott strafen. Schwör mir bei dem Heiligen da, daß du mich nit -narrst. Der Heilige hat das Maul offen, steck die Hand hinein. Wenn du -falsch schwörst, beißt er sie dir ab.« - -Aber der Dullhäubel entriß ihr das Messer und fuchtelte damit irrsinnig -im Wind herum. Taub gegen ihren Jammer, kniete er am Weg hin zu einem -dürren Kuhfladen, zerschnitt ihn und reichte ihr schluchzend die -Hälfte. »Ogath, nimm es an und trag es um den Hals zum Andenken!« - -»Mein Herr und mein Gott!« rief sie aus und kehrte traurig um. Denn da -war nimmer zu helfen. -- - -Daheim drehte sie die Tischplatte um, zu sehen, was der Bräutigam -geschrieben hatte. Anstatt des Heiratsbriefes las sie einen Reim. - - Drunt im wilden Moos - liegt ein totes Roß, - vorn und hint offen, - ist der Schwäher draus gschloffen. - -Die Ogath rieb den Schandspruch mit einer Bürste ab. In ihrem Hirn -blieb er brennen. - -Sie schluckte den Zorn hinunter und schwieg Vater und Mutter gegenüber. -Doch den falschen Buben wollte sie heimsuchen und ihm ein schweres -Donnerwetter anheben. - - * * * * * - -Am Aller-Wetter-Herrentag ging die Ogath übers Gebirg nach Fuxloh, wo -sie sich den Weg zur Mußmühle weisen ließ. - -Dort vor der Tür auf einem eingegrabenen Mühlstein stand der Gid und -zündete sich die Pfeife an. Zuerst rieb er das blauköpfige Zündholz -hinten am Sitzfleck, hernach am Knie und an der Schuhsohle, schließlich -spreizte er die Beine, bückte sich zu dem Mühlsteinpflaster und -streifte daran, und als auch das kein Feuer gab, schleuderte er -fluchend das Hölzlein weg. - -Da stand die Ogath vor ihm. »Das Glöckel läutet, Mühlbursch. Schütt -Korn zu, statt daß du da so langweilig spielst.« - -Der Gid staunte die starke fremde Dirne an, dann meinte er spöttisch: -»Hoho, da kommt eine daher gelaufen und will mir was schaffen.« - -Sie antwortete stolz: »Ich reit nit auf der Geiß daher. Ich weiß, wer -ich bin und was ich hab, und ich weiß, wem ich angehör.« - -Der junge Müller lachte. »Du kannst die Kaiserin selber sein, mir hast -du nix zu sagen. In der Mußmühl bin allweil ich der Herr.« - -Da fühlte die Ogath einen brennenden Stich im Herzen und merkte, daß -sie von dem bösen Nachtbuben zwiefach betrogen worden war. Aber sie -ließ die Zähren, die ihr die Augen schwimmen machten, nicht übers Ufer -treten, und weil sie sich einmal die Mühle in den Kopf gesetzt hatte -und ihr der staubige, finsteräugige Bursch auf dem Mühlstein besser -gefiel als der fuchsbärtige Freier, und weil sie es daheim in der Einöd -nimmer freute, so wollte sie versuchen, ob sie da in dem brausenden -Haus ihr Bleiben könnte haben. - -Und das Blut schlug ihr auf einmal so hart in der Ader, als sie sagte: -»Wenn du der Müllner bist, so frag ich dich, ob dein Weib keine Dirn -braucht?« - -»Ich bin ledig,« antwortete er, »aber die Mutter hätt eine Hilf not, -sie ist nit gesund.« - -Sie trat näher. »So ding mich auf. Stark bin ich. Da greif mir den Arm -an. Deine Mehlsäck heb ich leicht.« Und jäh umschlang sie den jungen -Müller bei den Knieen, und ehe er sich ihrer erwehren konnte, hob sie -ihn in die Höhe. - -Als er verwirrt und schier taumelnd wieder Boden faßte, stammelte er: -»Du hebst einen Mühlstein. Du hast Kraft wie ein stürzendes Wasser. Du -bist zu brauchen.« - -Er dingte sie auf, und sie half ihm in der Mühle, rannte die bestäubten -Stiegen auf und ab, goß das Korn in den Trichter und warf sich spielend -die Mehlsäcke über die Schulter, als wären sie mit Federn gefüllt. -Sie lernte die Schleusen öffnen und die Mühlsteine schärfen mit dem -Kieshammer und die Pfannen der Räder schmieren und besorgte das Vieh -im Stall und den Mittag am Tisch und die gichtische Müllerin im Bett. -So gewann sie bald das Herz der Alten, und die schwarzen Augen des Gid -flogen ihren schnellen und kräftigen Bewegungen allzeit nach. - -Einmal abends saßen sie beisammen. Der Alte hatte die Stirn gerunzelt, -er starrte in die Milchsuppe wie in einen Spiegel und vergaß zu essen. - -»Die Suppe kühlt dir aus,« mahnte die Müllerin. »Ärger dich nit über -das, was nit zu ändern ist!« - -Der Alte drehte die trübe Stirn der Ogath zu. »Ja, Ogath, vormals hat -es eine schöne Gerechtigkeit für uns gegeben: meine Vorfahrer haben -von jedem Sack Getreid einen Zins einheben dürfen, und wenn ihn auch -die Fuxloher in der Kuckucksmühl, in der Grillenmühl oder in der -Samstagmühl haben mahlen lassen.« - -»Heut sind die guten Gesetze abgeschafft,« tadelte der Gid. »Alle -Ordnung ist zerfallen. Das wurmt mich.« - -Die Ogath redete wie ein tröstlicher Geist. »Männer, den Stein, den man -nit heben kann, laßt man liegen. Die Mußmühl wirft genug Geld ab und -hat genug zu mahlen; sie könnt sich noch einmal so geschwind drehen, -die Arbeit tät nit abreißen.« - -»Es ist nit das allein, was mich betrübt,« raunte der Alte. »Aber jetzt -rührt sich der Mühlteufel wieder. Bei jeder vierten Brut meldet er -sich. Zuletzt ist er bei meinem Ähnel gewesen, -- jetzt kommt er zu -dir, Gid.« - -Die Gichtische erhob sich ängstlich im Bett. »Hast du ihn gehört?« - -»Jeden Samstag hör ich ihn, Weib, da plätschert er im Wasser unterm -Mühlrad.« - -»Du irrst dich, Vater,« sprach der Gid. »Es rauscht und saust nur der -Bach so seltsam.« - -»Ich hör ihn schon seit drei Samstagen,« beharrte der Alte. - -Die Angst schüttelte die Bettlägrige wie ein Frost. »Hast du ihm am -letzten Nikolaitag was zu essen in die Radstube hinunter geschüttet?« - -»Das hab ich besorgt, Weib. Und einen Filzhut hab ich ihm auch hinunter -geworfen, daß er sich ihn auf das grüne Haar setzt und uns den Frieden -laßt fürs ganze Jahr. Und jetzt ist er trotzdem da.« - -»Wie schaut er denn aus?« lächelte die Ogath. - -»Zwischen den Fingern hat er Häute wie ein Fischotter, und im Wasser -wird er nit naß. Im Wasser ist er stark wie neun Rösser, man kann ihn -nit überwinden; am Land ist er nit kräftiger als neun Fliegen. Wie der -Ähnel noch auf der Mühl gewesen ist, hat der Wassermann häufig in der -Nacht geklagt wie eine Seel, die die Seligkeit nit findet.« - -»Ich leid ihn nit im Haus,« grollte der Gid, »ich richt ihm die -Otterfalle auf.« -- - -Von jetzt an blieb es in den Samstagnächten immer still unter dem -Mühlrad, wie atemlos auch die zwei Müller hinunterlosten. - -Doch einmal, als der Gid den Vater aus dem Haus und die Ogath bei der -siechen Mutter wußte, da hörte er es durch das Brausen des Mühlrades -seltsam planschen und rauschen. - -Der junge Mensch lauschte fieberisch. - -Badet wirklich einer drunten mit schilfgrünem Schopf und spitzem Gebiß -und langen Krallen? Zählt er die Seelen der Ertrunkenen, die er unter -gläsernen Töpfen drunten gefangen hält? - -Den Gid übermannte es, mit dem Unhold, der ihm die Werkstatt unheimlich -machte, auf Leben und Sterben zu raufen. Wild riß er die Tür zur -Radstube auf. In der schäumenden Traufe des Mühlrades, in wirbelnden, -stoßenden Wassern, im Dämmer sah er es schneeweiß leuchten, er hörte -einen weichen, entsetzten Schrei und stürzte sich hinab ins Wasser und -hielt den wunderkühlen, starken Leib seiner Magd Ogath in den Armen. - - * * * * * - -Ehe der Mond sich wieder füllte, hielten die zwei Hochzeit. - -Die ganze Freundschaft von Fuxloh und Grillenöd und jenhalb des -Gebirges rückte an, die Männer mit Myrtensträußen in den schwarzen -Röcklein, die Bäurinnen schwarzseiden vom Kopftuch bis zum Kittel, die -Jungfern schillernd in braunen und rötlichen Kleidern. - -Der Hochzeitslader jauchzte und wünschte dem Bräutigam einen Stall -voller Ochsen und viel Körner im Kasten und einen Beutel voller Geld, -der schickt sich in die Welt. Der Braut herentgegen wünschte er den -Stall voller Kühe, davon eine mehr Milch gibt als dem Nachbarn seine -neun Stiere, und wünschte ihr in sechs Jahren sieben Kinder und zuletzt -einen rotschädligen Buben. - -Da wies der Gid in die Weite: »Dort kommt endlich der Brautführer -daher, und der ist mein bester Freund, der Kasper Dullhäubel.« - -Die Ogath war nicht wenig verdutzt, als sie den falschen Burschen daher -schlendern sah, der in der Nacht um sie gefreit. Er hatte sich zwar den -roten Schnurrbart weggeschabt, doch sie erkannte ihn an dem großen, -runden Kopf und den winzigen Zwinkeraugen gleich wieder. Sie tat aber, -als wäre er ihr fremd. - -Der Dullhäubel hatte sich mit Maschen und Sträußlein fein -herausgeputzt, sein Brustfleck war mit doppelt aufgereihten -Silberzwanzigern verknöpfelt, und an der geschmiedeten Silberkette -klingelte ein silbernes Rössel und ein halbes Dutzend Frauentaler. Und -als die Brautschar gen Blaustauden ging und die Bauern jauchzend die -runden Hütlein schwangen, da warf der Dullhäubel seinen Hut am höchsten -und er schnackelte mit den Fingern und schnalzte mit der Zunge, und -keiner tat es ihm gleich. - -Über den Wald herauf winkte der Turm mit dem Schindeldach, der -Wildtauber ruchzte im Tann, gelbe Schnäbel schwätzten, das Laub -spielte, Blumen liebäugelten auf der Wiese. - -In ihren knisternden Schuhen trat die Braut stolz daher, ihr -lichtgrauer Seidenrock hatte tausend Falten und stand über die vielen -Unterkittel also breit gesträubt, daß sie kaum zur Kirchtür hinein -konnte. Im Haar saß ihr ein künstlicher Myrtenkranz, der vorn über der -stattlichen, ernsten Stirn wie eine Krone geflochten war und, sich über -dem Scheitel teilend, weit über den Nacken herabhing. - -Mitten durch die in langhalsiger Neugier erstarrten Blaustaudner -führte der Dullhäubel die Braut zum Altar, und er konnte es sich nicht -versagen und wisperte ihr zu: »He, tragst du den Kranz mit Recht?« - -Sie sah ihm groß in die fuchsschiefen Augen und antwortete: »O du -hundsschlechter Kerl!« - -»Du hast mich also nit vergessen, Ogath. Schau, das freut mich.« - -»Verschwunden bist du wie der Teufel, wenn man ihn mit Weihwasser -abspritzt,« murmelte sie zornig und kehrte sich ab. - -Er zog sein Rubinglas aus dem Sack und tröstete sich mit -brasilianischem Tabak. - -»Pfui Teufel,« sagte sie laut, »jetzt hab ich einen schnupfenden -Brautführer!« - -Er schaute scheinheilig zur Orgel hinauf. »Ich freue mich schon auf die -schöne Musik,« flüsterte er. »Du wirst schauen, Ogath, wie zärtlich -unser Schulmeister orgelt. Das Wasser wird dir in die Augen schießen.« - -Der Pfarrer Nonatus Hurneyßl schritt zum Altar und gab die Brautleute -zusammen. Es war ein Paar, wie es die Blaustaudner Kirche noch nie -überwölbt hatte, der starke, finsterschauende Mann Gid und die große, -schöne und stille Ogath. - -Doch als der Orgler das Brautamt begann, hub ein derart wüster Mißklang -an, daß die Leute erschraken, der Schulmeister mußte einhalten, er -sprang wie besessen von der Orgelbank und fluchte, der Balgentreter -horchte in die Windkammer hinein, ob nicht der Leibhafte drin knotze, -und endlich kamen die Musikanten dahinter, daß ein verwogener Schelm in -der Nacht vorher die Orgelpfeifen unter einander vertauscht hatte. - - * * * * * - -Das Hochzeitsmahl war im »pfalzenden Hahn« gerüstet. - -Die Ogath saß schweigsam und blaß zwischen dem Gid und der Igelbäurin, -die als erfahrene Brautmutter sorgte, daß die alten Bräuche geübt -wurden. - -Auf den Tellern dampfte Rindssuppe und Kuttelfleck und Bäuschel; -mit Zuckersachen besteckter Reis ward aufgetragen und Kaffee in -ansehnlichen, bunten Töpfen und dazu Gugelhupf und leckerer Kuchen. -Die Gäste packten sich Schweinsbraten und fette Würste in Bündel zum -Heimtragen ein. Als die Ehstandsbrühe, drinnen Rindfleisch schwamm, auf -den langen Tisch gesetzt wurde, sagte die Brautmutter mit bedächtiger -Würde zu den Brautleuten: »Nit süß und nit sauer, gerade recht, so wie -der Ehstand ist.« - -Der Dullhäubel spießte einen Knödel auf, biß hinein und sprach kauend -über den Tisch hinüber zur Ogath: »Ob du schon weißt, warum bei eurer -Mühl keine Scheuer ist?« - -Sie merkte, wie sich ihres Mannes Stirn verfinsterte, und wich der -Frage aus: »Ich weiß nix und will nix wissen.« - -Der Dullhäubel aber kröpfte den Knödel hinunter und erzählte: »Da ist -in der Mühl einmal der Korbflicker auf der Stör, und die Müllnerin -stellt ihm eine Eierbrüh hin mit Knödeln. Der Mann will mit dem Löffel -einen Knödel auseinander zwingen, aber es geht nit. Jetzt setzt er -gewaltig an. Der Knödel weicht ab, haut das Fenster durch, doppelt -durch, springt draußen an einen Stein, daß das Licht davon fliegt, -schlagt an die Scheuer, die Scheuer fallt um. Da hat der Korbflicker -drein geschaut!« - -Der Gid reckte sich und zückte die Gabel. »Kasper, du willst mich heut -an meinem Ehrentag spotten?!« - -Die Ogath zog ihn auf die Bank zurück. »Du sollst doch einen Spaß -verstehen, Gid!« - -Der junge Müller stocherte wütend ins Kraut hinein. - -Der Dullhäubel grinste. »Selbigesmal, wie die Müllnerin, die die -steinernen Knödel hat kochen können, geheiratet hat, da ist es weit -gemütlicher gewesen als heut. Damals haben sie so kräftig getanzt, daß -der Fußboden durchgebrochen ist, und allsamt sind sie in den Stall -hinuntergepurzelt. Die Braut ist zwiespältig auf den Stier zu sitzen -kommen.« - -Der Gid schlug auf den Tisch, daß die Ehstandsbrühe aushüpfte. »Du -lügst mehr, als ein roter Hund rennen kann, Kasper.« - -Der alte Müller beugte sich zum Dullhäubel hin. »Du plauderst allerhand -Dummes über unsere Mühl, du Springinges mit deinem gelben Schnabel, und -ist doch die Mußmühl weitaus die fürnehmste Mühl gewesen. Die Fuxloher -Bauern haben bei uns mahlen müssen. Das Recht hab ich noch schriftlich -daheim, du kannst es lesen. Die alten Fürsten haben ihren Namen drunter -gesetzt. Heut haltet sich keiner mehr darnach, es ist eine untreue -Zeit. Jeder fahrt mit seinem Malter, wohin er will. Der Mühlzwang hätt -nit abgeschafft werden sollen. Das ist nit recht.« - -Der Gid ward rot wie ein Feuer. »Die alte Pflicht muß wieder -aufkommen,« sagte er heiser. »Ich leid es nit anders. Allsamt wie ihr -da sitzt, Fuxloher, müßt ihr das Korn bei mir aufschütten. Ich setz es -durch.« - -»Meinem Vater haben sie das Recht abgezwungen,« rief der Alte, »ins -fürstliche Schloß haben sie ihn geladen und haben ihn dort so lange -gehaut, bis er zu allem Ja und Amen gesagt hat. Jetzt gehen viele -Gaukelmühlen an unserem Bach, hat aber kein Müller ein rechtes Geschäft -und keiner recht zu fressen.« - -»Das riegelt mir die Galle,« schrie der Gid. - -»Am Papier haben wir es schwarz auf weiß, der Fürst hat es bestätigt. -Und was geschrieben ist, bleibt geschrieben. Ganz Fuxloh muß in die -Mußmühl!« - -»Ich nit,« trotzte der Dullhäubel. - -Mit einem Blick wie ein Stichmesser tappte der Gid über den Tisch, und -der alte Müller hielt den Dullhäubel schon an der Gurgel. - -Im rechten Augenblick noch fuhr der Meßner Grazian darein, die -schneidende Stimme erhob er: »Lasset uns ein andächtiges Vaterunser -beten für die verstorbene Freundschaft des Bräutigams und der Braut!« - -Da verstummte die Zwietracht, und alle Stimmen vermischten sich in -einem eintönigen Gebet für die verschollenen Seelen der Vorfahren. - -Hernach spielten die Musikanten hellauf, daß in allen das Waldblut -zu zucken und zu springen anhub, und der Hochzeitslader schrie: »Das -Brautpaar soll vivat leben!« - -Der Dullhäubel trat vor die Igelbäurin hin und begehrte als Brautführer -von ihr als sein Recht den ersten Tanz mit der Braut. - -Die Brautmutter richtete sich hoch auf. »Erst bring mir eine Kerze, die -Tag und Nacht brennt!« - -Jauchzend schwang sich der Dullhäubel zum Fenster in den Garten hinaus, -rannte um den Zaun herum und kam mit einer Brennessel wieder, und die -steckte er der Iglin in das Bierglas. - -»Brenn dich nit an der Kerze, Brautmutter. Und jetzt laß mich mit ihr -landlerisch tanzen!« - -»Brautweiser, erst bring mir sechs Lichter, ein jedes muß anders -brennen.« - -Der Dullhäubel verschwand in der Kuchel und trug nach kurzer Weile ein -Brett daher, darauf glühten sechs kleine Stengelgläser mit Kirschgeist -und Kümmel und anderen roten, gelben und lichten Schnäpsen. - -»Kostet den goldnen, Brautmutter!« lockte er und bot ihr ein Stämplein -dar, »das ist ein süßer Trunk, wie ihn die Weiber gern mögen. Du bist -ja genäschig wie eine Geiß.« - -Die Iglin zierte sich ein wenig, griff dann schämig nach dem gelben -Schnaps, spitzte den Mund und kostete lächelnd. Im Hui ward ihr Gesicht -sauer, und es schüttelte sie am ganzen Leib. »Der Spitzbub hat mir -einen Essig gegeben,« schalt sie. - -Hernach begehrte sie: »Eh ich dich tanzen laß mit der Jungfer Braut, -zeig mir ein Bett, drin neun Jungfern schlafen, keine in der Mitte, -keine am End!« - -Der Dullhäubel kratzte sich hinterm Ohr und meinte, das errate der -Kuckuck. Aber er stieg auf den Dachboden und brachte ein Spinnrad daher -und drehte es, daß die neun Speichen lustig wirbelten. - -»Du kannst gut raten,« lobte die Iglin. »Jetzt trag mir noch einen -lebendigen Braten auf!« - -Während der Dullhäubel den Braten holte, kroch der Lukas Schellnober, -der bei der Musik den Baß blies und als der stärkste Mann in der Gegend -galt, unbemerkt unter den Tisch und packte die Ogath beim Fuß. Sie -kreischte und strampelte, und die Brautmutter half ihr und raufte den -Mann unbarmherzig bei den Haaren, und schließlich gab ihm die Braut -selber einen Schlag auf die Wange, daß es wie ein Schuß knallte. Doch -der Riese zog ihr, unbekümmert um alles, was da über ihn niederging, -den Schuh aus, kroch schnaufend unter dem Tisch herfür und trottete zur -Tür hinaus. Als er wiederkam, stellte er den Schuh mit Nelken und Rosen -und Stiefmütterlein gefüllt vor die Braut hin. - -»Wirt, gib dem Grobian einen Krug Wein!« befahl die Iglin. »Den Fuß -hätt er ihr schier ausgerissen.« - -Der Schuhräuber setzte sich auf ein Faß. »Die Ogath hat Kraft,« -staunte er, »die hat mir einen feinen Hieb gegeben. Einen Hieb, den -Gemeindestier schlaget er nieder. Einen Hieb, als wenn das Wetter -einschlaget.« - -Vor lauter Freude an dieser Kraft vergaß er den Schmerz, der ihm im -Schädel summte. - -Der Dullhäubel stellte derweil eine verdeckte Schüssel auf den Tisch. -»So, da wär der lebendige Braten.« Er hob den Deckel, und eine Maus -schlüpfte heraus, die hatte eine blaue Masche um den Hals. - -Die Weiber kreischten, rafften die Kittel zusammen und stiegen auf die -Stühle und Bänke. Verwirrt jagte das Tierlein auf dem Tisch hin und -her, warf die Stengelgläser um, daß es ein feines Geklingel gab, und -wagte endlich den Sprung auf den Fußboden. - -Die Iglin wurde jetzt feierlich. »Brautweiser, jetzt bau der Braut eine -silberne Brücke und nimm sie zum Tanz!« - -Der Dullhäubel holte einen Geldstrumpf und legte zwei Reihen -Silbergulden von einem Tischeck zum andern, und die Ogath trat zaghaft -darauf und schwankte den silbernen Steig dahin und sank hinab in die -Arme des Dullhäubel, die Spielleute setzten an, und die zwei tanzten so -wild, daß der lange lose Myrtenkranz vom Haar der Braut weithin wehte. - -Draußen vorm Wirtshaus saß die alte Ulla auf einem Stein. »Sie werden -doch drin nit auf mich vergessen,« raunte sie. - -Eine Hand schob sich zur Tür heraus und warf ihr einen Kuchen in den -Schoß. - -Sie lächelte. »Mir ist es ganz ein Ding, ob ich ein schwarzes Brot -krieg oder ein weißes. Das weiße eß ich lieber, nur wegen der Farbe.« - -Drin am Tisch saß die Braut, der Ernst ihrer Stirn verging nicht, und -kein Lächeln erhellte ihr Gesicht, wie arge Späße auch der Dullhäubel -trieb. - -Am meisten zielte sein Übermut nach dem Bräutigam. - -»Zeig her, Gid, den Arm,« rief er, »ob dir das Haar dran bergan wachst!« - -»Warum bergan?« fragte der Gid mißtrauisch. - -»Weil ihr Müllner den andern Leuten in den Mehlsack greift.« - -»Du heißt mich also ins Gesicht einen Dieb?« brauste der junge Müller. - -Die Ogath beschwichtigte ihn. »Scher dich nit um solche Reden! Du -brauchst viel Mehl, wenn du alle bösen Mäuler verkleiben wolltest.« - -»Ein jeder Sack raucht, wenn man drauf schlagt,« schrie der Gid. »Soll -ich allein mir alles gefallen lassen?« - -Die Gäste murrten, daß der Dullhäubel Unfried stifte, und als dieser -merkte, daß sich der Groll wie ein dumpfes Gewölk um ihn zusammen zog, -da lenkte er ein und fing an, lustige Lügen zu erzählen über Leute, -die nicht da waren, und unterhaltliche Lieder zu singen, darin er sich -selbst ein Klämpflein anhängte, oder er streute sich Tabak auf die -linke und die rechte Achsel, drehte den Kopf wie ein Wendehals darnach -und schnupfte ihn mit der ausgiebigen Nase links und rechts weg. - -Ob solcher Schnacken söhnten sich die Gäste wieder mit ihm aus. »Man -kann ihm nit feind sein, dem Faxenmacher,« lachten sie. - -Als der Gid und die Ogath hernach zum erstenmal in der Brautkammer -lagen und die Mühle rastete, hörten die zwei die halbe Nacht draußen im -Garten die Pumpe ächzen. - -Der Dullhäubel pumpte vor lauter Eifersucht den Brunnen aus. - - * * * * * - -Die Jahre verwichen. - -Der Dullhäubel wirtschaftete mit der Altbäurin und mit Knecht und Magd -auf seinem Hof. Die Mutter zählte nicht mit, die schlief stehend und -gehend ein. - -Er selber mühte sich auch nicht sonderlich, es behagte ihm viel mehr, -den Fuxlohern allerhand Possen zu spielen, Land und Leute gen einander -zu hetzen, auf den Wirtstisch fest aufzutrumpfen und ein Leben zu -führen wie seine Vorfahrer. - -Immer mehr wandte sich der Blaumantel hinter seinem Gitter von der Welt -ab, immer saurer sah er darein, wenn der Dullhäubel vorübertrollte, -und schließlich bildete sich der Bauer ein, der Heilige wisse um all -seine Schwänke und verrate sie vor Gottes Stuhl im Himmel. Drum besann -er sich viel, wie er den unliebsamen Widersacher wegschaffen könnte. - -Einmal, am Simonjudastag, als das Kraut gehobelt und im Faß eingetreten -war, schleppte er den Heiligen heimlich in den Keller, und stellte ihn -statt eines Steines auf das Krautfaß, um es zu beschweren. »Jetzt bist -du beschäftigt, du Müßiggänger,« spottete er. - -Doch seit der Hölzerne unterirdisch als Krautheiliger waltete, plagten -den Dullhäubel bergschwere Träume und vergällten ihm den Schlaf. - -Ihm träumte, dem Blaumantel wüchsen Haar und Bart, und er, der Bauer, -müsse ihn scheren und stutzen. Zunächst setzte er ihm einen Topf auf -den Schädel, und was darunter an Haar hervorkringelte, schnitt er -ab. Es war aber steif wie Eisendraht und kaum zu bewältigen. Hernach -striegelte er ihn mit einem Igel, ein Kamm hätte den abscheulich -verfilzten Schopf nicht durchrütten können. Er schnitt ihm den Bart vom -Kinn und aus den Wangengruben und Nasenlöchern, schob ihm einen Löffel -in das Maul, daß sich die Haut daran straffe, seifte und schäumte ihn -ein und balbierte die Stoppeln mit einer Dachschindel. Der Bart aber -wuchs augenblicklich wieder nach, und so wurde das Balbieren zu einer -schrecklichen Mühe ohne Ende. Dabei glotzte der Blaumantel seinen -Schaber höllisch an, und der Löffelstiel stand ihm gräßlich aus den -grellroten Lefzen. Hundsmüd und zerknirscht fuhr der Dullhäubel aus dem -Schlaf, an seinem Hemd war kein trockener Faden. - -Noch mehr quälte ein anderer Traum, der allnächtlich wiederkehrte. Der -Heilige im Krautkeller wuchs, wuchs durchs Gewölb in die Schlafkammer -des entsetzten Dullhäubel, wuchs durch den Boden zum Dach hinaus, daß -die Balken sich bogen und die Schindeln flogen und das Haus wankte -und schier stürzte. Nur die Kutte wuchs ihm nicht, und der Dullhäubel -mußte ihm hinten und vorn Schürzen und Leintücher vorhängen von -wegen der Schamhaftigkeit. Droben überm Dach zuckte und flammte der -Heiligenschein und drohte, Wald und Korn zu zünden. Da preßte der Bauer -einen Schrei aus der Brust, er schrie den Fuxlohern um Hilfe, aber -alle Fuxloher Männer vermochten den verwilderten Blaumantel nicht zu -überwinden, den sonst zwei zarte Jungfern stundenweit getragen auf der -Wallfahrt nach Maria Dorn. - -Der Dullhäubel hörte aus diesen Träumen sein zerrissenes Gewissen -schreien, und als ihn der Blaumantel einmal wieder wie eine Trud -drückte, keuchte er aus dem Bett in den Keller hinab, stürzte den -Quälgeist kopfüber in einen Buckelkorb und schleppte ihn zur Kapelle. - -Der Mond ging eben ab. Etwas Gespenstisches meckerte im finstern Moor. -Ein Hund schrie Mord über ein blaues Irrlicht. Ein griesgrämiger Rabe -hüstelte im Schlaf. - -Der im Buckelkorb schien sich zu rühren und ward immer schwerer und -schwerer; der Dullhäubel meinte, Himmel und Erde müsse er tragen. -Vielleicht war das Schnitzbild überhaupt kein Heiliger, vielleicht -funkelte es hinter seinem Genick im Korb und war ein Bild des -Gottseibeiuns selber, das sich ein Zauberer und Götzenknecht geschnitzt -hatte in böser Absicht, und vielleicht springt der heidnische Kerl gar -aus dem Korb und schleudert den Bauer selber hinein und schleppt ihn -- -Gott verhüt es! -- zum höllischen Backofen. - -Dem Dullhäubel schnürte sich die Gurgel zu, sein Atem klemmte sich. -Vor Angst betete er laut und untertänig, und er stellte seinen blauen -Feind unter Bittreimen und Stoßseufzern wieder in die Nische. - -Nach diesem Nachtgang lebte er gottesfürchtig und eingezogen, und -das um so lieber, als ihm die Fuxloher auflauerten, deren Heiligen -er mißbraucht hatte. Auch nahm er sich fest vor, jeden Gottestag die -Predigt zu hören und seinen Groschen zu opfern zur Ehre der Kirche und -zum eigenen irdischen und himmlischen Vorteil. - -Doch der Teufel wacht und zieht dem bußfertigen Sünder gern eine -Sperrkette über den Weg. Also geschah es auch dem Dullhäubel, als er -sich wieder einmal dem Herrgott von Blaustauden zeigen und in aller -Bescheidenheit ganz hinten am Kirchtor hatte lehnen wollen. - -Er stieg in die hirschledernen Hosen hinein, legte den Sonntagsrock an -und steckte das rubinene Glas zu sich. Im Hof trat er noch einmal zum -Saustall, den er sich ganz klein hatte zimmern lassen und redete durch -das Futtertürlein dem Vieh gütlich zu: »Friß nur, Sau, daß du einen -Leib aufnimmst! Oder hast du keine Ehr in dir?« - -Wie er jetzt so treuherzig und in der besten Absicht bergab trabte und -der Wind über die Zäune strich und die Wiesen rauchten, sprang ihm -ein hitziger Mensch in den Weg, packte wie ein Straßenräuber ihn beim -Brustfleck und schrie: »Gerad will ich dich heimsuchen. Ich hab gehört, -du verkaufst eine Sau.« - -»Meine Sau ist speckfeist. Ob ich sie dir geb, ist nit gewiß.« Und der -Dullhäubel vergaß schnöd des Herrgotts und kehrte mit dem Fleischhacker -schnurstracks um. - -Die Sau wog gering. Weil sie aber kläglich in den winzigen Stall -gestellt war, so füllte sie ihn aus und erschien gar mächtig. - -»Um wieviel ist sie dir feil, Bauer?« - -»Um dreißig Gulden, Fleischhacker.« - -Der Sauhändler prallte erschrocken zurück, machte Augen wie Pflugräder -und drohte, ins Knie zu fallen. »Dreißig Gulden?! Du bist närrisch -worden, Kasper.« - -»Dreißig Gulden,« sagte der Bauer eintönig. - -»Was wiegt die Sau?« - -»Schätz sie ab, Luitel!« - -»Dreißig Pfund wiegt sie. Kein Lot mehr.« - -»Dreißig Pfund?! O du Raubersbub! Jetzt willst du mich betrügen, wo ich -dir so weit entgegen kommen bin mit dem Preis? Dreißig Pfund wiegt -eine ausgezogene Katz. Schau sie genau an, die Sau, sie geht schier nit -in den Stall hinein. Dreimal so viel wiegt sie zum mindesten!« - -»Daß ich nit lach, Kasper! Neunzig Pfund hat sie nit einmal samt dem -Saustall.« - -»Luitel, greif meine Ehr nit an!« drohte der Dullhäubel. - -Der Händler sparte nicht mit seiner Verachtung. »He, das soll eine Sau -sein?« rief er empört. »Gib sie her um zwanzig Gulden!« - -»Dreißig kostet sie. Das ist schandenwohlfeil.« - -»Was tust du mir an?« stöhnte der Luitel. »So manches Jahr sind wir -treue Freunde gewesen. Und jetzt willst du mir das Blut aussaugen? -Dullhäubel, laß nach! Dullhäubel!! Dullhäubel!!!« - -»Dreißig Gulden.« - -»Hinwerden soll ich in fünf Minuten, wenn du von mir einen Kreuzer mehr -kriegst als zwanzig Gulden,« schwor der Fleischhacker. - -Der Dullhäubel zog die Sackuhr. »In fünf Minuten? O Freund, da mußt du -dich hübsch fleißen!« - -»Du spottest noch? Kasper, denk an deine letzte Stund! So ein elendes -Krepierlein! Die Knochen stehen ihm hinten und vorn heraus. Dem -Schinder hast du die Sau gestohlen. Gib sie her um fünfundzwanzig -Gulden!« - -»Dreißig.« - -»Lauter rothaarige Menscher soll dein Weib einmal kriegen!« fluchte der -Luitel. »Die Sau soll dir die Nase abfressen, daß du nimmer schnupfen -kannst!« - -Der Dullhäubel ward blaß, tastete nach der Nase und trat einen Schritt -zurück. Die Verwünschung griff ihn an, und schier hätte er nachlassen. -Aber er erfing sich wieder und sagte sanft: »Dreißig Gulden.« - -Der Luitel heulte auf. »Er treibt mich in die Verzweiflung Hast du -ein Herz im Leib, Kasper? Bist du ein Christ? Gib her die Sau um -achtundzwanzig Gulden! Reck her die Hand! Schlag ein!« - -Er versuchte immer wieder in die Hand des Bauern einzuschlagen, die wie -tot hing. Er winselte, beschwor, fluchte, verwünschte. - -Der Dullhäubel blieb kalt. »Geh heim, Fleischhacker! Du bist ja nit -verheiratet mit meiner Sau.« - -»Tu sie her um achtundzwanzig Gulden fünfzig Kreuzer,« schluchzte der -Luitel, »und nimm dir die Sünd mit in die Ewigkeit!« - -Jetzt seufzte der Dullhäubel wehmütig auf: »Ich will dich nit -unglücklich machen, und weil du mein Freund bist seit jeher, so gehört -dir die Sau um den Preis, den du jetzt selber geboten hast. Aber nit -gern laß ich dir sie. Sie ist meine einzige Freud gewesen; ich hab sie -aufgefüttert und wachsen sehen und zunehmen --.« Er wischte sich über -die Augen, seine Stimme erstickte. - -Da schlugen die zwei ein. Der Handel war geschlossen. - -Der Luitel blätterte die schmierige Brieftasche auf und zahlte. -Bedächtig zählte der Bauer das Geld nach, und als er es verwahrt hatte, -half er dem Händler das widerspenstige Tier bei den Ohren aus dem Stall -ziehen. - -»O verflucht, ist die Sau gering!« stammelte der Luitel, als er sie im -hellen Taglicht sah. - -Und als er sie gar durch das große Hoftor zerrte, wurde es ihm durch -den Vergleich recht augenscheinlich, wie winzig die Sau war. Vor Wut -ächzte er auf und drohte mit der Faust zurück. - -Der Dullhäubel aber schüttelte das Geld und frohlockte laut: »Den hab -ich angeschmiert, daß ihm die Augen tropfen.« -- - -So übervorteilte er jeden, der sich mit ihm im Handel messen wollte. - -Trieb er eine Kuh auf den Markt, so rührte er ihr im letzten Wirtshaus, -wo er einkehrte, eine kräftig gesalzene Mehlsuppe an, darauf durstete -das Vieh gar sehr und es soff wie ein dürrer Rasen Wasser in sich, bis -es die Wampe voll hatte. Dann stand es stattlich da und freute sich -eines guten Gewichtes, und der Dullhäubel schlug sie mit erklecklichem -Gewinn los. - -Derlei Kniffe und Pfiffe hatte er einen ganzen Heuwagen voll. - -Ein ganz besonderer Segen lag auf seinem Hof, trotzdem daß er seine -Hände schonte und die schönste Zeit beim Bier verlümmelte. Mit -glänzenden Fellen stand ihm das Vieh im Stall, seine Kühe kälberten -eifrig, seine Geißen kitzten dreifach und vierfach, seine Hennen legten -Eier mit zwei Dottern. Kein Reif sengte ihm die Erdäpfelblühe, kein -Schauer knickte sein Korn, sein Heu kam räuspendürr unters Dach. - -Und mancher Fuxloher ward deswegen in dem gerechten Herrgott irr. - - * * * * * - -Dem jungen Mußmüller wich der Dullhäubel aus, er scheute ihn. Der Gid -wurde immer hitziger und rauflustiger und stritt mit allen Leuten, weil -er das altverbriefte Recht wieder durchsetzen wollte. Auch sonst störte -ihm mancherlei das Glück, besonders aber, daß in der Mühle die Wiege -leer blieb. - -Einmal stach den Dullhäubel der Kitzel, und er schlich sich den Bach -entlang, den mürrischen Nachbar ein wenig aus dem Häuslein zu bringen. - -Die Vögel wuschen sich, am Zaun blühten die Hollerstauden. Die Mühle -rumpelte verschlafen, und das Rad knarrte verdrießlich: »Soll -- ich -- -denn -- noch einmal -- umgehn?« - -Mit unwirscher Stirn lehnte der Gid am Türstock. Es hatte schon lange -nicht geregnet, und wenig Wasser fiel aufs Rad. Die Ogath saß auf der -Sonnenbank und flickte. - -Da rief der Dullhäubel hinter einer Erlenstaude: »Wie die sieben dürren -Jahr schaust du drein, Gid. Geht dir die staubige Mühl zu langsam?« - -Die Eheleute schraken auf wie Hennen, wenn der Fuchs durch den Zaun -blinzt. - -Der Nachbar setzte sich gemächlich auf einen Grenzstein jenseits -des Baches und fragte: »Strickst du den Geiferlatz für den neuen -Müllnerbuben, Ogath? Wann wirft der Krähvogel ihn euch in den -Rauchfang? Er laßt sich Zeit.« - -»Du Daunderlaun, wir sind ohne Kinder auch lustig,« speiste sie ihn ab. - -Er höhnte weiter: »Wer ist denn schuld daran, du oder der Mann? -Müllner, du mußt sie über neun Zäune tragen und schreien, die Nachbarn -sollen dir helfen.« - -Er achtete nicht des Mühlrades, das bedächtig und schier drohend -brummte: »Juckt -- dich -- der -- Buckel? Juckt -- dich -- der -- -Buckel?« - -»Ich helf mir selbst,« grollte der Gid, »und dich brauch ich am -wenigsten. Du bist derselbe Lump wie deine Ähnel.« - -»Der Apfel fallt nit weit vom Birnbaum,« entgegnete der Dullhäubel. -»Wenn ich ihr nur meine Pudelhaube hinwerfet, gleich krieget sie einen -Buben, die Ogath.« - -»Ja, weil du der rotbartet Kasper bist,« knirschte der Gid. »Das muß -ich mir ins Gesicht sagen lassen, Ogath. Dran bist du schuld.« - -»Ich geh wallfahrten gen Maria-Dorn,« seufzte sie bang. »Vielleicht -nutzt es.« - -»Geh hin, wohin du willst! Ein Bub muß her.« - -»Geh nacket in die Kindelkapelle, Ogath!« kicherte der Dullhäubel. - -Der Müller wurde schneeweiß und packte einen Hammer, der auf der -Türschwelle lag. »Ich erschlag dich, ich bin Gott einen Toten -schuldig,« zischte er und sprang über den Bach. - -Er war flinker als der Nachbar, und als er ihn gestellt hatte, schlug -er mit dem Hammer blind auf ihn los und traf ihn auf die Achsel, daß er -hin in die Binsen fiel. - -Das Mühlrad ging auf einmal viel lustiger und spottete: »Hat dich der -Buckel gejuckt? Hat dich der Buckel gejuckt?« - -Beruhigten Blutes kehrte der Gid zu seinem Weib zurück. »Den Grenzstein -will ich heut noch mit Kalk frisch überweißen, weil ein schlechter Kerl -drauf gesessen ist. Und ein Bub muß her, und wenn wir zwei solange drum -wallfahren müssen, daß uns bei jedem Schritt ein Blutstropfen von der -Ferse fällt!« - -Indes raffte sich der Dullhäubel mit allerhand Gedanken an Schergen, -Gericht und Zuchthaus aus der Wiese auf, tappte nach der wehen Achsel -und schielte bös zur Mühle hinüber. »Blut ich, so klag ich; blut ich -nit, so klag ich nit.« - - * * * * * - -Im Volk ging die Rede, daß einst von Gesetz wegen in der Mußmühle -kein Weib habe hausen dürfen. In Wahrheit verhielt es sich so, daß -unter jenem Dach nur wenig Kinder geboren wurden. Während es in den -Bauernstuben wimmelte, zogen die jeweiligen Müllersleute immer nur -einen einschichtigen, vertrotzten Buben als Samenstengel auf. - -Der Ogath lag es wie ein Mühlstein am Herzen, daß sie Jahr für -Jahr galt ging. Sie hätte alles drum gegeben, und nicht nur ihres -verfinsterten Mannes wegen, wenn sie ein Kind gehabt hätte, und weil -alles Gebet, alle Sehnsucht und Traurigkeit fruchtlos blieb, so dachte -sie immer heißer an Wunderkräfte, die ihr den Segen aufschlössen. - -Was ihr der Dullhäubel in seiner Verruchtheit geraten, ging ihr nimmer -aus dem Sinn. - -Weit drin in der Wildnis des Lusens ist die Kindelkapelle. Dort hat -schon manches Mutterverlangen sich hingekehrt und ist erhört worden. -Doch die große Gnade kann nur durch ein großes Opfer herbei gelenkt -werden: nackt muß das Weib wallfahren zu jenem Gnadenursprung, in -letzter Blöße muß sie schreiten durch die Wälder, ehe ihr das Wunder -zuteil wird. - -Von Woche zu Woche nahm sich die Ogath die seltsame Wallfahrt vor, doch -immer wieder schrak sie in Scham davor zurück, bis ihr Wunsch endlich -so gewaltig aufbrannte und alles andere davor verglomm. - -Zu Mariä Heimsuchung fuhr der Müller in die Stadt ins Schloß, dort -wollte er noch einmal wegen des abgeschafften Mühlrechtes verhandeln. - -Da schlich die Ogath barfuß in das Vogeltänd, das war der Wald, -der hinter der Mühle aufstieg und den Steig beschattete, der zur -Kindelkapelle führte. - -Vor einer Steinhöhle hielt sie an. Ihre Brust ging hoch, angstvoll flog -ihr Blick durch die Bäume, sie trat aus dem Sonnenlicht in den tieferen -Schatten einer niedergreifenden Tanne. Zitternd band sie sich die blaue -Schürze los und legte sie in den Steinriß, sie tat die Joppe ab und den -Rock und die drei barchentenen Unterkittel und verbarg sie. Jetzt stand -sie im Hemd und lauschte todängstlich hinein in das Vogeltänd. - -Nichts regte sich. Nur eine Drossel pfiff. - -Sie wartete, bis der Vogel sich versungen hatte. Dann warf sie das Hemd -ab und war nackt. - -Ihr schauderte. - -Mit gefalteten Händen, mit fallenden Zähren begann sie die leidvolle -Wallfahrt. - -Anfangs schien es ihr öfters, es halle der dumpfe Tritt eines Wandrers -ihr entgegen, und sie floh mit verhaltenem Atem hinter eine Staude und -lauschte lange und traurig. - -Das Blut brannte ihr in den Wangen den weiten Weg. Sie schämte sich vor -den lustigen, spiegelnden Quellwassern, die sie überschreiten mußte, -sie schämte sich vor dem flüsternden Laub, das sie zu beschwätzen -schien, und vor den rauhen Felsen sogar, denn alles hatte heute Gesicht -und Augen. Jeder Stein am Steig, jede Wurzel am Hang, alles, alles -kehrte sich ihrer sündigen Nacktheit zu. - -Der grüne Baumhackel lachte schrill, der Krummschnabel glotzte vom Ast, -spöttisch knickste das Rotschwänzel. Das Hirngrillein, der Guckauf, der -Nußhackel, die Spottvögel alle, die Schlangen am Weg, der verzagte Has, -der Hirsch, der unter der Berghollerstaude rastete und hinauf fraß, sie -alle schauten sie an, die da gläubig in ihrer schmerzlichen Keuschheit -dahin wallte. - -»Vögel, berget die Äuglein im Gefieder!« bat sie. »Wend ab die Augen, -Wendehals! Ihr Blumen, verschließt euch und schaut mich nit so an! Zeig -mir mein Bild nit, du stiller Bach!« - -Immer älter und verworrener wurde der Wald, schreckhaft verbogene Bäume -schickten die Wurzeln wie Nattern und Tatzelwürmer aus, Felsen trugen -tiefes, feuchtes Moos und trieften, Geier jagten schreiend über den -finster geschlossenen Wipfeln. - -Mitten in diesen Schrecknissen ragte das Wunderkirchlein auf. - -Es lag so mutterseligallein, so verhuscht und verborgen vor aller Welt, -so recht geeignet, daß ein armes Mutterherz oder eine betrübte Magd -oder ein reuiger Sünder oder, wer immer den Herzwurm hat, sich in aller -Geheime ausweinen konnte. - -Die Ogath trat in das wetterverschlissene Bethäuslein. Das Herz ward -ihr sonnenlicht, als sie den Altar sah. - -Da saß die Maria, die heilige Kindelbetterin, weiß wie ein Lilienblatt, -schlicht und einfältig, und neben ihr beugte sich der Zimmermann mit -dem eisgrauen Bart, ein uralter Tattel, über die Krippe, darin ganz -nackt und bloß das Himmelskind schlief, und zwei Eheleute schauten -furchtsam drein, denn die Könige waren gekommen, den Heiland im -kalten Stroh zu grüßen, der Kasper, schwarz wie ein Kohlenbrenner, -der Melcher, der Weihrauchkönig, reitend auf dem Kameltier, und der -Balthauser, der mit dem silbernen Stern tanzte. Ganz hinten, durch -zierliche Heiligenscheine aus ihrer Demut erhöht, knieten das Öchsel -und der ägyptische Esel. - -Vor dem Altar stand eine große, leere Wiege. - -Die Ogath aber redete mit der hohen Gnadenfrau: »Die Mußmüllnerin bin -ich, und es ist eine Sünd und eine Schand, wie ich da vor dir steh. -Aber deine Augen sind so still, und du schaust mir ins Herz bis auf den -Grund. Du siehst nix Schlechtes drin. Und ich bitt dich, trag meinen -Wunsch hin, wo man ihn hört. Mit gesegnetem Leib möcht ich gehen wie -die anderen Weiber, und so bitter gern tät ich am Anger vor der Mühl -Windeln bleichen, tät Hosen flicken für ein schlimmes Büblein, oder -wenn es ein Dirnlein sein sollt, wollt ich es gern zöpfeln und es hegen -und pflegen, und alles Herzleid tät ich willig tragen, was so ein Kind -bringt.« - -Weiter fand sie keine Worte. - -Sie kniete zur Wiege hin, legte ihren schmerzlichen Wunsch hinein -und wiegte still und versunken in den Anblick der heiligen Leute und -gläubig, daß das Wunder geschehe an der Frau, die es wagt, nackt zu -wallfahren. - -Sie wiegte, bis die Sonne tief im Bergwald versunken war und die -Kapelle sich mit grauen Schatten füllte. - -Im Dämmer ging sie heim, erbangend, wenn das Gras zischte oder der -Wind flüsterte, verzagend vor jedem Gebüsch. Denn selten gibt es eine -Staude, drin nicht ein Auge ist. - -Die Raben kehrten in den Fichten ein zur nächtlichen Rast. Wie -stockende Geister leuchteten die weißen Grenzsteine. Droben tat sich -der Sternhimmel auf und funkelte durch die Wipfel nieder und silberte -Zweig und Laub. - -Lichter aber schimmerte der Leib der Wallfahrerin, und die Blendnis -ihres Fleisches lockte und schrie durch die Nacht. - -»Ich bin wie eine Latern,« klagte sie. - -Der Wald ward sanfter, gangbarer der Weg. Durch die Stille hörte sie -schon die Mühle. Fern über den Bäumen sah sie hin und wieder das -Gebirg in schwarzen Klumpen dunkeln. Sie wanderte und wanderte im -Glanz ihres Leibes hin. - -Als sie den Steinriß erreichte, wo sie das Gewand versteckt hatte, -huschte ein Mann aus den Felsen herfür und griff nach ihr. - -Sie schloß die Augen und ließ willenlos alles geschehen. - -Es mußte so sein. - - * * * * * - -Als der Gid erfuhr, wie die Ogath wallfahren gegangen war, prügelte er -sie unbarmherzig, daß sie blau und blutig wurde, und das starke, stolze -Weib ließ sich schlagen und wehrte sich nicht. - -Tags darauf kam der Zusch, ein närrischer Mann, zum Müller und lallte: -»Der Dullhäubel schickt mich. Du sollst ihm Haut und Haar von deinem -Weib schicken. Du hast gestern geschlagen.« - -Der Gid jagte ihn davon. -- - -Im Frühjahr gebar die Ogath ein Dirnlein mit dickem, rotem Haar. - -Der Müller zerbiß sich die Lippen, er hatte einen Buben begehrt. - -»Woher hat sie das rote Haar?« murrte er. - -Er versperrte sich immer mehr in sich selbst. Seine Augen flogen scheu, -die kargen Worte, die er redete, zauderten undeutlich an seinen -Lippen. Oft brütete er stundenlang über dem Brief, der den Vorfahren -Zins und Kundschaft verbürgt hatte, und sann auf Wege und Schliche und -Gewaltsamkeiten, sich wieder ins alte Recht zu setzen. - -Einmal saß er am Fenster und quälte sich, eine Bittschrift an den -Kaiser aufzusetzen. Denn im fürstlichen Schloß hatte man ihm gesagt, -der Kaiser selber habe die Zwangmühlen abgeschafft. Er wollte mit der -Schrift nach Wien reisen und dort, wenn es nicht anders ginge, einen -Fußfall tun. - -Da holperte draußen auf der Straße ein Wagen daher, der Fuhrmann pfiff -gell und knallte ohne Aufhör mit der Geißel. Der Gid riß das Fenster -auf und schaute hinaus. Es war der Dullhäubel. Seine Ochsen wollten den -mit Kornsäcken beladenen Wagen vorüberziehen. - -Aufsprang der Gid, packte die Urkunde und rannte hinaus. - -Er trat dem Fuhrwerk in den Weg und hielt die Ochsen an, die Augen -flirrten ihm. - -»Kasper, wohin?« - -»In die Mußmühl nit, in die Grillenmühl,« sagte der keck. - -»Das ist gegen das Gesetz,« lechzte der Gid. »Da siehst du die Schrift. -Schwarz auf weiß steht drin, daß du bei mir mahlen mußt. Dein Hof steht -drin aufgeschrieben mit Tinte und Feder. Mir ist es nit ums Mahlgeld, -mir ist es ums Recht.« - -»Ich mahl bei dem groben Müllner nit, der mit dem Hammer die Leut -erschlagt.« - -»Gelt, Kasper, du fahrst an meiner Mühl vorbei, weil du weißt, was mir -ein Spieß ins Aug ist! Heut laß ich dich nit vorüber. Recht muß Recht -bleiben. Übers Recht gibt es keinen Weg.« - -»Speib Gift, speib Gall!« sagte der Dullhäubel kalt. »Deine Red hat -keinen Kopf und keinen Fuß. Steck ein den Wisch Papier und fuchtel nit -so vor den Ochsen herum! Du zerrüttest sie mir.« - -»O du grundschlechter Kasper, genau so wie deine Vorfahrer peinigst du -die Leut. Mit Bluthunden haben sie den jungen Burschen nachgespürt, das -lebendige Menschenblut haben sie um einen Judaslohn verraten!« spritzte -der Gid dem Dullhäubel ins Gesicht. - -Der antwortete gelassen: »Du steigst mir auf den Buckel! Und es bleibt -dabei, der Grillenmüllner und kein andrer schrotet mir das Korn.« - -Blutrot sprang der Müller den Bauer an. Diesmal aber war der Dullhäubel -gerüstet. Er riß eine Ochsensenne aus dem Wagen und schlug schrecklich -auf den Feind los. - -Der Gid keuchte in sein Haus. Im Flur stand der alte Müller. - -Der Gid faßte eine Hacke. »Reichlich hat er mich gehaut,« schnaubte -er. »Vater, du stellst dich hinter die Tür. Du packst ihn von hinten. -Gleich ist er da. Droben am Steinbühel graben wir ihn ein.« - -Atemlos warteten die zwei. - -Der Dullhäubel aber führte sein Korn schon weit und sang sein Leiblied. - - »Ich schrei hü, - ich schrei ho, - ich schrei allweil - hüstaho.« - - * * * * * - -Als dem Müller die Blutrünste und blauen Flecken vergangen waren, -steckte ihm der Bote einen Brief zu, und damit wurde er vors Gericht -beschieden. - -Der Dullhäubel hatte geklagt, der Gid habe ihn auf hellichter Straße -überfallen, ihn und seine Vorfahrer geschmäht und verschändet und ihn -schließlich mit einer Ochsensenne halb erschlagen. - -»O der falsche Fuchs!« schrie der Gid. »Erst haut er mich grün und -gelb, hernach zieht er mich vors Gericht. Auf der Stell klag ich ihn -auch.« -- - -Der Dullhäubel rüstete sich indes emsig für den Gerichtstag. Er wollte -den lieben Mußmüller so weit bringen, daß er kniefällig um Verzeihung -heulte. - -In der Scheuer übte er seine Rede ein. Vorerst neigte er sich nach -allen Seiten, denn er dachte sich den Gerichtshof rund wie einen Kreis -und rings lauter Richter und Schergen und sich selber in der Mitte. - -»Gnädigster, allerstrengster Herr Gerichtshof!« hub er an. »Indem daß -der Herr Ägid Wilfinger, Müllnermeister in Fuxloh, mich, den Herrn -Kasper Dullhäubel, ehrengeachteten Bauern daselbst und eheleiblichen -Sohn und Nachfolger des Herrn Isidor Dullhäubel, indem daß derselbe -denselben und seine Ochsen auf freier Straße angepackt hat und mich -hat zwingen wollen, daß ich in seiner Mühl mahl, wo doch schon der -Herr Kaiser Josef im Jahr achtundvierzig alle Zwangmühlen verboten -hat, und weil ich selbem Müllner nit zu Willen war, hat er mich und -meine gottseligen Vorfahrer mit boshaften Wörtern verunehrt und hat -insbesonders mir -- mit Verlaub zu sagen -- geschafft, ich soll ihm auf -den Buckel steigen. Nachdem dies geschehen war, hat er mich mit einer -Ochsensenne so kläglich genotnötigt, daß ich vierzehn Tag meine Arbeit -hab versäumen müssen und Hand und Fuß nit rühren können. So, jetzt hat -der Widersacher das Wort.« - -Damit ging der Dullhäubel in die Ecke der Scheuer, wo spinnverwebt -die Putzmühle stand, und drehte sie fünf Vaterunser lang, daß sie -rumpelte und fauchte, und deutete also die Rede an, womit der Gid sich -verteidigte. - -Als der Bauer an der Putzmühle in einen gelinden, warmen Schweiß -geraten war, setzte er ab und sprach wiederum in der eigenen Sache. - -»Allerhöchster und ehrbarer Herr Gerichtshof! Indem daß der Ägid -Wilfinger sich gar so lügenhaft verteidigt und mit seinen Spitzfünden -der Wahrheit unverschämt ins Gesicht schlagt und behauptet, es hätte -sich alles umgekehrt zugetragen und ich hätte ihm mit einer Ochsensenne -leibgefährlich und schandbar zugesetzt, daß er schleunig in der -Mühl habe seine Zuflucht holen müssen: so verschwör ich mich mit -dem härtesten Schwur, daß der Müllner jetzt abscheulich gelogen und -getrogen hat. Gott soll mich strafen, wie ich da steh, wenn nur ein -einziges Wort nit wahr ist!« - -Jetzt ließ er wieder die Putzmühle lärmen, und dies bedeutete wieder -die Antwort des Gid. - -Hernach schloß er die Verhandlung und sagte: »Indem daß der Müllner von -seinem halssteifen Leugnen nit ablaßt und in ohrenblaserischer Weis -mich, seinen Nachbarn und vormals treuen Freund ins Zuchthaus bringen -will, so trag ich alleruntertänigst seine gerechte Bestrafung an. Ich -bitt euch, sperrt den Herrn Ägid Wilfinger drei oder vier Jahr bei -Wasser und Brot ein, daß mir mein Recht geschieht und er hernach als -ein verbesserter Müllner wieder auf die Welt kommt.« - -Er verneigte sich nach allen Winden und ging aus der Scheuer, seiner -Sache sicher. -- - -Am Gerichtstag putzte sich der Dullhäubel wie ein Pfingstelreiter -heraus: er schirrte sich in die grasgrünen Hosenhalfter und steckte -einen Häherspiegel in den blauen Hut, die Silberknöpfe glänzten am -Brustfleck, und so trat er getrost aus dem Haus. - -Als die Sodonia über ihn ein Kreuz schlug, sagte er: »Heut wird es ein -Rausch, ob ich gewinn oder verlier.« - -Vor seinem Hof aber hockte die Ulla, sie ließ ihr zahnlücketes Lächeln -spielen und grüßte: »Guten Morgen in aller Fruh, Bauer!« - -Das alte Weib deutete er als übles Vorzeichen. Fluchend rannte er -in die Stube zurück, tauchte alle fünf Finger in den Weihbrunn und -besprengte sich kräftig, daß alles Gelüst des Teufel zu schanden werde. -Dann schlich er zur Hintertür davon und ging in einem weiten Ring um -das Bettelweib. -- - -Der Gerichtshof schaute ganz anders aus, als wie der Dullhäubel -geträumt hatte. Es war eine sonnige Stube, drin auf grünem Tisch -zwischen zwei Kerzen das Kreuz mit dem angenagelten Herrgott stand. - -Der Richter hatte einen breiten Goldbart, eine rötliche Nase und graue, -scharfe Augen, die einen durch Mark und Bein schauten. - -Der Schreiber, dem zwischen den Augenbrauen eine mächtige Warze saß, -zog eben den Pfropf aus einem Tintenfläschlein. Neben ihm glänzte eine -schneeweiße Gansfeder. - -Als der Dullhäubel in die Stube trat, war der Müller schon drin. -»Holla, gefehlt ist es,« dachte der Bauer, »jetzt ist mir der Kerl -zuvor kommen!« Doch hoffte er die Scharte auszuwetzen, und er grüßte -artig: »Gelobt sei Jesus Christus, Herr Gerichtshof und Herr Schreiber!« - -Er wollte auch den Mann neben der schneeweißen Gansfeder ehren, denn -wie leicht konnte der ein Wörtlein in seine Schrift rinnen lassen, das -einem das Genick brach. - -Der Goldbart murrte etwas und deutete ungeduldig auf einen Sessel. -Doch der Dullhäubel hielt es an der Zeit, seinen Trumpf auszuspielen, -er holte das Tabakglas herfür und bot es mit zwinkerndem Blick auf die -rötliche Nase dem Richter hin. - -»Was unterstehen Sie sich?« brüllte dieser. - -Der Dullhäubel legte die Hand demütig aufs Herz. »Herr Gerichtshof, ich -bin halt ein dummer Bauer.« - -Er knickte auf den Sessel nieder, der blaue Hut fiel ihm auf den -Fußboden. »Holla,« dachte er, »jetzt hab ich mich verrechnet. Aber -meine Red muß mich herausreißen.« - -Die Stimme des strengen Mannes kam auf einmal ganz unglaublich mild und -zart aus dem Goldbart heraus, die starken Augen wurden ihm feucht, er -zupfte an seiner Nase. - -»Leutlein, euch hat der Herrgott nachbarlich hingesetzt in das schöne, -friedliche Tal am Wolfsbach, und ihr steht jetzt in dieser Stube euch -gegenüber wie zwei Waldratten, die sonst nichts mehr zu fressen haben -als eins das andere. Was verklagt ihr euch wegen ein paar überflüssiger -Hiebe und ein paar lustiger Wörter? Besinnt euch, ihr strittigen -Männer! Es kann kein gut tun, wenn einer von euch wegen des andern -abgestraft wird. Es wächst Haß daraus, und der Haß glost weiter in Kind -und Kindeskind und schlägt allweil wieder giftig aus der Asche. Denkt -an den Frieden eurer Enkel! Söhnt euch aus! Gebt euch die Hände!« - -»Ich will mein Recht,« trotzte der Müller. - -»Ich auch,« rief der Dullhäubel. - -Das graue Auge des Richters verfinsterte sich, mit langen Schritten -ging er von Wand zu Wand. - -»Es ist gut,« sagte er. »Und jetzt erzählen Sie mir den Vorfall, -Wilfinger!« - -Der Gid stellte sich kerzengerad hin wie ein Soldat und begann rauh: -»Ich komm aus der Mühl. Der Kasper steht auf der Straße. Ich zeig ihm -unsern Freibrief. Wir reden nit lang, da reißt er die Ochsensenne aus -dem Wagen. Wenn ich nit renn, erschlagt er mich.« - -»Umgekehrt ist es gewesen!« kreischte der Dullhäubel. - -»Ruhig!« knurrte der Richter. »Ägid Wilfinger, beschwören Sie Ihre -Aussage!« - -Die Kerzen flackerten unheimlich, und der Gid reckte den Arm steif auf -bis schier zur Decke und stammelte nach, was der Richter vorsprach. - -»Falsch hat er geschworen, der staubige Teufel!« schalt der Dullhäubel. -»Dir wasch ich noch einmal die Kutteln.« - -»Du elendiger Bauerntrumpf!« grollte der Gid. »Erwisch ich dich noch -einmal, ich hämmer dich hin, daß du nimmer aufstehst!« - -Der Richter rieb sich die Fäuste. »Das ist ein spitzer Handel, Männer,« -reizte er die zwei. »Redet euch nur die Leber frei!« Der Bart zitterte -ihm unter dem lachenden Mund. Lachend riß er das Fenster auf. - -Das Geschrei der zwei Fuxloher versammelte drunten am Markt die -Stadtleute. Sie horchten und lachten. - -Der Dullhäubel war rot wie ein Truthahn. »Müllnerdieb, Müllnerdieb!« -zeterte er. Ihm fiel nichts anderes ein. - -Der Gid hatte keine Farbe im Gesicht. »Du abgefeimter Fuchs,« sprühte -er, »du drehst dem Teufel einen Knopf in den Schweif.« - -Sie wüteten gen einander wie zwei leer laufende Mühlsteine, mit bösen -Reden stachen sie auf sich ein, vergangene Zeiten öffneten sie und -rissen die verweste Schande der Voreltern heraus. - -»Du Lump!« brauste der Gid. »Und allsamt seid ihr Lumpen gewesen auf -euerm Hof. Der Vater sauft sich zu Tod, der Ähnel sucht die letzte Rast -am Strick, dem Guckähnel wird der Hirnschädel eingehaut, und wer weiß, -wie viel von deiner Brut am Galgen gezappelt haben!« - -Der Dullhäubel blieb nichts schuldig. »Du ehrlicher Müllner, dein -Vater ein ehrlicher Mann, dein Ähnel, dein Urähnel, dein Guckähnel, -lauter redliche Müllner! Kein Körnlein ist euch stecken blieben im -Fingernagel, kein Stäublein Mehl ist haften blieben an euern Schürzen, -keinen Sand habt ihr gemischt --.« - -»Was? Du willst an meinem ehrlichen Gewerb schnipfeln?« Der Gid langte -hinüber, wie der Bär nach Reiner dem Fuchs greift. - -Schnell barg der Schreiber das Tintenfaß und sah sich nach der Tür um. - -Dem Richter schien es genug. Er brüllte, daß die Scheiben klirrten: -»Ruhe! Sonst laß ich euch dingfest machen und ins Zuchthaus schmeißen!« - -Der Dullhäubel aber bäumte sich auf: »Hat der Gid geschworen, muß man -mich auch schwören lassen!« Er schwang die rechte Hand in die Höhe -und spreizte die Finger, die linke ließ er mit zur Erde gereckten -Schwurfingern hängen; er glaubte, so müsse der Schwur ohne Schaden -durch den Leib gehen, auch wenn er nicht ganz echt sei. - -Der Goldbärtige schaute ihn mit einem Blick an, der ihm den Arm lähmte, -und sagte halblaut: »Ihr zwei versteckten Lümmeln, augenblicklich -versöhnt ihr euch, sonst laß ich euch krumm schließen, daß euch die -Knochen brechen! Glaubt ihr, ich hab die Zeit gestohlen, daß ich -mit einem groben Müller und einem spitzfindigen Schelm, der da kalt -schwören will, herumschlage? Im Hui vergleicht euch! Und dann hinaus -mit euch!« - -Die Widersacher schauten verdutzt drein, der Richter aber winkte -entschlossen hinab auf den Marktplatz, dort stand ein riesiger Mann mit -einem Säbel. - -Den zweien wurde ängstig. - -Der Säbel klapperte draußen die Stiege herauf. Der Dullhäubel langte -sich nach dem Hals, als würge ihn etwas. Dem Müller war, eine Sense -fahre ihm durch die Kniee. - -»Gid, verzeih!« ächzte der eine. - -»Kasper, vergiß!« murmelte der andere. - -Der Mann mit dem Säbel trat herein. Sein Gesicht war ernst, als müsse -er in die Feldschlacht gehen. Er wischte sich links und rechts über den -Schnurrbart. - -Der Richter sprach zu ihm: »Sie, Herr Notnagel, rennen Sie gleich zum -Postmeister hinüber! Er soll nicht aufs Kegelscheiben vergessen. Im -Wirtshaus zum Blumenstöckel.« -- - -Die zwei Fuxloher atmeten auf, als sie draußen auf dem Gang standen. - -Der Gang war weitläufig und finster, und drum verirrten sie sich und -gerieten an eine eisenbeschlagene Tür, die halboffen stand. - -Der Dullhäubel spähte hinein. - -In der Kammer drin war nichts zu sehen als ein vergittertes Fenster -und eine hölzerne Liegerstatt. An die Wände hatten die Leute, die -hier einschichtig über den Lauf der Welt nachgedacht hatten, allerlei -Ergötzliches gezeichnet. Neben dem Bild eines mit Raben und baumelnden -Schuften wohlversehenen Galgens waren Gesicht und Brüste eines üppigen -Zigeunerkindes zu schauen, Schergen mit Säbeln und Hahnenbüschen auf -dem Hut starrten von der Mauer nieder, unbekümmerte Sprüche luden zur -Besinnung ein; auch mancher Reim war verzeichnet, der ein artiges Gemüt -verletzt hätte, und mit blauem Stift stand steif und groß hingemalt: -»Ade, du trauter Ort! Ich bin da gesessen ein paar schöne Wochen.« - -Dem Dullhäubel wurde ganz heimlich in der Kammer. Die Sonne zeichnete -das Gitter gar lustig auf die Liegerstatt hin und zierte die Spinnweben -im Winkel mit regenbogenen Farben. Eine Maus kroch aus ihrem Loch und -stellte ein Männlein. - -Ungern verließ der Dullhäubel die Stätte. Er deutete mit dem Daumen -zurück und sagte zu dem Müller: »Wenn mir das alte Bettelweib nit -begegnet wär, du säßest jetzt da drin. Schad drum!« - - * * * * * - -Die Ulla wohnte am Vogeltänd neben einem Felsen. Ihre zerrissene -Hütte war mit Stangen und Stecken kläglich gestützt, Türsäulen und -Fensterstöcke waren morsch, die Scheiben zerbrochen und mit Papier -verklebt. Die Schindeln faulten am Dach und waren zum Teil durch -Baumrinden ersetzt. Doch darauf glänzten Steine mit schönen glasigen -Gebilden, so daß es auf all der Armseligkeit wunderlich blitzte. - -Im Fenster wuchs in einer Scherbe kümmerlich die Blume Zagelhintaus. -Ein Kienbaum verschattete die Hütte, ihm wucherte im Gezweig ein -Hexenbesen, kraus verwachsen wie das Nest eines verrufenen Vogels. - -Es war morgens. Der Guckauf lockte hell. - -Die Waldkräutlerin brockte vor ihrer Tür einen struppigen Schlafapfel -aus dem Dorn, sie wollte ihn abends ins Bett legen, weil sie nimmer gut -schlief. - -Zu dem winzigen Fenster meckerte die Geiß heraus. Die Ulla humpelte hin -und spaßte: »Gib mir ein Bussel, Geiß!« - -Als wär er aus dem Felsen gesprungen, stand der Dullhäubel da. - -»Du hast die Geiß gern, Ulla. Du brauchst sie wohl Zum Reiten? Reitest -du auf den Lusen tanzen? Das ist ein hoher Berg.« - -Die Alte nickte gutmütig mit dem kleinen Vogelkopf. »Du bist heut gut -aufgelegt, Bauer. Dir hab ich einmal eine Warze besprochen. Weißt du -es noch? Jetzt bist du ein schöner Mann worden. Geh, schenk mir was! -Schau, wie armselig meine Heimat dasteht!« - -Sie deutete auf die Tür, die müd in den Angeln hing. - -»Die Tür ist schlecht,« sagte der Bauer, »aber du brauchst sie nit -besser, du reitest ja zum Rauchfang ein und aus.« - -Die Geiß stand jetzt in der Tür, die Vorderbeine gespreizt, und horchte -neugierig zu. - -»O mein liebes Vieh, der Bauer macht uns zwei schlecht. Du bist ein -Schwänkmacher, Dullhäubel. Freilich geht es mir schlecht. Wenn nur -genug Brot wär, drei Zähne hab ich schon noch,« kicherte sie kläglich. -»Ach ja, die Not ist mein Kuchelmensch und Schmalhans der Meister.« - -»Aber Milch hast du genug?« fragte der Bauer scharf. - -»Nit viel, gar nit viel. Was halt die Geiß hergibt.« - -»Alte, du weißt, daß in meinem Hof der Erdspiegel ist. Drin seh ich -alles auf der Welt. Wie ich gestern abends hinein schau, seh ich dich -den Wegzeiger gegen Grillenöd melken. Zur gleichen Zeit hebt meine -beste Kuh, die schwarzrückete Stallmeisterin, gottskläglich an zu -plärren. Ich schau nach, da steht sie im Stall, zittert am ganzen Leib -und schwitzt, als wenn sie einer geritten hätt. Ich hab sie gleich -melken wollen, da hat sie nit ein bißlein Milch gegeben, nur ein -Tropfen Blut ist ihr aus dem Euter geronnen. He, was hast du meine Kuh -verzaubert, Hex?« rannte er. - -Sie rang die dürren Hände. »Das ist nit wahr, der Erdspiegel lügt. Ich -bin ein frommes Weib und keine Schlangenköchin.« - -Er fuhr fort: »Im ersten Zorn bin ich in das Vogeltänd gelaufen, hab -dir die Milch vom Ofen wegreißen wollen. Da seh ich durch die Luft -einen Strohwisch schießen, in deinen Rauchfang schießt er hinein, er -sprüht vor lauter Feuer. Ist das nit dein Liebhaber gewesen, Hex?« - -Sie starrte ihn mit den blöden Augen an. »Du irrst dich, Dullhäubel, du -irrst dich dreimal. Es wird nur ein Sternlein in den Rauchfang gefallen -sein. O weh, wie redest du so schrecklich von mir armem Weib! Ich tu -ja niemand nix, ich tu nur beten, allweil hab ich die Nase im Betbuch, -wenn ich auch nit lesen kann.« - -»Jetzt weiß ich, Ulla, wer mir im Stadel die Mäus wachsen laßt und im -Haus das Unziefer. Jetzt weiß ich, wer den Nebel her winkt und das -schwarze Wetter. Du bist es, Hex!« - -»Ich hab ja gar keine Kraft,« jammerte sie, »wie könnt ich das tun? Es -ist ja alles nit wahr, nit wahr.« - -Unbarmherzig redete er: »Aus deiner Geiß springt die Milch wie der -Brunnen aus der Erd, die Milch rinnt dir ums Haus nach, Ulla. Zum Lusen -bist du auf einem Besen geflogen, der hinter dir gebrannt hat. Du -zauberst und zinzelst und zanzelst und machst Weiber und Küh galt.« - -»O du Unfang, du bodenloser, was bringst du mich in Kummer? Deine üble -Nachred wird mir schaden, niemand wird mir eine Gabe schenken wollen. -Aber jetzt geh ich hin und laß dich am Gericht verklagen.« - -»Der Richter ist mein bester Freund, der tut mir nix,« lachte der -Schelm. »Und wenn die armen Leut klagen, so gilt es nit. Und wer steht -gegen mich auf? Ich bin der Dullhäubel aus Fuxloh!« - -»Das ist eine bitterliche Wahrheit,« lispelte sie, »an der Armut wischt -ein jeder seinen Schuh. Aber, lieber Kasper, ich bin keine Hex.« - -»Du bist es. Dein ganzer Leib legt Zeugenschaft dafür ab: deine Finger -sind wie Krallen, dein Kinnbein ist dürr und krumm, dein Gesicht ist -runzlig, als ob die Hennen drin gekratzt hätten. Die Augen rinnen dir -aus.« - -»Ich bin ja alt! Alt bin ich!« wimmerte sie. »Blut könnt ich weinen. Du -wirst mich verschreien in ganz Fuxloh.« - -»Wenn du ein gerades Weib wärst, die Augen frisch, die Wangen weiß und -rot und glatt,« der Dullhäubel schnalzte, »und wenn du sonst am Leib -schön fest und dick wärst, da könnt der Erdspiegel zehnmal sagen, daß -du hexest. Niemand tät ihm glauben.« - -»Das laßt sich nimmer ändern,« sprach sie traurig. »Und wenn ich noch -so gut essen könnt, mein Leib ist alt und laßt sich nimmer frisch -aufbauen.« - -Da flüsterte er: »Und doch weiß ich einen Rat. Geh in die -Altweibermühl!« - -Wie Abendsonnenlicht glitt es über die enge Stirn der Ulla. »Ja, die -Altweibermühl! Ich hab schon davon reden hören. Aber sie ist weit, -meine Füß ergehen den Weg nimmer.« - -»Geh in die Mußmühl! Der Gid mahlt dich blitzsauber und blutjung. -Zweifelst du? Ich lüg dich nit an. Du könntest mich sonst mit einem -Buschen Haberstroh erschießen in der Thomasnacht.« - -Lachend trollte er sich. - -Die Alte stand wie verzaubert. Noch einmal jung werden, Kraft haben in -Händen und Füßen, klar und stark sein im Hirn, von den Leuten geehrt -werden, tanzen und springen können, und es noch einmal und besser und -schlauer versuchen mit dem Leben! - -Sie ging im Ring um diesen lichten Wunsch, sie bestaunte ihn von allen -Seiten und lugte scheu hin, wie ein Bettelkind durch die Zaunstecken -in einen fremden, feinen Garten lugt voll edler Lilien und lieber -Rosenstauden und Bäume mit gelbem Obst. - -Sie glaubte es gern, daß es ein Mühlrad gebe, das die Alten wieder jung -mahle. Wie hätten denn sonst die Leute davon reden können! - -Sie packte vor Freude die Geiß bei den Füßen, hob sie auf und schwenkte -und schleifte mit dem glotzenden Tier einen gelinden Tanz. -- - -Als sie am dritten Tag das Herz nimmer bezwang, nahm sie ihren Stecken -und ging in die Mußmühle. - -Den Weg hin pflasterte sie mit vielen Träumen, die holder glitzerten -als der Tau an den Gräsern. Und die Vögel pfiffen die kreuz und -die quer, der Baumhackel jauchzte wie ein Hochzeiter, der Himmel -droben war glasblau, und die Erde war zart und freundlich wie ein -Kränzelgarten. - -Die Ulla wanderte die Erlen und Weiden entlang bis zum grünen Weiher, -darein der Bach sich sammelnd und verrastend mündete. - -Der Gid schleppte eben dem Glöckelbauer die Säcke in die Mühle. - -»Bin ich da recht in der Altweibermühl?« fragte sie, und das Herz -schlug ihr hellauf. - -Der Gid ließ den Sack von der Achsel gleiten und schaute sie wild an. - -»Die bringt der Mußmühl einen neuen Namen auf,« lachte der Glöckelbauer. - -»Jung sollst du mich mahlen,« redete sie ein wenig scheuer. »Der -Dullhäubel schickt mich her.« - -»Zu Trutz und Neid tut er mir alles!« rief der Gid in weinerlicher Wut. -Und er rollte sie an: »Komm mit!« - -Sie beschwichtigte ihn. »Sei nit bös! Ich bin halt ein armes Fürwitzel.« - -»Zum Altweibermahlen täten die Fuxloher freilich meine Mühl kennen, da -fahret keiner vorbei.« Er stapfte grimmig voraus. - -Im Vorderhaus standen einige Holzschuhe. Da schmeichelte die Ulla, den -Zornigen zu begüten: »Ihr habt aber viel Holzschuh, da kommen gewiß -auf jeden zwei.« - -Er führte sie durch das zitternde Haus, und auf einmal weilte sie -verwirrt an einem Ort voll staubiger Stiegen und Leitern, der Wellbaum -drehte sich, die Gänge klapperten, volle Säcke lehnten aneinander, -weiße Mehlhaufen waren aufgeschüttet. - -Unheimlich rührte sich das Haus, belebt vom stürzenden Wasser, das -das Wesen eines Geistes hatte. Unsichtbar irgendwo schwang sich das -Mühlrad, vom Geschäufel zischte und fiel es. Die Aufschüttkasten -schüttelten und rüttelten sich ruhelos, gespenstisch regte sich das -Beutelwerk. Immer tosender schlapperte und klapperte alles, und der -Ulla Herz schlotterte immer banger. - -Eine Mehltruhe stand halb offen, und das Weiblein fürchtete, ein grauer -Kobold könne herauskriechen und ihr ein Leides tun. - -Und auf einmal schoß ihr eine gewaltige Angst vor dem Jungwerden ins -Knie. - -Soll sie die bittere Welt noch einmal durchreisen, jetzt, wo sie der -Ewigkeit und ihrem Frieden schon so nahe ist? Sie sollte sich doch ihr -Alter nicht so hart bekümmern lassen! - -Und die Geiß daheim, die wird die Ulla nimmer erkennen, wenn sie jung -und fremd dahertanzt. Die gute Geiß wird den Bart traurig hangen lassen. - -Sie schrak auf. In dem Gebraus hatte sie den Müller vergessen. - -Der packte sie grob und schwang sie über den Mühltrichter. »Soll ich -dich fallen lassen?« - -Sie schrie auf. Sie fühlte sich verschlungen, zermalmt unter den -harten Steinen. Wild krampfte sie sich in des Müllers Rock. »Heilige -Muttergottes, hilf! Breit deinen Reifrock aus! Ich will nimmer jung -werden.« - -Die Sinne vergingen ihr. -- - -Als sie wieder zu sich kam, lag sie am Weiher. Die Mühle brauste -gedämpft, Mücken schwirrten. - -Sie besann sich lange. Hernach wisperte sie: »Gott, wie geht es zu in -deiner Welt!« - -Voller Angst und Neugier kroch sie zum Teich hin, schlupfte durch die -Felberstauden und schaute in den stillen, grünen Spiegel: da nickte ein -altes, verschrumpftes Schwesterlein herauf. - -Die Ulla hüpfte vor Freuden auf und bat die im Wasser um Verzeihung, -daß sie sie schier um ihre grauen Haare und vertrauten Runzeln und -ehrwürdigen Hände gebracht hätte. Ein Muttergotteswunder, so glaubte -sie, habe den Frevel verhütet. - -Als sie heim ging, lag der Dullhäubel vor seinem Hof am Wasen und -reckte die Arme faul von sich. - -»Der Müllner hat grob gemahlen,« spottete er. »Jetzt mußt du halt -Wolkenschieben gehen auf den Hötschenberg in Tirol.« - - * * * * * - -Im »pfalzenden Hahn« ging es hoch und hell her. Der Kirchweihtanz -dauerte schon die zweite Nacht. - -Enganeinander hockten die Musikanten auf ihrer Bühne. Der starke -Lukas Schellnober blies den Baß, der Aumichel griff die Klarinette, -der Spielmannfranz und seine Buben geigten. Und wenn die Musikanten -rasteten, zirpte der Kanari, der aus dem Vogelhaus dem Treiben -zuschaute. - -Die Bauernsohlen stampften die altbairischen Tänze. Der Glöckelbauer -schwang die Iglin, der Igelbauer die Glöckelbäurin; der Holzhacker -Longinus Spucht drehte wie besessen des Meßners Weib, derweil der -Grazian gottergeben und mit niedergeschlagenen Augen die Spuchtin weit -von sich hielt. Der Burgermeister tanzte mit der Burgermeisterin, der -Müller mit der Müllerin. Der Dorfnarr sprang in Holzschuhen durch die -Stube; zuweilen schlug er eine Blechstürze schallend an die Wand und -schrie: »Ich bin ein Steirer!« - -Der Dullhäubel drängte eine junge Dirne in die Ecke. - -»Deine Zähne glanzen, Stasel,« schmeichelte er. - -»Mit Zinnkraut hab ich sie geputzt, Kasper.« - -»Du bist süß wie ein Zuckerstock, Stasel. Komm mit mir vors Haus und -laß mich schlecken!« - -»Nein, nein, Bauer, draußen ist es mir zu finster, ich könnt mich wo -anstoßen. Und du bist mir zu wenig treu.« - -»Ich hab ein kugelrundes Herz, es rollt von einer zur andern, Stasel. -Heut zu dir.« - -»Ich dank schön,« sagte sie schnippisch, »ich bin kein Apfelbaum an der -Straße, wo ein jeder Bub hinaufsteigt.« - -Die Fuxloher hatten ihre Bäurinnen ausgeführt, und auch aus Blaustauden -und Grillenöd waren Gäste da, und sie sprangen und trampelten, -schleiften und jauchzten und sangen grell durcheinander. - -»Musikanten, spielt die ›Sommerblume‹!« schaffte der Müller an. - -»Nein, das ›Wintergrün‹ will ich tanzen,« begehrte der Dullhäubel. - -Die Ausgedingler mischten in der Kuchel die Karten und spielten ein -Spiel, das kroch so faul und endlos um den Tisch, daß die Sage recht -haben mochte, einmal seien dabei vier Männer erfroren. - -Neben der Bodenstiege im Vorhaus schenkte der Wirt aus, vor ihm auf -einem langen Tisch standen die Krüge der Tänzer. - -Alles drehte sich eben, niemand war im Vorhaus. Mit eiligen Augen nahm -der Wirt den Vorteil wahr: er packte einen Maßkrug nach dem andern und -goß das Bier durch den Trichter ins Faß zurück. Hernach lehnte er sich -träumerisch mit überschlagenen Beinen und verschränkten Armen an die -Stiege und wartete. - -Die Tänzer kamen mit den erhitzten Tänzerinnen und wollten trinken. - -Der Müller schrie:» Verflucht, da hat mir schon wieder einer das Bier -ausgesoffen!« - -Der Lippenlix aus Blaustauden murrte bös: »Gerad ist mein Krug voll -gewesen, und jetzt ist er leer. Wirt, das geht nit mit rechten Dingen -zu.« - -Der Dullhäubel ließ sich frisch einschenken. Er kostete und spie aus: -»Wirt, dein Bier ist abscheulich warm. Pfui Teufel!« - -»Geduldet euch,« tröstete der Wirt, »gleich wird frisch angezapft. -Jetzt kommt das Faß, wo die schwarze Katz drauf sitzt.« - -Der Longinus Spucht stimmte das Rinaldinilied an. Er hatte einen -rauhen, grimmigen Hals. Sein stockfinsterer Bart deckte die Brust weit -hinunter, so daß er keinen Brustfleck brauchte. Wegen des finsteren -Bartes war schon mancher Wandersmann umgekehrt, der den Spucht von -weitem im Wald sah. - -Der Brunnkressenhannes setzte sich zum Dullhäubel hin. »Mein lieber -Freund,« sagte er, »in der guten alten Zeit ist es anders gewesen. Ich -wünsch mir nix mehr, als daß wieder ein so kräftiges Bier gebraut wird -wie vormals. Wenn man das Glas ausgetrunken hat, ist der Boden noch -schneeweiß gewesen vor lauter Faum. So kräftig ist es gewesen. Heut -bringt kein Bräuer mehr einen rechten Faum zusammen.« - -Der Dullhäubel tat, als höre er nicht und kehrte sich ab. Da stupfte -ihn der Hannes mit dem Ellbogen an. »Bauer, tu her ein Schnüpflein. -Der Tabak ist ein magnetisches Pulver, das zieht die Nase an.« - -»Setz dich nit an meinen Tisch,« antwortete der Bauer grob. »Du bist -nur ein Häuselmann mit einer Kuh.« - -»Lausig bin ich nit, daß du wegruckst von mir.« Der Hannes stand auf -und trug beleidigt seinen Krug davon. »Freilich muß einer stolz sein, -wenn er einen so großen Hof hat wie der Dullhäubel. Der Ofen allein ist -dort so groß, daß der Bauer drei Paar Ochsen einspannen muß, wenn er -die Bratschüssel aus der Röhre ziehen will.« - -»Ihr werdet wieder solang wörteln, bis ihr rauft,« mahnte der Wirt -scharf. - -Der Longinus Spucht hub ein anderes Räuberlied an. - - »'s gibt kein schönres Leben auf Erden - in der weit und breiten Welt, - als ein Straßenrauber werden, - morden um das liebe Geld.« - -Die Musikanten setzten an, und Jauchzen und Gepolter verdeckten seine -grobe Stimme. Alles drängte zum Tanz. - -Als sich der Wirt wieder allein spürte, hob er gemächlich den -Holzschlägel, womit er sonst die Piepe in die Fässer trieb, und schlug -ihn dreimal dröhnend an die Bodenstiege. Dann gellte er in die Stube: -»Leut, frisch angezapft hab ich!« und schenkte wieder aus dem alten Faß. - -Der Grazian huschte heran und trank. »Jetzt ist das Bier viel besser.« - -Der Spucht wischte sich erquickt den feuchten Bart. »Das Bier hat -Kraft,« lobte er, »es raucht einem zur Nase heraus.« - -»Wirt, bring eine Zange her!« begehrte der Igelbauer. »Am Türstock -steht ein Nagel heraus, die Burgermeisterin hat sich dran den Kittel -zerrissen.« - -Doch der Lukas Schellnober hüpfte von seinem hohen Sitz herab und riß -den Nagel mit den blanken Zähnen so gründlich heraus, daß schier der -Türstock mitging. - -Alle staunten über die Gewalt, und der Lukas Schellnober stand da, -stark wie ein Hebebaum. - -Nur der Dullhäubel winkte geringschätzig. »Mein Ähnel hat eine -Pflugschar auseinander gebrochen und einen eisernen Haken mit dem -kleinen Finger in die Mauer getrieben.« - -Da packte der starke Bläser den Prahler samt seinem Stuhl und hob -ihn auf den Tisch, daß er zappelnd droben saß, und alle lachten und -gönnten es ihm. - -Wütend kroch er herunter. Doch wußte er sich gleich wieder ein Ansehen -zu schaffen, er zündete sich die Pfeife mit einem Guldenzettel an, -schob sich den Hut ins Genick und schloß hochmütig die Augen. »Soll mir -das einer nachtun in Fuxloh!« - -Die Leute hatten nicht lange Zeit, über den verbrannten Gulden zu -staunen, denn der Spucht und der Grazian waren wegen ihrer Weiber in -Streit geraten, und alles scharte sich um die zwei. - -Der Spucht war eifersüchtig worden und behauptete, der Meßner stoße -beim Tanz häufig mit dem Knie an das Knie der Spuchtin. »Ich hau dich, -Grazian, daß dir das Maul auf die Seite hängt,« drohte er und spickte -die Drohung mit seinen finsteren Blicken. - -»Hau her!« trotzte der Grazian. - -»Hau erst du her!« begehrte der Spucht und wich einen Schritt zurück. -Sein Bart sträubte sich. - -Dem Meßner schwoll das Herz. »Hast du eine Schneid, so wag dich an -mich!« Er hob einen Stuhl auf und brüllte. Der Spucht duckte sich. - -Vom Faß her rief der Wirt: »Grazian, wenn du raufen willst, räum ich -dich hinaus.« - -Der Narr tanzte täppisch zwischen die Streiter und sang die Worte: -»Hofacker, Krautacker!« Ein anderes Lied konnte er nicht. - -»Recht hast du, Zusch, stift Frieden!« lobte ihn der Burgermeister. - -»Komm her, Narr, trink!« Der Dullhäubel hob das abgestandene Traufbier -unter dem Faß weg und schwenkte es. Der Zusch trank mit stieren Augen. - -Dann spreizte der Dullhäubel die Beine auseinander. »Jetzt bedank dich, -Narr, und schlief durch.« - -Da ließ sich der Zusch auf alle vier nieder und kroch durch. - -Seine Mutter kam in die Stube. »Wo mag denn mein armer Narr sein?« -fragte sie betrübt. »Ich such ihn schon die halbe Nacht.« - -Als sie ihn dem Bauer durch die Beine kriechen sah, weinte sie in die -Schürze und zog den Narren mit sich fort. - -»Den Kasper soll man hauen, bis er nach Feuer stinkt,« schalt der -Müller. - -Der Dullhäubel aber mischte sich keck in den Tanz. Dabei sprang er wie -ein Heuschreck, schaffte sich unbekümmert Platz und stieß die andern -aus dem Weg. - -Den Lippenlix aus Blaustauden faßte er beim Knopf. »Du Schönbart bist -mir auf die Zehen getreten, das Weh schießt mir bis zum Ellbogen -herauf.« - -Mit einem Schlag stand eine Rotte Blaustaudner Burschen hinter dem -Lippenlix bereit. Der zwirbelte sich den langmächtigen Schnurrbart und -lauerte, er war ein stößiger Mensch, mit dem keiner gern anband. - -Der Dullhäubel schmeckte die Gefahr. »Nix für ungut!« schmeichelte er. -»Was stellt ihr euch gegen mich? Reibt euch an dem Müllner! Der sagt -allweil, in Blaustauden sind lauter rotaugige Menscher.« - -»Traut dem Kasper nit, er hat zwei Zungen in der Gosche,« warnte der -Öchseltreiber Mathes aus Grillenöd. - -»Die Grillnöder rühren sich,« spottete der Dullhäubel. »Ist das wahr, -Mathes, daß bei euch alle stehlen, nur der heilige Sebastian in der -Kapelle nit? Der ist angebunden.« - -Der Bauer hatte die Lacher auf seiner Seite. Und der Lippenlix -zwirbelte den schönen Bart und bekräftigte: »Die Grillnöder sind -bekannt. Wenn sie Kirchweih haben, müssen sie in den andern Dörfern den -Stall zusperren.« - -»Der Kasper setzt den Hut auf, wie der Wind hergeht, einmal so, einmal -anders,« greinte der Öchseltreiber, fand aber kein Gehör. - -»Sing uns das Fuxloher Lied, Kasper!« verlangten die aus Blaustauden. - -Da krähte der Dullhäubel den Spott über sein Dorf. - - »Von hint bin ich fürher, - vom schwarzen Laib Brot, - kein weißes Brot eß ich nit, - da brennt mich der Sod.« - -Dem Burgermeister schlug die Röte in den Kopf. »Du bist wie der -Wiedehopf, Kasper, der beschmeißt auch das eigene Nest.« - -»Dreiunddreißig Menscher hab ich,« rief der Dullhäubel, »alle Jungfern -von Fuxloh gehören mir, und alle Weiber sind mein gewesen.« - -»Jetzt haltst du das Maul!« schnarchte ihn der Igelbauer an. - -»Du willst mir was schaffen?« höhnte der Dullhäubel. »Wer bist du, und -wer bin ich? Du treibst dreizehn Mäus auf den Markt. Einen Fleck Grund -hast du, nit größer als ein Hosentürlein, und schon laßt du dich einen -Bauer heißen.« - -Die Musikanten fingen schnell einen Ländler an und überlärmten die -Schandrede des Dullhäubel. - -Den Ländler hatte der Müller bestellt und bezahlt, und er und die -Ogath tanzten ihn allein, derweil die andern im Ring herum standen und -zuschauten. - -»Der Gid reckt sich auf über uns alle,« stichelte der Dullhäubel. »Das -ist keine Kunst, er hat das Geld, er stiehlt uns alle ab, uns Bauern.« - -»Dein Tanz hat keinen Schmiß, Müllner,« nörgelte der Lippenlix. - -»Er kann leicht das Geld ausstreuen,« spottete der Dullhäubel. »Seine -Vorfahrer sind klug gewesen, sie haben ihren Kühen den vordern Leib -abgehackt, der nur gefressen hat; den hintern Teil haben sie weiter -leben lassen. Wegen der Milch und dem Dung.« - -»Hör nit auf seine Lügen und sein Plauderwerk, Gid!« bat die Ogath. -»Und gehen wir heim!« - -Er schnitt ein Gesicht wie ein Gewitter und schwieg. - -Der Spucht saß im Flur beim Wirt, sein Deckelglas hinter dem dicken -Bart versteckt, daß es die Spuchtin nicht merke. »Jetzt wird es erst -schön,« freute er sich, »jetzt streiten sie gewiß.« Die kohlfinsteren -Augen glühten ihm. - -»O die Jähköpfe!« klagte der Wirt. »Heut setzt es ein Unglück.« - -Drin in der Stube fing der Lippenlix an, dem Müller in den Weg zu -tanzen, er taumelte plump vor ihm her, der Messergriff stand ihm zum -Sack hinaus. - -Der Gid stellte ihn. »Begehrst du was?« - -»Von dir am letzten!« - -Da rief der Müller laut: »Wirt, die Halbe Bier sollt einen Zwanziger -kosten, daß nit ein jeder Lauser sich eins kaufen kann, der es nit -vertragt.« - -»Ich stürz dich um, Gid,« krächzte der Lippenlix. - -Der Wirt sprang zwischen die Männer. »Du Blaustaudner Schurimuri, braus -nit so daher. Rauf dich daheim aus, wenn dich die Kraft juckt! Du -unbändiger Stier du!« - -Der Lippenlix schob sich mürrisch zur Tür hinaus. Seine Spießgesellen -rückten an einem Tisch zusammen und brüllten grobe, rauflustige Lieder. - -»Jetzt gehst du heim!« herrschte der Müller sein Weib an. - -»Du gehst mit, Gid!« - -Er zog die schweren Brauen zusammen. Da ging sie allein. -- - -Draußen vorm Wirtshaus zischelte einer auf den Lippenlix ein. »Da -steigt er drin auf und ab wie der Hahn in den Gerstenhalmen, der Gid. -Und uns laßt er nix gelten. Nur nix gefallen lassen, nur nit langmütig -sein, Lix! Der Langmut zieht den Übermut ins Haus.« - -»Die Gall gießt sich mir aus,« stöhnte der andere. - -»Sei nit verzagt, Lix, und geh den stolzen Müllner an! Steif dich nur -auf mich! Ich verlaß dich nit. Da schnupf einmal! Das ist ein Tabak aus -den heißen Ländern, der hitzt und kräftigt. He, Bruder, wie heißt der -Spruch? Erst schnupfen, dann hupfen, erst saufen, dann raufen.« - -Der Brunnkressenhannes wankte aus dem Haus und besang sich mit hoher -Hirtenstimme schwermütig den Heimweg. - - »Wird mir dann die Zeit zu lang, - sing ich einen Waldgesang, - und verkriech mich in den Hecken, - lehn mich an den Hirtenstecken - und ergreif die Feldschalmei, - dieses macht mich sorgenfrei.« -- - -Drin in der Stube rief der Dullhäubel: »Spielt auf, Spielleut, daß -es schnalzt! Ihr dürft euch dafür den höchsten Baum in meinem Wald -umschneiden. Aber der Herr Ägid Wilfinger darf nimmer mittun, der hat -schon genug allein getanzt. Andre Leut sind auch noch da.« - -Da stoben die Weiber türaus, der Wirbel ordnete sich, und -augenblicklich standen sich die Männer mit feurigen Augen und fertiger -Faust in zwei Haufen gegenüber. Um den Dullhäubel sammelten sich die -Blaustaudner und ein paar Fuxloher, die der Gid wegen des Mühlzwanges -beleidigt hatte. - -Alles lauerte. Alles erwartete den ersten Wetterschlag. - -Nur die Musikanten blieben gleichgültig. Die Geiger tranken und -schmierten den Fiedelbogen, der Klarinetter dudelte tiefsinnig für sich -hin, und der starke Lukas Schellnober war schnarchend auf seinen Stuhl -zurückgesunken. - -Der Lippenlix hub an. »Müllner, du bist rauschig, du kannst die Zung -nimmer heben. Geh heim, leg dich nieder zu deinem Weib!« Und fauchend -stieß er sein Messer durch den Tisch. - -»Müllner, du bist der Gescheitere, ich bitt dich, gib nach!« bettelte -der Wirt. - -Der Gid vergilbte, als hätte er die Gallensucht. »Das ist noch -nie geschehen, seit die Welt steht, daß sich hätt ein Mußmüllner -heimschicken lassen wie ein Hütbub. Da grab ich mich eher lebendig ein.« - -»Er schneidet ein Gesicht wie neun Pfund Teufel,« hetzte der -Dullhäubel. »Lix, laß ihm den Darm heraus!« - -Da klingelte es. Ein Stein flog aus der Nacht splitternd zum Fenster -herein, er traf die Klarinette, und sie fuhr dem Aumichel in das Maul -und stieß ihm einen Zahn aus. - -Das war das Zeichen. Jäh hoben sich die Fäuste. Der Burgermeister -stürzte sich keifend zwischen die Raufer. - -Das Vogelhaus fiel von der Wand und zerbrach. Eilig tappte der Wirt -nach dem Kanari und verwahrte ihn in der Bratröhre des Ofens. Über ihn -schlug es wie ein wildes Wasser zusammen. - -Die Wirtin stieg auf einen Tisch und sprengte jammernd Weihwasser über -den Kampf; aber die Tropfen halfen nichts, es hätte einer Feuerspritze -bedurft. Alles packte zu. Worte flogen hin und zurück, spitz und -scharf, wie wenn Stahl in den Stein beißt. Die Kartenspieler hatten -ihre Trümpfe weggeworfen und tauchten in dem Wirbel unter. - -Der Dullhäubel trank indes im Vorhaus ruhig seinen Krug aus, wischte -sich den Schnauzbart und ging, ohne zu zahlen, heim. - -Der Müller faßte den Lippenlix und drückte ihn ins Knie. »Ich schwing -dich, ich lupf dich!« keuchte er. - -»Blut mußt du rotzen!« trotzte der Lix. - -Ein Stuhl krachte auf einen Schädel. Krüge wurden geschwungen, flogen, -trafen, splitterten. Aus den Knäueln, die sich auf der Erde wälzten, -tauchten Beine auf und strampelten. Einer schrie immer wieder: »Das ist -heut eine Hetz! Das ist eine Hetz!« - -»Alle miteinander jag ich euch auf den Baum hinauf!« drohte der Spucht -und floh zum Haus hinaus. - -»Ich hol den Schergen,« weinte, kreischte, brüllte, winselte der Wirt. -Seine heiseren Schreie gingen unter. - -Die Spielleute sprangen von der Bühne in die Schlacht hinab und taten -mit. Nur der riesige Baßbläser schlief seelenruhig und entrückt auf -seiner Höhe. - -Das Getümmel wälzte sich hin und her, die Streiter redeten nimmer. -Auf einmal wuchs der Lippenlix aus dem Wirrwarr heraus, mit -dem Bierschlägel schlug er die Lampe von der Decke. Da war es -stockhimmelfinster. - -Der Streit ging in der Finsternis weiter. Niemand suchte mehr einen -Feind, jeder nahm den, der ihm in den Griff kam. Alles tobte. Keiner -feierte. - -Der Longinus Spucht schrie zu dem zerbrochenen Fenster herein: -»Himmelsakerment, wenn ihr nit bald aufhört, rauf ich auch noch mit! -Das müßt mit schlechten Dingen zugehen, wenn ich nit ein paar umbrächt!« - -In höchster Not tappte sich der Wirt an der Bühne hinauf, er rüttelte -den schlafenden Bläser. »Lukas! Still die Leut ab! Stift Frieden! Hau -zu!« - -Der Lukas Schellnober fuhr schwerschlachtig auf, trunken vom Schlaf. -»Wohin soll ich denn hauen?« - -»Hau gradaus! Hau, wohin du willst! Du triffst keinen Unrechten.« - -Der Riese riß das Mundstück von seinem Baßhorn und ließ sich in die -tümmelnde Finsternis hinab. Er teilte mit dem Mundstück Hiebe nach -links und rechts aus und schrie: »Hui aus! Hui aus!« - -Es war als käme eine Mauer daher. Heulend meldete sich, wen der Lukas -mit seiner greulichen Kraft traf. Täumlig und toll suchten sie die Tür, -fluchend, wimmernd quetschten sie sich hinaus. Bald war der untümliche -Mann allein in der Stube. - -Der Wirt kam und leuchtete mit einer Kerze die Verwüstung an. Scherben -und Blutlachen spiegelten, Bänke und Stühle lagen zertrümmert oder mit -ausgerissenen Füßen, Öl stank. Durch die zerschlagenen Fenster stieß -der Nachtwind herein. - -Die Musikanten fanden sich wieder ein. Der Lukas Schellnober saß ruhig -droben auf der Bühne und putzte mit einem Holz das Blut und die Haare -aus dem Mundstück. Dann schraubte er es wieder an den Baß, führte es zu -den Lippen, und seine Gesellen stimmten ein und machten wieder zum Tanz -lüstern. - -Zerschrammt und blutrünstig, struppig und zerfetzt, doch auch abgekühlt -von der Nachtluft, befreit und friedsam kamen die Raufer wieder, die -Weiber und die Dirnen blieben nicht aus, die Wirtin fegte die Stube -rein, und bald drehten sich wieder alle in schönster Eintracht. -- - -Draußen kroch der Müller auf Händen und Füßen heim, mit zornzerrissenen -Lippen, qualvoll, ohne Laut. Er hörte fern die Geigen und die -Klarinette summen und den Baß stoßweise murren. - -Der Mond verschien, der Wald ward grau. Das Wichtel rief, der -Totenvogel. - -Drei fürchterliche Stunden kroch er. - -Frühgeläut erklang. Die Sonne ging auf, sie schwamm wie ein gräßlicher -Blutfleck im Dunst. - -Die Ogath kam aus der Mühle. Die Zunge ward ihr steif vor Schreck, als -sie den Mann vor sich liegen sah, das Gesicht verfallen, die Stirn -aschfahl, blutig. - -»Den Fuß hat mir einer mit dem Bierschlägel abgeschlagen,« raunte er. - -»Wer?« - -»Ich verrat ihn nit.« - -»O wärst du heimgangen mit mir, Gid! Reut dich denn deine Gesundheit -nit?« schluchzte sie. - -»Ich reu mich um nix.« - -»O das ist ein Wehtag! O mein lieber Müllner, was haben sie mit dir -angefangen?!« - -»Das tut nix,« sagte er gleichmütig. »Hätt ich den Bierschlägel gehabt, -ich hätt ihm dasselbe getan.« - - * * * * * - -Nach langem Krankenlager ward der Gid vom Wundarzt wieder hergestellt. -Aber er ging krumm. - -Auch sein Herz war verdüstert. Immer eigenköpfiger, immer wunderlicher -wurde er, mürrisch hinkte er durch die Mühle. Dem rothaarigen Dirnlein, -das um ihn aufwuchs, sah er mit argen Augen nach. Sein Weib redete er -kaum mehr an. Es war schwer, mit ihm zu hausen. - -Den Gerechtigkeitsbrief hatte er sich ans Tor genagelt: alle Welt -sollte sehen, daß er in seinem Recht gekränkt wurde. Aber die Welt -kehrte sich nicht daran und schaffte ihr Malter zum Grillenmüller, der -war ein lachender Mann. - -Im Wirtshaus kam es zu einem wilden Streit zwischen den Müllern. - -Der Grill schrie: »Fahrt ihm die alten Weiber hin, dem Gid! Das soll -erzwungen werden, eine solche Zwangmühl brauchen wir.« - -»Dein Weib mahl ich zuerst, die hat es am nötigsten,« antwortete der -Gid. - -»Die Ulla hat deine Mühl verhext, Gid,« spottete der Teufelmüller, »es -fallt lauter Ratzendreck aus den Steinen heraus.«, - -Der Mußmüller grollte: »Red nur du nix von Zauberei! Deine Mühl hat der -Teufel am Buckel daher gebracht. Kein guter Christ soll drin mahlen -lassen. Und eure Mühlen sind nur Gaukelmühlen gegen die meine, mit -einer Hand halt ich sie auf. Mit einer Hand, alle zwei auf einmal!« - -»Versuch es!« schrien die andern. -- - -In jener Nacht blieb die Grillenmühle stehen. Unterm Mühlrad lag der -Gid mit zermalmtem Arm und zerdrückter Brust. Er hatte sein Wort -gehalten. - -Sie legten den Leichnam auf eine Stubentür und trugen ihn heim zu -seinem Weib. - - * * * * * - -Die Altbäurin Sodonia konnte nimmer. - -Man mußte sie speisen wie ein kleines Kind. Das Fleisch ward ihr -offen vor lauter Liegen. Und weil sie nimmer schaffen und nimmer -den Dienstboten nachgehen konnte, so wartete sie ungeduldig auf die -Erlösung. - -Als ihre Stunde kam, stand der Dullhäubel demütig an dem Bettfuß. - -»Kasper, ich sterb,« seufzte sie. »Was wird aus dem Hof, wenn ich -nimmer bin? Ich hab gespart. Wenn der Geier mir eine Henne erstoßen -hat, bin ich ihm bis in den Wald nach. Ich bin geizig gewesen, keine -Nuß hat man mir von unsern Haselstauden brechen dürfen. Ich bin ein -Weib gewesen wie ein Sporn. Den Hof hab ich gehalten.« - -»Das weiß ich, Altbäurin,« wisperte er, »und ich dank dir dafür.« - -»Aber deine Mutter taugt nix,« tadelte die Alte. »Sie kann nur so weit -zählen und rechnen, als ihr die Finger zu Hilf kommen. Am liebsten -schlaft sie. Ordnung kennt sie nit. Mein Gott, wo soll sie denn die -Ordnung gelernt haben?! Sie stammt aus einem Haus her, das ist mit -Kuhfladen gedeckt. Ich bin allweil gegen die Heirat gewesen, aber der -Isidor hat mir nit gefolgt. In der Seligkeit drüben werf ich ihm es -noch vor, wenn ich ihn dort find. O es ist mir leid um den schönen Hof!« - -»Ich werd mich schon kümmern,« schluchzte er, »ich versprech es dir.« - -»Ach du!« winkte sie verächtlich. »Du hast die Faulheit von deiner -Mutter geerbt. Allweil lehnst du in der Sonn umher und tust keinen -Handstreich. Die Gurgel taufen und die Leut narren, das triffst du. -Dein Leben stößt dich in Schulden. Schämst du dich nit vor den Leuten?« - -»Mich gehen die Leut nix an,« trotzte er. - -»So fürcht unsern Herrgott!« - -»Nach Fuxloh sieht er nit. Fuxloh liegt hinter dem Herrgott seinem -Buckel.« - -»Du irrst dich, Kasper. Der Teufel äugt wie ein Stoßvogel. Hüt dich! -Und tracht, daß du einmal am Himmelstisch essen darfst und trinken und -des höllischen Feindes spottest. Ich will dich droben in der Seligkeit -erwarten, und du mußt mir Rechenschaft legen über den Hof. Aber was -nutzt meine Red? Du beutelst dich ab wie ein nasser Hund.« - -»Ich will mich verbessern,« sprach er zerknirscht. - -»Und noch eins, Kasper. Du bist jetzt ein gestandener Mann. Ein Weib -tut dir not. Mit Schmerzen hab ich dir im Sommer zugeschaut, wie du -den Graserinnen keine Ruh gegeben hast. Leugn es nit! Ich rat dir, -nimm dir ein gutes Weib, die hausen kann! Wähl nit zu lang! Wer gar zu -lang unter den Schaffen umgreift, erwischt zuletzt das Dreckschaff. -Heirat nit so eine Flankin, die sich aufputzt und aufstutzt und sich am -Werktag Löcklein und Schnecklein dreht! Nimm dir eine wie dem Mußmüller -seine Wittib! Versprich mir es um des Hofes willen!« - -Er reichte ihr die Hand, und dicke Zähren rollten nieder auf seine -hirschledernen Hosen. »Ich versprech es dir. Alles Gute versprech ich -dir.« - -»Was heunst du denn?« beschwichtigte sie ihn. »Ich hab mir mit drei -Dullhäubeln genug ausgestanden. Vergönn es mir, daß ich abgestandenes -Weib aus Zeit und Leid in die ewige Freud hinfahr!« - -An einem glasheitern Herbsttag, die elftausend Jungfern spannen im -Himmel die Altsommerseide, und gelbes Laub mengte sich in das müde -Grün, da legte man die Altbäurin ins Grab. - - * * * * * - -Jetzt ging es auf dem Hof nimmer schön zu. Der Dullhäubel sorgte sich -um nichts und führte seinen schlechten Wandel weiter. Knechte und -Dirnen wurden säumig, da sie die Augen der Altbäurin unterm Rasen -wußten. Das Vieh röhrte vergeblich um Futter, der Stall wurde nicht -ausgemistet, das Korn nicht gedroschen, das Haus war voll Schmutz. - -Die Sanna, die Mutter des Bauern, wärmte sich den Rücken an dem grünen -Kachelofen, schlief und aß und schlief wieder ein. Das Schicksal des -Hofes rührte nicht an ihre schläfrige Seele. - -An einem Wintertag sagte sie zum Dullhäubel: »Bub, jetzt bin ich -vierzig Jahr in der Fremd, jetzt verlang ich wieder heim zu meinen -Leuten.« - -»Warum, Mutter? Es fehlt dir ja nix bei mir.« - -»Ich hab mich in euer Leben da nie recht eingewöhnt. Und ich will mich -von der Fremd ausrasten. Am Sonntag führst du mich heim.« - -Sie ließ sich nicht halten, und er hielt sie nicht. -- - -Am Tag Pauli Bekehrung zog sich der Dullhäubel die Pelzhaube über die -Ohren und schirrte das Roß vor den Schlitten. Darauf packte er Gewand -und Federbett der Mutter und setzte sie warm darein. Nun fuhren sie -bergan. - -Hoch noch über dem hochgelegenen Grillenöd mitten in Geröllhalden und -struppigen Wäldern war die Heimat der Sanna, das Siebenschläferhaus -geheißen, die einsamste Einschicht im Gebirg. - -Der Dullhäubel deutete mit der Peitsche hinauf. »Wird es dir nit zu -rauh droben sein, Mutter? Droben ist es so kalt, daß sie am Tag vor -der Sonnwend zum letztenmal und am Tag nach der Sonnwend zum erstenmal -heizen.« - -Der Hagbutzdorn brannte im blanken Schnee, schlohweißer Nebel wob in -den Tälern drunten. In den Ebereschen schnabulierten bunte Pestvögel, -und Elstern schätterten durch die gläserne Stille. - -An einem Bildstock war zu lesen, daß an selber Stelle im Hochsommer ein -Kohlenbrenner erfroren war. -- - -Der Siebenschläferhof war schwer verschneit. Keine Menschenspur führte -hin, nur hie und da eine Hasenfährte oder ein Fuchsentritt. Die Fenster -waren unter den angeflogenen Flocken erblindet. - -»Der Hof ist ausgestorben,« murmelte der Dullhäubel. »Kehren wir um!« - -Doch die Sanna deutete auf den Rauchfang. Ein ganz dünner, schier -luftblauer Rauch stieg gleich schüchternem Atem auf und meldete Leben. - -Der Bauer klopfte an die Tür, an die Fenster. »Auf, der Dullhäubel ist -da!« - -Es rührte sich nichts. - -Schließlich trommelte er mit einem Prügel an die Tür, daß der Wald -rings hallte. - -Endlich schlurfte es drinnen im Flur. - -Die Tür wurde aufgeriegelt. Ein zottiger, graubärtiger Mann, die Augen -voll Schlaf, trat auf die Schwelle und fragte: »Was -- was kommst du -daher in dem stumpfen Wetter? Was -- was willst du mitten im Winter?« - -»Darf man dich nur im Sommer heimsuchen, Vetter?« - -Der Alte gähnte: »Schlaft der Igel, -- schlaft der Bär, - schlaft der -Ratz. Die rechten Leut -- schlafen -- im Winter.« - -Drin in der Stube schliefen sie im Bett, auf dem Ofen, auf Bank und -Truhe, die Bäurin und die Kinder. - -»Grüß dich Gott, Bruder!« sagte die Sanna. - -»Dich -- dich auch!« antwortete er und legte sich auf die Ofenbank. Die -Erinnerung arbeitete schwerfällig in seinem Hirn. - -»Vierzig Jahr haben wir uns nimmer gesehen,« meinte sie, »das ist lang.« - -»Das -- das ist lang,« wiederholte er träumerisch. - -»Mein Bauer ist gestorben. Der da ist mein Bub, der Kasper.« - -»Der -- der Kasper,« kam der Widerhall. - -»Jetzt frag ich, ob ihr mich daheim laßt bei euch,« sagte die Sanna. - -Der Alte wies auf eine leere Truhe. »Leg -- leg dich nur nieder!« - -Der Dullhäubel wurde ungeduldig und schrie: »Ihr habt einen seltsamen -Hausbrauch. Steht auf, Freundschaft! Kocht auf! Uns hungert. Und -schlafen wollen wir nit.« - -Da regten sich die Schläfer, sie hoben die wirrhaarigen Köpfe und -sperrten tölpisch den Mund auf. - -»Ist -- ist der Sommer da, weil -- weil der Star so hell pfigerzt?« -lallte einer der Buben. - -Die Muhme kroch aus dem Bett und schob einige Knorren ins Feuer, da -wachte auch der Ofen auf und murmelte in sich hinein. - -»Schlafen sie denn den ganzen Winter, Mutter?« staunte der Dullhäubel. - -»Was sollen sie Schöneres tun, wenn das Dreschen vorbei ist und sie die -andere Arbeit vollbracht haben?« antwortete die Sanna. - -Die Muhme schob einen Topf auf die Platte und nickte. »Jetzt -- jetzt -ist die ruhsame Zeit.« - -Die aufgeschossenen Burschen und die stämmigen Dirnen fletschten -lachend die Zähne, stießen sich an und deuteten mit den Fingern auf den -Dullhäubel. - -Er fragte die zwei Jungfern nach den Namen. - -»Bi -- bi -- bibiana,« stammelte die eine. - -»Ju -- ju -- juliana,« die andere. - -»Und wie schreibt ihr euch, Buben?« - -»Zy -- zy -- Zyprian.« - -»Bartholo -- mä -- mä.« - -»Ihr -- ihr -- habt eure schönen Namen noch nit gut eingelernt,« -spottete der Vetter aus Fuxloh. - -Die Muhme entschuldigte ihre Brut. »Es -- es handelt sich alleweil -nur ums erste Wörtel, um -- um den Anlauf. Magst -- magst du keine -heiraten, Kasper, von -- von meinen Menschern?« - -Das Gewölk der heißen Suppe flatterte über den Tisch, daran die -Siebenschläferleute mit breiten Ellbogen lümmelten. Sie holten die -Blechlöffel hervor, die unter der Tischplatte an Riemen hingen, und -dann lallte die ganze stotternde Sippe den Engelgruß. Die Alte fuhr mit -einer zweizinkigen Gabel in die Schüssel und rührte um, während die -andern die Suppe so ungestüm kalt bliesen, daß sie über den Rand wallte. - -Dem Dullhäubel kam ein zorniges Grausen an, er stand vom Tisch auf und -ging zu seinem Schimmel hinaus und schaute ihm zu, wie artig er sein -Heu fraß. - -Erst als er meinte, daß drinnen die Mahlzeit verschlungen sei, traute -er sich wieder hinein. - -Die Siebenschläferleute leckten eben die Löffel ab, trockneten sie am -Ärmel und hängten sie wieder unter den Tisch. - -»Jetzt -- jetzt schlafen wir weiter,« murmelte der Vetter. - -»Mutter, bleibst du wirklich da?« fragte der Dullhäubel. - -Sie nickte gähnend. - -Er griff nach der Tür. »Also gute Nacht, Freundschaft! Schlaft euch gut -aus! In vierzig Jahren such ich euch wieder heim.« - -Und er sprang in den Schlitten und schnalzte mit der Geißel. »Renn, -Schimmel, renn zu!« - - * * * * * - -Es war Feierabend. - -Der Schmied Sulpiz Schlagendrauf hämmerte noch dreimal auf den leeren -Amboß, hernach räumte er sein Werkzeug auf, blies die Laterne aus, -die von der gewölbten Decke hing, und reckte wohlig die langen, -ausgearbeiteten Arme. - -Da stand der Dullhäubel im Mondschein an der Tür. - -Der Schmied mochte ihn nicht leiden. Als er einmal mit seinem Weib -gestritten hatte, war der Dullhäubel wetterläuten gerannt. - -»Du könntest auch bei Taglicht kommen,« greinte der Sulpiz, »Soll ich -dir den Schimmel beschlagen? Oder das Hirn?« - -»Plaudern möcht ich mit dir.« Der Bauer redete süß wie eine Flöte. »Nur -plaudern. Die Zeit wird mir zu lang in der Finsterweil. Und von dir -lernt man was. Du bist ein gewitzigter Mann, hast schon drei Weiber -begraben.« - -»An die Wand hab ich sie gemalt, die Gespenster, zum ewigen Andenken,« -lachte der Schmied und trat den Blasbalg. In der Esse loderte es auf -und erhellte das Gewölb. Drei greuliche Weiber waren mit Ruß an die -Mauer gezeichnet: sie hatten Krallen an den Fingern und Fangzähne im -Maul, glotzende, schlimme Augen und zerstrüpptes Haar. Es war ein übler -Anblick. - -»Mit welcher von den dreien hast du es am schönsten gehabt?« fragte der -Dullhäubel. - -Der Sulpiz Schlagendrauf griff auf ein Mäuerlein und brachte drei -Holzäpfel. - -»Beiß in den hinein!« - -Der Bauer kostete. »Pfui Teufel, ist der sauer! Den Atem nimmt es mir.« - -Der Schmied hielt den zweiten Apfel hin. »Versuch den!« - -»Das Maul reißt es mir auseinander, den Schlund zerschneidet es mir!« -fluchte der Dullhäubel. - -»Friß den dritten!« - -»Gelts Gott tausendmal, Sulpiz! Ich kann nimmer. Ich mag mich nit -vergiften.« - -»Verstehst du jetzt, Junggesell, wie es mir notgedrungenem Ehemann -dreimal ergangen ist? Die erste ist lang und hager gewesen, die zweite -kurz und dick, die dritte nit klein, nit groß, nit dick, nit dünn. Es -ist aber ein Teufel wie der andere gewesen. Das bravste Weib heißt -Luder, den andern ihre Namen darf ich nit verraten, sonst zerreißen sie -mich.« - -Ein altes Männlein schlüpfte in die Werkstatt herein. - -»Grüß Gott, Hammer und Amboß! Ich hab gerad jetzt dein Feuer -aufleuchten sehen. Eine Bitt hab ich.« Er knöpfte den Brustfleck auf -und zog einen Ziegel herfür. »Wärme mir ihn, Schmied! Ich trag allweil -den lauwarmen Ziegel am Bauch, das tut mir so gut für mein inwendiges -Leiden.« - -Der Sulpiz Schlagendrauf legte den Ziegel an die Glut. Und wieder in -die alten Zeiten versunken, brummte er: »Das größte Leiden ist ein -Weib. Es ist ein Höllhaken, es zischt wie das Fegfeuer.« - -Das Männlein luchste hin. »Willst du wieder heiraten, Meister Ruß? Oder -du, Dullhäubel?« - -»Ich nit,« ächzte der Schmied. - -»Ich schon gar nit, Didelmann!« rief der Dullhäubel. - -»Kasper, dich juckt es,« redete der Sulpiz. »Aber hör auf mich! Es -gibt keinen Mann, der das Heiraten nit tausendmal bereut. Der Pfarrer -Hurneyßl selber hat gepredigt, daß so mancher bei seiner Hochzeit -glaubt, er greift nach der Zuckerbüchse, aber derweil erwischt er die -Pfefferbüchse.« - -»Der Pfarrer hat leicht schelten,« antwortete der Dullhäubel, »der hat -eine steinrabenalte Köchin bei sich.« - -»Kasper, du bist ein lediger Bursch, du kennst die Weiberleut nit. Die -kennst du erst, wenn du mit ihnen verheiratet bist. Vor der Hochzeit -ist eine jede wie eine zugedeckte Schüssel.« - -Der Didelmann nahm den Ziegel vom Feuer, schob ihn wieder unter den -Brustfleck und erzählte dabei: »Anno eins, wie der große Wind gegangen -ist, haben wir einen Bären gefangen. Der hat uns viel Schaden getan, -drum haben wir uns beraten, was die grausamste Straf für das Vieh wär. -Da ist ein uralter Mann aufgestanden, Irg Kolroß hat er sich geheißen, -und der hat gesagt: ›Laßt den Bären heiraten!‹ Der Alte ist nit der -Dümmere gewesen.« - -Kichernd schlüpfte der Didelmann aus dem Gewölb. - -»Der eine redet hü, der andere hott,« seufzte der Dullhäubel, »ich kenn -mich nit aus mit dem Heiraten.« -- - -Das Frühjahr kam, die Bauern legten die Fäustlinge ab und schnitten das -Moos von den Bäumen. Das Gras nahm zu. Da rannen die Maibrünnlein, der -Hahn balzte und krugelte, der Wendehals rief schmachtend »woid, woid« -und verrenkte sich vor Verliebtheit schier den Kragen. Der Guckauf -raufte und hochzeitete. Lau wurden die Nächte, und der Mond schaute -scheinheilig drein. - -Wenn der Dullhäubel nachts auf den Schemel stieg, das hochgerüstete -Bett zu erklettern, seufzte er: »Das Himmelbett ist mir viel zu breit.« -Er wälzte sich ohne Schlaf, und das Blut zuckte ihm. -- - -Einmal ging die Spuchtin an seinem Hof vorbei, sie schleppte einen Korb -Klaubholz aus dem Vogeltänd. - -Der Dullhäubel stürzte ihr nach, den Atem verschlug es ihm schier. -»Holzhackerin, komm heut noch einmal in den Wald, ich schenk dir einen -dürren Baum. Komm aber allein! Ich helf dir ihn abschneiden.« - -Sie sah ihn mitleidig an. »Bauer, ich dank schön für den Baum. Ich hol -ihn morgen mit meinem Mann. Aber du, Bauer, brauchst eine, die dir -das Bett schön macht und emsig und zutätig deine Wirtschaft zusammen -haltet. Heirat bald! Dann wachst dir ein nagelneues Herz.« - -»Ich weiß mir keine,« sprach er betrübt. - -»Nimm die Ogath!« -- - -Der Dullhäubel träumte wieder schwer. Ein sagenhafter Urvater erschien -ihm, auf dem Kopf eine kleine rote Haube mit einer baumelnden Dulle -daran, und der gebot ihm, das Geschlecht der Dullhäubel schleunig -fortzupflanzen. - -Und wenn der Bauer nächtens heimkam und der Mond im Vollschein stand, -da war ihm, es stünden auf dem Lichtboden des Gehöftes die verstorbenen -Vorfahrer Pankraz, Servaz und Bonifaz, die Bärte bereift wie die -Eismänner, und der Isidor mit der kupfernen Nase, und sie drohten herab -auf den unfruchtbaren Nachkömmling. - - * * * * * - -Die Ogath verlebte trübe Zeiten. - -Der alte Müller war jetzt Herr im Haus. Mit kalten Augen, mürrischem -Maul schlich er durch die Mühle und raunzte den lieben Tag über Wind -und Wetter, es mochte heiter sein oder trüb. Und immer härter geizte -er, sie und ihr Kind sollten nur Erdäpfel essen und sauere Milch, und -wenn sie im Winter die eisige Stube heizen wollte, riß er ihr das -Scheitlein Brennholz aus der Hand. - -Die Mühle ging immer öder und grämlicher, ewig gleich hob sich das -Geschäufel aus der Tiefe, mühselig, in schwerfälliger Gewalt, grünlich -triefend, und versank wieder. - -Immer öder kamen und sanken der Ogath die Tage. Sie wurde des Lebens -verdrossen. - -Als sie dem Alten einmal vorwarf, er lasse sie und das Kind hungern, -lachte er hämisch. »Seltsam, seltsam, wie malefizblond dein Dirnlein -ist! Schier wie dem Dullhäubel sein Bart.« - -Da ward sie still und schaute das Kind lange in Gedanken an. - -Am selben Tag noch machte sie sich gegen Kaltenherberg auf, sie wollte -sich mit den Eltern beraten. In der Mühle hielt sie es nimmer aus. - -Am Weg begegnete ihr der Narr. Eine bunte Schürze, die er um den Hals -gebunden hatte, hing ihm am Rücken nieder. Er breitete die Arme aus wie -der Pfarrer am Altar und sang lateinisch. - -Die Ogath duckte sich hinter einer Kranwitstaude. Sie wußte, daß er -kürzlich seine Mutter gezwungen hatte, in den Kleiderkasten zu steigen, -den Kasten hatte er dann umgeworfen und die Frau drin besungen wie -eine Leiche im Sarg. - -Doch seine gefährlichen Augen hatten die Ogath schon erspäht. Mit ein -paar lächerlichwilden Sprüngen stand er vor ihr und krächzte: »Knie -dich hinein in den Dorn, Maria!« - -Zitternd folgte sie ihm. Sie fürchtete die flackernde Unruhe in seinem -Blick. Und als sie mitten im stechenden Busch kniete, raunte er: »Jetzt -bin ich der Erzengel. Ich will dich segnen unter den Weibern. Aber -zuerst schneid ich dir das sündhafte Haar ab.« - -Er wetzte sein Messer am Knie. - -Furchtbar schrie sie auf vor Angst. Was mochte der irre Mensch vorhaben? - -Da kam der Dullhäubel den Hang vom Vogeltänd herunter gelaufen. Von -weitem schrie er: »Stocknarr, ich erschlag dich!« - -Der Zusch warf sich ihm zu Füßen und winselte, er möge ihn leben lassen. - -Totenblaß kroch das Weib aus dem Strauch. »Händ und Knie sind mir wund, -der Kittel ist zerrissen,« weinte sie. »Alle Bitternis muß man sich -gefallen lassen, wenn man keinen Mann mehr hat. Fallt ein Stein vom -Himmel, so fallt er auf eine Wittibin.« - -Der Dullhäubel senkte die Augen. »Wie geht es dir, Ogath? Ich hab dich -schon lang nimmer gesehen.« - -»Es ist redlich drei Jahr her, daß ich im Wittibstuhl sitz,« erzählte -sie. »Dem Alten muß ich den Mühlknecht machen, und in der Nacht kann -ich nit schlafen, so arg treiben es die Ratzen. Ich will davon, mit -Zähren feucht ich meinen Weg. Zu meinem Bruder will ich, will das -Herrgottelschnitzen lernen.« - -Verlegen striegelte sich der Bauer durchs Haar, er schrumpfte fast -zusammen vor dem großen, ernsten Weib. Er stammelte: »Heut wär mir -schier die Scheuer abgebrannt, die Dirn hat die glühende Asche -hinausgeworfen. Ogath, mein Hof braucht eine Bäurin.« - -»Willst du wieder einen Heiratsbrief schreiben?« antwortete sie herb. - -Sie kehrte zur Mühle zurück, in zerrissenem Gewand wollte sie nicht vor -die Ihren treten. Der Bauer schlich neben ihr her und redete nichts. - -Über den Steg kam ihr das Dirnlein entgegen. - -Die Ogath atmete schwer auf, als sie den roten Zopf ihres Kindes -glänzen sah. »Dullhäubel,« sagte sie, »nur einmal in deinem Leben red -die Wahrheit! Ist das dein Kind?« - -»Ja!« wisperte er zerknirscht. - -»Die Schand muß zugedeckt werden,« sprach sie. »In drei Wochen heiraten -wir.« - -[Illustration] - - - - -Der graue Sünder. - - -Der Dullhäubel hatte die Ogath heimgeführt. Sie war fleißig und ernst, -hielt den Hof fest in der Hand und gebar ihm zu dem ersten Dirnlein -noch elf andere, allesamt rothaarig. - -Er war ein Mann in den besten Jahren worden. Das Haar hing ihm tief -in die pfiffig gerunzelte Stirn, über den kleinen Augen hafteten die -Brauen wie rote, borstige Raupen, der Fuchsbart deckte ihm Kinn und -Lippen. Die Nase war ein wenig schief gebogen. Denn er schnupfte weit -eifriger als früher, und der Tabak, wie er ihn vormals genossen, -schmeckte ihm nimmer, er war ihm zu mild. Drum mischte er ihn jetzt -nicht nur mit Schmalz, daß er sich binde und nicht so leicht zerstäube, -sondern er rieb auch Glasscherben drein, daß er die Nase schärfer -angreife und das Hirn aufrüttle. - -Der also verstärkte Schmalzler scheuchte ihm die Sorgen, die ihm seine -Schelmenstücke eintrugen, und tröstete ihn, wenn ihm die Bäurin das -Gewissen riegelte, oder wenn ihn der Blaumantel mit seinem höllischen -Blick durchbohrte. - -Denn trotz seiner Jahre kam der Dullhäubel nicht aus der Bubenhaut -heraus, sein Kopf wimmelte voll schabernackischer Pläne, und die -Lust, dem lieben Nächsten ein Schwänklein und Schwänzlein anzubinden, -verringerte sich ihm nicht. - - * * * * * - -Einmal schlachteten sie im Dullhäubelhof eine Sau. Da wollte sich der -Bauer von der Arbeit wegschrauben und meinte, er habe in der Stadt -zu tun, er müsse dort in die Steuerstube schauen und dem Marktpreis -nachfragen, und am Heimweg wolle er das Kalb mitbringen, das die Bäurin -in Blaustauden gekauft hatte. - -In Hirschenbrunn kehrte er in jedem Haus ein, wo der Herrgott den Arm -herausstreckte, horchte scheinheilig den Reden der Stadtleute zu und -ließ sich erzählen, was in den Zeitungen gedruckt war. - -Eine hübsche Weile stand er vor einem Arzneiladen und überlegte. -Hernach trat er ein, den Schmalzler auf dem Handrücken, schaute sich -lange um, starrte einfältig das Krokodil an, das, an die Decke -gekettet, scheußlich nach ihm herabfletschte, schnupfte ausgiebig, -schaute sich wieder um und wackelte tölpisch mit dem Kopf. - -Geschäftig fragte der Apotheker: »Was begehrt Ihr? Dachsschmalz? -Regenwurmöl? Mausohrsaft? Pfefferminz?« - -»Du hast es wohl nit, Wurzelkrämer,« sagte der Bauer schüchtern und -drehte den Hut in der Hand. - -»Wollt Ihr Schwefel? Kupferwasser? Ein Quintel Weinsteinöl? Salniter? -Salarmoniak? Eine Wagenschmiere? Eine Handsalbe?« - -Der Dullhäubel sah den Apotheker tiefsinnig an. »Ich krieg es wohl nit -da herin,« murmelte er. - -»Besinnt Euch, Vetter! Hat Euch der Doktor einen Giftzettel -geschrieben? Braucht Ihr eine Kropfschmiere? Eine Laussalbe? Ein -Windsäftlein fürs Kind?« sprudelte der Mann hinterm Ladentisch. - -Der Dullhäubel horchte ihm ehrfürchtig zu, und als dem Apotheker der -Atem ausging, faßte er die Klinke, schnitt ein Koboldsgesicht und -sagte: »Also behüt dich Gott, Wurzler! Einen Peitschenstecken hätt ich -gebraucht.« -- - -Gemächlich ging er heim. - -In Blaustauden suchte er den Burgermeister auf, von dem hatte die Ogath -ein Kalb, dessen braunscheckiges Fell ihr wohl gefiel, zur Aufzucht -erstanden. - -Als der Mittag ausgeläutet ward, zog der Dullhäubel, den Burgermeister -am Arm und das Kalb leitend, durchs Dorf. Auf der Brücke hielt er an -und begann grell zu singen: - - »Die Blaustaudner läuten, - sie läuten vor Not, - sie fangen den Bettelmann - und nehmen ihm 's Brot.« - -Der Burgermeister vermahnte ihn: »Sing das nit, Freund! Sing ein -anderes! Und überleg dir, mit wem du gehst! Ist dir nix heilig?« - -Dem Dullhäubel war nichts heilig. Er packte das Kalb am Ohr und redete -ihm hinein: »Merk auf, Burgermeisterlein! Wie der Teufel den Heiland -versucht hat, hat er ihn auf den Lusen geführt, und von dem Berg aus -hat er ihm die ganze Welt gezeigt. Aber Blaustauden ist ihm zu rußig -gewesen, das hat er verstecken wollen und hat geschwind seinen Schweif -darauf gelegt.« - -Da schellte der Burgermeister dem Spottvogel eins hinter die Ohren, daß -dem der Hut in den Bach flog, und lief schleunig davon. Der Dullhäubel -stand da, das Kalb am Strick, und mußte den Widersacher rennen und den -Hut schwimmen lassen. - -Als er am Freithof vorüber trieb, stieg gerade der Totengräber aus -einem Grab. Der versuchte, einen breitkrempigen Filzhut auf den Kopf zu -setzen, aber der Hut war ihm zu weit und sank ihm bis zum Maul herunter. - -»Staches, zu dem Hut mußt du dir einen größern Schädel anschaffen!« -riet der Dullhäubel. - -»Ich hab den Filz jetzt gefunden,« sagte der Staches, »in deinem Ähnel -seiner Grube ist er gelegen. Ja, der Bonifaz muß heraus, er hat lang -genug gerastet. Unserm Rauchfangkehrer muß er Platz machen.« - -Der Bauer band das Kalb an einen Stein, darein das Bild einer -Pfarrersköchin gemeißelt war, den Kochlöffel in der Hand. - -Aus dem geöffneten Grab grinste der Schädel des Bonifaz herauf, die -Pfeife war ihm noch unverwest ins falsche Gebiß geklemmt, das der Ähnel -selber sich aus einem Rindsknochen geschnitzt hatte. - -Der Dullhäubel setzte den Hut auf, der der Verwesung so tapfer -widerstanden, und er paßte ihm wie angemessen. »Der Alte braucht ihn -nimmer,« sagte er, »ich nehm ihn mit. Die Pfeife drunten aber kannst du -dir nehmen, Staches.« - -Dem Totengräber grauste. »Vergelts Gott, ich trag kein Verlangen -darnach.« - -Der Bauer zerrte das Kalb weiter, und oft tappte er nach dem Hut, den -ihm der Ähnel zur gelegenen Zeit aus der Ewigkeit geschickt hatte. - -Ein Haus sperrte ihm den Weg, das trug den einladenden Spruch überm Tor: - - Das ist das Wirtshaus an der Straßen; - wer einen Durst hat, kann hier einen lassen. - -Und weil der Dullhäubel himmelblau gelaunt war, zog er das Kalb mit -sich in die Stube und band es an den Tischfuß. - -Die Wirtin saß gerade beim Nähzeug und riß die Augen auf ob der -seltsamen Gäste. - -»Siebenkittelwirtin, schenk ein! Dem Zöpfel da,« der Bauer deutete auf -das Kalb, »gibst du einen Kirschgeist!« - -Auf der Bank unter dem schräg vorhängenden Spiegel lungerte der -Lippenlix und strich sich den stolzen Schnurrbart. »Sitz her, Kasper!« -sagte er. »Geld hab ich wie ein Sautreiber. Spiel mir es ab!« - -»Ich mag nit, Schönbart.« - -»Wirtin, schaff Karten her!« begehrte der Lix. »Spielen wir -Grünoberfangen um drei Zündhölzer! Oder willst du färbeln? Oder -lampeln?« - -Er fuhr ganz wild über die Karten her, mischte sie, ließ abheben und -gab aus. - -Sie trumpften auf den Tisch. »Und da hast du eine Eichel!« »Und da friß -den König!« »Und heraus mit der Schellensau!« So flog es hin und zurück. - -Die Karten aber, die der Lix wie einen Fächer in der Hand faltete, -malten sich in dem Spiegel ab, der über ihm sanft geneigt hing, und der -Dullhäubel luchste heimlich empor und sah droben alle Trümpfe, die der -andere in der Hand hielt, und gewann darum Spiel auf Spiel. - -»Wie geht das heut zu?« staunte der Lix. »Aber ich hör nit auf, und -wenn ich meine hundshäutenen Hosen ausziehen und nacket heimrennen muß.« - -Es wurde finster. Die Wirtin zündete die Kerze an. Das Kalb wurde -unruhig und blökte. - -Der Lix setzte das letzte Sechserlein dran und verlor. Er schalt Gott -und alle Heiligen. »Du Raubersknecht, keinen zerbrochenen Groschen hast -du mir lassen, das ganze Geld schatzt du mir ab. Der Teufel soll dich -vom Abtritt wegholen! Es ist Zauberei dahinter. Gib das Kalb weg, oder -ich erstech es!« - -»Dem Zöpfel tust du nix, Schönbart,« sagte der Dullhäubel und strich -den Gewinst ein. »Ich bin satt. Ich geh heim.« - -»Oho, weil ich jetzt gewinnen könnt, gehst du davon, du Fuchs aus -Fuxloh? Noch einmal spiel mit mir! Die Haut zieh mir auch noch ab! -Wirtin, streck Geld für!« - -»Dir nit,« schnippte sie. - -Er setzte seine Uhr ein samt der Kette. Unwillig tickte sie am Tisch. -Das Kalb plärrte, der Dullhäubel gewann. - -Der Lix ließ das Maul hangen. Auf einmal starrte er wild unter den -Tisch. »Hast du nit einen Roßfuß? Du gewinnst ja wie der Teufel -selberst. Und noch einmal spielen wir. Meinen Bart setz ich ein, es ist -niemanden in der Pfarre ein schönerer gewachsen.« - -Mit zitternden Fingern mischte er. Herz war Trumpf. - -Der Dullhäubel hielt alle Trümpfe in den Händen und warf sie kichernd -auf den Tisch. Dann griff er in das Nähzeug der Wirtin um die Schere. - -Der Lix riß die Augen auf wie eine gestochene Geiß. »He, willst du -meinen Leib schänden, jetzt, wo du mich ausgeraubt hast?« - -Der Dullhäubel ergriff den schönen Schnurrbart. »Halt dich, Lix! -Zahl deine Schuld! Zahlen bringt Frieden.« Und ehe sich der Lix aus -seiner Versteinerung erholte, hatte er ihm den Bart links und rechts -weggeschnitten und ins Kerzenlicht gehalten, wo das Haar mit übelm -Geruch verbrannte. - -Jetzt heulte der Verstümmelte auf und ward inne, was er verloren hatte. - -Der Dullhäubel war mit dem Kalb schon an der Luft, und weil er ein -wenig schwankte, riß er einen Stecken aus dem Zaun und stützte sich -darauf. - -Hoher Sommer war es. Der Hundsstern ging auf, verschlafen schaute der -Mond in die Welt. - -Im Wald drin rastete der Bauer, er stieß den Stecken in den Grund und -band das Zöpfel dran. Dann warf er sich neben dem Weg ins Moos. - -Er mochte wohl ein wenig eingenickt sein, als er aufschrak. Eine Dirne -kam daher, jung und flink wie ein Wiesenwasser. - -»Wohin denn in aller Nacht, du Allerschönste?« fragte er. - -»Zum Bader um einen Blutegel,« erwiderte sie. »Ist das der richtige -Weg?« - -»Schleun dich nit so! Wer ist denn krank?« - -»Dem Vater schwärt der Zahn. Du wirst ihn ja kennen, den Lukas. Ein -Musikant ist er. Er haltet es nimmer aus vor Weh.« - -»Der Lukas soll zum Fuxloher Schmied gehen, der reißt ihm zwei Zähne -mit einem Griff,« riet der Bauer. - -»Mein Vater hat schon alles versucht. Mit einem glühenden Nagel hat er -sich den Zahn ausgebrannt. Es hat nit genutzt. Den Bart hat er sich -wachsen lassen gegen das Weh. Mit einem Strick hat er den Zahn dem -Stier an den Schweif gebunden; der Zahn hat sich nicht geruckt, eher -wär dem Vieh der Schweif abgerissen.« - -»Setz dich her, Dirn!« lud er sie ein. »Wie heißt du denn?« - -Sie ließ sich zu ihm ins Moos hin, sittsam deckte sie die Füße mit dem -Kittel zu. Der Mond lugte ihr in das derbe, frische Gesicht. - -»Müd bin ich,« sagte sie, »übers Gebirg hab ich müssen. Mechel heißen -sie mich daheim, der Schulmeister hat mich Mathilde Schellnober -geschrieben. Und wer bist denn du?« - -Er dachte ein wenig nach. Dann sagte er unschuldig: »Aus Blaustauden -bin ich. Ein Tischlergesell. Franz bin ich getauft. Nach dem heiligen -Franziskus.« - -Er tastete nach ihrer Hand, sie zuckte nicht zurück. - -»Bist du brav, Tischler?« fragte sie. - -»Freilich. Bei Tag und Nacht bin ich brav. Nur mit den Weibern bin ich -ungeschickt. Ich kann nit lügen, drum mag mich keine.« So redete er -sanft und traurig. - -»Das ist kein Fehler,« tröstete sie. - -»Mein Geschäft braucht ein Weib, ich möcht mich selbständig machen. -Weißt du mir keine, Mechel?« - -»Ich wüßt genug, aber ich sag dir sie nit.« - -»Warum denn nit, Mechel?« Er drehte den Kopf wie ein girrender Tauber -und schmeichelte: »Du bist so sauber, dein Bild will ich auf alle -Truhen malen.« - -»Es sind schon noch schönere Dirnen im Wald,« antwortete sie kurz. -Unruhig rückte sie hin und her. - -Schnell legte er ihr den Arm um die Hüfte. - -Sie stieß ihn von sich. »Ich muß zum Bader. Sonst verzieht sich der Weg -hoch in die Nacht. Und das hab ich von der Mutter sagen hören, daß die -Mannsleut alle falsch sind. Du drehst dich um und liebst eine andere.« - -Er legte die Hand auf den Brustfleck. »O, du kennst mich nit. Ich bin -treu wie der Tauber der Tauberin.« - -Sie musterte ihn scharf. »Ganz jung bist du nimmer,« sprach sie. - -»Im besten Saft steh ich, Mechel. Schön bin ich nit, aber heikel.« - -»Mein Heiratsgut ist gering, Tischler,« meinte sie zaghaft. »Der Vater -ist ein Musikant; was er verdient, vertut er.« - -»Wenn du nur eine buchsbaumene Bettstatt mitbringst!« spaßte er. Das -Kopftuch zog er ihr herab und krauelte ihr lind das krause Haar. - -»Meine Zöpfe sind gelb,« lächelte sie, »ich wasch sie jedes Frühjahr -mit Märzenschnee.« - -Er packte das baumfrische Kind fester. »Mechel, spreiz dich nit!« -bettelte er. - -»Du bist aber hitzig, Franz,« lispelte sie verschämt. - -Schneidiger griff er nach ihr. Da blitzte das Mondlicht an seinem -Finger. - -Sie schnellte schreiend auf. »Tischler du tragst einen Ehring!« - -Er wurde demütig, seine Stirne krauste sich. »Im Witstand bin ich, -Mechel, im Witstand. Der Herrgott hat sie mir hingenommen. Niemand -kocht mir, niemand macht mir das Bett.« Die Stimme knickte ihm. - -Sie wurde neugierig. »Woran ist sie gestorben?« - -»Ich hab gehört, am Rotlauf.« - -»Hast du gut mit ihr gelebt?« - -»Ich hab nit bei ihr liegen wollen, sie hat kalte Füße gehabt. Ja, ein -Wittiber bin ich, und das ist mein einziger Tadel.« - -Die lieben, dummbraunen Augen der Mechel glänzten voll Mitleid. Und er -merkte es und riß sie zu sich hin und herzte und halste sie, bis sie -ganz wirr bat: »Tischler, hör auf! Du bringst mich in die Lieb, und ich -bin noch zu jung dazu.« - -Droben schoß ein Stern über den Himmel, Johanniskühlein flogen glimmend. - -»Laß ab, Tischler! Die Buben werden mir einen ströhernen Mann aufs Dach -setzen. Die Schand begehr ich nit. -- Und wenn einer daherkommt!« - -»Wer wird denn gerad jetzt unterwegs sein!« tröstete er. »Es rührt und -reibt sich nix.« - -Sie rang mit versagender Kraft gegen ihn. - -»Ich heirat dich ja. Und wenn du mich gern hast, der Himmel fallt nit -ein,« zischte er. - -Da stapfte es den mondverdämmerten Weg daher, Steine rollten, ein -Stecken klang an einen Fels. - -Die Mechel sprang auf und rauschte wie eine gehetzte Hirschkuh ins -Gebüsch. - -Die alte Ulla humpelte mit der Geiß daher. - -»Verdammte Nachthex!« brauste der Dullhäubel sie an. - -»Verspätet hab ich mich. Die Geiß hab ich zum Bock geführt,« sagte sie -bang. - -»Geh geschwind heim, dein Kater will gemolken sein. Er gibt dir täglich -zwölf Seidel Milch, dir Nachthex.« - -»Bauer, du machst mich schwarz,« flehte sie. »Die Kinder spotten mir -schon nach ›Hex! Hex!‹ Die Leut speuzen aus vor mir und verriegeln die -Tür, wenn ich betteln komm. Und ich bin doch nur ein überständiges Weib -und kann nimmer essen, nimmer schlafen.« - -»Aber hexen kannst du,« rief er unbarmherzig. - -»O du gar schlimmer Mann, was feindest du mich an? Unschuldig bin ich, -der Blaumantel kann es mir bezeugen. O die Welt ist voller Angst und -Nöten! Und man kann sich kaum aufrecken bei der teuern Zeit, kaum -schnaufen kann man.« - -Ein toller Schwank war dem Dullhäubel durch den Kopf geschossen. »Hexen -kannst du,« bestand er. »Du verzauberst den heiligen Blaumantel selber. -Ruf ihn um die Mitternacht. Dann stürzt er dir ins Haus. Versuch es!« - -Er rannte in das mondscheinige Gebüsch der Mechel nach. Sie war nimmer -zu finden. -- - -Als er zur Kapelle kam, räusperte es sich droben im Föhrenbaum. Zwei -dürre Beine schlotterten vom Ast. - -Der Dullhäubel schlug ein Kreuz. »Wer sitzt da droben?« - -»Ein Schlaghäusel richt ich auf für den Mondschein,« erwiderte es. Es -war der Narr. - -Der Bauer atmete auf. »Gehustet hast du wie ein krowatischer Schuster, -Zusch.« - -»Ich bin Rudolf von Habsburg, der Sohn Josefs des Zweiten,« sagte der -Narr feierlich. - -»Steig herunter, Zusch, du erschlagst dich!« - -»Ich sterb nit. Ich werd hundertfünfundzwanzig Jahr alt und fahr dann -gleich ins Himmelreich, weil ich eine reine Jungfrau blieben bin.« - -»Die Nacht ist nit warm,« hub der Dullhäubel listig an, »sogar dem -Blaumantel scheppern die Zähne vor Kälte.« - -Der Narr fuhr wie ein Eichkater von der Föhre herab. »Ich zünd ihm -die Kapelle an, dem Heiligen, daß er sich die Händ wärmt,« murmelte -er. Stumpf lagerte der Blödsinn auf seiner Stirn, doch seine Augen -zündelten. - -»Große Hitz tut dem Blaumantel nit gut,« lenkte der Schelm ein. »Trag -ihn lieber, wenn der Nachtwächter zwölf schreit, der Ulla in die Hütte -und leg ihn zu ihr ins Bett, dort erwärmt er sich gewiß.« - -Der Besessene nickte und kletterte in die Kapelle. - -Da lachte sich der Bauer in die Faust und ging ins Dorf hinauf und -klopfte den Wirt wach. Der tat ihm mürrisch auf, stellte ihm einen -gesalzenen Fisch und ein paar Flaschen Bier hin und legte sich wieder -ins Stroh. - -Der Dullhäubel trank allein im Mondschein. -- - -Indessen hatte die Ulla ihr armseliges Bett bereitet. Sie lag ohne -Ruhe, die Reden des Bauern hatten ihr das kleine Hirn ganz gar -und verwirrt. War sie vielleicht doch, ohne es zu wissen, eine -Gabelreiterin? - -Sie dachte mühselig nach, ob ihr nie etwas zugestoßen, was nicht -geheuer gewesen. Aber ihr enges Leben lag schlicht und ohne Rätsel vor -ihr. - -Lang quälte sie sich ab und flüchtete schließlich vor sich selber in -den Schlaf. - -Da träumt ihr, sie flöge über das Land hin. Tief unten lagen Kirchturm -und Freithof, Häuser und grasendes Vieh. Über den Wald flog sie und -hob die Knie hoch, daß sie sich nicht an den Tannenspitzen stoße. An -den Nestern streifte sie vorbei, drin die Rabenhennen gluckten, einem -hohen Berg zu, und der trug ein Feuer. Mitten im Wald drunten stand ein -zerbrochenes Häusel, aus seinem Rauchfang ritt ein rußiges Weib auf -einem Schürhaken heraus und ritt neben ihr her, und als die Ulla die -andere scharf anschaute, so war sie es selber. Schaudernd schlug sie -ein Kreuz. Da stürzte sie strahlenschnell in die Tiefe, schlug auf und -erwachte. - -Sie besann sich des Traumes. Es war doch lustig gewesen, so ohne -Beschwernis zu fliegen und so weit in die Welt hinein zu schauen. -Könnte man nur ganz kleinwunderwenig die Hexenkunst treiben, wie viel -leichter würde doch das bittere Leben! Ach, sie wollte ja nur der Geiß -eine Raufe voll Futter hexen und ein paar Scheiter Holz in den Ofen, -wenn der harte Winter draußen stürmt und die Hohlwege zudeckt! - -Ein fernes Wachthorn blies vom Dorf her Mitternacht. - -Da lüstete es die Ulla, jetzt schnell einmal, nur einmal die Kunst und -die Kraft zu versuchen, die ihr der Dullhäubel andichtete, und weil -ihr in der Eile nichts anderes einfiel, rief sie einen Spruch, den -sie vorzeiten vergeblich gebetet: »Heiliger Antoni, schick mir den -Bräutigam in die Kammer!« - -Und schon trampelte es draußen. Und ob sie es auch entsetzt mit -den Händen abwehrte und den freveln Spruch widerrief, die Tür ward -aufgestoßen, ein schwarzer Kerl sprang herein, wälzte ihr etwas -Schweres ins Bett und verschwand. - -Der Ulla setzte der Herzschlag aus. - -Der Teufel hatte sie beschenkt. Also war sie doch eine Hexe. So viele -Jahre hatte sie fromm gelebt, und jetzt verfiel sie der Hölle. O was -hatte sie getan?! - -Ein Schuhu höhnte draußen, der Wind murmelte unheimlich ums Haus. - -In ihr schrie es um Hilfe. Ihre Seele hatte ein dünnes, verzagtes, -windverwehtes Stimmlein und führte eine unbeholfene Rede. - -Alter Leute Seele ist so matt wie ihre Hände. Und das Gebet der Ulla -hatte gebrochene Flügel. Ihr war, es dringe nicht zu Gott, es steige -nicht über die Tannen hinaus, es falle wie ein Stein schwer und -schmerzhaft zurück in ihr Herz. - -Neben ihr lag das Sündige, Schreckhafte, Unbekannte, der Zeuge ihres -Hexentums. Das Fieber glühte in ihren Fingern, doch sie wagte nicht -hinzugreifen. - -Der Mond rückte und spiegelte in dem weißen Haar der Greisin. Auf -einmal leuchtete er voll über das Bett. - -Der heilige Blaumantel lag mit wachen, weit offenen Augen neben ihr. - -»O weh, der Dullhäubel hat nit gelogen,« seufzte sie, »Ich bin eine -Hex!« - -Schwerfällig tickte die Uhr, und da ihr Zeiger immer wieder zurücksank, -wußte das Weib nicht, ob der Morgen schon nahe sei. Furchtsam schaute -sie den an, der ihr Bett teilte. - -Als es graute, spannte sie die Geiß vor ein Wägelein, lud den Heiligen -auf und schaffte ihn zurück in die Kapelle. -- -- -- - -Der Mond grinste. - -Um den Dullhäubel drehte sich die Welt wie ein Rad. Er lehnte sich an -einen Baum und horchte. Irgendwo quackten die Frösche. - -»Ihr Grillnöder, was singt ihr?« schrie er. »Ihr könnt es ja nit.« Er -fing an zu quacken, die Frösche ein Besseres zu lehren. Doch sie ließen -sich nicht schulmeistern. - -Dann heulte er auf wie ein Mondscheinhund und weckte alle Kläffer -und Köter rings in den Einschichten, daß sie zornig bellten oder in -gezogenem Geheul klagten und die Leute in den Betten ängstigten. - -Die Kapelle war leer. Da johlte der Trunkene: »Herrgott, schau -herunter! Dein Heiliger schlaft bei einem alten Weib.« - -Der Wendehals auf der Fähre drehte den Kopf nach dem kreisenden Himmel. -Ein Schuhu kreischte. Ohne Rast gurgelte der Wolfsbach. - -Wie der Dullhäubel neben dem Wasser dahintaumelte, rutschte er aus und -plumpste hinein. Die kühle Flut wusch ihm den Kopf und ernüchterte -ihn. Er blies, ächzte und schnaubte und kroch ans Ufer, den Blaumantel -verwünschend, dem er das Unglück zuschrieb. - -Als er sich wieder auf den Füßen fühlte, war sein erster Gedanke: »Heut -hau ich einmal mein Weib!« - -Er kam heim und tappte durch den Hof ins Vorhaus. Die Stubentür aber -war versperrt; ein Strohsack lag davor, der schien für ihn bereitet. - -Der Dullhäubel rüttelte. »Ogath, ich sag dir es im guten, tu auf!« - -Drin rührte sich nichts. - -»Bäurin, tu auf! Tu auf, Bäurin! Ich bin es. Der Dullhäubel ist es. -Dein Kasper,« schmeichelte er. »Weib, laß dir sagen, riegel auf!« - -Er drängte das Ohr ans Schlüsselloch. Kein Hauch war zu hören. - -Da kam ihm die Hitze. »Tu auf, Weib, sonst hol ich die Hacke und spreng -die Tür auf!« - -Drin meldete es sich ruhig: »Wag es! Den Kittel schlag ich dir um den -Schädel, solang ein Fetzen dran ist. Draußen hast du den Strohsack.« - -»Laß mich doch nit zugrund gehen!« schluchzte er. »In den Bach bin ich -gefallen, waschelnaß bin ich.« - -»Warum bist du nit ersoffen?« sagte sie aufgebracht. »O mein -gottseliger Mann, der Gid, ist tausendmal besser gewesen als du! Das -ganze Geld versäst du im Saufhaus.« - -»Herr, erbarm dich meiner!« murmelte er wie bei einer Litanei. - -»Den Hof versaufst du, deine Kinder werden einmal nacket gehen!« - -»Herr, erbarm dich meiner!« antwortete er dumpf. - -»Die Kellnerinnen reißt und rumpfst du herum.« - -»Herr, erbarm dich meiner!« - -»Nacht für Nacht reitest du die Zung in die Schwemm,« eiferte sie. -»Vertu nit alles, daß du einmal ein anständiges Begräbnis kriegst!« - -»Begraben muß ich werden. Das hab ich noch nie gehört, daß einer -eingeackert worden ist.« - -»Schäm dich! Der Dunst und Dampf redet aus deinem Hirn.« - -»Ich schäm mich in den Kniebug hinein, da sieht es niemand.« - -»Hast du das Kalb in den Stall eingestellt? Hast du es nit verjuxt?« - -»Jesmaria, das Kalb hab ich im Wald vergessen!« rief er erschrocken. -»An den Zaunstecken steht es gebunden.« - -»Himmlischer Vater, da haben wir wieder den Schaden! O wenn das mein -Gottseliger erlebt hätt!« - -Die häufige Mahnung an den Gottseligen verdroß ihn. Er wollte überhaupt -für heute die Zwiesprache enden. Drum sagte er: »Weib, ich bet jetzt. -Stör mich nit! Du begehst eine Todsünd.« - -»Du und beten?!« spottete sie. »Ja sausen und brausen laßt du es, -dein Gut verstreust du. Und ich muß mich mit den zwölf Menschern -durchfretten.« - -Er richtete sich auf. »Weib, reiz mich nit! Wenn ich wild bin, ist der -Zorn auch gleich da. Wer macht uns arm? Du mit deiner Fruchtbarkeit. -Was du treibst, ist zuviel. Und nit einen einzigen Buben, lauter -Menscher! Die kannst du dir nit genug kriegen, zu Dreikönig eins, zu -Allerheiligen wieder eins.« - -»Du Schandvogel!« schalt und schelmte sie. »Du Rabenseel!« - -Er blieb nichts schuldig. »Du Truchtel, sei still!« - -Ein Schimpf rankte sich in den andern. - -»Du Flank du, du Schlank du!« - -»Du Runzel, du Schlunzel!« - -»Du Sauftümpel, du Galgenbraten!« - -»Du Zahnraffel, du Schürhaken!« - -»Du Abfaum, du alter Schepperer!« - -»Du Schebrelle, du Rabatsche!« - -»Du lasterhaftes Bockfell!« - -Er gab nach. »Weib, wie einen Pudelhund beutelt es mich vor Kälte. -Erbarm ich dir nit? O an dir erleb ich keine Freud, jeden Schluck in -die Gurgel zählst du mir!« - -Murrend warf er sich auf den Strohsack. - -Der reichliche Trunk wirkte, und der Dullhäubel schlief ein. - -Kaum hatte er die Augen zu, so beugte sich der Blaumantel über sein -Bett, daß ihm der hölzerne Leib krachte. - -»Dullhäubel,« wispelte er, »ich bleib nimmer in der Einöd. Es sind mir -zu viel Narren und Diebe da.« - -»Ich trag dich nach Blaustauden,« stöhnte dienstwillig der Träumer. - -»Zu den hochnasigen Heiligen in die Kirche will ich nit,« erwiderte der -Blaumantel, »die Goldenen und Silbernen verachten meine hölzerne Kutte. -Schieb mich ins Dorf! Neben dem ›pfalzenden Hahn‹ will ich sein.« - -Gleich stand der Dullhäubel hinter der Kapelle und schob an und stemmte -sich daran, es war eine schwere Plage, aber die Kapelle rückte nicht -vom Ort, und der Bauer schnaufte und ein scharfer Durst peinigte ihm -Zunge und Gaumen und brannte ihm tief in den Schlund hinab, und sogar -Magen und Gedärme dürsteten ihm und lechzten nach einem Trunk. Und -wieder warf sich der Dullhäubel gegen die Mauer, drängte und schob. Den -Schweiß, der ihm von den Brauen tropfte, fing er mit dem Maul auf, um -sich zu erquicken. Doch die Kapelle saß wie ein Fels in der Erde. Da -bleckte der Blaumantel wild lachend die Zähne, schwang sich aufs Dach -und ritt droben wie ein Reiter auf dem Roß und schrie: »Wieh!« Jetzt -rührte sich die Kapelle und fuhr wie ein schneller Wagen bergan. - -Der Dullhäubel erwachte, staunend und blöd hockte er auf dem Strohsack. - -Den peinigenden Durst zu löschen, richtete er sich auf und tappte -in den Keller, wo auf einer Bank die Milchtöpfe standen, ergriff -einen davon und soff. Er mußte saufen, süß oder sauer, Kuhmilch oder -Geißmilch, es galt ihm gleich. Er soff wie ein glühender Stein. In -endlosem Zug schlampte er den Ton bis auf das Neiglein aus, wischte -sich schnaufend den Bart und taumelte satt hin aufs Stroh. -- - -Der Hahn krähte, der Tag graute an. Schon rumorte die Bäurin in der -Stube. - -Mit einem schrecklichen Druck im Magen erwachte der Dullhäubel. Er -stützte sich ächzend, riß das Maul auf, und ein wilder Blutguß schoß -auf das Pflaster des Vorhauses. - -»Bäurin! Bäurin!« winselte er. »Zu Hilf, schnell! Aus ist es! Dahin -geht es!« - -Als sie aus der Stube kam, brach ihm wieder das Blut in dickem Strahl -aus dem Hals. Sein Auge stierte, Bart und Brust und Hände, Strohsack -und Estrich, alles war rot besudelt. - -Die Ogath rang die Hände über dem Kopf. »Himmlischer Vater, er hat den -Blutsturz!« - -»Rühr dich!« stöhnte er. »Den Pfarrer hol, den Bader! O mir ist -hundselend! Den Pfarrer schickt mir, ich bin ein großer Sünder. O, daß -ich gar so viel Blut hab!« - -»Den Bauch reib ich dir mit Kampferöl,« rief sie. »Ich koch dir ein -Helfkräutel, einen Tausendguldenkrauttee, der hilft.« - -»Nix hilft,« schrie er ungeduldig, »den Geistlichen hol!« - -Sie rannte die Bodenstiege hinauf und weckte die Kinder. »Wabel, -Reigel, Rosel, Portiunkel, Stasel, Kathel, Liesel, Urschel, Mariandel, -Kundel, Luzel, Stanzel! Geschwind, der Bauer geht ein!« - -Die zwei ältesten Töchter liefen nach Blaustauden. - -Die Wabel klopfte das Pfarrhaus wach. »Hochwürden, der Vater hat Blut -lassen. Die Mutter laßt bitten, Ihr sollt ihm die Seel aussegnen. Den -Flederwisch nehmt auch gleich mit, daß Ihr den Bauer besprengt!« - -»Wenn es den letzten Schnapper giebt, kommen sie daher,« zürnte der -Geistliche. »Sonst sieht man manchen nit in der Kirche. Es stehen in -der Meß oft mehr Heilige als Leut umeinander.« - -»Rennt, Pfarrer! Das Blut schießt ihm heraus wie gestern der -abgestochenen Sau.« - -Der Herr Nonatus war ein seeleneifriger Mann. Er sagte: »Ich geh gleich -mit. Der größte Sünder ist mir am allerliebsten, und der Dullhäubel -zahlt sich aus. Meßner, läut das Speisglöckel!« - -Die Reigel weckte den Bader. - -Der bärbeißige Wundarzt Gottfried Mehlstäubl nahm gleich eine Flasche -Blutegel mit. - -»Was ist denn los mit dem Dullhäubel?« fragte er. »Hat er wieder einen -Kapuzinerrausch heimgebracht? Hat er sich die Wampe überfressen? Ist -ihm der Darm auseinander gesprungen?« - -»Blutkrank ist er,« weinte die Reigel. »Einen ganzen Zuber voll Blut -hat er gespieben. Jetzt lechzt er.« - -»Heul nit, Dirndel, ich helf ihm. Ich hab schon andern Leuten geholfen. -Unserm Burgermeister hab ich den Bandwurm abgetrieben, fünfzig Ellen -lang.« -- - -Derweilen lag der Dullhäubel blutig im Stroh. Er hörte in der Ferne -das Glöckel, dessen Geläut den Weg des Pfarrers begleitete. Er betete: -»Heiliger Blaumantel, liebreicher Fürbitter im Himmel, steh zu mir! -Wenn ich wieder gesund bin, stift ich dir eine Kerze, so lang wie eine -Deichsel, vor deiner Kapelle soll sie brennen Sommer und Winter, Tag -und Nacht.« - -Der Grazian, der wegen seines Alters als Meßner abgedankt worden war, -fand sich ein, und nicht ungern sah er die letzte Stunde des Schelmen -nahe. Denn die verweste Geiß stank ihm noch immer aus dem Magen, und er -hatte den Streich nie verwinden können. - -»Schau, schau, Dullhäubel,« sagte er, »gestern hast du noch -heimgejodelt von der Siebenkittelwirtin, und heut gehst du auf dem -letzten Gras. ›Gestern im Trab, heut ins Grab‹, heißt es. Du schaust -aus wie der linke Schächer.« - -Der Bauer griff an die Brust, die Zunge schlotterte ihm. »Mir wird ganz -herzschlächtig.« - -»Zieh die Strumpf und die Schuh aus, Dullhäubel, und renn der Höll zu! -Wart nit auf die heilige Wegzehrung, sie hilft dir nimmer. Ja, den Tod -betrügst du nit, du Sündenbock, du Leutfopper, du Bauchbruder, du Trost -dem Teufel! Dahin mußt du mit deinen Rieben und Ränken. Ich seh dich -schon schneeweiß in der Truhe.« - -»Ich sterb nit,« kreischte der Dullhäubel auf. - -»Rümpf dich und wind dich, du kommst ihm nit aus, dem Sensenwetzer. Im -Sündenstank fahrst du hin.« - -»Jedes Haar wirft seinen Schatten,« wehrte sich der Bauer. »Warum soll -denn gerad ich keinen Fehler haben?!« - -Unbarmherzig predigte der Meßner: »Jetzt liegst du auf der Streu, jetzt -schießt das Blut heraus, das wilde Dullhäubelblut, das kein gut getan -hat sein Lebtag. In einer kurzen Weil tümmelt der Teufel vor der Tür -und zerrt dich davon bei den Füßen. In die Höll strudelst du hinab.« - -»Laß mich aus, Grazian, verschon meine Sterbensnot!« - -»Ja, mein lieber Freund, jedem wird gelohnt nach seinen Werken. Wenn -der Teufel herwürgt mit offenem Schlund und hernach deine Seel zwischen -den Zähnen hintragt, ich trau mir es gar nit zu sagen, wohin! Ja, mein -lieber Freund, wenn der ganze Himmel papieren wär, und auf jedem Stern -säß ein Schreibersknecht, sie könnten allsamt gar nit beschreiben, was -eine Seel leidet im ewigen Pech.« - -»Meßner, das weiß ich. Ich dank dir.« Der Schweiß brach dem Bauer aus. - -Die Ogath trat aus der Stalltür. »Der Didelmann hat uns das Kalb daher -gebracht, gottlob,« sagte sie, »es ist ganz wild.« - -Wieder hub der Grazian an: »Es ist schad, Dullhäubel, daß Gott dich mit -so einem guten, wirtschaftlichen Weib versorgt hat!« - -»Bäurin, ich will gut tun, wenn ich wieder aufkomm,« gelobte der -Dullhäubel. - -»Ja, wenn die Zaunstecken blühen,« sprach sie unwirsch. »Du tätst es -wieder treiben wie ehmals, die Händ schonen, die Weiber verfolgen, Vieh -und Leut foppen. Ausgestanden hab ich genug mit dir. Ein Selbstler bist -du gewesen, hast an Weib und Kind nit gedacht und an die Gemeinde nit, -nur an dich und allweil nur an dich. Und eine lederne Röhre hast du im -Hals, die brennt und muß feucht gehalten werden. So, jetzt hab ich dir -es gesagt.« - -»Gelts Gott, Bäurin, gelts Gott! Du hast die Wahrheit geredet,« -wispelte er. Die Augen fielen ihm zu. - -»Heilige Mutter Anna,« schrie der Grazian, »er wird schon blau! Der -Teufel schreit juchhe.« Er stieß ein Gebet aus. »Lasset uns beten zu -den heiligen drei Königen, sie sollen ihm den Weg weisen, er muß in die -Ewigkeit wandern.« - -Jetzt kam der Pfarrer mit dem Bader daher, und die Dirnlein drängten -nach, neugierig und furchtsam. - -Der Bauer tat die glasigen Augen auf und röchelte: »Pfarrer, Bader, der -Tod geht mir zu.« - -Der Wundarzt Gottfried Mehlstäubl staunte: »Sakerlot, du hast -unglaublich viel Blut gekotzt! Mensch, mußt du vollblütig sein! Wo -fehlt es denn? Hast du ein kaltes Fieber oder ein glosendes? Schüttelt -es dich? Reißt es dich? Kratzt dich der Hals? Ist dir das Zäpflein -gefallen?« - -Der Kranke deutete auf den Magen. »Da in der Herzgrube tut es weh.« - -»Hast du den Stuhl offen?« forschte der Arzt. »Hast du dich nit -überfressen, Schlauch? Ja, der Fraß wühlt sich mit dem eigenen Rüssel -das Grab auf. Die Runstadern sind dir geschwollen. Tu das Maul auf und -zeig her deinen Schlung!« - -»Im Bauch rumpelt es mir,« flüsterte der Bauer. - -Der Bader entschied: »Du hast es auf der Leber. Eine jede Krankheit -rührt von der Leber her. Du hast wohl einen kalten Trunk getan, he?« - -»Bader, gib mir was ein, ein Pulver, einen Saft, daß ich am Leben -bleib!« klagte der Dullhäubel. - -»Halt das Maul, Wehdarm! Ich muß auch einmal sterben,« antwortete der -Gottfried Mehlstäubl. - -»Da schau meine unversorgten Kinder an und hilf!« Der Bauer deutete mit -Kinn und Bart auf die zwölf Dirnlein. - -»Kinder hast du in allen Größen wie eine Bodenstiege. Aber was nutzt -das alles, wenn sich eine giftige Sucht einschleicht. Ich schätz, du -überlebst die Stund nimmer.« - -»Herr Pfarrer,« lallte der Dullhäubel, »richt mich her -- für die -Ewigkeit!« - -Da drückte ihm der Grazian einen geweihten Rosenkranz in die Hand, die -Ogath wischte mit dem Fürtuch über die Augen, die Kinder weinten. - -»Gottlob, daß du dich nit in Halsstörrigkeit verhärtest, Dullhäubel,« -begann der Pfarrer. »So tu Reu und Leid, mein lieber Christ!« - -Des Baders Neugier war noch nicht gestillt. »Und wo fehlt es denn sonst -noch, Bauer? Plagen dich die Würmer? Bläht dich der Wind?« - -Doch der Dullhäubel räusperte und rächste sich, fuhr jäh auf, gurgelte, -und wieder schoß das Blut heraus. Alle wichen zurück, die Bäurin -scheuchte die Kinder hinaus. Blaß und matt sank der Bauer zurück. - -Der Gottfried Mehlstäubl krauste die Stirn. »Seltsam! Seltsam! Vetter, -die Reih ist an dir. Hättest du mir alle Jahr deinen Brunn schauen -lassen, wie der Grazian da, tät ich mich in deinem Leib besser -auskennen.« - -»Der Tod zeichnet ihn,« sagte der Pfarrer. »Laßt uns allein, daß ich -ihn geschwind noch auströste!« - -Da gingen alle hinaus. - -»Öl mich ein, Hochwürden, öl mich! Richt mich zusamm -- fein sauber -- -für den Weg!« drängte der Bauer. - -»Jetzt, Dullhäubel, häut dich!« begann der Herr Nonatus Hurneyßl. »Tu -ab das Gewand deiner Sünden! Wann und wo bist du das letztemal beichten -gewesen? Bei mir nit.« - -»Den zweiten Sonntag nach Ostern -- hab ich gebeichtigt -- in Bärnloh.« - -»So, so, in einer fremden Pfarre, bei dem schwerhörigen Pater, und an -dem Tag, wo die Roßdieb beichten gehen? Eine saubere Seel! Aber jetzt -her mit deinen Sünden!« - -Der Dullhäubel bekannte: »Öfter hab ich mich versündigt als Steine im -Bach sind und Bäume im Wald.« - -»Sieben Straßen laufen zur Höll, das sind die Todsünden. Hast du eine -begangen?« forschte der Pfarrer. - -Der Sünder sprudelte: »Gefressen hab ich, gesoffen, gerauft, -gescholten, geschworen, gelogen und betrogen, die Weiber nit in ihren -Ehren lassen, mit den Jungfern gescherzt, am Freitag bin ich fensterln -gangen, den Leumund hab ich den Leuten genommen, verfrevelt hab ich -mich gegen den heiligen Blaumantel. Jetzt weiß ich nix mehr.« - -Dem Pfarrer wirbelte das Hirn. »Ein Gewissen magst du haben wie ein -Scheuertor,« staunte er. - -»Der Teufel hat mich im Schlund, reiß mich heraus, Hochwürden!« zeterte -der Dullhäubel. »Bind mich los, bind mir die Sünden ab und öl mich!« - -»Nur langsam, Dullhäubel, und hübsch eins nach dem andern. Hast du -nit gejuchzt und gejodelt und gegalmt zur Unzeit und unzüchtige -Rockenlieder gesungen?« - -»Das hab ich alles getan, Pfarrer. Bind mich los!« - -»Ich will dich nit dem Teufel zuteil werden lassen. Aber sag mir, hast -du ein einzigesmal im Leben ein gutes Werk verrichtet?« - -»Freilich, Pfarrer. Die Feiertage hab ich emsig gehalten, die -abgeschafften auch. Und zwölf Christen hab ich in die Welt gesetzt.« - -Der rüstige Beichtvater sah ihn verdutzt an. »Ah, so bist du gesotten? -Du willst unsern Gott und unsern Teufel überlisten?« Und er holte aus -und reichte dem Sünder eins auf den Schädel. »Dafür erlaß ich dir die -Bußgebete, du alter Spaßvogel.« - -»Das ist mir lieb,« sagte der Dullhäubel erleichtert. - -»Jetzt geratest du halt ins Fegfeuer, Bauer, und das ist eine scharfe -Lauge. Wasch dich drin, reib dir die Seel unverdrossen ab! Und -fahrst du hernach in den Himmel, so führ dich gut auf, daß du meinem -Pfarrsprengel keine Schand antust.« - -»Ich werd mich doch nit zu dem höllischen Bären verirren?« verzagte der -Kranke. »Ist es drunten wirklich so heiß?« - -Der Pfarrer schaute den Dullhäubel ernsthaft an. »In der Höll ist es -so heiß, daß die gepeinigte Seel, die den Kniffen und Kunstgriffen -des Satans erlegen ist, gar kläglich herausschreit: ›Gebt mir ein -Schmiedfeuer, daß ich mich dran kühl!‹ So kalt ist das irdische Feuer -dagegen.« - -»Ich riech schon lauter Brand,« wimmerte der Bauer. »O wär ich gesund, -ich wollt anders leben! Einen Sack tät ich anziehen und wallfahren -gen Maria-Dorn. Sterb ich aber,« seine Stimme versiegte schier, »so -stift ich eine ewige Meß meiner Seel zum Trost, und dem Blaumantel, -meinem Fürbitter, soll ein Wachsstock brennen hundert Jahr. O weh, wie -schlecht wird mir jetzt!« - -»Was ist, Dullhäubel, was ist?« - -»Der Schleim steigt mir im Hals, ich erstick, ich krieg den -Schleimschlag! O weh, von der Welt scheid ich, in die Höll spring ich.« -Er rülpste, und das Blut sprudelte ihm wieder gräßlich aus dem Hals. - -»Leut, er stirbt!« schrie der Pfarrer. - -Der Bader, der Grazian, der Knecht und die Kinder liefen herein. - -Schrecklich schaute der Bauer aus, weiß wie Kalk lag er dort, die -Lippen voller Blut. - -Die Ogath trug die brennende Sterbekerze daher und drückte sie ihm in -die Hand. Er aber verdrehte die Augen grausam und fluchte: »Sakerment, -bin ich noch nit hin?!« Er röchelte. - -»Bäurin,« meinte er auf einmal, »es ist wunderlich, jetzt mitten im -Sterben lüstet mich nach einem Schnupftabak. Geh, tu mir die Lieb an! -Es ist das Letzte, was ich von dir begehr.« - -»Jetzt ist ausgeschnupft,« sagte sie kurz. »Jetzt halt die Herren nit -auf und schau zu, daß du einmal stirbst!« - -»Ich sterb, und keines tut einen Schrei,« sprach er wehmütig, »keins -weint einen Tropfen, keinen Seufziger druckt es euch aus.« - -Der Kopf sank ihm auf die Seite, das Kinn hing ihm. - -»Jetzt erklenkt ihn der Satan,« rief der Grazian. - -»Macht Tür und Fenster auf, sonst reißt seine Seel ein Loch durchs -Dach!« - -»Ihm stehen schon die Augen,« nickte der Bader. - -»Er ist am Weg,« flüsterte der Pfarrer. - -Der Sterbende hauchte noch einmal: »Mein letzter Wille! Meine Töchter --- dürfen nur auf einen Hof -- hinheiraten, wo ein Glöckelturm drauf -ist. Ich bin ein großer Bauer -- gewesen.« - -Jetzt lag er blaß und still. - -Die kleinen Dirnlein klammerten sich weinend an den Kittel der Mutter, -und sie zog tief Atem: »Jetzt bin ich wieder eine Wittfrau.« - -Plötzlich erhob sich im Keller ein großes Geschrei. Die Wabel, die -älteste Tochter, kam die Staffeln herauf, einen leeren Topf in der Hand. - -»Mutter, ich weiß, was dem Bauer fehlt!« Sie lachte, daß ihr die Zähren -rannen, sie lachte, daß sie den Atem verlor und schier in einem Husten -erstickte. - -Der Gottfried Mehlstäubl nickte. »Sie ist närrisch worden.« - -»Was lachst du jetzt, wo dein Vater vor das ewige Gericht hintritt?« -verwies sie der Pfarrer streng. - -Die Wabel schwenkte den Topf. »Blut hat er gespieben,« brüllte sie -vor Lachen, »Blut, aber nit sein eigenes. Gestern haben wir eine Sau -getötet, das Blut haben wir ihr abgelassen, in den Keller haben wir -es gestellt. Der Vater hat in seinem Rausch -- das ganze Saublut -ausgesoffen.« - -»Herrgott von Blaustauden,« schrie die Bäurin, »das ganze Saublut? Heut -hab ich es backen wollen.« - -Leben und Röte kehrten in die Wangen des Dullhäubel zurück, er tat die -Augen ganz schmal auf und lallte: »Liebe Freunde, es ist nit unmöglich.« - -Des Pfarrers Hals verfiel in einen Krampf. - -Der Bader hielt sich den Bauch. »Gespieben hast du wie ein -Hochzeitshund, Dullhäubel. Du könntest die Wissenschaft irr führen! Du -hast aber auch einen sauberen Hinfahrtsfraß genossen. Gelt, die Suppe -ist dir zu feist gewesen? Jetzt steh auf, nimm dein Bett und geh!« - -Der Herr Nonatus Hurneyßl hatte sich wieder beruhigt. »Bauer,« sagte -er, »der Herrgott hat dir heut einen Spiegel vorgehalten. Fang ein -neues Leben an!« - -Der Dullhäubel drückte pfiffig ein Auge zu. »Bader, ich bin allweil -schnell gesund worden. Einmal hab ich mir beim Holzhacken eine -Hand wurzweg abgehaut. In vierzehn Tagen ist sie mir wieder sauber -nachgewachsen. Heut weiß ich nimmer, ist es die linke gewesen oder die -rechte. Und jetzt, Ogath, gib den Tabak her! Das ist die beste Arznei.« - -Er schnupfte, legte sich dann zurück, schnarchte wie eine Brettmühle -und überließ die um sein Sterbebett Versammelten ihren Betrachtungen. - - * * * * * - -Blitzblau lugten die Schlehstauden drein, und die letzte Bauernrose -brannte im Gärtlein. Die Luft hing voll zarter Fäden, die alten Weiber -hatten ihren Sommertag. - -Im Stadel drosch die Ogath mit ihren ältesten Töchtern das Rüttstroh, -sie wollte damit die Betten frisch füllen. Fröhlich klangen die drei -prallenden Flegel, und der Dullhäubel legte dem Dreischlag die Worte -unter: »Schind die Katz!« und schlich sich hinter den Stauden davon, um -der Tenne auszuweichen. - -Die Kapelle umging er in einem Bogen: des Blaumantels Blick vertrug -er nimmer, weil er ihm die Kerze nicht opferte, die er ihm in der -Sterbensangst gelobt hatte. - -Vom Dorf klingelte der Schmiedhammer. - -Beim Sulpiz gab es immer Gesellschaft, Köhler brachten die hölzerne -Kohle, Fuhrleute ließen die Rösser beschlagen, die Bauern ließen sich -die Axt schärfen, Kundschaft kam mit zerbrochenem Eisengerät, und -manchen trieb andere Not hin. - -Heute suchte der Lukas Schellnober in dem rußigen Gewölbe Hilfe. -»Schmied,« redete er, »du bist die letzte Zuflucht. Der Zahn tut mir -arg weh, ich könnt mir das Kinnbein vom Schädel reißen.« - -»Sieh ihm den Zahn, Sulpiz!« meinte der Dullhäubel. »Speib in die Händ, -der riesige Mann hat Zähne wie eine Wildsau.« - -Der Sulpiz Schlagendrauf beeilte sich nicht. Er trug eine glühende -Stange zum Amboß. Bevor er drauf schlug, reckte er sie jeden von seinen -drei Weibern hin, die er an die Wand gerußt hatte, und gröhlte: »Leck! -Leck! Leck!« und dann fuhr er jäh und heimtückisch damit dem Dullhäubel -unter die Nase: »Schmeck! Schmeck!« - -Der Bauer fuhr zurück bis zur Tür. - -Zornig hämmerte der Meister auf das Eisen los. Es war nicht zu -verwundern, daß die Kinder von Fuxloh den wilden Mann mit dem -verworrenen Rußbart für den Teufel hielten. - -»Hau zu, Schwarzer,« neckte der Dullhäubel aus wohlabgemessener Ferne, -»hau zu und denk, du hast dein viertes Weib unter dir!« - -Der Sulpiz schüttelte den Hammer. »Halt das Maul oder ich zerschmied -dich! Was stehst du da wie eine Martersäul? Hast du daheim keine -Arbeit? Was begehrst du?« - -»Die Feuerzang sollst du mir leihen, daß ich meine Bäurin wieder einmal -angreifen kann.« - -Das gefiel dem Schmied. Er tauchte die Stange ins Wasser, daß sie -zischte, und deutete auf eines von den Rußbildern. »Die erste dort, -die Luzel ist es. Einmal fahrt sie zur Kirchweih nach Bärnloh, ich -bin allein im Haus. Um Mitternacht klopft es an die Tür, steht ein -Kohlschwarzer draußen, die Augen glosen ihm. Ich soll ihm den Rappen -beschlagen. Ich schau das Roß an. Es hat zwei schwarze Zöpf geflochten -wie die Luzel. Die zwei wilden Augen schauen mich an wie die Luzel, -wann sie mit mir gerauft hat. Ich beschlag das Roß auf allen vier -Hufen. Der Kerl springt drauf, sagt kein Geltsgott, und reitet dahin. -In der Früh liegt mein Weib neben mir im Bett mit Hufeisen an Händen -und Füßen.« - -Der Sulpiz lachte, daß das Eisen in der Werkstatt klirrte. - -»Du kannst leicht lachen, Schmied, dich martert nix,« sagte der -Zahnwehmann und hielt sich den verbundenen Kopf. - -»Schäm dich, Musikant,« tadelte der Rußige. »Du bist so stark wie ein -Felsenbaum und dabei so ungesund.« - -»Wer ist heutigentags gesund?« greinte der Lukas. »Ja, vormals haben -die Leut mehr ausgehalten. Mein Vater zum Beispiel hat Glas gefressen, -das Blut ist ihm aus dem Maul geronnen, er hat Bier darüber gegossen, -und gut ist es gewesen. Bis er einmal so ein neuartiges Lampenglas -gegessen hat, da ist er magenkrank worden. Das neumodische Teufelswerk -ist nix nutz, das altwäldlerische Glas ist viel milder gewesen.« Und er -wimmerte auf: »Weh und weh, mein Zahn!« - -Der Schmied ließ sich auf den Amboß hin: »Duck dich her, Lukas!« - -Da kauerte der Musikant auf die Erde, der Sulpiz klemmte den -verbundenen Kopf zwischen seine Kniee und zog einen Schlüssel aus der -Tasche. - -»Tu das Maul auf! Welcher Zahn ist es?« - -Ächzend deutete der Leidensmann in sich hinein. Der Schmied griff zu -und drehte, daß ihm die Adern am Arm schwollen, indes der Geklemmte die -vierzehn Nothelfer anschrie. - -»Der Stockzahn rührt sich nit, der Teufel!« schalt der Sulpiz. Er fuhr -dem Gepeinigten noch einmal ins Gebiß, und mit einem Ruck, daß schier -der Amboß wankte, riß er einen mächtigen Zahn heraus. - -»Du hast den falschen erwischt,« rief der Lukas, »das gilt nit!« - -»Die Hauptsach ist, daß das böse Blut abgeht,« tröstete der -Zahnbrecher. »Jetzt geh zum Misthaufen und speib das Blut aus!« - -Der Musikant legte ein Sechserlein auf den Amboß. »Wenn es besser wird, -trag ich den Zahn nach Maria-Dorn und häng ihn der Muttergottes mit -einem seidenen Band um den Hals,« gelobte er. - -»Und du lümmelst noch allweil da?« schnauzte der Schmied den Dullhäubel -an. »Ich verdien Geld, und du versäumst dein Geschäft.« - -»Ich kann nix versäumen, Meister.« - -»Eine junge Dirn ist da gewesen und hat nach deinem Hof gefragt. Sie -will in den Erdspiegel schauen.« - -Hastig nahm der Dullhäubel den Weg unter die Füße. - -Es war zum erstenmal, daß ihn jemand um den Erdspiegel anging. Die -Leute waren schon zu klug. Zu des Ähnels Zeiten trug der Spiegel viel -mehr ein als der Opferstock in der Kirche, die Bittsteller kamen aus -aller Weite; wer ihnen das Roß gestohlen oder den Stall verhext, -wollten sie wissen und wollten allerhand Heimliches ausfindig machen. -Das war vorbei. - -Der Bauer sann nach, wie er den Erdspiegel wieder in Schwang und Ruf -bringen könne. Heute schien sich eine gute Gelegenheit zu bieten. Er -nahm sich vor, die Dirne erst um ihr Anliegen zu fragen, dann wollte -er sich in den Keller sperren, als ob er Hokuspokus triebe, und dort -würde ihm schon die rechte Antwort einfallen. - -In seinem Hof droschen die drei immer noch, und die kleinen Dirnlein -spielten vor der Scheuer, eines kitzelte die andern auf die nackten -Sohlen und rief: »Wer schmunzt, wer lacht, wer die Zähn für reckt, der -gibt ein Pfand.« - -Als der Dullhäubel die Stube leer fand, schwante ihm Schlimmes, und er -lief in den Keller. - -Die Tür zum Erdspiegel war aufgerissen. - -Ins Halbdämmer des Raumes brach durch ein Guckloch ein Strahl und traf -den runden Spiegel, der auf einem Felsblock lag. Eine junge Dirne -beugte sich drüber und rätselte an den Zeichen, die auf das Wunderglas -gemalt waren: eines glich der Ziffer vier, ein anderes führte drei -Zinken wie eine Mistgabel, das dritte trug einen Ring mit zwei Hörnlein. - -Der Bauer erkannte im Halblicht die Fremde nicht. »Was sprengst du mir -die Tür?« schalt er. »Bist du eine Räuberin?« - -»In meiner Verzagtheit hab ich es getan,« antwortete sie. »Verzeih mir, -Spiegelmann!« - -Er schob sie weg und schaute lange und ernst hinein in das Glas. Dann -sagte er geheimnisvoll: »Ich seh es, du kommst wegen einer Liebschaft.« - -»Siehst du meinen Schatz auch?« rief sie heftig. »Er ist mir verloren -gegangen. Wo find ich ihn?« - -Er starrte in den Spiegel und sann auf eine hübsche Lüge. - -»Merkst du was?« fragte sie voll Neugier. »Ich hab nur den Dreizahn -gesehen und den Hörnerbock und den Vierer.« - -»Das sind die Zeichen der drei Heidengötter,« flüsterte er. »Weiberleut -sehen nur das im Erdspiegel. Und dann, bist du noch eine Jungfer, he? -Bist du nit schon einmal über das sechste Gebot gestolpert?« - -»Aber hingefallen bin ich noch nit.« Sie kehrte sich verschämt ab. - -»Es ist, als ob heut der Spiegel rauchig wär,« redete der Dullhäubel in -das Glas hinein. »Hätt ich nur das Zauberbuch nit verlegt, ich könnt -dir gleich verraten, wo sich dein Liebhaber herumtreibt.« - -Da versuchte auch sie hineinzuspähen, und da sich ihr junger Leib dabei -derb an den Bauer schmiegte, ließ er sie gewähren. - -Plötzlich schrie sie hell auf: »Da schaut er heraus, der Tischler -Franz, der mit mir hat Adam und Eva spielen wollen!« Und jäh sich -besinnend, starrte sie den Dullhäubel neben sich an und packte ihn beim -Bart. »Du bist es gewesen, Erdspiegler, der mir die Heirat versprochen -hat!« - -Es war die Mechel Schellnober. - -Er begehrte auf. »So kommst du mir? Mir, dem Dullhäubel? Ich kenn dich -nit. Ich bin ein verheirateter Mann. Willst du Unfried stiften in -meinem Haus? Gleich fahr ab, du Lügenwachtel, sonst schrei ich um den -Schergen!« - -»Lügst du aber keck!« staunte sie. »Und du bist es gewesen, und wenn -du auch leugnest wie ein Spitzbub. Ich kenn dich an dem kugelrunden -Schädel, an dem roten Bart, an dem kurzen Hals. Denselben Filzhut mit -derselben Schnalle hast du aufgehabt. Komm einmal ans Licht hinauf! Du -willst dich weiß brennen, willst tun, als ob du die nackete Unschuld -selber wärst.« - -»Das bin ich auch. Und den Hut hab ich mir erst gestern gekauft, du -zottige Gretel. Beweisen kann mir keiner nix. Und ans Licht geh ich -just nit, mir ist warm, und im Keller ist es schön kühl.« - -»So steig ich allein hinauf, Erdspiegler, und klag es deinem Weib.« - -Da stieß er sie zurück und sprang ihr voran die Stiege hinauf, lief -vors Haus und schrie: »Bäurin! Wabel, Reigel, Rosel! Kinder, kommt -schnell! Stasel, Kathel, Liesel! Sakerment, mir fallen die Namen nit -ein!« - -Die Mechel erschrak, als sie auf einmal mitten in einem Ring von -Jungfern und Dirnlein stand. - -Mit dem Finger deutete der Dullhäubel auf sie. »Weib, Kinder, die -mannsleutnärrische Schnudel da ist mir in den Keller nach, ganz -putipharisch hat sie nach meiner Unschuld begehrt. Aber ich bin ihr nit -ins Eisen gegangen.« - -»Gibt es denn keine Wahrheit mehr auf der Welt? Hat der Schauer alle -guten Leut erschlagen?« weinte die Mechel. »Erdspiegler, du stellst -mich her, daß kein Hund mehr ein Bröckel Brot von mir frißt. Und du -hast mir versprochen --.« - -Er ließ sie nicht ausreden. »Sie hat die Bubensucht; sie lügt, ich hätt -ihr die Heirat versprochen. Kinder, den Vater will sie euch nehmen, und -dir, liebes Weib, den Ehmann!« - -»Sie soll dich nur mitnehmen,« sagte die Ogath. - -»Was? Das wollt ihr euch gefallen lassen?« Seine Stimme verstieg sich. -»Und ihr jagt sie nit aus dem Hof?« - -»Ich zeig dir schon, was es heißt, einen neuen Trieb kriegen,« -lachte die Bäurin wunderlich. Und sie fiel mit den Töchtern über den -Dullhäubel her wie Hündinnen über einen Bären, im Hui wälzte er sich, -die Hiebe fielen wie ein Schlossenschauer über ihn, er konnte sich -ihrer nicht erwehren. - -»Blaumantel, hilf! Die Mannsleut müssen zusamm halten,« rief er. - -»So, jetzt nimm dir ihn mit,« sagte die Bäurin zur Mechel, »wir -schenken dir ihn herzlich gern.« - -»Ich mag ihn nit,« antwortete die Fremde. »Und zu wegen seiner wird aus -mir keine Klosterfrau. Die Welt ist kein Krautgarten, mein Glück wachst -überall.« - -Mit trotzigen Schritten ging sie davon. -- - -Der Dullhäubel wurde durch die Schläge nicht gebessert. Am selben Abend -noch tat er dem Grazian Schande und Spott an. - -Er spielte mit einem fremden Sautreiber im Wirtshaus bis spät in die -Nacht Karten. Der Meßner trank ihnen eifrig zu, denn der Sautreiber -zahlte ihm die Zeche, aber auf einmal lag er mit der Stirn auf dem -Tisch und schlief. Da löschte der Dullhäubel die Lampe, versperrte -die Fensterladen und tat mit seinem Spießgesellen in der stichdunkeln -Stube, als spielten sie weiter. Als die zwei immer wilder schrieen und -immer fester mit der Faust in den Tisch schlugen, erwachte der Grazian. -Er hörte sie die Trümpfe ausschreien und Farbe bekennen, und als er -nichts sah, stammelte er mit zitternder Stimme: »Leut, ich bin blind. -Ich hab mich blind gesoffen.« - -Der Dullhäubel ließ ihn eine ganze Stunde in der entsetzlichen Meinung, -und am nächsten Tag lachte ganz Fuxloh über den blinden Grazian. - - * * * * * - -Der Mai blühte aus. - -Die Fuxloher hielten am Pfingstmontag abends vor der Kapelle eine -Andacht. Der abgedankte Meßner Grazian hatte den Weibern ein neues -Lied beigebracht, und sie sangen es, und der Bach sauste darein, der -geschwollen war, weil ein Wetter niedergegangen übers Gebirg. - - »Der Tag ist vergangen, - der Abend ist hier, - gute Nacht, o Maria, - bleib ewig bei mir!« - -Wie das Lied so herzerheblich hinüberflog über die Wiesen zum Wald, -daß alle, die da sangen, ihre Freude hatten, watete der Dullhäubel -durchs Gras daher, brachte einen Schemel mit und setzte sich abseits -den andern darauf. Und als die frommen Stimmen der Weiber sich in die -höchsten Höhen erflogen, stimmte er überlaut sein eigenes Lied an. - - »Wer will mit mir wallfahrten gehn, - muß tragen ein Paar Schuh, - muß Käs und Brot mitnehmen, - muß aufstehn in der Fruh.« - -Da wurden die andern in ihrem Lied langsam irr, eine Stimme nach der -andern verzagte und hörte auf, bis zuletzt nur des Dullhäubel traurig -gezogene Weise sich behauptete. - -»Was irrst du uns?« schalt der Grazian betrübt. - -Die Weiber redeten erbost auf den Störenfried ein. Der aber sagte: »Ich -sitz auf meiner Wies, und auf meinem Grund sing ich, was mir gefallt. -Ihr habt wie die Nattern gesungen. Was braucht ihr das neumodische -Schnaderhüpfel? Mein Lied ist allweil gesungen worden, seit die Kapelle -steht, und bleiben soll es, wie es bräuchlich gewesen ist.« - -Da konnten die Fuxloher nichts dawider reden, sie verzichteten auf -den neuen Gesang, und der Grazian hub eine Litanei an. Doch auch sie -stockte bald, und besonders die Weiber wurden verwirrt und des Betens -überdrüssig, weil der Dullhäubel mit starrem Blick sie anschaute, als -wolle er sie verzaubern. Es wurde ihnen angst. - -Schließlich begehrte der Grazian auf, dem die ganze Andacht verdorben -war: »Was schaust du so unsinnig her?« - -»Mein Schemel ist aus neunerlei Holz,« sagte der Schelm. - -»Ist das eine Antwort auf meine Frag? Wie steht es mit deinem Hirn?« - -»Wer auf einem Schemel aus neunerlei Holz sitzt, sieht alle Hexen.« - -Die Weiber fuhren auf wie gestörte Wespen. »Er beleidigt uns alle!« -schrie die Burgermeisterin. - -»Du sei still,« warnte der Dullhäubel, »ich schau auf deinem Kopf ein -Krähennest.« - -»Dem Kaiser soll man schreiben, daß er den Böswicht abschafft,« sagte -die Iglin. - -»An deiner Nase hängt eine Fledermaus, Iglin. Grins nur her und zahn -mich an! Ich fürcht mich nit.« - -Jetzt wagte keine mehr zu schimpfen, um des Dullhäubel Bosheit nicht -auf sich zu ziehen. Nur die Spuchtin rief: »Ist denn keiner unter euch -Mannsleuten, der sich unser annimmt und ihm den Herrn zeigt?« - -Der Longinus Spucht duckte sich hinter dem breiten Schmied, und der -Schmied seufzte schwermütig: »Ach ja, alte Weiber gibt es genug auf der -Welt!« - -Der Dullhäubel frohlockte: »Mein Guckähnel hat sieben Weiber gehabt, -und alle sieben hat er erschlagen. Zuletzt haben ihn tausend Engel in -den Himmel gehoben.« - -Die Weiber standen auf und gingen, die Männer verliefen sich, und den -Grazian hörte man noch fern im Wald schimpfen. - -Jetzt war der Dullhäubel mit dem Heiligen allein. - -Dem hatten sie den welken Kranz aus Hagebutten, Silberdisteln und Heide -mit frischen Maiblumen ersetzt. - -Der Wald nachtete ein, Mondlicht flunkerte in den Stauden, in der Wiese -knarrte der Wachtelkönig. - -Der Dullhäubel riß den Heiligen aus der Kapelle. »Eine Kerze hab ich -dir versprochen, so lang wie eine Deichsel. Der Wachszieher aber bietet -solche nit feil, und so kann ich mein Wort nit lösen. Und du verdienst -es auch nit, Blaumantel. Wie oft ich dich anruf, du hilfst mir nit. Da -rinn den alten Weibern nach!« Er warf ihn in den Wolfsbach. - -Da war ihm, der Blaumantel werde in dem angeschwollenen Bach lebendig -und drehe teuflisch den Kopf nach ihm zurück, rühre die Arme und -schlage Räder im Wasser. - - * * * * * - -Am andern Abend, der Mond hing dürr und krumm und armselig überm -Vogeltänd, da kam die Wabel aus dem Dorf herunter gelechzt: »Bauer, ein -ganzer Schober Leut rennt daher, den Blaumantel begehren sie von dir, -Gabeln und Drischeln tragen sie und wollen dich erschlagen.« - -»Du hast in ein Wespennest gestriegelt, Bauer,« sagte die Ogath. - -Dem Dullhäubel rann es kalt über die Haut. »Verrammelt das Tor!« rief -er. - -Seine Leute schleppten Eggen und Pflüge herbei und sperrten das Tor mit -Ketten, Wagen und Wiesbäumen. Die Fenster waren durch eiserne Gitter -gesichert. - -Der Bauer selber stand am Dachboden und hielt zum Guckloch den -Schießprügel hinaus, womit die Erzväter gewildert hatten. Sein Weib -betete drunten, betete um einen glücklichen Ausgang, die Kinder knieten -totenblaß um sie. - -Schon trampelten die Feinde den Waldweg daher, wie die Wölfe im Winter -kamen sie. Sie läuteten mit Kuhglocken, bliesen und lärmten. - -Dreschflegel ragten über sie hinaus, Sensen, Hellebarden und abgedankte -Spieße. Die Gesichter waren berußt oder mit Moosbärten verhüllt, ein -tückischer Mummenschanz. Immer stärker wurde ihr Geschrei: »Hin muß er -werden! Haar und Kopf muß er lassen, der Schelmenbub!« - -Jetzt stauten sie sich vor dem Gehöft, und der Dullhäubel sah sie -genauer. Es wimmelte und wibelte drunten. Die Hüte hatten sie mit -Reisig besteckt, die Röcke verkehrt, Männer hatten Weiberkittel an. -Einer hatte ein Hirschgeweih vor die Stirn gebunden, andere deckten -sich hinter hölzernen Larven oder trugen alte Kriegshelme oder stülpten -sich Körbe über den Kopf. Einer trug sogar einen Schnabel, die eiserne -Unzier, wie sie böse Weiber vorzeiten hatten tragen müssen am Pranger. - -Der Dullhäubel meldete sich, ehe sie ihm das Haus stürmten. Vom -Guckloch rief er hinab: »Guten Abend miteinander!« - -Da hoben sich die verlarvten Gesichter, uralte Faustbüchsen zielten -herauf, sie schrieen, pfiffen, läuteten mit eisernen Töpfen, und einer -blies wahnwitzig in ein Kuhhorn. - -Auf einmal war es still. Ein kurzer Mann trat vor, Maul und Kinn -gedeckt mit einem wüsten Baumbart, und forderte aus verstelltem Hals: -»Gib uns den Blaumantel zurück, du hast ihn im Moos versenkt!« - -»Meiner Seel, ich hab ihn nit!« - -»Wo ist er dann? Du weißt es.« - -»Der Blaumantel? Der schalanzt wo im Land herum. Traut ihm nit, -Fuxloher! Er kann sich nit ausweisen, nit einmal in der römischen -Kanzlei kennen sie ihn.« - -»Wo der Heilige ist?« klang es wilder. - -»Er ist zum Himmel aufgeflogen. Oder hat er sich eine bessere Kapelle -ausgesucht. Was weiß ich? Laßt mich in Ruh!« - -Stimmen gellten: »Er spottet noch, der Schlechtling! Bis ins Schienbein -hinein ist er verwahrlost! Stecht ihm eine Lucke! Erstechen soll man -ihn! Erstechen!« Ein Spieß erhob sich steif aus dem Haufen. - -»Wollt ihr mich auch verkrüppeln wie meinen liebsten Freund, Gott hab -ihn selig, den Müllner?« klagte der Dullhäubel. »Oder wollt ihr mich -umbringen? Leut, vergeßt euch nit! Geht hin, woher ihr gekommen seid! -Eure Weiber haben euch aufgehetzt.« - -»Röhr nit, Fuchs! Uns kriegst du nimmer dran. Heut rechnen wir ab,« -stieg es aus der Tiefe. - -»Was kommt ihr mit den Waffen daher? Ich bin ein friedlicher Mann.« - -»Einen Igel fangt man mit eisernen Handschuhen,« antwortete es. - -»Hütet euch!« beschwor er sie. »Ich hab den Erdspiegel, der ist im -Zeichen des Skorpions gegossen worden.« - -»Den Spiegel zerschlagen wir dir. Abrechnen müssen wir!« scholl es wirr -durcheinander. »Wem von uns hast du noch nix angetan, du Schnittlauch -auf allen Suppen?« - -»Liebe Landsleut, hört mir zu! Habt ihr schon einen Galgen gesehen? In -der Kriminalstube ist einer aufgemalt, zwanzig Schuh hoch, eine Leiter -dran, ganz blutig. Liebe Landsleut, habt ihr schon einen nacketen Sabel -gesehen? Der Scherg hat einen umgebunden, der Herr Anton Zinkinker, -ihr kennt ihn alle. Wie wird euch ums Herz sein, wenn er euch ins Haus -kommt mit dem Spieß am Gewehr, mit dem Federbusch am Hut, wenn er euch -die Hand auflegt und schreit« -- der Dullhäubel brüllte -- »wenn er -schreit: Im Namen des Gesetzes!!?« - -»Wir fürchten uns nit. Es weiß keiner, wer wir sind,« scholl es. »Du -tanzt uns nimmer lang am Buckel. Wir legen dich kalt.« - -Einer schrie: »Teufel, halt den Sack auf, diesmal ist der Kasper -zeitig.« - -»Du bist der abgedankte Meßner.« Der Dullhäubel deutete hinab. »Deine -Stimme kenn ich. Und deine schelchen Achseln.« - -»Du irrst dich,« antwortete der drunten, »ich bin heut gar nit da.« - -Drunten wurden sie still, sie reckten die Köpfe zusammen und hielten -Rat. Es war die unheimliche Ruhe vor dem Donnerschlag. Dem Dullhäubel -rann der kalte Schweiß. Er wußte, jetzt müsse er den Fuxlohern anders -kommen, ehe es zu spät war. - -»Der Kalender ist mir gebrochen,« kicherte er hinunter. »Ich weiß nit, -ist heut aller Narren Kirchfahrt oder der blinde Irtag. Geht heim und -legt euch ein ehrliches Gewand an, ihr verzweifelten Buben!« - -Da rüttelten sie schon am Tor, daß das Haus bebte. - -Der Dullhäubel reckte eine brennende Kerze zum Guckloch hinaus. -Verdutzt hielten die drunten ein. - -»Sippschaft,« schrie er mit seiner grellen Stimme, »das ist eine -Kaiserkerze!« - -»Blas sie aus! Sie geht uns nix an,« erwiderte ein Männlein, das die -Nase in einem Wetzsteinkumpf stecken hatte, so daß sie gespenstisch -lang erschien. - -»Mein Ähnel hat sie am Schlachtfeld gekriegt, die Kerze,« sagte der -Bauer, »der Kaiser selber hat sie geweiht.« - -Der Mann mit dem Kumpf aber rief hitzig: »Der Kaiser soll -uns -- -- --!« Kurzum, er tat, mit Ehren zu melden, eine landläufige -Rede, die sonst gar niemanden Wunder genommen hätte und die ihm auch -von keinem verübelt worden wäre. Aber der Dullhäubel fischte sie auf. - -»Leut,« schrie er, »jetzt hat einer von euch den Kaiser beleidigt. -Drauf steht die härteste Straf, der Tod durch Pulver und Blei. Der -mit dem langen Schnabel dort und mit dem dicken Bart, der Longinus -Spucht ist es gewesen, der dem Kaiser die Arbeit geschafft hat. -Und du, Glöckelbauer, Burgermeister von Fuxloh, hast dazu mit dem -Kopf beifällig genickt, hast ihm Recht gegeben. Wenn der Kaiser das -erfahrt?! Und ihr andern, ihr steht da und habt es gehört und schlagt -den nit gleich auf dem Fleck nieder, der das kaiserliche Erzhaus -derartig beleidigt?« - -Die Fuxloher wichen vor dem Spucht zurück wie vor einem Gezeichneten. -Ihnen hingen zerknirscht die Köpfe, die wilden Vorsätze waren aus dem -Geleis gesprungen. Ratlos schielten sie nach dem Burgermeister. - -Der Schelm droben schmiedete sein Eisen. »Spucht, du weißt, was dir -bevorsteht: Pulver und Blei! Du tust mir leid.« - -»Du wirst doch den Spucht nit dem Schergen angeben?!« sagte der -Glöckelbauer kleinlaut. »Das Angeben ist eine Schand, der Angeber steht -gleich hinter dem Totschläger.« - -Eine kleine Gestalt mit langer Nase löste sich von dem Schwarm und -rannte in den Wald hinein. - -Der Burgermeister meinte, er habe mit der Sache nichts mehr zu -schaffen, und verschwand. Einer nach dem andern verzog sich, und bald -war der Anger vor dem Hof leer, und die Dullhäubelleute räumten die -Verschanzung weg. - -»Die Bockmelker, die Nebelschieber, die Heiligenfresser! Mit der -Feuerspritze gehen sie gegen den Mond los,« lachte der Schelm aus dem -Guckloch. »Meiner Seel, wenn ein Narr vom Himmel fallt, soll er auf -Fuxloh fallen, bei uns findet er die richtige Gemeinde.« - - * * * * * - -Der Longinus Spucht rannte so scharf und rastlos durch den Vogeltänd, -daß ihm das Herz unbändig schlug und er fürchtete, es springe ihm aus -dem Maul heraus. - -Seither wurde er nimmer gesehen. Sein Weib suchte ihn eine Woche lang -umsonst. - -In wenigen Tagen umspannen wilde Gerüchte den verschwundenen Mann. Sein -schwarzer, zottiger Bart, die unruhigen, stechenden Augen und besonders -die verwegenen Räuberlieder, die er immer gesungen, verschafften ihm, -der ansonst ein wohlberüchtigter Mann gewesen, bald den Ruf eines -Weglauerers und Räuberhauptmanns. - -Uralte Waldgeschichten vom Räuber Schierling tauchten wieder auf, -der den Leuten den Geldbeutel abgeschreckt und sie auf die Bäume -hinaufgejagt und schließlich heruntergeschossen hatte wie Kranwitvögel, -und vom bayrischen Hiesel, der von den Wanderern die Zunge als Maut -genommen und hernach sich das Messer gestrichen hatte an den Hosen. Gar -bald war auch der Spucht der Mittelkern solch gefährlicher Sagen, die -von einigen zufälligen Geschehnissen genährt wurden. - -So gingen einmal die Dirnlein des Dullhäubel um Beeren und kamen weit -in die Wälder hinein. Da ward der kleinen Luzel bang vor der lautlosen -Öde, sie weinte, und um sie zu stillen, erzählte ihr die Stasel ein -Märlein. Ach, es fiel ihr gerade ein gar schauriges ein, daß ihr selbst -davor angst wurde! - -Sie erzählte: »Und die zwei Kinder sind in einen Wald kommen, -und allweil tiefer und tiefer sind sie hinein, und der Wald ist -stockfinster worden vor lauter wildem Laub und krummen Ästen, und -noch immer hat der Wald kein End genommen. Auf einmal steht vor ihnen --- -- -- das Räuberhaus.« Sie flüsterte dieses Wort, ins Herz davor -erschaudernd. - -Im gleichen Augenblick standen die Kinder vor einer verwurzelten -Höhle, drin schlief der Spucht, eine Pistole in der Hand. Die Kleinen -rannten über Rain und Stein davon und sprengten hernach schreckliche -Geschichten im Dorf aus. - -Bald darauf fand der Burgermeister, als er in aller Frühe vors Haus -trat, einen Zettel auf dem Zaun stecken. Es war ein Brandbrief. - -Am Dorfanger berieten sich die Fuxloher. Sie sahen sich schon -als Abbrändler mit einem Bittgesuch von Haus zu Haus gehen. Der -Brunnkressenhannes, der am schönsten lesen konnte, las den in -bauchiger, derber Schrift geschriebenen Brief mit schauriger Stimme vor. - -»Ihr Fuxloher Haderlumpen, Am Tag Medardi Brennt Dem Igelbauer Sein -Stadel. Wer Löschen Hilft, Dem Zünd Ich Auch Unter. Willst Du Wissen, -Wer Ich Bin? Schmecks.« - -»Den Brief hinterlegen wir beim Gericht,« entschied der Burgermeister. - -»Was hilft mir das?« klagte der Igel. »Wenn es lichterloh aus dem Dach -schlagt, was nutzt das Gericht? Der Nachtwächter muß die ganze Nacht um -meine Scheuer herum gehen.« - -»Da müssen ein paar tapfere Leut bei mir sein,« wehrte sich der -Nachtwächter, »ich setz das Leben nit allein aufs Spiel.« - -Der Grazian rief auf einmal: »Der Teufel schickt seinen Vorreiter -daher, der weiß euch Rat.« - -Schon von fern winkte der Dullhäubel. »Leut, brennen wird es! Unsere -rote Henne hat gekräht.« - -»Da habt ihr es,« greinte der Igel. - -Der Dullhäubel zog die Nase hoch. »Brändelt es nit schon?« - -Alle Augen richteten sich gen den Berghang, wo des Igelbauers -Wirtschaft war. Aber sie lagerte friedlich, und nur ein linder Qualm -hing über dem Rauchfang. - -»Dullhäubel, spaß nit!« mahnte der Glöckelbauer. »Der Schrecken ist mir -ins Knie gefahren.« - -Der Brunnkreßner legte den Brandbrief zusammen. »Der Schreiber ist in -keine gute Schul gangen,« sagte er mißbilligend, »jedes Wort hat er mit -einem großen Buchstaben angefangen. Das ist falsch.« - -»Ganz recht ist es,« stritt der Dullhäubel. »In einem Brief schreibt -man alles groß, daß keine Beleidigung geschieht.« -- - -Die Fuxloher forschten nicht nach, wer den Zettel geschrieben. Aber die -Brandwächter, die nachts um des Igels Scheuer lungerten, hielten die -Schießprügel fest und warteten, und der Nachtwächter sagte halblaut: -»Der Spucht, der rennt einem ohne weiters das Messer hinein. Er hat ein -kaltes Herz.« -- - -Der verrufene Mann irrte indes auf Diebssteigen in den Wäldern des -Lusens, fraß Krauselbeeren und hauste in einem umwurzelten, umknorrten -Loch, eine Eiche hatte dort die Fänge eingeschlagen. Er spürte hinter -jeder Staude Schergen und kaiserliche Reiter und sah den Himmel voller -Galgen. - -Nur wenn ihn der Hunger gar zu hart peinigte, traute er sich an eine -Einschicht heran und half den Leuten, die den Mann mit dem wilden Bart -nicht kannten, das Gras mähen und verlangte dafür Suppe und Brot. »O -weh,« seufzte er oft, »wenn die einöden Leut hören, daß ich den Kaiser -geschändet hab, sie werden mir nix mehr geben, und ich kann Holzobst -fressen wie die wilden Säu!« - -Er führte eine ungeladene, zerbrochene Pistole bei sich und wäre arg -verlegen gewesen, wenn er damit ein wildes Tier hätte abwehren müssen. - -Er ward schwermütig. Er dachte, jetzt käme er nimmer heim zu seinem -Weib und nach Fuxloh. Und Eisen und Zuchthaus warteten auf ihn. Pulver -und Blei! - -Am schlimmsten war ihm in der Nacht, wenn die Eulen wimmerten, finstere -Bäche unheimlich für sich hin redeten, schwarze Bügel flogen und -Gespenster schwärmten. Da nahm der Spucht oft vor der eigenen Angst -Reißaus und geriet in fremde, abseitige Schluchten und fremdes Gestrüpp -und Gesträuß und fand lange nicht zurück in die bekannte Gegend. - -Einmal ging er nachts auf einem fremden Holzsteig, der war so -unheimlich, als ob der Teufel dort herumstinke. Der feurige Mond -leuchtete, hinter finstern Stauden brummte ein Hirsch, verzagte -Wacholderstöcke standen karg und schaudernd im Wind. Und wie der Spucht -so einschichtig durch die Wildnis strich, sah er auf einmal am Weg -einen Mann, der schien zu lauern. - -»Halt, Longinus, das gilt dir!« dachte der Spucht. Die Ohren sausten -ihm. - -Der Mond verkappte sich hinter einer dicken Wolke. Die Moosgeiß rief -gespenstisch wie eine verirrte Kuh, und entsetzt rannte ein Bach aus -dem finstern Wald. Fern leuchtete eine Einschicht auf. - -Der Spucht nahm sein Herz in die Hand, ging auf den scheulichen -Kerl los, nahm den Hut ab und sagte gar erbärmlich: »Ich bitt um -Verzeihung, Herr, ich hab mich verirrt. Wie heißt denn der Wald da?« - -»Totenkopf.« - -»Und der Bach da?« - -»Mörderbach.« - -Nach der Einschicht fragte er nimmer, denn der Bösewicht hätte gewiß -geschrieen, sie heiße »Stichzu!« und wäre mit einem langen Messer -hergesprungen. - -Der Spucht kehrte sich um und stotterte ein Schutzgebet: »Gott, steure -mich ins Himmelreich!« Die Zähne schepperten ihm, er meinte, jetzt -pfeife ihm eine Kugel in den Rücken. Er rannte, bis er mit dem Bart in -einer Dornstaude hängen blieb. - -Die Einöd ist des Menschen Feind. In der Einöd ist alles zu fürchten. - -Dort steht ein Wald, brandig und dürr bis in den letzten Wipfel hinauf, -geisterhaft rieseln die roten Nadeln nieder. Das Gespenst eines -Holzknechtes, den ein stürzender Baum erschlagen, erwürgt diesen Wald. - -Dort ist ein Gehölz, und geht man nächtens dort, da fragt vom Wipfel -ein Unbekannter herunter: »Wohin?« - -Dort in der Schlucht ist ein Jäger für immer verschollen. Oft schreit -sein Geist drin auf. - -Der Spucht starb jede Nacht vor Furcht. Und mancher Baum reckte ihm die -festen Äste hin und knarrte: »Häng dich auf, Spucht!« - -Von Heimweh getrieben, schlotterte er schließlich gen Fuxloh. - -Die Bäume verdüsterten sich schon, als er durch den Vogeltänd huschte. -Es wurde wieder unheimlich. Eine Unke läutete im Moor, sie rief -wie eine verlassene Wittib. Ein Dämmervogel strich. »Es ist eine -Schneiderseel,« flüsterte der Spucht und bekreuzte sich. - -Mitten im zerfahrenen Hohlweg lauerte ein Mann genau so wie der im -Totenkopfwald am Mörderbach bei der Einschicht Stichzu. Oder war es -gar ein Spießwächter? Wird er nicht jetzt wie ein brennender Löwe -herspringen, den Scheuchhund neben sich? - -Alles war karthäuserisch still. Der Wind rührte nur einen einzigen Ast, -und der knarrte. Ein Klagweiblein schwang sich in die Luft, flatterte -und schrie. - -Der Spucht faßte Mut und schrie: »Ich schieß dich nieder, Hund, daß -du meckerst! Ich laß dir das Messer hinein, daß es dir hinten wieder -hinaus steht!« - -Der im Hohlweg aber lachte grausig. - -Da schrie der Spucht: »Bist du geheuer oder nit?« - -Der Dullhäubel stand wie der Teufel da. »Wo nebelst du herum, Longinus? -Zieht dich das Gewissen her?« - -»Bauer, Gnad und Erbarmen! Verrat mich nit!« flehte der Spucht. - -»Die Soldaten suchen dich, Longinus, zwölfhundert Mann mit einer Kanon, -der Feldmarschall Laudon führt sie an. Der Kaiser darf sich den Schimpf -nit gefallen lassen.« - -»Ich renn über die bayrische Grenz,« stöhnte der Spucht. - -»Dann wird ein Kriegsfall draus; der Laudon verlangt, daß du -ausgeliefert wirst.« - -»Mein Gott, soll unschuldiges Blut auch noch rinnen! Und ich hab es ja -nit bös gemeint. Was soll ich tun? Bauer, sag mir einen Ausweg!« - -»Stell dich reumütig dem Richter!« - -Und der Dullhäubel stolperte davon und jodelte: - - »Ich bin mit dem Kaiser - von Östreich in Stritt, - der Scherg will mich fangen, - er hat mich noch nit.« -- - - * * * * * - -Frühtags stand der Spucht wie ein Schlottergeist in der Amtsstube des -Landschergen Anton Zinkinker in Blaustauden. - -Der Scherge legte sich gerade in der Kammer daneben das -kaiserlich-königliche Gewand an. Inzwischen schaute sich der Spucht in -der Stube um. - -Verweisend blickte das Bild des Kaisers von der Mauer herab, und -darunter drohten ein Schleppsäbel und eine Doppelflinte. Über dem -Schreibtisch in geschnitztem Rahmen hing ein Schriftstück, darauf waren -Gewehre und Säbel, gekreuzte Pistolen und kriegerisch gefiederte Hüte -aufgemalt, und es flog den Spucht geradezu ein Frost an, als er die -blutgierigen Dinge so hart bei einander sah. Und über all dem wilden -Werkzeug stand geschrieben: - - - Belobungszeugniß - - Uiber Antrag der k. k. Bezirkshauptmannschaft Hirschenbrunn - wird dem Landschergen Anton Zinkinker für die mit unermüdlichem - Eifer und besonderer Ausdauer bewirkte Zustandebringung - des flüchtigen Dieben Franz Netachlo hiermit die belobende - Anerkennung ausgesprochen. - -Die Unterschrift war nicht zu lesen, aber so dick und so groß durfte -sich gewiß nur der Kaiser unterschreiben. Der Spucht knickte zusammen, -und seine Schuld erschien ihm bodenlos. - -Der Landscherge trat herein. Er hatte denselben Bart wie der Kaiser am -Bild. Den Säbel riß er von der Wand, gürtete ihn um und fuhr den Spucht -grob und kurz an: »Was wollen Sie?« - -»Die Waffen liefer ich aus,« stotterte der und legte seine Pistole auf -den Tisch. »Und ich bitt, führen Sie mich vors Kriegsgericht. Sonst -erdruckt mich das Gewissen.« - -Der Anton Zinkinker rollte ihn an: »Was haben Sie verbrochen?« - -»Ich bin der Longinus Spucht aus Fuxloh. Ist denn in der Zeitung nix -von mir gestanden? Wegen der kaiserlichen Beleidigung?« - -»Ich weiß nix«, brummte der Scherge. »Wenn Sie aber durchaus im -Zuchthaus Spinnen und Fliegen fangen wollen, so kommen Sie mit. Ich hab -sowieso in der Stadt zu tun. Reden Sie dort mit dem Richter!« - -Er schulterte das Gewehr, auf seinem Hut nickte der kriegerische -Hahnenschwanz, und er ging stolz und steif, die Brust heraus, und -schaute nicht rechts und nicht links. Neben ihm trippelte der -Armesünder mit geknickten Knieen, als führe sein Weg schnurstracks zum -Galgen. - -Die Leute, die ihnen begegneten, freuten sich. Sie sagten: »Es ist gut, -daß sie den Raubmörder einführen. An dem Bart sieht man es ihm an, was -er Blutiges imstand ist.« Oder: »Dem Spucht hab ich es oft gesagt, -daß wir uns im Zuchthaus sehen werden. Ein verwogener Raufer ist er -gewesen, überall dabei.« - -Er nahm alles zerknirscht hin. - -In Hirschenbrunn rannten ihm die Kinder nach und deuteten auf seinen -wildmächtigen Bart. - -Als er ins Gerichtshaus trat, war ihm, er müsse tot umfallen. Er sah -sich noch einmal um und wisperte: »Blaue Luft und grünes Gras, behüt -euch Gott! Berg und Wald und Hirsch und Reh und Weib und Kind, ich seh -euch nimmer. Mein Lohn ist Pulver und Blei.« - -In einer Kanzlei empfing ihn ein alter Herr, sein Bart war weiß wie -Rauhfrost, doch die Augen funkelten ihm scharf und jung. - -Er ließ ihn hart an: »Sie sind also der berüchtigte Räuberhauptmann -Spucht?« - -»Taglöhner und Holzhacker bin ich, sonst nix, Euer Gnaden,« stammelte -der Spucht. - -»Wieviel Menschen haben Sie ermordet?« - -»Keinen, um Gotteschristi willen, keinen!« schwur er entsetzt. - -»Warum haben Sie den türkischen Kaiser beleidigt, Sie Grobian? Hat er -Ihnen etwas getan?« - -»Ei, gibt es einen zweiten Kaiser auch noch?« Der Spucht ließ das Maul -offen vor Verwunderung. - -»Weh Ihnen, wenn ich noch einmal etwas Ähnliches von Ihnen erfahre! -Dann kenn ich keine Gnade mehr,« drohte der Richter. »Und nun kehren -Sie in den Schoß der Gemeinde Fuxloh zurück! Vorerst aber lassen -Sie sich vom Balbierer nebenan auf meine Kosten den Bart stutzen. -Verstanden? Hinaus!!« - - * * * * * - -Die Fuxloher wollten wallfahrten gehen. - -Sühnen wollten sie, daß einer von ihnen sich an dem Heiligen -vergriffen; sie wollten verhindern, daß ob dieses Frevels der Himmel -mit schwarzen Wettern auf Saat und Frucht niederschlage, die der -verschollene Blaumantel nimmer schützte. Und weil die Not kein Gesetz -kennt, wollten sie an überheiligem Ort bitten, daß der Erzschelm -Kasper Dullhäubel bald von der Erde weggeräumt und der Hölle -überliefert werde, die er sich reichlich verdient hatte. - -Der Meßner Grazian wurde frühzeitlich von dem Uhrgewicht geweckt, das -von der Höhe herab mählich auf seine Stirn gesunken war. Er lugte zum -Fenster hinaus, wie der Wind gehe und ob kein gefährliches Gewölk -hänge zwischen den Bergen Rachel und Lusen. Doch stand der Himmel hell -gespannt über dem Land, und das Wetterglas stieg. Da stiefelte er sich -festlich, knüpfte sich ein rotes Halstuch unter dem Adamsapfel, band -grobes Geld ins Schneuztuch und weckte den Brunnkressenhannes. - -Der Hannes blies gewaltig ins Kuhhorn, und droben im Dachreiter des -Glöckelbauern rührte sich das Geläut. Jedes Gehöft sandte seine -Leute zur Wallfahrt aus; Alte und Kinder, die ansehnlichsten und die -mindesten Fuxloher kamen daher, denn es gab schier keinen im Ort, dem -der Dullhäubel nicht einmal eine Schalkheit angetan hätte. - -Bald waren sie wegfertig. - -Vier schwangere Bäurinnen holten aus der Kammer des Grazian eine -geschnitzte heilige Walburga. Der Igelbauer trug auf einer Stange den -heiligen Kölbel, der die Wallfahrer schützt auf ihrer staubigen Reise; -der Brunnkressenhannes schwenkte die Männerfahne, der Spucht lenkte die -Weiberfahne, und der Hahnenwirt ging mit dem gekreuzigten Herrgott. - -Die Dirnen hatten die Zöpfe mit Myrten und holden Zaunblumen geziert, -und auch die uralte Ulla ging mit, das silberne Haar hatte sie gelöst -und sie durfte es so tragen, weil sie eine Jungfrau war. - -Sie trugen Zehrung in Zwilchsäcken mit und in Bündeln, mancher hatte -sich weislich mit einem Regenschirm versehen. - -Als die Kreuzschar singend auszog, lag der Dullhäubel auf einem Bühel. -»Ich kann nit mitgehen,« schrie er ihnen nach, »auf der Ferse wachst -mir ein Hühneraug, so groß wie eine wallische Nuß.« - -Der Grazian schüttelte den Schirm. »Spott zu! Du hast bald -ausgespottet!« - -»Wie meinst du das, du Vaterunsermühl? Willst du vielleicht gar bitten, -daß ich bald hin werd, du Weihbrunnkrug? Haltest du unsern Herrgott für -einen Schuft, der sich kaufen laßt, du augendreherischer Meßner? Geh -zu und verricht dein kniebeuglerisches Geschäft!« - -»Rennen wir, sonst wirft er uns ein paar unschöne Wörter nach!« drängte -der Hannes. - -Der Schelm am Bühel näselte, den Grazian nachahmend, der eilenden -Kreuzschar seinen Spott nach. - - »Die schönste Zeit ist eingetroffen, - die Einkehrhäuser stehen offen, - singt, Wallfahrer, sauft nur zu, - schnürt euch die Schuh mit dem Strohhalm zu!« - -Der Schmied Sulpiz Schlagendrauf wollte gegen den Sänger losgehen, doch -der Grazian hielt ihn beim Rock. »Herr, vergib ihm!« seufzte er mit dem -Blick nach oben. - -Der Dullhäubel lachte und schalt: »Ihr Nothälse, ihr habt alle nix, -müßt euch die Schuh mit Rotz schmieren! Ihr Zipfelhaubenbauern, ihr -Waldesel, stehlt euch nur wieder einen buchsbaumenen Heiligen!« - -Knirschend zog die Kreuzschar davon. -- - -Der schwänkische Mann schlenderte vergnügt heim, weil er den -Wallfahrern den rechten Segen mit auf den Weg gegeben hatte. - -Aber als er zur Kapelle kam, war ihm, der helle Donnerstrahl schlage -vor ihm nieder: der Blaumantel stand wieder drin, mit hellen Farben -neu bemalt, den Kinnbart reichlich vermehrt und verlängert, den Blick -weit greller und stechender als früher. - -»Der Teufel blendet mich!« krächzte der Dullhäubel. - -Doch der Teufel äffte ihn nicht, sondern munkelte ihm ins Ohr. Da -schaute der Schelm sich pfiffig um, und als er nichts Lebendiges merkte -als einen Vogel, der auf einem Tannenspitz rastete, und nichts hörte, -als ein paar Dompfaffen und Teufelsmeßner im Wald, nahm er den Heiligen -beim Genick und schleifte ihn auf heimlichem Steig zu dem alten -Backofen, dort schob er ihn hinein und zündete ihm höllisch unter, und -der Blaumantel fing an zu prasseln und zu knallen und sang wie die drei -Jünglinge im Feuerofen. - -Mit leichtem Gewissen ging der Dullhäubel zum »pfalzenden Hahn«. - -Wirt und Wirtin waren auf der Wallfahrt. Das Dorf war wie ausgestorben, -nur das Vieh hörte man glöckeln auf den Hutweiden. - -Da stieg der Dullhäubel durchs Fenster in die Stube, legte ein paar -Guldenzettel auf den Tisch und stach sich ein Faß an. »Jetzt, Seel, -spring aufs Geripp, sonst ersaufst du!« lachte er und zechte gewaltig -und ebenbürtig den Vorfahrern, die im Jahr nur zwölfmal aus dem -Wirtshaus heimgekommen waren. - -Erst als das Abendglöckel läutete und der Fuchs im Steinriegel den -Hühnersegen betete, taumelte er heim vom Leichentrunk des Blaumantels -und stieg, der Ogath nicht in die Hände zu fallen, ganz sacht auf den -Heuboden und wühlte sich dort ein. -- - -Der Spucht schwenkte die schleißige Fahne, darauf die Notburg gemalt -war, wie sie die Sichel an den Lichtstrahl hängte. - -»Ewig leid ist mir um den Blaumantel,« seufzte der Grazian, »der ist -auch ein starker Himmelsfreund gewesen, hat einen Nagel in den Nebel -geschlagen und die Stiefel dran gehängt.« - -Er lugte durch die messingenen Brillen, die er aufgesetzt hatte, die -Wallfahrt zu verschönern, ins Gebetbuch; die Wangen glühten ihm, -weil er sich heute wichtiger wußte als die andern Fuxloher, den -Burgermeister mit einbegriffen, eine Litanei nach der andern näselte -er der Kreuzschar vor und hörte nimmer auf. Er hatte sich gelobt, den -Dullhäubel tot zu wallfahren. - -Bergan ging es, alle stapften stumm, der Berg nahm ihnen den Atem. -Nur als sie zu einem hochgelegenen, wenig ergiebigen Acker kamen, der -zum »pfalzenden Hahn« gehörte, da hielt der Wirt das Kreuz, das er -trug, darüber, schüttelte es zornig und schrie: »Da schau dir ihn an, -Herrgott! Ist das ein Hafer?« - -Oben auf der Schneide, wo man den letzten Blick über Fuxloh genießt, -ehe es hinter Berg und Baum versinkt, da kehrten die vier Weiber mit -der Walburga um, und der Grazian rief seiner Schar zu: »Da schaut hin, -da seht ihr noch einmal euer liebes Vaterland!« - -Sie wallfahrteten von Staude zu Staude, talnieder und bergauf durch den -blauen Sommer, wateten durch die seichten, felsklaren Bäche, die krumm -und weitläufig daher rannen, schritten über wackelnde Stege und feste -Brücken; übermütig flatterten die Fahnen. Helle und dumpfe, reine und -krähende Stimmen sangen dem Vorsänger die Weise nach und beteten aus -morschen Büchern, daß die Wälder erschollen, die Scheuern widerhallten -und die Dörfer, die sie durchwallten. - -Die Ulla, die ihr Lebtag noch nicht viel weiter als über die -Dachtropfen ihrer Hütte hinausgekommen war, wunderte sich ein über das -andere Mal: »Leut und Kinder, ist die Welt aber groß! Jetzt steht dort -droben auch noch ein Haus!« - -Barfuß ging sie dahin, die Schuhe am Stecken über die Achsel gehängt. - -Und der alte Didelmann hüpfte hin und wieder behend in eine Einschicht, -um sich den Ziegel wärmen zu lassen, den er am Bauch trug. - -Wie an einem weißen Band waren die Dörfer an der Straße aufgereiht, -und wo die Kreuzschar zog, schwangen sich die Glocken in den kropfigen -Türmen und schlanken Dachreitern, lenkten und schwenkten und senkten -der Brunnkreßner und der Spucht die Fahnen, trug der Hahnenwirt den -Herrgott und der Igel seinen Stangenkölbel um die Kirchen und traten -singend hinein, dem heiligen Wolfgangi und dem Isidori und dem Prokopi -einen kurzen Gruß zu bieten, und hernach wanderten sie den Weg weiter, -der hübsch krumm talein, talaus sich schlängelte gen Maria-Dorn. - -Stauden grünten am Steig, es hingen rote Blumen drin, der Tau flocht -Rosenkränze, ein zarter Wind rührte scheu an Korn und Wald, Vögel -schwätzten und wirbelten, der Specht, der Holzknecht, hackte lustig den -Tann an, und über dem allen gewölbt hing der muttergottesblaue Himmel. - -Bäche schossen daher aus Klüften und Gründen, verborgene Mühlen -murmelten in den Schluchten, und vom Turm des heiligen Bartholomä, der -das dreieckige Fenster hatte, das die Kinder das Auge Gottes hießen, -von dem Turm rief neckisch die Glocke immer wieder: »Klingeleisen, -Bügeleisen!« - -An einer zerfallenen Burg wallten sie vorbei, drin nach der Sage ein -verwunschener Schnapphahn geisterte. Die Buben riefen in den Keller -hinein: »Zinnspanner, komm heraus!« und huschten wie gescheuchte -Hirschlein davon. - -Mit leisem Schauder schritt die Schar an dem Pesthügel vorbei. Und -manch sonderbarer Heiliger wartete am Weg und wollte lobsungen sein -und ein blaues oder buntes Kränzel empfangen. Die Muttergottesfahrer -kannten meist den Namen und die Geschichte dieser Heiligen nicht, -sie deuteten und benannten sie aus ihrer Einfallt heraus, wie sie es -verstanden oder einmal hatten erzählen hören. - -Im Schatten seiner rostigen Strahlenscheibe stand auf einem Bein ein -solch namenloser Himmelsmann; das andere Bein, das er an sich gezogen -hielt, mochte ihn schon schmerzen. Doch schnitt er trotz seiner Marter -ein vergnügliches Gesicht. Dreißig Jahre soll er nicht gesessen noch -gelegen sein und habe mit dieser Peinigung das Himmelreich an sich -gerissen. - -»Nehmt euch ein Beispiel an ihm, Fuxloher!« sagte der Grazian und -versuchte ein wenig auf einem seiner spandünnen Beine zu stehen. Und -alle drängten zu dem steinernen Weihbrunn hin und besprengten sich -eifrig. - -Vor dem Wermutdörflein -- so hießen sie den Ort, weil im Wiesental -rings soviel Wermut blühte -- vor dem Dörflein stand das Hasenmarterl. -Darauf freuten sich die Kinder schon den ganzen Weg, und die Mütter -trösteten die müden Kleinen damit. - -Der Grazian erzählte, ein Bauer habe einmal Sonntags so hitzig einen -Hasen gejagt, daß er die Messe versäumte, und drum habe er zur Sühne -die winzige Kapelle gestiftet. - -Drin saß nun das heilige Kind mitten unter tanzenden Hasen, und die -Kreuzschar lachte hinein und ergötzte sich an dem drolligen Tanz, und -die Kinder wollten schier nimmer weiter und wollten immer wieder die -Hasen sehen. - -Doch der Meßner drängte, und sie folgten ihm. Er betete ein Gebet nach -dem andern und rief immer aus, wem es gelte. »Wollen wir ein Vaterunser -beten für unsere schwertragenden Weiber!« forderte er, und sie beteten -mit klaren und hohlen Stimmen. Und weiter rief er: »Ein Vaterunser für -solche, die auf hohen Wassern fahren! Und noch eins, daß Kraut und -Hafer gedeihen in der Gemeinde Fuxloh!« - -Hernach zog er einen pfiffigen Mund und sprach: »Jetzt wollen wir ein -Vaterunser aufopfern für alle, die gern mitgegangen wären! -- Und eins -für die, die nit haben mitgehen können! -- Und eins für die, die nit -haben mitgehen wollen!« - -Er goß einen Schluck kornenen Branntwein in sich, und da eben ein -urwinziges, weißes Wölklein aufstieg, rief er: »Jetzt wollen wir beten, -daß wir in einem trockenen Regen gehen!« - -Doch oft hob er stark und geheimnisvoll die Stimme: »Aber jetzt beten -wir recht inbrünstig und herzhaft für den guten Ausgang einer gewissen -Sache!« Da sah er schon vor dem gesammelten Stoß der Gebete den -verruchten Dullhäubel hintaumeln auf den Totenschragen und überliefert -den gespreizten Krallen der Hölle. - -Da setzte die Gemeinde gewaltig ein, und es klang wie eine sonderbar -wirre Orgel. Doch galt alle Inbrunst dieses namenlosen Gebetes nicht -dem Tod des Schelmen, sondern jeglichem glühte ein anderes Anliegen im -Herzen. - -Der Brunnkressenhannes wünschte sich den Wurm weg, der ihm im Finger -tobte; der Didelmann wollte sein inneres Leiden erleichtern, und die -Glöckelbäurin wollte ihren Zopf aufhängen am Arm der Muttergottes, -die Haare waren ihr ausgefallen in schwerer Krankheit; der Lukas -Schellnober trug seinen Stockzahn gen Maria-Dorn, und die Mechel -wollte dort um einen Mann bitten, nur um keinen rotköpfigen. Der eine -wallfahrtete wegen des Mausfraßes, der andere seinem kranken Roß, der -dritte seiner trächtigen Kuh zulieb. Die Ulla schleppte ihr schweres -Herz mit, das sie in verfluchtem Hexentum verloren wähnte. - -Der Lippenlix ging auch mit, weil ihm der Dullhäubel den Bart -geschändet hatte. Er war ein solcher Spielteufel, daß er selbst im -Gehen mit seinesgleichen Karten spielte, und nicht eher ließ er davon -ab, bis ihm der Lukas Schellnober die Eichelsau aus der Hand schlug. - -Weiter ging es. - -Sankt Peter, der Wettermacher, grüßte aus seinem blauesten Fenster. Auf -den Blockhalden glühten schlanke Weidenröslein, Stauden einsiedelten -auf traulicher Heide, die Wiesen lagen rot und weiß und gelb -gesprenkelt, und ihre tausend Tauäuglein glühten. Lerchenträchtig war -der Himmel. Hasen reckten die Löffel aus Klee und Ginster, Spechte -spähten, die Eichkatze staunte aus dem föhrenen Wald, der Grill -lauschte im Gras auf, wenn die Bittfahrer vorübersangen. Bienen und -schöne goldige Fliegen sumsten heimlich die Marienweisen mit. - -Gar als der Kuckuck vom Berg jauchzte, da rief die Ulla, der sich die -Welt auf einmal gar so unheimlich weit auftat, freudvoll aus: »Der -Fuxloher Guckauf ist mit auf der Wallfahrt, ich kenn ihn am Schrei!« - -An einem Hang voll gelber Rainblumen hoch oben auf einer Säule stand -ein Steinmann, mit den Füßen mitten drin in einem Strahlenkranz. -Ihn hießen sie den heiligen Grobian, weil er der Straße und ihren -Wandersleuten den Rücken kehrte. - -»Das ist eine Wundersäule,« sagte der Grazian, »sie dreht sich -langsam.« - -Der Didelmann, der der älteste Mann von Fuxloh war, erzählte: »Vor -fünfzig Jahren, ich denk es noch, hat der heilige Grobian mit dem -Gesicht noch auf die Straße geschaut. Ganz langsam dreht er sich, alle -Jahr gibt es ihm einen geringen Ruck. Merkt auf, Kinder, wenn ihr in -fünfzig Jahren wieder da vorüber geht!« - -Die Ulla aber redete: »Ihr sollt ihn nit den Grobian schelten! Wer -weiß, ob derselbige nit durch sein Blut hat ins Himmelreich schwimmen -müssen? Wer weiß, ob die schlimmen Heiden ihn nit mit Blei, Öl und Pech -begossen haben?« - -Da graute allen, und sie knieten reuig vor dem gescholtenen Heiligen -hin. Nur der Brunnkressenhannes nicht, denn seine Filzhosen waren so -dick, daß er drin die Kniee nicht biegen konnte. - -Der Spucht schneuzte sich gerührt in den Hut. - -Durch Drosselwälder und über Kuckucksberge wallend, stießen sie auf -eine abgebrannte Florianikapelle; sie war nimmer aufgebaut worden, weil -man den heiligen Feuerherrn nicht mehr traute, der das eigene Haus -nicht beschützt hatte. - -Vor mancher Bildsäule warf sich die Kreuzschar in die Kniee. - -Da war der selige Simandel. Der hieß so, weil er gar erbärmlich geduckt -stand, als fürchte er eines scharfen Weibes Angriff. Vielleicht hatte -er in einem demütigen Ehestand die Marterpalme errungen. - -Einmal führte der Grazian seine Herde zu einem Felsen und zeigte ihnen -darauf ein Loch, das hatte der Bischof Wolfgang auf der Reise mit -seinen Füßen hinein getreten. - -Er wies ihnen einen hohlen Stein, der war der Sessel der glorreichen -Frau gewesen auf der Flucht, bis sie ein Geißhirt davon vertrieb mit -rauhem Schelten und Geißelknall. - -Er führte sie zu einem wunderbar riechenden Dornbusch. Dort hatte einst -ein Bittfahrer ein geweihtes Gottesbrot erbrochen, und an selbem Fleck -war hernach die Staude gewachsen. Jetzt steckten die Fuxloher andächtig -schnüffelnd die Nasen darein, stumpfe und spitze, weiße, rote und blaue. - -Einen Heiligen trafen sie, der rastete mit durchbohrtem Leib mitten in -hohen Disteln drin, verzückt in sein Leid. Ein Stieglitz wiegte sich -auf einem der vielen Distelköpfe und letzte sich dran. - -Die Kinder wollten wissen, warum der Marterer den Spieß im Bauch habe; -niemand konnte es ihnen deuten. - -Ein Hirt lagerte unter einem nahen Haselnußbaum, der rief: »Der -Herrgott hat unserm Heiligen zwei Zungen gegeben, daß er ihn besser -loben kann.« - -Den Grazian verdroß die Prahlerei arg, und er knurrte: »Unser -Blaumantel hat drei Zungen gehabt. Ich bin ein steifgläubiger Mann, -aber gegen unsern Heiligen gilt euer Distelbub einen Pfifferling.« - -Der Hirt raffte sich neugierig auf. »So seid ihr die Fuxloher, die die -Heiligen stehlen? Bei euch sollen ja mehr Spitzbuben als gestutzte Hund -sein.« - -Das ergrimmte den Hahnenwirt, und er schlug mit dem gekreuzigten -Herrgott auf den Spötter los, der aber wehrte sich verbissen mit -seinem krummen Stecken. Der Lukas Schellnober tat schließlich die zwei -auseinander. - -»Dazuland sind die Hirten grob, das ist wahr,« schimpfte der Grazian, -als sie schon weit von dem Distelgarten waren. »Kein Wunder, wenn die -Muttergottes davon rennt! Setzt dem Teufel eine Säul her!« - -Mit hellen Augen sah die Ulla all die fremden Kapellen und Bilder der -Heiligen, die auch nach dem Tod nicht ermüdeten, Wunder zu wirken, und -sie konnte sich vor lauter Ehrfurcht nicht genug tun, und als vor einem -jähen Straßenabsturz eine Säule stand, die Fuhrleute zu erinnern, daß -sie hier den eisernen Schuh unter das Rad zwängen sollten, da ließ sich -das Weiblein es nicht nehmen, sie kniete hin und betete gläubig hinauf -zur Gibachtsäule. - -»Heiliger Radschuh, das sollt der Dullhäubel sehen!« lachte der rauhe -Schmied. - -Unter einer breiten Linde, in deren Laub es sommerlich summte, rastete -die Schar. - -Der Longinus Spucht lehnte das Notburgisfähnlein an den Baum und setzte -sich auf eine Wurzel. Er hatte himmelblaue Hosen an und rote Strümpfe, -er starrte auf die brennenden Waden und dachte zurück an die wilden -Nächte am Lusen, während sein Weib am nahen Feld viereckigen Klee -suchte, daß sie Glück habe. - -Die Kirchfahrer holten ihr Brot hervor, schmierten Schmalz darauf oder -häuteten eine Wurst. Die Mütter zöpften die Dirnlein, die sich das Haar -an den Stauden zerrauft hatten. - -Die Ulla fand ein paar Silberdisteln, sie schnitt den fleischigen Boden -davon ab und aß ihn. »Das ist kein schlechtes Obst,« dachte sie. - -Sie strich wunderlich erregt in der Nähe der Raststatt herum. Sie fing -einen bunten Weinfalter, der gar nicht scheu war und der Menschen -Arglist nicht ahnte, und tat ihn in ein Schächtlein; sie zupfte -Dornblumen ab und zierte sich den verrunzelten Kopf. Und als sie eine -dichte Staude auseinander bog, erschrak sie bis ins innerste Herz: -da lag verborgen der Marterheiland, kraftlos niedergesunken an der -Geißelsäule, ein grauer Stein. Und halblaut sang die Uralte: - - »Unser Herrgott liegt im Moos - gepeinigt und zerschunden, - zählt die fünf bittern Wunden, - und sein Schmerz ist groß. - Kann nit sitzen, kann nit stehn, - kann nit auf und weiter gehn, - liegt in Dorn und Schleh, - die fünf Wunden tun ihm weh.« - -Hernach ließ sie die Staude wieder sanft zusammenschlagen und schlich -weg. Sie verriet keinem den heimlichen Herrgott. - -»Lüpft euch auf!« rief der Grazian. »Wir müssen weiter.« - -Verschollene, bemooste Gebete klangen wieder, oft ein Gemisch von -Frömmigkeit und Unsinn, in alten halbvergessenen Formeln, den Betern -selber unverständlich. Doch sie zerbrachen sich darüber das Hirn nicht -und glaubten, Gott werde es sich schon auszudeutschen wissen. Wenn die -Wellen der Gebete gar zu hoch schwollen, da reckte der Grazian den -Finger auf: »Gebt nit alle Kraft her! Spart sie der Maria auf im Dorn!« - -Sie traten aus dem Gebirg heraus in ein freundliches Liebfrauenland -voll sanfter Hügel, deren einige grüne Wälderhauben aufhatten; gelbe -Felder wogten, Wiesenhalden lachten. - -Sie wanderten bald auf breiten, ebenen Straßen, bald gingen sie eines -hinter dem andern einen dünnen Steig durch hohes Korn, sie verschwanden -drin, und nur die Fahnen ragten drüber hinaus und kündeten von ihrer -Wanderung. - -Ob des endlosen Getreides verzagten die Kinder, sie fürchteten, das -Kornweib greife aus den Halmen und verschleppe sie in die knisternde -Wildnis. - -Der Mittag flirrte über dem Land, immer glüher ward die Sonne, immer -müder die Kreuzschar. Sie spannten die roten und grünen Schirme wider -das ungestüme Licht. Staub stieg. Die Kinder trippelten an den Händen -der Mütter, greinten und weinten oder begehrten ungeduldig heim. Viele -ließen sich tragen. - -Der Didelmann seufzte: »Der Ziegel ist noch hübsch warm, aber die Nägel -hab ich mir von den Zehen gerannt.« - -»Steinmüd bin ich,« klagte der Igel. »Der Sommer haut heuer über die -Schnur. Für den Kornschnitt ist es recht.« - -»Der Weg wird sauer,« flüsterte der Grazian, »aber nachlassen dürfen -wir nit.« - -Der Burgermeister lugte auf die Sackuhr und sagte: »Der Weg zieht sich, -wir haben noch eine harte Stund vor uns.« - -»Hör auf mit deiner Uhr,« neckte ihn der Sulpiz, »sie geht nach dem -Fuxloher Mondschein.« - -Und der Brunnkressenhannes seufzte: »Wenn nur der afrikanische Wind nit -wehen tät!« - -Glänzte irgendwo ein Wiesenbrunn auf, so stürzten sie darüber her und -tranken. An den Bächen wuschen sie sich die staubigen Stirnen. Erlöst -atmeten sie, wenn ein Hain seine Kühle über die Straße warf. - -Einmal bildete sich der Grazian ein, er habe sich die Füße ausgekegelt. -Er legte sich ins Gras, streckte die dünnen Beine in die Höhe und -flehte: »Spucht, zieh an, aus Leibeskräften zieh an!« - -Der Spucht ließ sich nicht bitten und rüttelte ihm die Gliedmaßen. - -»Weh, du reißt mir den Fuß aus!« jammerte der Meßner. Er sprang auf und -hinkte weiter. - -Die Ulla aber hatte ihre Traurigkeit vergessen. Sie hub ein helles -Lied an, das sonst niemand kannte, und drum blieb ihre spinnwebfeine -Stimme einsam. Vor den halbgeschlossenen Augen schaute sie die heilige -Frau, der ihr Kittel war aus Sonnenschein, und gegürtet war sie mit dem -Regenbogen. Und die Ulla fügte lustige Triller und jähe Jodler in ihre -Weise, sie konnte nicht anders als fröhlich singen, verstummt war die -Qual des Gewissens, und das Herz schlug ihr hellauf vor glücklicher -Erwartung. - - »Wer hat denn nur das Lied erdacht? - Droben aus der Höh - es habens drei Engel vom Himmel gebracht. - Mariafrau, juchhe!« - -»Hört der Ulla zu!« brummte der Schmied. »Ja, wenn die alten Weiber -tanzen, hernach fliegt der Staub hoch.« - -Sie trabten eine kühle Waldstraße hin. Örterweise warteten Kapellen, -drin des gebundenen Heilands Leidensrast und Weg zur Schädelstätte gar -wild und lebendig abgebildet war. - -Die Sonne ermüdete und senkte sich aus der Höhe. - -»Leut, verzagt nit!« feuerte der Grazian seine Schar an. »Wir haben -nimmer weit zum goldenen Haus.« - -Er fing eine Litanei an und betete sie genau mit derselben singenden -und nachhallenden Stimme wie sein verstorbener Pfarrer Sebastian -Knaupler, so daß mancher erschrocken auffuhr und meinte, den Verewigten -selber zu hören. - -Der Meßner betete vor: »Von der heimlichen Nachstellung des bösen -Feindes --.« - -Die Kreuzschar fiel ein: »Erlöse uns, o Herr!« - -»Von Pestilenz und Krankheit --.« - -»Erlöse uns, o Herr!« - -»Von Blitz und Ungewitter --.« - -»Erlöse uns, o Herr!« - -»Von den bösen Werken und Anschlägen des Kasper Dullhäubel --.« - -Da jauchzte die Ulla auf und deutete. - -Über den Wald stiegen die Turmspitzen der Muttergottes, die in den -Dornstauden gefunden worden war, und funkelten mit blanken Knöpfen, und -die Bittfahrer jubelten, und der Meßner schwenkte den Gupfhut. - -»Die Turmknöpf sind großmächtig,« sagte der Hahnenwirt, »ein jeder -faßt einen ganzen Eimer Wein. Und das Uhrgewicht im Turm ist ein -versteinerter Laib Brot.« - -Aus hohem Kreisfenster lugten die Glöcknerbuben, und schon läutete eine -Glocke voll und schwer und himmlisch aus dem Getürm, es war ein Klang, -als grüße die Herrgottin selber mit goldener Troststimme das Häuflein, -das mit irdisch kläglichem Anliegen zu ihr kam, zur Muttergottes, die -alle Gebresten wandelt in eitel Gesundheit, alle Schwäche verkehrt in -blanke Kraft, alle Verzagtheit und Angst stillt, zur gewaltigen Frau, -aus deren Schoß das Heil in die Welt gedrungen. - -Andere Glocken gesellten sich der goldenen Hochfrauenstimme, und ein -Glöckel war darunter aus lauterem Silber, vor vielen Jahren hatten -es die Fuxloher gestiftet, aus den silbernen Knöpfen der Bauern war -es gegossen, und die Burgermeisterin selber hatte eine Schürze voll -Laubtaler in die kochende Glockenspeise geschüttet. Nun klang das -Glöckel lieb und herzlich, als sänge eine junge Bauerndirne, und als -wüßte es, wer jetzt zu Besuch käme. - -»Die Fuxloherin läutet,« freuten sich alle, das Wasser zitterte ihnen -in den Augen ob der Heimatstimme, die rosenkranzumstrickten Hände hoben -sich. - -Der Wald tat sich auf: da lag die Gnadenstätte vor ihnen, hoch und -mächtig. - -Ein Rausch ergriff die Kreuzschar, die Fahnen bauschten sich, die -Quasten baumelten. - -Der Ulla war, jetzt müßten die Heiligen in der Kirche von den Simsen -springen und ihnen entgegengehen, und sie selber trat einher gleich -einer Hochzeiterin, das aufgelöste, bekränzte Haar wehte ihr wie ein -silberner Schleier, ihre Augen waren heiß und selig aufgetan. Da -schauten alle Wallfahrer die Ulla an und wurden von dunkler Ehrfurcht -bewegt. - -Dann wurden die Fahnen geschwenkt und geneigt, Gesang stieg aus dem -Wegstaub, die zarten und die groben Stimmen griffen ineinander. - - »Über Berg und über Tal - und mit freudenreichem Schall, - über Wald und grüne Au - reisen wir zur Lieben Frau.« - -Immer brünstiger, gläubiger, wilder sangen sie, vergessen war der müde -Leib, die Herzen schlugen, die Stirnen brannten, die Kinder taten die -Augen wundergroß auf. - -Funkelnd trat der Pfarrherr aus dem Tor, die Sonne gleißte in der -erhobenen Monstranz. Die Altarbuben schwangen die Schellen. - -Alles warf sich vor der Blendnis nieder, schüttete sich hin vor -dem Segen, der sie grüßte, jeder schlug an die Brust und wagte vor -Unwürdigkeit nicht, seinen Gott zu schauen, der aus der Monstranz -glühte. - -Die Kirche empfing sie mit feierlicher Kühle. - -Die Orgel donnerte. Weiße Säulen, wie Schlangen gewunden, trugen den -Hochaltar, und dort, umflattert von blauem Weihrauch, umkränzt mit -schimmernden Heiligen, herrschte Maria, die Fürbitterin, die erste Frau -im Himmel und auf Erden. Perlenstarrend, in gelben Locken, mit goldnen -Ketten behangen, im Arm das Krönleinkind, erwartete sie die Menschen. -Ihres blauen Sternenkleides Falten flossen hin wie ein geackertes -Feld. Engel hielten eine Krone über sie. Große, gewundene Wachskerzen -flackerten, und hoch droben glitzerte das gestirnte Gewölb tausendmal -schöner als der Himmel der Nacht. - -Gestalten in verzückten Gebärden leuchteten an der Wand, ganze Kitten -himmlischen Geflügels gaukelten wie Falter im Himmelsgarten. Kanzel, -Altar, Rahmen, Leuchter, Lampen, alles funkelte, wie es sich für das -Schloß der Königin ziemt, die die höllische Schlange überwunden und -unter ihre Ferse gebracht hat. Rings lehnten Krücken und Stecken, die -die Geheilten abgelegt hatten, die vormals so erbärmlich lahm gewesen, -daß sie hatten weder kriechen noch gehen können. Eine wächserne Zunge -hing dort, von einer Frau gestiftet, der die Zunge ans Zahnfleisch -gewachsen war und sich hernach gelöst hatte. Auf Tafeln und Widmungen -war geschrieben und gemalt, wie die göttliche Dornstaudnerin den -Stummen die Rede geschenkt und den Rasenden die Vernunft, wie dem -Blinden der Schein, dem Tauben das Ohr offen wurde, wie Geschwulst und -Rotlauf vergingen, Wunden sich schlossen, Menschen wunderbar errettet -wurden aus wilder Gefahr. - -Die Fuxloher bestaunten alles, nickten der Göttlichen zu und warfen ihr -kupfernes Geld in den Opferstock. - -Die Kerzen knisterten am Altar, die Ulla starrte darein und staunte: -»Reiche Welt!« Sie sah die Perlen glühen an der Gnadenfrau, Perlen -größer als die Haselnüsse am Vogeltänd, hellblaue, pechschwarze, -veilchenfarbne Perlen. Alles gloste von Gold und Silber und -wunderschönem Glas. - -Doch der flimmernde Muttergottestand ängstigte die Alte, sie wagte kaum -den hochlobpreislichen Namen zu wispeln, und hätte doch gar zu gern -ihren weißen Kopf gelegt in Marias Schoß. Die droben am Altar war ihr -zu stolz und zu reich. »Sie wird die armen Leut nit kennen wollen,« -seufzte die Ulla. - -Jetzt reckte der Grazian den Hals und flüsterte eindringlich: »Leut, -es ist an der Zeit, vergeßt nit, warum wir den weiten Weg gangen sind! -Sagt es fein der Dornstaudnerin, warum wir heut ihren Freund, den -Blaumantel, nit mittragen!« - -Da murrte die Schar ein dumpfes, hartes Gebet wider den Erzschelmen und -Landschaden Kasper Dullhäubel. - -Die Ulla aber stahl sich mit bekümmertem Blick hinaus aus dem Glanz und -irrte traurig und verlassen um die Kirche. - -Da fand sie eine Kapelle, drin raunte und sprudelte es traulich, und -über dem rinnenden Brunnen war die Gottesmutter auf ein Brett gemalt, -die lächelte lieb und grüßte mit den schlichten Augen das Weib; auf dem -Schoß zappelte ihr das Kind, es tappte gerad nach einem Gimpel, und der -Vogel drehte den Kopf und biß den Buben in den Finger. - -»Ei, da ist fröhlich hausen,« dachte die Ulla und kniete mit müden -Knieen auf die Betstaffel hin vor das Bild und schaute sehnlich empor. -Sie, die heimatlos war wie ein Fläumlein in den Lüften, das nicht -fallen kann und nimmer steigen, hier fühlte sie sich daheim. - -Sie ließ den bunten Weinfalter frei, den sie gefangen hatte. -»Marienkind,« schmeichelte sie scheu zu dem jungen Herrgott hinauf, -»dir bring ich ein schönes, ein wunderschönes Sommervöglein.« - -Auf einmal dachte sie an ihr Herz, das sie voll Sünden wähnte, und sie -betete still: »Maria, lichter als die Lilien hinterm Zaun, roter als -die Nelken am Rain, ich grüß dich soviel tausendmal, als Sandkörner -liegen auf den Straßen, als Laub wachst am Wald, als Sterne scheinen -vom Himmelreich. Geweint hab ich viel, eine Zähre hat die andere -gefeuchtet. Zu dir komm ich, dir vertrau ich, Maria. Durch deinen -keuschen Namen bitt ich dich, du sollst mir sagen, ob ich eine Hex bin.« - -Der Heiligen froher Blick fiel auf den alten Heilbrunn. Da beugte sich -die Ulla drüber und schaute ins Wasser, bis sie die eigenen Augen drin -sah, und diese schauten so fromm und gut heraus, daß ihr wunderfriedsam -unter dem gespiegelten Blick wurde, und sie wußte, daß es keine -Hexenaugen waren. - -Hernach trank sie von dem fallenden Wasser. Der Marienbrunn sang -vertraut, und draußen im Laub meldete sich ein Rotkröpfel. - -Hier war gut sein. - -Weit weg von der Welt kniete die Ulla und betete herzlich für Tote und -Lebende, für alle, die sie kannte und die ihr Gutes getan oder Übles. - - * * * * * - -Am andern Tag gingen die Fuxloher heim. Sie wünschten sich herzlich -wieder in die kleine Heimat zurück aus der Welt, die sie sich so weit -und so breit gar nicht gedacht hatten. - -Wieder kürzten sie sich den Weg mit Lied und Litanei und ergötzten -sich an den geweihten Andenken, die sie mit trugen, meist Bildern -des Gnadenortes, mit gereimten Sprüchen bedruckt. Den Kindern hatte -man auf dem Schleckmarkt etwas Gezuckertes gekauft, der Spucht -hatte eine wächserne Nepomukszunge erstanden, der Grazian gar einen -gläsernen heiligen Geist, und er trug die Taube in der spiegelnden -Kugel zaghaft an einem Schnürlein, wich vorsichtig jedem Stein am Weg -aus, und niemand durfte ihm in die Nähe. Wenn sie rasteten, hängte er -sein gläsernes Glück an eine Staude und ließ es an einem Schnürlein -schaukeln und im Licht glitzern. - -Allen, die da aus dem hochgoldenen Haus der Herrgottin heimkehrten -in das dürftige Dorf, allen war, sie hätten als Gottes Gäste ein -himmlisches Märlein erlebt, und jeder glaubte, daß jetzt die hohe -Dornenstaudnerin seinen Wunsch auf einem wundergläsernen Teller in den -himmlischen Saal tragen werde. - -Die alte Ulla trabte frisch dahin, sie fühlte sich leicht und über Erde -und Leben erhoben wie die weißen Wolken droben. - -Der Schmied rief ihr zu: »Heut lachst du daher, Ulla, als ob du statt -von der Muttergottes vom Altweibermüllner kämst.« - -»Einmal werd ich wieder jung,« antwortete sie. »Im Himmel sind wir alle -gleich alt, dreiunddreißig Jahr, wie der Herrgott beim Sterben.« - -»Wer hat dir das erzählt?« zweifelte der Schmied. »Ist einer von -Jenseits die Leiter wieder herab gestiegen?« - -Sie schüttelte ernst den Kopf. »Es darf keiner zurück, daß nix -ausgeredet wird von oben. Es muß geheim bleiben.« - -Der Grazian seufzte: »Es muß ein harter Weg sein -- dorthin.« - -Je näher sie gen Fuxloh kamen, desto eifriger betete der Meßner. -Allweil wieder rief er aus: »Gott, schenk uns einen feuchten, warmen -Regen über Schlösselwald, Hundshaberstift und Leimgrub!« In diesen -Orten hatte er seine Töchter verheiratet. - -Als die Kreuzschar auf der Bergschneide hielt, von wo der Blick wieder -auf Fuxloh fiel, rief der Grazian: »Leut, kniet euch nieder, da seht -ihr euer Vaterland wieder!« - -Der Fleischhacker Luitel rannte ihnen entgegen. »Männer, schwingt den -Hut in die Höh,« keuchte er, »der Dullhäubel ist gestorben.« - -Da fuhr es den Kirchfahrern kalt durchs Hirn und eisig durch den ganzen -Leib, und das Gewissen bäumte sich ihnen auf, weil ihre Bittfahrt so -jähe Frucht gezeitigt hatte. Aber sie faßten sich bald wieder. - -»Der Herrgott hat diesmal leicht begriffen,« lachte der Wirt, »wir -haben ihm es auch deutlich genug gesagt. Gelobt seist du, Maria!« - -»Er hat es verrichtet, der Dullhäubel,« seufzte die Iglin. »Hoffentlich -ist er christlich entschlafen.« - -Dem Meßner Grazian erschlaffte im ersten Freudenschreck die Hand, das -gläserne Gut entfiel ihm und zersplitterte. Da rief er kläglich: »Jetzt -hab ich den heiligen Geist den weiten Weg hergetragen wie ein krankes -Kind, und jetzt ist er beim Teufel!« - -Das Dorfglöckel läutete der Schar entgegen. Kinder kamen und erzählten -von dem Leichnam des Dullhäubel. - -»Ganz schwarz ist er im Gesicht,« sagten sie. - -Der Grazian runzelte nachdenklich das Hirn. »O weh, das ist ein übles -Vorzeichen! Ohne Weih und Segen, ohne Pfarrer und Meßner werden wir ihn -begraben müssen. Lasset uns beten für die arme Seel!« - - * * * * * - -Die Ogath hatte den halben Tag über ihren Bauer gesucht und nirgends -gefunden, schließlich stieg sie in schwerer Ahnung auf den Heuboden -hinauf, dort griff sie blindlings ins Heu und spürte ein eiskaltes Knie. - -Mit einem einzigen Sprung war sie wieder drunten auf der Tenne. - -Sie schrie den Kindern: »Am Heuboden liegt er. Der Schlag hat ihn -getroffen, er ist ein vollblütiger Mann gewesen. Die Leich ist schon -kalt.« - -»Jesmaria,« plärrte die Wabel, »jetzt ist er gestorben und hat heut -noch das Gesott[1] nit geschnitten!« - - [1] Häcksel. - -Die Töchter flogen zu den Nachbarn und Befreundeten in die Dörfer und -zum Pfarrer, die Leiche anzusagen. Die Bäurin selber fuhr mit dem -Schubkarren zum Tischler, der Totentruhen vorrätig hatte. - -Sie begegnete den Wallfahrern. »Der Bauer hat verlebt,« meldete sie, -»übermorgen ist das Begräbnis.« - -Als sie abends mit der Truhe heimkam, saß der Dullhäubel vorm Haus, -kerngesund, die Wangen blührot, und schnupfte. - -»Um Gottes willen, du lebst schon wieder?« stammelte sie. - -»Ich bin kreuzwohlauf,« grinste er. »Du hast dich gefleißt mit der -Truhe. Hast du auch um den Pfarrer geschickt, daß er mir lateinisch und -schlapperteinisch redet und seine Blimblamblorium macht?« - -»Aber du bist ja schon kalt gewesen, wie ich dich beim Knie erwischt -hab?!« - -Er nickte tiefsinnig. »Eine hirschlederne Hose greift sich halt allweil -kalt an,« sagte er. - - * * * * * - -Weil der Dullhäubel den Seinen verboten hatte, die Leiche abzusagen, so -wußten nur wenige, daß er noch lebte. Die Leute, die nun zu des Bauers -Begräbnis angewandert kamen, lächelten säuerlich, als er selber sie -treuherzig begrüßte und ihnen ein Schnüpflein antrug. - -»Die Bosheit wuchert weiter, und die Gerechtigkeit ist übers Meer -gefahren,« verzweifelte der Grazian. - -Hernach saßen alle im »pfalzenden Hahn,« und weil sich dort gerade auch -drei böhmische, drei österreichische und drei bayrische Musikanten -zusammen fanden, ging es bald hoch her, und man söhnte sich leichter -mit dem verhinderten Begräbnis aus. - -Lange betrachtete der Dullhäubel seine Totentruhe. »Zweispännig wär sie -mir lieber,« meinte er, »daß eine saubere Dirn mit mir drin übernachten -könnt.« - -Er nutzte die Truhe ans, indem er Schloß und Band dran nageln ließ und -sich drin Selchfleisch und manchen Leckerbissen versperrte, den er vor -seiner genäschigen Sippe nicht sicher wußte. - - * * * * * - -Der Dullhäubel kam zu Glück und hohen Jahren. - -Seine Töchter misteten den Stall, schnitten das Gesott, rechelten die -Streu, striegelten die Ochsen, ackerten, säten, ernteten, droschen. Er -tat nichts. - -Die Wabel, die Reigel, die Rosel, die Portiunkel, die Stasel, die -Kathel und die Liesel verheiratete er Bauern, die Glöckelstühle auf dem -Dach hatten. - -Er ließ sich sein schelmisches Wesen nicht verkümmern, auch dann nicht, -als er der Burgermeister von Fuxloh wurde, und die Leute starben nicht -aus, die ihm den Galgen auf den Hals wünschten. - -Einmal nach der Kirchweih, als er sich weidlich angegessen hatte, -setzte er sich vors Haus, nahm das Rubinglas und schlug sich eine -erkleckliche Menge Tabak auf die Hand. Zuerst füllte er sich in -behaglicher Andacht das rechte Nasenloch, und als er das andere -befriedigen wollte und dabei schon das linke Auge wollüstig zudrückte, -fiel ihm der Tod sanft in den Arm. Die Hand sank still, ungenützt -flatterte das braune Häuflein herab auf die hirschledernen Hosen. Der -Kasper Dullhäubel war nimmer. - -»Jetzt hat er den schönsten Tod auch noch, der Lump, der das Eingraben -nit wert ist!« schalt der Meßner. - -»Ja ja, so geht einer nach dem andern dahin,« sagte der Schmied und -ließ einen groben Wind streichen. - -Nur wenige gingen mit bedächtigem Bauernschritt hinter dem Sarg her; -viele waren daheim geblieben, sie meinten, der Schelm sei unsterblich -und könne nicht begraben werden. - -Der Filzhut des Ähnels und das Rubinglas wurden ihm mitgegeben, das -hatte er sich ausbedungen. - -Als die Leiche in die Grube gelassen wurde, riß der Strick, die Truhe -polterte hinunter und brach auf, und der Dullhäubel schaute noch einmal -fröhlich die heulende Schar der Hinterlassenen an. - -»Schaufelt zu, schaufelt zu!« schrie der Grazian. Und alle, wie sie ums -Grab standen, warfen schnell mit Händen und Füßen Erde hinab, daß der -Erzschelm nicht noch einmal an den Tag käme. -- - -Als der Grazian an dem nämlichen Abend am Dullhäubelhof vorüber ging, -tat er einen harten Schrei. Er behauptete, der Verstorbene habe aus -dem Dachfenster die Zunge auf ihn gereckt. Da zündete die Ogath eine -Laterne an und durchsuchte alle Winkel des Bodens. »Dem schwänkischen -Mann trau ich alles zu,« meinte sie. - - * * * * * - -Der Dullhäubel fuhr schnurgerade zum Himmelstor auf. - -Der heilige Peter stand davor, am Gürtel die beinernen Schlüssel, und -schrieb mit einer hohen Pfaufeder in einem Buch. Als er den Schelm -mit dem breiten Filzhut durchs Gewölk daher waten sah, hakte er das -silberne Schloß des Buches zu und fragte: »Wer bist du? Gib Auskunft!« - -»Der Dullhäubel bin ich, Bauer aus Fuxloh«, antwortete der -Himmelfahrer. »Gelobt sei Jesus Christus!« - -»Dein Nam ist mir verdächtig. Reck her deine Seel!« - -»Da wird halt der Blaumantel seine Sach fürgebracht haben. Es ist ihm -aber nit alles zu glauben, dem Bruder, dem scheinheiligen.« - -»Schilt nit!« brummte der Peter. »Und einen Blaumantel gibt es bei uns -nit.« - -»Es muß einer da sein,« bestand der Dullhäubel. »Schau nur gleich nach -in dem dicken Buch!« - -Der Torwärtel raunzte: »Es ist ja möglich, daß früher einmal einer da -heroben gewesen ist, der sich so geschrieben hat. Vielleicht ist er -hinuntergefallen. Ich müßt den Herrgott fragen, der hat ein scharfes -Gedächtnis.« - -Jetzt zog der Dullhäubel aus der hinteren Schößeltasche seine Seele -heraus, blies ein Stäublein Tabak davon weg und zeigte sie ängstlich -vor. - -Der Heilige rückte die Brille, schnüffelte an der Seele und krauste die -Stirn. »Mein Lieber, du hast dich ganz und gar verirrt. Du gehörst wo -anders hin. Schab deinen Weg!« - -Dem Dullhäubel stand der Schopf geberg. An des Kapuziners Cochem -abscheuliches Bilderbuch erinnerte er sich, an den höllischen Ofen, wo -die Zerknirschten heulten und Pech spieen und ihnen der siedende Geifer -aus den Lefzen spritzte. - -Der himmlische Torwärtel tat eine Falltür auf, da ging der Höllensteig -hinunter hundert Klafter tief, und des Dullhäubels Vorväter saßen ohne -Ausnahme tief drunten auf einer glühenden Bank, den Hosenlatz hinten -abgeknöpft, mit nacktem Sitz nach altem Erdenbrauch, und der Schwefel, -den sie saufen mußten, rauchte ihnen greulich wieder aus der Nase -heraus. Der Teufel kletterte eine brennende Leiter herauf und bellte: -»Wau, wau!« - -»Mach die schwarze Tür zu, Peter!« hüstelte der Dullhäubel, der -höllische Schwefel kitzelte ihn in der Nase. - -Doch der heilige Mann antwortete: »Bind dir die Seel fest ins -Schneuztuch und steig hinunter! Sie warten schon.« - -Dem armen Schelm ward blau und grün vor den Augen. Aber er gab das -Spiel nicht verloren. Das Rubinglas nahm er herfür. »Da schnupf, Peter, -daß du einen andern Sinn kriegst!« - -Der Torwärtel liebäugelte mit dem Glas. »Der Tabak tät mir wohl. Da -heroben wird keiner verschleißt, und wenn nix zu schnupfen ist, so ist -das eine kleine Krankheit.« - -»Du solltest mich doch in den Himmel lassen, nur ein Vaterunser lang,« -begehrte der Dullhäubel. »Vor dem Blaumantel will ich einen Fußfall -tun.« - -Der heilige Peter nahm sich seine mannbare Nase voll. »Wundersam -schmeckt der Tabak, der fehlt mir noch zur Seligkeit. Ich hab ihn mein -Lebtag gern gehabt. Hau mir noch einen her auf die Hand! Anlehnen muß -man sich schier, wenn man den da schnupft, sonst reißt er einen um.« -Er blinzelte schalkhaft. »Was für ein Tabak ist es denn? Ein königlich -bayrischer? Ein gepaschter, he?« - -»Nur hineinschauen laß mich ins Paradeis, Schlüsselmann!« bettelte der -Dullhäubel. - -Den Heiligen hatte der brasilische Tabak ganz verwirrt, die Augen -glosten ihm, und er tat das Tor auf. - -Jetzt stand der Dullhäubel im himmlischen Glanz. - -Da saßen alle die heiligen Bauernfreunde beisammen, der Wendel, der -Liendel, der Isidor und der Steffel, und dengelten silberne Sensen, daß -es wie ein vierfaches Glöckelspiel lieblich anzuhören war, und die Magd -Notburga jätete in einem Krautgärtlein. Der Märtel und der Jörg ritten -auf Milchschimmeln, die fraßen an dem fetten Wasen, der auf den Wolken -wuchs. Andere Heilige stolzierten in seidenen Meßgewändern mit hohen -Krummstäben auf der Sternstraße auf und ab, ein nackter Martersmann, -dem silberne Pfeile in Stirn und Brust und Knie staken, lustwandelte -lachend unter ihnen. Alle waren bloßköpfig, nur der heilige Rochus und -der Dullhäubel nicht, die hatten den Hut auf. - -Engel rauschten mit schneeweißen Flügeln. Die himmlische Regenbogenfrau -schaffte am Spinnrad, einen goldgrünen Käfer im Gefältel ihres Kittels, -und daneben spielte das Herrgottsbüblein Ball mit dem Weltapfel. - -Der Himmelsgarten war umzäunt, auf jedem Zaunstecken saß und sang ein -bunter Vogel, und das waren lauter selige Seelen. - -In der Mitte aber in wunderbarem, hohem Betstuhl saß Gottvater selber, -in seinem Mantel war mit Perlen und Kleinoden der ganze Sternhimmel -gestickt, auf seiner Brust zückte die Sonne ihre Strahlen. - -Der Dullhäubel senkte die Augen, daß er nicht erblinde, und schaute -sich auf den Fuß. - -Über dem Herrgott war ein goldener Taubenkobel, der heilige Geist -umflog ihn und gurrte wild herab. - -»Ei tausend,« staunte der Herrgott, »da kommt ja der Dullhäubel daher -aus meinem guten Dorf Fuxloh! Was begehrst denn du da heroben?« - -Jetzt nahm der Schelm den Hut ab und stammelte: »Den Herrn Blaumantel -such ich. Er soll sich auch Aurazian schreiben. Ich will ihn abbitten --- zu wegen meiner Schlechtigkeit.« - -Der Herrgott sann nach. »Ich weiß alles. Aber einen Aurazian Blaumantel -kenn ich im Himmel nit. Das ist ein Irrtum.« - -»Alsdann, Eure Heiligkeit -- --.« Der Dullhäubel stockte, er wußte -nicht, wie er den Herrn hätte richtig anreden sollen. - -»Nenn mich nur Herr Gott!« meinte der Himmelvater. »Du bist dein Lebtag -mit mir auf du und du gewesen (wenn du auch recht sparsam mit mir -geplaudert hast), drum sag mir jetzt auch du!« - -»Alsdann, wenn es keinen Blaumantel da heroben nit gibt, dann ist meine -Schuld weitaus geringer,« seufzte der Dullhäubel auf. - -»Und was begehrst du noch? Und was schaust du allweil auf deinen Fuß?« - -»Er möcht halt auch selig werden,« sagte halblaut der heilige Peter. - -Der Herrgott fuhr aus dem Betstuhl auf. »Was?! Der Spitzbub?!« - -Doch das himmlische Fräulein am Spinnrocken faltete die Hände. »Geh, -lieber Gott, verstoß ihn nit! Laß ihn abwiegen!« - -Da schmunzelte der Gottvater, daß ihm der breite Bart auseinander ging, -und winkte mit der Hand. - -Den Kometen wie eine Straußfeder am Hut, sprang der Riese Michel zur -Tür herein, er trug eine großmächtige Wage. Den Bauer lüpfte er beim -Kragen und setzte ihn in die eine Wagschale, in die andere legte er -große Steine und Gewichte, das waren die Sünden und Schalksstreiche des -Dullhäubel, und darunter war auch der Mühlstein vor der Mußmühle. - -Jetzt hob der Engel Michel die Wage. Die Schale mit dem Sünder -schnellte hoch empor, und der Dullhäubel verzweifelte an seiner -Seligkeit, zumal da sich an die andere Schale noch der Teufel mit -kohlrackerschwarzen Rabenflügeln und einem langen, rauhen Schwanz -gekrallt hielt. - -»O weh, o weh,« winselte der Sünder, »jetzt muß ich in der Höll -knirschen auf ewig.« - -Aber auf einmal senkte sich die Schale, drin er hockte, langsam und -stetig. - -»Schau hinunter auf die Welt, Dullhäubel, wer dir hilft!« sagte die -Jungfrau Maria. - -Da sah er tief, tief drunten im grünen Fuxloh vor der Kapelle ein -uraltes Weiblein hocken, das betete mit seinem Hagebuttenrosenkranz für -die arme Seele des Dullhäubel. Es war die Ulla. - -Nun stand die Wage auf gleich. - -»Ich darf nit zu leicht befunden werden,« ächzte der Dullhäubel, der -helle Schweiß rann ihm von der Stirn. - -In seiner Not langte er hinüber nach des Teufels Schwanz, und ob der -Satan ihn auch mit der gespaltenen Zunge anlechzte und die rotfeurigen -Augen abscheulich glühen ließ, der Dullhäubel packte des höllischen -Widersachers Schwanzquaste und legte sie in die eigene Schale, und sie -senkte sich um eines Härleins Breite tiefer als die andere. - -Da fing unser lieber Herrgott an, sich langsam den Bart zu streichen -und auf einmal lachte er dröhnend auf, und der heilige Peter fiel wie -besessen lachend auf die Pauke hin, worauf man sonst Gewitter und -Donnerschlag wirbelt, und die Muttergottes und alle heiligen Leute -konnten sich nicht helfen vor lauter Lachen, und nur der Teufel rupfte -sich den rußigen Schopf, spie und ließ die Schale los und sprang in die -Hölle. - -Vor dem breiten Herrgottsgelächter aber sank die Schale des Schelmes -völlig herab, und er stieg aus und war gerettet. - -Doch der heilige Peter besann sich und murrte: »In der Welt drunten -gibt es einen Spruch, und der ist wahr. - - Je ärger der Schalk, je besser sein Glück, - je größer der Dieb, je kleiner der Strick. - -Herrgott, paßt denn der Bauerntrumpf da, der nixnutzige, der Tod und -Teufel zum Narren gehalten hat, in deine lautere Seligkeit herein?« - -Der Herrgott warnte mit dem Finger. »Peter, Peter, geh mit unserm -Dullhäubel nit zu streng ins Gericht! Es müssen auch andere Leut um -mich sein, nit nur lauter Heilige. Die Heiligen sind mir oft ein wenig -peinlich gewesen.« - -Und während der Herr mit seinem Knecht also sprach, trat einer auf den -Dullhäubel zu und gab ihm derb die Hand. Der fremde Gesell trug einen -altertümlich groben Bauernrock und Bundschuhe, und ein Spiegel hing -ihm im Gurt; seine lichtblauen Augen funkelten mutwillig, sein Haar -war gelb wie Stroh und darauf saß ihm statt des Hutes ein ruppiger, -glotzender, krummschnabliger Ohrenvogel. - -»Ich sollt dich kennen,« sagte der Dullhäubel und dachte nach. - -»Du kennst mich,« kicherte der andere, »ich bin ja dein Bruder, der -heilige Eulenspiegel.« - -Er hielt dem Dullhäubel den blanken Spiegel vor. Der lugte hinein und -sah sich drin rosig leuchten, und über seinem Scheitel hing ein runder, -lustiger Heiligenschein. - -Der Herrgott richtete jetzt die grauen, frohen Augen auf ihn. -»Dullhäubel, was willst du im Himmel anfangen?« - -Der schalkhafte Mann leckte sich die Lippen und hob den listigen -Bauernblick. »O Herr, wenn ich es wünschen darf, will ich im Sommer -Schnee schaufeln und im Winter das Vieh hüten.« - -»Zu meiner Rechten darfst du nit sitzen,« lachte der Herrgott, »du bist -heut noch nit viel wert. Jetzt führ dich gut auf und laß dir einen -milden, süßen Most einschenken.« - -Das war dem Dullhäubel recht. Und er sagte zu der Himmelsfrau: »Liebe -Fürbitterin, du schnupfst nit? Für deine wehleidige Jungfernnase ist -meine Mischung zu scharf. Aber uns schmeckt es, gelt, Gottvater!« - -Er schüttelte das rubinene Glas und ließ den Tabak rieseln auf des -Herrgotts strahlende Hand. - - * * * * * - -Also hat unser Herrgott an einem gelungenen Schelm mehr Freude als -an neunundneunzig Gerechten. Und so findet die Geschichte vom Kasper -Dullhäubel jetzt ihr - - _Ende_. - - - - -Von demselben Verfasser erschienen vorher im gleichen Verlag: - - -Aus wilder Wurzel - -Ein Roman - -Einbandzeichnung von Oswald Weise. 10. Tausend - -_Münchner Allgemeine Zeitung_: »Das vorliegende Buch ist des Dichters -beste und reichste Schöpfung und läßt noch ausgereiftere, kostbarere -Früchte erwarten. Hart, eisern, von knirschendem Willen durchzuckt ist -dieser Bericht, der von den mutig-zagen Bauern zu erzählen weiß, die es -auf sich genommen, die furchtbare Baumwildnis der Eisensteiner Berge -im endlosen Böhmerwalde der Scholle dienstbar zu machen. Watzliks Buch -wird zu den bleibenden unseres Literaturschatzes gehören.« - - -Der Alp - -Ein Roman - -Einbandzeichnung von Richard Birnstengel. 6. Tausend - -_Paul Grabein_ im Düsseld. Generalanz.: »... Der Wert des Buches -besteht in der ganz prachtvollen, realistischen und doch wieder -poetisch überhauchten Schilderung der Natur und Menschen des -Böhmerwaldes. Eine Fülle von Gestalten zieht an uns vorüber, jede -scharf umrissen in ihrer Erscheinung. Die künstlerische Wirkung -Watzliks wird noch gehoben durch die eigenartige Schönheit und -Bildkraft seiner Sprache ...« - - -Im Ring des Ossers - -Erzählungen aus der Vergangenheit des Böhmerwaldes - -10. Tausend - -_Die Wage_, Wien: »... In wohlgepflegter Sprache, die stellenweis wie -wundervoll gestimmte Glocken klingt, läßt er des Urwalds Schimmer -und geheimnisvoll durchbrauste, zauberische Wildnis farbengolden vor -uns erstehn. In einigen Skizzen arbeitet er mit allen Kunststücken, -Schönheiten und Klängen des Wortes, daß die Seele erschauert, -beglückt und berauscht von der übertönenden und überstürzenden Kraft -poesievoller Schilderung ...« - - -O Böhmen! - -Roman. Einbandzeichnung von G. Gelbke. 11. Tausend - -_Deutschnationales Jahrbuch 1919_: »Ein Heimatroman, der den Kampf -der Deutschen Böhmens um ihre Heimatscholle, deutsches und slawisches -Leben mit solcher Farbenpracht und so glutvoller Innigkeit schildert, -wie kein zweites Buch. Jeder Satz darin ist Poesie, und wir dürfen -den Dichter mit immer größerem Recht zu den ersten Deutschösterreichs -zählen.« - - -Phönix - -Ein Roman aus der Wiedergeburtszeit Böhmens - -6. Tausend - -_Kölnische Zeitung_: »Wildromantische Ereignisse werden mit großer -Farbenpracht durchgeführt, daneben aber macht sich die zartere Romantik -eines innigen Naturgefühles liebenswürdig geltend. Ein spannend -erzählter, an starken Wirkungen reicher Roman, der auch große poetische -Werte besitzt. Man hat es in dem Buch mit dem Erzeugnis einer hohen -dichterischen Begabung zu tun.« - - -Ferner erschien im Verlag Gebr. Stiepel in Reichenberg: - - -Wermuter - -Eine Novelle. Mit Bildern von Artur Ressel. 4. Tausend - - -=Schloß Weltfern.= Ein Roman. 5. Tausend - - -Der flammende Garten - -Gedichte. Mit Bildern von Viktor Eichler. 2. Tausend - - -=Firleifanz.= Ein Bilderbuch - - -=Einöder.= Ein Novellenbuch - - -Die Abenteuer des Florian Regenbogner - -Liebhaberausgabe mit Bildern von Ferdinand Staeger 2. Tausend - - - - - Weitere Anmerkungen zur Transkription - - - Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Der - Schmutztitel wurde entfernt. - - Korrekturen: - - S. 295 lustwandete → lustwandelte - {lustwandelte} lachend unter ihnen - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Fuxloh, by Hans Watzlik - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK FUXLOH *** - -***** This file should be named 62178-0.txt or 62178-0.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/6/2/1/7/62178/ - -Produced by The Online Distributed Proofreading Team at -https://www.pgdp.net - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions -will be renamed. - -Creating the works from public domain print editions means that no -one owns a United States copyright in these works, so the Foundation -(and you!) can copy and distribute it in the United States without -permission and without paying copyright royalties. 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Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. 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Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm -concept of a library of electronic works that could be freely shared -with anyone. For forty years, he produced and distributed Project -Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. - -Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. -unless a copyright notice is included. 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You may copy it, give it away or re-use it under the terms of -the Project Gutenberg License included with this eBook or online at -www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - - - -Title: Fuxloh - oder Die Taten und Anschläge des Kasper Dullhäubel - -Author: Hans Watzlik - -Release Date: May 19, 2020 [EBook #62178] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK FUXLOH *** - - - - -Produced by The Online Distributed Proofreading Team at -https://www.pgdp.net - - - - - - -</pre> - - -<div class="transnote"> -<p class="h2">Anmerkungen zur Transkription</p> - -<p>Das Original ist in Fraktur gesetzt. -Im Original gesperrter Text ist <em class="gesperrt">so ausgezeichnet</em>. -Im Original in Antiqua gesetzter Text ist <em class="antiqua">so markiert</em>. -</p> - -<p>Weitere Anmerkungen zur Transkription befinden sich -am <a href="#tnextra">Ende des Buches</a>.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> -<img src="images/cover.jpg" alt="Cover" /> -</div> - -<div class="chapter"> -<p class="center bold">HANS WATZLIK</p> - -<h1>Fuxloh</h1> - -<p class="center smaller">oder</p> - -<p class="center gesperrt">Die Taten und Anschläge des -Kasper Dullhäubel</p> - -<p class="center">*</p> - -<p class="center">Ein Schelmenroman</p> - -<div class="figcenter"> -<img src="images/signet.jpg" alt="Signet" /> -</div> - -<p class="center bold">L. STAACKMANN VERLAG / LEIPZIG</p> - -<p class="center">1922 -</p> -<hr class="chap" /> -</div> - -<div class="chapter"> -<p class="center">Alle Rechte, besonders das der Übersetzung, vorbehalten.</p> - -<p class="center">Für Amerika:</p> - -<p class="center"><em class="antiqua">Copyright 1922 by L. Staackmann Verlag, Leipzig</em>.</p> - -<p class="center p2">Gedruckt bei Dr. Kurt Säuberlich in Leipzig</p> -<hr class="chap" /> -</div> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum"><a id="Page_5">[5]</a></span></p> - -<h2 id="Das_grune_Holz">Das grüne Holz.</h2> -<p><span class="pagenum"><a id="Page_7">[7]</a></span></p> -</div> -<div><img class="drop" src="images/drop-f.png" alt="" /></div> -<p class="drop">Fuxloh lag ganz hinten in der Welt zwischen den -Örtern Blaustauden und Grillenöd, abseits von -den breiten Straßen duckte es sich verloren in den -Wäldern, ein gar rauhes Dorf voller Tannen. -Obst trug dort nur ein einziger Mostbirnbaum, der -über hundert Jahre alt war, doch waren seine Birnen -so grausam herb, daß man schreien mußte, wenn -man hineinbiß. Sonst gediehen nur noch ein paar -Vogelbeerbäume und Elexstauden droben an den -felsigen Wegen. Aber in ihrem Schatten blühte -die weltentlegenste Einfalt in tausend Blumen aus.</p> - -<p>Heute findet man das Dorf nimmer, die Wälder -sind darüber gewachsen.</p> - -<p>Der Fuxloher Wind blies scharf und brannte den -Bauern den Schlund aus. Drum war in dem Ort -der Durst daheim. Besonders vorzeiten blieben die -Männer oft wochenlang auf der Wirtsbank, sie -knöpften sich den Latz vom Hosenboden ab und saßen -auf dem rohen Fleisch, um das Hirschleder zu schonen.<span class="pagenum"><a id="Page_8">[8]</a></span> -Am Samstag brachten ihnen die Weiber frische -Hemden ins Wirtshaus. Und hie und da banden -sich die Säufer mit Stierketten aneinander, daß keiner -sich heimlich von der nassen Mette wegschleiche und -sie alle gemeinsam in des Rausches Elend fuhren.</p> - -<p>Dazumal waren die Fuxloher als grobe Schelme, -Wilderer und Raufer verrufen, im Lauf der Zeiten -aber verloren sie allmählich den übeln Leumund. -Es geschah kaum mehr, daß einer den Grenzstein in -des Nachbarn Acker rückte, Rösser wurden überhaupt -nimmer gestohlen, und selten nur weckte einen nachts -das alte Raubschützenblut aus der Rast, daß er -aufsprang und an der bayrischen Grenze irgendwo -auf einer Waldschneise einen Bock niederknallte.</p> - -<p>Nur im Dullhäubelhof hatte sich die alte Art -der Fuxloher treulich erhalten.</p> - -<p>In einer Schlucht am Wolfsbach, wohin die -Bauern vom Dorf herab immer die Gänse trieben, -daß sie schwimmen lernten, lag das Gehöft mit dem -moosgrünen Schopfdach, darunter an die Mauer ein -verschmitztes Gesicht gemalt war mit dem Spruch:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Gott, gib jedem Lumpenhund<br /></span> -<span class="i0">zehnmal mehr, als er mir gunnt!<br /></span> -</div></div> - -<p>Vor langer Zeit, als die ungarische Königin Resel -mit dem Preußen Krieg führte, hauste der Pankraz<span class="pagenum"><a id="Page_9">[9]</a></span> -Dullhäubel auf dem Hof. Bei dem kehrte der Reichtum -ein. Den Kopf deckte er sich allweil mit einem dreieckigen -Hut, an seinem Rock glänzten mehr Knöpfe, -als Tage im Jahr waren. Er ließ das Geld springen -und hatte die nötige Münze dazu, denn er war ein -Werber, und damals, wo Soldaten gegen Preuß -und Türk sein mußten, da lohnte sich sein falsches -Gewerb. Manch armen Schlucker fing er, der sich -über die Grenze herüber verirrt hatte, und der -wurde ohne Erbarmen ins Regiment gestoßen, und -viele hatte der Pankraz am Gewissen, die im Krieg -auf der blutigen Fleischbank verdarben.</p> - -<p>Dazumal kam auch ein Erdspiegel ins Haus, der -Pankraz handelte ihn einem wallischen Juden ab, -und die Fuxloher fürchteten jetzt den Bauer, der -das zauberische Gerät verborgen hielt und dadurch -Macht gewann über alle andern.</p> - -<p>Aber einmal fing er mit seinen Helfershelfern -einen Handwerksburschen und kettete ihm die Hände, -und als er ihn gen Hirschenbrunn führte, um ihn -dort zu stellen, mußte er sich unterwegs bücken, die -Schuhschnalle zu schließen, die ihm aufgesprungen -war. Den Augenblick nutzte der Gefangene aus, -er schlug dem Werber die Fesseln auf den Schädel, -daß er hin war.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_10">[10]</a></span></p> - -<p>Ein arger Vogel legt ein arges Ei.</p> - -<p>Der Nachkömmling des Pankraz war der Servaz -Dullhäubel. Der trieb sich in grünen Jahren in den -Wäldern des Lusens umher und schoß die stolzen -Hirsche und die starken Bären. Das Wildern fiel -ihm leicht, da er sich dazu himmlische Hilfe zu -sichern wußte: er schaffte oft des Nachts ein Wildbret -in die Blaustaudner Pfarrküche, und dafür schloß -der damalige Geistliche ihn und seine Wege täglich -ins Meßgebet ein.</p> - -<p>Als dem Servaz einmal von einem Jäger der -Fuß krumm geschossen wurde, mußte er das freie -Wildschützleben lassen, aber sein zorniges Blut gab -ihm keine Ruhe, und er wurde der wildeste Raufer -waldauf und waldab. Wenn er zum Kirchweihtanz -ging, gab ihm die Bäurin immer sein Totenhemd -mit. Die Haut war ihm von Messern zerstochen, -der Schädel zerschrammt von splitternden -Krügen, das eine Ohr abgebissen, die Zähne eingeschlagen. -Mit heraushängenden Därmen schleppte -er sich einst von Fuxloh nach Blaustauden zum -Balbierer, dort schob er fein lind das Gedärm zurück -in seine alte Stätte, steckte Speck in das Loch -und nähte es sich selber mit des Balbierers Nadel -zu. Die Naht hielt hernach noch dreißig Jahre.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_11">[11]</a></span></p> - -<p>Er rühmte sich oft, der Richter solle ihm in -seinem Buch ein Gesetzlein vorweisen, danach er -noch nicht abgestraft wäre. Kurz vor seinem Absterben -noch erschlug er auf der Kegelbahn den -Waldheger von Daxloh mit einem Kegel.</p> - -<p>Der Apfel rollt nicht weit vom Baum.</p> - -<p>Der Nachkömmling des Servaz war der Bonifaz -Dullhäubel. Der hatte es wiederum auf das -Bier und den groben Bauernwein abgesehen und -soff und schlampampte, daß es ihm schier zu den -Ohren herausrann. Fuhr er mit dem Rössel -in die Stadt, so schob er dort Kegel auf volle -Flaschen und streute das Geld den Kellnerinnen -hin. Bei jedem Krug, der ihm vorgesetzt wurde, -tat er einen von den fünfundzwanzig Gupfknöpfen -an seinem Brustfleck auf; war die Weste ganz -offen, so zahlte er seine Schuld, knöpfelte wieder -zu und hub von frischem an. So wurde er auch -in der größten Zeche nicht irr. Wenn er keinen -Trunk mehr bewältigen konnte, so bahrten Wirt -und Hausknecht ihn auf seinem Wagen auf, das -Rössel zog an und trabte mit dem Schlafenden -durch Wald und Sternschein heim. Doch hielt es -vor jedem Wirtshaus an, beim grünen Kuckuck, -beim Posthorn, bei der Siebenkittelwirtin, bei der<span class="pagenum"><a id="Page_12">[12]</a></span> -Mausfalle, beim blauen Mondschein, und wie die -Einkehrstätten alle hießen, und der Trunkene reckte -sich aus dem Schlaf und gröhlte: »He, Wirt, -füll nach!«</p> - -<p>Ein anderes Anwesen wäre unter den Hammer -gekommen, der Dullhäubelhof aber hielt den Säufer -aus. Viel Grund und Boden und Holz und Vieh -gehörten dazu, und die Bauern hätten noch viel -reicher sein können, wenn es sie darnach gelüstet hätte. -Denn der Pankraz, der Guckähnel, hatte einen -schönen Schimmel im Stall stehen, und der Waldfürst -hätte das schneeblührieselweiße Roß gar gern -geritten und dafür den ganzen weitmächtigen Wald -bis zum Lusen hingegeben. Der Pankraz aber -hätte nimmer getauscht, und wenn der Fürst vor -ihm auf den Knieen gerutscht wäre.</p> - -<p>Wie gelebt, so gestorben. Vor lauter Gesundheittrinken -kam der Bonifaz Dullhäubel um die -Gesundheit.</p> - -<p>Die Fuxloher mähten gerade die Wiesen, da -kroch der Bonifaz in der Scheuer des Wirtes -»zum pfalzenden Hahn« ins Heu, seinen schweren -Rausch zu verschlafen, und die Mäher verschütteten -ihn aus Übermut unter dem Heu. Sie vergaßen -ihn aber hernach in ihrer heißen Arbeit und erinnerten<span class="pagenum"><a id="Page_13">[13]</a></span> -sich erst, als die Bäurin ins Dorf kam -und nach dem Bonifaz fragte. Schnell räumten -sie das Heu weg; da lag der Vergrabene mit -lustigem Gesicht, aber erstickt. Weil die Burschen -den Weg zum Gericht scheuten, so halfen sie sich, -wie sie es verstanden: sie schlugen einen Haken in -die Scheuer, wo sie am finstersten war, hängten -den Toten dran und drückten ihm seinen breiten -filzenen Scheibenhut in die Stirn. Dann schrieen -sie das Unglück im Dorf aus: »Leut, Leut, der -Bonifaz hat sich aufgehängt!« Und weil eben ein -Sturm anfing, glaubten die Fuxloher ihnen gern -und sahen mit Grausen, wie der Strick sich dem -Bonifaz um Hals und Bart schnürte, und der -Totengräber in Blaustauden drunten grub das -Grab um drei Schuh tiefer als sonst, daß der -Bonifaz nimmer heraus und umgehen könne.</p> - -<p>Die Bäurin gab ihm den Scheibenhut mit in die -Truhe. Sie meinte, in der Ewigkeit sei es hübsch -lüftig, und der Selige sei allweil heikel gewesen -auf den Zugwind. Auch steckte sie ihm die Pfeife -ins Maul, er möge sich jenseits etwas vorqualmen, -daß ihm Zeit und Ewigkeit besser vergingen. Sie -war ein fürsorgliches Weib, die Sodonia.</p> - -<p>Wie die alten Vögel pfeifen, so stümpern die jungen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_14">[14]</a></span></p> - -<p>Der Nachkömmling des Bonifaz war der Isidor -Dullhäubel. Der schlug sich, als er zur Mannheit -kam, mit einem Stein die vordersten Zähne aus, -womit die Soldaten das Papier von den Patronen -reißen, daß das Pulver ins Gewehr rinne. So -blieb der Isidor vor dem Krieg verschont.</p> - -<p>Der neue Bauer meinte, ein richtiger Mann -müsse neun Kinder zeugen, und da mußte nicht -bloß seine Bäurin daran glauben, sondern auch -alle Mägde, die auf dem Hofe dienten. Die -Kinder außerhalb der Ehe wuchsen frisch und fröhlich -heran, die eheleiblichen aber wurden nicht alt. -Sein Weib, die Sanna, sorgte sich nicht um die -Brut, sie schlief gern und schlief allweil ein, wenn -sie säugte, und der Säugling fiel ihr dabei oft -aus dem Schoß. So blieben ihr, ein einziges -ausgenommen, keine Kinder, trotzdem daß sie sehr -fruchtbar war und nur Zwillinge und Drillinge -gebären konnte.</p> - -<p>Sie grämte sich nicht um die Liebschaften des -Bauers. Doch die Sodonia, die Altbäurin, war -ob der heidnischen Vielweiberei ihres Sohnes -schwer bekümmert. Aber wenn ihm wieder einmal -ein Staudenkind auf die Welt kam und die Sodonia -ihm es als Sünde heftig verwies, lachte er nur:<span class="pagenum"><a id="Page_15">[15]</a></span> -»Fürs Lebendigmachen ist noch keiner gestraft -worden.«</p> - -<p>Der Isidor Dullhäubel führte allzeit sein Tabakglas -mit, und weit und breit tat es ihm keiner -gleich im Schnupfen. Nicht einmal der Blaustaudner -Schulmeister, der, selbst wenn er die -Orgel zum Hochamt schlug, den Tabak nicht völlig -entbehren konnte und darum auch beim Spiel allweil -ein braunes Häuflein auf dem Handrücken -trug und die Nase oft und oft inbrünstig dazu -niederstoßen ließ und mitten in Gottes Lobpreisung -andächtig hineinschnupfte.</p> - -<p>Als der Isidor noch frommer war, schnupfte er -in den Fasten nicht, so sehr es ihn auch lüstete; -er tat sich einen Abbruch, um Gott wohl zu gefallen. -Erst am letzten Kartag, wenn der Pfarrer sang: -»Christ ist erstanden!«, da nahm er sich wieder -das erste Schnüpflein. Als aber am Auferstehungstag -einmal der Geistliche kein Ende fand und Gebet -an Gebet, Litanei an Litanei knüpfte und nimmer -in den Erlösungsruf ausbrach, schlug sich der Isidor -ungestüm den Tabak auf die Hand: »Ob der Herrgott -auferstanden ist oder nit, – ich schnupf!« -Seither fastete seine Nase nimmer, und wenn ihm -einer dies als Laster vorrückte, wehrte er sich:<span class="pagenum"><a id="Page_16">[16]</a></span> -»Das Schnupfen ist keine Sünd. Der Pfarrer -Eusebius hat seine Tabakdose sogar auf dem heiligen -Kelch zum Altar getragen. Freilich hat der mit -seiner geistlichen Nase nur Spaniol mögen, und -ich schnupf brasilianischen Tabak. Aber unser Herrgott -kennt keinen Unterschied.«</p> - -<p>Dazumal, als sie den alten Bonifaz vom Nagel -herunternahmen, lümmelte der Isidor mit seinem -Nachbar, dem Mußmüller, im »pfalzenden Hahn«, -ließ sich von ihm über den Tod seines Vaters -trösten und lüpfte eifrig den Krug.</p> - -<p>»Sei froh, daß er hin ist,« redete der Müller. -»Es ist dein Glück, daß er im Ausgeding gesessen -ist, er hätt dir sonst den ganzen Hof versoffen.«</p> - -<p>Der Isidor schaute finster. »Soviel kann keiner -versaufen, als ich hab. Und vergönn es ihm, neid -es ihm nit in die Grube nach!«</p> - -<p>»Dullhäubel,« der Müller hob beschwörend die -Stimme, »Dullhäubel, ich weiß es: der Durst -schluckt den Bach samt der Mühl.«</p> - -<p>»Deinen Bach freilich, Gori, der hat kein Wasser,« -grinste der Bauer. »In aller Früh gehst du aus, -schlagst mit der Stange den Tau von den Erlen, -daß du Wasser aufs Rad kriegst.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_17">[17]</a></span></p> - -<p>In des Mußmüllers Stirn schnitten sich zwei -scharfe senkrechte Falten, er packte das Stutzenglas -und hieb es dem Isidor auf den Schädel, daß -die Scherben flogen. Jetzt hob auch der Bauer -sein Glas und trümmerte es dem Müller auf das -Hirn. Das alles geschah ohne sonderlichen Lärm.</p> - -<p>Derweil der Wirt neue Gläser holte, saßen sie -blutig und lachten.</p> - -<p>»Nix für ungut, Müllner.«</p> - -<p>»Tu her ein Schnöpflein, Isidor, daß wir einen -andern Sinn kriegen!«</p> - -<p>Der Bauer zog von dem blauen, geschliffenen -Tabakglas den Stöpsel weg, den er aus Weiberhaaren -geflochten hatte, und die zwei kräftigten sich -an dem scharfen Brasil.</p> - -<p>Der Wirt stolperte in die Stube. »Dullhäubel, -dein Weib hat sich ein ungeschicktes Wochenbett -ausgesucht. Gerad vor der Kapelle hat die Wehstund -sie angepackt.«</p> - -<p>Der Bauer pfiff halblaut vor sich hin; die Hand, -die sich mit einem Schnöpflein heben wollte, sank ihm.</p> - -<p>»Sie ist über den Erhängten zu stark erschrocken,« -redete die Wirtin zum Fenster herein.</p> - -<p>Der Müller riet: »Nachbar, drück die Knie zusamm, -daß sie leichter niederkommt!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_18">[18]</a></span></p> - -<p>»Bei der Kapelle?« besann sich der Bauer. »Das -ist kein ungeschickter Ort, Wirt. Da springt der -heilige Blaumantel heraus und steht ihr bei.«</p> - -<p>»Wir Weiber helfen uns schon selber,« schwätzte -die Wirtin. »Ich für mein Teil komm um einen -weißen Laib Brot nieder, ich geh dreimal in der -Stube hin und her und beutel das Kind ab.«</p> - -<p>Der Isidor blähte sich auf. »Studieren muß er, -der Bub. Ein hoher Herr soll er werden; Steuern -soll er einmal ausschreiben, den Müllnern und den -Wirtsleuten!« lächelte er mit pfiffigem Querblick.</p> - -<p>»Was? Mir neue Steuern?« brauste der Gori. -»Jetzt, wo wir Müllner so schwer geschädigt sind -von den neuen Zeiten? Alle Gerechtigkeit haben sie -uns genommen. Früher haben wir im Bach fischen -dürfen, so weit unsereiner den Hammer hat werfen -können. Heut nimmer. Früher ist meine Mühl -eine Zwangmühl gewesen; heut schafft ein jeder -sein Korn nach Trippstrill und Schlampampen.«</p> - -<p>»Dullhäubel, drei Buben!« rief die Wirtin in -die Stube.</p> - -<p>»Sakerment, wie viel?« Der Bauer hielt wie -schwerhörig die Hand ans Ohr.</p> - -<p>»Drei Buben. Bis jetzt.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_19">[19]</a></span></p> - -<p>Der Dullhäubel faltete die Hände. »O Herr, -halt ein mit deinem Segen!«</p> - -<p>Die Tür knarrte, und auf der Schwelle stand -die Hebamme mit einem mächtigen Wickelpolster, -drin zwei Büblein kläglich winselten. Eine Magd -trug das dritte Kind.</p> - -<p>»Drei Buben, Bauer!« meldete die Hebamme. -»Eine harte Geburt! Gerad vor der Kapelle.«</p> - -<p>Der Isidor Dullhäubel ergrimmte. »Hat er -ihr also nit geholfen, der Blaumantel? Da steht -er schon so lang auf meinem Grund, und jetzt, -wo meine Buben anrücken, jetzt rührt und ruckt -er sich nit. Jetzt reicht er keine Hand.«</p> - -<p>»Er ist halt ein Heiliger und keine Hebmutter,« -beschwichtigte ihn der Müller.</p> - -<p>Aber der Bauer eiferte: »Ist doch schon die -Muttergottes selber aus ihrem silbernen Gewölk -gestiegen und den Weibern beigesprungen in ihrer -Stund! Hätt nit der Tropf auch aus seiner -Kapelle treten können?!«</p> - -<p>»Wischt euch das Blut ab, Männer,« sagte die -Hebamme, »und geht gleich mit zur Taufe, daß -die Würmer nit als Heiden absterben. Daß sie -ins Engelreich kommen und drüben einen Namen -tragen. Der ist traurig dran, der keinen Namen<span class="pagenum"><a id="Page_20">[20]</a></span> -führt. Und die Drillinge werden nit lang leben, -es sind Siebenmonatkinder.«</p> - -<p>Die zwei Männer standen auf und wankten -mürrisch den Weibern nach ins Pfarrdorf Blaustauden -hinunter.</p> - -<p>Dort in der Kirche legte die Hebfrau ihr Paar -dem Müller in die Arme, derweil der Bauer den -einschichtigen Sprößling hielt. So traten sie zu -dem Taufstein.</p> - -<p>Der Pfarrer ließ nicht lange warten.</p> - -<p>»Hollah, drei auf einem Schub!« lachte er. »Die -drei Eismänner haben schon auf deinem Hof -gehaust, sind wunderliche Heilige gewesen, Dullhäubel. -Taufen wir die da nach den drei Königen!«</p> - -<p>Und er taufte sie Kasper, Melcher und Balthauser. -Die Büblein hielten sich mäuselstill, und -erst, als bei der Taufe des Kasper, den der -Bauer selber hielt, der geistliche Herr fragte: -»Widersagst du dem Teufel?« da schrie der Bub -gar mörderlich auf, als sei er von dem besessen, -dem er absagen sollte, und sei mit der Taufe gar -nicht einverstanden.</p> - -<p>»Halt das Maul, Kerl, oder ich schlag dir die -Zähne ein!« drohte der Pfarrer.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_21">[21]</a></span></p> - -<p>»Segnet ihn mir gut ein, Hochwürden, den -Kasper!« bat der Bauer. »Spart kein Wasser nit!«</p> - -<p>Als die Männer den Weibern wieder die Täuflinge -überließen, merkten sie, daß der Melcher und -der Balthauser kein Schnäuferlein mehr taten. -Der Müller mochte sie wohl ein wenig zu fest -an sich gedrückt haben, und es war ungewiß, ob -sie getauft oder heidnisch ins Jenseits eingefahren -waren.</p> - -<p>Der Bauer aber freute sich an dem Kasper. Der -hielt die lebendigen Augen offen und sah scharf -darein. »Der hat gescheite Augen,« frohlockte der -Alte, »das ist ein Kreuzköpfel.«</p> - -<p>»Er ist zu früh auf die Welt gekommen, der -Spitzbub,« sagte die Hebamme. »Ich will ihn -auf der Schaufel dreimal in den Backofen schieben, -dann geratet er. Und gespieben hat er auch schon. -Speibendes Kind, bleibendes Kind!«</p> - -<p>Der Isidor ließ im Wirtshaus noch einen gezuckerten -Wein auftragen, wie ihn die Weiber -gern mögen, hernach schickte er die zwei mit dem -Lebendigen und den Toten heim.</p> - -<p>Er selber trollte erst spät seinem Hof zu.</p> - -<p>Vor der Kapelle rastete er. Der Mond lugte -glashell hinein.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_22">[22]</a></span></p> - -<p>»Blaumantel, ob du schon schlafst?«</p> - -<p>Der hölzerne Heilige drin redete nicht und -deutete nicht.</p> - -<p>»Geh, reck die Nase her und schnupf, heiliger -Blaumantel!« spottete Isidor. Er tappte sich zu -dem Heiligen hin und schüttete ihm das Tabakglas -in den Bart.</p> - -<p>Da nieste es auf einmal so schrecklich auf, daß -die Kapelle zitterte. Mit schlotternden Knieen floh -der Bauer. Und eine grobe Stimme schrie hinter -ihm her: »Du wirst deine Schnutel, deine Schnufel -nimmer lang tragen!«</p> - -<p>Was der beleidigte Heilige geweissagt hatte, -das geschah. In ein paar Jahren starb dem -Isidor Dullhäubel die Nase am lebendigen Leib -ab, wie eine Blume an der grünen Staude verwelkt, -und weil er hörte, daß die alten Ritter, -wenn ihnen die Hand abgehauen worden war, -sich für die fleischene eine eiserne an den Arm -hatten schnallen lassen, so suchte er einen Kupferschmied -heim, und der setzte ihm eine kupferne -Nase zwischen die Augen.</p> - -<p>Doch das Leben freute ihn nimmer, seit er -nimmer schnupfen konnte, und er vergaß es dem -Blaumantel nicht, daß er ihn um das eindringlichste<span class="pagenum"><a id="Page_23">[23]</a></span> -Ergötzen seines Lebens betrogen hatte; -schimpfend stampfte er an ihm vorbei und rückte -den Hut nimmer.</p> - -<p>Als der Kasper so hoch wie der Stubentisch -war, und sich schon selber die Tür auftun konnte -und ganz listig schon aus den engen Augen herauslugte, -da stellte der Bauer ihn vor die Kapelle -und schalt unflätig hinein. So keimte in dem -kleinen Kasper ein Widerwille auf, und der wuchs, -als die Altbäurin Sodonia dem Buben, wenn er -etwas Schlechtes getan, mit dem Zorn des Heiligen -drohte und diesen als Vorbild eines wohlgefälligen -Wandels hinstellte.</p> - -<p>Die Alte rüstete den Heiligen mit der Pracht -der wunderlichsten Wunder aus und dichtete ihm -alle Gewalt über Himmel, Hölle und Welt zu, -so daß der Herrgott, an ihm gemessen, nur ein ohnmächtiger -Schatten schien. Vor seinem Zauber -wurde der Gichtbruch tanzend und wanderte der -Lahme, versiegte alles Gebrest; Stumme lobsangen -ihn, Blinde wurden geheilt an dem Schimmer -seines blauen Mantels.</p> - -<p>Der Kasper lehnte oft vor der Kapelle und -staunte voll Angst und Trutz hinein.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_24">[24]</a></span></p> - -<p>Am Bach, in dem gemauerten Häuslein, hinter -der Gittertür geborgen vor Regen und Schnee, -hatte der Heilige seinen Unterschlupf. Mit krausem, -rotem Schädel, mit strengen, quellenden Augen und -langer Nase stand er drin, das Haupt geneigt -unter der Last des Heiligenscheines, am Kinn angeleimt -einen fuchsfarbenen Bart aus Menschenhaar, -den Mund weit offen und die Arme abwehrend -von sich gestreckt, als seufze er: »Gott, -hüt mich frommen Bruder vor dieser Welt!«</p> - -<p>»Dein Guckähnel hat ihm einmal frevelmütig -den Bart gestutzt, aber gleich ist er ihm wieder -nachgewachsen, dem Heiligen,« erzählte die Sodonia -dem Buben.</p> - -<p>»Warum ist er denn heilig?«</p> - -<p>»Weil er in einem Felsenloch gehaust hat sein -Lebtag.«</p> - -<p>»Da ist der Fuchs auch ein heiliger Mann, der -schlaft auch in einem Steinriegel hinter der Mühl.«</p> - -<p>»Ein Vieh ist nit heilig,« sagte die Altbäurin -verdrossen.</p> - -<p>Der Kasper faltete die Stirn. »Woher ist der -Blaumantel gekommen? Hat er sich die Kapelle -selber gebaut?«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_25">[25]</a></span></p> - -<p>Sie zog den Buben auf den Schoß und erzählte: -»Gar überlang ist es schon her, da haben die -Hirten den hölzernen Heiligen in einem hohlen -Baum gefunden, da auf der Stelle, wo er jetzt -steht. Sie haben ihn nach Blaustauden geschafft -und dort auf den Altar gestellt, aber er ist davon -und wieder zurück in seinen Baum. Jetzt haben -sie ihn in die Stadt gebracht, daß er nit in einen -so langweiligen Einöd trauern müßt, sondern ein -paar ansehnliche Heilige um sich hätt, und daß er -sich dran gewöhnt, haben sie ihn in der ersten -Nacht in eine Truhe unter Schloß und Eisenband -gelegt, und der Pfarrer und der Meßner haben -sich darauf gesetzt, daß der Vogel nit ausfliegt. -Aber der Blaumantel hat die Truhe gesprengt, -Pfarrer und Meßner über den Haufen geworfen, -und ist wieder zurück in die Heimat. Er hat wollen -in der Wildnis geehrt werden, wo er gebetet und gebüßt -hat. Da hat man über ihn die Kapelle gebaut.«</p> - -<p>Der Kasper schielte mit den verzwinkerten Äuglein -hinauf. »Mir hat aber der Vater gesagt, -die Fuxloher hätten den sakrischen Blaumantel auf -der Wallfahrt gestohlen, daß sie einen wohlfeilen -Heiligen hätten. In einem Sack hätten sie ihn -daher gebracht.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_26">[26]</a></span></p> - -<p>»Sei still, Bub,« warnte die Altbäurin, »sonst -straft er dich auch. Denk an dem Bauer seine -Nase!«</p> - -<p>»Meiner Nase darf er nix tun,« trotzte der Kasper.</p> - -<p>»Still, still! Sonst kommt gar der Gankerl, steckt -dich in den rußigen Kessel, bratet dich, frißt dich.«</p> - -<p>Es war, als würde dem Buben die kecke Rede -vergolten, denn nach ein paar Tagen wuchs ihm -auf der Nasenspitze eine Warze, die ihm gar nicht -gut zu Gesicht stand. Das wurmte die Altbäurin, -der an des Kasper Sauberkeit gelegen war, aber -das Hörnlein blieb, wie oft es auch mit Wolfsmilch -und mit Warzenkraut betupft, mit Fensterschweiß -gewaschen und mit Roßhaar gedrosselt -wurde. Es frommte nicht heißes Schusterpech, -und als die Sodonia den Mißwuchs gar mit -Zunder wegbrennen wollte, brüllte der Bub entsetzlich -und ließ keinen mehr an sich heran.</p> - -<p>Da kam die Ulla daher, ein buckliges Bettelweiblein -mit einem kleinwinzigen Kopf, drin ein -Hirn kaum Platz zu haben schien. Ihr spitzes, -haariges Kinn schlotterte, geschäftig drehte sie sich -in der Stube hin und her und knüpfte mit einem -Faden fünf Knoten über der Warze des Kasper, -der sich wie verhext unter dem sonderbaren Tun<span class="pagenum"><a id="Page_27">[27]</a></span> -des Weibleins duckte. Nachher betete sie fünf -Vaterunser und murmelte noch ein Heimliches in -sich hinein, daß den Buben ein Grausen anflog. -Schließlich humpelte sie hinters Haus, und wo -die Tropfen vom Dach in die Erde schlugen und -eine Rinne gegraben hatten, dort verscharrte sie -den Faden.</p> - -<p>Als der Mond neu wurde, war die Warze verschwunden, -und der Kasper war ein sauberer Bub -mit blühroten Wangen, großem, kugelrundem Kopf -und flinken Füßen.</p> - -<p>Die Ulla aber fürchtete er noch mehr als den -Erdspiegel, der im Keller unzugänglich verschlossen -lag. Oft stahl er sich zu der verfallenen Hütte der -Alten und belauschte sie, wie sie zwischen den Felsen -wilde Kräuter brockte und eintrug, wie sie mit den -Raben redete und den Schlangen oder einer Staude -etwas sagte oder gar einem Stein.</p> - -<p>Sonst war er ein Waghals. Er ritt auf den -Ochsen und Rössern, kletterte auf die Tannen -hinauf bis zur höchsten Spitze, rannte über den -Dachfirst, wo der Hauslauch grünte, und niemals -stieß ihm ein Unglück zu.</p> - -<p>Nur einmal blieb ihm eine Bohne in der Nase -stecken, sie wollte nicht heraus und keimte schon.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_28">[28]</a></span></p> - -<p>»Sie wachst dir ins Hirn, Kasper,« jammerte -die Altbäurin. »Der Blaumantel wird dich ganz -gewiß an der Nase verderben lassen. Ich seh dich -schon verkupfert.«</p> - -<p>Der Bauer aber klemmte den Kasper zwischen -die Kniee und drückte ihm das Gesicht in eine Hand -voll Tabak hinein. Da riß es dem Buben den -Kopf in die Höhe, er nieste sprühend, und die -Bohne flog aus der Nase an die Wand.</p> - -<p>Jetzt haßte der Kasper den Blaumantel. Den -heilsamen Tabak aber begehrte er, und bald wußte -er sich aus des Vaters ungenütztem Vorrat den -bräunlichen Staub zu verschaffen, der das Hirn so -lieblich kitzelt und erfrischt und das ganze Blut -riegelt, wenn der Niesreiz von inwendig her an -die Nase herankriecht und schallend zerstäubt.</p> - -<p>Weil der Kasper gar so waghalsig und ungebärdig -aufwuchs und von den Wipfeln schier nimmer -herunter zu kriegen war, wo er die Krähennester -ausraubte, sorgte sich die Sodonia um des Enkels -leibliches Wohl und Seelenheil und fürchtete, er -schlage allzusehr in die Art der Vorfahrer am -Dullhäubelhof.</p> - -<p>Drum meinte sie zur Bäurin: »Du, Sanna, -wir müssen den Daumen mehr auf den Buben halten,<span class="pagenum"><a id="Page_29">[29]</a></span> -daß er nit ausartet. Er hat nit Rast, nit Ruh, -wie aus Schlangenschwänzen ist er zusammgesetzt. -Er zerreißt zu viel Hosen.«</p> - -<p>Die Bäurin gähnte: »Das tut nix. Der -Schneider bittet auch ums tägliche Brot.«</p> - -<p>Die Alte ließ nicht nach. »Der Kasper hat ein -gutes Gemerk, wir sollten ihm einen Schulmeister -halten. Der Brunnkressenhannes wär ein gelehrter -Mann.« –</p> - -<p>Da fand sich der Brunnkressenhannes im Hof ein.</p> - -<p>Er war ein magerer, krummhälsiger Gesell, der -den Bauern gegen einen Jahrlohn das Vieh hütete. -Auch bekam er alljährlich von der Gemeinde ein -neues Kuhhorn, und er prahlte oft, zu seinem Begräbnis -brauche er keine Musikanten, da würden -alle Hirten aus dem Gebirg kommen und auf den -Hörnern, die in seiner Kammer hingen, ihm zu -Grabe blasen.</p> - -<p>Jetzt aber fragte ihn der Isidor Dullhäubel: -»Hannes, kannst du schreiben und lesen und rechnen?«</p> - -<p>»Und singen auch,« nickte der Hannes stolz.</p> - -<p>»Du sollst das alles unserm Kasper in den Kopf -bringen. Triffst du das?«</p> - -<p>Der Hirt bäumte sich auf. »Das vermag ich wohl.<span class="pagenum"><a id="Page_30">[30]</a></span> -Ich hätt schier selber in der Stadt die Schulmeisterprüfung -hingelegt.«</p> - -<p>»Warum hast du es nit getan?«</p> - -<p>»Ei, da haben mich die Herren von der Schulmeisterschul -gefragt, was ich vom Specht wüßt. Ich -hab langmächtig hin und her gedacht, und zuletzt -hab ich zugeben müssen, daß mir derselbige Specht -ganz unbekannt ist und daß ich ihnen überhaupt nix -davon erzählen kann, und wenn sie mich erschlagen. -Da hat mich einer erschrecklich scharf durch die Augengläser -angeschaut und hat auf die Tür gedeutet. -›Behüt Gott! Ich geh gern,‹ sag ich. Und wie ich -glücklich draußen bin, steht einer dort, der ist aus -der Blaustaudner Pfarrei gewesen. ›Du,‹ sag ich, -›hörst, jetzt gesteh mir auf dem Fleck, was ist denn -das – ein Specht?‹ ›O du lieber Landsmann,‹ -schreit der, ›du wirst doch schon einmal einen Baumhackel -gesehen haben?!‹ Nein, Dullhäubel, wenn -ich gewußt hätt, daß der Baumhackel in der Stadt -sich Specht schreiben laßt, den ganzen Tag hätt -ich den studierten Herren davon erzählen können.«</p> - -<p>Der Dullhäubel holte den Hirschenbrunner Volkskalender -vom Fensterbrett, schlug ihn vorn auf und -hielt ihn dem Hirten hin. »Jetzt will ich mich überzeugen, -ob du gut lesen kannst.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_31">[31]</a></span></p> - -<p>Der Brunnkressenhannes holte aus der Brusttasche -eine Brille herfür, rüstete sich damit und setzte -ein gelehrtes Gesicht auf.</p> - -<p>»Mit Brillen lesen, ist keine Kunst,« rief der -Bauer. »Das trifft ein jeder.«</p> - -<p>Der Hannes kehrte sich nicht dran und las langsam -und gewichtig: »Sankt Kilian stellt die Mäher -an. Wann Maria im Regen übers Gebirg geht, -dann geht sie im Regen wieder zurück.«</p> - -<p>Schnell deutete der Dullhäubel auf eine Eintragung, -die auf der andern Seite stand. »Ob -du die Schrift auch verstehst?«</p> - -<p>Der Brunnkreßner wischte mit dem Ärmel über -die Nase und las: »Am Montag nach Mariä -Himmelfahrt ist der Kasper auf die Welt kommen. -Den Tag hernach ist unsere gelbfleckete Kuh, die -Docke, beim Stier gewesen.«</p> - -<p>»Selbes ist wahr,« freute sich der Bauer, -»meine Mutter hat das geschrieben. Die Zeit -stimmt.«</p> - -<p>Nun schlug er den Kalender hinten auf und hielt -ihn lauernd dem Hirten hin.</p> - -<p>Der las: »Viehmärkte in Hirschenbrunn sind zu -Georgi, am Tag vor Peter und Pauli, zu Ägidi -und zu Martini.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_32">[32]</a></span></p> - -<p>Der Isidor wunderte sich über die Maßen. -»Sakerment, wahr ist es, vorn und hinten kann -er lesen. Aber, Hannes, ich muß dich noch mehr -versuchen.«</p> - -<p>Er rannte davon und kam nach einer hübschen -Weile mit einem andern Kalender zurück.</p> - -<p>»Den hat mir der Mußmüllner geliehen, es ist -ein Linzer Stadtkalender. Ob du den auch verstehst?«</p> - -<p>»Das wär nit schlecht.«</p> - -<p>Der Hannes las, worauf des Dullhäubel derber -Finger zeigte: »Ein Bauer begehrte einen Viehpaß. -Der Schreiber fragte: ›Auf wieviel Ochsen?‹ -– ›Auf Zwei‹. – ›Und der dritte treibt sie‹, lachte -der Schreiber. – ›Und der vierte schreibt sie‹, lachte -der Bauer.«</p> - -<p>»Sakerment, ist das eine schöne, kurze Geschichte. -Und ist sie auch wahr? Und steht das wirklich so -drin?« staunte der Dullhäubel.</p> - -<p>»Ganz genau, ich beschwör dir es. Tausend -Schwüre leg ich darauf ab in einer Viertelstund!«</p> - -<p>»So kannst du also einen jeden Kalender lesen -vorn und hinten?«</p> - -<p>»Oben und unten, geschrieben und gedruckt,« -sagte der Hirt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_33">[33]</a></span></p> - -<p>»Sakerment, wenn du jetzt noch die Gitarr -zupfen könntest, du könntest um die größte Schul -einreichen,« meinte der Bauer.</p> - -<p>Damit war der Brunnkressenhannes als Schulmeister -aufgenommen. –</p> - -<p>Am andern Tag hütete der Hannes auf der -Weide vor dem Vogeltänd das Vieh. Das Kuhhorn -im Gürtel, saß er auf einem Stein, und vor -seinen Zehen brannten die feurigen Nägelblumen. -Rings graste das Vieh, ein rotblümetes Stierlein -scherzte, ein Heuschreck hüpfte aus dem Gras auf. -Am Himmel glänzte eine linde Wolke.</p> - -<p>Da brachte der Isidor Dullhäubel seinen Schüler -daher.</p> - -<p>»Er wird bei mir Zucht lernen,« rief der Brunnkressenhannes. -»Gute Zucht tragt gute Frucht. -Da setz dich her zu meinen Füßen, Kasper!«</p> - -<p>Er räusperte sich und fing an: »Zuerst müssen wir -von der Welt lernen. Drum merk auf, und sag -es mir dreimal nach: Die Welt ist eine Kugel.«</p> - -<p>»Oha!« schrie der Bauer, der zuhörte. »Weitaus -gefehlt! Die Welt ist ein Teller.«</p> - -<p>Der Hannes bog den krummen Hals und sah -den Dullhäubel scheel an. Nachher begann er<span class="pagenum"><a id="Page_34">[34]</a></span> -wieder: »Du kannst es mir glauben, Kasper! Die -Welt ist so rund wie dein Schädel.«</p> - -<p>Betroffen tastete der Bub seinen Kopf ab, als -wolle er den rechten Begriff von der Gestalt der -Erde gewinnen.</p> - -<p>Derweil widerstritt der Bauer: »Alles ist gerad -und eben. Wo sieht man es denn, daß die Welt -kugelrund ist? Wenn es so wär, müßt man ja -auf der Seite hinunterfallen. Bucklet ist die Welt, -aber rund nit.«</p> - -<p>»Die Welt ist rund wie eine Kegelkugel und -dreht sich,« sagte der Brunnkressenhannes scharf -und unwillig. »Schwätz mir nix drein, Bauer!«</p> - -<p>Der Isidor erwiderte: »Wenn die Welt sich -dreht, müßt einmal das Wasser aus dem Brunn -fallen, du Aff du! Und mit dem Kopf nach unten -müßt man zeitweilig gehen, du Aff du! Stell dich -einmal auf die Stubendecke hinauf, du Aff du, -und fall nit herunter!«</p> - -<p>Der Hirt ward hitzig. »Und dennoch dreht sich -die Erde um die Sonne!«</p> - -<p>Da holte der Bauer weit aus und reichte dem -Hannes einen schallenden Hieb. »Ich vertrag viel, -aber so arg laß ich mich nit narren, du falscher -Lügenteufel. Hab ich es doch erst heut wieder gesehen,<span class="pagenum"><a id="Page_35">[35]</a></span> -wie die Sonn aus der Erd heraus gerodelt -ist! Und die Sonn steht nit, sie geht; doppelt so -geschwind geht sie wie ein Mensch.«</p> - -<p>Der Hannes rieb sich die Wange. »Du bist -ein grobes Wetter, Bauer. Aber es hilft dir nix. -Und die Gelehrten wissen allerhand, was dir seltsam -ist, und sie haben recht. Wie könnten sie sonst -die Stund genau ansagen, wo sich der Mondschein -verfinstert?«</p> - -<p>»Das nehmen sie ja aus dem Hirschenbrunner -Kalender, du Narr!«</p> - -<p>»Und wer macht denn den Kalender, he?«</p> - -<p>»Den Kalender hat es allweil gegeben, du Narr. -Hör mir auf mit deinen neugescheiten Gelehrten! -Die wissen am End gar, wann Gott die Welt erschaffen -hat.«</p> - -<p>»Jawohl, Bauer, am dreizehnten März.«</p> - -<p>Da schlug der Isidor Dullhäubel ein Kreuz, -daß er sich dabei schier die kupferne Nase aus -dem Gesicht gerissen hätte, und ging und überließ -den Kasper seinem Schulmeister.</p> - -<p>Der hob den Finger. »Jetzt, Bub, mußt du -einen Spruch lernen. Sag mir ihn nach!</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Kind, horch, was dein Gewissen spricht<br /></span> -<span class="i0">und handle so, dann fehlst du nicht!<br /></span><span class="pagenum"><a id="Page_36">[36]</a></span> -<span class="i0">Die innre Stimme ruft uns zu:<br /></span> -<span class="i0">Böses meide! Gutes tu!«<br /></span> -</div></div> - -<p>Zeile um Zeile drillte er dem Schüler ein, und -der konnte es bald auswendig.</p> - -<p>»So, jetzt lernen wir Lieder singen!«</p> - -<p>Der Hannes zog das Maul schief, sah ins Gras -und begann mit meckernden, hohen Lauten:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Morgens, wenn die Sonn aufgeht<br /></span> -<span class="i0">und der Tau im Gras da steht,<br /></span> -<span class="i0">treib ich mit verliebtem Schall<br /></span> -<span class="i0">meine Viehlein aus dem Stall<br /></span> -<span class="i0">auf die grüne Hutweid hin,<br /></span> -<span class="i0">ob ich gleich ein Hirt nur bin.«<br /></span> -</div></div> - -<p>»Nun, Kasper, wie gefallt dir das Lied? Es -hat eine recht sittsame Weis.«</p> - -<p>»Gar nit gefallt es mir,« rief das Bauernbüblein.</p> - -<p>»Du Lump, du fauler, du geringschätziger!« -tadelte gekränkt der Hannes. »Du wirst auch -einmal so ein Bauer werden, der alle Tag Sonntag -und alle Sonntag Kirchweih hat und nix tut, -als an den Zäunen lehnen. Weißt du vielleicht -ein schöneres Lied?«</p> - -<p>Der Bub ließ es sich nicht schaffen und gellte -aus höchstem Hals:</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_37">[37]</a></span></p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Ich schrei hü,<br /></span> -<span class="i0">ich schrei ho,<br /></span> -<span class="i0">ich schrei allweil<br /></span> -<span class="i0">hüstaho!«<br /></span> -</div></div> - -<p>»Da loset dem jungen Dullhäubel zu, der braucht -keinen Schulmeister nimmer,« sagte der Hirt bissig.</p> - -<p>Er kramte einen messingenen Ring heraus, das -war seine Sonnenuhr, stellte sie gegen das Licht -und sah nach der Stunde.</p> - -<p>»Bub,« meinte er, »meine Zeit ist da, mich -schläfert. Nimm derweil das Vieh in acht!«</p> - -<p>Er unterwies den Kasper noch, wie er sich als -Hirt zu halten habe, verblümelte dabei seine Rede -mit vielerlei nutzbaren Sprüchen, sank dann auf -einmal steif und mit gläsernen Augen ins Gras -zurück und schlief.</p> - -<p>Der Kasper kümmerte sich nicht um das Vieh, -sondern kitzelte die Grillen aus ihren Nestern, -und hernach fing er ein paar Bienen, sperrte sie -in ein Schachtel, und die war der Stall, dort sollten -sie Honig melken. Dann grub er ein tiefes -Hummelnest aus. Eine Hummel entkam ihm und -irrte herum wie ein fliegendes Baßgeiglein, eine -andere aber ertappte er und steckte sie zu den -Bienen, denen sollte sie der Weisel sein. Auch die<span class="pagenum"><a id="Page_38">[38]</a></span> -Hummelzellen gab er ihnen in den Stall, sie sollten -sich ihrer als Schüsseln und Bratscherben bedienen.</p> - -<p>Bald war sein unruhiger Sinn des stillen -Spieles überdrüssig, und er schlich sich zu zwei -weidenden Kühen hin und knüpfte ihnen die -Schwänze zusammen, und als er hernach böse zu -summen anhob wie eine Blutfliege, wurden die -zwei Tiere vor Angst irr, sie wollten fliehen und -konnten nicht, sie versuchten sich zu scheiden, und -es gelang nicht, das eine zerrte hin, das andere -zog her, sie sprangen immer närrischer.</p> - -<p>Der Kasper ergötzte sich daran, und daß seine -Lust noch höher steige, stahl er dem Hirten das Horn -und stieß mit aller Wut seines Atems darein.</p> - -<p>Der Brunnkressenhannes taumelte auf. Er sah, -wie die Kühe mit verknüpften Schwänzen, die -eine rechts, die andere links, einen jungen Ahorn -schier umrissen. Verzweifelt griff er sich ins Haar, -das so karg stand wie der armen Leute Hafer.</p> - -<p>»Herrgott von Blaustauden, laß nur die Schwänze -nit reißen!« Mit diesem und noch manch anderem -Stoßgebet rannte er den Kühen zu Hilfe.</p> - -<p>Da tauchte der Meßner Grazian aus einer -Staude, ein spitzköpfiger, einseitiger Mann; die eine -Achsel stand ihm höher als die andere. Er deutete<span class="pagenum"><a id="Page_39">[39]</a></span> -mit krummem Finger auf den Kasper. »Das ist ein -liederlicher Bursche. Der wird es zu nix bringen.«</p> - -<p>Der Bub blies mißtönig auf dem Stengel -einer Ringelblume und schaute, kalt bis ins mittelste -Herz, zu, wie der Hannes die ungeduldigen -Kühe auseinander tat.</p> - -<p>»Dem liederlichen Burschen wird es einmal -schlecht gehen,« weissagte der Meßner Grazian, -»der wird noch einmal Mäus und Grillen fressen.«</p> - -<p>Indes hatte der Hirt sein umständliches Amt -vollbracht und fiel nun mit einem heimtückischen -Sprung über den Kasper her, lieh sich dessen -Ohrwäschlein aus, tappte ihm nach dem Schopf -und riß ihm eine dicken Schübel Haare aus. Dabei -keuchte er: »Dank hab die Rut, sie macht das -Knäblein gut!« und der Kasper sollte den Spruch -wiederholen. Der aber stampfte und strodelte unter -den Krallen seines Meisters und krähte wie ein -junger Rabe, der aus dem Nest gefallen ist.</p> - -<p>Der Grazian hingegen predigte aus der Staude -heraus: »Der liederliche Bursche rennt dem Galgen -zu, er kann ihn nimmer erwarten. Hau zu, Hannes! -Hau so viel Ruten an ihm ab, als auf einem -Joch wachsen!« –</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_40">[40]</a></span></p> - -<p>Damals endete das kurze Schulmeistertum des -Brunnkreßners.</p> - -<p>Der Isidor Dullhäubel nahm seinen Buben her. -»Kasper, du wirst ein großer Bauer wie ich. Du -wirst einmal Vieh und Felder und Holz haben. -Holz macht die Erde stolz, und du kannst einmal -stolz den Kopf heben, und die andern Fuxloher -Bauern werden nur Notleider gegen dich sein. -Lernen sollst du nit viel, es ist nit gesund. Wer -viel weiß, wird nit feist.«</p> - -<p>»Zum Hannes geh ich nimmer,« trotzte der Bub.</p> - -<p>»Du brauchst auch nit, Bub. Die richtige Meinung -über die Welt bring ich dir bei, und lesen -und schreiben lernst du von der Altbäurin.«</p> - -<p>Es war die lustigste Lehrzeit, die der Kasper -bei seinem Vater verlebte. Weil der Bauer glaubte, -das Gedächtnis sei die wichtigste Arbeit des Gehirns, -so mußte der Bub die scheckigsten Lügenmärlein -auswendig lernen, davon die Geschichte -vom brennenden Wasser, das mit Feuer gelöscht -worden ist, und von der papierenen Kapelle, drin -der hölzerne Pfarrer eine haselne Messe liest, noch -am glaubwürdigsten war. Hernach brachte der -Dullhäubel seinem Schüler, der lebhaft wie ein -Hirschlein darein sah, manchen Spottreim und<span class="pagenum"><a id="Page_41">[41]</a></span> -manchen spitzigen Stichelschwank bei und erzählte -ihm die Streiche, derer die Dörfer diesseits und -jenseits des Gebirges bezichtigt wurden, und bald -wußte der Kasper jedem Ort ein Narrenglöckel -anzuhängen, und er spottete über die Bärnloher, -denen einmal ein Ochs auf den Kirchturm hinaufgestiegen -war, und über die Daxloher, wo die -Kühe so bitterlich hungern, daß eine der andern -den Schwanz abfrißt. Quackten im Mai die Frösche, -so lachte der Kasper: »Die Grillnöder singen!« -Und wenn die Blaustaudner Glocken über den -Wald herauf klangen, sang er:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Die Blaustaudner läuten,<br /></span> -<span class="i0">sie läuten vor Not,<br /></span> -<span class="i0">sie fangen den Bettelmann<br /></span> -<span class="i0">und nehmen ihm's Brot.«<br /></span> -</div></div> - -<p>Der Bub konnte auch bald so kunstvoll mit der -Peitsche schnalzen wie ein alter Fuhrknecht. Er -schob die Finger ins Maul und pfiff schrill, daß -es den ganzen Wald Vogeltänd durchdrang und -die Krähen in den Nestern sich duckten.</p> - -<p>Weil er den Großen und den Kleinen seine -Sprüche und Stichelnamen anhängte, traute sich -schier niemand am Dullhäubelhof vorüber, und der -Kasper war von allen gefürchtet wie ein bissiger<span class="pagenum"><a id="Page_42">[42]</a></span> -Enterich. Drum fand er auch zu seinen Spielen -keinen Gesellen.</p> - -<p>Nur des Mußmüllers Gid, ein stämmiger, vertrotzter -Bub, vertrug sich mit ihm, und die zwei -bauten Wasserräder in den Wolfsbach, durchstöberten -die Felder nach gesprenkelten Rebhuhneiern und -die Wipfel nach Nestern, fingen Schnerrer und -Kranwitvögel, brieten und fraßen sie, fischten und -krebsten, schopften und prügelten sich weidlich und -söhnten sich wieder aus.</p> - -<p>Die Nachbarsbuben waren bald nimmer zu -trennen. Und kam einmal der Gid nicht früh genug -aus dem Haus, so stellte sich der Kasper vor des -Müllers Tür und lockte mit seiner feinsten Kehle -durchs Schlüsselloch hinein: »Müllnerin, wenn du -den alten Mostbirnbaum magst, mein Vater laßt -dir ihn ausgraben. Ist der Gid nit daheim?«</p> - -<p>Er tat so fein und so schmeichelnd, weil die Mühle -der einzige Ort auf der Welt war, der ihm unheimlich -schien. Denn der Müller Gori drohte oft -den unbändigen Buben: »Ich laß den Wassermann -los, er liegt in der Kuchel im Ofenloch an der -Kette.« Und sprang gar der schwarze Hund Zikan, -den einmal böhmische Komödianten zurückgelassen -hatten, hinter dem Ofen hervor und fletschte den<span class="pagenum"><a id="Page_43">[43]</a></span> -Kasper an, da verzog er sich schnell und blieb eine -kleine Weile artig.</p> - -<p>Aber das Blut der Buben verlangte allmählich -nach verwegeneren Dingen, und die vererbte Rauflust -regte sich. So zogen sie oft an die Gemarkung -des Dorfes und forderten schreiend die Widersacher -heraus.</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Salz in der Butten,<br /></span> -<span class="i0">Mehl in der Gruben,<br /></span> -<span class="i0">die Grillnöder sind<br /></span> -<span class="i0">Hagbutzelbuben.«<br /></span> -</div></div> - -<p class="noind">Die Grillnöder Buben litten den Schimpf nicht, -und sie trauten sich über die Schmäher, und so -kam es zu zerkratzten Gesichtern, verbeulten Schädeln -und blutigen Häuten, wobei aber der Kasper meist -gesund davonging, denn er hielt sich zur rechten -Zeit zurück und überließ den Hauptanteil an dem -Streit dem Gid.</p> - -<p>Der Müllerbub war auch weitaus stärker als -Kasper. Nur im Gedächtnis fehlte es ihm.</p> - -<p>Einmal schickte der Mußmüller seinen Gid zum -Schuster, und dort richtete der Bub den Auftrag -ganz verkehrt aus. »Gelobt sei Jesus Christus, -Schuster,« sagte er, »da schickt dir der Schuh ein -paar Müllner, er laßt dich gar schön doppeln, daß<span class="pagenum"><a id="Page_44">[44]</a></span> -du ihn bitten tätst, und daß du ihm morgen die -Schuh machst, er will sie heut noch anlegen.«</p> - -<p>Als der Kasper das erfuhr, kannte er die verdrehte -Rede gleich auswendig, und er schonte den -eigenen Freund nicht und sagte sie ihm allweil -wieder ins Gesicht, so daß oft bitterer Unfriede -wurde zwischen den Buben und zwischen den Vätern, -denn keiner, der Dullhäubel nicht und der Mußmüller -nicht, ließ etwas über seinen Sprößling -kommen.</p> - -<p>Bald traute sich der Kasper mit seinen Schwänken -an die großen Leute.</p> - -<p>So saß einmal der Schmied mit seinem Gesellen -beim Mittag, die Suppe rauchte, und das Weib -schnittelte Brot in den Topf. Da sprang der Kasper -in die Stube und schrie: »Schmied, helft, helft, -euer Brunn brennt!« Hurtig rannten Meister und -Meisterin und Gesell hinaus zum Brunnen, und -als die Genarrten zurück kamen und alle Sakermenter -schalten, stand ein Ochs in der Stube, der -hatte die Suppe ausgesoffen und leckte sich noch -die Nasenlöcher. »Den Hammer her!« brüllte der -Schmied. Er hätte das Bürschlein mit den Ohren -vor seine Werkstatt genagelt, wenn es nicht gar so -entsetzlich um Erbarmen gebettelt hätte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_45">[45]</a></span></p> - -<p>Der Kasper lernte dazumal, daß die Leute alles -und auch das Unglaublichste glauben, man braucht -es ihnen nur zu sagen.</p> - -<p>Derlei Unfug trieb er noch viel. Der Bauer -litt es und nahm lachend den Missetäter in Schutz. -Ein einziges Mal nur vergriff er sich an ihm.</p> - -<p>Die Grillnöder Buben brachten dem Kasper -einen seltsamen Schimpf auf. »Erdspiegelbub! -Erdspiegelbub!« kreischten sie und zeigten auf ihn. -Er konnte sich nicht wehren, weil er nicht wußte, -was das Wort bedeutete.</p> - -<p>Der Brunnkressenhannes sagte ihm hernach, daß -im Dullhäubelhof in einem schauerlichen Loch neben -dem Krautkeller der Spiegel aufbewahrt sei, drin -alles offenbar werde, und in dessen Glas jeder -Dieb und Räubersknecht sich zeigen müsse, wenn -es der Bauer verlange.</p> - -<p>Er erzählte: »Vor alter Zeit ist mein Ähnel -einmal durchs Gehölz gefahren. Plötzlich geht der -Wagen nimmer vom Fleck. Die Ochsen legen sich -ins Joch, daß sie züngeln und der Schweiß ihnen -rinnt wie ein Bach, der Ähnel haut mit dem -Geißelstecken auf das arme Vieh los, umsonst, der -Wagen steht wie angefroren. Da nimmt er vor -lauter Zorn die Axt und haut sie ins Hinterrad.<span class="pagenum"><a id="Page_46">[46]</a></span> -Gleich rollt der Wagen wieder fort, als ob nix -gewesen wär. Wie der Ähnel hernach zum Dullhäubelhof -kommt, hört er es drin ächzen. Er -schaut nach. Da liegt der Servaz Dullhäubel -blutig im Keller bei dem Erdspiegel und sein Fuß -abgehackt neben ihm. Der Servaz hat in dem -Glas meinen Ähnel fahren sehen, hat ihm einen -Possen tun wollen und den Fuß aufs hintere Rad -in den Spiegel gestellt. Und wie mein Vorfahr -dreingehaut hat, hat er dem Servaz den Fuß abgehackt. -Er soll hernach krumm gegangen sein, -der Servaz.«</p> - -<p>Der Kasper schlich sich am selben Tag noch in -den Keller. Aber die Tür zum Erdspiegel war -vernagelt, und als er sie aufsprengen wollte, ertappte -der Bauer den neugierigen Buben und legte -ihn übers Knie.</p> - -<p>Das war das erste und letzte Mal, daß der -Kasper des Vaters Faust spürte.</p> - -<p>Als die Sodonia den Enkel in solchen Ränken -und Schwänken aufwachsen sah, kränkte sie sich -arg. Sie machte sich wunderliche Gedanken über -ihn und fürchtete sogar eine Zeitlang, der Kasper -sei ein Wechselbalg und in der Wiege vertauscht -worden, und darum habe er auch einen gar<span class="pagenum"><a id="Page_47">[47]</a></span> -so großen Kopf und ein so boshaftes Gemüt, -und sie bereute, daß sie ihm nicht gleich nach der -Geburt Märzhasenaugen um den Hals gehängt -hatte, den höllischen Tausch zu hindern.</p> - -<p>Nun wollte sie seinem Übermut stauen, indem -sie ihm die ewigen Leiden vorhielt. Sie blätterte -mit ihm durch des Kapuziners Cochem »Goldenen -Himmelsschlüssel« und wies ihm drin die Bilder, -wie die Sünder am Bratspieß des Teufels gespickt -wurden und ihnen der Leibhafte mit feuriger -Axt das Fleisch vom Bein metzgerte und das -Glied aus dem Gelenk riß, wie Nattern mit -giftigen Zungen die Verdammten mitten ins Herz -stachen und schleimige Kröten ihnen ins Maul -krochen, und wie ein derart gepeinigter Mensch sich -nicht helfen und nicht wehren konnte, zumal da er -durch den Bauch an den Erdboden genagelt war.</p> - -<p>In des Vaters Cochem Höllenspiegel gilbten -dürre, duftende Nußblätter. Die Sodonia ließ den -Buben oft daran riechen und sagte dazu traurig: -»Die Blätter wachsen nit in Fuxloh, sie wachsen -in einem Land, wo die Leut milder sind.« Die -Alte hatte aus einem fernen Dorf aus dem Vorland -des Gebirges herauf geheiratet.</p> - -<p>Obschon der Kasper sich in der Nacht abergläubisch<span class="pagenum"><a id="Page_48">[48]</a></span> -fürchtete, am lichten Tag schreckte ihn der -Ahnin Warnung nicht, daß auch er einmal in den -Höllenkessel hinabquirlen und drunten brennen und -braten müsse. Er wurde im Gegenteil immer begieriger, -die marterlichsten und verwickeltsten Peinen -des Satans kennen zu lernen, als wolle er diesem -einstmals als gelernter Gesell behilflich sein. Das -merkte die Sodonia mit blutendem Herzen, und sie -hakte bald den Höllenspiegel zu und malte den -Teufel nimmer an die Mauer.</p> - -<p>Der Kasper schlief in ihrer Kammer, und wenn -er nachts aufkam, sagte sie mit ihm das Einmaleins -auf, um ihn von bösen Gedanken abzuhalten, -und lehrte ihn kopfrechnen. Auch die Schrift brachte -sie ihm bei, und beim Lesen zeigte er sich recht anstellig, -dabei aber geschah der große Fehler, daß -das abgegriffene Buch, darin er lesen lernte, »Die -lustigen Streiche des Till Eulenspiegel« hieß.</p> - -<p>Die einzige Hoffnung der Sodonia war, daß -der mißratene Mensch sich schon geraderecken werde, -wenn er einmal die Lehren des Glaubens aus berufenem -Mund hören werde.</p> - -<p>Und es kam die Zeit, da versammelte der Pfarrer -Sebastian Knaupler die Fuxloher Kinder vor der -Kapelle des Blaumantels, um sie für die erste<span class="pagenum"><a id="Page_49">[49]</a></span> -Beicht würdig vorzubereiten. Er lehrte sie die -himmelschreienden und die lässigen Sünden hersagen, -erzählte ihnen die biblischen Geschichten und -münzte, was er da an geistlichen Dingen vorbrachte, -in fröhlichen und handgreiflichen Augenschein um.</p> - -<p>Also hob er, als er von der Sündflut erzählte, -die Kutte immer höher und höher, damit das -steigende Wasser recht anschaulich den Kindern ans -Herz schwölle, kletterte schließlich, von den Buben -gehoben, auf die Kapelle, das wachsende Meer zu -verdeutschen, und rang droben die Hände. Dem -Häuflein drunten ward angst, mit weiten Augen -schauten sie zu dem geistlichen Herrn auf und in -ihren Hirnen dämmerte der Umfang des Strafgerichtes.</p> - -<p>Da riß ein Lärm die kleine Gemeinde aus den -Schauernder Sündflut in das alltägliche Fuxloh -zurück.</p> - -<p>Der Brunnkressenhannes, der dem Pfarrer Sebastian -Knaupler das schulmeisterliche Amt neidete, -sah von der Viehweide nieder, tutete und näselte:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Auf der Wies und auch am Klee<br /></span> -<span class="i0">ich so lange umher geh,<br /></span> -<span class="i0">bis sich laßt ein Brünnlein finden,<br /></span> -<span class="i0">daß mein Vieh daraus kann trinken,<br /></span><span class="pagenum"><a id="Page_50">[50]</a></span> -<span class="i0">allda setz ich mich in Ruh,<br /></span> -<span class="i0">nehm die Schwegel, pfeif dazu.«<br /></span> -</div></div> - -<p>Wie neugierige Gänse reckten die Kinder die -Hälse und lauschten dem Störer. Der Pfarrer -drohte: »Da alter Grillenkitzler, jetzt halt schon -einmal das Maul!«</p> - -<p>Um die Sinne der Kinder wieder an sich zu -reißen und die bergüberschwellende Flut in einem -verwogenen Bild auszulegen, packte er den Ast über -sich und schwang sich in die Föhre. Er glitt aber -dabei aus und stürzte. Zum Glück verhängte er -sich mit den Füßen in eine Astgabel, die Kutte -sank ihm über den Kopf verhüllend nieder und entblößte -zwei dünne, borstige Beine, die von einem -kurzen Lederhöslein nur spärlich bedeckt waren. Aus -der Kutte heraus flehte er gedämpft um Hilfe.</p> - -<p>Die Kinder meinten, das gehöre alles zu der -biblischen Geschichte, drum rührten sie sich nicht, -warteten und staunten. Schließlich kam der Hannes -mit einer Leiter gelaufen und erlöste den Herrn Sebastian -Knaupler aus seinem absalomischen Zustand.</p> - -<p>Der Pfarrer wischte sich den Schweiß. »Kinder, -für heut ist es genug. Habt ihr alles begriffen?«</p> - -<p>Der Kasper hob die Finger in die Höhe. »Ich -begreif nit alles.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_51">[51]</a></span></p> - -<p>»So mußt du mich fragen, kleine Seele!«</p> - -<p>Hellauf rief der Bub: »Was für eine Himmelssünd -ist das, die Unkeuschheit?«</p> - -<p>»Die Unkeuschheit,« brummte der Geistliche, »das -ist, wenn einer die Hosen verkehrt anzieht. Und -frag nit zuviel, Bengel, und bet zu deinem Schutzengel, -er soll dich nit verlassen!«</p> - -<p>»An den Schutzengel glaub ich nit,« sagte der -Kasper keck.</p> - -<p>»Warum nit?«</p> - -<p>»Wenn ich einen Schutzengel hätt, so hätt er -mir helfen raufen, wie mich der Schmied in der -Beiz gehabt hat.«</p> - -<p>Da fiel der Pfarrer über den Buben her und -rüttelte ihn beim Kragen. »Du frevelhafter Teufel, -wirst du gleich an deinen Schutzengel glauben!« –</p> - -<p>In der Woche vor dem Freudensonntag beichtete -der Kasper zum erstenmal. Der Pfarrer spitzte -seine Ohren scharf, und der Sünderling wispelte -hurtig hinein: »Bei der Mußmühl weiß ich ein -Nest, sind fünf Eierlein drin, fliegt allweil eine -Bachstelze hin. Dir sag ich es. Daß du es aber -niemanden sagst, Pfarrer!«</p> - -<p>Der Herr Sebastian Knaupler zog das Schneuztuch -heraus und schneuzte sich lange. Dann schlug<span class="pagenum"><a id="Page_52">[52]</a></span> -er ein ellenlanges Kreuz in die Luft und segnete. -»Geh hin, o Mensch, deine Sünden sind dir vergeben!«</p> - -<hr class="tb" /> - -<div class="chapter"> -<p>Der Kasper ging hin und wuchs sich gemächlich -zu einem stämmigen Burschen aus, stark und gelenkig. -Sein Kopf war noch größer geworden, nur -die Augen blieben winzig und die Stimme hoch und -dünn und kichernd, wie er sie als Kind gehabt hatte.</p> -</div> - -<p>Er plagte sich nicht, mit seiner Arbeit hätte er -sich kaum das tägliche Brot verdient. Viel lieber -schlüffelte er im Dorf umher und lauschte überall -hin mit offenem Maul und verschlagenem, flinkem -Blick. Hemdärmlig stand er auf der Kegelstatt und -wog und warf die Scheibkugel, daß es donnerte.</p> - -<p>Die Sodonia verwarnte ihn oft und rieb ihm -vor, wie Müßiggang bösen Ausgang nehme, besonders -bei einer Bauernwirtschaft, er aber pfiff sich ein -Lied lustiger als das andere, rückte sich den Hut -schief und sang:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Und ein bissel bin ich bucklet,<br /></span> -<span class="i0">und ein bissel bin ich krump,<br /></span> -<span class="i0">und ein bissel bin ich tilltapp,<br /></span> -<span class="i0">und ein bissel bin ich Lump.«<br /></span> -</div></div> -<p><span class="pagenum"><a id="Page_53">[53]</a></span></p> -<p>Weil er in der Rede gut beschlagen war und -keinem die rechte Antwort schuldig blieb, und weil -er schier aus lauter schönen Spitzbübereien zusammengesetzt -war, wählten ihn die Burschen, die im Fasching -vermummt durch die Dörfer reisten, zu ihrem Hanswurst, -und in diesem Amt trug er einen strohenen -Dreschflegel, einen Spitzhut und ein Kleid, aus -hundert bunten Flecken närrisch zusammengewürfelt -wie seine Seele.</p> - -<p>Der Müllergid ging als der Hauptmann voran, -ein gefranstes Handtuch als Schärpe vor der Brust, -auf der Achsel einen Spieß, der sich unter dem Speck -bog, den sein tolles Gesindel aus den Rauchfängen -der lachenden Bauern heimste.</p> - -<p>Und der Kasper stürzte jäh ins Knie, hob die -Hände auf und schrie kläglich: »Ihr lieben Daxloher, -ich bitt euch um Gottes willen, gebt her ein -Pfund Teufelsspeck! Leugnet es nit, vor Dreikönig -habt ihr den Teufel abgestochen und in den Rauch -gehängt. Und ich bitt euch gar schön um eine kuhwarme -Blutwurst, so lang muß sie sein, daß sie -sich neunmal um den Blaustaudner Turm wickeln -laßt und dreimal um eure Bürgermeisterin.«</p> - -<p>Dann sprang er wie ein Heuschreck auf und schlug -sich mit dem Strohflegel eine Gasse durch die Gaffer,<span class="pagenum"><a id="Page_54">[54]</a></span> -und während seine Gesellen am Dorfanger tanzten -und der Pritschenmeister einen der Zuschauer auf die -Bank legen ließ und ihm fünfundzwanzig auf die -Hinterlandschaft maß, durchstöberte der Kasper die -Speckkammern und Ofenröhren der unbewachten -Gehöfte, und kam dann üppig beladen zurück zu -seiner Bande und jauchzte: »Die ganze Welt ist -ein Fasching, juchu!«</p> - -<p>In Blaustauden trieb der Kasper einen verreckten -Geißbock auf. Sein Gesindel grub hinterm Dorf -ein Loch und senkte den Bock hinunter. Der Kasper -hielt die Grabrede: »Unser lieber, guter Herr -Burgermeister ist tot.« Und einer kniete neben ihm, -als Wittib verkleidet und jammerte, daß es einem -das Herz zerspaltete und den Weibern rings das -Wasser aus den Augen sprang. »Ein guter Hausvater -ist dahin,« hub der Kasper wieder an, »ein -braver Ehemann. Ihr Jungfern von Blaustauden, -ich wünsch euch allen einen so eifrigen Mann.«</p> - -<p>Der Meßner Grazian aber, der unter den Leuten -stand, begehrte auf. »Ich laß den Blaustaudner -Jungfern ihre Ehre nit angreifen,« schrie er und -drängte sich scharf zu dem Redner hin.</p> - -<p>Gleich wurden die Köpfe rot, ein Knäuel ballte<span class="pagenum"><a id="Page_55">[55]</a></span> -sich zusammen, Fäuste reckten sich, und der Meßner -lag auf einmal in der Grube auf dem Geißbock.</p> - -<p>Es wäre zu blutigen Schlägen gekommen, -wenn nicht der neue Pfarrer Nonatus Hurneyßl -eingegriffen hätte, ein aufrichtiger und entschlossener -Mann. Mit dem Regenschirm jagte er die Leute -auseinander, verfolgte damit den Kasper, der sich -mit dem Strohflegel nur schwach wehren konnte, -zum Ort hinaus und half schließlich mit dem -nämlichen Schirm seinem Meßner aus der Grube.</p> - -<p>In der Nacht vor dem Fastensonntag trommelte -es dem Grazian ans Fenster. Der Grazian, in -der Meinung, es gelte, einen Kranken zu versehen, -tat den Laden auf, und blitzschnell wurde etwas -Gehörntes, Fürchterliches, an eine Stange Gebundenes -in die Stube gestoßen, und das roch -abscheulich.</p> - -<p>»Der Teufel ist es, er stinkt nach Schwefel!« -schrie die Meßnerin und fiel aus einer Schwäche -in die andere.</p> - -<p>Der Grazian dachte gleich an seine Höllenfahrt -und kroch plärrend unters Bett.</p> - -<p>Als die aufgeschreckten Nachbarn in die Stube -leuchteten, fanden sie einen halbverwesten Geißbock.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_56">[56]</a></span></p> - -<p>Der Grazian wollte sich den Fastenbraten und -den daran hängenden Spott nicht gefallen lassen -und übergab die Sache dem Gericht. Der Täter -aber kam nicht auf, trotzdem daß alles mit den -Fingern auf ihn hätte weisen können.</p> - -<p>Damals geigte die Sodonia dem Kasper tüchtig -die Wahrheit, und es schien, als ginge der Bursch -in sich und verabscheue seinen Wandel, der die -Leute ärgerte.</p> - -<p>Er stellte sich Tauben ein, züchtete sie und handelte -damit und redete von nichts mehr als von Schopf- -und Kropf- und Trommeltauben, von rotgesudelten -und schwarzgesudelten, spiegelnden und rauhfüßeten -Tauben und pfiff den Vögeln den ganzen Tag -und lockte sie, die über den First des väterlichen -Hauses trippelten.</p> - -<p>Und in der Zeit dieser zärtlichen, weichen, sehnsüchtigen -Pfiffe, und während er die Spiele und -Scherze der Vögel betrachtete, wie der Tauber -sein Weiblein umtanzte und girrend scharwenzelte -und sie am Schnabel zog, und wie die beiden beleidigt -und dann wieder schön mit einander taten, -da wurde das Blut des Kasper ganz wunderlich, -und er konnte sich selber nicht begreifen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_57">[57]</a></span></p> - -<p>Und einmal, der Mond blinkte in die Stube, -wo Bauer und Bäurin in dem breiten Himmelbett -schliefen, da tappte sich der Kasper zur Tür. Aber -er stieß an einen Stuhl, und der Bauer fuhr auf -und sah den Burschen schleichen.</p> - -<p>»Wohin denn, Bub?«</p> - -<p>»Vater, heiraten möcht ich,« lallte der Kasper -halb im Schlaf.</p> - -<p>»Du hast recht. Heut noch nit, aber morgen, -Bub. Und jetzt leg dich nur wieder!«</p> - -<p>Folgsam kehrte der Kasper um und schlief weiter. –</p> - -<p>Seit jener Mondscheinnacht lachte der junge Dullhäubel -den Dirnen in die Augen. Und um sich -vor ihnen ein Ansehen zu geben, handelte er sich -vom Krämer eine Tabakspfeife mit buntem Kopf -ein, die steckte er in die einwendige Brusttasche, -daß das Mundstück herausguckte. Auch putzte er -sich mit einem blauen Hut, grasgrünen Hosenträgern -und einer breiten Uhrkette auf und ließ -sich unter der Nase einen fuchsfeuerroten Schnurz -wachsen. Und seine Schultern wurden breiter, seine -Hände fester und griffiger. Nur die Stimme blieb -ihm hoch und kindisch schrill.</p> - -<p>Einmal saß die Sodonia nachts im Bett auf, -weil sie sich den Schlaf nicht erzwingen konnte.<span class="pagenum"><a id="Page_58">[58]</a></span> -Da hörte sie es wie mit Diebestritten das Haus -umspüren und bald hernach den Kasper draußen -halblaut singen:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Dirndel, tu auf<br /></span> -<span class="i0">und laß mich zu dir,<br /></span> -<span class="i0">bin ein armer Kaplan,<br /></span> -<span class="i0">sollst beten mit mir!«<br /></span> -</div></div> - -<p>Die Alte witterte neuen Unfug, und sie wollte -die Hand über des Burschen Unschuld halten. Denn -seine Mutter, die Sanna, kümmerte sich nicht um -ihn, sie lag den halben Tag hinter der Scheuer -unter der Hollerstaude, und die Stalldirn fing ihr -die Läuse.</p> - -<p>Die Sodonia wurde wachsam, und bald darnach -merkte sie, wie sich der Kasper nach dem Essen -davon zog und auch die Geißdirn verschwunden -war. Schleunig suchte sie Dachboden, Stall und -Stadel durch, bis sie schließlich zu einem alten, -von Brombeergebüsch verwucherten Backofen kam, -dort sah sie vier Füße heraus stehen. Sie packte -das eine Paar kräftig an und zog den Kasper -heraus.</p> - -<p>Scheltend führte sie ihn zum Bauer. Aber der -lachte unbändig und freute sich über den Ort, wo -die Verliebten ihre Zuflucht gefunden hatten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_59">[59]</a></span></p> - -<p>Es war zum letztenmal, daß der Isidor Dullhäubel -sich freute. Er verfiel auf einmal, sein Gesicht -wurde käsweiß, die kupferne Nase überzog -sich mit Grünspan, und er behauptete, sie täte ihm -weh. Die Kraft ging ihm aus.</p> - -<p>Zu Mariä Geburt rief er den Kasper zu sich -in die Stube. Er zog sich die hirschlederne Hose -aus, die von den Vorfahrern überkommen war, -warf sie dem Burschen hin und murrte: »Da!« -Auf dem Tisch schillerten sieben Tabakgläser, darin -die Namen der Wochentage geschliffen waren, und -das Sonntagsglas glühte rot wie ein brennendes -Herz. Der Bauer deutete darauf und ächzte: -»Da!« Hernach ließ er sich matt ins Himmelbett -fallen und starrte zu dem Spiegel hinauf, der -darüber als Decke hing, und sah droben das -kalkige Gesicht und die grüne Nase und seufzte.</p> - -<p>So wich der alte Bauer dem jungen. –</p> - -<p>Am Kirchweihsonntag schleppte sich der Isidor -Dullhäubel zum letztenmal in den »pfalzenden -Hahn«. Und als er mitternachts toll und voll -heimkehrte, weckte er seine Bäurin und sagte fröhlich: -»Heut hab ich die Krankheit versoffen.«</p> - -<p>Der Kasper schwenkte noch am grauen Morgen -die Dirnen im Tanz, als sein Knecht ganz außer<span class="pagenum"><a id="Page_60">[60]</a></span> -Atem daher kam. »Kasper, heimgehen sollst du. -Der Bauer ist gestorben.«</p> - -<p>»Hast du mich erschreckt!« antwortete der Kasper. -»Ich hab schon gemeint, der rotblassete Tauber -wär hin.«</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Der neue Bauer schaffte dem Toten ein schönes -Begräbnis an. Die kupferne Nase nahm er ihm, -als er in der Truhe lag, weg, sie konnte dem -Isidor beim Jüngsten Gericht mehr schaden als -nützen. Der Kasper band sie an den Senkel der -Stubenuhr, die schon längst ein stärkeres Gewicht -gebraucht hatte. So hing ihm allzeit ein Andenken -an den Verewigten vor Augen.</p> - -<p>Die Musikanten bliesen, der Pfarrer spritzte den -Weihbrunn über die Truhe und betete um das -immerwährende Licht und um die ewige Rast, und -der Kasper heulte am Grab des Isidor Dullhäubel -und begehrte, man solle ihn gleich mit dem Alten -einscharren.</p> - -<p>Hernach ließ er sich nach ewigem Dorfbrauch -ins Wirtshaus spielen, und dort ging es feucht -und lustig her, daß der junge Dullhäubel beim -Abschied schluchzend zu den Musikanten sagte: -»Mein Vater hat jetzt eine schöne Leich gehabt.<span class="pagenum"><a id="Page_61">[61]</a></span> -Wenn wir leben und gesund sind, müßt ihr mir -bei meinem Begräbnis auch so schön aufspielen.« –</p> - -<p>Der Mond war schon schlohweiß unterwegs, als -sich der Trunkene heimtrollte.</p> - -<p>In der Blaumantelkapelle war es hellicht. Der -Kasper Dullhäubel stierte hinein. Ihm schien es, -der Heilige beutle unwillig den Kopf und hebe -die Handteller gegen ihn, als greine er: »Fahr ab, -du Sündenlümmel!«</p> - -<p>»Du bist ein Lümmel, nit ich!« antwortete der -Bauer. »Und meine Nase nimmst du mir nit, die -ist kerngesund. Schau nit so scheinheilig drein! -Wer weiß, wer du gewesen bist bei Lebzeiten.«</p> - -<p>Der Heilige glotzte mit offenem Mund, der -Mond verlieh ihm Leben.</p> - -<p>»Dir verdank ich meinen roten Bart,« knurrte -der Dullhäubel. »In dich hat sich meine Mutter -verschaut, wie sie mich getragen hat. Wir zwei -rechnen noch einmal ab miteinander. Und red nit -so grob mit mir! Jetzt bin ich der Dullhäubel.« –</p> - -<p>Tags darauf bat er die Altbäurin, sie möge ihm -ein altes Heiligenbuch leihen, das er einmal in -ihrer Truhe gesehen hatte.</p> - -<p>Die Sodonia freute sich. »Das Buch schenk ich -dir, Bauer. Das ist recht, daß du jetzt einkehrst<span class="pagenum"><a id="Page_62">[62]</a></span> -bei dir und das Leben der Heiligen lesen willst, -daß du ein Beispiel vor dir hast. Und so wachst -in deiner Frömmigkeit ein gutes Blümel aus -deinem Vater seinem Grab.«</p> - -<p>»Sind alle Heiligen drin?« fragte er kurz.</p> - -<p>»Alle! Alle!« Sie nickte feierlich.</p> - -<p>Eine Woche lang buchstabierte er sich durch das -andächtige Buch, daß er das Leben des Blaumantels -kennen lerne. Er hoffte, in der Erdenwallfahrt -des heiligen Nachbarn einen schwarzen Fleck zu -finden, wie ja die stolzesten Heiligen oft die größten -Sünder gewesen sind. Vielleicht hat der Blaumantel -einen Bauer im Roßhandel betrogen oder -es mit einem leichtfertigen Weibsbild gehalten oder -gar irgendwo auf der Straße einen Wegfahrer -abgegurgelt. Es gibt gar wunderliche Brüder -unter den Heiligen. Und wenn der Dullhäubel -den Fleck des hochfährtigen Heiligen aufgedeckt -hat, wird er ihm ein paar schöne Strahlen aus -dem Heiligenschein zupfen und ihm gehörig heimgeigen, -wenn der Blaumantel ihm noch einmal -ins Gewissen reden sollte.</p> - -<p>Doch wie scharf der Bauer auch die Buchstaben -ins Auge nahm und wie mißtrauisch sein Finger -über die Zeilen tappte, daß ihm nichts entwische,<span class="pagenum"><a id="Page_63">[63]</a></span> -er fand in dem Buch nicht einmal den Namen -des Heiligen.</p> - -<p>»O du Duckmauser, wer weiß, was für einer -du bist?« grinste der Kasper Dullhäubel. »Jetzt -will ich dir erst recht nachspüren.«</p> - -<p>Er suchte den hochwürdigen Herrn Nonatus -Hurneyßl heim.</p> - -<p>Der Pfarrer lehnte gerad im Predigtstuhl, der -ein großes, nach oben offenes Schneckenhaus war, -und erzählte die Marter des heiligen Sebastian.</p> - -<p>»Was gilt es, du kriegst den Pfeil in die -Gurgel!« rief er. »Was gilt es, du kriegst den -Schuß in den Nabel! Bums, sitzt dir der Pfeil -im Schienbein! Ja, meine lieben Seelen, da -sperrt ihr euer Maul auf und loset. He, du alte -Zipfelhaube im dritten Stuhl am Eck, schlaf nit! -Greift dich denn die Marter gar nit an? He, -du Bürgermeister von Grillenöd, räusper dich nit -so laut! He, Mausfallenwirt, lach nit so mit den -Stockzähnen! Versuch es, laß du dir einmal von -einem gottschändlichen Buben mit der Schindelbüchse -einen Nagel in den geschwollenen Magen -schießen!«</p> - -<p>Da knarrte das Kirchtor, der Kasper Dullhäubel -stand da und tappte demütig in den Weihbrunnkessel.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_64">[64]</a></span></p> - -<p>»Gehorsamster Diener, Dullhäubel!« grüßte der -Herr Nonatus Hurneyßl grimmig. »Hast du den -Weg verfehlt? Oder regnet es draußen, weil du -da herein kommst? Kannst du nit zur Zeit da -sein? Mußt du mich in den schönsten Martergeschichten -stören? Hast du vielleicht einem Geißbock -die letzte Ölung geben müssen? Das möcht -ich wissen, was du heut von unserm Herrgott verlangst. -Herrgott im Altar, trau dem Dullhäubel -nit! Ja ja, schnupf nur, und tröst deine Nase! -Der Teufel wartet auf dich, er bekränzt schon die -große Bratröhre, wo er dich dünsten wird. Amen.«</p> - -<p>Die Gemeinde murmelte: »Vergelts Gott!« und -der Pfarrer stieg schwerfällig von der Schneckenkanzel -herab.</p> - -<p>Nach der Messe schob sich der Dullhäubel in die -Kanzlei des geistlichen Herrn.</p> - -<p>Der rief leutselig: »Ei, was für ein Wind tragt -den Dullhäubel daher? Willst du gar schon heiraten? -Das wär ratsam. Deine Wirtschaft braucht -ein Weib.«</p> - -<p>»Mich druckt ein besonderes Anliegen,« entgegnete -der Bauer. »Sag mir, Hochwürden, woher stammt -denn unser guter Schutzheiliger, der Blaumantel?<span class="pagenum"><a id="Page_65">[65]</a></span> -Und was für Martern hat er erlitten, eh die Fuxloher -ihn in die Kapelle gesperrt haben?«</p> - -<p>»Meine liebe Seele, ich kann dir darüber nit -viel Auskunft geben. Euer Heiliger schreibt sich -eigentlich Sankt Aurazian, so steht es in unserm -Kirchenbuch zu lesen. Sonst ist über ihn nirgends -ein Wort zu lesen, so viel ich auch die Heiligengeschichte -nachgeblättert hab. Mein Vorgänger, -der Pfarrer Sebastian Knaupler, hat in selbiger -Sache einen Brief an die päpstliche Kanzlei in -Rom geschrieben, aber auch die haben nix gewußt -vom heiligen Aurazian. Er muß ein gar bescheidener -Mann gewesen sein, weil er nix von sich hinterlassen -hat als seinen Namen.«</p> - -<p>Der Dullhäubel dankte und ging. Bei der -Siebenkittelwirtin kehrte er ein und trank, bis er -strotzte, und erst, als er keinen Trunk mehr vermochte, -besann er sich auf den Heimweg.</p> - -<p>Die Nacht war schwarz, kalter Regen schlug -durch den Wald. Der Steig war voll Gerill und -Geröll und voll lauernder, tückischer, schlüpfriger -Wurzeln, so daß der Bauer oft hinstürzte.</p> - -<p>Vor der Kapelle zündete er sich die Pfeife an -und beleuchtete den Heiligen. Der wehrte mit den -Armen ab, als wolle er keinen Teil haben an dem<span class="pagenum"><a id="Page_66">[66]</a></span> -Dullhäubel und als grause ihm vor dessen trunkenen -Wandel.</p> - -<p>»Herr Auraz Blaumantel, jetzt red du selber, -wer du bist,« gröhlte der Bauer. »Gelt, du staunst, -daß ich deinen Taufnamen weiß? Ich komm dir -schon hinter die Schliche. Red, wer du bist! Du -hast das Maul allweil offen und kannst nit giges -und nit goges sagen.«</p> - -<p>Schärfer schlug der Regen nieder, der Wind -bog die Bäume, der Wolfsbach sauste.</p> - -<p>»Von dir weiß nit einmal der Papst in Rom, -woher du bist, du zugereister Heiliger. Aber ich -bin der Dullhäubel aus Fuxloh!«</p> - -<p>Und er kroch in die Kapelle, rollte den Blaumantel -in den Regen hinaus, legte sich an seine -Statt und schlief ein. –</p> - -<p>In aller Frühe stapfte der Holzhacker Longinus -Spucht mit seinem Weib daher, zwei Leute, eines -kleiner als das andre. Sie wollten weit in den -Lusenwald hinein, Bäume schneiden, und hörten -es jetzt in der Kapelle drin schnaufen und rasseln -und gurgeln.</p> - -<p>»Um teufelswillen, Weib, der Blaumantel schlaft -hart,« wisperte der Spucht.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_67">[67]</a></span></p> - -<p>»O du Batzenlippel,« spottete sie, »wie kann denn -ein Hölzerner so schnaufen?!«</p> - -<p>»Also ist es ein Bär,« stammelte er.</p> - -<p>»Schau hin, ob niemand in der Kapelle liegt!« -befahl sie.</p> - -<p>Er tat ein paar verzagte Schritte und rief: »Ist -niemand in der Kapelle?«</p> - -<p>Da kreischte drin eine greuliche Stimme: »Was, -bin ich jetzt auf einmal der Niemand? Ein großer -Herr bin ich, auf der Welt gibt es keinen größern. -Ich bin der – –«</p> - -<p>Weiter hörten die zwei nichts, sie rannten in -einem Saus dem Wald zu. –</p> - -<p>Die alte Ulla hob hernach den obdachlosen -Heiligen wieder in seine alte Heimstatt und wusch -ihm den blauen Mantel, der arg beschmutzt war.</p> - -<p>Im Gau des Lusens ging bald das Gerücht -um, der Heilige habe mit zwei armen Holzhackern -ein frommes Gespräch geführt.</p> - -<p>Der Dullhäubel aber prahlte sich, er habe die -ganze Nacht mit dem Blaumantel im »pfalzenden -Hahn« gesoffen und Karten gespielt und habe -schließlich den trunkenen Heiligen heimschaffen -müssen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_68">[68]</a></span></p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Das Frühjahr kam, die Tage nahmen auf.</p> - -<p>Da tändelten die Vögel, der Birkhahn krudelte, -der Kiebitz tanzte um seine Frau, der Fuchs lief der -Füchsin nach und der Has der Häsin.</p> - -<p>Und wie die Sterne so zierlich leuchteten und der -breite Bauernmond über den Fuxloher Heustadeln -hing, stieg der Dullhäubel auf halsbrecherischen Waldsteigen -übers Gebirg hinüber ins Bayernland der -Einöd Kaltenherberg zu. Der Lugausbauer dort hatte -eine mächtige Tochter.</p> - -<p>Das Gehöft lag schon finster.</p> - -<p>Der Dullhäubel klopfte an.</p> - -<p>Drin meldete sich der alte Lugaus. Er trat ans -Fenster und spähte in die weiße Nacht heraus.</p> - -<p>»Bist du der Bauer?« fragte der Dullhäubel.</p> - -<p>»Der bin ich.«</p> - -<p>»Tu auf! Heiraten möcht ich. Deine Tochter -möcht ich.«</p> - -<p>»Hoho, wer bist denn du? Der Lugaus gibt sein -Mensch nit dem ersten besten, der in der Nacht daher -reitet. Wir Bauern auf der Einöd sind dumm, aber -zum Narren haltet uns keiner.«</p> - -<p>»Dem Mußmüllner aus Fuxloh sein Bub bin -ich. Hast du noch nie nix gehört von der Mußmühl?«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_69">[69]</a></span></p> - -<p>»Ei freilich! Komm nur herein! Bist herzlich gern -gesehen.«</p> - -<p>Der Alte riegelte die Tür auf, dann stieg er im -Vorhaus die Stiege ein paar Staffeln hinauf und -rief in die Bodenluke hinein: »Ogath, heb dich! -Heb dich schleunig! Der Mußmüllnerbub ist da. -Schlupf in den Kittel! Leg an dein seidenes Gewand!«</p> - -<p>Der Dullhäubel setzte sich auf eine mit Rosenstöcken -reichlich bemalte Truhe und ließ die Füße -baumeln.</p> - -<p>Die alte Bäurin gab ihm die Hand und kicherte -und nickte unablässig. Der Lugaus brannte einen -Span an und steckte ihn in den Leuchter am Ofen, -hernach ließ er sich am Tisch nieder und schmunzelte -übers ganze stoppelige, faltige Gesicht.</p> - -<p>»Gesehen hab ich dich noch nit, Müllnerbub,« -sagte er. »Ich bin nur ein einziges Mal drüben -gewesen in Fuxloh. Der Weg her ist gar wild, -voller Steinfelsen und Gewurz. Dazumal bin ich -mit dem Leiterwagen herübergefahren von Fuxloh. -Den Weg hab ich dersider verschworen und verredet. -Wie ich die Ochsen so antreib, verlier ich zuerst die -Leitern, hernach das linke Hinterrad, hernach das -rechte, hernach das linke Vorderrad, hernach das<span class="pagenum"><a id="Page_70">[70]</a></span> -rechte, schließlich den Hinterwagen, und wie ich daheim -war, waren nur mehr die Ochsen da mit der Deichsel.«</p> - -<p>Die Ogath trat herein, eine starke, große Dirne. -Über Achsel und Brust hing ihr ein haselbrauner -Zopf; ein ganz kleines, feines Bärtlein wuchs ihr -über der Lippe, es stand ihr gar nicht schlecht.</p> - -<p>»Da setz dich zu ihm hin,« sagte der Lugaus. -»Heiraten sollst du!«</p> - -<p>Halb schläfrig, halb verschämt ließ sie sich auf -die Truhe nieder und schmiegte sich an den Dullhäubel. -Die alte Schwieger nickte und kicherte.</p> - -<p>»Die Ogath ist für dich, Müllnerbub, die kriegst -du,« fing der Lugaus wieder an. »Schau sie nur -an, wie sie gestellt ist! Wie hochbrüstig sie ist! -Ja, meine Menscher haben Schmalz. Drei hab -ich schon ausgeheiratet, leicht hab ich sie angebracht. -Die Ogath ist jetzt die letzte.«</p> - -<p>»Schön ist sie wie ein Nägleinstock,« kicherte -die Lugausin.</p> - -<p>Der Bursch tat den Arm um das volle, noch -von Bett und Schlaf warme Weib, und sie schielte -heimlich zu ihm hinüber.</p> - -<p>»So red ihm doch schön zu, Ogath!« drängte -die Alte. »Bist denn du eine Stummin?«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_71">[71]</a></span></p> - -<p>»Nach Fuxloh geb ich das Mensch gern, Fuxloh -ist ein schönes Ort,« sagte der Lugaus.</p> - -<p>Die Junge erwiderte mit tiefer, lachender -Stimme: »Herzlich gern geh ich fort aus der -Einöd.«</p> - -<p>Der Dullhäubel gab ihr recht. »Eure Einöd -gilt bei uns nit viel. Der Isidor Dullhäubel, -Gott schenk ihm das ewige Licht, hat gespottet, -bei euch täten sie den Mittag mit dem Kleiensack -ausläuten.«</p> - -<p>»Der Dullhäubel hätt über seinen kupfernen -Kumpf spotten sollen!« fuhr der Alte auf. »Wie -man hört, hat den Hof jetzt wieder genau so ein -Spitzbub wie alle seine Vorfahrer.«</p> - -<p>»Ich bin aber der Mußmüllnerbub,« redete der -Dullhäubel flugs darein.</p> - -<p>»Ein Müllner ist mir recht. Den nimmst du, -Ogath! In einer Mühl staubt es das ganze Jahr -ein kleines Geld und ein großes auch. Freilich« -– dabei kniff der Lugaus listig ein Auge zu – -»Diebe sind die Müllner alle.«</p> - -<p>Die Schwieger rieb sich die hageren Hände, -sie huschte emsig hin und her, zupfte an der Ogath -ihren Kittel, brachte dann einen Laib Brot und -nötigte den Hochzeitswerber zum Tisch.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_72">[72]</a></span></p> - -<p>»Du kommst in eine gute Freundschaft, Müllner,« -sprach der Einöder. »Mein Bub ist auch -recht, der ist ein Herrgottelschnitzer in Straubing. -Den Kopf hat er von mir, die Füße sind wie -Stangen, und einen Hund hat er auch.«</p> - -<p>»Sei nit so verstockt, Ogath! Red mit ihm!« -riet die Alte.</p> - -<p>Und die Dirne sprach: »Rot solltest du nit sein, -Müllner! Ein roter Bart steht selten auf einem -guten Ort. Aber für sein Auswendiges kann der -Mensch nix. Sonst gefallst du mir.«</p> - -<p>Der Lugaus und die Lugausin zischelten eifrig -aufeinander ein und winkten und lächelten sich zu. -Die zwei Leute glichen sich sehr, die breiten, runzlichen -Stirnen, die kleinen, wackelnden Kinne, die -langen Nasen, dünnen Lippen und gutmütigen -Augen ähnelten einander derart, daß man nicht -gewußt hätte, wer der Bauer und wer die Bäurin -sei, wenn er nicht die Hosen und sie nicht den -Kittel angehabt hätte.</p> - -<p>»Lugaus, wie hast du denn dein Weib kennen -gelernt?« fragte der Dullhäubel lustig.</p> - -<p>»Ich bin zum Häusel hinein, und sie zum Häusel -heraus, da haben wir uns begegnet,« lachte der -Alte. »Und zwischen Sommer und Winter ist es<span class="pagenum"><a id="Page_73">[73]</a></span> -gewesen: wie ich zu ihr gangen bin, ist die Welt -grün gewesen, und wie ich von ihr heim bin, hat -es geschneit, alles in einer Nacht.«</p> - -<p>»Und was ist es mit dem Heiratsgut, Bauer?«</p> - -<p>»Ich laß mich nit lumpen. Einen Strumpf -voller Silber kriegt meine Tochter mit, zwei Küh -und eine funkelneue Bettstatt. Und ein schönes -Spinnrad laß ich ihr drechseln.«</p> - -<p>»Sie taugt überall hin, die Ogath,« eiferte die -Alte, »in jeder Kuchel kann sie stehen. Sie kann -zwei Brühen kochen, eine süß, die andre sauer. -Und gerichtet ist sie auch gut, sie hat zwei Schürzen, -eine schwarztibetene und eine rottibene.«</p> - -<p>»Bauer, Bäurin, das alles müßt ihr mir verschreiben,« -begehrte der Dullhäubel.</p> - -<p>»Du sollst es schriftlich haben. Gleich setzen -wir miteinander den Heiratsbrief auf. Bäurin, -bring Tinte, Feder und Papier, daß wir die Sach -in Gang und Schwang bringen.«</p> - -<p>Die Alte stellte ein Fläschlein rußiges Wasser -hin. Aber weil sie die Gänse im Stall nicht aufstören -wollte, gebrach es an einer Feder, und -Papier fand sie nicht vor.</p> - -<p>Da wandte der Lugaus die Tischplatte um. -»Das ist jetzt das Papier.« Er reichte dem Dullhäubel<span class="pagenum"><a id="Page_74">[74]</a></span> -einem Halm Kümmelstroh. »Da tauch ein, -Müllner, in die Tinte und schreib! Ich und mein -Weib sind keine Schriftgelehrten, zu unserer Zeit -ist weit und breit keine Schul gewesen.«</p> - -<p>Der Alte schaffte jetzt an, und der Dullhäubel -kratzte emsig mit dem Stroh seine hagebuchenen -Buchstaben auf den Tisch.</p> - -<p>»Schreib hin, Müllner! ›Und die Ogath kriegt -tausend Taler mit und einen Kammerwagen voll -Zeug und unsere Küh Köpfel und Prinzel. Der -Name des Herrn sein gelobt!‹« Hernach setzte der -Lugaus drei Kreuze unter den Heiratsbrief und -drehte die Tischplatte wieder auf die alte Seite, -daß die Schrift nicht verwischt werde.</p> - -<p>»Jetzt knie dich nieder, Ogath, daß ich dir den -väterlichen Segen geb!«</p> - -<p>Sie zierte sich ein wenig, dann fiel sie polternd -auf ihre starken Kniescheiben hin, die Bäurin -schneuzte sich in den Unterkittel, der Lugaus breitete -wie ein Pfarrer über sie die Hände aus und -sagte: »Sei froh, Ogath, daß du keine alte Jungfer -wirst, du brauchst nach dem Tod nit im Moos -die Kiebitze hüten!«</p> - -<p>»Hör zu, Schwäher! Die zwei Küh tät ich mir -gern anschauen,« bat der Dullhäubel.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_75">[75]</a></span></p> - -<p>Der Lugaus leuchtete mit dem Span in den -Stall, wo das Vieh lag und atmete. Mit gekrümmtem -Fuß trieb er die verbrieften Kühe auf. -Sie schauten sich mürrisch um und zogen das -Maul scheel.</p> - -<p>»He, Köpfel, auf, du mußt nach Fuxloh! -Prinzel, du auch. Fuxloh ist ein schönes Ort. -Du kannst sie dir gleich mitnehmen, Müllner, -die Küh.«</p> - -<p>»Heut ist der Weg zu finster, Schwäher. Aber -wann soll uns der Pfarrer zusamm binden?«</p> - -<p>»Meinetwegen heut noch,« kicherte der Lugaus.</p> - -<p>»Schwäher, ich hätt der Ogath noch was heimlich -zu sagen.«</p> - -<p>Der Alte blinzelte schelmisch: »Geh nur zu mit -ihr, Müllner, und sag ihr es deutlich!«</p> - -<p>Da ging der Dullhäubel mit der Ogath aus -dem Gehöft in den Wald hinein. Ein mondsüchtiges -Füchslein gellte, lau strich die Luft durch -die Stämme, und Nacht und Himmel waren spiegelheiter.</p> - -<p>Mit seinen läppischen Händen tappte er nach ihr.</p> - -<p>»Laß mich aus!« schalt sie und entrang sich ihm.</p> - -<p>Als er sie dennoch mit zangenden Fingern packte, -kerbte sie ihm die Nägel ins Gesicht.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_76">[76]</a></span></p> - -<p>Er ließ murrend ab. »Stutzig und trutzig bist -du wie eine Kranwitstaude!«</p> - -<p>»Du kannst mich einmal genug anrühren,« tröstete -sie, »heut wär es noch zu früh. Aber jetzt geh -ich mit dir, ich will die Mühl rauschen hören, wo ich -einmal die Müllnerin bin.«</p> - -<p>Dem Dullhäubel schoß das Blut bis zum -Schopf hinauf. Da hatte er sich eine saubere -Suppe eingebrockt! Wie die Dirne so ruhig und -fest wie ein Felsen vor ihm stand! Die gibt -nimmer nach.</p> - -<p>»Ich kann dich nit mitnehmen,« stotterte er. -»Es paßt sich nit. Was täten die Leut dazu sagen?«</p> - -<p>»Die Leut sollen reden! In drei Wochen sind -wir Mann und Weib.«</p> - -<p>Sie faßte mit festem Griff seine Hand und schlug -mit ihm den Weg über die Grenze ein.</p> - -<p>Es war still worden, der Fuchs klagte nimmer. -Der Mond stand im Vollschein.</p> - -<p>»Bist du allweil so einsilbig?« fragte sie.</p> - -<p>»Ich red oft ein ganzes Jahr nit,« stieß er -heraus. Er stolperte unwirsch dahin und dachte, -wie er sie vertreiben und die Gefahr abwenden -könnte, die gäh wie ein Waldgewitter über ihn -aufdrohte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_77">[77]</a></span></p> - -<p>Im dicksten Tann blieb er plötzlich stehen und schaute -sich ratlos um. »Jetzt haben wir uns vergangen. -Ich weiß keinen Weg.«</p> - -<p>Sie lachte. »Wir steigen ins Tal. Drunten -in den Schluchten hebt der Bach an, der leitet -uns gewiß zu deiner Mühl.«</p> - -<p>Sie zog ihn den Waldsteig hinab; es war, sie -rieche den rechten Weg. Dem Dullhäubel ward -unheimlich.</p> - -<p>Wenn der Gid den Streich erfährt, dann weh!</p> - -<p>Der Kasper Dullhäubel nahm sich vor, sich -närrisch zu stellen, daß er die felsenfeste Braut -verscheuche.</p> - -<p>Droben am Ast schrie ein Schuhu.</p> - -<p>Der Bursch hielt an und zischte hastig: »Horch, -wie schön der Vigelvogel pfeift!«</p> - -<p>»Du spassiger Bub du!« sagte sie ruhig.</p> - -<p>Er langte nach einem Ast und wollte sich daran -hinauf schwingen. Sie hielt ihn zurück.</p> - -<p>»Willst du hinauf, deinem Vigelvogel singen -helfen?«</p> - -<p>»Ich bin gefährlich«, knurrte er. »Der Mond -zieht mich alle Nacht in die Höh. Gestern bin ich -aufgewacht, wie der Mond schwarz worden ist, da -bin ich in Blaustauden auf dem Turmknopf gesessen.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_78">[78]</a></span></p> - -<p>»Der Mond nimmt mir dich nit, mein Müllner. -Zieht er dich an, so häng ich mich dran. Und ich -bin gewichtig.«</p> - -<p>»Ich bin gefährlich,« murmelte er. »Ich hab -schon mehr als einen umgebracht.«</p> - -<p>»Das glaub ich nit,« sprach sie.</p> - -<p>Er stierte sie finster an, lange, lange, bis ihr -schauerlich zu Mut wurde. Er fing auf einmal ohne -Ursache grausig zu lachen an und sang unverständliches -Zeug: »Schön knieweit, schön dachslet, unten -lauter Leut, oben wie eine Tirolerin!«</p> - -<p>»Müllnersbub, ist dir das Rädel laufend worden?« -rief die Ogath erschrocken.</p> - -<p>»Weh, weh, weh! Das Mühlrad dreht sich mir -im Kopf!« flüsterte er, duckte sich und schlug einen -Purzelbaum.</p> - -<p>»Du hast ein Fieber, Bub.«</p> - -<p>»Die Liebe zerwirrt mich, Dirn.« Er jauchzte -hellauf, kniete dann vor eine Rotkröpfelstaude hin -und betete ein Vaterunser.</p> - -<p>Sie riß ihn stark in die Höhe. »Entweder bist -du unrichtig im Hirn, oder feindet dich der höllische -Geist an,« sagte sie. »Jetzt darf ich dich nit verlassen, -ich muß dich in die Mühl bringen und deinen -Leuten übergeben.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_79">[79]</a></span></p> - -<p>Der Dullhäubel verzweifelte an seinem Glück, -dumm und stumm ließ er sich führen, und sie redete -ihm tröstlich zu und betete still vor sich hin, Gott -möge seinen Verstand wieder hell werden lassen.</p> - -<p>Je näher sie Fuxloh kamen, desto glühender ward -dem Schelm der Weg unter den Fersen. Er mußte -die Ogath verscheuchen, sonst fiel ein Berg von Unheil -und Spott über ihn.</p> - -<p>Er schluchzte auf einmal kläglich auf. »Ogath, ich -verdien dich gar nit. Kehr um, kehr um beizeiten! -Ich könnt dein Unglück sein.«</p> - -<p>»Ja warum denn?«</p> - -<p>»O die Leut reden schlecht von mir! Aber es ist -alles, alles nit wahr. Die Ehr schneiden sie mir ab -ellenlang. O die Welt ist grundverdorben!«</p> - -<p>»Gar so schlimm werden sie dir doch nit nachreden, -Bub. Und ein wenig verzeih ich dir schon.«</p> - -<p>»Ich schäm mich soviel,« plärrte er, und die Tränen -rollten ihm übers Gesicht. »Die Leut sagen, -daß ich – daß ich – schwanger bin.«</p> - -<p>Er riß blitzschnell das Messer heraus, stieß es in -eine Fichte, hängte den Hut daran und sprang in -hohen Sätzen davon.</p> - -<p>Ihr war um das schöne blaue Hütlein und um -das blanke Messer leid, sie raffte die Sachen an sich<span class="pagenum"><a id="Page_80">[80]</a></span> -und rannte ihm nach, und weil sie gar flink auf -ihren rüstigen Beinen war, holte sie ihn ein, als er -keuchend bei der Blaumantelkapelle rastete und bei -dem Heiligen Hilfe zu suchen schien wie ein gehetzter -Hirsch beim Einsiedel.</p> - -<p>»Bub, Bub,« beschwor sie ihn, »wenn du so arg -heuchelst, soll dich der Herrgott strafen. Schwör mir -bei dem Heiligen da, daß du mich nit narrst. Der -Heilige hat das Maul offen, steck die Hand hinein. -Wenn du falsch schwörst, beißt er sie dir ab.«</p> - -<p>Aber der Dullhäubel entriß ihr das Messer und -fuchtelte damit irrsinnig im Wind herum. Taub -gegen ihren Jammer, kniete er am Weg hin zu -einem dürren Kuhfladen, zerschnitt ihn und reichte -ihr schluchzend die Hälfte. »Ogath, nimm es an -und trag es um den Hals zum Andenken!«</p> - -<p>»Mein Herr und mein Gott!« rief sie aus und kehrte -traurig um. Denn da war nimmer zu helfen. –</p> - -<p>Daheim drehte sie die Tischplatte um, zu sehen, -was der Bräutigam geschrieben hatte. Anstatt des -Heiratsbriefes las sie einen Reim.</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Drunt im wilden Moos<br /></span> -<span class="i0">liegt ein totes Roß,<br /></span> -<span class="i0">vorn und hint offen,<br /></span> -<span class="i0">ist der Schwäher draus gschloffen.<br /></span> -</div></div> -<p><span class="pagenum"><a id="Page_81">[81]</a></span></p> -<p>Die Ogath rieb den Schandspruch mit einer -Bürste ab. In ihrem Hirn blieb er brennen.</p> - -<p>Sie schluckte den Zorn hinunter und schwieg -Vater und Mutter gegenüber. Doch den falschen -Buben wollte sie heimsuchen und ihm ein schweres -Donnerwetter anheben.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Am Aller-Wetter-Herrentag ging die Ogath -übers Gebirg nach Fuxloh, wo sie sich den Weg -zur Mußmühle weisen ließ.</p> - -<p>Dort vor der Tür auf einem eingegrabenen -Mühlstein stand der Gid und zündete sich die Pfeife an. -Zuerst rieb er das blauköpfige Zündholz hinten am -Sitzfleck, hernach am Knie und an der Schuhsohle, -schließlich spreizte er die Beine, bückte sich zu dem -Mühlsteinpflaster und streifte daran, und als auch -das kein Feuer gab, schleuderte er fluchend das -Hölzlein weg.</p> - -<p>Da stand die Ogath vor ihm. »Das Glöckel -läutet, Mühlbursch. Schütt Korn zu, statt daß du -da so langweilig spielst.«</p> - -<p>Der Gid staunte die starke fremde Dirne an, -dann meinte er spöttisch: »Hoho, da kommt eine -daher gelaufen und will mir was schaffen.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_82">[82]</a></span></p> - -<p>Sie antwortete stolz: »Ich reit nit auf der Geiß -daher. Ich weiß, wer ich bin und was ich hab, -und ich weiß, wem ich angehör.«</p> - -<p>Der junge Müller lachte. »Du kannst die -Kaiserin selber sein, mir hast du nix zu sagen. -In der Mußmühl bin allweil ich der Herr.«</p> - -<p>Da fühlte die Ogath einen brennenden Stich -im Herzen und merkte, daß sie von dem bösen -Nachtbuben zwiefach betrogen worden war. Aber -sie ließ die Zähren, die ihr die Augen schwimmen -machten, nicht übers Ufer treten, und weil sie sich -einmal die Mühle in den Kopf gesetzt hatte und -ihr der staubige, finsteräugige Bursch auf dem -Mühlstein besser gefiel als der fuchsbärtige Freier, -und weil sie es daheim in der Einöd nimmer -freute, so wollte sie versuchen, ob sie da in dem -brausenden Haus ihr Bleiben könnte haben.</p> - -<p>Und das Blut schlug ihr auf einmal so hart in -der Ader, als sie sagte: »Wenn du der Müllner -bist, so frag ich dich, ob dein Weib keine Dirn -braucht?«</p> - -<p>»Ich bin ledig,« antwortete er, »aber die Mutter -hätt eine Hilf not, sie ist nit gesund.«</p> - -<p>Sie trat näher. »So ding mich auf. Stark -bin ich. Da greif mir den Arm an. Deine Mehlsäck<span class="pagenum"><a id="Page_83">[83]</a></span> -heb ich leicht.« Und jäh umschlang sie den -jungen Müller bei den Knieen, und ehe er sich -ihrer erwehren konnte, hob sie ihn in die Höhe.</p> - -<p>Als er verwirrt und schier taumelnd wieder -Boden faßte, stammelte er: »Du hebst einen Mühlstein. -Du hast Kraft wie ein stürzendes Wasser. -Du bist zu brauchen.«</p> - -<p>Er dingte sie auf, und sie half ihm in der Mühle, -rannte die bestäubten Stiegen auf und ab, goß -das Korn in den Trichter und warf sich spielend -die Mehlsäcke über die Schulter, als wären sie -mit Federn gefüllt. Sie lernte die Schleusen -öffnen und die Mühlsteine schärfen mit dem Kieshammer -und die Pfannen der Räder schmieren und -besorgte das Vieh im Stall und den Mittag am -Tisch und die gichtische Müllerin im Bett. So -gewann sie bald das Herz der Alten, und die -schwarzen Augen des Gid flogen ihren schnellen -und kräftigen Bewegungen allzeit nach.</p> - -<p>Einmal abends saßen sie beisammen. Der Alte -hatte die Stirn gerunzelt, er starrte in die Milchsuppe -wie in einen Spiegel und vergaß zu essen.</p> - -<p>»Die Suppe kühlt dir aus,« mahnte die -Müllerin. »Ärger dich nit über das, was nit zu -ändern ist!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_84">[84]</a></span></p> - -<p>Der Alte drehte die trübe Stirn der Ogath zu. -»Ja, Ogath, vormals hat es eine schöne Gerechtigkeit -für uns gegeben: meine Vorfahrer haben von -jedem Sack Getreid einen Zins einheben dürfen, -und wenn ihn auch die Fuxloher in der Kuckucksmühl, -in der Grillenmühl oder in der Samstagmühl -haben mahlen lassen.«</p> - -<p>»Heut sind die guten Gesetze abgeschafft,« tadelte -der Gid. »Alle Ordnung ist zerfallen. Das -wurmt mich.«</p> - -<p>Die Ogath redete wie ein tröstlicher Geist. -»Männer, den Stein, den man nit heben kann, -laßt man liegen. Die Mußmühl wirft genug Geld -ab und hat genug zu mahlen; sie könnt sich noch -einmal so geschwind drehen, die Arbeit tät nit -abreißen.«</p> - -<p>»Es ist nit das allein, was mich betrübt,« raunte -der Alte. »Aber jetzt rührt sich der Mühlteufel -wieder. Bei jeder vierten Brut meldet er sich. -Zuletzt ist er bei meinem Ähnel gewesen, – jetzt -kommt er zu dir, Gid.«</p> - -<p>Die Gichtische erhob sich ängstlich im Bett. »Hast -du ihn gehört?«</p> - -<p>»Jeden Samstag hör ich ihn, Weib, da plätschert -er im Wasser unterm Mühlrad.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_85">[85]</a></span></p> - -<p>»Du irrst dich, Vater,« sprach der Gid. »Es -rauscht und saust nur der Bach so seltsam.«</p> - -<p>»Ich hör ihn schon seit drei Samstagen,« beharrte -der Alte.</p> - -<p>Die Angst schüttelte die Bettlägrige wie ein -Frost. »Hast du ihm am letzten Nikolaitag was zu -essen in die Radstube hinunter geschüttet?«</p> - -<p>»Das hab ich besorgt, Weib. Und einen Filzhut -hab ich ihm auch hinunter geworfen, daß er -sich ihn auf das grüne Haar setzt und uns den -Frieden laßt fürs ganze Jahr. Und jetzt ist er -trotzdem da.«</p> - -<p>»Wie schaut er denn aus?« lächelte die Ogath.</p> - -<p>»Zwischen den Fingern hat er Häute wie ein -Fischotter, und im Wasser wird er nit naß. Im -Wasser ist er stark wie neun Rösser, man kann -ihn nit überwinden; am Land ist er nit kräftiger -als neun Fliegen. Wie der Ähnel noch auf der -Mühl gewesen ist, hat der Wassermann häufig in -der Nacht geklagt wie eine Seel, die die Seligkeit -nit findet.«</p> - -<p>»Ich leid ihn nit im Haus,« grollte der Gid, -»ich richt ihm die Otterfalle auf.« –</p> - -<p>Von jetzt an blieb es in den Samstagnächten<span class="pagenum"><a id="Page_86">[86]</a></span> -immer still unter dem Mühlrad, wie atemlos auch -die zwei Müller hinunterlosten.</p> - -<p>Doch einmal, als der Gid den Vater aus dem -Haus und die Ogath bei der siechen Mutter wußte, -da hörte er es durch das Brausen des Mühlrades -seltsam planschen und rauschen.</p> - -<p>Der junge Mensch lauschte fieberisch.</p> - -<p>Badet wirklich einer drunten mit schilfgrünem -Schopf und spitzem Gebiß und langen Krallen? -Zählt er die Seelen der Ertrunkenen, die er unter -gläsernen Töpfen drunten gefangen hält?</p> - -<p>Den Gid übermannte es, mit dem Unhold, der -ihm die Werkstatt unheimlich machte, auf Leben -und Sterben zu raufen. Wild riß er die Tür zur -Radstube auf. In der schäumenden Traufe des -Mühlrades, in wirbelnden, stoßenden Wassern, im -Dämmer sah er es schneeweiß leuchten, er hörte -einen weichen, entsetzten Schrei und stürzte sich -hinab ins Wasser und hielt den wunderkühlen, -starken Leib seiner Magd Ogath in den Armen.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Ehe der Mond sich wieder füllte, hielten die zwei -Hochzeit.</p> - -<p>Die ganze Freundschaft von Fuxloh und Grillenöd -und jenhalb des Gebirges rückte an, die Männer<span class="pagenum"><a id="Page_87">[87]</a></span> -mit Myrtensträußen in den schwarzen Röcklein, die -Bäurinnen schwarzseiden vom Kopftuch bis zum -Kittel, die Jungfern schillernd in braunen und rötlichen -Kleidern.</p> - -<p>Der Hochzeitslader jauchzte und wünschte dem -Bräutigam einen Stall voller Ochsen und viel -Körner im Kasten und einen Beutel voller Geld, -der schickt sich in die Welt. Der Braut herentgegen -wünschte er den Stall voller Kühe, davon -eine mehr Milch gibt als dem Nachbarn seine -neun Stiere, und wünschte ihr in sechs Jahren -sieben Kinder und zuletzt einen rotschädligen Buben.</p> - -<p>Da wies der Gid in die Weite: »Dort kommt -endlich der Brautführer daher, und der ist mein -bester Freund, der Kasper Dullhäubel.«</p> - -<p>Die Ogath war nicht wenig verdutzt, als sie -den falschen Burschen daher schlendern sah, der in -der Nacht um sie gefreit. Er hatte sich zwar den -roten Schnurrbart weggeschabt, doch sie erkannte -ihn an dem großen, runden Kopf und den winzigen -Zwinkeraugen gleich wieder. Sie tat aber, als -wäre er ihr fremd.</p> - -<p>Der Dullhäubel hatte sich mit Maschen und -Sträußlein fein herausgeputzt, sein Brustfleck war -mit doppelt aufgereihten Silberzwanzigern verknöpfelt,<span class="pagenum"><a id="Page_88">[88]</a></span> -und an der geschmiedeten Silberkette -klingelte ein silbernes Rössel und ein halbes Dutzend -Frauentaler. Und als die Brautschar gen Blaustauden -ging und die Bauern jauchzend die runden -Hütlein schwangen, da warf der Dullhäubel seinen -Hut am höchsten und er schnackelte mit den Fingern -und schnalzte mit der Zunge, und keiner tat es -ihm gleich.</p> - -<p>Über den Wald herauf winkte der Turm mit -dem Schindeldach, der Wildtauber ruchzte im Tann, -gelbe Schnäbel schwätzten, das Laub spielte, Blumen -liebäugelten auf der Wiese.</p> - -<p>In ihren knisternden Schuhen trat die Braut -stolz daher, ihr lichtgrauer Seidenrock hatte tausend -Falten und stand über die vielen Unterkittel also -breit gesträubt, daß sie kaum zur Kirchtür hinein -konnte. Im Haar saß ihr ein künstlicher Myrtenkranz, -der vorn über der stattlichen, ernsten Stirn -wie eine Krone geflochten war und, sich über dem -Scheitel teilend, weit über den Nacken herabhing.</p> - -<p>Mitten durch die in langhalsiger Neugier erstarrten -Blaustaudner führte der Dullhäubel die Braut zum -Altar, und er konnte es sich nicht versagen und -wisperte ihr zu: »He, tragst du den Kranz mit -Recht?«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_89">[89]</a></span></p> - -<p>Sie sah ihm groß in die fuchsschiefen Augen -und antwortete: »O du hundsschlechter Kerl!«</p> - -<p>»Du hast mich also nit vergessen, Ogath. Schau, -das freut mich.«</p> - -<p>»Verschwunden bist du wie der Teufel, wenn -man ihn mit Weihwasser abspritzt,« murmelte sie -zornig und kehrte sich ab.</p> - -<p>Er zog sein Rubinglas aus dem Sack und tröstete -sich mit brasilianischem Tabak.</p> - -<p>»Pfui Teufel,« sagte sie laut, »jetzt hab ich einen -schnupfenden Brautführer!«</p> - -<p>Er schaute scheinheilig zur Orgel hinauf. »Ich -freue mich schon auf die schöne Musik,« flüsterte -er. »Du wirst schauen, Ogath, wie zärtlich unser -Schulmeister orgelt. Das Wasser wird dir in die -Augen schießen.«</p> - -<p>Der Pfarrer Nonatus Hurneyßl schritt zum Altar -und gab die Brautleute zusammen. Es war ein -Paar, wie es die Blaustaudner Kirche noch nie -überwölbt hatte, der starke, finsterschauende Mann -Gid und die große, schöne und stille Ogath.</p> - -<p>Doch als der Orgler das Brautamt begann, hub -ein derart wüster Mißklang an, daß die Leute erschraken, -der Schulmeister mußte einhalten, er sprang -wie besessen von der Orgelbank und fluchte, der<span class="pagenum"><a id="Page_90">[90]</a></span> -Balgentreter horchte in die Windkammer hinein, -ob nicht der Leibhafte drin knotze, und endlich kamen -die Musikanten dahinter, daß ein verwogener -Schelm in der Nacht vorher die Orgelpfeifen -unter einander vertauscht hatte.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Das Hochzeitsmahl war im »pfalzenden Hahn« -gerüstet.</p> - -<p>Die Ogath saß schweigsam und blaß zwischen -dem Gid und der Igelbäurin, die als erfahrene -Brautmutter sorgte, daß die alten Bräuche geübt -wurden.</p> - -<p>Auf den Tellern dampfte Rindssuppe und Kuttelfleck -und Bäuschel; mit Zuckersachen besteckter Reis -ward aufgetragen und Kaffee in ansehnlichen, -bunten Töpfen und dazu Gugelhupf und leckerer -Kuchen. Die Gäste packten sich Schweinsbraten -und fette Würste in Bündel zum Heimtragen ein. -Als die Ehstandsbrühe, drinnen Rindfleisch schwamm, -auf den langen Tisch gesetzt wurde, sagte die Brautmutter -mit bedächtiger Würde zu den Brautleuten: -»Nit süß und nit sauer, gerade recht, so wie der -Ehstand ist.«</p> - -<p>Der Dullhäubel spießte einen Knödel auf, biß<span class="pagenum"><a id="Page_91">[91]</a></span> -hinein und sprach kauend über den Tisch hinüber -zur Ogath: »Ob du schon weißt, warum bei eurer -Mühl keine Scheuer ist?«</p> - -<p>Sie merkte, wie sich ihres Mannes Stirn verfinsterte, -und wich der Frage aus: »Ich weiß nix -und will nix wissen.«</p> - -<p>Der Dullhäubel aber kröpfte den Knödel hinunter -und erzählte: »Da ist in der Mühl einmal der -Korbflicker auf der Stör, und die Müllnerin stellt -ihm eine Eierbrüh hin mit Knödeln. Der Mann -will mit dem Löffel einen Knödel auseinander -zwingen, aber es geht nit. Jetzt setzt er gewaltig -an. Der Knödel weicht ab, haut das Fenster durch, -doppelt durch, springt draußen an einen Stein, -daß das Licht davon fliegt, schlagt an die Scheuer, -die Scheuer fallt um. Da hat der Korbflicker -drein geschaut!«</p> - -<p>Der Gid reckte sich und zückte die Gabel. »Kasper, -du willst mich heut an meinem Ehrentag spotten?!«</p> - -<p>Die Ogath zog ihn auf die Bank zurück. »Du -sollst doch einen Spaß verstehen, Gid!«</p> - -<p>Der junge Müller stocherte wütend ins Kraut -hinein.</p> - -<p>Der Dullhäubel grinste. »Selbigesmal, wie die -Müllnerin, die die steinernen Knödel hat kochen<span class="pagenum"><a id="Page_92">[92]</a></span> -können, geheiratet hat, da ist es weit gemütlicher gewesen -als heut. Damals haben sie so kräftig getanzt, -daß der Fußboden durchgebrochen ist, und allsamt -sind sie in den Stall hinuntergepurzelt. Die Braut -ist zwiespältig auf den Stier zu sitzen kommen.«</p> - -<p>Der Gid schlug auf den Tisch, daß die Ehstandsbrühe -aushüpfte. »Du lügst mehr, als ein roter -Hund rennen kann, Kasper.«</p> - -<p>Der alte Müller beugte sich zum Dullhäubel -hin. »Du plauderst allerhand Dummes über unsere -Mühl, du Springinges mit deinem gelben Schnabel, -und ist doch die Mußmühl weitaus die fürnehmste -Mühl gewesen. Die Fuxloher Bauern haben bei -uns mahlen müssen. Das Recht hab ich noch -schriftlich daheim, du kannst es lesen. Die alten -Fürsten haben ihren Namen drunter gesetzt. Heut -haltet sich keiner mehr darnach, es ist eine untreue -Zeit. Jeder fahrt mit seinem Malter, wohin er -will. Der Mühlzwang hätt nit abgeschafft werden -sollen. Das ist nit recht.«</p> - -<p>Der Gid ward rot wie ein Feuer. »Die alte -Pflicht muß wieder aufkommen,« sagte er heiser. -»Ich leid es nit anders. Allsamt wie ihr da -sitzt, Fuxloher, müßt ihr das Korn bei mir aufschütten. -Ich setz es durch.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_93">[93]</a></span></p> - -<p>»Meinem Vater haben sie das Recht abgezwungen,« -rief der Alte, »ins fürstliche Schloß -haben sie ihn geladen und haben ihn dort so lange -gehaut, bis er zu allem Ja und Amen gesagt hat. -Jetzt gehen viele Gaukelmühlen an unserem Bach, -hat aber kein Müller ein rechtes Geschäft und -keiner recht zu fressen.«</p> - -<p>»Das riegelt mir die Galle,« schrie der Gid.</p> - -<p>»Am Papier haben wir es schwarz auf weiß, -der Fürst hat es bestätigt. Und was geschrieben -ist, bleibt geschrieben. Ganz Fuxloh muß in die -Mußmühl!«</p> - -<p>»Ich nit,« trotzte der Dullhäubel.</p> - -<p>Mit einem Blick wie ein Stichmesser tappte der -Gid über den Tisch, und der alte Müller hielt -den Dullhäubel schon an der Gurgel.</p> - -<p>Im rechten Augenblick noch fuhr der Meßner -Grazian darein, die schneidende Stimme erhob er: -»Lasset uns ein andächtiges Vaterunser beten für -die verstorbene Freundschaft des Bräutigams und -der Braut!«</p> - -<p>Da verstummte die Zwietracht, und alle Stimmen -vermischten sich in einem eintönigen Gebet für die -verschollenen Seelen der Vorfahren.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_94">[94]</a></span></p> - -<p>Hernach spielten die Musikanten hellauf, daß in -allen das Waldblut zu zucken und zu springen -anhub, und der Hochzeitslader schrie: »Das Brautpaar -soll vivat leben!«</p> - -<p>Der Dullhäubel trat vor die Igelbäurin hin -und begehrte als Brautführer von ihr als sein -Recht den ersten Tanz mit der Braut.</p> - -<p>Die Brautmutter richtete sich hoch auf. »Erst -bring mir eine Kerze, die Tag und Nacht brennt!«</p> - -<p>Jauchzend schwang sich der Dullhäubel zum -Fenster in den Garten hinaus, rannte um den -Zaun herum und kam mit einer Brennessel wieder, -und die steckte er der Iglin in das Bierglas.</p> - -<p>»Brenn dich nit an der Kerze, Brautmutter. -Und jetzt laß mich mit ihr landlerisch tanzen!«</p> - -<p>»Brautweiser, erst bring mir sechs Lichter, ein -jedes muß anders brennen.«</p> - -<p>Der Dullhäubel verschwand in der Kuchel und -trug nach kurzer Weile ein Brett daher, darauf -glühten sechs kleine Stengelgläser mit Kirschgeist -und Kümmel und anderen roten, gelben und lichten -Schnäpsen.</p> - -<p>»Kostet den goldnen, Brautmutter!« lockte er -und bot ihr ein Stämplein dar, »das ist ein süßer<span class="pagenum"><a id="Page_95">[95]</a></span> -Trunk, wie ihn die Weiber gern mögen. Du bist -ja genäschig wie eine Geiß.«</p> - -<p>Die Iglin zierte sich ein wenig, griff dann -schämig nach dem gelben Schnaps, spitzte den -Mund und kostete lächelnd. Im Hui ward ihr -Gesicht sauer, und es schüttelte sie am ganzen Leib. -»Der Spitzbub hat mir einen Essig gegeben,« -schalt sie.</p> - -<p>Hernach begehrte sie: »Eh ich dich tanzen laß -mit der Jungfer Braut, zeig mir ein Bett, drin -neun Jungfern schlafen, keine in der Mitte, keine -am End!«</p> - -<p>Der Dullhäubel kratzte sich hinterm Ohr und -meinte, das errate der Kuckuck. Aber er stieg auf -den Dachboden und brachte ein Spinnrad daher und -drehte es, daß die neun Speichen lustig wirbelten.</p> - -<p>»Du kannst gut raten,« lobte die Iglin. »Jetzt -trag mir noch einen lebendigen Braten auf!«</p> - -<p>Während der Dullhäubel den Braten holte, -kroch der Lukas Schellnober, der bei der Musik -den Baß blies und als der stärkste Mann in der -Gegend galt, unbemerkt unter den Tisch und packte -die Ogath beim Fuß. Sie kreischte und strampelte, -und die Brautmutter half ihr und raufte den Mann -unbarmherzig bei den Haaren, und schließlich gab<span class="pagenum"><a id="Page_96">[96]</a></span> -ihm die Braut selber einen Schlag auf die Wange, -daß es wie ein Schuß knallte. Doch der Riese -zog ihr, unbekümmert um alles, was da über ihn -niederging, den Schuh aus, kroch schnaufend unter -dem Tisch herfür und trottete zur Tür hinaus. -Als er wiederkam, stellte er den Schuh mit Nelken -und Rosen und Stiefmütterlein gefüllt vor die -Braut hin.</p> - -<p>»Wirt, gib dem Grobian einen Krug Wein!« -befahl die Iglin. »Den Fuß hätt er ihr schier -ausgerissen.«</p> - -<p>Der Schuhräuber setzte sich auf ein Faß. »Die -Ogath hat Kraft,« staunte er, »die hat mir einen -feinen Hieb gegeben. Einen Hieb, den Gemeindestier -schlaget er nieder. Einen Hieb, als wenn das -Wetter einschlaget.«</p> - -<p>Vor lauter Freude an dieser Kraft vergaß er -den Schmerz, der ihm im Schädel summte.</p> - -<p>Der Dullhäubel stellte derweil eine verdeckte -Schüssel auf den Tisch. »So, da wär der lebendige -Braten.« Er hob den Deckel, und eine Maus -schlüpfte heraus, die hatte eine blaue Masche um -den Hals.</p> - -<p>Die Weiber kreischten, rafften die Kittel zusammen -und stiegen auf die Stühle und Bänke.<span class="pagenum"><a id="Page_97">[97]</a></span> -Verwirrt jagte das Tierlein auf dem Tisch hin -und her, warf die Stengelgläser um, daß es ein -feines Geklingel gab, und wagte endlich den Sprung -auf den Fußboden.</p> - -<p>Die Iglin wurde jetzt feierlich. »Brautweiser, -jetzt bau der Braut eine silberne Brücke und nimm -sie zum Tanz!«</p> - -<p>Der Dullhäubel holte einen Geldstrumpf und -legte zwei Reihen Silbergulden von einem Tischeck -zum andern, und die Ogath trat zaghaft darauf -und schwankte den silbernen Steig dahin und sank -hinab in die Arme des Dullhäubel, die Spielleute -setzten an, und die zwei tanzten so wild, daß der -lange lose Myrtenkranz vom Haar der Braut -weithin wehte.</p> - -<p>Draußen vorm Wirtshaus saß die alte Ulla -auf einem Stein. »Sie werden doch drin nit auf -mich vergessen,« raunte sie.</p> - -<p>Eine Hand schob sich zur Tür heraus und warf -ihr einen Kuchen in den Schoß.</p> - -<p>Sie lächelte. »Mir ist es ganz ein Ding, ob -ich ein schwarzes Brot krieg oder ein weißes. Das -weiße eß ich lieber, nur wegen der Farbe.«</p> - -<p>Drin am Tisch saß die Braut, der Ernst ihrer<span class="pagenum"><a id="Page_98">[98]</a></span> -Stirn verging nicht, und kein Lächeln erhellte ihr -Gesicht, wie arge Späße auch der Dullhäubel trieb.</p> - -<p>Am meisten zielte sein Übermut nach dem -Bräutigam.</p> - -<p>»Zeig her, Gid, den Arm,« rief er, »ob dir das -Haar dran bergan wachst!«</p> - -<p>»Warum bergan?« fragte der Gid mißtrauisch.</p> - -<p>»Weil ihr Müllner den andern Leuten in den -Mehlsack greift.«</p> - -<p>»Du heißt mich also ins Gesicht einen Dieb?« -brauste der junge Müller.</p> - -<p>Die Ogath beschwichtigte ihn. »Scher dich nit -um solche Reden! Du brauchst viel Mehl, wenn -du alle bösen Mäuler verkleiben wolltest.«</p> - -<p>»Ein jeder Sack raucht, wenn man drauf schlagt,« -schrie der Gid. »Soll ich allein mir alles gefallen -lassen?«</p> - -<p>Die Gäste murrten, daß der Dullhäubel Unfried -stifte, und als dieser merkte, daß sich der Groll -wie ein dumpfes Gewölk um ihn zusammen zog, -da lenkte er ein und fing an, lustige Lügen zu erzählen -über Leute, die nicht da waren, und unterhaltliche -Lieder zu singen, darin er sich selbst ein -Klämpflein anhängte, oder er streute sich Tabak -auf die linke und die rechte Achsel, drehte den<span class="pagenum"><a id="Page_99">[99]</a></span> -Kopf wie ein Wendehals darnach und schnupfte -ihn mit der ausgiebigen Nase links und rechts weg.</p> - -<p>Ob solcher Schnacken söhnten sich die Gäste -wieder mit ihm aus. »Man kann ihm nit feind -sein, dem Faxenmacher,« lachten sie.</p> - -<p>Als der Gid und die Ogath hernach zum erstenmal -in der Brautkammer lagen und die Mühle -rastete, hörten die zwei die halbe Nacht draußen -im Garten die Pumpe ächzen.</p> - -<p>Der Dullhäubel pumpte vor lauter Eifersucht -den Brunnen aus.</p> - -<hr class="tb" /> - -<div class="chapter"> -<p>Die Jahre verwichen.</p> -</div> - -<p>Der Dullhäubel wirtschaftete mit der Altbäurin -und mit Knecht und Magd auf seinem Hof. Die -Mutter zählte nicht mit, die schlief stehend und -gehend ein.</p> - -<p>Er selber mühte sich auch nicht sonderlich, es behagte -ihm viel mehr, den Fuxlohern allerhand Possen -zu spielen, Land und Leute gen einander zu -hetzen, auf den Wirtstisch fest aufzutrumpfen und -ein Leben zu führen wie seine Vorfahrer.</p> - -<p>Immer mehr wandte sich der Blaumantel hinter -seinem Gitter von der Welt ab, immer saurer sah<span class="pagenum"><a id="Page_100">[100]</a></span> -er darein, wenn der Dullhäubel vorübertrollte, -und schließlich bildete sich der Bauer ein, der Heilige -wisse um all seine Schwänke und verrate sie -vor Gottes Stuhl im Himmel. Drum besann er -sich viel, wie er den unliebsamen Widersacher wegschaffen -könnte.</p> - -<p>Einmal, am Simonjudastag, als das Kraut gehobelt -und im Faß eingetreten war, schleppte er -den Heiligen heimlich in den Keller, und stellte ihn -statt eines Steines auf das Krautfaß, um es zu -beschweren. »Jetzt bist du beschäftigt, du Müßiggänger,« -spottete er.</p> - -<p>Doch seit der Hölzerne unterirdisch als Krautheiliger -waltete, plagten den Dullhäubel bergschwere -Träume und vergällten ihm den Schlaf.</p> - -<p>Ihm träumte, dem Blaumantel wüchsen Haar -und Bart, und er, der Bauer, müsse ihn scheren -und stutzen. Zunächst setzte er ihm einen Topf auf -den Schädel, und was darunter an Haar hervorkringelte, -schnitt er ab. Es war aber steif wie Eisendraht -und kaum zu bewältigen. Hernach striegelte -er ihn mit einem Igel, ein Kamm hätte den abscheulich -verfilzten Schopf nicht durchrütten können. -Er schnitt ihm den Bart vom Kinn und aus den -Wangengruben und Nasenlöchern, schob ihm einen<span class="pagenum"><a id="Page_101">[101]</a></span> -Löffel in das Maul, daß sich die Haut daran straffe, -seifte und schäumte ihn ein und balbierte die Stoppeln -mit einer Dachschindel. Der Bart aber wuchs -augenblicklich wieder nach, und so wurde das Balbieren -zu einer schrecklichen Mühe ohne Ende. Dabei -glotzte der Blaumantel seinen Schaber höllisch -an, und der Löffelstiel stand ihm gräßlich aus den -grellroten Lefzen. Hundsmüd und zerknirscht fuhr -der Dullhäubel aus dem Schlaf, an seinem Hemd -war kein trockener Faden.</p> - -<p>Noch mehr quälte ein anderer Traum, der allnächtlich -wiederkehrte. Der Heilige im Krautkeller -wuchs, wuchs durchs Gewölb in die Schlafkammer -des entsetzten Dullhäubel, wuchs durch den Boden -zum Dach hinaus, daß die Balken sich bogen und -die Schindeln flogen und das Haus wankte und -schier stürzte. Nur die Kutte wuchs ihm nicht, -und der Dullhäubel mußte ihm hinten und vorn -Schürzen und Leintücher vorhängen von wegen -der Schamhaftigkeit. Droben überm Dach zuckte -und flammte der Heiligenschein und drohte, Wald -und Korn zu zünden. Da preßte der Bauer einen -Schrei aus der Brust, er schrie den Fuxlohern -um Hilfe, aber alle Fuxloher Männer vermochten -den verwilderten Blaumantel nicht zu überwinden,<span class="pagenum"><a id="Page_102">[102]</a></span> -den sonst zwei zarte Jungfern stundenweit getragen -auf der Wallfahrt nach Maria Dorn.</p> - -<p>Der Dullhäubel hörte aus diesen Träumen sein -zerrissenes Gewissen schreien, und als ihn der Blaumantel -einmal wieder wie eine Trud drückte, keuchte -er aus dem Bett in den Keller hinab, stürzte den -Quälgeist kopfüber in einen Buckelkorb und schleppte -ihn zur Kapelle.</p> - -<p>Der Mond ging eben ab. Etwas Gespenstisches -meckerte im finstern Moor. Ein Hund schrie Mord -über ein blaues Irrlicht. Ein griesgrämiger Rabe -hüstelte im Schlaf.</p> - -<p>Der im Buckelkorb schien sich zu rühren und -ward immer schwerer und schwerer; der Dullhäubel -meinte, Himmel und Erde müsse er tragen. Vielleicht -war das Schnitzbild überhaupt kein Heiliger, vielleicht -funkelte es hinter seinem Genick im Korb und -war ein Bild des Gottseibeiuns selber, das sich ein -Zauberer und Götzenknecht geschnitzt hatte in böser -Absicht, und vielleicht springt der heidnische Kerl -gar aus dem Korb und schleudert den Bauer selber -hinein und schleppt ihn – Gott verhüt es! – zum -höllischen Backofen.</p> - -<p>Dem Dullhäubel schnürte sich die Gurgel zu, -sein Atem klemmte sich. Vor Angst betete er laut<span class="pagenum"><a id="Page_103">[103]</a></span> -und untertänig, und er stellte seinen blauen Feind -unter Bittreimen und Stoßseufzern wieder in die -Nische.</p> - -<p>Nach diesem Nachtgang lebte er gottesfürchtig -und eingezogen, und das um so lieber, als ihm -die Fuxloher auflauerten, deren Heiligen er mißbraucht -hatte. Auch nahm er sich fest vor, jeden -Gottestag die Predigt zu hören und seinen Groschen -zu opfern zur Ehre der Kirche und zum eigenen -irdischen und himmlischen Vorteil.</p> - -<p>Doch der Teufel wacht und zieht dem bußfertigen -Sünder gern eine Sperrkette über den Weg. Also -geschah es auch dem Dullhäubel, als er sich wieder -einmal dem Herrgott von Blaustauden zeigen und -in aller Bescheidenheit ganz hinten am Kirchtor -hatte lehnen wollen.</p> - -<p>Er stieg in die hirschledernen Hosen hinein, legte -den Sonntagsrock an und steckte das rubinene Glas -zu sich. Im Hof trat er noch einmal zum Saustall, -den er sich ganz klein hatte zimmern lassen -und redete durch das Futtertürlein dem Vieh gütlich -zu: »Friß nur, Sau, daß du einen Leib aufnimmst! -Oder hast du keine Ehr in dir?«</p> - -<p>Wie er jetzt so treuherzig und in der besten -Absicht bergab trabte und der Wind über die Zäune<span class="pagenum"><a id="Page_104">[104]</a></span> -strich und die Wiesen rauchten, sprang ihm ein hitziger -Mensch in den Weg, packte wie ein Straßenräuber -ihn beim Brustfleck und schrie: »Gerad will ich -dich heimsuchen. Ich hab gehört, du verkaufst eine -Sau.«</p> - -<p>»Meine Sau ist speckfeist. Ob ich sie dir geb, -ist nit gewiß.« Und der Dullhäubel vergaß schnöd -des Herrgotts und kehrte mit dem Fleischhacker -schnurstracks um.</p> - -<p>Die Sau wog gering. Weil sie aber kläglich -in den winzigen Stall gestellt war, so füllte sie -ihn aus und erschien gar mächtig.</p> - -<p>»Um wieviel ist sie dir feil, Bauer?«</p> - -<p>»Um dreißig Gulden, Fleischhacker.«</p> - -<p>Der Sauhändler prallte erschrocken zurück, machte -Augen wie Pflugräder und drohte, ins Knie zu -fallen. »Dreißig Gulden?! Du bist närrisch worden, -Kasper.«</p> - -<p>»Dreißig Gulden,« sagte der Bauer eintönig.</p> - -<p>»Was wiegt die Sau?«</p> - -<p>»Schätz sie ab, Luitel!«</p> - -<p>»Dreißig Pfund wiegt sie. Kein Lot mehr.«</p> - -<p>»Dreißig Pfund?! O du Raubersbub! Jetzt -willst du mich betrügen, wo ich dir so weit entgegen -kommen bin mit dem Preis? Dreißig Pfund<span class="pagenum"><a id="Page_105">[105]</a></span> -wiegt eine ausgezogene Katz. Schau sie genau an, -die Sau, sie geht schier nit in den Stall hinein. -Dreimal so viel wiegt sie zum mindesten!«</p> - -<p>»Daß ich nit lach, Kasper! Neunzig Pfund hat -sie nit einmal samt dem Saustall.«</p> - -<p>»Luitel, greif meine Ehr nit an!« drohte der -Dullhäubel.</p> - -<p>Der Händler sparte nicht mit seiner Verachtung. -»He, das soll eine Sau sein?« rief er empört. -»Gib sie her um zwanzig Gulden!«</p> - -<p>»Dreißig kostet sie. Das ist schandenwohlfeil.«</p> - -<p>»Was tust du mir an?« stöhnte der Luitel. »So -manches Jahr sind wir treue Freunde gewesen. -Und jetzt willst du mir das Blut aussaugen? -Dullhäubel, laß nach! Dullhäubel!! Dullhäubel!!!«</p> - -<p>»Dreißig Gulden.«</p> - -<p>»Hinwerden soll ich in fünf Minuten, wenn du -von mir einen Kreuzer mehr kriegst als zwanzig -Gulden,« schwor der Fleischhacker.</p> - -<p>Der Dullhäubel zog die Sackuhr. »In fünf -Minuten? O Freund, da mußt du dich hübsch -fleißen!«</p> - -<p>»Du spottest noch? Kasper, denk an deine letzte -Stund! So ein elendes Krepierlein! Die Knochen -stehen ihm hinten und vorn heraus. Dem Schinder<span class="pagenum"><a id="Page_106">[106]</a></span> -hast du die Sau gestohlen. Gib sie her um fünfundzwanzig -Gulden!«</p> - -<p>»Dreißig.«</p> - -<p>»Lauter rothaarige Menscher soll dein Weib einmal -kriegen!« fluchte der Luitel. »Die Sau soll -dir die Nase abfressen, daß du nimmer schnupfen -kannst!«</p> - -<p>Der Dullhäubel ward blaß, tastete nach der -Nase und trat einen Schritt zurück. Die Verwünschung -griff ihn an, und schier hätte er nachlassen. -Aber er erfing sich wieder und sagte sanft: -»Dreißig Gulden.«</p> - -<p>Der Luitel heulte auf. »Er treibt mich in die -Verzweiflung Hast du ein Herz im Leib, Kasper? -Bist du ein Christ? Gib her die Sau um achtundzwanzig -Gulden! Reck her die Hand! Schlag ein!«</p> - -<p>Er versuchte immer wieder in die Hand des -Bauern einzuschlagen, die wie tot hing. Er winselte, -beschwor, fluchte, verwünschte.</p> - -<p>Der Dullhäubel blieb kalt. »Geh heim, Fleischhacker! -Du bist ja nit verheiratet mit meiner Sau.«</p> - -<p>»Tu sie her um achtundzwanzig Gulden fünfzig -Kreuzer,« schluchzte der Luitel, »und nimm dir die -Sünd mit in die Ewigkeit!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_107">[107]</a></span></p> - -<p>Jetzt seufzte der Dullhäubel wehmütig auf: »Ich -will dich nit unglücklich machen, und weil du mein -Freund bist seit jeher, so gehört dir die Sau um -den Preis, den du jetzt selber geboten hast. Aber -nit gern laß ich dir sie. Sie ist meine einzige -Freud gewesen; ich hab sie aufgefüttert und wachsen -sehen und zunehmen –.« Er wischte sich über die -Augen, seine Stimme erstickte.</p> - -<p>Da schlugen die zwei ein. Der Handel war -geschlossen.</p> - -<p>Der Luitel blätterte die schmierige Brieftasche -auf und zahlte. Bedächtig zählte der Bauer das -Geld nach, und als er es verwahrt hatte, half er -dem Händler das widerspenstige Tier bei den Ohren -aus dem Stall ziehen.</p> - -<p>»O verflucht, ist die Sau gering!« stammelte -der Luitel, als er sie im hellen Taglicht sah.</p> - -<p>Und als er sie gar durch das große Hoftor -zerrte, wurde es ihm durch den Vergleich recht -augenscheinlich, wie winzig die Sau war. Vor -Wut ächzte er auf und drohte mit der Faust zurück.</p> - -<p>Der Dullhäubel aber schüttelte das Geld und -frohlockte laut: »Den hab ich angeschmiert, daß ihm -die Augen tropfen.« –</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_108">[108]</a></span></p> - -<p>So übervorteilte er jeden, der sich mit ihm im -Handel messen wollte.</p> - -<p>Trieb er eine Kuh auf den Markt, so rührte er -ihr im letzten Wirtshaus, wo er einkehrte, eine -kräftig gesalzene Mehlsuppe an, darauf durstete -das Vieh gar sehr und es soff wie ein dürrer -Rasen Wasser in sich, bis es die Wampe voll hatte. -Dann stand es stattlich da und freute sich eines -guten Gewichtes, und der Dullhäubel schlug sie -mit erklecklichem Gewinn los.</p> - -<p>Derlei Kniffe und Pfiffe hatte er einen ganzen -Heuwagen voll.</p> - -<p>Ein ganz besonderer Segen lag auf seinem Hof, -trotzdem daß er seine Hände schonte und die schönste -Zeit beim Bier verlümmelte. Mit glänzenden Fellen -stand ihm das Vieh im Stall, seine Kühe kälberten -eifrig, seine Geißen kitzten dreifach und vierfach, -seine Hennen legten Eier mit zwei Dottern. Kein -Reif sengte ihm die Erdäpfelblühe, kein Schauer -knickte sein Korn, sein Heu kam räuspendürr -unters Dach.</p> - -<p>Und mancher Fuxloher ward deswegen in dem -gerechten Herrgott irr.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_109">[109]</a></span></p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Dem jungen Mußmüller wich der Dullhäubel -aus, er scheute ihn. Der Gid wurde immer hitziger -und rauflustiger und stritt mit allen Leuten, weil -er das altverbriefte Recht wieder durchsetzen wollte. -Auch sonst störte ihm mancherlei das Glück, besonders -aber, daß in der Mühle die Wiege -leer blieb.</p> - -<p>Einmal stach den Dullhäubel der Kitzel, und er -schlich sich den Bach entlang, den mürrischen Nachbar -ein wenig aus dem Häuslein zu bringen.</p> - -<p>Die Vögel wuschen sich, am Zaun blühten die -Hollerstauden. Die Mühle rumpelte verschlafen, -und das Rad knarrte verdrießlich: »Soll – ich – -denn – noch einmal – umgehn?«</p> - -<p>Mit unwirscher Stirn lehnte der Gid am Türstock. -Es hatte schon lange nicht geregnet, und -wenig Wasser fiel aufs Rad. Die Ogath saß auf -der Sonnenbank und flickte.</p> - -<p>Da rief der Dullhäubel hinter einer Erlenstaude: -»Wie die sieben dürren Jahr schaust du -drein, Gid. Geht dir die staubige Mühl zu -langsam?«</p> - -<p>Die Eheleute schraken auf wie Hennen, wenn -der Fuchs durch den Zaun blinzt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_110">[110]</a></span></p> - -<p>Der Nachbar setzte sich gemächlich auf einen -Grenzstein jenseits des Baches und fragte: »Strickst -du den Geiferlatz für den neuen Müllnerbuben, -Ogath? Wann wirft der Krähvogel ihn euch in -den Rauchfang? Er laßt sich Zeit.«</p> - -<p>»Du Daunderlaun, wir sind ohne Kinder auch -lustig,« speiste sie ihn ab.</p> - -<p>Er höhnte weiter: »Wer ist denn schuld daran, -du oder der Mann? Müllner, du mußt sie über -neun Zäune tragen und schreien, die Nachbarn -sollen dir helfen.«</p> - -<p>Er achtete nicht des Mühlrades, das bedächtig -und schier drohend brummte: »Juckt – dich – der -– Buckel? Juckt – dich – der – Buckel?«</p> - -<p>»Ich helf mir selbst,« grollte der Gid, »und dich -brauch ich am wenigsten. Du bist derselbe Lump -wie deine Ähnel.«</p> - -<p>»Der Apfel fallt nit weit vom Birnbaum,« -entgegnete der Dullhäubel. »Wenn ich ihr nur -meine Pudelhaube hinwerfet, gleich krieget sie einen -Buben, die Ogath.«</p> - -<p>»Ja, weil du der rotbartet Kasper bist,« knirschte -der Gid. »Das muß ich mir ins Gesicht sagen -lassen, Ogath. Dran bist du schuld.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_111">[111]</a></span></p> - -<p>»Ich geh wallfahrten gen Maria-Dorn,« seufzte -sie bang. »Vielleicht nutzt es.«</p> - -<p>»Geh hin, wohin du willst! Ein Bub muß her.«</p> - -<p>»Geh nacket in die Kindelkapelle, Ogath!« -kicherte der Dullhäubel.</p> - -<p>Der Müller wurde schneeweiß und packte einen -Hammer, der auf der Türschwelle lag. »Ich erschlag -dich, ich bin Gott einen Toten schuldig,« -zischte er und sprang über den Bach.</p> - -<p>Er war flinker als der Nachbar, und als er -ihn gestellt hatte, schlug er mit dem Hammer -blind auf ihn los und traf ihn auf die Achsel, daß -er hin in die Binsen fiel.</p> - -<p>Das Mühlrad ging auf einmal viel lustiger und -spottete: »Hat dich der Buckel gejuckt? Hat dich -der Buckel gejuckt?«</p> - -<p>Beruhigten Blutes kehrte der Gid zu seinem -Weib zurück. »Den Grenzstein will ich heut noch -mit Kalk frisch überweißen, weil ein schlechter Kerl -drauf gesessen ist. Und ein Bub muß her, und -wenn wir zwei solange drum wallfahren müssen, -daß uns bei jedem Schritt ein Blutstropfen von -der Ferse fällt!«</p> - -<p>Indes raffte sich der Dullhäubel mit allerhand -Gedanken an Schergen, Gericht und Zuchthaus<span class="pagenum"><a id="Page_112">[112]</a></span> -aus der Wiese auf, tappte nach der wehen Achsel -und schielte bös zur Mühle hinüber. »Blut ich, -so klag ich; blut ich nit, so klag ich nit.«</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Im Volk ging die Rede, daß einst von Gesetz -wegen in der Mußmühle kein Weib habe hausen -dürfen. In Wahrheit verhielt es sich so, daß unter -jenem Dach nur wenig Kinder geboren wurden. -Während es in den Bauernstuben wimmelte, zogen -die jeweiligen Müllersleute immer nur einen einschichtigen, -vertrotzten Buben als Samenstengel auf.</p> - -<p>Der Ogath lag es wie ein Mühlstein am Herzen, -daß sie Jahr für Jahr galt ging. Sie hätte -alles drum gegeben, und nicht nur ihres verfinsterten -Mannes wegen, wenn sie ein Kind gehabt hätte, -und weil alles Gebet, alle Sehnsucht und Traurigkeit -fruchtlos blieb, so dachte sie immer heißer an -Wunderkräfte, die ihr den Segen aufschlössen.</p> - -<p>Was ihr der Dullhäubel in seiner Verruchtheit -geraten, ging ihr nimmer aus dem Sinn.</p> - -<p>Weit drin in der Wildnis des Lusens ist die -Kindelkapelle. Dort hat schon manches Mutterverlangen -sich hingekehrt und ist erhört worden. Doch -die große Gnade kann nur durch ein großes Opfer<span class="pagenum"><a id="Page_113">[113]</a></span> -herbei gelenkt werden: nackt muß das Weib wallfahren -zu jenem Gnadenursprung, in letzter Blöße -muß sie schreiten durch die Wälder, ehe ihr das -Wunder zuteil wird.</p> - -<p>Von Woche zu Woche nahm sich die Ogath die -seltsame Wallfahrt vor, doch immer wieder schrak -sie in Scham davor zurück, bis ihr Wunsch endlich -so gewaltig aufbrannte und alles andere davor verglomm.</p> - -<p>Zu Mariä Heimsuchung fuhr der Müller in die -Stadt ins Schloß, dort wollte er noch einmal wegen -des abgeschafften Mühlrechtes verhandeln.</p> - -<p>Da schlich die Ogath barfuß in das Vogeltänd, -das war der Wald, der hinter der Mühle aufstieg -und den Steig beschattete, der zur Kindelkapelle -führte.</p> - -<p>Vor einer Steinhöhle hielt sie an. Ihre Brust -ging hoch, angstvoll flog ihr Blick durch die Bäume, -sie trat aus dem Sonnenlicht in den tieferen Schatten -einer niedergreifenden Tanne. Zitternd band sie -sich die blaue Schürze los und legte sie in den -Steinriß, sie tat die Joppe ab und den Rock und -die drei barchentenen Unterkittel und verbarg sie. -Jetzt stand sie im Hemd und lauschte todängstlich -hinein in das Vogeltänd.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_114">[114]</a></span></p> - -<p>Nichts regte sich. Nur eine Drossel pfiff.</p> - -<p>Sie wartete, bis der Vogel sich versungen hatte. -Dann warf sie das Hemd ab und war nackt.</p> - -<p>Ihr schauderte.</p> - -<p>Mit gefalteten Händen, mit fallenden Zähren -begann sie die leidvolle Wallfahrt.</p> - -<p>Anfangs schien es ihr öfters, es halle der -dumpfe Tritt eines Wandrers ihr entgegen, und -sie floh mit verhaltenem Atem hinter eine Staude -und lauschte lange und traurig.</p> - -<p>Das Blut brannte ihr in den Wangen den -weiten Weg. Sie schämte sich vor den lustigen, -spiegelnden Quellwassern, die sie überschreiten -mußte, sie schämte sich vor dem flüsternden Laub, -das sie zu beschwätzen schien, und vor den rauhen -Felsen sogar, denn alles hatte heute Gesicht und -Augen. Jeder Stein am Steig, jede Wurzel am -Hang, alles, alles kehrte sich ihrer sündigen Nacktheit -zu.</p> - -<p>Der grüne Baumhackel lachte schrill, der Krummschnabel -glotzte vom Ast, spöttisch knickste das Rotschwänzel. -Das Hirngrillein, der Guckauf, der -Nußhackel, die Spottvögel alle, die Schlangen am -Weg, der verzagte Has, der Hirsch, der unter der -Berghollerstaude rastete und hinauf fraß, sie alle<span class="pagenum"><a id="Page_115">[115]</a></span> -schauten sie an, die da gläubig in ihrer schmerzlichen -Keuschheit dahin wallte.</p> - -<p>»Vögel, berget die Äuglein im Gefieder!« bat -sie. »Wend ab die Augen, Wendehals! Ihr Blumen, -verschließt euch und schaut mich nit so an! Zeig -mir mein Bild nit, du stiller Bach!«</p> - -<p>Immer älter und verworrener wurde der Wald, -schreckhaft verbogene Bäume schickten die Wurzeln -wie Nattern und Tatzelwürmer aus, Felsen trugen -tiefes, feuchtes Moos und trieften, Geier jagten -schreiend über den finster geschlossenen Wipfeln.</p> - -<p>Mitten in diesen Schrecknissen ragte das Wunderkirchlein -auf.</p> - -<p>Es lag so mutterseligallein, so verhuscht und verborgen -vor aller Welt, so recht geeignet, daß ein -armes Mutterherz oder eine betrübte Magd oder -ein reuiger Sünder oder, wer immer den Herzwurm -hat, sich in aller Geheime ausweinen konnte.</p> - -<p>Die Ogath trat in das wetterverschlissene Bethäuslein. -Das Herz ward ihr sonnenlicht, als sie -den Altar sah.</p> - -<p>Da saß die Maria, die heilige Kindelbetterin, -weiß wie ein Lilienblatt, schlicht und einfältig, und -neben ihr beugte sich der Zimmermann mit dem eisgrauen -Bart, ein uralter Tattel, über die Krippe,<span class="pagenum"><a id="Page_116">[116]</a></span> -darin ganz nackt und bloß das Himmelskind -schlief, und zwei Eheleute schauten furchtsam drein, -denn die Könige waren gekommen, den Heiland -im kalten Stroh zu grüßen, der Kasper, schwarz -wie ein Kohlenbrenner, der Melcher, der Weihrauchkönig, -reitend auf dem Kameltier, und der -Balthauser, der mit dem silbernen Stern tanzte. -Ganz hinten, durch zierliche Heiligenscheine aus -ihrer Demut erhöht, knieten das Öchsel und der -ägyptische Esel.</p> - -<p>Vor dem Altar stand eine große, leere Wiege.</p> - -<p>Die Ogath aber redete mit der hohen Gnadenfrau: -»Die Mußmüllnerin bin ich, und es ist eine -Sünd und eine Schand, wie ich da vor dir steh. -Aber deine Augen sind so still, und du schaust -mir ins Herz bis auf den Grund. Du siehst nix -Schlechtes drin. Und ich bitt dich, trag meinen -Wunsch hin, wo man ihn hört. Mit gesegnetem -Leib möcht ich gehen wie die anderen Weiber, -und so bitter gern tät ich am Anger vor der -Mühl Windeln bleichen, tät Hosen flicken für ein -schlimmes Büblein, oder wenn es ein Dirnlein -sein sollt, wollt ich es gern zöpfeln und es hegen -und pflegen, und alles Herzleid tät ich willig -tragen, was so ein Kind bringt.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_117">[117]</a></span></p> - -<p>Weiter fand sie keine Worte.</p> - -<p>Sie kniete zur Wiege hin, legte ihren schmerzlichen -Wunsch hinein und wiegte still und versunken in -den Anblick der heiligen Leute und gläubig, daß -das Wunder geschehe an der Frau, die es wagt, -nackt zu wallfahren.</p> - -<p>Sie wiegte, bis die Sonne tief im Bergwald versunken -war und die Kapelle sich mit grauen Schatten -füllte.</p> - -<p>Im Dämmer ging sie heim, erbangend, wenn das -Gras zischte oder der Wind flüsterte, verzagend vor -jedem Gebüsch. Denn selten gibt es eine Staude, -drin nicht ein Auge ist.</p> - -<p>Die Raben kehrten in den Fichten ein zur nächtlichen -Rast. Wie stockende Geister leuchteten die -weißen Grenzsteine. Droben tat sich der Sternhimmel -auf und funkelte durch die Wipfel nieder -und silberte Zweig und Laub.</p> - -<p>Lichter aber schimmerte der Leib der Wallfahrerin, -und die Blendnis ihres Fleisches lockte und schrie -durch die Nacht.</p> - -<p>»Ich bin wie eine Latern,« klagte sie.</p> - -<p>Der Wald ward sanfter, gangbarer der Weg. -Durch die Stille hörte sie schon die Mühle. Fern -über den Bäumen sah sie hin und wieder das Gebirg<span class="pagenum"><a id="Page_118">[118]</a></span> -in schwarzen Klumpen dunkeln. Sie wanderte -und wanderte im Glanz ihres Leibes hin.</p> - -<p>Als sie den Steinriß erreichte, wo sie das Gewand -versteckt hatte, huschte ein Mann aus den Felsen -herfür und griff nach ihr.</p> - -<p>Sie schloß die Augen und ließ willenlos alles -geschehen.</p> - -<p>Es mußte so sein.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Als der Gid erfuhr, wie die Ogath wallfahren -gegangen war, prügelte er sie unbarmherzig, daß -sie blau und blutig wurde, und das starke, stolze -Weib ließ sich schlagen und wehrte sich nicht.</p> - -<p>Tags darauf kam der Zusch, ein närrischer Mann, -zum Müller und lallte: »Der Dullhäubel schickt mich. -Du sollst ihm Haut und Haar von deinem Weib -schicken. Du hast gestern geschlagen.«</p> - -<p>Der Gid jagte ihn davon. –</p> - -<p>Im Frühjahr gebar die Ogath ein Dirnlein -mit dickem, rotem Haar.</p> - -<p>Der Müller zerbiß sich die Lippen, er hatte -einen Buben begehrt.</p> - -<p>»Woher hat sie das rote Haar?« murrte er.</p> - -<p>Er versperrte sich immer mehr in sich selbst. -Seine Augen flogen scheu, die kargen Worte, die<span class="pagenum"><a id="Page_119">[119]</a></span> -er redete, zauderten undeutlich an seinen Lippen. -Oft brütete er stundenlang über dem Brief, der -den Vorfahren Zins und Kundschaft verbürgt hatte, -und sann auf Wege und Schliche und Gewaltsamkeiten, -sich wieder ins alte Recht zu setzen.</p> - -<p>Einmal saß er am Fenster und quälte sich, eine -Bittschrift an den Kaiser aufzusetzen. Denn im -fürstlichen Schloß hatte man ihm gesagt, der Kaiser -selber habe die Zwangmühlen abgeschafft. Er wollte -mit der Schrift nach Wien reisen und dort, wenn -es nicht anders ginge, einen Fußfall tun.</p> - -<p>Da holperte draußen auf der Straße ein Wagen -daher, der Fuhrmann pfiff gell und knallte ohne -Aufhör mit der Geißel. Der Gid riß das Fenster -auf und schaute hinaus. Es war der Dullhäubel. -Seine Ochsen wollten den mit Kornsäcken beladenen -Wagen vorüberziehen.</p> - -<p>Aufsprang der Gid, packte die Urkunde und -rannte hinaus.</p> - -<p>Er trat dem Fuhrwerk in den Weg und hielt -die Ochsen an, die Augen flirrten ihm.</p> - -<p>»Kasper, wohin?«</p> - -<p>»In die Mußmühl nit, in die Grillenmühl,« -sagte der keck.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_120">[120]</a></span></p> - -<p>»Das ist gegen das Gesetz,« lechzte der Gid. -»Da siehst du die Schrift. Schwarz auf weiß -steht drin, daß du bei mir mahlen mußt. Dein -Hof steht drin aufgeschrieben mit Tinte und Feder. -Mir ist es nit ums Mahlgeld, mir ist es ums -Recht.«</p> - -<p>»Ich mahl bei dem groben Müllner nit, der -mit dem Hammer die Leut erschlagt.«</p> - -<p>»Gelt, Kasper, du fahrst an meiner Mühl vorbei, -weil du weißt, was mir ein Spieß ins Aug ist! -Heut laß ich dich nit vorüber. Recht muß Recht -bleiben. Übers Recht gibt es keinen Weg.«</p> - -<p>»Speib Gift, speib Gall!« sagte der Dullhäubel -kalt. »Deine Red hat keinen Kopf und keinen -Fuß. Steck ein den Wisch Papier und fuchtel nit -so vor den Ochsen herum! Du zerrüttest sie mir.«</p> - -<p>»O du grundschlechter Kasper, genau so wie -deine Vorfahrer peinigst du die Leut. Mit Bluthunden -haben sie den jungen Burschen nachgespürt, -das lebendige Menschenblut haben sie um einen -Judaslohn verraten!« spritzte der Gid dem Dullhäubel -ins Gesicht.</p> - -<p>Der antwortete gelassen: »Du steigst mir auf -den Buckel! Und es bleibt dabei, der Grillenmüllner -und kein andrer schrotet mir das Korn.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_121">[121]</a></span></p> - -<p>Blutrot sprang der Müller den Bauer an. -Diesmal aber war der Dullhäubel gerüstet. Er -riß eine Ochsensenne aus dem Wagen und schlug -schrecklich auf den Feind los.</p> - -<p>Der Gid keuchte in sein Haus. Im Flur stand -der alte Müller.</p> - -<p>Der Gid faßte eine Hacke. »Reichlich hat er -mich gehaut,« schnaubte er. »Vater, du stellst dich -hinter die Tür. Du packst ihn von hinten. Gleich -ist er da. Droben am Steinbühel graben wir -ihn ein.«</p> - -<p>Atemlos warteten die zwei.</p> - -<p>Der Dullhäubel aber führte sein Korn schon -weit und sang sein Leiblied.</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Ich schrei hü,<br /></span> -<span class="i0">ich schrei ho,<br /></span> -<span class="i0">ich schrei allweil<br /></span> -<span class="i0">hüstaho.«<br /></span> -</div></div> - -<hr class="tb" /> - -<p>Als dem Müller die Blutrünste und blauen -Flecken vergangen waren, steckte ihm der Bote -einen Brief zu, und damit wurde er vors Gericht -beschieden.</p> - -<p>Der Dullhäubel hatte geklagt, der Gid habe ihn -auf hellichter Straße überfallen, ihn und seine<span class="pagenum"><a id="Page_122">[122]</a></span> -Vorfahrer geschmäht und verschändet und ihn -schließlich mit einer Ochsensenne halb erschlagen.</p> - -<p>»O der falsche Fuchs!« schrie der Gid. »Erst -haut er mich grün und gelb, hernach zieht er mich -vors Gericht. Auf der Stell klag ich ihn auch.« –</p> - -<p>Der Dullhäubel rüstete sich indes emsig für den -Gerichtstag. Er wollte den lieben Mußmüller so -weit bringen, daß er kniefällig um Verzeihung -heulte.</p> - -<p>In der Scheuer übte er seine Rede ein. Vorerst -neigte er sich nach allen Seiten, denn er dachte -sich den Gerichtshof rund wie einen Kreis und -rings lauter Richter und Schergen und sich selber -in der Mitte.</p> - -<p>»Gnädigster, allerstrengster Herr Gerichtshof!« -hub er an. »Indem daß der Herr Ägid Wilfinger, -Müllnermeister in Fuxloh, mich, den Herrn Kasper -Dullhäubel, ehrengeachteten Bauern daselbst und -eheleiblichen Sohn und Nachfolger des Herrn -Isidor Dullhäubel, indem daß derselbe denselben -und seine Ochsen auf freier Straße angepackt hat und -mich hat zwingen wollen, daß ich in seiner Mühl -mahl, wo doch schon der Herr Kaiser Josef im -Jahr achtundvierzig alle Zwangmühlen verboten -hat, und weil ich selbem Müllner nit zu<span class="pagenum"><a id="Page_123">[123]</a></span> -Willen war, hat er mich und meine gottseligen -Vorfahrer mit boshaften Wörtern verunehrt und -hat insbesonders mir – mit Verlaub zu sagen – -geschafft, ich soll ihm auf den Buckel steigen. Nachdem -dies geschehen war, hat er mich mit einer -Ochsensenne so kläglich genotnötigt, daß ich vierzehn -Tag meine Arbeit hab versäumen müssen und Hand -und Fuß nit rühren können. So, jetzt hat der -Widersacher das Wort.«</p> - -<p>Damit ging der Dullhäubel in die Ecke der -Scheuer, wo spinnverwebt die Putzmühle stand, -und drehte sie fünf Vaterunser lang, daß sie -rumpelte und fauchte, und deutete also die Rede -an, womit der Gid sich verteidigte.</p> - -<p>Als der Bauer an der Putzmühle in einen gelinden, -warmen Schweiß geraten war, setzte er ab -und sprach wiederum in der eigenen Sache.</p> - -<p>»Allerhöchster und ehrbarer Herr Gerichtshof! -Indem daß der Ägid Wilfinger sich gar so lügenhaft -verteidigt und mit seinen Spitzfünden der -Wahrheit unverschämt ins Gesicht schlagt und behauptet, -es hätte sich alles umgekehrt zugetragen -und ich hätte ihm mit einer Ochsensenne leibgefährlich -und schandbar zugesetzt, daß er schleunig -in der Mühl habe seine Zuflucht holen müssen: so<span class="pagenum"><a id="Page_124">[124]</a></span> -verschwör ich mich mit dem härtesten Schwur, daß der -Müllner jetzt abscheulich gelogen und getrogen hat. -Gott soll mich strafen, wie ich da steh, wenn nur -ein einziges Wort nit wahr ist!«</p> - -<p>Jetzt ließ er wieder die Putzmühle lärmen, und -dies bedeutete wieder die Antwort des Gid.</p> - -<p>Hernach schloß er die Verhandlung und sagte: -»Indem daß der Müllner von seinem halssteifen -Leugnen nit ablaßt und in ohrenblaserischer Weis -mich, seinen Nachbarn und vormals treuen Freund -ins Zuchthaus bringen will, so trag ich alleruntertänigst -seine gerechte Bestrafung an. Ich bitt euch, -sperrt den Herrn Ägid Wilfinger drei oder vier -Jahr bei Wasser und Brot ein, daß mir mein -Recht geschieht und er hernach als ein verbesserter -Müllner wieder auf die Welt kommt.«</p> - -<p>Er verneigte sich nach allen Winden und ging -aus der Scheuer, seiner Sache sicher. –</p> - -<p>Am Gerichtstag putzte sich der Dullhäubel wie -ein Pfingstelreiter heraus: er schirrte sich in die -grasgrünen Hosenhalfter und steckte einen Häherspiegel -in den blauen Hut, die Silberknöpfe glänzten -am Brustfleck, und so trat er getrost aus dem Haus.</p> - -<p>Als die Sodonia über ihn ein Kreuz schlug, sagte er: -»Heut wird es ein Rausch, ob ich gewinn oder verlier.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_125">[125]</a></span></p> - -<p>Vor seinem Hof aber hockte die Ulla, sie ließ ihr -zahnlücketes Lächeln spielen und grüßte: »Guten -Morgen in aller Fruh, Bauer!«</p> - -<p>Das alte Weib deutete er als übles Vorzeichen. -Fluchend rannte er in die Stube zurück, tauchte -alle fünf Finger in den Weihbrunn und besprengte -sich kräftig, daß alles Gelüst des Teufel zu schanden -werde. Dann schlich er zur Hintertür davon und -ging in einem weiten Ring um das Bettelweib. –</p> - -<p>Der Gerichtshof schaute ganz anders aus, als -wie der Dullhäubel geträumt hatte. Es war eine -sonnige Stube, drin auf grünem Tisch zwischen -zwei Kerzen das Kreuz mit dem angenagelten -Herrgott stand.</p> - -<p>Der Richter hatte einen breiten Goldbart, eine -rötliche Nase und graue, scharfe Augen, die einen -durch Mark und Bein schauten.</p> - -<p>Der Schreiber, dem zwischen den Augenbrauen -eine mächtige Warze saß, zog eben den Pfropf aus -einem Tintenfläschlein. Neben ihm glänzte eine -schneeweiße Gansfeder.</p> - -<p>Als der Dullhäubel in die Stube trat, war der -Müller schon drin. »Holla, gefehlt ist es,« dachte -der Bauer, »jetzt ist mir der Kerl zuvor kommen!« -Doch hoffte er die Scharte auszuwetzen, und er<span class="pagenum"><a id="Page_126">[126]</a></span> -grüßte artig: »Gelobt sei Jesus Christus, Herr -Gerichtshof und Herr Schreiber!«</p> - -<p>Er wollte auch den Mann neben der schneeweißen -Gansfeder ehren, denn wie leicht konnte der ein -Wörtlein in seine Schrift rinnen lassen, das einem -das Genick brach.</p> - -<p>Der Goldbart murrte etwas und deutete ungeduldig -auf einen Sessel. Doch der Dullhäubel -hielt es an der Zeit, seinen Trumpf auszuspielen, -er holte das Tabakglas herfür und bot es mit -zwinkerndem Blick auf die rötliche Nase dem -Richter hin.</p> - -<p>»Was unterstehen Sie sich?« brüllte dieser.</p> - -<p>Der Dullhäubel legte die Hand demütig aufs -Herz. »Herr Gerichtshof, ich bin halt ein dummer -Bauer.«</p> - -<p>Er knickte auf den Sessel nieder, der blaue Hut -fiel ihm auf den Fußboden. »Holla,« dachte er, -»jetzt hab ich mich verrechnet. Aber meine Red muß -mich herausreißen.«</p> - -<p>Die Stimme des strengen Mannes kam auf einmal -ganz unglaublich mild und zart aus dem Goldbart -heraus, die starken Augen wurden ihm feucht, -er zupfte an seiner Nase.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_127">[127]</a></span></p> - -<p>»Leutlein, euch hat der Herrgott nachbarlich hingesetzt -in das schöne, friedliche Tal am Wolfsbach, -und ihr steht jetzt in dieser Stube euch gegenüber -wie zwei Waldratten, die sonst nichts mehr zu fressen -haben als eins das andere. Was verklagt ihr euch -wegen ein paar überflüssiger Hiebe und ein paar -lustiger Wörter? Besinnt euch, ihr strittigen Männer! -Es kann kein gut tun, wenn einer von euch wegen -des andern abgestraft wird. Es wächst Haß daraus, -und der Haß glost weiter in Kind und Kindeskind -und schlägt allweil wieder giftig aus der Asche. -Denkt an den Frieden eurer Enkel! Söhnt euch -aus! Gebt euch die Hände!«</p> - -<p>»Ich will mein Recht,« trotzte der Müller.</p> - -<p>»Ich auch,« rief der Dullhäubel.</p> - -<p>Das graue Auge des Richters verfinsterte sich, -mit langen Schritten ging er von Wand zu Wand.</p> - -<p>»Es ist gut,« sagte er. »Und jetzt erzählen Sie -mir den Vorfall, Wilfinger!«</p> - -<p>Der Gid stellte sich kerzengerad hin wie ein Soldat -und begann rauh: »Ich komm aus der Mühl. -Der Kasper steht auf der Straße. Ich zeig ihm -unsern Freibrief. Wir reden nit lang, da reißt er -die Ochsensenne aus dem Wagen. Wenn ich nit -renn, erschlagt er mich.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_128">[128]</a></span></p> - -<p>»Umgekehrt ist es gewesen!« kreischte der Dullhäubel.</p> - -<p>»Ruhig!« knurrte der Richter. »Ägid Wilfinger, -beschwören Sie Ihre Aussage!«</p> - -<p>Die Kerzen flackerten unheimlich, und der Gid -reckte den Arm steif auf bis schier zur Decke und -stammelte nach, was der Richter vorsprach.</p> - -<p>»Falsch hat er geschworen, der staubige Teufel!« -schalt der Dullhäubel. »Dir wasch ich noch einmal -die Kutteln.«</p> - -<p>»Du elendiger Bauerntrumpf!« grollte der Gid. -»Erwisch ich dich noch einmal, ich hämmer dich hin, -daß du nimmer aufstehst!«</p> - -<p>Der Richter rieb sich die Fäuste. »Das ist ein -spitzer Handel, Männer,« reizte er die zwei. »Redet -euch nur die Leber frei!« Der Bart zitterte ihm -unter dem lachenden Mund. Lachend riß er das -Fenster auf.</p> - -<p>Das Geschrei der zwei Fuxloher versammelte drunten -am Markt die Stadtleute. Sie horchten und -lachten.</p> - -<p>Der Dullhäubel war rot wie ein Truthahn. -»Müllnerdieb, Müllnerdieb!« zeterte er. Ihm fiel -nichts anderes ein.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_129">[129]</a></span></p> - -<p>Der Gid hatte keine Farbe im Gesicht. »Du -abgefeimter Fuchs,« sprühte er, »du drehst dem -Teufel einen Knopf in den Schweif.«</p> - -<p>Sie wüteten gen einander wie zwei leer laufende -Mühlsteine, mit bösen Reden stachen sie auf sich -ein, vergangene Zeiten öffneten sie und rissen die -verweste Schande der Voreltern heraus.</p> - -<p>»Du Lump!« brauste der Gid. »Und allsamt -seid ihr Lumpen gewesen auf euerm Hof. Der -Vater sauft sich zu Tod, der Ähnel sucht die letzte -Rast am Strick, dem Guckähnel wird der Hirnschädel -eingehaut, und wer weiß, wie viel von -deiner Brut am Galgen gezappelt haben!«</p> - -<p>Der Dullhäubel blieb nichts schuldig. »Du -ehrlicher Müllner, dein Vater ein ehrlicher Mann, -dein Ähnel, dein Urähnel, dein Guckähnel, lauter -redliche Müllner! Kein Körnlein ist euch stecken -blieben im Fingernagel, kein Stäublein Mehl ist -haften blieben an euern Schürzen, keinen Sand -habt ihr gemischt –.«</p> - -<p>»Was? Du willst an meinem ehrlichen Gewerb -schnipfeln?« Der Gid langte hinüber, wie der Bär -nach Reiner dem Fuchs greift.</p> - -<p>Schnell barg der Schreiber das Tintenfaß und -sah sich nach der Tür um.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_130">[130]</a></span></p> - -<p>Dem Richter schien es genug. Er brüllte, daß -die Scheiben klirrten: »Ruhe! Sonst laß ich euch -dingfest machen und ins Zuchthaus schmeißen!«</p> - -<p>Der Dullhäubel aber bäumte sich auf: »Hat -der Gid geschworen, muß man mich auch schwören -lassen!« Er schwang die rechte Hand in die Höhe -und spreizte die Finger, die linke ließ er mit zur -Erde gereckten Schwurfingern hängen; er glaubte, -so müsse der Schwur ohne Schaden durch den -Leib gehen, auch wenn er nicht ganz echt sei.</p> - -<p>Der Goldbärtige schaute ihn mit einem Blick -an, der ihm den Arm lähmte, und sagte halblaut: -»Ihr zwei versteckten Lümmeln, augenblicklich versöhnt -ihr euch, sonst laß ich euch krumm schließen, -daß euch die Knochen brechen! Glaubt ihr, ich hab -die Zeit gestohlen, daß ich mit einem groben Müller -und einem spitzfindigen Schelm, der da kalt schwören -will, herumschlage? Im Hui vergleicht euch! Und -dann hinaus mit euch!«</p> - -<p>Die Widersacher schauten verdutzt drein, der -Richter aber winkte entschlossen hinab auf den -Marktplatz, dort stand ein riesiger Mann mit -einem Säbel.</p> - -<p>Den zweien wurde ängstig.</p> - -<p>Der Säbel klapperte draußen die Stiege herauf.<span class="pagenum"><a id="Page_131">[131]</a></span> -Der Dullhäubel langte sich nach dem Hals, als -würge ihn etwas. Dem Müller war, eine Sense -fahre ihm durch die Kniee.</p> - -<p>»Gid, verzeih!« ächzte der eine.</p> - -<p>»Kasper, vergiß!« murmelte der andere.</p> - -<p>Der Mann mit dem Säbel trat herein. Sein -Gesicht war ernst, als müsse er in die Feldschlacht -gehen. Er wischte sich links und rechts über den -Schnurrbart.</p> - -<p>Der Richter sprach zu ihm: »Sie, Herr Notnagel, -rennen Sie gleich zum Postmeister hinüber! -Er soll nicht aufs Kegelscheiben vergessen. Im -Wirtshaus zum Blumenstöckel.« –</p> - -<p>Die zwei Fuxloher atmeten auf, als sie draußen -auf dem Gang standen.</p> - -<p>Der Gang war weitläufig und finster, und -drum verirrten sie sich und gerieten an eine eisenbeschlagene -Tür, die halboffen stand.</p> - -<p>Der Dullhäubel spähte hinein.</p> - -<p>In der Kammer drin war nichts zu sehen als -ein vergittertes Fenster und eine hölzerne Liegerstatt. -An die Wände hatten die Leute, die hier einschichtig -über den Lauf der Welt nachgedacht hatten, allerlei -Ergötzliches gezeichnet. Neben dem Bild eines mit -Raben und baumelnden Schuften wohlversehenen<span class="pagenum"><a id="Page_132">[132]</a></span> -Galgens waren Gesicht und Brüste eines üppigen -Zigeunerkindes zu schauen, Schergen mit Säbeln -und Hahnenbüschen auf dem Hut starrten von der -Mauer nieder, unbekümmerte Sprüche luden zur -Besinnung ein; auch mancher Reim war verzeichnet, -der ein artiges Gemüt verletzt hätte, und mit -blauem Stift stand steif und groß hingemalt: -»Ade, du trauter Ort! Ich bin da gesessen ein -paar schöne Wochen.«</p> - -<p>Dem Dullhäubel wurde ganz heimlich in der -Kammer. Die Sonne zeichnete das Gitter gar -lustig auf die Liegerstatt hin und zierte die Spinnweben -im Winkel mit regenbogenen Farben. Eine -Maus kroch aus ihrem Loch und stellte ein -Männlein.</p> - -<p>Ungern verließ der Dullhäubel die Stätte. Er -deutete mit dem Daumen zurück und sagte zu dem -Müller: »Wenn mir das alte Bettelweib nit begegnet -wär, du säßest jetzt da drin. Schad drum!«</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Die Ulla wohnte am Vogeltänd neben einem -Felsen. Ihre zerrissene Hütte war mit Stangen -und Stecken kläglich gestützt, Türsäulen und Fensterstöcke -waren morsch, die Scheiben zerbrochen und -mit Papier verklebt. Die Schindeln faulten am<span class="pagenum"><a id="Page_133">[133]</a></span> -Dach und waren zum Teil durch Baumrinden ersetzt. -Doch darauf glänzten Steine mit schönen glasigen -Gebilden, so daß es auf all der Armseligkeit -wunderlich blitzte.</p> - -<p>Im Fenster wuchs in einer Scherbe kümmerlich -die Blume Zagelhintaus. Ein Kienbaum verschattete -die Hütte, ihm wucherte im Gezweig ein Hexenbesen, -kraus verwachsen wie das Nest eines verrufenen -Vogels.</p> - -<p>Es war morgens. Der Guckauf lockte hell.</p> - -<p>Die Waldkräutlerin brockte vor ihrer Tür einen -struppigen Schlafapfel aus dem Dorn, sie wollte -ihn abends ins Bett legen, weil sie nimmer gut -schlief.</p> - -<p>Zu dem winzigen Fenster meckerte die Geiß -heraus. Die Ulla humpelte hin und spaßte: »Gib -mir ein Bussel, Geiß!«</p> - -<p>Als wär er aus dem Felsen gesprungen, stand -der Dullhäubel da.</p> - -<p>»Du hast die Geiß gern, Ulla. Du brauchst -sie wohl Zum Reiten? Reitest du auf den Lusen -tanzen? Das ist ein hoher Berg.«</p> - -<p>Die Alte nickte gutmütig mit dem kleinen Vogelkopf. -»Du bist heut gut aufgelegt, Bauer. Dir -hab ich einmal eine Warze besprochen. Weißt du<span class="pagenum"><a id="Page_134">[134]</a></span> -es noch? Jetzt bist du ein schöner Mann worden. -Geh, schenk mir was! Schau, wie armselig meine -Heimat dasteht!«</p> - -<p>Sie deutete auf die Tür, die müd in den -Angeln hing.</p> - -<p>»Die Tür ist schlecht,« sagte der Bauer, »aber -du brauchst sie nit besser, du reitest ja zum Rauchfang -ein und aus.«</p> - -<p>Die Geiß stand jetzt in der Tür, die Vorderbeine -gespreizt, und horchte neugierig zu.</p> - -<p>»O mein liebes Vieh, der Bauer macht uns -zwei schlecht. Du bist ein Schwänkmacher, Dullhäubel. -Freilich geht es mir schlecht. Wenn nur -genug Brot wär, drei Zähne hab ich schon noch,« -kicherte sie kläglich. »Ach ja, die Not ist mein -Kuchelmensch und Schmalhans der Meister.«</p> - -<p>»Aber Milch hast du genug?« fragte der Bauer -scharf.</p> - -<p>»Nit viel, gar nit viel. Was halt die Geiß -hergibt.«</p> - -<p>»Alte, du weißt, daß in meinem Hof der Erdspiegel -ist. Drin seh ich alles auf der Welt. Wie -ich gestern abends hinein schau, seh ich dich den -Wegzeiger gegen Grillenöd melken. Zur gleichen -Zeit hebt meine beste Kuh, die schwarzrückete<span class="pagenum"><a id="Page_135">[135]</a></span> -Stallmeisterin, gottskläglich an zu plärren. Ich -schau nach, da steht sie im Stall, zittert am ganzen -Leib und schwitzt, als wenn sie einer geritten hätt. -Ich hab sie gleich melken wollen, da hat sie nit -ein bißlein Milch gegeben, nur ein Tropfen Blut -ist ihr aus dem Euter geronnen. He, was hast -du meine Kuh verzaubert, Hex?« rannte er.</p> - -<p>Sie rang die dürren Hände. »Das ist nit -wahr, der Erdspiegel lügt. Ich bin ein frommes -Weib und keine Schlangenköchin.«</p> - -<p>Er fuhr fort: »Im ersten Zorn bin ich in das -Vogeltänd gelaufen, hab dir die Milch vom Ofen -wegreißen wollen. Da seh ich durch die Luft einen -Strohwisch schießen, in deinen Rauchfang schießt -er hinein, er sprüht vor lauter Feuer. Ist das -nit dein Liebhaber gewesen, Hex?«</p> - -<p>Sie starrte ihn mit den blöden Augen an. »Du -irrst dich, Dullhäubel, du irrst dich dreimal. Es -wird nur ein Sternlein in den Rauchfang gefallen -sein. O weh, wie redest du so schrecklich von mir -armem Weib! Ich tu ja niemand nix, ich tu nur -beten, allweil hab ich die Nase im Betbuch, wenn -ich auch nit lesen kann.«</p> - -<p>»Jetzt weiß ich, Ulla, wer mir im Stadel die -Mäus wachsen laßt und im Haus das Unziefer.<span class="pagenum"><a id="Page_136">[136]</a></span> -Jetzt weiß ich, wer den Nebel her winkt und das -schwarze Wetter. Du bist es, Hex!«</p> - -<p>»Ich hab ja gar keine Kraft,« jammerte sie, -»wie könnt ich das tun? Es ist ja alles nit wahr, -nit wahr.«</p> - -<p>Unbarmherzig redete er: »Aus deiner Geiß springt -die Milch wie der Brunnen aus der Erd, die Milch -rinnt dir ums Haus nach, Ulla. Zum Lusen bist du -auf einem Besen geflogen, der hinter dir gebrannt -hat. Du zauberst und zinzelst und zanzelst und machst -Weiber und Küh galt.«</p> - -<p>»O du Unfang, du bodenloser, was bringst du -mich in Kummer? Deine üble Nachred wird mir -schaden, niemand wird mir eine Gabe schenken wollen. -Aber jetzt geh ich hin und laß dich am Gericht -verklagen.«</p> - -<p>»Der Richter ist mein bester Freund, der tut mir -nix,« lachte der Schelm. »Und wenn die armen -Leut klagen, so gilt es nit. Und wer steht gegen -mich auf? Ich bin der Dullhäubel aus Fuxloh!«</p> - -<p>»Das ist eine bitterliche Wahrheit,« lispelte sie, -»an der Armut wischt ein jeder seinen Schuh. Aber, -lieber Kasper, ich bin keine Hex.«</p> - -<p>»Du bist es. Dein ganzer Leib legt Zeugenschaft -dafür ab: deine Finger sind wie Krallen, dein Kinnbein<span class="pagenum"><a id="Page_137">[137]</a></span> -ist dürr und krumm, dein Gesicht ist runzlig, -als ob die Hennen drin gekratzt hätten. Die Augen -rinnen dir aus.«</p> - -<p>»Ich bin ja alt! Alt bin ich!« wimmerte sie. -»Blut könnt ich weinen. Du wirst mich verschreien -in ganz Fuxloh.«</p> - -<p>»Wenn du ein gerades Weib wärst, die Augen -frisch, die Wangen weiß und rot und glatt,« der -Dullhäubel schnalzte, »und wenn du sonst am Leib -schön fest und dick wärst, da könnt der Erdspiegel -zehnmal sagen, daß du hexest. Niemand tät ihm -glauben.«</p> - -<p>»Das laßt sich nimmer ändern,« sprach sie traurig. -»Und wenn ich noch so gut essen könnt, mein Leib -ist alt und laßt sich nimmer frisch aufbauen.«</p> - -<p>Da flüsterte er: »Und doch weiß ich einen Rat. -Geh in die Altweibermühl!«</p> - -<p>Wie Abendsonnenlicht glitt es über die enge Stirn -der Ulla. »Ja, die Altweibermühl! Ich hab schon -davon reden hören. Aber sie ist weit, meine Füß -ergehen den Weg nimmer.«</p> - -<p>»Geh in die Mußmühl! Der Gid mahlt dich -blitzsauber und blutjung. Zweifelst du? Ich lüg dich -nit an. Du könntest mich sonst mit einem Buschen -Haberstroh erschießen in der Thomasnacht.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_138">[138]</a></span></p> - -<p>Lachend trollte er sich.</p> - -<p>Die Alte stand wie verzaubert. Noch einmal jung -werden, Kraft haben in Händen und Füßen, klar -und stark sein im Hirn, von den Leuten geehrt werden, -tanzen und springen können, und es noch einmal -und besser und schlauer versuchen mit dem Leben!</p> - -<p>Sie ging im Ring um diesen lichten Wunsch, -sie bestaunte ihn von allen Seiten und lugte scheu -hin, wie ein Bettelkind durch die Zaunstecken in -einen fremden, feinen Garten lugt voll edler Lilien -und lieber Rosenstauden und Bäume mit gelbem -Obst.</p> - -<p>Sie glaubte es gern, daß es ein Mühlrad gebe, -das die Alten wieder jung mahle. Wie hätten -denn sonst die Leute davon reden können!</p> - -<p>Sie packte vor Freude die Geiß bei den Füßen, -hob sie auf und schwenkte und schleifte mit dem -glotzenden Tier einen gelinden Tanz. –</p> - -<p>Als sie am dritten Tag das Herz nimmer bezwang, -nahm sie ihren Stecken und ging in die -Mußmühle.</p> - -<p>Den Weg hin pflasterte sie mit vielen Träumen, -die holder glitzerten als der Tau an den Gräsern. -Und die Vögel pfiffen die kreuz und die quer, -der Baumhackel jauchzte wie ein Hochzeiter, der<span class="pagenum"><a id="Page_139">[139]</a></span> -Himmel droben war glasblau, und die Erde war -zart und freundlich wie ein Kränzelgarten.</p> - -<p>Die Ulla wanderte die Erlen und Weiden entlang -bis zum grünen Weiher, darein der Bach -sich sammelnd und verrastend mündete.</p> - -<p>Der Gid schleppte eben dem Glöckelbauer die -Säcke in die Mühle.</p> - -<p>»Bin ich da recht in der Altweibermühl?« -fragte sie, und das Herz schlug ihr hellauf.</p> - -<p>Der Gid ließ den Sack von der Achsel gleiten -und schaute sie wild an.</p> - -<p>»Die bringt der Mußmühl einen neuen Namen -auf,« lachte der Glöckelbauer.</p> - -<p>»Jung sollst du mich mahlen,« redete sie ein -wenig scheuer. »Der Dullhäubel schickt mich her.«</p> - -<p>»Zu Trutz und Neid tut er mir alles!« rief -der Gid in weinerlicher Wut. Und er rollte sie -an: »Komm mit!«</p> - -<p>Sie beschwichtigte ihn. »Sei nit bös! Ich bin -halt ein armes Fürwitzel.«</p> - -<p>»Zum Altweibermahlen täten die Fuxloher freilich -meine Mühl kennen, da fahret keiner vorbei.« -Er stapfte grimmig voraus.</p> - -<p>Im Vorderhaus standen einige Holzschuhe. Da -schmeichelte die Ulla, den Zornigen zu begüten:<span class="pagenum"><a id="Page_140">[140]</a></span> -»Ihr habt aber viel Holzschuh, da kommen gewiß -auf jeden zwei.«</p> - -<p>Er führte sie durch das zitternde Haus, und -auf einmal weilte sie verwirrt an einem Ort voll -staubiger Stiegen und Leitern, der Wellbaum -drehte sich, die Gänge klapperten, volle Säcke -lehnten aneinander, weiße Mehlhaufen waren aufgeschüttet.</p> - -<p>Unheimlich rührte sich das Haus, belebt vom -stürzenden Wasser, das das Wesen eines Geistes -hatte. Unsichtbar irgendwo schwang sich das Mühlrad, -vom Geschäufel zischte und fiel es. Die -Aufschüttkasten schüttelten und rüttelten sich ruhelos, -gespenstisch regte sich das Beutelwerk. Immer -tosender schlapperte und klapperte alles, und der -Ulla Herz schlotterte immer banger.</p> - -<p>Eine Mehltruhe stand halb offen, und das Weiblein -fürchtete, ein grauer Kobold könne herauskriechen -und ihr ein Leides tun.</p> - -<p>Und auf einmal schoß ihr eine gewaltige Angst -vor dem Jungwerden ins Knie.</p> - -<p>Soll sie die bittere Welt noch einmal durchreisen, -jetzt, wo sie der Ewigkeit und ihrem Frieden -schon so nahe ist? Sie sollte sich doch ihr Alter -nicht so hart bekümmern lassen!</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_141">[141]</a></span></p> - -<p>Und die Geiß daheim, die wird die Ulla nimmer -erkennen, wenn sie jung und fremd dahertanzt. Die -gute Geiß wird den Bart traurig hangen lassen.</p> - -<p>Sie schrak auf. In dem Gebraus hatte sie den -Müller vergessen.</p> - -<p>Der packte sie grob und schwang sie über den -Mühltrichter. »Soll ich dich fallen lassen?«</p> - -<p>Sie schrie auf. Sie fühlte sich verschlungen, -zermalmt unter den harten Steinen. Wild krampfte -sie sich in des Müllers Rock. »Heilige Muttergottes, -hilf! Breit deinen Reifrock aus! Ich will nimmer -jung werden.«</p> - -<p>Die Sinne vergingen ihr. –</p> - -<p>Als sie wieder zu sich kam, lag sie am Weiher. -Die Mühle brauste gedämpft, Mücken schwirrten.</p> - -<p>Sie besann sich lange. Hernach wisperte sie: -»Gott, wie geht es zu in deiner Welt!«</p> - -<p>Voller Angst und Neugier kroch sie zum Teich -hin, schlupfte durch die Felberstauden und schaute -in den stillen, grünen Spiegel: da nickte ein altes, -verschrumpftes Schwesterlein herauf.</p> - -<p>Die Ulla hüpfte vor Freuden auf und bat die -im Wasser um Verzeihung, daß sie sie schier um -ihre grauen Haare und vertrauten Runzeln und -ehrwürdigen Hände gebracht hätte. Ein Muttergotteswunder,<span class="pagenum"><a id="Page_142">[142]</a></span> -so glaubte sie, habe den Frevel -verhütet.</p> - -<p>Als sie heim ging, lag der Dullhäubel vor -seinem Hof am Wasen und reckte die Arme faul -von sich.</p> - -<p>»Der Müllner hat grob gemahlen,« spottete er. -»Jetzt mußt du halt Wolkenschieben gehen auf den -Hötschenberg in Tirol.«</p> - -<hr class="tb" /> - -<div class="chapter"> -<p>Im »pfalzenden Hahn« ging es hoch und hell -her. Der Kirchweihtanz dauerte schon die zweite -Nacht.</p> -</div> - -<p>Enganeinander hockten die Musikanten auf ihrer -Bühne. Der starke Lukas Schellnober blies den -Baß, der Aumichel griff die Klarinette, der Spielmannfranz -und seine Buben geigten. Und wenn -die Musikanten rasteten, zirpte der Kanari, der aus -dem Vogelhaus dem Treiben zuschaute.</p> - -<p>Die Bauernsohlen stampften die altbairischen -Tänze. Der Glöckelbauer schwang die Iglin, der -Igelbauer die Glöckelbäurin; der Holzhacker -Longinus Spucht drehte wie besessen des Meßners -Weib, derweil der Grazian gottergeben und -mit niedergeschlagenen Augen die Spuchtin weit<span class="pagenum"><a id="Page_143">[143]</a></span> -von sich hielt. Der Burgermeister tanzte mit -der Burgermeisterin, der Müller mit der Müllerin. -Der Dorfnarr sprang in Holzschuhen durch die -Stube; zuweilen schlug er eine Blechstürze schallend -an die Wand und schrie: »Ich bin ein Steirer!«</p> - -<p>Der Dullhäubel drängte eine junge Dirne in -die Ecke.</p> - -<p>»Deine Zähne glanzen, Stasel,« schmeichelte er.</p> - -<p>»Mit Zinnkraut hab ich sie geputzt, Kasper.«</p> - -<p>»Du bist süß wie ein Zuckerstock, Stasel. Komm -mit mir vors Haus und laß mich schlecken!«</p> - -<p>»Nein, nein, Bauer, draußen ist es mir zu -finster, ich könnt mich wo anstoßen. Und du bist -mir zu wenig treu.«</p> - -<p>»Ich hab ein kugelrundes Herz, es rollt von -einer zur andern, Stasel. Heut zu dir.«</p> - -<p>»Ich dank schön,« sagte sie schnippisch, »ich bin -kein Apfelbaum an der Straße, wo ein jeder -Bub hinaufsteigt.«</p> - -<p>Die Fuxloher hatten ihre Bäurinnen ausgeführt, -und auch aus Blaustauden und Grillenöd waren -Gäste da, und sie sprangen und trampelten, schleiften -und jauchzten und sangen grell durcheinander.</p> - -<p>»Musikanten, spielt die ›Sommerblume‹!« schaffte -der Müller an.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_144">[144]</a></span></p> - -<p>»Nein, das ›Wintergrün‹ will ich tanzen,« begehrte -der Dullhäubel.</p> - -<p>Die Ausgedingler mischten in der Kuchel die -Karten und spielten ein Spiel, das kroch so faul -und endlos um den Tisch, daß die Sage recht -haben mochte, einmal seien dabei vier Männer -erfroren.</p> - -<p>Neben der Bodenstiege im Vorhaus schenkte der -Wirt aus, vor ihm auf einem langen Tisch standen -die Krüge der Tänzer.</p> - -<p>Alles drehte sich eben, niemand war im Vorhaus. -Mit eiligen Augen nahm der Wirt den Vorteil -wahr: er packte einen Maßkrug nach dem andern -und goß das Bier durch den Trichter ins Faß -zurück. Hernach lehnte er sich träumerisch mit überschlagenen -Beinen und verschränkten Armen an -die Stiege und wartete.</p> - -<p>Die Tänzer kamen mit den erhitzten Tänzerinnen -und wollten trinken.</p> - -<p>Der Müller schrie:» Verflucht, da hat mir schon -wieder einer das Bier ausgesoffen!«</p> - -<p>Der Lippenlix aus Blaustauden murrte bös: -»Gerad ist mein Krug voll gewesen, und jetzt ist -er leer. Wirt, das geht nit mit rechten Dingen zu.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_145">[145]</a></span></p> - -<p>Der Dullhäubel ließ sich frisch einschenken. Er -kostete und spie aus: »Wirt, dein Bier ist abscheulich -warm. Pfui Teufel!«</p> - -<p>»Geduldet euch,« tröstete der Wirt, »gleich wird -frisch angezapft. Jetzt kommt das Faß, wo die -schwarze Katz drauf sitzt.«</p> - -<p>Der Longinus Spucht stimmte das Rinaldinilied -an. Er hatte einen rauhen, grimmigen Hals. -Sein stockfinsterer Bart deckte die Brust weit -hinunter, so daß er keinen Brustfleck brauchte. Wegen -des finsteren Bartes war schon mancher Wandersmann -umgekehrt, der den Spucht von weitem im -Wald sah.</p> - -<p>Der Brunnkressenhannes setzte sich zum Dullhäubel -hin. »Mein lieber Freund,« sagte er, »in -der guten alten Zeit ist es anders gewesen. Ich -wünsch mir nix mehr, als daß wieder ein so -kräftiges Bier gebraut wird wie vormals. Wenn -man das Glas ausgetrunken hat, ist der Boden -noch schneeweiß gewesen vor lauter Faum. So -kräftig ist es gewesen. Heut bringt kein Bräuer -mehr einen rechten Faum zusammen.«</p> - -<p>Der Dullhäubel tat, als höre er nicht und -kehrte sich ab. Da stupfte ihn der Hannes mit -dem Ellbogen an. »Bauer, tu her ein Schnüpflein.<span class="pagenum"><a id="Page_146">[146]</a></span> -Der Tabak ist ein magnetisches Pulver, das zieht -die Nase an.«</p> - -<p>»Setz dich nit an meinen Tisch,« antwortete der -Bauer grob. »Du bist nur ein Häuselmann mit -einer Kuh.«</p> - -<p>»Lausig bin ich nit, daß du wegruckst von mir.« -Der Hannes stand auf und trug beleidigt seinen -Krug davon. »Freilich muß einer stolz sein, wenn -er einen so großen Hof hat wie der Dullhäubel. -Der Ofen allein ist dort so groß, daß der Bauer -drei Paar Ochsen einspannen muß, wenn er die -Bratschüssel aus der Röhre ziehen will.«</p> - -<p>»Ihr werdet wieder solang wörteln, bis ihr -rauft,« mahnte der Wirt scharf.</p> - -<p>Der Longinus Spucht hub ein anderes Räuberlied -an.</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»'s gibt kein schönres Leben auf Erden<br /></span> -<span class="i0">in der weit und breiten Welt,<br /></span> -<span class="i0">als ein Straßenrauber werden,<br /></span> -<span class="i0">morden um das liebe Geld.«<br /></span> -</div></div> - -<p>Die Musikanten setzten an, und Jauchzen und -Gepolter verdeckten seine grobe Stimme. Alles -drängte zum Tanz.</p> - -<p>Als sich der Wirt wieder allein spürte, hob er -gemächlich den Holzschlägel, womit er sonst die<span class="pagenum"><a id="Page_147">[147]</a></span> -Piepe in die Fässer trieb, und schlug ihn dreimal -dröhnend an die Bodenstiege. Dann gellte er in die -Stube: »Leut, frisch angezapft hab ich!« und schenkte -wieder aus dem alten Faß.</p> - -<p>Der Grazian huschte heran und trank. »Jetzt -ist das Bier viel besser.«</p> - -<p>Der Spucht wischte sich erquickt den feuchten -Bart. »Das Bier hat Kraft,« lobte er, »es raucht -einem zur Nase heraus.«</p> - -<p>»Wirt, bring eine Zange her!« begehrte der -Igelbauer. »Am Türstock steht ein Nagel heraus, -die Burgermeisterin hat sich dran den Kittel zerrissen.«</p> - -<p>Doch der Lukas Schellnober hüpfte von seinem -hohen Sitz herab und riß den Nagel mit den -blanken Zähnen so gründlich heraus, daß schier der -Türstock mitging.</p> - -<p>Alle staunten über die Gewalt, und der Lukas -Schellnober stand da, stark wie ein Hebebaum.</p> - -<p>Nur der Dullhäubel winkte geringschätzig. »Mein -Ähnel hat eine Pflugschar auseinander gebrochen -und einen eisernen Haken mit dem kleinen Finger -in die Mauer getrieben.«</p> - -<p>Da packte der starke Bläser den Prahler samt -seinem Stuhl und hob ihn auf den Tisch, daß er<span class="pagenum"><a id="Page_148">[148]</a></span> -zappelnd droben saß, und alle lachten und gönnten -es ihm.</p> - -<p>Wütend kroch er herunter. Doch wußte er sich -gleich wieder ein Ansehen zu schaffen, er zündete -sich die Pfeife mit einem Guldenzettel an, schob -sich den Hut ins Genick und schloß hochmütig die -Augen. »Soll mir das einer nachtun in Fuxloh!«</p> - -<p>Die Leute hatten nicht lange Zeit, über den verbrannten -Gulden zu staunen, denn der Spucht und -der Grazian waren wegen ihrer Weiber in Streit -geraten, und alles scharte sich um die zwei.</p> - -<p>Der Spucht war eifersüchtig worden und behauptete, -der Meßner stoße beim Tanz häufig -mit dem Knie an das Knie der Spuchtin. »Ich -hau dich, Grazian, daß dir das Maul auf die -Seite hängt,« drohte er und spickte die Drohung -mit seinen finsteren Blicken.</p> - -<p>»Hau her!« trotzte der Grazian.</p> - -<p>»Hau erst du her!« begehrte der Spucht und -wich einen Schritt zurück. Sein Bart sträubte sich.</p> - -<p>Dem Meßner schwoll das Herz. »Hast du eine -Schneid, so wag dich an mich!« Er hob einen -Stuhl auf und brüllte. Der Spucht duckte sich.</p> - -<p>Vom Faß her rief der Wirt: »Grazian, wenn -du raufen willst, räum ich dich hinaus.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_149">[149]</a></span></p> - -<p>Der Narr tanzte täppisch zwischen die Streiter -und sang die Worte: »Hofacker, Krautacker!« Ein -anderes Lied konnte er nicht.</p> - -<p>»Recht hast du, Zusch, stift Frieden!« lobte ihn -der Burgermeister.</p> - -<p>»Komm her, Narr, trink!« Der Dullhäubel -hob das abgestandene Traufbier unter dem Faß -weg und schwenkte es. Der Zusch trank mit -stieren Augen.</p> - -<p>Dann spreizte der Dullhäubel die Beine auseinander. -»Jetzt bedank dich, Narr, und schlief -durch.«</p> - -<p>Da ließ sich der Zusch auf alle vier nieder und -kroch durch.</p> - -<p>Seine Mutter kam in die Stube. »Wo mag -denn mein armer Narr sein?« fragte sie betrübt. -»Ich such ihn schon die halbe Nacht.«</p> - -<p>Als sie ihn dem Bauer durch die Beine kriechen -sah, weinte sie in die Schürze und zog den Narren -mit sich fort.</p> - -<p>»Den Kasper soll man hauen, bis er nach Feuer -stinkt,« schalt der Müller.</p> - -<p>Der Dullhäubel aber mischte sich keck in den -Tanz. Dabei sprang er wie ein Heuschreck, schaffte<span class="pagenum"><a id="Page_150">[150]</a></span> -sich unbekümmert Platz und stieß die andern aus -dem Weg.</p> - -<p>Den Lippenlix aus Blaustauden faßte er beim -Knopf. »Du Schönbart bist mir auf die Zehen -getreten, das Weh schießt mir bis zum Ellbogen -herauf.«</p> - -<p>Mit einem Schlag stand eine Rotte Blaustaudner -Burschen hinter dem Lippenlix bereit. Der zwirbelte -sich den langmächtigen Schnurrbart und lauerte, er -war ein stößiger Mensch, mit dem keiner gern -anband.</p> - -<p>Der Dullhäubel schmeckte die Gefahr. »Nix -für ungut!« schmeichelte er. »Was stellt ihr euch -gegen mich? Reibt euch an dem Müllner! Der -sagt allweil, in Blaustauden sind lauter rotaugige -Menscher.«</p> - -<p>»Traut dem Kasper nit, er hat zwei Zungen -in der Gosche,« warnte der Öchseltreiber Mathes -aus Grillenöd.</p> - -<p>»Die Grillnöder rühren sich,« spottete der -Dullhäubel. »Ist das wahr, Mathes, daß bei euch -alle stehlen, nur der heilige Sebastian in der -Kapelle nit? Der ist angebunden.«</p> - -<p>Der Bauer hatte die Lacher auf seiner Seite. -Und der Lippenlix zwirbelte den schönen Bart<span class="pagenum"><a id="Page_151">[151]</a></span> -und bekräftigte: »Die Grillnöder sind bekannt. -Wenn sie Kirchweih haben, müssen sie in den -andern Dörfern den Stall zusperren.«</p> - -<p>»Der Kasper setzt den Hut auf, wie der Wind -hergeht, einmal so, einmal anders,« greinte der -Öchseltreiber, fand aber kein Gehör.</p> - -<p>»Sing uns das Fuxloher Lied, Kasper!« verlangten -die aus Blaustauden.</p> - -<p>Da krähte der Dullhäubel den Spott über -sein Dorf.</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Von hint bin ich fürher,<br /></span> -<span class="i0">vom schwarzen Laib Brot,<br /></span> -<span class="i0">kein weißes Brot eß ich nit,<br /></span> -<span class="i0">da brennt mich der Sod.«<br /></span> -</div></div> - -<p>Dem Burgermeister schlug die Röte in den Kopf. -»Du bist wie der Wiedehopf, Kasper, der beschmeißt -auch das eigene Nest.«</p> - -<p>»Dreiunddreißig Menscher hab ich,« rief der Dullhäubel, -»alle Jungfern von Fuxloh gehören mir, -und alle Weiber sind mein gewesen.«</p> - -<p>»Jetzt haltst du das Maul!« schnarchte ihn der -Igelbauer an.</p> - -<p>»Du willst mir was schaffen?« höhnte der Dullhäubel. -»Wer bist du, und wer bin ich? Du -treibst dreizehn Mäus auf den Markt. Einen Fleck<span class="pagenum"><a id="Page_152">[152]</a></span> -Grund hast du, nit größer als ein Hosentürlein, -und schon laßt du dich einen Bauer heißen.«</p> - -<p>Die Musikanten fingen schnell einen Ländler an -und überlärmten die Schandrede des Dullhäubel.</p> - -<p>Den Ländler hatte der Müller bestellt und bezahlt, -und er und die Ogath tanzten ihn allein, -derweil die andern im Ring herum standen und -zuschauten.</p> - -<p>»Der Gid reckt sich auf über uns alle,« stichelte -der Dullhäubel. »Das ist keine Kunst, er hat das -Geld, er stiehlt uns alle ab, uns Bauern.«</p> - -<p>»Dein Tanz hat keinen Schmiß, Müllner,« -nörgelte der Lippenlix.</p> - -<p>»Er kann leicht das Geld ausstreuen,« spottete -der Dullhäubel. »Seine Vorfahrer sind klug gewesen, -sie haben ihren Kühen den vordern Leib -abgehackt, der nur gefressen hat; den hintern Teil -haben sie weiter leben lassen. Wegen der Milch -und dem Dung.«</p> - -<p>»Hör nit auf seine Lügen und sein Plauderwerk, -Gid!« bat die Ogath. »Und gehen wir heim!«</p> - -<p>Er schnitt ein Gesicht wie ein Gewitter und schwieg.</p> - -<p>Der Spucht saß im Flur beim Wirt, sein Deckelglas -hinter dem dicken Bart versteckt, daß es die -Spuchtin nicht merke. »Jetzt wird es erst schön,«<span class="pagenum"><a id="Page_153">[153]</a></span> -freute er sich, »jetzt streiten sie gewiß.« Die kohlfinsteren -Augen glühten ihm.</p> - -<p>»O die Jähköpfe!« klagte der Wirt. »Heut setzt -es ein Unglück.«</p> - -<p>Drin in der Stube fing der Lippenlix an, dem -Müller in den Weg zu tanzen, er taumelte plump -vor ihm her, der Messergriff stand ihm zum Sack -hinaus.</p> - -<p>Der Gid stellte ihn. »Begehrst du was?«</p> - -<p>»Von dir am letzten!«</p> - -<p>Da rief der Müller laut: »Wirt, die Halbe -Bier sollt einen Zwanziger kosten, daß nit ein jeder -Lauser sich eins kaufen kann, der es nit vertragt.«</p> - -<p>»Ich stürz dich um, Gid,« krächzte der Lippenlix.</p> - -<p>Der Wirt sprang zwischen die Männer. »Du -Blaustaudner Schurimuri, braus nit so daher. -Rauf dich daheim aus, wenn dich die Kraft juckt! -Du unbändiger Stier du!«</p> - -<p>Der Lippenlix schob sich mürrisch zur Tür hinaus. -Seine Spießgesellen rückten an einem Tisch zusammen -und brüllten grobe, rauflustige Lieder.</p> - -<p>»Jetzt gehst du heim!« herrschte der Müller sein -Weib an.</p> - -<p>»Du gehst mit, Gid!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_154">[154]</a></span></p> - -<p>Er zog die schweren Brauen zusammen. Da -ging sie allein. –</p> - -<p>Draußen vorm Wirtshaus zischelte einer auf den -Lippenlix ein. »Da steigt er drin auf und ab wie -der Hahn in den Gerstenhalmen, der Gid. Und -uns laßt er nix gelten. Nur nix gefallen lassen, -nur nit langmütig sein, Lix! Der Langmut zieht -den Übermut ins Haus.«</p> - -<p>»Die Gall gießt sich mir aus,« stöhnte der andere.</p> - -<p>»Sei nit verzagt, Lix, und geh den stolzen -Müllner an! Steif dich nur auf mich! Ich verlaß -dich nit. Da schnupf einmal! Das ist ein Tabak -aus den heißen Ländern, der hitzt und kräftigt. -He, Bruder, wie heißt der Spruch? Erst schnupfen, -dann hupfen, erst saufen, dann raufen.«</p> - -<p>Der Brunnkressenhannes wankte aus dem Haus -und besang sich mit hoher Hirtenstimme schwermütig -den Heimweg.</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Wird mir dann die Zeit zu lang,<br /></span> -<span class="i0">sing ich einen Waldgesang,<br /></span> -<span class="i0">und verkriech mich in den Hecken,<br /></span> -<span class="i0">lehn mich an den Hirtenstecken<br /></span> -<span class="i0">und ergreif die Feldschalmei,<br /></span> -<span class="i0">dieses macht mich sorgenfrei.« –<br /></span> -</div></div> -<p><span class="pagenum"><a id="Page_155">[155]</a></span></p> -<p>Drin in der Stube rief der Dullhäubel: »Spielt -auf, Spielleut, daß es schnalzt! Ihr dürft euch -dafür den höchsten Baum in meinem Wald umschneiden. -Aber der Herr Ägid Wilfinger darf -nimmer mittun, der hat schon genug allein getanzt. -Andre Leut sind auch noch da.«</p> - -<p>Da stoben die Weiber türaus, der Wirbel ordnete -sich, und augenblicklich standen sich die Männer -mit feurigen Augen und fertiger Faust in zwei -Haufen gegenüber. Um den Dullhäubel sammelten -sich die Blaustaudner und ein paar Fuxloher, die -der Gid wegen des Mühlzwanges beleidigt hatte.</p> - -<p>Alles lauerte. Alles erwartete den ersten Wetterschlag.</p> - -<p>Nur die Musikanten blieben gleichgültig. Die -Geiger tranken und schmierten den Fiedelbogen, -der Klarinetter dudelte tiefsinnig für sich hin, und -der starke Lukas Schellnober war schnarchend auf -seinen Stuhl zurückgesunken.</p> - -<p>Der Lippenlix hub an. »Müllner, du bist rauschig, -du kannst die Zung nimmer heben. Geh heim, leg -dich nieder zu deinem Weib!« Und fauchend stieß -er sein Messer durch den Tisch.</p> - -<p>»Müllner, du bist der Gescheitere, ich bitt dich, -gib nach!« bettelte der Wirt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_156">[156]</a></span></p> - -<p>Der Gid vergilbte, als hätte er die Gallensucht. -»Das ist noch nie geschehen, seit die Welt steht, -daß sich hätt ein Mußmüllner heimschicken lassen wie -ein Hütbub. Da grab ich mich eher lebendig ein.«</p> - -<p>»Er schneidet ein Gesicht wie neun Pfund Teufel,« -hetzte der Dullhäubel. »Lix, laß ihm den Darm -heraus!«</p> - -<p>Da klingelte es. Ein Stein flog aus der Nacht -splitternd zum Fenster herein, er traf die Klarinette, -und sie fuhr dem Aumichel in das Maul und stieß -ihm einen Zahn aus.</p> - -<p>Das war das Zeichen. Jäh hoben sich die -Fäuste. Der Burgermeister stürzte sich keifend -zwischen die Raufer.</p> - -<p>Das Vogelhaus fiel von der Wand und zerbrach. -Eilig tappte der Wirt nach dem Kanari -und verwahrte ihn in der Bratröhre des Ofens. -Über ihn schlug es wie ein wildes Wasser zusammen.</p> - -<p>Die Wirtin stieg auf einen Tisch und sprengte -jammernd Weihwasser über den Kampf; aber die -Tropfen halfen nichts, es hätte einer Feuerspritze -bedurft. Alles packte zu. Worte flogen hin und -zurück, spitz und scharf, wie wenn Stahl in den -Stein beißt. Die Kartenspieler hatten ihre Trümpfe -weggeworfen und tauchten in dem Wirbel unter.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_157">[157]</a></span></p> - -<p>Der Dullhäubel trank indes im Vorhaus ruhig -seinen Krug aus, wischte sich den Schnauzbart und -ging, ohne zu zahlen, heim.</p> - -<p>Der Müller faßte den Lippenlix und drückte ihn -ins Knie. »Ich schwing dich, ich lupf dich!« keuchte er.</p> - -<p>»Blut mußt du rotzen!« trotzte der Lix.</p> - -<p>Ein Stuhl krachte auf einen Schädel. Krüge -wurden geschwungen, flogen, trafen, splitterten. Aus -den Knäueln, die sich auf der Erde wälzten, tauchten -Beine auf und strampelten. Einer schrie immer -wieder: »Das ist heut eine Hetz! Das ist eine Hetz!«</p> - -<p>»Alle miteinander jag ich euch auf den Baum -hinauf!« drohte der Spucht und floh zum Haus -hinaus.</p> - -<p>»Ich hol den Schergen,« weinte, kreischte, brüllte, -winselte der Wirt. Seine heiseren Schreie gingen -unter.</p> - -<p>Die Spielleute sprangen von der Bühne in die -Schlacht hinab und taten mit. Nur der riesige Baßbläser -schlief seelenruhig und entrückt auf seiner Höhe.</p> - -<p>Das Getümmel wälzte sich hin und her, die -Streiter redeten nimmer. Auf einmal wuchs der -Lippenlix aus dem Wirrwarr heraus, mit dem -Bierschlägel schlug er die Lampe von der Decke. -Da war es stockhimmelfinster.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_158">[158]</a></span></p> - -<p>Der Streit ging in der Finsternis weiter. Niemand -suchte mehr einen Feind, jeder nahm den, der ihm -in den Griff kam. Alles tobte. Keiner feierte.</p> - -<p>Der Longinus Spucht schrie zu dem zerbrochenen -Fenster herein: »Himmelsakerment, wenn ihr nit -bald aufhört, rauf ich auch noch mit! Das müßt -mit schlechten Dingen zugehen, wenn ich nit ein -paar umbrächt!«</p> - -<p>In höchster Not tappte sich der Wirt an der -Bühne hinauf, er rüttelte den schlafenden Bläser. -»Lukas! Still die Leut ab! Stift Frieden! Hau zu!«</p> - -<p>Der Lukas Schellnober fuhr schwerschlachtig auf, -trunken vom Schlaf. »Wohin soll ich denn hauen?«</p> - -<p>»Hau gradaus! Hau, wohin du willst! Du triffst -keinen Unrechten.«</p> - -<p>Der Riese riß das Mundstück von seinem Baßhorn -und ließ sich in die tümmelnde Finsternis hinab. -Er teilte mit dem Mundstück Hiebe nach links und -rechts aus und schrie: »Hui aus! Hui aus!«</p> - -<p>Es war als käme eine Mauer daher. Heulend -meldete sich, wen der Lukas mit seiner greulichen -Kraft traf. Täumlig und toll suchten sie die Tür, -fluchend, wimmernd quetschten sie sich hinaus. Bald -war der untümliche Mann allein in der Stube.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_159">[159]</a></span></p> - -<p>Der Wirt kam und leuchtete mit einer Kerze die -Verwüstung an. Scherben und Blutlachen spiegelten, -Bänke und Stühle lagen zertrümmert oder mit -ausgerissenen Füßen, Öl stank. Durch die zerschlagenen -Fenster stieß der Nachtwind herein.</p> - -<p>Die Musikanten fanden sich wieder ein. Der -Lukas Schellnober saß ruhig droben auf der Bühne -und putzte mit einem Holz das Blut und die -Haare aus dem Mundstück. Dann schraubte er es -wieder an den Baß, führte es zu den Lippen, und -seine Gesellen stimmten ein und machten wieder -zum Tanz lüstern.</p> - -<p>Zerschrammt und blutrünstig, struppig und -zerfetzt, doch auch abgekühlt von der Nachtluft, befreit -und friedsam kamen die Raufer wieder, die -Weiber und die Dirnen blieben nicht aus, die -Wirtin fegte die Stube rein, und bald drehten -sich wieder alle in schönster Eintracht. –</p> - -<p>Draußen kroch der Müller auf Händen und -Füßen heim, mit zornzerrissenen Lippen, qualvoll, -ohne Laut. Er hörte fern die Geigen und die -Klarinette summen und den Baß stoßweise murren.</p> - -<p>Der Mond verschien, der Wald ward grau. -Das Wichtel rief, der Totenvogel.</p> - -<p>Drei fürchterliche Stunden kroch er.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_160">[160]</a></span></p> - -<p>Frühgeläut erklang. Die Sonne ging auf, sie -schwamm wie ein gräßlicher Blutfleck im Dunst.</p> - -<p>Die Ogath kam aus der Mühle. Die Zunge -ward ihr steif vor Schreck, als sie den Mann vor -sich liegen sah, das Gesicht verfallen, die Stirn -aschfahl, blutig.</p> - -<p>»Den Fuß hat mir einer mit dem Bierschlägel -abgeschlagen,« raunte er.</p> - -<p>»Wer?«</p> - -<p>»Ich verrat ihn nit.«</p> - -<p>»O wärst du heimgangen mit mir, Gid! Reut -dich denn deine Gesundheit nit?« schluchzte sie.</p> - -<p>»Ich reu mich um nix.«</p> - -<p>»O das ist ein Wehtag! O mein lieber Müllner, -was haben sie mit dir angefangen?!«</p> - -<p>»Das tut nix,« sagte er gleichmütig. »Hätt ich -den Bierschlägel gehabt, ich hätt ihm dasselbe getan.«</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Nach langem Krankenlager ward der Gid vom -Wundarzt wieder hergestellt. Aber er ging krumm.</p> - -<p>Auch sein Herz war verdüstert. Immer eigenköpfiger, -immer wunderlicher wurde er, mürrisch -hinkte er durch die Mühle. Dem rothaarigen Dirnlein, -das um ihn aufwuchs, sah er mit argen<span class="pagenum"><a id="Page_161">[161]</a></span> -Augen nach. Sein Weib redete er kaum mehr an. -Es war schwer, mit ihm zu hausen.</p> - -<p>Den Gerechtigkeitsbrief hatte er sich ans Tor -genagelt: alle Welt sollte sehen, daß er in seinem -Recht gekränkt wurde. Aber die Welt kehrte sich -nicht daran und schaffte ihr Malter zum Grillenmüller, -der war ein lachender Mann.</p> - -<p>Im Wirtshaus kam es zu einem wilden Streit -zwischen den Müllern.</p> - -<p>Der Grill schrie: »Fahrt ihm die alten Weiber -hin, dem Gid! Das soll erzwungen werden, eine -solche Zwangmühl brauchen wir.«</p> - -<p>»Dein Weib mahl ich zuerst, die hat es am -nötigsten,« antwortete der Gid.</p> - -<p>»Die Ulla hat deine Mühl verhext, Gid,« -spottete der Teufelmüller, »es fallt lauter Ratzendreck -aus den Steinen heraus.«,</p> - -<p>Der Mußmüller grollte: »Red nur du nix von -Zauberei! Deine Mühl hat der Teufel am Buckel -daher gebracht. Kein guter Christ soll drin mahlen -lassen. Und eure Mühlen sind nur Gaukelmühlen -gegen die meine, mit einer Hand halt ich sie auf. -Mit einer Hand, alle zwei auf einmal!«</p> - -<p>»Versuch es!« schrien die andern. –</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_162">[162]</a></span></p> - -<p>In jener Nacht blieb die Grillenmühle stehen. -Unterm Mühlrad lag der Gid mit zermalmtem -Arm und zerdrückter Brust. Er hatte sein Wort -gehalten.</p> - -<p>Sie legten den Leichnam auf eine Stubentür -und trugen ihn heim zu seinem Weib.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Die Altbäurin Sodonia konnte nimmer.</p> - -<p>Man mußte sie speisen wie ein kleines Kind. -Das Fleisch ward ihr offen vor lauter Liegen. -Und weil sie nimmer schaffen und nimmer den -Dienstboten nachgehen konnte, so wartete sie ungeduldig -auf die Erlösung.</p> - -<p>Als ihre Stunde kam, stand der Dullhäubel -demütig an dem Bettfuß.</p> - -<p>»Kasper, ich sterb,« seufzte sie. »Was wird aus -dem Hof, wenn ich nimmer bin? Ich hab gespart. -Wenn der Geier mir eine Henne erstoßen hat, bin -ich ihm bis in den Wald nach. Ich bin geizig -gewesen, keine Nuß hat man mir von unsern Haselstauden -brechen dürfen. Ich bin ein Weib gewesen -wie ein Sporn. Den Hof hab ich gehalten.«</p> - -<p>»Das weiß ich, Altbäurin,« wisperte er, »und -ich dank dir dafür.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_163">[163]</a></span></p> - -<p>»Aber deine Mutter taugt nix,« tadelte die Alte. -»Sie kann nur so weit zählen und rechnen, als -ihr die Finger zu Hilf kommen. Am liebsten schlaft -sie. Ordnung kennt sie nit. Mein Gott, wo soll -sie denn die Ordnung gelernt haben?! Sie stammt -aus einem Haus her, das ist mit Kuhfladen gedeckt. -Ich bin allweil gegen die Heirat gewesen, -aber der Isidor hat mir nit gefolgt. In der Seligkeit -drüben werf ich ihm es noch vor, wenn ich -ihn dort find. O es ist mir leid um den schönen -Hof!«</p> - -<p>»Ich werd mich schon kümmern,« schluchzte er, -»ich versprech es dir.«</p> - -<p>»Ach du!« winkte sie verächtlich. »Du hast die -Faulheit von deiner Mutter geerbt. Allweil lehnst -du in der Sonn umher und tust keinen Handstreich. -Die Gurgel taufen und die Leut narren, das -triffst du. Dein Leben stößt dich in Schulden. -Schämst du dich nit vor den Leuten?«</p> - -<p>»Mich gehen die Leut nix an,« trotzte er.</p> - -<p>»So fürcht unsern Herrgott!«</p> - -<p>»Nach Fuxloh sieht er nit. Fuxloh liegt hinter -dem Herrgott seinem Buckel.«</p> - -<p>»Du irrst dich, Kasper. Der Teufel äugt wie -ein Stoßvogel. Hüt dich! Und tracht, daß du<span class="pagenum"><a id="Page_164">[164]</a></span> -einmal am Himmelstisch essen darfst und trinken -und des höllischen Feindes spottest. Ich will dich -droben in der Seligkeit erwarten, und du mußt -mir Rechenschaft legen über den Hof. Aber was -nutzt meine Red? Du beutelst dich ab wie ein -nasser Hund.«</p> - -<p>»Ich will mich verbessern,« sprach er zerknirscht.</p> - -<p>»Und noch eins, Kasper. Du bist jetzt ein gestandener -Mann. Ein Weib tut dir not. Mit -Schmerzen hab ich dir im Sommer zugeschaut, -wie du den Graserinnen keine Ruh gegeben hast. -Leugn es nit! Ich rat dir, nimm dir ein gutes -Weib, die hausen kann! Wähl nit zu lang! Wer -gar zu lang unter den Schaffen umgreift, erwischt -zuletzt das Dreckschaff. Heirat nit so eine Flankin, -die sich aufputzt und aufstutzt und sich am Werktag -Löcklein und Schnecklein dreht! Nimm dir eine -wie dem Mußmüller seine Wittib! Versprich mir -es um des Hofes willen!«</p> - -<p>Er reichte ihr die Hand, und dicke Zähren rollten -nieder auf seine hirschledernen Hosen. »Ich versprech -es dir. Alles Gute versprech ich dir.«</p> - -<p>»Was heunst du denn?« beschwichtigte sie ihn. -»Ich hab mir mit drei Dullhäubeln genug ausgestanden. -Vergönn es mir, daß ich abgestandenes<span class="pagenum"><a id="Page_165">[165]</a></span> -Weib aus Zeit und Leid in die ewige Freud -hinfahr!«</p> - -<p>An einem glasheitern Herbsttag, die elftausend -Jungfern spannen im Himmel die Altsommerseide, -und gelbes Laub mengte sich in das müde Grün, -da legte man die Altbäurin ins Grab.</p> - -<hr class="tb" /> -<div class="chapter"> -<p>Jetzt ging es auf dem Hof nimmer schön zu. -Der Dullhäubel sorgte sich um nichts und führte -seinen schlechten Wandel weiter. Knechte und Dirnen -wurden säumig, da sie die Augen der Altbäurin -unterm Rasen wußten. Das Vieh röhrte -vergeblich um Futter, der Stall wurde nicht ausgemistet, -das Korn nicht gedroschen, das Haus -war voll Schmutz.</p> -</div> - -<p>Die Sanna, die Mutter des Bauern, wärmte -sich den Rücken an dem grünen Kachelofen, schlief -und aß und schlief wieder ein. Das Schicksal des -Hofes rührte nicht an ihre schläfrige Seele.</p> - -<p>An einem Wintertag sagte sie zum Dullhäubel: -»Bub, jetzt bin ich vierzig Jahr in der Fremd, -jetzt verlang ich wieder heim zu meinen Leuten.«</p> - -<p>»Warum, Mutter? Es fehlt dir ja nix bei mir.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_166">[166]</a></span></p> - -<p>»Ich hab mich in euer Leben da nie recht eingewöhnt. -Und ich will mich von der Fremd ausrasten. -Am Sonntag führst du mich heim.«</p> - -<p>Sie ließ sich nicht halten, und er hielt sie nicht. –</p> - -<p>Am Tag Pauli Bekehrung zog sich der Dullhäubel -die Pelzhaube über die Ohren und schirrte -das Roß vor den Schlitten. Darauf packte er -Gewand und Federbett der Mutter und setzte sie -warm darein. Nun fuhren sie bergan.</p> - -<p>Hoch noch über dem hochgelegenen Grillenöd -mitten in Geröllhalden und struppigen Wäldern -war die Heimat der Sanna, das Siebenschläferhaus -geheißen, die einsamste Einschicht im Gebirg.</p> - -<p>Der Dullhäubel deutete mit der Peitsche hinauf. -»Wird es dir nit zu rauh droben sein, Mutter? -Droben ist es so kalt, daß sie am Tag vor der -Sonnwend zum letztenmal und am Tag nach der -Sonnwend zum erstenmal heizen.«</p> - -<p>Der Hagbutzdorn brannte im blanken Schnee, -schlohweißer Nebel wob in den Tälern drunten. -In den Ebereschen schnabulierten bunte Pestvögel, -und Elstern schätterten durch die gläserne Stille.</p> - -<p>An einem Bildstock war zu lesen, daß an selber -Stelle im Hochsommer ein Kohlenbrenner erfroren -war. –</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_167">[167]</a></span></p> - -<p>Der Siebenschläferhof war schwer verschneit. Keine -Menschenspur führte hin, nur hie und da eine Hasenfährte -oder ein Fuchsentritt. Die Fenster waren -unter den angeflogenen Flocken erblindet.</p> - -<p>»Der Hof ist ausgestorben,« murmelte der Dullhäubel. -»Kehren wir um!«</p> - -<p>Doch die Sanna deutete auf den Rauchfang. -Ein ganz dünner, schier luftblauer Rauch stieg gleich -schüchternem Atem auf und meldete Leben.</p> - -<p>Der Bauer klopfte an die Tür, an die Fenster. -»Auf, der Dullhäubel ist da!«</p> - -<p>Es rührte sich nichts.</p> - -<p>Schließlich trommelte er mit einem Prügel an -die Tür, daß der Wald rings hallte.</p> - -<p>Endlich schlurfte es drinnen im Flur.</p> - -<p>Die Tür wurde aufgeriegelt. Ein zottiger, graubärtiger -Mann, die Augen voll Schlaf, trat auf -die Schwelle und fragte: »Was – was kommst -du daher in dem stumpfen Wetter? Was – was -willst du mitten im Winter?«</p> - -<p>»Darf man dich nur im Sommer heimsuchen, -Vetter?«</p> - -<p>Der Alte gähnte: »Schlaft der Igel, – schlaft -der Bär, - schlaft der Ratz. Die rechten Leut -– schlafen – im Winter.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_168">[168]</a></span></p> - -<p>Drin in der Stube schliefen sie im Bett, auf -dem Ofen, auf Bank und Truhe, die Bäurin und -die Kinder.</p> - -<p>»Grüß dich Gott, Bruder!« sagte die Sanna.</p> - -<p>»Dich – dich auch!« antwortete er und legte -sich auf die Ofenbank. Die Erinnerung arbeitete -schwerfällig in seinem Hirn.</p> - -<p>»Vierzig Jahr haben wir uns nimmer gesehen,« -meinte sie, »das ist lang.«</p> - -<p>»Das – das ist lang,« wiederholte er träumerisch.</p> - -<p>»Mein Bauer ist gestorben. Der da ist mein -Bub, der Kasper.«</p> - -<p>»Der – der Kasper,« kam der Widerhall.</p> - -<p>»Jetzt frag ich, ob ihr mich daheim laßt bei euch,« -sagte die Sanna.</p> - -<p>Der Alte wies auf eine leere Truhe. »Leg – leg -dich nur nieder!«</p> - -<p>Der Dullhäubel wurde ungeduldig und schrie: -»Ihr habt einen seltsamen Hausbrauch. Steht auf, -Freundschaft! Kocht auf! Uns hungert. Und schlafen -wollen wir nit.«</p> - -<p>Da regten sich die Schläfer, sie hoben die wirrhaarigen -Köpfe und sperrten tölpisch den Mund auf.</p> - -<p>»Ist – ist der Sommer da, weil – weil der Star -so hell pfigerzt?« lallte einer der Buben.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_169">[169]</a></span></p> - -<p>Die Muhme kroch aus dem Bett und schob einige -Knorren ins Feuer, da wachte auch der Ofen auf -und murmelte in sich hinein.</p> - -<p>»Schlafen sie denn den ganzen Winter, Mutter?« -staunte der Dullhäubel.</p> - -<p>»Was sollen sie Schöneres tun, wenn das Dreschen -vorbei ist und sie die andere Arbeit vollbracht haben?« -antwortete die Sanna.</p> - -<p>Die Muhme schob einen Topf auf die Platte und -nickte. »Jetzt – jetzt ist die ruhsame Zeit.«</p> - -<p>Die aufgeschossenen Burschen und die stämmigen -Dirnen fletschten lachend die Zähne, stießen sich an -und deuteten mit den Fingern auf den Dullhäubel.</p> - -<p>Er fragte die zwei Jungfern nach den Namen.</p> - -<p>»Bi – bi – bibiana,« stammelte die eine.</p> - -<p>»Ju – ju – juliana,« die andere.</p> - -<p>»Und wie schreibt ihr euch, Buben?«</p> - -<p>»Zy – zy – Zyprian.«</p> - -<p>»Bartholo – mä – mä.«</p> - -<p>»Ihr – ihr – habt eure schönen Namen noch -nit gut eingelernt,« spottete der Vetter aus Fuxloh.</p> - -<p>Die Muhme entschuldigte ihre Brut. »Es – es -handelt sich alleweil nur ums erste Wörtel, um – -um den Anlauf. Magst – magst du keine heiraten, -Kasper, von – von meinen Menschern?«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_170">[170]</a></span></p> - -<p>Das Gewölk der heißen Suppe flatterte über -den Tisch, daran die Siebenschläferleute mit breiten -Ellbogen lümmelten. Sie holten die Blechlöffel -hervor, die unter der Tischplatte an Riemen hingen, -und dann lallte die ganze stotternde Sippe den Engelgruß. -Die Alte fuhr mit einer zweizinkigen Gabel -in die Schüssel und rührte um, während die andern -die Suppe so ungestüm kalt bliesen, daß sie über -den Rand wallte.</p> - -<p>Dem Dullhäubel kam ein zorniges Grausen an, -er stand vom Tisch auf und ging zu seinem Schimmel -hinaus und schaute ihm zu, wie artig er sein Heu fraß.</p> - -<p>Erst als er meinte, daß drinnen die Mahlzeit verschlungen -sei, traute er sich wieder hinein.</p> - -<p>Die Siebenschläferleute leckten eben die Löffel ab, -trockneten sie am Ärmel und hängten sie wieder -unter den Tisch.</p> - -<p>»Jetzt – jetzt schlafen wir weiter,« murmelte -der Vetter.</p> - -<p>»Mutter, bleibst du wirklich da?« fragte der -Dullhäubel.</p> - -<p>Sie nickte gähnend.</p> - -<p>Er griff nach der Tür. »Also gute Nacht, Freundschaft! -Schlaft euch gut aus! In vierzig Jahren -such ich euch wieder heim.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_171">[171]</a></span></p> - -<p>Und er sprang in den Schlitten und schnalzte -mit der Geißel. »Renn, Schimmel, renn zu!«</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Es war Feierabend.</p> - -<p>Der Schmied Sulpiz Schlagendrauf hämmerte -noch dreimal auf den leeren Amboß, hernach räumte -er sein Werkzeug auf, blies die Laterne aus, die -von der gewölbten Decke hing, und reckte wohlig -die langen, ausgearbeiteten Arme.</p> - -<p>Da stand der Dullhäubel im Mondschein an -der Tür.</p> - -<p>Der Schmied mochte ihn nicht leiden. Als er -einmal mit seinem Weib gestritten hatte, war der -Dullhäubel wetterläuten gerannt.</p> - -<p>»Du könntest auch bei Taglicht kommen,« -greinte der Sulpiz, »Soll ich dir den Schimmel -beschlagen? Oder das Hirn?«</p> - -<p>»Plaudern möcht ich mit dir.« Der Bauer -redete süß wie eine Flöte. »Nur plaudern. Die -Zeit wird mir zu lang in der Finsterweil. Und -von dir lernt man was. Du bist ein gewitzigter -Mann, hast schon drei Weiber begraben.«</p> - -<p>»An die Wand hab ich sie gemalt, die Gespenster, -zum ewigen Andenken,« lachte der Schmied -und trat den Blasbalg. In der Esse loderte<span class="pagenum"><a id="Page_172">[172]</a></span> -es auf und erhellte das Gewölb. Drei greuliche -Weiber waren mit Ruß an die Mauer gezeichnet: -sie hatten Krallen an den Fingern und Fangzähne -im Maul, glotzende, schlimme Augen und zerstrüpptes -Haar. Es war ein übler Anblick.</p> - -<p>»Mit welcher von den dreien hast du es am -schönsten gehabt?« fragte der Dullhäubel.</p> - -<p>Der Sulpiz Schlagendrauf griff auf ein Mäuerlein -und brachte drei Holzäpfel.</p> - -<p>»Beiß in den hinein!«</p> - -<p>Der Bauer kostete. »Pfui Teufel, ist der sauer! -Den Atem nimmt es mir.«</p> - -<p>Der Schmied hielt den zweiten Apfel hin. -»Versuch den!«</p> - -<p>»Das Maul reißt es mir auseinander, den -Schlund zerschneidet es mir!« fluchte der Dullhäubel.</p> - -<p>»Friß den dritten!«</p> - -<p>»Gelts Gott tausendmal, Sulpiz! Ich kann -nimmer. Ich mag mich nit vergiften.«</p> - -<p>»Verstehst du jetzt, Junggesell, wie es mir notgedrungenem -Ehemann dreimal ergangen ist? Die -erste ist lang und hager gewesen, die zweite kurz -und dick, die dritte nit klein, nit groß, nit dick, -nit dünn. Es ist aber ein Teufel wie der andere<span class="pagenum"><a id="Page_173">[173]</a></span> -gewesen. Das bravste Weib heißt Luder, den -andern ihre Namen darf ich nit verraten, sonst -zerreißen sie mich.«</p> - -<p>Ein altes Männlein schlüpfte in die Werkstatt -herein.</p> - -<p>»Grüß Gott, Hammer und Amboß! Ich hab -gerad jetzt dein Feuer aufleuchten sehen. Eine -Bitt hab ich.« Er knöpfte den Brustfleck auf und -zog einen Ziegel herfür. »Wärme mir ihn, -Schmied! Ich trag allweil den lauwarmen Ziegel -am Bauch, das tut mir so gut für mein inwendiges -Leiden.«</p> - -<p>Der Sulpiz Schlagendrauf legte den Ziegel an -die Glut. Und wieder in die alten Zeiten versunken, -brummte er: »Das größte Leiden ist ein -Weib. Es ist ein Höllhaken, es zischt wie das -Fegfeuer.«</p> - -<p>Das Männlein luchste hin. »Willst du wieder -heiraten, Meister Ruß? Oder du, Dullhäubel?«</p> - -<p>»Ich nit,« ächzte der Schmied.</p> - -<p>»Ich schon gar nit, Didelmann!« rief der -Dullhäubel.</p> - -<p>»Kasper, dich juckt es,« redete der Sulpiz. -»Aber hör auf mich! Es gibt keinen Mann, der -das Heiraten nit tausendmal bereut. Der Pfarrer<span class="pagenum"><a id="Page_174">[174]</a></span> -Hurneyßl selber hat gepredigt, daß so mancher bei -seiner Hochzeit glaubt, er greift nach der Zuckerbüchse, -aber derweil erwischt er die Pfefferbüchse.«</p> - -<p>»Der Pfarrer hat leicht schelten,« antwortete -der Dullhäubel, »der hat eine steinrabenalte Köchin -bei sich.«</p> - -<p>»Kasper, du bist ein lediger Bursch, du kennst -die Weiberleut nit. Die kennst du erst, wenn du -mit ihnen verheiratet bist. Vor der Hochzeit ist -eine jede wie eine zugedeckte Schüssel.«</p> - -<p>Der Didelmann nahm den Ziegel vom Feuer, -schob ihn wieder unter den Brustfleck und erzählte -dabei: »Anno eins, wie der große Wind gegangen -ist, haben wir einen Bären gefangen. Der hat -uns viel Schaden getan, drum haben wir uns -beraten, was die grausamste Straf für das Vieh -wär. Da ist ein uralter Mann aufgestanden, Irg -Kolroß hat er sich geheißen, und der hat gesagt: -›Laßt den Bären heiraten!‹ Der Alte ist nit der -Dümmere gewesen.«</p> - -<p>Kichernd schlüpfte der Didelmann aus dem -Gewölb.</p> - -<p>»Der eine redet hü, der andere hott,« seufzte -der Dullhäubel, »ich kenn mich nit aus mit dem -Heiraten.« –</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_175">[175]</a></span></p> - -<p>Das Frühjahr kam, die Bauern legten die -Fäustlinge ab und schnitten das Moos von den -Bäumen. Das Gras nahm zu. Da rannen die -Maibrünnlein, der Hahn balzte und krugelte, der -Wendehals rief schmachtend »woid, woid« und verrenkte -sich vor Verliebtheit schier den Kragen. Der -Guckauf raufte und hochzeitete. Lau wurden die -Nächte, und der Mond schaute scheinheilig drein.</p> - -<p>Wenn der Dullhäubel nachts auf den Schemel -stieg, das hochgerüstete Bett zu erklettern, seufzte -er: »Das Himmelbett ist mir viel zu breit.« Er -wälzte sich ohne Schlaf, und das Blut zuckte ihm. –</p> - -<p>Einmal ging die Spuchtin an seinem Hof vorbei, -sie schleppte einen Korb Klaubholz aus dem -Vogeltänd.</p> - -<p>Der Dullhäubel stürzte ihr nach, den Atem -verschlug es ihm schier. »Holzhackerin, komm heut -noch einmal in den Wald, ich schenk dir einen -dürren Baum. Komm aber allein! Ich helf dir -ihn abschneiden.«</p> - -<p>Sie sah ihn mitleidig an. »Bauer, ich dank -schön für den Baum. Ich hol ihn morgen mit -meinem Mann. Aber du, Bauer, brauchst eine, die -dir das Bett schön macht und emsig und zutätig<span class="pagenum"><a id="Page_176">[176]</a></span> -deine Wirtschaft zusammen haltet. Heirat bald! -Dann wachst dir ein nagelneues Herz.«</p> - -<p>»Ich weiß mir keine,« sprach er betrübt.</p> - -<p>»Nimm die Ogath!« –</p> - -<p>Der Dullhäubel träumte wieder schwer. Ein -sagenhafter Urvater erschien ihm, auf dem Kopf -eine kleine rote Haube mit einer baumelnden Dulle -daran, und der gebot ihm, das Geschlecht der -Dullhäubel schleunig fortzupflanzen.</p> - -<p>Und wenn der Bauer nächtens heimkam und -der Mond im Vollschein stand, da war ihm, es -stünden auf dem Lichtboden des Gehöftes die verstorbenen -Vorfahrer Pankraz, Servaz und Bonifaz, -die Bärte bereift wie die Eismänner, und der -Isidor mit der kupfernen Nase, und sie drohten -herab auf den unfruchtbaren Nachkömmling.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Die Ogath verlebte trübe Zeiten.</p> - -<p>Der alte Müller war jetzt Herr im Haus. Mit -kalten Augen, mürrischem Maul schlich er durch die -Mühle und raunzte den lieben Tag über Wind -und Wetter, es mochte heiter sein oder trüb. Und -immer härter geizte er, sie und ihr Kind sollten -nur Erdäpfel essen und sauere Milch, und wenn<span class="pagenum"><a id="Page_177">[177]</a></span> -sie im Winter die eisige Stube heizen wollte, riß -er ihr das Scheitlein Brennholz aus der Hand.</p> - -<p>Die Mühle ging immer öder und grämlicher, -ewig gleich hob sich das Geschäufel aus der Tiefe, -mühselig, in schwerfälliger Gewalt, grünlich triefend, -und versank wieder.</p> - -<p>Immer öder kamen und sanken der Ogath die -Tage. Sie wurde des Lebens verdrossen.</p> - -<p>Als sie dem Alten einmal vorwarf, er lasse sie -und das Kind hungern, lachte er hämisch. »Seltsam, -seltsam, wie malefizblond dein Dirnlein ist! Schier -wie dem Dullhäubel sein Bart.«</p> - -<p>Da ward sie still und schaute das Kind lange -in Gedanken an.</p> - -<p>Am selben Tag noch machte sie sich gegen Kaltenherberg -auf, sie wollte sich mit den Eltern beraten. -In der Mühle hielt sie es nimmer aus.</p> - -<p>Am Weg begegnete ihr der Narr. Eine bunte -Schürze, die er um den Hals gebunden hatte, hing -ihm am Rücken nieder. Er breitete die Arme aus -wie der Pfarrer am Altar und sang lateinisch.</p> - -<p>Die Ogath duckte sich hinter einer Kranwitstaude. -Sie wußte, daß er kürzlich seine Mutter gezwungen -hatte, in den Kleiderkasten zu steigen, den Kasten<span class="pagenum"><a id="Page_178">[178]</a></span> -hatte er dann umgeworfen und die Frau drin besungen -wie eine Leiche im Sarg.</p> - -<p>Doch seine gefährlichen Augen hatten die Ogath -schon erspäht. Mit ein paar lächerlichwilden -Sprüngen stand er vor ihr und krächzte: »Knie -dich hinein in den Dorn, Maria!«</p> - -<p>Zitternd folgte sie ihm. Sie fürchtete die -flackernde Unruhe in seinem Blick. Und als sie mitten -im stechenden Busch kniete, raunte er: »Jetzt bin -ich der Erzengel. Ich will dich segnen unter den -Weibern. Aber zuerst schneid ich dir das sündhafte -Haar ab.«</p> - -<p>Er wetzte sein Messer am Knie.</p> - -<p>Furchtbar schrie sie auf vor Angst. Was mochte -der irre Mensch vorhaben?</p> - -<p>Da kam der Dullhäubel den Hang vom Vogeltänd -herunter gelaufen. Von weitem schrie er: -»Stocknarr, ich erschlag dich!«</p> - -<p>Der Zusch warf sich ihm zu Füßen und winselte, -er möge ihn leben lassen.</p> - -<p>Totenblaß kroch das Weib aus dem Strauch. -»Händ und Knie sind mir wund, der Kittel ist -zerrissen,« weinte sie. »Alle Bitternis muß man -sich gefallen lassen, wenn man keinen Mann mehr<span class="pagenum"><a id="Page_179">[179]</a></span> -hat. Fallt ein Stein vom Himmel, so fallt er auf -eine Wittibin.«</p> - -<p>Der Dullhäubel senkte die Augen. »Wie geht es -dir, Ogath? Ich hab dich schon lang nimmer -gesehen.«</p> - -<p>»Es ist redlich drei Jahr her, daß ich im Wittibstuhl -sitz,« erzählte sie. »Dem Alten muß ich den -Mühlknecht machen, und in der Nacht kann ich -nit schlafen, so arg treiben es die Ratzen. Ich -will davon, mit Zähren feucht ich meinen Weg. -Zu meinem Bruder will ich, will das Herrgottelschnitzen -lernen.«</p> - -<p>Verlegen striegelte sich der Bauer durchs Haar, -er schrumpfte fast zusammen vor dem großen, -ernsten Weib. Er stammelte: »Heut wär mir schier -die Scheuer abgebrannt, die Dirn hat die glühende -Asche hinausgeworfen. Ogath, mein Hof braucht -eine Bäurin.«</p> - -<p>»Willst du wieder einen Heiratsbrief schreiben?« -antwortete sie herb.</p> - -<p>Sie kehrte zur Mühle zurück, in zerrissenem Gewand -wollte sie nicht vor die Ihren treten. Der -Bauer schlich neben ihr her und redete nichts.</p> - -<p>Über den Steg kam ihr das Dirnlein entgegen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_180">[180]</a></span></p> - -<p>Die Ogath atmete schwer auf, als sie den roten -Zopf ihres Kindes glänzen sah. »Dullhäubel,« sagte -sie, »nur einmal in deinem Leben red die Wahrheit! -Ist das dein Kind?«</p> - -<p>»Ja!« wisperte er zerknirscht.</p> - -<p>»Die Schand muß zugedeckt werden,« sprach sie. -»In drei Wochen heiraten wir.«</p> - -<div class="figcenter"> -<img src="images/illu-180.png" alt="Dekoration" /> -</div> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum"><a id="Page_181">[181]</a></span></p> - -<h2 id="Der_graue_Sunder">Der graue Sünder.</h2> -<p><span class="pagenum"><a id="Page_183">[183]</a></span></p> -</div> - -<div><img class="drop" src="images/drop-d.png" alt="" /></div> -<p class="drop">Der Dullhäubel hatte die Ogath heimgeführt. -Sie war fleißig und ernst, hielt den Hof fest in -der Hand und gebar ihm zu dem ersten Dirnlein -noch elf andere, allesamt rothaarig.</p> - -<p>Er war ein Mann in den besten Jahren worden. -Das Haar hing ihm tief in die pfiffig gerunzelte -Stirn, über den kleinen Augen hafteten die -Brauen wie rote, borstige Raupen, der Fuchsbart -deckte ihm Kinn und Lippen. Die Nase war ein -wenig schief gebogen. Denn er schnupfte weit -eifriger als früher, und der Tabak, wie er ihn -vormals genossen, schmeckte ihm nimmer, er war -ihm zu mild. Drum mischte er ihn jetzt nicht -nur mit Schmalz, daß er sich binde und nicht so -leicht zerstäube, sondern er rieb auch Glasscherben -drein, daß er die Nase schärfer angreife und das -Hirn aufrüttle.</p> - -<p>Der also verstärkte Schmalzler scheuchte ihm -die Sorgen, die ihm seine Schelmenstücke eintrugen,<span class="pagenum"><a id="Page_184">[184]</a></span> -und tröstete ihn, wenn ihm die Bäurin das Gewissen -riegelte, oder wenn ihn der Blaumantel -mit seinem höllischen Blick durchbohrte.</p> - -<p>Denn trotz seiner Jahre kam der Dullhäubel -nicht aus der Bubenhaut heraus, sein Kopf wimmelte -voll schabernackischer Pläne, und die Lust, dem -lieben Nächsten ein Schwänklein und Schwänzlein -anzubinden, verringerte sich ihm nicht.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Einmal schlachteten sie im Dullhäubelhof eine -Sau. Da wollte sich der Bauer von der Arbeit -wegschrauben und meinte, er habe in der Stadt zu -tun, er müsse dort in die Steuerstube schauen und -dem Marktpreis nachfragen, und am Heimweg -wolle er das Kalb mitbringen, das die Bäurin in -Blaustauden gekauft hatte.</p> - -<p>In Hirschenbrunn kehrte er in jedem Haus ein, -wo der Herrgott den Arm herausstreckte, horchte -scheinheilig den Reden der Stadtleute zu und ließ -sich erzählen, was in den Zeitungen gedruckt war.</p> - -<p>Eine hübsche Weile stand er vor einem Arzneiladen -und überlegte. Hernach trat er ein, den -Schmalzler auf dem Handrücken, schaute sich lange -um, starrte einfältig das Krokodil an, das,<span class="pagenum"><a id="Page_185">[185]</a></span> -an die Decke gekettet, scheußlich nach ihm herabfletschte, -schnupfte ausgiebig, schaute sich wieder -um und wackelte tölpisch mit dem Kopf.</p> - -<p>Geschäftig fragte der Apotheker: »Was begehrt -Ihr? Dachsschmalz? Regenwurmöl? Mausohrsaft? -Pfefferminz?«</p> - -<p>»Du hast es wohl nit, Wurzelkrämer,« sagte -der Bauer schüchtern und drehte den Hut in der -Hand.</p> - -<p>»Wollt Ihr Schwefel? Kupferwasser? Ein -Quintel Weinsteinöl? Salniter? Salarmoniak? -Eine Wagenschmiere? Eine Handsalbe?«</p> - -<p>Der Dullhäubel sah den Apotheker tiefsinnig an. -»Ich krieg es wohl nit da herin,« murmelte er.</p> - -<p>»Besinnt Euch, Vetter! Hat Euch der Doktor -einen Giftzettel geschrieben? Braucht Ihr eine -Kropfschmiere? Eine Laussalbe? Ein Windsäftlein -fürs Kind?« sprudelte der Mann hinterm Ladentisch.</p> - -<p>Der Dullhäubel horchte ihm ehrfürchtig zu, und -als dem Apotheker der Atem ausging, faßte er die -Klinke, schnitt ein Koboldsgesicht und sagte: »Also -behüt dich Gott, Wurzler! Einen Peitschenstecken -hätt ich gebraucht.« –</p> - -<p>Gemächlich ging er heim.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_186">[186]</a></span></p> - -<p>In Blaustauden suchte er den Burgermeister auf, -von dem hatte die Ogath ein Kalb, dessen braunscheckiges -Fell ihr wohl gefiel, zur Aufzucht erstanden.</p> - -<p>Als der Mittag ausgeläutet ward, zog der Dullhäubel, -den Burgermeister am Arm und das Kalb -leitend, durchs Dorf. Auf der Brücke hielt er an -und begann grell zu singen:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Die Blaustaudner läuten,<br /></span> -<span class="i0">sie läuten vor Not,<br /></span> -<span class="i0">sie fangen den Bettelmann<br /></span> -<span class="i0">und nehmen ihm 's Brot.«<br /></span> -</div></div> - -<p>Der Burgermeister vermahnte ihn: »Sing das -nit, Freund! Sing ein anderes! Und überleg dir, -mit wem du gehst! Ist dir nix heilig?«</p> - -<p>Dem Dullhäubel war nichts heilig. Er packte -das Kalb am Ohr und redete ihm hinein: »Merk -auf, Burgermeisterlein! Wie der Teufel den Heiland -versucht hat, hat er ihn auf den Lusen geführt, -und von dem Berg aus hat er ihm die -ganze Welt gezeigt. Aber Blaustauden ist ihm zu -rußig gewesen, das hat er verstecken wollen und -hat geschwind seinen Schweif darauf gelegt.«</p> - -<p>Da schellte der Burgermeister dem Spottvogel -eins hinter die Ohren, daß dem der Hut in den<span class="pagenum"><a id="Page_187">[187]</a></span> -Bach flog, und lief schleunig davon. Der Dullhäubel -stand da, das Kalb am Strick, und mußte -den Widersacher rennen und den Hut schwimmen -lassen.</p> - -<p>Als er am Freithof vorüber trieb, stieg gerade -der Totengräber aus einem Grab. Der versuchte, -einen breitkrempigen Filzhut auf den Kopf zu setzen, -aber der Hut war ihm zu weit und sank ihm bis -zum Maul herunter.</p> - -<p>»Staches, zu dem Hut mußt du dir einen größern -Schädel anschaffen!« riet der Dullhäubel.</p> - -<p>»Ich hab den Filz jetzt gefunden,« sagte der -Staches, »in deinem Ähnel seiner Grube ist er gelegen. -Ja, der Bonifaz muß heraus, er hat lang -genug gerastet. Unserm Rauchfangkehrer muß er -Platz machen.«</p> - -<p>Der Bauer band das Kalb an einen Stein, -darein das Bild einer Pfarrersköchin gemeißelt -war, den Kochlöffel in der Hand.</p> - -<p>Aus dem geöffneten Grab grinste der Schädel -des Bonifaz herauf, die Pfeife war ihm noch unverwest -ins falsche Gebiß geklemmt, das der Ähnel -selber sich aus einem Rindsknochen geschnitzt hatte.</p> - -<p>Der Dullhäubel setzte den Hut auf, der der -Verwesung so tapfer widerstanden, und er paßte<span class="pagenum"><a id="Page_188">[188]</a></span> -ihm wie angemessen. »Der Alte braucht ihn nimmer,« -sagte er, »ich nehm ihn mit. Die Pfeife drunten -aber kannst du dir nehmen, Staches.«</p> - -<p>Dem Totengräber grauste. »Vergelts Gott, ich -trag kein Verlangen darnach.«</p> - -<p>Der Bauer zerrte das Kalb weiter, und oft -tappte er nach dem Hut, den ihm der Ähnel zur -gelegenen Zeit aus der Ewigkeit geschickt hatte.</p> - -<p>Ein Haus sperrte ihm den Weg, das trug den -einladenden Spruch überm Tor:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Das ist das Wirtshaus an der Straßen;<br /></span> -<span class="i0">wer einen Durst hat, kann hier einen lassen.<br /></span> -</div></div> - -<p class="noind">Und weil der Dullhäubel himmelblau gelaunt war, -zog er das Kalb mit sich in die Stube und band -es an den Tischfuß.</p> - -<p>Die Wirtin saß gerade beim Nähzeug und riß -die Augen auf ob der seltsamen Gäste.</p> - -<p>»Siebenkittelwirtin, schenk ein! Dem Zöpfel -da,« der Bauer deutete auf das Kalb, »gibst du -einen Kirschgeist!«</p> - -<p>Auf der Bank unter dem schräg vorhängenden -Spiegel lungerte der Lippenlix und strich sich den -stolzen Schnurrbart. »Sitz her, Kasper!« sagte er. -»Geld hab ich wie ein Sautreiber. Spiel mir es ab!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_189">[189]</a></span></p> - -<p>»Ich mag nit, Schönbart.«</p> - -<p>»Wirtin, schaff Karten her!« begehrte der Lix. -»Spielen wir Grünoberfangen um drei Zündhölzer! -Oder willst du färbeln? Oder lampeln?«</p> - -<p>Er fuhr ganz wild über die Karten her, mischte -sie, ließ abheben und gab aus.</p> - -<p>Sie trumpften auf den Tisch. »Und da hast du -eine Eichel!« »Und da friß den König!« »Und -heraus mit der Schellensau!« So flog es hin -und zurück.</p> - -<p>Die Karten aber, die der Lix wie einen Fächer -in der Hand faltete, malten sich in dem Spiegel -ab, der über ihm sanft geneigt hing, und der Dullhäubel -luchste heimlich empor und sah droben alle -Trümpfe, die der andere in der Hand hielt, und -gewann darum Spiel auf Spiel.</p> - -<p>»Wie geht das heut zu?« staunte der Lix. »Aber -ich hör nit auf, und wenn ich meine hundshäutenen -Hosen ausziehen und nacket heimrennen muß.«</p> - -<p>Es wurde finster. Die Wirtin zündete die Kerze -an. Das Kalb wurde unruhig und blökte.</p> - -<p>Der Lix setzte das letzte Sechserlein dran und -verlor. Er schalt Gott und alle Heiligen. »Du -Raubersknecht, keinen zerbrochenen Groschen hast -du mir lassen, das ganze Geld schatzt du mir ab.<span class="pagenum"><a id="Page_190">[190]</a></span> -Der Teufel soll dich vom Abtritt wegholen! Es -ist Zauberei dahinter. Gib das Kalb weg, oder -ich erstech es!«</p> - -<p>»Dem Zöpfel tust du nix, Schönbart,« sagte der -Dullhäubel und strich den Gewinst ein. »Ich bin -satt. Ich geh heim.«</p> - -<p>»Oho, weil ich jetzt gewinnen könnt, gehst du -davon, du Fuchs aus Fuxloh? Noch einmal spiel -mit mir! Die Haut zieh mir auch noch ab! Wirtin, -streck Geld für!«</p> - -<p>»Dir nit,« schnippte sie.</p> - -<p>Er setzte seine Uhr ein samt der Kette. Unwillig -tickte sie am Tisch. Das Kalb plärrte, der -Dullhäubel gewann.</p> - -<p>Der Lix ließ das Maul hangen. Auf einmal -starrte er wild unter den Tisch. »Hast du nit einen -Roßfuß? Du gewinnst ja wie der Teufel selberst. -Und noch einmal spielen wir. Meinen Bart setz -ich ein, es ist niemanden in der Pfarre ein schönerer -gewachsen.«</p> - -<p>Mit zitternden Fingern mischte er. Herz war -Trumpf.</p> - -<p>Der Dullhäubel hielt alle Trümpfe in den -Händen und warf sie kichernd auf den Tisch.<span class="pagenum"><a id="Page_191">[191]</a></span> -Dann griff er in das Nähzeug der Wirtin um -die Schere.</p> - -<p>Der Lix riß die Augen auf wie eine gestochene -Geiß. »He, willst du meinen Leib schänden, jetzt, -wo du mich ausgeraubt hast?«</p> - -<p>Der Dullhäubel ergriff den schönen Schnurrbart. -»Halt dich, Lix! Zahl deine Schuld! Zahlen bringt -Frieden.« Und ehe sich der Lix aus seiner Versteinerung -erholte, hatte er ihm den Bart links -und rechts weggeschnitten und ins Kerzenlicht gehalten, -wo das Haar mit übelm Geruch verbrannte.</p> - -<p>Jetzt heulte der Verstümmelte auf und ward -inne, was er verloren hatte.</p> - -<p>Der Dullhäubel war mit dem Kalb schon an -der Luft, und weil er ein wenig schwankte, riß er -einen Stecken aus dem Zaun und stützte sich darauf.</p> - -<p>Hoher Sommer war es. Der Hundsstern ging -auf, verschlafen schaute der Mond in die Welt.</p> - -<p>Im Wald drin rastete der Bauer, er stieß den -Stecken in den Grund und band das Zöpfel dran. -Dann warf er sich neben dem Weg ins Moos.</p> - -<p>Er mochte wohl ein wenig eingenickt sein, als -er aufschrak. Eine Dirne kam daher, jung und -flink wie ein Wiesenwasser.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_192">[192]</a></span></p> - -<p>»Wohin denn in aller Nacht, du Allerschönste?« -fragte er.</p> - -<p>»Zum Bader um einen Blutegel,« erwiderte sie. -»Ist das der richtige Weg?«</p> - -<p>»Schleun dich nit so! Wer ist denn krank?«</p> - -<p>»Dem Vater schwärt der Zahn. Du wirst ihn -ja kennen, den Lukas. Ein Musikant ist er. Er -haltet es nimmer aus vor Weh.«</p> - -<p>»Der Lukas soll zum Fuxloher Schmied gehen, -der reißt ihm zwei Zähne mit einem Griff,« riet -der Bauer.</p> - -<p>»Mein Vater hat schon alles versucht. Mit -einem glühenden Nagel hat er sich den Zahn ausgebrannt. -Es hat nit genutzt. Den Bart hat er -sich wachsen lassen gegen das Weh. Mit einem -Strick hat er den Zahn dem Stier an den Schweif -gebunden; der Zahn hat sich nicht geruckt, eher -wär dem Vieh der Schweif abgerissen.«</p> - -<p>»Setz dich her, Dirn!« lud er sie ein. »Wie heißt -du denn?«</p> - -<p>Sie ließ sich zu ihm ins Moos hin, sittsam deckte -sie die Füße mit dem Kittel zu. Der Mond lugte -ihr in das derbe, frische Gesicht.</p> - -<p>»Müd bin ich,« sagte sie, »übers Gebirg hab ich -müssen. Mechel heißen sie mich daheim, der Schulmeister<span class="pagenum"><a id="Page_193">[193]</a></span> -hat mich Mathilde Schellnober geschrieben. -Und wer bist denn du?«</p> - -<p>Er dachte ein wenig nach. Dann sagte er unschuldig: -»Aus Blaustauden bin ich. Ein Tischlergesell. -Franz bin ich getauft. Nach dem heiligen -Franziskus.«</p> - -<p>Er tastete nach ihrer Hand, sie zuckte nicht zurück.</p> - -<p>»Bist du brav, Tischler?« fragte sie.</p> - -<p>»Freilich. Bei Tag und Nacht bin ich brav. Nur -mit den Weibern bin ich ungeschickt. Ich kann nit -lügen, drum mag mich keine.« So redete er sanft -und traurig.</p> - -<p>»Das ist kein Fehler,« tröstete sie.</p> - -<p>»Mein Geschäft braucht ein Weib, ich möcht mich -selbständig machen. Weißt du mir keine, Mechel?«</p> - -<p>»Ich wüßt genug, aber ich sag dir sie nit.«</p> - -<p>»Warum denn nit, Mechel?« Er drehte den Kopf -wie ein girrender Tauber und schmeichelte: »Du -bist so sauber, dein Bild will ich auf alle Truhen -malen.«</p> - -<p>»Es sind schon noch schönere Dirnen im Wald,« -antwortete sie kurz. Unruhig rückte sie hin und her.</p> - -<p>Schnell legte er ihr den Arm um die Hüfte.</p> - -<p>Sie stieß ihn von sich. »Ich muß zum Bader. -Sonst verzieht sich der Weg hoch in die Nacht.<span class="pagenum"><a id="Page_194">[194]</a></span> -Und das hab ich von der Mutter sagen hören, daß -die Mannsleut alle falsch sind. Du drehst dich um -und liebst eine andere.«</p> - -<p>Er legte die Hand auf den Brustfleck. »O, du -kennst mich nit. Ich bin treu wie der Tauber der -Tauberin.«</p> - -<p>Sie musterte ihn scharf. »Ganz jung bist du -nimmer,« sprach sie.</p> - -<p>»Im besten Saft steh ich, Mechel. Schön bin -ich nit, aber heikel.«</p> - -<p>»Mein Heiratsgut ist gering, Tischler,« meinte sie -zaghaft. »Der Vater ist ein Musikant; was er verdient, -vertut er.«</p> - -<p>»Wenn du nur eine buchsbaumene Bettstatt mitbringst!« -spaßte er. Das Kopftuch zog er ihr herab -und krauelte ihr lind das krause Haar.</p> - -<p>»Meine Zöpfe sind gelb,« lächelte sie, »ich wasch -sie jedes Frühjahr mit Märzenschnee.«</p> - -<p>Er packte das baumfrische Kind fester. »Mechel, -spreiz dich nit!« bettelte er.</p> - -<p>»Du bist aber hitzig, Franz,« lispelte sie verschämt.</p> - -<p>Schneidiger griff er nach ihr. Da blitzte das -Mondlicht an seinem Finger.</p> - -<p>Sie schnellte schreiend auf. »Tischler du tragst -einen Ehring!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_195">[195]</a></span></p> - -<p>Er wurde demütig, seine Stirne krauste sich. -»Im Witstand bin ich, Mechel, im Witstand. Der -Herrgott hat sie mir hingenommen. Niemand kocht -mir, niemand macht mir das Bett.« Die Stimme -knickte ihm.</p> - -<p>Sie wurde neugierig. »Woran ist sie gestorben?«</p> - -<p>»Ich hab gehört, am Rotlauf.«</p> - -<p>»Hast du gut mit ihr gelebt?«</p> - -<p>»Ich hab nit bei ihr liegen wollen, sie hat -kalte Füße gehabt. Ja, ein Wittiber bin ich, und -das ist mein einziger Tadel.«</p> - -<p>Die lieben, dummbraunen Augen der Mechel -glänzten voll Mitleid. Und er merkte es und riß -sie zu sich hin und herzte und halste sie, bis sie -ganz wirr bat: »Tischler, hör auf! Du bringst -mich in die Lieb, und ich bin noch zu jung dazu.«</p> - -<p>Droben schoß ein Stern über den Himmel, -Johanniskühlein flogen glimmend.</p> - -<p>»Laß ab, Tischler! Die Buben werden mir -einen ströhernen Mann aufs Dach setzen. Die -Schand begehr ich nit. – Und wenn einer daherkommt!«</p> - -<p>»Wer wird denn gerad jetzt unterwegs sein!« -tröstete er. »Es rührt und reibt sich nix.«</p> - -<p>Sie rang mit versagender Kraft gegen ihn.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_196">[196]</a></span></p> - -<p>»Ich heirat dich ja. Und wenn du mich gern -hast, der Himmel fallt nit ein,« zischte er.</p> - -<p>Da stapfte es den mondverdämmerten Weg -daher, Steine rollten, ein Stecken klang an einen -Fels.</p> - -<p>Die Mechel sprang auf und rauschte wie eine gehetzte -Hirschkuh ins Gebüsch.</p> - -<p>Die alte Ulla humpelte mit der Geiß daher.</p> - -<p>»Verdammte Nachthex!« brauste der Dullhäubel -sie an.</p> - -<p>»Verspätet hab ich mich. Die Geiß hab ich -zum Bock geführt,« sagte sie bang.</p> - -<p>»Geh geschwind heim, dein Kater will gemolken -sein. Er gibt dir täglich zwölf Seidel Milch, dir -Nachthex.«</p> - -<p>»Bauer, du machst mich schwarz,« flehte sie. -»Die Kinder spotten mir schon nach ›Hex! Hex!‹ -Die Leut speuzen aus vor mir und verriegeln die -Tür, wenn ich betteln komm. Und ich bin doch -nur ein überständiges Weib und kann nimmer -essen, nimmer schlafen.«</p> - -<p>»Aber hexen kannst du,« rief er unbarmherzig.</p> - -<p>»O du gar schlimmer Mann, was feindest du mich -an? Unschuldig bin ich, der Blaumantel kann es -mir bezeugen. O die Welt ist voller Angst und<span class="pagenum"><a id="Page_197">[197]</a></span> -Nöten! Und man kann sich kaum aufrecken bei der -teuern Zeit, kaum schnaufen kann man.«</p> - -<p>Ein toller Schwank war dem Dullhäubel durch den -Kopf geschossen. »Hexen kannst du,« bestand er. »Du -verzauberst den heiligen Blaumantel selber. Ruf -ihn um die Mitternacht. Dann stürzt er dir ins -Haus. Versuch es!«</p> - -<p>Er rannte in das mondscheinige Gebüsch der -Mechel nach. Sie war nimmer zu finden. –</p> - -<p>Als er zur Kapelle kam, räusperte es sich droben -im Föhrenbaum. Zwei dürre Beine schlotterten -vom Ast.</p> - -<p>Der Dullhäubel schlug ein Kreuz. »Wer sitzt -da droben?«</p> - -<p>»Ein Schlaghäusel richt ich auf für den Mondschein,« -erwiderte es. Es war der Narr.</p> - -<p>Der Bauer atmete auf. »Gehustet hast du wie ein -krowatischer Schuster, Zusch.«</p> - -<p>»Ich bin Rudolf von Habsburg, der Sohn Josefs -des Zweiten,« sagte der Narr feierlich.</p> - -<p>»Steig herunter, Zusch, du erschlagst dich!«</p> - -<p>»Ich sterb nit. Ich werd hundertfünfundzwanzig -Jahr alt und fahr dann gleich ins Himmelreich, -weil ich eine reine Jungfrau blieben bin.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_198">[198]</a></span></p> - -<p>»Die Nacht ist nit warm,« hub der Dullhäubel -listig an, »sogar dem Blaumantel scheppern die -Zähne vor Kälte.«</p> - -<p>Der Narr fuhr wie ein Eichkater von der Föhre -herab. »Ich zünd ihm die Kapelle an, dem Heiligen, -daß er sich die Händ wärmt,« murmelte er. -Stumpf lagerte der Blödsinn auf seiner Stirn, -doch seine Augen zündelten.</p> - -<p>»Große Hitz tut dem Blaumantel nit gut,« -lenkte der Schelm ein. »Trag ihn lieber, wenn -der Nachtwächter zwölf schreit, der Ulla in die -Hütte und leg ihn zu ihr ins Bett, dort erwärmt -er sich gewiß.«</p> - -<p>Der Besessene nickte und kletterte in die Kapelle.</p> - -<p>Da lachte sich der Bauer in die Faust und -ging ins Dorf hinauf und klopfte den Wirt wach. -Der tat ihm mürrisch auf, stellte ihm einen -gesalzenen Fisch und ein paar Flaschen Bier hin -und legte sich wieder ins Stroh.</p> - -<p>Der Dullhäubel trank allein im Mondschein. –</p> - -<p>Indessen hatte die Ulla ihr armseliges Bett -bereitet. Sie lag ohne Ruhe, die Reden des -Bauern hatten ihr das kleine Hirn ganz gar und -verwirrt. War sie vielleicht doch, ohne es zu -wissen, eine Gabelreiterin?</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_199">[199]</a></span></p> - -<p>Sie dachte mühselig nach, ob ihr nie etwas zugestoßen, -was nicht geheuer gewesen. Aber ihr -enges Leben lag schlicht und ohne Rätsel vor ihr.</p> - -<p>Lang quälte sie sich ab und flüchtete schließlich -vor sich selber in den Schlaf.</p> - -<p>Da träumt ihr, sie flöge über das Land hin. -Tief unten lagen Kirchturm und Freithof, Häuser und -grasendes Vieh. Über den Wald flog sie und -hob die Knie hoch, daß sie sich nicht an den Tannenspitzen -stoße. An den Nestern streifte sie vorbei, -drin die Rabenhennen gluckten, einem hohen Berg -zu, und der trug ein Feuer. Mitten im Wald -drunten stand ein zerbrochenes Häusel, aus seinem -Rauchfang ritt ein rußiges Weib auf einem Schürhaken -heraus und ritt neben ihr her, und als die -Ulla die andere scharf anschaute, so war sie es -selber. Schaudernd schlug sie ein Kreuz. Da -stürzte sie strahlenschnell in die Tiefe, schlug auf -und erwachte.</p> - -<p>Sie besann sich des Traumes. Es war doch -lustig gewesen, so ohne Beschwernis zu fliegen -und so weit in die Welt hinein zu schauen. Könnte -man nur ganz kleinwunderwenig die Hexenkunst -treiben, wie viel leichter würde doch das bittere -Leben! Ach, sie wollte ja nur der Geiß eine Raufe<span class="pagenum"><a id="Page_200">[200]</a></span> -voll Futter hexen und ein paar Scheiter Holz in -den Ofen, wenn der harte Winter draußen stürmt -und die Hohlwege zudeckt!</p> - -<p>Ein fernes Wachthorn blies vom Dorf her -Mitternacht.</p> - -<p>Da lüstete es die Ulla, jetzt schnell einmal, nur -einmal die Kunst und die Kraft zu versuchen, die -ihr der Dullhäubel andichtete, und weil ihr in der -Eile nichts anderes einfiel, rief sie einen Spruch, -den sie vorzeiten vergeblich gebetet: »Heiliger Antoni, -schick mir den Bräutigam in die Kammer!«</p> - -<p>Und schon trampelte es draußen. Und ob sie es -auch entsetzt mit den Händen abwehrte und den -freveln Spruch widerrief, die Tür ward aufgestoßen, -ein schwarzer Kerl sprang herein, wälzte ihr etwas -Schweres ins Bett und verschwand.</p> - -<p>Der Ulla setzte der Herzschlag aus.</p> - -<p>Der Teufel hatte sie beschenkt. Also war sie doch -eine Hexe. So viele Jahre hatte sie fromm gelebt, und -jetzt verfiel sie der Hölle. O was hatte sie getan?!</p> - -<p>Ein Schuhu höhnte draußen, der Wind murmelte -unheimlich ums Haus.</p> - -<p>In ihr schrie es um Hilfe. Ihre Seele hatte ein -dünnes, verzagtes, windverwehtes Stimmlein und -führte eine unbeholfene Rede.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_201">[201]</a></span></p> - -<p>Alter Leute Seele ist so matt wie ihre Hände. -Und das Gebet der Ulla hatte gebrochene Flügel. -Ihr war, es dringe nicht zu Gott, es steige nicht -über die Tannen hinaus, es falle wie ein Stein -schwer und schmerzhaft zurück in ihr Herz.</p> - -<p>Neben ihr lag das Sündige, Schreckhafte, Unbekannte, -der Zeuge ihres Hexentums. Das Fieber -glühte in ihren Fingern, doch sie wagte nicht hinzugreifen.</p> - -<p>Der Mond rückte und spiegelte in dem weißen -Haar der Greisin. Auf einmal leuchtete er voll über -das Bett.</p> - -<p>Der heilige Blaumantel lag mit wachen, weit -offenen Augen neben ihr.</p> - -<p>»O weh, der Dullhäubel hat nit gelogen,« seufzte -sie, »Ich bin eine Hex!«</p> - -<p>Schwerfällig tickte die Uhr, und da ihr Zeiger -immer wieder zurücksank, wußte das Weib nicht, -ob der Morgen schon nahe sei. Furchtsam schaute -sie den an, der ihr Bett teilte.</p> - -<p>Als es graute, spannte sie die Geiß vor ein -Wägelein, lud den Heiligen auf und schaffte ihn -zurück in die Kapelle. – – –</p> - -<p>Der Mond grinste.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_202">[202]</a></span></p> - -<p>Um den Dullhäubel drehte sich die Welt wie -ein Rad. Er lehnte sich an einen Baum und horchte. -Irgendwo quackten die Frösche.</p> - -<p>»Ihr Grillnöder, was singt ihr?« schrie er. »Ihr -könnt es ja nit.« Er fing an zu quacken, die Frösche -ein Besseres zu lehren. Doch sie ließen sich nicht -schulmeistern.</p> - -<p>Dann heulte er auf wie ein Mondscheinhund -und weckte alle Kläffer und Köter rings in den -Einschichten, daß sie zornig bellten oder in gezogenem -Geheul klagten und die Leute in den Betten ängstigten.</p> - -<p>Die Kapelle war leer. Da johlte der Trunkene: -»Herrgott, schau herunter! Dein Heiliger schlaft -bei einem alten Weib.«</p> - -<p>Der Wendehals auf der Fähre drehte den Kopf -nach dem kreisenden Himmel. Ein Schuhu kreischte. -Ohne Rast gurgelte der Wolfsbach.</p> - -<p>Wie der Dullhäubel neben dem Wasser dahintaumelte, -rutschte er aus und plumpste hinein. Die -kühle Flut wusch ihm den Kopf und ernüchterte ihn. -Er blies, ächzte und schnaubte und kroch ans Ufer, -den Blaumantel verwünschend, dem er das Unglück -zuschrieb.</p> - -<p>Als er sich wieder auf den Füßen fühlte, war sein -erster Gedanke: »Heut hau ich einmal mein Weib!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_203">[203]</a></span></p> - -<p>Er kam heim und tappte durch den Hof ins -Vorhaus. Die Stubentür aber war versperrt; -ein Strohsack lag davor, der schien für ihn bereitet.</p> - -<p>Der Dullhäubel rüttelte. »Ogath, ich sag dir -es im guten, tu auf!«</p> - -<p>Drin rührte sich nichts.</p> - -<p>»Bäurin, tu auf! Tu auf, Bäurin! Ich bin -es. Der Dullhäubel ist es. Dein Kasper,« schmeichelte -er. »Weib, laß dir sagen, riegel auf!«</p> - -<p>Er drängte das Ohr ans Schlüsselloch. Kein -Hauch war zu hören.</p> - -<p>Da kam ihm die Hitze. »Tu auf, Weib, sonst -hol ich die Hacke und spreng die Tür auf!«</p> - -<p>Drin meldete es sich ruhig: »Wag es! Den -Kittel schlag ich dir um den Schädel, solang ein -Fetzen dran ist. Draußen hast du den Strohsack.«</p> - -<p>»Laß mich doch nit zugrund gehen!« schluchzte -er. »In den Bach bin ich gefallen, waschelnaß -bin ich.«</p> - -<p>»Warum bist du nit ersoffen?« sagte sie aufgebracht. -»O mein gottseliger Mann, der Gid, ist -tausendmal besser gewesen als du! Das ganze Geld -versäst du im Saufhaus.«</p> - -<p>»Herr, erbarm dich meiner!« murmelte er wie bei -einer Litanei.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_204">[204]</a></span></p> - -<p>»Den Hof versaufst du, deine Kinder werden -einmal nacket gehen!«</p> - -<p>»Herr, erbarm dich meiner!« antwortete er dumpf.</p> - -<p>»Die Kellnerinnen reißt und rumpfst du herum.«</p> - -<p>»Herr, erbarm dich meiner!«</p> - -<p>»Nacht für Nacht reitest du die Zung in die -Schwemm,« eiferte sie. »Vertu nit alles, daß du -einmal ein anständiges Begräbnis kriegst!«</p> - -<p>»Begraben muß ich werden. Das hab ich noch -nie gehört, daß einer eingeackert worden ist.«</p> - -<p>»Schäm dich! Der Dunst und Dampf redet -aus deinem Hirn.«</p> - -<p>»Ich schäm mich in den Kniebug hinein, da sieht -es niemand.«</p> - -<p>»Hast du das Kalb in den Stall eingestellt? -Hast du es nit verjuxt?«</p> - -<p>»Jesmaria, das Kalb hab ich im Wald vergessen!« -rief er erschrocken. »An den Zaunstecken steht es -gebunden.«</p> - -<p>»Himmlischer Vater, da haben wir wieder den -Schaden! O wenn das mein Gottseliger erlebt hätt!«</p> - -<p>Die häufige Mahnung an den Gottseligen verdroß -ihn. Er wollte überhaupt für heute die Zwiesprache -enden. Drum sagte er: »Weib, ich bet jetzt. -Stör mich nit! Du begehst eine Todsünd.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_205">[205]</a></span></p> - -<p>»Du und beten?!« spottete sie. »Ja sausen und -brausen laßt du es, dein Gut verstreust du. Und -ich muß mich mit den zwölf Menschern durchfretten.«</p> - -<p>Er richtete sich auf. »Weib, reiz mich nit! Wenn -ich wild bin, ist der Zorn auch gleich da. Wer -macht uns arm? Du mit deiner Fruchtbarkeit. -Was du treibst, ist zuviel. Und nit einen einzigen -Buben, lauter Menscher! Die kannst du dir nit -genug kriegen, zu Dreikönig eins, zu Allerheiligen -wieder eins.«</p> - -<p>»Du Schandvogel!« schalt und schelmte sie. -»Du Rabenseel!«</p> - -<p>Er blieb nichts schuldig. »Du Truchtel, sei still!«</p> - -<p>Ein Schimpf rankte sich in den andern.</p> - -<p>»Du Flank du, du Schlank du!«</p> - -<p>»Du Runzel, du Schlunzel!«</p> - -<p>»Du Sauftümpel, du Galgenbraten!«</p> - -<p>»Du Zahnraffel, du Schürhaken!«</p> - -<p>»Du Abfaum, du alter Schepperer!«</p> - -<p>»Du Schebrelle, du Rabatsche!«</p> - -<p>»Du lasterhaftes Bockfell!«</p> - -<p>Er gab nach. »Weib, wie einen Pudelhund -beutelt es mich vor Kälte. Erbarm ich dir nit? -O an dir erleb ich keine Freud, jeden Schluck in -die Gurgel zählst du mir!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_206">[206]</a></span></p> - -<p>Murrend warf er sich auf den Strohsack.</p> - -<p>Der reichliche Trunk wirkte, und der Dullhäubel -schlief ein.</p> - -<p>Kaum hatte er die Augen zu, so beugte sich -der Blaumantel über sein Bett, daß ihm der -hölzerne Leib krachte.</p> - -<p>»Dullhäubel,« wispelte er, »ich bleib nimmer in -der Einöd. Es sind mir zu viel Narren und -Diebe da.«</p> - -<p>»Ich trag dich nach Blaustauden,« stöhnte dienstwillig -der Träumer.</p> - -<p>»Zu den hochnasigen Heiligen in die Kirche will -ich nit,« erwiderte der Blaumantel, »die Goldenen -und Silbernen verachten meine hölzerne Kutte. -Schieb mich ins Dorf! Neben dem ›pfalzenden -Hahn‹ will ich sein.«</p> - -<p>Gleich stand der Dullhäubel hinter der Kapelle -und schob an und stemmte sich daran, es war eine -schwere Plage, aber die Kapelle rückte nicht vom -Ort, und der Bauer schnaufte und ein scharfer Durst -peinigte ihm Zunge und Gaumen und brannte -ihm tief in den Schlund hinab, und sogar Magen -und Gedärme dürsteten ihm und lechzten nach -einem Trunk. Und wieder warf sich der Dullhäubel -gegen die Mauer, drängte und schob. Den Schweiß,<span class="pagenum"><a id="Page_207">[207]</a></span> -der ihm von den Brauen tropfte, fing er mit dem -Maul auf, um sich zu erquicken. Doch die Kapelle -saß wie ein Fels in der Erde. Da bleckte der -Blaumantel wild lachend die Zähne, schwang sich -aufs Dach und ritt droben wie ein Reiter auf -dem Roß und schrie: »Wieh!« Jetzt rührte sich -die Kapelle und fuhr wie ein schneller Wagen -bergan.</p> - -<p>Der Dullhäubel erwachte, staunend und blöd -hockte er auf dem Strohsack.</p> - -<p>Den peinigenden Durst zu löschen, richtete er -sich auf und tappte in den Keller, wo auf einer -Bank die Milchtöpfe standen, ergriff einen davon -und soff. Er mußte saufen, süß oder sauer, Kuhmilch -oder Geißmilch, es galt ihm gleich. Er soff -wie ein glühender Stein. In endlosem Zug -schlampte er den Ton bis auf das Neiglein aus, -wischte sich schnaufend den Bart und taumelte satt -hin aufs Stroh. –</p> - -<p>Der Hahn krähte, der Tag graute an. Schon -rumorte die Bäurin in der Stube.</p> - -<p>Mit einem schrecklichen Druck im Magen erwachte -der Dullhäubel. Er stützte sich ächzend, riß das -Maul auf, und ein wilder Blutguß schoß auf das -Pflaster des Vorhauses.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_208">[208]</a></span></p> - -<p>»Bäurin! Bäurin!« winselte er. »Zu Hilf, -schnell! Aus ist es! Dahin geht es!«</p> - -<p>Als sie aus der Stube kam, brach ihm wieder -das Blut in dickem Strahl aus dem Hals. Sein -Auge stierte, Bart und Brust und Hände, Strohsack -und Estrich, alles war rot besudelt.</p> - -<p>Die Ogath rang die Hände über dem Kopf. -»Himmlischer Vater, er hat den Blutsturz!«</p> - -<p>»Rühr dich!« stöhnte er. »Den Pfarrer hol, den -Bader! O mir ist hundselend! Den Pfarrer schickt -mir, ich bin ein großer Sünder. O, daß ich gar -so viel Blut hab!«</p> - -<p>»Den Bauch reib ich dir mit Kampferöl,« rief -sie. »Ich koch dir ein Helfkräutel, einen Tausendguldenkrauttee, -der hilft.«</p> - -<p>»Nix hilft,« schrie er ungeduldig, »den Geistlichen -hol!«</p> - -<p>Sie rannte die Bodenstiege hinauf und weckte -die Kinder. »Wabel, Reigel, Rosel, Portiunkel, -Stasel, Kathel, Liesel, Urschel, Mariandel, Kundel, -Luzel, Stanzel! Geschwind, der Bauer geht ein!«</p> - -<p>Die zwei ältesten Töchter liefen nach Blaustauden.</p> - -<p>Die Wabel klopfte das Pfarrhaus wach. »Hochwürden, -der Vater hat Blut lassen. Die Mutter -laßt bitten, Ihr sollt ihm die Seel aussegnen. Den<span class="pagenum"><a id="Page_209">[209]</a></span> -Flederwisch nehmt auch gleich mit, daß Ihr den -Bauer besprengt!«</p> - -<p>»Wenn es den letzten Schnapper giebt, kommen -sie daher,« zürnte der Geistliche. »Sonst sieht man -manchen nit in der Kirche. Es stehen in der Meß -oft mehr Heilige als Leut umeinander.«</p> - -<p>»Rennt, Pfarrer! Das Blut schießt ihm heraus -wie gestern der abgestochenen Sau.«</p> - -<p>Der Herr Nonatus war ein seeleneifriger Mann. -Er sagte: »Ich geh gleich mit. Der größte Sünder -ist mir am allerliebsten, und der Dullhäubel zahlt -sich aus. Meßner, läut das Speisglöckel!«</p> - -<p>Die Reigel weckte den Bader.</p> - -<p>Der bärbeißige Wundarzt Gottfried Mehlstäubl -nahm gleich eine Flasche Blutegel mit.</p> - -<p>»Was ist denn los mit dem Dullhäubel?« -fragte er. »Hat er wieder einen Kapuzinerrausch -heimgebracht? Hat er sich die Wampe überfressen? -Ist ihm der Darm auseinander gesprungen?«</p> - -<p>»Blutkrank ist er,« weinte die Reigel. »Einen -ganzen Zuber voll Blut hat er gespieben. Jetzt -lechzt er.«</p> - -<p>»Heul nit, Dirndel, ich helf ihm. Ich hab schon -andern Leuten geholfen. Unserm Burgermeister hab<span class="pagenum"><a id="Page_210">[210]</a></span> -ich den Bandwurm abgetrieben, fünfzig Ellen -lang.« –</p> - -<p>Derweilen lag der Dullhäubel blutig im Stroh. -Er hörte in der Ferne das Glöckel, dessen Geläut -den Weg des Pfarrers begleitete. Er betete: -»Heiliger Blaumantel, liebreicher Fürbitter im -Himmel, steh zu mir! Wenn ich wieder gesund -bin, stift ich dir eine Kerze, so lang wie eine Deichsel, -vor deiner Kapelle soll sie brennen Sommer und -Winter, Tag und Nacht.«</p> - -<p>Der Grazian, der wegen seines Alters als -Meßner abgedankt worden war, fand sich ein, und -nicht ungern sah er die letzte Stunde des Schelmen -nahe. Denn die verweste Geiß stank ihm noch -immer aus dem Magen, und er hatte den Streich -nie verwinden können.</p> - -<p>»Schau, schau, Dullhäubel,« sagte er, »gestern -hast du noch heimgejodelt von der Siebenkittelwirtin, -und heut gehst du auf dem letzten Gras. ›Gestern -im Trab, heut ins Grab‹, heißt es. Du schaust -aus wie der linke Schächer.«</p> - -<p>Der Bauer griff an die Brust, die Zunge -schlotterte ihm. »Mir wird ganz herzschlächtig.«</p> - -<p>»Zieh die Strumpf und die Schuh aus, Dullhäubel, -und renn der Höll zu! Wart nit auf die<span class="pagenum"><a id="Page_211">[211]</a></span> -heilige Wegzehrung, sie hilft dir nimmer. Ja, den -Tod betrügst du nit, du Sündenbock, du Leutfopper, -du Bauchbruder, du Trost dem Teufel! Dahin -mußt du mit deinen Rieben und Ränken. Ich seh -dich schon schneeweiß in der Truhe.«</p> - -<p>»Ich sterb nit,« kreischte der Dullhäubel auf.</p> - -<p>»Rümpf dich und wind dich, du kommst ihm -nit aus, dem Sensenwetzer. Im Sündenstank -fahrst du hin.«</p> - -<p>»Jedes Haar wirft seinen Schatten,« wehrte -sich der Bauer. »Warum soll denn gerad ich keinen -Fehler haben?!«</p> - -<p>Unbarmherzig predigte der Meßner: »Jetzt liegst -du auf der Streu, jetzt schießt das Blut heraus, -das wilde Dullhäubelblut, das kein gut getan hat -sein Lebtag. In einer kurzen Weil tümmelt der -Teufel vor der Tür und zerrt dich davon bei den -Füßen. In die Höll strudelst du hinab.«</p> - -<p>»Laß mich aus, Grazian, verschon meine -Sterbensnot!«</p> - -<p>»Ja, mein lieber Freund, jedem wird gelohnt -nach seinen Werken. Wenn der Teufel herwürgt -mit offenem Schlund und hernach deine Seel -zwischen den Zähnen hintragt, ich trau mir es gar nit -zu sagen, wohin! Ja, mein lieber Freund, wenn der<span class="pagenum"><a id="Page_212">[212]</a></span> -ganze Himmel papieren wär, und auf jedem Stern -säß ein Schreibersknecht, sie könnten allsamt gar nit -beschreiben, was eine Seel leidet im ewigen Pech.«</p> - -<p>»Meßner, das weiß ich. Ich dank dir.« Der -Schweiß brach dem Bauer aus.</p> - -<p>Die Ogath trat aus der Stalltür. »Der Didelmann -hat uns das Kalb daher gebracht, gottlob,« -sagte sie, »es ist ganz wild.«</p> - -<p>Wieder hub der Grazian an: »Es ist schad, -Dullhäubel, daß Gott dich mit so einem guten, -wirtschaftlichen Weib versorgt hat!«</p> - -<p>»Bäurin, ich will gut tun, wenn ich wieder aufkomm,« -gelobte der Dullhäubel.</p> - -<p>»Ja, wenn die Zaunstecken blühen,« sprach sie -unwirsch. »Du tätst es wieder treiben wie ehmals, -die Händ schonen, die Weiber verfolgen, Vieh und -Leut foppen. Ausgestanden hab ich genug mit dir. -Ein Selbstler bist du gewesen, hast an Weib und -Kind nit gedacht und an die Gemeinde nit, nur -an dich und allweil nur an dich. Und eine lederne -Röhre hast du im Hals, die brennt und muß feucht -gehalten werden. So, jetzt hab ich dir es gesagt.«</p> - -<p>»Gelts Gott, Bäurin, gelts Gott! Du hast die -Wahrheit geredet,« wispelte er. Die Augen fielen -ihm zu.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_213">[213]</a></span></p> - -<p>»Heilige Mutter Anna,« schrie der Grazian, »er -wird schon blau! Der Teufel schreit juchhe.« Er -stieß ein Gebet aus. »Lasset uns beten zu den -heiligen drei Königen, sie sollen ihm den Weg weisen, -er muß in die Ewigkeit wandern.«</p> - -<p>Jetzt kam der Pfarrer mit dem Bader daher, -und die Dirnlein drängten nach, neugierig und -furchtsam.</p> - -<p>Der Bauer tat die glasigen Augen auf und -röchelte: »Pfarrer, Bader, der Tod geht mir zu.«</p> - -<p>Der Wundarzt Gottfried Mehlstäubl staunte: -»Sakerlot, du hast unglaublich viel Blut gekotzt! -Mensch, mußt du vollblütig sein! Wo fehlt es denn? -Hast du ein kaltes Fieber oder ein glosendes? Schüttelt -es dich? Reißt es dich? Kratzt dich der Hals? -Ist dir das Zäpflein gefallen?«</p> - -<p>Der Kranke deutete auf den Magen. »Da in der -Herzgrube tut es weh.«</p> - -<p>»Hast du den Stuhl offen?« forschte der Arzt. -»Hast du dich nit überfressen, Schlauch? Ja, der -Fraß wühlt sich mit dem eigenen Rüssel das Grab -auf. Die Runstadern sind dir geschwollen. Tu das -Maul auf und zeig her deinen Schlung!«</p> - -<p>»Im Bauch rumpelt es mir,« flüsterte der Bauer.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_214">[214]</a></span></p> - -<p>Der Bader entschied: »Du hast es auf der Leber. -Eine jede Krankheit rührt von der Leber her. Du -hast wohl einen kalten Trunk getan, he?«</p> - -<p>»Bader, gib mir was ein, ein Pulver, einen Saft, -daß ich am Leben bleib!« klagte der Dullhäubel.</p> - -<p>»Halt das Maul, Wehdarm! Ich muß auch einmal -sterben,« antwortete der Gottfried Mehlstäubl.</p> - -<p>»Da schau meine unversorgten Kinder an und -hilf!« Der Bauer deutete mit Kinn und Bart auf -die zwölf Dirnlein.</p> - -<p>»Kinder hast du in allen Größen wie eine Bodenstiege. -Aber was nutzt das alles, wenn sich eine -giftige Sucht einschleicht. Ich schätz, du überlebst -die Stund nimmer.«</p> - -<p>»Herr Pfarrer,« lallte der Dullhäubel, »richt mich -her – für die Ewigkeit!«</p> - -<p>Da drückte ihm der Grazian einen geweihten -Rosenkranz in die Hand, die Ogath wischte mit dem -Fürtuch über die Augen, die Kinder weinten.</p> - -<p>»Gottlob, daß du dich nit in Halsstörrigkeit verhärtest, -Dullhäubel,« begann der Pfarrer. »So tu -Reu und Leid, mein lieber Christ!«</p> - -<p>Des Baders Neugier war noch nicht gestillt. -»Und wo fehlt es denn sonst noch, Bauer? Plagen -dich die Würmer? Bläht dich der Wind?«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_215">[215]</a></span></p> - -<p>Doch der Dullhäubel räusperte und rächste sich, -fuhr jäh auf, gurgelte, und wieder schoß das Blut -heraus. Alle wichen zurück, die Bäurin scheuchte -die Kinder hinaus. Blaß und matt sank der Bauer -zurück.</p> - -<p>Der Gottfried Mehlstäubl krauste die Stirn. -»Seltsam! Seltsam! Vetter, die Reih ist an dir. -Hättest du mir alle Jahr deinen Brunn schauen -lassen, wie der Grazian da, tät ich mich in deinem -Leib besser auskennen.«</p> - -<p>»Der Tod zeichnet ihn,« sagte der Pfarrer. »Laßt -uns allein, daß ich ihn geschwind noch auströste!«</p> - -<p>Da gingen alle hinaus.</p> - -<p>»Öl mich ein, Hochwürden, öl mich! Richt mich -zusamm – fein sauber – für den Weg!« drängte -der Bauer.</p> - -<p>»Jetzt, Dullhäubel, häut dich!« begann der Herr -Nonatus Hurneyßl. »Tu ab das Gewand deiner -Sünden! Wann und wo bist du das letztemal -beichten gewesen? Bei mir nit.«</p> - -<p>»Den zweiten Sonntag nach Ostern – hab ich -gebeichtigt – in Bärnloh.«</p> - -<p>»So, so, in einer fremden Pfarre, bei dem schwerhörigen -Pater, und an dem Tag, wo die Roßdieb<span class="pagenum"><a id="Page_216">[216]</a></span> -beichten gehen? Eine saubere Seel! Aber jetzt -her mit deinen Sünden!«</p> - -<p>Der Dullhäubel bekannte: »Öfter hab ich mich -versündigt als Steine im Bach sind und Bäume -im Wald.«</p> - -<p>»Sieben Straßen laufen zur Höll, das sind -die Todsünden. Hast du eine begangen?« forschte -der Pfarrer.</p> - -<p>Der Sünder sprudelte: »Gefressen hab ich, gesoffen, -gerauft, gescholten, geschworen, gelogen und -betrogen, die Weiber nit in ihren Ehren lassen, -mit den Jungfern gescherzt, am Freitag bin ich -fensterln gangen, den Leumund hab ich den Leuten -genommen, verfrevelt hab ich mich gegen den heiligen -Blaumantel. Jetzt weiß ich nix mehr.«</p> - -<p>Dem Pfarrer wirbelte das Hirn. »Ein Gewissen -magst du haben wie ein Scheuertor,« staunte er.</p> - -<p>»Der Teufel hat mich im Schlund, reiß mich -heraus, Hochwürden!« zeterte der Dullhäubel. -»Bind mich los, bind mir die Sünden ab und -öl mich!«</p> - -<p>»Nur langsam, Dullhäubel, und hübsch eins -nach dem andern. Hast du nit gejuchzt und gejodelt -und gegalmt zur Unzeit und unzüchtige -Rockenlieder gesungen?«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_217">[217]</a></span></p> - -<p>»Das hab ich alles getan, Pfarrer. Bind mich los!«</p> - -<p>»Ich will dich nit dem Teufel zuteil werden -lassen. Aber sag mir, hast du ein einzigesmal im -Leben ein gutes Werk verrichtet?«</p> - -<p>»Freilich, Pfarrer. Die Feiertage hab ich emsig -gehalten, die abgeschafften auch. Und zwölf Christen -hab ich in die Welt gesetzt.«</p> - -<p>Der rüstige Beichtvater sah ihn verdutzt an. -»Ah, so bist du gesotten? Du willst unsern Gott -und unsern Teufel überlisten?« Und er holte aus -und reichte dem Sünder eins auf den Schädel. -»Dafür erlaß ich dir die Bußgebete, du alter -Spaßvogel.«</p> - -<p>»Das ist mir lieb,« sagte der Dullhäubel erleichtert.</p> - -<p>»Jetzt geratest du halt ins Fegfeuer, Bauer, -und das ist eine scharfe Lauge. Wasch dich drin, -reib dir die Seel unverdrossen ab! Und fahrst du -hernach in den Himmel, so führ dich gut auf, daß -du meinem Pfarrsprengel keine Schand antust.«</p> - -<p>»Ich werd mich doch nit zu dem höllischen -Bären verirren?« verzagte der Kranke. »Ist es -drunten wirklich so heiß?«</p> - -<p>Der Pfarrer schaute den Dullhäubel ernsthaft -an. »In der Höll ist es so heiß, daß die gepeinigte -Seel, die den Kniffen und Kunstgriffen des Satans<span class="pagenum"><a id="Page_218">[218]</a></span> -erlegen ist, gar kläglich herausschreit: ›Gebt mir -ein Schmiedfeuer, daß ich mich dran kühl!‹ So -kalt ist das irdische Feuer dagegen.«</p> - -<p>»Ich riech schon lauter Brand,« wimmerte der -Bauer. »O wär ich gesund, ich wollt anders leben! -Einen Sack tät ich anziehen und wallfahren gen -Maria-Dorn. Sterb ich aber,« seine Stimme versiegte -schier, »so stift ich eine ewige Meß meiner -Seel zum Trost, und dem Blaumantel, meinem -Fürbitter, soll ein Wachsstock brennen hundert Jahr. -O weh, wie schlecht wird mir jetzt!«</p> - -<p>»Was ist, Dullhäubel, was ist?«</p> - -<p>»Der Schleim steigt mir im Hals, ich erstick, ich -krieg den Schleimschlag! O weh, von der Welt -scheid ich, in die Höll spring ich.« Er rülpste, und das -Blut sprudelte ihm wieder gräßlich aus dem Hals.</p> - -<p>»Leut, er stirbt!« schrie der Pfarrer.</p> - -<p>Der Bader, der Grazian, der Knecht und die -Kinder liefen herein.</p> - -<p>Schrecklich schaute der Bauer aus, weiß wie -Kalk lag er dort, die Lippen voller Blut.</p> - -<p>Die Ogath trug die brennende Sterbekerze daher -und drückte sie ihm in die Hand. Er aber verdrehte -die Augen grausam und fluchte: »Sakerment, bin -ich noch nit hin?!« Er röchelte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_219">[219]</a></span></p> - -<p>»Bäurin,« meinte er auf einmal, »es ist wunderlich, -jetzt mitten im Sterben lüstet mich nach einem -Schnupftabak. Geh, tu mir die Lieb an! Es ist -das Letzte, was ich von dir begehr.«</p> - -<p>»Jetzt ist ausgeschnupft,« sagte sie kurz. »Jetzt -halt die Herren nit auf und schau zu, daß du -einmal stirbst!«</p> - -<p>»Ich sterb, und keines tut einen Schrei,« sprach -er wehmütig, »keins weint einen Tropfen, keinen -Seufziger druckt es euch aus.«</p> - -<p>Der Kopf sank ihm auf die Seite, das Kinn -hing ihm.</p> - -<p>»Jetzt erklenkt ihn der Satan,« rief der Grazian.</p> - -<p>»Macht Tür und Fenster auf, sonst reißt seine -Seel ein Loch durchs Dach!«</p> - -<p>»Ihm stehen schon die Augen,« nickte der Bader.</p> - -<p>»Er ist am Weg,« flüsterte der Pfarrer.</p> - -<p>Der Sterbende hauchte noch einmal: »Mein -letzter Wille! Meine Töchter – dürfen nur auf -einen Hof – hinheiraten, wo ein Glöckelturm drauf -ist. Ich bin ein großer Bauer – gewesen.«</p> - -<p>Jetzt lag er blaß und still.</p> - -<p>Die kleinen Dirnlein klammerten sich weinend -an den Kittel der Mutter, und sie zog tief Atem: -»Jetzt bin ich wieder eine Wittfrau.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_220">[220]</a></span></p> - -<p>Plötzlich erhob sich im Keller ein großes Geschrei. -Die Wabel, die älteste Tochter, kam die Staffeln -herauf, einen leeren Topf in der Hand.</p> - -<p>»Mutter, ich weiß, was dem Bauer fehlt!« Sie -lachte, daß ihr die Zähren rannen, sie lachte, daß -sie den Atem verlor und schier in einem Husten -erstickte.</p> - -<p>Der Gottfried Mehlstäubl nickte. »Sie ist närrisch -worden.«</p> - -<p>»Was lachst du jetzt, wo dein Vater vor das -ewige Gericht hintritt?« verwies sie der Pfarrer -streng.</p> - -<p>Die Wabel schwenkte den Topf. »Blut hat er -gespieben,« brüllte sie vor Lachen, »Blut, aber nit -sein eigenes. Gestern haben wir eine Sau getötet, -das Blut haben wir ihr abgelassen, in den Keller -haben wir es gestellt. Der Vater hat in seinem -Rausch – das ganze Saublut ausgesoffen.«</p> - -<p>»Herrgott von Blaustauden,« schrie die Bäurin, -»das ganze Saublut? Heut hab ich es backen wollen.«</p> - -<p>Leben und Röte kehrten in die Wangen des Dullhäubel -zurück, er tat die Augen ganz schmal auf -und lallte: »Liebe Freunde, es ist nit unmöglich.«</p> - -<p>Des Pfarrers Hals verfiel in einen Krampf.</p> - -<p>Der Bader hielt sich den Bauch. »Gespieben<span class="pagenum"><a id="Page_221">[221]</a></span> -hast du wie ein Hochzeitshund, Dullhäubel. Du -könntest die Wissenschaft irr führen! Du hast aber -auch einen sauberen Hinfahrtsfraß genossen. Gelt, -die Suppe ist dir zu feist gewesen? Jetzt steh auf, -nimm dein Bett und geh!«</p> - -<p>Der Herr Nonatus Hurneyßl hatte sich wieder -beruhigt. »Bauer,« sagte er, »der Herrgott hat dir -heut einen Spiegel vorgehalten. Fang ein neues -Leben an!«</p> - -<p>Der Dullhäubel drückte pfiffig ein Auge zu. -»Bader, ich bin allweil schnell gesund worden. -Einmal hab ich mir beim Holzhacken eine Hand -wurzweg abgehaut. In vierzehn Tagen ist sie mir -wieder sauber nachgewachsen. Heut weiß ich nimmer, -ist es die linke gewesen oder die rechte. Und jetzt, -Ogath, gib den Tabak her! Das ist die beste Arznei.«</p> - -<p>Er schnupfte, legte sich dann zurück, schnarchte -wie eine Brettmühle und überließ die um sein -Sterbebett Versammelten ihren Betrachtungen.</p> - -<hr class="tb" /> - -<div class="chapter"> -<p>Blitzblau lugten die Schlehstauden drein, und -die letzte Bauernrose brannte im Gärtlein. Die -Luft hing voll zarter Fäden, die alten Weiber -hatten ihren Sommertag.</p> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_222">[222]</a></span></p> - -<p>Im Stadel drosch die Ogath mit ihren ältesten -Töchtern das Rüttstroh, sie wollte damit die Betten -frisch füllen. Fröhlich klangen die drei prallenden -Flegel, und der Dullhäubel legte dem Dreischlag -die Worte unter: »Schind die Katz!« und schlich -sich hinter den Stauden davon, um der Tenne -auszuweichen.</p> - -<p>Die Kapelle umging er in einem Bogen: des -Blaumantels Blick vertrug er nimmer, weil er -ihm die Kerze nicht opferte, die er ihm in der -Sterbensangst gelobt hatte.</p> - -<p>Vom Dorf klingelte der Schmiedhammer.</p> - -<p>Beim Sulpiz gab es immer Gesellschaft, Köhler -brachten die hölzerne Kohle, Fuhrleute ließen die -Rösser beschlagen, die Bauern ließen sich die Axt -schärfen, Kundschaft kam mit zerbrochenem Eisengerät, -und manchen trieb andere Not hin.</p> - -<p>Heute suchte der Lukas Schellnober in dem -rußigen Gewölbe Hilfe. »Schmied,« redete er, -»du bist die letzte Zuflucht. Der Zahn tut mir -arg weh, ich könnt mir das Kinnbein vom Schädel -reißen.«</p> - -<p>»Sieh ihm den Zahn, Sulpiz!« meinte der Dullhäubel. -»Speib in die Händ, der riesige Mann -hat Zähne wie eine Wildsau.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_223">[223]</a></span></p> - -<p>Der Sulpiz Schlagendrauf beeilte sich nicht. -Er trug eine glühende Stange zum Amboß. Bevor -er drauf schlug, reckte er sie jeden von seinen -drei Weibern hin, die er an die Wand gerußt -hatte, und gröhlte: »Leck! Leck! Leck!« und dann -fuhr er jäh und heimtückisch damit dem Dullhäubel -unter die Nase: »Schmeck! Schmeck!«</p> - -<p>Der Bauer fuhr zurück bis zur Tür.</p> - -<p>Zornig hämmerte der Meister auf das Eisen -los. Es war nicht zu verwundern, daß die Kinder -von Fuxloh den wilden Mann mit dem verworrenen -Rußbart für den Teufel hielten.</p> - -<p>»Hau zu, Schwarzer,« neckte der Dullhäubel aus -wohlabgemessener Ferne, »hau zu und denk, du -hast dein viertes Weib unter dir!«</p> - -<p>Der Sulpiz schüttelte den Hammer. »Halt das -Maul oder ich zerschmied dich! Was stehst du da -wie eine Martersäul? Hast du daheim keine -Arbeit? Was begehrst du?«</p> - -<p>»Die Feuerzang sollst du mir leihen, daß ich -meine Bäurin wieder einmal angreifen kann.«</p> - -<p>Das gefiel dem Schmied. Er tauchte die Stange -ins Wasser, daß sie zischte, und deutete auf eines -von den Rußbildern. »Die erste dort, die Luzel ist -es. Einmal fahrt sie zur Kirchweih nach Bärnloh,<span class="pagenum"><a id="Page_224">[224]</a></span> -ich bin allein im Haus. Um Mitternacht klopft -es an die Tür, steht ein Kohlschwarzer draußen, -die Augen glosen ihm. Ich soll ihm den Rappen -beschlagen. Ich schau das Roß an. Es hat zwei -schwarze Zöpf geflochten wie die Luzel. Die zwei -wilden Augen schauen mich an wie die Luzel, wann -sie mit mir gerauft hat. Ich beschlag das Roß -auf allen vier Hufen. Der Kerl springt drauf, -sagt kein Geltsgott, und reitet dahin. In der -Früh liegt mein Weib neben mir im Bett mit -Hufeisen an Händen und Füßen.«</p> - -<p>Der Sulpiz lachte, daß das Eisen in der Werkstatt -klirrte.</p> - -<p>»Du kannst leicht lachen, Schmied, dich martert -nix,« sagte der Zahnwehmann und hielt sich den -verbundenen Kopf.</p> - -<p>»Schäm dich, Musikant,« tadelte der Rußige. -»Du bist so stark wie ein Felsenbaum und dabei -so ungesund.«</p> - -<p>»Wer ist heutigentags gesund?« greinte der -Lukas. »Ja, vormals haben die Leut mehr ausgehalten. -Mein Vater zum Beispiel hat Glas gefressen, -das Blut ist ihm aus dem Maul geronnen, -er hat Bier darüber gegossen, und gut ist es gewesen. -Bis er einmal so ein neuartiges Lampenglas<span class="pagenum"><a id="Page_225">[225]</a></span> -gegessen hat, da ist er magenkrank worden. -Das neumodische Teufelswerk ist nix nutz, das -altwäldlerische Glas ist viel milder gewesen.« Und -er wimmerte auf: »Weh und weh, mein Zahn!«</p> - -<p>Der Schmied ließ sich auf den Amboß hin: -»Duck dich her, Lukas!«</p> - -<p>Da kauerte der Musikant auf die Erde, der -Sulpiz klemmte den verbundenen Kopf zwischen -seine Kniee und zog einen Schlüssel aus der Tasche.</p> - -<p>»Tu das Maul auf! Welcher Zahn ist es?«</p> - -<p>Ächzend deutete der Leidensmann in sich hinein. -Der Schmied griff zu und drehte, daß ihm die -Adern am Arm schwollen, indes der Geklemmte -die vierzehn Nothelfer anschrie.</p> - -<p>»Der Stockzahn rührt sich nit, der Teufel!« -schalt der Sulpiz. Er fuhr dem Gepeinigten noch -einmal ins Gebiß, und mit einem Ruck, daß schier -der Amboß wankte, riß er einen mächtigen Zahn -heraus.</p> - -<p>»Du hast den falschen erwischt,« rief der Lukas, -»das gilt nit!«</p> - -<p>»Die Hauptsach ist, daß das böse Blut abgeht,« -tröstete der Zahnbrecher. »Jetzt geh zum Misthaufen -und speib das Blut aus!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_226">[226]</a></span></p> - -<p>Der Musikant legte ein Sechserlein auf den -Amboß. »Wenn es besser wird, trag ich den Zahn -nach Maria-Dorn und häng ihn der Muttergottes -mit einem seidenen Band um den Hals,« gelobte er.</p> - -<p>»Und du lümmelst noch allweil da?« schnauzte -der Schmied den Dullhäubel an. »Ich verdien -Geld, und du versäumst dein Geschäft.«</p> - -<p>»Ich kann nix versäumen, Meister.«</p> - -<p>»Eine junge Dirn ist da gewesen und hat nach -deinem Hof gefragt. Sie will in den Erdspiegel -schauen.«</p> - -<p>Hastig nahm der Dullhäubel den Weg unter die -Füße.</p> - -<p>Es war zum erstenmal, daß ihn jemand um den -Erdspiegel anging. Die Leute waren schon zu klug. -Zu des Ähnels Zeiten trug der Spiegel viel mehr -ein als der Opferstock in der Kirche, die Bittsteller -kamen aus aller Weite; wer ihnen das Roß gestohlen -oder den Stall verhext, wollten sie wissen -und wollten allerhand Heimliches ausfindig machen. -Das war vorbei.</p> - -<p>Der Bauer sann nach, wie er den Erdspiegel -wieder in Schwang und Ruf bringen könne. Heute -schien sich eine gute Gelegenheit zu bieten. Er -nahm sich vor, die Dirne erst um ihr Anliegen<span class="pagenum"><a id="Page_227">[227]</a></span> -zu fragen, dann wollte er sich in den Keller sperren, -als ob er Hokuspokus triebe, und dort würde ihm -schon die rechte Antwort einfallen.</p> - -<p>In seinem Hof droschen die drei immer noch, -und die kleinen Dirnlein spielten vor der Scheuer, -eines kitzelte die andern auf die nackten Sohlen -und rief: »Wer schmunzt, wer lacht, wer die Zähn -für reckt, der gibt ein Pfand.«</p> - -<p>Als der Dullhäubel die Stube leer fand, schwante -ihm Schlimmes, und er lief in den Keller.</p> - -<p>Die Tür zum Erdspiegel war aufgerissen.</p> - -<p>Ins Halbdämmer des Raumes brach durch ein -Guckloch ein Strahl und traf den runden Spiegel, -der auf einem Felsblock lag. Eine junge Dirne -beugte sich drüber und rätselte an den Zeichen, die -auf das Wunderglas gemalt waren: eines glich der -Ziffer vier, ein anderes führte drei Zinken wie -eine Mistgabel, das dritte trug einen Ring mit -zwei Hörnlein.</p> - -<p>Der Bauer erkannte im Halblicht die Fremde -nicht. »Was sprengst du mir die Tür?« schalt er. -»Bist du eine Räuberin?«</p> - -<p>»In meiner Verzagtheit hab ich es getan,« antwortete -sie. »Verzeih mir, Spiegelmann!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_228">[228]</a></span></p> - -<p>Er schob sie weg und schaute lange und ernst -hinein in das Glas. Dann sagte er geheimnisvoll: -»Ich seh es, du kommst wegen einer Liebschaft.«</p> - -<p>»Siehst du meinen Schatz auch?« rief sie heftig. -»Er ist mir verloren gegangen. Wo find ich ihn?«</p> - -<p>Er starrte in den Spiegel und sann auf eine -hübsche Lüge.</p> - -<p>»Merkst du was?« fragte sie voll Neugier. »Ich -hab nur den Dreizahn gesehen und den Hörnerbock -und den Vierer.«</p> - -<p>»Das sind die Zeichen der drei Heidengötter,« -flüsterte er. »Weiberleut sehen nur das im Erdspiegel. -Und dann, bist du noch eine Jungfer, he? -Bist du nit schon einmal über das sechste Gebot -gestolpert?«</p> - -<p>»Aber hingefallen bin ich noch nit.« Sie kehrte -sich verschämt ab.</p> - -<p>»Es ist, als ob heut der Spiegel rauchig wär,« -redete der Dullhäubel in das Glas hinein. »Hätt -ich nur das Zauberbuch nit verlegt, ich könnt dir -gleich verraten, wo sich dein Liebhaber herumtreibt.«</p> - -<p>Da versuchte auch sie hineinzuspähen, und da -sich ihr junger Leib dabei derb an den Bauer -schmiegte, ließ er sie gewähren.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_229">[229]</a></span></p> - -<p>Plötzlich schrie sie hell auf: »Da schaut er heraus, -der Tischler Franz, der mit mir hat Adam und -Eva spielen wollen!« Und jäh sich besinnend, -starrte sie den Dullhäubel neben sich an und packte -ihn beim Bart. »Du bist es gewesen, Erdspiegler, -der mir die Heirat versprochen hat!«</p> - -<p>Es war die Mechel Schellnober.</p> - -<p>Er begehrte auf. »So kommst du mir? Mir, -dem Dullhäubel? Ich kenn dich nit. Ich bin ein -verheirateter Mann. Willst du Unfried stiften in -meinem Haus? Gleich fahr ab, du Lügenwachtel, -sonst schrei ich um den Schergen!«</p> - -<p>»Lügst du aber keck!« staunte sie. »Und du bist -es gewesen, und wenn du auch leugnest wie ein -Spitzbub. Ich kenn dich an dem kugelrunden Schädel, -an dem roten Bart, an dem kurzen Hals. Denselben -Filzhut mit derselben Schnalle hast du aufgehabt. -Komm einmal ans Licht hinauf! Du willst -dich weiß brennen, willst tun, als ob du die nackete -Unschuld selber wärst.«</p> - -<p>»Das bin ich auch. Und den Hut hab ich mir -erst gestern gekauft, du zottige Gretel. Beweisen kann -mir keiner nix. Und ans Licht geh ich just nit, mir -ist warm, und im Keller ist es schön kühl.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_230">[230]</a></span></p> - -<p>»So steig ich allein hinauf, Erdspiegler, und klag -es deinem Weib.«</p> - -<p>Da stieß er sie zurück und sprang ihr voran die -Stiege hinauf, lief vors Haus und schrie: »Bäurin! -Wabel, Reigel, Rosel! Kinder, kommt schnell! Stasel, -Kathel, Liesel! Sakerment, mir fallen die Namen -nit ein!«</p> - -<p>Die Mechel erschrak, als sie auf einmal mitten -in einem Ring von Jungfern und Dirnlein stand.</p> - -<p>Mit dem Finger deutete der Dullhäubel auf sie. -»Weib, Kinder, die mannsleutnärrische Schnudel -da ist mir in den Keller nach, ganz putipharisch -hat sie nach meiner Unschuld begehrt. Aber ich bin -ihr nit ins Eisen gegangen.«</p> - -<p>»Gibt es denn keine Wahrheit mehr auf der -Welt? Hat der Schauer alle guten Leut erschlagen?« -weinte die Mechel. »Erdspiegler, du stellst -mich her, daß kein Hund mehr ein Bröckel Brot von -mir frißt. Und du hast mir versprochen –.«</p> - -<p>Er ließ sie nicht ausreden. »Sie hat die Bubensucht; -sie lügt, ich hätt ihr die Heirat versprochen. -Kinder, den Vater will sie euch nehmen, und dir, -liebes Weib, den Ehmann!«</p> - -<p>»Sie soll dich nur mitnehmen,« sagte die Ogath.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_231">[231]</a></span></p> - -<p>»Was? Das wollt ihr euch gefallen lassen?« -Seine Stimme verstieg sich. »Und ihr jagt sie -nit aus dem Hof?«</p> - -<p>»Ich zeig dir schon, was es heißt, einen neuen -Trieb kriegen,« lachte die Bäurin wunderlich. Und -sie fiel mit den Töchtern über den Dullhäubel her -wie Hündinnen über einen Bären, im Hui wälzte -er sich, die Hiebe fielen wie ein Schlossenschauer über -ihn, er konnte sich ihrer nicht erwehren.</p> - -<p>»Blaumantel, hilf! Die Mannsleut müssen zusamm -halten,« rief er.</p> - -<p>»So, jetzt nimm dir ihn mit,« sagte die Bäurin -zur Mechel, »wir schenken dir ihn herzlich gern.«</p> - -<p>»Ich mag ihn nit,« antwortete die Fremde. »Und -zu wegen seiner wird aus mir keine Klosterfrau. -Die Welt ist kein Krautgarten, mein Glück wachst -überall.«</p> - -<p>Mit trotzigen Schritten ging sie davon. –</p> - -<p>Der Dullhäubel wurde durch die Schläge nicht -gebessert. Am selben Abend noch tat er dem Grazian -Schande und Spott an.</p> - -<p>Er spielte mit einem fremden Sautreiber im -Wirtshaus bis spät in die Nacht Karten. Der -Meßner trank ihnen eifrig zu, denn der Sautreiber -zahlte ihm die Zeche, aber auf einmal lag er mit<span class="pagenum"><a id="Page_232">[232]</a></span> -der Stirn auf dem Tisch und schlief. Da löschte -der Dullhäubel die Lampe, versperrte die Fensterladen -und tat mit seinem Spießgesellen in der stichdunkeln -Stube, als spielten sie weiter. Als die zwei -immer wilder schrieen und immer fester mit der Faust -in den Tisch schlugen, erwachte der Grazian. Er -hörte sie die Trümpfe ausschreien und Farbe bekennen, -und als er nichts sah, stammelte er mit -zitternder Stimme: »Leut, ich bin blind. Ich hab -mich blind gesoffen.«</p> - -<p>Der Dullhäubel ließ ihn eine ganze Stunde in -der entsetzlichen Meinung, und am nächsten Tag -lachte ganz Fuxloh über den blinden Grazian.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Der Mai blühte aus.</p> - -<p>Die Fuxloher hielten am Pfingstmontag abends -vor der Kapelle eine Andacht. Der abgedankte -Meßner Grazian hatte den Weibern ein neues Lied -beigebracht, und sie sangen es, und der Bach sauste -darein, der geschwollen war, weil ein Wetter niedergegangen -übers Gebirg.</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Der Tag ist vergangen,<br /></span> -<span class="i0">der Abend ist hier,<br /></span> -<span class="i0">gute Nacht, o Maria,<br /></span> -<span class="i0">bleib ewig bei mir!«<br /></span> -</div></div> -<p><span class="pagenum"><a id="Page_233">[233]</a></span></p> -<p>Wie das Lied so herzerheblich hinüberflog über -die Wiesen zum Wald, daß alle, die da sangen, -ihre Freude hatten, watete der Dullhäubel durchs -Gras daher, brachte einen Schemel mit und setzte -sich abseits den andern darauf. Und als die frommen -Stimmen der Weiber sich in die höchsten Höhen -erflogen, stimmte er überlaut sein eigenes Lied an.</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Wer will mit mir wallfahrten gehn,<br /></span> -<span class="i0">muß tragen ein Paar Schuh,<br /></span> -<span class="i0">muß Käs und Brot mitnehmen,<br /></span> -<span class="i0">muß aufstehn in der Fruh.«<br /></span> -</div></div> - -<p>Da wurden die andern in ihrem Lied langsam -irr, eine Stimme nach der andern verzagte und -hörte auf, bis zuletzt nur des Dullhäubel traurig -gezogene Weise sich behauptete.</p> - -<p>»Was irrst du uns?« schalt der Grazian betrübt.</p> - -<p>Die Weiber redeten erbost auf den Störenfried -ein. Der aber sagte: »Ich sitz auf meiner Wies, -und auf meinem Grund sing ich, was mir gefallt. -Ihr habt wie die Nattern gesungen. Was braucht -ihr das neumodische Schnaderhüpfel? Mein Lied ist -allweil gesungen worden, seit die Kapelle steht, und -bleiben soll es, wie es bräuchlich gewesen ist.«</p> - -<p>Da konnten die Fuxloher nichts dawider reden, -sie verzichteten auf den neuen Gesang, und der Grazian<span class="pagenum"><a id="Page_234">[234]</a></span> -hub eine Litanei an. Doch auch sie stockte bald, -und besonders die Weiber wurden verwirrt und des -Betens überdrüssig, weil der Dullhäubel mit starrem -Blick sie anschaute, als wolle er sie verzaubern. -Es wurde ihnen angst.</p> - -<p>Schließlich begehrte der Grazian auf, dem die -ganze Andacht verdorben war: »Was schaust du -so unsinnig her?«</p> - -<p>»Mein Schemel ist aus neunerlei Holz,« sagte -der Schelm.</p> - -<p>»Ist das eine Antwort auf meine Frag? Wie -steht es mit deinem Hirn?«</p> - -<p>»Wer auf einem Schemel aus neunerlei Holz -sitzt, sieht alle Hexen.«</p> - -<p>Die Weiber fuhren auf wie gestörte Wespen. -»Er beleidigt uns alle!« schrie die Burgermeisterin.</p> - -<p>»Du sei still,« warnte der Dullhäubel, »ich schau -auf deinem Kopf ein Krähennest.«</p> - -<p>»Dem Kaiser soll man schreiben, daß er den -Böswicht abschafft,« sagte die Iglin.</p> - -<p>»An deiner Nase hängt eine Fledermaus, Iglin. -Grins nur her und zahn mich an! Ich fürcht mich nit.«</p> - -<p>Jetzt wagte keine mehr zu schimpfen, um des -Dullhäubel Bosheit nicht auf sich zu ziehen. Nur -die Spuchtin rief: »Ist denn keiner unter euch<span class="pagenum"><a id="Page_235">[235]</a></span> -Mannsleuten, der sich unser annimmt und ihm den -Herrn zeigt?«</p> - -<p>Der Longinus Spucht duckte sich hinter dem -breiten Schmied, und der Schmied seufzte schwermütig: -»Ach ja, alte Weiber gibt es genug auf -der Welt!«</p> - -<p>Der Dullhäubel frohlockte: »Mein Guckähnel -hat sieben Weiber gehabt, und alle sieben hat er -erschlagen. Zuletzt haben ihn tausend Engel in den -Himmel gehoben.«</p> - -<p>Die Weiber standen auf und gingen, die Männer -verliefen sich, und den Grazian hörte man noch -fern im Wald schimpfen.</p> - -<p>Jetzt war der Dullhäubel mit dem Heiligen allein.</p> - -<p>Dem hatten sie den welken Kranz aus Hagebutten, -Silberdisteln und Heide mit frischen Maiblumen -ersetzt.</p> - -<p>Der Wald nachtete ein, Mondlicht flunkerte in -den Stauden, in der Wiese knarrte der Wachtelkönig.</p> - -<p>Der Dullhäubel riß den Heiligen aus der Kapelle. -»Eine Kerze hab ich dir versprochen, so lang wie -eine Deichsel. Der Wachszieher aber bietet solche -nit feil, und so kann ich mein Wort nit lösen. Und -du verdienst es auch nit, Blaumantel. Wie oft ich<span class="pagenum"><a id="Page_236">[236]</a></span> -dich anruf, du hilfst mir nit. Da rinn den alten -Weibern nach!« Er warf ihn in den Wolfsbach.</p> - -<p>Da war ihm, der Blaumantel werde in dem -angeschwollenen Bach lebendig und drehe teuflisch -den Kopf nach ihm zurück, rühre die Arme und -schlage Räder im Wasser.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Am andern Abend, der Mond hing dürr und -krumm und armselig überm Vogeltänd, da kam -die Wabel aus dem Dorf herunter gelechzt: »Bauer, -ein ganzer Schober Leut rennt daher, den Blaumantel -begehren sie von dir, Gabeln und Drischeln -tragen sie und wollen dich erschlagen.«</p> - -<p>»Du hast in ein Wespennest gestriegelt, Bauer,« -sagte die Ogath.</p> - -<p>Dem Dullhäubel rann es kalt über die Haut. -»Verrammelt das Tor!« rief er.</p> - -<p>Seine Leute schleppten Eggen und Pflüge herbei -und sperrten das Tor mit Ketten, Wagen und -Wiesbäumen. Die Fenster waren durch eiserne -Gitter gesichert.</p> - -<p>Der Bauer selber stand am Dachboden und -hielt zum Guckloch den Schießprügel hinaus, womit -die Erzväter gewildert hatten. Sein Weib<span class="pagenum"><a id="Page_237">[237]</a></span> -betete drunten, betete um einen glücklichen Ausgang, -die Kinder knieten totenblaß um sie.</p> - -<p>Schon trampelten die Feinde den Waldweg daher, -wie die Wölfe im Winter kamen sie. Sie läuteten -mit Kuhglocken, bliesen und lärmten.</p> - -<p>Dreschflegel ragten über sie hinaus, Sensen, -Hellebarden und abgedankte Spieße. Die Gesichter -waren berußt oder mit Moosbärten verhüllt, ein -tückischer Mummenschanz. Immer stärker wurde -ihr Geschrei: »Hin muß er werden! Haar und -Kopf muß er lassen, der Schelmenbub!«</p> - -<p>Jetzt stauten sie sich vor dem Gehöft, und der -Dullhäubel sah sie genauer. Es wimmelte und -wibelte drunten. Die Hüte hatten sie mit Reisig besteckt, -die Röcke verkehrt, Männer hatten Weiberkittel -an. Einer hatte ein Hirschgeweih vor die -Stirn gebunden, andere deckten sich hinter hölzernen -Larven oder trugen alte Kriegshelme oder -stülpten sich Körbe über den Kopf. Einer trug sogar -einen Schnabel, die eiserne Unzier, wie sie böse -Weiber vorzeiten hatten tragen müssen am Pranger.</p> - -<p>Der Dullhäubel meldete sich, ehe sie ihm das -Haus stürmten. Vom Guckloch rief er hinab: »Guten -Abend miteinander!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_238">[238]</a></span></p> - -<p>Da hoben sich die verlarvten Gesichter, uralte -Faustbüchsen zielten herauf, sie schrieen, pfiffen, läuteten -mit eisernen Töpfen, und einer blies wahnwitzig -in ein Kuhhorn.</p> - -<p>Auf einmal war es still. Ein kurzer Mann trat -vor, Maul und Kinn gedeckt mit einem wüsten -Baumbart, und forderte aus verstelltem Hals: »Gib -uns den Blaumantel zurück, du hast ihn im Moos -versenkt!«</p> - -<p>»Meiner Seel, ich hab ihn nit!«</p> - -<p>»Wo ist er dann? Du weißt es.«</p> - -<p>»Der Blaumantel? Der schalanzt wo im Land -herum. Traut ihm nit, Fuxloher! Er kann sich nit -ausweisen, nit einmal in der römischen Kanzlei -kennen sie ihn.«</p> - -<p>»Wo der Heilige ist?« klang es wilder.</p> - -<p>»Er ist zum Himmel aufgeflogen. Oder hat er -sich eine bessere Kapelle ausgesucht. Was weiß -ich? Laßt mich in Ruh!«</p> - -<p>Stimmen gellten: »Er spottet noch, der Schlechtling! -Bis ins Schienbein hinein ist er verwahrlost! -Stecht ihm eine Lucke! Erstechen soll man ihn! -Erstechen!« Ein Spieß erhob sich steif aus dem -Haufen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_239">[239]</a></span></p> - -<p>»Wollt ihr mich auch verkrüppeln wie meinen -liebsten Freund, Gott hab ihn selig, den Müllner?« -klagte der Dullhäubel. »Oder wollt ihr mich umbringen? -Leut, vergeßt euch nit! Geht hin, woher -ihr gekommen seid! Eure Weiber haben euch -aufgehetzt.«</p> - -<p>»Röhr nit, Fuchs! Uns kriegst du nimmer -dran. Heut rechnen wir ab,« stieg es aus der Tiefe.</p> - -<p>»Was kommt ihr mit den Waffen daher? Ich -bin ein friedlicher Mann.«</p> - -<p>»Einen Igel fangt man mit eisernen Handschuhen,« -antwortete es.</p> - -<p>»Hütet euch!« beschwor er sie. »Ich hab den -Erdspiegel, der ist im Zeichen des Skorpions gegossen -worden.«</p> - -<p>»Den Spiegel zerschlagen wir dir. Abrechnen -müssen wir!« scholl es wirr durcheinander. »Wem -von uns hast du noch nix angetan, du Schnittlauch -auf allen Suppen?«</p> - -<p>»Liebe Landsleut, hört mir zu! Habt ihr schon -einen Galgen gesehen? In der Kriminalstube ist -einer aufgemalt, zwanzig Schuh hoch, eine Leiter -dran, ganz blutig. Liebe Landsleut, habt ihr schon -einen nacketen Sabel gesehen? Der Scherg hat -einen umgebunden, der Herr Anton Zinkinker, ihr<span class="pagenum"><a id="Page_240">[240]</a></span> -kennt ihn alle. Wie wird euch ums Herz sein, -wenn er euch ins Haus kommt mit dem Spieß -am Gewehr, mit dem Federbusch am Hut, wenn -er euch die Hand auflegt und schreit« – der Dullhäubel -brüllte – »wenn er schreit: Im Namen des -Gesetzes!!?«</p> - -<p>»Wir fürchten uns nit. Es weiß keiner, wer -wir sind,« scholl es. »Du tanzt uns nimmer lang -am Buckel. Wir legen dich kalt.«</p> - -<p>Einer schrie: »Teufel, halt den Sack auf, diesmal -ist der Kasper zeitig.«</p> - -<p>»Du bist der abgedankte Meßner.« Der Dullhäubel -deutete hinab. »Deine Stimme kenn ich. -Und deine schelchen Achseln.«</p> - -<p>»Du irrst dich,« antwortete der drunten, »ich -bin heut gar nit da.«</p> - -<p>Drunten wurden sie still, sie reckten die Köpfe -zusammen und hielten Rat. Es war die unheimliche -Ruhe vor dem Donnerschlag. Dem Dullhäubel -rann der kalte Schweiß. Er wußte, jetzt -müsse er den Fuxlohern anders kommen, ehe es -zu spät war.</p> - -<p>»Der Kalender ist mir gebrochen,« kicherte er -hinunter. »Ich weiß nit, ist heut aller Narren -Kirchfahrt oder der blinde Irtag. Geht heim und<span class="pagenum"><a id="Page_241">[241]</a></span> -legt euch ein ehrliches Gewand an, ihr verzweifelten -Buben!«</p> - -<p>Da rüttelten sie schon am Tor, daß das Haus -bebte.</p> - -<p>Der Dullhäubel reckte eine brennende Kerze zum -Guckloch hinaus. Verdutzt hielten die drunten ein.</p> - -<p>»Sippschaft,« schrie er mit seiner grellen Stimme, -»das ist eine Kaiserkerze!«</p> - -<p>»Blas sie aus! Sie geht uns nix an,« erwiderte -ein Männlein, das die Nase in einem Wetzsteinkumpf -stecken hatte, so daß sie gespenstisch lang -erschien.</p> - -<p>»Mein Ähnel hat sie am Schlachtfeld gekriegt, -die Kerze,« sagte der Bauer, »der Kaiser selber -hat sie geweiht.«</p> - -<p>Der Mann mit dem Kumpf aber rief hitzig: -»Der Kaiser soll uns – – –!« Kurzum, er tat, -mit Ehren zu melden, eine landläufige Rede, die -sonst gar niemanden Wunder genommen hätte und -die ihm auch von keinem verübelt worden wäre. -Aber der Dullhäubel fischte sie auf.</p> - -<p>»Leut,« schrie er, »jetzt hat einer von euch den -Kaiser beleidigt. Drauf steht die härteste Straf, -der Tod durch Pulver und Blei. Der mit dem -langen Schnabel dort und mit dem dicken Bart,<span class="pagenum"><a id="Page_242">[242]</a></span> -der Longinus Spucht ist es gewesen, der dem Kaiser -die Arbeit geschafft hat. Und du, Glöckelbauer, -Burgermeister von Fuxloh, hast dazu mit dem Kopf -beifällig genickt, hast ihm Recht gegeben. Wenn -der Kaiser das erfahrt?! Und ihr andern, ihr steht -da und habt es gehört und schlagt den nit gleich -auf dem Fleck nieder, der das kaiserliche Erzhaus -derartig beleidigt?«</p> - -<p>Die Fuxloher wichen vor dem Spucht zurück -wie vor einem Gezeichneten. Ihnen hingen zerknirscht -die Köpfe, die wilden Vorsätze waren aus -dem Geleis gesprungen. Ratlos schielten sie nach -dem Burgermeister.</p> - -<p>Der Schelm droben schmiedete sein Eisen. »Spucht, -du weißt, was dir bevorsteht: Pulver und Blei! -Du tust mir leid.«</p> - -<p>»Du wirst doch den Spucht nit dem Schergen -angeben?!« sagte der Glöckelbauer kleinlaut. »Das -Angeben ist eine Schand, der Angeber steht gleich -hinter dem Totschläger.«</p> - -<p>Eine kleine Gestalt mit langer Nase löste sich -von dem Schwarm und rannte in den Wald hinein.</p> - -<p>Der Burgermeister meinte, er habe mit der -Sache nichts mehr zu schaffen, und verschwand. -Einer nach dem andern verzog sich, und bald war<span class="pagenum"><a id="Page_243">[243]</a></span> -der Anger vor dem Hof leer, und die Dullhäubelleute -räumten die Verschanzung weg.</p> - -<p>»Die Bockmelker, die Nebelschieber, die Heiligenfresser! -Mit der Feuerspritze gehen sie gegen den -Mond los,« lachte der Schelm aus dem Guckloch. -»Meiner Seel, wenn ein Narr vom Himmel fallt, -soll er auf Fuxloh fallen, bei uns findet er die -richtige Gemeinde.«</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Der Longinus Spucht rannte so scharf und -rastlos durch den Vogeltänd, daß ihm das Herz -unbändig schlug und er fürchtete, es springe ihm aus -dem Maul heraus.</p> - -<p>Seither wurde er nimmer gesehen. Sein Weib -suchte ihn eine Woche lang umsonst.</p> - -<p>In wenigen Tagen umspannen wilde Gerüchte -den verschwundenen Mann. Sein schwarzer, zottiger -Bart, die unruhigen, stechenden Augen und besonders -die verwegenen Räuberlieder, die er immer gesungen, -verschafften ihm, der ansonst ein wohlberüchtigter -Mann gewesen, bald den Ruf eines Weglauerers -und Räuberhauptmanns.</p> - -<p>Uralte Waldgeschichten vom Räuber Schierling -tauchten wieder auf, der den Leuten den<span class="pagenum"><a id="Page_244">[244]</a></span> -Geldbeutel abgeschreckt und sie auf die Bäume -hinaufgejagt und schließlich heruntergeschossen hatte -wie Kranwitvögel, und vom bayrischen Hiesel, der -von den Wanderern die Zunge als Maut genommen -und hernach sich das Messer gestrichen hatte an -den Hosen. Gar bald war auch der Spucht der -Mittelkern solch gefährlicher Sagen, die von einigen -zufälligen Geschehnissen genährt wurden.</p> - -<p>So gingen einmal die Dirnlein des Dullhäubel -um Beeren und kamen weit in die Wälder hinein. -Da ward der kleinen Luzel bang vor der lautlosen -Öde, sie weinte, und um sie zu stillen, erzählte -ihr die Stasel ein Märlein. Ach, es fiel ihr gerade -ein gar schauriges ein, daß ihr selbst davor angst -wurde!</p> - -<p>Sie erzählte: »Und die zwei Kinder sind in -einen Wald kommen, und allweil tiefer und tiefer -sind sie hinein, und der Wald ist stockfinster worden -vor lauter wildem Laub und krummen Ästen, und -noch immer hat der Wald kein End genommen. -Auf einmal steht vor ihnen – – – das Räuberhaus.« -Sie flüsterte dieses Wort, ins Herz davor -erschaudernd.</p> - -<p>Im gleichen Augenblick standen die Kinder vor -einer verwurzelten Höhle, drin schlief der Spucht,<span class="pagenum"><a id="Page_245">[245]</a></span> -eine Pistole in der Hand. Die Kleinen rannten -über Rain und Stein davon und sprengten hernach -schreckliche Geschichten im Dorf aus.</p> - -<p>Bald darauf fand der Burgermeister, als er in -aller Frühe vors Haus trat, einen Zettel auf dem -Zaun stecken. Es war ein Brandbrief.</p> - -<p>Am Dorfanger berieten sich die Fuxloher. Sie -sahen sich schon als Abbrändler mit einem Bittgesuch -von Haus zu Haus gehen. Der Brunnkressenhannes, -der am schönsten lesen konnte, las -den in bauchiger, derber Schrift geschriebenen Brief -mit schauriger Stimme vor.</p> - -<p>»Ihr Fuxloher Haderlumpen, Am Tag Medardi -Brennt Dem Igelbauer Sein Stadel. Wer Löschen -Hilft, Dem Zünd Ich Auch Unter. Willst Du -Wissen, Wer Ich Bin? Schmecks.«</p> - -<p>»Den Brief hinterlegen wir beim Gericht,« entschied -der Burgermeister.</p> - -<p>»Was hilft mir das?« klagte der Igel. »Wenn -es lichterloh aus dem Dach schlagt, was nutzt das -Gericht? Der Nachtwächter muß die ganze Nacht -um meine Scheuer herum gehen.«</p> - -<p>»Da müssen ein paar tapfere Leut bei mir -sein,« wehrte sich der Nachtwächter, »ich setz das -Leben nit allein aufs Spiel.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_246">[246]</a></span></p> - -<p>Der Grazian rief auf einmal: »Der Teufel -schickt seinen Vorreiter daher, der weiß euch Rat.«</p> - -<p>Schon von fern winkte der Dullhäubel. »Leut, -brennen wird es! Unsere rote Henne hat gekräht.«</p> - -<p>»Da habt ihr es,« greinte der Igel.</p> - -<p>Der Dullhäubel zog die Nase hoch. »Brändelt -es nit schon?«</p> - -<p>Alle Augen richteten sich gen den Berghang, -wo des Igelbauers Wirtschaft war. Aber sie lagerte -friedlich, und nur ein linder Qualm hing über dem -Rauchfang.</p> - -<p>»Dullhäubel, spaß nit!« mahnte der Glöckelbauer. -»Der Schrecken ist mir ins Knie gefahren.«</p> - -<p>Der Brunnkreßner legte den Brandbrief zusammen. -»Der Schreiber ist in keine gute Schul -gangen,« sagte er mißbilligend, »jedes Wort hat -er mit einem großen Buchstaben angefangen. Das -ist falsch.«</p> - -<p>»Ganz recht ist es,« stritt der Dullhäubel. »In -einem Brief schreibt man alles groß, daß keine -Beleidigung geschieht.« –</p> - -<p>Die Fuxloher forschten nicht nach, wer den Zettel -geschrieben. Aber die Brandwächter, die nachts -um des Igels Scheuer lungerten, hielten die -Schießprügel fest und warteten, und der Nachtwächter<span class="pagenum"><a id="Page_247">[247]</a></span> -sagte halblaut: »Der Spucht, der rennt einem -ohne weiters das Messer hinein. Er hat ein kaltes -Herz.« –</p> - -<p>Der verrufene Mann irrte indes auf Diebssteigen -in den Wäldern des Lusens, fraß Krauselbeeren -und hauste in einem umwurzelten, umknorrten Loch, -eine Eiche hatte dort die Fänge eingeschlagen. Er -spürte hinter jeder Staude Schergen und kaiserliche -Reiter und sah den Himmel voller Galgen.</p> - -<p>Nur wenn ihn der Hunger gar zu hart peinigte, -traute er sich an eine Einschicht heran und half den -Leuten, die den Mann mit dem wilden Bart nicht -kannten, das Gras mähen und verlangte dafür -Suppe und Brot. »O weh,« seufzte er oft, »wenn -die einöden Leut hören, daß ich den Kaiser geschändet -hab, sie werden mir nix mehr geben, und -ich kann Holzobst fressen wie die wilden Säu!«</p> - -<p>Er führte eine ungeladene, zerbrochene Pistole -bei sich und wäre arg verlegen gewesen, wenn er -damit ein wildes Tier hätte abwehren müssen.</p> - -<p>Er ward schwermütig. Er dachte, jetzt käme er -nimmer heim zu seinem Weib und nach Fuxloh. -Und Eisen und Zuchthaus warteten auf ihn. Pulver -und Blei!</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_248">[248]</a></span></p> - -<p>Am schlimmsten war ihm in der Nacht, wenn die -Eulen wimmerten, finstere Bäche unheimlich für sich -hin redeten, schwarze Bügel flogen und Gespenster -schwärmten. Da nahm der Spucht oft vor der -eigenen Angst Reißaus und geriet in fremde, abseitige -Schluchten und fremdes Gestrüpp und Gesträuß -und fand lange nicht zurück in die bekannte -Gegend.</p> - -<p>Einmal ging er nachts auf einem fremden Holzsteig, -der war so unheimlich, als ob der Teufel dort -herumstinke. Der feurige Mond leuchtete, hinter -finstern Stauden brummte ein Hirsch, verzagte -Wacholderstöcke standen karg und schaudernd im -Wind. Und wie der Spucht so einschichtig durch -die Wildnis strich, sah er auf einmal am Weg einen -Mann, der schien zu lauern.</p> - -<p>»Halt, Longinus, das gilt dir!« dachte der Spucht. -Die Ohren sausten ihm.</p> - -<p>Der Mond verkappte sich hinter einer dicken -Wolke. Die Moosgeiß rief gespenstisch wie eine -verirrte Kuh, und entsetzt rannte ein Bach aus dem -finstern Wald. Fern leuchtete eine Einschicht auf.</p> - -<p>Der Spucht nahm sein Herz in die Hand, ging -auf den scheulichen Kerl los, nahm den Hut ab und -sagte gar erbärmlich: »Ich bitt um Verzeihung,<span class="pagenum"><a id="Page_249">[249]</a></span> -Herr, ich hab mich verirrt. Wie heißt denn der -Wald da?«</p> - -<p>»Totenkopf.«</p> - -<p>»Und der Bach da?«</p> - -<p>»Mörderbach.«</p> - -<p>Nach der Einschicht fragte er nimmer, denn der -Bösewicht hätte gewiß geschrieen, sie heiße »Stichzu!« -und wäre mit einem langen Messer hergesprungen.</p> - -<p>Der Spucht kehrte sich um und stotterte ein -Schutzgebet: »Gott, steure mich ins Himmelreich!« -Die Zähne schepperten ihm, er meinte, jetzt pfeife -ihm eine Kugel in den Rücken. Er rannte, bis er -mit dem Bart in einer Dornstaude hängen blieb.</p> - -<p>Die Einöd ist des Menschen Feind. In der -Einöd ist alles zu fürchten.</p> - -<p>Dort steht ein Wald, brandig und dürr bis in -den letzten Wipfel hinauf, geisterhaft rieseln die roten -Nadeln nieder. Das Gespenst eines Holzknechtes, -den ein stürzender Baum erschlagen, erwürgt diesen -Wald.</p> - -<p>Dort ist ein Gehölz, und geht man nächtens dort, -da fragt vom Wipfel ein Unbekannter herunter: -»Wohin?«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_250">[250]</a></span></p> - -<p>Dort in der Schlucht ist ein Jäger für immer -verschollen. Oft schreit sein Geist drin auf.</p> - -<p>Der Spucht starb jede Nacht vor Furcht. Und -mancher Baum reckte ihm die festen Äste hin und -knarrte: »Häng dich auf, Spucht!«</p> - -<p>Von Heimweh getrieben, schlotterte er schließlich -gen Fuxloh.</p> - -<p>Die Bäume verdüsterten sich schon, als er durch -den Vogeltänd huschte. Es wurde wieder unheimlich. -Eine Unke läutete im Moor, sie rief wie eine -verlassene Wittib. Ein Dämmervogel strich. »Es -ist eine Schneiderseel,« flüsterte der Spucht und -bekreuzte sich.</p> - -<p>Mitten im zerfahrenen Hohlweg lauerte ein Mann -genau so wie der im Totenkopfwald am Mörderbach -bei der Einschicht Stichzu. Oder war es gar -ein Spießwächter? Wird er nicht jetzt wie ein -brennender Löwe herspringen, den Scheuchhund -neben sich?</p> - -<p>Alles war karthäuserisch still. Der Wind rührte -nur einen einzigen Ast, und der knarrte. Ein Klagweiblein -schwang sich in die Luft, flatterte und schrie.</p> - -<p>Der Spucht faßte Mut und schrie: »Ich schieß -dich nieder, Hund, daß du meckerst! Ich laß dir das -Messer hinein, daß es dir hinten wieder hinaus steht!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_251">[251]</a></span></p> - -<p>Der im Hohlweg aber lachte grausig.</p> - -<p>Da schrie der Spucht: »Bist du geheuer oder nit?«</p> - -<p>Der Dullhäubel stand wie der Teufel da. »Wo -nebelst du herum, Longinus? Zieht dich das Gewissen -her?«</p> - -<p>»Bauer, Gnad und Erbarmen! Verrat mich nit!« -flehte der Spucht.</p> - -<p>»Die Soldaten suchen dich, Longinus, zwölfhundert -Mann mit einer Kanon, der Feldmarschall -Laudon führt sie an. Der Kaiser darf sich den -Schimpf nit gefallen lassen.«</p> - -<p>»Ich renn über die bayrische Grenz,« stöhnte -der Spucht.</p> - -<p>»Dann wird ein Kriegsfall draus; der Laudon -verlangt, daß du ausgeliefert wirst.«</p> - -<p>»Mein Gott, soll unschuldiges Blut auch noch -rinnen! Und ich hab es ja nit bös gemeint. Was -soll ich tun? Bauer, sag mir einen Ausweg!«</p> - -<p>»Stell dich reumütig dem Richter!«</p> - -<p>Und der Dullhäubel stolperte davon und jodelte:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Ich bin mit dem Kaiser<br /></span> -<span class="i0">von Östreich in Stritt,<br /></span> -<span class="i0">der Scherg will mich fangen,<br /></span> -<span class="i0">er hat mich noch nit.« –<br /></span> -</div></div> - -<hr class="tb" /> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_252">[252]</a></span></p> - -<p>Frühtags stand der Spucht wie ein Schlottergeist -in der Amtsstube des Landschergen Anton -Zinkinker in Blaustauden.</p> - -<p>Der Scherge legte sich gerade in der Kammer -daneben das kaiserlich-königliche Gewand an. Inzwischen -schaute sich der Spucht in der Stube um.</p> - -<p>Verweisend blickte das Bild des Kaisers von -der Mauer herab, und darunter drohten ein Schleppsäbel -und eine Doppelflinte. Über dem Schreibtisch -in geschnitztem Rahmen hing ein Schriftstück, -darauf waren Gewehre und Säbel, gekreuzte -Pistolen und kriegerisch gefiederte Hüte aufgemalt, -und es flog den Spucht geradezu ein Frost an, -als er die blutgierigen Dinge so hart bei einander -sah. Und über all dem wilden Werkzeug stand geschrieben:</p> - -<div class="letter"> -<p class="center"> -Belobungszeugniß -</p> - -<p>Uiber Antrag der k. k. Bezirkshauptmannschaft -Hirschenbrunn wird dem Landschergen Anton Zinkinker -für die mit unermüdlichem Eifer und besonderer -Ausdauer bewirkte Zustandebringung des flüchtigen -Dieben Franz Netachlo hiermit die belobende Anerkennung -ausgesprochen.</p></div> - -<p>Die Unterschrift war nicht zu lesen, aber so -dick und so groß durfte sich gewiß nur der Kaiser<span class="pagenum"><a id="Page_253">[253]</a></span> -unterschreiben. Der Spucht knickte zusammen, und -seine Schuld erschien ihm bodenlos.</p> - -<p>Der Landscherge trat herein. Er hatte denselben -Bart wie der Kaiser am Bild. Den Säbel -riß er von der Wand, gürtete ihn um und fuhr -den Spucht grob und kurz an: »Was wollen Sie?«</p> - -<p>»Die Waffen liefer ich aus,« stotterte der und -legte seine Pistole auf den Tisch. »Und ich bitt, -führen Sie mich vors Kriegsgericht. Sonst erdruckt -mich das Gewissen.«</p> - -<p>Der Anton Zinkinker rollte ihn an: »Was haben -Sie verbrochen?«</p> - -<p>»Ich bin der Longinus Spucht aus Fuxloh. -Ist denn in der Zeitung nix von mir gestanden? -Wegen der kaiserlichen Beleidigung?«</p> - -<p>»Ich weiß nix«, brummte der Scherge. »Wenn -Sie aber durchaus im Zuchthaus Spinnen und -Fliegen fangen wollen, so kommen Sie mit. -Ich hab sowieso in der Stadt zu tun. Reden -Sie dort mit dem Richter!«</p> - -<p>Er schulterte das Gewehr, auf seinem Hut nickte -der kriegerische Hahnenschwanz, und er ging stolz -und steif, die Brust heraus, und schaute nicht -rechts und nicht links. Neben ihm trippelte der<span class="pagenum"><a id="Page_254">[254]</a></span> -Armesünder mit geknickten Knieen, als führe sein -Weg schnurstracks zum Galgen.</p> - -<p>Die Leute, die ihnen begegneten, freuten sich. -Sie sagten: »Es ist gut, daß sie den Raubmörder -einführen. An dem Bart sieht man es ihm an, -was er Blutiges imstand ist.« Oder: »Dem -Spucht hab ich es oft gesagt, daß wir uns im -Zuchthaus sehen werden. Ein verwogener Raufer -ist er gewesen, überall dabei.«</p> - -<p>Er nahm alles zerknirscht hin.</p> - -<p>In Hirschenbrunn rannten ihm die Kinder nach -und deuteten auf seinen wildmächtigen Bart.</p> - -<p>Als er ins Gerichtshaus trat, war ihm, er -müsse tot umfallen. Er sah sich noch einmal um -und wisperte: »Blaue Luft und grünes Gras, -behüt euch Gott! Berg und Wald und Hirsch -und Reh und Weib und Kind, ich seh euch nimmer. -Mein Lohn ist Pulver und Blei.«</p> - -<p>In einer Kanzlei empfing ihn ein alter Herr, -sein Bart war weiß wie Rauhfrost, doch die -Augen funkelten ihm scharf und jung.</p> - -<p>Er ließ ihn hart an: »Sie sind also der berüchtigte -Räuberhauptmann Spucht?«</p> - -<p>»Taglöhner und Holzhacker bin ich, sonst nix, -Euer Gnaden,« stammelte der Spucht.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_255">[255]</a></span></p> - -<p>»Wieviel Menschen haben Sie ermordet?«</p> - -<p>»Keinen, um Gotteschristi willen, keinen!« schwur -er entsetzt.</p> - -<p>»Warum haben Sie den türkischen Kaiser beleidigt, -Sie Grobian? Hat er Ihnen etwas getan?«</p> - -<p>»Ei, gibt es einen zweiten Kaiser auch noch?« -Der Spucht ließ das Maul offen vor Verwunderung.</p> - -<p>»Weh Ihnen, wenn ich noch einmal etwas -Ähnliches von Ihnen erfahre! Dann kenn ich -keine Gnade mehr,« drohte der Richter. »Und -nun kehren Sie in den Schoß der Gemeinde -Fuxloh zurück! Vorerst aber lassen Sie sich vom -Balbierer nebenan auf meine Kosten den Bart -stutzen. Verstanden? Hinaus!!«</p> - -<hr class="tb" /> - -<div class="chapter"> -<p>Die Fuxloher wollten wallfahrten gehen.</p> -</div> - -<p>Sühnen wollten sie, daß einer von ihnen sich -an dem Heiligen vergriffen; sie wollten verhindern, -daß ob dieses Frevels der Himmel mit schwarzen -Wettern auf Saat und Frucht niederschlage, die -der verschollene Blaumantel nimmer schützte. Und -weil die Not kein Gesetz kennt, wollten sie an -überheiligem Ort bitten, daß der Erzschelm Kasper<span class="pagenum"><a id="Page_256">[256]</a></span> -Dullhäubel bald von der Erde weggeräumt und -der Hölle überliefert werde, die er sich reichlich -verdient hatte.</p> - -<p>Der Meßner Grazian wurde frühzeitlich von -dem Uhrgewicht geweckt, das von der Höhe herab -mählich auf seine Stirn gesunken war. Er lugte -zum Fenster hinaus, wie der Wind gehe und ob -kein gefährliches Gewölk hänge zwischen den Bergen -Rachel und Lusen. Doch stand der Himmel hell -gespannt über dem Land, und das Wetterglas -stieg. Da stiefelte er sich festlich, knüpfte sich ein -rotes Halstuch unter dem Adamsapfel, band grobes -Geld ins Schneuztuch und weckte den Brunnkressenhannes.</p> - -<p>Der Hannes blies gewaltig ins Kuhhorn, und -droben im Dachreiter des Glöckelbauern rührte -sich das Geläut. Jedes Gehöft sandte seine Leute -zur Wallfahrt aus; Alte und Kinder, die ansehnlichsten -und die mindesten Fuxloher kamen daher, -denn es gab schier keinen im Ort, dem der Dullhäubel -nicht einmal eine Schalkheit angetan hätte.</p> - -<p>Bald waren sie wegfertig.</p> - -<p>Vier schwangere Bäurinnen holten aus der -Kammer des Grazian eine geschnitzte heilige Walburga. -Der Igelbauer trug auf einer Stange den<span class="pagenum"><a id="Page_257">[257]</a></span> -heiligen Kölbel, der die Wallfahrer schützt auf -ihrer staubigen Reise; der Brunnkressenhannes -schwenkte die Männerfahne, der Spucht lenkte die -Weiberfahne, und der Hahnenwirt ging mit dem -gekreuzigten Herrgott.</p> - -<p>Die Dirnen hatten die Zöpfe mit Myrten und -holden Zaunblumen geziert, und auch die uralte -Ulla ging mit, das silberne Haar hatte sie gelöst -und sie durfte es so tragen, weil sie eine Jungfrau -war.</p> - -<p>Sie trugen Zehrung in Zwilchsäcken mit und -in Bündeln, mancher hatte sich weislich mit einem -Regenschirm versehen.</p> - -<p>Als die Kreuzschar singend auszog, lag der -Dullhäubel auf einem Bühel. »Ich kann nit mitgehen,« -schrie er ihnen nach, »auf der Ferse wachst -mir ein Hühneraug, so groß wie eine wallische -Nuß.«</p> - -<p>Der Grazian schüttelte den Schirm. »Spott -zu! Du hast bald ausgespottet!«</p> - -<p>»Wie meinst du das, du Vaterunsermühl? -Willst du vielleicht gar bitten, daß ich bald hin -werd, du Weihbrunnkrug? Haltest du unsern Herrgott -für einen Schuft, der sich kaufen laßt, du<span class="pagenum"><a id="Page_258">[258]</a></span> -augendreherischer Meßner? Geh zu und verricht -dein kniebeuglerisches Geschäft!«</p> - -<p>»Rennen wir, sonst wirft er uns ein paar unschöne -Wörter nach!« drängte der Hannes.</p> - -<p>Der Schelm am Bühel näselte, den Grazian nachahmend, -der eilenden Kreuzschar seinen Spott nach.</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Die schönste Zeit ist eingetroffen,<br /></span> -<span class="i0">die Einkehrhäuser stehen offen,<br /></span> -<span class="i0">singt, Wallfahrer, sauft nur zu,<br /></span> -<span class="i0">schnürt euch die Schuh mit dem Strohhalm zu!«<br /></span> -</div></div> - -<p>Der Schmied Sulpiz Schlagendrauf wollte -gegen den Sänger losgehen, doch der Grazian -hielt ihn beim Rock. »Herr, vergib ihm!« seufzte -er mit dem Blick nach oben.</p> - -<p>Der Dullhäubel lachte und schalt: »Ihr Nothälse, -ihr habt alle nix, müßt euch die Schuh -mit Rotz schmieren! Ihr Zipfelhaubenbauern, ihr -Waldesel, stehlt euch nur wieder einen buchsbaumenen -Heiligen!«</p> - -<p>Knirschend zog die Kreuzschar davon. –</p> - -<p>Der schwänkische Mann schlenderte vergnügt -heim, weil er den Wallfahrern den rechten Segen -mit auf den Weg gegeben hatte.</p> - -<p>Aber als er zur Kapelle kam, war ihm, der -helle Donnerstrahl schlage vor ihm nieder: der<span class="pagenum"><a id="Page_259">[259]</a></span> -Blaumantel stand wieder drin, mit hellen Farben -neu bemalt, den Kinnbart reichlich vermehrt und -verlängert, den Blick weit greller und stechender -als früher.</p> - -<p>»Der Teufel blendet mich!« krächzte der Dullhäubel.</p> - -<p>Doch der Teufel äffte ihn nicht, sondern munkelte -ihm ins Ohr. Da schaute der Schelm sich pfiffig -um, und als er nichts Lebendiges merkte als einen -Vogel, der auf einem Tannenspitz rastete, und -nichts hörte, als ein paar Dompfaffen und Teufelsmeßner -im Wald, nahm er den Heiligen beim -Genick und schleifte ihn auf heimlichem Steig zu -dem alten Backofen, dort schob er ihn hinein und -zündete ihm höllisch unter, und der Blaumantel -fing an zu prasseln und zu knallen und sang wie -die drei Jünglinge im Feuerofen.</p> - -<p>Mit leichtem Gewissen ging der Dullhäubel -zum »pfalzenden Hahn«.</p> - -<p>Wirt und Wirtin waren auf der Wallfahrt. -Das Dorf war wie ausgestorben, nur das Vieh -hörte man glöckeln auf den Hutweiden.</p> - -<p>Da stieg der Dullhäubel durchs Fenster in die -Stube, legte ein paar Guldenzettel auf den Tisch -und stach sich ein Faß an. »Jetzt, Seel, spring<span class="pagenum"><a id="Page_260">[260]</a></span> -aufs Geripp, sonst ersaufst du!« lachte er und -zechte gewaltig und ebenbürtig den Vorfahrern, -die im Jahr nur zwölfmal aus dem Wirtshaus -heimgekommen waren.</p> - -<p>Erst als das Abendglöckel läutete und der Fuchs -im Steinriegel den Hühnersegen betete, taumelte -er heim vom Leichentrunk des Blaumantels und -stieg, der Ogath nicht in die Hände zu fallen, -ganz sacht auf den Heuboden und wühlte sich dort -ein. –</p> - -<p>Der Spucht schwenkte die schleißige Fahne, darauf -die Notburg gemalt war, wie sie die Sichel -an den Lichtstrahl hängte.</p> - -<p>»Ewig leid ist mir um den Blaumantel,« seufzte -der Grazian, »der ist auch ein starker Himmelsfreund -gewesen, hat einen Nagel in den Nebel -geschlagen und die Stiefel dran gehängt.«</p> - -<p>Er lugte durch die messingenen Brillen, die er -aufgesetzt hatte, die Wallfahrt zu verschönern, ins -Gebetbuch; die Wangen glühten ihm, weil er sich -heute wichtiger wußte als die andern Fuxloher, -den Burgermeister mit einbegriffen, eine Litanei -nach der andern näselte er der Kreuzschar vor und -hörte nimmer auf. Er hatte sich gelobt, den Dullhäubel -tot zu wallfahren.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_261">[261]</a></span></p> - -<p>Bergan ging es, alle stapften stumm, der Berg -nahm ihnen den Atem. Nur als sie zu einem -hochgelegenen, wenig ergiebigen Acker kamen, der -zum »pfalzenden Hahn« gehörte, da hielt der Wirt -das Kreuz, das er trug, darüber, schüttelte es -zornig und schrie: »Da schau dir ihn an, Herrgott! -Ist das ein Hafer?«</p> - -<p>Oben auf der Schneide, wo man den letzten -Blick über Fuxloh genießt, ehe es hinter Berg -und Baum versinkt, da kehrten die vier Weiber -mit der Walburga um, und der Grazian rief -seiner Schar zu: »Da schaut hin, da seht ihr -noch einmal euer liebes Vaterland!«</p> - -<p>Sie wallfahrteten von Staude zu Staude, talnieder -und bergauf durch den blauen Sommer, -wateten durch die seichten, felsklaren Bäche, die -krumm und weitläufig daher rannen, schritten über -wackelnde Stege und feste Brücken; übermütig -flatterten die Fahnen. Helle und dumpfe, reine -und krähende Stimmen sangen dem Vorsänger -die Weise nach und beteten aus morschen Büchern, -daß die Wälder erschollen, die Scheuern widerhallten -und die Dörfer, die sie durchwallten.</p> - -<p>Die Ulla, die ihr Lebtag noch nicht viel weiter -als über die Dachtropfen ihrer Hütte hinausgekommen<span class="pagenum"><a id="Page_262">[262]</a></span> -war, wunderte sich ein über das andere -Mal: »Leut und Kinder, ist die Welt aber groß! -Jetzt steht dort droben auch noch ein Haus!«</p> - -<p>Barfuß ging sie dahin, die Schuhe am Stecken -über die Achsel gehängt.</p> - -<p>Und der alte Didelmann hüpfte hin und wieder -behend in eine Einschicht, um sich den Ziegel -wärmen zu lassen, den er am Bauch trug.</p> - -<p>Wie an einem weißen Band waren die Dörfer -an der Straße aufgereiht, und wo die Kreuzschar -zog, schwangen sich die Glocken in den kropfigen -Türmen und schlanken Dachreitern, lenkten und -schwenkten und senkten der Brunnkreßner und der -Spucht die Fahnen, trug der Hahnenwirt den -Herrgott und der Igel seinen Stangenkölbel um -die Kirchen und traten singend hinein, dem heiligen -Wolfgangi und dem Isidori und dem Prokopi -einen kurzen Gruß zu bieten, und hernach wanderten -sie den Weg weiter, der hübsch krumm talein, -talaus sich schlängelte gen Maria-Dorn.</p> - -<p>Stauden grünten am Steig, es hingen rote -Blumen drin, der Tau flocht Rosenkränze, ein -zarter Wind rührte scheu an Korn und Wald, -Vögel schwätzten und wirbelten, der Specht, der -Holzknecht, hackte lustig den Tann an, und über<span class="pagenum"><a id="Page_263">[263]</a></span> -dem allen gewölbt hing der muttergottesblaue -Himmel.</p> - -<p>Bäche schossen daher aus Klüften und Gründen, -verborgene Mühlen murmelten in den Schluchten, -und vom Turm des heiligen Bartholomä, der -das dreieckige Fenster hatte, das die Kinder das -Auge Gottes hießen, von dem Turm rief neckisch -die Glocke immer wieder: »Klingeleisen, Bügeleisen!«</p> - -<p>An einer zerfallenen Burg wallten sie vorbei, -drin nach der Sage ein verwunschener Schnapphahn -geisterte. Die Buben riefen in den Keller -hinein: »Zinnspanner, komm heraus!« und huschten -wie gescheuchte Hirschlein davon.</p> - -<p>Mit leisem Schauder schritt die Schar an dem -Pesthügel vorbei. Und manch sonderbarer Heiliger -wartete am Weg und wollte lobsungen sein und -ein blaues oder buntes Kränzel empfangen. Die -Muttergottesfahrer kannten meist den Namen und -die Geschichte dieser Heiligen nicht, sie deuteten -und benannten sie aus ihrer Einfallt heraus, wie -sie es verstanden oder einmal hatten erzählen hören.</p> - -<p>Im Schatten seiner rostigen Strahlenscheibe -stand auf einem Bein ein solch namenloser Himmelsmann; -das andere Bein, das er an sich gezogen<span class="pagenum"><a id="Page_264">[264]</a></span> -hielt, mochte ihn schon schmerzen. Doch schnitt er -trotz seiner Marter ein vergnügliches Gesicht. -Dreißig Jahre soll er nicht gesessen noch gelegen -sein und habe mit dieser Peinigung das Himmelreich -an sich gerissen.</p> - -<p>»Nehmt euch ein Beispiel an ihm, Fuxloher!« -sagte der Grazian und versuchte ein wenig auf -einem seiner spandünnen Beine zu stehen. Und -alle drängten zu dem steinernen Weihbrunn hin -und besprengten sich eifrig.</p> - -<p>Vor dem Wermutdörflein – so hießen sie den -Ort, weil im Wiesental rings soviel Wermut blühte -– vor dem Dörflein stand das Hasenmarterl. -Darauf freuten sich die Kinder schon den ganzen -Weg, und die Mütter trösteten die müden Kleinen -damit.</p> - -<p>Der Grazian erzählte, ein Bauer habe einmal -Sonntags so hitzig einen Hasen gejagt, daß er die -Messe versäumte, und drum habe er zur Sühne -die winzige Kapelle gestiftet.</p> - -<p>Drin saß nun das heilige Kind mitten unter -tanzenden Hasen, und die Kreuzschar lachte hinein -und ergötzte sich an dem drolligen Tanz, und die -Kinder wollten schier nimmer weiter und wollten -immer wieder die Hasen sehen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_265">[265]</a></span></p> - -<p>Doch der Meßner drängte, und sie folgten ihm. -Er betete ein Gebet nach dem andern und rief -immer aus, wem es gelte. »Wollen wir ein Vaterunser -beten für unsere schwertragenden Weiber!« -forderte er, und sie beteten mit klaren und hohlen -Stimmen. Und weiter rief er: »Ein Vaterunser -für solche, die auf hohen Wassern fahren! Und -noch eins, daß Kraut und Hafer gedeihen in der -Gemeinde Fuxloh!«</p> - -<p>Hernach zog er einen pfiffigen Mund und sprach: -»Jetzt wollen wir ein Vaterunser aufopfern für -alle, die gern mitgegangen wären! – Und eins für -die, die nit haben mitgehen können! – Und eins -für die, die nit haben mitgehen wollen!«</p> - -<p>Er goß einen Schluck kornenen Branntwein in -sich, und da eben ein urwinziges, weißes Wölklein -aufstieg, rief er: »Jetzt wollen wir beten, daß wir -in einem trockenen Regen gehen!«</p> - -<p>Doch oft hob er stark und geheimnisvoll die -Stimme: »Aber jetzt beten wir recht inbrünstig und -herzhaft für den guten Ausgang einer gewissen Sache!« -Da sah er schon vor dem gesammelten Stoß der -Gebete den verruchten Dullhäubel hintaumeln auf -den Totenschragen und überliefert den gespreizten -Krallen der Hölle.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_266">[266]</a></span></p> - -<p>Da setzte die Gemeinde gewaltig ein, und es -klang wie eine sonderbar wirre Orgel. Doch galt -alle Inbrunst dieses namenlosen Gebetes nicht dem -Tod des Schelmen, sondern jeglichem glühte ein -anderes Anliegen im Herzen.</p> - -<p>Der Brunnkressenhannes wünschte sich den Wurm -weg, der ihm im Finger tobte; der Didelmann -wollte sein inneres Leiden erleichtern, und die Glöckelbäurin -wollte ihren Zopf aufhängen am Arm der -Muttergottes, die Haare waren ihr ausgefallen in -schwerer Krankheit; der Lukas Schellnober trug -seinen Stockzahn gen Maria-Dorn, und die Mechel -wollte dort um einen Mann bitten, nur um keinen -rotköpfigen. Der eine wallfahrtete wegen des -Mausfraßes, der andere seinem kranken Roß, der -dritte seiner trächtigen Kuh zulieb. Die Ulla -schleppte ihr schweres Herz mit, das sie in verfluchtem -Hexentum verloren wähnte.</p> - -<p>Der Lippenlix ging auch mit, weil ihm der -Dullhäubel den Bart geschändet hatte. Er war -ein solcher Spielteufel, daß er selbst im Gehen -mit seinesgleichen Karten spielte, und nicht eher -ließ er davon ab, bis ihm der Lukas Schellnober -die Eichelsau aus der Hand schlug.</p> - -<p>Weiter ging es.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_267">[267]</a></span></p> - -<p>Sankt Peter, der Wettermacher, grüßte aus -seinem blauesten Fenster. Auf den Blockhalden -glühten schlanke Weidenröslein, Stauden einsiedelten -auf traulicher Heide, die Wiesen lagen rot und -weiß und gelb gesprenkelt, und ihre tausend Tauäuglein -glühten. Lerchenträchtig war der Himmel. -Hasen reckten die Löffel aus Klee und Ginster, -Spechte spähten, die Eichkatze staunte aus dem -föhrenen Wald, der Grill lauschte im Gras auf, -wenn die Bittfahrer vorübersangen. Bienen und -schöne goldige Fliegen sumsten heimlich die Marienweisen -mit.</p> - -<p>Gar als der Kuckuck vom Berg jauchzte, da -rief die Ulla, der sich die Welt auf einmal gar so -unheimlich weit auftat, freudvoll aus: »Der Fuxloher -Guckauf ist mit auf der Wallfahrt, ich kenn ihn -am Schrei!«</p> - -<p>An einem Hang voll gelber Rainblumen hoch -oben auf einer Säule stand ein Steinmann, mit -den Füßen mitten drin in einem Strahlenkranz. -Ihn hießen sie den heiligen Grobian, weil er der -Straße und ihren Wandersleuten den Rücken kehrte.</p> - -<p>»Das ist eine Wundersäule,« sagte der Grazian, -»sie dreht sich langsam.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_268">[268]</a></span></p> - -<p>Der Didelmann, der der älteste Mann von -Fuxloh war, erzählte: »Vor fünfzig Jahren, ich -denk es noch, hat der heilige Grobian mit dem -Gesicht noch auf die Straße geschaut. Ganz langsam -dreht er sich, alle Jahr gibt es ihm einen -geringen Ruck. Merkt auf, Kinder, wenn ihr in -fünfzig Jahren wieder da vorüber geht!«</p> - -<p>Die Ulla aber redete: »Ihr sollt ihn nit den -Grobian schelten! Wer weiß, ob derselbige nit durch -sein Blut hat ins Himmelreich schwimmen müssen? -Wer weiß, ob die schlimmen Heiden ihn nit mit -Blei, Öl und Pech begossen haben?«</p> - -<p>Da graute allen, und sie knieten reuig vor dem -gescholtenen Heiligen hin. Nur der Brunnkressenhannes -nicht, denn seine Filzhosen waren so dick, -daß er drin die Kniee nicht biegen konnte.</p> - -<p>Der Spucht schneuzte sich gerührt in den Hut.</p> - -<p>Durch Drosselwälder und über Kuckucksberge -wallend, stießen sie auf eine abgebrannte Florianikapelle; -sie war nimmer aufgebaut worden, weil -man den heiligen Feuerherrn nicht mehr traute, -der das eigene Haus nicht beschützt hatte.</p> - -<p>Vor mancher Bildsäule warf sich die Kreuzschar -in die Kniee.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_269">[269]</a></span></p> - -<p>Da war der selige Simandel. Der hieß so, -weil er gar erbärmlich geduckt stand, als fürchte -er eines scharfen Weibes Angriff. Vielleicht hatte -er in einem demütigen Ehestand die Marterpalme -errungen.</p> - -<p>Einmal führte der Grazian seine Herde zu einem -Felsen und zeigte ihnen darauf ein Loch, das hatte -der Bischof Wolfgang auf der Reise mit seinen -Füßen hinein getreten.</p> - -<p>Er wies ihnen einen hohlen Stein, der war -der Sessel der glorreichen Frau gewesen auf der -Flucht, bis sie ein Geißhirt davon vertrieb mit -rauhem Schelten und Geißelknall.</p> - -<p>Er führte sie zu einem wunderbar riechenden -Dornbusch. Dort hatte einst ein Bittfahrer ein -geweihtes Gottesbrot erbrochen, und an selbem -Fleck war hernach die Staude gewachsen. Jetzt -steckten die Fuxloher andächtig schnüffelnd die -Nasen darein, stumpfe und spitze, weiße, rote -und blaue.</p> - -<p>Einen Heiligen trafen sie, der rastete mit durchbohrtem -Leib mitten in hohen Disteln drin, verzückt -in sein Leid. Ein Stieglitz wiegte sich auf einem -der vielen Distelköpfe und letzte sich dran.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_270">[270]</a></span></p> - -<p>Die Kinder wollten wissen, warum der Marterer -den Spieß im Bauch habe; niemand konnte es -ihnen deuten.</p> - -<p>Ein Hirt lagerte unter einem nahen Haselnußbaum, -der rief: »Der Herrgott hat unserm Heiligen -zwei Zungen gegeben, daß er ihn besser loben kann.«</p> - -<p>Den Grazian verdroß die Prahlerei arg, und -er knurrte: »Unser Blaumantel hat drei Zungen -gehabt. Ich bin ein steifgläubiger Mann, aber -gegen unsern Heiligen gilt euer Distelbub einen -Pfifferling.«</p> - -<p>Der Hirt raffte sich neugierig auf. »So seid -ihr die Fuxloher, die die Heiligen stehlen? Bei euch -sollen ja mehr Spitzbuben als gestutzte Hund sein.«</p> - -<p>Das ergrimmte den Hahnenwirt, und er schlug -mit dem gekreuzigten Herrgott auf den Spötter -los, der aber wehrte sich verbissen mit seinem -krummen Stecken. Der Lukas Schellnober tat -schließlich die zwei auseinander.</p> - -<p>»Dazuland sind die Hirten grob, das ist wahr,« -schimpfte der Grazian, als sie schon weit von dem -Distelgarten waren. »Kein Wunder, wenn die -Muttergottes davon rennt! Setzt dem Teufel eine -Säul her!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_271">[271]</a></span></p> - -<p>Mit hellen Augen sah die Ulla all die fremden -Kapellen und Bilder der Heiligen, die auch nach -dem Tod nicht ermüdeten, Wunder zu wirken, und -sie konnte sich vor lauter Ehrfurcht nicht genug tun, -und als vor einem jähen Straßenabsturz eine -Säule stand, die Fuhrleute zu erinnern, daß sie -hier den eisernen Schuh unter das Rad zwängen -sollten, da ließ sich das Weiblein es nicht nehmen, -sie kniete hin und betete gläubig hinauf zur -Gibachtsäule.</p> - -<p>»Heiliger Radschuh, das sollt der Dullhäubel -sehen!« lachte der rauhe Schmied.</p> - -<p>Unter einer breiten Linde, in deren Laub es -sommerlich summte, rastete die Schar.</p> - -<p>Der Longinus Spucht lehnte das Notburgisfähnlein -an den Baum und setzte sich auf eine -Wurzel. Er hatte himmelblaue Hosen an und -rote Strümpfe, er starrte auf die brennenden -Waden und dachte zurück an die wilden Nächte -am Lusen, während sein Weib am nahen Feld -viereckigen Klee suchte, daß sie Glück habe.</p> - -<p>Die Kirchfahrer holten ihr Brot hervor, schmierten -Schmalz darauf oder häuteten eine Wurst. Die -Mütter zöpften die Dirnlein, die sich das Haar -an den Stauden zerrauft hatten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_272">[272]</a></span></p> - -<p>Die Ulla fand ein paar Silberdisteln, sie schnitt -den fleischigen Boden davon ab und aß ihn. »Das -ist kein schlechtes Obst,« dachte sie.</p> - -<p>Sie strich wunderlich erregt in der Nähe der -Raststatt herum. Sie fing einen bunten Weinfalter, -der gar nicht scheu war und der Menschen Arglist -nicht ahnte, und tat ihn in ein Schächtlein; sie -zupfte Dornblumen ab und zierte sich den verrunzelten -Kopf. Und als sie eine dichte Staude -auseinander bog, erschrak sie bis ins innerste Herz: -da lag verborgen der Marterheiland, kraftlos -niedergesunken an der Geißelsäule, ein grauer Stein. -Und halblaut sang die Uralte:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Unser Herrgott liegt im Moos<br /></span> -<span class="i0">gepeinigt und zerschunden,<br /></span> -<span class="i0">zählt die fünf bittern Wunden,<br /></span> -<span class="i0">und sein Schmerz ist groß.<br /></span> -<span class="i0">Kann nit sitzen, kann nit stehn,<br /></span> -<span class="i0">kann nit auf und weiter gehn,<br /></span> -<span class="i0">liegt in Dorn und Schleh,<br /></span> -<span class="i0">die fünf Wunden tun ihm weh.«<br /></span> -</div></div> - -<p class="noind">Hernach ließ sie die Staude wieder sanft zusammenschlagen -und schlich weg. Sie verriet keinem den -heimlichen Herrgott.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_273">[273]</a></span></p> - -<p>»Lüpft euch auf!« rief der Grazian. »Wir -müssen weiter.«</p> - -<p>Verschollene, bemooste Gebete klangen wieder, -oft ein Gemisch von Frömmigkeit und Unsinn, in -alten halbvergessenen Formeln, den Betern selber -unverständlich. Doch sie zerbrachen sich darüber -das Hirn nicht und glaubten, Gott werde es sich -schon auszudeutschen wissen. Wenn die Wellen -der Gebete gar zu hoch schwollen, da reckte der -Grazian den Finger auf: »Gebt nit alle Kraft her! -Spart sie der Maria auf im Dorn!«</p> - -<p>Sie traten aus dem Gebirg heraus in ein -freundliches Liebfrauenland voll sanfter Hügel, -deren einige grüne Wälderhauben aufhatten; gelbe -Felder wogten, Wiesenhalden lachten.</p> - -<p>Sie wanderten bald auf breiten, ebenen Straßen, -bald gingen sie eines hinter dem andern einen -dünnen Steig durch hohes Korn, sie verschwanden -drin, und nur die Fahnen ragten drüber hinaus -und kündeten von ihrer Wanderung.</p> - -<p>Ob des endlosen Getreides verzagten die Kinder, -sie fürchteten, das Kornweib greife aus den Halmen -und verschleppe sie in die knisternde Wildnis.</p> - -<p>Der Mittag flirrte über dem Land, immer glüher -ward die Sonne, immer müder die Kreuzschar.<span class="pagenum"><a id="Page_274">[274]</a></span> -Sie spannten die roten und grünen Schirme wider -das ungestüme Licht. Staub stieg. Die Kinder -trippelten an den Händen der Mütter, greinten -und weinten oder begehrten ungeduldig heim. -Viele ließen sich tragen.</p> - -<p>Der Didelmann seufzte: »Der Ziegel ist noch -hübsch warm, aber die Nägel hab ich mir von -den Zehen gerannt.«</p> - -<p>»Steinmüd bin ich,« klagte der Igel. »Der -Sommer haut heuer über die Schnur. Für den -Kornschnitt ist es recht.«</p> - -<p>»Der Weg wird sauer,« flüsterte der Grazian, -»aber nachlassen dürfen wir nit.«</p> - -<p>Der Burgermeister lugte auf die Sackuhr und -sagte: »Der Weg zieht sich, wir haben noch eine -harte Stund vor uns.«</p> - -<p>»Hör auf mit deiner Uhr,« neckte ihn der Sulpiz, -»sie geht nach dem Fuxloher Mondschein.«</p> - -<p>Und der Brunnkressenhannes seufzte: »Wenn -nur der afrikanische Wind nit wehen tät!«</p> - -<p>Glänzte irgendwo ein Wiesenbrunn auf, so -stürzten sie darüber her und tranken. An den -Bächen wuschen sie sich die staubigen Stirnen. -Erlöst atmeten sie, wenn ein Hain seine Kühle -über die Straße warf.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_275">[275]</a></span></p> - -<p>Einmal bildete sich der Grazian ein, er habe -sich die Füße ausgekegelt. Er legte sich ins Gras, -streckte die dünnen Beine in die Höhe und flehte: -»Spucht, zieh an, aus Leibeskräften zieh an!«</p> - -<p>Der Spucht ließ sich nicht bitten und rüttelte -ihm die Gliedmaßen.</p> - -<p>»Weh, du reißt mir den Fuß aus!« jammerte -der Meßner. Er sprang auf und hinkte weiter.</p> - -<p>Die Ulla aber hatte ihre Traurigkeit vergessen. -Sie hub ein helles Lied an, das sonst niemand -kannte, und drum blieb ihre spinnwebfeine Stimme -einsam. Vor den halbgeschlossenen Augen schaute -sie die heilige Frau, der ihr Kittel war aus -Sonnenschein, und gegürtet war sie mit dem -Regenbogen. Und die Ulla fügte lustige Triller -und jähe Jodler in ihre Weise, sie konnte nicht -anders als fröhlich singen, verstummt war die -Qual des Gewissens, und das Herz schlug ihr -hellauf vor glücklicher Erwartung.</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Wer hat denn nur das Lied erdacht?<br /></span> -<span class="i0">Droben aus der Höh<br /></span> -<span class="i0">es habens drei Engel vom Himmel gebracht.<br /></span> -<span class="i0">Mariafrau, juchhe!«<br /></span> -</div></div> - -<p>»Hört der Ulla zu!« brummte der Schmied.<span class="pagenum"><a id="Page_276">[276]</a></span> -»Ja, wenn die alten Weiber tanzen, hernach fliegt -der Staub hoch.«</p> - -<p>Sie trabten eine kühle Waldstraße hin. Örterweise -warteten Kapellen, drin des gebundenen -Heilands Leidensrast und Weg zur Schädelstätte -gar wild und lebendig abgebildet war.</p> - -<p>Die Sonne ermüdete und senkte sich aus der -Höhe.</p> - -<p>»Leut, verzagt nit!« feuerte der Grazian seine -Schar an. »Wir haben nimmer weit zum goldenen -Haus.«</p> - -<p>Er fing eine Litanei an und betete sie genau -mit derselben singenden und nachhallenden Stimme -wie sein verstorbener Pfarrer Sebastian Knaupler, -so daß mancher erschrocken auffuhr und meinte, -den Verewigten selber zu hören.</p> - -<p>Der Meßner betete vor: »Von der heimlichen -Nachstellung des bösen Feindes –.«</p> - -<p>Die Kreuzschar fiel ein: »Erlöse uns, o Herr!«</p> - -<p>»Von Pestilenz und Krankheit –.«</p> - -<p>»Erlöse uns, o Herr!«</p> - -<p>»Von Blitz und Ungewitter –.«</p> - -<p>»Erlöse uns, o Herr!«</p> - -<p>»Von den bösen Werken und Anschlägen des -Kasper Dullhäubel –.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_277">[277]</a></span></p> - -<p>Da jauchzte die Ulla auf und deutete.</p> - -<p>Über den Wald stiegen die Turmspitzen der -Muttergottes, die in den Dornstauden gefunden -worden war, und funkelten mit blanken Knöpfen, -und die Bittfahrer jubelten, und der Meßner -schwenkte den Gupfhut.</p> - -<p>»Die Turmknöpf sind großmächtig,« sagte der -Hahnenwirt, »ein jeder faßt einen ganzen Eimer -Wein. Und das Uhrgewicht im Turm ist ein versteinerter -Laib Brot.«</p> - -<p>Aus hohem Kreisfenster lugten die Glöcknerbuben, -und schon läutete eine Glocke voll und -schwer und himmlisch aus dem Getürm, es war -ein Klang, als grüße die Herrgottin selber mit -goldener Troststimme das Häuflein, das mit irdisch -kläglichem Anliegen zu ihr kam, zur Muttergottes, -die alle Gebresten wandelt in eitel Gesundheit, -alle Schwäche verkehrt in blanke Kraft, alle Verzagtheit -und Angst stillt, zur gewaltigen Frau, -aus deren Schoß das Heil in die Welt gedrungen.</p> - -<p>Andere Glocken gesellten sich der goldenen Hochfrauenstimme, -und ein Glöckel war darunter aus -lauterem Silber, vor vielen Jahren hatten es die -Fuxloher gestiftet, aus den silbernen Knöpfen der -Bauern war es gegossen, und die Burgermeisterin<span class="pagenum"><a id="Page_278">[278]</a></span> -selber hatte eine Schürze voll Laubtaler in die -kochende Glockenspeise geschüttet. Nun klang das -Glöckel lieb und herzlich, als sänge eine junge Bauerndirne, -und als wüßte es, wer jetzt zu Besuch käme.</p> - -<p>»Die Fuxloherin läutet,« freuten sich alle, das -Wasser zitterte ihnen in den Augen ob der Heimatstimme, -die rosenkranzumstrickten Hände hoben sich.</p> - -<p>Der Wald tat sich auf: da lag die Gnadenstätte -vor ihnen, hoch und mächtig.</p> - -<p>Ein Rausch ergriff die Kreuzschar, die Fahnen -bauschten sich, die Quasten baumelten.</p> - -<p>Der Ulla war, jetzt müßten die Heiligen in der -Kirche von den Simsen springen und ihnen entgegengehen, -und sie selber trat einher gleich einer Hochzeiterin, -das aufgelöste, bekränzte Haar wehte ihr wie ein -silberner Schleier, ihre Augen waren heiß und selig -aufgetan. Da schauten alle Wallfahrer die Ulla -an und wurden von dunkler Ehrfurcht bewegt.</p> - -<p>Dann wurden die Fahnen geschwenkt und geneigt, -Gesang stieg aus dem Wegstaub, die zarten -und die groben Stimmen griffen ineinander.</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Über Berg und über Tal<br /></span> -<span class="i0">und mit freudenreichem Schall,<br /></span> -<span class="i0">über Wald und grüne Au<br /></span> -<span class="i0">reisen wir zur Lieben Frau.«<br /></span> -</div></div> -<p><span class="pagenum"><a id="Page_279">[279]</a></span></p> -<p class="noind">Immer brünstiger, gläubiger, wilder sangen sie, -vergessen war der müde Leib, die Herzen schlugen, -die Stirnen brannten, die Kinder taten die Augen -wundergroß auf.</p> - -<p>Funkelnd trat der Pfarrherr aus dem Tor, die -Sonne gleißte in der erhobenen Monstranz. Die -Altarbuben schwangen die Schellen.</p> - -<p>Alles warf sich vor der Blendnis nieder, schüttete -sich hin vor dem Segen, der sie grüßte, jeder -schlug an die Brust und wagte vor Unwürdigkeit -nicht, seinen Gott zu schauen, der aus der Monstranz -glühte.</p> - -<p>Die Kirche empfing sie mit feierlicher Kühle.</p> - -<p>Die Orgel donnerte. Weiße Säulen, wie -Schlangen gewunden, trugen den Hochaltar, und -dort, umflattert von blauem Weihrauch, umkränzt -mit schimmernden Heiligen, herrschte Maria, die -Fürbitterin, die erste Frau im Himmel und auf -Erden. Perlenstarrend, in gelben Locken, mit -goldnen Ketten behangen, im Arm das Krönleinkind, -erwartete sie die Menschen. Ihres blauen -Sternenkleides Falten flossen hin wie ein geackertes -Feld. Engel hielten eine Krone über sie. Große, -gewundene Wachskerzen flackerten, und hoch droben<span class="pagenum"><a id="Page_280">[280]</a></span> -glitzerte das gestirnte Gewölb tausendmal schöner -als der Himmel der Nacht.</p> - -<p>Gestalten in verzückten Gebärden leuchteten an -der Wand, ganze Kitten himmlischen Geflügels -gaukelten wie Falter im Himmelsgarten. Kanzel, -Altar, Rahmen, Leuchter, Lampen, alles funkelte, -wie es sich für das Schloß der Königin ziemt, die -die höllische Schlange überwunden und unter ihre -Ferse gebracht hat. Rings lehnten Krücken und -Stecken, die die Geheilten abgelegt hatten, die vormals -so erbärmlich lahm gewesen, daß sie hatten -weder kriechen noch gehen können. Eine wächserne -Zunge hing dort, von einer Frau gestiftet, der die -Zunge ans Zahnfleisch gewachsen war und sich -hernach gelöst hatte. Auf Tafeln und Widmungen -war geschrieben und gemalt, wie die göttliche Dornstaudnerin -den Stummen die Rede geschenkt und -den Rasenden die Vernunft, wie dem Blinden der -Schein, dem Tauben das Ohr offen wurde, wie -Geschwulst und Rotlauf vergingen, Wunden sich -schlossen, Menschen wunderbar errettet wurden aus -wilder Gefahr.</p> - -<p>Die Fuxloher bestaunten alles, nickten der Göttlichen -zu und warfen ihr kupfernes Geld in den -Opferstock.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_281">[281]</a></span></p> - -<p>Die Kerzen knisterten am Altar, die Ulla starrte -darein und staunte: »Reiche Welt!« Sie sah die -Perlen glühen an der Gnadenfrau, Perlen größer -als die Haselnüsse am Vogeltänd, hellblaue, pechschwarze, -veilchenfarbne Perlen. Alles gloste von -Gold und Silber und wunderschönem Glas.</p> - -<p>Doch der flimmernde Muttergottestand ängstigte -die Alte, sie wagte kaum den hochlobpreislichen -Namen zu wispeln, und hätte doch gar zu gern -ihren weißen Kopf gelegt in Marias Schoß. Die -droben am Altar war ihr zu stolz und zu reich. -»Sie wird die armen Leut nit kennen wollen,« -seufzte die Ulla.</p> - -<p>Jetzt reckte der Grazian den Hals und flüsterte -eindringlich: »Leut, es ist an der Zeit, vergeßt nit, -warum wir den weiten Weg gangen sind! Sagt -es fein der Dornstaudnerin, warum wir heut ihren -Freund, den Blaumantel, nit mittragen!«</p> - -<p>Da murrte die Schar ein dumpfes, hartes -Gebet wider den Erzschelmen und Landschaden -Kasper Dullhäubel.</p> - -<p>Die Ulla aber stahl sich mit bekümmertem Blick -hinaus aus dem Glanz und irrte traurig und -verlassen um die Kirche.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_282">[282]</a></span></p> - -<p>Da fand sie eine Kapelle, drin raunte und -sprudelte es traulich, und über dem rinnenden -Brunnen war die Gottesmutter auf ein Brett -gemalt, die lächelte lieb und grüßte mit den schlichten -Augen das Weib; auf dem Schoß zappelte ihr -das Kind, es tappte gerad nach einem Gimpel, -und der Vogel drehte den Kopf und biß den -Buben in den Finger.</p> - -<p>»Ei, da ist fröhlich hausen,« dachte die Ulla und -kniete mit müden Knieen auf die Betstaffel hin -vor das Bild und schaute sehnlich empor. Sie, -die heimatlos war wie ein Fläumlein in den -Lüften, das nicht fallen kann und nimmer steigen, -hier fühlte sie sich daheim.</p> - -<p>Sie ließ den bunten Weinfalter frei, den sie -gefangen hatte. »Marienkind,« schmeichelte sie -scheu zu dem jungen Herrgott hinauf, »dir bring -ich ein schönes, ein wunderschönes Sommervöglein.«</p> - -<p>Auf einmal dachte sie an ihr Herz, das sie voll -Sünden wähnte, und sie betete still: »Maria, lichter -als die Lilien hinterm Zaun, roter als die Nelken -am Rain, ich grüß dich soviel tausendmal, als -Sandkörner liegen auf den Straßen, als Laub -wachst am Wald, als Sterne scheinen vom Himmelreich. -Geweint hab ich viel, eine Zähre hat die<span class="pagenum"><a id="Page_283">[283]</a></span> -andere gefeuchtet. Zu dir komm ich, dir vertrau -ich, Maria. Durch deinen keuschen Namen bitt -ich dich, du sollst mir sagen, ob ich eine Hex bin.«</p> - -<p>Der Heiligen froher Blick fiel auf den alten -Heilbrunn. Da beugte sich die Ulla drüber und -schaute ins Wasser, bis sie die eigenen Augen drin -sah, und diese schauten so fromm und gut heraus, -daß ihr wunderfriedsam unter dem gespiegelten -Blick wurde, und sie wußte, daß es keine Hexenaugen -waren.</p> - -<p>Hernach trank sie von dem fallenden Wasser. -Der Marienbrunn sang vertraut, und draußen im -Laub meldete sich ein Rotkröpfel.</p> - -<p>Hier war gut sein.</p> - -<p>Weit weg von der Welt kniete die Ulla und -betete herzlich für Tote und Lebende, für alle, die -sie kannte und die ihr Gutes getan oder Übles.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Am andern Tag gingen die Fuxloher heim. Sie -wünschten sich herzlich wieder in die kleine Heimat -zurück aus der Welt, die sie sich so weit und so -breit gar nicht gedacht hatten.</p> - -<p>Wieder kürzten sie sich den Weg mit Lied und -Litanei und ergötzten sich an den geweihten Andenken,<span class="pagenum"><a id="Page_284">[284]</a></span> -die sie mit trugen, meist Bildern des -Gnadenortes, mit gereimten Sprüchen bedruckt. -Den Kindern hatte man auf dem Schleckmarkt -etwas Gezuckertes gekauft, der Spucht hatte eine -wächserne Nepomukszunge erstanden, der Grazian -gar einen gläsernen heiligen Geist, und er trug -die Taube in der spiegelnden Kugel zaghaft an -einem Schnürlein, wich vorsichtig jedem Stein am -Weg aus, und niemand durfte ihm in die Nähe. -Wenn sie rasteten, hängte er sein gläsernes Glück -an eine Staude und ließ es an einem Schnürlein -schaukeln und im Licht glitzern.</p> - -<p>Allen, die da aus dem hochgoldenen Haus der -Herrgottin heimkehrten in das dürftige Dorf, allen -war, sie hätten als Gottes Gäste ein himmlisches -Märlein erlebt, und jeder glaubte, daß jetzt die -hohe Dornenstaudnerin seinen Wunsch auf einem -wundergläsernen Teller in den himmlischen Saal -tragen werde.</p> - -<p>Die alte Ulla trabte frisch dahin, sie fühlte sich -leicht und über Erde und Leben erhoben wie die -weißen Wolken droben.</p> - -<p>Der Schmied rief ihr zu: »Heut lachst du daher, -Ulla, als ob du statt von der Muttergottes -vom Altweibermüllner kämst.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_285">[285]</a></span></p> - -<p>»Einmal werd ich wieder jung,« antwortete sie. -»Im Himmel sind wir alle gleich alt, dreiunddreißig -Jahr, wie der Herrgott beim Sterben.«</p> - -<p>»Wer hat dir das erzählt?« zweifelte der Schmied. -»Ist einer von Jenseits die Leiter wieder herab -gestiegen?«</p> - -<p>Sie schüttelte ernst den Kopf. »Es darf keiner -zurück, daß nix ausgeredet wird von oben. Es muß -geheim bleiben.«</p> - -<p>Der Grazian seufzte: »Es muß ein harter Weg -sein – dorthin.«</p> - -<p>Je näher sie gen Fuxloh kamen, desto eifriger -betete der Meßner. Allweil wieder rief er aus: -»Gott, schenk uns einen feuchten, warmen Regen -über Schlösselwald, Hundshaberstift und Leimgrub!« -In diesen Orten hatte er seine Töchter verheiratet.</p> - -<p>Als die Kreuzschar auf der Bergschneide hielt, -von wo der Blick wieder auf Fuxloh fiel, rief der -Grazian: »Leut, kniet euch nieder, da seht ihr -euer Vaterland wieder!«</p> - -<p>Der Fleischhacker Luitel rannte ihnen entgegen. -»Männer, schwingt den Hut in die Höh,« keuchte -er, »der Dullhäubel ist gestorben.«</p> - -<p>Da fuhr es den Kirchfahrern kalt durchs Hirn -und eisig durch den ganzen Leib, und das Gewissen<span class="pagenum"><a id="Page_286">[286]</a></span> -bäumte sich ihnen auf, weil ihre Bittfahrt -so jähe Frucht gezeitigt hatte. Aber sie faßten sich -bald wieder.</p> - -<p>»Der Herrgott hat diesmal leicht begriffen,« -lachte der Wirt, »wir haben ihm es auch deutlich -genug gesagt. Gelobt seist du, Maria!«</p> - -<p>»Er hat es verrichtet, der Dullhäubel,« seufzte -die Iglin. »Hoffentlich ist er christlich entschlafen.«</p> - -<p>Dem Meßner Grazian erschlaffte im ersten -Freudenschreck die Hand, das gläserne Gut entfiel -ihm und zersplitterte. Da rief er kläglich: »Jetzt -hab ich den heiligen Geist den weiten Weg hergetragen -wie ein krankes Kind, und jetzt ist er -beim Teufel!«</p> - -<p>Das Dorfglöckel läutete der Schar entgegen. -Kinder kamen und erzählten von dem Leichnam -des Dullhäubel.</p> - -<p>»Ganz schwarz ist er im Gesicht,« sagten sie.</p> - -<p>Der Grazian runzelte nachdenklich das Hirn. -»O weh, das ist ein übles Vorzeichen! Ohne Weih -und Segen, ohne Pfarrer und Meßner werden -wir ihn begraben müssen. Lasset uns beten für -die arme Seel!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_287">[287]</a></span></p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Die Ogath hatte den halben Tag über ihren -Bauer gesucht und nirgends gefunden, schließlich -stieg sie in schwerer Ahnung auf den Heuboden -hinauf, dort griff sie blindlings ins Heu und spürte -ein eiskaltes Knie.</p> - -<p>Mit einem einzigen Sprung war sie wieder -drunten auf der Tenne.</p> - -<p>Sie schrie den Kindern: »Am Heuboden liegt -er. Der Schlag hat ihn getroffen, er ist ein vollblütiger -Mann gewesen. Die Leich ist schon kalt.«</p> - -<p>»Jesmaria,« plärrte die Wabel, »jetzt ist er gestorben -und hat heut noch das Gesott<a id="FNanchor_1_1"></a><a href="#Footnote_1_1" class="fnanchor">1</a> nit geschnitten!«</p> - -<div class="footnotes"> -<div class="footnote"> - -<p><a id="Footnote_1_1"></a><a href="#FNanchor_1_1"><span class="label">1</span></a> Häcksel.</p></div> -</div> - -<p>Die Töchter flogen zu den Nachbarn und Befreundeten -in die Dörfer und zum Pfarrer, die Leiche -anzusagen. Die Bäurin selber fuhr mit dem Schubkarren -zum Tischler, der Totentruhen vorrätig hatte.</p> - -<p>Sie begegnete den Wallfahrern. »Der Bauer -hat verlebt,« meldete sie, »übermorgen ist das Begräbnis.«</p> - -<p>Als sie abends mit der Truhe heimkam, saß -der Dullhäubel vorm Haus, kerngesund, die Wangen -blührot, und schnupfte.</p> - -<p>»Um Gottes willen, du lebst schon wieder?« -stammelte sie.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_288">[288]</a></span></p> - -<p>»Ich bin kreuzwohlauf,« grinste er. »Du hast -dich gefleißt mit der Truhe. Hast du auch um den -Pfarrer geschickt, daß er mir lateinisch und schlapperteinisch -redet und seine Blimblamblorium macht?«</p> - -<p>»Aber du bist ja schon kalt gewesen, wie ich dich -beim Knie erwischt hab?!«</p> - -<p>Er nickte tiefsinnig. »Eine hirschlederne Hose -greift sich halt allweil kalt an,« sagte er.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Weil der Dullhäubel den Seinen verboten hatte, -die Leiche abzusagen, so wußten nur wenige, daß -er noch lebte. Die Leute, die nun zu des Bauers -Begräbnis angewandert kamen, lächelten säuerlich, -als er selber sie treuherzig begrüßte und ihnen ein -Schnüpflein antrug.</p> - -<p>»Die Bosheit wuchert weiter, und die Gerechtigkeit -ist übers Meer gefahren,« verzweifelte der -Grazian.</p> - -<p>Hernach saßen alle im »pfalzenden Hahn,« und -weil sich dort gerade auch drei böhmische, drei -österreichische und drei bayrische Musikanten zusammen -fanden, ging es bald hoch her, und -man söhnte sich leichter mit dem verhinderten Begräbnis -aus.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_289">[289]</a></span></p> - -<p>Lange betrachtete der Dullhäubel seine Totentruhe. -»Zweispännig wär sie mir lieber,« meinte -er, »daß eine saubere Dirn mit mir drin übernachten -könnt.«</p> - -<p>Er nutzte die Truhe ans, indem er Schloß und -Band dran nageln ließ und sich drin Selchfleisch -und manchen Leckerbissen versperrte, den er vor -seiner genäschigen Sippe nicht sicher wußte.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Der Dullhäubel kam zu Glück und hohen Jahren.</p> - -<p>Seine Töchter misteten den Stall, schnitten das -Gesott, rechelten die Streu, striegelten die Ochsen, -ackerten, säten, ernteten, droschen. Er tat nichts.</p> - -<p>Die Wabel, die Reigel, die Rosel, die Portiunkel, -die Stasel, die Kathel und die Liesel verheiratete -er Bauern, die Glöckelstühle auf dem Dach hatten.</p> - -<p>Er ließ sich sein schelmisches Wesen nicht verkümmern, -auch dann nicht, als er der Burgermeister -von Fuxloh wurde, und die Leute starben nicht -aus, die ihm den Galgen auf den Hals wünschten.</p> - -<p>Einmal nach der Kirchweih, als er sich weidlich angegessen -hatte, setzte er sich vors Haus, nahm das -Rubinglas und schlug sich eine erkleckliche Menge -Tabak auf die Hand. Zuerst füllte er sich in behaglicher<span class="pagenum"><a id="Page_290">[290]</a></span> -Andacht das rechte Nasenloch, und als er -das andere befriedigen wollte und dabei schon das -linke Auge wollüstig zudrückte, fiel ihm der Tod -sanft in den Arm. Die Hand sank still, ungenützt -flatterte das braune Häuflein herab auf die hirschledernen -Hosen. Der Kasper Dullhäubel war -nimmer.</p> - -<p>»Jetzt hat er den schönsten Tod auch noch, der -Lump, der das Eingraben nit wert ist!« schalt -der Meßner.</p> - -<p>»Ja ja, so geht einer nach dem andern dahin,« -sagte der Schmied und ließ einen groben Wind -streichen.</p> - -<p>Nur wenige gingen mit bedächtigem Bauernschritt -hinter dem Sarg her; viele waren daheim -geblieben, sie meinten, der Schelm sei unsterblich -und könne nicht begraben werden.</p> - -<p>Der Filzhut des Ähnels und das Rubinglas -wurden ihm mitgegeben, das hatte er sich ausbedungen.</p> - -<p>Als die Leiche in die Grube gelassen wurde, -riß der Strick, die Truhe polterte hinunter und -brach auf, und der Dullhäubel schaute noch einmal -fröhlich die heulende Schar der Hinterlassenen an.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_291">[291]</a></span></p> - -<p>»Schaufelt zu, schaufelt zu!« schrie der Grazian. -Und alle, wie sie ums Grab standen, warfen schnell -mit Händen und Füßen Erde hinab, daß der Erzschelm -nicht noch einmal an den Tag käme. –</p> - -<p>Als der Grazian an dem nämlichen Abend am -Dullhäubelhof vorüber ging, tat er einen harten -Schrei. Er behauptete, der Verstorbene habe aus -dem Dachfenster die Zunge auf ihn gereckt. Da -zündete die Ogath eine Laterne an und durchsuchte -alle Winkel des Bodens. »Dem schwänkischen -Mann trau ich alles zu,« meinte sie.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Der Dullhäubel fuhr schnurgerade zum Himmelstor -auf.</p> - -<p>Der heilige Peter stand davor, am Gürtel die -beinernen Schlüssel, und schrieb mit einer hohen -Pfaufeder in einem Buch. Als er den Schelm -mit dem breiten Filzhut durchs Gewölk daher waten -sah, hakte er das silberne Schloß des Buches zu -und fragte: »Wer bist du? Gib Auskunft!«</p> - -<p>»Der Dullhäubel bin ich, Bauer aus Fuxloh«, -antwortete der Himmelfahrer. »Gelobt sei Jesus -Christus!«</p> - -<p>»Dein Nam ist mir verdächtig. Reck her deine -Seel!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_292">[292]</a></span></p> - -<p>»Da wird halt der Blaumantel seine Sach fürgebracht -haben. Es ist ihm aber nit alles zu glauben, -dem Bruder, dem scheinheiligen.«</p> - -<p>»Schilt nit!« brummte der Peter. »Und einen -Blaumantel gibt es bei uns nit.«</p> - -<p>»Es muß einer da sein,« bestand der Dullhäubel. -»Schau nur gleich nach in dem dicken Buch!«</p> - -<p>Der Torwärtel raunzte: »Es ist ja möglich, daß -früher einmal einer da heroben gewesen ist, der -sich so geschrieben hat. Vielleicht ist er hinuntergefallen. -Ich müßt den Herrgott fragen, der hat -ein scharfes Gedächtnis.«</p> - -<p>Jetzt zog der Dullhäubel aus der hinteren -Schößeltasche seine Seele heraus, blies ein Stäublein -Tabak davon weg und zeigte sie ängstlich vor.</p> - -<p>Der Heilige rückte die Brille, schnüffelte an der -Seele und krauste die Stirn. »Mein Lieber, du -hast dich ganz und gar verirrt. Du gehörst wo -anders hin. Schab deinen Weg!«</p> - -<p>Dem Dullhäubel stand der Schopf geberg. An -des Kapuziners Cochem abscheuliches Bilderbuch -erinnerte er sich, an den höllischen Ofen, wo die -Zerknirschten heulten und Pech spieen und ihnen -der siedende Geifer aus den Lefzen spritzte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_293">[293]</a></span></p> - -<p>Der himmlische Torwärtel tat eine Falltür auf, -da ging der Höllensteig hinunter hundert Klafter -tief, und des Dullhäubels Vorväter saßen ohne -Ausnahme tief drunten auf einer glühenden Bank, -den Hosenlatz hinten abgeknöpft, mit nacktem Sitz -nach altem Erdenbrauch, und der Schwefel, den -sie saufen mußten, rauchte ihnen greulich wieder -aus der Nase heraus. Der Teufel kletterte eine -brennende Leiter herauf und bellte: »Wau, wau!«</p> - -<p>»Mach die schwarze Tür zu, Peter!« hüstelte der Dullhäubel, -der höllische Schwefel kitzelte ihn in der Nase.</p> - -<p>Doch der heilige Mann antwortete: »Bind dir -die Seel fest ins Schneuztuch und steig hinunter! -Sie warten schon.«</p> - -<p>Dem armen Schelm ward blau und grün vor -den Augen. Aber er gab das Spiel nicht verloren. -Das Rubinglas nahm er herfür. »Da schnupf, -Peter, daß du einen andern Sinn kriegst!«</p> - -<p>Der Torwärtel liebäugelte mit dem Glas. »Der -Tabak tät mir wohl. Da heroben wird keiner -verschleißt, und wenn nix zu schnupfen ist, so ist -das eine kleine Krankheit.«</p> - -<p>»Du solltest mich doch in den Himmel lassen, -nur ein Vaterunser lang,« begehrte der Dullhäubel. -»Vor dem Blaumantel will ich einen Fußfall tun.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_294">[294]</a></span></p> - -<p>Der heilige Peter nahm sich seine mannbare -Nase voll. »Wundersam schmeckt der Tabak, der -fehlt mir noch zur Seligkeit. Ich hab ihn mein -Lebtag gern gehabt. Hau mir noch einen her auf -die Hand! Anlehnen muß man sich schier, wenn -man den da schnupft, sonst reißt er einen um.« -Er blinzelte schalkhaft. »Was für ein Tabak ist -es denn? Ein königlich bayrischer? Ein gepaschter, -he?«</p> - -<p>»Nur hineinschauen laß mich ins Paradeis, -Schlüsselmann!« bettelte der Dullhäubel.</p> - -<p>Den Heiligen hatte der brasilische Tabak ganz -verwirrt, die Augen glosten ihm, und er tat das -Tor auf.</p> - -<p>Jetzt stand der Dullhäubel im himmlischen Glanz.</p> - -<p>Da saßen alle die heiligen Bauernfreunde beisammen, -der Wendel, der Liendel, der Isidor und -der Steffel, und dengelten silberne Sensen, daß es -wie ein vierfaches Glöckelspiel lieblich anzuhören -war, und die Magd Notburga jätete in einem -Krautgärtlein. Der Märtel und der Jörg ritten -auf Milchschimmeln, die fraßen an dem fetten -Wasen, der auf den Wolken wuchs. Andere Heilige -stolzierten in seidenen Meßgewändern mit hohen -Krummstäben auf der Sternstraße auf und ab, ein<span class="pagenum"><a id="Page_295">[295]</a></span> -nackter Martersmann, dem silberne Pfeile in Stirn -und Brust und Knie staken, <span id="corr295">lustwandelte</span> lachend unter -ihnen. Alle waren bloßköpfig, nur der heilige Rochus -und der Dullhäubel nicht, die hatten den Hut auf.</p> - -<p>Engel rauschten mit schneeweißen Flügeln. Die -himmlische Regenbogenfrau schaffte am Spinnrad, -einen goldgrünen Käfer im Gefältel ihres Kittels, -und daneben spielte das Herrgottsbüblein Ball -mit dem Weltapfel.</p> - -<p>Der Himmelsgarten war umzäunt, auf jedem -Zaunstecken saß und sang ein bunter Vogel, und -das waren lauter selige Seelen.</p> - -<p>In der Mitte aber in wunderbarem, hohem -Betstuhl saß Gottvater selber, in seinem Mantel -war mit Perlen und Kleinoden der ganze Sternhimmel -gestickt, auf seiner Brust zückte die Sonne -ihre Strahlen.</p> - -<p>Der Dullhäubel senkte die Augen, daß er nicht -erblinde, und schaute sich auf den Fuß.</p> - -<p>Über dem Herrgott war ein goldener Taubenkobel, -der heilige Geist umflog ihn und gurrte -wild herab.</p> - -<p>»Ei tausend,« staunte der Herrgott, »da kommt -ja der Dullhäubel daher aus meinem guten Dorf -Fuxloh! Was begehrst denn du da heroben?«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_296">[296]</a></span></p> - -<p>Jetzt nahm der Schelm den Hut ab und -stammelte: »Den Herrn Blaumantel such ich. Er -soll sich auch Aurazian schreiben. Ich will ihn -abbitten – zu wegen meiner Schlechtigkeit.«</p> - -<p>Der Herrgott sann nach. »Ich weiß alles. Aber -einen Aurazian Blaumantel kenn ich im Himmel -nit. Das ist ein Irrtum.«</p> - -<p>»Alsdann, Eure Heiligkeit – –.« Der Dullhäubel -stockte, er wußte nicht, wie er den Herrn -hätte richtig anreden sollen.</p> - -<p>»Nenn mich nur Herr Gott!« meinte der Himmelvater. -»Du bist dein Lebtag mit mir auf du und -du gewesen (wenn du auch recht sparsam mit mir -geplaudert hast), drum sag mir jetzt auch du!«</p> - -<p>»Alsdann, wenn es keinen Blaumantel da heroben -nit gibt, dann ist meine Schuld weitaus geringer,« -seufzte der Dullhäubel auf.</p> - -<p>»Und was begehrst du noch? Und was schaust -du allweil auf deinen Fuß?«</p> - -<p>»Er möcht halt auch selig werden,« sagte halblaut -der heilige Peter.</p> - -<p>Der Herrgott fuhr aus dem Betstuhl auf. -»Was?! Der Spitzbub?!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_297">[297]</a></span></p> - -<p>Doch das himmlische Fräulein am Spinnrocken -faltete die Hände. »Geh, lieber Gott, verstoß ihn -nit! Laß ihn abwiegen!«</p> - -<p>Da schmunzelte der Gottvater, daß ihm der -breite Bart auseinander ging, und winkte mit -der Hand.</p> - -<p>Den Kometen wie eine Straußfeder am Hut, -sprang der Riese Michel zur Tür herein, er trug -eine großmächtige Wage. Den Bauer lüpfte er -beim Kragen und setzte ihn in die eine Wagschale, -in die andere legte er große Steine und Gewichte, -das waren die Sünden und Schalksstreiche des -Dullhäubel, und darunter war auch der Mühlstein -vor der Mußmühle.</p> - -<p>Jetzt hob der Engel Michel die Wage. Die -Schale mit dem Sünder schnellte hoch empor, -und der Dullhäubel verzweifelte an seiner Seligkeit, -zumal da sich an die andere Schale noch der -Teufel mit kohlrackerschwarzen Rabenflügeln und -einem langen, rauhen Schwanz gekrallt hielt.</p> - -<p>»O weh, o weh,« winselte der Sünder, »jetzt -muß ich in der Höll knirschen auf ewig.«</p> - -<p>Aber auf einmal senkte sich die Schale, drin er -hockte, langsam und stetig.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a id="Page_298">[298]</a></span></p> - -<p>»Schau hinunter auf die Welt, Dullhäubel, -wer dir hilft!« sagte die Jungfrau Maria.</p> - -<p>Da sah er tief, tief drunten im grünen Fuxloh -vor der Kapelle ein uraltes Weiblein hocken, das -betete mit seinem Hagebuttenrosenkranz für die -arme Seele des Dullhäubel. Es war die Ulla.</p> - -<p>Nun stand die Wage auf gleich.</p> - -<p>»Ich darf nit zu leicht befunden werden,« ächzte -der Dullhäubel, der helle Schweiß rann ihm von -der Stirn.</p> - -<p>In seiner Not langte er hinüber nach des -Teufels Schwanz, und ob der Satan ihn auch -mit der gespaltenen Zunge anlechzte und die rotfeurigen -Augen abscheulich glühen ließ, der Dullhäubel -packte des höllischen Widersachers Schwanzquaste -und legte sie in die eigene Schale, und sie -senkte sich um eines Härleins Breite tiefer als die -andere.</p> - -<p>Da fing unser lieber Herrgott an, sich langsam -den Bart zu streichen und auf einmal lachte er -dröhnend auf, und der heilige Peter fiel wie besessen -lachend auf die Pauke hin, worauf man -sonst Gewitter und Donnerschlag wirbelt, und die -Muttergottes und alle heiligen Leute konnten sich -nicht helfen vor lauter Lachen, und nur der Teufel<span class="pagenum"><a id="Page_299">[299]</a></span> -rupfte sich den rußigen Schopf, spie und ließ die -Schale los und sprang in die Hölle.</p> - -<p>Vor dem breiten Herrgottsgelächter aber sank -die Schale des Schelmes völlig herab, und er -stieg aus und war gerettet.</p> - -<p>Doch der heilige Peter besann sich und murrte: -»In der Welt drunten gibt es einen Spruch, und -der ist wahr.</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Je ärger der Schalk, je besser sein Glück,<br /></span> -<span class="i0">je größer der Dieb, je kleiner der Strick.<br /></span> -</div></div> - -<p class="noind">Herrgott, paßt denn der Bauerntrumpf da, der -nixnutzige, der Tod und Teufel zum Narren gehalten -hat, in deine lautere Seligkeit herein?«</p> - -<p>Der Herrgott warnte mit dem Finger. »Peter, -Peter, geh mit unserm Dullhäubel nit zu streng -ins Gericht! Es müssen auch andere Leut um -mich sein, nit nur lauter Heilige. Die Heiligen -sind mir oft ein wenig peinlich gewesen.«</p> - -<p>Und während der Herr mit seinem Knecht also -sprach, trat einer auf den Dullhäubel zu und gab -ihm derb die Hand. Der fremde Gesell trug einen -altertümlich groben Bauernrock und Bundschuhe, -und ein Spiegel hing ihm im Gurt; seine lichtblauen -Augen funkelten mutwillig, sein Haar war -gelb wie Stroh und darauf saß ihm statt des<span class="pagenum"><a id="Page_300">[300]</a></span> -Hutes ein ruppiger, glotzender, krummschnabliger -Ohrenvogel.</p> - -<p>»Ich sollt dich kennen,« sagte der Dullhäubel -und dachte nach.</p> - -<p>»Du kennst mich,« kicherte der andere, »ich bin -ja dein Bruder, der heilige Eulenspiegel.«</p> - -<p>Er hielt dem Dullhäubel den blanken Spiegel -vor. Der lugte hinein und sah sich drin rosig -leuchten, und über seinem Scheitel hing ein runder, -lustiger Heiligenschein.</p> - -<p>Der Herrgott richtete jetzt die grauen, frohen -Augen auf ihn. »Dullhäubel, was willst du im -Himmel anfangen?«</p> - -<p>Der schalkhafte Mann leckte sich die Lippen und -hob den listigen Bauernblick. »O Herr, wenn ich -es wünschen darf, will ich im Sommer Schnee -schaufeln und im Winter das Vieh hüten.«</p> - -<p>»Zu meiner Rechten darfst du nit sitzen,« lachte -der Herrgott, »du bist heut noch nit viel wert. -Jetzt führ dich gut auf und laß dir einen milden, -süßen Most einschenken.«</p> - -<p>Das war dem Dullhäubel recht. Und er sagte -zu der Himmelsfrau: »Liebe Fürbitterin, du -schnupfst nit? Für deine wehleidige Jungfernnase<span class="pagenum"><a id="Page_301">[301]</a></span> -ist meine Mischung zu scharf. Aber uns schmeckt -es, gelt, Gottvater!«</p> - -<p>Er schüttelte das rubinene Glas und ließ den -Tabak rieseln auf des Herrgotts strahlende Hand.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Also hat unser Herrgott an einem gelungenen -Schelm mehr Freude als an neunundneunzig -Gerechten. Und so findet die Geschichte vom -Kasper Dullhäubel jetzt ihr</p> - -<p class="center"><em class="gesperrt">Ende</em>.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p class="center">Von demselben Verfasser erschienen vorher -im gleichen Verlag:</p> -</div> - -<p class="h2">Aus wilder Wurzel</p> - -<p class="center">Ein Roman<br /> -Einbandzeichnung von Oswald Weise. 10. Tausend</p> - -<p class="smaller"><em class="gesperrt">Münchner Allgemeine Zeitung</em>: »Das vorliegende Buch ist des -Dichters beste und reichste Schöpfung und läßt noch ausgereiftere, kostbarere -Früchte erwarten. Hart, eisern, von knirschendem Willen durchzuckt ist dieser -Bericht, der von den mutig-zagen Bauern zu erzählen weiß, die es auf sich -genommen, die furchtbare Baumwildnis der Eisensteiner Berge im endlosen -Böhmerwalde der Scholle dienstbar zu machen. Watzliks Buch wird zu den -bleibenden unseres Literaturschatzes gehören.«</p> - -<p class="h2">Der Alp</p> - -<p class="center">Ein Roman<br /> -Einbandzeichnung von Richard Birnstengel. 6. Tausend</p> - -<p class="smaller"><em class="gesperrt">Paul Grabein</em> im Düsseld. Generalanz.: »… Der Wert des Buches -besteht in der ganz prachtvollen, realistischen und doch wieder poetisch überhauchten -Schilderung der Natur und Menschen des Böhmerwaldes. Eine -Fülle von Gestalten zieht an uns vorüber, jede scharf umrissen in ihrer Erscheinung. -Die künstlerische Wirkung Watzliks wird noch gehoben durch die -eigenartige Schönheit und Bildkraft seiner Sprache …«</p> - -<p class="h2">Im Ring des Ossers</p> - -<p class="center">Erzählungen aus der Vergangenheit des Böhmerwaldes<br /> -10. Tausend</p> - -<p class="smaller"><em class="gesperrt">Die Wage</em>, Wien: »… In wohlgepflegter Sprache, die stellenweis -wie wundervoll gestimmte Glocken klingt, läßt er des Urwalds Schimmer -und geheimnisvoll durchbrauste, zauberische Wildnis farbengolden vor uns -erstehn. In einigen Skizzen arbeitet er mit allen Kunststücken, Schönheiten -und Klängen des Wortes, daß die Seele erschauert, beglückt und berauscht -von der übertönenden und überstürzenden Kraft poesievoller Schilderung …«</p> - -<p class="h2">O Böhmen!</p> - -<p class="center">Roman. Einbandzeichnung von G. Gelbke. 11. Tausend</p> - -<p class="smaller"><em class="gesperrt">Deutschnationales Jahrbuch 1919</em>: »Ein Heimatroman, der den -Kampf der Deutschen Böhmens um ihre Heimatscholle, deutsches und slawisches -Leben mit solcher Farbenpracht und so glutvoller Innigkeit schildert, wie kein -zweites Buch. Jeder Satz darin ist Poesie, und wir dürfen den Dichter mit -immer größerem Recht zu den ersten Deutschösterreichs zählen.«</p> - -<p class="h2">Phönix</p> - -<p class="center">Ein Roman aus der Wiedergeburtszeit Böhmens<br /> -6. Tausend</p> - -<p class="smaller"><em class="gesperrt">Kölnische Zeitung</em>: »Wildromantische Ereignisse werden mit großer -Farbenpracht durchgeführt, daneben aber macht sich die zartere Romantik -eines innigen Naturgefühles liebenswürdig geltend. Ein spannend erzählter, -an starken Wirkungen reicher Roman, der auch große poetische Werte besitzt. -Man hat es in dem Buch mit dem Erzeugnis einer hohen dichterischen Begabung -zu tun.«</p> - -<hr class="tb" /> - -<p class="center p2 gesperrt">Ferner erschien im Verlag Gebr. Stiepel -in Reichenberg:</p> - -<p class="center bold">Wermuter</p> - -<p class="center">Eine Novelle. Mit Bildern von Artur Ressel. 4. Tausend</p> - -<p class="center"><b>Schloß Weltfern.</b> Ein Roman. 5. Tausend</p> - -<p class="center bold">Der flammende Garten</p> - -<p class="center">Gedichte. Mit Bildern von Viktor Eichler. 2. Tausend</p> - -<p class="center"><b>Firleifanz.</b> Ein Bilderbuch</p> - -<p class="center"><b>Einöder.</b> Ein Novellenbuch</p> - -<p class="center bold">Die Abenteuer des Florian Regenbogner</p> - -<p class="center">Liebhaberausgabe mit Bildern von Ferdinand Staeger -2. Tausend</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="transnote chapter" id="tnextra"> - -<p class="h2">Weitere Anmerkungen zur Transkription</p> - -<p>Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. -Der Schmutztitel wurde entfernt.</p> -<p>Korrekturen:</p> - -<div class="corr"> -<p> -S. 295 lustwandete → lustwandelte<br /> -<a href="#corr295">lustwandelte</a> lachend unter ihnen</p> -</div> -</div> - - - - - - - - -<pre> - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Fuxloh, by Hans Watzlik - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK FUXLOH *** - -***** This file should be named 62178-h.htm or 62178-h.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/6/2/1/7/62178/ - -Produced by The Online Distributed Proofreading Team at -https://www.pgdp.net - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions -will be renamed. - -Creating the works from public domain print editions means that no -one owns a United States copyright in these works, so the Foundation -(and you!) can copy and distribute it in the United States without -permission and without paying copyright royalties. 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Redistribution is -subject to the trademark license, especially commercial -redistribution. - - - -*** START: FULL LICENSE *** - -THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK - -To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase "Project -Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project -Gutenberg-tm License available with this file or online at - www.gutenberg.org/license. - - -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm -electronic works - -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. 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Information about the Project Gutenberg Literary Archive -Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent -permitted by U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. -Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered -throughout numerous locations. Its business office is located at 809 -North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email -contact links and up to date contact information can be found at the -Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact - -For additional contact information: - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To -SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any -particular state visit www.gutenberg.org/donate - -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. - -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. - -Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation -methods and addresses. Donations are accepted in a number of other -ways including checks, online payments and credit card donations. -To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate - - -Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic -works. - -Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm -concept of a library of electronic works that could be freely shared -with anyone. For forty years, he produced and distributed Project -Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. - -Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. -unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily -keep eBooks in compliance with any particular paper edition. - -Most people start at our Web site which has the main PG search facility: - - www.gutenberg.org - -This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. - - - -</pre> - -</body> -</html> diff --git a/old/62178-h/images/cover.jpg b/old/62178-h/images/cover.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 4dd58a0..0000000 --- a/old/62178-h/images/cover.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/62178-h/images/drop-d.png b/old/62178-h/images/drop-d.png Binary files differdeleted file mode 100644 index 4c3a03d..0000000 --- a/old/62178-h/images/drop-d.png +++ /dev/null diff --git a/old/62178-h/images/drop-f.png b/old/62178-h/images/drop-f.png Binary files differdeleted file mode 100644 index e006ef6..0000000 --- a/old/62178-h/images/drop-f.png +++ /dev/null diff --git a/old/62178-h/images/illu-180.png b/old/62178-h/images/illu-180.png Binary files differdeleted file mode 100644 index 6b7ec57..0000000 --- a/old/62178-h/images/illu-180.png +++ /dev/null diff --git a/old/62178-h/images/signet.jpg b/old/62178-h/images/signet.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 0e1d42a..0000000 --- a/old/62178-h/images/signet.jpg +++ /dev/null |
