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If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - -Title: Kean - Schauspiel in fünf Akten nach Alexandre Dumas - -Author: Kasimir Edschmid - -Release Date: November 4, 2019 [EBook #60626] - -Language: German - -Character set encoding: ISO-8859-1 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK KEAN *** - - - - -Produced by Jens Sadowski and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net. This book was -produced from images made available by the HathiTrust -Digital Library. - - - - - - - KASIMIR EDSCHMID - - - - - KEAN - - - SCHAUSPIEL IN FÜNF AKTEN - NACH - ALEXANDRE DUMAS - - DRITTE AUFLAGE - - - VERLEGT BEI ERICH REISS / BERLIN - 1921 - - - Alle Rechte, insbesondere das der Aufführung - und Übersetzung, sind vorbehalten. Den Bühnen - gegenüber Manuskript. Das Recht der Aufführung - ist nur durch den Verlag Erich Reiß zu erwerben - - - Copyright 1921 by Erich Reiß Verlag - - - FÜR GUSTAV HARTUNG - - - - - FIGUREN - - - HELENE GRÄFIN KOEFELD APACHE - AMY GRÄFIN GOSWIL ANDRER APACHE - DAISY MILLER KONSTABLE - RINY FRISEUR - JULIA TOM - GIZA DAVID - AMME BARDOLPH - KEAN ARZT - PRINZ VON WALES REGISSEUR - GRAF KOEFELD HAUSINTENDANT - LORD MEVIL DIENER - SALOMON TÄNZERIN - BOB WIRT - PEPI STEUERMANN - GONSCH BOTE - WELL APACHEN - VIKTOR PUBLIKUM - KAUKA WEIBER - - ZEIT: VOR NEUNZEHNHUNDERTVIERZEHN - - - - - AKT EINS - - - Diele bei dem Grafen Koefeld. Kamin. Dreiflügliger Riesenspiegel. - Der Hausintendant. Eine Kette Diener, beschäftigt. - - - SZENE EINS - -BOTE _tritt rasch ein, zu einem Diener_: Helène Gräfin Koefeld? _Diener -weist mit dem Daumen zum nächsten, Bote zum nächsten_: Helène Gräfin -Koefeld? _Diener weist mit dem Daumen ihn zum nächsten, Bote zum -nächsten_: Helène Gräfin Koefeld? _Diener weist mit dem Daumen ihn zum -nächsten, Bote zum nächsten, dem Hausintendanten_: Helène Gräfin -Koefeld? - -HAUSINTENDANT: Hier. - -BOTE: Ich muß sie sehen. - -HAUSINTENDANT: Geben Sie mir den Auftrag. - -BOTE: Der Auftrag ist privat. - -HAUSINTENDANT: Daher in meine Hände. - -HELENE _eintretend_: Wer ist das? - -BOTE: Helène Gräfin Koefeld ... - -HELENE: Was wollen Sie? - -BOTE: Ein Paket. - -HELENE: Wer sendet Sie? - -BOTE: Der Prinz von Wales. - -HELENE _reißt das Paket auf, ein Fächer, sie schwenkt ihn, dreht um_: -Ah. _Hinaus._ - -HAUSINTENDANT: Gehen Sie. _Bote ab._ - -SALOMON _durch die Tür, verdrückt_: Ist mein Herr da? - -HAUSINTENDANT: Wo kommen Sie hierher? - -SALOMON: Durch leere Zimmer. - -HAUSINTENDANT: Wer bist du? - -SALOMON: Souffleur. - -HAUSINTENDANT: Warum hast du da einen Herrn? - -SALOMON: Warum? Er tritt mich. Wie alle. Verachtet mich. Ich liebe ihn. - -HAUSINTENDANT: Wer ist der Stachel, den du liebst? - -SALOMON: Kean. - -HAUSINTENDANT: Der Schauspieler. Hein? - -SALOMON: Der bedeutendste Mann seiner Zeit, wenn er sich zu mäßigen -verstände. - -HAUSINTENDANT: Das könnte er, meinst du, in einem Haus lernen, wo eine -Frau herrscht, die so ist wie unsere? - -SALOMON: Ich suche ihn nur, irgendeine Frau verlangt nach ihm, das -andere weiß ich nicht. Es kam mir nur in den Sinn, daß er krepieren wird -oder sich festlegen. Die Zeit ist kritisch geworden. Ich kann es nicht -mehr sehen, wie er mich mit sich in seine Launen reißt, Huren, -Prinzessinnen, gut, zornig. Wo soll das hin? Denken Sie nicht, daß er -mich nur tritt, er ist manchmal freundlich zu mir. - -HAUSINTENDANT: Lauf davon. - -SALOMON: Das kann ich nicht. - -HAUSINTENDANT: Der Herr verkehrt nicht bei uns. - -SALOMON: Hätten Sie gleich sagen können. Schicksal. Ich gehe. Warum -suche ich ihn hier? _Ab._ - -HELENE _mit dem Fächer herein_: Sind Spieltische aufgestellt? - -HAUSINTENDANT: Zwei Whist, einer Bridge, drei Bac. - -HELENE: Die Pagen am Gartentor in neuer Livree? - -HAUSINTENDANT: Gelb und rot. Mit silbernen Schnüren. - -HELENE: Die Küche? - -HAUSINTENDANT: Schwitzt. - -HELENE: Sind die Musikanten mit Strafe bedroht, wenn sie unpünktlich -sind? - -HAUSINTENDANT: Punkt neun marschieren sie durch den Salon. - -HELENE _klatscht in die Hände_: Tee und Punsch dann ins Boudoir. - -HAUSINTENDANT _klatscht in die Hände, zu den andern_: Tee und Punsch ins -Boudoir. _Diener ab._ - -HELENE: Sie verlassen mit keinem Schritt die Soirée. Fehlen Sie einmal -auf meinen Fingerwink, schick ich Sie aufs Land zu Fasanen und Kälbern. -Was sagen Sie? - -HAUSINTENDANT: Ich würde eine schlechte Figur machen zwischen Geflügel -und vorziehen, da ich Ihnen nicht mehr dienen kann, mich in die -Kirschbäume zu henken. - -HELENE: Chüt. _Sieht ihn an, hebt mit der Fingerspitze sein Kinn, pfeift -leis, jagt ihn mit einer Handbewegung hinaus._ - -DIENER: Die Gräfin Goswil. - -HELENE: Rasch. Rasch. _Zur Eintretenden_: Amy, Süßes, welches Glück, vor -der Soirée noch Ihre Anwesenheit allein zu haben. - -AMY: Ihnen zu sagen, daß zwischen soviel Blond und Blau beim Rennen das -Dunkel Ihrer Haare als Bestes fehlte. - -HELENE: Unmöglich da, wo Ihre Taille bebte, Ihre Hände winkten. - -AMY: Ich winkte. Mein Wettpferd fiel, ein Signal. Sie waren im Theater? - -HELENE: In Drury-Lane. - -AMY: Es spielte George? - -HELENE: Kean. - -AMY: Das Pferd, das stürzte, hatte einen grünen Jockey. Der Stall aus -England. Der Name: Kean. - -HELENE: Sie machen mich gespannt mit ihren Sprüngen, Liebe. - -AMY: Ihr Kean fiel nicht vorm Start? - -HELENE: Ausgezeichnet im Start. - -AMY: Endlich Begeisterung. - -HELENE: Endlich die Frage: Was bedeutet Ihr Lächeln? - -AMY: Den Ausdruck aller Gesichter, wenn Ihr Name fällt. - -HELENE: Sie reizen meine Neugier lange. - -AMY: Aus Furcht, Sie zu verletzen. - -HELENE _plötzlich die Brust öffnend_: Ich habe die unempfindlichste -Haut, Liebe. - -AMY: Aber Sie tragen sie zu empfindlich ins Theater. - -HELENE: Kurz, um was handelt es sich? - -AMY: Um Ihre Begeisterung. - -HELENE: In Ihrer Sprache ein Mann. Welchen? Reden Sie nun. Offen -gesprochen. - -AMY: Der einzige, der in Betracht kommt. - -HELENE: Präziser. - -AMY: Nicht um George. - -HELENE: Miserabler Anfang. Fügen Sie das Ende hinzu. - -AMY: Ich trenne mich ungern von Übergängen. - -HELENE: Schluß. - -AMY: Kean. - -HELENE: Welches Terrain! So tief! Es ist nicht Ihre Ansicht. Sie kennen -mich. Man redet so. Gut. Wer? - -AMY: Man sagt es nicht. Man lächelt. - -HELENE: Gut. Wenn Sie mich heut frügen, an meiner Stelle, ob ich glaube, -daß zwischen Kean und Ihnen etwas bestände ... - -AMY: Ich begreife nur, was ich erlebe. Die Frage ist zwecklos. Ich habe -kein Talent für philosophische Entzückungen. - -HELENE: Gut. Sie weichen aus. So werden Sie ein Lächeln lernen, das Ihr -früheres hinwegblitzt. Verdacht entwaffnet man nicht mit Beweis. Eher -durch Geständnis. Ich liefre nur meinen Geschmack. Glauben Sie, eine -Sekunde hätte vermocht, mich zu reizen, anzunehmen, daß das, was -zwischen von Damen ausgehaltenen Equipagen und betrunkenen Matrosen -hintaumelt, den Ruhm eines bedeutenden Schauspielers sich zugesellt, zur -Erfüllung von Wünschen auch nur bedacht werden könne, die wahrlich -anderes verlangen als solche Episoden? Mich ekelt. Ich rede frei. - -AMY: Ich bin Ihre Freundin. Ich werde es Ihren Freunden sagen. - -HELENE: Gut. Aber ... Süßes ... Sagen Sie es nicht Devonshire. - -AMY: Sie erschrecken mich. - -HELENE: Er ist ein Geschichtenerzähler. - -AMY: Sie peinigen mich. - -HELENE: Ein galanter Junge. Kavalier. Fit. Sportiv. - -AMY: Erlösen Sie mich. - -HELENE: Ein Nacken wie ein Mädchen. Schöne Hände, meine Süße. - -AMY: Sie nehmen eine furchtbare Revanche, mich zu quälen. - -HELENE: Ein Ring daran mit Onyx und Brillanten. Ich erinnere mich statt -dem Onyx Aquamarin gesehen zu haben. Damals trug ihn Ihr Gatte. Zwei -Ösen ausgebrochen, schlecht verbessert. Nehmen Sie einen besseren -Juwelier, Gräfin. Der Ring ist sonst indiskreter wie sein Besitzer. - -AMY: Ihre Grausamkeit ... - -HELENE: Wiegt Ihr Lächeln auf, Süße. Erzählen Sie Devonshire nicht meine -Geschichte, er könnte sie ins Gegenteil verkehren wie die Ihren. - -HAUSINTENDANT _mit Stock meldend_: Graf Koefeld. - -AMY: Ich bin vernichtet. Ich kann niemand sehen. _Läuft in den -Nebenraum._ - - - SZENE ZWEI - -GRAF KOEFELD _verbeugt sich_: Meine Gattin. Es floh jemand. Ein Mann. -_Stürmisch hinter Amy her, bringt sie zurück._ Halali. Eine Frau. Gräfin -Goswil. Verzeihung. _Sich fassend_: Den ersten Zivilminister Europas -würde ich versetzen, um Ihnen die Hand zu küssen. _Zum Sekretär hinter -ihm_: Diese Telegramme. In Codeschrift. Stafetten einlegen. Ein eignes -Schiff nehmen. Als Kurier fährt Graf Schlitz. Für wichtige Sachen nur -ehemalige Offiziere der Botschaft. Depeschen Seiner Majestät in Uniform -zu übergeben ... Darf ich mich setzen? Charmant Ihr Aussehn, Gräfin. - -AMY: Wer tadelte meinen Puder gestern? Ihre Komplimente bluffen wie jede -Uniform. - -GRAF KOEFELD: Ungalant, Gräfin. Verleumdung. Großer Sänger Ihres Ruhms. -Beschwöre Sie, den Rock des Königs aus dem Spiel zu lassen. Ansonsten -für Frivoles weitgeöffnetes Herz. Rock des Königs Privileg. Zum Necken -zu heilig. Sanktuarium. Auch schönstem Mund. _Aufspringend_: Meine -Gattin ... Welch ein Fächer? - -HELENE: Ein Geschenk. - -GRAF KOEFELD: Wer schenkt Fächer? Frauen? Nein. Ein Mann! - -HELENE: Der Prinz von Wales. - -GRAF KOEFELD _stramm_: Auszeichnung. Welche Gnade. Hohe Ehre. Herrlich. -Monseigneur wird überdies überrascht sein. Eine neue Surprise: Ich lasse -Tontauben schießen. Spezialvergnügen Monseigneurs. Versuche, ihm -sekündlich das Leben mit Lieblingsbissen zu garnieren. _Stößt ein -Fenster auf, zielt mit einer an der Galerie dem Büchsenschrank -entnommenen Büchse im Hintergrund_: Peng ... halo ... vorbei ... Ihr -Gatte, Gräfin ... - -HELENE: Wird nicht erwartet. - -AMY: Er bemüht sich, Lord Mevil mit irgendwem zu verheiraten. - -GRAF KOEFELD: Verdammte, Mesalliance. Pardon, Gräfin. Ich sagte ab. Habe -siebzehn souveräne Ehebetten in Europa gerüstet. Skandal, daß Mevil mich -einzuladen sich erdreistet. Mich. Dieser Zertrümmerer feudalen Ansehns. - -AMY: Ihr Name? - -GRAF KOEFELD: Undurchdringlich. Wer heißt nicht so? Alle Welt: Daisy -Miller. - -AMY: Eine halbe Million Pfund. - -GRAF KOEFELD: Unverzeihlich. Sabotage des Bluts. Demokratisierung der -Gesellschaft. Die Phalanx der Jahrhunderte wird ruiniert. - -HELENE: Daisy Miller. Jenes Mädchen, dessen Dauerhaftigkeit uns -erstaunte, vis-à-vis unserer Loge, im Theater. - -GRAF KOEFELD: Sie hätte unsere Standhaftigkeit mit größerem Recht -bewundern können. Das Amt telephoniert ab neun nur noch nach Drury-Lane. -Im Theaterportal Attachés. Im Foyer Sekretäre. In der Loge die Post. - -HELENE: Ich bat Sie nie um Ihre Begleitung. Von heute ab erübrigt es -sich, davon zu reden. Ich besuche das Theater nicht mehr. - -GRAF KOEFELD: Neues Arrangement schon vorbereitet. Es kommt dann zu -Ihnen. Die Dekoration nur ist ausgewechselt. Kean ist zur Soirée -geladen. - -HELENE: Kean? - -GRAF KOEFELD: Kean. Ich verstehe. Sie zucken zusammen: ein Komödiant. -Ich finde es abscheulich. Allein: Wunsch des Prinzen von Wales. Kann ich -es abschlagen? Unmöglich. Immerhin Wunsch des zukünftigen Königs. Ich -lud sofort. - -HELENE: Ich empfange die bitterste Beleidigung, der ich seit meiner -Verheiratung ausgesetzt war. Ich empfange sie von meinem Gatten. - -GRAF KOEFELD: Ihr Gatte ist Ihr tapferster Verteidiger. Jede Stunde. -Unbedingt zu rechnen. Ich stehe wie Thron und Altar. - -HELENE: Sie empfanden nicht einmal das Bedürfnis, mich zu befragen. -Ihren Salon repräsentiere ich, nicht Sie. - -GRAF KOEFELD: Fürstlicher Wunsch ist Befehl. Auszuführen oder sterben. -Karriere oder Lump. Selbst die Marseillaise wird in diesem Sinn God save -the king. - -HELENE: Ein Affront. - -GRAF KOEFELD: Keine Zeremonie. Ich engagiere ohne gesellschaftliche -Verpflichtung. Sie geben ihm Essen, Zigarren, Wein. Ich Geld. Der -Bursche tanzt und zitiert. Wen soll der Kerl genieren, hält Monseigneur -ihn als Affen. - -HELENE: Die Gräfin Koefeld empfinge den Künstler. Dem Takt ihres Gatten -aber bringt sie Erwartungen entgegen, die nicht ahnen, daß er sie -zwänge, vor einem Wüstling sich wie ein Themsemädchen zu fühlen. - -GRAF KOEFELD _der einen Brief bekommt und öffnet_: Beruhigen Sie sich. -Neue Zeit. Fortschritt der Zertrümmerung: Kean ist durch -Unaufschiebbares gehindert, seine Aufwartung zu machen. Infame -Beleidigung. Er sagt ab. - -HELENE: Die Verhinderung ist taktvoller als die Einladung. - -GRAF KOEFELD: Takt? Ausgeschlossen. Ich bin auf -Zwischen-den-Zeilen-Lesen dressiert. Schon mit sechzehn schrieb ich über -Forellen und meinte eine Bar. Als Louis Bourbon den Sessel statt den Fuß -einer Prinzessin unterm Tisch mit der Zehe dauernd streichelte, -signalisierte ich Unheil. Er nahm sie nicht. Mein Minister, mir -ungläubig, optimistisch, flog in die Luft. - -HAUSINTENDANT _mit einem Stock meldend_: Monseigneur, der Prinz von -Wales. - -PRINZ VON WALES: Ich komme lachend, Gräfin. Verzeihung. - -HELENE: Sie würden sie erhalten, wenn Sie weinten. - -AMY: Sie erhalten sie nicht, wenn Sie nicht sofort erzählen. - -PRINZ VON WALES: Skandal. - -GRAF KOEFELD: In der Gesellschaft. Schmerzlich. Ich grimassiere statt zu -lachen ... untertänigst mit Erlaubnis. - -PRINZ VON WALES: Es gibt nichts Amusanteres. - -GRAF KOEFELD: Die Zeit ist angefressen. Revolten zittern unter unseren -Füßen. Wir müssen Eisengesichter haben. Nieder die Kanaille ... Pardon. - -PRINZ VON WALES: Die Weisheit ist nicht eingestellt auf das -Knochenzerschlagen, sondern sie lächelt, da sie nicht gewohnt ist, die -Dinge zu ernst zu nehmen. Man verdirbt sie dadurch. - -GRAF KOEFELD: Skandale haben mitten in die Revolte hineingeführt. Allons -enfants ... lieber Mitrailleusen ... mit devoter Genehmigung gesagt. - -PRINZ VON WALES: Im Gegenteil. Der sogenannte Volksgroll geht in kleinen -Vapeurs in den Azur. Gewitterbildung unmöglich. - -AMY: Der Skandal? - -GRAF KOEFELD: Säbel. Patronentasche. Panier hoch. Damit fürchten wir -letzten Endes selbst Wotan nicht. Versohlen die Fläbsche. Versohlen -gehorsamst. - -AMY: Der Skandal? - -PRINZ VON WALES: Alte Schule, Koefeld. Ihr Weltgefühl ist korsettiert. -Demokratisch ist für Sie ein Purgier. Mir heitres Brausepulver. -Beschäftigen Sie sich branchekundiger. Stiften Sie Ehen. - -AMY: Aber: der Skandal? - -GRAF KOEFELD _stramm_: Untertänigst, gehorsamst ... der Skandal? - -AMY: Ich sterbe vor Ungeduld. - -PRINZ VON WALES: Lord Mevil ... - -AMY: ... der heute heiratet ... - -PRINZ VON WALES: Lord Mevil, der heute heiratet, fand die Braut -entführt. Sein Riesenaufwand ist verpufft. Sein Goldvogel hat sich -verflogen. Ein Klügerer als dieser schöne Satan Mevil hat ihm das Haus -ausgeraubt zehn Minuten, eh er es betrat. Mevil ist nun bankrott. - -HELENE: Und wer ...? - -AMY: Wer? - -PRINZ VON WALES: Der schönste Name Englands. - -AMY: Das wäre Monseigneur. - -PRINZ VON WALES: Ich mische mich nicht in die Bourgeoisie. - -GRAF KOEFELD: Horrä. Horrä. Horrä. - -PRINZ VON WALES: Man könnte mich dort abweisen. Man hat auch da Stolz. -Höher. - -AMY: Der König. - -PRINZ VON WALES _verneigt sich in den Spiegel, spielt mit der Drehung, -hustet. Koefeld macht Zeichen._ - -GRAF KOEFELD _näher kommend_: Monseigneur. - -HELENE _mißverstehend_: Unmöglich. - -PRINZ VON WALES _lächelnd_: Noch illustrer. - -HELENE: Wie kann das sein? - -PRINZ VON WALES: Herrlicher. Voll Ruhm. Voll Auszeichnung. Angebetet. -Von frischem Erfolg sekündlich umgeben. - -HELENE: Ich kenne niemand. Nennen Sie ihn. - -PRINZ VON WALES: Kean. - -HELENE: Das ist unmöglich ... - -PRINZ VON WALES: Woher wissen Sie das? - -HELENE: ... daß Sie sich in Vergleiche begeben, die Beleidigungen für -Sie sind. - -GRAF KOEFELD: Gnade Gott, daß der Kerl absagte. Rechts um Marsch. Das -Ganze Halt. - -PRINZ VON WALES: London wird illuminieren. Flaggt. Läßt das -Betschuanenregiment mit Niggermusik und Trommeln über die Plätze ziehn. -Die Männer haben Schlaf. Kean ist gefesselt. - -AMY: Wie reizend. - -PRINZ VON WALES: Liverpool empfängt vom Meer her seine letzten Grüße. - - Langsam anschwellendes Lärmen, ohne Übereilung herankommend, lauter, - weit geht die Tür auf. Mit großer, weltmännischer Bewegung herein - tritt Kean. - - - SZENE DREI - -KEAN: Ein Zufall, den ich preise, obwohl er nicht ohne Tragödie ist, -setzt mich in den Stand des Vorzugs, der Gräfin Koefeld die Hände zu -küssen, dem Prinzen von Wales, Monseigneur, meine Achtung in dem -höchsten Maße der Ergebenheit zu bezeigen und dem Grafen Koefeld den -Widerspruch zwischen meiner Absage und meinem Erscheinen in einem Wort -der Bewunderung und der Bitte zugleich zu erklären. - -PRINZ VON WALES: Wir zählten nicht auf Sie, in der Tat. Ich danke für -die doppelte Konfusion. Ich erinnere mich eines Gascogners, der daran -litt, doppelte Muskeln zu haben. Man gab ihm Milchbäder, er machte sie -zu Butter. In der Tat, ich erinnere mich mit Vergnügen der Geschichte. - -KEAN: Die Gerüchte sind falsch, die Konsequenzen ungültig, ich -unschuldig. Darf ich Beweise ... - -PRINZ VON WALES: Ich also ein Lügner? - -KEAN: Monseigneur, der, welcher Sie belog. - -PRINZ VON WALES: Ihre Dokumente? - -KEAN: Ich kam hierher, da ich Sie hier wußte. Man betritt kein Haus -lieber als das, in dem man sicher ist, die Verfolgten geschützt zu -sehen. - -PRINZ VON WALES: Seltsam, damit zum Prinzen von Wales zu kommen. - -KEAN: Und dies mit einem Brief, der beweist, daß es keine schönere -Aufgabe ist, als für die Verteidigung einer Frau und der Wahrheit selbst -vor der Ungnade des höchsten Protektors zu stehen. Den Brief ließ Daisy -Miller in meinem Zimmer, als sie mich nicht antraf. Der Spion versäumte -zu sagen, daß sie es nach zwei Minuten verließ. - -AMY: Lesen Sie. - -KEAN: Nicht ich. - -PRINZ VON WALES: Lesen Sie. - -KEAN: Wer bin ich, Monseigneur? Ich bin der Schauspieler Kean. Ich bin -nicht töricht genug, zu wissen, daß dies viel ist, so wenig es vor Ihnen -ist. Aber was bedeute ich in einer Sache, die Keuschheit und Würde -verlangt. Habe ich ein Echo in feinen Dingen? Man schreit Don Juan, -Verräter, Wüstling, Komödiant. Man horcht auf meine Stimme, wenn ich -Romeo spiele. Was bin ich als Mensch diesen anderen Menschen? Nimmt -jemand mich voll außer Monseigneur? Ich fürchte, daß meine Stimme nicht -den Vorzug hat, so vor der Wahrheit zu stehen, wie mein Wille es tut. - -GRAF KOEFELD: Akzeptiert. Unaufgefordert. Da Sie den Prinzen von Wales -suchen, bitte, Ihre Bitte nicht aufzuschieben, mit der Sie sich -annoncierten. Seine Wünsche sind Ordres. Höflichkeit, sie zu befolgen, -die geringste Pflicht der Untertanen. - -KEAN: So darf ich mich vor der Gräfin Koefeld neigen, denn nur wenn die -Ehre dieser Frau und ihr Name sich anschickt, ja sagend und gütig sich -beugend, zur Unschuld der ärmeren und unbedeutenderen Schwester -herunterzukommen, wird erst Gerechtigkeit sein und die Unschuld so gut -gepaart sein, daß es überzeugt. - -PRINZ VON WALES: Kean. - -KEAN: Selbst Ihr Rang und Ihre Macht, Monseigneur, sind nur eine Stufe -der gestaffelten menschlichen Vollkommenheit und ein schöner Vorposten -der menschlichen Gesetze. Verzeihen Sie meine Kühnheit, wenn ich die -große Rührung, die von dem schlichten Mund der unbestechlichen und -erhabenen Wahrheit ausgehen, darüber stelle. Die Unbedingtheit der -gerechten Äußerung kommt nur aus der Würde einer verehrungswürdigen -Frau. - -PRINZ VON WALES: Geben Sie der Gräfin den Brief. - -AMY: Sagen Sie Ihr Kommentar. - -HELENE: Ich möchte ihn nicht lesen. - -KEAN: Ich verehre das Übermaß an Zartgefühl, das nicht in die Feinheiten -anderer Schicksale fassen will, Gräfin. Ich, der ich erbärmlich bin vor -der Größe Ihrer Augen, nur ein Sujet, ein Quelconque, nur ein Mann, -irgendwelcher, nur Kean, ich flehe Sie an, aus einer übertriebenen -Feinfühligkeit kein Opfer zu machen. - -GRAF KOEFELD: Geben Sie der Gräfin diesen Brief. Unbesorgt. Voran. -Junger Mann. Zivilcourage! - -KEAN: Darf ich die größte Beleidigung wagen, die Monseigneur angetan -wurde, und ihn bitten, die Gräfin meine Erklärungen allein aufnehmen zu -lassen, damit die Wahrheit, die ja im einzelnen der private Besitz -anderer Menschen ist, aus ihrem Munde Ihnen zurückgegeben, ohne jeden -Klatsch nur mit der endgültigen Sicherheit des Satzes schließe: Kean ist -unschuldig, und die verfolgte Frau ist es auch. - - Der Prinz führt die beiden in den Hintergrund, lächelnd, sich - verbeugend. - -GRAF KOEFELD: Tontauben, Monseigneur. _Sie gehen zum Balkonfenster -hinaus._ Peng ... Schräg ... zu hoch -- Patronen. Dank ... Monseigneur. -_Man sieht sie draußen, hört sie, sieht ihre Schatten._ - -HELENE: Sie haben mich in eine Lage gebracht, die ich Sie büßen lasse. - -KEAN: Da ich in einer guten Sache mein Leben zum erstenmal dem Ihren -mische, kann nur ein gutes Schicksal über uns stehn. - -HELENE: Ich wünschte, Sie verließen mich in derselben Sekunde. - -KEAN: Ich werde Sie verlassen, wenn ich, nicht, wenn Sie es wollen. - -HELENE: Den Brief. _Liest, hält ein, weicher, beruhigter_: Sie haben -recht. - -KEAN: Versprechen Sie mir, den Brief fertig zu lesen. - -HELENE: Ich las. - -KEAN: Die Rückseite ist auch beschrieben. Ich fürchtete, meine Stimme -würde nicht reichen, diese Minute zu ertragen. - -HELENE: Die Rückseite ... - -KEAN _nimmt ihr das Papier aus der Hand, hält es vor sich_: Ich werde es -Ihnen lesen, Gräfin, ich kann es Ihnen lesen. Ich lese rasch, Gräfin, es -geht um jede Seligkeit; ich habe eine Stunde seit Monaten gesucht, die -eine Dame Ihrer Position mir geben kann, ohne sich zu kompromittieren, -ich gäbe mein Leben für diese Stunde, es sind nur zwei Minuten jetzt, -sie vorzubereiten, Gräfin, zwei zufällige Minuten, zwei noch vor einer -halben Stunde ungeahnte Minuten; auch sie genügen, aber ich bin kurz. -Lassen Sie Ihren Wagen vor dem Theaterbüro halten, nehmen Sie ein -Billett, winken Sie mit dem Fächer. Der Billetteur ist mir ergeben. Sie -kommen in Schwarz, mit einem Schleier. Durch einen geheimen Gang kommen -Sie in meine Loge. Ich werde es Ihnen ins Blut setzen, daß Sie es nie -vergessen ... - -HELENE: Halt. Ich habe genau zugesehen. Sie haben gelogen. Es stand -nichts auf der Rückseite. Das Papier war leer. - -KEAN: Als ich hierher ging, hatte ich nichts im Sinn als das Schicksal -einer Unschuldigen. - -HELENE: Sie vergaßen den Grund Ihres Kommens rasch. - -KEAN: Ich riß aus der Sekunde, als sie mir nahte, was sie mir geben -konnte. - -HELENE: Sie setzen Ihr Leben aufs Spiel. - -KEAN: Tue ich es nicht auch, wo ich für die Unschuldige eintrete? - -HELENE: Das erste war echt. Ist das zweite mehr wie Wahnsinn? Gibt es -zwei Dinge so nebeneinander? Und echt? Verwunderlich. - -KEAN: Prüfen Sie. - -HELENE: Ich kann es. Ich kann auch die Hunde rufen. - -KEAN: Sie kommen in die Loge! - -HELENE: Verlassen Sie sich nicht auf die Kühnheit Ihres Wahnsinns. - -KEAN: Durch den Gang in meine Loge. Sie kommen das erstemal, wenn ich -wieder spiele. _Die Gräfin Koefeld stampft mit dem Fuß auf, Kean -klatscht in die Hände, verbeugt sich vor Helène, ruft nach rückwärts_: -Monseigneur, Graf Koefeld, die Gräfin Goswil auch, ich vergaß ... ich -erbitte tausendfach Entschuldigung ... die Gräfin hat gehört. Ich habe -geredet. - -HELENE _stockend_: Der Herr ist ... unschuldig -- -- und Daisy Miller -... auch. - - - Schluß des ersten Akts. - - - - - AKT ZWEI - - - Zimmer bei Kean. Links Ausgänge nach zwei Nebenräumen. Rechts - Eingang. Atelierhaft, Holzskulpturen, Teppiche, Diwane. Nach - einer Nacht. Betrunkene in grotesken Schlafstellungen: Kean, Tom, - David, Bardolph. Es ist noch dunkel. - - - SZENE EINS - -LORD MEVIL _erscheint mit drei Leuten und Laternen_: Besetzt die Türen. -_Geht durch den Raum und rasch in die anderen schauend._ Hier sieht es -nicht nach Weibern aus. Alles Betrunkne. Gebt sofort Knebel, wenn sich -einer regt. Welches ist der Entführer? _Eine Laterne zeigt auf Kean._ -Der soll sie mir geraubt haben? Für meinen Stolz unmöglich. Für den Plan -gut. Diese Kreatur voll Wein bindet mit mir an? Gelächter, Mevil! Er ist -in meiner Macht, ich werde ihn nicht berühren. Wie kann ein Bursche, der -jedem Feind so preisgegeben lebt, ein Gegner sein? Belauert ihn. Was ich -besitzen will, werde ich besitzen. Was ich greife, laß ich nicht los. -Hinunter an die Tore. Ich brauche Geld in irrsinnigem Ausmaß. Welches -Ziel hab ich noch nicht erreicht? Bewacht die Ausgänge gut. _Ab mit -seinen Leuten. Aus einem Nebenraum mit einer Kerze Salomon. Er stellt -die Kerze neben Kean, dann schießt er mit einem Terzerol in die Luft; -Kean steht auf._ - -KEAN: Wie oft hast du geschossen? - -SALOMON: Einmal. - -KEAN: Ist ein Brief von einer Frau da? - -SALOMON: Nein. _Kean mit einer Geste ins Nebenzimmer. Durch den Eingang -ein Jüngling._ Halt. Woher? Wen suchen Sie? - -JÜNGLING: Kean. - -SALOMON: Den sucht jedermann. Hast du nicht vielleicht einen Busen über -deinen Männerhosen? Mit welcher Legitimation? - -JÜNGLING: Der, daß ich frage, wollen Sie, daß ich auf dem Seil oder den -Fingerspitzen einmarschiere? _Schlägt ein Rad._ - -SALOMON: Welche Truppe? - -JÜNGLING: Truppe Bob. - -SALOMON _erschrocken_: Truppe Bob. Wird Kean erfreut sein oder geärgert? -Sieht er heut seine Vergangenheit verliebt oder verächtlich? junger -Mann, wenn Sie Mut haben, bleiben Sie, wenn Sie ängstlich sind, -verschwinden Sie. - -JÜNGLING: Ich habe Aufträge und bleibe. - -SALOMON: Dann ist zweierlei zu bedenken. Kommt er und sieht die Kerle, -saufen sie bis zum Abend. Scheinbar wird aber eine Frau erwartet. Ich -weiß nicht, welche. Am besten jagt man die Bande weg. Wie es kommt, ich -werde das Falsche getan haben. Schicksal. _Singt_: Ach Gottsche, schenk -mern Hambelmann, un e Kordel dezu, daß er zawwele kann. - -JÜNGLING _öffnet ein Fenster, dämmrighell_: Wirf sie in die Themse. - -SALOMON: Wassertod wäre die grausamste Exekution. Du hast Humor. Ich -liebe nicht Affairen mit den Konstablen. Wir haben genug. Dafür gibt es -einen andern Stil. _Weckt mit einem Hammer Tom._ - -TOM: Caramba, Sennor. Die Faust in Ihre Gurgel. - -SALOMON: Ich werde Euch eine Sache an den Hintern henken, an der Ihr -kein Werft schleppt, bis Ihr verreckt. - -TOM: Ich trete dir in den Bauch, daß der Hund in deinem Wanst zu bellen -anfängt. - -SALOMON: Du Bauchredner deiner Trübseligkeit, er würde vor Vergnügen zu -lachen anheben, weil er dich für einen Hirsch hält, obwohl du in -Wahrheit nur eine Sau bist, die den faulsten Huren die Männer zutreibt. - -TOM: Dafür sollst du dreimal gespien verdammt sein, daß du solche Lügen -erfindest. Ich bin sowenig ein Hirsch wie du ein Hund, denn du stinkst -schon zu verwest, du Aas. - -SALOMON: Wegen der Hörner, du Klauenbiest. - -TOM: Dann hast du deshalb gelacht in deinen Wanst, weil deine Augen vor -Besoffenheit so verklebt sind, daß du gar nichts siehst. - -SALOMON: Weil vor einer halben Stunde ein Rotrockweib auf einem Kahn -vorbeipaddelte, heraufgrinste und eine Harmonika erbärmlich schaukelte. - -TOM: Wenn das um zehn war, ist es jetzt halb elf. - -SALOMON: Aber wenn du bis in die Ewigkeit hinein meckerst, kriegst du -den Wettlauf mit der halben Stunde nicht wieder herein, und wenn dein -Rüssel sich zu einer Kilometerschnauze auswächst, denn damals waren hier -vier und nun sind drei. - -TOM: Dann schlag ich dem Kean den Stirnknochen auf und schlitze die rote -Sau von unten bis oben, wenn ich sie erwische. Dann kannst du betteln, -alter schlottriger Darm. _Geht dröhnend ab._ - -JÜNGLING: Hast du ihm nicht gefährlich eingeheizt? - -SALOMON: Sein Hirn ist so feig, wie sein Maul vor Unflätigkeit groß. Es -ist schon so ausgefranst, daß es bald die Ohren erreicht hat und sie -abfrißt auf seinem Weg um den Kopf. - -JÜNGLING: Wie das Zeug hinausgeht, ist gut. Aber wie kam das Zeug -herein? - -SALOMON: Kean wollte eingeschlossen sein und ausruhn. Aber er hat seine -verdammten Launen. - -JÜNGLING: Ihr schloßt ein. - -SALOMON: Er holte sich Gesindel durchs Fenster. Achtzehn Flaschen dann -auf vier Mann. Wie leicht Hoch und Niedrig sich einigen, ahnt man nicht. -_Weckt David._ - -DAVID _fällt aufs Knie_: So will ich Gott den milden Herren beim Aufgang -jedes Gestirns loben, daß er mich einfältige und fleischliche Kreatur -über Nacht auf dieser Erde wohlgefällig erhielt. - -SALOMON: Fromme Wanze. David! - -DAVID _abwesend_: Eins, zwei, drei, vier, fünf. Anwesend. David -anwesend. - -SALOMON: Amen. Willst du eine Heldentat vollbringen? - -DAVID: Ich habe keine Neigung nach dem Tod. Wenn der Herr zwar mich -ausersehen, so sage ich: Ich bin bereit. - -SALOMON: Du hast Kean dreiundachtzigmal geschworen, daß du alles ihm -opfern willst. Vergißt du deine sanfte Grimasse, wenn die Flaschen wie -leere Kinderhälse rülpsen? - -DAVID: Warum beschämst du mich falsch? Weißt du nicht, daß, wenn Kean -will, ich folge mit verbundenen Augen. - -SALOMON: Vor einer halben Stunde, als Kean am Fenster stand, fiel ein -Kind in die Themse und Kean sagte ... - -DAVID: Was sagte Kean? - -SALOMON: David ... - -DAVID: Er erinnerte sich meiner Armseligkeit. - -SALOMON: ... David ist der einzige, der es retten könnte ... - -DAVID: Hei, ein gütiger Gedanke von Kean, Herr. - -SALOMON: Denn er ist, sagte Kean, der einzige, der mit Salbung so geölt -ist, daß ihm Wasser nicht schadet, er schwimmt wie mit Schwimmfüßen auf -heiligen Sprüchen stundenlang. - -DAVID: Es war sein Wunsch? Du sagst mir es jetzt erst. Nach welcher -Seite floß das Kind? - -SALOMON: Stromaufwärts wie alle Kinder. Hinauf. Hinauf. Es schrie nicht -mal. - -DAVID: Welch ein Glück, Salomon. Du bist weiser wie Sancho Pansa und -Hamlet. Kean wird zufrieden sein mit dem schwachen Theologen. Welches -Glück. Sagt Kean: Gehe -- so geh ich. Bleibe, so bleib ich. Er sagte: -Gehe. So geh ich. _Ab._ - -SALOMON: Der heißeste Topf. Wird mit Wasser gelöscht. _Weckt Bardolph._ -Meine Gratulation. Meinen Glückwunsch. - -BARDOLPH _in einem Löwenfell, brüllt, bläst sich auf_. - -SALOMON: Welche Haltung! - -BARDOLPH: Du gratulierst mir. - -SALOMON: Dieselbe Haltung, in der du Kean erledigtest. - -BARDOLPH: Ich gab es ihm. - -SALOMON: Allzutrefflich. Nie hörte man solches Geschrei. Ohnmächtig -rutschte Kean seine Stimme in den Magen. Er spie. - -BARDOLPH: Ich hätte ihn gern erwürgt, wenn er auf der Bühne alle -Applause einsteckte, als seien es Äpfel. Wer war es aber, der dem -Publikum den Eisschreck in die Blase gejagt? Wir müssen auch einmal an -die Rampe, der Tag des Sieges hat auch für uns seinen Sonnenaufgang. -Glaubst du, ich werde nun Hamlet spielen? Er verzichtet? - -SALOMON: Nein. - -BARDOLPH: Warum? - -SALOMON: Kean läßt sich den Magen auspumpen. Er schwor, dich -totzusaufen, damit du ihm nicht gefährlich wirst. - -BARDOLPH: Dann ists im Sinne der Menschheit, wenn ich meine Stimme -erhalte. Gehe ich, bin ich der Sieger. Bleibe ich, spielt mir das -Schicksal einen Streich. Seien wir klug, Bardolph. - -SALOMON: Wenn dich der Sieg Aug in Aug nicht reizt. Mit diesem -Brustkasten, solchen Muskeln. - -BARDOLPH: Roheit. Ich will in einer höheren Arena nunmehr meine Nüsse -knacken. - -SALOMON: Halleluja. David wartet. Mann, vergiß dein Fell nicht, deine -Stimme könnte drin stecken. - -BARDOLPH: Roheit. _Stelzt mit Ringerpose ab. Jüngling ihn verhöhnend -hinterher._ - - - SZENE ZWEI - -KEAN _in fabelbaftem Bademantel_: Meinen Kragen, mein Frühstück. Ist -Rotwein da? Wo sind die anderen? - -SALOMON: Sie haben sich eilig verabschiedet. - -KEAN: Du läßt meine Gäste laufen, schaß dich in deinen Souffleurkasten. -Man läßt meine Gäste nicht ohne Frühstück laufen. Ist Rotwein da? - -SALOMON: Jamaika-Rum. - -KEAN: Pest. _Schreiend._ Was ist das für einer? - -SALOMON: Ich drehe die Dusche im Badezimmer ab. _Ab._ - -KEAN: Was bist du für einer? - -JÜNGLING: Artist. - -KEAN: Welches Engagement verschafft mir die ... Zufälligkeit? - -JÜNGLING: Auf dem Seil, auf den Händen. Die Truppe Bob erinnert sich an -Kean. - -KEAN: Sapristi. Du bist ein Neuling. Ich kenne dich nicht. Welche Zeit -ist es? Mach die Läden auf. _Ganz hell._ Beweis dein Handwerk. _Jüngling -schlägt ein Rad._ Was willst du? - -JÜNGLING: Soll ich über den Fenstergurt laufen? - -KEAN: Wie geht es Bob? - -JÜNGLING: Seine Frau legte ihm das dreizehnte Ei, rötlich, gesund, mit -O-Füßen, es wird Clown. Den Mittag wird es getauft. Bob verplatzt an -seiner Trompete vor Wonne. Sein Herz ist zerbrochen, seit Kean ihn -verließ. - -KEAN: Well? - -JÜNGLING: Macht den Niagarasprung mit drei Säbeln. - -KEAN: Riny? - -JÜNGLING: Damned. Die schwarze Maus liegt in allen Betten. Verdorren -soll ich. - -KEAN _reißt ihm die blonde Perücke ab_: Ich war der erste, der dich -hatte. Ich habe dich sofort erkannt, Riny. Setz dich her. Küß mich. - -RINY: Warum machst du ein zorniges Gesicht? - -KEAN: Weil, wenn ich dich sehe, ich mein Leben leid werde. - -RINY: Du kannst mich schlagen. - -KEAN: Du verstehst mich nicht. Die Strecke, seit du das erstemal bei mir -lagst, bis heut ist zu lang für dein Hirn. Hör, hast du mich spielen -sehen, hast du gedacht, daß es eine Sache sei, mein Spiel, meine Rolle, -meine Stimme, wie ich gehe, wie die Leute schreien, klatschen? - -RINY: Ich habe es gedacht. - -KEAN: Hast du gesehen, mit wem ich im Wagen fuhr -- seid Ihr so lang -schon hier --, wie ich angezogen bin, wie ich esse, lebe, wohne? Hast du -gedacht, daß ich zufrieden, glücklich sei, daß meine Position, Geld, -Ansehn Dinge sind, in denen sich leben läßt? - -RINY: Ich habe es gedacht. - -KEAN: Dann hast du einen idiotischen Unsinn zusammengedacht. Dies Leben -ist zum Kotzen elend. Ich tauschte sofort mit dir. Iß Austern, ich aus -dem Sack. Gute Zeit war, als wir auf dem Planwagen von London nach Essex -zogen. - -RINY: Ich habe eine Frage. - -KEAN: Was willst du? Was will man, wenn man zu mir kommt? Karriere. -Empfehlung. Verkuppelung. Dummes Tier. Du weißt nicht, wie gut es dir -ging. Pfui Teufel! - -RINY: Meine Mutter muß vor der Geburt meinen Verstand mit dem Stock -versohlt haben. Ich verstehe dich nicht. - -KEAN: Das gefällt mir. Besser in Lappen Berge sehn wie als Hure -schlemmen. Ich beneide dich um den Himmel voll Freiheit. Wiesen, Dörfer, -Flüsse, -- habe ich das nicht einmal gesehen? Man zündet Feuer an, wann -man will. Man zieht in kleine Städte mit Trompeten, nachts still hinaus. -Rechts oder links fahren ... wie man will. Ich habe meine Jugend gelebt. -Verdammt, es war schön. Könnte ich das noch einmal durchmachen, ich -platzte. Das sind so Träume. Was willst du eigentlich? - -RINY: Ich wollte nachsehn, ob du nicht so verrückt geworden seist, daß -du den Mittag an der Taufe von Bobs dreizehntem Ei mitmachen könntest. - -KEAN: Warte! Eine Sekunde. Wenn ich von Tom einen Anzug liehe und einen -Wagen kaufte, würden die Mäuse, der Regen, die Kälte, die ja nicht so -arg sind wie Neid und Gemeinheit und Lügerei, dich anziehn oder -abstoßen? Vielleicht kommt mir einmal der Plan. Was weiß man von seinen -Plänen? - -RINY: Ich ziehe es dann vor, Kean auf seinen Landkonzerten zu begleiten. - -KEAN: Süßer Affe. Küß mich. Ich sag dirs, wenns mir so ist. Bob grüßt -du, den Mittag komm ich zur Taufe. Hast du Geld? Wo feiert ihr? - -RINY: Bei Patt. Ich marschiere. Dein Diener sagt, du erwartest eine -Frau. Ich lasse Patt herrichten. - -KEAN: Der Teufel soll den kneifen, der lügt, ich erwarte eine Frau. -Vergiß das Geld nicht. Geh jetzt. Vergiß das andere nicht. - -RINY: Du könntest sagen ebensogut, ich solle meinen Kopf nicht -vergessen. _Ab._ - -KEAN: Salomon! _Erscheint._ Wer wird erwartet? - -SALOMON: Kann ich erwarten, besser zu wissen wie Sie, welche Erwartungen -Sie haben? - -KEAN: Du hast dem Seiltänzer von einer Frau gesprochen, die ich erwarte. - -SALOMON: Ich habe erwartet, daß er eine Frau sei, deshalb habe ich -vielleicht die Erwartung einer Frau ausgesprochen. - -KEAN: Ich werde dich auf Warten dressieren. Du gehst jetzt gleich in die -Straße und vor das Haus, das dieses Bild zeigt und diese Adresse, und -wartest, bis die Dame herauskommt. Oder du fragst nach ihr, indem du -etwas zu verkaufen vorgibst. Du merkst dir die Dame und ihren Gang so, -daß du sie auch in Verkleidungen erkennst. Dann kommst du zurück. - -SALOMON: Den Gang will ich gerne sparen. Die Dame kenne ich. - -KEAN: Woher? - -SALOMON: Als ich Sie gestern suchte, frug ich bei Monseigneur und hörte, -daß Sie dort frühstücken. Ich bin nicht faul und gehe dahin, aber es war -ein Irrtum. Da sah ich die Dame. - -KEAN: Warum hast du mich gesucht? - -SALOMON: Eine Dame war hier und bat mich, Ihnen zu sagen, daß sie -wiederkomme. - -KEAN: Also wird doch eine Frau erwartet. Warum schleichst du auf Umwegen -immer ans Ziel, du Serpentine? - -SALOMON: Ich fand Sie nicht mehr, und wenn die Dame sagt, sie erwarte -morgen Sie zu sprechen, so wird sie doch nicht erwartet, sondern sie hat -selbst nur Erwartungen. - -KEAN: Laß den Unfug, mit dem du deine Vergeßlichkeit groß machen willst. -Du meldest den Mittag dich bei mir auf dem Artistenfest. Du bist dann -zeitig im Theater und auf alles gespannt. Am Büro öffnest du die -separate Tür. Du läßt die Gräfin Koefeld, auch wenn sie verschleiert -ist, in meine Loge durch den Gang und die Wandtür führen. Vor der -Vorstellung. Wenn dir mein Lachen lieb ist. Wenn sie nicht kommt, werde -ich verrückt. - - - SZENE DREI - -DIENER _mit Karte_: Die Dame wird erwartet. - -KEAN: Daisy Miller. - -SALOMON: Ich warte nicht länger. _Im Abgehen._ Es ist der Name der Dame, -die erwartet, erwartet zu werden. _Singt_: Ach Gottsche, schenk mern -Hambelmann, un e Kordel dezu, daß er zawwele kann. - -KEAN: Herein die Dame. Mein Frack. _Springt hinter eine Portiere, wo er -sich, sichtbar dem Parkett, aber nicht der Eintretenden, fertig umzieht -mit Hilfe des Dieners, der zu ihm kommt, nachdem er Daisy hereingeführt. -Daisy bleibt mitten stehen, sieht sich um._ Sie haben mich verfehlt, -verzeihen Sie; durch die unentschuldbare Haltung meines Dieners erfuhr -ich zu spät ... Sie sind Daisy Miller? - -DAISY: Ich kann nicht widersprechen. Doch ich wünschte, es nicht zu -sein. - -KEAN: Dann könnte Ihr Wunsch nur sein, Lady Mevil zu sein. - -DAISY: Dem widerspricht meine Handlung. - -KEAN: Die werden verfolgt? - -DAISY: Als ich auf die Straße trat, war ich verstoßen, Waise, -vermögenslos. - -KEAN _herauskommend im Frack_: Ich sehe keine Verzweifelte. Nur Anmut. - -DAISY: Ich nahm Ihren Namen mit. - -KEAN: Den schlechtesten Kredit. - -DAISY: Es wog mir den Mut auf, den Tod nicht diesem Gespräch -vorzuziehen. - -KEAN: Kommen Sie zu Ihren Wünschen. - -DAISY: Da ich ein Leben ohne Glück geführt habe, bin ich auf seine -Änderung bedacht. Ich war im Kloster bis vor Wochen erzogen. Ich löste, -als ich die Enge meiner mir aufgeredeten Entschlüsse erkannte, die -Verlobung mit Mevil. Ich verließ eine Stunde vor der Vermählung das Haus -meines Vormunds. Ich komme zu Ihnen, weil ich Ihren Beruf ergreifen -will. - -KEAN: Ich habe keine Verantwortung für Ihr Leben. - -DAISY: In Drury-Lane dachte ich: wenn ein Mensch sich in so vielen -anderen verkörpern kann und ihre Leidenschaft und ihr Herz mit so -strenger Wahrhaftigkeit von sich zu geben vermag, muß es ein -zuverlässiger Mensch sein. Wären Sie groß und mächtig nur, hätten Sie -mich nie gesehen. - -KEAN: Was habe ich mit meinen Rollen zu tun? Sie kennen mich nicht. - -DAISY: Wer mein Herz zu solchen Tränen gerührt hat, kann nichts anderes -als mein Vertrauen verdienen. - -KEAN: Ihr Vertrauen belastet mich. Ich lehne es ab. Was wollen Sie? - -DAISY: Ich sah Sie spielen. Das änderte mein Leben ... - -KEAN: Chüt ... chüt ... - -DAISY: Das hat mich zu meinen Entschlüssen tapfer gemacht. Denn wenn ein -Mensch vermag, sich in anderen so sehr zu erschöpfen und darin zu leben, -ist das der einzige Weg aus der Enge in die Freiheit. - -KEAN: Kein Weg für Sie. - -DAISY: Ich fühle den Drang zu keinem andern. Im Traum, am Tag kamen die -Stimmen, die Bewegungen der Frauen aus den Stücken, in denen ich Sie -sah, und verbinden sich mit mir. Ich ahme sie nach und bin voll Freude. -Helfen Sie mir, so werde ich die einzige Hilfe haben, deren ich bedarf. - -KEAN: Ich verweigere sie. - -DAISY: Dann werde ich den Tod leicht zu nehmen wissen in der Gewißheit, -daß dies der bessere Ausweg für mich ist, den Sie beschlossen haben, um -mich, zu Schwache und Unwichtige, anderem Schicksal zu entziehen. - -KEAN: Ihre Drohung ist groß. Diese Belastung von mir ist schon Irrsinn. -Sie verdienen die grausamste Antwort. - -DAISY: Ich kann nichts anderes von Ihnen erwarten wie die Wahrheit. - -KEAN: Setzen wir Ihr Talent voraus. Haben Sie das Leben bedacht? - -DAISY: Ich kenne es nicht. - -KEAN: Bleiben wir bei den sichtbaren Dingen. Fünf Monate Anfangsstudium -ist das Minimum für ein Genie. Sie debütieren. Mit auffallendem Erfolg. -Ich nehme die phantastisch-günstigsten Fälle. Man bietet Ihnen eine -Jahressumme, die die Hälfte dessen deckt, was Sie für seidene Strümpfe -brauchen. - -DAISY: Das Vermögen, das ich seit meiner Flucht nicht mehr besitze, war -durch meiner Vorfahren äußersten Fleiß erworben. Ich bin gewohnt, zu -entsagen. - -KEAN: Zu hungern. Schlechte Romantik. Gut. Aber ... die Kleider, die -Ringe, die Pelze, die Reiher, den Samt? - -DAISY: Ich werde sparen. - -KEAN: Womit? Die Zeit ist grausamer als das Leben. Sechs Jahre braucht -eine Venus, um unvergleichlich zu sein. Sie werden vorher Ihr einziges -wichtiges und letztes Kapital angreifen und verzehren müssen. - -DAISY: Ich habe keines. - -KEAN: Sie haben eines. Daß Sie sehr schön sind, ist gut und ist -schlecht. Sie werden Ihre Liebhaber haben. - -DAISY _läßt ihren Schleier fallen_. - -KEAN: Daß Sie unvergleichlich hohe Beine haben, wird Ihnen ebenso -unvergleichlich schaden. Daß Ihr Haar reich und Ihr schmaler Busen -köstlich ist, wird Signal zu dem Wettlauf der Vielzuvielen werden. Daß -Sie in Notlage sind und vom Schicksal arm bestimmt durch Ihren -tragischen Entschluß, wird Sie vor die bitterste Entscheidung zwingen, -ob Sie sich, ob Sie Ihr Ziel erreichen wollen. Geben Sie sich selbst -aber in das Furioso der Preise, die darauf geboten werden, um auf der -anderen Seite Ihrer Sehnsucht Ihr Ziel zu erreichen, so haben Sie alles -eingesetzt, um vielleicht nichts zu erreichen. Dann ist Ihr Herz -verdorben, und Ihre Beine sind verbraucht von den Männern, und Ihre -Brust hat keine Frische mehr, und Ihr Herz ist elend. - -Beweisen Sie, daß Sie robust genug sind, die heulende Furie der Kunst -auch durch das Dasein so entsetzlicher Perspektiven mit gleicher Kraft -wie Ihre Sehnsucht danach zu tragen. Dann rede ich Ihnen erst zu. - -Haben Sie im günstigsten Fall Männer, die Ihnen geben und nicht fordern, -die Sie lieben und die Sie nicht kaufen, bricht die Kloake der Angriffe -in anderen Höllenstürzen los. Affenhafte haarige kleine Schreiber, -krähende Regisseure, geschwollene Intendanten werden Sie tadeln, -schmähen, fordern, zurückstellen, verfolgen mit einer Systematik, von -deren Gründlichkeit Sie sich keine Vorstellung geben. Und wenn Sie, von -grellen Reflektoren bis in Ihr intimstes Boudoir jeweils beleuchtet, -ausgeschrien und entkleidet, gejagte Hindin, atemlos von der Jagd, -verzweifelt einem der Jäger sich geben, hat der andere Schwarm schon -sein Halali begonnen. Sie entweichen nicht. Haben Sie das Leben bedacht? -Gestehen Sie, daß Sie die Barriere unterschätzten, die es vor Ihre -Absicht legt. Ihre Knochen sind sehr zart, aber Ihr Herz ist groß. Ihre -Beine sind zu schön für solche Exkursionen. - -Beweisen Sie mir, daß die Zartheit Ihres Lebens so stählern und hart -ist, um unbeschmutzt und unzerschlagen aus dem herauszukommen, und ich -rede Ihnen zu. - -DAISY: Ich kann Sie nicht bitten, zu schweigen. - -KEAN: Sonst hätten Sie das Recht, mich später zu verfluchen. - -DAISY: Jeder Ausgang kann nur Dank für Ihre Güte sein. - -KEAN: Sie werden die Arme nach der Gerechtigkeit ausstrecken, aber Sie -werden ein Schwein umarmen. - -DAISY: Was müssen Sie gelitten haben. - -KEAN: Ich? - -DAISY: Nichts von alledem kann an Ihnen vorübergehn. - -KEAN: Ich bin ein Mann. - -DAISY: Ich bedaure Sie. Daß eine gerechte Sache soviel kostet ist -teuflisch. - -KEAN: Was kümmert mich der Kleinkram? Habe ich nicht eine Leistung in -der Hand wie wenige im Jahrhundert? Kümmern mich die Schreiber, Spione, -Paraden des Schmutzes? Oh. Wissen Sie, daß ich ein gutgewachsener Mann -bin und zu lachen weiß? Wer kann an mich heran? O, das ist alles nichts, -wo die tragische Lüge unserer Berufung uns immer viel tiefer sekündlich -verhöhnt. - -DAISY: Wer solche Tränen geweckt, solche Leidenschaften gelöst und -solche Liebe gerufen hat, kann nur glücklich sein. - -KEAN: Ich zöge es auch vor, lieber als Publikum vor meinen Talenten zu -grinsen, statt die teuflische Meute selbst im Bauch zu haben. Bin ich -denn nicht auch alles das, was ich spiele, und reißt es mein Leben nicht -in sechs Teile auseinander? Seltsame Späße reißen mein Dasein ein; -sapristi, wenn Sie die Späße kennten, die durch einen Tag meines -Verstandes durchrollen! Ich will auf dem Rücken liegen und Wolken ansehn -immerzu, Gnädige, am Wasser über Bergzacken hin. So bin ich einer. Ich -will ein Heer kommandieren, so bin ich in einer Stunde. Ich will einen -Mord begehen zum Mittag, so bin ich einer. Ich will im grünen Wagen -hinausfahren durch Feuer und Dörfer und Kinder hinter mir her haben, die -meinen Namen schreien, so bin ich einer später. Das alles drängt und -stößt durch meine Brust und wechselt einander ab wie die Schildwachen, -straff und mit Gewalt, gespannt und auf Letztes bereit. Ahnen Sie, an -welchen Abgründen ein Tag vorbeiführt? Vermögen Sie zu verstehen, welche -Höllen neben welchen Seligkeiten liegen? Und doch im Grunde bin ich -nichts, was bin ich? Werde ich Wolken ansehn, werde ich Soldaten haben, -welche Späße, Gnädigste, werde ich niemals mit dem grünen Wagen fahren? -Ich werde keine von den Späßen leben, die mir ins Hirn gerollt sind. Es -bleibt nur der fahle Schatten, der abends von Applaus umbellt ist, wenn -er die Lüge dieser oder jener Existenz heruntergespielt hat. Es bleibt -die Übelkeit, in Wahrheit nichts gelebt zu haben und sich und anderen -für Stunden ein Betrug gewesen zu sein. Bleibt eine Tat, eine Handlung, -etwas mehr als drei Tage Geschrei, wenn ich diese Sümpfe mit den seligen -vertausche? Und wen soll ich gerührt, wen erschüttert, wen, mein Gott, -für sein Leben gezeichnet sehen, wenn nach dem Abklatschen des Vorhangs -und dem Erlöschen der Lichter ich alle Menschen die Gesichter wechseln -und mit gewohnten Fratzen in den Karneval ihrer Erbärmlichkeit -zurückkehren sehe? - -DAISY: Wer mit solcher Kraft in einer Hölle steht, muß ein gerechter -Mensch sein. Warum haben Sie die Hölle sonst nicht verlassen? - -KEAN: Weil ich sie liebe. - -DAISY: Trotzdem sie zerreißt? - -KEAN: Fragt eine Leidenschaft nach Gefahr? - -DAISY: Sie leiden. Aber Sie wissen nicht, warum. - -KEAN: Drehen Sie die Lanze herum? Reden Sie mir plötzlich zu? Was soll -dieser Ton? - -DAISY: Ich habe eine seltsame Erkenntnis gemacht. - -KEAN: Ihr Entschluß? - -DAISY: Richtet sich nach Ihrer Äußerung. - -KEAN: Kehren Sie zurück. - -DAISY: Ich werde dort bedenken, was Sie gesagt haben. - -KEAN: Denken Sie nicht nur. Entschließen Sie sich. - -DAISY: Vielleicht werden Sie meinen Entschluß so nötig haben wie ich den -Ihren. - -KEAN: Was planen Sie? - -DAISY: Nichts, als daß ich von jetzt ab weiß, daß ich eine neue Mission -habe. - -KEAN: Gehen Sie zurück, und beweisen Sie mir, daß Sie, ohne das -Wichtigste zu verlieren, das Leben nicht zu ertragen, sondern zu -beherrschen verstehen. Zeigen Sie mir an einer Bagatelle, an einem Spaß, -an einem Nichts, daß Sie die Kräfte und die Elastizität einer stählernen -Seele haben. Und ich rate Ihnen zu. - -DAISY: Ich wohne Richmond Street Vierundachtzig. Bei einer Amme. - -KEAN: Ich werde Mittel finden, Ihnen Unterkommen zu sichern. - -DAISY: Ich danke Ihnen, denn ich weiß, daß ich selbst Ihre Grausamkeit -ertragen könnte. Weil ich Sie gesehen und besser verstanden habe als Sie -sich. - - - SZENE VIER - -DIENER _blitzschnell den Kopf hereinsteckend_: Prinz von Wales. _Kean -reißt Daisy an eine Fensterportiere und wirft die darüber, bleibt selbst -beschattet. Knapp hinter dem Ruf des Dieners kommt der Prinz._ - -PRINZ VON WALES _zum Diener_: Ich bin durchnäßt. Vom Gaul und Regen. -Mein Pferd wartet. Leihen Sie mir einen Mantel. - -DIENER: Hier. - -PRINZ VON WALES: Equipieren Sie mich möglichst. Handschuhe. - -DIENER: Hier. - -PRINZ VON WALES: Einen Shawl. - -DIENER: Hier. - -PRINZ VON WALES: Einen Melonhut. - -DIENER: Hier. - -PRINZ VON WALES _zu Kean_: Sie sind da? Um diese Zeit? Erstaunlich. - -KEAN: Treten Sie nicht an das Fenster. - -PRINZ VON WALES _mit der Gerte_: Zwei Füße! - -KEAN: Es wäre ein Unglück. - -PRINZ VON WALES _mit der Gerte_: Da? - -KEAN: Für mich. Weil ich Monseigneur hindern müßte. - -PRINZ VON WALES: Ihre Sorge um mich hat Pech, weil sie immer eine Sorge -um Sie töten will. Sie täten sich keinen Gefallen, denn Sie machten -einen Mund stumm eines Grundes halber, wegen dem er vom Pferd stieg, um -ihn zu stärken. Sie haben das Unglück, das Übele nicht zu sehen, wenn -Sie auf Anständiges aus sind. Sie sind ein guter Mensch, Kean. - -KEAN _mit abwehrender Bewegung_: Ein Vorwurf. - -PRINZ VON WALES: Eine Anerkennung, wo das Meskine so leicht ist. Wägen -Sie das aneinander ab, wissen Sie, warum ich kam, obwohl ich nicht naß -bin, und da es mit meinem Pferd zusammenhängt. - -KEAN: Ich warte. - -PRINZ VON WALES: Um die Ecke flitzte Mevils Wagen. Seine Leute halten -mein Pferd. Unterschätzen Sie den Mann nicht. Er brüllt seine Pläne -zusammen. Es gewittert um ihn. Ich sende Ihre Sachen zurück. _Ab._ - -KEAN: Ich danke Monseigneur. Salomon, _er reißt Daisy heraus_: Die Dame -über die Leiter. Durch das Treppenfenster. In den Garten. Über die -Themse weg. Niemand soll sie sehen. - - - Schluß des zweiten Akts. - - - - - AKT DREI - - - Hafenbar, ordinär, aber phantastisch. Links und rechts wie - Badekabinen Séparés, mit hellen Vorhängen verschlossen. Hinten - zwei Ausgänge. Zwischen ihnen in der Wand in der Art der - Café-Biards hufeisenförmige Bar, in der der Wirt steht. Viele - Eingänge durch die Séparés. Eine Mausefalle von Raum. - - - SZENE EINS - -HERR _mit Maske, zum Buffet_: Eine Dame kommt heute mittag, groß, -elegant, schwarz. Sofort in das beste Zimmer. Gut bewacht. - -WIRT: Ich kenne Sie nicht. - -HERR _hebt die Maske_. - -WIRT _steif vor Ehrerbietung_: Sieben Damen, wenn Sie wollen, Mylord. - -HERR: Respekt, du Schwein. Es ist eine Dame. Verschaff mir ein Boot. -Schaluppe. - -STEUERMANN _auf des Wirts Pfiff_: Zehn Knoten die Stunde. _Zwei Apachen -bleiben hinter ihm stehn._ - -HERR: Unauffällig? Zu jeder Fahrt und Zeit bereit? Verschwiegen? Bist du -kühn, riskant? Preis? - -STEUERMANN: Ich fahre Euch damit bei Regen ins Parlament, Mylord. Ihr -könnt wie von einem Karussell eine knorzige Rede gegen die Wuchrer -halten darin. - -HERR: Eine Kabine wird sofort eingerichtet. Die Sachen sind im Wagen. -Abends wird Abfahrtspermiß geholt. Ist es weit? Ich fahr dich hin. -_Beide ab, Apachen geduckt hinterher._ - -KEAN: _In exotischer Matrosentracht, mehr Apache als Matrose, stößt mit -den abrückenden Apachen zusammen._ Hände weg. - -APACHE: Sie werden eine Hochzeit in deinem Gesicht machen. _Ab._ - -WIRT: Die ersten zwei Séparés für Ihre Gesellschaft. - -KEAN: Was hast du angemacht? Nichts von Katze, Hund, Ratte, Laus? - -WIRT: Oliven, Hering frisch, Steinbutt, Hammelbuckel, Chester mit -Himbeer. Züngelt nicht das Spritzeln der Butter ins Ohr? Treten Sie in -die Küche. _Kean hinein._ - -DAISY _stürmisch herein_: Ein Zimmer ist bestellt für mich. Führen Sie -mich hinauf. Eilen Sie. Ich erwarte einen Herrn. Voran. Rasch. - -WIRT: Ich führe Sie selbst. _Ab mit ihr._ - -KEAN _zurückkommend_: Der Fisch tropft besser ab als die Gäste herein. -_Seitentür zwischen Séparés geht auf mit Riny und sieben Artisten, die -fast faschinghaft gekleidet sind._ Riny, du Affe, hierher. - -RINY: _Vorstellend._ Die Menagerie ... Well, der die Eisengewichte -stemmte ... - -KEAN: Du fandest mich über einem Zaun einmal, der meinen Hals wie eine -Gabel würgte ... _Küßt ihn_. - -RINY: Gonsch ... der mit dem Hintern die Pauke schlägt, während er Feuer -frißt ... - -KEAN: Wir sind bei Perth zusammen über den Fluß geschwommen, um einen -Konstable zu verhauen, und fanden einen Esel, der sich haarte. _Küßt -ihn._ - -RINY: Kauka, der auf dem Seil ... - -KEAN: ... einmal seinen schlechten Charakter nicht durch den Mund, -sondern die Nieren blies ... du Ferkel. _Küßt ihn._ - -RINY: Pepi, eine Neuigkeit. - -KEAN: Akzeptiert. - -RINY: Der Froschesser Viktor mit den Kaninchen ... - -KEAN: Ich fand dich zuerst auf der Landstraße unter einem Pflaumenbaum, -wie ein Gaul krischst du, der Teufel habe dich, aber es hatte dich eine -Kolik. _Küßt ihn. Die zwei Apachen kehren zurück, schleichen an -verschiedene Séparés, pfeifen zwischen den Zähnen, es schleichen zwei -kleine Kokotten zu ihnen._ - -KEAN: Wo ist Bob? - -RINY: Im Bett. _Kean schaut erstaunt. Die Artisten »im Bett«._ - -KEAN _zu Riny_: Da will ich mit dir sein. Warum Bob? - -RINY: Sein Weib, prrr, ging vor mit dem Täufling, den Pastor zu suchen, -der immer betrunken ist. Dumme Gans, sagte zu mir Bob, weil auf der -Treppe ich ihm über die Schulter sprang, hol meine Trompete. Wozu, frage -ich. Für Kean. Ich lache einen Ast. Dumme Hure, schreit er, hol das -Horn. Du hast es auf dem Kopf, sag ich. Da macht er seinen Spaß, tritt -nach mir. Er ist nicht eleganter als ich, also kriegt die Luft den -Tritt, ich pirouettiere und er schreit mit allen Katzen um die Wette. - -KEAN: Aus Luft? Ich habe ihn nur im Alkohol schreien hören. - -RINY: Er hatte zu stark getreten, der Schwung warf ihn wie im Schlagfluß -um. Seine Seite war knallrot wie sein Kopf. - -BOB _hinkend, seine Trompete blasend, herein_: Wo ist der Affe? - -KEAN _tief gebückt_: Hier, Meister. - -BOB: Die Ohren? _Faßt daran._ - -KEAN: Ihr werdet das andre Bein brechen. - -BOB: Als du vor sieben Jahren entliefst, hatte ich ein Pfund Verlust. -Willst du sie gutwillig geben. Nein? Sprich. Rede. - -KEAN: Gutwillig. - -BOB: Willst du um Verzeihung bitten? - -KEAN: Indem ich Euch heut abend eine Benefizvorstellung gebe. - -BOB: Gnade dir Gott. Hättest du einen Schwanz, ich hätt ihn dir -hochgezogen. _Zu Riny_: Halt das Maul. - -RINY: Du wolltest ein Hornsolo blasen. Ich wollte nur helfen, dir auf -dem Kopf stehen. - -KEAN: Mein Lehrer ist mit Respekt zu grüßen. - -BOB: Willst du mir sofort schriftlich geben, daß du mir ein Benefiz -hältst? - -KEAN: Den Brief ans Theater. _Schreibt gegen die Wand, alle umdrängen -ihn._ - -APACHE _zu seiner Midinette_: Nimm ihm die Trompete. Der Hund stieß mich -ins Rohfleisch. _Die Midinette schleicht hinüber._ Rache in seine -Visage. - -ANDRER APACHE: Wie weit liefst du dem Wagen des Mevil nach? - -APACHE: Bis ich Sand schluckte. Müssen am Abend genauer aufpassen und -die Falle für ihn exakter am Hafen legen. - -ANDRER APACHE: Rupfen Mevil im Dunkeln das Huhn schon warm aus dem -Schoß. Wirds teuer zahlen, Mylord. Eine schöne Falle! - -APACHE: Hat mal auf dich gesetzt, zwanzig Pfund beim Mätch. - -ANDRER APACHE: Hab ich dankbar zu sein, daß ich aus des Niggers Maul -Zahnsalat hieb? Nein, er. Werde ihm das Lösegeld erhöhen. Very well. -_Die Midinette greift die Trompete, zurück damit, Bob heult auf._ Zuerst -aber diesen Hund veraasen. - -APACHE _setzt an, bläst. Zwei Heerlager einander gegenüber_: Das Blech -furzt wie ein Bauerngaul. - -KEAN: Was an dem Mundstück hängt, muß wissen, was es ist. - -APACHE: Du sprichst so glatt, als hätt dich ein Walfisch ausgekotzt, -weil du ihm zu stinkig. Wenn du Arme wie Zunge hast, kann man eine -schöne Blindschleiche zertreten. - -ANDRER APACHE: Gib mir Mädchenfleisch, neben dir, für das Blech. Dann -hat deine Nase von mir Schonzeit. - -KEAN: Willst du nicht den blauen Perpendikel über deinem Aug dazugeben, -er fällt dir sonst in die Blutsuppe, die dein Riecher sich anrührt, wenn -ich in die Nähe niese. - -APACHE: Merde alors. Rotznase, Spüllumpenzuckler, Saligot. - -KEAN _zieht den Rock aus_: Ein guter Tag, Bob. Ich will mehr als durch -das Benefiz meine Freundschaft beweisen. - -APACHE _zum andern_: Drei Medaillen in Montmartre. Zwei in Edinburgh, -Sieger über Tommy Burns. Wieviel Zähne wettest du? Sieben? Neun? Das -Mädchen als Zugabe? Ein blasses Biest. - -WIRT: Konstable. - -KONSTABLE: Ich präsidiere die Boxkämpfe meines Viertels. Seile! Pflöcke! -Den Ring! - - Man schlägt in der Mitte ein durch zwei Taue oben und unten - umschnürtes Viereck um vier Pflöcke auf. Die Boxer mit nackten - Oberkörpern stehn in den diametralen Ecken, werden von zwei - Kampfrichtern massiert und abgewaschen. Blitzschnell. - -KONSTABLE _setzt sich auf einen Rücklingsstuhl mit dem Rücken gegen das -Publikum vor einen kleinen Tisch_: Ich Time-keeper. Wieviel Runden? - -APACHE: Zehn. - -KONSTABLE: Zehn. - -KEAN: Zehn. - -KONSTABLE: Schiedsrichter? - -WELL: Ich. - -KONSTABLE: Ring frei. - - Konstable schellt. Schiedsrichter: Pfeife. Boxer umzischen sich, - kommen in Umklammerung, Pfeife, Schiedsrichter: »trennen« -- - »break away«. Pfeife. Weiter. Apache schlägt Kean unterm Gürtel. - Pfeife. »Saustoß«. Pfeife. Weiter. Am Seil. Pfeife. »Break away«. - Konstable schellt. »Time«. Pause. Die Gegner auf Stühlen - zurückgelegt in ihren Ecken werden massiert, abgewaschen, bekommen - mit nassen Tüchern Luft in die zurückgeworfenen Köpfe geweht. - Schelle. »Ring frei«. Pfeife. Weiter. Pfeife. »Foul blow ... - unfair blow«. Pfeife. »Break away«. Schiedsrichter stürzt stets - trennend mit erhobenen Armen zwischen den Kämpfenden, sich - Umspringenden, durch. Pfeife. »Break away«. Pfeife. Weiter. Pfeife. - »Foul«. Apache knirscht eine Fratze. Pfeife. Weiter. Schelle. - Konstabler. »Time«. Pause wieder. Abreiben. Massieren. Luft - wedeln. Schelle. »Ring frei«. Pfeife. Weiter. Pfeife. »Clinch«. - Pfeife. Weiter. Pfeife. »Break away«. Pfeife. »Break away«. - Pfeife. Weiter. Kean schlägt den Apachen in die Herzgrube, er fällt - zusammen. Schiedsrichter, Uhr in der Hand, zählt: »one ... two - ... three ... four ... five ... six ... seven ... eight ... - nine ... out«. Pfeife. »Knock out«. Schelle. Apache wird - rausgeschleift, Ring abgebrochen. - -KONSTABLE _die Hände Kean schüttelnd_: Solar plexus blow. All right, -Splendid. - -KEAN: Mittelmäßig. - -KONSTABLE: No splendid. Double ... ah ... splendid. Swinging blow ... -splendid. All right. - -BOB: Schülerarbeit. Einfältig. Hättest ihn im ersten Gang knock out -machen müssen. - -KONSTABLE: Swinging blow. Splendid. All right. - -RINY: Ich hielt den Daumen. - -KEAN: Ich werd dir bald was anderes halten. - -BOB: Zweiter Gang. Miserabel. Finte kindisch. Parade schlecht. Nachstoß -zum Heulen. Wer ist der Narr: splendid? - -RINY: Das dreizehnte Ei. _Frau mit Baby, Pfarrer, Gefolge kommen. Bob -setzt sich mit der Trompete, hinkend, an die Spitze, zur anderen Seite -hinaus._ - -KEAN _zum Wirt_: Lad die Weiber ein, daß sie für ihr gefallenes Pferd -andres Fleisch kriegen. - -WIRT: Die Taufe im Nebensaal. Ich werde umdecken, wenn Sie alle Puffs -dazu laden. - -KEAN: Warum bist du neidisch auf das, dem du dich besser dünkst? - -RINY _kurz zurückeilend_: Denkst du an den Wagen, Kean? - -KEAN: Ich denke, Riny. _Riny ab._ Halo ... halo ... _Rufend zum Wirt_: -Einen Boten für den Brief. Theater Drury-Lane. _Gibt ihm den Brief._ - -WIRT _in die Küche_: Den Sekt aus meinem eigenen Zimmer. Keinen -gepantschten hier. - - - SZENE ZWEI - -DAISY: Endlich. Ihre Stimme. Ich wartete nicht im Zimmer. Konnte nicht -bleiben. Hielt mich an der Klinke. Sie gab nach. - -KEAN: Mein Erstaunen -- verzeihen Sie -- ist nicht geringer als mein -Entsetzen. - -DAISY _erstarrt_: Unmöglich. Gott kann so grausam nicht sein. - -KEAN: Ein Lokal für Verbrecher und Hafendirnen. - -DAISY: Ich habe nicht gezögert, zu kommen. - -KEAN: Aber Sie wagen, mir eine Erklärung zu geben, die keine ist. - -DAISY: Ich kam auf Ihren Brief. - -KEAN: Wer ist hier irrsinnig geworden? - -DAISY: Sie bestellten mich hierher. Sie schrieben mir: Kommen Sie; Sie -wohnen unsicher. Ich kann Sie nicht holen, ich bin bewacht. Es gab für -mich nur einen Gedanken: zu folgen. - -KEAN: Der Brief. - -DAISY: Hier. - -KEAN: Sie sehen, welche Seite meines Namens man für kreditwürdig hält. -Tod, Hölle, Heilige. Man hat meine Schrift gefälscht und meinen Namen -ausgenutzt. - -DAISY: Ich habe nur an die rechte Seite Ihres Wesens gedacht. So mußte -ich kommen. - -KEAN: Sie waren daran, Ihrem Lieblingsteufel ins Boudoir zu laufen. - -DAISY: Ich habe Sie nicht gesucht und finde Sie auch in dieser Gefahr -durch die Schickung. - -KEAN: Sie schlagen besser dem schönen Zufall ein Stück Nase ab, um ihm -dankbar zu sein, statt ihn aufzubauschen. - -DAISY: Ich hatte Sie nie gesucht. Als ich zum erstenmal im Theater Sie -sah, änderten Sie schon nicht nur meinen Weg. Sie retteten mein Leben. - -KEAN: Haben Sie keine anderen Entscheidungen wie immer den Tod? - -DAISY: Nicht für mich. Ich kam aus dem Kloster, sprach nicht, hörte -nicht, sah nicht. Man gab mir Bäder und Ärzte. Durch eine List lockte -man mich ins Theater, ich hörte Romeo, Hamlet, der Tiefsinn riß auf in -mir. - -KEAN: Konstable. - -DAISY: Sie werden keine Gewalt ausführen. - -KEAN: Sie haben an Edmond Kean appelliert, als Sie zu mir kamen. - -DAISY: An Ihre Güte. - -KEAN: Ich habe eine Verpflichtung gegen das Unrecht übernommen, die auch -Ihr Einspruch nicht erledigt. - -DAISY: Wenn ich Sie bitte, nichts zu unternehmen gegen den Mann, der -mich hierher bestellte, tu ichs, weil ich die Absicht habe, ihm zu -folgen. - -KEAN: Dem Entführer ... - -DAISY: Ich habe eine Mission. Was kümmert mich alles andere? - -KEAN: ... vor dem Sie heut früh noch sterben wollten. - -DAISY: Ich werde mich an ihn gewöhnen lernen. - -KEAN: Sie sind wahnsinnig. - -DAISY: Es wird leicht sein, denn ich weiß, warum ich es tue. - -KEAN: Sie opfern sich. - -DAISY: Ich tue, was ich vorhabe, mit Liebe und Bedacht. - -KEAN: Für eine Mädchenträumerei, eine ideale Hysterie, einen tragischen -Irrsinn. - -DAISY: Als ich Ihr Haus verließ, wußte ich, es gab nur eins für mich: -irgend etwas zu suchen, was Ihr Leben auch nur im Geringsten fester -gestalten könnte. Ich will nichts von Ihnen. Aber ich erbitte die -Freiheit, zu tun, was ich muß. - -KEAN: Sie glauben, es sei etwas wert, eine der Beschwerlichkeiten, die -einen Tag mir durchschwirren, wegzunehmen, indem Sie das Leben -einsetzen? Sie schwärmen, Kind. - -DAISY: Ich hätte gedacht, meine Dankesschuld höher abtragen zu können. -Aber die Gewißheit dieser Kleinigkeit schon wird mich leicht das wagen -lassen, was mir entgegensteht. Es hat keine Schrecken mehr. - -KEAN: Konstable! _Zu Daisy_: Kommen Sie. Ich befehle es Ihnen. - -DAISY: Wenn Sie mich zwingen, muß ich folgen. Und daran glauben. - -KEAN: Konstable!! _Erscheint._ Ich führe diese Dame in ihr Zimmer. Sie -bleiben davor, und wenn Skelette angeritten kommen. Ich bin Kean. - -KONSTABLE: Der Boxer? - -KEAN: Der Schauspieler. _Konstable steht stramm._ - -DAISY: Nun wollte ich für Sie etwas tun, wieder tun Sie es für mich. Wie -belastet mich Gott, daß Sie mich sogar dazu zwingen. Was kann ich tun, -um auch dies zurückzugeben? - -KEAN: Zum Teufel mit der Güte, mit der Sie mich bombardieren. Ich kann -nichts anfangen damit. Gehen Sie. Wir werden eine Jagd heute noch haben. -_Öffnet die Tür. Daisy voran, dann er, dann der Konstable._ - - - SZENE DREI - -SALOMON _von einer, Wirt von anderer Seite_: Kean? - -WIRT: Sofort zurück. - -SALOMON _mit Journal_: Weißt du, daß die Zeitungsschreiber schlimmere -Idioten sind als Zapfkellner? - -WIRT: Hein? - -SALOMON: Weißt du, warum die Zapfkellner kleinere Idioten sind wie die -Zeitungsschreiber? - -WIRT: Hein? - -SALOMON: Weil sie mit giftigem Schaum, die Kellner mit gutem betrügen. -Kann ein Mann, dem ein andrer ein Weib ausspannte, gut über den andern -reden? - -WIRT: Nein. - -SALOMON: Doch, du Nashorn, du Idiot. Das muß er, wenn er ein anständiger -Mensch ist. Dieses Wurm aber windet sich und schreibt, Kean sei ein -wildes Aas gewesen und hätte in einem Zirkus als Pavian brüllen sollen. - -WIRT: Es wird ein Zoologe gewesen sein. - -SALOMON: Weil Kean ihm Hörner aufgesetzt hat. O yes. Kann ein Mann, dem -ein andrer viel Geld gibt, vom Konkurrenten dieses Mannes gut reden? - -WIRT: Nein, Sir. - -SALOMON: Was ... Sir ...? Doch er muß gut reden, du Kannibale, du -Biertrompete. Diese Zuckerstange lutscht sich ab, Kean habe -mondscheinhaft wie eine Jungfrau im Monatlichen gesäuselt. _Singt_: Ach -Gottsche, schenk mern Hambelmann, un e Kordel dezu, daß er zawwele kann. -_Artisten mit Pfarrer, Amme, Taufzug, Bob an der Spitze mit Trompete, -zurück. Parademarsch. Stellen sich in einer Reihe auf._ - -GONSCH: Ich will ihm zeigen, daß ich noch Feuer fresse wie ein Tapir. - -KEAN _zurückkommend_: Salomon! Gut. Geh beizeit. - -VIKTOR: Ich will ihm zeigen, wie meine Frösche und Kaninchen sich -paaren. O lala. O lala. - -KEAN _zu Salomon_: Am Gang. In die Garderobeloge. Sie kommt in Schwarz. -Mit einem Schleier. Die Türen müssen auf sein. Weiter ist nichts nötig. -Kontrollier! - -WELL: Ich will ihm zeigen, daß ich das ganze Lokal auf die Nase stemme. - -KEAN: Ich will Riny tanzen sehn. Erste Programmnummer. Ein Tisch. Rasch. - - Die Artisten: »hip hip hurrä«. Riny auf dem Tisch rechts. Jemand - singt, die anderen mit scharfem, raschem Händeklatschen während - des Tanzes; alle oval um den Tisch rechts. Trommel. - - A me me gusta un harenque - porque es muy dulce por dentro - con la garotin con la garotan - con la vera vera vera lan ... - A me me gusta un harenque - potque es muy dulce por dentro - con la garotin con la garotan - con la vera vera vera lan. - - Während Riny, Kopf zurück, wild tanzt, öffnet sich links durch zwei - weit auseinanderfliegende Vorhänge das vorderste Séparé. Eine - Anzahl uniform gekleideter Apachen mit Weibern, hell geschminkt, - sitzen um einen Tisch, pfeifen auf den Fingern, schieben - blitzschnell beim Fallen des Vorhangs den Tisch vor, daß er parallel - zu dem der Artisten steht, eine Apachin springt rauf, tanzt, Riny - zu übertrumpfen, wüster. Apachen im Oval drum herum, die Artisten - rasen rascher mit dem Händeklatschen, die Apachen stampfen den - Takt ihres Liedes mit den Füßen. Ihr Lied, frecher: - - Elle avait un petit cadenaz, - elle avait un petit cadenaz, - et pour que ça se ne voie pas, - elle a mis là dessous - une chemise à vingt sous, - elle avait un petit cadenaz, - cadenaz, cadenaz, cadenaz. - - Jede Partei feuert ihre Tänzerin an, der Rhythmus überschlägt - sich. Es wird ein Jazz. Die Artisten hämmern mit Deckeln und - Tamburinen, die Apachen schießen mit Revolvern. Die Körper bis - zur Schulter tanzen wie Schlangen. Die Schultern und Köpfe, - Zigaretten im Mund, bleiben völlig unbewegt. Apachen wechseln - plötzlich zu Riny hinüber. Da schießt die Apachin wütend darüber - mitten im Tanz Riny über den Haufen. Dann wirft sie sich sofort - heulend auf Riny, wird beiseite geworfen. In einem Séparé geht eine - Weile noch Musik und Gesang weiter. - -WIRT: Konstable. - -KEAN: Arzt. - -RINY: Kean. - -KEAN: Ein dünnes Loch, Kind. Heilt in acht Tagen. Auch dir ein Benefiz. - -RINY: Vom grünen Wagen. - -KEAN: Das wird der fabelhafteste Sommer, den du sahst ... Arzt! zum -Teufel ... Verdreh die Augen nicht. Hör. Gehorche. Ich befehle. - -RINY: Kean. _Stirbt über den Tisch._ - -ARZT _erscheint_: Tot. Herzspitze. Herzbeutel. Blutung nach innen. -Thorax. All right. - -KONSTABLE: Wo ist das Vieh? - -KEAN: Zurück an Ihren Posten. Auf der Stelle. Verflucht, zurück. Ich -befehle es. Kean. - -KONSTABLE: Das Gesetz ... - -KEAN: Schützt zuerst das Leben. Marschier. _Konstable marschiert ab, -Artisten mit Riny in eines der Séparés, Kean den Revolver in der Hand._ - -BOB: Spiel nicht Hamlet, Stümper. - -KEAN: Wiesen, Gärten, Flüsse. Meine besten Träume. - -BOB: Wärst nicht mit ihr gefahren. Hast damit gespielt. Hattest als -Junge sieben Mücken im Hirn, fingst keine. Bist Dreiviertelmann -geblieben. Willst, tust nicht. Solar plexus blow war nicht splendid, war -Saustoß, Konstable ist besoffen. Selbst Boxen kannst du nicht. - -KEAN: Du tadelst mich recht, Meister, du kennst mich allein. - -BOB: Hast sieben Köpfe, verlierst sechs, findest mit dem siebenten nicht -zurecht. Solltest unter meine Fuchtel. - -KEAN _zur Apachin, die unterm Tuch hervorkriecht_: Durchs Fenster -Kanaille. - -BOB: Schlag sie tot. _Apachin ab._ - -KEAN: Warum soll sie sterben? Armes Tier, stachelgewickelt, ausgestoßen, -arm wie wir. Der Tod fliegt mir vor die Füße, wenn ich bei euch ausruhe. - -BOB: Geh über das Bündel weg, mein Sohn. - -KEAN: Ich bin nicht glücklich, Meister. - -BOB: Man hat dir eine Laune erschlagen. Erlaub dir andre. Ich hab dich -mehr als die andern geliebt. Durchschau den Humbug Tod. Ist nichts -hinter der Knallerbse. Du hast die falsche Bange. Mit sechzehn Jahren -warst du schon schwach begabt, fielst beim Seiltanz in die Nesseln. Dein -Hochschlag ist miserabel. Lern Boxen. - -KEAN: Die Welt soll Gott auf dem Zinken verkrachen, wenn ich mir die -Laune verderben lasse, Meister. Zumal ich noch bedeutsame Pläne heute -habe, Bob, die mich anziehn. Meister. Hättest du das gedacht früher? Paß -auf. Soll ich ... mit meinen ... Freunden ... im Dreck nicht ... gut ... -zusammen sein. _Tanzt, schreiend._ Kauka, ich will dich Frösche essen -sehen ... is a long way to Tipperary ... _Die Artisten kommen, steif, -gespenstisch, geometrisch, stellen sich in einer Reihe auf_ ... Well, -deine Nieren sollen rasseln ... Viktor, die zahmen Kaninchen werden -Löcher in die Wände brüllen müssen ... Is a long way to Tipperary ... is -a long way to go ...! _Mann in Maske erscheint, stößt an den torkelnden -Kean._ - - - SZENE VIER - -HERR _in Maske_: Weg, Walfischkeeper. - -KEAN: Is a long way to Tipperary ... - -HERR: Fünf Schilling, gehst du weg. Hilf mir. - -KEAN: Atout auf deine Nase, wenn du pokern willst. Nimm erst die Fratze -ab. - -HERR _hebt den Stock_: Auf deinen Buckel eine Fratze, Teerschwein. - -KEAN _torkelnd_: Auf deine Fratze einen Buckel. Knock out. - -HERR _um ihn herum zur Tür nach innen, Kean davorschnellend_: Auf die -Seite. Hand weg. - -KEAN: Maske ab. - -HERR: Ein Irrer. - -KEAN: Gutwillig? - -HERR: Wirt, Diener, zehn Pfund. - -KEAN: Zwecklos. Maske ab. _Reißt sie weg._ Lord Mevil. - -MEVIL: Gauner, Stromer, du büßt mir die Falle. - -KEAN _mit vollem, großem Organ, weltmännischer Haltung_: Wer dreht die -Schuldurteile um? Wer büßt? Ich, Lord Mevil? - -MEVIL: Kean! Verdammt. Unterschätzt. _Stampft auf. Dreht rasch hinaus._ - -KEAN: Wenn Sie das Zimmer verlassen, eh ich meine Aufgabe hier erfüllt -habe, schieß ich Sie zusammen. - -MEVIL: Du ... schießt ... Bursche ... - -KEAN: Hat der fliehende Mädchenräuber andres zu erwarten? - -MEVIL: Rückwärtsschuß von dem, welchem kein Hund Satisfaktion gibt. - -KEAN: Zu edel noch dem Feigling, der meinen Namen mißbraucht, hinter der -Maske sich verbirgt, für seine zerfressenen Rippen. - -MEVIL: Unmöglich, mich zu beleidigen. Genug. Was willst du, Komödiant? -Geld? Pferde? Wagen? Enfin? Seiltänzer! Herbei, Wirt, Matrosen. - -KEAN: Der Seiltänzer hat eine Absicht mit Ihnen. Er will ihm nichts -nehmen, er will ihm etwas geben. - -MEVIL: Stockprügel zurück für dein Geschenk. - -KEAN: Schluß. Tun Sie den Mund, ungebeten, noch einmal auf, laß ich Sie -über den Tisch legen und auf hier usuelle Art behandeln. _Winkt._ Neben -ihn! _Zwei der Artisten mit aufgekrempelten Ärmeln, Fäuste in den -Hüften, neben Mevil._ - -WELL: Ein adliges Kotelett. - -KEAN _ruhig_: Ich bin kein Richter. Mich geht es nichts an, daß Sie -Wechsel fälschten, Männer kränken, Frauen mit Geldsäcken rauben, selbst -meinen Namen pfuschen und schänden. Mich geht es irgendwie nichts an, -aber ich bedaure Sie in Ihrer Maske. Sie sind nie ohne Maske -ausgegangen. Das ist ein schweres Versäumnis. - -MEVIL: Was habe ich versäumt? - -KEAN: Sahen Sie Gehenkte zwischen den Schornsteinen die Zunge blecken? -Heizer an Öfen, Kondukteure beim Schwung über verfaulte Brücken, -Zerquetschte zwischen Eisenbahnpuffern? Wer, verdammt, die Keucherei -eines Dockarbeiters gesehen, weiß, wie elend sein Existieren ist, wer -die Absynthsäufer in der Gosse röcheln hörte, weiß, wie abscheulich -dieses verfluchte Dasein ist, wer die entsetzliche Stumpfheit der -Auslader kennt, weiß, wie melancholisch das Leben ist. Man verachtet -dann nicht mehr. Man bestaunt. Das haben Sie nicht gesehen. - -MEVIL: Dahin soll ich gehn? - -KEAN: Kenne ich nicht vom Bordell bis zu Monseigneur die Welt! Hätte ich -die Anmaßung, Ihnen sonst Ratschläge zu geben, der Sie länger und besser -aus dem Vollen lebten wie ich. Bin ich ein idealistischer? Ein Stümper -bin ich, ein Komödiant, ein bißchen Mensch. Habe ich mich je gesträubt -gegen etwas, was mir die Welt entgegenwarf, etwas verschmäht: einen -Frauenbauch voll Wildheit, irgendeinen Luxus, eine Segelfahrt, ein -Gelage, ein Diner mit Krammetsvögeln und Tanzweibern? Nie. Alles nahm -ich. Aber ich habe nicht das Gefühl: hier fängt Welt an. Hier hört Welt -auf. Wie wäre ich aufgeschmissen und was für ein kleiner Snob. Ich -vergesse nicht, wo ich herstamme. Sie aber müßten es vergessen. Ich -marschiere von unten nach oben. Sie sind nicht von oben nach unten -marschiert. Das ist Ihr Fehler. Ich messe das verdammte Dasein nicht -zwischen Laster und Parfum mit den Zentimetern, sondern mit der -Riesenspanne aus dem Hafen bis nach Buckingham. - -MEVIL: Das soll ich tun? - -KEAN: Eine Anleitung zum Leben für Sie. Grotesk. Welche Situation. -Lieben Sie die W. C. und die Kokotten, Ihre Damen und die Säue, dann -kommen Sie aus der Schaukel und spüren Boden. Anleitung zur Kühnheit. -Das Leben breitet sich aus, wird wilder. Man kennt die Gefahren und -bewundert die Abgründe, schließt sich nicht ein, sondern macht eine -Offensive hinein. Man versteht dann mehr. Anleitung zur Bewunderung. - -MEVIL: Sie wünschen es? - -KEAN: Ich könnte Sie zerschlagen. Habe ich nicht Grund dazu? Lasse Sie -in Ketten abführen, Sie sind mit Haar und Seele in meiner Gewalt. Sie -haben mich geduzt, um mich zu kränken. Gehen Sie, Sie sind frei. -Vergessen Sie nicht, was ich sagte. - -MEVIL _Faust auf den Tisch hämmernd_: Verflucht. _Stürzt ab._ - -BOB: Hättest schlagen sollen. Neue Rolle. Bergpredigt. Stümper, Kean. -Splendid, wenn du ihn mit left hand lead off at the mark genommen, -abgeblitzt sein ducking away, dann infighting auf die Arme, dann back -spring und darauf gewaltig knock out. Knockout, Knockout, mein Sohn. Das -ists. Wird dirs schwer heimzahlen, daß du in Anstand machtest. Hab dich -mehr geliebt als alle, die ich Niagarasprung lernte. Bist -Dreiviertelmann geblieben, Kean, Stümper. Edmond Kean. Ich heule. Selbst -Boxen kannst du nicht. Lern Boxen. - -KEAN: Vielleicht irrst du, Meister. - - - Schluß des dritten Akts. - - - - - AKT VIER - - - Keans Garderobe im Theater. Durch Portiere mehrfach gespaltener - Raum. - - - SZENE EINS - -REGISSEUR _zu Kean, der eintritt_: Knallvoll. - -KEAN: Kassenrapport? - -REGISSEUR: Ausverkauft. Die Summe ist noch nicht ausgearbeitet. -Ausverkauft ohne Freikarten. - -KEAN: Was wollen Sie? - -REGISSEUR: Eine Bitte. - -KEAN: Wagen Sie sie. - -REGISSEUR: Man trampelt auf den hinteren Reihen. - -KEAN: Salomon! - -SALOMON: Hier. Anwesend. - -KEAN: Umziehn. - -REGISSEUR: Eine Viertelstunde. - -KEAN: Zehn Minuten. _Regisseur ab. Zu Salomon_: Wie kommt das? Du bist -früher da wie ich. - -SALOMON: Ich lief von der Taufe noch über die Wohnung. - -KEAN: Und ... - -SALOMON: Nach dem sechsten Akt. - -KEAN: Sofort. - -SALOMON: Die Nacht gekneipt. Tags Tauffest, Boxkampf, Mord. Vor der -Aufführung noch Galle. Schonen Sie Ihr Leben. - -KEAN: Du fandest ... - -SALOMON: Siegel auf allem. - -KEAN: Der beschnittene Jude ... - -SALOMON: ... ist nicht mehr der Schuldner. - -KEAN: Aber ... - -SALOMON: ... der Konstable vertrat vier Parteien. Vierhundert Pfund. - -KEAN: Ein Arrangement. _Zuckt die Achseln._ - -SALOMON: Robustestes Verfahren. Die Anwälte entschuldigten sich. - -KEAN: Sie vertraten ... - -SALOMON: Lord Mevil. - -KEAN: Sakrament. Die Bremse. Sticht rasch. In wenigen Stunden. Ein -ganzer Plan. Ich habe es vermutet. Was tun? - -SALOMON: Ein Journalist nahm eine Besichtigung vor. - -KEAN: Ein Schlachtplan. Ah. Jeden Tag schreibt ein Stallknecht. Was -tuts? - -SALOMON: Der Staatsanwalt hat eine Untersuchung eingeleitet wegen -Raubversuch. - -KEAN: Gegen Mevil. - -SALOMON: Gegen Kean. - -KEAN: Er wird auf meinen Brief hin glatt erledigt. - -SALOMON: Sie haben den Brief nicht mehr. Aber er hat einen, in dem Sie -ihn in die Taverne locken. - -KEAN _sucht_: Ich habe ihn nicht mehr. Man hat ihn mir rasch geklaut. -Einen anderen wieder gefälscht. Das Böse hat sich konzentriert. Ein -Plan, eine Front, eine Umzinglung. Ich werde sie durchbrechen. Paß auf. -Ich kann großmütig sein. Ich kann es auch wieder vergessen. Ich kann -auch anders. Sacré. - -SALOMON: Wo werden Sie heute nacht schlafen? - -KEAN: Im Hotel. Nein. Bestell einen Taxi. Ich fahre die Nacht durch die -Parks von London, es ist ja Mond. Welches Panorama. - -SALOMON: Looping the loop. Nehmen Sie lieber die vierhundert Pfund aus -dem Benefiz. - -KEAN: Teufel. Wie widerlich. Den Seiltänzern was nehmen. - -SALOMON: Borgen. - -KEAN: Noch schlimmer. Lakaienrat. Kein Wort mehr. Ich fahre. -Verschwinde. _Es klopft. Kean, halb umgekleidet, öffnet eine geheime -Schranktür. Helène erscheint. Kean schließt die Tapetentür. Schließt mit -dem Schlüssel die Garderobentür. Zurück. Fassungslos._ Welches Glück. -Welch sinnloses Glück. - - - SZENE ZWEI - -HELENE: Was wollen Sie noch? Welche Probe? Welches Kunststück haben Sie -mir noch vorzuschreiben? - -KEAN: Sie demütigen mich. - -HELENE: Welche Steigerung haben Sie bereit? Welche Kühnheit? Welche -Tollheit soll Sie jetzt noch reizen, wo Sie das erreicht. - -KEAN: Es gibt kein Höher mehr. Denn bald werden Sie wieder gehen. - -HELENE: Ihr einziges Gefühl Entgeisterung? Trauer? Deshalb kam ich -nicht. Gestehen Sie: Sie zwangen mich. - -KEAN: Ihre Neugier. - -HELENE: Zweifeln Sie an meiner Liebe? Nach dem, daß ich hierher kam? - -KEAN: Eine sehr große Probe. An Kühnheit größer als mein Wunsch. - -HELENE: Was wünschen Sie noch? Entkleiden Sie mich. Schlagen Sie mich. - -KEAN: Ich bin kein Verführer. Ich liebe Sie nur. - -HELENE: Welche Bemühung wollen Sie also noch? Sagen Sie es. Ich erfülle -es. Mein Teil ist dann gegeben, mein Teil ist dann klar. - -KEAN: Fordern Sie jede Handlung von mir, das Unmögliche. - -HELENE: Später frage ich Sie. Jetzt antworten Sie mir. Was soll ich tun? -Sie können alles sagen. - -KEAN: Was ich besitze, ist schon nicht mehr mein. Die Erde ist neidisch. -Was ich nicht ganz besitze aber, will ich allein haben. - -HELENE: Mein Gatte? - -KEAN _Handbewegung_: Mehr. - -HELENE: Furcht? Ein Gefühl, das ich nicht vermutet. Reden Sie. - -KEAN: Wenn ich weiß, daß ich auf meiner Seite groß bin, so weiß ich, es -gibt nur eines, groß genug, was ich zu fürchten brauche: Macht. - -HELENE: Wales ... - -KEAN: Ich sah Sie nie ohne ihn. Erklomm meine Sehnsucht die -Fahnenstange, riß mich die Eifersucht dunkel herunter, ich kann nichts -dafür, daß mein Herz toll ist. - -HELENE: Ich werde ihn nicht mehr sehen. Genügt es? - -KEAN: Zuviel. Sie können das nicht halten. Heute abend ... - -HELENE: Ich verlasse das Theater. Sie sehen ihn allein in der Loge. - -KEAN: Fehlt er aus Zufall, sterbe ich, Sie könnten mit ihm zusammen -sein. - -HELENE: Seltsame Frauen, die Sie früher getroffen haben müssen. Glauben -Sie nicht, daß ein Entschluß so groß, ein Plan so kühn sein kann, daß -man den Einsatz glauben muß. - -KEAN: Ich glaube. - -HELENE: Nun frage ich. - -KEAN: Fragen Sie groß, viel. - -HELENE: Sie irren. Was an ungeheurem Einsatz gegeben werden kann in -dieser Partie, trage ich allein als Risiko. Sie nichts. Was geben Sie? - -KEAN: Mich. Liebe. Meinen Beruf. Fliehen Sie mit mir. - -HELENE: Schwärmerei. Was soll ich mit Dingen, die uns schaden? - -KEAN: Meine irrsinnige Verehrung. - -HELENE: Voraussetzung. Wäre ich sonst da? - -KEAN: Was wollen Sie? Garantien, Geld, Stellung, von mir? - -HELENE: Würde ich das bei Ihnen suchen? - -KEAN: Kein Opfer? - -HELENE: Die gebe ich. - -KEAN: Keine Handlung? Keine Tollheit? Also Tod. - -HELENE: Spielerei. Romantik für Kinder. Worte. Worte. Ich brauche -Beweis. Keine Phantastik. Gibt es Phantastischeres, als was ich gewagt? - -KEAN: Was kann an so Deutlichem und Kleinem die Gegenwagschale füllen, -daß unsere Partien auf gleich stehn? - -HELENE: Ein großes und ruhiges Herz. Unbedingte Sicherheit. Das -Zuverlässige. Der Ruhepunkt. - -KEAN: Sie werden es haben. - -HELENE: Ich wage die Probe. Auch gegen das Unzuverlässige Ihrer -unbiegsamen Männlichkeit. Ein Vertrag. Vergessen Sie nicht, man kann ihn -verlieren. Ich wage den Pakt. - -KEAN _umarmt sie_: Welches Glück. Ihre Stimme. Ihre Brust. Ihre Hüften. - -HELENE: Nehmen Sie dies Bild. Lassen Sie sich dadurch warnen. Denken Sie -immer an mich. Jede Sekunde. Nehmen Sie diese Dose. Jede Sekunde. - -KEAN: Welches Wunder. Dieser Körper, dieser stolze Geist. _Es klopft._ -Abgeschlossen. Keine Erregung. - -PRINZ VON WALES _draußen_: Kean. - -HELENE _mit Haltung_: Wales. - -PRINZ VON WALES: Ich, Kean. - -GRAF KOEFELD: Ich, Koefeld. - -KEAN: Verschleiern Sie sich. Welcher Irrsinn. Welcher Schmerz. Haltung. -Ich liebe Sie. Ruhe ... _Nach außen_: Welche Betrügerei. Sind Sie Prinz -von Wales, beweisen Sie es ... Ihre Tasche, Helène. Lassen Sie Ihr -Gefühl zu mir die Widerwärtigkeit nicht vergelten. Sie sind sicher ... -_Nach außen_: Man will meine Garderobe pfänden, man verfolgt mich wegen -vierhundert Pfund ... _Es klopft dauernd._ Helène, dicht an der Grenze -des Glücks, ich zittre ... _Nach außen_: Sind Sie Prinz von Wales, -schreiben Sie Ihren Namen auf und reichen Sie ihn herein. Sind Sie ein -Betrüger, werden Sie es nicht wagen. _Zieht den Schlüssel heraus, hängt -ein Tuch vor, zurück._ - -PRINZ VON WALES: Amüsant. Was tun Sie? - -KEAN: Ich öffne die Tür weit genug für Ihren Namen. - -HELENE _an der Tapetentür_. Helfen Sie mir. - -PRINZ VON WALES: Halo, nehmen Sie doch. - -KEAN _an der Tapetentür arbeitend_: Sofort. _Der Knopf springt ein, die -Tapetentür auf, Kean zurück, zieht aus der Garderobentür ein Papier._ -Einen Augenblick. Ich kontrolliere. Mein Licht ist schlecht. _Zu -Helène_: Sie nehmen mein Herz mit und meinen Stolz. Welches Glück, Ihr -Hals, Ihre Kühnheit. In der Todesstunde werde ich es nicht vergessen. -Sehn Sie, wie ich zittre. Ich habe noch nie gezittert. - -PRINZ VON WALES: Außen ist alles hell. Lehnen Sie mich ab? - -KEAN: Der Schlüssel, Monseigneur, das Aas von Schlüssel. - -HELENE: Denken Sie an den Pakt. Jede Sekunde. Diesen Ring noch. Jede -Sekunde, Kean. Ich darf mich nicht irren dieses Mal. - -KEAN: Bleiben Sie im Theater. - -HELENE _schon innen im Gang_: Dann sehen Sie mich das letzte mal mit dem -Prinzen. Ertragen Sie es? - -KEAN: Gerade. Mein Herz ist groß genug. Ich will es ertragen. _Taumelnd, -auf die Knie geworfen, als die Tapetentür zufällt, schwindelnd, dann -auf, es klopft, gefaßt zur Tür, schließt auf._ Eine Note von vierhundert -Pfund. Diese Größe haben nur die Buchstaben im ABC von Monseigneurs -Güte. Der Schlüssel. _Öffnet. Wales und Koefeld treten ein._ - - - SZENE DREI - -PRINZ VON WALES: Der Graf will die Kulissen sehen. Im Diplomatischen -kennt er das, erfahrungsweise. Was ist das? - -KEAN _Salomon und Friseur hinter ihnen hereinkommend_: Souffleur und -Friseur. Salomon übergibt dem Prinzen von Wales die Banknote mit meinem -Dank. _Prinz macht eine Bewegung._ Trag sie an die Kasse. Monseigneur -zahlt damit die Loge für das Benefiz der Kranken. Besichtigen Sie die -Loge, Graf. _Friseur führt Koefeld in den Nebenraum._ - -PRINZ VON WALES: Keine Portiere? Keine Falltreppe im Betrieb? - -KEAN: Monseigneur, nehmen Sie Platz. Kennen Sie das Fell? - -GRAF KOEFELD _im sichtbaren Nebenraum zum Friseur_: Heben Sie den Fächer -auf, der mir fiel. _Betrachtet ihn sorgfältig, steckt ihn ein, zurück._ -Meine Komplimente. Das ist ja gar nicht ungewöhnlich. Könnte -Ankleideraum höherer Militärs sein. Charge ab Generalmajor. Komplimente. -Auch Säbel. Heilo! Waffen auch. Bardala. Famos. - -KEAN: Ich habe das Außergewöhnliche nie bei Menschen getroffen. Bei -einem Bären einmal, eine zu lange Geschichte. Entschuldigen Sie mich -zwei Minuten zum Frisieren. Es schellt irrsinnig. _In den Nebenraum, wo -er voll umgezogen wird, die Romeojacke erhält._ - -PRINZ VON WALES _zu Koefeld_: Enttäuscht? Daß keine Weiber da waren? -Sehen Sie. Armer. _Zu Kean hinter der Portiere._ Haben Sie Ärger? -Nervös? Ein Kummer? Ich sah Sie nie so eilig. - -KEAN: Enttäuschungen, Monseigneur. - -PRINZ VON WALES: Falsche Einstellungen, Kean. Erwarten Sie nichts, ist -alles ein Geschenk. Erwarten Sie vieles, schlägt alles Ihnen auf das -Dach. Undank die Regel. Dank die Ausnahme. Merken Sie sich Napoleons: le -genre humain m'embête. Il me faut de la solitude. Damit erklimmen Sie -jede Entzückung. - -KEAN: Unschwer, bei Gott, von einem König gesagt. - -PRINZ VON WALES: Erfahrungen, die hunderte von Jahren im Blut liegen, -Freund. Wer stößt öfter auf die Erbärmlichkeit wie wir? - -KEAN: Wem schadet sie weniger? - -PRINZ VON WALES: Die Köpfe, manchmal, Guter, in meiner Familie. Weil wir -das Renommeestück, den Menschen, kennen, ob wir ihn verachten oder uns -für ihn interessieren, wissen wir um seine Dummheit und Feindlichkeit. -Revolutionäre aus Neigung, sind wir, von der Nutzlosigkeit der Revolten -überzeugt, Reaktionäre aus Weisheit. Wir erwarten gar nichts und haben -vor den Barrikadejünglingen, die stets enttäuscht ihre verbrannten -Finger in den Hades trugen, ungewöhnlich voraus, daß wir, als -zurückhaltende Skeptiker, ihn zu lieben uns erlauben können auch in -seiner tiefsten Erbärmlichkeit. Keine Voraussetzungen -- und Sie umarmen -die Weisheit ... Ah Biribi ... Romeo. - -KEAN _erscheint aus dem abgeteilten Raum, fast fertig_: Lernen Sie mich -diese Distanz der Gefühle. Ich lerne Sie die Leidenschaft, Monseigneur. - -PRINZ VON WALES: Ich bedarf sie nicht. Ich habe mehr. - -KEAN: Ein Geheimnis. - -PRINZ VON WALES: Wie jede Macht, mein Freund, solang man sie nicht -selbst erobert hat, atmet, ruhig besitzt. - -REGISSEUR _hereinstürzend_: Ay ... a ... i ... Strafe, Strafe zahlen. -_Sieht Wales._ Verzeihung. Untertänig. Respekt. Gehorsam. _Ab._ - -GRAF KOEFELD: Darf ich die Loge meiner Frau suchen? Pünktlichkeit im -Dienst und zu Frauen stets Prinzip. - -PRINZ VON WALES: Ich folge. Ich weiß noch nicht, wo ich sitze. Welche -Nummer? Drei. Ich danke. Vielleicht. _Koefeld ab._ - -KEAN: Darf ich wagen zu sagen, es sei ein Geschenk, Sie in Koefelds Loge -zu sehen. - -PRINZ VON WALES: Nirgends anders? - -KEAN: Nirgends anders. - -PRINZ VON WALES: Aus Interesse? Soll ich Sie decken? Ein toller Wunsch. -Sie lieben? - -KEAN: Bin ich weise genug, dann Ihre Anwesenheit zu ertragen? - -PRINZ VON WALES: Ihre Gründe. - -KEAN: Mein Gefühl ... - -PRINZ VON WALES: Genügt nicht. Deutlicher. - -KEAN: Sie mißtrauen. - -PRINZ VON WALES: Ich sehe nicht klar. - -KEAN: Lassen Sie, ich bitte, beiseite, was Liebe heißt. Ein Irrsinniger -könnte nur den größten womöglichen Gegner ersuchen, an seine Stelle zu -treten. Kurz: ich adressiere. - -PRINZ VON WALES: Ich bin kein Schauspieler. - -KEAN: Es wäre ein Geschenk. Mein Sinn, daß Hohes sich ausgleicht, ist -sehr bestimmt. Träte zur schönsten Frau der bedeutendste Mann, würden -meine Spannungen und Verehrungen unmenschlich wachsen an solcher -Harmonie, zu der ich mich wende. Ich spiele für Personen, nie für die -Masse, Monseigneur. - -PRINZ VON WALES: Ich habe Ihnen noch keinen Wunsch abgeschlagen. - -KEAN: Ich werde noch nie so entflammt gespielt haben vor Monseigneur. - -PRINZ VON WALES: Immerhin ... es ist schwer, mich in Erstaunen zu -setzen. _Im Hinausgehn._ - -KEAN: Da Sie nichts erwarten ... - -PRINZ VON WALES: ... oder alles. Das ist gleich. _Ab._ - -KEAN: Er wird es Helène sagen, daß ich ihn zu ihr gehetzt. Sie wird die -Unerschütterlichkeit des Herzens nicht verkennen, das diese Qualen -arrangiert, um sie als Zeichen für sie zu erdulden. Herz, sei stark -genug, dies Training zu ertragen. - -REGISSEUR _kommt_: Sind Sie in fünf Minuten nicht fertig, haben wir eine -Oper. Aber im Publikum. - -KEAN: Warfen Sie Monseigneur schon einmal hinaus? Sie Taschenmesser. - -REGISSEUR _zu Salomon_: Bewach ihn. Treib ihn an. Schleif ihn hinüber. -Deine Anstellung als Pfand. _Ab._ - -KEAN: Lassen Sie die Ouverture anfangen. Ich spiele sechs Akte aus vier -Stücken zum Benefiz. Ich habe zehn Wölfe im Herzen. Ich habe nie so -gespielt. Friseur. _Wird geschminkt. Klopfen an der Tapetentür. Salomon -öffnet. Giza._ - -GIZA: Die Gräfin ... der Fächer? - -KEAN: Vergessen? Welcher? Such ihn. Neben. - -GIZA: Mit Türkisen und weißen Pfaufedern. - -KEAN: Von Wales. Verdammt. Ist er da? - -FRISEUR: Der Herr bei Monseigneur steckte ihn ein. - -KEAN: Du sahst es. Ließest es. Sagtest nichts. Läßt mich bestehlen. -Schaf, Hornisse, du Roß ... Salomon, nicht da? _Salomon aus dem -Nebenraum, kopfschüttelnd. Kean, nicht mehr schreiend, zu Giza, ruhig_: -Mein Kind, Sie flüstern in der Loge ins Ohr der Gräfin, ihr Gatte habe -den Fächer. Sofort. Ohne Aufsehn. Und ruhig. Ich rechne, sagen Sie, mit -der ganzen Klugheit der Gräfin. _Giza durch die Wand ab._ - -KEAN _fassungslos_: Gewitter über meinem Haupt. Prasselt alles wie ein -Taubenschlag herunter? Habe ich das gewollt? Verknallter Frühlingstag, -mein Gott. Ganz verloren. Alles entzwei. Keine Rettung. Kein Ausweg, -eins, zwei, drei, vier. Ich habe verloren. Ich kann schlafen gehn. -Abtreten. Aus. _Schnallt den Dolch ab._ Ich spiele nicht. - -FRISEUR: Die Augenbrauen noch schwarz. - -KEAN: Trottel, Intrigant. Ich spiele nicht. - -SALOMON: Das Benefiz. - -KEAN: Weg. - -SALOMON: Bob? - -KEAN: Schlag Plakate an. Ich laufe Seil über Hydepark. Fünf Pfund der -Platz. Ich werde Seiltänzer, charmanter Abgang. Fünf Pfund, ich -garantiere den Absturz. _Schelle._ - -FRISEUR: Die Ouverture hat begonnen. - -REGISSEUR _kommt_: Kean. In die Kulisse. Avanti. - -KEAN: Ich spiele nicht, Herr. - -REGISSEUR: Ihr Vertrag. - -KEAN: Gebrochen. - -REGISSEUR: Angestelltenrat? - -KEAN: Ich werde Seiltänzer. - -REGISSEUR: Die Kasse abgeschlossen. Unmöglich mehr, zurückzuzahlen. Sie -zünden das Theater an. - -KEAN: Rösten Sie. - -REGISSEUR: Ich befehle Ihnen, aufzutreten. - -KEAN: Befehlen Sie Ihrem Bauch. Ich will nicht. Ich kann nicht. Herr, -sehen Sie nicht: ich bin verrückt. Mein Herz ist explodiert. Ich bin -schwer verwundet. Innerlich. Hundert Geschoßfetzen. Kann ich singen, -wenn ich verrecke? _Schlägt vor Erregung einen Tisch dem Regisseur vor -die Beine. Bob erscheint._ - -BOB: Spiel, Junge, sonst schlag ich dir die Knochen entzwei. _Regisseur -feuert ihn mit Gesten an._ Ich blas dich in die Luft. Stümper. Nicht -einmal spielen kannst du. Solar plexus blow. _Stößt ins Horn._ Splendid. -Narrenhaus. - -KEAN: Halt das Maul, Bob. Hinaus, Zigeuner. Stramm gestanden. Ich -kommandiere nun. Ich spiel nicht. - -BOB: Respekt vergißt du. Heuschrecke. Quatsch. Boxen kannst du nicht. -Seiltanz kannst du nicht. Niagarasprung ... schmonzes. Spielen willst du -nicht. Knockout. Stümper. Auf die Knie. O ... u ... adet. Rabenaas, -unfaires. Sollte dich erledigen mit savate, ins Parterre mit upper cut. -Vatermörder. Spiel oder krepier. Splendid, sträubt sich. Krieg dich an -den Ohren. - -KEAN: Mein Lehrer ... guter Lehrer, Gott verzeih mir, hinaus, du Hund. -_Schmeißt ihn raus._ - -REGISSEUR: Ich gehe zur Bühne und zurück und zähle auf zwanzig. Vor der -Tür. Kommen Sie nicht bei einundzwanzig, laß ich Sie auf die Bühne -schleifen, Herr, und aufs Podium werfen in einem Sack. - -KEAN: Gut. Schmeißt mich in die neue Karriere. Zirkus. Ketten bereit. -Fesselsprenger über dem Seil -- -- -- a me me gusta un harenque ... -porque es muy dulce -- -- -- _Regisseur hinaus. Salomon mit -ausgebreiteten Armen gegen die Tür._ Du ... sperrst mich ein? Du auch -... spritzt gegen mich Gift? Wegen deiner Stellung? Bist du schon so -zertreten? _Schiebt mit dem Fuß nach ihm, Salomon heulend ihm zu Füßen._ - -SALOMON: Treten Sie mir den Bauch ein. Hab ich diese elende Position -nicht nur wegen Ihnen behalten? Ich schütze Sie vor dem Schleifen. - -KEAN: Steh auf! _Fieberhaft._ Alles verloren. Ich habe auf eine Karte -alles gesetzt und rasch verloren. Der Fächer ist die falsche Karte, die -man mir ins Spiel gemogelt. Wales muß den Fächer decken gegen Graf -Koefeld. Wales renkt das Spiel wieder ein, das ich schon fast verlor. -Vor fünf Minuten bestürmte ich ihn, weil ich mich oben dachte, im -Übermut in die Loge der Gräfin zu gehen, nun sitzt er dort und muß mich -decken. Die Leute haben andere Waffen wie wir. Man vermeidet dort den -Angriff, man ist klüger wie wir, Salomon. Er wird sich zurückziehn, -verschwinden, von Helène zurückeilen. Das Feld ist frei. Ich habe keinen -sichtbaren, aber einen unsichtbaren Konkurrenten. - -SALOMON: Was kann ein Gegner schaden, der kein Stichwort hat, -aufzutreten? - -KEAN: Daß ich ein Werkzeug des Wales bin, ein Perpendikel seiner Laune. -Wenn er gut ist, überdacht von seiner Güte. Wenn er gemein ist, ein -Tänzer auf dem Zufall. Immer geschenkt, dargeboten, geduldet. Gibt es -eine Frau, die das erträgt? Gibt es einen Mann, der in dieser Rolle -wirkt? Unerträglich. Unmöglich. - -SALOMON: So werde ich den Prinzen aus der Welt schaffen, um einen guten -Abgang aus ihr zu haben. - -KEAN: Zu grob. Das schafft seinen Schatten nicht fort. Treue Trottelei, -Salomon. Das verstehst du nicht. - -SALOMON: Das scheint meine Schwäche. - -KEAN: Ich kann ihn nur wieder mit Großmut überwinden. Solche Partien -können nur auf dem höchsten Terrain gesiegt werden. Helène kennt die -Niveauunterschiede genau, und man hat sie nur, wenn man deutlich sie -erobert. Ich muß auf sie verzichten. Das ist die einzige Waffe, sie doch -zu bekommen. Ich überlasse sie Wales als dem Größeren. Ich trete zurück, -um ihn zu erhöhen. Ich muß mich auswetzen wie ein Geschwür und ihm freie -Bahn lassen. So wird sie mich wieder holen. Du bist zu wenig Mann, um -das zu begreifen. Hier wird mit großen Einsätzen der Kühnheit pointiert. -Ich kann nicht kleinmütiger sein wie seine Großmut. Aber ich spiele um -alles. Denn ich liebe sie mehr als ein Toller. Ich muß ruhig bleiben und -lächeln. Nur so kriege ich sie. - -SALOMON: Das scheint mir der ungefährlichste Ausweg. - -KEAN _auf und ab gehend, man hört den Regisseur draußen zählen_. Aber -wird mein Herz größer sein wie mein Blut? Kann ich Wales nun in Helènes -Loge sehen? Vor einer Viertelstunde ein Kitzel für den Sieger. Als -Unterlegener ein Gelächter. Kann ich stolzer sein als Besiegter wie der -Sieger, der sich nichts merken läßt? Werde ich es aushalten, mein Gott? -Ich bin ohne Kraft, Salomon, und brauche ein kühnes Herz. Man lernt -soviel in seiner Leidenschaft. Ich muß größer sein wie mein Schmerz. -Kühner als mein Glaube. Ich muß es haben, Salomon ... woher? ... ich muß -es haben, oder ich bin kaput. -- -- -- Den Dolch, Salomon ... den Dolch -... Ich muß spielen. - -SALOMON: Er spielt. _Singt_: Ach Gottsche, schenk mern Hambelmann, un e -Kordel dezu, daß er zawwele kann. - -REGISSEUR _herein_: Spielt. _Fällt gleichzeitig erschöpft in die Knie._ - - - SZENE VIER - - Verdunkelung. Kean hinaus. Vorhang. Sofort Musik in die - Verdunkelung. Kean sofort durch den Vorhang auf die Vorderbühne. - Blitzschnell. Sofort auf der Vorderbühne Beginn der Romeoszene. - Musik verklingt hinein. - -JULIA: - - Willst du schon gehn? Der Tag ist noch so fern. - Es war die Nachtigall und nicht die Lerche, - Die wilden Rufs dein banges Ohr durchsüßt. - Geliebter, glaub: es war die Nachtigall. - -ROMEO: - - Die Lerche wars, die Tagansagerin. - Nicht Nachtigall. Schon neidet uns ein Streif - des Osts der Wolken liebevollen Samt. - Die Nacht hat ihre Kerzen abgebrannt. - Der Tag hat sich schon auf den Berg getanzt. - Nur Gehen ist uns gut, Verzug ist Tod. - -JULIA: - - Glaub mir, dies Heil ist nicht das Tageslicht. - Fanal ist es, das dir die Sonne schenkt, - wenn du ins Helle jetzt die Nacht durchdringst. - Signal nach Mantua, wenn du zum Gang dich schickst. - Verweile du. Noch ist zu gehn nicht not. - -ROMEO: - - Laß sie mich packen. Tod ist mir bestimmt. - Ich bleibe gern, wenn du mich fassen willst. - Ich will, dies Dämmern ist noch nicht das Morgenaug. - Der Mond hat nur den großen Kreis bereist. - Die Lerche ist das nicht, aus deren Sang - der unsichtbare Himmel um uns reißt. - Ich bleibe nun. Das Gehn ist mir verhaßt. - Herbei, du Tod, wenn Julia dich liebt. - Ruhig, Herz. Das ist nicht Tag, noch flüstern wir uns zu. - -JULIA: - - Der Tag. Der Tag. Auf. Renne rasch von hier. - Es ist die Lerche, die so heiser droht. - Sie ists, die uns in falsche Wirbel flammt. - Man hat gesagt, die Lerche sei so süß. - O wie zerreißt uns diese unser Herz. - Sie hat der Kröte Blick in ihrem Aug. - Hätt sie den Sang mit diesem Tier getauscht, - da sie dein Herz von meinen Brüsten reißt! - Wie hat der Jagdruf dich zur Flucht erbleicht. - Geh jetzt, Geliebter, es wird rot und hell. - -ROMEO: - - Ich seh nur schwarz. Und dunkler Leid und Gram. - -AMME _kommt_: - - Die Mutter regt sich. Bald tritt sie herein. - Der Tag hebt an. Das Haus wird voll Geräusch. - -JULIA: - - Tag schwingt herein. Du Leben, breche aus ... - -ROMEO: - - Wenn deine Lippe noch auf meiner einmal knospt. - - Umarmt Julia, läuft die Treppe der Vorderbühne herunter, stürzt mit - einem Aufschrei zurück, an Julia vorbei, dicht an der Rampe. - - Ist mir von Irrsinn so mein Herz zerschleißt, - das zuckt und brüllt, daß ich in Fremdem wühl? - Ich Komödiant, ich Kean, Hanswurst, Idiot, Kamel - geht ehr durch Nadelöhrn als ich durch dieses Spiel. - Halunken, Publikum. Clowns, weh, ein Heringsbauch, - schlägt höhnend eure Fratzen jetzt mein Schmerz. - Wo nehm den Mut ich her, jetzt groß zu sein, - wo ich wie eine Kröte hier mich wind - und dort die Größe lächelnd auf mir bäumt? - Für dieses Spiel bin ich zu sehr zerspellt, - Hanswurst ich, Kean, nicht Romeo. Hanswurst. - Wär ich jetzt groß, wie Feuer trieb dies Spiel. - O Gott, mach jetzt mein Herz voll Einsamkeit, - daß ich es trag und alles Gute sag. - Hilf mir. Umsonst flamm ich nicht wie ein Wurm. - Schon quillt mir Gift auf meines Herzens Schlag. - Schon würgt mein Haß der Zunge guten Laut. - Es frißt die Leidenschaft das Gute aus dem Herz. - Erbärmlich ich. Hanswurst. Mein Kean, du Frosch. - Is a long way to Tipperary -- -- flattert mirs so auf? - Is a long way to go. Ich hin von Haß entstellt. - - Halb verkrampft, tanzend, torkelnd, jetzt voll an die Rampe. Zu der - nun mitten im Rang erleuchteten Loge Helènes, Koefelds, des - Prinzen von Wales gerichtet. - - Ich klag den Prinzen Wales des Irrsinns an, - weil er Geheimnis hat, das in den Staub mich schmeißt. - Erträgt ein Mensch so ruhigen Übermut? - Schlägt Schicksal mir stets Größe ins Gesicht, - die mich erniedert ... Aus der Lüge dieses Spiels - pflück ich Sekunden. Hier ist mein Triumph. - Hier rede ich. In die Manege, Monseigneur, - hier auf die Knie. Tanzt vor den Affen nackt - den Foxtrott Ihrer Laster. Guillotine Marsch. - Zu meinem Fuß. Mein Herz lacht wie ein Wolf. - Die Haselrutensehnsucht Ihrer Schenkel ist nicht schwach. - Gekuscht im Winkel. Ab Monokel. Glasaug hol die Pest. - Entschleiert das Geheimnis. Sansculotte. Größe keine Spur. - Sagespäne, Glas statt Hoheit, werft die Puppe in - die Eimer der Verachtung ohne Schmerz. - -LORD MEVIL _in einer Loge, mitten im Publikum, der anderen Seite, -erleuchtet_: Die Hundepeitsche ins Gesicht dem Schuft. - -KEAN: Ach, Mevil -- Bursche, Wechselfälscher, Mäuschenjäger, Gladiator -deiner Frechheit. Her den Stock. - -LORD MEVIL: Verhaftet diesen Hund. Konstable. Ketten. Stellt vor den -Prinz euch. Vor die Krone. Schießt. _Knallt nach der Bühne._ - -KEAN: - - Schieß weiter, Fälscher. Abgeprallt die Tücke, - kreid ich dich an die Ewigkeit, du Hure - der Rechtsprechung im Parlament. Ich schlag - den Leib mit Prügeln feist dir wie ein Frosch. - Nur Monseigneur kann mehr geschwollen sein - als du. Kean. Ich Hanswurst. Sacré. Mein Puls. Mein Herz. - - Hinter ihm Menschen. Toller Foxtrott. Man beschwört ihn. Salomon - kommt aus dem Souffleurkasten. Aus der Intendantenloge klettern - Entsetzte auf die Bühne. Der Regisseur stürzt herbei. Kean faßt - ihn, tanzt den Foxtrott des Orchesters mit ihm, irrsinnig. - - Wales am Hund, das Herz in Quasten, - Kean kaputt, Wales liquidiert ... _Fällt zusammen._ - - Der Regisseur geht langsam bis an die Rampe, schneidet mit dem - erhobenen Arm haarscharf den Foxtrott ab. - -REGISSEUR: Der Wahnsinn ist über Kean ausgebrochen. Die Billette zurück. -Ich schließe. Verzeihung. - - Ein Schrei aus der Loge der Wales und Koefeld. - -REGISSEUR: Arbeiter. Chor. Die Bahre. Arzt. Den Arzt. _Bob hinkt herbei, -stößt zweimal ins Horn._ - -BOB: - - Ich hab dich mehr geliebt. Dreiviertelsmann. - Du Stümper. Vielgeschrei. Du warfst mich auf, - da schlug dich Undank lahm. Angriff blieb schlecht. - In Großmut Dilettant. Stop. Hier der Rest: knockout. - - - Schluß des vierten Akts. - - - - - AKT FÜNF - - - Zimmer bei Kean. Zwei Ausgänge links. Ausgänge rechts. Aufmarschiert - die vier Artisten: Viktor, Well, Gonsch, Kauka. Die Mitsäufer - Tom, David, Bardolph. Salomon aus dem Nebenraum. - - - SZENE EINS - -SALOMON: Man muß schon irrsinnig zu sein im Geruch stehn, damit die -Menschen anständig werden. Hilfe für Gesunde erdenkt niemand. Überall -steht der Verstand auf dem Kopf. Wär ich sonst Souffleur? - -VIKTOR: Bob ist entschuldigt. Das Geld des Benefiz war zuviel. Er hing -sich auf. - -SALOMON: Splendid. Ein Narr nahm den gewöhnlichen Abgang. - -GONSCH: Wir haben draußen abgelegt. - -VIKTOR: Zehn Flaschen Pommard. - -WELL: Zehn Flaschen Chambertain. - -KAUKA: Fünf Flaschen Portwein. - -GONSCH: Zwanzig Flaschen Sekt. - -VIKTOR: Sieben Flaschen Haut Sauternes. - -WELL: Zwanzig Flaschen Château Latour. - -KAUKA: Zehn Flaschen Jules Bernin. - -GONSCH: Eine kleine Tonne Whisky. - -SALOMON: Das habt ihr gut hereingeschifft. Was soll der Herr damit? - -TOM: Sechs Renntierschinken. - -DAVID: Vierzig Kilo Honig. - -BARDOLPH: Zehn große Hummer. - -SALOMON: Das habt ihr gut hereingesetzt. Ihr Trockenen. Ob ihr vom -Festen nicht aufs Nasse spekuliert?! Ihr Trinkerchen. - -TOM: Wenn wir auch Hunde sind, saufen wir nicht aus Krankenkübeln. Was -sagt der Arzt? - -DAVID: Wenn mich Gott in schweinige Versuchungen auch führt, bewahrt er -mich, aus dem Elend Vorteil zu ziehen. Wie gehts dem Herrn? - -BARDOLPH: Wenn wir auch verdammt dickfellige Därme sind, kann nur ein -Dünndarm wie du meinen, daß unsere nach Arznei lüstern sind. Wie stehts -um die Gesundheit? - -SALOMON: Den Arzt hat es bei der Diagnose durchs Bein gezuckt. -Handfester Wahnsinn. Man hält Kean schwer ab, seine Hitzigkeit aus dem -Hirn in die Fäuste laufen zu lassen. Schlimm. Ich rieche Attentate. Mein -Hals fühlt sich schon wie ein Korkzieher stranguliert. Da ich sein -Pfleger bin, muß ich bleiben. - -DAVID: Er soll bei Gott das Bett nicht fiebrig verlassen. Gute -Gesundheit. - -TOM: Ruhe und Eisbeutel aufs Hirn. Beste Besserung. - -BARDOLPH: Die Hände gefesselt. Meine Empfehlungen. _Alle drei exakt ab._ - -SALOMON: Der Herr ist in eine Krise gefahren, aus der er mit Donner und -Blitz wohl nicht herauskommt, sondern wohl etwas sanfter. Es ist Zeit, -aus den frühen Launen in den Sommer einzulaufen. Ich kann das -Hinundherreißen nicht mit. Wenn ihr noch bleiben wollt, werdet ihr die -Konstables als Hundemeute anrücken sehen. Ich melde euch. - -KAUKA _hält ihn zurück_: Unnötig. Unsere Grüße genügen. Und das andere. -Wir sind schon oft für andere gefangen worden. Bekam man die Hirsche -nicht, nahm man die Hasen. Ein Feigling, wer sich unnötig in Gefahr -begibt. _Alle vier exakt ab._ - -SALOMON: Hier sitze ich. Mönch sollte von der Mutter her ich werden. Man -schlägt mich. Ich besorge die Geschäfte. Habe ich nicht mehr Hirn wie -diese alle? Man tritt mich. Und ich fühle mich wohl. Sonderbarer Mensch -ich. _Singt_: »Ach Gottsche, schenk mern Hambelmann, un e Kordel dezu, -daß er zawwele kann.« Und doch reicht meine ganze Hirnhaut nicht aus, zu -ahnen, wie dieser Tag ausgeht. Etwas Wichtiges muß fehlen bei mir. Au -Backe! Aber was? - -KEAN _kommt aus dem Nebenraum, geht durchs Zimmer, ohne Salomon zu -beachten_. - -SALOMON: Die Siegel sind entfernt. Die Schuld ausgelöst. -Unbekannterweise. - -KEAN: Das Gerücht von meinem Wahnsinn läuft weiter. - -SALOMON: Ich fürchte nur, daß diejenigen, die es nachträglich glauben -sollen, nicht von seiner Dauer zu überzeugen sind. - -KEAN: Ich habe nicht das Gefühl, gestern ein vernunftbegabter Mensch -gewesen zu sein, da ich es bis gestern wahrscheinlich überhaupt nicht -war. - -SALOMON: Dann muß Ihre Normalität ihren Geburtstag mit Prozessen, -Kerkern, Verfahren beginnen. - -KEAN: Kümmre dich um deinen Kopf. Man fällt nicht so heftig auf die -Rampe, ohne daß man aus seinem Kostüm herausrutscht. Die Listen? - -SALOMON: Sind aufgelegt. Die Einzeichnung der Krankenbesuche gemischt. -Adel keiner. Bürger wenig. Viel kleine Leute. - -KEAN: Keine Frau? ... Nein ... Ich bin doch wahnsinnig. - -SALOMON: Der Wagen steht immer noch an der Ecke. Sie können noch jetzt -fliehen. So gut wie vor zwei Stunden. - -KEAN: Ich kann fliehen. Ich kann nicht fliehen. Ich bleibe da. - -SALOMON: Seit Jahren der größte Skandal. - -KEAN: Wüßtest du, wies in mir ausschaut, tätest du mir so keinen Pimpam -erzählen. - -SALOMON: Mit Monseigneur ist nicht mehr zu rechnen. Die letzte Barriere -fällt. Laufen Sie zu dem Wagen. - -KEAN: Wenn du eine Ahnung hättest, wie wenig ich mich etwas entziehen -will und wie sehr ich auf etwas warte. - -SALOMON: Wenn Sie auf die Gräfin warten, können Sie auch auf den Mond -warten. - -KEAN: Aber du weißt nicht, daß ich warte, um etwas gutzumachen. - -KONSTABLE _kommt, überreicht ein Blatt_: Mein Papier. _Salutiert._ - -KEAN: Es ist keine Zeit darauf. - -KONSTABLE: Es gibt keine Zeit für Verbrecher, sondern nur das Gesetz. - -KEAN: So gibt es Zeit für das Gesetz. Kannst du ihm nicht eine halbe -Stunde zuschieben? - -KONSTABLE: Mein Papier verhaftet Sie auf der Stelle. - -SALOMON: Aber das Abführen hat Zeit bis nach Besichtigung der Räume, -Teller, Flaschen. - -KONSTABLE: Bestechungsversuch. In deine Fresse zurück. - -KEAN: Ich warte auf jemand. Steht der Zeiger auf Sieben-Groß, komme ich -mit. Mein Ehrenwort. Vielleicht kommt gar niemand. - -KONSTABLE: Die Verhaftung ist geschehen. Über den Transport gibt es -keine Vorschrift. Also kommandiere ich diesen Fehler. Es hängt an mir. -Ich habe selten swinging blow so in mein Herz gehen sehen wie Ihren. -Knockout zum Kasperllachen. Sie sind mein Freund, Herr. Ich warte eine -halbe Stunde, auf Ihr Ehrenwort. Das habe ich nunmehr beschlossen. Ich -habe noch nie etwas zu beschließen gehabt. _Ab. Salomon mit ihm._ - -KEAN: Eine halbe Stunde. _Geht durchs Zimmer._ Dann ist es aus. - -SALOMON _zurück_: Die ... Gräfin. - -KEAN: Helène ... - -SALOMON: Auf der Treppe. - -KEAN: Rasch. - -SALOMON: Da. _Verbeugt sich, hinaus._ - - - SZENE ZWEI - -KEAN: Helène. - -DAISY _sich entschleiernd_: Ich. - -KEAN: Was wollen Sie? - -DAISY: Sie in eine Heilanstalt bringen, wenn Sie krank sind. - -KEAN: Ich bin nicht krank. - -DAISY: Dann will ich es bedauern, daß Sie es waren. - -KEAN: Sie sind ärmer als ich. - -DAISY: Irrtum. Seit gestern besitze ich mein Vermögen. Mein Vormund war -ein Betrüger. Er ist entlarvt. - -KEAN: Man darf Ihnen gute Verwendung wünschen. - -DAISY: Ich habe alle Vorbereitungen getroffen. - -KEAN: Sie reisen? - -DAISY: Gezwungenermaßen. - -KEAN: Glückwünsche zu dem Zustand, der mir verweigert ist. - -DAISY: Ich verstehe Sie nicht. - -KEAN: Ich bin verhaftet. - -DAISY: Irrtum. Sie sind frei. - -KEAN: Sie haben den Konstable draußen gesehen. - -DAISY: Ist widerrufen. Der neue Entscheid. - -KEAN: In Ihren Händen? Ausgefertigt? - -DAISY _zögernd_: Von dem Staatsanwalt. Durch den Prinzen von Wales. - -KEAN: Ich hasse ihn nicht mehr. - -DAISY: Als Mittelmann gegen Mevil. - -KEAN: Sie erröten. - -DAISY: Der wollte nicht nachgeben. Der Appell des Prinzen war -einflußlos. - -KEAN: Was taten Sie? - -DAISY: Ich komme, mich von Ihnen verabschieden. - -KEAN: Was taten Sie? - -DAISY: Ich trat ihm die Mitgift ab. - -KEAN: Sie haben ihn geheiratet. - -DAISY: Unnötig. Das Geld genügte. - -KEAN: Die Hälfte Ihres Vermögens. - -DAISY: Eine kleine Schuld der großen gegenüber, die mein Leben Ihnen -schuldet. - -KEAN: Und Sie reisen ... - -DAISY: Um den Skandal zu verwischen. Lord Mevil zwang mich dazu. Ein -Pakt mit Mevil. - -KEAN: Ich erkenne für mich Ihre Handlungen nicht an. - -DAISY: Damit werden Sie mich kompromittieren. Ich bin bereit. - -KEAN: Sonderbar. Ich sagte Ihnen beim ersten Mal: Beweisen Sie mir, daß -Sie etwas im Leben meistern, ich rede Ihnen dann zu, in meinen Beruf zu -springen. Heute kann ich es, aber ich stehe beschämt vor Ihnen. - -DAISY: Da ich England verlasse ... - -KEAN: Sie haben ein anderes Aussehen bekommen. Ich habe Sie nicht so -gekannt. - -DAISY: Sie schulden mir nichts. Ich habe meine Ansicht in diesem Punkt -des Berufs geändert. Ich gab meinen Plan auf. - -KEAN: Sind Sie mutlos geworden? - -DAISY: Ich war nie entschlossener. - -KEAN: Opfer zu bringen, die nicht anzunehmen ich entschlossen bin. -Weinen Sie nicht. - -DAISY: Die Sie nicht von mir empfangen, sondern von der Vorsehung, die -Ihre Absichten damit klärt und die darum keine Opfer sind. - -KEAN: Gestern hätte ich das nicht verstanden. Heute ist es schon zu -weit. Es schmerzt mich, das zu sehen, was Sie tun und äußern. Denn ich -habe es versäumt. - -DAISY: Ich habe nie daran gedacht, daß eine Handlung anders als zu der -ihr bestimmten und richtigen Zeit kommen könne. - -KEAN: Sie täuschen sich. Ich sah zum erstenmal, wie ungeheuer viel ein -Herz vermag, indem es sich schrankenlos preisgibt. Aber ich sehe es zu -spät. - -DAISY: Ich verstehe Sie nicht. - -KEAN: Weil Sie nicht wissen, welche Spanne mein Leben von gestern zu -heute durchmessen hat. Weil ich aus Enttäuschungen und Eitelkeiten so -tief abgestürzt heute hinaufblicke, kann ich nicht wagen, erkennen zu -wollen, von wie hoch her Ihre Güte zu mir herunterkommt. - -DAISY: Warum beschämen Sie in mir so sehr das, was ohne Absicht geschah? - -KEAN: Hätte ich früher erkannt, als ich zwar falsch, aber immerhin auf -der Höhe meines Lebens schweifte, welch unvergleichlicher Besitz mir nah -war, wäre das eine große und erhabene Entdeckung gewesen. Ich wäre -glücklich gewesen. Daß ich es jetzt erst sehe, wo ich verlassen, -schutzbedürftig und niedrig bin, nimmt mir vor mir jedes Recht, es zu -ergreifen. Ich weiß, was ich verliere, denn ich verliere alles. Aber ich -kann mich dem nicht entziehen. - -DAISY: Wenn ich nicht glaubte, trotzdem glücklich zu sein, müßte ich -denken, daß ich verflucht bin. - -KEAN: Gehen Sie. Reisen Sie. Und denken Sie, daß Sie einem Mann das -größte Glück geschenkt haben, indem Sie ihn zum ersten Male die ganze -Größe eines reinen Gefühls sehen ließen. Und vergessen Sie nicht, daß -er, obwohl er zufriedener und klarer ist wie früher, aufs tiefste leidet -und nur die eine Bemühung kennt, sich Ihrer würdig zu erweisen. - -DAISY: Leben Sie wohl. - -SALOMON: Die Gräfin. _Zieht die Tür hinter sich zu._ - -KEAN: Ich will sie jetzt nicht mehr sehen. - -DAISY: Ich stehe, auch hierin, nicht im Wege. Lassen Sie sie eintreten. -Ich bitte darum. - -KEAN _zögernd, dann_: Warten Sie hier. _Öffnet Daisy das eine -Seitenkabinet._ - -HELENE _eintretend, mit großer Bewegung sich entschleiernd, sie ist -verkleidet_: Sie haben verloren. Die Einsätze zurück. - -KEAN: Ich habe eine Torheit begangen, die ich aber in einem gewissen -Sinne loben muß, so sehr es Sie kränken mußte. - -HELENE: Nur Besessenes, was man verliert, kränkt. Der mißlungene Versuch -platzt in die Luft. - -KEAN: Was kann ich tun, Ihre Verzeihung zu erlangen? - -HELENE: Unnötig von mir. Ich bin ohne Zorn. Ich ordne die Dinge exakt. -Das Medaillon. - -KEAN: Hier. - -HELENE: Die Dose. - -KEAN: Hier. - -HELENE: Der Ring. - -KEAN: Hier. - -HELENE: Ohne Widerspruch. Gut. Die Partie ist ausgeglichen. Die Pfänder -eingesammelt. Leben Sie wohl. - -KEAN: Sie ziehen die Summen. Ich aber möchte Ihre Verzeihung erlangen -... dafür ... - -HELENE: Die Trüks sind ausgespielt. - -KEAN: Verzeihung ... dafür, ... daß ich Sie nie geliebt habe. - -HELENE: Deshalb verloren Sie. Aus keinem anderen Grund. Glauben Sie zu -anderem Zweck als der Erforschung dieser Sache willen hatte ich den Pakt -abgeschlossen? - -KEAN: Ich will Sie nicht kränken ... - -HELENE: O, es war Größe schon um Sie, als ich Sie sah. - -KEAN: Es war Eitelkeit. - -HELENE: Gemischt. Mich reizte, zu was Ihr Wesen sich entschlösse. Sie -kamen und plaidierten für die armselige Verfolgte und warfen mir in der -gleichen Sekunde Ihre Leidenschaft ins Gesicht. Beides war echt. Ich -setzte mich ein, es zu lösen. Meine Liebe. Ich habe alles an diese Frage -gesetzt. Nicht ich verlor. Sie verloren. Ich riskierte nur alles. - -KEAN: Ich habe gewonnen ... - -HELENE: Vielleicht. Sicher nicht hier. - -KEAN: Hier ward nur gesetzt. Nur gespielt. Pointiert. Nicht geopfert. - -HELENE: Verstanden Sie das damals so gut? Habe ich das nicht? Habe ich -nicht vielleicht Sie geopfert? Wissen Sie denn, ob ich Sie nicht dennoch -mehr liebte, als Sie ahnen, und daß ich dieses Gefühl hingab dem, -größere Klarheit zu erreichen. Mein Herz ist kein Mädchen und durch -Enttäuschungen zu großer Art gegangen, einem Gatten an die Seite -gegeben, der es weder an Höhe versteht noch an Tiefe und es durch -Teilnahmlosigkeit täglich kränkt und beleidigt. Ich habe nach dieser -Seite keinen Sinn für das Wort Pflicht, wo sie mir täglich gebrochen -wird, aber ich habe nach der anderen Seite noch weniger Gefühl für das -Uferlose. Was ist Leidenschaft am Ende? Ein Nichts. Muß man nicht kühl -sein, je wilder man erlebt, distanzierter, je zerhackter man ist aus -Leidenschaft? Sie haben das nie gewußt. Ich suchte Weisheit über dem -Blut. Sie gaben, was ich verachte, Skandal. Ich suchte Opferung, bereit -dann selbst zu jedem Opfer. Ich fand ein zerrissenes, unbeherrschtes -Dasein. Ich habe keine Lust an bürgerlichen Sensationen. Ich ziehe es -vor, meine Wege zu beherrschen. Ich kalkuliere mir das Schicksal. - -KEAN: Ich habe verloren. - -HELENE: Daß Sie es einsehen, beweist eine Erschütterung. Zeigt eine -Erkenntnis. Also haben Sie dennoch gewonnen. Hier aber zu spät. - -KEAN: Ich habe vor Ihnen vorhin etwas Kurioses erblickt, das -Grenzenloseste, Gräfin: ein schlichtes, einfaches Herz. - -HELENE: Erkenntnis marschiert auf vielen Wegen. Ich stellte das -Wagespiel ein zwischen Ihrer überlegenen Güte, die ich ahnte, und Ihrer -Zerrissenheit, die ich sah. Es schlug nicht zu mir aus. Aber es schlug -aus. Traf es nach anderen hin, bedeutet es Bindung Ihrer Kräfte. Ich -wünsche Glück. Ich bin neidlos. Zersplittern ist Unfug. Konzentration -alles. Liebe nur ein Augenblick. Ein gebändigtes Herz hat keine Pause. - -KEAN: Welche Schuld habe ich gegen Sie! - -HELENE: Keine. Sie lieben Ihre Eitelkeit nicht mehr, die sich allein -vielleicht verging. - -KEAN: Habe ich so blind gelebt, nichts geschaut, alles versäumt? - -HELENE: Kein sentimentales Schauspiel. Sie werden nun wohl, wenn Sie -besser zu sehen verstehen, der Größe, die Sie auf der Rampe spielten, -die des Menschen hinzufügen. Mein Spiel ist aus. Sie spielen mit andern. - -KEAN: Und Sie? - -HELENE: Meine Vorbereitungen sind gelegt. - -KEAN: Sie entschieden sich ... - -HELENE: Die Dinge entscheiden sich. Ich entscheide mich mit ihnen. -Irrtum, daß irgendeine Entscheidung bei uns liegt. Man geht mit den -Möglichkeiten und beherrscht sie, indem man in ihre Kurven nicht -eingreift. Was heute ich liebe, ist in einem halben Jahr vielleicht -taub. Verlangen Sie Garantien der Seele vom Leben? Ich nicht. Liebten -Sie mich mit Holzbein, ich Sie ohne Magen? Unausdenkbar. Die Partie -hatte zwei Seiten. - -KEAN: Ich schied aus. Wales blieb. - -HELENE: Der Fächer ist gedeckt. Die Endposten sind erreicht. Ich war nur -Zuschauer. Was blieb, hatte recht. Das eine versagte. Das andere -lächelte, als ich es ansah. Ich habe mich für die Macht entschieden. - -KEAN: Welche Kühnheit. Soviel kann Erfolg bedeuten! - -HELENE: So kommt von selbst zu mir, was ich brauche. Ohne Bemühung. Sie -werden es schmerzlos sehen. - -SALOMON _draußen_: Unmöglich. Ich verbiete. Ich hindere Sie. - -KEAN _rasch die Tür des zweiten Kabinets öffnend_: Einen Augenblick. -Hier. Eilen Sie. - -HELENE _überlegen, betont_: Keine Angst um mich. Ich bin in guten -Händen. - -SALOMON _draußen_: Zurück. Achtung. Das haut. Schreit. _Tür auf. Graf -Koefeld tritt ruhig ein._ - - - SZENE DREI - -KEAN: Ich hielt Sie für den Konstable. - -GRAF KOEFELD: Es gibt drei Dinge, die auf meinem Inneren geschrieben -stehn wie auf Bronze: Pflicht, Frauenehre, König. - -KEAN: Ziehn Sie daraus ein Recht, bei mir einzubrechen? - -GRAF KOEFELD: Kennen Sie diesen Fächer? - -KEAN: Ich kenne fünf dieser Sorte, die Monseigneur verschenkte. - -GRAF KOEFELD: Ich fand ihn in Ihrer Loge. - -KEAN: Sie werden an die Adresse des Prinzen von Wales sich zu wenden -haben, wenn Sie keine Entschuldigung hier anzubringen haben, daß Sie ihn -bei mir raubten. - -GRAF KOEFELD: Monseigeur. Welche Adresse. Danke. Verzeihung. -Kontrollierbar. Jedoch ... - -KEAN: Fassen Sie sich kurz. - -GRAF KOEFELD: Meine Frau wird überwacht. In meinem Auftrag. Die -Kontrolleure flitzen. Sie ist hier. - -KEAN: Königliche Pflicht, Frauenehre mit Detektivs zu schützen. - -GRAF KOEFELD: Schweigen Sie. Die Kontrolle ist hier am Ort möglich. -Dieses Mal ist sie sicher. Ich werde Ihre Räume ansehn. Ist die -Besichtigung frei? - -KEAN: Ich fürchte, ich verstehe Sie nicht. - -GRAF KOEFELD: Sieben Schlachten. Eine Belagerung. Meine Auszeichnungen -die höchsten. Herr, ist die Besichtigung frei? - -KEAN: Nein. - -GRAF KOEFELD: Dann akzeptieren Sie meine Forderung. Zehn Meter Abstand. -Kugelwechsel bis zum Schluß. Ich schieße zuerst. - -KEAN: Einen Narren weist man hinaus. Ich läute. - -GRAF KOEFELD: Sie akzeptieren nicht? - -KEAN: Bin ich verrückt? - -GRAF KOEFELD: Ich erinnere Sie daran. Man wird Sie feig nennen. - -KEAN: Kein Teufel glaubt das. - -GRAF KOEFELD: Die Pflicht des Kavaliers, Ihres Verkehrs, Ihrer -Männlichkeit. Waren Sie nie Soldat? Des Königs Rock, Herr. Ihre Ehre? - -KEAN: Steht in meiner Brust. - -GRAF KOEFELD: Wenn Sie die Beleidigung nicht sühnen und schießen, bin -ich genötigt, mich zu erschießen. Ich hätte anderen Soldatentod -gewünscht. Herr, ich bitte dringend, herzlich: nehmen Sie die Forderung -an. - -KEAN: Habe ich Sie denn gekränkt? - -GRAF KOEFELD: Sie weigern die Besichtigung. Passage ist nicht frei. Dann -bleibt nur ein Ausweg vorher. Ich schieße Sie zusammen. _Zielt._ - -KEAN: Gut. - -GRAF KOEFELD: Verlassen Sie die Tür. Ich warne. Eins, zwei ... _Die Tür -geht auf, Daisy heraus. Außer sich._ - -DAISY: Ich bin seine Geliebte. Gehen Sie, Herr. - -KEAN: Was tun Sie? - -GRAF KOEFELD _mit dem Rücken nach der Tür ab_: Verzeihung, Gnade, -Gnädigste. Eine ungeahnte Bestürzung. Ich bin überrascht. Ich stehe, -beschämt, in allem zur Verfügung. - -KEAN: Ich zürne Ihnen nicht. - -DAISY _Hände vor das Gesicht werfend_: Nun bleibt nur noch ein Weg. -_Stürzt, fassungslos, nach dem Fenster._ - -KEAN _ihr nach_: Gott, Gott, halten Sie. Daisy, Daisy. _Faßt sie, trägt -sie zurück._ - -DAISY: Warum haben Sie das getan? - -KEAN: Du wolltest dich töten, Böse. Ich liebe dich doch. Ich liebe dich -doch. - -DAISY: Sie haben mich eben noch zurückgestoßen. - -KEAN: Kann man so vielem widerstehen? - -DAISY: Sie übereilen sich. Sie übereilen Ihr Herz. - -KEAN: Nicht mehr. Was ist das Stückchen Stolz, das sich gegen dich -wehrte, gegen dieses Maß an Stolz, das du ohne Bedenken verschwendest. - -DAISY: Was habe ich denn getan? - -KEAN: Daß ich dein Herz an meine Brust schlagen höre. Ich bin zu Haus. -Das ist alles. - -DAISY: Was hast du an mir? - -KEAN: Ich muß offen sein, um mein Leben zu erzählen. Ich habe nach einer -Jugend, von der ich nicht reden will, die Möglichkeit gehabt, alles zu -besitzen, was gelobt wird. Ich lebte wie ein Herr und nahm gläubig -alles, was Glück zu sein schien. Ich habe an Frauen kein geringes Teil -meines Lebens gehängt und in guten Schlössern übernachtet und Fische in -Parks gefangen und mit den besten Leuten meiner Rasse Verkehr gehabt. -Ich habe dies nur für einen Teil des Lebens gehalten und nicht zu hoch -geschätzt und habe in Kaschemmen geschlafen und keines niederen Menschen -Los nicht auch geteilt. Es kam mir zu, daß ich glaubte, das Leben zu -kennen, denn ich war wohl tapfer und auch feig, das wußte ich, sondern -auch klug und töricht. Ich befahl und richtete sowohl, als ich unterwarf -mich und wurde geschmäht. So konnte nicht fehlen, daß ich mir dachte, -daß ich das Leben kenne und es auch umspanne, ja ich hätte vielleicht -gedacht in manchen Minuten, daß ich weiser sei als viele, ohne dabei zu -denken, daß ich Hochmut treibe. Aber ich habe sicher nie gewußt, was an -Glück das Dasein zu geben vermöge, denn ich habe die Gelegenheit, daß es -der Probe nicht gewachsen ist. Es mußte das Seltsame sich ereignen, daß -mir das Ganze leblos aus der Hand fällt, und daß ich, von der Reinheit -der Absichten eines Menschen erschüttert, von solchen Schlägen getroffen -dastehe, daß alles um mich herum wie unter Gewittern fällt. - -DAISY: Ich habe nichts Besonderes getan. - -KEAN: Als du kamst und mir sagtest, an mir wärest du aufgerichtet und -vertrauend auf die Wahrheit geworden, irrtest du. Das Umgekehrte hat das -Recht. Nicht du an mir, sondern ich an dir, ich ward an soviel Hingabe -erst sehend und gläubig. - -DAISY: Willst du dieser Frau nicht die Tür öffnen, damit du nicht mehr -die Unwahrheit zu sagen brauchst, wenn nach ihr gefragt wird? - -KEAN: Glaubst du nicht, es sei edelmütiger, durch Lüge zu retten, statt -mit der Wahrheit zu vernichten? - -DAISY: Ich glaube, daß eine Lüge selbst in diesem Falle nicht zum Besten -führen kann. Man lehrte uns im Kloster, daß wir nicht gezwungen seien, -die Wahrheit zu sagen, daß wir aber nie lügen dürften. - -KEAN: Ich werde dein Schüler sein. Man muß alles neu anfangen. Nimm die -Führung. Ich habe zu viel geführt, um die Irrtümer nicht zu sehen. Der -Rest war Einsamkeit. Ich folge dir, weil ich dich liebe. _Öffnet die -Tür, ruft_: Leer ... das Zimmer ... das Fenster auf ... - -DAISY _läuft hin, hinein, zurück_: Ahnte ich es? Tot? Meine Schuld. -Meine Strafe, weil ich log, ich sei deine Geliebte. Bin ich verflucht? -Ich bin doch verflucht. - -KEAN: Durch das Fenster ... Faß dich. Sie ist entflohen. - -DAISY: Und unten? - -KEAN: Wer nicht geführt wird -- die Themse. - -DAISY: Meinen Weg. Sie hat dich mehr geliebt wie mich. - -KEAN: Das weißt du nicht. Das ist unmöglich. - - - SZENE VIER - -KONSTABLE _erscheint, die Uhr in der Hand_: Der Zeiger ist auf Sieben -eingetroffen. Sieben-Groß. Das Ehrenwort ist fällig. Die Verhaftung ist -gültig seit einer halben Stunde. Eine halbe Stunde später setzt der -Transport ein. Marsch. - -DAISY: Er ist frei. - -KONSTABLE: Ich habe keine Benachrichtigung. Hier ist mein Blatt nur -gültig, wenn kein anderes auf vorgeschriebenem Weg in meine Hand kommt. -Nichts ist widerrufen. Amtlich. Folgen Sie. - -KEAN: Sehen Sie nicht. Ein Mensch ist verschwunden. Ist in die Themse -geraten. Sie sind verrückt. Helfen Sie. - -KONSTABLE: Ich habe einmal einen Beschluß zu fassen gehabt in meinem -Leben. Den habe ich heute entschieden. Eine halbe Stunde -Transportaufschub. Respekt vor der Töterei um Sie herum. Respekt vor -Serien. Aber glauben Sie, das hält meinen Beschluß auf? Widersetzen Sie -sich nicht. Mein eines Auge weint, wenn ich Sie rauh anfasse, denn ich -sah nie einen boxen so schön. Splendid. - -DAISY: Hier ... das Papier. - -SALOMON _hereinspringend_: Dann schlag ich dich zusammen. Vielleicht hat -mir ein Mord gefehlt, um dieses Leben zu kapieren. - -KONSTABLE: Ich kenne nur amtliche Papiere. An mich adressiert. Andres -existiert nicht. Was das Boxen betrifft, Herr, bin ich nur unparteiisch. -Time-keeper. Ich verhafte dich mit. - -PRINZ VON WALES _erscheint, spricht dauernd, unbeweglich, sehr laut_: -Hinaus, Konstable. Du auch. _Salomon und Konstable verschwinden._ Mein -Fräulein Daisy Miller. Herr Kean. _Er verbeugt sich._ Sie, Herr, -erwarten Strafe und Zorn. Meine Einsicht hat keinen Grund, Sie aus dem -Gesetz zu reißen. Meine Freundschaft übergibt die Dinge einer milderen -Prüfung. Sie gehen an einen Ort des Gebirgs oder ein Tal der Landschaft, -wo in der freieren Luft der Natur sich Ihr Sinn erholt, bis Sie mein -Wort zurückruft. Gehen Sie. - -KEAN: Monseigneur, es ist ein grauenhaftes Geschick ereignet. - -PRINZ VON WALES: Was kann Ihnen bekannt, mir unbekannt sein? - -KEAN: Mäßigen Sie Ihre Milde. Halten Sie Ihren Großmut zurück, damit Sie -ihn nicht zurückzurufen brauchen. - -PRINZ VON WALES: Maßen Sie sich keine Korrekturen an. So stehen Sie -nicht da, selbst wenn ich Sie auf den Boden des Vergessens -heraufgestellt habe, daß Sie nörgeln dürfen an dem, was ich rede und was -das Recht in meinen Entschlüssen ist. - -KEAN: So werden Sie hören, daß die Dame, deren Namen ich laut nicht zu -sagen wage, durch dieses Fenster verschwunden ist. Es führt in die -Themse. Ich stehe hier in der Bitte und Erwartung, daß keine Strafe zu -klein sei, auf mich zu fallen. - -PRINZ VON WALES: Schwärmer. - -KEAN: Verfügen Sie über mich. Ich bin zu sehr zerborsten, daß nur Strafe -mich befriedigen kann. - -PRINZ VON WALES: Sie lebt. - -KEAN: Unmöglich. - -PRINZ VON WALES: Sie fährt im Wagen eben durch die Stadt. - -KEAN: Wie kann sie das? - -PRINZ VON WALES: Durch mich. Durch meine Leute. Meinen Befehl. Durch -meine Leiter, mein Boot, meine Voraussicht. Meine Hand war um sie, von -Anfang an. - -KEAN: Sie haben mich erlöst. Ich beuge mich. Ich habe sehr verloren. Ich -erkenne Ihren Sieg an, neidlos. Es ist Zeit, daß wir zur Ruhe kommen, um -den Anfang gut weiter zu führen. _Zu Daisy_: Denn ich habe ein Herz -entdeckt. - -PRINZ VON WALES _fast herrisch_: Schauen Sie mir in das Gesicht. Lassen -Sie die Pupille nicht von meiner. Dann wissen Sie, Herr, daß Sie den -bedeutenderen Sieg errungen haben. Daß Sie am Beginn einer größeren -Weisheit stehen. Ich neige mich. Verlassen Sie die Stadt. Man wird Sie -als einen anders Gewordenen zurückrufen. Entfernen Sie sich mit Eile aus -dem Umkreis. Gehen Sie. Ich wünsche nicht, das Sie etwas hinzufügen. - - - Schluß des fünften Akts. - - - - - PERSÖNLICHES ALS NACHWORT - - -Das Schauspiel mein Stück zu nennen, ist vielleicht kühn, aber nicht -ohne Berechtigung, wenn es nicht noch toller wäre und nicht ohne -Torheit, es eines von Dumas zu nennen. Dumas ist ein verteufelt armes -Luder, weil er tot ist, und ich habe keinen Orgueil an der Frage. Man -kann auf ihr wie eine schöne Frau auf einem Dagobert die gewagtesten -Positionen einnehmen. Ich überlasse die Lösung meinen kleinen Feinden, -die mir seine Fehler vorzuwerfen nicht ermatten werden und auch mit -Sicherheit bereit sind, meine Vorzüge in sein Talent zu jonglieren. - -Was mich an dem Schmarrn des Franzosen reizte, war das Genialische, das -auch im Kitsch noch zuckt als Geste und Kerl und Blut. Ich hatte -wahrlich nicht den Ehrgeiz, mich von dem Schmiß der Sache zu einer neuen -Sache locken zu lassen, da ich ja die Freiheit und Möglichkeit wohl -hätte, von mir selbst mich zu allen möglichen Stücken reizen zu lassen, -und ich hatte keineswegs die Lust, den Franzosen zu schlucken, sondern -die Absicht, ihn zu vervollkommnen und diesen verruchtesten und -geliebten Reißer zu einem neuen Stück von Haltung zu machen. Es ging -weniger um die Polierung, eher um das Fundament, und gewiß nicht um eine -Bearbeitung, sondern bestimmt nur um Theater und um sicher besseres -Theater, als in zehn dünnseeligen Geiststücken meiner immer abstrakter -vom Blut wegwandernden Generation. - -Der europäische Gascogner hatte sich die Sache leicht gemacht, wußte -prêcher pour sa paroisse und sagte umgekehrt wie die Englischen gern -Baumwolle, wenn er Jesus meinte, was Heine nicht in seiner Begeisterung -störte, als in der Hauptrolle Frédérik Lemaître dem romanischen Sketsch -am einunddreißigsten August Achtzehnhundertsechsunddreißig im Théâtre -des Variétés vor den Untertanen einer demokratisierenden Bourgeoisie und -vor verprügelten Aristokraten die Weltrichtung gab ... und Dumas damit -aus dem Gekrisch literarischer Diebstähle herausriß, in das ihn -Gardisten seines lächelnden Freundes Victor Hugo gewickelt hatten. -Damals wars rassiger Bluff. Heut ist die Innerlichkeitssubstanz -Geschwätz und Geplausch. Zwischen die (wundervollen) Trüks muß nun Seele -hineinschmettern. Es müssen Menschen dahin, wo er Dramatisches suchte -und Effekte fand, es darf Wahrheit dort sein, wo er gaunerte und -Glissandos machte. Wo er gallisch krähte, muß Schicksal hinein. - -Denn schließlich handelt es sich darum, daß dieses funny animal, dieser -tolle Bursche, Kean, nicht aus Unordnung schlampig, sondern aus -elementaren Leidenschaften ungesammelt ist. Daß es nicht auf das Kostüm -ankommt, sondern auf dies Exemplar von Menschen, nicht auf die -Verwirrungen, sondern auf die Dämonie. Daß es von Bedeutung ist, daß die -Backfische und Mondänen und Kokotten des französischen Theaters nicht -aus Bleichsucht gütig und aus Hurerei lasziv und aus Neugier -abenteuerlich sind, sondern daß sie aus Güte konsequent und aus -Lebenskenntnis tragisch und aus Enttäuschungen überlegen scheinen. Und -daß schließlich nicht bei sentimentalen Saucen verblieben, sondern -wahrhaftig zu festeren Ergebnissen fortgeschritten werden muß. Alles -andere ist Unsinn. Das ist der Weg der Operation. - -Der Weg, der keinen anderen Ehrgeiz der Exkursion kannte als den -handwerklichen zum sachlichen Theater in einer theaterlosen Zeit, schob -in alle Kurven eine amüsante Grenze. Man erblickte stets die Neigung, -den alten Faiseur des Genialischen mit einer schonen Brüskheit aus dem -Wagen zu schmeißen, aber man behielt ihn mit Respekt und lächelnd bei. -Die Fahrt erhielt eine seltsame Mischung von Gefahr und Grazie, von -Respekt und Tragödie, von Fatum und Causerie. - -Man spiele daher in den Untergründen, ohne die Eleganz zu verletzen. Man -spiele ganz modern, aber zeitlos. Man boxe und morde exakt, mit -Kenntnis, aber nicht ohne Verständnis für die Not der Herzen. Man spiele -schließlich mit voller Aktualität, aber durch Stilisiertes ins Breitere -der Gefühlsvorgänge gedämpft. Momentan, aber nicht salonhaft. Tragisch, -aber mit Verschweben. Scharf, rasch, nicht ohne viel Graziles und mit -bedeutender Phantasie. - -Kreuzeckhaus, Februar 1921. - - KASIMIR EDSCHMID - - - Manuldruck der - Spamerschen Buchdruckerei - Leipzig - - - Von - KASIMIR EDSCHMID - erschienen: - - - BEI ERICH REISS - - ÜBER DEN EXPRESSIONISMUS IN DER LITERATUR UND - DIE NEUE DICHTUNG - - - BEI KURT WOLFF - - DIE SECHS MÜNDUNGEN - NOVELLEN - - DAS RASENDE LEBEN - NOVELLEN - - TIMUR - NOVELLEN - - - BEI PAUL CASSIRER - - DIE FÜRSTIN - NOVELLEN - - DIE DOPPELKÖPFIGE NYMPHE - AUFSÄTZE ÜBER DIE LITERATUR UND DIE GEGENWART - - DIE ACHATNEN KUGELN - ROMAN - - - Anmerkungen zur Transkription - -Verlagsanzeigen wurden vom Beginn des Buches and das Ende verschoben. - -Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigert. Weitere -Änderungen sind hier aufgeführt (vorher/nachher): - - [S. 21]: - ... JÜNGLING: Hast du ihn nicht gefährlich eingeheizt? ... - ... JÜNGLING: Hast du ihm nicht gefährlich eingeheizt? ... - - [S. 22]: - ... ruschte Kean seine Stimme in den Magen. Er spie. ... - ... rutschte Kean seine Stimme in den Magen. Er spie. ... - - [S. 30]: - ... nicht in sechs Teile auseinander? Seltsame Späße reifen mein - Dasein ... - ... nicht in sechs Teile auseinander? Seltsame Späße reißen mein - Dasein ... - - [S. 32]: - ... Ende des zweiten Akts. ... - ... Schluß des zweiten Akts. ... - - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Kean, by Kasimir Edschmid - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK KEAN *** - -***** This file should be named 60626-8.txt or 60626-8.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/6/0/6/2/60626/ - -Produced by Jens Sadowski and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net. This book was -produced from images made available by the HathiTrust -Digital Library. - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part -of this license, apply to copying and distributing Project -Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm -concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, -and may not be used if you charge for the eBooks, unless you receive -specific permission. If you do not charge anything for copies of this -eBook, complying with the rules is very easy. 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} - div.frontmatter .cop { max-width:inherit; } - div.afterword span.firstchar { float:left; } - div.ads { max-width:inherit; } - a.pagenum { display:none; } - a.pagenum:after { display:none; } -} - -</style> -</head> - -<body> - - -<pre> - -The Project Gutenberg EBook of Kean, by Kasimir Edschmid - -This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most -other parts of the world at no cost and with almost no restrictions -whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of -the Project Gutenberg License included with this eBook or online at -www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - -Title: Kean - Schauspiel in fünf Akten nach Alexandre Dumas - -Author: Kasimir Edschmid - -Release Date: November 4, 2019 [EBook #60626] - -Language: German - -Character set encoding: ISO-8859-1 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK KEAN *** - - - - -Produced by Jens Sadowski and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net. This book was -produced from images made available by the HathiTrust -Digital Library. - - - - - - -</pre> - - -<div class="frontmatter chapter"> -<div class="centerpic"> -<img src="images/cover.jpg" alt="" /></div> - -</div> - -<div class="frontmatter chapter"> -<p class="aut"> -<span class="line1">KASIMIR EDSCHMID</span> -</p> - -<h1 class="title"> -KEAN -</h1> - -<p class="subt"> -<span class="line1">SCHAUSPIEL IN FÜNF AKTEN</span><br /> -<span class="line2">NACH</span><br /> -<span class="line3">ALEXANDRE DUMAS</span> -</p> - -<p class="run"> -DRITTE AUFLAGE -</p> - -<p class="pub"> -<span class="line1">VERLEGT BEI ERICH REISS / BERLIN</span><br /> -<span class="line2">1921</span> -</p> - -</div> - -<div class="frontmatter chapter"> -<p class="cop"> -Alle Rechte, insbesondere das der Aufführung -und Übersetzung, sind vorbehalten. Den Bühnen -gegenüber Manuskript. Das Recht der Aufführung -ist nur durch den Verlag Erich Reiß zu erwerben -</p> - -<p class="cop2"> -Copyright 1921 by Erich Reiß Verlag -</p> - -</div> - -<div class="frontmatter chapter"> -<p class="ded"> -FÜR GUSTAV HARTUNG -</p> - -</div> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="dpers" id="part-1"> -FIGUREN -</h2> - -</div> - -<div class="table"> -<table class="dpers" summary="Table-1"> -<tbody> - <tr> - <td class="col1">HELENE GRÄFIN KOEFELD</td> - <td class="col2">APACHE</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">AMY GRÄFIN GOSWIL</td> - <td class="col2">ANDRER APACHE</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">DAISY MILLER</td> - <td class="col2">KONSTABLE</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">RINY</td> - <td class="col2">FRISEUR</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">JULIA</td> - <td class="col2">TOM</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">GIZA</td> - <td class="col2">DAVID</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">AMME</td> - <td class="col2">BARDOLPH</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">KEAN</td> - <td class="col2">ARZT</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">PRINZ VON WALES</td> - <td class="col2">REGISSEUR</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">GRAF KOEFELD</td> - <td class="col2">HAUSINTENDANT</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">LORD MEVIL</td> - <td class="col2">DIENER</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">SALOMON</td> - <td class="col2">TÄNZERIN</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">BOB</td> - <td class="col2">WIRT</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">PEPI</td> - <td class="col2">STEUERMANN</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">GONSCH</td> - <td class="col2">BOTE</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">WELL</td> - <td class="col2">APACHEN</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">VIKTOR</td> - <td class="col2">PUBLIKUM</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">KAUKA</td> - <td class="col2">WEIBER</td> - </tr> -</tbody> -</table> -</div> - -<p class="center"> -ZEIT: VOR NEUNZEHNHUNDERTVIERZEHN -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="act" id="part-2"> -<a id="page-7" class="pagenum" title="7"></a> -AKT EINS -</h2> - -</div> - -<p class="d"> -Diele bei dem Grafen Koefeld. Kamin. Dreiflügliger Riesenspiegel. Der Hausintendant. -Eine Kette Diener, beschäftigt. -</p> - -<h3 class="scene" id="chapter-2-1"> -SZENE EINS -</h3> - -<p> -BOTE <span class="d">tritt rasch ein, zu einem Diener</span>: Helène Gräfin Koefeld? -<span class="d">Diener weist mit dem Daumen zum nächsten, Bote zum nächsten</span>: -Helène Gräfin Koefeld? <span class="d">Diener weist mit dem Daumen ihn zum -nächsten, Bote zum nächsten</span>: Helène Gräfin Koefeld? <span class="d">Diener weist -mit dem Daumen ihn zum nächsten, Bote zum nächsten, dem Hausintendanten</span>: -Helène Gräfin Koefeld? -</p> - -<p> -HAUSINTENDANT: Hier. -</p> - -<p> -BOTE: Ich muß sie sehen. -</p> - -<p> -HAUSINTENDANT: Geben Sie mir den Auftrag. -</p> - -<p> -BOTE: Der Auftrag ist privat. -</p> - -<p> -HAUSINTENDANT: Daher in meine Hände. -</p> - -<p> -HELENE <span class="d">eintretend</span>: Wer ist das? -</p> - -<p> -BOTE: Helène Gräfin Koefeld ... -</p> - -<p> -HELENE: Was wollen Sie? -</p> - -<p> -BOTE: Ein Paket. -</p> - -<p> -HELENE: Wer sendet Sie? -</p> - -<p> -BOTE: Der Prinz von Wales. -</p> - -<p> -HELENE <span class="d">reißt das Paket auf, ein Fächer, sie schwenkt ihn, dreht -um</span>: Ah. <span class="d">Hinaus.</span> -</p> - -<p> -HAUSINTENDANT: Gehen Sie. <span class="d">Bote ab.</span> -</p> - -<p> -SALOMON <span class="d">durch die Tür, verdrückt</span>: Ist mein Herr da? -</p> - -<p> -HAUSINTENDANT: Wo kommen Sie hierher? -</p> - -<p> -SALOMON: Durch leere Zimmer. -</p> - -<p> -HAUSINTENDANT: Wer bist du? -</p> - -<p> -SALOMON: Souffleur. -</p> - -<p> -HAUSINTENDANT: Warum hast du da einen Herrn? -</p> - -<p> -SALOMON: Warum? Er tritt mich. Wie alle. Verachtet mich. -Ich liebe ihn. -</p> - -<p> -HAUSINTENDANT: Wer ist der Stachel, den du liebst? -</p> - -<p> -SALOMON: Kean. -</p> - -<p> -HAUSINTENDANT: Der Schauspieler. Hein? -</p> - -<p> -<a id="page-8" class="pagenum" title="8"></a> -SALOMON: Der bedeutendste Mann seiner Zeit, wenn er sich zu -mäßigen verstände. -</p> - -<p> -HAUSINTENDANT: Das könnte er, meinst du, in einem Haus -lernen, wo eine Frau herrscht, die so ist wie unsere? -</p> - -<p> -SALOMON: Ich suche ihn nur, irgendeine Frau verlangt nach -ihm, das andere weiß ich nicht. Es kam mir nur in den Sinn, -daß er krepieren wird oder sich festlegen. Die Zeit ist kritisch -geworden. Ich kann es nicht mehr sehen, wie er mich mit sich -in seine Launen reißt, Huren, Prinzessinnen, gut, zornig. Wo soll -das hin? Denken Sie nicht, daß er mich nur tritt, er ist manchmal -freundlich zu mir. -</p> - -<p> -HAUSINTENDANT: Lauf davon. -</p> - -<p> -SALOMON: Das kann ich nicht. -</p> - -<p> -HAUSINTENDANT: Der Herr verkehrt nicht bei uns. -</p> - -<p> -SALOMON: Hätten Sie gleich sagen können. Schicksal. Ich gehe. -Warum suche ich ihn hier? <span class="d">Ab.</span> -</p> - -<p> -HELENE <span class="d">mit dem Fächer herein</span>: Sind Spieltische aufgestellt? -</p> - -<p> -HAUSINTENDANT: Zwei Whist, einer Bridge, drei Bac. -</p> - -<p> -HELENE: Die Pagen am Gartentor in neuer Livree? -</p> - -<p> -HAUSINTENDANT: Gelb und rot. Mit silbernen Schnüren. -</p> - -<p> -HELENE: Die Küche? -</p> - -<p> -HAUSINTENDANT: Schwitzt. -</p> - -<p> -HELENE: Sind die Musikanten mit Strafe bedroht, wenn sie unpünktlich -sind? -</p> - -<p> -HAUSINTENDANT: Punkt neun marschieren sie durch den Salon. -</p> - -<p> -HELENE <span class="d">klatscht in die Hände</span>: Tee und Punsch dann ins Boudoir. -</p> - -<p> -HAUSINTENDANT <span class="d">klatscht in die Hände, zu den andern</span>: Tee -und Punsch ins Boudoir. <span class="d">Diener ab.</span> -</p> - -<p> -HELENE: Sie verlassen mit keinem Schritt die Soirée. Fehlen Sie -einmal auf meinen Fingerwink, schick ich Sie aufs Land zu Fasanen -und Kälbern. Was sagen Sie? -</p> - -<p> -HAUSINTENDANT: Ich würde eine schlechte Figur machen -zwischen Geflügel und vorziehen, da ich Ihnen nicht mehr dienen -kann, mich in die Kirschbäume zu henken. -</p> - -<p> -HELENE: Chüt. <span class="d">Sieht ihn an, hebt mit der Fingerspitze sein Kinn, -pfeift leis, jagt ihn mit einer Handbewegung hinaus.</span> -</p> - -<p> -DIENER: Die Gräfin Goswil. -</p> - -<p> -<a id="page-9" class="pagenum" title="9"></a> -HELENE: Rasch. Rasch. <span class="d">Zur Eintretenden</span>: Amy, Süßes, welches -Glück, vor der Soirée noch Ihre Anwesenheit allein zu haben. -</p> - -<p> -AMY: Ihnen zu sagen, daß zwischen soviel Blond und Blau beim -Rennen das Dunkel Ihrer Haare als Bestes fehlte. -</p> - -<p> -HELENE: Unmöglich da, wo Ihre Taille bebte, Ihre Hände winkten. -</p> - -<p> -AMY: Ich winkte. Mein Wettpferd fiel, ein Signal. Sie waren -im Theater? -</p> - -<p> -HELENE: In Drury-Lane. -</p> - -<p> -AMY: Es spielte George? -</p> - -<p> -HELENE: Kean. -</p> - -<p> -AMY: Das Pferd, das stürzte, hatte einen grünen Jockey. Der -Stall aus England. Der Name: Kean. -</p> - -<p> -HELENE: Sie machen mich gespannt mit ihren Sprüngen, Liebe. -</p> - -<p> -AMY: Ihr Kean fiel nicht vorm Start? -</p> - -<p> -HELENE: Ausgezeichnet im Start. -</p> - -<p> -AMY: Endlich Begeisterung. -</p> - -<p> -HELENE: Endlich die Frage: Was bedeutet Ihr Lächeln? -</p> - -<p> -AMY: Den Ausdruck aller Gesichter, wenn Ihr Name fällt. -</p> - -<p> -HELENE: Sie reizen meine Neugier lange. -</p> - -<p> -AMY: Aus Furcht, Sie zu verletzen. -</p> - -<p> -HELENE <span class="d">plötzlich die Brust öffnend</span>: Ich habe die unempfindlichste -Haut, Liebe. -</p> - -<p> -AMY: Aber Sie tragen sie zu empfindlich ins Theater. -</p> - -<p> -HELENE: Kurz, um was handelt es sich? -</p> - -<p> -AMY: Um Ihre Begeisterung. -</p> - -<p> -HELENE: In Ihrer Sprache ein Mann. Welchen? Reden Sie nun. -Offen gesprochen. -</p> - -<p> -AMY: Der einzige, der in Betracht kommt. -</p> - -<p> -HELENE: Präziser. -</p> - -<p> -AMY: Nicht um George. -</p> - -<p> -HELENE: Miserabler Anfang. Fügen Sie das Ende hinzu. -</p> - -<p> -AMY: Ich trenne mich ungern von Übergängen. -</p> - -<p> -HELENE: Schluß. -</p> - -<p> -AMY: Kean. -</p> - -<p> -HELENE: Welches Terrain! So tief! Es ist nicht Ihre Ansicht. -Sie kennen mich. Man redet so. Gut. Wer? -</p> - -<p> -AMY: Man sagt es nicht. Man lächelt. -</p> - -<p> -<a id="page-10" class="pagenum" title="10"></a> -HELENE: Gut. Wenn Sie mich heut frügen, an meiner Stelle, -ob ich glaube, daß zwischen Kean und Ihnen etwas bestände ... -</p> - -<p> -AMY: Ich begreife nur, was ich erlebe. Die Frage ist zwecklos. -Ich habe kein Talent für philosophische Entzückungen. -</p> - -<p> -HELENE: Gut. Sie weichen aus. So werden Sie ein Lächeln lernen, -das Ihr früheres hinwegblitzt. Verdacht entwaffnet man nicht mit -Beweis. Eher durch Geständnis. Ich liefre nur meinen Geschmack. -Glauben Sie, eine Sekunde hätte vermocht, mich zu reizen, anzunehmen, -daß das, was zwischen von Damen ausgehaltenen Equipagen -und betrunkenen Matrosen hintaumelt, den Ruhm eines bedeutenden -Schauspielers sich zugesellt, zur Erfüllung von Wünschen auch nur -bedacht werden könne, die wahrlich anderes verlangen als solche -Episoden? Mich ekelt. Ich rede frei. -</p> - -<p> -AMY: Ich bin Ihre Freundin. Ich werde es Ihren Freunden sagen. -</p> - -<p> -HELENE: Gut. Aber ... Süßes ... Sagen Sie es nicht Devonshire. -</p> - -<p> -AMY: Sie erschrecken mich. -</p> - -<p> -HELENE: Er ist ein Geschichtenerzähler. -</p> - -<p> -AMY: Sie peinigen mich. -</p> - -<p> -HELENE: Ein galanter Junge. Kavalier. Fit. Sportiv. -</p> - -<p> -AMY: Erlösen Sie mich. -</p> - -<p> -HELENE: Ein Nacken wie ein Mädchen. Schöne Hände, meine -Süße. -</p> - -<p> -AMY: Sie nehmen eine furchtbare Revanche, mich zu quälen. -</p> - -<p> -HELENE: Ein Ring daran mit Onyx und Brillanten. Ich erinnere -mich statt dem Onyx Aquamarin gesehen zu haben. Damals trug -ihn Ihr Gatte. Zwei Ösen ausgebrochen, schlecht verbessert. Nehmen -Sie einen besseren Juwelier, Gräfin. Der Ring ist sonst indiskreter -wie sein Besitzer. -</p> - -<p> -AMY: Ihre Grausamkeit ... -</p> - -<p> -HELENE: Wiegt Ihr Lächeln auf, Süße. Erzählen Sie Devonshire -nicht meine Geschichte, er könnte sie ins Gegenteil verkehren wie -die Ihren. -</p> - -<p> -HAUSINTENDANT <span class="d">mit Stock meldend</span>: Graf Koefeld. -</p> - -<p> -AMY: Ich bin vernichtet. Ich kann niemand sehen. <span class="d">Läuft in den -Nebenraum.</span> -</p> - -<h3 class="scene" id="chapter-2-2"> -<a id="page-11" class="pagenum" title="11"></a> -SZENE ZWEI -</h3> - -<p> -GRAF KOEFELD <span class="d">verbeugt sich</span>: Meine Gattin. Es floh jemand. -Ein Mann. <span class="d">Stürmisch hinter Amy her, bringt sie zurück.</span> Halali. -Eine Frau. Gräfin Goswil. Verzeihung. <span class="d">Sich fassend</span>: Den ersten -Zivilminister Europas würde ich versetzen, um Ihnen die Hand -zu küssen. <span class="d">Zum Sekretär hinter ihm</span>: Diese Telegramme. In -Codeschrift. Stafetten einlegen. Ein eignes Schiff nehmen. Als -Kurier fährt Graf Schlitz. Für wichtige Sachen nur ehemalige -Offiziere der Botschaft. Depeschen Seiner Majestät in Uniform zu -übergeben ... Darf ich mich setzen? Charmant Ihr Aussehn, Gräfin. -</p> - -<p> -AMY: Wer tadelte meinen Puder gestern? Ihre Komplimente -bluffen wie jede Uniform. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Ungalant, Gräfin. Verleumdung. Großer Sänger -Ihres Ruhms. Beschwöre Sie, den Rock des Königs aus dem -Spiel zu lassen. Ansonsten für Frivoles weitgeöffnetes Herz. Rock -des Königs Privileg. Zum Necken zu heilig. Sanktuarium. Auch -schönstem Mund. <span class="d">Aufspringend</span>: Meine Gattin ... Welch ein Fächer? -</p> - -<p> -HELENE: Ein Geschenk. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Wer schenkt Fächer? Frauen? Nein. Ein -Mann! -</p> - -<p> -HELENE: Der Prinz von Wales. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD <span class="d">stramm</span>: Auszeichnung. Welche Gnade. Hohe -Ehre. Herrlich. Monseigneur wird überdies überrascht sein. Eine -neue Surprise: Ich lasse Tontauben schießen. Spezialvergnügen -Monseigneurs. Versuche, ihm sekündlich das Leben mit Lieblingsbissen -zu garnieren. <span class="d">Stößt ein Fenster auf, zielt mit einer an der -Galerie dem Büchsenschrank entnommenen Büchse im Hintergrund</span>: -Peng ... halo ... vorbei ... Ihr Gatte, Gräfin ... -</p> - -<p> -HELENE: Wird nicht erwartet. -</p> - -<p> -AMY: Er bemüht sich, Lord Mevil mit irgendwem zu verheiraten. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Verdammte, Mesalliance. Pardon, Gräfin. Ich -sagte ab. Habe siebzehn souveräne Ehebetten in Europa gerüstet. -Skandal, daß Mevil mich einzuladen sich erdreistet. Mich. Dieser -Zertrümmerer feudalen Ansehns. -</p> - -<p> -AMY: Ihr Name? -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Undurchdringlich. Wer heißt nicht so? Alle -Welt: Daisy Miller. -</p> - -<p> -<a id="page-12" class="pagenum" title="12"></a> -AMY: Eine halbe Million Pfund. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Unverzeihlich. Sabotage des Bluts. Demokratisierung -der Gesellschaft. Die Phalanx der Jahrhunderte wird -ruiniert. -</p> - -<p> -HELENE: Daisy Miller. Jenes Mädchen, dessen Dauerhaftigkeit -uns erstaunte, vis-à-vis unserer Loge, im Theater. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Sie hätte unsere Standhaftigkeit mit größerem -Recht bewundern können. Das Amt telephoniert ab neun nur -noch nach Drury-Lane. Im Theaterportal Attachés. Im Foyer -Sekretäre. In der Loge die Post. -</p> - -<p> -HELENE: Ich bat Sie nie um Ihre Begleitung. Von heute ab erübrigt -es sich, davon zu reden. Ich besuche das Theater nicht mehr. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Neues Arrangement schon vorbereitet. Es kommt -dann zu Ihnen. Die Dekoration nur ist ausgewechselt. Kean ist -zur Soirée geladen. -</p> - -<p> -HELENE: Kean? -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Kean. Ich verstehe. Sie zucken zusammen: -ein Komödiant. Ich finde es abscheulich. Allein: Wunsch des -Prinzen von Wales. Kann ich es abschlagen? Unmöglich. Immerhin -Wunsch des zukünftigen Königs. Ich lud sofort. -</p> - -<p> -HELENE: Ich empfange die bitterste Beleidigung, der ich seit meiner -Verheiratung ausgesetzt war. Ich empfange sie von meinem Gatten. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Ihr Gatte ist Ihr tapferster Verteidiger. Jede -Stunde. Unbedingt zu rechnen. Ich stehe wie Thron und Altar. -</p> - -<p> -HELENE: Sie empfanden nicht einmal das Bedürfnis, mich zu befragen. -Ihren Salon repräsentiere ich, nicht Sie. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Fürstlicher Wunsch ist Befehl. Auszuführen oder -sterben. Karriere oder Lump. Selbst die Marseillaise wird in -diesem Sinn God save the king. -</p> - -<p> -HELENE: Ein Affront. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Keine Zeremonie. Ich engagiere ohne gesellschaftliche -Verpflichtung. Sie geben ihm Essen, Zigarren, Wein. Ich Geld. -Der Bursche tanzt und zitiert. Wen soll der Kerl genieren, hält -Monseigneur ihn als Affen. -</p> - -<p> -HELENE: Die Gräfin Koefeld empfinge den Künstler. Dem Takt -ihres Gatten aber bringt sie Erwartungen entgegen, die nicht ahnen, -daß er sie zwänge, vor einem Wüstling sich wie ein Themsemädchen -zu fühlen. -</p> - -<p> -<a id="page-13" class="pagenum" title="13"></a> -GRAF KOEFELD <span class="d">der einen Brief bekommt und öffnet</span>: Beruhigen -Sie sich. Neue Zeit. Fortschritt der Zertrümmerung: Kean ist durch -Unaufschiebbares gehindert, seine Aufwartung zu machen. Infame -Beleidigung. Er sagt ab. -</p> - -<p> -HELENE: Die Verhinderung ist taktvoller als die Einladung. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Takt? Ausgeschlossen. Ich bin auf Zwischen-den-Zeilen-Lesen -dressiert. Schon mit sechzehn schrieb ich über Forellen -und meinte eine Bar. Als Louis Bourbon den Sessel statt den Fuß -einer Prinzessin unterm Tisch mit der Zehe dauernd streichelte, -signalisierte ich Unheil. Er nahm sie nicht. Mein Minister, mir -ungläubig, optimistisch, flog in die Luft. -</p> - -<p> -HAUSINTENDANT <span class="d">mit einem Stock meldend</span>: Monseigneur, der -Prinz von Wales. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Ich komme lachend, Gräfin. Verzeihung. -</p> - -<p> -HELENE: Sie würden sie erhalten, wenn Sie weinten. -</p> - -<p> -AMY: Sie erhalten sie nicht, wenn Sie nicht sofort erzählen. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Skandal. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: In der Gesellschaft. Schmerzlich. Ich grimassiere -statt zu lachen ... untertänigst mit Erlaubnis. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Es gibt nichts Amusanteres. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Die Zeit ist angefressen. Revolten zittern unter -unseren Füßen. Wir müssen Eisengesichter haben. Nieder die -Kanaille ... Pardon. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Die Weisheit ist nicht eingestellt auf das -Knochenzerschlagen, sondern sie lächelt, da sie nicht gewohnt ist, -die Dinge zu ernst zu nehmen. Man verdirbt sie dadurch. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Skandale haben mitten in die Revolte hineingeführt. -Allons enfants ... lieber Mitrailleusen ... mit devoter -Genehmigung gesagt. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Im Gegenteil. Der sogenannte Volksgroll -geht in kleinen Vapeurs in den Azur. Gewitterbildung unmöglich. -</p> - -<p> -AMY: Der Skandal? -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Säbel. Patronentasche. Panier hoch. Damit -fürchten wir letzten Endes selbst Wotan nicht. Versohlen die -Fläbsche. Versohlen gehorsamst. -</p> - -<p> -AMY: Der Skandal? -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Alte Schule, Koefeld. Ihr Weltgefühl ist -<a id="page-14" class="pagenum" title="14"></a> -korsettiert. Demokratisch ist für Sie ein Purgier. Mir heitres -Brausepulver. Beschäftigen Sie sich branchekundiger. Stiften Sie Ehen. -</p> - -<p> -AMY: Aber: der Skandal? -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD <span class="d">stramm</span>: Untertänigst, gehorsamst ... der Skandal? -</p> - -<p> -AMY: Ich sterbe vor Ungeduld. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Lord Mevil ... -</p> - -<p> -AMY: ... der heute heiratet ... -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Lord Mevil, der heute heiratet, fand die -Braut entführt. Sein Riesenaufwand ist verpufft. Sein Goldvogel -hat sich verflogen. Ein Klügerer als dieser schöne Satan Mevil hat -ihm das Haus ausgeraubt zehn Minuten, eh er es betrat. Mevil -ist nun bankrott. -</p> - -<p> -HELENE: Und wer ...? -</p> - -<p> -AMY: Wer? -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Der schönste Name Englands. -</p> - -<p> -AMY: Das wäre Monseigneur. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Ich mische mich nicht in die Bourgeoisie. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Horrä. Horrä. Horrä. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Man könnte mich dort abweisen. Man hat -auch da Stolz. Höher. -</p> - -<p> -AMY: Der König. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES <span class="d">verneigt sich in den Spiegel, spielt mit der -Drehung, hustet. Koefeld macht Zeichen.</span> -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD <span class="d">näher kommend</span>: Monseigneur. -</p> - -<p> -HELENE <span class="d">mißverstehend</span>: Unmöglich. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES <span class="d">lächelnd</span>: Noch illustrer. -</p> - -<p> -HELENE: Wie kann das sein? -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Herrlicher. Voll Ruhm. Voll Auszeichnung. -Angebetet. Von frischem Erfolg sekündlich umgeben. -</p> - -<p> -HELENE: Ich kenne niemand. Nennen Sie ihn. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Kean. -</p> - -<p> -HELENE: Das ist unmöglich ... -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Woher wissen Sie das? -</p> - -<p> -HELENE: ... daß Sie sich in Vergleiche begeben, die Beleidigungen -für Sie sind. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Gnade Gott, daß der Kerl absagte. Rechts um -Marsch. Das Ganze Halt. -</p> - -<p> -<a id="page-15" class="pagenum" title="15"></a> -PRINZ VON WALES: London wird illuminieren. Flaggt. Läßt -das Betschuanenregiment mit Niggermusik und Trommeln über -die Plätze ziehn. Die Männer haben Schlaf. Kean ist gefesselt. -</p> - -<p> -AMY: Wie reizend. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Liverpool empfängt vom Meer her seine -letzten Grüße. -</p> - -<p class="d"> -Langsam anschwellendes Lärmen, ohne Übereilung herankommend, lauter, weit geht -die Tür auf. Mit großer, weltmännischer Bewegung herein tritt Kean. -</p> - -<h3 class="scene" id="chapter-2-3"> -SZENE DREI -</h3> - -<p> -KEAN: Ein Zufall, den ich preise, obwohl er nicht ohne Tragödie -ist, setzt mich in den Stand des Vorzugs, der Gräfin Koefeld die -Hände zu küssen, dem Prinzen von Wales, Monseigneur, meine -Achtung in dem höchsten Maße der Ergebenheit zu bezeigen und -dem Grafen Koefeld den Widerspruch zwischen meiner Absage und -meinem Erscheinen in einem Wort der Bewunderung und der Bitte -zugleich zu erklären. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Wir zählten nicht auf Sie, in der Tat. -Ich danke für die doppelte Konfusion. Ich erinnere mich eines -Gascogners, der daran litt, doppelte Muskeln zu haben. Man gab -ihm Milchbäder, er machte sie zu Butter. In der Tat, ich erinnere -mich mit Vergnügen der Geschichte. -</p> - -<p> -KEAN: Die Gerüchte sind falsch, die Konsequenzen ungültig, ich -unschuldig. Darf ich Beweise ... -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Ich also ein Lügner? -</p> - -<p> -KEAN: Monseigneur, der, welcher Sie belog. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Ihre Dokumente? -</p> - -<p> -KEAN: Ich kam hierher, da ich Sie hier wußte. Man betritt kein -Haus lieber als das, in dem man sicher ist, die Verfolgten geschützt -zu sehen. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Seltsam, damit zum Prinzen von Wales zu -kommen. -</p> - -<p> -KEAN: Und dies mit einem Brief, der beweist, daß es keine schönere -Aufgabe ist, als für die Verteidigung einer Frau und der Wahrheit -<a id="page-16" class="pagenum" title="16"></a> -selbst vor der Ungnade des höchsten Protektors zu stehen. Den -Brief ließ Daisy Miller in meinem Zimmer, als sie mich nicht -antraf. Der Spion versäumte zu sagen, daß sie es nach zwei Minuten -verließ. -</p> - -<p> -AMY: Lesen Sie. -</p> - -<p> -KEAN: Nicht ich. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Lesen Sie. -</p> - -<p> -KEAN: Wer bin ich, Monseigneur? Ich bin der Schauspieler -Kean. Ich bin nicht töricht genug, zu wissen, daß dies viel ist, -so wenig es vor Ihnen ist. Aber was bedeute ich in einer Sache, -die Keuschheit und Würde verlangt. Habe ich ein Echo in feinen -Dingen? Man schreit Don Juan, Verräter, Wüstling, Komödiant. -Man horcht auf meine Stimme, wenn ich Romeo spiele. Was bin -ich als Mensch diesen anderen Menschen? Nimmt jemand mich -voll außer Monseigneur? Ich fürchte, daß meine Stimme nicht den -Vorzug hat, so vor der Wahrheit zu stehen, wie mein Wille es tut. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Akzeptiert. Unaufgefordert. Da Sie den Prinzen -von Wales suchen, bitte, Ihre Bitte nicht aufzuschieben, mit der -Sie sich annoncierten. Seine Wünsche sind Ordres. Höflichkeit, -sie zu befolgen, die geringste Pflicht der Untertanen. -</p> - -<p> -KEAN: So darf ich mich vor der Gräfin Koefeld neigen, denn nur -wenn die Ehre dieser Frau und ihr Name sich anschickt, ja sagend -und gütig sich beugend, zur Unschuld der ärmeren und unbedeutenderen -Schwester herunterzukommen, wird erst Gerechtigkeit sein -und die Unschuld so gut gepaart sein, daß es überzeugt. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Kean. -</p> - -<p> -KEAN: Selbst Ihr Rang und Ihre Macht, Monseigneur, sind nur eine -Stufe der gestaffelten menschlichen Vollkommenheit und ein schöner -Vorposten der menschlichen Gesetze. Verzeihen Sie meine Kühnheit, -wenn ich die große Rührung, die von dem schlichten Mund -der unbestechlichen und erhabenen Wahrheit ausgehen, darüber -stelle. Die Unbedingtheit der gerechten Äußerung kommt nur aus -der Würde einer verehrungswürdigen Frau. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Geben Sie der Gräfin den Brief. -</p> - -<p> -AMY: Sagen Sie Ihr Kommentar. -</p> - -<p> -HELENE: Ich möchte ihn nicht lesen. -</p> - -<p> -<a id="page-17" class="pagenum" title="17"></a> -KEAN: Ich verehre das Übermaß an Zartgefühl, das nicht in die -Feinheiten anderer Schicksale fassen will, Gräfin. Ich, der ich erbärmlich -bin vor der Größe Ihrer Augen, nur ein Sujet, ein Quelconque, -nur ein Mann, irgendwelcher, nur Kean, ich flehe Sie an, -aus einer übertriebenen Feinfühligkeit kein Opfer zu machen. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Geben Sie der Gräfin diesen Brief. Unbesorgt. -Voran. Junger Mann. Zivilcourage! -</p> - -<p> -KEAN: Darf ich die größte Beleidigung wagen, die Monseigneur angetan -wurde, und ihn bitten, die Gräfin meine Erklärungen allein aufnehmen -zu lassen, damit die Wahrheit, die ja im einzelnen der private -Besitz anderer Menschen ist, aus ihrem Munde Ihnen zurückgegeben, -ohne jeden Klatsch nur mit der endgültigen Sicherheit des Satzes -schließe: Kean ist unschuldig, und die verfolgte Frau ist es auch. -</p> - -<p class="d"> -Der Prinz führt die beiden in den Hintergrund, lächelnd, sich verbeugend. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Tontauben, Monseigneur. <span class="d">Sie gehen zum Balkonfenster -hinaus.</span> Peng ... Schräg ... zu hoch – Patronen. Dank ... Monseigneur. -<span class="d">Man sieht sie draußen, hört sie, sieht ihre Schatten.</span> -</p> - -<p> -HELENE: Sie haben mich in eine Lage gebracht, die ich Sie -büßen lasse. -</p> - -<p> -KEAN: Da ich in einer guten Sache mein Leben zum erstenmal -dem Ihren mische, kann nur ein gutes Schicksal über uns stehn. -</p> - -<p> -HELENE: Ich wünschte, Sie verließen mich in derselben Sekunde. -</p> - -<p> -KEAN: Ich werde Sie verlassen, wenn ich, nicht, wenn Sie es wollen. -</p> - -<p> -HELENE: Den Brief. <span class="d">Liest, hält ein, weicher, beruhigter</span>: Sie -haben recht. -</p> - -<p> -KEAN: Versprechen Sie mir, den Brief fertig zu lesen. -</p> - -<p> -HELENE: Ich las. -</p> - -<p> -KEAN: Die Rückseite ist auch beschrieben. Ich fürchtete, meine -Stimme würde nicht reichen, diese Minute zu ertragen. -</p> - -<p> -HELENE: Die Rückseite ... -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">nimmt ihr das Papier aus der Hand, hält es vor sich</span>: Ich -werde es Ihnen lesen, Gräfin, ich kann es Ihnen lesen. Ich lese -rasch, Gräfin, es geht um jede Seligkeit; ich habe eine Stunde -seit Monaten gesucht, die eine Dame Ihrer Position mir geben -kann, ohne sich zu kompromittieren, ich gäbe mein Leben für -diese Stunde, es sind nur zwei Minuten jetzt, sie vorzubereiten, -Gräfin, zwei zufällige Minuten, zwei noch vor einer halben Stunde -<a id="page-18" class="pagenum" title="18"></a> -ungeahnte Minuten; auch sie genügen, aber ich bin kurz. Lassen -Sie Ihren Wagen vor dem Theaterbüro halten, nehmen Sie ein -Billett, winken Sie mit dem Fächer. Der Billetteur ist mir ergeben. -Sie kommen in Schwarz, mit einem Schleier. Durch einen geheimen -Gang kommen Sie in meine Loge. Ich werde es Ihnen -ins Blut setzen, daß Sie es nie vergessen ... -</p> - -<p> -HELENE: Halt. Ich habe genau zugesehen. Sie haben gelogen. -Es stand nichts auf der Rückseite. Das Papier war leer. -</p> - -<p> -KEAN: Als ich hierher ging, hatte ich nichts im Sinn als das Schicksal -einer Unschuldigen. -</p> - -<p> -HELENE: Sie vergaßen den Grund Ihres Kommens rasch. -</p> - -<p> -KEAN: Ich riß aus der Sekunde, als sie mir nahte, was sie mir -geben konnte. -</p> - -<p> -HELENE: Sie setzen Ihr Leben aufs Spiel. -</p> - -<p> -KEAN: Tue ich es nicht auch, wo ich für die Unschuldige eintrete? -</p> - -<p> -HELENE: Das erste war echt. Ist das zweite mehr wie Wahnsinn? -Gibt es zwei Dinge so nebeneinander? Und echt? Verwunderlich. -</p> - -<p> -KEAN: Prüfen Sie. -</p> - -<p> -HELENE: Ich kann es. Ich kann auch die Hunde rufen. -</p> - -<p> -KEAN: Sie kommen in die Loge! -</p> - -<p> -HELENE: Verlassen Sie sich nicht auf die Kühnheit Ihres Wahnsinns. -</p> - -<p> -KEAN: Durch den Gang in meine Loge. Sie kommen das erstemal, -wenn ich wieder spiele. <span class="d">Die Gräfin Koefeld stampft mit dem -Fuß auf, Kean klatscht in die Hände, verbeugt sich vor Helène, ruft -nach rückwärts</span>: Monseigneur, Graf Koefeld, die Gräfin Goswil auch, -ich vergaß ... ich erbitte tausendfach Entschuldigung ... die Gräfin -hat gehört. Ich habe geredet. -</p> - -<p> -HELENE <span class="d">stockend</span>: Der Herr ist ... unschuldig – – und Daisy -Miller ... auch. -</p> - -<p class="end"> -Schluß des ersten Akts. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="act" id="part-3"> -<a id="page-19" class="pagenum" title="19"></a> -AKT ZWEI -</h2> - -</div> - -<p class="d"> -Zimmer bei Kean. Links Ausgänge nach zwei Nebenräumen. Rechts Eingang. -Atelierhaft, Holzskulpturen, Teppiche, Diwane. Nach einer Nacht. Betrunkene in -grotesken Schlafstellungen: Kean, Tom, David, Bardolph. Es ist noch dunkel. -</p> - -<h3 class="scene" id="chapter-3-1"> -SZENE EINS -</h3> - -<p> -LORD MEVIL <span class="d">erscheint mit drei Leuten und Laternen</span>: Besetzt die -Türen. <span class="d">Geht durch den Raum und rasch in die anderen schauend.</span> -Hier sieht es nicht nach Weibern aus. Alles Betrunkne. Gebt -sofort Knebel, wenn sich einer regt. Welches ist der Entführer? -<span class="d">Eine Laterne zeigt auf Kean.</span> Der soll sie mir geraubt haben? -Für meinen Stolz unmöglich. Für den Plan gut. Diese Kreatur -voll Wein bindet mit mir an? Gelächter, Mevil! Er ist in meiner -Macht, ich werde ihn nicht berühren. Wie kann ein Bursche, der jedem -Feind so preisgegeben lebt, ein Gegner sein? Belauert ihn. Was -ich besitzen will, werde ich besitzen. Was ich greife, laß ich nicht -los. Hinunter an die Tore. Ich brauche Geld in irrsinnigem Ausmaß. -Welches Ziel hab ich noch nicht erreicht? Bewacht die -Ausgänge gut. <span class="d">Ab mit seinen Leuten. Aus einem Nebenraum mit -einer Kerze Salomon. Er stellt die Kerze neben Kean, dann schießt -er mit einem Terzerol in die Luft; Kean steht auf.</span> -</p> - -<p> -KEAN: Wie oft hast du geschossen? -</p> - -<p> -SALOMON: Einmal. -</p> - -<p> -KEAN: Ist ein Brief von einer Frau da? -</p> - -<p> -SALOMON: Nein. <span class="d">Kean mit einer Geste ins Nebenzimmer. Durch -den Eingang ein Jüngling.</span> Halt. Woher? Wen suchen Sie? -</p> - -<p> -JÜNGLING: Kean. -</p> - -<p> -SALOMON: Den sucht jedermann. Hast du nicht vielleicht einen -Busen über deinen Männerhosen? Mit welcher Legitimation? -</p> - -<p> -JÜNGLING: Der, daß ich frage, wollen Sie, daß ich auf dem -Seil oder den Fingerspitzen einmarschiere? <span class="d">Schlägt ein Rad.</span> -</p> - -<p> -SALOMON: Welche Truppe? -</p> - -<p> -JÜNGLING: Truppe Bob. -</p> - -<p> -SALOMON <span class="d">erschrocken</span>: Truppe Bob. Wird Kean erfreut sein -oder geärgert? Sieht er heut seine Vergangenheit verliebt oder -<a id="page-20" class="pagenum" title="20"></a> -verächtlich? junger Mann, wenn Sie Mut haben, bleiben Sie, wenn -Sie ängstlich sind, verschwinden Sie. -</p> - -<p> -JÜNGLING: Ich habe Aufträge und bleibe. -</p> - -<p> -SALOMON: Dann ist zweierlei zu bedenken. Kommt er und -sieht die Kerle, saufen sie bis zum Abend. Scheinbar wird aber -eine Frau erwartet. Ich weiß nicht, welche. Am besten jagt man -die Bande weg. Wie es kommt, ich werde das Falsche getan -haben. Schicksal. <span class="d">Singt</span>: Ach Gottsche, schenk mern Hambelmann, -un e Kordel dezu, daß er zawwele kann. -</p> - -<p> -JÜNGLING <span class="d">öffnet ein Fenster, dämmrighell</span>: Wirf sie in die Themse. -</p> - -<p> -SALOMON: Wassertod wäre die grausamste Exekution. Du hast -Humor. Ich liebe nicht Affairen mit den Konstablen. Wir haben -genug. Dafür gibt es einen andern Stil. <span class="d">Weckt mit einem -Hammer Tom.</span> -</p> - -<p> -TOM: Caramba, Sennor. Die Faust in Ihre Gurgel. -</p> - -<p> -SALOMON: Ich werde Euch eine Sache an den Hintern henken, -an der Ihr kein Werft schleppt, bis Ihr verreckt. -</p> - -<p> -TOM: Ich trete dir in den Bauch, daß der Hund in deinem Wanst -zu bellen anfängt. -</p> - -<p> -SALOMON: Du Bauchredner deiner Trübseligkeit, er würde vor -Vergnügen zu lachen anheben, weil er dich für einen Hirsch hält, -obwohl du in Wahrheit nur eine Sau bist, die den faulsten Huren -die Männer zutreibt. -</p> - -<p> -TOM: Dafür sollst du dreimal gespien verdammt sein, daß du -solche Lügen erfindest. Ich bin sowenig ein Hirsch wie du ein -Hund, denn du stinkst schon zu verwest, du Aas. -</p> - -<p> -SALOMON: Wegen der Hörner, du Klauenbiest. -</p> - -<p> -TOM: Dann hast du deshalb gelacht in deinen Wanst, weil deine -Augen vor Besoffenheit so verklebt sind, daß du gar nichts siehst. -</p> - -<p> -SALOMON: Weil vor einer halben Stunde ein Rotrockweib auf -einem Kahn vorbeipaddelte, heraufgrinste und eine Harmonika erbärmlich -schaukelte. -</p> - -<p> -TOM: Wenn das um zehn war, ist es jetzt halb elf. -</p> - -<p> -SALOMON: Aber wenn du bis in die Ewigkeit hinein meckerst, -kriegst du den Wettlauf mit der halben Stunde nicht wieder herein, -und wenn dein Rüssel sich zu einer Kilometerschnauze auswächst, -denn damals waren hier vier und nun sind drei. -</p> - -<p> -<a id="page-21" class="pagenum" title="21"></a> -TOM: Dann schlag ich dem Kean den Stirnknochen auf und -schlitze die rote Sau von unten bis oben, wenn ich sie erwische. -Dann kannst du betteln, alter schlottriger Darm. <span class="d">Geht dröhnend ab.</span> -</p> - -<p> -JÜNGLING: Hast du <a id="corr-3"></a>ihm nicht gefährlich eingeheizt? -</p> - -<p> -SALOMON: Sein Hirn ist so feig, wie sein Maul vor Unflätigkeit -groß. Es ist schon so ausgefranst, daß es bald die Ohren erreicht -hat und sie abfrißt auf seinem Weg um den Kopf. -</p> - -<p> -JÜNGLING: Wie das Zeug hinausgeht, ist gut. Aber wie kam das -Zeug herein? -</p> - -<p> -SALOMON: Kean wollte eingeschlossen sein und ausruhn. Aber -er hat seine verdammten Launen. -</p> - -<p> -JÜNGLING: Ihr schloßt ein. -</p> - -<p> -SALOMON: Er holte sich Gesindel durchs Fenster. Achtzehn -Flaschen dann auf vier Mann. Wie leicht Hoch und Niedrig sich -einigen, ahnt man nicht. <span class="d">Weckt David.</span> -</p> - -<p> -DAVID <span class="d">fällt aufs Knie</span>: So will ich Gott den milden Herren beim -Aufgang jedes Gestirns loben, daß er mich einfältige und fleischliche -Kreatur über Nacht auf dieser Erde wohlgefällig erhielt. -</p> - -<p> -SALOMON: Fromme Wanze. David! -</p> - -<p> -DAVID <span class="d">abwesend</span>: Eins, zwei, drei, vier, fünf. Anwesend. David -anwesend. -</p> - -<p> -SALOMON: Amen. Willst du eine Heldentat vollbringen? -</p> - -<p> -DAVID: Ich habe keine Neigung nach dem Tod. Wenn der -Herr zwar mich ausersehen, so sage ich: Ich bin bereit. -</p> - -<p> -SALOMON: Du hast Kean dreiundachtzigmal geschworen, daß -du alles ihm opfern willst. Vergißt du deine sanfte Grimasse, wenn -die Flaschen wie leere Kinderhälse rülpsen? -</p> - -<p> -DAVID: Warum beschämst du mich falsch? Weißt du nicht, daß, -wenn Kean will, ich folge mit verbundenen Augen. -</p> - -<p> -SALOMON: Vor einer halben Stunde, als Kean am Fenster stand, -fiel ein Kind in die Themse und Kean sagte ... -</p> - -<p> -DAVID: Was sagte Kean? -</p> - -<p> -SALOMON: David ... -</p> - -<p> -DAVID: Er erinnerte sich meiner Armseligkeit. -</p> - -<p> -SALOMON: ... David ist der einzige, der es retten könnte ... -</p> - -<p> -DAVID: Hei, ein gütiger Gedanke von Kean, Herr. -</p> - -<p> -<a id="page-22" class="pagenum" title="22"></a> -SALOMON: Denn er ist, sagte Kean, der einzige, der mit Salbung -so geölt ist, daß ihm Wasser nicht schadet, er schwimmt wie mit -Schwimmfüßen auf heiligen Sprüchen stundenlang. -</p> - -<p> -DAVID: Es war sein Wunsch? Du sagst mir es jetzt erst. Nach -welcher Seite floß das Kind? -</p> - -<p> -SALOMON: Stromaufwärts wie alle Kinder. Hinauf. Hinauf. Es -schrie nicht mal. -</p> - -<p> -DAVID: Welch ein Glück, Salomon. Du bist weiser wie Sancho -Pansa und Hamlet. Kean wird zufrieden sein mit dem schwachen -Theologen. Welches Glück. Sagt Kean: Gehe – so geh ich. -Bleibe, so bleib ich. Er sagte: Gehe. So geh ich. <span class="d">Ab.</span> -</p> - -<p> -SALOMON: Der heißeste Topf. Wird mit Wasser gelöscht. <span class="d">Weckt -Bardolph.</span> Meine Gratulation. Meinen Glückwunsch. -</p> - -<p> -BARDOLPH <span class="d">in einem Löwenfell, brüllt, bläst sich auf</span>. -</p> - -<p> -SALOMON: Welche Haltung! -</p> - -<p> -BARDOLPH: Du gratulierst mir. -</p> - -<p> -SALOMON: Dieselbe Haltung, in der du Kean erledigtest. -</p> - -<p> -BARDOLPH: Ich gab es ihm. -</p> - -<p> -SALOMON: Allzutrefflich. Nie hörte man solches Geschrei. Ohnmächtig -<a id="corr-5"></a>rutschte Kean seine Stimme in den Magen. Er spie. -</p> - -<p> -BARDOLPH: Ich hätte ihn gern erwürgt, wenn er auf der Bühne -alle Applause einsteckte, als seien es Äpfel. Wer war es aber, der -dem Publikum den Eisschreck in die Blase gejagt? Wir müssen -auch einmal an die Rampe, der Tag des Sieges hat auch für uns -seinen Sonnenaufgang. Glaubst du, ich werde nun Hamlet spielen? -Er verzichtet? -</p> - -<p> -SALOMON: Nein. -</p> - -<p> -BARDOLPH: Warum? -</p> - -<p> -SALOMON: Kean läßt sich den Magen auspumpen. Er schwor, -dich totzusaufen, damit du ihm nicht gefährlich wirst. -</p> - -<p> -BARDOLPH: Dann ists im Sinne der Menschheit, wenn ich meine -Stimme erhalte. Gehe ich, bin ich der Sieger. Bleibe ich, spielt -mir das Schicksal einen Streich. Seien wir klug, Bardolph. -</p> - -<p> -SALOMON: Wenn dich der Sieg Aug in Aug nicht reizt. Mit -diesem Brustkasten, solchen Muskeln. -</p> - -<p> -BARDOLPH: Roheit. Ich will in einer höheren Arena nunmehr -meine Nüsse knacken. -</p> - -<p> -<a id="page-23" class="pagenum" title="23"></a> -SALOMON: Halleluja. David wartet. Mann, vergiß dein Fell -nicht, deine Stimme könnte drin stecken. -</p> - -<p> -BARDOLPH: Roheit. <span class="d">Stelzt mit Ringerpose ab. Jüngling ihn verhöhnend -hinterher.</span> -</p> - -<h3 class="scene" id="chapter-3-2"> -SZENE ZWEI -</h3> - -<p> -KEAN <span class="d">in fabelbaftem Bademantel</span>: Meinen Kragen, mein Frühstück. -Ist Rotwein da? Wo sind die anderen? -</p> - -<p> -SALOMON: Sie haben sich eilig verabschiedet. -</p> - -<p> -KEAN: Du läßt meine Gäste laufen, schaß dich in deinen Souffleurkasten. -Man läßt meine Gäste nicht ohne Frühstück laufen. Ist -Rotwein da? -</p> - -<p> -SALOMON: Jamaika-Rum. -</p> - -<p> -KEAN: Pest. <span class="d">Schreiend.</span> Was ist das für einer? -</p> - -<p> -SALOMON: Ich drehe die Dusche im Badezimmer ab. <span class="d">Ab.</span> -</p> - -<p> -KEAN: Was bist du für einer? -</p> - -<p> -JÜNGLING: Artist. -</p> - -<p> -KEAN: Welches Engagement verschafft mir die ... Zufälligkeit? -</p> - -<p> -JÜNGLING: Auf dem Seil, auf den Händen. Die Truppe Bob -erinnert sich an Kean. -</p> - -<p> -KEAN: Sapristi. Du bist ein Neuling. Ich kenne dich nicht. -Welche Zeit ist es? Mach die Läden auf. <span class="d">Ganz hell.</span> Beweis dein -Handwerk. <span class="d">Jüngling schlägt ein Rad.</span> Was willst du? -</p> - -<p> -JÜNGLING: Soll ich über den Fenstergurt laufen? -</p> - -<p> -KEAN: Wie geht es Bob? -</p> - -<p> -JÜNGLING: Seine Frau legte ihm das dreizehnte Ei, rötlich, gesund, -mit O-Füßen, es wird Clown. Den Mittag wird es getauft. Bob -verplatzt an seiner Trompete vor Wonne. Sein Herz ist zerbrochen, -seit Kean ihn verließ. -</p> - -<p> -KEAN: Well? -</p> - -<p> -JÜNGLING: Macht den Niagarasprung mit drei Säbeln. -</p> - -<p> -KEAN: Riny? -</p> - -<p> -JÜNGLING: Damned. Die schwarze Maus liegt in allen Betten. -Verdorren soll ich. -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">reißt ihm die blonde Perücke ab</span>: Ich war der erste, der dich -hatte. Ich habe dich sofort erkannt, Riny. Setz dich her. Küß mich. -</p> - -<p> -<a id="page-24" class="pagenum" title="24"></a> -RINY: Warum machst du ein zorniges Gesicht? -</p> - -<p> -KEAN: Weil, wenn ich dich sehe, ich mein Leben leid werde. -</p> - -<p> -RINY: Du kannst mich schlagen. -</p> - -<p> -KEAN: Du verstehst mich nicht. Die Strecke, seit du das erstemal -bei mir lagst, bis heut ist zu lang für dein Hirn. Hör, hast -du mich spielen sehen, hast du gedacht, daß es eine Sache sei, mein -Spiel, meine Rolle, meine Stimme, wie ich gehe, wie die Leute -schreien, klatschen? -</p> - -<p> -RINY: Ich habe es gedacht. -</p> - -<p> -KEAN: Hast du gesehen, mit wem ich im Wagen fuhr – seid Ihr -so lang schon hier –, wie ich angezogen bin, wie ich esse, lebe, -wohne? Hast du gedacht, daß ich zufrieden, glücklich sei, daß meine -Position, Geld, Ansehn Dinge sind, in denen sich leben läßt? -</p> - -<p> -RINY: Ich habe es gedacht. -</p> - -<p> -KEAN: Dann hast du einen idiotischen Unsinn zusammengedacht. -Dies Leben ist zum Kotzen elend. Ich tauschte sofort mit dir. -Iß Austern, ich aus dem Sack. Gute Zeit war, als wir auf -dem Planwagen von London nach Essex zogen. -</p> - -<p> -RINY: Ich habe eine Frage. -</p> - -<p> -KEAN: Was willst du? Was will man, wenn man zu mir kommt? -Karriere. Empfehlung. Verkuppelung. Dummes Tier. Du weißt -nicht, wie gut es dir ging. Pfui Teufel! -</p> - -<p> -RINY: Meine Mutter muß vor der Geburt meinen Verstand mit -dem Stock versohlt haben. Ich verstehe dich nicht. -</p> - -<p> -KEAN: Das gefällt mir. Besser in Lappen Berge sehn wie als -Hure schlemmen. Ich beneide dich um den Himmel voll Freiheit. -Wiesen, Dörfer, Flüsse, – habe ich das nicht einmal gesehen? -Man zündet Feuer an, wann man will. Man zieht in kleine Städte -mit Trompeten, nachts still hinaus. Rechts oder links fahren ... -wie man will. Ich habe meine Jugend gelebt. Verdammt, es -war schön. Könnte ich das noch einmal durchmachen, ich platzte. -Das sind so Träume. Was willst du eigentlich? -</p> - -<p> -RINY: Ich wollte nachsehn, ob du nicht so verrückt geworden -seist, daß du den Mittag an der Taufe von Bobs dreizehntem Ei -mitmachen könntest. -</p> - -<p> -KEAN: Warte! Eine Sekunde. Wenn ich von Tom einen Anzug -liehe und einen Wagen kaufte, würden die Mäuse, der Regen, die -<a id="page-25" class="pagenum" title="25"></a> -Kälte, die ja nicht so arg sind wie Neid und Gemeinheit und -Lügerei, dich anziehn oder abstoßen? Vielleicht kommt mir einmal -der Plan. Was weiß man von seinen Plänen? -</p> - -<p> -RINY: Ich ziehe es dann vor, Kean auf seinen Landkonzerten zu -begleiten. -</p> - -<p> -KEAN: Süßer Affe. Küß mich. Ich sag dirs, wenns mir so ist. -Bob grüßt du, den Mittag komm ich zur Taufe. Hast du Geld? -Wo feiert ihr? -</p> - -<p> -RINY: Bei Patt. Ich marschiere. Dein Diener sagt, du erwartest -eine Frau. Ich lasse Patt herrichten. -</p> - -<p> -KEAN: Der Teufel soll den kneifen, der lügt, ich erwarte eine -Frau. Vergiß das Geld nicht. Geh jetzt. Vergiß das andere nicht. -</p> - -<p> -RINY: Du könntest sagen ebensogut, ich solle meinen Kopf -nicht vergessen. <span class="d">Ab.</span> -</p> - -<p> -KEAN: Salomon! <span class="d">Erscheint.</span> Wer wird erwartet? -</p> - -<p> -SALOMON: Kann ich erwarten, besser zu wissen wie Sie, welche -Erwartungen Sie haben? -</p> - -<p> -KEAN: Du hast dem Seiltänzer von einer Frau gesprochen, die -ich erwarte. -</p> - -<p> -SALOMON: Ich habe erwartet, daß er eine Frau sei, deshalb habe -ich vielleicht die Erwartung einer Frau ausgesprochen. -</p> - -<p> -KEAN: Ich werde dich auf Warten dressieren. Du gehst jetzt gleich -in die Straße und vor das Haus, das dieses Bild zeigt und diese -Adresse, und wartest, bis die Dame herauskommt. Oder du fragst -nach ihr, indem du etwas zu verkaufen vorgibst. Du merkst dir -die Dame und ihren Gang so, daß du sie auch in Verkleidungen -erkennst. Dann kommst du zurück. -</p> - -<p> -SALOMON: Den Gang will ich gerne sparen. Die Dame kenne ich. -</p> - -<p> -KEAN: Woher? -</p> - -<p> -SALOMON: Als ich Sie gestern suchte, frug ich bei Monseigneur -und hörte, daß Sie dort frühstücken. Ich bin nicht faul und gehe -dahin, aber es war ein Irrtum. Da sah ich die Dame. -</p> - -<p> -KEAN: Warum hast du mich gesucht? -</p> - -<p> -SALOMON: Eine Dame war hier und bat mich, Ihnen zu sagen, -daß sie wiederkomme. -</p> - -<p> -KEAN: Also wird doch eine Frau erwartet. Warum schleichst du -auf Umwegen immer ans Ziel, du Serpentine? -</p> - -<p> -<a id="page-26" class="pagenum" title="26"></a> -SALOMON: Ich fand Sie nicht mehr, und wenn die Dame sagt, -sie erwarte morgen Sie zu sprechen, so wird sie doch nicht erwartet, -sondern sie hat selbst nur Erwartungen. -</p> - -<p> -KEAN: Laß den Unfug, mit dem du deine Vergeßlichkeit groß -machen willst. Du meldest den Mittag dich bei mir auf dem -Artistenfest. Du bist dann zeitig im Theater und auf alles gespannt. -Am Büro öffnest du die separate Tür. Du läßt die Gräfin Koefeld, -auch wenn sie verschleiert ist, in meine Loge durch den Gang und -die Wandtür führen. Vor der Vorstellung. Wenn dir mein Lachen -lieb ist. Wenn sie nicht kommt, werde ich verrückt. -</p> - -<h3 class="scene" id="chapter-3-3"> -SZENE DREI -</h3> - -<p> -DIENER <span class="d">mit Karte</span>: Die Dame wird erwartet. -</p> - -<p> -KEAN: Daisy Miller. -</p> - -<p> -SALOMON: Ich warte nicht länger. <span class="d">Im Abgehen.</span> Es ist der Name -der Dame, die erwartet, erwartet zu werden. <span class="d">Singt</span>: Ach Gottsche, -schenk mern Hambelmann, un e Kordel dezu, daß er zawwele kann. -</p> - -<p> -KEAN: Herein die Dame. Mein Frack. <span class="d">Springt hinter eine Portiere, -wo er sich, sichtbar dem Parkett, aber nicht der Eintretenden, fertig -umzieht mit Hilfe des Dieners, der zu ihm kommt, nachdem er Daisy -hereingeführt. Daisy bleibt mitten stehen, sieht sich um.</span> Sie haben mich -verfehlt, verzeihen Sie; durch die unentschuldbare Haltung meines -Dieners erfuhr ich zu spät ... Sie sind Daisy Miller? -</p> - -<p> -DAISY: Ich kann nicht widersprechen. Doch ich wünschte, es nicht -zu sein. -</p> - -<p> -KEAN: Dann könnte Ihr Wunsch nur sein, Lady Mevil zu sein. -</p> - -<p> -DAISY: Dem widerspricht meine Handlung. -</p> - -<p> -KEAN: Die werden verfolgt? -</p> - -<p> -DAISY: Als ich auf die Straße trat, war ich verstoßen, Waise, -vermögenslos. -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">herauskommend im Frack</span>: Ich sehe keine Verzweifelte. Nur -Anmut. -</p> - -<p> -DAISY: Ich nahm Ihren Namen mit. -</p> - -<p> -KEAN: Den schlechtesten Kredit. -</p> - -<p> -DAISY: Es wog mir den Mut auf, den Tod nicht diesem Gespräch -vorzuziehen. -</p> - -<p> -<a id="page-27" class="pagenum" title="27"></a> -KEAN: Kommen Sie zu Ihren Wünschen. -</p> - -<p> -DAISY: Da ich ein Leben ohne Glück geführt habe, bin ich auf -seine Änderung bedacht. Ich war im Kloster bis vor Wochen erzogen. -Ich löste, als ich die Enge meiner mir aufgeredeten Entschlüsse -erkannte, die Verlobung mit Mevil. Ich verließ eine Stunde -vor der Vermählung das Haus meines Vormunds. Ich komme zu -Ihnen, weil ich Ihren Beruf ergreifen will. -</p> - -<p> -KEAN: Ich habe keine Verantwortung für Ihr Leben. -</p> - -<p> -DAISY: In Drury-Lane dachte ich: wenn ein Mensch sich in so -vielen anderen verkörpern kann und ihre Leidenschaft und ihr Herz -mit so strenger Wahrhaftigkeit von sich zu geben vermag, muß -es ein zuverlässiger Mensch sein. Wären Sie groß und mächtig -nur, hätten Sie mich nie gesehen. -</p> - -<p> -KEAN: Was habe ich mit meinen Rollen zu tun? Sie kennen -mich nicht. -</p> - -<p> -DAISY: Wer mein Herz zu solchen Tränen gerührt hat, kann -nichts anderes als mein Vertrauen verdienen. -</p> - -<p> -KEAN: Ihr Vertrauen belastet mich. Ich lehne es ab. Was -wollen Sie? -</p> - -<p> -DAISY: Ich sah Sie spielen. Das änderte mein Leben ... -</p> - -<p> -KEAN: Chüt ... chüt ... -</p> - -<p> -DAISY: Das hat mich zu meinen Entschlüssen tapfer gemacht. -Denn wenn ein Mensch vermag, sich in anderen so sehr zu erschöpfen -und darin zu leben, ist das der einzige Weg aus der Enge -in die Freiheit. -</p> - -<p> -KEAN: Kein Weg für Sie. -</p> - -<p> -DAISY: Ich fühle den Drang zu keinem andern. Im Traum, am -Tag kamen die Stimmen, die Bewegungen der Frauen aus den -Stücken, in denen ich Sie sah, und verbinden sich mit mir. Ich -ahme sie nach und bin voll Freude. Helfen Sie mir, so werde -ich die einzige Hilfe haben, deren ich bedarf. -</p> - -<p> -KEAN: Ich verweigere sie. -</p> - -<p> -DAISY: Dann werde ich den Tod leicht zu nehmen wissen in der -Gewißheit, daß dies der bessere Ausweg für mich ist, den Sie beschlossen -haben, um mich, zu Schwache und Unwichtige, anderem -Schicksal zu entziehen. -</p> - -<p> -KEAN: Ihre Drohung ist groß. Diese Belastung von mir ist schon -Irrsinn. Sie verdienen die grausamste Antwort. -</p> - -<p> -<a id="page-28" class="pagenum" title="28"></a> -DAISY: Ich kann nichts anderes von Ihnen erwarten wie die -Wahrheit. -</p> - -<p> -KEAN: Setzen wir Ihr Talent voraus. Haben Sie das Leben bedacht? -</p> - -<p> -DAISY: Ich kenne es nicht. -</p> - -<p> -KEAN: Bleiben wir bei den sichtbaren Dingen. Fünf Monate Anfangsstudium -ist das Minimum für ein Genie. Sie debütieren. Mit -auffallendem Erfolg. Ich nehme die phantastisch-günstigsten Fälle. -Man bietet Ihnen eine Jahressumme, die die Hälfte dessen deckt, -was Sie für seidene Strümpfe brauchen. -</p> - -<p> -DAISY: Das Vermögen, das ich seit meiner Flucht nicht mehr besitze, -war durch meiner Vorfahren äußersten Fleiß erworben. Ich -bin gewohnt, zu entsagen. -</p> - -<p> -KEAN: Zu hungern. Schlechte Romantik. Gut. Aber ... die -Kleider, die Ringe, die Pelze, die Reiher, den Samt? -</p> - -<p> -DAISY: Ich werde sparen. -</p> - -<p> -KEAN: Womit? Die Zeit ist grausamer als das Leben. Sechs -Jahre braucht eine Venus, um unvergleichlich zu sein. Sie werden -vorher Ihr einziges wichtiges und letztes Kapital angreifen und -verzehren müssen. -</p> - -<p> -DAISY: Ich habe keines. -</p> - -<p> -KEAN: Sie haben eines. Daß Sie sehr schön sind, ist gut und -ist schlecht. Sie werden Ihre Liebhaber haben. -</p> - -<p> -DAISY <span class="d">läßt ihren Schleier fallen</span>. -</p> - -<p> -KEAN: Daß Sie unvergleichlich hohe Beine haben, wird Ihnen -ebenso unvergleichlich schaden. Daß Ihr Haar reich und Ihr -schmaler Busen köstlich ist, wird Signal zu dem Wettlauf der -Vielzuvielen werden. Daß Sie in Notlage sind und vom Schicksal -arm bestimmt durch Ihren tragischen Entschluß, wird Sie vor die -bitterste Entscheidung zwingen, ob Sie sich, ob Sie Ihr Ziel erreichen -wollen. Geben Sie sich selbst aber in das Furioso der -Preise, die darauf geboten werden, um auf der anderen Seite Ihrer -Sehnsucht Ihr Ziel zu erreichen, so haben Sie alles eingesetzt, um -vielleicht nichts zu erreichen. Dann ist Ihr Herz verdorben, und -Ihre Beine sind verbraucht von den Männern, und Ihre Brust hat -keine Frische mehr, und Ihr Herz ist elend. -</p> - -<p> -Beweisen Sie, daß Sie robust genug sind, die heulende Furie der -Kunst auch durch das Dasein so entsetzlicher Perspektiven mit -<a id="page-29" class="pagenum" title="29"></a> -gleicher Kraft wie Ihre Sehnsucht danach zu tragen. Dann rede -ich Ihnen erst zu. -</p> - -<p> -Haben Sie im günstigsten Fall Männer, die Ihnen geben und nicht -fordern, die Sie lieben und die Sie nicht kaufen, bricht die Kloake -der Angriffe in anderen Höllenstürzen los. Affenhafte haarige -kleine Schreiber, krähende Regisseure, geschwollene Intendanten -werden Sie tadeln, schmähen, fordern, zurückstellen, verfolgen mit -einer Systematik, von deren Gründlichkeit Sie sich keine Vorstellung -geben. Und wenn Sie, von grellen Reflektoren bis in -Ihr intimstes Boudoir jeweils beleuchtet, ausgeschrien und entkleidet, -gejagte Hindin, atemlos von der Jagd, verzweifelt einem -der Jäger sich geben, hat der andere Schwarm schon sein Halali -begonnen. Sie entweichen nicht. Haben Sie das Leben bedacht? -Gestehen Sie, daß Sie die Barriere unterschätzten, die es vor Ihre -Absicht legt. Ihre Knochen sind sehr zart, aber Ihr Herz ist groß. -Ihre Beine sind zu schön für solche Exkursionen. -</p> - -<p> -Beweisen Sie mir, daß die Zartheit Ihres Lebens so stählern und -hart ist, um unbeschmutzt und unzerschlagen aus dem herauszukommen, -und ich rede Ihnen zu. -</p> - -<p> -DAISY: Ich kann Sie nicht bitten, zu schweigen. -</p> - -<p> -KEAN: Sonst hätten Sie das Recht, mich später zu verfluchen. -</p> - -<p> -DAISY: Jeder Ausgang kann nur Dank für Ihre Güte sein. -</p> - -<p> -KEAN: Sie werden die Arme nach der Gerechtigkeit ausstrecken, -aber Sie werden ein Schwein umarmen. -</p> - -<p> -DAISY: Was müssen Sie gelitten haben. -</p> - -<p> -KEAN: Ich? -</p> - -<p> -DAISY: Nichts von alledem kann an Ihnen vorübergehn. -</p> - -<p> -KEAN: Ich bin ein Mann. -</p> - -<p> -DAISY: Ich bedaure Sie. Daß eine gerechte Sache soviel kostet -ist teuflisch. -</p> - -<p> -KEAN: Was kümmert mich der Kleinkram? Habe ich nicht eine -Leistung in der Hand wie wenige im Jahrhundert? Kümmern -mich die Schreiber, Spione, Paraden des Schmutzes? Oh. Wissen -Sie, daß ich ein gutgewachsener Mann bin und zu lachen weiß? -Wer kann an mich heran? O, das ist alles nichts, wo die tragische -Lüge unserer Berufung uns immer viel tiefer sekündlich verhöhnt. -</p> - -<p> -DAISY: Wer solche Tränen geweckt, solche Leidenschaften gelöst -und solche Liebe gerufen hat, kann nur glücklich sein. -</p> - -<p> -<a id="page-30" class="pagenum" title="30"></a> -KEAN: Ich zöge es auch vor, lieber als Publikum vor meinen Talenten -zu grinsen, statt die teuflische Meute selbst im Bauch zu haben. Bin -ich denn nicht auch alles das, was ich spiele, und reißt es mein Leben -nicht in sechs Teile auseinander? Seltsame Späße <a id="corr-9"></a>reißen mein Dasein -ein; sapristi, wenn Sie die Späße kennten, die durch einen Tag -meines Verstandes durchrollen! Ich will auf dem Rücken liegen -und Wolken ansehn immerzu, Gnädige, am Wasser über Bergzacken -hin. So bin ich einer. Ich will ein Heer kommandieren, so bin -ich in einer Stunde. Ich will einen Mord begehen zum Mittag, -so bin ich einer. Ich will im grünen Wagen hinausfahren durch -Feuer und Dörfer und Kinder hinter mir her haben, die meinen -Namen schreien, so bin ich einer später. Das alles drängt und -stößt durch meine Brust und wechselt einander ab wie die Schildwachen, -straff und mit Gewalt, gespannt und auf Letztes bereit. Ahnen -Sie, an welchen Abgründen ein Tag vorbeiführt? Vermögen Sie zu -verstehen, welche Höllen neben welchen Seligkeiten liegen? Und -doch im Grunde bin ich nichts, was bin ich? Werde ich Wolken -ansehn, werde ich Soldaten haben, welche Späße, Gnädigste, werde -ich niemals mit dem grünen Wagen fahren? Ich werde keine von -den Späßen leben, die mir ins Hirn gerollt sind. Es bleibt nur der -fahle Schatten, der abends von Applaus umbellt ist, wenn er die -Lüge dieser oder jener Existenz heruntergespielt hat. Es bleibt die -Übelkeit, in Wahrheit nichts gelebt zu haben und sich und anderen -für Stunden ein Betrug gewesen zu sein. Bleibt eine Tat, eine -Handlung, etwas mehr als drei Tage Geschrei, wenn ich diese -Sümpfe mit den seligen vertausche? Und wen soll ich gerührt, wen -erschüttert, wen, mein Gott, für sein Leben gezeichnet sehen, wenn -nach dem Abklatschen des Vorhangs und dem Erlöschen der Lichter -ich alle Menschen die Gesichter wechseln und mit gewohnten Fratzen -in den Karneval ihrer Erbärmlichkeit zurückkehren sehe? -</p> - -<p> -DAISY: Wer mit solcher Kraft in einer Hölle steht, muß ein -gerechter Mensch sein. Warum haben Sie die Hölle sonst nicht -verlassen? -</p> - -<p> -KEAN: Weil ich sie liebe. -</p> - -<p> -DAISY: Trotzdem sie zerreißt? -</p> - -<p> -KEAN: Fragt eine Leidenschaft nach Gefahr? -</p> - -<p> -DAISY: Sie leiden. Aber Sie wissen nicht, warum. -</p> - -<p> -<a id="page-31" class="pagenum" title="31"></a> -KEAN: Drehen Sie die Lanze herum? Reden Sie mir plötzlich zu? -Was soll dieser Ton? -</p> - -<p> -DAISY: Ich habe eine seltsame Erkenntnis gemacht. -</p> - -<p> -KEAN: Ihr Entschluß? -</p> - -<p> -DAISY: Richtet sich nach Ihrer Äußerung. -</p> - -<p> -KEAN: Kehren Sie zurück. -</p> - -<p> -DAISY: Ich werde dort bedenken, was Sie gesagt haben. -</p> - -<p> -KEAN: Denken Sie nicht nur. Entschließen Sie sich. -</p> - -<p> -DAISY: Vielleicht werden Sie meinen Entschluß so nötig haben -wie ich den Ihren. -</p> - -<p> -KEAN: Was planen Sie? -</p> - -<p> -DAISY: Nichts, als daß ich von jetzt ab weiß, daß ich eine -neue Mission habe. -</p> - -<p> -KEAN: Gehen Sie zurück, und beweisen Sie mir, daß Sie, ohne -das Wichtigste zu verlieren, das Leben nicht zu ertragen, sondern -zu beherrschen verstehen. Zeigen Sie mir an einer Bagatelle, an -einem Spaß, an einem Nichts, daß Sie die Kräfte und die Elastizität -einer stählernen Seele haben. Und ich rate Ihnen zu. -</p> - -<p> -DAISY: Ich wohne Richmond Street Vierundachtzig. Bei einer -Amme. -</p> - -<p> -KEAN: Ich werde Mittel finden, Ihnen Unterkommen zu sichern. -</p> - -<p> -DAISY: Ich danke Ihnen, denn ich weiß, daß ich selbst Ihre -Grausamkeit ertragen könnte. Weil ich Sie gesehen und besser -verstanden habe als Sie sich. -</p> - -<h3 class="scene" id="chapter-3-4"> -SZENE VIER -</h3> - -<p> -DIENER <span class="d">blitzschnell den Kopf hereinsteckend</span>: Prinz von Wales. <span class="d">Kean -reißt Daisy an eine Fensterportiere und wirft die darüber, bleibt selbst -beschattet. Knapp hinter dem Ruf des Dieners kommt der Prinz.</span> -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES <span class="d">zum Diener</span>: Ich bin durchnäßt. Vom Gaul -und Regen. Mein Pferd wartet. Leihen Sie mir einen Mantel. -</p> - -<p> -DIENER: Hier. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Equipieren Sie mich möglichst. Handschuhe. -</p> - -<p> -DIENER: Hier. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Einen Shawl. -</p> - -<p> -<a id="page-32" class="pagenum" title="32"></a> -DIENER: Hier. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Einen Melonhut. -</p> - -<p> -DIENER: Hier. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES <span class="d">zu Kean</span>: Sie sind da? Um diese Zeit? -Erstaunlich. -</p> - -<p> -KEAN: Treten Sie nicht an das Fenster. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES <span class="d">mit der Gerte</span>: Zwei Füße! -</p> - -<p> -KEAN: Es wäre ein Unglück. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES <span class="d">mit der Gerte</span>: Da? -</p> - -<p> -KEAN: Für mich. Weil ich Monseigneur hindern müßte. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Ihre Sorge um mich hat Pech, weil sie -immer eine Sorge um Sie töten will. Sie täten sich keinen Gefallen, -denn Sie machten einen Mund stumm eines Grundes halber, -wegen dem er vom Pferd stieg, um ihn zu stärken. Sie haben das -Unglück, das Übele nicht zu sehen, wenn Sie auf Anständiges aus -sind. Sie sind ein guter Mensch, Kean. -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">mit abwehrender Bewegung</span>: Ein Vorwurf. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Eine Anerkennung, wo das Meskine -so leicht ist. Wägen Sie das aneinander ab, wissen Sie, warum -ich kam, obwohl ich nicht naß bin, und da es mit meinem Pferd -zusammenhängt. -</p> - -<p> -KEAN: Ich warte. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Um die Ecke flitzte Mevils Wagen. Seine -Leute halten mein Pferd. Unterschätzen Sie den Mann nicht. Er -brüllt seine Pläne zusammen. Es gewittert um ihn. Ich sende -Ihre Sachen zurück. <span class="d">Ab.</span> -</p> - -<p> -KEAN: Ich danke Monseigneur. Salomon, <span class="d">er reißt Daisy heraus</span>: -Die Dame über die Leiter. Durch das Treppenfenster. In den -Garten. Über die Themse weg. Niemand soll sie sehen. -</p> - -<p class="end"> -<a id="corr-10"></a>Schluß des zweiten Akts. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="act" id="part-4"> -<a id="page-33" class="pagenum" title="33"></a> -AKT DREI -</h2> - -</div> - -<p class="d"> -Hafenbar, ordinär, aber phantastisch. Links und rechts wie Badekabinen Séparés, mit -hellen Vorhängen verschlossen. Hinten zwei Ausgänge. Zwischen ihnen in der Wand -in der Art der Café-Biards hufeisenförmige Bar, in der der Wirt steht. Viele Eingänge -durch die Séparés. Eine Mausefalle von Raum. -</p> - -<h3 class="scene" id="chapter-4-1"> -SZENE EINS -</h3> - -<p> -HERR <span class="d">mit Maske, zum Buffet</span>: Eine Dame kommt heute mittag, -groß, elegant, schwarz. Sofort in das beste Zimmer. Gut bewacht. -</p> - -<p> -WIRT: Ich kenne Sie nicht. -</p> - -<p> -HERR <span class="d">hebt die Maske</span>. -</p> - -<p> -WIRT <span class="d">steif vor Ehrerbietung</span>: Sieben Damen, wenn Sie wollen, Mylord. -</p> - -<p> -HERR: Respekt, du Schwein. Es ist eine Dame. Verschaff mir ein -Boot. Schaluppe. -</p> - -<p> -STEUERMANN <span class="d">auf des Wirts Pfiff</span>: Zehn Knoten die Stunde. <span class="d">Zwei -Apachen bleiben hinter ihm stehn.</span> -</p> - -<p> -HERR: Unauffällig? Zu jeder Fahrt und Zeit bereit? Verschwiegen? -Bist du kühn, riskant? Preis? -</p> - -<p> -STEUERMANN: Ich fahre Euch damit bei Regen ins Parlament, -Mylord. Ihr könnt wie von einem Karussell eine knorzige Rede -gegen die Wuchrer halten darin. -</p> - -<p> -HERR: Eine Kabine wird sofort eingerichtet. Die Sachen sind im -Wagen. Abends wird Abfahrtspermiß geholt. Ist es weit? Ich fahr -dich hin. <span class="d">Beide ab, Apachen geduckt hinterher.</span> -</p> - -<p> -KEAN: <span class="d">In exotischer Matrosentracht, mehr Apache als Matrose, -stößt mit den abrückenden Apachen zusammen.</span> Hände weg. -</p> - -<p> -APACHE: Sie werden eine Hochzeit in deinem Gesicht machen. <span class="d">Ab.</span> -</p> - -<p> -WIRT: Die ersten zwei Séparés für Ihre Gesellschaft. -</p> - -<p> -KEAN: Was hast du angemacht? Nichts von Katze, Hund, Ratte, Laus? -</p> - -<p> -WIRT: Oliven, Hering frisch, Steinbutt, Hammelbuckel, Chester -mit Himbeer. Züngelt nicht das Spritzeln der Butter ins Ohr? -Treten Sie in die Küche. <span class="d">Kean hinein.</span> -</p> - -<p> -DAISY <span class="d">stürmisch herein</span>: Ein Zimmer ist bestellt für mich. Führen -Sie mich hinauf. Eilen Sie. Ich erwarte einen Herrn. Voran. Rasch. -</p> - -<p> -WIRT: Ich führe Sie selbst. <span class="d">Ab mit ihr.</span> -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">zurückkommend</span>: Der Fisch tropft besser ab als die Gäste -<a id="page-34" class="pagenum" title="34"></a> -herein. <span class="d">Seitentür zwischen Séparés geht auf mit Riny und sieben -Artisten, die fast faschinghaft gekleidet sind.</span> Riny, du Affe, hierher. -</p> - -<p> -RINY: <span class="d">Vorstellend.</span> Die Menagerie ... Well, der die Eisengewichte -stemmte ... -</p> - -<p> -KEAN: Du fandest mich über einem Zaun einmal, der meinen -Hals wie eine Gabel würgte ... <span class="d">Küßt ihn</span>. -</p> - -<p> -RINY: Gonsch ... der mit dem Hintern die Pauke schlägt, während -er Feuer frißt ... -</p> - -<p> -KEAN: Wir sind bei Perth zusammen über den Fluß geschwommen, -um einen Konstable zu verhauen, und fanden einen -Esel, der sich haarte. <span class="d">Küßt ihn.</span> -</p> - -<p> -RINY: Kauka, der auf dem Seil ... -</p> - -<p> -KEAN: ... einmal seinen schlechten Charakter nicht durch den -Mund, sondern die Nieren blies ... du Ferkel. <span class="d">Küßt ihn.</span> -</p> - -<p> -RINY: Pepi, eine Neuigkeit. -</p> - -<p> -KEAN: Akzeptiert. -</p> - -<p> -RINY: Der Froschesser Viktor mit den Kaninchen ... -</p> - -<p> -KEAN: Ich fand dich zuerst auf der Landstraße unter einem Pflaumenbaum, -wie ein Gaul krischst du, der Teufel habe dich, aber es -hatte dich eine Kolik. <span class="d">Küßt ihn. Die zwei Apachen kehren zurück, -schleichen an verschiedene Séparés, pfeifen zwischen den Zähnen, es -schleichen zwei kleine Kokotten zu ihnen.</span> -</p> - -<p> -KEAN: Wo ist Bob? -</p> - -<p> -RINY: Im Bett. <span class="d">Kean schaut erstaunt. Die Artisten „im Bett“.</span> -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">zu Riny</span>: Da will ich mit dir sein. Warum Bob? -</p> - -<p> -RINY: Sein Weib, prrr, ging vor mit dem Täufling, den Pastor -zu suchen, der immer betrunken ist. Dumme Gans, sagte zu mir -Bob, weil auf der Treppe ich ihm über die Schulter sprang, hol -meine Trompete. Wozu, frage ich. Für Kean. Ich lache einen -Ast. Dumme Hure, schreit er, hol das Horn. Du hast es auf -dem Kopf, sag ich. Da macht er seinen Spaß, tritt nach mir. Er -ist nicht eleganter als ich, also kriegt die Luft den Tritt, ich pirouettiere -und er schreit mit allen Katzen um die Wette. -</p> - -<p> -KEAN: Aus Luft? Ich habe ihn nur im Alkohol schreien hören. -</p> - -<p> -RINY: Er hatte zu stark getreten, der Schwung warf ihn wie im -Schlagfluß um. Seine Seite war knallrot wie sein Kopf. -</p> - -<p> -BOB <span class="d">hinkend, seine Trompete blasend, herein</span>: Wo ist der Affe? -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">tief gebückt</span>: Hier, Meister. -</p> - -<p> -<a id="page-35" class="pagenum" title="35"></a> -BOB: Die Ohren? <span class="d">Faßt daran.</span> -</p> - -<p> -KEAN: Ihr werdet das andre Bein brechen. -</p> - -<p> -BOB: Als du vor sieben Jahren entliefst, hatte ich ein Pfund -Verlust. Willst du sie gutwillig geben. Nein? Sprich. Rede. -</p> - -<p> -KEAN: Gutwillig. -</p> - -<p> -BOB: Willst du um Verzeihung bitten? -</p> - -<p> -KEAN: Indem ich Euch heut abend eine Benefizvorstellung gebe. -</p> - -<p> -BOB: Gnade dir Gott. Hättest du einen Schwanz, ich hätt ihn -dir hochgezogen. <span class="d">Zu Riny</span>: Halt das Maul. -</p> - -<p> -RINY: Du wolltest ein Hornsolo blasen. Ich wollte nur helfen, -dir auf dem Kopf stehen. -</p> - -<p> -KEAN: Mein Lehrer ist mit Respekt zu grüßen. -</p> - -<p> -BOB: Willst du mir sofort schriftlich geben, daß du mir ein Benefiz -hältst? -</p> - -<p> -KEAN: Den Brief ans Theater. <span class="d">Schreibt gegen die Wand, alle umdrängen -ihn.</span> -</p> - -<p> -APACHE <span class="d">zu seiner Midinette</span>: Nimm ihm die Trompete. Der Hund -stieß mich ins Rohfleisch. <span class="d">Die Midinette schleicht hinüber.</span> Rache -in seine Visage. -</p> - -<p> -ANDRER APACHE: Wie weit liefst du dem Wagen des Mevil nach? -</p> - -<p> -APACHE: Bis ich Sand schluckte. Müssen am Abend genauer -aufpassen und die Falle für ihn exakter am Hafen legen. -</p> - -<p> -ANDRER APACHE: Rupfen Mevil im Dunkeln das Huhn schon -warm aus dem Schoß. Wirds teuer zahlen, Mylord. Eine schöne Falle! -</p> - -<p> -APACHE: Hat mal auf dich gesetzt, zwanzig Pfund beim Mätch. -</p> - -<p> -ANDRER APACHE: Hab ich dankbar zu sein, daß ich aus des -Niggers Maul Zahnsalat hieb? Nein, er. Werde ihm das Lösegeld -erhöhen. Very well. <span class="d">Die Midinette greift die Trompete, zurück damit, -Bob heult auf.</span> Zuerst aber diesen Hund veraasen. -</p> - -<p> -APACHE <span class="d">setzt an, bläst. Zwei Heerlager einander gegenüber</span>: Das -Blech furzt wie ein Bauerngaul. -</p> - -<p> -KEAN: Was an dem Mundstück hängt, muß wissen, was es ist. -</p> - -<p> -APACHE: Du sprichst so glatt, als hätt dich ein Walfisch ausgekotzt, -weil du ihm zu stinkig. Wenn du Arme wie Zunge hast, -kann man eine schöne Blindschleiche zertreten. -</p> - -<p> -ANDRER APACHE: Gib mir Mädchenfleisch, neben dir, für das -Blech. Dann hat deine Nase von mir Schonzeit. -</p> - -<p> -<a id="page-36" class="pagenum" title="36"></a> -KEAN: Willst du nicht den blauen Perpendikel über deinem Aug -dazugeben, er fällt dir sonst in die Blutsuppe, die dein Riecher sich -anrührt, wenn ich in die Nähe niese. -</p> - -<p> -APACHE: Merde alors. Rotznase, Spüllumpenzuckler, Saligot. -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">zieht den Rock aus</span>: Ein guter Tag, Bob. Ich will mehr als -durch das Benefiz meine Freundschaft beweisen. -</p> - -<p> -APACHE <span class="d">zum andern</span>: Drei Medaillen in Montmartre. Zwei in -Edinburgh, Sieger über Tommy Burns. Wieviel Zähne wettest du? -Sieben? Neun? Das Mädchen als Zugabe? Ein blasses Biest. -</p> - -<p> -WIRT: Konstable. -</p> - -<p> -KONSTABLE: Ich präsidiere die Boxkämpfe meines Viertels. Seile! -Pflöcke! Den Ring! -</p> - -<p class="d"> -Man schlägt in der Mitte ein durch zwei Taue oben und unten umschnürtes Viereck -um vier Pflöcke auf. Die Boxer mit nackten Oberkörpern stehn in den diametralen -Ecken, werden von zwei Kampfrichtern massiert und abgewaschen. Blitzschnell. -</p> - -<p> -KONSTABLE <span class="d">setzt sich auf einen Rücklingsstuhl mit dem Rücken -gegen das Publikum vor einen kleinen Tisch</span>: Ich Time-keeper. Wieviel -Runden? -</p> - -<p> -APACHE: Zehn. -</p> - -<p> -KONSTABLE: Zehn. -</p> - -<p> -KEAN: Zehn. -</p> - -<p> -KONSTABLE: Schiedsrichter? -</p> - -<p> -WELL: Ich. -</p> - -<p> -KONSTABLE: Ring frei. -</p> - -<p class="d"> -Konstable schellt. Schiedsrichter: Pfeife. Boxer umzischen sich, kommen in Umklammerung, -Pfeife, Schiedsrichter: „trennen“ – „break away“. Pfeife. Weiter. -Apache schlägt Kean unterm Gürtel. Pfeife. „Saustoß“. Pfeife. Weiter. Am Seil. -Pfeife. „Break away“. Konstable schellt. „Time“. Pause. Die Gegner auf Stühlen -zurückgelegt in ihren Ecken werden massiert, abgewaschen, bekommen mit nassen -Tüchern Luft in die zurückgeworfenen Köpfe geweht. Schelle. „Ring frei“. Pfeife. -Weiter. Pfeife. „Foul blow ... unfair blow“. Pfeife. „Break away“. Schiedsrichter -stürzt stets trennend mit erhobenen Armen zwischen den Kämpfenden, sich -Umspringenden, durch. Pfeife. „Break away“. Pfeife. Weiter. Pfeife. „Foul“. -Apache knirscht eine Fratze. Pfeife. Weiter. Schelle. Konstabler. „Time“. Pause -wieder. Abreiben. Massieren. Luft wedeln. Schelle. „Ring frei“. Pfeife. Weiter. -Pfeife. „Clinch“. Pfeife. Weiter. Pfeife. „Break away“. Pfeife. „Break away“. -Pfeife. Weiter. Kean schlägt den Apachen in die Herzgrube, er fällt zusammen. -Schiedsrichter, Uhr in der Hand, zählt: „one ... two ... three ... four ... five ... -six ... seven ... eight ... nine ... out“. Pfeife. „Knock out“. Schelle. Apache -wird rausgeschleift, Ring abgebrochen. -</p> - -<p> -<a id="page-37" class="pagenum" title="37"></a> -KONSTABLE <span class="d">die Hände Kean schüttelnd</span>: Solar plexus blow. All -right, Splendid. -</p> - -<p> -KEAN: Mittelmäßig. -</p> - -<p> -KONSTABLE: No splendid. Double ... ah ... splendid. Swinging -blow ... splendid. All right. -</p> - -<p> -BOB: Schülerarbeit. Einfältig. Hättest ihn im ersten Gang knock -out machen müssen. -</p> - -<p> -KONSTABLE: Swinging blow. Splendid. All right. -</p> - -<p> -RINY: Ich hielt den Daumen. -</p> - -<p> -KEAN: Ich werd dir bald was anderes halten. -</p> - -<p> -BOB: Zweiter Gang. Miserabel. Finte kindisch. Parade schlecht. -Nachstoß zum Heulen. Wer ist der Narr: splendid? -</p> - -<p> -RINY: Das dreizehnte Ei. <span class="d">Frau mit Baby, Pfarrer, Gefolge kommen. -Bob setzt sich mit der Trompete, hinkend, an die Spitze, zur anderen -Seite hinaus.</span> -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">zum Wirt</span>: Lad die Weiber ein, daß sie für ihr gefallenes -Pferd andres Fleisch kriegen. -</p> - -<p> -WIRT: Die Taufe im Nebensaal. Ich werde umdecken, wenn Sie -alle Puffs dazu laden. -</p> - -<p> -KEAN: Warum bist du neidisch auf das, dem du dich besser dünkst? -</p> - -<p> -RINY <span class="d">kurz zurückeilend</span>: Denkst du an den Wagen, Kean? -</p> - -<p> -KEAN: Ich denke, Riny. <span class="d">Riny ab.</span> Halo ... halo ... <span class="d">Rufend zum -Wirt</span>: Einen Boten für den Brief. Theater Drury-Lane. <span class="d">Gibt ihm -den Brief.</span> -</p> - -<p> -WIRT <span class="d">in die Küche</span>: Den Sekt aus meinem eigenen Zimmer. Keinen -gepantschten hier. -</p> - -<h3 class="scene" id="chapter-4-2"> -SZENE ZWEI -</h3> - -<p> -DAISY: Endlich. Ihre Stimme. Ich wartete nicht im Zimmer. Konnte -nicht bleiben. Hielt mich an der Klinke. Sie gab nach. -</p> - -<p> -KEAN: Mein Erstaunen – verzeihen Sie – ist nicht geringer als -mein Entsetzen. -</p> - -<p> -DAISY <span class="d">erstarrt</span>: Unmöglich. Gott kann so grausam nicht sein. -</p> - -<p> -KEAN: Ein Lokal für Verbrecher und Hafendirnen. -</p> - -<p> -DAISY: Ich habe nicht gezögert, zu kommen. -</p> - -<p> -KEAN: Aber Sie wagen, mir eine Erklärung zu geben, die keine ist. -</p> - -<p> -DAISY: Ich kam auf Ihren Brief. -</p> - -<p> -<a id="page-38" class="pagenum" title="38"></a> -KEAN: Wer ist hier irrsinnig geworden? -</p> - -<p> -DAISY: Sie bestellten mich hierher. Sie schrieben mir: Kommen -Sie; Sie wohnen unsicher. Ich kann Sie nicht holen, ich bin bewacht. -Es gab für mich nur einen Gedanken: zu folgen. -</p> - -<p> -KEAN: Der Brief. -</p> - -<p> -DAISY: Hier. -</p> - -<p> -KEAN: Sie sehen, welche Seite meines Namens man für kreditwürdig -hält. Tod, Hölle, Heilige. Man hat meine Schrift gefälscht -und meinen Namen ausgenutzt. -</p> - -<p> -DAISY: Ich habe nur an die rechte Seite Ihres Wesens gedacht. -So mußte ich kommen. -</p> - -<p> -KEAN: Sie waren daran, Ihrem Lieblingsteufel ins Boudoir zu laufen. -</p> - -<p> -DAISY: Ich habe Sie nicht gesucht und finde Sie auch in dieser -Gefahr durch die Schickung. -</p> - -<p> -KEAN: Sie schlagen besser dem schönen Zufall ein Stück Nase -ab, um ihm dankbar zu sein, statt ihn aufzubauschen. -</p> - -<p> -DAISY: Ich hatte Sie nie gesucht. Als ich zum erstenmal im -Theater Sie sah, änderten Sie schon nicht nur meinen Weg. Sie -retteten mein Leben. -</p> - -<p> -KEAN: Haben Sie keine anderen Entscheidungen wie immer den Tod? -</p> - -<p> -DAISY: Nicht für mich. Ich kam aus dem Kloster, sprach nicht, -hörte nicht, sah nicht. Man gab mir Bäder und Ärzte. Durch eine -List lockte man mich ins Theater, ich hörte Romeo, Hamlet, der -Tiefsinn riß auf in mir. -</p> - -<p> -KEAN: Konstable. -</p> - -<p> -DAISY: Sie werden keine Gewalt ausführen. -</p> - -<p> -KEAN: Sie haben an Edmond Kean appelliert, als Sie zu mir kamen. -</p> - -<p> -DAISY: An Ihre Güte. -</p> - -<p> -KEAN: Ich habe eine Verpflichtung gegen das Unrecht übernommen, -die auch Ihr Einspruch nicht erledigt. -</p> - -<p> -DAISY: Wenn ich Sie bitte, nichts zu unternehmen gegen den Mann, -der mich hierher bestellte, tu ichs, weil ich die Absicht habe, ihm -zu folgen. -</p> - -<p> -KEAN: Dem Entführer ... -</p> - -<p> -DAISY: Ich habe eine Mission. Was kümmert mich alles andere? -</p> - -<p> -KEAN: ... vor dem Sie heut früh noch sterben wollten. -</p> - -<p> -DAISY: Ich werde mich an ihn gewöhnen lernen. -</p> - -<p> -KEAN: Sie sind wahnsinnig. -</p> - -<p> -<a id="page-39" class="pagenum" title="39"></a> -DAISY: Es wird leicht sein, denn ich weiß, warum ich es tue. -</p> - -<p> -KEAN: Sie opfern sich. -</p> - -<p> -DAISY: Ich tue, was ich vorhabe, mit Liebe und Bedacht. -</p> - -<p> -KEAN: Für eine Mädchenträumerei, eine ideale Hysterie, einen -tragischen Irrsinn. -</p> - -<p> -DAISY: Als ich Ihr Haus verließ, wußte ich, es gab nur eins für -mich: irgend etwas zu suchen, was Ihr Leben auch nur im Geringsten -fester gestalten könnte. Ich will nichts von Ihnen. Aber -ich erbitte die Freiheit, zu tun, was ich muß. -</p> - -<p> -KEAN: Sie glauben, es sei etwas wert, eine der Beschwerlichkeiten, -die einen Tag mir durchschwirren, wegzunehmen, indem -Sie das Leben einsetzen? Sie schwärmen, Kind. -</p> - -<p> -DAISY: Ich hätte gedacht, meine Dankesschuld höher abtragen -zu können. Aber die Gewißheit dieser Kleinigkeit schon wird mich -leicht das wagen lassen, was mir entgegensteht. Es hat keine -Schrecken mehr. -</p> - -<p> -KEAN: Konstable! <span class="d">Zu Daisy</span>: Kommen Sie. Ich befehle es Ihnen. -</p> - -<p> -DAISY: Wenn Sie mich zwingen, muß ich folgen. Und daran -glauben. -</p> - -<p> -KEAN: Konstable!! <span class="d">Erscheint.</span> Ich führe diese Dame in ihr -Zimmer. Sie bleiben davor, und wenn Skelette angeritten kommen. -Ich bin Kean. -</p> - -<p> -KONSTABLE: Der Boxer? -</p> - -<p> -KEAN: Der Schauspieler. <span class="d">Konstable steht stramm.</span> -</p> - -<p> -DAISY: Nun wollte ich für Sie etwas tun, wieder tun Sie es -für mich. Wie belastet mich Gott, daß Sie mich sogar dazu -zwingen. Was kann ich tun, um auch dies zurückzugeben? -</p> - -<p> -KEAN: Zum Teufel mit der Güte, mit der Sie mich bombardieren. -Ich kann nichts anfangen damit. Gehen Sie. Wir werden eine -Jagd heute noch haben. <span class="d">Öffnet die Tür. Daisy voran, dann er, -dann der Konstable.</span> -</p> - -<h3 class="scene" id="chapter-4-3"> -SZENE DREI -</h3> - -<p> -SALOMON <span class="d">von einer, Wirt von anderer Seite</span>: Kean? -</p> - -<p> -WIRT: Sofort zurück. -</p> - -<p> -SALOMON <span class="d">mit Journal</span>: Weißt du, daß die Zeitungsschreiber -schlimmere Idioten sind als Zapfkellner? -</p> - -<p> -<a id="page-40" class="pagenum" title="40"></a> -WIRT: Hein? -</p> - -<p> -SALOMON: Weißt du, warum die Zapfkellner kleinere Idioten -sind wie die Zeitungsschreiber? -</p> - -<p> -WIRT: Hein? -</p> - -<p> -SALOMON: Weil sie mit giftigem Schaum, die Kellner mit gutem -betrügen. Kann ein Mann, dem ein andrer ein Weib ausspannte, -gut über den andern reden? -</p> - -<p> -WIRT: Nein. -</p> - -<p> -SALOMON: Doch, du Nashorn, du Idiot. Das muß er, wenn er -ein anständiger Mensch ist. Dieses Wurm aber windet sich und -schreibt, Kean sei ein wildes Aas gewesen und hätte in einem -Zirkus als Pavian brüllen sollen. -</p> - -<p> -WIRT: Es wird ein Zoologe gewesen sein. -</p> - -<p> -SALOMON: Weil Kean ihm Hörner aufgesetzt hat. O yes. Kann -ein Mann, dem ein andrer viel Geld gibt, vom Konkurrenten dieses -Mannes gut reden? -</p> - -<p> -WIRT: Nein, Sir. -</p> - -<p> -SALOMON: Was ... Sir ...? Doch er muß gut reden, du Kannibale, -du Biertrompete. Diese Zuckerstange lutscht sich ab, Kean -habe mondscheinhaft wie eine Jungfrau im Monatlichen gesäuselt. -<span class="d">Singt</span>: Ach Gottsche, schenk mern Hambelmann, un e Kordel dezu, -daß er zawwele kann. <span class="d">Artisten mit Pfarrer, Amme, Taufzug, Bob an der -Spitze mit Trompete, zurück. Parademarsch. Stellen sich in einer Reihe auf.</span> -</p> - -<p> -GONSCH: Ich will ihm zeigen, daß ich noch Feuer fresse wie -ein Tapir. -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">zurückkommend</span>: Salomon! Gut. Geh beizeit. -</p> - -<p> -VIKTOR: Ich will ihm zeigen, wie meine Frösche und Kaninchen -sich paaren. O lala. O lala. -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">zu Salomon</span>: Am Gang. In die Garderobeloge. Sie kommt -in Schwarz. Mit einem Schleier. Die Türen müssen auf sein. Weiter -ist nichts nötig. Kontrollier! -</p> - -<p> -WELL: Ich will ihm zeigen, daß ich das ganze Lokal auf die Nase -stemme. -</p> - -<p> -KEAN: Ich will Riny tanzen sehn. Erste Programmnummer. Ein -Tisch. Rasch. -</p> - -<p class="d"> -Die Artisten: „hip hip hurrä“. Riny auf dem Tisch rechts. Jemand singt, die anderen -mit scharfem, raschem Händeklatschen während des Tanzes; alle oval um den Tisch -rechts. Trommel. -</p> - -<div class="poem"> -<a id="page-41" class="pagenum" title="41"></a> - <p class="line">A me me gusta un harenque</p> - <p class="line">porque es muy dulce por dentro</p> - <p class="line">con la garotin con la garotan</p> - <p class="line">con la vera vera vera lan ...</p> - <p class="line">A me me gusta un harenque</p> - <p class="line">potque es muy dulce por dentro</p> - <p class="line">con la garotin con la garotan</p> - <p class="line">con la vera vera vera lan.</p> -</div> - -<p class="d"> -Während Riny, Kopf zurück, wild tanzt, öffnet sich links durch zwei weit auseinanderfliegende -Vorhänge das vorderste Séparé. Eine Anzahl uniform gekleideter Apachen -mit Weibern, hell geschminkt, sitzen um einen Tisch, pfeifen auf den Fingern, schieben -blitzschnell beim Fallen des Vorhangs den Tisch vor, daß er parallel zu dem der Artisten -steht, eine Apachin springt rauf, tanzt, Riny zu übertrumpfen, wüster. Apachen im Oval -drum herum, die Artisten rasen rascher mit dem Händeklatschen, die Apachen stampfen -den Takt ihres Liedes mit den Füßen. Ihr Lied, frecher: -</p> - -<div class="poem"> - <p class="line">Elle avait un petit cadenaz,</p> - <p class="line">elle avait un petit cadenaz,</p> - <p class="line">et pour que ça se ne voie pas,</p> - <p class="line">elle a mis là dessous</p> - <p class="line">une chemise à vingt sous,</p> - <p class="line">elle avait un petit cadenaz,</p> - <p class="line">cadenaz, cadenaz, cadenaz.</p> -</div> - -<p class="d"> -Jede Partei feuert ihre Tänzerin an, der Rhythmus überschlägt sich. Es wird ein Jazz. -Die Artisten hämmern mit Deckeln und Tamburinen, die Apachen schießen mit Revolvern. -Die Körper bis zur Schulter tanzen wie Schlangen. Die Schultern und Köpfe, Zigaretten -im Mund, bleiben völlig unbewegt. Apachen wechseln plötzlich zu Riny hinüber. Da -schießt die Apachin wütend darüber mitten im Tanz Riny über den Haufen. Dann wirft -sie sich sofort heulend auf Riny, wird beiseite geworfen. In einem Séparé geht eine -Weile noch Musik und Gesang weiter. -</p> - -<p> -WIRT: Konstable. -</p> - -<p> -KEAN: Arzt. -</p> - -<p> -RINY: Kean. -</p> - -<p> -KEAN: Ein dünnes Loch, Kind. Heilt in acht Tagen. Auch dir ein -Benefiz. -</p> - -<p> -RINY: Vom grünen Wagen. -</p> - -<p> -KEAN: Das wird der fabelhafteste Sommer, den du sahst ... Arzt! -zum Teufel ... Verdreh die Augen nicht. Hör. Gehorche. Ich befehle. -</p> - -<p> -RINY: Kean. <span class="d">Stirbt über den Tisch.</span> -</p> - -<p> -ARZT <span class="d">erscheint</span>: Tot. Herzspitze. Herzbeutel. Blutung nach innen. -Thorax. All right. -</p> - -<p> -<a id="page-42" class="pagenum" title="42"></a> -KONSTABLE: Wo ist das Vieh? -</p> - -<p> -KEAN: Zurück an Ihren Posten. Auf der Stelle. Verflucht, zurück. -Ich befehle es. Kean. -</p> - -<p> -KONSTABLE: Das Gesetz ... -</p> - -<p> -KEAN: Schützt zuerst das Leben. Marschier. <span class="d">Konstable marschiert -ab, Artisten mit Riny in eines der Séparés, Kean den Revolver in der Hand.</span> -</p> - -<p> -BOB: Spiel nicht Hamlet, Stümper. -</p> - -<p> -KEAN: Wiesen, Gärten, Flüsse. Meine besten Träume. -</p> - -<p> -BOB: Wärst nicht mit ihr gefahren. Hast damit gespielt. Hattest -als Junge sieben Mücken im Hirn, fingst keine. Bist Dreiviertelmann -geblieben. Willst, tust nicht. Solar plexus blow war nicht splendid, -war Saustoß, Konstable ist besoffen. Selbst Boxen kannst du nicht. -</p> - -<p> -KEAN: Du tadelst mich recht, Meister, du kennst mich allein. -</p> - -<p> -BOB: Hast sieben Köpfe, verlierst sechs, findest mit dem siebenten -nicht zurecht. Solltest unter meine Fuchtel. -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">zur Apachin, die unterm Tuch hervorkriecht</span>: Durchs Fenster -Kanaille. -</p> - -<p> -BOB: Schlag sie tot. <span class="d">Apachin ab.</span> -</p> - -<p> -KEAN: Warum soll sie sterben? Armes Tier, stachelgewickelt, ausgestoßen, -arm wie wir. Der Tod fliegt mir vor die Füße, wenn ich -bei euch ausruhe. -</p> - -<p> -BOB: Geh über das Bündel weg, mein Sohn. -</p> - -<p> -KEAN: Ich bin nicht glücklich, Meister. -</p> - -<p> -BOB: Man hat dir eine Laune erschlagen. Erlaub dir andre. Ich -hab dich mehr als die andern geliebt. Durchschau den Humbug -Tod. Ist nichts hinter der Knallerbse. Du hast die falsche Bange. -Mit sechzehn Jahren warst du schon schwach begabt, fielst beim Seiltanz -in die Nesseln. Dein Hochschlag ist miserabel. Lern Boxen. -</p> - -<p> -KEAN: Die Welt soll Gott auf dem Zinken verkrachen, wenn ich -mir die Laune verderben lasse, Meister. Zumal ich noch bedeutsame -Pläne heute habe, Bob, die mich anziehn. Meister. Hättest du das -gedacht früher? Paß auf. Soll ich ... mit meinen ... Freunden ... -im Dreck nicht ... gut ... zusammen sein. <span class="d">Tanzt, schreiend.</span> Kauka, -ich will dich Frösche essen sehen ... is a long way to Tipperary ... -<a id="page-43" class="pagenum" title="43"></a> -<span class="d">Die Artisten kommen, steif, gespenstisch, geometrisch, stellen sich in einer -Reihe auf</span> ... Well, deine Nieren sollen rasseln ... Viktor, die zahmen -Kaninchen werden Löcher in die Wände brüllen müssen ... Is -a long way to Tipperary ... is a long way to go ...! <span class="d">Mann in -Maske erscheint, stößt an den torkelnden Kean.</span> -</p> - -<h3 class="scene" id="chapter-4-4"> -SZENE VIER -</h3> - -<p> -HERR <span class="d">in Maske</span>: Weg, Walfischkeeper. -</p> - -<p> -KEAN: Is a long way to Tipperary ... -</p> - -<p> -HERR: Fünf Schilling, gehst du weg. Hilf mir. -</p> - -<p> -KEAN: Atout auf deine Nase, wenn du pokern willst. Nimm -erst die Fratze ab. -</p> - -<p> -HERR <span class="d">hebt den Stock</span>: Auf deinen Buckel eine Fratze, Teerschwein. -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">torkelnd</span>: Auf deine Fratze einen Buckel. Knock out. -</p> - -<p> -HERR <span class="d">um ihn herum zur Tür nach innen, Kean davorschnellend</span>: -Auf die Seite. Hand weg. -</p> - -<p> -KEAN: Maske ab. -</p> - -<p> -HERR: Ein Irrer. -</p> - -<p> -KEAN: Gutwillig? -</p> - -<p> -HERR: Wirt, Diener, zehn Pfund. -</p> - -<p> -KEAN: Zwecklos. Maske ab. <span class="d">Reißt sie weg.</span> Lord Mevil. -</p> - -<p> -MEVIL: Gauner, Stromer, du büßt mir die Falle. -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">mit vollem, großem Organ, weltmännischer Haltung</span>: Wer dreht -die Schuldurteile um? Wer büßt? Ich, Lord Mevil? -</p> - -<p> -MEVIL: Kean! Verdammt. Unterschätzt. <span class="d">Stampft auf. Dreht -rasch hinaus.</span> -</p> - -<p> -KEAN: Wenn Sie das Zimmer verlassen, eh ich meine Aufgabe -hier erfüllt habe, schieß ich Sie zusammen. -</p> - -<p> -MEVIL: Du ... schießt ... Bursche ... -</p> - -<p> -KEAN: Hat der fliehende Mädchenräuber andres zu erwarten? -</p> - -<p> -MEVIL: Rückwärtsschuß von dem, welchem kein Hund Satisfaktion -gibt. -</p> - -<p> -KEAN: Zu edel noch dem Feigling, der meinen Namen mißbraucht, -hinter der Maske sich verbirgt, für seine zerfressenen -Rippen. -</p> - -<p> -<a id="page-44" class="pagenum" title="44"></a> -MEVIL: Unmöglich, mich zu beleidigen. Genug. Was willst du, -Komödiant? Geld? Pferde? Wagen? Enfin? Seiltänzer! Herbei, -Wirt, Matrosen. -</p> - -<p> -KEAN: Der Seiltänzer hat eine Absicht mit Ihnen. Er will ihm -nichts nehmen, er will ihm etwas geben. -</p> - -<p> -MEVIL: Stockprügel zurück für dein Geschenk. -</p> - -<p> -KEAN: Schluß. Tun Sie den Mund, ungebeten, noch einmal auf, -laß ich Sie über den Tisch legen und auf hier usuelle Art behandeln. -<span class="d">Winkt.</span> Neben ihn! <span class="d">Zwei der Artisten mit aufgekrempelten -Ärmeln, Fäuste in den Hüften, neben Mevil.</span> -</p> - -<p> -WELL: Ein adliges Kotelett. -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">ruhig</span>: Ich bin kein Richter. Mich geht es nichts an, daß -Sie Wechsel fälschten, Männer kränken, Frauen mit Geldsäcken -rauben, selbst meinen Namen pfuschen und schänden. Mich geht es -irgendwie nichts an, aber ich bedaure Sie in Ihrer Maske. Sie sind -nie ohne Maske ausgegangen. Das ist ein schweres Versäumnis. -</p> - -<p> -MEVIL: Was habe ich versäumt? -</p> - -<p> -KEAN: Sahen Sie Gehenkte zwischen den Schornsteinen die Zunge -blecken? Heizer an Öfen, Kondukteure beim Schwung über verfaulte -Brücken, Zerquetschte zwischen Eisenbahnpuffern? Wer, -verdammt, die Keucherei eines Dockarbeiters gesehen, weiß, wie -elend sein Existieren ist, wer die Absynthsäufer in der Gosse -röcheln hörte, weiß, wie abscheulich dieses verfluchte Dasein ist, -wer die entsetzliche Stumpfheit der Auslader kennt, weiß, wie -melancholisch das Leben ist. Man verachtet dann nicht mehr. -Man bestaunt. Das haben Sie nicht gesehen. -</p> - -<p> -MEVIL: Dahin soll ich gehn? -</p> - -<p> -KEAN: Kenne ich nicht vom Bordell bis zu Monseigneur die Welt! -Hätte ich die Anmaßung, Ihnen sonst Ratschläge zu geben, der -Sie länger und besser aus dem Vollen lebten wie ich. Bin ich -ein idealistischer? Ein Stümper bin ich, ein Komödiant, ein -bißchen Mensch. Habe ich mich je gesträubt gegen etwas, was -mir die Welt entgegenwarf, etwas verschmäht: einen Frauenbauch -voll Wildheit, irgendeinen Luxus, eine Segelfahrt, ein Gelage, -ein Diner mit Krammetsvögeln und Tanzweibern? Nie. Alles -nahm ich. Aber ich habe nicht das Gefühl: hier fängt Welt -an. Hier hört Welt auf. Wie wäre ich aufgeschmissen und was -<a id="page-45" class="pagenum" title="45"></a> -für ein kleiner Snob. Ich vergesse nicht, wo ich herstamme. -Sie aber müßten es vergessen. Ich marschiere von unten nach -oben. Sie sind nicht von oben nach unten marschiert. Das ist -Ihr Fehler. Ich messe das verdammte Dasein nicht zwischen -Laster und Parfum mit den Zentimetern, sondern mit der Riesenspanne -aus dem Hafen bis nach Buckingham. -</p> - -<p> -MEVIL: Das soll ich tun? -</p> - -<p> -KEAN: Eine Anleitung zum Leben für Sie. Grotesk. Welche Situation. -Lieben Sie die W. C. und die Kokotten, Ihre Damen und -die Säue, dann kommen Sie aus der Schaukel und spüren Boden. -Anleitung zur Kühnheit. Das Leben breitet sich aus, wird wilder. -Man kennt die Gefahren und bewundert die Abgründe, schließt -sich nicht ein, sondern macht eine Offensive hinein. Man versteht -dann mehr. Anleitung zur Bewunderung. -</p> - -<p> -MEVIL: Sie wünschen es? -</p> - -<p> -KEAN: Ich könnte Sie zerschlagen. Habe ich nicht Grund dazu? -Lasse Sie in Ketten abführen, Sie sind mit Haar und Seele in -meiner Gewalt. Sie haben mich geduzt, um mich zu kränken. -Gehen Sie, Sie sind frei. Vergessen Sie nicht, was ich sagte. -</p> - -<p> -MEVIL <span class="d">Faust auf den Tisch hämmernd</span>: Verflucht. <span class="d">Stürzt ab.</span> -</p> - -<p> -BOB: Hättest schlagen sollen. Neue Rolle. Bergpredigt. Stümper, -Kean. Splendid, wenn du ihn mit left hand lead off at the mark -genommen, abgeblitzt sein ducking away, dann infighting auf die -Arme, dann back spring und darauf gewaltig knock out. Knockout, -Knockout, mein Sohn. Das ists. Wird dirs schwer heimzahlen, -daß du in Anstand machtest. Hab dich mehr geliebt als -alle, die ich Niagarasprung lernte. Bist Dreiviertelmann geblieben, -Kean, Stümper. Edmond Kean. Ich heule. Selbst Boxen kannst -du nicht. Lern Boxen. -</p> - -<p> -KEAN: Vielleicht irrst du, Meister. -</p> - -<p class="end"> -Schluß des dritten Akts. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="act" id="part-5"> -<a id="page-46" class="pagenum" title="46"></a> -AKT VIER -</h2> - -</div> - -<p class="d"> -Keans Garderobe im Theater. Durch Portiere mehrfach gespaltener Raum. -</p> - -<h3 class="scene" id="chapter-5-1"> -SZENE EINS -</h3> - -<p> -REGISSEUR <span class="d">zu Kean, der eintritt</span>: Knallvoll. -</p> - -<p> -KEAN: Kassenrapport? -</p> - -<p> -REGISSEUR: Ausverkauft. Die Summe ist noch nicht ausgearbeitet. -Ausverkauft ohne Freikarten. -</p> - -<p> -KEAN: Was wollen Sie? -</p> - -<p> -REGISSEUR: Eine Bitte. -</p> - -<p> -KEAN: Wagen Sie sie. -</p> - -<p> -REGISSEUR: Man trampelt auf den hinteren Reihen. -</p> - -<p> -KEAN: Salomon! -</p> - -<p> -SALOMON: Hier. Anwesend. -</p> - -<p> -KEAN: Umziehn. -</p> - -<p> -REGISSEUR: Eine Viertelstunde. -</p> - -<p> -KEAN: Zehn Minuten. <span class="d">Regisseur ab. Zu Salomon</span>: Wie kommt -das? Du bist früher da wie ich. -</p> - -<p> -SALOMON: Ich lief von der Taufe noch über die Wohnung. -</p> - -<p> -KEAN: Und ... -</p> - -<p> -SALOMON: Nach dem sechsten Akt. -</p> - -<p> -KEAN: Sofort. -</p> - -<p> -SALOMON: Die Nacht gekneipt. Tags Tauffest, Boxkampf, Mord. -Vor der Aufführung noch Galle. Schonen Sie Ihr Leben. -</p> - -<p> -KEAN: Du fandest ... -</p> - -<p> -SALOMON: Siegel auf allem. -</p> - -<p> -KEAN: Der beschnittene Jude ... -</p> - -<p> -SALOMON: ... ist nicht mehr der Schuldner. -</p> - -<p> -KEAN: Aber ... -</p> - -<p> -SALOMON: ... der Konstable vertrat vier Parteien. Vierhundert -Pfund. -</p> - -<p> -KEAN: Ein Arrangement. <span class="d">Zuckt die Achseln.</span> -</p> - -<p> -SALOMON: Robustestes Verfahren. Die Anwälte entschuldigten sich. -</p> - -<p> -KEAN: Sie vertraten ... -</p> - -<p> -SALOMON: Lord Mevil. -</p> - -<p> -<a id="page-47" class="pagenum" title="47"></a> -KEAN: Sakrament. Die Bremse. Sticht rasch. In wenigen Stunden. -Ein ganzer Plan. Ich habe es vermutet. Was tun? -</p> - -<p> -SALOMON: Ein Journalist nahm eine Besichtigung vor. -</p> - -<p> -KEAN: Ein Schlachtplan. Ah. Jeden Tag schreibt ein Stallknecht. -Was tuts? -</p> - -<p> -SALOMON: Der Staatsanwalt hat eine Untersuchung eingeleitet -wegen Raubversuch. -</p> - -<p> -KEAN: Gegen Mevil. -</p> - -<p> -SALOMON: Gegen Kean. -</p> - -<p> -KEAN: Er wird auf meinen Brief hin glatt erledigt. -</p> - -<p> -SALOMON: Sie haben den Brief nicht mehr. Aber er hat einen, -in dem Sie ihn in die Taverne locken. -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">sucht</span>: Ich habe ihn nicht mehr. Man hat ihn mir rasch -geklaut. Einen anderen wieder gefälscht. Das Böse hat sich konzentriert. -Ein Plan, eine Front, eine Umzinglung. Ich werde sie -durchbrechen. Paß auf. Ich kann großmütig sein. Ich kann es auch -wieder vergessen. Ich kann auch anders. Sacré. -</p> - -<p> -SALOMON: Wo werden Sie heute nacht schlafen? -</p> - -<p> -KEAN: Im Hotel. Nein. Bestell einen Taxi. Ich fahre die Nacht -durch die Parks von London, es ist ja Mond. Welches Panorama. -</p> - -<p> -SALOMON: Looping the loop. Nehmen Sie lieber die vierhundert -Pfund aus dem Benefiz. -</p> - -<p> -KEAN: Teufel. Wie widerlich. Den Seiltänzern was nehmen. -</p> - -<p> -SALOMON: Borgen. -</p> - -<p> -KEAN: Noch schlimmer. Lakaienrat. Kein Wort mehr. Ich fahre. -Verschwinde. <span class="d">Es klopft. Kean, halb umgekleidet, öffnet eine geheime -Schranktür. Helène erscheint. Kean schließt die Tapetentür. Schließt -mit dem Schlüssel die Garderobentür. Zurück. Fassungslos.</span> Welches -Glück. Welch sinnloses Glück. -</p> - -<h3 class="scene" id="chapter-5-2"> -SZENE ZWEI -</h3> - -<p> -HELENE: Was wollen Sie noch? Welche Probe? Welches Kunststück -haben Sie mir noch vorzuschreiben? -</p> - -<p> -KEAN: Sie demütigen mich. -</p> - -<p> -HELENE: Welche Steigerung haben Sie bereit? Welche Kühnheit? -Welche Tollheit soll Sie jetzt noch reizen, wo Sie das erreicht. -</p> - -<p> -<a id="page-48" class="pagenum" title="48"></a> -KEAN: Es gibt kein Höher mehr. Denn bald werden Sie wieder -gehen. -</p> - -<p> -HELENE: Ihr einziges Gefühl Entgeisterung? Trauer? Deshalb kam -ich nicht. Gestehen Sie: Sie zwangen mich. -</p> - -<p> -KEAN: Ihre Neugier. -</p> - -<p> -HELENE: Zweifeln Sie an meiner Liebe? Nach dem, daß ich -hierher kam? -</p> - -<p> -KEAN: Eine sehr große Probe. An Kühnheit größer als mein Wunsch. -</p> - -<p> -HELENE: Was wünschen Sie noch? Entkleiden Sie mich. Schlagen -Sie mich. -</p> - -<p> -KEAN: Ich bin kein Verführer. Ich liebe Sie nur. -</p> - -<p> -HELENE: Welche Bemühung wollen Sie also noch? Sagen Sie -es. Ich erfülle es. Mein Teil ist dann gegeben, mein Teil ist -dann klar. -</p> - -<p> -KEAN: Fordern Sie jede Handlung von mir, das Unmögliche. -</p> - -<p> -HELENE: Später frage ich Sie. Jetzt antworten Sie mir. Was soll -ich tun? Sie können alles sagen. -</p> - -<p> -KEAN: Was ich besitze, ist schon nicht mehr mein. Die Erde -ist neidisch. Was ich nicht ganz besitze aber, will ich allein haben. -</p> - -<p> -HELENE: Mein Gatte? -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">Handbewegung</span>: Mehr. -</p> - -<p> -HELENE: Furcht? Ein Gefühl, das ich nicht vermutet. Reden Sie. -</p> - -<p> -KEAN: Wenn ich weiß, daß ich auf meiner Seite groß bin, so -weiß ich, es gibt nur eines, groß genug, was ich zu fürchten -brauche: Macht. -</p> - -<p> -HELENE: Wales ... -</p> - -<p> -KEAN: Ich sah Sie nie ohne ihn. Erklomm meine Sehnsucht -die Fahnenstange, riß mich die Eifersucht dunkel herunter, ich -kann nichts dafür, daß mein Herz toll ist. -</p> - -<p> -HELENE: Ich werde ihn nicht mehr sehen. Genügt es? -</p> - -<p> -KEAN: Zuviel. Sie können das nicht halten. Heute abend ... -</p> - -<p> -HELENE: Ich verlasse das Theater. Sie sehen ihn allein in der Loge. -</p> - -<p> -KEAN: Fehlt er aus Zufall, sterbe ich, Sie könnten mit ihm zusammen -sein. -</p> - -<p> -HELENE: Seltsame Frauen, die Sie früher getroffen haben müssen. -Glauben Sie nicht, daß ein Entschluß so groß, ein Plan so kühn -sein kann, daß man den Einsatz glauben muß. -</p> - -<p> -<a id="page-49" class="pagenum" title="49"></a> -KEAN: Ich glaube. -</p> - -<p> -HELENE: Nun frage ich. -</p> - -<p> -KEAN: Fragen Sie groß, viel. -</p> - -<p> -HELENE: Sie irren. Was an ungeheurem Einsatz gegeben werden -kann in dieser Partie, trage ich allein als Risiko. Sie nichts. -Was geben Sie? -</p> - -<p> -KEAN: Mich. Liebe. Meinen Beruf. Fliehen Sie mit mir. -</p> - -<p> -HELENE: Schwärmerei. Was soll ich mit Dingen, die uns schaden? -</p> - -<p> -KEAN: Meine irrsinnige Verehrung. -</p> - -<p> -HELENE: Voraussetzung. Wäre ich sonst da? -</p> - -<p> -KEAN: Was wollen Sie? Garantien, Geld, Stellung, von mir? -</p> - -<p> -HELENE: Würde ich das bei Ihnen suchen? -</p> - -<p> -KEAN: Kein Opfer? -</p> - -<p> -HELENE: Die gebe ich. -</p> - -<p> -KEAN: Keine Handlung? Keine Tollheit? Also Tod. -</p> - -<p> -HELENE: Spielerei. Romantik für Kinder. Worte. Worte. Ich -brauche Beweis. Keine Phantastik. Gibt es Phantastischeres, als -was ich gewagt? -</p> - -<p> -KEAN: Was kann an so Deutlichem und Kleinem die Gegenwagschale -füllen, daß unsere Partien auf gleich stehn? -</p> - -<p> -HELENE: Ein großes und ruhiges Herz. Unbedingte Sicherheit. -Das Zuverlässige. Der Ruhepunkt. -</p> - -<p> -KEAN: Sie werden es haben. -</p> - -<p> -HELENE: Ich wage die Probe. Auch gegen das Unzuverlässige -Ihrer unbiegsamen Männlichkeit. Ein Vertrag. Vergessen Sie -nicht, man kann ihn verlieren. Ich wage den Pakt. -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">umarmt sie</span>: Welches Glück. Ihre Stimme. Ihre Brust. -Ihre Hüften. -</p> - -<p> -HELENE: Nehmen Sie dies Bild. Lassen Sie sich dadurch -warnen. Denken Sie immer an mich. Jede Sekunde. Nehmen -Sie diese Dose. Jede Sekunde. -</p> - -<p> -KEAN: Welches Wunder. Dieser Körper, dieser stolze Geist. -<span class="d">Es klopft.</span> Abgeschlossen. Keine Erregung. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES <span class="d">draußen</span>: Kean. -</p> - -<p> -HELENE <span class="d">mit Haltung</span>: Wales. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Ich, Kean. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Ich, Koefeld. -</p> - -<p> -<a id="page-50" class="pagenum" title="50"></a> -KEAN: Verschleiern Sie sich. Welcher Irrsinn. Welcher Schmerz. -Haltung. Ich liebe Sie. Ruhe ... <span class="d">Nach außen</span>: Welche Betrügerei. -Sind Sie Prinz von Wales, beweisen Sie es ... Ihre Tasche, Helène. -Lassen Sie Ihr Gefühl zu mir die Widerwärtigkeit nicht vergelten. -Sie sind sicher ... <span class="d">Nach außen</span>: Man will meine Garderobe pfänden, -man verfolgt mich wegen vierhundert Pfund ... <span class="d">Es klopft dauernd.</span> -Helène, dicht an der Grenze des Glücks, ich zittre ... <span class="d">Nach außen</span>: -Sind Sie Prinz von Wales, schreiben Sie Ihren Namen auf und -reichen Sie ihn herein. Sind Sie ein Betrüger, werden Sie es nicht -wagen. <span class="d">Zieht den Schlüssel heraus, hängt ein Tuch vor, zurück.</span> -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Amüsant. Was tun Sie? -</p> - -<p> -KEAN: Ich öffne die Tür weit genug für Ihren Namen. -</p> - -<p> -HELENE <span class="d">an der Tapetentür</span>. Helfen Sie mir. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Halo, nehmen Sie doch. -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">an der Tapetentür arbeitend</span>: Sofort. <span class="d">Der Knopf springt ein, -die Tapetentür auf, Kean zurück, zieht aus der Garderobentür ein -Papier.</span> Einen Augenblick. Ich kontrolliere. Mein Licht ist schlecht. -<span class="d">Zu Helène</span>: Sie nehmen mein Herz mit und meinen Stolz. Welches -Glück, Ihr Hals, Ihre Kühnheit. In der Todesstunde werde ich -es nicht vergessen. Sehn Sie, wie ich zittre. Ich habe noch nie -gezittert. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Außen ist alles hell. Lehnen Sie mich ab? -</p> - -<p> -KEAN: Der Schlüssel, Monseigneur, das Aas von Schlüssel. -</p> - -<p> -HELENE: Denken Sie an den Pakt. Jede Sekunde. Diesen Ring -noch. Jede Sekunde, Kean. Ich darf mich nicht irren dieses Mal. -</p> - -<p> -KEAN: Bleiben Sie im Theater. -</p> - -<p> -HELENE <span class="d">schon innen im Gang</span>: Dann sehen Sie mich das letzte -mal mit dem Prinzen. Ertragen Sie es? -</p> - -<p> -KEAN: Gerade. Mein Herz ist groß genug. Ich will es ertragen. -<span class="d">Taumelnd, auf die Knie geworfen, als die Tapetentür zufällt, schwindelnd, -dann auf, es klopft, gefaßt zur Tür, schließt auf.</span> Eine Note von vierhundert -Pfund. Diese Größe haben nur die Buchstaben im ABC -von Monseigneurs Güte. Der Schlüssel. <span class="d">Öffnet. Wales und Koefeld -treten ein.</span> -</p> - -<h3 class="scene" id="chapter-5-3"> -<a id="page-51" class="pagenum" title="51"></a> -SZENE DREI -</h3> - -<p> -PRINZ VON WALES: Der Graf will die Kulissen sehen. Im -Diplomatischen kennt er das, erfahrungsweise. Was ist das? -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">Salomon und Friseur hinter ihnen hereinkommend</span>: Souffleur -und Friseur. Salomon übergibt dem Prinzen von Wales die Banknote -mit meinem Dank. <span class="d">Prinz macht eine Bewegung.</span> Trag sie -an die Kasse. Monseigneur zahlt damit die Loge für das Benefiz -der Kranken. Besichtigen Sie die Loge, Graf. <span class="d">Friseur führt Koefeld -in den Nebenraum.</span> -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Keine Portiere? Keine Falltreppe im -Betrieb? -</p> - -<p> -KEAN: Monseigneur, nehmen Sie Platz. Kennen Sie das Fell? -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD <span class="d">im sichtbaren Nebenraum zum Friseur</span>: Heben -Sie den Fächer auf, der mir fiel. <span class="d">Betrachtet ihn sorgfältig, steckt -ihn ein, zurück.</span> Meine Komplimente. Das ist ja gar nicht ungewöhnlich. -Könnte Ankleideraum höherer Militärs sein. Charge -ab Generalmajor. Komplimente. Auch Säbel. Heilo! Waffen auch. -Bardala. Famos. -</p> - -<p> -KEAN: Ich habe das Außergewöhnliche nie bei Menschen getroffen. -Bei einem Bären einmal, eine zu lange Geschichte. Entschuldigen -Sie mich zwei Minuten zum Frisieren. Es schellt irrsinnig. <span class="d">In den -Nebenraum, wo er voll umgezogen wird, die Romeojacke erhält.</span> -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES <span class="d">zu Koefeld</span>: Enttäuscht? Daß keine Weiber -da waren? Sehen Sie. Armer. <span class="d">Zu Kean hinter der Portiere.</span> Haben -Sie Ärger? Nervös? Ein Kummer? Ich sah Sie nie so eilig. -</p> - -<p> -KEAN: Enttäuschungen, Monseigneur. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Falsche Einstellungen, Kean. Erwarten Sie -nichts, ist alles ein Geschenk. Erwarten Sie vieles, schlägt alles -Ihnen auf das Dach. Undank die Regel. Dank die Ausnahme. -Merken Sie sich Napoleons: le genre humain m’embête. Il me -faut de la solitude. Damit erklimmen Sie jede Entzückung. -</p> - -<p> -KEAN: Unschwer, bei Gott, von einem König gesagt. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Erfahrungen, die hunderte von Jahren im -Blut liegen, Freund. Wer stößt öfter auf die Erbärmlichkeit wie wir? -</p> - -<p> -KEAN: Wem schadet sie weniger? -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Die Köpfe, manchmal, Guter, in meiner -Familie. Weil wir das Renommeestück, den Menschen, kennen, ob -<a id="page-52" class="pagenum" title="52"></a> -wir ihn verachten oder uns für ihn interessieren, wissen wir um -seine Dummheit und Feindlichkeit. Revolutionäre aus Neigung, -sind wir, von der Nutzlosigkeit der Revolten überzeugt, Reaktionäre -aus Weisheit. Wir erwarten gar nichts und haben vor den Barrikadejünglingen, -die stets enttäuscht ihre verbrannten Finger in den -Hades trugen, ungewöhnlich voraus, daß wir, als zurückhaltende -Skeptiker, ihn zu lieben uns erlauben können auch in seiner tiefsten -Erbärmlichkeit. Keine Voraussetzungen – und Sie umarmen die -Weisheit ... Ah Biribi ... Romeo. -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">erscheint aus dem abgeteilten Raum, fast fertig</span>: Lernen Sie -mich diese Distanz der Gefühle. Ich lerne Sie die Leidenschaft, -Monseigneur. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Ich bedarf sie nicht. Ich habe mehr. -</p> - -<p> -KEAN: Ein Geheimnis. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Wie jede Macht, mein Freund, solang -man sie nicht selbst erobert hat, atmet, ruhig besitzt. -</p> - -<p> -REGISSEUR <span class="d">hereinstürzend</span>: Ay ... a ... i ... Strafe, Strafe zahlen. -<span class="d">Sieht Wales.</span> Verzeihung. Untertänig. Respekt. Gehorsam. <span class="d">Ab.</span> -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Darf ich die Loge meiner Frau suchen? -Pünktlichkeit im Dienst und zu Frauen stets Prinzip. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Ich folge. Ich weiß noch nicht, wo ich -sitze. Welche Nummer? Drei. Ich danke. Vielleicht. <span class="d">Koefeld ab.</span> -</p> - -<p> -KEAN: Darf ich wagen zu sagen, es sei ein Geschenk, Sie in -Koefelds Loge zu sehen. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Nirgends anders? -</p> - -<p> -KEAN: Nirgends anders. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Aus Interesse? Soll ich Sie decken? Ein -toller Wunsch. Sie lieben? -</p> - -<p> -KEAN: Bin ich weise genug, dann Ihre Anwesenheit zu ertragen? -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Ihre Gründe. -</p> - -<p> -KEAN: Mein Gefühl ... -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Genügt nicht. Deutlicher. -</p> - -<p> -KEAN: Sie mißtrauen. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Ich sehe nicht klar. -</p> - -<p> -KEAN: Lassen Sie, ich bitte, beiseite, was Liebe heißt. Ein Irrsinniger -könnte nur den größten womöglichen Gegner ersuchen, -an seine Stelle zu treten. Kurz: ich adressiere. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Ich bin kein Schauspieler. -</p> - -<p> -<a id="page-53" class="pagenum" title="53"></a> -KEAN: Es wäre ein Geschenk. Mein Sinn, daß Hohes sich ausgleicht, -ist sehr bestimmt. Träte zur schönsten Frau der bedeutendste -Mann, würden meine Spannungen und Verehrungen unmenschlich -wachsen an solcher Harmonie, zu der ich mich wende. Ich spiele -für Personen, nie für die Masse, Monseigneur. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Ich habe Ihnen noch keinen Wunsch abgeschlagen. -</p> - -<p> -KEAN: Ich werde noch nie so entflammt gespielt haben vor Monseigneur. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Immerhin ... es ist schwer, mich in Erstaunen -zu setzen. <span class="d">Im Hinausgehn.</span> -</p> - -<p> -KEAN: Da Sie nichts erwarten ... -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: ... oder alles. Das ist gleich. <span class="d">Ab.</span> -</p> - -<p> -KEAN: Er wird es Helène sagen, daß ich ihn zu ihr gehetzt. Sie -wird die Unerschütterlichkeit des Herzens nicht verkennen, das diese -Qualen arrangiert, um sie als Zeichen für sie zu erdulden. Herz, -sei stark genug, dies Training zu ertragen. -</p> - -<p> -REGISSEUR <span class="d">kommt</span>: Sind Sie in fünf Minuten nicht fertig, haben -wir eine Oper. Aber im Publikum. -</p> - -<p> -KEAN: Warfen Sie Monseigneur schon einmal hinaus? Sie Taschenmesser. -</p> - -<p> -REGISSEUR <span class="d">zu Salomon</span>: Bewach ihn. Treib ihn an. Schleif ihn -hinüber. Deine Anstellung als Pfand. <span class="d">Ab.</span> -</p> - -<p> -KEAN: Lassen Sie die Ouverture anfangen. Ich spiele sechs Akte -aus vier Stücken zum Benefiz. Ich habe zehn Wölfe im Herzen. -Ich habe nie so gespielt. Friseur. <span class="d">Wird geschminkt. Klopfen an -der Tapetentür. Salomon öffnet. Giza.</span> -</p> - -<p> -GIZA: Die Gräfin ... der Fächer? -</p> - -<p> -KEAN: Vergessen? Welcher? Such ihn. Neben. -</p> - -<p> -GIZA: Mit Türkisen und weißen Pfaufedern. -</p> - -<p> -KEAN: Von Wales. Verdammt. Ist er da? -</p> - -<p> -FRISEUR: Der Herr bei Monseigneur steckte ihn ein. -</p> - -<p> -KEAN: Du sahst es. Ließest es. Sagtest nichts. Läßt mich bestehlen. -Schaf, Hornisse, du Roß ... Salomon, nicht da? <span class="d">Salomon -aus dem Nebenraum, kopfschüttelnd. Kean, nicht mehr schreiend, zu -Giza, ruhig</span>: Mein Kind, Sie flüstern in der Loge ins Ohr der -Gräfin, ihr Gatte habe den Fächer. Sofort. Ohne Aufsehn. Und -<a id="page-54" class="pagenum" title="54"></a> -ruhig. Ich rechne, sagen Sie, mit der ganzen Klugheit der Gräfin. -<span class="d">Giza durch die Wand ab.</span> -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">fassungslos</span>: Gewitter über meinem Haupt. Prasselt alles -wie ein Taubenschlag herunter? Habe ich das gewollt? Verknallter -Frühlingstag, mein Gott. Ganz verloren. Alles entzwei. -Keine Rettung. Kein Ausweg, eins, zwei, drei, vier. Ich habe verloren. -Ich kann schlafen gehn. Abtreten. Aus. <span class="d">Schnallt den Dolch -ab.</span> Ich spiele nicht. -</p> - -<p> -FRISEUR: Die Augenbrauen noch schwarz. -</p> - -<p> -KEAN: Trottel, Intrigant. Ich spiele nicht. -</p> - -<p> -SALOMON: Das Benefiz. -</p> - -<p> -KEAN: Weg. -</p> - -<p> -SALOMON: Bob? -</p> - -<p> -KEAN: Schlag Plakate an. Ich laufe Seil über Hydepark. Fünf -Pfund der Platz. Ich werde Seiltänzer, charmanter Abgang. Fünf -Pfund, ich garantiere den Absturz. <span class="d">Schelle.</span> -</p> - -<p> -FRISEUR: Die Ouverture hat begonnen. -</p> - -<p> -REGISSEUR <span class="d">kommt</span>: Kean. In die Kulisse. Avanti. -</p> - -<p> -KEAN: Ich spiele nicht, Herr. -</p> - -<p> -REGISSEUR: Ihr Vertrag. -</p> - -<p> -KEAN: Gebrochen. -</p> - -<p> -REGISSEUR: Angestelltenrat? -</p> - -<p> -KEAN: Ich werde Seiltänzer. -</p> - -<p> -REGISSEUR: Die Kasse abgeschlossen. Unmöglich mehr, zurückzuzahlen. -Sie zünden das Theater an. -</p> - -<p> -KEAN: Rösten Sie. -</p> - -<p> -REGISSEUR: Ich befehle Ihnen, aufzutreten. -</p> - -<p> -KEAN: Befehlen Sie Ihrem Bauch. Ich will nicht. Ich kann nicht. -Herr, sehen Sie nicht: ich bin verrückt. Mein Herz ist explodiert. -Ich bin schwer verwundet. Innerlich. Hundert Geschoßfetzen. -Kann ich singen, wenn ich verrecke? <span class="d">Schlägt vor Erregung einen -Tisch dem Regisseur vor die Beine. Bob erscheint.</span> -</p> - -<p> -BOB: Spiel, Junge, sonst schlag ich dir die Knochen entzwei. -<span class="d">Regisseur feuert ihn mit Gesten an.</span> Ich blas dich in die Luft. -Stümper. Nicht einmal spielen kannst du. Solar plexus blow. <span class="d">Stößt -ins Horn.</span> Splendid. Narrenhaus. -</p> - -<p> -KEAN: Halt das Maul, Bob. Hinaus, Zigeuner. Stramm gestanden. -Ich kommandiere nun. Ich spiel nicht. -</p> - -<p> -<a id="page-55" class="pagenum" title="55"></a> -BOB: Respekt vergißt du. Heuschrecke. Quatsch. Boxen kannst du -nicht. Seiltanz kannst du nicht. Niagarasprung ... schmonzes. Spielen -willst du nicht. Knockout. Stümper. Auf die Knie. O ... u ... adet. -Rabenaas, unfaires. Sollte dich erledigen mit savate, ins Parterre mit -upper cut. Vatermörder. Spiel oder krepier. Splendid, sträubt sich. -Krieg dich an den Ohren. -</p> - -<p> -KEAN: Mein Lehrer ... guter Lehrer, Gott verzeih mir, hinaus, -du Hund. <span class="d">Schmeißt ihn raus.</span> -</p> - -<p> -REGISSEUR: Ich gehe zur Bühne und zurück und zähle auf -zwanzig. Vor der Tür. Kommen Sie nicht bei einundzwanzig, laß -ich Sie auf die Bühne schleifen, Herr, und aufs Podium werfen -in einem Sack. -</p> - -<p> -KEAN: Gut. Schmeißt mich in die neue Karriere. Zirkus. Ketten -bereit. Fesselsprenger über dem Seil – – – a me me gusta un -harenque ... porque es muy dulce – – – <span class="d">Regisseur hinaus. -Salomon mit ausgebreiteten Armen gegen die Tür.</span> Du ... sperrst -mich ein? Du auch ... spritzt gegen mich Gift? Wegen deiner -Stellung? Bist du schon so zertreten? <span class="d">Schiebt mit dem Fuß nach -ihm, Salomon heulend ihm zu Füßen.</span> -</p> - -<p> -SALOMON: Treten Sie mir den Bauch ein. Hab ich diese elende -Position nicht nur wegen Ihnen behalten? Ich schütze Sie vor -dem Schleifen. -</p> - -<p> -KEAN: Steh auf! <span class="d">Fieberhaft.</span> Alles verloren. Ich habe auf eine -Karte alles gesetzt und rasch verloren. Der Fächer ist die falsche -Karte, die man mir ins Spiel gemogelt. Wales muß den Fächer -decken gegen Graf Koefeld. Wales renkt das Spiel wieder ein, -das ich schon fast verlor. Vor fünf Minuten bestürmte ich ihn, -weil ich mich oben dachte, im Übermut in die Loge der Gräfin -zu gehen, nun sitzt er dort und muß mich decken. Die Leute -haben andere Waffen wie wir. Man vermeidet dort den Angriff, -man ist klüger wie wir, Salomon. Er wird sich zurückziehn, -verschwinden, von Helène zurückeilen. Das Feld ist frei. Ich -habe keinen sichtbaren, aber einen unsichtbaren Konkurrenten. -</p> - -<p> -SALOMON: Was kann ein Gegner schaden, der kein Stichwort -hat, aufzutreten? -</p> - -<p> -KEAN: Daß ich ein Werkzeug des Wales bin, ein Perpendikel -seiner Laune. Wenn er gut ist, überdacht von seiner Güte. Wenn -<a id="page-56" class="pagenum" title="56"></a> -er gemein ist, ein Tänzer auf dem Zufall. Immer geschenkt, dargeboten, -geduldet. Gibt es eine Frau, die das erträgt? Gibt es -einen Mann, der in dieser Rolle wirkt? Unerträglich. Unmöglich. -</p> - -<p> -SALOMON: So werde ich den Prinzen aus der Welt schaffen, um -einen guten Abgang aus ihr zu haben. -</p> - -<p> -KEAN: Zu grob. Das schafft seinen Schatten nicht fort. Treue -Trottelei, Salomon. Das verstehst du nicht. -</p> - -<p> -SALOMON: Das scheint meine Schwäche. -</p> - -<p> -KEAN: Ich kann ihn nur wieder mit Großmut überwinden. Solche -Partien können nur auf dem höchsten Terrain gesiegt werden. -Helène kennt die Niveauunterschiede genau, und man hat sie nur, -wenn man deutlich sie erobert. Ich muß auf sie verzichten. Das -ist die einzige Waffe, sie doch zu bekommen. Ich überlasse sie -Wales als dem Größeren. Ich trete zurück, um ihn zu erhöhen. -Ich muß mich auswetzen wie ein Geschwür und ihm freie Bahn -lassen. So wird sie mich wieder holen. Du bist zu wenig Mann, -um das zu begreifen. Hier wird mit großen Einsätzen der Kühnheit -pointiert. Ich kann nicht kleinmütiger sein wie seine Großmut. -Aber ich spiele um alles. Denn ich liebe sie mehr als ein Toller. -Ich muß ruhig bleiben und lächeln. Nur so kriege ich sie. -</p> - -<p> -SALOMON: Das scheint mir der ungefährlichste Ausweg. -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">auf und ab gehend, man hört den Regisseur draußen zählen</span>. -Aber wird mein Herz größer sein wie mein Blut? Kann ich -Wales nun in Helènes Loge sehen? Vor einer Viertelstunde ein -Kitzel für den Sieger. Als Unterlegener ein Gelächter. Kann -ich stolzer sein als Besiegter wie der Sieger, der sich nichts -merken läßt? Werde ich es aushalten, mein Gott? Ich bin -ohne Kraft, Salomon, und brauche ein kühnes Herz. Man -lernt soviel in seiner Leidenschaft. Ich muß größer sein wie -mein Schmerz. Kühner als mein Glaube. Ich muß es haben, -Salomon ... woher? ... ich muß es haben, oder ich bin -kaput. – – – Den Dolch, Salomon ... den Dolch ... Ich muß -spielen. -</p> - -<p> -SALOMON: Er spielt. <span class="d">Singt</span>: Ach Gottsche, schenk mern Hambelmann, -un e Kordel dezu, daß er zawwele kann. -</p> - -<p> -REGISSEUR <span class="d">herein</span>: Spielt. <span class="d">Fällt gleichzeitig erschöpft in die Knie.</span> -</p> - -<h3 class="scene" id="chapter-5-4"> -<a id="page-57" class="pagenum" title="57"></a> -SZENE VIER -</h3> - -<p class="d"> -Verdunkelung. Kean hinaus. Vorhang. Sofort Musik in die Verdunkelung. Kean -sofort durch den Vorhang auf die Vorderbühne. Blitzschnell. Sofort auf der Vorderbühne -Beginn der Romeoszene. Musik verklingt hinein. -</p> - -<p> -JULIA: -</p> - -<div class="poem"> - <p class="line">Willst du schon gehn? Der Tag ist noch so fern.</p> - <p class="line">Es war die Nachtigall und nicht die Lerche,</p> - <p class="line">Die wilden Rufs dein banges Ohr durchsüßt.</p> - <p class="line">Geliebter, glaub: es war die Nachtigall.</p> -</div> - -<p> -ROMEO: -</p> - -<div class="poem"> - <p class="line">Die Lerche wars, die Tagansagerin.</p> - <p class="line">Nicht Nachtigall. Schon neidet uns ein Streif</p> - <p class="line">des Osts der Wolken liebevollen Samt.</p> - <p class="line">Die Nacht hat ihre Kerzen abgebrannt.</p> - <p class="line">Der Tag hat sich schon auf den Berg getanzt.</p> - <p class="line">Nur Gehen ist uns gut, Verzug ist Tod.</p> -</div> - -<p> -JULIA: -</p> - -<div class="poem"> - <p class="line">Glaub mir, dies Heil ist nicht das Tageslicht.</p> - <p class="line">Fanal ist es, das dir die Sonne schenkt,</p> - <p class="line">wenn du ins Helle jetzt die Nacht durchdringst.</p> - <p class="line">Signal nach Mantua, wenn du zum Gang dich schickst.</p> - <p class="line">Verweile du. Noch ist zu gehn nicht not.</p> -</div> - -<p> -ROMEO: -</p> - -<div class="poem"> - <p class="line">Laß sie mich packen. Tod ist mir bestimmt.</p> - <p class="line">Ich bleibe gern, wenn du mich fassen willst.</p> - <p class="line">Ich will, dies Dämmern ist noch nicht das Morgenaug.</p> - <p class="line">Der Mond hat nur den großen Kreis bereist.</p> - <p class="line">Die Lerche ist das nicht, aus deren Sang</p> - <p class="line">der unsichtbare Himmel um uns reißt.</p> - <p class="line">Ich bleibe nun. Das Gehn ist mir verhaßt.</p> - <p class="line">Herbei, du Tod, wenn Julia dich liebt.</p> - <p class="line">Ruhig, Herz. Das ist nicht Tag, noch flüstern wir uns zu.</p> -</div> - -<p> -JULIA: -</p> - -<div class="poem"> - <p class="line">Der Tag. Der Tag. Auf. Renne rasch von hier.</p> - <p class="line">Es ist die Lerche, die so heiser droht.</p> - <p class="line">Sie ists, die uns in falsche Wirbel flammt.</p> - <p class="line">Man hat gesagt, die Lerche sei so süß.</p> - <p class="line">O wie zerreißt uns diese unser Herz.</p> - <p class="line">Sie hat der Kröte Blick in ihrem Aug.</p> - <p class="line">Hätt sie den Sang mit diesem Tier getauscht,</p> - <p class="line">da sie dein Herz von meinen Brüsten reißt!</p> -<a id="page-58" class="pagenum" title="58"></a> - <p class="line">Wie hat der Jagdruf dich zur Flucht erbleicht.</p> - <p class="line">Geh jetzt, Geliebter, es wird rot und hell.</p> -</div> - -<p> -ROMEO: -</p> - -<div class="poem"> - <p class="line">Ich seh nur schwarz. Und dunkler Leid und Gram.</p> -</div> - -<p> -AMME <span class="d">kommt</span>: -</p> - -<div class="poem"> - <p class="line">Die Mutter regt sich. Bald tritt sie herein.</p> - <p class="line">Der Tag hebt an. Das Haus wird voll Geräusch.</p> -</div> - -<p> -JULIA: -</p> - -<div class="poem"> - <p class="line">Tag schwingt herein. Du Leben, breche aus ...</p> -</div> - -<p> -ROMEO: -</p> - -<div class="poem"> - <p class="line">Wenn deine Lippe noch auf meiner einmal knospt.</p> -</div> - -<p class="d"> -Umarmt Julia, läuft die Treppe der Vorderbühne herunter, stürzt mit einem Aufschrei -zurück, an Julia vorbei, dicht an der Rampe. -</p> - -<div class="poem"> - <p class="line">Ist mir von Irrsinn so mein Herz zerschleißt,</p> - <p class="line">das zuckt und brüllt, daß ich in Fremdem wühl?</p> - <p class="line">Ich Komödiant, ich Kean, Hanswurst, Idiot, Kamel</p> - <p class="line">geht ehr durch Nadelöhrn als ich durch dieses Spiel.</p> - <p class="line">Halunken, Publikum. Clowns, weh, ein Heringsbauch,</p> - <p class="line">schlägt höhnend eure Fratzen jetzt mein Schmerz.</p> - <p class="line">Wo nehm den Mut ich her, jetzt groß zu sein,</p> - <p class="line">wo ich wie eine Kröte hier mich wind</p> - <p class="line">und dort die Größe lächelnd auf mir bäumt?</p> - <p class="line">Für dieses Spiel bin ich zu sehr zerspellt,</p> - <p class="line">Hanswurst ich, Kean, nicht Romeo. Hanswurst.</p> - <p class="line">Wär ich jetzt groß, wie Feuer trieb dies Spiel.</p> - <p class="line">O Gott, mach jetzt mein Herz voll Einsamkeit,</p> - <p class="line">daß ich es trag und alles Gute sag.</p> - <p class="line">Hilf mir. Umsonst flamm ich nicht wie ein Wurm.</p> - <p class="line">Schon quillt mir Gift auf meines Herzens Schlag.</p> - <p class="line">Schon würgt mein Haß der Zunge guten Laut.</p> - <p class="line">Es frißt die Leidenschaft das Gute aus dem Herz.</p> - <p class="line">Erbärmlich ich. Hanswurst. Mein Kean, du Frosch.</p> - <p class="line">Is a long way to Tipperary – – flattert mirs so auf?</p> - <p class="line">Is a long way to go. Ich hin von Haß entstellt.</p> -</div> - -<p class="d"> -Halb verkrampft, tanzend, torkelnd, jetzt voll an die Rampe. Zu der nun mitten im -Rang erleuchteten Loge Helènes, Koefelds, des Prinzen von Wales gerichtet. -</p> - -<div class="poem"> - <p class="line">Ich klag den Prinzen Wales des Irrsinns an,</p> - <p class="line">weil er Geheimnis hat, das in den Staub mich schmeißt.</p> - <p class="line">Erträgt ein Mensch so ruhigen Übermut?</p> - <p class="line">Schlägt Schicksal mir stets Größe ins Gesicht,</p> - <p class="line">die mich erniedert ... Aus der Lüge dieses Spiels</p> - <p class="line">pflück ich Sekunden. Hier ist mein Triumph.</p> -<a id="page-59" class="pagenum" title="59"></a> - <p class="line">Hier rede ich. In die Manege, Monseigneur,</p> - <p class="line">hier auf die Knie. Tanzt vor den Affen nackt</p> - <p class="line">den Foxtrott Ihrer Laster. Guillotine Marsch.</p> - <p class="line">Zu meinem Fuß. Mein Herz lacht wie ein Wolf.</p> - <p class="line">Die Haselrutensehnsucht Ihrer Schenkel ist nicht schwach.</p> - <p class="line">Gekuscht im Winkel. Ab Monokel. Glasaug hol die Pest.</p> - <p class="line">Entschleiert das Geheimnis. Sansculotte. Größe keine Spur.</p> - <p class="line">Sagespäne, Glas statt Hoheit, werft die Puppe in</p> - <p class="line">die Eimer der Verachtung ohne Schmerz.</p> -</div> - -<p> -LORD MEVIL <span class="d">in einer Loge, mitten im Publikum, der anderen -Seite, erleuchtet</span>: Die Hundepeitsche ins Gesicht dem Schuft. -</p> - -<p> -KEAN: Ach, Mevil – Bursche, Wechselfälscher, Mäuschenjäger, -Gladiator deiner Frechheit. Her den Stock. -</p> - -<p> -LORD MEVIL: Verhaftet diesen Hund. Konstable. Ketten. -Stellt vor den Prinz euch. Vor die Krone. Schießt. <span class="d">Knallt nach der Bühne.</span> -</p> - -<p> -KEAN: -</p> - -<div class="poem"> - <p class="line">Schieß weiter, Fälscher. Abgeprallt die Tücke,</p> - <p class="line">kreid ich dich an die Ewigkeit, du Hure</p> - <p class="line">der Rechtsprechung im Parlament. Ich schlag</p> - <p class="line">den Leib mit Prügeln feist dir wie ein Frosch.</p> - <p class="line">Nur Monseigneur kann mehr geschwollen sein</p> - <p class="line">als du. Kean. Ich Hanswurst. Sacré. Mein Puls. Mein Herz.</p> -</div> - -<p class="d"> -Hinter ihm Menschen. Toller Foxtrott. Man beschwört ihn. Salomon kommt aus dem -Souffleurkasten. Aus der Intendantenloge klettern Entsetzte auf die Bühne. Der -Regisseur stürzt herbei. Kean faßt ihn, tanzt den Foxtrott des Orchesters mit ihm, -irrsinnig. -</p> - -<div class="poem"> - <p class="line">Wales am Hund, das Herz in Quasten,</p> - <p class="line">Kean kaputt, Wales liquidiert ... <span class="d">Fällt zusammen.</span></p> -</div> - -<p class="d"> -Der Regisseur geht langsam bis an die Rampe, schneidet mit dem erhobenen Arm haarscharf -den Foxtrott ab. -</p> - -<p> -REGISSEUR: Der Wahnsinn ist über Kean ausgebrochen. -Die Billette zurück. Ich schließe. Verzeihung. -</p> - -<p class="d"> -Ein Schrei aus der Loge der Wales und Koefeld. -</p> - -<p> -REGISSEUR: Arbeiter. Chor. Die Bahre. Arzt. Den Arzt. <span class="d">Bob -hinkt herbei, stößt zweimal ins Horn.</span> -</p> - -<p> -BOB: -</p> - -<div class="poem"> - <p class="line">Ich hab dich mehr geliebt. Dreiviertelsmann.</p> - <p class="line">Du Stümper. Vielgeschrei. Du warfst mich auf,</p> - <p class="line">da schlug dich Undank lahm. Angriff blieb schlecht.</p> - <p class="line">In Großmut Dilettant. Stop. Hier der Rest: knockout.</p> -</div> - -<p class="end"> -Schluß des vierten Akts. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="act" id="part-6"> -<a id="page-60" class="pagenum" title="60"></a> -AKT FÜNF -</h2> - -</div> - -<p class="d"> -Zimmer bei Kean. Zwei Ausgänge links. Ausgänge rechts. Aufmarschiert die vier -Artisten: Viktor, Well, Gonsch, Kauka. Die Mitsäufer Tom, David, Bardolph. Salomon -aus dem Nebenraum. -</p> - -<h3 class="scene" id="chapter-6-1"> -SZENE EINS -</h3> - -<p> -SALOMON: Man muß schon irrsinnig zu sein im Geruch stehn, -damit die Menschen anständig werden. Hilfe für Gesunde erdenkt -niemand. Überall steht der Verstand auf dem Kopf. Wär ich sonst -Souffleur? -</p> - -<p> -VIKTOR: Bob ist entschuldigt. Das Geld des Benefiz war zuviel. -Er hing sich auf. -</p> - -<p> -SALOMON: Splendid. Ein Narr nahm den gewöhnlichen Abgang. -</p> - -<p> -GONSCH: Wir haben draußen abgelegt. -</p> - -<p> -VIKTOR: Zehn Flaschen Pommard. -</p> - -<p> -WELL: Zehn Flaschen Chambertain. -</p> - -<p> -KAUKA: Fünf Flaschen Portwein. -</p> - -<p> -GONSCH: Zwanzig Flaschen Sekt. -</p> - -<p> -VIKTOR: Sieben Flaschen Haut Sauternes. -</p> - -<p> -WELL: Zwanzig Flaschen Château Latour. -</p> - -<p> -KAUKA: Zehn Flaschen Jules Bernin. -</p> - -<p> -GONSCH: Eine kleine Tonne Whisky. -</p> - -<p> -SALOMON: Das habt ihr gut hereingeschifft. Was soll der Herr -damit? -</p> - -<p> -TOM: Sechs Renntierschinken. -</p> - -<p> -DAVID: Vierzig Kilo Honig. -</p> - -<p> -BARDOLPH: Zehn große Hummer. -</p> - -<p> -SALOMON: Das habt ihr gut hereingesetzt. Ihr Trockenen. Ob -ihr vom Festen nicht aufs Nasse spekuliert?! Ihr Trinkerchen. -</p> - -<p> -TOM: Wenn wir auch Hunde sind, saufen wir nicht aus Krankenkübeln. -Was sagt der Arzt? -</p> - -<p> -DAVID: Wenn mich Gott in schweinige Versuchungen auch führt, -bewahrt er mich, aus dem Elend Vorteil zu ziehen. Wie gehts -dem Herrn? -</p> - -<p> -BARDOLPH: Wenn wir auch verdammt dickfellige Därme sind, -kann nur ein Dünndarm wie du meinen, daß unsere nach Arznei -lüstern sind. Wie stehts um die Gesundheit? -</p> - -<p> -<a id="page-61" class="pagenum" title="61"></a> -SALOMON: Den Arzt hat es bei der Diagnose durchs Bein gezuckt. -Handfester Wahnsinn. Man hält Kean schwer ab, seine -Hitzigkeit aus dem Hirn in die Fäuste laufen zu lassen. Schlimm. -Ich rieche Attentate. Mein Hals fühlt sich schon wie ein Korkzieher -stranguliert. Da ich sein Pfleger bin, muß ich bleiben. -</p> - -<p> -DAVID: Er soll bei Gott das Bett nicht fiebrig verlassen. Gute -Gesundheit. -</p> - -<p> -TOM: Ruhe und Eisbeutel aufs Hirn. Beste Besserung. -</p> - -<p> -BARDOLPH: Die Hände gefesselt. Meine Empfehlungen. <span class="d">Alle drei -exakt ab.</span> -</p> - -<p> -SALOMON: Der Herr ist in eine Krise gefahren, aus der er mit -Donner und Blitz wohl nicht herauskommt, sondern wohl etwas -sanfter. Es ist Zeit, aus den frühen Launen in den Sommer einzulaufen. -Ich kann das Hinundherreißen nicht mit. Wenn ihr noch -bleiben wollt, werdet ihr die Konstables als Hundemeute anrücken -sehen. Ich melde euch. -</p> - -<p> -KAUKA <span class="d">hält ihn zurück</span>: Unnötig. Unsere Grüße genügen. Und -das andere. Wir sind schon oft für andere gefangen worden. Bekam -man die Hirsche nicht, nahm man die Hasen. Ein Feigling, -wer sich unnötig in Gefahr begibt. <span class="d">Alle vier exakt ab.</span> -</p> - -<p> -SALOMON: Hier sitze ich. Mönch sollte von der Mutter her -ich werden. Man schlägt mich. Ich besorge die Geschäfte. Habe -ich nicht mehr Hirn wie diese alle? Man tritt mich. Und ich -fühle mich wohl. Sonderbarer Mensch ich. <span class="d">Singt</span>: „Ach Gottsche, -schenk mern Hambelmann, un e Kordel dezu, daß er zawwele -kann.“ Und doch reicht meine ganze Hirnhaut nicht aus, zu ahnen, -wie dieser Tag ausgeht. Etwas Wichtiges muß fehlen bei mir. -Au Backe! Aber was? -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">kommt aus dem Nebenraum, geht durchs Zimmer, ohne Salomon -zu beachten</span>. -</p> - -<p> -SALOMON: Die Siegel sind entfernt. Die Schuld ausgelöst. -Unbekannterweise. -</p> - -<p> -KEAN: Das Gerücht von meinem Wahnsinn läuft weiter. -</p> - -<p> -SALOMON: Ich fürchte nur, daß diejenigen, die es nachträglich -glauben sollen, nicht von seiner Dauer zu überzeugen sind. -</p> - -<p> -KEAN: Ich habe nicht das Gefühl, gestern ein vernunftbegabter -Mensch gewesen zu sein, da ich es bis gestern wahrscheinlich -überhaupt nicht war. -</p> - -<p> -<a id="page-62" class="pagenum" title="62"></a> -SALOMON: Dann muß Ihre Normalität ihren Geburtstag mit -Prozessen, Kerkern, Verfahren beginnen. -</p> - -<p> -KEAN: Kümmre dich um deinen Kopf. Man fällt nicht so -heftig auf die Rampe, ohne daß man aus seinem Kostüm herausrutscht. -Die Listen? -</p> - -<p> -SALOMON: Sind aufgelegt. Die Einzeichnung der Krankenbesuche -gemischt. Adel keiner. Bürger wenig. Viel kleine Leute. -</p> - -<p> -KEAN: Keine Frau? ... Nein ... Ich bin doch wahnsinnig. -</p> - -<p> -SALOMON: Der Wagen steht immer noch an der Ecke. Sie -können noch jetzt fliehen. So gut wie vor zwei Stunden. -</p> - -<p> -KEAN: Ich kann fliehen. Ich kann nicht fliehen. Ich bleibe da. -</p> - -<p> -SALOMON: Seit Jahren der größte Skandal. -</p> - -<p> -KEAN: Wüßtest du, wies in mir ausschaut, tätest du mir so keinen -Pimpam erzählen. -</p> - -<p> -SALOMON: Mit Monseigneur ist nicht mehr zu rechnen. Die -letzte Barriere fällt. Laufen Sie zu dem Wagen. -</p> - -<p> -KEAN: Wenn du eine Ahnung hättest, wie wenig ich mich etwas -entziehen will und wie sehr ich auf etwas warte. -</p> - -<p> -SALOMON: Wenn Sie auf die Gräfin warten, können Sie auch -auf den Mond warten. -</p> - -<p> -KEAN: Aber du weißt nicht, daß ich warte, um etwas gutzumachen. -</p> - -<p> -KONSTABLE <span class="d">kommt, überreicht ein Blatt</span>: Mein Papier. <span class="d">Salutiert.</span> -</p> - -<p> -KEAN: Es ist keine Zeit darauf. -</p> - -<p> -KONSTABLE: Es gibt keine Zeit für Verbrecher, sondern nur -das Gesetz. -</p> - -<p> -KEAN: So gibt es Zeit für das Gesetz. Kannst du ihm nicht -eine halbe Stunde zuschieben? -</p> - -<p> -KONSTABLE: Mein Papier verhaftet Sie auf der Stelle. -</p> - -<p> -SALOMON: Aber das Abführen hat Zeit bis nach Besichtigung -der Räume, Teller, Flaschen. -</p> - -<p> -KONSTABLE: Bestechungsversuch. In deine Fresse zurück. -</p> - -<p> -KEAN: Ich warte auf jemand. Steht der Zeiger auf Sieben-Groß, -komme ich mit. Mein Ehrenwort. Vielleicht kommt gar niemand. -</p> - -<p> -KONSTABLE: Die Verhaftung ist geschehen. Über den Transport -gibt es keine Vorschrift. Also kommandiere ich diesen Fehler. -Es hängt an mir. Ich habe selten swinging blow so in mein Herz -gehen sehen wie Ihren. Knockout zum Kasperllachen. Sie sind -mein Freund, Herr. Ich warte eine halbe Stunde, auf Ihr Ehrenwort. -<a id="page-63" class="pagenum" title="63"></a> -Das habe ich nunmehr beschlossen. Ich habe noch nie etwas -zu beschließen gehabt. <span class="d">Ab. Salomon mit ihm.</span> -</p> - -<p> -KEAN: Eine halbe Stunde. <span class="d">Geht durchs Zimmer.</span> Dann ist es aus. -</p> - -<p> -SALOMON <span class="d">zurück</span>: Die ... Gräfin. -</p> - -<p> -KEAN: Helène ... -</p> - -<p> -SALOMON: Auf der Treppe. -</p> - -<p> -KEAN: Rasch. -</p> - -<p> -SALOMON: Da. <span class="d">Verbeugt sich, hinaus.</span> -</p> - -<h3 class="scene" id="chapter-6-2"> -SZENE ZWEI -</h3> - -<p> -KEAN: Helène. -</p> - -<p> -DAISY <span class="d">sich entschleiernd</span>: Ich. -</p> - -<p> -KEAN: Was wollen Sie? -</p> - -<p> -DAISY: Sie in eine Heilanstalt bringen, wenn Sie krank sind. -</p> - -<p> -KEAN: Ich bin nicht krank. -</p> - -<p> -DAISY: Dann will ich es bedauern, daß Sie es waren. -</p> - -<p> -KEAN: Sie sind ärmer als ich. -</p> - -<p> -DAISY: Irrtum. Seit gestern besitze ich mein Vermögen. Mein -Vormund war ein Betrüger. Er ist entlarvt. -</p> - -<p> -KEAN: Man darf Ihnen gute Verwendung wünschen. -</p> - -<p> -DAISY: Ich habe alle Vorbereitungen getroffen. -</p> - -<p> -KEAN: Sie reisen? -</p> - -<p> -DAISY: Gezwungenermaßen. -</p> - -<p> -KEAN: Glückwünsche zu dem Zustand, der mir verweigert ist. -</p> - -<p> -DAISY: Ich verstehe Sie nicht. -</p> - -<p> -KEAN: Ich bin verhaftet. -</p> - -<p> -DAISY: Irrtum. Sie sind frei. -</p> - -<p> -KEAN: Sie haben den Konstable draußen gesehen. -</p> - -<p> -DAISY: Ist widerrufen. Der neue Entscheid. -</p> - -<p> -KEAN: In Ihren Händen? Ausgefertigt? -</p> - -<p> -DAISY <span class="d">zögernd</span>: Von dem Staatsanwalt. Durch den Prinzen -von Wales. -</p> - -<p> -KEAN: Ich hasse ihn nicht mehr. -</p> - -<p> -DAISY: Als Mittelmann gegen Mevil. -</p> - -<p> -KEAN: Sie erröten. -</p> - -<p> -DAISY: Der wollte nicht nachgeben. Der Appell des Prinzen war -einflußlos. -</p> - -<p> -<a id="page-64" class="pagenum" title="64"></a> -KEAN: Was taten Sie? -</p> - -<p> -DAISY: Ich komme, mich von Ihnen verabschieden. -</p> - -<p> -KEAN: Was taten Sie? -</p> - -<p> -DAISY: Ich trat ihm die Mitgift ab. -</p> - -<p> -KEAN: Sie haben ihn geheiratet. -</p> - -<p> -DAISY: Unnötig. Das Geld genügte. -</p> - -<p> -KEAN: Die Hälfte Ihres Vermögens. -</p> - -<p> -DAISY: Eine kleine Schuld der großen gegenüber, die mein Leben -Ihnen schuldet. -</p> - -<p> -KEAN: Und Sie reisen ... -</p> - -<p> -DAISY: Um den Skandal zu verwischen. Lord Mevil zwang mich -dazu. Ein Pakt mit Mevil. -</p> - -<p> -KEAN: Ich erkenne für mich Ihre Handlungen nicht an. -</p> - -<p> -DAISY: Damit werden Sie mich kompromittieren. Ich bin bereit. -</p> - -<p> -KEAN: Sonderbar. Ich sagte Ihnen beim ersten Mal: Beweisen Sie -mir, daß Sie etwas im Leben meistern, ich rede Ihnen dann zu, -in meinen Beruf zu springen. Heute kann ich es, aber ich stehe -beschämt vor Ihnen. -</p> - -<p> -DAISY: Da ich England verlasse ... -</p> - -<p> -KEAN: Sie haben ein anderes Aussehen bekommen. Ich habe Sie -nicht so gekannt. -</p> - -<p> -DAISY: Sie schulden mir nichts. Ich habe meine Ansicht in diesem -Punkt des Berufs geändert. Ich gab meinen Plan auf. -</p> - -<p> -KEAN: Sind Sie mutlos geworden? -</p> - -<p> -DAISY: Ich war nie entschlossener. -</p> - -<p> -KEAN: Opfer zu bringen, die nicht anzunehmen ich entschlossen -bin. Weinen Sie nicht. -</p> - -<p> -DAISY: Die Sie nicht von mir empfangen, sondern von der Vorsehung, -die Ihre Absichten damit klärt und die darum keine Opfer sind. -</p> - -<p> -KEAN: Gestern hätte ich das nicht verstanden. Heute ist es schon -zu weit. Es schmerzt mich, das zu sehen, was Sie tun und äußern. -Denn ich habe es versäumt. -</p> - -<p> -DAISY: Ich habe nie daran gedacht, daß eine Handlung anders -als zu der ihr bestimmten und richtigen Zeit kommen könne. -</p> - -<p> -KEAN: Sie täuschen sich. Ich sah zum erstenmal, wie ungeheuer -viel ein Herz vermag, indem es sich schrankenlos preisgibt. Aber -ich sehe es zu spät. -</p> - -<p> -DAISY: Ich verstehe Sie nicht. -</p> - -<p> -<a id="page-65" class="pagenum" title="65"></a> -KEAN: Weil Sie nicht wissen, welche Spanne mein Leben von -gestern zu heute durchmessen hat. Weil ich aus Enttäuschungen -und Eitelkeiten so tief abgestürzt heute hinaufblicke, kann ich -nicht wagen, erkennen zu wollen, von wie hoch her Ihre Güte -zu mir herunterkommt. -</p> - -<p> -DAISY: Warum beschämen Sie in mir so sehr das, was ohne -Absicht geschah? -</p> - -<p> -KEAN: Hätte ich früher erkannt, als ich zwar falsch, aber immerhin -auf der Höhe meines Lebens schweifte, welch unvergleichlicher -Besitz mir nah war, wäre das eine große und erhabene Entdeckung -gewesen. Ich wäre glücklich gewesen. Daß ich es jetzt erst sehe, -wo ich verlassen, schutzbedürftig und niedrig bin, nimmt mir vor -mir jedes Recht, es zu ergreifen. Ich weiß, was ich verliere, denn -ich verliere alles. Aber ich kann mich dem nicht entziehen. -</p> - -<p> -DAISY: Wenn ich nicht glaubte, trotzdem glücklich zu sein, müßte -ich denken, daß ich verflucht bin. -</p> - -<p> -KEAN: Gehen Sie. Reisen Sie. Und denken Sie, daß Sie einem -Mann das größte Glück geschenkt haben, indem Sie ihn zum ersten -Male die ganze Größe eines reinen Gefühls sehen ließen. Und -vergessen Sie nicht, daß er, obwohl er zufriedener und klarer ist -wie früher, aufs tiefste leidet und nur die eine Bemühung kennt, -sich Ihrer würdig zu erweisen. -</p> - -<p> -DAISY: Leben Sie wohl. -</p> - -<p> -SALOMON: Die Gräfin. <span class="d">Zieht die Tür hinter sich zu.</span> -</p> - -<p> -KEAN: Ich will sie jetzt nicht mehr sehen. -</p> - -<p> -DAISY: Ich stehe, auch hierin, nicht im Wege. Lassen Sie sie -eintreten. Ich bitte darum. -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">zögernd, dann</span>: Warten Sie hier. <span class="d">Öffnet Daisy das eine -Seitenkabinet.</span> -</p> - -<p> -HELENE <span class="d">eintretend, mit großer Bewegung sich entschleiernd, sie -ist verkleidet</span>: Sie haben verloren. Die Einsätze zurück. -</p> - -<p> -KEAN: Ich habe eine Torheit begangen, die ich aber in einem -gewissen Sinne loben muß, so sehr es Sie kränken mußte. -</p> - -<p> -HELENE: Nur Besessenes, was man verliert, kränkt. Der mißlungene -Versuch platzt in die Luft. -</p> - -<p> -KEAN: Was kann ich tun, Ihre Verzeihung zu erlangen? -</p> - -<p> -HELENE: Unnötig von mir. Ich bin ohne Zorn. Ich ordne die -Dinge exakt. Das Medaillon. -</p> - -<p> -<a id="page-66" class="pagenum" title="66"></a> -KEAN: Hier. -</p> - -<p> -HELENE: Die Dose. -</p> - -<p> -KEAN: Hier. -</p> - -<p> -HELENE: Der Ring. -</p> - -<p> -KEAN: Hier. -</p> - -<p> -HELENE: Ohne Widerspruch. Gut. Die Partie ist ausgeglichen. -Die Pfänder eingesammelt. Leben Sie wohl. -</p> - -<p> -KEAN: Sie ziehen die Summen. Ich aber möchte Ihre Verzeihung -erlangen ... dafür ... -</p> - -<p> -HELENE: Die Trüks sind ausgespielt. -</p> - -<p> -KEAN: Verzeihung ... dafür, ... daß ich Sie nie geliebt habe. -</p> - -<p> -HELENE: Deshalb verloren Sie. Aus keinem anderen Grund. -Glauben Sie zu anderem Zweck als der Erforschung dieser Sache -willen hatte ich den Pakt abgeschlossen? -</p> - -<p> -KEAN: Ich will Sie nicht kränken ... -</p> - -<p> -HELENE: O, es war Größe schon um Sie, als ich Sie sah. -</p> - -<p> -KEAN: Es war Eitelkeit. -</p> - -<p> -HELENE: Gemischt. Mich reizte, zu was Ihr Wesen sich entschlösse. -Sie kamen und plaidierten für die armselige Verfolgte und -warfen mir in der gleichen Sekunde Ihre Leidenschaft ins Gesicht. -Beides war echt. Ich setzte mich ein, es zu lösen. Meine Liebe. -Ich habe alles an diese Frage gesetzt. Nicht ich verlor. Sie verloren. -Ich riskierte nur alles. -</p> - -<p> -KEAN: Ich habe gewonnen ... -</p> - -<p> -HELENE: Vielleicht. Sicher nicht hier. -</p> - -<p> -KEAN: Hier ward nur gesetzt. Nur gespielt. Pointiert. Nicht -geopfert. -</p> - -<p> -HELENE: Verstanden Sie das damals so gut? Habe ich das nicht? -Habe ich nicht vielleicht Sie geopfert? Wissen Sie denn, ob ich -Sie nicht dennoch mehr liebte, als Sie ahnen, und daß ich dieses -Gefühl hingab dem, größere Klarheit zu erreichen. Mein Herz ist -kein Mädchen und durch Enttäuschungen zu großer Art gegangen, -einem Gatten an die Seite gegeben, der es weder an Höhe versteht -noch an Tiefe und es durch Teilnahmlosigkeit täglich kränkt -und beleidigt. Ich habe nach dieser Seite keinen Sinn für das Wort -Pflicht, wo sie mir täglich gebrochen wird, aber ich habe nach der -anderen Seite noch weniger Gefühl für das Uferlose. Was ist Leidenschaft -am Ende? Ein Nichts. Muß man nicht kühl sein, je wilder -<a id="page-67" class="pagenum" title="67"></a> -man erlebt, distanzierter, je zerhackter man ist aus Leidenschaft? -Sie haben das nie gewußt. Ich suchte Weisheit über dem Blut. -Sie gaben, was ich verachte, Skandal. Ich suchte Opferung, bereit -dann selbst zu jedem Opfer. Ich fand ein zerrissenes, unbeherrschtes -Dasein. Ich habe keine Lust an bürgerlichen Sensationen. Ich ziehe -es vor, meine Wege zu beherrschen. Ich kalkuliere mir das Schicksal. -</p> - -<p> -KEAN: Ich habe verloren. -</p> - -<p> -HELENE: Daß Sie es einsehen, beweist eine Erschütterung. Zeigt -eine Erkenntnis. Also haben Sie dennoch gewonnen. Hier aber -zu spät. -</p> - -<p> -KEAN: Ich habe vor Ihnen vorhin etwas Kurioses erblickt, das -Grenzenloseste, Gräfin: ein schlichtes, einfaches Herz. -</p> - -<p> -HELENE: Erkenntnis marschiert auf vielen Wegen. Ich stellte das -Wagespiel ein zwischen Ihrer überlegenen Güte, die ich ahnte, und -Ihrer Zerrissenheit, die ich sah. Es schlug nicht zu mir aus. Aber -es schlug aus. Traf es nach anderen hin, bedeutet es Bindung Ihrer -Kräfte. Ich wünsche Glück. Ich bin neidlos. Zersplittern ist Unfug. -Konzentration alles. Liebe nur ein Augenblick. Ein gebändigtes -Herz hat keine Pause. -</p> - -<p> -KEAN: Welche Schuld habe ich gegen Sie! -</p> - -<p> -HELENE: Keine. Sie lieben Ihre Eitelkeit nicht mehr, die sich -allein vielleicht verging. -</p> - -<p> -KEAN: Habe ich so blind gelebt, nichts geschaut, alles versäumt? -</p> - -<p> -HELENE: Kein sentimentales Schauspiel. Sie werden nun wohl, -wenn Sie besser zu sehen verstehen, der Größe, die Sie auf der -Rampe spielten, die des Menschen hinzufügen. Mein Spiel ist aus. -Sie spielen mit andern. -</p> - -<p> -KEAN: Und Sie? -</p> - -<p> -HELENE: Meine Vorbereitungen sind gelegt. -</p> - -<p> -KEAN: Sie entschieden sich ... -</p> - -<p> -HELENE: Die Dinge entscheiden sich. Ich entscheide mich mit -ihnen. Irrtum, daß irgendeine Entscheidung bei uns liegt. Man geht -mit den Möglichkeiten und beherrscht sie, indem man in ihre -Kurven nicht eingreift. Was heute ich liebe, ist in einem halben -Jahr vielleicht taub. Verlangen Sie Garantien der Seele vom Leben? -Ich nicht. Liebten Sie mich mit Holzbein, ich Sie ohne Magen? -Unausdenkbar. Die Partie hatte zwei Seiten. -</p> - -<p> -KEAN: Ich schied aus. Wales blieb. -</p> - -<p> -<a id="page-68" class="pagenum" title="68"></a> -HELENE: Der Fächer ist gedeckt. Die Endposten sind erreicht. Ich war -nur Zuschauer. Was blieb, hatte recht. Das eine versagte. Das andere -lächelte, als ich es ansah. Ich habe mich für die Macht entschieden. -</p> - -<p> -KEAN: Welche Kühnheit. Soviel kann Erfolg bedeuten! -</p> - -<p> -HELENE: So kommt von selbst zu mir, was ich brauche. Ohne -Bemühung. Sie werden es schmerzlos sehen. -</p> - -<p> -SALOMON <span class="d">draußen</span>: Unmöglich. Ich verbiete. Ich hindere Sie. -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">rasch die Tür des zweiten Kabinets öffnend</span>: Einen Augenblick. -Hier. Eilen Sie. -</p> - -<p> -HELENE <span class="d">überlegen, betont</span>: Keine Angst um mich. Ich bin in -guten Händen. -</p> - -<p> -SALOMON <span class="d">draußen</span>: Zurück. Achtung. Das haut. Schreit. <span class="d">Tür -auf. Graf Koefeld tritt ruhig ein.</span> -</p> - -<h3 class="scene" id="chapter-6-3"> -SZENE DREI -</h3> - -<p> -KEAN: Ich hielt Sie für den Konstable. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Es gibt drei Dinge, die auf meinem Inneren -geschrieben stehn wie auf Bronze: Pflicht, Frauenehre, König. -</p> - -<p> -KEAN: Ziehn Sie daraus ein Recht, bei mir einzubrechen? -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Kennen Sie diesen Fächer? -</p> - -<p> -KEAN: Ich kenne fünf dieser Sorte, die Monseigneur verschenkte. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Ich fand ihn in Ihrer Loge. -</p> - -<p> -KEAN: Sie werden an die Adresse des Prinzen von Wales sich -zu wenden haben, wenn Sie keine Entschuldigung hier anzubringen -haben, daß Sie ihn bei mir raubten. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Monseigeur. Welche Adresse. Danke. Verzeihung. -Kontrollierbar. Jedoch ... -</p> - -<p> -KEAN: Fassen Sie sich kurz. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Meine Frau wird überwacht. In meinem -Auftrag. Die Kontrolleure flitzen. Sie ist hier. -</p> - -<p> -KEAN: Königliche Pflicht, Frauenehre mit Detektivs zu schützen. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Schweigen Sie. Die Kontrolle ist hier am -Ort möglich. Dieses Mal ist sie sicher. Ich werde Ihre Räume -ansehn. Ist die Besichtigung frei? -</p> - -<p> -KEAN: Ich fürchte, ich verstehe Sie nicht. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Sieben Schlachten. Eine Belagerung. Meine -Auszeichnungen die höchsten. Herr, ist die Besichtigung frei? -</p> - -<p> -<a id="page-69" class="pagenum" title="69"></a> -KEAN: Nein. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Dann akzeptieren Sie meine Forderung. Zehn -Meter Abstand. Kugelwechsel bis zum Schluß. Ich schieße zuerst. -</p> - -<p> -KEAN: Einen Narren weist man hinaus. Ich läute. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Sie akzeptieren nicht? -</p> - -<p> -KEAN: Bin ich verrückt? -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Ich erinnere Sie daran. Man wird Sie feig -nennen. -</p> - -<p> -KEAN: Kein Teufel glaubt das. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Die Pflicht des Kavaliers, Ihres Verkehrs, Ihrer -Männlichkeit. Waren Sie nie Soldat? Des Königs Rock, Herr. -Ihre Ehre? -</p> - -<p> -KEAN: Steht in meiner Brust. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Wenn Sie die Beleidigung nicht sühnen und -schießen, bin ich genötigt, mich zu erschießen. Ich hätte anderen -Soldatentod gewünscht. Herr, ich bitte dringend, herzlich: nehmen -Sie die Forderung an. -</p> - -<p> -KEAN: Habe ich Sie denn gekränkt? -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Sie weigern die Besichtigung. Passage ist -nicht frei. Dann bleibt nur ein Ausweg vorher. Ich schieße Sie -zusammen. <span class="d">Zielt.</span> -</p> - -<p> -KEAN: Gut. -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD: Verlassen Sie die Tür. Ich warne. Eins, -zwei ... <span class="d">Die Tür geht auf, Daisy heraus. Außer sich.</span> -</p> - -<p> -DAISY: Ich bin seine Geliebte. Gehen Sie, Herr. -</p> - -<p> -KEAN: Was tun Sie? -</p> - -<p> -GRAF KOEFELD <span class="d">mit dem Rücken nach der Tür ab</span>: Verzeihung, -Gnade, Gnädigste. Eine ungeahnte Bestürzung. Ich bin überrascht. -Ich stehe, beschämt, in allem zur Verfügung. -</p> - -<p> -KEAN: Ich zürne Ihnen nicht. -</p> - -<p> -DAISY <span class="d">Hände vor das Gesicht werfend</span>: Nun bleibt nur noch ein -Weg. <span class="d">Stürzt, fassungslos, nach dem Fenster.</span> -</p> - -<p> -KEAN <span class="d">ihr nach</span>: Gott, Gott, halten Sie. Daisy, Daisy. <span class="d">Faßt sie, -trägt sie zurück.</span> -</p> - -<p> -DAISY: Warum haben Sie das getan? -</p> - -<p> -KEAN: Du wolltest dich töten, Böse. Ich liebe dich doch. Ich -liebe dich doch. -</p> - -<p> -DAISY: Sie haben mich eben noch zurückgestoßen. -</p> - -<p> -<a id="page-70" class="pagenum" title="70"></a> -KEAN: Kann man so vielem widerstehen? -</p> - -<p> -DAISY: Sie übereilen sich. Sie übereilen Ihr Herz. -</p> - -<p> -KEAN: Nicht mehr. Was ist das Stückchen Stolz, das sich gegen -dich wehrte, gegen dieses Maß an Stolz, das du ohne Bedenken -verschwendest. -</p> - -<p> -DAISY: Was habe ich denn getan? -</p> - -<p> -KEAN: Daß ich dein Herz an meine Brust schlagen höre. Ich -bin zu Haus. Das ist alles. -</p> - -<p> -DAISY: Was hast du an mir? -</p> - -<p> -KEAN: Ich muß offen sein, um mein Leben zu erzählen. Ich -habe nach einer Jugend, von der ich nicht reden will, die Möglichkeit -gehabt, alles zu besitzen, was gelobt wird. Ich lebte wie -ein Herr und nahm gläubig alles, was Glück zu sein schien. Ich -habe an Frauen kein geringes Teil meines Lebens gehängt und -in guten Schlössern übernachtet und Fische in Parks gefangen -und mit den besten Leuten meiner Rasse Verkehr gehabt. Ich -habe dies nur für einen Teil des Lebens gehalten und nicht zu -hoch geschätzt und habe in Kaschemmen geschlafen und keines -niederen Menschen Los nicht auch geteilt. Es kam mir zu, daß ich -glaubte, das Leben zu kennen, denn ich war wohl tapfer und auch -feig, das wußte ich, sondern auch klug und töricht. Ich befahl -und richtete sowohl, als ich unterwarf mich und wurde geschmäht. -So konnte nicht fehlen, daß ich mir dachte, daß ich das Leben -kenne und es auch umspanne, ja ich hätte vielleicht gedacht in -manchen Minuten, daß ich weiser sei als viele, ohne dabei zu denken, -daß ich Hochmut treibe. Aber ich habe sicher nie gewußt, was -an Glück das Dasein zu geben vermöge, denn ich habe die Gelegenheit, -daß es der Probe nicht gewachsen ist. Es mußte das -Seltsame sich ereignen, daß mir das Ganze leblos aus der Hand -fällt, und daß ich, von der Reinheit der Absichten eines Menschen -erschüttert, von solchen Schlägen getroffen dastehe, daß alles um -mich herum wie unter Gewittern fällt. -</p> - -<p> -DAISY: Ich habe nichts Besonderes getan. -</p> - -<p> -KEAN: Als du kamst und mir sagtest, an mir wärest du aufgerichtet -und vertrauend auf die Wahrheit geworden, irrtest du. Das -Umgekehrte hat das Recht. Nicht du an mir, sondern ich an dir, -ich ward an soviel Hingabe erst sehend und gläubig. -</p> - -<p> -<a id="page-71" class="pagenum" title="71"></a> -DAISY: Willst du dieser Frau nicht die Tür öffnen, damit du -nicht mehr die Unwahrheit zu sagen brauchst, wenn nach ihr gefragt -wird? -</p> - -<p> -KEAN: Glaubst du nicht, es sei edelmütiger, durch Lüge zu retten, -statt mit der Wahrheit zu vernichten? -</p> - -<p> -DAISY: Ich glaube, daß eine Lüge selbst in diesem Falle nicht -zum Besten führen kann. Man lehrte uns im Kloster, daß wir -nicht gezwungen seien, die Wahrheit zu sagen, daß wir aber nie -lügen dürften. -</p> - -<p> -KEAN: Ich werde dein Schüler sein. Man muß alles neu anfangen. -Nimm die Führung. Ich habe zu viel geführt, um die Irrtümer -nicht zu sehen. Der Rest war Einsamkeit. Ich folge dir, -weil ich dich liebe. <span class="d">Öffnet die Tür, ruft</span>: Leer ... das Zimmer ... -das Fenster auf ... -</p> - -<p> -DAISY <span class="d">läuft hin, hinein, zurück</span>: Ahnte ich es? Tot? Meine -Schuld. Meine Strafe, weil ich log, ich sei deine Geliebte. Bin ich -verflucht? Ich bin doch verflucht. -</p> - -<p> -KEAN: Durch das Fenster ... Faß dich. Sie ist entflohen. -</p> - -<p> -DAISY: Und unten? -</p> - -<p> -KEAN: Wer nicht geführt wird – die Themse. -</p> - -<p> -DAISY: Meinen Weg. Sie hat dich mehr geliebt wie mich. -</p> - -<p> -KEAN: Das weißt du nicht. Das ist unmöglich. -</p> - -<h3 class="scene" id="chapter-6-4"> -SZENE VIER -</h3> - -<p> -KONSTABLE <span class="d">erscheint, die Uhr in der Hand</span>: Der Zeiger ist -auf Sieben eingetroffen. Sieben-Groß. Das Ehrenwort ist fällig. Die -Verhaftung ist gültig seit einer halben Stunde. Eine halbe Stunde -später setzt der Transport ein. Marsch. -</p> - -<p> -DAISY: Er ist frei. -</p> - -<p> -KONSTABLE: Ich habe keine Benachrichtigung. Hier ist mein Blatt -nur gültig, wenn kein anderes auf vorgeschriebenem Weg in meine -Hand kommt. Nichts ist widerrufen. Amtlich. Folgen Sie. -</p> - -<p> -KEAN: Sehen Sie nicht. Ein Mensch ist verschwunden. Ist in die -Themse geraten. Sie sind verrückt. Helfen Sie. -</p> - -<p> -KONSTABLE: Ich habe einmal einen Beschluß zu fassen gehabt -in meinem Leben. Den habe ich heute entschieden. Eine halbe -Stunde Transportaufschub. Respekt vor der Töterei um Sie herum. -<a id="page-72" class="pagenum" title="72"></a> -Respekt vor Serien. Aber glauben Sie, das hält meinen Beschluß -auf? Widersetzen Sie sich nicht. Mein eines Auge weint, wenn ich -Sie rauh anfasse, denn ich sah nie einen boxen so schön. Splendid. -</p> - -<p> -DAISY: Hier ... das Papier. -</p> - -<p> -SALOMON <span class="d">hereinspringend</span>: Dann schlag ich dich zusammen. -Vielleicht hat mir ein Mord gefehlt, um dieses Leben zu kapieren. -</p> - -<p> -KONSTABLE: Ich kenne nur amtliche Papiere. An mich adressiert. -Andres existiert nicht. Was das Boxen betrifft, Herr, bin ich nur -unparteiisch. Time-keeper. Ich verhafte dich mit. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES <span class="d">erscheint, spricht dauernd, unbeweglich, sehr -laut</span>: Hinaus, Konstable. Du auch. <span class="d">Salomon und Konstable verschwinden.</span> -Mein Fräulein Daisy Miller. Herr Kean. <span class="d">Er verbeugt -sich.</span> Sie, Herr, erwarten Strafe und Zorn. Meine Einsicht hat -keinen Grund, Sie aus dem Gesetz zu reißen. Meine Freundschaft -übergibt die Dinge einer milderen Prüfung. Sie gehen an einen -Ort des Gebirgs oder ein Tal der Landschaft, wo in der freieren -Luft der Natur sich Ihr Sinn erholt, bis Sie mein Wort zurückruft. -Gehen Sie. -</p> - -<p> -KEAN: Monseigneur, es ist ein grauenhaftes Geschick ereignet. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Was kann Ihnen bekannt, mir unbekannt sein? -</p> - -<p> -KEAN: Mäßigen Sie Ihre Milde. Halten Sie Ihren Großmut zurück, -damit Sie ihn nicht zurückzurufen brauchen. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Maßen Sie sich keine Korrekturen an. So -stehen Sie nicht da, selbst wenn ich Sie auf den Boden des Vergessens -heraufgestellt habe, daß Sie nörgeln dürfen an dem, was -ich rede und was das Recht in meinen Entschlüssen ist. -</p> - -<p> -KEAN: So werden Sie hören, daß die Dame, deren Namen ich -laut nicht zu sagen wage, durch dieses Fenster verschwunden ist. -Es führt in die Themse. Ich stehe hier in der Bitte und Erwartung, -daß keine Strafe zu klein sei, auf mich zu fallen. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Schwärmer. -</p> - -<p> -KEAN: Verfügen Sie über mich. Ich bin zu sehr zerborsten, daß -nur Strafe mich befriedigen kann. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Sie lebt. -</p> - -<p> -KEAN: Unmöglich. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES: Sie fährt im Wagen eben durch die Stadt. -</p> - -<p> -KEAN: Wie kann sie das? -</p> - -<p> -<a id="page-73" class="pagenum" title="73"></a> -PRINZ VON WALES: Durch mich. Durch meine Leute. Meinen -Befehl. Durch meine Leiter, mein Boot, meine Voraussicht. Meine -Hand war um sie, von Anfang an. -</p> - -<p> -KEAN: Sie haben mich erlöst. Ich beuge mich. Ich habe sehr verloren. -Ich erkenne Ihren Sieg an, neidlos. Es ist Zeit, daß wir zur -Ruhe kommen, um den Anfang gut weiter zu führen. <span class="d">Zu Daisy</span>: -Denn ich habe ein Herz entdeckt. -</p> - -<p> -PRINZ VON WALES <span class="d">fast herrisch</span>: Schauen Sie mir in das -Gesicht. Lassen Sie die Pupille nicht von meiner. Dann wissen -Sie, Herr, daß Sie den bedeutenderen Sieg errungen haben. Daß -Sie am Beginn einer größeren Weisheit stehen. Ich neige mich. -Verlassen Sie die Stadt. Man wird Sie als einen anders Gewordenen -zurückrufen. Entfernen Sie sich mit Eile aus dem Umkreis. Gehen -Sie. Ich wünsche nicht, das Sie etwas hinzufügen. -</p> - -<p class="end"> -Schluß des fünften Akts. -</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="afterword" id="part-7"> -<a id="page-74" class="pagenum" title="74"></a> -PERSÖNLICHES ALS NACHWORT -</h2> - -</div> - -<div class="afterword"> -<p class="first"> -<span class="firstchar">D</span><span class="postfirstchar">as</span> Schauspiel mein Stück zu nennen, ist vielleicht kühn, aber -nicht ohne Berechtigung, wenn es nicht noch toller wäre und -nicht ohne Torheit, es eines von Dumas zu nennen. Dumas ist -ein verteufelt armes Luder, weil er tot ist, und ich habe keinen -Orgueil an der Frage. Man kann auf ihr wie eine schöne Frau -auf einem Dagobert die gewagtesten Positionen einnehmen. Ich -überlasse die Lösung meinen kleinen Feinden, die mir seine Fehler -vorzuwerfen nicht ermatten werden und auch mit Sicherheit bereit -sind, meine Vorzüge in sein Talent zu jonglieren. -</p> - -<p> -Was mich an dem Schmarrn des Franzosen reizte, war das -Genialische, das auch im Kitsch noch zuckt als Geste und Kerl und -Blut. Ich hatte wahrlich nicht den Ehrgeiz, mich von dem Schmiß -der Sache zu einer neuen Sache locken zu lassen, da ich ja die -Freiheit und Möglichkeit wohl hätte, von mir selbst mich zu allen -möglichen Stücken reizen zu lassen, und ich hatte keineswegs die -Lust, den Franzosen zu schlucken, sondern die Absicht, ihn zu -vervollkommnen und diesen verruchtesten und geliebten Reißer zu -einem neuen Stück von Haltung zu machen. Es ging weniger um -die Polierung, eher um das Fundament, und gewiß nicht um eine -Bearbeitung, sondern bestimmt nur um Theater und um sicher -besseres Theater, als in zehn dünnseeligen Geiststücken meiner -immer abstrakter vom Blut wegwandernden Generation. -</p> - -<p> -Der europäische Gascogner hatte sich die Sache leicht gemacht, -wußte prêcher pour sa paroisse und sagte umgekehrt wie die -Englischen gern Baumwolle, wenn er Jesus meinte, was Heine nicht -in seiner Begeisterung störte, als in der Hauptrolle Frédérik Lemaître -dem romanischen Sketsch am einunddreißigsten August -Achtzehnhundertsechsunddreißig im Théâtre des Variétés vor den -Untertanen einer demokratisierenden Bourgeoisie und vor verprügelten -Aristokraten die Weltrichtung gab ... und Dumas damit -aus dem Gekrisch literarischer Diebstähle herausriß, in das ihn -Gardisten seines lächelnden Freundes Victor Hugo gewickelt hatten. -Damals wars rassiger Bluff. Heut ist die Innerlichkeitssubstanz -Geschwätz und Geplausch. Zwischen die (wundervollen) Trüks -muß nun Seele hineinschmettern. Es müssen Menschen dahin, wo -er Dramatisches suchte und Effekte fand, es darf Wahrheit dort sein, -<a id="page-75" class="pagenum" title="75"></a> -wo er gaunerte und Glissandos machte. Wo er gallisch krähte, -muß Schicksal hinein. -</p> - -<p> -Denn schließlich handelt es sich darum, daß dieses funny animal, -dieser tolle Bursche, Kean, nicht aus Unordnung schlampig, sondern -aus elementaren Leidenschaften ungesammelt ist. Daß es nicht auf -das Kostüm ankommt, sondern auf dies Exemplar von Menschen, -nicht auf die Verwirrungen, sondern auf die Dämonie. Daß es von -Bedeutung ist, daß die Backfische und Mondänen und Kokotten des -französischen Theaters nicht aus Bleichsucht gütig und aus Hurerei -lasziv und aus Neugier abenteuerlich sind, sondern daß sie aus Güte -konsequent und aus Lebenskenntnis tragisch und aus Enttäuschungen -überlegen scheinen. Und daß schließlich nicht bei sentimentalen -Saucen verblieben, sondern wahrhaftig zu festeren Ergebnissen fortgeschritten -werden muß. Alles andere ist Unsinn. Das ist der -Weg der Operation. -</p> - -<p> -Der Weg, der keinen anderen Ehrgeiz der Exkursion kannte -als den handwerklichen zum sachlichen Theater in einer theaterlosen -Zeit, schob in alle Kurven eine amüsante Grenze. Man erblickte -stets die Neigung, den alten Faiseur des Genialischen mit -einer schonen Brüskheit aus dem Wagen zu schmeißen, aber man -behielt ihn mit Respekt und lächelnd bei. Die Fahrt erhielt eine -seltsame Mischung von Gefahr und Grazie, von Respekt und Tragödie, -von Fatum und Causerie. -</p> - -<p> -Man spiele daher in den Untergründen, ohne die Eleganz zu -verletzen. Man spiele ganz modern, aber zeitlos. Man boxe und -morde exakt, mit Kenntnis, aber nicht ohne Verständnis für die -Not der Herzen. Man spiele schließlich mit voller Aktualität, aber -durch Stilisiertes ins Breitere der Gefühlsvorgänge gedämpft. Momentan, -aber nicht salonhaft. Tragisch, aber mit Verschweben. -Scharf, rasch, nicht ohne viel Graziles und mit bedeutender Phantasie. -</p> - -</div> - -<p class="date"> -Kreuzeckhaus, Februar 1921. -</p> - -<p class="sign"> -KASIMIR EDSCHMID -</p> - -<div class="frontmatter chapter"> -<p class="printer"> -Manuldruck der<br /> -Spamerschen Buchdruckerei<br /> -Leipzig -</p> - -</div> - -<div class="ads chapter"> -<p class="aut"> -<span class="line1">Von</span><br /> -<span class="line2">KASIMIR EDSCHMID</span><br /> -<span class="line3">erschienen:</span> -</p> - -<p class="pub"> -<span class="line1">BEI ERICH REISS</span> -</p> - -<p class="book"> -<span class="line1">ÜBER DEN EXPRESSIONISMUS IN DER LITERATUR UND DIE NEUE DICHTUNG</span> -</p> - -<p class="pub"> -<span class="line1">BEI KURT WOLFF</span> -</p> - -<p class="book"> -<span class="line1">DIE SECHS MÜNDUNGEN</span><br /> -<span class="line2">NOVELLEN</span> -</p> - -<p class="book"> -<span class="line1">DAS RASENDE LEBEN</span><br /> -<span class="line2">NOVELLEN</span> -</p> - -<p class="book"> -<span class="line1">TIMUR</span><br /> -<span class="line2">NOVELLEN</span> -</p> - -<p class="pub"> -<span class="line1">BEI PAUL CASSIRER</span> -</p> - -<p class="book"> -<span class="line1">DIE FÜRSTIN</span><br /> -<span class="line2">NOVELLEN</span> -</p> - -<p class="book"> -<span class="line1">DIE DOPPELKÖPFIGE NYMPHE</span><br /> -<span class="line2">AUFSÄTZE ÜBER DIE LITERATUR UND DIE GEGENWART</span> -</p> - -<p class="book"> -<span class="line1">DIE ACHATNEN KUGELN</span><br /> -<span class="line2">ROMAN</span> -</p> - -</div> - -<div class="trnote chapter"> -<p class="transnote"> -Anmerkungen zur Transkription -</p> - -<p> -Verlagsanzeigen wurden vom Beginn des Buches and das Ende verschoben. -</p> - -<p> -Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigert. -Weitere Änderungen sind hier aufgeführt (vorher/nachher): -</p> - - - -<ul> - -<li> -... JÜNGLING: Hast du <span class="underline">ihn</span> nicht gefährlich eingeheizt? ...<br /> -... JÜNGLING: Hast du <a href="#corr-3"><span class="underline">ihm</span></a> nicht gefährlich eingeheizt? ...<br /> -</li> - -<li> -... <span class="underline">ruschte</span> Kean seine Stimme in den Magen. Er spie. ...<br /> -... <a href="#corr-5"><span class="underline">rutschte</span></a> Kean seine Stimme in den Magen. Er spie. ...<br /> -</li> - -<li> -... nicht in sechs Teile auseinander? Seltsame Späße <span class="underline">reifen</span> mein Dasein ...<br /> -... nicht in sechs Teile auseinander? Seltsame Späße <a href="#corr-9"><span class="underline">reißen</span></a> mein Dasein ...<br /> -</li> - -<li> -... <span class="underline">Ende</span> des zweiten Akts. ...<br /> -... <a href="#corr-10"><span class="underline">Schluß</span></a> des zweiten Akts. ...<br /> -</li> -</ul> -</div> - - - - - - - - - -<pre> - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Kean, by Kasimir Edschmid - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK KEAN *** - -***** This file should be named 60626-h.htm or 60626-h.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/6/0/6/2/60626/ - -Produced by Jens Sadowski and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net. This book was -produced from images made available by the HathiTrust -Digital Library. - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part -of this license, apply to copying and distributing Project -Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm -concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, -and may not be used if you charge for the eBooks, unless you receive -specific permission. If you do not charge anything for copies of this -eBook, complying with the rules is very easy. You may use this eBook -for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, -performances and research. They may be modified and printed and given -away--you may do practically ANYTHING in the United States with eBooks -not protected by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the -trademark license, especially commercial redistribution. - -START: FULL LICENSE - -THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK - -To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase "Project -Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full -Project Gutenberg-tm License available with this file or online at -www.gutenberg.org/license. - -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project -Gutenberg-tm electronic works - -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all -the terms of this agreement, you must cease using and return or -destroy all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your -possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a -Project Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound -by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the -person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph -1.E.8. - -1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be -used on or associated in any way with an electronic work by people who -agree to be bound by the terms of this agreement. 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