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If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - - - -Title: Führende Denker - Geschichtliche Einleitung in die Philosophie - -Author: Jonas Cohn - -Release Date: December 3, 2017 [EBook #56110] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK FÜHRENDE DENKER *** - - - - -Produced by The Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net - - - - - - - - - - Anmerkungen zur Transkription - - - Das Original ist in Fraktur gesetzt. Im Original gesperrter, - unterstrichener bzw. kursiver Text ist _so ausgezeichnet_. Im - Original in Antiqua gesetzter Text ist ~so markiert~. Im Original - fetter Text ist =so gekennzeichnet=. - - Randbemerkungen des Originals wurden in [] eingeschlossen. - - Weitere Anmerkungen zur Transkription befinden sich am Ende des - Buches. - - - - -Die Sammlung - -»Aus Natur und Geisteswelt« - - -nunmehr über 700 Bändchen umfassend, dient seit ihrem Entstehen -(1898) den Gedanken, auf denen die heute sich so mächtig entwickelnde -_Volkshochschulbewegung_ beruht. Sie will jedem geistig Mündigen -die Möglichkeit schaffen, sich ohne besondere Vorkenntnisse an -sicherster Quelle, wie sie die Darstellung durch berufene Vertreter -der Wissenschaft bietet, über jedes Gebiet der Wissenschaft, Kunst und -Technik zu unterrichten. Sie will ihn dabei zugleich unmittelbar im -_Beruf fördern_, den _Gesichtskreis erweiternd_, die _Einsicht_ in die -Bedingungen der Berufsarbeit _vertiefend_. - -Sie bietet wirkliche »_Einführungen_« in die Hauptwissensgebiete für -den _Unterricht oder Selbstunterricht des Laien_ nach den heutigen -methodischen Anforderungen. Diesem Bedürfnis können Skizzen im -Charakter von »Auszügen« aus großen Lehrbüchern nie entsprechen, denn -solche setzen eine Vertrautheit mit dem Stoffe schon voraus. - -Sie bietet aber auch dem _Fachmann eine rasche zuverlässige Übersicht_ -über die sich heute von Tag zu Tag weitenden Gebiete des geistigen -Lebens in weitestem Umfang und vermag so vor allem auch dem immer -stärker werdenden Bedürfnis des _Forschers_ zu dienen, sich _auf den -Nachbargebieten_ auf dem laufenden zu erhalten. - -In den Dienst dieser Aufgabe haben sich darum auch in dankenswerter -Weise von Anfang an die besten Namen gestellt, gern die Gelegenheit -benutzend, sich an weiteste Kreise zu wenden, an ihrem Teil bestrebt, -an der »Sozialisierung« unserer Kultur mitzuarbeiten. - -So konnte der Sammlung auch der Erfolg nicht fehlen. Mehr als die -Hälfte der Bändchen liegen, bei jeder Auflage durchaus neu bearbeitet, -bereits in 2. bis 7. Auflage vor, insgesamt hat die Sammlung bis jetzt -eine Verbreitung von fast 5 Millionen Exemplaren gefunden. - -Alles in allem sind die schmucken, gehaltvollen Bände besonders -geeignet, die Freude am Buche zu wecken und daran zu gewöhnen, einen -kleinen Betrag, den man für Erfüllung körperlicher Bedürfnisse nicht -anzusehen pflegt, auch für die Befriedigung geistiger anzuwenden. Durch -den billigen Preis ermöglichen sie es tatsächlich jedem, auch dem wenig -Begüterten, sich eine Bücherei zu schaffen, die das für ihn Wertvollste -»Aus Natur und Geisteswelt« vereinigt. - - _Jedes der meist reich illustrierten Bändchen - ist in sich abgeschlossen und einzeln käuflich_ - - Leipzig, im September 1920. - - B. G. Teubner - - - - -Bisher sind =zur Philosophie und Psychologie erschienen=: - - -[Zur Einführung] - -=Einführung in die Philosophie.= Von Professor ~Dr.~ _R. Richter_. 4. -Auflage von Privatdozent ~Dr.~ _M. Brahn_. (Bd. 155.) - -=Die Philosophie.= Ihr Wesen, ihre Grundprobleme, ihre Literatur. Von -Realgymnasialdirektor _H. Richert_. 3., verb. Aufl. (Bd. 186.) - -=Philosophisches Wörterbuch.= Von Oberlehrer ~Dr.~ _P. Thormeyer_. 2. -Aufl. (Teubners kl. Fachwörterbücher Bd. 4) geb. M. 5.-- - - -[Logik und Psychologie] - -=Grundriß der Logik.= Von ~Dr.~ _K. J. Grau_. (Bd. 637.) - -=Einführung in die Psychologie.= Von Prof. ~Dr.~ _E. von Aster_. 2. -Auflage. Mit 4 Figuren. (Bd. 492.) - -=Einführung in die experimentelle Psychologie.= Von Prof. ~Dr.~ _N. -Braunshausen_. 2. Aufl. Mit 17 Abb. im Text. (Bd. 484.) - -=Die Seele des Menschen.= Von Geh. Rat Professor ~Dr.~ _J. Rehmke_. 5. -Auflage. (Bd. 36.) - -=Die Mechanik des Geisteslebens.= Von Geh. Med.-Rat Dir. Prof. ~Dr.~ -_M. Verworn_. 4. Aufl. Mit 19 Abb. i. T. (Bd. 200.) - -=Die Sinne des Menschen, Sinnesorgane u. Sinnesempfind.= Von Hofr. -Prof. ~Dr.~ _J. K. Kreibig_. 3. Aufl. Mit 30 Abb. (Bd. 27.) - -=Psychologie des Kindes.= Von Professor ~Dr.~ _R. Gaupp_. 4. Auflage. -Mit 17 Abbildungen. (Bd. 213/14.) - -=Geistige Veranlagung und Vererbung.= Von ~Dr. med. et phil.~ _G. -Sommer_. 2. Auflage. (Bd. 512.) - -=Leib und Seele in ihrem Verhältnis zueinander.= Von ~Dr. med. et -phil.~ _G. Sommer_. (Bd. 702.) - -=Angewandte Psychologie.= Methoden und Ergebnisse. Von ~Dr. phil. et -med.~ _E. Stern_. (Bd. 771.) - -=Die Handschriftenbeurteilung.= Eine Einführg. i. d. Psycholog. d. -Handschrift. Von Prof. ~Dr.~ _G. Schneidemühl_. 2., durchges. u. erw. -Aufl. Mit 51 Handschriftennachbild. i. T. u. auf 1 Tafel. (Bd. 514.) - -=Hypnotismus und Suggestion.= Von ~Dr.~ _E. Trömner_. 3. Auflage. (Bd. -199.) - -=Die Psychologie d. Verbrechers.= Kriminalpsychol. Von -Strafanstaltsdir. ~Dr. med.~ _P. Pollitz_. 2. Aufl. Mit 5 Diagr. (Bd. -248.) - -*=Psychologisches Wörterbuch.= Von ~Dr.~ _F. Giese_. (Teubners kleine -Fachwörterbücher, geb. ca. M. 6.--) - - -[Ethik] - -=Grundzüge der Ethik.= Mit besonderer Berücksichtigung der -pädagogischen Probleme. Von _E. Wentscher_. 2. Aufl. (Bd. 397.) - -=Aufgaben und Ziele des Menschenlebens.= Nach Vorträgen im -Volkshochschulverein zu München, gehalten von Professor ~Dr.~ _J. -Unold_. 5., verb. Auflage. (Bd. 12.) - -=Sittl. Lebensanschauung.= d. Gegenwart. Von Geh. Kirchenr. Prof. ~Dr.~ -_O. Kirn_. 3. A., durchges. v. Prof. ~D. Dr.~ _O. H. Stephan_. (177.) - -=Das Problem der Willensfreiheit.= Volkshochschulvorträge. Von -Professor ~Dr.~ _G. F. Lipps_. 2., veränd. Aufl. (Bd. 383.) - -=Sexualethik.= Von Prof. ~Dr.~ _H. E. Timerding_. (Bd. 592.) - - -[Ästhetik] - -*=Einführung in die Geschichte der Ästhetik.= Von Prof. ~Dr.~ _H. -Nohl_. (Bd. 602.) - -=Ästhetik.= Von Professor ~Dr.~ _R. Hamann_. 2. Aufl. (Bd. 345.) - -=Poetik.= Von ~Dr.~ _R. Müller-Freienfels_. (Bd. 460.) - - -[Religionsphilosophie] - -=Das Leben nach dem Tode im Glauben der Menschheit.= Von Prof. ~Dr.~ -_C. Clemen_. (Bd. 544.) - -=Religion und Naturwissenschaft in Kampf und Frieden.= Von Pfarrer -~Dr.~ _A. Pfannkuche_. 2. Aufl. (Bd. 141.) - - -[Naturphilosophie] - -=Naturphilosophie.= Von Professor ~Dr.~ _J. M. Verweyen_. 2. Aufl. (Bd. -491.) - -=Entstehung der Welt u. der Erde nach Sage u. Wissenschaft.= Von Geh. -Reg.-Rat Prof. ~Dr.~ _M. B. Weinstein_. 3. Aufl. (Bd. 223.) - -=Der Untergang der Welt u. der Erde in Sage u. Wissenschaft.= Von Geh. -Reg.-Rat Professor ~Dr.~ _M. B. Weinstein_. (Bd. 470.) - -=Sternglaube und Sterndeutung.= Die Geschichte und das Wesen der -Astrologie. Unter Mitwirkung von Geh. Rat Prof. ~Dr.~ _K. Bezold_ -dargestellt von Geh. Hofrat Prof. ~Dr.~ _Fr. Boll_. 2. Aufl. Mit 1 -Sternkarte und 20 Abbildungen. (Bd. 638.) - - -[Geschichte der Philosophie] - -=Führende Denker.= Geschichtliche Einleitung in die Philosophie. Von -Prof. ~Dr.~ _J. Cohn_. 4., durchges. Aufl. Mit 6 Bildn. (Bd. 176.) - -*=Sozialismus in d. Philosophie vom Altertum bis zur Gegenwart.= Von -Provinzialschulrat Prof. ~Dr.~ _K. Vorländer_. (Bd. 824.) - -=Die Freimaurerei.= Eine Einführung in ihre Anschauungswelt und ihre -Geschichte. Von Geh. Rat ~Dr.~ _L. Keller_. 2. Aufl. von Geh. Archivrat -~Dr.~ _G. Schuster_. (Bd. 463.) - - -[Philosophie d. Altertums] - -=Griech. Weltanschauung.= V. Prof. ~Dr.~ _M. Wundt_. 2. Aufl. (Bd. 329.) - -*=Religion und Philosophie im alten Orient.= Von Prof. ~Dr.~ _E. v. -Aster_. (Bd. 521.) - - -[Neuere Philosophie] - -=Die Weltanschauungen der großen Philosophen der Neuzeit.= Von -Professor ~Dr.~ _L. Busse_. 6. Auflage, herausgegeben von Geh. Hofrat -Professor ~Dr.~ _R. Falckenberg_. (Bd. 56.) - -=Die großen englischen Philosophen Locke, Berkeley, Hume.= Von -Oberlehrer ~Dr.~ _P. Thormeyer_. 2. Aufl. (Bd. 481.) - -=Rousseau.= Von Prof. ~Dr.~ _P. Hensel_. 3. Aufl. Mit Bildn. (Bd. 180.) - -=Immanuel Kant.= Darstellung und Würdigung. Von Geh. Hofrat Prof. ~Dr.~ -_O. Külpe_. 5. Aufl., hrsg. von Prof. ~Dr.~ _A. Messer_. Mit 1 Bildnis -Kants. (Bd. 146.) - -=Schopenhauer.= Seine Persönlichkeit, seine Lehre, seine Bedeutung. Von -Realgymn.-Dir. _H. Richert_. 4. Aufl. Mit 1 Bildnis. (Bd. 81.) - -=Herbarts Lehren und Leben.= Von Pastor _O. Flügel_. 2. Aufl. Mit 1 -Bildnis Herbarts. (Bd. 164.) - -=Herbert Spencer.= Von ~Dr.~ _K. Schwarze_. Mit 1 Bildnis. (Bd. 245.) - - -[Neueste Philosophie] - -=Die Philosophie der Gegenwart in Deutschland.= Von Geh. Hofrat Prof. -~Dr.~ _O. Külpe_. 7., verb. Auflage. (Bd. 41.) - -=Okkultismus, Spiritismus u. unterbewußte Seelenzustände.= Von ~Dr.~ -_R. Baerwald_. (Bd. 560.) - -*=Theosophie u. Anthroposophie.= Von Privatdozent Studienrat ~Dr.~ _W. -Bruhn_. (Bd. 775.) - -=Henri Bergson, der Philosoph moderner Religion.= Von Pfarrer ~Dr.~ _E. -Ott_. (Bd. 480.) - - -_Die mit * bez. u. weitere Bände befinden sich in Vorber._ - - - - - Aus Natur und Geisteswelt - - Sammlung wissenschaftlich-gemeinverständlicher Darstellungen - - 176. Band - - Führende Denker - - Geschichtliche Einleitung in die Philosophie - - Von - - Jonas Cohn - - ao. Professor a. d. Universität Freiburg i. Br. - - Vierte, durchgesehene Auflage - - 17.--21. Tausend - - Mit 6 Bildnissen - - [Illustration] - - Verlag und Druck von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin 1921 - - - - -Inhaltsverzeichnis. - - - Seite - - Zur Einführung 3 - - Erster Vortrag: Sokrates 5 - - Zweiter Vortrag: Platon 25 - - Dritter Vortrag: Descartes 40 - - Vierter Vortrag: Spinoza 56 - - Fünfter Vortrag: Kant 71 - - Sechster Vortrag: Fichte (Kants praktische Philosophie.) 94 - - Register 117 - - -Schutzformel für die Vereinigten Staaten von Amerika - -_Copyright 1921 by B. G. Teubner in Leipzig._ - -Alle Rechte, einschließlich des Übersetzungsrechts, vorbehalten. - - - - -Zur Einführung. - - -Nicht in die Geschichte der Philosophie, sondern _durch_ Geschichte -in die Philosophie selbst will dieses Buch einleiten. Diese Absicht -bestimmte die Auswahl nicht nur der Denker, sondern auch dessen, was -von jedem Denker gegeben wurde. Überall habe ich mich bemüht, das für -die Philosophie dauernd Bedeutende herauszuarbeiten. An Darstellungen, -die auch die Nebenzüge und Gegenströmungen im Geiste der großen -Denker wiedergeben, fehlt es nicht. Wo der Leser zwischen solchen -Darstellungen und der meinigen Widersprüche zu bemerken glaubt, bitte -ich ihn, an jene besondere Absicht meiner Vorträge zu denken. - -Hervorgegangen ist diese Absicht aus der festen Überzeugung, daß die -Philosophie im Laufe ihrer Entwicklung mehr als eine Summe geistreicher -Einfälle hervorgebracht hat. Gerade wenn man auf die Hauptzüge der -Entwicklung allein sieht, erkennt man, daß auch in der wichtigsten -aller Wissenschaften Wahrheiten von grundlegender und ewiger Bedeutung -gefunden worden sind, Wahrheiten, wohl geeignet, als Stütze des Lebens -zu dienen. - -Die folgenden Vorträge wurden im Dezember 1906 in Freiburg i. Br. -vor Hörern jedes Standes und Geschlechts gehalten. Der Eifer, mit -dem zahlreiche Teilnehmer, vielfach nach anstrengender Tagesarbeit, -meinen Ausführungen folgten, zeigte mir, wie weit das Bedürfnis nach -Philosophie verbreitet ist. Auch die gedruckten Vorträge möchten -weitesten Kreisen dienen. Deshalb habe ich absichtlich den Ton der -mündlichen Rede im wesentlichen festgehalten. Nur die Wiederholungen -des Vortrags, die der Leser durch Zurückschlagen ersetzen kann, wurden -gekürzt und dafür einige Abschnitte eingefügt, die etwas tiefer -in die behandelten Fragen hineinführen, bei einmaligem Hören aber -unverständlich geblieben wären. - -Zu weiterer Selbstbelehrung wird die Vergleichung meiner Darstellung -mit anderen neueren Einleitungen in die Philosophie beitragen. Es -handelt sich ja nicht darum, auf Eines Worte zu schwören, sondern -durch eigene Prüfung seine feste Überzeugung zu gewinnen. Absichtlich -nenne ich unter diesen einführenden Büchern kein einzelnes; sie sind -leicht zu finden, auch _diese Sammlung_ enthält mehrere hierhergehörige -Bände. Als Werke, in denen die gleichen Grundüberzeugungen wie hier -vertreten werden, und die geeignet scheinen, zu gründlicherer Einsicht -zu führen, möchte ich nur: _Windelband_, Präludien, und _Hensel_, -Hauptprobleme der Ethik, anführen. Vor allem aber rate ich, einige -Hauptwerke der großen hier behandelten Philosophen selbst zu lesen, die -meist in der philosophischen Bibliothek (Felix Meiner, Leipzig), zum -Teil auch in Reclams Universal-Bibliothek erschienen sind. Als leichter -verständliche Schriften kommen vor allem in Betracht: - - -Zu Vortrag I: - - _Xenophon_: Erinnerungen an Sokrates. - - _Platon_: Verteidigung des Sokrates, Kriton, Laches. - -Zu Vortrag II: - - _Platon_: Protagoras, Gorgias, Phädon, Gastmahl. - -Zu Vortrag III: - - _Descartes_: Abhandlung über die Methode. Betrachtungen über die - Metaphysik. - -Zu Vortrag IV: - - _Spinoza_: Abhandlung über die Verbesserung des Verstandes. - -Zu Vortrag V: - - _Kant_: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik. - Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. - -Zu Vortrag VI: - - _Fichte_: Die Bestimmung des Menschen. Einige Vorlesungen über - die Bestimmung des Gelehrten. Der geschlossene Handelsstaat. - Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters. Reden an die deutsche - Nation. - - -[Absicht des Buches] - -Der Absicht dieser Vorträge gemäß habe ich nirgends die Forscher -zitiert, denen ich Tatsachen oder Anregungen verdanke. Der Sachkundige -bemerkt ohnedies, welchen neueren Philosophen, Geschichtschreibern -und Biographen ich mehr oder minder folge. Es braucht kaum gesagt zu -werden, daß eine allgemeinverständliche Einführung nicht den Anspruch -erhebt, neue Ergebnisse mitzuteilen. Überhaupt bitte ich alle, die -gleich mir ihr Leben der Arbeit an philosophischen Problemen gewidmet -haben, zu bedenken, daß dies Buch nicht für sie geschrieben wurde, -wiewohl sie allein seine zuständigen Richter sind. - -Jede neue Auflage habe ich genau durchgesehen, die vierte -besonders auch auf die Verständlichkeit und Einsichtigkeit -des Gedankenfortschritts hin. Das Büchlein ist hier und da im -philosophischen Unterricht unserer höheren Schulen gebraucht worden; -ich habe Winke eines Lehrers dankbar benutzt und bitte herzlich, mir -weitere Erfahrungen mitzuteilen. Den Plan des Ganzen glaubte ich -beibehalten zu sollen, insbesondere konnte ich mich nicht entschließen, -ihn durch die -- von manchen Beurteilern gewünschte -- Aufnahme anderer -Philosophen zu sprengen. »Führende Denker« -- darunter verstehe ich -hier solche, die geeignet sind, zur Philosophie hinzuführen. Die großen -Systematiker aber, ein Aristoteles, Leibniz, Hegel setzen zu ihrem -Verständnis schon geschultes philosophisches Denken und überdies, da -sie das ganze Wissen ihrer Zeit verarbeiten, zahlreiche sachliche und -geschichtliche Kenntnisse voraus. Gerade weil ich diese umfassenden -Geister verehre, widerstrebt es meinem Gefühl, ihnen durch eine -abgekürzte Darstellung Unrecht zu tun. Anders steht es mit Denkern, -deren Größe mehr in der Fragestellung und in der Entdeckung einiger -großen Grundgedanken besteht. Diese allein scheinen mir auch geeignet -zu sein, das Verständnis für Philosophie zu wecken. - - - - -Erster Vortrag. - -Sokrates. - - -Es ist schwierig, vor unbekannten Hörern von Philosophie zu reden. -Da nämlich Philosophie den ganzen Menschen ergreifen will, muß ein -philosophischer Vortrag mehr als jeder andere mit der inneren, tätigen -Anteilnahme des Hörers rechnen. Alle Philosophie sucht Antwort zu -geben auf die Frage nach der Bestimmung des Menschen. So mannigfaltig -die Gegenstände sind, mit denen sie sich beschäftigt, sie wählt -diese Gegenstände nur, weil sie von ihnen Auskunft erhofft über das -wichtigste aller Probleme: Was soll ich in dieser rätselhaften Welt? -Nur bei Hörern, die von dieser Frage irgendwie schon beunruhigt worden -sind, kann ein philosophischer Vortrag hoffen, Verständnis zu finden. -Ich nehme an, daß Sie alle in irgendeiner Weise diese Unruhe empfunden -haben, daß also ein Bedürfnis nach Philosophie bei Ihnen besteht. -Ein solches Bedürfnis _muß_ ich voraussetzen, weiter aber will ich -_nichts_ voraussetzen. Ich werde mich bemühen, Ihnen zu größerer -Klarheit über das zu verhelfen, was Sie suchen, und Ihnen die Wege -zeigen, auf denen jenes Bedürfnis so viel echte Befriedigung wie irgend -möglich findet. Als geeignetes Mittel zu diesem Zwecke erscheint mir, -Ihnen die Hauptgedanken der Philosophie in innigster Verbindung mit -dem Leben der großen Denker vorzuführen. Denn diese Gedanken sind -aus dem inneren Erleben bedeutender Persönlichkeiten hervorgegangen; -die Kenntnis dieser Persönlichkeiten ist zwar nicht der kürzeste und -wissenschaftlichste, wohl aber der gangbarste und angenehmste Weg, um -Verständnis für ihre Gedanken zu gewinnen. - -Nicht neue Ergebnisse der Wissenschaft, sondern alte Weisheit will ich -Ihnen vortragen. Sollte einer oder der andere dadurch sich enttäuscht -fühlen, so müßte ich mit einer Anekdote antworten. Ein leutseliger -König besuchte einst eine Sternwarte und fragte den leitenden -Astronomen: »Was gibt's Neues am Himmel?« Der schlagfertige Gelehrte -antwortete mit der Gegenfrage: »Kennen Majestät schon das Alte?« - -Alte Weisheit also will ich versuchen, Ihnen so vorzuführen, daß -sie neu erscheint -- neu im Sinne von neu erlebt. Ich will mich -bemühen, Ihnen die scheinbar entlegenen und lebensfremden Gedanken -aus der Seele führender Denker heraus in ihrer inneren, lebendigen -Bedeutung nahezubringen. Unter den großen Philosophen habe ich sechs -Männer gewählt, die zugleich die drei fruchtbarsten Zeitalter in der -Geschichte des philosophischen Denkens vertreten und die sich paarweise -zueinander wie Lehrer und Schüler verhalten: _Sokrates_ und _Platon_, -_Descartes_ und _Spinoza_, _Kant_ und _Fichte_. Jedem von ihnen soll -ein Vortrag gewidmet sein. Warum ich gerade diese Männer auswählte, -kann sich nur durch den Fortgang meiner Betrachtungen rechtfertigen. - - -[Vaterstadt und Zeitalter] - -Bei dem ersten unter ihnen freilich ist das sofort klar. Man _kann_ nur -bei _Sokrates_ beginnen, wenn man die Philosophie lebendig erfassen -will. Leben und Denken sind bei ihm innig verflochten. Er hat seine -Philosophie nicht in Büchern, sondern in seiner Lebensführung und -seinen Gesprächen dargestellt. Vielleicht war das mit dieser ungeheuren -Wirkung auch nur in seiner Heimat und zu seiner Zeit möglich. Sokrates -ist um das Jahr 470 v. Chr. als Sohn des Bildhauers Sophroniskos, -den wir uns als Handwerker, nicht als Künstler vorstellen müssen, -in Athen geboren. Seine Mutter übte den Beruf einer Hebamme aus. Er -stammte also aus kleinbürgerlichen Verhältnissen. Aber die Armut -hinderte einen Athener jener Zeit nicht daran, seinen Geist zu bilden. -Athen stand damals auf dem Gipfel seiner Macht, es war nicht mehr -Hauptstadt eines griechischen Kleinstaates, sondern Mittelpunkt eines -Bundes von Seestaaten, der tatsächlich nahezu die Festigkeit eines -einheitlichen Reiches hatte. Dadurch beherrschte nach den Perserkriegen -das siegreiche Athen die Küsten Asiens und die Inseln des östlichen -Mittelmeeres. Reichtum durchströmte die Stadt und wurde bei der -demokratischen Verfassung in Festen, Spielen, Bauten, Kunstschätzen -allen Bürgern zugänglich und nutzbar. Das Leben war durchaus -öffentlich. Im Süden, wo Gespräch, Verhandlung, selbst Berufsgeschäfte -sich auf der Straße abspielen, ist das -- für den Mann wenigstens -- -in gewissem Sinne immer der Fall; in jener Zeit aber erfüllte den -gemeinsamen Schauplatz des äußeren Lebens ein großes öffentliches -Interesse geistiger und sittlicher Art, der leidenschaftliche Anteil -jedes Bürgers an seinem Staate. Auch die nicht im engeren Sinne -politischen Tätigkeiten dienten dem Staate; ihn verherrlichte und -schmückte die Kunst, für ihn war es ebensogut wie für den Sieger -selbst eine Ehre, wenn einer seiner Bürger in den Olympischen Spielen -den Preis errang. Diese Einheit fand ihren höchsten Ausdruck in -einer Religion, die nicht in bestimmten Glaubenssätzen oder heiligen -Büchern niedergelegt war, aber durch die Weihe ihres Kultus das ganze -bürgerliche Leben beherrschte. - -So bildete sich der einzelne durch den Staat und für den Staat. Das -bedeutete aber keine Unterdrückung persönlicher Kraft und Eigenart. -Im Gegenteil, jeder irgendwie Begabte bemühte sich, im Staate Macht, -Ansehen, Ruhm zu erringen. Gerade die Öffentlichkeit des Lebens machte -auch die Ehrungen besonders verlockend; jede Tätigkeit wurde so zum -Wettkampf. In den festlichen Aufführungen zu Ehren des Gottes Dionysos -rangen dramatische Dichter um den Preis, die Volksversammlungen -bildeten den Schauplatz rednerischen Wettstreites um die Gunst des -Volkes. Es konnte nicht ausbleiben, daß die starken, selbstbewußten -Persönlichkeiten, die sich für den Staat gebildet hatten, auch -gegenüber dem Ganzen ihre Ansprüche geltend zu machen suchten. - -Zum Durchbruch verhalf diesem Kraftgefühl des Einzelmenschen die -Wissenschaft, die seit der Mitte des 5. vorchristlichen Jahrhunderts -in Athen Aufnahme fand. Sie war nicht dort entstanden, sondern stammte -aus den griechischen Kolonien an der Westküste Kleinasiens, zumal -aus den sogenannten ionischen. Die frühesten Vertreter griechischer -Wissenschaft seit _Thales_ von _Milet_ richteten ihr Nachdenken in -erster Linie auf das Wesen der körperlichen Natur. Uns gehen hier nicht -die einzelnen Ansichten an, die man über die Körperwelt ausbildete; -wichtig ist an dieser Stelle nur die Tatsache, daß man sich nicht mehr -zufrieden gab, in Sonne und Mond, Strömen und Meeren, Wind und Gewitter -Äußerungen bestimmter Götter zu sehen, sondern daß man nach der Natur -dieser körperlichen Erscheinungen, ihrem Grundstoff und gesetzlichen -Zusammenhang forschte. Es bildeten sich verschiedene Schulen aus, deren -Anhänger einander bekämpften, den Gegner zu widerlegen, die eigene -Ansicht durch eindrucksvolle Gründe zu stützen suchten. - - -[Die Sophisten] - -In diesen Kämpfen entstand eine Streitkunst, die nicht immer die -Grenzen zwischen Widerlegung und Verblüffung des Gegners, zwischen -Überzeugung und Überredung des Zuhörers innehielt. Die Gewandtheit der -Wortfechter war den Unbeteiligten oft wichtiger als der Gegenstand der -Unterredung; zumal in _Athen_ nahmen zwar einzelne wie _Perikles_, -der leitende Staatsmann, inneren Anteil an der Erforschung der -Wahrheit um ihrer selbst willen, für die große Menge aber war der -Streit jener Schulen nur eine neue Art Wettkampf und Schauspiel. -Die jungen Athener, die sich den fremden Weisen in die Lehre gaben, -wollten von ihnen die Streitkunst lernen, da diese sich als Mittel -zur Beeinflussung der Volksversammlungen und Gerichte wohl verwenden -ließ. Solchem Bedürfnis kamen die Lehrer entgegen, die man _Sophisten_ -nannte, und die nach eigener Angabe ihre Schüler vor allem im Reden -tüchtig machen wollten. Sophisten bedeutet ursprünglich nur weise und -kundige Männer. Erst später infolge des Kampfes, den Sokrates und -seine Schüler gegen sie führten, bekam die Benennung den üblen Klang, -den sie noch für uns hat. Die Sophisten wollten, so können wir bis -jetzt ihr Streben kennzeichnen, durch die in den wissenschaftlichen -Streitigkeiten ausgebildeten Mittel ihre Schüler zu wirksamen -Rednern und schlagfertigen Debattierern ausbilden, damit sie in -der Volksversammlung und vor Gericht Einfluß gewännen. Während aber -die jungen Athener praktischen Erfolg im Staate suchten, waren die -Sophisten selbst keine praktischen Staatsmänner. Sie waren auch nicht -in ihrem heimischen Staate tätig, vielmehr zogen sie, Ruhm und Geld -zu gewinnen, von Stadt zu Stadt und kehrten natürlich besonders gern -in dem reichen und mächtigen Athen ein. Keiner unter den bedeutenden -Sophisten aber war Athener. Sie waren also nicht, wie der attische -Bürger, selbstverständlich hineingewachsen in bestimmte heimische -Verhältnisse, in denen man sich zur Geltung bringen will, an denen man -vielleicht auch vieles einzelne ändern möchte, die man aber doch als -Ganzes hinnimmt. Nein, die Sophisten waren losgelöste, nur auf sich -gestellte Einzelmenschen, stolz nicht mehr auf ihren Staat, auf ihre -Leistungen in ihm und für ihn, sondern nur auf ihr eigenes Wissen und -Können. - -Die Sophisten bildeten keine Einheit, sie waren ein Stand ohne -ständische Organisation. Es existierte also auch keineswegs eine -sophistische Schule, in der bestimmte Meinungen herrschten. Nur der -Lehrberuf war ihnen gemeinsam, keineswegs der Inhalt der Lehre. -Trotzdem entsprach der Gleichheit ihrer gesellschaftlichen und -geschichtlichen Stellung ein gemeinsamer Grundzug ihrer Gesinnung, -der sich bei den philosophisch Gerichteten unter ihnen (und nur diese -gehen uns etwas an) in ähnlichen Lehren ausdrückte. Wie im Leben, -so waren sie auch in der Philosophie heimatlos. Aus dem Streite der -verschiedenen naturphilosophischen Schulen hatten sie entnommen, daß -in keiner von ihnen Wahrheit sei, ja, daß es eine für alle gültige -Wahrheit überhaupt nicht gebe. Wahr sei jedem, was ihm wahr scheine. -_Protagoras_, der älteste und bedeutendste unter den Sophisten, suchte -das wissenschaftlich zu begründen. Die Wahrnehmung eines Dinges durch -eines unserer Sinnesorgane, z. B. das Auge, kommt dadurch zustande, -daß das Ding auf unser Auge wirkt. Das Bild, das wir sehen, ist also -nicht nur von dem gesehenen Dinge, sondern zugleich von dem sehenden -Auge abhängig. Sie können sich das leicht an dem verschiedenen Anblick -klar machen, den etwa ein Tisch bietet, wenn wir ihn von verschiedenen -Seiten und bei verschiedener Stellung des Kopfes betrachten. Auch die -Farben wirken auf das ermüdete Auge anders als auf das ausgeruhte, -und dasselbe gilt von jeder anderen sinnlichen Auffassung. Sinnliche -Wahrnehmung aber ist -- das steht für Protagoras fest -- die einzige -Grundlage alles Erkennens. Wenn die Wahrnehmung also in jedem Falle -von der besonderen Natur, Stimmung und Stellung des Erkennenden -abhängig ist, so gibt es keine für alle gleiche Wahrheit. In diesem -Sinne stellte Protagoras den Satz auf: »Der Mensch ist das Maß aller -Dinge.« Gibt es keine Wahrheit, so kann man auch keinen anderen von der -Wahrheit überzeugen. Will ein Mensch auf den anderen wirken, so kann -er nur versuchen, ihm durch geeignete Künste die Meinung beizubringen, -die dem Redner günstig ist. Die Sophisten wollen daher ihre Schüler zu -tüchtigen Künstlern in der Überredung machen. - -Diese Theorie sieht zunächst weltfremd und ungefährlich aus; auch war -ihr Urheber überzeugt, daß sie mit politischen und zumal mit religiösen -Umwälzungen nichts zu tun habe, erklärte vielmehr, über die Götter -vermöge er überhaupt nichts auszusagen. Da es sich auf religiösem -Gebiete also nicht um ein Wissen handeln konnte, übte er ruhig den -gebräuchlichen Kultus aus und folgte den herrschenden Sitten. Der -Widerstreit indessen zwischen seinem Bekenntnis der Unwissenheit und -dem festen Glauben eines echten Anhängers der alten Religion, trat, so -sehr er ihn vor sich und anderen zu verschleiern suchte, bei einigen -seiner Schüler entschieden hervor. Keck verachteten sie die Vorsicht -und Zurückhaltung des Meisters und meinten, daß jeder einzelne sich -über Gesetz, Sitte, Religion hinwegsetzen dürfe, wenn nur der Erfolg -seiner Kraft oder Schlauheit recht gebe. Als Hauptgegenstand ihres -Unterrichts betrachteten sie die Kunst der Überredung; wer sich ihnen -anvertraute, sollte lernen, anderen die Meinung beizubringen, die ihm -selbst vorteilhaft sei. Nach ihrer eigenen Handlungsweise beurteilten -sie auch die Staatsmänner der Vorzeit, in denen sie die Urheber nicht -nur der politischen, sondern auch der religiösen und moralischen -Gesetze und Sitten sahen. Diese Machthaber waren nach ihrer Meinung -schlaue Männer, gewissermaßen Vorläufer der Sophisten, gewesen und -hatten es verstanden, der Masse die Überzeugung beizubringen, daß es -gut sei, den Gesetzen zu folgen, die sie nur zum Vorteil der Herrscher -erdacht hatten. Nichts ist wahr, alles ist erlaubt -- das wird dann die -Lebensregel für den starken Geist. Hüten wird er sich freilich, sie vor -den auszubeutenden Herdenmenschen offen zu bekennen. - -Gleichzeitig mit dieser Entwicklung der Sophistik entartete das -politische Leben. Die von alters her erbitterten Parteikämpfe -verwilderten mehr und mehr, selbst die Verbindung mit dem Landesfeinde -wurde nicht gescheut. Der unparteiische Betrachter wird sich fragen -müssen, ob die radikalen sophistischen Theorien Ursache oder bloße -Spiegelung dieser politischen Entartung waren, er wird ihnen sicher -nicht die Hauptschuld zuschreiben. Aber viele Zeitgenossen urteilten -anders, zumal seit in dem großen Entscheidungskampf um die Herrschaft -über Griechenland, in dem Peloponnesischen Kriege, Not und Bedrängnis -über Athen kam. Viele glaubten damals, daß die neumodische Bildung -schuld an allem Unglück sei; es entstand eine Partei, die in der -Rückkehr zu schlichtem altväterlichem Glauben und Handeln das einzige -Heil sah. - - -[Verhältnis zu den Sophisten] - -Des _Sokrates_ Jugend fiel in die Periode der höchsten Blüte des -Staates und des Eindringens der Sophisten, seine Wirksamkeit -hauptsächlich in die Zeit des großen Krieges. Er mußte also zu zwei -Gruppen von Männern Stellung nehmen, zu den Neuerern und Sophisten -einerseits, zu den Verteidigern der alten Sittlichkeit und Religion -anderseits. Da aber des Sokrates Denken sich, wie hervorgehoben, in -seiner Lebensführung offenbarte, müssen wir diese vor allem betrachten. - -Sokrates trieb kein dem Broterwerb gewidmetes Geschäft, sondern lebte -unter größter Einschränkung seiner Bedürfnisse von den Erträgnissen des -kleinen väterlichen Erbes und zugleich wohl von freiwilligen Geschenken -seiner Freunde. Er diente dem Staat als tapferer Krieger, einmal auch -als Mitglied des Rates, aber politischen Ehrgeiz hatte er nicht, in -den Parteikämpfen spielte er keine Rolle. Vielmehr verbrachte er seine -Tage auf den Plätzen Athens mit Gesprächen, deren Eigenart uns noch -beschäftigen muß. Nichts lag näher als ihn mit den Redekünstlern von -Gewerbe, den Sophisten in eine Klasse zu setzen, wie das auch z. B. der -Komödiendichter _Aristophanes_ tat. Aber schon äußerlich unterschied -sich Sokrates von den Sophisten dadurch, daß er keinen Lohn für seine -Unterredungen nahm, auch nicht eigentlich Schüler hatte, die er einen -bestimmten Lehrgang durchmachen ließ, sondern nur Anhänger, die ihm -freiwillig folgten und an seinen Unterredungen teilzunehmen begehrten. -In diese Gespräche zog Sokrates alle möglichen Bürger -- Handwerker und -Offiziere, Vornehme und Geringe, Politiker und Sophisten -- hinein; -gern ging er von einem praktischen Falle aus, wußte aber die Rede -bald auf die wichtigsten allgemeinen Fragen hinüberzulenken. Ein -fremder Fechtmeister führt etwa seine Künste vor und zuschauende Bürger -beraten, ob sie ihre Söhne von ihm unterrichten lassen sollen. Sokrates -wird zu der Beratung herangezogen und macht sofort darauf aufmerksam, -daß die Entscheidung davon abhänge, was man mit dem Unterricht -erreichen wolle. Die Söhne zu tapferen Kriegern machen, wird ihm -geantwortet. Ja aber was ist nun Tapferkeit? fragt Sokrates weiter und -ist damit bereits bei der Erforschung allgemeiner Fragen des sittlichen -Lebens angelangt. - -Ganz besonders bemühte sich Sokrates, begabte junge Leute an sich -heranzuziehen und zu tieferem Nachdenken anzuregen. Zum Nachdenken -anzuregen, sage ich; denn Sokrates will nie fertige Weisheit mitteilen, -betont vielmehr immer wieder, er wisse nichts und unterscheide sich nur -dadurch von den anderen, daß er um sein Nichtwissen wisse. Erst durch -die gemeinsame Untersuchung soll die Wahrheit gefunden werden. Kein -Wunder, daß oft ein positives Ergebnis nicht gewonnen wurde, sondern -die Teilnehmer am Gespräch zuletzt sich nur insofern gefördert sahen, -als sie nun mit Sokrates um ihr Nichtwissen wußten. - -Denken Sie sich einen lebhaften, schlecht gekleideten, barfuß -gehenden Menschen mit dicken Lippen, aufgeworfener Nase und von -kurzer Gestalt, der die Vorübergehenden anredet und mit großem Eifer -in eigenartige Gespräche hineinzieht, so werden Sie begreifen, daß -dieser Mann rasch ein stadtbekanntes Original wurde. Sein Witz und -seine geistige Überlegenheit errang sich bei manchen Achtung, bei -mehreren Feindschaft. Sogar seine nach attischem Brauch ungebildete -Gattin, die das dürftige Hauswesen in Ordnung halten mußte, sah in ihm -wie natürlich einen recht unnützen Müßiggänger und machte ihm wohl -gelegentlich heftige Szenen. Ihr Name _Xanthippe_ ist sprichwörtlich -für ein zanksüchtiges Weib geworden, obwohl die wenigen, wirklich -zuverlässigen Nachrichten sie als eine brave Person schildern, die -ihren Mann in ihrer Art herzhaft liebte und sich bei seinem Tode vor -Kummer nicht fassen konnte. Auch auf sie, die ihren Gatten gewiß nicht -verstand, muß doch die Gewalt seiner einzigartigen Persönlichkeit -gewirkt haben. - - -[Lebensweise. Jünger] - -Sokrates wußte die verschiedenartigsten Menschen zu gewinnen und zu -fesseln, er besaß die Kunst, auf jeden seiner Eigenart gemäß zu wirken; -daher schilderte ihn jeder seiner Schüler anders. Viele unter den -Büchern der Sokratesjünger sind verloren, aber wir besitzen noch die -Werke von zwei sehr verschiedenartigen Anhängern. - -_Xenophon_, Offizier, Landwirt, Geschichtschreiber, ein Mann des -tätigen Lebens, schildert Sokrates als einen praktischen, witzigen -Menschen, der es sich zum Beruf gemacht hat, die Athener zu tüchtigem -Wirken für Familie und Staat zu erziehen. Klug und hilfreich berät er -seine Freunde auch in den kleinen Angelegenheiten ihres Privatlebens. -Unnützen Spitzfindigkeiten ist er abgeneigt; es tritt kaum hervor, -daß er selbst im Gegensatze zu der Scheinweisheit der Sophisten eine -_Einsicht_, ein wahres Wissen zu gewinnen strebt. Sokrates erscheint -in diesem Spiegel bieder, kernhaft und tüchtig, aber auch nüchtern und -prosaisch; seine Weisheit ist eine ziemlich hausbackene Moral und ein -witzig vorgetragener gesunder Menschenverstand. Der Quellenwert der -Xenophonischen Denkwürdigkeiten wird dadurch vermindert, daß sie zum -größten Teile erst ein Menschenalter nach dem Tode des Sokrates verfaßt -wurden. - -Ganz anders sah _Platon_ mit dem Tiefblicke des Dichters den Sokrates; -er fühlte das Feuer und die Begeisterung durch die kühlverständige -Hülle hindurch, ihm erschloß sich das Götterbild, das hinter der -Silensmaske des Sokrates verborgen war. Wir verdanken es Platon, daß -der mehr als dämonische, der göttliche Zauber des seltsamen Mannes -auch uns noch berückt, wir sind ihm noch größeren Dank dafür schuldig, -daß er die Ansätze wissenschaftlicher Erkenntnis in den Gesprächen des -Meisters ans Licht stellte. - -Dem Historiker freilich hat gerade Platons Größe seine Aufgabe -erschwert; Platon war kein bloßer Spiegel des empfangenen Gutes, -in seinem Geiste bildete sich jeder Gedanke eigenartig um, und er -nahm in treuer Verehrung des Meisters die Gewohnheit an, auch eigene -Überlegungen und Einsichten dem Sokrates in den Mund zu legen, sie so -gleichsam seinem Lehrer zuzueignen. Doch gilt dies von den späteren -platonischen Dialogen mehr als von den frühen, die bald nach Sokrates' -Tode entstanden sind. Aus ihnen lassen sich die Grundüberzeugungen des -Sokrates recht wohl feststellen. - -Sokrates wollte die, mit denen er umging, zum rechten Leben führen, -das zugleich nach seiner Überzeugung und Erfahrung das glückliche -Leben ist; er war also sittlicher Reformator und wirkte durch sein -Vorbild, seine Person mindestens so sehr wie durch seine Lehre. Für -die Philosophie aber erlangt dieser Reformator dadurch entscheidende -Bedeutung, daß er sittliche Einsicht als Bedingung der sittlichen -Umkehr fordert. Das führt zur strengeren Untersuchung. - -Die bedeutendsten Sophisten, so sahen wir, glaubten nicht an eine für -alle Menschen gültige Wahrheit. Gerade dieser ihrer Voraussetzung trat -Sokrates entgegen. Er war innig überzeugt, daß sich die Wahrheit finden -lassen müsse. Sonst hätte er auch sein Gesprächführen nicht als ein ihm -von der Gottheit übertragenes Amt ansehen können. Seine Gespräche sind -ja eine Art Forschung, und kein ernster Forscher zweifelt daran, daß -wenigstens ein Stück Wahrheit sich finden läßt; sonst würde er die Mühe -des Untersuchens nicht auf sich nehmen. Sokrates zeigt den Sophisten, -daß sie selbst im Grunde einige Wahrheiten zu besitzen glauben. Sie -wollen doch lehren, wie man auf Menschen wirken kann. Dazu müssen sie -gewisse Kenntnisse über die Natur der Menschen mitteilen, und wenn -sie diese Kenntnisse nicht für wahr hielten, hätte ihr ganzes Treiben -keinen Sinn. Auch ihre Behauptung, daß sie weiser seien als andere, -daß daher ihr Unterricht etwas nütze, setzt voraus, daß sie sich im -Besitz gewisser Wahrheiten fühlen. Er bekämpft also die Sophisten -mit ihren eigenen Waffen und zeigt, daß sie nicht einmal selbst den -Glauben an ihre Voraussetzung festhalten können. Allerdings in _einem_ -Punkte stimmt Sokrates mit den Sophisten überein, in der Forderung -verstandesmäßiger Untersuchung alles dessen, was sich für wahr und gut -ausgibt. Die Wahrheit liegt nicht in irgendwelchen Überlieferungen -fertig vor, sondern sie muß erst durch Nachdenken gefunden werden. Man -sieht, Sokrates nimmt neben den beiden Richtungen, die wir schilderten, -den Neuerern und den Verteidigern des Alten, eine ganz eigenartige -Stellung ein. Der radikale Sophistenschüler sagt: Es gibt keine -Wahrheit, tue jeder, was ihm beliebt und nützt. In schroffem Gegensatz -dazu fordert der für altväterliche Sitte und Religion begeisterte -Patriot: Erkenne an, daß die Wahrheit in den überkommenen Gebräuchen -und im heimischen Gottesdienst gegeben ist, und hüte dich, durch Denken -oder Handeln von dieser Richtschnur abzuweichen. Sokrates tritt beiden -entgegen und lehrt: Es gibt Wahrheit, sie ist uns allen erreichbar, -aber wir müssen sie suchen. Nur durch ernsthaftes Forschen können wir -sie finden; nur ein Handeln aus selbsterrungener Einsicht kann wahrhaft -gut sein. - - -[Methode] - -Zwei Fragen drängen sich uns hier sogleich auf: Wie lehrte Sokrates die -Wahrheit finden, und auf Wahrheit welcher Art kam es ihm an? Die Art, -zu einer Einsicht zu gelangen, nennt man Methode. Viele von Ihnen haben -gewiß schon von einer sokratischen Methode reden hören, manche wissen -wohl auch, daß diese Methode durch geeignete Fragen aus dem Schüler -selbst die richtige Antwort herauszuentwickeln sucht. - -Nicht zufällig wählte Sokrates diesen Weg, der für ihn kein bloßes -Mittel der Belehrung, sondern wirklich der geeignetste Pfad zur -Wahrheit war; die Methode entsprang vielmehr seiner Überzeugung, daß -im Geiste des Menschen die rechte Einsicht verborgen sei. Es handelt -sich also nicht darum, die Weisheit gleichsam von außen heranzubringen, -sondern nur sie ans Licht zu befördern und von anhaftendem Irrtum -zu befreien. Auch diese Geburt ist, wie die eines Kindes, mühsam -und schmerzhaft, auch sie erfordert kunstgerechte Hilfe. Darum sagt -Sokrates öfters scherzend, seine Kunst sei die einer Hebamme und er -habe sie von der Mutter ererbt. - -Im einzelnen stellt sich die sokratische Methode als ein allmähliches -Hinleiten zu immer besseren Antworten dar. Der Mitunterredner soll -dabei seine Fehler selbst eingestehen, die Wahrheit aus eigener -Einsicht finden. Es handle sich z. B. um die Frage, was ist -Tapferkeit? Ein Mann, besonders wenn er schon im Felde dem Feinde -gegenübergestanden hat, wird überzeugt sein, über diese Tugend Bescheid -zu wissen. Drängt man ihn aber, seine Meinung darüber zu äußern, so -wird er an einen ihm naheliegenden Fall denken und etwa antworten: -Tapferkeit ist, wenn einer nicht aus der Schlacht fortläuft. Sokrates -wird ihn dann darauf aufmerksam machen, daß es auch gegen ungerechte -Ansprüche der Machthaber im eigenen Staate ein tapferes Verhalten -gibt, daß man auch Krankheiten tapfer erdulden kann. Durch diese -Einwände zwingt er seinen Unterredner dazu, einzugestehen, daß er -nur ein _Beispiel_, keine _Erklärung_ der Tapferkeit gegeben hat, -und zu erkennen, daß es auf den _allgemeinen Begriff_ der Tapferkeit -ankommt. Dieser aber muß für alle Fälle zutreffen, in denen man mit -Recht von Tapferkeit spricht. Der in allgemeinen Überlegungen ungeübte -Gesprächsteilnehmer wird auf die so gestellte Frage zunächst nicht -richtig antworten; dann muß sich sein Fehler im weiteren Verlaufe -der Unterredung herausstellen. Hat sich so öfter die scheinbar -treffliche Geburt seines Geistes als Fehlgeburt erwiesen, so führt -das zu einer Erschütterung seines Selbstbewußtseins, zu jenem Wissen -des Nichtwissens, das nach Sokrates die erste Stufe auf dem Wege zur -Erkenntnis ist. - -Auch sich selbst schreibt Sokrates nur das Wissen des Nichtwissens -zu. Er fühlt sich den Schülern überlegen, sofern er die Notwendigkeit -der Untersuchung eingesehen hat; in der Untersuchung aber stellt -er sich mit ihnen auf eine Stufe. Da Meister und Jünger zusammen -vom Irrtum zu höherer Einsicht fortschreiten, werden die Schüler -zu Genossen im Suchen nach Wahrheit. Diese Haltung unterscheidet -Sokrates von den Sophisten. Der Sophist will im Gespräch den Gegner -einschüchtern, überlisten, lieber noch in zusammenhängender Rede -glänzen -- es kommt ihm darauf an, Eindruck zu machen, sich zur Geltung -zu bringen. Sokrates will Liebe zur wissenschaftlichen Untersuchung -wecken, damit zugleich Liebe zur Sache, zur ernsten Hingabe an -eine überpersönliche Wahrheit. Er hat den erzieherischen Wert der -Wissenschaft entdeckt. Wenn wir Knaben und Jünglinge, auch sofern sie -nicht für die Wissenschaft bestimmt sind, durch Wissenschaft bilden, -überzeugt, daß der Geist reinen Wahrheitstrebens ganz allgemein die -innere Selbständigkeit und die Hingabe an die Sache um der Sache willen -erzeugt, so wirken wir im Sinne des Sokrates. Sophistisch dagegen wird -die Erziehung, sobald sie in den rasch mitgeteilten »Ergebnissen« -fremden Forschens nur Mittel überliefert, zu glänzen und sich -durchzusetzen. - -Sokrates steckte sich also das Ziel, zu einer genauen -Begriffsbestimmung zu gelangen, und benutzte als Mittel dazu Gespräche, -die von der gewöhnlichen unklaren Vorstellungsweise des ungebildeten -Durchschnittsatheners oder von dem auf Verblüffung abzielenden -Geschwätz des neumodischen, halbgebildeten Sophistenschülers ausgingen. -Da jeder Schritt auf diesem Wege nur mit Zustimmung des Mitunterredners -gemacht wird, hat sich dieser am Schluß keine fremde Weisheit -angeeignet, sondern aus sich selbst heraus eine Einsicht errungen. - - -[Absicht und Inhalt seiner Gespräche] - -Weil es Sokrates mehr darauf ankam, die rechte Gesinnung und den Willen -zur Wahrheit zu wecken als bestimmte einzelne Wahrheiten einzuprägen, -schlossen seine Gespräche oft mit einer Frage ab. Doch läßt sich die -Richtung, in der die Wahrheit liegt, fast immer erkennen. So dürfte -man kaum irren, wenn man die sokratische Definition der Tapferkeit -in dem Satze sieht, sie sei die richtige Einsicht in das, was man -fürchten und was man nicht fürchten soll. Man kann sich an diesem Falle -den wesentlichen _Inhalt_ der sokratischen Weisheit klar machen. Es -ist zunächst nicht zufällig, daß der Begriff einer menschlichen Tugend -als Beispiel gewählt wurde, bildet doch die Untersuchung sittlicher -Eigenschaften durchaus den Kern des sokratischen Strebens. Aus seiner -Stellung zum Leben ist das unmittelbar verständlich: er will nur das -untersuchen, was dem Menschen dazu verhilft, sein Leben in rechter -Weise zu führen. Zugunsten dieser Beschränkung auf das eine, das not -tut, wendet er sich gegen die Bemühungen um Erkenntnis der körperlichen -Natur. Wir dürfen indessen in dieser Ablehnung der Naturphilosophie -nicht _nur_ die Folge seines praktischen Bestrebens sehen, sondern -müssen zugleich daran erinnern, daß Sokrates _sicheres_ Wissen suchte, -solches aber in den Anfängen der Naturphilosophie nirgends zu finden -war. Vielmehr lagen hier verschiedene Vermutungen miteinander in einem -Streite, der sich, wie es schien, nicht schlichten ließ. - -Glücklicherweise glaubte er diese unfruchtbaren Wortkämpfe zugleich -als unwichtig ablehnen zu dürfen. Wichtig sind für den Menschen die -Begriffe, nach denen er sein Handeln zu regeln hat. Diese kann er -in sich selbst finden, und darum machte Sokrates die alte Mahnung: -»Erkenne dich selbst« zu seinem Wahlspruch. Wie Protagoras, so ging -auch Sokrates vom Menschen aus. Beiden ist der Mensch das wichtigste, -und in gewissem Sinne könnte Sokrates sogar den Spruch des Protagoras, -der Mensch ist das Maß aller Dinge, zugeben. Trotzdem besteht der -entschiedenste Gegensatz zwischen ihnen. Protagoras denkt, wenn -er jenen Satz ausspricht, an die wechselnden Zustände, Launen und -Neigungen, die bei jedem Menschen andere sind und auch bei demselben -Menschen mit der Zeit wechseln. Sokrates dagegen sucht im Menschen die -_Vernunft_, die nicht wechselt und nicht bei einem Menschen anders als -beim andern ist. Wo echtes Denken beginnt, hört die Verschiedenheit -zwischen den Denkenden auf. Man kann sich das an der allereinfachsten -Aufgabe, an einem leichten Rechenexempel etwa, klar machen. Wenn ich -frage, wieviel ist 5 mal 7, so führt Sie alle Ihr Nachdenken zum -gleichen Ziele. Da Sie rechnen können, wissen Sie, daß die richtige -Antwort 35 ist. Sollte jemand die Laune haben, dieses Resultat einmal -anders zu wünschen, so würde ihm das nichts helfen, und wer etwa eine -andere Zahl herausbekäme, dem würde niemand sagen: Das scheint dir so, -also ist für dich 5 × 7 = 32, sondern jeder würde ihm zurufen: Du irrst -dich. So finden wir in uns in der Tat ein allen gemeinsames Denken, das -bei geeigneter Ausbildung Wahrheiten zu erkennen vermag. - -Aus diesem Denken entspringt nach Sokrates auch die Sittlichkeit. -Sittlich handeln bedeutet, den Aussprüchen des Denkens, der Vernunft -folgen. Nunmehr können wir die Erklärung der Tapferkeit verstehen. -Tapferkeit ist die richtige Einsicht in das, was man fürchten und was -man nicht fürchten soll. Der wahrhaft Tapfere weiß, daß es Dinge gibt, -die mehr zu fürchten sind als der Tod: Unrecht tun, seine Pflicht -verletzen, in Widerstreit mit sich selbst geraten. Hat er nur die Wahl -zwischen Unrecht und Lebensgefahr, so nimmt er in voller Erkenntnis das -Wagnis auf sich. Denn Tapferkeit, d. h. eine Tugend, darf nicht mit -Tollkühnheit verwechselt werden, die sich blind und grundlos in Gefahr -begibt und keineswegs Lob verdient. Der Tapfere weiß auch, daß man -unter Umständen die Pflicht hat, sein Leben zu erhalten. Wenn etwa ein -Heerführer, an dessen Feldherrnbegabung der Sieg hängt, sich den Kugeln -aussetzt, handelt er nicht tapfer; er muß sich schonen, muß sogar -tapfer genug sein, den Verdacht der Feigheit zu ertragen, wenn er weiß, -daß sein Tod für die von ihm vertretene Sache am meisten zu fürchten -wäre. Soweit werden Sie die Begriffsbestimmung leicht zugeben. Aber daß -Tapferkeit Einsicht sein soll, wird Ihnen nicht recht einleuchten. Sie -alle kennen gewiß Menschen, die weit vom Schuß sehr gut wissen, was -sie fürchten und nicht fürchten sollen, aber doch, wie man zu sagen -pflegt, kein Pulver riechen können. Sokrates hat in der Tat übersehen, -daß die bloße Einsicht den Menschen noch nicht die Kraft des richtigen -Handelns gibt. Was hier als eine Lücke seiner Erkenntnis zugestanden -werden muß, geht aber aus der Größe seines Charakters hervor. In ihm -war die Vernunft zur lebenbestimmenden Kraft geworden; dem Erkannten -zu widerstreben war ihm unmöglich, daher verstand er unter Einsicht -oder Wissen etwas, was den ganzen Menschen durchdringt. Wer nicht nach -seiner Erkenntnis handelt, beweist eben damit, daß er im Sinne des -Sokrates keine Erkenntnis besitzt. - -Sokrates hat nie eine zusammenfassende Darstellung seiner Lehre -gegeben, im Gegenteil hätte er sicher jede derartige Bemühung als -seiner Absicht widerstrebend abgelehnt. Trotzdem will ich jetzt, -nachdem wir Art und Ziel seiner Lebensarbeit kennen gelernt haben, -versuchen, ihr gedankliches Ergebnis in einige Sätze zusammenzufassen. -Was die Menschen gewöhnlich für Wissen halten, ist kein Wissen, nur ein -unsicheres Meinen. Wer etwas weiß, der muß begriffliche Rechenschaft -über das Gewußte ablegen können. Eine Vorstufe des Wissens ist, zu -wissen, daß man nichts weiß; denn damit hat man ja bereits erkannt, -daß die gewöhnliche unklare Meinung, der man bisher folgte, auf einem -Scheinwissen beruht, und beginnt nun einzusehen, wodurch wahres -Wissen sich von Scheinwissen unterscheidet. Erkennt man zum Beispiel, -daß es falsch ist, auf die Frage nach dem Wesen eines allgemeinen -Begriffes mit einem einzelnen Falle, der unter diesen Begriff gehört, -zu antworten, so besitzt man die wichtige Unterscheidung des Begriffes -von seinen Beispielen und Anwendungen und kennt zugleich in der -Allgemeinheit eine wesentliche Anforderung an jede wissenschaftliche -Definition. Es ist unmöglich, einen Irrtum als Irrtum zu durchschauen, -ohne damit zugleich eine Wahrheit zu erkennen. - - -[Vernunft und Sittlichkeit] - -Da die Wahrheit unserm vernünftigen Denken innewohnt, so muß sie sich -wenigstens in den für die Menschen wichtigsten Angelegenheiten auch -gewinnen lassen. Denn wesentlich ist für uns die Erkenntnis derjenigen -Begriffe, die unser Handeln zu leiten bestimmt sind. Diese aber -müssen der uns allen gemeinsamen Vernunft entnommen werden. _Tugend -ist Einsicht_, nach ihr streben ist die Aufgabe _jedes_ Menschen. -Die anderen durch seine beunruhigenden Gespräche zu diesem Streben -anzuregen und ihnen den rechten Weg zu weisen, ist der _besondere_ -Lebensberuf des _Sokrates_. - -Hieraus können wir folgern, wie Sokrates zu der überlieferten Sitte -und Religion stehen muß. Da nur ein von der Einsicht geleitetes -Handeln mit Sicherheit das Rechte ergreift, so kann er in dem blinden -Befolgen überlieferter Lebensweisen nicht die wahre Tugend erblicken. -Sieht man doch oft, daß sonst treffliche Menschen in schwierigen -Fällen ratlos dastehen, daß Männer, die selbst aus einem gewissen -Naturinstinkt heraus ihre eigenen und ihres Staates Angelegenheiten -aufs beste besorgen, unfähig sind, ihre Kinder zu gleicher Tüchtigkeit -zu erziehen. Dabei erkennt Sokrates durchaus an, daß inhaltlich in der -Vätersitte, wie in der Muttersprache, viel Wahres überliefert ist; -nur sollen wir diese Wahrheit einsehen, nicht blind der Überlieferung -folgen. Bei aller Freiheit des Denkens bleibt Sokrates ein pietätvoller -Athener. Vor allem aber fordert er Gehorsam gegen bestehende Gesetze, -solange sie bestehen, selbst wenn man aus guten Gründen ihre Änderung -wünscht. Denn Gesetzlosigkeit ist unter allen Umständen ein Übel. -Den heimischen Göttern ist er ergeben, wenn er auch, wie viele -Zeitgenossen, die überlieferten Göttergeschichten im Sinne seiner -reineren Sittlichkeit umdeutet. So befindet sich Sokrates, bei vielen -Übereinstimmungen im einzelnen, doch im Grunde im entschiedensten -Gegensatze gegen die Verteidiger des Alten. Jene fordern Gehorsam gegen -die alte Sitte, weil die Sieger in den Perserkriegen ihr gefolgt sind. -Sokrates prüft kühl und nüchtern auch die Grundsätze der Vorfahren -und folgt ihnen nur, soweit sie vor seiner Vernunft standhalten. -Politisch richtet sich sein Verlangen eines Handelns aus Einsicht in -einem wichtigen Punkte gegen die demokratische Verfassung Athens. Hier -waren alle Ämter allgemein zugänglich und wurden durch Volkswahl oder -Auslosung besetzt. Sokrates dagegen forderte, daß in jeder Sache der -Sachverständige allein entscheide. - - -[Prozeß] - -Diese Gegensätze muß man kennen, um das Schicksal des Sokrates zu -verstehen. Im Peloponnesischen Kriege war Athen besiegt worden, und das -siegreiche Sparta hatte eine kleine Gruppe ihm ergebener Aristokraten -zu Herrschern eingesetzt; diese schalteten aber so willkürlich, daß -sie bald durch zurückkehrende verbannte Demokraten gestürzt wurden. -Naturgemäß trat nun eine Reaktion ein, die sich nicht nur gegen die -von den Feinden aufgedrungene Verfassung, sondern, da mehrere der -Gewalthaber Sophistenschüler oder Freunde des Sokrates gewesen waren, -zugleich gegen die moderne Bildung richtete. Sokrates galt vielen als -Sophist, er verkehrte in aristokratischen Kreisen und war daher, obwohl -er sich ungerechten Anforderungen der gestürzten Regierung mannhaft -widersetzt hatte, verdächtig. Persönliches Übelwollen gegen ihn, das -diesen Verdacht ausnützte, konnte nicht fehlen. Wenn man sein Leben -lang den Leuten zeigt, daß sie nichts wissen, und angemaßte Weisheit -ihres Prunkes entblößt, so schafft man sich Feinde. Persönliche -Feindschaft und sachlicher Gegensatz dürften bei denen zusammengewirkt -haben, die den siebzigjährigen Mann im Jahre 399 v. Chr. anklagten, -daß er die väterlichen Götter nicht anerkenne, neue dämonische Wesen -einführen wolle und die Jugend verführe. - -Die Richter wurden in Athen aus allen Bürgern ausgelost und waren sehr -zahlreich; über Sokrates saßen wahrscheinlich 501 zu Gericht. Vor -einer solchen Menge, zumal von leicht erregbaren Südländern, wirkt -die Beredsamkeit. Sokrates' Sache stand zunächst nicht schlecht: sein -Leben war öffentlich und durchsichtig; mochte man sich oft genug -über ihn geärgert haben, man wußte, daß er unsträflich gehandelt, -die Bürgerpflichten erfüllt und den Kultus der Götter geehrt hatte. -Aber die Richter waren gewohnt, daß der Angeklagte durch Redekünste -Eindruck auf sie machte und demütig ihr Mitleid anflehte. Sokrates -verschmähte das; denn er war überzeugt, daß es viel schlimmer sei, -etwas zu tun, was man für Unrecht hielt, als zu sterben. Darum redete -er schlicht und stolz. Er habe die Götter immer geehrt und die -Jünglinge zur Selbstprüfung und Einsicht erziehen wollen. Die Anklage -beruhe auf dem Haß, den seine Gespräche, sein von dem delphischen Gott -ihm übertragener Beruf ihm zugezogen habe. Diese ungewohnte Art sich -zu verteidigen führte zu einer Verurteilung mit geringer Mehrheit. -Nach Entscheidung der Schuldfrage mußte die Strafe bestimmt werden, -wobei die Richter nach athenischem Rechte nur die Wahl zwischen den -Anträgen der Ankläger und des Angeklagten hatten. Da die Anklage auf -Tod lautete, hätte der Angeklagte in seinem Interesse eine nicht zu -milde Strafe, etwa Verbannung, beantragen müssen. Statt dessen erklärte -Sokrates, er sei nicht schuldig und könne sich daher keine Strafe -zuerkennen. Im Gegenteil sei er, da er sein ganzes Leben der Besserung -seiner Mitbürger gewidmet habe, der höchsten Ehre, der Speisung im -Rathause, würdig. Verbannung, an die die Richter etwa denken könnten, -sei für ihn schlimmer als Tod, da sie ihn hindern würde, seinen Beruf -auszuüben. Um doch dem Gesetze Genüge zu tun, beantrage er eine -Geldstrafe, die er zwar nicht aus eigenen Mitteln aufbringen, aber doch -von Freunden erhalten könnte. Diesen Antrag müssen die Richter als -Verhöhnung empfunden haben; denn die Verurteilung zum Tode erfolgte mit -größerer Mehrheit als der erste Spruch. - -Zufällig war damals gerade eine Festzeit, während deren keine -Hinrichtung vollzogen werden durfte. Sokrates wurde daher ins Gefängnis -geführt und durfte sich dort mit seinen Freunden in gewohnter -Weise unterreden. Man bewachte ihn nicht streng; Freunde suchten -und fanden Mittel, ihm die Flucht zu ermöglichen. Aber er lehnte -es ab zu fliehen, da man nach seiner Überzeugung einem gesetzmäßig -gefällten Urteilsspruch gehorchen müsse, auch wenn man ihn für -sachlich falsch halte. Denn Ungehorsam gegen die Gesetze führe zum -Untergange des Staates. So trank er, als der Termin gekommen war, den -Schierlingsbecher, wie das Gesetz es befahl. Seine letzten Stunden hat -_Platon_ in seinem Gespräche _Phädon_ der Nachwelt erhalten; er läßt -Phädon, einen Lieblingsjünger des Sokrates, der am Schicksalstage bei -ihm im Gefängnis weilte, erzählen, was er damals erlebt hat. Den Schluß -dieser Schilderung will ich Ihnen nicht vorenthalten:[1] - - -[Tod] - -»Nach diesen Worten begab sich Sokrates in ein Gemach, um zu baden, -und Kriton folgte ihm; uns aber hieß er warten. Wir warteten also, -redeten miteinander über das Gesagte und überdachten es; dann aber -versenkten wir uns wieder in das Unglück, das uns getroffen hatte, -wir fühlten nicht anders, als daß wir, des Vaters beraubt, unser -künftiges Leben als Waisen hinbringen müßten. Nach dem Bade wurden -seine Kinder zu ihm gebracht -- denn er hatte zwei kleine Söhne und -einen großen --, und die ihm verwandten Frauen kamen. Er unterhielt -sich mit ihnen in Gegenwart des Kriton, trug ihnen seinen Willen auf, -hieß dann Weiber und Kinder gehen und kam selbst zu uns. Es nahte schon -die Stunde des Sonnenuntergangs, denn er hatte lange Zeit drinnen -verbracht. Nach seiner Rückkehr vom Bade setzte er sich und hatte -noch nicht viel geredet, da kam der Diener der Elf[2], trat zu ihm -und sagte: ›Sokrates, an dir werde ich nicht dasselbe erleben, wie an -andern, die mir zürnen und mich verfluchen, wenn ich sie auf Befehl -der Behörden auffordere, das Gift zu trinken. In dir habe ich während -dieser ganzen Zeit den edelsten, freundlichsten und besten Mann von -allen, die je hierher gekommen sind, kennengelernt; auch jetzt weiß -ich wohl, wirst du nicht mir zürnen, sondern den Schuldigen, die du -ja kennst. Du weißt, was ich dir anzukündigen habe, also lebe wohl -und versuche, das Notwendige möglichst leicht zu tragen.‹ Tränen in -den Augen wandte er sich ab und ging. Und Sokrates sah ihm nach und -sagte: ›Auch du lebe wohl, ich werde es so machen.‹ Und zugleich sagte -er zu uns: ›Wie fein ist der Mensch! Die ganze Zeit über kam er zu -mir und unterhielt sich zuweilen mit mir und war gut gegen mich, und -jetzt beweint er mich so aufrichtig. Aber wir, Kriton, wollen ihm -nun folgen, und es mag einer das Gift bringen, wenn es bereitet ist, -sonst aber es bereiten.‹ Und Kriton sagte: ›Ich meine doch, Sokrates, -daß die Sonne noch auf den Bergen liegt und nicht untergegangen ist; -auch weiß ich, daß andere erst lange, nachdem es ihnen befohlen war, -getrunken haben. Vorher aßen und tranken sie gut und hatten zuweilen -noch die Schönen bei sich, die sie gern hatten. Übereile dich nicht, -es ist noch Zeit.‹ Und Sokrates sagte: ›Lieber Kriton, die Männer, von -denen du redest, haben ganz recht getan, denn sie glaubten etwas damit -zu gewinnen; ebenso aber habe ich recht, wenn ich anders handle. Denn -ich glaube nichts zu gewinnen, wenn ich etwas später trinke, sondern -nur vor mir selbst lächerlich zu werden, indem ich am Leben klebe und -mit Augenblicken geize, die nicht mehr mein sind. Geh also, folge mir, -lasse alles andere.‹ Als dies Kriton hörte, winkte er einem Sklaven, -der in der Nähe stand. Der Sklave ging hinaus und nach einiger Zeit -kam er wieder mit dem Manne, der den Trank reichen wollte und ihn -fertig in einem Becher brachte. Als Sokrates den Mann sah, sagte er: -›Nun, Bester, du weißt damit Bescheid. Was soll ich tun?‹ ›Nichts -weiter,‹ sagte der, ›als nach dem Trinken umhergehen, bis dir die -Beine schwer werden, dann dich hinlegen. So wird es wirken.‹ Damit -reichte er Sokrates den Becher. Der nahm ihn und sagte ganz heiter, -ohne zu zittern, ohne Farbe oder Gesichtszüge zu verändern, nach seiner -Gewohnheit das Auge fest auf den Mann gerichtet: ›Was meinst du? Darf -man von diesem Tranke den Göttern opfern oder nicht?‹ ›Wir bereiten‹, -antwortete jener, ›nur gerade das genügende Maß zum Trinken, Sokrates!‹ -›Ich verstehe,‹ sagte dieser, ›aber beten zu den Göttern darf und soll -man, daß die Wanderung von hier nach dort glücklich verlaufe. Darum -bitte ich, und so möge es geschehen.‹ Während er das sagte, setzte er -den Becher an und trank ganz leicht und heiter aus. Die meisten von uns -waren bis dahin imstande gewesen, die Tränen zurückzuhalten; als wir -aber sehen mußten, wie er trank und ausgetrunken hatte, nicht mehr; -mir selbst stürzten mit Gewalt die Tränen in Strömen aus den Augen, -so daß ich mir das Gesicht verhüllte und mich ausweinte -- nicht um -seinetwillen, sondern meines Geschickes wegen, daß ich solch eines -Freundes beraubt sein sollte. Kriton aber war noch vor mir, da er die -Tränen nicht zurückhalten konnte, aufgestanden. Apollodor hatte schon -lange unaufhörlich geweint, jetzt schluchzte er auf, schrie und klagte, -so daß keiner von den Anwesenden ohne Tränen blieb außer Sokrates -selbst. Der sprach: ›Ihr seltsamen Menschen, was macht ihr? Ich habe -doch hauptsächlich deswegen die Frauen weggeschickt, damit sie nicht -solche Störung verursachen, denn ich habe gehört, es müsse Friede um -einen Sterbenden sein. Seid stille und faßt euch!‹ Als wir das hörten, -schämten wir uns und hörten zu weinen auf. Er aber ging umher, bis, -wie er sagte, die Beine ihm schwer wurden, dann legte er sich lang auf -den Rücken hin, wie der Mann ihm geheißen hatte. Und sogleich befühlte -ihn der, der das Gift gereicht hatte, und betrachtete von Zeit zu Zeit -die Füße und Schenkel; später drückte er ihn stark am Fuß und fragte, -ob er es spüre; Sokrates sagte, nein. Dann machte er es ebenso mit den -Unterschenkeln, und so, weiter hinaufgehend, zeigte er uns, wie er kalt -und starr wurde. Und er berührte ihn wieder und sagte, wenn es zum -Herzen käme, würde es aus mit ihm sein. Als Sokrates nun am Unterleib -schon ziemlich kalt war, schlug er das Gewand vom Antlitz zurück (denn -er hatte sich verhüllt) und sagte -- es waren seine letzten Worte --: -›Kriton, wir schulden dem Asklepios einen Hahn![3] Opfert ihn und -versäumt es nicht!‹ ›Das wird geschehen,‹ sagte Kriton, ›aber sieh, ob -du noch etwas zu sagen hast.‹ Darauf antwortete er nicht mehr, sondern -zuckte nur nach einiger Zeit noch; dann deckte ihn der Diener auf, da -waren seine Augen gebrochen. Als Kriton das sah, drückte er ihm Mund -und Augen zu. - -Das war das Ende unseres Freundes, nach unserem Urteil des besten -Mannes unter allen Zeitgenossen, des einsichtsvollsten und -gerechtesten.« - -[Illustration: Sokrates - -Nach einer Marmorbüste in Villa Albani in Rom] - - - - -Zweiter Vortrag. - -Platon. - - -Nach dem Tode des Sokrates waren seine Schüler auf sich selbst -angewiesen. Sie fühlten sich verwaist, nun der Mann nicht mehr lebte, -in dem die Philosophie gleichsam sich verkörpert hatte. Sein Leben -und sein Tod waren in jedem Zuge durch seine Lehre bestimmt, aber sie -bildeten auch die einzigen Darstellungen, die es von dieser Lehre gab. -Denn Schriften hinterließ Sokrates nicht, der vom lebendigen Wort -eine so hohe, vom toten Buch eine sehr geringe Meinung hatte. Da nun -der Meister selbst dahin war, blieb den Jüngern nichts übrig, als die -Erinnerung an ihn und seine Gespräche durch schriftliche Wiedergabe -festzuhalten. - -Gerade weil sie in Sokrates die Philosophie selbst erblickten, gingen -sie an diese Aufgabe nicht als Geschichtschreiber, die genau bestimmen -möchten, was Sokrates bei der oder jener Gelegenheit gesagt oder getan -hat, sondern als Philosophenschüler, die den Geist des Meisters, wie -er in ihnen lebte, festhalten und anderen mitteilen wollten. Nicht -die Einzelheiten seines Lebens waren für sie von Bedeutung, sondern -daß Sokrates sein ganzes Leben dem Denken gewidmet und durch das -Denken bestimmt und daß er sie, die Schüler, zu Philosophen erweckt -hatte. Sie fühlten Sokrates in sich lebendig und stellten ihn daher im -Gespräche dar. Es konnte nicht ausbleiben, daß sie dabei auch eigene -Gedanken dem Meister in den Mund legten. Da er sich verschiedenen -Schülern verschieden gezeigt hatte, da sich im Kreis der Schüler -entgegengesetzte Naturen fanden, erhielten diese Gespräche je nach -ihrem Verfasser ein mannigfaltiges Gepräge. Wir besitzen die wichtigste -Gruppe dieser Gespräche, die von Platon verfaßten, vollständig. Gerade -weil Platon selbst ein genialer Denker und Künstler war, bildete -er des Sokrates Lehren fruchtbar weiter. Oft ist es für uns schwer -festzustellen, wo in diesen Gesprächen Sokrates aufhört und Platon -anfängt. - -Schon aus dem Gesagten geht hervor, daß Platon zu seiner Philosophie -anders stand als Sokrates, daß er sie nicht mehr in seinem Leben, -sondern in seinen Schriften darstellte. In gewissem Sinne allerdings -bemüht sich jeder echte Denker, seinen Gedanken gemäß zu leben; aber -bei Sokrates hatte es mit der Einheit von Leben und Lehre noch eine -besondere Bewandtnis. Seine Philosophie bestand im Grunde in seiner -Art zu leben und zu sterben. Platon aber war Dichter; er legte ein -Bild des philosophischen Lebens, wie es ihm vorschwebte, in Schriften -von wunderbarem Reize nieder. Eine Probe davon gab ich Ihnen in der -Schilderung von Sokrates' Tod. Dieser Bericht legt ebensosehr Zeugnis -ab für die _persönliche Größe_ des Sokrates wie für die _dichterische -Größe_ des Platon. - -Wir müssen uns klar machen, daß die Philosophie hier einen Schritt -vom unmittelbaren Leben abrückt. Darin liegt ein wichtiger Gewinn. In -Gesprächen auf dem Markte kann man den richtigen Weg des Forschens -weisen; will man aber eine zusammenhängende Reihe von Wahrheiten -entwickeln, so braucht man die Stille langen Grübelns und einsamer -Überlegung. Indessen, mit diesem notwendigen Fortschritt ist ein -Verlust innig verbunden. Das Denken gewinnt an Umfang und Tiefe, -aber es verliert viel von seiner unmittelbaren Wirkung. Es gibt -keinen Fortschritt der Entwicklung ohne Verlust. Der Knabe, der zum -Jüngling heranwächst, gewinnt an Einsicht und Willenskraft, aber -die Zutraulichkeit des Kindes, der glückliche unmittelbare Genuß -der Gegenwart, der Zauber unberührter Reinheit muß schwinden. Der -Mann ist dem Jüngling durch Reife des Urteils, durch Umsicht und -Folgerichtigkeit überlegen. Doch das Feuer in Liebe und Haß ist -verkühlt, die edle Leidenschaftlichkeit und Geradheit des echten -Jünglings hat sich anpassen gelernt. Wer ein rechter Mann ist, will -nicht wieder Jüngling oder Kind werden, aber er weiß, was er verloren -hat, und sucht deshalb den Umgang mit Jüngeren. Aus demselben Grunde -muß die Menschheit Geschichte treiben. Auch sie hat im Weiterschreiten -viel Wertvolles unwiederbringlich verloren, so auch jene ursprüngliche -Einheit von Leben und Denken. Als Ersatz für diesen Verlust soll uns -die Versenkung in das Altertum dienen, nicht etwa dazu, uns an dem zu -weiden, was die Alten nicht konnten, und uns zu brüsten, wie wir es so -herrlich weit gebracht. - - -[Leben] - -Platon war Dichter und Lehrer; das wahre Leben des Dichters liegt in -seinen Werken, das des Lehrers in seinem Unterricht -- die Bedeutung -der äußeren Lebensverhältnisse tritt zurück. Ich will Ihnen davon -nur mitteilen, was für das Verständnis seiner Lehre wichtig ist. -Platon wurde als Sohn einer Aristokratenfamilie Athens -- wir wissen -nicht genau, ob 428 oder 427 -- geboren. Seine Kindheit fällt also -in die Zeit des Peloponnesischen Krieges; die eigentliche Blütezeit -Athens kannte er nur durch Erzählungen und Überlieferungen. Der Kampf -gegen Sparta, der Hader der Parteien im Innern, das waren seine -Jugendeindrücke. Die nächsten Verwandten Platons waren Gegner der -bestehenden Demokratie, zum Teil der Verbindung mit dem Landesfeinde -verdächtig. Auch Kritias, der Führer der nach dem Frieden von Sparta -eingesetzten Regierung, gehörte zu seiner Familie. Seiner Herkunft -gemäß strebte der hochbegabte Jüngling nach politischer Wirksamkeit. -Aber die bedenklichen Mittel, deren die Parteien sich bedienten, -stießen ihn ab. Die aristokratische Gesinnung seiner Verwandten teilte -er, die Ungerechtigkeit jedoch, mit der Kritias seine Gegner verfolgte, -widerstrebte ihm aufs tiefste. Seine dichterische Begabung trieb ihn -dazu, Tragödien zu schreiben; aber er vernichtete diese Versuche, als -er zwanzigjährig von Sokrates gewonnen wurde. Dies Ereignis entschied -über sein Leben. Sehr oft ist für einen Menschen etwas wesentlich, was -von außen ganz unscheinbar aussieht; ein Buch, ein Gespräch können -unserm Leben eine neue Wendung geben. So bedeutete es z. B. für Platons -Entwicklung weniger, daß die Stadt den Feinden zum Opfer fiel und daß -nahe Verwandte von ihm wegen einer Verschwörung hingerichtet wurden --- seinen Beruf fand er, als er den wunderlichen Menschen, der sich -auf den Gassen herumtrieb, kennenlernte, als Sokrates ihn unter die -Zahl seiner Freunde aufnahm. Er lebte mit ihm acht Jahre lang, bis zu -Sokrates' Tode. - -Durch den gewaltigen Eindruck dieses Ereignisses wurde Platon von der -Teilnahme am politischen Leben Athens vollends abgeschreckt. Was sollte -er noch von einer Stadt hoffen, die ihren edelsten Bürger zum Tode -verurteilte? Der Verteidigung und dem Ruhm des Sokrates widmete er -seine ersten Schriften. Dann begab er sich auf eine große Reise nach -Ägypten, Cyrene, Sizilien, Unteritalien. Dort in den blühenden Städten -Großgriechenlands lernte er die mathematische Wissenschaft genauer -kennen, die in der Philosophenschule der Pythagoreer eifrig gepflegt -wurde. - -Nach seiner Rückkehr begann er seine Lehrtätigkeit, aber nicht mehr wie -Sokrates auf dem Markte, sondern anfangs im Gymnasium des Akademos, -später in einem nahe dabei gelegenen Garten, den er kaufte. Ein -Gymnasium war eine Anstalt, in der Knaben und Jünglinge nackt turnten -und rangen; es diente aber vielfach zugleich als Versammlungsort für -andere Zwecke, auch die Sophisten und Sokrates hatten oft in Gymnasien -gelehrt. Platons Schule in seinem Garten beim Gymnasium des Akademos -ist für uns das Urbild einer Vereinigung zu wissenschaftlichen Zwecken. -Daher ist der Name Akademie zur allgemeinen Bezeichnung geworden, -ähnlich wie der Name Cäsar im Kaisertitel fortlebt. - -Das stille, der Forschung und Lehre gewidmete Leben des Philosophen -wurde durch zwei neue Reisen nach Sizilien unterbrochen. Platon -unternahm sie, weil er bei dem Tyrannen Dionys von Syrakus, dem -Herrscher der mächtigsten Stadt Siziliens, mit Hilfe seines Verwandten -_Dion_, der Platons Schüler und Freund geworden war, seine politischen -Gedanken zu verwirklichen hoffte. Er erlebte beide Male eine schwere -Enttäuschung und verzichtete seitdem auf jede unmittelbare politische -Wirksamkeit. Bis zuletzt wissenschaftlich tätig, starb er achtzigjährig -im Jahre 348 oder 347. - -Bei Sokrates darf man eigentlich nicht von einer Lehre reden, wenn -man unter diesem Worte einen bestimmten Zusammenhang von Wahrheiten -versteht. Vielmehr handelt es sich bei ihm um eine Grundüberzeugung, -die in seinem Leben und in seinen Gesprächen Ausdruck findet. Auch -Platons Schriften sind keine Lehrbücher, wohl aber Untersuchungen in -Gesprächsform; sie streben danach, ein zusammenhängendes Ganzes der -Erkenntnis aufzubauen. Dieses Verhältnis muß man berücksichtigen, wenn -man Platons Fortbildung sokratischer Gedanken verstehen will. - -Sokrates ist überzeugt, daß es eine Wahrheit gibt und zeigt den -Sophisten, daß sie selbst Wahrheiten voraussetzen. Platon _beweist_ -diesen Satz streng. Gäbe es keine Wahrheit, so wäre ja auch der Satz, -es gibt keine Wahrheit, unwahr. Nun behauptet aber der Gegner diesen -Satz. Er behauptet also gleichzeitig, daß es keine Wahrheit gibt und -daß der Satz, es gibt keine Wahrheit, wahr sei. Damit aber bejaht -und verneint er dasselbe in demselben Satze, seine Voraussetzung ist -widerspruchsvoll. - - -[Wahrheit] - -Es entsteht nun aber sofort die weitere Frage, wie findet man die -Wahrheit? Auf diese Frage hatte schon Sokrates geantwortet, daß das -Denken allein Sicherheit gewährt. Platon vertieft und begründet diese -Ansicht, indem er die Lehre des Protagoras von der Sinnesempfindung -hinzuzieht. Protagoras hatte gezeigt, daß verschiedene Menschen -dasselbe Ding verschieden sehen. Auch zu verschiedenen Zeiten wirkt -eine Farbe, ein Ton, ein Geschmack sehr verschieden auf denselben -Menschen. Daraus hatte er geschlossen, daß es keine für alle und zu -allen Zeiten gültige Wahrheit gebe. Platon stimmt der _Voraussetzung_ -durchaus zu, bestreitet jedoch die _Folgerung_. Er schließt vielmehr: -Da es _Wahrheit gibt_, und da sie in der _Sinnesempfindung nicht -liegt_, so muß sie auf anderem Wege gefunden werden. Wir können, um -seine Antwort zu verstehen, von der Sinneswahrnehmung selbst ausgehen. -Wohl sieht man einen Tisch sehr verschieden je nach der Stellung des -Kopfes zum Tisch, wohl wirkt die Farbe der Tischplatte in veränderter -Umgebung ganz anders, trotzdem aber bezweifeln wir nicht, daß wir es -in allen Fällen mit demselben Tische zu tun haben. Niemand zögert, den -Tisch als ein Ding, das sich gleichbleibt, anzuerkennen, auch wenn er -dem Auge verschiedene Bilder bietet. Können wir nun aber eigentlich -sagen, daß wir dieses Ding, den Tisch, _sehen_? Doch wohl nicht. Wir -sehen strenggenommen nur wechselnde Farben und Umrisse, fassen sie -aber als einem gleichbleibenden Gegenstande zugehörige auf. Wenn wir -weiter irgendwelche wahre Sätze von diesem Gegenstand aussagen, etwa: -Dies ist ein Tisch, dieser Tisch ist viereckig, braun, größer als jener -andere Tisch, so überschreiten wir noch viel deutlicher den bloßen -Inhalt unserer Sinnesempfindung. Wir vergleichen in jedem dieser Sätze -den Tisch mit anderen Gegenständen; denn sogar wenn wir ihn einfach -braun nennen, erhält diese Farbenbezeichnung ihren Sinn nur durch -Vergleichung mit anderen Farben. Die Bezeichnung viereckig beruht auf -einer Zählung und zählen ist sicher etwas ganz anderes als Sehen oder -Hören. Also: schon in den wahren Sätzen, die sich auf ein einzelnes -eben vor uns stehendes Ding beziehen, liegt viel mehr vor als bloße -Empfindung. Die Fähigkeit aber zu solchen Tätigkeiten, wie Vergleichen, -Zählen, zur Einheit eines Dinges Zusammenfassen, nennen wir Verstand -und können demnach sagen: schon was aus der schwankenden Empfindung ein -Erkennen macht, ist der Verstand. Wollen wir weiter den Unterschied -bestimmen, der zwischen den Empfindungen und den Erzeugnissen des -Verstandes besteht, so sehen wir leicht, daß jede Empfindung (Farbe, -Ton, Geruch) ein einzelnes Erlebnis ist, das entsteht und vergeht, -während die durch den Verstand gewonnenen Bestimmungen, wie braun, -viereckig, auf viele Empfindungen anwendbar, d. h. allgemein sind. Der -Verstand geht also auf das Allgemeine oder, um nun die dem Philosophen -geläufigen Worte einzuführen, er sucht aus den einzelnen Erlebnissen -den _allgemeinen Begriff_ zu gewinnen. Im gewöhnlichen Leben begnügt -sich aber der Mensch, wenn er Worte wie Tisch gebraucht, mit einer -sehr unbestimmten allgemeinen Vorstellung. Es ist daher die erste -Aufgabe des wissenschaftlichen Denkens, diese unbestimmte Vorstellung -klar und durchsichtig zu machen. Es gibt mannigfaltige Tische: runde -und viereckige -- auf einem, auf vier Beinen stehende, an der Wand -befestigte Tische -- Schreibtische, Ladentische, Eßtische usw. Was ist -das ihnen allen Gemeinsame, das uns veranlaßt, hier doch überall das -Wort Tisch zu gebrauchen? Zunächst ist alles, was wir im eigentlichen -Sinne des Wortes Tisch nennen, ein von Menschen zu bestimmten Zwecken -benutzter Gegenstand. Durch die Art seines Zweckes unterscheidet er -sich von anderen Gebrauchsgegenständen. Wir können dann sagen: ein -Tisch ist ein Gegenstand, der von Menschen zu dem Zwecke verfertigt -ist oder benutzt wird, anderen Dingen während des Gebrauchs, auch vor -oder nach dem Gebrauch, zur Unterlage zu dienen. Diese Erklärung gibt -das allen Tischen Gemeinsame, den Begriff des Tisches. Diesen Begriff, -aus dem wir erschließen, ob etwas ein Tisch ist, ob ein gegebener -Tisch seinen Zweck gut oder schlecht erfüllt, _sehen_ wir nicht, wir -_erzeugen_ ihn vielmehr in unserm _Denken_. Auch der Schreiner könnte -keinen Tisch herstellen, wenn der Begriff des Tisches nicht in seinem -Geiste läge. So kam Platon dazu, den _Begriff, nicht aber die sinnlich -erfaßbaren einzelnen Dinge_, die wir als Exemplare (Beispiele) des -Begriffs bezeichnen, _für das eigentlich Erkennbare zu halten_. Er war -ferner überzeugt, daß unser Erkennen das wahre Wesen der Dinge, die -höhere Wirklichkeit hinter den wechselnden sinnlichen Bildern erfasse. -Darum sind die Ideen -- wie er die im Begriffe erfaßten Wesenheiten -nennt -- das eigentlich Wirkliche, während die sinnlich wahrnehmbaren -Dinge nur ein _Widerschein_ dieses Wirklichen sind. Da so nach -Platons Überzeugung alles von den Ideen abhängt, bezeichnet man seine -Philosophie als Ideenlehre. - - -[Ideenlehre] - -Ich habe soeben versucht, Sie auf einem Wege, der für jeden gangbar -ist, zu einem gewissen Verständnis der Ideenlehre zu führen. Indessen, -dieser Weg eröffnet uns zwar einige Aussicht auf diese Lehre, führt -aber nicht eigentlich in ihr Inneres hinein. Platon selbst hat die -Mathematik, insbesondere die Geometrie für die wahre Vorschule der -Philosophie erklärt. »Kein der Geometrie Unkundiger trete ein«, soll -über dem Tor der Akademie gestanden haben. Ich muß für die unter meinen -Hörern, welche wenigstens die Grundlagen der Mathematik kennen, die -vorige Betrachtung im folgenden durch eine andere ergänzen. - -Was an der Mathematik die Philosophen immer wieder mit fast magischer -Gewalt anzieht, ist die Sicherheit ihrer Ergebnisse. Bei geometrischen -Sätzen gibt es unter Kennern der Geometrie keinen Streit über wahr oder -falsch. Wenn einmal bewiesen ist, daß die Winkelsumme des Dreiecks -zwei Rechte beträgt, so steht das ein für allemal fest; wir wissen -von vornherein, daß kein einzelnes Dreieck jemals unsere Erwartungen -über seine Winkelsumme täuschen wird. Es ist ferner möglich, sobald -einmal gewisse Grundsätze über Linien und Flächen anerkannt sind, eine -Fülle räumlicher Gebilde wissenschaftlich zu beherrschen und eine -Menge von Eigenschaften dieser Gebilde abzuleiten. Platon lebte in -der Zeit, in der die uns vertrautesten geometrischen Sätze entdeckt -wurden. Die Sicherheit dieser jungen Wissenschaft mußte gerade im -Gegensatz zu dem zersetzenden Zweifel der Sophisten den tiefsten -Eindruck auf ihn machen. Fragt man sich nun, wodurch ein geometrischer -Satz sich von einer Aussage über wirkliche Dinge, z. B. »Hunde sind -wachsam«, unterscheidet, so erkennt man, daß es die Geometrie gar -nicht mit einzelnen Dreiecken oder Kreisen zu tun hat, sondern daß -die gezeichnete Figur nur ein Hilfsmittel ist, sich die allgemeinen -Eigenschaften des Kreises oder Dreiecks besser vorzustellen. Sage -ich dagegen, Hunde sind wachsam, so denke ich an Phylax oder Nero; -bei diesen und anderen habe ich mit der Hundenatur die Wachsamkeit -verbunden angetroffen, ich vermute, daß diese Verbindung die Regel -sein wird. Aber _ein_ schläfriger Köter genügt, um die Allgemeinheit -dieses Satzes anzufechten. Woran nun liegt es, daß wir in der Geometrie -solchen Gefahren nicht ausgesetzt sind? Der Grund dieses Vorzugs -besteht offenbar darin, daß wir hier der besonderen Erfahrungen -nicht bedürfen, sondern daß, wenn einmal der Begriff eines Dreiecks -wirklich erfaßt ist, aus unserem Geiste allein heraus die notwendigen -Eigenschaften des Dreiecks sich finden lassen. Platon hat dafür in -einem seiner Gespräche eine klassische Darstellung gegeben. Er bringt -durch geschickt gestellte Fragen einen der Geometrie unkundigen Sklaven -dahin, aus sich selbst heraus einen geometrischen Satz zu finden. -Daraus schließt er dann weiter, daß also die geometrischen Begriffe -schlummernden Erinnerungen gleich im Geiste jenes Sklaven wie jedes -Menschen liegen und nur geweckt zu werden brauchen. Des Sokrates -Hebammenkunst bekommt so eine tiefere Begründung: sie erweckt die -schlafenden Begriffe in unserem Geiste. Was die Geometrie mit den -Figuren tut, eben das will Platon mit allen Begriffen und besonders mit -den für uns wichtigsten, wie Tugend, Staat, Seele, tun: er will ihnen -ihre ursprüngliche, gleichsam entschlafene Klarheit wiedergeben. - -Wenn so die Ideen in unserem Geiste schlummern, wenn die ihnen -entstammenden Erkenntnisse alle Erfahrungssätze an Sicherheit so weit -überbieten, wie sind sie dann in unseren Geist gekommen? Hierauf -gibt Platon eine seltsam scheinende Antwort. Er sagt, wir haben in -einem früheren Leben, als die Seele noch nicht durch Verbindung mit -dem Körper herabgezogen war, die Ideen selbst _geschaut_. Die dunkle -Erinnerung an dieses vergangene Sehen befähigt uns allein dazu, aus den -schwankenden, wechselnden Wahrnehmungen die gewöhnlichen Erkenntnisse -zu gewinnen; so unsicher diese Meinungen sind, nicht einmal sie wären -ohne jene Erinnerung möglich. Alle _wissenschaftliche_ Erkenntnis aber -besteht in einem _bewußten Wiedererwecken_ jener Erinnerungen. - - -[Idee und Welt] - -Die letzten Sätze zeigen bereits, daß Platon zu Untersuchungen -geführt wird, die Sokrates abgelehnt hätte. Wenn die Seele vor ihrer -Vereinigung mit dem Körper die Ideen selbst, unvermischt mit den -Wahrnehmungen der Sinnesorgane, geschaut hat, so müssen diese Ideen -also einerseits ein _gesondertes_ Dasein haben, anderseits aber -doch auch in den einzelnen wahrnehmbaren Dingen irgendwie _wirksam_ -sein. Infolge dieser doppelten Stellung der Ideen lassen sich die -Fragen nach der Natur der körperlichen Dinge nicht mehr abweisen. -Sokrates, der immer nur auf den einzelnen Fall seine Grundüberzeugung -angewendet hatte, konnte sie vernachlässigen; Platon, der einer in sich -zusammenhängenden Erkenntnis zustrebte, durfte es nicht mehr. Auch er -will vor allem die Bestimmung des Menschen in der Welt erkennen, aber -diese Frage schließt für ihn doch die andere in sich ein: was ist die -Welt? Platons Antwort, daß sie ein getrübtes Abbild jener vorbildlichen -Welt reiner Ideen ist, bereitet viele Schwierigkeiten, die der Denker -selbst erkannt hat. Wie steht denn der allgemeine Begriff des Menschen, -die Idee »Mensch«, zu Peter und Paul und den andren einzelnen Menschen? -Platon hat diese Frage bald in streng begrifflichen Ausführungen, -bald in Bildern mythologischer Art zu lösen gesucht. Aber alle diese -Darstellungen, so bewundernswert sie uns seinen reichen und ringenden -Geist offenbaren, geben neue Rätsel auf. Noch heute herrscht Streit -über Platons eigentliche Meinung. Da zudem in diesen Ausführungen, so -wichtig sie für manche späteren Denker geworden sind, doch nicht der -ewige Wert von Platons Philosophie liegt, darf ich sie hier übergehen. -Was für uns an Platons Lehre wichtig ist, können wir auch ohne Eingehen -auf diese Schwierigkeiten verstehen. - -Wir finden diesen für uns wesentlichen Kern, wenn wir uns unserer -Grundfrage erinnern: Was soll ich in dieser Welt? Um Platons Antwort -darauf zu verstehen, haben wir nur noch nötig, _einen_ Punkt dem -bisher Gesagten hinzuzufügen. Wir wissen: Das wahrhaft Erkennbare und -das wahrhaft Seiende sind die vom Verstande erfaßten Begriffe oder -Ideen. Sie sind es aber auch, die den einzelnen, sinnlich erlebbaren -Gegenständen ihren Wert und ihre Bedeutung verleihen. Ein Pferd -ist gut, wenn es alle Eigenschaften, die zum Begriff des Pferdes -gehören, wie Schnelligkeit, Lenksamkeit, Stärke, in vollkommener -Weise besitzt. Es gibt nun viele Ideen, wie es viele Arten von -Dingen und Eigenschaften gibt. Es gibt Ideen des Pferdes und des -Hundes, aber auch des Tieres; des Mannes und der Frau, aber auch des -Menschen. Augenscheinlich sind einzelne dieser Ideen untereinander -ähnlich und anderen untergeordnet. Der Begriff des Mannes ist dem der -Frau ähnlicher als dem des Pferdes; Mann wie Frau stehen unter dem -allgemeineren Begriffe des Menschen; Mensch und Pferd stehen unter -dem Begriff des lebendigen Wesens. Da alle Ideen einen einheitlichen, -vernunftbeherrschten Zusammenhang bilden sollen, muß es eine oberste -Idee geben. Diese oberste Idee nun, unter der alle anderen stehen, ist -für Platon die Idee des Guten. Der Denker selbst bezeichnete diese -Einsicht als die am schwersten zu erringende. Wie er dazu kam, werden -Sie vielleicht begreifen, wenn sie sich erinnern, daß alles Gute in den -einzelnen Dingen von den Ideen kommt, daß ferner die Sicherheit unseres -Erkennens und damit die Güte unsres Handelns auf der Wiedererweckung -der Ideen in unserm Geiste beruht. - -Ist die oberste Idee die des Guten, so fällt für Platon auch die -Gottheit mit dieser obersten Idee zusammen. Denn die Ideen sind es -ja, die göttergleich dauern und in ewigem Sein unsere wechselnde -Welt bestimmen. Die Einheit von Macht und Güte, die reine Idee der -Gottheit ist so errungen. Aus diesem Gedanken folgt, daß auch in der -Welt der Körper alles gemäß der Idee des Guten, d. h. dem Zwecke -des Guten entsprechend geordnet ist. Platon begründet eine Art der -Naturerklärung, die aus einer zweckmäßigen Ordnung alles einzelne -abzuleiten sucht. Die Sterne z. B. bewegen sich in kreisförmigen -Bahnen, weil die gleichartige und in sich zurücklaufende Kreisbewegung -die vollkommenste Art der Bewegung ist. Wie Sie wissen, geht die -moderne Wissenschaft ganz anders vor. Sie hat gefunden, daß die Sterne -sich nicht in Kreisen, sondern in Ellipsen bewegen, und sie sucht -nun nicht etwa zu beweisen, daß die Ellipse vollkommener ist als der -Kreis, sondern sie weiß gar nichts von »vollkommener« Bewegung, sie -fragt nur, welches die Ursachen dieser Bewegung sind, und findet diese -Ursachen in der gegenseitigen Anziehung und in der Lage der Sterne -zueinander. Diesen Gegensatz einer Erklärung aus Ursachen (kausal) und -einer Erklärung aus Zwecken (teleologisch) hat Platon sich durchaus -deutlich gemacht. In dem Gespräche Phädon, das wir schon kennen, läßt -er den Sokrates etwa folgendes ausführen: Wenn man meint, durch Angabe -der Ursachen die Natur erklärt zu haben, so komme ihm das vor, als wenn -man sage, Sokrates sei im Gefängnis, weil seine Muskeln und Sehnen -sich soundso bewegt hätten und weil sie jetzt so gestellt seien, daß -er nicht weggehe. Und doch haben ihn nicht die Muskeln und Sehnen -verhindert zu fliehen, als die Möglichkeit dazu gegeben war. Er ist -vielmehr geblieben, um, wie er es für recht hielt, den Gesetzen der -Vaterstadt zu gehorchen. - - -[Naturauffassung. Liebe] - -Für die Naturerklärung ist Platons Weg ungangbar, weil wir als -beschränkte Menschen die Zwecke des Weltganzen sicherlich nicht -erkennen können. Wir werden im nächsten Vortrage sehen, daß hier nur -die entgegengesetzte Methode zur Erkenntnis führt. Aber gerade das -Beispiel, das ich eben aus dem Phädon anführte, wird Ihnen gezeigt -haben, daß unser Handeln nur recht gewürdigt und geleitet werden kann, -wenn wir es von seinen Zielen aus beurteilen. Klug handelt, wer die -Mittel zu seinen Zwecken richtig wählt, weise, wer sich die wahrhaft -richtigen Zwecke stellt. Um Ihnen nun zu zeigen, wie Platon seine Lehre -auf unser Leben anwandte, kann ich an zwei Verbindungen anknüpfen, in -denen Sie Platons Namen wahrscheinlich oft gehört und gebraucht haben, -an die platonische Liebe und den platonischen Staat. Freilich sind die -landläufigen Vorstellungen von diesen beiden bekanntesten platonischen -Lehren gründlich verkehrt. - -_Platonische Liebe_, so meint man wohl, sei eine Liebe, die nicht auf -den Besitz des Geliebten geht, die ihren Gegenstand nur von ferne -schwärmerisch verehrt. Aber wenn zwischen sinnlicher und platonischer -Liebe wirklich nur dieser Unterschied bestände, wenn Platon also eine -Liebe gepriesen hätte, die weder die Kraft hat, sich das Geliebte -zu erringen, noch den Mut, endgültig zu verzichten, so wäre die -platonische Liebe ein Trost für schwache Süßlinge, wert des Spottes -lebenskräftiger Frohnaturen. In Wahrheit ist nicht der Verzicht -auf sinnlichen Besitz, sondern der Zusammenhang mit der Ideenlehre -wesentlich für den Begriff der platonischen Liebe. Wir haben gesehen, -daß alles Wertvolle, Schöne und Gute in den Dingen von ihrem Anteil -an den Ideen herkommt. Wie jeder, der mit offenem und künstlerischem -Auge in die Welt schaut, liebte und bewunderte Platon kraftvolle und -schöngebildete jugendliche Gestalten. Er rechtfertigte sein Gefühl vor -sich selbst durch die Lehre, daß in der Schönheit des Leibes sich die -ewige Idee des Menschen dem irdischen Auge offenbart. Seiner Idee nach -ist der Mensch ein vernunftbeherrschtes Wesen; und wir dürfen, wenn -wir Platons Lehre von der Liebe verstehen wollen, nicht vergessen, -daß für den Griechen ein schöner Körper sich in erster Linie durch -gleichmäßige Ausbildung aller Muskeln auszeichnet. Einem solchen -Körper sieht man es an, daß er leicht und frei der Absicht des Willens -gehorcht; daher kommt in dem schönen Körper des Griechen die Herrschaft -des vernünftigen Geistes über die Glieder des Leibes zum Ausdruck. -Es ist ein Zeichen niederer Sinnesart, wenn manche Orientalen an den -Frauen die tote Masse des fetten Körpers lieben. Echte Liebe sucht, -selbst wenn sie sich dessen nicht voll bewußt ist, im geliebten Wesen -das wahrhaft Wertvolle. Daraus folgt, daß ihr der sinnliche Besitz -nicht das Höchste sein kann; aber die bloße Enthaltung vom sinnlichen -Besitze macht für sich genommen den Wert einer Liebe keineswegs aus, -sondern darin zeigt sich die echte Liebe, daß man in sich selbst wie -im Geliebten ein Höheres zu erzeugen sucht. Platonische Liebe sieht -also im Geliebten die Vollkommenheit angelegt und strebt für sich -selbst und für das geliebte Wesen nach der Herrschaft und Durchsetzung -dieser Vollkommenheit. Da aber alle einzelnen Dinge und Menschen ihre -Vollkommenheit doch nur aus den Ideen haben, so geht die wahre Liebe -von den Körpern zu den Seelen und von den Seelen zu den Ideen. Der -Philosoph liebt die Wahrheit mit demselben Feuer, mit dem der Liebende -seine Geliebte liebt; in dem Streben nach Wissen, das für Platon wie -für Sokrates alles beherrscht, steckt eine leidenschaftliche Liebe. - -In jeder Liebe hoher Art lieben wir, selbst wenn wir uns dessen -nicht bewußt sind, die Idee, die Gottheit. Dadurch sind für Platon -die innigsten menschlichen Verhältnisse an die großen Gedanken -seiner Philosophie angeknüpft. Noch enger fast ist Platons Lehre vom -_Staate_ mit der Ideenlehre verbunden. Die Vernunft, die im einzelnen -Menschen herrschen soll, hat auch den Staat zu regieren. Hier wie -dort sollen die niederen Triebe in strengem Gehorsam gehalten werden. -Die eben angedeutete Vergleichung des einzelnen Menschen und des -Staates hat Platon überall durchgeführt. Der Staat ist ihm nicht eine -bloße Vergesellschaftung der Menschen zum Zwecke der Sicherheit und -Wohlfahrt, sondern ein in sich wertvolles vergrößertes Abbild des -Menschen. Wie der einzelne die Aufgabe hat, die Idee der Menschheit in -sich darzustellen, so soll das in größerer und vollkommnerer Weise der -Staat tun. Platon erbaut sich in Gedanken ein Staatswesen, das diesen -Anforderungen genügt. Nicht aus der Wirklichkeit nimmt er das Vorbild -für diesen Staat; ja er weiß, daß ein Staat ganz so, wie er sich ihn -denkt, nie existieren wird. Aber auch der Kreis des Mathematikers ist -in der Körperwelt nie völlig genau vorhanden und bleibt trotzdem das -Vorbild jedes Kreises, den wir zeichnen. So soll der ideale Staat -Platons ein Vorbild sein, dem sich die Wirklichkeit möglichst zu nähern -hat. Da nun der Staat der Mensch im großen ist, so entsprechen seine -Teile, die Berufsstände der Bürger, den Teilen der menschlichen Seele. -Wir müssen daher, um Platons Staatsideal zu verstehen, einen Blick auf -seine Seelenlehre werfen. - - -[Staat. Seelenlehre] - -Da die Seele sich im irdischen Leben der einst geschauten Ideen -erinnert, hat sie vor ihrer Vereinigung mit dem Körper schon -existiert. Sie wird ebenso den Körper überdauern. Noch in anderer -Weise leitet Platon die Unsterblichkeit der Seele aus der Ideenlehre -ab. Unsere Seele ist fähig, die reinen Begriffe oder Ideen zu erfassen. -Diese Begriffe aber werden und vergehen nicht, sondern sind aus dem -Flusse des zeitlichen Geschehens gleichsam herausgehoben. Man kann -sich das wieder an einem geometrischen Begriffe wie dem des Kreises -klar machen. Begrifflich, für die Beweisführung des Mathematikers, -ist der Kreis, den der große alexandrinische Mathematiker Euklid sich -dachte, und der Kreis, an dem heute ein Schullehrer seinen Schülern die -geometrischen Sätze beweist, genau derselbe; es kommt für die Geometrie -gar nicht in Betracht, daß jener erste Kreis vor mehr als 2000 Jahren -gedacht wurde, daß die Zeichnungen, die Euklid davon machte, längst -verschwunden sind. Ein Wesen aber, das Zeitloses, Ewiges zu erfassen -vermag, muß selbst an der Ewigkeit teilhaben, kann nicht in die engen -Grenzen eines Menschenlebens eingeschlossen sein. Es liegt in diesem -Beweise der richtige Gedanke, daß wir durch Teilnahme an dem ewig -Wahren uns gleichsam über das zeitliche Leben emporheben. Aber ein -zeitliches Fortleben jenseits des Todes läßt sich weder auf diesem -noch auf einem der andern von Platon versuchten Wege wissenschaftlich -beweisen. Platon wollte hier zur _Sache des Wissens_ machen, was immer -_Sache des Glaubens_ bleiben muß. - -In diesen Unsterblichkeitsbeweisen ist die Seele so völlig aus der -körperlichen Natur herausgehoben worden, daß eine besondere Vermittlung -zwischen den beiden Gegensätzen nötig wird. Platon findet sie in der -Lehre von den Seelenteilen. Wie die Ideen selbst außer ihrem reinen -und abgesonderten Dasein doch auch in der Körperwelt wirksam sind, -so beherrscht unsere Seele zugleich einen besonderen Körper, eben -unseren menschlichen Leib. Der Teil der Seele, der die Ideen schaut, -ist die Vernunft. Sie herrscht über den Leib mit Hilfe der wollenden -Seelenteile; aber den Willen bestürmen zugleich die körperlichen -Begierden. Wenn wir unsere Gelüste nicht beherrschen, werden wir -von ihnen unterjocht. Darum unterscheidet Platon zwei Willens- oder -Triebkräfte, eine höhere, den Mut, wie er sie nennt, durch den die -Vernunft wirkt, und dem auch jene edlere Liebe angehört, und eine -niedere, die Begierde. Auch die _sinnlichen Begierden_ gehören zum -Menschen, wie wir ja ohne Essen und Trinken unser Leben nicht erhalten -können; aber sie _sollen nicht herrschen, sondern dienen_. _Gebieten_ -soll die _Vernunft_, ihre Gebote _durchsetzen_ soll der _Mut_. - - -[Staat] - -Diesen drei Teilen der Seele entsprechen die Teile des »Menschen im -großen«, d. h. die Stände des Staates. Regieren soll auch hier der -vernünftige Teil; so rechtfertigt sich Platons bekannter und zuweilen -belachter Ausspruch, nicht eher werde es im Staate besser werden, als -bis die Könige philosophieren oder die Philosophen Könige sind. Unter -einem Philosophen versteht Platon hier nämlich nicht einen einsamen, in -sein Studierzimmer eingeschlossenen Grübler, sondern einen Mann, der -außer der Erziehung durch das praktische Leben auch noch die höchste -wissenschaftliche Ausbildung empfangen hat und darum befähigt ist, -die Wissenschaft ebensowohl zu fördern wie auf den Staat anzuwenden. -Der zweite Stand, der dem Mute entspricht, ist der Kriegerstand, der -im Innern die von den Herrschern befohlene Ordnung aufrecht erhält -und gegen äußere Feinde den Staat beschirmt. Auch die herrschenden -Weisen haben zum Kriegerstand gehört, ehe sie in ihre höhere Stellung -aufrückten. Damit die beiden herrschenden Stände sich ganz ihren -Aufgaben widmen können, ist von ihnen jede Sorge um den täglichen -Unterhalt, jede Begierde nach Reichtum fernzuhalten. Sie werden -daher aus Staatsmitteln ernährt und dürfen weder Privateigentum noch -Familie haben. Der dritte Stand ist der erwerbende, er entspricht der -Begierde und hat im rechten Staate zu gehorchen. Bei der Behandlung -des Nährstandes zeigt sich in Platons Ausführungen eine Schwäche, die -er mit allen Griechen teilt. Dem sklavenhaltenden Griechen war die -Erwerbsarbeit etwas, das im Grunde eines freien Mannes nicht würdig -schien. Wir sind hier längst über das Griechentum hinausgeschritten und -sehen in jeder recht getanen Arbeit eine Verwirklichung des Besten im -Menschen. Diese Schwäche macht sich auch sonst in Platons Staatsideal -geltend. Man hat wegen der von ihm geforderten Eigentumslosigkeit -der höheren Stände in Platon oft einen der Urväter des Sozialismus -gesehen -- kaum mit Recht. Denn Platon hat wenigstens in seinem -»Staat« an das Privateigentum der Erwerbsstände nicht gerührt.[4] -In für uns auffallender Weise werden alle wirtschaftlichen Fragen -vernachlässigt. Nicht im Interesse gerechter Güterverteilung, sondern -nur, damit sie ganz ihrem Amte leben können, wird den Kriegern und -Weisen das zu ihrem einfachen abgehärteten gemeinsamen Leben Nötige -aus öffentlichen Mitteln zugeteilt. Das Herrschen ist nach Platon kein -Genuß, kein Mittel, den Herrschern Vorteile zu verschaffen, sondern -ein im Dienste des Ganzen geübtes Amt, dem sich die dazu Tüchtigen -sowenig entziehen dürfen, wie etwa die Vernunft des einzelnen Menschen -es unterlassen darf, sein tägliches Leben nach ihren Einsichten zu -regeln. Aus denselben Gründen wie das Privateigentum ist für die -höheren Stände auch die Familie abzuschaffen; in ihnen gibt es nur -einzelne gleichberechtigte Männer und Frauen, deren Verbindungen von -den Herrschern im Interesse eines tüchtigen Nachwuchses geregelt -werden. Während Platon in der Unterschätzung der Erwerbsarbeit -griechischen Vorurteilen folgte, trat er in der Bewertung der Frau der -in seinem Volke herrschenden Meinung entgegen. Er forderte völlige -Gleichstellung beider Geschlechter. Zu Kriegern und Herrschern werden -Frauen wie Männer gemacht. Die Kinder dieser höheren Stände erhalten -gemeinsame Erziehung und kennen ihre Eltern nicht. Nur die unter diesen -Kindern, die ihrer Abkunft Ehre machen, bleiben im Stande der Eltern, -die übrigen werden in den dritten Stand herabgesetzt. Ebenso werden -unter den Kindern der Gewerbsleute die tauglichen in die höheren Stände -emporgehoben. - -Vieles einzelne in Platons Staatsideal ist überwunden, anderes, -wie die Forderung wissenschaftlicher Bildung für die Regierenden, -ist wenigstens teilweise Wirklichkeit geworden; manches, wie die -Zugänglichkeit der höchsten Stellen für alle Tüchtigen und die Auswahl -der Regierenden allein nach der Tüchtigkeit, ist auch heute noch Ziel -unseres Strebens. Aber weit wichtiger als alle diese Einzelheiten -ist der Geist, der in Platons Staatslehre waltet. Alle Einrichtungen -beherrscht die Vernunft, jeder Mensch dient den großen Zielen des -Ganzen. Auf diese Ziele ist der Sinn gerichtet und von ihnen aus werden -die Mittel gewürdigt. In unserer Zeit haben sich die Mittel des Lebens -unendlich vervollkommnet. Bewundernswertes ist für die Bequemlichkeit -und Gesundheit des äußeren Lebens geschehen, und diese Fortschritte -werden wachsenden Teilen des Volkes zugänglich. Wir sollen diese -technischen Errungenschaften nicht unterschätzen. Aber auch wenn wir -mit immer größerer Schnelligkeit reisen, und wenn unsere Worte durch -Telephon und drahtlose Telegraphie den Raum überwinden, die Hauptsache -bleibt stets, zu welchen Zwecken wir reisen und was wir reden. Gerade -die großen Fortschritte der Technik lassen viele vergessen, daß alle -diese Erleichterungen der Ernährung und des Verkehrs nur Mittel -sind, und daß es auf die Zwecke ankommt, zu denen wir diese Mittel -gebrauchen. Das Nachdenken über diese Zwecke heißt Philosophie. Den -Wert dieses Nachdenkens hat niemand mit größerer Kraft hervorgehoben -als Platon. In der Mahnung, über die Ziele des Lebens nachzudenken, -gipfele Ihre Erinnerung an ihn. - -[Illustration: Platon - -Nach einer Marmorbüste in Rom] - - - - -Dritter Vortrag. - -Descartes. - - -[Geschichtliche Stellung] - -Nicht Geschichte der Philosophie will ich Ihnen in diesen Stunden -vortragen, sondern meine Absicht ist, daß Sie die philosophischen -Grundgedanken gleichsam mit entdecken, im Geiste großer Denker -miterleben. Unter diesem Gesichtspunkte habe ich Philosophen gewählt, -die recht ursprünglich aus sich heraus die Fragen neu stellen und -lösen. Es gibt unter den großen Philosophen auch Geister anderer -Art, solche, die eine ungeheure Menge von Wissensstoff in ein -einheitliches System zu formen unternehmen. Ihre Aufgabe ist die -höchste; denn der Geist des Menschen strebt zuletzt danach, die ganze -Mannigfaltigkeit der Dinge und Erlebnisse als gegliederte Einheit -zu überschauen. Platons großer Schüler _Aristoteles_ leistete das -für seine Zeit und wurde dadurch während des ganzen Mittelalters der -eigentliche Lehrer Europas. Als großer Vollender, Zusammenfassender, -Abschließender hat er das griechische Denken den Völkern des -Morgen- und des Abendlandes vermittelt. Aber gerade jene Fülle der -Materialien und der Gesichtspunkte, die seiner Wirkung einst günstig -war, erschwert uns heute die Annäherung. Der Stoff des Wissens, den -Aristoteles beherrschte und verarbeitete, ist veraltet. Wir wissen -vieles besser, und vor allem der Umfang unserer Kenntnisse ist weit -größer. Wir sind nicht etwa klüger als Aristoteles, aber wir haben -das Glück, die Vorarbeiten vieler Geschlechter für uns benutzen zu -können und sind dadurch an Erfahrungen reicher. So vieles wir noch von -Aristoteles lernen können, über seinen Schriften liegt der Staub der -Geschichte. Wir müssen uns, um Systemen, wie Aristoteles und seine -mittelalterlichen Schüler sie schufen, gerecht zu werden, in den Geist -ferner Zeiten zurückversetzen. Sie werden bei Sokrates und Platon -selten eine derartige Schranke gefühlt haben. Die Fragen, die diese -Männer zum ersten Male mit voller Klarheit stellten, quälen noch heute -unklar jeden, der nachzudenken beginnt; ihre Antworten zeigen auch uns -noch den Weg der Lösung. Wir verkehren mit ihnen über die Jahrtausende -hinweg gleichsam unmittelbar. Ein ähnliches Gefühl der Verwandtschaft -ergreift uns erst wieder den Führern der beginnenden Neuzeit gegenüber. -Von dem größten unter ihnen, von _René Descartes_, will ich heute reden. - -René Descartes (die lateinische Namensform ~Renatus Cartesius~ hat -der Philosoph selbst nicht gebraucht) wurde 1596 als jüngerer Sohn -eines französischen Edelmannes geboren. Er wurde, sobald seine zarte -Gesundheit es erlaubte, sorgfältig und vielseitig unterrichtet. Den -wichtigsten Teil seiner geistigen Ausbildung erhielt er in der damals -neu gegründeten Jesuitenschule von La Flèche; er war ein Musterschüler -dieser Musteranstalt. Descartes selbst hat später den Eindruck des -dort erhaltenen Unterrichtes auf ihn geschildert. Wir werden seine -Darstellung verstehen, wenn wir uns die Eigentümlichkeiten jenes -Zeitalters rasch vor Augen führen. - -In _einer_ Beziehung erinnert der Beginn der Neuzeit an die Periode des -Sokrates und Platon. Beide Male geriet eine religiöse Überlieferung -und eine eng damit verbundene Art der Lebensführung ins Schwanken. -In solchen Zeiten besinnen sich denkende Männer auf die Grundlagen, -auf denen man gebaut hatte. Aber weiter reicht die Ähnlichkeit beider -Zeiten auch nicht. Die Überlieferung des Mittelalters war selbst -etwas ganz anderes als die griechische Religion und der griechische -Staat. Das Römerreich hatte die Völker der damals bekannten Welt fast -alle in seine _Einheit_ verflochten; das Christentum setzte für den -größten Teil dieser Völker eine _innere_ Einheit an die Stelle jener -äußeren politischen Verbindung. Wir können darum das Mittelalter als -eine Zeit der Einheit bezeichnen; politisch fühlte sich trotz aller -Kriege die Christenheit als ein Ganzes, außerhalb ihrer standen -die Feinde, die Muselmanen; weiter reichte der Gesichtskreis kaum. -Geistig wurde das ganze Leben von der Kirche beherrscht. Wie aber -jene politische Einheit der christlichen Welt im Vergleich zu den -kleinen griechischen Staaten einen ungeheuren Umfang hatte und im -Gegensatze zu der unmittelbaren Wirksamkeit jener Staaten mehr als -ideale Forderung denn als wirkliche Macht bestand, so war auch die -Einheit des geistigen Lebens weit komplizierter und barg viel größere -Gegensätze in ihrem Schoße. Der Kultus der Götter, in dem die Religion -der Griechen wesentlich bestand, war eine Staatsangelegenheit und wurde -mit dem Schwerte gegen Feinde, aber eigentlich nicht mit Gründen gegen -Andersgläubige oder Ungläubige verteidigt. Glaubenssätze, über die sich -streiten ließ, enthielt diese Religion in der vorphilosophischen Zeit -kaum. Im Mittelalter war das anders. Der christliche Glaube mußte sich -von Anfang an gegen philosophisch gebildete Angreifer verteidigen. -Innerhalb der Christenheit selbst entstanden verschiedene Richtungen; -und gegen Absonderungen der Ketzer konnte man sich nur durch strenge -Aufrechterhaltung bestimmter Glaubenssätze oder Dogmen schützen. Viele -unter diesen Dogmen -- ich erinnere an die Dreieinigkeit, an die -Gottheit Christi -- waren schwer zu erfassen und bedurften zu ihrer -Auslegung und Verteidigung großen Scharfsinns. Es wurde also viel -und zusammenhängend nachgedacht, es galt, aus den Lehren der Kirche, -den Überlieferungen der biblischen Bücher, den Anforderungen der -fortschreitenden Zeit eine Einheit zu bilden. Man bedurfte gelehrter -Denker. Der Übung ihres Scharfsinns diente auch ein lebhafter Betrieb -der weltlichen Wissenschaft, die fast ganz mit der Philosophie -zusammenfiel und deren Pflege wesentlich in geistlichen Händen lag. -Theologie und Philosophie unterlagen ähnlichen Bindungen. Wie die -Theologie an der Bibel, so hatte die Philosophie besonders im späteren -Mittelalter an den Schriften des Aristoteles eine Autorität. Über diese -Schriften wurde nachgedacht, und über ihre Auslegung stritt man sich. -Alle Studien, selbst die medizinischen, waren wesentlich Bücherstudien. - - -[Zeitalter] - -Am Beginn des 17. Jahrhunderts, in der Jugendzeit des Descartes, -war etwa seit hundert Jahren diese alte Einheit erschüttert, ohne -daß doch ihre Herrschaft schon vorbei gewesen wäre. Die Neuzeit -beginnt auf geistigem Gebiete überall damit, daß man nicht mehr wie -bisher unter Voraussetzung des traditionellen Systems von Lehren und -Büchern um seine Ausbildung und Auslegung streitet, sondern daß die -Voraussetzungen der geltenden Lehre selbst angegriffen werden. Das -erweiterte Bild der äußeren Welt sprengte den alten Rahmen. Schon die -geographischen Entdeckungen hatten den Gesichtskreis ausgedehnt; viel -stärker aber noch wirkte die neue Astronomie. Bis zum 16. Jahrhundert -hatten die meisten Denker mit Aristoteles geglaubt, daß die Erde im -Mittelpunkt der Welt stehe und Sonne, Mond und Sterne sich um sie -drehen. _Kopernikus_ ließ die Erde sich als Planeten um die Sonne -bewegen und _Giordano Bruno_ faßte das ganze Sonnensystem als _eine_ -Welt unter unzähligen anderen auf; auch die Fixsterne sind nach seiner -Lehre Sonnen, deren Planeten wir nur nicht erblicken können. Diese -Sätze, die heute Schulknaben nachreden, ohne daß sie ihnen Eindruck -machen, waren um sechzehnhundert noch aufregende, von allen Kirchen -verdammte Kühnheiten, für die Bruno selbst zum Märtyrer wurde. Nur das -Umstrittene bewegt die Geister. Mit der alten Einheit der äußeren Welt -gleichzeitig war auch die Einheit der Kirche durch die Reformation -vernichtet worden. An Stelle des einen Aristoteles ferner war infolge -der erweiterten Kenntnis des Altertums eine Menge einander bekämpfender -alter Philosophen getreten. Alle diese Neuerungen bewirkten -- zumal -in Italien, dem geistig führenden Lande der Übergangszeit -- eine -große Gärung. Der einzelne Mensch, nicht mehr gehalten durch die -Bande der Überlieferung, fühlte sich als freies, selbstherrliches -Individuum. Aber der Fülle neuer Anregungen fehlte zunächst noch die -verbindende Einheit und die Sicherheit streng wissenschaftlichen -Denkens. Der frei gewordene Geist ergriff, was ihm verwandt war, was -seine Sehnsucht zu befriedigen versprach, mit ungestümem Eifer. Darum -blühen in jenen Zeiten des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit die -Scheinwissenschaften der Astrologie, Magie, Alchimie. Langsam ringt -sich aus diesem Chaos die echte Wissenschaft empor -- ihre Anfänge -liegen in der Mathematik, der Astronomie und der philologischen -Behandlung der alten Schriftsteller. - -Von diesen Neuerungen drang vieles auch in den Unterricht der -Jesuitenschule ein. Denn die Jesuiten wollten nicht weltfremde -Mönche, sondern treue Diener der Kirche in der Welt heranbilden. -Sie mußten ihren Zöglingen daher von der neuen Weisheit so viel -mitteilen, wie man in der Welt brauchte. So stand in ihrem Unterrichte -die gründliche Kenntnis der alten Sprachen und Schriftsteller und, -wenigstens in La Flèche, auch der Mathematik neben der Kirchenlehre -und der ihr entsprechenden Philosophie. Den meisten Zöglingen war -dieses Nebeneinander unverträglicher Gegenstände ganz recht, wie -ja immer in den Seelen der Mehrzahl Widersprechendes sich sehr gut -verträgt. Aber es ist ein Kennzeichen philosophischer Geister, daß -sie ein Nebeneinander unverbundener, ja widerstrebender Teile nicht -ertragen können. Darum befriedigte Descartes der Unterricht nicht. Von -Anfang an suchte er einheitliches und sicheres Wissen und begann früh -alle Zweige des Unterrichts daraufhin zu prüfen, ob sie beweisbare -Wahrheiten enthielten. Er mußte also an dem, was man ihn lehrte, Kritik -üben, verfuhr aber dabei nicht etwa als junger Umstürzler, der, weil -seine Erwartungen nicht befriedigt wurden, sich gegen alle Vorteile -des empfangenen Unterrichtes verstockte. Vielmehr wußte er ganz wohl, -daß er viel Nützliches gelernt hatte, daß die alten Sprachen seinen -Stil gebildet, die griechischen und römischen Schriftsteller seinen -Geist bereichert hatten. Auch für die religiöse Unterweisung war er -empfänglich, fühlte sich sein Leben lang als Christ und suchte stets -mit der katholischen Kirche im Einvernehmen zu bleiben. Aber der Preis -der geistig Armen, der auch in den bildungsstolzen Schulen nicht ganz -verstummen durfte, ließ den Nutzen gelehrter Theologie zweifelhaft -erscheinen, zumal der Streit um die rechte Auslegung der Lehre endlos -fortging. Nirgends zeigte sich die Sicherheit der Ergebnisse, die -Descartes leidenschaftlich begehrte. Nur in der Mathematik fand er -dieses Streben befriedigt. Aber hier handelte es sich um Gegenstände, -die ihn im Grunde kalt ließen; für Zahlen und Figuren als solche -interessierte sich der junge Descartes wenig, so sehr ihn auch die -strenge Form der mathematischen Methode anzog. - -Unbefriedigt von der Schulweisheit, dabei als Sohn eines wohlhabenden -Edelmannes unabhängig, beschloß Descartes, statt der Bücher die Welt -zu studieren. Da er sich einen Beruf wählen sollte, entschied er -sich, einem Wunsche seines Vaters folgend, dafür, Soldat zu werden. -Beim Verlassen der Schule 1612 war er indessen noch zu jung und zu -schwächlich, um Kriegsdienste zu nehmen. Er stählte daher zunächst -seinen Körper durch geeignete Übungen und begab sich dann zur -gesellschaftlichen Ausbildung nach Paris. - - -[Jugend. Kriegszüge] - -Aber schon hier zeigte es sich, daß dem jungen Manne die Versenkung in -sich selbst und das stille Studium im Grunde angemessener war als das -rauschende Treiben der Welt. Verkehr mit Mathematikern gab ihm neue -Anregung, ihre Wissenschaft fesselte ihn jetzt so sehr, daß er zwei -Jahre hindurch zurückgezogen mathematischen Studien lebte. - -Im Jahre 1617 war er kräftig genug zum Kriegsdienste; er blieb nun 5 -Jahre lang bis 1622 Soldat. Aber dieser junge französische Edelmann -trat nicht, wie man vermuten möchte, ins französische Heer ein, sondern -ging zu dem protestantischen Moritz von Oranien, der damals allerdings -mit Frankreich verbündet war. Als später in Deutschland der große Krieg -begann, schloß er sich dem Heere Tillys, des Feldherrn der katholischen -Liga, an. Man sieht, daß weder religiöse noch politische Interessen -ihn bei der Wahl der Fahne leiteten, der er folgte. Auch militärischer -Ehrgeiz lag ihm fern. Er blieb stets Volontär und benutzte die -Kriegszüge lediglich als Mittel, die Welt zu sehen. - -Zwischen der kriegerischen Laufbahn eines Sokrates und der eines -Descartes besteht also der entschiedenste Gegensatz. Sokrates erfüllte -als Krieger seine Bürgerpflicht und ging völlig im Dienste seiner -Vaterstadt auf. Descartes machte die Kämpfe, die das Geschick der -europäischen Menschheit bestimmten, nur deshalb eine Weile mit, weil -sie ihm Gelegenheit zur Ausbildung seiner Persönlichkeit gaben. Nicht -nur zwei Männer, zwei Zeiten und zwei Lebensauffassungen stehen hier -einander gegenüber. Descartes selbst spricht von seinen Kriegszügen -wie von Reisen; durch Reisen, so sagt er, lernt man die Sitten -verschiedener Völker kennen und befreit sich von dem Vorurteil, daß man -nur nach der in der Heimat gewohnten Weise leben könne. - -Aber das Lesen im eigenen Innern war für Descartes auch in dieser Zeit -wichtiger noch als das Lesen im Buche der Welt. Mehr als von Kampf -und Sieg, mehr auch als von der Durchquerung Mitteleuropas bis nach -Ungarn hin, spricht er von den inneren Erlebnissen in der Stille der -Winterquartiere. Hier nahm er im innigsten Zusammenhang mit seinen -philosophischen Überlegungen auch das Studium der Mathematik wieder -auf. An Kennern dieser Wissenschaft fehlte es in den Heeren jener Zeit -nicht, da man mathematischer Berechnungen besonders bei Belagerungen -bedurfte. - -Wir müssen uns klar zu machen suchen, warum Descartes von der -Mathematik für die Philosophie so viel erhoffte. Sie war für ihn -zunächst, ähnlich wie für Platon, ein Vorbild sicher begründeter -Erkenntnis. Die Möglichkeit, durch strenge Überlegungen ohne die -unsichere Hilfe der Erfahrung neue fruchtbare Wahrheiten zu -finden, hoffte er auf die Philosophie übertragen zu können; aber zu -dieser formalen Bedeutung der Mathematik trat die Fülle ihrer neuen -naturwissenschaftlichen Anwendungen, die eben damals die Denkenden -fesselten. - - -[Mathematik und Naturwissenschaft] - -Diese neue mathematische Naturwissenschaft bewirkte zugleich -einen vollkommenen Umschwung in der Auffassung der Körperwelt. -Platon, Aristoteles und die Denker des Mittelalters hatten alle -Naturerscheinungen durch zweckmäßig wirkende Kräfte erklären wollen. -Als die beginnende Neuzeit sich mit frischer Liebe der Erforschung der -äußeren Natur zuwandte, folgte man meist diesen Lehren, ja man überbot -sie, geleitet durch das Gefühl einer innigen Verwandtschaft zwischen -Mensch und Natur. Uns Deutschen ist diese Stimmung der Renaissancezeit -durch Fausts Monologe vertraut. Man glaubte, vermöge einer genialen -Ahnung die Geheimnisse der Natur erraten zu können, weil man sich mit -ihr eins fühlte. Alle Kräfte dachte man sich lebendig und geistig. -Indessen, so anziehend diese poetische Betrachtungsweise ist, für die -Erklärung, Beherrschung, Vorhersage der Naturerscheinungen leistet -sie nichts. Wir legen uns die Zwecke der Natur doch immer nur nach -unsern Wünschen zurecht und bleiben bei allgemeinen Sätzen stehen, aus -denen sich nichts einzelnes folgern läßt. Nur die Ursachen, nicht die -Zwecke der Erscheinungen vermögen wir zu erforschen und auch diese -beherrschen wir nur, soweit wir sie durch Maß und Zahl zu bestimmen -vermögen. Die Astronomen wurden sich zuerst dessen bewußt. In der -Zeit der Renaissance herrschte die Überzeugung, daß die regelmäßigen -Bewegungen der Sterne von vollkommeneren Geistern herrühren, die bei -der alles umfassenden Gemeinschaft der Seelen auch auf die menschlichen -Geschicke Einfluß haben. Allgemein verbreitet war daher der Glaube an -die Astrologie. Auch _Kepler_, der die Gesetze der Planetenbewegung -entdeckte, war noch von diesen Gedanken ausgegangen, lernte aber -mehr und mehr ihre Unfruchtbarkeit begreifen, widmete sich der -sorgfältigsten messenden Beobachtung der Himmelserscheinungen und -forderte von den vermuteten Ursachen der Sternbewegungen zahlenmäßige -Bestimmbarkeit. Alle Führer der neuen Zeit, so verschieden auch -sonst ihre Ansichten sein mochten, waren einig in der Abweisung der -Aristotelischen Naturphilosophie und in der Forderung einer die -Ursachen aufsuchenden, von der Mathematik geleiteten Naturforschung. -Diese neue Richtung der Forschung mußte aber die ganze Auffassung -der Körperwelt umwandeln. Durch Zahl und Maß bestimmbar sind nicht -die unmittelbar sinnlich wahrgenommenen Eigenschaften. Die Töne, so -wie wir sie hören, können wir nur in eine nach der Höhe aufsteigende -Reihe ordnen, können ihre harmonischen und melodischen Verhältnisse, -ihre Gefühlswirkungen beschreiben, aber wir vermögen nicht die Töne -und Klänge, so wie sie gegeben sind, durch ein Gesetz zu beherrschen. -Will der Physiker die ihrer Entstehung zugrunde liegenden Gesetze näher -erforschen, so faßt er sie als Wellenbewegungen der Luft auf. Diese -sind nach Wellenlänge, Wellenhöhe und Geschwindigkeit vollständig -meßbar und durch geometrische Figuren darstellbar; man kann daher -sogar vorausberechnen, was beim Zusammentreffen verschiedener solcher -Bewegungen erfolgt, und gewinnt an Stelle weniger, unbestimmter Sätze -eine große in sich zusammenhängende Wissenschaft. Wie hier, so führt -der Naturforscher überall die wahrnehmbaren Verschiedenheiten der -Qualitäten auf Bewegungen der Körper im Raume zurück, weil er diese -allein mit Hilfe der Mathematik beherrschen kann. Die Wissenschaft von -den Bewegungen der Körper im Raume unter der Einwirkung bewegender -Kräfte heißt Mechanik, daher nennt man diese Auffassung der Körperwelt -mechanistisch. - -Man muß die Philosophie des Descartes durchaus im Zusammenhange -mit dieser großen geistigen Bewegung, zu deren ersten Förderern er -gehörte, betrachten, um sie zu verstehen. In der Einsamkeit jener -Winterquartiere legte sich der junge, zur Selbständigkeit gereifte -Denker die Frage vor: wie kann ich ein mathematisch sicheres Wissen von -der Wirklichkeit, vor allem aber von den letzten Ursachen alles Daseins -und von mir selbst erlangen? Lange rang er mit sich, um den Weg zur -Wahrheit zu finden; endlich im schwäbischen Winterquartier zu Neustadt -1619 erkannte er, daß es darauf ankommt, auch hier so sichere Obersätze -und Voraussetzungen zu gewinnen, wie die Mathematik sie besitzt. Das -aber ist nur möglich, wenn wir alle Meinungen, die wir ohne Beweis -für richtig zu halten pflegen, vorläufig bezweifeln und nur das -festhalten, was dem entschiedensten Zweifel gegenüber standhielt. Auf -diesem Wege gelangte Descartes zu einer festen Überzeugung und zu einer -sicheren Methode, die ihm auch mathematische und naturwissenschaftliche -Entdeckungen ermöglichte. - -Als er dann 1622 den Kriegsdienst aufgab und nach einer Reise durch -Italien wieder in Paris Aufenthalt nahm, machte sich im Kreise der -Gelehrten seine Überlegenheit geltend. Dadurch erwarb sich Descartes -Ruhm und Ansehen, noch ehe er irgendeine Schrift veröffentlicht -hatte. Man drängte ihn dazu, mit seinen Gedanken hervorzutreten, aber -er konnte die zur Ausarbeitung nötige Ruhe in Paris nicht finden -und begab sich daher 1629 nach Holland. Hier lebte er zwanzig Jahre -hindurch ganz der Ausbildung seiner Gedanken. Um nicht durch Verkehr -gestört zu werden, wechselte er vierundzwanzigmal seinen Aufenthalt. -Nur zwei Freunde in Paris kannten seine Adresse und vermittelten -seine Geldangelegenheiten und seinen wissenschaftlichen Briefwechsel. -Er schildert gelegentlich in einem Briefe, wie er inmitten der -volkreichen Stadt Amsterdam, ohne die Bequemlichkeiten der Zivilisation -zu entbehren, ganz als Einsiedler lebte. Er war dort, wie er sagt, -vielleicht der einzige Mensch, der sich weder um Handelsgeschäfte -noch um Politik bekümmerte. Lange Zeit scheute er davor zurück, -seine Ruhe durch Veröffentlichungen zu gefährden. Seine Sorge erwies -sich als berechtigt. Denn als er nun, um den Ruf seines Geistes zu -rechtfertigen, endlich mit Schriften hervortrat, fehlte es weder an -verfolgungssüchtigen Gegnern, noch an Mißdeutungen seiner Lehren durch -unverständige Freunde. Seine Philosophie begann sich die Universitäten -zu erobern und erregte bei den Anhängern der mittelalterlichen Lehren -einen Haß, der sich sogar in Verboten und persönlichen Verfolgungen -entlud. Dadurch wurden ihm die Niederlande verleidet, und er folgte -bald einer Einladung der schwedischen Königin nach Stockholm. Dort -regierte nämlich damals Christine, Gustav Adolfs jugendliche Tochter, -deren lebhafter und beweglicher Geist durch die Vermittelung des -französischen Gesandten an ihrem Hofe, eines Freundes des Philosophen, -Interesse für die Philosophie des Descartes gewonnen hatte. Aber -der Bruch mit liebgewordenen Gewohnheiten, der Zwang im Winter, in -frühester Morgenstunde der Königin Vortrag zu halten, schädigte seine -Gesundheit. Wohl infolge des Klimas erkrankte er und starb am 11. -Februar 1650 in der Hauptstadt Schwedens. Er wurde dort beigesetzt; die -Franzosen holten später die irdischen Reste ihres größten Philosophen -nach Paris. - - -[Späteres Leben. Zweifel] - -Bei Descartes dient nicht mehr das Denken dem Leben selbst wie bei -Sokrates. Der Denker will auch nicht wie Platon eine Umbildung des -Lebens bewirken; vielmehr ist umgekehrt das äußere Leben hier nur -Mittel für das Denken. Descartes ist ein Mensch der Einsamkeit, eine -Einzelperson, die sich möglichst von allen Beziehungen zu anderen -loslöst. Alles Äußere benutzte er in seiner Jugend zur Erweiterung -seines Wissens, später als Mittel, ruhig seinen Studien zu leben. So -kühn er im Denken war, so weit entfernt war er von allen revolutionären -oder auch nur reformatorischen Bestrebungen in der Wirklichkeit. »Ruhe, -die mir über alles geht«, »vollkommene Geistesruhe, die ich suche«: -das sind Worte, die Lebensart und Lebensziel des Descartes vollständig -bezeichnen. - -Wir haben gesehen, daß für Descartes der Weg zum sicheren Wissen -durch den _Zweifel_ führt. Mindestens einmal in seinem Leben muß der -Denker, dem es um unumstößliche Erkenntnis zu tun ist, alle Meinungen -von sich abstreifen, die überhaupt noch bezweifelt werden können. -Was dieses Feuer aushält, ist echtes Gold. Gemäß der Geistesart des -Descartes beschränkt sich dieses radikale Vorgehen durchaus auf die -Welt der Gedanken. Descartes will keineswegs seine Lebensweise ändern, -noch viel weniger natürlich die Lebensführung anderer beeinflussen. -Der philosophischen Ruhe ist es am vorteilhaftesten, möglichst wenig -aufzufallen, sich vielmehr auch den minder zweckmäßigen Sitten der -Umgebung anzupassen. Nur in den eigenen Gedanken ist Descartes -Revolutionär. Hier aber geht sein Zweifel wirklich radikal vor. Er -fragt sich: was glaube ich zu wissen und welchen Grund habe ich für -diesen Glauben? - -Nach diesem Grundsatz halte ich zunächst alle Meinungen, die mir -überliefert sind, für zweifelhaft. Aber ich muß noch weiter gehen. -Ich pflege für wirklich zu halten, was ich sehe, höre oder sonst mit -meinen Sinnesorganen wahrnehme. Aber meine Sinne haben mich schon oft -getäuscht. Ich habe zuweilen ein Spiegelbild für Wirklichkeit, einen -Nebelstreif für einen Baum gehalten. Ich muß daher an der Wirklichkeit -der wahrgenommenen Dinge zweifeln. Aber vielleicht darf ich wenigstens -das für sicher halten, was mit dem Gefühl meiner eigenen gegenwärtigen -Lage zusammenhängt. Ich finde mich selbst etwa im Wintermantel am -Kamin sitzend und schreibend. Daran kann ich doch nicht zweifeln. Aber -habe ich nicht schon oft geträumt und im Traume geglaubt, daß ich -spazieren gehe, während ich in meinem Bette lag? So gut wie ich damals -irrte, ist es auch möglich, daß das, was ich jetzt wachend zu erleben -glaube, eine Art Traum ist. Aber auch, wenn ich annehme, daß alle meine -scheinbar wachen Erlebnisse nur Träume sind, müssen doch die Bilder -im Traume irgendwelche Vorbilder in der Wirklichkeit haben. Sogar der -Maler, der Fabelwesen bildet, setzt diese aus Stücken der Wirklichkeit -zusammen, verbindet etwa einen Pferdekörper mit dem Oberleib eines -Menschen zu einem Zentauren. Müssen also nicht mindestens die einfachen -Bestandteile aller unserer Erlebnisse wie Längenausdehnung oder Farbe -einer Wirklichkeit entsprechen? Es widerstrebt dem natürlichen Gefühl, -auch daran zu zweifeln. Aber unmöglich ist der Zweifel auch gegenüber -der Wirklichkeit der einfachen Erfahrungsbestandteile nicht, und wir -müssen ihn daher nach dem Grundsatz, den wir zur Richtschnur nahmen, -auch hierauf ausdehnen. Es wäre doch denkbar, daß ein böser Dämon mir -diese einfachsten Bestandteile meiner Traumbilder vorspiegelte, um mich -zu täuschen. Ich kann also zweifeln, daß ich in Farbe, Ton, Gestalt, -in Tastempfindungen, Gerüchen und Geschmäcken irgend etwas Wirkliches -wahrnehme. Ich kann bezweifeln, daß überhaupt eine Körperwelt existiert -und daß ich selbst einen Körper habe. - -Bleibt nun überhaupt noch etwas übrig, woran wir nicht zweifeln können? -Wenn ich zweifle, _denke_ ich doch. _Im Zweifeln bewähre und fühle ich -mich als Denkender._ Vom Zweifel bleibt unangetastet, was Voraussetzung -auch des ausgedehntesten Zweifels ist, eben das _Denken_. So findet man -mitten im Zweifel einen festen, unbezweifelbaren Punkt. Der griechische -Mathematiker Archimedes rief einst, als er die Hebelgesetze gefunden -hatte, aus: Man gebe mir einen festen Punkt außerhalb der Erde, auf -dem ich stehen kann, und ich will die Erde bewegen. Mit diesem von -Archimedes geforderten festen Punkt vergleicht Descartes seinen ersten -sicheren Satz. Man kann diesen Satz verschieden ausdrücken: Ich bin -indem ich denke; ich denke, also bin ich; mein Denken ist. - - -[Der feste Punkt: Ich denke] - -Was aber ist nun dieses »Ich«, dessen ich mir im Denken bewußt bin? -Gewöhnlich meint man, wenn man »ich« sagt, damit den eigenen Geist und -Körper. Wir haben gesehen, daß die Wirklichkeit unseres Körpers nicht -über jeden Zweifel erhaben ist. Auch unsre Leidenschaften, unser Haß -und unsre Freude sind so innig mit den Vorstellungen von Körpern und -den Sinnesempfindungen verbunden, daß sie mit diesen zugleich ein -Raub des Zweifels werden. Nur meines Denkens bleibe ich mir in allem -Zweifel gewiß. Selbst wenn alle diese meine Vorstellungen Träume sind, -so stelle ich sie mir doch eben träumend vor, und Vorstellen ist eine -Art des Denkens. Ja, wenn ein böser Dämon mir alles, was ich zu wissen -meine, vortäuscht, so muß ich ein denkendes Wesen sein, damit seine -Täuschung irgendeine Wirkung auf mich ausüben kann. Mein Denken bleibt -also gefeit gegen allen Zweifel. Es hieße Descartes schlecht verstehen, -wollte man ihm mit einem seiner zeitgenössischen Kritiker einwerfen: -ebensogut wie ich folgere, ich denke, also bin ich, könnte ich statt -des Denkens irgendeine andere Tätigkeit wählen und z. B. schließen, -ich gehe spazieren, also bin ich. Ich kann ja auch träumen, daß ich -spazieren gehe; und das einzige, was auch in diesem Falle gewiß bleibt, -ist, daß ich mir mein Spazierengehen vorstelle, also denke. Wenn ich -aber von Gedanken träume, so ist doch im Traume das Denken als solches -wirklich da. - -Wie aber kommt man nun von hier aus zu weiteren sicheren Erkenntnissen? -Indem ich zweifele, fühle ich nicht nur mein Denken, sondern auch -meine Unvollkommenheit. Denn zweifeln kann ich nur, weil ich nach -einem Zustand der Gewißheit strebe, der vollkommener ist als mein -Zweifel. Dieses Bewußtsein eines Mangels bei mir selbst setzt voraus, -daß ich die Vorstellung eines vollkommeneren Wesens, als ich selbst -bin, in mir vorfinde. Denn als unvollkommen kann ich mich doch nur -im Vergleich mit einer Vollkommenheit fühlen. In der Tat habe ich in -mir die Vorstellung eines Wesens, das in jeder Weise vollkommen ist, -einer absoluten Vollkommenheit, Gottes. Diese Vorstellung kann ich -nicht selbst hervorgebracht haben; denn eine Wirkung kann nie größer -sein als ihre Ursache. Da ich unvollkommen bin, kann ich also nicht -Ursache einer mir überlegenen Vorstellung von Vollkommenheit sein. Aus -demselben Grunde kann diese Vorstellung auch nicht von einem andern -unvollkommenen Wesen in mich hineingelegt sein, sie kann also nur von -dem allervollkommensten Wesen selbst, von Gott, stammen. - -Habe ich so die Sicherheit von Gottes Existenz gewonnen, so ist damit -der am weitesten reichende Grund des Zweifels gehoben. Gott ist absolut -vollkommen, also ist er gut; täuschen aber ist böse; Gott kann mich -daher weder selbst täuschen noch zulassen, daß ein böser Dämon mich -täusche. Dann aber ist alles wahr, was ich ebenso klar und deutlich -wie mein eigenes Dasein als denkendes Wesen erkenne. Ganz im Sinne der -neueren Naturwissenschaft rechnet Descartes die Sinnesempfindungen -nicht zu dem klar Erkennbaren; denn den Unterschied von blau, rot und -gelb kann ich mit meinem Denken nicht weiter durchdringen. Dagegen was -der Zahl und dem Maße zugänglich ist, räumliche Bewegungen, wie sie -die moderne Naturwissenschaft als die den Sinnesempfindungen zugrunde -liegende Wirklichkeit ansieht, das ist klar erkennbar, also auch -wirklich wahr. - -Descartes hat demnach drei Arten des wirklichen Seins gefunden. -Zunächst unvollkommene denkende Wesen, wie ich selbst mich in meinem -Denken und Zweifeln erfasse, dann das allervollkommenste Wesen, Gott, -endlich die raumerfüllenden ausgedehnten beweglichen Körper. Ein Wesen, -das für sich existiert, nennt man in der philosophischen Fachsprache -_Substanz_. Im höchsten und eigentlichsten Sinne ist Gott allein -Substanz, aber in einer erweiterten Bedeutung des Wortes kann man -auch Körper und Seelen Substanzen nennen, weil sie nur der Gottheit -bedürfen, um zu sein. - - -[Gottesbeweis] - -Überblicken wir den Gedankengang, durch den Descartes zu den ersten -Sätzen seiner Philosophie gelangt, so finden wir, daß der Größe und -Sicherheit des Anfangs der Fortgang nicht entspricht. Das Ausgehen vom -Allergewissesten, vom Unbezweifelbaren, die Auffindung dieser letzten -Gewißheit in unsrem Denken selbst -- das ist dauernder Gewinn. An den -Folgerungen aber, die er aus diesen Sätzen zieht, läßt sich berechtigte -Kritik üben. Vor allem folgt aus der Selbstgewißheit meines Denkens -nicht, daß ich eine Substanz, ein unveränderliches Etwas bin, dessen -bloße Äußerung das Denken ist. Nur des Denkens bin ich mir im Zweifel -gewiß, nicht eines denkenden Etwas, einer Denksubstanz. Ebenso kann -die Tatsache, daß wir in uns die Vorstellung eines allervollkommensten -Wesens finden, bezweifelt werden. Man könnte dagegen etwa einwenden: -ich bilde mir nur ein, diese Vorstellung zu besitzen, in Wahrheit -kann ich mir nur eine endliche mir zugängliche Einsicht, Macht und -Güte vorstellen und damit den Nebengedanken verbinden, daß diese -Eigenschaften in unendlich höherem Grade vorhanden sein sollen. Ist -dies der Fall, so kann eine solche Steigerung sich aus der über jede -Grenze hinausstrebenden Natur meines Denkens ebensoleicht erklären, wie -sich die Möglichkeit erklärt, die Zahlenreihe beliebig auszudehnen und -in Gedanken Billionen auf Billionen zu häufen. Ein berechtigter Kern -steckt bei alledem auch im Gottesbeweis des Descartes. Richtig bleibt, -daß ich mir im Denken und Zweifeln zugleich meines Denkens, seiner -Aufgabe und seiner Unvollkommenheit bewußt bin. Denken heißt nach -wahren Urteilen, genauer nach einem überall begründeten Zusammenhang -wahrer Urteile streben. Unser Denken ist also eine Tätigkeit, der -ein Ziel vorschwebt. Dieses Ziel läßt sich nur Schritt für Schritt -erreichen. Jeder wahre Satz, den wir finden, stellt neue Aufgaben. -Notwendig entsteht aus dieser Lage unsres Denkens das Gegenbild eines -Geistes, der ohne die Mühen des Weges das Ziel der Wahrheit besitzt. So -viel also dürfen wir auch bei strengster Prüfung Descartes zugeben, daß -mit dem Bewußtsein unsres Denkens und seiner Unvollkommenheit sich als -Ergänzung die Vorstellung eines vollkommenen, oder wie man auch sagen -kann, göttlichen Geistes verbindet. Ob wir mit logischer Gewißheit -aus dieser Vorstellung auf das wirkliche Sein der Gottheit schließen -dürfen, erscheint fraglicher. Bedenken werden wir jedenfalls dagegen -haben, irgend etwas Weiteres über die Gottheit auszusagen; denn da ihr -Begriff im Grunde nur als ergänzender Gegensatz unsrer Unvollkommenheit -gebildet ist, können wir uns nicht berechtigt fühlen, diese uns -unzugängliche Vollkommenheit zu durchdringen. Solchen Überlegungen -zufolge ist jedenfalls die Art unzulässig, in der Descartes nun weiter -schließt, daß Gott in seiner Güte uns nicht täuschen könne. Gott könnte -uns aus guten Gründen einen Teil der Wahrheit verschleiern oder eine -Scheinwelt vortäuschen, so gut wie Eltern ihren Kindern manche Wahrheit -vorenthalten und ihnen Märchen erzählen. - - -[Seele und Körper] - -Die Art, in der Descartes die nähere Ausführung seiner Lehre von Gott, -Seelen und Körpern an den Anfang seiner Philosophie anknüpft, ist -also keineswegs einwandfrei. Trotzdem erlangten auch diese weiteren -Lehren große Bedeutung; ja, sie haben in ihrer Zeit stärker gewirkt als -die Anfänge seiner Philosophie, der Zweifel und die Selbstgewißheit -des Denkens. Besonders wichtig war es, daß Descartes Körper und -Seele einander so klar und schroff gegenüberstellte. Wir haben schon -gesehen, daß die neue Naturwissenschaft alle körperlichen Vorgänge auf -mathematisch berechenbare Bewegungen ausgedehnter Teile zurückzuführen -sucht. Descartes gehörte zu den frühesten und folgerichtigsten -Führern auf diesem Wege. Nicht nur die unbelebte Natur wurde so -aufgefaßt, auch der tierische und menschliche Körper war für ihn -eine bloße Maschine, deren Bewegungen, dem Getriebe im Räderwerk -eines zusammengesetzten Automaten vergleichbar, durch Druck und Stoß -benachbarter Teile erklärt werden müssen. Im Gegensatze zu dieser -mechanisch gedachten Körperwelt geht die Vorstellung, die Descartes -sich vom Geiste bildet, von der Selbstgewißheit des Denkens aus. Gerade -das Denken aber zeigt einen unausgleichbaren Gegensatz gegen eine -mechanisch gedachte Körperwelt. Dort ein Nebeneinander von Teilen, -die einander drücken und stoßen -- hier eine vereinheitlichende, -zusammenfassende Tätigkeit; dort jeder folgende Zustand durch den -vorhergehenden bestimmt, alles aus Ursachen, nichts aus Zwecken -erklärt -- hier eine zielbewußte Tätigkeit, die sich selbst ihre Bahn -vorschreibt. Descartes erst hat den uns allen von der Schule her -geläufigen, schroffen Gegensatz von Leib und Seele geschaffen. Solche -Vorstellungen, wie sie etwa dem Verse Schillers zugrunde liegen: -»_Spricht_ die Seele, so spricht, ach! schon die _Seele_ nicht mehr,« -sind keineswegs selbstverständlich. Wer mit Platon und Aristoteles -überall in der Körperwelt zweckmäßig wirkende seelenartige Kräfte -sieht, für den ist es nicht wunderbar, daß _die_ Seele spricht. Aber -er hat auch nicht den Körperbegriff, der unserer Naturwissenschaft -zugrunde liegt und ihre Erfolge ermöglicht. Die ungeheure Hochschätzung -der Seele durch das Christentum konnte für sich allein genommen noch -nicht zu jener schroffen Entgegensetzung gegen den Körper führen. Das -Christentum ist Religion, nicht Wissenschaft; und am allerfernsten lag -nicht allein Christus und seinen Jüngern, sondern auch den Schöpfern -des Dogmas, den Kirchenvätern, eine wissenschaftliche Erforschung -der Körperwelt. Die christliche Hochschätzung der Seele hat nicht -gehindert, daß man sich vielfach auch das Fortleben der Seele noch -an einen Körper gebunden dachte, nur an einen feineren, zarteren, -als der irdische. Ist alles in der Körperwelt durch seelenartige -Kräfte belebt, so kann man in der Tat leicht zu der Annahme kommen, -daß unser Geist beim Verlassen dieses Körpers sich mit einem, -vielleicht unsichtbaren, anderen Leibe umgibt. Und doch, ohne die -durch Platon vorbereitete, durch das Christentum zum Siege gelangte -Hochschätzung der Seele wäre jene schroffe Gegenüberstellung von Seele -und Körper undenkbar. Es hatte schon in Griechenland Philosophen -gegeben, die alle körperlichen Erscheinungen durch Druck und Stoß -allein zu erklären suchten. Aber sie waren auf die Eigenart des -Seelischen noch gar nicht aufmerksam geworden. _Bei Descartes trifft -die Auffassung des Körpers, die wir die mechanistische nennen, mit -einer höchst geläuterten Vorstellung des Seelischen zusammen._ In -seiner Philosophie erst entwickelt sich jener Gegensatz von Seele -und Körper, von dem wir, als wäre er selbstverständlich, auszugehen -pflegen. Weit verbreitet sind gerade in der Gegenwart die Bemühungen, -diesen Gegensatz wieder zu überbrücken, und bisweilen begegnet man -der Meinung, daß die schroffe Entgegensetzung nur eine Verirrung -des Denkens gewesen sei. Diese letzte Meinung hat sicher unrecht. -Auch wenn man die Gegensätze wieder vereinen will, muß man sie zuvor -scharf geschieden haben. Klarheit, sei es selbst im Irrtum, ist der -Verworrenheit stets vorzuziehen. Unter diesem Gesichtspunkte muß man -auch die Folgerichtigkeit bewundern, mit der Descartes die Seelen der -Tiere geleugnet hat. Der tierische wie der menschliche Körper war -ihm eine bloße Maschine, und jene Selbstgewißheit des Denkens, die -uns die feste Überzeugung von unserm eigenen Geiste verschafft, kann -wohl in andern Menschen, nicht aber in Tieren vorausgesetzt werden. -Unzweifelhaft ist diese Lehre von der Seelenlosigkeit der Tiere falsch; -aber es gehörte mehr dazu, einen solchen Irrtum zu begehen, als ihn zu -widerlegen. Auch daß die sinnlichen Eigenschaften der Körper, Farbe, -Ton usf. bloße »verworrene Vorstellungen«, »bloßer Schein« seien, wird -sich nicht aufrecht erhalten lassen. Wir können eine Farbe sehr klar -in ihrer Eigenart und in ihren Ähnlichkeitsbeziehungen zu anderen -Farben erfassen; und wenn wir unvermögend sind, die Farben, Töne usf. -mathematisch zu beherrschen, so vermögen wir umgekehrt auch nicht zu -sagen, warum dieser so klingende Ton gerade einer Luftbewegung von -dieser Wellenlänge entspricht. Auch hier liegen neue Probleme, die erst -eine spätere Zeit sah, die aber nur gesehen werden konnten, nachdem -Descartes und seine Zeitgenossen die mechanistische Körperauffassung -wirklich durchgeführt hatten. - -Descartes' Größe liegt also einerseits darin, daß er den notwendigen -Anfangspunkt alles philosophischen Forschens, die Selbstgewißheit des -Denkens, entdeckte, anderseits darin, daß er die Begriffe von Gott, -von der Seele und vom Körper im Zusammenhang mit der entstehenden -Wissenschaft der Neuzeit klar entwickelte. - -[Illustration: Descartes - -Nach dem Original von Hals] - - - - -Vierter Vortrag. - -Spinoza. - - -[Der Schüler des Descartes] - -Schon einmal hatten wir das Verhältnis von Lehrer und Schüler zu -betrachten. Platon war Schüler des Sokrates, das bedeutet: Sokrates -hat ihn durch seine Persönlichkeit für die Philosophie gewonnen, die -Freundschaft des Sokrates war das entscheidende Ereignis in Platons -Leben; darum ist Sokrates die Hauptfigur in Platons dichterischen -Werken. Spinoza war Schüler des Descartes; doch müssen wir hinzufügen: -er hat ihn niemals gesehen, noch weniger einen persönlichen Einfluß von -ihm erfahren, nur seine Bücher hat er studiert und aus ihnen gelernt. -Die Verschiedenheit zweier Zeitalter tritt hier zutage: nicht mehr auf -dem Markt, nicht einmal mehr notwendig im unmittelbaren Verkehr durch -Rede und Antwort, nein, im stillen Zimmer beim Lesen des gedruckten -Buches wird jetzt der Fortschritt gewonnen. - -Spinoza fühlte sich den Schriften des Descartes stets zu Dank -verpflichtet, aber während Platon seine selbständigen Gedanken dem -Sokrates in den Mund legte, betonte Spinoza die Eigenart seiner Lehre -auch seinem wichtigsten Lehrer gegenüber. Wir müssen daher fragen, an -welche Seite jener Philosophie seine Umbildung anknüpft. Wir haben nun -bereits erkannt, daß in der Philosophie des Descartes zwei Gruppen von -Gedanken liegen, deren Verbindung miteinander nicht so überzeugend -durchgeführt ist, wie der Philosoph selbst meinte. An jeden dieser -beiden Bestandteile konnte man anknüpfen. - -1. Man hätte die Bemühungen um Sicherheit der Erkenntnis fortsetzen -können. Descartes hatte diese Frage als Hauptproblem der Philosophie -gestellt und in der Selbstgewißheit des Denkens den sicheren -Ausgangspunkt für alle weiteren Schritte gefunden. Aber er hat es -unterlassen, nun für jede Art des Erkennens die Grundlagen aufzusuchen; -denn er glaubte direkt aus jenem »archimedischen Punkte« genügend -sichere Einsicht zu gewinnen. Sieht man ein, daß dies voreilig ist, -so muß man genauer untersuchen, wie sicheres Erkennen möglich ist und -wie weit es reicht. Diesen Weg schlugen die unmittelbaren Nachfolger -des Descartes auf dem Festlande nicht ein. Englische Denker, besonders -Locke, knüpften an seine Anfänge an, mit vollem Bewußtsein aber nahm -erst Kant die begonnene Arbeit auf. - -2. Descartes hatte aus seinen Voraussetzungen geschlossen, daß -das klar und deutlich Erkannte auch wirklich sein müsse. Klar und -deutlich erkennen wir aber uns selbst als denkendes Wesen, Gott als -allervollkommenstes Wesen und die Körper als bewegte, raumerfüllende -Dinge, deren Beziehungen und Veränderungen der Mathematik zugänglich -sind. An diesen Teil der Philosophie des Descartes knüpfte die -Entwicklung der Philosophie unmittelbar an. - -Auch hier lagen Schwierigkeiten genug vor; denn Descartes hatte jene -drei Arten von Substanzen einfach nebeneinander gestellt, dabei aber -doch zugegeben, daß Gott in anderem Sinne Substanz ist als die von -ihm geschaffenen Seelen und Körper. Einerseits steht der Philosoph -durchaus auf dem gewöhnlichen Standpunkt schroffer Entgegensetzung von -Gott und Welt, anderseits scheint seine Lehre zu einer Einheit beider -zu führen, wenn man sie zu Ende denkt. Gott ist ja der Inbegriff aller -Vollkommenheit, »Sein« aber ist auch eine Vollkommenheit, und alles -Seiende ist vollkommen, soweit es existiert. Man darf daher diese -beschränkten Vollkommenheiten nicht von der Gottheit abtrennen, sonst -würden sie ihr fehlen, und Gott wäre nicht das allervollkommenste -Wesen. Daraus aber folgt, daß alle Dinge zur Gottheit gehören, daß -Gott kein Wesen ist, welches außerhalb der Welt sein gesondertes Leben -führt, sondern eben die Einheit der Welt selbst. - -In anderer Weise tritt Descartes' Grundsatz, alles klar Gedachte -ist wirklich, alles Wirkliche erkennbar (wiewohl nicht für unsern -begrenzten Verstand), mit seinem Gottesbegriffe in Widerstreit. Denn -danach muß auch das Verhältnis der einzelnen Dinge und Ereignisse zu -Gott sich klar einsehen lassen, d. h. alles, was da ist und geschieht, -muß mit Notwendigkeit aus dem Begriffe der Gottheit erschlossen -werden können. Dann aber bleibt kein Raum mehr für Gottes freie -Schöpfertätigkeit. - -Wie in der Gotteslehre, so treibt auch in der Frage nach der Beziehung -von Körper und Seele die Lehre des Descartes über sich selbst -hinaus. Bei ihm stehen Körper und Seele einander schroff gegenüber. -Die einzigen Eigenschaften des Körperlichen sind Ausdehnung und -Beweglichkeit. Der Zusammenhang ihrer Bewegungen soll mit Hilfe der -Mathematik so eingesehen werden, daß, wenn man die Ursachen kennt, die -daraus folgenden Wirkungen berechnet werden können. Dann aber dürfen -nur Bewegungen Ursachen von Bewegungen sein. Der Geist ist unausgedehnt -und im Raume unbewegt. Er hat mit dem Raume überhaupt nichts zu tun, -er kann also strenggenommen weder Bewegungen von Körpern hervorrufen -noch seinerseits durch Körperbewegungen bestimmt werden. Beides hatte -Descartes, obgleich er die Schwierigkeiten kannte, der gewöhnlichen -Ansicht entsprechend angenommen. Wir glauben ja alle, daß wir durch -unsern Willen vermittels der Glieder unseres Körpers auf die Körperwelt -wirken. Wenn aber alles körperliche Geschehen mechanisch, d. h. durch -Druck und Stoß benachbarter Körper bewirkt wird, so läßt sich das -Eingreifen einer seelischen Ursache in die Körperwelt nicht begreifen. -Diese Erwägung führte mehrere Schüler des Descartes dazu, die -Möglichkeit eines unmittelbaren Einflusses des Körpers auf die Seele -und der Seele auf den Körper zu leugnen, vielmehr die Verbindung beider -Arten von Substanzen der vermittelnden Wirkung Gottes zuzuschreiben. -Verbindet man diese Lehre mit der vorher verfolgten Weiterführung, daß -Gott selbst die Einheit der Welt ist, so kommt man dazu, Körper und -Seele als zwei Offenbarungsweisen der Gottheit anzusehen, die nur in -Gott verbunden sind, während der Schein ihrer unmittelbaren Verknüpfung -darauf beruht, daß die Veränderungen beider mit gleicher mathematischer -Notwendigkeit aus der Gottheit hervorgehen. - -So kann man von Descartes ausgehend die Grundsätze eines neuen -philosophischen Systems ableiten und man findet dann, daß _Spinoza_ ein -System dieser Art wirklich ausgebildet hat. Absichtlich habe ich Sie -diesen Weg geführt, um Ihnen an einem Beispiele zu zeigen, was in der -Geschichte der Philosophie die notwendige Fortentwicklung der Gedanken -bedeutet. Aber wir dürfen über dieser Notwendigkeit den persönlichen -Anteil der einzelnen Philosophen nicht vernachlässigen. Es gehört schon -Größe dazu, wirklich Folgerungen zu ziehen, die verbreiteten Meinungen -der Zeit so entschieden widersprechen, wie die dargelegten; viele -Zeitgenossen sahen die Widersprüche im System des Descartes und suchten -sie zu lösen, aber nur _einer_ dachte folgerichtig genug, um vor den -Konsequenzen nicht zurückzuschrecken. Vor allem aber ist die Bedeutung -von Spinozas Philosophie mit den unvollständigen Umrißlinien, die eine -Weiterbildung des Descartes ergibt, keineswegs erschöpft. Um sie zu -würdigen, müssen wir den Schöpfer des Systems und seine Herkunft kennen -lernen. - - -[Herkunft] - -Die zahlreichen Juden, die seit den Zeiten arabischer Herrschaft -in Spanien lebten, hatten im 16. Jahrhundert viele Verfolgungen zu -erdulden. Durch Zwang zum Christentum bekehrt, blieben sie doch der -Inquisition verdächtig, bloße Scheinchristen zu sein, und mußten -fortwährend für ihr Leben fürchten. Eine Zuflucht bot sich ihnen zu -Beginn des 17. Jahrhunderts in den Niederlanden, die selbst in hartem -Kampfe gegen Spanien sich die Freiheit protestantischer Religionsübung -errungen hatten. Dort nahmen die spanischen Juden den Glauben ihrer -Vorfahren wieder an und lebten streng nach den Gesetzen des Talmud. -Als Sohn einer solchen Auswandererfamilie wurde Baruch d'Espinoza -(so lautete der Name ursprünglich) 1632 in einer der engen Gassen -der Amsterdamer Judenstadt geboren. Diese Herkunft bestimmte seine -Jugendeindrücke und seine erste Geistesbildung. - -Um die Überlieferungen ihrer Religion aufrecht zu erhalten und -neuen Geschlechtern mitzuteilen, gründeten die Juden Amsterdams -eine Schule, zu deren Lehrern sie berühmte Rabbinen beriefen. Auch -Baruch d'Espinoza empfing hier seine Jugendbildung; er erlernte die -hebräische Sprache, las Bibel und Talmud und übte an ihrer Auslegung -seinen Scharfsinn. Seine Begabung wurde offenbar; er wollte sich, -da ihm die Neigung zum Kaufmannsstande fehlte, ganz der jüdischen -Theologie widmen. Schon sah man in dem Jüngling die künftige Säule der -Synagoge. Diese Hoffnungen der Rabbinen wurden aber durchkreuzt, als -Spinoza die Gedanken der neuen Wissenschaft kennen lernte. Auch in das -abgeschlossenste Ghetto dringt etwas von den geistigen Bewegungen der -Umwelt, und die Amsterdamer Juden standen -- mochte ihr Privatleben -noch so eingeschränkt sein -- durch zwei große Kanäle mit dem Leben -ihrer christlichen Zeitgenossen in Verbindung, durch den Handel und die -Medizin. In empfänglichen Geistern entstand so ein Zwiespalt zwischen -den überkommenen Lehren und dem Wissen der Neuzeit. Schon während der -Knabenjahre Spinozas hatte das zu einem Konflikt geführt, der manchem -unter Ihnen aus Gutzkows Drama Uriel Acosta bekannt sein wird. Übrigens -ist die Rolle, die der Dichter hier den jungen Spinoza spielen läßt, -reine Erfindung. - -Wie sich im einzelnen Spinoza unter diesen Verhältnissen entwickelte, -wissen wir nicht. Sicher ist nur, daß er frühzeitig Verlangen trug, die -Wissenschaft der Neuzeit kennenzulernen. Vorbedingung dazu war damals -die Kenntnis der lateinischen Sprache, die noch durchaus die Sprache -der Gelehrten war, in der jüdischen Schule aber keinen Gegenstand des -Unterrichts bildete. Bei der Wahl seines Lehrers hatte er Glück; denn -dieser konnte dem wissensdurstigen Jüngling mehr geben als Kenntnis des -Lateinischen. Franziscus van den Ende, als Katholik geboren, aber dem -Kirchenglauben entfremdet, war mit der Naturwissenschaft und mit der -Philosophie des Descartes vertraut. Bei ihm muß Spinoza die Schriften -des Descartes zuerst gesehen und gleichzeitig seine Kenntnisse -lebender Sprachen erweitert haben. Spinoza war in dieser Beziehung von -vornherein begünstigt; denn neben seiner Muttersprache, dem Spanischen, -war ihm naturgemäß von Jugend auf das Holländische bekannt. Dazu -erlernte er nun mehrere andere Sprachen, besonders Französisch und -Italienisch. - -Die neue Bildung und die veränderten Überzeugungen trennten Spinoza von -seinen Glaubensgenossen. Zwar lag ihm jeder Gedanke an agitatorische -Wirksamkeit fern, aber es war ihm auf die Dauer noch weniger möglich, -bei gänzlich veränderten Überzeugungen die streng gebundene Lebensweise -eines orthodoxen Juden zu führen. Mit dem Tode des Vaters 1654 scheint -für ihn der wichtigste Grund zu äußerer Anbequemung gefallen zu sein; -seitdem besuchte er die Synagoge nicht mehr, übertrat die Speisegesetze -und verkehrte viel mit freigesinnten Christen. Naturgemäß erregte das -Anstoß. Aber die Juden hätten gern Aufsehen vermieden, fürchteten wohl -auch, daß das Verhalten eines Menschen, auf den die Rabbinen solche -Hoffnungen gesetzt hatten, Nachahmung finden würde. Man versuchte -ihm daher mit Geld beizukommen und versprach ihm ein Jahresgehalt, -wenn er sich wenigstens äußerlich der jüdischen Sitte fügte. Erst als -Spinoza diesen schimpflichen Vorschlag zurückgewiesen hatte, wurde er -als Abtrünniger verfolgt. Sein Schwager und seine Schwester machten -seinen Abfall geltend, um ihm den Anspruch auf das väterliche Erbe zu -bestreiten. Er nahm die holländischen Gerichte in Anspruch, siegte, -wie zu erwarten war, und überließ dann freiwillig den Geschwistern das -Erbe, während er sich nichts als ein Bett vorbehielt. - - -[Jugend. Bann] - -Die Rabbinen ergriffen schließlich die äußersten Maßregeln gegen ihn; -im Jahre 1656 wurde er mit dem großen Banne belegt und aus der Gemeinde -ausgestoßen. Die aus dem frühen Mittelalter stammende Bannformel -lautete fürchterlich genug. Dies sind ihre wichtigsten Sätze: - -»Nach dem Beschlusse der Engel und dem Ausspruche der Heiligen, mit -Zustimmung des heiligen Gottes und dieser ganzen Gemeinde bannen, -verstoßen, verwünschen und verfluchen wir Baruch d'Espinoza« ... -- -»Verflucht sei er am Tage und verflucht sei er bei Nacht, verflucht -beim Niederlegen und verflucht beim Aufstehen, verflucht bei seinem -Ausgang und verflucht bei seinem Eingang. Gott möge ihm nie verzeihen!« -... »Wir verordnen, daß niemand mit ihm verkehre, nicht mündlich und -nicht schriftlich, niemand ihm eine Gunst erweise, niemand unter einem -Dache oder innerhalb vier Ellen mit ihm zusammen sei, niemand ein von -ihm verfaßtes oder geschriebenes Werk lese.« - -Der Bann bedeutete für Spinoza die Trennung von allen Genossen -seiner Jugend; wie es scheint, hat später kein Jude mehr zu seinem -Umgangskreise gehört. Aber damit nicht zufrieden, suchten die Rabbinen -auch seine bürgerliche Existenz zu vernichten; sie zeigten ihn der -protestantischen Geistlichkeit als einen religionsgefährlichen Menschen -an und bewirkten seine Ausweisung aus Amsterdam. Allzuviel erreichten -sie damit nicht; denn infolge der toleranten Haltung der weltlichen -Behörden konnte er in einem Dorfe, wenige Meilen von der Hauptstadt -entfernt, ruhig wohnen. - -Spinoza mußte sein Leben ganz neu gestalten: er war entschlossen, -nichts gegen seine Überzeugung zu tun, dabei aber Streit mit seiner -Umgebung möglichst zu vermeiden. Er trat nie zum Christentum über, da -er bei aller Verehrung für die persönliche Hoheit und die Moral Christi -sich nicht zu den Glaubensformeln einer christlichen Kirche bekennen -konnte. Am nächsten stand er einigen Sekten, die gleich ihm nur in -Holland Duldung fanden, Gemeinden, die den moralischen Lebenswandel -für das Wesentliche am Christentum hielten und ihren Mitgliedern -in dogmatischer Beziehung viel Freiheit ließen. Unter ihnen, den -Mennoniten und Kollegianten, fand Spinoza Verkehr, ohne zu ihnen zu -gehören. - -Da er mittellos war und ihm jede öffentliche Anstellung, jede -ausreichend bezahlte Unterrichtstätigkeit verschlossen blieb, mußte -er durch seiner Hände Arbeit für seinen Lebensunterhalt sorgen. Er -nutzte seine naturwissenschaftlichen Kenntnisse aus, indem er optische -Gläser für Brillen und Fernrohre schliff. Infolge der astronomischen -Entdeckungen bestand damals viel Nachfrage nach Fernrohren, während -nur wenige kundige Männer die dazu nötigen Linsen schleifen konnten. -Spinoza verdankte also die Möglichkeit, sich sein Brot durch eigene -Arbeit zu erwerben, der modernen Naturwissenschaft, nicht etwa, wie -man manchmal lesen kann, dem Talmud. Man behauptet nämlich öfter, -daß Spinoza einer talmudischen Vorschrift gefolgt sei, die von jedem -Gelehrten die Erlernung eines Handwerks fordere. Aber es handelt sich -dabei _nicht_ um eine _Vorschrift_, sondern nur um einen _Rat_, der -meist unbefolgt blieb; und vollends das Schleifen optischer Gläser -hätte Spinoza als Talmudschüler nicht erlernen können. - - -[Lebensart. Schriften] - -Alle Zeit, die ihm sein Handwerk frei ließ, widmete er seinen -Studien. Schlicht und bescheiden lebte er anfangs in einem Dorfe bei -Amsterdam, später bei Leiden, in der Nähe des Haag und schließlich im -Haag. Dieser Aufenthaltswechsel und die Zurückgezogenheit könnte an -Descartes erinnern. Aber zwischen beiden Männern bestand ein großer -Unterschied. Descartes, als Edelmann geboren, wohlhabend, unabhängig, -wählte sich die Einsamkeit; dem gebannten Juden, der sich sein Brot -verdienen mußte, war sie aufgenötigt. Trotzdem oder vielmehr gerade -deshalb nahm Spinoza an dem Geschick der ihn umgebenden Bevölkerung -weit mehr Anteil als Descartes. Die Glaubensfreiheit Hollands, die -seinen Eltern Zuflucht gewährt hatte und ihm trotz aller Anfechtungen -Sicherheit bot, war bedroht; denn die kalvinistische Geistlichkeit, -der sich aus politischen Gründen das Haus der Oranier anschloß, -erstrebte die Alleinherrschaft ihrer Kirche. In diese Streitigkeiten -griff Spinoza 1670 durch eine anonym erschienene Abhandlung, den -_theologisch-politischen Traktat_, ein. Wie der Name sagt, behandelt -dieses Buch das Verhältnis von Theologie und Politik, von Kirche und -Staat, und zwar kämpft es für die Oberherrschaft des Staates und gegen -den politischen Einfluß der Geistlichkeit. Zugleich erschüttert Spinoza -den Anspruch der Bibel auf göttlichen Ursprung durch eine historische -Kritik am Alten Testament, zu der seine jüdische Jugendbildung -ihn befähigte. Die kühne Schrift erregte großes Aufsehen: ebenso -allgemein wie die Entrüstung war der Wunsch, sie zu lesen. Eine -Fülle von Gegenschriften entstand, und der Verfasser, der trotz der -Anonymität bald erkannt wurde, hatte die Folgen seines Unterfangens -zu spüren. Persönliche Freunde wandten sich von ihm ab, zeitweise -schien es, als solle mit dem Buch auch der Verfasser verfolgt werden. -Vor ernsthafter Gefahr schützte ihn die Gönnerschaft des Jan de Wit, -damals noch der Leiter der holländischen Politik. Indessen schon war -de Wits Stellung nicht ohne eigne Schuld erschüttert; denn dieser -sonst untadelhafte, stolze Aristokrat hatte das Landheer gegenüber der -Flotte vernachlässigt und dadurch den Widerstand gegen das Eindringen -der Heere Ludwigs XIV. geschwächt. Die Erbitterung des Volkes darüber, -von den Priestern aufgestachelt, führte 1672 zu der gräßlichen -Ermordung Jan de Wits und seines Bruders. Leidenschaftliche Empörung -über diese Schandtat ergriff den sonst so gelassenen Philosophen. Er -wollte, um seiner Entrüstung Ausdruck zu geben, an den Hausmauern ein -Plakat anheften, in dem er die Bewohner des Haag für die niedrigsten -aller Barbaren erklärte. Unzweifelhaft wäre er bei diesem nutzlosen -Beginnen der Volkswut zum Opfer gefallen, wenn ihn sein Hauswirt nicht -eingeschlossen und dadurch an der Ausführung seines Vorhabens gehindert -hätte. - -Aus den äußeren Verhältnissen begreift man, warum zu Spinozas Lebzeiten -nur eine Darstellung der Philosophie des Descartes unter seinem Namen -erschien; entstanden war diese Schrift für einen Schüler, den Spinoza -nicht als reif genug ansah, um ihm die eigene Lehre mitzuteilen. Dies -Buch verschaffte dem gebannten Juden einen Ruf an die Universität -Heidelberg. Aber so ehrenvoll ein solches Zeichen freier Gesinnung -für den Landesherrn, den Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz, ist --- so wenig wäre die Ausführung auf die Dauer möglich gewesen. Stand -doch in dem an Spinoza gerichteten Briefe neben der Zusicherung der -Lehrfreiheit die Erwartung, daß er nichts gegen die Kirche sagen werde. -Spinoza wußte, daß Konflikte nicht ausbleiben konnten, und in der -klaren, ruhigen Weise, in der er seine persönlichen Angelegenheiten -stets besorgte, lehnte er den ehrenvollen Ruf ab. Sein Leben blieb -unverändert, aber die doppelte Anstrengung geistiger und körperlicher -Arbeit und der Glasstaub, der beim Schleifen entsteht, scheinen seiner -zarten Natur geschadet zu haben, er wurde lungenkrank und starb 1677, -erst 45 Jahre alt. - -Bald nach seinem Tode wurden seine hinterlassenen Schriften, darunter -sein Hauptwerk, von seinen Freunden herausgegeben. Spinoza nannte -dieses Hauptwerk Ethik, d. h. Lehre vom Sittlichen oder vom rechten -Leben. Schon in diesem Titel zeigt sich die Verschiedenheit seines -Strebens von dem seines Lehrers Descartes. Für jenen war die Erkenntnis -als solche Lebensziel, Spinoza aber wollte durch seine Erkenntnis vor -allem die richtige Lebensart finden. Zwang ihn doch schon seine äußere -Lage, viel mehr über die Lebensführung nachzudenken. Descartes konnte, -während er eine Revolution in seinen Gedanken machte, äußerlich in -den Formen seines Standes weiterleben; Spinoza mußte, durch den Bann -ausgestoßen, nirgends zugehörig, sich sein ganzes Dasein nach eigenen -Grundsätzen aufbauen. Weit wichtiger aber als diese äußeren Dinge -war ein tief innerer Unterschied der Naturen. Descartes hatte, wenn -man so sagen darf, alle Leidenschaft nur im Kopfe. Die ganze Wärme -seiner Natur gehörte dem Suchen nach klarer Erkenntnis; außerhalb -dieses Gebietes war er kühl. Selbst seine unzweifelhaft aufrichtige -christliche Frömmigkeit war mehr Verstandes- als Herzenssache. Spinoza -dagegen war eine durch und durch religiöse Natur, ganz erfüllt -von dem Streben nach inniger Vereinigung mit Gott. Im Dienste des -Strebens stand für ihn die Erkenntnis. Gerade weil er tief religiös -und zugleich Denker war, konnte er sich keiner herrschenden Kirche -anschließen. Für Naturen, in denen entweder die Klarheit des Denkens -weniger groß ist oder die Gewalt des religiösen Gefühles zurücktritt, -ist die äußere Anpassung leichter. Man muß diese tief in Spinozas -Natur angelegten Bestrebungen: _ein sittlich religiöses Leben -durch das Denken zu begründen_, mit den am Anfang dieses Vortrags -dargelegten folgerichtigen _Weiterbildungen der Lehre des Descartes_ -zusammennehmen, um Spinozas Philosophie zu verstehen. - - -[Form und Inhalt der Ethik] - -Spinozas Hauptwerk ist in einer eigentümlichen Form geschrieben. Da -die Geometrie für ihn das Vorbild strenger, wissenschaftlicher Beweise -war, bildete er seine Darstellung dem berühmten griechischen Lehrbuch -der Geometrie, dem Werke des Euklid, nach. Wie ein Mathematiker -beginnt er mit Grundsätzen, deren Wahrheit nach seiner Überzeugung -selbstverständlich ist, und mit Erklärungen oder Definitionen der -Grundbegriffe. Von diesen Voraussetzungen aus beweist er dann die -einzelnen Lehrsätze. Diese Form müssen wir der Verständlichkeit -unsrer Darstellung zuliebe ganz unberücksichtigt lassen. Aber es ist -doch hervorzuheben, daß die Wahl der geometrischen Darstellung keine -willkürliche Laune Spinozas ist, sondern mit dem Inhalt seiner Lehre -aufs engste zusammenhängt. Schon Descartes hatte gelehrt, man dürfe nur -annehmen, was sich mit derselben Klarheit wie die Sätze der Mathematik -einsehen läßt. In einer Art Umkehrung dieses Satzes hatte er ferner -geschlossen, daß das klar und deutlich Erkannte an sich auch wahr sei. -Folgerichtig war es nun, die Durchführbarkeit einer Darstellung, in -der jede Behauptung mathematisch streng bewiesen wird, als Prüfstein -für die Wahrheit des philosophischen Systems anzusehen. So wenig also -Spinoza seine Grundüberzeugungen durch geometrische Beweise gewonnen -hat, und so künstlich einem modernen Leser diese Beweise vielfach zu -sein scheinen, so notwendig war doch für Spinoza seine Philosophie erst -vollendet, als er sie in jene strenge Form zu kleiden vermochte. - -Descartes hatte die Gottheit als den Inbegriff aller Vollkommenheit -gefaßt. Von diesem Gedanken eines allervollkommensten Wesens geht -Spinoza aus. Da für ihn wie für seinen Lehrer in jeder Wirklichkeit -eine Vollkommenheit liegt, muß alle wahre Wirklichkeit Gott angehören. -Gott fällt so zusammen mit der Welt; denn unter Welt verstehen wir -die Einheit, den inneren Zusammenhang aller Dinge. Gott ist das All, -das All ist Gott. Man nennt diese Lehre _Pantheismus_ (griechisch von -»~pan~« All und »~theos~« Gott), und wir haben bereits gesehen, daß der -Pantheismus aus den Voraussetzungen des Descartes notwendig folgte: Er -hat aber noch eine andere Wurzel: im religiösen Erleben. Für die rohen -Anfänge der Religion bedeutet ein Gott ein übermächtiges Wesen, das dem -Menschen schaden oder nützen, wie ein Feind oder wie ein Schirmherr -gegenüberstehen kann; so verhielt es sich z. B. bei den Griechen, -wie Homer sie schildert. An die Schirmherrschaft eines Gottes über -sein Volk schließt sich der Gedanke an, daß die Volkssitte von diesem -Gotte stammt und geschützt wird. Gott wird der gerechte Herrscher, -dann der liebende Vater des Menschen. Die zunächst als äußeres Gebot -befolgte Sitte verklärt sich mehr und mehr zu einer von der Stimme des -Gewissens geforderten Sittlichkeit. Je inniger der religiöse Mensch -das als Gottesgebot empfundene Sittengesetz mit seinem eigenen Wesen -verknüpft fühlt, um so mehr empfindet er die Gottheit in sich selbst -wirksam. Aber in uns widerstrebt etwas dieser göttlichen Wirkung, eine -Fremdheit bleibt, die zugleich Unseligkeit ist. Ihre Ursache wird darin -gefunden, daß wir uns an einzelne Dinge hingeben. Von ihnen müssen -wir uns abwenden, dann werden wir mit Gott eins werden. Daher finden -wir bei christlichen, jüdischen und mohammedanischen Gottesgelehrten -des Mittelalters vielfach den Gedanken, daß der wahrhaft fromme -Mensch im Innersten seines Wesens mit der Gottheit zusammenfällt. Wie -der Mensch auf der höchsten Stufe der Gott-Innigkeit sich mit Gott -eins fühlt, so ist in seinem Kerne jedes Ding eins mit Gott, alle -Getrenntheit von Gott ist Schein und Folge des Abfalls. Vereinigung -mit Gott finden heißt zugleich, Gott als Kern aller Dinge erkennen. -Diese Art der Frömmigkeit, die durch Versenkung aller Gedanken in die -Gottheit die volle Vereinigung des Menschen mit Gott sucht, heißt -_Mystik_, und wir können demnach sagen, daß alle Mystik zum Pantheismus -strebt. _In Spinoza nun trifft eine mystische Religiosität mit jenem -verstandesmäßig_ (rationalistisch) _aus der Lehre des Descartes -entstandenen Pantheismus zusammen_. - -Gott ist das allervollkommenste Wesen und der Inbegriff alles Seins, -nichts ist außer ihm, also ist er das einzige, was Substanz heißen -darf. Aus Wesen und Begriff dieser einzigen, unendlichen, alles -umfassenden Substanz muß nun alles einzelne Sein und Geschehen mit -mathematischer Notwendigkeit folgen. Die Schöpfung der Welt kann also -Spinoza nicht als eine freie Tat Gottes ansehen, die seine Willkür -auch hätte unterlassen können; vielmehr ist die Einheit der Welt -selbst Gott, es gehört zum notwendigen Wesen Gottes, sich in dieser -Welt darzustellen. Alles einzelne ist nur wirklich, sofern es an -der Gottheit teilhat. Daß es ein einzelnes ist, beruht auf seiner -_Beschränktheit_ und damit auf einer _Verneinung_. Diese Gleichsetzung -von Einzelheit, Beschränkung und Verneinung wird Ihnen zunächst fremd -vorkommen. Doch ist nicht schwer zu zeigen, was der Denker damit meint. -Wir sind nur Mensch, indem wir nicht Tier, Pflanze und Stein sind, wir -können einen bestimmten Lebensberuf nur ergreifen, indem wir auf alle -anderen Möglichkeiten der Lebensgestaltung verzichten. So verstehen wir -den Satz, mit Hilfe dessen Spinoza die Besonderheit der einzelnen Wesen -aus der Einheit der Gottesnatur herzuleiten sucht: _Alle Bestimmtheit -ist Verneinung._ - - -[Gott] - -Gott oder die Natur oder das allervollkommenste Wesen ist durch und -durch erkennbar, freilich nicht für unsern menschlichen Verstand, -der selbst vereinzelt, bestimmt, beschränkt und daher mit der -Verneinung behaftet ist. Aber sogar unser menschlicher Verstand kann -allgemein die Notwendigkeit einsehen, mit der alles einzelne aus -der Gottheit folgt, und beherrscht in der mathematisch erkennbaren -Ordnung der körperlichen Bewegungen ein ihm zugängliches Teilgebiet -der göttlichen Ordnung der Welt. Spinoza ist wie Descartes Anhänger -der neuen naturwissenschaftlichen Auffassung der Körperwelt, nach der -jede Bewegung aus dem vorangehenden Zustande der Körper notwendig und -berechenbar folgt. Für ein Eingreifen des Geistes in die Körperwelt, -wie wir es in jeder unserer Bewegungen zu erleben glauben, läßt diese -Auffassung, wenn sie streng durchgeführt wird, keinen Raum. Alle -körperlichen Bewegungen sind wieder nur durch andere körperliche -Bewegungen hervorgerufen, unsere Armbewegung etwa durch eine Bewegung -in unserem Gehirn. Nun haben wir aber als denkende Wesen Anteil an -einer von der Körperwelt ganz verschiedenen Art des Seins. Dieses -geistige Sein ist im Grunde vom Körper ebenso unabhängig, wie jener -von ihm. Man sieht, Spinoza folgert aus der schroffen Entgegensetzung -von Geist und Körper, wie Descartes gelehrt hatte, die Unmöglichkeit -ihrer Wechselwirkung. Es entsteht daher für ihn die Aufgabe, das -anscheinende Ineinanderwirken geistiger und körperlicher Geschehnisse -zu erklären. In der göttlichen Einheit besitzt er das Mittel dazu. Alle -einzelnen Dinge, Körper wie Seelen, sind nur notwendige Folgen und -Einschränkungen der einen wahrhaft wirklichen Gottnatur. Diese ist nun -so beschaffen, daß sie sich in unendlich vielen Weisen entfaltet und -offenbart. Diese Entfaltungsweisen der Gottheit, deren jede von jeder -anderen unabhängig, jede in ihrer Art unendlich ist, nennt Spinoza -_Attribute_. Von den unendlich vielen Attributen der Gottheit sind uns -nur zwei zugänglich, die Ausdehnung oder die Körperwelt und das Denken -oder die Welt des Geistes. Beide sind völlig unabhängig voneinander; -aber da beide derselben allumfassenden, göttlichen Einheit angehören, -herrscht in beiden die gleiche gesetzliche Ordnung. Nicht unser Gedanke -oder Willensentschluß bewegt unsern Arm; aber es ist in der Einheit -Gottes begründet, daß, wenn wir den Arm bewegen wollen, zugleich aus -der Notwendigkeit des körperlichen Geschehens eine Gehirnbewegung -folgt, die Ursache der Armbewegung wird. Niemals erzeugt ein Gedanke -eine Bewegung oder eine Bewegung einen Gedanken. Aber da Bewegungen -und Gedanken aus derselben göttlichen Notwendigkeit folgen, ist _die -Ordnung und Verknüpfung der körperlichen Dinge dieselbe wie die Ordnung -und Verknüpfung der Gedanken_. - - -[Körper und Seele] - -Notwendig folgt daraus weiter, daß jedem körperlichen Dinge ein -seelisches Sein entspricht. Unsere Seele kann ja für Spinoza nicht -wie für Descartes eine selbständige Substanz sein, vielmehr ist sie -ein bloßes Stück der göttlichen Ordnung der Geisterwelt, das einem -bestimmten Stück der göttlichen Ordnung der Körperwelt, eben unserem -Körper, entspricht. Was von unserem Körper gilt, muß für jeden anderen -ebenso zutreffen. Spinoza hat nicht mehr nötig, die Tierseelen zu -leugnen, denn sie sind in seiner Welt keine Ausnahme; vielmehr gehört -für ihn auch zu allem scheinbar Unbeseelten etwas Seelisches. Wir -müssen uns aber sehr hüten, diese Überzeugung des Philosophen mit -der poetischen Naturbeseelung zu verwechseln, die sich z. B. in der -griechischen Göttersage findet. Für den Griechen lebt in Baum und -Quell ein uns verwandtes, unsern Bitten zugängliches Wesen. Für -Spinoza gehören wir selbst zu einer notwendigen Ordnung, die durch -unsere Wünsche nicht im mindesten geändert werden kann. Von einem -menschlichen Hineinfühlen in die Körperwelt ist gar keine Rede. Die -nach innerer Zweckmäßigkeit den Lauf der Welten regelnden Sternseelen, -die die Renaissance annahm, werden nicht etwa der neuen Astronomie zum -Trotz wiederhergestellt -- im Gegenteil: auch die Bewegung der Glieder -unseres Leibes vollzieht sich nach unerbittlicher Notwendigkeit. Zwecke -und Zweckmäßigkeit gibt es in der Natur nicht, nur Ursachen und ihre -notwendigen Wirkungen. Genau die gleiche Notwendigkeit aber herrscht -auch auf geistigem Gebiete. Jede Regung unserer Seele folgt ebenso -unbedingt mathematisch aus Gottes Entfaltungsweise oder Attribut des -Denkens, wie der Fall eines geworfenen Steines aus Gottes Attribut der -Ausdehnung folgt. Darum betrachtet der Philosoph _die menschlichen -Leidenschaften ohne Liebe und Abscheu_, mit der gleichen kühlen, -verstandesmäßigen Ruhe wie die geometrischen Figuren. Auch sie folgen -notwendig aus Gott und sollen in dieser Notwendigkeit verstanden -werden. - -Man sieht, in dieser streng einheitlichen und geordneten Welt ist -_kein Platz für Freiheit des Willens_. Unsre Taten und Gedanken sind -durch den göttlich natürlichen Zusammenhang so notwendig bestimmt, -wie die Umdrehung der Erde oder der Fall des Steins. Wir halten uns -nur für frei, weil wir die Ursachen unserer Handlungen nicht kennen. -Auch der geworfene Stein würde, wenn das ihm entsprechende Denken -entwickelt genug wäre sich diese Frage zu stellen, meinen, er sei -frei. Denn er würde die werfende Hand und die Anziehung der Erde nicht -genügend erkennen. Ebensowenig hat diese Welt Raum für Unterschiede -von gut und böse, von schön und häßlich. Alles einzelne folgt ja mit -gleicher Notwendigkeit aus Gott. Nennen wir etwa ein Tier schädlich, so -beziehen wir es einseitig auf die unbedeutende, kleine, eingeschränkte -Erscheinung Gottes, die wir selbst sind. In der Ordnung des Weltganzen, -der Gottheit, hat die Giftschlange dasselbe Recht wie der Mensch; und -für die Giftschlange ist der Mensch, der sie totschlägt, mit gleichem -Recht böse wie die Schlange für den Menschen. Auch können wir durch -unsern Entschluß nichts an der Welt und folglich auch nichts an uns -selbst ändern; sind wir doch ganz und gar Folgen der Weltordnung. - -Nahe liegt hier die Folgerung, es hätte keinen Sinn, Vorschriften -für das Verhalten der Menschen zu geben. Indessen dies wäre ein -verzweifelter Abschluß für ein Werk, das den Titel Ethik führt und -vor allem eine Anweisung zum rechten Leben erteilen will. In der Tat -bemerken wir hier einen Bruch in dem scheinbar so fest geschlossenen -System Spinozas. Ich habe meine Darstellung absichtlich so -eingerichtet, daß Sie diesen Bruch deutlich erkennen. Wir verfahren im -Sinne Spinozas, wenn wir unbekümmert um die Rücksicht auf seine Person -und seinen Ruhm die Wahrheit suchen und sagen. Spinoza selbst hat die -Schroffheit dieses Bruches _nicht_ empfunden. Hätte ich Sie _den_ Weg -zu seinem Lebensideale geführt, den er selbst ging, so wäre sicherlich -auch den meisten von Ihnen der Widerspruch verborgen geblieben. Denn es -besteht zwischen Spinozas System und seiner Lebensweisheit zwar kein -logisch unanfechtbarer Zusammenhang, aber eine um so engere Einheit -persönlichen Erlebens, die wir nachzuerleben versuchen müssen. - -Der einzelne Mensch existiert als Einzelwesen nur durch Verneinung, -durch Einschränkung des göttlichen Seins auf seine enge Eigenart. -Jedes einzelne Wesen sucht sich selbst zu erhalten. Sofern es dabei an -seine Besonderheit denkt, kann es in Streit mit anderen Wesen kommen. -Denn es wird dann leicht geschehen, daß mehrere den Besitz desselben -Dinges zur Erhaltung oder Ausbreitung ihrer Macht nötig zu haben -glauben. Wenn aber der Mensch erkannt hat, daß alle Dinge, alle andern -Menschen und er selbst in Wahrheit zu demselben Wesen, zur Gottheit, -gehören, wird das anders. Der Mensch, sofern er denkendes Wesen ist, -hat so viel Wirklichkeit in sich, wie er Gotteserkenntnis besitzt. Hat -er das einmal recht eingesehen, so weiß er, daß die wahre Erhaltung und -Erhöhung seines Wesens einzig in der Gotteserkenntnis besteht. Da die -ganze Ordnung der Natur die Gottheit offenbart, so führt jede wirkliche -Einsicht in den notwendigen Zusammenhang der körperlichen oder der -geistigen Dinge zu Gott. Soweit Menschen überzeugt sind, daß ihr wahres -Wesen, ihre echte Selbsterhaltung in der Erkenntnis besteht, können sie -nicht mehr in Kampf miteinander geraten. Denn diese wahre Einsicht ist -kein Gut, das dem einen durch den andern entrissen werden könnte, im -Gegenteil muß jedem daran liegen, daß möglichst viele seine Einsicht -teilen, damit er mit seinen Mitmenschen in Eintracht leben kann. In -der wahren Erkenntnis hören wir auf, einzelne Menschen zu sein. Jeder -wahre Satz ist ja wahr ohne Rücksicht auf die besonderen Eigenschaften -dessen, der ihn denkt. - - -[Erkenntnis und Gottesliebe] - -Bis hierher spricht Spinoza verstandesmäßig kühl und nüchtern. Nun -aber in den letzten Sätzen seines Werkes bricht die Wärme seines -religiösen Gefühls durch. Jene Gotteserkenntnis führt zugleich zur -_Liebe zu Gott_. Denn sein eigenes wahres Wesen liebt jeder, und in der -rechten Gotteserkenntnis erfaßt der Mensch dieses Wesen als Einheit -mit Gott. Hier berührt sich Spinoza am innigsten mit der Mystik. Aber -was der Mystiker durch religiöse Übungen oder durch Abscheidung von -der Welt und Versenkung in sein eigenes Inneres zu erreichen sucht, -die Vereinigung mit der Gottheit, das erstrebt Spinoza auf dem Wege -verständiger Erkenntnis. Auf der höchsten Stufe führt diese Erkenntnis -dazu, in allem, was geschieht, die eine große notwendige göttliche -Ordnung zu erblicken und zu lieben. Diese Liebe verzichtet auf die -Möglichkeit der Gegenliebe. Wer Gott wahrhaft erkannt hat, weiß ja, daß -Gott kein einzelnes Wesen neben anderen Wesen, sondern die einheitliche -Ordnung der Welt ist. Die Gottheit würde erniedrigt werden, wenn sie -irgendeinen Teil der Welt, der ja ein besonderer Teil nur durch -Verneinung ist, mit besonderer Liebe umfaßte. Der echte Liebende will -doch aber das Geliebte nicht herabziehen. »_Wer Gott wahrhaft liebt, -wünscht nicht, daß Gott ihn wieder liebt._« Die echte Gottesliebe ist -also im höchsten Maße uneigennützig. - -Als Goethe mitten in den leidenschaftlichen Stürmen seiner Jugend auf -diesen Satz Spinozas stieß, fand er darin einen tiefen Frieden. Goethe -war nicht, wie man oft lesen kann, im eigentlichen Sinne Anhänger -Spinozas, aber der Gedanke einer göttlichen Einheit der Welt und das -uneigennützige Gefühl der Liebe zu dieser Gottnatur begleiteten ihn -durch sein reiches Leben. Mit diesen letzten Sätzen, in denen sich die -Persönlichkeit des Weisen rein offenbart, wollen wir heute schließen. -Es liegt eine tiefe innere Wahrheit in dieser uneigennützigen -Gottesliebe, auch wenn es Spinoza nicht gelungen ist, sie ohne -Widerspruch mit den Voraussetzungen seiner Philosophie zu verbinden. - -[Illustration: Spinoza - -Nach Seydlitz, Historisches Porträtwerk] - - - - -Fünfter Vortrag. - -Kant. - - -[Schwierigkeiten der Metaphysik] - -Die wunderbare Einheit und Geschlossenheit, durch die Spinozas System -jeden Denkenden fesselt, hält, wie schon im vorigen Vortrag angedeutet -wurde, vor einer schärferen Kritik nicht stand. An zwei Punkten -besonders zeigen sich Schwächen und Lücken. Spinoza sagt, daß alles -einzelne mit mathematischer Notwendigkeit aus Gott folgt. In Wahrheit -aber vermag er nicht, aus dem Begriffe des allervollkommensten Seins -herzuleiten, warum die Welt, die wir durch unsere Erlebnisse kennen, -so und nicht anders ist. Nicht einmal die Existenz und Verschiedenheit -von Geist und Körper wird strenggenommen aus den Voraussetzungen -entwickelt, sondern ohne Beweis hingestellt. Gott als das denkbar -Vollkommenste soll sich in unzähligen, voneinander unabhängigen -Daseinsarten darstellen. Wir aber kennen nur zwei dieser Arten, -Ausdehnung und Denken. Warum gerade diese zwei und warum haben diese -zwei gerade die uns bekannten Eigenschaften? Auf solche Fragen bleibt -Spinoza die Antwort schuldig. Der allgemeine Satz, jede Bestimmtheit -ist Verneinung, täuscht ihn über diese Schwierigkeiten hinweg, bietet -aber in Wahrheit keine Hilfe. Dadurch, daß etwas nicht Ausdehnung -ist und auch keiner anderen Grundeigenschaft Gottes angehört, wird -es durchaus noch nicht als Denken bestimmt. Wir hatten den Sinn des -Grundsatzes, jede Bestimmung ist Verneinung, an dem Beispiele klar -gemacht, daß ich als Mensch nicht Tier, als Mann nicht Frau bin; -aber läßt sich wirklich der Inhalt, den ich unter Mensch oder Mann -verstehe, durch Verneinung von Tier oder Frau gewinnen? Diese Frage -so stellen, heißt sie verneinen. Die Bestimmtheit des einzelnen ist -überall unableitbar; daß in diesem Augenblicke diese Farbe von mir -gesehen, dieser Ton gehört wird, daß blau und rot in nicht weiter -beschreibbarer Weise voneinander verschieden sind, vermögen wir -niemals aus allgemeinen Gründen abzuleiten. Wollte man sich hier mit -der Schwäche unserer Vernunft helfen, so müßten doch wenigstens die -Grundeigentümlichkeiten der Welt aus Gottes Wesen heraus eingesehen -werden können, wenn jene mathematische Notwendigkeit im Verhältnis von -Gott und Welt für uns mehr als eine Sehnsucht unseres Erkennens sein -sollte. Aber auch dies ist, wie wir gesehen haben, unmöglich. - -Die zweite Hauptschwierigkeit besteht in der Verbindung von Spinozas -Ethik mit seiner Lehre von Gott und Welt. Da alles mit gleicher -Notwendigkeit aus Gott folgen soll, so kann es zwischen den einzelnen -Dingen keine Unterschiede des Wertes geben. Wir sehen das einzelne -noch nicht in Gott, wenn wir es nützlich oder schädlich, gut oder böse -nennen, sondern wir sehen es ganz einseitig in Beziehung zu unserer -beschränkten, vergänglichen Eigenart. Was von den Dingen gilt, trifft -durchaus auch für die menschlichen Handlungen zu. Auch sie folgen mit -Notwendigkeit aus der göttlichen Weltordnung. Ein Geist, der diese -Weltordnung ganz überschaute, würde mathematisch beweisen können, -warum Peter wie ein Schurke, Paul wie ein Heiliger lebt. Was notwendig -ist und nicht anders zu sein vermag, als es ist, dem kann man auch -keine Vorschriften geben wollen, das versucht man nicht zu ändern. -Niemand gibt der Erde den guten Rat, sich langsamer zu bewegen. Welchen -Sinn hat es aber dann, den Menschen jene uneigennützige Gottesliebe -zu empfehlen, da sie doch nur, soweit das aus Gottes ewiger Natur -notwendig folgt, dazu gelangen können? Auch bezeichnet der Philosoph -selbst das Verhalten des gottesliebenden Menschen als im höchsten Sinne -richtig und gut, während er nach seinen eigenen Voraussetzungen kein -Recht zu solchen Werturteilen hat. - -Vielleicht wundern sich manche unter Ihnen darüber, daß ich Sie solange -mit einem Denker beschäftigt habe, dem ich nachher solche Irrtümer -und Widersprüche vorwerfen muß. Ich möchte darauf zunächst erwidern: -Nicht ich bin es, der diese Schwächen Spinozas gesehen hat, sondern -der Fortschritt der philosophischen Einsicht macht es uns heute -leicht, den großen Philosophen zu kritisieren. Er selbst hat durch die -Folgerichtigkeit und Energie seines Denkens viel dazu beigetragen. Denn -nur die ganz klare Durchbildung einer Lehre vermag die in ihr liegenden -Schwierigkeiten zu enthüllen. Es klingt sehr gut, wenn man sagt, -Gott ist die notwendige Weltordnung, wir müssen einsehen, daß alles -einzelne notwendig aus Gott folgt, und müssen alles, es sei wie es -sei, in gleicher Weise als Ausfluß der göttlichen Natur verstehen und -lieben. Erst die Durchbildung dieser Sätze zum System lehrt uns, daß, -wenn alles mit gleicher Notwendigkeit aus Gott folgt, jede Forderung, -an ein Einzelwesen, sich zu ändern, und also auch die Forderung zur -Gottesliebe fortzuschreiten, sinnlos wird. Es kommt nun aber hinzu, daß -diese Schwierigkeiten nicht etwa nur in Spinozas System sich finden, -sondern daß jeder Philosoph, der ähnliches will, ihnen verfallen muß. - -Die großen Leistungen unseres Erkennens bewirken Vereinigung vorher -getrennter Gebiete. Beispiele aus den einzelnen Wissenschaften liegen -nahe; unsere Physiker haben gelernt, Licht und Elektrizität als -verschiedene Formen desselben Geschehens anzusehen, unsere Botaniker -und Zoologen bemühen sich, die unzähligen Arten der Pflanzen und -Tiere aus der Entwicklung einer oder weniger Urformen abzuleiten. -Jeder solche Fortschritt verbindet zu sinnvollem Zusammenhang, was -vorher fremd und zufällig nebeneinander stand. Dieses Einheitsstreben -unseres Geistes führt schließlich zu dem Bemühen, alle einzelnen -Dinge und Ereignisse aus einem einzigen obersten Satze durch Vernunft -abzuleiten. Da aber doch die Wahrnehmungen in all ihrer Verschiedenheit -bestehen bleiben, behauptet ein solcher Satz das Dasein einer wahren -Wirklichkeit, im Vergleich mit welcher unsere Wahrnehmungen, ja diese -ganze Welt wechselnder Geschehnisse unwirklich sind. Für Platon -stellt die Ideenwelt, für Spinoza die einheitliche Gottnatur jene -wahre Wirklichkeit dar. Man nennt diese Bemühungen, sofern sie als -Wissenschaft auftreten, _Metaphysik_. Es läßt sich nun ganz allgemein -beweisen, daß _jede_ Metaphysik zu ähnlichen Schwierigkeiten führen -muß, wie wir sie aufgedeckt haben. - -Spinozas System ist nicht etwa der _letzte_ große Versuch einer solchen -Metaphysik. Die Sehnsucht, alle die zerstreuten Einzelheiten der Welt -als notwendige Einheit zu begreifen, hat vielmehr immer wieder zu neuen -metaphysischen Systemen geführt, von denen einige sehr wichtig und -lehrreich sind. Nur wegen des geringen Umfanges dieser Vorträge, und -weil ich bei den meisten unter Ihnen keine besonderen Vorkenntnisse -voraussetzen darf, habe ich mich begnügen müssen, an dem einen großen -Beispiel Spinozas den Flug und den Sturz der Metaphysik klarzumachen. -Denn nur, wenn Sie diesen Zwist zwischen der höchsten geistigen -Sehnsucht und dem Können des Menschen eingesehen haben, werden Sie die -große Leistung _Kants_ verstehen. - -Geschichtlich hängt Kant nicht unmittelbar mit Spinoza zusammen, -sondern mit einem jüngeren Zeitgenossen des gebannten Juden, mit -_Gottfried Wilhelm Leibniz_. Dieser große Deutsche hat unter allen -Denkern vor Kant vielleicht am tiefsten die Schwierigkeiten der -Metaphysik eingesehen. Trotzdem bildete er ein metaphysisches System -aus, das sich vom Spinozismus hauptsächlich durch die Bemühung -unterschied, der Eigenart der einzelnen Dinge und der Selbständigkeit -der einzelnen Geister gerecht zu werden. Leibniz war ein Forscher von -beinahe unbegreiflicher Vielseitigkeit, während die große Einheit -seines philosophischen Strebens ihn vor zersplitternder Vielwisserei -schützte. Gerade diese besondere Art seiner Größe hindert eine kurze -und zugleich allgemein verständliche Darstellung seiner Lehre. -Fortgewirkt haben Leibnizens Gedanken in der Form, die _Christian -Wolff_ ihnen gab, kein großer ursprünglicher Denker, aber ein um -die Verbreitung philosophischer Bildung höchst verdienter Mann. -Vor allem dürfen wir Deutschen es ihm nicht vergessen, daß er die -Philosophie deutsch reden lehrte, während vorher deutsche Philosophen -meist lateinisch oder französisch geschrieben hatten, und daß er die -deutschen Universitäten wieder zu Arbeitsstätten fortschreitender -Wissenschaft und gründlicher Philosophie erhob. Wolff war durchaus -Metaphysiker und fest überzeugt, daß unser vernünftiges Denken imstande -sei, den wahren, einheitlichen Zusammenhang der ganzen Welt zu -erkennen. Recht bezeichnend nennt er ein deutsches Werk, das eine kurze -Darstellung seiner Lehre gibt: Vernünftige Gedanken von Gott, der Welt -und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt. In der Lehre -dieses Mannes wurde Kant erzogen, Kant, dem es vorbehalten war, unter -Ablehnung der Metaphysik im alten Sinne der Philosophie die richtige -Aufgabe und den wahren Weg zu ihrer Lösung zu zeigen. - - -[Leben] - -_Das Leben Immanuel Kants_ ist schlichter, ereignisärmer als das -irgendeines unter den bisher behandelten Philosophen. Es fehlt in -ihm die unmittelbare Teilnahme am Staatsleben, es fehlen große -Reisen, äußerlich bemerkbare Umschwünge, wirklich gefährliche -Verfolgungen. Weder wirkte er in der großen Welt, noch stellte er -sich der Lebensart seiner Zeitgenossen auffällig entgegen, sondern -er führte das stille Arbeitsleben des Lehrers an einer kleinen -deutschen Hochschule. _Immanuel Kant_ wurde 1724 in Königsberg als -Sohn eines armen Handwerkers geboren. Die Familie war fromm im Sinne -einer innerlichen lebendigen protestantischen Frömmigkeit, wie der -Pietismus sie damals pflegte. Das Interesse eines einflußreichen -pietistischen Geistlichen ermöglichte dem begabten Knaben eine höhere -Ausbildung. Nach Beendigung der Schule widmete sich Kant an der -heimischen Universität dem Studium der Philosophie im weitesten Sinne -des Wortes, wozu damals auch Mathematik und Physik gehörten. Neben -der Lehre _Wolffs_ gewann die _Naturwissenschaft_ großen Einfluß auf -ihn. Seit den Zeiten eines Descartes hatten Astronomie und Physik -große Fortschritte gemacht. _Newton_ war es gelungen nachzuweisen, -daß die gleiche Gesetzmäßigkeit der Schwerkraft den Fall schwerer -Körper auf der Erde und die Bewegungen der Gestirne beherrscht. Die -mathematisch geleitete Erforschung und die mit ihr eng verbundene -mechanistische Auffassung der Körperwelt, die im 17. Jahrhundert noch -um ihre Anerkennung kämpfte, hatte sich allgemein durchgesetzt. Für -Kants spätere Philosophie ist es sehr wichtig, daß nicht nur in der -Mathematik, sondern auch in der Naturwissenschaft allgemein anerkannte -Ergebnisse ihm vor Augen standen. Seine ersten Schriften waren zum -großen Teil naturwissenschaftlichen Inhalts. Hervorzuheben ist unter -ihnen die 1755 erschienene »Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des -Himmels«, in der er die Entstehung des Sonnensystems mechanisch zu -erklären versuchte. - -Seinen wahren Beruf entdeckte Kant früh; was ihn äußerlich hinderte, -der inneren Stimme zu folgen, überwand sein fester Wille. -Entschlossen, sich ganz der Wissenschaft zu widmen, erwarb er sich -die nötigen Mittel durch Hauslehrertätigkeit auf Gütern der Provinz -Preußen; dann ließ er sich 1755 als Dozent in Königsberg nieder, -erlangte aber trotz eifriger und erfolgreicher Tätigkeit als Lehrer und -Schriftsteller erst 1770 eine ordentliche Professur. Schuld an dieser -späten Beförderung war der Siebenjährige Krieg und in seinem Gefolge -die Armut des preußischen Staates. - - -[Lebensart. Werke] - -Kants Leben war aufs strengste geregelt. Berücksichtigt man, daß er von -seiner Arbeit leben mußte, seine wissenschaftlichen Pläne durchführen -wollte und auf seinen von Natur zarten Körper Rücksicht zu nehmen -gezwungen war, so begreift man sein genaues Haushalten mit Zeit, Kraft -und Geld. Er hatte den Grundsatz, niemals jemandem Geld schuldig zu -sein. Wer auch an meine Tür klopfte, so erzählte er selbst, ich konnte -ruhig öffnen; denn ich wußte, daß kein Gläubiger eintreten würde. Wie -seine wirtschaftliche Selbständigkeit, so war auch seine Gesundheit -sein eigenes Werk, und er hatte darum ein Recht, stolz auf sie zu sein. -Streng regelmäßig verlief sein Tag. Seinen Spaziergang trat er stets -so genau zur festgesetzten Stunde an, daß die Nachbarn, wie es heißt, -ihre Uhr nach ihm stellten. Hatte er einmal einen allgemeingültigen -Entschluß gefaßt, so hielt er unerbittlich daran fest. Selbst in -verhältnismäßig geringen Angelegenheiten formte er sich derartige -Grundsätze. - -Das alles sieht fast pedantisch aus, aber es war in Wahrheit keine -pedantische Schrulle, sondern die notwendige Bedingung seiner großen -Leistungen. Wir dürfen uns Kant nicht als einen schon in der Jugend -eingetrockneten Gelehrten und Büchermenschen vorstellen. Vielmehr war -er in jüngeren Jahren als unterhaltender und witziger Gesellschafter -sehr beliebt, auch bei Frauen, wie er selbst den Umgang mit klugen, -feinen Frauen besonders schätzte. Er lebte als Junggeselle, aber -keineswegs ungesellig, sondern suchte Verkehr besonders mit Männern -des praktischen Lebens. Kaufleute und ein Forstmeister waren seine -nächsten Freunde. Obwohl er seine Heimatprovinz nie, seine Heimatstadt -höchst selten verließ, umspannte sein Gesichtskreis die ganze Welt. -Reisebeschreibungen waren seine liebste Erholungslektüre; er wußte -überall Bescheid, und die Welt lag offener vor ihm als vor manchem, -der heute alle Meere durchfahren hat. Noch größer war seine Teilnahme -für alles, was dem Wohl der Menschheit dient. An den Reformen der -Erziehung, die damals vielfach versucht wurden, nahm er regen Anteil -und gab sich z. B. viele Mühe, für Basedows Philanthropin Geld -zusammenzubringen. Bis in seine mittleren Jahre hinein verfolgte er -auch die schöne Literatur eifrig. Klopstocks Schwärmerei stieß ihn -ab, Wieland war sein Lieblingsschriftsteller. Später freilich, als -unsere Dichtung sich zu ihrer höchsten Blüte entfaltete, war Kant zu -beschäftigt mit der Ausbildung seiner Philosophie, um noch jene ganz -neue Welt der Poesie in sich aufnehmen zu können. - -Dieser lebhafte, für alles Bedeutende empfängliche Geist spiegelt sich -in dem Stil seiner Jugendwerke, der oft von feiner, etwas altmodischer -Grazie ist. Als er freilich sein Hauptwerk ausarbeitete, lag die -frische Jugend längst hinter ihm. Die ersten vorbereitenden Gedanken -legte er 1770 beim Antritt seiner Professur in einer lateinischen -Schrift nieder, aber es bedurfte noch 11 Jahre schweigender Arbeit, -bis 1781 die _Kritik der reinen Vernunft_, das Hauptwerk Kants und -der neueren Philosophie, erschien. Ihr Verfasser war damals bereits -57 Jahre alt. Noch blieb ihm Zeit und Kraft, die übrigen Teile seiner -Philosophie auszuführen. 1788 erschien die _Kritik der praktischen -Vernunft_, d. h. die Ethik, 1790 die _Kritik der Urteilskraft_, die -zugleich seine Ästhetik und die Lehre von der organischen Natur -enthält. Auch seine _Religionsphilosophie_ vermochte er, anfangs -durch die Zensur daran gehindert, nach Friedrich Wilhelms II. Tode -herauszugeben. Dann aber nahte dem durch Arbeit geschwächten Körper das -Alter mit allen seinen Leiden. Er mußte schließlich seine Lehrtätigkeit -aufgeben und wurde 1804 fast achtzigjährig durch den Tod erlöst. - -Kants Hauptwerk, mit dem wir uns heute beschäftigen wollen, ist schwer -zu lesen und zu verstehen. Es ist in einer Sprache geschrieben, der -man überall den Kampf um den richtigen und vollständigen Ausdruck der -Gedanken anfühlt. Auch mußte Kant, um überhaupt von seinen Zeitgenossen -verstanden zu werden, vielfach die Ausdrucksweise eben der Philosophie -gebrauchen, die er widerlegte. Davon abgesehen, gewinnt der Stil dieses -großen Werkes für den, der es wirklich versteht, einen ganz eigenen -Reiz. Unter der starren Maske fremder Worte fühlt man das geistige -Ringen und die beglückende, endlich erreichte Klarheit. Obwohl in der -Darstellung fast jede Spur von Persönlichem ausgeschieden ist, macht -sich die Persönlichkeit geltend. Von allem diesem Reize kann ich Ihnen -nichts mitteilen, da ich die besonderen Schwierigkeiten der Kantischen -Ausdrucksweise vermeiden muß. Auch der folgende Versuch, Kants -Grundgedanken in allgemein zugänglicher Sprache wiederzugeben, wird -an Ihre Aufmerksamkeit und an Ihre geistige Mitarbeit noch erhebliche -Ansprüche stellen. Ich kann Ihnen diese Schwierigkeiten nicht ersparen; -denn nur, wenn Sie einen Anteil an der Mühe der Wissenschaft gewinnen, -wird Ihnen die Wissenschaft inneren Vorteil bringen. Es gibt eine -Art von Popularisierung wissenschaftlicher Ergebnisse, die dem Hörer -nur den Schaum zu leichtem Genusse bietet. Sie erzeugt den falschen -Glauben, nun auf der Höhe wahrer Bildung zu stehen. Vergleichen -möchte ich diese Art mit der künstlerischen Schilderung von Bauern, -Seeleuten usw., die um die Mitte des 19. Jahrhunderts der erwachenden -Anteilnahme an dem Geschick breiterer Volksschichten entgegenkam. Man -stellte Landleute und Matrosen in sauberen, wie aus der Maskengarderobe -geliehenen Sonntagskleidern in friedlicher Feierstimmung dar. Wir -empfinden diese Kunst als Lüge. Wir wollen für das schwere Leben des -Bauern und Arbeiters, wie es wirklich ist, Verständnis gewinnen. Dazu -darf der Schmutz der Arbeit und die Schwielen an den Händen sowenig -fehlen wie der Gesichtsausdruck, den der Lebenskampf aufprägt. Ebenso -können Sie für die Wissenschaft Verständnis und Liebe nur gewinnen, -wenn Sie an ihren Anstrengungen teilzunehmen suchen. - - -[Rationalisten und Empiristen] - -Um Kants Leistung zu verstehen, müssen wir vollständiger als -bisher wissen, woran er anknüpfte. Die Denker, die wir in den -vorangehenden Vorträgen behandelten, stimmen alle darin überein, -daß sie im vernünftigen Denken das Mittel des Erkennens erblicken. -Nach dem lateinischen Worte ratio, Vernunft, nennt man sie daher -_Rationalisten_. Aus reinem Denken heraus suchten sie sicheres -Wissen von der Gesamtheit der Welt zu gewinnen. Wir sahen an -Spinoza, in welche Schwierigkeiten ihr Streben sie verwickelte. -Nahe lag infolgedessen der Einwand, daß ihre Voraussetzung falsch, -daß das vernünftige Denken gar nicht die Grundlage sicheren Wissens -sei. Schon vor Descartes hatte der englische Denker und Staatsmann -_Francis Bacon_, mit dem praktischen Sinne seines Volkes das Nützliche -ergreifend, eine andere Ansicht vom Erkennen aufgestellt. Können wir -denn irgendeine noch so einfache wirkliche Einsicht aus der bloßen -Vernunft herausholen? Schnee schmilzt bei Erwärmung zu Wasser, Wasser -verdampft bei weiterer Erhitzung. Wir wissen das sicher -- aber -nur aus Erfahrung. Es gibt Flüssigkeiten, die -- wie das Weiße im -Hühnerei -- beim Erhitzen fest werden, nicht flüssig. Durch Sammlung -und Vergleichung solcher Erfahrungen werden wir reicher an Wissen; -die Erfahrung, Einzelheiten häufend, vom Einzelnen zum Allgemeinen -aufsteigend, gibt allein wahre Erkenntnis. Da Erfahrung auf griechisch -~empeiria~ heißt, nennt man diese Philosophen _Empiristen_. Von -Descartes und von der Naturwissenschaft Newtons beeinflußt, hatte _John -Locke_ den Empirismus ausgebildet und im Laufe des 18. Jahrhunderts -auch auf dem Festland Einfluß gewonnen. Indessen »Erfahrung« ist eine -recht komplizierte Sache -- der Satz, »erhitztes Wasser verdampft«, -ist ja augenscheinlich erst das Erzeugnis vieler Wahrnehmungen und -Überlegungen. Man hat zuerst das Wasser gesehen, seine Feuchtigkeit -gefühlt, dann hat man die Wärme des Feuers empfunden, beim Eintauchen -des Fingers wahrgenommen, wie das Wasser wärmer wurde, endlich sieht -man Nebel aus dem Wasser sich erheben und in der Luft vergehen, -das Wasser aufwallen und kochen, bemerkt schließlich, wie das -Wasser weniger wird. Alle diese einzelnen Wahrnehmungen, die sich -zu dem Satze »erhitztes Wasser verdampft« zusammenfinden müssen, -verdanken wir unsern Sinnesorganen, dem Auge, der Haut usw., es sind -Sinnesempfindungen. Alles Wissen beruht auf Erfahrung -- aber alle -Erfahrung ist zuletzt nur eine Summe von Sinnesempfindungen -- zu -dieser Lehre schreiten die englischen Denker und ihre französischen -Gefolgsmänner naturgemäß fort. Sofern sie diese Folgerung wirklich -ziehen, nennt man sie nach dem lateinischen Worte ~sensus~ = Sinn: -_Sensualisten_. - -Nun ist ja gar nicht zu leugnen, daß jedem Erfahrungssatze -Sinnesempfindungen zugrunde liegen. Das wußten natürlich auch die -Rationalisten; aber sie behaupteten erstlich, daß es Erkenntnisse -gebe, die keine Erfahrungssätze seien, und zweitens, daß auch den -Erfahrungssätzen noch etwas mehr zugrunde liege als bloß einzelne -Sinnesempfindungen, und daß in diesem »Mehr« der eigentliche -Erkenntniswert der Erfahrung begründet sei. Wir sehen Farben, wir -fühlen Härte, Wärme, Kälte, wir hören Töne -- aber wir erfahren im -Sehen, Fühlen, Hören sichtbare, harte, tönende Körper und die Vorgänge -an diesen Körpern. Schon Platon hatte von solchen Tatsachen her die -dem modernen Sensualismus verwandte Erkenntnislehre des Protagoras -bekämpft. Die neueren Sensualisten suchten nun nachzuweisen, daß auch -die Vorstellungen von Dingen, Vorgängen usw. aus lauter einzelnen -Sinnesempfindungen bestehen. Wenn wir oft wahrnehmen, daß eine -bestimmte Farbe mit einer bestimmten Tastempfindung, einem Geschmacke -usw. zusammen da ist, so geben wir diesem Zusammensein einen Namen, wir -erwarten dann gewohnheitsmäßig, daß in künftigen Fällen die gleichen -Zusammenhänge wiederkehren, z. B. daß der harte, weiße, an den Kanten -durchscheinende Gegenstand, den wir ein Stück Zucker nennen, auch -wieder süß schmecken werde. - - -[Humes Kausaltheorie] - -In ähnlicher Art erklärt _David Hume_, der bedeutendste unter den -englischen Sensualisten, auch das Zustandekommen unserer Vorstellungen -von Ursache und Wirkung. Wenn wir sagen: die Hitze bewirkt Verdampfen -des Wassers, so meinen wir, das gibt Hume zu, mehr zu sagen, als: wir -erleben erst Hitze und dann, unter Andauern der Hitze, Verminderung des -Wassers und Dampfbildung. Wir sind ja alle überzeugt, daß, wo und wann -wir auch Wasser in genügendem Grade erhitzen, wir seine Verwandlung -in Dampf mit ansehen werden. Umgekehrt, wo immer wir eine Veränderung -wahrnehmen, sind wir überzeugt, daß sie Folge einer bestimmten -Ursache ist. Die Voraussetzung, daß alles Geschehen sich aus Ursachen -erklärt, die notwendig immer dieselben Folgen hervorbringen, leitet -alles Forschen; wir nennen sie, nach dem lateinischen Worte ~causa~ = -Ursache, das Kausalgesetz. Wie kommen wir aber nun dazu, mit Hilfe des -Kausalgesetzes aus den einzelnen Empfindungen allgemeine Schlüsse zu -ziehen? Diese Frage muß der Sensualismus so beantworten, daß er das -Kausalgesetz selbst auf Empfindungen zurückführt. Um das zu leisten, -lehrt Hume: In unserem Geiste verbinden sich zwei Empfindungen, die -gleichzeitig oder unmittelbar nacheinander erlebt wurden, z. B. Hitze -und gesehener Dampf so, daß bei Wiederkehr der ersten Empfindung -eine Erinnerung an die zweite auftaucht. Die Vorstellungen verbinden -(assoziieren) sich. Wir haben ein »Assoziationsgesetz« vor uns, das -schon Aristoteles gekannt hat. Diese Verbindung wird um so enger, -je häufiger wir die beiden Empfindungen zusammen erlebt haben. Das -Auftreten der ersten läßt uns dann die zweite erwarten. Auf solchen -aus Gewohnheit entsprungenen Erwartungen beruht unser Glaube an einen -regelmäßigen Verlauf der Ereignisse. Nur Gewohnheit ist im Grunde -jenes Gefühl der Notwendigkeit, das wir mit dem Kausalgesetz verbinden. -Dieses Gefühl ist uns im Leben nützlich; es gibt unsern Handlungen die -sichere Grundlage. An der Zweckmäßigkeit der Erwartung regelmäßiger -Folgen zweifelt Hume gar nicht; aber er betont, daß es sich dabei nur -um eine nützliche Gewohnheit, durchaus nicht um eine in den Dingen und -Ereignissen liegende Notwendigkeit handelt. - -Kant sagt einmal, Hume habe ihn aus seinem dogmatischen Schlummer -erweckt, d. h. dem ungeprüften Glauben an überkommene Lehrmeinungen -ein Ende gemacht. Wir verstehen leicht, daß gerade ein Angriff auf die -unbedingte Geltung des Kausalgesetzes geeignet war, als erschreckender -Weckruf zu wirken. Als naturwissenschaftlich gebildeter Mann wußte -Kant, wie sehr diese Wissenschaften auf der Kausalität beruhen, als -Anhänger der Wolffschen Philosophie war er gewohnt, das Dasein Gottes -mit Hilfe des Satzes zu beweisen: »Diese kunstvoll und zweckmäßig -eingerichtete Welt muß eine Ursache, und zwar eine nach Zwecken -wirkende Ursache haben.« Wissenschaft und Religion schienen zugleich -bedroht; Grund genug, Humes Lehre eingehend zu prüfen. - - -[Kritik an Hume] - -Gerade dem Naturwissenschaftler mußten Einwände gegen Hume naheliegen. -Unsere Erwartungen auf regelmäßiges Verhalten der Dinge werden oft -getäuscht, aber in solchen Fällen zweifelt kein Forscher an der Geltung -des Kausalgesetzes, sondern er sucht die bisher noch unbekannte Ursache -jener Abweichung zu finden. Ein Stück Eisen, das man an einen Magneten -hält, fällt nicht, wie man nach dem Gesetz der Schwere erwarten -sollte, zur Erde, sondern wird schwebend erhalten. Niemand glaubt, -hier höre die Anziehung der Erde zu wirken auf, vielmehr sieht man -darin die Wirkung einer andern, ihr entgegen gerichteten Kraft, des -Magnetismus. Nur die Voraussetzung, daß auch scheinbare Durchbrechungen -des regelmäßigen Geschehens auf kausalen Gesetzen beruhen, hat aus -gelegentlichen Beobachtungen auffallender Erscheinungen das stolze -Gebäude der Lehre von der Elektrizität und dem Magnetismus entstehen -lassen. Man kann also den Satz, jede Veränderung muß eine Ursache -haben, nicht als Ergebnis unserer Erfahrungen ansehen, weil er vielmehr -Voraussetzung für alles Erfahrungswissen ist. - -Noch mehr: Hume selbst setzt in seiner Ableitung des Kausalgesetzes -dieses Gesetz voraus, ohne es zu bemerken. Unsere Erwartung, daß -auf eine Vorstellung, auf die früher eine andere gefolgt war, auch -beim Wiederauftreten jene zweite folgen werde, beruht auf dem -Assoziationsgesetz. Dieses Gesetz aber spricht eine Regelmäßigkeit -im Verhalten unserer Vorstellungen aus, ist also selbst ein auf -Vorstellungen angewandter Sonderfall des Kausalgesetzes. Hume übersieht -trotz seines Scharfsinnes, daß er das Abzuleitende voraussetzt, weil -er die Frage, auf die es ankommt, verkennt. Der englische Denker -sucht sich Rechenschaft darüber zu geben, wie in uns die Vorstellung -der Kausalität zustande kommt, und glaubt auf diesem Wege eine -Entscheidung darüber zu gewinnen, ob diese Vorstellung notwendig gilt -oder nicht. Aber aus der Entstehung läßt sich auf die Geltung und den -Wert einer Erscheinung nie ein bindender Schluß ziehen. Selbst wenn -z. B. die Religion aus dem Glauben an Gespenster und der Furcht vor -ihnen entstanden sein sollte, wäre damit noch keineswegs bewiesen, -daß sie mit Aufhören des Gespensterglaubens ihr Recht verliert. So -ist die Rechtsfrage niemals durch eine Geschichte der Entstehung zu -beantworten, es sei denn, es handele sich um ein historisches Recht. - -Humes Angriff auf die unbedingte Geltung des Kausalgesetzes war -damit zurückgewiesen. Keineswegs aber leugnete Kant die Bedeutung -der Erfahrung für die Erkenntnis und der Sinnesempfindung für die -Erfahrung. Gewiß: ohne Sinnesempfindungen kein Wissen -- aber ein -bloßer Haufe von Empfindungen gibt für sich allein gar keine Kenntnis. -Erfahrungen sammeln, heißt aus den einzelnen Empfindungen einen -geordneten Zusammenhang aufbauen, in dem jede neue Wahrnehmung ihren -bestimmten Platz findet. Das Kausalgesetz ist eine der notwendigen -Voraussetzungen, ohne deren Anerkennung wir bloß ein loses Nacheinander -unverbundener Eindrücke, keine Welt miteinander zusammenhängender -Geschehnisse hätten. Ein solcher Spreusand von Erlebnissen, der -unter dem Erleben ins Nichts zerstiebte, würde der Möglichkeit -der Erfahrung widerstreiten. Das Kausalgesetz gehört also zu den -logischen Voraussetzungen der Erfahrung oder unserer Erkenntnis einer -Wirklichkeit. Was wir erkennen sollen, muß unter den Bedingungen -unserer Erkenntnis stehen; was diesen Bedingungen widerspricht, -kann gar nicht Gegenstand der Erkenntnis werden. Descartes hatte -gezeigt, daß das Denken das Allergewisseste ist, Kant machte diesen -Satz fruchtbar, indem er bewies, daß jede andere Gewißheit von der -Gewißheit der Grundsätze des Erkennens abhängig ist. Damit wälzte er -die ganze Art und Richtung der Betrachtung um. Vorher war man von -den _Dingen_ ausgegangen. Auch Descartes hatte vom Denken gleich den -Übergang zur Gottheit gesucht und aus ihr dann alles übrige abgeleitet. -Spinoza fragte nach der einen ersten Ursache, aus der alles andere -mit mathematischer Gewißheit folgt. Kant sucht in unserem _Geiste_ -die innere Notwendigkeit, die uns dazu treibt, zu jeder Veränderung -die Ursache aufzusuchen. Er selbst verglich diese Umstülpung der -Betrachtungsweise mit der Leistung des Kopernikus, der an Stelle der -Erde die Sonne in den Mittelpunkt gerückt hatte. So hat Kant, um bei -unserem Beispiel zu bleiben, an Stelle irgendeiner ersten Ursache in -der Welt (einer göttlichen Ordnung oder einer rein im Stoffe gelegenen -ewigen Gesetzlichkeit) den notwendig nach Ursachen fortschreitenden -Geist in die Mitte der Ursachenforschung gestellt. Man hat dieser -Lehre zuweilen vorgeworfen, sie mache alle Gewißheit vom Menschen -und damit von der Willkür abhängig. Ein stärkeres Mißverständnis ist -kaum denkbar. Schon als wir das Verhältnis von Sokrates zu Protagoras -betrachteten, sahen wir, daß die Vernunft und ihre Gesetze zwar -im Geiste jedes einzelnen Menschen sich finden, aber doch von den -Eigenschaften und Merkmalen, die ihn zu einem besonderen Menschen, -zu Peter oder Paul machen, ganz unabhängig sind. Wenn wir auch nur -den einfachsten, alltäglichen Vorgang erkennen wollen, so müssen -wir versuchen, von unseren besonderen persönlichen Beziehungen dazu -abzusehen. Wir dürfen z. B. nicht unserer Neigung folgen, einen uns -unsympathischen Mann für den Urheber einer Übeltat zu halten. Jeder -Richter soll objektiv sein, wie man sagt, d. h. von den besonderen -subjektiven Neigungen und Abneigungen, die er wie jeder andere -mitbringt, absehen. Aber von den allgemeinen Sätzen der Vernunft, die -in uns allen die gleichen sind, kann und soll er nicht absehen, im -Gegenteil, er soll ihnen durchaus folgen. Ganz ebenso ist es in der -Naturforschung. Eine Mondfinsternis ist ein auffallendes Ereignis; -wenn sich kurz nach einer solchen etwas anderes Auffallendes, z. B. -eine Schlacht ereignet, so ist der Mensch ursprünglich geneigt, diese -beiden auffallenden Ereignisse in Verbindung miteinander zu bringen. -In der Tat glauben die meisten Völker an solche Zusammenhänge. Hat man -aber eingesehen, daß die Mondfinsternis Folge einer bestimmten, mit -berechenbarer Regelmäßigkeit wiederkehrenden Stellung von Sonne, Mond -und Erde zueinander ist, während jene Schlacht sich aus Gegensätzen -zwischen Fürsten oder Völkern erklärt, die mit Mond und Sonne gar -nichts zu tun haben, so wird man einen solchen Zusammenhang leugnen. -Kant hat also nicht im geringsten nach Art der Sophisten alle Wahrheit -von der Laune und Stimmung des einzelnen Menschen abhängig gemacht, -sondern er hat gezeigt, daß die in allen Menschen angelegte, aber nicht -in allen gleichmäßig entwickelte Vernunft die notwendige Voraussetzung -aller Erkenntnis ist. - - -[Kausaltheorie] - -Wir müssen uns aber, um Kant völlig zu verstehen, daran erinnern, -daß er den englischen Empiristen doch ein ganz bestimmtes Recht -zuerkannte. Jeder Naturforscher ist überzeugt, daß eine von ihm -beobachtete Veränderung eine Ursache hat; und wenn er diese Ursache -nicht findet, so wird er nicht etwa an dem Gesetze der Kausalität -irre, sondern hält seine Kenntnis der Tatsachen für unvollständig. An -diesem Verhalten soll uns deutlich werden, daß aus dem allgemeinen -Gesetze der Kausalität allein die besondere Ursache in irgendeinem -einzelnen Falle nicht erschlossen werden kann. So bequem haben -wir es nicht, vielmehr erfordert es sorgsame Beobachtung, mühsame -Experimente, vielfache Überlegung und Berechnung aller einzelnen in -Betracht kommenden Umstände, um auch nur einen einzigen Zusammenhang -besonderer Ursachen mit ihren Wirkungen zu erkennen. Fruchtbar also -wird der Grundsatz der Verbindung von Ursache und Wirkung nur durch -Erfahrungen. Alle Erfahrungen aber vermitteln uns unsere Sinnesorgane, -deren Leistungsfähigkeit die moderne Wissenschaft darum durch Fernrohr, -Mikroskop und viele andere Mittel zu erhöhen sucht. Indessen, zu einer -Erfahrung im wahren Sinne des Wortes werden diese Sinneswahrnehmungen -nur durch die Grundsätze des Verstandes, als deren Beispiel uns der -Satz der Kausalität gedient hat. Unser ganzes Erkennen besteht also -darin, daß wir den stets sich häufenden Stoff der Sinnesempfindungen -in immer exakterer und bestimmterer Weise den Grundgesetzen unseres -Geistes unterwerfen. Dabei klären sich zugleich jene Verstandesgesetze -selbst. Irgendwie nimmt auch der roheste Mensch an, daß jede -Veränderung eine Ursache hat. Selbst im Märchen geschieht nichts ganz -Willkürliches, mögen die Ursachen im einzelnen noch so phantastisch -gedacht werden. Auch in jeder praktischen Arbeit setzt der Mensch die -Geltung des Kausalgesetzes voraus. Wer mit dem Hammer einen Nagel in -ein Brett schlägt, erwartet, daß die Wucht des Werkzeuges die Spitze -des Nagels in die Fasern des Holzes hineintreiben wird. Wenn trotzdem -der Nagel sich krümmt, so sucht er die Ursache dafür entweder in einer -Verhärtung im Holze oder in einer Schwäche des Nagels. Daß aber die -Einheit der ganzen Welt durch die Einheitlichkeit des Kausalgesetzes -zustande kommt, sieht erst die Wissenschaft ein. Auch ihr wird diese -Einheitlichkeit nicht wie ein Geschenk gegeben, sondern sie bemüht -sich darum, immer mehr die Fülle der Erscheinungen durch einheitliche -Naturgesetze zu verbinden. Was wir aber Naturgesetz nennen, ist nichts -anderes als ein allgemeiner Satz, der Ursache und Wirkung verbindet. -Die Naturgesetze sind also jene im Vergleich zum Kausalgesetz -besonderen, im Vergleich zu den einzelnen Tatsachen allgemeinen Sätze, -durch die wir den Stoff der Sinnesempfindungen der obersten Forderung -des Kausalgesetzes unterwerfen. Darum setzen wir auch voraus, daß sie -ausnahmslos gelten, und wenn wir Ausnahmen finden, so führen wir sie -entweder auf Durchkreuzung durch andere Naturgesetze zurück, oder wir -überzeugen uns, daß jenes scheinbare Naturgesetz kein solches war. -Was bei Spinoza am Anfang stand, die einheitliche Gesetzlichkeit der -ganzen Welt, die innerlich notwendige Verknüpfung aller Einzelheiten -zu einem Ganzen, das steht für Kant am Ende. Von einer »Welt« dürfen -wir aber im Grunde nur reden, wo alle Einzelheiten zu einem Ganzen -verknüpft sind. Man erkennt so, daß dem Menschen nicht eine fertige -Welt gegeben, sondern daß es seine Aufgabe ist, den gegebenen Stoff -sinnlicher Empfindungen immer vollständiger in die Einheit einer Welt -hineinzubauen -- wir dürfen sagen: Die Welt ist uns nicht gegeben, -sondern aufgegeben. - -Es wird nötig sein, den ganzen Gedankengang, den wir an einem Beispiele -durchgegangen sind, nun allgemeiner zu wiederholen. Dabei werden -wir wichtige Bestandteile, die wir der Einfachheit wegen zunächst -absichtlich wegließen, nachholen müssen. Auch wird es zweckmäßig -sein, nunmehr wenigstens einige vielgebrauchte kantische Ausdrücke zu -erklären. Wir können von einer Fragestellung ausgehen, die Kant selbst -zum Zwecke einer leichteren Einführung in seine Lehre benutzt hat.[5] -Kant wollte wissen, warum die Metaphysik bisher immer Schiffbruch -gelitten hatte. Metaphysik beansprucht, sichere und allgemeingültige -Erkenntnisse zu besitzen. Nun gibt es Wissenschaften, die zwar nicht -das Ganze der Welt und sein Verhältnis zur Gottheit zum Gegenstande -haben, dafür aber auf ihrem engeren Gebiete jene Zuverlässigkeit und -Allgemeingültigkeit besitzen, die die Metaphysik vergeblich erstrebt. -Es sind dies die Mathematik und die mathematische Naturwissenschaft. -Wenn wir wissen, wie auf diesen Gebieten Erkenntnis zustande kommt, -dann werden wir auch einsehen lernen, warum es sich auf metaphysischem -Gebiet anders verhält. Es entstehen also zunächst drei Fragen, den -drei Wissenschaften entsprechend. Diese Fragen haben aber nicht alle -dieselbe Form. In Mathematik und Naturwissenschaft gibt es allgemein -anerkannte wissenschaftliche Sätze. Wer Euklids Geometrie oder Newtons -Physik verstanden hat, kann nicht mehr fragen, _ob_ hier Wissenschaft -möglich ist; denn er hat die Wirklichkeit dieser Wissenschaften -erkannt, und was wirklich ist, dessen Möglichkeit ist erwiesen. Hier -kann es also nur darauf ankommen, nachzuweisen, _wie_ diese Möglichkeit -zustande kommt. Anders steht es mit der Metaphysik. In ihren -Streitigkeiten hat es wenigstens bisher keine Entscheidung gegeben, -und viele haben infolgedessen an jeder Möglichkeit metaphysischer -Erkenntnis gezweifelt. Wir müssen also fragen, _ob_ Metaphysik als -Wissenschaft möglich ist. Sollte diese Frage verneint werden, so wäre -damit freilich noch nicht alles erledigt. Denn augenscheinlich liegt -doch tief in unserem Wesen begründet ein Bedürfnis nach Metaphysik; -wäre das nicht der Fall, so hätte die Menschheit längst von den -Bemühungen um eine solche Erkenntnis abgelassen. Kant selbst hat dieses -Bedürfnis im höchsten Grade gefühlt, er sagt einmal, er sei in die -Metaphysik verliebt. Die Tatsache dieses Bedürfnisses verlangt auch -dann und gerade dann eine Erklärung, wenn man eine wissenschaftliche -Metaphysik nicht für möglich hält. Wir verstehen jetzt die vier Fragen, -auf die Kant in der schon erwähnten späteren, leichter verständlichen -Darstellung den Inhalt der Kritik der reinen Vernunft zurückgeführt hat: - - I. Wie ist reine Mathematik möglich? - - II. Wie ist reine Naturwissenschaft möglich? - - III. Ist Metaphysik als Wissenschaft möglich? - - IV. Wie ist das Bedürfnis nach Metaphysik als Tatsache möglich? - - -[Fragestellung] - -Zu erklären bleibt dabei nur noch das Wörtchen »rein« in der ersten -und zweiten Frage. Es bedeutet: unabhängig von jeder einzelnen -sinnlichen Erfahrung. Wir haben am Kausalgesetze gesehen, daß die -allgemeine Voraussetzung einer Verbindung von Ursache und Wirkung allen -Erfahrungen zugrunde liegt. Die Erfahrung, wenn wir unter diesem Worte -die Vereinheitlichung unserer verstreuten Empfindungen verstehen, ist -nur unter Voraussetzung des Kausalgesetzes möglich; dieses Gesetz ist -also von jeder besonderen Erfahrung unabhängig, es ist »rein« in dem -eben erklärten Wortsinne. Dagegen kommt jedes einzelne Naturgesetz, z. -B. daß der Magnet Eisen anzieht, erst durch Anwendung des allgemeinen -Kausalgesetzes auf einzelne Erfahrungen zustande. Diese Gesetze sind -also nicht mehr »rein«. Nur um jene reinen Voraussetzungen aller -Naturwissenschaft handelt es sich hier. - -Wir gehen nunmehr die einzelnen Fragen durch und erklären Kants -Antworten. - - -I. Wie ist reine Mathematik möglich? - -Die mathematischen Sätze leiten wir nicht aus einzelnen Erfahrungen -her; wenn wir z. B. beweisen wollen, daß die Winkelsumme des Dreiecks -zwei Rechte beträgt, so messen wir nicht die Winkel möglichst vieler -Dreiecke nach, sondern wir führen einen ganz allgemeinen Beweis, -der auf andere einfachere Sätze und schließlich auf unbeweisbare -Grundsätze zurückgeht. Das Dreieck, welches wir uns dabei vielleicht -aufzeichnen, dient nur zur Erleichterung des Verständnisses. Seine -besondere Beschaffenheit, ob es rechtwinklig, spitzwinklig oder -stumpfwinklig, ob es gleichseitig oder ungleichseitig ist, bleibt -ganz außer Betracht. Ja wir wissen genau, daß das gezeichnete Dreieck -den Anforderungen der Geometrie nicht völlig entspricht. Für unseren -Beweis sind seine Seiten ohne Breite, während jede gezeichnete Linie -eine gewisse Breite besitzt. In den mathematischen Wissenschaften -haben wir also eine Fülle von Sätzen, die rein, unabhängig von jeder -Erfahrung gelten. Diese Wahrheiten aber sind uns höchst wichtig; denn -wir sind überzeugt, daß alle unsere Erfahrungen über körperliche Dinge -diesen Sätzen entsprechen werden. Jeder Physiker oder Astronom setzt -bei seinen Messungen die Lehrsätze der Geometrie voraus. Wir haben -früher gesehen, wie Descartes und seine Nachfolger in der Geometrie das -Vorbild rein verstandesmäßiger Erkenntnis erblickten. Sie glaubten, -daß die geometrischen Sätze sich durch bloßes Denken gewinnen ließen -und hofften daher, in ähnlicher Weise ein System wahrer Sätze über Gott -und das Weltganze aufstellen zu können. Kant war mit ihnen einig darin, -daß die geometrischen Sätze nicht aus der Erfahrung abgeleitet sind. -Aber ebensowenig lassen sie sich aus dem bloßen logischen Denken heraus -gewinnen; wenn wir auch den Begriff der geraden Linie, des Punktes, -der Ebene und der Parallelen aufgestellt haben, können wir daraus noch -nicht den Grundsatz ableiten, daß in einer Ebene zu jeder geraden -Linie durch jeden Punkt außerhalb dieser Geraden eine und nur eine -Parallele gezogen werden kann. Die Überzeugung von der Wahrheit dieses -Satzes beruht auf den Grundeigenschaften unserer räumlichen Anschauung. -Ähnliches gilt von allen Grundsätzen der Geometrie. Hier steht also -zwischen dem Denken und den einzelnen sinnlichen Wahrnehmungen noch -etwas Drittes: der Raum. Jede unserer Wahrnehmungen von Körpern ist -räumlich, darum gelten von ihr die Grundeigenschaften des Raumes. -Hätte sie diese Form nicht, so könnten wir sie gar nicht in unsere -einheitliche Vorstellung einer Körperwelt einordnen. Diese allgemeine -Form des Raumes ist nicht aus einzelnen Erfahrungen abzuleiten; denn -die Erfahrung als Verknüpfung der einzelnen Empfindungen in eine -einheitliche Welt ist nur mit Hilfe des Raumes möglich. Aber die -Eigentümlichkeiten des Raumes, die in den geometrischen Grundsätzen -ausgesprochen werden, sind ebensowenig denknotwendig in dem Sinne, -daß es ein Widerspruch wäre, sie zu bestreiten. In Gedanken können -wir uns z. B. ganz gut mit Räumen von vier und mehr Dimensionen -beschäftigen. Wenn also der Raum weder Erfahrung noch denkerzeugter -Begriff ist, so bleibt nur eins noch übrig: er ist eine reine, d. -h. von aller Erfahrung unabhängige Form unserer äußeren Anschauung -oder, was dasselbe sagt, unserer Anschauung der Körperwelt. Die Sätze -der Geometrie sind allgemein gültig, weil alle unsere körperliche -Erfahrung nur in den Formen dieser Anschauung möglich ist. Was vom -Raum gilt, gilt ganz ähnlich auch von der Zeit, nur daß sie unserer -Erfahrung noch viel allgemeiner zugrunde liegt. Die Verknüpfung der -seelischen Vorgänge, der Gedanken und Gefühle, alles dessen, was -wir unsere innere Erfahrung nennen können, findet nicht im Raume, -wohl aber in der Zeit statt. Nach Kant steht die Arithmetik in einem -ähnlichen Verhältnisse zur Zeit wie die Geometrie zum Raum. Man kann -das verstehen, wenn man das Zählen als Vorbedingung der Zahl ansieht. -Doch führt das auf schwierige und sehr umstrittene Probleme, die hier -darzulegen unmöglich ist. Wir haben so zwei reine Anschauungsformen, -durch die alle einzelnen Erlebnisse geordnet sind. Die Gesetzlichkeit -dieser Formen sprechen wir in den Grundsätzen der Mathematik aus. Die -Geltung der Mathematik für alle Erfahrungen beruht auf diesen reinen -Anschauungsformen. Was nicht in Raum und Zeit angeordnet ist, bleibt -für uns schlechthin unerkennbar. - - -II. Wie ist reine Naturwissenschaft möglich? - -Auch die Naturwissenschaft macht, wie wir schon bei unserer -Betrachtung des Kausalgesetzes sahen, Voraussetzungen, die nicht -aus der Erfahrung ableitbar sind. Alle einzelnen Naturgesetze zwar -enthalten Erfahrungsbestandteile, sind also in Kants Sinne keine reinen -Erkenntnisse, aber es ist möglich, jene vor aller Erfahrung gültigen -Voraussetzungen aller Naturwissenschaft für sich zu betrachten. Diese -Voraussetzungen und was ohne Anleihe an die besondere Erfahrung aus -ihnen folgt, nennt Kant _reine Naturwissenschaft_. - -Durch Raum und Zeit erhält jedes Erlebnis eine bestimmte Stelle, die -für alle Menschen dieselbe ist. Aber die so geordneten Anschauungen -bilden doch ein bloßes Nebeneinander, wenn nicht noch andere Prinzipien -von ihnen gelten. Sie sollen ja nicht nur geordnet angeschaut, -sondern als gesetzmäßiger Zusammenhang gedacht werden. Dazu ist, wie -wir bereits sahen, die Geltung des Kausalgesetzes notwendig. Damit -aber die gesetzmäßigen Veränderungen der Natur von unserem Verstande -beherrschbar seien, müssen sie, wie wir schon früher erkannt haben, der -Rechnung unterworfen werden können. Alle Unterschiede in der Körperwelt -müssen auf quantitative Unterschiede, d. h. auf Verschiedenheiten der -Größe und Zahl zurückgeführt werden. - -Soll ferner im Flusse der Ereignisse Einheit herrschen, so muß etwas -von allem Wechsel unberührt erhalten bleiben, und da es sich überall in -der Naturwissenschaft um meßbare Größen handelt, muß auch dieses Etwas -eine Größe sein. Als solche Erhaltungsgrößen hat die moderne Physik -Materie und Energie erkannt. - -Es ist an dieser Stelle nicht möglich, alle Voraussetzungen der -Naturwissenschaft aufzuführen; welcher Art sie sind, zeigen die -behandelten Beispiele genugsam. Sehen wir sie uns noch einmal an, so -erkennen wir sofort, daß sie der Zeit zu ihrer Anwendung bedürfen. -Die Erhaltungsgesetze sagen aus, daß eine Größe in aller Zeit -bestehen bleibt, das Kausalgesetz macht aus der bloßen Zeitfolge der -Geschehnisse eine begreifliche Ordnung. - -Die Sätze der reinen Naturwissenschaft enthalten also außer -den _Verstandesformen_, die Kant _Kategorien_ nennt, noch die -_Anschauungsformen_. - -Fruchtbar wird diese reine Naturwissenschaft aber erst, indem sie sich -den Stoff der Empfindungen unterwirft. Diesen Stoff empfängt sie, -vermag ihn aber nicht aus ihren Grundsätzen abzuleiten, zu erzeugen. - - -III. Ist Metaphysik als Wissenschaft möglich? - -Mit den letzten Sätzen ist diese Frage eigentlich schon verneint. -Man hatte geglaubt, aus dem reinen Denken heraus ohne Anleihe an die -Erfahrung Erkenntnisse über die Gottheit und ihr Verhältnis zur Welt -ableiten zu können. Wir wissen jetzt, daß zunächst jede inhaltlich -fruchtbare Anwendung der allgemeinen Verstandesformen nur mit Hilfe -der Formen der Anschauung, Raum und Zeit, möglich ist. Der Satz, daß -jede Veränderung ihre Ursache haben muß, hat nur innerhalb des Reiches -zeitlicher Geschehnisse Sinn. Wenn die frühere Metaphysik sagte: die -Welt ist da, also muß sie eine Ursache haben, so suchte sie den Begriff -der Ursache, statt ihn innerhalb der Welt anzuwenden, vielmehr auf -das Ganze der Welt und sein Verhältnis zu etwas außerhalb der Welt -auszudehnen. Damit überschritt sie das Reich möglicher Erfahrung, in -welchem allein die Formen unseres Denkens Halt und Erfüllung gewinnen. -Die Taube, die in der Luft fliegt und deren Widerstand fühlt, könnte -meinen, sie werde im luftleeren Raum, wo dieser Widerstand sie nicht -hindert, noch viel besser fliegen können. Sie weiß nicht, daß doch nur -der Widerstand der Luft ihren Flügelbewegungen Halt und Kraft gibt. So -meint der Metaphysiker ohne den widerstrebenden Stoff der Anschauungen -besser denken zu können, und vergißt, daß nur jener Stoff die Formen -des Denkens mit Inhalt erfüllt und anwendbar macht. Aus den Erfahrungen -metaphysische Schlüsse zu ziehen, ist erst recht unmöglich; denn aus -Erfahrungen können wir immer nur auf Dinge und Vorgänge schließen, die -den Erfahrungen ähnlich sind. Das seinem Begriff gemäß notwendigerweise -der Erfahrung unzugängliche _Ganze_ der Welt und die Gottheit bleiben -also unerkennbar. _Metaphysik als Wissenschaft ist nicht möglich_. - - -IV. Wie ist das Bedürfnis nach Metaphysik als Tatsache möglich? - -All unser Erkennen ist eine fortschreitende Arbeit, immer neuen Stoff -der Wahrnehmungen fügen wir der wissenschaftlichen Erkenntnis ein, -immer einheitlicher suchen wir die Grundgesetze der Natur zu fassen, -immer vollständiger die Erlebnisse ihnen zu unterwerfen. Als Ziel -dieses Strebens schwebt dem Forscher eine einheitliche Welterkenntnis -vor. Gewiß, die Welt als Ganzes ist nicht gegeben, aber sie ist -doch aufgegeben. Wohl weiß der besonnene Denker, daß der endliche -menschliche Verstand jene unendliche Aufgabe nie wirklich lösen wird, -aber trotzdem gibt diese Aufgabe seiner unablässigen Arbeit Ziel und -Richtung. Ganz natürlich hat der Mensch die Sehnsucht, dieses Ideal -seines Erkenntnisstrebens sich bestimmter auszumalen. Sobald er es -versucht, erfährt er, daß seine irdischen Farben versagen. Aber die -Sehnsucht bleibt, und wir werden noch einsehen, wie wichtig die -Tatsache dieser Sehnsucht für unsere ganze Auffassung von Welt und -Leben sein muß. Vorläufig können wir unsere vierte Frage beantworten: -Die Tatsache des Bedürfnisses nach Metaphysik erklärt sich aus der -Natur unseres Erkennens als eines nach einem unerreichbaren Ziele -gerichteten Strebens. - - -[Gottesbeweise. Übergang zur Ethik] - -Kants Kritik des Erkennens hat also ein doppeltes Gesicht. Das eine -positive ist der Erfahrungserkenntnis zugewendet: sie wird sicher -begründet durch die reinen Formen der Anschauung, Raum und Zeit, und -durch die Verstandesbegriffe, die Kategorien. Innerhalb der Erfahrung -gibt es Grundsätze, die sicherer sind als jede einzelne Erfahrung -und die das Ganze der Erfahrung erst möglich machen, nämlich die -Grundregeln unseres Anschauens und Denkens. Aber alle diese Regeln sind -nur anwendbar, soweit sie mit Erfahrungsstoff erfüllt werden können. -Jeder Behauptung, die jenseits des Erfahrbaren eine übersinnliche -Welt aus bloßen Verstandesbegriffen aufbauen will, wendet die -Erkenntniskritik ihr verneinendes, abweisendes Gesicht zu. Ein Begriff -des allervollkommensten Wesens z. B. kann von uns gar nicht erfaßt -werden. Descartes hatte diesen Gedanken zugleich mit dem Gefühl unserer -Unvollkommenheit aus dem ursprünglichen Zweifel abgeleitet, Spinoza -hatte sich bemüht, alle einzelnen Dinge und Ereignisse in diesem -allervollkommensten Wesen so zusammenzudenken, daß sie aus ihm mit -mathematischer Notwendigkeit folgen. Vergleicht man Kant mit diesen -beiden Philosophen, so kann man sagen: Er gibt Descartes zu, daß unser -Erkennen nur unvollkommen einem Ziel sich nähert, welches ihm als -unerreichbares Ideal vorschwebt. Aber von diesem Ziele vermögen wir nur -zu wissen, daß es unserem Denken als Ziel vorschwebt und Richtung gibt; -keineswegs dürfen wir behaupten, daß wir den Begriff einer Gottheit -in uns tragen, in der dieses Ziel erreicht ist. Auch der Schluß von -dem Begriffe eines allervollkommensten Wesens auf seine Wirklichkeit -ist falsch. Dieser angeblich sichere Beweis für das Dasein Gottes war -längst vor Descartes von mittelalterlichen Denkern aufgestellt worden -und lautet wesentlich so: Zum Begriffe des allervollkommensten Wesens -gehört jede einzelne Vollkommenheit. Nun ist aber Sein, Wirklichkeit -eine Vollkommenheit, also muß das allervollkommenste Wesen wirklich -sein, sonst könnte man ein Wesen denken, das zu allen übrigen -Vollkommenheiten noch die des Wirklich-Seins hätte, also vollkommener -wäre, als das allervollkommenste Wesen. Das aber widerspricht dem -Begriffe eines solchen Wesens und ist daher unmöglich. Kant sagt gegen -diesen Beweis, daß aus einem bloßen Begriff niemals die wirkliche -Existenz dessen, was in diesem Begriffe gedacht wird, erschlossen -werden kann. Wirklichkeit dürfen wir nur da behaupten, wo unsere -Erfahrung uns dazu das Recht gibt. Auch darf man nicht sagen, daß der -Begriff eines wirklich existierenden allervollkommensten Wesens den -Begriff eines nur möglicherweise existierenden allervollkommensten -Wesens an Vollkommenheit überträfe. Das wäre so, als wenn jemand -behaupten wollte, hundert Taler, die einer zu erwerben hofft, seien -ihrem Begriffe nach weniger, als hundert Taler, die er in der Tasche -hat. - -Gerade diese zerstörende Seite der Kantischen Philosophie hat auf die -Zeitgenossen den größten Eindruck gemacht. Einer der bekanntesten -deutschen Denker jener Zeit, Moses Mendelssohn, hat Kant deshalb den -Alleszermalmer genannt. Für uns, die wir viel schärfere Verneiner -erlebt haben, ist Kant vor allem Begründer sicherer Erkenntnis und -Führer zu einer Lebensanschauung, die unter Verzicht auf täuschende -Phantasien doch die Ziele und Werte unseres Daseins uns sichert. -Wir können das Weltganze niemals wirklich begreifen, aber all unser -Erkennen entnimmt doch seinen Sinn der Aufgabe, die einzelnen -Erfahrungen zum Ganzen zu gestalten. Im Erkenntnisstreben, in der -Aufgabe liegt das einzige für uns faßliche Verhältnis zum Unendlichen -und Unbegreiflichen; im Erkennen selbst ist das Höchste eine Aufgabe, -eine Pflicht. - -So hängt Kants Philosophie des Erkennens mit seiner Moralphilosophie -zusammen. Wir wissen nichts von einer übersinnlichen Welt, die unsre -Erfahrung überschreitet, d. h. wir dürfen nicht etwa eine solche Welt -leugnen, sondern wir dürfen gar nichts über sie aussagen. Aber eins -ist uns sicher bekannt, daß wir Pflichten und Aufgaben haben. Sollte -diese Erkenntnis uns nicht weiterführen? Am Anfang dieser Vorträge habe -ich die Frage: Was soll ich in dieser Welt? als die Grundfrage der -Philosophie bezeichnet. Diese Frage führte zu der andern: Was ist diese -Welt? Zuweilen mochte bei Ihnen während der vorangehenden Vorträge -die Meinung entstehen, daß diese beiden Fragen doch nur äußerlich -nebeneinander ständen; -- jetzt werden Sie ihren inneren Zusammenhang -erkannt haben. Keineswegs vermögen wir, wie z. B. Spinoza wollte, aus -einer Gesamterkenntnis der Welt heraus die Bestimmung unseres Daseins -abzuleiten; vielmehr wissen wir von dem Ganzen der Welt, von alledem, -was wir ihre Einheit, ihr Wesen nennen, nur so viel gewiß, daß es uns -als Aufgabe unseres Erkenntnisstrebens vor Augen schwebt, und zwar -als eine Aufgabe, deren volle Lösung nie gelingen kann. Ein solches -notwendig gefordertes und doch unerreichbares Ziel nennt Kant _Idee_. -Einheit, Wesen der Welt, das sind Ideen, denen sich unsere Erkenntnis -in steter pflichtbewußter Arbeit annähern soll. Das letzte Wort in -Kants theoretischer Philosophie, das Wort »sollen«, ist zugleich das -Haupt- und Schlagwort seiner Ethik; sie darzustellen ist die Aufgabe -unseres letzten Vortrages. Im Anschluß an sie wollen wir den Mann -betrachten, der diese Ethik ins Leben hinüberführte: _Fichte_. - -[Illustration: Kant - -Aus: Allgemeines Historisches Porträtwerk - -(gemalt v. Döbler)] - - - - -Sechster Vortrag. - -Fichte. (Kants praktische Philosophie.) - - -Bei der Schwierigkeit der Sache fassen wir die Ergebnisse des vorigen -Vortrags zweckmäßig in einige Sätze zusammen. Kant hat nachgewiesen: - -1. Unser Erkennen ist ein Bearbeiten einer uns zufließenden Menge von -Empfindungen durch die notwendigen Gesetze unserer Vernunft. Diese -Vernunftgesetze sind anwendbar, weil wir unsere Empfindungen in der -anschaulichen Ordnung von Raum und Zeit wahrnehmen. - -2. Die reinen Anschauungsformen Raum und Zeit ebenso wie die -Verstandesgrundsätze (Kategorien; z. B. Satz der Kausalität) sind nicht -der Erfahrung entnommen, vielmehr wird eine Erfahrung im Sinne einer -geordneten Verarbeitung der Empfindungen erst durch sie möglich. - -3. Die Verstandesgrundsätze sind nur anwendbar, soweit für uns die -Möglichkeit der Erfahrung reicht. Erfahrbar sind uns nur einzelne Dinge -und Ereignisse. Wir haben die Aufgabe, sie immer vollständiger zu einem -einheitlichen Ganzen zusammenzudenken. Dieses Ganze selbst aber, die -Welt, vermögen wir als Ganzes nie zu erfassen. Die Welt ist uns nicht -_gegeben_, sondern _aufgegeben_. - -4. Die Philosophie darf nicht von einer Behauptung über die Dinge -ausgehen, sondern sie muß sich an den Gesetzen des Erkennens -orientieren. Nennt man eine Lehre, die von den Dingen (~res~) ausgeht, -Realismus, eine solche, die von den Gedanken (~idea~) ausgeht, -Idealismus, so muß alle wahre Philosophie Idealismus sein. Das -bedeutet aber nicht, daß die Wahrheit abhängig ist von den zufälligen -Vorstellungen eines einzelnen Menschen. Vielmehr haben wir uns zu -stützen auf die Voraussetzungen des Erkennens, die _jeder_ einzelne -in gleicher Weise anerkennen _muß_, sofern er sich nur überhaupt die -Aufgabe der Erkenntnis stellt. - -5. Die Grundsätze der Erkenntnis treten dem einzelnen Menschen als -Forderungen gegenüber. Wir _sollen_ z. B. zu jeder Veränderung ihre -Ursache suchen. Eine Forderung durchsetzen heißt handeln. So zeigt -sich das Erkennen (die theoretische Vernunft) selbst als eine Art -Handeln (griechisch ~prattein~, davon praktisch). Die Gewißheit des -Erkennens gründet sich auf die Überzeugung von Anforderungen, die an -unser geistiges Handeln gestellt werden. So mündet die theoretische -Philosophie in die praktische ein. Kant spricht daher von einem -Vorrechte (Erstlingsrechte, Primate) der praktischen Vernunft. - - -[Der gute Wille] - -Wir wollen Wahrheit und einheitliche Welterkenntnis. Wir sollen sie -wollen und wir fühlen, daß dieses Sollen und der Gehorsam ihm gegenüber -mehr Wert hat als unser vergängliches Leben. Aber die Erkenntnis ist -doch gewiß nicht das einzige, was wir erstreben sollen. Wir müssen alle -bisherigen Betrachtungen durch eine noch tiefer sich versenkende, noch -weiter ausblickende ergänzen. Unser Streben nach Erkenntnis hat die -Reinheit der Absicht mit jedem sittlichen Streben gemein. Sittlich ist -überall ein Wille, der keine Nebenabsichten für sich selbst verfolgt, -sondern das Rechte um des Rechten willen tut. Kant stellt an die Spitze -seiner Moralphilosophie den berühmten Satz: - -»_Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben -zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten -werden, als allein ein_ =guter Wille=.« - -Kant geht hier nicht von der Handlung, noch weniger vom Erfolg, -sondern vom Willen selbst aus. Der Erfolg unserer Taten liegt oft gar -nicht in unserer Macht. Der Handlung, wie sie äußerlich erscheint, -kann man nicht ansehen, welchem Beweggrunde sie entstammt. Die letzte -Entscheidung darüber, ob wir recht oder unrecht gehandelt haben, gibt -uns stets nur das eigene Bewußtsein von der Natur unseres Willens, -das Gewissen. Ein guter Wille will, was er für recht erkannte. Diese -Bestimmung ist formal, sie gibt für sich allein keinen Aufschluß -darüber, wie im einzelnen Falle gehandelt werden soll. Ja, wir müssen -zuweilen den guten Willen, die moralische Absicht des Handelnden -zugeben in Fällen, in denen die Handlung selbst uns Abscheu einflößt. -Unter den russischen Revolutionären, deren Mordtaten wir mit Entsetzen -lesen, gibt es wohl wenigstens einzelne, die nicht aus niederen Motiven -(Rachsucht, Blutgier, Ruhmsucht), sondern aus der Überzeugung handeln, -daß der Mord ihre Pflicht ist. Dafür spricht, daß sie ihr eigenes Leben -opfern und daß sie, wo ihr Fanatismus sie nicht irreführt, mitleidig -und hilfsbereit sind. Wir werden sogar in solchen Fällen den guten -Willen anerkennen müssen und nur zu bedauern haben, daß dem sittlichen -Streben eine irregeleitete Vernunft beiwohnt. - -Eine Handlungsweise, die wir als uns geboten erkannt haben, heißt -Pflicht. Ein guter Wille ist also ein pflichtbewußter Wille, er tut die -Pflicht um ihrer selbst willen. Ich sagte eben, eine Handlungsweise, -die wir als _geboten_ anerkennen, ist Pflicht. Woher stammt dieses -Gebot? Sicher nicht von einer äußeren, irdischen Gewalt. Äußere -Übermacht kann uns körperlich zwingen, ihr den Willen zu tun, sie -kann uns auch schrecken und auf unsere Schwäche wirken, aber sie kann -nicht machen, daß wir etwas gegen unsere freie, innere Überzeugung für -recht halten. Selbst ein göttliches Gebot kann das nicht bewirken. Wir -erkennen unsere Pflicht nicht durch irgendeine göttliche Offenbarung, -die in der Bibel oder sonst in einem Buch oder Ausspruch niedergelegt -ist, sondern umgekehrt: wir sehen in der Bibel nur göttliche -Offenbarung, weil und soweit unsere sittliche Einsicht ihren Geboten -beistimmt. Die Moral lehnt also jede fremde Gesetzgebung ab. Sie ist -_nicht heteronom_ (~heteros~ -- griechisch -- fremd, ~nomos~ Gesetz), -in ihr gibt sich unser innerstes Wesen selbst das Gesetz, sie ist -_autonom_ (~autos~ selbst). Man hat von Kants Moral gesagt, sie sei -eng, habe etwas von Kleinbürgerlichkeit und Polizeistaat an sich. -Ich glaube, Sie werden aus der Darstellung von Kants Grundsätzen -dieses Gefühl nicht gewonnen haben. Ganz im Gegenteil: es ist eine -Moral für mündige Menschen, eine strenge und stolze Sittlichkeit. -Polizeigeruch ist an ihr sicher nicht zu spüren. Die Polizei und -das Gericht des Staates können die inneren Vorgänge, um die es sich -für die Moral handelt, gar nicht sehen, sie sollen das auch nicht -versuchen. Ihre Aufgabe ist es, die sehr notwendige äußere Ordnung -der Gesellschaft aufrecht zu erhalten, sie kümmern sich daher nur um -die äußere Gesetzmäßigkeit der Handlungen. Ob jemand nicht stiehlt, -weil er Stehlen für unrecht erkannt hat oder weil er das Gefängnis -fürchtet, ist diesen äußeren Gewalten gleichgültig, soll und muß ihnen -als äußeren Gewalten gleichgültig sein. Ja, die äußere Gewalt müßte die -ordnungstörende Handlung selbst dann verfolgen, wenn sie aus einer vom -Irrtum mißleiteten sittlichen Gesinnung hervorgehen sollte, wie die -Mordtaten einzelner russischer Revolutionäre. - - -[Autonomie und kategorischer Imperativ] - -Aus der Schätzung des guten Willens als des Höchsten, was es in der -Welt gibt, folgt nun aber, daß wir unsere Mitmenschen mit Achtung -zu behandeln haben; denn in jedem Menschen liegt wenigstens die -Möglichkeit, sich auf die Stufe des guten Willens zu erheben. Wir -dürfen selbst dem verkommensten Menschen die Möglichkeit nicht -absprechen, sich auf sein besseres Selbst zu besinnen, und sollen -deshalb einen Menschen nicht wie ein Ding als bloßes Mittel zum Zwecke -behandeln, vielmehr stets auf seinen Eigenwert Rücksicht nehmen. Vor -der moralischen Forderung endlich sind wir alle gleich. Wir dürfen -also hier kein Vorrecht für uns beanspruchen, sondern müssen so -handeln, daß wir die gleiche Handlungsweise von jedem in der gleichen -Lage fordern würden. Wenn wir etwa in die Versuchung kommen, ein -Versprechen nicht zu halten, sollen wir uns fragen, ob es denkbar wäre, -daß alle Menschen in der gleichen Lage ebenso handelten. Wenn jeder -sein Wort bräche, sobald Wort halten unbequem ist, so schwände alles -Vertrauen auf ein gegebenes Wort und damit Treu und Glauben in der -menschlichen Gesellschaft. Aus dieser Erwägung ergibt sich, warum der -Wortbruch unmoralisch ist. So versteht man die Formel, in die Kant das -Sittengesetz gebracht hat: »_Handle so, daß die Maxime deines Wollens -jederzeit Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung sein könnte._« Kant -nennt diese Forderung den _kategorischen Imperativ_ -- ein Ausdruck, -dessen Bedeutung Sie nun leicht verstehen werden. Jeder andere Befehl -(Imperativ) gilt nur unter gewissen Voraussetzungen. Der Arzt z. B. -befiehlt dem Magenkranken mäßig zu leben, falls er gesund werden will; -zieht jener Schlemmerei der Gesundheit vor, so gilt dieser Befehl nicht -mehr. Der römische Staat befahl den Christen, vor den Kaiserbildern zu -opfern; aber dieser Befehl band sie nur, solange sie leben wollten, -und die Märtyrer zogen den Tod einer Verletzung ihres religiösen -Gefühles vor. Alle solche Befehle gelten nur bedingt, hypothetisch; das -Sittengesetz ist der einzige Befehl, der unbedingt, kategorisch, den -Anspruch auf Befolgung erhebt. - -Ist der gute, d. h. pflichtbewußte Wille das Höchste, Gewisseste und -Wichtigste, was es für uns gibt, so muß es auch möglich sein, unsere -Handlungen durch freien Willensentschluß dem erkannten Sittengebot -gemäß zu bestimmen, d. h. _wir müssen frei sein_. Wir stellen weiter -die Forderung, daß der gute Wille _herrsche_. In dem kleinen Stück -Welt, das wir übersehen, ist das nun sicher nicht der Fall. Sehr oft -unterliegt der edlere Mensch dem rücksichtslosen Schurken, noch -öfter kämpft unser bestes Wollen vergeblich gegen die Widerstände -des Naturlaufs, gegen Krankheit, Mangel und Mißgeschick. Das Ganze -der Welt aber kennen wir nicht, wir wissen nicht, wie sich in diesem -Ganzen die Widersprüche ausgleichen. Indessen, aus der moralischen -Forderung folgt, daß es irgendwie eine solche Ausgleichung geben muß. -So gründet sich auf die Sittlichkeit der Glaube. Glauben bedeutet hier -nicht soviel wie »für wahrscheinlich halten«, vielmehr ist das Wort -im religiösen Sinne gemeint, etwa wie Luther es nach dem Hebräerbrief -erklärt hat: »Glaube ist die Gewißheit dessen, was man nicht siehet.« -Glaube ist Gewißheit, und weil diese Gewißheit aus den Forderungen -unserer Vernunft folgt, spricht Kant von Vernunftglauben; Glaube -ist aber die Gewißheit dessen, was man nicht sieht. Sehen, auch im -übertragenen Sinne des Wortes, können wir ja die Einrichtungen des -Weltganzen niemals. Wie die Gottheit regiert, wissen wir nicht; _nur_ -=daß= _eine Gottheit regiert, ist uns moralisch gewiß_. Da wir nur im -moralischen Wollen ein wahres Verhältnis zur Gottheit haben, können wir -Gott auch nur durch rechtes Handeln dienen. Jeder Glaube, der durch -äußerliche Zeichen der Verehrung Gott wohlgefällig zu sein glaubt, ist -Aberglaube. - - -[Einheit der Kantischen Philosophie] - -Sie erkennen, wie innerlich notwendig Kants theoretische und praktische -Philosophie zusammenhängen. Auch geschichtlich bilden beide Teile -eine untrennbare Einheit. Schon in der ersten Auflage der Kritik der -reinen Vernunft hat Kant auf die Ergänzung dieses Werkes durch die -Moralphilosophie hingewiesen. Es gab keine Zeit in Kants Leben, in -der er nur die negativen Teile seiner Philosophie besessen hätte. Ich -betone das, weil das Gegenteil oft behauptet wird. _Heinrich Heine_ -hat einmal in seiner witzigen Art gesagt: Kant habe in der Kritik der -reinen Vernunft den lieben Gott totgeschlagen, dann aber habe der -Philosoph an seinen alten Diener Lampe gedacht, der ihm auf seinen -regelmäßigen Spaziergängen den Regenschirm nachtrug. Er habe überlegt, -daß Lampe ohne den lieben Gott nicht glücklich sein könnte, es sei -aber praktisch nötig, daß Lampe glücklich sei, und darum habe Kant in -der Kritik der praktischen Vernunft den lieben Gott wieder auferweckt. -Das ist ebenso amüsant wie falsch. Kant hat in der Kritik der reinen -Vernunft nicht etwa das Dasein der Gottheit widerlegt, sondern nur -falsche Beweise für dieses Dasein entkräftet und gezeigt, daß aus rein -theoretischen Gründen über die Gottheit gar nichts gefolgert werden -kann. Im Hintergrunde stand dabei die Überzeugung, daß es andere, -moralische Gründe gebe, durch die wir der Gottheit gewiß werden. Was -Heine witzig gesagt hat, wiederholte _Ernst Häckel_ später in trockenem -Lehrton; es ist aber dadurch nicht wahrer geworden. Natürlich hat -jeder denkende Mensch das Recht zu prüfen, ob der von Kant behauptete -Zusammenhang zwischen theoretischer und praktischer Philosophie -begründet ist. Aber die Behauptung, daß ein solcher Zusammenhang für -den Philosophen selbst nicht bestehe, daß Kant aus äußeren Gründen oder -aus innerer Feigheit seine Meinung geändert habe, beruht bestenfalls -auf grober Unkenntnis der Tatsachen. - -Gegen meine Gewohnheit in diesen Vorträgen habe ich eben eine fremde -Auffassung schroff bekämpft. Ich mußte das tun, weil sie darauf -ausgeht, das Wertvollste, was Kants Philosophie nach meiner festen -Überzeugung für unser ganzes Leben geleistet hat, einem billigen -Hohne preiszugeben. Ich will Ihnen dieses Wertvollste jetzt noch in -einem großartigen Bilde vorführen. _Johann Gottlieb Fichte_, Kants -selbständigster Schüler, war zugleich eine lebendige Verkörperung von -Kants Moralphilosophie. - -Die Betrachtung seiner Persönlichkeit rundet unsere Darstellung -gleichsam zum Kreise. Mit einer Philosophie, die ganz Leben war, habe -ich begonnen. Dann zeigte ich, wie sich mehr und mehr das Denken -zurückziehen mußte in den stillen Garten Platons und tiefer noch -in die einsame Studierstube der neueren Denker. Jetzt aber werde -ich zu Ihnen von einem Manne reden, der den Gewinn an Zusammenhang -und Gründlichkeit, wie das einsame Denken ihn bringt, wohl kannte, -der selbst einen großen Teil seines Lebens mit lebensfernen Studien -zubrachte, dann jedoch das so Errungene wieder ins Leben zurückführte -und dem Leben dienstbar machte. - -_Johann Gottlieb Fichte_ wurde am 19. Mai 1762 als Sohn eines -Leinenwebers und Bandhändlers in dem Dorfe Rammenau, das zur -sächsischen Lausitz gehört, geboren. Obwohl die Handweber damals -noch nicht durch die Konkurrenz der Fabriken zum Hunger verurteilt -waren, ging es doch bei Fichtes Eltern dürftig zu, zumal dem ältesten -Sohne noch sieben Geschwister folgten. Während Fichte die Dorfschule -besuchte, mußte er zugleich als Gänsejunge zum Unterhalte der Familie -beitragen. Sein lebhafter Geist ergriff die einzige Anregung, die sich -ihm bot, mit Feuer: die sonntäglichen Predigten prägte er sich so gut -ein, daß er sie aus dem Gedächtnis herzusagen wußte. Eines Sonntags -kam zum Gutsherrn von Rammenau ein benachbarter reicher Edelmann, ein -Herr von Miltitz, zu Besuch. Als er bedauerte, die Predigt bereits -versäumt zu haben, machte man ihn auf die Fähigkeit des jungen Fichte -aufmerksam; er ließ ihn zu sich kommen und die Predigt wiederholen, -unterhielt sich darauf mit dem Knaben und fand, daß dieser nicht etwa -die Worte mechanisch hergesagt, sondern den Sinn vollständig erfaßt -hatte. Der Eindruck dieser Begabung war so stark, daß Miltitz sich -entschloß, Fichte auf seine Kosten ausbilden zu lassen. - - -[Fichtes Jugend] - -Durch einen Pfarrer auf einem der Güter des Herrn von Miltitz -vorbereitet, trat er 1774 in die berühmte Anstalt Schulpforta ein. -Schulpforta ist ein Internat, d. h. die Zöglinge wohnen in der Anstalt. -Schon die strenge Disziplin, die hier herrschte, bedrückte den an -Freiheit gewöhnten Knaben; schlimmer aber war für sein empfindliches -Rechtsgefühl die Roheit der älteren Genossen gegen die jüngeren. Sie -trieb ihn zu einem Fluchtversuch, von dem ihn indessen der Gedanke -an seine Eltern bald zurückbrachte. So durchlief er die Anstalt und -begab sich, ausgerüstet mit gründlicher Bildung besonders in den alten -Sprachen 1780 nach der Universität Jena, die er bald mit Leipzig -vertauschte, um Theologie zu studieren. - -Materielle Not, der Zwang, durch Stundengeben sein Brot zu verdienen, -beeinträchtigten sein Studium. Miltitz war gestorben; seine Erben -unterstützten ihn eine Zeitlang, aber diese stets unzureichende Hilfe -versiegte bald ganz. Die Nöte des Hauslehrer- und Hofmeisterdaseins -mußte Fichte bis auf die Neige auskosten, schließlich war er völlig -mittellos, seine Rechtlichkeit verbot ihm, Geld zu borgen, da er -nicht die Möglichkeit sah, es wiederzugeben. Aus dieser äußersten Not -befreite ihn 1788 der alte Dichter Chr. Felix Weiße, einst Lessings -Jugendfreund, indem er ihm eine Hauslehrerstelle bei einem Gastwirt in -Zürich verschaffte. - -Indessen hinderte Fichte seine Selbstachtung und sein Pflichtgefühl, in -der Erziehung seiner Zöglinge eine bloße Versorgung für sich selbst zu -sehen; er faßte dieses Amt als echten Beruf auf und fühlte sich daher -berechtigt, alle Störungen in diesem Berufe zu bekämpfen. Als störend -empfand er vor allem die Schwächen der Eltern; daher legte er sich ein -Tagebuch an, in das er die bedeutendsten Erziehungsfehler der Eltern -einschrieb, und las es ihnen am Ende jeder Woche vor. Anderthalb Jahre -lang dauerte diese Tätigkeit Fichtes; und es spricht immerhin für den -Charakter jener Bürgersleute, daß das Verhältnis nicht auf ihren, -sondern auf Fichtes Wunsch gelöst wurde. - -In Zürich fand Fichte nicht nur Erholung von seinen materiellen Nöten, -sondern auch zum erstenmal in seinem Leben einen ihm angemessenen -Verkehr. Besonders eng schloß er sich an einen Kaufmann Rahn an, der -einst ein Freund des Dichters Klopstock gewesen war, dessen Schwester -geheiratet hatte, und dem nach dem Tode seiner Frau die einzige Tochter -Johanna die Wirtschaft führte. Sie erkannte Fichtes hohen Wert, ihre -Liebe fand Erwiderung, und als ihr Verlobter verließ Fichte die Schweiz. - -In Leipzig, wohin er zurückkehrte, erwartete ihn freilich die alte -Not, noch verschärft durch den Gegensatz gegen die hohe Meinung, die -Fichte von sich selbst hegte. Damals, am 20. Juni 1790, schrieb er -an seinen Vater: »Den gewöhnlichen Weg schleichen -- mich auf eine -Dorfpfarre setzen, kann ich einmal nicht, und Gott, der mir diesen Sinn -gab, weiß, daß ich es nicht kann.« Man gewinnt aus seinen Briefen und -seiner Lebensführung den Eindruck, daß Fichte sich zu Großem berufen -fühlte, aber noch nicht wußte, auf welchem Gebiete seine künftigen -Leistungen liegen würden. Da brachte ein scheinbar unbedeutendes -Ereignis die Entscheidung. Ein Student wünschte Unterricht von ihm in -der Kantischen Philosophie. Fichte konnte schon aus äußeren Gründen -solche Angebote nicht abweisen, und da er als gewissenhafter Mensch -doch genau kennen mußte, was er lehren sollte, vertiefte er sich in -Kants Werke. Eine neue Welt ging ihm auf. Am 5. März 1791 schrieb er an -einen seiner Brüder: »Aus Verdruß« (daß sich gewisse Aussichten nicht -erfüllten) »warf ich mich in die Kantische Philosophie, ..., die ebenso -herzerhebend als kopfbrechend ist. Ich fand darin eine Beschäftigung, -die Herz und Kopf füllte; mein ungestümer Ausbreitungsgeist schwieg: -das waren die glücklichsten Tage, die ich je verlebt habe. Von einem -Tage zum andern verlegen um Brot, war ich dennoch damals vielleicht -einer der glücklichsten Menschen auf dem weiten Runde der Erden.« - -Was gab Fichte die Kantische Philosophie? Natürlich hatte er schon -vorher philosophiert; denn Philosoph wird nur, wer mit dem Verlangen -nach sicherem, einheitlichem Wissen geboren ist, und ein Mensch, in dem -der Drang des Fragens lebt, beginnt früh nachzudenken. Fichte kam dabei -zu Ansichten, die in manchem denen Spinozas ähnelten. Vor allem war er -überzeugt von der notwendigen einheitlichen Ordnung der Welt, in deren -durchgehender Bestimmtheit kein Platz für die Freiheit des Willens ist. -Gerade die Frage der Willensfreiheit hatte den tatendurstigen Jüngling -viel beschäftigt, er hatte darüber auch mit seinem Schwiegervater Rahn -diskutiert und den alten Mann zu seiner Überzeugung gebracht. Jetzt -schrieb er ihm, er erkenne, daß sie sich damals beide geirrt hätten; -denn sie seien von der unrichtigen Seite ausgegangen. Wir dürfen ja -nicht das Weltganze an den Anfang stellen, sondern wir müssen uns an -den Gesetzen und Aufgaben des Erkennens orientieren. Da das Weltganze -selbst ein Ziel für unsern Erkenntniswillen ist, täuschen wir uns, -wenn wir uns als unfreie Glieder dieses Ganzen fühlen. In Kants -Lehren findet Fichte gerechtfertigt, was sein stolzer Freiheitswille -forderte; zugleich weiß er nun, was der Kern seiner Begabung ist. Von -jetzt ab ist er ganz Philosoph; sein Ziel muß sein, das Leben nach den -Anforderungen der Philosophie zu gestalten. - -Seine äußere Lage freilich war bedrängter als je, auch seine Heirat -rückte infolge geschäftlicher Verluste seines Schwiegervaters in -unbestimmte Ferne. Er mußte sich entschließen, noch einmal eine -Hauslehrerstelle anzunehmen und fand sie in einer gräflichen Familie -in Warschau. Dort traf er es indessen weit ungünstiger als bei jenen -Züricher Bürgersleuten, die sich dem Eindruck seiner Persönlichkeit -nicht hatten entziehen können. Die Gräfin, die ihren Gemahl völlig -beherrschte, sah in dem Hauslehrer nur einen Bedienten, von dem sie -Unterordnung unter ihre Launen und die Manieren eines französischen -Tanzmeisters verlangte. Gleich die erste Unterredung verlief so, daß -Fichte die Stellung nicht antreten konnte; die Entschädigung die er für -die Geld- und Zeitverluste der weiten Reise fordern mußte, erhielt er -erst, als er mit gerichtlicher Klage drohte. - - -[Fichtes philosophische Anfänge] - -Da Fichte nach Empfang der Entschädigung einige Mittel besaß und sich -zudem nicht sehr weit von Königsberg befand, beschloß er, dort Kant -aufzusuchen, den er unter allen Lebenden am höchsten verehrte. Aber -dieser Besuch brachte ihm zunächst eine neue Enttäuschung. Der große -alte Mann, der oft von unbekannten Besuchern belästigt wurde, empfing -den Kandidaten der Theologie Fichte, wie dieser selbst schreibt, »nicht -sonderlich«. Um sich eine andere Aufnahme zu verdienen, blieb Fichte -nun in Königsberg und arbeitete in wenigen Wochen seine Gedanken über -Religionsphilosophie aus. Die Handschrift schickte er unter dem Titel: -»_Versuch einer Kritik aller Offenbarung_« an Kant, der daraus die -Begabung des Einsenders erkannte und Fichte bei einem neuen Besuche, -wie wir wiederum von diesem selbst wissen, »mit ausgezeichneter Güte« -aufnahm. Fichte war gezwungen, diese Güte für sein äußeres Leben in -Anspruch zu nehmen, da seine Mittel erschöpft waren. Kant gewährte -das erbetene Darlehn seinen Grundsätzen gemäß nicht, half aber in -viel gründlicherer und vornehmerer Weise dadurch, daß er Fichte einen -Verleger für seine Arbeit und eine passende Hauslehrerstelle bei einem -Grafen Krockow in der Nähe von Danzig verschaffte. Dort fühlte er sich -bei gebildeten Menschen wohl und hatte Muße, seine Schrift eingehend -durchzuarbeiten. Ostern 1792 erschien sie im Buchhandel; gegen -Fichtes Wunsch, aber vielleicht nicht ohne Nebenabsicht des Verlegers -anonym. Eines der ersten kritischen Blätter jener Zeit, die Jenaer -Literaturzeitung, erklärte, der erhabene Verfasser lasse sich gar nicht -verkennen, das Buch sei von Kant. Natürlich berichtigte Kant das sofort -und nannte als Verfasser den Kandidaten der Theologie Johann Gottlieb -Fichte. Dadurch war der unbekannte Hauslehrer plötzlich ein berühmter -Mann geworden; denn wer ein Buch schreiben konnte, das man für ein Werk -Kants hielt, hatte Anspruch auf allgemeine Beachtung. - -Auch äußerlich wendete sich jetzt sein Geschick. Sein Schwiegervater -hatte wenigstens einen Teil seines Vermögens retten können, und Fichte -durfte nun endlich an die Heirat denken. Er ging nach Zürich und führte -am 22. Oktober 1793 seine Braut heim. Den Winter verbrachte das junge -Paar in der Heimat der Frau; Fichte lebte in einem angeregten Kreise -und lernte auch den großen Propheten echter Volksbildung _Pestalozzi_ -kennen. Zugleich zeigte sich die Richtung seines Geistes, die -philosophischen Erkenntnisse für die Erfassung der Gegenwart nutzbar -zu machen, und seine Begeisterung für einen freien Staat in einer -Schrift über die Französische Revolution. Im Sommer des nächsten Jahres -folgte er einem Rufe an die Universität Jena und übte dort vom ersten -Tage an eine hinreißende Wirkung auf die Studenten aus. Von vornherein -zerfiel seine Lehrtätigkeit in zwei Teile: in umfangreichen Vorlesungen -bildete er die Kantische Philosophie in seiner Weise fort, während -er in kürzeren, allgemeinverständlichen Vorträgen im Geiste dieser -Philosophie auf die Menge der Studierenden einwirkte und ihnen die -echten Lebensaufgaben der gelehrten Stände vor Augen führte. - - -[Die Wissenschaftslehre] - -Die theoretische Philosophie Fichtes ist zu schwierig, um hier -dargestellt zu werden. Nur was der Philosoph wollte, kann ich Ihnen -deutlich machen. Ich sagte vorher: Kants Philosophie gab ihm die -Möglichkeit, die Freiheit des Willens zu bejahen. Er sah nun ein, daß -zwei Weltanschauungen entstehen, je nachdem man von den Dingen, von der -Natur ausgeht oder von dem Ich, von seiner Tat im Erkennen und Handeln. -Die erste Weltanschauung hat Spinoza am folgerichtigsten durchgebildet, -Kant hat sie widerlegt. Aber Kant, obwohl er im erkennenden und -handelnden Ich das Zentrum aller Einsicht entdeckte, hat doch die -einzelnen Grundsätze nicht aus diesem Einheitspunkte abgeleitet. Das -will Fichte tun. Die Vielheit der Kategorien, die Anschauungsformen, -der Stoff sinnlicher Empfindungen stehen bei Kant nebeneinander, sie -sollen aus _einem_ Grundsatze abgeleitet werden. Gegenstand dieses -Grundsatzes kann nur das Zentrum des Erkennens, das Ich sein. Obwohl -Fichte nicht wie Spinoza von der Substanz ausgeht, von einem festen -Ganzen, das uns gegeben ist, sondern vom Handeln des Ich, begegnet ihm -doch die Schwierigkeit, die wir am Systeme des Spinoza aufgewiesen -haben: die Inhaltfülle der Welt aus einem Grundsatze abzuleiten. Er hat -sein Leben lang mit diesem Problem gerungen; wir können die Versuche -der Lösung nicht verfolgen, so wertvoll sie für den Fortschritt -philosophischer Erkenntnis sind. Eine befriedigende Lösung konnte -er nicht finden. Wichtig ist uns, daß Fichte in der Richtung seines -Denkens Kantianer bleibt, insofern er nicht von den Dingen, sondern -von der Erkenntnis der Dinge ausgeht. Philosophie ist also nicht -Weltweisheit, wie man früher wollte, sondern, wie Fichte sie nannte, -_Wissenschaftslehre_. Kant hatte an die einzelnen Voraussetzungen der -Wissenschaft angeknüpft, Fichte suchte den einheitlichen Zusammenhang -aller dieser Voraussetzungen abzuleiten. Gemeinsam ist ihnen allen, -daß sie Formen des Erkennens sind, ihre Einheit muß also die Einheit -des Erkennens sein. Eine solche Einheit der vereinzelten Eindrücke -und Vorstellungen haben wir im Sinne, wenn wir sagen: ich erkenne. -Uns selbst fühlen wir als Vereinigung, als Einheitsquelle aller -Einzelheiten. Aber als solche Einheitsquellen sind wir alle wesentlich -gleich, hierfür kommt die Verschiedenheit der Menschen voneinander -nicht in Betracht. Wir wissen ja bereits, daß die Vernunft nicht dem -einzelnen Menschen angehört. In uns finden wir, sobald wir auf uns -selbst reflektieren, diese allgemeine Vernunft als ein Handeln gemäß -der Forderung der Wahrheit. Wir finden uns als Einheit, als »Ich«, -nicht als bloße Summe von Eindrücken und Vorstellungen, sofern dieser -Einheitswille der Vernunft in uns lebt. An diese allgemeine Vernunft, -die den einzelnen erst zum Ich macht, denkt Fichte, wenn er in seiner -Philosophie vom Ich ausgeht, ganz und gar nicht an seine eigene -begrenzte Person. Der oft wiederholte Spott, daß Fichte sich selbst für -den Schöpfer der Welt gehalten habe, trifft also den Philosophen gar -nicht. - -Indessen hat dieses reine Ich doch eine sehr innige Beziehung zu jedem -einzelnen Menschen; denn jedem von uns ist als Aufgabe gestellt, das -reine Ich, die Vernunft, zu verwirklichen. Auf zwei Wegen muß dies -geschehen: theoretisch durch immer vollkommenere Erkenntnis, praktisch -durch Unterwerfung der Welt unter den vernunftgeleiteten Willen. -Was wir äußere Welt nennen, kommt für uns nur als Material dieser -Tätigkeiten in Betracht. - -Gemäß diesen Grundsätzen handelte Fichte und führte, was er für Recht -hielt, ohne irgendwelche Rücksichten durch. Konflikte konnten bei einer -solchen Denkungsart nicht ausbleiben. Bald geriet er in Streitigkeiten -mit zuchtlosen studentischen Verbindungen; von allgemeinerem Interesse -aber sind andere Kämpfe, durch die er gezwungen wurde, Jena zu -verlassen. - -Fichte ließ in einer von ihm herausgegebenen philosophischen -Zeitschrift einen religionsphilosophischen Aufsatz abdrucken, dessen -Inhalt er mißbilligte, den er aber doch für beachtenswert hielt. Um -dabei seine abweichende Überzeugung geltend zu machen, veröffentlichte -er gleichzeitig eine eigene Arbeit über den gleichen Gegenstand, die -seine Auffassung von Kants Vernunftglauben entwickelte. Gott, so führte -er aus, kann von uns nur in Beziehung auf uns selbst erfaßt werden; ein -Recht, unserem Sein ewige Bedeutung und damit Beziehung zur Gottheit -zu geben, haben wir aber nur, sofern wir moralische Wesen sind. Die -Unvollkommenheit, deren wir uns immer bewußt bleiben, bedarf hier einer -Ergänzung, und da die Forderung der Moral das Allergewisseste ist, -sind wir auch dieser Ergänzung gewiß. Wir sind also überzeugt, daß die -Ordnung der Welt mit den Anforderungen der Moral übereinstimmt; diese -moralische Weltordnung und nichts anderes ist uns Gott. Die Mehrzahl -der Menschen glaubt in der Gottheit ein Wesen neben andern Wesen zu -haben, eine Macht, mit der sich verhandeln läßt, und die dazu da ist, -unsere Wünsche zu erfüllen, wenn wir ihr gewisse Dienste leisten. -Gegen einen solchen lohnsüchtigen, moralisch verwerflichen Glauben -wendete sich Fichte im Namen der wahren Religion. Der Gott, den jener -Aberglaube meint, existiert nicht. - - -[Atheismusstreit] - -Aus solchen Äußerungen leiteten Fichtes Gegner ihren Vorwurf her, -daß der Philosoph ein Gottesleugner, ein Atheist sei. Eine anonyme -Broschüre giftigster Art warnte vor dem Verführer der Jugend und fand -trotz ihrer offenbaren Gehässigkeit Gehör; die Dresdner Regierung -forderte das Ministerium von Sachsen-Weimar zum Einschreiten gegen -Fichte auf. Im Weigerungsfalle drohte sie, ihren Untertanen den Besuch -der Universität Jena zu verbieten. Da eine solche Maßregel für die -Universität gefährlich geworden wäre, suchte man in Weimar nach einem -Ausweg, der die Dresdner Regierung beruhigte, ohne Fichte und die -Freiheit der Wissenschaft zu verletzen. Man hätte am liebsten alles -Aufsehen vermieden und der Form wegen Fichte einen Verweis erteilt, -ohne ihn im übrigen in seiner Freiheit einzuschränken. Der stolze Mann -aber war keineswegs geneigt, ungerechten Tadel hinzunehmen, zumal in -ihm die Freiheit der Wissenschaft angegriffen war; er durchkreuzte -daher alle Versuche diplomatischer Vertuschung, indem er sich zugleich -vor der Öffentlichkeit in einer Broschüre und vor der vorgesetzten -Behörde in einer ausführlichen Eingabe verteidigte. Das Recht stand -bis hierher vollständig und unzweifelhaft auf seiner Seite; leider -ließ er sich indessen durch den schlechten Rat eines Freundes dazu -verführen, in einem schroffen Brief an einen der vorgesetzten Beamten -zu erklären, daß er im Falle eines Verweises Jena verlassen müsse und -daß andere Professoren sich ihm anschließen würden. Die Drohung, die in -diesem Briefe lag, verletzte Goethe, der als weimarischer Minister die -entscheidende Stimme hatte, aufs tiefste. Aus seiner hohen Vorstellung -von dem Werte staatlicher Autorität heraus erklärte er, er würde seinen -eigenen Sohn maßregeln, wenn er einen solchen Brief an seine Regierung -zu schreiben wagte. Obwohl Fichte jenen unbesonnenen Schritt bereits -bedauerte, wurde ihm doch zugleich mit dem Verweis die angebotene -Entlassung erteilt. Da die kursächsische Regierung ihm sogar den -Aufenthalt in sächsischen und thüringischen Landen unmöglich zu machen -suchte, begab er sich nach Berlin. Auch dorthin verfolgten ihn seine -Gegner; aber der schlicht fromme König Friedrich Wilhelm III. soll, als -Fichtes Angelegenheit ihm vorgetragen wurde, gesagt haben: »Ist Fichte -ein so ruhiger Bürger, als aus allem hervorgeht, und so entfernt von -gefährlichen Verbindungen, so kann ihm der Aufenthalt in meinen Staaten -ruhig gestattet werden. Ist es wahr, daß er mit dem lieben Gotte in -Feindseligkeiten begriffen ist, so mag dies der liebe Gott mit ihm -abmachen, mir tut das nichts.« - - -[Der geschlossene Handelsstaat] - -In Berlin war Fichte schriftstellerisch außerordentlich tätig. Unter -seinen Arbeiten aus dieser Zeit wollen wir nur eine näher betrachten, -weil sie für seine Übertragung der philosophischen Grundsätze auf die -Fragen des Lebens sehr bezeichnend ist. Sie ist unter dem Titel »_Der -geschlossene Handelsstaat_« 1800 erschienen. - -Durchaus von Kantischen Grundsätzen ausgehend, wendet Fichte diese -doch in höchst eigenartiger Weise an. Kantisch ist die Bestimmung des -Verhältnisses von Staat und Sittlichkeit. Die Sittlichkeit besteht -nur in der Güte des Willens; der bloße Gehorsam gegen die Gesetze, -die Gesetzlichkeit oder Legalität, ist keineswegs Sittlichkeit. -Umgekehrt hat die äußere Macht, der Staat, gar keine Möglichkeit, -seine Bürger sittlich zu machen; das ist auch durchaus nicht seine -Aufgabe. Ihm kann es nur darauf ankommen, daß das äußere Zusammenleben -seiner Bürger geordnet sei. Für die Gesetze des Zusammenlebens, die -der Staat aufstellt, fordert er Gehorsam, ohne sich um die Gründe -dieses Gehorsams weiter zu kümmern. Aber unser ganzes Leben steht -im Dienste der sittlichen Aufgabe; auch der Staat, obwohl er nicht -direkt Wächter und Förderer der Sittlichkeit ist, hat doch mit der -ganzen äußeren Ordnung, die er aufstellt und schützt, nur als Diener -sittlichen Strebens Wert und Recht. Jeder Mensch ist verpflichtet, -die ihm gestellten sittlichen Aufgaben zu erfüllen, er kann das nur, -wenn er sich seinen Anlagen und Kräften gemäß betätigt. Aus Pflichten -entspringen nach Fichtes Überzeugung alle Rechte; denn jeder darf -fordern, daß er instand gesetzt werde, seine Pflicht zu erfüllen. Soll -der Mensch sich betätigen, so muß er leben und wirken können. Es ist -die Aufgabe des Staates, ihm diese Möglichkeit gegen äußere Eingriffe -zu gewährleisten. Jeder soll arbeiten; um zu arbeiten, muß er leben. -Darum gibt es ein unbedingtes Recht, ein Urrecht jeder Person, sofern -sie arbeitswillig oder arbeitsunfähig ist, auf den notwendigen -Lebensunterhalt. Ihr diesen Unterhalt zu gewähren, ist kein Almosen, -sondern Pflicht. »Daher hat der Arme ein absolutes Zwangsrecht auf -Unterstützung.« Aber da der Mensch nur als moralische Person, d. h. -als wollende und arbeitende, ein Recht auf Dasein hat, so soll jeder -auch nur von seiner Arbeit leben. Wenn der Staat die Aufgabe hat, -jedem dieses Recht zu sichern, so muß er auch die Mittel zur Erfüllung -dieser Aufgabe haben, d. h. er muß die Herstellung und Verteilung der -Lebensbedürfnisse überwachen; er muß etwa befehlen können, daß der -Boden zum Anbau von Getreide und nicht zu Jagdgründen benutzt wird, -er muß dafür sorgen, daß ein genügender Teil seiner Bürger sich mit -der Herstellung der nötigsten Nahrungsmittel beschäftigt usw. Soll der -Staat die Produktion regulieren, so muß er sie übersehen können. Das -vermag er indessen nur zu tun, wenn sein Wirtschaftsgebiet geschlossen -ist. Er kann doch z. B. nur dann die Herstellung einer Ware befehlen, -wenn zugleich für ihren Absatz gesorgt wird. Dann aber darf diese -Ware nicht durch billigere Produkte des Auslandes vom heimischen -Markte verdrängt werden. Darum also muß der Staat ein geschlossener -Handelsstaat sein. Vom Auslande ist nur zu beziehen, was das Inland -aus klimatischen oder ähnlichen Gründen nicht erzeugen kann und was -zugleich unentbehrlich ist. Den Einkauf dieser Waren im Austausch gegen -überschüssige Produkte des Inlands behält sich der Staat vor. - -Fichte hat nicht etwa gemeint, daß diese Wirtschaftsordnung ohne -weiteres eingeführt werden könnte, er wollte nur ein Idealbild -aufstellen und forderte von dem wirklichen Staate, daß er sich diesem -Ideale allmählich nähere. Fichtes Idealstaat ist sozialistisch, sofern -die Staatsgewalt ein sehr weitgehendes Aufsichtsrecht über Erzeugung, -Verteilung und Verbrauch der Güter erhält. Kommunistisch freilich -ist er nicht; denn das Privateigentum, auch das Privateigentum an -Produktionsmitteln, bleibt bestehen. Außer durch diesen Umstand -unterscheidet sich Fichtes Sozialismus von der bei unseren -Sozialdemokraten herrschenden Richtung trotz mancher Ähnlichkeit -doch durch die Art seiner Begründung. Diese gibt jedem Menschen den -gleichen Anspruch auf Glück, für Fichte dagegen ist wie für seinen -Lehrer Kant nicht Glück, sondern sittliche Betätigung das Ziel des -Menschenlebens. Aus diesem Ziele leitet er auch das Eigentumsrecht -ab. Wir haben Eigentum im Grunde nur insofern an den Dingen, als -wir gewisse Handlungen an ihnen vornehmen dürfen. Ein Werkzeug -gehört mir, das bedeutet, ich habe ein Recht, es zu benutzen. Die -Ausschließlichkeit dieses Rechtes ist nötig, weil nicht mehrere -zugleich dieselben Handlungen mit demselben Dinge vornehmen können. -Diese Ausschließlichkeit oder das Eigentumsrecht im eigentlichen Sinne -des Wortes gibt es nur im Staat und durch den Staat; also hat der Staat -auch die Aufgabe, dieses Recht so zu bestimmen und zu beschränken, daß -es den Anforderungen der sittlichen Ordnung der Menschenwelt genügt. - -Wir haben nicht zu untersuchen, ob und inwieweit die einzelnen -Vorschläge des geschlossenen Handelsstaates notwendig, zweckmäßig und -durchführbar sind. Philosophisch wichtig ist die Art ihrer Begründung, -und diese muß für solche Untersuchungen vorbildlich bleiben, mögen -auch alle Einzelheiten durch veränderte Verhältnisse und erweiterte -nationalökonomische Kenntnisse sich ganz anders darstellen. - -Unwillkürlich werden Sie bei diesem Staatsideal an den platonischen -Staat zurückgedacht haben. Der Gegensatz fällt sofort in die Augen: -Platon hatte zwar für die oberen Stände das Privateigentum abgeschafft, -aber -- wenigstens im »Staat« -- keinen eigentlichen Sozialismus -gelehrt; denn die Eigentumsverteilung des wirtschaftlich arbeitenden -Volkes, die ganze Lage dieses Volkes war ihm gleichgültig gewesen. -Das hängt mit Platons Philosophie aufs engste zusammen; ihm kam es -überall nur darauf an, daß die Ideen sich rein in der Wirklichkeit -spiegeln, daher bestand für ihn die Aufgabe des Staates darin, die -Idee des Menschen, der kein einzelner gleichzukommen vermag, im -Großen darzustellen. Der Nährstand entsprach dabei den niederen -Begierden und Trieben, die zum Leben nötig sind, im übrigen aber -dienen müssen. So hoch diese Anschauung mit ihrer reinen Hingabe an -das Ideal auch steht, immer blickt sie auf den _Erfolg_, nicht auf den -_Willen_; wer jeder Menschenseele die Anlage zur vollen Sittlichkeit -zuspricht, wer im guten Willen unabhängig von der Höhe der Erkenntnis -und der Größe der Fähigkeiten den höchsten Wert sieht, kann solche -aristokratische Härte nicht gutheißen. Das Christentum, für das -jeder Mensch zur Gotteskindschaft berufen ist, mußte den starren -antiken Stolz schmelzen; erst auf seinem Boden konnte der Gedanke -von dem unvergleichlichen Werte jeder Seele wachsen, den die neuere -Philosophie zur Klarheit brachte. Die Idee der Menschheit liegt für -Kant und Fichte in jedem einzelnen Menschen, und darum hat jeder ein -Recht darauf, sich seinen Fähigkeiten gemäß als freie, sittliche -Persönlichkeit zu betätigen. - -Fichte blieb mit Ausnahme einer kurzen Lehrtätigkeit an der damals -preußischen Universität Erlangen in Berlin. Er ließ seine Familie -dorthin nachkommen und verkehrte viel mit allen führenden Geistern der -preußischen Hauptstadt. Berlin besaß damals noch keine Hochschule, aber -dem Bildungsbedürfnis weiter Kreise kam man durch Vorlesungen entgegen. -So hielt auch Fichte öffentliche Vorträge, die sehr besucht waren. - -In diesen Reden schmeichelte er der vornehmen und bildungsstolzen -Gesellschaft keineswegs, erfüllte vielmehr hier wie immer, wenn er -sich an die breitere Öffentlichkeit wandte, die Aufgabe, durch die -Philosophie auf das Leben bessernd zu wirken. Ja, er faßte diese -Aufgabe jetzt noch viel genauer. Er stellte nicht mehr bloß ein Bild -des Gelehrten, des Staates, des Menschen auf, wie er sein sollte, -sondern er fragte nach der besonderen Beschaffenheit seiner Zeit und -nach den Aufgaben, die aus dieser besonderen Beschaffenheit folgten. - - -[Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters] - -Im Winter 1804--1805 hielt er Vorträge unter dem Titel: _Grundzüge -des gegenwärtigen Zeitalters_. Die Frage, was bedeutet unsere Zeit, -kann man nur beantworten, wenn man eine Überzeugung von der Bestimmung -des Menschengeschlechtes zugrunde legt und dann untersucht, wie -sich die bisherige Entwicklung zu dieser Bestimmung verhält. Das -Ziel des Menschen ist sittliches Handeln, d. h. ein Handeln aus -Pflichtbewußtsein und zugleich aus voller Pflichterkenntnis. Seine -Pflicht erkennen aber kann nur der Mensch, in dem das vernünftige -Denken frei und mächtig geworden ist. Auch soll er ja das Rechte -aus seiner eigenen Erkenntnis heraus tun, er soll autonom sein und -nicht einer fremden Autorität folgen. Wenn die Menschheit auf dieser -Stufe stehen wird, so werden auch alle äußeren Angelegenheiten -den Anforderungen der Vernunft gemäß geordnet sein. Das Ziel der -Menschheit ist also ein Zeitalter der Vernunftkunst. Wie verhält sich -nun die bisherige Entwicklung zu diesem Ziele? Der Mensch soll sich -zum Vernunftwesen entwickeln. Daraus folgt, daß er am Anfang seiner -Geschichte noch kein solches Vernunftwesen ist, aber doch die Anlage -dazu in sich hat. Die noch unbewußte Anlage bewährt sich zunächst in -einer für die früheren Zustände des Menschengeschlechts zweckmäßigen -Lebensordnung. Da diese Regelung nicht dem Denken entstammt, doch -aber zweckmäßig ist, spricht Fichte von einem Vernunftinstinkt. Noch -unfähig, sich selbst das Gesetz zu geben, unterwerfen sich die Menschen -einer äußeren Autorität. Ein bloß gesetzliches Handeln gewöhnt sie -an Beherrschung ihrer sinnlichen Triebe durch ein Gebot. Zugleich -bilden sich die äußeren Formen des menschlichen Zusammenlebens aus, -auch sie geschützt durch die Heiligkeit göttlicher Gebote. Da aber -der Mensch dazu bestimmt ist, frei zu werden, so muß er aus diesem -Zustande heraustreten, er muß dazu übergehen, selbst zu prüfen und -nur das zu befolgen, was er für recht erkannt hat. Diese Befreiungs- -und Aufklärungsbewegung führt zunächst zum Zweifel an dem Rechte -der Autoritäten, die bis dahin die egoistischen Triebe in Schranken -gehalten haben, und bald zur Leugnung dieses Rechtes. Da die Einsicht -in das Sittengesetz, in die Notwendigkeit der Vernunft fehlt, folgt -jeder seiner eigenen Selbstsucht. Nur die gegenseitige Furcht -hält die Ordnung der menschlichen Gesellschaft noch aufrecht. Aus -wohlverstandenem Eigennutz schont man Leben und Eigentum der andern, -damit diese uns die gleiche Rücksicht zuteil werden lassen; aber -niemand will für das Ganze, für große sittliche Ziele Opfer bringen. -Dieser Zustand kann nur überwunden werden, wenn das von seinen Fesseln -befreite Denken sich auf die in ihm selbst liegenden Befehle der -Vernunft besinnt, und wenn das durch keine Autorität mehr gebundene -Handeln sich aus Erkenntnis seiner Pflicht in den Dienst der großen -Ziele der Menschheit stellt. Noch, so sagt Fichte zu seinen Hörern, die -meist in dem Gefühle lebten, es herrlich weit gebracht zu haben, noch -fehlt den meisten diese Einsicht und dieser Entschluß, noch leben wir -im Zeitalter der vollendeten Sündhaftigkeit. Die Menschheit muß durch -diesen Zustand hindurch, aber nur solche Völker werden die allgemeine -Kultur fördern und selbst weiterbestehen, deren Mitglieder aus eigener -Freiheit sich sittlich bestimmen. - -Denken wir an den Zeitpunkt jener Vorträge, so wirken sie fast -prophetisch. Schon 1806 brach der preußische Staat zusammen. Nach -der Schlacht bei Jena (14. Oktober 1806) verließ Fichte Berlin. Er -konnte nicht als Untertan des fremden Eroberers leben, der für ihn -eine Verkörperung kraftvoller Selbstsucht war, und dessen Sieg er sich -daraus erklärte, daß seine Gegner Selbstsucht mit Schwäche paarten. -In Königsberg, wohin Fichte dem König gefolgt war, faßte er, als -Preußen und Deutschland für immer vernichtet schienen, zugleich mit -wenigen andern Getreuen Entschluß und Plan der inneren Erneuerung. Der -Grundsatz seiner kraftvollen Sittlichkeit: »Du kannst, denn du sollst«, -hatte sich jetzt zu bewähren. Der lebenden Generation freilich traute -er die Kraft sittlichen Entschlusses nicht zu, sondern erwartete die -Besserung von einem besser erzogenen Geschlechte. Jetzt erkannte er die -volle Bedeutung der neuen Erziehungsweise, die er bei Pestalozzi in -Zürich kennengelernt hatte. - - -[Reden an die deutsche Nation] - -Um die in Königsberg gefaßten Vorsätze zu verwirklichen, hielt er -in Berlin, wohin er nach dem Friedensschlusse zurückgekehrt war, -unter den Augen der französischen Spione im Winter 1807--1808 seine -berühmten _Reden an die deutsche Nation_. Kurz zuvor war in Nürnberg -der Buchhändler Palm standrechtlich erschossen worden, weil in seinem -Verlage eine gegen Napoleon gerichtete Broschüre erschienen war. Unter -dem Eindruck dieser Gewalttat schrieb Fichte am 2. Januar 1808 an -Beyme: »Ich weiß recht gut, was ich wage, weiß, daß ebenso wie Palm das -Blei mich treffen kann. Aber dies ist es nicht, was ich fürchte, und -für den Zweck, den ich habe, würde ich auch gerne sterben.« - -Die Reden an die deutsche Nation knüpften unmittelbar an die -»Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters« an. Die Zeit der -vollendeten Sündhaftigkeit hat ihre Früchte gezeitigt, der Staat ist -zusammengebrochen. Jetzt hat es keinen Sinn mehr, über vergangene -Sünden zu rechten, sondern es kommt darauf an, einen neuen Entschluß -zu fassen. Denn sonst wird das deutsche Volk geknechtet bleiben, damit -aber wäre die Zukunft der ganzen Menschheit gefährdet. - -Fichte hat sich, wie wir wissen, schon vorher der Wirklichkeit mehr -und mehr genähert. Jetzt, unter dem Eindruck der Vernichtung aller -deutschen Staaten, tat er den letzten entscheidenden Schritt. Schon -der Titel beweist das: er spricht nicht mehr zu Menschen schlechthin -oder zu Gelehrten schlechthin -- er spricht zu Deutschen. Fichte -hat die sittliche Notwendigkeit des besonderen deutschen Volkstums -in seinem Schmerz um den Zusammenbruch, in seinem Kampf um die -Umgestaltung erlebt. Aber wie er überall nicht vermag, die Anerkennung -des Gegebenen mit der Einheit der Vernunft zu verbinden, so gelingt -ihm auch hier die Erhebung seines Vernunftinstinktes zu einsichtigem -Bewußtsein nicht ohne Rest. Er kann nicht das Recht der geschichtlich -gewordenen Mannigfaltigkeit verschiedener Nationen anerkennen, die -auf verschiedenen Wegen dem Ziel des rechten Volkslebens nachstreben. -Vielmehr fordert seine Einheit heischende Vernunft _ein_ Volk, und -dies eine Volk sieht er jetzt in den Deutschen, weil sie allein unter -den Völkern germanischer Herkunft sich die Reinheit der Ursprache -bewahrt haben (die Skandinavier zählt er folgerecht zu den Deutschen). -Die anderen Völker können nur durch das Menschheitsvolk, durch die -Deutschen, zur Höhe der wahren Menschheit erhoben werden. Dabei denkt -Fichte freilich nicht an Gewalt oder politische Herrschaft, sondern -nur an geistige Einwirkung. Voraussetzung dazu ist aber die staatliche -Unabhängigkeit. Nur ein von äußerer Herrschaft freies Volk kann seine -Aufgabe erfüllen; auch der einzelne kann nur als Glied eines freien -Volkes erfolgreich wirken. Darum muß er mit Einsetzung aller Kraft -danach streben, daß das Volk, dem er angehört, dessen Sprache sein -Innenleben gebildet und genährt hat, auch nach außen seine Geschicke -selbst bestimmt, wenn nötig Gewalt der Gewalt entgegensetzend. -Freilich, der tiefste sittliche Wert des einzelnen ist vom Erfolge -unabhängig; er kann ohne Schuld sein, wenn sein Volk untergeht, er kann -und darf dann bei seinen vergeblichen Kämpfen Trost aus dem Glauben -schöpfen, daß auch erfolgloses, sittliches Wirken ewigen Wert hat und -irgendwie, auch wenn wir es nicht zu erkennen vermögen, der moralischen -Weltordnung dient. Aber dieser letzte Trost der Religion, der den -verzweifelten Kämpfer aufrechterhält, soll nicht die Schlaffheit -beschönigen. Gerade weil Fichte ganz von lebendiger Religion -durchdrungen war, hatte er scharfe Worte gegen die, die aus der ewigen -Seligkeit ein Schlummerkissen machen wollten. Wir sind auf der Erde, -um hier nach Kräften dem für recht Erkannten zum Siege zu verhelfen. -»Der natürliche, nur im wahren Falle der Not aufzugebende Trieb des -Menschen ist der, den Himmel schon auf dieser Erde zu finden, und ewig -Dauerndes zu verflößen in sein irdisches Tagewerk, das Unvergängliche -im Zeitlichen selbst zu pflanzen und zu erziehen.« In diesem Sinne -ruft Fichte hier die Deutschen auf. Jeder soll an der besseren Zukunft -mitarbeiten. Denn im Entschlusse jedes einzelnen liegt das Heil. »Diese -Reden sind nicht müde geworden euch einzuschärfen, daß euch durchaus -nichts helfen kann denn ihr euch selber.« Im energischen Willen allein -liegt die Möglichkeit einer Besserung. - -Der Wille eines ganzen Volkes aber ist nicht auf einmal umzuwandeln. -Hier muß die Erziehung eintreten, und darum entwickelte Fichte in den -Reden an die deutsche Nation einen großgedachten Erziehungsplan, dessen -Einzelheiten ich nicht besprechen kann. Fichte knüpfte an Pestalozzis -Versuche an, jedem, auch dem ärmsten Kinde, zu freiem menschlichen -Bewußtsein, zur Beherrschung seiner Sinnes- und Verstandesgaben zu -verhelfen, den Geist jedes Kindes frei zu machen durch Arbeit, Einsicht -und Liebe. Wie Fichte diese Erziehung fern von der Verderbnis der ihn -umgebenden Welt durchgeführt denkt, ist uns weniger wesentlich. Das -Entscheidende ist, daß jeder zur Selbsttätigkeit und zur freiwilligen -Unterwerfung unter das für recht Erkannte erzogen werden soll. Nicht -dumpfe Knechte einer äußeren Autorität, nicht schlaffe Sklaven der -eigenen sinnlichen Triebe, sondern freie Diener des Vernunftgebotes, -autonome Menschen sollen gebildet werden. - -Nicht in den Mitteln der Erziehung, wohl aber in dem Werte, den er -auf Erziehung und Bildung legte, und in dem hohen Ziele, das er der -Bildung gab, stimmte Fichte mit den Männern überein, die Preußen -damals von Grund auf erneuerten. Sie konnten das ungestört tun, denn -den politischen Wert der besseren Erziehung erkannte Napoleon nicht. -In diesem Sinne wurde unter Fichtes lebhaftester Anteilnahme die -Universität Berlin begründet. Auch diesmal entsprach die Wirklichkeit -nicht ganz den strengen und hohen Ansprüchen des Philosophen. Aber -Fichte wußte jetzt, daß wir in der Umgebung, in die wir hineingesetzt -sind, zu wirken haben trotz aller Widerstände; er ließ daher das Werk -nicht im Stich. - - -[Fichtes Tod. Rückblick] - -Als dann 1813 der Befreiungskampf begann, wollte Fichte abermals wie -schon 1806 als religiöser Redner mit in den Krieg ziehen. Da ihm das -auch diesmal nicht gewährt wurde, blieb er in Berlin, übte seinen Beruf -weiter aus und ließ sich einexerzieren, um im äußersten Falle als -Soldat des Landsturms dem Vaterland zu dienen. Seine wackere Frau half -die zahlreichen Verwundeten und Kranken pflegen, die besonders seit den -Schlachten von Großbeeren und Dennewitz nach Berlin gelegt wurden. Sie -zog sich dabei selbst eine ansteckende Krankheit zu. Fichte pflegte -sie und ging, um ihr Leben bangend, am 3. Januar 1814 ins Kolleg. Er -las zwei Stunden über höchst abstrakte Fragen der reinen Philosophie, -während er fürchtete, seine Frau nicht mehr lebend anzutreffen. Als er -nach Hause kam, sagten ihm die Ärzte, daß die Krise vorüber und die -Kranke wahrscheinlich gerettet sei. Froh beugte er sich über sie und -empfing dabei vermutlich selbst den Keim der Krankheit, der er am 29. -Januar 1814 erlag, während seine Frau genas. - -Obwohl dieser Tod Fichtes Leben gleichsam krönt, wäre es doch ganz -und gar nicht in seinem Sinne, mit dem Tode zu schließen. Fichtes -Philosophie ist eine Lehre des Lebens und seiner Gestaltung durch den -vernünftigen Willen. Diese Formel gemahnt an Sokrates und fordert zu -einem Rückblicke auf. - -Sokrates hat als erster die Grundfrage nach den Zwecken unseres -Daseins in den Mittelpunkt des Nachdenkens gestellt und dadurch der -Philosophie ihren wahren Gegenstand bestimmt. In der Erkenntnis -glaubte er die Lösung aller Schwierigkeiten zu besitzen. Noch hing -er mit den Überlieferungen seines Volkes so eng zusammen, daß er -überzeugt war, durch sein Denken die alte Sitte und Religion nicht -umzustürzen, sondern erst in voller Reinheit zu erfassen. Platon, von -der Wirklichkeit zurückgestoßen, in seinen Reformversuchen erfolglos, -baute in großartiger Weise ein System menschlicher Ziele auf und -stellte es in eine Welt, die selbst ganz und gar nach den Ideen der -Vernunft gebaut ist. Die Wissenschaft der Neuzeit beweist im Gegensatz -dazu, daß unsere Naturerkenntnis nicht nach Zwecken, sondern nach -Ursachen fragen muß, wenn sie Erfolge erzielen will. Von neuem fordert -der Umsturz einer lange herrschenden Denkweise zu einer Prüfung der -Erkenntnisgrundlagen auf; Descartes findet in der Selbstgewißheit des -Denkens den festen Punkt, von dem aus er den Zweifel überwindet. In -ihm erreicht die Einsamkeit des Philosophen, seine Entfremdung von -Staat, Volk und Gesellschaft einen Höhepunkt; denn schon sein Schüler -Spinoza, durch das Schicksal ganz auf sich selbst gestellt, betont doch -wieder die Fragen des menschlichen Zusammenlebens. Er findet in der -Hingabe an eine ganz verstandesmäßig gedachte Gottnatur Befriedigung -seiner religiösen Sehnsucht. Aber so groß der Eindruck seines Systems -ist, der kritischen Vernunft hält es nicht stand. Wir haben an ihm -die Unmöglichkeit einer Metaphysik und damit zugleich einer Ethik -erkannt, die von einer Vorstellung des Weltzusammenhanges her den -Wert unseres Lebens bestimmen wollte. Kant erst macht vollen Ernst -damit, die Philosophie auf die Untersuchung der Voraussetzungen und -der Tragweite unseres Erkennens zu begründen. Er findet, daß die Welt -selbst unsere Aufgabe ist, daß wir sie als Ziel verstehen müssen, nicht -aus ihr unsere Ziele ableiten dürfen. Zugleich macht er mit seiner -Ethik des guten Willens der alten Einseitigkeit ein Ende, die glaubt, -daß durch die richtige Erkenntnis schon das richtige Handeln gewonnen -sei. So schafft er die Grundlagen, von denen aus wir nun von neuem -versuchen müssen, Klarheit über die Ziele unseres Lebens zu erlangen. -Als erster hat Fichte diese Aufgabe in ganz bestimmter Weise zu lösen -begonnen. Von allgemeinen Forderungen ausgehend, kam er schrittweise -zu der Erkenntnis, daß jedem Menschen nach seiner besonderen Stellung -in seiner Zeit und in seinem Volke besondere Aufgaben erwachsen. Die -Einheit mit seiner Umgebung, die in Sokrates trotz der beginnenden -Entfremdung noch naiv vorhanden ist, wird hier als Vernunftziel -gestellt. Dieser Gedanke ist für unsere Gegenwart besonders wichtig; -wir sind getrennt und zerspalten in Stände und Parteien, jeder von -uns ist auf ein kleines Lebens- und Arbeitsgebiet beschränkt und muß -es sein, wenn er etwas leisten will. Die enge und innige Einheit, -die eine als selbstverständliche Wahrheit hingenommene Überlieferung -früheren Jahrhunderten gab, ist unwiderbringlich verloren. Und doch -sollen wir ein echtes Volk, ein einheitlich fühlendes und handelndes -Volk _werden_; denn wir sind weit entfernt es zu sein. Wir können -das nur durch »Vernunftkunst«, um Fichtes Wort zu gebrauchen, durch -wissenschaftlich begründete und dem Leben angepaßte Überzeugungen -von dem, was wir sollen. Wir müssen dabei Fichtes Irrtum, die -Mannigfaltigkeit des Lebens aus der Einheit der Vernunft abzuleiten, -überwinden. Aber die Aufgabe, mit der er sein Leben lang kämpfte, die -Vereinigung reinsten Wollens und Erkennens aus ursprünglichster Kraft -mit Anerkennung des geschichtlich gewordenen Zusammenhangs ist auch die -unsere. - -Ich konnte Ihnen nur den ersten Anfang des Weges zeigen, den man hier -gehen muß. Meine Absicht war, die Überzeugung von der Notwendigkeit -der Philosophie als einer Wissenschaft von den Zielen unseres Lebens -zu wecken und Ihnen die sicheren Grundsätze dieser Wissenschaft -mitzuteilen. - -[Illustration: Fichte - -Nach dem Bronzemedaillon von L. Wichmann an dem Grabdenkmal Fichtes. - -(Alter Dorotheenstädtischer Kirchhof in Berlin.)] - - - - -Register. - - -(Die Philosophen, denen ein ganzer Vortrag gewidmet ist, sind nicht -aufgenommen.) - - Akademie 28 - - Anschauungsformen 89 - - Aristoteles 40. 46 - - Assoziationsgesetz 80. 82 - - Attribut 67 - - Aufgabe 85. 91. 93 - - Autonom 96 - - - Bacon, Francis 78 - - Begriff 15. 30 - - Bruno, Giordano 43 - - - Christentum 41 f. 109 - - - Denken 50. 52 - - - Eigentum 108 - - Empirist 79 - - Ethik 64. 69. 94 f. - - Ewigkeit 37 - - - Glauben 98 - - Goethe 46. 71 - - Gott 34. 51. 65 f. 92 f. 105 f. - - Gottesliebe 70 - - Gute (Idee des) 33 - - - Heteronom 96 - - Hume 80 f. - - - Ich 50. 104 f. - - Idealismus 94 - - Idee (Platon) 30 f. (Kant) 93 - - Jesuiten 41. 43 - - Imperativ (kategorischer) 97 - - - Kategorien 30 - - Kausal 34. 46 - - Kausalgesetz 80 - - Kepler 46 - - Kirche 62 - - Kopernikus 43 - - - Leibniz 74 - - Liebe, platonische 35 f. - - Locke 56. 79 - - Luther 98 - - - Mathematik 31. 45 f. 64. 87 f. - - Mechanistische Auffassung der Körperwelt 47. 53. 68. 75 - - Metaphysik 73. 85 f. 90 f. - - Methode (sokratische) 15 - - Mittelalter 41 f. - - Mystik 66. 70 - - - Naturgesetz 85 - - Naturphilosophen (griechische) 8. 17 - - Naturwissenschaft 46 f. 89 f. - - Neuzeit 42 f. - - Newton 75 - - Nichtwissen (sokratisches) 12. 19 - - - Pantheismus 65 - - Pestalozzi 103 - - Pflicht 96 - - Philosophie 5 - - Praktische Philosophie 94 f. - - Primat der praktischen Vernunft 95 - - Protagoras 9. 17 f. 28. 80 - - - Rationalist 78 - - Raum 87 f. - - Realismus 94 - - Rein 87 - - - Seele 36 f. 54 f. - - Selbstgewißheit des Denkens 51 f. - - Sensualist 79 - - Sinnesempfindung 28. 52 - - Sophisten 8 f. - - Sozialismus 38. 108 - - Staat 36 f. 107 f. - - Substanz 52. 66 - - - Tapferkeit 12. 15 f. - - Teleologisch 34. 46 - - Thales v. Milet 8 - - Tierseelen 55. 68 - - - Unsterblichkeit 37 - - - Vernunft 17 - - Vernunftkunst 110 - - Verstand 29 - - - Wahrheit 9. 14. 16. 28 f. - - Wahrnehmung 9. 29 - - Wille 95 - - Willensfreiheit 69. 97 - - Wissenschaftslehre 104 - - Wolff (Christian) 74 f. - - - Xenophon 13 - - - Zeit 89 f. - - Zweifel 49 - - - - -Fußnoten - - - [1] Bei der Übersetzung habe ich zu Rate gezogen: Hermann - Zimpel: Platons Apologie, Kriton, Phaidon. Breslau. Woywod - 1888. Ich möchte diese durch ihre schlichte und lebendige - Sprache zur Einführung sehr geeignete Übersetzung meinen - Lesern dringend empfehlen. - - [2] D. h.: der Gefängnisbehörde, einer Kommission von 11 - Männern. - - [3] Dem Gott der Heilkunst für seine Genesung -- denn so faßte - Sokrates den Tod auf. - - [4] In seinem Alterswerk, den Gesetzen, stellt er allerdings - den Kommunismus als (für Menschen kaum erreichbares) Ideal - hin. - - [5] Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als - Wissenschaft wird auftreten können. 1783. - - - - -Allgem. Geschichte der Philosophie - -(Die Kultur der Gegenwart, hrsg. von Prof. _P. Hinneberg_. Teil I, Abt. -V.) 2., verm. u. verb. Aufl. Geh. M. 14.--, geb. M. 18.--, in Halbfranz -M. 24.-- - -»Man wird kaum ein Buch finden, das von gleich hohem Standpunkt aus, -dabei in fesselnder Darstellung eine Geschichte der Philosophie von -ihren Anfängen bis in die Gegenwart u. damit eine Geschichte des -geistigen Lebens überhaupt gibt.« - - (_Ztschr. f. latein. höh. Sch._) - - -Systematische Philosophie - -(Kultur d. Geg., hrsg. v. Prof. _P. Hinneberg_. Teil I, VI.) 3. A. (U. -d. Pr. 1920.) - -»Die Hervorhebung des Wesentlichen, die Reife des Urteils, das -Fernhalten alles Schulmäßigen und Pedantischen, die Klarheit u. -Sorgfalt des sprachl. Ausdrucks -- dies alles drückt den einzelnen -Abhandlungen den Stempel des Klassizismus auf.« - - (_Jahrb. d. Philosophie._) - - -Einleitung in die Philosophie - -Von Prof. ~Dr.~ _Hans Cornelius_. 2. Aufl. Geh. M. 8.--, geb. M. 10.-- - -»Die gegebenen Gesichtspunkte und Einleitungen führen tief in die -Erkenntnistheorie und Psychologie. Leser, die einer tiefgründigen -Untersuchung nicht aus dem Wege gehen, werden viel von ihm lernen.« - - (_Leipziger Zeitung._) - - -Zur Einführung in die Philosophie der Gegenwart - -Von Geh. Reg.-Rat Prof. ~Dr.~ _A. Riehl_. 5. Aufl. Geh. M. 4.50, geb. -M. 6.40 - -»Von den üblichen Einleitungen in die Philosophie unterscheidet sich -Riehls Buch nicht bloß durch die Form der freien Rede, sondern auch -durch seine ganze methodische Auffassung und Anlage. Nichts von eigenem -System, nichts von langatmigen, logischen, psycholog. oder gelehrten -historischen Entwicklungen, sondern eine lebendig anregende u. doch -nicht oberflächl., vielmehr in das Zentrum der Philosophie führende -Betrachtungsweise.« - - (_Monatschr. f. höh. Schulen._) - - -Wilhelm Diltheys gesammelte Schriften - -In 6 Bdn. Jeder Bd. zum Preise von 8--12 M. geh. und 10--15 M. geb. -Band II: Weltanschauung u. Analyse des Menschen seit Renaissance u. -Reformation. Abhandl. z. Gesch. d. Philos. u. Relig. 2. Aufl. [U. d. -Presse 1920.] - -_Inhalt_: Auffassung und Analyse des Menschen im 15. und 16. -Jahrhundert. -- Das natürlichste System der Geisteswissenschaften. --- Die Autonomie des Denkens. -- Giordano Bruno. -- Der -entwicklungsgeschichtliche Pantheismus. -- Aus der Zeit der -Spinozastudien Goethes. -- Die Funktion in der Anthropologie in der -Kultur des 16. und 17. Jahrhunderts. - -Band IV: Jugendgeschichte Hegels. [U. d. Presse 1920] - - -Naturphilosophie - -Unt. Redaktion v. Geh. Reg.-Rat Prof. ~Dr.~ _C. Stumpf_. Bearb. von -Prof. ~Dr.~ _E. Becher_. (Die Kultur der Gegenwart. Hrsg. von Prof. _P. -Hinneberg_ Teil III, Abt. VII, 1.) Geh. M. 14.--, gebunden M. 18.--, in -Halbfr. M. 24.-- - -_Inhalt_: Einleitung. Aufgabe der Naturphil. Naturerkenntnistheorie. -Gesamtbild d. Natur. - - -Philosophisches Wörterbuch - -Von ~Dr.~ _P. Thormeyer_. 2. verbesserte u. vermehrte Auflage. -(Teubners kleine Fachwörterbücher Band 4.) Geb. M. 5.-- - -Sachliche, sprachliche und geschichtliche Erklärung aller wichtigen -philosophischen Fachausdrücke nebst deren häufigeren Verbindungen und -Zusammensetzungen sowie Darstellung der Hauptlehren der bedeutenderen -Philosophen. - - * * * * * - -=Das Grundproblem Kants.= Eine kritische Untersuchung und Einführung in -die Kant-Philosophie. V. Prof. Dr. _A. Brunswig_. Geh. M. 3.60, geb. -M. 6.80. - - -=Hegel und der nationale Machtstaatsgedanke.= Von Dr. _H. Heller_. -[Unter der Presse 1920.] - - -=Persönlichkeit und Weltanschauung.= Psych. Untersuch. z. Religion, -Kunst u. Philos. Von Dr. _R. Müller-Freienfels_. M. Abb. i. T. u. a. 5 -Taf. M. 6.--, geb. M. 9.-- - - -=Himmelsbild und Weltanschauung im Wandel der Zeiten.= Von Prof. -_Troels-Lund_. Aut. Übersetzung von _L. Bloch_. 4. Aufl. Geb. M. 7.50 - - -=Humor als Lebensgefühl.= (Der große Humor.) Von Prof. Dr. _H. -Höffding_. Eine psycholog. Studie. A. d. Dänischen v. _H. Goebel_. Geh. -M. 3.80, geb. M. 5.40 - - -=Aus der Mappe eines Glücklichen.= Von Wirkl. Geh. Oberreg.-Rat -Ministerialdirektor Dr. _R. Jahnke_. 5. Aufl. Kart. M. 5.-- - - -=Gott, Gemüt und Welt.= Goethes Aussprüche über Religion und -religiös-kirchliche Fragen. Von _Theodor Vogel_. 4. Aufl. Geb. M. 5.-- - - -=Das Erlebnis und die Dichtung.= Lessing. Goethe. Novalis. Hölderlin. -Von Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. _W. Dilthey_. 6. Aufl. Mit 1 Titelbild. -Geh. M. 9.--, geb. M. 12.-- - - * * * * * - -AUS WEIMARS VERMÄCHTNIS - -»_Nichts vom Vergänglichen, wie's auch geschah! Uns zu verewigen sind -wir ja da._« - -Im Sinne dieses Goetheschen Spruches soll in dieser Reihe zwanglos -erscheinender Schriften versucht werden, das ewig Lebendige der größten -Zeit deutschen Geisteslebens für Gegenwart und Zukunft fruchtbar zu -machen. -- Zunächst erschienen: - - -=Schiller, Goethe und das deutsche Menschheitsideal.= Von Prof. Dr. _K. -Bornhausen_ (Bd. 1.) Kart. M. 5.-- - -Will den Sinn wecken für den bleibenden Wert des Lebens der -befreundeten Dichter in enger Arbeitsgemeinschaft, das in seiner -Bedeutung für ihr Volk und die Menschheit auch für sie größer war als -sie selbst. Die ihrer Poesie innewohnende Kraft, den Teil des Ganzen zu -vergegenwärtigen, der in ihnen und uns Ewigkeit hat, gilt es fruchtbar -zu machen für die Selbstbesinnung unserer Zeit. - - -=Lebensfragen in unserer klassischen Dichtung.= Von Gymnasialdir. Prof. -_H. Schurig_. (Bd. 2.) Kart. M. 7.50 - -In dem Büchlein soll eine Brücke geschlagen werden zwischen den -Lebenden und der Dichtung, gezeigt werden, wie die Dichtung unserer -großen Klassiker, die das Leben selbst ist, gefaßt in Reinheit und -gehalten im Zauber der Sprache, auch heute noch wahren Lebens Quell -sein kann. - - * * * * * - -Hauptprobleme der Ethik - -Neun Vorträge von Prof. ~Dr.~ _P. Hensel_. 2. Aufl. Kart. M. 3.60 - -»Das Buch _Hensels_ ist die beste Einführung in die Hauptprobleme -der Ethik, des sittlichen Denkens und der sittlichen Welt. Ich wüßte -kein Buch, wo so knapp und scharf die grundlegenden Probleme in ihren -Tiefen erfaßt und gestaltet sind, wo die großen Gesichtspunkte in -dieser überragenden und umfassenden Weite, so daß Inhalte und Werte -des sittlichen Geistes dem Leben und der Welt des Geistes an sich -eingeordnet werden, gesehen und durchgeführt werden.« - - (_Theol. Jahresbericht._) - - -Geist der Erziehung - -Pädagogik auf philosophischer Grundlage. Von Prof. ~Dr.~ _J. Cohn_. -Geheftet M. 10.--, gebunden M. 13.-- - -Eine philosophische Begründung der Pädagogik, die zeigt, wie Erziehung -und erziehende Gemeinschaften zusammenwirken können und müssen, -um unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Kulturlage und der -Eigentümlichkeiten des deutschen Volkes den Zögling zum autonomen Glied -der deutschen Kulturgemeinschaft heranzubilden. - - -Individuum und Gemeinschaft - -Grundfragen der sozialen Theorie und Ethik. Von Prof. ~Dr.~ _Th. Litt_. -Geh. M. 7.--, geb. M. 9.-- - -Von den Erfahrungen und Bedürfnissen des praktischen Lebens ausgehend, -sucht der Verfasser das überreiche soziologische Erfahrungsmaterial der -Gegenwart, insbesondere der jüngsten gesamteuropäischen Krisis, mit -Hilfe der Erkenntnismittel, die die fortschreitende Entwicklung des -sozial- und kulturphilosophischen Denkens geschaffen hat, zu ordnen und -zu deuten und für die soziale Selbsterfassung und Selbstleitung nutzbar -zu machen. - - -Hauptfragen der modernen Kultur - -Von ~Dr.~ _Emil Hammacher_. Geh. M. 10.--, geb. M. 12.-- - -»Man muß das inhaltreiche und fesselnde Buch selbst lesen, um sich von -der Fülle von Anregungen, die es vermittelt, ein Bild zu machen. Neben -den Arbeiten von Jonas Cohn, Adolf Dyroff, Karl Joel, Max Scheler, -Georg Mehlis u. a. wird es als Zeuge eines hohen Idealismus seinen -selbständigen Platz behaupten.« - - (_Deutsche Revue._) - - -Geschichtsphilosophie - -Von Prof. ~Dr.~ _O. Braun_. In einem Bande mit: Grundzüge der histor. -Methode. Von Geh. Reg.-Rat Prof. ~Dr.~ _A. Meister_. 2. Aufl. Geh. -M. 1.50, geb. M. 2.40 - -Der erste Teil gibt eine ausführliche Geschichte der Disziplin vom -Altertum bis zur Gegenwart, der zweite Teil behandelt die bedeutendsten -Probleme und Lösungen der Gegenwart. Überall entwirft der Verfasser -von den wichtigeren Erscheinungen knappe Bilder unter Verknüpfung der -Persönlichkeiten mit den allgemeinen Kulturströmungen. - - -Philosophische Propädeutik - -im Anschluß an Probleme der Einzelwissenschaften. Hrsg. von Geh. -Reg.-Rat u. Oberreg.-Rat ~Dr.~ _G. Lambeck_. Geh. M. 5.60, geb. M. 8.-- - -Zeigt, wie jede Einzelwissenschaft -- Naturwissenschaften, Mathematik, -Geisteswissenschaften -- bestrebt ist, die philosophischen -Voraussetzungen, auf denen sie beruht und die philosophischen Probleme, -die ihr Gebiet einschließen, zu ergründen und zu lösen und so an ihrem -Teile dazu beiträgt, der Philosophie kritisches Material für die -Schaffung eines einheitlichen Weltbildes zu liefern, nach dem jeder -denkende Mensch verlangt. - - -Psychologisches Wörterbuch - -Von ~Dr.~ _F. Giese_. (Teubners kl. Fachwörterbücher.) Geb. ca. M. 6.-- - - -Auf sämtl. Preise Teuerungszuschläge d. Verlags (ab April 1920 100%, -Abänderung vorbeh.) und teilweise der Buchhandlungen - - - - -Teubners kleine Fachwörterbücher - - -bringen _sachliche und worterläuternde Erklärungen aller wichtigeren -Gegenstände und Fachausdrücke_ der einzelnen Gebiete der Natur- und -Geisteswissenschaften. Sie wenden sich an _weiteste Kreise_ und wollen -vor allem auch dem Nichtfachmann eine _verständnisvolle, befriedigende -Lektüre wissenschaftlicher Werke und Zeitschriften_ ermöglichen und den -Zugang zu diesen erleichtern. Dieser Zweck hat Auswahl und Fassung der -einzelnen Erklärungen bestimmt: _Berücksichtigung alles Wesentlichen, -allgemeinverständliche Fassung der Erläuterungen, ausreichende -sprachliche Erklärung der Fachausdrücke_, wie sie namentlich die immer -mehr zurücktretende humanistische Vorbildung erforderlich macht. - -Mit größeren rein wissenschaftlichen Nachschlagewerken können die -kleinen Fachwörterbücher namentlich hinsichtlich der Vollständigkeit -natürlich nicht in Wettbewerb treten, sie verfolgen ja aber auch -ganz andere Zwecke, durch die Preis und Umfang bedingt waren. -Den allgemeinen Konversationslexika gegenüber bieten sie bei den -sich ohnehin mehr und mehr spezialisierenden auch außerfachlichen -Interessen des Einzelnen Vorteile insofern, als die Bearbeitung _den -besonderen Bedürfnissen des einzelnen Fachgebietes besser angepaßt_ -und leichter auf dem neuesten Stand des Wissens gehalten werden kann, -als insbesondere auch die _Neu- und Nachbeschaffung_ der einzelnen -abgeschlossene Gebiete behandelnden Bände bedeutend leichter ist als -die einer Gesamt-Enzyklopädie, deren erster Band gewöhnlich schon -wieder veraltet ist, wenn der letzte erscheint. - -Preis gebunden M. 5.-- bis M. 7.20 - -Hierzu Teuerungszuschläge des Verlags: September 1920 100%, Abänderung -vorbehalten. - -* sind erschienen bzw. werden demnächst erscheinen; die anderen Bände -sind in Vorbereitung. - - *=Philosophisches Wörterbuch.= 2. Aufl. Von ~Dr.~ _P. Thormeyer_. - - *=Psychologisches Wörterbuch= von ~Dr.~ _Fritz Giese_. - - =Literaturgeschichtliches Wörterbuch= von ~Dr.~ _H. Röhl_. - - =Kunstgeschichtliches Wörterbuch= von ~Dr.~ _E. Cohn-Wiener_. - - =Musikalisches Wörterbuch= von Privatdozent ~Dr.~ _J. H. Moser_. - - =Wörterbuch des klassischen Altertums= von ~Dr.~ _B. A. Müller_. - - *=Physikalisches Wörterbuch= von Prof. ~Dr.~ _G. Berndt_. - - =Chemisches Wörterbuch= von Privatdozent ~Dr.~ _H. Remy_. - - =Astronomisches Wörterbuch= von Observator ~Dr.~ _H. Naumann_. - - *=Geologisch-mineralogisches Wörterbuch= von ~Dr.~ _C. W. - Schmidt_. - - *=Geographisches Wörterbuch= von Prof. ~Dr.~ _O. Kende_. - - *=Zoologisches Wörterbuch= von ~Dr.~ _Th. Knottnerus-Meyer_. - - *=Botanisches Wörterbuch= von ~Dr.~ _O. Gerke_. - - *=Wörterbuch der Warenkunde= von Prof. ~Dr.~ _M. Pietsch_. - - *=Handelswörterbuch= von ~Dr.~ _V. Sittel_ u. Justizrat ~Dr.~ _M. - Strauß_. - - * * * * * - -Die Großmächte und die Weltkrise - -Von Prof. ~Dr.~ _R. Kjellén_. Geh. ca. M. 8.--, geb. ca. M. 10.-- - -In dem die Fortführung seiner in 19 Auflagen verbreiteten »Großmächte -der Gegenwart« bildenden Werk beleuchtet der Verfasser im ersten Teil -das System der Großmächte vor dem Weltkriege, sie als die gewaltigsten -Lebenserscheinungen auf der Erde betrachtend, mit leidenschaftlicher -Teilnahme und gespannter Aufmerksamkeit, zugleich aber mit dem scharfen -kühlen Blick, der hinter der Einzelerscheinung die Gesetzmäßigkeit -sucht. Mit kühnem raschen Griff aus der Fülle die wesentlichen Züge -auswählend, schafft Kjellén so ungewöhnlich anschauliche Lebensbilder -der acht Großmächte. Der zweite Teil will ein Wegweiser durch die -Machtprobleme des Weltkrieges sein und bringt eine Kennzeichnung des -Staatensystems, wie es aus dem Kriege hervorgegangen ist. Den Abschluß -bildet eine Betrachtung über das Wesen der Großmacht überhaupt. - - -Das Gymnasium und die neue Zeit - -Fürsprachen und Forderungen für seine Erhaltung und seine Zukunft. Geh. -M. 4.50, geb. M. 6.-- - -Das Buch stellt in längeren Darlegungen und kürzeren Äußerungen -berufener Fürsprecher aus allen Kreisen und Arbeitsgebieten, vor -allem auch von Männern des praktischen Lebens, zusammen, was sich -über Bedeutung der humanistischen Bildung und des Gymnasiums für die -künftige Gestaltung unseres Volkslebens sagen läßt. - - -Zur Einführung in die Philosophie der Gegenwart - -Von Geh. Rat Prof. ~Dr.~ _A. Riehl_. 5. Aufl. Geh. M. 4.50, geb. M. 6.40 - -»... So steigt ein Stück geistiger Menschheitsgeschichte in seinen -wesentlichen Umrissen mit herauf, und indem wir uns um die Sache -bemühen, lernen wir große Menschen kennen, die für uns gelebt haben und -uns einladen, mit ihnen zu leben.« - - (Tägl. Rundschau.) - - -Persönlichkeit und Weltanschauung - -Psychol. Untersuch. zu Religion, Kunst u. Philosophie. Von ~Dr.~ _R. -Müller-Freienfels_. Mit Abb. im Text u. auf 5 Taf. Geh. M. 6.--, geb. -M. 9.-- - - -Aus Weimars Vermächtnis - -»Nichts vom Vergänglichen, wie's auch geschah! Uns zu verewigen sind -wir ja da.« Im Sinne dieses Goetheschen Spruches soll in dieser Reihe -zwanglos erscheinender Schriften versucht werden, das ewig Lebendige -der größten Zeit deutschen Geisteslebens für Gegenwart und Zukunft -fruchtbar zu machen. -- Zunächst erschienen: - -=Schiller, Goethe und das deutsche Menschheitsideal.= Von Prof. _K. -Bornhausen_. (Bd. 1.) Kart. M. 5.-- - -=Lebensfragen in unserer klassischen Dichtung.= Von Gymnasialdirektor -Prof. _H. Schurig_. (Bd. 2.) - - -Das Erlebnis und die Dichtung - -Lessing. Goethe. Novalis. Hölderlin. Von Geh. Reg.-Rat Prof. ~Dr.~ _W. -Dilthey_. 6. Aufl. Mit 1 Titelbild. Geheftet M. 9.--, geb. M. 12.-- - -»Aus den tiefsten Blicken in die Psyche der Dichter, dem klaren -Verständnis für die historischen Bestimmungen, in denen sie leben und -schaffen mußten, kommt Dilthey zu einer Würdigung poetischen Schaffens, -die eine selbständigfreie Stellung einnimmt.« - - (Die Hilfe.) - - -Kapitalismus und Sozialismus - -Betrachtungen über die Grundlagen der gegenwärtigen Wirtschaftsordnung -sowie die Voraussetzungen und Folgen des Sozialismus. Von Geh. -Regierungsrat Prof. ~Dr.~ _L. Pohle_. 2. Aufl. Geh. M. 6.--, geb. -M. 7.-- - - -Auf sämtliche Preise Teuerungszuschläge des Verlags: Sept. 1920 100%, -Abänd. vorbeh. - - -Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin - - - - - Weitere Anmerkungen zur Transkription - - - Der Buchkatalog _Aus Natur und Geisteswelt_ ist als eigenes Projekt - im Project Gutenberg unter Nummer 53614 verfügbar und wurde hier - entfernt. - - Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Die - Darstellung der Ellipsen wurde vereinheitlicht. - - Korrekturen: - - S. 8: Debattern → Debattierern - zu wirksamen Rednern und schlagfertigen {Debattierern} ausbilden - - S. 63: bei → zu - warum {zu} Spinozas Lebzeiten - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Führende Denker, by Jonas Cohn - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK FÜHRENDE DENKER *** - -***** This file should be named 56110-0.txt or 56110-0.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/6/1/1/56110/ - -Produced by The Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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Information about the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by -U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the -mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its -volunteers and employees are scattered throughout numerous -locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt -Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to -date contact information can be found at the Foundation's web site and -official page at www.gutenberg.org/contact - -For additional contact information: - - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. 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