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If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - - - - -Title: Das wandernde Licht - - -Author: Ernst von Wildenbruch - - - -Release Date: September 19, 2017 [eBook #55580] - -Language: German - -Character set encoding: ISO-8859-1 - - -***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS WANDERNDE LICHT*** - - -E-text prepared by the Online Distributed Proofreading Team -(http://www.pgdp.net) - - - -Hinweise zur Transkription - - Das Originalbuch ist in Frakturschrift gedruckt. - - Symbole für abweichende Schriftarten: - _gesperrt_ - ~kursiv~ - #fett# - =Antiqua= - ^Schwabacher^ - - - - - -Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek. -Eine Auswahl der besten modernen Romane aller Völker. -Zehnter Jahrgang. Band 3. - -DAS WANDERNDE LICHT. - -Novelle - -von - -ERNST VON WILDENBRUCH. - - - - - - -Stuttgart. -Verlag von J. Engelhorn. -1893. - -Alle Rechte, namentlich das Übersetzungsrecht, vorbehalten. - -Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart. - - - - -An der kleinen Station, die nicht weit hinter Breslau an dem großen -Schienenstrange liegt, der, Schlesien durchquerend, Berlin mit Wien -verbindet, war zu später Abendstunde der Eisenbahnzug angekommen. - -Es war keiner von den Kurierzügen; wenige Fahrgäste nur saßen in den -Wagen verteilt; auf der Station stiegen nicht mehr als zwei Reisende -aus. Dies waren zwei Männer, von denen der eine, der bejahrter und -dicker als der andre war, sogleich von dem Gepäckträger des Bahnhofs in -Empfang genommen und begrüßt wurde. Er schien am Orte bekannt zu sein, -und das war natürlich genug, denn es war der Arzt, der in der kleinen, -etwa zwei Meilen hinter der Station landeinwärts gelegenen Stadt seinen -Wohnsitz hatte. - -»Ist der Wagen da?« fragte er den Gepäckträger, dem er seine Reisetasche -anvertraute; er war offenbar nur zu einem kurzen Ausfluge von Hause fort -gewesen. - -»Is da, Herr Dukter,« erwiderte jener; »die Frau Dukter hat och den -Mantel für'n Herrn mit eingelegt, wird aber nicht nötig sein, is -scheenes Wetter heut abend zur Nacht.« - -Jetzt wandte sich der Arzt an den Mitreisenden. - -»Wollen Sie nicht auch nach -- fahren?« Und er nannte den Namen des -Städtchens. - -Der Angeredete bejahte. Er wollte am nächsten Tage noch weiter ins Land -hinein; darum hatte er die Absicht gehabt, in der Stadt zu übernachten. - -Mit einem raschen Blick stellte der Doktor fest, daß außer einem Koffer -nichts weiter an ihm hing. - -»Wenn's Ihnen also recht ist,« meinte er, »steigen Sie mit ein, und wir -fahren zusammen.« - -Das wurde angenommen, und bald darauf rasselte der Wagen mit seinen -Insassen durch das Gitterthor des Bahnhofgebäudes auf die Chaussee -hinaus, die sich im Mondlicht wie ein weißes flimmerndes Band in das -Land hinein verlor. - -Es war, wie der Gepäckträger gesagt hatte, schönes Wetter heut abend zur -Nacht. - -Man befand sich im Juli; zu beiden Seiten der Chaussee stand das -reifende Korn auf den Feldern; über dem weiten, flachen Lande lag die -tiefe, süße Stille der Sommernacht, nicht unterbrochen, sondern nur -eindringlicher gemacht durch das Gequak der Frösche, in das sich von -Zeit zu Zeit der dumpfe Ruf der Rohrdommel mischte. - -Um die Fahrt zu verkürzen, bog jetzt der Kutscher von der Chaussee in -einen Weg ab, der quer durchs Land einen Bogen der großen Fahrstraße -abschnitt. Obschon man hier stellenweise durch sandigen Untergrund -hindurch mußte, blieben die kräftigen Braunen, die vor den Wagen -gespannt waren, in munterem Trabe, so daß man gut vom Flecke kam. - -Nach einer halben Stunde etwa tauchten vor den Reisenden die dunklen -Umrisse eines baumreichen Parks auf, und indem man näher kam, sah man -über den Bäumen ein Haus emporsteigen. Vielleicht war es das Dunkel der -Nacht, welches die Linien des Gebäudes undeutlich machte -- jedenfalls -erschien es, von hier unten gesehen, außerordentlich groß, beinahe -kolossal. - -»Ist das das Schloß, das zu dem Park gehört?« unterbrach der zweite -Reisende, der im Lande fremd zu sein schien, die Stille, die bisher im -Wagen geherrscht hatte. - -»Jawohl, das ist das Schloß,« erwiderte der Arzt. »Ein gehöriger Kasten! -Nicht wahr?« - -Die Bezeichnung traf zu. Einem ungeheuren finstern Kasten sah das -Bauwerk ähnlich, wie es in seiner schweren Masse, lautlos, scheinbar -leblos, auf der Terrasse über dem Parke lag, und mit den schwarzen, -lichtlosen Fenstern in die dunkle Nacht hinausstierte. - -Indem die Blicke des Reisenden noch an dem merkwürdigen Bilde hafteten, -griff der Kutscher mit einem plötzlichen Ruck in die Zügel, so daß die -Pferde zum Stehen kamen. - -»Herr Dukter,« wandte er sich vom Bocke zum Wagen um, »itze sucht er -wieder -- da!« - -Mit dem Peitschenstiele deutete er auf das Schloß hin; die Augen des -Arztes und seines Begleiters folgten der angegebenen Richtung. - -In dem toten Hause war es lebendig geworden. - -Hinter einem der dunklen Fenster, und zwar demjenigen, welches sich an -der äußersten Ecke des Hauses befand, dämmerte ein Lichtschein auf, der -sich allmählich verstärkte, so daß es aussah, als käme eine Leuchte aus -dem hinteren Teile eines weitläufigen Gelasses langsam nach vorn. - -Dann blieb das Licht stehen, flackerte eine Zeitlang hin und her, als -würde die Leuchte von der Hand, die sie trug, im Kreise umhergeführt; -alsdann verdunkelte sich das erste Fenster, das danebenliegende wurde -hell -- das Licht wanderte. Man konnte wahrnehmen, wie es aus dem ersten -Zimmer in das anstoßende Gemach ging. Dort blieb es abermals stehen, und -der Vorgang von vorhin wiederholte sich. Aus dem zweiten wanderte es -in das dritte, und so die ganze lange Flucht von Zimmern entlang, und -jedesmal das flackernde Umherfahren, jedesmal aber hastiger, als würde -die Hand, die die Leuchte trug, immer erregter, als suchte das Licht -etwas in den Ecken der Gemächer, und fände nicht, wonach es suchte. Wie -das Ringen einer stummen, verzweifelten Seele, beinahe gespensterhaft -sah das alles aus. - -Zwölf Fenster befanden sich in der langen Front des Schlosses; an allen -zwölf wanderte das Licht entlang, bis daß es endlich in das letzte, von -dem ersten Zimmer entfernteste Gemach gekommen zu sein schien. - -Hier wurden die Bewegungen noch ungestümer als zuvor, das Licht fuhr -herauf und herab, daß es aussah, als suchte es am Fußboden umher. - -»Itze is er in ihrem Schlafzimmer,« sagte der Kutscher, der kein Auge -von dem Vorgange verwandt hatte. - -»Ja, jetzt ist er in ihrem Schlafzimmer,« bestätigte der Arzt. In dem -Augenblick aber trat eine neue Erscheinung ein: das Licht, das ganz -tief am Boden umhergeglitten war, als suchte es unter Möbeln und Betten, -wurde plötzlich hoch gehoben und stand ruhig und still, ohne weiter -umherzuirren und zu flackern. Es sah aus, als wäre eine andre, festere -Hand hinzugekommen, die es der ersten abgenommen hatte und emporhielt. -Dies dauerte einige Zeit, dann verdämmerte der Lichtschein nach dem -Hintergrunde des Zimmers, verschwand sodann völlig, und gleich darauf -lag das Schloß wieder finster und leblos da, wie es zuvor gelegen hatte. - -»Itze is der Johann gekommen und hat ihn geheißen vernünftig sein,« -sagte der Kutscher, indem er leise in sich hineinlachte, wie jemand, der -sich gegrauelt hat und froh ist, daß der Spuk zu Ende ist. - -»Es scheint,« erwiderte der Arzt, »jetzt ist der Johann gekommen. Also --- fahr auch zu.« - -Er lehnte sich zurück; der Kutscher schnalzte mit der Zunge, und -die Pferde zogen wieder an. Wenige Minuten später lag das Schloß den -Fahrenden im Rücken. - -Der zweite Reisende, der das abenteuerliche Schauspiel schweigend -beobachtet hatte, wandte sich jetzt an seinen Begleiter. Aus dem -Gespräche des Arztes und des Kutschers hatte er entnommen, daß der -rätselhafte Vorgang ihnen verständlich erschien. - -»Können Sie mir denn sagen,« fragte er, »was das alles für eine -Bewandtnis hat?« - -Es erfolgte zunächst keine Antwort. Der Arzt saß in seiner Wagenecke -und brummte vor sich hin; er schien nicht recht aufgelegt, Auskunft zu -erteilen. - -»Sie sind wohl nicht aus der Gegend?« fragte er dann zurück. - -»Nein -- warum?« - -»Hm -- nu ja --« meinte der Arzt, »weil sonst -- haben Sie nie von den -Fahrenwalds gehört?« - -»Fahrenwalds?« - -»Nu ja -- die Freiherren von Fahrenwald.« - -»Niemals gehört,« versicherte der Gefragte. - -Der Arzt brummte wieder vor sich hin; es klang beinahe wie Mißbilligung. -Als echter Schlesier konnte er kaum begreifen, daß jemand von einem -Geschlechte, wie das der Fahrenwalds, nichts wissen sollte. - -»Gehört denen das Schloß?« fuhr der Reisende nach einer Pause fort. - -»Nu, das versteht sich,« entgegnete der Arzt, »der Baron, der jetzt da -oben sitzt, ist der letzte von ihnen.« - -Er drückte sich tiefer in seinen Sitz. - -»Aber wenn Sie fremd sind -- es sind Sachen -- man thut schon besser, -man spricht nicht viel davon.« - -Der andre wurde immer neugieriger. - -»Ist etwas los mit dem jetzigen Baron?« - -»Nu -- was soll mit ihm los sein?« sagte der Arzt, dessen Antworten -immer zögernder wurden, »man könnte halt eben von ihm sagen: es blakt -bei ihm ein wenig.« - -»Es -- blakt?« fragte der Gefährte. »Was meinen Sie damit?« - -Der Arzt lachte in sein feistes Doppelkinn. - -»Nu, sehen Sie, das Gehirn der Menschen, damit ist's so ungefähr wie -mit den Lampen. Bei den einen brennt das ruhig und manierlich, bei den -andern flickert's und flackert's, und endlich gibt's welche, bei denen -die Lampe blakt.« - -»Also -- irrsinnig?« - -Der Arzt schlug mit der Hand durch die Luft und wandte den Kopf nach der -andern Seite. - -Eine längere Pause entstand. - -Dann fing der andre wieder an. - -»Und -- er hat also eine Frau?« - -Der Arzt warf den Kopf herum. - -»Wieso?« fragte er. - -»Nun -- weil Sie doch vorhin sagten, daß er jetzt in ihrem Schlafzimmer -wäre.« - -Der Arzt stieß einen schnaubenden Seufzer aus. Es war ihm offenbar -nicht lieb, daß er so ausgeholt wurde, und er ärgerte sich, daß er schon -zuviel gesagt hatte. - -»Eine Frau,« sagte er dann, »kann ja sein, daß er eine hat, oder -wenigstens gehabt hat. Aber das ist eine Sache, wo es schon am besten -ist, wenn man halt gar nicht davon spricht.« - -Er seufzte noch einmal; seine Stimme sank herab, daß es wie ein -Selbstgespräch klang: »Die Frauensleute -- das ist ja manchmal nicht -viel anders als die Schafe, die ins Feuer laufen, weil es glänzt. -Nachher, wenn sie drinnen sind, merken sie, daß es auch brennt, aber -dann ist's zu spät.« - -Er schüttelte die Achseln und reckte sich auf. - -»Aber, wie gesagt -- da wird alles Mögliche geredet -- denn wovon reden -die Leute nicht -- und wenn man nachher zusieht, wer etwas weiß, ist -niemand, der etwas Sicheres weiß. Darum mein' ich schon, es ist halt das -beste, man spricht nicht davon. Und ich für mein Teil, ich meine, es -ist gut, wenn einer keine Verpflichtung hat, sich um gewisse Dinge zu -bekümmern. Dann soll er sich auch nicht darum bekümmern. Und ich habe -keine Verpflichtung, mich geht's nichts an -- also bekümmere ich mich -nicht drum.« - -Damit lehnte er sich tief in die Wagenecke zurück, wie jemand, der genug -gesagt hat und nichts weiter sagen will. Der andre schien es zu fühlen -und schwieg. Die Andeutungen des Arztes hatten ihm die Sache beinahe -noch dunkler gemacht, als sie gewesen war. Irgend ein Vorgang mußte sich -da oben abgespielt haben, vielleicht sogar ein schrecklicher, aber was? - -Immerfort sah er das stumme Licht hinter den Fenstern des toten Hauses -dahinwandern, von Zimmer zu Zimmer, wie ein schlummerloses böses -Gewissen, immerfort das zuckende Umherfahren der Leuchte, das Suchen in -den Ecken der Gemächer, am Fußboden entlang, unter Möbeln und Betten, -das wilde verzweifelte Suchen. Wer war der nächtliche Wanderer? Wen -suchte das Licht? Ein Schauder bedrückte ihm das Herz -- was mochte das -finstere Haus gesehen haben? - - * * * * * - -In den Breslauer Gesellschaftskreisen war vor einiger Zeit eine -Persönlichkeit aufgetreten, deren Erscheinen in den Familien, denen -sie Besuch machte, jedesmal eine gewisse Aufregung, eine Mischung von -geschmeicheltem Stolz und von beklommener Sorge hervorrief. Das war der -Baron Eberhard von Fahrenwald. - -Alle Welt kannte den Namen und den Reichtum des Geschlechts, alle Welt -aber munkelte auch, daß es mit den Fahrenwalds nicht recht richtig sei. - -Jahrelang nach dem Tode des Vaters war der Baron Eberhard unsichtbar, -wie verschwunden gewesen. Wo hatte er gesteckt? Einige behaupteten, er -hätte Reisen um die Welt gemacht, andre, er wäre gar nicht von seinem -Schlosse fortgekommen, sondern hätte vergraben und verborgen unter -seinen Büchern gelebt, eine dritte Art von Berichterstattern endlich -wußte zu erzählen, daß er ganz einfach in einer Anstalt untergebracht -gewesen sei. Anverwandte, von denen man Gewisses und Genaues hätte -erfahren können, waren nicht vorhanden; die Fahrenwalds waren wie ein -alter, verdorrender Baum, der keine Aeste mehr treibt, von dem nur noch -der Stamm übrig geblieben ist. - -Und nun tauchte diese geheimnisvolle Persönlichkeit plötzlich auf, -machte Besuche und that alles das, wodurch Menschen anzudeuten pflegen, -daß sie mit Menschen verkehren wollen. Und doppelt auffällig -- seine -Besuche galten vornehmlich den Familien, wo Töchter im Hause waren. Was -hatte das zu bedeuten? Etwa, daß er daran dachte --? Man konnte es den -Eltern im Grunde nicht verdenken, wenn sie sich aufgeregt fühlten. - -Einen Freiherrn von Fahrenwald zum Schwiegersohn zu besitzen, die eigene -Tochter als Gebieterin eines großen Vermögens, als Besitzerin eines -von aller Welt gepriesenen Herrensitzes zu wissen -- unter normalen -Umständen wäre es ja ein Ziel gewesen, »aufs innigste zu wünschen«. Aber -so -- wie nun einmal die Verhältnisse jetzt lagen -- - -Erklärlicherweise bemächtigte sich die Aufregung der Eltern in noch -stärkerem Maße der Töchter selbst. Neugier mischte sich mit Grauen; es -war eigentlich ein noch nie dagewesener Gesellschaftsreiz. - -Sobald es feststand, daß der »verrückte Baron« -- denn unter dieser -Bezeichnung ging er kurzweg -- zu einer Gesellschaft eingeladen sei und -erscheinen würde, flogen die jungen Damen auf, von Haus zu Haus, herüber -und hinüber, und es gab ein Gewisper und Geflüster, ein Kichern und -Lachen, und ein wollüstig wonnevolles Graueln. - -Wie doppelt begehrenswert man sich erschien! Wie man sich gegenseitig -darauf ansah, auf welche von ihnen wohl der unheimliche Mensch die -Augen richten, nach welcher von ihnen er die Hand ausstrecken würde! Die -blühenden Wangen beugten sich zu einander, die kleinen Hände drückten -sich mit gegenseitigem Verständnis -- es war wie ein erregter -Taubenschwarm, über dem der Habicht in Lüften steht. - -Man kann sich hiernach vorstellen, wie eigentümlich und gepreßt der -Empfang war, der dem Baron Eberhard von Fahrenwald zu teil wurde, so oft -er in Gesellschaften erschien. - -Seine persönliche Erscheinung und die Art seines Auftretens bestärkte -alles das, was über ihn gemunkelt und geredet wurde. - -Man wußte, daß er stets von seinem Diener begleitet wurde, der nie von -seinen Schritten wich und ihm zu jeder Gesellschaft folgte. - -Dieser Diener war ein langer, hagerer, eisgrauer Mann, mit einem von -schweren Runzeln durchfurchten Gesicht, aus dem eine starke, gekrümmte -Nase hervorragte. Stets in schwarzem Frack und weißer Krawatte, wie ein -versteinerter Ueberrest aus der Zeit, da es noch große Herren und große -Kammerdiener gab. - -Nie hatte man ein Wort aus seinem Munde vernommen, kaum einmal hatte -man gesehen, daß er nach rechts oder links blickte -- an einem einzigen -Gegenstande haftete sein Denken und Sinnen, das war sein Herr. - -Jeden Abend, wenn er den Baron zu einer Gesellschaft begleitete, -wiederholte sich ein besonderer Vorgang: er stand hinter seinem Herrn -und nahm ihm mit schweigender Würde den Mantel ab; währenddem wandte der -Baron sich zu ihm um und sagte: »Geh nach Haus, Johann, und hole mich -nachher ab.« Jedesmal, so oft der Baron dieses sagte, verneigte sich der -alte Johann, feierlich wie ein Senator, nahm den Mantel seines Herrn an -sich und ging nicht nach Haus. Im Dienerzimmer setzte er sich nieder, -ernst, würdevoll und schweigsam, und wartete, bis die Gesellschaft zu -Ende war. Sobald der Baron dann heraustrat, stand der Alte schon wieder -da, den Mantel in beiden Händen, stumm, regungslos, wie eine Bildsäule. -Natürlich hatten die Diener und Hausmädchen der Häuser, wo die -Gesellschaften stattfanden, sich bemüht, den komischen alten Kerl zum -Sprechen zu bringen und über seinen Herrn auszuholen, aber sie hatten -ihre Versuche aufgeben müssen; sie hätten ebensogut zu einem Stein -sprechen können; der Alte hatte nicht einmal gethan, als ob er sie -überhaupt vernähme. - -Ein einziges Mal hatte er ein Lebenszeichen gegeben -- der Fall -war sorgfältig registriert worden -- als einmal ein schnippisches -Stubenmädchen in seiner Gegenwart gesagt hatte, nun würde der Herr Baron -wohl nächstens heiraten und eine Frau Baronin nach Haus bringen. Er -wäre so zusammengezuckt, erzählte das Mädchen, als er das gehört, daß -es nicht anders ausgesehen hätte, als wenn er sich schüttelte, und -dann hätte er sie mit einem Blick angesehen -- ganz gräßlich, sagte das -Mädchen. Und dann hätte er die Achseln gezuckt, ganz hoch hinauf, -und alsdann wieder stumm dagesessen. Und das Achselzucken, das hätte -ausgesehen, als wollte er sagen: »Was redst du denn? Weißt du denn -nicht, daß er verrückt ist?« - -Seitdem stand es für die Dienerschaft fest: der Baron von Fahrenwald -war verrückt. Der alte Johann war sein Wärter, und der Wärter hatte es -gesagt. - -Und aus dem Dienerzimmer flüsterte sich das, wie es ja stets geschieht, -in die herrschaftlichen Zimmer hinüber: der Baron von Fahrenwald war -verrückt. - -Und wer, der ihn ansah, hätte zweifeln können, daß es wirklich also war? - -Wenn die Thür sich aufthat und er hereintrat mit langsam schleppendem -Schritt, ein langer, eckiger Mann, mit dunklem, fast schwarzem Haar, -das bleiche, beinahe marmorweiße Gesicht von dunklem Barte umrahmt, dann -legte es sich unwillkürlich wie ein Alp auf die Anwesenden, Wirte und -Gäste, Herren und Damen. - -Und dieser Bann ging hauptsächlich von den Augen des Mannes aus, die -ganz tief, wie zwei dunkle tiefe Löcher in dem bleichen Gesichte lagen, -und aus denen ein starrender, suchender, bohrender Blick hervorgekrochen -kam, langsam, beinahe wie ein Wurm. - -»Er sieht eigentlich kolossal interessant aus,« hatte die junge Komtesse -Karmsdorf, als sie ihn zum erstenmal erblickte, hinter dem Fächer hervor -zu ihren Freundinnen gesagt, »aber da man weiß, wie es mit ihm steht, -ist es des Interessanten denn doch ein bißchen zu viel.« - -Die Freundinnen hatten kopfnickend und kichernd bestätigt, daß es so -sei, und als der Baron Miene machte, auf sie zuzutreten, waren sie samt -und sonders, wie von einem panischen Schrecken erfaßt, nach einer andern -Ecke des Saales entwischt, und es hatte nicht viel gefehlt, so hätten -sie laut aufgekreischt. - -So erging es dem Baron Eberhard von Fahrenwald. Die Wirte, die ihn -eingeladen hatten, konnten sich seiner Begrüßung natürlich nicht -entziehen. Aber wenn er alsdann mit schwerer, eckiger Verbeugung auf -sie zutrat, sah man ihm an, wie wenig er in fröhlich ausgelassene -Gesellschaft paßte. Er versuchte, sein Gesicht zu einem verbindlichen -Ausdruck zurechtzulegen, zu lächeln, aber das Lächeln wollte sich so gar -nicht mit dem bleichen, schwermütigen Gesicht verstehen, es sah aus, als -thäte es ihm weh. - -Beim Tanze blieb er Zuschauer, am Kartenspiel nahm er nicht teil, so -blieb er einsam, und das wiederholte sich in jeder Gesellschaft, so daß -man sich unwillkürlich fragte, wie lange er die zwecklosen Besuche und -Versuche fortsetzen würde. - -Offenbar fühlte er das selbst, denn der Ausdruck dumpfer Schwermut -in seinem Gesichte verstärkte sich von einem zum andern Mal, seine -Bewegungen wurden immer schleppender, es sah aus, als ermüdete der Mann -unter der Last des Daseins. - -So näherte sich der Winter seinem Ende. Ein großes Ballfest wurde -gegeben, dem der Baron, einsam und teilnahmlos wie gewöhnlich, -beiwohnte. - -Indem er, an den Thürpfosten des Nebenzimmers gelehnt, dem wirbelnden -Tanze zuschaute, der im Saale auf und nieder flog, richtete er plötzlich -das Haupt zur Seite -- es war ihm gewesen -- - -Auf einem Stuhle, dicht an die Wand gerückt, saß ein junges Mädchen. Sie -nahm nicht teil am Tanze, offenbar, weil sie nicht aufgefordert worden -war, ein Mauerblümchen, wie man zu sagen pflegt. - -Wenn man sie ansah, begriff man das einigermaßen; sie hatte etwas -Unscheinbares; sie war nicht besonders hübsch und, wie es schien, arm. -Ein schmaler Silberreif um den Hals, das war der ganze Schmuck des -jungen Körpers; ihr dürftiges weißes Tüllkleidchen stach von den -Gewandungen ihrer reicheren, glücklicheren Altersgenossinnen ab. - -Indem der Baron den Kopf nach ihr umwandte, bemerkte er, daß sie ihn -schon längere Zeit von der Seite betrachtet hatte. Er sah zwei runde, -nicht besonders schöne, aber unendlich gutmütige Augen, die stumm -beobachtend, aber ohne Neugier auf ihm ruhten. Jetzt, da er zu ihr -hinblickte, senkte sie die Augen, und er gewann Zeit, sie von seiner -Seite zu betrachten. - -Sie war in Verlegenheit etwas errötet; um den kleinen Mund, der sich ein -wenig nach vorn zuspitzte, war ein unmerkliches Zittern; dadurch -erhielt das ganze Gesichtchen etwas Trauriges, beinahe, als wenn es mit -verhaltenem Weinen kämpfte. - -Er war also nicht der einzige Einsame heute abend; da war noch eine, und -er sah es ihr an, sie fühlte sich unglücklich. Solch ein junges Mädchen, -das zum Balle eingeladen, nicht zum Tanze aufgefordert wird und in der -Ecke sitzen bleibt, leidet ja in Wirklichkeit ganz bitterlich; alle -Qualen der Zurücksetzung lasten auf der armen jungen Seele. - -Jetzt schrak die einsame Kleine leise auf, die Röte auf ihren Wangen -wich einer tiefen Blässe, ihre Hände, die einen mageren Fächer im Schoße -hielten, preßten sich zusammen -- der Baron Eberhard von Fahrenwald -hatte sich neben sie gesetzt. Sie hatte natürlich, wie alle andern, von -dem »verrückten Baron« erzählen gehört, und nun saß er plötzlich neben -ihr, nicht durch Zufall, sondern weil er sie aufgesucht hatte. Es wurde -ihr unheimlich zu Mute. - -Vorhin, als sie den blassen einsamen Mann, dem man das Unglück am -Gesicht ansah, an der Thür hatte lehnen sehen, war ihr Herz ganz von -tiefem Mitleid erfüllt gewesen -- jetzt fühlte sie eine Angst, die ihr -die Nähe des unheimlichen Menschen verursachte. - -Eine Zeit lang saßen beide schweigend, dann erhob der Baron das Gesicht. - -»Es thut mir so leid,« sagte er, »daß ich nicht tanze, gnädiges -Fräulein, sonst würde ich um die Erlaubnis bitten, Sie dort hineinführen -zu dürfen.« - -Er hatte mit dem Kopfe nach dem Tanzsaale gedeutet; mit unwillkürlichem -Staunen wandte sie sich zu ihm um und sah ihm ins Gesicht. War das die -Stimme eines »Verrückten«? - -Ein so tiefer, milder Wohlklang lag in den einfachen Worten; etwas so -Sanftes, so Warmes, so Gütiges kam von ihm zu ihr herüber, daß es -ihr war, als hätte eine Hand ihre Hand erfaßt, mit liebem, tröstendem -Drucke. - -Schweigend blickte sie ihn an und war sich kaum bewußt, daß sie es -that. Schweigend hielt er die Blicke in die ihrigen gerichtet; in seinen -tiefen geheimnisvollen Augen erwachte etwas, wie eine sehnende Frage, -wie ein Hoffen, das sich nicht hervorgetraut, wie ein verstohlenes -Leuchten in lichtloser Nacht. - -So saßen die beiden, von niemand beachtet, nach niemand fragend, wie -zwei Leidensgefährten, die unausgesprochenes Verständnis zu einander -führt, und nach einiger Zeit schob er, ohne ein Wort zu sagen, die Hand -zu ihr hin, und ohne ein Wort zu erwidern, löste sich ihre kleine Hand -vom Fächer, den sie immer noch krampfhaft umspannt hielt, und senkte -sich zitternd in seine Hand. Und als sie nun den leidenschaftlichen -Griff fühlte, mit dem er ihre Finger zusammenpreßte, erschrak sie; aber -als sie dann fühlte, wie er sogleich, indem er ihren Schreck empfand, -den Druck mäßigte, faßte sie neues Vertrauen. Welche Aufmerksamkeit -sprach aus seiner Bewegung, welche Zartheit; es war, als streichelten -seine Finger ihre erschreckte Hand, als spräche seine Hand: »Ich thue -dir nichts, fürchte dich nicht.« - -Sie kamen dann ins Gespräch, und im Verlaufe desselben erfuhr er -Genaueres über die Kleine. - -Anna von Glassner hieß sie und war eine Waise. Ihre Eltern hatten ihr so -gut wie nichts hinterlassen, und weil sie doch irgendwo bleiben mußte, -war sie von einem entfernten Onkel, einem alten pensionierten Major und -dessen Frau aufgenommen worden. Bei denen wohnte sie in Breslau, und es -war nicht schwer, aus ihren Andeutungen zu entnehmen, daß der Aufenthalt -ein ziemlich trübseliger war. - -Die alten, kränklichen, kinderlosen Leute besuchten keine -Gesellschaften, weil sie sie nicht erwidern konnten; bei Gelegenheiten, -wie die heutige eine war, ließen sie das junge Mädchen allein gehen und -durch das Dienstmädchen aus der Gesellschaft abholen. - -»Wollten Sie mir sagen,« fragte sie nach einiger Zeit den Baron, »welche -Zeit es ist? Ich darf nicht zu spät nach Haus kommen.« Der Baron sah -nach der Uhr. Sie raffte ihr dünnes Kleidchen zusammen. »Dann muß ich -gehen.« - -»So früh schon?« - -»Mein Onkel und meine Tante schlafen so schlecht,« erwiderte sie, »und -haben es nicht gern, wenn ich sie so spät in der Nacht störe.« - -Sie erhob sich; zugleich mit ihr stand er auf. - -»Ich werde auch gehen,« sagte er. - -Sie senkte das Köpfchen und errötete. - -Auf dem Flure draußen saß die Köchin, die sie erwartete. Eine Person -mit groben, mißmutigen Zügen, der man ansah, wie wenig Vergnügen es ihr -bereitete, daß sie, neben der gewöhnlichen Tagesarbeit, jetzt auch -noch durch die Winternacht laufen mußte, um das »Fräulein« nach Haus zu -bringen. - -Ein Paar Gummischuhe standen neben ihr, die sie dem jungen Mädchen mit -nicht übermäßiger Verbindlichkeit zuschob. Während Anna ihre kleinen, -mit weißen Atlasschuhen bekleideten Füße in die Ueberschuhe zwängte, -stand der Baron hinter ihr und sah zu. Die Köchin trat heran und gab ihr -den Mantel um, ein dickes, schweres Kleidungsstück von grobem, dunklem -Tuch, unter dem die jugendliche Gestalt ganz unkenntlich und unförmlich -wurde. Jetzt wandte sich Anna, und da sie den Baron noch immer stehen -sah, wollte sie mit einer flüchtigen Neigung des Kopfes an ihm vorüber. - -Mit einem hastigen Schritte war er an ihrer Seite. - -»Darf ich Sie um eine Gnade bitten?« fragte er. - -Erstaunt, beinahe erschreckt, blickte sie auf. - -»Wollen Sie meinen Wagen benutzen, damit er Sie nach Haus bringt?« - -Nun erschrak sie wirklich. - -»Ach nein -- wie könnte ich das -- nein wirklich --« - -Er wich einen halben Schritt zurück; ihre Schüchternheit erschien ihm -als Angst; sie fürchtete sich also auch vor ihm. Als er so jählings -verstummte, erhob sie unwillkürlich das Haupt. Sie sah, wie der Kummer -in seine Züge zurückgekehrt war. - -»Ich -- weiß wirklich gar nicht« -- begann sie stockend. »Sie -- sind -wirklich -- so gut zu mir --« - -Wie neubelebt trat er wieder heran. - -»Ach, wenn Sie es annehmen wollten,« flüsterte er, »wenn Sie wüßten, was -für eine Freude Sie mir damit bereiten würden.« - -Nun konnte sie nicht mehr »nein« sagen; mit einer leisen Neigung senkte -sie das Haupt. - -Der Baron wandte sich rasch zurück. Hinter ihm stand der alte Johann, -den Pelzmantel seines Herrn in Händen, regungslos wie eine Bildsäule, -mit starren, sonderbaren Augen auf den Baron und das Fräulein blickend. - -»Ist der Wagen da?« fragte der Baron. - -Der Alte verneigte sich mit schweigender Würde. Hurtig fuhr der Baron in -den Mantel, dann bot er Anna von Glassner den Arm. - -»Darf ich Sie hinunterführen?« - -Von ihm geleitet stieg das junge Mädchen die Treppe hinab; die Köchin -folgte hinterdrein. - -Vor der Hausthür stand ein verdecktes Coupé mit einem mächtigen Pferde -bespannt; zwei strahlende Wagenlaternen warfen ihr Licht in die Straße -hinaus. - -Anna wich beinahe zurück -- in solch' eleganten Wagen sollte sie sich -hineinsetzen? - -Der Baron aber hatte bereits den Schlag geöffnet und bot ihr die Hand -zum Einsteigen. Indem er ihre Hand ergriff, zog er sie an die Lippen, -und sie fühlte, wie er den Mund darauf preßte, einmal, zweimal, -leidenschaftlich. - -»Leben Sie wohl,« sagte er leise, »leben Sie wohl, ich sehe Sie wieder? -Nicht wahr, ich sehe Sie wieder?« - -Anna war keiner Antwort fähig. Wie in Betäubung stieg sie in den Wagen -und sank in eine Ecke, nach ihr kam die Köchin, die sich gesperrt -und geweigert hatte, und erst auf ein »nur zu« des Barons sich zum -Einsteigen entschloß. - -Der Baron ließ sich Straße und Hausnummer angeben, rief sie dem Kutscher -zu, und im nächsten Augenblick rasselte der Wagen von dannen. - -In ihren Mantel gewickelt saß Anna da und fragte sich, ob das alles ein -Traum sei, was sie erlebte. - -Für gewöhnlich reichten ihre Mittel gerade zu einer Fahrt auf der -Pferdebahn -- und jetzt sauste sie durch die Straßen von Breslau, daß -das Pflaster unter den Rädern knatterte! - -Die Köchin, die ebenfalls ganz sprachlos vor Staunen gewesen war, hatte -angefangen, mit tastenden Händen den Stoff der Polster zu untersuchen, -auf denen sie saß. Jetzt seufzte sie in Bewunderung auf. - -»Du meine Gütte -- gnä' Fräulen,« sagte sie, »die reine Seide alles, die -reine Seide!« - -Die weibliche Neugier siegte über Annas Befangenheit; sie zog den -Handschuh von der einen Hand und tastete ebenfalls auf den Wagenpolstern -herum. Die Köchin hatte recht gehabt. Alles Seide -- die Polster, die -Wände des Wagens, alles Seide. Lautlos sank sie in ihre Ecke zurück. Was -bedeutete das alles und wohin ging das alles? - -Sie, das arme, unscheinbare Mädchen, das sich zu Gesellschaften ein paar -armselige Fähnchen zusammenstückelte, um nur nicht gar zu erbärmlich -gegen den Reichtum der andern abzustechen, plötzlich, wie durch die Hand -eines Zauberers, mitten hineinversetzt in Fülle, Glanz und Pracht! - -Ihr, an der die Menschen auf der Straße vorübergingen, wie an einem -Nichts, die man auf Bällen in der Ecke sitzen ließ, weil es sich nicht -der Mühe lohnte, mit ihr zu tanzen oder gar sie zu unterhalten -- ihr -näherte sich plötzlich ein Mann, einer der reichsten Männer von ganz -Schlesien, und bat sie schüchtern, ängstlich und demütig, ihm zu -erlauben, daß er seinen Reichtum in ihren Dienst stellen dürfe. Sie -schloß die Augen; war das Wirklichkeit, was ihr geschah? Dann aber -schrak sie innerlich auf: der Mann war ja ein Wahnsinniger; alle Welt -sagte es ja? Und also war es nur die Phantasie seines kranken Hirns, die -ihn zu alledem getrieben hatte, was er heute abend gethan? Aber, indem -der Schauder sie übermannen wollte, kam ihr die Erinnerung an den Ton -seiner Stimme zurück, die zu ihr gesprochen hatte, wie noch keines -Menschen Stimme je zuvor. Nein, nein, nein -- es war ja doch nicht -möglich; es konnte ja nicht sein! - -Während Anna unter solchen wechselnden Empfindungen zu ihrer in der -fernen Vorstadt gelegenen Wohnung fuhr, wanderte der Baron Eberhard von -Fahrenwald, von seinem Diener gefolgt, zu Fuß nach Haus. - -Sein Haupt, das für gewöhnlich zur Erde hing, war aufgerichtet, seine -ganze Gestalt hatte etwas Aufatmendes, Befreites, ein Glücksgefühl wie -heut abend hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht empfunden. - -Welche Wonne, daß das Mädchen arm war! Immer wieder vergegenwärtigte -er sich den süßen Augenblick, als sie in ihrer Bescheidenheit gezögert -hatte, den prächtigen Wagen zu besteigen -- und dieser Wagen war der -seinige! All die Behaglichkeit, all die weiche Ueppigkeit, die sie jetzt -umgab, kam ihr von ihm! Er lachte still glückselig vor sich hin. All -sein Denken und Thun war ein beständiges brütendes Grübeln über sich -selbst, über seinen Zustand und über das Verhängnis, das auf ihm lastete --- zum erstenmal konnte er an etwas andres denken, an einen andern -Menschen; und dieser andre Mensch, dieses liebe Wesen konnte glücklich -werden durch ihn. Glücklich durch ihn, der sich wie ein zum Unglück -Geborener, wie eine Last der Menschheit empfand! Hatte er nicht den -dankbar erstaunten Ausdruck in ihrem bescheidenen Gesichtchen gesehen -und hatten ihre Augen ihm nicht gesagt, daß er stark genug sei, um -Glück auf Menschen ausgehen zu lassen? Ja, ja, ja, es war so, und -unwillkürlich, indem er so seinen Gedanken nachhing, reckte er die -Arme aus, als wollte er dem Kraftgefühle Ausdruck geben, das ihn -durchströmte. - -Einige Schritte hinter ihm kam der alte Johann. Den Kopf weit -vorgebeugt, kein Auge von seinem Herrn verwendend, ging oder schlich -er vielmehr hinter dem Baron einher. In seiner ganzen Haltung war etwas -Beobachtendes, Lauerndes. Als er sah, wie der Baron die Arme ausreckte, -war er unhörbar mit einem Sprunge ganz dicht hinter ihn herangekommen, -das hagere Gesicht zu einer Aufmerksamkeit gespannt, die beinahe -feindselig aussah. Seine Hände, die er in den Taschen des Ueberziehers -getragen, hatte er hervorgezogen und frei gemacht, so daß es den -Anschein bekam, als bereitete er sich darauf vor, sich im nächsten -Augenblick auf seinen Herrn zu stürzen, wie der Wärter eines -Wahnsinnigen sich auf seinen Schutzbefohlenen stürzt, um ihn von irgend -einer schrecklichen That zurückzuhalten. Denn der Mensch da vor ihm war -ja ein Kranker, ein Wahnsinniger, Verrückter, das wußte er ja wohl genau -genug, er, der ihn als Kind auf den Armen getragen hatte, der ihn hatte -heranwachsen sehen und um ihn gewesen war zu jeder Zeit und an jedem -Orte. Und seit heute abend wußte er ja auch, daß er seine Aufmerksamkeit -verdoppeln und vervierfachen mußte. Für den unglücklichen Menschen da -vor ihm gab es nur eine Möglichkeit zum Leben, Ruhe, Ruhe und immerdar -Ruhe. Das hatte ihm vor Jahren der Arzt gesagt, und wenn es der Arzt -nicht gesagt hätte, würde sein Instinkt es ihm verraten haben. Ein Tag -mußte sein wie der andre, gleichmäßig, immer, immer gleichmäßig. Und -heute abend hatte er mit ansehen müssen, wie dieser Mann anfing, sich zu -verlieben! - -Verlieben! Wohl etwa gar heiraten? - -Er war ganz wütend, er knirschte beinahe mit den Zähnen. So wenig also -kannte der unglückselige Mensch seinen Zustand? Na -- es war nur gut, -daß er da war, der alte Johann; er würde schon acht auf ihn geben, ja, -das würde er, ja! - -Und er schob die Hände, indem er sie zu Fäusten ballte, in die Taschen -seines Ueberziehers zurück, weil er sich überzeugt hatte, daß der Baron -vorläufig nichts weiter Gefährliches unternahm. - -Am nächsten Vormittag, und zwar am ziemlich frühen Vormittag, klingelte -es an der Wohnung von Annas Onkel, und als die Köchin öffnete, ging ein -verständnisvolles Grinsen über ihre Züge; der Herr von gestern stand vor -der Thür, der Baron Eberhard von Fahrenwald. - -Ein sprachloses Erstaunen bei dem Onkel und der Tante, ein glühendes -Erröten bei Anna -- und im nächsten Augenblick, noch bevor man ihn -eigentlich hereingebeten hatte, stand er schon auf der Schwelle. Auch -wenn man ihn abgewiesen hätte, er würde sich nicht haben abweisen -lassen, das sah man ihm an. Seine Brust ging auf und nieder, und in dem -bleichen Gesicht glühten die Augen wie Kohlen. - -Beinahe wie ein Spieler, der das letzte Geld auf eine Karte gesetzt hat, -so sah er aus. - -Es kostete ihn Mühe, die äußerlichen Regeln der Höflichkeit -innezuhalten; seine Blicke hingen an Anna, unverwandt, beinahe mit -angstvollem Ausdruck, als fürchtete er, daß sie hinausgehen, daß sie ihm -entfliehen könnte. - -Nachdem er den alten Major und dessen Frau begrüßt hatte, trat er auf -das junge Mädchen zu. - -»Darf ich Sie sprechen?« fragte er. »Darf ich Sie allein sprechen?« - -Seine Stimme war heiser vor innerer Erregung. - -Anna stand gesenkten Hauptes mitten im Zimmer. Herz und Kehle waren -ihr durch die Angst wie zugeschnürt; sie hatte in diesem Augenblick die -sichere Empfindung, daß sie es mit einem Wahnsinnigen zu thun hatte. -Etwas Aehnliches schienen auch der Onkel und die Tante zu empfinden, die -sich gegenseitig stumm fragend ansahen. - -Der Baron bemerkte das alles. Plötzlich ging er auf die beiden alten -Leute zu, streckte beide Hände aus und faßte den Onkel an der linken, -die Tante an der rechten Hand. - -»Aengstigen Sie sich nicht,« sagte er, und das Wort kam feierlich aus -der Tiefe seiner Brust; in seinen Augen war ein flammendes Leuchten. - -Die beiden alten Leute sahen ihn ganz verdutzt an, machten eine -verlegene Verbeugung und zogen sich in das Nebenzimmer zurück. - -Anna stand noch immer, wo sie gestanden hatte. Als sie sich jetzt mit -ihm allein sah, überkam sie die Angst so heftig, daß sie sich nicht mehr -zu raten und zu helfen wußte. Sie zog ihr Taschentuch hervor, drückte es -an die Augen und fing an zu weinen. Der Baron stand einige Schritte von -ihr entfernt und sah ihr schweigend zu. - -»Bin ich Ihnen so schrecklich?« fragte er endlich. Der Ton klang wieder -so sanft und herzlich, daß sie einigermaßen zu sich selbst kam. Sie -steckte das Tuch in die Tasche und schüttelte leise das Haupt. - -»Denken Sie denn gar nicht mehr an gestern?« fuhr er fort. »Gestern -abend waren Sie doch so -- so lieb und gut, denken Sie denn gar nicht -mehr daran?« - -Er war zu ihr herangetreten und hatte sie an beiden Händen erfaßt; Anna -fühlte, wie behutsam er sie berührte, trotzdem vermochte sie noch nicht, -das Gesicht zu ihm zu erheben. - -Er behielt ihre Hände in den seinigen. - -»Gestern abend,« sagte er, »bin ich so glücklich gewesen, und darum bin -ich heut so früh wiedergekommen. Bitte, seien Sie doch nicht böse darum. -Wenn Sie sich auch vor mir fürchten, dann habe ich ja niemand mehr.« - -Seine Stimme war ganz leise geworden. - -»Denken Sie doch einmal,« sprach er weiter, »Sie gehen auf der Straße, -und indem Sie da gehen, sehen Sie einen Menschen am Wege liegen, dem -irgend ein Unglück geschehen ist, und der ruft Sie um Hülfe an. Und Sie -könnten ihm helfen, wenn Sie wollten, aber Sie fürchten sich und laufen -davon -- glauben Sie nicht, daß Sie sich einmal Vorwürfe machen würden, -wenn Sie dann erfahren, daß der Mensch zu Grunde gegangen ist?« - -Das alles war so einleuchtend, kein Vernünftiger hätte es klarer -auseinandersetzen können. Sie wurde wieder schwankend, wieder ganz -verwirrt. Vor ihr stand ein Mann, der über Reichtümer gebot, von denen -sie sich kaum eine Vorstellung machen konnte, und sagte ihr, daß sie -ihm helfen könne, sie, die in der ärmlichen Wohnung, in einem -fadenscheinigen Morgenanzuge, in Morgenschuhen mit abgestoßenen Spitzen, -in aller Kläglichkeit eines ärmlichen, erbärmlichen Lebens steckte. War -es denn möglich, das alles? - -Sie erhob das Gesicht und sah seine Augen mit dem fragenden, flehenden -Ausdruck vom gestrigen Abend auf sich gerichtet. Ja ja, es war ja -derselbe Mensch -- leise drückte sie seine Hände, und indem sie es that, -leuchtete sein Gesicht auf. - -»Darf ich sprechen?« flüsterte er. - -»Aber ich -- Ihnen helfen --« stammelte sie -- »wenn ich nur -begriffe --« - -Er zog sie an den Händen zu einem Stuhle. - -»Kommen Sie,« sagte er, »kommen Sie, bitte, setzen Sie sich, ich will -Ihnen eine Geschichte erzählen, eine ganz kurze.« - -Sie setzte sich nieder, er schob einen Sessel neben den ihrigen und -legte den einen Arm über die Rücklehne ihres Stuhles, so daß sein -Oberleib sich zu ihr hinüberbeugte und sein Mund nahe an ihrem Ohre war. - -»Ich kenne einen Menschen,« begann er, und seine Stimme war so gedämpft, -als wollte er verhüten, daß irgend jemand, außer Anna, seine Worte -vernähme, »ich kenne einen Menschen, der in einem Boote auf einem Wasser -fährt. Er sitzt ganz allein in dem Kahn, und das Wasser, auf dem er -fährt, ist ein breiter Fluß, und der Fluß hat einen starken Strom, denn -er fließt einem Abhang zu, über den er sich hinunterstürzen wird. Der -Abhang ist gar nicht mehr weit und er ist sehr hoch, so daß man den -Donner des Wassersturzes bereits hört. Und da treibt nun der Kahn hin, -in dem der Mann sitzt. Und obschon er weiß, daß er zerschmettert werden -wird, wenn er in den Sturz gerät, läßt er den Kahn dennoch treiben -und thut nichts, um ihn aufzuhalten -- ist das nicht sonderbar von dem -Mann?« - -Er unterbrach sich und blickte Anna von der Seite an. Sie saß -aufgerichtet, wie erstarrt, ihre Hände hatten sich ineinandergeschoben, -ihre Augen blickten vor sich hin. Es ahnte ihr, wer der Mann war, von -dem er erzählte. - -Er beugte sich noch näher zu ihr. - -»Soll ich Ihnen nun sagen, warum er das thut?« - -Sie blieb regungslos; nur ihre bleichen Lippen bewegten sich. - -»Warum?« fragte sie tonlos. - -»Sehen Sie,« fuhr er fort, »weil im Wasser neben dem Kahn etwas -einherschwimmt, und weil er nichts thun und nichts denken kann, als -immer und immer und immerfort auf das, was da neben ihm schwimmt, -hinzublicken.« - -Seine Stimme sank zu einem heiseren Flüstern herab. - -»Und das, was da schwimmt, sehen Sie, das ist etwas Schreckliches, -etwas Gräßliches, das ist ein Ungeheuer, so etwa, verstehen Sie, wie die -Seeschlange, von der die Schiffer erzählen, daß sie ihnen auf der See -begegnet sei. So müssen Sie sich das denken. Mit einem schuppigen Leibe, -verstehen Sie, und ganz lang. Und das Schrecklichste an dem Dinge, sehen -Sie, das ist der Kopf. Der läßt sich eigentlich gar nicht beschreiben, -aber er sieht so ungefähr aus, wie ein ungeheurer Papageienkopf. Ein -Schnabel ist daran, ein großer krummer Schnabel, und zwei Augen sind in -dem Kopfe --« - -Er verstummte. Anna vernahm, wie sich die Luft in seiner Kehle -zusammenpreßte, als fände sie keinen Ausweg. - -»Die Augen,« fuhr er fort, »sehen Sie, die sind es, auf die der Mann in -dem Kahne immerfort hinschauen muß. Die Augen sind fürchterlich, ganz -groß und ganz grün, wie die Augen von einem furchtbaren bösen Menschen. -Und die Augen blicken immerfort zu dem Manne herauf, und wenn sie ihn -ansehen, dann ist's wie ein Lächeln darin, wie ein grauenvolles, und -als wollten sie sagen: >ich habe dich, du entkommst mir nicht<. Und das, -sehen Sie, das ist es, was den Mann gefesselt hält und gefangen hält und -gebannt hält, daß er nichts thun und nichts denken und sich nicht helfen -und nicht retten kann, obschon er hört, wie der Wassersturz immer näher -und näher kommt.« - -Abermals verstummte er, und da auch Anna, von Grauen versteinert, keinen -Laut hervorbrachte, herrschte eine Zeit lang ein beklommenes Schweigen. - -Dann that er einen tiefen, seufzenden Atemzug und seine Stimme nahm -wieder den ruhigen, sanften Ton vom gestrigen Abende an. - -»Und nun, sehen Sie, nun kommt ein Augenblick, da gelingt es dem -Manne, einmal für eine Sekunde den Blick über das Ding da im Wasser -hinwegzubringen, und da sieht er am Ufer ein menschliches Wesen stehen. -Und das menschliche Wesen, sehen Sie, das ist eine Frau, ein junges -Mädchen, und er merkt, daß sie ihm zugesehen hat, eine ganze Zeit lang, -und sich gewundert hat, was er da treibt. Und mit einemmal kommt ihm -der Gedanke: wenn du dahin gelangen könntest, wo die steht, wenn du ihre -Hand fassen könntest, daß sie dir hülfe, aus dem Kahn und dem Wasser -herauszukommen, dann wärest du mit einemmal das Ding da los, das -gräßliche, und brauchtest nicht in den Wassersturz hinunter und wärest -gerettet! Und da, sehen Sie, faßt er mit einemmal das Ruder und wendet, -und fährt auf die Stelle zu, wo sie steht -- und dann, wie sie ihn -kommen sieht, faßt sie der Schreck, weil sie denkt, er käme, um ihr ein -Leides zu thun, und sie wendet sich, um davonzulaufen -- und er sieht -das, und schreit ihr nach -- bleib doch, ich thue dir nichts! Sei doch -barmherzig! Ich komme ja nur, damit du mich rettest! Und da --« - -Mit einem Griffe hatte er ihre Hände erfaßt, sein Gesicht war dicht -an ihrem Gesichte, so daß sie seinen keuchenden Atem auf ihrer Wange -fühlte. Weiter bog er sich vom Stuhle und immer weiter zu ihr hinüber, -bis daß er plötzlich auf beiden Knieen vor ihr lag. - -»Anna -- was thut sie da? Anna -- läuft sie dennoch fort? Läuft sie -dennoch fort?« - -Sein totenbleiches Antlitz war zu ihr erhoben, kalter Schweiß netzte -seine Stirn, seine Augen hatten den Blick eines Menschen, der den Spruch -über Leben und Tod erwartet, und an ihren Knieen, an die seine Brust -sich preßte, fühlte Anna das Herz in seinem Leibe pochen. - -Ein namenloses Mitgefühl überschwoll ihr Herz. Ohne zu wissen, was sie -that, breitete sie beide Arme um sein Haupt, und indem sie in Thränen -ausbrach, drückte sie das Gesicht auf sein Haupt. - -»O Sie armer, unglücklicher Mann,« sagte sie schluchzend. - -Ein Stöhnen drang aus seiner Brust hervor. »Du gehst nicht? Du läufst -nicht davon? Läufst nicht davon?« - -»Nein, nein, nein, ich will nicht davonlaufen.« - -Jählings fühlte sie sich von zwei gewaltigen Armen umfaßt. Er war -aufgesprungen und hatte sie, wie ein Kind, an seine breite Brust -gerissen. - -»Ach du -- mein Leben -- meine Seligkeit -- mein heiliges Heiligtum -- -mein Alles!« - -Und er küßte, küßte und küßte sie. - -Endlich beruhigte er sich einigermaßen, so daß Anna wieder zu Atem kam. -Unter seinen Küssen und Umarmungen waren ihre Wangen ganz heiß geworden, -so daß sie hübscher aussah als zuvor. Der Baron war einen Schritt von -ihr hinweggetreten und blickte sie mit strahlenden Augen an, wie sie -verwirrt und verschämt vor ihm stand. Sie drehte den Kopf zu ihm herum. - -»Aber wenn ich nur wüßte, was ich thun soll?« - -Mit einer stürmischen Bewegung hatte er sie an beiden Händen erfaßt. - -»Gar nichts sollst du thun!« - -Sie schüttelte langsam das Haupt. - -»Gar nichts thun soll ich?« - -Er lachte laut auf vor Vergnügen. - -»Nur da sein sollst du und dir gefallen lassen, was ich thue.« - -Sie lächelte leise. »Was wird denn das sein, was Sie vorhaben?« - -Nun legte er beide Arme um ihren Leib, so sanft, so vorsichtig, als -fürchtete er, sie zu erschrecken oder ihr weh zu thun. - -»Dich glücklich machen,« sagte er. - -Das Wort kam so aus der Tiefe eines von Liebe erfüllten Herzens hervor, -daß das junge Mädchen unwillkürlich an seine Brust sank. - -»Du guter Mann,« sagte sie. Ihre Augen suchten die seinen. Er hielt sie -in den Armen, seine Hände strichen leise an ihren Seiten hinunter. - -»Siehst du,« sagte er, »indem ich dich so halte, ist mir, als wäre der -ganze liebe Körper und alles, was darinnen ist, ein Gefäß, ein zartes, -zerbrechliches, und daß es so zerbrechlich ist, das ist gerade das Gute -daran. Nun darf ich an nichts mehr denken, als daß es in meinen Händen -nicht entzweigeht, und das gerade ist ja so gut. Siehst du, nun will -ich in das Gefäß hineinthun alles, was der Mensch sich für den Menschen -ausdenken kann an Gutem und Glücklichem. Und wenn wir da draußen auf -meinem Gute leben, das nun auch dein Gut ist, wir beide ganz allein, -jedesmal, wenn dann ein neuer Tag anbricht, will ich nach deinem lieben -Gesichte sehen; und du brauchst mir nie zu sagen, daß du mich liebst, -das verlange ich nicht, nur ob du glücklich bist, will ich in deinem -Gesichte sehen, und wenn ich das sehe, siehst du, dann werde ich -glücklich sein, glücklich, o -- so glücklich.« - -Seine Worte erstarben in einem tiefen leisen Flüstern. Sie hielt das -Haupt gesenkt, als wollte sie lauschen und immer länger lauschen; als er -schwieg, richtete sie sich auf und wiegte das Haupt und legte beide Arme -um ihn her. - -»Wie, soll ich dir denn nicht sagen, daß ich dich liebe,« sprach sie, -und ihre Stimme war ruhig und fest geworden, »da ich dich jetzt schon -liebe, von ganzer Seele, du teurer, du geliebter Mann.« - -Sie hielten sich schweigend umschlungen, dann richtete sie sich auf. - -»Komm,« sagte sie, »nun wollen wir den Onkel und die Tante rufen.« - -Sie faßte ihn an der Hand und ging mit ihm an die Thür des Nebenzimmers, -die sie öffnete. Die alten Leute traten heraus und blieben verblüfft -stehen, als sie Anna Hand in Hand mit dem Baron gewahrten. - -Mit einem ruhigen Lächeln sah sie sie an. - -»Lieber Onkel,« sagte sie, »liebe Tante, ich teile euch mit, daß ich -mich mit dem Herrn Baron von Fahrenwald verlobt habe.« - -Am Nachmittag erst verließ der Baron seine Braut und deren Angehörige. - -Als er die Treppe hinunterstieg und den letzten Absatz erreicht hatte, -sah er im Hausflur einen Mann, der mit aufgeregten Schritten hin und her -ging; es war sein Diener, der alte Johann. - -Verwundert blieb er stehen; in dem Augenblick hatte der Alte den Kopf -herumgedreht und seinen Herrn erkannt; er unterbrach seinen Gang und -stand wie angewurzelt. - -»Was soll denn das?« fragte der Baron. »Ich hatte dir doch gesagt, daß -du mich nicht begleiten solltest.« - -Der Alte lüftete den Hut, ohne die Augen von seinem Herrn zu lassen. - -»Gnädiger Herr blieben so lange --« erwiderte er. - -Der Baron lachte. Er war in so fröhlicher Stimmung, daß er sich über -nichts geärgert hätte, am wenigsten über die übertriebene Sorgfalt -seines alten Dieners. - -»Hast gedacht, mir wäre ein Unglück passiert?« meinte er. »Na, du kannst -dich beruhigen.« - -Er ging die Stufen vollends hinunter und schlug ihn auf die Schulter. - -»Will dir eine Neuigkeit sagen, Johann, ich habe mich verlobt.« - -Der Alte riß die Augen weit auf und wich zwei Schritte zurück; der Mund -stand ihm halb offen. - -»Das Fräulein -- da oben, im zweiten Stock?« stotterte er. - -»Jawohl, das Fräulein da oben, im zweiten Stock,« erwiderte gutlaunig -der Baron. »Und nächster Tage ist die Hochzeit.« - -Er wandte sich nach der Hausthür, und indem er ihm den Rücken drehte, -konnte er nicht sehen, was der Johann hinter seinem Rücken für ein -merkwürdiges Gesicht schnitt. Er warf einen wütenden, geradezu giftigen -Blick nach der Treppe, die das Haus hinaufführte, dann glättete er mit -dem Aermel seines Ueberrocks den Cylinderhut, den er noch in der Hand -hielt, und während er das that, neigte er das Haupt, wie jemand, der -sich plötzlich in eine schwere Notlage versetzt sieht und Mittel und -Wege überdenkt, die nun zu ergreifen sind. Dann stülpte er den Hut mit -einem Rucke auf, biß die Zähne aufeinander und folgte seinem Herrn. -Die Hausthür fiel schmetternd zu, weil der Alte sie wütend ins Schloß -geworfen hatte. - -Am nächsten Tage ging bei Anna ein Brief ein. - -Sie erhielt selten Briefe und zögerte ein Weilchen, den Umschlag zu -öffnen. Die Handschrift war ihr nicht bekannt und sah so sonderbar -aus; man hätte kaum sagen können, ob sie von einem gebildeten oder -ungebildeten Menschen herrührte. - -Endlich entschloß sie sich, und nun las sie folgende Zeilen: - -»Haben Sie auch bedacht, was Sie thun? Sie wissen doch, daß der Mensch, -mit dem Sie sich verlobt haben, ein Verrückter ist?« - -Ein Name stand nicht darunter. Der Brief war unterschrieben: - -»Ein Wissender.« - -Anna hielt das widerwärtige Blatt in den Händen. Was sollte sie thun? - -Das beste bei solchen Gelegenheiten ist ja, demjenigen, vor dem man -gewarnt wird, den anonymen Wisch ruhig zu zeigen, damit man kein -Geheimnis vor ihm behält. Aber das war doch in diesem Falle nicht -möglich. Durfte sie den unglücklichen Mann lesen lassen, wie das, wovon -er sich an ihrer Seite zu befreien und zu erlösen hoffte, ihm in so -roher und gemeiner Weise auf den Kopf zugesagt wurde? - -Sie faßte sich kurz, riß den Brief samt dem Umschlage in Fetzen und -steckte sie in den Ofen. Die Sache war abgethan. - -Eine Stunde später kam der Baron, und nun pries sie ihren Entschluß. Er -sah so heiter aus, so klar; man merkte ihm an, wie in Annas Gegenwart -der dunkle Schleier sich hob und lüftete, der seine Seele umdüsterte. -Hätte sie, deren Nähe ihm die Gesundheit bedeutete, ihn in sein Leiden -zurückstoßen sollen, indem sie ihn daran erinnerte? Nimmermehr! - -Heut brachte der Baron ihr den Verlobungsring mit, einen goldenen Reif, -der einen Brillanten umfaßte. Mit schüchternem Erröten ließ sie sich den -Ring an den Finger stecken, und während sie die Hand hin und her drehte, -um das Licht in dem geschliffenen Steine aufzufangen, griff der Baron -schon wieder in die Rocktasche. Er holte ein Schmuckschächtelchen -hervor, das er vor ihren Augen aufspringen ließ. Anna blickte hinein -und fuhr zurück. Ein goldenes Armband mit einem prächtigen Amethyst -leuchtete ihr entgegen. - -»Aber nein!« erklärte sie, »nein, nein, das geht ja nicht, daß du mich -so überhäufst! Das kann ich ja nicht annehmen!« - -Er sah glücklich lächelnd zu ihr hinüber. - -»Aber Anna,« sagte er, »weißt du denn nicht, daß ich mich beschenke, -wenn ich dir ein Geschenk mache?« - -Sie mußte es sich gefallen lassen, daß er ihren Arm ergriff und ihr das -Armband umlegte. Die Haut an der Hand und dem Handgelenk war rot und -aufgesprungen; man sah es ihr an, wie schonungslos die Hände des jungen -Mädchens in der Hauswirtschaft mitarbeiten mußten. Anna deutete mit den -Augen darauf hin. - -»Sieh doch nur selbst,« sagte sie: »für solche Hände paßt doch ein so -wundervolles Armband gar nicht.« - -Der Baron hob ihre kleine gerötete Hand empor. - -»Das ist Anna von Glassner,« sagte er. Dann schob er den Aermel ihres -Kleides so weit zurück, daß die weiße, zarte Haut des Armes sichtbar -wurde. - -»Und hier kommt die Baronin von Fahrenwald heraus,« fügte er lächelnd -hinzu. »In einigen Tagen sind auch die Händchen so weiß und zart wieder, -wie das.« Er drückte die Lippen auf ihren entblößten Arm und schob das -Armband so hoch hinauf, daß es auf der weißen Haut lag. - -»Siehst du,« sagte er, »wie gut es sich hier ausnimmt!« - -Sie mußte lächelnd zugestehen, daß er recht hatte, und dann siegte die -weibliche Freude am Schmuck über alle ihre Bedenken. - -Mit leuchtenden Augen fiel sie ihm um den Hals. - -»Du wirst mich noch so verwöhnen, daß ich ganz hochmütig und schlecht -werde.« - -Er hielt sie an sich gedrückt. - -»Sei was und wie du willst, nur sei glücklich.« - -Es wurde alsdann zwischen ihnen verabredet, daß die Hochzeit möglichst -bald stattfinden sollte. - -»Wie ist es denn?« fragte er, »möchtest du eine Hochzeitreise machen?« - -Anna lächelte. - -»Nicht wahr,« sagte sie, »das ist doch dein Park, den sie das -Schlesische Paradies nennen?« - -»Wirklich?« erwiderte er, »davon habe ich ja noch gar nichts gewußt.« - -»Ja, ja,« versicherte sie, »er soll ja auch wunderschön sein!« - -»Nun, er ist groß genug, das ist wahr; nur vielleicht ein bißchen -verwahrlost.« - -Sie legte die Hände auf seine Schultern. - -»Und da fragst du mich, ob ich eine Hochzeitreise machen will? Nach dem -Schlesischen Paradies reise ich mit dir und da bleiben wir.« - -»Das wolltest du? Wirklich?« Man sah ihm die Freude an, die ihre -Entscheidung ihm bereitete. - -»Aber daß du nur keinen Schreck bekommst,« fuhr er fort, »wenn du da -hinauskommst; es ist etwas einsam, verstehst du. Ich habe da ganz allein -mit meinem alten Johann gehaust.« - -»Ach Gott,« versetzte sie, »das denke ich mir ja gerade so wunderschön! -Siehst du, ich bin ja auch mein Leben lang so allein gewesen, so an die -Einsamkeit gewöhnt. Nun richten wir uns das alte schöne Schloß ein, wie -es für uns beide paßt, dann gehen wir durch den Park, und nicht wahr, -den Park gibst du in meine Obhut? Ich denke mir das so köstlich, -Gärtnerin zu sein!« - -Sie war ganz lebhaft geworden; ihr Gesicht glänzte. Der Baron sah sie -hingerissen an. Vor seinem Geiste erschien eine Reihe der lieblichsten -Bilder: er sah seine junge Frau durch die düsteren Räume des alten -Schlosses wandeln, wie den Geist des neuen jungen Lebens; er sah sie im -Park umherschalten, anmutig zur Arbeit aufgeschürzt, und Haus und Garten -wurden jung und lebendig und schön unter ihren Händen und seine Seele -ward jung und freudig und stark in ihrer geliebten Nähe. - -»Alles soll so sein, wie du es sagst,« rief er jauchzend, indem er sie -an sein Herz drückte, »sobald das Wetter einigermaßen wird, fahren wir -hinaus und ich zeige dir alles, und dann kommen wir zurück und kaufen -Tapeten und Möbel und Blumensamen und alles was der Mensch sich denken -kann. Und nachher, da leben wir da draußen zusammen, wie auf einer Insel -im weiten Meer. Wir beide ganz für uns, und fragen nach keinem Menschen -und nach keiner Welt!« - -Er war wie trunken von Freude, als er sie endlich verließ, und auch -vor Annas Phantasie begann die Zukunft wie ein helles freundliches Land -emporzusteigen. - -Am nächsten Tage aber erhielt ihre fröhliche Stimmung einen Stoß. Genau -zu der Stunde, an der gestern der anonyme Brief gekommen war, erschien -heute, von derselben Hand verfaßt, ein zweites Schreiben. - -Gar nicht erst aufmachen, sondern ohne weiteres in den Ofen stecken, das -war Annas erstes Gefühl -- aber die Neugier war stärker als die Wallung -der Vernunft, und sie folgte dem verhängnisvollen Triebe, der in uns -ist, Dinge, von denen wir wissen, daß sie uns gräßlich widerwärtig sein -werden, daß sie unsern Seelenfrieden stören werden, recht genau und in -der Nähe anzusehen. - -Das, was sie heute las, war dies: - -»Haben Sie denn das Verhältnis noch nicht gelöst? Noch immer nicht? -Bedenken Sie sich, es wird Zeit! Es wird hohe Zeit!!!« - -Diesmal war der Brief unterschrieben »der Warner«. Nun nachdem sie -gelesen, stand sie da und bereuete, daß sie gelesen hatte. Es war ihr zu -Mute, wie einem Kinde, das man vor giftigen Beeren gewarnt hat und das -trotzdem genascht hat. Mochte sie das Geschreibsel auch zerreißen und -in den Ofen stecken, vergessen konnte sie ja doch nicht, was darin -gestanden hatte. Dazu kam der sonderbare Ton und die Form des Briefes; -beides war so aufgeregt. Die drei Ausrufungszeichen am Schluß, und die -Unterschrift war mit ganz merkwürdigen Schnörkeln verbrämt und verziert. - -Das Ende ihres Ueberlegens war, daß auch dieser Brief in Fetzen ging und -in den Ofen wanderte. - -Am darauf folgenden Tage aber lauschte sie schon mit aller Spannung, ob -heute auch der Briefträger erscheinen würde. Und richtig, als die Stunde -schlug, klingelte es, und ein dritter Brief lag in ihren Händen. Heut -überlegte sie schon nicht mehr, ob sie lesen sollte, oder nicht, mit -einer Art von Heißhunger fiel sie darüber her. - -Der unbekannte Verfasser betitelte sich heute »Prüfer von Herz und -Nieren«; das, was er verkündete, lautete folgendermaßen: - - »Verblendete!! Das gefällt Ihnen wohl, daß der unglückselige Mensch - Sie mit Schmuck und Flitter überhäuft? Wollen Sie denn mit Gewalt - blind und taub sein? Daran sollten Sie doch merken, daß er ein - Wahnsinniger ist!! Ein Wahnsinniger!!!« - -Ein unheimlicher Schauder überlief Anna, als sie diese Worte las. Es -klang wie eine dumpfe Wut daraus, eine Wut gegen sie und zugleich gegen -ihn. Sie versank in Gedanken, und so geschah es, daß der Baron -sie überraschte, bevor sie noch Zeit gefunden hatte, den Brief zu -vernichten. Sie hatte ihn gerade noch in die Tasche stecken können, als -er eintrat, und sie mußte sich beinahe Zwang anthun, um dem Bräutigam -unbefangen und heiter entgegenzugehen. - -Als er aber jetzt, vergnüglich schmunzelnd wie ein Kind, das jemandem -eine rechte Ueberraschung zugedacht hat, eine große Schachtel zum -Vorschein brachte, und als sie darin ein prachtvolles Perlenhalsband -erblickte, fuhr sie zurück, und diesmal war es nicht Schüchternheit noch -Bescheidenheit, was sie zurückfahren ließ, sondern Schreck, wirklicher, -wahrhaftiger Schreck. - -Die Worte des unbekannten Briefschreibers fielen ihr ein, und die -schrecklichen Worte hatten ja recht gehabt; so rasend verschwenden -konnte ja nur ein Wahnsinniger! - -Mit hängenden Armen stand sie da und starrte, wie geistesabwesend, auf -den Schmuck, der ihr vom dunkelblauen Sammet, auf dem er gebettet lag, -entgegengleißte. - -Der Baron hielt den geöffneten Schrein mit beiden Händen vor sie hin und -lachte still in sich hinein. Er ahnte nicht, was in ihr vorging, und -sah in ihrer Starrheit nur das hülflose Staunen der Armut, die sich -plötzlich vom Reichtum überflutet sieht. - -»Aber Anna,« sagte er endlich, als sie noch immer wie leblos vor ihm -stand, »freust du dich denn gar nicht ein bißchen?« - -Sie hörte wieder den Ton seiner Stimme, sie blickte auf und sah -sein Gesicht mit einem Ausdrucke unsäglicher Güte und Liebe auf -sich gerichtet, und plötzlich brach sie in Thränen aus und fiel ihm -schluchzend um den Hals. - -Dieser Ueberschwall von Gebensfreudigkeit -- das sollte alles nur eine -Ausgeburt des Wahnsinns sein? Dieser Mensch, der sich auflöste, nur um -ein Lächeln auf ihrem Gesicht hervorzurufen, das sollte ein Verrückter -sein? Nein, nein, nein! Und sie drückte das Gesicht an seinen Hals und -schüttelte, wie in Verzweiflung, das Haupt. - -Der Baron stand ratlos. Diese Thränen sahen doch gar nicht wie Uebermaß -von Freude, sondern wie echter Schmerz aus. Bevor er aber noch zu Worte -kommen konnte, fing sie an. - -»Eberhard,« sagte sie, indem sie die Arme von seinem Halse löste, -»siehst du, es ist ja so himmlisch gut von dir, und ich bin dir ja so -maßlos dankbar für alles, aber ich bitte, ich beschwöre dich, laß es -genug sein, schenke mir nichts mehr.« - -Die Heiterkeit wich von seinem Gesichte. - -»Ich hatte geglaubt,« sagte er langsam, »es würde dir Freude machen -- -und nun willst du es gar nicht haben?« - -Er schickte sich an, den Schrein zu schließen, und dabei sah er so -kummervoll aus, daß ein reißender Schmerz durch ihre Seele ging. - -»Nein, nein,« rief sie, »ich will es ja nehmen, gern nehmen, und ich bin -dir ja so, so dankbar dafür, aber ich wollte ja nur sagen: dann nichts -mehr, Eberhard. Laß es damit genug sein, bitte, versprich es mir, bitte, -bitte!« - -Er drückte den Kasten ins Schloß und sah sie an, als begriffe er nicht, -was sie wollte. - -Sie faßte seine Hand mit beiden Händen. - -»Siehst du,« sagte sie, »du mußt doch bedenken, daß ich an so etwas -nicht gewöhnt bin; du weißt ja doch, daß ich ganz arm bin; ich habe -doch früher nie Schmuck getragen, und an so etwas muß man sich doch -allmählich gewöhnen. Und wenn das dann so mit einemmal, so massenhaft -kommt, siehst du, Eberhard, lieber guter Eberhard, das mußt du dir doch -selbst sagen, daß einen das geradezu ängstigt. Das erstickt einen ja und -erdrückt einen und das hält man gar nicht aus.« - -Ihre Worte waren hastig erregt von ihren Lippen gekommen, aber sie -beruhigten ihn. Er entnahm daraus, daß es wirklich nur die Armut in ihr -war, die vor dem plötzlichen Reichtum erschrak. - -»Du liebes, bescheidenes Kind,« sagte er zärtlich, indem er den Arm um -sie legte, »ich glaube wirklich, du hast vollkommen recht, und es war -falsch, daß ich zu rasch gewesen bin. Aber du weißt ja doch, warum ich -es gethan habe und bist mir nicht böse?« - -»Ich -- dir böse sein --« erwiderte sie stockend, und die Thränen -drängten ihr von neuem empor, so daß sich ihr die Kehle zuschnürte. - -Er stellte den Schmuckkasten auf den Tisch. - -»Also mag er da bleiben,« sagte er, indem er seinen Ton zur Heiterkeit -anstrengte, »und vorläufig genug damit.« - -Sie blieben dann noch eine Zeit lang bei einander, aber eine unbefangene -fröhliche Stimmung wollte nicht mehr recht aufkommen. Der Vorgang von -vorhin wirkte in beiden nach, und zwischen ihnen, auf dem Tische stand -der verhängnisvolle Schmuckkasten, der an dem allen schuld war. - -Am nächsten Tage blieb Anna verschont; es lief kein Brief ein. Als der -Baron indessen erschien, lag ein Schatten auf seinem Gesicht und in -seinen Augen war ein dumpfes Glühen. - -Anna erschrak einigermaßen, als sie ihn sah; sein Ausdruck war so anders -als an den vergangenen Tagen. - -Sie forschte nach dem Grunde seines Mißmuts, aber er wollte nicht mit -der Sprache heraus. - -»Bist du mir böse wegen gestern?« fragte sie endlich, indem sie sich -neben ihn setzte. - -Er strich mit freundlicher Hand über ihr Haar. - -»Nein, gar nicht, lieber Engel,« sagte er, »verlaß dich darauf, gar -nicht.« - -Sie fragte nicht weiter, sie wollte nicht in ihn dringen, aber ihre -Augen blieben stumm besorgt an ihm hängen. - -»Ach weißt du,« sagte er endlich, indem er sich aus seinem Brüten -aufraffte, »es ist wirklich gar nicht der Mühe wert, und es ist unrecht, -daß ich dich damit quäle. Ich habe einen Auftritt mit meinem Diener -gehabt, das ist die ganze Geschichte.« - -Er war aufgestanden und ging im Zimmer hin und her. Anna folgte ihm von -ihrem Sitze aus mit den Blicken. - -»Mit deinem alten --« - -»Mit meinem alten Johann, ja.« - -»Aber ich denke,« wandte sie ein, »er ist dir so treu und ergeben?« - -»Freilich ist er das,« gab er zur Antwort, »treu beinah bis zum -Uebermaß, und das ist es ja eben --« er brach mitten im Satze ab und -wanderte wieder schweigend auf und nieder. - -»Siehst du,« fuhr er nach einer Weile fort, »solche alten Diener, die -man vom Vater überkommt, die einen als Kind auf dem Arm getragen haben, -die einen immerfort begleitet haben, sind ja einerseits ein Schatz, -und darum kann man sie nicht so aus dem Hause schicken, wie man es -vielleicht mit andern machen würde.« - -Ein Zucken ging über sein Gesicht und in seinen Augen flimmerte es, wie -die Erinnerung an einen schweren Grimm, den er durchgemacht hatte. - -»Du wirst doch nicht an so etwas denken!« sagte Anna, indem sie -aufstand. Eine innere Stimme flüsterte ihr zu, wie notwendig ihm die -stetige Begleitung eines treuen, mit seiner Natur vertrauten Menschen -sein mochte. - -»Ich denke ja nicht daran,« versetzte er, »nur das wollte ich sagen, -siehst du, solche alten Diener werden andrerseits auch manchmal zu -einer Art von Last. Sie wollen den Haushofmeister, gewissermaßen den -Schulmeister spielen, und das -- na, indessen --« er brach wieder ab. -»Lassen wir die dumme Geschichte; sie ist abgethan und, wie gesagt, gar -nicht der Rede wert.« - -Anna war zu ihm herangetreten und sah ihm bittend in die Augen. - -»Mir zuliebe,« sagte sie, »sei geduldig mit dem alten, treuen Menschen; -er meint es gewiß so redlich und gut mit dir.« - -Der Baron blickte mit einem eigentümlichen Lächeln auf sie nieder. - -»Das sagst du,« erwiderte er langsam. Seine Lippen bewegten sich, -als wollte er noch etwas hinzusetzen; aber er sprach es nicht aus. -Allmählich aber, indem seine Augen auf ihrem Gesichtchen ruhten, kehrte -der Ausdruck stiller Zufriedenheit in seine Züge zurück. - -»Du bist ein Engel,« sagte er, »und so gut, wie du selbst es gar nicht -weißt.« - -Bald darauf verließ er sie. - -Es war, wie der Baron gesagt hatte; zwischen ihm und dem alten -Johann hatte es am Morgen dieses Tages einen Auftritt gegeben, einen -merkwürdigen, schrecklichen Auftritt. - -In sein junges Glück versenkt, hatte der Baron nicht weiter acht auf den -Alten gegeben, sonst hätte es ihm auffallen müssen, daß dieser seit -dem Tag, als er mit ihm das Haus verlassen hatte, wo Anna von Glassner -wohnte, ein seltsames Wesen angenommen hatte. - -Jeden Vormittag, wenn der Baron ausging, um sich zu seiner Braut -zu begeben, schlich der Alte geräuschlos hinter ihm drein. Dem -Juwelierladen gegenüber, in den er seinen Herrn eintreten sah, auf der -andern Seite der Straße, stellte er sich auf und wartete, bis der Baron -wieder herauskam; und wenn dieser zu Annas Hausthür gelangt war, ahnte -er nicht, daß wenige Schritte hinter ihm sein Diener stand und ihn mit -Augen verfolgte -- mit Augen, die den lauernden Ausdruck eines wilden -Tieres hatten. Wenn er alsdann in die Behausung zurückgekehrt war, wo -er mit dem Baron wohnte und wo ihm ein geräumiges Zimmer angewiesen war, -setzte der Alte sich an den Tisch, der inmitten des Zimmers stand, und -dort saß er Stunden und Stunden lang. Er aß nicht, er trank nicht, er -rauchte nicht; er war ganz versunken in dumpfes, stumpfes Brüten. Die -einzige Thätigkeit, zu der er sich aufraffte, war, daß er sich alsdann -erhob, eine große Schreibmappe auf den Tisch legte, Tinte und Feder -herbeiholte und nun mit fanatischem Eifer zu schreiben anfing. Was er da -schrieb -- niemand sah es, denn niemand war dabei; jedesmal, bevor er an -seine Schreiberei ging, riegelte er sorgfältig die Thür seines Zimmers -ab. Es schienen jedoch Briefe zu sein; denn das Papier, worauf er -schrieb, waren Briefbogen, und jedesmal, nachdem er geendigt und das -Geschriebene wohl zehnmal mit gerunzelter Stirn und stumm glühenden -Augen durchgelesen hatte, steckte er den Bogen in ein Couvert, das er -mit einer Adresse und Postmarke versah. Leise schloß er alsdann seine -Thür wieder auf, steckte horchend den Kopf hinaus, und wenn er sich -überzeugt hatte, daß niemand ihn hörte und sah, schlüpfte er behutsam -aus der Wohnung, aus dem Hause, um den Brief in den nächsten Briefkasten -zu stecken. - -Abends fand der Baron, wenn er nach Haus kam, die Lampen in seinen -Gemächern bereits angezündet, alles zu seinem Empfange bereit, und den -alten Johann, einmal wie allemal fertig, ihn des Mantels zu entledigen, -ihm den Thee zu bereiten und alles zu thun, woran er von jeher gewöhnt -war. Was der Baron nicht beachtete, das waren die Blicke, mit denen der -Alte ihn lauernd beobachtete, und was er nicht sah, das war, daß der -Alte, nachdem er sich zurückgezogen hatte, draußen auf dem Flur -stehen blieb, lautlos an die Thür gepreßt, hinter der sein Herr saß, -stundenlang horchend, lauschend, ob er nicht da drinnen plötzlich ein -verdächtiges Geräusch, irgend etwas vernehmen würde, das ihn nötigte, -zuzuspringen und Hand anzulegen. Denn er wußte ja doch, daß da drinnen -ein Wahnsinniger saß und daß es sein Beruf und seine Pflicht war, den -Wahnsinnigen zu bewachen. - -An dem Vormittag dieses Tages nun, als der Baron gefrühstückt und darauf -dem Diener geklingelt hatte, damit er ihm beim Anziehen behilflich sei, -hatte dieser sich, im Bewußtsein seiner Pflicht, ein Herz gefaßt und -beschlossen, mit seinem Herrn einmal ein Wort zu reden. - -Es kam ihm nicht leicht an, denn er war ein echter Schlesier, und daher -steckte ihm ein knechtischer Respekt vor seinem Gebieter in Fleisch und -Bein. Aber es mußte sein, es mußte. - -Den Pelz seines Herrn in den Händen, trat er in das Zimmer ein; als der -Baron aber in den Mantel fahren wollte, ließ der Diener ihn sinken. - -»Gnädiger Herr wollen mir eine unterthänige Frage erlauben -- gehen -gnädiger Herr wieder zu dem Fräulein?« - -Der Baron sah sich überrascht um; ein Lachen zuckte über sein Gesicht. - -»Interessiert dich das so? Allerdings gehe ich zu ihr.« - -Der Alte senkte das Haupt und stierte auf den Teppich. - -»Nun, was gibt's? Worauf wartest du?« fragte der Baron, indem er ein -Zeichen machte, daß er den Pelz anzulegen wünschte. - -»Gnädiger Herr, wollen entschuldigen,« erwiderte der Alte, ohne die -Augen zu erheben, »ob gnädiger Herr es sich nicht noch einmal überlegen -möchten?« - -»Was soll ich mir überlegen?« - -»Daß gnädiger Herr das Fräulein wirklich heiraten wollen.« - -Der Baron machte auf dem Absatze kehrt, so daß er seinem Diener -unmittelbar gegenüberstand. Er war einen Augenblick ganz sprachlos vor -Erstaunen. - -»Was geht das dich an?« stieß er hervor. »Was fällt dir denn ein?« - -»Gnädiger Herr wissen ja doch,« murrte der Alte mit hohler Stimme von -unten herauf, »daß ich gnädigen Herrn von Kindesbeinen her kenne -- daß -ich vom seligen Herrn Baron --« - -»Weiß ich, weiß ich, weiß ich alles!« rief der Baron, indem er -ungeduldig aufstampfte. »Was gehört das hierher?« - -»Und daß ich weiß, was gnädigem Herrn gut thut und gnädigem Herrn nicht -gut -- weil ich weiß, wie es steht.« - -Der Baron trat einen halben Schritt zurück. - -»Wie was steht?« - -Jetzt richtete der Alte das gesenkte Haupt so weit auf, daß er einen -schrägen, lauernden Blick in die Augen seines Herrn bohren konnte. Seine -Stimme wurde dumpf und leise. - -»Wie es -- mit gnädigem Herrn steht.« - -Das bleiche Gesicht des Barons wurde noch um eine Färbung bleicher, so -daß es ganz weiß aussah, und in dem weißen Gesichte glühten die Augen -auf. Ein Zittern durchlief seine Gestalt, seine Hände schlossen sich, -er konnte keinen Laut hervorbringen. So standen sich die beiden Männer -stumm gegenüber. Am Leibe des alten Johann regte sich keine Fiber, nur -seine Augen hafteten stieren Blicks an dem Baron. Er sah ja, daß -der Mann dort unmittelbar vor einem Ausbruche von Tollwut stand, und -Tobsüchtige darf der Wärter nicht aus den Augen lassen. - -Es dauerte geraume Zeit, bis daß der Baron seine Fassung einigermaßen -zurückgewann. Seine Brust keuchte, indem er zu sprechen begann; die -Worte kamen abgebrochen heraus. - -»Johann -- weil ich weiß -- daß du es gut meinst -- will ich dir -verzeihen, was du -- da eben gesagt hast. Aber, wenn du es noch einmal -thust, dann nimm dich in acht!« Er hob den rechten Arm mit geballter -Faust empor. »Nimm dich in acht!« wiederholte er, »nimm dich in acht!« - -Seine Stimme war immer lauter angeschwollen, so daß sie zuletzt beinahe -brüllend geworden war. Sein Körper schüttelte sich wie im Krampf. Dann -plötzlich ließ er den erhobenen Arm sinken, warf sich stöhnend in einen -Sessel und legte beide Arme auf die Lehne, das Gesicht auf die Arme -drückend. - -Regungslos stand der Alte; in seinen Augen war etwas, wie ein wilder -Triumph, indem er auf seinen Herrn niederblickte. Wer hatte nun recht -gehabt? War der Mann da, der unglückselige, etwa kein Wahnsinniger? - -Zunächst sprach keiner von beiden ein Wort; eine schwüle, beängstigende -Stille trat ein. Dann erhob der alte Johann wieder die Stimme. - -»Und wenn gnädiger Herr heiraten, thut es gnädigem Herrn nicht gut.« - -Der Baron erwiderte nichts; er gab überhaupt kein Zeichen, als hätte er -gehört. - -»Und wenn ein Fräulein kommt,« fuhr der Alte fort, »und will den -gnädigen Herrn heiraten, weil das Fräulein Frau Baronin werden möchte -und reich werden möchte, weil sie selber nichts hat --« - -Jetzt richtete der Baron das Haupt auf; seine Hand griff in den -Stoffüberzug des Sessels, man sah, wie sie sich hineinkrallte, seine -Augen drehten sich zu dem Alten herum, mit einem gefährlichen Ausdruck. -Der Alte aber hörte nicht auf, wollte nicht aufhören; indem er des -Mädchens gedachte, war es, als überkäme auch ihn eine dumpfe, schwälende -Wut. Seine Augen unterliefen rot. »Dann ist das nicht recht von dem -Fräulein,« polterte er rauh und rücksichtslos heraus. - -In diesem Augenblick rollte der Stuhl, auf welchem der Baron gesessen -hatte, bis mitten ins Zimmer; mit einem jähen Satze war der Baron -aufgesprungen. - -»Mach, daß du 'rauskommst!« brüllte er den Alten an. Der Alte stand wie -an den Boden gewachsen. - -»Gnädiger Herr dürfen nicht heiraten,« sagte er. - -»Halt 's Maul und mach, daß du 'rauskommst!« donnerte der Baron noch -einmal. Seine Hände flogen, sein Körper erbebte konvulsivisch. Es -war aber, als wenn seine Aufgeregtheit den andern nur um so eisiger -erstarren machte. - -»Ein Arzt hat mir gesagt, der jetzt tot ist, wenn gnädiger Herr -heiraten, werden gnädiger Herr jemand umbringen.« - -Kaum daß er das gesagt hatte, warf er jedoch den Pelz, den er immer noch -in Händen hielt, über den nächsten Stuhl und zog sich eilends nach der -Thür zurück. Der Baron hatte den schweren gepolsterten Sessel mit -beiden Händen an der Lehne gepackt und mit einer Kraft, wie sie nur der -Paroxismus verleiht, emporgeschwungen. Es sah aus, als wollte er -den Alten im nächsten Moment zu Boden schmettern. Mit einer hurtigen -Bewegung riß dieser die Thür auf und verschwand. - -Eine halbe Stunde später, während er lautlos horchend in seinem Zimmer -gesessen hatte, vernahm er, wie der Baron aus seinen Gemächern trat und -mit schweren Schritten die Wohnung verließ. Er eilte an eines der -nach der Straße gehenden Fenster und blickte ihm nach. Richtig -- die -gewohnte Richtung, er ging zu seiner Braut. Also doch! - -Der Alte kehrte in sein Zimmer zurück, warf die Mappe auf den Tisch und -gleich darauf saß er wieder vor seinen Briefbogen. Heute knirschte das -Papier unter seiner kratzenden Feder; seine Augen brannten, und die -Muskeln seines Gesichts spannten sich zu einem Ausdruck grimmiger -Verbissenheit, indem er schrieb. - -Am Abende des Tages erhielt Anna von Glassner folgenden Brief: - - »Zum letztenmal werden Sie gewarnt! Sie ruinieren ihn und gehen in - Ihr Verderben! Heute war der unglückselige Mensch dicht daran, daß - er seinen Wärter und treuesten Begleiter totgeschlagen hätte. - - Wer Augen hat, zu sehen, der sehe!!! - - Der Pflichterfüller.« - -Scheinbar beruhigt war der Baron von Anna hinweggegangen, in seinem -Innern aber saß die Erinnerung an das, was er mit dem alten Johann -erlebt hatte. Und diese Erinnerung war wie ein gärender Keim in seinem -Blute, sie ließ ihn nicht mehr zur Ruhe kommen. - -Es erging ihm, wie es dem Menschen geht, wenn er sich mit einem andern -gestritten hat. Im Augenblick, da uns der Gegner seine Behauptung ins -Gesicht wirft und wir sie ihm leidenschaftlich zurückschleudern, sind -wir darüber hinweg -- nachher, wenn die Leidenschaft verraucht -ist, kommt das Wort uns wieder, leise, schleichend und in seiner -Geräuschlosigkeit eindringlicher als vorher, und nun kommt das Grübeln, -ob das Wort nicht vielleicht doch recht gehabt haben könnte. - -»Ich weiß, wie es mit gnädigem Herrn steht« -- immer wieder war es da, -das Wort, immerfort und immerfort, wie der Wassertropfen, der unablässig -auf den Kopf des Gefolterten fällt. Und indem es in seinem Ohre -nachklang, war ihm, als käme das Ungetüm wieder herangeschwommen, von -dem er Anna erzählt hatte, als höbe es die gräßlichen grünen Augen -wieder auf, und das, was aus diesen Augen sprach, war ja nichts andres -als das: »Ich weiß, wie es mit dir steht.« - -Und, war es denn etwa so ganz unberechtigt? War nicht in ihm -selbst etwas gewesen, das ihn mit Schauder erfüllte, wenn er daran -zurückdachte? Immer wieder hörte er eine fürchterliche Stimme, die das -Zimmer durchtönte, und das war seine Stimme; der Mensch, der so gebrüllt -hatte, war er selbst gewesen. Immer wieder empfand er den Krampf, -der plötzlich in seinem Rückenmark losgebrochen war, seine Glieder -durchschüttelt, seinen Arm erhoben und seine Fäuste geballt hatte. Es -ließ ihn gar nicht los; immer und immer wieder mußte er sich bis ins -einzelne vergegenwärtigen, wie das gekommen, wie ihm dabei zu Mute -gewesen war. Wie wenn etwas von außen über ihn herfiele, so war es -gewesen, wie wenn ihn etwas anspränge, sich seiner bemächtigte, eine -fremde, furchtbare Gewalt, beinahe wie ein wildes Tier, das jählings -in ihn eingedrungen war und aus ihm hervortobte. Dazu diese plötzliche, -unbegreifliche Kraft, die er in den Armen gefühlt hatte. Wenn er jetzt -den schweren gepolsterten Sessel anschaute, begriff er gar nicht, wie es -ihm möglich gewesen war, ihn wie eine Keule emporzuschwingen. Und in -dem Augenblick war es doch so gewesen, und in dem Augenblick war ihm -das mächtige Ding so federleicht erschienen. Unwillkürlich schloß er die -Augen. Hatte er nicht gehört und gelesen, daß Menschen in der Tollwut -eiserne Stangen zerbrechen? Was war das gewesen, was ihm die Muskeln so -schrecklich gestählt hatte? Brütend saß er in seinem Zimmer und wagte -sich nicht Antwort auf das zu geben, was in ihm fragte. - -So also stand es mit ihm? Und wie viel hatte gefehlt, so hätte er seinen -alten Johann niedergeschlagen und totgeschlagen. -- Freilich, der Alte -hatte ihn gereizt; aber wußte er denn nicht, wie er an ihm hing, treu -wie ein Hund? Und er hätte ihn beinahe umgebracht! - -Und wie hatte der Alte von Anna gesagt? »Wenn ein Fräulein kommt und den -gnädigen Herrn heiraten will, weil sie reich werden möchte --« - -Hier aber sprang er auf. Das war falsch und gelogen, das wußte er, so -weit war er noch vernünftig. Das waren die Gedanken, wie sie in einer -Knechtsseele sich zusammenkleistern! Er wußte ja doch, daß er zu ihr -gekommen war, nicht sie zu ihm. Mit den Armen griff er in die Luft. Daß -sie nur da gewesen wäre in diesem Augenblick, daß er sie an sich hätte -pressen können! Denn mächtiger und bestimmter als je zuvor empfand er in -diesem Augenblick, daß es nur ein Ziel und eine Rettung für ihn gab, und -das war sie, an die er dachte, nach der er verlangte, Anna, Anna, Anna! - -Wie eine Todesangst erfaßte ihn der Gedanke, daß sie ihm doch noch -entgehen könnte, und mit krampfhafter Ungeduld sah er dem Tage entgegen, -da sie Hochzeit machen würden, da sie ihm ganz gehören, immer und -allerorts bei ihm und mit ihm sein würde. - -Das nächste, was er darum zu thun beschloß, war, daß er seine Braut zu -seinem Schlosse hinausführte. Sie sollte den Ort kennen lernen, wo sie -mit ihm zusammen sein würde, die künftige Heimat. - -Man befand sich zu Anfang April; der Winter war überstanden, aber noch -nicht überwunden, er kämpfte noch mit dem nahenden Frühling. Trotzdem -wollte der Baron nicht länger warten. Es mußte etwas geschehen, wodurch -Anna körperlich mit dem neuen Dasein verknüpft würde, und sie selbst -hatte Lust dazu. Auch in ihr war ein Bedürfnis, die Umgebung des -künftigen Lebens kennen zu lernen; daneben regte sich die Neugier, das -schlesische Paradies endlich einmal mit Augen zu sehen. - -So wurde der Besuch denn für einen der nächsten Tage beschlossen. - -Mit seinem alten Diener hatte der Baron seit jenem verhängnisvollen -Vormittage kein Wort mehr gesprochen; schweigend waren sie umeinander -hergegangen; es war wie ein Waffenstillstand zwischen ihnen. - -Als er damals seine Wohnung verließ, um zu Anna zu gehen, hatte Eberhard -von Fahrenwald ernsthaft erwogen, ob er den Alten nicht fortschicken -sollte. Es war das erste Mal, daß ihm der Gedanke kam. - -Er hatte ihn von seinem Vater ererbt und es bisher wie eine Art von -Naturnotwendigkeit empfunden, ihn fortwährend um sich zu haben. An -dem Tage zum erstenmal erhob sich eine Stimme in ihm, die ihm zurief: -»Schick' ihn fort!« Er würde ihm natürlich eine für seine alten Tage -ausreichende, ja eine glänzende Pension zahlen, aber er wollte ihn los -sein. - -Als er dann aber zu Anna gekommen war, und diese für den Alten gebeten -hatte, war sein Entschluß wieder schwankend geworden. Er war sich nun -wieder bewußt geworden, daß er gegen den ausdrücklichen letzten Willen -seines Vaters handeln würde, wenn er so thäte, und er sagte sich, daß -er es doch gewesen war, der durch seine Heftigkeit den widerwärtigen -Auftritt verschuldet hatte. Kampf mit sich selbst, das war ja nun -einmal die Aufgabe, die ihm vom Schicksal auferlegt worden war, und dazu -gehörte, daß er auch den Widerwillen, den unheimlichen, niederkämpfte, -der sich in ihm gegen den Alten zu regen begann. - -Also schwieg er; der alte Johann schwieg auch, und äußerlich schien es, -als wäre alles, wie es früher und immer gewesen war. - -Jetzt, am Tage, bevor er mit Anna hinauszufahren beschlossen hatte, -befahl der Baron dem Alten, vorauszufahren und das Schloß einigermaßen -zum Empfange vorzubereiten. Die Zimmer sollten gelüftet, in den Oefen -und Kaminen sollten Feuer angezündet werden. In den Wegen des Parks, -die vom Tauwetter jedenfalls aufgeweicht sein würden, hieß er ihn Sand -aufschütten und an besonders morastigen Stellen Bretter legen. Endlich -sollte für ein Frühstück gesorgt werden. - -Alle diese Weisungen erteilte der Baron in kurzem, bestimmtem Tone; der -alte Johann nahm sie mit schweigender Unterwürfigkeit entgegen; er war -in diesem Augenblick nichts weiter, als der demütige, gehorsame Knecht. - -Ein grauer, nasser Himmel lag über der Erde, als der Baron am nächsten -Morgen mit seinem Wagen bei Anna von Glassner vorfuhr, um sie zum -Bahnhofe abzuholen. - -Als er bei ihr eintrat, stand sie schon reisefertig in ihrem grauen -Reisemantel da. Lächelnd wickelte er einen Gegenstand, den er in Händen -trug, aus dem umhüllenden Papier; es war ein Paar nagelneuer, mit Pelz -gefütterter Gummischuhe. - -»Das ist kein Schmuck,« sagte er, »das darfst du annehmen, und im Park -draußen wird es feucht sein.« - -Sie sah ihm dankbar ins Gesicht. - -»Auch an so etwas denkst du?« - -Sie setzte sich, um die Gummischuhe anzulegen, und dabei konnte sie -nicht verhindern, daß er sich auf ein Knie vor ihr niederließ, um ihr -beim Anziehen behilflich zu sein. - -Zärtlich drückte er ihre kleinen Füße. - -»Aber Eberhard!« mahnte sie. - -Er sprang auf, schloß sie in seine Arme und küßte sie auf den Mund. - -»Komm,« sagte er, »heute fährst du als Anna von Glassner hinaus; das -nächste Mal als Anna von Fahrenwald.« - -Nach einer Eisenbahnfahrt von etwa einer Stunde kamen sie an der kleinen -Station an, von der man zum Gute des Barons gelangte. Als der Zug -einlief, stand bereits ein grauhaariger Mann mit abgezogenem Hute und -gebeugtem Rücken auf dem Bahnsteige; es war der alte Johann. - -»Sieh, wie pünktlich und aufmerksam er ist,« flüsterte Anna, mit dem -Kopfe nach dem Alten deutend, dem Bräutigam zu. Dieser erwiderte nichts, -und als Johann hinzutrat, um dem Fräulein beim Aussteigen behilflich zu -sein, verhinderte er, daß er sie berührte. - -»Ist der Wagen da?« fragte er kurz. - -Der Wagen war da. - -Indem sie dahin gingen, drückte sie mit leisem Vorwurfe den Arm des -Bräutigams; er war so freundlich und gut, nur dem alten Diener gegenüber -erschien er ihr so barsch. - -Der Wagen war zugedeckt, weil es vorher geregnet hatte; jetzt aber hatte -der Regen aufgehört. - -»Möchtest du ihn lieber offen haben?« fragte der Baron. - -»O ja,« bat sie. Es war ja eine neue Welt, in die sie kam, und die -will man doch gern ordentlich sehen können. Also wurde das Verdeck -zurückgeschlagen; im Wagen befanden sich Fußsäcke und Decken; zwei -prächtige Rappen stampften an der Deichsel. Der Ueberfluß kam ihr -entgegen und breitete beide Arme aus. - -Nachdem er sie in eine Wagenecke gepackt und sorgfältig in die Decken -gewickelt hatte, setzte er sich neben sie; die Pferde zogen an und der -Wagen rollte auf die Landstraße hinaus. Wege und Stege trieften von -Nässe, in den Feldern rechts und links standen breite Wasserlachen, so -daß sie wie Sümpfe aussahen; am Himmel, der kalt und grau wie Stahl war, -taumelten die Wolken, vom Aprilwinde gejagt, in dicken schwärzlichen -Ballen dahin. Alles in allem war es kein freundlicher Empfang, den die -neue Welt dem jungen Mädchen bereitete. - -Der Baron sah sie von der Seite an und sah, wie ihr Stumpfnäschen keck -und vergnügt aus Hüllen und Decken in die graue Luft ragte. - -»Ist dir kalt?« fragte er. - -»Nicht im geringsten!« erwiderte sie. - -»Aber schön ist es nicht?« - -»Himmlisch,« gab sie zur Antwort. »Was denkst du denn? So eine -Stadtpflanze, wie ich; das ist ja die reine Wonne, so über Land zu -fahren!« - -Er war ganz glücklich und legte den Arm um sie; durch die Decken und -Tücher, mit denen er sie umwickelt hatte, war sie aber ganz unförmlich -geworden, so daß sein Arm nicht um sie herumreichte. Sie kicherte vor -Vergnügen. - -»Siehst du,« sagte sie, »wenn du mich so weiter verwöhnst, werde ich -noch so dick werden, daß du mich gar nicht mehr umarmen kannst -- es -fängt schon an damit.« - -Er hörte ihrem Geplauder zu. Wie ihn das beglückte, daß sie so zufrieden -war! Wie wenig sie brauchte, um zufrieden zu sein! - -Der Wagen war inzwischen von der Landstraße abgebogen und quer -durchs Land gefahren. Jetzt tauchten in einiger Entfernung die kahlen -Baumkronen eines weit ausgedehnten Parkes vor ihnen auf. - -Plötzlich kam Annas Hand unter den Decken hervorgekrochen und erfaßte -die Hand des Barons. - -»Eberhard,« fragte sie leise, indem sie sich zu ihm hinüberbog, »ist es -das?« - -Er sah ihr ins Gesicht. - -»Das ist es,« erwiderte er. - -Sie verstummte; ihre Augen wurden groß und ernst. - -»Gefällt es dir?« fragte er nach einiger Zeit. - -»Es scheint ganz wundervoll,« gab sie flüsternd zurück. Dann zeigte sie -mit dem Finger nach vorn. - -»Und das da -- das ist das Schloß?« - -Ueber den Wipfeln des Parks stiegen die Mauern eines großen Gebäudes -finster empor. - -»Das ist das Schloß,« versetzte er. - -Dann ergriff er ihre Hand, die langsam niedergesunken war. »Gefällt dir -das auch?« - -Sie nickte gedankenvoll mit dem Haupte. Nachdem sie dann ein Weilchen -geschwiegen, schmiegte sie sich an ihn. - -»Eberhard,« bat sie leise, »könnten wir nicht am Park aussteigen und -durch den Park zum Schlosse geh'n?« - -»Wäre dir das lieber?« fragte er. - -Sie nickte wieder; sie hätte kaum sagen können, warum, aber es war -ihr wirklich lieber. Vielleicht, daß ihr das große düstere Gebäude -unwillkürlich einen Schreck einflößte. - -Der Park öffnete sich in das umgebende Gelände; weder Mauer noch Zaun -schloß ihn ab. - -Als jetzt der Wagen die Stelle erreicht hatte, wo die Parkwege sich mit -der Fahrstraße kreuzten, befahl der Baron, anzuhalten. - -»Also komm,« sagte er zu Anna, »wir wollen aussteigen und zu Fuße -gehen.« - -Rasch entledigte sie sich ihrer Umhüllungen, und auf seine Hand -gestützt, sprang sie hinab. - -Während der Wagen zum Schlosse weiterfuhr, schritten die beiden, Arm in -Arm, in den Park hinein. - -Ihr Weg führte sie eine Allee entlang, die von hochstämmigen, uralten -Buchen gebildet wurde. In den blätterlosen Wipfeln brauste der Wind, der -immer stärker angeschwollen und jetzt beinahe zum Sturm geworden war. -Die Bäume neigten und beugten sich, die kahlen Aeste schlugen klatschend -aneinander, ein Chor von tausend seltsamen Lauten, ein Krachen, Pfeifen -und Heulen erfüllte die Luft. - -Unwillkürlich schloß Anna sich dichter an ihren Begleiter. Zum erstenmal -setzte sie den Fuß auf Fahrenwaldschen Grund und Boden, und es war, -als wenn die Geister und Dämonen, welche dieses Gebiet bewohnten, sie -begrüßten. - -Der Baron fühlte ihre ängstliche Bewegung; er sagte sich, daß er sie -nun da hatte, wo er sie haben wollte, haben mußte, aber es war wie ein -Gefühl des Unrechts in ihm. Er kam sich vor, wie ein Jäger, der in einem -fremden Erdteile ein Wild gefangen und es in seine Heimat geschleppt -hat. Wird das fremde Geschöpf sich an die Luft der neuen Umgebung -gewöhnen? - -In Gedanken verloren, waren sie schweigend fürbaß geschritten. Dann fing -Anna an. - -»Siehst du,« sagte sie, »nun begreif' ich, warum sie deinen Park das -schlesische Paradies nennen; das find' ich so schön, daß der Garten so -offen ist; da können die armen, müden Leute, wenn sie von den Feldern -draußen kommen, hereintreten und sich unter den schönen schattigen -Bäumen erholen.« - -»Gefällt es dir?« fragte er zurück, »das freut mich. Früher, verstehst -du, war ein Gitter rings um den Park herum; ich habe es wegnehmen -lassen.« - -»Das hast du gethan?« - -»Ja,« sagte er einfach. - -Sie ruckte an seinem Arm; beide blieben stehen. - -»Eberhard,« sagte sie leise, indem sie ihm in die Augen sah, »weißt du, -was ich glaube? Daß du der beste, gütigste Mensch bist, den es auf Erden -gibt.« - -Er wandte das Haupt zur Seite, als wolle er ihrem Blicke ausweichen. -Es gibt Menschen, die es nicht vertragen, daß man sich mit ihnen -beschäftigt; vielleicht auch, daß er an den Vormittag zurückdachte, da -er nahe daran gewesen war, den alten Johann zu erschlagen, und daß -ihr Lob ihm darum ungerechtfertigt erschien -- er erwiderte nichts und -drückte nur hastig ihre Hände. Dann schlang er ihren Arm wieder in den -seinen und setzte den Weg mit ihr fort. - -Von der Allee bogen sie in einen Seitenweg ab, und indem sich nun der -Park tief wie ein Wald vor ihr aufthat, sah und empfand Anna erst, wie -schön und herrlich er war. - -»O Eberhard,« fuhr sie bewundernd heraus, »wie muß das alles herrlich -sein, wenn es erst Frühling wird und alles in Laub und Blättern steht!« - -Nun warf er den Arm um sie her; sie fühlte seinen leidenschaftlichen -Druck. - -»Meinst du, daß es schön sein wird? Glaubst du, daß es dir gefallen -wird? daß du glücklich sein wirst? Glaubst du's?« - -»Ja doch, ja gewiß,« erwiderte sie, indem sie sich bemühte, ihn -den Schreck nicht fühlen zu lassen, den seine plötzliche -Leidenschaftlichkeit ihr eingejagt hatte. - -»Dann will ich dir etwas sagen,« fuhr er fort, indem er sie eng an sich -preßte, »sprich nie von mir! Hörst du? Sag nie, daß ich gut bin! Von -mir, siehst du, muß nie die Rede sein; das ist mir gerade recht, ist mir -das allerliebste! Nur du bist da, und du sollst glücklich und zufrieden -sein. Siehst du, ich will mal ein Bild brauchen, damit du's verstehst: -du bist für mich wie die Sonne, und ich bin wie die Erde. Und wenn die -Sonne scheint, siehst du, dann ist die Erde glücklich, daß sie sich um -die Sonne drehen kann. Und mehr will ich nicht und brauch' ich nicht. -Und darum gibt's für die Sonne nur eine Verpflichtung: nämlich, daß sie -da ist und leuchtet, weiter gar nichts. Und nun sag' mir, wirst du -daran denken? Und da sein für mich und leuchten? Wirst du's? Versprichst -du's?« - -Was blieb ihr anders übrig, als es zu versprechen? Aber während sie es -that, fühlte sie beklommenen Herzens, daß es nicht immer leicht sein -mochte, nichts weiter als »Sonne« zu sein und immerdar zu leuchten. - -Indem sie dem Schlosse näher kamen, lichtete sich der Park, das -Baumdickicht blieb hinter ihnen und der Weg führte an Rasenflächen und -Blumenbeeten vorüber. - -Anna riß sich vom Arme des Bräutigams los und schlug in die Hände. - -»O herrlich!« rief sie, »hier beginnt mein Reich!« - -Sie lief einige Schritte voraus und achtete nicht darauf, daß ihre -Füße in dem aufgeweichten Boden beinahe bis an die Knöchel einsanken. -Zwischen den kahlen Blumenbeeten ging sie auf und ab. - -»O Eberhard,« rief sie, »Eberhard, wie sieht das hier aus! Da bekomme -ich Arbeit! Da bekomme ich Arbeit!« - -Der Baron war hinter ihr stehen geblieben. - -»Geh nicht zu weit,« warnte er scherzend, »du ertrinkst mir am Ende -noch, bevor du an deine Arbeit kommst.« - -Jauchzend flog sie zu ihm zurück. Blumen gab es also auch hier in -dem verwunschenen Hause, und da wo Blumen sind, ist ja auch Licht! -Im Augenblick aber, da sie ihm in die Arme fallen wollte, blieb sie -jählings stehen. Jetzt erst bemerkte sie, was sie vorhin nicht gesehen -hatte, daß sie unmittelbar vor dem Schloß standen. - -Auf einem Unterbau von mächtigen Granitquadern, der nur von wenigen, -engen, vergitterten Fenstern durchbrochen war, erhoben sich zwei -Stockwerke, deren jedes zwölf Fenster zeigte. Himmelhoch sah es von hier -unten aus, die Mauern ganz grau, beinahe schwärzlich, wie angeblakt vom -schweren Atem der Jahrhunderte; wie ein Gebirge lag es da, und obschon -keine Sonne am Himmel stand, war es, als wenn es einen schweren Schatten -über die Menschen würfe, die schweigend zu ihm aufblickten. - -»Du mußt nicht erschrecken,« sagte der Baron, als er in Annas Zügen den -Eindruck wahrnahm, den die düstere Behausung in ihr hervorrief, »es -ist ein altes Komtureigebäude, daher ist es so alt und sieht so finster -aus.« - -»Aber weißt du,« erwiderte sie, indem sie sich in seinen dargebotenen -Arm hing, »wenn du es mit frischer Farbe anstreichen ließest, würde es -gewiß viel freundlicher aussehen.« - -Er nickte zufrieden. - -»Siehst du,« sagte er, »das ist gleich ein vortrefflicher Gedanke. Ich -merke schon, es kommt mit dir ein neuer Geist ins alte Haus.« - -Er führte sie darauf durch eine Halle, die vom Garten nach dem Hofe -hindurchging, und als Anna, mit offenem Munde, stehen bleiben und -den großen, seltsam ausgeschmückten Raum bewundern wollte, zog er sie -weiter. - -»Komm,« mahnte er, »es ist kalt hier drin.« - -In dem schwachen Lichte, das durch enge Fenster hereinfiel, hatte -sie nur soviel sehen können, daß die Wände von oben bis unten -mit Jagdtrophäen und Jagdgeräten behangen waren. Hirschgeweihe, -Wildschweinsköpfe und Köpfe von Elentieren, mit lang herabhängenden -Schnauzen, ragten aus den Mauern hervor; das Jagdgerät und die Waffen -schienen uralt zu sein; ein riesiger Kamin, in dem kein Feuer brannte, -befand sich in der einen Wand. - -Sie traten auf den Hof hinaus, den auf der einen Seite das Schloß, auf -der andern ein Wirtschaftsgebäude umgab, und hier öffnete sich das Thor, -das zu den oberen Räumen führte. - -Durch einen Vorflur, dessen Boden mit Steinfliesen belegt war, und wo -rechts und links zwei alte große Bilder an den Wänden hingen, Pferde -in Lebensgröße darstellend, die von Stallknechten in der Kleidung des -siebzehnten Jahrhunderts geführt wurden, gelangte man an die Treppe. - -Es war eine Stiege von altem dunklen Eichenholz, mit so flachen Stufen, -daß man das Steigen kaum gewahr wurde. Schwere Geländer liefen zu beiden -Seiten hinauf. - -Anna wußte kaum, wie ihr zu Mute war, als sie in diese wuchtige, von -Jahrhunderten gesammelte und aufgespeicherte Pracht hineinschritt; die -Erinnerung an den Abend kam ihr zurück, als sie zum erstenmal in seinem -Wagen nach Hause gefahren war. - -Der Mann an ihrer Seite aber preßte ihren Arm und ließ ihr keine Zeit -zum Besinnen. - -»Hast du gehört,« fragte er, indem er sie die Stufen hinaufzog, »wie die -alte Treppe geknackt hat? Das ist eine gute Vorbedeutung; sie hat die -neue Herrin erkannt und sie begrüßt.« - -Stumm drückte sie ihm die Hand. Sie hätte so gerne etwas Fröhliches -erwidert, aber das fremdartige Neue, das sie umgab, lastete auf ihrer -Brust. - -Es war ein altertümlich gebautes und verbautes Haus mit lichtlosen -Räumen. Die Treppe mündete in einen Flur, der keine Fenster hatte, -sondern nur durch eine hoch oben im Dache angebrachte Glasscheibe so -viel Helligkeit empfing, daß man die Gegenstände ringsumher erkennen -konnte. Eine schmalere Treppe leitete vom ersten zum zweiten Stockwerke -hinauf; der Haupttreppe gegenüber öffnete sich ein Gang, an dessen -rechter, nach dem Hofe gelegener Seite sich eine Reihe kleiner, winklig -ineinander geschobener Gemächer befand; die eigentlichen Wohn- und -Staatszimmer lagen vom Eintretenden links, durch eine Glasthür vom Flure -getrennt. - -Als der Baron mit Anna die Treppe bis zum ersten Stock hinaufgestiegen -war, öffnete sich die Glasthür und es erschien eine Gestalt, die Anna, -in dem Dämmer, der sie umgab, kaum zu erkennen vermochte. Es war der -alte Johann, der lautlos daran ging, seinem Herrn und dessen Begleiterin -die Mäntel abzunehmen. - -Hinter der Glasthür war noch ein Vorraum, und hier herrschte eine so -völlige Dunkelheit, daß Anna nur tappend weiter zu schreiten vermochte. -Plötzlich aber brach Licht herein. Der Baron hatte eine Thür geöffnet, -die Anna nicht gesehen hatte; an der Hand zog er sie über die Schwelle, -und mit einem unwillkürlichen »Ah« -- des Staunens und der Bewunderung -stand sie mitten im Zimmer. - -Der Raum, der sie umgab, war ein großer, viereckiger Saal, dessen Decke -in gotischen Spitzbogen gewölbt war und dessen Wände von großen, vom -Fußboden bis an die Decke reichenden Bücherschränken eingenommen -wurden. Die Schränke waren durch dicke, rotbraune Holzsäulen voneinander -getrennt, die kunstvoll, in Gestalt von Palmbaumstämmen ausgeschnitzt -waren. In den Schränken drängte sich eine Masse von Büchern; vom Knaufe -der Decke, in dem die Spitzbogen des Gewölbes zusammenliefen, hing ein -schwerer, altertümlicher Kronleuchter herab und unter dem Kronleuchter, -inmitten des Raumes, stand ein Frühstückstisch für zwei Menschen -zugerichtet. - -Der Baron trat an den Tisch. - -»Du mußt hungrig geworden sein,« sagte er, »wollen wir gleich -frühstücken?« - -Anna aber stand in Staunen befangen und erstarrt. - -»Nachher,« erwiderte sie auf die Einladung des Barons, »erst muß ich mir -das alles ansehen. Das ist ja zu merkwürdig!« - -Sie ging von Schrank zu Schrank, sie befühlte mit den Händen die -geschnitzten Säulen und sah erst jetzt, welche Fülle erfinderischer -Kunst dahineingelegt war. An den Palmen kletterten, in Holz geschnitzt, -Affen, Leoparden und andre fremdartige Tiere auf; in den Wipfeln, die -sich unter der Deckenwölbung ausbreiteten, sah man Papageien und andre -Vögel sich wiegen. - -»Wie wundervoll,« sprach sie staunend vor sich hin, »wie wundervoll.« - -Der Baron verfolgte schweigend ihr Umherwandern. - -»Das ist Holzschnitzerei aus dem Anfange des siebzehnten Jahrhunderts,« -erklärte er. - -Aus dem Anfange des siebzehnten Jahrhunderts -- Anna blieb stehen und -sah zu ihm hinüber. Das war ja ein königliches Besitztum -- und in -dem sollte sie gebieten? Sie, das dürftige Gewächschen des neunzehnten -Jahrhunderts? - -Sie trat vor den Kamin, in dem ein Feuer von mächtigen Holzscheiten -prasselte; dann ging sie an die Fenster und bemerkte, daß sie auf den -Park hinausgingen und daß sie sich hier am Ende der Schloßfront befand. -Zu ihrer Rechten war die Thür geöffnet, durch die man in die anstoßenden -Gemächer blickte. Die Thüren all dieser Zimmer standen offen, so daß -sich der Blick in einer schier endlosen Flucht von Räumen verlor, aus -denen ein unbestimmtes Leuchten und Glänzen zu ihr drang. Sie ahnte, -daß in allen diesen Gemächern eine gleiche Pracht wie in diesem ersten -herrschen mochte. Stärker als Hunger und Durst war die Neugier. - -»O Eberhard,« sagte sie leise, indem sie die Hände zusammenlegte, -»thu mir's zuliebe, zeig mir das alles erst. Frühstücken können wir ja -nachher.« - -Er war bereit, und an seiner Seite ging sie nun über den spiegelglatten -Parkettboden in das nächste Zimmer und von da weiter. - -Die Räume waren, wie man das in alten Häusern findet, launenhaft -unsymmetrisch gebaut; bald in Form von langen, schmalen Gängen, bald zu -tiefen Gelassen ausgeweitet. - -Allen gemeinsam aber war die reiche Pracht der Ausstattung. Ein -altertümlicher schwerer Prunk herrschte in dem Mobiliar. Tiefrückige -Sofas, mit vergoldeten, in Löwenköpfen auslaufenden Armlehnen; -Lehnstühle von schwarzem Ebenholz; dazwischen, einer jüngeren -Epoche entstammend, kleine Stühle von zartem, vergoldetem Holz und -Rohrgeflecht. Dunkelroter Sammet in dem einen, dunkelblauer Sammet in -dem nächsten Zimmer, dann wieder Polster von goldgepreßtem Seidenstoff. -An den Wänden große Spiegel in massiv goldenen oder silbernen Rahmen und -eine Fülle von Bildern. Unter diesen, die sämtlich von älteren Meistern -herrührten, vielfach hervorragende Werke; wie denn überhaupt die ganze -Ausschmückung der Räume den Eindruck erweckte, daß ein hochentwickelter -Kunst- und Schönheitssinn zur geistigen Erbschaft der Fahrenwalds -gehörte. - -Am liebsten wäre Anna vor jedem einzelnen Bilde stehen geblieben; aber -dann hätte sie bis zum Abend stehen können, und heut abend wollten -sie doch wieder in Breslau zurück sein. Darum ließ sie sich von ihrem -Begleiter weiterführen, und nur in einem der Gemächer machte sie -unwillkürlich vor den Gemälden Halt. - -Es war dies ein gangartiger Raum, ungefähr wie eine Galerie. Auf -der Tapete von dickem purpurrot gefärbten Leder hing eine Reihe von -Porträts, Männer und Frauen darstellend, offenbar die hauptsächlichen -Vertreter des Geschlechts. - -Aus dem sechzehnten Jahrhundert kamen sie hervor und gingen bis in die -Neuzeit, eine gemalte Chronik der wandelnden Tracht und Kultur. - -Die Augen des jungen Weibes hafteten an den Kleidungen, daneben -aber beschäftigte es sie, den stark hervortretenden Zug von -Familienähnlichkeit wahrzunehmen, der die Gesichter innerlich verband. -Lauter edle, fein ausgearbeitete Physiognomieen, mit bleichen Zügen und -dunklen, schwermütigen Augen, eine Reihe von Menschen, von denen der -vorhergehende immer dem nachfolgenden die schwere Bürde des Lebens -auf die Schultern zu legen schien, froh, daß er sie nicht länger zu -schleppen brauchte. - -Annas Blicke gingen zu Eberhard hinüber, dem letzten Fahrenwald, der mit -offenbarer Ungeduld an der Thür zum nächsten Zimmer ihrer wartete, und -sie stellte fest, daß sein Aeußeres ihn als echten Nachkommen seiner -Vorfahren verkündete. - -Als sie seine Ungeduld bemerkte, riß sie sich los, um ihm zu folgen, -an der Thür zum Nebenzimmer aber hing ein Bild, das ihre Schritte wider -ihren Willen bannte. - -Ein alter, weißhaariger Mann, in langem schwarzen Rock, über den am -Halse ein breiter, spanischer Spitzenkragen fiel, saß an einem Tische, -auf dem sich Phiolen, Retorten und all die Geräte befanden, wie sie vor -Zeiten die Alchimisten gebraucht hatten. - -Das aber, was den Beschauer an das Bild fesselte, waren die Augen des -alten Mannes; diese Augen waren schrecklich. Stier und starr, mit einer -Wut im Ausdruck, die lebendig geblieben zu sein schien, nachdem der -Körper des Mannes längst im Grabe zerfallen war, bohrten sie aus der -Leinwand hervor. - -Während Anna sprachlos vor dem Gemälde stand, trat der Baron zu ihr -heran und faßte sie, beinah heftig, am Arm. - -»Komm fort,« sagte er. Der Ton seiner Stimme war rauh, wie nie zuvor. - -Von dem unheimlichen Anblick gefesselt, stand sie noch immer. -Jetzt wandte er sich nach der Thür, durch welche sie in die Galerie -eingetreten waren. - -»Hatte ich dir nicht befohlen, das Bild fortzunehmen?« - -Sie drehte den Kopf -- zu wem sprach er? - -In der Thür stand der alte Johann, der, wie es schien, lautlos hinter -ihnen drein gekommen war. - -Sie sah, wie er langsam den Kopf vorstreckte und die Augen auf den Baron -richtete. - -»Gnädiger Herr,« sagte er, »haben nichts davon befohlen.« - -In dem Augenblick fühlte Anna, deren Arm in dem des Barons lag, wie -ein Zucken durch dessen Körper ging. Seine Gestalt reckte sich in allen -Gelenken, so daß er Anna um mehr als Kopfeslänge überragte. - -»Wenn ich's also wirklich noch nicht befohlen haben sollte,« fuhr er -fort, indem er über sie hinweg sprach, »so befehl' ich es jetzt. Das -Bild kommt fort von der Wand! Gleich auf der Stelle! Jetzt!« - -Nun kam der alte Diener, immer den Kopf vorgestreckt, und immer die -Augen auf seinen Herrn gerichtet, zwei Schritte näher. - -»Das soll fort? Das Bild von dem alten Herrn?« - -»Ja -- hast du mich nicht verstanden?« erwiderte der Baron, und seine -Stimme rollte dumpf empor. - -»Wohin -- soll ich's denn bringen?« - -Der Baron überlegte einen Augenblick. - -»Oben hinauf,« befahl er dann, »in die grüne Kammer.« - -In den Augen des alten Dieners zuckte ein grelles Licht auf; es sah aus, -als traute er seinen Ohren nicht. - -»Das Bild --« fragte er, beinah drohenden Tons, »von hier fort? in die -grüne Kammer?« - -Und jetzt geschah etwas, das Anna mit eisigem Schreck überlief; von dem -Mann an ihrer Seite, von dessen Mund sie bisher nur Töne sanftester Güte -vernommen hatte, kam plötzlich ein unbeschreibbarer Laut. - -»Wenn dir das also nicht paßt,« schrie er, »dann also anders: auf den -Boden mit dem Bild!« - -Der alte Johann erwiderte nichts, rührte sich aber auch nicht vom Fleck, -nur sein Mund that sich halb auf, daß man die langen Zähne darin sah. - -In der Brust des Barons stieg etwas herauf, gurgelnd und rauschend, wie -eine steigende Flut. - -»Auf den Boden damit, hast du mich gehört?« - -Diesmal schrie er nicht, er brüllte. Anna blickte auf; sein Gesicht war -verzerrt. - -Ein furchtbares Entsetzen überkam sie. - -»Eberhard!« kreischte sie auf. - -Als er den Schrei vernahm, senkte er den Blick zu ihr. Sie stand -leichenblaß, mit schlotternden Gliedern, die Hände wie flehend und -zugleich wie abwehrend zu ihm erhoben. In dem Augenblick war es, als -knickte sein aufgestraffter Körper in sich zusammen, die lodernde Wut in -seinen Augen erlosch, um einem maßlosen Erschrecken zu weichen, und mit -einem dumpfen »o mein Gott« schlang er beide Arme um sie, riß sie an -seine Brust, und so, indem er sie an sich gepreßt hielt, zog er sie -aus der Galerie in das anstoßende Gemach, wo er sie auf das Sofa -niedersinken ließ. - -Sobald sie Platz genommen, sank er knieend zu ihren Füßen, das Haupt in -ihren Schoß gedrückt, die Hände um sie gelegt, als fürchtete er, daß -sie aufspringen und entfliehen würde. Daran aber hätte Anna wohl kaum -gedacht, sie fühlte sich von dem eben erlebten Schreck ganz kraftlos -und gebrochen. Sie mußte die Zähne aufeinanderpressen, damit sie nicht -klappernd zusammenschlugen, ihre Glieder zitterten wie im Frost. - -Als der Baron das Beben ihres Leibes verspürte, hob er das Gesicht zu -ihr auf. - -»Aengstige dich nicht,« flehte er, »ängstige dich nicht.« - -Aber er sah ihre Augen mit stummem Grauen auf sich gerichtet. - -»Es war ja um deinetwillen, daß ich so heftig wurde,« fuhr er fort, -»weil ich sah, daß das Bild dich erschreckte.« - -Und als sie noch immer nicht im stande war, ein Wort zu erwidern, -drückte er das Haupt wieder in ihren Schoß und schüttelte es und faßte -sie fester mit den Händen. - -»Geh nicht von mir!« stöhnte er, »verlaß mich nicht!« - -Bei diesem Worte wurde ihr wieder weich und warm. Schweigend breitete -sie die Arme um ihn her, senkte das Gesicht auf sein Haupt und ein Strom -von Thränen, der lautlos aus ihren Augen brach, verkündete, daß das Eis -geschmolzen war, das sich für einen Moment um ihre Seele gelegt und sie -von ihm getrennt hatte. - -So saßen sie schweigend bei einander, lange Zeit. Das einzige Geräusch, -das man vernahm, war das Knistern des Holzes im Kamin, das in sich -zusammenfiel, um sich in Kohle zu verwandeln und danach zu Asche zu -werden. Sonst regte sich kein Laut, und es war, als hauchten die alten -Möbel, die Bilder an den Wänden die dumpfe Stille aus, die wie eine Last -im Zimmer lag. Es war, als thäten sich geräuschlos in Winkeln und Ecken -und in der Luft umher Augen auf, dunkle, schwermütig forschende Augen, -als blickten sie fragend auf die beiden in sich versunkenen Menschen -dort, und als blinzelten sie sich gegenseitig zu, Gedanken tauschend, -wie die Abgeschiedenen sie verstehen, die Lebenden aber nicht. - -Endlich hatte Anna ihre Fassung wieder erlangt. - -»Komm weiter,« sagte sie, indem sie sich vom Sofa erhob. - -Er stand auf. - -»Nun wirst du wohl nichts mehr sehen wollen?« fragte er. - -Sie fühlte, daß sie ihm Mut machen müsse. - -»O ja, gewiß,« versetzte sie, »du hast es mir versprochen, und -Versprochenes muß man halten.« - -Sie hing sich in seinen Arm, sie bemühte sich, einen leichten Ton -anzuschlagen und ihm zu zeigen, daß alles überwunden und vergessen sei. - -So führte er sie denn weiter, bis daß sie am andern Ende der -Zimmerflucht in zwei kleinere, freundlichere Gemächer gelangten. - -»Siehst du,« sagte er, stehen bleibend, »dies, hatte ich gedacht, sollte -dein Wohnzimmer sein, und dort nebenan solltest du schlafen.« - -Anna blickte umher. - -»O ja,« meinte sie, »hier könnte es mir gefallen.« - -Sie ging ans Fenster. - -»Da hab' ich ja gerade meine Blumen vor mir,« sagte sie, indem sie in -den Garten hinunterblickte. »Das macht sich alles ganz vortrefflich. -Nur, weißt du, was ich möchte? Daß das Zimmer vielleicht eine andere -Tapete bekäme.« - -Sie trat an die Wand und befühlte den dicken, dunkelbraunen Stoff, mit -dem sie bekleidet war. - -»Das ist ja alles ganz prachtvoll,« fuhr sie fort, »und die eingepreßten -Goldmuster geradezu kostbar, aber siehst du, ich bin nun einmal ein -Kind unsrer Zeit und möchte es gern ein bißchen heller haben und -freundlicher.« - -Der Baron machte ein Gesicht wie ein vergnügtes Kind. - -»Aber Anna,« rief er, »das ist ja mein Gedanke gewesen von Anfang an! -Alle Zimmer miteinander möchte ich umtapezieren lassen, damit mehr -Licht in die alte Finsternis kommt. Und in Breslau habe ich ein Muster -gesehen, weißen Untergrund mit goldenen und blauen Blumen, etwas reizend -Freundliches, den suchen wir uns, gleich morgen, nicht wahr?« - -Sie nickte ihm zu. - -»Gleich morgen,« sagte sie. - -Er ergriff ihre Hände. Es sah aus, als wolle er sich bei ihr bedanken. - -»Und andre Möbel darf ich dir auch hineinstellen? Nicht wahr? Diese -alten, schweren Sessel mit den riesigen Lehnen, diese bauschigen Sofas, -das ist doch alles nichts für dich? Nicht wahr? Etwas recht Zartes, -Luftiges und Duftiges suchen wir uns aus, das erlaubst du mir? Nicht -wahr? Hast du Rosenholz gern?« - -Sie sah ihm in die Augen und neigte das Haupt. - -»Alles, was dir gefällt, wird auch mir gefallen, und was du mir -schenkst, nehme ich gern.« - -Ein Freudenschein zuckte über sein Gesicht. Er machte eine Bewegung, -um sie zu küssen, bevor er aber dazu gelangte, bog er den Kopf wieder -zurück. Der ängstliche Ausdruck, mit dem er sie ansah, verriet, daß er -sich nicht getraute. Er dachte an den Auftritt von vorhin. - -Anna schob langsam die Hände an seinen Armen hinauf, bis daß sie auf -seinen Schultern ruhten. Da stand er vor ihr, der Besitzer all dieser -Pracht und Herrlichkeit, der gegenüber sie sich wie eine Bettlerin -erschien, da stand er, der starke Mann, in dessen Armen sie wie Glas -zersplittert wäre, wenn seine Kraft sich gegen sie gewandt hätte -- und -bat sie, demütig wie ein Knabe, ihr all seinen Reichtum zu Füßen legen -zu dürfen, und wie ein Schuldbewußter wagte er nicht, sie zu küssen. Und -worin bestand denn seine Schuld? Ein unaussprechliches Mitleid quoll ihr -im Herzen empor, die Thränen drängten sich ihr in die Augen. Aber sie -wollte ihn keine Thränen sehen lassen, sie zwang sich zum Lächeln, und -so, weil ihr trotz allem Widerstand die Augen dennoch übergingen, hob -sie sich auf den Fußspitzen empor, und unter Thränen und Lächeln -suchte sie mit ihrem Munde seinen Mund. Aufatmend, wie nach tiefer -überstandener Qual, beugte er sich zu ihr herab, und der Kuß, in dem sie -sich zusammenfanden, war wie ein gegenseitiges Versprechen, daß sie nun -ein neues Leben begründen wollten in dem alten, ausgestorbenen Hause. - -Raschen Schrittes kehrten sie darauf zu dem Saale zurück, wo das -Frühstück angerichtet stand. Die warmen Speisen waren inzwischen kalt -geworden, aber das störte die Laune nicht. Auch war neben den warmen -Gerichten kalter Braten in genügender Fülle da, um sich daran satt zu -essen. Während der alte Johann die Teller wechselte, schenkte der Baron -ihr Wein ein, und sie trank ein tüchtiges Glas. Sie war nun ganz -heiter, ganz ihrem Berufe als »Sonne« treu, und der Baron, ihre »Erde«, -leuchtete in ihrem Lichte auf. - -Das einzige, was sie einigermaßen hätte stören können, war der Anblick -des alten Dieners, der schweigend aufwartete und, während sie aßen und -tranken, hinter dem Stuhle seines Herrn stand. - -Unwillkürlich gingen ihre Blicke von Zeit zu Zeit zu ihm hin, und immer -sah sie ihn dann in einer ganz seltsamen Haltung, regungslos, den Kopf -wie in brütendem Sinnen zu Boden gesenkt, an seinem Platze stehen. - -Offenbar dachte er immer noch darüber nach, wie furchtbar und eigentlich -grundlos der Baron ihn vorhin angefahren hatte. Das that ihr so leid -um den alten Mann. Sie fühlte das Bedürfnis, ihm irgend eine kleine -Freundlichkeit zu erweisen. Zwischen Herrn und Diener war offenbar eine -Spannung; es wäre ihr so lieb gewesen, wenn sie das Verhältnis zu einem -guten hätte machen können; Menschen, die so einsam leben, wie sie drei -nun bald leben würden, müssen sich doch verstehen, dürfen nicht mit -feindseligen Gedanken umeinander hergehen. - -»Aber wissen Sie, Johann,« fing sie möglichst unbefangenen Tones an, -indem sie den Kopf zu ihm erhob, »ich muß Ihnen wirklich mein Kompliment -machen, wie das Schloß im Stande gehalten ist. Da ist ja kein Stäubchen -und kein Fleckchen, und das Feuer in den Kaminen --« Sie brach im Satze -ab. - -Der Alte, als er seinen Namen von ihrem Munde hörte, hatte langsam, wie -aus einem Traume zurückkommend, den Kopf erhoben und die Augen auf sie -gerichtet, und als sie seine Augen sah, konnte sie nicht weiter. - -Was für Augen waren das! Stierend, bohrend, als wollten sie sich durch -ihre Augen hindurch bis in das Mark ihres Lebens hineinwühlen. Dabei -that sich, wie sie es vorhin schon an ihm wahrgenommen hatte, sein Mund -halb auf, so daß die langen Zähne sichtbar wurden, der Kopf schob sich -nach vorn, und das ganze Gesicht nahm einen Ausdruck an -- ja, was war -es nur für ein Ausdruck? Anna begriff ihn zuerst gar nicht, dann kam ihr -das Bewußtsein: das war ja Haß! Wütender Haß! Sie hing wie gebannt an -diesem Gesicht. -- Was hatte sie ihm gethan? War er so erbittert über -sie, weil sie ahnungslos die Ursache gewesen war, daß sein Herr so -heftig gegen ihn wurde? - -Der Baron, der nervös aufgezuckt war, als sie sich an den Alten wandte, -hatte ihr plötzliches Verstummen bemerkt. Jetzt sah er ihr totenblasses -Gesicht und ihre verstörten Augen. - -»Ist dir etwas?« fragte er. - -Er faßte nach ihrer Hand; ihre Hand war eiskalt. - -»Ist dir unwohl?« wiederholte er hastig seine Frage. - -Sie schüttelte den Kopf. Von der Stuhllehne, an die sie zurückgesunken -war, richtete sie sich gewaltsam auf. Sie drückte seine Hand, als wollte -sie ihn beruhigen. - -»Nein, nein, nein,« erwiderte sie. Ihre Stimme war gepreßt, ihre Augen -gingen zu den Büchern hinüber und von den Büchern in irgend eine Ecke. -Es war, als flüchteten sie sich, als wüßten sie nicht mehr, wo sie -hinblicken sollten. Aufzuschauen wagte sie nicht, denn da stand ja der -Alte; den Baron anzuschauen vermochte sie auch nicht, denn sie spürte, -wie die wilde Unruhe in sein Gesicht zurückkehrte. Der seltsame Raum, in -dem sie sich befand, die fremdartigen Tiergestalten in den geschnitzten -Palmen -- es war, als wenn das alles zu einem lautlosen, unheimlichen, -gespenstischen Leben erwachte, als wenn es wirklich ein verwunschenes -und verzaubertes Haus sei, in das sie sich tollkühn hineingewagt hatte, -und aus dem es nun kein Entrinnen mehr gab. Eine betäubende Angst legte -sich auf sie, es war ihr zu Mute, als würde ihr eine schwere bleierne -Haube über den Kopf gezogen. - -Jählings stand sie auf. - -»Ach, weißt du,« sagte sie mit taumelnder Stimme, »ich glaube, wir -möchten nach Haus fahren -- ich glaube, es wird Zeit.« - -Mit einem Sprunge war er neben ihr; er hatte gesehen, wie sie wankte; -er schlang den Arm um sie; mit lastender Wucht lehnte sie an seiner -Schulter. - -»Der Wagen soll vorfahren!« herrschte er dem Alten zu. - -Sobald dieser hinaus war, beugte er sich zu ihr. - -»Was ist dir?« forschte er voller Besorgnis, »ist dir etwas geschehen? -Hat dir jemand etwas gethan?« - -Sie suchte mit den Augen umher -- der Alte war fort. Ihre Lippen -bewegten sich lallend. - -»Er -- ich weiß nicht, was ich ihm gethan habe -- hat mich so -schrecklich angesehen.« - -»Der Johann?« - -Sie drückte das Gesicht an seine Brust. - -»Um Gottes willen bleib ruhig,« bat sie. Schon hörte sie, wie die -steigende Flut in seiner Brust wieder zu rauschen begann; schon fühlte -sie, wie der Griff seiner Hand, mit der er sie umschlungen hielt, wieder -eisern wurde. - -»Ich schicke ihn fort!« knirschte er. - -»Nein,« flehte sie, »nicht um meinetwillen!« - -»Ich jage ihn fort!« wiederholte er drohend. - -Sie waren, indem er das sagte, auf den Flur hinausgetreten; er hatte so -laut gesprochen, daß seine Worte durch den ganzen Treppenraum hallten. -Am Fuße der Treppe stand der alte Johann; er hatte hören müssen, was der -Baron eben gesagt hatte. Und nun begab sich etwas Unerhörtes. - -Indem der Baron mit Anna die Treppe hinabzusteigen begann, knickte der -Alte da unten in die Kniee und fiel zu Boden, beide Hände nach oben -ausgestreckt. Das Haar hing ihm wirr übers Gesicht, seine Augen waren -ganz rot; seine Brust arbeitete und sein Mund war weit offen. Aber er -brachte nichts hervor, als ein dumpfes Keuchen; mit plattem Leibe warf -er sich auf die Treppe, so daß sein grauer Kopf auf den Stufen lag. - -»Jesus, Gottes Sohn --« stammelte Anna, indem sie, von Grausen gepackt, -den Arm ihres Begleiters umklammerte und ihn zum Stillstehen zwang. - -Jetzt fing der Alte mit dumpfer, heulender Stimme an: »Gnädiger Herr -wollen mich fortjagen -- und ich habe gnädigen Herrn auf den Armen -getragen -- und ich bin immer mit gnädigem Herrn gewesen -- und habe -immer nichts andres gedacht, als was gnädigem Herrn gut wäre und gesund --- und gnädiger Herr wollen mich fortjagen --« - -Annas Hand krallte sich in den Arm ihres Bräutigams, sie wußte -kaum mehr, was sie that; sie fühlte, wie die Ohnmacht ihre Augen zu -verdunkeln begann. - -»Sag ihm, daß du ihn behältst,« raunte sie mit fliegendem Atem; »wenn du -mich lieb hast, sag ihm, daß du ihn behältst!« - -Der Baron strich mit leiser Hand über ihr glatt gescheiteltes Haar; die -Ruhe war ihm zurückgekehrt. - -»Steh auf, Johann,« sagte er, »du sollst bleiben, ich jage dich nicht -fort.« - -Schwerfällig raffte sich der alte Mann auf und trat an den Fuß der -Treppe zurück. Er blickte nicht auf, seine Arme hingen herab, mit der -rechten Hand wischte er den Treppenstaub von seinem Rock. - -»Und hier, bei dem gnädigen Fräulein bedanke dich,« fuhr der Baron fort, -indem er mit Anna bei ihm vorüberschritt, »küß ihr die Hand, sie hat für -dich gebeten.« - -Knechtisch gebeugten Hauptes trat der Alte auf Anna zu, um ihr die Hand -zu küssen. Solcher Bezeigungen ungewohnt, wollte Anna es nicht dulden. -Der Baron stieß sie heimlich an. - -»Thu's,« flüsterte er ihr zu, »es muß sein!« - -Nun überließ sie ihm ihre Hand, die der Diener, ohne die Augen zu -erheben, an den Mund führte. - -Indem sie die gebrochene Gestalt vor sich sah, überkam sie ein wahres -Jammergefühl. Unwillkürlich drückte sie seine Hand. - -»Das alles wird vorübergehen,« sagte sie mit wohlwollendem Trost, »ich -weiß ja, wie treu Sie dem Herrn Baron immer gewesen sind, und das sollen -Sie auch in Zukunft bleiben, und dann werden wir ganz gewiß gute Freunde -werden, ganz gewiß.« - -Sie vermochte nicht zu erkennen, welche Wirkung ihre Worte auf den Alten -hervorbrachten; ohne aufzublicken, zog er sich zurück, und gebeugten -Hauptes blieb er stehen, bis Anna mit ihrem Begleiter auf den Hof -hinausgetreten war. Sie stiegen ein; der Wagen rollte ab, und als das -Schloß hinter ihnen lag, fühlte Anna es wie eine Erleichterung. Aus dem -Bereiche der Gespenster und Dämonen kehrte sie zu den Menschen zurück. - -Von den Aufregungen erschöpft, die sie durchlebt hatte, lehnte sie blaß -und schweigend in der Wagenecke; der Baron saß gleichfalls mit seinen -Gedanken beschäftigt; so kamen sie auf der Bahnstation an, und als der -Abend einbrach, waren sie wieder in Breslau. - -In seinem Coupé brachte er sie zu ihrer Wohnung; im Hausflur nahmen sie -Abschied voneinander. - -»Du siehst so müde aus,« sagte er, indem er sie in die Arme nahm. »Wirst -du auch gut schlafen?« - -Sie nickte stumm. - -Er stand noch immer und hielt sie umschlungen; sie fühlte, wie schwer -es ihm wurde, von ihr zu gehen. Es war, als wenn er noch eines guten -Wortes, eines Trostes bedürfte. Sie nahm sich zusammen und sah ihn -freundlich lächelnd an. - -»Ich werde gut schlafen,« versicherte sie, »sei ganz unbesorgt, und -morgen holst du mich ab, damit wir uns die Tapeten ansehen.« - -Das gab ihm das Leben wieder. Freudig drückte er ihre Hand. - -»Ja, ja, morgen komm' ich, und dann holen wir uns das neue Leben in das -alte Haus!« - -Als Anna zu dem Onkel und der Tante zurückkam, saßen die beiden -alten Leute und spielten »Rabouge«, ein Kartenspiel ältester Art, das -heutzutage kaum jemand mehr kennt. Das war ihre Beschäftigung, einen -Abend wie alle Abende. Von dem jungen Mädchen, das mit leisem »guten -Abend« zu ihnen eintrat, nahmen sie so gut wie keine Notiz. Man konnte -zweifeln, ob sie überhaupt wußten, daß sie den Tag über fortgewesen war. - -Anna war daran gewöhnt. Ohne weiter zu sprechen, setzte sie sich in -einiger Entfernung von den Spielenden nieder, so daß die Lampe, die -auf dem runden Tisch stand, gerade noch genug Licht für ihre Handarbeit -abgab, dann häkelte sie still vor sich hin und dachte nach. - -Welch ein Kontrast! Heut am Tage das Fahrenwaldsche Schloß, und jetzt -hier diese Behausung! Daß die Wohnung ärmlich war, hatte sie wohl immer -gewußt -- wie erbärmlich sie war, fühlte sie heut abend zum erstenmal -ganz. Als sie nach Haus gekommen war, hatte sie das Behagen empfunden, -daß sie wieder in Sicherheit sei -- jetzt, da sie in Sicherheit saß, -fühlte sie, daß diese gleichbedeutend mit Oede und Langeweile war. - -Hier diese dumpfen, stumpfen alten Menschen, die vom Leben nichts mehr -wissen wollten, die kein Wort, kaum einen Blick für sie übrig hatten --- und dort drüben der Mann, der nur ein Verlangen hatte, aus Nacht -und Grauen ins helle gesunde Leben zu gelangen, der nach ihrer -Persönlichkeit lechzte, wie der Verschmachtende nach dem Wasser! - -Als sie heute mittag auf Schloß Fahrenwald beim Frühstück gesessen -und das Todesgrauen empfunden hatte, mit dem all das Unverständliche, -Unbegreifliche über sie herfiel, war der Gedanke in ihr aufgestanden, -daß es ihr unmöglich sein würde, dort in Zukunft zu leben, daß sie -das Verhältnis mit Eberhard von Fahrenwald abbrechen müsse -- jetzt -verblaßten die Schrecken und das Schöne blieb. - -Sie dachte an den Park zurück, den herrlichen, walddunkeln, waldtiefen -Park, und vergegenwärtigte sich, wie schön es sein würde, wenn er im -Frühling, Sommer und Herbst ihr zu Häupten rauschte. An die Räume des -Schlosses dachte sie, die schweigenden, feierlichen Gemächer, an die -Bilder der Männer und Frauen, mit den edlen leidvollen Gesichtern. War -es ihr nicht, indem sie an sie dachte, als wenn sie die Lippen aufthäten -und sprächen: »Fürchte dich nicht vor uns -- wir sind nur unglücklich, -nicht böse.« War es nicht, als zeigten sie mit den stummen dunklen Augen -auf ihn, den Letzten ihres Stammes, und als sprächen sie: »Hilf ihm -- -nur du kannst ihm helfen -- und auch er ist nicht böse.« - -Ach -- ob sie es wußte, daß er nicht böse war! - -Als sie am späteren Abende ihr Schlafkämmerchen aufgesucht hatte, lag -sie knieend vor ihrem dürftigen Bett, die gefalteten Hände in die Kissen -gestützt, bitterlich weinend. - -Es war ihr, als stände er vor ihr und sähe sie an mit den schwermütigen, -bittenden Augen, als hätte er in ihrem Herzen die Gedanken gelesen, die -ihm die Treue gebrochen hatten, und als müßte sie ihm abbitten, alles -was sie gedacht. - -»Nein, nein, nein, ich will dich nicht verlassen! Furcht und Feigheit -sollen nicht stärker sein in mir, als die Liebe in deinem gütigen, -geliebten Herzen! Was auch das Leben bringen mag, an deiner Seite will -ich ihm entgegengehen -- das will ich -- ja.« Und während ihre Lippen -noch das beteuernde »ja« sprachen, sank ihr Köpfchen in die Kissen -zurück, und sanft und ruhig schlief sie ein. - -Am nächsten Vormittage, seinem Versprechen getreu, erschien der Baron, -um Anna abzuholen. - -Bei drei Tapetenhandlungen fuhr man vor, und alle drei Lager wurden von -oben bis unten durchstöbert, bis man das Muster gefunden hatte, das für -die beiden Zimmer als das passendste erschien; eine weiße Tapete -mit blaugoldenen Frucht- und Blumenstücken für das Wohngemach, eine -himmelblaue für das Schlafzimmer; beide das Lieblichste, Freundlichste, -was man sich denken konnte. Anna war ganz erschöpft, der Baron zeigte -keine Spur von Müdigkeit. - -»Jetzt,« meinte er, »sollten wir gleich noch an die Möbel denken.« - -Anna verweigerte lachend den Gehorsam. - -»Morgen,« sagte sie, »das hat Zeit bis morgen.« - -»Gut, so wollen wir jetzt aber frühstücken.« - -Es half ihr nichts, daß sie auf das nah bevorstehende Mittagessen -verwies. - -»Ach was, dein Onkel und deine Tante können auch ohne dich essen.« - -Er war ganz ausgelassen, ganz glücklich, daß er das geliebte Wesen -einmal in seiner Gewalt hatte. - -So mußte sie ihm zu einem Restaurant folgen, und es war natürlich nicht -das schlechteste von Breslau. Dort tafelten sie. - -Als sie auf die Straße hinaustraten und den Wagen wieder bestiegen, -glühte Annas Gesicht und ihr Köpfchen sank ganz schwer zurück. - -»Aber Eberhard,« sagte sie, »du hast mich ganz betrunken gemacht mit dem -vielen Champagner.« - -Sie lächelte, ihre Augen hatten einen schwimmenden Glanz; indem sie -sich lässig in die Wagenkissen zurücklehnte, war eine Auflösung in ihrer -ganzen Gestalt, wie er sie noch nie an ihr gesehen hatte. - -Er schlang den Arm um sie und küßte sie mit einer Glut, wie nie zuvor. - -»Weißt du,« sagte er, »das ist köstlich. So wollen wir es jetzt alle -Tage machen; so reizend wie heut bist du mir noch nie erschienen.« - -Ihr Körper lag warm und weich in seinen Armen; das nachgiebige -Widerstreben des jungen Leibes verlieh ihm eine berauschende -Lebendigkeit; es war das erste Mal, daß das Blut der beiden Menschen zu -einander zu sprechen begann. - -Am nächsten Tage ging es in gleicher Weise durch alle Möbelhandlungen -der Stadt, und endlich war ein Mobiliar für die beiden Zimmer ausfindig -gemacht, so zart und duftig, als wären die Gemächer für eine Elfe -bestimmt. Das Frühstück durfte natürlich auch heut nicht fehlen, und so -folgte nun ein Tag dem andern. - -Der Baron war unerschöpflich in der Erfindung von Notwendigkeiten. - -An Teppiche war ja noch gar nicht gedacht worden, und als auch diese -besorgt waren, fiel es ihm ein, daß Portieren über den Thüren, Gardinen -und Vorhänge vor den Fenstern fehlten. - -Anna ergab sich lachend. Der Rausch, der ihn erfüllte, teilte sich ihr -allmählich mit; die täglichen Rundfahrten und Einkäufe fingen an, ihr -gar nicht übel zu gefallen. Es war ja, als wenn sie das Märchen vom -»Tischlein deck' dich« leibhaftig erlebte; kaum daß sie einen -Wunsch gedacht hatte, war er schon erfüllt. Und wie unter seinen -leidenschaftlichen Küssen ihr Blut in immer heißeren Wellen zu rollen -begann, war es, als reckte und streckte sich ihre ganze Persönlichkeit; -aus der unscheinbaren Hülse des kleinen Mädchens blühte die Jungfrau -auf. - -An einem dieser Tage, als sie durch Blumen- und Samenhandlungen -gestreift waren, um Sämereien für den Garten zu kaufen, und nun wieder -im Wagen saßen, rückte er, den Arm um sie geschlungen, dicht an sie -heran. - -»Weißt du,« flüsterte er ihr ins Ohr, »nun hätte ich eine große Bitte.« - -Sie lächelte vor sich hin; sie wußte ja, daß, um ihm etwas zu geben, sie -nur still zu halten brauchte und zu nehmen. - -»Was denn also?« fragte sie. - -»Siehst du, ich habe mir das in meiner Phantasie so ausgedacht: Wenn ich -dich so in den Armen halte und an mir fühle, komme ich mir vor, wie ein -Gärtner, der eine Blume groß zieht. Den Winter hindurch hat meine Blume -ihr altes, unscheinbares Gewand getragen, aber nun wird es Frühling, -siehst du, und da ist es doch in der Natur geboten, daß sie sich anders -und reicher und schöner kleidet? Nicht wahr?« - -Anna senkte die Augen und sah stumm an sich hernieder. Aermlich genug -war sie ja freilich angezogen. - -»Und siehst du,« fuhr er fort, »was ich dich nun bitten wollte: daß -wir morgen in Kleiderhandlungen und Modemagazine gehen und uns Stoffe -aussuchen zu Kleidern für dich, wie sie dir gefallen und am besten -stehen?« - -Sie errötete in Scham. - -»Aber Eberhard,« erwiderte sie leise, »für seine Ausstattung muß doch -ein jedes Mädchen selbst sorgen!« - -Indem sie das aber sagte, fragte sie sich im stillen, wer denn ihre -Ausstattung besorgen sollte. Der Onkel und die Tante etwa? Oder -sie selbst, aus ihrem eigenen Vermögen? Ja, wo war denn ihr eigenes -Vermögen? - -»Nein, siehst du,« nahm er wieder eifrig auf, »das ist mit uns etwas -ganz andres. Das hab' ich dir ja gesagt, daß du das Licht in meinem -Leben bist, und ein Licht, siehst du, das muß man sich selbst anzünden. -Und sein Glück muß man sich selbst erschaffen, wenn's ein echtes Glück -sein soll und einem Kraft und Mut verleihen soll. Und darum, verstehst -du, wenn ich dich so von Kopf bis zu den Füßen einkleide in Stoffe, die -ich dir geschenkt habe, dann wird mir zu Mute sein, als hätte ich mir -die ganze geliebte Gestalt, die dann vor mir steht, selber erschaffen, -und das wird mir dann eine solche Kraft und Wonne und Seligkeit -verleihen, und das wirst du mir nicht verweigern. Nicht wahr? Nicht -wahr?« - -Sie vermochte nichts zu erwidern. Anfänglich, als sie nur Mitleid mit -dem Mann gefühlt hatte, der um ihre Liebe flehte, war nur ihre Seele -wach gewesen; jetzt, da er stark und fröhlich war und sie am lebendig -klopfenden Herzen hielt, waren auch ihre Sinne erwacht. Sie hatte -angefangen, sich in ihn zu verlieben, und in dem großen Strome des -süßen, unbestimmten Gefühls trieb sie willenlos dem Manne zu. Sie -drückte ihr erglühendes Gesicht an seinen Hals. - -»Thu, wie du willst,« flüsterte sie. - -Und nun war es, als wären alle diese Besorgungen nur Vorbereitungen für -das Eigentliche und Wahre gewesen. - -Die Seidenwarenlager wurden förmlich geplündert, und als sie damit -fertig waren, wollte er sie in Wäschehandlungen führen. Dem aber -widersetzte sie sich. - -»Ich müßte mich ja zu Tode schämen, wenn mich ein Mann dabei -begleitete.« - -Er fügte sich ihrem Willen. Aber sie mußte versprechen, daß sie sich -das schönste Linnen, die zartesten seidenen Strümpfe und das zierlichste -Schuhwerk kaufen wollte. Die Rechnungen sollten auf ihren Namen -geschrieben werden, er würde sie bei ihr abholen und alles abmachen. - -Wenn sie nicht gewußt hätte, daß er reich war, so hätte sie ihn für -einen rasenden Verschwender halten müssen. - -Ganze Ballen von Seidenstoffen und Leinen liefen nun bei Anna ein; -vierzehn Tage lang wurde geschneidert und geschustert, als gälte es, den -Brautstaat einer jungen Königin fertigzustellen; der Onkel und die Tante -gingen mit dumpf verblüfften Gesichtern umher und wußten nicht, was sie -sagen sollten. Anna wußte es selber kaum; die Welt war nicht mehr die -Welt. - -Der Baron ließ sich in diesen Tagen nur von Zeit zu Zeit sehen, und -wenn er kam, war er in fliegender Hast. Er war jetzt vielfach auf dem -Schlosse draußen, wo die Zimmer für Anna eingerichtet wurden. So oft -er bei ihr in der Stadt erschien, wurde er rasch wieder -hinauskomplimentiert -- Frauen, die in solcher Thätigkeit stecken, -können Männer nicht brauchen. Gegen Ende der vierzehn Tage aber, als sie -ihn auf den Flur hinausbegleitete, hielt sie ihn an der Hand fest. - -»Heute abend,« sagte sie leise, mit lieblichem Erröten, »wird das -crèmefarbige Seidenkleid fertig, das du so besonders gern magst. Es hat -einen sehr hübschen Schnitt und wird mir vielleicht leidlich stehen.« -Sie beugte sich näher zu ihm. - -»Wenn du willst, kannst du morgen mittag kommen, und ich will mich dir -zeigen.« - -Er schloß sie an die Brust, als wollte er sie erdrücken. - -»Du Engel,« erwiderte er. - -Ein Glutstrom floß aus seinen Augen. Dann riß er sich los, eilte die -Treppe hinab, kehrte vom Absatz noch einmal zurück, schloß sie noch -einmal wie rasend in die Arme und schoß dann zum Hause hinaus. - -Anna begriff kaum, was ihn so erregt hatte; aber die Glut, die -ihn erfüllte, setzte auch sie in Feuer, und als das Kleid am Abend -angekommen war, beschloß sie, sich am nächsten Vormittage recht schön -für ihn herauszuputzen. - -Es war das erste Mal im Leben, daß sie sich in so kostbare Stoffe -hüllte. Sie schloß sich in ihr Schlafkämmerchen ein und kleidete -sich von Kopf bis zu Füßen um, weil es sie nun doch gelüstete, die -neuangeschafften Sachen wirklich einmal zu probieren. - -Wie das alles anders war als das, was sie bisher getragen hatte! Wie -grob das Hemd war, das sie auszog, und wie weich sich das neue zarte -Linnen um ihren Leib schmiegte! Und die seidenen Strümpfe, in die ihre -Füßchen, nachdem sie die alten baumwollenen abgestreift hatte, beinahe -schüchtern hineinschlüpften, als wagten sie gar nicht zu glauben, daß -sie wirklich da hinein gehörten! Sie saß ganz schamrot auf ihrem Stuhl -und kicherte vor sich hin, wie ein Kind, das etwas Unerlaubtes thut und -jeden Augenblick gewärtig ist, daß es ertappt und ausgescholten werden -wird. In den Spiegel zu sehen, hatte sie noch kaum gewagt, auch befand -sich in ihrem Schlafzimmer nur ein kleiner Handspiegel, der ihr -nicht sagen konnte, ob das Kleid ihr saß. Dazu mußte sie in das -Gesellschaftszimmer gehen, wo zwischen den Fenstern ein größerer -Wandspiegel angebracht war. - -Als sie nun hier, die Bänder an ihrer Taille zurechtzupfend, vor dem -Spiegel, mit dem Rücken gegen die Thür stand, wurde diese von außen -aufgerissen und auf der Schwelle erschien der Baron. Sie sah, wie er -stehen blieb und ihre Gestalt mit den Augen verschlang; in seinem Blick -war eine verzehrende Gier. Anna sah wirklich niedlich genug aus. -Das Kleid war tief ausgeschnitten, am oberen Rande und an den -Aermel-Oeffnungen mit einem Spitzenbesatze eingefaßt, und aus den zarten -Spitzen quollen die runden, weichen Schultern, die nackten Arme in -jugendlicher Fülle hervor. - -Sie wollte ihn bedeuten, daß er sich noch einen Augenblick gedulden -müsse, aber bevor sie dazu gekommen war, stand er schon hinter ihr, -und gleichzeitig fühlte sie sich von seinen Armen umfaßt, vom Boden -emporgehoben und mit einer Gewalt, wie von einem Orkane, an seine Brust -gerissen. Ihre Schultern, ihr Nacken und ihr Hals loderten unter seinen -Küssen. - -»Du zerdrückst mir ja das ganze Kleid,« wandte sie ein. Der Ueberfall -war ihr zu jäh gekommen; sie sträubte sich in seinen Armen, aber -er hörte nicht auf ihre Worte, achtete nicht auf ihre sträubenden -Bewegungen; in der Art, wie er mit ihr umging, war etwas Gewaltsames. -Seine Liebkosungen hatten etwas Erstickendes, Erdrückendes, -Zermalmendes; seine Küsse fühlten sich an, als wenn er am liebsten in -Annas Fleisch hineingebissen hätte. - -Den einen Arm hatte er unter sie geschoben, so daß sie halb darauf saß, -mit dem andern drückte er ihren Oberleib an seine Brust, ihr Gesicht an -sein Gesicht, und so, indem er sie in seinen riesenstarken Armen wie ein -Kind, wie eine Puppe, ein Spielzeug drückte, preßte und trug, ging er -mit ihr im Zimmer auf und ab, dumpf abgerissene Laute von sich gebend, -wie trunken, beinah wie sinnlos. - -Er merkte gar nicht, wie peinvoll dem jungen Mädchen die Lage wurde, in -der sie sich befand, wie keuchend ihre Brust sich hob und senkte, weil -sie, an ihn gepreßt, kaum noch Luft zum Atmen fand. Endlich warf sie mit -äußerster Anstrengung den Kopf zurück, stemmte beide Hände gegen seine -Brust und »laß mich los!« stieß sie wie in Verzweiflung hervor. - -Der Ton kam so rauh, so zornig heraus, daß er erschrak. Er hielt in -seinem Auf- und Niedergehen inne, sah ihr ins Gesicht und sah, daß sie -die Augen geschlossen hatte. - -Nun ließ er sie aus den Armen gleiten; sie warf sich in den Lehnstuhl, -der ihr zunächst stand, drehte sich mit ganzem Leibe von ihm ab, legte -beide Arme auf die Lehne des Sessels, das Gesicht auf die Arme, und -brach in schluchzendes Weinen aus. - -Der Baron stand totenblaß vor ihr. »Anna,« stammelte er, »was ist dir?« - -Sie gab keine Antwort und weinte immer heftiger. - -Mitten im Zimmer lag einer von ihren kleinen seidenen Schuhen, der ihr -vorhin, als er sie vom Boden emporgehoben hatte, vom Fuße geflogen war. -In seiner Ratlosigkeit hob der Baron ihn auf, als er sich aber zu Anna -niederbeugte, um ihr den Schuh wieder anzuziehen, riß sie denselben aus -seiner Hand und verbarg ihren Fuß unter dem Kleide. - -»Nein!« rief sie, »faß mich nicht an! Du sollst mich nicht mehr -anfassen! Ich weiß gar nicht, wie du bist!« - -Sie sprach aus, was sie empfand; sie konnte sich in der That die Art des -Mannes nicht erklären. Das war ja gewesen, als wenn ein wildes Tier sich -über sie gestürzt hätte. - -Bei der zornigen Bewegung, mit der sie ihm den Schuh entrissen hatte, -war er einen Schritt zurückgewichen; jetzt stand er wie zerschmettert -da. - -»Aber Anna,« fing er wieder an, »bist du mir denn böse, daß ich dich so -liebe?« - -Sie warf den Leib herum und heftete die verweinten Augen auf ihn. - -»Liebe?« sagte sie zornig, »ist das Liebe, wenn man jemand so anfaßt? so -behandelt? Faßt man eine Frau so an?« - -Sie blickte an sich herab und strich mit bebender Hand das zerknitterte -und zerdrückte Kleid glatt, dann schlüpfte sie wieder in den Schuh, und -als sie den Fuß aufsetzte, stampfte sie beinah auf. - -»Du hast keine Achtung vor mir,« fuhr sie fort, »du denkst, weil du mir -all die schönen Sachen geschenkt hast, die ich da trage, ich gehöre dir, -und du kannst mit mir machen, was dir beliebt! Und darum gehst du so -mit mir um -- und behandelst mich wie -- wie --« sie wollte von neuem in -Thränen ausbrechen, aber sie kam nicht dazu. Indem sie die letzten -Worte dem Baron ins Gesicht schleuderte, sah sie, wie seine Gestalt -zusammenzuckte, als wenn ein Stich ihm mitten durch den Leib gegangen -wäre. - -»Anna --« sagte er schweren Tones, »das kannst du von mir denken?« - -Er war langsam in die Kniee gesunken, seine Augen waren den ihrigen nah -gegenüber, und indem sie das namenlose Leid in seinen Augen gewahrte, -fühlte sie, daß sie dem Manne mit häßlichen Gedanken ein häßliches -Unrecht angethan hatte. - -»Nein, Eberhard,« sagte sie, »was ich da eben gesagt habe, das war nicht -recht; ich fühl's, das war häßlich; und ich bitte dich um Vergebung -dafür.« - -Nun legte er auch seinerseits die Arme um sie, aber so leise, als -fürchtete er, sie zu zerbrechen, und ihr Köpfchen lag wieder an seinem -Halse. - -»Aber siehst du,« fuhr sie zagend fort, »wenn du so bist, wie vorhin, so -wild, so -- ich weiß gar nicht, wie ich's nennen soll -- dann verstehe -ich dich nicht, und dann -- siehst du -- muß ich mich ja vor dir -fürchten.« - -Sie hatte das letzte ganz leise, wie eine Beichte, ihm ins Ohr -geflüstert, und wie eine solche nahm er es auf. Aber nicht ihre Schuld -war es, die sie ihm beichtete, es war die seine, seine Schuld, der -er nicht geachtet hatte auf die Scham, auf die Angst des lieben, -vertrauenden Geschöpfes, der er nahe daran gewesen war, das Wesen, -das ihm Leben und Seligkeit bedeutete, in seinen wahnwitzigen Armen -zu zertrümmern, wie ein Knabe, der eine unersetzliche Kostbarkeit mit -thörichten Händen zerstört. - -Von dem allen hatte er nichts gefühlt -- das alles kam ihm jetzt zum -Bewußtsein. - -Ein peinvoller Gram lagerte sich auf seinen Zügen, mit leiser Hand schob -er Anna von sich hinweg. - -»Armer Engel,« sagte er dumpf und schwer. - -Dann erhob er sich, trat von ihr hinweg, und mitten im Zimmer, den Kopf -nachdenklich gesenkt, blieb er stehen. - -Eine schweigende Pause trat ein, und als sich Anna nach ihm umwandte, -sah sie ihn noch immer, in düsteres Sinnen verloren, an seinem Platze. -Ein Schatten überwölkte sein Gesicht; man sah ihm an, wie er mit den -finsteren Gewalten Zwiesprache hielt, die in seinem Innern emporstiegen. - -»Eberhard,« rief sie ihn an, »warum gehst du von mir fort?« - -Es war, als wenn er aus seinem Brüten erwachte. Langsam kam er zu ihr -zurück. Er schob einen Sessel neben den Stuhl, auf dem sie saß, ließ -sich nieder und verharrte dann abermals, den Blick zu Boden gesenkt, -in langem Schweigen. Endlich rückte er sich dichter an ihre Seite, aber -ohne aufzusehen, ohne sie zu berühren. - -»Anna,« sagte er, »ich muß dir etwas anvertrauen.« - -Wieder stockte er -- das Bekenntnis wurde ihm schwer. Er nahm ihre Hand -in seine Hand. - -»Anna -- ich hatte bis heute noch nie eine Frau berührt -- heute war es -das erste Mal -- und du bist die erste gewesen, die ich geküßt habe.« - -Sie drückte leise seine Hand. - -»Aber du hattest mich doch schon vorher geküßt.« -- - -»Ja,« versetzte er, und eine dunkle Röte färbte sein Gesicht, »aber es -war mir noch nie so zu Mute gewesen, wie heute. Damals, siehst du, war -es noch weit bis zu unsrer Hochzeit, und jetzt steht es nahe vor der -Thür, daß wir heiraten. Und darum -- siehst du -- als ich vorhin zu dir -hereintrat, war mir doch in dem Augenblick, als wäre es schon so weit -und wir wären schon Mann und Frau. Und wie ich dich nun so stehen sah -- -siehst du -- da überkam mich etwas --« - -Er verstummte, sein Oberleib bog sich vornüber, als läge eine -Centnerlast auf seinem Rücken, langsam glitt er vom Stuhle, ihr zu -Füßen, und seiner Gewohnheit nach drückte er das Gesicht in ihren Schoß. - -»Ich kann's dir ja nicht beschreiben,« murmelte er, »was es war; und ich -kann dich ja nur anflehen, daß du mir verzeihst; und wenn du jetzt -den Fuß aufhöbest und mich trätest, so geschähe mir ja nur recht; aber -siehst du, ich konnte nicht anders, und es war etwas so Wundervolles, so -rasend göttlich Herrliches, Himmlisches --« - -Er hatte beide Arme um ihre Kniee geschlungen und preßte ihre Kniee -aneinander, als wollte er sie zermalmen. - -»Bleib ruhig,« flüsterte Anna. - -Sie fühlte, wie die verzehrende Glut wieder in ihm aufstieg. - -Ein wundersames Gemisch von Grauen und Lust schwoll ihr zum Herzen, -indem sie schweigend auf ihn hinabsah, auf den riesenstarken Mann, der -sich gebrochen zu ihren Füßen wand. - -Kein Weib hatte er noch berührt -- sie war die erste, und sie war die -Brandfackel, die ihn verzehrte. - -Vernunft und Gewissen sagten ihr, daß sie aufstehen, ihn wecken mußte -aus seiner Phantasie -- aber stärker als Vernunft und Gewissen war -in diesem Augenblicke das Weib, das mit heimlicher, beinahe lüsterner -Neugier zu erfahren begehrte, was für einen Eindruck sie auf den Mann zu -machen vermocht hatte. - -Sollte sie immer nur Arzt sein? Immer nur Wärterin? War sie nicht auch -ein Weib? Mit jungem, blühendem Fleisch und Blut? Stand nicht auch -sie zum erstenmal vor der dunklen, geheimnisvollen Flut, in die -alle Geschöpfe der Erde hinein müssen, sei es zum Leben, sei es zum -Ertrinken, die man die Liebe nennt? War nicht die warme Welle des -großen Wassers auch zu ihr schon herangerollt und hatte ihr den Saum des -Kleides und die nackten Füße genetzt, leise winkend und rufend: »Komm -herab -- steig herab!« - -Von der Stirn herab, über Wangen und Hals und bis tief in die Brust, -die schwer atmend aus der seidenen Umhüllung des Kleides hervorstrebte, -senkte sich purpurne Glut, als sie sich über den Mann zu ihren Füßen -herbeugte, die Lippen an sein Ohr andrückend. - -»Sag mir,« hauchte sie, »was du gefühlt hast, als du mich sahst?« - -Er beugte sich zurück, so daß er ihr ins Gesicht sehen konnte. Warum -fragte sie? Als er jedoch ihr glutübergossenes Gesicht gewahrte, merkte -er, daß der Dämon auch in ihrem Blute zu wühlen begann. Rasch war er -vom Boden empor, auf seinem Stuhle, und nun saßen sie, wie zwei -Schuldgenossen, die sich gegenseitig ein Geheimnis anvertrauen. - -»Siehst du,« hob er leise an, indem er mit dem Kopfe nach dem Fenster -deutete, »es ist doch heut ein grauer Tag, und nun denk dir, wie -merkwürdig: im Augenblick, als ich die Thür aufmachte und dich stehen -sah -- aber du mußt nicht denken, daß ich übertreibe oder in Bildern -rede -- war mir's, als wäre hier im Zimmer heller Sonnenschein. -Richtiger Sonnenschein, siehst du, war es eigentlich nicht, sondern es -war wie eine Feuersbrunst, wie wenn das Licht, das im Zimmer war, von -Flammen herrührte. Und mitten in den Flammen standest du drin. Aber -es war, als wenn sie dir nicht weh thäten, denn es sah mir in dem -Augenblick so aus, als ob du mich ansähest und die Arme nach mir -ausstrecktest und riefest: Komm herein.« - -»Aber, Eberhard,« unterbrach sie ihn, »ich drehte dir doch den Rücken zu -und habe kein Wort gesagt?« - -»Das weiß ich ja,« erwiderte er hastig, »das weiß ich ja, ich sage dir -ja nur, wie es mir in dem Augenblick erschien. Und als ich das sah, -siehst du, da mußte ich hinzuspringen und dich in die Arme schließen, -und nun war mir's, als stände auch ich in der Flamme, und das Feuer -schlug in mich hinein, daß ich fühlte, wie es in mir hinaufstieg, in die -Brust, in die Augen, ins Gehirn, daß ich nichts mehr sah, nichts mehr -hörte und nur noch fühlte, daß ich etwas in den Armen trug, etwas -Köstliches, Göttliches, Unbeschreibliches, wie ich es nie im ganzen -Leben noch gefühlt hatte, etwas Warmes und Weiches, und wie ich das so -an meinem Leibe fühlte, da überkam mich ein Verlangen --« - -Er brach plötzlich ab. - -Anna wartete, daß er fortfahren sollte, aber er schwieg. - -»Also --« forschte sie leise, »da kam dir ein Verlangen --« - -Er wandte das Haupt zur Seite. - -»Nein, nein,« sagte er, wie in Angst, »frage danach nicht.« - -Sie blickte ihn von der Seite an; sie faßte seine Hand und drückte -sie; dann schob sie ihre heiße Wange an seine Wange; die Neugier war zu -mächtig in ihr geworden, sie mußte erfahren, was für ein geheimnisvolles -Verlangen das gewesen war. - -»Sag's mir doch,« hauchte sie, »sag's mir, ich bitte dich.« - -Er wandte den Kopf zurück und drückte ihn an ihre Schulter, als wollte -er sich verbergen, zugleich aber fühlte sie, wie seine Hände sich an -ihren Leib preßten. - -»Da überkam mich ein Verlangen,« sagte er dumpf, »dieses, was ich in -den Armen trug, dies Köstliche, dies Warme, Weiche in meinen Armen zu -zerdrücken, zu ersticken, zu zermalmen --« - -Seine Stimme, anfänglich dumpf und schwer, war immer lauter geworden; -sein Atem flog, und als er jetzt die flackernden Augen auf Anna -richtete, sah es aus, als würde er sich von neuem über sie herstürzen, -wie er vorhin gethan hatte. Von Annas Gesicht war die Röte jählings -gewichen, unwillkürlich streckte sie, wie abwehrend, die Hände gegen ihn -aus. - -»Eberhard --« preßte sie hervor. - -Im Augenblick, als er ihre erschrockene Stimme vernahm, ließ der Taumel -von ihm ab; sein Körper sank kraftlos in sich zusammen. Er ließ die Arme -an ihr niedergleiten, drehte sich im Sessel herum und legte das Gesicht -auf die Stuhllehne. - -»Warum fragtest du auch?« stöhnte er dumpf. - -Anna stand vor ihm; sie fühlte sich so schuldig. Begütigend streichelte -sie über sein Haar. - -»Eberhard,« sagte sie, »sei doch nicht so außer dir; es war ja alles nur -eine Einbildung.« - -Er gab keine Antwort, aber er schüttelte das Haupt, daß es aussah, -wie ein trostloses »Nein«. Dann sprang er auf, und beide Hände an die -Schläfen gedrückt, ging er im Zimmer auf und ab. - -Endlich blieb er stehen, plötzlich und wie mit einem Ruck. Sein Körper -richtete sich straff empor, beide Arme streckte er vor sich hin, -wagerecht und mit geballten Fäusten. - -»Nein!« sagte er laut, »nein! nein!« - -Es sah aus, als spräche er mit irgend einem Unsichtbaren. Anna blickte -sprachlos zu ihm hinüber, sie wagte nicht zu fragen, mit wem er sich -unterhielt. - -Er ließ die Arme sinken und wandte sich um. Als er ihren entsetzten -Blick gewahrte, kam er auf sie zu. - -»Aengstige dich nicht,« sagte er, »ich habe es in der Gewohnheit, -manchmal laut zu denken.« - -Er war völlig beruhigt, seine Stimme klang sicher und fest. - -Sie schöpfte wieder Mut. - -»Was dachtest du denn?« fragte sie, zärtlich an ihn geschmiegt. - -»Ich habe mir das Versprechen gegeben,« erwiderte er, »daß mir das nie -wieder begegnen soll. Das, was ich dir vorhin erzählt habe, ist in mir -gewesen, ja. Aber es ist gewesen, verstehst du, und nun ist es nicht -mehr da. Nun kommt es nicht wieder, das verspreche ich mir, das -verspreche ich dir! Niemals!« - -Er hatte den Arm um sie gelegt, er stand neben ihr, stark und gesund, -wie einer, der Herr seiner selbst ist, wie ein ganzer Mann. - -»Siehst du,« fuhr er fort, »ich habe dir kein Hehl gemacht über meine -Schwäche, darum darfst du mir glauben, was ich dir jetzt sage: ich liebe -dich, Anna. Ich liebe dich so unsäglich, daß der Gedanke, es könnte dir -ein Leid geschehen, mich umbringt und vernichtet. Glaubst du mir das?« - -Er blickte auf sie nieder; ein Strom von tiefem, warmem Gefühl floß -über sie hin; aus allen Schatten und Wolken, die unverständlich, -unbegreiflich und unberechenbar in dieses Menschen Seele wogten, tauchte -immer wieder das edle, herrliche Herz wie ein leuchtender Stern empor. - -»Ja, Eberhard,« versetzte sie, »das glaube ich dir so sicher, daß ich es -weiß.« - -Sie legte die Arme um ihn und drückte die Lippen auf seine Brust. - -»Wo solch ein Herz ist,« sagte sie, »da ist ja alles andre ganz -gleichgültig. Darum glaube auch du mir, was ich dir sage: ich fürchte -mich nicht vor dir, Eberhard, gar nicht. Ich liebe dich, Eberhard, wie -nur eine Frau einen Mann lieben kann.« - -Er küßte sie auf den Scheitel, und die Berührung seiner Lippen war -wie ein Hauch. Man fühlte, wie er nur seiner Seele noch Zutritt zur -Geliebten gestatten wollte und seinen Sinnen Einhalt gebot. Und so kam -nach der Erregung, die vorangegangen war, eine Stunde so tiefer Ruhe für -die beiden Menschen, wie sie sie kaum je zuvor genossen hatten. - -Als er dann aber von ihr ging und die Thür hinter sich geschlossen -hatte, so daß Anna ihn nicht mehr sah, schwellte ein Seufzer seine Brust --- der schwere Seufzer der Entsagung. - -Inzwischen war es Mai geworden, und der Frühling hielt seinen -siegprangenden Einzug. - -Eines Tages, als der Baron vom Schlosse draußen hereinkam, brachte er -Anna die Kunde mit, daß auch im Fahrenwalder Parke der Lenz eingekehrt -sei, daß die Kastanien blühten und der Flieder. - -»Auch in deinen Zimmern im Schlosse selbst,« sagte er, »ist es Frühling -geworden; sie sehen aus, wie zwei junge fröhliche Augen in einem alten -Gesicht -- die Einrichtung ist fertig -- wenn du nun willst, so ist die -Zeit gekommen, daß Frau von Fahrenwald ihr Reich betritt -- willst du?« - -Sie wollte. - -Er hatte ihr seine Mitteilungen leise und beinahe feierlich gemacht, -wie jemand, der an eine große Entscheidung herantritt. In derselben Art -hatte Anna sie hingenommen. Die Vorbereitungen zum neuen Dasein waren -vollbracht, nun kam das neue Dasein selbst; durch dunkle und helle -Stunden war sie hindurchgegangen, nun sollte es sich entscheiden, ob -ihr Leben fortan ein großes Licht oder ein großes Dunkel sein würde. -Ein Schauer ging über ihr Herz -- aber ihr Entschluß war gefaßt, sie -wollte. -- - -In verborgenster Stille, beinahe verschwiegen, fand die Hochzeit statt. - -Der standesamtlichen Trauung folgte eine kirchliche Einsegnung im Hause, -wo Anna bei dem Onkel und der Tante gewohnt hatte. Anna fühlte kein -Bedürfnis, sich in einer Kirche öffentlich zur Schau zu stellen und die -klatschsüchtige Neugier zu Gast dazu zu laden. - -Ihr Gesicht war kaum minder weiß, als das weiße Brautkleid, in dem sie -erschien; als sie, mit dem Myrtenkranze im Haare, vor dem Geistlichen -kniete und ihre Hand in die Hand des Bräutigams legte, mochte mancher -von den wenigen Trauzeugen für sich denken: »Ein Opfer, das zum Altar -geführt wird.« - -Blaß, schweigsam, mit einem Ausdruck unergründlichen Ernstes in den -Zügen, stand Eberhard von Fahrenwald an ihrer Seite. - -Ein leises Mittagsmahl, dem nur wenige Gäste anwohnten, schloß die -Feierlichkeit ab. Reden wurden nicht gehalten; es lag wie ein Gewölk -über der Versammlung. Bei jeder Hochzeit steht man wie vor einem -geschlossenen Vorhang. Hier aber war der Vorhang von dunkler Farbe und -geheimnisvolle Zeichen waren in ihn verwebt. - -Nachdem die Tafel aufgehoben war, kehrte Anna zum letztenmal dahin -zurück, wo sie als Mädchen gewohnt hatte. In aller Stille wollten sie -beide am Nachmittage nach Fahrenwald hinaus fahren. Koffer und Kisten -waren schon am Tage vorher vorausgegangen. - -Nachdem sie den Brautstaat abgelegt und das Reisekleid angethan -hatte, erschien ihr Gemahl, um sie abzuholen. Bald darauf saßen sie im -Eisenbahnwagen, und wieder einige Zeit darauf stampften die Rosse vor -dem Wagen, der sie zum Schlosse hinaustragen sollte -- heute für immer. - -Wie anders, wie viel schöner sah sich heut alles an, als damals, da sie -zum erstenmal diesen Weg gefahren war. Der reiche Ackerboden, der so -lange unter Schnee und Regen begraben gelegen hatte, kochte förmlich -von Fruchtbarkeit; die jungen Saaten schossen empor, daß es aussah, als -wollte ein Feld das andre im Wachstum überbieten; die Sonne, die sich -zum Untergange neigte, warf lange, warme, rotgoldene Lichter über das -junge samtartige Grün. - -Heute brauchte man keine Fußsäcke und keine Decken. Schweigend, Hand -in Hand, saßen Anna und der Baron in ihrem Wagen, mit stillen Augen -hinausblickend in das stille Land, die Wangen von der linden Abendluft -umspielt, den Duft einatmend, der aus der frühlingsfeuchten Erde -emporstieg. - -Die Dorfbewohnerschaft hatte das junge Paar mit schmetternder -Festlichkeit empfangen wollen; der Baron hatte alles abgelehnt -und, damit die Leute nicht um ihre Freude kämen, sich durch reiche -Geldspenden von dem geplanten Empfange losgekauft. Damit hatte er ganz -in Annas Sinn gehandelt. Auch ihr war nicht nach rauschendem Jubel -zu Mute; Arm in Arm mit ihm, wie sie es am ersten Tage gemacht hatte, -wollte sie auch heute durch den Park zum Schlosse gehen. - -An der bewußten Stelle, wo die Parkwege sich mit der Fahrstraße -vereinigten, hielt darum auch heute der Wagen an und beide Fahrenwalds -stiegen aus. - -Da lag er wieder vor ihr, der Park, an den sie so oft in stillen Stunden -gedacht, nach dem sie sich gesehnt, den sie so lieb gewonnen hatte, der -ihr wie ein Vermittler zwischen dem bisherigen und dem zukünftigen Leben -erschien; da lag er, und wenn die Bezeichnung, die er trug, jemals auf -ihn gepaßt hatte, so war es heute der Fall: »das Schlesische Paradies«. - -An der Kreuzung der Wege blieb Anna stehen, beide Arme in kindlicher -Wonne ausbreitend. - -»O Eberhard!« seufzte sie aus tiefster Brust, »wie herrlich! wie schön!« - -Am Eingang des Parks, wie ein Grenzpfahl, stand ein mächtiger Eichbaum. -Am knorrigen Stamme, einige Fuß über dem Erdboden, war ein Kranz -aufgehängt, von bunten Bändern umflattert, in dessen Mitte sich eine -Tafel mit einer Inschrift befand. - -»Was ist denn das?« fragte Anna. - -Sie trat heran und las: - - »Tritt gern herein, in Freuden bleib, - Und sei mein Leben und mein Weib.« - -Sie wandte sich um. - -»Von wem ist denn das?« - -Eberhard von Fahrenwald stand ganz verlegen da. - -Jauchzend flog sie ihm um den Hals. - -»Eberhard, du? Du hast das gedichtet?« - -Er hielt lächelnd ihr Haupt in seinen Händen. - -»Gedichtet?« erwiderte er, »nun -- jedenfalls siehst du, ein großer -Dichter bin ich nicht.« - -Sie blickte ihm in die Augen. - -»Ach, siehst du, das ist nun wirklich ein ganz entzückender Gedanke -von dir! Auf so etwas, siehst du, kann wirklich nur ein so guter Mensch -kommen, wie du es bist! Nun aber mußt du mir den Kranz herunterholen, -damit ich ihn bei mir aufhängen kann.« - -»Aufhängen willst du ihn? Bei dir?« - -»Ja!« erklärte sie. »Den hänge ich in meinem Zimmer, womöglich in meinem -Schlafzimmer auf, und alle Abend, wenn ich zu Bette gehe, und jeden -Morgen, wenn ich aufstehe, lese ich, was du geschrieben hast.« - -»Gut,« versetzte er, »heute bekomme ich ihn nicht herunter, dazu braucht -es eine Leiter, aber morgen soll er in deinem Zimmer sein.« - -Den Weg, den sie das erste Mal gegangen waren, die Buchenallee, -wandelten sie nun entlang. Heute war kein Aufruhr in der Natur wie -damals; das magere junge Laub hing still zu ihren Häupten; heute -brauchte sie sich nicht an ihn zu drängen in ängstlicher Beklommenheit; -alles war so friedlich, so ruhig, auch er, an dessen Arm sie ging. Ja -- -er war so ruhig, daß es beinahe wie eine leise Schwermut aussah. - -In den Seitenweg bogen sie alsdann ein, und nun war es wirklich ein -Meer von wogenden grünen Wipfeln, das ihr entgegenrauschte. Die weißen -Kastanien hatten schon abgeblüht, aber wie versprengte Rubinen flammten -hie und da die Blüten der roten im Blätterdickicht auf. Am Himmel lag -purpurner Wiederschein der gesunkenen Sonne, und alles war so groß, so -wunderbar und schön, daß Annas Herz in tiefer, wonnevoller Seligkeit -überschwoll. - -»O Eberhard,« flüsterte sie, »freust du dich denn auch so wie ich?« - -Er blickte zärtlich auf sie nieder und drückte schweigend ihren Arm. Sie -befanden sich gerade an der Stelle, wo er ihr damals gesagt hatte, daß -sie seine Sonne sein sollte und daß er die Erde wäre, die sich um die -Sonne dreht. - -Wie wild hatte er sie damals umfaßt -- wie sanft und ruhig war er heute. -Hatte sich etwas in ihm verändert seitdem? Nun -- jedenfalls war es -besser so, wie es heute war. Jetzt kamen sie in die Nähe des Schlosses, -und wieder blieb Anna mit einem Ausrufe der Ueberraschung stehen; -von oben bis unten war das mächtige alte Gebäude mit frischem hellen -Farbenanstrich versehen. - -Eberhard lächelte. - -»Es war eigentlich noch zu früh im Jahre zum Anstreichen,« sagte er, -»aber ich wollte, daß dir das Haus ein freundlicheres Gesicht zeigen -sollte, als das erste Mal.« - -Sie neigte das Haupt in stummen Gedanken. Jeder ihrer Wünsche war in -seinem Gedächtnis niedergelegt, wie ein Wertstück in den Händen eines -treuen Verwalters. - -Durch die Halle mit den Jagdtrophäen schritten sie hindurch, welche -heute abend durch zwei große, in den Ecken aufgestellte Kandelaber -erhellt wurde, und eben solche Kandelaber standen im Flure am Fuße -der großen Treppe. Große, schwere, altertümliche Leuchter, mit steif -gestreckten Armen von Messing, mit dicken Wachskerzen besteckt. - -Auf jedem Treppenabsatze stand ein solcher Kandelaber und in gleicher -Weise waren Flur und Gänge beleuchtet. Ein stilles, schweres, goldiges -Licht. - -»Heut gehen wir nicht durch die Bibliothek, sondern gleich in dein -Zimmer,« sagte der Baron, als sie die Treppe erstiegen hatten. Er führte -sie den Gang entlang, der auf den Flur stieß, dann that er eine Thür -auf, die sich von links auf den Gang öffnete, und nun schlug Anna, -geradezu entzückt, beide Hände ineinander. Sie waren in ihren Gemächern -angelangt, die Fenster standen offen, und durch sie hinaus blickte man -in den Park und über den Park hinaus in die weite grünende Landschaft. -Im Kamin, den Fenstern gegenüber, flackerte ein lustiges Feuer von -Fichtenscheiten; der harzige Duft des brennenden Holzes vermengte -sich mit der einströmenden Frühlingsluft zu einem feinen, köstlichen -Wohlgeruch. An den Wänden, die mit einer hellfarbigen, mit blaugoldenen -Mustern geschmückten Tapete bedeckt waren, hingen Landschaftsbilder, die -aus den nebenanliegenden Gemächern hierhergeschafft worden waren; ein -Schreibtisch in allerliebstem Schnörkelstile in einer Fensterecke, -Stühle mit silberdamastenen Polstern, und ein Ruhebett von dem gleichen -Stoffe; zwischen den Fenstern ein hoher Wandspiegel, in schwerem -goldbronzenen Rahmen, und das Ganze überflutet vom sanften Lichte eines -zierlichen, von der Decke herabhängenden Kronleuchters, und mehrerer, -in den Ecken verteilter Lampen, deren Glocken mit roter Seide umhüllt -waren. Ein Aufenthalt, wie für eine Fee, hergerichtet von einem guten -Geiste. - -Der Baron öffnete die Thür zum Nebenzimmer, wo eine große Glasglocke, -blau verschleiert, von der Decke schwebte und ein trauliches Licht -verbreitete. An der gegenüberliegenden Wand, unter einem Zelte von -mattblauer Seide, stand ein Bett, kostbar und reich im Gestell, -schneeweiß leuchtend mit seinen Kissen und Linnen vom feinsten Gespinst. - -Sprachlos, von Dankbarkeit überwältigt, hing Anna am Halse ihres Gatten; -so viel hatte sie von ihm empfangen, dies aber war doch das Höchste. So -beschenkt nur ein Mensch, dessen Seele uns nachgeht, ununterbrochen und -überall. - -»Ich denke,« sagte der Baron, »wir rufen jetzt deine Jungfer, damit du -die Reisekleidung abthust und es dir bequem machst!« - -Er ließ den Blick umhergehen; auf Stühlen und Sofas des Schlafzimmers -lagen Annas eben ausgepackte Kleidungsstücke verstreut; eine Haus- -und Morgentoilette von rosarotem Wollenstoff lag obenan, zum Gebrauche -bereit. - -»Ich gehe unterdes zu mir hinauf,« fuhr er fort, »und wenn ich -wiederkomme, abendbroten wir, und wenn es dir recht ist, lassen wir hier -in deinem Zimmer anrichten, hier ist es gemütlicher, als da drüben.« - -»Zu mir hinauf,« hatte er gesagt -- sie sah ihn fragend an. - -»Wo wohnst denn du eigentlich?« - -»O -- ziemlich weit von hier,« gab er zur Antwort, »da oben im zweiten -Stock.« - -Er sah die Ueberraschung auf ihrem Gesicht; aber es war, als wollte er -weitere Fragen abschneiden. Er nahm ihren Kopf zwischen die Hände, küßte -sie auf den Scheitel und mit einem »auf Wiedersehen« ging er hinaus. - -Von der Thür aus hatte er ihr lächelnd zugenickt. Bildete sie es sich -nur ein, oder war in seinem Lächeln etwas Gezwungenes gewesen? - -Sie begab sich in ihr Schlafgemach, wo die Jungfer bereits auf sie -wartete. Es war ein Mädchen vom Dorfe, nicht übermäßig geübt in den -Künsten feinerer Bedienung. Schweigend, und nicht ohne Verlegenheit -wartete sie ihres Amtes. Kaum weniger verlegen aber war die Gebieterin -selbst. Es war das erste Mal, daß Anna sich beim Aus- und Ankleiden -bedienen ließ; mit innerlichem Lächeln gestand sie sich, daß das -Prinzessinsein gelernt sein wollte. - -Als sie in ihr Wohnzimmer zurückkehrte, stand inmitten desselben der -Tisch mit dem Abendbrote bereits angerichtet. Eberhard war noch nicht -wiedergekommen, sie war allein. Sie trat an eines der beiden Fenster, -kniete auf einen Stuhl und lehnte sich auf das Fensterbrett, in die -weiche dunkle Luft hinausträumend. - -Nachdem sie ein Weilchen so gelegen, fuhr sie auf und sah sich um -- und -richtig, da stand er hinter ihr in der Thür. Sie hatte ein Gefühl, als -hätte er sie schon längere Zeit schweigend betrachtet. - -Er stand so regungslos -- in seiner aufgereckten Gestalt war eine Art -von lautloser Spannung, in seinen Gesichtszügen eine Art von Starrheit, -als hätte ein Kampf getobt, der zur Ruhe gezwungen worden war. - -Indem Anna sich aufrichtete, glitt ihr eines der braunsamtnen -Pantöffelchen, die sie trug, vom Fuße; jählings neigte er sich herab und -küßte sie auf die Fußsohle, die nur noch vom seidenen Strumpfe bedeckt -war. - -Ebenso rasch richtete er sich wieder auf. - -»Verzeih!« sagte er. In Verwirrung trat er zurück. - -Lachend warf sie sich an seine Brust. - -»Aber was soll ich dir denn verzeihen?« - -In seinen Augen flackerte es auf, um gleich darauf wieder zu erlöschen. -Er küßte sie, beinah wie abwehrend, auf die Stirn. - -»Ja, ja,« sagte er heiser, »nichts, nichts!« - -Dann rückte er ihr den Stuhl zurecht und setzte sich mit ihr an den -Tisch. - -Das Abendessen zu zweien verlief in glücklicher Gemütlichkeit, man aß, -man trank und plauderte. Als sie abgespeist hatten, sah Anna mit -einer gewissen Aengstlichkeit nach der Thür. Würde nun der alte Johann -erscheinen, um abzuräumen? - -Eberhard schien ihre Gedanken erraten zu haben. - -»Der Johann wartet nicht mehr bei Tische auf,« beruhigte er sie. »Ich -denke, wir lassen alles, wie es ist. Wozu sollen wir uns stören lassen?« - -Damit war sie einverstanden. Sie ließ sich von ihm Champagner -einschenken. - -»Aber du trinkst ja gar nicht!« unterbrach sie sich. - -»Doch, doch,« erwiderte er, und hastig leerte er sein Glas. - -Sie hatte aber ganz recht gesehen; er trank nur sehr wenig. Er saß vom -Tische etwas abgerückt, und sah seine junge Frau an und sah, wie der -Wein ihr Blut zu erwärmen begann, so daß ihr Gesicht sich leise -rötete und der junge Leib aus dem zarten rosafarbenen Morgenkleide -hervorzuatmen und herauszublühen schien. - -Einen starren, beinah stieren Ausdruck nahmen seine Augen dabei an, -bis daß er, wie plötzlich zu sich kommend, den Blick von ihr hinweg zur -Seite wandte. - -Anna merkte nichts davon. Sie erzählte von ihren Blumen, mit denen -sie gleich morgen anfangen wollte; daneben plante sie einen großen -Gemüsegarten, der natürlich auch unter ihrer Obhut stehen sollte. Sie -war ganz vertieft in ihre Entwürfe und glücklich wie ein Kind. - -Unterdessen saß der bleiche Mann schweigend ihr zur Seite. Ob er hörte, -was sie sprach? Ob er acht darauf gab? Es sah nicht so aus. Seine Seele -schien mit den dunklen Gewalten beschäftigt, die wieder übermächtig über -ihn wurden. - -Es war spät geworden; die Stutzuhr auf dem Kaminsimse schlug elf Uhr. -Zeit zum Zubettegehen. - -Anna wurde still, der Baron blieb stumm wie bisher -- es trat das -verlegene Schweigen ein, wenn zwei Menschen dasselbe denken und keiner -von beiden zu sprechen anfängt. - -Annas Gesicht erglühte immer tiefer, ihre Hände spielten mit den Quasten -der Schnur, mit der ihr Kleid gegürtet war; sie senkte die Augen in den -Schoß und blickte verstohlen zu ihm auf. Jetzt erst bemerkte sie, wie -verschattet sein Antlitz war. - -Noch eine Weile peinlichen Schweigens, dann erhob er sich. Seine -Bewegung hatte etwas Unsicheres, wie die eines Menschen, der nicht recht -weiß, was er thun soll. - -Langsam war auch Anna aufgestanden; nun stand sie mitten im Zimmer, -Nacken und Haupt schamhaft geneigt. - -Sein unstäter Blick ging rund im Zimmer umher, dann blieb er an ihr -haften, und der Ausdruck flackerte wieder darin auf, wie an dem Tage in -Breslau. - -Wie sie vor ihm stand! Unbewußt in keuscher Hingabe, wie eine demütige -Magd! Wie sie lieblich war, wie sie reizend, schön und entzückend war! - -Ein dumpfer Laut rang sich aus seiner Brust; wie damals, als sie vor -dem Spiegel stand, umschlang er sie und riß sie an sich; mit dem Munde -drückte er ihr Haupt nach hintenüber und dann wühlten sich seine Lippen -auf ihren Mund, in ihr Gesicht, in ihren Hals. - -Halb erstickt hing sie in seinen Armen; ihr Gesicht war ganz blaß -geworden, ihre Augen geschlossen, unwillkürlich, wie damals, stemmte sie -die Hände gegen ihn. - -»Eberhard,« ächzte sie. - -Und nun geschah, was an jenem Tage geschehen war: jählings ließ er von -ihr ab, stürzte ihr zu Füßen und umschlang ihre Kniee. - -»Verzeih mir,« stöhnte er, »verzeih mir und schlaf wohl, schlaf wohl, -schlaf wohl!« - -Mit einem Sprunge war er auf den Füßen, an der Thür, und ohne sich -umzusehen, wie ein Gejagter, Verfolgter, zur Thür hinaus. - -So rasch war dieses alles geschehen, daß Anna nicht Zeit gefunden -hatte, ihm nachzurufen. Einsam blieb sie zurück, in völliger dumpfer -Ratlosigkeit. - -Sollte sie ihm nachgehen? Durch das fremde, dunkle Haus? Wo sie nicht -einmal seine Gemächer kannte? Es grauete ihr. Auch hätte sie sich -schämen müssen. - -Was also blieb zu thun? Zu Bette gehen. - -Seufzend ging sie in ihr Schlafzimmer. Die Jungfer, die ihr beim -Entkleiden behülflich sein wollte, schickte sie hinaus; in der Stimmung, -in der sie war, brauchte sie keine fremden Augen, die ihr zusahen. Das -Bett mit dem schön verzierten Untergestell, das seidene Zelt darüber -- -wie prachtvoll alles. Aber in all dieser Pracht, welche Einsamkeit! -Die frischen Linnen des Betts berührten sie mit fröstelnder Kühle; sie -huschte tief in die Decken und unter Thränen schlief sie zum erstenmal -auf Schloß Fahrenwald ein. - -Aber während sie schlief, war droben im zweiten Stock einer, der nicht -schlief, das war ihr Mann, der Baron Eberhard von Fahrenwald, der in -sein Zimmer gelangt war, die Thür verriegelt hatte und nun in seinem -Zimmer auf und nieder ging, ohne Aufhören und ohne Rast, wie ein wildes -Tier hinter den Stäben des Käfigs. - -Die Ruhe, die er sich den ganzen Tag hindurch aufgezwungen hatte, war -dahin, abgesprengt von seiner Seele, wie die Kruste, die sich auf die -Lava im Krater gelegt hat und die in alle vier Winde fliegt, sobald der -Vulkan da drunten lebendig wird. All die dunklen Gewalten, die in den -Tiefen seiner Seele brodelten, hatten Feuer gefangen, all die wilden -Instinkte, die da drunten, wie Ungeheuer im Tropenschlamme, vergraben -lagen, reckten plötzlich die Häupter; sie wollten sich nicht mehr -bändigen lassen, wollten nicht mehr dem befehlshaberischen »nein« -gehorchen, mit dem er sie damals für einen Augenblick niedergezwungen -hatte, wollten nicht mehr; jetzt hatten sie ihn, jetzt schüttelten sie -ihn, daß ihm die Glieder am Leibe flogen, und wie mit feurigen Geißeln -peitschten sie seine Phantasie. Immerfort sah er es vor sich, das Weib -da unten, das junge, blühende Weib, zu dem es ihn hinriß. Jeden -ihrer Schritte begleitete er mit seinen Gedanken. Er sah, wie sie ihr -Schlafgemach betrat, wie sie langsam anfing, sich zu entkleiden. Ganz -deutlich, ganz handgreiflich sah er das. Stück nach Stück sank die -Gewandung herab; jetzt breitete sie die schneeweißen Arme nach ihm, und -jetzt geschah etwas -- mitten im Zimmer blieb er jählings stehen, die -Hände an die Schläfen gedrückt, die Augen weit offen, wie fest gebannt -von einer furchtbaren Vision. War das er, den er da sah, der sich wie -ein reißendes Tier über das hüllenlose Weib herstürzte: Ja, ja, ja! -Wie hatte der Alte damals gesagt? Wenn er heiratete, würde er jemanden -umbringen. So hatte der Alte gesagt, und das hatte ein Arzt dem Alten -gesagt. Also mußte es so sein, und so war es ja auch, und nun wußte er -ja auch, wer das war, den er umbringen würde! Und also kam der Wahnsinn -doch! Und all das Kämpfen, all das Ringen, all das Sichzurwehrsetzen war -vergeblich gewesen, alles, alles? - -An einem Sessel brach er in die Kniee; mit beiden Fäusten griff er -sich ins Haar; er schlug die Stirn auf den Stuhl; ein heiseres Keuchen, -beinah wie ein dumpfes Geheul, brach aus seiner Kehle. - -»Ich will nicht! Ich will nicht! Ich will nicht!« - -Dann ließ der Sturm nach; gebrochen blieb er am Boden liegen, und nach -einer Stunde dumpfen kraftlosen Vorsichhinstarrens raffte er sich auf -und schleppte sich nach seinem Lager. - -Während sich dies begab, war dort oben im zweiten Stock noch jemand -wach. Das war der alte Johann. - -Er schlief nicht. Nein. Er wußte ja, daß er von jetzt an überhaupt nie -mehr schlafen durfte. Seit heute war die »Einbrecherin« im Schloß. Das -Unheil war eingezogen, jetzt hieß es, Wache halten! Das war sein Amt, -seine Pflicht. Darum von nun an die Augen aufbehalten! Nicht mehr -schlafen! Nie mehr schlafen! - -Der Baron hatte ihm verboten, sich zu zeigen, wenn er heute nachmittag -mit seiner jungen Frau ankommen würde. - -Natürlich hatte er gehorcht; alte Haushunde sind gehorsam, aber wachsam -sind sie auch. Und sie haben Zähne! - -Er hatte auch ganz recht gehabt, der Herr Baron, daß er ihn -fortschickte, daß er »die Person« in Sicherheit vor ihm brachte, ganz -recht, ganz recht, ganz recht. - -In seinem Zimmer eingeschlossen, drei Stunden lang und mehr war er -ununterbrochen hin und her gegangen, die knochigen Hände reibend, -immerfort das eine Wort murmelnd »ganz recht, ganz recht, ganz recht«. - -»Ganz recht, daß du mich nicht an sie heranläßt -- denn wenn ich ihr zu -Leibe könnte --« Bei diesem »wenn« knirschten seine Zähne, seine Fäuste -streckten sich in die Luft. - -Dann, als es elf Uhr geschlagen, hatte er gehört, wie jemand mit -hastigen Schritten, als wenn er liefe, als wenn er flüchtete, die Treppe -draußen heraufgekommen war. Er hatte gelauscht, hatte gehört, wie die -Thür zum Zimmer des Barons aufgerissen, schmetternd zugeworfen und dann -von innen verriegelt wurde. - -Aha -- also, schon heut am ersten Abend fing es an! Das war der Baron, -den er da hatte kommen hören, der jetzt da drüben in seinem Zimmer saß, -wie die Maus im Loch, wie die dumme Maus, der man Speck gestreut hat und -die genascht hat und jetzt dahinter kam, daß der Speck vergiftet gewesen -war! Er grinste übers ganze Gesicht, er mußte an sich halten, daß er -nicht laut herauslachte, laut, daß man's durchs ganze Haus hörte. - -Die dumme, dumme Maus! Es war doch eigentlich zu komisch! zu lächerlich! - -Dann war er über den Flur geschlichen, an die Thür seines Herrn, hatte -sich mit dem Ohr an das Schlüsselloch gebeugt und gehorcht, und wie er -da drinnen das Hin- und Hergehen, das Rasen, das Keuchen und Schnaufen -hörte, hatte er grinsend mit dem Kopfe genickt: »Siehst du, siehst du, -siehst du wohl?« - -Die ganze Nacht hätte er so stehen können und horchen, denn es -verursachte ihm ein namenloses Vergnügen, zu hören, wie sein Herr da -drinnen litt. Das hatte er nun davon, der unglückselige, verrückte -Mensch, und das geschah ihm recht! Ein Glück nur, daß wenigstens ein -Vernünftiger noch da war, einer, der noch zum Rechten sehen und die -verfahrene Geschichte wieder herausreißen konnte. Und das war er, der -alte Johann; und er würde sie wieder herausreißen, ja, das würde er! -Noch wußte er nicht genau wie, aber fertig bringen würde er es, das -wußte er, das sagte er sich, indem er jetzt über den Flur zu seinem -Zimmer zurückging, nicht mehr schleichend wie vorhin, sondern -hocherhobenen Hauptes. Denn ein Stolz erfüllte seine Brust, daß er sich -vorkam, als wäre er jetzt eigentlich der Herr im Hause, als hätte er zu -befehlen und kein andrer sonst. - -Er konnte sich noch gar nicht entschließen, in seine Kammer -zurückzukehren; es war ein Gefühl in ihm, als müßte er noch irgend etwas -thun, etwas vollbringen; ein solches Kraftgefühl, daß er am liebsten -laut gebrüllt hätte. Darum stieg er noch einmal die Treppe hinunter und -wandelte durch alle Gänge des Hauses, alles im Dunkeln, ohne Licht, -wozu brauchte er denn Licht? Er fand sich ja auch im Dunkeln zurecht in -seinem Hause. Sein Haus -- er drückte sich mit den Fingern die Lippen -zu, damit sein Kichern nicht zum lauten Gelächter ward. Als er endlich -zu seinem Zimmer zurückkehrte und über die Schwelle trat, bückte -er sich. Er wußte, daß er plötzlich gewachsen war. Ja, ja, es war -merkwürdig, aber wahr, er war gewachsen, mindestens um einen Kopf, darum -mußte er sich in acht nehmen, sonst wäre er mit dem Kopfe oben an die -Thür gestoßen. -- - - * * * * * - -Der Frühling that seine Pflicht. Zu allen Ritzen und Löchern des -Schlosses Fahrenwald schickte er am nächsten Morgen die Sonnenstrahlen -hinein, als wollte er dem alten Kasten bis in die finstersten Eingeweide -hineinleuchten und wärmen. - -Als der Baron an das Fenster seines Zimmers trat und hinunterblickte, -sah er, daß andre schon früher aufgestanden waren als er. Einen Strohhut -auf dem Kopf, das Kleid hoch aufgeschürzt, wandelte im Blumengarten -unten eine Gestalt zwischen den Beeten auf und ab, bald rechts sich -niederbeugend, bald links, so daß der breitkrämpige Hut bedächtig auf -und nieder schwankte. Es war seine junge Frau. - -Die Sonne hatte sie früh am Morgen geweckt und ihr keine Ruhe im Bette -gelassen. - -Als er ihrer ansichtig wurde, war ihm, als sänke die Nacht und alles, -was in der Nacht gewesen war, wie ein Spuk hinter ihm nieder, in eine -endlose Tiefe. Ohne sich zu besinnen, riß er das Fenster auf und »Anna!« -rief er laut hinunter. - -Als sie seine Stimme vernahm, richtete sie den Kopf zu ihm auf, und als -sie ihn erblickte, hob sie die Hände an den Mund und warf ihm Kußfinger -zu. Ihr Antlitz, vom gelben Hute umrahmt, strotzend von Fülle und -Jugend, sah aus wie eine Sonnenblume. - -»Komm herunter Eberhard,« rief sie zu ihm hinauf, »hier unten ist's -wundervoll.« - -Wie der Morgenruf der Lerche drang ihre Stimme an sein Ohr. Das Leben -war ihm wiedergegeben, und da unten stand es vor ihm, leibhaftig -verkörpert in dem geliebten Geschöpf. - -Er lehnte sich weit über die Fensterbrüstung hinaus. »Gleich komm' ich, -gleich,« sagte er; aber während er das sagte, blieb er ruhig im Fenster -liegen. Er konnte sich nicht satt sehen an ihr. - -Sie stand und lächelte ihm zu und nickte; er nickte zurück. Dann zog -sie ihr weißes Taschentuch hervor und wie mit einem Fähnchen winkte sie -hinauf. - -»Komm doch,« rief sie wieder, »komm doch endlich.« - -Nun erhob er sich, um sich anzukleiden, und jetzt erst spürte er, wie -schwer die Nacht ihn angegriffen hatte. Er taumelte beinah, und erst das -kalte Brunnenwasser, mit dem er sich überströmte, brachte ihn wieder -zu sich. Als er aber in den Garten zu ihr hinunterkam, vergaß er seine -Schwäche und alle Leiden. Blaß war er freilich, aber das war sie ja an -ihm gewöhnt; sie hüpfte ihm entgegen; er fing sie in seinen Armen auf, -und als sie an seinem Herzen lag und die Liebe fühlte, die wie ein Strom -aus diesem Herzen über sie dahinging, vergaß auch sie, daß sie gestern -abend in Thränen eingeschlafen war. - -Der Tag blieb dem Morgen treu, heiter und schön bis zum Ende. Aber weil -er so schön war, wurde er für Eberhard von Fahrenwald anstrengend. Anna -nahm ihn vollständig in Beschlag und schleppte ihn vom Morgen bis zum -Abend im Park umher. Kaum daß sie ihm zu den Mahlzeiten Ruhe vergönnte. - -Der Park hatte es ihr angethan; sie war geradezu darein verliebt. Bisher -hatte sie ihn nur im allgemeinen kennen gelernt, nun sollte Eberhard ihr -alle Winkelchen und Eckchen zeigen. Sie war in der Stadt groß geworden; -die Natur, in die sie zum erstenmal hineinblickte, war für sie wie ein -Märchenbuch, das man vor den Augen des Kindes aufschlägt. Jeder kleinste -Vorgang darin war ihr ein Gegenstand des Staunens und Bewunderns. Unter -jedem Baume, in dem eine Nachtigall saß, mußte Eberhard mit ihr stehen -bleiben und dem Gesange lauschen; wenn ein Buchfink über den Weg -vor ihnen herhüpfte, hielt sie ihren Begleiter am Arme fest, mit -ausgestrecktem Finger zeigend: »Sieh doch nur, sieh! was für ein -reizendes Tierchen!« Sie war vollständig zum Kinde geworden; sie -brauchte nichts weiter, verlangte nichts weiter, sie war glücklich. - -Der gestrige Abend mit seiner schwülen Erregung, seiner dumpfen -Niedergeschlagenheit war in ihr ausgelöscht. Sie hatte ja ihren -Gatten nicht recht begriffen, allerdings, aber sie hatte ja auch durch -Erfahrung gelernt, daß man in solchen Augenblicken nicht in ihn dringen, -ihn nicht fragen durfte; also fragte sie nicht. - -Eine sinnliche Natur war sie nicht. Es kamen wohl Stunden und waren -sogar dagewesen, wo ihr Blut heißer wurde -- aber für gewöhnlich war -ihr das Verlangen der Sinne fremd, und es bereitete ihr keine -Schwierigkeiten, sich eine Ehe zu denken, in welcher die Eheleute wie -zwei gute Freunde nebeneinander hergingen. - -Und sie begann sich mit der Vorstellung vertraut zu machen, daß ihr -beiderseitiges Verhältnis fortan in dieser Art weitergehen würde. - -Ob der Mann, der müden Schrittes hinter ihr drein kam, diese Gedanken in -ihrer Seele las? Vielleicht. - -Er war etwas hinter ihr zurückgeblieben, denn weil er ihr zu langsam -ging, hatte sie sich von seinem Arme losgerissen. Nun sah er sie -vor sich dahintrippeln mit hastigen, fröhlichen Bewegungen, den grün -übersponnenen Laubgang entlang, durch dessen Dach die Sonne ihr Licht -in verstreuten Funken herniederschickte, die junge Gestalt wie mit -Edelsteinen übersäend. - -Wie glücklich sie war! Und wie ihr Glück ihm die tiefste Seele erwärmte! - -Aber wie harmlos auch, wie sorglos sie war! Wie so keine Ahnung sich in -ihr regte von dem, was gestern abend in ihm vorgegangen war, von all dem -Dunklen, Entsetzlichen! - -War es nicht gut, daß es also war? Freilich war es gut. Aber warum -seufzte er trotzdem innerlich auf? - -Er fühlte, daß er dieses alles vor ihr verstecken mußte. Den einen -Menschen, der in ihm war, den gütigen, liebevollen, edlen Menschen, den -durfte er ihr zeigen, -- den andern mußte die Nacht bedecken und das -Dunkel, daß sie nie in sein Gesicht sah -- denn wenn sie es gesehen -hätte -- Und also mußte er stark sein und immer stark, und allein für -sich tragen und schweigen. - -Und so, indem er sie vor sich herschlendern sah, im Sonnenlichte -gebadet, sie selbst wie ein verkörperter Sonnenstrahl, kam er sich vor -wie das dunkle Gewölk, das hinter dem Lichte einherzieht, in dessen -Schoß das Ungewitter brütet, der Untergang des Lichtes und sein Tod. Wer -war vorhanden, um das vertrauensvolle Licht davor zu bewahren, daß das -Ungewitter es verschlang? Nur er selbst. Er selbst war ihre Gefahr -und sollte ihr Beschützer vor ihm selbst sein. Indem er die furchtbare -Anforderung empfand, die von nun an jede Stunde und Minute, jeder -Anblick des ersehnten Weibes an seine Selbstbeherrschung stellte, -überlief es ihn wie ein Grausen. - -Würde er Kraft behalten? Immer? Es legte sich schwer auf seine Brust, -beinahe wie eine Todesangst. - -Und dieses Angstgefühl verließ ihn nicht mehr; es wurde zu einer -bleibenden, körperlichen Beklemmung, und diese Beklemmung wuchs, je mehr -der Tag sich zum Ende neigte. Das Dunkel erschreckte ihn; er fürchtete -sich vor der Nacht. Als er daher gegen Abend mit seiner Frau ins Schloß -zurückgekehrt war, ließ er alles, was an Lampen aufzutreiben war, -anzünden, damit Licht würde, damit er sich das Tageslicht einbilden -könnte. Denn bei Tage, so schien es ihm, hatte der Dämon keine Gewalt -über ihn. Nur hatte er dabei vergessen, daß in dem Lichte, das jetzt, -aus allen Spiegeln widerstrahlend, die Gemächer füllte, auch die Gestalt -des Weibes um so leuchtender hervortreten mußte. Und gerade vor ihr -fürchtete er sich ja am meisten. Heute, im Laufe des Tages, als sie mit -ihm den Park durchtändelt hatte, war sie ihm wie ein kleines Mädchen, -wie ein Kind erschienen, dem gegenüber die Sinne schweigen -- jetzt, da -die Nacht kam, wurde sie wieder zum Weibe. Jede Bewegung ihrer Glieder -wuchs in seiner Phantasie zu einer verstrickenden Umarmung, jedes -Rauschen ihres Kleides zu einem sinnbethörenden Lockruf. - -»Ich ziehe mir meinen Morgenrock an,« hatte Anna gesagt, als sie ins -Schloß zurückkehrten, und es hatte ihm auf der Zunge geschwebt, zu -sagen, »thu's nicht!« - -Aber er sagte es nicht. Was hätte sie denken müssen? Wie hätte sie es -verstehen können? Sollte er sagen, daß er wahnsinnig sei? Er selbst? Er -lächelte. - -»Freilich, freilich; wir gehen wohl heute früh zu Bett? Du wirst dich -müde gelaufen haben?« - -Als er zu ihr zurückkam, stand sie vor einem Bilde, mit einer Lampe -hinaufleuchtend. Der weite Aermel des Schlafrocks war zurückgefallen, -der volle weiße Arm kam bis über den Ellbogen hervor. Alles vergessend, -wollte er mit einem Sprunge sich über sie stürzen -- da wandte sie sich -lächelnd um. Ein harmloses, ahnungsloses Kinderlächeln. Alles war für -den Augenblick vorbei. Ruhig trat er zu ihr heran und nahm ihr die Lampe -ab. - -Heute, nachdem sie zu Abend gespeist hatten, wartete er nicht, bis die -Uhr auf dem Kamin elf schlug. - -»Du bist müde?« fragte er. - -Sie nickte ihm mit traumverschleierten Augen zu. - -In einem Armstuhl saß sie da, behaglich hintenüber gelehnt, die Füße -weit ausgestreckt und übereinander gelegt. - -»Die Frühlingsluft macht so müde,« sagte sie mit dämmernder Stimme, »und -es ist so schön, einzuschlafen, während man die Nachtigallen singen hört --- horch doch nur, wie das klingt -- entzückend.« - -Er war an das geöffnete Fenster getreten -- sie hatte recht. Wie -die Stimme des Frühlings drang der süße Ton der Nachtigallen aus dem -nachtdunklen Parke herauf. Liebe war es, die ihren Gesang erweckte, und -es war, als riefen sie allen Geschöpfen der Erde zu »liebt euch, jetzt -ist die Zeit der Liebe«. Und da stand er und durfte nicht lieben. Die -Qual, die er empfand, war so groß, daß er lange Zeit lautlos am offenen -Fenster stehen bleiben mußte. Dann trat er zu ihr. - -»Nun gute Nacht,« sagte er. Er stand über sie gebeugt; sie blickte -lieblich zu ihm auf. - -Plötzlich griff er mit der Hand hinunter und riß ihr den einen Schuh vom -Fuße. - -Sie erschrak beinah. - -»Aber Eberhard.« - -Sie wollte nach ihrem Schuh greifen, aber er hielt ihn fest. - -»Ein Andenken,« rief er, »ein Andenken,« er lachte dabei laut, beinahe -gellend, und dann, indem er den Schuh, in dem noch die ganze Wärme -ihres Fußes war, an die Lippen drückte, schoß er auf die Thür zu und war -hinaus. Kopfschüttelnd saß Anna und sah ihm nach; dann erhob sie sich, -und den einen Fuß im Schuh, den andern im Strumpfe, wanderte sie in ihr -Schlafgemach. - -Eine Reihe von Tagen folgte, alle diesem Tage gleich. Luft und Himmel -voll Sonnenschein, das Laubgezelt des Parks immer dichter anschwellend -zum grünen, rauschenden Wald, von Düften durchflutet, von Vogelstimmen -durchtönt, und durch die grünende Wildnis dahinwandelnd die rosige -blühende Frau und der bleiche hohläugige Mann. - -Immer größer wurde der Abstand, in dem sie gingen; immer weiter flog sie -ihm voran, immer müder blieb er zurück, und es kam auch schon vor, -daß er sich auf eine Bank niedersetzte und sie allein auf Entdeckungen -ausziehen ließ. - -Die schlaflosen Nächte griffen ihn zu furchtbar an. Seine Nerven waren -des Morgens wie aufgeweicht, um sich dann im Laufe des Tages allmählich -aufzustraffen, bis daß sie am Abende wieder angespannt waren, wie die -Saiten eines Streichinstrumentes, jeden Augenblick zum Springen bereit. - -Jeden Abend dann wieder das Aufsteigen des wütenden Verlangens und das -Niederkämpfen desselben, so daß sein Inneres einem Schlachtfelde glich, -und jeden Abend die Wiederkehr einer Erscheinung, die er sich nicht zu -erklären vermochte, und die trotzdem vorhanden war, die er empfand, mit -Grauen empfand: - -Jeden Abend, wenn er in sein Zimmer gekommen war, hatte er ein Gefühl, -als stände etwas hinter ihm, irgend etwas, er hätte nicht sagen können, -was. Etwas Fürchterliches, das unablässig auf ihn hinblickte, mit grünen -Augen, mit einem wartenden Blick. So deutlich empfand er die Anwesenheit -dieses schrecklichen, unsichtbaren Etwas, daß ihm manchmal geradezu -war, als hörte er ein leises, keuchendes Atemholen, so daß er die Lampe -aufnahm und Winkel und Ecken seiner Zimmer durchstöberte, bis daß er die -Lampe wieder niedersetzte und sich sagte, daß niemand da war und nichts, -daß alles nur in ihm selbst war, ein Spukgebilde seiner Seele, der -Wahnsinn, der Wahnsinn. - -Eines freilich sah er bei diesen Gelegenheiten nicht: wenn er mit der -Lampe in der Hand durch seine Zimmer stöberte und der Thür nahe kam, -die zum Flur ging, dann sah er nicht, wie sich draußen an der Thür eine -hagere Gestalt aufrichtete, die bis dahin lauernd zum Schlüsselloch -gebeugt, mit leise keuchendem Atemholen gestanden hatte und nun, wenn -sie seine Schritte nahen hörte, über den Flur hinweg huschte und sich -in den Schatten des großen Schrankes drückte, der an der Wand des Flurs, -neben der Thür stand. - -Anna hatte in den letzten Tagen sein übles Aussehen bemerkt und ihn -zärtlich besorgt gefragt, ob ihm etwas fehle. Aber er hatte hastig und -entschieden verneint, »Gar nichts fehlte ihm, er war vollkommen wohl!« -Und um sie zu beruhigen, hatte er sogleich einen weiten Spaziergang mit -ihr durch den Park gemacht. - -Mit aller Gewalt hatte er sich zusammengenommen und zusammengerafft; -liebenswürdig und freundlich war er gewesen, wie nur je zuvor. - -»Daß nur sie nichts merkte! Um Gottes willen, nur nicht sie!« - -Aber diese letzte gewaltsame Anspannung gab ihm den Rest. - -Da er sich heute, seiner Versicherung nach, so wohl fühlte, hatte Anna -ihn wieder durch den ganzen Park mit sich genommen, herauf und herab, -die Kreuz und die Quer. Mehrere Vogelnester hatte sie entdeckt, die -noch im Bau begriffen waren, und das Treiben der Vögel dabei war doch zu -reizend, jedes einzelne mußte sie ihm zeigen. Und nachdem das erledigt -war, hatte er ihr dahin folgen müssen, wo sie ihren Gemüsegarten -anzulegen gedachte; sie hatte ihm die einzelnen Felder schon gezeigt, -wo Salat gebaut werden sollte, und Bohnen, Rüben und Tomaten, und was es -alles gab. - -Am Abend war sie daher schläfrig geworden wie ein Kind, das sich -tagsüber müde gespielt hat. - -»Heute werde ich aber gehörig schlafen,« sagte sie, als sie sich erhob, -um ihm gute Nacht zu wünschen. - -Er war heut so besonders liebenswürdig gewesen, dafür war sie ihm Dank -schuldig. Zärtlich hing sie sich um seinen Hals, um ihn zu küssen. Wie -es jetzt in seiner Gewohnheit lag, richtete er den Oberleib steif auf, -als wollte er ihren Lippen ausweichen, aber sie hatte es sich in den -Kopf gesetzt, heute sollte er einmal seinen Kuß bekommen. Lachend -versuchte sie, mit ihrem Munde an den seinen zu gelangen, und weil ihre -Körperlänge dazu nicht ausreichte, stieg sie mit den Füßen auf seine -Füße. Indem sie sich auf den Spitzen erhob, reichte sie ihm bis an den -Mund, und nun erhielt er einen langen, warmen, liebevollen Kuß. - -Ihre Lippen lagen auf den seinen, ihr junger Leib drängte sich an ihn, -auf seinen Füßen empfand er ihre warmen weichen Füßchen. - -In dem Augenblick war ihm zu Mute, als risse etwas in ihm, beinah, als -spränge eine Saite, so daß er das Nachsummen des Schlags in seinen Ohren -zu vernehmen meinte. - -Er schob sie von sich. - -»Gehst du jetzt zu Bett?« fragte er; der Ton seiner Stimme war lallend. - -»Freilich geh' ich zu Bett.« - -An der Thür des Schlafzimmers blieb sie noch einmal stehen und warf ihm, -traumselig nickend, Kußfinger zu. - -Kaum daß sie dann ihr Lager erreicht hatte, war sie schon eingeschlafen. - -Einige Zeit später, sie hätte kaum sagen können, ob Stunden oder nur -Minuten, wurde sie durch ein Geräusch geweckt, und als sie blinzelnd die -verschlafenen Augen öffnete, bemerkte sie, daß ein Lichtschein im -Zimmer war. Wie kam das? Sie hatte doch vor dem Einschlafen alles Licht -gelöscht? - -Indem sie sich allmählich ermunterte, sah sie, daß das Licht von der -Thür herkam, und durch den blauseidenen Bettvorhang hindurch gewahrte -sie eine dunkle Gestalt, die in der Thür stand. Genau zu erkennen -vermochte sie nicht, wer es war. - -»Bist du's, Eberhard?« fragte sie schläfrig. - -Es erfolgte keine Antwort. Die Gestalt rührte sich nicht. Sie richtete -sich auf den Ellenbogen auf. - -»Eberhard, bist du's?« fragte sie noch einmal. - -Jetzt kam die Gestalt mit einem Schritt heran, bis an das Fußende ihres -Bettes, schlug den Vorhang zurück -- ein Licht in Händen, stand ihr -Gatte vor ihr, Eberhard von Fahrenwald. - -Er gab keinen Laut von sich, seine Augen ruhten auf ihr, mit stierendem, -beinahe gläsernem Blick. - -Sie wußte nicht, was sie denken sollte, verwirrt schaute sie ihn an. -Dann streckte sie den Arm nach ihm aus. - -»Aber Eberhard -- was machst du denn?« - -In dem Augenblick hatte er das Licht auf den Nachttisch gesetzt und -ihren Arm mit beiden Händen ergriffen. Als wäre ihr Arm in einen -Schraubstock gespannt -- so war es. Es wurde ihr unheimlich. - -»Aber -- so sprich doch nur ein Wort,« bat sie leise. - -Er sprach nicht; es war, als hörte er sie überhaupt nicht. Plötzlich -ließ er ihren Arm fahren, griff sie mit beiden Händen an den Schultern -und drückte sie in die Kissen zurück. Sie lag wie gefesselt unter seinen -Händen, unfähig sich zu bewegen; ihre Augen blickten angstvoll in -sein Gesicht empor, das mit steinernem, rätselhaftem Ausdruck über sie -gebeugt war. - -»Was thust du denn?« stammelte sie; dabei warf sie die Schultern hin und -her und versuchte, sich seinem Griffe zu entwinden. - -Als er die windenden Bewegungen ihres Körpers fühlte, bog er plötzlich -den Oberleib zurück, richtete sich auf, sein Anblick wurde wie der eines -wilden Tieres, das sich zum Sprunge auf die Beute anschickt. - -Von Todesangst gepackt, fuhr sie auf und aus dem Bette. Keuchend stand -sie, zu ihm hinüberblickend, der auf der andern Seite des Bettes stand. -In das Zimmer ihrer Jungfer zu gelangen, vermochte sie nicht, weil er -zwischen Bett und Thür war. - -Als er jetzt aber eine Bewegung machte, als wollte er auf sie zu, stieß -sie einen gellenden Schrei aus, und so wie sie war, mit nackten Füßen, -nur im Hemd, rannte sie durch die Thür, durch die er gekommen und die -hinter ihm offen geblieben war, in ihr Wohnzimmer. Halb sinnlos -vor Angst drückte sie sich hinter dem Ruhebett nieder, das an der -gegenüberliegenden Wand stand. Ein Augenblick verging -- dann erschien -der Verfolger auf der Schwelle, das Licht haltend, mit dem Lichte nach -ihr suchend. - -Jetzt hatte er sie entdeckt -- und wieder sprang sie auf und flüchtete -weiter, in das nächste Zimmer. Hinter ihr kam er her, mit langen -Sprüngen. Aus dem zweiten Zimmer ging es in das dritte, in das vierte -und weiter, immer weiter, durch alle Zimmer hindurch, die Galerie -entlang, bis daß sie endlich im Bibliotheksaale, am Ende der -Zimmerflucht angelangt war und sich bewußt wurde, daß es nun nicht -weiter ging, daß sie gefangen war, verloren war. -- Mitten im Saale, die -entsetzten Augen auf ihn gerichtet, blieb sie stehen, beide Arme reckte -sie in die Höhe, -- ein verzweifeltes Geschrei -- und jählings, mit -schwerem Fall schlug sie auf den Fußboden nieder, ohnmächtig, wie eine -Leiche anzusehen. - -Als dies geschah, als er den Schrei vernahm und die weiße Gestalt -zusammenbrechen sah, blieb der Mann stehen und sah sich einen Augenblick -wie verwundert um. Es sah aus, als müßte er seine Erinnerung sammeln. -Dann kam er, das Licht hoch haltend, mit vorsichtigen Schritten da -heran, wo das da am Boden lag, das Weiße. Er senkte das Licht und -leuchtete über die regungslose Gestalt hin, richtete sich wieder auf und -trat einen Schritt zurück. Er setzte das Licht auf den Tisch, und auf -die Tischplatte niederstarrend, fing er wieder an, sich zu besinnen, -nachzudenken, nachzudenken. Dann erhob er die Augen, richtete sie dumpf -brütend den Fenstern zu, hinter denen die schwarze Nacht hing, und nun -war es, als käme aus weiter Ferne der Nacht ein Licht heran, ganz fern -erst, ganz klein, aber näher kommend, immer näher, bis daß es sein -Gesicht erreicht hatte, bis daß es in seine Augen gestiegen war. Und -nun begannen die Augen, die bis dahin gläsern gestiert hatten, wieder zu -sehen, die Züge des verwandelten Gesichts wandelten sich wieder zurück, -und nun war es wieder Eberhard von Fahrenwald, der dort am Tische stand. - -Mit einem Ruck, daß die Gelenke in seinem Leibe krachten, richtete er -sich plötzlich in die Höhe, ergriff noch einmal das Licht und trat heran --- im nämlichen Augenblick aber flog er rückwärts, als wenn ein Stoß ihn -zurückgeworfen hätte. Auf dem glatten Parkett des Fußbodens schlug er -der Länge lang hin, mit dem Gesicht am Boden, beide Hände in den Mund -stopfend, mit den Zähnen in die Hände beißend, daß das Blut herabtroff. -Ein gurgelndes Röcheln, ein ersticktes Heulen wühlte sich aus ihm heraus -und in den Fußboden hinein; dann kroch er bis zu dem nächsten Stuhle, -arbeitete sich mühselig an dem Stuhle auf, bis daß er auf den Füßen -stand, und nun, wie ein Mensch, der nicht mehr gehen kann, dem das -Rückgrat gebrochen ist, schleppte er sich, die Augen immerfort auf -die Gestalt am Boden dort gerichtet, bis an die Thür, die aus dem -Bibliotheksaale auf den Flur führte. An der Thürklinke hielt er sich -mit beiden Händen aufrecht, das Haar klebte ihm im Gesicht, eine -dicke Feuchtigkeit -- war es Schweiß, war es Blut, waren es Thränen -- -rieselte ihm vom Gesicht; es war, als wenn er weinen wollte, aber er -vermochte es nicht -- als wenn er etwas sagen wollte, aber er vermochte -es nicht -- nur ein Aechzen wurde vernehmbar: »Anna -- Anna -- Anna« und -diesen Namen wiederholend und fortwährend, sinnlos wiederholend, schob -er sich zur Thür hinaus. Sobald er aber die Thür hinter sich hatte, -fühlte er sich von einem eisernen Arm umschlungen und aufrecht gehalten. -Der Mann war da, der ihn als Kind auf den Armen getragen hatte, und dem -er nun wieder gehörte, der alte Johann. - -»Kommen Sie nur, gnädiger Herr,« sagte er mit starker, harter Stimme, -»kommen Sie nur und lassen Sie mich machen. Jetzt wird sich alles wieder -geben.« - -Er führte den gebrochenen Mann, der hülflos, willenlos in seinem Arme -schwankte, die Treppe hinauf, in sein Zimmer; er brachte ihn zu Bett, -wie ein Kind; er deckte ihn zu. - -»Nun schlafen Sie,« sagte er laut, beinah befehlend; dann sah er sich -noch einmal in den Zimmern um: kein Messer da? Keine Schere? Kein -Werkzeug irgend welcher Art? Nichts. Er rieb sich die Hände; so stolz -war er! so vergnügt! An den Fenstern machte er sich noch zu schaffen, -und es dauerte ziemlich lange, bis er damit fertig war; er hatte einen -Schraubenbohrer in der Tasche und Schrauben; sämtliche Fenster in den -Zimmern des Barons schraubte er zu -- für alle Fälle -- man konnte ja -nicht wissen. -- Dann riegelte er die Räume seines Herrn von außen -ab und nun war er fertig, nun hatte er ihn da drin, nun hatte er ihn -sicher. Als er auf dem Flur draußen stand, reckte er sich lang auf. »Ah« --- sagte er laut vor sich hin und jetzt brauchte er sich ja keinen Zwang -mehr anzuthun, jetzt konnte er lachen und er lachte, laut, immer lauter, -zuletzt brüllend. Mit den flachen Händen schlug er sich auf die Lenden; -»wer hatte nun recht behalten?« - -Vom Augenblick an, als der Baron in der Nacht sein Zimmer verlassen -hatte und hinuntergegangen war, hatte er ja alles mit angehört. - -»Jetzt kommt's,« hatte er sich gesagt, indem er im Dunkel hinter -ihm hergeschlichen war. Dann hatte er den Ruf in Annas Schlafgemach -vernommen, das Jagen und Laufen durch die Zimmer, endlich den letzten -Schrei und das Fallen des Körpers im Bibliotheksaale. - -»Jetzt hat er sie totgeschlagen,« hatte er sich gesagt, und er hatte an -sich halten müssen, um nicht schon da lachend herauszuplatzen. In -dem Augenblick war er ja noch Diener gewesen, da hätte es sich nicht -geschickt. - -Aber jetzt -- jetzt blieb nur noch zu thun, daß er sich danach umsah, wo -der Leichnam lag. Zu dem Zwecke ging er jetzt nach dem Bibliotheksaal. - -Einen dicken Stock trug er in der einen, eine brennende Laterne in der -andern Hand. Warum er den Stock mitnahm? Er hatte so ein Gefühl, als -könnte sich möglicherweise eine Gelegenheit bieten, -- er wünschte -sich eine Gelegenheit -- er hatte so ein Bedürfnis, auf irgend etwas -loszuhauen, irgend etwas zu zerschmettern, irgend etwas, am liebsten -aber menschliche Glieder und einen menschlichen Körper. Er hieb mit dem -Stock auf das Treppengeländer, daß es krachte. Ah -- wie ihm das wohl -that! Wenn »sie« so vor ihm gelegen hätte! Wenn er so auf »sie« hätte -loshauen können, daß ihre Glieder unter seinen Streichen zerflogen wären -wie Glas! Aber der Baron hatte ihm ja schon vorgearbeitet. Jetzt war -er nur noch neugierig zu sehen, wie er es gemacht haben, wie er »sie« -zugerichtet haben würde. Mit der lüsternen Begier der blutdürstigen -Natur, die dem Anblick von irgend etwas Gräßlichem entgegengeht, trat er -in den Bibliotheksaal ein, sah sich um -- und blieb enttäuscht stehen. -Der Saal war ja leer? - -Die Jungfer, die Thür an Thür mit ihrer Gebieterin schlief, war von -dem dumpfen Rumoren in Annas Schlafzimmer aufgewacht. Anfangs nur halb -ermuntert, war sie ganz wach geworden, als sie den gellenden Schrei -nebenan vernahm. - -Rasch war sie aufgestanden, hatte Licht angezündet und war eingetreten. -Nun sah sie Annas zerstörtes Bett, von dem die Decken heruntergeworfen -waren, in dem die Kissen wüst und wild durcheinander lagen. Sie sah -die Thür zum Nebenzimmer offen, und in dem Augenblick vernahm sie von -drüben, aus der Ferne, Annas verzweifelten Schrei. Im ersten Augenblick -hatte sie in ihr Zimmer zurücklaufen und den Kopf unter die Bettdecke -stecken wollen. Aber dann hatte sie sich gesagt, daß das nicht recht -wäre, daß der Frau Baronin etwas zugestoßen sein müßte, der armen jungen -Frau Baronin, die so gut zu ihr war, von der sie nie ein böses Wort zu -hören bekam, und daß es ihre Pflicht sei, zuzusehen, was geschehen war. -Darum hatte sie sich rasch in die notdürftigste Kleidung gesteckt, und -zitternd, mit schlotternden Gliedern, war sie die Zimmerflucht entlang -bis nach dem Bibliotheksaale gegangen. - -Wie sah es hier aus! Ein Leuchter lag am Fußboden; das Licht war nicht -erloschen, die Flamme hatte schon angefangen, ein glimmendes Loch in -das Parkett zu brennen, und einige Schritte weiter war noch etwas, etwas -lang Hingestrecktes, Weißes, das sich jetzt stöhnend zu regen begann, -die junge Frau Baronin, die nur mit dem Hemde bedeckt, mit aufgelöstem -Haare ohnmächtig am Boden lag. - -Bei dem Anblick brachen dem Mädchen die Thränen aus den Augen. Sie hob -das schwälende Licht auf, kniete zu ihrer Gebieterin nieder und nahm -ihren Kopf in ihren Schooß. - -»Gnädige Frau Baronin,« sagte sie, »Frau Baronin, Frau Baronin!« - -Anna schlug die Augen auf, und als sie die Jungfer erkannte, klammerte -sie sich um ihren Hals. - -»Hilf mir!« seufzte sie, »hilf mir!« - -Das Mädchen riß den Mantel ab, den sie um die Schultern geworfen hatte, -und verhüllte damit die schutzlosen Glieder ihrer Gebieterin, dann -umfaßte sie sie unter den Achseln und half ihr aufstehen. Aengstlich -aneinandergeschmiegt wanderten die beiden Frauen nach Annas Schlafgemach -zurück. - -Hier sank Anna auf einen Stuhl, wie in Betäubung vor sich -niederstarrend. Das Mädchen holte ihre Kleidungsstücke heran und begann -sie anzuziehen; eine Ahnung sagte ihr, daß man sich auf weiteres gefaßt -zu machen hatte und daß man sich rüsten müsse. Anna ließ sie schweigend -gewähren. - -»Wo ist denn mein Mann?« fragte sie nach einiger Zeit. - -»Der Herr Baron? Ich weiß nicht,« versetzte das Mädchen. »Soll ich -einmal nach ihm seh'n?« - -»Ja, ja,« sagte Anna. - -Das Mädchen schlüpfte hinaus, auf den Flur, die Treppe zum oberen -Stockwerk hinauf. Sie kam gerade zurecht, um zu sehen, wie der alte -Johann die Thür des Barons von außen verriegelte, wie er dann in sein -Zimmer ging und mit der Laterne in der einen, dem Stock in der andern -Hand wieder herauskam; unhörbar glitt sie die Treppe hinab, dann kam sie -zu Anna zurückgelaufen. - -»Gnädige Frau Baronin -- eben hab' ich's geseh'n -- der Johann hat den -gnädigen Herrn eingesperrt -- und ich glaube jetzt kommt der Johann -herunter -- und einen dicken Stock hat er mit sich -- und er sieht aus, -wie ich's gar nicht sagen kann -- gar so fürchterlich -- o Herr Jeses -ne, Herr Jeses ne!« - -Sie war ganz außer sich, ihr Atem flog, zu Annas Füßen niedergekauert, -umschlang sie sie mit den Armen. Hülflos, ratlos drückten sich die -beiden Frauen aneinander. - -Nach einiger Zeit vernahmen sie ein dumpfes Geräusch; schwere Schritte -stampften vom Bibliotheksaale heran. Dazwischen hörten sie eine Stimme; -es sprach jemand ganz laut. - -Das Mädchen beugte lauschend den Kopf vor. - -»Das ist der Johann,« flüsterte sie. - -Anna saß, wie in Eis gebadet. - -»Mit wem spricht er denn nur?« - -Das Mädchen zuckte die Achseln und schüttelte den Kopf. - -Jetzt konnte man schon einzelnes von dem verstehen, was er sagte: »Aber -tot muß sie sein! Muß sie sein! Lebendig aus'm Haus lass' ich sie nicht! -Lass' ich sie nicht!« - -Dann plötzlich blieb er stehen, und im nächsten Augenblick gab es einen -fürchterlichen Krach; mit dem dicken Knotenstock hatte er in einen der -hohen Spiegel hineingehauen, die vorn in den Zimmern hingen. - -»Siehste du!« kreischte er, und während das klirrende Glas zu Boden -rauschte, stieß er ein Gelächter aus, daß den beiden Frauen die Haare zu -Berge stiegen. - -Weiter gingen die Schritte, Stühle flogen beiseite, Tische schmetterten -zu Boden, wie wenn ein Ungeheuer durch die Zimmer stapfte und alles -hinwegschleuderte, was ihm in den Weg kam. Im nächsten Zimmer war wieder -ein Spiegel zwischen den Fenstern -- klirr -- ging der Knüppel hinein -und -- klirr -- kam das splitternde Glas herunter. Wieder kam das -»siehste du!« wieder das gellende Lachen und das wahnwitzige Schwatzen: -»Tot muß sie sein! tot muß sie sein! muß sie sein!« - -Jetzt war kein Zweifel mehr, auf das Schlafzimmer kam er zu. - -»Frau Baronin!« sagte das Mädchen, indem es, kreideweiß im Gesicht, auf -die Füße sprang. - -Anna saß wie leblos. - -»Frau Baronin!« sie schüttelte sie an den Schultern, »um Jesus und aller -Heiligen willen, kommen Sie fort!« - -Mit einem Griff packte sie Anna um den Leib, riß sie vom Stuhle auf und -zog sie aus dem Schlafzimmer in ihre nebenanstoßende Kammer, deren Thür -sie hastig von innen verriegelte. - -Es war höchste Zeit gewesen. - -Im Augenblick, als sie sich hinter die Thür gebracht hatten, erdröhnten -die Schritte in Annas Wohnzimmer, und im nächsten Augenblicke erschien -auf der Schwelle des Schlafgemachs eine grauenvolle Gestalt, die Gestalt -eines Wahnsinnigen, Tobsüchtigen, des alten Johann. - -In der Linken hielt er die Laterne hoch, dann hörten die Frauen, die -sich draußen zähneklappernd an die Thür drängten, seine Stimme, die -jetzt pfeifend, in schneidenden Fisteltönen herauskam: »Siehste du, -Kurnallje! Itze hab' ich dich!« - -Dann ein Sausen durch die Luft und ein schwerer schmetternder Streich; -sein Stock hatte mit aller Gewalt in Annas Bett hineingeschlagen. Die -gepolsterte Rolle die unter Annas Kopfkissen gelegen hatte, war -während des Kampfes verschoben worden und lag jetzt mitten im Bett. Die -längliche runde Gestalt des Polsters täuschte seinen wahnsinnumnachteten -Sinnen vor, daß die junge Frau selber vor ihm läge; auf sie hatte er -eingehauen. - -Ein wütendes Lachen folgte dem Streiche. - -»Hat's gut gethan? Hat's gut gethan?« - -Dann wurde seine Stimme undeutlich und verworren, als hätte er einen -Brei im Munde, den er nicht mehr zu Worten zu zerkauen vermochte, wie -die Stimme eines bösen Hundes, den die Wut so übermannt hat, daß er -nicht mehr bellen kann. - -»Noch leben willst de? Noch mucken willst de? Tot mußt de sein! Tot mußt -de sein! mußt de sein!« - -Und »krach«, »krach« und »krach« wie eine schaudervolle Begleitung -zu den schaudervollen Worten schmetterte der Stock wieder, wieder und -wieder in das Bett hinein. - -Nun schien er befriedigt. - -Ein langgezogenes »so -- siehste itze war's recht«, dann noch ein -wortloses unverständliches Wühlen und Rumoren, und dann vernahmen -die Frauen, wie er stampfenden Schrittes, so wie er gekommen war, das -Schlafzimmer wieder verließ. - -Was that er jetzt? Wo ging er hin? Den Finger auf den Mund gelegt, -bedeutete das Mädchen Anna, daß sie sich ruhig verhalten, daß sie -zurückbleiben sollte, dann öffnete sie leise, leise, die Thür, streifte -die Schuhe ab und schlich barfuß dem Alten im Dunkel nach. Nach längerer -Zeit erst kam sie zurück. - -»Frau Baronin,« sagte sie, »Frau Baronin, kommen Sie schnell, seh'n Sie, -was er jetzt angibt.« - -Sie warf Anna einen Mantel um, dann ergriff sie sie an der Hand und riß -sie durch die dunklen Räume des Schlosses, über eine Hintertreppe in den -Garten hinunter. - -In einiger Entfernung vor ihnen schritt der Alte, die Laterne in der -einen, statt des Stocks jetzt einen Spaten in der andern Hand. Im linken -Arme trug er die weiße Kopfrolle aus Annas Bett, die infolge seiner -Streiche mitten durchgeknickt war und in zwei bammelnden Enden über -seinen Arm hing. - -»Er glaubt, das sind Frau Baronin, die er da trägt,« stammelte das -Mädchen Anna ins Ohr. - -Anna blickte starr. - -Das Mädchen zog sie am Arme und bedeutete sie, weiterzugehen; »aber -leise,« mahnte sie, »leise!« - -Mit angehaltenem Atem schlichen sie hinter dem Alten her, so weit -entfernt, daß sie seine von der Laterne beleuchtete Gestalt gerade noch -zu erkennen vermochten. - -Jetzt sahen sie, wie er vom Wege in das Gebüsch abbog, und nachdem er -sich einige Schritte weit hineingearbeitet hatte, blieb er stehen. An -der Stelle, wo er sich befand, war eine kleine Lichtung im Dickicht, -einige Fuß im Geviert. Er hing die Laterne an einen Ast, warf das -Polster zur Erde, spuckte sich in die Hände und mit einem »nu jetzt -aber 'mal« stieß er den Spaten in die Erde und fing an, eine Grube -auszuwerfen. - -Die beiden Frauen hatten sich bis an den äußeren Rand des Gebüsches -herangemacht; sie verfolgten jede seiner Bewegungen. - -Er arbeitete mit grimmiger Verbissenheit; ein dumpfes Grunzen begleitete -jeden Spatenwurf. Dann richtete er sich auf, so daß das Licht der -Laterne sich in seinen blutunterlaufenen, gräßlichen Augen spiegelte. Er -raffte das Polster vom Erdboden auf, hob es mit beiden Armen empor und -dann mit aller Gewalt schleuderte er es in das gähnende schwarze Loch, -so daß man den dumpfen Puff vernahm, mit dem es unten aufschlug. - -Er stierte in die Grube hinunter. - -»Da gehste nein,« sagte er, »da bleibste und kommst all dein Lebtag -nicht wieder heraus!« - -Dann griff er wieder zum Spaten und schaufelte das Loch zu. - -»Frau Baronin, kommen Sie fort,« flüsterte das Mädchen. Der Alte hatte -sein Werk vollbracht, gleich würde er jetzt zurückkommen, auf die Stelle -zu, wo die beiden standen. Sie wichen einige Schritte in dem dunklen -Laubgang zurück. Durch das Dickicht brach er sich hindurch und an ihnen -vorbei trottete er nach dem Schloß zurück. - -»Jetzt meint er, hat er Frau Baronin begraben,« sagte das Mädchen. - -Anna konnte nichts erwidern. - -Die gutgemeinte aber plumpe Art, mit der ihre Begleiterin ihr all -das Schreckliche, was sie erlebte und sah, noch einmal wiederholte, -steigerte die Entsetzensqual, die auf ihr lastete, bis zum -Unerträglichen; der Atem versagte ihr, sie schluckte, schluckte und -schluckte noch einmal, dann taumelte sie und wäre ohnmächtig zur Erde -gefallen, wenn sie nicht mit dem Rücken gegen einen Baumstamm gesunken -wäre, und wenn nicht das Mädchen mit beiden Händen zugegriffen und sie -aufrecht gehalten hätte. - -Erst allmählich hob sich der Druck, der ihr wie ein eiserner Reif die -Brust umspannte. Endlich vermochte sie tief Atem zu holen, und nun brach -sie in einen endlosen Thränenstrom aus. - -»Was soll ich jetzt machen?« schluchzte sie, »ins Schloß kann ich doch -nicht mehr zurück!« - -Vom Jammer überwältigt, kniete das Mädchen vor ihr nieder und umfing sie -mit den Armen. - -»Frau Baronin,« sagte sie flehend, »liebe, gutte, gnädige Frau Baronin, -weinen Se och nich so! Gott is gutt, Gott wird Sie nicht verlassen! Ins -Schloß dürfen Frau Baronin nicht zurück, das is ja klar; also will ich -Frau Baronin etwas sagen: Frau Baronin gehen mit mir, zu meinen Eltern -ins Dorf« -- in ihrer Erregung hatte sie all ihr Hochdeutsch vergessen -und war wieder ganz das schlesische Landmädchen geworden --, »meine -Eltern haben halt nur a paar kleene Stiebchen, aber 's sind gutte Leite, -gutte Leite! Frau Baronin können ganz gutt a paar Tage bei ihnen wohnen. -A Bett für Frau Baronin find't sich schon und a Brinkel zum essen auch, -und murne is wieder a Tag, und da werden wir schon weiter seh'n, schon -weiter seh'n.« - -Mit diesen Worten hatte sie Anna unter den Arm gefaßt und führte sie, -die willenlos alles mit sich geschehen ließ, durch den Park auf das -freie Feld hinaus und dann im weiten Bogen in das Dorf, zum Hause ihrer -Eltern, wo sie in tiefer nächtlicher Stunde an die Fensterläden klopfte -und die alten Leute aus dem Schlaf pochte. - -Eine halbe Stunde später lag Anna im Bette der alten Tagelöhnersfrau, -während diese und ihr Mann sich mit ihrer Tochter, der Franzel, nebenan -in die Küche setzten und mit offenem Mund und Augen die fürchterlichen -Dinge anhörten, die sich droben auf dem Schlosse begeben hatten. - - * * * * * - -Am nächsten Morgen saß Eberhard von Fahrenwald oben in seinem Zimmer, in -einen Armstuhl geschmiegt, die Kniee mit einer wollenen Decke umhüllt, -müde, gebrochen, wie ein plötzlich alt gewordener Mann. - -Die Thür that sich auf, und der alte Johann erschien, eine Platte in -Händen, auf der er ein Frühstück trug. Er setzte sie auf den Tisch neben -seinen Herrn. - -»Frühstücken Herr Baron jetzt!« befahl er. - -Seine ehemalige demütige Haltung war nicht mehr; er stand neben seinem -einstigen Herrn wie ein Aufseher bei einem Gefangenen. - -Der Baron senkte die Augen, es sah aus, als fürchtete er sich vor seinem -Diener. - -»Frühstücken Sie,« gebot dieser noch einmal, und während Eberhard von -Fahrenwald einige Bissen zum Munde zu führen versuchte, ging er, die -Hände in den Hosentaschen, in den Zimmern auf und ab, die Fenster -und Thüren untersuchend. Dann kam er zurück, um das Frühstück wieder -abzuräumen. - -Eberhard sah mit scheuen Blicken an ihm vorbei. Seine Hände zupften an -der wollenen Decke; man merkte ihm an, daß eine Frage auf seiner Seele -lag, die sich nicht über die Lippen getraute. Endlich kam sie heraus: -»Wo -- ist denn -- meine Frau?« - -Der Alte zuckte die Achseln, als verlohnte es sich nicht, auf solche -Frage überhaupt zu antworten, und ging auf die Thür zu. - -»Wo ist meine Frau?« wiederholte Eberhard mit heiserer Stimme. - -Jetzt drehte der Alte die Augen zu ihm herum, die giftigen Augen. - -»Denken Herr Baron denn immer noch daran? Wäre abgethan, die Geschichte, -hätt' ich gemeint. Wär' schon am besten, Herr Baron fingen an, an andres -zu denken.« - -Eberhard ruckte und zuckte in seinem Stuhl; es sah aus, als ob er -aufstehen wollte, aber der gefährliche Blick des Alten hielt ihn am -Platze fest. - -Beide sahen sich eine Zeitlang stumm in die Augen. Dann traten -Schweißtropfen auf die Stirn des Barons; erst nur vereinzelt, dann immer -mehr, immer dicker, so daß ihm der Schweiß plötzlich über das Gesicht -zu laufen begann. Er wollte sprechen, aber es sah aus, als wären seine -Kinnladen verrenkt. - -»Aber -- sie ist nicht --« - -Er kam mit der Frage nicht zu Ende. - -»Ja, versteht sich!« fiel ihm der Alte mit wüster Brutalität ins Wort. -»Was soll sie denn sonst auch sein? Da können Herr Baron warten, eh' die -wiederkommt!« - -Eberhard stierte ihn an. - -»Fortgegangen?« fragte er tonlos. - -Jetzt kam der Alte von der Thür zurück, setzte die Platte wieder auf den -Tisch und sah grinsend auf ihn herab. - -»Tot ist sie! Was haben Sie denn auch gedacht?« - -Eberhards Kniee zogen sich wie im Krampfe empor, sein Mund ging auf, als -wenn er nach Luft schnappte, er stopfte beide Fäuste in den Mund, -dann fiel sein Oberleib vornüber, so daß seine Brust beinah die Kniee -berührte. Ein konvulsivisches Zucken ging durch seinen Körper. - -Wie ein Teufel stand der Alte neben ihm. - -»Das alles,« sagte er mit eiserner Stimme, »habe ich Herrn Baron zuvor -gesagt, Herr Baron haben nicht hören wollen.« - -Eberhard gab keine Antwort. Er hatte die Hände unter den Kopf gestützt, -er dachte nach. Merkwürdig -- mitten in der Zerrüttung seiner Seele -fühlte er deutlich, daß er ganz klar dachte. Der ganze gestrige Abend -war ihm gegenwärtig, alle Einzelheiten standen vor seiner Seele. Mit -einem Ruck warf er den Kopf auf. - -»Aber als ich sie zuletzt sah, war sie nicht tot,« sagte er. - -Es war ihm plötzlich in Erinnerung gekommen, daß als er aus dem -Bibliotheksaale ging, Annas lebloser Körper sich zu regen begonnen -hatte. - -Der Alte that einen Schritt zurück; seine herabhängenden Hände ballten -sich. Wollte der elende, verrückte Mensch da sich unterstehen, ihm zu -sagen, daß sie nicht tot wäre? Es kam ihm vor, als sollte er um sein -gutes Recht bestohlen werden. - -Eberhard hatte sich erhoben. - -»Wo ist meine Frau?« fragte er keuchend. - -»Tot ist sie!« brüllte ihm der Alte ins Gesicht. »Und das hab' ich Herrn -Baron immer gesagt, und Herr Baron haben nicht hören wollen, und nun -ist es gekommen, wie ich's gesagt habe! Und wenn Herr Baron mir nicht -glauben wollen, dann ziehen Herr Baron sich an und kommen mit hinunter; -will ich Herrn Baron zeigen, allwo daß sie da unten liegt!« - -Eberhard drückte beide Hände an den Kopf. - -»Gib mir meine Sachen!« sagte er dann, »gib mir meine Sachen!« - -In fliegender Hast kleidete er sich an. - -»Also jetzt,« sagte er dann, »vorwärts!« - -Schwankenden Schritts trat er auf den Flur, am Geländer sich haltend, -wie ein Greis, arbeitete er sich, Stufe nach Stufe, die Treppe hinunter, -und so ging es weiter, bis in den Garten hinab. - -Der Alte faßte ihn unter den Arm, weil er seine hülflose Schwäche sah. -Eberhard machte eine Bewegung, als wollte er es nicht dulden, aber die -Zeit war vorüber, da er zu gebieten hatte. - -»Kommen Sie,« sagte der Diener barsch. Jetzt hatte der gnädige Herr zu -gehorchen. - -Den Laubgang führte er ihn entlang, bis an das Gebüsch, dann brach -er sich durch die Büsche hindurch, und einen Augenblick darauf stand -Eberhard vor dem frisch zugeworfenen Loch. - -Als er das sah, fiel er mit einem heulenden Schluchzen nieder, -dann griff er mit den Händen in das Erdreich und begann, die Erde -aufzuwühlen. Mit rauher Gewalt riß der Alte ihn fort. - -»Ah, was soll denn so etwas!« sagte er. - -Er nahm ihn wieder unter den Arm, noch fester als vorhin, ungefähr wie -ein Polizist, der einen Entsprungenen geleitet. So führte er ihn aus dem -Laubgange auf den Rasenplatz hinaus, in den Sonnenschein, und dort an -eine Bank. - -»Setzen Herr Baron sich hier,« gebot er. - -Eberhards Widerstandskraft war gebrochen, er ließ sich nieder und -drückte sich in die Ecke der Bank. - -Der Alte ging um den Rasen herum und dann, auf der andern Seite des -Platzes, so daß er Eberhard fortwährend unter Augen behielt, auf und -nieder. Mit dem Knüppel, den er jetzt immer bei sich trug, schlug er in -den Erdboden, daß der Kies raschelte. Dann setzte er sich auf eine Bank, -Eberhard gerade gegenüber, und von dort aus stierte er unverwandt auf -diesen hin. Er hätte tagelang so sitzen können, ohne sich zu langweilen. - -Die »Einbrecherin« war beseitigt, er war wieder, was ihm von Gottes und -Rechts wegen zukam, der Wärter seines »elenden, verrückten« Herrn -- er -war zufrieden. - -Und inzwischen saß der unglückliche Mann, die Augen zu Boden gesenkt, -weil er unablässig den fürchterlichen Beobachterblick auf sich gerichtet -fühlte, erdrückt unter der Last seines Bewußtseins, das ihm jede -Willens- und Widerstandskraft raubte, das ihn zum hülflosen Kinde in -den Händen des grauenvollen Alten da drüben machte. Er war ja ein -Verbrecher, ein Mörder! Was für ein Recht hat ein solcher, sich -aufzulehnen? Er hat zu schweigen und dankbar zu sein, wenn man ihm das -Leben läßt. Und warum ließ man ihm das Leben? Weil man annahm, daß er -verrückt sei. Also -- er war verrückt. Sein Kinn senkte sich auf die -Brust, sein Körper kroch förmlich in sich zusammen. - -Und dann kam immer wieder das merkwürdige Bewußtsein, daß er trotzdem -ganz klar dachte. Er sträubte sich beinah dagegen. Kann ein Verrückter -klar denken? Und dennoch war es so, und immer wieder und wieder tauchte -die Erinnerung auf, daß sie sich zu regen begonnen hatte, als er aus -dem Bibliotheksaale ging. Wäre nur der Alte nicht gleich bei der Hand -gewesen, der ihn fortriß, so daß er nicht mehr Zeit behielt, noch einmal -zurückzugehen und sich nach ihr umzusehen! - -Und dennoch also war sie tot? So war sie wohl nachher gestorben, nachdem -er den Saal verlassen hatte? Er hatte ja die Grube mit eigenen Augen -gesehen, in der sie lag -- also tot war sie wirklich? - -Und während er sich das alles sagte, kam immer und immer wieder ein -Gefühl, als sei alles nicht so, als wäre sie nicht tot, nur irgendwo -versteckt. Von der Bank, auf der er saß, konnte er die Buchenallee -hinuntersehen, durch welche er damals mit ihr in den Park eingetreten -war, bis hinunter an den Eichbaum, an den er damals den Kranz gehängt -hatte. Immerfort gingen seine Augen die Allee entlang, immer war es -ihm, als würde er dort unten am Ende der Allee plötzlich eine Gestalt -erscheinen sehen, von der Sonne umleuchtet, eine ersehnte, geliebte -Gestalt, als würde er auf sie zustürzen und sie ihm entgegenfliegen, -als würde er in ihren Armen aufwachen aus gräßlichem, gräßlichem Traume, -aufwachen als ein glückseliger Mensch zu neuem glückseligen Leben. - -So stark war seine Einbildung, daß er unwillkürlich von der Bank -aufstand. Im selben Augenblick aber war schon der Aufpasser an seiner -Seite. Er hatte die Blicke des Barons verfolgt, er sah in die Allee -hinein -- war da etwas? Nichts. - -»Kommen Herr Baron,« sagte er, »es wird Zeit, daß Herr Baron etwas -essen.« Er faßte ihn unter den Arm und schleppte ihn ins Schloß. - -So kam der Abend heran, und als es dunkel wurde, erfaßte eine qualvolle -Unruhe den gepeinigten Mann. War es denn wirklich wahr, daß sie da -draußen in der finsteren Nacht in dem finsteren tiefen Loche lag? Nein, -nein, nein! Wenn er sich nur hätte überzeugen, nur die Grube aufwühlen -und hineinschauen können, ob sie wirklich da unten war! Aber der Alte -stand hinter ihm; er fühlte, wie er ihn von hinten ansah; seine Blicke -lagen auf ihm wie Keulen. Wenn er den Versuch gemacht hätte, in den -Garten hinauszukommen, würde jener sich wie ein Bullenbeißer auf ihn -geworfen haben. Es schauderte ihn, schweigend kroch er wieder in sich -zusammen. - -»Gehen Herr Baron jetzt zu Bett,« sagte der Alte, indem er, mit dem -brennenden Lichte in der Hand, an die Thür des Bibliotheksaales trat. - -Eberhard erhob sich, dann aber, mit einem plötzlichen Griff, entriß er -dem Diener das Licht, und ehe dieser es zu hindern vermochte, stürzte er -damit ins Nebenzimmer. - -»Anna!« rief er laut und klagend, »Anna! Anna!« - -So lief er durch die Galerie und so von Zimmer zu Zimmer, das Licht -emporhebend, im Kreise umherführend, mit den Augen umhersuchend in allen -Ecken, ob er sie nicht irgendwo entdecken würde, irgendwo. Aber sie war -nicht mehr da. - -So kam er in ihr Wohnzimmer, wo ihre Möbel standen und ihr Schreibtisch -und ihre Blumen, wo alles noch erfüllt schien vom Dufte ihrer -Persönlichkeit, und so endlich in ihr Schlafgemach. Da stand noch -das Bett, in dem sie gelegen hatte, das einst so zierliche, jetzt so -verwüstete Bett, und nun erfaßte es ihn wirklich wie Raserei, und er -fing an, mit dem Lichte unter die Sofas zu leuchten und unter das -Bett, als müßte sie da irgendwo versteckt sein, als müßte, müßte er sie -finden. - -In dem Augenblick aber ertönte hinter ihm die eiserne Stimme: »Was soll -denn so etwas? Herr Baron stecken ja noch das ganze Schloß in Brand.« - -Die harte Faust des Alten riß das Licht aus seiner Hand und hielt es -hoch, so daß es ruhig stand, dann zog er ihn vom Boden empor, nahm -seinen Arm unter seinen Arm, und indem er ihn wie in einer Zwinge -gefangen hielt, führte er ihn hinaus, die Treppe hinauf in sein Zimmer. -Er brachte ihn zu Bett, wie ein Kind, untersuchte noch einmal die -Fenster. - -»Nun schlafen Herr Baron,« befahl er; dann riegelte er von außen die -Thür zu. - -So verging Tag nach Tag, und so ein Abend nach dem andern. Jeden Tag das -stundenlange Sitzen am Rasenplatze auf der Bank, das stumme Suchen mit -den Augen in der Allee, jeden Abend das wandernde Licht von Zimmer -zu Zimmer, das Suchen und Suchen und Nichtfinden, und bei Tage und -am Abend, immerfort der Alte um ihn, hinter ihm, neben ihm, immer und -immerfort. - -Im Dorfe und in der Umgegend verbreitete sich unterdessen die Nachricht, -daß die junge Frau Baronin plötzlich gestorben sei, und dieser Nachricht -folgte ein Gerücht, das man sich nur unter der Hand zuraunte: Der Herr -Baron hatte seine eigene Frau umgebracht. - -Er war verrückt geworden, der Baron, und der alte Johann bewachte ihn. -Der brave alte Johann! - -Er hatte immer großes Ansehen im Dorfe genossen, jetzt aber war er -geradezu eine imposante Persönlichkeit geworden. Eigentlich war doch er -jetzt der Herr vom Schloß. - -Wenn er mit seinem dicken Stock die Dorfstraße entlang kam, flogen -die Mützen und Hüte von den Köpfen; er aber war ein stolzer Mann, er -erwiderte keinen Gruß; wie ein Stier mit vorgestrecktem Kopf ging er -seines Wegs. »Er hat jetzt halt so einen zornigen Blick,« flüsterten -sich die Leute zu, wenn er vorüberging. - -Ja, er hatte einen zornigen Blick, und besonders, wenn er bei dem -Taglöhnershause vorbeikam, wo die Eltern des Mädchens, der Franzel, -wohnten. - -Die Frau war tot und hin, das wußte er ja, aber das Mädchen, das seit -dem Abende verschwunden war, wo war das Mädchen geblieben? - -Jeden Vormittag, bevor er seinen Herrn herausließ, ging er durch das -Dorf und jeden Vormittag trat er bei den alten Leuten ein. - -»Wißt ihr's immer noch nicht, wo daß euer Mädchen ist?« - -Die alten Leute zitterten am ganzen Leibe. - -»Nein, gnädiger Herr Johann, nischte wissen wir.« - -Das war die Antwort, die ihnen die Franzel eingelernt hatte, und -währenddem saß diese auf dem Heuboden, unter dem Heu versteckt, zitternd -wie Espenlaub. - -Anna war fort. Im Morgengrauen des Tages, der auf die schreckliche -Nacht folgte, war sie, von der Franzel begleitet, zu Fuß nach der -Eisenbahnstation gegangen. In der Tasche ihres Kleides hatte sie ihr -Portemonnaie und in diesem ein paar Groschen Geld gefunden. So war sie -nach Breslau zurückgelangt und hatte bei dem Onkel und der Tante -wieder angeklopft. Wo sollte sie sonst bleiben? Und nun saß sie, eine -verheiratete Frau, da, wo sie als Mädchen gesessen hatte, in wahrhaft -jammervollem Zustande. Wie eine Prinzessin ausgezogen, war sie wie eine -Bettlerin zurückgekommen. - -Dem Onkel und der Tante hatte sie erklären müssen, warum sie kam; -schweren Herzens hatte sie es gethan, denn indem sie die Ereignisse -jener Nacht andeutungsweise enthüllte, war ihr, als beginge sie einen -Verrat an dem unglücklichen, trotz allem immer noch tief geliebten -Manne. - -Der Onkel hatte nun mit einemmal »von vornherein gewußt und -vorhergesagt, daß die ganze Geschichte Blödsinn sei und schlimm endigen -würde«. Er gab sich kaum die Mühe, Anna zu verheimlichen, wie lästig -ihre Anwesenheit ihm war, die er noch dazu, um nicht ins Gerede der -Leute zu kommen, vor aller Welt verschweigen mußte. Der Zustand wurde -mit der Zeit schier unerträglich. Da eines Tags kam aus Fahrenwald ein -Brief für Anna, mit plumpen Schriftzügen zusammengefügt, ein Brief von -der Franzel. - -Im Dorfe war es ruchbar geworden, wie der Baron Tag für Tag stundenlang -am Rasenplatze saß, in die Allee blickend, wie er am Abend mit dem -Lichte in der Hand durch die Zimmer lief und nach seiner Frau suchte und -nach ihr rief. Dies alles berichtete ihr die Franzel. - -Als Anna dieses las, als sie erfuhr, wie er nach ihr verlangte, traf es -sie wie ein Vorwurf ins Herz. Sie kam sich wie eine Pflichtvergessene -vor, die von ihrem kranken Manne davongelaufen war, statt bei ihm -auszuharren. Ein Entschluß stand in ihr auf, von dem sie zu niemand -ein Wort sagte -- am nächsten Morgen war sie lautlos aus dem Hause des -Onkels und der Tante verschwunden. - - * * * * * - -Es war um die Mittagsstunde. Die Sonne stand hoch, und im Sonnenschein -saß Eberhard von Fahrenwald, in Decken gehüllt, auf seiner Bank. Ihm -gegenüber, wie immer, der Alte als Aufpasser. Plötzlich sah dieser, wie -der Baron, die Augen in die Allee gerichtet, aus der einen Ecke der Bank -in die andre rutschte. Er schlug ein paarmal mit dem Stock in die Erde, -als wollte er dem da drüben sagen, »nimm dich in acht, ich passe auf«. - -Aber der Baron achtete nicht auf ihn. - -Das war doch keine Täuschung, was er da eben gesehen hatte, daß da -hinten eine Gestalt in hellem Kleide hinter den Büschen des Parks -entlang und hinter den Eichbaum geschlüpft war, hinter dem sie sich -jetzt verbarg? - -Und diese Gestalt -- war das nicht --? - -Und jetzt bog sich ein Hutrand hinter dem Baumstamme vor, ein gelber -Hutrand, und unter dem Hutrande ein Gesicht -- - -Gerade aufgereckt wie eine Eisenstange stand er von der Bank auf -- -in demselben Augenblick trat die Gestalt hinter dem Baume hervor und -breitete beide Arme aus -- - -»Anna!!« -- Es war Eberhard von Fahrenwald, der den Schrei ausgestoßen -hatte, aber es hatte geklungen, wie wenn zehn Männer aufschrieen. - -Jetzt aber kam der Alte in Sprüngen über den Rasenplatz heran. Ein -Blick in die Allee -- ein momentanes Erstarren -- dann ein Geifern und -Knirschen wie von einem tollen Hunde. Die Allee entlang, gerade auf -den Rasenplatz zu kam eine geschritten -- und diese eine war sie -- -die Tote! Jählings, bevor Eberhard, der immer noch wie in Erstarrung -dastand, es verhindern konnte, stürmte der Alte, mit gesenktem Haupte, -auf die Allee zu, Anna entgegen. Den Stock hatte er wie zum Schlage hoch -erhoben, ein Gebrüll ertönte aus seinem Munde. Anna war unwillkürlich -stehen geblieben, jetzt wandte sie sich um und fing an, die Allee -zurückzulaufen. Endlich war Eberhard zu sich gekommen und zum Bewußtsein -dessen, was sich begab. Mit einem Ruck schleuderte er den dicken -Ueberzieher ab, den ihm der Diener heute früh angezogen hatte. Dann kam -er gestreckten Laufes hinter dem Alten her. - -»Johann!« donnerte er. Seine Stimme hatte wieder den Klang früherer -Tage, es war wieder die Stimme des Herrn. - -Für einen Augenblick regte sich in dem Alten wieder der Knecht; sein -Gebrüll verstummte und einen Augenblick schwankte er auf die Seite. - -Dann aber brach die Wut von neuem in ihm los. - -»Das ist nicht wahr, daß sie lebendig sein will! Tot ist sie! Tot ist -sie! Tot ist sie!« - -Und jetzt mit verdoppelter Wut raste er hinter dem flüchtenden Weibe -her. - -Annas Kniee wankten und schwankten -- immer näher kamen die dröhnenden -Schritte -- immer deutlicher vernahm sie das heisere Keuchen in ihrem -Rücken, das belfernde Schnappen -- ihre Kräfte verließen sie -- vor -ihren Augen wurde es dunkel -- ein schriller Schrei: »Eberhard --« - -Und in dem Augenblick hörte sie hinter sich ein Geräusch, wie sie es -bis dahin nie gehört -- und als sie zusammenbrechend gegen einen Baum -taumelte und sich umsah, erblickte sie Eberhard von Fahrenwald, der sich -in dem Augenblick über den Alten gestürzt, ihn mit beiden Händen an der -Gurgel gepackt hatte und mit einer Gewalt zu Boden schleuderte, daß der -Körper sich um und um rollte und krachend in die Büsche flog. - -Mit einem gräßlichen Schrei raffte der Alte sich auf, mit geschwungenem -Stock ging er seinem Herrn zu Leibe, und nun entspann sich zwischen den -beiden Männern ein Kampf wie zwischen zwei Bären. - -Den Stock hatte ihm der Baron beim ersten Anprall entrissen, mit -fletschenden Zähnen drang der Alte auf ihn ein, mit beiden Händen hielt -Eberhard ihn am Halse gepackt, um ihn am Beißen zu verhindern. Und -nun straffte der Körper des Barons sich zu einer letzten ungeheuren -Anstrengung auf; mit einer Kraft, als wenn es gälte, einen Baum aus der -Erde zu reißen, schwenkte er den Alten von rechts nach links und von -links nach rechts, so daß er zu taumeln begann und seine Füße den Halt -verloren, dann gab es einen schmetternden Krach, der Länge lang fiel -der Alte zur Erde und im selben Augenblick kniete Eberhard auf seinem -Rücken, ihm die Hände hinter dem Rücken zusammenpressend. - -Ein Gebrüll, das nichts Menschliches mehr hatte, ein Geblöck, wie das -eines wütigen Stieres, brach aus der Brust des Alten; mit den Zähnen biß -er in die Erde; bläulicher Schaum stand auf seinen Lippen. - -In diesem Augenblick kamen mehrere Männer, die auf den Feldern in der -Nähe beschäftigt gewesen waren und die furchtbaren Töne im Innern des -Parks vernommen hatten, eilend die Allee entlang. - -»Hierher, Leute, hierher!« rief Eberhard ihnen entgegen. - -Als sie aber den Baron auf dem Johann knieen sahen, wurden sie stutzig -und blieben stehen. Sie glaubten nicht anders, als daß der Wahnsinnige -seinen Wärter überwältigt hatte. Was sollten sie thun? - -Jetzt trat Anna auf sie zu. - -»Helft dem Herrn Baron, lieben Leute, helft ihm!« - -Die Männer prallten zurück -- die Frau Baronin? Aber die Frau Baronin -war ja tot? - -Anna begriff ihr Zaudern und Stutzen. - -»Es ist nicht wahr, was euch der Johann gesagt hat! Ich bin nicht tot; -der Johann ist wahnsinnig, nicht der Baron, nicht der Baron!« - -Noch einen Augenblick standen die Männer wie besinnungslos; ihre -schweren Gehirne konnten einen so völligen Umschwung aller Verhältnisse -nicht so rasch fassen. - -Dann aber kamen sie im Sturm heran; im nächsten Augenblick war der Alte -von zehn kräftigen Händen gepackt, weggerissen und unschädlich gemacht. - -»Bringt ihn ins Schloß,« gebot Eberhard von Fahrenwald, noch atemlos, -aber mit ruhiger Sicherheit in der Stimme. »In die Stube unten, neben -der Küche, mit den Eisengittern vor dem Fenster. Heute nachmittag fahre -ich selbst mit ihm nach Breslau und bringe ihn ins Irrenhaus.« - -»Is gutt, gnädiger Herr Baron, is gutt,« kam es zur Antwort. Wer so -sprechen und befehlen konnte, war vernünftig, das war ihnen klar. - -Die Männer zogen mit dem Wahnsinnigen ab; Anna und der Baron blieben -zurück; an der Stätte, die eben von dem furchtbaren Lärm erfüllt gewesen -war, trat eine tiefe Stille ein. Annas Kraft war zu Ende; sie saß am -Rande des Wegs, hatte ihr Taschentuch hervorgezogen und weinte still in -ihr Tuch hinein. - -Ihr gegenüber, mit dem Rücken an einen Baum gelehnt, stand Eberhard -von Fahrenwald. Seine breite Brust arbeitete noch von dem überstandenen -Kampfe; seine Augen ruhten stumm auf seiner Frau. - -So verging geraume Zeit. Dann erhob sie langsam das Haupt und wandte es -zu ihm herum. Er that einen Schritt auf sie zu; es sah aus, als wollte -er etwas sagen, aber bevor er noch dazu gelangt war, sprang sie auf, -breitete die Arme aus und mit einem Schrei der Liebe flog sie an seine -Brust. - -»Umarme mich,« sagte sie, »ich will, daß die Arme mich umfangen, die -mich vom Tode gerettet haben!« - -Als sie das sagte, brachen auch ihm die Thränen aus den Augen, -unaufhaltsam, wie ein Strom. Ja -- er hatte sie zum Leben errettet; und -sie wußte es und hatte es ihm gesagt. - -Er drückte sie an sich, nicht mit der wilden Glut und nicht mit der -ängstlichen Scheu der früheren Tage, sondern mit der Sicherheit der -warmen bewußten Liebe. - -»Anna,« sagte er leise und innig; und er küßte ihr Gesicht, das -hingegeben zu ihm aufblickte. - -Dann legte er die Arme um sie, und sie schlugen den Weg zum Schlosse -ein. - -»Siehst du nun,« sagte er, »wie es mir ergangen ist; dreißig Jahre bin -ich alt geworden, und heute ist der erste Tag, da ich lebe. Siehst du, -es ist wunderbar, wie sich einem das ganze Leben in einem Augenblick -zusammendrängen kann: solch ein Augenblick ist es für mich gewesen, -als ich den Alten zu Boden gekriegt hatte und auf ihm kniete. In dem -Augenblick -- ich kann's mir nicht anders erklären -- ist der Bann -gebrochen gewesen, der mich dreißig Jahre lang gehalten hat. Der Alte, -siehst du, war mir gewissermaßen von meinem Vater vermacht; darum ist er -von meiner Kindheit an fortwährend um mich gewesen und ich habe wie an -etwas Unfehlbares an ihn geglaubt. Und weil er sich vom ersten Tage an -eingebildet hat, daß er zum Wärter eines Wahnsinnigen bestellt wäre, so -ist es ihm allmählich zur fixen Idee geworden, daß ich wahnsinnig sei -und nichts andres sein dürfte.« - -Von der schrecklichen Vorstellung überwältigt, schwieg er. Dann preßte -er sie leise mit dem Arm. - -»Mir ist das alles in dem einen Augenblick klar geworden. Kannst du es -dir vorstellen?« - -An seine Schulter gelehnt, mit ihm dahinschreitend, drückte Anna seine -Hand. - -»Ja, vollkommen,« erwiderte sie, »das was sich in dir geregt hat, -war die Gesundheit, die sich wider die Krankheit wehrte, die man ihr -aufzwingen wollte. Du warst vernünftig und bist bewacht worden von einem -Wahnsinnigen. Nun aber wollen wir leben!« - -Es war, als wenn ein frischer Lebensquell in ihr aufgesprungen wäre; in -der Stunde, da sie auf der Schwelle des Todes gestanden und ihr Gatte -sie ins Leben zurückgerissen hatte, war sie zur Lebensgefährtin ihres -Mannes gereift. - -Sie betraten das Schloß. - -An den Wänden hingen die zerschmetterten Spiegel, das Glas bedeckte noch -jetzt den Fußboden, Annas Schlafgemach stand noch in der Unordnung, in -der es sich befunden hatte, als sie damals das Schloß verließ -- ein -Bild der Verwahrlosung und Verwüstung. - -Anna blieb stehen und faßte ihren Gatten an beiden Händen. - -»Eberhard,« sagte sie, »wir müssen zu einem Entschluß kommen. Dein Vater -hat dir den alten Diener vermacht; er hat geglaubt, dir einen Segen -damit zu bereiten -- du hast erfahren, was es gewesen ist. Siehst du, -wie soll ich's dir sagen, ich meine, man kann nur leben, wenn sein Leben -einem gehört; und dein Leben hat dir bis heute nicht gehört. Du hast es -wie ein Erbteil empfunden, das zur Hälfte dir, zur andern Hälfte deinen -Vorfahren gehörte. Komm und laß uns überlegen, wie wir's anfangen, daß -wir nun wirklich unser eigenes Leben leben.« - -Er sah sie mit strahlenden Augen an. - -»Den Anfang dazu weiß ich,« versetzte er. »Diese Ahnengalerie, die -hier seit Jahrhunderten gehangen hat und jetzt als eine Sammlung -Abgeschiedener immer noch mitten in unsren Wohnräumen hängt, lass' ich -hinaufschaffen in den oberen Stock. Da mögen sie hängen, als das, was -sie sind, als historische Reliquien. Denn die Erinnerung, scheint mir, -ist schließlich doch wie ein Leichnam im lebendigen Dasein, und -darum ist mir immer zu Mute gewesen, als lebte ich fortwährend in der -Gesellschaft von Toten.« - -»So ist's recht,« erwiderte sie, »und nun noch eins. Wir können über die -Erinnerung an jenen bewußten bösen Abend nicht so hinweg, und wenn -wir's mit Gewalt versuchen, werden wir wieder krank. Du hast mich einmal -gefragt, ob wir eine Hochzeitreise machen wollten, ich hab's damals -nicht gewollt -- nun schlag' ich dir vor, Eberhard, wir wollen reisen, -und wenn wir wiederkommen, bringen wir die große weite Welt in unsren -Seelen mit und schließen uns nicht mehr, wie bisher, in unsrem Schlosse -ein, sondern denken und sorgen für die Menschen um uns her -- und -wenn man für Menschen zu sorgen hat, behält man keine Zeit, sich vor -Gespenstern zu sorgen.« - -In tiefer Freude schloß er seine junge, kluge, mutige Frau in die Arme. - -»Heute nachmittag,« sagte er, »fange ich mit meinen Pflichten an, indem -ich den Alten nach Breslau in die Anstalt bringe, und morgen früh reisen -wir in die Welt. Reisen wir ganz allein?« - -»Nur eine soll uns begleiten,« erwiderte sie lächelnd, »die gute treue -Franzel.« - -Und so geschah es. - -Im August reiste der Freiherr von Fahrenwald mit seiner Gattin ab, und -als im Mai des nächsten Jahres der Frühling wieder in das schlesische -Paradies herabstieg, kamen sie zum Schlosse Fahrenwald zurück. - -Heute stiegen sie nicht am Parkrande aus, heute fuhren sie durch das -Dorf, heute gingen sie nicht, einsam wie damals, vor der Welt versteckt, -durch den einsamen Park, heute durchschritten sie, Hände schüttelnd, -grüßend und lächelnd, die Bewohnerschaft des Dorfes, die sich festlich -gesammelt hatte und, den Schulzen an der Spitze, die Herrschaft -bewillkommnete. - -Der Schritt des Barons war elastisch und frisch, der der jungen -Frau Baronin, die an seinem Arme hing, etwas gehemmt, und auf ihrem -freundlichen Gesichte lag eine leise schamhafte Röte. - -»Nu sag mir, Franzel,« sagte am Abende nach der Ankunft die alte -Taglöhnersfrau, die in der Zwischenzeit mit ihrem Manne die Obhut über -das Schloß geführt hatte und jetzt auf ihm als wohlbestallte Verwalterin -eingesetzt war, »nu sag mir. Mit unsrer Frau Baronin -- hm?« - -Die Franzel nickte und kicherte, und was die beiden sich mit halben -Worten unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut hatten, kam im -Juni ans Licht, als in dem Schlafgemache, zu dessen geöffneten Fenstern -die Frühlingsluft hereinströmte und der Sang der Vögel hereintönte, -unter dem blauseidenen Betthimmel ein reizender, rosiger, kleiner -Fahrenwald neben der blassen, glückseligen jungen Mutter lag. - -»Daß du doch das Schenken nicht lassen kannst, du Unverbesserlicher,« -sagte sie lächelnd zu dem Manne, der glücküberströmt neben ihr stand -und soeben einen großen köstlichen, mit einem Brillantenbande -zusammengebundenen Blumenstrauß auf ihr Bett gelegt hatte. - -»Seit einem Jahr das erste Mal wieder,« entgegnete er, indem er sein -Gesicht auf das ihrige niederbeugte und sie mit tiefer Seligkeit auf -Mund und Stirn und Augen küßte. - -Und wieder einige Zeit später, als der Sommer in voller schwerer Wucht -auf der Erde lag, vernahm der Mann, der dort oben in seinem Bette eben -vom Schlaf erwachte, einen Ruf von unten, wie den Ruf der Lerche, -die zum Leben weckt. Aber es war nicht die Lerche und auch nicht die -Nachtigall, und als er ans Fenster stürzte, sah er im Garten dort unten, -zwischen den Blumenbeeten wandelnd, seine Frau, seine Anna, die heute -zum erstenmal ins Freie gekommen war. - -Das Kindermädchen ging hinter ihr, den Kleinen im Kissen tragend; und -als am Fenster droben das Gesicht des Vaters erschien, nahm Anna das -Kind in ihre Arme. Nicht mit dem Taschentuche wehte sie heute, heute -winkte sie mit dem Kinde: »Komm herunter, Eberhard, hier unten ist's -wundervoll.« - -Und er kam, wie ein Sturmwind kam er hinunter zu Mutter und Kind, und es -war, wie sie gesagt hatte -- wundervoll -- wundervoll. - - -Ende. - - - - -=ENGELHORNS= - -~Allgemeine~ - -~#Romanbibliothek#~. - -Eine Auswahl der besten modernen Romane aller Völker. - -Alle vierzehn Tage erscheint ein Band. - -Preis pro Band 50 Pf. Elegant in Leinwand geb. 75 Pf. - - -Als vor nunmehr zehn Jahren unsre roten Bände ihren ersten Flug in die -Welt wagten, begegneten sie manchen Zweifeln, ob ihr Prinzip #billig und -gut# ihnen Bahn zu brechen im stande sein werde. - -Bald aber zeigte es sich, daß der Gedanke, dem deutschen Volke -die besten Erzeugnisse der Romanlitteratur aller Nationen zu einem -beispiellos billigen Preise bei guter und geschmackvoller Ausstattung -und in handlicher Form zu bieten, nicht nur lebensfähig, sondern -geradezu zündend war. - -Seither hat sich unser Unternehmen mehr und mehr eingebürgert, und -auf Schritt und Tritt begegnet man den schmucken Bänden, die sowohl am -häuslichen Herd, als auch auf der Reise und im Bade zum unentbehrlichen -Freund und Begleiter geworden sind. - -Der bisher erzielte Erfolg ist uns nicht nur ein Sporn geworden, sondern -macht es uns auch möglich, nicht stillzustehen, vielmehr rüstig auf der -betretenen Bahn weiterzuschreiten. Mit wachsamem Auge verfolgen wir die -Romanproduktion, und kein Opfer soll uns zu groß sein, wenn es gilt, ein -hervorragendes Werk für unsre Sammlung zu erwerben. - -Die bisher erschienenen, in dem nachfolgenden Verzeichnis aufgeführten -Romane können fortwährend durch jede Buchhandlung zum Preise von -#50 Pf.# für den broschierten und #75 Pf.# für den gebundenen Band -bezogen werden. - - -Erster Jahrgang. - - #Der Hüttenbesitzer.# Von ^Georges Ohnet^. Aus dem Französ. 2 Bände. - - #Aus Nacht zum Licht.# Von ^Hugh Conway^. Aus dem Englischen. - - #Zéro.# Eine Geschichte aus Monte Carlo. Von Mrs. ^Praed^. Aus dem - Englischen. - - #Wassilissa.# Von ^Henry Gréville^. Aus dem Französischen. 2 Bände. - - #Vornehme Gesellschaft.# Von ^H. Aïdé^. Aus dem Englischen. - - #Gräfin Sarah.# Von ^G. Ohnet^. Aus dem Französischen. 2 Bände. - - #Unter der roten Fahne.# Von Miß ^M. E. Braddon^. Aus d. Englischen. - - #Abbé Constantin.# Von ^L. Halévy^. Aus dem Französischen. - - #Ihr Gatte.# Von ^G. Verga^. Aus dem Italienischen. - - #Ein gefährliches Geheimnis.# Von ^Charles Reade^. Aus d. Engl. - 2 Bde. - - #Gérards Heirat.# Von ^André Theuriet^. Aus dem Französischen. - - #Dosia.# Von ^Henry Gréville^. Aus dem Französischen. - - #Ein heroisches Weib.# Von ^J. I. Kraszewski^. Aus dem Polnischen. - - #Eheglück.# Von ^W. E. Norris^. Aus dem Englischen. 2 Bände. - - #Schiffer Worse.# Von ^Alex. Kielland^. Aus dem Norwegischen. - - #Ein Ideal.# Von ^Marchesa Colombi^. Aus dem Italienischen. - - #Dunkle Tage.# Von ^Hugh Conway^. Aus dem Englischen. - - #Novellen# von ^Hjalmar Hjorth Boyesen^. _Glitzer-Brita._ -- _Einer, - der seinen Namen verlor._ Deutsch von _Friedrich Spielhagen_. -- - _Ein Ritter vom Danebrog._ Aus dem Englischen. - - #Die Heimkehr der Prinzessin.# Von ^Jacques Vincent^. Aus d. - Französ. - - #Ein Mutterherz.# Von ^A. Delpit^. Aus dem Französischen. 2 Bände. - - -Zweiter Jahrgang. - - #Der Steinbruch.# Von ^G. Ohnet^. Aus dem Französischen. 2 Bände. - - #Helene Jung.# Von ^Paul Lindau^. - - #Maruja.# Von ^Bret Harte^. Aus dem Englischen. - - #Die Sozialisten.# Aus dem Englischen. - - #Criquette.# Von ^L. Halévy^. Aus dem Französischen. - - #Der Wille zum Leben. -- Untrennbar.# Von ^Adolf Wilbrandt^. - - #Die Illusionen des Doktor Faustino.# Von ^Valera^. Aus d. Span. - - #Zu fein gesponnen.# Von ^B. L. Farjeon^. Aus dem Englischen. - 2 Bände. - - #Gift.# Von ^Alexander Kielland^. Aus dem Norwegischen. - - #Fortuna.# Von ^Alexander Kielland^. Aus dem Norwegischen. - - #Lise Fleuron.# Von ^G. Ohnet^. Aus dem Französischen. 2 Bände. - - #Aus des Meeres Schaum. -- Aus den Saiten einer Baßgeige.# Von - ^Salvatore Farina^. Aus dem Italienischen. - - #Auf der Woge des Glücks.# Von ^Bernhard Frey^. (_M. Bernhard._) - - #Die hübsche Miß Neville.# Von ^B. M. Croker^. Aus dem Engl. 2 Bde. - - #Die Verstorbene.# Von ^Octave Feuillet^. Aus dem Französischen. - - #Mein erstes Abenteuer und andere Geschichten.# Von ^Hans Hopfen^. - - #Ihr ärgster Feind.# Von Mrs. ^Alexander^. Aus d. Englischen. 2 Bde. - - #Ein Fürstensohn. -- Zerline.# Von ^Claire von Glümer^. - - #Von der Grenze.# Novellen von ^Bret Harte^. Aus dem Englischen. - - #Eine Familiengeschichte.# Von ^Hugh Conway^. Aus d. Englischen. - 2 Bde. - - -Dritter Jahrgang. - - #Die Versaillerin.# Von ^Ernst Remin^. 2 Bände. - - #In Acht und Bann.# Von Miß ^M. E. Braddon^. Aus dem Englischen. - - #Die Tochter des Meeres.# Von ^Johanne Schjörring^. Aus dem - Dänischen. - - #Lieutenant Bonnet.# Von ^Hector Malot^. Aus d. Französ. 2 Bände. - - #Pariser Ehen.# Von ^E. About^. Aus dem Französischen. - - #Hanna Warners Herz.# Von ^Florence Marryat^. Aus d. Englischen. - - #Eine Tochter der Philister.# Von ^Hjalmar Hjorth Boyesen^. Aus dem - Englischen. 2 Bände. - - #Savelis Büßung.# Von ^Henry Gréville^. Aus dem Französischen. - - #Die Damen von Croix-Mort.# Von ^Georges Ohnet^. Aus d. Französ. - 2 Bände. - - #Die Glocken von Plurs.# Von ^Ernst Pasqué^. - - #Fromont junior und Risler senior.# Von ^Alphonse Daudet^. Aus dem - Französischen. 2 Bände. - - #Der Genius und sein Erbe.# Von ^Hans Hopfen^. - - #Ein einfach Herz.# Von ^Charles Reade^. Aus dem Englischen. - - #Baccarat.# Von ^Hector Malot^. Aus dem Französischen. 2 Bände. - - #Mein Freund Jim.# Von ^W. E. Norris^. Aus dem Englischen. - - #Hanna.# Von ^Heinr. Sienkiewicz^. Aus dem Polnischen. - - #Das beste Teil.# Von ^Léon de Tinseau^. Aus dem Französischen. - - #Lebend oder tot.# Von ^Hugh Conway^. Aus dem Englischen. 2 Bände. - - #Die Familie Monach.# Von ^Robert de Bonnières^. Aus dem Französ. - - -Vierter Jahrgang. - - #Eine neue Judith.# Von ^H. Rider Haggard^. Aus d. Englischen. - 2 Bde. - - #Schwarz und Rosig.# Von ^Georges Ohnet^. Aus dem Französischen. - - #Das Tagebuch einer Frau.# Von ^Octave Feuillet^. Aus dem Französ. - - #Jahre des Gärens.# Von ^Ernst Remin^. 2 Bände. - - #Gute Kameraden.# Von ^H. Lafontaine^. Aus dem Französischen. - - #Die Töchter des Commandeurs.# Von ^Jonas Lie^. Aus dem Norweg. - - #Zita.# Von ^Hector Malot^. Aus dem Französischen. 2 Bände. - - #Die Erbschaft Xenias.# Von ^Henry Gréville^. Aus dem Französischen. - - #Kinder des Südens.# Von ^Rich. Voß^. - - #Daniele Cortis.# Von ^A. Fogazzaro^. Aus dem Italienischen. - 2 Bände. - - #Die Herz-Neune.# Von ^B. L. Farjeon^. Aus dem Englischen. - - #Sie will.# Von ^Georges Ohnet^. Aus dem Französischen. 2 Bände. - - #Die Kinder der Excellenz.# Von ^Ernst v. Wolzogen^. - - #Um den Glanz des Ruhmes.# Von ^Salvatore Farina^. Aus dem Ital. - - #Der Nabob.# Von ^Alphonse Daudet^. Aus dem Französischen. 3 Bände. - - #Der kleine Lord.# Von ^F. H. Burnett^. Aus dem Englischen. - - #Der Prozeß Froideville.# Von ^André Theuriet^. Aus d. - Französischen. - - #Stella.# Von Miß ^M. E. Braddon^. Aus dem Englischen. 2 Bände. - - -Fünfter Jahrgang. - - #Robert Leichtfuß.# Von ^Hans Hopfen^. 2 Bände. - - #Der Unsterbliche.# Von ^Alphonse Daudet^. Aus dem Französischen. - - #Lady Dorotheas Gäste.# Von ^Ouida^. Aus dem Englischen. - - #Marchesa d'Arcello.# Von ^Memini^. Aus dem Italienischen. 2 Bände. - - #Was der heilige Joseph vermag.# Aus dem Französischen. - - #Alessa. -- Keine Illusionen.# Von ^Claire von Glümer^. - - #Wie in einem Spiegel.# Von ^F. C. Philips^. Aus d. Englischen. - 2 Bände. - - #Schnee.# Von ^Alexander Kielland^. Aus dem Norwegischen. - - #Jean Mornas.# Von ^Jules Claretie^. Aus dem Französischen. - - #Auf der Fährte.# Von ^H. F. Wood^. Aus dem Englischen. 2 Bände. - - #Satisfaction. -- Das zersprungene Glück. -- La Speranza.# Von - ^Alexander Baron von Roberts^. - - #Die Scheinheilige.# Von ^Karoline Gravière^. Aus dem Französischen. - - #Doktor Rameau.# Von ^Georges Ohnet^. Aus dem Französ. 2 Bände. - - #Frau Regine.# Von ^Emil Peschkau^. - - #Zwei Brüder.# Von ^Guy de Maupassant^. Aus dem Französischen. - - #Mein Sohn.# Von ^Salvatore Farina^. Aus dem Italienischen. 2 Bände. - - #Dosias Tochter.# Von ^Henry Gréville^. Aus dem Französischen. - - #Der Lotse und sein Weib.# Von ^Jonas Lie^. Aus dem Norwegischen. - - #Numa Roumestan.# Von ^Alphonse Daudet^. Aus dem Französischen. - 2 Bände. - - -Sechster Jahrgang. - - #Die tolle Komteß.# Von ^Ernst v. Wolzogen^. 2 Bände. - - #Eine Sirene.# Von ^Léon de Tinseau^. Aus dem Französischen. - - #Jack und seine drei Flammen.# Von ^F. C. Philips^. Aus dem - Englischen. - - #Mr. Barnes von New-York.# Von ^A. C. Gunter^. Aus d. Engl. 2 Bde. - - #Gertruds Geheimnis.# Von ^André Theuriet^. Aus dem Französischen. - - #Wunderbare Gaben# und andere Geschichten. Von ^Hugh Conway^. Aus - dem Englischen. - - #Letzte Liebe.# Von ^Georges Ohnet^. Aus dem Französischen. 2 Bände. - - #Die Sabinerin. -- Felice Leste. -- Die Mutter der Catonen.# Von - ^Richard Voß^. - - #Mia.# Von ^Memini^. Aus dem Italienischen. - - #Diana Barrington.# Von ^B. M. Croker^. Aus d. Englischen. 2 Bände. - - #Der reine Thor.# Von ^Karl v. Heigel^. - - #Ein Kirchenraub. -- Junge Liebe.# Von ^H. Pontoppidan^. Aus dem - Dänischen. - - #Die Könige im Exil.# Von ^Alphonse Daudet^. Aus d. Französ. - 2 Bände. - - #Die verhängnisvolle Phryne.# Von ^F. C. Philips^ u. ^C. J. Wils^. - Aus dem Englischen. - - #Sergius Panin.# Von ^Georges Ohnet^. Aus d. Französischen. 2 Bände. - - #Achtung Schildwache!# und andere Geschichten. Von ^Mathilde Serao^. - Aus dem Italienischen. - - #Salonidylle.# Von ^H. Rabusson^. Aus dem Französischen. - - #Mr. Potter aus Texas.# Von ^A. C. Gunter^. Aus dem Engl. 2 Bände. - - #Ein gefährliches Werkzeug.# Von ^D. C.^ u. ^H. Muray^. Aus d. Engl. - - -Siebenter Jahrgang. - - #Preisgekrönt.# Von ^Alexander Baron von Roberts^. 2 Bände. - - #Die Seele Pierres.# Von ^Georges Ohnet^. Aus dem Französischen. - - #Zum Kinderparadies.# Von ^André Theuriet^. Aus dem Französischen. - - #Imogen.# Von ^Hamilton Aïdé^. Aus dem Englischen. 2 Bände. - - #Port Tarascon.# Von ^Alphonse Daudet^. Aus dem Fanzösischen. - - #Ein Mann von Bedeutung.# Von ^Anthony Hope^. Aus d. Englischen. - - #Ohne Liebe.# Von ^Fürst Galitzin^. Aus dem Russischen. 2 Bände. - - #Die Erbin.# Von ^W. E. Norris^. Aus dem Englischen. - - #Die kühle Blonde.# Von ^Ernst v. Wolzogen^. 2 Bände. - - #Mein Pfarrer u. mein Onkel.# Von ^Jean de la Brète^. Aus d. - Französ. - - #Der Mönch von Berchtesgaden# und andere Erzählungen. Von ^Rich. - Voß^. - - #Oberst Quaritch.# Von ^H. Rider Haggard^. Aus dem Engl. 2 Bände. - - #Noras Roman.# Von ^Emil Peschkau^. - - #Auf Vorposten# und andere Geschichten. Von ^F. de Renzis^. Aus dem - Italienischen. - - #Versiegelte Lippen.# Von ^Léon de Tinseau^. Aus d. Französ. - 2 Bände. - - #Aus den Papieren eines Wanderers.# Von ^Jeffery C. Jeffery^. Aus - dem Englischen. - - #Mein Onkel Scipio.# Von ^André Theuriet^. Aus dem Französischen. - - #Wie's im Leben geht.# Von ^A. Delpit^. Aus dem Französischen. - 2 Bde. - - #Verhängnis.# Von ^F. de Renzis^. Aus dem Italienischen. - - -Achter Jahrgang. - - #Irgend ein Anderer.# Von ^B. M. Croker^. Aus d. Englischen. - 2 Bände. - - #Fräulein Reseda. -- Ein Mann der Erfolge.# Von ^Julien Gordon^. Aus - dem Englischen. - - #Künstlerehre.# Von ^Octave Feuillet^. Aus dem Französischen. - - #In frischem Wasser.# Von ^Helene Böhlau^. 2 Bände. - - #Die geprellten Verschwörer.# Von ^W. E. Norris^. Aus dem - Englischen. - - #Daphne.# Nach =A Diplomat's Diary= von ^Julien Gordon^, deutsch - bearb. von _Friedrich Spielhagen_. - - #Ein Genie der That.# Von ^Ernst Remin^. 2 Bände. - - #Mischa.# Von ^Maguerite Poradowska^. Aus dem Französischen. - - #Der Thronfolger.# Von ^Ernst von Wolzogen^. 2 Bände. - - #Im Reisfeld. -- Ohne Liebe.# Von ^Marchesa Colombi^. Aus d. Ital. - - #Eine Künstlerin.# Von ^Jeanne Mairet^. Aus dem Französischen. - - #Miß Niemand.# Von ^A. C. Gunter^. Aus dem Englischen. 2 Bände. - - #Marienkind.# Von ^Paul Heyse^. - - #Schwarzwaldgeschichten.# Von ^Hermine Villinger^. - - #Jack.# Von ^Alphonse Daudet^. Aus dem Französischen. 3 Bände. - - #Der schwarze Koffer.# Aus dem Engl. - - #Der Affenmaler.# Von ^Jeanne Mairet^. Aus dem Französischen. - - #Schwer geprüft.# Von ^J. Masterman^. Aus dem Englischen. 2 Bände. - - -Neunter Jahrgang. - - #Im Schuldbuch des Hasses.# Von ^Georges Ohnet^. Aus d. Französ. - 2 Bände. - - #Meine offizielle Frau.# Von ^Col. Richard Henry Savage^. Aus d. - Engl. - - #Sein Genius.# Von ^Claus Zehren^. - - #Ein Zugvogel.# Von ^B. M. Croker^. Aus dem Englischen. 2 Bände. - - #Violette Merian.# Von ^Augustin Filon^. Aus dem Französischen. - - #Fräulein Kapitän.# Eine Eismeergeschichte von ^Max Lay^. - - #Ein puritanischer Heide.# Von ^Julien Gordon^. 2 Bde. Aus d. Engl. - - #Das Stück Brot und andere Geschichten.# Von ^François Coppée^. Aus - dem Französischen. - - #In der Prairie verlassen.# Von ^Bret Harte^. Aus dem Englischen. - - #Zwischen Lipp' und Kelchesrand.# Von ^Charles de Berkeley^. Aus dem - Französischen. 2 Bände. - - #Mein erster Klient und andere Geschichten.# Von ^Hugh Conway^. Aus - dem Englischen. - - #Auf steinigen Pfaden.# Von ^Léon de Tinseau^. Aus dem - Französischen. - - #Heimatlos.# Von ^Hector Malot^. 3 Bände. Aus dem Französischen. - - #Baronin Müller.# Von ^Karl von Heigel^. - - #In guter Hut.# Von ^Jeanne Mairet^. Aus dem Französischen. - - #Das Kind.# Von ^Ernst Eckstein^. - - #Das Haus am Moor.# Von ^Florence Warden^. Aus d. Englischen. 2 Bde. - - #Giovannino oder den Tod! -- Dreißig Prozent.# Von ^Mathilde Serao^. - Aus dem Italienischen. - - #Des Seemanns Tagebuch.# Von ^Gustave Toudouze^. Aus d. Französ. - - -Zehnter Jahrgang. - - #Das Geheimnis des Hauslehrers.# Von ^Victor Cherbuliez^. 2 Bände. - - Ein wirklich herzerfreuendes Buch ist es, das der beliebte Erzähler - hier darbietet; ein Kunstwerk, bezaubernd in Form und Inhalt. Zwei - reizvolle Vertreterinnen der heutigen Jugend hat er erwählt, und mit - Geist und Grazie weiß er sie zu schildern. - - #Das wandernde Licht.# Von ^Ernst v. Wildenbruch^. - - Diese Novelle des berühmten Dichters ist das durchaus ungewöhnliche - Werk eines selbständigen Geistes, voll Leben und dramatischer Kraft. - - -Die nachstehenden Romane sind auch in einer #zu Geschenken ganz -besonders geeigneten# - -=Salon-Ausgabe= - -auf #feines, extra starkes Papier# gedruckt und in #elegantem -Liebhaber-Einband# zum Preise von #M. 2.-- für den einfachen und M. 3.-- -für den doppelten Band# erschienen. - - -Einfache Bände: - - ^Burnett^, #Der kleine Lord#. - ^Feuillet^, #Das Tagebuch einer Frau#. - ^Paul Lindau^, #Helene Jung#. - ^Voß^, #Kinder des Südens#. - #Was der heilige Joseph vermag#. - ^v. Wolzogen^, #Die Kinder der Excellenz#. - - -Doppel-Bände: - - ^Conway^, #Eine Familiengeschichte#. - ^Croker^, #Die hübsche Miß Neville#. - ^Hopfen^, #Robert Leichtfuß#. - ^Ohnet^, #Der Hüttenbesitzer#. - ^v. Wolzogen^, #Der Thronfolger#. - " #Die tolle Komteß#. - - - - - * * * * * * - - - - -Hinweise zur Transkription - -Die Verlagsreklame wurde am Buchende zusammengefasst. - -Der Text des Originalbuches wurde grundsätzlich beibehalten, -einschließlich uneinheitlicher Schreibweisen wie beispielsweise "Schooß" --- "Schoß", - -mit folgenden Ausnahmen, - - Seite 22: - "." eingefügt - (Erstaunt, beinahe erschreckt, blickte sie auf.) - - Seite 42: - "," eingefügt - (»Ich hatte geglaubt,« sagte er langsam) - - Seite 68: - "," geändert in "." - (Stumm drückte sie ihm die Hand.) - - Seite 72: - "," eingefügt - (fuhr er fort, »weil ich sah) - - Seite 90: - "«" entfernt hinter "Vermögen?" - (Ja, wo war denn ihr eigenes Vermögen?) - - Seite 99: - "," geändert in "." - (ihre Kniee aneinander, als wollte er sie zermalmen.) - - Seite 109: - "," eingefügt hinter "trug" - (eines der braunsamtnen Pantöffelchen, die sie trug, vom Fuße) - - Seite 123: - "Entsetz-ichen" geändert in "Entsetzlichen" - (von all dem Dunklen, Entsetzlichen!) - - Seite 127: - "," eingefügt - (»Bist du's, Eberhard?« fragte sie schläfrig.) - - Seite 130: - "«" eingefügt - (»Aber Eberhard -- was machst du denn?«) - - Seite 134: - "," eingefügt - (»Hilf mir!« seufzte sie, »hilf mir!«) - - Seite 141: - "," geändert in "." - (und in zwei bammelnden Enden über seinen Arm hing.) - - Seite 155: - "»" entfernt vor "dreißig" - (ergangen ist; dreißig Jahre bin ich alt geworden) - - im Reklameteil: - "Fortsetzung siehe am Schluß dieses Bandes." wurde entfernt - - - -***END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS WANDERNDE LICHT*** - - -******* This file should be named 55580-8.txt or 55580-8.zip ******* - - -This and all associated files of various formats will be found in: -http://www.gutenberg.org/dirs/5/5/5/8/55580 - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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Email contact links and up to -date contact information can be found at the Foundation's web site and -official page at www.gutenberg.org/contact - -For additional contact information: - - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. 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You may copy it, give it away or re-use it -under the terms of the Project Gutenberg License included with this -eBook or online at <a -href="http://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. If you are not -located in the United States, you'll have to check the laws of the -country where you are located before using this ebook.</p> -<p>Title: Das wandernde Licht</p> -<p>Author: Ernst von Wildenbruch</p> -<p>Release Date: September 19, 2017 [eBook #55580]</p> -<p>Language: German</p> -<p>Character set encoding: ISO-8859-1</p> -<p>***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS WANDERNDE LICHT***</p> -<p> </p> -<h3>E-text prepared by the Online Distributed Proofreading Team<br /> - (http://www.pgdp.net)</h3> -<p> </p> -<hr class="full" /> -<p> </p> -<p> </p> -<p> </p> - -<p class="ce lh2"><span class="fsl">Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek.</span><br /> -Eine Auswahl der besten modernen Romane aller Völker.<br /> -Zehnter Jahrgang. Band 3.</p> - -<h1>Das wandernde Licht.</h1> - -<p class="ce lh2"><span class="fsl">Novelle</span><br /> -von<br /> -<span class="fsxl">Ernst von Wildenbruch.</span></p> - - -<p class="ce mt4"><b>Stuttgart.</b><br /> -<span class="ge">Verlag von J. Engelhorn.</span><br /> -1893.</p> - - -<p class="ce fss mt4">Alle Rechte, namentlich das Übersetzungsrecht, vorbehalten.</p> - -<p class="ce fsxs mt2">Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart.</p> - - - - -<p class="pb mt4"><a class="pagenum" id="page_003" title="3"> </a> -An der kleinen Station, die nicht weit hinter Breslau -an dem großen Schienenstrange liegt, der, Schlesien durchquerend, -Berlin mit Wien verbindet, war zu später Abendstunde -der Eisenbahnzug angekommen.</p> - -<p>Es war keiner von den Kurierzügen; wenige Fahrgäste -nur saßen in den Wagen verteilt; auf der Station -stiegen nicht mehr als zwei Reisende aus. Dies waren -zwei Männer, von denen der eine, der bejahrter und dicker -als der andre war, sogleich von dem Gepäckträger des Bahnhofs -in Empfang genommen und begrüßt wurde. Er schien -am Orte bekannt zu sein, und das war natürlich genug, -denn es war der Arzt, der in der kleinen, etwa zwei Meilen -hinter der Station landeinwärts gelegenen Stadt seinen -Wohnsitz hatte.</p> - -<p>»Ist der Wagen da?« fragte er den Gepäckträger, -dem er seine Reisetasche anvertraute; er war offenbar nur -zu einem kurzen Ausfluge von Hause fort gewesen.</p> - -<p>»Is da, Herr Dukter,« erwiderte jener; »die Frau -Dukter hat och den Mantel für'n Herrn mit eingelegt, wird -aber nicht nötig sein, is scheenes Wetter heut abend zur -Nacht.«</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_004" title="4"> </a> -Jetzt wandte sich der Arzt an den Mitreisenden.</p> - -<p>»Wollen Sie nicht auch nach – fahren?« Und er -nannte den Namen des Städtchens.</p> - -<p>Der Angeredete bejahte. Er wollte am nächsten Tage -noch weiter ins Land hinein; darum hatte er die Absicht gehabt, -in der Stadt zu übernachten.</p> - -<p>Mit einem raschen Blick stellte der Doktor fest, daß -außer einem Koffer nichts weiter an ihm hing.</p> - -<p>»Wenn's Ihnen also recht ist,« meinte er, »steigen Sie -mit ein, und wir fahren zusammen.«</p> - -<p>Das wurde angenommen, und bald darauf rasselte der -Wagen mit seinen Insassen durch das Gitterthor des Bahnhofgebäudes -auf die Chaussee hinaus, die sich im Mondlicht -wie ein weißes flimmerndes Band in das Land hinein -verlor.</p> - -<p>Es war, wie der Gepäckträger gesagt hatte, schönes -Wetter heut abend zur Nacht.</p> - -<p>Man befand sich im Juli; zu beiden Seiten der -Chaussee stand das reifende Korn auf den Feldern; über -dem weiten, flachen Lande lag die tiefe, süße Stille der -Sommernacht, nicht unterbrochen, sondern nur eindringlicher -gemacht durch das Gequak der Frösche, in das sich von Zeit -zu Zeit der dumpfe Ruf der Rohrdommel mischte.</p> - -<p>Um die Fahrt zu verkürzen, bog jetzt der Kutscher von -der Chaussee in einen Weg ab, der quer durchs Land einen -Bogen der großen Fahrstraße abschnitt. Obschon man hier -stellenweise durch sandigen Untergrund hindurch mußte, -blieben die kräftigen Braunen, die vor den Wagen gespannt -waren, in munterem Trabe, so daß man gut vom Flecke kam.</p> - -<p>Nach einer halben Stunde etwa tauchten vor den Reisenden -<a class="pagenum" id="page_005" title="5"> </a> -die dunklen Umrisse eines baumreichen Parks auf, und -indem man näher kam, sah man über den Bäumen ein -Haus emporsteigen. Vielleicht war es das Dunkel der Nacht, -welches die Linien des Gebäudes undeutlich machte – jedenfalls -erschien es, von hier unten gesehen, außerordentlich -groß, beinahe kolossal.</p> - -<p>»Ist das das Schloß, das zu dem Park gehört?« unterbrach -der zweite Reisende, der im Lande fremd zu sein -schien, die Stille, die bisher im Wagen geherrscht hatte.</p> - -<p>»Jawohl, das ist das Schloß,« erwiderte der Arzt. -»Ein gehöriger Kasten! Nicht wahr?«</p> - -<p>Die Bezeichnung traf zu. Einem ungeheuren finstern -Kasten sah das Bauwerk ähnlich, wie es in seiner schweren -Masse, lautlos, scheinbar leblos, auf der Terrasse über dem -Parke lag, und mit den schwarzen, lichtlosen Fenstern in die -dunkle Nacht hinausstierte.</p> - -<p>Indem die Blicke des Reisenden noch an dem merkwürdigen -Bilde hafteten, griff der Kutscher mit einem plötzlichen -Ruck in die Zügel, so daß die Pferde zum Stehen kamen.</p> - -<p>»Herr Dukter,« wandte er sich vom Bocke zum Wagen -um, »itze sucht er wieder – da!«</p> - -<p>Mit dem Peitschenstiele deutete er auf das Schloß hin; -die Augen des Arztes und seines Begleiters folgten der -angegebenen Richtung.</p> - -<p>In dem toten Hause war es lebendig geworden.</p> - -<p>Hinter einem der dunklen Fenster, und zwar demjenigen, -welches sich an der äußersten Ecke des Hauses befand, -dämmerte ein Lichtschein auf, der sich allmählich verstärkte, -so daß es aussah, als käme eine Leuchte aus dem hinteren -Teile eines weitläufigen Gelasses langsam nach vorn.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_006" title="6"> </a> -Dann blieb das Licht stehen, flackerte eine Zeitlang -hin und her, als würde die Leuchte von der Hand, die sie -trug, im Kreise umhergeführt; alsdann verdunkelte sich das -erste Fenster, das danebenliegende wurde hell – das Licht -wanderte. Man konnte wahrnehmen, wie es aus dem ersten -Zimmer in das anstoßende Gemach ging. Dort blieb es -abermals stehen, und der Vorgang von vorhin wiederholte -sich. Aus dem zweiten wanderte es in das dritte, und so -die ganze lange Flucht von Zimmern entlang, und jedesmal -das flackernde Umherfahren, jedesmal aber hastiger, als -würde die Hand, die die Leuchte trug, immer erregter, als -suchte das Licht etwas in den Ecken der Gemächer, und -fände nicht, wonach es suchte. Wie das Ringen einer -stummen, verzweifelten Seele, beinahe gespensterhaft sah -das alles aus.</p> - -<p>Zwölf Fenster befanden sich in der langen Front des -Schlosses; an allen zwölf wanderte das Licht entlang, bis -daß es endlich in das letzte, von dem ersten Zimmer entfernteste -Gemach gekommen zu sein schien.</p> - -<p>Hier wurden die Bewegungen noch ungestümer als zuvor, -das Licht fuhr herauf und herab, daß es aussah, als -suchte es am Fußboden umher.</p> - -<p>»Itze is er in ihrem Schlafzimmer,« sagte der Kutscher, -der kein Auge von dem Vorgange verwandt hatte.</p> - -<p>»Ja, jetzt ist er in ihrem Schlafzimmer,« bestätigte der -Arzt. In dem Augenblick aber trat eine neue Erscheinung ein: -das Licht, das ganz tief am Boden umhergeglitten war, als -suchte es unter Möbeln und Betten, wurde plötzlich hoch -gehoben und stand ruhig und still, ohne weiter umherzuirren -und zu flackern. Es sah aus, als wäre eine andre, festere -<a class="pagenum" id="page_007" title="7"> </a> -Hand hinzugekommen, die es der ersten abgenommen hatte -und emporhielt. Dies dauerte einige Zeit, dann verdämmerte -der Lichtschein nach dem Hintergrunde des Zimmers, verschwand -sodann völlig, und gleich darauf lag das Schloß -wieder finster und leblos da, wie es zuvor gelegen hatte.</p> - -<p>»Itze is der Johann gekommen und hat ihn geheißen -vernünftig sein,« sagte der Kutscher, indem er leise in sich -hineinlachte, wie jemand, der sich gegrauelt hat und froh -ist, daß der Spuk zu Ende ist.</p> - -<p>»Es scheint,« erwiderte der Arzt, »jetzt ist der Johann -gekommen. Also – fahr auch zu.«</p> - -<p>Er lehnte sich zurück; der Kutscher schnalzte mit der -Zunge, und die Pferde zogen wieder an. Wenige Minuten -später lag das Schloß den Fahrenden im Rücken.</p> - -<p>Der zweite Reisende, der das abenteuerliche Schauspiel -schweigend beobachtet hatte, wandte sich jetzt an seinen Begleiter. -Aus dem Gespräche des Arztes und des Kutschers -hatte er entnommen, daß der rätselhafte Vorgang ihnen -verständlich erschien.</p> - -<p>»Können Sie mir denn sagen,« fragte er, »was das -alles für eine Bewandtnis hat?«</p> - -<p>Es erfolgte zunächst keine Antwort. Der Arzt saß in -seiner Wagenecke und brummte vor sich hin; er schien nicht -recht aufgelegt, Auskunft zu erteilen.</p> - -<p>»Sie sind wohl nicht aus der Gegend?« fragte er -dann zurück.</p> - -<p>»Nein – warum?«</p> - -<p>»Hm – nu ja –« meinte der Arzt, »weil sonst – -haben Sie nie von den Fahrenwalds gehört?«</p> - -<p>»Fahrenwalds?«</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_008" title="8"> </a> -»Nu ja – die Freiherren von Fahrenwald.«</p> - -<p>»Niemals gehört,« versicherte der Gefragte.</p> - -<p>Der Arzt brummte wieder vor sich hin; es klang beinahe -wie Mißbilligung. Als echter Schlesier konnte er kaum -begreifen, daß jemand von einem Geschlechte, wie das der -Fahrenwalds, nichts wissen sollte.</p> - -<p>»Gehört denen das Schloß?« fuhr der Reisende nach -einer Pause fort.</p> - -<p>»Nu, das versteht sich,« entgegnete der Arzt, »der -Baron, der jetzt da oben sitzt, ist der letzte von ihnen.«</p> - -<p>Er drückte sich tiefer in seinen Sitz.</p> - -<p>»Aber wenn Sie fremd sind – es sind Sachen – -man thut schon besser, man spricht nicht viel davon.«</p> - -<p>Der andre wurde immer neugieriger.</p> - -<p>»Ist etwas los mit dem jetzigen Baron?«</p> - -<p>»Nu – was soll mit ihm los sein?« sagte der Arzt, -dessen Antworten immer zögernder wurden, »man könnte -halt eben von ihm sagen: es blakt bei ihm ein wenig.«</p> - -<p>»Es – blakt?« fragte der Gefährte. »Was meinen -Sie damit?«</p> - -<p>Der Arzt lachte in sein feistes Doppelkinn.</p> - -<p>»Nu, sehen Sie, das Gehirn der Menschen, damit ist's -so ungefähr wie mit den Lampen. Bei den einen brennt das -ruhig und manierlich, bei den andern flickert's und flackert's, -und endlich gibt's welche, bei denen die Lampe blakt.«</p> - -<p>»Also – irrsinnig?«</p> - -<p>Der Arzt schlug mit der Hand durch die Luft und -wandte den Kopf nach der andern Seite.</p> - -<p>Eine längere Pause entstand.</p> - -<p>Dann fing der andre wieder an.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_009" title="9"> </a> -»Und – er hat also eine Frau?«</p> - -<p>Der Arzt warf den Kopf herum.</p> - -<p>»Wieso?« fragte er.</p> - -<p>»Nun – weil Sie doch vorhin sagten, daß er jetzt in -ihrem Schlafzimmer wäre.«</p> - -<p>Der Arzt stieß einen schnaubenden Seufzer aus. Es -war ihm offenbar nicht lieb, daß er so ausgeholt wurde, -und er ärgerte sich, daß er schon zuviel gesagt hatte.</p> - -<p>»Eine Frau,« sagte er dann, »kann ja sein, daß er -eine hat, oder wenigstens gehabt hat. Aber das ist eine -Sache, wo es schon am besten ist, wenn man halt gar nicht -davon spricht.«</p> - -<p>Er seufzte noch einmal; seine Stimme sank herab, daß -es wie ein Selbstgespräch klang: »Die Frauensleute – das -ist ja manchmal nicht viel anders als die Schafe, die ins -Feuer laufen, weil es glänzt. Nachher, wenn sie drinnen -sind, merken sie, daß es auch brennt, aber dann ist's zu -spät.«</p> - -<p>Er schüttelte die Achseln und reckte sich auf.</p> - -<p>»Aber, wie gesagt – da wird alles Mögliche geredet – -denn wovon reden die Leute nicht – und wenn man nachher -zusieht, wer etwas weiß, ist niemand, der etwas Sicheres -weiß. Darum mein' ich schon, es ist halt das beste, man -spricht nicht davon. Und ich für mein Teil, ich meine, es -ist gut, wenn einer keine Verpflichtung hat, sich um gewisse -Dinge zu bekümmern. Dann soll er sich auch nicht darum -bekümmern. Und ich habe keine Verpflichtung, mich geht's -nichts an – also bekümmere ich mich nicht drum.«</p> - -<p>Damit lehnte er sich tief in die Wagenecke zurück, wie -jemand, der genug gesagt hat und nichts weiter sagen will. -<a class="pagenum" id="page_010" title="10"> </a> -Der andre schien es zu fühlen und schwieg. Die Andeutungen -des Arztes hatten ihm die Sache beinahe noch dunkler gemacht, -als sie gewesen war. Irgend ein Vorgang mußte -sich da oben abgespielt haben, vielleicht sogar ein schrecklicher, -aber was?</p> - -<p>Immerfort sah er das stumme Licht hinter den Fenstern -des toten Hauses dahinwandern, von Zimmer zu Zimmer, -wie ein schlummerloses böses Gewissen, immerfort das -zuckende Umherfahren der Leuchte, das Suchen in den Ecken -der Gemächer, am Fußboden entlang, unter Möbeln und -Betten, das wilde verzweifelte Suchen. Wer war der nächtliche -Wanderer? Wen suchte das Licht? Ein Schauder bedrückte -ihm das Herz – was mochte das finstere Haus gesehen -haben?</p> - -<hr /> - -<p>In den Breslauer Gesellschaftskreisen war vor einiger -Zeit eine Persönlichkeit aufgetreten, deren Erscheinen in den -Familien, denen sie Besuch machte, jedesmal eine gewisse -Aufregung, eine Mischung von geschmeicheltem Stolz und -von beklommener Sorge hervorrief. Das war der Baron -Eberhard von Fahrenwald.</p> - -<p>Alle Welt kannte den Namen und den Reichtum des -Geschlechts, alle Welt aber munkelte auch, daß es mit den -Fahrenwalds nicht recht richtig sei.</p> - -<p>Jahrelang nach dem Tode des Vaters war der Baron -Eberhard unsichtbar, wie verschwunden gewesen. Wo hatte -er gesteckt? Einige behaupteten, er hätte Reisen um die -Welt gemacht, andre, er wäre gar nicht von seinem Schlosse -fortgekommen, sondern hätte vergraben und verborgen unter -<a class="pagenum" id="page_011" title="11"> </a> -seinen Büchern gelebt, eine dritte Art von Berichterstattern -endlich wußte zu erzählen, daß er ganz einfach in einer Anstalt -untergebracht gewesen sei. Anverwandte, von denen -man Gewisses und Genaues hätte erfahren können, waren -nicht vorhanden; die Fahrenwalds waren wie ein alter, verdorrender -Baum, der keine Aeste mehr treibt, von dem nur -noch der Stamm übrig geblieben ist.</p> - -<p>Und nun tauchte diese geheimnisvolle Persönlichkeit -plötzlich auf, machte Besuche und that alles das, wodurch -Menschen anzudeuten pflegen, daß sie mit Menschen verkehren -wollen. Und doppelt auffällig – seine Besuche galten -vornehmlich den Familien, wo Töchter im Hause waren. -Was hatte das zu bedeuten? Etwa, daß er daran dachte –? -Man konnte es den Eltern im Grunde nicht verdenken, wenn -sie sich aufgeregt fühlten.</p> - -<p>Einen Freiherrn von Fahrenwald zum Schwiegersohn -zu besitzen, die eigene Tochter als Gebieterin eines großen -Vermögens, als Besitzerin eines von aller Welt gepriesenen -Herrensitzes zu wissen – unter normalen Umständen wäre -es ja ein Ziel gewesen, »aufs innigste zu wünschen«. Aber -so – wie nun einmal die Verhältnisse jetzt lagen –</p> - -<p>Erklärlicherweise bemächtigte sich die Aufregung der -Eltern in noch stärkerem Maße der Töchter selbst. Neugier -mischte sich mit Grauen; es war eigentlich ein noch nie -dagewesener Gesellschaftsreiz.</p> - -<p>Sobald es feststand, daß der »verrückte Baron« – -denn unter dieser Bezeichnung ging er kurzweg – zu -einer Gesellschaft eingeladen sei und erscheinen würde, -flogen die jungen Damen auf, von Haus zu Haus, herüber -und hinüber, und es gab ein Gewisper und Geflüster, -<a class="pagenum" id="page_012" title="12"> </a> -ein Kichern und Lachen, und ein wollüstig wonnevolles -Graueln.</p> - -<p>Wie doppelt begehrenswert man sich erschien! Wie -man sich gegenseitig darauf ansah, auf welche von ihnen -wohl der unheimliche Mensch die Augen richten, nach welcher -von ihnen er die Hand ausstrecken würde! Die blühenden -Wangen beugten sich zu einander, die kleinen Hände drückten -sich mit gegenseitigem Verständnis – es war wie ein erregter -Taubenschwarm, über dem der Habicht in Lüften steht.</p> - -<p>Man kann sich hiernach vorstellen, wie eigentümlich -und gepreßt der Empfang war, der dem Baron Eberhard -von Fahrenwald zu teil wurde, so oft er in Gesellschaften -erschien.</p> - -<p>Seine persönliche Erscheinung und die Art seines Auftretens -bestärkte alles das, was über ihn gemunkelt und -geredet wurde.</p> - -<p>Man wußte, daß er stets von seinem Diener begleitet -wurde, der nie von seinen Schritten wich und ihm zu jeder -Gesellschaft folgte.</p> - -<p>Dieser Diener war ein langer, hagerer, eisgrauer Mann, -mit einem von schweren Runzeln durchfurchten Gesicht, aus -dem eine starke, gekrümmte Nase hervorragte. Stets in -schwarzem Frack und weißer Krawatte, wie ein versteinerter -Ueberrest aus der Zeit, da es noch große Herren und große -Kammerdiener gab.</p> - -<p>Nie hatte man ein Wort aus seinem Munde vernommen, -kaum einmal hatte man gesehen, daß er nach rechts -oder links blickte – an einem einzigen Gegenstande haftete -sein Denken und Sinnen, das war sein Herr.</p> - -<p>Jeden Abend, wenn er den Baron zu einer Gesellschaft -<a class="pagenum" id="page_013" title="13"> </a> -begleitete, wiederholte sich ein besonderer Vorgang: er stand -hinter seinem Herrn und nahm ihm mit schweigender Würde -den Mantel ab; währenddem wandte der Baron sich zu ihm -um und sagte: »Geh nach Haus, Johann, und hole mich -nachher ab.« Jedesmal, so oft der Baron dieses sagte, -verneigte sich der alte Johann, feierlich wie ein Senator, -nahm den Mantel seines Herrn an sich und ging nicht nach -Haus. Im Dienerzimmer setzte er sich nieder, ernst, würdevoll -und schweigsam, und wartete, bis die Gesellschaft zu -Ende war. Sobald der Baron dann heraustrat, stand der -Alte schon wieder da, den Mantel in beiden Händen, stumm, -regungslos, wie eine Bildsäule. Natürlich hatten die Diener -und Hausmädchen der Häuser, wo die Gesellschaften stattfanden, -sich bemüht, den komischen alten Kerl zum Sprechen -zu bringen und über seinen Herrn auszuholen, aber sie hatten -ihre Versuche aufgeben müssen; sie hätten ebensogut zu einem -Stein sprechen können; der Alte hatte nicht einmal gethan, -als ob er sie überhaupt vernähme.</p> - -<p>Ein einziges Mal hatte er ein Lebenszeichen gegeben -– der Fall war sorgfältig registriert worden – als einmal -ein schnippisches Stubenmädchen in seiner Gegenwart -gesagt hatte, nun würde der Herr Baron wohl -nächstens heiraten und eine Frau Baronin nach Haus -bringen. Er wäre so zusammengezuckt, erzählte das Mädchen, -als er das gehört, daß es nicht anders ausgesehen -hätte, als wenn er sich schüttelte, und dann hätte er sie -mit einem Blick angesehen – ganz gräßlich, sagte das -Mädchen. Und dann hätte er die Achseln gezuckt, ganz hoch -hinauf, und alsdann wieder stumm dagesessen. Und das -Achselzucken, das hätte ausgesehen, als wollte er sagen: -<a class="pagenum" id="page_014" title="14"> </a> -»Was redst du denn? Weißt du denn nicht, daß er verrückt -ist?«</p> - -<p>Seitdem stand es für die Dienerschaft fest: der Baron -von Fahrenwald war verrückt. Der alte Johann war sein -Wärter, und der Wärter hatte es gesagt.</p> - -<p>Und aus dem Dienerzimmer flüsterte sich das, wie es -ja stets geschieht, in die herrschaftlichen Zimmer hinüber: -der Baron von Fahrenwald war verrückt.</p> - -<p>Und wer, der ihn ansah, hätte zweifeln können, daß -es wirklich also war?</p> - -<p>Wenn die Thür sich aufthat und er hereintrat mit -langsam schleppendem Schritt, ein langer, eckiger Mann, -mit dunklem, fast schwarzem Haar, das bleiche, beinahe -marmorweiße Gesicht von dunklem Barte umrahmt, dann -legte es sich unwillkürlich wie ein Alp auf die Anwesenden, -Wirte und Gäste, Herren und Damen.</p> - -<p>Und dieser Bann ging hauptsächlich von den Augen -des Mannes aus, die ganz tief, wie zwei dunkle tiefe Löcher -in dem bleichen Gesichte lagen, und aus denen ein starrender, -suchender, bohrender Blick hervorgekrochen kam, langsam, -beinahe wie ein Wurm.</p> - -<p>»Er sieht eigentlich kolossal interessant aus,« hatte die -junge Komtesse Karmsdorf, als sie ihn zum erstenmal erblickte, -hinter dem Fächer hervor zu ihren Freundinnen gesagt, -»aber da man weiß, wie es mit ihm steht, ist es des -Interessanten denn doch ein bißchen zu viel.«</p> - -<p>Die Freundinnen hatten kopfnickend und kichernd bestätigt, -daß es so sei, und als der Baron Miene machte, -auf sie zuzutreten, waren sie samt und sonders, wie von -einem panischen Schrecken erfaßt, nach einer andern Ecke des -<a class="pagenum" id="page_015" title="15"> </a> -Saales entwischt, und es hatte nicht viel gefehlt, so hätten -sie laut aufgekreischt.</p> - -<p>So erging es dem Baron Eberhard von Fahrenwald. -Die Wirte, die ihn eingeladen hatten, konnten sich seiner -Begrüßung natürlich nicht entziehen. Aber wenn er alsdann -mit schwerer, eckiger Verbeugung auf sie zutrat, sah -man ihm an, wie wenig er in fröhlich ausgelassene Gesellschaft -paßte. Er versuchte, sein Gesicht zu einem verbindlichen -Ausdruck zurechtzulegen, zu lächeln, aber das Lächeln -wollte sich so gar nicht mit dem bleichen, schwermütigen -Gesicht verstehen, es sah aus, als thäte es ihm weh.</p> - -<p>Beim Tanze blieb er Zuschauer, am Kartenspiel nahm -er nicht teil, so blieb er einsam, und das wiederholte sich in -jeder Gesellschaft, so daß man sich unwillkürlich fragte, wie -lange er die zwecklosen Besuche und Versuche fortsetzen -würde.</p> - -<p>Offenbar fühlte er das selbst, denn der Ausdruck dumpfer -Schwermut in seinem Gesichte verstärkte sich von einem zum -andern Mal, seine Bewegungen wurden immer schleppender, -es sah aus, als ermüdete der Mann unter der Last des -Daseins.</p> - -<p>So näherte sich der Winter seinem Ende. Ein großes -Ballfest wurde gegeben, dem der Baron, einsam und teilnahmlos -wie gewöhnlich, beiwohnte.</p> - -<p>Indem er, an den Thürpfosten des Nebenzimmers gelehnt, -dem wirbelnden Tanze zuschaute, der im Saale auf -und nieder flog, richtete er plötzlich das Haupt zur Seite – -es war ihm gewesen –</p> - -<p>Auf einem Stuhle, dicht an die Wand gerückt, saß ein -junges Mädchen. Sie nahm nicht teil am Tanze, offenbar, -<a class="pagenum" id="page_016" title="16"> </a> -weil sie nicht aufgefordert worden war, ein Mauerblümchen, -wie man zu sagen pflegt.</p> - -<p>Wenn man sie ansah, begriff man das einigermaßen; -sie hatte etwas Unscheinbares; sie war nicht besonders hübsch -und, wie es schien, arm. Ein schmaler Silberreif um den -Hals, das war der ganze Schmuck des jungen Körpers; -ihr dürftiges weißes Tüllkleidchen stach von den Gewandungen -ihrer reicheren, glücklicheren Altersgenossinnen ab.</p> - -<p>Indem der Baron den Kopf nach ihr umwandte, bemerkte -er, daß sie ihn schon längere Zeit von der Seite betrachtet -hatte. Er sah zwei runde, nicht besonders schöne, -aber unendlich gutmütige Augen, die stumm beobachtend, aber -ohne Neugier auf ihm ruhten. Jetzt, da er zu ihr hinblickte, -senkte sie die Augen, und er gewann Zeit, sie von -seiner Seite zu betrachten.</p> - -<p>Sie war in Verlegenheit etwas errötet; um den kleinen -Mund, der sich ein wenig nach vorn zuspitzte, war ein unmerkliches -Zittern; dadurch erhielt das ganze Gesichtchen -etwas Trauriges, beinahe, als wenn es mit verhaltenem Weinen -kämpfte.</p> - -<p>Er war also nicht der einzige Einsame heute abend; -da war noch eine, und er sah es ihr an, sie fühlte sich unglücklich. -Solch ein junges Mädchen, das zum Balle eingeladen, -nicht zum Tanze aufgefordert wird und in der Ecke -sitzen bleibt, leidet ja in Wirklichkeit ganz bitterlich; alle Qualen -der Zurücksetzung lasten auf der armen jungen Seele.</p> - -<p>Jetzt schrak die einsame Kleine leise auf, die Röte auf -ihren Wangen wich einer tiefen Blässe, ihre Hände, die -einen mageren Fächer im Schoße hielten, preßten sich zusammen -– der Baron Eberhard von Fahrenwald hatte sich -<a class="pagenum" id="page_017" title="17"> </a> -neben sie gesetzt. Sie hatte natürlich, wie alle andern, von -dem »verrückten Baron« erzählen gehört, und nun saß er -plötzlich neben ihr, nicht durch Zufall, sondern weil er sie -aufgesucht hatte. Es wurde ihr unheimlich zu Mute.</p> - -<p>Vorhin, als sie den blassen einsamen Mann, dem man -das Unglück am Gesicht ansah, an der Thür hatte lehnen -sehen, war ihr Herz ganz von tiefem Mitleid erfüllt gewesen -– jetzt fühlte sie eine Angst, die ihr die Nähe des -unheimlichen Menschen verursachte.</p> - -<p>Eine Zeit lang saßen beide schweigend, dann erhob der -Baron das Gesicht.</p> - -<p>»Es thut mir so leid,« sagte er, »daß ich nicht tanze, -gnädiges Fräulein, sonst würde ich um die Erlaubnis bitten, -Sie dort hineinführen zu dürfen.«</p> - -<p>Er hatte mit dem Kopfe nach dem Tanzsaale gedeutet; -mit unwillkürlichem Staunen wandte sie sich zu ihm um -und sah ihm ins Gesicht. War das die Stimme eines -»Verrückten«?</p> - -<p>Ein so tiefer, milder Wohlklang lag in den einfachen -Worten; etwas so Sanftes, so Warmes, so Gütiges kam von -ihm zu ihr herüber, daß es ihr war, als hätte eine Hand -ihre Hand erfaßt, mit liebem, tröstendem Drucke.</p> - -<p>Schweigend blickte sie ihn an und war sich kaum bewußt, -daß sie es that. Schweigend hielt er die Blicke in -die ihrigen gerichtet; in seinen tiefen geheimnisvollen Augen -erwachte etwas, wie eine sehnende Frage, wie ein Hoffen, -das sich nicht hervorgetraut, wie ein verstohlenes Leuchten -in lichtloser Nacht.</p> - -<p>So saßen die beiden, von niemand beachtet, nach -niemand fragend, wie zwei Leidensgefährten, die unausgesprochenes -<a class="pagenum" id="page_018" title="18"> </a> -Verständnis zu einander führt, und nach einiger -Zeit schob er, ohne ein Wort zu sagen, die Hand zu ihr -hin, und ohne ein Wort zu erwidern, löste sich ihre kleine -Hand vom Fächer, den sie immer noch krampfhaft umspannt -hielt, und senkte sich zitternd in seine Hand. Und als sie -nun den leidenschaftlichen Griff fühlte, mit dem er ihre -Finger zusammenpreßte, erschrak sie; aber als sie dann fühlte, -wie er sogleich, indem er ihren Schreck empfand, den Druck -mäßigte, faßte sie neues Vertrauen. Welche Aufmerksamkeit -sprach aus seiner Bewegung, welche Zartheit; es war, als -streichelten seine Finger ihre erschreckte Hand, als spräche -seine Hand: »Ich thue dir nichts, fürchte dich nicht.«</p> - -<p>Sie kamen dann ins Gespräch, und im Verlaufe desselben -erfuhr er Genaueres über die Kleine.</p> - -<p>Anna von Glassner hieß sie und war eine Waise. Ihre -Eltern hatten ihr so gut wie nichts hinterlassen, und weil -sie doch irgendwo bleiben mußte, war sie von einem entfernten -Onkel, einem alten pensionierten Major und dessen -Frau aufgenommen worden. Bei denen wohnte sie in -Breslau, und es war nicht schwer, aus ihren Andeutungen -zu entnehmen, daß der Aufenthalt ein ziemlich trübseliger war.</p> - -<p>Die alten, kränklichen, kinderlosen Leute besuchten keine -Gesellschaften, weil sie sie nicht erwidern konnten; bei Gelegenheiten, -wie die heutige eine war, ließen sie das junge -Mädchen allein gehen und durch das Dienstmädchen aus der -Gesellschaft abholen.</p> - -<p>»Wollten Sie mir sagen,« fragte sie nach einiger Zeit den -Baron, »welche Zeit es ist? Ich darf nicht zu spät nach -Haus kommen.« Der Baron sah nach der Uhr. Sie raffte -ihr dünnes Kleidchen zusammen. »Dann muß ich gehen.«</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_019" title="19"> </a> -»So früh schon?«</p> - -<p>»Mein Onkel und meine Tante schlafen so schlecht,« -erwiderte sie, »und haben es nicht gern, wenn ich sie so spät -in der Nacht störe.«</p> - -<p>Sie erhob sich; zugleich mit ihr stand er auf.</p> - -<p>»Ich werde auch gehen,« sagte er.</p> - -<p>Sie senkte das Köpfchen und errötete.</p> - -<p>Auf dem Flure draußen saß die Köchin, die sie erwartete. -Eine Person mit groben, mißmutigen Zügen, der man ansah, -wie wenig Vergnügen es ihr bereitete, daß sie, neben -der gewöhnlichen Tagesarbeit, jetzt auch noch durch die Winternacht -laufen mußte, um das »Fräulein« nach Haus zu bringen.</p> - -<p>Ein Paar Gummischuhe standen neben ihr, die sie dem -jungen Mädchen mit nicht übermäßiger Verbindlichkeit zuschob. -Während Anna ihre kleinen, mit weißen Atlasschuhen -bekleideten Füße in die Ueberschuhe zwängte, stand der Baron -hinter ihr und sah zu. Die Köchin trat heran und gab ihr -den Mantel um, ein dickes, schweres Kleidungsstück von -grobem, dunklem Tuch, unter dem die jugendliche Gestalt -ganz unkenntlich und unförmlich wurde. Jetzt wandte sich -Anna, und da sie den Baron noch immer stehen sah, wollte -sie mit einer flüchtigen Neigung des Kopfes an ihm vorüber.</p> - -<p>Mit einem hastigen Schritte war er an ihrer Seite.</p> - -<p>»Darf ich Sie um eine Gnade bitten?« fragte er.</p> - -<p>Erstaunt, beinahe erschreckt, blickte sie auf.</p> - -<p>»Wollen Sie meinen Wagen benutzen, damit er Sie -nach Haus bringt?«</p> - -<p>Nun erschrak sie wirklich.</p> - -<p>»Ach nein – wie könnte ich das – nein wirklich –«</p> - -<p>Er wich einen halben Schritt zurück; ihre Schüchternheit -<a class="pagenum" id="page_020" title="20"> </a> -erschien ihm als Angst; sie fürchtete sich also auch vor -ihm. Als er so jählings verstummte, erhob sie unwillkürlich -das Haupt. Sie sah, wie der Kummer in seine Züge zurückgekehrt -war.</p> - -<p>»Ich – weiß wirklich gar nicht« – begann sie stockend. -»Sie – sind wirklich – so gut zu mir –«</p> - -<p>Wie neubelebt trat er wieder heran.</p> - -<p>»Ach, wenn Sie es annehmen wollten,« flüsterte er, -»wenn Sie wüßten, was für eine Freude Sie mir damit bereiten -würden.«</p> - -<p>Nun konnte sie nicht mehr »nein« sagen; mit einer -leisen Neigung senkte sie das Haupt.</p> - -<p>Der Baron wandte sich rasch zurück. Hinter ihm stand -der alte Johann, den Pelzmantel seines Herrn in Händen, -regungslos wie eine Bildsäule, mit starren, sonderbaren Augen -auf den Baron und das Fräulein blickend.</p> - -<p>»Ist der Wagen da?« fragte der Baron.</p> - -<p>Der Alte verneigte sich mit schweigender Würde. Hurtig -fuhr der Baron in den Mantel, dann bot er Anna von -Glassner den Arm.</p> - -<p>»Darf ich Sie hinunterführen?«</p> - -<p>Von ihm geleitet stieg das junge Mädchen die Treppe -hinab; die Köchin folgte hinterdrein.</p> - -<p>Vor der Hausthür stand ein verdecktes Coupé mit einem -mächtigen Pferde bespannt; zwei strahlende Wagenlaternen -warfen ihr Licht in die Straße hinaus.</p> - -<p>Anna wich beinahe zurück – in solch' eleganten Wagen -sollte sie sich hineinsetzen?</p> - -<p>Der Baron aber hatte bereits den Schlag geöffnet und -bot ihr die Hand zum Einsteigen. Indem er ihre Hand ergriff, -<a class="pagenum" id="page_021" title="21"> </a> -zog er sie an die Lippen, und sie fühlte, wie er den -Mund darauf preßte, einmal, zweimal, leidenschaftlich.</p> - -<p>»Leben Sie wohl,« sagte er leise, »leben Sie wohl, ich -sehe Sie wieder? Nicht wahr, ich sehe Sie wieder?«</p> - -<p>Anna war keiner Antwort fähig. Wie in Betäubung -stieg sie in den Wagen und sank in eine Ecke, nach ihr kam -die Köchin, die sich gesperrt und geweigert hatte, und erst -auf ein »nur zu« des Barons sich zum Einsteigen entschloß.</p> - -<p>Der Baron ließ sich Straße und Hausnummer angeben, -rief sie dem Kutscher zu, und im nächsten Augenblick rasselte -der Wagen von dannen.</p> - -<p>In ihren Mantel gewickelt saß Anna da und fragte sich, -ob das alles ein Traum sei, was sie erlebte.</p> - -<p>Für gewöhnlich reichten ihre Mittel gerade zu einer -Fahrt auf der Pferdebahn – und jetzt sauste sie durch die -Straßen von Breslau, daß das Pflaster unter den Rädern -knatterte!</p> - -<p>Die Köchin, die ebenfalls ganz sprachlos vor Staunen -gewesen war, hatte angefangen, mit tastenden Händen den -Stoff der Polster zu untersuchen, auf denen sie saß. Jetzt -seufzte sie in Bewunderung auf.</p> - -<p>»Du meine Gütte – gnä' Fräulen,« sagte sie, »die -reine Seide alles, die reine Seide!«</p> - -<p>Die weibliche Neugier siegte über Annas Befangenheit; -sie zog den Handschuh von der einen Hand und tastete ebenfalls -auf den Wagenpolstern herum. Die Köchin hatte recht -gehabt. Alles Seide – die Polster, die Wände des Wagens, -alles Seide. Lautlos sank sie in ihre Ecke zurück. Was -bedeutete das alles und wohin ging das alles?</p> - -<p>Sie, das arme, unscheinbare Mädchen, das sich zu -<a class="pagenum" id="page_022" title="22"> </a> -Gesellschaften ein paar armselige Fähnchen zusammenstückelte, -um nur nicht gar zu erbärmlich gegen den Reichtum der -andern abzustechen, plötzlich, wie durch die Hand eines -Zauberers, mitten hineinversetzt in Fülle, Glanz und Pracht!</p> - -<p>Ihr, an der die Menschen auf der Straße vorübergingen, -wie an einem Nichts, die man auf Bällen in der -Ecke sitzen ließ, weil es sich nicht der Mühe lohnte, mit ihr -zu tanzen oder gar sie zu unterhalten – ihr näherte sich -plötzlich ein Mann, einer der reichsten Männer von ganz -Schlesien, und bat sie schüchtern, ängstlich und demütig, ihm -zu erlauben, daß er seinen Reichtum in ihren Dienst stellen -dürfe. Sie schloß die Augen; war das Wirklichkeit, was -ihr geschah? Dann aber schrak sie innerlich auf: der Mann -war ja ein Wahnsinniger; alle Welt sagte es ja? Und also -war es nur die Phantasie seines kranken Hirns, die ihn zu -alledem getrieben hatte, was er heute abend gethan? Aber, -indem der Schauder sie übermannen wollte, kam ihr die -Erinnerung an den Ton seiner Stimme zurück, die zu ihr -gesprochen hatte, wie noch keines Menschen Stimme je zuvor. -Nein, nein, nein – es war ja doch nicht möglich; es konnte -ja nicht sein!</p> - -<p>Während Anna unter solchen wechselnden Empfindungen -zu ihrer in der fernen Vorstadt gelegenen Wohnung fuhr, -wanderte der Baron Eberhard von Fahrenwald, von seinem -Diener gefolgt, zu Fuß nach Haus.</p> - -<p>Sein Haupt, das für gewöhnlich zur Erde hing, war -aufgerichtet, seine ganze Gestalt hatte etwas Aufatmendes, -Befreites, ein Glücksgefühl wie heut abend hatte er in -seinem ganzen Leben noch nicht empfunden.</p> - -<p>Welche Wonne, daß das Mädchen arm war! Immer -<a class="pagenum" id="page_023" title="23"> </a> -wieder vergegenwärtigte er sich den süßen Augenblick, als sie -in ihrer Bescheidenheit gezögert hatte, den prächtigen Wagen -zu besteigen – und dieser Wagen war der seinige! All die -Behaglichkeit, all die weiche Ueppigkeit, die sie jetzt umgab, -kam ihr von ihm! Er lachte still glückselig vor sich hin. -All sein Denken und Thun war ein beständiges brütendes -Grübeln über sich selbst, über seinen Zustand und über das -Verhängnis, das auf ihm lastete – zum erstenmal konnte -er an etwas andres denken, an einen andern Menschen; und -dieser andre Mensch, dieses liebe Wesen konnte glücklich -werden durch ihn. Glücklich durch ihn, der sich wie ein zum -Unglück Geborener, wie eine Last der Menschheit empfand! -Hatte er nicht den dankbar erstaunten Ausdruck in ihrem -bescheidenen Gesichtchen gesehen und hatten ihre Augen ihm -nicht gesagt, daß er stark genug sei, um Glück auf Menschen -ausgehen zu lassen? Ja, ja, ja, es war so, und unwillkürlich, -indem er so seinen Gedanken nachhing, reckte er die -Arme aus, als wollte er dem Kraftgefühle Ausdruck geben, -das ihn durchströmte.</p> - -<p>Einige Schritte hinter ihm kam der alte Johann. Den -Kopf weit vorgebeugt, kein Auge von seinem Herrn verwendend, -ging oder schlich er vielmehr hinter dem Baron -einher. In seiner ganzen Haltung war etwas Beobachtendes, -Lauerndes. Als er sah, wie der Baron die Arme ausreckte, -war er unhörbar mit einem Sprunge ganz dicht hinter ihn -herangekommen, das hagere Gesicht zu einer Aufmerksamkeit -gespannt, die beinahe feindselig aussah. Seine Hände, die -er in den Taschen des Ueberziehers getragen, hatte er hervorgezogen -und frei gemacht, so daß es den Anschein bekam, -als bereitete er sich darauf vor, sich im nächsten Augenblick -<a class="pagenum" id="page_024" title="24"> </a> -auf seinen Herrn zu stürzen, wie der Wärter eines Wahnsinnigen -sich auf seinen Schutzbefohlenen stürzt, um ihn von -irgend einer schrecklichen That zurückzuhalten. Denn der -Mensch da vor ihm war ja ein Kranker, ein Wahnsinniger, -Verrückter, das wußte er ja wohl genau genug, er, der ihn -als Kind auf den Armen getragen hatte, der ihn hatte heranwachsen -sehen und um ihn gewesen war zu jeder Zeit und -an jedem Orte. Und seit heute abend wußte er ja auch, -daß er seine Aufmerksamkeit verdoppeln und vervierfachen -mußte. Für den unglücklichen Menschen da vor ihm gab es -nur eine Möglichkeit zum Leben, Ruhe, Ruhe und immerdar -Ruhe. Das hatte ihm vor Jahren der Arzt gesagt, und -wenn es der Arzt nicht gesagt hätte, würde sein Instinkt es -ihm verraten haben. Ein Tag mußte sein wie der andre, -gleichmäßig, immer, immer gleichmäßig. Und heute abend -hatte er mit ansehen müssen, wie dieser Mann anfing, sich -zu verlieben!</p> - -<p>Verlieben! Wohl etwa gar heiraten?</p> - -<p>Er war ganz wütend, er knirschte beinahe mit den -Zähnen. So wenig also kannte der unglückselige Mensch -seinen Zustand? Na – es war nur gut, daß er da war, -der alte Johann; er würde schon acht auf ihn geben, ja, -das würde er, ja!</p> - -<p>Und er schob die Hände, indem er sie zu Fäusten ballte, -in die Taschen seines Ueberziehers zurück, weil er sich überzeugt -hatte, daß der Baron vorläufig nichts weiter Gefährliches -unternahm.</p> - -<p>Am nächsten Vormittag, und zwar am ziemlich frühen -Vormittag, klingelte es an der Wohnung von Annas Onkel, -und als die Köchin öffnete, ging ein verständnisvolles Grinsen -<a class="pagenum" id="page_025" title="25"> </a> -über ihre Züge; der Herr von gestern stand vor der Thür, -der Baron Eberhard von Fahrenwald.</p> - -<p>Ein sprachloses Erstaunen bei dem Onkel und der Tante, -ein glühendes Erröten bei Anna – und im nächsten Augenblick, -noch bevor man ihn eigentlich hereingebeten hatte, stand -er schon auf der Schwelle. Auch wenn man ihn abgewiesen -hätte, er würde sich nicht haben abweisen lassen, das sah -man ihm an. Seine Brust ging auf und nieder, und in -dem bleichen Gesicht glühten die Augen wie Kohlen.</p> - -<p>Beinahe wie ein Spieler, der das letzte Geld auf eine -Karte gesetzt hat, so sah er aus.</p> - -<p>Es kostete ihn Mühe, die äußerlichen Regeln der Höflichkeit -innezuhalten; seine Blicke hingen an Anna, unverwandt, -beinahe mit angstvollem Ausdruck, als fürchtete er, -daß sie hinausgehen, daß sie ihm entfliehen könnte.</p> - -<p>Nachdem er den alten Major und dessen Frau begrüßt -hatte, trat er auf das junge Mädchen zu.</p> - -<p>»Darf ich Sie sprechen?« fragte er. »Darf ich Sie -allein sprechen?«</p> - -<p>Seine Stimme war heiser vor innerer Erregung.</p> - -<p>Anna stand gesenkten Hauptes mitten im Zimmer. Herz -und Kehle waren ihr durch die Angst wie zugeschnürt; sie -hatte in diesem Augenblick die sichere Empfindung, daß sie -es mit einem Wahnsinnigen zu thun hatte. Etwas Aehnliches -schienen auch der Onkel und die Tante zu empfinden, -die sich gegenseitig stumm fragend ansahen.</p> - -<p>Der Baron bemerkte das alles. Plötzlich ging er auf -die beiden alten Leute zu, streckte beide Hände aus und -faßte den Onkel an der linken, die Tante an der rechten -Hand.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_026" title="26"> </a> -»Aengstigen Sie sich nicht,« sagte er, und das Wort -kam feierlich aus der Tiefe seiner Brust; in seinen Augen -war ein flammendes Leuchten.</p> - -<p>Die beiden alten Leute sahen ihn ganz verdutzt an, -machten eine verlegene Verbeugung und zogen sich in das -Nebenzimmer zurück.</p> - -<p>Anna stand noch immer, wo sie gestanden hatte. Als -sie sich jetzt mit ihm allein sah, überkam sie die Angst so -heftig, daß sie sich nicht mehr zu raten und zu helfen wußte. -Sie zog ihr Taschentuch hervor, drückte es an die Augen -und fing an zu weinen. Der Baron stand einige Schritte -von ihr entfernt und sah ihr schweigend zu.</p> - -<p>»Bin ich Ihnen so schrecklich?« fragte er endlich. Der -Ton klang wieder so sanft und herzlich, daß sie einigermaßen -zu sich selbst kam. Sie steckte das Tuch in die Tasche -und schüttelte leise das Haupt.</p> - -<p>»Denken Sie denn gar nicht mehr an gestern?« fuhr -er fort. »Gestern abend waren Sie doch so – so lieb und -gut, denken Sie denn gar nicht mehr daran?«</p> - -<p>Er war zu ihr herangetreten und hatte sie an beiden -Händen erfaßt; Anna fühlte, wie behutsam er sie berührte, -trotzdem vermochte sie noch nicht, das Gesicht zu ihm zu -erheben.</p> - -<p>Er behielt ihre Hände in den seinigen.</p> - -<p>»Gestern abend,« sagte er, »bin ich so glücklich gewesen, -und darum bin ich heut so früh wiedergekommen. Bitte, -seien Sie doch nicht böse darum. Wenn Sie sich auch vor -mir fürchten, dann habe ich ja niemand mehr.«</p> - -<p>Seine Stimme war ganz leise geworden.</p> - -<p>»Denken Sie doch einmal,« sprach er weiter, »Sie -<a class="pagenum" id="page_027" title="27"> </a> -gehen auf der Straße, und indem Sie da gehen, sehen Sie -einen Menschen am Wege liegen, dem irgend ein Unglück -geschehen ist, und der ruft Sie um Hülfe an. Und Sie -könnten ihm helfen, wenn Sie wollten, aber Sie fürchten -sich und laufen davon – glauben Sie nicht, daß Sie sich -einmal Vorwürfe machen würden, wenn Sie dann erfahren, -daß der Mensch zu Grunde gegangen ist?«</p> - -<p>Das alles war so einleuchtend, kein Vernünftiger hätte -es klarer auseinandersetzen können. Sie wurde wieder -schwankend, wieder ganz verwirrt. Vor ihr stand ein Mann, -der über Reichtümer gebot, von denen sie sich kaum eine -Vorstellung machen konnte, und sagte ihr, daß sie ihm helfen -könne, sie, die in der ärmlichen Wohnung, in einem fadenscheinigen -Morgenanzuge, in Morgenschuhen mit abgestoßenen -Spitzen, in aller Kläglichkeit eines ärmlichen, erbärmlichen -Lebens steckte. War es denn möglich, das alles?</p> - -<p>Sie erhob das Gesicht und sah seine Augen mit dem -fragenden, flehenden Ausdruck vom gestrigen Abend auf sich -gerichtet. Ja ja, es war ja derselbe Mensch – leise drückte -sie seine Hände, und indem sie es that, leuchtete sein Gesicht -auf.</p> - -<p>»Darf ich sprechen?« flüsterte er.</p> - -<p>»Aber ich – Ihnen helfen –« stammelte sie – »wenn -ich nur begriffe –«</p> - -<p>Er zog sie an den Händen zu einem Stuhle.</p> - -<p>»Kommen Sie,« sagte er, »kommen Sie, bitte, setzen -Sie sich, ich will Ihnen eine Geschichte erzählen, eine ganz -kurze.«</p> - -<p>Sie setzte sich nieder, er schob einen Sessel neben den -ihrigen und legte den einen Arm über die Rücklehne ihres -<a class="pagenum" id="page_028" title="28"> </a> -Stuhles, so daß sein Oberleib sich zu ihr hinüberbeugte und -sein Mund nahe an ihrem Ohre war.</p> - -<p>»Ich kenne einen Menschen,« begann er, und seine -Stimme war so gedämpft, als wollte er verhüten, daß irgend -jemand, außer Anna, seine Worte vernähme, »ich kenne -einen Menschen, der in einem Boote auf einem Wasser fährt. -Er sitzt ganz allein in dem Kahn, und das Wasser, auf dem -er fährt, ist ein breiter Fluß, und der Fluß hat einen starken -Strom, denn er fließt einem Abhang zu, über den er sich -hinunterstürzen wird. Der Abhang ist gar nicht mehr weit -und er ist sehr hoch, so daß man den Donner des Wassersturzes -bereits hört. Und da treibt nun der Kahn hin, in -dem der Mann sitzt. Und obschon er weiß, daß er zerschmettert -werden wird, wenn er in den Sturz gerät, läßt -er den Kahn dennoch treiben und thut nichts, um ihn aufzuhalten -– ist das nicht sonderbar von dem Mann?«</p> - -<p>Er unterbrach sich und blickte Anna von der Seite an. -Sie saß aufgerichtet, wie erstarrt, ihre Hände hatten sich -ineinandergeschoben, ihre Augen blickten vor sich hin. Es -ahnte ihr, wer der Mann war, von dem er erzählte.</p> - -<p>Er beugte sich noch näher zu ihr.</p> - -<p>»Soll ich Ihnen nun sagen, warum er das thut?«</p> - -<p>Sie blieb regungslos; nur ihre bleichen Lippen bewegten -sich.</p> - -<p>»Warum?« fragte sie tonlos.</p> - -<p>»Sehen Sie,« fuhr er fort, »weil im Wasser neben -dem Kahn etwas einherschwimmt, und weil er nichts thun -und nichts denken kann, als immer und immer und immerfort -auf das, was da neben ihm schwimmt, hinzublicken.«</p> - -<p>Seine Stimme sank zu einem heiseren Flüstern herab.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_029" title="29"> </a> -»Und das, was da schwimmt, sehen Sie, das ist etwas -Schreckliches, etwas Gräßliches, das ist ein Ungeheuer, so -etwa, verstehen Sie, wie die Seeschlange, von der die Schiffer -erzählen, daß sie ihnen auf der See begegnet sei. So müssen -Sie sich das denken. Mit einem schuppigen Leibe, verstehen -Sie, und ganz lang. Und das Schrecklichste an dem Dinge, -sehen Sie, das ist der Kopf. Der läßt sich eigentlich gar -nicht beschreiben, aber er sieht so ungefähr aus, wie ein -ungeheurer Papageienkopf. Ein Schnabel ist daran, ein -großer krummer Schnabel, und zwei Augen sind in dem -Kopfe –«</p> - -<p>Er verstummte. Anna vernahm, wie sich die Luft -in seiner Kehle zusammenpreßte, als fände sie keinen -Ausweg.</p> - -<p>»Die Augen,« fuhr er fort, »sehen Sie, die sind es, -auf die der Mann in dem Kahne immerfort hinschauen muß. -Die Augen sind fürchterlich, ganz groß und ganz grün, wie -die Augen von einem furchtbaren bösen Menschen. Und die -Augen blicken immerfort zu dem Manne herauf, und wenn -sie ihn ansehen, dann ist's wie ein Lächeln darin, wie ein -grauenvolles, und als wollten sie sagen: ›ich habe dich, du -entkommst mir nicht‹. Und das, sehen Sie, das ist es, was -den Mann gefesselt hält und gefangen hält und gebannt -hält, daß er nichts thun und nichts denken und sich nicht -helfen und nicht retten kann, obschon er hört, wie der Wassersturz -immer näher und näher kommt.«</p> - -<p>Abermals verstummte er, und da auch Anna, von Grauen -versteinert, keinen Laut hervorbrachte, herrschte eine Zeit lang -ein beklommenes Schweigen.</p> - -<p>Dann that er einen tiefen, seufzenden Atemzug und -<a class="pagenum" id="page_030" title="30"> </a> -seine Stimme nahm wieder den ruhigen, sanften Ton vom -gestrigen Abende an.</p> - -<p>»Und nun, sehen Sie, nun kommt ein Augenblick, da -gelingt es dem Manne, einmal für eine Sekunde den Blick -über das Ding da im Wasser hinwegzubringen, und da sieht -er am Ufer ein menschliches Wesen stehen. Und das menschliche -Wesen, sehen Sie, das ist eine Frau, ein junges Mädchen, -und er merkt, daß sie ihm zugesehen hat, eine ganze Zeit -lang, und sich gewundert hat, was er da treibt. Und mit -einemmal kommt ihm der Gedanke: wenn du dahin gelangen -könntest, wo die steht, wenn du ihre Hand fassen -könntest, daß sie dir hülfe, aus dem Kahn und dem Wasser -herauszukommen, dann wärest du mit einemmal das Ding -da los, das gräßliche, und brauchtest nicht in den Wassersturz -hinunter und wärest gerettet! Und da, sehen Sie, -faßt er mit einemmal das Ruder und wendet, und fährt -auf die Stelle zu, wo sie steht – und dann, wie sie ihn -kommen sieht, faßt sie der Schreck, weil sie denkt, er käme, -um ihr ein Leides zu thun, und sie wendet sich, um davonzulaufen -– und er sieht das, und schreit ihr nach – bleib -doch, ich thue dir nichts! Sei doch barmherzig! Ich komme -ja nur, damit du mich rettest! Und da –«</p> - -<p>Mit einem Griffe hatte er ihre Hände erfaßt, sein Gesicht -war dicht an ihrem Gesichte, so daß sie seinen keuchenden -Atem auf ihrer Wange fühlte. Weiter bog er sich vom -Stuhle und immer weiter zu ihr hinüber, bis daß er plötzlich -auf beiden Knieen vor ihr lag.</p> - -<p>»Anna – was thut sie da? Anna – läuft sie dennoch -fort? Läuft sie dennoch fort?«</p> - -<p>Sein totenbleiches Antlitz war zu ihr erhoben, kalter -<a class="pagenum" id="page_031" title="31"> </a> -Schweiß netzte seine Stirn, seine Augen hatten den Blick -eines Menschen, der den Spruch über Leben und Tod erwartet, -und an ihren Knieen, an die seine Brust sich preßte, -fühlte Anna das Herz in seinem Leibe pochen.</p> - -<p>Ein namenloses Mitgefühl überschwoll ihr Herz. Ohne -zu wissen, was sie that, breitete sie beide Arme um sein -Haupt, und indem sie in Thränen ausbrach, drückte sie das -Gesicht auf sein Haupt.</p> - -<p>»O Sie armer, unglücklicher Mann,« sagte sie schluchzend.</p> - -<p>Ein Stöhnen drang aus seiner Brust hervor. »Du -gehst nicht? Du läufst nicht davon? Läufst nicht davon?«</p> - -<p>»Nein, nein, nein, ich will nicht davonlaufen.«</p> - -<p>Jählings fühlte sie sich von zwei gewaltigen Armen -umfaßt. Er war aufgesprungen und hatte sie, wie ein Kind, -an seine breite Brust gerissen.</p> - -<p>»Ach du – mein Leben – meine Seligkeit – mein -heiliges Heiligtum – mein Alles!«</p> - -<p>Und er küßte, küßte und küßte sie.</p> - -<p>Endlich beruhigte er sich einigermaßen, so daß Anna -wieder zu Atem kam. Unter seinen Küssen und Umarmungen -waren ihre Wangen ganz heiß geworden, so daß sie hübscher -aussah als zuvor. Der Baron war einen Schritt von ihr -hinweggetreten und blickte sie mit strahlenden Augen an, -wie sie verwirrt und verschämt vor ihm stand. Sie drehte -den Kopf zu ihm herum.</p> - -<p>»Aber wenn ich nur wüßte, was ich thun soll?«</p> - -<p>Mit einer stürmischen Bewegung hatte er sie an beiden -Händen erfaßt.</p> - -<p>»Gar nichts sollst du thun!«</p> - -<p>Sie schüttelte langsam das Haupt.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_032" title="32"> </a> -»Gar nichts thun soll ich?«</p> - -<p>Er lachte laut auf vor Vergnügen.</p> - -<p>»Nur da sein sollst du und dir gefallen lassen, was -ich thue.«</p> - -<p>Sie lächelte leise. »Was wird denn das sein, was -Sie vorhaben?«</p> - -<p>Nun legte er beide Arme um ihren Leib, so sanft, so -vorsichtig, als fürchtete er, sie zu erschrecken oder ihr weh -zu thun.</p> - -<p>»Dich glücklich machen,« sagte er.</p> - -<p>Das Wort kam so aus der Tiefe eines von Liebe erfüllten -Herzens hervor, daß das junge Mädchen unwillkürlich -an seine Brust sank.</p> - -<p>»Du guter Mann,« sagte sie. Ihre Augen suchten die -seinen. Er hielt sie in den Armen, seine Hände strichen -leise an ihren Seiten hinunter.</p> - -<p>»Siehst du,« sagte er, »indem ich dich so halte, ist mir, -als wäre der ganze liebe Körper und alles, was darinnen -ist, ein Gefäß, ein zartes, zerbrechliches, und daß es so zerbrechlich -ist, das ist gerade das Gute daran. Nun darf ich -an nichts mehr denken, als daß es in meinen Händen nicht -entzweigeht, und das gerade ist ja so gut. Siehst du, nun -will ich in das Gefäß hineinthun alles, was der Mensch -sich für den Menschen ausdenken kann an Gutem und Glücklichem. -Und wenn wir da draußen auf meinem Gute leben, -das nun auch dein Gut ist, wir beide ganz allein, jedesmal, -wenn dann ein neuer Tag anbricht, will ich nach deinem -lieben Gesichte sehen; und du brauchst mir nie zu sagen, daß -du mich liebst, das verlange ich nicht, nur ob du glücklich -bist, will ich in deinem Gesichte sehen, und wenn ich das -<a class="pagenum" id="page_033" title="33"> </a> -sehe, siehst du, dann werde ich glücklich sein, glücklich, o – -so glücklich.«</p> - -<p>Seine Worte erstarben in einem tiefen leisen Flüstern. -Sie hielt das Haupt gesenkt, als wollte sie lauschen und -immer länger lauschen; als er schwieg, richtete sie sich -auf und wiegte das Haupt und legte beide Arme um -ihn her.</p> - -<p>»Wie, soll ich dir denn nicht sagen, daß ich dich liebe,« -sprach sie, und ihre Stimme war ruhig und fest geworden, -»da ich dich jetzt schon liebe, von ganzer Seele, du teurer, -du geliebter Mann.«</p> - -<p>Sie hielten sich schweigend umschlungen, dann richtete -sie sich auf.</p> - -<p>»Komm,« sagte sie, »nun wollen wir den Onkel und -die Tante rufen.«</p> - -<p>Sie faßte ihn an der Hand und ging mit ihm an die -Thür des Nebenzimmers, die sie öffnete. Die alten Leute -traten heraus und blieben verblüfft stehen, als sie Anna -Hand in Hand mit dem Baron gewahrten.</p> - -<p>Mit einem ruhigen Lächeln sah sie sie an.</p> - -<p>»Lieber Onkel,« sagte sie, »liebe Tante, ich teile euch -mit, daß ich mich mit dem Herrn Baron von Fahrenwald -verlobt habe.«</p> - -<p>Am Nachmittag erst verließ der Baron seine Braut -und deren Angehörige.</p> - -<p>Als er die Treppe hinunterstieg und den letzten Absatz -erreicht hatte, sah er im Hausflur einen Mann, der mit -aufgeregten Schritten hin und her ging; es war sein Diener, -der alte Johann.</p> - -<p>Verwundert blieb er stehen; in dem Augenblick hatte -<a class="pagenum" id="page_034" title="34"> </a> -der Alte den Kopf herumgedreht und seinen Herrn erkannt; -er unterbrach seinen Gang und stand wie angewurzelt.</p> - -<p>»Was soll denn das?« fragte der Baron. »Ich hatte -dir doch gesagt, daß du mich nicht begleiten solltest.«</p> - -<p>Der Alte lüftete den Hut, ohne die Augen von seinem -Herrn zu lassen.</p> - -<p>»Gnädiger Herr blieben so lange –« erwiderte er.</p> - -<p>Der Baron lachte. Er war in so fröhlicher Stimmung, -daß er sich über nichts geärgert hätte, am wenigsten über -die übertriebene Sorgfalt seines alten Dieners.</p> - -<p>»Hast gedacht, mir wäre ein Unglück passiert?« meinte er. -»Na, du kannst dich beruhigen.«</p> - -<p>Er ging die Stufen vollends hinunter und schlug ihn -auf die Schulter.</p> - -<p>»Will dir eine Neuigkeit sagen, Johann, ich habe mich -verlobt.«</p> - -<p>Der Alte riß die Augen weit auf und wich zwei Schritte -zurück; der Mund stand ihm halb offen.</p> - -<p>»Das Fräulein – da oben, im zweiten Stock?« -stotterte er.</p> - -<p>»Jawohl, das Fräulein da oben, im zweiten Stock,« -erwiderte gutlaunig der Baron. »Und nächster Tage ist die -Hochzeit.«</p> - -<p>Er wandte sich nach der Hausthür, und indem er ihm -den Rücken drehte, konnte er nicht sehen, was der Johann -hinter seinem Rücken für ein merkwürdiges Gesicht schnitt. -Er warf einen wütenden, geradezu giftigen Blick nach der -Treppe, die das Haus hinaufführte, dann glättete er mit -dem Aermel seines Ueberrocks den Cylinderhut, den er noch -in der Hand hielt, und während er das that, neigte er das -<a class="pagenum" id="page_035" title="35"> </a> -Haupt, wie jemand, der sich plötzlich in eine schwere Notlage -versetzt sieht und Mittel und Wege überdenkt, die nun -zu ergreifen sind. Dann stülpte er den Hut mit einem -Rucke auf, biß die Zähne aufeinander und folgte seinem -Herrn. Die Hausthür fiel schmetternd zu, weil der Alte sie -wütend ins Schloß geworfen hatte.</p> - -<p>Am nächsten Tage ging bei Anna ein Brief ein.</p> - -<p>Sie erhielt selten Briefe und zögerte ein Weilchen, den -Umschlag zu öffnen. Die Handschrift war ihr nicht bekannt -und sah so sonderbar aus; man hätte kaum sagen können, -ob sie von einem gebildeten oder ungebildeten Menschen -herrührte.</p> - -<p>Endlich entschloß sie sich, und nun las sie folgende -Zeilen:</p> - -<p>»Haben Sie auch bedacht, was Sie thun? Sie wissen -doch, daß der Mensch, mit dem Sie sich verlobt haben, ein -Verrückter ist?«</p> - -<p>Ein Name stand nicht darunter. Der Brief war unterschrieben:</p> - -<p>»Ein Wissender.«</p> - -<p>Anna hielt das widerwärtige Blatt in den Händen. -Was sollte sie thun?</p> - -<p>Das beste bei solchen Gelegenheiten ist ja, demjenigen, -vor dem man gewarnt wird, den anonymen Wisch ruhig zu -zeigen, damit man kein Geheimnis vor ihm behält. Aber -das war doch in diesem Falle nicht möglich. Durfte sie den -unglücklichen Mann lesen lassen, wie das, wovon er sich an -ihrer Seite zu befreien und zu erlösen hoffte, ihm in so -roher und gemeiner Weise auf den Kopf zugesagt wurde?</p> - -<p>Sie faßte sich kurz, riß den Brief samt dem Umschlage -<a class="pagenum" id="page_036" title="36"> </a> -in Fetzen und steckte sie in den Ofen. Die Sache war -abgethan.</p> - -<p>Eine Stunde später kam der Baron, und nun pries sie -ihren Entschluß. Er sah so heiter aus, so klar; man merkte -ihm an, wie in Annas Gegenwart der dunkle Schleier sich -hob und lüftete, der seine Seele umdüsterte. Hätte sie, deren -Nähe ihm die Gesundheit bedeutete, ihn in sein Leiden zurückstoßen -sollen, indem sie ihn daran erinnerte? Nimmermehr!</p> - -<p>Heut brachte der Baron ihr den Verlobungsring mit, -einen goldenen Reif, der einen Brillanten umfaßte. Mit -schüchternem Erröten ließ sie sich den Ring an den Finger -stecken, und während sie die Hand hin und her drehte, um -das Licht in dem geschliffenen Steine aufzufangen, griff der -Baron schon wieder in die Rocktasche. Er holte ein Schmuckschächtelchen -hervor, das er vor ihren Augen aufspringen -ließ. Anna blickte hinein und fuhr zurück. Ein goldenes -Armband mit einem prächtigen Amethyst leuchtete ihr entgegen.</p> - -<p>»Aber nein!« erklärte sie, »nein, nein, das geht ja -nicht, daß du mich so überhäufst! Das kann ich ja nicht -annehmen!«</p> - -<p>Er sah glücklich lächelnd zu ihr hinüber.</p> - -<p>»Aber Anna,« sagte er, »weißt du denn nicht, daß ich -mich beschenke, wenn ich dir ein Geschenk mache?«</p> - -<p>Sie mußte es sich gefallen lassen, daß er ihren Arm -ergriff und ihr das Armband umlegte. Die Haut an der -Hand und dem Handgelenk war rot und aufgesprungen; -man sah es ihr an, wie schonungslos die Hände des jungen -Mädchens in der Hauswirtschaft mitarbeiten mußten. Anna -deutete mit den Augen darauf hin.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_037" title="37"> </a> -»Sieh doch nur selbst,« sagte sie: »für solche Hände -paßt doch ein so wundervolles Armband gar nicht.«</p> - -<p>Der Baron hob ihre kleine gerötete Hand empor.</p> - -<p>»Das ist Anna von Glassner,« sagte er. Dann schob -er den Aermel ihres Kleides so weit zurück, daß die weiße, -zarte Haut des Armes sichtbar wurde.</p> - -<p>»Und hier kommt die Baronin von Fahrenwald heraus,« -fügte er lächelnd hinzu. »In einigen Tagen sind auch die -Händchen so weiß und zart wieder, wie das.« Er drückte die -Lippen auf ihren entblößten Arm und schob das Armband -so hoch hinauf, daß es auf der weißen Haut lag.</p> - -<p>»Siehst du,« sagte er, »wie gut es sich hier ausnimmt!«</p> - -<p>Sie mußte lächelnd zugestehen, daß er recht hatte, und -dann siegte die weibliche Freude am Schmuck über alle ihre -Bedenken.</p> - -<p>Mit leuchtenden Augen fiel sie ihm um den Hals.</p> - -<p>»Du wirst mich noch so verwöhnen, daß ich ganz hochmütig -und schlecht werde.«</p> - -<p>Er hielt sie an sich gedrückt.</p> - -<p>»Sei was und wie du willst, nur sei glücklich.«</p> - -<p>Es wurde alsdann zwischen ihnen verabredet, daß die -Hochzeit möglichst bald stattfinden sollte.</p> - -<p>»Wie ist es denn?« fragte er, »möchtest du eine Hochzeitreise -machen?«</p> - -<p>Anna lächelte.</p> - -<p>»Nicht wahr,« sagte sie, »das ist doch dein Park, den sie -das Schlesische Paradies nennen?«</p> - -<p>»Wirklich?« erwiderte er, »davon habe ich ja noch gar -nichts gewußt.«</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_038" title="38"> </a> -»Ja, ja,« versicherte sie, »er soll ja auch wunderschön -sein!«</p> - -<p>»Nun, er ist groß genug, das ist wahr; nur vielleicht -ein bißchen verwahrlost.«</p> - -<p>Sie legte die Hände auf seine Schultern.</p> - -<p>»Und da fragst du mich, ob ich eine Hochzeitreise machen -will? Nach dem Schlesischen Paradies reise ich mit dir und -da bleiben wir.«</p> - -<p>»Das wolltest du? Wirklich?« Man sah ihm die Freude -an, die ihre Entscheidung ihm bereitete.</p> - -<p>»Aber daß du nur keinen Schreck bekommst,« fuhr er -fort, »wenn du da hinauskommst; es ist etwas einsam, verstehst -du. Ich habe da ganz allein mit meinem alten Johann -gehaust.«</p> - -<p>»Ach Gott,« versetzte sie, »das denke ich mir ja gerade -so wunderschön! Siehst du, ich bin ja auch mein Leben -lang so allein gewesen, so an die Einsamkeit gewöhnt. Nun -richten wir uns das alte schöne Schloß ein, wie es für uns -beide paßt, dann gehen wir durch den Park, und nicht wahr, -den Park gibst du in meine Obhut? Ich denke mir das -so köstlich, Gärtnerin zu sein!«</p> - -<p>Sie war ganz lebhaft geworden; ihr Gesicht glänzte. -Der Baron sah sie hingerissen an. Vor seinem Geiste erschien -eine Reihe der lieblichsten Bilder: er sah seine junge Frau -durch die düsteren Räume des alten Schlosses wandeln, wie -den Geist des neuen jungen Lebens; er sah sie im Park -umherschalten, anmutig zur Arbeit aufgeschürzt, und Haus -und Garten wurden jung und lebendig und schön unter -ihren Händen und seine Seele ward jung und freudig und -stark in ihrer geliebten Nähe.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_039" title="39"> </a> -»Alles soll so sein, wie du es sagst,« rief er jauchzend, -indem er sie an sein Herz drückte, »sobald das Wetter einigermaßen -wird, fahren wir hinaus und ich zeige dir alles, und -dann kommen wir zurück und kaufen Tapeten und Möbel -und Blumensamen und alles was der Mensch sich denken -kann. Und nachher, da leben wir da draußen zusammen, -wie auf einer Insel im weiten Meer. Wir beide ganz für -uns, und fragen nach keinem Menschen und nach keiner -Welt!«</p> - -<p>Er war wie trunken von Freude, als er sie endlich -verließ, und auch vor Annas Phantasie begann die Zukunft -wie ein helles freundliches Land emporzusteigen.</p> - -<p>Am nächsten Tage aber erhielt ihre fröhliche Stimmung -einen Stoß. Genau zu der Stunde, an der gestern der -anonyme Brief gekommen war, erschien heute, von derselben -Hand verfaßt, ein zweites Schreiben.</p> - -<p>Gar nicht erst aufmachen, sondern ohne weiteres in den -Ofen stecken, das war Annas erstes Gefühl – aber die -Neugier war stärker als die Wallung der Vernunft, und sie -folgte dem verhängnisvollen Triebe, der in uns ist, Dinge, -von denen wir wissen, daß sie uns gräßlich widerwärtig -sein werden, daß sie unsern Seelenfrieden stören werden, -recht genau und in der Nähe anzusehen.</p> - -<p>Das, was sie heute las, war dies:</p> - -<p>»Haben Sie denn das Verhältnis noch nicht gelöst? -Noch immer nicht? Bedenken Sie sich, es wird Zeit! Es -wird hohe Zeit!!!«</p> - -<p>Diesmal war der Brief unterschrieben »der Warner«. -Nun nachdem sie gelesen, stand sie da und bereuete, daß sie -gelesen hatte. Es war ihr zu Mute, wie einem Kinde, das -<a class="pagenum" id="page_040" title="40"> </a> -man vor giftigen Beeren gewarnt hat und das trotzdem genascht -hat. Mochte sie das Geschreibsel auch zerreißen und -in den Ofen stecken, vergessen konnte sie ja doch nicht, was -darin gestanden hatte. Dazu kam der sonderbare Ton und -die Form des Briefes; beides war so aufgeregt. Die drei -Ausrufungszeichen am Schluß, und die Unterschrift war -mit ganz merkwürdigen Schnörkeln verbrämt und verziert.</p> - -<p>Das Ende ihres Ueberlegens war, daß auch dieser Brief -in Fetzen ging und in den Ofen wanderte.</p> - -<p>Am darauf folgenden Tage aber lauschte sie schon mit -aller Spannung, ob heute auch der Briefträger erscheinen -würde. Und richtig, als die Stunde schlug, klingelte es, -und ein dritter Brief lag in ihren Händen. Heut überlegte -sie schon nicht mehr, ob sie lesen sollte, oder nicht, mit einer -Art von Heißhunger fiel sie darüber her.</p> - -<p>Der unbekannte Verfasser betitelte sich heute »Prüfer -von Herz und Nieren«; das, was er verkündete, lautete -folgendermaßen:</p> - -<div class="mw48 mt1 mb1"> - -<p class="ci"> -»Verblendete!! Das gefällt Ihnen wohl, daß der -unglückselige Mensch Sie mit Schmuck und Flitter überhäuft? -Wollen Sie denn mit Gewalt blind und taub sein? Daran -sollten Sie doch merken, daß er ein Wahnsinniger ist!! Ein -Wahnsinniger!!!«</p> - -</div> - -<p>Ein unheimlicher Schauder überlief Anna, als sie diese -Worte las. Es klang wie eine dumpfe Wut daraus, eine -Wut gegen sie und zugleich gegen ihn. Sie versank in -Gedanken, und so geschah es, daß der Baron sie überraschte, -bevor sie noch Zeit gefunden hatte, den Brief zu vernichten. -Sie hatte ihn gerade noch in die Tasche stecken können, als -<a class="pagenum" id="page_041" title="41"> </a> -er eintrat, und sie mußte sich beinahe Zwang anthun, um -dem Bräutigam unbefangen und heiter entgegenzugehen.</p> - -<p>Als er aber jetzt, vergnüglich schmunzelnd wie ein Kind, -das jemandem eine rechte Ueberraschung zugedacht hat, eine -große Schachtel zum Vorschein brachte, und als sie darin -ein prachtvolles Perlenhalsband erblickte, fuhr sie zurück, und -diesmal war es nicht Schüchternheit noch Bescheidenheit, was -sie zurückfahren ließ, sondern Schreck, wirklicher, wahrhaftiger -Schreck.</p> - -<p>Die Worte des unbekannten Briefschreibers fielen ihr -ein, und die schrecklichen Worte hatten ja recht gehabt; so -rasend verschwenden konnte ja nur ein Wahnsinniger!</p> - -<p>Mit hängenden Armen stand sie da und starrte, wie -geistesabwesend, auf den Schmuck, der ihr vom dunkelblauen -Sammet, auf dem er gebettet lag, entgegengleißte.</p> - -<p>Der Baron hielt den geöffneten Schrein mit beiden -Händen vor sie hin und lachte still in sich hinein. Er ahnte -nicht, was in ihr vorging, und sah in ihrer Starrheit nur -das hülflose Staunen der Armut, die sich plötzlich vom Reichtum -überflutet sieht.</p> - -<p>»Aber Anna,« sagte er endlich, als sie noch immer wie -leblos vor ihm stand, »freust du dich denn gar nicht ein -bißchen?«</p> - -<p>Sie hörte wieder den Ton seiner Stimme, sie blickte -auf und sah sein Gesicht mit einem Ausdrucke unsäglicher -Güte und Liebe auf sich gerichtet, und plötzlich brach sie in -Thränen aus und fiel ihm schluchzend um den Hals.</p> - -<p>Dieser Ueberschwall von Gebensfreudigkeit – das sollte -alles nur eine Ausgeburt des Wahnsinns sein? Dieser -Mensch, der sich auflöste, nur um ein Lächeln auf ihrem -<a class="pagenum" id="page_042" title="42"> </a> -Gesicht hervorzurufen, das sollte ein Verrückter sein? Nein, -nein, nein! Und sie drückte das Gesicht an seinen Hals und -schüttelte, wie in Verzweiflung, das Haupt.</p> - -<p>Der Baron stand ratlos. Diese Thränen sahen doch -gar nicht wie Uebermaß von Freude, sondern wie echter -Schmerz aus. Bevor er aber noch zu Worte kommen konnte, -fing sie an.</p> - -<p>»Eberhard,« sagte sie, indem sie die Arme von seinem -Halse löste, »siehst du, es ist ja so himmlisch gut von dir, und -ich bin dir ja so maßlos dankbar für alles, aber ich bitte, -ich beschwöre dich, laß es genug sein, schenke mir nichts mehr.«</p> - -<p>Die Heiterkeit wich von seinem Gesichte.</p> - -<p>»Ich hatte geglaubt,« sagte er langsam, »es würde -dir Freude machen – und nun willst du es gar nicht -haben?«</p> - -<p>Er schickte sich an, den Schrein zu schließen, und dabei -sah er so kummervoll aus, daß ein reißender Schmerz durch -ihre Seele ging.</p> - -<p>»Nein, nein,« rief sie, »ich will es ja nehmen, gern -nehmen, und ich bin dir ja so, so dankbar dafür, aber ich wollte -ja nur sagen: dann nichts mehr, Eberhard. Laß es damit -genug sein, bitte, versprich es mir, bitte, bitte!«</p> - -<p>Er drückte den Kasten ins Schloß und sah sie an, als -begriffe er nicht, was sie wollte.</p> - -<p>Sie faßte seine Hand mit beiden Händen.</p> - -<p>»Siehst du,« sagte sie, »du mußt doch bedenken, daß -ich an so etwas nicht gewöhnt bin; du weißt ja doch, daß -ich ganz arm bin; ich habe doch früher nie Schmuck getragen, -und an so etwas muß man sich doch allmählich gewöhnen. -Und wenn das dann so mit einemmal, so massenhaft -<a class="pagenum" id="page_043" title="43"> </a> -kommt, siehst du, Eberhard, lieber guter Eberhard, das -mußt du dir doch selbst sagen, daß einen das geradezu -ängstigt. Das erstickt einen ja und erdrückt einen und das -hält man gar nicht aus.«</p> - -<p>Ihre Worte waren hastig erregt von ihren Lippen gekommen, -aber sie beruhigten ihn. Er entnahm daraus, daß -es wirklich nur die Armut in ihr war, die vor dem plötzlichen -Reichtum erschrak.</p> - -<p>»Du liebes, bescheidenes Kind,« sagte er zärtlich, indem -er den Arm um sie legte, »ich glaube wirklich, du hast vollkommen -recht, und es war falsch, daß ich zu rasch gewesen -bin. Aber du weißt ja doch, warum ich es gethan habe und -bist mir nicht böse?«</p> - -<p>»Ich – dir böse sein –« erwiderte sie stockend, und -die Thränen drängten ihr von neuem empor, so daß sich ihr -die Kehle zuschnürte.</p> - -<p>Er stellte den Schmuckkasten auf den Tisch.</p> - -<p>»Also mag er da bleiben,« sagte er, indem er seinen -Ton zur Heiterkeit anstrengte, »und vorläufig genug damit.«</p> - -<p>Sie blieben dann noch eine Zeit lang bei einander, aber -eine unbefangene fröhliche Stimmung wollte nicht mehr -recht aufkommen. Der Vorgang von vorhin wirkte in beiden -nach, und zwischen ihnen, auf dem Tische stand der verhängnisvolle -Schmuckkasten, der an dem allen schuld war.</p> - -<p>Am nächsten Tage blieb Anna verschont; es lief kein -Brief ein. Als der Baron indessen erschien, lag ein Schatten -auf seinem Gesicht und in seinen Augen war ein dumpfes -Glühen.</p> - -<p>Anna erschrak einigermaßen, als sie ihn sah; sein Ausdruck -war so anders als an den vergangenen Tagen.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_044" title="44"> </a> -Sie forschte nach dem Grunde seines Mißmuts, aber -er wollte nicht mit der Sprache heraus.</p> - -<p>»Bist du mir böse wegen gestern?« fragte sie endlich, -indem sie sich neben ihn setzte.</p> - -<p>Er strich mit freundlicher Hand über ihr Haar.</p> - -<p>»Nein, gar nicht, lieber Engel,« sagte er, »verlaß dich -darauf, gar nicht.«</p> - -<p>Sie fragte nicht weiter, sie wollte nicht in ihn dringen, -aber ihre Augen blieben stumm besorgt an ihm hängen.</p> - -<p>»Ach weißt du,« sagte er endlich, indem er sich aus -seinem Brüten aufraffte, »es ist wirklich gar nicht der -Mühe wert, und es ist unrecht, daß ich dich damit quäle. -Ich habe einen Auftritt mit meinem Diener gehabt, das ist -die ganze Geschichte.«</p> - -<p>Er war aufgestanden und ging im Zimmer hin und -her. Anna folgte ihm von ihrem Sitze aus mit den Blicken.</p> - -<p>»Mit deinem alten –«</p> - -<p>»Mit meinem alten Johann, ja.«</p> - -<p>»Aber ich denke,« wandte sie ein, »er ist dir so treu -und ergeben?«</p> - -<p>»Freilich ist er das,« gab er zur Antwort, »treu beinah -bis zum Uebermaß, und das ist es ja eben –« er brach -mitten im Satze ab und wanderte wieder schweigend auf -und nieder.</p> - -<p>»Siehst du,« fuhr er nach einer Weile fort, »solche -alten Diener, die man vom Vater überkommt, die einen als -Kind auf dem Arm getragen haben, die einen immerfort -begleitet haben, sind ja einerseits ein Schatz, und darum kann -man sie nicht so aus dem Hause schicken, wie man es vielleicht -mit andern machen würde.«</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_045" title="45"> </a> -Ein Zucken ging über sein Gesicht und in seinen Augen -flimmerte es, wie die Erinnerung an einen schweren Grimm, -den er durchgemacht hatte.</p> - -<p>»Du wirst doch nicht an so etwas denken!« sagte Anna, -indem sie aufstand. Eine innere Stimme flüsterte ihr zu, -wie notwendig ihm die stetige Begleitung eines treuen, mit -seiner Natur vertrauten Menschen sein mochte.</p> - -<p>»Ich denke ja nicht daran,« versetzte er, »nur das wollte -ich sagen, siehst du, solche alten Diener werden andrerseits -auch manchmal zu einer Art von Last. Sie wollen den -Haushofmeister, gewissermaßen den Schulmeister spielen, und -das – na, indessen –« er brach wieder ab. »Lassen wir -die dumme Geschichte; sie ist abgethan und, wie gesagt, gar -nicht der Rede wert.«</p> - -<p>Anna war zu ihm herangetreten und sah ihm bittend -in die Augen.</p> - -<p>»Mir zuliebe,« sagte sie, »sei geduldig mit dem alten, -treuen Menschen; er meint es gewiß so redlich und gut -mit dir.«</p> - -<p>Der Baron blickte mit einem eigentümlichen Lächeln -auf sie nieder.</p> - -<p>»Das sagst du,« erwiderte er langsam. Seine Lippen -bewegten sich, als wollte er noch etwas hinzusetzen; aber er -sprach es nicht aus. Allmählich aber, indem seine Augen -auf ihrem Gesichtchen ruhten, kehrte der Ausdruck stiller -Zufriedenheit in seine Züge zurück.</p> - -<p>»Du bist ein Engel,« sagte er, »und so gut, wie du -selbst es gar nicht weißt.«</p> - -<p>Bald darauf verließ er sie.</p> - -<p>Es war, wie der Baron gesagt hatte; zwischen ihm und -<a class="pagenum" id="page_046" title="46"> </a> -dem alten Johann hatte es am Morgen dieses Tages einen -Auftritt gegeben, einen merkwürdigen, schrecklichen Auftritt.</p> - -<p>In sein junges Glück versenkt, hatte der Baron nicht -weiter acht auf den Alten gegeben, sonst hätte es ihm auffallen -müssen, daß dieser seit dem Tag, als er mit ihm das -Haus verlassen hatte, wo Anna von Glassner wohnte, ein -seltsames Wesen angenommen hatte.</p> - -<p>Jeden Vormittag, wenn der Baron ausging, um sich -zu seiner Braut zu begeben, schlich der Alte geräuschlos hinter -ihm drein. Dem Juwelierladen gegenüber, in den er seinen -Herrn eintreten sah, auf der andern Seite der Straße, stellte -er sich auf und wartete, bis der Baron wieder herauskam; -und wenn dieser zu Annas Hausthür gelangt war, ahnte -er nicht, daß wenige Schritte hinter ihm sein Diener stand -und ihn mit Augen verfolgte – mit Augen, die den lauernden -Ausdruck eines wilden Tieres hatten. Wenn er alsdann -in die Behausung zurückgekehrt war, wo er mit dem Baron -wohnte und wo ihm ein geräumiges Zimmer angewiesen -war, setzte der Alte sich an den Tisch, der inmitten des Zimmers -stand, und dort saß er Stunden und Stunden lang. Er aß -nicht, er trank nicht, er rauchte nicht; er war ganz versunken -in dumpfes, stumpfes Brüten. Die einzige Thätigkeit, zu -der er sich aufraffte, war, daß er sich alsdann erhob, eine -große Schreibmappe auf den Tisch legte, Tinte und Feder -herbeiholte und nun mit fanatischem Eifer zu schreiben anfing. -Was er da schrieb – niemand sah es, denn niemand -war dabei; jedesmal, bevor er an seine Schreiberei ging, -riegelte er sorgfältig die Thür seines Zimmers ab. Es -schienen jedoch Briefe zu sein; denn das Papier, worauf -er schrieb, waren Briefbogen, und jedesmal, nachdem er -<a class="pagenum" id="page_047" title="47"> </a> -geendigt und das Geschriebene wohl zehnmal mit gerunzelter -Stirn und stumm glühenden Augen durchgelesen hatte, steckte -er den Bogen in ein Couvert, das er mit einer Adresse und -Postmarke versah. Leise schloß er alsdann seine Thür wieder -auf, steckte horchend den Kopf hinaus, und wenn er sich -überzeugt hatte, daß niemand ihn hörte und sah, schlüpfte -er behutsam aus der Wohnung, aus dem Hause, um den -Brief in den nächsten Briefkasten zu stecken.</p> - -<p>Abends fand der Baron, wenn er nach Haus kam, die -Lampen in seinen Gemächern bereits angezündet, alles zu -seinem Empfange bereit, und den alten Johann, einmal wie -allemal fertig, ihn des Mantels zu entledigen, ihm den -Thee zu bereiten und alles zu thun, woran er von jeher gewöhnt -war. Was der Baron nicht beachtete, das waren die -Blicke, mit denen der Alte ihn lauernd beobachtete, und -was er nicht sah, das war, daß der Alte, nachdem er sich -zurückgezogen hatte, draußen auf dem Flur stehen blieb, -lautlos an die Thür gepreßt, hinter der sein Herr saß, -stundenlang horchend, lauschend, ob er nicht da drinnen plötzlich -ein verdächtiges Geräusch, irgend etwas vernehmen würde, -das ihn nötigte, zuzuspringen und Hand anzulegen. Denn -er wußte ja doch, daß da drinnen ein Wahnsinniger saß und -daß es sein Beruf und seine Pflicht war, den Wahnsinnigen -zu bewachen.</p> - -<p>An dem Vormittag dieses Tages nun, als der Baron -gefrühstückt und darauf dem Diener geklingelt hatte, damit -er ihm beim Anziehen behilflich sei, hatte dieser sich, im Bewußtsein -seiner Pflicht, ein Herz gefaßt und beschlossen, mit -seinem Herrn einmal ein Wort zu reden.</p> - -<p>Es kam ihm nicht leicht an, denn er war ein echter -<a class="pagenum" id="page_048" title="48"> </a> -Schlesier, und daher steckte ihm ein knechtischer Respekt vor -seinem Gebieter in Fleisch und Bein. Aber es mußte sein, -es mußte.</p> - -<p>Den Pelz seines Herrn in den Händen, trat er in das -Zimmer ein; als der Baron aber in den Mantel fahren -wollte, ließ der Diener ihn sinken.</p> - -<p>»Gnädiger Herr wollen mir eine unterthänige Frage -erlauben – gehen gnädiger Herr wieder zu dem Fräulein?«</p> - -<p>Der Baron sah sich überrascht um; ein Lachen zuckte -über sein Gesicht.</p> - -<p>»Interessiert dich das so? Allerdings gehe ich zu ihr.«</p> - -<p>Der Alte senkte das Haupt und stierte auf den Teppich.</p> - -<p>»Nun, was gibt's? Worauf wartest du?« fragte der -Baron, indem er ein Zeichen machte, daß er den Pelz anzulegen -wünschte.</p> - -<p>»Gnädiger Herr, wollen entschuldigen,« erwiderte der -Alte, ohne die Augen zu erheben, »ob gnädiger Herr es sich -nicht noch einmal überlegen möchten?«</p> - -<p>»Was soll ich mir überlegen?«</p> - -<p>»Daß gnädiger Herr das Fräulein wirklich heiraten -wollen.«</p> - -<p>Der Baron machte auf dem Absatze kehrt, so daß er -seinem Diener unmittelbar gegenüberstand. Er war einen -Augenblick ganz sprachlos vor Erstaunen.</p> - -<p>»Was geht das dich an?« stieß er hervor. »Was fällt -dir denn ein?«</p> - -<p>»Gnädiger Herr wissen ja doch,« murrte der Alte mit -hohler Stimme von unten herauf, »daß ich gnädigen Herrn -von Kindesbeinen her kenne – daß ich vom seligen Herrn -Baron –«</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_049" title="49"> </a> -»Weiß ich, weiß ich, weiß ich alles!« rief der Baron, -indem er ungeduldig aufstampfte. »Was gehört das hierher?«</p> - -<p>»Und daß ich weiß, was gnädigem Herrn gut thut und -gnädigem Herrn nicht gut – weil ich weiß, wie es steht.«</p> - -<p>Der Baron trat einen halben Schritt zurück.</p> - -<p>»Wie was steht?«</p> - -<p>Jetzt richtete der Alte das gesenkte Haupt so weit auf, -daß er einen schrägen, lauernden Blick in die Augen seines -Herrn bohren konnte. Seine Stimme wurde dumpf und leise.</p> - -<p>»Wie es – mit gnädigem Herrn steht.«</p> - -<p>Das bleiche Gesicht des Barons wurde noch um eine -Färbung bleicher, so daß es ganz weiß aussah, und in dem -weißen Gesichte glühten die Augen auf. Ein Zittern durchlief -seine Gestalt, seine Hände schlossen sich, er konnte -keinen Laut hervorbringen. So standen sich die beiden -Männer stumm gegenüber. Am Leibe des alten Johann -regte sich keine Fiber, nur seine Augen hafteten stieren -Blicks an dem Baron. Er sah ja, daß der Mann dort unmittelbar -vor einem Ausbruche von Tollwut stand, und -Tobsüchtige darf der Wärter nicht aus den Augen lassen.</p> - -<p>Es dauerte geraume Zeit, bis daß der Baron seine -Fassung einigermaßen zurückgewann. Seine Brust keuchte, -indem er zu sprechen begann; die Worte kamen abgebrochen -heraus.</p> - -<p>»Johann – weil ich weiß – daß du es gut meinst – -will ich dir verzeihen, was du – da eben gesagt hast. Aber, -wenn du es noch einmal thust, dann nimm dich in acht!« -Er hob den rechten Arm mit geballter Faust empor. »Nimm -dich in acht!« wiederholte er, »nimm dich in acht!«</p> - -<p>Seine Stimme war immer lauter angeschwollen, so daß -<a class="pagenum" id="page_050" title="50"> </a> -sie zuletzt beinahe brüllend geworden war. Sein Körper -schüttelte sich wie im Krampf. Dann plötzlich ließ er den -erhobenen Arm sinken, warf sich stöhnend in einen Sessel -und legte beide Arme auf die Lehne, das Gesicht auf die -Arme drückend.</p> - -<p>Regungslos stand der Alte; in seinen Augen war etwas, -wie ein wilder Triumph, indem er auf seinen Herrn niederblickte. -Wer hatte nun recht gehabt? War der Mann da, -der unglückselige, etwa kein Wahnsinniger?</p> - -<p>Zunächst sprach keiner von beiden ein Wort; eine schwüle, -beängstigende Stille trat ein. Dann erhob der alte Johann -wieder die Stimme.</p> - -<p>»Und wenn gnädiger Herr heiraten, thut es gnädigem -Herrn nicht gut.«</p> - -<p>Der Baron erwiderte nichts; er gab überhaupt kein -Zeichen, als hätte er gehört.</p> - -<p>»Und wenn ein Fräulein kommt,« fuhr der Alte fort, -»und will den gnädigen Herrn heiraten, weil das Fräulein -Frau Baronin werden möchte und reich werden möchte, weil -sie selber nichts hat –«</p> - -<p>Jetzt richtete der Baron das Haupt auf; seine Hand -griff in den Stoffüberzug des Sessels, man sah, wie sie sich -hineinkrallte, seine Augen drehten sich zu dem Alten herum, -mit einem gefährlichen Ausdruck. Der Alte aber hörte nicht -auf, wollte nicht aufhören; indem er des Mädchens gedachte, -war es, als überkäme auch ihn eine dumpfe, schwälende -Wut. Seine Augen unterliefen rot. »Dann ist das nicht -recht von dem Fräulein,« polterte er rauh und rücksichtslos -heraus.</p> - -<p>In diesem Augenblick rollte der Stuhl, auf welchem -<a class="pagenum" id="page_051" title="51"> </a> -der Baron gesessen hatte, bis mitten ins Zimmer; mit einem -jähen Satze war der Baron aufgesprungen.</p> - -<p>»Mach, daß du 'rauskommst!« brüllte er den Alten -an. Der Alte stand wie an den Boden gewachsen.</p> - -<p>»Gnädiger Herr dürfen nicht heiraten,« sagte er.</p> - -<p>»Halt 's Maul und mach, daß du 'rauskommst!« donnerte -der Baron noch einmal. Seine Hände flogen, sein Körper -erbebte konvulsivisch. Es war aber, als wenn seine Aufgeregtheit -den andern nur um so eisiger erstarren machte.</p> - -<p>»Ein Arzt hat mir gesagt, der jetzt tot ist, wenn -gnädiger Herr heiraten, werden gnädiger Herr jemand umbringen.«</p> - -<p>Kaum daß er das gesagt hatte, warf er jedoch den -Pelz, den er immer noch in Händen hielt, über den nächsten -Stuhl und zog sich eilends nach der Thür zurück. Der Baron -hatte den schweren gepolsterten Sessel mit beiden Händen an -der Lehne gepackt und mit einer Kraft, wie sie nur der -Paroxismus verleiht, emporgeschwungen. Es sah aus, als -wollte er den Alten im nächsten Moment zu Boden schmettern. -Mit einer hurtigen Bewegung riß dieser die Thür auf und -verschwand.</p> - -<p>Eine halbe Stunde später, während er lautlos horchend -in seinem Zimmer gesessen hatte, vernahm er, wie der Baron -aus seinen Gemächern trat und mit schweren Schritten die -Wohnung verließ. Er eilte an eines der nach der Straße -gehenden Fenster und blickte ihm nach. Richtig – die gewohnte -Richtung, er ging zu seiner Braut. Also doch!</p> - -<p>Der Alte kehrte in sein Zimmer zurück, warf die Mappe -auf den Tisch und gleich darauf saß er wieder vor seinen -Briefbogen. Heute knirschte das Papier unter seiner kratzenden -<a class="pagenum" id="page_052" title="52"> </a> -Feder; seine Augen brannten, und die Muskeln seines -Gesichts spannten sich zu einem Ausdruck grimmiger Verbissenheit, -indem er schrieb.</p> - -<p>Am Abende des Tages erhielt Anna von Glassner -folgenden Brief:</p> - - -<div class="mw48 mt1 mb1"> - -<p class="ci"> -»Zum letztenmal werden Sie gewarnt! Sie ruinieren -ihn und gehen in Ihr Verderben! Heute war der unglückselige -Mensch dicht daran, daß er seinen Wärter und treuesten -Begleiter totgeschlagen hätte.</p> - -<p class="ci">  Wer Augen hat, zu sehen, der sehe!!!</p> - -<p class="si">Der Pflichterfüller.«</p> - -</div> - - -<p>Scheinbar beruhigt war der Baron von Anna hinweggegangen, -in seinem Innern aber saß die Erinnerung an -das, was er mit dem alten Johann erlebt hatte. Und diese -Erinnerung war wie ein gärender Keim in seinem Blute, -sie ließ ihn nicht mehr zur Ruhe kommen.</p> - -<p>Es erging ihm, wie es dem Menschen geht, wenn er -sich mit einem andern gestritten hat. Im Augenblick, da -uns der Gegner seine Behauptung ins Gesicht wirft und -wir sie ihm leidenschaftlich zurückschleudern, sind wir darüber -hinweg – nachher, wenn die Leidenschaft verraucht ist, kommt -das Wort uns wieder, leise, schleichend und in seiner Geräuschlosigkeit -eindringlicher als vorher, und nun kommt das -Grübeln, ob das Wort nicht vielleicht doch recht gehabt -haben könnte.</p> - -<p>»Ich weiß, wie es mit gnädigem Herrn steht« – immer -wieder war es da, das Wort, immerfort und immerfort, wie -der Wassertropfen, der unablässig auf den Kopf des Gefolterten -fällt. Und indem es in seinem Ohre nachklang, -<a class="pagenum" id="page_053" title="53"> </a> -war ihm, als käme das Ungetüm wieder herangeschwommen, -von dem er Anna erzählt hatte, als höbe es die gräßlichen -grünen Augen wieder auf, und das, was aus diesen Augen -sprach, war ja nichts andres als das: »Ich weiß, wie es -mit dir steht.«</p> - -<p>Und, war es denn etwa so ganz unberechtigt? War -nicht in ihm selbst etwas gewesen, das ihn mit Schauder -erfüllte, wenn er daran zurückdachte? Immer wieder hörte -er eine fürchterliche Stimme, die das Zimmer durchtönte, -und das war seine Stimme; der Mensch, der so gebrüllt -hatte, war er selbst gewesen. Immer wieder empfand er -den Krampf, der plötzlich in seinem Rückenmark losgebrochen -war, seine Glieder durchschüttelt, seinen Arm erhoben und -seine Fäuste geballt hatte. Es ließ ihn gar nicht los; immer -und immer wieder mußte er sich bis ins einzelne vergegenwärtigen, -wie das gekommen, wie ihm dabei zu Mute gewesen -war. Wie wenn etwas von außen über ihn herfiele, -so war es gewesen, wie wenn ihn etwas anspränge, sich -seiner bemächtigte, eine fremde, furchtbare Gewalt, beinahe -wie ein wildes Tier, das jählings in ihn eingedrungen war -und aus ihm hervortobte. Dazu diese plötzliche, unbegreifliche -Kraft, die er in den Armen gefühlt hatte. Wenn er -jetzt den schweren gepolsterten Sessel anschaute, begriff er -gar nicht, wie es ihm möglich gewesen war, ihn wie eine -Keule emporzuschwingen. Und in dem Augenblick war es -doch so gewesen, und in dem Augenblick war ihm das -mächtige Ding so federleicht erschienen. Unwillkürlich schloß -er die Augen. Hatte er nicht gehört und gelesen, daß -Menschen in der Tollwut eiserne Stangen zerbrechen? Was -war das gewesen, was ihm die Muskeln so schrecklich -<a class="pagenum" id="page_054" title="54"> </a> -gestählt hatte? Brütend saß er in seinem Zimmer und wagte -sich nicht Antwort auf das zu geben, was in ihm fragte.</p> - -<p>So also stand es mit ihm? Und wie viel hatte gefehlt, -so hätte er seinen alten Johann niedergeschlagen und -totgeschlagen. – Freilich, der Alte hatte ihn gereizt; aber -wußte er denn nicht, wie er an ihm hing, treu wie ein -Hund? Und er hätte ihn beinahe umgebracht!</p> - -<p>Und wie hatte der Alte von Anna gesagt? »Wenn -ein Fräulein kommt und den gnädigen Herrn heiraten will, -weil sie reich werden möchte –«</p> - -<p>Hier aber sprang er auf. Das war falsch und gelogen, -das wußte er, so weit war er noch vernünftig. Das waren -die Gedanken, wie sie in einer Knechtsseele sich zusammenkleistern! -Er wußte ja doch, daß er zu ihr gekommen war, -nicht sie zu ihm. Mit den Armen griff er in die Luft. -Daß sie nur da gewesen wäre in diesem Augenblick, daß er -sie an sich hätte pressen können! Denn mächtiger und bestimmter -als je zuvor empfand er in diesem Augenblick, daß -es nur ein Ziel und eine Rettung für ihn gab, und das -war sie, an die er dachte, nach der er verlangte, Anna, -Anna, Anna!</p> - -<p>Wie eine Todesangst erfaßte ihn der Gedanke, daß sie -ihm doch noch entgehen könnte, und mit krampfhafter Ungeduld -sah er dem Tage entgegen, da sie Hochzeit machen -würden, da sie ihm ganz gehören, immer und allerorts bei -ihm und mit ihm sein würde.</p> - -<p>Das nächste, was er darum zu thun beschloß, war, daß -er seine Braut zu seinem Schlosse hinausführte. Sie sollte -den Ort kennen lernen, wo sie mit ihm zusammen sein -würde, die künftige Heimat.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_055" title="55"> </a> -Man befand sich zu Anfang April; der Winter war -überstanden, aber noch nicht überwunden, er kämpfte noch -mit dem nahenden Frühling. Trotzdem wollte der Baron -nicht länger warten. Es mußte etwas geschehen, wodurch -Anna körperlich mit dem neuen Dasein verknüpft würde, -und sie selbst hatte Lust dazu. Auch in ihr war ein Bedürfnis, -die Umgebung des künftigen Lebens kennen zu -lernen; daneben regte sich die Neugier, das schlesische Paradies -endlich einmal mit Augen zu sehen.</p> - -<p>So wurde der Besuch denn für einen der nächsten Tage -beschlossen.</p> - -<p>Mit seinem alten Diener hatte der Baron seit jenem -verhängnisvollen Vormittage kein Wort mehr gesprochen; -schweigend waren sie umeinander hergegangen; es war wie -ein Waffenstillstand zwischen ihnen.</p> - -<p>Als er damals seine Wohnung verließ, um zu Anna -zu gehen, hatte Eberhard von Fahrenwald ernsthaft erwogen, -ob er den Alten nicht fortschicken sollte. Es war das erste -Mal, daß ihm der Gedanke kam.</p> - -<p>Er hatte ihn von seinem Vater ererbt und es bisher -wie eine Art von Naturnotwendigkeit empfunden, ihn fortwährend -um sich zu haben. An dem Tage zum erstenmal -erhob sich eine Stimme in ihm, die ihm zurief: »Schick' ihn -fort!« Er würde ihm natürlich eine für seine alten Tage -ausreichende, ja eine glänzende Pension zahlen, aber er wollte -ihn los sein.</p> - -<p>Als er dann aber zu Anna gekommen war, und diese -für den Alten gebeten hatte, war sein Entschluß wieder -schwankend geworden. Er war sich nun wieder bewußt geworden, -daß er gegen den ausdrücklichen letzten Willen seines -<a class="pagenum" id="page_056" title="56"> </a> -Vaters handeln würde, wenn er so thäte, und er sagte sich, -daß er es doch gewesen war, der durch seine Heftigkeit den -widerwärtigen Auftritt verschuldet hatte. Kampf mit sich -selbst, das war ja nun einmal die Aufgabe, die ihm vom -Schicksal auferlegt worden war, und dazu gehörte, daß er -auch den Widerwillen, den unheimlichen, niederkämpfte, der -sich in ihm gegen den Alten zu regen begann.</p> - -<p>Also schwieg er; der alte Johann schwieg auch, und -äußerlich schien es, als wäre alles, wie es früher und immer -gewesen war.</p> - -<p>Jetzt, am Tage, bevor er mit Anna hinauszufahren -beschlossen hatte, befahl der Baron dem Alten, vorauszufahren -und das Schloß einigermaßen zum Empfange vorzubereiten. -Die Zimmer sollten gelüftet, in den Oefen und -Kaminen sollten Feuer angezündet werden. In den Wegen -des Parks, die vom Tauwetter jedenfalls aufgeweicht sein -würden, hieß er ihn Sand aufschütten und an besonders -morastigen Stellen Bretter legen. Endlich sollte für ein -Frühstück gesorgt werden.</p> - -<p>Alle diese Weisungen erteilte der Baron in kurzem, -bestimmtem Tone; der alte Johann nahm sie mit schweigender -Unterwürfigkeit entgegen; er war in diesem Augenblick -nichts weiter, als der demütige, gehorsame Knecht.</p> - -<p>Ein grauer, nasser Himmel lag über der Erde, als der -Baron am nächsten Morgen mit seinem Wagen bei Anna -von Glassner vorfuhr, um sie zum Bahnhofe abzuholen.</p> - -<p>Als er bei ihr eintrat, stand sie schon reisefertig in ihrem -grauen Reisemantel da. Lächelnd wickelte er einen Gegenstand, -den er in Händen trug, aus dem umhüllenden Papier; -es war ein Paar nagelneuer, mit Pelz gefütterter Gummischuhe.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_057" title="57"> </a> -»Das ist kein Schmuck,« sagte er, »das darfst du annehmen, -und im Park draußen wird es feucht sein.«</p> - -<p>Sie sah ihm dankbar ins Gesicht.</p> - -<p>»Auch an so etwas denkst du?«</p> - -<p>Sie setzte sich, um die Gummischuhe anzulegen, und -dabei konnte sie nicht verhindern, daß er sich auf ein Knie -vor ihr niederließ, um ihr beim Anziehen behilflich zu sein.</p> - -<p>Zärtlich drückte er ihre kleinen Füße.</p> - -<p>»Aber Eberhard!« mahnte sie.</p> - -<p>Er sprang auf, schloß sie in seine Arme und küßte sie -auf den Mund.</p> - -<p>»Komm,« sagte er, »heute fährst du als Anna von Glassner -hinaus; das nächste Mal als Anna von Fahrenwald.«</p> - -<p>Nach einer Eisenbahnfahrt von etwa einer Stunde kamen -sie an der kleinen Station an, von der man zum Gute des -Barons gelangte. Als der Zug einlief, stand bereits ein -grauhaariger Mann mit abgezogenem Hute und gebeugtem -Rücken auf dem Bahnsteige; es war der alte Johann.</p> - -<p>»Sieh, wie pünktlich und aufmerksam er ist,« flüsterte -Anna, mit dem Kopfe nach dem Alten deutend, dem Bräutigam -zu. Dieser erwiderte nichts, und als Johann hinzutrat, -um dem Fräulein beim Aussteigen behilflich zu sein, -verhinderte er, daß er sie berührte.</p> - -<p>»Ist der Wagen da?« fragte er kurz.</p> - -<p>Der Wagen war da.</p> - -<p>Indem sie dahin gingen, drückte sie mit leisem Vorwurfe -den Arm des Bräutigams; er war so freundlich und -gut, nur dem alten Diener gegenüber erschien er ihr so barsch.</p> - -<p>Der Wagen war zugedeckt, weil es vorher geregnet -hatte; jetzt aber hatte der Regen aufgehört.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_058" title="58"> </a> -»Möchtest du ihn lieber offen haben?« fragte der Baron.</p> - -<p>»O ja,« bat sie. Es war ja eine neue Welt, in die sie -kam, und die will man doch gern ordentlich sehen können. -Also wurde das Verdeck zurückgeschlagen; im Wagen befanden -sich Fußsäcke und Decken; zwei prächtige Rappen -stampften an der Deichsel. Der Ueberfluß kam ihr entgegen -und breitete beide Arme aus.</p> - -<p>Nachdem er sie in eine Wagenecke gepackt und sorgfältig -in die Decken gewickelt hatte, setzte er sich neben sie; die -Pferde zogen an und der Wagen rollte auf die Landstraße -hinaus. Wege und Stege trieften von Nässe, in den Feldern -rechts und links standen breite Wasserlachen, so daß sie wie -Sümpfe aussahen; am Himmel, der kalt und grau wie -Stahl war, taumelten die Wolken, vom Aprilwinde gejagt, -in dicken schwärzlichen Ballen dahin. Alles in allem war -es kein freundlicher Empfang, den die neue Welt dem jungen -Mädchen bereitete.</p> - -<p>Der Baron sah sie von der Seite an und sah, wie ihr -Stumpfnäschen keck und vergnügt aus Hüllen und Decken -in die graue Luft ragte.</p> - -<p>»Ist dir kalt?« fragte er.</p> - -<p>»Nicht im geringsten!« erwiderte sie.</p> - -<p>»Aber schön ist es nicht?«</p> - -<p>»Himmlisch,« gab sie zur Antwort. »Was denkst du -denn? So eine Stadtpflanze, wie ich; das ist ja die reine -Wonne, so über Land zu fahren!«</p> - -<p>Er war ganz glücklich und legte den Arm um sie; durch -die Decken und Tücher, mit denen er sie umwickelt hatte, -war sie aber ganz unförmlich geworden, so daß sein Arm -nicht um sie herumreichte. Sie kicherte vor Vergnügen.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_059" title="59"> </a> -»Siehst du,« sagte sie, »wenn du mich so weiter verwöhnst, -werde ich noch so dick werden, daß du mich gar -nicht mehr umarmen kannst – es fängt schon an damit.«</p> - -<p>Er hörte ihrem Geplauder zu. Wie ihn das beglückte, -daß sie so zufrieden war! Wie wenig sie brauchte, um zufrieden -zu sein!</p> - -<p>Der Wagen war inzwischen von der Landstraße abgebogen -und quer durchs Land gefahren. Jetzt tauchten in -einiger Entfernung die kahlen Baumkronen eines weit ausgedehnten -Parkes vor ihnen auf.</p> - -<p>Plötzlich kam Annas Hand unter den Decken hervorgekrochen -und erfaßte die Hand des Barons.</p> - -<p>»Eberhard,« fragte sie leise, indem sie sich zu ihm hinüberbog, -»ist es das?«</p> - -<p>Er sah ihr ins Gesicht.</p> - -<p>»Das ist es,« erwiderte er.</p> - -<p>Sie verstummte; ihre Augen wurden groß und ernst.</p> - -<p>»Gefällt es dir?« fragte er nach einiger Zeit.</p> - -<p>»Es scheint ganz wundervoll,« gab sie flüsternd zurück. -Dann zeigte sie mit dem Finger nach vorn.</p> - -<p>»Und das da – das ist das Schloß?«</p> - -<p>Ueber den Wipfeln des Parks stiegen die Mauern eines -großen Gebäudes finster empor.</p> - -<p>»Das ist das Schloß,« versetzte er.</p> - -<p>Dann ergriff er ihre Hand, die langsam niedergesunken -war. »Gefällt dir das auch?«</p> - -<p>Sie nickte gedankenvoll mit dem Haupte. Nachdem sie -dann ein Weilchen geschwiegen, schmiegte sie sich an ihn.</p> - -<p>»Eberhard,« bat sie leise, »könnten wir nicht am Park -aussteigen und durch den Park zum Schlosse geh'n?«</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_060" title="60"> </a> -»Wäre dir das lieber?« fragte er.</p> - -<p>Sie nickte wieder; sie hätte kaum sagen können, warum, -aber es war ihr wirklich lieber. Vielleicht, daß ihr das -große düstere Gebäude unwillkürlich einen Schreck einflößte.</p> - -<p>Der Park öffnete sich in das umgebende Gelände; weder -Mauer noch Zaun schloß ihn ab.</p> - -<p>Als jetzt der Wagen die Stelle erreicht hatte, wo die -Parkwege sich mit der Fahrstraße kreuzten, befahl der Baron, -anzuhalten.</p> - -<p>»Also komm,« sagte er zu Anna, »wir wollen aussteigen -und zu Fuße gehen.«</p> - -<p>Rasch entledigte sie sich ihrer Umhüllungen, und auf -seine Hand gestützt, sprang sie hinab.</p> - -<p>Während der Wagen zum Schlosse weiterfuhr, schritten -die beiden, Arm in Arm, in den Park hinein.</p> - -<p>Ihr Weg führte sie eine Allee entlang, die von hochstämmigen, -uralten Buchen gebildet wurde. In den blätterlosen -Wipfeln brauste der Wind, der immer stärker angeschwollen -und jetzt beinahe zum Sturm geworden war. -Die Bäume neigten und beugten sich, die kahlen Aeste -schlugen klatschend aneinander, ein Chor von tausend seltsamen -Lauten, ein Krachen, Pfeifen und Heulen erfüllte -die Luft.</p> - -<p>Unwillkürlich schloß Anna sich dichter an ihren Begleiter. -Zum erstenmal setzte sie den Fuß auf Fahrenwaldschen -Grund und Boden, und es war, als wenn die Geister und -Dämonen, welche dieses Gebiet bewohnten, sie begrüßten.</p> - -<p>Der Baron fühlte ihre ängstliche Bewegung; er sagte -sich, daß er sie nun da hatte, wo er sie haben wollte, haben -mußte, aber es war wie ein Gefühl des Unrechts in ihm. -<a class="pagenum" id="page_061" title="61"> </a> -Er kam sich vor, wie ein Jäger, der in einem fremden Erdteile -ein Wild gefangen und es in seine Heimat geschleppt -hat. Wird das fremde Geschöpf sich an die Luft der neuen -Umgebung gewöhnen?</p> - -<p>In Gedanken verloren, waren sie schweigend fürbaß -geschritten. Dann fing Anna an.</p> - -<p>»Siehst du,« sagte sie, »nun begreif' ich, warum sie -deinen Park das schlesische Paradies nennen; das find' ich -so schön, daß der Garten so offen ist; da können die armen, -müden Leute, wenn sie von den Feldern draußen kommen, -hereintreten und sich unter den schönen schattigen Bäumen -erholen.«</p> - -<p>»Gefällt es dir?« fragte er zurück, »das freut mich. -Früher, verstehst du, war ein Gitter rings um den Park -herum; ich habe es wegnehmen lassen.«</p> - -<p>»Das hast du gethan?«</p> - -<p>»Ja,« sagte er einfach.</p> - -<p>Sie ruckte an seinem Arm; beide blieben stehen.</p> - -<p>»Eberhard,« sagte sie leise, indem sie ihm in die Augen -sah, »weißt du, was ich glaube? Daß du der beste, gütigste -Mensch bist, den es auf Erden gibt.«</p> - -<p>Er wandte das Haupt zur Seite, als wolle er ihrem -Blicke ausweichen. Es gibt Menschen, die es nicht vertragen, -daß man sich mit ihnen beschäftigt; vielleicht auch, daß er -an den Vormittag zurückdachte, da er nahe daran gewesen -war, den alten Johann zu erschlagen, und daß ihr Lob ihm -darum ungerechtfertigt erschien – er erwiderte nichts und -drückte nur hastig ihre Hände. Dann schlang er ihren Arm -wieder in den seinen und setzte den Weg mit ihr fort.</p> - -<p>Von der Allee bogen sie in einen Seitenweg ab, und -<a class="pagenum" id="page_062" title="62"> </a> -indem sich nun der Park tief wie ein Wald vor ihr aufthat, -sah und empfand Anna erst, wie schön und herrlich er war.</p> - -<p>»O Eberhard,« fuhr sie bewundernd heraus, »wie muß -das alles herrlich sein, wenn es erst Frühling wird und -alles in Laub und Blättern steht!«</p> - -<p>Nun warf er den Arm um sie her; sie fühlte seinen -leidenschaftlichen Druck.</p> - -<p>»Meinst du, daß es schön sein wird? Glaubst du, daß es -dir gefallen wird? daß du glücklich sein wirst? Glaubst du's?«</p> - -<p>»Ja doch, ja gewiß,« erwiderte sie, indem sie sich -bemühte, ihn den Schreck nicht fühlen zu lassen, den seine -plötzliche Leidenschaftlichkeit ihr eingejagt hatte.</p> - -<p>»Dann will ich dir etwas sagen,« fuhr er fort, indem -er sie eng an sich preßte, »sprich nie von mir! Hörst du? -Sag nie, daß ich gut bin! Von mir, siehst du, muß nie die -Rede sein; das ist mir gerade recht, ist mir das allerliebste! -Nur du bist da, und du sollst glücklich und zufrieden sein. -Siehst du, ich will mal ein Bild brauchen, damit du's verstehst: -du bist für mich wie die Sonne, und ich bin wie die -Erde. Und wenn die Sonne scheint, siehst du, dann ist die -Erde glücklich, daß sie sich um die Sonne drehen kann. Und -mehr will ich nicht und brauch' ich nicht. Und darum gibt's -für die Sonne nur eine Verpflichtung: nämlich, daß sie da -ist und leuchtet, weiter gar nichts. Und nun sag' mir, -wirst du daran denken? Und da sein für mich und leuchten? -Wirst du's? Versprichst du's?«</p> - -<p>Was blieb ihr anders übrig, als es zu versprechen? -Aber während sie es that, fühlte sie beklommenen Herzens, -daß es nicht immer leicht sein mochte, nichts weiter als -»Sonne« zu sein und immerdar zu leuchten.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_063" title="63"> </a> -Indem sie dem Schlosse näher kamen, lichtete sich der -Park, das Baumdickicht blieb hinter ihnen und der Weg -führte an Rasenflächen und Blumenbeeten vorüber.</p> - -<p>Anna riß sich vom Arme des Bräutigams los und -schlug in die Hände.</p> - -<p>»O herrlich!« rief sie, »hier beginnt mein Reich!«</p> - -<p>Sie lief einige Schritte voraus und achtete nicht darauf, -daß ihre Füße in dem aufgeweichten Boden beinahe bis an -die Knöchel einsanken. Zwischen den kahlen Blumenbeeten -ging sie auf und ab.</p> - -<p>»O Eberhard,« rief sie, »Eberhard, wie sieht das hier -aus! Da bekomme ich Arbeit! Da bekomme ich Arbeit!«</p> - -<p>Der Baron war hinter ihr stehen geblieben.</p> - -<p>»Geh nicht zu weit,« warnte er scherzend, »du ertrinkst -mir am Ende noch, bevor du an deine Arbeit kommst.«</p> - -<p>Jauchzend flog sie zu ihm zurück. Blumen gab es also -auch hier in dem verwunschenen Hause, und da wo Blumen -sind, ist ja auch Licht! Im Augenblick aber, da sie ihm in -die Arme fallen wollte, blieb sie jählings stehen. Jetzt erst -bemerkte sie, was sie vorhin nicht gesehen hatte, daß sie unmittelbar -vor dem Schloß standen.</p> - -<p>Auf einem Unterbau von mächtigen Granitquadern, der -nur von wenigen, engen, vergitterten Fenstern durchbrochen -war, erhoben sich zwei Stockwerke, deren jedes zwölf Fenster -zeigte. Himmelhoch sah es von hier unten aus, die Mauern -ganz grau, beinahe schwärzlich, wie angeblakt vom schweren -Atem der Jahrhunderte; wie ein Gebirge lag es da, und -obschon keine Sonne am Himmel stand, war es, als wenn -es einen schweren Schatten über die Menschen würfe, die -schweigend zu ihm aufblickten.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_064" title="64"> </a> -»Du mußt nicht erschrecken,« sagte der Baron, als er -in Annas Zügen den Eindruck wahrnahm, den die düstere -Behausung in ihr hervorrief, »es ist ein altes Komtureigebäude, -daher ist es so alt und sieht so finster aus.«</p> - -<p>»Aber weißt du,« erwiderte sie, indem sie sich in seinen -dargebotenen Arm hing, »wenn du es mit frischer Farbe -anstreichen ließest, würde es gewiß viel freundlicher aussehen.«</p> - -<p>Er nickte zufrieden.</p> - -<p>»Siehst du,« sagte er, »das ist gleich ein vortrefflicher -Gedanke. Ich merke schon, es kommt mit dir ein neuer -Geist ins alte Haus.«</p> - -<p>Er führte sie darauf durch eine Halle, die vom Garten -nach dem Hofe hindurchging, und als Anna, mit offenem -Munde, stehen bleiben und den großen, seltsam ausgeschmückten -Raum bewundern wollte, zog er sie weiter.</p> - -<p>»Komm,« mahnte er, »es ist kalt hier drin.«</p> - -<p>In dem schwachen Lichte, das durch enge Fenster hereinfiel, -hatte sie nur soviel sehen können, daß die Wände von -oben bis unten mit Jagdtrophäen und Jagdgeräten behangen -waren. Hirschgeweihe, Wildschweinsköpfe und Köpfe von -Elentieren, mit lang herabhängenden Schnauzen, ragten -aus den Mauern hervor; das Jagdgerät und die Waffen -schienen uralt zu sein; ein riesiger Kamin, in dem kein Feuer -brannte, befand sich in der einen Wand.</p> - -<p>Sie traten auf den Hof hinaus, den auf der einen Seite -das Schloß, auf der andern ein Wirtschaftsgebäude umgab, -und hier öffnete sich das Thor, das zu den oberen Räumen -führte.</p> - -<p>Durch einen Vorflur, dessen Boden mit Steinfliesen -belegt war, und wo rechts und links zwei alte große Bilder -<a class="pagenum" id="page_065" title="65"> </a> -an den Wänden hingen, Pferde in Lebensgröße darstellend, -die von Stallknechten in der Kleidung des siebzehnten Jahrhunderts -geführt wurden, gelangte man an die Treppe.</p> - -<p>Es war eine Stiege von altem dunklen Eichenholz, -mit so flachen Stufen, daß man das Steigen kaum gewahr -wurde. Schwere Geländer liefen zu beiden Seiten hinauf.</p> - -<p>Anna wußte kaum, wie ihr zu Mute war, als sie in -diese wuchtige, von Jahrhunderten gesammelte und aufgespeicherte -Pracht hineinschritt; die Erinnerung an den -Abend kam ihr zurück, als sie zum erstenmal in seinem -Wagen nach Hause gefahren war.</p> - -<p>Der Mann an ihrer Seite aber preßte ihren Arm und -ließ ihr keine Zeit zum Besinnen.</p> - -<p>»Hast du gehört,« fragte er, indem er sie die Stufen -hinaufzog, »wie die alte Treppe geknackt hat? Das ist eine -gute Vorbedeutung; sie hat die neue Herrin erkannt und sie -begrüßt.«</p> - -<p>Stumm drückte sie ihm die Hand. Sie hätte so gerne -etwas Fröhliches erwidert, aber das fremdartige Neue, das -sie umgab, lastete auf ihrer Brust.</p> - -<p>Es war ein altertümlich gebautes und verbautes Haus -mit lichtlosen Räumen. Die Treppe mündete in einen Flur, -der keine Fenster hatte, sondern nur durch eine hoch oben -im Dache angebrachte Glasscheibe so viel Helligkeit empfing, -daß man die Gegenstände ringsumher erkennen konnte. Eine -schmalere Treppe leitete vom ersten zum zweiten Stockwerke -hinauf; der Haupttreppe gegenüber öffnete sich ein Gang, -an dessen rechter, nach dem Hofe gelegener Seite sich eine -Reihe kleiner, winklig ineinander geschobener Gemächer befand; -die eigentlichen Wohn- und Staatszimmer lagen vom -<a class="pagenum" id="page_066" title="66"> </a> -Eintretenden links, durch eine Glasthür vom Flure getrennt.</p> - -<p>Als der Baron mit Anna die Treppe bis zum ersten -Stock hinaufgestiegen war, öffnete sich die Glasthür und es -erschien eine Gestalt, die Anna, in dem Dämmer, der sie -umgab, kaum zu erkennen vermochte. Es war der alte Johann, -der lautlos daran ging, seinem Herrn und dessen Begleiterin -die Mäntel abzunehmen.</p> - -<p>Hinter der Glasthür war noch ein Vorraum, und hier -herrschte eine so völlige Dunkelheit, daß Anna nur tappend -weiter zu schreiten vermochte. Plötzlich aber brach Licht herein. -Der Baron hatte eine Thür geöffnet, die Anna nicht gesehen -hatte; an der Hand zog er sie über die Schwelle, und -mit einem unwillkürlichen »Ah« – des Staunens und der -Bewunderung stand sie mitten im Zimmer.</p> - -<p>Der Raum, der sie umgab, war ein großer, viereckiger -Saal, dessen Decke in gotischen Spitzbogen gewölbt war -und dessen Wände von großen, vom Fußboden bis an -die Decke reichenden Bücherschränken eingenommen wurden. -Die Schränke waren durch dicke, rotbraune Holzsäulen voneinander -getrennt, die kunstvoll, in Gestalt von Palmbaumstämmen -ausgeschnitzt waren. In den Schränken drängte -sich eine Masse von Büchern; vom Knaufe der Decke, in -dem die Spitzbogen des Gewölbes zusammenliefen, hing ein -schwerer, altertümlicher Kronleuchter herab und unter dem -Kronleuchter, inmitten des Raumes, stand ein Frühstückstisch -für zwei Menschen zugerichtet.</p> - -<p>Der Baron trat an den Tisch.</p> - -<p>»Du mußt hungrig geworden sein,« sagte er, »wollen -wir gleich frühstücken?«</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_067" title="67"> </a> -Anna aber stand in Staunen befangen und erstarrt.</p> - -<p>»Nachher,« erwiderte sie auf die Einladung des Barons, -»erst muß ich mir das alles ansehen. Das ist ja zu merkwürdig!«</p> - -<p>Sie ging von Schrank zu Schrank, sie befühlte mit den -Händen die geschnitzten Säulen und sah erst jetzt, welche -Fülle erfinderischer Kunst dahineingelegt war. An den Palmen -kletterten, in Holz geschnitzt, Affen, Leoparden und andre -fremdartige Tiere auf; in den Wipfeln, die sich unter der -Deckenwölbung ausbreiteten, sah man Papageien und andre -Vögel sich wiegen.</p> - -<p>»Wie wundervoll,« sprach sie staunend vor sich hin, -»wie wundervoll.«</p> - -<p>Der Baron verfolgte schweigend ihr Umherwandern.</p> - -<p>»Das ist Holzschnitzerei aus dem Anfange des siebzehnten -Jahrhunderts,« erklärte er.</p> - -<p>Aus dem Anfange des siebzehnten Jahrhunderts – -Anna blieb stehen und sah zu ihm hinüber. Das war ja -ein königliches Besitztum – und in dem sollte sie gebieten? -Sie, das dürftige Gewächschen des neunzehnten Jahrhunderts?</p> - -<p>Sie trat vor den Kamin, in dem ein Feuer von mächtigen -Holzscheiten prasselte; dann ging sie an die Fenster und -bemerkte, daß sie auf den Park hinausgingen und daß sie -sich hier am Ende der Schloßfront befand. Zu ihrer -Rechten war die Thür geöffnet, durch die man in die anstoßenden -Gemächer blickte. Die Thüren all dieser Zimmer -standen offen, so daß sich der Blick in einer schier endlosen -Flucht von Räumen verlor, aus denen ein unbestimmtes -Leuchten und Glänzen zu ihr drang. Sie ahnte, daß -<a class="pagenum" id="page_068" title="68"> </a> -in allen diesen Gemächern eine gleiche Pracht wie in diesem -ersten herrschen mochte. Stärker als Hunger und Durst war -die Neugier.</p> - -<p>»O Eberhard,« sagte sie leise, indem sie die Hände zusammenlegte, -»thu mir's zuliebe, zeig mir das alles erst. -Frühstücken können wir ja nachher.«</p> - -<p>Er war bereit, und an seiner Seite ging sie nun über -den spiegelglatten Parkettboden in das nächste Zimmer und -von da weiter.</p> - -<p>Die Räume waren, wie man das in alten Häusern findet, -launenhaft unsymmetrisch gebaut; bald in Form von langen, -schmalen Gängen, bald zu tiefen Gelassen ausgeweitet.</p> - -<p>Allen gemeinsam aber war die reiche Pracht der Ausstattung. -Ein altertümlicher schwerer Prunk herrschte in dem -Mobiliar. Tiefrückige Sofas, mit vergoldeten, in Löwenköpfen -auslaufenden Armlehnen; Lehnstühle von schwarzem -Ebenholz; dazwischen, einer jüngeren Epoche entstammend, -kleine Stühle von zartem, vergoldetem Holz und Rohrgeflecht. -Dunkelroter Sammet in dem einen, dunkelblauer Sammet -in dem nächsten Zimmer, dann wieder Polster von goldgepreßtem -Seidenstoff. An den Wänden große Spiegel in -massiv goldenen oder silbernen Rahmen und eine Fülle von -Bildern. Unter diesen, die sämtlich von älteren Meistern -herrührten, vielfach hervorragende Werke; wie denn überhaupt -die ganze Ausschmückung der Räume den Eindruck -erweckte, daß ein hochentwickelter Kunst- und Schönheitssinn -zur geistigen Erbschaft der Fahrenwalds gehörte.</p> - -<p>Am liebsten wäre Anna vor jedem einzelnen Bilde stehen -geblieben; aber dann hätte sie bis zum Abend stehen können, -und heut abend wollten sie doch wieder in Breslau zurück -<a class="pagenum" id="page_069" title="69"> </a> -sein. Darum ließ sie sich von ihrem Begleiter weiterführen, -und nur in einem der Gemächer machte sie unwillkürlich vor -den Gemälden Halt.</p> - -<p>Es war dies ein gangartiger Raum, ungefähr wie eine -Galerie. Auf der Tapete von dickem purpurrot gefärbten -Leder hing eine Reihe von Porträts, Männer und Frauen -darstellend, offenbar die hauptsächlichen Vertreter des Geschlechts.</p> - -<p>Aus dem sechzehnten Jahrhundert kamen sie hervor und -gingen bis in die Neuzeit, eine gemalte Chronik der wandelnden -Tracht und Kultur.</p> - -<p>Die Augen des jungen Weibes hafteten an den Kleidungen, -daneben aber beschäftigte es sie, den stark hervortretenden -Zug von Familienähnlichkeit wahrzunehmen, der -die Gesichter innerlich verband. Lauter edle, fein ausgearbeitete -Physiognomieen, mit bleichen Zügen und dunklen, -schwermütigen Augen, eine Reihe von Menschen, von denen -der vorhergehende immer dem nachfolgenden die schwere Bürde -des Lebens auf die Schultern zu legen schien, froh, daß er -sie nicht länger zu schleppen brauchte.</p> - -<p>Annas Blicke gingen zu Eberhard hinüber, dem letzten -Fahrenwald, der mit offenbarer Ungeduld an der Thür zum -nächsten Zimmer ihrer wartete, und sie stellte fest, daß -sein Aeußeres ihn als echten Nachkommen seiner Vorfahren -verkündete.</p> - -<p>Als sie seine Ungeduld bemerkte, riß sie sich los, um -ihm zu folgen, an der Thür zum Nebenzimmer aber hing ein -Bild, das ihre Schritte wider ihren Willen bannte.</p> - -<p>Ein alter, weißhaariger Mann, in langem schwarzen -Rock, über den am Halse ein breiter, spanischer Spitzenkragen -<a class="pagenum" id="page_070" title="70"> </a> -fiel, saß an einem Tische, auf dem sich Phiolen, Retorten -und all die Geräte befanden, wie sie vor Zeiten die Alchimisten -gebraucht hatten.</p> - -<p>Das aber, was den Beschauer an das Bild fesselte, -waren die Augen des alten Mannes; diese Augen waren -schrecklich. Stier und starr, mit einer Wut im Ausdruck, -die lebendig geblieben zu sein schien, nachdem der Körper -des Mannes längst im Grabe zerfallen war, bohrten sie aus -der Leinwand hervor.</p> - -<p>Während Anna sprachlos vor dem Gemälde stand, trat -der Baron zu ihr heran und faßte sie, beinah heftig, -am Arm.</p> - -<p>»Komm fort,« sagte er. Der Ton seiner Stimme war -rauh, wie nie zuvor.</p> - -<p>Von dem unheimlichen Anblick gefesselt, stand sie noch -immer. Jetzt wandte er sich nach der Thür, durch welche -sie in die Galerie eingetreten waren.</p> - -<p>»Hatte ich dir nicht befohlen, das Bild fortzunehmen?«</p> - -<p>Sie drehte den Kopf – zu wem sprach er?</p> - -<p>In der Thür stand der alte Johann, der, wie es schien, -lautlos hinter ihnen drein gekommen war.</p> - -<p>Sie sah, wie er langsam den Kopf vorstreckte und die -Augen auf den Baron richtete.</p> - -<p>»Gnädiger Herr,« sagte er, »haben nichts davon befohlen.«</p> - -<p>In dem Augenblick fühlte Anna, deren Arm in dem -des Barons lag, wie ein Zucken durch dessen Körper ging. -Seine Gestalt reckte sich in allen Gelenken, so daß er Anna -um mehr als Kopfeslänge überragte.</p> - -<p>»Wenn ich's also wirklich noch nicht befohlen haben -<a class="pagenum" id="page_071" title="71"> </a> -sollte,« fuhr er fort, indem er über sie hinweg sprach, -»so befehl' ich es jetzt. Das Bild kommt fort von der Wand! -Gleich auf der Stelle! Jetzt!«</p> - -<p>Nun kam der alte Diener, immer den Kopf vorgestreckt, -und immer die Augen auf seinen Herrn gerichtet, zwei -Schritte näher.</p> - -<p>»Das soll fort? Das Bild von dem alten Herrn?«</p> - -<p>»Ja – hast du mich nicht verstanden?« erwiderte der -Baron, und seine Stimme rollte dumpf empor.</p> - -<p>»Wohin – soll ich's denn bringen?«</p> - -<p>Der Baron überlegte einen Augenblick.</p> - -<p>»Oben hinauf,« befahl er dann, »in die grüne Kammer.«</p> - -<p>In den Augen des alten Dieners zuckte ein grelles Licht -auf; es sah aus, als traute er seinen Ohren nicht.</p> - -<p>»Das Bild –« fragte er, beinah drohenden Tons, »von -hier fort? in die grüne Kammer?«</p> - -<p>Und jetzt geschah etwas, das Anna mit eisigem Schreck -überlief; von dem Mann an ihrer Seite, von dessen Mund -sie bisher nur Töne sanftester Güte vernommen hatte, kam -plötzlich ein unbeschreibbarer Laut.</p> - -<p>»Wenn dir das also nicht paßt,« schrie er, »dann also -anders: auf den Boden mit dem Bild!«</p> - -<p>Der alte Johann erwiderte nichts, rührte sich aber auch -nicht vom Fleck, nur sein Mund that sich halb auf, daß -man die langen Zähne darin sah.</p> - -<p>In der Brust des Barons stieg etwas herauf, gurgelnd -und rauschend, wie eine steigende Flut.</p> - -<p>»Auf den Boden damit, hast du mich gehört?«</p> - -<p>Diesmal schrie er nicht, er brüllte. Anna blickte auf; -sein Gesicht war verzerrt.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_072" title="72"> </a> -Ein furchtbares Entsetzen überkam sie.</p> - -<p>»Eberhard!« kreischte sie auf.</p> - -<p>Als er den Schrei vernahm, senkte er den Blick zu -ihr. Sie stand leichenblaß, mit schlotternden Gliedern, die -Hände wie flehend und zugleich wie abwehrend zu ihm erhoben. -In dem Augenblick war es, als knickte sein aufgestraffter -Körper in sich zusammen, die lodernde Wut in -seinen Augen erlosch, um einem maßlosen Erschrecken zu -weichen, und mit einem dumpfen »o mein Gott« schlang er -beide Arme um sie, riß sie an seine Brust, und so, indem -er sie an sich gepreßt hielt, zog er sie aus der Galerie in -das anstoßende Gemach, wo er sie auf das Sofa niedersinken -ließ.</p> - -<p>Sobald sie Platz genommen, sank er knieend zu ihren -Füßen, das Haupt in ihren Schoß gedrückt, die Hände um sie -gelegt, als fürchtete er, daß sie aufspringen und entfliehen -würde. Daran aber hätte Anna wohl kaum gedacht, sie -fühlte sich von dem eben erlebten Schreck ganz kraftlos und -gebrochen. Sie mußte die Zähne aufeinanderpressen, damit -sie nicht klappernd zusammenschlugen, ihre Glieder -zitterten wie im Frost.</p> - -<p>Als der Baron das Beben ihres Leibes verspürte, hob -er das Gesicht zu ihr auf.</p> - -<p>»Aengstige dich nicht,« flehte er, »ängstige dich nicht.«</p> - -<p>Aber er sah ihre Augen mit stummem Grauen auf sich -gerichtet.</p> - -<p>»Es war ja um deinetwillen, daß ich so heftig wurde,« -fuhr er fort, »weil ich sah, daß das Bild dich erschreckte.«</p> - -<p>Und als sie noch immer nicht im stande war, ein -Wort zu erwidern, drückte er das Haupt wieder in ihren -<a class="pagenum" id="page_073" title="73"> </a> -Schoß und schüttelte es und faßte sie fester mit den -Händen.</p> - -<p>»Geh nicht von mir!« stöhnte er, »verlaß mich nicht!«</p> - -<p>Bei diesem Worte wurde ihr wieder weich und warm. -Schweigend breitete sie die Arme um ihn her, senkte das -Gesicht auf sein Haupt und ein Strom von Thränen, der -lautlos aus ihren Augen brach, verkündete, daß das Eis geschmolzen -war, das sich für einen Moment um ihre Seele -gelegt und sie von ihm getrennt hatte.</p> - -<p>So saßen sie schweigend bei einander, lange Zeit. -Das einzige Geräusch, das man vernahm, war das Knistern -des Holzes im Kamin, das in sich zusammenfiel, um sich in -Kohle zu verwandeln und danach zu Asche zu werden. Sonst -regte sich kein Laut, und es war, als hauchten die alten Möbel, -die Bilder an den Wänden die dumpfe Stille aus, die wie -eine Last im Zimmer lag. Es war, als thäten sich geräuschlos -in Winkeln und Ecken und in der Luft umher Augen -auf, dunkle, schwermütig forschende Augen, als blickten sie -fragend auf die beiden in sich versunkenen Menschen dort, -und als blinzelten sie sich gegenseitig zu, Gedanken tauschend, -wie die Abgeschiedenen sie verstehen, die Lebenden aber nicht.</p> - -<p>Endlich hatte Anna ihre Fassung wieder erlangt.</p> - -<p>»Komm weiter,« sagte sie, indem sie sich vom Sofa erhob.</p> - -<p>Er stand auf.</p> - -<p>»Nun wirst du wohl nichts mehr sehen wollen?« -fragte er.</p> - -<p>Sie fühlte, daß sie ihm Mut machen müsse.</p> - -<p>»O ja, gewiß,« versetzte sie, »du hast es mir versprochen, -und Versprochenes muß man halten.«</p> - -<p>Sie hing sich in seinen Arm, sie bemühte sich, einen -<a class="pagenum" id="page_074" title="74"> </a> -leichten Ton anzuschlagen und ihm zu zeigen, daß alles überwunden -und vergessen sei.</p> - -<p>So führte er sie denn weiter, bis daß sie am andern -Ende der Zimmerflucht in zwei kleinere, freundlichere Gemächer -gelangten.</p> - -<p>»Siehst du,« sagte er, stehen bleibend, »dies, hatte ich -gedacht, sollte dein Wohnzimmer sein, und dort nebenan -solltest du schlafen.«</p> - -<p>Anna blickte umher.</p> - -<p>»O ja,« meinte sie, »hier könnte es mir gefallen.«</p> - -<p>Sie ging ans Fenster.</p> - -<p>»Da hab' ich ja gerade meine Blumen vor mir,« sagte -sie, indem sie in den Garten hinunterblickte. »Das macht -sich alles ganz vortrefflich. Nur, weißt du, was ich möchte? -Daß das Zimmer vielleicht eine andere Tapete bekäme.«</p> - -<p>Sie trat an die Wand und befühlte den dicken, dunkelbraunen -Stoff, mit dem sie bekleidet war.</p> - -<p>»Das ist ja alles ganz prachtvoll,« fuhr sie fort, »und -die eingepreßten Goldmuster geradezu kostbar, aber siehst -du, ich bin nun einmal ein Kind unsrer Zeit und möchte es -gern ein bißchen heller haben und freundlicher.«</p> - -<p>Der Baron machte ein Gesicht wie ein vergnügtes Kind.</p> - -<p>»Aber Anna,« rief er, »das ist ja mein Gedanke gewesen -von Anfang an! Alle Zimmer miteinander möchte ich umtapezieren -lassen, damit mehr Licht in die alte Finsternis -kommt. Und in Breslau habe ich ein Muster gesehen, -weißen Untergrund mit goldenen und blauen Blumen, etwas -reizend Freundliches, den suchen wir uns, gleich morgen, -nicht wahr?«</p> - -<p>Sie nickte ihm zu.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_075" title="75"> </a> -»Gleich morgen,« sagte sie.</p> - -<p>Er ergriff ihre Hände. Es sah aus, als wolle er sich -bei ihr bedanken.</p> - -<p>»Und andre Möbel darf ich dir auch hineinstellen? -Nicht wahr? Diese alten, schweren Sessel mit den riesigen -Lehnen, diese bauschigen Sofas, das ist doch alles nichts -für dich? Nicht wahr? Etwas recht Zartes, Luftiges und -Duftiges suchen wir uns aus, das erlaubst du mir? Nicht -wahr? Hast du Rosenholz gern?«</p> - -<p>Sie sah ihm in die Augen und neigte das Haupt.</p> - -<p>»Alles, was dir gefällt, wird auch mir gefallen, und -was du mir schenkst, nehme ich gern.«</p> - -<p>Ein Freudenschein zuckte über sein Gesicht. Er machte -eine Bewegung, um sie zu küssen, bevor er aber dazu gelangte, -bog er den Kopf wieder zurück. Der ängstliche Ausdruck, -mit dem er sie ansah, verriet, daß er sich nicht getraute. -Er dachte an den Auftritt von vorhin.</p> - -<p>Anna schob langsam die Hände an seinen Armen hinauf, -bis daß sie auf seinen Schultern ruhten. Da stand er -vor ihr, der Besitzer all dieser Pracht und Herrlichkeit, der -gegenüber sie sich wie eine Bettlerin erschien, da stand er, -der starke Mann, in dessen Armen sie wie Glas zersplittert -wäre, wenn seine Kraft sich gegen sie gewandt hätte – und -bat sie, demütig wie ein Knabe, ihr all seinen Reichtum zu -Füßen legen zu dürfen, und wie ein Schuldbewußter wagte -er nicht, sie zu küssen. Und worin bestand denn seine Schuld? -Ein unaussprechliches Mitleid quoll ihr im Herzen empor, -die Thränen drängten sich ihr in die Augen. Aber sie wollte -ihn keine Thränen sehen lassen, sie zwang sich zum Lächeln, -und so, weil ihr trotz allem Widerstand die Augen dennoch -<a class="pagenum" id="page_076" title="76"> </a> -übergingen, hob sie sich auf den Fußspitzen empor, und unter -Thränen und Lächeln suchte sie mit ihrem Munde seinen -Mund. Aufatmend, wie nach tiefer überstandener Qual, -beugte er sich zu ihr herab, und der Kuß, in dem sie sich -zusammenfanden, war wie ein gegenseitiges Versprechen, daß -sie nun ein neues Leben begründen wollten in dem alten, -ausgestorbenen Hause.</p> - -<p>Raschen Schrittes kehrten sie darauf zu dem Saale zurück, -wo das Frühstück angerichtet stand. Die warmen -Speisen waren inzwischen kalt geworden, aber das störte die -Laune nicht. Auch war neben den warmen Gerichten kalter -Braten in genügender Fülle da, um sich daran satt zu essen. -Während der alte Johann die Teller wechselte, schenkte der -Baron ihr Wein ein, und sie trank ein tüchtiges Glas. Sie -war nun ganz heiter, ganz ihrem Berufe als »Sonne« treu, -und der Baron, ihre »Erde«, leuchtete in ihrem Lichte auf.</p> - -<p>Das einzige, was sie einigermaßen hätte stören können, -war der Anblick des alten Dieners, der schweigend aufwartete -und, während sie aßen und tranken, hinter dem Stuhle seines -Herrn stand.</p> - -<p>Unwillkürlich gingen ihre Blicke von Zeit zu Zeit zu -ihm hin, und immer sah sie ihn dann in einer ganz seltsamen -Haltung, regungslos, den Kopf wie in brütendem -Sinnen zu Boden gesenkt, an seinem Platze stehen.</p> - -<p>Offenbar dachte er immer noch darüber nach, wie furchtbar -und eigentlich grundlos der Baron ihn vorhin angefahren -hatte. Das that ihr so leid um den alten Mann. Sie fühlte -das Bedürfnis, ihm irgend eine kleine Freundlichkeit zu erweisen. -Zwischen Herrn und Diener war offenbar eine -Spannung; es wäre ihr so lieb gewesen, wenn sie das Verhältnis -<a class="pagenum" id="page_077" title="77"> </a> -zu einem guten hätte machen können; Menschen, die -so einsam leben, wie sie drei nun bald leben würden, müssen -sich doch verstehen, dürfen nicht mit feindseligen Gedanken -umeinander hergehen.</p> - -<p>»Aber wissen Sie, Johann,« fing sie möglichst unbefangenen -Tones an, indem sie den Kopf zu ihm erhob, -»ich muß Ihnen wirklich mein Kompliment machen, wie -das Schloß im Stande gehalten ist. Da ist ja kein Stäubchen -und kein Fleckchen, und das Feuer in den Kaminen –« -Sie brach im Satze ab.</p> - -<p>Der Alte, als er seinen Namen von ihrem Munde hörte, -hatte langsam, wie aus einem Traume zurückkommend, den -Kopf erhoben und die Augen auf sie gerichtet, und als sie -seine Augen sah, konnte sie nicht weiter.</p> - -<p>Was für Augen waren das! Stierend, bohrend, als -wollten sie sich durch ihre Augen hindurch bis in das Mark -ihres Lebens hineinwühlen. Dabei that sich, wie sie es -vorhin schon an ihm wahrgenommen hatte, sein Mund halb -auf, so daß die langen Zähne sichtbar wurden, der Kopf -schob sich nach vorn, und das ganze Gesicht nahm einen -Ausdruck an – ja, was war es nur für ein Ausdruck? -Anna begriff ihn zuerst gar nicht, dann kam ihr das Bewußtsein: -das war ja Haß! Wütender Haß! Sie hing -wie gebannt an diesem Gesicht. – Was hatte sie ihm gethan? -War er so erbittert über sie, weil sie ahnungslos -die Ursache gewesen war, daß sein Herr so heftig gegen ihn -wurde?</p> - -<p>Der Baron, der nervös aufgezuckt war, als sie sich an -den Alten wandte, hatte ihr plötzliches Verstummen bemerkt. -Jetzt sah er ihr totenblasses Gesicht und ihre verstörten Augen.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_078" title="78"> </a> -»Ist dir etwas?« fragte er.</p> - -<p>Er faßte nach ihrer Hand; ihre Hand war eiskalt.</p> - -<p>»Ist dir unwohl?« wiederholte er hastig seine Frage.</p> - -<p>Sie schüttelte den Kopf. Von der Stuhllehne, an die -sie zurückgesunken war, richtete sie sich gewaltsam auf. Sie -drückte seine Hand, als wollte sie ihn beruhigen.</p> - -<p>»Nein, nein, nein,« erwiderte sie. Ihre Stimme war -gepreßt, ihre Augen gingen zu den Büchern hinüber und -von den Büchern in irgend eine Ecke. Es war, als flüchteten -sie sich, als wüßten sie nicht mehr, wo sie hinblicken sollten. -Aufzuschauen wagte sie nicht, denn da stand ja der Alte; -den Baron anzuschauen vermochte sie auch nicht, denn sie -spürte, wie die wilde Unruhe in sein Gesicht zurückkehrte. -Der seltsame Raum, in dem sie sich befand, die fremdartigen -Tiergestalten in den geschnitzten Palmen – es war, als -wenn das alles zu einem lautlosen, unheimlichen, gespenstischen -Leben erwachte, als wenn es wirklich ein verwunschenes und -verzaubertes Haus sei, in das sie sich tollkühn hineingewagt -hatte, und aus dem es nun kein Entrinnen mehr gab. Eine -betäubende Angst legte sich auf sie, es war ihr zu Mute, -als würde ihr eine schwere bleierne Haube über den Kopf -gezogen.</p> - -<p>Jählings stand sie auf.</p> - -<p>»Ach, weißt du,« sagte sie mit taumelnder Stimme, -»ich glaube, wir möchten nach Haus fahren – ich glaube, -es wird Zeit.«</p> - -<p>Mit einem Sprunge war er neben ihr; er hatte gesehen, -wie sie wankte; er schlang den Arm um sie; mit -lastender Wucht lehnte sie an seiner Schulter.</p> - -<p>»Der Wagen soll vorfahren!« herrschte er dem Alten zu.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_079" title="79"> </a> -Sobald dieser hinaus war, beugte er sich zu ihr.</p> - -<p>»Was ist dir?« forschte er voller Besorgnis, »ist dir -etwas geschehen? Hat dir jemand etwas gethan?«</p> - -<p>Sie suchte mit den Augen umher – der Alte war -fort. Ihre Lippen bewegten sich lallend.</p> - -<p>»Er – ich weiß nicht, was ich ihm gethan habe – -hat mich so schrecklich angesehen.«</p> - -<p>»Der Johann?«</p> - -<p>Sie drückte das Gesicht an seine Brust.</p> - -<p>»Um Gottes willen bleib ruhig,« bat sie. Schon hörte -sie, wie die steigende Flut in seiner Brust wieder zu rauschen -begann; schon fühlte sie, wie der Griff seiner Hand, mit -der er sie umschlungen hielt, wieder eisern wurde.</p> - -<p>»Ich schicke ihn fort!« knirschte er.</p> - -<p>»Nein,« flehte sie, »nicht um meinetwillen!«</p> - -<p>»Ich jage ihn fort!« wiederholte er drohend.</p> - -<p>Sie waren, indem er das sagte, auf den Flur hinausgetreten; -er hatte so laut gesprochen, daß seine Worte durch -den ganzen Treppenraum hallten. Am Fuße der Treppe -stand der alte Johann; er hatte hören müssen, was der -Baron eben gesagt hatte. Und nun begab sich etwas Unerhörtes.</p> - -<p>Indem der Baron mit Anna die Treppe hinabzusteigen -begann, knickte der Alte da unten in die Kniee und fiel zu -Boden, beide Hände nach oben ausgestreckt. Das Haar hing -ihm wirr übers Gesicht, seine Augen waren ganz rot; seine -Brust arbeitete und sein Mund war weit offen. Aber er -brachte nichts hervor, als ein dumpfes Keuchen; mit plattem -Leibe warf er sich auf die Treppe, so daß sein grauer Kopf -auf den Stufen lag.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_080" title="80"> </a> -»Jesus, Gottes Sohn –« stammelte Anna, indem sie, -von Grausen gepackt, den Arm ihres Begleiters umklammerte -und ihn zum Stillstehen zwang.</p> - -<p>Jetzt fing der Alte mit dumpfer, heulender Stimme -an: »Gnädiger Herr wollen mich fortjagen – und ich habe -gnädigen Herrn auf den Armen getragen – und ich bin -immer mit gnädigem Herrn gewesen – und habe immer -nichts andres gedacht, als was gnädigem Herrn gut wäre -und gesund – und gnädiger Herr wollen mich fortjagen –«</p> - -<p>Annas Hand krallte sich in den Arm ihres Bräutigams, -sie wußte kaum mehr, was sie that; sie fühlte, wie die Ohnmacht -ihre Augen zu verdunkeln begann.</p> - -<p>»Sag ihm, daß du ihn behältst,« raunte sie mit fliegendem -Atem; »wenn du mich lieb hast, sag ihm, daß du ihn behältst!«</p> - -<p>Der Baron strich mit leiser Hand über ihr glatt gescheiteltes -Haar; die Ruhe war ihm zurückgekehrt.</p> - -<p>»Steh auf, Johann,« sagte er, »du sollst bleiben, ich -jage dich nicht fort.«</p> - -<p>Schwerfällig raffte sich der alte Mann auf und trat -an den Fuß der Treppe zurück. Er blickte nicht auf, seine -Arme hingen herab, mit der rechten Hand wischte er den -Treppenstaub von seinem Rock.</p> - -<p>»Und hier, bei dem gnädigen Fräulein bedanke dich,« -fuhr der Baron fort, indem er mit Anna bei ihm vorüberschritt, -»küß ihr die Hand, sie hat für dich gebeten.«</p> - -<p>Knechtisch gebeugten Hauptes trat der Alte auf Anna -zu, um ihr die Hand zu küssen. Solcher Bezeigungen ungewohnt, -wollte Anna es nicht dulden. Der Baron stieß -sie heimlich an.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_081" title="81"> </a> -»Thu's,« flüsterte er ihr zu, »es muß sein!«</p> - -<p>Nun überließ sie ihm ihre Hand, die der Diener, ohne -die Augen zu erheben, an den Mund führte.</p> - -<p>Indem sie die gebrochene Gestalt vor sich sah, überkam -sie ein wahres Jammergefühl. Unwillkürlich drückte sie seine -Hand.</p> - -<p>»Das alles wird vorübergehen,« sagte sie mit wohlwollendem -Trost, »ich weiß ja, wie treu Sie dem Herrn -Baron immer gewesen sind, und das sollen Sie auch in -Zukunft bleiben, und dann werden wir ganz gewiß gute -Freunde werden, ganz gewiß.«</p> - -<p>Sie vermochte nicht zu erkennen, welche Wirkung ihre -Worte auf den Alten hervorbrachten; ohne aufzublicken, zog -er sich zurück, und gebeugten Hauptes blieb er stehen, bis -Anna mit ihrem Begleiter auf den Hof hinausgetreten war. -Sie stiegen ein; der Wagen rollte ab, und als das Schloß -hinter ihnen lag, fühlte Anna es wie eine Erleichterung. -Aus dem Bereiche der Gespenster und Dämonen kehrte sie -zu den Menschen zurück.</p> - -<p>Von den Aufregungen erschöpft, die sie durchlebt hatte, -lehnte sie blaß und schweigend in der Wagenecke; der Baron -saß gleichfalls mit seinen Gedanken beschäftigt; so kamen sie -auf der Bahnstation an, und als der Abend einbrach, waren -sie wieder in Breslau.</p> - -<p>In seinem Coupé brachte er sie zu ihrer Wohnung; -im Hausflur nahmen sie Abschied voneinander.</p> - -<p>»Du siehst so müde aus,« sagte er, indem er sie in die -Arme nahm. »Wirst du auch gut schlafen?«</p> - -<p>Sie nickte stumm.</p> - -<p>Er stand noch immer und hielt sie umschlungen; sie -<a class="pagenum" id="page_082" title="82"> </a> -fühlte, wie schwer es ihm wurde, von ihr zu gehen. Es -war, als wenn er noch eines guten Wortes, eines Trostes -bedürfte. Sie nahm sich zusammen und sah ihn freundlich -lächelnd an.</p> - -<p>»Ich werde gut schlafen,« versicherte sie, »sei ganz unbesorgt, -und morgen holst du mich ab, damit wir uns die -Tapeten ansehen.«</p> - -<p>Das gab ihm das Leben wieder. Freudig drückte er -ihre Hand.</p> - -<p>»Ja, ja, morgen komm' ich, und dann holen wir uns -das neue Leben in das alte Haus!«</p> - -<p>Als Anna zu dem Onkel und der Tante zurückkam, -saßen die beiden alten Leute und spielten »Rabouge«, ein -Kartenspiel ältester Art, das heutzutage kaum jemand mehr -kennt. Das war ihre Beschäftigung, einen Abend wie alle -Abende. Von dem jungen Mädchen, das mit leisem »guten -Abend« zu ihnen eintrat, nahmen sie so gut wie keine Notiz. -Man konnte zweifeln, ob sie überhaupt wußten, daß sie den -Tag über fortgewesen war.</p> - -<p>Anna war daran gewöhnt. Ohne weiter zu sprechen, -setzte sie sich in einiger Entfernung von den Spielenden -nieder, so daß die Lampe, die auf dem runden Tisch stand, -gerade noch genug Licht für ihre Handarbeit abgab, dann -häkelte sie still vor sich hin und dachte nach.</p> - -<p>Welch ein Kontrast! Heut am Tage das Fahrenwaldsche -Schloß, und jetzt hier diese Behausung! Daß die -Wohnung ärmlich war, hatte sie wohl immer gewußt – -wie erbärmlich sie war, fühlte sie heut abend zum erstenmal -ganz. Als sie nach Haus gekommen war, hatte sie das -Behagen empfunden, daß sie wieder in Sicherheit sei – -<a class="pagenum" id="page_083" title="83"> </a> -jetzt, da sie in Sicherheit saß, fühlte sie, daß diese gleichbedeutend -mit Oede und Langeweile war.</p> - -<p>Hier diese dumpfen, stumpfen alten Menschen, die -vom Leben nichts mehr wissen wollten, die kein Wort, kaum -einen Blick für sie übrig hatten – und dort drüben der -Mann, der nur ein Verlangen hatte, aus Nacht und Grauen -ins helle gesunde Leben zu gelangen, der nach ihrer Persönlichkeit -lechzte, wie der Verschmachtende nach dem Wasser!</p> - -<p>Als sie heute mittag auf Schloß Fahrenwald beim -Frühstück gesessen und das Todesgrauen empfunden hatte, -mit dem all das Unverständliche, Unbegreifliche über sie herfiel, -war der Gedanke in ihr aufgestanden, daß es ihr unmöglich -sein würde, dort in Zukunft zu leben, daß sie das -Verhältnis mit Eberhard von Fahrenwald abbrechen müsse – -jetzt verblaßten die Schrecken und das Schöne blieb.</p> - -<p>Sie dachte an den Park zurück, den herrlichen, walddunkeln, -waldtiefen Park, und vergegenwärtigte sich, wie -schön es sein würde, wenn er im Frühling, Sommer und -Herbst ihr zu Häupten rauschte. An die Räume des Schlosses -dachte sie, die schweigenden, feierlichen Gemächer, an die -Bilder der Männer und Frauen, mit den edlen leidvollen -Gesichtern. War es ihr nicht, indem sie an sie dachte, -als wenn sie die Lippen aufthäten und sprächen: »Fürchte -dich nicht vor uns – wir sind nur unglücklich, nicht böse.« -War es nicht, als zeigten sie mit den stummen dunklen -Augen auf ihn, den Letzten ihres Stammes, und als sprächen -sie: »Hilf ihm – nur du kannst ihm helfen – und auch -er ist nicht böse.«</p> - -<p>Ach – ob sie es wußte, daß er nicht böse war!</p> - -<p>Als sie am späteren Abende ihr Schlafkämmerchen aufgesucht -<a class="pagenum" id="page_084" title="84"> </a> -hatte, lag sie knieend vor ihrem dürftigen Bett, die -gefalteten Hände in die Kissen gestützt, bitterlich weinend.</p> - -<p>Es war ihr, als stände er vor ihr und sähe sie an mit -den schwermütigen, bittenden Augen, als hätte er in ihrem -Herzen die Gedanken gelesen, die ihm die Treue gebrochen -hatten, und als müßte sie ihm abbitten, alles was sie gedacht.</p> - -<p>»Nein, nein, nein, ich will dich nicht verlassen! Furcht -und Feigheit sollen nicht stärker sein in mir, als die Liebe -in deinem gütigen, geliebten Herzen! Was auch das Leben -bringen mag, an deiner Seite will ich ihm entgegengehen -– das will ich – ja.« Und während ihre Lippen noch -das beteuernde »ja« sprachen, sank ihr Köpfchen in die -Kissen zurück, und sanft und ruhig schlief sie ein.</p> - -<p>Am nächsten Vormittage, seinem Versprechen getreu, -erschien der Baron, um Anna abzuholen.</p> - -<p>Bei drei Tapetenhandlungen fuhr man vor, und alle -drei Lager wurden von oben bis unten durchstöbert, bis -man das Muster gefunden hatte, das für die beiden Zimmer -als das passendste erschien; eine weiße Tapete mit blaugoldenen -Frucht- und Blumenstücken für das Wohngemach, -eine himmelblaue für das Schlafzimmer; beide das Lieblichste, -Freundlichste, was man sich denken konnte. Anna war ganz -erschöpft, der Baron zeigte keine Spur von Müdigkeit.</p> - -<p>»Jetzt,« meinte er, »sollten wir gleich noch an die -Möbel denken.«</p> - -<p>Anna verweigerte lachend den Gehorsam.</p> - -<p>»Morgen,« sagte sie, »das hat Zeit bis morgen.«</p> - -<p>»Gut, so wollen wir jetzt aber frühstücken.«</p> - -<p>Es half ihr nichts, daß sie auf das nah bevorstehende -Mittagessen verwies.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_085" title="85"> </a> -»Ach was, dein Onkel und deine Tante können auch -ohne dich essen.«</p> - -<p>Er war ganz ausgelassen, ganz glücklich, daß er das -geliebte Wesen einmal in seiner Gewalt hatte.</p> - -<p>So mußte sie ihm zu einem Restaurant folgen, und es -war natürlich nicht das schlechteste von Breslau. Dort -tafelten sie.</p> - -<p>Als sie auf die Straße hinaustraten und den Wagen -wieder bestiegen, glühte Annas Gesicht und ihr Köpfchen -sank ganz schwer zurück.</p> - -<p>»Aber Eberhard,« sagte sie, »du hast mich ganz betrunken -gemacht mit dem vielen Champagner.«</p> - -<p>Sie lächelte, ihre Augen hatten einen schwimmenden -Glanz; indem sie sich lässig in die Wagenkissen zurücklehnte, -war eine Auflösung in ihrer ganzen Gestalt, wie er sie noch -nie an ihr gesehen hatte.</p> - -<p>Er schlang den Arm um sie und küßte sie mit einer -Glut, wie nie zuvor.</p> - -<p>»Weißt du,« sagte er, »das ist köstlich. So wollen -wir es jetzt alle Tage machen; so reizend wie heut bist du -mir noch nie erschienen.«</p> - -<p>Ihr Körper lag warm und weich in seinen Armen; -das nachgiebige Widerstreben des jungen Leibes verlieh ihm -eine berauschende Lebendigkeit; es war das erste Mal, daß -das Blut der beiden Menschen zu einander zu sprechen begann.</p> - -<p>Am nächsten Tage ging es in gleicher Weise durch alle -Möbelhandlungen der Stadt, und endlich war ein Mobiliar -für die beiden Zimmer ausfindig gemacht, so zart und duftig, -als wären die Gemächer für eine Elfe bestimmt. Das Frühstück -<a class="pagenum" id="page_086" title="86"> </a> -durfte natürlich auch heut nicht fehlen, und so folgte -nun ein Tag dem andern.</p> - -<p>Der Baron war unerschöpflich in der Erfindung von -Notwendigkeiten.</p> - -<p>An Teppiche war ja noch gar nicht gedacht worden, -und als auch diese besorgt waren, fiel es ihm ein, daß -Portieren über den Thüren, Gardinen und Vorhänge vor -den Fenstern fehlten.</p> - -<p>Anna ergab sich lachend. Der Rausch, der ihn erfüllte, -teilte sich ihr allmählich mit; die täglichen Rundfahrten und -Einkäufe fingen an, ihr gar nicht übel zu gefallen. Es war -ja, als wenn sie das Märchen vom »Tischlein deck' dich« -leibhaftig erlebte; kaum daß sie einen Wunsch gedacht hatte, -war er schon erfüllt. Und wie unter seinen leidenschaftlichen -Küssen ihr Blut in immer heißeren Wellen zu rollen begann, -war es, als reckte und streckte sich ihre ganze Persönlichkeit; -aus der unscheinbaren Hülse des kleinen Mädchens -blühte die Jungfrau auf.</p> - -<p>An einem dieser Tage, als sie durch Blumen- und -Samenhandlungen gestreift waren, um Sämereien für den -Garten zu kaufen, und nun wieder im Wagen saßen, rückte -er, den Arm um sie geschlungen, dicht an sie heran.</p> - -<p>»Weißt du,« flüsterte er ihr ins Ohr, »nun hätte ich -eine große Bitte.«</p> - -<p>Sie lächelte vor sich hin; sie wußte ja, daß, um ihm -etwas zu geben, sie nur still zu halten brauchte und zu -nehmen.</p> - -<p>»Was denn also?« fragte sie.</p> - -<p>»Siehst du, ich habe mir das in meiner Phantasie so -ausgedacht: Wenn ich dich so in den Armen halte und an -<a class="pagenum" id="page_087" title="87"> </a> -mir fühle, komme ich mir vor, wie ein Gärtner, der eine -Blume groß zieht. Den Winter hindurch hat meine Blume -ihr altes, unscheinbares Gewand getragen, aber nun wird es -Frühling, siehst du, und da ist es doch in der Natur geboten, -daß sie sich anders und reicher und schöner kleidet? -Nicht wahr?«</p> - -<p>Anna senkte die Augen und sah stumm an sich hernieder. -Aermlich genug war sie ja freilich angezogen.</p> - -<p>»Und siehst du,« fuhr er fort, »was ich dich nun bitten -wollte: daß wir morgen in Kleiderhandlungen und Modemagazine -gehen und uns Stoffe aussuchen zu Kleidern für -dich, wie sie dir gefallen und am besten stehen?«</p> - -<p>Sie errötete in Scham.</p> - -<p>»Aber Eberhard,« erwiderte sie leise, »für seine Ausstattung -muß doch ein jedes Mädchen selbst sorgen!«</p> - -<p>Indem sie das aber sagte, fragte sie sich im stillen, wer -denn ihre Ausstattung besorgen sollte. Der Onkel und die -Tante etwa? Oder sie selbst, aus ihrem eigenen Vermögen? -Ja, wo war denn ihr eigenes Vermögen?</p> - -<p>»Nein, siehst du,« nahm er wieder eifrig auf, »das ist -mit uns etwas ganz andres. Das hab' ich dir ja gesagt, -daß du das Licht in meinem Leben bist, und ein Licht, siehst -du, das muß man sich selbst anzünden. Und sein Glück -muß man sich selbst erschaffen, wenn's ein echtes Glück sein -soll und einem Kraft und Mut verleihen soll. Und darum, -verstehst du, wenn ich dich so von Kopf bis zu den Füßen -einkleide in Stoffe, die ich dir geschenkt habe, dann wird -mir zu Mute sein, als hätte ich mir die ganze geliebte Gestalt, -die dann vor mir steht, selber erschaffen, und das -wird mir dann eine solche Kraft und Wonne und Seligkeit -<a class="pagenum" id="page_088" title="88"> </a> -verleihen, und das wirst du mir nicht verweigern. Nicht -wahr? Nicht wahr?«</p> - -<p>Sie vermochte nichts zu erwidern. Anfänglich, als sie -nur Mitleid mit dem Mann gefühlt hatte, der um ihre Liebe -flehte, war nur ihre Seele wach gewesen; jetzt, da er stark -und fröhlich war und sie am lebendig klopfenden Herzen -hielt, waren auch ihre Sinne erwacht. Sie hatte angefangen, -sich in ihn zu verlieben, und in dem großen Strome des -süßen, unbestimmten Gefühls trieb sie willenlos dem Manne -zu. Sie drückte ihr erglühendes Gesicht an seinen Hals.</p> - -<p>»Thu, wie du willst,« flüsterte sie.</p> - -<p>Und nun war es, als wären alle diese Besorgungen -nur Vorbereitungen für das Eigentliche und Wahre gewesen.</p> - -<p>Die Seidenwarenlager wurden förmlich geplündert, und -als sie damit fertig waren, wollte er sie in Wäschehandlungen -führen. Dem aber widersetzte sie sich.</p> - -<p>»Ich müßte mich ja zu Tode schämen, wenn mich ein -Mann dabei begleitete.«</p> - -<p>Er fügte sich ihrem Willen. Aber sie mußte versprechen, -daß sie sich das schönste Linnen, die zartesten seidenen -Strümpfe und das zierlichste Schuhwerk kaufen wollte. Die -Rechnungen sollten auf ihren Namen geschrieben werden, er -würde sie bei ihr abholen und alles abmachen.</p> - -<p>Wenn sie nicht gewußt hätte, daß er reich war, so hätte -sie ihn für einen rasenden Verschwender halten müssen.</p> - -<p>Ganze Ballen von Seidenstoffen und Leinen liefen nun -bei Anna ein; vierzehn Tage lang wurde geschneidert und -geschustert, als gälte es, den Brautstaat einer jungen Königin -fertigzustellen; der Onkel und die Tante gingen mit dumpf -<a class="pagenum" id="page_089" title="89"> </a> -verblüfften Gesichtern umher und wußten nicht, was sie -sagen sollten. Anna wußte es selber kaum; die Welt war -nicht mehr die Welt.</p> - -<p>Der Baron ließ sich in diesen Tagen nur von Zeit zu -Zeit sehen, und wenn er kam, war er in fliegender Hast. -Er war jetzt vielfach auf dem Schlosse draußen, wo die -Zimmer für Anna eingerichtet wurden. So oft er bei ihr -in der Stadt erschien, wurde er rasch wieder hinauskomplimentiert -– Frauen, die in solcher Thätigkeit stecken, können -Männer nicht brauchen. Gegen Ende der vierzehn Tage -aber, als sie ihn auf den Flur hinausbegleitete, hielt sie ihn -an der Hand fest.</p> - -<p>»Heute abend,« sagte sie leise, mit lieblichem Erröten, -»wird das crèmefarbige Seidenkleid fertig, das du so besonders -gern magst. Es hat einen sehr hübschen Schnitt -und wird mir vielleicht leidlich stehen.« Sie beugte sich -näher zu ihm.</p> - -<p>»Wenn du willst, kannst du morgen mittag kommen, -und ich will mich dir zeigen.«</p> - -<p>Er schloß sie an die Brust, als wollte er sie erdrücken.</p> - -<p>»Du Engel,« erwiderte er.</p> - -<p>Ein Glutstrom floß aus seinen Augen. Dann riß er -sich los, eilte die Treppe hinab, kehrte vom Absatz noch einmal -zurück, schloß sie noch einmal wie rasend in die Arme -und schoß dann zum Hause hinaus.</p> - -<p>Anna begriff kaum, was ihn so erregt hatte; aber die -Glut, die ihn erfüllte, setzte auch sie in Feuer, und als das -Kleid am Abend angekommen war, beschloß sie, sich am -nächsten Vormittage recht schön für ihn herauszuputzen.</p> - -<p>Es war das erste Mal im Leben, daß sie sich in so -<a class="pagenum" id="page_090" title="90"> </a> -kostbare Stoffe hüllte. Sie schloß sich in ihr Schlafkämmerchen -ein und kleidete sich von Kopf bis zu Füßen um, weil es -sie nun doch gelüstete, die neuangeschafften Sachen wirklich -einmal zu probieren.</p> - -<p>Wie das alles anders war als das, was sie bisher getragen -hatte! Wie grob das Hemd war, das sie auszog, -und wie weich sich das neue zarte Linnen um ihren Leib -schmiegte! Und die seidenen Strümpfe, in die ihre Füßchen, -nachdem sie die alten baumwollenen abgestreift hatte, -beinahe schüchtern hineinschlüpften, als wagten sie gar nicht -zu glauben, daß sie wirklich da hinein gehörten! Sie saß -ganz schamrot auf ihrem Stuhl und kicherte vor sich hin, -wie ein Kind, das etwas Unerlaubtes thut und jeden Augenblick -gewärtig ist, daß es ertappt und ausgescholten werden -wird. In den Spiegel zu sehen, hatte sie noch kaum gewagt, -auch befand sich in ihrem Schlafzimmer nur ein kleiner -Handspiegel, der ihr nicht sagen konnte, ob das Kleid ihr -saß. Dazu mußte sie in das Gesellschaftszimmer gehen, -wo zwischen den Fenstern ein größerer Wandspiegel angebracht -war.</p> - -<p>Als sie nun hier, die Bänder an ihrer Taille zurechtzupfend, -vor dem Spiegel, mit dem Rücken gegen die Thür -stand, wurde diese von außen aufgerissen und auf der Schwelle -erschien der Baron. Sie sah, wie er stehen blieb und ihre -Gestalt mit den Augen verschlang; in seinem Blick war eine -verzehrende Gier. Anna sah wirklich niedlich genug aus. -Das Kleid war tief ausgeschnitten, am oberen Rande und an -den Aermel-Oeffnungen mit einem Spitzenbesatze eingefaßt, -und aus den zarten Spitzen quollen die runden, weichen -Schultern, die nackten Arme in jugendlicher Fülle hervor.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_091" title="91"> </a> -Sie wollte ihn bedeuten, daß er sich noch einen Augenblick -gedulden müsse, aber bevor sie dazu gekommen war, -stand er schon hinter ihr, und gleichzeitig fühlte sie sich von -seinen Armen umfaßt, vom Boden emporgehoben und mit -einer Gewalt, wie von einem Orkane, an seine Brust gerissen. -Ihre Schultern, ihr Nacken und ihr Hals loderten -unter seinen Küssen.</p> - -<p>»Du zerdrückst mir ja das ganze Kleid,« wandte sie ein. -Der Ueberfall war ihr zu jäh gekommen; sie sträubte sich -in seinen Armen, aber er hörte nicht auf ihre Worte, achtete -nicht auf ihre sträubenden Bewegungen; in der Art, wie er -mit ihr umging, war etwas Gewaltsames. Seine Liebkosungen -hatten etwas Erstickendes, Erdrückendes, Zermalmendes; -seine Küsse fühlten sich an, als wenn er am liebsten -in Annas Fleisch hineingebissen hätte.</p> - -<p>Den einen Arm hatte er unter sie geschoben, so daß -sie halb darauf saß, mit dem andern drückte er ihren Oberleib -an seine Brust, ihr Gesicht an sein Gesicht, und so, -indem er sie in seinen riesenstarken Armen wie ein Kind, -wie eine Puppe, ein Spielzeug drückte, preßte und trug, -ging er mit ihr im Zimmer auf und ab, dumpf abgerissene -Laute von sich gebend, wie trunken, beinah wie -sinnlos.</p> - -<p>Er merkte gar nicht, wie peinvoll dem jungen Mädchen -die Lage wurde, in der sie sich befand, wie keuchend ihre -Brust sich hob und senkte, weil sie, an ihn gepreßt, kaum -noch Luft zum Atmen fand. Endlich warf sie mit äußerster -Anstrengung den Kopf zurück, stemmte beide Hände gegen -seine Brust und »laß mich los!« stieß sie wie in Verzweiflung -hervor.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_092" title="92"> </a> -Der Ton kam so rauh, so zornig heraus, daß er erschrak. -Er hielt in seinem Auf- und Niedergehen inne, sah -ihr ins Gesicht und sah, daß sie die Augen geschlossen hatte.</p> - -<p>Nun ließ er sie aus den Armen gleiten; sie warf sich -in den Lehnstuhl, der ihr zunächst stand, drehte sich mit -ganzem Leibe von ihm ab, legte beide Arme auf die Lehne -des Sessels, das Gesicht auf die Arme, und brach in schluchzendes -Weinen aus.</p> - -<p>Der Baron stand totenblaß vor ihr. »Anna,« stammelte -er, »was ist dir?«</p> - -<p>Sie gab keine Antwort und weinte immer heftiger.</p> - -<p>Mitten im Zimmer lag einer von ihren kleinen seidenen -Schuhen, der ihr vorhin, als er sie vom Boden emporgehoben -hatte, vom Fuße geflogen war. In seiner Ratlosigkeit hob -der Baron ihn auf, als er sich aber zu Anna niederbeugte, -um ihr den Schuh wieder anzuziehen, riß sie denselben aus -seiner Hand und verbarg ihren Fuß unter dem Kleide.</p> - -<p>»Nein!« rief sie, »faß mich nicht an! Du sollst mich -nicht mehr anfassen! Ich weiß gar nicht, wie du bist!«</p> - -<p>Sie sprach aus, was sie empfand; sie konnte sich in -der That die Art des Mannes nicht erklären. Das war -ja gewesen, als wenn ein wildes Tier sich über sie gestürzt -hätte.</p> - -<p>Bei der zornigen Bewegung, mit der sie ihm den Schuh -entrissen hatte, war er einen Schritt zurückgewichen; jetzt -stand er wie zerschmettert da.</p> - -<p>»Aber Anna,« fing er wieder an, »bist du mir denn -böse, daß ich dich so liebe?«</p> - -<p>Sie warf den Leib herum und heftete die verweinten -Augen auf ihn.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_093" title="93"> </a> -»Liebe?« sagte sie zornig, »ist das Liebe, wenn man -jemand so anfaßt? so behandelt? Faßt man eine Frau -so an?«</p> - -<p>Sie blickte an sich herab und strich mit bebender Hand -das zerknitterte und zerdrückte Kleid glatt, dann schlüpfte sie -wieder in den Schuh, und als sie den Fuß aufsetzte, stampfte -sie beinah auf.</p> - -<p>»Du hast keine Achtung vor mir,« fuhr sie fort, »du -denkst, weil du mir all die schönen Sachen geschenkt hast, -die ich da trage, ich gehöre dir, und du kannst mit mir -machen, was dir beliebt! Und darum gehst du so mit mir -um – und behandelst mich wie – wie –« sie wollte von -neuem in Thränen ausbrechen, aber sie kam nicht dazu. Indem -sie die letzten Worte dem Baron ins Gesicht schleuderte, -sah sie, wie seine Gestalt zusammenzuckte, als wenn ein -Stich ihm mitten durch den Leib gegangen wäre.</p> - -<p>»Anna –« sagte er schweren Tones, »das kannst du -von mir denken?«</p> - -<p>Er war langsam in die Kniee gesunken, seine Augen -waren den ihrigen nah gegenüber, und indem sie das namenlose -Leid in seinen Augen gewahrte, fühlte sie, daß sie dem -Manne mit häßlichen Gedanken ein häßliches Unrecht angethan -hatte.</p> - -<p>»Nein, Eberhard,« sagte sie, »was ich da eben gesagt -habe, das war nicht recht; ich fühl's, das war häßlich; und -ich bitte dich um Vergebung dafür.«</p> - -<p>Nun legte er auch seinerseits die Arme um sie, aber -so leise, als fürchtete er, sie zu zerbrechen, und ihr Köpfchen -lag wieder an seinem Halse.</p> - -<p>»Aber siehst du,« fuhr sie zagend fort, »wenn du so -<a class="pagenum" id="page_094" title="94"> </a> -bist, wie vorhin, so wild, so – ich weiß gar nicht, wie ich's -nennen soll – dann verstehe ich dich nicht, und dann – -siehst du – muß ich mich ja vor dir fürchten.«</p> - -<p>Sie hatte das letzte ganz leise, wie eine Beichte, ihm -ins Ohr geflüstert, und wie eine solche nahm er es auf. -Aber nicht ihre Schuld war es, die sie ihm beichtete, es war -die seine, seine Schuld, der er nicht geachtet hatte auf die -Scham, auf die Angst des lieben, vertrauenden Geschöpfes, -der er nahe daran gewesen war, das Wesen, das ihm Leben -und Seligkeit bedeutete, in seinen wahnwitzigen Armen zu -zertrümmern, wie ein Knabe, der eine unersetzliche Kostbarkeit -mit thörichten Händen zerstört.</p> - -<p>Von dem allen hatte er nichts gefühlt – das alles -kam ihm jetzt zum Bewußtsein.</p> - -<p>Ein peinvoller Gram lagerte sich auf seinen Zügen, mit -leiser Hand schob er Anna von sich hinweg.</p> - -<p>»Armer Engel,« sagte er dumpf und schwer.</p> - -<p>Dann erhob er sich, trat von ihr hinweg, und mitten -im Zimmer, den Kopf nachdenklich gesenkt, blieb er stehen.</p> - -<p>Eine schweigende Pause trat ein, und als sich Anna -nach ihm umwandte, sah sie ihn noch immer, in düsteres -Sinnen verloren, an seinem Platze. Ein Schatten überwölkte -sein Gesicht; man sah ihm an, wie er mit den -finsteren Gewalten Zwiesprache hielt, die in seinem Innern -emporstiegen.</p> - -<p>»Eberhard,« rief sie ihn an, »warum gehst du von -mir fort?«</p> - -<p>Es war, als wenn er aus seinem Brüten erwachte. -Langsam kam er zu ihr zurück. Er schob einen Sessel neben -den Stuhl, auf dem sie saß, ließ sich nieder und verharrte -<a class="pagenum" id="page_095" title="95"> </a> -dann abermals, den Blick zu Boden gesenkt, in langem -Schweigen. Endlich rückte er sich dichter an ihre Seite, aber -ohne aufzusehen, ohne sie zu berühren.</p> - -<p>»Anna,« sagte er, »ich muß dir etwas anvertrauen.«</p> - -<p>Wieder stockte er – das Bekenntnis wurde ihm schwer. -Er nahm ihre Hand in seine Hand.</p> - -<p>»Anna – ich hatte bis heute noch nie eine Frau berührt -– heute war es das erste Mal – und du bist die -erste gewesen, die ich geküßt habe.«</p> - -<p>Sie drückte leise seine Hand.</p> - -<p>»Aber du hattest mich doch schon vorher geküßt.« –</p> - -<p>»Ja,« versetzte er, und eine dunkle Röte färbte sein Gesicht, -»aber es war mir noch nie so zu Mute gewesen, wie -heute. Damals, siehst du, war es noch weit bis zu unsrer -Hochzeit, und jetzt steht es nahe vor der Thür, daß wir heiraten. -Und darum – siehst du – als ich vorhin zu dir hereintrat, -war mir doch in dem Augenblick, als wäre es schon -so weit und wir wären schon Mann und Frau. Und wie -ich dich nun so stehen sah – siehst du – da überkam mich -etwas –«</p> - -<p>Er verstummte, sein Oberleib bog sich vornüber, als läge -eine Centnerlast auf seinem Rücken, langsam glitt er vom -Stuhle, ihr zu Füßen, und seiner Gewohnheit nach drückte -er das Gesicht in ihren Schoß.</p> - -<p>»Ich kann's dir ja nicht beschreiben,« murmelte er, »was -es war; und ich kann dich ja nur anflehen, daß du mir verzeihst; -und wenn du jetzt den Fuß aufhöbest und mich trätest, -so geschähe mir ja nur recht; aber siehst du, ich konnte nicht -anders, und es war etwas so Wundervolles, so rasend göttlich -Herrliches, Himmlisches –«</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_096" title="96"> </a> -Er hatte beide Arme um ihre Kniee geschlungen und -preßte ihre Kniee aneinander, als wollte er sie zermalmen.</p> - -<p>»Bleib ruhig,« flüsterte Anna.</p> - -<p>Sie fühlte, wie die verzehrende Glut wieder in ihm -aufstieg.</p> - -<p>Ein wundersames Gemisch von Grauen und Lust schwoll -ihr zum Herzen, indem sie schweigend auf ihn hinabsah, -auf den riesenstarken Mann, der sich gebrochen zu ihren -Füßen wand.</p> - -<p>Kein Weib hatte er noch berührt – sie war die erste, -und sie war die Brandfackel, die ihn verzehrte.</p> - -<p>Vernunft und Gewissen sagten ihr, daß sie aufstehen, -ihn wecken mußte aus seiner Phantasie – aber stärker als -Vernunft und Gewissen war in diesem Augenblicke das Weib, -das mit heimlicher, beinahe lüsterner Neugier zu erfahren -begehrte, was für einen Eindruck sie auf den Mann zu -machen vermocht hatte.</p> - -<p>Sollte sie immer nur Arzt sein? Immer nur Wärterin? -War sie nicht auch ein Weib? Mit jungem, blühendem -Fleisch und Blut? Stand nicht auch sie zum erstenmal -vor der dunklen, geheimnisvollen Flut, in die alle Geschöpfe -der Erde hinein müssen, sei es zum Leben, sei es -zum Ertrinken, die man die Liebe nennt? War nicht die -warme Welle des großen Wassers auch zu ihr schon herangerollt -und hatte ihr den Saum des Kleides und die nackten -Füße genetzt, leise winkend und rufend: »Komm herab – -steig herab!«</p> - -<p>Von der Stirn herab, über Wangen und Hals und bis -tief in die Brust, die schwer atmend aus der seidenen Umhüllung -des Kleides hervorstrebte, senkte sich purpurne Glut, -<a class="pagenum" id="page_097" title="97"> </a> -als sie sich über den Mann zu ihren Füßen herbeugte, die -Lippen an sein Ohr andrückend.</p> - -<p>»Sag mir,« hauchte sie, »was du gefühlt hast, als du -mich sahst?«</p> - -<p>Er beugte sich zurück, so daß er ihr ins Gesicht sehen -konnte. Warum fragte sie? Als er jedoch ihr glutübergossenes -Gesicht gewahrte, merkte er, daß der Dämon auch -in ihrem Blute zu wühlen begann. Rasch war er vom -Boden empor, auf seinem Stuhle, und nun saßen sie, wie -zwei Schuldgenossen, die sich gegenseitig ein Geheimnis anvertrauen.</p> - -<p>»Siehst du,« hob er leise an, indem er mit dem Kopfe -nach dem Fenster deutete, »es ist doch heut ein grauer Tag, -und nun denk dir, wie merkwürdig: im Augenblick, als ich -die Thür aufmachte und dich stehen sah – aber du mußt -nicht denken, daß ich übertreibe oder in Bildern rede – war -mir's, als wäre hier im Zimmer heller Sonnenschein. -Richtiger Sonnenschein, siehst du, war es eigentlich nicht, -sondern es war wie eine Feuersbrunst, wie wenn das Licht, -das im Zimmer war, von Flammen herrührte. Und mitten -in den Flammen standest du drin. Aber es war, als wenn -sie dir nicht weh thäten, denn es sah mir in dem Augenblick -so aus, als ob du mich ansähest und die Arme nach -mir ausstrecktest und riefest: Komm herein.«</p> - -<p>»Aber, Eberhard,« unterbrach sie ihn, »ich drehte dir -doch den Rücken zu und habe kein Wort gesagt?«</p> - -<p>»Das weiß ich ja,« erwiderte er hastig, »das weiß ich -ja, ich sage dir ja nur, wie es mir in dem Augenblick erschien. -Und als ich das sah, siehst du, da mußte ich hinzuspringen -und dich in die Arme schließen, und nun war mir's, als -<a class="pagenum" id="page_098" title="98"> </a> -stände auch ich in der Flamme, und das Feuer schlug in -mich hinein, daß ich fühlte, wie es in mir hinaufstieg, in -die Brust, in die Augen, ins Gehirn, daß ich nichts mehr -sah, nichts mehr hörte und nur noch fühlte, daß ich etwas -in den Armen trug, etwas Köstliches, Göttliches, Unbeschreibliches, -wie ich es nie im ganzen Leben noch gefühlt hatte, -etwas Warmes und Weiches, und wie ich das so an meinem -Leibe fühlte, da überkam mich ein Verlangen –«</p> - -<p>Er brach plötzlich ab.</p> - -<p>Anna wartete, daß er fortfahren sollte, aber er schwieg.</p> - -<p>»Also –« forschte sie leise, »da kam dir ein Verlangen –«</p> - -<p>Er wandte das Haupt zur Seite.</p> - -<p>»Nein, nein,« sagte er, wie in Angst, »frage danach -nicht.«</p> - -<p>Sie blickte ihn von der Seite an; sie faßte seine Hand -und drückte sie; dann schob sie ihre heiße Wange an seine -Wange; die Neugier war zu mächtig in ihr geworden, sie -mußte erfahren, was für ein geheimnisvolles Verlangen das -gewesen war.</p> - -<p>»Sag's mir doch,« hauchte sie, »sag's mir, ich bitte dich.«</p> - -<p>Er wandte den Kopf zurück und drückte ihn an ihre -Schulter, als wollte er sich verbergen, zugleich aber fühlte -sie, wie seine Hände sich an ihren Leib preßten.</p> - -<p>»Da überkam mich ein Verlangen,« sagte er dumpf, -»dieses, was ich in den Armen trug, dies Köstliche, dies -Warme, Weiche in meinen Armen zu zerdrücken, zu ersticken, -zu zermalmen –«</p> - -<p>Seine Stimme, anfänglich dumpf und schwer, war -immer lauter geworden; sein Atem flog, und als er jetzt die -<a class="pagenum" id="page_099" title="99"> </a> -flackernden Augen auf Anna richtete, sah es aus, als würde -er sich von neuem über sie herstürzen, wie er vorhin gethan -hatte. Von Annas Gesicht war die Röte jählings gewichen, unwillkürlich -streckte sie, wie abwehrend, die Hände gegen ihn aus.</p> - -<p>»Eberhard –« preßte sie hervor.</p> - -<p>Im Augenblick, als er ihre erschrockene Stimme vernahm, -ließ der Taumel von ihm ab; sein Körper sank kraftlos -in sich zusammen. Er ließ die Arme an ihr niedergleiten, -drehte sich im Sessel herum und legte das Gesicht -auf die Stuhllehne.</p> - -<p>»Warum fragtest du auch?« stöhnte er dumpf.</p> - -<p>Anna stand vor ihm; sie fühlte sich so schuldig. Begütigend -streichelte sie über sein Haar.</p> - -<p>»Eberhard,« sagte sie, »sei doch nicht so außer dir; es -war ja alles nur eine Einbildung.«</p> - -<p>Er gab keine Antwort, aber er schüttelte das Haupt, -daß es aussah, wie ein trostloses »Nein«. Dann sprang er -auf, und beide Hände an die Schläfen gedrückt, ging er im -Zimmer auf und ab.</p> - -<p>Endlich blieb er stehen, plötzlich und wie mit einem -Ruck. Sein Körper richtete sich straff empor, beide Arme -streckte er vor sich hin, wagerecht und mit geballten Fäusten.</p> - -<p>»Nein!« sagte er laut, »nein! nein!«</p> - -<p>Es sah aus, als spräche er mit irgend einem Unsichtbaren. -Anna blickte sprachlos zu ihm hinüber, sie wagte -nicht zu fragen, mit wem er sich unterhielt.</p> - -<p>Er ließ die Arme sinken und wandte sich um. Als er -ihren entsetzten Blick gewahrte, kam er auf sie zu.</p> - -<p>»Aengstige dich nicht,« sagte er, »ich habe es in der -Gewohnheit, manchmal laut zu denken.«</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_100" title="100"> </a> -Er war völlig beruhigt, seine Stimme klang sicher -und fest.</p> - -<p>Sie schöpfte wieder Mut.</p> - -<p>»Was dachtest du denn?« fragte sie, zärtlich an ihn -geschmiegt.</p> - -<p>»Ich habe mir das Versprechen gegeben,« erwiderte er, -»daß mir das nie wieder begegnen soll. Das, was ich dir -vorhin erzählt habe, ist in mir gewesen, ja. Aber es ist -gewesen, verstehst du, und nun ist es nicht mehr da. Nun -kommt es nicht wieder, das verspreche ich mir, das verspreche -ich dir! Niemals!«</p> - -<p>Er hatte den Arm um sie gelegt, er stand neben ihr, -stark und gesund, wie einer, der Herr seiner selbst ist, wie -ein ganzer Mann.</p> - -<p>»Siehst du,« fuhr er fort, »ich habe dir kein Hehl gemacht -über meine Schwäche, darum darfst du mir glauben, -was ich dir jetzt sage: ich liebe dich, Anna. Ich liebe dich -so unsäglich, daß der Gedanke, es könnte dir ein Leid geschehen, -mich umbringt und vernichtet. Glaubst du mir das?«</p> - -<p>Er blickte auf sie nieder; ein Strom von tiefem, warmem -Gefühl floß über sie hin; aus allen Schatten und Wolken, -die unverständlich, unbegreiflich und unberechenbar in dieses -Menschen Seele wogten, tauchte immer wieder das edle, herrliche -Herz wie ein leuchtender Stern empor.</p> - -<p>»Ja, Eberhard,« versetzte sie, »das glaube ich dir so -sicher, daß ich es weiß.«</p> - -<p>Sie legte die Arme um ihn und drückte die Lippen auf -seine Brust.</p> - -<p>»Wo solch ein Herz ist,« sagte sie, »da ist ja alles -andre ganz gleichgültig. Darum glaube auch du mir, was ich -<a class="pagenum" id="page_101" title="101"> </a> -dir sage: ich fürchte mich nicht vor dir, Eberhard, gar nicht. -Ich liebe dich, Eberhard, wie nur eine Frau einen Mann -lieben kann.«</p> - -<p>Er küßte sie auf den Scheitel, und die Berührung seiner -Lippen war wie ein Hauch. Man fühlte, wie er nur -seiner Seele noch Zutritt zur Geliebten gestatten wollte und -seinen Sinnen Einhalt gebot. Und so kam nach der Erregung, -die vorangegangen war, eine Stunde so tiefer Ruhe -für die beiden Menschen, wie sie sie kaum je zuvor genossen -hatten.</p> - -<p>Als er dann aber von ihr ging und die Thür hinter sich -geschlossen hatte, so daß Anna ihn nicht mehr sah, schwellte -ein Seufzer seine Brust – der schwere Seufzer der Entsagung.</p> - -<p>Inzwischen war es Mai geworden, und der Frühling -hielt seinen siegprangenden Einzug.</p> - -<p>Eines Tages, als der Baron vom Schlosse draußen -hereinkam, brachte er Anna die Kunde mit, daß auch im -Fahrenwalder Parke der Lenz eingekehrt sei, daß die Kastanien -blühten und der Flieder.</p> - -<p>»Auch in deinen Zimmern im Schlosse selbst,« sagte er, -»ist es Frühling geworden; sie sehen aus, wie zwei junge -fröhliche Augen in einem alten Gesicht – die Einrichtung -ist fertig – wenn du nun willst, so ist die Zeit gekommen, -daß Frau von Fahrenwald ihr Reich betritt – willst du?«</p> - -<p>Sie wollte.</p> - -<p>Er hatte ihr seine Mitteilungen leise und beinahe feierlich -gemacht, wie jemand, der an eine große Entscheidung -herantritt. In derselben Art hatte Anna sie hingenommen. -Die Vorbereitungen zum neuen Dasein waren vollbracht, -<a class="pagenum" id="page_102" title="102"> </a> -nun kam das neue Dasein selbst; durch dunkle und helle -Stunden war sie hindurchgegangen, nun sollte es sich entscheiden, -ob ihr Leben fortan ein großes Licht oder ein großes -Dunkel sein würde. Ein Schauer ging über ihr Herz – -aber ihr Entschluß war gefaßt, sie wollte. –</p> - -<p>In verborgenster Stille, beinahe verschwiegen, fand die -Hochzeit statt.</p> - -<p>Der standesamtlichen Trauung folgte eine kirchliche Einsegnung -im Hause, wo Anna bei dem Onkel und der Tante -gewohnt hatte. Anna fühlte kein Bedürfnis, sich in einer -Kirche öffentlich zur Schau zu stellen und die klatschsüchtige -Neugier zu Gast dazu zu laden.</p> - -<p>Ihr Gesicht war kaum minder weiß, als das weiße -Brautkleid, in dem sie erschien; als sie, mit dem Myrtenkranze -im Haare, vor dem Geistlichen kniete und ihre Hand -in die Hand des Bräutigams legte, mochte mancher von den -wenigen Trauzeugen für sich denken: »Ein Opfer, das zum -Altar geführt wird.«</p> - -<p>Blaß, schweigsam, mit einem Ausdruck unergründlichen -Ernstes in den Zügen, stand Eberhard von Fahrenwald an -ihrer Seite.</p> - -<p>Ein leises Mittagsmahl, dem nur wenige Gäste anwohnten, -schloß die Feierlichkeit ab. Reden wurden nicht -gehalten; es lag wie ein Gewölk über der Versammlung. -Bei jeder Hochzeit steht man wie vor einem geschlossenen -Vorhang. Hier aber war der Vorhang von dunkler Farbe -und geheimnisvolle Zeichen waren in ihn verwebt.</p> - -<p>Nachdem die Tafel aufgehoben war, kehrte Anna zum -letztenmal dahin zurück, wo sie als Mädchen gewohnt hatte. -In aller Stille wollten sie beide am Nachmittage nach -<a class="pagenum" id="page_103" title="103"> </a> -Fahrenwald hinaus fahren. Koffer und Kisten waren schon -am Tage vorher vorausgegangen.</p> - -<p>Nachdem sie den Brautstaat abgelegt und das Reisekleid -angethan hatte, erschien ihr Gemahl, um sie abzuholen. -Bald darauf saßen sie im Eisenbahnwagen, und wieder -einige Zeit darauf stampften die Rosse vor dem Wagen, -der sie zum Schlosse hinaustragen sollte – heute für immer.</p> - -<p>Wie anders, wie viel schöner sah sich heut alles an, -als damals, da sie zum erstenmal diesen Weg gefahren war. -Der reiche Ackerboden, der so lange unter Schnee und Regen -begraben gelegen hatte, kochte förmlich von Fruchtbarkeit; -die jungen Saaten schossen empor, daß es aussah, als wollte -ein Feld das andre im Wachstum überbieten; die Sonne, -die sich zum Untergange neigte, warf lange, warme, rotgoldene -Lichter über das junge samtartige Grün.</p> - -<p>Heute brauchte man keine Fußsäcke und keine Decken. -Schweigend, Hand in Hand, saßen Anna und der Baron -in ihrem Wagen, mit stillen Augen hinausblickend in das -stille Land, die Wangen von der linden Abendluft umspielt, -den Duft einatmend, der aus der frühlingsfeuchten Erde -emporstieg.</p> - -<p>Die Dorfbewohnerschaft hatte das junge Paar mit schmetternder -Festlichkeit empfangen wollen; der Baron hatte alles -abgelehnt und, damit die Leute nicht um ihre Freude kämen, -sich durch reiche Geldspenden von dem geplanten Empfange -losgekauft. Damit hatte er ganz in Annas Sinn gehandelt. -Auch ihr war nicht nach rauschendem Jubel zu Mute; -Arm in Arm mit ihm, wie sie es am ersten Tage gemacht -hatte, wollte sie auch heute durch den Park zum Schlosse -gehen.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_104" title="104"> </a> -An der bewußten Stelle, wo die Parkwege sich mit der -Fahrstraße vereinigten, hielt darum auch heute der Wagen -an und beide Fahrenwalds stiegen aus.</p> - -<p>Da lag er wieder vor ihr, der Park, an den sie so oft -in stillen Stunden gedacht, nach dem sie sich gesehnt, den sie -so lieb gewonnen hatte, der ihr wie ein Vermittler zwischen -dem bisherigen und dem zukünftigen Leben erschien; da lag -er, und wenn die Bezeichnung, die er trug, jemals auf ihn -gepaßt hatte, so war es heute der Fall: »das Schlesische -Paradies«.</p> - -<p>An der Kreuzung der Wege blieb Anna stehen, beide -Arme in kindlicher Wonne ausbreitend.</p> - -<p>»O Eberhard!« seufzte sie aus tiefster Brust, »wie -herrlich! wie schön!«</p> - -<p>Am Eingang des Parks, wie ein Grenzpfahl, stand ein -mächtiger Eichbaum. Am knorrigen Stamme, einige Fuß -über dem Erdboden, war ein Kranz aufgehängt, von bunten -Bändern umflattert, in dessen Mitte sich eine Tafel mit -einer Inschrift befand.</p> - -<p>»Was ist denn das?« fragte Anna.</p> - -<p>Sie trat heran und las:</p> - -<p class="ce mt1 mb1 fss lh2">»Tritt gern herein, in Freuden bleib,<br /> - Und sei mein Leben und mein Weib.«</p> - -<p>Sie wandte sich um.</p> - -<p>»Von wem ist denn das?«</p> - -<p>Eberhard von Fahrenwald stand ganz verlegen da.</p> - -<p>Jauchzend flog sie ihm um den Hals.</p> - -<p>»Eberhard, du? Du hast das gedichtet?«</p> - -<p>Er hielt lächelnd ihr Haupt in seinen Händen.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_105" title="105"> </a> -»Gedichtet?« erwiderte er, »nun – jedenfalls siehst du, -ein großer Dichter bin ich nicht.«</p> - -<p>Sie blickte ihm in die Augen.</p> - -<p>»Ach, siehst du, das ist nun wirklich ein ganz entzückender -Gedanke von dir! Auf so etwas, siehst du, kann wirklich -nur ein so guter Mensch kommen, wie du es bist! Nun aber -mußt du mir den Kranz herunterholen, damit ich ihn bei -mir aufhängen kann.«</p> - -<p>»Aufhängen willst du ihn? Bei dir?«</p> - -<p>»Ja!« erklärte sie. »Den hänge ich in meinem Zimmer, -womöglich in meinem Schlafzimmer auf, und alle Abend, -wenn ich zu Bette gehe, und jeden Morgen, wenn ich aufstehe, -lese ich, was du geschrieben hast.«</p> - -<p>»Gut,« versetzte er, »heute bekomme ich ihn nicht herunter, -dazu braucht es eine Leiter, aber morgen soll er in -deinem Zimmer sein.«</p> - -<p>Den Weg, den sie das erste Mal gegangen waren, die -Buchenallee, wandelten sie nun entlang. Heute war kein -Aufruhr in der Natur wie damals; das magere junge Laub -hing still zu ihren Häupten; heute brauchte sie sich nicht an -ihn zu drängen in ängstlicher Beklommenheit; alles war so -friedlich, so ruhig, auch er, an dessen Arm sie ging. Ja – -er war so ruhig, daß es beinahe wie eine leise Schwermut -aussah.</p> - -<p>In den Seitenweg bogen sie alsdann ein, und nun -war es wirklich ein Meer von wogenden grünen Wipfeln, -das ihr entgegenrauschte. Die weißen Kastanien hatten -schon abgeblüht, aber wie versprengte Rubinen flammten -hie und da die Blüten der roten im Blätterdickicht auf. -Am Himmel lag purpurner Wiederschein der gesunkenen -<a class="pagenum" id="page_106" title="106"> </a> -Sonne, und alles war so groß, so wunderbar und schön, -daß Annas Herz in tiefer, wonnevoller Seligkeit überschwoll.</p> - -<p>»O Eberhard,« flüsterte sie, »freust du dich denn auch -so wie ich?«</p> - -<p>Er blickte zärtlich auf sie nieder und drückte schweigend -ihren Arm. Sie befanden sich gerade an der Stelle, wo -er ihr damals gesagt hatte, daß sie seine Sonne sein sollte -und daß er die Erde wäre, die sich um die Sonne dreht.</p> - -<p>Wie wild hatte er sie damals umfaßt – wie sanft -und ruhig war er heute. Hatte sich etwas in ihm verändert -seitdem? Nun – jedenfalls war es besser so, wie -es heute war. Jetzt kamen sie in die Nähe des Schlosses, -und wieder blieb Anna mit einem Ausrufe der Ueberraschung -stehen; von oben bis unten war das mächtige alte -Gebäude mit frischem hellen Farbenanstrich versehen.</p> - -<p>Eberhard lächelte.</p> - -<p>»Es war eigentlich noch zu früh im Jahre zum Anstreichen,« -sagte er, »aber ich wollte, daß dir das Haus ein -freundlicheres Gesicht zeigen sollte, als das erste Mal.«</p> - -<p>Sie neigte das Haupt in stummen Gedanken. Jeder -ihrer Wünsche war in seinem Gedächtnis niedergelegt, wie -ein Wertstück in den Händen eines treuen Verwalters.</p> - -<p>Durch die Halle mit den Jagdtrophäen schritten sie -hindurch, welche heute abend durch zwei große, in den -Ecken aufgestellte Kandelaber erhellt wurde, und eben solche -Kandelaber standen im Flure am Fuße der großen Treppe. -Große, schwere, altertümliche Leuchter, mit steif gestreckten -Armen von Messing, mit dicken Wachskerzen besteckt.</p> - -<p>Auf jedem Treppenabsatze stand ein solcher Kandelaber -<a class="pagenum" id="page_107" title="107"> </a> -und in gleicher Weise waren Flur und Gänge beleuchtet. -Ein stilles, schweres, goldiges Licht.</p> - -<p>»Heut gehen wir nicht durch die Bibliothek, sondern -gleich in dein Zimmer,« sagte der Baron, als sie die Treppe -erstiegen hatten. Er führte sie den Gang entlang, der auf -den Flur stieß, dann that er eine Thür auf, die sich von -links auf den Gang öffnete, und nun schlug Anna, geradezu -entzückt, beide Hände ineinander. Sie waren in ihren Gemächern -angelangt, die Fenster standen offen, und durch sie -hinaus blickte man in den Park und über den Park hinaus -in die weite grünende Landschaft. Im Kamin, den Fenstern -gegenüber, flackerte ein lustiges Feuer von Fichtenscheiten; -der harzige Duft des brennenden Holzes vermengte sich mit -der einströmenden Frühlingsluft zu einem feinen, köstlichen -Wohlgeruch. An den Wänden, die mit einer hellfarbigen, -mit blaugoldenen Mustern geschmückten Tapete bedeckt waren, -hingen Landschaftsbilder, die aus den nebenanliegenden Gemächern -hierhergeschafft worden waren; ein Schreibtisch in -allerliebstem Schnörkelstile in einer Fensterecke, Stühle mit -silberdamastenen Polstern, und ein Ruhebett von dem gleichen -Stoffe; zwischen den Fenstern ein hoher Wandspiegel, in -schwerem goldbronzenen Rahmen, und das Ganze überflutet -vom sanften Lichte eines zierlichen, von der Decke herabhängenden -Kronleuchters, und mehrerer, in den Ecken verteilter -Lampen, deren Glocken mit roter Seide umhüllt -waren. Ein Aufenthalt, wie für eine Fee, hergerichtet von -einem guten Geiste.</p> - -<p>Der Baron öffnete die Thür zum Nebenzimmer, wo -eine große Glasglocke, blau verschleiert, von der Decke schwebte -und ein trauliches Licht verbreitete. An der gegenüberliegenden -<a class="pagenum" id="page_108" title="108"> </a> -Wand, unter einem Zelte von mattblauer Seide, stand ein -Bett, kostbar und reich im Gestell, schneeweiß leuchtend mit -seinen Kissen und Linnen vom feinsten Gespinst.</p> - -<p>Sprachlos, von Dankbarkeit überwältigt, hing Anna -am Halse ihres Gatten; so viel hatte sie von ihm empfangen, -dies aber war doch das Höchste. So beschenkt nur ein Mensch, -dessen Seele uns nachgeht, ununterbrochen und überall.</p> - -<p>»Ich denke,« sagte der Baron, »wir rufen jetzt deine -Jungfer, damit du die Reisekleidung abthust und es dir bequem -machst!«</p> - -<p>Er ließ den Blick umhergehen; auf Stühlen und Sofas -des Schlafzimmers lagen Annas eben ausgepackte Kleidungsstücke -verstreut; eine Haus- und Morgentoilette von rosarotem -Wollenstoff lag obenan, zum Gebrauche bereit.</p> - -<p>»Ich gehe unterdes zu mir hinauf,« fuhr er fort, »und -wenn ich wiederkomme, abendbroten wir, und wenn es dir -recht ist, lassen wir hier in deinem Zimmer anrichten, hier -ist es gemütlicher, als da drüben.«</p> - -<p>»Zu mir hinauf,« hatte er gesagt – sie sah ihn -fragend an.</p> - -<p>»Wo wohnst denn du eigentlich?«</p> - -<p>»O – ziemlich weit von hier,« gab er zur Antwort, -»da oben im zweiten Stock.«</p> - -<p>Er sah die Ueberraschung auf ihrem Gesicht; aber es -war, als wollte er weitere Fragen abschneiden. Er nahm -ihren Kopf zwischen die Hände, küßte sie auf den Scheitel -und mit einem »auf Wiedersehen« ging er hinaus.</p> - -<p>Von der Thür aus hatte er ihr lächelnd zugenickt. Bildete -sie es sich nur ein, oder war in seinem Lächeln etwas -Gezwungenes gewesen?</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_109" title="109"> </a> -Sie begab sich in ihr Schlafgemach, wo die Jungfer -bereits auf sie wartete. Es war ein Mädchen vom Dorfe, -nicht übermäßig geübt in den Künsten feinerer Bedienung. -Schweigend, und nicht ohne Verlegenheit wartete sie ihres -Amtes. Kaum weniger verlegen aber war die Gebieterin -selbst. Es war das erste Mal, daß Anna sich beim Aus- -und Ankleiden bedienen ließ; mit innerlichem Lächeln gestand -sie sich, daß das Prinzessinsein gelernt sein wollte.</p> - -<p>Als sie in ihr Wohnzimmer zurückkehrte, stand inmitten -desselben der Tisch mit dem Abendbrote bereits angerichtet. -Eberhard war noch nicht wiedergekommen, sie war allein. -Sie trat an eines der beiden Fenster, kniete auf einen Stuhl -und lehnte sich auf das Fensterbrett, in die weiche dunkle -Luft hinausträumend.</p> - -<p>Nachdem sie ein Weilchen so gelegen, fuhr sie auf und -sah sich um – und richtig, da stand er hinter ihr in der -Thür. Sie hatte ein Gefühl, als hätte er sie schon längere -Zeit schweigend betrachtet.</p> - -<p>Er stand so regungslos – in seiner aufgereckten Gestalt -war eine Art von lautloser Spannung, in seinen Gesichtszügen -eine Art von Starrheit, als hätte ein Kampf getobt, -der zur Ruhe gezwungen worden war.</p> - -<p>Indem Anna sich aufrichtete, glitt ihr eines der braunsamtnen -Pantöffelchen, die sie trug, vom Fuße; jählings -neigte er sich herab und küßte sie auf die Fußsohle, die nur -noch vom seidenen Strumpfe bedeckt war.</p> - -<p>Ebenso rasch richtete er sich wieder auf.</p> - -<p>»Verzeih!« sagte er. In Verwirrung trat er zurück.</p> - -<p>Lachend warf sie sich an seine Brust.</p> - -<p>»Aber was soll ich dir denn verzeihen?«</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_110" title="110"> </a> -In seinen Augen flackerte es auf, um gleich darauf -wieder zu erlöschen. Er küßte sie, beinah wie abwehrend, -auf die Stirn.</p> - -<p>»Ja, ja,« sagte er heiser, »nichts, nichts!«</p> - -<p>Dann rückte er ihr den Stuhl zurecht und setzte sich -mit ihr an den Tisch.</p> - -<p>Das Abendessen zu zweien verlief in glücklicher Gemütlichkeit, -man aß, man trank und plauderte. Als sie abgespeist -hatten, sah Anna mit einer gewissen Aengstlichkeit -nach der Thür. Würde nun der alte Johann erscheinen, um -abzuräumen?</p> - -<p>Eberhard schien ihre Gedanken erraten zu haben.</p> - -<p>»Der Johann wartet nicht mehr bei Tische auf,« beruhigte -er sie. »Ich denke, wir lassen alles, wie es ist. -Wozu sollen wir uns stören lassen?«</p> - -<p>Damit war sie einverstanden. Sie ließ sich von ihm -Champagner einschenken.</p> - -<p>»Aber du trinkst ja gar nicht!« unterbrach sie sich.</p> - -<p>»Doch, doch,« erwiderte er, und hastig leerte er sein -Glas.</p> - -<p>Sie hatte aber ganz recht gesehen; er trank nur sehr -wenig. Er saß vom Tische etwas abgerückt, und sah seine -junge Frau an und sah, wie der Wein ihr Blut zu erwärmen -begann, so daß ihr Gesicht sich leise rötete und der -junge Leib aus dem zarten rosafarbenen Morgenkleide hervorzuatmen -und herauszublühen schien.</p> - -<p>Einen starren, beinah stieren Ausdruck nahmen seine -Augen dabei an, bis daß er, wie plötzlich zu sich kommend, -den Blick von ihr hinweg zur Seite wandte.</p> - -<p>Anna merkte nichts davon. Sie erzählte von ihren -<a class="pagenum" id="page_111" title="111"> </a> -Blumen, mit denen sie gleich morgen anfangen wollte; daneben -plante sie einen großen Gemüsegarten, der natürlich -auch unter ihrer Obhut stehen sollte. Sie war ganz vertieft -in ihre Entwürfe und glücklich wie ein Kind.</p> - -<p>Unterdessen saß der bleiche Mann schweigend ihr zur -Seite. Ob er hörte, was sie sprach? Ob er acht darauf gab? -Es sah nicht so aus. Seine Seele schien mit den dunklen -Gewalten beschäftigt, die wieder übermächtig über ihn wurden.</p> - -<p>Es war spät geworden; die Stutzuhr auf dem Kaminsimse -schlug elf Uhr. Zeit zum Zubettegehen.</p> - -<p>Anna wurde still, der Baron blieb stumm wie bisher -– es trat das verlegene Schweigen ein, wenn zwei -Menschen dasselbe denken und keiner von beiden zu sprechen -anfängt.</p> - -<p>Annas Gesicht erglühte immer tiefer, ihre Hände spielten -mit den Quasten der Schnur, mit der ihr Kleid gegürtet -war; sie senkte die Augen in den Schoß und blickte verstohlen -zu ihm auf. Jetzt erst bemerkte sie, wie verschattet -sein Antlitz war.</p> - -<p>Noch eine Weile peinlichen Schweigens, dann erhob er -sich. Seine Bewegung hatte etwas Unsicheres, wie die eines -Menschen, der nicht recht weiß, was er thun soll.</p> - -<p>Langsam war auch Anna aufgestanden; nun stand sie -mitten im Zimmer, Nacken und Haupt schamhaft geneigt.</p> - -<p>Sein unstäter Blick ging rund im Zimmer umher, dann -blieb er an ihr haften, und der Ausdruck flackerte wieder -darin auf, wie an dem Tage in Breslau.</p> - -<p>Wie sie vor ihm stand! Unbewußt in keuscher Hingabe, -wie eine demütige Magd! Wie sie lieblich war, wie sie -reizend, schön und entzückend war!</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_112" title="112"> </a> -Ein dumpfer Laut rang sich aus seiner Brust; wie damals, -als sie vor dem Spiegel stand, umschlang er sie und -riß sie an sich; mit dem Munde drückte er ihr Haupt nach -hintenüber und dann wühlten sich seine Lippen auf ihren -Mund, in ihr Gesicht, in ihren Hals.</p> - -<p>Halb erstickt hing sie in seinen Armen; ihr Gesicht -war ganz blaß geworden, ihre Augen geschlossen, unwillkürlich, -wie damals, stemmte sie die Hände gegen ihn.</p> - -<p>»Eberhard,« ächzte sie.</p> - -<p>Und nun geschah, was an jenem Tage geschehen war: -jählings ließ er von ihr ab, stürzte ihr zu Füßen und umschlang -ihre Kniee.</p> - -<p>»Verzeih mir,« stöhnte er, »verzeih mir und schlaf wohl, -schlaf wohl, schlaf wohl!«</p> - -<p>Mit einem Sprunge war er auf den Füßen, an der -Thür, und ohne sich umzusehen, wie ein Gejagter, Verfolgter, -zur Thür hinaus.</p> - -<p>So rasch war dieses alles geschehen, daß Anna nicht -Zeit gefunden hatte, ihm nachzurufen. Einsam blieb sie -zurück, in völliger dumpfer Ratlosigkeit.</p> - -<p>Sollte sie ihm nachgehen? Durch das fremde, dunkle -Haus? Wo sie nicht einmal seine Gemächer kannte? Es -grauete ihr. Auch hätte sie sich schämen müssen.</p> - -<p>Was also blieb zu thun? Zu Bette gehen.</p> - -<p>Seufzend ging sie in ihr Schlafzimmer. Die Jungfer, -die ihr beim Entkleiden behülflich sein wollte, schickte sie -hinaus; in der Stimmung, in der sie war, brauchte sie keine -fremden Augen, die ihr zusahen. Das Bett mit dem schön -verzierten Untergestell, das seidene Zelt darüber – wie prachtvoll -alles. Aber in all dieser Pracht, welche Einsamkeit! -<a class="pagenum" id="page_113" title="113"> </a> -Die frischen Linnen des Betts berührten sie mit fröstelnder -Kühle; sie huschte tief in die Decken und unter Thränen -schlief sie zum erstenmal auf Schloß Fahrenwald ein.</p> - -<p>Aber während sie schlief, war droben im zweiten Stock -einer, der nicht schlief, das war ihr Mann, der Baron Eberhard -von Fahrenwald, der in sein Zimmer gelangt war, die -Thür verriegelt hatte und nun in seinem Zimmer auf und -nieder ging, ohne Aufhören und ohne Rast, wie ein wildes -Tier hinter den Stäben des Käfigs.</p> - -<p>Die Ruhe, die er sich den ganzen Tag hindurch aufgezwungen -hatte, war dahin, abgesprengt von seiner Seele, -wie die Kruste, die sich auf die Lava im Krater gelegt hat -und die in alle vier Winde fliegt, sobald der Vulkan -da drunten lebendig wird. All die dunklen Gewalten, die -in den Tiefen seiner Seele brodelten, hatten Feuer gefangen, -all die wilden Instinkte, die da drunten, wie Ungeheuer im -Tropenschlamme, vergraben lagen, reckten plötzlich die Häupter; -sie wollten sich nicht mehr bändigen lassen, wollten nicht -mehr dem befehlshaberischen »nein« gehorchen, mit dem er -sie damals für einen Augenblick niedergezwungen hatte, -wollten nicht mehr; jetzt hatten sie ihn, jetzt schüttelten sie -ihn, daß ihm die Glieder am Leibe flogen, und wie mit -feurigen Geißeln peitschten sie seine Phantasie. Immerfort -sah er es vor sich, das Weib da unten, das junge, blühende -Weib, zu dem es ihn hinriß. Jeden ihrer Schritte begleitete -er mit seinen Gedanken. Er sah, wie sie ihr Schlafgemach -betrat, wie sie langsam anfing, sich zu entkleiden. Ganz -deutlich, ganz handgreiflich sah er das. Stück nach Stück -sank die Gewandung herab; jetzt breitete sie die schneeweißen -Arme nach ihm, und jetzt geschah etwas – mitten im Zimmer -<a class="pagenum" id="page_114" title="114"> </a> -blieb er jählings stehen, die Hände an die Schläfen gedrückt, -die Augen weit offen, wie fest gebannt von einer furchtbaren -Vision. War das er, den er da sah, der sich wie ein -reißendes Tier über das hüllenlose Weib herstürzte: Ja, ja, -ja! Wie hatte der Alte damals gesagt? Wenn er heiratete, -würde er jemanden umbringen. So hatte der Alte gesagt, -und das hatte ein Arzt dem Alten gesagt. Also mußte es -so sein, und so war es ja auch, und nun wußte er ja -auch, wer das war, den er umbringen würde! Und also -kam der Wahnsinn doch! Und all das Kämpfen, all das -Ringen, all das Sichzurwehrsetzen war vergeblich gewesen, -alles, alles?</p> - -<p>An einem Sessel brach er in die Kniee; mit beiden -Fäusten griff er sich ins Haar; er schlug die Stirn auf den -Stuhl; ein heiseres Keuchen, beinah wie ein dumpfes Geheul, -brach aus seiner Kehle.</p> - -<p>»Ich will nicht! Ich will nicht! Ich will nicht!«</p> - -<p>Dann ließ der Sturm nach; gebrochen blieb er am -Boden liegen, und nach einer Stunde dumpfen kraftlosen -Vorsichhinstarrens raffte er sich auf und schleppte sich nach -seinem Lager.</p> - -<p>Während sich dies begab, war dort oben im zweiten -Stock noch jemand wach. Das war der alte Johann.</p> - -<p>Er schlief nicht. Nein. Er wußte ja, daß er von jetzt -an überhaupt nie mehr schlafen durfte. Seit heute war die -»Einbrecherin« im Schloß. Das Unheil war eingezogen, -jetzt hieß es, Wache halten! Das war sein Amt, seine -Pflicht. Darum von nun an die Augen aufbehalten! Nicht -mehr schlafen! Nie mehr schlafen!</p> - -<p>Der Baron hatte ihm verboten, sich zu zeigen, wenn -<a class="pagenum" id="page_115" title="115"> </a> -er heute nachmittag mit seiner jungen Frau ankommen -würde.</p> - -<p>Natürlich hatte er gehorcht; alte Haushunde sind -gehorsam, aber wachsam sind sie auch. Und sie haben -Zähne!</p> - -<p>Er hatte auch ganz recht gehabt, der Herr Baron, daß -er ihn fortschickte, daß er »die Person« in Sicherheit vor -ihm brachte, ganz recht, ganz recht, ganz recht.</p> - -<p>In seinem Zimmer eingeschlossen, drei Stunden lang -und mehr war er ununterbrochen hin und her gegangen, die -knochigen Hände reibend, immerfort das eine Wort murmelnd -»ganz recht, ganz recht, ganz recht«.</p> - -<p>»Ganz recht, daß du mich nicht an sie heranläßt – -denn wenn ich ihr zu Leibe könnte –« Bei diesem -»wenn« knirschten seine Zähne, seine Fäuste streckten sich in -die Luft.</p> - -<p>Dann, als es elf Uhr geschlagen, hatte er gehört, wie -jemand mit hastigen Schritten, als wenn er liefe, als wenn -er flüchtete, die Treppe draußen heraufgekommen war. Er -hatte gelauscht, hatte gehört, wie die Thür zum Zimmer -des Barons aufgerissen, schmetternd zugeworfen und dann -von innen verriegelt wurde.</p> - -<p>Aha – also, schon heut am ersten Abend fing es an! -Das war der Baron, den er da hatte kommen hören, der -jetzt da drüben in seinem Zimmer saß, wie die Maus im -Loch, wie die dumme Maus, der man Speck gestreut hat -und die genascht hat und jetzt dahinter kam, daß der Speck vergiftet -gewesen war! Er grinste übers ganze Gesicht, er mußte -an sich halten, daß er nicht laut herauslachte, laut, daß man's -durchs ganze Haus hörte.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_116" title="116"> </a> -Die dumme, dumme Maus! Es war doch eigentlich -zu komisch! zu lächerlich!</p> - -<p>Dann war er über den Flur geschlichen, an die Thür -seines Herrn, hatte sich mit dem Ohr an das Schlüsselloch -gebeugt und gehorcht, und wie er da drinnen das Hin- und -Hergehen, das Rasen, das Keuchen und Schnaufen hörte, -hatte er grinsend mit dem Kopfe genickt: »Siehst du, siehst -du, siehst du wohl?«</p> - -<p>Die ganze Nacht hätte er so stehen können und horchen, -denn es verursachte ihm ein namenloses Vergnügen, zu hören, -wie sein Herr da drinnen litt. Das hatte er nun davon, -der unglückselige, verrückte Mensch, und das geschah ihm recht! -Ein Glück nur, daß wenigstens ein Vernünftiger noch da -war, einer, der noch zum Rechten sehen und die verfahrene -Geschichte wieder herausreißen konnte. Und das war er, -der alte Johann; und er würde sie wieder herausreißen, ja, -das würde er! Noch wußte er nicht genau wie, aber fertig -bringen würde er es, das wußte er, das sagte er sich, indem -er jetzt über den Flur zu seinem Zimmer zurückging, nicht -mehr schleichend wie vorhin, sondern hocherhobenen Hauptes. -Denn ein Stolz erfüllte seine Brust, daß er sich vorkam, -als wäre er jetzt eigentlich der Herr im Hause, als hätte er -zu befehlen und kein andrer sonst.</p> - -<p>Er konnte sich noch gar nicht entschließen, in seine -Kammer zurückzukehren; es war ein Gefühl in ihm, als -müßte er noch irgend etwas thun, etwas vollbringen; ein -solches Kraftgefühl, daß er am liebsten laut gebrüllt hätte. -Darum stieg er noch einmal die Treppe hinunter und wandelte -durch alle Gänge des Hauses, alles im Dunkeln, ohne Licht, -wozu brauchte er denn Licht? Er fand sich ja auch im -<a class="pagenum" id="page_117" title="117"> </a> -Dunkeln zurecht in seinem Hause. Sein Haus – er drückte -sich mit den Fingern die Lippen zu, damit sein Kichern nicht -zum lauten Gelächter ward. Als er endlich zu seinem Zimmer -zurückkehrte und über die Schwelle trat, bückte er sich. Er -wußte, daß er plötzlich gewachsen war. Ja, ja, es war -merkwürdig, aber wahr, er war gewachsen, mindestens um -einen Kopf, darum mußte er sich in acht nehmen, sonst -wäre er mit dem Kopfe oben an die Thür gestoßen. –</p> - -<hr /> - -<p>Der Frühling that seine Pflicht. Zu allen Ritzen und -Löchern des Schlosses Fahrenwald schickte er am nächsten -Morgen die Sonnenstrahlen hinein, als wollte er dem alten -Kasten bis in die finstersten Eingeweide hineinleuchten und -wärmen.</p> - -<p>Als der Baron an das Fenster seines Zimmers trat -und hinunterblickte, sah er, daß andre schon früher aufgestanden -waren als er. Einen Strohhut auf dem Kopf, -das Kleid hoch aufgeschürzt, wandelte im Blumengarten -unten eine Gestalt zwischen den Beeten auf und ab, bald -rechts sich niederbeugend, bald links, so daß der breitkrämpige -Hut bedächtig auf und nieder schwankte. Es war seine junge -Frau.</p> - -<p>Die Sonne hatte sie früh am Morgen geweckt und ihr -keine Ruhe im Bette gelassen.</p> - -<p>Als er ihrer ansichtig wurde, war ihm, als sänke die -Nacht und alles, was in der Nacht gewesen war, wie ein -Spuk hinter ihm nieder, in eine endlose Tiefe. Ohne sich -zu besinnen, riß er das Fenster auf und »Anna!« rief er -laut hinunter.</p> - -<p>Als sie seine Stimme vernahm, richtete sie den Kopf -<a class="pagenum" id="page_118" title="118"> </a> -zu ihm auf, und als sie ihn erblickte, hob sie die Hände an -den Mund und warf ihm Kußfinger zu. Ihr Antlitz, vom -gelben Hute umrahmt, strotzend von Fülle und Jugend, -sah aus wie eine Sonnenblume.</p> - -<p>»Komm herunter Eberhard,« rief sie zu ihm hinauf, -»hier unten ist's wundervoll.«</p> - -<p>Wie der Morgenruf der Lerche drang ihre Stimme an -sein Ohr. Das Leben war ihm wiedergegeben, und da -unten stand es vor ihm, leibhaftig verkörpert in dem geliebten -Geschöpf.</p> - -<p>Er lehnte sich weit über die Fensterbrüstung hinaus. -»Gleich komm' ich, gleich,« sagte er; aber während er das -sagte, blieb er ruhig im Fenster liegen. Er konnte sich nicht -satt sehen an ihr.</p> - -<p>Sie stand und lächelte ihm zu und nickte; er nickte -zurück. Dann zog sie ihr weißes Taschentuch hervor und -wie mit einem Fähnchen winkte sie hinauf.</p> - -<p>»Komm doch,« rief sie wieder, »komm doch endlich.«</p> - -<p>Nun erhob er sich, um sich anzukleiden, und jetzt erst -spürte er, wie schwer die Nacht ihn angegriffen hatte. Er -taumelte beinah, und erst das kalte Brunnenwasser, mit dem -er sich überströmte, brachte ihn wieder zu sich. Als er aber -in den Garten zu ihr hinunterkam, vergaß er seine Schwäche -und alle Leiden. Blaß war er freilich, aber das war sie -ja an ihm gewöhnt; sie hüpfte ihm entgegen; er fing sie in -seinen Armen auf, und als sie an seinem Herzen lag und -die Liebe fühlte, die wie ein Strom aus diesem Herzen über -sie dahinging, vergaß auch sie, daß sie gestern abend in -Thränen eingeschlafen war.</p> - -<p>Der Tag blieb dem Morgen treu, heiter und schön bis -<a class="pagenum" id="page_119" title="119"> </a> -zum Ende. Aber weil er so schön war, wurde er für Eberhard -von Fahrenwald anstrengend. Anna nahm ihn vollständig -in Beschlag und schleppte ihn vom Morgen bis zum -Abend im Park umher. Kaum daß sie ihm zu den Mahlzeiten -Ruhe vergönnte.</p> - -<p>Der Park hatte es ihr angethan; sie war geradezu darein -verliebt. Bisher hatte sie ihn nur im allgemeinen kennen -gelernt, nun sollte Eberhard ihr alle Winkelchen und Eckchen -zeigen. Sie war in der Stadt groß geworden; die Natur, -in die sie zum erstenmal hineinblickte, war für sie wie ein -Märchenbuch, das man vor den Augen des Kindes aufschlägt. -Jeder kleinste Vorgang darin war ihr ein Gegenstand des -Staunens und Bewunderns. Unter jedem Baume, in dem -eine Nachtigall saß, mußte Eberhard mit ihr stehen bleiben -und dem Gesange lauschen; wenn ein Buchfink über den Weg -vor ihnen herhüpfte, hielt sie ihren Begleiter am Arme -fest, mit ausgestrecktem Finger zeigend: »Sieh doch nur, -sieh! was für ein reizendes Tierchen!« Sie war vollständig -zum Kinde geworden; sie brauchte nichts weiter, verlangte -nichts weiter, sie war glücklich.</p> - -<p>Der gestrige Abend mit seiner schwülen Erregung, seiner -dumpfen Niedergeschlagenheit war in ihr ausgelöscht. Sie -hatte ja ihren Gatten nicht recht begriffen, allerdings, aber -sie hatte ja auch durch Erfahrung gelernt, daß man in solchen -Augenblicken nicht in ihn dringen, ihn nicht fragen durfte; -also fragte sie nicht.</p> - -<p>Eine sinnliche Natur war sie nicht. Es kamen wohl -Stunden und waren sogar dagewesen, wo ihr Blut heißer -wurde – aber für gewöhnlich war ihr das Verlangen der -Sinne fremd, und es bereitete ihr keine Schwierigkeiten, -<a class="pagenum" id="page_120" title="120"> </a> -sich eine Ehe zu denken, in welcher die Eheleute wie zwei -gute Freunde nebeneinander hergingen.</p> - -<p>Und sie begann sich mit der Vorstellung vertraut zu -machen, daß ihr beiderseitiges Verhältnis fortan in dieser -Art weitergehen würde.</p> - -<p>Ob der Mann, der müden Schrittes hinter ihr drein -kam, diese Gedanken in ihrer Seele las? Vielleicht.</p> - -<p>Er war etwas hinter ihr zurückgeblieben, denn weil er -ihr zu langsam ging, hatte sie sich von seinem Arme losgerissen. -Nun sah er sie vor sich dahintrippeln mit hastigen, -fröhlichen Bewegungen, den grün übersponnenen Laubgang -entlang, durch dessen Dach die Sonne ihr Licht in verstreuten -Funken herniederschickte, die junge Gestalt wie mit -Edelsteinen übersäend.</p> - -<p>Wie glücklich sie war! Und wie ihr Glück ihm die -tiefste Seele erwärmte!</p> - -<p>Aber wie harmlos auch, wie sorglos sie war! Wie so -keine Ahnung sich in ihr regte von dem, was gestern abend -in ihm vorgegangen war, von all dem Dunklen, Entsetzlichen!</p> - -<p>War es nicht gut, daß es also war? Freilich war es -gut. Aber warum seufzte er trotzdem innerlich auf?</p> - -<p>Er fühlte, daß er dieses alles vor ihr verstecken mußte. -Den einen Menschen, der in ihm war, den gütigen, liebevollen, -edlen Menschen, den durfte er ihr zeigen, – den -andern mußte die Nacht bedecken und das Dunkel, daß sie -nie in sein Gesicht sah – denn wenn sie es gesehen hätte – -Und also mußte er stark sein und immer stark, und allein -für sich tragen und schweigen.</p> - -<p>Und so, indem er sie vor sich herschlendern sah, im -<a class="pagenum" id="page_121" title="121"> </a> -Sonnenlichte gebadet, sie selbst wie ein verkörperter Sonnenstrahl, -kam er sich vor wie das dunkle Gewölk, das hinter -dem Lichte einherzieht, in dessen Schoß das Ungewitter -brütet, der Untergang des Lichtes und sein Tod. Wer war -vorhanden, um das vertrauensvolle Licht davor zu bewahren, -daß das Ungewitter es verschlang? Nur er selbst. Er selbst -war ihre Gefahr und sollte ihr Beschützer vor ihm selbst sein. -Indem er die furchtbare Anforderung empfand, die von -nun an jede Stunde und Minute, jeder Anblick des ersehnten -Weibes an seine Selbstbeherrschung stellte, überlief es ihn -wie ein Grausen.</p> - -<p>Würde er Kraft behalten? Immer? Es legte sich schwer -auf seine Brust, beinahe wie eine Todesangst.</p> - -<p>Und dieses Angstgefühl verließ ihn nicht mehr; es wurde -zu einer bleibenden, körperlichen Beklemmung, und diese Beklemmung -wuchs, je mehr der Tag sich zum Ende neigte. -Das Dunkel erschreckte ihn; er fürchtete sich vor der Nacht. -Als er daher gegen Abend mit seiner Frau ins Schloß -zurückgekehrt war, ließ er alles, was an Lampen aufzutreiben -war, anzünden, damit Licht würde, damit er sich das Tageslicht -einbilden könnte. Denn bei Tage, so schien es ihm, -hatte der Dämon keine Gewalt über ihn. Nur hatte er -dabei vergessen, daß in dem Lichte, das jetzt, aus allen -Spiegeln widerstrahlend, die Gemächer füllte, auch die Gestalt -des Weibes um so leuchtender hervortreten mußte. -Und gerade vor ihr fürchtete er sich ja am meisten. Heute, -im Laufe des Tages, als sie mit ihm den Park durchtändelt -hatte, war sie ihm wie ein kleines Mädchen, wie ein Kind -erschienen, dem gegenüber die Sinne schweigen – jetzt, -da die Nacht kam, wurde sie wieder zum Weibe. Jede -<a class="pagenum" id="page_122" title="122"> </a> -Bewegung ihrer Glieder wuchs in seiner Phantasie zu einer -verstrickenden Umarmung, jedes Rauschen ihres Kleides zu -einem sinnbethörenden Lockruf.</p> - -<p>»Ich ziehe mir meinen Morgenrock an,« hatte Anna -gesagt, als sie ins Schloß zurückkehrten, und es hatte ihm -auf der Zunge geschwebt, zu sagen, »thu's nicht!«</p> - -<p>Aber er sagte es nicht. Was hätte sie denken müssen? -Wie hätte sie es verstehen können? Sollte er sagen, daß -er wahnsinnig sei? Er selbst? Er lächelte.</p> - -<p>»Freilich, freilich; wir gehen wohl heute früh zu Bett? -Du wirst dich müde gelaufen haben?«</p> - -<p>Als er zu ihr zurückkam, stand sie vor einem Bilde, -mit einer Lampe hinaufleuchtend. Der weite Aermel des -Schlafrocks war zurückgefallen, der volle weiße Arm kam -bis über den Ellbogen hervor. Alles vergessend, wollte er -mit einem Sprunge sich über sie stürzen – da wandte sie -sich lächelnd um. Ein harmloses, ahnungsloses Kinderlächeln. -Alles war für den Augenblick vorbei. Ruhig trat -er zu ihr heran und nahm ihr die Lampe ab.</p> - -<p>Heute, nachdem sie zu Abend gespeist hatten, wartete er -nicht, bis die Uhr auf dem Kamin elf schlug.</p> - -<p>»Du bist müde?« fragte er.</p> - -<p>Sie nickte ihm mit traumverschleierten Augen zu.</p> - -<p>In einem Armstuhl saß sie da, behaglich hintenüber -gelehnt, die Füße weit ausgestreckt und übereinander gelegt.</p> - -<p>»Die Frühlingsluft macht so müde,« sagte sie mit -dämmernder Stimme, »und es ist so schön, einzuschlafen, -während man die Nachtigallen singen hört – horch doch -nur, wie das klingt – entzückend.«</p> - -<p>Er war an das geöffnete Fenster getreten – sie hatte -<a class="pagenum" id="page_123" title="123"> </a> -recht. Wie die Stimme des Frühlings drang der süße Ton -der Nachtigallen aus dem nachtdunklen Parke herauf. Liebe -war es, die ihren Gesang erweckte, und es war, als riefen -sie allen Geschöpfen der Erde zu »liebt euch, jetzt ist die -Zeit der Liebe«. Und da stand er und durfte nicht lieben. -Die Qual, die er empfand, war so groß, daß er lange Zeit -lautlos am offenen Fenster stehen bleiben mußte. Dann -trat er zu ihr.</p> - -<p>»Nun gute Nacht,« sagte er. Er stand über sie gebeugt; -sie blickte lieblich zu ihm auf.</p> - -<p>Plötzlich griff er mit der Hand hinunter und riß ihr -den einen Schuh vom Fuße.</p> - -<p>Sie erschrak beinah.</p> - -<p>»Aber Eberhard.«</p> - -<p>Sie wollte nach ihrem Schuh greifen, aber er hielt -ihn fest.</p> - -<p>»Ein Andenken,« rief er, »ein Andenken,« er lachte -dabei laut, beinahe gellend, und dann, indem er den Schuh, -in dem noch die ganze Wärme ihres Fußes war, an die -Lippen drückte, schoß er auf die Thür zu und war hinaus. -Kopfschüttelnd saß Anna und sah ihm nach; dann erhob sie -sich, und den einen Fuß im Schuh, den andern im Strumpfe, -wanderte sie in ihr Schlafgemach.</p> - -<p>Eine Reihe von Tagen folgte, alle diesem Tage gleich. -Luft und Himmel voll Sonnenschein, das Laubgezelt des -Parks immer dichter anschwellend zum grünen, rauschenden -Wald, von Düften durchflutet, von Vogelstimmen durchtönt, -und durch die grünende Wildnis dahinwandelnd die rosige -blühende Frau und der bleiche hohläugige Mann.</p> - -<p>Immer größer wurde der Abstand, in dem sie gingen; -<a class="pagenum" id="page_124" title="124"> </a> -immer weiter flog sie ihm voran, immer müder blieb er -zurück, und es kam auch schon vor, daß er sich auf eine Bank -niedersetzte und sie allein auf Entdeckungen ausziehen ließ.</p> - -<p>Die schlaflosen Nächte griffen ihn zu furchtbar an. -Seine Nerven waren des Morgens wie aufgeweicht, um sich -dann im Laufe des Tages allmählich aufzustraffen, bis daß -sie am Abende wieder angespannt waren, wie die Saiten -eines Streichinstrumentes, jeden Augenblick zum Springen -bereit.</p> - -<p>Jeden Abend dann wieder das Aufsteigen des wütenden -Verlangens und das Niederkämpfen desselben, so daß sein -Inneres einem Schlachtfelde glich, und jeden Abend die -Wiederkehr einer Erscheinung, die er sich nicht zu erklären -vermochte, und die trotzdem vorhanden war, die er empfand, -mit Grauen empfand:</p> - -<p>Jeden Abend, wenn er in sein Zimmer gekommen war, -hatte er ein Gefühl, als stände etwas hinter ihm, irgend -etwas, er hätte nicht sagen können, was. Etwas Fürchterliches, -das unablässig auf ihn hinblickte, mit grünen Augen, -mit einem wartenden Blick. So deutlich empfand er die -Anwesenheit dieses schrecklichen, unsichtbaren Etwas, daß ihm -manchmal geradezu war, als hörte er ein leises, keuchendes -Atemholen, so daß er die Lampe aufnahm und Winkel und -Ecken seiner Zimmer durchstöberte, bis daß er die Lampe -wieder niedersetzte und sich sagte, daß niemand da war und -nichts, daß alles nur in ihm selbst war, ein Spukgebilde -seiner Seele, der Wahnsinn, der Wahnsinn.</p> - -<p>Eines freilich sah er bei diesen Gelegenheiten nicht: -wenn er mit der Lampe in der Hand durch seine Zimmer -stöberte und der Thür nahe kam, die zum Flur ging, dann -<a class="pagenum" id="page_125" title="125"> </a> -sah er nicht, wie sich draußen an der Thür eine hagere -Gestalt aufrichtete, die bis dahin lauernd zum Schlüsselloch -gebeugt, mit leise keuchendem Atemholen gestanden hatte und -nun, wenn sie seine Schritte nahen hörte, über den Flur -hinweg huschte und sich in den Schatten des großen Schrankes -drückte, der an der Wand des Flurs, neben der Thür stand.</p> - -<p>Anna hatte in den letzten Tagen sein übles Aussehen -bemerkt und ihn zärtlich besorgt gefragt, ob ihm etwas fehle. -Aber er hatte hastig und entschieden verneint, »Gar nichts -fehlte ihm, er war vollkommen wohl!« Und um sie zu beruhigen, -hatte er sogleich einen weiten Spaziergang mit ihr -durch den Park gemacht.</p> - -<p>Mit aller Gewalt hatte er sich zusammengenommen -und zusammengerafft; liebenswürdig und freundlich war er -gewesen, wie nur je zuvor.</p> - -<p>»Daß nur sie nichts merkte! Um Gottes willen, nur -nicht sie!«</p> - -<p>Aber diese letzte gewaltsame Anspannung gab ihm -den Rest.</p> - -<p>Da er sich heute, seiner Versicherung nach, so wohl -fühlte, hatte Anna ihn wieder durch den ganzen Park mit -sich genommen, herauf und herab, die Kreuz und die Quer. -Mehrere Vogelnester hatte sie entdeckt, die noch im Bau -begriffen waren, und das Treiben der Vögel dabei war -doch zu reizend, jedes einzelne mußte sie ihm zeigen. Und -nachdem das erledigt war, hatte er ihr dahin folgen müssen, -wo sie ihren Gemüsegarten anzulegen gedachte; sie hatte ihm -die einzelnen Felder schon gezeigt, wo Salat gebaut werden -sollte, und Bohnen, Rüben und Tomaten, und was es -alles gab.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_126" title="126"> </a> -Am Abend war sie daher schläfrig geworden wie ein -Kind, das sich tagsüber müde gespielt hat.</p> - -<p>»Heute werde ich aber gehörig schlafen,« sagte sie, als -sie sich erhob, um ihm gute Nacht zu wünschen.</p> - -<p>Er war heut so besonders liebenswürdig gewesen, dafür -war sie ihm Dank schuldig. Zärtlich hing sie sich um seinen -Hals, um ihn zu küssen. Wie es jetzt in seiner Gewohnheit -lag, richtete er den Oberleib steif auf, als wollte er -ihren Lippen ausweichen, aber sie hatte es sich in den Kopf -gesetzt, heute sollte er einmal seinen Kuß bekommen. Lachend -versuchte sie, mit ihrem Munde an den seinen zu gelangen, -und weil ihre Körperlänge dazu nicht ausreichte, stieg sie -mit den Füßen auf seine Füße. Indem sie sich auf den -Spitzen erhob, reichte sie ihm bis an den Mund, und nun -erhielt er einen langen, warmen, liebevollen Kuß.</p> - -<p>Ihre Lippen lagen auf den seinen, ihr junger Leib -drängte sich an ihn, auf seinen Füßen empfand er ihre -warmen weichen Füßchen.</p> - -<p>In dem Augenblick war ihm zu Mute, als risse etwas -in ihm, beinah, als spränge eine Saite, so daß er das -Nachsummen des Schlags in seinen Ohren zu vernehmen -meinte.</p> - -<p>Er schob sie von sich.</p> - -<p>»Gehst du jetzt zu Bett?« fragte er; der Ton seiner -Stimme war lallend.</p> - -<p>»Freilich geh' ich zu Bett.«</p> - -<p>An der Thür des Schlafzimmers blieb sie noch einmal -stehen und warf ihm, traumselig nickend, Kußfinger zu.</p> - -<p>Kaum daß sie dann ihr Lager erreicht hatte, war sie -schon eingeschlafen.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_127" title="127"> </a> -Einige Zeit später, sie hätte kaum sagen können, ob -Stunden oder nur Minuten, wurde sie durch ein Geräusch -geweckt, und als sie blinzelnd die verschlafenen Augen öffnete, -bemerkte sie, daß ein Lichtschein im Zimmer war. Wie kam -das? Sie hatte doch vor dem Einschlafen alles Licht gelöscht?</p> - -<p>Indem sie sich allmählich ermunterte, sah sie, daß das -Licht von der Thür herkam, und durch den blauseidenen -Bettvorhang hindurch gewahrte sie eine dunkle Gestalt, die -in der Thür stand. Genau zu erkennen vermochte sie nicht, -wer es war.</p> - -<p>»Bist du's, Eberhard?« fragte sie schläfrig.</p> - -<p>Es erfolgte keine Antwort. Die Gestalt rührte sich -nicht. Sie richtete sich auf den Ellenbogen auf.</p> - -<p>»Eberhard, bist du's?« fragte sie noch einmal.</p> - -<p>Jetzt kam die Gestalt mit einem Schritt heran, bis an -das Fußende ihres Bettes, schlug den Vorhang zurück – -ein Licht in Händen, stand ihr Gatte vor ihr, Eberhard von -Fahrenwald.</p> - -<p>Er gab keinen Laut von sich, seine Augen ruhten auf -ihr, mit stierendem, beinahe gläsernem Blick.</p> - -<p>Sie wußte nicht, was sie denken sollte, verwirrt schaute -sie ihn an. Dann streckte sie den Arm nach ihm aus.</p> - -<p>»Aber Eberhard – was machst du denn?«</p> - -<p>In dem Augenblick hatte er das Licht auf den Nachttisch -gesetzt und ihren Arm mit beiden Händen ergriffen. -Als wäre ihr Arm in einen Schraubstock gespannt – so -war es. Es wurde ihr unheimlich.</p> - -<p>»Aber – so sprich doch nur ein Wort,« bat sie leise.</p> - -<p>Er sprach nicht; es war, als hörte er sie überhaupt -nicht. Plötzlich ließ er ihren Arm fahren, griff sie mit -<a class="pagenum" id="page_128" title="128"> </a> -beiden Händen an den Schultern und drückte sie in die Kissen -zurück. Sie lag wie gefesselt unter seinen Händen, unfähig -sich zu bewegen; ihre Augen blickten angstvoll in sein Gesicht -empor, das mit steinernem, rätselhaftem Ausdruck über sie -gebeugt war.</p> - -<p>»Was thust du denn?« stammelte sie; dabei warf sie -die Schultern hin und her und versuchte, sich seinem Griffe -zu entwinden.</p> - -<p>Als er die windenden Bewegungen ihres Körpers fühlte, -bog er plötzlich den Oberleib zurück, richtete sich auf, sein -Anblick wurde wie der eines wilden Tieres, das sich zum -Sprunge auf die Beute anschickt.</p> - -<p>Von Todesangst gepackt, fuhr sie auf und aus dem -Bette. Keuchend stand sie, zu ihm hinüberblickend, der auf der -andern Seite des Bettes stand. In das Zimmer ihrer Jungfer -zu gelangen, vermochte sie nicht, weil er zwischen Bett und -Thür war.</p> - -<p>Als er jetzt aber eine Bewegung machte, als wollte er -auf sie zu, stieß sie einen gellenden Schrei aus, und so wie -sie war, mit nackten Füßen, nur im Hemd, rannte sie durch -die Thür, durch die er gekommen und die hinter ihm offen -geblieben war, in ihr Wohnzimmer. Halb sinnlos vor Angst -drückte sie sich hinter dem Ruhebett nieder, das an der gegenüberliegenden -Wand stand. Ein Augenblick verging – dann -erschien der Verfolger auf der Schwelle, das Licht haltend, -mit dem Lichte nach ihr suchend.</p> - -<p>Jetzt hatte er sie entdeckt – und wieder sprang sie auf -und flüchtete weiter, in das nächste Zimmer. Hinter ihr -kam er her, mit langen Sprüngen. Aus dem zweiten Zimmer -ging es in das dritte, in das vierte und weiter, immer -<a class="pagenum" id="page_129" title="129"> </a> -weiter, durch alle Zimmer hindurch, die Galerie entlang, -bis daß sie endlich im Bibliotheksaale, am Ende der Zimmerflucht -angelangt war und sich bewußt wurde, daß es nun -nicht weiter ging, daß sie gefangen war, verloren war. – -Mitten im Saale, die entsetzten Augen auf ihn gerichtet, -blieb sie stehen, beide Arme reckte sie in die Höhe, – ein -verzweifeltes Geschrei – und jählings, mit schwerem Fall -schlug sie auf den Fußboden nieder, ohnmächtig, wie eine -Leiche anzusehen.</p> - -<p>Als dies geschah, als er den Schrei vernahm und die -weiße Gestalt zusammenbrechen sah, blieb der Mann stehen -und sah sich einen Augenblick wie verwundert um. Es sah -aus, als müßte er seine Erinnerung sammeln. Dann kam -er, das Licht hoch haltend, mit vorsichtigen Schritten da -heran, wo das da am Boden lag, das Weiße. Er senkte -das Licht und leuchtete über die regungslose Gestalt hin, -richtete sich wieder auf und trat einen Schritt zurück. Er -setzte das Licht auf den Tisch, und auf die Tischplatte niederstarrend, -fing er wieder an, sich zu besinnen, nachzudenken, -nachzudenken. Dann erhob er die Augen, richtete sie dumpf -brütend den Fenstern zu, hinter denen die schwarze Nacht -hing, und nun war es, als käme aus weiter Ferne der -Nacht ein Licht heran, ganz fern erst, ganz klein, aber näher -kommend, immer näher, bis daß es sein Gesicht erreicht -hatte, bis daß es in seine Augen gestiegen war. Und nun -begannen die Augen, die bis dahin gläsern gestiert hatten, -wieder zu sehen, die Züge des verwandelten Gesichts wandelten -sich wieder zurück, und nun war es wieder Eberhard -von Fahrenwald, der dort am Tische stand.</p> - -<p>Mit einem Ruck, daß die Gelenke in seinem Leibe -<a class="pagenum" id="page_130" title="130"> </a> -krachten, richtete er sich plötzlich in die Höhe, ergriff noch -einmal das Licht und trat heran – im nämlichen Augenblick -aber flog er rückwärts, als wenn ein Stoß ihn zurückgeworfen -hätte. Auf dem glatten Parkett des Fußbodens -schlug er der Länge lang hin, mit dem Gesicht am Boden, -beide Hände in den Mund stopfend, mit den Zähnen in die -Hände beißend, daß das Blut herabtroff. Ein gurgelndes -Röcheln, ein ersticktes Heulen wühlte sich aus ihm heraus -und in den Fußboden hinein; dann kroch er bis zu dem -nächsten Stuhle, arbeitete sich mühselig an dem Stuhle auf, -bis daß er auf den Füßen stand, und nun, wie ein Mensch, -der nicht mehr gehen kann, dem das Rückgrat gebrochen ist, -schleppte er sich, die Augen immerfort auf die Gestalt am -Boden dort gerichtet, bis an die Thür, die aus dem Bibliotheksaale -auf den Flur führte. An der Thürklinke hielt er sich -mit beiden Händen aufrecht, das Haar klebte ihm im Gesicht, -eine dicke Feuchtigkeit – war es Schweiß, war es -Blut, waren es Thränen – rieselte ihm vom Gesicht; es -war, als wenn er weinen wollte, aber er vermochte es -nicht – als wenn er etwas sagen wollte, aber er vermochte es -nicht – nur ein Aechzen wurde vernehmbar: »Anna – Anna -– Anna« und diesen Namen wiederholend und fortwährend, -sinnlos wiederholend, schob er sich zur Thür hinaus. Sobald -er aber die Thür hinter sich hatte, fühlte er sich von -einem eisernen Arm umschlungen und aufrecht gehalten. Der -Mann war da, der ihn als Kind auf den Armen getragen -hatte, und dem er nun wieder gehörte, der alte Johann.</p> - -<p>»Kommen Sie nur, gnädiger Herr,« sagte er mit starker, -harter Stimme, »kommen Sie nur und lassen Sie mich -machen. Jetzt wird sich alles wieder geben.«</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_131" title="131"> </a> -Er führte den gebrochenen Mann, der hülflos, willenlos -in seinem Arme schwankte, die Treppe hinauf, in sein -Zimmer; er brachte ihn zu Bett, wie ein Kind; er deckte -ihn zu.</p> - -<p>»Nun schlafen Sie,« sagte er laut, beinah befehlend; -dann sah er sich noch einmal in den Zimmern um: kein -Messer da? Keine Schere? Kein Werkzeug irgend welcher -Art? Nichts. Er rieb sich die Hände; so stolz war er! so -vergnügt! An den Fenstern machte er sich noch zu schaffen, und -es dauerte ziemlich lange, bis er damit fertig war; er hatte -einen Schraubenbohrer in der Tasche und Schrauben; sämtliche -Fenster in den Zimmern des Barons schraubte er zu -– für alle Fälle – man konnte ja nicht wissen. – Dann -riegelte er die Räume seines Herrn von außen ab und nun -war er fertig, nun hatte er ihn da drin, nun hatte er ihn -sicher. Als er auf dem Flur draußen stand, reckte er sich -lang auf. »Ah« – sagte er laut vor sich hin und jetzt -brauchte er sich ja keinen Zwang mehr anzuthun, jetzt konnte -er lachen und er lachte, laut, immer lauter, zuletzt brüllend. -Mit den flachen Händen schlug er sich auf die Lenden; »wer -hatte nun recht behalten?«</p> - -<p>Vom Augenblick an, als der Baron in der Nacht sein -Zimmer verlassen hatte und hinuntergegangen war, hatte -er ja alles mit angehört.</p> - -<p>»Jetzt kommt's,« hatte er sich gesagt, indem er im Dunkel -hinter ihm hergeschlichen war. Dann hatte er den Ruf in -Annas Schlafgemach vernommen, das Jagen und Laufen -durch die Zimmer, endlich den letzten Schrei und das Fallen -des Körpers im Bibliotheksaale.</p> - -<p>»Jetzt hat er sie totgeschlagen,« hatte er sich gesagt, -<a class="pagenum" id="page_132" title="132"> </a> -und er hatte an sich halten müssen, um nicht schon da lachend -herauszuplatzen. In dem Augenblick war er ja noch Diener -gewesen, da hätte es sich nicht geschickt.</p> - -<p>Aber jetzt – jetzt blieb nur noch zu thun, daß er sich -danach umsah, wo der Leichnam lag. Zu dem Zwecke ging -er jetzt nach dem Bibliotheksaal.</p> - -<p>Einen dicken Stock trug er in der einen, eine brennende -Laterne in der andern Hand. Warum er den Stock -mitnahm? Er hatte so ein Gefühl, als könnte sich möglicherweise -eine Gelegenheit bieten, – er wünschte sich eine -Gelegenheit – er hatte so ein Bedürfnis, auf irgend etwas -loszuhauen, irgend etwas zu zerschmettern, irgend etwas, am -liebsten aber menschliche Glieder und einen menschlichen -Körper. Er hieb mit dem Stock auf das Treppengeländer, -daß es krachte. Ah – wie ihm das wohl that! Wenn »sie« -so vor ihm gelegen hätte! Wenn er so auf »sie« hätte -loshauen können, daß ihre Glieder unter seinen Streichen -zerflogen wären wie Glas! Aber der Baron hatte ihm ja -schon vorgearbeitet. Jetzt war er nur noch neugierig zu -sehen, wie er es gemacht haben, wie er »sie« zugerichtet -haben würde. Mit der lüsternen Begier der blutdürstigen -Natur, die dem Anblick von irgend etwas Gräßlichem entgegengeht, -trat er in den Bibliotheksaal ein, sah sich um – und -blieb enttäuscht stehen. Der Saal war ja leer?</p> - -<p>Die Jungfer, die Thür an Thür mit ihrer Gebieterin -schlief, war von dem dumpfen Rumoren in Annas Schlafzimmer -aufgewacht. Anfangs nur halb ermuntert, war sie -ganz wach geworden, als sie den gellenden Schrei nebenan -vernahm.</p> - -<p>Rasch war sie aufgestanden, hatte Licht angezündet und -<a class="pagenum" id="page_133" title="133"> </a> -war eingetreten. Nun sah sie Annas zerstörtes Bett, von -dem die Decken heruntergeworfen waren, in dem die Kissen -wüst und wild durcheinander lagen. Sie sah die Thür zum -Nebenzimmer offen, und in dem Augenblick vernahm sie -von drüben, aus der Ferne, Annas verzweifelten Schrei. -Im ersten Augenblick hatte sie in ihr Zimmer zurücklaufen -und den Kopf unter die Bettdecke stecken wollen. Aber -dann hatte sie sich gesagt, daß das nicht recht wäre, daß -der Frau Baronin etwas zugestoßen sein müßte, der armen -jungen Frau Baronin, die so gut zu ihr war, von der sie -nie ein böses Wort zu hören bekam, und daß es ihre Pflicht -sei, zuzusehen, was geschehen war. Darum hatte sie sich -rasch in die notdürftigste Kleidung gesteckt, und zitternd, mit -schlotternden Gliedern, war sie die Zimmerflucht entlang bis -nach dem Bibliotheksaale gegangen.</p> - -<p>Wie sah es hier aus! Ein Leuchter lag am Fußboden; -das Licht war nicht erloschen, die Flamme hatte schon angefangen, -ein glimmendes Loch in das Parkett zu brennen, -und einige Schritte weiter war noch etwas, etwas lang Hingestrecktes, -Weißes, das sich jetzt stöhnend zu regen begann, -die junge Frau Baronin, die nur mit dem Hemde bedeckt, -mit aufgelöstem Haare ohnmächtig am Boden lag.</p> - -<p>Bei dem Anblick brachen dem Mädchen die Thränen -aus den Augen. Sie hob das schwälende Licht auf, kniete -zu ihrer Gebieterin nieder und nahm ihren Kopf in ihren -Schooß.</p> - -<p>»Gnädige Frau Baronin,« sagte sie, »Frau Baronin, -Frau Baronin!«</p> - -<p>Anna schlug die Augen auf, und als sie die Jungfer -erkannte, klammerte sie sich um ihren Hals.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_134" title="134"> </a> -»Hilf mir!« seufzte sie, »hilf mir!«</p> - -<p>Das Mädchen riß den Mantel ab, den sie um die -Schultern geworfen hatte, und verhüllte damit die schutzlosen -Glieder ihrer Gebieterin, dann umfaßte sie sie unter den -Achseln und half ihr aufstehen. Aengstlich aneinandergeschmiegt -wanderten die beiden Frauen nach Annas Schlafgemach -zurück.</p> - -<p>Hier sank Anna auf einen Stuhl, wie in Betäubung -vor sich niederstarrend. Das Mädchen holte ihre Kleidungsstücke -heran und begann sie anzuziehen; eine Ahnung sagte -ihr, daß man sich auf weiteres gefaßt zu machen hatte und -daß man sich rüsten müsse. Anna ließ sie schweigend gewähren.</p> - -<p>»Wo ist denn mein Mann?« fragte sie nach einiger Zeit.</p> - -<p>»Der Herr Baron? Ich weiß nicht,« versetzte das Mädchen. -»Soll ich einmal nach ihm seh'n?«</p> - -<p>»Ja, ja,« sagte Anna.</p> - -<p>Das Mädchen schlüpfte hinaus, auf den Flur, die -Treppe zum oberen Stockwerk hinauf. Sie kam gerade zurecht, -um zu sehen, wie der alte Johann die Thür des Barons -von außen verriegelte, wie er dann in sein Zimmer ging -und mit der Laterne in der einen, dem Stock in der andern -Hand wieder herauskam; unhörbar glitt sie die Treppe hinab, -dann kam sie zu Anna zurückgelaufen.</p> - -<p>»Gnädige Frau Baronin – eben hab' ich's geseh'n – -der Johann hat den gnädigen Herrn eingesperrt – und ich -glaube jetzt kommt der Johann herunter – und einen dicken -Stock hat er mit sich – und er sieht aus, wie ich's gar -nicht sagen kann – gar so fürchterlich – o Herr Jeses ne, -Herr Jeses ne!«</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_135" title="135"> </a> -Sie war ganz außer sich, ihr Atem flog, zu Annas -Füßen niedergekauert, umschlang sie sie mit den Armen. -Hülflos, ratlos drückten sich die beiden Frauen aneinander.</p> - -<p>Nach einiger Zeit vernahmen sie ein dumpfes Geräusch; -schwere Schritte stampften vom Bibliotheksaale heran. Dazwischen -hörten sie eine Stimme; es sprach jemand ganz laut.</p> - -<p>Das Mädchen beugte lauschend den Kopf vor.</p> - -<p>»Das ist der Johann,« flüsterte sie.</p> - -<p>Anna saß, wie in Eis gebadet.</p> - -<p>»Mit wem spricht er denn nur?«</p> - -<p>Das Mädchen zuckte die Achseln und schüttelte den Kopf.</p> - -<p>Jetzt konnte man schon einzelnes von dem verstehen, -was er sagte: »Aber tot muß sie sein! Muß sie sein! -Lebendig aus'm Haus lass' ich sie nicht! Lass' ich sie nicht!«</p> - -<p>Dann plötzlich blieb er stehen, und im nächsten Augenblick -gab es einen fürchterlichen Krach; mit dem dicken Knotenstock -hatte er in einen der hohen Spiegel hineingehauen, die -vorn in den Zimmern hingen.</p> - -<p>»Siehste du!« kreischte er, und während das klirrende -Glas zu Boden rauschte, stieß er ein Gelächter aus, daß -den beiden Frauen die Haare zu Berge stiegen.</p> - -<p>Weiter gingen die Schritte, Stühle flogen beiseite, -Tische schmetterten zu Boden, wie wenn ein Ungeheuer durch -die Zimmer stapfte und alles hinwegschleuderte, was ihm in -den Weg kam. Im nächsten Zimmer war wieder ein Spiegel -zwischen den Fenstern – klirr – ging der Knüppel hinein -und – klirr – kam das splitternde Glas herunter. Wieder -kam das »siehste du!« wieder das gellende Lachen und das -wahnwitzige Schwatzen: »Tot muß sie sein! tot muß sie sein! -muß sie sein!«</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_136" title="136"> </a> -Jetzt war kein Zweifel mehr, auf das Schlafzimmer -kam er zu.</p> - -<p>»Frau Baronin!« sagte das Mädchen, indem es, kreideweiß -im Gesicht, auf die Füße sprang.</p> - -<p>Anna saß wie leblos.</p> - -<p>»Frau Baronin!« sie schüttelte sie an den Schultern, -»um Jesus und aller Heiligen willen, kommen Sie fort!«</p> - -<p>Mit einem Griff packte sie Anna um den Leib, riß sie -vom Stuhle auf und zog sie aus dem Schlafzimmer in ihre -nebenanstoßende Kammer, deren Thür sie hastig von innen -verriegelte.</p> - -<p>Es war höchste Zeit gewesen.</p> - -<p>Im Augenblick, als sie sich hinter die Thür gebracht -hatten, erdröhnten die Schritte in Annas Wohnzimmer, und -im nächsten Augenblicke erschien auf der Schwelle des Schlafgemachs -eine grauenvolle Gestalt, die Gestalt eines Wahnsinnigen, -Tobsüchtigen, des alten Johann.</p> - -<p>In der Linken hielt er die Laterne hoch, dann hörten -die Frauen, die sich draußen zähneklappernd an die Thür -drängten, seine Stimme, die jetzt pfeifend, in schneidenden -Fisteltönen herauskam: »Siehste du, Kurnallje! Itze -hab' ich dich!«</p> - -<p>Dann ein Sausen durch die Luft und ein schwerer -schmetternder Streich; sein Stock hatte mit aller Gewalt in -Annas Bett hineingeschlagen. Die gepolsterte Rolle die -unter Annas Kopfkissen gelegen hatte, war während des -Kampfes verschoben worden und lag jetzt mitten im Bett. -Die längliche runde Gestalt des Polsters täuschte seinen -wahnsinnumnachteten Sinnen vor, daß die junge Frau -selber vor ihm läge; auf sie hatte er eingehauen.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_137" title="137"> </a> -Ein wütendes Lachen folgte dem Streiche.</p> - -<p>»Hat's gut gethan? Hat's gut gethan?«</p> - -<p>Dann wurde seine Stimme undeutlich und verworren, -als hätte er einen Brei im Munde, den er nicht mehr zu -Worten zu zerkauen vermochte, wie die Stimme eines bösen -Hundes, den die Wut so übermannt hat, daß er nicht mehr -bellen kann.</p> - -<p>»Noch leben willst de? Noch mucken willst de? Tot -mußt de sein! Tot mußt de sein! mußt de sein!«</p> - -<p>Und »krach«, »krach« und »krach« wie eine schaudervolle -Begleitung zu den schaudervollen Worten schmetterte der -Stock wieder, wieder und wieder in das Bett hinein.</p> - -<p>Nun schien er befriedigt.</p> - -<p>Ein langgezogenes »so – siehste itze war's recht«, -dann noch ein wortloses unverständliches Wühlen und Rumoren, -und dann vernahmen die Frauen, wie er stampfenden -Schrittes, so wie er gekommen war, das Schlafzimmer -wieder verließ.</p> - -<p>Was that er jetzt? Wo ging er hin? Den Finger auf -den Mund gelegt, bedeutete das Mädchen Anna, daß sie -sich ruhig verhalten, daß sie zurückbleiben sollte, dann öffnete -sie leise, leise, die Thür, streifte die Schuhe ab und schlich -barfuß dem Alten im Dunkel nach. Nach längerer Zeit erst -kam sie zurück.</p> - -<p>»Frau Baronin,« sagte sie, »Frau Baronin, kommen Sie -schnell, seh'n Sie, was er jetzt angibt.«</p> - -<p>Sie warf Anna einen Mantel um, dann ergriff sie sie -an der Hand und riß sie durch die dunklen Räume des -Schlosses, über eine Hintertreppe in den Garten hinunter.</p> - -<p>In einiger Entfernung vor ihnen schritt der Alte, die -<a class="pagenum" id="page_138" title="138"> </a> -Laterne in der einen, statt des Stocks jetzt einen Spaten -in der andern Hand. Im linken Arme trug er die weiße -Kopfrolle aus Annas Bett, die infolge seiner Streiche mitten -durchgeknickt war und in zwei bammelnden Enden über -seinen Arm hing.</p> - -<p>»Er glaubt, das sind Frau Baronin, die er da trägt,« -stammelte das Mädchen Anna ins Ohr.</p> - -<p>Anna blickte starr.</p> - -<p>Das Mädchen zog sie am Arme und bedeutete sie, -weiterzugehen; »aber leise,« mahnte sie, »leise!«</p> - -<p>Mit angehaltenem Atem schlichen sie hinter dem Alten -her, so weit entfernt, daß sie seine von der Laterne beleuchtete -Gestalt gerade noch zu erkennen vermochten.</p> - -<p>Jetzt sahen sie, wie er vom Wege in das Gebüsch abbog, -und nachdem er sich einige Schritte weit hineingearbeitet -hatte, blieb er stehen. An der Stelle, wo er sich befand, -war eine kleine Lichtung im Dickicht, einige Fuß im Geviert. -Er hing die Laterne an einen Ast, warf das Polster -zur Erde, spuckte sich in die Hände und mit einem »nu jetzt -aber 'mal« stieß er den Spaten in die Erde und fing an, -eine Grube auszuwerfen.</p> - -<p>Die beiden Frauen hatten sich bis an den äußeren -Rand des Gebüsches herangemacht; sie verfolgten jede seiner -Bewegungen.</p> - -<p>Er arbeitete mit grimmiger Verbissenheit; ein dumpfes -Grunzen begleitete jeden Spatenwurf. Dann richtete er sich -auf, so daß das Licht der Laterne sich in seinen blutunterlaufenen, -gräßlichen Augen spiegelte. Er raffte das Polster -vom Erdboden auf, hob es mit beiden Armen empor und -dann mit aller Gewalt schleuderte er es in das gähnende -<a class="pagenum" id="page_139" title="139"> </a> -schwarze Loch, so daß man den dumpfen Puff vernahm, mit -dem es unten aufschlug.</p> - -<p>Er stierte in die Grube hinunter.</p> - -<p>»Da gehste nein,« sagte er, »da bleibste und kommst -all dein Lebtag nicht wieder heraus!«</p> - -<p>Dann griff er wieder zum Spaten und schaufelte das Loch zu.</p> - -<p>»Frau Baronin, kommen Sie fort,« flüsterte das Mädchen. -Der Alte hatte sein Werk vollbracht, gleich würde -er jetzt zurückkommen, auf die Stelle zu, wo die beiden -standen. Sie wichen einige Schritte in dem dunklen Laubgang -zurück. Durch das Dickicht brach er sich hindurch und -an ihnen vorbei trottete er nach dem Schloß zurück.</p> - -<p>»Jetzt meint er, hat er Frau Baronin begraben,« sagte -das Mädchen.</p> - -<p>Anna konnte nichts erwidern.</p> - -<p>Die gutgemeinte aber plumpe Art, mit der ihre Begleiterin -ihr all das Schreckliche, was sie erlebte und sah, -noch einmal wiederholte, steigerte die Entsetzensqual, die auf -ihr lastete, bis zum Unerträglichen; der Atem versagte ihr, -sie schluckte, schluckte und schluckte noch einmal, dann taumelte -sie und wäre ohnmächtig zur Erde gefallen, wenn sie nicht -mit dem Rücken gegen einen Baumstamm gesunken wäre, -und wenn nicht das Mädchen mit beiden Händen zugegriffen -und sie aufrecht gehalten hätte.</p> - -<p>Erst allmählich hob sich der Druck, der ihr wie ein -eiserner Reif die Brust umspannte. Endlich vermochte sie -tief Atem zu holen, und nun brach sie in einen endlosen -Thränenstrom aus.</p> - -<p>»Was soll ich jetzt machen?« schluchzte sie, »ins Schloß -kann ich doch nicht mehr zurück!«</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_140" title="140"> </a> -Vom Jammer überwältigt, kniete das Mädchen vor ihr -nieder und umfing sie mit den Armen.</p> - -<p>»Frau Baronin,« sagte sie flehend, »liebe, gutte, gnädige -Frau Baronin, weinen Se och nich so! Gott is gutt, Gott -wird Sie nicht verlassen! Ins Schloß dürfen Frau Baronin -nicht zurück, das is ja klar; also will ich Frau Baronin -etwas sagen: Frau Baronin gehen mit mir, zu meinen -Eltern ins Dorf« – in ihrer Erregung hatte sie all ihr -Hochdeutsch vergessen und war wieder ganz das schlesische -Landmädchen geworden –, »meine Eltern haben halt nur -a paar kleene Stiebchen, aber 's sind gutte Leite, gutte Leite! -Frau Baronin können ganz gutt a paar Tage bei ihnen -wohnen. A Bett für Frau Baronin find't sich schon und -a Brinkel zum essen auch, und murne is wieder a Tag, und -da werden wir schon weiter seh'n, schon weiter seh'n.«</p> - -<p>Mit diesen Worten hatte sie Anna unter den Arm gefaßt -und führte sie, die willenlos alles mit sich geschehen -ließ, durch den Park auf das freie Feld hinaus und dann -im weiten Bogen in das Dorf, zum Hause ihrer Eltern, -wo sie in tiefer nächtlicher Stunde an die Fensterläden klopfte -und die alten Leute aus dem Schlaf pochte.</p> - -<p>Eine halbe Stunde später lag Anna im Bette der -alten Tagelöhnersfrau, während diese und ihr Mann sich -mit ihrer Tochter, der Franzel, nebenan in die Küche setzten -und mit offenem Mund und Augen die fürchterlichen -Dinge anhörten, die sich droben auf dem Schlosse begeben -hatten.</p> - -<hr /> - -<p>Am nächsten Morgen saß Eberhard von Fahrenwald -oben in seinem Zimmer, in einen Armstuhl geschmiegt, die -<a class="pagenum" id="page_141" title="141"> </a> -Kniee mit einer wollenen Decke umhüllt, müde, gebrochen, -wie ein plötzlich alt gewordener Mann.</p> - -<p>Die Thür that sich auf, und der alte Johann erschien, -eine Platte in Händen, auf der er ein Frühstück trug. Er -setzte sie auf den Tisch neben seinen Herrn.</p> - -<p>»Frühstücken Herr Baron jetzt!« befahl er.</p> - -<p>Seine ehemalige demütige Haltung war nicht mehr; er -stand neben seinem einstigen Herrn wie ein Aufseher bei -einem Gefangenen.</p> - -<p>Der Baron senkte die Augen, es sah aus, als fürchtete -er sich vor seinem Diener.</p> - -<p>»Frühstücken Sie,« gebot dieser noch einmal, und während -Eberhard von Fahrenwald einige Bissen zum Munde zu -führen versuchte, ging er, die Hände in den Hosentaschen, -in den Zimmern auf und ab, die Fenster und Thüren untersuchend. -Dann kam er zurück, um das Frühstück wieder abzuräumen.</p> - -<p>Eberhard sah mit scheuen Blicken an ihm vorbei. Seine -Hände zupften an der wollenen Decke; man merkte ihm an, -daß eine Frage auf seiner Seele lag, die sich nicht über die -Lippen getraute. Endlich kam sie heraus: »Wo – ist -denn – meine Frau?«</p> - -<p>Der Alte zuckte die Achseln, als verlohnte es sich nicht, -auf solche Frage überhaupt zu antworten, und ging auf die -Thür zu.</p> - -<p>»Wo ist meine Frau?« wiederholte Eberhard mit heiserer -Stimme.</p> - -<p>Jetzt drehte der Alte die Augen zu ihm herum, die -giftigen Augen.</p> - -<p>»Denken Herr Baron denn immer noch daran? Wäre -<a class="pagenum" id="page_142" title="142"> </a> -abgethan, die Geschichte, hätt' ich gemeint. Wär' schon am -besten, Herr Baron fingen an, an andres zu denken.«</p> - -<p>Eberhard ruckte und zuckte in seinem Stuhl; es sah -aus, als ob er aufstehen wollte, aber der gefährliche Blick -des Alten hielt ihn am Platze fest.</p> - -<p>Beide sahen sich eine Zeitlang stumm in die Augen. -Dann traten Schweißtropfen auf die Stirn des Barons; -erst nur vereinzelt, dann immer mehr, immer dicker, so daß -ihm der Schweiß plötzlich über das Gesicht zu laufen begann. -Er wollte sprechen, aber es sah aus, als wären seine -Kinnladen verrenkt.</p> - -<p>»Aber – sie ist nicht –«</p> - -<p>Er kam mit der Frage nicht zu Ende.</p> - -<p>»Ja, versteht sich!« fiel ihm der Alte mit wüster Brutalität -ins Wort. »Was soll sie denn sonst auch sein? Da -können Herr Baron warten, eh' die wiederkommt!«</p> - -<p>Eberhard stierte ihn an.</p> - -<p>»Fortgegangen?« fragte er tonlos.</p> - -<p>Jetzt kam der Alte von der Thür zurück, setzte die -Platte wieder auf den Tisch und sah grinsend auf ihn herab.</p> - -<p>»Tot ist sie! Was haben Sie denn auch gedacht?«</p> - -<p>Eberhards Kniee zogen sich wie im Krampfe empor, -sein Mund ging auf, als wenn er nach Luft schnappte, er -stopfte beide Fäuste in den Mund, dann fiel sein Oberleib -vornüber, so daß seine Brust beinah die Kniee berührte. -Ein konvulsivisches Zucken ging durch seinen Körper.</p> - -<p>Wie ein Teufel stand der Alte neben ihm.</p> - -<p>»Das alles,« sagte er mit eiserner Stimme, »habe ich -Herrn Baron zuvor gesagt, Herr Baron haben nicht hören -wollen.«</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_143" title="143"> </a> -Eberhard gab keine Antwort. Er hatte die Hände unter -den Kopf gestützt, er dachte nach. Merkwürdig – mitten -in der Zerrüttung seiner Seele fühlte er deutlich, daß er -ganz klar dachte. Der ganze gestrige Abend war ihm gegenwärtig, -alle Einzelheiten standen vor seiner Seele. Mit -einem Ruck warf er den Kopf auf.</p> - -<p>»Aber als ich sie zuletzt sah, war sie nicht tot,« -sagte er.</p> - -<p>Es war ihm plötzlich in Erinnerung gekommen, daß -als er aus dem Bibliotheksaale ging, Annas lebloser Körper -sich zu regen begonnen hatte.</p> - -<p>Der Alte that einen Schritt zurück; seine herabhängenden -Hände ballten sich. Wollte der elende, verrückte Mensch -da sich unterstehen, ihm zu sagen, daß sie nicht tot wäre? -Es kam ihm vor, als sollte er um sein gutes Recht bestohlen -werden.</p> - -<p>Eberhard hatte sich erhoben.</p> - -<p>»Wo ist meine Frau?« fragte er keuchend.</p> - -<p>»Tot ist sie!« brüllte ihm der Alte ins Gesicht. »Und -das hab' ich Herrn Baron immer gesagt, und Herr Baron -haben nicht hören wollen, und nun ist es gekommen, wie -ich's gesagt habe! Und wenn Herr Baron mir nicht glauben -wollen, dann ziehen Herr Baron sich an und kommen mit -hinunter; will ich Herrn Baron zeigen, allwo daß sie da -unten liegt!«</p> - -<p>Eberhard drückte beide Hände an den Kopf.</p> - -<p>»Gib mir meine Sachen!« sagte er dann, »gib mir -meine Sachen!«</p> - -<p>In fliegender Hast kleidete er sich an.</p> - -<p>»Also jetzt,« sagte er dann, »vorwärts!«</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_144" title="144"> </a> -Schwankenden Schritts trat er auf den Flur, am Geländer -sich haltend, wie ein Greis, arbeitete er sich, Stufe -nach Stufe, die Treppe hinunter, und so ging es weiter, -bis in den Garten hinab.</p> - -<p>Der Alte faßte ihn unter den Arm, weil er seine hülflose -Schwäche sah. Eberhard machte eine Bewegung, als -wollte er es nicht dulden, aber die Zeit war vorüber, da er -zu gebieten hatte.</p> - -<p>»Kommen Sie,« sagte der Diener barsch. Jetzt hatte -der gnädige Herr zu gehorchen.</p> - -<p>Den Laubgang führte er ihn entlang, bis an das -Gebüsch, dann brach er sich durch die Büsche hindurch, und -einen Augenblick darauf stand Eberhard vor dem frisch zugeworfenen -Loch.</p> - -<p>Als er das sah, fiel er mit einem heulenden Schluchzen -nieder, dann griff er mit den Händen in das Erdreich und -begann, die Erde aufzuwühlen. Mit rauher Gewalt riß der -Alte ihn fort.</p> - -<p>»Ah, was soll denn so etwas!« sagte er.</p> - -<p>Er nahm ihn wieder unter den Arm, noch fester als -vorhin, ungefähr wie ein Polizist, der einen Entsprungenen -geleitet. So führte er ihn aus dem Laubgange auf den -Rasenplatz hinaus, in den Sonnenschein, und dort an eine -Bank.</p> - -<p>»Setzen Herr Baron sich hier,« gebot er.</p> - -<p>Eberhards Widerstandskraft war gebrochen, er ließ sich -nieder und drückte sich in die Ecke der Bank.</p> - -<p>Der Alte ging um den Rasen herum und dann, auf -der andern Seite des Platzes, so daß er Eberhard fortwährend -unter Augen behielt, auf und nieder. Mit dem -<a class="pagenum" id="page_145" title="145"> </a> -Knüppel, den er jetzt immer bei sich trug, schlug er in den -Erdboden, daß der Kies raschelte. Dann setzte er sich auf -eine Bank, Eberhard gerade gegenüber, und von dort aus -stierte er unverwandt auf diesen hin. Er hätte tagelang so -sitzen können, ohne sich zu langweilen.</p> - -<p>Die »Einbrecherin« war beseitigt, er war wieder, was -ihm von Gottes und Rechts wegen zukam, der Wärter seines -»elenden, verrückten« Herrn – er war zufrieden.</p> - -<p>Und inzwischen saß der unglückliche Mann, die Augen -zu Boden gesenkt, weil er unablässig den fürchterlichen -Beobachterblick auf sich gerichtet fühlte, erdrückt unter der -Last seines Bewußtseins, das ihm jede Willens- und Widerstandskraft -raubte, das ihn zum hülflosen Kinde in den -Händen des grauenvollen Alten da drüben machte. Er war -ja ein Verbrecher, ein Mörder! Was für ein Recht hat ein -solcher, sich aufzulehnen? Er hat zu schweigen und dankbar -zu sein, wenn man ihm das Leben läßt. Und warum ließ -man ihm das Leben? Weil man annahm, daß er verrückt -sei. Also – er war verrückt. Sein Kinn senkte sich auf -die Brust, sein Körper kroch förmlich in sich zusammen.</p> - -<p>Und dann kam immer wieder das merkwürdige Bewußtsein, -daß er trotzdem ganz klar dachte. Er sträubte sich beinah -dagegen. Kann ein Verrückter klar denken? Und dennoch -war es so, und immer wieder und wieder tauchte die Erinnerung -auf, daß sie sich zu regen begonnen hatte, als -er aus dem Bibliotheksaale ging. Wäre nur der Alte nicht -gleich bei der Hand gewesen, der ihn fortriß, so daß er nicht -mehr Zeit behielt, noch einmal zurückzugehen und sich nach -ihr umzusehen!</p> - -<p>Und dennoch also war sie tot? So war sie wohl nachher -<a class="pagenum" id="page_146" title="146"> </a> -gestorben, nachdem er den Saal verlassen hatte? Er hatte -ja die Grube mit eigenen Augen gesehen, in der sie lag – -also tot war sie wirklich?</p> - -<p>Und während er sich das alles sagte, kam immer und -immer wieder ein Gefühl, als sei alles nicht so, als wäre -sie nicht tot, nur irgendwo versteckt. Von der Bank, auf -der er saß, konnte er die Buchenallee hinuntersehen, durch -welche er damals mit ihr in den Park eingetreten war, bis -hinunter an den Eichbaum, an den er damals den Kranz -gehängt hatte. Immerfort gingen seine Augen die Allee -entlang, immer war es ihm, als würde er dort unten am -Ende der Allee plötzlich eine Gestalt erscheinen sehen, von -der Sonne umleuchtet, eine ersehnte, geliebte Gestalt, als -würde er auf sie zustürzen und sie ihm entgegenfliegen, als -würde er in ihren Armen aufwachen aus gräßlichem, gräßlichem -Traume, aufwachen als ein glückseliger Mensch zu -neuem glückseligen Leben.</p> - -<p>So stark war seine Einbildung, daß er unwillkürlich -von der Bank aufstand. Im selben Augenblick aber war -schon der Aufpasser an seiner Seite. Er hatte die Blicke -des Barons verfolgt, er sah in die Allee hinein – war da -etwas? Nichts.</p> - -<p>»Kommen Herr Baron,« sagte er, »es wird Zeit, daß -Herr Baron etwas essen.« Er faßte ihn unter den Arm -und schleppte ihn ins Schloß.</p> - -<p>So kam der Abend heran, und als es dunkel wurde, -erfaßte eine qualvolle Unruhe den gepeinigten Mann. War -es denn wirklich wahr, daß sie da draußen in der finsteren -Nacht in dem finsteren tiefen Loche lag? Nein, nein, nein! -Wenn er sich nur hätte überzeugen, nur die Grube aufwühlen -<a class="pagenum" id="page_147" title="147"> </a> -und hineinschauen können, ob sie wirklich da unten -war! Aber der Alte stand hinter ihm; er fühlte, wie er -ihn von hinten ansah; seine Blicke lagen auf ihm wie -Keulen. Wenn er den Versuch gemacht hätte, in den Garten -hinauszukommen, würde jener sich wie ein Bullenbeißer -auf ihn geworfen haben. Es schauderte ihn, schweigend -kroch er wieder in sich zusammen.</p> - -<p>»Gehen Herr Baron jetzt zu Bett,« sagte der Alte, -indem er, mit dem brennenden Lichte in der Hand, an die -Thür des Bibliotheksaales trat.</p> - -<p>Eberhard erhob sich, dann aber, mit einem plötzlichen -Griff, entriß er dem Diener das Licht, und ehe dieser es zu -hindern vermochte, stürzte er damit ins Nebenzimmer.</p> - -<p>»Anna!« rief er laut und klagend, »Anna! Anna!«</p> - -<p>So lief er durch die Galerie und so von Zimmer zu -Zimmer, das Licht emporhebend, im Kreise umherführend, mit -den Augen umhersuchend in allen Ecken, ob er sie nicht irgendwo -entdecken würde, irgendwo. Aber sie war nicht mehr da.</p> - -<p>So kam er in ihr Wohnzimmer, wo ihre Möbel standen -und ihr Schreibtisch und ihre Blumen, wo alles noch erfüllt -schien vom Dufte ihrer Persönlichkeit, und so endlich in ihr -Schlafgemach. Da stand noch das Bett, in dem sie gelegen -hatte, das einst so zierliche, jetzt so verwüstete Bett, und -nun erfaßte es ihn wirklich wie Raserei, und er fing an, -mit dem Lichte unter die Sofas zu leuchten und unter das -Bett, als müßte sie da irgendwo versteckt sein, als müßte, -müßte er sie finden.</p> - -<p>In dem Augenblick aber ertönte hinter ihm die eiserne -Stimme: »Was soll denn so etwas? Herr Baron stecken -ja noch das ganze Schloß in Brand.«</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_148" title="148"> </a> -Die harte Faust des Alten riß das Licht aus seiner -Hand und hielt es hoch, so daß es ruhig stand, dann zog -er ihn vom Boden empor, nahm seinen Arm unter seinen -Arm, und indem er ihn wie in einer Zwinge gefangen -hielt, führte er ihn hinaus, die Treppe hinauf in sein -Zimmer. Er brachte ihn zu Bett, wie ein Kind, untersuchte -noch einmal die Fenster.</p> - -<p>»Nun schlafen Herr Baron,« befahl er; dann riegelte -er von außen die Thür zu.</p> - -<p>So verging Tag nach Tag, und so ein Abend nach -dem andern. Jeden Tag das stundenlange Sitzen am Rasenplatze -auf der Bank, das stumme Suchen mit den Augen -in der Allee, jeden Abend das wandernde Licht von Zimmer -zu Zimmer, das Suchen und Suchen und Nichtfinden, und -bei Tage und am Abend, immerfort der Alte um ihn, hinter -ihm, neben ihm, immer und immerfort.</p> - -<p>Im Dorfe und in der Umgegend verbreitete sich unterdessen -die Nachricht, daß die junge Frau Baronin plötzlich -gestorben sei, und dieser Nachricht folgte ein Gerücht, das -man sich nur unter der Hand zuraunte: Der Herr Baron -hatte seine eigene Frau umgebracht.</p> - -<p>Er war verrückt geworden, der Baron, und der alte -Johann bewachte ihn. Der brave alte Johann!</p> - -<p>Er hatte immer großes Ansehen im Dorfe genossen, -jetzt aber war er geradezu eine imposante Persönlichkeit geworden. -Eigentlich war doch er jetzt der Herr vom Schloß.</p> - -<p>Wenn er mit seinem dicken Stock die Dorfstraße entlang -kam, flogen die Mützen und Hüte von den Köpfen; -er aber war ein stolzer Mann, er erwiderte keinen Gruß; -wie ein Stier mit vorgestrecktem Kopf ging er seines Wegs. -<a class="pagenum" id="page_149" title="149"> </a> -»Er hat jetzt halt so einen zornigen Blick,« flüsterten sich -die Leute zu, wenn er vorüberging.</p> - -<p>Ja, er hatte einen zornigen Blick, und besonders, wenn -er bei dem Taglöhnershause vorbeikam, wo die Eltern des -Mädchens, der Franzel, wohnten.</p> - -<p>Die Frau war tot und hin, das wußte er ja, aber das -Mädchen, das seit dem Abende verschwunden war, wo war -das Mädchen geblieben?</p> - -<p>Jeden Vormittag, bevor er seinen Herrn herausließ, -ging er durch das Dorf und jeden Vormittag trat er bei -den alten Leuten ein.</p> - -<p>»Wißt ihr's immer noch nicht, wo daß euer Mädchen -ist?«</p> - -<p>Die alten Leute zitterten am ganzen Leibe.</p> - -<p>»Nein, gnädiger Herr Johann, nischte wissen wir.«</p> - -<p>Das war die Antwort, die ihnen die Franzel eingelernt -hatte, und währenddem saß diese auf dem Heuboden, unter -dem Heu versteckt, zitternd wie Espenlaub.</p> - -<p>Anna war fort. Im Morgengrauen des Tages, der auf -die schreckliche Nacht folgte, war sie, von der Franzel begleitet, -zu Fuß nach der Eisenbahnstation gegangen. In -der Tasche ihres Kleides hatte sie ihr Portemonnaie und in -diesem ein paar Groschen Geld gefunden. So war sie nach -Breslau zurückgelangt und hatte bei dem Onkel und der -Tante wieder angeklopft. Wo sollte sie sonst bleiben? Und -nun saß sie, eine verheiratete Frau, da, wo sie als Mädchen -gesessen hatte, in wahrhaft jammervollem Zustande. Wie -eine Prinzessin ausgezogen, war sie wie eine Bettlerin -zurückgekommen.</p> - -<p>Dem Onkel und der Tante hatte sie erklären müssen, -<a class="pagenum" id="page_150" title="150"> </a> -warum sie kam; schweren Herzens hatte sie es gethan, denn -indem sie die Ereignisse jener Nacht andeutungsweise enthüllte, -war ihr, als beginge sie einen Verrat an dem unglücklichen, -trotz allem immer noch tief geliebten Manne.</p> - -<p>Der Onkel hatte nun mit einemmal »von vornherein -gewußt und vorhergesagt, daß die ganze Geschichte Blödsinn -sei und schlimm endigen würde«. Er gab sich kaum die -Mühe, Anna zu verheimlichen, wie lästig ihre Anwesenheit -ihm war, die er noch dazu, um nicht ins Gerede der Leute -zu kommen, vor aller Welt verschweigen mußte. Der Zustand -wurde mit der Zeit schier unerträglich. Da eines -Tags kam aus Fahrenwald ein Brief für Anna, mit plumpen -Schriftzügen zusammengefügt, ein Brief von der Franzel.</p> - -<p>Im Dorfe war es ruchbar geworden, wie der Baron -Tag für Tag stundenlang am Rasenplatze saß, in die Allee -blickend, wie er am Abend mit dem Lichte in der Hand -durch die Zimmer lief und nach seiner Frau suchte und nach -ihr rief. Dies alles berichtete ihr die Franzel.</p> - -<p>Als Anna dieses las, als sie erfuhr, wie er nach ihr -verlangte, traf es sie wie ein Vorwurf ins Herz. Sie kam -sich wie eine Pflichtvergessene vor, die von ihrem kranken -Manne davongelaufen war, statt bei ihm auszuharren. Ein -Entschluß stand in ihr auf, von dem sie zu niemand ein -Wort sagte – am nächsten Morgen war sie lautlos aus -dem Hause des Onkels und der Tante verschwunden.</p> - -<hr /> - -<p>Es war um die Mittagsstunde. Die Sonne stand hoch, -und im Sonnenschein saß Eberhard von Fahrenwald, in -Decken gehüllt, auf seiner Bank. Ihm gegenüber, wie immer, -der Alte als Aufpasser. Plötzlich sah dieser, wie der Baron, -<a class="pagenum" id="page_151" title="151"> </a> -die Augen in die Allee gerichtet, aus der einen Ecke der -Bank in die andre rutschte. Er schlug ein paarmal mit -dem Stock in die Erde, als wollte er dem da drüben sagen, -»nimm dich in acht, ich passe auf«.</p> - -<p>Aber der Baron achtete nicht auf ihn.</p> - -<p>Das war doch keine Täuschung, was er da eben gesehen -hatte, daß da hinten eine Gestalt in hellem Kleide -hinter den Büschen des Parks entlang und hinter den Eichbaum -geschlüpft war, hinter dem sie sich jetzt verbarg?</p> - -<p>Und diese Gestalt – war das nicht –?</p> - -<p>Und jetzt bog sich ein Hutrand hinter dem Baumstamme -vor, ein gelber Hutrand, und unter dem Hutrande ein -Gesicht –</p> - -<p>Gerade aufgereckt wie eine Eisenstange stand er von -der Bank auf – in demselben Augenblick trat die Gestalt -hinter dem Baume hervor und breitete beide Arme aus –</p> - -<p>»Anna!!« – Es war Eberhard von Fahrenwald, der -den Schrei ausgestoßen hatte, aber es hatte geklungen, wie -wenn zehn Männer aufschrieen.</p> - -<p>Jetzt aber kam der Alte in Sprüngen über den Rasenplatz -heran. Ein Blick in die Allee – ein momentanes -Erstarren – dann ein Geifern und Knirschen wie von einem -tollen Hunde. Die Allee entlang, gerade auf den Rasenplatz -zu kam eine geschritten – und diese eine war sie – -die Tote! Jählings, bevor Eberhard, der immer noch wie -in Erstarrung dastand, es verhindern konnte, stürmte der -Alte, mit gesenktem Haupte, auf die Allee zu, Anna entgegen. -Den Stock hatte er wie zum Schlage hoch erhoben, -ein Gebrüll ertönte aus seinem Munde. Anna war unwillkürlich -stehen geblieben, jetzt wandte sie sich um und fing -<a class="pagenum" id="page_152" title="152"> </a> -an, die Allee zurückzulaufen. Endlich war Eberhard zu sich -gekommen und zum Bewußtsein dessen, was sich begab. Mit -einem Ruck schleuderte er den dicken Ueberzieher ab, den ihm -der Diener heute früh angezogen hatte. Dann kam er gestreckten -Laufes hinter dem Alten her.</p> - -<p>»Johann!« donnerte er. Seine Stimme hatte wieder -den Klang früherer Tage, es war wieder die Stimme des -Herrn.</p> - -<p>Für einen Augenblick regte sich in dem Alten wieder -der Knecht; sein Gebrüll verstummte und einen Augenblick -schwankte er auf die Seite.</p> - -<p>Dann aber brach die Wut von neuem in ihm los.</p> - -<p>»Das ist nicht wahr, daß sie lebendig sein will! Tot -ist sie! Tot ist sie! Tot ist sie!«</p> - -<p>Und jetzt mit verdoppelter Wut raste er hinter dem -flüchtenden Weibe her.</p> - -<p>Annas Kniee wankten und schwankten – immer näher -kamen die dröhnenden Schritte – immer deutlicher vernahm -sie das heisere Keuchen in ihrem Rücken, das belfernde -Schnappen – ihre Kräfte verließen sie – vor ihren Augen -wurde es dunkel – ein schriller Schrei: »Eberhard –«</p> - -<p>Und in dem Augenblick hörte sie hinter sich ein Geräusch, -wie sie es bis dahin nie gehört – und als sie zusammenbrechend -gegen einen Baum taumelte und sich umsah, -erblickte sie Eberhard von Fahrenwald, der sich in dem -Augenblick über den Alten gestürzt, ihn mit beiden Händen -an der Gurgel gepackt hatte und mit einer Gewalt zu Boden -schleuderte, daß der Körper sich um und um rollte und krachend -in die Büsche flog.</p> - -<p>Mit einem gräßlichen Schrei raffte der Alte sich auf, -<a class="pagenum" id="page_153" title="153"> </a> -mit geschwungenem Stock ging er seinem Herrn zu Leibe, -und nun entspann sich zwischen den beiden Männern ein -Kampf wie zwischen zwei Bären.</p> - -<p>Den Stock hatte ihm der Baron beim ersten Anprall -entrissen, mit fletschenden Zähnen drang der Alte auf ihn -ein, mit beiden Händen hielt Eberhard ihn am Halse gepackt, -um ihn am Beißen zu verhindern. Und nun straffte -der Körper des Barons sich zu einer letzten ungeheuren Anstrengung -auf; mit einer Kraft, als wenn es gälte, einen -Baum aus der Erde zu reißen, schwenkte er den Alten von -rechts nach links und von links nach rechts, so daß er zu -taumeln begann und seine Füße den Halt verloren, dann -gab es einen schmetternden Krach, der Länge lang fiel der -Alte zur Erde und im selben Augenblick kniete Eberhard auf -seinem Rücken, ihm die Hände hinter dem Rücken zusammenpressend.</p> - -<p>Ein Gebrüll, das nichts Menschliches mehr hatte, ein -Geblöck, wie das eines wütigen Stieres, brach aus der Brust -des Alten; mit den Zähnen biß er in die Erde; bläulicher -Schaum stand auf seinen Lippen.</p> - -<p>In diesem Augenblick kamen mehrere Männer, die auf -den Feldern in der Nähe beschäftigt gewesen waren und die -furchtbaren Töne im Innern des Parks vernommen hatten, -eilend die Allee entlang.</p> - -<p>»Hierher, Leute, hierher!« rief Eberhard ihnen entgegen.</p> - -<p>Als sie aber den Baron auf dem Johann knieen sahen, -wurden sie stutzig und blieben stehen. Sie glaubten nicht -anders, als daß der Wahnsinnige seinen Wärter überwältigt -hatte. Was sollten sie thun?</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_154" title="154"> </a> -Jetzt trat Anna auf sie zu.</p> - -<p>»Helft dem Herrn Baron, lieben Leute, helft ihm!«</p> - -<p>Die Männer prallten zurück – die Frau Baronin? -Aber die Frau Baronin war ja tot?</p> - -<p>Anna begriff ihr Zaudern und Stutzen.</p> - -<p>»Es ist nicht wahr, was euch der Johann gesagt hat! -Ich bin nicht tot; der Johann ist wahnsinnig, nicht der -Baron, nicht der Baron!«</p> - -<p>Noch einen Augenblick standen die Männer wie besinnungslos; -ihre schweren Gehirne konnten einen so völligen -Umschwung aller Verhältnisse nicht so rasch fassen.</p> - -<p>Dann aber kamen sie im Sturm heran; im nächsten -Augenblick war der Alte von zehn kräftigen Händen gepackt, -weggerissen und unschädlich gemacht.</p> - -<p>»Bringt ihn ins Schloß,« gebot Eberhard von Fahrenwald, -noch atemlos, aber mit ruhiger Sicherheit in der -Stimme. »In die Stube unten, neben der Küche, mit -den Eisengittern vor dem Fenster. Heute nachmittag fahre -ich selbst mit ihm nach Breslau und bringe ihn ins Irrenhaus.«</p> - -<p>»Is gutt, gnädiger Herr Baron, is gutt,« kam es zur -Antwort. Wer so sprechen und befehlen konnte, war vernünftig, -das war ihnen klar.</p> - -<p>Die Männer zogen mit dem Wahnsinnigen ab; Anna -und der Baron blieben zurück; an der Stätte, die eben von -dem furchtbaren Lärm erfüllt gewesen war, trat eine tiefe -Stille ein. Annas Kraft war zu Ende; sie saß am Rande -des Wegs, hatte ihr Taschentuch hervorgezogen und weinte -still in ihr Tuch hinein.</p> - -<p>Ihr gegenüber, mit dem Rücken an einen Baum gelehnt, -<a class="pagenum" id="page_155" title="155"> </a> -stand Eberhard von Fahrenwald. Seine breite Brust arbeitete -noch von dem überstandenen Kampfe; seine Augen ruhten -stumm auf seiner Frau.</p> - -<p>So verging geraume Zeit. Dann erhob sie langsam -das Haupt und wandte es zu ihm herum. Er that einen -Schritt auf sie zu; es sah aus, als wollte er etwas sagen, -aber bevor er noch dazu gelangt war, sprang sie auf, breitete -die Arme aus und mit einem Schrei der Liebe flog sie an -seine Brust.</p> - -<p>»Umarme mich,« sagte sie, »ich will, daß die Arme -mich umfangen, die mich vom Tode gerettet haben!«</p> - -<p>Als sie das sagte, brachen auch ihm die Thränen aus -den Augen, unaufhaltsam, wie ein Strom. Ja – er hatte -sie zum Leben errettet; und sie wußte es und hatte es ihm -gesagt.</p> - -<p>Er drückte sie an sich, nicht mit der wilden Glut und -nicht mit der ängstlichen Scheu der früheren Tage, sondern -mit der Sicherheit der warmen bewußten Liebe.</p> - -<p>»Anna,« sagte er leise und innig; und er küßte ihr -Gesicht, das hingegeben zu ihm aufblickte.</p> - -<p>Dann legte er die Arme um sie, und sie schlugen den -Weg zum Schlosse ein.</p> - -<p>»Siehst du nun,« sagte er, »wie es mir ergangen ist; -dreißig Jahre bin ich alt geworden, und heute ist der erste -Tag, da ich lebe. Siehst du, es ist wunderbar, wie sich -einem das ganze Leben in einem Augenblick zusammendrängen -kann: solch ein Augenblick ist es für mich gewesen, als ich -den Alten zu Boden gekriegt hatte und auf ihm kniete. In -dem Augenblick – ich kann's mir nicht anders erklären – -ist der Bann gebrochen gewesen, der mich dreißig Jahre -<a class="pagenum" id="page_156" title="156"> </a> -lang gehalten hat. Der Alte, siehst du, war mir gewissermaßen -von meinem Vater vermacht; darum ist er von -meiner Kindheit an fortwährend um mich gewesen und ich -habe wie an etwas Unfehlbares an ihn geglaubt. Und weil -er sich vom ersten Tage an eingebildet hat, daß er zum -Wärter eines Wahnsinnigen bestellt wäre, so ist es ihm allmählich -zur fixen Idee geworden, daß ich wahnsinnig sei -und nichts andres sein dürfte.«</p> - -<p>Von der schrecklichen Vorstellung überwältigt, schwieg er. -Dann preßte er sie leise mit dem Arm.</p> - -<p>»Mir ist das alles in dem einen Augenblick klar geworden. -Kannst du es dir vorstellen?«</p> - -<p>An seine Schulter gelehnt, mit ihm dahinschreitend, -drückte Anna seine Hand.</p> - -<p>»Ja, vollkommen,« erwiderte sie, »das was sich in dir -geregt hat, war die Gesundheit, die sich wider die Krankheit -wehrte, die man ihr aufzwingen wollte. Du warst -vernünftig und bist bewacht worden von einem Wahnsinnigen. -Nun aber wollen wir leben!«</p> - -<p>Es war, als wenn ein frischer Lebensquell in ihr aufgesprungen -wäre; in der Stunde, da sie auf der Schwelle -des Todes gestanden und ihr Gatte sie ins Leben zurückgerissen -hatte, war sie zur Lebensgefährtin ihres Mannes -gereift.</p> - -<p>Sie betraten das Schloß.</p> - -<p>An den Wänden hingen die zerschmetterten Spiegel, -das Glas bedeckte noch jetzt den Fußboden, Annas Schlafgemach -stand noch in der Unordnung, in der es sich befunden -hatte, als sie damals das Schloß verließ – ein Bild -der Verwahrlosung und Verwüstung.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_157" title="157"> </a> -Anna blieb stehen und faßte ihren Gatten an beiden -Händen.</p> - -<p>»Eberhard,« sagte sie, »wir müssen zu einem Entschluß -kommen. Dein Vater hat dir den alten Diener vermacht; -er hat geglaubt, dir einen Segen damit zu bereiten – du -hast erfahren, was es gewesen ist. Siehst du, wie soll -ich's dir sagen, ich meine, man kann nur leben, wenn sein -Leben einem gehört; und dein Leben hat dir bis heute nicht -gehört. Du hast es wie ein Erbteil empfunden, das zur -Hälfte dir, zur andern Hälfte deinen Vorfahren gehörte. -Komm und laß uns überlegen, wie wir's anfangen, daß wir -nun wirklich unser eigenes Leben leben.«</p> - -<p>Er sah sie mit strahlenden Augen an.</p> - -<p>»Den Anfang dazu weiß ich,« versetzte er. »Diese -Ahnengalerie, die hier seit Jahrhunderten gehangen hat und -jetzt als eine Sammlung Abgeschiedener immer noch mitten -in unsren Wohnräumen hängt, lass' ich hinaufschaffen in -den oberen Stock. Da mögen sie hängen, als das, was sie -sind, als historische Reliquien. Denn die Erinnerung, scheint -mir, ist schließlich doch wie ein Leichnam im lebendigen Dasein, -und darum ist mir immer zu Mute gewesen, als lebte -ich fortwährend in der Gesellschaft von Toten.«</p> - -<p>»So ist's recht,« erwiderte sie, »und nun noch eins. -Wir können über die Erinnerung an jenen bewußten bösen -Abend nicht so hinweg, und wenn wir's mit Gewalt versuchen, -werden wir wieder krank. Du hast mich einmal -gefragt, ob wir eine Hochzeitreise machen wollten, ich -hab's damals nicht gewollt – nun schlag' ich dir vor, Eberhard, -wir wollen reisen, und wenn wir wiederkommen, -bringen wir die große weite Welt in unsren Seelen mit -<a class="pagenum" id="page_158" title="158"> </a> -und schließen uns nicht mehr, wie bisher, in unsrem Schlosse -ein, sondern denken und sorgen für die Menschen um uns -her – und wenn man für Menschen zu sorgen hat, behält -man keine Zeit, sich vor Gespenstern zu sorgen.«</p> - -<p>In tiefer Freude schloß er seine junge, kluge, mutige -Frau in die Arme.</p> - -<p>»Heute nachmittag,« sagte er, »fange ich mit meinen -Pflichten an, indem ich den Alten nach Breslau in die Anstalt -bringe, und morgen früh reisen wir in die Welt. -Reisen wir ganz allein?«</p> - -<p>»Nur eine soll uns begleiten,« erwiderte sie lächelnd, -»die gute treue Franzel.«</p> - -<p>Und so geschah es.</p> - -<p>Im August reiste der Freiherr von Fahrenwald mit -seiner Gattin ab, und als im Mai des nächsten Jahres der -Frühling wieder in das schlesische Paradies herabstieg, kamen -sie zum Schlosse Fahrenwald zurück.</p> - -<p>Heute stiegen sie nicht am Parkrande aus, heute fuhren -sie durch das Dorf, heute gingen sie nicht, einsam wie damals, -vor der Welt versteckt, durch den einsamen Park, -heute durchschritten sie, Hände schüttelnd, grüßend und -lächelnd, die Bewohnerschaft des Dorfes, die sich festlich gesammelt -hatte und, den Schulzen an der Spitze, die Herrschaft -bewillkommnete.</p> - -<p>Der Schritt des Barons war elastisch und frisch, der -der jungen Frau Baronin, die an seinem Arme hing, etwas -gehemmt, und auf ihrem freundlichen Gesichte lag eine leise -schamhafte Röte.</p> - -<p>»Nu sag mir, Franzel,« sagte am Abende nach der -Ankunft die alte Taglöhnersfrau, die in der Zwischenzeit -<a class="pagenum" id="page_159" title="159"> </a> -mit ihrem Manne die Obhut über das Schloß geführt hatte -und jetzt auf ihm als wohlbestallte Verwalterin eingesetzt -war, »nu sag mir. Mit unsrer Frau Baronin – hm?«</p> - -<p>Die Franzel nickte und kicherte, und was die beiden sich -mit halben Worten unter dem Siegel der Verschwiegenheit -anvertraut hatten, kam im Juni ans Licht, als in dem -Schlafgemache, zu dessen geöffneten Fenstern die Frühlingsluft -hereinströmte und der Sang der Vögel hereintönte, -unter dem blauseidenen Betthimmel ein reizender, rosiger, -kleiner Fahrenwald neben der blassen, glückseligen jungen -Mutter lag.</p> - -<p>»Daß du doch das Schenken nicht lassen kannst, du -Unverbesserlicher,« sagte sie lächelnd zu dem Manne, der -glücküberströmt neben ihr stand und soeben einen großen -köstlichen, mit einem Brillantenbande zusammengebundenen -Blumenstrauß auf ihr Bett gelegt hatte.</p> - -<p>»Seit einem Jahr das erste Mal wieder,« entgegnete -er, indem er sein Gesicht auf das ihrige niederbeugte und sie -mit tiefer Seligkeit auf Mund und Stirn und Augen küßte.</p> - -<p>Und wieder einige Zeit später, als der Sommer in -voller schwerer Wucht auf der Erde lag, vernahm der Mann, -der dort oben in seinem Bette eben vom Schlaf erwachte, -einen Ruf von unten, wie den Ruf der Lerche, die zum -Leben weckt. Aber es war nicht die Lerche und auch nicht -die Nachtigall, und als er ans Fenster stürzte, sah er im -Garten dort unten, zwischen den Blumenbeeten wandelnd, -seine Frau, seine Anna, die heute zum erstenmal ins Freie -gekommen war.</p> - -<p>Das Kindermädchen ging hinter ihr, den Kleinen im -Kissen tragend; und als am Fenster droben das Gesicht des -<a class="pagenum" id="page_160" title="160"> </a> -Vaters erschien, nahm Anna das Kind in ihre Arme. Nicht -mit dem Taschentuche wehte sie heute, heute winkte sie mit -dem Kinde: »Komm herunter, Eberhard, hier unten ist's -wundervoll.«</p> - -<p>Und er kam, wie ein Sturmwind kam er hinunter zu -Mutter und Kind, und es war, wie sie gesagt hatte – wundervoll -– wundervoll.</p> - - -<p class="ce ge mt2">Ende.</p> - - - - -<h2><span class="ss">ENGELHORNS</span><br /> -<i>Allgemeine</i><br /> -<i><b>Romanbibliothek</b></i>.</h2> - - -<p class="ce fsl">Eine Auswahl -der besten modernen Romane aller Völker.</p> - -<p class="ce">Alle vierzehn Tage erscheint ein Band.</p> - -<p class="ce fsl">Preis pro Band 50 Pf. Elegant in Leinwand geb. 75 Pf.</p> - - -<p class="mt1">Als vor nunmehr zehn Jahren unsre roten Bände ihren -ersten Flug in die Welt wagten, begegneten sie manchen Zweifeln, -ob ihr Prinzip <b>billig und gut</b> ihnen Bahn zu brechen im stande -sein werde.</p> - -<p>Bald aber zeigte es sich, daß der Gedanke, dem deutschen Volke -die besten Erzeugnisse der Romanlitteratur aller Nationen zu -einem beispiellos billigen Preise bei guter und geschmackvoller -Ausstattung und in handlicher Form zu bieten, nicht nur lebensfähig, -sondern geradezu zündend war.</p> - -<p>Seither hat sich unser Unternehmen mehr und mehr eingebürgert, -und auf Schritt und Tritt begegnet man den schmucken -Bänden, die sowohl am häuslichen Herd, als auch auf der Reise -und im Bade zum unentbehrlichen Freund und Begleiter geworden -sind.</p> - -<p>Der bisher erzielte Erfolg ist uns nicht nur ein Sporn geworden, -sondern macht es uns auch möglich, nicht stillzustehen, -vielmehr rüstig auf der betretenen Bahn weiterzuschreiten. Mit -wachsamem Auge verfolgen wir die Romanproduktion, und kein -Opfer soll uns zu groß sein, wenn es gilt, ein hervorragendes -Werk für unsre Sammlung zu erwerben.</p> - -<p>Die bisher erschienenen, in dem nachfolgenden Verzeichnis aufgeführten -Romane können fortwährend durch jede Buchhandlung -zum Preise von <b>50 Pf.</b> für den broschierten und <b>75 Pf.</b> für den -gebundenen Band bezogen werden.</p> - - -<div class="mw48"> - -<p class="fsl ge ce mt2 nopb">Erster Jahrgang.</p> - -<p class="ad"><b>Der Hüttenbesitzer.</b> Von <span class="sb">Georges -Ohnet</span>. Aus dem Französ. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Aus Nacht zum Licht.</b> Von <span class="sb">Hugh -Conway</span>. Aus dem Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Zéro.</b> Eine Geschichte aus Monte Carlo. -Von Mrs. <span class="sb">Praed</span>. Aus dem Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Wassilissa.</b> Von <span class="sb">Henry Gréville</span>. -Aus dem Französischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Vornehme Gesellschaft.</b> Von <span class="sb">H. Aïdé</span>. -Aus dem Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Gräfin Sarah.</b> Von <span class="sb">G. Ohnet</span>. Aus -dem Französischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Unter der roten Fahne.</b> Von Miß -<span class="sb">M. E. Braddon</span>. Aus d. Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Abbé Constantin.</b> Von <span class="sb">L. Halévy</span>. -Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Ihr Gatte.</b> Von <span class="sb">G. Verga</span>. Aus dem -Italienischen.</p> - -<p class="ad"><b>Ein gefährliches Geheimnis.</b> Von -<span class="sb">Charles Reade</span>. Aus d. Engl. 2 Bde.</p> - -<p class="ad"><b>Gérards Heirat.</b> Von <span class="sb">André Theuriet</span>. -Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Dosia.</b> Von <span class="sb">Henry Gréville</span>. Aus -dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Ein heroisches Weib.</b> Von <span class="sb">J. I. Kraszewski</span>. -Aus dem Polnischen.</p> - -<p class="ad"><b>Eheglück.</b> Von <span class="sb">W. E. Norris</span>. Aus -dem Englischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Schiffer Worse.</b> Von <span class="sb">Alex. Kielland</span>. -Aus dem Norwegischen.</p> - -<p class="ad"><b>Ein Ideal.</b> Von <span class="sb">Marchesa Colombi</span>. -Aus dem Italienischen.</p> - -<p class="ad"><b>Dunkle Tage.</b> Von <span class="sb">Hugh Conway</span>. -Aus dem Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Novellen</b> von <span class="sb">Hjalmar Hjorth Boyesen</span>. -<span class="ge">Glitzer-Brita.</span> – <span class="ge">Einer, -der seinen Namen verlor.</span> Deutsch -von <span class="ge">Friedrich Spielhagen</span>. – <span class="ge">Ein -Ritter vom Danebrog.</span> Aus dem -Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Die Heimkehr der Prinzessin.</b> Von -<span class="sb">Jacques Vincent</span>. Aus d. Französ.</p> - -<p class="ad"><b>Ein Mutterherz.</b> Von <span class="sb">A. Delpit</span>. -Aus dem Französischen. 2 Bände.</p> - - -<p class="fsl ge ce mt2 nopb">Zweiter Jahrgang.</p> - -<p class="ad"><b>Der Steinbruch.</b> Von <span class="sb">G. Ohnet</span>. Aus -dem Französischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Helene Jung.</b> Von <span class="sb">Paul Lindau</span>.</p> - -<p class="ad"><b>Maruja.</b> Von <span class="sb">Bret Harte</span>. Aus dem -Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Die Sozialisten.</b> Aus dem Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Criquette.</b> Von <span class="sb">L. Halévy</span>. Aus dem -Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Der Wille zum Leben. – Untrennbar.</b> -Von <span class="sb">Adolf Wilbrandt</span>.</p> - -<p class="ad"><b>Die Illusionen des Doktor Faustino.</b> -Von <span class="sb">Valera</span>. Aus d. Span.</p> - -<p class="ad"><b>Zu fein gesponnen.</b> Von <span class="sb">B. L. Farjeon</span>. -Aus dem Englischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Gift.</b> Von <span class="sb">Alexander Kielland</span>. Aus -dem Norwegischen.</p> - -<p class="ad"><b>Fortuna.</b> Von <span class="sb">Alexander Kielland</span>. -Aus dem Norwegischen.</p> - -<p class="ad"><b>Lise Fleuron.</b> Von <span class="sb">G. Ohnet</span>. Aus -dem Französischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Aus des Meeres Schaum. – Aus -den Saiten einer Baßgeige.</b> Von -<span class="sb">Salvatore Farina</span>. Aus dem Italienischen.</p> - -<p class="ad"><b>Auf der Woge des Glücks.</b> Von -<span class="sb">Bernhard Frey</span>. (<span class="ge">M. Bernhard.</span>)</p> - -<p class="ad"><b>Die hübsche Miß Neville.</b> Von <span class="sb">B. M. Croker</span>. -Aus dem Engl. 2 Bde.</p> - -<p class="ad"><b>Die Verstorbene.</b> Von <span class="sb">Octave -Feuillet</span>. Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Mein erstes Abenteuer und andere -Geschichten.</b> Von <span class="sb">Hans Hopfen</span>.</p> - -<p class="ad"><b>Ihr ärgster Feind.</b> Von Mrs. <span class="sb">Alexander</span>. -Aus d. Englischen. 2 Bde.</p> - -<p class="ad"><b>Ein Fürstensohn. – Zerline.</b> Von -<span class="sb">Claire von Glümer</span>.</p> - -<p class="ad"><b>Von der Grenze.</b> Novellen von <span class="sb">Bret -Harte</span>. Aus dem Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Eine Familiengeschichte.</b> Von <span class="sb">Hugh -Conway</span>. Aus d. Englischen. 2 Bde.</p> - - -<p class="fsl ge ce mt2 nopb">Dritter Jahrgang.</p> - -<p class="ad"><b>Die Versaillerin.</b> Von <span class="sb">Ernst Remin</span>. -2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>In Acht und Bann.</b> Von Miß <span class="sb">M. E. Braddon</span>. -Aus dem Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Die Tochter des Meeres.</b> Von -<span class="sb">Johanne Schjörring</span>. Aus dem -Dänischen.</p> - -<p class="ad"><b>Lieutenant Bonnet.</b> Von <span class="sb">Hector -Malot</span>. Aus d. Französ. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Pariser Ehen.</b> Von <span class="sb">E. About</span>. Aus -dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Hanna Warners Herz.</b> Von <span class="sb">Florence -Marryat</span>. Aus d. Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Eine Tochter der Philister.</b> Von -<span class="sb">Hjalmar Hjorth Boyesen</span>. Aus -dem Englischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Savelis Büßung.</b> Von <span class="sb">Henry Gréville</span>. -Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Die Damen von Croix-Mort.</b> Von -<span class="sb">Georges Ohnet</span>. Aus d. Französ. -2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Die Glocken von Plurs.</b> Von <span class="sb">Ernst -Pasqué</span>.</p> - -<p class="ad"><b>Fromont junior und Risler senior.</b> -Von <span class="sb">Alphonse Daudet</span>. Aus dem -Französischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Der Genius und sein Erbe.</b> Von -<span class="sb">Hans Hopfen</span>.</p> - -<p class="ad"><b>Ein einfach Herz.</b> Von <span class="sb">Charles -Reade</span>. Aus dem Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Baccarat.</b> Von <span class="sb">Hector Malot</span>. Aus -dem Französischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Mein Freund Jim.</b> Von <span class="sb">W. E. Norris</span>. -Aus dem Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Hanna.</b> Von <span class="sb">Heinr. Sienkiewicz</span>. -Aus dem Polnischen.</p> - -<p class="ad"><b>Das beste Teil.</b> Von <span class="sb">Léon de Tinseau</span>. -Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Lebend oder tot.</b> Von <span class="sb">Hugh Conway</span>. -Aus dem Englischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Die Familie Monach.</b> Von <span class="sb">Robert -de Bonnières</span>. Aus dem Französ.</p> - - -<p class="fsl ge ce mt2 nopb">Vierter Jahrgang.</p> - -<p class="ad"><b>Eine neue Judith.</b> Von <span class="sb">H. Rider -Haggard</span>. Aus d. Englischen. 2 Bde.</p> - -<p class="ad"><b>Schwarz und Rosig.</b> Von <span class="sb">Georges -Ohnet</span>. Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Das Tagebuch einer Frau.</b> Von -<span class="sb">Octave Feuillet</span>. Aus dem Französ.</p> - -<p class="ad"><b>Jahre des Gärens.</b> Von <span class="sb">Ernst Remin</span>. -2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Gute Kameraden.</b> Von <span class="sb">H. Lafontaine</span>. -Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Die Töchter des Commandeurs.</b> -Von <span class="sb">Jonas Lie</span>. Aus dem Norweg.</p> - -<p class="ad"><b>Zita.</b> Von <span class="sb">Hector Malot</span>. Aus dem -Französischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Die Erbschaft Xenias.</b> Von <span class="sb">Henry -Gréville</span>. Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Kinder des Südens.</b> Von <span class="sb">Rich. Voß</span>.</p> - -<p class="ad"><b>Daniele Cortis.</b> Von <span class="sb">A. Fogazzaro</span>. -Aus dem Italienischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Die Herz-Neune.</b> Von <span class="sb">B. L. Farjeon</span>. -Aus dem Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Sie will.</b> Von <span class="sb">Georges Ohnet</span>. Aus -dem Französischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Die Kinder der Excellenz.</b> Von <span class="sb">Ernst -v. Wolzogen</span>.</p> - -<p class="ad"><b>Um den Glanz des Ruhmes.</b> Von -<span class="sb">Salvatore Farina</span>. Aus dem Ital.</p> - -<p class="ad"><b>Der Nabob.</b> Von <span class="sb">Alphonse Daudet</span>. -Aus dem Französischen. 3 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Der kleine Lord.</b> Von <span class="sb">F. H. Burnett</span>. -Aus dem Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Der Prozeß Froideville.</b> Von <span class="sb">André -Theuriet</span>. Aus d. Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Stella.</b> Von Miß <span class="sb">M. E. Braddon</span>. -Aus dem Englischen. 2 Bände.</p> - - -<p class="fsl ge ce mt2 nopb">Fünfter Jahrgang.</p> - -<p class="ad"><b>Robert Leichtfuß.</b> Von <span class="sb">Hans Hopfen</span>. -2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Der Unsterbliche.</b> Von <span class="sb">Alphonse -Daudet</span>. Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Lady Dorotheas Gäste.</b> Von <span class="sb">Ouida</span>. -Aus dem Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Marchesa d'Arcello.</b> Von <span class="sb">Memini</span>. -Aus dem Italienischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Was der heilige Joseph vermag.</b> -Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Alessa. – Keine Illusionen.</b> Von -<span class="sb">Claire von Glümer</span>.</p> - -<p class="ad"><b>Wie in einem Spiegel.</b> Von <span class="sb">F. C. Philips</span>. -Aus d. Englischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Schnee.</b> Von <span class="sb">Alexander Kielland</span>. -Aus dem Norwegischen.</p> - -<p class="ad"><b>Jean Mornas.</b> Von <span class="sb">Jules Claretie</span>. -Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Auf der Fährte.</b> Von <span class="sb">H. F. Wood</span>. -Aus dem Englischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Satisfaction. – Das zersprungene -Glück. – La Speranza.</b> Von <span class="sb">Alexander -Baron von Roberts</span>.</p> - -<p class="ad"><b>Die Scheinheilige.</b> Von <span class="sb">Karoline -Gravière</span>. Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Doktor Rameau.</b> Von <span class="sb">Georges -Ohnet</span>. Aus dem Französ. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Frau Regine.</b> Von <span class="sb">Emil Peschkau</span>.</p> - -<p class="ad"><b>Zwei Brüder.</b> Von <span class="sb">Guy de Maupassant</span>. -Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Mein Sohn.</b> Von <span class="sb">Salvatore Farina</span>. -Aus dem Italienischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Dosias Tochter.</b> Von <span class="sb">Henry Gréville</span>. -Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Der Lotse und sein Weib.</b> Von -<span class="sb">Jonas Lie</span>. Aus dem Norwegischen.</p> - -<p class="ad"><b>Numa Roumestan.</b> Von <span class="sb">Alphonse -Daudet</span>. Aus dem Französischen. -2 Bände.</p> - - -<p class="fsl ge ce mt2 nopb">Sechster Jahrgang.</p> - -<p class="ad"><b>Die tolle Komteß.</b> Von <span class="sb">Ernst v. Wolzogen</span>. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Eine Sirene.</b> Von <span class="sb">Léon de Tinseau</span>. -Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Jack und seine drei Flammen.</b> Von -<span class="sb">F. C. Philips</span>. Aus dem Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Mr. Barnes von New-York.</b> Von -<span class="sb">A. C. Gunter</span>. Aus d. Engl. 2 Bde.</p> - -<p class="ad"><b>Gertruds Geheimnis.</b> Von <span class="sb">André -Theuriet</span>. Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Wunderbare Gaben</b> und andere Geschichten. -Von <span class="sb">Hugh Conway</span>. Aus -dem Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Letzte Liebe.</b> Von <span class="sb">Georges Ohnet</span>. -Aus dem Französischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Die Sabinerin. – Felice Leste. – -Die Mutter der Catonen.</b> Von -<span class="sb">Richard Voß</span>.</p> - -<p class="ad"><b>Mia.</b> Von <span class="sb">Memini</span>. Aus dem Italienischen.</p> - -<p class="ad"><b>Diana Barrington.</b> Von <span class="sb">B. M. Croker</span>. -Aus d. Englischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Der reine Thor.</b> Von <span class="sb">Karl v. Heigel</span>.</p> - -<p class="ad"><b>Ein Kirchenraub. – Junge Liebe.</b> -Von <span class="sb">H. Pontoppidan</span>. Aus dem -Dänischen.</p> - -<p class="ad"><b>Die Könige im Exil.</b> Von <span class="sb">Alphonse -Daudet</span>. Aus d. Französ. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Die verhängnisvolle Phryne.</b> Von -<span class="sb">F. C. Philips</span> u. <span class="sb">C. J. Wils</span>. Aus -dem Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Sergius Panin.</b> Von <span class="sb">Georges Ohnet</span>. -Aus d. Französischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Achtung Schildwache!</b> und andere -Geschichten. Von <span class="sb">Mathilde Serao</span>. -Aus dem Italienischen.</p> - -<p class="ad"><b>Salonidylle.</b> Von <span class="sb">H. Rabusson</span>. Aus -dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Mr. Potter aus Texas.</b> Von <span class="sb">A. C. Gunter</span>. -Aus dem Engl. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Ein gefährliches Werkzeug.</b> Von -<span class="sb">D. C.</span> u. <span class="sb">H. Muray</span>. Aus d. Engl.</p> - - -<p class="fsl ge ce mt2 nopb">Siebenter Jahrgang.</p> - -<p class="ad"><b>Preisgekrönt.</b> Von <span class="sb">Alexander Baron -von Roberts</span>. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Die Seele Pierres.</b> Von <span class="sb">Georges -Ohnet</span>. Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Zum Kinderparadies.</b> Von <span class="sb">André -Theuriet</span>. Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Imogen.</b> Von <span class="sb">Hamilton Aïdé</span>. Aus -dem Englischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Port Tarascon.</b> Von <span class="sb">Alphonse -Daudet</span>. Aus dem Fanzösischen.</p> - -<p class="ad"><b>Ein Mann von Bedeutung.</b> Von -<span class="sb">Anthony Hope</span>. Aus d. Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Ohne Liebe.</b> Von <span class="sb">Fürst Galitzin</span>. -Aus dem Russischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Die Erbin.</b> Von <span class="sb">W. E. Norris</span>. Aus -dem Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Die kühle Blonde.</b> Von <span class="sb">Ernst v. Wolzogen</span>. -2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Mein Pfarrer u. mein Onkel.</b> Von -<span class="sb">Jean de la Brète</span>. Aus d. Französ.</p> - -<p class="ad"><b>Der Mönch von Berchtesgaden</b> und -andere Erzählungen. Von <span class="sb">Rich. Voß</span>.</p> - -<p class="ad"><b>Oberst Quaritch.</b> Von <span class="sb">H. Rider -Haggard</span>. Aus dem Engl. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Noras Roman.</b> Von <span class="sb">Emil Peschkau</span>.</p> - -<p class="ad"><b>Auf Vorposten</b> und andere Geschichten. -Von <span class="sb">F. de Renzis</span>. Aus dem Italienischen.</p> - -<p class="ad"><b>Versiegelte Lippen.</b> Von <span class="sb">Léon de -Tinseau</span>. Aus d. Französ. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Aus den Papieren eines Wanderers.</b> -Von <span class="sb">Jeffery C. Jeffery</span>. Aus -dem Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Mein Onkel Scipio.</b> Von <span class="sb">André -Theuriet</span>. Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Wie's im Leben geht.</b> Von <span class="sb">A. Delpit</span>. -Aus dem Französischen. 2 Bde.</p> - -<p class="ad"><b>Verhängnis.</b> Von <span class="sb">F. de Renzis</span>. Aus -dem Italienischen.</p> - - -<p class="fsl ge ce mt2 nopb">Achter Jahrgang.</p> - -<p class="ad"><b>Irgend ein Anderer.</b> Von <span class="sb">B. M. Croker</span>. -Aus d. Englischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Fräulein Reseda. – Ein Mann der -Erfolge.</b> Von <span class="sb">Julien Gordon</span>. -Aus dem Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Künstlerehre.</b> Von <span class="sb">Octave Feuillet</span>. -Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>In frischem Wasser.</b> Von <span class="sb">Helene -Böhlau</span>. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Die geprellten Verschwörer.</b> Von -<span class="sb">W. E. Norris</span>. Aus dem Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Daphne.</b> Nach <span class="ss">A Diplomat's Diary</span> -von <span class="sb">Julien Gordon</span>, deutsch bearb. -von <span class="ge">Friedrich Spielhagen</span>.</p> - -<p class="ad"><b>Ein Genie der That.</b> Von <span class="sb">Ernst -Remin</span>. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Mischa.</b> Von <span class="sb">Maguerite Poradowska</span>. -Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Der Thronfolger.</b> Von <span class="sb">Ernst von -Wolzogen</span>. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Im Reisfeld. – Ohne Liebe.</b> Von -<span class="sb">Marchesa Colombi</span>. Aus d. Ital.</p> - -<p class="ad"><b>Eine Künstlerin.</b> Von <span class="sb">Jeanne Mairet</span>. -Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Miß Niemand.</b> Von <span class="sb">A. C. Gunter</span>. -Aus dem Englischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Marienkind.</b> Von <span class="sb">Paul Heyse</span>.</p> - -<p class="ad"><b>Schwarzwaldgeschichten.</b> Von <span class="sb">Hermine -Villinger</span>.</p> - -<p class="ad"><b>Jack.</b> Von <span class="sb">Alphonse Daudet</span>. Aus -dem Französischen. 3 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Der schwarze Koffer.</b> Aus dem Engl.</p> - -<p class="ad"><b>Der Affenmaler.</b> Von <span class="sb">Jeanne Mairet</span>. -Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Schwer geprüft.</b> Von <span class="sb">J. Masterman</span>. -Aus dem Englischen. 2 Bände.</p> - - -<p class="fsl ge ce mt2 nopb">Neunter Jahrgang.</p> - -<p class="ad"><b>Im Schuldbuch des Hasses.</b> Von -<span class="sb">Georges Ohnet</span>. Aus d. Französ. -2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Meine offizielle Frau.</b> Von <span class="sb">Col. Richard -Henry Savage</span>. Aus d. Engl.</p> - -<p class="ad"><b>Sein Genius.</b> Von <span class="sb">Claus Zehren</span>.</p> - -<p class="ad"><b>Ein Zugvogel.</b> Von <span class="sb">B. M. Croker</span>. -Aus dem Englischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Violette Merian.</b> Von <span class="sb">Augustin -Filon</span>. Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Fräulein Kapitän.</b> Eine Eismeergeschichte -von <span class="sb">Max Lay</span>.</p> - -<p class="ad"><b>Ein puritanischer Heide.</b> Von <span class="sb">Julien -Gordon</span>. 2 Bde. Aus d. Engl.</p> - -<p class="ad"><b>Das Stück Brot und andere Geschichten.</b> -Von <span class="sb">François Coppée</span>. -Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>In der Prairie verlassen.</b> Von <span class="sb">Bret -Harte</span>. Aus dem Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Zwischen Lipp' und Kelchesrand.</b> -Von <span class="sb">Charles de Berkeley</span>. Aus -dem Französischen. 2 Bände.</p> - -<p class="ad"><b>Mein erster Klient und andere Geschichten.</b> -Von <span class="sb">Hugh Conway</span>. -Aus dem Englischen.</p> - -<p class="ad"><b>Auf steinigen Pfaden.</b> Von <span class="sb">Léon de -Tinseau</span>. Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Heimatlos.</b> Von <span class="sb">Hector Malot</span>. -3 Bände. Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Baronin Müller.</b> Von <span class="sb">Karl von -Heigel</span>.</p> - -<p class="ad"><b>In guter Hut.</b> Von <span class="sb">Jeanne Mairet</span>. -Aus dem Französischen.</p> - -<p class="ad"><b>Das Kind.</b> Von <span class="sb">Ernst Eckstein</span>.</p> - -<p class="ad"><b>Das Haus am Moor.</b> Von <span class="sb">Florence -Warden</span>. Aus d. Englischen. 2 Bde.</p> - -<p class="ad"><b>Giovannino oder den Tod! – -Dreißig Prozent.</b> Von <span class="sb">Mathilde -Serao</span>. Aus dem Italienischen.</p> - -<p class="ad"><b>Des Seemanns Tagebuch.</b> Von <span class="sb">Gustave -Toudouze</span>. Aus d. Französ.</p> - - -<p class="fsl ge ce mt2 nopb">Zehnter Jahrgang.</p> - -<p class="ad nopb"><b>Das Geheimnis des Hauslehrers.</b> -Von <span class="sb">Victor Cherbuliez</span>. 2 Bände.</p> - -<p class="ad">Ein wirklich herzerfreuendes Buch ist es, -das der beliebte Erzähler hier darbietet; -ein Kunstwerk, bezaubernd in Form und -Inhalt. Zwei reizvolle Vertreterinnen der -heutigen Jugend hat er erwählt, und mit -Geist und Grazie weiß er sie zu schildern.</p> - -<p class="ad mt1 nopb"><b>Das wandernde Licht.</b> Von <span class="sb">Ernst -v. Wildenbruch</span>.</p> - -<p class="ad">Diese Novelle des berühmten Dichters ist -das durchaus ungewöhnliche Werk eines -selbständigen Geistes, voll Leben und dramatischer -Kraft.</p> - -</div> - -<hr /> - -<p class="mt2">Die nachstehenden Romane sind auch in einer <b>zu Geschenken ganz besonders -geeigneten</b></p> - -<p class="ce mt0"><span class="ss fsxl">Salon-Ausgabe</span></p> - -<p class="in0 mt0">auf <b>feines, extra starkes Papier</b> gedruckt und in <b>elegantem Liebhaber-Einband</b> -zum Preise von <b>M. 2.– für den einfachen und M. 3.– für den doppelten -Band</b> erschienen.</p> - - -<div class="mw20"> - -<p class="ci mt1 ce nopb">Einfache Bände:</p> - -<p class="in0"><span class="sb">Burnett</span>, <b>Der kleine Lord</b>.<br /> -<span class="sb">Feuillet</span>, <b>Das Tagebuch einer Frau</b>.<br /> -<span class="sb">Paul Lindau</span>, <b>Helene Jung</b>.<br /> -<span class="sb">Voß</span>, <b>Kinder des Südens</b>.<br /> -<b>Was der heilige Joseph vermag</b>.<br /> -<span class="sb">v. Wolzogen</span>, <b>Die Kinder der Excellenz</b>.</p> - - -<p class="ci mt1 ce nopb">Doppel-Bände:</p> - -<p class="in0"><span class="sb">Conway</span>, <b>Eine Familiengeschichte</b>.<br /> -<span class="sb">Croker</span>, <b>Die hübsche Miß Neville</b>.<br /> -<span class="sb">Hopfen</span>, <b>Robert Leichtfuß</b>.<br /> -<span class="sb">Ohnet</span>, <b>Der Hüttenbesitzer</b>.<br /> -<span class="sb">v. Wolzogen</span>, <b>Der Thronfolger</b>.<br /> -<span class="sb">   "   </span><b>Die tolle Komteß</b>.</p> - -</div> - -<p> </p> -<p> </p> -<hr /> - - -<h2>Hinweise zur Transkription</h2> - - -<p class="in0">Das Originalbuch ist in Frakturschrift gedruckt.</p> - -<p class="in0">Darstellung abweichender Schriftarten:</p> - -<p class="ci"><span class="ge">gesperrt</span> – <i>kursiv</i> – <b>fett</b> – <span class="ss">Antiqua</span> – <span class="sb">Schwabacher</span></p> - -<p class="in0">Die Verlagsreklame wurde am Buchende zusammengefasst.</p> - -<p class="in0">Der Text des Originalbuches wurde grundsätzlich beibehalten, -einschließlich uneinheitlicher Schreibweisen wie beispielsweise -"Schooß" – "Schoß",</p> - -<p class="in0">mit folgenden Ausnahmen,</p> - -<p class="ci">Seite <a class="nd" href="#page_022">22</a>:<br /> -"." eingefügt<br /> -(Erstaunt, beinahe erschreckt, blickte sie auf.)</p> - -<p class="ci">Seite <a class="nd" href="#page_042">42</a>:<br /> -"," eingefügt"<br /> -(»Ich hatte geglaubt,« sagte er langsam)</p> - -<p class="ci">Seite <a class="nd" href="#page_068">68</a>:<br /> -"," geändert in "."<br /> -(Stumm drückte sie ihm die Hand.)</p> - -<p class="ci">Seite <a class="nd" href="#page_072">72</a>:<br /> -"," eingefügt<br /> -(fuhr er fort, »weil ich sah)</p> - -<p class="ci">Seite <a class="nd" href="#page_090">90</a>:<br /> -"«" entfernt hinter "Vermögen?"<br /> -(Ja, wo war denn ihr eigenes Vermögen?)</p> - -<p class="ci">Seite <a class="nd" href="#page_099">99</a>:<br /> -"," geändert in "."<br /> -(ihre Kniee aneinander, als wollte er sie zermalmen.)</p> - -<p class="ci">Seite <a class="nd" href="#page_109">109</a>:<br /> -"," eingefügt hinter "trug"<br /> -(eines der braunsamtnen Pantöffelchen, die sie trug, vom Fuße)</p> - -<p class="ci">Seite <a class="nd" href="#page_123">123</a>:<br /> -"Entsetz-ichen" geändert in "Entsetzlichen"<br /> -(von all dem Dunklen, Entsetzlichen!)</p> - -<p class="ci">Seite <a class="nd" href="#page_127">127</a>:<br /> -"," eingefügt"<br /> -(»Bist du's, Eberhard?« fragte sie schläfrig.)</p> - -<p class="ci">Seite <a class="nd" href="#page_130">130</a>:<br /> -"«" eingefügt<br /> -(»Aber Eberhard – was machst du denn?«)</p> - -<p class="ci">Seite <a class="nd" href="#page_134">134</a>:<br /> -"," eingefügt<br /> -(»Hilf mir!« seufzte sie, »hilf mir!«)</p> - -<p class="ci">Seite <a class="nd" href="#page_141">141</a>:<br /> -"," geändert in "."<br /> -(und in zwei bammelnden Enden über seinen Arm hing.)</p> - -<p class="ci">Seite <a class="nd" href="#page_155">155</a>:<br /> -"»" entfernt vor "dreißig"<br /> -(ergangen ist; dreißig Jahre bin ich alt geworden)</p> - -<p class="ci">im Reklameteil:<br /> -"Fortsetzung siehe am Schluß dieses Bandes." wurde entfernt</p> - -<p> </p> -<p> </p> -<hr class="full" /> -<p>***END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS WANDERNDE LICHT***</p> -<p>******* This file should be named 55580-h.htm or 55580-h.zip *******</p> -<p>This and all associated files of various formats will be found in:<br /> -<a href="http://www.gutenberg.org/dirs/5/5/5/8/55580">http://www.gutenberg.org/5/5/5/8/55580</a></p> -<p> -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed.</p> - -<p>Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part -of this license, apply to copying and distributing Project -Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm -concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, -and may not be used if you charge for the eBooks, unless you receive -specific permission. If you do not charge anything for copies of this -eBook, complying with the rules is very easy. You may use this eBook -for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, -performances and research. They may be modified and printed and given -away--you may do practically ANYTHING in the United States with eBooks -not protected by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the -trademark license, especially commercial redistribution. -</p> - -<h2 class="pg">START: FULL LICENSE<br /> -<br /> -THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE<br /> -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK</h2> - -<p>To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase "Project -Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full -Project Gutenberg-tm License available with this file or online at -www.gutenberg.org/license.</p> - -<h3>Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project -Gutenberg-tm electronic works</h3> - -<p>1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all -the terms of this agreement, you must cease using and return or -destroy all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your -possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a -Project Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound -by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the -person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph -1.E.8.</p> - -<p>1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be -used on or associated in any way with an electronic work by people who -agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few -things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works -even without complying with the full terms of this agreement. See -paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project -Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this -agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm -electronic works. See paragraph 1.E below.</p> - -<p>1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the -Foundation" or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection -of Project Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual -works in the collection are in the public domain in the United -States. If an individual work is unprotected by copyright law in the -United States and you are located in the United States, we do not -claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, -displaying or creating derivative works based on the work as long as -all references to Project Gutenberg are removed. 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The Foundation makes no -representations concerning the copyright status of any work in any -country outside the United States.</p> - -<p>1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg:</p> - -<p>1.E.1. The following sentence, with active links to, or other -immediate access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear -prominently whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work -on which the phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the -phrase "Project Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, -performed, viewed, copied or distributed:</p> - -<blockquote><p>This eBook is for the use of anyone anywhere in the United - States and most other parts of the world at no cost and with almost - no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use - it under the terms of the Project Gutenberg License included with - this eBook or online - at <a href="http://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. 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You may convert to and distribute this work in any binary, -compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including -any word processing or hypertext form. However, if you provide access -to or distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format -other than "Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official -version posted on the official Project Gutenberg-tm web site -(www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense -to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means -of obtaining a copy upon request, of the work in its original "Plain -Vanilla ASCII" or other form. Any alternate format must include the -full Project Gutenberg-tm License as specified in paragraph 1.E.1.</p> - -<p>1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, -performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works -unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9.</p> - -<p>1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing -access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works -provided that</p> - -<ul> -<li>You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from - the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method - you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed - to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he has - agreed to donate royalties under this paragraph to the Project - Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid - within 60 days following each date on which you prepare (or are - legally required to prepare) your periodic tax returns. 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Contact the Foundation as set forth in Section 3 below.</p> - -<p>1.F.</p> - -<p>1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable -effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread -works not protected by U.S. copyright law in creating the Project -Gutenberg-tm collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm -electronic works, and the medium on which they may be stored, may -contain "Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate -or corrupt data, transcription errors, a copyright or other -intellectual property infringement, a defective or damaged disk or -other medium, a computer virus, or computer codes that damage or -cannot be read by your equipment.</p> - -<p>1.F.2. 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INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the -trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone -providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in -accordance with this agreement, and any volunteers associated with the -production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm -electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, -including legal fees, that arise directly or indirectly from any of -the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this -or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or -additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any -Defect you cause. </p> - -<h3>Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm</h3> - -<p>Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of -electronic works in formats readable by the widest variety of -computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It -exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations -from people in all walks of life.</p> - -<p>Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's -goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg-tm and future -generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see -Sections 3 and 4 and the Foundation information page at -www.gutenberg.org.</p> - -<h3>Section 3. Information about the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation</h3> - -<p>The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by -U.S. federal laws and your state's laws.</p> - -<p>The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the -mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its -volunteers and employees are scattered throughout numerous -locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt -Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to -date contact information can be found at the Foundation's web site and -official page at www.gutenberg.org/contact</p> - -<p>For additional contact information:</p> - -<p> Dr. Gregory B. Newby<br /> - Chief Executive and Director<br /> - gbnewby@pglaf.org</p> - -<h3>Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation</h3> - -<p>Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS.</p> - -<p>The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To SEND -DONATIONS or determine the status of compliance for any particular -state visit <a href="http://www.gutenberg.org/donate">www.gutenberg.org/donate</a>.</p> - -<p>While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate.</p> - -<p>International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.</p> - -<p>Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation -methods and addresses. Donations are accepted in a number of other -ways including checks, online payments and credit card donations. To -donate, please visit: www.gutenberg.org/donate</p> - -<h3>Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works.</h3> - -<p>Professor Michael S. Hart was the originator of the Project -Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be -freely shared with anyone. For forty years, he produced and -distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of -volunteer support.</p> - -<p>Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in -the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not -necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper -edition.</p> - -<p>Most people start at our Web site which has the main PG search -facility: www.gutenberg.org</p> - -<p>This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.</p> - -</body> -</html> - diff --git a/old/55580-h/images/cover.jpg b/old/55580-h/images/cover.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index f6f39a4..0000000 --- a/old/55580-h/images/cover.jpg +++ /dev/null |
